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NoDatsschrift
GEBURTSKÜNDE'
und
Frauenkrankheiten.
Im Verein mit der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin
Dr. C'V. :FrCre4ii
Hpfrath, ord. Prof. and Direktor d«r EntbWduiig« - AniUlt In Leipsig «tc.
Dr. C. Hecker,
' Itofmlk , ord. Prof. and Dlr«etor flisr £)itbindangi - Anitolt in ^ittnehen, Bitter «te.
Dr. Bd. Mutfai,
Geh. Katk, ord. Prof. and Direktor der Bntblndni^gs -Anstalt in Berlin, Bittor ete.
Dr. F. Ä.>oü HLitgen,
Ook. Bath , ord. Prof. and Direotor der Entblndnngs -Anstalt in OloMOn,
Comthar etc.
FoifudxwaHiigster Banil«
Mit acht Tafeln Abbildungen.
Berlin, 1865.
▼erlag Tom Avgiuit Ursehwald,
68 U. d. Linden, Beke der Sehadow-Strasae.
•) ') s
Inhalt.
Heft 1.
Seit«
I. Ueber einen^Epignathofl. Vou C. Üecker, (Mit 1 Abbild.) 1
II. Gebartffbüiniclie Mittheilongen. Von Dr. J6«^^ inDansig 9
III. HeiloDg einer BlasenscheidoDfistel darch einiunlige
Aetzung mit Höllenstein. Von Dr. Ahegg in Danzig . . 37
IV. Kaiserschnitt mit glücklichem Ausgange für Mutter und
Kind. Von Dr.^n<fer, Dir. d.Hebammeninstituts BU Trier 43
V. Kin Fall von Fibroiden des Uterus, krebsiger Infiltration
deraelbeo nebst primfirem Krebs der Scheide. Beobachtet
von Dr. Benporath u. Dv^Liebmafif prakt. Aersten in Triest 60
VI. Abtrennung eines fibrösen Uteruspolypen bei einer Ent-
bindung mit der Zange. Ans einer brieflichen Mittheiinng
HD E. Martin Ton Dr. R. Pohl, prukt. Arzte in Magdeburg 59
VII. Hemeralopie bei einer Schwangeren. Mitgetheilt von
Hofrath Dr. Spengler in Bad -Ems 61
VIII. Notizen aus der Journal -Literatur:
Joulin: Das Becken d. verschiedenen Menschenracen 63
B. 8, SchuUze: Ueber Palpation normaler Eierstöcke
nnd Diagnose geringer Vergrösserungen derselben 64
Kidd: Anwendung von Chloroform in der Gebnrtshfllfe 64
CarmickiUl: Berichtig, e. Gesichtsiage unter Chloroform 65
Kukni Ein casuist.Beitr. s.Lehre v. d.Selbstentwiokelong 66
Sau9§i0r : Ueber die Nachgeburt, neues Verfjahrfto, die-
selbe SU entfernea 67
Ghregoricz: Ueber Crede*9 Methode snr Entfernung
der Nachgeburt 67
PaUreon: Bemerkungen ab. d. Vorbeugung d. Blutungen
B. Naohwehen naeh d. KatfemuDg d. Placenta ... 68
IV Inhalt.
Seit«
HÜdebrandt: Ueber Erweiterung^ des ftnssere'n Mutter-
innndes bei der Gebart durch Inciaionen 69
Edwards: Exstirpationen des vorgefallenen und nicht
reponiblen Uterus ' 69
Cranyn: Ein Fall Ton Uterusmptur ... * 70
R» Dooies: Ueber operatire und mechanische Be-
handlung des Prolapsus uteri 70
FotoUr: Ein Fall y.Verletaung d. Vagina durch d. Geburt 71
Sirau»M: Fall von Abreissnng des Kindeskopfes wKhrend
der Geburt 72
S&ffre: Emphysem des Halses, Gesichtes und der Brust
in Folge heftiger Anstrengungen bei der Geburt . 73
SqdUr: UngewShülichiM Gebartahinderniss durch eine
sehr grosse Hjdatidencyste derLeber ; Kaiserschnitt 73
B, 8. SehuUne: Verbesserung des Phantoms snr Uebung
geburtshulflioher Operationen 74
Ludto. Fürst: Linksseitige Tubarsch wangersohaft mit
Berstung des Frnchtsackes 75
Schmidt: Bericht über die geburtshül fliehe Klinik und
Poliklinik SU Greifswalde. Voml. Jan. bis I.Dec. 1868 76
IX. Literatur:
2^A.H(0rtnann: Zur Lehre vom Kaiserschnitt. Bern 1864 77
Heft n.
X. Verhandlungen d. Gesellschaft fÜrGeburtsfaülfe in Berlin :
Brandt: Ueber eine Hllschlich für Steisslage gehaltene
Schnlterlage 81
Martin: Zur Therapie der puerperalen Entzündungen
der weiblichen Sexualorgane 82
GfUMeroto: Ueber ein nach Ortenhalgld Apgabe Ter-
fertigtes Instrument zur blutigen Erweiterung des
Muttermundes 107
XI. Zur Frage nach der Aetiologie der Puerperalprocesse.
Von Dr. CarlMayrhofer^ Assistent an der geburtshülflich-
gynäkologischen Klinik des Prof. C, Braun in Wien . 112
XII. Siebeaundviersigster Jahresbericht über die Ereignisse
in dem Entbindungsinstitute bei der königl. sKchs.
Academie su Dresden im J. 1861. Von Prof. Dr. ^rstiter,
konigl. sSchs. Geh. Med.-Rath ete 136
XIII. Notizen aus der Journal -Literatur:
Simpson: Ein Fall Ton Extraut« rinsckwangerschaft . 153
^.;S'.*S€A«/tee(JeBa)i Eine Extrauterinsehwangarschaft 154
•
Inhalt, V
Seite
AUfr. OUi EztranteriiMchwaiigerschaft 164
A. N4u§UtdU: Oraviditas extraaUrina 156
MaHkmM Dunemn: Complieatioa tob Haeroatocele -
mit Eztraaterinsehwangersohaft 156
(re6er(Lemberg): Uternsfibrolde mit Schwangerschaft 157
XIV. Literatur:
Eng, Dutoit: Die Ovariotomie in England, Deutsch-
land und Frankreich. WSrsbnrg, Stahel, 1864. 8. 157
B, L%8€skka: Die Anatomie des menschlichen Beckens.
(3. Abtb. II. Bandes der ,, Anatomie des Mensehen''
daas. Verf.) 8. Mit 62 HoUschn. Tübingen 1864. . 158
Heft m.
XV. Gebnrtahfilfliehe Studien. Von Prof. Dr. AM9 VaUnta
in Laibaeh.
1. Ein Beitrag snr Lehre Tom schrüg-verengteo
Becken. (Mit awei Abbildungen.) 161
2. Ueber den sogenannten Positionswechsel des Fötus 172
XVI. Zwei Stimlagen. Von Dr. H. Wldebrandt, PriTat-
doeent in Königsberg 209
XVII. Ein Fall Ton ETentratio umbilicalis congenita. Von
F. Hift4r, Priratdoeent in Marburg 230
XVIII. Vorläufige Mittheilung über den Darmgasgehnlt Neu-
geborener. Von Prof. Dr. Breslau in Zürich 238
XIX. Notiaen aus der Journal -Literatur:
O. V. Franque: Schwangerschaft bei mangelhafter
Immissio penis 239
Heppner: Complicirte Fistnla vesico-vaginalis. Voll*
sandige Heilung 240
Sommer: Vollständige häutige Verwachsung der
grossen Schamlippen, beobachtet bei swei Kindern 240
Heft IV.
XX. Verhandlungen d. Gesellschaft für Oeburtshiilfe in Berlin :
Winck$l^ Von der Einwirkung des Chloroforms auf
dia Wehentbftttgkeit 24t
VI Inhalt.
Seit«
XXI. Notisen über die während der letzten sieben Jahre
in der Königsberg^er Entbindungs- Anstalt vorgekom-
menen puerperalen Erkrankungen. Von Dr. H, Hilde-
brandt, PriTatdooent in Königsberg 262
XXII. Ueobachtungon über das in der Gemeinde Maur,
Kanton Zürich, herrschende Puerperalfieber (Jali 1863
bis Sept. 1864.) Von 0. Werdmüller, Arst in Uster 293
XXIII. Ueber Coprostasis im Wochenbett. Von Dr. «/. Poppel,
Priratdocent in München 306
XXIV. Noiiaen aus der Journal ^Literatur:
€fueaer<}W, Ueber Dysmenorrhoe aus mechnnischer
Ursache Sil
Oräf, Die verschiedenen Formen von Hydrorrhoea
gravidarnm • 312
Schnitte (Jena), Ueber Superföcnndation und Super-
fötation 313
Hillmanny Ein FhH von Extrauterioschwangerschaft
bei einer Mehrgebärenden, welche zuletzt durch
Kaiserschnitt entbunden worden 314
Lieven, Ein Beitrag zur Aetiologle der Geschwüre
der Vaginalportion 315
Eekardtf Fall von Eztranterinschwangerschaft, Ver-
jauchung des Fötus und Entleerung eines Theiles
derJauche durch den Darm. Toddurch Erschöpfung 816
Oetertag, Grosses Steatom des Uterus bei, einer Ge-
bärenden : 817
Baart de la Faille, Collapsus post partum 318
XXV. Literatur:
T, Spencer Wells, Diseases of the Ovaries 319
Heft V.
XXVI. Verhandlungen d. Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin :
KrUteüer, Ueber Athmung der Kinder vor derOeburt 321
r. Haeelberg, Ueber einen Fall von acuter Leber-
atrophie bei einer Schwangeren 344
Kristeller, Ein Fall von Placenta praevia 349
Klehs, Ein PrHparat von Mastdarnischeidenfistel, mit
Zerstörung der äussern Genitalien 354
Zr. Mayer, Kin Fall von Placenta praevia 356
Winclcel sen., Ein höchst merkwürdiger Geburtsfall 364
Inhalt. V]I
Seiie
XXVH. £ine Deeapitatiou nach Karl Braunes Methode, nebst
Bemerkungen zn den Ansichten L. Lehmann*B über
diesen Gegenstand. Von Dr. Wilh, Künekß^ Priyat-
doeent in Göttingen 368
XXVIII. Ueber die Anwendung des Collodinins bei der Pe-
ritonitis der Wöchnerinnen. Von Prof. i>oAm in Marburg.
(Mit 4 Tafeln.) 382
XXIX. Ueber einen Fall von dnreh Kälte bewirktem, be-
wnsstlosem Zustande während und nach der Geburt.
Von J. Poppel, PriTatdocent in München 387
XXX. Notisen ans der Journal -Literatur:
Tojflar: Tod nach Zerreissung des Uterus, Umstül-
pnng des Uterus und Austreibung des Fdtus durch
f^ulnissgas 393
Hervieux: Ueber das Pnerperal-Erysipel 394
Brmlau: Zwei Oyariotomieen 397
XXXI. Literatur:
Saemann: De sectione caesarea agitur, tum^uaeritnr,
num matris genus moriendi vim habeat nt foetus
▼el prospere Tel jnfeliciter sectione caesarea in
lucem edatur 899
Heft VI.
XXXn. Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshfilfe in
Berlin 401
£, Martin f Ueber die Behandlung der Neigungen
und Beugungen des Uterus mittels der Ton Hödge
empfohlenen Pessarien 403
Riedel^ Fall von Eklampsie nach der Geburt, mit
surückbleibendem eigenthümlichen Gedächtniss-
mangel 416
E, Roae^ Ueber Harnverhaltung beim Neugebornen.
(Mit Abbildungen.) 426
XXXIII. Neuer Fall von Spondylolisthesis ; geringer Grad
von Beckenenge; künstliche Einleitung der Früh-
geburt, günstiger Ausgang für Mutter und Kind.
Von O, Hartmannt zweitem Hebammenlehrer. . . . 465
XXXnr. Notisen aus der Journal -Literatur:
Inglisi Ueber die Vortheile eines ausgedehnteren .
Gebrauches der Wendung in Fällen von Miss-
verhältnissen 478
VTII Inhalt.
V. Scangotii: Ueber die Beilehnn^ der beiderseitigen
Erkrankung der Eierstocke sar Oyariotomie-
Pirage 474
Dunean: Ueber das Gewicht nnd die Grösse des
nengeborenen Kindes im Vergleiche znm Alter
der Matter 47.6
TkafJoiU: ßemerkenswerther Fall von Exstirpation
einer snsammengesetsten Cyste (Cystoid) des
linken Eierstocks 477
K^Uh: Ein Fall von Ovariotomie 479
DiUmari Ein Fall von Ovariotomie ans der Poli-
klinik von Middeldorpff in Breslau 479
Orewhalghi Neues Seetang - Dilatatorium 480
I.
üeber einen Epignattiue.
Von
G. Becker.
Mit einer AbbildoDg.
Am 9. Januar 1864 kam auf der geburlshölflichen Klinik
io Mönchen eine Zweitgebärende zur Beobachtung, die sich
durch eine ungewöhnKch starke Ausdehnung des Unterleibes
ausieichnete , von welcher man ohne Schwierigkeit annehmen
konnte, dass sie von einer überreichlichen Ansammlung von
Frochtwasser in der Gebäroiuiterhähle herrühre; der Umfang
des Leibes betrug }iS Ceiitimeler und der. Grund der Gebär-
mutter war von (^ Sciiaffifuge 50 Genlimdier entfernt; die
Anwesenheit von Ateillingen ;^qiinte • man mit Sicherheit aus-
scbliessen, und la man an verschiedenen Stellen des Unter-
leibes deutlich FlMuattpn wthrnahm, so war die Diagnose
auf Hydroaronios niciHC'sebwer zu stellen, und doch wui*d«*
man, als bei erweitertem Muttermunde das Vorliegen eines
Fnsses erkannt und die Eihäute künstlich gesprengt worden
waren, von der colossalen Menge des ström weise abfliessenden
Fruchtwassers überrascht; das Quantum, welches aufgefangen
werden konnte , wog allein 9 Pfund Zollgewicht. Gleich nach
der Ruptur der Velamente trat der rechte Fuss mit einer
äcbwach pulsirenden Nabelschnurschlinge herab; die durch
diese Complication bedingte Extraction ging bis zum nach-
folgenden Kopfe leicht von Statten, die Herausbeförderung des
letzteren madite aber bedeutende Schwierigkeiten und erfolgte
erst nach wiederholter kräftiger Anwendung des combinirten
HandgrilTes. Das dem achten Monate der Schwangerschaft
angebörige, 4% Pfund schwere und 41 Centimeter lange Kind
MMalMefcr. f. Oebnrtok. 1865. Bd. XZV., Hfl. 1. 1
2 I. Heeker, Ueber einen Epignathas.
iDännli€hen Geschlechts hatte kräftigen Herzschlag, machte
auch einige Alhemzüge, starb aber nach einer halben Stunde.
Gleich nach der Geburt war an ihm eine eigenthömliche, mit
der Hundhöhle in Verbindung stehende Geschwulst aufgefallen,
. die man beim ersten Anblick fast geneigt war, für eine in
der Nähe des Schädels befestigte Placenta zu halten; von
dieser Annahme kam man aber sogleich zurück, da die
wohlgebildete, P/i« Pfund schwere Nachgeburt kurz darauf
ganz leicht durch den Credf&cben HandgrüT herausbef&rdert
worden war. Es erscheint mir am zweckmässigsten, sogleich
den Befund mitzutheilen, wie er vom Coilegen BuM, der
sich der genaueren Untersiiebinig der Geschwulst bereitwillig
unterzogen hat, erhoben worden ist. Derselbe äussert sich
folgendermassen :
Die mir zur Untersuchung übergebene Missbildung zeichnet
sich durch eine mehr als mannsfaustgrosse Geschwulst aus,
welche dei'selben bei zuruckgebogenem Kopfe aus der weit-
geöffneten Hundspalte herausragt.
Der Hund stellt beinahe eine kreisförmige Oeffnung dar,
deren Längendurcbmesser, d. b. der Durclimesser von der
Mitte der Oberlippe bis zur Unterlippe 10 Centimeter und
deren ßreiledurchmesser, d. h. der Durchmesser von eiaem
Hundwinkel zum anderen 8Va Centimeter beträgt Es ver»
steht sich- von selbst, dass die angegebenen Hesspuokte,
namentlich die Mundwinkel in der Cui*ve des OefToungskreises
liegen und keine markirten Vorspränge oder Winkel sind«
Durch die Lippenhaut hindurch fühlt man, dass sowohl
der knöcherne Oberkiefer, als Unterkiefer median nicht ver-
einigt sind, sondern dass der erstere eine Spalte von 3^/4 Centi-
meter, der letzlere aber von ^Va Centimeter Weite zeigt
Die Spalte des Oberkiefers erstreckt sich vom Processus
alveolaris durch den ganzen knöchernen Gaumen. Der Unter-
kieferknochen ist sehr dünn, bildet beiderseits vom Unterkiefer-
winkel an mehr einen nach abwärts gehenden Stäche], der
linkerseits vorn in Folge der Geburt abgebrochen ist In
diesem grätenartigen Stachel kann natürlich von einer Zahn-
bildung keine Rede sein.
Bei näherer Untersuchung der Ansatzstelle der Geschwulst
ergiebt sich, dass dieselbe eine breite Basis, die ganze rechte
I. HnkeTj Ueber einea Epigaathns. Q
Hüfte der Miuidböble faeaiiBprucht, nämlich sich yom* Zahn-
fortsatze der rechtseitigen Oberkieferböbie anfangend Idngs
ier rechten Gaiimenhalfte bis auf den Rachen und den
ZmigeDräcken dieser S^le (nur 1'/% Centimeler von der
ZongensjHlze freüassend) und von der genannten Niltellinie an
über die ganz« rechte Wangenhaul erstreckt
Sie hat sieh augenacbeinlich hinter der Schleimhaut der
Mimdbohle entwickelt, ist deshalb wohl zu, einem grossen
Tbeile von der mit emporgehobenen, theilweise an Flflolie
iBitvei^;rös8erten Schleimhaut bedeckt, namentlich an ihren
Grenzen. Entfernter davon wird die Schleimhaut dünner und
endlich durchbrochen, so dass nur mehr etliehe Sehleimhaut-
iosebi und schliessKch keine Spur mehr auf ihrer OberflSche
übrig bleiben, die fremde Bildung tritt nackt zu Tage. '
Geht man näher auf das Gewebe ein , aus welchem sich
die Geschwulst entwickeke, so erkennt man, dass dasselbe
gröBstentheik dem submucösen Gewebe der Mundhöhhs, am
Gaumen und Oberkiefer sicherKcb auch zu einem Tbeile dem
Periost angehört
Die Geschwulst ist eine gefössreicfae , knollig -lappige
Masse, deren Tbeile durch lockeres, oft stielformig ver-
üngerU» Bindegewebe zusammenhängen. Die einzelnen Knollen
sind je näher der Insertion uro so mehr häutig- cystös, je
ealfemter davon um so mehr markig weich oder mit zahl-
kisen, kleinen, harten Knorpeislnckchen durchsetzt Diese
iLnorpelstnckchen sind ohne bestimmte Ordnung eingesprengt,
ohne bestinnnte Form, in ihrer grössten Länge höchstens
2 bis 3 Linien gross, zwei- bis vierzaekig. Die Markmasse
ist weich, weiss, wie Markschwamm oder erweichtes GoUm.
Mikroskopisch besteht sie aus dichtstehenden, einkernigen
Kttgdzeflen, deren Wände die Kerne nur um Weniges über-
inttem^ so dass es den Anschein hat, als bestände die Masse
nur aus Kernen. Diese Zellen sind offenbai* von embryonalen
Hirnzellen nicht zu unterscheiden oder vielmehr mit ihnen
gleichbedeutend.
So kann man also sagen, die Geschwulst bestehe
wesentlich aus embryonalem Hirnmarke mit Einlagerungen
formloser Knorpelstückchen, b.eides durch lockeres Binde-
4 1. H9ck9r^ U«ber einen Epignatbus.
gewd)« zosammeDgefögt und schliettiich <ieg«oei4ri zu ein-
fachen Senuncysten.
Da die Gesehwulst die MundMhle so ziemlich ausfliUl,
so ist zu bemerken, dass trotzdem der Larynx unverinderl,
dagegen die Rachenschleimhaut verstrichen ist und nur auf
eine, für eine gewöhnliche Sonde durchgangige Oeflfoung in
den Oesophagus führt. Das Verhalten der Zunge ist schon
angegeben. SSmmtliche übrige Organe des Körpers rerhalten
sich ganz gehörig und ist noch besonders anzuführen, dass
das Gehuti, seine Häute und die Schldelhöhle nicht im
Mindesten eine Abweichung erkennen Uessen.
Die Seltenheit des Vorkommens derartiger GeschwAisle,
wie die eben beschriebene , bedingt für ihre richtige Deutung
einige Schwierigkeiten, die aber doch mit Hülfe der differentiellen
Dttgnostik leicht überwunden werden können. Der Gedanke,
dass man es hier mit einer bösartigen, carcinomalösefi
Wucherung zu thun habe, der aus dem makroskopischen und
mikroskopischen Befunde sich ergeben könnte, kann wohl
nicht ernstlich festgehalten werden ; zwar wurde man bei dem
Einschneiden der verschiedenen knolligen Partbien der Ge-
sehwulst durch das Hervorquellen eines Milchsaftes lebhaft
an Markschwamm erinnert, womit auch die Beschaffenheit der
zelligen Elemente , welche er unter dem Mikroskope enthielt,
übereinstimmte, indessen ist bei der enormen Seltenheit der
inirauterinen Entwickelung von Krebs gewiss an das Vorhanden-
sein einer solchen zu all^letzt zu denken, wenn nicht eciion
der ganz eigenthümliche Sitz der Fi^mdbildung gegen eine
solche Annahme spräche.^) Vielleicht ist die Vorstellung
näher liegend , dass die Geschwulst in näherer Beziehung 2ur
Schädelbasis stehe, eventuell aus einer Wucherung des Knorpels
zwischen Keil - und Grundbein hervorgegangen, sei, aber dem
widerspricht wieder ganz und gar, dass die Beschaffenheit
des Schädels und Gehirnes durchaus normal geftmden worden.
1) Vergl. die Beschreibung: nnd Abbildung eines tolohen
Falles in dem Werke von Virekow: Die krankhaften Geschwülste,
Berlin 1863, I. Band, S. 188. Hier ging die Geschwulst nicht
sowohl von der Schädelbasis aus, sondern hatte directen Zu-
sammenhang mit dem Gehirne, weshalb sie auch vom Verf. als
Hydrencephalocele palatina beseichnet wird.
Uml so warde man allinftlig darauf gefiAhrC , dass die Ge-
schwuiat üi die Reihe der Parasilen gewiesen werden mftsse^
und ein eingehenderes Studium der einschlägigen, allerdings
tesersC sparsamen Literatur, die Hidi in dem Werke von
FSrtl^^) Terzeichnet findet, bat diese Ansicht voUkommen
bestätigt Es kommen beim Manschen Geschwfilste vor, die,
WB so versebiedener Beschaffenheit sie auch sonst sein m^^en«
das Gemeinsame haben, dass sie an dem Gaumen oder anderen
Resten der Kiemenbögen befestigt, mehr oder weniger weit
aus der Mundhöhle hervorragen, und die mit dem Namen
Epignathus bezeichnet worden sind; sie sind die Reale
nnes mit seinem Bruder in frühester Zeit verwachsenen und
an ihm za Grunde gegangenen Zwillings, und beissen desahaH»
in Systeme „parasitischer Prosopotheraoopegus«^ Ihr Ent*^
stehongsmodus ist nach ScknUee^) der, dass die nahe bei
einander parallel gelagerten Axen durch die zuerst sich ent*
«ickclBden seitlichen Gebilde, die Kiemenbögen, in innige
Verbindung nnt einander treten, und dass, indem der eine
Embryo in der Eotwickelung zurückbleibt, verkümmert, sein
Rodiment an der Stelle der ersten Verwachsung, der aus
dm Kiemenbdgen sieb entwickelnden Gebilde, hängen bleibt.
Auf diese Weise zeigt sich die grösste Aeholiobkeit zwischen
ihnen und denjenigen Geschwülsten in der Steissgegend , denen
man einen parasitischen Charakter vindiciren muss: jene
befinden sich an dem oberen Ende der Wirbelsäule, diese
an dem unteren.
Halten wir die gegebene Deutung für den vorliegenden
Fall fest, so bleibt immeriiin auffallend, dass die Geschwulst
ans Elenenten besteht, die doch nur sehr entfernt als Fötus-
reste aiifgefasst werden können , nämlich aus erobryonakm
Himmark und liNrmlosen Knorpelstflckcfaen. Denn 4n dieser
Beziehung nnferscheidet sie sich von der Mehrzahl der in der
Literatur vorfindlichen analogen Fälle. In der ältesten bei
FörHer cittrten Beobachtung von Hoffmann^) konnte mau
1) Die MiMbüdnog^en des Menschen systematisch dargestellt,
Jena 1861 , S. 87.
fi) Ueber aDomale Dnplioit&t der Axenorgane, Ftre&oie's Archiv,
I VIL, 8. 623.
3) Bpkam. n. c. 1687, das II. Ann. 6, Obs. 166.
Q I. Hmkm'^ Ue^r eiMii Epifsathas.
einen hemicraniscbeii Kopf, rudimentäres Gebirn und anvoll-
siändige Oeflhungen für Augen, Nase, Hund und Ohr er-
kennen. In dem von Kidd^) beschriebenen Falle bestand
die lappige, mit wohlgebildeter Haut Aberzogene Geschwulsl
aus festem, fibrösem Gewebe mit cystenarligen Räumen,
Knorpel und Knochenstucken,* hatte aber im .Inneren eisen
deutlichen, kurzen, blind geschlossenen Darm mit Mesenterium
und einen Pinger oder eine Zehe mit drei Phalangen und
rudimentärem Nagel. In einem der cystenartigen Räume fand
sieh hirnihnliche Masse und daneben ein grosser platter Knochen,
der etwas dem Hinterhauptsbeine glich. Auch bei Pöhlmawn^
enihielt der Parasit deutlich markirie Pötusreste: die Ge-
schwulst, welche sich an der äusseren Seite der rechten
EuMtachi'schen Röhre einpflanzte, bestand aus vielen, Chetls
gestielten, theils sessilen Körpern von Erbsen- bis Haselnuss-
grosse und glicii einer Hydatidenmole ; ihr Inhalt setzte sieh
zusammen aus Flüssigkeit, aus knorpligen Kei*nen und einer
ziemlichen Anzahl freier Knochensliicke und Zähne, 22 an
der Zahl. Die -letzteren hatten keiue Wurzel, waren an Form
den Schneidezähnen ähnlich, die meisten in einem Säckclien
eingeschlossen , ohne Verbindung mit den Knochen. In dem
Werke .von CHio ') dagegen finden sich einige Fälle , wo von
deutlich erkennbaren Fötustheilen kaum noch die Rede war.
Vor Allem möchte ich auf die Beobachtung No. 587, Seite 328
aufmerksam machen, die „Fetus humanus magno sacromate
e\ ore propendente foedatus" überschrieben ist, denn diese
hat die allergrösste Aehnlichkeit mit der von uns gemachten.
Sie betrifft einen wirklichen, fast sieben Monate allen wohl-
gebildeten, aber schlecht genährten Fötus, aus dessen Munde
eine vielfach getheihe, ungleiche und gelappte Geschwulst
hervorragt; sie besteht aus sehr vielen Theikii von der ver-
schiedensten Form und Grösse, und die an dünnen Stiden
aufgehängt sind, oder aufsitzen, und verschiedene kleiiie
Bläschen enthalten. Otto rechnet* die Geschwulst zu den
Cystosarcomen wegen ihrer Zusammensetzung aus Zellgewebe,
1) Dablin hospital Gaselte, 1856, No. 6.
2) Tnmear cjstique p^dicnUe , Balletiii de la societä de m^d.
de Gand, 1865, p. 10.
3) Monstrorum sexcentornm deseriptio anatomica, VratisLlSil.
I. fftdber, Ueber einen Epignatbiis. 7
videB sehr iMmefi GefässeD, kleiDeii MenibraDen, Hydaüden,
kBoqriigen uod knochigen, meistentheilg 8UiehK|^€n Tbeüen;
sie wmeh e^eotlich in den Pauces, aber da der GavmeQ
auf der rechten Seite gespalten ist, ebenso in diesem und
in der Nase, dehnt die Mundhöhle gewaltsam aus, in Folge
dessen Unter-, Oberkiefer und Oberlippe stark nach aufwärts
gedrängt sind; auf der linken Seite hängt die Lippe mit der
Gesdimilat msammen, und hat zum Theil ihre Natior an-
genommen. Unterkiefer und Zunge sind nach fld>wftrl)8 ge-
bogen. Die inneren Tbeile des Körpers folgra den GesetaeH
der Natur.
Es ist sehr zu bedauern dass OUo diesen Fall nicht
abgebildet hat, denn dann würde ein Va*gleich die Uebereki-
stimmoDg desselben mit dem unsrigen noch evidenter maciien,
ab sie nadi der blosen Beschreibung erscheint. Zwei andere
bei Otto verzeicbaele ßeobaehtMigen , nämlicb ISo. 586 y,Fetas
bomanuo magno tumore ex ore peudente deformis'^ und No. 688
„Petas ImmaDus ingenle capitis sarcomate detorpatus*' inden
sicii in einer aus dem Jahre 18^ stammenden Dissertation
von G. H. DeuttBchberg ^) bildlich dargestellt. Die erste
AbiMldoDg Ifisst sogleich erkennen , dass es sieh um eine Ge*-
schwulst Yon weit festerem {^efäge handelt, als in miserem
Falle, und es scheint fast fraglich, ob sie wirklich einen
paneitischen Charakter habe, werni nicht der übrige Befund
and naoientiieh wieder der Sitz zu Gunsten der Annahme
mes fipignathus argumentirten; in der Beschreibung heisst
es: bei einem 6 monatlichen männliefaen Fötus zeigte sich
eine runde, kindskopfgrosse, mit breitem Stiele an der oberen
Wand der Pauces befestigte Geschwulst, welche von einer
gkidimaesigen, glänzenden, unten sehnigen, oben fibrösen
Tmica propria überkleidet ist; letztere et*scheint an der
wderea Spitze geborsten, und iässt dort die eigentliche
Substanz heraiistreten. Diese ist grauröthlich, elastisch, be-
sieht aus Zellgewebe, MuskeKasern und Geföasen, und ist
hier nad da mit Lymplie gefüllt, sie gehört demnach zu den
wreomatöeen Gystengeschwüisten, und ist den Fleischpolypen
■cht unähnlich, wenn sie nicht* von einer eigenen Hülle
l)Da'tBinorfbiianonaaUiacosg«astis. DiM^rt. VratisL18S2. 4.
(j I. Heaker^ U»ber einen Epi^netiias.
iimgebeu wäre. Die Mundhöhle ist in Folg« dessen bedealmd
erweitert, die Oberlippe gegen die Nase gedrängjL, der waidie
Gaumen verkürzt, und der hintere Theil der Gescbwutot vait
dem Gaumensegel vei*wachsen. Die Uvula fehlt; auf jeder Seite
der Choanen ist eine Oefinung vorhanden, der Uifterkiefer
und die Zunge herabgedrückl und verbildet. Die übrigen
Theile des Körpers normal.
Die zweite Abbildung bei Deutschberg zeigt eine com-
plicirtere Missbildung, denn an dem Kopfe des 7 monatlichen
weiblichen Fötus bemerkt man zwei Geschwülste, die äusseftlich
keinen Zusammenhang mit einander zu haben scheinen: die
eine befindet sich an der linken Seite des Sdiadels, aimmt
die Pars squamosa ein, reicht nach hinten bis aur Larobda«»
naht, und dehnt sich nach vorn über Stirn und Gesicht aus;
sie ist von den allgemeinen Bedeckungen öberkleidet, und
gleicht nach Deutachberg' ^ Ausspruche einer Hemia cerebri;
dieser Auffassung widerspricht jedoch der lohalt der Ge*
schwulst: in der Beschreibung wird nanüich hervorgehoben,
dass ihre Substanz dem Markschwamme gleiche, weich and
elastisch sei , und in der Mitte eine dunkeJgelarbte Flüssigkeil
enthalte, in gleicher Weise auch der Umstand, dass sie, von
einer eigenen Cyste umgeben, ^nirgends mit der GehimhöUe
communicirt. Die andere hängt an dem linken Theile der
Fauces, und hat den Unterkiefer und die Zunge nach aussen
hervorgedrängt; in der Mundhöhle scheint sie mit dex ersten
Geschwulst zusammenzuhängen, so dass sie gewissermassen als
ein Appendix zu derselben zu betrachten ist; ihr frei zu Tage
liegender Theil wird von dem Verfasser in seiner BeschafiTenheti
uiit Darmkanal verglichen, und in der That idsst die Ab-
bildung kaum einen Zweifel übrig, dass wirklich einem
Parasiten angehörige Darmschiingen aus der Mundhöhle hervor-
getreten sind, wie es denn 'auch aus derselben höchst wahr*
scheinlich wird, dass beide Geschwülste zusammengehören
und den epignathen Zwilling darstellen.
Zum Schlüsse möchte ich mir erlauben, für den be-
schriebenen Epignathus eine Bemerkung zu wiederholen, wetohe
ich bei Besprechung eines Falles von Agnathin ^) vor einiger
1) Klinik der Gebortskonde, Band II., S. 2)6, 1064.
IL Ab«99y G«bii?teliftllUcli6 Mitth«i|«ogea. 9
Z«it ^niacht babe: auch bei dieser lili«sbiUung s$i gewiss
» IwMier Zeit die Möglichkeil vorhsoiden gewesen, dass Fruclii*
wasaer in den Verdaiiungskanal hat gelangea köonea, den«
die Oeffhiing der S|>eiseröhre in die Mundhöhle ist so klein,
so tiefliegend, und daliei der ganze, dem Deglutitionsacte
Torstebcnde niuskaföse Apparat des Schlundes so defect, dass
man diesen Weg der FVuchlwasseraufnahme für fehlend er-
achten muss, und dennoch hat die Fnicht ein Gewicht von
iialieau (unf Pfand erreicht, und offenbar in ihrer Ernährung
fhtrchaus nicht gelitten; die Betrachtungen, die ich dort über
die Bedeutung des Fruchtwassers als einer intrauterinen Er-
HabraiigsqiieUe in negatirein Sinne angesteUl babe, gelten
also auch in vollem Maasse für den Epignathus.
Erklärung der Abbildung.
a, a. a. Narkschwaronidbnliclie Masae der Geschwulst
i. h. Cysten.
c. Der v«n der rechten Wangenbaut öberkleideie Theil
der Geschwulst,
d OeflTnung der Speiseröhre,
e. Oeflauiig des Kehlkopfes.
/. Zunge.
IL
Oebartshttlflielie Mittheilungen.
Von
Dr. A^begg,
HebAmmenlehrer zu Dansig.
Gestatten auch die Reecdtate der geburtsbdiriichen Privat*
praiis keinen nehtigeB S^uss auf die Häufigkeit der Aoomalien
im Verkältiiiss lum Normalen, so bieten sie doch ehiiges
httresse in Bestig auf Abweichungen vom Gewötualicheii, weil
der Gehurlshelfer meist nur zu regelwidrigen GeburtOB ga*
rufen wird.
10 It. Abtffffj Qebnrttlifilfllehe BfUtheiloDgen.
Deshalb gebe idi hier eine Uebersicht meiner bis-
herigen gebartshOlflichen Erlebnisse und knöpfe
daran einige Bemerkungen.
Unter 369 Gebärenden zählte ich 133 Erstgebarende,
72 Zweitgebärende, 53 Dritlgebärende , 28 Viertgebärende,
24 Fönflgebärende, 21 Sechslgebärende^ 11 Siebentgebftrende,
6 Acbigebftrende, 8 Neuntgebärende, 6 Zehntgebärende,
5 Eiftgebärende , 2 ZwölfUgebärende.
Davon waren 15 Zwiliiogsgeburteu, 1 Orillingsgeburt,
353 einfache Geburten.
Geboren wurden 386 Kinder, weiche sich in folgenden
Lagen zur Geburt stellten:
In Scheitellagen 245, davon 19 Zwillinge, resp. Drillinge,
Nabelschnurvorfall neben dem Kopfe 17, Stirnlagen 2, Gesichts-
lagen 8, Kopflagen bei Placenta praevia 11, desgl. bei un-
reifen Fröchten 13, desgl. bei Riiptura uteri 1, Arm neben
dem Kopfe 2, davon 1 bei Zwillingen, Hand neben dem
Kopfe 3, davon 1 bei Zwillingen, Fuss neben dem Kopfe 1,
Steisslagen 15, davon 1 bei Zwillingen, Fusslagen 33, davon
7 bei Zwillingen, Scliulterlagen 35, davon 4 bei Zwillingen.
Ausserdem wurden 14 unzeitige Geburten, wovon 1 mit
ZwillingsfrOchlen , 3 Mal endlich Traubenmolen beobachtet.
Die DnHiiigsgeburl betraf eine Primipara; die drei Knaben,
siebenmouatlicli, stellten sich alle in Kopflage zur Geburl,
wurden wegen ihrer Kleinheit sehr rasch geboren, binnen
einer Stunde und hatten gesonderte Placentae,
Von den Zwillingsrnfittern waren 2 Erstgebärende, 7 Zweit-
gebärende, 1 Drittgebärende, 2 Pönftgebärende (1 hatte vorher
vier Mal abortirt), 2 Sechstgebärende, 1 Siebentgebärende.
Geboren wurden 3 Mal 2 lebende Knaben, 4 Mal
2 lebende Mädchen, 3 Mal 1 lebender Knabe und 1 lebendes
Mädchen, 2 Mal 1 lebendes Mädchen und 1 todter Knabe,
2 Mal 1 lebendes und 1 todtes Mädchen, 1 Mal 1 todtes
Mädclien und 1 todter Knabe, also im Ganzen 23 lebende,
7 todte Kinder. Ausserdem kam ein Abortus im dritten
HönaCe mit ZwillingsMcbten und gesonderten Placenten vor
bei einer Erstgebärenden.
II. Ah*gf, OebartahülIHHie IKUhtitangfla.
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Placentae.
Gemeinsam.
Getrennte
Placentae.
Gemeinsame
Placentae.
Oemeinflame
Placentae.
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Zweites Kind.
Mädchen.
Rücken hinten,
Kopf reohts,
rechte Schalter vor.
Knaben.
Fasslage.
Lebendes Mädchen.
Rücken vorn,
Kopf rechts,
linke Schalter vor.
Knaben.
Rücken vorn,
rechter Fuss vor.
Lebendes Mädchen.
Rechter Arm
vor dem Kopfe.
Lebender Knabe.
Erstes Kiod.
Lebende
Erste Scheitellage.
Lebende
Beide in
Todter Knabe.
Erste Scheitellage.
Lebende
Erste Scheltellage.
Todtes Mädchen.
Erste Scheitellage.
Lebendes Mädchen.
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1. Natürlich.
2. Wendnng
anf den
rechten Fass.
Natürlich.
1. NatürUch.
2. Wendnng
anf den
linken Fass.
1. Zange.
2. Extraotion.
1. Natürlich.
2. Wendung.
Natarlich.
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Jahre alt.
Zweit-
gebärende,
24 Jahre alt.
gebärende,
29 Jahre alt.
Zweit-
gebärende,
27 Jahre alt.
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16 II. Ah^gy, 0ebartthtllfll6he BfitflMflmigeB.
r 1. Die Schieflagen ereigneten sieb bei zwei Primiparis
und 33 Multiparis.
Von den 17 todten Kindern waren 12 Knaben.
Für die Exiraction des nachfolgenden Kopfes halte ich
folgende Methoden für die besten , um die hiejr oft missliche
Anlegung der Zange zu vermeiden.
Bei hochstehendem Kopfe den Prag«^r Handgriff.^)
Der Kopf kann noch nicht unmittelbar gefasst werden, wird
daher mittelbar durch methodische Zuge, von den Schultern
des Kindes aus auf dessen Rumpf ausgeübt, extrahirt.
Bei tiefer in der Beckenhöhle, erreichbar stehen-
dem Kopfe, empfiehlt sich in schwierigen Fällen am meisten
das ohne Zweifel bereits von vielen Geburlshelfern geübte,
neuerlich von Veit^) angegebene Verfahren: abwechselndes
Anziehen der Schultern und des kindlichen Unterkiefers, um
das Kinn der Brust zu nahern.
An ganz tief, nahe dem Beckenausgange, befind-
lichem Kopfe, reicht es meist völlig aus, ohne starken
Zug eine Drehung desselben um seinen Querdurchmesser aus-
zufuhren, indem man mit zwei Fingern unter der Symphyse
das Hinterhaupt etwas nach abwärts und oben, mit einem
in den Mund eingehakten Finger den Unterkiefer nach abwärts
und unten bringt.
2. Zur Zangenoperation.
Diejenigen Zangen halte ich für die besten, welche, wie
die Prager, ausser einer guten Kopf- und Beckenkrömmung,
möglichst schmale, besonders aber gleich von den Griffen
aufwärts niedrige,*) gefensterte Löflel haben, — was die
Einführung bei engem Beckenausgange oder enger Scham-
spalte sehr erleichtert — , und welche leicht und fest im
Schlosse schliessen. Dies leistet das etwas moditicirle
8meüi6*&d\e Schloss, ohne dass es einer beweglichen Axe,
wie an dor Levret'^hen und anderen französischen Zangen,
oder einer unbeweglichen, wie bei der Nägele' sehen j und
fitt«cA'scben bedarf.
1) Scannoni, Gebnrtahülfe, 3. Auflage, 1S5&, S. 783.
2) Veit, QreifBwalder Beitrage, 1863, Bd. 2, 8. 21, im Bericht
aber die VersaiDmlnng Baltischer Aerste.
3) Spondli, Unsehüdliche Kopfsange, 1862, S. 4 n. 6
II. A6e^g, Oebartshulfliche MittheilUDgeä. ]7
Anch das Krtstdler*?,che ^) Dynamometer ist wohl för
die Praxis entbehrlich. Aber sehr begründet war die Hin-
weii:ang Kristeller's auf die sehr ungieichmässige ZugkraH,
wem der Zeigefinger das Ohr der einen, der Mittelfinger
das der anderen Branche umfasst. Oefliers fiel mir früher
Dach Entwickelung des Kopfes der starke Eindruck der
ersteren Branche auf, während die letztere kaum eine
Spur Unterlassen hatte. Seitdem verwende ich nach Martin
statt des Mittelfingers den Ringfinger, dessen Phalangen fast
gleich lang, wie die des Zeigefingers sind, daher mit diesen
gleichmässig wirken können, während der Mittelfinger zwischen
den Löffein ruht
Die ungefensterten Zangen nach Oslander und
HoU^) können otme Zweifel, wie Martin^) hervorbebt, das
kiod durch Druck gefährden. Hohles Gründe für seine
zwar concaven, aber doch geschlossenen Löffel scheinen mir
nicht zutreffend. Bringt die gefensterte Zange Eindrücke
liervor, so wird die ungefensterte sicher keine geringeren
machen. Die Ursache dersellien liegt auch gewiss nicht
allein in der Zange, Sondern im Mangel an Raum, grossem
Kopfe u. s. w. Dass aber der Kopf auch innerhalb der
gefensterten Löffel genug freien Spielraum bat, um die
Drehungen , dem naturlichen Mechanismus der Geburt gemäss,
zu machen, sehen wir häufig genug.
Die Zange soll nur durch Zug, nicht durch Druck, wirken.
Der einfache Zug ist allen Rotationen, OHander'schen stellenden
Tractionen und Pendelbewegungen vorzuziehen, durch welche
nur die Zugkraft zertheilt, die Mutter leichter verletzt wird.
Die Drehungen des Kopfes mittels der Zange,
zur Verbesserung seiner Stellung im Becken, wie sie neuerlkh
wMsder Scanzoni^*) Braun ^) etc. empfehlen, scheinen mir da,
wo sie möglich sind, unnöthig, da wo sie nötlug scheinen,
unmöglich oder mindestens sehr gewaltsam und gefährlich;
1) Monatsschrift, 1861, Bd. 17, 8. 166.
2) Bohl, Gebnrtshülf« , 2. Auflage, S. 808.
3) Martin, Methode der Zangenoperation, Monatsschrift, Bd. 14,
1859, 8. 81 ff.
4) SeanMonif Oebortshülfe , 8. Anflage , 1865, 8. 826.
5) Braun, Comp, der Gebortshaife, 1864, 8. 892.
ÜMmtuehr. f. O^bnrtsk. 1866. Bd. XZ V., Hft. 1. 2
18 II. Abtgg, Geburtshülfliehe MitthefloDg^en.
wie denn auch Cred^,^) Martin,^) HohP) und Orenser^)
entschieden vor denselben warnen.
In der Regel wendete ich die Zange erst an, wenn der
Kopf längere Zeit in der Beckenmitte feststand, bei hohem
Kopfstand« im Beckeneingange nur dann, bei gehörig er-
weitertem Muttermunde, wenn Anschwellung der unteren
vorderen Partie des Uterus, durch Druck zwischen Schooss-
fuge und Kindeskopf, in höherem Grade, oder andere dringende
Zufälle, wie Eklampsie, vorhanden waren, welche ein frnheres
Einschretten forderten.
Wegen Wehenschwäche brauchte ich sie häufig, wo
vielleicht nach einigen Stunden die Geburt ohne Kunsthülfe
erfolgt wäre. Indessen halte ich es bei aller Abneigung gegen
unbegründet voreiliges Operiren für Pflicht, der Gebärenden,
werm sie sehr erschöpft ist, die Wehen thätigk ei t aufgehört hat
oder doch sehr nachHess, den qualvollen Geburtsverlauf abzu-
kürzen, sobald es ohne Gefahr geschehen kann, wenn der
Längendurchmesser des Kopfes im geraden Durchmesser der
Beckenmitte oder schon tiefer steht. Besonders bei Erst-
gebärenden ist dies nützlich, deren straffe Weichtheile oft
einen bedeutenden Widerstand dem Kopfe entgegenstellen , was
bei späteren Geburten nicht mehr der Fall ist.
Viele der 64 hierher gehöngen Primiparae haben nadiber,
od in meiner Gegenwart , ohne Kunsthülfe , ganz regelmässig
und glücklich geboren.
3. Hinsichtlich der Entfernung der Placenta kann
ich nur meine bereits früher^) ausgesprochene vollständige
Beistimniung zu Crede*s Ansicht und Verfahren bestätigen.
Nur acht Mal war die künstliche liösung der Nachgeburt durch
die eingeführte Hand nöthig. Zwei Mal wegen fester Ver-
wachsung, vier Mal wegen Atonie, zwei Mal wegen krampf-
hafter Stricttir des Uterus. Oft sah ich seitdem die Nach-
geburt, namentlich bei Primiparis und kräftigen Wehen, theils
unmittelbar nach dem Kinde , theils binnen 15 Minuten später
1) Cred^, Klin. Vorträge über Ge bnrts hülfe , 1864, 8. 709.
2) Martin f a. a. O. S. 83.
8) Hohl, Lehrbuch, S. 829.
4) Gramer, Nägüe'n Le.hrb. d. Oebnrtshülfe, 5. AufL, 1868, 8. 886.
6) Monatsschrift, Bd. 18, 1861, 8. 264.
\
IT. Ab9gg, OeburtshHIHiehe MittheilnngeD. 19
spoDtan, sonst in Folge des CV^c^^'schen Handgriffes bis vor
die äosseren Geschlechtstheile förmlich herausspringen. Niemals
sah ich nach solcher, Ton Manchen noch gefürchteten, schnellen
Enüeerung des Uterus, — die aber keine frühere und schnellere
ist, als wie sie die Natur selbst bei regelmässigen Geburten
oft rollbringt — , eine gefährliche Blutung entstehe. Wohl
aber erschien mir in einem Falle der Nut2en dieses Verfahrens
recht evident.
Im Mai 1862 hatte ich einer Dame bei ihrer dritten
Niederkunft beizustehen, welche vor V/^. und 3 Jahren
anderwärts entbunden worden war. Beide Male hatte sie
nach ihrer Angabe sehr viel Blut verloren, war die Nach-
geburt erst nach einiger Zeit entfernt worden, wobei sie in
Ohnmacht fiel, und schlresslich die starke Blntinig durch
Ebumschläge auf den Unterleib und Liegenlassen der ein-
geführten Han4 durch längere Zeit, von dem Arzte ge$l4IU
worden. Die Reconvalescenz soll jedesmal eine sehr langsame
gewesen sein. Jetzt hatte sie überdies im April 14 Tage
lang an einer erschöpfenden katarrhalischen Ruhr mit täglich
15— 20 Entleerungen, gelitten, während sie vor den früheren
Entbindungen ganz gesund gewesen war. Diesmal war der
Geburtsverlauf, wie früher, bei dem sehr geräumigen, wenig
geneigten Becken') ein sehr Störmischer. Morgens gegen
3 Uhr traten die ersten, in grossen Intervallen von einer
Stunde etwa wiederkehrenden Wehenbewegungen ein, gegen
12 Uhr Mittags aber die kräftigsten, sich fast augenblicklich
folgenden Wehen. Die kleine Fontanelle war links etwas nach
vom, die Pfeilnaht schräg nach rechts und hinten zu fühlen.
Um '/4I Uhr sprang die Blase, und die nächste Wehe trieb
sofort das ganze starke, lebende Mädchen, trotz dreifacher
Umschlingung der Nabelschnur um den Hals, aus.
Nach deo Vorgängen bei den früheren Entbindungen,
und der kürzlich überstandenen Ruhr lag die Besörgniss einer
pffaeblichen Metrorrhagie bei so rasclier Geburt sehr nahe,
leberdies setzte die Wöchnerin eine solche als sicher voraus
1) Diameter BandeloeqQii 8'' 9"'. Conjug^. diag^onalis nicht
alMoreicheii, also jedenfalls erheblich über 4". .Spin. II. 11" 6'",
Crist. II. 13", Troebant. 14".
2*
20 n. Abegg, Oeburtshülfliche Mittheilnngen.
und erwartete ihr Emle. Gerade deshalb hielt ich es hier
für nöthig, dem Uterus möglichst bald die Mögliclikeit zur
genügenden Verkleinerung seines Volumens zu gewähren« ehe
durch Iheil weise Lösung der Nachgeburt und weiteres Zögern
ein starker Blutverlust eintreten konnte.
Deshalb umfasste ich nach einigen Minuten den gut
coufratrahirten Muttergrund, und beförderte leicht die Placeota
bis vor die Genitalien. Die sofort nachfolgende Blutung war
allerdings, wie zu erwarten, etwas bedeutender, als gewöhnlich,
indessen conlrahirte sich der Uterus bald wieder genügend.
TroUdem dauerte die psychische Depression der Wöchneriu
noch fort; der Gedanke, dass sie sterben müsse, verliess
sie nicht. Darum besr!>ränkte ich mich hier nicht, wie bei
anderen Multiparis auf Darreichung einiger Dosen Seeale,
sondern suchte die Lebenskraft, welche durch die Erinnerung
aa die früheren Entbindungen und die Anstre^ung der eben
beendeten , durch die vorangegangene Krankheit und die jetzt
erfolgte Blutung^ gesunken war, möglichst zu steigern durch
einige Glaser guten Rothwein gleich, und taglich kräftigste
Fleischbrühe für die fernere Zeit des Wochenbettes. Diesem
Verhalten muss ich es zuschreiben, dass der Uterus sich
nicht nur rasch zusammenzog, sondern auch contrahirt blieb,
gar keine weitere Blutung stattfand , und die Frau sich nach
dieser dritten Entbindung, ungeachtet der vorherigen Krankheit,
weil schneller vollständig erholte , als nach den früheren beiden.
Die Lehre von den Fruchtlagen ist; namentlich seit
Nägele's sorgßltiger Beobachtung mit Recht sehr vereinfacht
worden. Wie in der gesammten Pathologie und Therapie
die complicirten künstlichen Systeme von Krankheiten und*
von Mitteln einem früheren Standpunkte angehören, auf welchem
jede irgend einmal wahrgenommene Einzelheit auch sofort als
eigene Species hingestellt wurde, so auch die von den älteren,
trefflichen ' Beobachtern aufgebauten , überaus zusammen-
gesetzten Systeme der Lagen.
Hatte schon Solayris de Renhac , *) der zuerst den
Mechanismus der Geburt richtig würdigte und erkannte, darin
1) Solayres de Renhac ^ Comroentatio de partu viribus maternis
absolute, quam denno edidit E. C. J. de Siebold, Berolini 1881.
II. Äbegg, OebnrtBliitlfllfhe Mittheilangen. 21
▼ie) geleistet, so brachte es sein SchnJer J. L. Baudelocque >)
gar bis auf 94 Lagen, von denen wir aber heutzutage bis
auf 8 berabgekonnnien sind.
So stellen HoU,^) Grenser,^) Martin,^) Hecker, ^)
Brann^) nur noch zwei Scheitellagen , zwei Gesichtsiagen,
zwei Beckenendlagen, zwei ScIiuJterlagen auf, ohne den ver>
einzelten Abweichungen das Recht einer eigenen Species ein«-
zuriumen. Die sonst als dritte und vierte Lagen bezeichneten
gehn, wie wir bei Beobachtung einer Geburt in ihrem ganzen
Terlanfe oft sehen, ohnehin meist während desselben in die
erste oder zweite über. Die Stirnlagen sind nur Uebergangs-
lagen, die sich unter günstigen Umständen wieder in Scheitel-
lagen umwandeln, die Fusslagen und die seltenen Knielagen
nur Unterarten der Steisslagen.
Von den 245 Scheitellagen waren 193 erste , 52 zweite,
beide Stirnlageu, 4 Gesichtslagen erste, 4 dagegen zweite,
von den Steisslagen 13 erste, 2 zweite, von den Fusslagen
20 erste, 13 zweite; von den Schulterlagen endlich gehörten
18 der ersten Art, 10 davon der ersten, 8 der zweiten
Unterart, 17 der zweiten Art, 9 der ersten, 8 der zweiten
Unterart an.
Todtgeboren wurden ausser den bei den Zwillingen, den
Ofieralionen und Umschlingungen angegebenen noch 3 in
Steisslage, 2 davon bei Primiparis, 8 in Fusslagen bei
natürlichem Geburtsverlaufe.
Von den 8 Gesichtsgeburteu verliefen 3 ohne Kunslhfilfe,
2 nach Anlegung der Zange bei tiefem Stande des Gesichtes
* glücklich.
Umschlingung und. Vorfall der Nabelschnur.
Von 226 rechtzeitigen Schädelgeburten ereigneten sich
111 bei Primiparis, 115 bei Multiparis. 26 Mal fand sich
(Jmschiingung der Nabelschnur um den Hals,
also 1 : 8,7.
1) J, L. Baudelocque f L*art des accouehemens, 1781, Tome I.
S) 8. deren erwühnte Lebrbficher.
3) MarHn, AUm, 1862.
22
II. Ahegg, Qebnrtshfimiobe Mittheilnngeo,
Das Nähere ergiebl die folgende Uebersichl, 16 Fälle bei
Primiparis, 10 bei Mulüparis.
Primiparae.
Multiparae. - i> Summa.
1,
i:
Knaben
Mädcben
Knaben
Mädcben ;
Knaben
MSdcben
1
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3
3
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1
—
1
12
2
3
1
4 1
4
Die Zahl der Umschlinguiigen war in den einzelnen
Fällen bei
Primiparis.
(fultiparis.
Summ
a.
Knaben
Mädcben
Knaben
Mädcben
Knaben
Mädchen
ja
c
x
o
«£
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1
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7
1
6
2
6
2
1
1
1
1
13
2
1
1
6
2
1
Ferner kam bei einer Erstgebärenden und erster Steisslage
des Kindes eine einfache Umschlingung und eine zwei-
fache bei erster Fusslage des Kindes einer Sechstgebärenden
vor. Beide Kinder, Mädchen, waren todt. Mit Ausnahme
dieses letzteren waren die todtgeborenen Kinder alle nur
ein Mal umschlungen, die dreifach und das vierfach um-
schlungene wurden lebend geboren. Ein scheintodter, gleich-
falls einfach umschlungener Knabe starb, die anderen zwei
scheintodlen Kinder wurden wiederbelebl. — Uuler 369 Ge-
U. Abe^, Qebiirtshülfliobe Mittheilongen.
23
burteD faod sich also 28 Mal Unosdilingung, demnach 1 : 13,
Veü^) 1 : 4,5 und 1 : 5,8-
Nabelschnurvorfall beobachtete ich unter 369 Ge-
burten 19 Mal, davon ein Mal bei erster Schulterlage zweiter
Art, des Kindes einer Elftgebärenden. Die Geburt wurde
durch die Wendung und nachfolgende Extraction des lebenden
Midchens beendet: ein Mal bei erster Fusslage des Kindes
einer Drittgebärenden. Nachdem dasselbe bis zu den Hüften
geboren war, wurde es (ebenfalls ein lebendes Mädchen)
eUrahirt, da die Pulsation der Nabelschnur bereits sehr
schwach war. Die übrigen 17 Fälle fanden bei vorliegendem
Kopfe statt und vertheüten sich folgcndermassen , 5 bei
Primiparis, 12 bei Multiparis.
Pritnipftrae.
Mukip&rae.
Summa.
Kxuibeo
Mädchen
Knaben
MUdchen
Knaben
Mftdchen
labend
scheintodt
todt
1 lebend
1 echeintodt
K> todt
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3
3
5
1
—
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4
3
7
1
—
2
Zwei von den drei scheintodten Knaben wurden wieder-
belebt. Auf 19 Geburten kam al.so ein Vorfall der Nabel-
'sebnur. Eine weibliche Frudit enier Erstgebärenden war
vor der Geburt abgestorben; hier und bei einem lebenden
KmbeD einer Drittgebärenden gelang die Reposition.
Audi diese kleinen Zahlen bestätigen, dass die Um*
ftehÜDgoDg als natürliches Vorbeugemittel des Vorfalles zu
betraelHen und für das Kind weit weniger gefälu*lich ist, als
dieser. Von den 26 umschlungenen Kindern kamen 7 todl,
1 scheintodtes starb, 16 kamen dagegen lebend zur Welt,
2 wurden wiederbelebt Die todten Kinder verhaken sich
1) Veit, Monatsschrift f. Geburtsk., 1862, ßd; 19,\HiVA,(S. 290.
24 II- Ab4gg, Gebortahülflicba Mi ttb«i langen.
aJsc) zu den icbeudeii wie 1 : 3,25. Mit Hinzurecbouug der
zwei Umschlingungen bei Beckenendlagen blieben also von
28 Kindern 10 lodl, demnach immei* noch I : 2,8*
Dagegen blieben bei den 17 Nabelschnur vorfallen «eben
dem Kopfe 10 Kinder todt, also schon 1 : 1,7, zählen wir
aber die beiden Vorfalle bei Beckenendlagen mil, doch
noch 1 : 1,9.
Die letzte Ursache des Nabelschnurvorralles ist
die unvollständige Umfassung des vorliegenden Kindestheiks
durch den Uterus, dessen unterer Abschnitt bei regeJniässiger
Geburt den Kopf sofort nach dem Blasensprunge se fest um-
schliesst , dass die hinter jenem befindliche Wassermenge nicht
mehr abfliessen kann.
Der weitere Grund des unzureichenden Verschlusses aber
ist vorzugsweise in der fehlerhaften Lage und Haltung des
Kindes zu suchen , welche wiederum meistens auf fieckenenge
beruhL Michaelis^) wies dies überzeugend nach. Er fand
Nabelschnurvorfall neben dem Kopfe bei geräumigem Becken
unter 776 Geburten sieben Mal, imter 73 Geburten bei engem
Becken ebenso oft. Dies giebt für erstere das Verhällniss
von 0,9 : 100, für letztere 9,5 : 100. Namentlich scheint mir
hierbei ungleichmässige Beckenenge von grosser Bedeutung.
Begünstigende Momente, die aber nicht ein jedes für
sich allein, sondern nur in Verbindung mit anderen den
Vorfall herbeifuhren können , sind : zuviel fnichtwasser, tiefer
Sitz der Placenta , zu lange Nabelschnur, Insertion der letzteren
am unteren Rande der Placenta. Alle diese Abweidiungen
habe ich einzeln ofl beobachtet, ohne gleichzeitigen Nabel-
schnur Vorfall , besonders den marginalen tiefen Ursprung des'
Nabelstranges. Mit Recht hebt Grenaer^) hervor, dass schon
jede normal lange Nabelscbnm* zum Vorfall lang und schwer
genug sei, und ferner Hohl,^) dass man nicht aur lange,
sondern auch wirklich kurze Nabelschnüre vorgefallen findet
Verhältnissmässig ist der Vorfall bei Beckeneodlageii,
besonders Fusslagen, am häufigsten; sein absolut häufigeres
1) Michaelis^ VtiB enge Becken, 1851, S. 183 u. ff.
2) Orenser, NägeWs Geburtshülfe, 6. Anflage, 1863, S. 625.
3) HoU, Gobtirtabülfe, 2. AnHage, 1862, S. 671.
11. Ähegg, Gebvftahfllfliolie MiUkeilttngeti. 25
Vorkommen bei Kopflagen isl in der forwiegenden Frequenz
iler ietzleren begründet Auf 31 Fusslagen zählte ich 1, auf
a02 Kopflagen 17 Vorfalle, also 1 : 1,7. Ein richtigeres
Vfrhikniss geben die Nachweise grosser Anstalten. So hatte
tue Boivin^) 39 Vorfalle auf 20,357 Geburten, 38 davon
neben dem Kopfe, also 1 : 521 , im Wiener GebSrhause kamen
anf 6608 Geburten 33 Vorfälle, wovon 21 bei Kopflagen,
also 1 : 200, Grenser lählt 1 : 120. Bei Mehrgebärenden
ist das £reigfiiss häufiger, als bei Erstgebarenden, von 19
hatte ich 14 Multiparae , 5 Primiparae. Die Reposition gelang
nur xwei Mal bei nicht gi^ossem Vorfalle.
Was die Umschlingung betinfll, so scheint mir, wie
Neugebauer^) angab, die physiologische von der patho-
logische zu unterscheiden. Erstere beruht auf dem Wachs-
thum der Nabelschnur, weiches diese nöthigt, sich schon
wahrend der Schwangerschaft, dem kleinen Räume der Uterus-
höhle entsprechend, bogenförmig um die Frucht zu lagern.
Drei Mal sah ich bei unreifen Fruchten im vierten und fünften
Monate Umschlingung um den Hals. Die pathologische Um*
scijlingung, ohne Zweifel viel seltener, niag durch ungewöhnlich
starke Bewegung der Frucht und der Mutter, namentlich bei
vielem Fruchtwasser entstehen. Die auffallende Länge der
Nabelschnur ist für die Entstehung einer Umsclilingung weit
wesentlicher, als fuf die eines Vorfalles.
Die liehinderte Btutzufuhr vom Mutterkuchen zum Kinde
bedingt sowohl bei der Umschlingung; wie bei dem Vorfalle
die Gefahr für dasselbe. Diese kami bei der Umschlingung,
wenn die Nabelschnur dadurch zu kurz, zu sehr gespannt
wird, durch deren ZeiTung beim Durchschneiden des Kopfes
noch erhöbt werden. Abreissen einer dünnen Nabelschmir,
oder vorseitige Lösung der Placenta können dann durch den
Blutverlust unmittelbar zum Scbeintode oder Tode des Kindes
beiirageu. Diese sehr seltenen Ereignisse kommen jedoch
weniger in Betracht, als die Verengerung der Nabelschnur-
gefasse durch die Anspannung.
1) BoMn, Memorial de l*«rt des Aceonchements, T. IV. et V.
2) Nntgebamer, Morphologie der Mabelaehnar, 1858, S. 48.
26 n. Ahe.gg, Oebnrtalvalfliebe MittheiloDgreo.
Die Hauplgefahr beruht aber bei Umsohlingung ^) und
bei Vorfall auf dem Drucke, welchem die Nabelschnur x wischen
Kindestheil und Becken ausgesetzt ist. Dies geschieht aber
bei Umschlingung um den Hals bei vorliegendem Kopfe erst
dann besonders, wenn dei* Kopf in's Ein- und Durch-Schneideii
konmt; wo der Nabelstrang zwischen Hals und Scfaooasfiige
gedruckt wird. Beim Vorfalle der Nabelschnur dagegen vor d<mi
Kopfe kann der Dnick, wie meist, wenn er nicht durch glück-
liche Re[)osition beseitigt wird , von weit längerer Dauer sein.
Geräumiges Becken, massige Grösse der Frucht, nacb*
giebige mütterliche Weichtheile, wie meistens bei Mehr-
gebärenden ^) endlich von Seiten der Nabelschnur selbst ge>
hörige Umhüllung der Blutgefässe durch reichliche Sülze —
dies sind diejenigen Momente, welche einen günstigen Ausgang
erwarten lassen. Die ersteren gestatten einen rascheren
Geburtsverlauf, kürzen somit die Zeit des Druckes ab, das
letzte vermindert die Einwirkung des Druckes und die Zerrung
erheblich.
Die Bedeutung dieses Momentes scheint mir der folgende
Fall klar zu erweisen.
Am 24. Februar d. J. war ich bei der Entbindung der
Frau N, Sie hat bereits einmal leicht und regelmässig ge-
boren, ist gesund, namentlich von gutem Beckenbau. Am
23. Februar Abends traten die ersten Wehen ein, am 24. h. m.
4^/4 Uhr, nachdem ich noch soeben die* kindlichen Herztöne
sehr deutlich links, etwas abwärts vom Nabel gehört hatte,
die Blase sprungfertig, der Muttermund gehörig eröffnet war.
ging das Fruchtwasser ab, und sofort kam der Kopf mil
gefalteter Haut, das Hinterhaupt der Symphyse zugekehrt zum
Einschneiden. Drei kräftige , schnell folgende Wehen reichten
hin, um binnen 5 Minuten den Kopf und sogleich auch das
ganze Kind auszustossen. Der reife Knabe hatte eine einfache
1) Veit B. ft. O., Ueber die Freqaens der Nabekcbnnr-
omschliiigaiig und den Einfluss derselben auf den Aasgaug; der
Gebart für das Kind. Monatsschrift, 1862, Bd. 19, S. 290:
2) S. die Tabelle. Von 10 umschlangenen Kindern bei Multi-
paris wurden lebend geboren 8, 2 scheintodt, 1 davon wieder-
belebt, also 9 : 1. Dagegen von 16 Kindern bei Primiparis
kamen 7 todt , 1 scheintodtes starb , also 8:8. 1:1.
II. Abeggt Oeburtfbülfliohfi MiUbeilvngen. 27
Dodsehliogaiig um den Hals, war scbeiniodt, und konnte trotz
ungesäumt angestellter Belebungsversuche nicht erhalten werden,
sondern starb nach 15 Hinuten. Die Nabelschnur war gleich
nach der Geburt fast pulslos, überdies ganz aulTalleud dünn,
ohne Sülze, 27%", das Kind 22V4" lang. Die Placenta,
an deren unterem Rande die Nab^lsclinur inserirt war, folgte
nach % Stunde spontan. Da das Kind unmittelbar vor dem
Blasensprunge noch unzweifelliaft lebte, von diesem bis zur
rollendeten Geburt des Kindes kaum 5 Minuten verflossen,
der Druck auf die Nabelschnur zwischen Hals und Schooss-
foge also nur von kurzer Dauer, und bei dem geräumigeil
Becken, und der nicht ungewöhnlichen Grösse des Kindes
kaum sehr eingreifend war, so ist die Ursache des Schein-
todes resp. Todes nur in der Dünnheit der Nabelschnur, der
mangelnden Sülze zu suchen, so dass ^ie Nabelschnurgefasse
leicht comprimirt werden konnten, und ein kurzer, massiger
Druck schon genügte, um den Blutlauf nachhaltig sbu hindern.
Placenta praevia beobachtete ich 13 Mal, und zwar
stets bei Mehrgebärenden, 1 Mal bei zweiter Entbindung, je
4 Mal bei dntter und vierter, je 1 Mal bei fünfter, siebenter,
oeuufer und zehnter, und immer bei einfachen Geburten.
Zwei Mal hatte der Mutterkuchen seinen Sitz central
auf dem Muttermunde, dagegen 11 Mal seillich im untersten
Abschnitte der Gebärmutter.
Die Flucht befand sich 11 Mal in Schädellage, je 1 Mal
io einer Beckenendlage. Lebend geboren wurden 5 Knaben,
4 Madchen, todt je 2 Knaben und Mädchen, erstelle 9 im
achten, von letzteren 4 im achten Schwangerschaftsmonate 1,
im siebenten 3. Von den Müttern starb 1 an Metroperitonitis,
12 genasen.
Ruptura uteri im Grunde der Gebärmutter kam
2 Mal vor ; 1 Mal bei einer 41 jährigen Zehntgebärenden, welche
an Carduom des Scheidentheiles mit verbreiteter krebsiger
Infiitralion des Uterusparenchyms litt; sie war im achten
Nonate schwanger, die erhebliche Blutung veranlasste die
Extraclion des in Fusslage befindlichen toülen Knaben, nach
dem bereits erfolgten Einriss, durch den der Kopf in die
Bauchhöhle getreten war. An der hinteren Uleruswand fand
28 '1* Aheggt Gebnrtshixlfliehe MittheilnngeD.
sich ein ziemlieli grosses Fibroid. Die Mutter starb an
Peritonitis.
Der zweite Fall betraf eine 35 jährige Driltgeliärende, die
vor '/a Jahre, also bereits schwanger, eine Peritonitis über-
standen hatte. Nach 12slundiger Geburtsdaiier waren die
Wehen schwach geworden, die Lebenszeichen des Kindes
geschwunden. Nach vier Stunden trat heftiger Schöttelfrosl
ein , eine starke , von lautem Schrei der Gebärenden begleitete
Wehe Irieb den Koj)f des todten , im Anfange des neunten
Monates befindlichen Knaben in Schädeliage aus. Sofort konnte
der reichliche Bluterguss in die Unterleibshöhle conslatirl
werden. Die Frau starb , sogleich zusammenfallend , nach
wenigen Minuten an innerer Verblutung.
Anomalien der Eihüllen und des Mutterkuchens.
Ein Mal fanden sich reife Zwillings -Mädchen einer Zweit-
gebärenden, ein grosses lebend , ein kleines todt in gemein-
samem Amnion. Oslander^) hatte einen ähnlichen Fall
bei dreimonatlichen Zwillingen, und führt einen anderen von
H, Oameri von 1807 an , welcher gleictifalls 2 reife (lebende)
Mädchen in einem Amnion und Chorion mit gemeinsamer
Placenta betraf. Weitere Fälle sind mir nicht bekannt. Das
gleiche Gescldecht beider Kinder in obigen bestätigt scheinbar
die lächerliche Ansicht und Hotivirung derselben von ViardeL *)
Dass die beson.dere Dicke der Blase ein diagnosti-
sches Hulfsmittel für den tiefen Sitz der Placenta im unteren
Gebärmutterabschnitte abgiebt, kann ich aus den 11 Fällen
von Placenta praevia lateralis bestätigen. In drei derselben
1) Oslander^ Epigrammata in diversas res Masei »ui anatomici,
1814, S. 30.
2) Viardel, ObserTatioDS siir la pratique des Accouchenien^,
Paris 1748, p. 87:
a8*ila 0011t de divers sexes, seront s^par^s par diTeriCN
membranea, et aaront cbacun son d^liTre k part: ce qai semble
aToir ^t^ fait par nne providence admirable de la natare, qui
semble Toaloir inspirer aax hommes, de le premier
moment de lenr conformation, des loix et des regles
ponr la ohastet^.*
II. Äh€^, Oebnrtahttlfliolie MittheilmigeiB. «09
waren keine Blutungen vorangegangen. Die Lachapelle ^)
PTwähnt dies Zeichen, und ferner Ameth^^) der es dadurd)
ganz oatürlich erklärt, dass die Blase sich hier nicht, wie
sonst, möglichst fern von der Placenta, sondeiMi in deren
Nabe stellt, wo die Eihäute die grösste Dicke zeigen.
Die ungewöhnlich dicke, derbe Blase kann dem Kinde
das Leben erhalten, wovon ich folgenden Fall niiltheile.
Am 13. März 1859 wurde ich zu der 38 jährigen Zehnt-
gebärenden W,, ^/^ Meile von hier, geholt, welche seit 12 Stunden
in der Geburtsarheit sich befinden sollte. Bei meiner Ankuntl
fand ich eine dunkeigraublaue Blase, etwa 4" breit, 2^2" lang,
rundlich , frei aus den äusseren Geschlechtstheilen hervorragen,
und innerhalb derselben den sieb augenscheinlich bewegenden,
rechten Ann vorgefallen , die rechte Hand ufl'nete und schloss
sich sichtbar, mit nach vorn gerichteter Hohlhand. Der Mutter*
round war völlig erweitert, durch die Bauchdecken ein harter,
runder, dem Kopfe entsprechender Körper in der rechten
Nutterseite zu fühlen, demnach die Schieflage mit der dieser
Lage des Kopfes correspondirenden Richtung des Rückens
nach hinten, Gesicht nach vorn rechts anzunehmen. Ohne
die Blase zu verletzen, was bei ihrer Dicke sich leicht ver-
meiden liess, ging ich mit der rechten Hand in der linken
Nutterseite bis zu dem zunächst erreichbaren linken Fusse,
sprengte nicht ohne Muhe die Blase, wendete und extrahirte
leicht an diesem einen Fusse ein völlig reifes, kräftiges,.
lebendes Mädchen. — Eine nicht so derbe Blase wäre sicher
längst gesprungen gewesen, ehe ich hätte dazu gelangen
können, die Wendung, und dann wohl bei einem bereits
abgestorbenen Kinde, zu machen. Einen ähnlichen Fall be-
richtet Leopold,^)
Drei Mal kam mir eine Mola hydatidosa vor. Die eine
hatte ein Gewicht von zwei Pfund und zeigte die degenerirten
Cborionzotten von grossester Kleinheit bis zur Grosse einer
grossen Kirsche entwickelt, au langen, verästelten, faden-
förmigen Stielen aufgereiht, und mit klarer Flüssigkeit erfüllt.
1) LachapelUt Pratiqae des Accouchements, Paria 1821, T. II.,
p. 367.
2) Ämeth^ Gebartahiilfliche Praxis, 1861, S. 163.
3) Leopold, io dieser Monatsschrift, 1869, 13. Bd., 2. Ii«ft.
so II. Aheyg, Oebvrtohülfliche MiiUiaflmigeti.
Placentae soccentoriatae sah ich zwei Mal. Der
MallerkucheD hatte mehrere 2 — 3 Zoll lange gelappte , gleich-
artige Anhängsel.
Zehn MaM) wai-en zähe, gelbweisse, tbeils strangförniige«
tbeils flach ausgebreitete Massen zu bemerken, ohne Spur
von Placentargewebe , 4 Mal davon fand ich gleichzeitig auf
der UterinOäche und im Inneren solcher Stellen zahlreiche,
hirse- bis hanf- korngrosse , verkreidete Knötchen. 6 Mal
waren letztere allein ohne jene derben Stellen vorhanden , vor-
herrschend auf der Ulerinseite der Placenta. Diese auf ent-
zündliche Vorgänge während der Schwangerschaft hinweisenden
Veränderungen waren aber nie so ausgedehnt, dass sie durch
Störung der Blutzufuhr das Leben der Frucht gefährdet hätten.
Die Kinder waren sämmtlich reif, gut genährt, und wurden,
bis auf zwei, lebend geboren. Die zwei todtgeborenen Knaben
waren in Folge mehrstündigen Nabelscbnurvorfalles , den ich
bereits kahl und pulslos vorfand, vor der Geburt abgestorben.
Der Nabelstrang zeigte sich drei Mal äusserst dünn,
fast ohne alle Sulzc, nicht selten mit varicösen Erweiterungen
1) Der aasgepnigteste Fall war folgender: Es fand sich eine
doppelte Umschlingung von links nach rechts um den Hals eines
lebenden starken Mädchens etnerPrimipara, welches in erster Scheitel-
läge snr Geburt getreten war. Die sehr dünne Nabelschnur war 26".
das Kind 19" lang. An der, wie gewöhnlich, durch das Orede*nche
Verfahren bis vordie äusseren Geschlechtstheile hervorgesprnogeoen
Placenta bemerkte ich marginale Insertion der Nabelschnur am
unteren Placentarrande und ferner auf der Mitte der concaven Seite
eine etwa 4'" dicke, rundliche, etwa l'/t" breite und eben so lange,
gelblichweisse schwielige Masse, derb anzufühlen, auf dem Durch-
schnitte von fester, gleichmassiger Consistenz. Das Placentargewebe
war völlig darin geschwunden. Ferner war ausser drei kleineren,
ähnlichen Stelleu fast dfe halbe Oberfläche der normal grossen
iV, Pfund schweren Placenta auf der glatten Seite durch sieben
wallnussgrosse, mit klarer Flüssigkeit erfüllte Blasen eingenommen,
welche als blasige Auftreibnngen des Amnion und Chorfon auf-
■ufassen sind. 8. Rokitamky^ Bd. III., 8. 547. — In grösserer
Verbreitung würden sie das Leben der Frucht ohne Zweifel
gestört haben. Die Dünne der Nabelschnur, deren drei Blut-
gefässe enger als gewöhnlich waren, rouss aber wohl auf jene
schwieligen Fettumwandlungen und Bindegewebswuchernngen als
Cireulationshinderniss zurückgeführt wer^^n.
II. Ab€f9, eebvrtsKilllUelM MittheÜiiDgeii. . 81
der Vene; ein Mal enlbielt er zwei Venen und 2wei Arterien,
ehinal war er ungewöhnlich dick.
Velamentöse, gabelförmige Insertion ergab sich
ein Mal, eine ungewöhnliche* Insertionsstelle 15 Mal.
Diese war nämlich bei Placenta praevia lateralis ein Mal
im oberen, ein Mal am unteren Rande der Placenta, an
leUferem ausserdem 2 Mal mit gleichzeitigem Vorfall, 2 Mal
zugleich mil Umschlingung und 9 Mal ohne dieselben zu bemerken.
& müssen also noch andere Momente zur Entstehung dieser
Verhältnisse mitwirken, welche durch die relative Verlängerung
der Nabelschnur, wenn sie am unteren Theile der Placenta
marginal entspringt , für sich allein noch nicht zu Stande kommen.
Von Missbildungen der Frucht kamen nur vor
zwei Fälle von Folydactylus.
Ein neugeborenes Mädchen hatte an jeder Hand einen
äberzähligen , zweigliedrigen Finger , der aber nicht im Gelenk
ferbunden, sondern nur durch die Haut an der Ulnarseite
des kleinen Fingers neben dem Metacarpal- Phalangen -Gelenk
dünn gestielt, hing. Beide Anhangsei wurden gleich entfernt.
Aa beiden Füssen fand sich ebenfalls eine überzählige Zi^he,
aber an dem Melatarsal- Phalangen -Gelenk der grossen Zehe
participirend , mit dieser gemeinsam durch die Haut befleckt,
und mil einem gemeinschaftlichen, der normalen Trennungs-
stelle entsprechend, eingekerbten Nagel versehen, während
die Knochen deutlich getrennt waren. Des Gelenkes wegen
unterblieb die Exstirpation.
In dem anderen Falle war ein ähnlicher kleiner sechster
F'mger ^n der linken Hand , den ich ebenfalls gleich abnahm.
Syndactylus.
Bei einer Fünftgebärenden entwickelte ich mittels der Zange
den seil mehreren Stunden fest eingekeilten Koj»f des Kindes,
das kein Lebenszeichen mehr wahrnehmen liess. Das un-
gewöhnlich grosse, todte Mädchen zeigte die sämmttichen Zehen
beiner Kusse und die sämmtlichen Finger der linken Hand
nicht getrennt, sondern bis an die Nagelwurzel häutig ver-
bunden, ährdich der Schwimmhaut der Wasservögel. Die
Knochen der Phalangen aber, sowie die Nägel waren ab-
33 If. Äbegg, QeburtehGIfKebe MlUbeilnngeii.
gesondert. Die rechte Hand war in anderer Weise regel-
widrig gebildet. Die entsprechenden Phalangen der drei mittieren
Finger erschienen nämlich noch nicht geschieden, sondern
in einen einzigen, angemessen starken Knochen ver-
schmolzen, dessen freies Ende von einem sehr grossen Nagel
hedeckt war. Der Daumen und der kleine Pinger verhielten
sich normal. Dieser Befund gehörte demnach zu den llemmungs-
bildungen,. da der Keim fAr die Fland sich nur theilweise
zur vollständigen Spaltung der Finger entwickelt halle. *)
Hydrencephalocele.
Ein in Fusslage zur Gehurt eintretender, starker, noch
einige Stunden lebender Knabe hatte eine grosse Schädelspalte
aus der in der Richtung der Pfeilnath eine mit Wasser gefulllp
Blase emporstieg, unter deren Druck die Entwickelung des
Gehirnes und des Schädels gehemmt worden war. Das Schädel-
dach erschien abgeflacht, die Schädelknochen stark verkümmert,
so dass der Kopf das Ansehen eines Hemtcephaius daH^it.
Exomphalos.
Ein in Scheitellage zur Geburt gestelltes , reifes Mädchen
hatte den auffallend sulzreichen, dicken Nabelsirang, dessen
velamentöser Ueberzug sich in eine durchscheinende, fast den
ganzen Unterleib einnehmende Membran fortsetzte, durch
welche die Därme und die Leber deutlich sichtbar waren.
Erst nach drei Tagen starh das Kind.
Einen ähnlichen Befund zeigte in Fusslage ein todt-
geborenes Mädchen.
Zur ßeckenmessung.
Die meisten Instrumente zur ßeckenmessung datiren noch
von der Periode, wo fast jede Erfindung eines Apparates als
wesentliche Bereicherung der Wissenschaft galt. Doch gieht
es auch ganz neue, z. B. Szymanowakf^ Somatometer. ^)
Man soll dessen einen Arm, zur inneren Messung, durch
1) Rokitansky^ Pathol. Anatomie, 3. Auflage, 1. Bd., S. 61.
Förster, Pathol. Anatomie, 3. Anflage, S. 30. Bock, Pathol.
Anatomie, S. 47.
2) Prager Vierteljahrsschrift, 1862 Bd. 4, S. 8.
11. Abtgg^ Gebortshülflicbe MittheilnngeD. 33
den Mastdarm au das Promontorium fuhren. In der Praxis
wird sich diese Methode aber sehr schwer einfuhren lassen,
noch schwerer als die nach Ziemssen namentlich per rectum
aDZUsleUendeD Temperaturmessungen mittels des Thermometers.
Ueberdies ist doch die Sicherheit, dass man den Vorherg
mit der Spitze des Instrumentes wirklich erreicht habe, eine
sehr problematische. Auch scheinen mir die Grunde für dies
neue Verfahren, dass man die Conjugata vera bisher noch
am sichersten aus der Conjugata diagonalis mit Abzug eines
Zolles berechne , und dass man bei gutgebautem Becken das
PromoDtorium Dicht direct mit dem Pinger erreichen könne,
nicht zutreffend.
Die Wahrheit des Ausspruches von Michaelis^) in seinem
klassischen Werke „dass man eine Conjugata diagonalis von
5* unter günstigen Umständen wohl mit zwei Fingern messen
köone, jedenfalls aber noch immer über 4" hinaus'*, was für
die Praxis genfigt, steht fest.
Auch ergiebt sich die Conjugata vera nicht durch Abzug
eines ganzen Zolles, sondern von 1'" — 9'" vom Maasse der
Conjugata diagonalis.
Für die äussere Messung ist das einfachste und
beste Werkzeug ein hinreichend grosser, an den Enden ge-
knöpfter, mit einem Maass versehener Tasterzirkel, wie
der £urcAar<2'sche , dessen sich Michaelis bediente, der
ifarttVsche oder ein ähnlicher.
Zur inneren Messung brauche ich nur den Zeigefinger
allein oder nebst dem Mitt^finger, nie Instrumente, wie sie
r. Siebold^) in seinen Abbildungen in grosser Vollständigkeit
darsteDt, weil sie wegen der schwierigen Fixirung am Pro-
montorio weit weniger sichere Resultaten geben, und der
Untersuchten weit mehr Schmerzen machen, als der Finger,
lief die freie Beweglichkeit und das deutlichste Gefühl voraus hat.
Zeigt doch schon die römische Lucina als treffendes
Symbol das Auge auf der Spitze des Zeigefingers.
1) MickaüU^ Das enge Becken, 1851, S. 127.
2) «. SMoldf Abbild, ans der Gebnrtshiilfe and Beschreibung;
ntcfa Maygri0r, 2. Auflage, 1836.
MMAtMchr. f. Gebartak. 1S66. Bd. ZZV., Hfl. 1. 3
34 ^^' ^^^99i Gebartshölfliche Mittheilungen.
Auch Michaelis^) sagt: ,,iiameiitlich tbeile ich das Miss-
irauen gegen jede in&trumentale Messung der inneren
Beckenräume in vollem Massse.**
Am besten misst man mit beiden Fingern, weil man
dann etwa ^"^ weiter reicht, als mit dem Zeigefinger allein.
Indem man mit der Spitze des Mittelfingers das Pro-
montorium ^) fixirt, drückt man die Radialseite der Hand an
di(^ Symphyse an , macht mit dem Nagel des Zeigefingers der
anderen Hand am unteren, hinteren Rande der Schoosfuge,
den man durch Uebung deutlich fühlen lernt, die Marke auf
die eingeführte Hand, zieht dann die Finger in unveränderte!*
Stellung zurück und misst den Abstand der Marke von der
Spilze des Mittelfingers.
Michaelis hob zuerst nachdrücklich hervor und belegte
es durch genaue Beobachtungen, dass das enge Becken
keineswegs allein durch directe Behinderung der' Ge*
burt schädlich einwirke, sondern weit häufiger durch den
nachtheiligen Einfluss auf die Wehen, ganz besonders aber
und am häufigsten auf die Stellung des Kindes.
Als enge Becken betrachtete er solche , deren Conjugata
diagonalis nur 3'' 3'" bis höchstens 4^, deren Conjugata vera
nur, 2" 5'" bis 3" 5'", meist 8'", sehr selten nur 6"* weniger,
als die Conjugata diagonalis, maass. ^)
Er fand bei 72 genau beobachteten Geburten und genau
ermittelter Beckenenge 3 Gesichts-, 8 Fuss-, 4 Quer-Lagen,
7 Mal Vorfall der Nabelschnur neben dem Kopfe, und zwar
9, 5V2, 4^2 und lO*/^ Mal häufiger, als er sie bei regel-
mässigen Becken sah, ausserdem 9 Mal die complicirtesten
Siellungen, z. B. gleichzeitigen Eintritt des Kopfes, der Füsse
und der Nabelschnur.
Nicht der höhere oder tiefere Stand des Vorberges zum
Beckeneingang , nicht die Neigung des Beckens bestimmt die
Difl^erenz der Conjugata vera von der Conjugata diagonalis;
sondern die Höhe der Schoossfuge und die Grösse des Winkels,
1) A. a. O. S. 99.
2) Richtiger nach 0«ian(2er Vertebra eminens; denn der obere
Hand des obersten Kreuzbeinwirbels ragt weiter in das Becken
hinein, als der unterste Lendenwirbel. S. t?. Siehold ^ a. a. O. S. 9.
3) Mickaelia, a. a. O. S. 65, 74.
IL Ahegg, Qebirtsbülfllclie MUtheilnngen. 35
iten sie mit der Coojugata ?era bildet. Je höher die Symphyse,
i« grösser der Winckel, desto grosser ist der Unterschied der
Cotijugatae und umgekehrt Die Conjugata vera beträgt in
der Regel bei starkem Knochenbau 9'", bei sehwachem 7'"
weniger, als die Conjugata diagonalis.
Die mittlere Grösse des Diameter Baudeloc^ii l>eti*ägt
bei Lebenden 1" 5'"; der mittlere Abzug zur Bestimmung der
Conjugata diagonalis ist wenigstens 3" 5'", da diese letztere
im Allgemeinen nicht über 4" misst. Doch sind erbebliche
Abweichungen nicht selten. Jedenfalls ist aber der Baude-
focg««'sche Durclimesser für die Erkenntniss des engen Beckens
wichtig, sobald er unter 7" misst. Fast jedes zweite Becken
solcher Art wird ein enges sein.')
Hat auch die Beckenmessung fiir normale (leburten keinen
l»esDnderen praktischen Werth, so muss sie doch geübt werden,
um die nötliige manuelle Fertigkeit und ein sicheres Unheil
ftber die vom Normalen abweichenden Verhältnisse zu ge-
winnen; denn, wo sie erforderlich ist, hat sie entscheidende
Wichtigkeit, so insbesondere filr die Bestimmung, ob Kaiser-
schnitt oder Perforation vorzunehmen sei , oder ob die Geburt
Mf natürlichem Wege ohne Verkleinerung der Frucht, mittels
fler Wendung oder der Zange beendet werden könne.
Aber in solchen Fällen steht, wenn die Messung eben
prst bei oder ganz kurz vor der Geburt möglich ist, schon
mindestens ein Leben auf dem Spiele.
Dagegen gewährt die Messung ihren segensreichsten Nutzen,
wenn sie in früherer Schwangerschaftszeit stattfindet. Dann
Lann sie zur Erhaltung des sonst gefährdeten mütterlichen
und kindlichen Lebens führen.
Gewiss würden die unerquicklichen Fälle von Embryo-
lomie durch Einleitung der künstlichen Frühgeburt,^ oder des
künstlichen Abortus sicher zu vermeiden sein, wenn man
(lelegenheit hätte, die Frauen in früherer Zeit der Schwanger-
schaft zu untersuchen, und nicht erst, wie leider meistens,
(*r8t im Verlaufe der Geburt hinzugerufen würde.
]) MiekaelU, S. 107.
36 n. Abegg, Gebnrtshfilfliehe MittheniiDgeii.
Aber auch umgekehrt kann die frOhzeilige Messung vor
.unbegrAndeten Eingiifien bewahren und bedrohte Leben er*
hallen.
So wurde bei einer gracilen, zum ersten Male schwangeren
Frau von schwachem Knochenbaue, wegen angeblich absolut
zu engen Beckens nicht nur die künstliche Frühgeburt inlendirt,
sondern sogar der künstliche Abortus, als uniungänglicb er-
forderlich.
Ich fand folgende Maasse:
Diameter Baudelocquii 7" 2"',
Spin. iL anter. supp. 9" —
Crist. il 10" —
Troch 11" 3"'.
Da die Messung im muthmasslich zweiten Monate der
Schwangerschaft stattfand, konnte ich mich bei der inneren
Exploration nur von der genügenden Räumlichkeit der Beckeo-
höhle im Allgemeinen überzeugen, den Vorberg selbst direcl
nicht erreichen, wegen des tiefen Standes der Gebärmutter,
fand aber, dass die Gonjugata diagonalis jedenfalls über 3"
betragen müsse. Ziehen wir vom Diam. Baudel. 3" 5'", dem
schwachen Knochenbau entsprechend ab , so ergiebt sich für
die Gonjugata diagonalis 3" 9"', ein Abzug von dieser von T"
aber für die Gonjugata vera immer noch 3" 2"'.
Nach diesem BefuiTde konnte ich nur von jedem weiteren
Eingreifen abralhen, und erfuhr denn in der That, dass die
Frau spater an einem anderen Orte von lebenden Zwillingen
glücklich entbunden worden ist. Aber auch ein einzelnes,
vielleicht stärkeres Kind, als jeder dieser Zwillinge war, hätte
wohl bei diesen Durchmessern eines massig verengten Beckens
lebend geboren werden können, wofür z. B. die Beobachtungen
28 (Conj. vera 2" 11'"), 29 (Conj. vera 3 "2'"), 33 (Gonj.
Vera 2" 10"'), 34 (Conj. vera 3" 2'"), 39 (Gonj. vera 3" 2*^,
44 (Gonj. Vera 3" 1"') von Michaelis'^) sprechende Be-
weise sind.
Das engste Becken, bei welchem ich die Geburt eines
lebenden Mädchens natürlich erfolgen sah, hatte folgende Maasse:
2) MickaelU, a a. O. S. 294. 296, 300, 302, 308, 812.
III. Ahegg, Heiliutg eiii«r BUteDseheideafiatel etc. 3?
Diain. Baud. 6" 9'" ,
Spio. il. . . 8" 6"',
Crisl. il. . . 9'-' 6"',
Troch. ... 11* a*",
Conj. diag. . 3" 4",
*1m wahrscheinlich Conj. vera . 2" 9".
Sieben Mal konnte ich bei weiten Becken die Conj. diag.
Mcht messen, die aber jedenfalls über 4" 6'" betrug; alle
ärbea halten einen Diam. BaudeL von mehr als 8".
III.
Heilung einer Blasenscheidenfistel durch einmalige
Aetznng mit Höllenstein.
Von
Dr. Abegg,
H6baxDinenlehr«r sn Dantig.
Am 21. December 1863 wurde ich zu einer bisher ge-
sunden 35jahrigeD Erstgebärenden v(^n kräftigem Körperbaue
and mittlerer Grösse gerufen. Die bereits vor einigen Wochen
angestellte Uotersuehung hatte ein stark geneigtes Becken
und folgende Maasse desselben ergeben:
Spinae ilium anter. sup. 8" 9"\
Crist ihum 9" 6'",
Diameter Baudeiocquii . 6" %"* ,
Conjugata diagonalis . . 3" 3'".
Das Maass der Conjugata vera ist also auf 2" 8'" höchstens
3' anzunehmen, und das Becken zu den engen zu zählen.
Die Scboossfüge ist 1" 6'" hoch, die Entfernung der Tro-
clnnleren beträgt 11 Zoll.
Die ersten Wehen sollen am 19. Abends eingetreten
sdn , das Fruchtwasser ging aber erst am 21. Morgens 9 Uhr
ab. Die Wehen waren regelmässig, kräftig und häufig, jedoiii
nicht wirksam genug ; denn sie hatten bis 1 Uhr Mittags den
Kopf noch nicht fest in den Beckeneingang herabgetrieben.
38 11^* ^^^99 i Heilung einer BUsenecheidenfistel
Der Kopf, noch beweglich, und jedenfalls nach dem Geföhl
seines vorliegenden Segmentes nicht klein, präsentirte sich
in erster Scheitellage, die kleine Fontanelle war, etwas nach
vom und links, erreichbar, der vordere Theil des Mutter-
mundes etwa fingerdick angeschwollen und sehr empfindlich.
Erst etwas nach 3 Uhr Nachmittags stand der Kopf ziemlich
fest gegen den Beckeneingang, mit ziemlicher Kopfgeschwulst
angepresst, so dass die Zange angelegt werden konnte. Dies
geschah denn auch ungesäumt, da die Gebärende sehr er-
schöpft, die Wehenthätigkeit schwächer, die Fötalherztöne
nur noch undeutlich zu vernehmen waren , und der Kopf für
die räumlichen Verhältnisse dieses Beckens entschieden zu
gross war, als dass man den weiteren Geburtsverlauf der
Natur hätte allein überlassen dürfen.
Die vorsichtige Anlegung der Zange bei genügend er-
öffnetem Muttermunde, und die fernere Entwickelung des
todten , 22 Zoll langen , starken , völlig ausgetragenen Knaben
geschah ohne besondere Schwierigkeit. Trotz aller Sorgfalt
wurde der Damm , wie mich die Grösse und geringe Nach-
giebigkeit des Kopfes , sowie die starke Rigidität der äusseren
Geschlechtstbeile bereits vorher be furchten liess, in der Aus-
dehnung von V2 Zoll eingerissen. Seitlk^he Incisionen halte
ich dies Mal nicht gemacht, weil sie in ähnlichen Fällen doch
den Dammriss nicht verhütet hatten, was auch Hecker y
(Geburtshülfe, Bd. 2, S. 191) zugiebt. Wohl aber hatte ich
unmittelbar vor dem Durchschneiden des Kopfes die Zangen-
löfl'el behutsam entfernt, die Spannung etwas vermindert, wo-
durch ich schon öfters wesentlich zur Erhaltung des Dammes
beigetrageu zu haben glaube. Hecker sagt sehr treffend a. a. 0.
„dass die Zange kein Mittel ist um den Damm vor dem Ein-
reissen zu bewahren, das sieht man auch daraus, dass man
bei aller Vorsicht, die man auf das Hindurchtreten des Kopfes
verwendet, mit und ohne Incisionen keinesweges immer dies
Ereigniss zu vermeiden im Stande ist''
Der Kindeskopf hatte folgende Maasse:
Von der Stirn Wölbung bis zur kleinen Fontanelle 4" b*"y
Querdistanz der Tubera parietalia 3" 4'",
Diagonaldistanz von der Kinnspitze bis zur kleinen
Fontanelle b" 2".
durch einmalige Aetzung mit HöllensteiD. 39
Der Kopf war also niclil bedeuleiid grösser, als pr
bei reifen Fruchten zu sein pflegt, sondern nur relativ zu
gross. Die Kopfgeschwulst befand sich auf dem hinteren
Theile des rechten Scheitelbeines. Am linken Scheitelbeine
irar zwischen den deutlichen Eindrücken der beiden Zangen-
löflel eine starke Impression an derjenigen nahe an der Sutura
corooalis sinistra gelegenen Stelle wahrzunehmen, welche dem
Promontorio zugekehrt gewesen war, ein Beweis des in der
Beckenenge erlittenen Druckes.
Am dritten Tage nach der Entbindung trat Metroperitonitis
puoperalis ein, welche unter reichlichem Eiterabflusse , und
mehrfacher Abstossung nekrotisirten Gewebes einen günstigen
Verlauf nahm.
Der Urin floss zuerst, wenn auch unter grossen Schmerzen
aul normalem Wege, seit dem 18. Tage aber, an welchem
mehrere grosse Fetzen nekrotischen Gewebes abgingen, be-
ständig ab. Die Entstehung einer ßlasenscbeidenfistel wurde
dadurch sehr wahrscheinlich. Denn käme hier eine durch
Orucklähmung des Sphincter vesicae bedingte Incontinentia
urinae io Betracht, so würde sie schwerlich erst nach 18 Tagen,
sondern wie die weit öfter nach Entbindungen beobachtete,
durch Lähmung des Detrusor vesicae verursachte Uetentio
urinae bald nach der Geburt aufgetreten sein.
Die Untersuchung mittels des Speculi liess denn auch
bei der in Knieellenbogenlage gelagerten Patientin an der
vorderen Wand der Scheide hoch oben,
etwa '/s Zoll vom oberen Ende des
Scheiden theiles entfernt einen hufeisen-
förmigen, von dickgewulsteten Rändern
umgebenen, Substanzverlust von etwa
't Zoll im grössten Durcbmessei^ er-
kennen. Als Blasenscheidenfistel wurde
diese Lücke dadurch constatirt, dass in derselben der durch
die Harnröhre in die Blase eingeführte Katheter deutlich
uomittelbar mit dem Finger gefühlt, und seine Spitze gesehen.
werden konnte.
Ich hatte die Absicht, die Fistel mit dem Glüheisen zu cau-
terisiren, auf den Vorschlag meines Freundes, Herrn Dr. Oehl-
Schläger, jedoch, welcher die Güte hatte, die Kranke mit
40 m* ^h§ggt Heilung einer BUsenscheidenBstel
mir zu uiitersuclien , wurde zunäcbsl versuchsweise eine starke
Aetzung der Fistel selbst und ihrer Umgebung mit Argentam
iiitricum in Substanz vorgenommen.
Chelius ^) hatte eine sechskreuzergrosse Blasenscheiden-
listel durch viermalige Aetzung mit Höllenstein und zweimalige
mit Glüheisen bis zum Umfange einer kleinen Erbse ver-
kleinert. Der Erfolg des Höllensteins ist also , da dieser nicht
ausschliesslich angewendet worden war, nicht zu ermessen.
Eine groschengrosse Fistel heilte Ch. durch 37 Cauterisationen,
eine 5 bis 6 Linien grosse durch 9 Aetzungen mit Höllenstein.
Simon^) fand zweimalige HöUensteinätzung erfolglos bei
einer so kleinen Fistel r dass nur ein sehr dünner Katheter
in die Blase durchdringen konnte, und erreichte erst durch
die Operation Heilung, eine andere sehr kleine Fistel heilte
er durch zweimalige, eine gleichfalls äusserst kleine durch
einmalige Aetzung mit Argent. nitric, und ebenso mehrmals
kleine, nach der Operation zurückgebliebene Fistelreste.
Demnach schien mir die Aetzung mit diesem Mittel nur
für ganz kleine Fisteln hinreichend. Für den vorliegenden
Fall konnte ich bei dem Umfange der Fistelöffiiung kein grosses
Vertrauen auf das Arg. nitric. setzen, und glaubte, dass
mindestens die tiefgreifendere Einwirkung des Glüheisens
nöthig werden würde.
Aber das Ergebniss dieser einmaligen Höllensteinätzung
war ein vollständig günstiges. Eine weitere Cauterisation war
gar nicht mehr erforderlich. Der in den Fistelrandern hervor-
gerufene entzündliche Process schloss die Fistel so gut, dass
bereits am 17. Januar gar kein Urin mehr durch dieselbe
abfloss, obgleich wegen der ungewöhnlichen Empfindlichkeit
der Patientin nicht einmal ein Katheter eingelegt worden war.
Am 3. Februar wurde durch genaue Untersuchung die völlige
Schliessung der Fistel nachgewiesen. Nur war, wie gewöhnlich,
noch sehr häufiges Drängen zum Uriniren vorhanden, welches
aber bis jetzt, Mitte März, verschwunden ist. Der Urin geht
1) CheUuBy lieber die Heilung der BUsenscheidenfiateln durch
Cauterisation, Heidelberg 1844, S. 23 u. ff.
2) iSimon, Bericht über neun Fälle etc. in v. Scanumi^ BeitrKge
zur Geburtskunde und Oy^nftkologie, 4. Band, Wfirsburg 1860,
S. 178, 177, 184.
durch «iamali^fl AetinDg* mit Hdllenstein. 41
Dir auf dem normalen Wege ah und kann bereits 5 bii«
6 SCnnden lang znröckgebalten wei-den. Die Heilung ist also
eine dauernde.
Als die Ursache der starken Quetschung und nach*
Mgenden Nekroüsirung der vorderen Partie des Muttermundes
nod der hinteren Blasenwand ist hier offenbar das räumKohe
Wssverhiltniss des Kindeskopfes zu dem in seinem Eingange
zo engen und überdies stark geneigten Becken zu betrachten.
Waren auch die Durchmesser des Kopfes nicht un^
gewöhnlich gross, so zeigte derselbe doch kleine Fontanellen
und enge Näthe, daher sehr geringe Nachgiebigkeit.
Zur Wendung war keine genügende Indication vorhanden '
gewesen, weder behufs Lageverbesserung des Kindes, noch
mr Geburtsbeschleunigung, da das Kind in normaler Lage
and Stellung eintrat, der Kopf, wenn auch langsam, vorrückte
and der Kräftezustand der Frau im Ganzen gut, eine äugen-
UicUicfae Gefahr nicht da war. Ueberdies ist sehr zu be^
zweifeln, ob das Ergebniss für Mutter und Kind ein besseres
gewesen wäre. Wenigstens fuhi*t Simon ^) auch einen Fall
von Blasenscheidenfistel, nach der Wendung entstanden, an;
för das Kind aber wären die Aussichten bei noch nicht ge*
Dügender Erweiterung des bereits angeschwollenen Mutter-
UHUides und dem Missverhältnisse des Raumes schwerlich
göostiger gewesen.
Die Zange konnte jedoch erst angelegt werden , als der
Kopf mindestens an den Beckeneingang fest angepresst war,
wenn auch, ohne in denselben einzudringen.
JedenfaBs ist es nicht die, natürlich als vorsichtig voraus*
gesetzte, Anwendung der Zange oder anderer Instrumente,
sondern eine Combination anderer Momente , welche die Ent-
stehung der Blasenscheidenfisteln bewirkt. Jeder beschäftigte
Martshelfer wird Fälle von rigorosem, lange dauernden
Zangengebrauche erlebt haben, welche, besonders bei normaler
Beekenneigung ohne allen Nachtheil für die Gebärende verliefen.
Namentlich begünstigt die absolute oder relative Enge des
Beckeneinganges oder Grosse des Kopfes in Verbindung mit
1) Simon in 8ean»oni*B BeitrSgen etc., Bd. 4, B. 13.
42 m* ^^ggt Ueilaog eioer BlMeDfecb^ideofittel etc.
ZU Starker Beckenneigung das in Rede siebende, üble £reignis&.
Auf letzleres Moment mit seiner Folge, Hängebauch, machte
Eßfnarch^) bereits früher aufmerksam. Zur Bestäüguog
dient, dass wir bei stark geneigten Becken und zögerndem,
wenn auch sonst nicht ungünstigem Geburtsverlaufe fast immer
die vordere Muttermundslippe durch die Quetschung zwischen
Kopf und Symphyse bedeutend angeschwollen finden. Zwai*
können wir bei stark geneigtem, jedoch nicht verengten
Becken durch höhere Lagerung der Kreuzgegead wohl dazu
beitragen, dass der Kopf besser in die Beckenaxe eintritt,
ohne am oberen Rande der Symphyse erheblichen Widerstand
zu linden. Bei Verbindung von starker Beckenneigung mit
* Beckenenge oder zu grossem Kopfe bleibt aber dieser Versuch
ohne Erfolg.
Eine fernere, nicht zu unterschätzende Ursache lag in
Hecker*s Falle ^) vor, nächst dem harten, unnachgiebigen
Kindesschädel, nämlich eine zu hohe Symphyse, welche statt
IV2" fast 2" Höhenmaass hatte, wodurch die Quetschung
der Blase in grosser Ausdehnung sehr begünstigt wurde.
Je mehre dieser Momente zusammentreffen, oder je
stärker eines derselben prävalirt, desto grösser muss die
Gefahr der Fistelbildung seüi.
Freilich entstanden die meisten bekannt gewordenen
Fisteln in solchen Fällen, in welchen die Zange oder andere
Instrumente gebraucht worden waren, so in 16 Fällen von
Habit^^) so in 8 Fällen von Simon^) (im neunten entstand
die Fistel erst mehrere Jahre nach der Entbindung) , in zwei
der drei Fälle von Chdius^) (der dritte betraf Blasenver-
letzung bei einer ISichtschwangeren) , in dem Falle von
Brandes ^) — , und in dem von Ulrich ^) — es wäre deshalb
1) Esmardi, Ueber die Operation der BlaseDscheideDfistel.
Deutsche Klinik, 1868, No. 27, 28.
2) Heek&r, Klinik derGeburtsknnde, Bd. 2, Leipzig 1864, 8. 123.
3) Habit, Zeitochr. der Gesellschaft der Aerste in Wien, 1869,
No. 40, 41, 42,
4) Simon, a. a. O.
6) Chelitu, a. a. O.
6) Branden, Deutsche Klinik, 1864, 18. Februar.
7) Ulrich, Wochenbl. der Zeitscbr. der k. k. Ges. der Aerste
in Wien, 1863, No. 60.
lY. Bnder^ KaiBersehnftt mit glncklicbem Aosg^afige ete. 43
von loteresse, aucb solche Fälle, und ihr Verhfiltniss zu
jenen, kenoen zu lernen, in welchen nach schweren Ent-
HmtiiDgen ohne jede Operation sich Fisteln entwickelten ; in-
dessen dürfen wir uns schon jetzt mit Befriedigung auf die
begrtedele Ansiebt yon Autoritäten, wie Simon^) stötzen,
«elcher fOr die meisten Fälle nicht die Zange, sondern den
bngandauernden Druck auf die Gewebe als die Ursache der
Fistdn betrachtet, worin ihm Hecker vollständig beistimmt.
Die Heihing der Fistel in meinem Falle scheint mir sehr
«esentüeh durch ihre Form begünstigt worden zu sein, weil
die Entfernung der gegenüberliegenden Ränder durch den
nach oben hineinragenden Zipfel nur halb so gross wurde,
als sie ohne denselben gewesen wäre.
IV.
KaiBerschnitt mit glttcklichem Ausgange
fOr Mutter und Kind.
Von
Dr. Ender,
Dir«ctor des HebammeninstUuts sn Trier.
Ä, D. aus B., 27 Jahre alt, Näherin und in sehr
ärmlichen Verhältnissen, meldete sich am 7. März a. c. zur
Aülhahroe in die hiesige Gebäranstalt. Dieses Mädchen ist
3 Pass 3 Zoll gross und ein Bild hochgradiger Rhachitis;
sie hat ein blasses, älthches Gesicht; der Unterkiefer äberragt
den Oberkiefer; sie geht mühsam und mit kleinen Schritten,
und sitzt mitten unter den anderen hochstämmigen Schwangeren
Inf einer Fassbank , da sie den Stuhl nicht bequem besteigen
kann, auch die Füsse dann den Boden lange nicht erreichen;
beide Oberschenkel sind sehr stark nach vorn verkrtlmmt,
die Unterschenkel in demselben Grade nach innen ; die Knie-
1} Simon, Operation der BlasenscheideDfisteln durch die blntigce
Saht, Bottock 1862.
44 l^* Ender, Kiiiserschsitt mit glüeklichero Ausgange
gelenke vermag sie nicht vollsländig (etwa bis zu eiDem
Winkel von 140^—150^) zu strecken; die Arme sind gleich-
massig verkrümnU; die Wirbelsäule, besonders deren Lenden-
theil, sowie der übrige Rumpf zeigten sich normal. Die
wiederholt vorgenommene Beckenniessung ergab folgende Re-
sultate: Conjugata diagonalis = 3'' 4'", Conjugata externa =
6 ", gerader Durchmesser der Beckenweite = 3 " 6 '", gerader
Durchmesser des Beckenausganges = 3 " , Abstand der Spin,
ant super. = 8^2'^ Abstand der Trocliant. major. = 10"«
Beckenumfang = 30", Abstand der Sitzknorren = 2" 9'",
von der Spitze des Kreuzbeines zum unteren Rande der
Schamfuge = 3'' 3''', linker Sitzstachel stark prominent;
Abstand der linken Huftkreuzfuge von der Schamfuge =
3" 6'", dieselbe Entfernung rechts = 3"9'", Schambogen
eng, Höhe der hinteren Beckenwand = 4", Höhe der Scham-
fuge =1" 4'", die ganze Kreuzbeinaushöblung , welche sehr
gering ist, mit einem Finger bequem zu bestreichen; kein
Vorbergsglittwinkel , kein auf Spondylolistliesis deutendes
Symptom. Die Conjugata vera wurde somit auf 2"8''' ge-
schätzt
lieber den Termin der Schwangerschaft liess sich nichts
mit aimäbernder Gewissheit feststellen; den Zeitpunkt der
letzten Regel wusste die i>. durchaus niclit anzugeben, be-
hauptete dagegen, den Beischlaf nur ein Mal, und zwür bei
einer im Juli stattfindenden Dorf kirchweihe ausgeübt zu haben,
wonach die Regel, welche zu dieser Zeit eben eintreten sollte,
ausblieb. Bei der inneren Untersuchung fand sich der Scheiden-
theil noch ziemlich lang und geschlossen; ein sehr kleinei*
Abschnitt des Kopfes lag hoch oben auf dem rechten geraden
Schoossaste ballottirend vor, und liess sich der Kopf auch
von aussen leicht durclifiihlen; der Leib war sehr stark aus-
gedehnt, vollkommener Hängebauch; Gebärmutter über dem
Nabel; Nabel etwas hervorgetreten; die Herztöne wurden
rechts neben dem Nabel deutlich vernommen. Bei den wieder-
holt vorgenommenen Untersuchungen fohlte ich mehrere Male
Gontractionen in der Gebärmutter.
Angesichts dieser Resultate der Untersuchung, welche
die Schwangersdiafl weit vorgerückt erscheinen liessen, gab
ich in Uebereinstimmung mit dem zu Rathe gezogenen
fftr Mutter und Kind. 45
Regierungs-Medicinalratbe Dr. Laymann den Gedanken an
die Einleitung der künstlichen Frühgeburt gänzlich auf, und
entschloss mich nach reiflicher Erwägung der Becken Verhältnisse
11109 Kaiserschnitt.
In der nächstfolgenden Zeit verkürzte sich der Scheiden-
Iheü regelmässig, und war am 18. März der äussere Mutter-
mund soweit offen, dass die Fingerspitze eben einging; dei'
Nabel trat mehr hervor; der sehr kleine Abschnitt des vor-
Kegenden Kopfes vergrösserte sich nicht, blieb vielmehr bis
rar Geburt leicht ballottirend hoch oben auf dem rechten
geradoi Schoossaste stehen.
In der Nacht vom 22. — 23. März, also 15 Tage nach
der Aufnahme in die Anstalt, begann die Webentliätigkeit ;
der Muttermund erweiterte sich regelmässig und hatte am
23. März Morgens 9 Uhr bereits die Grösse eines Zehn-
groschenstückes erreicht Leider sprang jetzt die, noch latige
nicht sprtngfertige , massig grosse Blase, wobei das Frucht-
wasser in grosser Menge abging, daher ich ungesäumt zur
Aosfühning des Kaiserschnittes schritt, nachdem die D. ihre
GinwiDigung hierzu ertheilt hatte. Die Operation wurde auf
dem Gebärbette der Anstalt vorgenommen. Von den vier
assistirenden Collegen besorgte einer die Ghloroformnarcose ;
der zweite und dritte, am linken Bettrande stehend, Hessen
die Finger ihrer fest an die Bauchdecken angedrückten Hände
io bekannter Weise in einander greifen; sie waren darum
ersacht, gleich nach Bildung der Gebärmutterwunde deren
oberen und unteren Winkel vermittelst der eingelegten Zeige-
finger zu den entsprechenden Winkeln der Bauchwunde empor-
zuziehen; der vierte Assistent endlich übernahm etwaige
chirurgische Hülfsleistungen.
In vollkommener Ghloroformnarcose, welche während
der ganzen Operation andauerte, machte ich nun den 6 Zoll
langen Schnitt durch die Bauchdecken in der Linea alba,
nach dessen Vollendung die Gebärmutter sich sogleich in
der Wunde präsentirte, und wobei leider eine Darmschünge
im unteren Wundwinkel vorfiel, deren Reposition zwar mit
Schwierigkeit, aber endlich doch gelang. Am oberen Wund-
winkel drang ich dann, etwa in der Ausdehnung eines Zolles,
ia die Gebärmutter ein, und düatirte bis auf 5 Zoll. Jetzt
4j6 IV. Ender, KaiseraehniU mit glüoklichem Aasgange
trat aus der GebärmuUerwuDde eine enorme Blatuag ein, die
Chloroformirte röchelte, ihr Gesicht verfiel, sie -sah voUkommeAi
wie eine Horibunda aus, der Puls war klein, häufig, aber
regelmässig. Ungesäumt ging ich in die Höhle der Gebärmutier
ein, ergriff die Fasse des Kindes und entwickelte sie, unfl
an ihnen das gauze Kind , wobei auch die Ausziebung de»
Kopfes keine Schwierigkeiten machte. Die Blutung stand
nunmehr, die drohenden Erscheinungen wichen, Puls, Aus-
sehen etc. wurden besser, und da die Gebärmutter sich gut
zusammenzog, schritt ich sofort zur Lösung des, leicht an
der Gebärmutterwand festhängenden Mutterkuchens, und eut>
fernte ihn. Das lebende starke Kind wurde, nachdem es
kräftig geschrieen, von der Oberhebamme abgenabelt, und
dieser zur weiteren Besorgung übergeben. Jetzt folgte die
Schliessung der Wunde durch vier Knopfnähle mit den be-
kannten Fadenbändchen, welche V« Zoll weit vom Wuudrande
entfernt von innen nach aussen eingelegt wurden und das
Bauchfell mitfassten; in ihren Zwischenräumen brachte icJi
noch drei umwundene Nähte an; danach die Heftpllastersti*eifen
Charpie und Bauchbinde. Der untere Wundwinkel blieb iiui*
in der Ausdehnung von etwa ^^ Zoll offen, und wurde ein
Bourdonnet in ihn geschoben. Die Mutter , welche efst nach
Vollendung der Naht erwachte, erhielt Vs ^^' Morph, acet.
Das ausgelragene Mädchen wiegt 6 Pfund 16 Loth , ist 18 Zoll
lang; seine Kopfdurchmesser sind: grösster 5", gerader 4" 2'",
grosser querer 3" 6'", kleiner querer 2" 9'", senkrechter
3" 6'"; MuUerkuchen 1 Pfund 1 Loth, 8", 6"; Nabel-
schnur 17''; Einpflanzung central.
Am Nachmittag und Abend des Operationstages war der
Zustand des Mädchens , welches über sehr heftige Nachweben
klagte, ein durchaus guter; Puls 92, Leib beim Druck ganz
unschmerzhafl , kein Erbrechen , kein Meteorismus. Das Kind
trinkt vortrefflich an der Mutter. In der nächstfolgenden
Nacht schlief die Operirte ziemlich gut. Am anderen Tage
(24. März) war der Allgemeinzustand sehr gut. Puls 100,
Leib nicht aufgetrieben und beim Druck unschmerzhafl. Nach-
wehen noch anhaltend, viel Dufst; sie erhielt Eiswasser
(warmes Getränk wurde verboten). Am Abend derselbe gute
mr Mnttef vnd Kfaid. 47
Zelaad; Klystier, und da dies wirkungsioB war, ein EsslaAel
(II. rieini und m der nächsten Nacht ein zweiter.
25. März Morgens: Puls 140, voll und krftftig; Leib
sehr wenig aufgetrieben, beim Druck nur rechts über der
Sebnoifttge sehr schmerzhaft; kein Erbrechen; kein Stuhl-
gang. Das Bourdonnet wird aus dem unteren Wundwinkel
folferat, da die Sonde nur durch die* Bauchdecken, nicht
mehr in die Hohle der Gebärmutter gelangt; Eiswasser zum
Getränk; Umschlage yon Eiswasser rechts über der Scbaam-
fuge; dritter Essldlfel Oleum rieini. Letzteres wurde aus-
gebrochen; im Uebrigen blieb der Zustand im Laufe des
Tages nnd Abends unverändert, Stuhlgang trat nicht ein.
26. März Morgens: Puls 128; in der Nacht neun Stuhl*-
gioge; kein Erbrechen; bisweilen Schluchzen; Leib nicht
angetrieben , beim Druck nur rechts unten über der Schaam-
fuge schmerzhaft. Umschläge von Eiswasser auf diese Stelle;
\ 3 Natr. nitric. 6 3 zweistundl. 1 Esslöffel. Die Kranke
vdgert sich entschieden, Eiswasser weiter zu trinken, und
verlangt ebenso bestimmt warm<* Milch, welchem Wunsche
bereitwillig und reichlich nachgekommen wird. Am Abend
klagte sie über zeitweise eintretende Schmerzen mit Poltern
iiD Leibe und Abgange von Blähungen.
27. März Morgens wurde die Erneuerung des Verbandes
vorgenommen. Die obere Hälfte dar Wunde zeigt sich ge-
schlossen, ebenso deren unterster Theil. Unter ihrer Mitte
irt eine Steile zwischen zwei Nähten in der Ausdehnung von
Hwa ein Zoll offen gebheben, aus welcher fortwährend und
m reichlicher Menge eine schwarze, etwas übelriechende
Flässigkeit dringt, und aus welcher ich ein Blutgerinsel ent-
fernte. An dieser Steile dringt die Sonde mehrere Zoll tief
HD. Puls 120, kräftig; kein Erbrechen; Schluchzen selten;
gales Aussehen. Letzte Nacht und heule Morgen Anfall von
liefügem Leibschmerz mit starkem Poltern im Leibe; zwei
Mal \ Gr. Morph, acet. Das gesunde Kind trinkt vortrefflich
an seiner Mutter, die wenig Milch in den BrAsten hat, und
b« der die Lochien regehnässig fliessen. Sie geniesst nur
warme Milch in reichlicher Menge, ausserdem gar nichts.
Im Laufe des Tages traten noch zwei reichliche Stähle ein,
und ein, mit starkem Poltern verbundener heftiger Anfall
48 I^- End^r, KaiMraefanlU mit glfieklichem Aosgaoge
von Leibsehmeri, der nach Vs ^>** Mor^^h. acet. ?6Uig wicb.
Im Uebrigen wurde keine Arznei verabreicht Der Ausfluss
jener schwarzen übelriechenden Flüssigkeit aus dem Ueberresl
der Wunde dauert an.
28. März Morgens: In letzter Nacht wieder ein Schmerz-
anfall mit starkem Poltern im l^ibe, nach >/« Gr. Morph, acet.
aufhörend; zwei breiige Stühle; Puls 128; Leib nicht meleo-
ristisch, beim Drucke überall schmerzhaft; kein Erbrechen:
häufiges Schluchzen; aus der betreßenden Stelle der Wunde
dauerte dieselbe schwarze Absonderung unaufhörlich an, und
dringt die Sonde dort noch ebenso tief ein. Auf letzteren
Theil der Wunde wird ein in warmes Wasser getauchter und
ausgedrückter Schwamm gelegt, und oft erneuert. Im Laufe
des Tages wieder ein Schmerzanfall, nach Vs ^i'* Morph, acet.
verschwindend , und zwei breiige Stähle. Sonst keine Medi-
cation.
29. März Morgens: In verflossener Nacht ehi Schmerz-
anfall, Vs Gr. Morph, acet.; zwei feste, reichlicbe Stähle;
kein Erbrechen; Puls' 120; Leib unschmerzhaft beim Drucke,
nicht aufgetrieben. Keine Arznei. Der auf dem Reste der
Wunde liegende Schwamm wird oft gewechselt.
30. März Morgens: In letzter Nacht Schmerzanfall mit
starkem Poltern im Leibe, nach Vs ^r. Morph. aceL ver-
schwunden; zwei ziemlich feste Stühle; Puls 112; bekommt
Appetit, trinkt Kaifee mit Milchbrod, Mittags Fleischbrühe, —
dieselbe schwärzliche Ausscheidung aus der bezeichneten Stelle
der Wunde, in welche die Sonde noch ebenso tief eindringt, —
zwei Knopfnähte und eine umschlungene werden entfernt, —
gar keine Medication.
31 . März : Ein neuer Schmerzanfall wich dem Morphium, —
feste Stühle, — der noch offene Theil der Wunde hat
eine trichterförmige, oben weite, nach unten sich verengende
Gestalt; am unteren Ende des Trichters th-ingt die Sonde
durch einen engen Canal noch einen Zoll tief gerade nach
innen,/ — Secret mehr hellbraun, weniger riechend, — Ent-
fernung zweier Knopfnähte und einer umschlungenen, — Leib
nicht aufgetrieben und ganz unschmerzhaft, — Lochien
schwächer, — Appetit viel besser, geniesst Wein, Fleisch-
f&r Mntter und Kind. 49
brtfie. Fleisch, «d weiches Ei, — Kind gesund, trinkt an
seiner Mutter und einer anderen Wöchnerin.
1. April: Nachts Schmerzanfall , Vs Gr. Morph, acet;
zwei normale Stöhle; Puls 108; kein Erbrechen, kein Meteo-
rismus; Appetit gut, — an der betreffenden Steile dringt die
Sonde noch ebenso tief ein , das Secret lässt sich durch einen
Druck von rechts her entleeren. — 'Rechts neben der
Linea alba liess sich schon während der letzten
Tage durch Percussion und Umgreifen eine harte
Geschwulst erkennen, welche sich vom rechten ge-
raden Schoossaste bis nahe an den Nabel erstreckt,
und aus der sich das Secret entleert, wahrschein-
lich ein circumscripter Abscess, der den Bauch-
decken angehört. — Keine Medication^ — die letzte
Insectennadel wird entfernt, — die ganze Wunde ist, bis auf
jenen Trichter in der Mitte, fest geschlossen; die Absonderung
aus letzterem nimmt mehr die Beschaflenheil guten Eiters an.
3. April: Gestern und vorgestern dieselben Schmerzanfalle,
nach Morph, acet. weichend, — mehrere breiige Stuhle, —
Allgenieinzustand normal, — Puls normal, — aus dem Trichter,
der vortrefflich granulirt, entleert sieb reiner Eiter, und die
Geschwulst rechts verkleinert sich gleicbmässig; aus ihr kann
man durch Druck den Eiter entleeren.
Es dürfte ermüden, den Fortschritt der Reconvalescenz
nach Tagen zu beschreiben. Bei gutem Allgemeinbefinden
und normalem Pulse kehrten jene, stets mit Poltern in den
Därmen verbundenen Anfälle von Leibschmerzen öfter wieder,
erforderten aber wegen ihrer Kürze nicht mehr die An-
wendung des Morphium, sondern wichen nach dem Abgange
einiger Blähungen. Die Stuhlentleerungen blieben ganz regel-
mässig ; im Durchschnitt traten während 24 Stunden zwei ein,
die entweder breiig, oder ganz consistent waren. Der Appetit
warde kräftig, der Schlaf war gut Der noch offene Trichter
der Wunde verkleinerte sich durch vortreffliche Granulationen;
die Sonde drang in dessen Grunde allmählig immer weniger
lief ein, und am 21. April war der Fislelgang in seiner Tiefe
TöUig geschlossen; die Geschwulst rechterseits nahm hiermit
gleichen Schrittes an Umfang ab und verschwand schliesslich
MonAUachr. f. Qebartok. 1886. Bd. XXY., Hft 1. ^
50 V. Benporath n. Liebnum, Ein Fall yon Fibroiden
ganz. Endlich hatte sich auch jener Regt der Wunde nil
Granulationen ausgefüllt und vernarbte. — Das Kiad, f&r
welches die Mutter wenig Nahrung hatte , gedieh durch gleicii-
zeiliges Anlegen an andere Wöchnerinnen vortrefflich.
Vor ihrem Ausscheiden aus der Anstalt erkrankte die
Natter noch an Abscessbildung am linken oheren Augenlide,
nach deren Beseitigung diegdhe mit Jhrem kräftigen, gesunden
Kinde am 20. Mai ij»^;:^ftiimftiUSii^7^!^^|il^ entlassen
werden konnte.
V.
Ein Fall von Fibroiden äes ütervs, krebsiger
Infiltration derselben nebst primärem Krebs
der Seheide.
Beobaofatet
Dr. Benporath und Dr. Ltebman,
praktischen Aerzten in Triest.
Frau S. &., 48 Jahre alt, war bis zu ihrer Heiralbt
weiche in ihrem 28. Jahre erfolgte, regelmässig menstniirt.
Im Verlauf der «ersten sieben Jahre ihrer Ehe abortirte sie
drei Mal hinter einander, ohne dass sie eine Ursache an«
zugeben vermochte. In den letzten 17 Jahren concipirte
sie nicht mehr; wohl aber litt sie sehr häufig an Metrorrhagien,
weiche sonst mit keinerlei Beschwerden verbunden waren,
so dass sie sich nicht veranlasst fand, die Hülfe eines Arzles
in Anspruch zu nehmen, was sie audi noch unteriiess, als sie,
vor etwa sieben oder acht Jahren, eine Geschwulst im Unter-
leibe bemerkte. Die Geschwulst schmerzte sie nicht, auch
nicht bei Berührung, verhinderte sie nicht in der Verrichtung
ihrer häuslichen Arbeiten, obwohl sie nafch Angabe der Patientin
durch zwei Jahre allmälig an Grösse zunahm.
dM UtmrQft, krebftiger IiifilU'iiti«n derMlben eto. 51
Im Jabre 1859 bekam Palieuiin pl&tslich heftige Sebmerzen
m der linkeD Leistengegend, der Tumor wurde zugleich gegen
Berührung ausserordentlich empfindlich, so dass sie durch
i^uge Wochen das Bett hüten musste. Sie gebrauchte da-
gegen, nach ärztlicher Verordnung, nebst einigen inneren
IGttdn kalte Einspritzungen in die Vagina. — Die Patientin
erholte sich und will nach dieser Zeit, durch mehr als vier Jahre,
pr oicfats zu leiden gehabt habep; selbst die Menstruation
sei wieder regelmässig geworden; von einem Ausflusse aus
dea Gaiitahen oder ?on Metrorrhagien wurde Nichts bemerkt,
Aach sei der Tumor nicht mehr gewachsen , nur sei er gegen
BernhniDg etwas empfindlich geblieben.
Vor ungefähr einem Jahre trat die Menopause ein.
Im Sommer 1863 empfand Patientin wieder Schmerzen
in der linken Leistengegend. Es gesellten sich später sehr
heftige Kreuzaohmerzen hinzu, welche bis gegen den After
Im ausstrahlen und jetzt ihre Hauptbeschwerde ausmachen;
sie traten gewöhnlidi in den Nachmittagsstunden auf und dauern
hiB spät in die Nacht hinein; dagegen haben die Schmerzen
in der linken Leistengegend in der letzten Zeit etwas nachgelassen.
Es zeigte sieh ein spärlicher, gelber, dfinnflössiger, bin
wd wieder mit Blut tingirter Ausfluss aus den Genitalien. —
Seit dersdben Zeit klagte Patientin auch über ein Ge£QU
Ton Schwere im Becken.
Der Stuhl ist -angehalten. Keine Hambesch werden.
Am 3. Februar 1864 wurde ich von meinem CoUegen
br.Benporaihj in dessen Behandlung Patientin seit ungefihr
eiaem Monate stand, zu einem Consilium eingeladen.
Wir fanden die Kranke ziemlich kräftig gebmit, noch
wohl genährt, obwohl sie angiebt, in der letzten Zeit sehr
ahgemagerl zu sein. Ihre Gesichtsfarbe erdfahl.
Die Bauchdecken weich, schlaff, unter dem Nabel nacli
rechts hin etwas hervorgewölbt; an dieser Stelle fühlt man
in der Bauchhöhle eine rundliche, gleichmässig harte, ziemlich
glatte Geschwulst lieber den Schambeinen hat sie einen
Qoerdorchmesser von etwa 3 Zoll und reicht bis ungefähr
2*4 Zoll unter den Nabel hinauf, sie ist nach rechts und
tfhen deutlicher zu umgreifen, als nach links und etwas lie-
weglich; bei stärkerer Berührung derselben klagt Patientin
4*
52 ^- Benpin'ath n. Liebman , Ehi Fall von Plbroidcn
Qber Schmerzen. Die Biiuchdecken dardber rerschiebbar.
lieber der Geschwulst sind durch die Auscultation keinerlei
Geräusche wahrzunehmen.
Bei der Untersuchung durch die Scheide findet man den
Uterus tiefstehend, leicht nach vorn geneigt, er ist un-
beweglich und hängt zweifellos mit dem obheschriebenen
Tumor zusammen. Das Scheidengewölbe vollkommen ver-
schwunden, wie zu Ende der ersten Geburtsperiode. Der
Scheidencanal geht in einen Saum über, der rings berinn
eine harte Masse umschreibt Dieser Saum ist rechts an
einer kurzen Strecke sehr dünnwandig, etwa 4 Linien brdl.
Seine übrige Peripherie, und zwar etwa drei Viertheiie der-
selben, ist ungleichmässig hart, an einigen Stellen (z. B. vorn)
steinhart, an anderen weniger hart anzufühlen; dagegen aber
mehr knollig, ungleich dick. — Dieser Saum umscblieset
eine etwas querovale Oellhung, deren längster Durchmesfier
etwa 2 Zoll misst und durch welche ein runder harter Körper
\n den Scheidencanal hineinragt — An allen Stellen konnte
die Uterussonde zwischen diesem Saume und der harten Masse
eingeführt werden, ohne sie jedoch mehr als einige Linien
weit vorschieben zu können. — An der weichen Stelle des
Saumes konnte auch das Nagelglied des Zeigefingers zwisdien
Saum und Gesehwulst geführt werden.
Die Geschwulst selbst ist glatt und hart aniufttblen,
an einigen Stellen zeigt sie eine sehr Aach höckerige Ober-
ffSche. Ganz nach links kann der Zeigefinger zwischen Saum
und Masse eine Strecke weit (etwa *//) hinaufgeführt werden
und befindet sich in einem engen Canaie mit knolligen Wänden,
in der Richtung nach links und oben. Von der ferneren
Untersuchung musste wegen der ziemlich bedeutenden Blutung,
welche die Berührung dieser Massen hervorrief, abgestanden
werden. — Auch die Sonde konnte in diesem Canaie nicht
weiter als der Finger geführt werden. Der Tumor war gegen
Berührung etwas empfindlich.
Mit einem kleinen Speculum wäre es nicht möglich ge*
wesen, den Uterus einzustellen; ein Speculum grösseren
Kalibers vertrug die Kranke nicht; aber selbst wenn uns
die Enge der Scheide kein Hinderniss zur Einführung unserer
grössten Specula abgegeben hatte, glaube wir, dass die
4m ütenuy kiebsi^ar Infiltration d»x8«lb«o eto^ 53
gcfjqge Beffegfichkeit der Gescbwulsi die EinsteUting derselben
refhindert bäUe.
Die Uotersochung durch den Masldarm gab kein« weitere
AurscMösse; der Raum der Masldarmböble war durch die
die vordere Waod des Mastdarmes hervorbaucheode Geschwulst
bedeatend beengt
Wir hielten uns berechtigt diesen Saum für den noch
fiiUbareB Tbeil des ad maximum dilatirten Cervix, die quer-
ovale Oeffnnng für die Mutterroundsöffnung anzusprechen. —
Die Kurze der Scheide konnte nicht sehr auffallend sein, da
bedeutende Vergrösserungen des Uterus einen tiefen Stand
desselben stets bediogen , wenn keine Elevation vorbanden ist.
Die Geschwulst wai* gewiss intrauterin ; und zwar handelte
t» sich entweder um einen einzigen sehr grossen o(ter um
«iiieB mit Färoiden der Gebärmutter complicirtem fiibrösem
Polypen; oder um einen oder mehrere Fibroide der Gebäi"-
«uiter ; und im letzteren Falle mussle g[ewis$ der dem Finget*
zugingficbe TheiJ der Geschwulst dem unteren Segmente eines
sttbmucösen Fibroides angehören.
Die regelmässige und voilsländige Erweiterung des Cer-
vicakanals sprach für einen Polypen, ebenso die längiicbe
Fom der Geschwulst. Ge^en denselben der Umstand, dass
ein Polyp, der schon vor vier Jahren eine solche Grösse
crreichl hatte, die Grenzen des Muttermundes schon über-
schritten haben 8oUte> wiewohl schon Kiwisch bemerkt, dass,
wenn die Form und das Wachstbum des Polypen den Durch-
tritt desselben durch den Muttermund nicht begünstigen, er
jahrelang im Uterus verweilen, oder nur tbeilweise in den
MHtlernHind hineinragen kann*^)
Leider halte die Entscheidung der Frage über die Natur
des imraulerioen Tumor keine praktische Wichtigkeit, da dei*
Ziutand der Wände des Gervicalcanales einen operativen Eingriff
centraifidicirte; und deshalb wurde auch von einer genaueren
Untersuchung mit Sonden von verschiedener Krümmung, und
TOB dem von Scanzom^) angegebenen Verfahren, die Be-
1) Klinische Vorträge, 4. Auflage, 1. Band, S. 479.
8) Lehrbueh der Krankheiten der weiblichen Sexnalorgane,
8. Auflage, S. 247.
54 V. BmporM n. //»«6man, Ein Fall toii Pibreiden
weglichkeit des TumorK darch ein eingesctilagenes Hackchcu
zu ermitteln, Abstand genommen.
Was die Erkrankung der VaginalfKHTtian anbelangt, so
musste sie als ein Carcinom aufgefasst werden. Obwohl wir
bisher dem Medollarkrebs der Gebärmutter stets nur als
diffuse Infiltration der Vaginalportion begegneten , so bestätigMi
doch einige Autoren sein Vorkommen auch als umsdiriebeiie
Geschwulst. Zur Diagnose des Krebses föhrten uns aber,
nebst der Ausschliessung anderer Erkrankungen, das Aussehen
der Patientin , die stechenden Schmerzen die nur seit einigen
Monaten aufgetreten waren; und ?or allem die Beohachtung
des weiteren Verlaufes der Krankheit.
Die Therapie war natörlich rein symptomatisch. Innerlich
kohlensaures Eisen , einige leichte Eccoprotica u. s. w. Gegen
die dann und wann auftretenden Blutungen wurden mit Erfolg
Einspritzungen einer wenig concentrirten Lösung von Ghlor-
eisen vorgenommen. Gegen die Schmerzen wurden yergebens
die verschiedensten Narcotica , in den verschiedensten ^Formen
in Anwendung gebracht.
Bei einer am 12. März vorgenommenen abermal^en Unter-
suchung schien die Infiltration der Wände des Cervix etwas
zugenommen zu haben. Der Versuch , den Muttermundssaum
von der Geschwulst abzuheben , gelang nicht überall mit der-
selben Leichtigkeit wie das erste Mal, und rief, wie überhaupt
die leiseste Berührung sowohl des Muttermundes als der
intrauterinen Geschwulst, eine heftige Blutung hervor. Wir
standen von jeder weiteren Untersuchung ab.
Die Abmagerung nahm ziemlich rasch zu. Reichliche
Blutungen folgten sich in Zwischenräumen von wenigen Tagen ;
mit denselben Hessen aber die Sdimerzen nach, so dass
die Kranke die Linderung der Schmerzen mit dem Auftreten
der Blutung in Causalnexus brachte, und keine Ein-
spritzungen mehr machte; ja sogar die Blutung dem be-
handelnden Arzte verheimlichte. Erst später erklärte sich
die schnelle Abnahme der Kräfte aus den verheknlicblen
Metrorrhagien. Unter den Erscheinungen von Anasarca und
Ascites erlag die Kranke am 21. April ihren Leiden.
Section 40 Stunden nach dem Tode. Die Bauchhöhle
enthält eine massige Menge gelber Flüssigkeit; das Bauchfell,
4m Utas-Qs, kv«bsiger Infiltration daraelben etc. 55
m der ganzoi Beckenhöhle etwas gelrubt, bildet zablreicbe
StrSDge und Pseudoniembranen , nach deren Ablösung man
erst ein klares Bild der Lage der Genitalien erhalten kann.
Die GebännuUer nach rechts geneigt, so dass die linke
Tuba (die später beschrieben werden soll) die höchste Stelle
anmniint; die rechte Tuba durch den Uteruskörper verdeckt.
Der Uterus asymmetrisch vergrössert und zwar die rechte,
Mtr liegende Hälfte überragt die linke an Volumen, ist
breiter und mehr abgerundet. Die Vagiiialportion sehr klein,
fogt ganz nach links.
Folgende sind die wichtigsten Maasse auf die Ursprung*
Sehe Lage der Gebärmutter im Becken bezogen:
Von der höchsten Stelle des Uteruskörpers bis zum
tiefsten in die Vagina hineinragenden Theil desselben etwas ^)
iüw 4^^ , von der Uitte des Fundus bis zum äusseren Mutter-
mund 47«") Breite am Fundus S^l^'\ Breite des Uterus
1 Zoll (^rbalb des Ansatzes des Scheidentheiles 4%'\ die
Vaginalportion ist daumendick und 4 Linien lang.
Die Gebormutter enthält einige Drachmen Blut. Die
Winde des Uterus bedeutend verdickt; sie messen auf dem
Dorebschnitte am Fundus ö'".
Unter der Abgangsstelle der rechten Tuba ein in die
ilöhie der Gebärmutter hineinragendes vollkommen rundes
sabmocöses Fibroid von 1%" Durchmesser. Das Gewebe
desselben gleicbmässig weiss, derb, von faserigem Aussehen.
Nach unten von diesem Fibroide befindet sich noch ein zweites
Neugehilde« welches durch den die vordere Uleruswand durch-
irenoenden Schnitt halbirt wurde ; seinem Aussehen und seiner
Lage nach ebenfalls ein submucöses Fibroid , welches die ganze
Peripherie der Gebärmutter einnimmt und nur die obere
HaJAe des Gebärmntterkörpers frei Ifisst. Die Gestalt desselben
i<l sehr unregelmässig, besonders an der hinteren Wand des
Cterus; vom erscheint es auf dem Durchschnitte keilförmig;
€S läuft nämlicfa oben in eine ganz dünne Kante aus, welche
vom froher erwähnten Fibroide nur durch die , beide Gebilde
aberziehende Schleimhautduplicatur getrennt ist. Dieses Fibroid
1) Die Maasse sind dem seit fünf Wochen in Spiritus anf-
bevabrten Präparate entnommen.
56 V. Btnporalk n. Lißbman, Ein Fall too Fibroid^n
ragt weit weniger in die Höhle der Gebärmutter hinein als
daB obere; ist nn seinem unterem Theile am dicksten (1^);
hier ist es gelblicher als oben, hier und da weicher; wenn
man mit der Messerklinge über die SchnittiSSche fährt, so
schabt man eine dicke, gelbe Flüssigkeit ab. An diesen
Stellen diflerenzirt sich das Neugebilde viel weniger vom
Ulerusgewebe als oben. Ganz unten, am abhängigsten Theile
des Neugebildes, ist eine Unterscheidung zwischen diesem
und der Uteruswand nicht mehr möglich. Hier bilden Uterus-
wand und Fibroid eine ganz gleicbmässige über l^j^" dicke
weisse Masse; an mehreren Stellen eingesprengt ßndet man
weissgelbliche Knoten, von ziemlich geringer Consistenz; an
anderen Stellen eine Erweichung des Gewebes zu einer breiigen
Masse.
Die Vagipalportion grünlich missfarbig , theils durch ein-
gelagerte Knoten härter, tlieils schon breiig erweicht
Die mikroskopische Untersuchung liess in den^ höheren
Parthien des Tumors, ebenso wie in der anderen, früher er-
wähnten Geschwulst, alle Charaktere des Pibroides erkennen.
In den unteren Theilen des unteren Fibroides , sowie in den
infiltrirten Wänden des Uterus ^ konnte die enorme Wucherung
von verschieden gestalteten , mitunter auch sehr grossen Zellen
keinen Zweifel darüber obwalten lassen, dass es sich um
einen MeduUarkrebs handelte, welcher Gebärmutter und Fibroid
ergriffen hatte. Au den weicheren und gelblichen Stellen
Hessen sich die gewöhnlichen regressiven Metamorphosen der
zelligen Bestandtheile der Neugebilde deutlich erkennen.
Die ganze Höhle der Gebärmutter ist im Verhältnisse
zur Vergrösserung des Organes sehr verkleinert; sie besteht
aus einem engen Ganale, der durch die beiden intrauterinen
Tumoren nach links und hinten verschoben ist, sich nach
unten im Cervicalcanale fortsetzt, und ganz oben am linken
Uterushorne in eine kleine dreieckige Höhle ausläuft. In
diese Höhle mündet die linke Tuba. — Die Schleimhaot des
Uterus hyperämisch, verdickt, mit einer geringen Menge
Schleim belegt.
Die Scheide ringsum mit Krebsmasse durchsetzt; diese
Infiltration erreicht aber nicht ihr Maximum knapp am Utenis,
sondern an einer ringförmigen Stelle ungefähr ^'^ Zoll unter
de« Utttrvfi, kr6byiif(6r Infillmtiort derselben ele. 57
dem Uterus, hier eri-eichten die Waode der Scheide ao einigen
Stellen die Dicke von mebr als 1 Zoll. Unter diesem Ringe ist
die Krebsproduction wie abgeschaitten und die Scheide ist
normal; oberiialb desdelben nimmt die Infiltration etwas ab
in dem Haasse, dass ein Theil der hinteren Scbeidenwand von
der Infiltration fast ganz verschont bleibt; dagegen griff die
kreMge Wodierung vorn schon auf die Blase über. Die
Blase selbst war durch Harn ausgedehnt, am Grunde der*
selben mehrere lileine Krebsknqten unter der Schleimhaut.
In derselben Weise ist das Rectum miterkrankL Im Binde-
gewebe der Beckenhöhle einzelne zerstreute Krebskiioten von
verschiedener Grösse.
Noch ist an diesem Befunde hervorzuheben, daes ein
Hydrops der linken Tuba bestand. Das Uterinoslium der
Tuba war durchgängig; sie war bedeutend verlängert, vielfoch
geknickt; besonders gegen das Ahdominaleiide zu mit dicken
Pseudomembranen umhüllt und an die seitliche Wand des
Uterus angelöthet Sie bot ganz das Aussehen einer Dünn-
darmschlioge , welche sich in eine apfelgrosse Cyste fortsetzt,
und enthielt klares Serum. Das linke Ovarium klein, zeigte
noch deutliche Spuren des letzten Corpus luteupi. Am oberen
Rande des Eierstockes eine längliche bohnengrosse , mit einer
klaren farblosen Flässigkeit gefiillte Follicularcyste. Rechts
ist die Tuba ebenfalls an ihrem Abdoniiualende von Pseudo-
membranen ganz umhüUl; von den Franzeu, wegen Ein-
stülpung derselben , Nichts zu sehen ; sie ist etwas verlängert,
ihre Wände sind verdickt und ebenso wie die Schleinüiaut
derselben dunkelbraun pigmentirt. Der Canal liess sich von
der Gebärmotterhöhle aus sondiren und enthielt etwas flössiges
Bhil. Das rechte Ovarium war klein , bot nichts Bemerkens-
werthes.
Aus diesem Befunde gebt hervor, dass die krebsig in-
filtrirte Scheide während des Lebens för den erweiterten
' Muttermund gehalten wurde. — Da einerseits die Infiltration
der Scbeidenwände in der letzten Zeit des Lebens zugenommen
hatte, und da wir andererseits, »den wahren Sachverhalt nieht
ahnend, das Präparat nicht mit besonderer Vorsieht aus der
fieckenhöhle heraushoben, so dass wir die Scheide erst zu
Gesicht bekamen , nachdem wir sie schon könstlkrh von ihrer
56 ^- Benparath n. Liebmany Ein Fall von Fil>T«i4«ti etc.
Umgebimg getrennt ^batto» ; so kommt es, dass wir beote
nicht in der Lage sind, die Verbdltnisse za demonstriren,
in weleben sieb Scheide und Uterus während des L^»eiis m
einander befanden. Es ist aber mehr als wahrsdiekdich, dass
es durch die fast ringf5nnige hifiUration der Scheide zu einer
Stenose des Scheidenrohrs gekommen ist, wobei jener Tlieil
der Peripherie dieses Ringes, welcher noch meht kreiMig
infiltrirt war , klappenförmig in das Lumen des Scheidencanals
hereingezogen wurde und so für den nicht infiltrirten Theii
des Mutlermundes gehalten werden konnte. Leider können
wir nicht angeben, aus welchen Schichten der Sch«denwand
diese Klappe bestanden haben mag , da wk* ja von der Klappe
selbst nichts mehr sehen.
Die kleine, ganz nach links ?ersohobene, durch die ia-
fiitrirte Scheide verdeckte Yaginalportion wurde als sokhc
aicbt erkannt Der Raum zwischen Uteruswand, infiltrirter
Seheide und Vaginalportion machte uns den Eindruck eines
Canales mit knolligen Wänden, dessen Bedeutung uns nie
klar war. Wir hielten es entweder für den Ausdruck jener
vielfachen Lappungen und Kerbungen, wie sie an fibrösen
Polypen und besonders am unteren Theile derselben nicbl
ganz selten sind und selbst den Gervicalcanal vortäuschen
können; oder dieser Ganal konnte theils dem intrauterinen
Tumor, theils den Wänden des Cervix angehören und wäre
durch partielle Zerstörung von Krebsknoten entstanden. Jeden-
falls hatte der von den Canalwänden engumschlossene Finger
kein so deutliches Gefühl, um diese zwei Zustände von
einander zn unterscheiden ; abgesehen davon , dass die heftige
Blutung eine wiederholte Untersuchung unmöglich machte.
Der scheinbar längste Durchmesser der Geschwulst ging
von der höchsten Stelle des in der Bauchhöhle zu fühlenden
Tbeiles dersdben, zu dem in die Vagina hineinragenden Ab-
schnitt der Geschwulst, somit konnte der Verdacht einer
Sciiiefotellung des Uterus in uns nicht rege werden und so
wurden auch keine Versuche zu einer genaueren Orientiniug
gemacht, welche möglicherweise zur Entdeckung der wahren
Lage des Uterus geMirt hätten.
Nebst diesen eigenthumlichen Verhältnissen, weiche die
genaue Diagnose des Falles unmöglich gemacht haben , hielten
VI. JU/« AbtreAiiiiii^ «ittM «br«««i Ul«r««pol^«n elc. 09
«ir tlengefctn seiuer SeUenlifiit wegen der VeröffentliobuBg
wMig; da die lUglkihkeit der Infiltration nm Kfebanasse
ii das Gewebe «nes Fibroides nocfa inHüer ?on einigea AiilercB
gdiiigBCi wird und ausaerdeni noob der prinäre Ktebs der
Scheide lu den selteneren pathologiaeben Befunden gebort
VL
AbtTOmumg eines flbrttsen Uteraspolypen bei einer
Entbindung: mit der Zange.
Aus einer brieflichen Mittbeilung an E, Martin
Dr. Robert Pobl,
pr&kti8ch«m Ante lo Magdeburg.
Am 20. Februar 1864 ward icb zu Frau B bier-
selbst, einer 24jäbrigen Erstgebärenden gerufen; dieselbe,
eine kräftige Brünette hatte im 15. Jahre ihre Menses be-
koBoien, war immer regelmässig roenstruirt gewesen; nur
in den leUteu Jahren war eine ungewöhnliche Zunahme des ab^
gefloeaeneo Menslmalblutes bemc«*kt. Während der Schwanger*
Schaft waren zeitweise einige leichte Blutungen aufgetreten.
Wegen langer Dauer der Entbindung, eingetretener Blutung
ond eines in der Scheide vorhandenen Körpers, dessen Natur
sie nicht begreifen konnte, hatte die Hebamme zu mir geschickt.
Beim Uniersucben fand ich den Scheideneingang mit einer
mannsfaustgrossen, dunkelrothen Geschwulst angefüllt, welche
ich erst, nachdem ich sie von allen Seiten mit dem Finger
amgangen hatte und von den Vaginalwänden isolirt bis vor
die Schamspalte hervorgezogen hatte, als einen fibrösen
Polypen erkannte.
Die Vaginalportion war vollständig verstrichen, nachgiebig
ond fühlte man den Stiel des Polypen vorn über den Kinds-
kopf in die Gebärmutter verlaufen. Der Kindskopf lag in
erster Hinterhauptslage bereits fest im Beckeneingangt;, und
60 ^'* ^P^i Abtrenmng eiiiM fikröMB UteriMpalypeii etc.
Dachdem ich die Scheide von Blatklumpefi gerenigt, legte
ich die Zangenlöflei an, was ohne besondere Schwierigkek
geschah, indem der Polyp nach oben ?on der Hebamnie ge*
halten ward. Die Eitraction des Kindsköpfe» erfolgte leicht
und als die Schultern des Kindes her?ortralen , fiel der Polyp
in den unterstehenden Eimer.
Der Stiel war circa 2 Zoll von dem Polypenkörper ent-
fernt abgerissen und hatte an der Abrissstelie die Dicke von
Vs Zoll. Diese Stelle war blutunterlaufen, zackig und wie
ahgerieben. Der Polyp von ziemlich derber Structur, war nur
etwas zusammengefallen und kaum % ^ gross, als vorher.
Nachdem die Nachgeburt entfernt war, spritzte ich die fJterusn
höhle» welche nicht mehr hhitete, mit kaltem Wasser aus,
entfernte die vorhandenen Blutgerinsel und fühlte im Halse
•des Uterus nach hinten zu eine hüglige leistenförmige Er>
hebung, auf welcher ein nabelschnurdicker und ähnlich sich
anfühlender Körper (jedenfalls der Rest des abgerissenen
Polypenstieles) sich hin und her bewegen Hess; er mochte
noch die Länge von einem Zoll haben.
Die Frau hatte keine weitei'e Blutung und verlief das
Wochenbett normal.
Nach vier Wochen hatte sie drei Tage lang eine geringe
Mulung, welche sich von selbst verlor. Die Untersuchung
per vaginam und mit der Uterussonde ergab nichts Abnormes.
Bis jetzt ist die Frau ganz wohlauf, das Kind gesund.
Vli. Spmfler, Herne palopie bei einer SeberMtgeren^ gl
VII.
Hemeralopie bei einer Schwangeren.
Mitgetheilt
▼OB
Hofrath Dr. Speogler in Bad -Ems.
UfflsüiDniungen des Nei*venleben8 , veränderter Geistes-
luid Geniiithszustand , schmerzhafte Empfindungen aller Art
(Zabosehoierz , Halsschmerz , Kreuzschmerz , Kopfschmerz,
Mastodyoie, Wadenschmerz etc.), Schlaflosigkeit, Schlafsucht,
Obreiibrauseu - u. a. gehören zu den Störungen im Nerven-
sjsleiD, die mit der Schwangerschaft häufig beobachtet vvei^den.
Auch leiden Schwangere oft an verschiedenen Sinnesstörungen,
Schwerhörigkeit, Gesichlsschwäche , verändertem Geschmacks-
uad Geruchssinne u. dergl. , doch gehören im Allgemeinen
Gestcbtsslöningen hei Schwangeren zu den Seltenhoilen.
Unter diesen Gesichtsstörungen sind Doppeltsehen, Undeullich-
sehen, wie durch einem Nebel sehen die Erscheinungtui , die
ooch am häufigsten beobachtet wurden, cfr. Jobert, sur divers
IrMiUes de la vue propres ä certaiues femmes grosses. (Bullet.
de Tacad imper. de MM. Seance du 7. Oct. 1816.) Hemera-
lopie aber gehört zu den gi*össten Seltenheiten, so dass
Cheiius, Htmly, Blundell und so die meisten Schrifl steiler
ihrer im Zusammenhange mit Schwangerschaft nicht erwähnen
and Hecker in seiner Klinik der Geburtshulfe, 1864, 2. Band,
erwähnt nur zweier von ihm beobachteten Fälle. Ich erlaube
mir daher einen Fall von Hemeralopie mitzutheilen , den ich
dieses Fröbjahr beobachtete, und von dem ich glaube, dass
er einiges- Interesse haben dürfte.
Die Frau des O. J. in N bei Ems , 26 Jahre all,
war zum vierten Male schwanger, und fühlte sich in dieser
Schwangerschaft, wie in den drei anderen vollständig wohl.
Am 12. April konnte sie Abends bei einbrechender Dämmerung
plätzüch nichts mehr seilen, und diese Blindheit dauerte bis
de» aoiler«D Morgen, wo sie verschwiiaden war.. Und so
mederliolte sieb die Nachtblindheit fünf Tage IdHg. Da «las
C9 VII. Spm^Ur, Hamaralopfa b«i »hier Schwangeran.
Ende der Schwangerschaft herangerückt war, so wurde weiter
nichts angewendet, in der Hotnung, dass mit der Gehurt die
Krankheit schwinden werde. Anschwellung der Fusse und
Albuminurie waren nicht vorhanden. Uie Geburt trat zu
rechter Zeit am 17. Abends ein; sie war wie die früheren
leicht und normal, um 11 Uhr ward ein gesundes Kiiäbcheri
geboren. Gegen 1 Uhr schlief die Wöchnerin ein, und als
sie um 3 Uhr erwachte, rief sie voll Freuden aus, dass sie
wieder ganz gut sehe. Und von der Zeit an blieb das Seh-
vermögen ungestört. Das Wochenbett verlief ganz normal.
Die Frau ist noch heute ganz gesund , wie sie es immer
war; sie wurde mit 16 Jahren menstruirt, und blieb e»
regelmässig. In der Familie herrschen keine Augenleiden, und
auch in dem Dorfe herrschten keine solche. Die Schwanger-
schaft verlief ohne alle Störung, nicht einmal Verstopfung
war beobachtet worden. Die Familie ist nicht arm , und hat
eine ganz gute Wohnung. Die Frau ist nicht hysterisch,
sondern eine kräftige Rauersf)-au, durchaus nicht anämisch
Sie hat ein kleines Eczem an der inneren Schenkelfläche, das
aber keine Veränderung während Schwangerschaft, Geburt und
Wochenbett zeigte. Vor der letzten Schwangerschaft will sie
regelmässig zwischen den zwei Menstruationsperioden drei
Tage an Fluor albus gelitten haben, wovon sich aber in der
Schwangerschaft nichts mehr gezeigt hat. In dem Orte giebt
es keine Epidemien, und zur Zeit der Geburt war kein Genius
morborum deutlich ausgesprochen. Vor mehreren Jahren
beobachtete ich zwei Fälle von Hemeralopie bei zwei Jungen
des Ortes , die in einer benachbarten Eisengiesserei arbeiteten,
und die ganz schnell mit Leberthran geheilt waren. (CfV.
meinen Artikel über die Wirksamkeit des Leberthranes in
dieser Augenaffection in: Zehender's Zeitschr. 1863.) Dies
waren die einzigen Fälle ^ sonst. ist die Krankheit im Orte
gänzlich unbekannt.
Im Wochenbette und während des Stillens wurde keine
Spur irgend einer Augenaffection beobachtet.
Eine Ursache dieser Hemeralopie ist nicht iic^clizuweisen;
weder die Ueberbiendung von 9. Oraefe, iiodi Scorbut, den
Sehwartz bei der Novaraexpedilioii als Ursache anklagen au
YUL NotiKea aiu dar Jloavpiü-LHera^r. gg
glaubt, konnte hier als Ursache nachgewiesen werden.
frimie war nicht vorhanden; ebenso wenig Albuminttrie;
fliangefbafle Nahrung ist ebenfalls nicht Schuld, und so mnssen
wir auf eine Erklärung dieses seltenen Pallos vor der Hand
Terzicbten.
VIII.
Notizen aus der Journal -Literatur.
JouUn: Das Becken der yerschiedenen Henschen-
racen.
Dea y«rf. , Memoire", welches derselbe der ^Acad^mle
lap^riale de M 4decine <* am 14. Jan i 1864 mitgetheilt hat, führte
sa falfeBden Schlüsaen:
1. Wicktigey ebarmkteristiecke Unterschiede s wischet Neger-
aad Mongolen- Becken ezistiren nicht.
2. Das Becken der drei menschlichen Haaptracen bietet
niefat ganng charakteristische Unterschiede, am ein efnselnes
Szemplar genan bestimmen sn können.
3. W&farend der Sehftdel bei den drei Uaaptracen (kauka*
siaeke, mongolische und Keger «Baoe) charakteristische Unter-
schiede bietet, stimmt das Becken beim Mongolen and Neger
iberein; beide sind ^om Kaakasier verschieden.
4. Bei allen Menschenracen ist der qaere Durchmesser des
Beekeneinganges grösser als der gerade.
5. Bei der Negerin and Mongolin differirt der schrKge
Dnrchmesser des Beckeneinganges vom queren am einige Milli-
Beter, bei der Kaakasieriu am V/^ Centimeter.
a. Die Hüftbeine stehen beim Mongolen- und Neger- Becken
Biehr yertical.
7. Die mehr oder weniger verticale Richtnng der Hüftbeine
itekt nicht mit der SchKdelform in Correspondena , wohl aber
■it der dea Thorax.
8. Bei dem Mongolen und Neger sind die Fossae iliacae
weniger transparent, als beim Kaakasier.
9. Bei allen drei Racen liegt der höchste Punkt der Crista
Hei in der Mitte derselben.
10. Die Behaaptong, dass beim Neger -Becken die Crista ilei.
höheren Landen wirbeln entsprKohe, ist anrichtig.
64 VUI. Kotisen aus der Jounml- Literatur.
11. Das Neger- und Mongolen «Beckea bat eine govin^cre
GapacUlit, als das des Kaakasiers; es ist weniger tief and der
Areas pnbis seigt einen um einige Grade grosseren Winkel«
12. Zwischen Becken und Schädel besteht keine Correlation.
Die Untersuchungen sind an 17 Kegerbecken und 9 Mong'olen-
hecken, nach genauen Messungen, angestellt worden.
(Gas. des Hdpitaux, 16. Juni 1864.)
B. S. Schnitze (Jena): üeber Palpation normaler Eier-
stöcke und Diagnose geringer Vergrösserungeii
derselben.
Die Schwierigkeit, normale oder nnr wenig vergrösserte
und nicht dislocirte Bierstöcke zu palpiren wurde bisher als eine
sehr grosse, in vielen Fällen unüberwindliche angesehen. Verf.
hat indess gefunden, dass durch eine sweckmässige combinirte
äussere und Vaginalnntersuchnng es in den bei weitem hKufigsten
Fällen gelingt, die Eierstöcke an finden, zu verschieben, ihre
Grösse und Oberfläche zu bestimmen. Zur Untersuchung da«
rechten Bierstockes wird am besten die rechte Hand für die
Vaginal-, die linke Hand für die äussere Untersuchung beniitat,
zur Untersuchung des linken Eierstockes umgekehrt. Der V^ier-
stock liegt seitlich vom Gebärmuttergrunde. Die Untersnchnng
durch den Mastdarm fährt nicht so leicht, zuweilen gar nicht
zur Feststellung der Diagnose. Aus einer blasen Schwellung der
Ovarialgegend auf eine Entzündung oder Geschwulst des Ovarium
zu schliessen, ist jedenfalls nicht zu billigen; nnr die genaue
Feststellung der Eigenthümlichkeit des Ovarium selbst kann ent-
scheiden.
(Jenaische Zeitschrift für Medicin und Nalurwissenschaft,
Bd. I., H. 8, 1864, S. 279.)
Charles Kidd: Anwendung von Chloroform in der
Geburtshulfe.
Im Mai 1863 hatte Johna im Dublin Quarterly Journal einen
Aufsatz' gegen die Anwendung des Chloroform mitgetheilt. Verf.
hat in Folge dessen beabsichtigt, seinerseits das anzuführen, was
dafür spricht, gestützt auf die günstigen Resultate, welche die
bedeutendsten Geburtshelfer vom Chloroform gewonnen haben
{Oream, Murphy^ Tyler Smitk^ Righy), Den Verf. haben zur
Mittheilang die günstigen Gifahrungen veranlasst, welche er
bei schmerzhaften Wehen, bei starken, auf Reflex beruhenden
Convalsionen etc. gesehen hat. Aus diesen Erfahrungen geht
¥IiI. NotisM •M 4%9 JottrMl- Literatur. • 05
btrrer, 4»m die Ton Jclmt ungeffUirten itiUistifiehen.MUtheiUiigeii
darekeoB nicht gegen dai Chloroform sprechen , wiesiejes «oUen.
Eia Neehtheil, der allerdings nicht in läagnen ist, besteht bei
der Anwendung anter hämorrhagischen Zuständen der GebKrenden.
Sonst jedoch haben sich von verschiedensten Seiten günstige
Erfolge ergeben, wie schon ans einer Debatte über diesen Gegen-
ttaed henrorgeht, welche in der „London Obstetrical Society"
gegen Ende 1860 stattgefunden hat. Ans dieser Debatte war
oBter Anderem ersichtlich, dass das Chloroform mit grossem
Tortbeile sur Linderung der Wehenschmersen, sur Verhütung von
CoBvolsionen , sur Erleichterung der Genesung verwandt werden
ksan und dass es bei seiner häufigen Anwendung (40,000 Fälle
ia London) noch nicht . geschadet hat. Auch bei ezcessiver
ThXtigkeit, bei Kigidititt des Os uteri, bei complicirten und
schwierigen Fällen (besondersWendungen), bei Uteruscontractionen
wihrend manueller Losung der Placenta, bei ficlampsie ist das
Cbloroform — den Aussprüchen von Autoritäten gemäss — vortheil-
ktft. Besonders hat es sich bei der Wendung, welche durch
Beekenenge complicirt war, erfolgreich erwiesen.
(The Dublin Quarterly Journal, Mai 1864.)
Camuekad: Berichtigung einer Gesichlslage unter
Chloroform.
(Mitgeth. in der Sitsung der Edinb. Obst. Soc. vom 29. Apr. 1863.)
C. fand bei einer Erstgebärenden, nachdem die Eihäute ge-
sprengen waren, das Gesicht vorliegend. Das Becken war eng,
du Steisebein stark vorspringend; bei der Trttgheit der Weben
nad dar bereits 36 ständigen Geburtsdauer drohte dem Kinde,
vialUieht *uch der Mutter, Gefahr. Nach sweimaliger Anwendung
voi Chloroform konnte der Kopf ohne Schwierigkeit über den
Read dea Beckens gehoben und die Lage verbessert werden,
veraaf die Natur die Gehurt glücklich beendete. Durch den
Druck aaf die Urethra war eine lange Urinretention herbeigeführt
Verden. — ^impmm hält diese Mittheilung über Berichtigung der
Qssichtslage für wichtig, indem sie aufs Neue beweist, dass
diese Lage Verbesserung, welche nur selten durch die Natur selbst
tasgefuhrt wird und kiinstlich wegen des Misaverbältnisees awlschen
den Diameter des Kopfes und der Beckenhöhle sehr schwierig
ist, bei Anwendung von Chloroform meist bewerkstelligt werden
kina, sobald der Kopf über den Beckenrand gehoben wird.
(Edinb. Med. Jonrn., Sept. 1863.)
HMwlMekr.f.OebnrtUc. 18S6. Bd.nV.,Hft.l.
Kuhn: Ein casuistischer Beilrag sar Lehre to«
der Selbstentwiciceiung.
Bekanntlich gehört die Selbstentwickelong eines lebenden
and grösseren Rindes su den grössten Seltenheiten. In den beiden
von K. von Anfang bis zu Ende genau beobachteten Fftllen
gehörte das eine Kind allerdings erst dem siebenten Lunar-
monate an, das andere jedoch hatte ein Gewicht von 4 Pfund
15 Loth und eine Länge von 17'/, Zoll (Österr. Civilgewicht und
Maass). Es betraf dieser Fall eine Zweitgebärende, bei welcher
mit dem ßlasensprunge die rechte Hand vorgefHllen war und bei
der Untersuchung das Rind in der Schulterlage, Kopf recht«,
Bauch vorn, sich darbot. Noch ehe K, zur Wendung, die sogleich
gemacht werden sollte, sich anschick'te, drängte unter einer
kräftigen Wehe die Schulter so tief herab, dass die Hand schwer
neben ihr vorbei hätte eindringen können. Unter der nächsten
heftigen Wehe kamen Arm und Achsel bis in den Beckenausgang und
drängten den Damra hervor; der auf der rechten Darmbeinschaufel
gelagerte Kopf rückte nun nach der Symphyse zu und unter einer
neuen Wehe trat die rechte Schulter unter den Schambogen, ja
sie drängte sich so weit vor, dass die rechte Brustwarze zwischen
beiden Schamlippen sichtbar wurde. Eine abermalige Wehe
brachte die rechte Hälfte des Rippenbogens zu Tage. Der Kopf
•tand jetzt mit naoh abwärts gerichteter rechter Seite hinter der
Symphyse; das Bekenende der Frucht war der linken HSft-
kreuzbein-Synchondrose zugekehrt. Plötzlich wälzte eine fulmi-
nante, von der Bauchpresse aufs stärkste unterstützte Wehe den
nach rückwärts gekehrten Rücken abwärts. Die geborene rechte
Schulter hob sich vom rechten Schambogenschenkel, durch den
Schoossbogen nach aussen und alsdann von dem linken Scham-
bogenschenkel nach aufwärts, der Röcken kehrte sich nach vom,
die nach unten convex gewölbte Wirbelsäule wurde in der Scham-
spalte sichtbar und der Steiss glitt mit hinaufgeschlagenen Füssen
den Damm herab. Der ganze Vorgang dauerte wenige Secunden.
Hierauf wurde auch die linke Thoraxhälfte, der linke Arm und beide
Füsse geboren. Der Kopf wurde mit dem modificirten SmeHie^sehen
Handgriffe entwickelt Das Kind wurde nach zwei Minuten langen
Belebungsversuchen zum rhythmischen Atfamen gebracht. Die
Beokenmaasse waren etwas über normal. Es war bereits eine Geburt
ohne Kunsthülfe vorhergegangen. Ursachen mögen die relative
Grösse des Beckens , die Nachgiebigkeit der Weichtheile und die
Heftigkeit der Wehen gewesen sein. Der Mechanismus entsprach
der dritten Form der Selbst wendung Bimhaum*B (im Becken -
ausgange) oder dessen Rnmpfgeburt, Buseh^s drittem Grad der Selbst-
wendung nach dem Blasensprunge, Duncan^B Spontaneous expulsion.
(Wochenbl. d.Zeitschr. d.Ges.d.Aerzte. Wien 1864, 24u.2ö.)
¥111. NoiÜMB ans der Joatp»! - LHeMtvr. 67
8tms9ier (Trojeß): lieber die Nachgeburt, neues Ver*-
fahren, dieselbe zu entfernen.
Verf. beechrelbt snnächst die SltereB und beaoBders de« in
•eserer Zeit siemiich allgemein angewendete Verfahren bei £n^*
feraimg der Hachgebart nnd empfiehlt ^ dann seine Modification,
velehe er seit 10 Jahr^ in der Praxis mit bestem Erfolge geüb^
h»L Er geht dabei von dem richtigen Grundsatze ans, dass die
Maehgebnrt möglichst bald nach der Gebnrt des Kindes su ent-
feinen eei^ da sie dann keine Function mehr zu erfüllen habe
und dnreh das Schlieesen des Mntterhalses eine Reihe von zum
Theil bedenklichen Erscheinungen durch das lungere Verweilen
des Fnichtknehens herbeigeführt werden können. Das Verfahren
ist Folgendes:
1) Zwei bia drei Finger der rechten Hand erfassen den
Habelttrang mit einem leinenen Tuche in der Nähe der Qeschlechts-
tkefle.
2) Die linke Hand wird von aussen auf den Unterbauch
l^legt, wo sie leicht den Uterus finden und umgreifen kann, sie
fasst den Grund desselben voll mit den gespreitzten Fingern,
driekt ihn zusammen und nach nnten, während die rechte Hand
ssaft am Nabelstrange zieht. In einem Augenblicke geht die
Nzehgeburt ab. Folgt die Placenta nicht gleich, so ist ein
itirkerar Druck und Zug nöthig.
Das Verfahren fuhrt noeh schnell und leicht zum Ziele, wo
die bisher üblichen im Stiche Hessen.
So erfreulieh es einerseits ist, dass obiges rationelle Ver-
Mrettf welches mit dem englischen und dem sogenannten
Oredi^Bchen Handgriffe grosse Aehnlichkelt hat, auch in Frankreich
tmpfohlen und hoffentlich bald eine ebenso allgemeine Aufnahme
laden wird, wie das Cred4*ache in Deutschland, so bedauerlich
ist die immer wiederkehrende Erfahrung, dass so viele Franzosen
keine Kenntniss von den Fortschritten der Wissenschaft in anderen
Lindem haben, oder wenn sie sie haben, ignoriren.
(Gas. des hdpit., 1864, No. 93.)
Gregoricz: lieber Credi's Methode zur Entfernung
der Nachgeburt
Q, hat im GebKrhause in Laibach bei 29 Gebärenden obige
Methode versucht und dabei ungünstige Erfolge erzielt, namentlich
»o viele Schmerzen erregt, dass die Hälfte der Gebärenden schrien,
brillUen und sich mit aller Kraft gegen den Handgriff wehrten. ,
Er läset es zweifelhaft, ob die Masse der puerperalen Er-
krankungen lediglich dem damals herrschenden Genius epidemicus
ibren Ursprung verdankte, oder ob die Placentarentfernung nicht
6*
gg Vtll. Votikes aus der Jonrnal-Literatar.
wesedtliek svr eiiortiien Hfilie der M^rtalitätsefffer beigettayett
habe, glaubt aber die Bemerkung machen %n kSanen, data ein
80 energisches Reiben und Comprimtren des Uterus unmöglich
ohne nachtheiligen Einflnss auf die Gebftrmntter bleiben kann.
Kara Verf. will von der neuen Methode nichts wissen, bringt
eine Reihe von Bedenken, die von anderen Seiten schon ge-
nügend widerlegt worden sind, abermals herror und wahrt der
bisherigen Methode, die Plaeenta zu entfernen, ihr volles Recht.
Diese Erfahrungen treten den günstigen Resultaten der jetst
fast in ganz Deutschland und Holland nicht blos bei den Gebnrta
heifern, sondern nnch bei sehr vielen Hebammen eingeführten
Cr«c{^*8chen Methode schroff entgegen. Aus der ganzen Dar-
stellung des Verfahrens in Laibacb tritt aber wohl jedem Un-
befangenen die Ueberseugung entgegen, dass hier nicht die
Methode an sieh, sondern nur die zu gewaltsame Ausführung
derselben den beschriebenen Sturm und panischen Sehrecken
unter den Gebärenden hervorgerufen hat. Jeder noch so einfache
Griff will eben gelernt sein und nicht jede Hand ist weich und
sanft und zur GeburtshÜlfe geschaffen.
(Allg. Wiener medic. Zeitung, No. 36, 1864.)
Paterson: Bemerkungen über die Vorbeugung der
Blutungen und Nachwehen nach der Entfernung
der Plaeenta.
Verf. ist nach zahlreicher Beobachtung zur Ueberzeugnng
gelangt, dass nur Ansammlungen von Blut in der Hohle der
Gebärmutter die Veranlassung zu Nachwehen seien. Diese Blat-
ansammlnngen bilden sich aber leichter und reiehlicher bei
ungenügender Contraction des Uterus oder bei Krampf desselben
(Sandubrform), und finden sich häufiger bei Mehrgebärenden,
weshalb diese auch hauptsächlich über Nachwehen zu klagen
pflegen.
Das einfachste und rationellste Mittel , was sich stets erfolg-
reich erwies, besteht in der kräftigen Reibung des Utems von
den Banchdecken aus. Es werden dadurch Gontractionep erregt
und das angehäufte Blut ausgetrieben. Erst nachdem dies ge-
schehen, darf die Bauchbinde angelegt werden.
(Edinburgh medical Journal, Juni 1864, p. 1098.)
VIII. Kotisea mna der Jonnial- Literatur. 69
Hüdebrandt (io Königsberg): Ueber Erweiterung des
ittsserea Muttermundes bei der Geburt durch
iDcisioDen.
Verf. empfiehlt die Incisionen des äusseren Muttermundes,
vtAsebt ▼on Neuem snr h&ndgeren AusfBhmng dieser Opemtion
aasaregen, welche am rechten Orte und aur rechten Zeit an-
gewandt, an das segensreichsten für Mntter and Kind an reehnen
aad iB gewiaaan patbologisehen Zustftnden da roh Icein anderes
Mittel Kaseerer oder Innerer Therapie sa ersetaen ist. Er be-
richtet über nenn GebartsfKlIe , bei denen sieben Mal wegen
ciaer Ünnaali|^eblgkeit des Muttermundes, welche den fibliehen
erweiebeDdeD and krampfstillenden Mitteln aufs hartnftckigste
trotste, Einachnitte gemacht wurden, femer ein Mal bei ekiedd
•chweren Fall« tob Eelampsie und ein Mal als YorbereitoBg anr
Eradgliehang der Nabeltchnnrreposition.
▼erf. widerlegt die Besorgnisse mancher Oebortshelfer,
welche in deti Incisionen eine Gefahr erblicken, wie namentlich
die des Weite rreisseus des Schnittes, der excessiren Blntaag und
der Nerveneracheinangea , und will die Incisionen besonders bei
|Mthologischen Teztarverände rangen der Vaginalportion des Ute ras
aagewendet wissen.
(Konigsberger med. Jahrbücher, Bd. 4, H. I, 1864, 8. 178«)
Rdwards: Exstirpation des yorgefailenen und nicht
reponiblen Uterus.
Eine 74jfthrige Frau litt seit 20 Jahren an Prolapsus nteri,
der in den letaten sieben Jahren sich so verschlimmert hatte, dass
kein Apparat mehr vertragen wurde and seit fünf Jahren war die
Kiaake nicht mehr im Stande, den Vorfall selbst au reponiren,
soBdem moaste daan stets den Arat holen lassen. Durch eine
Nachliaalgkeit der Kranken blieb im April 1863 der Vorfall
40 Standen lang ohne Hnlfe, es trat Scbwellang and Einschnürung
eia» die Reposition, von mehreren Aeraten versucht, gelang
aicht, Brand trat hinau ond so schien die Exstirpation das
«iaaiga Bettnngsnittel. Es wurde eine feste Ligatur um den
StieJ gelegt und spater, da der Geruch unerträglich wurde, nach
Erneneninip der Ligatur, die im Zerfallen begriffene Geschwulst
abgeschnitten. AnfHnglich aeigten sich zwar bei der Operirten
einige bedrohliche Erscheinungen, sie genas jedoch volJstKndig
•ad verhiltttiaamüsaig schnell. E, erinnert an einen ähnlichen
von SmMie (1757) beschriebenen Fall.
(Archivea gin^rales de M^d., Juin 1864, p. 780, ans British
med. Jonmal, 6. Febr. 1864.)
70 ▼m* NotlieB aus der Jonnial-Literalar.
Cronyn: Ein Fall von Uterusruptur.
£in6 SOjfthrige Frau, welche bereits sieben Mal geboren
hatte nnd iwar f&nf Mal todto Kinder und eines davon unter
in atrum enteile r Hülfe, kam lum achten Male schwanger in C.*s
Behandlung. Sie hatte seit 48 Stunden Wehen gehabt; swei
Stunden vor ihrer Aufnahme war es ihr gewesen, als platste
etwas in ihrem Unterleibe, Puls frequent, schwach. Grosse
Prostration. Fortgeietates Brechen von Kothmaesea. Mutter-
mund erweitert. Kopf des Kindes hoch, nnbewegUoh. Fötalpui«
nicht wahriunehmen. Wehen schwach, un regelmässig. Sofort
wurde die Oraniotomie und Eztraction vorgenommen. Während
der Operation Pulslosigkeit, CoUaps. Trott Anwendung von
Stimnlantien nach sieben Stunden Tod.
8 e o t i 0 n : Im Peritonäum 3 — 4 Quart sanguinolentes Serum.
Auf dem Peritonäum frische Auflagerungen und VerklehuBgee
desselben mit den Därmen. Am Collum uteri ein schräger, den
Uterns von der Vagina fast ganz trennender Riss. Coigogata
Vera drei Zoll.
(Dubl. Quart. Joum., Febr. 1864.)
Eedfem Davies: lieber operative und mechanische
Behandlung des Prolapsus uteri.
Verf. bestätigt Bak^r Brown' b Versicherung, dass der £ffeet
der operativen Behandlung ein dauernder ist und dass die nach-
folgenden Geburten ohne Verletiungen oder neue Schwierigkeiten
erfolgen. Die Fülle, in denen Verf. operirt hat, waren der Art,
dass der Uterus vollständig vorgefallen war und swar in Folge
einer Entbindung. So fuhrt er von mehreren FXllen, die er
während 1860 und 1861 in Behandlung gehabt hat, einen an,
in welchem eine Frau nach einer normalen Entbindung einen
Uterusvorfall bekommen hatte, welcher nach sechs Monaten
complet geworden war. 2>. machte swei elliptische Inoisionen
(nach Ditffenhaeh), Zwei Jahre darauf erfolgte eine etwas schwere
Entbindung ohne jede Verletsnng. Die Abtragung der Schleim-
haut an der seitlichen und hinteren Oberfläche der Vagina er-
folgte entsprechend der Brown^schen Methode. Fttr die Naht
sog Verf. Silberdraht vor. Um die p^ristal tischen Bewegungen
SU suspendiren und so die Prima intentio sn bewirken, reichte
Verf. Opium (au gr.J.). Am dritten Tage gab er ein warmes
Rlystier und statt des Opium, Lac sulphnris; wollte er noeh
leichtere Entleerung der Fäcalmassen bewirken, so trennte er
den Sphfttoter ani nach jeder Seite subcutan. Das ZtoonÄc'sohe
Pessarium hat dem Verf. gute Dienste geleistet. Auch einen
fast völligen, künstlichen Verschluss der Vagina hat derselbe in
VIII. Notisea ams d«r JoQnMtl-LiterMtit. 71
•iMs TeralteteA Falle bei eioer d6jäbrigeo Fraa mit gatem
Erfolg» angewendet.
(The Lancet, 1864, 9. April.)
Robert Fotoler: Ein Fall von Verletzung der Vagina
durch die Geburt.
Am 88. 8ept. 1862 wurde F. so einer 40jährigen Gebärenden
gerefen. Sie hatte vorher fünf Kinder, woranter Knietet Zwillinge,
leicht geboren. Die Hebamme hatte einige Standen vor F.*«
Aaknoft eine normale Kindeslage, regelmässige Wehen nnd gute
Erweiterong des Muttermundes gefunden. Nachdem die Blase
Cesprangen war, trat der Kopf regelmässig herab, als sich
pUtslieh das Befinden der Kreiseenden Tersehlimmerte, die Weben
inOortan, der Leib schlaff wurde, der Utems coUabirte, Theile
im Kiadea sich dnrohfBhlen Hessen nnd Brechen eintrat. F, fand
die Kranke bei seiner Ankunft in den dürftigsten Umständen,
im Zustande äuasersten Collapses. Keine Wehen; coustantes
Erbreeben einer hellbraunen Flüssigkeit. Darreichung von er-
«irmte» Branntwein mit Seealepulver; sofortiges Ansbreohen
der Oabe. Jede Berührung des Leibes schmershaft. Die An-
legung der Zange war möglich, doch fehlten die Wehen und
der Collaps nahm an. Die Tractionen waren fruchtlos, so daes
■ir die Perforation übrig blieb. AU der Perforator angelegt
«erden sollte, wich der Kopf plötslich aurttck; sofort ging F.
■it der operirenden (linken) Hand nach, wendete das Kind mit
die Füa— nnd Tollendete die Extraction ohne Sehwierigkeiten
in 10 Minuten. Die Nachgeburt folgte bald. Das Kind war aus*
C*^sff«Bi gross, todt, männlichen Oesofalechtes.
Die Reibungen der Gebärmutter machten auch jetat noch
heftige Schmersen , die Erscheinungen von Collaps dauerten fort.
Das Erbreeben wurde dnreh Medioation verringert. Bald aber
kehrte ee wieder, der Puls wurde schwächer, das Athmen wurde
sshwieriger. Nach wenigen Stunden Tod.
Wie die Anamnese ergab, hatte die Patientin vor Eintritt
der Geburtawehen einen Fusstritt vor den Leib bekommen, -^
eteer der vialen Bohheitsausbrfich ihres Mannes, die hatte hierauf
Vi Stunde kraftlos auf der Treppe gelegen und die Nacht daselbtt
verbracht. Da der Mann jetat die BcKuld des Todes seiner Frau
de« Arste auachrieb , drang dieser auf gerichtliche Uatersuehnng
des Falles. Die Section aeigte in der Bauchhöhle Vt ^^^ 1^1«^
velehea nan Ins lu einer Ruptur verfolgen konnte. Dieselbe
bstod sieh an der Unteren Wand der Tagina und awar an der
Verbindungsstelle awischen Vagina und Portio vaginalis. Die
■ech am Calhim uteri sitaende Scheidenportion war p«lpds und
•eefcTmosirt.
72 ▼m* Kotiaen wols der Jenmal- Literatur.
Id Aübetraelit, dass eine bedeotende traumatiacbe VerletsvB^
vorhergegangen war, welche entweder an sieh die Bnpiar ▼•!*-
anlassen oder die Prädisposition su einer solehen darbieten
konnte, dass ferner die bekannten, durch Uterusrnptur meist
veranlassten Symptome schon vor der Ankunft des Arates ein-
getreten waren , wurde dieser von jeder Sohuld freigesprochen,
der Mann aber su 15 Jahren Deportation verurtheilt.
(The Lancet, Nov. 14, 18^.)
Strauss: Fall von Abreissung des Rindeskopfes
während der Geburl.
Tor mehreren Jahren kam in Verf.'s Wirkungskreise in
Curiand auf einem entlegenen Bauernhofe der Fall vor, daas
eine sogenannte Hebamme (denn dort ist fast jedes alte Weib
eine Hebamme) einem mit den Füssen vorangekommenen lebenden
Kinde den zurfickgebliebenen Kopf abgerissen hatte. Statt des
Arstes Ankunft absuwarten, hatte sie ins wischen Versuche gemacht,
den Kopf beranssubringen , ihn aber nur umgedreht und hoch-
geschoben und dabei eine bedenkliche Blutung herbeigeführt.
Verf* fand den Kopt im grossen Becken um den Querdurchmesser
gedreht, so dass die Pfeilnaht nach unten, die kleine Fontanelle
naoh rechts stand, das Foramen occipitale nach oben gerichtet
war. Ausserdem hingen vom Kopfe ein Paar eigenthümliche
Stränge herab, davon einer die Nabelschnur war, der andere
nach genauer Untersuchung des geborenen Rumpfes, sich schliess-
lich als das aus dem Wirbelcanal herausgerisaene Ruckenmark
in seinen H&uten herausstellte. Verf. sog an diesem Strange
den Kopf tiefer herab und konnte ihn dann mit der Zange ent-
fernen.. Zusammenaiebnngen der Gebärmutter traten jedoch trots
allen angewendeten Mitteln nicht ein, die Mntterblutung dauerte
fort und die Wöchnerin starb nach einigen Stunden.
In Folge dieses Falles, bei welchem eine sehr bedeuten«!«
Kraft angewendet sein musste um eine derartige Trennung des
Rumpfes vom Kopfe su bewirken, machte Verf. verschiedene
Versuche an Kindesleiohen, snnäehst mit den H&nden, wobei
er sieh öfter vergeblieh bemüht hatte, den Kopf anm Weiebea
au bringen, dann mit angehängten Gewichten. Fünf Leichen
ausgetragener Kinder vofi 6*/«^ 7, 77«, 7%, 7 Pfund Gewicht
wurden benutst und es war eine Beschwerung mit 9 Centner
14 Pfund, 10 Centner 11 Pfund, 10 Centner 4 Pfund, 11 Centner
14 Pfund und 7 Centner 15 Pfund bei einer Einwirkung von
12, 8, 18, 12 und 6 Minuten nStblg um den Rumpf vom Kopfe
an reissen.
In der Mehraahl der Fftlle blieb das Rückenmark in den
Häuten am Kopfe hängen und die Zerreissung der Wirbelsäule
Vni. NDdMn Ate der JoanaULiteraHir. f8
•rMffte larischeB dem Atlns «od £pi«tropheiia so, dass dar Pro»
oosma odontoidetn sich ron dem fipistrophene geloit hatte und
an seincB starkem BRndern im Rioge des Atlas anrückgebliebea
war, weldier letstere umstand die Annahme su best&tigea scheint,
daas der Proeeasns odontoidens im embryonalen Znstande yiel«-
mAt dem Atlas als dem Epistrophens angehOre.
(ArehtY für pathol. Anatomie nnd Physiologie und für
Uiaisohe Mediein, Bd. 30, Heft 6 u. 6, S. 5d9.)
8oyre: Emphysem des Halses, Gesichtes und der
Brost 10 Folge heftiger Anstrengungen bei der
Geburt.
Anknöpfend an einen von Cloquet 1820 yeröfifentlichten Fall,
ia welchem in Folge von übermSssiger Anstrengung bei der Gebart
41s Traehea etwas oberhalb der Theilnngsstelle riss and ein aas»
gsdekates Emphysem fiber Hals and Gesicht sich verbreitete,
velebss nnr sehr allmülig nach wiederholten Haatsebnitten
visder verschwand, theilt S. einen ganz ähnlichen sweiten Fall
mit Die Schwierigkeit der Gebart bestand hauptsKehlich in der
poisea Unnachgiebigkeit des Muttermondrandes. Si wollte schon
•iae Incisioa in denselben machen , als die Geb&rende anter einer
■sIr heftigen Anstrengang angab, es sei ihr ein Gefftss rechts
SB Halse geplatzt. Kars daraaf schwollen der Hals, son&chst
Ü9 rechte Seite des Gesichtes, dann auch ein Theil der linken
Ssite, nnd der obere Theil der Brast empbysematös an, ohne
indess erhebliche Beschwerden zu verarsachen. Die Gebart
endete glöcklich nnd das Emphysem war am siebenten Tage
aaeh der Geburt ohne Medication wieder verschwanden.
In einer späteren Nummer derselben Zeitschrift (No. iOO)
er^Dst Verf. seine obige Mittheilung darch ähnliche von Depaul
in der Gas. medicale, 29. Oct. 1842 veröffentlichte Beobachtungen.
Drei derselben wurden von Menihre^ eine von Bland ^ eine von
Decadaa und eine von Depaul gemacht.
Verf. empfiehlt, der Krankheit den Kamen „geburtshtilf liebes
Enphyeem* (Emphyseme obst^trical) zu geben.
(Gas. des h6pitaux, 1864, Nr. 92, 100.)
Sadkr: Ungewöhnliches Geburtshinderniss durch
eine »ehr grasse Hydaiideoeyste der Leber;
Raisersehnitt.
Cine 21 jährige Primipara, im neunten Monate schwanger^
■oll schon seit ihrer Kindheit an einer stets merklichen Ans-
dekouig des Unterleibes gelitten haben. Am 10. April war
7t VIII. Nödaen ats dftr Jommü- Literatur.
Frochtwaiser abgeflossen, am 26. sah sie ^, inerst Es bastaadeu
haftige Wehen, aber nar mit Mühe könnt« 8. den Finger t«r
Portio vaginalis bringen, da vom Promontorium her eine hatte
Gaaohwulst nach der Symphysis pnbis sich erstreckte. Die Portio
vaginalis war fest nnd nicht yerstriohen, der Kopf des Kindes
war durch den Mnttermand noch sn erreichen. Da der Allgemein*
instand befriedigend war, besohloss man, bis snm anderen Tage
an wartea, jetst aber trat Verfall der Kräfte ein, so dass wegeo
der Diagnose einer festen Beckengeschwalst nnd eines kleinsten
Beckendorchmessers von nur iVi" der Kaiserschnitt beschlossen
nnd in gewöhnlicher Weise ansgeführt wnrde. Es wurde ein
todtes, reifes Kind entwickelt nnd von der leeren Uterushohle
aus überaengte man sich nochmals von der Verengerung des
Beckens. Die Frau starb am folgenden Tage.
Section: Beim Biosiegen der Bancbeingeweide fiel sofort
ein halbdurchsichtiger runder Körper auf, der swischen den
DXrmen lag. Es war eine grosse Hydatidencyste , welche den
gansen oberen Raum der Lebergegend einnahm und bis ia das
Becken hinab hinter den Uterus sich erstreckte. Durch den
anhaltenden Druck des Uterus hatte das häutige Gebilde die
ttnschende HKrte eines Knochens simulirt, welche su dem gefShr-
liehen Einschreiten und dem Tode ffihrte. Bei der Erkennung
der wahren Natur des Tumor bei der Lebenden hKtte man durch
einen Einschnitt oder Stich wahrscheinlich das Geburtshindemiaa
beseitigt.
(Allgem. med. Centralseitung, 1864, No. 78, aus Med. Times
and Gas., 6. Aug. 1864.)
B, 8. Sehultze: Verbesserung des Phantoms zur
Uebung geburtsbulflicher Operationen.
Dieselbe besteht im Wesentlichen darin, dass erstens ein
Gummi da mm, bestehend aus einer 5 Millimeter dicken Platte,
swischen dem oberen Rande der Schamfuge, dem Innenrande
der Schenkel und der hinteren Beckenwand angebracht ist, der,
mit einer 2 Centimeter breiten und 7 Conti meter hohen Scham-
öffiinng versehen, den Lernenden mehr als ein unelastischer
lederner Beckenboden an die Cantelen bei Zangenoperatiooen
gewöhnt.
Zweitens hat S. eine Vorrichtung angebracht, durch welche
das Phantom unbeschadet seiner Festigkeit jederaeit schnell .in
die rechte oder linke Seitenlage gebracht werden kann,
was für die Uebung der Wendung um so aweokmUssiger ist, als
die operirende Hand hierbei den Innanraum des Phantoms aieht
an yerlassen braucht.
(Jen. Zeitschr. f. Medicin u. Naturwissenschaft, I. Bd., 1. H.)
Vlll. NoiisMi ««8 d«r Joam«! • LUeratiir. 75
lAutw.FürH: Linksseitige Tubarschwangersohafi mit
BerstUDg des Fruchtsackes.
Am il. Mära 1863 kam eine 35jährige Tageldhnerin in F.^b
B^handlaog. Sie war seit swei Jahren verehelicht and hatte
Ende JoH 1862 ohne Beschwerden ein gesundes Kind geboren.
Zwei Monate nach dem Puerperinm waren die Menses wieder-
gekehrt. Nach Tier Wochen stellten sie sich abermals ein. Beide
Male Dauer von fünf Tagei^. In der ersten Hälfte December 186^
plStmlich nnregelmässige Blutflüsse aus den Genitalien, bis Blitte
Febraar (neun Wochen) andauernd, dann drei Wochen sistirt
aeit Tier Tagen (vor Aufnahme in*s Krankenhaus] mit Heftigkeit
wiedergekehrt. Wfthrend dieser Zeit schwoll auch die hypo-
gastrische Gegend bedeutend, der Unterleib wurde empfindlich
Bsd, wShrend Anfangs wehenartige Contractionen vorhanden
waren, wurden die Schmerzen später continnirlicb. Das All-
gemeinbefinden Katte stark gelitten. Die Untersuchung ergab
eine Yorwölbung in der Regio inguin. sinistra, die dem Ende des
swtiten Trimesters der Schwangerschaft entsprach. Die Be-
schaffenheit der Brüste entsprach auch der Schwangerschaft. Die
Palpation ergab einen die linke Regio inguinalis und iliaca aus-
finenden, quer bis über den Nabel sich erstreckenden, von links
naeb rechte schief gelagerten Tumor. Derselbe war links derb,
rechts elastisch, uneben, unverschiebbar. Kindestbeile und Stand
dar Gebirmntter nicht genau su ermitteln. Die Percussion über
dem Tnmor ergab leeren Schall, die Auscultation liess ausser
den fortgepflansten mütterlichen Herstönen keine Töne oder Ge-
riosche wahrnehmen. Kindesbewegnngen nicht wahrgenommen.
Das hintere Seheidengewölbe von einem kindskopfgrosseb, elasti-
schen, unbeweglichen, unebenen Tumor herab-, die Portio vagin.
an die Symphyse gedrüngt. WuTstnng und Lockerung der Scheide.
DIenn saoh rechts und oben verschoben, wie durch das vordere
Seheidengewölbe zu fühlen war. Die Gesohwulst erwies sich al«
InetnirencU Am Hersen Insnfficienz der Aorten- und Bicuspidal-
Uappeo. «Durch ausführlich angegebene Differentialdiagnose
«mrdeo ausgeschlossen: Ovarienkrankheiten (cystenartige De-
feoeratioiBett, Dislocatioo eines entzündeten Eierstockes, hämorrha-
gische Ergnsse), interstitielle Uterusfibroide, retrofleetirter
schwangerer Uterus und retrouterinaler Abscess. Dagegen wurden
als BiOgUeh hingestellt: Haematocele retronterina .and Gravitas
extranterioa mit consecutiver Berstung des Fruchtsackes. Letztere
emehiea aaeb sorgflUiiger Erwägung der Symptome wahrsohein-
tieher. Die Therapie war natürlich nur symptomatisch, aber
frttlich ohne Erfolg. Unter Prostration, Somnolenz und Coma
gisg die Kranke oacb 40 Standen zn Grunde.
Die fieetioB erwies grosse Blatarmath aller Organe. Heis-
beetfttigt. Der Uteras nach reehts und aufwärts ge-
76 VIII. NotlMn aua dftr Joani»l*Uteratar.
drüfigt clnrcii »ine mtiinakopfgroiiie , derbeUitische, bia «a da»
8 romanam reicbende OenchwaUt, an deren ftnsaerster linker
Seite etwa 1 Pfand coagnlirten Blates liegt. Nach dessen Ent-
fernung seigt sich swischen Uterus, 8 romanum, rectum und
Ligam. lat. sinistr. eine manuskopfgrosse Hohle, mit Blut gefQllt,
links Ton den erwShnten Därmen, rechts tou derbem, gelb-
rÖthlichem Fasergewebe, an dessen Innenfläche sich deutlichea
Placentargewebe befindet, begrenit. Mit der Placenta ist ein
5 Zoll langer Embryo durch eine 6 Zoll lange Nabelschnur in
Verbindung. Die Placenta ist links oben (entsprechend dem Blut-
eztravasate) eingerissen. Die linke Tuba sieht sich, fflr die
Sonde durchgangig, ein Stück iKngs jenem Sacke hin, worauf
sie sich in die Wandung desselben verliert. Ihr weiterer Verlauf
ist ebensowenig wie das linke Ovarinm su ermitteln. — Die
Diagnose war also vollkommen bestätigt.
Nicht su fibersehen ist, dass der Uterus .zeitweise an dem
ausserhalb seiner Höhle stattfindenden Processe participirte, in-
dem seine Gewichts-, Volumens- und TexturverbKltnisse der
Schwangerschaftsmetamorphose entsprechen, welche gew5hnlich
SU Ende des dritten Monates vorhanden ist. Es beweist dies
aufs Neue, dass der Uterus selbst bei extrauteriner Schwanger-
schaft bis SU einer gewissen Zeit (dritter bis vierter Monat) die
gewöhnlichen Schwaogerschaftsveränderungen erfährt.
Die Erkennung des Vorhandenseins und des Sitses einer
Eztranterinschwangerschaft ist während des ersten Trimesters
unmöglich.
(Wiener Med. -Halle, 1864, No. 9, 10, 13 u. 14.)
Schmidt: Bericht über die geburtshülfliche Klinik
und Poliklinik zu Greifswalde. Vom 1. Januar bis
1. December 1863.
Aus dem ausführlich mitgetheilten Berichte sei hier nur
hervorgehoben, dass in der angegebenen Zeit in der Klinik
94 Geburten stattfanden, 90 einfache, 3 Zwillinge, 1 Drillinge.
Operationen 8 Mal: 6 Mal Zange, 1 Mal Wendung auf den Fnss,
1 Mal desgl. mit Extraction, 1 Mal Extraction am Fusse. 89 gesund
entlassen, 2 noch in Behandlung, 1 starb an Erschöpfung durch
Blutverlust, 1 an amyloider Degeneration von Leber, Mils, Nieren
und Darmsotten. Kinder: lebend geboren 93, todt geboren 5.
In der Poliklinik fanden 129 Geburten statt, 119 recht-
seitig, 3 Frühgeburten, 6 Abort, 1 Mole. Unter erstgenannten
1 ZwUlingsgeburt. Operationen 17 Mal: 3 Mal Lagerung cur
BiDstellnng des Kopfes, 2 Mal Extraction, 6 Mal Wendung auf
•l»eD Fttse und Eztraetion, 1 Mal Wendung auf beide Fasse,
Extraetion, Zange, 2 Mal Reposition der Nabelschnnr und Zange,
IX. LÜMratiir. 97
SHbI Zange, 1 Hai Perforatioti, Kepbalolhrjpsle , Zaage. Im
WacihaBWette kein« Fraa ^storbm. Kinder: lebeni geborti UBf
«mar dar Geburt gestorben 5.
üater Anderem kam ein Fall Ton Beokenenge (ConjAg.
diafOB. 4" ^'") Bor Beobachtung. Das Kind war bereits naeh
itbnstliidigen Wehen abgestorben. Perforation. Kephalotribe.
Weder diese» noch die Zange vermochte den Kopf wirksam
bembsaleiten. Bei einem sweiten Versuche mit dem Finger
plaag es, den Kopf sn entwickeln.
Ein Mal kam Placenta praevia aar Beobachtung, und
swsj bei einer 23jährigen firstgebSrenden. Normales £nde der
Sehwaagerschaft. Erste Schädellage mit links abgewichenem
Kepfe. 5. Jnli Abends 6 'Uhr Blntung. 9 Uhr Diagnose auf
PlaceaU praevia festgestellt. Blutung Nachts 11 Uhr beträcht-
licher. Colpeorynter. Aufhören der Wehen. 6. Jnli frfih 6V4 Uhr
Blntnng sistirt. 5V« Uhr Nachmittags neue Weben und Blutungen.
Colpenrynter schlecht vertragen. Abends 11 Erweiterung des
Hnttermundes. Bisheriger Blutverlust 2 Pfund. Accouchement
fsrce beschlossen; man gewahrte, dass man eine Placenta praevia
imperfecta centralis vor sich hatte. Rechts vorn war dieselbe
aasitsend. MU einem 2 Zoll breiten Bande bedeckte sie den
Matlermund. Die Dilatation war nicht völlig su bewirken; des*
halb wurde der hintere Theil der Placenta getrennt und die Blase
gesprengt. Der Kopf trat tiefer, die Blutung stand. Am 7. Juli
4 Uhr frfih Unruhe. 4'/^ Uhr SchiitteUrost. Puls 110. Temperatur
S9,3* C, 9 Uhr Wehen besser, Kopf tiefer, Muttermund weiter,
Lohns placentae verschwindend. 11 Uhr Kopfgeschwulst. 1 Uhr
Diagnose auf Tod der Frucht. 2% Uhr Nachmittags völlige
Dilatation des Muttermundes, Zange, mit fünf Tractionen Ent-
Wickelung. Kind, dann ein Stack der Placenta entfernt, deren
grosserer Theil mit den Eihäuten im Uterus blieb. V4 Stunde
darauf, noch bevor diese geholt wurde, Collaps, Tod.
(Greifswalder medic. Beiträge, 2. Bd., 2. Heft, Dansig 1864.)
IX.
Literatur*
TkHermann: Zur Lehre vom Kaiserschnitt. Bern 1864.
Dieser im Buchhandel nicht erschienenen Schrift hat der
futf. eine käme biographische Skiaae seines am 20. Juni 1861
vsntorbenen Vnters, des Dr. /. /. Hermann, seit 18B6 Professor
TS I3L LUerator.
dar G«b«rtibii1f« in Bern , voranogMebiokt. Ei folc^en die Oe-
sabiekten tob adht Kaisarsehnittan , too dasao drei in B^rmmr
' OebirhaQBe , die f&nf anderen aber in der Privatpraxia von yer-
sahiadenen Sebwaiser Aeratan ausgeführt und ap&ter dem Verfl.
nitgetbaUt aind.
I. Am 16. Attgnst 1861 wurde der Kaiserschnitt t»ii
Dr. Hilthrunner ttnd Dr. Zimmerli sn Lyssachengrab^en an einer
28jährigen Erstgebärenden volltogen. Das rachitische Becken
hatte eine Conjugata von ungefähr 2 Zoll ohne Verköranng de«
Qaerdnrcbmessers. Die Wehen schienen schon seit swai Tagen
siemlich heftig gewesen an sein. Unter^Cbloroformnarkose wurde
der Schnitt in der Linea alba von 1 Zoll fiber ' der Symphyse
bis einen fiber den Nabel (7 Zoll lang) gemacht und das Kind
am Steisse ausgesogen. Es war todt, schien aber eben erst
abgestorben zn sein nnd bot alle Zeichen der Reife. Nach Ex-
traction der adhärenten Placenta erfolgte eine heftige Blutung
der Banchwnnde. Nach Stillung derselben durch Unterbindung
wurde, ohne das Peritonäum an fassen, genäht nnd in den unteren
Wundwinkel ein Sindon eingelegt. Unter grosser ErsehBpfiing
starb die Patientin 24 Stunden darauf.
II. Dr. Tieehe nnd Dr. KaUer machten am 9. August 1859
den Kaiserschnitt an der 19jährigen E, H, in Tavannes. Der
Kopf lag vor. Nach angeblich 14tägigen Weben machte man
den Schnitt bei Cbloroformnarkose von 1 Zoll unterhalb des
Nabels bis 2 Zoll über der Symphyse. Das Kind war reif, aber
schon in Zersetzung tibergegangen. Die Wunde wurde genäht,
jedoch ein Canal offengelassen. Die Frau genas und hatte vier
Monate nachher wieder Menses.
III. Dieselbe Frau wurde im Februar 1860 wieder schwanger
und am 19. November stellten sich Wehen ein. Am 21. wurde
bei Chloroformnarkose der Schnitt von etwa 6 Zoll Länge linka
bis 2 Zoll über die Symphyse geführt. Das Kind lebte. Die
Bauchdecken waren sehr schlaff und sogen sich kaum sttsammea.
Am 28. starb die Frau unter Schüttelfrost. Von frischer Peri-
tonitis zeigte sich keine Spur. Dagegen war der Uterus an der
Stelle der früheren Operation mit den Bauchdecken verwachsen.
Das skeletirte Becken zeigte am Beckeneingange einen geraden
Durchmesser von 2 Zoll 4 Linien, im queren 4 Zoll 8 Linien, iu
jedem schrägen 4 Zoll 2 Linien.
IV. Dr. Büchler vollzog am 19. Juli nach 16 stündigen Weben
an einer 32jährigen Erstgebärenden in Steffisburg den Kaiaer-
scbnitt, indem die Banchwnnde von 1 Zoll unterm Nabel l^ia
1 Zoll über die Schamfnge reichte. Kind und Mutter blieben
am Laben.
Nun folgen die drei im Berner Gebärhause vollzogenen
Kaiserschnitte:
IX. Litoratttr. 79
y. Die asjikrige SntgebftrenAe E. W. baito ela« ConjofUa
>«B S ZoU 2 Lioien. Sie bekam am 10« Deeember 1860 Webea
%a4 wurde am 14. tob J. J. Hermann operirt. Uoter Chlorofor^
darkoM wurde der Schnitt tod etwa 1 ZoU über der Synipbyte
bis 1 Zoll Sber den Kabel linke geführt. Et entetand eine
flarke Blatnng. Bae Kind war todt. Die Mutter etavb am
19. Deeember. Die Oedfirme waren stark aufgetrieben und ver-
klebt; das Peritoneum stark injicirt, theilweise mit sehwarsen
.fiatseben* bedeckt. Das Nets war in einen KaAuel geballt,
daneben ein bedeutendes sanguinolentes Übelriechendes Exsudat.
VI. Die S6jilhrige rachitische Ä. L. fühlte am 27. September
IMI Wehen. Die Conjugata war \% Zoll lang. Am 1. October
«erde sie in das Bemer Gebftrhans gebracht. Der Steiss war
TorUegend. Aus der Afteröffhung hingen Darmschlingen (?) des
•ekon abgeeterbenen Kindes. Am 2. wurde die Operation durch
dta Schnitt in der Linea alba ▼ollsogen. Der Tod erfolgte am 8.
in Felge Ton ErschSpfung.
VII. Die 27jährige rachitische K. B., mit einer Conjugata
rea 1'/, Zoll, bekam am normalen Sehwangerschaftsende am
&. Oetober 1868 Wehen. Am 7. floss das Wasser ab. Der Kopf
lag Tor. Am 15. October wurde sie in das Berner Gebftrhaus
safgeoommen, am 16. durch einen 7 Zoll langen Schnitt vom
Kabel bis l'/, Zoll über den Schoossbeinen bei Chloroform-
aarkese Ten einem lebenden Kinde entbunden. Dasselbe bekam
aber bald darauf eine Nabelschnorblutung und starb. In die
Baaekwuttde der Mutter drKngte sich das Nets, wurde jedoch
rspoairt und die Wunde bis auf einen Wundcanal sugenäht.
Patientin starb am 19. October unter Meteorismus und Fieber.
Die Seetion seigte Spuren von Entafindung des Bauchfelles.
VIII. Der Fall von Dr. Jäggi wird mit der Bemerkung
eiageleitet, dass er awar ,, schon irgendwo publicirt^ sei, aber
,der Vergessenheit anheim gefallen' su sein scheine. Die sehr
interessante Geburtageschichte findet sich aber ausführlich in
c. SMoUTb Journal, Band IX., 1830, S. 693 mitgetheilt und
hieraus in O. Ä, MickaälUy Abhandlungen aus dem Gebiete der
Oeburtshülfe , 1833, S. 126, und in C. Kaiser^ Dies, de eventu
•tctionis caesariae, HaTniae 1841, bei WiUlinger, Analekten,
Band I., Heft 2, S. 562 im Ausauge eswähnt.
An diese Geburtsgeschichten ist noch angereiht die einer
Gsitrotomie bei Grariditas extranterina tou Dr. Qreppin in
Dtlemont mit unglücklichem Erfolge; ferner die Geschichte einer
dareh ein Fibroid in der BeckenhSble unToUendeten Geburt mit
Raptora uteri und Tod; drittens die Geschichte der Geburt einer
hfdroeepfaalischen macerirten Frucht bei 2% Zoll Conjugata.
SfHer wurde dieselbe Frau durch künstliche Frühgtburt ent-
bssdeo ; die 29 wöchentliche Frueht kam swar lebend anr Welt,
80
IX. Lftflratiir.
•larb aber Md dtunnf; eadUoh dl« «iiwr Weadvftg bei 27. Zoll
CoDJngat« mit giücklichem Ansgang^e für Mutter und Rind, und
der Tersaob einer Weadoag bei 8 Zoll Coi^ogata, bei welbber
die Ifntter «aentbnnden starb.
In den angefahrten Bemerkungen fiber die Lehre Tom Katser-
eahnitte bespricht der Verf. suertt den Kaiserschnitt an Todtee,
den er niebt su TersHumen rüth, sowie die SchwangersehafI über
die Mitte hinaus gediehen ist. Die Prognose unterseheidet er
nach den Krankheiten, welche den Tod herbeif&hrten and stellt
sie am besten bei chronischen Consumptionsk rankheiten, weniger
gat bei acuten oder £ntsfindungs- Krankheiten und empfiehlt be-
sondere Vorsicht bei Blutungen und schweren Krankheiten des
Centralnervensystems , die leicht Scheintod der Matter herbei-
führen.
Den Kaiserschnitt an Lebenden empfiehlt er dringend gegen-
über den Entbindnngen mittels Kephalothrypsie und Perforation.
Oana Torsüglich empfiehlt er die künstliche Frühgeburt, vordanmC
aber den künstlichen Abortus. Er hat aus mehreren Autoren
folgenden Ueberblick der Mortalität nach diesen Operationen in
Proeenten susammengestollt :
MüUer.
Kinder
Mexim.
Minim.
Mittel
Mazim.
lÜBlttl.
Mittel
Kaiserschnitt
Perforation
Künstliche Frühgeburt
Künstlicher Abortus .
63
60
8
21
2ö
0
43
43
4
20
89
100
73
100
27
ioo
33
100
33
100
4S
100
K. M.
Berlchtigniig.
Monatsschrift, Band XXIV., Hefte, Seite 419, Zeile 15 von
unten steht: „je mehr er von oben betrachtet wird*^, dagegen
soll es heissen: „je mehr er von oben betrachtet, ovoid'.
'
X.
Verhandlungen der (Gesellschaft für Geburtshttlfe
In
Berlin.
Siuung am 28. Juni 1864.
Hot Brandt berichtet
Aber eine fälschlich für Steisslage gehaltene
Schulterlage;
Von einer Hebamme, die vergeblich versucht hatte,
das Kind an dem vorliegenden für Sleiss gehaltenen Kindes-
tiide zu entwickeln, gerufen, überzeugte sich Herr Brandt
dorch genaue Untersuchung, dass die eigenthumlicbe Einkeilung
einer Schulter aufs täuschendste eine Steisslage vorspiegelte.
Da er bei tieferem Eingehen nirgend einen Kopf erreichte,
Raubte er anfänglich einen Acephalus vor sich zu haben und
versuchte deshalb die Entwickelung an dem erreichbai*en
Arme, stand aber wegen Erfolglosigkeit dieses Verfahrens
daron ab und ging nun neben dem Rumpfe zu den Füssen,
wobei er sich auch von dem Vorhandensein eines Kopfes
tteneugte. Die Wendung und Extraction des schon längst
tiigestorbenen Kindes gelang sehr leicht. Die Kindesleiche,
auf einen Tisch gelegt, hatte von selbst die früher fehlerhafte
charakleristische Stellung angenommen , und Herr Brandt Hess
deshalb zwei Photographien derselben anfertigen, die er der
Gesellschaft vorlegte. -^
Zu ordentlichen Mitgliedern wurden erwählt die Herren
Dr. Rose. Dr. Martin. Dr. Koch. Dr. Seebeck.
Stabsarzt Dr. Burchardt
VflMtiMkr. r. QmhwUk. 1866. Bd. XXV., Hft. «.
g2 2* Verhandlnngen der OetelUehaft
Sitzung am 18. October 1864.
Herr Martin spricht über:
Zur Therapie der puerperalen Entzündungen
der weiblichen Sexualorgane. '
Nachdem man sich allmälig über die mit dem Wochen-
bette in directeni Zusammenhang stehenden Erkrankungen der
Genitahen durch sorgfaltiges Studium der Symptome im Leben,
wie durch fleissiges Untersueben der Leichen verständigt hat,
därfle auch die Therapie dieser Krankheiten an der Hand
der Erfahrung eine Revision verlangen.
Die Pathologie des Wochenbettes zeigt aber, dass es
sich bei den Erkrankungen der Wöcbnerinnen als solcher,
abgesehen von zufalligen mehr oder weniger entzundticben
Bronchial- und Intestinalcatarrhen, Endocarditiden , Pneumonien
u. s. w. , um folgende drei Gruppen von organisclien Läsionen
handelt: Erstens um die direclen Folgen von Ein-
rissen und Quetschungen mit Blutaustretungen in
die Gebärmutter- oder Scheiden Wandungen, oder in
das umliegende Bindegewebe mit mehr oder weniger
erheblicher Zerstörung der ersteren bis 'zur Perforation und
Ruptur und deren weiteren Entwickelungen — Resorption,
jauchigten Zerfall, Ulceration oder Abscessbildung , neben
welchen häufig Peritonäal - Exsudationen einhergehen. Zweitens
handelt es sich um catarrhalische Entzündungen der
Scheide, der Gebarmutterhöble und der Eileiter
und der Ausbreitung dieser Entzündung auf das BauchfelL
oder um deren nachtheiligen Einfluss auf die Rückbildung
des Uterus im Ganzen und die Contraclion der Placentarstelle
insbesondere (welche jedoch auch mechanisch durch inter-
stitielle Fibroide oder feste partielle Adhäsion der Placenta
bedingt sein kann) mit Thrombosis der Uterinvenen und
deren weiteren Schicksalen: Embolie oder Pyämie. Endlich
bandelt es sich drittens um Entzündungsprocesse mit
diphtheritischem Exsudat auf der Schleimhaut des
Geburtscanales und trüb-seröser Infiltration des um-
liegenden Bindegewebes nebst Ausbreitung dieser Exsudation
auf die Ovarien, das Bauchfell und die grossen drüsigen
für Oebartekfllfo In Berlin. %$
Oifine im Unlarieibe oder die Lungen unter bfiiiflg«in Er-
giifleosein der Lympbgefösse in den Genttalorganen. Dvese
^ifMierilischen Processe beruhen nicht all«iu, wie hiufig,
anf direcler Uebertragung oder Einwirkung fauliger anitndler
Stoffe, sondern können auch durch ein, unter Unisl^nden sofar
»tf Nicbtwöchnerinnen öfoertragbares und sich reproducirendes
Cantagium hervorgerufen werden.
Dass die erwähnten drei verschiedenen EntstelHingswelsen
puerperaler Genitalentziindungen sich häufig unter einander
cembiiiireD und dadurch ein buntes, im concreten Falle
schwer zu entwirrendes Krankbeitsbild erzeugen können,
bedarf kaum der Erwähnung.
Was nun die Therapie dieser entzündlichen Sexual*
erkrankttogen bei Wöchnerinnen anlangt, so ist zunächst der
Prophylaxis hier um so mehr zu gedenken, je bedi-ohlicher
HHiBche der einmal in der Ausbildung begriflenen Krank-
beilai si^b gestalten. ^)
1) Der strengen Befolgung derjenigen prophylactiRchen
■regeln, welche ich Monatsschrift fUr Gebartsknnde, 1864»
Band 23, S. 110 angegeben habe, glaube ich saschreiben an
nassen, dass während der 20 Jahre, in welchen ich die gebnrts-
holfliche Klinik su Jena (von 1838 bis 1858) geleitet habe,
nickt mehr als 31 von 2100 Wöchnerinnen gestorben sind, nicht
gass as 1,5 Procent. Beebnet man einen Todesfall in Folge von
ToHatindiger Nahrnngsrerweigernng bei einer wahnsinnigen
Schwangeren, einen anderen durch hochgradigen Morbus Brightii
wenige Stunden nach der Geburt, einen anderen in Folge multipler
Markschw&mme der Becken- und anderer Knochen und einen
ebenfalls in 24 Stunden nach der Geburt in Folge eines grossen
Ahseeasee anf den MM. Psoas und lliacns der linken Seite nach
einem mehrere Wochen vor der Geburt erlittenen Falle ein-
getretenen Todesfall ab , so bleiben 26 tödtliche Ausgänge in Folge
▼OD entsfindlichen Puerperalprocessen nbrig »«= 1,285 Procent. —
Die aus Koeh'B Bericht (Monatsschrift, Band 21, Suppl.-Heft,
l»i) S. 146 ff.) sich ergebenden abweichenden Mortalitftts-
▼trhSItnlnee flir* die Jenaische Entbindungsanstalt, welche in
aeaeator Zeit mehrfach citirt worden sind , betreffen eine spätere
Zeit (1859 bis 1861). Die von mir erstatteten Berichte ttber
meine Amisf&hrnng an der erwfihnten Klinik finden sich theils
in B. Martin, Beitragen zur Gynäkologie, 1. Heft, Jena 1848,
theils in dieser Monatsschrift, Band 6, S. 482 bis 457, theils
ebendaselbst Band 12, 1858, S. 216 bis 239. — In der gegenwärtig
• 6*
84 X. VerhandlmiceD der Oeselltcbaft
Vorsiclitiges Abwarten der Geburl und
besondere eioe den einzelnen GeburUstörungen genau an-
gepaMte Behandlung mit niöglidisttr Beschrankung der, wem
unvermeidlich, auf das sorgfältigste ausgeführten operativen
Eingriffe wird eben so viel zur Verhäiung der emslereu
Erkrankungen der Wöchnerinnen beitragen, als eine der
Individualität entsprechend gewählte diätetische Pflege
nach der Entbindung, sowie die Fernhaltimg aller fauligen
oder coütagiöseii Stoffe von den eutschwängerten Genitalien,
wozu namentlich auch die fleissige Erneuerung der Luft io
dem Woclienzinimer unerlässlich erscheint Während im AlK
gemeinen die Diät der Wöchnerinnen in den ersten Tagen
mit Bucksiebt auf den mächtigen Stoffumsatz, die wesentlicti
veränderte Blutcüxulatiou in den Genitalii^n und den voraus-
gegangenen Eindruck auf das Nervensystem, sowie auf die
am dritten und vierten Tage nach der Geburt gesteigerte
Warmeerzeugung eine kühlende, beruhigende, vorzugsweiae
aus Milch und Wassersuppe zusammengestellte sein, und bei
kräftigen Frauen, zumal solchen, die nicht selbst nähren,
auf neun und mehr Tage ausgedehnt werden mnss, gelten
tHr schwächliche, überdies an kräftige, reizende Nahrung
gewöhnte oder durch starken Blutverlust geschwächte Wöch-
nerinnen sehr erhebUche Ausnahmen. Diesen reicht man
Ei- und Fleischsuppen u. s. w. nicht blos nach dem vierten
Tage, sondern bisweilen auch schon in den ersten Stunden
und Tagen nach der Entbindung mit Vortheil, um Erkrankungen
zu verhüten.
Von nicht viel geringerer Bedeutung für die Gesundheit
der Wöchnerinnen ist, wie begreiflich, die horizontale Lage,
welche auf längere Zeit nicht fiüher verlassen werden sollte,
als bis der Blutabgang — dies wichtige Zeichen der noch
von mir geleiteten gebtirtshülflicheo Untyersit&ts • Klinik sn Berlin
sind von circa 1600 seit Ostern 1861 rerpflegten Wöehnerinaen
nicht mehr als ffinf denjenigen diphtberitischen Affectionen d«r
Genitalien erlegen, welche das epidemische Pnerperalfieber bilden.
Unter diesen fünf ssn sehr Terschiedenen Zeiten and ▼ereinselt
beobachteten Fiinen waren drei in Folge sogenannter Selbst-
infection entstanden, zwei wahrscheinlich durch Infection von
Praktikanten veranlasst worden.
Mr Gebnrtflhälfe in Berlin. g5
eingetretenen Schliessung der Wunde an der Piaoentar-
ileile — beendigt ist; fr»mer die Art der Lage: auf dem
Ucken oder der Seite, welche letztere nach dem fSnften
Tage weoigstens zeitweilig nothwendig erscheint, uro Retn^
Versionen und Flexionen der Gebärmutter möglichst zu ver-
hiten; femer die Vermeidung von Anstrengungen, insbesondere
dtf Baiicbpresse, von plfitzlichen Temperaturwechseln und '
CcHröthserscbfitteningen u. s. w.
Was nun die Behandlung der einmal eingetretenen
Erkrankungen der entschwängerten Genitalien selbst an*
langt, so ist zunächst nicht zu übersehen, dass leichtere,
ja unter günstigen Verhältnissen bei sonst gesunden, kräftigen,
zonal torpiden, abgehärteten Frauen sogar einzelne schwere,
iosbeaondere die aus mechanischen Ursachen stammenden
Efkranknngen ohne alle Kunstliulfe, sogar bei unpassender
irratioDaler Behandlung bisweilen glücklich ablaufen. Diese
Thatsache, welche das Urtheil über therapeutische Maass-
regefai in hohem Grade' erschwert, muss der wahrheitsuchende
Forscher nie aus dem Auge verlieren, wenn es gilt, den
Nutzen vorgeschlagener Behandiongsweisen festzustellen.
Die von der gegenwärtigen Prager Schule empfohlenen
Abführmittel zur Verhütung und Bekämpfung puerperaler
Entzündungen haben ihre volle Berechtigung soweit, als es
sich, wie gar nicht selten, um Kothverhaltung nach der Geburt
handelt Die durch Entleerung des Uterus plötzlich veränderte
Lage und Spannung der Därme, die vorübergehende Parese ^
der vorher stark ausgedehnten Baucbniuskulatur und die
fcrminderte Nahrungsaufnahme sind neben der gewöhnlich
beobachteten absoluten Ruhe und horizontalen Rückenlage
gewichtige Momente die Ausleerungen des Darmcanales zu
NStiren, weshalb die Kunst häufig einschreiten muss. Welche
Mittel dazu gewählt werden sollen, ist nach Beschaffenheit
des einzelnen Falles zu bestimmen; ohne Zweifel passt ein
Mittel nicht für Alle. — Ueber diesen Zweck der Entleerung
des gefüllten Darmes hinaus erscheint der Gebrauch der Abführ-
mittd so wenig rationell, wie der früher eifrigst empfohlene
voo Brechmitteln; auch hat die Erfahrung bereits dargethan,
dass viele an Entzündungen der Genitalien leidende Wöchneiinnen
trotz der Ptirgantien, wie trotz der früher empfohlenen Brech-
gg X. Verbandlnngen der Gsselltchaft
miilel »terben. Ueberdies bilden andauernde Durcbföile, spontane
wie könstlich erzeugte, unter den hier in Betracht kommaiKiai
DmstSnden nicht selten eine sehr üble, sogar durch eki-
greifende Mittel nicht einmal immer zu bewütigende GfNn-
plication. Die Praxis wird , wie ub^ die von Kitvisch beim
Puerperalfieber empfohlenen Abführmittel aus Caloniel und
JaJapa und die von englischen Autoren angepriesenen
Mischungen von Grolonöl mit Ricinusöl, ebenso auch aber
die Sennainfusa mit oder ohne Magnesia sulphurica u. dergl.,
so weit dieselben nicht mehr dem oben angedeuteten be-
sonderen Zwecke dienen, hinweggehen.
Daran reiht sich der heroische Gebrauch des Galomel
an, dem man eine specifisch antiphlogistische Wirkung na<sh-
rubmt. Dieses Mittel hat in massigen Dosen ohne Zweifel
seine berechtigte Stelle als sehr mildes, leicht zu nehmeiMleB
Abführmittel und wird als solches auch von mir nicht selten
bei Stuhlverstopfung der Wöchnerinnen in ein- bis zwei-
gränigen Dosen bis zur Wirkung mit grossem Nutzen ver-
ordnet, obschon bisweilen zu sicherer Wirkung eine Dosis
Oleum ricini nachgeschickt werden musste. Dass die durch
Galomel oder durch Unguentum neapolitanum hervorgerufene
Salivation schwerkranke Wöchnerinnen retten könne, glaubt
jetzt gewiss kein Unbefangener mehr. Wer aber auch nur
einmal die dunkelrothe sammetartig aufgelockerte , mit eiterigen
Exsudatflocken oder mit ausgetretenem Blute bedeckte Schleim-
haut des Darmes in der Leiche einer mit grossen Dosen
Galomel (von je gr. v — x) behandelten Puerpera gesehen bat,
wird zugeben , dass durch diese Anwendung des Galomel eine
schwere kCinstliche Erkrankung zu der ursprunglichen Geiiital-
krankheit hinzugefugt worden war, und dass die Kranke,
welche die ursprungliche nebst der kilnstlichen Krankheit
äberwindet, einer besonders glücklichen Gonstitution sich
erfreuen musste.
Was die zur Goupirung der Peritonitis puerperaruro so oft
verordneten Mercurial-Einreibungen anlangt, so habe
ich dieselben in keinem Falle von einem nachweislichen Er-
folge auf den glücklichen Verlauf der puerperalen Entzündungen
in den Sexualorganen gesehen, so oft und so energisch ich
dieselben angewendet habe, oder auch von Anderen anwenden
ÜT Gebarisbälfo in Berlin. g7
iA. Dm» neben dergleichen Eini^eibiHigeii ftraake genesen,
wt el»er eben so sicher, als das8 \mk derselben eine duvob
«iBe schwere Stomatitis veraögerte Reconvalescens dnrob*
nrnachen hatten. Bei Vielen trat der Tod trotz dei* Mund-
afection ein, bei Anderen kam es trotz der tigüch wiedertiolten
Einreibiuigen von Unzen der grauen Salbe nicht einmal za
der eranhntea Salivation.
GwMliger schienen bei eingetretenem Exstidate zur Re-
sorption desselben Aufpioselangen mit Jod- und iodkali-
Us«ng oder von Jodtinctur einzuwirken, zumal wem
dieselben mit lauwarmen oder kohlen Wasserumsohligen be-
deckt wurden, oder, wenn sie, wie insbesondere die 4uf-
piBseiimgen von Jodtinctnr, Blasen erzeugten und dann eben so
■ttslich waren, wie dfler wiederholte kleine Vesicantien.
Allgemeine Blutentziehungeu habe kh im Anfange
■einer praktischen und klinischen Wirksamkeit oft angewendet
«d auch vielfach von Anderen anwenden gesehen. Mit Aus-
Dahme einssdner FäUe ungewöhnUcher Spannung der Arterien
«■d starker Beklemmung bei frisch eingetretener Krankheit,
wo der Aderlass augenblickUcbe Erleichterung brachte, ist
■ir kein Fall erinneriich, in welchem eine nachweislich ernste
puerperale Erkrankung der inneren Sexualorgwie dadurch
etscbcidend der Genesung entgegengefahrt .wäre, im Gegen-
theil sind mir mehrere Ftile im Gedächtniss, in welchen
nsdier Collapsus folgte.
Die örtlichen Blutentziehungen, insbesondere durch
Blutegel, habe ich hingegen, zumal bis vor etwa zehn Jahren,
lekr häufig und ausgidiig in Anwendung gezogen ; gewöhnlich
winden 10 bis 16 Stück Blutegel auf einmal auf die schmerz-
hafte Stelle des Unterleibes gesetzt und nach 12 Stunden
bisweilen vier bis sechs Mal wiederholt, bis die Empfindlich-
keit gegen Druck schwand. Im Allgemeinen zeigten sich da.
wo nicht Thrombosis oder Lympbangoitis im Spiele waren,
die Resultate befriedigend; doch ist mir in zwei ungünstig
endigendeD Fällen der Verdacht aufgestiegen , dass auch diese
Bhieotxieiittngen, zumal wenn die Nachblutung sehr hmge fort-
gedauert hatte, den Collapsus beschleunigen können. Immerhin
werden wir die örtlichen Bluteutziebungen bei Behandlung der
puerperalen Entzöndungell nicht ganz entbehi*en können.
I
j
gg X. Verlumdliing6& d«r Gdselkchaft
WesenÜtcb bMchränkt wurd« der Gebrauch von Bhitegcio«
MÜ ich vor eiwa 10 Jahren angefongen habe, den scbmerz*
baftan Unterleib der Wöchnerinnen mit kühlen oder kalieo
Wasaerumschlägen zu belegen. Diese mit vier- bis
secbafach susanmengelegten Servietten, welche je nach der
höheren oder geringeren Wärmeentwickelung und dem Behagen
der Kranken in Wasser von 8 — 24^ E. getaucht und voU-
slindig auageningen waren, hergestellten und wiedenira nach
dem Grade der W&rmeentwickelung, alle viertel bis iwei
StOBden gewechselten Umschläge wurden stets mit eiaem
wollenen Tuche bedeckt, und so lange, in einzelnen Falien
sogar mehrere Wochen lang, fortgesetzt, als die Kranken
sich dabei wohl befanden. Gebildete Frauen haben mir wieder-
holt die Wirkung dieser temperirten Umschläge gerühmt und
oft deren Anwendung wieder verlangt, wenn dieselben aus^
gesetzt waren, weil dieselben zur Beruhigung und insbesondere
zur Herstellung des für Wöchnerinnen so wichtigen Schlafee
beitrugen. Bei dem regelmässigen Gebrauche dieser Wasser*
umschlage, wie sie seit 10 Jahren in den von mir geleiteten
geburtshülfUchen und gynäkologischen Kliniken dann zur An*
Wendung gekommen sind, wenn entzündliche Erkrankungen
der Sezualorgane auftraten, habe ich gegenüber den früher
behandelten Fällen folgrade besondere Wahrnehmungen gemachl:
1) Dass im Allgemeinen viel seltener und wenn doch, viel
weniger beträchtliche Peritonäalezsudate zu Stande
kommen ;
2) dass der bei diesen Erkrankungen sehr häufige, und an
sich schon • gefahrliche Bieteorisrous, wo nicht ganz
beseitigt, doch auffallend gemässigt und auch dadurch
die Heilung begünstigt wurde.
Einen deutlichen Beweis für den Nutzen dieser kühlen
Wasserumschläge lieferte mir unter vielen anderen folgende
Beobachtung.
Eine Kaufmannsirau , 24 Jahre alt, Erstgebärende, war
am 23. März unter ärztlichem Beistande, aber ohne besondere
Kunsthfilfe entbunden und alsbald an einer Endometritis er-
krankt, zu welcher sich Perimetritis bald hinzugesellte. Trotz
Anwendung von Blutegeln, Calomel und Unguentum neapolitam.
stieg das Fieber und unter den von ihrem Arzte verordneten
für OBboftobiilfo in B^riiii. 80
Cat^ibMiMn wuchs der MeterorMinuB und damit die Albemnoth
tewamen, das« der besorgte fibemaiin meine Zuiiebimg
nriangle; idi faod am 27. HSrz Abends Puls 120, Temperai4ir
beträchtKcli erhöbt, den stark aufgeiriebeuen Leib sehr
«■pfindiich gegen Druck, Stuhl verstopft Die Percusston
idgle im Hypogastrio Dämpfung, weiter oben^ deutiich
tympanitiachen Schall. Die Scheide erschien sehr heiss, der
Mottenamd offen, wulstig, empfindlich; die Brüste massig
griiik (Metroperitonilis puerperaUs). Statt der warmen Cata-
pbmen wurden allmiiig immer kühlere Umschläge, ferner
Eiaspriliiiiigen mit lauem Leinthee und innerlich Nitrum in
Emiino papa?erina mit Aqua laurocerasi verordnet. Die
fslgsndc Nacht war bereits nach Abgang von vielen BlähuiH^eB
rahiger; die Schmenen im Unterletbe verminderten sich, der
Dwst kess nach, der Puls sank auf 110. — Portsetsung
der Therapie. Als am 29. März nach einem heftigen Aerger
«ine neue Verschlimmerung' mit bitterem Geschmacks, ver«
aehrtem Fieber eingetreten war, liess Patientin die kAhlen
DflncUage ohne Verordnung weg und trank einen bittereu
Thse. Ich fand sie daher am 30. März von Neuem wesentlich
vcrschliraoiert, drang auf die Wiederanwendung der kiUen
UmseUäge, auf welche bald von Neuem Nachlass der Be«
schwerden folgte und drei Tage später die Reconvalesceni
bo weit vorgeschritten war, dass ich die weitere Behandlung
den Hausarzte öberiiess. Einige Wochen später hat sich die
väUig Geneeene mir in meiner Wohnung vorgestellt
Die vielfach empfohlenen, auch von mir früher viel all-
gemeiner als jetzt bei puerperalen Entzündungen angewandten
warmen Umschläge (Calaplasmen) .habe ich auf diejenigen
Fäle besdu^änkt, in welchen Abscesse der breiten Mutter-
u. s. w. gezeitigt und zur Entleerung gebracht werden
Indem diese feuchtwarmen Umschläge die Erweiterung
der betareffenden Capillaren, also den Blutreichthum der Theüe
und somit die Exsudation vermehren, sind sie vollkommen
geognet, den angegebenen Zweck zu erfüllen. Aus demselben
Gnmde erseheinen sie aber unzweckroässig im Beginne der
puerperalen Entzündungen, und zwar um so unpassender,
je hdher die Temperatur der Kranken erlahrungsmässig bei
diesen EotzAndiragen zu steigen pflegt, so dass eine Hinzu*
90 X* Verhatidlan^n d«r OeBellschaft
fügutig von Warme ffir die Kranken nicht blos Iftstig, sondern
anch gefiührlich werden muss. Abgesehen von den leider
nur zu häufig, besonders bei Privatkranken vorkomiaeiiden
Verbriihungen der Bauclifaaut, abgesehen femer von den oft
genug dadurch hervorgemfenen Frieselbiidungen und dem
häufig geklagten peinlichen Hitzegefuhl der Kranken habe ioli
in der Regel bei Anwendung von warmen Cataplasmen weil
massenhaftere Exsudate in der Peritonealhöhle und den immer
bedenklichen Meteorismus hi stärkster Ausbildung gesehen.
Nach diesen häuMg wiederliolteii , aiicli in der consnltaliven
Praxis und in fi'emden Hospitälern gemachten firfahnnigen
kann ich daher die Anwendung der warmen (d. h. ober 38® (7.
wannen) Breiumschläge im Anfange der puerperalen Eni-
zAfidungen und so lange als die Vermehrung der Exsudalien
nicht beabsichtigt wird, nicht befürworten. Dabei will ich,
um Missverständnisse zu verhüten, darauf aufmerksam machen,
dass die Cataplasmen in grossen Krankenhäusern, wie ich
in meiner gynäkolo^schen Klinik des Cbarite- Krankenhauses
off gesehen habe, gewohnlich die Körpertemperatur der
Kranken nicht viel übersteigen, auch nur drei bis vier Mal
am Tage gewechselt werden, während in der Privatpraxis die
Cataplasmen sehr häufig -die höheren Wärmegrade zeigen und
daher öfter zumal bei der häufigen Erneuerung VerbreRRiing
veranlassen.
Sehr häutig stellt sich die Aufgabe der Therapie im
Anfange der puerperalen Entzündung so, dass es gül, den
Zerfall des in die Gewebe, besonders in das Bindegewebe,
um den Multerhals und die Scheide ^ergossenen Blutes su
verhüten, wie z. B. nach Quetschungen bei langwierigen Ge-
burten wegen Beckenenge, nach schweren geburtshäif liehen
Operationen u. s. w. Hier würde die vermehrte Wärme den
Zerfiall, die Verjauchung des Blutes befördern, eine Wirkung
der warmen Umschläge, welche die Erkrankung in sehr ge-
fthrlicher Weise steigern muss. In diesen Fällen vermag
umgekehrt die Kälte die jauchige Zersetzung des ausgetretenen
Bhites zu verhüten und die Zertheilung, Resorption und Heilung
anzubahnen. Gerade hier finden daher nach meiner Erfahmng
die Eisumschläge ihre eigentliche Stelle, während dieselben
bei diphtheritischen Processen und deren Folgen, dem so-
för Gebnrtibilfe tu Berlin. 91
geoaniHen epideniischeii oder contagiöflen Puerperalfieber keineD
HiiekikAeD Kiitzen schaffen. Bei den a«f die erwfihntoD
TniMwn folgende» Entiäaduiigen babe ich nach mebrstfiiidiger
A|iplicattoii der Eisblase auf den Unlerieib die TemperaluV
in der Scheide am 1 — V'J^ C. fallen gesehen; die KraMkc«
fftUen sich nicht allein wobler, sondern genasen andi hiafig
dank Zertheilung der Extravasate in verhMtnissRilssig kurzer Zeü
Neben den erwähnten Wasserumsefaiägen rouss ich den
lägKch xwd Us sechs Mal wiederholten Ausspritzungen
der Seheide mit lauem Wasser oder Leinsamenthee einen
eetscMedeaen Nutzen bei der Behandiung puerperaler Eni*
ztadungen der inneren Genitalien zusprechen. Die AusspfilMig
des der Zersetzung unterworfenen Loohialtiisses erscheint von
9^toter Bedeutung, wenn man erwogt, dass die Zersetzung«*
predacte den nachtheiligsten EinOuss auf die wunden Stellen
an Hiillennunde und in der Scheide ausüben. Wo sich
eine derartige Zersetzung, welche durch den Ahlen Geruch
sofort angedeutet wird, einstellt, müssen den Einspritzungen
Theerwaeser oder Liquor chlori, oder eine Lösung ?on Kali
bypennangan. beigemischt werden. Gilt es hingegen blas
die Ueberhautung der wunden Schlehnhautstellen im Geburt«-
cnale zu beschleunigen, so sind Zusätze von Aqua plumbt
hobam, während bei diphtheritischen, von ödematösen An-
schwellungen umgebenen Geschwüren täglich wiederholte Be-
späluogen mit einer Lösung des Argenturo nitricum oder
Cupram sulphuricum, in den späteren Tagen des Wochenbettes
aber auch laue Sitzbäder mit Tannin oder Alaun durch die
Erfahmag erprobt and.
Hitiaiebtiich der inneren Medication bemerke ich, ab-
gesehen von dem oben Erwähnten, zunächst, dass ich kein
Speeificum des sogenannten Puerperalfiebers kenne.
Weder der Gebrauch des Chinins, welcher bei bestimmten
ZüföUen , z. B. den erratischen Frostanfällen , der Thrombose,
inabesondere der sogenannten Phlegmaria alba dolens u. s. w.
gele Dienste leistet, noch die Anwendung des Seeale comutum
hat sieh mr als Verhütungs* oder specifisches Heilmittel dieser
Erkrankung bewährt«
Bei dem Beginne der entsändlichen Processe habe ich
am hlufigstoi das Natrum nitricum oder das Kali aceticuni
92 ^- Verfa«idl«iig6ii' der Gesellschaft
mit befriedigeiMieni Erfolg« veroittnet, nacbdem der Damicanal,
wenn nöüiig, «ntieerl war, in anderen Fiilen, zumal bei Durcb-
Mien: Acidom muriatieum oder phospboricam. Die MgiCaiis
habe ieh ebenso wie das Digilalin und das Extr. Aconili
mehrfach in Anwendung gezogen, jedoch kaum einmal einen
naehweislicfaen Nutzen davon gesehen. Das Opium, zumal das
Exir. opii aquos. that bei Aufregung SngsUicher Kranken,
sowie bei Erschöpfung drohenden Durchfallen in der Regel
gute Dienste, doch musste demselben in letzterem Falle
bisweilen ein Decoctum rad. Columbo oder eine Solutia
argen ti nitrici substituirt werden. Bei den AngstanfSilen und
4er Schlaflosigkeit, welche den Frieseleruptionen vorhergebeD.
habe ich vom Morphium aceticum auch wobt im Wechsel
mit Campbor neben Acidum phosphoricum dann und wann
«nzweifelbaflten Nutzen gesehen. —
Dass bei Abscessbildungen in den breiten Mutterbändern
IL s. w. baldige Eröffnung mit dem Messer unerläs^ch ist,
bedarf kaum einer Ausführung.
An diese Bemerkungen über die Therapie der puerperalen
Genitalentzundungen mögen sich folgende Krankengeschichten
theils als Belege, iheils zur Ermuthigung jüngerer Aerzte
bei schweren Zufällen anreihen.
Erster Fall.
Geburt bei erster Gesichtslage. Vergebliche Operations versuche
mehrerer Aerxte , Scheiden- und Dammriss. Kephalothryptie,
iKtenag der Plaoenta wegen fester Verwachsung. Metriüs,
Oolpltls. BlsamscUäge a. s. w: Genesung.
Frau A. H.y 29 Jahre alt, Erstgebärende, in der Kind-
heit scrophulös, mit 17 Jahren regelmässig in vterwöchentlichen
Intervallen und mit achttägiger Dauer unter grossen Schmerzen
menstruirt, zuletzt am 5. September 1863; bemerkte die
KindesbewegUHgen seit Ende Januar. Abgesehen von dem
Gefühle grosser Schwäche und Hinfälligkeit war die Schwangere
gesund. — Am 22. Juni früh 4 Uhr soll das Fruchtwasser
mit nachfolgenden wehenartigen Schmerzen abgeflossen sein.
Letztere traten erst in der folgenden Nacht häufiger auf.
Am 26. Juni Morgens sollen von dem hinzugerufenen Arzte
mehrere Dosen Seeale cornutum gegeben sein, wonach die
Wehen schmerzhafter wurden. Abends 9 Uhr wurde von
mv QebnrttJittUe in Uewüa, ^
fkn wieder berbeigeholien Arzte der Forceps appUcirt, jadocb
eine Erfolg. Nach heftigen Wehen wui*de am 24. Juni
Nergeps 4 Uhr der Versuch mit der Zange von einem anderen
Arzic wiederholt, doch folgte mehrmaliges Abgleiten der LöffoJ.
Gegen 8 Uhr früh wurde die Kreissende völlig erschöpft,
mit kleinem kaum fühlbarem Pulse und tief verfallenem Aus«
aehen in die geburtshülfliche Klinik transporlirt Die äusseren
Genitalien erschienen angeschwollen, mehrfach eingerissen,
insbesondere der Damm, in der hinteren Scheidenwand i^schts
und links iwei l'^ — 2 Zoll lange tiefe Längsrisse. Das in
d«r Beckenhöhle eingetretene Gesicht des abgestorbenen Kindes
leigt das Kinn nach rechts und hinten gerichtet, die Stirn
vom und hnks. Die Beckenmessung ergab Sp. L = 9^1%^ ^
Cr. L = 10 V«", Conj. ext = 7 V- Beide Diam. obliq. = T'.
In entsprechender Chloroform -Narcose applidre ich an den mit
dem Gesichte vorliegenden Kopf meinen Kepbalotbryptor und
Ähre drehend das Kinn unter den Schambogen, worauf die
Extractiou leicht gelingt. Da eine beträchtliche Metrorrhagie
folgte und das Uervordnicken der Placenta aus dem regel-
recht uffifassten Uterus nidit gelang, musste die Hand ein«*
geführt nnd die abnorm fest an der rechten Seite der
Gebärmutter adhärente Stelle des Mutterkuchens gelöst und
lue Nachgeburt entfenit werden.
Das Kind wiegt 7 Pfund 2 Loth, ist 13" resp. 19'' lang,
gut ausgebildet ; die Scheitelbeine sind ausgiebig zertrümmert.
Wochenbett . Den 24. Juni Abends 6 Uhr: Die
Wöchnerin sieht verfallen aus, ist liusserst erschöpft, klagt
über Schmerz in dei* Unterbauchgegeud und an den äusseren
Genitalien; letztere sind beträchtlich geschwollen. Das Abdomen
ist bei Berührung empfindlich, der Mutterkörper besonders
oberfaalh der Symphyse und an seinen Seitenrändem beim
Dmcke äusserst schmerzhaft. Der verhaltene Harn muss mit
de» Katbeter oitleert werden. Puls 120. Temperatur 39,5® C.
Ordinal. Natr. nitric* 3q in 3 vi Aq., Vaginaliqjectionen von
Lmsameothee mit Aq. plumbi; Eisblase auf den Unterleib.
25. Jini. Morgens: Schlaf unrahig, lebhafter Schmerz
io der Unterbauchgegend, erhöht durch Versuche, sich zu
kwegen, ebenso bei der Palpation besonders des rechten
SeUenrande» der Gebärmutter. Haut mit Scbweiss bedeckt,
94 ^' VerkftildliiDKeti der OeieHschaft
ktcM68 Htt«ieln, Harnblase stark gefOltt; bei d^n Hiist^^ndCdssea
fliegst Urin ab; wiederholte Anwendung des Katheters. Der
Iiocfabifluss ist äusserst ilbelriecbend ; subjeetives GeflUiI
ausserster Ermattung und Hinfölligiieit, Zunge leicht belegt,
Appetit schlecht. Puls 130, Temperatur 40,5 ^ C. Ordinal,:
Eisblase auf den Leib, Vaginalinjectionen mit Aq. Chlori, inner-
lich Sohlt. Nalri nitrier. — Abends: Puls 140, Temperafor
41,5^ 0. Blase gefilllt, muss durch den Katheter entfeerC
werden, Haut feucht.
26. Juni. Morgens: Kein Schlaf, starker Schweiss wSbrefHl
der Nacht, Schmerz in linker Weichengegend äusserst lebhaft,
in den Knken Schenkel ausstrahlend. Uterus gut contrahirl,
Fnndus zwei Finger breit unter dem Nabel, bei Berührung
noch sehr empfindlich, Lochialfluss noch sehr übelriechend,
vermehrte Schwellung der äusseren Genitalien. Temperatur
40® C, Puls 126. Injectionen fortgesetzt, ebenso Eisblase
aufs Abdomen. — Abends: Grosse Mattigkeit, Appetitmange],
Urin immer noch verhalten. Puls 136, Temperatur 40,8 ® C
27. luni. Morgens: Schlaf fehlt trotz Morph, acet. gr. ^'4.
Puls 131, Temperatur 40,5 ^ Haut feucht, Aber Nacht eiti
leichter FrostanM. BHIste gespannt, empfindlich; Stuhl-
gang ist nicht erfolgt; Urin durch den Katheter entleert,
Appetit mangelhaft. Die in die linke Extremität ausstrahlenden
Sehmerzen noch äusserst lebhaft, Uterus gegen Berührung
besonders Imksseitig und dicht über der Symphyse sehr
schmerzhaft. OrdinaL: Wegen des anhaltenden Hustens,
welcher die Leibsohmerzen hervorruft: Solut. Ammon. muriat,
Clyismen, Injectionen und Eisblase fortzusetzen. — Abends:
Puls 140, Temperatur 41® (7. Subjective Klage über Reissen
in der linken UnterextremitSt, zumal bei Bewegungen der^
selben. Lochialfluss noch übelriechend. Morph, acet gr. 1/4.
28. Juni. Unruhiger Schlaf. Aussehen noch sehr matt,
verfallen, subjeetives Befinden jedoch besser. Leib immer
noch auf Druiok empfindlich, Aosfiuss übelriechend. Schmerzen
beim Wechseln der Lage im Bette, Haut feucht. Puls 134,
Temperatur 39,5^ 0. ; Stuhlgang nach dem Clysma dannflüssig;
Urin muss noch durch den Katbeter entleert werden. —
Abends: Appetit mangelt, der Husten ist verschwunden.
Puls 130, Temperatur 40,5.
lilr Gabvrtihfilfe in Betflki. M
99. Jttiüu ScMaf durch Morphnmi wihrood der kalben
fbdH flnick. Puls 134. Temperatur 39,6. UriaentieeruDg
erfolgt, die Amchwellung der Genitalieii hat elwae
1, die Ruptur, perin. beginnt zu heilen; die Sehmeri«-
> der Uteringegend ist noch, jedoch massiger verhanden;
die EiBWMehlige werden mit l&öhlen Wasserfomenlen ver«-
üuschl, die Injectionen fortgesetzt. — Abends: Puls 130,
Tenperatiir 4D^ C. Appetit mangelhaft, Stuhlgang durch
Di. ridni erzielt Ziehende Scbnierzen auch in der rechtad
GtiroDität von dem Becken ausstraMeiid. Morph, acet Ein-
rdbang des Schenkels mit Liniment e sapon. terebinlhin.,
EMhUsn der EitremiUt in Watte.
30i Jvoi. Schlaf einige Stunden während der Nacht;
isWMmeriD fühlt sich wohler. Leib noch mj^ssig empfind«*
kh. Drin und Koth spontan entleert. Pols 116, Temperatur
39« C. — Abends: Puls 120, Temperatur 39,8« C.
1. Juli. Schlaf immer noch gestört, daher Morph, acet.
V'^1%: Gesicbtsausdruck weniger verfallen, -Appetit gut. Haut
Bteig feticbi. Puls 108. Temperatur 38Jb^ C. Bei Be-
wgongen, die noch beschwerlich und schmerzhafte Empfindungen
»GcBchöas hervorrufen, fliesst Urin ab, ebenso heim Husten,
blsrleib kaum mehr abnorm enyfindlich« Fundus uteri noch
äru zwei Finger breit ober der Symphyse. Stuhlgang spontan
erfolgt. — Abends: Puls 116, Temperatur 39<> C. Die
kiectioaea werden fortgesetzt, ebenso die temperirten Wasser«
HHcUige.
fai den folgenden Tagen des Jiili sinkt die Temperatur
atf S?^«"— 38« a, der Puls von 100 bis auf 82.
Öl JoIL Die Schmerzhafligkeit des Leibes ist gewichen,
dis Rciasen in der linken Unterextremität noch geblieben,
cboMo der mangelhafte Schlaf und das Hamträufeln ; Fundus uteri
siebt mehr dber der Symphyse fählbar. Appetit gut ; subjectiv
aouer dem oben erwähnten Reissai vMliges Wohlbefinden.
10. inIL Die Scheidenriase sind in der Vemarhung be*
gpfai und erscheinen besonders lioksseitKcli und vom ak
«aade hervorragende Zftge; der Dammrias ist fost verheilt.
b werden w^gen des noch vorhandenen Hamträufelns und
Vraiaar ScUaffheit der Vaginalwand laue Sitsbider mit Bieben-
nadeaabkocbung verordnet.
90 X. Veriiftodloiigoii der GMell«eh»ft
20. ittli. Da» Hanilrittfeln hat sich verloren, derAppetiC
und Sdilaf siAd normal; die Wöchnerin hat beute das Belt
varlaasen; das Geben ist aber nur möglich, wenn sie sich
auf awei Wärterinnen stfitzt, äusserst sohmersbaft; sie beugi
den Oberkörper nach ' vorn und stutzt beim Geben die Htade
auf die Oberschenkel, das Sitzen ist weniger schmerzhaft und
beschweriich.
26. Juli. Anstatt der Sitzbad er werden seit zwei Tagen
InjecUonen von SoluL argent. nitric. in die Scheide gemacht;
das Gehen ist immer noch beschweriich, dabei aber subjectives
Wohlbefinden.
1. August. Die Risse in der Scheide und im Perinium
sind vernarbt, Urinentleerung und Stuhlgang erfolgen regel-
massig; die Wöchnerin geht ohne Schmerz und Beschwerde,
daher* gesund entlassen.
Zweiter Fall.
Wiederholte vergebliche Wendungsversnche zweier Aermie
wegen Querlage fler Frucht, Transport der Kreisaenden in
die Oebäraaatalt. Entbindung mittels Wendimg. Oaa
im ütema. Paraaetritis. Genesung.
Friederike ß.y 37 Jahre alt, gross, mittelmSssig ge-
nährt, Fabrikaii)eiterin in A., hatte bereits fünf Mal stets
nach langer Geburtsdauer, wiederholt unter Anwendung der
Zange todte und einmal im achten Monate ein lebendes Kind
geboren, als sie im Mai 1849 sich von Neuem schwanger
filhlte (letzte Regel Mitte April). Am 20. Januar 1850 sollen
sich Wehen eingestellt haben und das Fruchtwasser abgeAossen
sein, am 23. hatte ein Arzt angeblich wegen Gesichtslage
einen wiederholten Wendungsversuch gemacht, jedoch nur
beide Arme und zwar gebrochen in die Scheide herabgeftrdert«
Als ich am Morgen des 24. wegen einer anderon Kranken
in A. anwesend war, forderte mich der bei der erwähnten
Kreissenden elienfalis zugezogene Physicus auf, die Entbindung
zu Qbernehmen. Ich Hess die bereits sehr erschöpfte Kreissende,
welche aber grosse Empfindlichkeit des I^ibes klagte und m
der Nacht heftig phantasirt haben sollte, und bei welcher
neben beiden Händen eine kalte pulslose NabdschnurscUinge
aus der Schamspalte herausging, in Betten auf einem ScUitteu
in die Entbindungsanstalt nach Jena transportiren , wo sie
r
fQr GebvrtshUlfe. in B«rlin. 97
on 1 Ohr Mittag« anlangte. Di« Wehen hatten fast ginilich
eesairt, dagegen waren wiederliolte Ohnmächten und ein
FhMta«rall zugegen gewesen. Puls 120, Haut trocken, An-
sehn veifaUeD, Angen tiefliegend , Wangen lividroth. Listiger
SlahldraBg, da seit dem 20. keine Ausleerung erfolgt war.
Leib mter der Herzgrube von Gas aufgetrieben , sehr empfind-
fich, gestattete eine genauere Betastung nicht Der in die
Seheide eingeführte Pinger traf in der rechten Beckenhälfle
a«f die beiden Schhlsselbeine. In tiefer ChlorofornAiarkose
der auf der linken Seite liegenden Kreissenden fährte icii um
2 Uhr Nachmittags die rechte Hand in die GebärmutterhöUe
ein, aas welcher dabei eine Menge stinkenden Gases nebst
einer blutigen FIflssigkeit hervorströmte und vollzog an beiden
Pieaen die Wendung. Die Extraction des 6 Pfund 12 Loih
schweren, 12 Zoll resp. 18 Zoll langen Knaben, an dessen
Nnker Schulter, Hals und llnterkieferhaUte eine beträchtliclie
Geschwulst die ursprüngliche Lage der Frucht documentirte.
■achte keine erhebliche Schwierigkeit, obschon das Becken
durdi das nach links vorspringende Promontorium vei'engt
erschien. Die Nachgeburt fand sich sogleich in der Scheide
■ri w«rde entfernt. Auf den noch immer tympanitisch auf-
gelriebenen sehr schmerzhaften Unterleib wurden 12 Blutegel
gelegt und kalte Umschläge gemacht, sowie Vaginalinjectionen
Mt einen Infus, flor. Amicae und" ein Klystier verordnet —
Die Nadit zum 25. wenig Schlaf, Puls 104. Leib zumal
iber der rechten Weiche schmerzhaft, Stuhl fehlt noch immer;
starker Neteorismus, daher Calomel gr. ij, Bad. Jalapp. gr. vi
iweistäadlicli. 12 Blutegel auf die schmerzhalte Stelle, Schnee-
itifhligc. In der Nacht zum 26. stellte sich zwar einmal
Bfhredieo einer grflnhchen mit schwarzen Fasern gemischten
Htfciaigkeit, ab^ auch Kothausleerung ein, worauf die Schmerz*
hifligkeit und Spannung des Leibes nachiiessen. Puls 120.
Die reicMichen Gas- und Kothausleerungen dauern noch am
27. fort In den folgenden Tagen erregte ein unwillkuhrhcher
iianiiluaa mit Brennen in den Genitalien den Verdacht, dass
«Me Blaseoscheidenfistd entstanden sei, allein die sorgfältige
Eipioration ergab am 2. Febniar nur eine entzündliche
AascbweHttDg der vorderen Multermundslippe und Blasen*
aoo«i«4ehr. f. 0«baruk. 1665. Bd. XXV.. Hft. 2. 7
98 X- V^rhandliiii^en der OeselUchaft
entzuodung. IMn VaginHleinspritziingen wurde (laher BieiwasMr
zugesetzt und vom 20. Februar an laue Sitzliäder mit Kleie-
AkBud verordnet. Allroälig nimmt die Inconiinenz ab , während
Bicb eine ReUroflexio uteri ausbildet. Durch den anlialteoden
Gebrauch von Sitzbädern mit EichenriDdenabkocbung und
dergleichen Einspritzungen neben strengem Verbot der Racken-
läge in der zweiten Hallte des März und im April erlangt
die B. ihre volle Gesundheit wieder und wird am 12. April
genesen entlassen.
Dritter Fall.
Bntblndiuig von einem hydrocephalischen Kinde mittels
Punetion. Blvtaiurtritt in das linke breite Itfvttevtend.
Parameiritis. Ctonesuig.
Die unverehelidite ZT., 24 Jahre alt, Primipara, kam
am Vormittage des 25. Juni 1863 in die geburishölfliohe Klinik
mit Wehen. Unter rascher Erweiterung des Muttermundes
ruckte der Stoiss, Rucken nach rechts, im Becken herab und
kam Mittags 2 Uhr zum Einschneiden, Herztone nidbi zu
hören. Als die Hüften und die emporgescMagenen Beine
geboren waren, zeigte sich eine Spina bifida der 3 unteren
Rucken- und zwei oberen Lendenwirbel. Da zugleich der
Unterleib der Kreissenden ungewöhnlich stark ausgedehnt Miet»,
wut*de ein Hydrooephalus diagnosticirt, auch folgte der Kopf
nach iiösung der Arme weder einem krifligen Zuge an den
auf dem linken Schambeinast aufstehenden Unterkiefer, nocli
einem kräftigen Drucke auf die Bauchdecken, welchen der
Assistent ausflbte. Die Untersuchung mit der in der Kreuzbein-
aushöhlung eingeführten ganzen Hand ergab die enorme Aus-
dehnung des ilberdies elastischen Kopfes, dessen Eröfliiung
mit einen) iS^^m'schen scheerenlormigen Perforatorium zuv
Entleerung von beiläufig 1 Quart hellen Wassers führte, worauf
die Herabholung des Unterkiefers ?on dem linken liorizontalen
Schambeinaste und die Extraction des Kopfes keine ungewöhn-
lichen Schwierigkeiten bot. Das zu Tage geförderte Mädclien
machte noch einige Athembewegungen , starb aber nach zehn
Minuten. Die Nachgeburt wurde durch den Druck auf deti
ijebärmutterliörper leicht lierausgefördert und zeigte viel Kalk^
concretionen an der Ausseniläche des Mutterkuchens. Ob^
schon der Uiin ohne Beschwerde gelassen wurde, der Puls
für GebnrUbalfe in BerÜa. QQ
84ScUi8e machte, sleWUi sich am 26, eine nicht unerhebliche
Enpindlichkeit in der linken Weiehengegend • sowie eine auf
ein IbteHravasat in dem untren breiten Muiterbande 2u be-
liebende Dftmpfung heraus, gegen welche die Kisblaae und
Einspritsungen mit LekUbee verordnet wurden. Am 17« Morgen»
Pnb 132, Temperatur in der Scheide 4U)^ C, Ol. rioini;
9egCB Äbeml Puls 124, Temperatur dieselbe. Am IS. Morgens
Pvk 106 , Temperatur 4D,4 ^ 0. , Leib weniger empfindlich,
ein dftnner StuU. Natr. nitric; Abends Puls 124, Tempe-
ratflr41,7^ C; zwei dünne SlOhle. Wassenimschläge, da
das Eis nicht mehr beiiagte. — 19. Wenig Schlaf, Kopfweh,
Pds 120, Temperatur 39,8^ 0., Leib weniger empfindlich.
Vormittags ein FroatanfaU; drei Mal dünner Stuhl. Abend«
Uib wieder schmerzhafter. Puls 132, Temperatur 40,8 '^ C;
10 Bbtegel auf den Leib. 20. Viel Träume, wenig Solilaf,
LacUen ubefariecbend , zwei dänne Stähle. Abends Puls 120,
Temperatur 41y&o C, Leib empfindlicii, 8 Blutegel. Den 21.
Sddaf ruhiger, ein Stuhl, Puls 92, Temperatur 39,9 "" C.
Ahcnda Pub 116, Temperatur 41y5^ (7., immer noch grosse
Empfindlichkeit gegen Druck ober der linken Weiche. Acht Blut-
ifeL Hierauf ungestört fortschreitende Besserung bei kühlen
WaaseniBisdilägen auf den Unterleib und Vaginaleinsprilziui^en
mit Leintbee. Die Geschwulst in der linken Weiche ver-
schwunden. Die Genesene wird am 29. Juli entlas^n.
Vierter Fall.
▼fldialtaac eliioe PUtcentarTesiea. Symptome einer Lobular-
pnenmonie. Entleerong der Vomica. Genesung.
Frau £., 39 Jahre alt, magei% in der Kindheit scrophulos,
mit 15 Jahren menstruirt , hatte bereits drei Mal geboren und
dabei jedes Mal Störungen des Nacbgeburtsgescbäfts öberstapden.
Bei der vierten Geburt (am 21. Mai 1853), welche die Heb-
amme allein abgewartet hatte, sollte die Nachgeburt ohne
Kndemiss abgegangen sein, so dass ich erst am siebeuten
Tage (27. Mai) binzugerufen wurde, angeblich wegen hart-
aickiger Stuhlvorhaltung. Die Wöchnerin, welche niclu nährte,
kbgte keine Schmerzen, eine geringe Benonimeulieil dos
Kapfes, Appelitmangel und Dnrsl. Der Puls 104, der Leib
daas att^etrieben, aber nicht ächmerzhafl. Lochien flössen
7*
100 X. V«rliandlniisrmi der Qetellaobaft
noch blutig; die anwesende Hebamme versieherte, die Naisb-
geburt sei^ volistindig entfernt. Oleum ricini war veng^bUcli
gebraucht , daher wurde Calomel gr. ij mit Erfolg, angewendet.
Da am folgenden Tage (28. Mai) das Befinden uiobt gebeeeeri.
ja ein Frestanfali anfgeti^eten war, unternahm ich eine Ex*
ploralion der inneren Genitalien und fand den Muttenaon-
geöffnet , so dass die Fingerspitze durch den zolllangen Mutter*
halskanal bis in die von aussen herabgedrüngte GebärmuUer^
liöble eingeführt werden konnte und dort auf eine walinuee*
grosse Hervorragung stiess. Der sieh jetzt einstellende
Prostanfhll wurde sofort durch die eingeleitete Chloformnarcose
si8tu*t und hierauf ein reichlich nussgrosses dichles Stück der
Plaeenta, welches fest an der Innenfllche der Uteniahöhle
haftete mit zwei in der Uterushöhle eingesobobenen Fingern
entfernt. Obschon der Uterus sich gut contrahirte , blieb eine
gegen Druck empOndüche Stelle in der rechten Weiche mit
Spannung der Bauchdecken daselbst. Nitruni, 10 filuiagel,
VYasserumschläge. Dennoch zunehmende Beschleunigung ^les
Pulses, gesteigerte Temperatur, sowie vom 31. Mai an KunE-
athmigkeil und Hilsteln auftraten. Die Percussion hess ia
der rechten Seite des Thorax entsprechend dem Winkel der
siebenten und achten Rippe einen gedümpften Schall auffinden,
woselbst das Respirationsgeräusch fehlte und man musste
somit eine Lobularpneumonie diagnosticiren , obschon keine
weiteren Frostanfdlle sich einstellten. Kali aceticum innerlich :
Stuhl durch Oleum ricini täglich ein Esslöffel voll geregelt.
Milchnahitmg. Der Husten brachte am 5. Mai Mutig gefSrbte
Sputa, was nach einigen Tagen bei Gebrauch von Emulsio
papaverina mit Aqua laurocerasi sich verlor. Dennoch blieb
ein stechender Schmerz hinten in der ix^chten BriiatbaKte und
die Pulsfrequenz steigeile sich ; die Kranke magerte merklieh
ab, begann bei fast völligem Appetitmangel an profueea
Schweissen zu leiden, so dass der besorgte Ehemann am 21.
eine Consultation mit meinem CoUegen Prof. Sieb&rt ver-
anlasste. Derselbe constatirte die lobuläre Pneumonie, sowie
die unzweifelhafte Hektik. Die bereits vorher verordnete
Phosphors&ure wurde neben Molken weiter gebraucht. Im
Anfang Jtdi litt die äusserst herabgekommene Kranke von
der heissen Sommer Witterung doppelt: der treupflegeude
für GebnrtBhfilfe in HerliiL 101
trag di« Krdnk« «ni M<»t*gen vom Bett auf das Sopha
mi Abends zurück. Dabei glitt er am 6. Juli einmal aal,
die Kranke fiel etwas unaanfl auf ibr Lager, bekam vermehrten
Hislea« damit 2 EssUflei voll EiterauBWwf und genaa von
da aa in verhäUnissniSsaig kurzer Zeil bei Fortgebrauch der
JMken, spater eines Chiuadecocts so vollständig, da\i8 sie
iiacfa zwei Jahren wieder ein Wochenbett glficklicb bestand und '
aoch jetzt noch einer befriedigenden Gesundheit sfcli erfreut.
FQntler Fall.
nMackö Waeh^ebuftMianng. MetrophloMüs. C]üorloid«itla
am UafcMt Bvibiia. Qniigrän de« Beokenn^llgewebea la d«r
Insiira iachiad. wuijor deactra. C^eaeaw^.
Frau JT., 38 Jahre alt, hatte hei ihren fKiheren Em-
Undvngen wiederholt der köustlichen iNachgeburtsl6sung be^
darf!: ebenso war bei der zehnten Geburt die verhaltene»
angebGdi leicht angewachsene Nachgeburt von ihrem Geburts*-
heMer nit der eingefflhrten Hand entfernt worden. ' In den
ersten sechs Tagen des Wochenbettes befand sie sich nach
der Aassage des Geburtshelfers wie des Hausarztes mit Aus*
nähme von ScMaflosigkeit und leichtem Kopfschmerz so wohl,
dass beide Aerzte sie nicht mehr regelmassig besuchteif, alt
am siebenten Tage ein heftiger FrostanfaH mit Irrereden,
BenoRimenifeit des Kopfes imd sehr beschleunigtem Pulse
eintrat Da die Krankheit bis zum 14. Tage sich nicht besserte,
wnrde ich am 30. December 1862 consullirl. Die wiederholt
von Proatnnfflien mit nachfolgender Hitze und Scfaweisd er-
schöpfte'Kranke zeigte 120 Pulsschläge, klagte bei Ennunterung
■bar Kopfschmerz, Appetitmangel, Durst, Schlaflosigkeit
StttU- and Urinausleerung ungestört. Der Leib war in der
rsehten Weichengegend bei Druck empfindlich; in höherem
Grade bei einem Drucke mit dem Zeigefinger gegen die rechte
HÜAe des Scheidengewölbes, wo ich bei comhinirter innern*
und äusserer Eiploration deutlich eine strangartige Härte
wahrnahm. Der Muttermund zeigte sich noch geöffnet, denn
is gewulstete Schleimhaut des Mutterhaiscanales hatte
m Ectropiam. besonders der vorderen Lippe veranlasst.
Nissiger frischer Blutabgang mit nicht ungewöhnlichem Ge-
racfce. Clunin. muriaticum neben Addum muriaticum, Wasser*
102 X* Verbandlangen der Gesellschaft
umschlage auf das Hypogastrium, Scheideneinsprilzmig^i
Theenvasser. An den folgenden Tagen fanden sich «rbebliirlie
Puls- und Temperaiurscfawankungen, unwiUkdhriiebe Aos-
leerungen bei zunehmender Betäubung mit leichten Delirien.
Am Abend des 2. Januar trat während eines heftigen Frost-
anfalfes plötzlich em heftiger Schmerz im rechten Augapfel
ein, welchem am folgenden Morgen Erblindung dieses Aoges
folgte. Chorioideitis mit starkem entzündlichen Oedem der
Bindehaut wurde durch den jetzt hinzugezogenen Prof. v. Gräfe
diagnosticirt, jedoch kam es nicht zu der erwarteten Ahscess-
enlleernng aus dem Augapfel. Nach diesem FrostaBML
welchem nur noch ein gleicher am 5. Jaauar folgte, blieb
der Puls 182 , die Benommenheit des Kopfes verminderte sich
allmäüg während des Fortgebrauches des Chinin, muriat.
Daneben Ei , Bouillon , da die Stuhlausleeningeu reichlich er-
folgten. Urinentleerung erschwert, zeitweise verhalten, der
Leib aber nicht empfindlicher als bisher. Am 8. und 9. Januar
klagte Patientin über Schmerzen in der rechten Hüfte und
am 10. Januar entdeckte man neben der Spina poster. infer.
oss. ilium dextra, entsprechend dem grossen Hüflbeineinschnitt
eine thalergrosse gangränöse Stelle, unter welcher das fett-
reiche Beckenzellgewebe bis über IV4 Zoll tief nekrolisirt
erschien. Bei fleissiger Abspülung mit Chloi*kalkauflösung
und Verband mit Vinum camphoratum, Tinctura M yrrliae und
Opii crocata stiess sich das nekrotisirle Zellgewebe in grossen
Massen aus, und wurde mit Pincette und Scheere entfernt,
so dass am 12. Januar die im Beginn zolltiefe Geschwürsteile
bereits eine rothe Granulation sehen liess. Gleichzeitig fiel
der Puls auf 96. Am 14. Januar klagte die Kranke, welche
sich im Allgemeinen besser befand, Appetit bekam, ilber
Schmerzen beim Uriniren. Der Urin erschien blass und
wolkig, enthielt jedoch keine grössere Mengen Eiter, dagegen
bemerkte ich bei der inneren Exploration, dass die rechte
Hälfte des Scheidengewölbes empfindlich resistent und etwas
herabgedrängt war. Während das gangränöse Geschwür im
rechten Hfiftbeinloche sich vollständig gereinigt hatte und mit
gesunden Granulationen füllte, entleerte sich bis zum 30. Januar
nach aussen • von dem rechten Augapfel ein kleiner Abscess
und die ödemalöse Bindehaut sank ein. Der rege Appetit
für Geburtoliülf« in Beviin. 103
iumI gesiMide Schlaf bei Auiliöreu des Fiebers baaserteu bald
das AUBaoMsiiibeikiden und die iierabgekoiHBietie Eriiäfaruug.
Die WMmerin geuas ToUsiändig bis auf das veilorene Sei»«'
vemögen des reehten Auges, und wurde nach V'^ Jalireo
bereits wieder glueklieb entbunden.
Sechster Fall.
▼otaeüige Gebort einer liydropiaehen Fmdit. Endonetrfttie
md CotpiÜB diplitlieritica. BCania poerperalis.
Parotitia duplex. Geneaung.
Louise J3., 23 Jahre alt, als Kind gesund, und mit
t6Vt Jahren zum ersten Male, alsdann dreiwöchentlich, sehr
stark, jedes Mal acht Tage lang menstruirl, lilt im 17. Jahre
mr Monate lang an anhaltaiden Metrorrhagieen, wobei sie
bettlägerig war und ärztlich behandelt werden niusste. Danach
kehrten die Menses in dreiwödieuüichen Pausen regelmässig
wieder, und waren nicht mehr su stark wie fröhei'. Im No-
unber 1859 gebar sie in der Charite eine lodte sechs-
mooallicbe Frucht, angeblich unter Kunsthülfe, das Wochen-
kett Terlief aber normal. Ira April 1860 trat die Regel
wieder ein, und kehrte bis zum September 1800 wieder,
worauf sie ?on Neuem schwanger wurde und jetzt an \ aricen,
Oedeaien und Fluor albus litt. Am späten Abend des 14. Fe-
bniar 1861 trat sie kreissend in die gehurtsbüJfliche Klinik
eil, nacbdern die Wehen am Morgen 4 Uhr begonnen haben
soNten. Kindesbewegungen sind seit drei Wochen nicht mehi*
gespurt, dag^en häufiger Frost, fauliger Geschmack, riechender
<licker AusOuss, Gefnld eines frenjden Körpers im Leibe.
Att Morgen um 6 Uhr ist der Huttermuud füufgixischenstäck-
giess, Fundus uteri dicht über dem Nabel, Hucken der Frudil
ifi der rechten Seite, Herztöne nirgends waiurnebmbar, die
Blase ist ziemlich straff gespannt. Um 7 Uhr ist der Mutter-
OMod rollstäjidig erweitert, um 7V>i Uhi* wird die bis zum
Scheidenausgaoge herabgedrängtc Fruchtblase gesprengt, gleich
darauf in vierter Schädellage ein todtfauler Knabe geboren.
fiewicht deseelbeu 1 Pfd. 25 Lth. Länge üVs" und 13\^\
Kopfdurchmesser: IV^", 2", 27«", 3%\ 2". Nachgeburt
l Pfund schwer, Nabelschnur 21'' lang, hat einen wahren
knoten, ihre Sülze röthlich infiltrirl. Die beiden erbten Tage
104 X. Verhaadliingea der Geselltchaft
des \Vocbeobetl«6 verliefen gut, e& wurden wegen des scbon
früher vorhandenen purukiUen AusOusses EinspritiHOgen in
die Scheide gemadit und wegen Verstopfung innerlich Calomd
gr. 1 (4 Dosen) verabi-eicht. Am 17. Februar (zu einer Zeit«
in welcher diphtberitische Genilalentzuodungen in der Eot-
bindungsanstalt mehrfach stattgefunden hatten), ging der Puls
plötzlich auf 120 Schläge, die Haut wurde brennend heiss,
ohne dass eine erhebliche Schnierzhaftigkeil des Qiiuches
nachweislich war. Die Lochien wurden sehr iibelriechend,
die äusseren Genitalien odematös geschwollen; Stuhlgang
regelmässig. Psychisch macht sich eine gewisse Verdrossen-
heit bemerklich. Am nächsten Tage bleibt der Zustand
unverändert, trotz der Verabreichuug von Nitrum in einer
Solutio gummosa und fleissigen Einspritzungen in die Sebejde,
deren Temperatur beträchtlich erhöht erscheint. Am 19. Februar
ist die Zunge trocken, dei' Gesichlsausdruck stupid, der Blick
irre, Puls 120 Schläge, Lochialfluss sehr übelriechend. In
der Nacht treten Detirien ein , dabei ist der Kopf heiss mid
schmerzhaft, das Gesicht etwas collabirt.
Ordination: Essig Waschungen des Körpers wegen der
erhöhten Hauttemperatur, kalte Umschläge auf den Kopf,
Cucurbitae No. X. in den Nacken; innerlieh Acid. muriat. in
Solutio gummosa.
Die DeUrien halten auch am 20. Februar an, die Kranke
wähnt sich verfolgt und verläumdet, und weint häu6g. In
ruhigeren Augenblicken ist sie mürrisch , verweigert Antworten
und nimmt weder Medtcamente noch Nahrung. Der Unterleib
ist völlig unempfindlich. Es stellen sich- häufige Zuckungen
im Gebiete der Nervi faciales ein , vorwiegend auf der linken
Seite. Wegen starker Anfullung der Blase wird die Entleerung
mit dem Katheter nothwendig : bei der Berührung der Geni-
talien steigern sich die Zuckungen im Gesicht, auch stellen
sich Zuckungen des Rumpfes und der Extremitäten ein. Am
Nachmittage ist sie ruhiger, nimmt etwas Nahrung, versucht
auch zu sprechen und weint, da sie sich nicht verständKcli
machen kann. Am Abend nehmen die Krankheitsersclieinungeo
wieder zu. Delirien wechseln mit soporösen Zuständen, Haut
kahl, Puls 144, Gesicht collabirt. In diesem Zustande wird
für Gekarlthilfa in B«idü. 105
m an folgenden Tage auf dits vcm mir geleüele gjnAko-
logiscfae Station der Charite IraosferiFt.
31. Februar. Der typhöse Zusland hak an, oluie dass
Localersclieinuugeu nachzuweisen sind.
23. Februar. Seit gestern Abend entwickelt sich eine
doppelseitige Parotitis; beide Parotiden scliwellen in wenig
Stiuiden zu enormer Grösse auf, so dass die Kranke gana
entstellt wird. Gleichzeitig bessert sich der übrige Zustand
der Kranken, namentlich nehmen die Cerebralerscheinungea
ab. Grössle Schwierigkeil den Mund zu öffnen und zu schlingen.
8 Blutegel. Calomel.
24 Februar. Cataplasnien, Klystiere , VaginaUnjectionen
mii Leiothee und Bleiwasser, wegen des übelriechenden
LocliiaUluases.
Am 27. Februar entleert sich der Abscess auf der einen
Seite spontan, auf der andei*en nach einem Einstich, mit
bedeutender Erleichterung fflr die Kranke. Die enorme An*
schwelhing der Wangen nimmt schnell ab.
Am 4. März ist das Sensorium fast vollkommen frei,
Leib etwas empfindlich, AusOuss aus der Scheide reichlich,
weniger abelriechend. Haut heiss, Puls 104 Schläge.
Fortsetzung der hydropathischen Umschläge auf den
Unterleib. Innerlich Acidum niurial. mit Decoct. Salep.
Am 7. März ist das Sensorium frei , Schmerzen nirgends
vorhanden.
Am 1. April sind die Abscesse der Parotiden vollkommen
geschlossen, die Anschwellung hat sich ganz verloren. All-
gemeinbefinden gut, so dass Patientin geheilt entlassen
werden kann.
Herr L. Mayer glaubt, dass die consequente Röcken-
lage Veranlassung nicht sowohl zu Relroflexionen als zu
Retropoattionen gebe. Auch könne er ein vorsichtiges Binden
des Leibes fnr nicht schädlich halten. Oertliche Blut-
«ntziefaungen und Einreibungen grauer Quecksilbersalbe halte
er fdr sehr wirksam und huldige auch einer vorsichtigen
fluer^n Darreichung von Quecksilber. Statt der stark und
uuflgeDebni rtechenden Einspritzungen von Chlor- und Theer-
106 ^- VerhaodliiDgea d«r Getetlschaft
wtKMT iuipfeMe ei' die voilttaudig gerucMose stark desiofieiretaife
Lösung von Kali liypernianganicuin.
Herr C Mayer spricht sich mit den von Herni Mariin
vjüi'gelragenen Ansichten vollständig übercinstinniiend aus. Was
die Prophylaxe hotreflc, so s<*i ja bekannt, in welchem Maasse»
er von jeher der oxspectaliven Methode hei Geharten gehuldigt
habe, so dass er nur im äussersten Nothfalle zu Operationen
geschritten sei. Auch er verbiete das Binden des Leibes,
da er zu sehr überzeugt sei, dass dieses sowohl von der
Hebamme als auch von vielen Wöchnerinnen lediglich als Mittel
zur Erreichung einer späteren schlanken Figur angesehen
und aus diesem Grunde meist mit Aufbietung aller Kräfte
vorgenommen werde. Dass auf diese Weise aber Descensns
und Prolapsus begünstigt werde, liege auf der Hand. Die
stete Rückenlage betrachte auch er als disponircnd zur Retro-
flexio und lasse sie deshalb oft zeitweise mit der Seitenlage
vertauschen, wobei ihm der Stand des Uterus die nöthigen
Fingerzeige gebe, wie er denn vom Geburlshelfer eine tägliche
genaue Exploration des Bauches und der Lage der Gebär-
mutter verlange.
Herr Pesch hält auch die zu starke Anfüllung der Blase
für ein die Relroversion bedingendes Moment und vormisst
die Anführung desselben in dem gehallenen Vortrage.
Herr Wegscheider vertheidigt das Binden des Leibes.
Der Uterus flcctire doch nicht im Unlerleibe gleichwie in
einem Wassersacke, dass er jeder Einwirkung von aussen
so bereitwillig folge. Er spreche aber aus seiner Erfahrung,
dass ein freilich vennniftiges Binden des Leibes vielen Frauen
eine grosse Erleichterung gewähre und namentlich bei vor-
handenem Hängebauche ganz unerlässlich sei.
Herr Martin uinunt noch eimual das Wort und ver-
theidigt seine Ansicht, dass die anhaltende Rückenlage Retj^o-
Versionen und Retrotlexionen hervorbringen könne; dies sei
ihm sogar durch Beobachtungen ausser dem Wochenbette
bestäügl. Retroj)osition. die Herr L. Mayer angeführt, sei
nur dann denkbar, wenn zugleich die Fixirung des Mutter-
halses im Fundus vaginae gelockert sei.
für GebnrtthUNii fn Berlin. 107
Hfrr Gttsserow legt ein nadt OreetA^h*» (Landon)
Angabe verfertigtes Instrument zur bkitigen Erweiterung des
Hnttenuiindes vor, in dessen yorderem sondenftrmigen Ende
zwei schneideiide Klingen verborgen sind, die durch einen
lag an einer Handhabe hervortreten, sieb parallel der Achse
des Instmmentes schneidend fortbewegen und 2 Zoll tiefer
wieder in der Hölle des Instrumentes verschwinden. iNe
Coostmclion ist sinnreich, aber sehr conifiiicirt und der Preis
den entsprechend sehr hoch (circa 7 Pftiiid St.). (S. Nenats-
sctaifl, IM. 24, S. 482.)
Sitzung am 3. November 1864.
Anknöpfend an das von Herrn Ousserow in der letzten
Sitzung vorgelegte Instrument zur blutigen Erweiterung des
Muttermundes legt Herr Martin das von ihm zu diesem
Zwecke angegebene und bisher ausscbliesslicfa gebrauchte
lostniment vor. ^) Dasselbe bildet einen sondenförmig ge-
bogenen metallenen Stab, der mit festem Griffe versehen
TOD diesem aus sich allmälig verjungend an der Spitze die
Dicke eines gewöhnlichen Sondenknopfes nicht übersteigt.
Iflgelahr einen Zoll unterhalb der Spitze treten durch Druck
auf zwei in der Nähe des Griffes befindliche vorspringende
Hebel, zwei Alesserklingen aus dem Stabe hervor und kann
der Grad ihres Hervortrelens durch zwei Stellschrauben be-
liebig vorher regulirt werden.
Herr Martin knüpft hieran folgende Bemerkungen:
Die Stenosen des Muttermundes betreffen entweder
den äusseren Mutlermund allein oder erstrecken sich durch
Anschwellung der Falten des Arbor vitae bis zum inneren
Nutlemmnde hin. Meist seien sie entzündlicher Natur, und
er halte sich zu der Annahme berechtigt, dass in der Mehr-
zahl der Fälle Tripperinfection den Grund dieser Erkrankung
abgebe. Dysmennorrhoische Beschwerden begleiten diese Ver-
eogening.
1) Diese Abbildung findet sieb in E. Martin ^ Handatlas der
Gjnäkologie und Gebnrtshülfe. Berlin 1862. Taf. 68, Fig. 6, 6a.
108 X. VerkaadtaDBeB der Getelbchaft
Bei der Untersuchung mit den Specubun er»cbeilie der
äussere Huliermund bisu^eUen bis auf Steckiiadelkuopfgrosee
▼erengi, so d«ss es einiger Gewalt bedürfe, um die Saode
hindurch zu fuhren ; indess gelinge die Einftihrung der Sonde
geiröfanlich, da das Gewebe nachgiebig sei, und vorsichtig
weiter dringend gehe die Sonde allmSlig durch die Palteo
der Schieioibaut bis durch den inneren Muttermund. Biswetteo
sei mit den Stenosen eine Knidiung verbunden.
I« vielen Fällen habe er durch Pressschwaninie und durch
Simpaon'sche Intraulerinpessarien aus Kupfer und Snk, sowie
später mittels Laniinaria-digilata- Stäbchen die allmälige Er-
weiterung des Cervicalcanales erstrebt. Indess die Wirkung
dieser Mittel sei zu vorübergehend gewesen , so dass er seit dem
Jahre 1848 durch eine Mittheilung von Philipp v. Walthery dass
dieThierärzte im bayerischen Hochgebirge zu Hebung der Sterilität
bei Kühen die blutige Erweiterung des Mutlermundes vor-
nähmen, bewogen, dieselbe Operation bei Frauen vorgenommen
habe. Zu dem Zwecke führe er ein cylindrisches Speculum
ein, durch dieses das vorher erwähnte Instrument, dessen
knopfförmige Erhöhung, 27^ Zoll von der Spitze entfernt,
angebe, wie weit die Spitze im Utenis vorgedrungen sei.
Dann drucke er die beiden Klingen hervor und durchschneide
beim Zurückziehen die beiden Seiten des Cervicalcanales und
äusseren Muttermundes, ohne die durch das Speculum ge-
schützte Scheide verletzen zu können. Die Blutung und
Reactiou seien äusserst gering. Nach der Operation lege er
täglich einen conischen Pressschwamm mit darunter geschobenem
Wattelampon bis zum vierten oder fünften Tage, alsdann kegel-
förmige Suppositorien aus Oleum Cacao in die Wunde des
Mutterhalses ein, welche später zu Beförderung der Vernarbung
mit Zinksalbe bestrichen werden.
In eiiizelneu Fällen sei durch die Operation die früher
bestehende Sterilität gehoben , so z. B. bei einer Schnei derfrau,
die 15 Jahre in kinderloser Ehe gelebt hatte und in der
Charite in der beschriebenen Weise operirt wurde. Die
Dysmenorrhoe schwand vom Tage der Operation an, später
trat Schwangerschaft ein, die freilich mit einem Abort im
vierten Monate endigte. Ein Jahr später indess wurde sie
Mutter eines lel)etiden Knaben.
für O^bnrtihiUe in Btfün. 109
Hmt 6tiMMrotr besierkt, dttss die Grweiieriing cbt
Httltcfmondes eioe sehr alte Operatwii sei, dettB schon
&ippo€raie9 ratbe zu derselben. Noch deutlicher sei indess
18 den Ounirgical observations von Cooke aus dem 17. Jahr*-
hsadert die Operation beschrieben.
Heir C, Mayer spricht sich gegen die beiden von den
Uerreo OuMserow und Martin vorgelegten Instrumente als
n compKcirt und liostspielig aus. Stenosen des inneren
MottermuDdes, die nicht durch Knickung bedingt und mit
Hebung derselben beseitigt waren, entsinne er sich nicht tii
seiner Praxis beobachtet zu haben. So blieben denn nur
die Verengerungen des Oriiicium externum und des Cänalis
cervicalis in Folge von Schwellung des Arbor vitae übrig,
la diesen Fällen genüge ihm seine zweischneidige gestielte
Lanzette , die er durch das Speculum direct in den Muttermund
schiebe und aus freier Hand nach verschiedenen Riclilungen
schneidend wirken lasse. Wozu diene auch eine Erweiterung
eines Canales, der doch fähig sein müsste, das Jfar^iVsche
Instrument, das der Dicke einer starken Sonde entspreche,
bindurcbzulassen ; in diesem Falle sei die Verengerung doch
j«deolaUs nur durch Schwellung der Schleimhaut bedingt und
durch einfache Scarificirung derselben zu beheben.
Die Diagnose dieser Stenosen betreffend, so mache er auf
deg schon früher erwähnten Unterschied der dysmenorrhoischen
Besdiwerden aufmerksam. Es gebe zwei Arten der Dysmennorrhoe,
die eine zeige sich vor dem Eintritte der Blutung und schwinde
nach kürzerer oder längerer Dauer plötzlich; diese liege im
Eierstocke und sei vielleicht durch die Congestion des Crraaf sehen
Follikels und die Berstung desselben bedingt. Die andere Art
aber trete mit der Blutung auf und beruhe in der schwierigen
Ausscheidung des Blutes aus dem Uterus. Diese deute auf
Cnwegsamkeit, freilich häufig durcli Knickung hervorgebracht.
Ueber ein« Erscheinung erbitte er eine Beiehning, da er
sich dieselbe niebt erklären könne. Bei einaelnen Frauen träten
m der Mute zwischen zwei Menetruatiooen dysmennorrhoiache
Schroenen ein, die zwei bis drei Tage dauern und sich durch
etwas stärkere Blennorrhoe entscheiden. Sie sind so regele
massig, dass die Frauen sie ihre Mitleisclimerzen nennen.
Die Untersuchung weist zwar chronische Metrilis und Knickungen
110 X* Verband lang«» det O^iellachaft
iMch, doch audi nach Heiluag dieber Comfilicatioiwn bleibe
diese Erscheinung ungeänderU
Noch wolle er sich gegen das wochenlange Tragen der
Uterinpessarien aussprechen. Er habe wtederboli Kranke
behandelt, die von Simpson und anderen Aerzten mit solchen
Instrumenten bedacht und mit denselben zu ihm gekommen
seien. Die Folgen, die er daraus habe entstehen sehen,
könne er nicht schlimm genug schildern und warne nur dringend
vor dem Gebrauche dieser Instrumente, zumal zur Zeit der
Menstruation.
Herr Gusaerow giebt zu, dass die Operation allerdings
überOussig sei, wenn das Instrument von vornherein ohne
Ansloss in die Gebärmutter eingerührt werden könne. Es
handle sich indess seiner Ansicht nach nur um dauernde
Erweiterung eines verengten Canales, der zuvor durch Press-
schwamm oder Laminaria so weit erweitert sei, um die
Einführung des Delatationsinstrumenles zu gestatten.
In Bezug auf die durch Verengerungen bedingte Sterilität
sei er übrigens nicht der Meinung, dass die Verengerung
als solche die Sterilität bedinge, sondern diese eher eine Folge
der dadurch hervorgerufenen üysmenorrhoen und Schleim-
ansammlungen seien; denn dass der männliche vSame auch
die engsten Wege befruchtend passiren könne, sei aus vielen
Fallen von unverletztem Hymen ersichtlich, namentlich aus
dem kurzlich von Scanzoni (Allg. Wiener Zeitschrift, 1864,
iNo. 4) erwähnten Falle und fuge er hier noch einen von ihm
in England beobachteten Fall hinzu, wo eine Frau bei der
wegen ßlasenscbeidenfistel der Introitus vaginae operativ ge-
scblosson war, in Folge eines durch oder gegen die erweiterte
Urethra vollzogenen Beischlafes schwanger geworden sei.
Herr Martin liält die vorgängige Erweiterung durch
Pressschwamm nicht für nothwendig und ausfilhrl^ar. Sein
Instrument habe an der Spitze nur die gewöhnliche Sonden-
starke und werde, wenn auch niQhsam, doch ohne vorgangige
Einlegimg von Pressschwämmen oder dergleichen eingefährl.
Das dichte AneinandeHiegen der krankhatl veränderten Mutter-
halswände scheine das Eindringen der Samenfaden zu ver-
hindern. Die C\ Afayw'schen Scarilicationen durften, weno
für OebnrMhilf« in ßftrlin. Hl
$i« die Tiefe der nötliigen Incisionen erreichen sollten, ge-
fährlicher sein als die letzteren.
Herr KristeUer spricht sich fiir die unblutige Er-
uieiterung des Muttermundes aus und legt der Gesellschaft
äusserst sauber gefertigte Presssclivvänune von verschiedenen
selbst den feinsten Dimensionen vor, die er durch den Banda-
gislen Loewy, neue Friedrichsstrasso 45, hat anfertigen lassen.
Herr L. Mayer hält es für nuthig, die Stenosen des
Oryicalcanales und inneren Muttermundes in zwei Arten zu
iheilen. Alle bisher besprochenen Operationsmethoden konnten
nur dann von Erfolg sein , wenn die Verengerung durch
Schwellung der Schleimhaut bedingt sei. Ware sie eine Folge
von Schnimpfnng des Uteringewebes und Narbengebilde, so
niochte das eine wie das andere operative Verfahren vergeblich,
ja geOihrlich sein.
Herr Krieger folgert aus mehreren, unter anderen aus
dem von Hannschke (chirurgisch - operative Erfahrungen,
S. 182) mitgetbeilten Falle von Schwängerung bei fast voU-
ständigem Versciduss der Genitalien, wo die genaueste Uüter-
sochung nur eine nadelknopfgrosse Oeffoung erkennen liess,
(hss nicht die Verengerung des Mutterlialses an sich die
Befruchtung verbinde^^ sondern durch Ansammlung der
Secrele dem Eintritt des Samens hinderlich sei. Die Er*
weilenings versuche seien deshalb wahrscheinlich nur dadurch
wirksam, dass sie die Entzündung der Tlieile massigen und
die Secretion besdiränken und glaube er deshalb, dass die
eiitlacbe Incision nach G, Mayer audi ausreichend sei.
Herr Mantn: Die von Flerrn KristeUer vorgezeigten
Pressschwämme können bei den hier in Rede stehenden
Stenosen des Muttermundes wegen ihrer Starke nicht in
Betracht kommen.
112 XI. MnfftKof^r, Zur Pnt^ »ach d«r Aetiolo^e ete.
XL
Zur Frage nach der Aetiologie der Puerperal-
processe.
Von
Dr. Carl Mayrhofer,
AffittoBt an d«r fAburUhaiflteh-gynäkologtscheii Klinik des Prof. C. Braun
in Wien.
Der Gegenstand der folgenden Erörteningen ist nur die
Aetiologie jener Puerperalprocesse, welche in Gebärhäusern
zuweilen in grösserer Verbreitung als sogenannte Puerperal*
fieberepidemieen auftreten und welche man als „septische
Puerperalprocesse'' zu bezeichnen pflegt. Es wird heutzutage
allgemein vorausgesetzt, dass es eine besondere, materielle
Schädlichkeit geben mösse, durch deren Einwirkung diese
Erkrankungen zu Stande kommen. Ich stellte mir nun die
Aufgabe, diesen schädlichen Körper und den Ort des weib-
lichen Köi*per8, den er zum Angiiffspunkte nimmt, zu suchen,
und, falls sich das Ziel nicht erreichen liesse, ihm wenigstens
so nahe zu kommen, als möglich.
Es handelte sich nun darum, tiir diese Arbeit Ausgangs-
punkte zu gewinnen. Vor allem war es wichtig, wenigstens
eine beiläufige Idee zu haben, wonach man zuerst sudieii
solle, und es war nun das Erste, sich umzusehen, was von
der Aetiologie anderer, endemisch oder epidemisch aufliietenden
Krankbeilen bekannt ist. Von jeder derartigen Erkrankimg
des Menschen wissen wir hinsichtlich der Aetiologie Etwas.
Wir kennen Umstände, welche dem Zustandekommen der
Erkrankung forderlich oder hinderlich sind, wir wissen, dass
einige solche Krankheiten an bestimmte Localitäten geknupfl
sind, wir kennen Auswurfsslofle, an welchen der schädliclie
Körper hallet, wir kennen zum Theile ziemlich genau die
Verbreitungsweise der Epidemieen, wir wissen vielleicht selbst
Einiges von den physikalischen Eigenschallen des schädliclien
Körpers — namentlich bei der Malaria. — : aber all dieses
Wissen war filr mich nicht zu brauchen, denn, wenn man
die von Parasiten herrührenden Erki*ankungen ausnimmt, so
XI. Uaifrhofw^ Zur Frage naoh dar Aetiologie etc. |13
kcuneD wir den schädlichen Körper selbst nirgends. Diese
Erkraokttogen aber konnten nicht zum Ausgangspunkte dienen«
weil die Parasiten, von denen sie herrühren, nur eine mecha-
nische Schädlichkeit zu sein scheinen, während bei den in Rede
stehenden Puerperalprocessen sich jeder gezwungen fühlt, der
fiowirkeoden Schädlicbkeit eine zerlegende Kraft zuzuschreiben.
So wurde es denn nothwendig, sich hei Erkrankungen umzu-
«eben, welche andere Organismen als den menschlichen in
grosser Verbreitung befallen, ob wir vielleicht hier irgendwo
deo krankheitserregenden Körper selbst kennen? Solche Er-
krankungen giebt es in der That mehrere bei Pflanzen und
Thieren. Von den ersteren erwähne ich bloss die Kartoffel-
imd Weinfiiule, die beide von Pilzen herrühren; unter den
letzleren kennt man am längsten die Aetiologie einer der
epkiemisch auftretenden Krankheiten der Seidenrau])en, nämlich
«1er Mttscardine. Bei dieser will ich etwas verweilen.
Die Muscardine tritt in südlicheren Ländern zuweilen in
äofeber Verbreitung auf, dass die ganze Ernte eines Seiden-
zöchters verloren gehen kann. Es giebt keine Symptome,
die erkennen liessen, dass eine Raupe von der Muscardine
W&ilen ist; erst kurz vor dem Tode bort sie zn fressen auf,
imd nur in seltenen Fällen verändert sie ihre Farbe, wird
räthlicb, oder zeigt zerstreute, röthliche oder gelbliche Flecke.
.Yacb dem Tode erscheint an der Oberfläche die Raupe ein
weissMeher Anfing, und ist die umgebende Luft warm, feucht
oml ruhig, so entwickelt sich ein ganzer Wald eines weissen
Schimmels. Diese Schinmielbildung ist das charakteristiBche
Zeichen, dass die Raupe an der Muscardine zu Grande ge-
gangen ist, und nicht aus einer anderen Ursache. Man wusste,
dass diese Schimmelbildung nur an den Raupen eintritt, ^\e
n der Muscardine zu Grunde gegangen sind, und Basst
hatte auch gezeigt, dass man durch Uebertragung dieses
Scbimmela aaf andere, gesunde Raupen, diesen die Muscardine
aniehen könne. Aber man glaubte, die Schimnielbildtmg
Hode deshalb nur an den durch die Muscardine getödteten
Raupen statt, weil nur bei dieser Erkrankung eine solche
Veränderung im Körper der Raupen vor sich gehe, dass die
Pilze den geeigneten Boden zu ihrer Entwickeiung fanden,
ond man glaubte ferner, dass der ansieckende KrankheilsstolT
Monatoaebr f.Geburtok. 1895. Bd. XXY., Uft. 2. B
114 ^^' Maifrko/w, Zar Fra^e nach der
sich auch ao den Schimmel anhäoge, der auf den todten
Raupen wuchert, und deshalb, meinte man, könne man raü
diesem Schimmel auch die Krankheit öberlragen. Diese
Ansicht findet m»n noch heute zuweilen bei medicintschen
Autoren. Erst jüngst wurde von einem rerdienstvoUen Gynä-
kologen^) die Seidenraupe als ein Beispiel angefahrt, dass
zuerst eine pathologische Veränderung in den Geweben und
Säften eines Organismus vor sich gehen müsse, damit Pilie
in oder auf ihm wuchern könnten. Aber bei der Muscardine
wenigstens ist dieser Standpunkt schon im Jahre 1837 über-
wanden worden.
Im Jahre 1837 nämlich zeigte Bassi, dem zu Ehren
der Pilz den Namen „Botrytis fiassiana'' fuhrt, dass der Pik
selbst die Ursache der Krankheit ist Er zeigte, dass bei
den kranken Raupen der Pilz unter der Haut wuchert, und
dass er nur erst nach dem Tode an die Oberfläche heraus-
bricht; — ferner dass, wenn nadi dem Tode diese äussere
Pilz Wucherung nicht eintritt, iiie Berührung zwischen gesunden
Raupen und der todten nicht ansteckend ist, dass man aber,
nachdem die todte Raupe geöffnet ist, durch Berührung mit
ibreth Coatenlum andere Raupen anstecken könne. Ferner
zeigte er, dass die ansteckende Kraft sich am längsien in
den Theilen der Raupe erhält, in denen die Ptizsporen am
zahlreichsten und reifsten sind, und dass zu einer Zeit, ill
welcher der ganze Körper der Raupe seine ansleekende
Kraft schon verloren hat, man immer noch mit der weissen
Vegetation an der Oberfläche der Krankheit* fortpflanzen könne; —
ferner, dass die Sporen der Botrytis Bassiana selbst durch
drei Jahre ihre ansteckende Kraft* behalten, — und endlich
dass, wenn das Wetter für die Enlwickelung der Püze ungünstig
wird , man auch noch durch Inoculation der Pilze die Raupen
todten könne; aber dann erscheint der Pilz nicht mehr an
der Oberfläche , und bildet keine Frucht , und damit hört die
Krankheit -auf, contagiös zu sein. Audouin und Johanjfs
zeigten auch später, dass die Botrytis Bassiana ganz die
1) Ludwig Mayer , üeber die pflanslicheD Parasiten der weib-
lichen Sexaalorgane etc. Monatsschrift für Gebnrtskande etc.,
20. Band, 1. Heft.
Aetiologid der PnerperalprocesBe. 115
gteicbe krankheitserregende Krad hat, sie möge auf Seiden-
nopen gewachsen sein oder auf Moosen, aufweichen sie sich
ebenfirils entwickelt
Man könnte nun sagen : Wir sehen, dass es der Mensch
sdur gut verträgt, dass Pilze auf ihm wuchern, auf der Haut
und auch auf Schleimhäuten; die Seidenraupen aber werden
die Pilzwucherung deshalb so schlecht vertragen, weil sie
überhaupt durch geringfügige Einflüsse getödtet werden: —
Tieüeicht sterben sie wegen einer localen Enlzilndung, die etwa
durch die Pilzwucherung veranlasst wird, oder auch wegen der
tbeOweisen Verstopfung oder Zerstörung der Tracheen. Aber
(fiese Ansicht ist nicht zulässig, denn Bassi fand die wichtige
Thatsache, dass die Flüssigkeit, welche sich aus Raupen
ansdröcken lässt, die an der Muscardine zu Grunde gegangen
sind, sauer reagirt; bei gesunden Raupen aber, oder solchen,
(fie an anderen Krankheiten zu Grunde gegangen sind, reagirt
diese Flüssigkeit alkalisch oder wenigstens neutral. ^)
Somit geht hei der Muscardine factisch eine Zerlegung
in den Raupen ror sich, und, da der Pilz die Ursache der
gsDzen Eriirankung ist, ist er auch die Ursache dieser Zer-
legung, und so ist es erlaubt, sich zu fragen, ob nicht
auch bei den Puerperalprocessen der Krankheitserreger, dem
man eine zerlegende Kraft zuschreiben muss, ein kleiner
Organismus sei.
Dass die Botrytis Bassiana eine Zerlegung in den Raupen
veranlasse, kann uns heutzutage auch gar nicht mehr wunder-
bar erscheinen. Wir sehen neben den Gährungen eine Ent-
«icfceiung mikroskopischer Organismen einhergehen , die man
lange als blosse Begleiter der Gährungen auflasste, gerade
so, wie man die Botrytis Bassiana für eine blosse Begleitungs-
erscbeinung der Muscardine hielt. Wir wissen aber jetzt,
dass die Beziehung zwischen diesen mikroskopischen Orga-
1) Biese Baten habe ich grösstentheils Henle^a Handbuch
<er rationelleii Pathologie, Brannschweig 1858, 2. Band, 2. Ab-
tbeilinpf, nPftraaUen*, «ntnommen. Hinsiohtlieh einiger Punkte,
Maeatlieb die früheren and von Ba$»i bekämpften Anaiohten
betreffend, habe ich die Arbeiten Basai^a selbst nachgesehen.
^Bagii^ Bei mal del segno, calcinaccio o nioscardino. See. ed.
MiUao 1887.«
8*
116 'XI. Mayrhofer, Zar Frage niieh der
nismen und den Gährungen eine wesentlich andere ist. Keine
mikroskopischer Organismen veranlassen Gäbrung in dazu
geeigneten Substanzen, und im ganzen Verlaufe der Gährung
wirken diese kleinen Organismen als das wirkliche
Ferment, dadurch, dass sie Bestandlheile des gährungs-
fähigen Körpers zum Aufbaue ihrer Körper verwenden. Man
kann auch heutzutage nicht-mehr alle beliebigen Zersetzungen,
welche in Flüssigkeiten vor sich gehen, „Gährungen'* nennep-,
sondern es ist fernerhin nur mehr erlaubt, solche Zersetzungen
„Gährungen'* zu nennen, von denen sich aufweisen lässt,. dass
sie hervorgerufen und unterhalten werden durch eine Eni-
Wickelung mikroskopischer Organismen.
Aus dem Gesagten geht nun hervor, dass die Ferment-
Wirkung mikroskopischer Organismen die Veranlassung zu
einer Zerlegung irgend welcher Bestandlheile eines grösseren
Thierkörpers, und damit zu dessen Erkrankung, werden könne,
und thatsächlich in einzelnen Fällen werde, womit aber nicht
gesagt ist, dass jede in Verbreitung auftretende, acute, fieber-
hafte Krankheit durch mikroskopische Organismen veranlasst
werden müsse. Es lässt sich durch die Annahme, dass ein
krankheitserregender Körper selbst ein Organismus sei, viel-
leicht auf die einfachste Weise erklären, dass kleine Mengen
eines solchen Körpers eine grosse Wirkung haben können.
Die Chemie giebt uns aber auch Beispiele von grossen
Wirkungen , veranlasst durch kleine Mengen nicht organisirter
Substanzen. Chromchlorid zum Heispiele ist im Wasser un-
löslich; es genügt aber der Zusatz einer minimalen Menge
von Chromchlorür, die weniger als den fänft'ausendsten Theil
des angewandten Chromchlorids beträgt, um eine vollständige
Lösung des Chromchlorids im Wasser zu bewerkstelligen. Es
wird aber nach dem Gesagten immer nothwendig bleiben,
beim Suchen nach einem Krankheitserreger von chemischer
Wirksamkeit das Mikroskop zu gebrauchen, und es dürfte
klug sein, zuerst das Mikroskop zur Hand zu nehmen, und
erst, wenn man auf diesem Wege nichts findet, einen anderen
zu betreten, denn, wo es sich um sehr kleine Mengen eines
Körpers handelt, ist ein Untersuchen mit dem Mikroskope
jedenfalls viel leichter, als ein Arbeiten mit irgend welchen
anderen Hilfsmitteln.
Aetiologie der Paerperalprocesse. 117
Zweitens handelte es sich daruni; wo man den Krankheits-
«reger der Pu^rperalprocesse suchen solle ? Jedenfalls musste
er dort sein, wo er wirkt; an den Kranken also war er zu
soeben. Es konnte sich nur darum handeln, ob man im
• Blote suchen solle, oder in dem oder jenem Organe. Von
anatomischer Seite wurde durch Buhl nachgewiesen, dass
die erste locale Erkrankung bei den Puerperalprocessen die
Enmetritis, manchmal vielleicht auch die Erkrankung der
Scheide ist. Nachdem ich selbst Gelegenheit gehabt, eine
grössere Zahl puerperaler Erkrankungen zu beobachten, war
ich zur Ueberzeugung gekommen, dass die zu dieser Zeit
gewöhnliche Ansicht über ihre Entstehungsweise, nach welcher
die Uteniserkrankung eine Localisation eines vorausgehenden
Rebers wäre, nicht die richtige sei, und ich wurde ver-
anlasst, zu glauben, dass das Fieber im Gegentheile wegen
der Enmetritis auftrete, und diess bestimmte mich, im Uterus
m suchen.
Ich führte zunächst das eine Ende eines Jängeren Glas-
rofares, in welcheni sich ein Stempel auf und ab bewegen
liess, in den Uterus eben verstorbener Puerperalkranker, und
dnrrb Zurückziehen des Stempels sog ich eine Portion des
flftssig- breiigen Uterusinhaltes in das Roh]>, und in diesem
ütenisinhalte fand ich jedes Mal Vibrionen.
Es war nun die nächste Frage, ob man es vernünftiger
Weise für möglich halten könne, dass diese die puerperale
Erkrankung veranlasst hätten, oder ob vielleicht Gründe vor-
lägen, von vorne herein zu sagen: diese sind das Gesuchte
■iebt Zuerst aber ist nothwendig, dass ich erkläre, was ich
mit dem Worte „Vibrionen*' meine.
Ehrenberg beschreibt eine Familie von Thierchen, welchen
er den Namen Zitterthierchen , Vibrioniden giebt, und, er
beschreibt in dieser Familie neben anderen Thierchen aucb
iolcbe , die ihrer Gestalt nach kürzere oder längere Stäbchen
lind , zuweilen zu mehreren nach ihrer Längsaxe an ^einander
gereiht, oder auch zu Schnüren gereihte Kügelchen. Sie
bew^en sich oft sehr lebhaft, die kürzeren Stäbchen ge-
wöhnlich pendelnd oder zitternd. Je nachdem nun diese
Gebilde bei ihren Bewegungen sich biegen, oder starr bleiben,
11g XI. Mayrkofer, Zur Frage nach der
und Je nachdem sie elwas längere oder kürzere Längs- und
Querdurchmesser baben, und einfach oder zu mehreren an
einander gereiht sind, Uieilt sie Ehrenberg in zwei Genera,
in Vibrionen (eigenüiche ZiUerlhierchen), und in Bacterien
(Gliederstäbchen) , und er unterscheidet von jedem der beiden (
Genera mehrere Species. In Deutschland hat man später
die Unterscheidung zwischen Vibrio und Bacterium aufgegeben,
und gebraucht jetzt beide Worte als vollkommen gleich-
bedeutend; französische und italienische Autoren aber halten
noch fortwährend an der Unterscheidung fest. Ich selbst hatte
es immer mit Gebilden zu thun , deren Querdurchmesser unter
0,002, meistens noch unter 0,0008 Millim. lagen. Diese
Gebilde habe ich so häufig angesehen, wie diess nur. sehr
wenige andere gethan haben dürften, und ich habe die
einzehien Grössen und Gestalten durch so viele Zwischenstufen
in einander übergehen gesehen , dass ich mit dem Mikroskope
keine Grenzen finden konnte zu einer Unterscheidung von
Arten, und deshalb gebrauche ich das Wort „Vibrionen*" ganz
collectiv. ') Man wurde später zweifelhaft, ob man recht
daran thue, diese Gebilde für Thierchen zu halten, man
wollte sie aber auch nicht für pflanzliche Gebilde erklären,
und so findet man sie bis in die neueste Zeit weder in
zoologischen Werken abgehandelt , noch in botanischen. Eine
1) Lösungen, welche blos Zucker, phosphorsau res Natron
und phosphorsaures Ammoniak enthalten, werden durch Zusati
einer Spur ron einer Infusion faulender, thierischer Gewebe !n
Gfthrang yersetst. Bei dieser Gährung entwickelt sich eine grosae
Menge von Vibrionen, die aber Bttmmtlioh kleiner sind und kürsero
Querdurcbmesser haben, als die Vibrionen, welche man in
Infusionen faulender thierischer Substansen su sehen pflegt.
Bei Infusionen thierischer Gewebe habe' ich oftmals gesehen,
dass die Vibrionen an der OberflXehe der Flüssigkeit beträchtlich,
etwa um die Hälfte , küreere Querdurehmesser haben , ala jene
aaa der Tiefe. Dieae Tbattaehen bettimmen mich ebanfaUf, an
glauben, dass auch die Längen der Qaerdurchipetsar für die
Unterscheidung von Arten nicht bu verwenden sind. Ich glaube
vielmehr, dass dieselben Vibrionen unter verschiedenen Um-
ständen auch ihre Querdurchmesser ändern; so, Je nach der
Flüssigkeit, in welcher sie leben, und auoh, je naebdem sie eich
an der Obeffiäehe der Flüasigkiit befinden oder in der Tiefe.
Aekiolo^e der PnerperalprooesM. X19
Arbeit Cokn'n ^) wurde Veranlassang, da&8 sie die BoUnik auP-
■alHn. Diese gebrauebt jetzt gewöhnlieh das Wort „ BaeterJen ** ;
man liest aber, dabei eüigeMainmert, „Vibrionen*'. Man
missle ▼<« diesen Gebilden, dass sie ganz gewöhnlicb er-
. Schemen , wenn organische Substanzen an der Luft eine
Zersetzung eingehen, und dass sie namentlich überall zu
sehen sind, wo Eiweisskörper bei freiem Zutritte der Luft
fsMÜen, und deshalb pflegte* man von ihnen zu sagen: sie
eradiienen an den schon abgestorbenen Substanzen, und
hatten sonach — offenbar — keine Bedeutung ffir die Patho*
logie. Nun hat man sich aber seit Langem bestimmt gefunden,
die Fäulniss neben die Gährung zu stellen als einen verwandten
Twgang, und deshalb muss man sich fragen, ob diese kleinen
Otgamsmen nicht eine ähnliche Bedeutung für die Fäulniss
haben, als jene mikroskopischen Organismen, welche die
GahroDgen begleiten, ffir die Gährungen haben? Wir wissen,
dass man mit faulenden Substanzen Krankheiten hervorrufen
kteae, weldie in die Kategorie der septischen gehören, und,
weü es nun möglich ist, dass diese kleinen Organismen eine
Bedeutung fdr die Fäulniss haben, so ist es von vorne herein
auch für möglich zu halten, dass sie auch eine Bedeutung
haben ffir die eine oder die andere von den sogenannten
septischen Krankheiten. Zu diesen aber rechnet man heutr
zutage allgemein die Puerperalprocesse, um welche es sich
bandelt.
Ich will im Folgenden blos die Frage erörtern, in
welchem Zusammenhange die Vibrionen mit der septischen
Enaetritis und mit der septischen Erkrankung der Vagina
ständen. Hiervon ganz verschieden, und deshalb zu trennen
sind die Fragen, wie Geßss- Thrombosen und Entzündungen,
die Peritonitis, die schwere Allgemeinkrankheit und so weiter
wiederum mit der s^tischen Erkrankung des Genitalrohres
xosammenhängen.
Prof. Sehneider fand,^) dass rohes Fleisch, mit auf-
gekochtem destülirten Wasser aufs sorgfältigste gewaschen,
1) Cohn, Nota actaacad.Caes. Leopold. CaroL, XXIY., T. t,p. 103.
2) Sehneider, Beiträge aar näheren Kenntniss der Fäulniss-
proeeMe. Wochenblatt der Zeitschrift der GesellBchaft der Aerste
is Vfitn, Nennsehnter Jahrgang, No. 43, Sitaitsgrsbericbt.
120 ^I- Mat/rkofer, Zur Frage aaeh der
und sodanii in einem, -durcli koebeiides Wasser gereiniglei»,
rait Quecksilber und wenig Wasser vollständig erfoUten Kottieii
uuier Quecksilberverscbluss bewabrl, sieb Monate lang an*
scheinend unverändert erhält, und keine Spur eines Gases
entwickelt. So wie man aber Sauei^stoff einfährt, wird dieser
absorbirt, und einige Zeit darauf findet Gasen! Wickelung statt
Ist der Zutritt von Sauerstoff zur faulenden Substanz unter-
broclien , so bort nach einiger Zeit die Gasentwickelung auf,
und es bleibt, je nach der Menge des aufgenommenen Sauer*
Stoffes, ein verschieden grosser Theil der Substanz scheinbar
unverändert. Lässl man nach längei*eni Stillstände neuerdings
Sauerstoff zutreten , so könmit es abermals zur fintwickelung
von Fäubiissgasen , die nach einiger Zeit wieder aufhört.
Prof. Schneider bezeichnet als Fäulniss jene Veränderungen,
die in Folge der Absorption von Sauerstoff eintreten , und sagt:
es scheine nacii dem Angeführten, dass auch die bei der
Fäulniss gegenwirkenden Substanzen sich in slöchiometrischeai
Verbältnisse an dem Processe betheiligen. Mikroskopische
Organismen können den Zerfall der organischen Substanz
beschleunigen , haben aber nach den) Obigen mit der Fäulniss
selbst nichts zu schaffen. Was insbesondere die Vibrionen
anlangt, so ist ihre Fermentwirkung ausser Zweifel. Wässerige
Lösungen, welche Zucker, phosphorsaures Natron und phosphor-
saures Ammoniak enthalten, werden durch Vibrionen in eine
Gährung versetzt. Mit dieser Zerlegung hat wiederum der
Sauerstoff der Luft nichts zu schaffen, denn dieselbe geht
auch bei vollkommenem Abschlüsse der Luft vor sieb. ') Jene
Zersetzung der dem Einflüsse des Lebens entzogenen thieriscfaen
Substanzen, welche man gewöbnUch als „Fäulniss" be-
zeichnet, und welche, wie bekannt, von einer massenhaften
Entwicklung von Vibrionen begleitet wird, ist, wie in vielen
Fällen schon Aussehen und Geruch lehren, von der reinen
Fäulniss im Sinne Schneider'^ verschieden, und muss des^
halb von ihr genau unterschieden werden. Die von einer
Entwickelung von Vibrionen begleitete Fäulniss ist ein com-
binirter Process, der gegebenen Begriffsbestimmung der
Worte „Gährung'' und „Fäulniss" nach bestehend aus einer
1) S. Sokneidw 1. c.
Aotiologle der PnerpermlproeeBse. 12 L
Paiiloiss in Folge der Sauersloffeinwirkung und
einer Gabrung in FoJge der Permenlwirkung der
Vibrionen, welche Gährung man hier als »JauKge Gfihrung''
bezeichnen konnte. ^)
fiei den in Rede stehenden Fuerpei'Hiproeessen hat man
in fiössigen Inhalte des Genitalscidauches und an den Innen^
winden des Uterus und zuweilen der Vagina einen sehr ent-
sffoiedenen Zerfall vor sich, den man von jeher als der
FSolmss ausserhalb lebender Organismen verwandt betrachtete,
wie die Aasdröckc: „septische Enmetritis'', „putride Lochien ^
„Potrescenz des Uterus*' zeigen. Für diesen Zerfall kann
der Saoerstoff der Luft nur eine untergeordnete Bedeutum^
haben, denn die Fäulniss geht universell vor sich, wo dem
EinOasse des Lebens entzogene Eiweisskörper mit der Lufl
in Berührung kommen, und findet somit an den Lochien
jedes Weibes ohne alle Ausnahme statt. Hätte die Fäulniss
nebt eine mindestens untergeordnete Bedeutung, so könnte
es nicht zeitweilig Puerperalfieberepidemieen geben und dann
wieder nicht, und am allerwenigsten eine Epidemie an einer
der beiden grossen, an einander gränzenden Wiener Gebär-
kliniken, während die andere von der Epidemie völlig verschont
Ueibt Es ist sonach bei der septischen Enmetritis nicht die
Fidniss das Wichtige, sondern die faidige Gährung; diese
aber rührt öberall von Vibrionen her.^)
1) Patteur sagt dast die Vibrionen das Ferment der Fänlnias
•eten. Scbütse man thierische Gewebe, z. B. Fleisch, gegen
die EiDwirkang der Vibrionen, so gingen diese zwar eine Ver-
Inderang in Folge des Aufeinanderwirkens der eigenen chemischen
Bestaodtbeile ein; diese VerSnderung sei aber etwas anderes,
als die FKnlsisa. Es ist augenseheinlicb , dass PMUur mit dein
Worte yyFüaloiss" dea oben näher beleachteten, combinirtea
Process belegt. Seine, in Folge des^Gegenwirkens der eigenen
Besundtheile auftretende Veränderung aber, die er, wenn sie
iD einem grosseren Fleischstücke vor sich geht, als eine „Gangrän*
beseichnet, ist die reine FHnlniss im Sinne Schneider^B, denn
bei den Versuchen Patieur*» warde die £inwirknng der Lnlt
siebt eliminirt
S) Ich bemerke hier vorlftofig, dass der als Tjmpanites uteri
beseiehDete Zustand , welcher soweilen im Lanfe schwerer Ge-
bvrtea od^r nach solchen auftritt, vorwaltend wenigstens eine
rfine Fftalnitt des Uteros ist.
122 XI. Mm^rksfer, Znr Fr«^ n«eh der
Maa köDDte dud meinen, die Locbien mussten die faulige
GUining eben so regelmässig eingeben, als die Fäuiniss.
nachdem man doch sonst bemerkt, dass, werden niclit be-
sondere Vorsichtsmaassregelii angewendet, neben der Fäuloiss
regelmässig aucb eine faulige Gähning eintritt. Eine mikro-
skopische Untersuchung vieler Locbialsecrete lehrte mich aber,
dass zwar bei den septischen Puerperalprocessen immer
Vibrionen zu finden seien, bei gesunden Wöchnerinnen aber
nicht immer, und zwar. am zweiten, dritten und vierten
Wochenbettstage nie, und späterhin auch noch nidil
jedes Mal. 0 Letzteres ist nicht geeignet, zu erweisen, die
fl^ptische Enmetritis rühre nicht von den Vibrionen her; es
ndthigt nur zur Annahme, dass für gewöhnlich mit dem vierten
Wochenbettstage die Möglichkeit, an einem septischen Puer-
peralprocesse zu erkranken, aufgehört habe. Zu dieser An-
nahme nöthigen aber die Minischen Thatsachen gerade so,
denn die septischen Puerperalprocesse treten in der Regel in
den ersten vier Woch«iibettstagen und nur ausnahmsweise
später auf. Es scheint mir nahe liegend, zu denken, dass
diese Thatsache mit der Involution des Uterus in Zusammen-
hang st^he.
Dieses seltene Erscheinen der Vibrionen in den Lochien
wird verständlich, sobald man sich klar macht, in wekber
Zeit der Geburt und des Wochenbettes die vorzügliche Gelegen-
heit für ihr Eindringen in die Vagina und den Uterus gegeben
sei. Die bei der Fäuiniss der Etweisskörper auftretenden
Vibrionen gehen zu Grunde, wenn die Flüssigkeit, in der
sie sich befinden, saure Reaclion annimmt. Setzt man zum
Beispiele einer in fauliger Gährung befindlichen Eiweisslösung
Essigsäure oder eine andere Säure zu, bis sie sauer reagiit, so
stellen die Vibrionen ihre Belegungen ein , und nach wenigen
Tagen sieht man sie mehr weniger deutlich geschrumpft am
Boden liegen, und es erscheinen so lange keine neuen Vibrionen
in der Lösung, als sich diese sauer erhält. Hat man die
Lösung sehr wenig angesäuert, so reagirt sie nach einigen
1) loh ▼erweise hier auf eine Tabelle, die in den medicinieehen
Jabrbaehern, Wien 1863, 1. Heft — Untereaehungen über Aetiologia
der Poerperalproceste — veröffentlicht iet.
Aeliologie der Paerperalproeanse. 128
T«gai wieder iieulral in Folge der foi'tgebendeD Sauerstoff-
eiowiiiuug und davou abhängigen Animoniakausscheidung,
und nun eulwickell sich eine ersicbüicb neue Generation
TOD Vibrionen. Bei der Gäbruiig der erw&linten wässerigen
LöMittgeD, weiche Zucker und beslininile Satze enthalten, werden
Sawen gebildet, und hier vertragen die Vibrionen die saure
Reaction bis zu gewissen Grenzen; doch wird auch hier der
sdiädlidie Eiufluss der gebildeten Säuren benierklich. ^ Mengt
■uB eine kleine Menge einer solchen Lösung oder ^einei*
bfusion faulender Lhieriscber Gewebstbeile mit Vaginalscbleim,
so stellen die Vibrionen sehr schnell ihre Bewegungen ein,
ttod dieser Stillstand der Bewegung bat nicht etwa eineii
nechanisehen Grund in der Zähigheit des Schleimes, denn
Plossigkeitsströmung und Holecularbeweguug bleiben vor-
binden. Man kann sonach. nicht zweifehi, dass, solange der
Vaginalscbleini sauer reagirt, einige Vibrionen oder deren
Keune, welche in die Vagina gelangt siiul , sich dort nicht
rernebren, sondern verloren gehen werden. Dem
widersprechen die Angaben ober das Vorkommen von Vibrionen
in Scbeidensclileime nicht.
Sehr gewöhnlich sieht man im Scheidensclileime kleine,
stibchenföruiige Gebilde von verschiedenen Längs - und Quer*
darchraessem , welche auch binsicbtlicb ihrei* Grösse voll-
konunen den Vibrionen gleichen, welche bei der fauligen
Gahnu^; auftreten. Sie sind oft in sehr grosser Menge vor-
handen, so dass man nicht zweifeln käkin, dass sie sich im
Scheidenschleime vermehren. Niemais zeigen diese Gebilde
dae selbststandige Bewegung. Es war nun wichtig, darüber
i» Klare zu kommen, ob diese Gebilde dieselbe Ferment-
virkung haben, als die betrachteten Vibrionen, oder nicbL
Ich machte nun zwei Mal den folgenden Versuch. Ich füllte
eine wässerige Lösung der bereits mehrfach erwähnten Zu-
umnensetzung in ein Glaskölbchen , das sorgfältig verkorkt,
■id dann durch längere Zeit in kochendem Wasaer gehalten
worde, um die etwa darin vorhandenen Keime zu zerstören,
ich untersuchte hierauf den Vaginalschleim mehrerer in unserer
Anstalt verpfTegter Schwangerer auf diese Gebilde , und wählte
1) 8. bi»rab«r 8ekn§id$r 1. o.
124 ^'- Maffrhofer, Zur Fra^e niich 4er
Per9olnen aus , bei denen sich die fraglichen Gebilde in grossei*
Menge fanden. Mit einem kleinen, mittels einer Pincetie ge-
f^sstem Plalinschäldien , das durch Erhitzen gereinigt wurde,
nahm ich unmittelbar nach dem Erkalten vorsichtig etwas
Schleim aus der Vagina, und warf darauf das Schälchen
mit dem daran befindlichen Schleime in das Kölbchen , welches
sofoi*t wieder gut verkorkt wurde. Jedes Mal beobachtete icli
dann die Lösung durch mehrere Wochen, und diese blieb
während dieser ganzen Zeit vollkommen klar und unveräffdert.
Der Zusatz einer Spur von einer Infusion faulig gährender
Substanzen bewirkt aber in einer solchen Lösung jedes Mal
eine Gährung , und schon nach einigen Tagen wird die vorher
klare Fässigkeit weisslich gelrQbt von der Masse der in ihr
entwickelten Vibrionen. Man muss also, wenn man diese im
sauren Vaginalschleime und unter normalen Verhältnissen liSufig
vorkommenden Stäbchen vorläufig „Vibrionen"* nennt, sie
wenigstens von den bei der fauligen Gährung auf-
tretenden unterscheiden, als mindestens einer anderen
Art angehörend.
Die saure Reaclion der Feuchtigkeit in der Vagina dauert
im Verlaufe der Geburt gewöhnlich bis zum Blasensprunge;
von dort ab deckt das absickernde alkalische Fruchtwasser
fortwährend den sauren Scheidenschleim. Viel seltener, aber
doch ziemlich häufig, beginnt die Flüssigkeit in der Vagina
noch vor dem Blas^nsprunge in Folge einer leichten Blutung
aus dem Uterus neutral oder alkalisch zu reagiren: Gelangt
jetzt ein Vibrio an die Vulva und den Introitns vagfnae, so
wird er sich in der dortigen Flüssigkeit vermehren; da aber
die Vibrionen anfangs keine selbstständige Bewegung zeigen, ')
so werden sie in der Regel über den Introitus vagtnae nicht
hinaufrücken , und durch die von oben nachrückende Flüssig-
keit und durch die Harnentleerungen wieder weggeschwemmt
werden, wenn nicht einige mit einem in die Vagina ein-
dringenden Körper höher hinauf geführt werden. Dann können
sie wenigstens Zeit genug haben , sich in der Flüssigkeit der
1) Schon iwölf StnndeD nach dem Ansetien einer Infoeioa
frischer thierischer Gewebe sieht man oft eine grosse Menge von
Vibrionen in der Flüssigkeit. In einer so frühen Zeit sind sie
alle bewegnngslos.
AeUoIo^i« der Paerperalproo^ssd. 125
Vagita Qod späterhin des Uterus so zu verimshreo, class«
wenn auch ein Theil wieder weggeführt wird, eio anderer
Theil inuner wieder zurückbleibt Gewöbnlicb ist e& jedeaTaJk
der untersuchende Finger , welcher die Vibrionen höher hinauf-
führt ^) Selbstverständlich bleibt es möglich, trotz der sauren
Reaction des Vagioalschleimes keimfSbige Vibrionen mit dem
ootersucbenden Finger in den Cervix zu bringen und dort
zu deponiren, sowie es aucli möglich ist, dass in einzelnen
FilleD die in die Vagina und den Ulerus eintretende Luft
Keime dorthin bringe. Für gewöhnlich aber liegen am In-
troitus vaginae die Scheidewände so genau an einander, dass
die eintretende Lufl die in ihr suspendirten Körperchen hier
^B den feuchten Scheidenwänden ablagern umss, und nur als
fi&trirte Luft in die höber gelegenen Parüeen der Scheide und
in den Uterus gelangen kann. .
lüermit treten zwei wichtige klinische Thatsacheo in
Beziebuiig; Bei Gelegenbeil einer sogenannten Puerperalfieber-
epidemie in einem Gebärhause sind die Personen, welche«
oacbdem sie in einem anderen Hause oder auf der Strasse
geboren haben , in die Anstalt aufgenonmien werden , auflallig
gegen den epidemischen Einflus$ geschützt Dies erklärt sieb
nach dem Vorigen daraus , dass sie in der Anstalt niclit mehr
iHiiersttcht werden. Ferner isi bekannt , dass Verzögerungen
der Geburt die Wahrscheinlichkeit für das Erkranken vor-
grossem. Das vorbin Gesagte aber verlangt, dass diese
Wirkung in der Regel nur den Geburtsverzögerungen zukomme,
wekhe nach Aufhören der sauren Reaction der Flüssigkeit in
der Vagina, also nach dem Blasensprunge oder bei Abgang
foo Bhit, eintreten, wenn anders die Erkrankungen von den
Vibrionen h<^rühren.
Es giebt nun wirklich Thatsachen, welche hinsichtlich der
scfaädlicbeo Wirkung der Geburtsverzögerungen zu dieser An-
nahme drängen. Bei Beckenverengerungen bleibt der Kindes-
schädei nach dem. Blaseusprunge zuweilen einen Tag und
noch länger über dem Beckeneingange stehen. In solchen
1) Ifach den e raten Wochenbettatagen, nachdem die Strömung
äer Lochien eioe hinreichend langaame geworden, gelangen nie
freiJfch ob da Beihühe in die Scheide.
126 Xf-. ^oyrhof0r. Zur TxKgt nach der
PftUen bemerkt man nicht selten , dass das neben <lem Kopfe
absickernde Fruchtwasser eine jauchige Beschaffenheit an-
nimmt. Damit tritt Fieber auf, und der Uterus scheint ganz
erscliöpfl. Unter sokhen Umständen diagnosticirt jedermann,
es sei während der Geburt eine Enmetritis aufgetreten. Es
hat hier nidit, wie man bisher angenommen zu haben scheint^
die anstrengende Geburtsarheit zur Entzündung geführt, und
das Fruchtwasser ist nicht stinkend geworden, weil ejn ent-
zAiidliches Exsudationsproduct in dasselbe abgelagert wurde,
sondern das Fruchtwasser ist zu einer Jauche geworden, weil
es durch Vibrionen in faulige Gährung versetzt wurde. Unter-
sucht man solches Fruchtwasser , so sieht man in demselben
entweder Vibrionen, welche, weil sie sich wenigstens tiiei! weise
selbstständig bewegen, leicht kenntlich sind, oder man sieht
eine grosse Menge kleiner Körperchen, rundlich, doch meist
etwas in die Länge gezogen, und hie und da bemerkt man
auch schon ein wenn auch kurzes doch deutliches Stäbchen.
Diese Gebilde zeigen keine selbslständige Bewegung , wie die
Vibrionen überhaupt im Beginne der fauligen Gährung noch
keine selbststindige Bewegung zeigen, wie diess bereits er-
wähnt wurde. Man kann aber in solchen Fällen mit Sicher-
heit darauf rechnen, am nächsten Tage oder längstens am
zweiten im Locliialsecrete neben solchen Körpercben auch
Vibrionen mit deutlich selbstständiger Bewegung zu sehen. ')
Ebenso kann man sehen, dass ein Blutabgang, wekher dem
Blasensprnnge durch einen Tag und länger vorausgeht, Ver-
anlassung zu einem Puerperalprocesse wird. Andererseits
geschieht es, dass Erstgebärende wegen zögei*nder Eröffnung
des Orificinm uteri durch einen Tag und länger heftige Wehen
haben; springt aber die Fruchtblase spät, so bleiben sie
gewöhnlich gesund, selbstverständlich vorausgesetzt, dass die
Gesimdheitsverhältnisse einer Anstalt günstige sind.
Dass in den vorigen Beispielen die blosse Wehenthätigkeit
för das Zustandekommen der septischen Enmetritis keine
wesentliche Bedeutung bat, wird am deutlichsten dadurch er-
1) Diese kleinsten Vibrionen mit noi* wenig die Qnerdnrch-
metter fiberwiegenden L&ngsdQrchfnetsern halte ich f^r EhrenhBrg^B
DKnimerungsmonnden (Monns creptiscnlnm).
Aetiolofi^e der Plierperalprooesae. 127
sicbllieh, dass es Fälle giebt, in welchen die Enmetrius schon*
fer dem Emtriite der Wehen beginnt Ich kenne ersl einen
einzigeD solchen Fall. Den 2. Mdrz 1864 wnrde mit der
ProtoeoNnuimner 1724 eine Schwangere mit (hdenx der grossen
Schamlippen aufgenommen. Während der Zeit ihres Hierseins
war die Palsfreqnenz kaum jemals, die Hauttemperatur aber
hiafig erhobt, der Durst fortwährend vermehrt, der Appetit
sehr wenig. Sie magerte sichtlich ab dnd klagte fast fort-
wählend ober Schmerzen in der Kreuz - und Geföhl von Druck
in der Magengegend. Die Hautfarbe war auffallend weiss
mt sonst bei Morbus Brightii, im mehrmals untersuchten
Harne war nie Eiweiss vorhanden. Von den Schamlippen
pftaaite sich die ödema(5se Anschwellung auf die Bauch- ,
deckee fort. Die Schamlippen wurden vier Mal hei sehr
bedeutender Anschwellung scarifidrt, weil der durch die
Spanmmg verursachte Schmerz den Schlaf raubte. Der
Uterus war in der letzleren Zeit stark ausgedehnt unti
«irde Hydraranios diagnosticirt. Den 7. April nntf*rsuchte
ich bei dieser Person das SecTet der Vagina und fand den
Scheidenschleim ersetzt durch eine serdse, alkalisch
Flössigkeit und in dieser zaiilreiche Vibrionen. Ich
sprach die Vermutbuag' aus, dass die faulige Gährmig der
Hteigkeit im Geiiilalschlauche sidi bis in den Uterus erstreckt
md bereits eine Ennietritis veranlasst haben dürfte, und hielt
es deshalb fOar sehr wahri»cheinlich, dass kurz nach Vollendung
der Geburt der Puerperalprocess deutlich sichtbar werden dilrfte.
Den 8. April war die Vaginalportion noch einen halben Zoll
lang, das Onficium uteri extemam geschlossen, somit keine
Murtstbäligkeit bemerkbar. Den 10. um lOVa Uhr Abends
gebar sie eine Frucht im Gewichte von 2^^ Wiener Pftind
ind den 11. um 9 Uhr Morgens eine zweite im Gewichte
fon 37^ Wiener Pfund. Die Friichiwassermenge war gross.
Gegen Abend dieses Tages (11. April) trat stärkeres Fieber
and Oedem des Gesichtes auf, den 13. Diarrhoe, den 16.
Gangrän der Vagina und den 18. erfolgte der Tod. Die Seclion^
ergab: Beide Nieren erkrankt, ihr Gewebe bleich, hart und
brüchig, auf der Schnittfläche im geringen Grade mattglänzend.
Das Epithel der Hamcanälclien ist voll kleiner Körnchen, die
darch Aelher entfembar sind; solche Körperclien findet man
128 XL Moffrho/ert Zur Frafr« nach der
ifi groMer Zahl auch au dpu MalpighCsoiien Kiiäueln. Die
iMiienfläche des Uterus im Zuitande faocbgradiger Pu(r««ceiiz,
die Uieruswandungen , ohne Zweifel in Folge von Bindegewebs-
nenbilduDg, anIfiUig hart und dein Messer ungenvöbnlicheo Wider-
sUod leistend ; die Vagina gangränös. Ich glaube , dass in diese«
Falle das Fieber während der Sdiwangei'scball von der Nieren-
erkrankung abhängig gewesen sei , und dass es in Folge der
NierenerkrankuDg zu einer serösen Transsudalion in die Vagiiui
gekonimen sei, welche (wahrscheinlich erst gegen die leCstip
Zeit der Schwangerschaft) zur Enmetritis und auch zur Meiritis
l'äbrie, denn es scheint mir nicht walu*scheinlich , dass eine
so bedeutende Neubildung von Bindegewebe, wie sie in dieeeni
Falle ohne Zweifel vorhanden war, in den wenigen Tagen
nach der Geburt erworben werden konnte. Puerperalprocesse
traten zu jener Zeit in der Anstalt nur sporadisch und seilen auf.
Dass Erstgebärende mit grösserer Watirscheinlichkeit er-
kranken, als solche Frauen, die schon ein Mai gebaren,
liringe ich in Zusammenhang mit der längeren Geburtsdauer
bei Erstgebärenden.
Meine AoaiGht geht nun dahin« dass die septische Enmetrilia
durch eine faulige Gährung der Flüssigkeit im Genitairohre
hervorgerufen werde. Diese Ansicht wird streng erwiesen
oder streng Widerlegt werden müssen. Ist sie richtig, so muss
die saure ReacUon der Flüssigkeit in der Vagina einen Sclmu
bieten gegen den Erreger der septischen Puerperalprocesse,
und ob dieser Schulz existire oder niclit kann durch die Er-
fahrung entschieden werden. Man kann hierzu den Weg «lei*
Versuche einschlagen und emiitleln, ob sich, wenn man .die
Flüssigkeit in der Vagina, nachdem sie aufgeliört hat, sauer
zu reagiren, wieder sauer macht und nach Möglichkeit sauer
erhält, die septischen Puerperalprocesse liintanbalten lassen.
Auch nmssle man zu einer Statistik gelangen, welche über
die Frage entscheidet, * wenn man in einer grossen Anzahl
voü Fällen den Beginn der Geburtsthätigkeit, den Zeitpunkt
des Verachwindens der sauren Reaciion der Scheidenflussigkeit,
die Zeit des Eintrittes der Gebärenden in das Kretsszimmer
und die Zeit der Beendigung der Geburt notiren wurde.
Man durlle vielleicht in den früher angegebenen Weg
mehr Vertrauen setzen, und so werde ich mich bemühen.
Aeti#lo^ der ENieipefalproeeBte« 129
nach Xdglicblf«it daiu bekulragen, (fie Frage auf
Wege %mr Eatscbeiduag zu bringen. Werden aber
die Eckrankangen an unserer Anstalt niefat einmal sehr
«esentlicli sahhreicbttr, als sie sek mehr als eineai Jahre siad^
niid ich erwarte, dess dies nidit so leicht geschehen werde,
se ist aar Entscheidung der Frage eine Versuchsreihe nöthig,
wdche sich durch ein Jahr und vielleieht durch noch längere
Zeit erstreckt Die Ausföhrmg der Versuche hat übrigens eine
praktische Schwierigkeit, die darin Kegt, dass einigerfliasseR
I« CAMcentrarle Liosungen ^) das Gewebe der Scheide und der
-PortiO' vaginriis schrumpfen machen und hierdurch die Geburt
vertögem, nach längerer Anwendung auch Bxooriatiooen
nmilassen, während sehr ?erdännle Säuren darch das abr
lieagende Fruchtwasser bald wieder getilgt werden.
Ich habe viele Versuche bei Kaninchen und Meerschweinchen
angesMk, anfangs au dem Zwecke, in die Entwickelungsweise
der Pacrperalprocesse Licht zu bringen und später wegen ehnger
interessanter und für die Pathologie wichtiger Fragen, welche
sich bei diesen Versuchen aufdrängten. Ich biii hinsichtkcb
dieser Fragen au keinem tortigen Resultate gekonunen, gedenke
aber, die Versoche in ^äterer Zeit mit besseren HülfsflMttefai
wieder au&unebmen. Da aber die acute septische AllgemeiiH
krankheit, weidie ich mittels infuaionen faulender Gewebe
and auch mittels der mehrfach erwälinten gährenden Lösungen
zuweilen, aber durchaus nicht jedes Mal henrorrufcn konnte,
ein vom septischen Puerperalprocesse des Weibes ohne Zweifel
wesentlich verschiedener Krankheitsvorgang ist, so haben diese
Versuche für die Frage, um welche es sich hier handelt,
höchateas einen gani untergeordneten Werth.
Die im flüssigen Inhalte des Genitah*ofares bei Kranken
oder nach dem vierten Wochenbettslage bei Gesunden sieht*
baren Vibrionen haben zumeist die Gestalt kurzer, isolirter
Stäbeben oder rundlicher, nur wenig in die Länge gezogener
Körperchea. Jedes Mal habe ich nur einen verhältnissaiässig
kleinen Theii derselben in Bewegung gesehen. Im kurz nach
dem Tode untersuchten Blute Puerperalkranker habe ich nie
Vibrionen gesehen; in den peritonäalen und pleurilischen
1) Ich verwende su diesen Versachen ««flsebHecelich SttkflOdre«
MonaUsebr. f. Gebortak. 1866. Bd. XXV.« Hft. 2. ^
r
ISO 3^ J^«^^/v*t SSur Frag« ueh der
EflLsudatcfei aber babe ich gana gewihdidf GebiUe gatete,
die sehr wafarscheinlick is eioem genelifiabeft Zuaacivieoliaiige
milr den sl&bcheiiföriiigMi Vibnaaea stehen : lange, gegifederle
oder ungegliederte Fäifea oier zw Sduiüreo gereihte lugpckhen.
Dieae Gebilde haben keine, oder eine sdir gelinge Feimienlr
Wirkung, denn dureh den GeruGbaainn «entgsleas .war eine
fatiügeGährung der betrefiendeD.fix8iidate:mcbt wahiaiHiehiMa^)
Nur ausnahmsweise &nd ich im pentonSalen Exsudat» Vifariom^
Ton der Gcatalt kurzer Stahoben ; dann aber war- daa. Knmdai
jedea Mal au einer Jauche geworden. Alle drei gaannolHi
Gebilde in .diesen Exsudaten. sah ich innner bewegungsioa»
Ich evlaube mir noch feigende Bemerkung^ Wena nan
genftthigt isl, au glauben, dass die AübAttfiing Iralander
Substanzen in einer Gebäranatak im Interesse der Gebirenden
und Wöchnerinnen möglicbat hintananhalten sei, so wird man
sieb gedrängt fläblen, sieb eine .VorsteUung zn bilden^ «e-
durch die faulenden Substanzen echlMUch werden ? und wenn
«an ferner genothigt ial, der fleissigen Ecnenenrng der. Luft
Wertb beizumesseti, ae wird man eich fragen, wie so die
eingeschlossene Luft in Folge der nie hintanziifaaUeod«a 2er*
setBungsiMHieesse thlensisher Substanzen, in einer AnataJli se
soh&dlich. werden? So. viel mir wenigstens befcannli ^ewordM
iat, liegt auch nioht ein Schein einer Thaftsache vor, der
1) E^ %r%M 4ip» i^h di9r Mein^pg JP^^Ofm''^ ia Bi^siiA«i|g,
dast Bthr^nberg^B BBuihB yerschiedene Specie« der Vibrionen «echs
yerachiedene Fäulnissfermente seien. Ich halte die yerschiedeDeii
Gestalten nicht für verschiedene Species, sondern glanbe,' dasi
sie verschieden« EntwickelangssastSnde hesieichnen* Es ist aber
sehr wohl möglich, dass an vserefthledens üaiwiekeiiinganMiaaAs
desi^f^h^n pflanBlieft#« Gebildes eine yerschiedenA.Ferjiveniwirkang
gekntipft ist. Ich will hiermit nicht behanpten, da^s es nicht
▼erschiedene Species von Vibrionen gebe; dies ist mir im Gegen-
theile sehr wahrscheinlich: ich glaube nur, dass jede einselne
Speeies ftlle oder fest all» b«obaeh«eteii Gestalten und auefa' sehr
verieliiedeiie Qrdssen. annehmen k^inne.
Di^. hier üher die Vibrionea Ge4agte tri,tt in m^hffAf^hftr
Hinsicht in Besiehung mit: Hermann Hoffmann*a Neuen Beob-
achtungen über Bacterien mit Rücksicht anf Generatio spontanea.
Botanische Zeitnng von MoM nnd SehUchtenihal ^ IS63, 8. 804 — 815.
Ich verweise anf diese Arbelt, da es hier nicht am Platse wäre,
naher anf dieselbe eiasagehen.
Aetiole^rle der Pverperafproeetpe. 181
kdoiite, den PSulnissgasen zataftKrthen, dura
ikj etwa durch die Lungen aufgenommen, eine septische
Eftrankung veranlassen^ könnten. Dass bei d^r Fäiilfiiss and
dir Migen Gähnmg auftretende flüssige Zersetzungs-
prodncte, Tieneichi aueh dann, wenn sie an irgend weichem
Urper haftend eingetrocknet sind, im Stande seien, Zell-
geiiebseiitzftndiingen , Lymphangioitides u. s. w. zu veranlassen,
ketweifle idi durchaus nicht; ich glaube auch, dass die
aqitisdie Enmetritis wesentKch durch die bei der fauligen
Gibrong gebildeten flQssigen Zersetzungsproducte
fc oft so schweren Folgezustände bedhfige; es scheint mir
aber nöthig, sich vorzustellen, dass der Körper, welcher ge-
«ttniieb die Veranlassung zur septischen Enmetrrtis wird,
lebon m einer verschwindend kleinen Menge ursprünglich
riiwirkend die Emvietritis mit der oft folgenden schweren,
nweBen schon in wenigen Tagen zum Tode fHirenden
mteren Erkrankimg veraidassen könne, und so ist es
jefcolklls am einfachsten möglich, dass in die Vagina
gelangte Vibrionen dieser schändliche Körper seien. Mit der
Anbtafbng von Zersetzungsproducten thierischer Substanzen
in einer Anstalt ist auch eine Anhäuf^mg von Vibrionen und
deren Keimen verbnApft, und es ist klar, dass, je zahlreicher
ieae in einem Gebärzimmer vorhanden sind, desto grösser die
Wahrscheiniicfakeit werden müsse, dass auch schon während
ones ganz kurzen Geburtsveriaufes einer oder einige in
ie Vagina gdangen.
Der entwickelten Ansicht tber die Entstebungsweise der
«ytisehen Puerperalprecesse steht eine ältere Ansicht ent*
gegen, welche auch beute noch Anhänger zählt Diese An*
siebt lässt sich folgendermassen formnliren. Sowie bei anderen
acaten fieberhaften Krankheiten, so ist es auch bei den
Pfeerperalprooessen der Fall, dass zuerst eine Bluterkrankung
dnliitt, die sieb durch Fieber bemerklich, macht, und nach-
leiB die Allgemeinkrankheit eine Zeit gedauert hat, kommt
et zu Localisationen.
Es alAtzt sich diese ältere Ansicht auf drei Punkte:
Entens auf die Analogie mit anderen acuten fieberhaften
KmkbeileD, sweitans auf die directe BeobachUing, dass bei
den Poeiperalprocessen das Fieber der Localerkrankung voraus-
9*
182 XI. MaifTh^ütf Zar Frage oaeh 4er
gebe, und eadlicb driUeos auf Beispiele von Puerperalpreoisfieoi
die zum Tode führten, bevor die Allgemeinkrankbeil Zeit
haüe^ aieb tu hc^lisiren.
. Es mdge mir gestattet seio, eine kurze Kritik ui ubea
an diesen drei Stützen, auf deoen die insicht ruht.
Was zunächst die Analogie mit anderen acuten lieber'^
haften Krankheiten anlangt, so ist es allerdings sehr richtig,
dass es solche Krankheiten giebt, bei denen das Fieber 4er
Localerkra«)kung durch eine ansehnliche Zeit- yorau^ebU EId
gutes Beispiel ist die Variola. Es ist nun sehr «aturlicb, da^«
derartige Krankheiten die Frage veranlassen können, oh nicfal
auch bei den Puerperalprocesseo das Fieber der Local-
erkrankimg vorausgehe? Nun wird es im WeseniticJien
darauf ankommen, ob man dies bei den Puerperalprocessea
so findet oder nicht. Ich selbst habe Puerperalprocesse mit
Rücksicht auf diese Frage oftmals und genau beobachtet uod
habe nie gefunden, dass das Fieber der Localerkrankuug
vorausging. Allerdings hatte ich behufs der Diagnose der
Uteruserkrankung zu den alten Hülfsmitteln noch ein neu^s. ')
Wenn es sich aber nicht beobachten lässt, dass bei den
Puerperalprocessen das Fieber der Localerkrankung irorau»-
gehe, so f^t damit die eine Stütze der Ansicht weg, und
gerade die wichtigste. Wenn man nun, wie erwähnt, nichi
beobachten kann, dass bei den Puerperalprocessen das Fieber
der Localerkrankung vorausgehe, so lässt sich andererseits,
für gewöhnlich wenigstens, eben so wenig beobachten, dass
die Localerkrankung dem Fieber vorangehe, sondern beide
werden gleichzeitig bemerkbar, und so könnte man imiDerbio
meinen, es sei doch das Fieber primär, und die Lojßalisatioo
erfolge nur so schnell, dass sich die Zeitdifferenz der Be#b*
achtung eutzieht. Es könnte diesseinigermaassoi wahrschein-
lich gemacht werden, wenn etwas Aehpliches bei Erkrankungen
zu beobachten wäre, von denen man, mit Berechtigung sagen
kann, sie seien den in Rede stehenden Puerpendprecessen
mehr weniger analog. Nun wird heutzutage allgemein gesagt:
zwischen deti pyämischen und septischen Processen und den
1) Nätnlieb die durch die Airvi^Metibeit von VibHoneti lin
LocbUlsecrete kenntiichi faulige GibntDg.
Aalioldgfe der Pvdrperalproeesiie. }33
■I Rede stdienderi Puerperalproc^sen bestehe eine Verwandt*
srfaafl. Das pySroische und septische Freber aber betrachtet
man als ein Resorplionsßeber, also als secundfir. Mit anderen
als den pyäniischen und septischen Processen haben diese
Pnerperalprocesse keine am Tage hegende Verwandtschaft.
EnK solche mflsste also zuerst aufgewiesen werden, denn,
vas lisst sich aus der Analogie zweier Processe deduciren,
wenn nHM Dicht weiss, ob die Pfocesse analog sind?
Es bleiben noch die Puerperalprocesse , die so rasch
pflSdtet haben , dass es zu keiner LocaHsation gekomfnen ist.
Hier kann man fragen, woh6r man in Erfahrung gebracHt
bat, dass diese Erkrankungen Puerperalprocesse gewesen
sind? Die Sectionen haben es nicht gelehrt, derni bei den
SMHMieD hat man eben nichts gefanden, als eine acute Blut-
Asaohilioii. So mtlssen klinische Thatsachen das Beslinimende
sein, und diese sind: dass die Erkrankungen, erstens, bei
WMmeribnen vorgekommen sind, und zweitens, dass zngidch
mit ihnen eine grossere Zahl von Wöchnerinnen an notorischen
Fnerperalprocessen erkrankte. Aber diese Grunde sind nicht
gcttfigend, jene Erkrankungen fär Puerperalfieber zu erklSt^n.
Es ist diess ganz so , als ob zum Beispiele ein Chemiker
einen Vorgang, den er gar nicht versteht, für eine Gährung
erklären wollte: erstens, weil der Vorgang an einem gähnings^
nUgen Körper zu beobachten war, und zweitens, weil zur
sdben Zeitperiode von anderen gährangs^higen Körpern im
Uboratorhim sich eine grössere Zahl in einer notorischen
Gttrong befand. Diese BeweisRItarung eines Chemikers mochte
wn Dicht loben. Es ist aber nicht einzusäen, weshalb fAi*
die Pathologie ein Beweis gut genug sein sollte, der ftkr eine
innere Wissensdiaflt zu schlecht ist.
Ahs eigener Erfahrung kann ich Ober die fraglichen Er-
krankungen kaum reden. Ich habe nur ein einziges Mal eine
Widmerin an einer acuten, fieberhaften Krankheit sterben
gesehen, ohne dass eine Localerkrankung gefunden werden
konnte, und in diesem Falle wies die Section auch nichts
anderes nach , als eine acute Blutdissolution. Es waren aber
Grunde vorhanden , zu vermuthen , die Krankheit könnte eine
sogenannte Variola sine exanthemate gewesen sein. Es war
neben dem Fieber continuirlicher Kreuzschmerz vorhanden,
134 XI* MayrkoftTy Zor Frag« oaeh der Aftiologie etc.
und daou Mi noch vor dem Tode ein diffuses Ery Üwai ao
der Haut aufgetreleo; ein solches sieht man aber öfters bei
Wöchnerinnen dem Yariolaexanthero vorangehen. Dass eine
variolöse Erkrankung lödüich enden könne, ehe es zun
Exanthem kommt» kann nicht wunderbar erscheinen, denn
hier geht eine schwere Allgemeinkrankheit lange genug dem
Exanthem voraus. Dass man heutzutage, zierolicli allgemein
wenigstens , von Puerperalfiebern ohne Localiaalion nicht mehr
redet, isl ein Zeichen, dass man jetzt ziemlich allgemein sich
nicht mehr für berechtigt hält, diese Erkrankungen ohne
Localisation als Puerperalfieber hinzustellen.
Ich bin nun weit entfernt, ntit dem vorigen Beispiele
etwa behaupten zu wollen, die Puerperalfieber ohne Locali-
sation seien Fälle von Variohi sine exanthemate gewesen,
obwohl manche diess gewesen sein mögen. Ich Nur meioan
Tbeil glaid>e, jene höchst perniciösen sogenannten Puerperal-
fieber können alles Mögliche gewesen sein, nur Puerperal*
fieber sind sie gerade nicht gewesen, das ^isst, keine Er-
krankungen, die hinsichtlich der wesentlichsten ätiologi«ebeil
Momente unter die Puerperalfieber gereiht werden könnten.
Für die wesentlichsten ätiologischen Momente aber muas ich
hier halten: erstens den krankheitserregenden Körper und
zweitens den Ort am mensdilichen Körper, welchen der
Krankheitserreger zum Angriffspuncte nimmt. Andere werdm
andere Ansichten haben; das Eine wird aber Jeder zugeben
müssen, dass jene acut «tödtenden Krankheiten der Wöchnerinnen
sehr unklare Erkrankungen änd. Es wird aber immer ver*
kehrt bleiben, durch etwas ganz Unkhres etwas aufklären
zu wollen«
Wenn nun diese Stützen der alten Ansicht nichts taiigen,
so ist schwer zu sagen, worauf sie sich eigentlich stötzt.
Wien, den 2. November 1864
Xli. Orüutr, 47.' J«lire«b«ridhl üb^r die BMigsiise «tö. 135
XII.
Siebennndvierzigster Jahresbericlit
über die Ereignisse in dem Entbindungsinstitute
bei der königl. Sachs, chirurgisch -medicinischen
Academie zu Dresden im Jahre 186t
Von
Professor Dr. Clrenser,
k6iilgl. aftelli. Hof^Ath «to.
Im Jahre 1861 fasdra 633 Schwangere, Gebärende uod
WIcbaeriBiMB io dem EmlbindungsiostUtite Verpflegung, von
denen 6 Schwangere und 14 Wöchnerinnen vom Jahre 1860
iB Bestand geblieben waren und 613 theiis als Schwangere,
dicib als Gebärende neu eintraten.
Geboren haben 604, und zwar im Januar 54, ira
Febraar 49, im März 64, im April 68, im Mai 57, im Jupi 50,
im Juli 40, im August 56, im September 51, im Oetober 41,
im November 46 und im December 48.
Davon gebaren zum ersten Male 384, zum zweiten
Hde 199, zum dritten Male 39, zum vierten Hald 14,
UND fünften Male 6, zum sechsten Male 7, zum siebenten
llile 2, und tum achten, neunten und zehnten Male
jeEise;
Von des Gebflrendeii waren 40 verhnraflhet , 11 ver^
«ittwet oder geschieden und 563 Ibdig» Ihrb H^imath Wt
Bmden hatten 142, in anderen Ort«n des Kdiigfei(ä)e
Mkmk S80, im Auslande 82. -^ 664 bekannten eich zur
efaogdieeb^liitberifidien, 38 zur r5miaoh**katholieches, 1 znr
KfonnirteD Confession; 1 war Israelitin. -^ Bezfigliob des
Alters erwähnen wir, dass 4 erst Hn «iebenzehnten Lebena*-
jrihne standen, die älteste 46 Jahre ah war, die miMl^n ein
AUer von 21—26 Jahre ziMlen.
605 Geburten Waren einfache« 9 Mal würde» Zwillinge
pkmä* «- 534 Mal wurde die Gehurt durch die Natsr^
krifte allein bewirkt; in 70 Fällen machten sich Operationen
(, tnd zwar 86 Mal die Zangennperation, 18 Mal
136 XU. tfffww«-, 41. JMirMbcffMte «b«r 4ie KmgBiaM
die Wendung, 6 Mal die Extraction an den Fassen,
2 Mal der Kaiserscbnitl, 2 Mal die kunsilicbe Er-
regung der Frubgeburt und 10 Mal Ibeils die könst-
liebe Wegnabme, tbols die künstltcbe Lösung der
Nachgeburt
Den Geburtsmechanismus anlangend, so stellten
sich zur Geburt:
390 Früchte in erster Scbadellage,
181 „ „ zweiter „ (6 Mal ohne Drehung),
5 „ „ erster Steisslage,
4 „ „ erster Fusslage,
18 „ n fehlerliafter Lage
und in 15 Fällen Hess sich der Geburtsmeebanisraus nicht
bestimmen, weil die Geburt schon vor Eintritt in die Anstalt
vor sich gegangen war.
Die Zeit *der Beendigung der Geburt fand am
häufigsten früh zwischen 1 und 2 Uhr und Nachmittags zwischen
5 und 6 Uhr sUtt
Die Geburtsdauer betrug in 12 Fällen nur 2 Stunden,
am häufigsten 6 bis 10 Stunden, in 6 Fällen über 4 Tage.
Von den Wöclmerinnen wurden 595 gesund entlassen,
2 an das Stadtkrankenhaus und 1 an die innere Klinik ab-
gegeben, B starben ia der Anstalt.
Geboren worden 613 Kinder, davon waren 334 mtoo-
liehen und 278 weiblichen Geschlechts und 1 Abortus, wo
das Geschlecht sich noch nicht bestimoien liess* Von den
Kindern waren reiT 592, frühzeitig 14, unaeitig 6. —
24 kamen scheintodt sur Welt, als 19 Knaben uqd
6 Mädchen. Todtgeboren wurden 41, wovon 18 mkiiK
lieben und 23 weiblichen Geschlechts ; davon waren unaeitig 6,
in Folge von zu starkem Hii*ndruck bei Beckenenge 8, ia
Folge von Druck der Nabelschnur 6, in Folge zu starke
Blutverlustes der Gebärenden 1, vor der Geburt abgestorben
und theilweise in macerirtem Zustande 20.
Was die Beschaffenheit der Nachgeburten an-
langt, so waren die Fniefotkucben 5 Mal mü beträcMidMi
Faserstoff- und 3 Mal mit kalkartigen Anflagerunge» verseheo;
mn Mal trug die PbeenU die deotlieben Zeichen der Plaoenülis
m dem BaHbittdnngfflntlltot« ete. an Dretd«« hn J. 16S1 . 137
« «*. Der NabetstTMig war 106 Mul central, 485 Mal
Mnemmcb, 71 Mal marginal und 1 Mal felemental iitsßrirh
Drei Mal faniieii sich mahre Knoten in dem Nabelatrange.
Ton den 9 Zwillingapaaren waren 4 zwei Knahen,
1 iwei Mädchen, 4 Je ein Knabe' und ^in Mildchen. Sf6
rtdkcD sich s«r Geburt:-
Die erste Frucht in erster Schadellage, die zweite in fehleiv
baffler Lage;
die erste Pmchl in erster Scbideliage, die zweite iu erster
Steiaalage;
die erste Frucht in Tehlerhafter Lage, die zweite in voll-
konmener Fusslage;
die erste Fracht in erster Schadellage, die zweite in voN»
kommener Fnssiage;
die erste Frueht in erster Schldellage, die zweite in
Hehlerfaafter I^age;
die erste Frucht in feUerhafler Lage, die zweite in fehler*
baflter Lage;
die erste Frucht in erster Schadellage, die zweite in
fehlerhaller Lage;
die erste Frucht in erster SchädeUage, die zweite in erster
Sdiidellage;
die ersle Frucht in feblertiafter Lage, die zweite in fehler*
haftcr Lage.
In fünf FiHen war die Piacenla eine geineinschaMidie,
«fkrend jede Frucht ihr Ghorion und Amnion hatte; in mr
Nka bestanden getrennte Plaoenten mit nur leichter Vieiv
Uebong der Eihäute. '
Anomalien der Scbwangersobsit.
Aborlos kam nur ein einsig« Mal toi* uod zwar merk**
wirdiger Weise bei der Kntscbersfirau , welche im vorigen
Mre (s. unseren Jahresbericht vom Jahre 1860) trots eines
HafscUages von ehiem Pferde vor dem Unterleib ihre I^eibes^
IMit aosgetragen hatte. BaU nach glOeklieh itterstandeneni
Wochenbelte war die fVau wieder schwanger geworden und
wnpine im iwarlea Schwangerscliaftsmonate , »achdem sie
OBS schwere Wasehwanne gehoben hatte, Bhitahgang.» so
«ndchem steh nadi einigen Tagen Wehen gesrllten, 'welob«
iS% XII. Or«iM«r, 47. Jahratberieht 4ber «le Ut^gmia—
sie bewogen , ilire ZtAiietat zur AnsUit »i nfehmei. tmr dar
Ualersuchung leigte eich dar Eniirye bereits in den ge-
öffnetem Mttttermude uDd liese »ich mit den Fingeai MgM
aiMeiehen; derselbe war 6 Zoll lang mit nedi ttnbeetiniaAaren
Ceschlecbtstheilen. Zwei Stunden darauf wtirde die Nach^
gebnrt ausgestossen , wovon die Placenta hyperiODiafch encMcu
und einen apoplectischen Herd zeigte«
Unzeitige Geburten kamen sechs for. Der eine Fall
betraf eine an primärer Syphilis Leidende, bei wakher im
sechsten Schwangerschaftsmonale zwei Cauterisationen mit
ArgenL nitric fiieum vergenommeh worden waren. Kurz
darauf stellten sich Weben ein, welche ein 12 Zell langes
und IV« Pfd. schweres Mädchen austrieben. Im Wodienfeell
folgte eine geringe Perimetritis. — Im zweiten Falle schioDen
Ezceaee im Coitus den Partus immalurus angeregt zu haben
bei einer Meretrix. Die Frucht, weiblichen GesehieehDes , w»r
bereite maccrirl, die Nachgeburt folgte schnell nadi, desacn-
ungeachtet trat zwei Stunden später eine starke Metrorrhagie
ein, welche Entfernung der in der Geb&rrautterhöhle an-
gehäuften Blutgerinsel und Einspritzungen von rerdänntem
Essig nöthig machte. — Im dritten Falle musste Ausrutschen
Ton den Trottoirs und Hinfallen auf das Strassenpflaster als
Ursache angenommen wecden, indem bald darauf Dterin-
contractionen eingetreten waren, die einen sehr lebeosackwacben
Knaben austrieben, welcher oach 13 Stunden Start). 4~ In
den ihrigen drei Fällen liessen sich die Ursachen nicht nadi^
wieieen; in dem einen erschien der Fötus bereits im Zuataiftd#
weit Torgeschrittener Maceration.
Von den 14 Frühgeburten erfolgten zwei in Folge
eines heftigen Schreckes. In dem einen dieser Fälle starb
das Kind, ein Knabe, am folgenden Tage an CkmmUionen
and die Sectieo wies beirdebtliche Hirnhyperämie nach. Die
Wöchnerin flberstand eine schwere Perftenitie. — Bei etiler
rachitischen Person, die eine Beckencenjugata von nur 2 '^ 4^
aeigte, war die Frühgeburt in Folge fon Missbandlungen imd
Sehlägen eingetreten. Das WochenbeCC ferlief normaL -*- In
ner Fällen musste der erfolgte Ted der Frucht ale <!aiiaai^
moment der vorzeitigen Uteindoontraotionte aigesetmi werden <
Bwei dieser Früchte zeigten f;5tale Peritonilis» In zw«i Fäila«
im dMi £atl»ta4aagciii»tlUte 9tc sn I)Tes4eD in J. 1851.
htimf)ie ZwüUngssGbwMigersclMift uad fiberuiänaigf) Auadekiuttg
des Uten» darch «ioe safer grotee Menge Fmcbiwasttr» die
Frohgebarl.
Sectio caesarea post oioriem. Eine Hausscbwangej-e
klagte plötzlich über Sctiwiodel und Küpfschmerz , zu dem
sich Erbrecheo gesellte. Bald darauf verfiel sie in einen
sapordsen Zustand mit verengten Pupillen; der Puls war
ruhig. Es wurden sofort Eisfomente über den Kopf, Essig-
Uystiere und innerlich einige Gaben Caloniel verordnet Aber
schon nach einigen Stunden trat völlige Bewusstlodigkeit eii>,
das Gesiebt farble sich, obwohl Blutenlziehungen durch Schröpf-
kü|rfe gemacht worden waren , cyanotisch , es folgten Muskel-
coDtracturen , besonders der Nackenmuskeln und so starb
die Kranke schon nach 24 Stunden. Sofort nach ihrem Tode
wurde, obwohl die Herztöne des Fötus nicht mehr gehört
worden, der Kaiserschnitt gemacht, welcher ein ausgetragenes,
todtes Mädchen zur Welt forderte. Die Leichenseclion der
Schwangeren ergab: dicken, eitrigen Beleg auf der Dura niater
aad Arachttotdea, Hirnhyperämie und Lungenödem. Die übrigen
Organe waren völlig normal.
Anomalien der Geburt.
Enge Becken beobachteten wir 12, und zwar särnmt-
Meb rachitische. Zwei Mal war die Beckenenge eine ab-
salote imd erforderte den Kaiserschnitt (s. unter den geburts-
hiVlidM» Operationen). Die Maasse der Goiqugata in dvesen
Mden Fällen beürogen: 2" 1'" und 2" 3^ — In einem
Falle, wo die Conjugata 2" V maass, bewirkte die Natnr
die Frihgeburt , wobei durch Wendung und Extraction ein
Mädcheu bereit» im Zustande der Maceration zur Weh ge«
Mari wur^. In zwei Fällen von 3" 8"^ CoifugaU leiteten
wir die Frühgeburt kdnatlich ein (fu geburishulfiiche Ope*^
iHioDen). — Bei radiitiseher Beckeneng«^ mit 2'' 6'" «od
2*9*GeDJugaU erfolgte die Geburt reohtzeitlg ohne Kunatr
Wfe, nachdem die FrAchte, beide Maie weibliehen 6e-
Khieditea, io Folge von Druck der NnbelsekMr , wtlehe sich
■cht rapüiireB lieaa , abgßStorbeD waren. Dagegen «acble
Mb ditfZMife nolbwendig, ein Mal bei 3" 4"^ und zwei Mal
k« 3^ %'' Coiguevta» w<d>ei ein Kind lebend und zwei todi
140 ^IK* Orenter, 47. JiMirwberfcbt fiber 4i« Ereig«ine
extrahtrt wurden, findlieli wurden bei S" 6*^ Conjugata in
zwei Pillen durch die Naturkrälle aMein lebende Kinder
geboren.
Hängebauch fanden wir bei 31 Schwangeren und
Gebärenden, und zwar mit Ausnahme derjenigen, welche
rachitisch - verengte Becken hatten, nur bei solchen, die in
Folge öfterer vorausgegangener Geburten sehr schlaffe Baudi-
decken zeigten. Während der Schwangerschaft wurden Bauch-
binden angelegt, während der Geburt durch einfaches Empor-
halten des Fundus uteri jeder weiteren nachthefligen Einwirkung
auf den Geburt^hergang vorgebeugt.
Schiefheit der Gebärmutter höheren Grades kam
drei Mal zur Beobachtung, davon zwei Mal bei Erstgebärenden.
Die vorbereitenden Wehen waren dann immer sehr schmerz-
haft und mussten wegen Anschwellung der vorderen Mutter-
mundslippe in zwei Fällen erweichende Sitzbäder genommen
werden.
Ausser dem eben beschriebenen Falle mussten er-
weichende Sitzbäder noch von zwei anderen Gebäi^enden iu
Gebrauch gezogen werden, das eine Mal wegen Anschwellung
der vorderen Muttermundslippe, das andere Mal wegen
Rigidität der Ränder des Muttermundes bei einer
36jährigen Erstgebärenden.
Struma rief bei einer ITjähri^^eo Erstgebärenden bereits
in der EröfTnungsperiode grosse Athemnoth berv«r, sa daas
nitob völliger Erweiterung des Muttermunde» sich die Anfeguftg
der Zange nöibig machte.
Während ödematöse Anscbwellangen der Schenkel
zur BeobaehtUDg kamen, erregte begondere« Interesge eine
ödematöse Infiltration des Zellgewebes der Bauch-
decken und der Schenkel bei einer Erstgebärenden. I^r
Harn war eiweisshahig , eine Herzanoroalie liess sich nithx
nachweisen. In der 83. Sefawangerschaftswocbe trat, an-
geUich nach einem heftigen Schreck , die Geburt ein,
wobei ein 4 PAmd schwerer, 16 Zoll langer Knabe in
macerirteni Zustande geboren wurde, im - Woobeiit>elt m*
fingüch Perimetritis , nach denen Baseitigting acuter Long««!«-
eaf^rrh mit fortwährendem Fieber. Nach 16tägiger Verpflegung
in dma Eiil^iiidiiiigsinsatme etc. sa Dresdas im J. 1061. }41
wurde die Kranke in ilie iiiiiere Klinik der , ebinirgiscb-*
nwdiciDisehen Acadeinie traosferirl, wo sie vierzehn Tag«
später Marb« Die Seclion ergab Miliartuberculose beider
Langfo,
Kclampsie beobacbieteD wir bei einer 2^iährigM,
därftig guiährUai J(rstgebärendei>, die an eicier reobt^eiMf^il
Skiiiiose der oberen Ruckenwirbel massige Grades, eülsundien
io Polge von Muskeißchwäche , liu. Dieselbe erwaeble am
7. Deceiaber mit beftigem Kopfgcbmerz und hatle mehrniaHges '
Erbreche»« worauf Abends 10 Uhr der ersle ^damptiiobe
Anfall einti'ai, welchem bald mehrere andere folgten. Eiii
Aderlass von nur 6 Unzen , eiskalte Fomentationen des Kopfes,
Sinapismen, ein Essigklystier und einige Gaben C^kuiei
scbienen einen mehrstimdigen Nachlasa zu bewirken; die
Webenthätigkeit war nur sehr schwach und der Muttermund
eben erst der^ Fingerspitze zogängig. Als aber die Con^
Iractionen der Geb&rmuttiT sieh vert>tärkten und den Mutter-»
oMiod mehr erweiterten, wiederholten skb die Anfälle, sß
daas zur Extraction des in vollkommener Fussiage sich zur
Gebort stellenden Kindes geschritten werde» roussle; So
wurde ein 15" langer 4Vs Pfund schwerer Knabe zur WeH
gefordert, welcher anfänglich asphyk tisch doch bald sich er-^
holte. Nichtsdestoweniger setzten sich die Paroxysmen voq
derselben HefUgkrit und mit soporösem Zustande auch nach
der Entbindung fort, so dass wir iat Ganzen 37 AufälU
beobachteten. Der Harn blieb stark eiweissbaltig» Erst nach
dreitägigem Sopor kehrte das Bewusstsain zurück umi die
Wöchnerin konnte am 28. November gesund entlassen werden.
Das Kind lebte nur 24 ^timden lang ein schwaches Lebeni;
die Section desselben wieas Atelectasis pulmonum nach.
Eine zwölfstandige Wehenpause ward bei eioai^
26 Jährigen Erstgebärenden beobachtet , welche auffallend dünne
Gfbännutterwände zeigte. Nachdem die Geburt bere its 8 1 Stunden
gedauert ond der Mutt^imund erst die Grösse eines Thaler-
Stackes erreicht hatte, setzten die Weben von Abend 7 Uhr
bid zum nächsten Morgen vollständig aus, worauf, ohne dass
irgend, etwas getban worden w&re, um die Wehenthätigifeit
ttaHrageni. diese von 4«)bs4 arwacbli; und so kräftig fortwirkte,
dass schon nach drei Stunden ein ausgcitriigenes Mädclien
142 l^n. €fr9n$€r, 47. JftlireBbericfit über cfl0 Bref^ffifste
geboren mnyle , welches in geringem Grade asphyktisch docA
fdlkommen in*s Leben zurückkehrte.
Metrorrhagien während der Cl^burt der Fmcht er^
forderten vier Mal in der ErölTnungsperiode könsüicbes Sprengen
der Eihäule und ein Mal in der Austreibangaperiode die
Extraetion dea Kindes mittels der Zange. In der Nachgeburta-
period(e musste wegen starker Blutnng z^ei Mal die Plaeenta
kOnstücb getrennt und weggenonmien werden.
Inguinalhernien in beiden S(Biien compikm^ten die Geburt
ein Mal bei einem 26 jährigen Dienstmädchen. Dieselben wardeii
mit den Fingei*n zurAckgehalten und in der Auatreibnnga-
Periode die Zange angelegt, wodurch ein T'/s Pfund schwere«
Mildchen extrahirt wurde.
Vorfall der Nabelschnur neben dem Kopfe ereignete
sich sechs Mai; in zwei Fällen bei stark racfaitfach-verengtPifi
Decken und erst wenig geöffnetem Muttermunde, so dass
Repositionsfersuche unterblieben. In zwei Fällen wurde zur
Reposition der Nabelschnur gescfiritfen , ein Mal mit v^l-
kommenem Erfolge, so dass darauf ein lebender Knabe ge»
boren wurde , das andere Mal war zwar auch die vorgefallenHi
Nabelsclmur zurückgebracht worden, aHein os musate wegen
Verzögerung der Geburt in der Austreibungsperiode ifie Zange
angelegt werden, wodurch ein todter Knabe zur Welt ge-
fordert wurde. Endlich gelang zwei Mal die Extraetion lebender
Kinder mittels der Zange, ohne vorausschickten Versuch,
die Nabelscbour zu reponiren.
Damm'rfsse höheren Grades zählten wir nenn. Ver-
suche, die Wiedervereinigung der Wundränder darch einen
Verband mit einer Auflösung von Wasserglas zu bewrken,
misslangen , daher wir wieder zum CoHodhimverband achritteti,
wodurch wenigstens eine Iheilweise Vereinigung erreicht ward.
OabnrtfhulfUoha Operationan.
Die Zangenoperation, welche sich 88 Mal nöthig
Biachle, wurde indicirt:
9* Mal durch Wehenschwäche,
9 ,, „ Kopfgeschwulst,
4 „ „ Abgang von Meconium bei torKegendeoi
Schädel,
in ^m BntbiadiiBgtiiistiliite etc. m I>r«tdwi kn J. 1M1. }4S
3 IM durch Sehwieherwerden der Herztöne der Pruchl,
3 „ „ rachitische Beckenenge,
2 „ „ Vorfall der Nabelschnur,
1 „ „ Atbemnotb wegen einer betracbüieben Struma,
In n Inguinalhemien,
1 „ „ Metrorrhagie,
5 „ „ Rigidität des Dammes,
lo allen FäUen lag der Kopf vor, 27 Mal ia erster
SchadeUage, 11 Mal ia sweiter, bei welclier leiztereu 2 Mal
die Drehung mk der kkinea FontaneUe von hinlen nach vorn
■cht erfolgt war. 27 Kinder wurden vollkommen lehend,
4 aspbyktisch und 7 todt extrahirl. Als Ursache des Todes
war zu starke und zu langdauernde Coropression des Gehirns
aomoehneo. Mit Ausnabfne einer Wöchnerin, welche starb
(sw inoDttlieo dea Woebeobettes), wiirdun alle .gesynd tAtlMsen.
Die Wendung wurde ungewöhnlich oft, nämlich 18 Mal
Dödi%, und zwar allemal wegen fehlerhafter Fruchtlage, davon
ä Mal bei Zwillingen. In 13 Fälleu kam dabei der doppelte
Haad^riff in AnweBdung* 14 Kinder harnen darnach lebead,
4 todt zur Welt, wovon 2 im marrerirtcn Zut^tande.
Die Extraction an den Füssen kam 6 Mal zur Aus-
ÜhniBg. Vier Mal ging die Wendung voraus. Indicirt wurde
die« Extraction ein Mal durch £olampsie der Gebärenden,
3 Hai dofcb Wehenscbwfiche, 2 Mal durch rachitische Becken^
enge, m welchem letzteren Falle die Kinder während der
Extraction ihr Lehen einbussten. In einem Falle entstand
beim Lteen des nach vom gelegenen Armes eine Fraotur
des Oberarmbeines, welche nach dreiiwöchentUoheai Verbände
ToUkonimeii geheilt erschieiL
D^ Kaiserschnitt worde an Lebendm zwei Mal aus*
geßhrt, in folgenden PSIIen:
1. Ernesiine Zimmermann aas Franenstein, Näherin, 32 Jahre
alt, erschien in der Anstalt als Kreissende am 22. Februar früh
9 Uhr. 8ie hatte bis in ihr fünftes Lebensjahr an Rachitis ge-
Kttea nnd in Folge dessen eine KörpergrSsse von nnr 50 Zollen,
tine nissige Skoliose der oberen Rückenwirbel, eine sehr starke
•AttelfSrmige Einbiegung in der Oegend des letsten Lenden-
wirbels and stark yerkrämmte Oberschenkel. Die Conjugat«
eztorna betrag öV/, die Conjagata diagonalis 2" 8*^. Der Unter-
leib war stark überhKngend, die Herstöne der Frucht wurden
144 XU. OrenMT, 47. J«brMl>ericlit über dU Breigsiaift
in der linken Seite fehSrt; der Matterainnd ertehien ymn der
Grösse eines Guldens, die Blase fing an sich sn stellen und als
▼erliegender Frnchttheil Hess sich der Kopf ballottirend fühlen.
Es wurde daher, nachdem die Rreissende darch Chloroform rolU
kommen anSsthesirt worden war, sogleich sur Operation ge-
schritten, der Schnitt in der weitsen Linie geführt und ohne
erschwerende. ZwischensofÜlIe ein swar anegetrtgener, aber dfirftig
genKhrter, nar 6 Pfund schwerer und nur schwach aufschreiender
Knabe sur Welt gefordert und sogleich auch die Nachgeburt
durch die Wunde herausgenommen. Bei der darauf folgenden
schnellen Verkleinernng des Uterus fielen mehrere Darmschlingen
and ein Stfiek Nets vor, die sogleich repanirt worden. Die
Blutung war sehr gering, die Waadränder wurden durch fünf
KnopfnUhte und eine umschlungene Naht rereinigt und awischen
den Nähten lange Heftpflasterstreifen Tom Rucken aus angelegt;
in dem unteren Wundwinkel hielt ein Sindon die Wunde otfen.
Nach der Operation aus der Chloroformnaroose erwacht erhielt
die W5eimeritt Ve ^r. Morph, aeetie. and daraaf sweletüiidlleb
noch einige yiertelgranige Dosen. Der Unterleib wurde sogleich
eiskalt fomentirt. So erhielt sich der Puls mehrere Stunden lang
in der normalen Frequens von nur 80 Schlägen. Allein schon
Nachmittags traten Symptome ron Peritonitis auf, als stechendfe
Sehmerzen in der Oberbaacbgegend^ Anl^itoMen, Auftreibmig 4«h
Unterleibes, und die Frequena des Pnlees stieg aaf 110 Schlagt
Sie erhielt neben dem Morphium Eispillen. Dessenungeachtet
kam es zum Würgen und Erbrechen, und es entwickelte sich
Tympanitis in solchem Grade, dass Atheronoth eintrat. Riolntis91-
klystiere blieben ohne allen Erfolg. Unter den Symptomen, dea
aUgemeinen ColUpsus starb die Kianke am 24. Febraar frilk
2 Uhr, nachdem vier Stunden zuTor ihr Kind an LebensschwAche
gestorben war. Die Section ergab allgemeine Peritonitis, geringe
Compression des rechten unteren Lungenlappens und frische
endocarditische Vegetationen der Valrula mitralis. Die Con-
jagata (interna) im Leiohnam gemessen betrug 2" 9"'.
2. Christiane Born, Hospitalitln aus Dippoldiswalde , 35 Jahre
alt, meldete sich ale Schwangere in der Anstalt am 1. April.
Sie ist nur 40 Zoll lang, hat eine skoliotische Verkrümmung der
oberen Rückenwirbel und sehr kurze, stark verkrümmte Ober»
und Unterschenkel; ihr Gesicht erscheint cretinartig, die Lippen
aufgeworfen, der Nasenrücken stark eingebogen, der ganze Kopf
unTerhältnissmässig gross. Sie zeigt sich so beschränkten Geistee,
dass sie über ihre Kinderjahre t wann sie bat laufen lernen u. s. w.
nichts anzugeben weiss. Die äussere Conjugata mfsst 67^", die
Diagonalconjugata 2" 1"\ so dass das Maass der inneren Con-
jugata auf 2'' 1 — 2'" abgeschätzt wurde. Da nun ihre Schwanger-
schaft bereits bis zur 38. Woche yorgescbritten war, blieb nichta
!■ dem Baibrndiiiigsiiistitiite etc. ra Dreadea im J. 1861. 145
«
aaderM ibrig^, als den reehtieitiffen Gebnrtitormin abinwartes,
UD dana den Kaiaeraehnitt an machen. Am 18. April Abendt
10 ühr tiaten die ersten Weben ein ; dieselben verstärlcten eich
wihread der Nacht, so dass am 14. April früh 8 Uhr der
Matteimiuid sich 1" im Barchmesser eröffnet seigte. Gegen
11 Uhr Vormittags fing an Fruchtwasser absnaickem, der Mutter-
■lad seigte die Weite eines Gnldenstückes und die Weben
warden so kräftig, dass man nicht länger mit der Operation
tSgerte. ^ Aach hier wurde der Bauchschnitt in der Linea alba
femaeht, ein sich henrbrdrSngendes Stfick Nets reponirt und
durch die Oeffnnng des reichlich 4" weit aufgeschnittenen Uterus
eia 18" langes, 9 Pfund schweres Mädchen herausgenommen,
weichet in geringem Grade asphyktisch in kurser Zeit laut anf-
lekria. Nachdem sogleich darauf auch die Nachgeburt entfernt
«ordea war, seigte sich, dass der Uterus theils in seinen Wund-
iSsdera, theils an seiner inneren Fläche stark blutete, so dass
lieh grosse Mengen Blutes durch die Scheide entleerten. Da die
Motong auf Anspritsen von kaltem Wasser nicht stand, mussten
IS den WundrSndem des Uterus swei Arterien unterbunden werden.
Die Bsochdeeken wurden durch sechs Knopfnähte vereinigt und
der Heftpflaaterverband angelegt, worauf V, Gr. Morph, acetic.
{•reicht und Eisfomente angewendet wnrden , wie im vorigen Falle.
Der Puls sahlte 140 Schläge und war in Folge des starken Blut-
Terlutes sehr klein. Obwohl Patientin mit Appetit etwas Fleisch-
brühe sn sich genommen hatte, collabirte sie doch immermehr
ad starb noch desselben Tages Abends '/«^ ^^^' — ^^^ ^^
SectioB Qberraschte an der hinteren Seite des linken Ligament,
st Istam, unter der Tuba ein 4 Zoll langer Einriss des
BtQchfelles mit starkem Extravasate im subserSsen Zell-
feweba, welches sich bis sur linken Niere erstreckte. Der
Kits drang von da an durch die Uterussubstana an
der oateren Hälfte des linken Seitenrandes, war 4" lang, verlief
Kkiig von oben nach unten und sotate sich bis 1'//' in den
Scheidengrund fort Die Ränder des Bisses erschienen schlaff,
bhtig suffundirt, das Uteringewebe in der Umgebung schlaff,
blsiigrau, 5dematös und 6"' dick, während die Wände des
KSrpers des Utems sehr derb und enorm entwickelt waren, bis
nr Dicke von 17 Pariser Linien. Ausserdem erschien der vordere
nsO dar Linea Innominata linkerseits, der Rissstelle des Scheiden-
gtwSIhes entsprechend, sehr scharfkantig. Der Querdiirch-
■ssier des Beckeneinganges im Leichnam gemessen betrug 4" 1"\
die CoDJugaU 2" 1*^, — Besonders bemerkenswerth in diesem
Filla ist demnach, dass schon gegen die Mitte der Er-
9ffoangsperiode eine Ruptura uteri spontan ent-
itsoden war, wosu ungleichmässige Entwickelung
<sr üterinwände verbanden mit Erweichung am unteren
. f. Oebartok. 1866. Bd. XZV., Hft. 2. 10
146 UI" Qrm§«r, 47. Jahresbericht über die BreigmiMe
Segmente in Folge eeroeef Dsrobfenehtwiig und Scbat fkaatif-
keit der ungenannten Linie die Veranlaaeong gaben. — Daa
Kind befand rieh wohl nnd wurde am 17. April einer Amme
übergeben.
Die künstliche Erregung* der FrfihgebarC fanden
wir zwei Mal Gelegenheit in Anwendung zu bringen.
In dem einen Falle war es eine 28 Jahre alte Näherin » die
bis sam Tiarten Leben^ahre rachitisch, im 23. Jahre doreh
Perforation nnd Kephalothrypsie entbanden worden whr. Zum
«weiten Male schwanger, snchte sie im Monat Jali die Hülfe
des Instituts. Sie ist kleiner Statur, ohne Verkrümmnng der
Wirbels&ule, aber mit stark gebogenen Ober- nnd Untersehenkeln;
die Conjagata externa misit ö'/Vt die Diagonalis S" 4'", eo dmss
sich die Conjogata interna su 2" 8'" abschätsen lässt. In der
32. Schwangerschaftswoche wurde am 18. October früh 7 Uhr
nach der Co^sn^schen Methode die erste Wassereinsprifzung
awischen Uternswand und Eihäute unternommen. . Der grösete
Theil der eingespritzten Flüssigkeit blieb dabei snrück nnd es
traten bald Wehen ein, die bis Nachmittags 8 Uhr anhielten.
Da aber jetst die Wehenthätigkeit fast gans aufhörte, worden
die Injectionen um 4, 7 und Abends 10 Uhr wiederholt und da-
durch von Neuem Wehenthätigkeit angeregt. Am anderen Morgen
setste diese aber wiederum ganz aus und die Person verfiel In
einen tiefen Schlaf, welcher bis Mittags anhielt Da die intra-
uterinen Injectionen immer nur momentane Contractionen des
Uterus hervorufen hatten, wurde Nachmittags 4 Uhr ein Darm-
bougie eingelegt, welches anfanglich sehr kräftige Wehenthätigkeit
erregte. Um Mitternacht aber traten sehr heftiger Kopfschmers,
Schwindel nnd grosses Angstgefühl mit einer Erregung des Pnlsea
bis 120 Schläge in der Minute ein und die Kranke erklärte , daas
ihr das Bougie unerträglich sei. Das Bougie wurde deshalb ent-
fernt, worauf die Gebärende sich sehr erleichtert fühlte und
einige Stunden Schlaf genoss. Da aber ,die Wehen wiederum
ganz üistirten, wurde am folgenden Morgen 7 Uhr ein anderoe
Bougie eingelegt, das auch sofort wieder Wehenthätigkeit erregte«
Der Muttermund hatte aber erst die Grösse eines Nengroschens.
Den 21. October früh 7 Uhr erschien das Bougie so erweicht,
dass es mit einem anderen vertauscht werden musste. Wegea
abermaliger Erweichung desselben wurde Nachmittags ein elastischer
Katheter eingelegt, während dessen Einführung trotz grösster
Sorgfalt die dünnen Eihäute zerrissen, wobei mit dem Wasser,
bei einer Erweiterung des Muttermundes von 2" ein Durchmesser,
der rechte Arm der Frucht und eine Nabelschnurschlinge vorfiel.
Es wurde deshalb sogleich die Wendung auf den rechten Fnss
nnd die Extraction vorgenommen, wobei die Entwickelung des
Kopfes etwa fünf Minuten in Anspruch nahm. Das Neugeborene
in dem EDtbindnngsinstitate etc. zu Dresden im J. 1861. 147
wftr ein 16 Zoll langfer, 4 Pftiiid schwerer Knabe, an welchem
BelebmgsTersacka fruchtlos blieben, obwohl noah schwache Hera-
pnlsation au bemerken gewesen war. Die Nachgeburt erfolgte
dvrcb Sasseren Drack. Die Entbundene war in Folge der lang-
dsaernden Geburt sehr angegriffen und zeigte einen Puls von
120 Schlägen. Das Fieber dauerte auch in den nächsten Tagen
fort imd Tom 28. October an stellten sich grosse Angst und
Hirnajmptome, als Delirien, stierer Blick und 8o|M>r ein, unter
welchen Erscheinungen die Kranke am 31. October starb. — Die
Section ergab: Stenose des Ostium venös, cord. sinistr. mit frischer
Esdoearditis , Infarcte der Milz und Nieren, partielles Lungen-
ödem and ainsolne punctirte Hiunorrh.agien der mmaubstanz.
Der aweite Fall betraf eine 35 Jahre alte Näherin, die bis
itt^i Tierte Lebensjahr an Rachitis gelitten hatte. Sie war kleiner
Statur, dürftiger Ernährung, hatte stark yerkrümmte Unter-
fckeakel, eine Conjugata externa von 6^^, Conjugata diagonalis
TaaS*//, ao dass auch hier die Conjugata rera von 2" 8'''— 9"'
aagesommen werden konnte. Im Jahre 1867 war sie bereits
■itkels der Zange von einem todten Knaben untor grossen
Schwierigkeiten entbunden worden und hatte im Wochenbette
eile Peritonitis und Endocolpitis zu überstehen gehabt. In der
33. Sehwangersehaftswoche stellte sie sich in der Anstalt ein
oadaiaa säumte daher nicht, die Frühgeburt künstlich einzuleiten.
Za diesem Hehnfe wurde am 4. Decerober nach der Cohem'aeh&n
Methode die erste Injection gemacht, welche in Zeit von einer
Stoade bereits schwache Contractionen des Uterus erregte. Die
Isjeetionen wurden dreistündlich wiederholt und riefen zwar
käMge Wehenthättgkeit hervor, dessenungeachtet aber eröffnete
■ich der Ifnttermnnd aar höchst langaam, was in rigider, leder*
artiger Bescbuffenheit des unteren Uterinsegments aeiae Ursache
httte. Es wurden daher erweichende Sitzbäder von Leinmehl-
tbkoehung mit Einlegung des Baderöhrchens verordnet. Das
Fraehtwasaer ging vorzeitig ab, und so fing an dem in erster
SehadelateUaiig vorliegendsm Kopfe, bei erst tbalergrossem
Uatteraunde, schon Kopfgeschwalst sich au bilden an. Sobald
daher die Erweiterung des Muttermundes die Zangenanlegung
itdiess, wurde die Kopfzange angelegt und mit bedeutendem
Kfafkaufwaiide ein 18" langes, 6V, Pfund schweres Mädchen, in
hSehsiem Grade der Asphyxie, zur Welt gefördert. Belebnngs-
▼ersuehe blieben fruchtlos und aus der Lange und Ausbildung
dM Kindes ergab sich, dass die Schwangerschuft schon viel
weiter vorgerückt war, als nach den Angaben der Person an-
Snommeu werden konnte. Das Wochenbett verlief ohne Störung.
Nachgeburlsoperationen machten sich in 10 Fällen
nWdg. Immer tvar es starke ßhilung, welche dazu die In-
dication gab, inden) wiederholle Versuche, die Nüchgehurl
10*
148 ^n. Orenser, 47. Jahresbericht über die EreigniMe
durch äusseren Druck zu entfernen , nicht zum Ziele fiihrten.
Vier Mal fand sich dabei zu feste Adhäsion der Placenta,
so dass die kunstliche Lösung vorgenommen werden musste ;
die Placenten zeigten in drei Fällen FaserstoflFablagerungen,
in einem Falle kalkige Cojicremente. In den übrigen Fällen
bedingten Stricturen der Gegend des inneren Muttermundes
die Retention der Placenta.
Anomalien des Wochenbettes.
Bauchfellentztindungen beobachteten wir 40, so
dass im Ganzen B'/a Procent der Wöchnerinnen daran er-
krankten. Von diesen 40 Fällen kamen 17 auf den Monat
April. Am wenigsten beiheiligt waren der Monat August
mit zwei Fällen und der Monat September mit nui* einem
Falle. 26 Mal locaiisirte sich die Entzündung vorzugsweise
in dem Peritonäalöberzuge des Uterus als Perimetritis. In
6 Fällen trat schnell Exsudat ein, von welchen 3 einen
lethalen Ausgang nahmen. Bei der Section fanden wir, ausser
der aligemeinen Peritonitis, bei d^ einen Lyrophangioitis uteri,
bei der zweiten Endometritis, Salpingitis, Oophoritis und
Compression des rechten unteren Lungenlappens, bei der
dritten Endometritis und Salpingitis.
Endometritis kam 16 Mal zur Beobachtung, davon
11 Mal mit anderen puerperalen Erkrankungen complicirt
und nur 5 Mal ohne weitere Complication. Nur die beiden
oben erwähnten, mit Peritonitis complicirten Fälle endeten
tödtlich.
Endocolpitis wurde 14 Mal allein und 7 Mal mit
Perimetritis complicirt angetroffen. Die Therapie bestand auch
diessmal in reinigenden Injectionen, aromatischen Bähungen,
und wenn Geschwürsbildung vorhanden war, Bedeckeader
Geschwürsilächen mit Charpie.
Von Pleuritis wurden zwei Wöchnerinnen befallen. In
dem einen Falle klagte die VTöchnerin schon drei Stunden
nach der Geburt über Schmerzen in der linken Seite der
Brust und am folgenden Tage liess sich deutliches Reibangs-
geräusch zwischen der 8. und 12. Rippe am Rücken und in
der linken Seite hören. Durch Cataplasmata emoUientia und
in dem Entbind angsiüBtitnte etc. zn Dresden im J. 1861. 149
den innereü Gebrauch eines Infas. hb. Digital, cum radic.
Ipecac. gelang es Heilung zu erzielen, so dass die Wöchnerin
in der dritten Woche mit ihrem Kinde, welches sie stillte,
entlassen werden konnte. < — In dem anderen Falle führte
die Pleiuitis zum Tode. Die BetrefTende hatte in den ersten
Tagen des Wochenbettes eine leichte Perimetritis überstanden,
als sie in der zweiten Woche nach der Geburt von einem
Scböttelfrost und stechenden Schmerzen in der linken Seite
der Brust befallen wurde. Schon am anderen Morgen wies
die Percussion daselbst von der siebenten Rippe an Dämpfung
nach, und trotz erweichender Umschläge und des inneren
Gebrauches der Digitalis stieg das Elxsudat bis zur dritten
Rippe, so dass beträchtliche Dyspnoe eintrat Und am sechsten
Tage der Erkrankung der Tod erfolgte. Bei der Section
leigten sich beide Lappen der linken Lunge bedeutend com-
pnmirt, besonders der untere völlig luftleer. Die linke Pleura-
höhle war mit flockig eitrig -serösem Exsudat, 27^ — 3 Pfd.
betragend, angefüllt Die rechte Lunge war vollständig luft-
haltig und die rechte Pleurahöhle leer. Der Herzbeutel er-*
sehien weit ausgedehnt und enthielt ungefähr 10 Unzen Serum.
Das Herz schlaff, welk, äusserlich ziemhcÜ fettreich, Muskulatur
nur liniendick, rechter Vorhof etwas erweitert.
Harnverhaltung trat 26 Mal bei Wöchnerinnen ein
Qod hielt in einem Falle bis zum zehnten Tage des Wochen«
heiles an.
Bedeutende Metrorrhagien im Wochenbette kamen
5 Hai zur Beobachtung, wurden aber durch Injectionen von
Oijkrat nach mechanischer Entfernung der Blutgerinsel bald
beseitigt.
Profuse Diarrhoeen catarrhalischer Natur erforderten
in vier Fällen die energische Anwendung des Extractum
Üiehaicum.
47 Wachoerinnen litten an Excoriaiionen der Brust*
Warzen, gegen welche das Aufstreicben der Benzoetinctur
mit fettem Milcbrahme wenigstens soweit Linderung ge-
wahrte, dass das Stillen fortgesetzt werden konnte.
Die Heilkraft des Wochenbettes bewährte sich
auf ausserordentliche Weise bei einer Wöchnerin, welche
150 ^1^* Grenzer ^ 47. Jahresbericht über die Ereignieae
sieben Monate lang au harLoäokiger calarrhalißcijer Heiserkeit
gelitten hatte und schon am fünften Tage des Wochenbette«
ganz davon befreit wurde.
Anomalien der Keageboreaen.
Verstorben sind in der Anstalt 23 Kinder, da?on:
3 an Induratio telae cellulosae,
5 an Lebensschwäche in Folge ftoihzeiliger Geburt,
2 an serösem Ergüsse in die Hirnventrikel,
7 an Convulsionen in Folge von HirnhyperSmie,
1 an Darmblutung und
5 an hochgradiger Atelectasis pulmonum.
Die Darmblutung kam bei einem dreitägigen Kinde
vor, welches bis dahin gehörig an der Brust der Mutter ge-
trunken und sich wohl befunden hatte. Plötzlich stellten
sich blutige Darmausleerungen ein, gegen welche der innere
Gebrauch des Tannin und kalte Klystiere unwirksam blieben,
so dass schon am folgenden Tage unter den Symptomen von
Erschöpfung der Tod erfolgte. Bei der Section fanden wir
den Magen ausgedehnt mit halhgeronnenem Blute erfüllt;
seine Schleimhaut sehr hyperämisch und fein injicirt; im
Dünndärme an sechs verschiedenen Stellen die Schleimhaut
stark injicirt mit darüber befindlichem starkem Blutergüsse.
Im unteren Theile des Ileum Blut mit Fäcalmassen gemengt,
Schleimhaut hämorrhagisch erodirl. Im Colon ascendens
starke hämorrhagische Infiltration mit Schwellung des Ge-
webes und blutiger Infiltration der Druden. Im Colon trans-
versum, descendens und im Rectum Schleimhaut normal,
stark anämisch.
Cephalaematoma ward 2 Mal beobachtet. Die Re-
sorption blieb der Natur überlassen.
Bruch des Oberarmbeines ereignete sich in zwei
Fällen, ein Mal beim Herausheben d«r Schultern nach ge-
borenem Kopfe, das andere Mal beim Lösen der neben dem
Kopfe in die Höhe geschlagenen Arme des Kindes. Nach
regelrechtem Verbände mit dicken Pappschienen war die
Heilung in drei Wochen vollendet.
in 4€m JEnthiBaniiipsiastüiit« ete. te Dresden im J. lS6t. 151
Ophthalmia neonatorum kam bei 36 Kindeiti vor.
Wie froher, bestand die Therapie in Eisfomenten und Ein-
streichen des Argent. nitric. (gr. ij : Si)» ausserdem bei gut
genährten Kindern und stärkerer Entzündung der inneren
Darreichung einiger Gaben Calomel. In zwei PMlen machte
sich wegen grosser Lichtscheu und Krampf der Augenlider
die Anwendung des Eitract Belladon. (gn i : 3q Aq. destill.)
oöthig. Bis auf zwei Fälle, wo Hornhauttrübungen in grösserem
Dmfaoge zurückblieben ^ verliefen alle günstig.
Von Bildungsfehlern wurden beobachtet:
1) Bei einem übrigens wohlgebildeten und gutgenShrten
Knaben ein in der zweiten Phalanx scheinbar ge-
spaltener Daumen. Bei näherer Untersuchung ergab sich,
dsss die zweite Phalanx dieses Pingers 1m Knochen zwei Mal
vorhanden, uM diese doppelte Phalanx dicht nebeneinander
an die erste Phalanx eingelenkt war. Die obere Hälfte und
die Nägel waren völlig voneinander getrennt. Fixirto mm
die eine Hälfte, so liess sich die andere selbstständig ^ wenn
aoch nicht vollkommen, beugen und strecken.
2} Eine Phimosis congenita.
3) Hasenscharte und unvollkommener Wolfs*
rächen, welcher letzlere sich nur bis zur vorderen Bälfle
des harten Gaumens erstreckte.
Geburtsbülflichen Unterricht erhielten 21 Studirende
und 48 Schülerinnen.
152 XII- Oretuert 47. Jabretbencht Aber «He RreigniM« etc.
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Schwiingereii und Oo-
iBeatand am 31. Dec. 1860.
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-^, . - ., 31 * '^ ^ « CO 'J) IJ
^
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6 Schwang, u, 14 Wöohner
t* * . t; a * ü
d «ä i ^^ *3 o ^: «» &, - ^^
im. MotiseB avs 4er Jovinal- Literatur. 153
xm.
Kotisen aus der Journal-Literatur.
Bimpam: Ein Fall Ton Extraaterinscbvrangerschaft.
(Mitgeih. in d. SiUiing d. £dinb. Obstetr. Soc. vom 29. Jnli 1863.)
Eine 33 jährige Fr»a, seit 14 Jahren verbeirathet, Motter
?•■ seehs Kindern, am 25. December 1862 anletst menttrnirt.
Bceki Wochen spSter heftiger Sehmen im Rucken und in der rechten
Sfite des Unterleibes. Solche Schmeraparozysmen kehrten von Zeit
m Zeit wieder. Am 86. April 1868, knri nach einem solchen, sah
tU &, £nid den Ute ras yergrössert and konnte die Sonde b"
«•it einfahren. Hinter dem CoUam fühlte er eine fiuotoirende
Oesekwalst; bei der Aascoltation des Abdomen nahm man. die
HentSne eines Fötns deatlich wahr. S, stellte die Diagnoee auf
^itraalerinsehwangersehaft and pnnctirte die Geschwnlst mit
•iaesi gekrümmten Troicart, nm die Fracht 'dareh Entleeren
Im Aanionwaaaera inm Absterben an bringen. £s entleerte sich
•twa eine Finte dnnkler Flfissigkeit. Am Morgen des. dritten Tage«
Wfttgster Schmers im Leibe, Pols 140, klein. Dreissig Standen
Mckher Tod.
Die Autopsie ergab, dass in der Banohhöhle etwas donkle
nSssigkeit enthalten war. Der nntere Theil des Omentam
•ihirirte am Fnndos nteri. Das Peritonänm neigte Sparen frischer
£atsändang, besonders Aber den Dünndärmen. Der Fötas lag
ia einem Ton dem TergrSsserten' Uterns, den breiten Motter-
biadera, der Beckenwand, der Flexara sigmoidea des Colon and
4tBi Mesocolon gebildeten Sacke , die Flexara sigmoidea adb&rirte
SB Fnndns ateri and an den Ligamentis oyarii and lag fast
heriaontaL Die breiten Matte rbänder and die Flexara sigmoidea
waren stark aasgedehnt and verdickt. Die Ovarien konnten nicht
ftinden i^erden. Anch^die Taben warden erst nach Oeffnang
isi üteras bemerkt. Sie waren beide so eng, dass sie nnr für
•iae dicke Schweinsborste durchgängig waren und lagen der Wand
des Sackes 6" lang an. Der Fötus schien sechsmonatlich und
wsrli'^ lang. Er lag mit dem Steisse nach anten, seine vordere
Seite sar linken Seite der Matter gewendet. Die Nabelschnur
«ar UVt" lang- Die WharUm*8che Salae schien an fehlen. Die
Plaeenta war breit nnd dfinn und sass auf der hinteren Wand
dee Uteras, dem linken breiten Mntterbaade, den WeichtheitoB
der Unken Beckenseite, der Flexara sigmoidea dee Coloo und
den oberen Theile des Bectnm. Die Plaeenta aeigte nnier dem
Mitkroekope Zotten, war aber lockerer und schwammiger als
104 XIII. NotiseB mnt i«r Jovmal-LHcrjitar.
gewöhnlich. Eine transparente Haut bekleidete die innere Seite
der Placenta und des Sackes. In ihr Tersweigten sich die
Umbiliealgefftsse, bevor sie Sn die Placenta eindrangen. Der
Uterus maass ftusserlich in der LKnge 7", in der Breite 3'//'.
Die Wand war 1" dick. £r .war blass fleiscbroth, zeigte Tiele
platte Maskelfasern. Das Innere des Uterus war mit einer
dunkelrothen Substan« von Hirnconsistens bedeckt, welche ans
Areolargewebe, kleinen BlntgefXssgweigen, amorpher Masse und
Fettmolecülen bestand.
(Edinb. Medic. Journal, MftrE 1864.)
B. S. Schuüze (Jena): Eine Extrauterinschwaoger-
scbaft.
Eine S7jährige Dienstmagd, welche schon ein Mal reget-
mftssig geboren hatte, empfand bereits sieben Wochen nach der
«weiten Conception heftige Schmeraen im Unterleibe mit Harn-
beschwerden, welche mit Unterbrechnngen die Schwangersehafl
begleiteten, besonders nachdem sie im siebenten Monate einen
Stoss auf den Unterleib erlitten and eine schwere Last getragen
hatte. Mit diesen Schmerzen kam sie in *die Anstalt und ergab
die Untersuchung eine todte Frucht und eine Abdominal-
schwangerschaft etwa im achten Monate. Unter niehrfaehen
fieberhaften Erscheinungen nnd bedeutender Abnahme der Krüfte
bildete sich eine Durehbrnehsstelle des F-^nssaekes nach aussen
und bald darauf nach der Urinblase, aus welcher Jane^e «nd
einaelne kleinere FStusknochen allmHlig abgingen , wHhrend Urin
auch aus der BanchdiVkinng abfioss. Nach Ungerem Abwarten
entsehlosB sich 8. cur Erweiterbng der Bauchöffnung und entfernte
den grössten Theil der Knochen, während eine Ansahl derselben
snrdck gelassen werden musste, weil sie an fest eingebettet waren:
jedoch etwas spttter konnten auch sie entfernt werden. Unter
sehr wechselnden, h&ufig sehr bedrohlichen Erscheinungen hellte
sohliesslich die Oefflanng su und vollstttndige Genesung erfolgte.
(Jenaische Zeitschrift ffir Mediein n. NatnrWissensebnlt,
1864, Bd. ]., H. 8, 8. 881.)
Alfr. Ott: Extrauterinschwangerschaft
Die Mittbeilong des Verf. kann aU abermaliger Beitrag awr
Olagaoatik dieses TerhlUtnissmäasig seltenen kruikhafien Zustande«
anfetefann «erden. Der Fall betraf eine 86 Jährige Frau, welehe
ter aoht Jaliren ein Mal geboren hatte and bis vor fünf Menatea
regelmftaaig menstrairt gewesen war. Dann a'wei Monate Ans->
bleiben der Menses. Wfihrend demen leichte AnechweUttng ia
XIII. NoiiBeD AUS der Jonrnül-LtterAUr. |56
to rechtMi In|raioai|^KeDd. Nftch dem sweiteo Ifotiat« pfofoae
11 «trorrbsgie , aacb Antaag^e des danaala behandelnden Antea^
«TbaÜenekainug daa bald daraaf arfo Igten Abort*. Trotndem
bliab die Ansehwelking in Glelehen; Fröste mit Hitse abwechselnd,
Appeütrerliiat, steehender Schmerc, Breehneigang, Breeben tob
frialldier Fläsaigkeit stellten sich ein. Die Schwellang nahm n«.
Kaebezie» Oedem der unteren Kxtremitüten worden bedeutender.
Bei der Aufnahme in*B Krankenhans fand sich der Unterleib in
4sr rsehten Untnrbanchgogend kugelig vorgewölbt , etwas empfind-
lich. Ton der reehten Spina il. ant. snp. nach dem Habel und
der Symphyse erstreckte sieh ein massig resistenter, stellenweise
laeteireader , Däropfongston gebender Tumor. In der Tiefe des
Uiterleibee Flüaeigkeitsansamrolnng. Uterus milssig Tergrössert,
Bsch ?om nnd links verdrängt, Vaginalportion etwas verkürtt
■od geschwellt. Nach^ rechts und oben, von der Vagina aus ein
gieiehmissiger , etwas empfindlicher find beweglicher Tumor.
Die Diagnose wnrde auf ein Cystosarcom des Ovariums
fflit Peritonitis (nach Abort) gestellt. Unter Obstipation,
Meteorismus, Hydrops, CoUaps, später Erbrechen, Diarrhoe und
Verlast des Bewnsstsein starb die Kranke. Im Peritonftam fonden
•Ich 6 Pfund eines schwaralich • grauen , grob -krümeligen Inhaltes.
Dmm grosse Nets an die innere Bauchwand angeheftet. Im unteren
Beckenraum ein viermonatlicher Embryo. In der rechten £z-
eevatio retronterina sitst die Plaeenta theils am Uterus, theils
aa dar in ihrem sweiten Drittel geborstenen Tuba. Uterus
peweeranaengToss , leer. Hiernach wurde als pathologisch*
aaatemiashe Diagnoae anfgestellt: Rechtsseitige Tnbar-
lebwangeraehaft mit Ruptur, Extravasat nnd Pari-
tenttis.
(Prager Med. Wochenschrift, 1864, No. 12.)
Adolph NeustadÜ: Graviditas extrauterina.
Verf. wurde am 28. Juli 1863 zu einer Frau gerufen , welche
lebon seit etwa vier Wochen an Magenschmeraen nnd Erbrechen
erkrankt war. Sie klagte bisher über Mattigkeit, Kopfschmers,
konen Athem und Polymenorrhoe, Als Verf. die Patientin sah,
fand er sie über starke Leibschmersen klagend. Schon die leiseste
Btrfibrung der Magongegend war schmershaft, die Kranke war
Maieh, fast wachsgelb, die Temperatur niedrig, der Puls klein.
Ca war, nachdem die Frau Tropfen genommen hatte, .welche
■ickt aiher bekannt waren, ein unwillkürlicher Stuhl abgegangen,
der ebne Blut gewesen sein soll und auf den das Erb re ehern
■aekgelaseen hatte.
Bisher war die Kranke vom Verf. — mehr beilKnig — auf
CardlalgSe und Chlorose behandelt worden. Jetzt lenkte sieh
156 XIII. Notis«n aas der JonroBl- I^ter'ntar.
die AufmorkaainkeU des Arites — bebnfs FestsleUmg eiaor
Dtftgnose — auf die Annahme einer inneren Blutung. Ein per-
forirendes Magengeschwür mit Arrosion grösserer GefKsse blieb
wegen des Mangels von blntigen Abgängen sweifelhaft. Ebenso
stand es mit der Annahme einer Vergiftung. Ohne sieh mit
Bestimmtheit su entscheiden, verordnete N. Morphium in einer
Oleosa, um sunächst die Scbmersen su mildem. Als y. nach
knrser Entfernung wiederkehrte, was Patientin todt.
Bei der Section fand sich die Bauchhöhle von flnssigera
Blute und Blutcoagulis erfüllt. Nach Entfernung derselben fand
man am äusseren, stumpfen Ende des rechten Eierstockes einen
adhärirenden fremden Körper, dessen äussere, gei&ssreiche Hnlla
an einer viertelguldengrossen Stelle durchbrochen war. Beim
Oeffnen dieses birnformig^n Körpers fand man einen swei Monate
alten Embryo. Der Uterus war ohne eine Spur von Schwanger-
sohaftseeichen. Die übrigen Organe stark anämisch.
(Prager Med. Wochenschrift, 1864, No. 19.)
MaUhewe Duncan: Gomplication von Haematocele
mit Extrauterin seil wanger Schaft.
(Mitgeth. in der Med. -Chir.- Society of Edinb., 2. Dec. 1863.)
Der mitgetheilte Fall betraf eine verheirathete Frau, die
schon mehrmals geboren hatte. 37, Monate vor ihrem Tode
hatte ihre Menstruation cessirt, ein Monat vor demselben war
sie wiedergekehrt. Gleichseitig hatte sich Frösteln , Fiebern und
Schmers in dem hinteren, unteren Theile des Leibes, besondere
rechts, eingestellt. Bei ihrer Aufnahme in*s Hospital, wenige
Tage vor dem Tode, war der Blutfluss noch Torhanden. Zwei
Tage vor dem Tode hatte der Schmers siemlich nachgelassen,
selbst die Berührung des Leibe« wurde leichter ertragen. Plötslich
bekam sie ausgedehnte Peritonitis. Nach 36 Stunden war sie
todt. — Die Diagnose war auf Haematocele mit plötsUcher Ruptur
in die Bauchhöhle gestellt.
Die Autopsie ergab Folgendes: Im Hypogastrium das Gefühl
Ton Spannung und Völle. Percnssionston bis 3" über das Scham-
bein gedämpft. Fundus uteri nach vorn gedrängt. Cerviz etwas
TergrÖssert. Uterus hypertrophisch, seine Höfale nicht verlängert.
Im dem hinteren Theile des Beckens fühlte man Resistens und
in der Mitte einen umschriebenen, massig weichen Tumor. Die
Peritonäalböhle enthielt eine Quantität Blut. Das Peritonäuin
bot die Zeichen acuter Entzündung und frischer Adhäsionen.
Rechts fand sich ein vom horisontalen Schambeinaste sur Crista ilei
reichender, aus dem Peritonäum, Adhäsionen und Dünndärmen
gebildeter Sack vor, welcher sieh auch nach links erstreckte,
wo er sieh frei in die Peritonäalböhle öffnete und vorn von Därmen
r
XIV. JLUeratur. 157
'ntit€kt war. Der Saek enthielt v blotiere Flfleeig^eit. Beim
Zerficklegeii der Därme bemerkte man eine mit einer Diinndarm-
•eUiage Teiidthete Geechwulet entsprechend einer etwas platt-
{edraekten Orange. Diese Geschwulst war sobperitonäal awischen
in oberen Theilen des Utems und Os sacrnm gelagert, aeigte
roni aalen eine Bnptar ond enthielt geronnenes Blnt und einen
ksam sweimonatlichen, in beginnender Zersetsnng begriffenen
Embryo.
(Edinb. Med. Jonm., Jan. 1864.)
Weber (in Lemberg): Uterusfibroide mit Schwanger*
»chaft
Verf. theilt mehrere derartige Fälle mit, von denen der
•rste besonders interessant ist. Dae Fibroid hatte sich schnell
la sehr grossem Umfange entwickelt, so dass die Frau am Ende
ikrer Schwangerschaft an sein glaubte, das Fibroid hatte in der
Tbst die Grösse des Ute ras kurs Tor dier Geburt. Die Schwange r-
«ehaft bestand jedoch erst Tier Monate als heftige Blntnng eintrat
«od sich ala Grund hiervon Placenta praevia seigte, nach deren
ktastlieher Entfernung das Wochenbett normal verlief, während
dai Fibroid anverändert blieb. Im dritten Falle verschwanden
nekrere kleine Fibroide des Uterus, welche deutlich durch die
BsQchdecken hindurchzufühlen gewesen waren, unter dem In-
rolotionsprocesse eines Puerperalfiebers. Im vierten Falle konnte
Verf. ein wahrscheinlich unter der durch die Wendung vollendeten
Gebart abgestossenes mannsfaustgrosses Fibroid mit der Placenta
entfernen.
(Wiener Medicinalhalle, 1864, 43.)
XIV.
Literatur.
Eug. Dutoit: Die Ovariotomie in England, Deutsch-
land and Frankreich. Würzburg, Stahel. 1864. 8.
X und 237 S.
Veranlasst durch den Aufschwung, welchen in neuerer Zeit,
saaieatlich in den Nachbarstaaten England und Frankreich, die
behufs des ausiurottenden Eierstockes unternommene Laparotomie
geeommeu hat^ giebt Verf. den noch immer zaghaften deutschen
158 ^IV- Literatur.
Gynlkologea ein tabellariffches Verseielmifta derjenli^n Oopli«ro
toinaen tn die Hand, welche Ton 178t bis Ende Ootaber des
, Jahres 18fö in genAnnten Lündern ansgefährt oder wenigviene
in der Absicht der Exstirpation angefangen worden sind. Zwar
besitsen wir schon mehrere derartige Tabellen, doch ist theilt
in den letzten sechs Jahren keine tabellarische Zusammenstellang
veröffentlicht worden, ein Zeitraum, welcher camal an gSnstigen
Fällen reicher denn ein anderer ist, theila ist das Material nnter
neuen Gesichtspunkten zusammen gefasst und nnter Verwertbung
der jüngsten Erfahrungen auf diesem Gebiete der Chirurgie zu
Schlnssfolgernngen benutzt worden. Verf. schloss einen grossen
Theil der amerikanischen Fälle von diesem inductiTen Vecfabren
aus und zog nur die allerdings immernoch zahlreichen Operationen
der wenigen zuverlässigen Berichterstatter unter den trans-
atlantischen Aerzten in den Kreis seiner Betrachtungen.
Nach bibliographischer und geschichtlicher Einleitung^, in
welcher die bertihmte Discussion in der Pariser Akademie benutzt
ist, schildert Verf. kurz die jetzt gebräochlichsten Operations-
methoden nebst der wichtigen Nachbehandlung. Die Tabelle
zerftllt in folgende Unterabtheilungen. I. A. totale, B. partielle,
C. aufgegebene, D. Exstirpationen anderer Geschwülste des
Genitalapparates, E. wegen falscher Diagnose ganz aufgegebene
Operationen. II. Die NationalitHten: Frankreich, Deutschland,
England, Amerika, übrige Nationen. Auffällig bleibt immer das
auch an betr. Orte motivirte Unglück der deutschen Operateure.
Verf. dringt aufbessere Ventilation der Krankenzimmer. III. Das
Resultat: a) Genesungen, ß) Todesfälle. Abweichend von Clay^
welchem Verf. in der übrigen Anordnung wesentlich gefolgt ist,
hat er die chronologische Reihenfolge vorgezogen. Die Tabelle Ä.
ist eine kurze Statistik in Betreff des Alters, des Gesundheits-
sustandes, der Dauer der Krankheit und anderer wichtiger Punkte
beigefügt. Den Schluss bilden zwei Zusammenstellungen über
die Dauer der Genesungszeit, über Zeit und Ursache des Todes.
Im Ganzen sind 742 Fälle in Betracht gezogen.
Die Ausstattung dieser fl^iseigcn Arbeit ist nicht übel.
ff, Luschka: Die Anatomie des menschlichen Beckens.
(2, Abtb, H. Bandes der „Anatomie des Menschen'' desselben
Verfassers.) 8. Mit 62 Holzschnitten. Tübingen 1864.
X und 420 S.
Dieser äusserlich höchst saubor ausgestattete und mit gehörig
grossen Lettern, also leserlich gedruckte Band möge hier insoweit
Besprechung finden, als er sich über die Verhältnisse des weib-
lichen Beckens und seiner Eingeweide verbreitet.
XIV. LHerainr. 160
Mit clMmsovf«! 0«]«brMmk«it «b Humor träe^t Verf. nicht
■w dft« rein Andomiaehe, sondara aufh diejenig^en äXtee vor«
«tleha dem Palholosfen nsd nanentUob dem Fraaenariite praktitehe
ABkaJtepankte geben; überall wird aueh auf Entwieketnngt»
feaebiebte, Teratologie «od Gebnrtslefare gebabrende Rücksicht
feiOBoea. Dia in den Text geschalteten HoUschnitte lassen
■iebts sn wn Sachen tbrig.
Bei Anlaaa der Raeeneigenthnmlichkeiten des menseh»
lichea Beckens , anf deren anefilhrliohere Besprechung Verf. swar
ä. 7 TertrSstet, welche aber in Tarliegendeni Bande nicht an finden
Utf wird aneb der Steatopygen unter gewissen Bewohnerinnen
Sidafrikas gedacht und dabei bemerkt, dass dieses besonders
Bseb der ersten Schwangerschaft auftretende colossale Fettpolster
allein die Vemnstaltnng der Hottentottinnen au Stande bringe
Mi oh der kndehemen Grundlage nichts sn scheffen habe. Die
BstraehtBSg der känstlieh nachgebildeten V^nus hottentotte jedoch
lehrt schon, dass der Lendentheil der Wirbelsäule ungewöhnlieb
saeb TÖm gesebeben und der Bauch entsprechend herabgetrieben
ist Ree. naehte Prof. Lambl darauf auftnerksam, dass das
knScheme Gerüste jenes Weibes im Mas^e du Jardin des Plantes
ia Paris so aufgestellt ist, dass das Hecken desselben eine
beginnende Spondjlolisthese selgt. Leider fehlen an diesem
isteressanten Skelette die Bendapparate. Lambl versprach, die
Sache geuaner untersuchen su lassen. Aus einer Stelle in den
ifebives g^n^ralee gebt hervor, dass dies geschehen iet. Man
erwartet also weitere Anfsohlvsse.
* Die von Verf. entdeekto Steissdrüse ist im Allgemeinen
8. 80, spSter noeb aosfäbrlieher abgehandelt. Daran knüpft
deb der Hin weis auf den wahrsoheinliofaen flnsammenhang der
Coeeygodynie mit Beleidigungen dieses Gebildes.
Das Wort „perioenm'*, für welches Vetf, passender nack
Qrmaf „interfo ramin enm'^ vorschUgt, wird etymologisch eriamtert
nd nicht für identisch mit „Damm« erklftrt; Verf. aerfällt das
Mittelietseh in die Regio uro -genitalis und R. analis* Ebenso
wird die Uebersetanng des Os sacruin (i. e. latom) mit „Heiligenbein**
tarfiekgewiesen.
Diiii*r*s Lnmbosacral Wirbel ist nicht ein entarteter oberster
Kreiswlrbel (BiaiU), sondern stets unterster Lendenwirbel (Bodei-
iUmnsr).
KiUam*B Btaobel, der auch am männlichen fieeken vorkommt,
ist weder pethologisohen Ursprungs, noch höher entwickeltes
Toberculum ileo-pectineum {Lambl), sondern rührt von dem
sisaakauweise auf diese Stelle concentrirten Ansatse der Sehne
des Psoas minor her.
Die Verhiltnisse der Kreusdarmbeinverbindung als eines
Wahren Gelenkes wurden schon früher von E. Weber demonstrirt,
»ie Reo. seiner Zeit erwähnt hat.
160 ^I^- Literatur.
Die Zerrung des Lii^sm. saero-eocejgteum pociiean pro-
fandniD, als des breiten Endes der Dam ninler spinalU« bei
grewinen SteiMbeinTerrenknngen darf dem Qynttkolo^n gegen»
wärtig sein.
8. 381 heisst es bei Gelegenheit des Kapitels der EierstSeke:
ff Nach den beim menschlichen Geschleohte gemachten Erfahrungen
erscheint die Ton Pflüger aofgestellte Ansicht, dass der normale
Vorgang der Oeffnnng des Follikels Überhaupt ohne jede Blntnng
▼or sich gehe, fUr dieses gSnslioh nnsatreffend."
Anf die Controverse wegen der Beschaffenheit der Sehleiro*
^hant des Eileiters wird Rec. ansffihrlicher in den « Ver-
handlungen der medicinischen Gesellschaft sa Leipsig' tnruek-
kommen (II. Band). Die Annäherung des Abdominalendes der Tuba
an das su empfangende Oynlum geschieht nach der Ueberseugung
des Tflbinger Anatomen, welche theils auf Exclusion, Iheils nnf
Entdeckung der Mm. attrahentes tubae et oyarii beruht, durch
muskniare Verkiirsnng, neben welcher bei ^ Ueberwandenuig
eines Eies * gelegentlich auch die Zwiscbenlagerung einer Darm*
schlinge in^s Spiel kommen kann. Ein lehrreiches Beispiel tob
Ueberwanderung giebtVerf. nach eigener Anschauung 8. 35t.
Ueber den M. retractor uteri LumUmi*s, jener sum Theil
selbfltstttndigen muskulären Verstärkung der Ligam. reeto * uterina
ist schon frfiher in diesen Blättern berichtet worden.
Arteria uterina aortica nennt Verf., sumal während
der Schwangerschaft, mit Recht die sog. A. spermatica . interna
(orarica); S. 376 führt er ans, warum Compression der Aortn
in der letsten Gebnrtsperiode rorkommende Blutungen kaum su
▼erriugem vermöge — nämlich wegen der Anastomosen.
Bei den Nerven der Gebärmutter wird auf die schönen
Arbeiten R. Lee*B mehr Rücksicht genommen , als denselben selbst
in England lu Theil geworden ist. Bec, welcher L6S*6 Präparate
gesehen hat, stimmt mit Verf. darin überein, dass in der
Schwangerschaft das Volumen der Uterinnerven haUptaäcblieh
auf Rechnung der unverhältnissmässig mächtiger werdenden binde-
gewebigen Htille snnimmt. In der Uterinsubstans selbst konnte
LuaeKka Ganglien bisher noch nicht ausfindig machen.
Auch für den Scfaeldenmund hat Verf. einen Sphincter
(▼aginae) dargelegt; dieser Muskel gehört su den willkäriiehen.
Die Zergliederung der menschlichen Fascten war von jeher
eine Stärke des Verfassers, so auch die der Beckenbinden;
anerkennend wird eine Leistung Linhart^s anf diesem Gebiete
erwähnt.
Die Ton uns heryorgehobenen SKtse werden genügen, den
Werth des Buches den Herren CoUegen voreutragen.
C. Hennf^.
XV.
Geburtshttlfliche Studien.
Ton
Prof. Dr. Alois Talenta in Laibach.
L Gn Beitr99 zur Lehre vom sehrSfi-verengleii Becken.^)
(Vit Bwei Abbildon^n.)
Hit Bezugnahme auf Prof. Lüzmann's gediegenen Aufsatz
im vorigen Aprilhefle der Monatsschrift für Geburtskunde und
Frauenkrankheiten erachte ich es als Pflicht, durch Ver-
öffeollichung der nachfolgenden Zeilen auch ein kleines Scherfl^in
ZBT Lehre yom schräg -verengten Becken beizutragen, indem
eioe jede diesbezügliche Mittheilung meines unvorgreiflichen
Crachtens nur erwünscht sein durfte.
Bmte Bfehtchtaag.
Ein durch Luxation im rechten Hfiftgelenke schräg-
verengtes Becken sammt hochgradiger consecutivei*
Atrophie der ganzen rechten Beckenhjilfte Bn<l
rechten unteren Extremität. Zangenoperation.
Am 14. December 1862 trat eine gewisse Katharina J.
afs Binkelj, eine 27 jährige Primipara laut Protocoll No. 62
in die AnstaK ein , und fie) uns gleich bei ihrem Kommen
ok ihres stark hinkenden Ganges anf, als dessen Ursache
sieh schon bei einer oberflächlichen Untersuchung eine ah-
oonne Besehaffenbeit des rechten Hfiftgelenkes erkennen Hess.
Die alsbald vorgenommene genauere Untersuchung der Wirbel-
te und des Beckens ergab folgendes Resultat: Die Lenden-
virbelsärie war nach rechts stark scoliotisch; rechts sieht
1) Vorgetragen im Vereine der Aertte «n Krain.
ÜOMtnckr. f. 0«bartak. 1866. Bd. ZXV., Hfl. 3. ^
162 XV. VaUnia, Oebnrtflliulfliehe Stad»toB.
und fühlt man ein auffälliges Herausragen des Troclianter major,
derselbe war nach rfirkwärls 4" b*" von der Spina ant. siip.
oss. iL zu fühlen, einwärts vom Trochanler war eine Grube
fühlbar und ganz besonders beim Gehen siebtbar. Beim
Bewegen des rechten ' Fusses (Beugen und Strecken) war
deutlich ein crepitirendes Geräusch im Hüftgelenke wahrnehmbar,
welches fortwährende Krachen auch die Schwangere selbst
heim Gehen stets zu fühlen angiebt. — Der Gang ^selbst war
sehr beschwerlich kniebohrend, der rechte Oberschenkel und
demgemäss die ganze Extremität derart nach einwärts gerolll,
dass die Zehen stets in Gefahr kamen, l>eim Gelien an den .
linken Fuss anzustossen (dies wahrscheinlich der Grund,
weshalb sie sich bis in die letzte Zeit mittels eines Hand-
wägelehens herumNIhren liess, denn weder beim Gehen nod)
sonst, wie beim Drücken u. s. w., gab sie eine Empfindlichkeit
an). Bei gestreckten Extremitäten stand die rechte Ferse
1" 3'* höher als die linke und war die rechte Patella bei
1" 6^ hoher als die linke, dagegen war die linke Crista
oss. ilei um 1" höher als die rechte. — Endlich fiel einem
beim ersten Anblicke der immense unterschied in der Ent-
wickelung der beiden unteren Gliedmaassen auf, indem dtP
ganze rechte nahezu um die Hälfte schwächer war als die linke.
Die geburtshulf liehe Untersuchung liess den Gebärmutter-
grund bis zu den rechten Rippen reichend erkennen, der
Fötus hatte eine erste* veniaderliche Schädellage inne; der
Fornix vaginae war schlecht entwickelt; Portio vagin. uteri
Aber V« Zoll lang, nach rechts hinten liegend, Orificium ext.
für die Fingerspitze offen, im Uebrigen sänimtliche Weich-
theile sehr weich und gut aufgelockert. Das Promontorium
leicht erreichbar, die Diag. conjugata maass 3" 9'\ die
Linea terminalis rcchterseits geradlinig; das Sleiss-Kreuzbein-
ende hakenförmig aufgekrümnU , auflallig stark nach rückwärts
ragend, so dass der gerade Durchmesser des Beckenausganges
nicht mit den Fingern gemessen werden konnte ; ebenso erwies
sich der Schambogen als ein weiter.
Die Ananmese ergab, dass die ScJiwangere bis in's adite
Letkensjahr immer frisch und gesund gewesen, damals soll
sie gestürzt (wie?) und hierauf sehr lange Zeit bettlägerig
gewesen sein und seitdem habe sie nicht mehr frei gehen
Xy. ValmUa, OeborUhfilfliebe fiindien. IQß
-kfloiieii. Da sie sieh als NäbU^rio ihr Brod verdiente, ward
sie roD Haus zu Haus mittels eines Wägelchens geführt.
Die Diagnose lautete auf Schwangerschaft im neunten
Hftnale, ein sehräg-Terschobenes Becken in Folge von Luxation
■nd Atrophie der rechten .unteren Körperhalfte ; — da sich
jedoch der Grad der Verengerung als ein massiger herausstellte,
ward bescblossHi, den natörlichen Eintritt der Geburt abzuwägen.
SdNB hier iduss erwähnt werden , dass die Schwangere eine
imgdieuere Angst vor der Geburt hatte und wiederholt die
Aenserung fallen Hess, sie werde sicherlich im Spitale sterben.
Am L Januar 1863 um 8 Uhr fr Ah meldete sich selbe
ab kreissend , und mit ihrem Eintritte in's Kreisszimmer er-
Mgte der Blasensprang und Abfluss einer reichlichen Menge
missfarbigen Fruchtwassers; die Weben waren so kräftig,
dass der bei ihrem Eintritte 2" messende Muttermund um
8^/4 Dbr früh bereits schon verstrichen war ; das Kind hatte
fine zweite Schädellage inne; die inneren Geschlechtswege
wirai auffällig heiss (29,5^ £.) und die Mutter fieberte sehr
heftig, ihr Puls zählte 130 Schläge. Auf Befragen gab sie an,
äich schon T^s vorher sehr übel befunden zu haben. -~ Unter
so bewandten Umständen schien es räthlich, den Geburts-
verlauf zu beschleunigen, es wurde daher um 9 Uhr 5 Minuten
die Wiener Schuizange an den fast querstehenden Kopf
— die kleine Fontanelle war nach rechts und etwas nach hinten
nhibar — ina rechten schrägen Durchmesser angelegt und
lach einigen Tractionen 10 Minuten später unter erfolgreicher
fahAHenahme der Episiotomia bilateralis ein scheintodte«
lind extrafant, welches alsbald belebt wuixle. Die 25" lange
Nabelschnur war vielfach um Hals, rechten Vorderarm, untere
Rimpfhälfle und linken Puss gewickelt, nicht pulsirond und
bei ihrer Durchschneidnng floss nicht ein Tropfen Blut heraus.
Das Kind (Knabe) war unreif, bei einer Kopfperipherie von
12*6* maass der gerade Durchmesset* 4" 6'" und. der quere
3* 4', es Start» am fünften Tage nach der Geburt am
ktenis maligmis (Meningitis purulenta et Pieuropneumonia). —
Die Mutter wurde alsbald transferirt und erlag am zwölften
Tige nach der Geburt dem damals grassirenden Puerperal-
fMier (EndometriCis septira, Salpingitis sinistra, Ahscess in
d«r Koken Niere).
11*
164 SV. Val0Ua, Gebortshaiflicha Stoditfo.
Beschrelbttng des skelettirten Beckens.
(S. Flg. 1 u. 2.)
Gleich beim ersteo Anblicke fällt einem die ungleiclie
EnCwickeluiig der Knochen in den beiden BeckenhälGLen auf; —
während die Knochen der linken Seite alle Zeiehen nonnafer
Beschaffenheit an sich tragen, smd offenbar selbe der recbiett
Seite, wo die Luxation sattgefunden hat, atrophisch. Deckt
man 6ie linke Hälfte so zu, dass man nur die rechte Seile
sieht, so glaubt man das Becken eines nicht ausgewacbsenea
Mädchens vor sich zu haben, icli möchte Rokitansky'^ Ausdruck
wiederholen, so abgemagert sind die einzefaien anatomischen
Theile des Hüftbeines, so sind insbesondere das Scham- Hnd
Sitzbein verjängt. — Das rechte Darmbein hat eine verticale
Riclilung, senkrecht steigt dasselbe in die llölie und hat
keine Sfönnige Krümmung, während die linke Darmbein-
schaufei sich nach aussen abflacht und S förmig gekrümmt ist«
Die Platte des redeten Darmbeines ist 3'" unter der etwas
nach innen gerollten Crisla (Fig. 1, a) so durchscheinend
dünn, wie feines Papier, so zwar, dass es daselbst beim
Drucken wie Pergament knittert. — Die Tuberosttas ileo-
pubica dexti*a ist zu einem fast 4'" hohen spitzen Stachel
umgewandelt, während dieselbe linkerseits ganz abgeflacht ist
und ein auflallig breites Pfaonendach bildet. — Gerade dort,
wo der Körper des Darmbeines mit dem Körper des Sitz-
bemes verschmilzt, 3" 10'" ober dem rechten Sitzlmorreu,
der stark nach aussen gezogen ist, liegt die neue ovale von
unten nach oben massig concave, im Höhendurchmess^r V 2"'^
im Breitendurchmesser 1" messende Gelenksfläche (Fig. 2, a),
während die vollkonunen nach vom sehende (von Fett und
Bindegewebe ausgefüllt gewesene) alte Gelenkspfanne (Fig. 2, b) .
eine dreieckige Gestalt bat, \" h'" in der Breite und, 1" 3'"
in der Höhe uiisst und um b"' seichter ist, als die linke
Planne, welche eine ganz normale Lage und Beschafflepheit
hat. — Das Kreuzbein, welches aus vier Wirbeln besteht, ist
vulUg gerade gestreckt und nimmt eine RidUung von vorn
imd oben nach hinten und unten und ist am unteren Eude
mit dem aus drei Stöcken bestehenden Sieissbeine haken-
förmig aufgekrumml. Während die linke Hälfte des Kieuz-
XV. VaUfUa, OeburUhiilfliche Studien. 165
beiBes normale Dimensionen hat, ist dessen rechte Hälfte
dem diesseitigen Hüftbeine entsprechend in der Entwickelung
zurückgeblieben, ?on der Mitte des Yorberges gemessen hat
der rechte Flügel 2" 2'" gegenüber*d(5ni 2" 6'" messenden
finken. Das ganze Kreuzbein ist u/n seine verticale Achse
derart gedreht, dass das Promontorium gegen die rechte
Beckeobäine sieht, — die Lendenwirbelsaule bildet eine
Scoliose nach rechts.
Der Zartheit der Knochen entsprechend ist auch die
rechte Beckenhälfte bedeutend niedriger als die linke; die
Linea terminalis, in der Gegend der rechten Ileo-sacral-
Symphyse etwas geknickt, ist dann derartig geradlinig gestreckt,
dass die Mille der Schoossfuge SV«"' nach hnks abweicht,
neon man eine Senkrechte von der Mitte des Yorberges gegen
die vordere Beckenwand zieht ; es bildet somit die Grenzlinie
L e. der Beckeneingang ein Ovoid, dessen spitzes Ende in
den rechten Beckenwinkel fallt.
Der Beckeuausgang ist aulTällig weit, insbesondere ist
der Schambogen sehr breit und vorzüglich rechts fast flach
2U nennen ; das Kreuz - Steissbeinende ragt stark nach hinten
und beide Sitzhöcker sind nach aussen gezogen.
Ueber die Räumlichkeit der einzelnen Beckeugegenden
giebt nachfolgendes Messungsresuitat den bündigsten Aufschluss :
ZoULin.
Von reehten Sitzknorren zur Spina post. sup. ose. il. sin. 6 9
Ton linken Siteknorreii zur Spina post. sup. oss. il. dexl. 6 6
voA reebt^B Sitskaomn sur rechten Spina po»t. sup. ots. il. 6 5
vtB liakea Bisknorren cur Unken Sfpina post, aup. o««. il. 6 1
voa der linken Spin^ ant. enp. oss. iL bis zur reckten
Spina post. sup. oss. il. . 8 9
▼OD der rechten Spina ant. snp. oss. il. bis zur linken
Spina poft. lüp. 000. il 7 9
TOB Stsehelfortftftee des letnten Lendenwirbels bis znr
reekten Spina ant. snp. oss. iL 6*6
vom Stachelfortsatse des letzten Lendenwirbels bis zur
linken Spina ant. snp. oss. il 7 4
ven Staebelfortsatse des vorletzten Lendenwirbels bis
iVi" ober Spin. post. oss. iL sin 1 7
▼OB Stachelfortsatse des vorletiten Lendenwirbels bis
ly," ober Spina post. dext 2 3
▼OQ aoteren Rande der Schoossfuge bis zur Spin. post.
•Qp. oss. iL dext 5 11
166 2^- Vaienia, GebnrUbGlfliehe Stadien.
zon Ua.
Tom ante reu Rande der Schooisfage bis snr Spina post.
sap. OS8. il. sin. 6 —
Conjogata externa 6 9
Distanz swischen Spin. lAt. snp. oss. il 8 9
n , post , , il 3 —
, f, Crietae oae. il lO 1
9 „ Spin. snp. ant «t post. dext 6 3
9 9 »»99» ■*■ 6 8
Am Beckeneingange:
Conjngata vera 3 8
▼om Verberge eine Senkrechte naeb vom 3 6
rechte schrige Durchmesser 5 3
linke « i. 4 10
Querdarchroesser 5 4
rechte Mikrochorde 2 tl
linke „ 3 5
Distant. tnberc. ileopab 4 2
In der Beckenhöhle:
Die Beckenweite 4 5
die Beckenenge 5 —
Am Beckenausgange:
Qaerdarchmesser 4 9
rechte Stenochorde 3 9
linke n 2 10
Diagonal -Conjogata . . . . ' 3 9
Höhe des Beckens in der Gegend des rechten Tnberc.
ileo pnb 3 —
Höhe des Beckens in der Gegend des linken Tnberc.
ileo pnb 3 9
Der Neigungswinkel des Beckens normal Der rechte
Oberschenkelknochen ist im Vergleiche zu dem linken oabectt
um die Hälfte schwächer; der Gelenkkopf bildet ein Polygon,
offenbar durch die Atrophie derartig facettirt, dass er völlig
spitzig zuläuft (siehe Abbildung), derselbe hat an der vorderen
Partie eine der neuen flachen Gelenkspfanne entsprechende
überknorpelte Fläche, sonst fehlt überall der Knorpelöberzug.
Schlussbemerkungen.
Der Beschreibung gemäss haben wir es daher mit einem
schräg -verengten Becken zu thun, bei welchem jedoch der
Ausgang sogar weiter als im normalen Becken ist und dies
trotzdem, dass die kranke Extremität nicht gebraucht wurde.
XV. Valentä, GebnrUhüiniche Studien. 167
Ferner ist io unserem Falle von. Interesse, dass ab-
«eicbeiid von der gewöhnlichen Form der schräg -verengten
foden, hier die gesunde Seite noimal weit und die kranke
Seite verengt ist — Als Ursache dieser Verengerung kann
hier kein brück angenommen werden, da die Patientin fast
gar Riebt ging, sondern selbe liegt eimsig und allein in einer
hochgradigen Atrophie der Knochen rechtei^seits ; —
dadsrcb entstanden, dass die rechte ExtremitM nicht nor
ridil gebraucht, sondern auch fast gar nicht bewegt wurde,
m Zustand der Knochen, wie er nach Roküamky ganz
besaoders bei fortbestehender Luxation im HAflgeienke ein-
Ifilt; der Grad der Atrophie mag wohl in unserem Falle
fast einzig dastehen.
Dass diese schräge Verengerung meines Beckens durch
die rechtsseitige Luxation und consecutive Atrophie bedingt
worden sei, unterliegt wohl keinem Zweifel, schwieriger ist
die Beantwortung der Frage, wie ist die Luxation entstanden?
Ist es eine rein traumatische, somit primäre , oder eine nach
and nach durch Coxitis entstandene, somit secundäre? —
Ich glaube, dass wir es hier mit einer ursprdngltchen, durch
das ans der Ananmese herausfindbare Trauma, den Sturz,
eolstaodenen Luxation zu tbun haben, hierfür spricht zweifellos
derftangd aller Entzändbngsproducte, sowohl im neuen, als
alten Gelenke« indem ja jedwede Spür von Osteophyten-
Hdmg mangelt
Das Verbalten der Wirbelsäule stimmt vollkoimnen mit
der AmiGht Roküansky'^ ftfoerein, nömHch, daas die scello-
tocbe Abweicbmig der Lendenwirbekäule bei schiefen Itecken
stets nach der engeren ßeckenhdifte hin gerichtet sei, ilber-
banpt könnte man RokUanaky'^ Besdireibuiig eines doreh
Lnaüoi im Hüftgelenke verengten Beckens absehrdiben, und
laan hätte dbmit die Beschreibvng nnsei^es Beeken» geliefert,
nr ist, entgegengesetzt Rokitansky , in unserem FaHe, trotz-
dem dass die Extremität nicht gebraucht worden ist, der
Avgang erweitert.
Unaer Becken verdient aber auch nahezu den ffftalen
.Naniea Staehelbecken, da die rechte Tnberositas ileo--
lH«linea einen ausgcspi*ochenen Stadiel bildet.
]gg XV. VaUnla, Gebart»hüiriU)i« Stadien.
Der GeburtsTeiiauf konnte leider ,in iiiiseriHn Falle,
beittglich desGeburUniecbaoismus bm Bcbrüg- vereogteti Becken«
nicbX» lebren, da man einen naturlicben Auslrill des Kisdes
der gegebenen Umstände halber nicht abwarten konnte und
durfte; übrigens hatten die Durchmesser dieses Schädels sich
jedem Durchmesser des Beckenetnganges, der Beckeaböhle
und des Beckenausganges ganz bequem adaptirt, und hatte
steh sicherlich der SchAdel mit seineia kaum 4" 5'" messenden
geraden Durchmesser von selbst in den 4" lO'" messendeo
linken sclu'igen Durchmessei* des Beckeneinganges gelegt und
würde sich somit das Hinterhaupt normalraaasig, wie inner-
halb der Zangenloffel mich bei dem natärlicheii Herabräcken
um so mehr nach vorn gedreht haben, als Ja die Becken-
riufulichkeat von oben nach unten zunimmt.
Zweite Beebachtnng.
Schräg-verschobenes Becken durch angeborene
Verkürzung der ganzen linken unteren Extremität,
combinirt mit einem ganilichcn langel desWmilen-
keines und der zweiten und dritten Zehe und einer
Verwachsung der vierten und fünften Zehe.
Natürliche Gehurt.
Am 1. August 1864 meldete sich laut ProtocoU No.'305
eine M. M.^ 34 Jahre alt, Primipara, als Kreissende. —
Die ganze Geburt eines dem neunten Monate entstehenden
Mädchens (Kopfperipherie U" 6'\ Länge 17", Gewicht
3 Pfund 28 Loth) hatte 15% Stunden gedauert, und zwar
nur eine halbe Stunde nach dem filaaensprunge, weldier ob
zäher Eihäute känstlioh in der Schamspalte voUführt werden
musste, war bereits der Durchtritt des eine erste Schädeilege
innehabenden Kindes erfolgt Das Kind starb am 24. Lebens-
tage an Atrophie. Die Nutter litt an Morbus Bdghtii und
erst im Wochenbette bei Anlass einer genauen Untersuchung
des Hydrops -ascites und anasarca kamen wir auf die im
Titel angeführte Verkürzung und anomale Beschaffenheit der
linken unteren Extremität Das Individuum war so eitel, dass
^ie durchaus einen hinkenden Gang nicht zugeben wellte;
wir sahen selbe leider nicht gehen* 31 Tage nach der Geburt
XV. VaUmta, GsbarUhlUfliobe 3|adion. 1Q9
starb selbe, ohne dass Eclamp«ie bioaugetrelen wäre, auf der
mcdieinKcben AbtheUung. — Die Obduction ergab einen
eolossalen Hydrops ascites ex Morbo Brigblii.
• Nach der Obduotioo liess ich mir bandbreit über dein
Sprun^eleoke den Fuss ampiitiren, zu dem Zwecke bei
gelegener Zeit mit Müsse die Fusswurzelknochen , Muskel-
ansitze u» s. f. zu studiren, da, wie gesagt, die vierte und
fünfte Zebe Terwacbsen waren und die zweite und dritte Zebe
Mriten, hierbei stiess ich auf eine AkiomaNe, welche, wie
ich glaube, nicht nur in der mir zugänglichen Literatur,
mndem Qberhanpt noch nicht vorgekommen sein dArfte,
nämlich von der Fibnla war nicht die geringste Spur
zu entdecken. Die Tibia hatte die gewöhnliche Form und
Gestalt, war jedoch um '2'" im Dufcbmesser stftrker, als die
rechte Tibia. Da wir ein Terschmolzensein der Tibia niH
4er Fibula vermptheten, so wurde in dieser Riohtiiag genau
aod sorgfältig nachgeforscht, jedoch nicht der geringste
Anhaltspunkt zu dieser Vermutbung aufgefunden. — Leider
nberbörle der Secirdiener meinen Auftrag, den Stumpf auf-
zuliewdiren und liess denselben beerdigen, so dass ich fiber
das Verhalten der Fusswurzelknochen u. s. f. nichts mitzutheiieft
in der l^ge bin; zum Glftcke hatte ich noch den MaHeolüs
extemus aufgesucht, so dass ich die Versicherung abgeben
kann, dass auch daselbst von der Fibula nichts zu ent-
decken war.
Wie zu ersehen, war das Auffinden dieser interessanten,
wahrscheinlich einzig in der Literatur dastehenden Bildungs-
anooialie ein reiner Zufall, denn bis auf die Missstallung des
Fusses und einer aunalligen, übrigens der ganzen Extremität
entsprechenden Zartheit waren Ober- und Unterschenkel völlig
normal geformt und Hessen einen solchen Mangel nicht im
geringsten vermutben. — Zu bemerken ist noch, dass die
ganze linke Gliedmaasse stark nach aussen gerollt war.
Die zum Vergleiche vorgenommene Messung beider Ex-
tremitlten ergab folgendes Verhalten; während der Abstand
von der Spina ant. sup. oss. iiei bis zum oberen Patellarand
rechts 16* 3*" maass, hatte derselbe links nur IV 6*^;
ferner betrog das Maass von der Fossa poplitea bis zum
Fersenrand rechts 13" 9^", dagegen links nur 9" 9'"; endlich
170 ^V. Valenta, Gdburtshtilflicbe Studien.
war die Länge des rechten Pus^es 8" gegenüber 7* 7** des
linken Fasses, welcher letztere einen sogenannten SpÜzfuss
bildete, und wie aus den Schwielen ersichtlich war, trat die
Person mit den Zehen und den votieren Enden der Metatarsus-
knochen auf.
Beschreibung des skelettirten Beckens.
Hier ist wieder die uogenieine Zartheit der Kfioeben
linkerseits gegenüber jener der rechten Seite auffällig, erslere
sind um die Hälfte schwacher; sieht man je eine Hälfte des
Beckens gesondert au, so glaubt man die Beckenhäiflen zweier
in der Entwickelung bedeutend auseinander stehender Indi*
viduen vor sich zu babeo.
Die Crista oss. il. dextri ist nach aussee gerollt und
derart aufgetrieben, dass sie 1" 2"* misst, während splbe
links kaum 6'" beträgt; ebenso ist die linke Darmbeinschaufei
durchscheinend dönn. — Die linke Damibefaiplatte steigt
mehr senkrecht auf, als die rechte, dagegen ist der rechte
Sitzknorren mehr nach aussen gezogen; die Scoliose der
Wirbelsäule sieht mehr nach links und ist das Promontorium
auch linkerseits merkwürdig scharfkantig henrorragend ; das
Kreuzbeit) besteht aus fünf, das Steissbein aus vier Wirbeln.
Ueber die räumlichen Verhältnisse nachfolgende Maasse:
ZoU Lln.
Vom rechten Sitsknorren sur Spina post. aap. ose. il. dext. 4 10
vom Hnkes^ Sitsknorren snr Spina post. aap. ose. il. sin. b 2
▼om rechten Sitsknorren sur linken Spina post. aap. osa. il. 6 —
vom linken Sitsknorren sur rechten Spina post. stip. oas. il. 6 3
von der linken Spina ant. aap. bia snr rechten Spina
poal. aap. oaa. il 7. !0
von der rechten Spina ant. sup. bia aar linken Spina
post aap. oaa. il 7 9
vom Stach elf ortaatae dea lotsten Lendenwirbela bia sur
rechten Spina ant. aap. oaa. il 6 9
vom Stachelfortaatse dea letsten Lendenwirbela bis sur
linken Spina ant. aap. oaa-. il. 6 10
vom vorletaten Lendenwirbel -Slachelfortoatae bia V/^'
ober Spina poat. aap. osa. il. sin 2 8
vom vorletsten Lendenwirbel -Stachelfortaatse bis IV,"
ober Spina poat. aap. dext 2 4,5
vom unteren Rande der Schoosafuge bis sur Spina post.
aap. oaa. il. dext 6 4
XY. VaUnia, OeborUliülfliehe Stadion. 171
ZoU Lin.
▼OB nateren Rande der SchooieAige bii inr Spina poit.
rap. OM. il. sin 5 11
CooJBgaU externa 7 1
Distaas der Spin. ant. enp. oss. il 9 —
, , , poit „ , , 3 S
a a Cristae oss. il 9 1
. a Troehanteren . . , 10 9
, , Spin. ant. et poet. aap. dezt 5 8
w » n » n n n ""• ß H
Am Beckeneinji^ange:
Ceojagita Tora 4 1
recbte tchrmge Barchmesser . • 5 1
Hake , , 4 10
Qoerdarch moseer 6 1
reeJito Milcrochorde 3 8*/,
Ulke , 3 7
Diftant tnberc. ileo-pnb 4 9
In der Beckenhöhte:
Die Beekenweite 4 7,5
tfe Boekenenge 4 —
Am Beekenaaagange:
QoerdarehrooMor ; 4 7
rächte Stenoehorde 3 8
linke ^ 3 9
Diagonal - Conjugata 4 7
Dtatana Tom Promontorinm bia aor Mitte der rechten
CriaU oaa. iL 4 11
Diitana Tom Promontorium bia inr Mitte der linken
CriaU oaa. il 4 6
rächte Flügel dos Krouabeinoa 3 6
Ulke 9 , , 2 3
Höhe dea Beckena bei beiden Sitzknorren . 3 6
Darchmeaaer dea rechten Oberschonkelknocbona .... 1 —
, , linken » , .... — 9,6
Der Neigungswinkel des Beckens nomiaL
Scblussbemerkungen.
Für dieses Becken passt nur der Name schräg«^
rerscbohenes Becken, denn die scbrSge F<Hrin des Beckens
ist edaUnt, dagegen ist von einer eigentlichen Verengerung.
UuDi eine Spur zu entdecken, und ich möchte daher för
diese Beckenforro^ entgegengesetzt dem gleichmassig 2U weiten
Becken die Bezeichnung schräg^verscbobenes zu weites
172 XV. Valenta, Oeburtshtilfhohe Studien.
Becken vindiciren, indem hiermit der Beweis geliefert ist,
dass nicht jedes schräge Becken unbedingt auch ein ver-
engtes sein müsse. Bei diesen räumlichen Verhältnissen wäre
auch das stärkste ausgetragene Kind durch die iNaturkrafte
allein ausgestossen worden, um so weniger konnte daher hier
von einem eigentlichen besonderen Geburtsmecliani^nius i. e.
der Nolhwendigkeit, dass sich der Schädel hätte gewissen
besonderen Beckendurchmessern anbequemen müssen, die
Bede sein, da der Schädel dieses frühgeborenen Kindes in
allen Beckengegenden mehr als genug Raum beim Herah-
ruckeu fand.
Die Beantwortung der Frage, ob der jedenfalls äussersl
interessante Mangel der Fibula zu der Verkürzung und Afropliie
der ganzen rechten Extremität (resp. Körperhälfle) wesenllich
beitrug, muss offen bleiben; — unbedingt soll in Hinkunft
bei sich ergebenden Fällen von angeborener Verkürzung eiiiei-
unteren Extremität oder Mangel einer oder mehrerer Zehen
stets auch nach dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein
des bezüglichen Wadenbeines geforscht werden; — nur so
wäre es möglich, endgiltig festzustellen, ob dieser Mangel
in unserem Falle rein so zulallig war, wie er durch Zufall
entdeckt wurde, oder ob derselbe mit dieser von Atrophie
begleiteten Beckenanomalie und Verkürzung der Extremität
in einem wesentlichen, bedingenden Zusammenhange stelle.
n. Lieber den eogenannten Poeitionswechsej des Fötus.
Vor Allem muss ich vorausschicken, dass ich öbeiiiaupt
der äusseren Untersuchung bezüghch der Diagnose der Kindes-
lage während der Schwangerschaft mehr Gewicht beilege, als
der inneren, eine Ansicht, welche ich auchjn meinem Lehr-
buche für Geburtshülfe (Porodoslovje za babice) und in meinen
Vorträgen krfiftiglich betone. — Mein Freund und Lehrer
Prof. Spaeth überliess mir als Assistent fast stets die Auf-
nahme resp. Untert^chung der Schwangeren mit den Zuhörern,
und in meiner derzeitigen Stellung untersuche ich selbst alle
sich zur Aufnahme meldenden Schwangeren mit den Schülerinnen
und dktire den jeweiligen Befund zu Protocoll; — es sind
XV. Valenia, Odbnrtahfiiniebe Studien. 173
dies Unslände, weldM^ ich deshalb vorausschicken zu müssen
glaable, um gellend machen zu können, dass ich, ohne als
unbescheiden zu gelten, zu dem Ausspruche berechtigt sei,
mir dii> ndthige Fertigkeit in dieser Richtung erworben zu
liaben. Die bezüglichen Unlersuchungen wurden stets mit
liesonderer Zuhulfenahme der Auscultation der Fötalherztöne
Torgeiiomiiien, jedoch muaste ich in erster Richtung die
Humanitätsröcksichten vorwalten lassen, und deshalb wurden
zumeist die Schwangeren nur ein Mal, nämlich bei ihrer
Aufnahme, genau untersucht und diese einmaligen Unter-
^uchujigen bilden das Substrat dieser Arbeit, bei welcher,
sowie bei der nächstfolgenden mich durch Zusammenstellung
und Berechnung Heir Assistent Dr. Oregofic und ganz be-
. äüoders mein Freund Dr. Gausser unterstützten, wofür ich
selben anmit meinen Dank abstatte.
Ohne Vorbehalt kann ich übrigens Hecker ^ Worte ge-
braurben, dass auch ich hauptsächlich deshalb die Befunde
in der Schwangerschaft genau in die Protocolle aufmerken
liess und lasse, um für die Richtigkeit der Diagnose der
Fruchüage bei der Geburt vergleichende Anhaltspunkte zu
gewinnen; denn ich muss offen gestehen, dass mir der so
liäufig eintretende Umstand auffiel, dass die wahrend der
Schwangerschaft festgestellte Kindeslage mit der bei der Geburt
\^irkli€b statthabenden nicht zusammentraf. Ich glaube daher
im Interesse unserer Fachwissenschaft zu handeln, wenn ich
offen und wahr das Resultat der während meiner hiesigen
siebenjährigen Lehrerthäligkeil in dieser Hinsicht gemachten
Erfahrungen darlege; wobei ich unumwunden ausspreche, dass
eben Htck'er's Aufsatz und Aufforderung in seiner „Klinik
für Geburtskunde" mich ganz vorzüglich hierzu anregte. —
Schliesslich behalte ich mir vor, seiner Zeit auch die jedenfalls
noch interessanteren Resultate wiederholter in dieser Richtung
vorgenommener Untersuchungen einzelner Schwangeren der
OefTentlichkeit zu flbergeben.
Bevor ich auf den eigentlichen Gegenstand übergehe,
n«ii8s ich noch im Vornherein eines wichtigen jechich unver-
meidlichen Umstaades erwähnen. Es ist eine bekannte That-
sache, daȊ an Gebaranstalten relativ viel mehr Erst*, als
Nehrg<ischwSngerte Hülfe sucheji, und da bei letzteren das
174 XV. VaUnta, Oaburtthüinielie StQdi«ii.
Wiefielteinalen durch objective AnRchatifing nicht zii eniirpfli
ist, sondern einzig und allein vom Zugeständnisse der Be-
treffenilen abhAngt und diese Zugestandnisse jedoch hegreif lieh
sehr hiufig von der Wahrheit abweichen, so dürften die an-
geführten Secundiparae nicht laoler soldte sein und ebenso
die übrigen Multiparae, dies ist allerdings ein wichtiger Uebel-
stand, jedoch ein Uebelstand, dem kein klinischer Beobachter
auszuweichen vermag.
I. Das Bcobacbtungsmaterial umfasst 688 Schwangt^re
(325 Primiparae, 363 Multiparae), hiervon zeigte sich im
Ganzen hei 292 Schwangeren, d. i. 42^4 Proceol ein so-
genannter Positionswechsel, das heisst, die Kindeslage,
weiche bei der Schwangerschaflsuntersuchung diagnosticirt
wurde, war bei der Geburt geändert; dagegen wurde die
nämliche Kindeslage, sowohl in der Schwangerschaft als
auch bei der Geburt, bei 396 Schwangeren beobachtet,
somit war selbe bei 57»6 Procent stabil, es stellt
sich daher die Thatsache heraus, dass im All-
gemeinen genommen häufis;er die Kindeslagen stabil
bleiben.
Zieht man jedoch die ganz erhebliche Ziffer von 42,5 Proc.
veränderter Lagen während der Schwangerschalt in Betracht,
so gewinnt man, ohne ei*st in die Details einzugehen, auch
gegentlieilig die für die Praxis unangenehme Ueberzeugung,
dass sich die Kindeslagen an und für sich sehr häufig um-
wandeln, man daher ganz und gar nicht in dieser Richtung
bezüglich der Vorhersage hei der Geburt auf den Schwanger-
schaftsbefund pochen kann und darf, denn mit Hecker
übereinstimmend finden während der Schwangerschaft
sehr häufig Umdrehungen des Kindes sowohl um
seine Längen- oder Querachse aliein, als auch um
seine Längen- und Querachse zugleich statt, und
zwar bis knapp vor der Geburt, ja während der
Geburt seihst.
IL Was die Kinder (364 Knaben, 324 Mädchen) an-
belangt (s. Tabelle L), so waren unter den 292 Kindern,
bei welchen ein Positionswechsel beobachtet wurde,
162 Knaben (55,5 Proc.) und 130 Mädchen (44,5 Proc),
XV. VaUnUi, 0«bartohii]flt«he Stadien. I75
somil ist (krselli«^ im Allgemeinen bei Knaben häufiger
iHid scheint der alle aiigenonMnene Erfabrungssatz bewaiir-
Iwitet, da88 der männliche Peius si€b lebtiafler bewege, ^Is
(kr mbUche. Noch deutlicher and richtiger tritt die «n-
zweifelhafl grössere Häufigkeit des Position&wedisels b«i den
Knaben zu Tage , wenn man die procentuelle Berechnung auf
die Gesamrotzahl jedes Geschlechtes ausfuhrt, es stellt sich
flann bei den Knaben in 55,5 ProC: kein und in 44,5 Proc.
ein Positionswechsel heraus, dagegen hei Mädchen in 59,9 Proc.
kfiner und in 40,1 Proc. ein Positionswechsel. — Dass unter den
stabil gebliebenen 396 Kindern 202 Knaben (fast 51 Proc.)
und 194 Mädchen (fast 49 Proc.) waren, somit um 2 Proc.
mehr Knaben stabil blieben, gleiclit sich sicherlich durch den
Cmstand aus, dass ja factisch mehr Knaben als Mädchen
geboren wurden und dass, wie bekannt, öl>erhau|)t mehr
Knalten geboren werden.
fil. Bezuglich des Positionswechsels bei den Erst- oder
Mebrgeschwängerten, so hat sich bei den 325 Priiniparis die
Kindeslage 122 Mal, somit in 37,5 Proc. geändert, und waren
von den betreffenden Kindern 64 (52,4 Proc.) männlichen
und 58 (47,6 Proc.) weiblichen Geschlechtsr; dagegen er-
eignete sich bei den 363 Multiparis der Positionswechsel -
170 Mal, somit bei 46,8 Proc, und waren hiervon 98 Knaben
(57,6 Proc.) und 72 Mädchen (42,4 Proc). Der Positions-
wechsel kommt daher bei Multiparis häufiger vor,
wahrscheinlich begünstigt durch die grössere Schlaffheit der
Ltenis- und Baucbwandung ; dex vorhergehende Satz be-
lögbch des häufigeren Positionswechsels der Knaben
Int jedoch sowohl bei den Primi- als Multiparis
Geltung; nur mit dem Zusätze, dass derselbe bei letzteren
iibcb deuüiclier zu Tage tritt.
IV. Was die stabilen Kindeslagen anlangt, so wurden
Hbe unter den 325 Erstgeschwängerten 203 Mal (62,5 Prof.)
and unter den 363 Mehrgeschwängerten 193 Mal (53,2 Pror.)
angetroflen, somit der vorhergehende Satz abermals bestätigt,
dass die Stabilität der Kindeslage unzweifelhaft bei
den Primiparis häufiger ist.
176
XV. VaUttta, Oalmrtohfnfliefae Stadien.
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m
V. DeD EinflQss des Alters der Mutter ttuf den
Positionswechsel oder die Stabilttftt der Kindeslage
bei Erst- und Hehrgeschwingerten zeigt nadifoigende
Tabelle n.
Alterslabelle der Schwangeren.
a) Mit Positionsweehsel.
Wierialt
Jahre
alt:
inel.
40
i inel.
1 ^
6».
schwlogvie?
16
inel.
80
inel.
26
1 inel.
1 ''
inel.
86
Somma
I.
16
42
; 49.
6
6
i
8
122
II.
2
29
48
27
16
4
120
m.
8
14
10
10
2
89
IV.
—
—
1
4
2
2
9
y.
—
—
, -_
'
1
i ^
2
Summ«
18
74
107
48
84
1 "
292
h)
Mit
Stabilität der Kindtlag
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VI.
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—
2
Snmnia
86
1 127 1 184 59
81
9
896
Aus diesen Tabellen ersieht man, dass die PMode vom
15. bis 25.^ Jabre jene ist, wo die Lage dej Kmdes Ober-
wiegeod gleich geblieben ist» während das gesainmte höhere
Alter bis zum 46. Jahre einen häufigeren Wechsel derselben zeigt.
Betrachtet man abgesondert die Erst* und Mebr-
gesehwängerten bei den gewechselten und den stabilen Po-
sitionen, so zeigt sich:
Mit Positionswechsel. Mit stabiler Lage.
A, Primiparae. Ä. Primiparae.
15. inel. 20. Jabre 18,1 Prooent 14,8 Procent.
26.
84,4
80.
40,2
86.
4,9
40.
4,9
46.
2,6
100,0.
UMateiekr. f.Oeb«rUk. 1866. Bd. XXY., Hfl. 8.
. .47,8
. .81,6
. . 4,4
. . 2,0
. .0,6
100,0.
12
1718 Xy. Vaht4a, Oe^rüliiimclbe Staate».
. .j|IM.PqAitipj«8we.<slifl«l. HU tfc^tiiler Lage.
: ß. ,&{ahipArae. B. MulUfMrae.
16. inel.. M- Jah?« Ifi Prozent 3,6 Pr#eeDt.
» 26. „ 18,8 , 16,1 .
, 30. „ 34,1 r, 86,8 ,
, 36. « 34,7 „ .26,9 „
, 40. „ 16,6 14,0 .
^ ^ i> ^^ > ZJL :y n
100,0. " 100,0.
Iva Detail aber findel man, dass obiges Resultat durch
die ErstgescbwäDgerteD bewirkt wurde; bei diesen ist
entschieden im Aller bis zum 25. Jahre die Positionsveränderung
der Frucht eine seltenere«.' — Bei den Mehrgeschwängerten
ist dieser Umstand nur im Alter vom 15. bis 20. Jahre,
dann nach dem 25. bis 35. Jahre klai* hervortretend , während
in der Periode* vom 20. bis 25. Jahre und nach dem 35. bis
45. Jahre .gerade das Gegentheil der Fall ist. — Bei Erst-
geschwängerten ist somit das höhere Alter der
Mutter entschieden einem Positionswechsel in den
letzten Schwangerschaftswochen günstig; bei den
Mehrgescbwängerten scheint das mutterliche Alter niclit yon
d«;sem entscheidenden Einflüsse zusein, qb wohl auch hier das
li^here Alter eher dem Positionswechsel günstig war. Dieses
Resultat ist um so interessanter, als ja mit dem Alter sich
auch die Unnacihgiebigkeit und Derbheit der Geburtsorgane
iiei den Primiparis steigert uad man eher meiaen solUe, ein
sUnfferer Uterus wäre dem Positionswechsel hindedicb.
Zum weiteren Bieweise des Gesagten und zur noch
klareren Uebersicht der VerhSltnisse foigt nachstehend die
Zusammenstellung der Precenie mit Bezug auf die Zahl der
von jedem Lebenaailer Unierauchteii^
1. Bei den Primiparis war unter
45 Weibern vom 16. — 20. Jahre bei 36,6 ProcP^tttUnswechBel,
„ 64,4 „ k«in«r«
138 » n 21. --26. „ „ 30,4 „ PosiU^nswechsel,
9 69,6 „ keiner,
113 „ n 26. — 30. „ „ 43,4 „ PoBitiontwecbsel,
. . „ 66,6 „ keiner^
16 , „ 31. — 36. „ „ 40,0 „ Po8ia«intwechtel,
„ 60,0 , keiner,
XV. Valenta, Geburtshülfliehe Stodien. 179
10 Weibern vom 36.— 40. Jahre t>6i 50,0 ^roe. Potitlöusw^tflit^l,
y, 40,0 ^ iMiasr,
4 , n 41.-*4&. n ,» 76t0 » PQsili098irffhaftJ,
„ 25,0 „ keiner.
2. Bei den Multiparis waren unter
9 Weibern Tom 16. — 20. Jahre bei 22,2 Froc. Poeitionaweohsel,
„ 77,8 „ keiner,
6S , , 21.-*2§. » y, 50,8 „ P#»Uion»weelhi«l,
„ 49,2 9 keiner,
lt8 , „ 26.— 80. „ „ 46,8 „ Positlonawechsel,
„ 54,7 „ »keiner,
n , „ 31.— 86. „. „ 46,7 „ Positioniwechsel,
„ 64,3 „ keiner,
56 , ,36.-40. „ » 60,9 „ Poaltionswecbael,
„ 49,1 „ keiner,
16 , , 41.— 46. , „ 60,0 „ Poiitionawechsel,
„ 60,0 „ keiner.
Somit zeigen auch diese in den einzelnen Altersperioden
iiemhjieten Verhältnisse, dass bei den Primiparis ent-
schieden höheres Alter dem Positionswechsel
gönstif..i9t, so dass der Unterschied der vorderslfn und
iiochsten Altersreihe nahe sind
ein Positionswechsel. zu zwei StabiUtät»<aUen und
drei „ „ eine« SlabHüAtefall.
Dagegen ist der Alterseinfluss auch bei dieser Berechnung
bei den Multiparis g^ nicht oder nur $ehr unbedeutend zu
erkennen.
VI. Bezäglich der Zahl der Schwangerschaften
gegenäber der Veri&nderlichkeit der Kindeslage
giebt nachstehende Uebersicht einen Einblick.
Die Kindeslage war
bei 825 Erstgebärenden stabil in 62,6.Proc., veöto^ert in 87,6 Proc,
, 268Zireitgebllrendeii „ „ 5M m ' . •• » ^>^ »
, 80 Drittgebärenden . „ „ 61,26 „ .. » . »48,76 „
, 17 Viertgeb&renden » » 47,1 n •: » ^^,9 „
, SFfinftgebftrenden „ » 66,7 » *. » ^M f
, 2 Bechetgebftrenden » , 100,0 n - m » *" »»
Es mehrt sich also die Häufigkeitdes Positions-
Wechsels mit der Zahl der Schwangerschaft bis zu
den PtoflgescVwängerten; von wo dieses GeseU nicht mehr
12*
]gO XV. Vdtent0y GebartshttlAiche Stadien.
SU Tage tritt. Es iat aber zu bemerken , dass bei den Ffinfl-
und Secbstgeb&renden die Zahlen schon so niedere sind , dass
sie zur slatistiBcben Verwendung werthlos erscheinen. (S. die
Alterstabellen bei Punkt V.)
VIL Bezüglich der Lage des Kindes und deren
Einfluss auf Veränderung ist Folgendes im Voraus xu
erwägen. (Siehe Tabellen IIL und IV.)
Auf sammüiche 688 Geburten kamen
46,1 Procent ScbädelUgen I.,
»7,6 « , II.,
9,8 f, Beckenendlagen I.,
h9 n n U.,
0,7 „ Gesiohtelagen J.,
0,4 j, Stirnlagen,
6y8 « Schieflagen,
4,1 „ Querlagen.
10Ö,ä
Bei den Primiparis kamen auf 325 Gebiirten:
Erste Sehadellagen . 47,4 Procent,
•weite ,, . 89,1 ^
e«ite Beekenendlagen 3,7 „
•weite „ 1,9 „
erste Gesichtslagen .1,2 „
•weite „ . 0,8 ^ .
Stimlagen 0,9 „
Schieflagen 3,7 „
Querlagen 1,8 „
100,0 Procent.
Bei den Multiparis waren bei 363 Geburten:
Erste Schftdellagen . 43,0 Procent,
•weite „ . 86,1 „
erste Beckenendlagen 4,4 „
«weite „ 1,4 „
erste Qesichtslagen . 0,8 „
•weite ^ . 1,1 „
Stimlagen ...... 0,0 „
Schieflagen . . . .^. . 7,7 „
Querlagen 6,o ,
100,0 Proeent.
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XV. VahiUa, O^boHtbaifUefa« Stndlea.
177
V. Den Binfloss des Alters der Mutter auf den
Positionswechsel oder die StabilitSi der Kindeslage
bei Erst- und Mehrgeschwingerten zeigt nachfolgende
Tabelle n.
Alterstabelle der Schwangeren.
a) Mit Positionswechsel.
Wievielt
Jahre alt:
ioel.
40
i inel.
Qe-
sefawingerte ?
16
iocl.
20
inel.
26
1 inel.
SO
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86
Samms
I.
16
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1
6
6
1
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11.
2
29
48
27
16
1 4
120
ra.
3
14 10
10
2
39
IV.
—
—
1 4
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—
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1
1 —
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Snmma
18
74
107
48
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11
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b) Mit Stabilität der Kindslage.
I.
29
96
64
9
4
1
208
11.
7
27
58
26
20
l
138
III.
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IV.
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V.
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VI.
—
— 1
—
2
59
—
—
2
Summa
86 .
127
184
81
9
396
Aus diesen Tabellen ersieht mao, dass die Periode vom
15. bis 2b: Jahre jene ist, wo die Lage de( Khndes Ober-
wiegend gleich geblieben ist» wibrend das gesanimte höhere
Alter bis zum 46. Jahre einen häufigeren Wechsel derselben zeigt.
Betrachtet man abgesondert die Erst- und Mefar-
geschwängerten bei den gewechselten «od den stabilen Po-
sitionen, so zeigt sich:
Mit Positionswechsel. Mit stabiler Lage.
A, Primiparae. A. Primiparae.
16. inel. 20. Jahre 13,1 Procent 14,3 Procent
26.
34,4
30.
40,2
35.
4,9
40.
4,9
46.
2,6
100,0.
MoBAUsehr. f.G^barUk. 1806. Bd. XXV., Hft 8.
. .47,3
. .31,6
. . 4,4
. . 2,0
. .0,6
100,0.
12
IgQ ^ XV. ValetUa^ aebartsfaül fliehe Stadien.
c$6r Loge wie 1 : 1,7 ; im Torlelzten MoDale' bei 138 unter-
suchl^n Fällen wie 1,7 : 1, und im driUleUVen Monate hei
17 untersuchten Fällen wie 2,4: 1, somit ist der Satz er*
laubt, dass Positionswechsel desto häufiger sind im
letzten Quartale der Schwangerschaft, Je ent-
fernter der Geburtseintritt ist
Dieser Satz ist jiedoch in unserer Beobachtung haupt-
-«äebUeb durch die Couslanz der relativen Yenuisliruiig von.
Positionswechsel in den früheren Schwangerschaflsperioden
bei den Hehrgeschwängerten bedingt, wo vom 26. Tage an
mit unbedeutender Ausnahme der Positionswechsel häufiger
wird, je weiter die Untersuchung von der Geburt entfernt
ist • Bei den Priroiparis ist der Unterschied in den jüngeren
Schwangerschaftsperioden nicht so eclatant; dagegen ist bei den
Multiparis der Positionswechsel auch im letzten Schwanger-
schaftsmonate häufiger als bei den Primiparis , gegenüber den
verbliebenen Lagen.
Es verhielt sich nämlich im letzten Monate vor der
Geburt
Positionswechsel zur Stabilität der Lage
bei Primiparis wie 1 : 2,6, — bei Multiparis wie 1 : 1,3,
im vorletzten Monate:
bei Primiparis wie 2,3 : 1, — bei Multiparis wie 1,3 : 1,
im drittletzten Monate: >
bei Primiparis wie 1,5 : 1, — bei Multiparis wie 6 : 1.
Somit war bei, den Primiparis die den Positionswechsel
günstigste Periode jene des vorletzten Scbwangerschaftsmouates,
darnach der drittletzte Monat; während bei Multiparis strenge
der Positionswechsel gradatim mit den vorgerückteren Schwanger-
^chaftsmonaten.an Häufigkeit abnahm. — Im achten Monate
war der Positionswechsel weitaus am häufigsten.
IX. Bezüglich des Verhältnisses der einzelnen
Lagen gegenüber der Schwangerschaftsperiode
giebt nachfolgende Tabelle (VI.) Aufschlusiä, welche percentuel
auf die Gesaroratzahl der in den drei verschiedenen Beobachtungs-
Perioden beobachteten Primi- und Multipai*ae berechnet ist
XV. ValBmiu, Gebartohälfliche Stodien.
187
TabeU« VI.
Deb^rfiicht des Y^rhältDisses der einieloen l(indefi-
lagen gegenüber der Sohw9ngerschafls|^erioäe.
Kindealage
6
Letster
Monat
VarleUter
Monat.
Drittletator
Monat
bei der
Schwänge fscbafts-
antersncbnng.
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4
Erste (
ScbSdellage
Zweite
Sch&dellage |
Erste
Beckenendlage
Zweite (
Beekenendlaj^e |
Qaerlage
Schieflage
Erste
Geiielitslage
ZweHe (
Gesiebtslage |
Stirnlage
Primip.
Maltip.
Primip.
Maltip.
Primip.
Maltip.
Primip.
Maltip.
Primip.
Mnhip.
Primip.
Mnitip. '
PHmip.
MnUip.
Primip.
Mnitip.
Primip.
7,8
12,8
18,8
14,8
0,8
2.4
0,4
1,0
0,4
6,6
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7,4
0,8
0,8
0,8
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44,8
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0,8
18,8
11,6
18,8
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11,6
4,3
7,8
6,8
8,7
8,7
2,9
1,6
2,9
14,6
26,1
16,9
17,4
14,8
80,0
14,8
20,0
14,8
10,0
14,8
14,8
IM
»4,8
20,0
Diese Zusammenstellung zeigt den schon sub VII. auf-*
gestellten Satz jnit der Erweiterung, dass im vorletsteA
Monate alle Lagen weniger Stabilitit zeigen als
im letzten; dass auch bei mehreren Lagen dieses Verbältniiss
progressiv steigt im drittletzten Monate; dass die Schieflagen
unter allen die entschieden der Veränderung günstigsten sind,
fc selbe gar keine Stabilität zeigen; dass nach ihnen
die Qaarlagen und dann die Bedienendlagen kommen.
Bei den Primiparis tritt der Unterschied der eli«elnea
SchwangersdiaftAperioden starker hervor.
Dagegen tritt der Unterschied, so weit die Uotersuehungen
in den verschiedenen Formen Beobachtungsmaterial Heferten-,
im drittletzten Monate sowohl bei den Primi- als Mnltiparis aiU
»tSrksten hervor.
188 ^^' ViUtmia, Oebfirtahalfli4;fi« Studien.
X. Ueber jene Momente, welche ebenfalls in
einigem Caiisalnexus mit dem Positionswechsel
stehen ddrften, wurden nachfolgende hervorgehoben.
1. Leerer Forntx ▼aginae. Dieser wurde bei Storni-
liehen Primiparis 31 Mal , somit in 9,5 Procent vorgefunden ;
29 Mal war derselbe mit Positionswechsel in Verbindung; er
kam somit bei den Stahililätsfallen ein Mal auf 50,7 'Procent,
bei jenen mit Positionswechsel bereits auf 4,2 Geburten. —
Bei den Mulliparis ward er 54 Mal, d. i. in 14,9 Procent
beobachtet; er kam 1 Mal auf 38,6 Stahilitatsßlle und 1 Mal
auf 3,5 Positionswechsel vor.
2. Schlecht entwickelter Fornix vaginae, d. h.
ein Scheidengewölhe , durch welches man nur beim Entgegen-
drücken von aussen den vorliegenden Kindestheil deutlich
wahrzunehmen im Stande war, wurde bei den Pnmiparis im
Ganzen 135 Mal, somit in 41,5 Procent gefunden und kam
ein Mal auf 4,8 Fälle mit Stabilität und 1 Mal auf 1,3 mit
Positionswechsel. — Bei den Mulliparis war er 191 Mal,
d. i. in 52,6 Procent und kam 1 Mal auf 3,2 Fälle mit
StabilitM und 1 Mal auf 1,3 mit Positionswechsel.
3. Ein schlecht entwickelter Fornix vaginae
und Hydramnios wurde bei Primiparis 30 Mal, d. i. in
9,8 Procent beobachtet; je ein Fall auf 22,6 mit Stabilität
und auf 5,8 mit Positionswechsel. — Bei den Multiparis ward
dies gefunden in 30 Fällen., d. i. in 8,3 Procent; und kam
je ein Fall auf 32,2 Fälle mit Stabilität und auf 7,1 mit
Positionswechsel.
4. Leerer Fornix vaginae und Hydramnios findet
sich aufnolin bei 8 Primiparis, somit in 2,5 Procent und kommt
1 Mal auf 50,7 Fälle mit Stabilität und 1 Mal auf 30,5 Fälle
mit PositioDSwechseL — Bei Multiparis ward derselbe 7 Mal
beobacbtet, d. i. in 2,9 Procent und kommt 1 Mal auf
24,3 Fälle mit Positionswechsel; dagegen bei SiabilitStsfällen
gar nkbt vor.
5. Eine Nabelschnurumschlingung wurde bei den
Primipiaris in 70 Fällen, d. i. in 21,5 Procent und zwar je
1 Mal auf 13,5 Fälle mit Stabilität und 2,2 Fälle mit Positions-
wechsel beobachtet — Bei Mehrgeschwängerten kam selbe
in 109 Fällen zur Beobachtung, d. i. in 30,0 Procent und
XV. VaUnia, Qebnrtobalfliehe Stndtea.
iwar je 1 Mal bei 6,9 FiWeti mit SUbilitat und 2,1 Fällen
yiiil Posilionswecbsel.
6. Eine auffällig kurze Nabelschnur Gndet sich
bei 5 Erstgebärenden bemerkt, somit in 1,5 Procent, und
zwar je 1 Mal bei 203,0 FäUen mit Stabilität und 30,2 Fällen
mit PodtionswechseL — Bei Mehrgebärendeu kam dieses in
10 Fällen, somit in 2,8 Procent vor, und zwar je 1 Hai
auf 48,2 Fälle ohne und auf 28,3 Fälle mit Positionswechsel.
7. Beckenenge wurde bei 11 Primiparis entdeckt,
d. i. in 3,4 Procent, und zwar kam selbe je 1 Mal auf
50,7 Fälle ohne und 17,4 Fälle mit Positionswechsel. —
Bei den Multiparis wurde Beckenenge 32 Mal eruirt, somit
in 8,8 Fällen, und zwar kommt je eine auf 27,4 Fälle mit
Stabilität und auf 7,0 Fälle mit Positionswechsel.
8. Ein schiefes Becken wurde nur bei 2 Primiparis,
somit in 0,6 Procent beobachtet, und zwar nur mit PoailioMi-
Wechsel combinirt und zwar 1 Mal auf 61,0 Fälle.
Die Scala des Vorkommens dieser einzelnen Causal-
momente überhaupt ist
a) bei den Primiparie:
Sehlecht entwickelter Poraiz vag mit 41,6 Proeemt,
ElabeUeliiiiimmsohliD^iiiig « 21^6 ^
lo«rer Fornix vag « 0,6 ,„
sehleoht entwiekelter Fornix und H^dramnios « 9,8 „
Bttekeneni^e „ 8,4 „
leerer Fornix und Hydramnios „ 2,6 ' „
knrse Nabelschnnr „ 1,6- „ ,
■clnefes Becken • „ 0,6 „
h) bei den Mnlttparia:
eeUeeht entwiokeher Fornix Tag mit 63,6 Proeent,
Nabelscbnnrnmschlingnng „ 30,0 „
leerer Fornix rag ^ 14,9 „
Beckenenge „ 8,8 „
•ehlecht entwiekelter Fornix ond Hjdramnioe , 8,3 „
leerer Fornix and Hydramnioe „ 8,9 „
knrse Nabelschnnr „ 2,8 „
Es kommen also alle die genannten Momente mit
Ausnahme des schiefen Beckens und des „schlechten
Fornix und Hydraronios"* bei den Multiparis relativ
häufiger vor und der Unterschied macht sich am stärksten
bei Beckenenge und leerem Fornix bemerkbar.
190 X^* Valenta, Oebnrtshttlfliche Stadien.
Tabelle vn.
Uebersicbt des Verhältuisses der Causalmoraente
zum Positionswechsel.
Es kam ein Fall yon
Bei Primiparis
auf Fälle
mit
ohne
Positions-
wechsel
Bei Maltiparis
auf Fille
mit
ohne
Positions-
wechsel
leerem Fornix
schlechtem Forniz
scbleohtem Forniz a.H)rdramnioR
leerem Forniz o. Hjdramnios .
Nabrlschnnromschling^nng . . . .
KU koraer Nabels oh«ur
B*okenen^6
schiefem Becken
4,2
1,3
6,8
30,6
2,2
80,2
17,4
61,0
60,7
4,8
22,6
60,7
13,6
208,0
60,7
3,6
1,8
7,1
24,3
2,1
28,3
7,0
38^
3,2
32,2
6,9
48,2
27,4
Es ist somit der Einfluss obiger Momente
auf Positionswechsel klar ersichtlich, und zwar am
starkateD beim leeren Fornii (hier ergiebt sich das Ver-
hältniss mk 1 Stabilitätsfall : nahe 13 Fällen mit Positions-
wechsel sowohl bei Primi - oder IMultiparis) , gleich darauf
folgt die Nabelschnuromschlingung (bei Primiparis
1 Stabilität : 6 Positionswechsel, bei Multiparis 1 Stabilität :
über 3 Poßitionswechsel) , hieran schtiessen sich schlechter
Fornix und Hydramnios (bei Primi- oder Mukiparis
1 Stabilität : 4,5 Poaitionfiwechflel) und zu kurze Nabel-
schn*ur (bei Primiparis 1 Stabilität : nahe 7 Positionswechsel).
Die abgleitende Scala war nach dem relativen Ver-
hältnisse zwischen Stabilität und Positionswechsel
a) bei den Primiparis:
Schiefes Becken,
leerer Forniz,
«B knrse Kabelsohmir,
NabelscbattramMbliKgmiig,
•ehleohter Forniz and Hydramnios,
schlechter Forniz,
Beckenenge,
leerer Fornii nnd Hydramnios;
XV. Valenta, aeburtahfililicb« Sta4lM). 191
b) bei den Multiparis:
Leerev Forniz uad Hydramnlot,
leerer Foroiz,
sehlechter Fornix ond Hydramnios,
Beckenenge,
Nabelschnarnmichlingung,
Bcblechter Fomix,
aa karse NabeUehnur.
Aus dieser Betrachtung der Causalmonente wäre maa «Iso
zu nachfolgeadem Schlüsse berechtigt: es ist somit mit
grosser Wahrscheinlichkeit auf eine andere Lage
des Kindes bei der Geburt zu denken, sobald man
bei der Untersuchung einer Schwangeren — insbesondere einer
Mehrgesdiwängerlen — einen leeren oder nur schlecht
entwicLellen' Pornix vaginae wahrnimmt und zwar
mit oder ohne Hydramnios, denn unter solchen VerhSUnissen
bat sich der vorliegende Kindstheil noch nicht mit dem
unteren Gebärmulterabschnitle ^urch den Beckeneingang herein-
gesenkt, sondern steht an und für sich beweglich am Becken-
eiogange, uml ist somit keine besondere Veranlassung nöthig,
auf dass schon ein Positionswechsel eintritt — CNisselbe
gilt noch mehr bei allen Difformitäten des Beckens.
Da die Erkenntoiss von Nabelschnurumschlingungen — *
(ausser durch das sogenannte Nabelscbnurgeräusch [?]) —
während der Schwangerschaft eben so wenig nach unseren
bisherigen KennlWMen wie die firlUHiiitnifls ikr Länge oder Kürze
des Nabelstranges möglich ist, so sind diese Momente in der
Praiis in dieser Richtung nicht zu verwerlhen. — Was die
Nabelschnurumschlingungen anbelangt, so sind selbe übrigens
nidner Ansicht nach überhaupt keine Causalmomente weder für
die Stabilität noch für den Positionswechsel des Kindes, sie
sind sicberlich keine den Positionswechsel bedingende Momente,
sondern werden selbst meiner Meinung nach secundär eben
durch den Positionswechsel bedingt, und die sich im Ver-
gleiche der Slabilitätsialle zu denen mit Positionswechsel eben
bei letaleren ergebende bedeutend grössere Häufigkeit von
Nabelschnununpchliogui^gea berechtigt uns . daher zu der
interessanten, auf Grundlage meiner Ansicht erwiesenen
Schlussfolgernng : durch den Positionswechsel werden
sehr häufig Nabelschnurumschlingungen bewirkt.
.182 XV. Valmla, OeburUhttlfliehe Stodiea.
Was die zu kurzen Nabelscboör« betrifft, so glaube
ich, übereinstimmend mit dem Befunde, das» dieselben aus
leicht begreiflichen Gründen zu Positionswechsel Ver-
anlassung geben, indem das Kind bei gewissen Lagen
(Umdrehung um seine Längsachse) ob der Kürze der Nabel-
schnur eine Zerrung am Nabelringe erfahren muss, und daher
dann um wieder aus dieser unangenehmen Situation zu kommeo,
wähl biufig seine Lage ändern mag.
XL Hinsichtlich der Beziehungen der bei der
Schwangerschaftsuntersuchung und später bei der
Geburt gefundenen Lagen ergaben sich (s. Tab. IIL u. IV.)
bei der Geburt im Gegensatze zu der letzten Untersuchung:*
a) naoh ersten Sohädellftgen:
im letxt«n Monate der Schwangerschaft:
bei Primiparis in 19 Fällen: 2 Mal erste Steisslag^e,
1 „ erste Gesichtslage,
16 „ Bweite SchÜdellage,
bei Mnhiparis in 36 Ficnen: 2 „ erste Gesichtelage,
38 „ zweite Sclüldellage;
im Torletiten Monate:
bei Primiparis in 13 Fällen: 13 Mal zweite Schädellage,
bei Multiparis in 8 Fällen: 1 „ erste Qesichtslage,
7 f, zweite Schädellage;
im drittletzten Monate:
bei Maltiparis einen Positionswechsel : 1 Mal zweite Schädellaga.
b) nach sweiten ScbAdellagens
im letzten Seh wangerschaftsmonate:
bei Primiparis in 34 Fällen: S4 Mal erste ßchädellagen,
bei Multiparis in 41 Fällen: 1 , erste Gesichtslage,
1 „ erste Steisslage,
39 f, zweite Schädellagen ;
im Yorletzten Monate:
bei Primiparis in 18 Fällen: 18 Mal erste Schädellagen,
bei Maltiparis in 10 FäUen: 10 „ erste Schädellagen;
im drittletzten Monate:
bei Primiparis in 8 Fällen: 1 Mal erste Steisslage,
2 „ erste Schädellage,
bei Multiparis in 1 Falle: 1 „ erste Sehädelkge.
c)- nach ersten Beckenendlagen:
im letzten Sehwangerschaftsmonate:
bei Primiparis in 2 Fällen: 1 Mal erste Fasslage,
1 „ erste Schädellage,
XY. ToimUa, Oeburfeahfilflieho Studien. 103
bei Mvltiparis in 7 Pillen: S Mal erste Seliädellege,
8 » «weite SobSdellage,
1 „ Fasslage;
im Torletiten Monate:
bei Priniparie in 6 FUlen: 1 Mal erste Seh&dellage,
4 ff sweite Schftdellage,
bei Mnltiparis in 8 Fttilen: 8 » erste Sch&delUge,
5 , sweite Sob&dellage;
im drittletaten Monate:
bei Primiparis in 2 FiUen: 1 Mal erste Scb&delUge,
1 „ aweite Scbädellage,
bei Mnltiparis in 1 Falle: 1 „ sweite Sohädellage.
d) nach «weiten Beokenendlagen:
im letsten Schwangerschaftsmonate:
bei Primiparis in 1 Falle: 1 Mal erste SchHdellage,
bei Mnltiparis in 8 Fällen: 8 „ erste Sch&dellRge;
im Yorletsten Monate:
bei Primiparis in 8 Füllen: 1 Mal erste Sch&dellage,
1 „ sweite Schttdellage,
1 „ erste Fasslage,
bei Mnltiparis in 1 Falle: 1 « erste Sch&dellage;
im drittletaten Monate:
bei Primiparis in 1 Falle: 1 Mal erste SehKdellage,
bei Mnltiparis In 1 Falle: 1 « erste SchftdeUage^
e) naoh ersten Gfreeiohtalagen:
im letzten Schwangerschaftsmonate:
bei Primiparis in 2 F&llen: 2 Mal' erste Sobftdellage»
bei Mnltiparis in 1 Falle: 1 ^ erste Sohftdellage;
im Torletsten Monate:
hei Prim^arU in 2 Ftllen: 1 Mal erste Sch&dellage,
1 „ sweite Seh&dellage;
f) nach Bweiten Qegiohtslagen:
im letsten Sehwangerschaftsmonate:
bei Mnltiparis in 1 Falle: 1 Mal erste Schädellage;
im Torletsten Monate:
bei Primiparia in 1 Falle: 1 Mal erste SchSdellage,
bei MnlUparis in 2 FSllen: 1 „ erste SehHdellage,
1 ^ sweite Schftdellage.
g) naoh Stimlagen:
im letsten Sehwangerschaftsmonate:
bei Primiparis In 8 Fällen: 8 Mal erste. Schädellage.
MoaUMekr. f. Oelrartsk. 1886. Bd. ZXV., Hfl. 8. 18
ig|4 XV. VaUntüf Gebartokülfliche Studve«.
h) nach Sohieflagen:
im letiten Schwangerschaftsmonate:
bei Primiparis in 6 Fällen: 3 Mal erste Schädellagen,
1 ,f Bweite Schädellage,
1 „ dritte SchSdellage,
1 n erste Fasslage,
bei Mnltiparis in 21 Fallen: 16 „ erste SchädeUage,
5 n sweite Schädellage,
1 , QaerUge;
im Torletiten Monate:
bei Primiparis in 6 Fällen: 3 Mal erste Schädellage,
1 9 sweite Schädellage,
2 f, erste Steisslage,
bei Mnltiparis in 6 Fällen: , 2 „ erste Schädellage,
4 „ sweite Schädellage;
im drittletsten Monate:
bei Mnltiparis in 1 Falle: 1 Mal aweite SchädeUage,
t) nach Querlagen:
im lotsten Monate der Schwangerschaft:
bei Primiparis in 1 Falle: 1 Mal erste Schädellagey
bei Mnltiparis in 16 Fällen: 7 » erste SchädeUage,
6 „ sweite Schädellage,
2 „ erste Steisslage,
1 „ Fnsslage,
1 „ Qneriage (Kopf rechts,
dann links);
im vorletsten Monate:
bei Primiparis in 6 Fällen: 3 Mal erste Schädellage,
2 n sweite Schädel läge,
bei Mnltiparit in 4 Fällen: 2 , erste Sch&dellage,
1 „ sweite Schädellage;
1 „ Qneriage (wie oben),
im drittletsten Monate:
bei Mnltiparis in 1 Falle: 1 Mal sweite Schädellage.
Aus dieser Detailubersicht ist zum allgemeinen Ueber-
blicke nachfolgende Tabelle zusammengestellt
XV. VttUnta, 0«lHirt«littlfli«he Stadito.
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18 ♦
196 XV. Valenta, G^bnrtahmfliöbe Stadieii.
Aus dieser Detail- und Gesanimtübersicht ergeben sich
folgende Wahrnehmungen : ^
1. Was die Schädellagen anbelangt, so wurde
a) bei den meisten derselben einfach eine
Drehung um die Längsachse des Kindes beobachtet
und somit im eigentlichen Sinne des Wortes nur die Position
geändert. Auch hier wurde der Umstand constatirt, dass
die Umwandlung in erste Schadellagen häufiger
statthat, als umgekehrt, und zwar bei den Primiparis um
8 Procent, bei den Multiparis um 3 Procent ^ weicher Befund
ganz und gar im Einklänge steht mit der constatirten Hehrzahl
von ersten Schädellagen überhaupt bei der Geburt.
b) Fünf Mal fand eine Umwandlung in Gesichts-
lagen statt, und zwar in vier Fällen aus den Schädellagen
bei sonst gleicher Position nur ein Wechsel in der Haltung
des Rindes, nämlich es entstanden aus vier ersten Schädel*
lagen vier erste Gesichtslagen, und nur ein Mal ging mit der
Umänderung in der Haltung zugleich eine Umdrehung um
seine Längsachse, somit Aenderung der Position, einher. —
Dieser Befund spricht für die Richtigkeit, dass die Gesichts-
lagen aus den der Position entsprechenden ^Schädellagen da-^
durch entstehen , dass sich das Hinterhaupt an die Grenzlinie
anstemmt und so allmälig das Kinn von der Brust entfarnt,
welche Entstehungsweise mir auch die einleuchtendste, weil
einfachste, zu sein scheint
c) In vier Fällen wurde aus Schädellagen deutlich
eine Umwandlung in Beckenendlagen beobachtet,
somit die Zahl jener interessanten diesbezüglichen Beobachtungen
Hecker' s vermehrt und zugleich die Thatsache, dass auch
die Entstehung von Beckenendlagen aus Schädel-
lagen möglich sei, abermals bestätigt; man kann daher
niemals deshalb, weil man bei der Schwangerschaflstintersucbung
eine Schädellage gefunden hat, unbedingt auch bei der Geburt
wieder auf eine Schädellage rechnen. ^)
1) Hier rnnsB ich bemerken, dass mir leider Üred4*8: Ob-
serYationee noonnllae de foetns sIta intergravidi taten. Progravima
in memoriam E. G. Boeii, Lipsiae 1862, ob Ver^riffenseins der
Auflage nicht sagänglicb war.
XV. VaUnia, GebtirUhfilfliolif Studien. 197
2. Wm die GesichtsUgeA während d«r Schwanger-
fldiaft helriift, so wurde aninit constatirt, dam sich selbe
Bvr in Schädellagen umwandeln,, und zwar cumeist
(fi&^Plroc) in Schädellagen derselben Position, in 44,6 Proc.
ward auch eine Drehung um die Längsachse des Kindes
beobachtel. Es ist somit erwiesen, dass einmal Gesichts-*
lagen während der Schwangerschaft häufiger vor»
kaomen, als bei der Geburt, dass somit die Natur sehr
oft diese ob der regelwidrigen Haltung des Kindes folgen*
reidien Lagen verbessert, gesundheitsgemässer gestaltet
Die einfache Umwandlung der Gesichtslagen
iff Schädellagen derselben Position kommt ganz
besonders bei Primiparis zu Stande und scheint die
grtssere Schlaffheit der Uteruswandungen bei Multiparis der
Umdrehung des Kindes uro seine Längsachse gänsliger zu sein.
3. Die drei während der Schwangerschaft beobachteten
Stirniagen bestätigen den oben ausgesprochenen Satz, dass
«eh eben ganz vorzüglich bei Primiparis die Gesiebtslagen
in Sdiädellagen derselben Position umwandeln.
Der Umstand, dass sich sämmtliche beobachtete erste
Stirniagen in erste Schädellagen verwandelten, berechtigt uns
ai dem weitergehenden Ausspruche, dass überhaupt Stirn*
lagen einfach nur Mittellagen oder besser gesagt
Debergangsiagen sind, dass nämlich die Verbeasenmg
der GeskfaVslftgen in Schädellagen allmälig geschieht, mdem
sdbe zuerst in Stirniagen und dann in Schädeilagen äbfirgehen^
and dass die Stirnlagen bei der Geburt nur als dorch ver*
Mhiedene Umstände im Uebergange in Schädellagen gestörte
Mchtslagen anzusehen sind. — Nachdem bei den 688
Schwangeren 3 Stirniagen i. e. 0,4 Proc. vorgefimden wurden,
nährend sich bei 1756 Geburten auch nur 3 Stirniagen i. e.
04 Proc. ergaben, so scheinen jedenfalls in der Schwanger-
fldiaft diese an und für sich so seltenen Lagen *— eben weil
sie Debergangsiagen sind, bedeutend häufiger vorzukommen.
4 Was die beobaditeten 35 Beckenendlagen betrifft,
M gingen Inervon 3S i.e. 91^4 Procent in Schädellagen
tter und bei 3 i. e. 8,6 Proc. verwandelten sich die Steiss-
htOB in Fusslagen. Unter den 32 FäUen fand 22 Mal i. e.
M,7 Procent vollkommene Culbute statt, es um*
198 2^* VaUnta, GebnrtibHlflieke StndUn.
wandelten sieb nSmlich die Beckenendlagen durch Direbung
der Kinder um ihre Querachse (Stürzen) in Scfaäddiagen der
entgegengesetzten Position und 10 Mal (31,3 Proc.) wurde
unter Einem Drehung uro die Quer- (Cnlbute) and Längen-
achse beobachtet; es steht somit der Satz fest, dass «ch
die Mehrzahl der in der Schwangerschaft Tor-
kommenden Beckenendlagen in Kopflagen resp.
Schadellagen umwandelt, und zwar gilt dieses ganz
besonders för die Multiparae.
Was die Umwandlung sdbst 'anbelangt, so geschiebt
selbe auch bei den Beckenendlagen entschieden fu Gansten
der ersten Schädellagen somit wieder ein weiterer Erklärungs-
grund der relativen Häufigkeit dieser Lagen.
Bei dieser Gdegenheit muss ich gestehen, dass der
Ausdruck'„Culbute-Stfirzen^' einige Berechtigung
hat, indem ich glaube, dass diese Umwandlung, wenn auch
nicht in allen, so doch in vielen Fällen, besonders in solchen
kurz Tor und während der Geburt rasch geschieht, indem
ich selbst einen Fall beobachten konnte, wo sich das zweite
ZwiUingskind so zu sagen unter meinen Augen stOrzte;
jedenfalls geschieht aber die zweite Hälfte dieser Umwandlung
rasch, wenn nämlich der Kopf einmal in der horizontalen liegt
(Qtteriage) oder unter die horizontale (Schieflage) bereits
gekommen ist; welchen Vorgang man ja sehr oft ganz gut
und leidit bei ursprünglichen Schief- und Querlitgen — bei
der sog. Selbstwendung — beobachten kann. Endlich muss
ich schon deshalb für Beibehaltung des Ausdruckes „Culbute^
Stürzen** stimmen, weil wohl kein anderer Ausdruck eben
diese Art von Umwandlung deutlicher, besser und bündiger
bezeichnen dürfte.
Hier (^aube ich, wäre weiters gerade der Ort zu er- .
klären, wie ich die Beckeneoidlagen während der
Schwangerschaft diagnosticire. Ich gestehe es un-
umwunden, ein Gebeimmittel zu besitzen, wodurch mir während
meiner selbstständigen klinischen Thätigkeit noch keine Becken-
endlage entgangen ist , und dieses mein Geheimmittel bestellt
darm, dass ich bei jeder Untersuchung einer Schwängern auf
eine Beckenendlage denke und in dieser Richtung untersuche;
ich lege zu diesem Behufe meine Hand — gewähn-
XT. VaUnia, Gebiirtsli«lfli^e Stndien. 199
lieh die rechte — flach auf den Gebärmuttergfund
ond dricke dann die Fingerspitzen möglichst rasch
— geichsam schneHetid — gegen die Uterushöhle
ratp. gegen den am Gntnde liegenden Kindeatheil, — iifid
aif diese Welse ist es mir noch immer {;ehingen, den Schädel
durch seine charakteristische Härte und Ebenheit am Grunde
ivL erkennen. Man mag sagen, was man will, bei der ge-
wöiuüichen Untersuchungsweise, nämlich beim langsamen
tiefen Eindrücken der Pinger wird das Tastgefühl elier ab*
gesbimpft und man daher hierdurch leichter und eher ge-
täuscht Auf dieselbe Weise suche ich übrigens auch bei
Schief* und Querlagen den Schädel auf.
5. Die Schief- und Querlaged (erstere40, letztere
27 an der Zahl) gingen fast sämmtlich (95,5 Procent)
durch die sogenannte Selhstwending in Längslagen
äker; nur bei drei Multiparis (4,5 Procent) ereignete sich
dieses nicht und zwar wurde ein Mal eine Schieflage zur
ToUkommenen Querlage und in zwei Fällen drehte sich das
fiergelagerte Kmd um eine senkrechte mit seiner Querachse
parallel gehende Achse derart, dass der Kopf von der rechten
Sdte in die linke überging, — offenbar der höchste Grad
fM B^vegüchkdt
Was die Selbstwendung anbelangt, so fingen durch
selbe 58 Scbadellagen (90,6 Procent) — * darunter wieder
überwiegend die erste Position — und 6 Beckenendlagen
(9,4 Procent) hervor.
interessant ist, wie schon auch Punkt VlI. dargethan,
das bei weitem häufigere Vorkommen der Schief- und Quer-
lagen bei den Hehrgeschwängerten (73,1 Procent) gegenüber
den Erstgeschwängerten (26,9 Procent); ferner, dass sich
bei letzteren, entsprechend der strafferen ovalen Gestaltung
der Gebännnttter, alle, und bei ersleren fast alle Schief-
imd Querlagen in Längslagen von selbst umwandelten, somit
(fiese Beobachtung uns zu dem Schlüsse berechtigt, dass
die sogenannte Selbstwendung eine sehr häufige
lageverbessernde Naturhülfe sei.
Nicht ohne Interesse dürfte nachfolgende Tabelle' IX. über
Beckenendlagen, welche aus Kopflagen entstanden sind, sein.
200
XY. VoUtUa, Gebartabnllliebe Studien.
Tabelle IX.
Deber BeckenendlageR, welche aus Kopflagen
hervorgegangen sind.
No.
WicTiah-
Qeschwllngerte
and Alter.
Termin and Befand
der ersten
Üntersachang.
Termin
and Befand
bei der
Gebart.
BetcbaCen-
heit
des Kindes.
1.
Erst-
Oesobwiingerte.
20 Jahre.
IS.M&n. Erste Schftdel-
lage, HeritSne links,
Fomix missig, Orif.
ext. offen, Halscanal
26.Mftral861.
Eine erste
einfache
Steisslage.
Mftdchen,
reif.
2.
Erst-
gescbwftngerte.
18 Jahre.
22.0ct. VerKnderllobe
erste ScbKdellage,
Fornix schlecht ent-
wickelt, Conj. 8Vt".
4. Jan. 1868.
Eine iweite
einfache
Fasslage.
Knabe,
reif.
8.
Erst-
geschwttngerte.
27 Jahre.
l.Jani. Erste Schädel-
lage, Fomix massig,
Heratöne links, Ge-
barte trichter.
8. Jani 1869.
Eine erete
einfache
Steisslage.
Knabe,
reif.
4.
Dritt-
gescbwftngerte.
87 Jahre.
22. Jan. Zweite Sohft-
dellage, Orif. ext.
nicht erreichbar.
26. Jan. 1862.
Erste
einfache
Steisslage.
Knabe,
reif.
6.
Erst-
geechwängerte.
42 Jahre.
20. April. Veränderliche
dchftdellage, Fornix
leer.
16. Jani. Schiefläge in
Beckenendlage, Kopf
rechts oben, Fomix
leer.
17. Jttli 1868.
Erste
einfache
SteUelage.
'^Mädchen,
reif.
Xn. Bezüglich der stabilen Lagen (s. Tab. III.
und IV.) ergaben sich bei der Geburt von de^i während der
Schwangerschaft gefundenen Lagen:
a) Von den ersten Sch&dellagen
im letiten Monate der Sehwangersehaft :
bei den Primiparis . . . .
110,
1, , Maltiparis . . . .
98.
im Torletaten Monate:
bei den Primiparis . . . .
10.
„ , Maltiparis . . . .
18,
im drittleislen Monate:
bei den Primiparis . . .
«•
» » Maltiparis . . .
1.
XY. ralMla,*eab«rtohQmUhe Stadien.
aoi
b) Von den iweiten Sob&dellagen
in leUteo SchwangerschaftBoionate:
bei den Primiparis . . .
.64,
9 „ Mnitiparis . . .
.67,
im Torletsten Monate:
bei den Priipiparie . . .
.11.
„ f, Mnltiparis . . .
.12,
in drittletiten Monate:
bei den Primiparie . . .
. 2.
e) Von den ersten Beckenendlagen
im letiten Monate:
bei den PHmiparis . . .
. 8.
i2) Von den iweiten Gesic
im lotsten Monate:
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bei den Mnltiparis . . .
. 1.
e) Von den Qnerlag
en
im letaten Monate:
bei den Mnltiparis . . .
. 1.
Aus dieser Detailöbersicht ist die Tabelle X. lusammen-
gesteni:
Tabelle 2>
Allgemeine suium arische Zusammenstellung
der stabil gebliebenen
Lagen.
Kindeelagon
Zahl
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der
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Hieran lassen sieb folgende Bemerkungen anknüpfen:
1. Was die Schädel lagen anbelangt, welcbe
Punkt VJL nachgewiesen wurde, an und für sich die
stabilsten Lagen sind, so gehen bezüglich der Stabilität
auf weiteres die ersten Scbädellagen den zweiten überhaupt
im Ganzen sowohl bei den Primi - als Hultiparis vor — und
zwar erstere auch den letzteren — , dagegen sind die zweiten.
Scbädellagen bei den Multiparis etwas mehr stabil als bei den
Primiparis.
2. Was die übrigen Lagen anbelangt, so sind die Zahlen
viel zu klein, um zu einem Schlüsse zu berechtigen, nur mit
203 XV. Valenia, Gebnrtshölfliclie Studien. ^
Bezugnahme auf dieselben mit Positionsv<^echsel (Tab. VIII.)
wäre zu bemerken , dass bei den Primiparis noch die Becken*
endlagen relativ die meiste StabiKtät zeigen.
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1. Im AUgeweinen bleiben die Kindslagen häufiger stabil,
jedoch kommen ah und für sich Positionswechsel häufig genug vor.
2. Aendern während der Schwangerschaft die Knaben
viel häufiger ihre Lage, als die Mädchen, und zwar sowohl
bei Erst- als Hehrgeschwängerten.
3. Kommt eine Lageveränderung des Fötus häufiger bei
Mehrgeschwängerten vor, und dem^eutsprecbend bei den Erst-
geschwängerten ebenso unzweifelhaft häufiger die Stabilität
der Kindslage vor.
4. Das höhere Lebensalter ist dem Positionswechsel ge-
neigter; besonders bei Erstgescbwängerten ist das höhere
Alter der Mütter entschieden einem Positionswechsel iu den
letzten Schwangerschaftswochen günstig.
5. Die Häufigkeit des Positionswechsels mehrt sich mit
der Zahl der überstandeiien Schwangerschaften.
6. Unter allen Lagen kommt ein Positionswechsel am
seltensten bei Schädellagen, dagegen stets bei Schieflagen vor.
7. Positionswechsel sind desto häufiger im letzten Quar-
tale der Schwangerschaft, je entfernter der Geburtseintritt
ist; — insbesondere zeigen alle Lagen ohne Unterschied im
vorletzten Monate weniger Stabilität, als im letzten.
8. Das Vorfinden eines leeren oder mindest schlecht
entwickelten Fornix vaginae mit oder ohne Hydraranios während
der Schwangerschaft lässt mit grosser Wahrscheinlichkeit einen
späteren Positionswechsel vermuthen.
9. Verengte Becken geben sehr häufig zum Positions-
wechsel Veranlassung.
10. Nabelschnurumschlingungen sind Folgen des Positions-
wechsel.
11. Eine zu kurze Nabelschnur scheint den Positions-
wechsel zu begünstigen.
12. Der Positionswechsel findet überhaupt bei allen Lagen
überwiegend zu Gunsten der Entstehung von ersten Schädel-
lagen statt.
13. Die Schädellagen ändern zumeist nur ihre Stellung,
und zwar findet die Umwandlung in Schädellagen erster Po-
sition häufiger statt.
14. Aus den Schädellagen werden im Falle der Um-
wandlung fast immer Gesichtslagen derselben Stellung.
15. Aus Schädellagen entstehen auch Beckenendlagen.
16. Die Gesichtslagen kommen häufiger in der Schwanger-
schaft als bei der Geburt vor, selbe verwandeln sich während
XY. Faltfüte, Gebnrtabalfliche Studien. 303
der Schwangerschaft stets in Schädellagen und zwar zumeist
in Schädellagen derselben Stellung,
17. SUmlagen sind nur Uebergangslagen zwischen Ge-
sichts- und SchSdellagen.
18. Die an und für sich seltenen Stirnlagen kommen,
eben weil sie Uebergangslagen sind, häufiger während der
Schwangerschaft, als bei der Geburt vor.
19. Die Beckenendlagen kommen an und für sich auch
häufiger während der Schwangerschaft, als während der Geburt vor.
20. Die Beekenendlagen verwandeln sich fast stets durch
Culbute (Stürzen) in Schädellagen.
21. Schieflagen sind unbedingt einem Positionswechsel
unterworfen.
22. Schief- und Querlagen gehen meistens durch Selbst-
wendung in Längsachsen über.
23. Die Selbstwendung ist eine sehr häufige Naturfaülfe.
24. Die Schädellagen überhaupt, jedoch ganz besonders
die ersten Schädellagen sind die stabilsten Lagen.
25. Ueberhaupt stellt sich bei jedem Positionswechsel
klar die Tendenz zur naturgemässesten Geburtslage — Schädel-
lage — in der Hehrzahl der Fälle heraus, wo diese nicht
erlangt werden kann , wird wenigstens die demnächst günstige
Geburtslage — Beckenendlage — herbeigeführt.
Anhang.
Nachdem ich bereits obigen Aufsatz an die löbliche Re-
daction dieser Zeitschrift eingesendet hatte, war Herr Prof.,
Cred^ so freundlich gewesen, mir seine im Buchhandlungs-
wege [nicht erreichbaren beiden Monographien über den Po-
sitionswechsel des Fötus zu überschicken: — ich sage es
unumwunden, mich freut es jetzt, dieselben früher nicht gekannt
zu haben, indem meine Arbeit über diesen Gegenstand da-
durch, dass selber unabhängig und eigenthümlich behandelt,
nebst anderen interessanten Resultaten ganz and gar Credi*s
Resultate bestätigte, nur umsomehr an Werth gewonnen
haben dürfte. In der That werden die bisher über diesen
Gegenstand von vier verschiedenen von einander unabhängigen
Seiten {Credd^ Hecker ^ Heyer daM und mir) gemachten
Beobachtungen einige irrthümliche Anschauungen über den
Lagewechsel des Fötus beseitigen.
Je mehr Beweise, desto besser — dies der Grund, warum
ich als Anhang ohne sonstige Erläuterung noch die Resultate
der mir zur Verfolgung stehenden Fälle von an 63 Schwangeren
wiederholt vorgenommenen Untersuchungen jetzt veröffentliche ;
absichtlich habe ich die Form der Cred^scben Tabellen bei-
behalten, weil ich diese Fälle nur als eine dritte Serie seiner
Beobachtungen betrachtet sehen möchte.
204
XV. VttltiUa, OebarUhflIfliehe Stadien.
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XVI. SUMn-ündt, Zwei StlrDlagen. 200
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Zwei Stirn lagen.
Von
Dr. H. Hildebrandl,
Privatdocent in Königaberg.
Am 20. December 1862 wurde ich Nachu zwei Meilen
voB Königsberg zu einer Bauerfrau gerufefi, weiche seit
12 Sumden in den iebhaftesten ^ehen kreisste, ohne dass
di^ Hebamme einen Fortgang der Geburt wahmebmen konnte.
Die sehr rüstige, kräftige 34jährige Frau hatte bereits fünf
Entbindungen durchaus leicht und glöcklich bei regelmässigen
Kopf lägen überstanden, die neue Schwangerschaft ohne alle
Beschwerde durchgemacht und am 19. December Mittags 1 Uhr
nadi dem bei leichten Wehen im Umhergehen erfolgten Blasen-
spninge das Bett aufgesucht. Danach waren die Wehen
sebnell an Kraft gewachsen und erreichten , wie die Hebamme
berichtete, bald den Charakter schnell auf einander folgender
Treibwehen, bei welchen jedoch auf die, sonst so leichte
Geburt des Kindes von Stunde zu Stunde vergeblich gehofft
wurde. Welche Lage die Frucht zum Becken einnahm ^ war
der Hebamme von Anfang an nicht möglich zu ermitteki
gewesen. Die äussere Untersuchung ergab darüber auch keinen
Aubchluss, da die gegen Druck empfindlichen Wandungen
des Uterus so sehr gespannt und unnachgiebig waren, dass
nor gerade eine Längslage der Frucht und zwar in der Mittel*
faiie des Uterus festgestellt werden konnte. Herzschlag der
Fracht Kess sich nirgends wahrnehmen und hatte die Frau
anch seit mehreren Stunden keine Bewegungen derselben mehr
wahrgenommen. Beim Eingehen zwischen den stark an-
geschwollenen Schamlippen in die hdsser und mit dick serös
angesdiwollener Schleimhaut versehene Schekle stiess der
Finger bald auf eine pralle, glatte Kindstbeilgeschwulst, welche
die Beckenmitte einnahm und von so erheblicher Dicke und
80 bedeutendem Umfange war, dass es schwer hielt, über
dieselbe binaaf zur Erforschung des Kindstheiles selbst zu
gdangen. Nur mit Mühe und unter lebhaftem Schmerz der
MoaalMelir. f.O«bart«k. 1866. Bd. ZZV., Hfl. 8. 14
aiO ^VJ. Mildebrandt, Zwei äkirnlagi^ii.
Kreissenden erreichte man schiiessHch mit zwei Fmgern der
Jinken Hand an der rechten vorderen Beckenwand die Nasen-
wurzel und die fast verscbwoiJenen Nasenlöcher, Mund und
Kinn nicht. Hteroach war das Vorliegen der Stirn und die
Anwesenheit der Kindstheilgeschwulst auf dem rechten Stirn-
beine, wahrscheinlich auch auf dem rechten Auge die noth-
wendige Annahme und danach bei der constatirten Erfolg-
losigkeit der kräftigen Wehen die Beendigung der Geburt mit
der Zange geboten. Nachdem die Frau auf ttin Querbett
gebracht war /legte ich die Zange im rechten schrägen Durch-
messer an, erreichte einen festen Schluss und eotwiekelfae
den Kopf, djer sich während der sehr kräfligen von Wehen
uAterslötzten Tractionen sehr langsam mit der Zange in den
geraden Durchmesser des Beckenausganges drehte, in folgender
Weise: Zuerst zeigte sich zwischen den Schamlippen die
dunkelblaurothe Stinigeschwulst und das stark geschwollene
rechte Auge ; dann stellte sich der untere Theil des Gesichtes
an der Schambeinfuge fest und es wälzte sich alhnählich der
mittlere Theil des Schädels, dann das Hinterhaupt über den
Damm.
Danach erst erschien unter dem Arcus pubis Mund und
Kinn. Der letzte Act der Geburt verlief normal bei Kräftig-
kett des Uterus. Das todte Kind männlichen Geschlechtes
^<^f 7^/4 Pfund und hatte eine Länge von 18 Zoll, war also
nicht nur vollständig ausgetragen, sondern besonders gross.
fiigenthämlich aufialiend war die Form des bis zur Ent-
stellung lang gezogenen und zusammengedrückten Kopfes.
Derselbe zeigte sich in seinem vorderen Theile besonders
hoch, so dass der ganze Schädel seine höchste Stelle vom
Kinn zur Stirn einnahm. Vom Kinn bis zum höchsten Punkte
der Stirngeschwulst war der Kopf ziemlich platt, in seinen
Flächen gerade ansteigend, während nach hinten zu die
Scheitelbeine ziemlich steil abfielen, so dass die Zuspitzung
des Schädels nicht wie bei den Hioterfaauptslagen gegen den
hinteren Theil des Schädels, sondern gerade gegen den vorderen
Malthatte. Das ziemlich platte Gesicht war von bläulicb-
nother Färbung, die Lippen stark geschwöllen, ihre Schleim-
baut dunkelblau, beinahe schwarz, an der Oberlippe eine
starke Abschürfung der Haut, der Alveolarfortsatz des Ober-
XVI. Hüdebranfit, Zwei StirnUgen. 211
kiefers eingeknickt. An der plättgedräcktea Nase begann
rMhterseits nach dem Augenwinkel zu bereits die Kindstheil-
geschwulst, welche sich über die Lidor des rechten etwa«
TQfgetriebenen Auges zur Stirn fortsetzte, wo sie die rechte
tfäide vollslnndig und noch über die Stirnnaht hinaus ein
kteines Segment der linken einnahm. Zog man die ge-
schwollenen Augenlider auseinander, so sah man rings um
die Cornea eine dunkelrothe Biutunterlaufung der Conjunctiva
bolbi. Das linke Stirnbein war unter das rechte geschoben,
beide Stirnbeine, sowie das Hinterhauptsbein unter die
Scheitelbeine.
Möge zunächst dieser Fall als Anhaltspunkt zu einem
specielleren Eingehen auf die Eigenthömlichkeiten der Stirn-
lagen dienen:
Es war ein exquisites Beispiel jener üblen Lage, welche
glöcklicherweise so sehr zu den Seltenheiten zu rechnen ist,
dass ihr Vorkommen unter ungefähr 2000 Geburtsfallen nur
ein Mai beobachtet wird. So zählt Spaeth unter 14424
kfioisch behandelten Geburten nur sieben bleibende Stirnlagen,
also 1 auf 2060; Hecker erwähnt aus seinem reichen
Material in der „Klinik der Geburtskunde"' die Beobachtung
nur eines Falles; Hueter sah zwei, Nusser eine, v. Hetty
aeht bleibende Stirnlagen. Unter 3409 Geburten, welche
während der letzten sieben Jahre in den hiesigen klinischen
Anstalten zur Beobachtung kamen, war jener oben beschriebene
Fall der einzige von einer bleibenden Stirnlage. Inwieweit
ein zweiter hierher gehört, durfte später aus der weiter unten
2u gebenden Beschreibung desselben hervorgehen.
Dieser Seltenheit des Vorkommens der genannten Lage
ist es wohl zuzuschreiben , dass nur wenige Autoren der-
selben eingehend Erwähnung thun , dass die meisten sie kurz
unter den Gesichtslagen abhandeln , mit denen sie für gleich-
bedeotenri erachtet werden soll, während meines Wissens
Bar Scanxonif Hueter^ Nusser ^ Spaeth, v. Heäy und
wagTiiügA Hecker die Stimlagen als eigenthnmliche , in ihrem
Veriaafe charakteristische und wegen ihrer üblen Prognose
vicjilige Kopflagen einer eingehenden Beobachtung würdigen.
Naefa der ausfahrlichen Schilderung des Geburtsmecha-
der Slirnlagen v. Helly'f, stellt sich der Kopf im
14*
212 XVI. midehrandty ^w«! StirnUf^ett.
Beckeoeingange stets mit der Pfeilnaht in den Querdurch*
messer und soll daher die Annahme Hueter*» und Buech'%
von vier primären Stimlagen , welche in analoger Weise , wie
die Hinterhauptslagen nach den schrägen Dnrchmedsem ge«
richtet seien, für unrichtig zu erachten sein.
Wie weit der eine oder der andere der genannten Autoren
Recht hat, ist nur zu ermitteln, wenn man sich über den
Zeitpunkt einigt, von welchem an man eine Lage wirklieh
zu den Stirnlagen rechnen darf. t;. HeUy wählt diesen Zeit-*
punkt erst nach erfolgtem Blasensprunge, nach fester Ein-
stellung des Kopfes in den Beckeneingang, nach kräftiger
directer Einwirkung der Uternscontraction auf Lage und
Haltung des Fötus. —9 Busch dagegen und Hueter tbeilen
die Slirnlagen ein je nach der Art, wie sie die Stellung des
Kopfes vor seiner Fixirung bei einer früheren Untersuchung
im Beginn der Geburt gefunden haben. So sehr viel präciser
dieses Verfahren auch zu sein scheint, so muss es doch dei*
Auflassung Helly^s durchaus hintangesetzt werden. Kann man
auch nicht leugnen, dass es bei auftnerksamer Untersuchung
wahrend der ersten Stadien der Geburt nicht selten gelingt,
bei vorliegender Stirn das Gesicht ein wenig mehr der einen
oder anderen Synchondrosis sacroiliaca oder, was sehr viel
weniger oft vorzukommen scheint, dem einen oder anderen
horizontalen Schambeinaste zugeneigt zu finden, so geben
diese Verhaltnisse doch noch nicht die Berechtigung , zu dieser '
Zeit schon von einer Stirnlage zu sprechen. — Bekanntlich
gehen die vorwiegend meisten dieser Lagen, je najchdem die
Schwere des Rumpfes mehr auf den vorderen oder mehr auf
den hinteren Halbkreis des Foramen occipitale des Fötus
wirkt, entweder in Gesichtslagen oder Scheitellagen Aber.
Und zwar scheint der Zeitraum, in welchem diese die Lage
rectificirenden Drehungen um den Quermesser des Kopfes
erfolgen können, ein ziemlich umfangreicher zu sein, da der
Kopf, besonders bei Complication mit Beckenenge auffallend
lange einen sehr hohen Stand und grosse Beweglichkeit behält
So sah ich in einem Falle, in welchem gleich beim Beginne
der Wehen der Blasensprung erfolgt war und bei Anwesenheit
von Beckenenge aus einer bestehenden Schiefläge der Frucht
mit nach links ausgewichenem Kopfe allmälig eine Stimkige
XVI. Hüdebrandt, Zw«i.Stirn]agan. 21$
nit nach rechts und ein wenig nach hinten gerichteter Nasen-
wurzel entstand, erst 14 Stunden nach Abgang des Wassers
und 6 Stunden nach vollständiger Eröffnung des Muttermundes,
diese Stimlage in Scheileliage mit nach Torn und links ge-
wandtem Uinterhaupte ühergehen. Aus einer Sürnlege, die
bei der Wendung auf den Kopf wegen Frucht^hieflage nach
links imbeabsiGhligt hervorgerufen war, trat erst 6 Stunden
nach Ausführung der genannten Operation das nach hinten
nnd rechts gewandte Hinterhaupt tiefer herab, so dass eine
zweite Naegde'sche Scheitellage entstand, welche schnell
ihren gewöhnlichen Mechanismus durchmachte. Bei einer
GMichtslage mit nach rechts und ein wenig nach hinten ge-
richtetem Kinne war die Beweglickeit des Kopfes so gross,
dass noch 2 Stunden nach dem bei vollständiger Eröffnung
des Motterraundes erfolgten Blasensprunge die Stirn zur Vor-
lageriiDg kam, Kinn und Mund dem untersuchenden Finger
Terschwanden , als die Kreissende gegen die g<|troffene Au-
Ordnung aus der rechten Seitenlage sich in die Unke begeben
hatte, während gleich darauf, als wieder rechte Seitenlage
angenommen war, das Gesicht bis zum Kinn herabtrat. In
einem vierten Falle, in weichem die Stirnlage schon vor er-
folgtem Blasensprunge erkannt war, wurde die Nasenwurzel
nach Abfluss des Fruchtwassers nach der rechten Synohondr.
sacroil., die Stirn vorliegend gefunden, die dann, unter all-
mätig tieferem Uerabtreten des Kinnes an der hinteren Becken-
wand, sich vorne erhob, so dass 5 Stunden nach dem
Blasensprunge die Umwandlung in eine Gesichtslage mit nach
rechts gerichtetem Kinn vollendet war. Die grosse, lange
und bmte Fläche, mit welcher der Kopf bei Stirnlagen zur
Verlagerung kommt, erschwert offenbar aufs Aeusserste seine
schnelle Einstellung und erhält ihm eine auffallende Beweglich-
keit, welche noch spät die Rectificirung der Lage beim Ein-
treten kräftigerer Wehen möglich macht. — Diese Beispiele,
denen zahlreiche aus der Literatur der Gesichtslagen angereiht
werden könnten, beweisen, wie die Lage des Kopfes, bei
welcher die Stirn der nach abwärts gerichtete Theil ist, noch
lasge Zeit, nachdem eine genaue Ermittelung der Fruchtlage
durch die Untersuchung möghch gewesen, nämlich so lange
als eine wandelbare, unbestimmte anzusehen ist, als noch
814 XVI. HOdehrandt, Zwei StirDlagreo.
keiDe Fixirung auf dem Beckeneiogaoge slaUgefundea bat, dads
also der Begion des MechaDismus der Sürolagen erst in den
Augenblicke gerechnet werden kann, in welchem der Kopf
sich feststellt. Letzteres geschieht aber ausnahmslos in der
Art, dass die Stirnnaht im Querdurchmesser des Beckens
verläuft, der quere Durchmesser der Stirn milhin dem geraden
Durchmesser des Beckens entspricht; und es findet somit das
analoge Verhältniss, wie bei den Gesicbtsiagen statt, mit
welchen die Stirnlage auch die Uebereinstinuuuog zu haben
scheint, dass vorwiegend oft die Gesichtsfläche nach der rechten
Hutterseite gekehrt ist. Im weiteren Verlaufe der Geburt
dreht sich dann der Kopf aus dem queren durch einen
schrägen in den geraden Durchmesser, so dass also die
Gesichtsfläche von rechts nach links oder von links nach
rechts, je nach der primären Stellung des Kopfes, bis zur
Symph. oss. pubis im Viertelkreise berumrückt, während gleidi-
zeitig der Hinterkopf in die Aushöhlung des Kreuzbeines zu
liegen kommL Bei dem Erscheinen der Stirn in der SchaoH
spalte sind dann nothwendig Nase und Oberlippe an die
hintere Wand der Symph. oss. pubis angepresst, während
die Pfeilnaht dem senkrechten Durchmesser, des Kreuzbeines
gerade gegenüberliegt. Seine nächste Drehung, um den queren
Durchmesser, macht der Kopf nun in der Weise durch, dass,
indem sich der Oberkiefer an der Symph. oss. pubis fest*
stemmt, der Schädel, diesen Punkt als Umdrebungspiinkt
benutzend, aus der Scbamspalte hervorrollt und zwar so, dass
zunächst der vordere Band der Scheitelbeine , dann diese selbst
und schliesslich das Hinterhaupt über den Damm treten.
Dann erst macht der Kopf seine letzte Drehung und zwar
in umgekehrter Richtung, wie eben vorher, indem Oberkieler,
Mund und Kinn unter dem Arcus pubis zum Vorschein kommen.
Andere Drehungen, als die genannten, welche den durchaus
gewöhnlichen Mechanismus der Stiitilagen darstellen , kommen
nicht vor, und sind die von Busch in seiner E^ntheilung der
Stirnlagen angegebenen mit dem Gesiebt nach hinten rechts
und hinten links, welche eben so wie die entsprechenden
Gesichtslagen die Geburt unmöglich machen würden, nie
beobachtet worden. Als Abweichung von dem gewöhnliolien
Mechanismus ist dagegen das nicht seltene Ausbleiben jeder
XVh Südehrmnät, ;&wei SiirnlagsD. 315
Drebrag zu betraebteu, wekhes Hueter diireh Ae. Aavresen-
beii eioer mehr quer ovalen Form des Beekens zu erklären
socbi. Der Kopf irilt dann mit seinem Ikigsten Durcfamesfier
quer bis auf deu Beekeoboden; das eine Sürnbein stemmt
sieb unter dem Scboossbogen an und das Hinterhaupt, welches
aber den Damm rollen sollte, kommt an der eipen Scham^
lippe^ das Gesicht, welches sonst unter dem Arcus pid>is
erscheint, tritt an der anderen Schamlippe hervor.
Die Geburt möge nun in der einen oder anderen Weise er*
folgen, immer ist sie so ungemein erschwert, dass die Gefahr
für das Leben des Kindes, aber auch der Mutter in jedem FaUc
erheblich ist. Vergleicht man die Länge der Durchmesser,
mit denen «n gutgeformter Kindsschädel sich hei Stimlage
zum Beckeneingange stellt , mit den Durchmessern des letztereil
an einem woblgeformten weiblidien Becken , so sieht man,
wie im Beckeneingange bei der queren Einstellung der Schädel
nur gerade Platz findet. Der schmale bitemporale Durch-*
messer desselben steht zwischen Promontorium und Symph.
oss. pub. , die kleinere Gesichtshälfte des Kopfes liegt frei in
der einen -wetten seitlichen Beckenhälfte, der brdteste qoare
Durchmesser des Kopfes, der biparielale, füllt gerade die
weiteste Stelle der anderen aus, während deijenige allein in
Betracht zu ziehende Längsdurcbmesser des Kopfes,' welcher
beim Eintreten in den Beckeneingang jederseits an die seit-*
liehen Beökenwände herantritt, vom freien Rande des Alveolar*
forCsatzes des Oberkiefers bis zur kleinen Fontanelle reicht
and för den queren Durchmesser des Beckeneinganges nur
gerade nicht zu lang ist. Bei mittelgrossen Frftditen und
einem normalweiten Becken wird daher anfangs für die Geburt
kaum ein Hindemiss entstehen; nur die grosse breite Fläcbe,
mit welcher der Schädel sich vorlagert, verzögert die feste
Einstellung desselben oft unverhältnissmässig lange, Sobald aber
der Schädel in tiefere Stellen des Beckens einrückt, treten
Hindernisse auf, und steigern sich die Widerstände durch die
sid) verkleinernden Beckenräume Schritt für Schritt und finden
isten Gtthninationspunkt im Beckenausgange, wo der gerade
Durchmesser des Kopfes für den geraden Beckendurchmesser
selbst bei v(rilständigem Zuräcktreten des Steissbeines bei
zu gross ist
216 ^VI. ffüdehrtmdt, Zwei Stimlagen.
Es finden hier also im normrien Beek«ii und bei norauier
Kopfbildung analoge Verbällnisse statt, wie beim Durobtreten
eines normalen Scbädels durcb ein allgemein zu enges Becken :
Widerstände in allen Beckenregionen und immer zunehmende
Steigerung derselben bis gegen den Ausgang bin. Es darf'
daher auch« nicht überraschen, dass hier wie dort an dem
Schädel auffallende Formveränderungen, ja mitunter tiefgehende
Verletzungen stattfinden^ die nur dadurch Modifloationen er-
leiden, dass der zu tiefstgelegene Theil in dem einen Fall
das Hinterhaupt, in dem anderen die Stirn gewesen ist.
Jedenfalls spitzt sich der Schädel in der Richtung nach dem
am tiefsten liegenden Theile allmälig mehr und mehr zu, und
wir erhalten beim allgemein zu engen Becken den gegen das
Hinlerhaupt zu auf's Aeusserste langgezogenen, in seinen
senkrechten Durchmessern abgeflachten, durch die nodi hinzu-
gekommene Kopfgeschwulst einem Doppelkopfe ähnliche Form,
an der die Abplattung der Scheitelbeine, die ergiebigste Ver*-
schiebung der gesammten Kopfknoclien, die durchaus nicht
selten vorkommenden Eindrucke und Fracturen an den Stirn-
beinen die Hindernisse kennzeichnen, denen der Schädel bei
seinem Durchtritt durch das Becken hat nachgeben müssen.
Bei dem in Stünlage geborenen Kopfe finden wir ebenfalls
die auf Kosten der abgeplatteten Scheitelbeine langgezogene
Form, nur mit der dem Kopfe eine eigenlfaömlielie Physiognomie
zoertheikinden Zuspitzung nach der Stime zu, dieselben hoch-
gradigen Verschiebungen der Kopfknochen, ebenfalls nicht
selten Fracturen, oft Sugillationen und Abschürfungen der
am meisten dem Drucke exponirten Hautstellen. Diese Form*
Veränderungen des Schädels können nicht ausbleiben, wenn
nicht, was äusserst selten und nur bei kleinen nachgiebigen
Schädehi der Fall ist, noch nachträglicli eine Drehung tM
im Becken zur Umwandlung in eine Scheitellage fuhrt. Sie
sind stets, selbst bei kleinen Früchten als Folge der Stimlage
beobachtet, geben für mittelgrosse Früchte bei normalem
Becken die einzige Möglichkeit zu einer wirklich erfolgenden
Geburt, während bei besonders grossem Schädel oder bei
verengtem Becken auch dieser Ausweg der Natur nicht mdir
ausreicht und die Geburt gerade wie bei dem in allen Di-
mensionen verengten Becken nicht anders als nach voran-
XVI. Bildehrtnuit, Zwet StirnUp«!». 217
gesehickler Zertrumtiierung des Schädels erfo^en kans. In
jedem FaBe miiss bei der selir umfangreichen Aecomniodatian,
die dem Schadd zugemttlbel wird, durch den sowohl allseitig
als auch an einzelnen Steilen ganz besonders stark erfolgenden
Druck auf das Gehirn frJ)bzeitig Gefahr för das Leben der
Frucht eintreten, welche dem Untersuchenden sich zunächst
und meist lange Zeit vor dem Ende def Geburt durch das
Erscheinen einer auffallend grossen Kopfgeschwulst ankündigt,
im weiteren Verlaufe aber durch folgende unausbleibliche Um-
stände bedingt wird: vornehmlich durch den enormen Kräfte-
aufwand des Uterus, dessen Folge nothwendig Behinderung
in der fötalen Circulation sein rtiuss, ferner durch die an-
dauernde Streckung der vorderen Parthien des Halses, welche
hemmend auf die freie Circulation in den Halsgefassen wirken
muss. Zieht man aber hoch die lange Zeitdauer der Geburt
in Betracht, welche in den bis jetzt beschriebenen Fällen
zwischen 6 Stunden und 40 Stunden schwankt und deren
mitunter grösserer Theil dem Austretungsstadium mit seineu
in jeder Wehe sich steigernden Gefahren angehört , so darf
es fiidit aoffallen, dass der Ausgang der Geburt in den meisten
Fällen dereelbe ist, wie in dem oben beschriebenen, dasd
Dämlieh die Kinder todt zur Welt kommen.
Unter 20 Beobachtungen ist der Ausgang fAr das Kind:
11 Mal mit dem' Tode; 9 Mal för das Kind momentan gluck-
lidi; ob aber das Leben in den ersten Wochen erhaflten
geblieben, ist aus den Geburtsgesehichten nicht zu ersehen.
Nur 12 von 20 Frachten kamen ohne KunsthOife zur
Welt, mid unter ihnen befanden sich manche frühzeitige, kleine,
deren Gewicht meist nicht über, oft unter 6 Pfund gefanden
wurde.
Vier Fälle wurden mit der Zange, vier Fälle durch die
Perforation mit nachfolgender Anwendung der Zange, respi
der Kephalotribe beendet.
Hiermit muss die Prognose fOr chis Leben des Kindes
scMeclit genannt werden. Erwägt man aber scbliesshch, dass
auch die Prognose für das Wodienbett sich in einer be-
merkenswerthen Abhängigkeit von der Länge der Dauer, sowie
von der Schwere der Geburt befindet, und dass bei Raun»-
beschränk ungen, welche eine so enorme Coinpression des
318 XVI. midebrandt, Zwei StfrnUj^eii.
SchäcWs herrorrufen, wie oben beschriebeß , nolhwendig aoob
eine dem entsprechende Qaetschung der üVeichltieile der
fieckenhöhle stattfindet, so sind die Stirnlagen wobt auch lOr
die Mutter mit Rocht an sieb als gefahrbringend anzusehen.
Mustert man aber die Therapie, welche allen diesen
üblen Umständen gegenüber bei den Slirulagen in Anwendung
gezogen wird, so muss man in der That bedauern, wie wenig
auf diesem Gebiete bis jetzt die Hülfe des Arztes zur Er-
haltung des Kindeslebens und zur geringeren Gefährdung der
Mutter geleistet hat
Die Hülfsmitlel, welche in den oben citirten Fällen von
den Berichterstattern in Anwendung gezogen wurden, sind
folgende :
1. Regelung und künstliche Verstärkung der Wehen durch
innere Mittel.
2. Anwendung der Zange.
3. Anbohrung des Schädels,
4. Wendung der noch beweglichen Frucht auf einen Fuss.
Wie sehr auch Di<^enigen , welche von einem frühzeitigen
Operiren mit der ZaDge abrathen. Recht halten, wenn sie
vor Allem dahin trachten, eine gleichmässige alloiälig sich
steigernde Wehenthätigkeit zu erzielen und dieselbe durch
geeignete Mittel unterstützen und antreilH*n, weil so der Kinds*
köpf bei alliuäliger und günstigster Accommodation am wenigsten
verletzt, die weiblichen Geschlechtstheile am sichersten for
Quetschungen und Zerreissungen geschützt werden, so geht
tloch aus dem oben über die Zeitdauer spontan verlaufender
Geburten, über die Veränderungen, welche der Sclildel wahreod
derselben erleitlet und aus den diesen beiden Umständen ent«-
spriessenden Folgen zur Genüge hervor, wie wenig in den
meisten Fällen durch eine energisch wirkende Wehenkratt für
die Erhallung des kindlichen Lehens gewonnen wird. Es
wurden von 20 Fällen nur 12 durch die Kräfte der Natur
beendet, meist bei besonderer Nachgiebigkeit kleiner sehr ac-
commodationsfShiger Schädel; und selbst in diesen kam nicht
ein Mal die Hälfte der Kinder lebend zur Welt. In 8 FäUeii
v«B 20 musste operirl werden, 4 Mal mit der Zange, 4 Mal
mit dein Perforalorium.
XVI. Hüdebratidt, Zw«i StlrnUgen. ^9
Diese beidon Operattonen aber können nur bI$ ein
scUecbler oder weoigBtens äusserst mangelhafter NoÜibebßU
aageseben werden, wie dies für die P(»*foratMn von aelbai
erbeUt, für die Zange aber näher erartert werden s^: Die
Zange darf überhaupt nur dann bei Stirnlagen in Anwendung
kemmen, wenn der Kopf bereits bis zum Beckenausgaoge
berabgetretea ist Dann sieht derselbe aiemlich regelmässig
mit dem Gesiebt nach Torne gekehrt, so dass die Blfitler an
seine Seitentheile angelegt werden können ; dann ist die Ver-
seUebufig der Knochen, die Zuformung des ganzen Schädels
bereits in der erforderlichen Weise erfolgt und wenn man
vorsichtig c^erirt und den Modus des Zuges anwendet, dass
man die Griffe zunächst stark senkt, bis der Oberkiefer Mfa
an der Syroph. os. pub. feststenunt, dann hebt, bis das
Hinterhaupt geboren ist, und scUiesslidi wieder senkt, bis
das Kinn unter dem Arcus pubis hervorgekoDMBen ist, darf
man wenigstens darauf reebnen, der Mutter keinenf Nachlheil
zHznfögen, da bei langsamem Operiren selbst eine Beschä«
digung des Perinlums zu vermeiden ist, wie ich bei der
Geburt des recht mnfangreicben Kopfes in dem oben be-
sebfiebenen Palte gesehen habe. Zur Rettung des Kind««*
lebens wird man aber damit^ im Ganzen nur selten etwas
genntst haben. Wo die Frudit bis aui den Beckenboden
herabgetreten \ ist, hat sie meist so lange Zeit unter dem
Drucke der Beckenwände und des Uterus gestanden, dass ihr
Leben meist schon vor Beginn der Operation erloschen ist
oder der letzte I^b^sfunken während derselben eriisdit»
Wenn trotzdem in einem Falle von Eeüy und in einem
anderen von Heeker durch die Zange ein lebendes Kind
extrahirt wurde, so darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass
das Kind , welches Helly am Leben erhielt nur 5 Pfd. 22 lAh,
wog, die Geburt in einem „weiten Becken"" erfolgte, während
Hecker^s Fall, in welchem das 6% Pfund schwere Kind
lief acheintodt zur Welt kam, aber belebt wurde und leben
blieb, als ein beroerkenswertbes Unicum anerkannt ist. Die
Fraa, bei welcher ich die Zange, anlegte, l»atte ein gut*
geformtes Becken, aber die 7% Pfund schwere Frucht war
bereits mehrere Stnnden vor Beendigung der Geburt ab*
geslerben.
230 X^I* midebrmidt, Zwei 8tirt)U|res.
Wollte man aber die Zange immer gleich in Anwenduug
bringen, sobald aus einer Vei*änderung des Het^sschiages
Besorgnisse för die Erhaltung des Kindes erstehen , so mos«!«
dies meist schon bei einem reeht hohen Staude des Ko|»res
gesoheben, da die das kindliche Leben getihrdeoden Zustände,
Gebimcompression und Girculationssl^irungen, meist nicht
sehr lange darauf eintreten müssen, nachdem der Kopf in dem
BeckeneingaBge festgestellt ist. Hier befindet sioh der Kinds*-
schädig aber unter Bedingungen, welche die Anwendung der
Zang« nicht nur zu den gewagtesten UnternehmuBgen machen,
sondern dieselbe geradezu contraindieiren. Solange der Kopf
noch in der oberen Apertur, also, dem sich stets gleich*
MeS)enden Mechanismus gemäss, mit der Stirn- und Pfeii*-
nabt im Querdurohmesser des Beckens steht, würde die Zange
sowohl durch Druck als auch durch Zug schädlich wirken.
Sie könnte nur über das Gesiebt einerseits und das Hinter«-
baupt anderseits angelegt werden, würde also bei gering^i
Diiick gleiten, bei starkem Druck das Gesicht verletzen. Man
wäre ferner genöthigt, mit sehr kräftigen Zügen zu operireo,
könnte dabei aber Quetschungen und Durcbfeibufigen der
nraUerlichen Genitalien kaum vermeiden. Das Kind jedodi
würde nothwendig fast regelmässig sein Leben einbüasen,
weil die Zange jene Zuformung des Schädels, <Ade wdche
die Geburt unmöglich ist, zu schnell und dahär nicht in so
schonender, allmäliger, gleichmässiger Weise herbeifulirt, als
dies bei dem sich selbst überlassenen GeburtsTerlaufe zu
geschehen pflegt. Da aber bekanntlich das Gehirn einen sioh
gam allmälig steigernden allseitigen Druck sehr viel eher
erduldet, als einen plötzlich stark eintretenden, so leudHet
ein, dass die Zange hier nicht mehr ihre Aufgabe erfüllt, ein
unschädliches Werkzeug in der Hand des Arztes zu sein. —
Bei dem hohen Stande der Stirnlage sollte man daher nie
die Zange in Anwendung ziehen, sondern bei lebendem Kinde
abwarten, bis der Kopf sich tiefer und günstiger einstellt,
bei abgestorbenem Kinde perforiren.
Indem man diese wenig günstigen Erfeige einer kräftigen
Wehentbätigkeit und die geringe Anwendbarkeit der Zange
anerkannte« glaubte man in der Wendung auf einen Puss
das radicale Mittel gefunden zu haben, um den meisten üblen
XVI. MüdAr^mdt, Zwei Btlrolaig:««. ggl
ETefitualttäten au« deMi Wege 2U gBhen. Wenn aber aiidi
niobt geleugnet mrden kann, das« im AUgemeinen dar«k
Beckenendlagen nieht so viele Kinder za Grunde geheii als
dttpch die Missatiinde, weldhe die Stirnlagen verarsachen, ao
ist in der Behandlung mit der Wendung auf einen Fuaa
dennoob der praktisch verwerthbare Ausweg nielit gefundea
worden. Wenn diese Operation als lebensrettende auftreten
soll, so muss sie bei stehendem Wasser und vollständig er^
öffhetem Muttermunde gemechl werden. Wollte man dieselbe
erst dann unternehmen, wenn man eine Zeit lang nach er-
folgtem Blasenspmnge vergeblich die UmwanAung der Stirn^
läge in eine Gesichtslage oder Hinlerhauptslage abgewartet
und dem Kopfe Zeit zur Einstellung in den Beekeneii^ang
gegeben hat, so würde man den Hauptzweck, den der I#ebens<-
rettung verfehlen, oft auf unüberwindliche Hindernisse s408sea
Man müsste also sehr frühzeitig zu dersdhen schreiten , wird
sieb dann aber wohl von der Bedenklichkeit des Uniemehmens
aus anderen Gründen nicht frei machen können. Hat man
die Diagnose bei noch stehender Frucbtblase gestellt und hat
der Muttermund die zur Durchführung der Hand erforderliche
Weite, so stehen allerdings der Wendung auf einen Fuss
Schwierigkeiten nicht im Wege. Ich selbst habe sie unter
diesen Verhilltnissen in einem FaUe in der hiesigen Klinik mit
durchaus glücklichem Ausgange für Mutter und Kind aus*
geführt, danach aber den lebhaften Zweifiel gehabt, den im
gleichen Falle und m^r noch, wenn das Kind in Folge der
Wendung abstirbt, wohl Jeder empfinden würde, ob man
auch so irübzeitig einzugreifen befugt gewesen und ob es
nicht , bevor Mntt^ und Kind der immer nicht gleichgültigen
Operation der Wendung ausgesetzt wurde, gewiasenbafter
gewesen wäre, ^ei der Veränderlichkeit der' Stimlagen die
Umwandlung in Gesichts- oder Scbeitellage abzuwarten.
Meistens aber verhindern die Umstände bei der Geburt,
dass man in ein solches Dilemma gelangt. Einestbeils darf
die Diagnose der Stimlagen vor abgeflossenem Fruchtwasser
wegen des hohen Ko|rfstandes im Ganzen zu den Selten-
heiten gezahlt werden; anderentheils aber findet, wie aus den
bisher bescbnebenen Fällen hervorgeht, so häufig ein früh*
zeitiger Abgang des Fruchtwassers statt, dass die Verkleinerung
SS3 ^VI. Hüdehrundi, Zwei Stirnlagea.
des Uteras ond die Einstelinng des Kopfes friHier das Ein*
Mir^ der Hand verbieten, als die EröAiung des Mutlei^-
mundes dieselbe gestattet. Somit dArfte sich auch der Vor-
schlag 8paeih!% bei Contplication von Stirnlage und uilissig
varengtem Becken stets die Wendung anf einen Fuss auszu->
fftbren, selbst dann nicht als praktisch sehr vern^erCiibiir
heraussteilen, wenn man mit Spaeth die Ansicht (heilt, dass
der nachfolgende Kopf leichter durch ein verengtes Becken
hindurchgehe, als der vorangehende.
Wenn ich nun gegenüber diesen näher beleuchteten
Behandlungsmethoden, deren geringe Verwerthbarkeit und
«usserst mangelhafte Leistungsfähigkeit allgemein zugestanden
werden muss, wieder auf die alte von französischen Schrift*-
stelieni empfohlene Methode der Stellungsverbesserung des
Kopfes bei Stirnlagen zurückkomme und dieselbe nicht nur
als das, wie Niemand leugnen wird, rationellste, sondeni auch
als ein leicht ausführbares und mit keinen Nachtheilen ver-
knftpftes V^fahren empfehle, so weiss ich sehr wohl, dass
^ch mit dem einen zu beschreibenden Falle , in welchem diese
Behandlungswetse von überraschend gutem Erfolge begleitet
war, nicht endgültig über einen so wichtigen Punkt ent-
scheiden kann und weiss ferner durchaus, wie sehr ich dadurch
in directen Widerspruch mit den übHchen Lehren der Hand-
bücher gerathe, glaube aber neben den später auszuführenden
theoretischen Gründen für die Vortrefflichkeit des Verfahrens,
mich gegenüber den meisten Vertretern der jetzt verbreitelen
Lehre in dem Vortheil zu beßnden, selbständig die Metliode
geprüft zu haben, die man, so scheint es, allgemein, ohne
praktisch selbst zu versuchen, aus theoretischen Gründen
verworfen haL
Beschreibung des Falles.
Bei der zum dritten Male gebärenden, wohlgebauten und
gesunden Frau H., vrelche die beiden ersten Enftindungen
leicht und schnell überstanden hatte, fand ich am 23. März
1866 Mittags 2 Uhr eine Stirnlage mit nach rechts gerichteter
Gesichtsfläche, Vorlagening des rechten Stirnbeines und rechten
Auges, Verlauf der Stimnaht quer im Becken. Die Geburt
hatte am Morgen begonnen und bei kräftigen Wehen , welche
XVI. HUdehrMdt, Zvoi SaroUgvo. 226
10 Uhr Voraiito^s den Rbsenaprung zur Folge halten , «oeo
«benso 84sknellen Verlauf wie in den vorigea rer^profilieiL
Seit 11 Ubr aber waren bei fehlendem Vorrücken des Koj^les
die Weben ungemein sehmerzbafl, schnell auf einander folgend
und unregelmäasig gewollten und von einem dauernden Drängen
begleitet, weiches die Kreissende auch in den Wehenpaueen
nicht ganz unterdrücken konnte, so dass sie im Zustande
der äussersten Aufregung, Unruhe und Verzagtheit unn den
Ausgang der Geburt war. — Der Uterus stand ziemlich in der
Mitte des Leibes , war gegen Bernhrung empfindlich , in seinen
Wandttügen so gespannt, dass ein deutliches Durchfoblett der
Kindsüieile nicht ermöglicht werden konnte; der Herzschlag
nur ganz scliwacli an der rechten Multeraeite etwas unterlialb
der Nabelhöhe zu hören war. Die Scheide war bereite recht
stark geachwoBen, heiss, empfindlich, der Muttermund nicht
mehr zu erreidien , an der vorliegenden Stirn eine nicht un*
erhebliche Kindstheilgeschwulst. — Bei dem seit drei Stunden
bestehenden quaivollen Zustande der Kreissenden, bei welchem
die Hebamme vergebUch durch dauernde rechte Seiteniage
und Anwendung eines Dunstbades Linderung zu verschafien
gesucht hatte, musste darauf Bedacht genommen wei*den, so
sefaneU als möglich eine Beendigung der Gebui*t herbeizuführen,
die jedoch mit der Wendung nicht mehr zu erzielen seui
koni^te , da der Kopf zu fest im Beckeneingange stand und
zu sehr von dem in angestrengtester Tbätigkeit begriJOTenen
Uterus umscldossen war, um auch nur das Einführen der
Hand bis zu den Füssen möglich zu machen. Die Zange,
konnte bei der ungunstigen queren Lage und dem hohen
Stande des Kopfes nur ein für Mutter .und Kind sehr zweifel-
haftes, wahrscheinlicli sehr übles Resultat liefern. Von inneren
Medicamenten der einen oder anderen Art durfte man sich
gar keine Hülfe , kaum Linderung versprechen. Unter diesen
Umständen, die übrigens unmöglich noch die spmitane Um*
wandlnng der Stimlage in eine Gesiehtslage erwarten Uessen,
ttnlernabm ich es, letztere künstlich hervorzurufen. Nachdem
lue Kreissende auf dem Querbette in die rechte Seitenlage
gebracht war, stemmte ich während einer Wehe Zeige* und
Mittelfinger der rechten Hand gegen die Stirne an und druckte
in der Richtung nach dem Rücken der Frucht zu mit voller
324 XYI. HUdehrimdt, Zwei Sttmlafen.
Kraft. Der erste Versuch missglückte. Ich konnle den Kopf
weder erheben, noch eine Drehung um seinen Quenhireh*
inesser troU der lebhaften Wehenthätigkeit wahrnehmen. Bei
einer Wiederholung desselben Verfahrens aber, die gleich mit
dem ersten Beginn der nächsten Wehe unternommen wurde,
föhke ich deutlich eine Drehung des Kopfes mit dem Gesicht
nach abwärts und gelang es mir in der Wehenpause bereits^
das tiefer herabgelretene Kinn zu erreichen. — Der Erfolg,
sowie der Fortgang der Geburt war überraschend erfreulich.
Schon nach der nächsten Wehe, welche durch ihre geringe
Schmerzhaftigkeit und längere Dauer auf eine günstigere
Umwandlung der Uterusthätigkeit scbliessen liess, trat das
Kiwi tiefer herab und etwas mehr nach vorne, 'danach folgte
i*ine reine schmerzfreie lange Wehenpause, in welcher die
Frau zum ersten Male nach mehrständigem Leiden sich ein
wenig ertiolen konnte. Die nächsten Wehen verfollsländigten
dann die Drehung des Kinnes nach vorne und % Stunden
«ach der känstiich hervorgerufeneu Lageveränderung worde
ein lebendes Mädchen von 6 Pfd. 13 Lth. geboren, an dem
sich noch eine blänliche Geschwulst auf der rechten Hälfte der
8tim und an den Lidern des rechten Auges vorfand. — Eine
auffallende Abweichung der Schädelconfignration von der ^
wohnlichen war nicht wahrzunehmen. Der kleine Durchmesser
des Kopfes betrog 3 Zoll, der grosse 3Vs Zoll, der g^ade
Durchmesser ö Zoll, der diagonale 5 Zoll.
Ehe ich zur Rechtfertigung des Verfahrens Obergehe , scm
mit wenigen Worten die einzig zulässige Methode der Zui^echt*
siellung des Kopfes beschrieben:
Nachdem die Kr^isseude auf ein Querbeit und in die
Seitenlage gebracht ist, setzt man mit dem Beginn einer Webe
zwei Finger der rechten Hand gegen die Stirne an und druckt
gegen dieselbe in der Richtung nach dem Hinterhaupte, falls
man eine Gesicbtslage oder nach dem Gesichte zu , falls man
eine Hinterhaoplslage hervorzurufen beabsichtigt. Weiche
Kopfsiellung zn erreichen man im einzelnen Falle für günstiger
lialten muss, kann nur die genaueste Untersuchung ergeben,
bei weteher man vornehmlich zu erforschen hat, ob mehr
dar vordere Theil der Stirn mit Auge und Nasenwurzel odei^
mehr der hintere Theil voriiegt. Der angewandte Druck muss
XVI. HOdOrMidt, Zwei Sttmla^en. Sg5
kräftig und stetig nach einer Riehtuog erfolgen, um der
andrängenden Wehenkraft auf der einen Seite einen gleidn
massigen und überwiegend grösseren Widerstand zu bieten,
als auf der anderen SeitQ, welche durch die Contraction des
Uterus lierabgeMngt' werden soll. ^Es scheint aber auch
Ton Wichtigkeit, dass man den Druck genau mit dem Beginn
der Webe eintreten lässt. Wollte man in der Mitte der Webe
beginnen, so würde der Kppf vielleicbt nach einzelnen Rich^
tnngen hin schon zu fest eingepresst sein und wird die
Stellungsverbesserung offenbar desto eher und vollständiger
gelingen, je intensiver und je länger man die Kraft der Uterus-
contraction durch den Rumpf auf den tiefer berabzudrängenden
Theil des Kopfes einwirken lassen kann.
Wo auf diese Weise die Stellungsverbesserung nicht zu
ermöglichen ist, stehe man von weiteren Versuchen ab. Die
üand zwischen Kopf und Beckenwand einzuführen, um den
Scbfldel über das Gesicht oder über das Hinterhaupt zu fossen
und dann einen oder den anderen Theil herabzuziehen und
zur Verlagerung zu bringen, darf nicht versucht werden. Diese
Methode wird zwar von GolKns empföhlen, der mit der
Hand über das Gesiebt bis zuTii Kinn eingebt und des letztere
herabzieht; es scheint dieselbe ferner in der Berliner geburts-
hölflichen Klinik, wie ich aus einem von OUhauBen^) be*
schriebenen Falle ersehe, geübt zu werden. Dennoch möchte
ich mich gegen dies Verfahren erklären, da bei der durch
die ungünstige Lage des Kopfes bedingten Raumbeschränkung
gar zu leicht entweder der Versuch misslingt oder nur unter
Anwendung von Gewalt ausführbar ist In dem einen Falle
erhalten wir ausser der Stirnlage auch noch eine starke
Reizung des unteren Gebfirmutterabschnittes und unregel-
mässige Wehen, in dem anderen Falle könnte seB>st Zer*
reissung der unteren Parthie des Uterus erfblgen. — Ebenso
sind aber auch die Versuche mit hebelartigen Instrumenten
den Kopf zurechtzustellen, zu unterlassen. Wenn der Hebel
wegen seiner platten, breiten Flächen auch leichter zwischen
Kopf und Beckenwand gleitet, als die Hand, so ist er doch
1) Vergl. Monstssehrift f&r Oebartsktinde, Bd. XX., 8. 287:
OlrtaitMii , Uebar Dmycbreibangen und Roptnren des Utemt.
HoMUtobr. f. 0«bartsk. 1866. Bd. XXY.. Hft. 8. 15
2d6 XVI. HOdBhrandt, Zwei Stlrnlagea.
weniger geeignet, den ThetI des Kopfes sicher zu fassen, der
lierabgezogen werden soll. Er wird leichler gleiten, daher
Verietziittgen verursachen können und doch in den meisten
Fällen nicht zum Ziele fähren. Wenn ferner Scanzom, der
übrigens die Stellung8vd*hesserung mit der ifand auch verwirft,
in seinem Lehrbuche S. 657 angiebt, dass es „zuweilen gelingt
durch einige Traetionen mit der Zange einen oder den anderen
Theil des Kopfes tiefer herabzubringen und so die Slim-
in eine eigentliche Schädel- oder Gesichtslage zu verwandeln'',
so darf dies wohl kaum för äusserst ausnahmsweise Fälle
noch anerkannt werden. Denn da, wo der Kopf noch nicht
vollständig festgestellt ist, also am ehesten dne rectificirende
Drehung zuiässt, befindet sich sein Längsdnrchmesser quo*
im Becken , also för eine Stellungsverbesserung mit der über
Gesicht und Hinterhaupt liegenden Zange unzugänglich. Hat
der Schädel aber seine Rotation mit dem Gesichte nach vorne
gemacht , so dass man die Zange an seine Seitentheile anlegen
könnte, dann steht er bereits so fest eingezwängt, dass eine
künstlich mit der Zange hervorgerufene Rotation nur unter
Anwendung roher Gewalt erzwungen werden könnte, bei der
die Mutter durch Quetschungen und Zerreissung der Weich*
theile, die Frucht durch Fracturen des Obwkiefers oder.
Hinterkopfes leiden mflsste.
Den Zeitpunkt zu bestimmen, wenn man am zweck-
mässigsten in der oben beschriebenen Weise die Drehung des
Kopfes herbeizuführen suchen muss , ist im Allgemeinen nicht
angängig. Da es aber meist zu geschehen pflegt, dass der
Kopf sehr lange Zeit bis zu * einer festen Einstellung in's
Becken braucht, so darf man auch recht lange eine möglicher^
weise spontan erfolgende Umwandlung in eine gunstigere Lage
abwarten. Jedenfalls muss man beginnen, bevor der Kopf
ganz fest steht und nicht eher, als bis kräftige Wehen vor-
handen sind, ohne welche die Stellungsverbesserung nicht zu
erzielen ist. Aus dem oben beschriebenen Falle ist zu er-
sehen, wie noch nach Beginn der Bildung einer Stirngeschwulst
die Methode sich anwendbar zeigte. Und in diesem Ponkte^
gerade hat die künstliche Stellungsverbesserung ihren wesent-
lichsten Vorzug vor der so vielfach gerühmten Wendung auf
einen Fuss. Man operirt erst dann, wenn man sich überzeugt
XVI. HiUebrandt, Zwei StinilBgeo. 227
hat, das8 die Natur allein nicht im Stande ist, die Unregel-
mässigkeit zu beheb 30, während die Wendung, wenn man
auf glückheben Erfolg mit einiger Sicherheit rechnen will, zu
einer Zeit unternonimen werden muss, wo man der Naturhülfe
noch durchaus gar keine Rechnung hat tragen dürfen. —
Länger abzuwarten, als in meinem Falle geschehen ist, kann
nicht von Nutzen sein. Sobald der Kopf seine Rotation nach
▼orne begonnen hat, befindet er sich mit seiner Circumferenz
im kleinen Becken, und dann ist eine Drehung um seinen
Querdurchmesser ohne Anwendung von Gewalt nicht mehr
auszuführen ; nur wo der eine oder andere Theil des Kopfes
über den Rand des Beckeneingangsringes nach oben noch
ausweichen kann, darf man von der künstlichen Stellungs-
verbesserung einen günstigen Erfolg erwarten.
Betrachtet man nun die Vorwürfe nälier, welche der
künstlichen Umwandlung der Stirnlagen in Gesichts- oder
Sdieitellagen gemacht werden, so lassen sich diese kurz
dahin zusammenfassen, dass man das Unternehmen als roh
und unnütz und in schwierigen Fällen nicht ausführbar darstellt
Der erste Vorwurf muss gleich fallen, sobald man die
Regeln berücksichtigt, welche ich für die Anwendung der
Methode aufgestellt habe und von den als verwerflich be-
zeichneten Operationen mit der ganzen Hand, mit Hebeln
und mit der Zange abstrahirt Der zweite, welcher dahin
butet ^) , dass „in Fällen , in denen die Stellungsverbesserung
möglich sei, die Natur dieselbe auch ohne unser Zulhun
' herbeigeführt haben würde und daher jeder künstliche Eingriff
unnütz sei^' ermangelt jedes unterstützenden Beweises, kann
aber auch aus theoretischen , sowie aus Gründen der prakti-
schen Erfahrung nicht anerkannt werden. Wir wissen, dass
bei holiem sehr beweglichem Stande des Kopfes die Lage
der Kreissenden auf der einen oder anderen Seite, mithin
einfach die Schwere, mit welcher die Rumpf last der Frucht
mehr in der einen oder anderen Richtung auf den Ring des
Foramen ocdpitale einwirkt, die Stellung des Kopfes günstiger
umgestalten kann, wir vermuthen ferner, dass im weiteren
Fortgange der Geburt, falls dem Tiefertreten des Schädels
1) VergL 8€an§Q9dt Lehrbuch der Qeburtshfilfe.
16*
228 ^^I- HOdebrandty Zwei Stirnlagen.
sich ungleiche Widerstände in den beiden Seiten des Beckens
darbieten, derjenige Theil des Schädels durch die Uterus*
contraction tiefer herabgedrängt wird, welcher auf die geringeren,
derjenige zurückbleibt, welcher auf die grösseren Hindernisse
stösst. Sollte es nun erlaubt sein, hieraus den Schluss zu
ziehen, dass, wo diese erstere Kraft nicht in Anwendung
gebracht werden kann und wo die Widerstände auf beiden
Seiten gleich sind, die Stirnlage eine constanle bleibt, so ist
nicht abzusehen, weshalb ein Operationsverfahren, bei welchem
wir die ausbleibende Naturhülfe ersetzen, indem wir, die
Vorgänge der Natur nachahmend, künstlich einen kräftigen
Widerstand auf einer Seite mit unserer Hand hervorrufen,
unnütz genannt werden soll. Da es aber noch nicht cnt*
schieden ist, ob dies die einzigen Verbältnisse sind, welche
die Aetiologie der Constanz oder Inconstanz der Stirnlagen
ausmachen, da fernei^ aus verschiedenen Gründen die An-
wendung der Seitenlage oft ohne Erfolg bleiben kann, die
Vorerkenntniss aber unmöglich ist, ob dem Kopfe durch das
Becken ungleiche Widerstände sich darbieten werden, welche
die Stellungsverbesserung zur Folge haben, so kann sich für
die praktische Beurtheilung, ob wir unnütz operiren und der
Natur vorgreifen, nur der eine Grundsatz ergeben, dass, wo
wir bis über die Grenze der Wahrscheinlichkeit einer noch
erfolgenden spontanen Umwandlung der Stirnlagen abgewartet
haben , dann aber mit glücklichem Erfolge dieselbe künsitlich
herbeiführen, uns der Vorwurf eines unnützen Unternehmens
nicht mehr gemacht werden kann. Bis zu dieser äussersten
Grenze des Abwartens glaube ich aber in dem oben be-
schriebenen Falle gekommen zu sein , indem ich die Slellungs- •
Verbesserung erst da vornahm , als die Seitenlage bereits durch
lange Zeit Vergeblich in Anwendung gezogen war, als Stunden
hindurch die kräftigsten Wehen auf den Rumpf der Frucht
direct eingewirkt hatten, als der Kopf während derselben
bereits so stark gegen den harten Beckenring angepresst
worden, dass Anschwellung seiner weichen Bedeckungen ein-
getreten war. Sollte man aber trotz dieser Verhältnisse ver-
muthen, dass bei längerem Abwarten doch die Hülfe der
.Natur noch hätte eintreten können, was ich durchaus be-
zweifle, so kann ich mich wenigstens damit trösten, auf eine
XVI. Hildebrandtf Zwei StirnUgen. 229
ganz ungefährliche Weise der Natur vorgegriffen, der Kreis*
senden aber in wenigHn AugenbJicken unsägliche Schmerzen
beseitigt zu haben; von denen sie bereits Stunden lang
gequält war und von denen sie ohne meine Hälfe wahr-
scheinlich doch noch lange nicht befreit ^forden wäre.
Mit diesen Ausfuhrungen durfte sich zugleich der letzte
Punkt, welcher gegen die künstliche Stellungsverbesserung
eingeworfen zu werden pflegt, dass nämlich „in schwierigen
Fällen, in denen die Naturhulfe ausbleibt, das Vertahren un-
ausführbar sei'^ mehr oder weniger erledigen. Wenn man
das Maass der Schwierigkeit eines Falles danacii bemessen
darf, wie viel gute, kräftige, durch lange Zeit in Wirksam-
keit gewesene Wehen im Stande sind, die Stellungsver-
besserung ohne unser Einschreiten hervorzurufen, was für
diese Beurtheilung in der That allein entscheiden kann, so
darf der obige Geburlsfall wohl mit Recht zu den schwierigen
gezählt werden. Sollte es aber bedenklich erscheinen, dass
ich aus dem Resultat nur eines geglückten Versuches es
unternehme, über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines
operativen Eingriffes von so grosser Bedeutung ein Unheil
auszusprechen, so glaube ich daran erinnern zu müssen,
dass hei dem ungemein seltenen Vorkommen der Stirnlagen,
diejenigen Autoren , welche sich mit so absoluter Bestimmtheit
gegen jeden Versuch der Stellungsverbesserung durch die
Hand aussprechen, über viele Erfahrungen' doch aber auch
nicht zu verfügen haben können. Bei Alien handelt es sich
um die geringe Zahl von ein bis höchstens acht, meistens
eine bis zwei Beobachtungen, aus denen im Uebrigen nicht zu
ersehen ist, dass die Berichterstatter Stellungsverbesserungen
selbst versucht haben, und könnte man daher glauben, dass
vorwiegend theoretische Gründe jene absprechenden Urtheile
hervorgerufen haben. Wie viel aber von diesen zu halten
ist, dürfte aus dem Vorangehenden zur Genüge erhellen, und
ich glaube daher mit dem nicht ganz ungerechtfertigten
Wunsche schliessen zu dürfen . dass man die künstliche Um-
wandlung der Stirnlagen in Gesichts- resp. in Scheitellagen
Torurtheilsfrei von Neuem versuchen möge.
230 XVII. Hül9r, Ein Fall von Eventratio umbll. eong^enita«
XVII.
Ein Fall von Eventratio umbilicalis congenita.
Von
Dr. ¥• Hftter,
Prlyatdooent in Marburg.
Unter die Nameo, welche in der medicinischen Wissenschaft
sehr unpassend gewählt, aber trotzdem so eingebürgert sind,
dass es sehr schwer gelingen wird, dieselben zu beseitigen
und statt ihrer bessere Bezeichnungen zu wählen, gehört
gewiss das Wort: angeborener Nabelbruch, Nabelschnur-
brucb, Hernia umbilicalis congenita, Exomphalus congenitus,
Omphalocele congenita. Man hat diese Bezeichnung zu
einer Zeit gewählt, zu welcher man von der Entwickelung
des Darmcanals bei dem Embryo wenig wussle. Wenn
man bei einem neugeborenen Kind Darmschlingen ausser-
halb des Nabelringes fand, so lag nichts näher, als an-
zunehmen, dass dieselben aus der Bauchhöhle durch den
Nabelring durchgetreten seien, und man gab diesem Zustand
die Bezeichnung eines angeborenen Nabel- oder Nabelschnur-
bruches. Seitdem man jedoch weiss, dass bei dem mensch-
lichen Embryo im Anfang des zweiten Schwangerschaftsmonats
ein Stuck des Darmcanals in Form einer Schleife, deren
Scheitel mit dem Ductus omphalo-mesentericus in Verbindung
steht, in der Nabelschnur liegt und dass dasselbe erst im
Anfang des dritten Schwangerschafismonats in die Bauchhöhle
zurücktritt, so wird man, wenn bei einem neugeborenen Kind
Darmschlingen in der Nabelschnur gefunden werden, annehmen
müssen , dass die Darmschlingen in die Bauchhöhle nicht
zurückgetreten sind, dass somit eine Hemmungsbildung
vorliegt, welche durchaus nicht den Namen eines Bruches
verdient.
Es hat schon Oken (Preisschrift über die Entstehung
und Heilung der Nabelbrüche, Landshut 1810) die Nabel-
schnurbräche als Hemmungsbildungen bezeichnet und Kraemer
(Henle*& und Pfeufer's Zeitschrift für rat. Med., neue Folge,
3. Bd., 1853, S. 242) auf die unpassend gewählte Bezeichnung
XVII. Bmmr, Ein FftU ron EreBtntio nmbil. eoograita. 231
NebelflchDurbmch hiDgewiesen. Weno es sieb darum handelt,
eine bessere Bezeichauog zu wählen, so scheint mir die von
Cruveähter (Tratte d*anatomie pathologique 'generale, 1.,
Paris 1849) vorgeschlagene, nämlich Eventration ombüicala
congenitale als die geeignetste.
Soweit es mir möglich war, mich mit der Literatur über
die in Rede siehende Anomalie bekannt zu machen, so scheint
mir dieselbe verhältnissmässig selten vorzukommen. Denn
die von G. A. Fried (diss. de fö'tu, intestinis plane oudis
extra abdomen propendentibus, nato, im 1. Bd. des Sandi-
lortischen Thesaurus Dissertationum abgedruckt) bis zum
Jahre 1760 gesammelten, von Oken (l.c), von«/. Th^SömmertTig
(Ueber die Ursache, Erkenntniss und Behandlung der Nabel*
hrüche. Frankfurt a/H. 1811), von Thudtchum (Ulustr.
med. Zeitung li. 4 und 5. 18Ö2) und von Kra^mer (1. c.)
zusammengestellten Beobachtungen übersteigen die Zahl von
130 nicht. Aus diesem Grunde mag es gerechtfertigt erscheinen,
dass ich mich zu der Publication der nachstehenden Beobachtung
entschlossen habe.
Frau /S., eine gesunde JMehrgebäreade, gebar am 12. Juli 1864
um 7 ^^2 Uhr Abends nach vierstündiger Geburtsdauer ein
Kind männlichen Geschlechts in Schädelstellung. Während
des Abnabeins fiel der Hebamme die ausserordentliche Dicke
des Nahelschtturresles auf. Das Kind, welches ich V« Stunde
nach Beendigung der Geburt sah, erschien sehr gut entwickelt.
Der ganze Nabelscbnurrest war etwas mehr als 3" lang. Der
Theil desselben, welcher dem Nabelring zunächst lag, besass
den Umfang eines Höhnereies. An der Spitze dieser Nabel-
8chnm*ge8chwulst hing noch ein etwa 1'' langes Stuck der
Nabelschnur, welches die gewöhnliche Dicke besass. Bei
Druck, welchen ich mit meinen Fingern auf die Nabelschnur-
geschwulst anbrachte, zogen sich unter gurrendem Geräusch
Intestinalschlingen in die Bauchhöhle zurück, wodurch qine
bedeutende Verkleinerung des Nabelschnurrestes zu Stande
kam. Der Nabelring erschien so weit offen, dass mau ihn
gerade mit der Spitze des Zeige tingers verschhessen konnte.
Sobald ich den Druck mit meinen Fingern nicht mehr ein-
wirken liess, traten die Intestinalschlingen durch den Nabelring
wieder in die Nabelschnur. Bei dem wiederholten Zurück-
XVil. Hut», IMn PftU ▼«« £T«ntr«Ho ombif cö&geaita.
drängen and Hervortreten der Darmschlingen nahm ich deuüich
wahr, da$8 die Nabelschnurgellsse links von diesem lagen;
Da der Nabelschnurrest der Anlegung eines zweckmässigen
Gompre^sivverbandes sehr hinderKch schien, so beschloss ich
das Eintrocknen und Abfallen desselben erst abzuwarten, und
beschränkte mich daher darauf, die Intestinalscblingen völlig
au reponiren, eine Compresse von Leinen auf den Nabelschnur-
rest zu legen und diese mit einer wohl angelegten Nabelbinde
zu befestigen.
Am 13. Juli Vormittags fand ich nach Abnahme der
Nabelbinde und der Compresse die Intestinalscblingen wieder
in dem Nabelschnurrest vor. Dieser hatte ein welkes Aus-
sehen bekommen. Das Kind hatte an der Brust der Mutter
getrunken, hatte Harn und Kindspech entleert und schien sich
vollkommen wohl, zu befinden. Nach der Reposition der
Darmschlingen wurde der Verband wie Tags vorher angelegt.
Am 14. und am 15. Juli hatte ich nicht Gelegenheit das Kind
zu sehen. Die Hebamme hatte an diesen Tagen den Verband
für den Nabelschnurrest in gewöhnlicher Weise angelegt.
Am 16. Juli erfuhr ich bei meinem Besuch, dass das
Kind seit gestern die Brust der Mutter verschmäht, viel ge*
wimmert und weder Harn noch Meconium entleert hatte. Bd
dem Entfernen der Kleidungsstucke verbreitete sich ein
sehr übler Geruch. Nachdem die auf dem Nabelschnurrest
liegende Compresse abgenommen war, bemerkte ich, dass der
etwa 1" lange Theil des Nabelschmirrestes , welcher die
Darmschlingen nicht enthielt, eingetrocknet war und die ge-
wöhnliche dunkle Farbe hatte. Dagegen war der Theil des
Nabelschnurrestes, welcher die Darmschhngen enthielt, an
seiner Oberfläche feucht^ an einigen Stellen gelblich, an anderen
dunkelblau, sogar schwarz und verbreitete einen sehr starken
Päulnissgeruch. Der Theil des Nabelschnurrestes, welcher
eingetrocknet war, hing an einem sehr dünnen Stiel und wurde
abgeschnitten. Von dieser Stelle aus wurde nun die Repo-
sition der Darmschlingen sehr vorsichtig bewerkstelligt, und,
sobald ein Stück der Nabelschnur von den Darmschlingen
befreit war, wurde eine Ligatur mittelst eines sehr starken
Fadens angelegt. Die dritte und letzte Ligatur kam ganz
nahe dem Nabelring zu liegen.
XVII. HiUer, Ein FwAl tod Eventrftüa anbil. eongeBÜt. 238
Am 17. Juli Morgens sah ich das Kind wieder. Es
balle in Folge eines applicirten Klyslirs Meconium entleert.
Die Bemöhttngen der Mutter und der Hebamnte, das Kind,
welches viel gewimmeri halte, 2um Saugen an der Brust zu
bringen, waren vergeblich gewesen. Die roit dem Löffel dar-
gereichte Milch hatte das Kind wieder erbrochen. Der drei
Mal unterbundene Nabelschnurrest war eingetrocknet, verbreitete
aber noch immer einen starken Fäulnissgeruch. In der, Um-
gebung des Nabels sah man eine sehr starke GeÜissinjection.
Noch an demselben Tage um 1 Uhr Mittags starb das Kind. #
Am 18. Juli 3 Uhr Nachmittags wurde die Section des
Kindes vorgenommen. Die wohlgenährte Kindesleiche zeigte
keise Leicbenstarre. Die Haut des Kindes war überall dunkelblau
gefärbt. Der Leib war stark aufgetrieben. Um den Nabel,
an welchem der getrocknete Nabelschnurrest noch anhing,
war starke Gefassinjection. Durch einen Einschnitt, welcher
von der Herzgrube bis zu der Symphyse links von dem Nabel
vorbeigefuhrt war, wurde die Bauchhöhle eröffnet. Es befand
sich an den tiefliegenden Stellen derselben etwa eine Unze
gelblichen Serums. Sowohl an dem Peritonaeum parietale wie
viscerale war eine sehr starke Gefässifijeclion. Am stärksten
war dieselbe in der Nähe des Nabelringes. In der Vena
umbilicahs befanden sich einige kleine Blutcoagula. In der
linken Arteria umbilicalis war etwas flussiges Blut, in der
rechten Arieria umbilicalis steckte ein kleines Blutcoagulum.
Nirgends zeigten sich Spuren von Phlebitis oder Arteritis.
Dem Nabelringe lag unmittelbar das Coecuni, welches durch
den ihm anhängenden Processus vermiformis deutlich als
solches zu erkennen war, an. Von dem Coecum an halte das
Colon ascendens in der Ausdehnung von Vi^" eine braunrothe
Färbung. Die zu diesem Theil des Darmcanals gehörige
Schleimhaut war grau gefärbt, und war gegen die anliegende
byperamiscbe Schieimliaut schaif abgegrenzt. Das zu dem
Coecum und dem betreffenden Stück des Colon ascendens ge>
hörige Mesocolon ragte in den Nabelring hinein und war
aus diesem durch Zug nicht zu entfernen, weshalb es gewiss
schien, dass dasselbe mittels der Ligaturen in dem Nabel-
schnurrest befestigt war.
222 2^1- BiHfhrandt, Zwet fiSttfiilagea.
des Uteros nnd* die fiiiiöteUoDg des Kopfes frfther das Ein*
fuhren der Hand verbieten, als die Eröflhung des Mutler-
mundes dieselbe gestattet. Somit dArfte sich auch der ¥or*
schlag Spaeth's bei Complicatian von Stirnlage und inässiig
verengtem Becken stets die Wendung anf einen Puss auszu-
Miren, selbst dann nicht als praktisch selir verwertfabar
heraussteUen, wenn man mit SpcKÜi&ie Ansicht theilt, dass
df>r nachfolgende Kopf leichter durch ein verengtes Becken
hindurchgehe, als der vorangehende.
Wenn ich nun gegenüber diesen näher beleuchteten
Behandlungsmethoden , deren geringe Verwerlhbarkeit und
fiusserst mangelhafte Leistungsflhigkeit allgemein zugestanden
werden muss, wieder auf die alte von französischen SchrifV-
steilem empfohlene Methode der Stellungsverbesserung des
Kopfes bei Stirnlagen zurückkomme und dieselbe nicht nur
als das, wie Niemand leugnen wird, rationellste, sondeni auch
als ein leicht ausfühi^ares und mit keinen Nachtheilen ver-
knUpftes Verfahren empfehle, so weiss ich sehr wohl, dass
ich mit dem einen zu beschreibenden Falle, in welchem diese
Behandlungswelse von Qtverraschend gutem Erfolge begleitet
war, nicht endgültig über einen so wichtigen Punkt ent-
sclieiden kann und weiss ferner durchaus, wie sehr ich dadurch
in dtrecten Widerspruch mit den äbüchen Lehren der Hand-
bücher gerathe, glaube aber neben den später auszuftlhrenden
theoretischen Gründen für die Vortrefflichkeit des Verfahrens,
mich gegenüber den meisten Vertretern der jetzt verbreiteten
Lehre in dem Vortheil zn befinden, selbständig die Methode
geprüft zu haben, die man, so scheint es, aligemein, ohne
praktisch selbst zu versuchen, aus theoretischen Gründen
verworfen hat
Beschreibung des Falles.
Bei der zum dritten Male gebärenden, wohlgebauten und
gesunden Frau H., welche die beiden ersten Entbindungen
leicht und schnell überstanden hatte, fand ich am 23. März
1868 Mittags 2 Uhr eine Stirnlage mit nach rechts gerichteter
Gesichtsfläche, Vorlagerung des rechten Stirnbeines und rechten
Auges, Verlauf der Stimnaht quer im Becken. Die Geburt
hatte am Morgen begonnen und bei kräftigen Wehen , weiche
XVI. Hildehrondt, Zvei StirnUg^o.
10 Vbr Yoroikia^s den fttasensprung zur Folge hatten , eioeo
ebenso scknellen Verlauf wie in den vorigea Tef$procliea.
Sdl 11 Ubr aber waren bei fehlendeai Vorrilckea des koj^m
die Wehen imgemeio schmerzhaft , schnell auf einander folgend
imd unregeimiUsjig geworden und von einem dauernden Drangen
begieitel, weiches die Kreissende auch in den Wehenpaoeeo
nicht ganz untardrQcken konnte, so dass sie im Zustande
der äassersten Aufregung, Unruhe und Verzagtheit um den
Ausgang der Geburt war. — Der Uterus stand ziemlich in der
Mitte des Leibes , war gegen Beriihrung empfindlich , in seinen
Wandungen so gespannt, dass ein deutliches Durchfühlen der
Kindalheiie nicht ermöglicht werden konnte; der Herzschlag
nur ganz scliwach an der rechten Multerseite etwas unterhalb
der Nabelhöhe zu hören war. Die Scheide war bereite recht
stark geschwollen, heiss, empfindlich, der Muttermund nicht
mehr zu erreichen , an der vorliegenden Sürn eine nicht un-
erhebliche Kindstheilgescbwuist. — Bei dem seit drei Stunden
bestehenden qualvollen Zustande der Kreissenden, bei weichem
die Hebamme vergebUch durcli dauernde rechte Seitenlage
und Anwendung eines Dunsthades Linderung zu verschafien
gesucht hatte, musste darauf Bedacht genommen werden, so
schnell als möglich eine Beendigung der Gebui*t herbeizufuhren,
die jedoch mit der Wendung nicht mehr zu erzielen sein
koni^te, da der Kopf zu fest im Beckeneingange stand und
zu sehr von dem in angestrengtester Thätigkeit begriffenen
Uterus umschlossen war, um auch nur das Einfuhren der
Band bis zu den Füssen möglich zu machen. Die Zange,
konnte bei der ungünstigen queren Lage und dem hohen
Staude des Kopfes nur ein für Mutter .und Kind sehr zweifel-
haftes, wahrscfaeinlidi sehr übles Resultat liefern. Von inneren
Medieamenten der einen oder anderen Art durfte man steh
gar keine Hülfe , kaum Linderung versprechen. Unter diesen
Umständen, die übrigens unmöglich noch die spmitane Um*
Wandlung der Stirnlage in eine Geaiehtslage erwarten hessen,
unternahm ich es, letztere künstlich hervorzunifen. Nachdem
die Kreissende auf dem Querbette in die rechte Seitenlage
gebracht war, stemmte ich während einer Wehe Zeige- und
Mittelfinger der rechten Hand gegen die Stirne an und drockle
in der Richtung nach dem Rücken der Frucht zu mit voller
224 X^I- HUdehrrnndt, Zwei 8tirnUg:eii.
Kraft. Der erste Vereuch missglfickte. Ich koonle den Kopf
weder erkeben, noeh eine Drehung um seinen Querdureii-
inesser trots der lebhaften WehentbäUgkeit wabrnehmen. Bei
einer Wiederholung desselben Verfahrens aber, die gleich mit
dem ersten Beginn der nächsten Wehe unternommen wurde,
föUte ich deutlich eine Drehung des Kopfes mit dem Gesicht
nach abwärts und gelang es mir in der Wehenpause bereits,
das tiefer herdbgelretene Kinn zu erreichen. — Der Erfolg,
sowie der Fortgang der Geburt war überraschend erfreulich.
Schon nach der nächsten Wehe, welche durch ihre geringe
Schmerahafligkeit und längere Dauer auf eine günstigere
Umwandlung der Uterusthätigkeit schliessen liess, trat das
Kinn tiefer herab und etwas mehr nach vorne, clanach folgte
f>ine reine schmerzfreie lange Wehenpause, in welcher die
Frau zum ersten Mate nach mehrstündigem Leiden sich ein
wenig erholen konnte. Die nächsten Wehen Tervollständigten
dann die Drehung des Kinnes nach vorne nnd ^/4 Stunden
nach der känstlich hervorgerufenen Lageveränderung wurde
ein lebendes Mädchen von 6 Pfil. 13 Lth. geboren, an dem
eich noch eine bifinliche Geschwulst auf der rechten Hälfte der
Stirn und an den Lidern des rechten Auges vorfand. — Eine
auffallende Abweidning der Schädelconfignration von der ge-
wöhnlichen war nicht wahrzunehmen. Der kleine Durchmesser
des Kopfes betrug 3 Zoll, der grosse 37« Zoll, der g^ade
Durchmesser 5 Zoll, der diagonale 5 Zoll.
Ehe ich zur Rechtfertigung des Verfahrens öbergehe , sei
mit wenigen Worten die einzig zulässige Methode der Zurecht-
Stellung des Kopfes beschrieben:
Nachdem die Krßissende auf ein QuerbeU und in die
Seitenlage gebracht ist, setzt man mit dem Beginn einer Webe
zwei Finger der rechten Hand gegen die Slirne an und drückt
gegen dieselbe in der Richtung nach dem Hinlerhaupte, falls
man eine Gesicbtslage oder nach dem Gesichte zu , falls man
eine Hinlerhaoptslage liervorzurufen beidisichtigt. Weiche
Kopfstellung zn erreichen man im einzelnen Falle für günstiger
iiatten muss, kann nur die genaueste Untersuchung ergeben,
bei weteher man vornehmlich zu erforschen hat, ob mehr
der vordere Theil der Stirn mit Auge und Nasenwurzel odei*
mehr der hintere Theil vorliegt. Der angewandte Druck muns
krilüg und stelig oacfa einer Riebtung erfolgen, iim der
andrängenden Wehenkraft auf der einen Seite einen gleich«
niissigen und überwiegend grösseren Widerstand zu bieten,
als auf der anderen SeitQ, welche durch die Contraction des
Dtems herabgedrftngt* werden soll. ^Es seheint aber auch
▼on Wichtigkeit, dass man den Druck genau mit dem Beginn
der Wehe eintreten Idsst. Wollte man in der Mitte der Wehe
beginnen, so würde der Kppf vielleicht nach einzelnen Rieh*
tnngen hin schon zu fest eingepresst sein und wird die
Steliungsverbessemng offenbar desto eher und vollständiger
gelingen, je intensiver und je länger man die Kraft der Uterus-»
contraetion durch den Rumpf auf den tiefer herabzudrängenden
Theil des Kopfes einwirken lassen kann.
Wo auf diese Weise die Stellungsverbesserung nicht zu
ennögiichen ist, stehe man von weiteren Versuchen ab« Die
üand zwischen Kopf und Beckenwand einzuführen, um den
Schädel über das Gesicht oder über das Hinterhaupt zu fassen
und dann einen oder den anderen Theil herabzuziehen und
zur Verlagerung zu bringen, darf nicht versucht werden. Diese
Methode wird zwar von CoUins empfohlen, der mit der
Hand über das Gesidit bis zutii Kinneingeiit und das letztere
herabzieht; es scheint dieselbe ferner in der Berliner geburts«
hülf liehen Klinik, wie ich aus einem von Ohhausen^) he^
sehriebenen Falle ersehe, geübt zu werden. Dennoch möchte
ich mich gegen dies Verfahren erklären, da Bei der durch
die ungünstige Lage des Kopfes bedingten Raumbeschräukung
gar EU leicht entweder iler Versuch misslingt oder nur unter
Anw^dung von Gewalt ausführbar ist. In dem einen Falle
erhalten wir ausser der Stimlage auch noch eine starke
Reizung des unteren Gebärmutterabschnittes und unregel>
massige Wehen, in dem anderen Falle könnte seSist Zer-
reissung der unteren Parthie des Uterus erfolgen. — Ebenso
sind aber auch die Versuche mit hebehirtigen Instrumenten
den Kopf zurechtzustellen, zu unterlassen. Wenn der Hebel
wegen semer platten, breiten Flächen auch leichter zwischen
Kopf und Beckenwand gleitet, als die Hand, so ist er doch
1) Vergl. Moofttflsohrift für Oebtirtsknnde, Bü. XX., 8. 287:
OUkottM», U«bor Dwrchreibangen imd finptnren des Uteraf,
MonftUtehr.f.Oeburtok. 1866. Bd.ZZY., Hft.8. 15
2B6 XVIII. BreHoUf Vorläufige Mitiheilang ab. d. D«nDga8ba)t etc.
sich zu der Incision des Nabelrioges eatschliessen lul&seD,
welche, um weder die Nabelvene noch die Nabeiarterien zu
verletzen, seitlich zu richten ist.
XVIIL
Vorläufige Mittheilung über den Darmgasgehalt
Neugeborener.
Von
Professor Dr. Breslan in Zürich.
Bei den vielfachen Sectionen neugeborener Kinder, welche
ich zu machen Gelegenheit hatte , ist mir Folgendes aufgefallen :
1) dass bei denjenigen Kindern, welche lodt ge-
boren wurden, gleichviel ob sie während der
Geburt zu Grunde gingen oder ob sie lange
Zeit zuvor in faultodtem Zustande im Uterus
verweilten niemals Gas in irgend. einem Theiie
des Darmtractus angehäuft war, weder im
Magen, noch in dem Dünn- noch in dem Dick-
darm; ^
2) dass demgemäss der Darmtractus todtge-
borener Kinder nie im Wasser schwimmt,
weder im Ganzen noch in einzelnen Theileu,
sondern sofort zu Boden sinkt;
3) dass erst mit der Respiration die Gasent-
wickelung im Darmtractus beginnt und zwar
oben, vom Hagen angefangen nach abwärts
vorwärtsschreitend, zunächst unabhängig von
Mahrungsaufnahme, dass also
4) wahrscheinlich das Verschlucken von Luft
den ersten Anstoss zur Luft- resp. Gas-
anhäufung im Magen und so weiter abwärts
giebt;
ö) dass schon nach den ersten Athemzugen Gas
(o^er Luft) im Magen sich befinden kann;
XIX. • NoiiMik AUf d«r JoonMl-Lfteratnr. 3Bß
6) dass in dem Maasse als die Re&piralion eine
▼ollkommnere und länger dauernde ist, au^h
sämmtlicbe Darmschlingen von Gas mehr oder
weniger ausgedehnt werden, woran man sich
durch Percassion an lebenden Kindern und
durch die Untersuchung an Leichen von früh
verstorbenen Kindern überzeugen kann.
Zu dem erwähnten Befunde bin ich ganz selbststandig
gekommen und habe bis jetst in den mir zugänglichen Hand-
büchern und Schriften über Physiologie , gerichtliche Medidn
und Kinderkrankheiten vergeblich auch nur nach einer An-
deutung in dieser Beziehung gesucht Dass etwas so taglich
zu Beobachtendes bisher nicht einer näheren Forschung unter-
zogen worden sein soll, ist Hast unbegreiflich, allein es gdit
ähnlich mit Vielem so, was man sieht und doch übersieht.
Kaum bedarf es der Erwähnung, dass das Nichtvorhandensein
von Darmgas im ganzen intrauterinen Leben des 'Fötus und
das sucoessive Entstehen desselben im extrauterinen mit
Langenathmung verbundenen Leben von entschiedener physio-
logischer und medicinisch -forensischer Bedeutung ist, und
ich habe mur deshalb erlaubt, bevor noch meine eigenen
Untersuchungen hierüber abgeschlossen sind, einstweilen eine
vorläufige Mittheilung über diesen Gegenstand zu publiciren.
Zürich, im Harz 1865.
XIX.
Notizen aus der Journal -Literatur.
0. ü. Franque: Schwangerschaft bei mangelhafter
Immissio penis.
Verf. beobachtete swei F&Ue , in denen nur in mangelliafter
Weite der Penis eingeführt werden konnte und doch Scbwanger-
•ehaft erfolgte. Bei der einen Frau war wohl in Folge einer
diphtheritiiicben Entsfindnng der Motterscheide im Wochenbette
eine sehr bedentende ond mit harten nnnaehgiebigen Rändern
ond Strängen umgebene Verengerung der Scheide eingetreten,
240 XIX. Notiven «as d«r Journal« Literatur.
in Folge deren der OoUas nur g^&na nnyoUkommen ansgefibt
werden kopnte. Im zweiten Falle bestand ein dicker, fast sehniger
Hymen mit kleiner Oeffnung. Beide Verengerungen leisteten
dem gegenrückenden Kindeskopfe solchen Widerstand, dass sie
mit dem Messer erweitert werden mnssten.
(Wiener Medicfnalhalle, 1864, No. 50.)
Heppner: Complicirte Fistnla Tesico - vaginalis.
Vollständige Heilung.
Die Complication bestand in obigem Falle darin » das« sa
gleicher Zeit eine grössere •Blasenscheiden* nnd eine kleinere
Harnröhrenscheidenfistel bestanden und zwar so, das« zwischen
beiden nur ein festes strangartiges Narbengewebe von 6 Millim.
Breite, wie eine Brücke zwischengespannt war. Es gelang nicht
eine Verbindung der Harnröhre mit der Blase hinter dieser festen
Briicke aufsnfinden. Die Operation dieses schwierigen Falles
wurde so gemacht, dass ohne Beriicksichtigang des erwähnten
Narbenstranges der obere Rand der oberen Fistel über die kleine
Fistel hinweg an die vordere Peripherie des Ostitim vaginae an-
geheilt wurde. Nach der Herausnahme der Drühte zeigte sich
anfange noch Harntrftnfeln ans drei Stichwunden, von denen zwei
bald Terbeilten, die dritte aber noeh acht Monate lang allen Cnr-
yersuchen den hartnäckigsten Widerstand leistete, endlich aber
nach wiederholter Operation heilte. Einige gute Abbildungen
verdeutlichen die Eigenthümlichkeiten des Pralles.
(Petersburger medit!. Zeitschr., 1864, Heft 9 und 10.)
Zimmer: Vollständige häutige Verwachsung der
grossen Schamlippen, beobachtet ,bei zwei
Kindern.
Ein fünf Jahre altes, sehr kräftig gebautes Mädchen konnte
nur unter heftigen Schmerzen Urin lassen; es machte dabei an-
gestrengte Bewegungen mit den Beinen, bis endlich der Urin
in einem dünnen Strahle am JUeibe heraufkam nnd dann zu beiden
Seiten wieder abfloss. Es zeigten sich die beiden grossen Scham-
lippen durch eine glatte Haut eng an einander gewachsen, nur im
oberen Winkel blieb eine kleine Oeffnung, für eine gewöhnliche
geknöpfte Sonde durchgängig. Die Membran war überall ly, Linien
dick und wurde durch Spaltung und Naht der seitlichen Wunden
operirt. Die Heilung erfolgte schnell.
VierW^ochen später wurde dem Verf. ein zweijähriges Mädchen
mit genau derselben Verwachsung zugeführt und in derselben
Weise glücklich operirt.
(Beiliner klinische Wochenschrift, 1S66, No. 1.)
XX. .
Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshülfe
in
Berlin.
Sitzung am 22. November 1864.
Herr W, Straassmann bemerkt zum ProtocoUe dm*
letzten Sitzung dasß er in einem Falle von Haematometra
in welchem er durch torcirte Einführung der Sonde zwar
etwas Btutaustritt veranlassen korfhte, wegen Erfolglosigkeit
dieser 0|)eration zur blutigen Erweiterung des Muttermundes
geschritten sei. Diese hätte er durch einfache Incision be-
werkstelligt, indess nur durch fortgesetztes Einführen von
Bougies etc. die Wiederverwachsung verhindern können.
-Von Herrn Winckel in Rostock ist folgende Abhand-
lung eingegangen.
Von der Einwirkung de9 Chloroforms auf die Wehenthätigkeit
Seit der Anwendung des Chloroforms in der Geburts-
hülfe ist die Literatur über den VVerth desselben bereits so
stark ~ angeschwollen, dass der Vergeh diesem Gegenstande
noch neue Seiten abzugewinnen vielleicht von Manchem mit
Kopfschülteln aufgenommen wird. Obwohl schon durch die
sehr ausführliche und auf 27 genaue Beobachtungen ge-
stutzte Arbeit von 6^ L, Sachs (in dcif Verhandlungen der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin von 1847 pag.
249 — 312 llf. Band), eine Reihe von Fragen in dieser Be-
ziehung erledigt waren, versuchte doch noch im vorigen Jahre
Ä. Johns (Dublin quart. Journ. 1863 Mai' pag. 353 — 365
und mein Referat darüber in dem Centralblatt für medicin.
Wissenschaften I. pag. 477) das Chloroform als ein durchaus
MoBftUaehr. f. Oaburtak. 1886. Bd. XXV.. Hft. 4. 16
242 XX. Verhandlimgen der Gesellschaft
schädliches Mittel für normale, wie für verzögerte Geburten
darzustellen und schloss mit dem Wunsche, dass es über-
haupt nicht in der Geburtshülfe angewandt werden möge.
So sind auch in Deutschland die Ansichten über die
Wirkungsweise dieses Mittels bei der Geburt immer noch
sehr getheilU' Der Grund hierfür liegt zum Theil in der
Ungenauigkeit der mit dem Chloroform angestellten Unter-
suchungen, zum Theil in dem Umstände, dass mit einer Menge
rein subjectiver „Erfahrungsurtheile", die nicht auf vor-
wurfsfreie Beobachtungen gegründet sind, die Bedeutung
desselben entweder überschätzt oder zu gering angeschlagen
wird. Auch die sonst vorzüglichen Experimente von Sachs
(1. c.) sind insofern nicht vollständig als zunächst trotz der
Angabe auf pag. 262.
a. die Wehen nicht längere Zeit und gleichmässig
vor und nach der Anwendung des Mittels, sondern nur
während derselben i>eobachtet wurden. Die Wehenbe-
schaffenheit vorher wurde nur im Allgemeinen ange-
deutet, oder höchstens die Pausen zwischen den voran-
gegangenen Wehen (cf. z. B. Fall 5. 6. 8.) angegeben;
ferner hat Sachs
b, hauptsächlich nur die Pausen zwisclien den Wehen
und wenig oder gar nicht die Stadien der einzelnen
Wehen während der Narkose untersucht, sondern
auch dann nur im Allgemeinen die Beschaffenheit
der Wehe, sehr oft auch diese nicht, sondern nur die
Dauer und manchmal beide nicht notirt.
Nun kann zwar ein geübtes Ohr, besonders dann wenn
schon die Bauchpresse in Anwendung kommt, aus der Re-
action der Kreissenden die Stärke der Wehen öfters er-
kennen, allein ihre Dauer auch nur annähernd auf diese Weise
zu bestimmen, ist sehr trügerisch. Sachs hat nicht ange-
geben, wie er die Dauer bestimmt habe. Allein auch wenn
er, was wahrscheinlich ist, durch Auflegen der Hand auf
den Leib die Wehen untersuchte, so Hesse sich auch dann
nur eine genaue Vergleichung der Wehen untereinander an-
stellen, wenn die einzelnen Stadien derselben besonders notirt
wurden. Gerade in dem Verhältnisse der einzelnen
mr Gebnrtflhtnfe in. Berlin. 243
Stadien untereinander liegt ja die Hauptbedeutung
einer jeden Wehe.
c. Auch ist noch nicht scharf genug zwischen der Einwirkung
des Chloroforms auf normale und pathologische
Wehen unterschieden, denn 'S. spricht nur von der
Anwendung des Chlorc^orms bei normal ?erlaufenden
Geburten. Freilich rechnet er darunter auch solche
bei denen (cf. Fall V.) die Wehen un regelmassig
wiederkehren nach 1, 2, 3 Minuten und ferner (cf. Fall
IX.) solche in denen die Wehen heftig schmerzend,
und doch sehr wirksam ohne freie Intermissionen in-
einander übergingen, und die Kreissende in den Zwischen-
räumen nicht frei von Schmerzen war.''
Meiner Ansicht nach müssen diese Fälle von Anwendung
des Chloroforms bei Wchenanomalien sehr streng ron denen
des Gebrauchs bei normalen Wehen gesondert werden, die
Wirkung wird jedenfalls nicht dieselbe sein.
Aus diesen Gründen blieben die Resultate zu denen
8. gelangt wenigstens nicht ganz unantastbar und noch
genauere Untersuchungen nothwendig. Dabei liess sich zu-
gleich eine Frage mit untersuchen, die bis jetzt hier noch
nicht erledigt und auch für die Chirurgie noch offen ist (cf.
BiUroth: Wundfieber und Nachfieber: Langenbeck's Archiv
Bd. II pag. 340. 1862.), ich meine den Nachweis über die
Einwirkung der Narkose ausser auf Puls und Re-
sph*ation besonders auf die Temperatur. Gebärende
eignen sich zu dieser Untersuchung sehr gut, da man ein
langes Thermometer in der Scheide während der ersten und
selbst während der zweiten Periode sogar Stunden lang liegei^
lassen kann und da man bei der Anwendung des Chloroforms
in normalen Geburten nicht durch vorzunehmende Operationen
in der ruhigen Beobachtung gestört wird. Vor Mittheilung
der eigentlichen Fälle muss ich noch einige Worte üb^ die
Art der Untersuchung selbst sagen:
Sie ist zunächst in allen vier Beispielen von mir selbst
ausgeführt worden, indem ich zur rechten Seite der auf dem
Rücken oder auf der Seite liegenden Kreissenden sass, meine
linke Hand unter der Decke und dem Hemde flach mitten
auf die vordere Bauchwand ohne zu drücken auflegte, so
16*
244 '^^* y^rhiiii^Iiiiigeii dar Geaellschaft
dafis dieselbe nur durck ibre Schwere auf den Bauebdecken
ruhte. Mit der rechten Hand hielt ich die Uhr, deren Se-
cufideazeiger von meinen Augen nur auf Momente in den
Pausen verlassen wurde, um an dem in der Scheide liegenden
Thermometer die Tertiperatur abzulesen. Während des
Verlaufs jeder Wehe wurde die Dauei* der einzelnen Stadien
sofort einem Studirenden dictirt, während ein zweiter Puls
und Respiration controUirte und ein dritter nach meiner
Vorschrift chloroformirte. Auf diese Weise wurden ' Wehen-
pausen, die 'einzelnen Wehensladien und am Ende Jeder Wehe
z. B. in Fall 2 Puls, Respiration und Temperatur sofort
genau notirt. — Die Unterscheidung der einzelnen Stadien
ist, bei nicht zu fetteu Bauchdecken, sehr leicht Das
Stad, iiicrementi beginnt mit dem Härterwerden des Uterus,
der zugleich sich mehr gegen die dauchdecken erhebt; man
fiUilt oft das Fortscbreiten, die Zunahme der Contraction sehr
deutlich, manchmal ist es, als ob kleine Hügel sieb unter der
Hand befänden, indem einzelne Muskelzöge stärker schon
hervortreten. Sehr gewohnlich treten Schmerzen säusserungen
der Kreissenden erst am Ende dieses Anfangsstudiums ein.
Das Stadium acmes, kenntlich durch seine gleicbmässige Härte
in allen Uterusfasern, sowie meist durch stärkeres und lauteres
Stöhnen der Kreissenden, geht dann in das Stad. decrementi
über, wenn man wiede-r mehr Unebenheiten au der vorderen
Uteruswand fühlt und mit den Fingerspitzen leicht die Uterin'-
musculatur eindrucken kann. Wiederholt habe ich Studireode
gleichzeitig mit mir eine Hand auf den Leib der Kreisseuden
legen lassen, um ihnen zur Wahrnelimung zu bringen, wie
leicht der Unterschied der Stadien zu erkennen und wie
genau nach Secunden die Dauer der einzelnen bestimmt werden
könne. Auf einige interessante Punkte, welche ^sich bei diesen
Wehenuntersuchungen ergeben, will ich in den Epikrisen zu
den betreffenden Fällen aufmerksam machen. — Vorher nur
noch wenige Worte über die Berechtigung zu solchen Ver-
suchen an kreissenden Frauen.* Dieselben fanden statt bei
zwei gesunden Gebärenden und bei zwei mit abnormen
Weben. Erstere boten regelmässige und kräftige Uteruscoo-
tractionen ohne jede erhöhte Schmerzhaftigkeit derselben.
Wehen die schon so entwickelt waren^ dass man auch durch
far Oebni'UhaiVe In Berlin. 245
, die von Sachs bei Einwirkung des Oblorofornis schon nach-
gewiesene geringe Verzögerung der Geburl a priori keinen
Nactrtbeil von dem Versuch für Motter oder Kind erwarten
konnte. Bei letzteren wurde das Chloroform zunächst als
Linderungsmittel für die excessiven Wehenschmerzen ange-
wendet. Die Narkose selbst wurde nur so lief herbeigeföhrl,
dass die Kreissende auf Schmerzen gar nicht mehr reagirte
und nur so lange fortgesetzt bis eine Reihe von Wehen in
derselben beobachtet worden und etwa hinreichend Zeit ver-
strichen waren, um während derselben selbst schwierigere
Operationen auszuföhreu ( V4 — ^'« Stunde). Während die Resul-
tate bei den zwei ersten Fällen völlig genfigten und namentlich
neben den sonst ausföhrlichen Beispielen von Sachs weitere
Experimente bei normalen Wehen überflüssig machten, würde
ich die Untersuchungen über die Einwirkung des Chloroforms
auf die verschiedenen Wehenanomalien gern noch weiter fort-
gesetzt haben, wenn sich noch neue Fälle ähnlicher Art der
Beobachtung geboten hätten, obwohl die Wirkung in beiden
Fällen nicht zur Portsetzung aofmunterte.
1. Einwirkung des Chloroforms auf normale
Wehen.
I. c/. K. eine 28jährige Secundipara kam nach durchaus
normalem Verlaufe ihrer Schwangerschaft am 23. Juni d. J.
kreissend zur Anstalt. Sie war eine ziemlich grosse kräftig
gebaute Brünette nnt rothen Lippen und Wangen. Die Unter-
•suchung ergab ein durchaus gutes Becken und dritte Schädellage.
Der Muttermund thalergross,* die Li])pen dünn, Blase stehend,
die Fötalherztöne rechts unten am Leib sehr deutlich hörbar.
6% Uhr Nachm. P. 92, Temp. d. Scheide 37,7 f»C.
Bei Benutzung des Siechbeckens nach erhaltenem Klystiere
sprang die Blase: der Kopf stand ziemlich tief, die grosse
Fontanelle noch nach links und vorn.
6 Uhr: 1. W^e. Dauer 1 Minute, Pause IV2 Minute.
2. „ St. incr. i5 See, acm. 40, decr. 30, Pause65S.
3. „ „ „ 10 „ „ 46, „ 16, „ 65 „
4. „ „ „ 20 „ „ 35, „ 25, „ 35 „
Die Baucbpresse wui*de noch nicht mit ange^
wandt, der Wetiensf^hmerz durcbaus massig. Der Uterus bei
246 ^^- Verhandlnngen der G««eUBohaft
BerQhiTJiig nicht schmerzhaft Der Kopf steht fest auf dem ^
Muttermunde.
5. Wehe Stad. incr. 10 See», St. decrem, lö See, Pause
65 See.
Kurze Anwendung der Bauchpresse während der Wehe.
6. Wehe St incr. 15 See, St acm. 60 See. Während dieser
Wehe ist der Muttermund von dem Kopfe passirt worden
imd der letztere fast an den Damm getreten unter
starker Mithülfe der Bauchpresse.
In der folgenden Wehenpause wurden nun Chloroform*
Inhalationen gemacht, die Parturiens lag schon seil
Beginn der Beobachtung auf der rechten Seite. Nach 3%
Minuten war die Narkose vollständig, die ganze
Webenpause dauerte jetzt aber 47« Minuten.
7. Wehe Stad. incr. 15 See., St. acm. 25 See., Su decr.
15 See, Pause 1 Hin. 50 See. Sopor. Keine Inha*
lationen mehr.
8. Wehe Stad. incr. 15 See., St. acm. 20 See, St decr.
20 See, Pause 1 Min. 30 See Die Bauchpresse
wurde gar nicht angewandt. Narkose vollständig.
9. Wehe Stad. incr. 5 See, St. acm. 20 See, SU decr.
I 16 See, Pause 1 Minute 15 See, 24 Respirationen in
1 Minute. Beginn der Anwendung der Bauchpresse.
neue Inhalationen während der Wehe.
10. Webe Stad. incr. 10 See, St. acm. 35 See, St. decr.
15 See Lebhafte Reaction der Parturiens, deutliche
Wirkung der Bauchpresse — neue Inhalationen —
danach leises Stöhnen — die Pause dauert 1 Min.
50 See
11. WeheSt. incr. 10 See, St. acm. 30 See, St. decr. 15 See,
Pause — 5 See
12. Wehe St. incr. 10 See, St. acm. 10 See, St. decr. 10 See,
Pause 10 See
13. Wehe St. inCr. 10 See, St acm. 40 See, St. decr. 15 See
Sopor. Pause 1 Min. 35 See Im St. acmes lebhafte
Wirkung der Bauchpresse; Part, erwacht allmälig, da keine
neuen Inhalationen angewandt werden.
14. Wehe Stad. incr. 10 See, St acm. 25 See, St decr.
15 See, Pause 1 Min. 5 See Parturiens fast völlig
$kt Gebnrtsbülfe in Berlia. 247
erwacht, IdBSI die Bauchpresse lebhaft mitwirken, der
Ko])f wölbt den Damm stark.
15. Wehe SUd. incr. 15 See. bei dem 1 Minute langen
St acm. komoU der Kopf fast zum Durchschneiden.
Die 16., 17. und 18. Wehen bringen kurz aufeinander
folgend, 15 Minaten im Ganzen nach dem Aufhören der
Chioroforminhalationen, den Kopf zum Durchschneiden. Die
Stirn trat unter dem Schambogen hervor. Nach dem Durch-
schneiden des Kopfes höchst massiger Wasserabgang. Der
ausgetr. lebende Knabe (6 Pf. 25 L. 20'' lang, Kopfdurch-
messet: 3V4 ', 3*/»", ^V«", ÖV^") schrie sofort. Die Placenta
ward durch Druck nach 5 Minuten sehr leicht entfernt, der
Blutverlust dabei sehr unbedeutend — der Uteru^
war und blieb gut conlrahirt Im Beginn des Versuchs —
Abends 6^4 Uhr betrug die Scheidentemperatur 37,45^ C.
Der Puls 6 — 7 — 8 Schläge in 5 Secunden wahrend einer
Webe — gleich nach Beendigung der Geburt aber 6V4 Uhr
war die Scheiden temperatur : 37,2^C. Der Puls hatte 44 Schlage.
— Das nun folgende Wochenbett war durchaus normal:
Ganz charakteristisch dabei die Pulsverlangsamung: am 24/25
hattePuerpera60— 62.: am 26.: 64-68.: am 27/6: 66—68
Schläge; am 28/6: 68—66 und vom 29/6—3/7 stets nur
60-r62. — Die Temperatur schwankte zwischen 37,2 und
37,8^ €.; die Respiration zwischen 16 und 20. Die Räck*
bildung des Uterus ging sehr gut von Statten, die Puerpera
säugte ihr Kind selbst und verliess am 9. Tage das Bett.
Am 6/7 wurden Mutter und Kind gesund entlassen. —
Vergleichen wir nun die sechs Wehen, weiche vor Beginn
der Inhalationen notirt wurden, mit den 6 während der Nar*
kose, so ergeben sich folgende Unterschiede auf den
ersten BUck:
1) Die Wehenpausen sind in der Narkose länger, als
ohne Narkose; durchschnittlich betrugen sie bei fünf Wehen,
die in ununterbrochener Narkose beobachtet wurden: 2 Mi-
nuten 10 Secunden und bei fünf Wehen vor der Nar-
kose nur 1 Mm. 4 See. Die grösste Pause ward durch
den Bt^ginn der Narkose selbst bewirkt — sie dauerte 4^4
Minuten. Bei dieser ist psychischer Aifect wohl nebeo dem
Chloroform in Anschlag zu bringen.
248 ^^* ¥«rhttndlungeii der Gesolfochaft
3) Auch die einzelnen Wehen sind durch die Narkose
verändert, denn das Stadium acmes ist kürzer geworden,
alsvorderNarkose. Es betrug während derselben durch-
schnittlich nur 26 Secnndcn und vorlier schon im Durchschnitte
42 Secunden. Dagegen blieben Anfangs- und Endstadium fast
ganz unverändeit. Seht* interci^sanl ist die Beobachtung, dass
der Grad der Narkose in geradem Verhältniss zur Daner
des Höhestadiums stand — bei völligem Sopor (Wehe No. 8.
und 12) war die Acnie am kürzesten. Sobald aber der
Schmerz wieder verspürt wurde, fing die Wirkung der Bauch-
presse an und die Dauer der Acnie war länger. Es ist sehr
wahrscheinlich, dass die Verkürzung des Höhestadiums fast
ausschliesslich auf Rechnung der aufgehobenen Anwendung
der Bauchpresse zu setzen ist, da ja die Contraction des
Uterus unter dem Drucke der stark contrahirten Bauchmuskeln
nothwendig sehr verstärkt werden muss. Neue Inhalationeo
verlängerten sofort wieder die Pausen (Wehe 10 — 11) und
verkürzten das Stadium acines (W. 12).
3) Trotzdenl dass Parturiens fast 13 Minuten in kaum
unterbrochener Narkose gehalten wurde, erreichten die
nach der Narkose eintretenden Wehen sofort wieder die
frühere Stärke und Dauer.
4) Auf die Temperatur hatte die Narkose gar keinen
Eihfluss; der Fall von 37, 45 auf 37,2® war genau der Tages-
zeit entsprechend. Auf das Kind und das Befinden im Wochen-
bett war auch durchaus kein Einfluss zu constatiren.
Das Hauptresultat war also, dass durch die Narkose
die Geburt verzögert wurde und zwar nicht blos
durch Verlängerung der Pausen, sondern auch durch Ver-
kürzung der Höhestadien der einzelnen Wehen.
U. S. K. eine grosse, sehr kräftige Drittgebärende mit
weitem^ Becken, zweiter Scliädellage des Kindes, begann am
3/7 gegen Abend zu kreissen. Die Untersuchung begann in
d. ersten Geb. Periode bei stehender Blase und thalergrossem
Muttermunde.
a. Wehen vor der Narkose.
Puls Tptur.^ Ab. sy, Uhr Pause Stad. incr. acines decrem.
84 37,96®C. „ „ „ 1. — _ 30 See. 20 See.
37,96 „ „ „ „ 2. 4% „ 6 „ 16 „ 6 „
filr Gebartshtilf« in B^rttn. 249,
Puls Tpfcur. Ab. 8 Vi Ubr Paine 8tad. incr. acaies d^ereip.
3. 4 Min. 5 See. 40 See. 16 See.
84 38.05 „ „ ., „ 4. 3 ,. 10 „ 30 „ 16 „
5. 3 „ 12 „ 35 „ 10 ,.
Paiiuripns stöhnt gar nicht während der Wehe, häJt nur den
Alheni an und seufzt hinterher.
6. 37, Min. 15 See. 35 See. 10 Sev.
84 38.0 „ „ „ „ 7. 6 „ 10 „ 45 „ 10 „
84 38,05 , „ 8. 3 „ 10 ,. 25 „ 15 ..
In der 6. Wehenpause wurden innerhalh zwei
Minuten 35 Kindeshewegungen — (Anklopfen der
Hacken au den Uterus) deutlicli von mir gefühlt,
in der ?• dagegen nur 6XBewegung verspürt« Die
iferztöne waren normal.
H4 37,95—38,0 ,, „ „ 9. 4 Min. 10 See. 45 See. 15 See.
10. 3V, „ 10 „ 40 „ 15 „
J. Wehen in der Narkose.
Nach 1 Hinute Pause wurden Chloroforminhala-
lioneii gemacht und dauerte bei diesen die Pause noch
92 37,925<>C. „ „ „ 11. 6 Min. 10 See. 35 See. 10 See.
Part, spannt noch die Musiveln, hört noch auf Anrufen,
ist noch nicht ganz narkotisirt.
12. 8V»Min. Abortiv. Weher. 10—16 8.
13. IV, ., 15 „ 46 „ 15 „
3V« Minulen lang keine iDbalattoneo mehr, dann, da Part.
sich regt von neuem Inhalationen
No. 14. 6 Min. Pause 10 See. 25 See. 10 See. P.-Tp. 37,95
die vollständige Narkose beginnt
Kq. 15. 5 Min. Pause 10 See. 35 See. 5 See.
Schlaf, ohne weitere Inhalationen in völliger Narkose
No. 16. 6 Min. Pause 10 See. 45 See. 15 See. P. 82 Tp. 37,9 R. 24
wieder neue Inhalationen, da die Narkose nachlässt
No. 17. 3V,Min. Pause 10 See. 35 See. 10 See.
„ 18. 3V, „ „ 10 „ 25 „ 10 „ P. 82 Tp. 37,925 R. 24
„ 19. 3»/, „ „ 10 „ 45 „ 15 „ P.88Tp.S7,95 R.24
Diese Wehe war (rotz der noch angewandten Ghloro*
fvrminhalalionen sehr kräftig, mit Nachlass derselben wurde
kein Chloroform mehr angewandt.
c. Wehen in halber Narkose.
No.20. 4i Min. Pause 10 See. 45 See. 12''' j
„ 21. 4 „ „ 10 „ 45 „ 15 (
„ 22. 3V4., „ 10 ,. 35 „ 15 ( ^"*" ^ '''P ^'^^^
„ 23. 3V,„ „ 8-10 „ 60 „ 10 )
,250 ^X- Verhandlangen der Oeseüflchaft
No. 94. dV4Min. P. 5—8 See. 26 See. 10
„ 26. 3V4 „ „ 6 „ 40 „ 15
während all dieser Wehen stöhnte Pari, kaum und in der
Wehenpause schlief sie fest.
No. 26. iVaMin.Pause 15 See. 35 See. 10'"
„ 27. 3% „ „ 10 „ 75 „ 15
In der Mitte der Wehe erwacht Parturiens und ist ganz
wohl.
d. Wehen nach der Narkose
No. 28. SVgMiu. P. 5— 10 See. 35 See. 10'"
„ 29. 5 „ „ 8 „ 35 „ 10"'
„ 30. 5 „ „ 16 „ 50 „ 15'" Pala 88 Tp. 37,9« C.
Hier wurde Abends 10% Uhr der Versuch beendet.
Er hatte im Ganzen 2^4 Stunden gedauert. Der Muttermund
war fast völlig erweitert. — Bald darauf sprang die Blase —
und kurz nach 11 Uhr wurde ein lebendes Mädchen von
6V« Pf. 18 Va" Länge geboren (Kopfdurchmesscr: 3" S^/^"
4Y2" 5")- ^'c Placenta wurde leicht durch Druck entfernt,,
der Uterus blieb gut conlrahirt. Ausser einer ungewöhnlichen
Temperatursleigerung von 37,4 auf 38,6^, die aber in we-
nigen Stunden wieder verschwand, war auch hier der Verlauf
des Wochenbettes durchaus ungestört und wurde die
Wöchnerin am 18. Juli mit ihrem Kinde gesund entlassen. —
a. In Beti*efl' der Pausen finden wir in diesem Versuche
zunächst, dass dieselben bei 8 Wehen vor der Narkose durch-
schnittlich 4,25 Minuten dauerten, das Maximum war 6 Mi-
nuten, das Minimum 3 Hinuten.
Während der Narkose und zwar während der In-
halationen betrug dagegen die durchschnittliche Dauer der
einzelnen Pausen: 4,7 Minuten, die längste aber 8V2 Minuten,
die kürzeste IV2 Minuten, die Pausen wurden mithin
unregelmässiger und etwas länger.
In halber Narkose d. h. in einem Zustande, in welchem
die Ki*eissende laut schnarchte und nur bei kräftigen Wehen
ein massiges Stöhnen von sich gab und dann auch die
Bauchpresse wohl anwandte, betrug die Durehschnitts-
dauer der Pausen 3,7 Minuten, die kürzeste 3, die längste
4'/2 Minuten — es waren also die Pausen schon
wieder regelmässiger und rechnet man zu den in diesem
Zustande vorgekommenen noch die drei 'bei völligem Wohlsein
mr Geburtaliülfe in Berlin. 261
der Partiurieos beobachteten Weheo, so kommt eine diircb«-
scfanitüiehe Daoer von 4,1 Minuten für die Pausen heraus^
b. In den Wehen selbst zeigt sich, dass in dem Stadium
incremen ti — vor, wahrend und nach der Narkose keine
wesentliche Differenz zu linden war. (Durchschnitt vor der
Narkose 8,7; während d. N.: 9,1 nachher 9,5 Minuten.)
Das Stad. acmes hatte vor der Narkose eine Durchschnitts-
dauer von 34 Secunden (10 Wehen -Maximum 45, Minimum
15) in der Narkose betrug dasselbe, mit Einschluss der sogen.
AborCiv-Wehe — durchschiiitüich 32 Secunden (9 Wehen-
Maximum 45, Minii^um 0) nach der Narkose durdischnittlicb:
41,8 — (Wehen-Maximum 75, Minimum 25). fislässt sich
also auch hier eine Verkürzung des Höhestadiums
während der Narkose nicht verkennen und muss man
bei der scheinbar unbedeutenden Differenz mit den Wehen
vorher, hier vielmehr die Differenz mit dem Höhestadium der
Wehen nach der Narkose vergleichen. Besonders ergiebt
sich aber die Verkürzung durch Vergleichung der einzelnen
Wehen in der Narkose — sobald nämlich die Narkose nach-
liess(\Vehe 13, 16, 19), war das Höhestadium länger und
sowie neue Inhalationen gemacht worden, wurde es wieder
kürzer (Wehe 14 und 17, 18, in welchen es von 46 auf
36 auf 25 See. fiel).
Das Stadium decrementi betrug vor der Narkose durch-
schnittlich 13 See, während derselben 10 und' nach ihr
12 See, doch ist auf dieses wenig Gewicht zu legen.
Im Grunde genommen stimmen also die Ergebnisse dieses
Versuchs mit dem vorigen ganz überein — auch hier war
eine Verlängerung der Pausen und Verkürzung in
den Höhe Stadien der Wehen sicher nachzuweisen, doch
war die dadurch bewirkte Geburtsverzögerung nur gering.
Die obengenannte Abortiv- Wehe kam nur ein Mal vor
und ich wage es nicht, diese der Einwirkung des Chloroforms
zuzuschreiben, da ich ähnliche auch bei sonst normaler
Wehenthäügkeit bisweilen beobachtet habe. — *
Die Temperatur vor dem Beginn der Narkose 37,95 —
38,05^ C. also während der Wehen allmälig etwas steigend,
in der Wehenpause wieder sinkend, war höher als gewöhnlich
(um 0,6), ein unbedeutender Darmcatarrh war die Ursache.
252 XX. Veriiandlungefi der Gesellschaft
Während der Narkose blieb fa«t genau dieselbe Höhe;
es^Bchwankte die Temperatur swischeti 37 ,9 n. 37,95" erschien
also uui 0,1— 0,15" C. niedriger — allein auch nach der
Narkose berrug sie noch 37,9''C. und bedenkt man, dass
der Versuch nach dem zweiten Höhepunkt (nach 6 Ultr
Abends) stattfand und dass die eigentliche Narkose wenigstens
V2 Stunde dauerte, so ist dieser unbedeutende Abfall nur
auf die Tageszeit selbst zu schieben und nicht dem Chloro-
form zuzurechnen. Man muss vielmehr annehmen, dass die
Narkose auf das Temperaturverhalten wahrend
der Geburt, bei normalen Wehen keinen wesent-
lichen Einfluss zeige.
2) Einwirkung des Chloroforms auf abnorme Wehen.
1. JfUie ti. eine 23jäbrige Erstgebärende mittelgross,
blond, von kräftigem Körperbauc, mit starkem Panniculus
adrposus, hat in ihrer Kindheit an ürusenanschw«!llungen und
öfter an der Briune gehtten. Seit dem 16. Jahre war sie
unregelmässig und mit allerhand Beschweixlen (Magenkrampf,
Brustschmerzen, grosse Mattigkeit) menstruirt. In der Schwanger-
schaft war sie bis auf einen starken Bronchocatarrh in der
letzten Zeit ziemlich gesund. Die Untersuchung ergab eine
zweite Scfaädellage; die Scheide von normaler Weite. Der Mutter-
mund sieht nach hiuten und rechts, der äussere ist schon
geöffnet, der innere noch geschlossen, man kann' mit dem
Finger in den Mutterhalskanal 4»indringen. Massiger Catan*h
des Mutterhalses, kein Catarrh der Scheide.
Die Wehen thätigkeil begann am Abend des 18. Juli
gegen 8 — ^10 Uhr — die Kreissende meldete sie aber erst
am 19/7 Morgens 7 Uhr — die Portio vaginahs war beinahe
verstrichen, der Muttermund wie ein Zweigroschensluck geöff-
net, die Blase gespannt, der Kopf noch beweglich (Becken-
maasse: Spinae 9" 2"', Cristae 10" 4" ConjugaU exL 7" 4"\
beide schräge Durchmesser des grossen Beckens 8" 4'"), die
Scheidenlemperatur 37,5^ C.
19/7 Morgens 8 Uhr. Die Portio vaginalis ganz ver-
strichen, die Multermundsränder dann, Blase straff, Temp.
37,7»C.
8% Uhr. Der Blasensprung erfolgte bei kaum ^j^*' im
Durchmesser zeigenden Mutlermunde. Temp. 37,9^ C.
für Oehurtsbülfe In Berlin. 253
Die bis dalun ziemlich häufigen Wehen Hessen etwas nach.
9 Uhr. Tempv d. Scheide 38,05, in der Wehen-
höhe auf 38,1^ C. steigend. Die Weben sind wieder
häufiger und kräftiger, allein unregelmässig in ihrer Dauer,
1,1 Vs — 3 Minuten anhaltend, mit ebenso unregelmässigen
Pausen.
9''4 Uhr. Die vordere Nuttermuudslippe be-
ginnt anzuschwellen, ist straff am Kopf anliegend.
10 Uhr. Mehrmaliges grünliches Erbrechen;
vordere Muttermundslippe russeiförmig gesehwollen. Temp. auf
37^^ C. gesunken. Muttermund 2V^" im Durchmesser. Kopf
noch querstehend.
11 Uhr. Der Muttermund völhg erweitert, Kopf noch
nicht hindurch getreten. Temp. 37,1^ C.
12 Uhr. Bei sehr rasch folgenden kräftigen Wehen
keine Fortschritte des Kopfes. Tp. 36,9— 12 Vs Uhr. Bei
fortgesetzt rasch aufeinanderfolgenden Wehen • derselbe Zu-
stand, nur dass die Kopfgeschwulst bedeutend grösser geworden
ist Herztöne des Kindes 124, Tp. 36,95<^C.
1 Uhr.
1) Stadium incrementi 5 Secunden, Stadium acmes 32, decre-
roenti 25 See
2) Wehenpause 1 Min. 20 See, Stad. incr. 10, Stad. ac.
45, decr. 15. Kreissende laut schreiend, ziemlich stark
mitpresseod.
3) Pause 1^4 Min., incr. 10 Sec^ acm. 50 See., dec. 20 See.
Abortivwehe in der folgenden Minute.
4) Pause 35 See, incr. 5 See, acm. 60, decr. 15. In der
wehenfreien Zeit starkes Aufstossen.
5) Pause 1 Min. 5 See, incr. 5 See, acm. 50, decr, 15,
Chloroforminbalationen.
6) Pause 1 V2 Min., incr. 10 See, acm. 55, decr. 15. Kreissende
noch laut schreiend. Vpllständige Narkose nach 3 Minuten.
7) Pause 3 Min. 20 See, incr. 10 See, ae 30 See, decr. 15.
Tiefer Sopor. Keine Chloroforminbalationen mehr.
8) Pause 1% Min., incr. 10 See, acm. 60 See, dec. 15 See.
Die Kreissende stöhnte ziemlich lebhaft, wandte die
Bauchpresse an , daher neue Chloroforminhalationen
während der Wehe.
254 XX. Verhandlnngen der Oesellsohaft
9) Pause 2 Hin., incr. 5 See, aciii. 35 See., decf. 10 See.
Kreissende stöhnte sehr wenig, dehnarchte laut, Bauch-
presse fast gar nicht angewandt.
10) Pause '1 Min., incr. 15 See, acm. 85 See., deer. 15 See.
Parturiens fängt auf dcF Höhe des Stadium acnies an
zu stöhnen und trotz der Narkose die Bauchpresse
mitwirken zu lassen.
11) Pause 50 See, incr. 10 See, acm. 20, decr. 15 See
Beim Beginn der neuen Pause wei^den die Chloroform-
inhalationen ausgesetzt. Pids 56, Tp. 37,1.
Nach dem Aufhören der Ghloroforminhalationen.
12) Pause 1^^ Min., incr. 15 See, acm. 85 See, decr. 25.
Kreissende während der Wehe aufgewacht, stöhnt leb-
haft, während der Webenpause schläft sie.
13) Pause 2 Min. 10 See, incr. 15 See, acm. 65, decr. 20.
Starke Mitwirkung der Bauchpresse.
14) Pause 1% Min., incr. 5 See, acm. 55, decr. 15 See
15) Pause 50 See, incr. 5 See, acm. 45, decr. 15 See
16) Pause 30 See, incr. 10 See, acm. 45, decr. 15 See.
17) Pause 1 Min. 5 See Der Kopf ist inzwischen bis
zum Einschneiden herabgerückt und drückt gegen den
. Damm. Die Wehen sind ausserordentlich schmerzhaft,
Puls während der Wehe 60 Schläge, Herztöne des
Kindes 132, Tp. der Scheide 2 Uhr Nachmittags 37,1.
1^/2 Stunden dauerte es, bis der Kopf durchtrat und
mussten seitliche Einschnitte dabei gemacht werden.
Die nicht unbeträchtliche Blutung aus dem
Uterus nölhigle zum sofortigen Entfernen der Nachgeburt
durch Druck, stand jedoch sehr bald. Der Uterus blieb gut
contrahirt. Der reife, lebende Knabe wog 77a Pfd., war
I8V2" lang. (Kopfdurchmesser 31/4, 3»/4, 4^/4, b% Zoll).
.Nachgeburt normal. Die Temperatur gleich pos( partum
betrug 37,5, der Puls 68, leichter Frostschauer trat nach
der Entbindung auf. Abends 6 Uhr. Tp. 37,7, Puls 70;
Ischurie. 20/7, Puls 2, Tp. 37,8. Abends. Puls 72, Tp.
37,9. Rhagaden beider Brustwarzen. Uterus nicht empfind*
lieh. Wochenfluss normal. Betrachten wir bei dieser Unter-
suchung zunächst die Wehen bis zum Beginn des Versuches,
so kann darüber kein Zweifel herrschen, dass wir es mit
fnr Gebnrtshiilfe in Berlin. 266
exquisiten Krampfweben, bedingt durch zu frühen Wasser-
abOuss und abnormer Rigidität des Muttermundes
zu thuQ hatten. Palur sprechen erstlich die bedentende
Temperatursteigerung von 37,5 auf 38,1) (li^ grosse Schmerz-
baftigkeit der Weben, die Anschwellung der vorderen Hutter-
mundslippe und die geringe Wirkung der Uteruscontractionen,
endlich auch der beträchtliche Temperaturabft'all nach Be-
seitigung des Hindernisses, nach dem Durchtreten des Kopfes
durch den Muttermund von 38,1 auf 36,9. Sehr bezeicbnend
für diese Wehenanomalie sind femer die unregelmässigen
Pausen und die sehr schwankende Dauer des Stadium acmes.
Wie wirkten nun die Chloroforminhalationen auf diese
Krampfweben, welche auch noch in der 2. Geburtsperiode
fortbestanden? Zunächst die Wehen pausen anlangend, so
betrugen diese bei 5 Wehen vorher durchschnittlich 1,3 Mi-
nuten (maxim. 1 Min. 20 See, minim. 35 See) Während
der Narkose wurde die Durchschnittsdauer von 6 Wehen zu
1,79 Minuten berechnet, und nach dem Aufhören der Chloro-
forminfaalationen, nacli vollständigem Wiedererwachen der
Kreissenden, betrug die Wehenpause bei 5 Wehen durchschnitt-
lich 1,2 Minuten. Dabei waren während der Narkose be-
sonders die erste Pause mehr als doppelt so lang
denn die früheren, übrigens waren die Differenzen (maxim.
3^3 , minim. V«) nocb grösser als vor und nach der Nar-
kose.
Das Stadium acmes zeigte bei 5 Wehen vor der Nar-
kose 47,4 See. Dauer, während der Narkose bei 6 Wehen
47,2 und nach derselben 59 Secunden Dauer durchschnittlich
(bei 5- Wehen.)
Somit ist auch für diese Wehenanomalie erstlich
eine Verlängerung der Pausen und zweitens eine,
wenn auch unbedeutende Verkürzung des Stad. acmes con-
statirt worden und es unterscheidet sich die Wirkung des
Chloroforms in diesem Falle in Nichts von den frühem, da
die Verlängerung der Pausen keineswegs sehr beträchtücb
war uiid auch nach der Narkose das Stadium acmes ziem^
heb kräftig entwickelt büeb. Die nicht sehr beträchtliche
Blutung stand schon mit Entfernen der Placenta durch Druck.
Es ist mithin durch die Chloroformiuhalationen eigentlich nur
256 XX- Verhandlnngeii der GeselUchaft
der Schmerz während der Wehen beseitigt worden, eine
, regeknässigere Enlwickelung der Wehen nach den einzelnen
Pausen ist auch hier nicht eingetreten.. Man hätte dies er^
warten können, da bekanntlich bei sehr schmerzhaften Wehen
durch Bewegungen des Kindes öfter kurze Abortt?wehen ruck*^
weise hervorgerufen werden und mit Herabsetzung der Er-
regbarkeit eine grössere Gleichmässigkeit in der Aufeinander-
folge der Wehen gehofl't werden könnte. Dasselbe gilt von
der Dauer und Intensität des Stad. acroes.
Das Tjemperaturverhalten vor, während und nach der
Narkose war ebenfalls dem im vorigen Versuche völlig gleich,
die Temperatur schwankte nur zwischen 36,9 und 37,1 von
1 — 1% Uhr und stieg in den folgenden 2 Stunden nur bis
auf 37,5 von 2 — 3 Uhr 20 Min. Ein wesentlicher Ein-
fluss war mithin nicht zu constatiren; denn das Yer^
hältniss in der Steigerung von 1 — 1^/4 Uhr 36,9 auf 37,1
ist fast dasselbe wie von 2 — 3 Uhr an, um welche Zeit die Tem-
|)eratur 37,3 betrug und kommt nur auf die letzten 20 Mi-
nuten auf die äussersie Anstrengung während des Durchtrittes
des Kopfes eine Steigerung von 37,3 auf 37,5. —
H. L. F., 22 Jahre, klein (140 Cent.) hat als Kind an Rachitis
gelitten, lernle erst mit dem vierten Jahre laufen, menstruirt seit
dem 16. Jahre ohne Beschwerden, regelmässig dreiwöchentlich,
zuletzt am 13. Oct. 63. Erste Kindesbewegung Ostern 64.
In der Schwangerschaft litt Gravida ausser an hartnäckiger
Ohsti*uction an einer intensiven Colpitis granulosa
mit Endometritis colli und sehr starkem Fiuor albus. Das
Becken ist grad- verengt, die Conjugata ext 6^2" 1 ^^ ^'^^
gonal-Conjugata 4", die Enlfernung der Spinae 9", der Cristae
9^2« der beiden schrägen 7^V^ d<^i* Beckenausgang weit
Sie gebrauchte in den letzten 4 Wochen Injectionen von
Cuprum sulfuricum (F^ösung) 1 Scrup. auf V^ Pfd., ohne dass
sich die Absonderung wesentlich vermindert hätte.
Wehenanfang am Abend des 11. Juli gegen 10 Uhr.
Alle 10 Min. auftretend waren sie im Verlaufe der Nacht nur
wenig wirksam. Am l'2./7. Morgens 7 Uhr: Scheidentfieil Vs"
lang, der äussere und innere Muttermund geöflnet, Kopf auf dem
linken Darmbein, kleine TheJle links oben, Herztöne rechts,
Tp. der Scheide 37,4. 9 Uhr. Bei linker Seiteulage ist der
ffir OebnrtiOitUfe in Berlin. 267
K^ aber den Beckeneiogaog getreten, Wehen alle 7 bis
10 Minuten, wenig wirkMin, Tp. 37,4. 10 Uhr. Der Mutter-
mund ffir 2 Finger durohgängig, 1>. 37,6, Puls 88. 10 Uhr.
Die Wehen noch ebenso selten. Der äussere Mtttter«)un4
dicbl weiter, kleine Fontanelle rechts zu erreichen, Tp. 37,5.
11 — 3 Uhr Nachmittags. Wehen alle 5 Hinuten auftretend,
Vaginaiportion vöUig yerstrichea, sonst Status idem. Tp. 87^,
Pols 84, 5 Uhr, Weben wie vorhin. Haut feucht, Hutter-
muBdsrdnder dünn und scharf, Muttermund P// im Durch-
messer. 7 Uhr. Kreissende klagt über heftige Schmerzen
im Scboosse bei den Wehen. Letztere pausiren 1—2 Hin.,
dauern ebenfalls 1 — 2 Hinuten, ohne dass die Erweiterung
des Muttermundes sichtlich vorgeschrittteo.
1. Wehe. Pause 4 Min., Stad. incr. 20 See, acm. 26^ decr.
6 See, Tp. 37,5, Puls 86.
2. Wehe. Pause 1 Uinute, incr. 5 See, acm. 65, decr. 15,
Wehen ausserordentlich schmerzhaft.
3. Webe. Pause 2 Hinuten, ioor.- 25 See, acm. fehlt,
decr. 30 See.
4 Welie. Pause l^'s Hinuten, incr. 35 See., acm. 75, decr. 40.
Die Kreistsende schreit laut wahrend der Weben und
während der slarken Acme einige Male besonders heilig.
5. Wehe. Pause 1^4 Hin., incr. 20 — 45, acm. 85, decr. 15.
Tp. 37,5«. Im Stadium incr. sowohl als acmes 5 — ^10
See. Unterbrechung.
6. Webe. Pause 1 V^ Hinute» incr.. 5 See, acm« 55, decr. 1;&.
7. Wehe. Pause 20 Sec^, incr. ö See, acm. 55, decr. 30,
Tp. 37.9.
8. Webe. Pause 2 Hinuten, incr. 55 See, acm. 20 See,
decr. 15> Tp. 37,6. Stadium acmes 15 See hmg, enorm
stark.
9. Webe. Pause 2 Min., incr. 25 See, acm. 70 See, deer. 30.
10. Webe. Pause IV4 Min., incr. 20 See, acm. 110, decr.
15 S. Tp.37,6. Im Stad. acm. kurze Nachlässe Chlo-
roforminhalationen nach V<t Minute Pause; Baeh
IV« Minuten leichte Narkose.
11. Webe. Pause 5Va Min., incr. 5 See, acm. 35, decr. 15i
Parturiens vöiiig ruhig, reagirt noch gegen Kneifen,
beim Versuche den mit Chloroform getränkten Lappen
UoBatMohr. f.QeburUk. 1866. Bd. ZXY., Ha 4. 17
258 ^^- VerhaDdlmigeii d«r Gesellschaft
ZU entfernen, giebt Partoriens ein Zeichen, ihn noch
langer vorzuhalten. Tp. 37,625.
12. Wehe. Pause 2% Min., incr. 10 See, acm. 46, decr. 15.
13. Webe. Pause IV2 Min., incr. 10 See, acm. 35, decr.
20. Tp. 37,6. Parturiens stöhnt laut während des SCad.
acmes.
14. Wehe. Pause ö Min., incr. 15, acm. 45, decr. -20 See.
P. reagirte während des Acmestadiunis ziemlich leb-
haft, nach fortdauernden Inhalationen vollständige Nar-
kose.
15. Wehe. Pause 5V4 Min., incr. 10 See, acm. 50, decr.
10 See. Tp. 37,61. Gar keine Reaction der P., mit
Beginn der Wehe wurden keine Chloroform Inha-
lationen mehr angewandt.
16. Wehe. Pause IVa Min., incr. 10 See, acm. 45, decr. 15.
P. stöhnte während der Wehe.
17. Wehe, ^ause % Min., incr. 15, acm. 40, decr. 15 See,
Lebhaftes Stöhnen der P.
18. Wehe. Pause 2V2 Min., incr. 20 See, acm. 65, decr.
20 See P. laut stöhnend, schläft nach dem Aufhören
der Wehe wieder ein. Puls 100, Tp.. 37,65.
19. Wehe« Pause 1 Min. 50 See, incr. 15 See, acm. 50,
decr. 15. Tp. 37,575.
20. Wehe. Pause 2 Min., incr. 15 See, acm. 65, decr. 15
See Tp. 37,55.
21. Wehe. Pause IV4 Min., incr. 10 See, acm. 80 See,
decr. 20 See Tp. 37,55, Puls 88.
Hier wurde Abends 8^2 l^hr die Untersuchung be-
endet.
Der Muttermund noch genau ebenso gross wie vor dem
Versuche..
Trotz der Anwendung von Senfteigen, Klystieren und
Ipecacuanha besserte sich die Wehenthätigkeit nicht, im
Gegentheil liessen die sehr häufigen äusserst schmerzhaften
Wehen bis Abends 11 Uhr an Häufigkeit nach. Tp. 37,4,
Puls 84 Erst gegen 1 Uhr Nachts wurden dieselben wieder
häufiger, die Pausen schwankten zwischen 1 ^/^ und 2 Minuten.
Pötalherzlöne 128, kräftig, Mutlermund unverändert. Von
nun an rasche Temperatursteigerung. 2 Uhr. Tp. 37,7, Puls
für Geburtshttlfe in Berlin. 259
96; 3 Uhr. Tp. 87,75; 4 Dhr. Tp. 38,6; 5 Uhr. Tp. 38,6,
Puls 108; starke Brecbbewegungen iriit Entleerung einer
unbedeutenden gelbgrunlichen Flüssigkeit.
6V4Ühr. Tp. 38,7, Puls 120. 7% Uhr Tp. 38,95, der
Kopf noch immer beweglich oberhalb des Beckeneingangs,
der Muttermund kaum thalergross, straff, unnachgiebig. 8V4Uhr,
Anwendung der Douche, in der Beschaffenheit des Mut-
termundes keine besondere Veränderung. Tp. 38,6. 9V4 Uhr,
die Wehen weniger bcbmerzhafl, trotz wiederholten Douchen
der Muttermund nicht weiter geworden, daher 2 Incisionen
in den Muttermund, wobei leider die Blase sprang und
eine massige Quantität Wasser abging. Gelinde Prostschauer
kurz hinterher. Tp. 39,25.
10 Vi Uhr. Tp. 39,05. ll»/« übr. Nach wiederholter
Anwendung der Douche Tp. 38,6. 127« Uhr. Muttermunds-
lippen etwas ödematös, aus den Einschnitten ist nur wenig
Blul abgegangen. Puls 104. Tp. 38,05. 1% Uhr. Tp. 38,1,
Puls 104. Die Wehen schwach und hi langen Pausen
aufeinander folgend. Stand des Kopfes und Muttermundes
fast unverändert. 27^ Uhr. Tp. 38,1 Puls 104, Application
von 6 blutigen Schröpfköpfen aufs Kreuz. S% Uhr. 38,55,
P. 108; die fötalen Herztöne sind auf 125 in der Minute ge-
süegen. 4»'« Uhr. Tp. 39,3, P. 144. Muttermund 2 Zoll
im Durchmesser, vohi und links stark angeschwollen, be-
trächtliche Kopfgeschwulst. Neue Anwendung der Douche.
5V« Uhr. T\h 39,8, Puls 136. Sebr heftige Schmerzen, viel
Durst, Herztöne 172 in der Minute. 6V2 Uhr. Tp. 40,2,
Puls 140. Neue Incisionen in den Muttermund, nochmalige
Anwendung der Douche; Entleerung einer kleinen Quantität
Harn durch den Katheter. 7^/4 Uhr. Tp. 40,2, Puls 140.
Herztöne 168. Wehen enorm schmerzhaft. Die Kreissende
klagt unaufhörlich, daher neue Chloroforminhalationen. 7'/4Uhr
Abends, als bei dem hohen Temperaturgi*ade der Gebärenden,
der bedeutenden Frequenz der kindlichen Herztöne eine hohe
Gefahrdung beider nicht zu verkennen war, wurde bei noch
nicht völlig verstrichenem Muttermunde die Zange angelegt und
der Kopf langsam durch den Muttermund und die Scheide
hervorgelettet. Zur Vermeidung eines Dammrisses waren
mehrere kleine Incisionen nodiwendig. Die Nabelschnur war
17*
260 ^^- Verbfti|dliiiig«xi der Gefelbehaft
umsehlungen, die Schultern wurden extrahirt und wegen
starker Blutung auch die Nachgeburt sofort entfernt Der.
Uterus blieb darauf contrahirt, die Blutung stand. Das ge-
borene Mädchen (Gewicht 6 Pfd. 1 Ltb., Länge 18'/« ZoU,
Diameter hiparietaUs 3'', bitempor. 2%, rectus 4%, diagonalls
mqjor 5^4 minor 4 Zoll) war stark asphyk tisch, wurde aber
in einem Zeiträume von einer halben Stunde wieder belebt.
Drei Stunden nach der Geburt traten jedoch Convulsionen
ein, denen es in 23 Stunden erlag. Bei der Seaioa fand
sich unter und in dem Gewebe der Galea aponeuroüca links
neben der Stirnnaht und neben der Pfeilnaht ein st^hr un-
bedeutender Bluterguss. Gehirn blass, glänzend, ödematöft.
In den Ventrikeln massige Quantität Serum, nirgends Hy-
perämien und Extravasate. Bei der EröiTuimg der Brusthöhle
in der Unken Pleurahöhle etwa 1 Unze blutiger Flüssigkeit,
rechts etwas weniger. Ebenso im Cavum peritonaei, Binde-
gewebe in der Umgebung der Nabelvene ödematös infiltrirt.
Bei der Wöchnerin selbst sank die Scheidentemperatur,
welche gleich nach der Geburt 40,2 betrug, in den ersten
12 Stunden bis auf 39,0, stieg aber in den zweiten 12 Stun-
den wieder zu der früheren Höhe, indem sich eine phleg-
monöse Metritis mit diffuser Peritonitis entwickelte, welcher
die Wöchnerin schon am Abend des vierten Tages erlag.
Was nun die hier beobachtete Wehenanomalie angeht,
so haben wir es unzweifelhaft mit sehr heftigen durch
Endometritis catarrhalis bedingten Krampf wehen zu thun«
Das beweisen ausser der ausserordentlichen SchmerzbaUig^
keit die höchst unregeJmässigen Stadien der Acme, schwanken^
zwischen 20 und 110 Secunden, ferner die sehr unregel-
mässigen Pausen, schwankend zwischen 20 Secunden und
4 Minuten und endlich die mangelhafte Erweiterung des Mut-
termundes, welche gleichzeitig durch abnorme Rigidität
de selben bedingt war. Bei dieser Wehenauomalie machte sich
die Wirkung des Chloroforms zunächst auch wieder durch
Verlängerung der Pausen merklich. Denn diese be-
trugen in der Narkose durchschnittlich 3,7 Minuten, während
sie vorher dmxhschnittlich nur 1,7 Minuten betrugen. Die
zweite ebenso sichtliche Wirkung war auf das Stadium acmes,
indem die Dauer desselben gleichmässiger wurde und
für Oebttrtshfllfe in Berlin. 261
Dar zwisclien S5 ntid 50 Secundefl schwankte, dorchscbnitl-
Hch aber 4S Secunden betrug, während fQr die so höchst
unregelmässfgen Höhestadien vor der Chloroforminhalation ein
Darchschnittswerth kaum angenommen werden kann. Auch
nach dem Aufhören der Tnhalationen blieben die Schwankungen
in den Höhestadien noch geringer als früher, jedoch dauerte
die Regelmässigkeit derselben nicht lange. Schon bei der
letzten Wehe war die Dauer des Acmestadiums wieder eine
sehr hohe. Die Temperatur anlangend, so hatte das Chloro-
form auf'diese kaum einen sichtlichen E!influss. Denn
während sie vorher zwischen 37,125 und 37,9 schwankte,
betrug sie während der Narkose 37,6 und nach Beendigung
der Untersuchung 37,55. Also weder eine Ab- noch Zu-
nahme derselben liess sich Consta tiren.
Uebrigens kann dieser letzte Fall wiederum beweisen,
wie werthvoU Temperaturuntersuchungen während der Geburt
sind, indem man durch dieselben mit der grösslen Sieberheit
den Zeitpunkt der Erkrankung feststellen kann,
welche bei so verzögertem Geburtsverlaufe in der Regel schon
während der Geburt selbst ihren Anfang nimmt. So konnte
man auch in diesem Beispiele wegen des spontan auftretenden
heftigen Erbrechens, der höchst düfusen intensiven Leib-
scbmerzen, des starken Schüttelfrostes und der rasch steigenden
Temperatur an einer beginnenden Metroperitonitis nicht zwei-
feln lind lässt sich der Anfang derselben mit Sicherheit auf
den 13. JuH, Nachmittags vier Uhr, feststeilen.
Zum Schluss noch einen kurzen UeberblickT über die
Hauptergebnisse unsrer Untersuchungen.
1) Die Chloroformnarkose verlängert bei nor-
malen und abnormen Wehen die Wehenpause, sie verzögert '
mithin die Geburt,
2) Auch das Höhestadium der Wehen wird durdi
die Chlorofonhnarkose nachweislich abgekürzt, was eben-
sowohl für normale wie fnr Krampfwehen gilt
3) Die Wirkungen des Chloroforms sind bei normalen
and abnormen Wehen rasch vorübergebende und winden
Nachblutungen, jedoch nur unbedeutender Art, allein bei
den abnormen Wehen, nicht nach Chloroforminhalationen bei
DormakD Wehen gefunden.
262 XXI. Hüdehrandt, Notisen über die wNbrend der leisten
4) BeiKrampfwehen beseitigte das ChlorofonD nur
die Schmerzhaftigkeit, ohne die Wehenthätigkeit selb»!
immer zu regeln (in Fall Nr. 4 schien dies allerdings zu sein).
5) Die Chlorofo-rninarkose hat auf das Verhalten
der Temperatur weder bei normalen noch bei ano*
malen Wehen nachweisbaren Einfluss. —
Rostock, den 12. November 1864,
XXI.
Notizen über die während der letzten sieben
Jahre in (der Eönigsberger Entbindungs-Anstalt
vorgekommenen puerperalen Erkrankungen.
Von
Dr. H. Hildebrandt,
Privat-Docent in Königsberg.
Die Erkrankungen und Todesfälle, welche sich unter den
Wöchnerinnen der Königsberger Anstalt während der letzten
sieben Jahre ereigneten, vertheilen sich nach der Häufigkeit
ihres Vorkommens in den einzelnen Jahren in folgender Weise:
Im Jahre ,
worden entb.,
erkrankten,
"in %
starben,
"in 7.
1858
352
54
15,6 1
7
1,9
1859
353
62
17,0
11
3.1
1860
353
46
11,3
10
2,8
1861
393
38
9,6
8
2.2
1862
397
55
133
18
4.5
1863
408
27
6,6
6
1,7
1864 b. zum
253
5
1,9 1
3
1.2
15. Sept.
j
Zur Ergänzung vorstehender Tabelle, au^ welcher sich
ein auffallendes Verhältniss zwischen den Procentsätzen der
Erkrankungen und Todesfälle in den ersten f)iinf Jahren gegen
die beiden letzteren augenscheinlich ergiebt, muss ich noch
•»•beji J«hr« ia A^t KSatgsb. EaCbindvagt-AMtolt ttte. 280
den Umstand, welcher diesen Contrast um Vieles greller
liervortreteD lassl, besonders beryorhebeo, dass die sechs
Todesfalle des Jahres 1863 auf die Monate Januar bis Mai
fallen, während von da an bis snm 11. Mai 1864, also im
Laufe, eines vollen Jahres keine der Wocbneriiinen an Puer-
peralfieber EU Grunde gegangen ist, die drei im Jahre 64
erfolgten Todesfälle aber, wie später ersichtlich sein wird,
kaum auf Rechnung der Anstalt gezahlt werden dürfen, da
zwei der betreffenden Wöchnerinnen bereits dem Tode ver^-
fallen von ausw&ru in die Anstali gebracht wurden und die
dritte mit grösster Wahrscheinlichkeit von einer der ersteren
angesteckt wurde.
Unter diesen Umständen dürfte es von Nutzen sein, bei
der kurzen ScbiUerung, welche von dea Formen der Er-
krankungen gemacht werden soll> die beiden Zeiträume vom
1. Januar 1858 bis 1. Mai 1863 und vom 1. Mai 1863 bis
lö. September 1864 von einander zu trennen und jeden für
skh besonders zu betrachten.
Der erste Zeitraum vom 1. Januar 1858 bis
1. Mai 1863.
In die Zahlen der obigen Tabelle sind nur diejenigisn
specifisch puerperalen Erkrankungen aufgenommen, welche
länger als 24 Stunden mit lebhaftem Fieber verliefen, mithin
eine Verwechslung mit dem sogenannten Milchfieber nicht gut
zuliessen. Eine besondere Form von Erkrankungen, welche
den Namen der von Hecker beschriebenen Febricula ver^*
dienten, wurde nicht beobachtet Die in 24 Stunden ver-
httfenden fielierhaften Zustände ohne Anwesenheit localer
Erscheinungen hatten alle, auch zur Zeit der Endemie im
Jahre 1863, nur den Charakter der gewöhnlichen Reactions*
fieber im WochenbetXe. Ferner liessen sich die Fälle, in
denen neben lebhaftem Fieber als locale Erscheinung nur
Diarrhoe auftrat, sämmllidi anderweitig besser erklären, als
durch die Annahme eines pyainischen Fiebers, wie Roser
wiche Fälle aufzufassen geneigt ist
Es zählen ferner in obiger Tabelle nicht mit zuiallige
Erkrankungen, welchß zum Wochenbette in keinem specifisch
364 XXI. HütMrani^ Notisen über die wfthread 4« r !•«•«••
causalen Zusammenbange stehen, sondern sind dort nur die
Fille Ton einfacher HetroperitonUis, von Metroi)hiebiti0 und
Metroiymphangoitis verzeichnet.
Es wörde vo» wenig Interesse sein, hier das Bild der
einseinen Formen, wie es sich in den vorwiegend meisten
FäUen zeigte, ausfuhrlich darzustellen. Es kann mir hier nur
darauf ankommen. Einzelnes bei den Erkrankungen in der
Königsberger Anstalt eigentbumlich vorgekonMnene und manche
Begleiterscheinungen der Erkrankungen hervorzuheben.
Von den oben angefahrten drei Krankheitsformen kam
am hiuligslen die Metroperitonilis vor, danach die Metro-
iymphangoitis, welche die meisten Opfer forderte, dann die
Hetrophleiiitis.
Die einlache Metroperitonitis trat meist am dritten Tage
nach der Entbindung auf, charakterisirte sich durch lebhaftes
Fieber, starke mit diesem Fieber im VerhllUiiss stehende
SchmerzhafUgkeit des Unterleibes und endete meistens inner-
halb 14 Tagen mit vollständiger Genesung. Wenige Fille
endeten tödtlich, in wenigen blieben Exsudate in Form harter
knolliger Massen zurück , welche dann eine sehr langsame
Reconvalescenz zur Folge hatten. Als häufigste Complication
der Metroperitonitis wurden Diarrhöen beobachtet, welche,
entzändlicbe Mitaffectionen des Darms, auf den Verlauf der
Krankheit keinen anderen Einfluss übten, als dass sie die
Individuen schwächten, während ihnen eine den günstigen
Ausgang unterstützende Einwirkung, wie er von mancher
Sfeite behauptet wird, nie zugesprochen werden konnte. -^
Leichte gastrische Ersclieinungen begleiteten gewöhnlich die
Metroperitonitis, während Erbrechen in den ersten Tagen
der Erkrankung nie vorkam, auch in schweren Fällen sich
selten ereignete und dann meist nur kurze Zeit vor dem
tödtlichen Ende. Zu den häuGgen und mit den lästigsten
Complicationen sind Bronchial-Catarrhe zu zählen, welche
durchaus hartnäckig waren und in Folge der Erschütterungen
des Unterleibes beim Husten oft die Genesung hinderten und
Recidive hervorriefen. —
Die gewöhnlich sogenannte Metroiymphangoitis mit ihrem
Getoige, der Peritonitis und Pyaemie, stellte sich meist schon
früher im Wochenbette ein, als die voi^enannte Form^ oll
»i#bMi Jahre in der Kdoigsb. RntbindaD^ii- Anstalt ete. 265
schon am zweiten Tage. Mitunter war Fieber und Schmerz*
hafUgkeit des Unterleibes wahrend des Kreissens vorhanden
gewesen und es begann das Wochenbett mit einem intensiven
Schüttelfröste, nachfolgender quüiender Hitze bei trockener
Haut, Schlaflosigkeit u. s. w. bei bald mehr bald weniger
localen Beschwerden im Unterleibe. Eine Anzahl Fälle, die
wir fär Metroiymphangoitis halten zu müssen glaubten und
die in Genesung übergingen, hatten eine sehr verlangsamte
Reeonvalescene und lange ein vollständiges DarniederKegen
der Krifte zur Folge. Die meisten Fälle endeten tödtlich iti
schnellem Verlaufe:- so dauerte in 16 Fällen von Lymphan-
goitis mit tätlichem Ausgange im Jahre 1862 die Krankheit
bei neun Personen nur 3—5 Tage und nur bei sieben wenige
Tage länger. — Auch bei der Lympbangoitis bildete Diarrhoe
eine häufige Complication und nahm besonders bei den übel
verlaufenden Fällen mitunter eine jeder Therapie trotzende
Stärke an. Sie wurde in den 16 tödtlich endenden Fällen
des Jahres 1862 6 Mal beobachtet. Begleiterscheinungen
waren ferner Hautentzündungen in Form des Erysipelas migrans
und fixum, meist nachweislich von kleinen Verletzungen der
Haut ausgehend, so mehrmals von Blutegelstichen an der
unteren Bauchwand, 1 Mal bei einer sehr unreinlichen Person
von 'der durch reichliches Vaginalseoret schon während der
SefawttngerSchafl wund gewesenen Falte an der rechten
Schamlippe, 1 Mal von einer kleinen Brandblase, welche
durch unvorsichtiges Auflegen eines zu heissen Cataplasma
entstanden war. — Häufiger noch ereigneten sich Gelenkent*
zundangen, welche sich dui'ch besonders grosse Schmerz*^
bafligkeit charakterisrrlcn und durch die Art, wie sie jeder
gegen sie eingeleiteten Therapie trotzten. Sie traten meist
erst am 4 — 6. Tage der Erkrankung auf und endeten alle
mit dem Tode.
Die Metrophlebitis, welche sich in nur ganz vereinzelten
Fällen zu verschiedenen Zeiten zeigte und an der Endemie
des Jahres 1862 nicht Theil hatte, trat nicht selten anfangs
unter den Symptomen der Metroiymphangoitis auf: am 4— 6. Tage
aber regelte sich dann das Fieber zu einzelnen heftigen Pa-
roxysmen mit relativ günstiger Zwischenzeit und der Verlauf
wurde durchaus zögernd und ging, dim^h Wochen sich hin-
266 XXL HildebranM, Notisen uhwc die während dar letsteo
ziehend, s^älig in GeDesusg über oder endete io der zweiieo,
dritten, vierten Woche mit dem Tode duixh Erschöpfung« —
In den beiden Jahren 18Ö9 und 1862, in welchen die
zahlreichsten und schwersten Erkrankungen unter den Wöcb*-
nerinnen vorkamen, traten noch einige Erscheinungen auf,
welche in ihrer Extensität und Intensität gleichen Schritt
hielten mit der Ausbreitung des Puerperalfiebers und welche
mit den ungunstigen Gesundheitszustand jener Zeit kennzeichnen
helfen: nämlicli das ungemein häufige Vorkommen von Puer->
peralgeschwuren, das gleichzeitig auffallend verbreitete Auf-
treten von Ophthalmia neonatorum und die besonders grosse
Sterblichkeit unter den Kindern. Es ereignete sich in diesen
beiden Jahren, vornehmlich in den Wintermonaten, wenn
die Anstalt am meisten gefüllt war, dass ungefähr jede dritte
Wöchnerin mit mehr odejr weniger tief gehenden Puerperal-
geschwüren behaftet war. Durchaus nicht jede derselben
zeigte dabei ein Allgemeinleiden; sehr viele fieberten gar
nicht, manche fieberten leicht ohne nachweisbare Affection
des Uterus; einige erkrankten am 2 — 3. Tage nach Auftreten
der Geschwüre an Meti*operitonitis u. s. w. Gleichzeitig gingen
dann die Ophthahnien der Kinder nicht aus, und waren
mitunter bei einem Bestände von 20 — 24 Wöchnerinnen
4 — 6 Kinder mit dieser Krankheit behaftet. — Die Sterb*
lichkeit der Kinder war in den beiden genannten Jahren eine
sehr erhebliche. Es starben nämlich von 357 im Jahre 1859
geborenen Kindern 37, also über 10 Procent. Bei den im
Jahre 1862 geborenen vertheilt sich die Sterblichkeit auf die
verschiedenen Monate, gleichen Schritt haltend mit den Er-
krankungen der Wöchnerinnen, wie aus der nachstehenden
TabeUe ersichtlich.
Die höchste Zahl der bald nach der Geburt verstorbenen
Kinder, nämlich sechs, kommt auf den Monat April, also
auf eine Zeit, in der gerade auch die häufigsten und schwersten
Erkrankungen der Wöchnerinnen beobachtet wurden. Du»
höchste Zahl der vor und während der Geburt zu Grunde
gegangenen fallt auf den darauf folgenden Monat Mai. Der
Verlauf der Erkrankungen im April war meist der, dass die
Kinder, auch wenn sie vollständig kräftig zur Welt gekommen
waren, von Anfang an schlecht Nahrung zu sich nahmen,
sieben Jahre in der Königtl*. Entbind tinge- Anstalt etc. 267
viei schrien und winmerten und, albnäHg mehr und mehr
collabirend, am 2 — 3. Tage Terstarben. Bei den im Mai
während der Geburt abgestorbenen Pnlchten trat wieder-
bolentlich der Tod überraschend ohne nachweisbare Ursache
ein. Sie kamen asphyktisch mit sehr langsamem Herzschlage
zur Weit, machten bei den Belebungsversuchen wohl auch
noch emige krampfliafe In^irationen, starben aber, plötzlich
bleich und schlaff werdend, fast regelmässig ab.
1862
Gebarten
Todesfälle d. Kinderste
Wöchnerinnen Vor d. Geb.
rblichkeit
Nach d. Geb.
Januar
41
0
3
1
Februar
37
0
1
2
März
42
1
2
3
April'
Mai
38
31
3
3
0
1
6
8
Juni
27
2
0
3
Juli
25
5
2
0
August
September
October
21
29
, 38
. 2
2
0
2
0
1
1
3 .
3
November ! 23
0
3
4
December
45
0
4
5
Der zweite Zeitraum, vom 1.
15 SepL 1864.
Mai 1863 bis
Die Erkrankungen dieses Zeitraumes lassen sich ihrer
geringen Anzahl wegen einzeln kuft in Folgendem darstellen:
28. Mai 1863: Str. regelmässige erste Geburt* Er-
krankung am zweiten Tage des Wochenbettes an MetropeHto*
niiis': acht Blutegel in der Uterusgegend und innerliche
Darreichung von : Liquor Chlori. Am Tage darauf Schmerz- .
baftigkeit und Fieber um Vieles geringer und bei mehrtägiger
Anwendung von Cataplasmen trat so vollständige Genesung
ein, dass die Wöchnerin bereits am 10. Juni mit ihrem Kinde
gesund entlassen werden konnte.
3. October 1863: Lange y Erstgebärende, 21 Jahre
alt, regelmässige Entbindung in 12 Stunden; erkrankie zwei
26B X^^* SildebrancU^ Motiien über die wXhrend der letiten
Tage darauf an Metroperitonitis: 7 Blutegel und Calotnel
gr. j zweistAndiich. Am nächsten Tage und bis zum 7. October
nur noch regelmässige warme Cataplasmen; am 7. wegen
leichter Diarrhoe Tr. Opii. simpl. zu gtt. v, dreistfindlicb.
Am 8. Genesung, am 16. gesund entlassen.
9. December 1863: Saadler, Erstgebärende, 22 Jahre
alt, am 9. December ohne KunsthAlfe von Zwillingen ent-
bunden. Am 12. lebhaftes Fieber und Schroerzhafligkeit des
Unterleibes : eröffnendes Lavement und Auflegen warmer trockener
Umschläge. Am 13. wegen zunehmender Schmerzhaftigkeit
des Hypogastrium : zehn Blutegel und zur Behebung der recht
lebhaften in der Nacht eingetretenen Diarrhoe Tr. Opii. simpl.
gtt V. zweistündlich. Am 14. Schmerzhaftigkeit und Fieber
geringer, Diarrhoe beseitigt, aber starker Meteorismus. Am 15.
der Meteorisrous im Zunehmen und des Abends bei einem
Pulse von 130 Schlägen die Schmerzhaftigkeit der linken
durch Percussion nachweisbar mit peritonitischem Exsudat
erfüllten Seite so gross, dass von Neuem fßnf Blutegel gesetzt
werden, während des enorm gesteigerten Meteorismus halber
kalte Umschläge über den ganzen Unterleib gemacht werden,
zur Nacht Morph, acet. gr. ^'^ gereicht wird. Am 16. nach
einer gut verbrachten Nacht wesentliche Besserung. Am 17.
Beginn der Abnahme des Meteorismus bei Fortsetzung der
kalten Umschläge. Am 18., da ein recht lebhafter Husten
eingetreten ist, der kalte Umschlag mit einer langen kalt
angefeuchteten massig fest_ umgelegten Leibbinde vertauscht.
Am 19. der Leib bereits unschmerzhaft, Fieber auf einen
ganz geringen Grad herabgesunken, Schlaf und Appetit gut
und am 23. wurde die Wöchnerin bis auf einen kleinen
Best von Exsudat in der linken Seite genesen, nach Hause
entlassen.
14. Februar 1864: Henriette Ä, Erstgebärende,
24 Jahre alt. Am 14. Februar leichte regelmässige Geburt.
•Erkrankt am 16. unter lebhaftem Fieber und erheblicher
Schmerzhaftigkeit des Unterleibes, wogegen jedoch nur ein
Clysma am Vormittage und Ol. Bicini iß am Nachmittage
in Anwendung gezogen wurde. Am 17. war Fieber und
Schmerzhaftigkeit behoben und trat auch kein Hückfall auf.
22. März 1864: Wüh. F, 31 Jahre all. Zweitgebärende,
9Ubcyi Jabre in dar König»!». Entbind iings*AiiataU ete. 269
kreisste 7Va Siuuden, kam regeloiäsgig oieder uod befand
sich während der ersten 48 Stunden wohl, erkrankte 'am 24.
-an einer leichten Metroperitonitis; ClyBina, Ol. Ricini iß,
dann Cataplasmen. Am 2ö. erhebliche Besserung, aber von
da an dauernd ein leichtes Fieber und anhaltende nicht
bedeutende Scbmerzhalligkeit des Unterleibes, weshalb die
Kranke am 5. April nach der Med. Klinik transferirt wurde,
wo sie, nach wochenlangem Krankenlager, in welchem die
antrüglichsten Zeichen der Pyaemie auftraten, vollständig genas.
8« Mai 1864. Bei der kräftigen Erstgebärenden Lapehn
war auf dem' l^nde, eine Meile von Königsberg, Morgens
die Zange bei hoch stehendem Kopfe zwei Mal vergeblich
angelegt worden, krampfliafte Wehen scheinen die Ausfuhrung
der £xtraction verhindert zu haben. Nachdem die dnrcb
diese Versuche bereits recht angegriffene Person den Tag
ober mit Mitteln behandelt worden^ welche den Krampf des
Uterus beheben sollten, während dieser Zeit sich aber keine
so erhebliche Besserung geze^t hatte, dass die Geburt be-
en4jgt werden konnte, wurde die kreissende Abends spät in
einem durch die weite Fahrt und durch unterwegs erfolgten
nicht unerheblichen Blutverlust sehi* erschöpften Zustande in
die hiesige Gebär-Anslalt gebracht. Die bald darauf vorge*
DommeDe Entbindung mit der Zange ging sehr leicht von
Statten, da der tief herabgeti'etene Kopf mit wenigen massig
starken Tractionen entwickelt werden konnte. Aus dem
Uterus. entleerte sich unmittelbar nach der Gebort der todten,
an einzelnen Stellen ihrer Oberhaut entblössten Frucht, eine
sehr übelriechende blutige Jauche« War der Zustand nach
der Entbindung schon ein recht iiUer wegen der bedeutenden
Anämie und Erschöpfung def Kräfte, so stellte sich derselbe
am anderen Morgen nach einer in der Nacht erfolgten, wenn
aoch bald behobenen Uterusblutung noch ubiei' heraus und
am Abend, also 24j§tunden nach beendigter Entbindung trat
der Tod ein. Aus dem ProtocoUc der am 11. Mai Nach*
mittags 5 Uhr von Herrn Prof. v, ReckUnghauaen vorge-
nommeuen Section fühi*e idi folgende Punkte an:
Schmutzig grünliche Färbung der äusseren Genitalien.
Sehr starke Fäukiiss. Blutige Flüssigkeit in allen Körper-
bohlen. Beginnendes Fäulnissemphysem in den Lungen. Gas*
270 XXI. HikMrmUU, Notlseu über die «r&hrend der leUten
eniwickeluog in den Venen. Keine Peritonitis. Der obere
Theil der Uterushöbie zeigt auf der Innenfläche bluCrotfae,
etwas fetzige Massen. Ueber dem Orificium internum sind
die Schleimbautreste grau gräulich gefärbt, mit kleinen eitrigen
Infiltrationen durchsetzt. Auch in der Huskelsubstanz des
unteren Uterustheils finden sich kleine eitrige Einsprengungen
und deutliche Anfullung der Lymphgeßsse mit eitriger Flüssig-
keit bis in die Ligg. lata hinein.
Am 8. Mai 1864, also an demselben Tage, an welchem die
Entbindung der vorgenannten Lapehn stattfand, wurde Louüe
Jenebüy 36 Jahre alt, schwächlich, zum zweiten Male schwanger,
leicht und glücklich entbunden und war am ersten und zweiten
Tage des Wochenbettes vollständig wohl, erkrankte aber am
dritten unter Schüttelfrost mit nachfolgender trockener Hitze
und einem grosse Schwäche hinterlassenden langdauernden
Schweisse. Diese Anfalle wiederholten sich in der nächsten
Zeit mehrmals, verschwanden dann auf Darreichung von Chinin,
sulph. mit Opium, kehrten aber mit vermehrter Heftigkeit
wieder und gaben bei der andauernden lebhaften Pulsfrequenz,
äusserstem Darniederliegen der Kräfte, fast vollständiger
Schlaflosigkeit und der Anwesenheit erheblicher Schmerz-
haftigkeit des rechten Schenkels, dessen Vena saphena sich
hart und knorrig und gegen Druck recht empfindlich zeigte,
das Bild der Phlebitis, an welcher die Kranke am 26. Mai,
also 18 Tage nach der Entbindung in vollständigster Er-
schöpfung und Abmagerung verstarb. — Es verdient besonders
hervorgehoben zu werden, dass diese Person während der
ersten beiden Tage in demselben Zimmer und an derselben
Stelle gelegen hatte, an welcher die vorgenannte Lapehn an
Lymphangoitis und Diphtheritis verstorben war und erst am
Tage der Erkrankung in ein nebenan befindliches Zimmer
transferirt wurde. —
Die am 27. Mai 5 Uhr Nachmittags von Herrn Prof.
V. Recklinghausen angestellte Section ergab Folgendes:
Längs des Verlaufs der V. saphena des rechten ödematös
geschwollenen Schenkels finden sich mehrere Abscesse mit
dickem gut aussehendem Eiter. Die Vene selbst ist eng,
nur in der Gegend der Kniekehle etwas weit. Sie enthält
an den meisten Stellen eine graue etwas bröckliche throm-
sieben Jahre in der Königsb. ButbindnngB-Anfttalt etc. 2Tl
botische Masse, an anderen, namentlich den weiteren Partien
einen röthiichen Brei. Ihre Wand ist stark längsgefaltet, an
einzelnen Stellen sehr brüchig. Die Einmündungssteile in die
Vena femoralis enthält einen dunkelrothen Thrombus; die.
V. fem. selbst, ihre Aeste sind frei. Der Uterus gross, sein
Cenricalkanal normal. An den Lymphgefassen nichts Abnormes
Im Dou^Za^'schen Räume starke Rölhung und linden sich
hier vascularisirte Membranen; zwischen denselben puriforme*
Plössigkeit.
Am 11. Juni 1864 wurde Abends 11 Uhr die 32 Jahre
alte^ kraftige Zweitgebärende Entisch in äusserst erschöpftem
Zustande aus einer Entfernung von % Meilen in die Anstalt
geschickt. Aus ihrem Berichte hess sich Folgendes entnehmen :
Die Geburt hatte vor 36 Stunden begonnen und war von
Anfang an zögernd und- sehr schmerzhaft, gewesen. Zwei
am Vormittage binzugerufene Aerzte hatten mehrmals ver-
gebliche Versuche mit der Zange gemacht, dieselben am Abend
wtedertiolt und dann die Person auf einem offenen Wagen
zur Anstalt geschickt.
Da man hier den Kindskopf in zweiter Gesichtslage schon
ganz lief stehend fand, so wurde unter Chloroform die Geburt
eines todten 8'/« Pfund schweren, 22" langen Knaben mit
der Zange unschwer beendet, nachdem die durch die lange
Fahrt, Kälte, Blutverlust, die vorangegangenen Operationsver-
suche aufs äusserste erschöpfte, beinahe pulslos angekommene
Kreissende sich ein wenig erholt halte. Nach der Operation
trat etwas mehr hübe und Wohlbehagen ein; der Puls blieb
aber äusserst klein und schwach, und äussersle Anämie und
Erschöpfung nahmen von Stunde zu Stunde zu, sodass am
12. Abends sich Conia einstellte, welches die Wöchnerin bis
Ztt ihrem am 13. Abends 9 Uhr, also kaum 48 Stunden nach
der Entbindung erfolgten Tode nicht mehr verliess.
Bei der 36 Stunden darauf von Herrn Prof. t;. Reck-
Unghauaen angestellten Section der äusserst anämischen
Leiche wurde ein Riss an der linken Wand der Scheide und
Eröffnung und Vereiterung der linken Synchon-
örosis sacroiliaca gefunden, welche offenbar dadurch ent-
slaoden war, dass die ersten Versuche mit der Zange, welche
man aosserhalb der KKnik vorgenommen hatte über das Maass
272 2X1. mid$hrandt, Notisen über die während der letote»
der dMsein Instrumeate zuiuerkenoeoden Kraft for«irt waren«
Man hatte ein 8% Pfd. schweres mit dem Gesichte vorliegendes
Kind, wie es scheint bei noch hohem Stande, aus eiaeoi
^Becken extrahiren wollen, dessen Conjugata vera, wie an der
Leiche nachgewiesen wurde, nur 3 V^'' betrug; kein Wunder,
dass da bei wiederholten Versuchen Kind und Mutter zu
Grunde gingen.
Ausser den vorstehenden sind erwähnenswerthe Er-
krankungen- während des oben bezeichneten Zeitraumes nicht
vorgekommen. Einzelne Fälle des stets in 24 Stunden be-
endeten Milchfiebers am dritten Tage des Wochenbettes
gehörten nicht zu den Seltenheiten; puerperale Gescbwune
ereigneten sich dagegen nur sehr ausnahmsweise nach vor-
angegangenen Operationen oder einem unverhältnissmässig lange
dauernden Austreibungsstadium während der Geburt, erreicbten
nur in einem im August 1864 zur Beobachtung kommenden
Falle von Eklampsie in den ödematös geschwollenen Scbaro-^
lippen der an allgemeinen! Hydrops leidenden Pei*son eine
sehr erhebliche Ausdehnung nach der Breite und Tiefe, ver-
heilten aber auch hier oline üble Nadiwirkungen innerhalb
acht Tagen bei dem Gebrauche reinigender desinficirender
Injectionen.
Somit darf der Gesundheitszustand der Wöchiieriniieii
während der 16 Monate vom Mai 1863 bis September 1864
nicht nm* den vorangehenden Jahren gegenüber, sondern auch
an sich wohl mit Recht als ein ganz besonders erfreulicher
bezeichne! werden.
Von den acht Erkrankungen, welche in dem genannten
Zeiträume vorkamen, gingen fünf in Genesung über, drei
endeten mit dem Tode. Aber zwei der letzteren dürfen für
die Sterblichkeitsstatistik der Anstalt den Ausschlag zu geben
nicht geeignet sein, da die Wöchnerinnen bereits dem Toik
verfallen der Anstalt übergeben wurden. Xlnd somit könnte
man nur den dritten Fall als der Anstalt zugehörig zählen,
nmss aber bei Beurtheilung desselben in Erwägung ziehen,
dass die Wöchnerin vielleicht der Erkrankung entgangen wäre,
wenn sie nicht in der Nähe der Stelle gelegoi hätte, an
welcher unmittelbar vorher die eine vom Lande hereiage-
schickte Wöchnerin an der bösartigsten Form des Puerperal*
fieb^B Jabr« in der Köntgsb. £«tbindaDg8-AiittaU ete. 23Q
fiebe», der Dipfatberitis und (iyBoqpbaDgaitU puarpenriim ver-
storbeo war, — /
Als ein besonders günstiges Zeichen von dein guten
Gesundheitszustande der Wöchnerinnen im Sommer 1863
und besonders im Sommer 1864 verdient noch ausdrucklich
hervorgehoben zu werden , dass bei sehr zahlreichen Wöch-
nerinnen Pulsverlangsamungen, meist bis auf 40 Schlage p, M„
beobachtet wurden, welche nach Blof» Untersuchungen (Bul-
letin de Taqademie de mid. XXVIII. Nr. 21) „in einem
Hospitale einen ausgezeichneten Gesundheitszustand anzeigen/'
Stellt man imn einen Vergleich zwischen den beiden
oben bezeichneten Zeiträumen an, so darf man zwar kaum
die Gesundheitsverhältnisse bis zum Mai 1863 auffallend
schlechte nennen: Berücksichtigt mau, dass die Sterblichkeit
der Wöchnerinnjßn in den Petersburger Anstalten 6 — 8 — 9Proc,
in München zu Zeiten 5 Proc. betrs^en hat, dass dieselbe
im Allgemeinen selten unter 3 Proc. gerechnet, im. Mittel
auf 5 — 6 Proc. angegeben werden darf, so ist der grössle
Procentsatz in unserer schlimmsten Zeit einer kleinen En-
demie, welcher 4,5 Proc. an Verstorbenen ergiebt, trotzdem,
dass die Königsberger Anstalt an Grösse gegen die meisten
übrigen sehr zurücksteht, doch noch kein sehr hoher. Den-
noch muss der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen in dem
zweiten Zeiträume vom Mai 1863 als ein so auffallend viel
besserer angesehen werden, dass man gezwungen ist, diese
ziemlich plötzlich auftretende erfreuliche Umwandlung .nicht
dem Zufalle, sondern bestimmten veranlassenden MomenUn
zuzuschreiben, welche ich in dem nächsten Abschnitte über
die den W^öchnerinnen zu Theil gewordene Behandlung dar-
zulegen versuchen will. —
Therapie:
I. Prophylaxe : Als die wesentlichsten Bedingungen, welche
in den letzten Jahren allmälig gunstigere und in der neuesten
Zeit durchaus befriedigende Gesuiidheilsverhältnisse unter den
Wöchnerinnen der Anstalt hervorgerufen haben, glaube ich
folgende anfüliren zu müssen:
1. Ergiebige Erneuerung der Luft.
MonatMchr. f .Oeburtak. 1866. Bd. XXY., Hfl. 4. 1^
274 XXI* HUdebrandif Notiscn über die während der letsten
2. Peinlichere Reinlichkeil nach jeder Richtung hin.
3. Regelmässige, 2 — 3 stundl. wlederholle Injectionen
von ChlurmischuDgen bei allen mit krankhaften Affecüoneu
(1er inneren Genitalien behafteten Wöchnerinnen.
Die Vorkehrungen, welche früher zur Verbesserung der
Luft in der Königsberger Anstalt angewandt wurden, bestanden
in tägUchen Raucherungen , während man auf ergiebige Er-
neuerung der Luft nicht Bedacht nahm. Die Wochenzim-
mer bekamen ii'ische Luft vom Hofe nur in der sehr kurzen
Zeit, in welcher beim Auskehren der Fussböden die Fenster
mit Vorsicht, zur Vermeidung von Erkältungen spärlich ge-
öffnet wurden, und dies nur im Sommer. Im Winter "mussten
die vom Zimmer aus zu heizenden Oefen, so lange als das
Heizungsmaterial im Brennen begriffen war, zur Verbesserung
der Luft beitragen. Längeres Offenhalten der Fenster wurde
gescheut, weil man Erkältungen der Wöchnerinnen und vor-
nehmlich der Kinder fui*chtete, bei denen man Trismus be-
obachtet hatte, weim sie in der Nähe der Thüren oder der
Fenster gelegen hatten. Seit dem Frühjahre 1863 wurden
dagegen bei geschlossenen Thüren frei die Fenster geöffnet
und blieben im Sommer oft den Tag über offen stehen,
während im Winter dieselbe Massregei für kürzere oder
längere Zeit je nach der Witterung, aber beinahe täglich an-
gewandt werden konnte. Der günstige Erfolg dieser Neue-
rung lässt sich wohl mit Recht aus der bald nach ihrer Ein-
führung eingetretenen beträchtlichen Verminderung der Krank-
heiten entnehmen. Nachtheilige Folgen aber konnten bei
dieser ursprünglichsten Form der Ventilation nicht wahrge-
nommen werden. Rheumatische und catarrhalische Affectiouen
kamen äusserst selten vor und waren dann nachweisslich aus
der Schwangerschaft mit in*s Wochenbett hinübergenonunen,
und der gefürchtete Trismus neonatorum hat sich seit 2 Jahren
nur in einem Falle am Anfange des Jahres 1863 gezeigt.
Dasselbe Verfahren der Lüftung wurde auch im Kreisszimmer
eingeführt, in welchem nur während der letzten Geburtsstadien
bei starker Transpiration der Kreissenden und stets mit der
Geburt des Kindes die Fenster geschlossen wurden. Ausserdem
ist statt eines kleinen einfenslrigen Zimmers, welches früher
als Kreisszimmer fungirte und in dem mitunter bei Nieder-
•Üben Jahre ia der Königsb. BntbindnBgs-Anttalt etc. 275
kunft mehrerer PersoneB die Lufl in jeder Weise unedrdglioh
worde, in der letztoa Zeit ein dreifienstriger, nach dem Hofe
gelegene Saal fdr die Kreissenden eingericblet und benutsit
worden. Dass ausser diesen Vorsiehtsmassregeln das Augen-
merk darauf ' gerichtet wurde, Auswurfstoffe upd alle Gegen-
stände, welche die Luft zu verderben geeignet sind, schnell
aus den Zimmern zu entfernen, bedarf wohl kaum der Er-
wähnung.
Wurde auf diese Weise der Möglichkeit der Cumulation
sdiädlicher Stofle in der Luft aufs GrundUchste vorgebeugt,
so hattoi wir es uns ferner zur Aufgabe gemacht, zu ver-
bdten, dass schädliche, Ansteckung verursachende Stoffe an
festen Gegenständen haftelen und mit den Wöchnerinnen in
Berührung kamen. Jede Wöchnerin musste ihre neue Bett-
wäsche und, wenn möglich, auch einen neuen Strohsack er-
halten und wurde darauf gesellen, dass solche Wöchnerinnen,
bei denen sehr reichliche oder gar sehr übelriechende Lo-
chialsecretion vorhanden war, auch öfter die Leibwäsche
wechselten. Es schont mir dieser Punkt so sehr wichtig,
dass ich wänschle, es wäre möglich gewesen, jede, auch ge-
sunde Wöchnerin während ihres 14 tägigen Aufenthalts in
den Wochenzimmern mehrmals mit neuer Leib- und Bett-
wäsche zu versehen; nur ist nicht jede Anstalt, welche ver-
hältnissmässig viele Geburten im Jahre als Lehrmaterial bieten
soll, dem entsprechend mit Mitteln zu so reichlichem Wäsche-
Vorrath versehen. —
Die Reinigung der Genitalien geschah in doppelter und
zwar, wie ich glaube, zum wesentlichsten Nutzen fär die
Gesundheitszustände der Anstalt beitragender Weise:
Zunächst wurden zu diesem Behufe nie Schwämoie ge-
braucht, die aus den NutzmiUeln einer gehurtshulflichen An-
stalt als die schlimmsten Träger des Contagium's ganz ver-
bannt werden sollten; jede gesunde wie kranke Wöchnerin
wurde zwei Mal im Tage mit neuer Unterlage versehen; vor
dem Wechsel wurden die Genitalien mit . dem trockenen
Theile der alten Unterlage gehörig gereinigt und abgetrocknet.
AUe Wöchnerinnen aber, die an Genitalgeschwuren oder
ttbehriecbendem Woehenfluss litten, erhielten regelmässig melir-
mals im Tage Chlor-Einsj>ritzungen. Es wurde mit einem
18*
276 XXI. HUdehramdt^ Notisen über 4ia wKlweiid d^r latelMi
Multerrohre aus Hora^ das jedes Mal nach dem Gebrauehe
der vorsichtigsten Reiaigung unierlag, Liq. Chlori und warmes ,
Inf. flor. Charoon. Z0 gleidien Theilen und zwar alle 2 — 3
Stunden injicirt und damit tägKch so lange fortgefahren, bis
jeder ftble Geruch des Lochialsecrets, jede Spul* eines puerperalen
(ieschwärs verschwunden war.
Der grosse Nutzen dieses massenhaften Verbrauchs m
Liq. Chlori in der Anstalt zeigte sich sehr bald in der Ab-
nahme der früher zu manchen Zeiten fiberaus zahlreichen
PflUe von Puerperaigeschwüren, ferner darin, dass bereits be-
stehende Geschwüre bei diesem Verfahren meist schneller
heilten, als bei den früher angewandten Touchirungen mt
Argent. nitric. und dass sie sehr viel seltener eine Allgemein*
erkrankung im Gefolge hatten. Bei diesem aagenscheiniichen
Nutzen glaube ich diese Injectionen jedem andern Mittel zur
Reinigong der erkrankten Genitalien imd zur Verhütung der
Weiterverbreitung von krankhaften Secreten vorziehen zu
müssen. Vor Allem sind sie um Vieles wirksamer, als die
Anwendung von Compressen, welche mit desinficirenden Flüs-
sigkeiten durchtränkt aussen vor die Genitalien gelegt werden.
Nachtheilige Wirkungen von den genannten Injectionen habe
ich nie beobachtet. Mitunter, wenn dieselben am ersten
Tage des Wochenbettes gemacht wurden und bei Wöchnerinnen,
deren Genitalien sehr lange dem Drucke des Kindskopfes oder
von Insirumenten ausgesetzt waren, verursachten sie bei den
ersten Malen der Anwendung Schmerz. Reizungen des Uterus
aber, durch den Strahl der andringenden warmen Flüssigkeit,
kamen niemals vor und wurde vor Allem auch nie gefunden,
dass die blutigen Lochienausscheidung^ nach der Einspritzung
sich profus vermehrten.
Ausser diesen allgemein prophylaktischen Massregeki
wurden nachfolgende angewendet:
Sobald eine Wöchnerin schwer erkrankte, wurde sie in
ein besonderes Zimmer gebracht; leichter kranke Personen
blieben an ihrer Stelle; nie wurden mehrere Erkrankte in
einem Zimmer zusammen belassen. Den Schwangeren wurde
zur Zeit von Erkrankungen das Betreten der Wochenzimmer
untersagt; w<Min dies auch nicht bei allen gesclieben konnte,
da die Verhältnisse der Anstalt es forderten, dass auch
tleben Jähre in der Klliiigsb. Entmin dnngfS-AiiitaU eto. 277
Schwangere mit zum BecKeRangspersonale gezogen wariken.
Ferner wurden die Schwangern so wie anch die Kreissenden
ZOT Zelt von Erkrankungen sehr wenig uniersueht, die Schäle-
rinnen des, Instituts aber zu Touchir-Uebungen niemals heran*
genommen gleich nachdem sie von der Reinigung ihrer
Wöchnerinnen kamen; mit den Studireaden wurden Unter-
suchungen der Wöchnerinnen an andern Tagen vorgenommen^
als Touchir-Uebungen der Schwangeren.
II. Specielle Therapie: Die Behandiung der einzelnen
PSlle von Erkrankungen ist in dem genannten Zeiträume von
1858 — 1864 allmalig aus einer sehr eingreifenden, mit reich-
liehen Blutentziehungen und kräftigen innern Antiphlogisticis
vorgehenden eine sehr viel mehr beobachtende , in spätem
Stadien der Krankheit oft gegen sonst frühzeitig nur robo-
rirende geworden und letzteres, wie es scheint, mit grossem
Nutzen.
Im Beginn des Wochenbettes wurde zunächst auf eine
möglichst regelmässige und schnelle Verkleinerung des Uleru«
gehalten, welche besonders zu Zeiten häufiger Erkrankungen
bd den meisten, auch anscheinend gesunden Wöchnerinnen,
sehr zögerte. Wir erzielten energische Verkleinerung des
Uterus am ersten Tage am zweckniässigsten durch Seeale
cornutum; wo aber der Uterus am 2—4. Tage noch weich
und schlafl* und gross blieb uod wo unregelmassige, sehr
schmerzhafte Nachwehen mit Abgang von Stacken Blut statt
halten, bewahrte sich das Seeale cornutum nie gut; es ver-
schlimmerte sogar mitunter die SchmerzhafUgkeit der Nach-
wehen, ohne eine dauernde Verkleinerung des Uterus herbei-
zuführen. Dagegen wurde in diesen Fällen mit ausgesprochen
günstigem Erfolge der galvanische Strom angewandt, indem
die Elektroden theils von den fiauchdecken, theils von der
Vagina aus an den Uterus gebracht wurden. Die Contraction
wird dadurch eine gleichmässige und andauernde und es ver-
schwinden die schmerzhatten Nachwehen meist schon nach
der ersten Sitzung. —
Die Briiandlung der fiebcM-haft Erkrankten wurde in den
ersten Jahren, als ich als Assistent an die Anstalt kam, gleich
selv energisch begonnen, in der Absicht, schweren Zuilllen vor-
278 ^^* mid^brimdl, Notisen über die wKhreDd der letaton
zubeugan. Jeder Fall, der mit einer Pulsfirequenz von 100 —
110 p. M., erhöhter Haultemperalur, lebhafter SchiQerzbaftJg-
keit des Uterus auftrat, wurde einer streng antiphlogistischen
Behandlung unterworfen; es wurden 8—16 Blutegel an die
Bauchdecken in der Ulerusgegend gesetzt, worauf warme
Cataplasmen folgten, während Calomel am ersten Tage in
2 stundigen Dosen zu gr. i — ii innerlich gereicht wurde;
die Blutentziehung fand unter Umständen eiu> bis zweimalige
Wiederholung. Ich fürchte, dass damit recht oft mehr ge-
schadet, als genutzt ist. Es haben die Resultate der Behand-
lung in der letzten Zeit gezeigt, dass man mit den Mitteln, welche
die Kräfte der Patientinnen herabsetzen, so sparsam wie mög-
lich sein darf und sein muss und dass die überwiegend grössere
Zahl der Fälle, in welchen sich uns das Bild der MeUrope-
ritonitis leichtern Grades zeigt, schneller und vor Allem ohne
Zurücklassuttg einer das Wochenbett in die Länge ziehenden
Schwäche genesen, wenn man leichtere Mittel in Anwen-
dung zieht
Es lässt sich die Behandlung der Wöchnerinnen, wie
sie in den letzten Jahren ausgeführt wurde, in Kürze etwa
so schildern.
Jeder Wöchnerin, welche am 2 — 3. Tage eine auf 100—
110 Schläge erhöhte Pulsfrequenz zeigte, wurde zunächst ein
eröffnendes Lavement verordnet, welches, falls in 10 — 12 Stun-
den kein Nactdass des Fiebers eintrat, wiederholt oder dessen
Wirkung durch Ol. Ricini ersetzt wurde. Danach war in
vielen Fällen bereits jede weitere Medication unnöthig. Trat
neben den Fiebererscheinungen noch Schhierzhaftigkeit der
Uterusgegend auf, so wurden neben täglich dargereichten er-
öffnenden Lavements, warme Cateplasmen auf den Unterleib
gelegt und eine knappe Diät angeordnet ; und auch die grössere
Zahl dieser Fälle, welche das Bild einer Metroperitonitis dar-
boten, gingen in wenigen Tagen ohne weitere Medication in
Genesung über. — Es soll bei dieser reichlichen Anwen-
dung von Abführmitteln aber durchaus nicht die abhihrend«
Methode als specifisch wirksam beim Puerperalfieber em-
ptohlen werden ; es ist bereits oben erwähnt, dass bei schwereren
Erkrankungen Diarrhoeen eher einen nachtheiligen, als günstigen
Einfluss ausübten.
•ieben Jahre in der Könlgsb. Eotbindno^-Anatolt atc. 279
In den Fällen von schwereren Erkrankungen, welche sich
gleich durch eine erheblich gefiteigerte FrequcTiz des Pulses
und der Respiration kund gaben, oder wo die oben ange-
führte Behandlung keine Besserung erzielte, sondern eine Zu-
nahme der krankliaften Erscheinungen stattfand, ist auch ferner
noch mit der Anwendung von Blutegeln sehr sparsam umge-
gangen und vor Allem nicht leicht eine Wiederholung der
Blotentziehung vorgenommen, sondern der Schmerz im Unter-
leibe durch lauwarme Umschläge, durph Narcotica, welche
besonders zur Nacht in dreister Dosis gereicht wurden, ge-
lindeit. Zur Herabsetzung der Pulsfrequenz aber kamen mit
Nutzen in Anwendung: Veratrin, Digitalis, Chinin. Mit allen
drei Mitteln sind sehr oft die gewünschten Erfolge erzielt;
jedoch hat nicht selten plötzlich auftretende Nausea und Er-
brechen beim Gebrauche des Veralrins zum Abstehen von
fernerer Anwendung dieses Mittels Veranlassung gegeben.
Ebenso wurde die Digitalis oft vom Magen nicht vertragen,
und beschränkten wir uns schliesslich allein auf die Anwen-
dung des Chinins, welches zu gr. ii — iii 2 — 3 stündlich,
bei Anwesenheit von Diarrhoen in Verbindung mit Opium,
dargereicht wurde. — Mit Nachlass der ersten stürmischen
Symptome zeigten sich zur Erzielung eines schnelleren gun-
stigeren Ausgangs der Krankheit oft von dem auffälligsten
Nutzen lauwarme Bäder, in welchen die Kranken 20 — 40 Mi-
nuten verblieben. Aeusserst vortheilhaft erwies sich aber auch,
dass frühzeitig, sobald adynamische Erscheinungen eintraten,
auch trotz localer Schmerzhaftigkeit durch Darreichung
kräftigen spanischen Weines die Kräfte unterstützt wurden. —
Länger andauernde locale Schmerzhaftigkeit wich meis-
tens allein der Anwendung lauwarmer Umschläge in Form
der erwähnten Cataplasmen, an deren Stelle danach Einwick-
lung des Leibes c^mbinirt mit warmen Wasserumschlägen
trat. Bei hochgradigem Meteorismus zeigten sich kalte Um-
schläge, über den ganzen Unterleib ausgebreitet, stets sehr
vortheilhaft, mit denen oft, wo es der Grad der Entzündung
der Unterleibsorgane gestattete, mit Nutzen kalte Lavements
vo-bunden wurden. —
280 X^I^- Bildehrcmäit Notixen ab«r die wStbretid der letzten
Aetiologie.
Wenn idi schliesslich einige kurze Notizen zur Aetiologie
des Puerperalfiebers beifuge, so geschieht dies nur soweit, als
aus den oben erwähnten Erkrankungsfälleii sich Bestätigungen
för die eine oder die andere der neuerdings aufgestellten
Theorien entnehmen lassen. Hiernach glaube ich deijenigen
Auffassung des Puerperalfiebers beipflichten zu müssen, welche
dasselbe als eine Erkrankung der Blutraasse der Wöchnerinnen,
entstanden durch Infection mit zersetzten animalischen im
Genitalkanal befindlichen Stoffen darstellt. Für diese Auffas-
sung sprach^ dass bei den in der Anstalt angestellten Sectionen
ohne Ausnahme eine Erkrankung der Innenfläche des Geni-
talkanals gefunden wurde; am häufigsten jauchiger Zerfall der
innersten Schichten des Uterus, mitunter der Vagina unter
Bildung von diphlfaeritischen Geschwuren; von hier ausgebend
eine Erkrankung der nächstliegenden Gefasse. Nächstdem
zeigte der Rrankheitsverlauf einer grossen Beihe von Fälien,
von denen einzelne später mitgetbeilt werden sollen, wie der
locale Process im Genitalkanale den ersten Krankheitsanfang
bildete und wie nach demselben allmälig sich die Symptome
des Puerperalfiebers entwickelten. Der diphtheritische Prozess
auf der Innenfläche des Genitilkanals, der seine Entstehung
den verschiedensten Ursachen verdanken kann, so von aussen
beigebrachten Läsionen, Quetschungen der weichen Geburts-
theile durch den Kindskopf, entzündlichen Reizungen durch
zurückgebliebene Eitheile, kann dem entsprechend seinen An-
fang an jeder Stelle der Schleimhaut des Uterus oder der
Vagina nehmen und sich von dort aus weiter verbreiten. Der
klinischen directen Beobachtung aber am zugängHchsten sind
die diphtheritischen Vaginalgeschwüre, welche sehr häufig den
Ausgangspunkt für das Puerperalfieber, den localen Heerd
der puerperalen Pyämie abzugeben scheinen.
Dieselben zeigten sich in der Anstalt ungemein zahlreich
und zeigten sich auch in der Poliklinik nicht selten.. Ihr
Charakter war in allen Fällen der gleiche : bei starker ent-
zündlicher Schwellung der Schleimhaut anfangs livide, schwärz-
lich, später nach brandiger Abstossung mit speckigem Grunde
sieb«» Jahre in der fClJiiigsb. Eatbindnng^ Amtnk etc. 281
imd gescbwoHenen Randern versehen, jauchigeg Secret ab-
setsende Gesebwöre mit ansgesprocherier Neigung 2ur Ans-
delmong nacb der Breite und Tiefe, gleichviel durch welche
Veranlassungen und ob dieselben zur Zeit vieler oder weniger
schwerer Erkrankufkigen in der Anstalt entstanden waren. Die
Veranlassungen waren sehr häufig nachweisslicfa rein iocale:
Sie zeigten sich vornehmlich oft nach langwierigen schweren
Entbindungen, bei denen die Schleimhaut einem anhaltenden
Drucke von Seiten des Kindskopfes ausgesetzt war. Sie hatten
ihren Sitz je nach der Stelle, welche dem Drucke and der
Zeming am längsten und intensivsten ausgesetzt gewesen.
Am häofigsten kamen sie daher im Scheideneingange, seltener
in böbern Partien der. Scheide vor, Hessen sich aber auch
mit dem Sf)ecidinn an der Innenfläche des Cervicalkanales
nachweisen. Zahlreich kamen dergleichen ulcerative Prozesse
meist mit Puerperalfieber im Gefolge zu Zeiten vor, in denen
häufig Unregelmässigkeiten bei den Kreissenden beobachtet
waren. So entstanden mehrmals während sonst günstiger
Gesandheitsverhäknisse in der Anstalt diese Erkrankungen bei
denjenigen Wöchnerinnen, deren Entbindungen zu ExamenS'-
zwecken benutzt worden und die während des Kreissens durch
zu häufiges und unnütz genaues Untersucheif Unregelmässig-
keiten der Wehen und somit auch Veriangsamung der Geburt
eriitten. Femer kamen zu Zeiten, in denen häufig operirt
werden musste, auffallend mehr puerpei*ale Erkrankimgen als
sonst vor. In ähnlicher Weise, wie aus diesen bei der Geburt
stattfindenden Sdbädllchkeiten , lässt sich vielleicht auch das
bekannte Gesetz erklären, dass Erstgebärende sehr viel häufiger
am Puerperalfieber erkrankten, als Mehrgebärende, welche im
Ganzen weniger schwere Niederkünfte zu überstehen haben,
und fand dieses Gesetz auch in hiesiger Anstalt statt: Unter
den Erkrankten der kleinen Endemie des Jahres 1862 be-
fanden sich zwanzig Erstgebärende auf zwölf Mehrgebärende,
von welchen letzteren vier zum zweiten Male, fünf zum dritten,
zwei zum vierten Male niedergekommen waren; unter den
achtzehn Nerstorbenen desselben Jahres befanden sich zwölf
Erstgebärende, sechs Mehrgebärende; und zwar waren vier
derselben zum zweiten, zwei zum dritten Male entbunden.
Audi die Beobachtung, dass die im Ganzen schwereren Knaben-
282 XXI. HUdehrandt, Notiaen über die wKbread der letsten
geburten häufiger Puerperalfieber im Gefolge haben, als die
Mädchengeburten, sehieo im Jahre 1862 sieh zu bestätigen.
Von den Erkrankten waren achtzehn mit Knaben, yierzehn
mit Mädchen niedergekommen; von den Verstorbenen hatten
zwölf Knaben- und sechs Mädchengeburten 'gehabt. —
Es sciiienen ab,er nicht alle Wöchnerinnen bei gleichen
localen Sdiädlichkeiten in gleichem Maasse zu puerperalen
jauchigen Geschwüren disponirt zu sein, sondern es schien
hiebei der Einfluss der Constitution und die Resistenzkraft
des Individuums wesentlich mit Eintluss auszuüben. Bei schwäch*
liehen Frauen, bei solchen die au Chlorose oder Hydropsie
während der Schwangerschaft gelitten hatten oder nach ex-
cessiven Blutungen während der Geburt hochgradig anämisch
geworden waren, sehr oft auch bei den Wöchnerinnen, welche
an Eklampsie gelitten hatten, traten puerperale Geschwüre am
häufigsten und hartnäckigsten auf.
Der allen Geschwüren gemeinsame Character, ihre Ent-
stehung meistens nach rein localen Schädlichkeiten, vor Allem
aber der Umstand, dass dieselben in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle auf eine rein locale Behandlung ohne alle
Reaction heilten, sprechen dafür, dass man dieselben nicht
als den Ausdruck einer schon bestehenden Allgemeinerkrankung
anzusehen hat. Der Verlauf in einer andern Reihe von Fällen
aber, in denen man nacli Anwesenlieit dieser Geschwüre all-
mäiig eine Metroperitonitis, schliesslich die Formen des schwer-
sten Puerperalfiebers zu sehen bekam, drängt zu der Ueber-
zeugung, dass von diesem localen Heerde aus sich der pyä-
mische Prozess unter gewissen Umständen durch die im
puerperalen Uterus zur Resorption besonders befähigten weitern
Gefässe ausbreiten kann. Welche Bedingungen es aber sind,
die bei einer Anzahl von Wöchnerinnen die Infection ver-
mitteln, während dieselbe bei andern unterbleibt, lässt sich
nicht erweisen. Jedenfalls sclieint Form und Bösartigkeit des
Geschwürs sowie die Beschafienheit seines Secrets von keinem
nachweisbaren Einflüsse auf die Entstehung einer Allgeniein-
erk rankung zu sein. Es trat das Puerperalfieber nach kleinen
nicht tiefgehenden diphtherilischeu Geschwüren ei)enso auf,
wie nach weitverbreiteten mit grossem Substanzveriuste ver-
bundenen; und war der Character der Geschwüre in allen
mbeo Jahre in der Rönigsb. Eotbitidniigs- Anstalt etc. 288
Fällen der gleiche oben beschriebene und veränderte gich
nicht nachweisbar weder vor noch mit Eintritt der Allge-
roeinerkrankung, sodass die Resorption ganz allein von dem
Zustande der nächstliegenden Gelasse des Genitalkanals ab*
hängig zu sein scheint. Oass dieser Zustand aber auch durch
allgemeine das Gefasssystem alterirend^ Schädlichkeiten be-
einflusst werde, welche die Gefässe vielleicht zur Resorption
geeigneter machen, ist mir in zwei Fällen wahrscheinlich ge-
worden.
Im November 1863 behandelte ich eine 20 Jährige 8chwäc|i-
liehe Wöchnerin an einer brandigen Wunde des Dammes. Die
Frau hatte sehr lange gekreisst und war besonders das letzte
Stadium der Austreibungsperiode äusserst schmerzhaft und
wegen Enge der Vagina und in Folge eines sehr breiten
unnachgiebigen Dammes sehr verzögert worden. Die Hebamme
hatte den letztern, unt bei den recht kräftigen Wehen ein
Einreissen zu verhüten, über zwei Stunden mit starkem Drucke
ihrer angestemmten Rechten gestützt,, wohl aber zu kräfüg
und anhaltend : denn es zeigte sich am nächsten Tage in der
Mitte der Raphe eine missfarbige livide Stelle , welche von
Stunde zu Stunde an Umfang zunahm, am dritten Tage be-
reits vom Sphincter ani bis zu einem kleinen Streifen vor der
hintern Commissur der Schamlippen sich ausgebreitet hatte
luid schliesslich brandig zeriiel. Trotz dieses üblei) localen
Leidens verUef das Wochenbett in der ersten Zeit vollständig
normal, eine am dritten Tage etwa sechszehn Stunden dauernde
erhebhche Steigerung der Pulsfrequenz abgerechnet. — Am
zehnten Tage aber, an welchem am Damme bereits gute Gra-
nulationen zum Vorschein kamen, trat plötzlich Mittags ein
Schüttelfrost ein, dem bald die. ausgesprochensten Erschei-
nungen peritonitischer Reizung folgten. Drei Tage darauf
starb die Wöchnerin luiter Delirien, nachdem die Peritonitis
sich über den ganzen Unterleib ausgebreitet hatte. Die Section
wurde nicht gestattet, aber die Erscheinungen waren so
Schritt für Schritt als die eines rapid entwickelten Puerperal-
fiebers zu verfolgen gewesen, dass es der Section zur Er-
klärung des Krankbeitsprozesses kaum bedurfte. Die Ursache
aber, woher bei der anscheinend gesunden Wöchnerin in
einer so späten Zeit des Wochenbettes plötzlich die tödtlich
284 XXI> Hildt^randt, Notizen über die w&farend der letiten
endende Krankbrit mit solcher Intensität ausbrach, konnte
nicht ermittelt werden, ^enn man nicht dem Umstände Geltang
angedeihen lassen will, dass die Wöchnerin an jenem Tage
durch den Tod ihres Kindes in eine tiefe Gemüthsdepression
versetzt war. Wenige Stunden nach dem Absterben des
Rindes trat der erst^ Schüttelfrost auf. (Es erinnert dieser
Krankheitsfall sehr an den von Buhl in der Monatsschrift
für Geburtskunde B. XXIll, Hft. 4, S. 303 u. ff. beschriebenen.)
Ein dem vorsiebenden sehr ähnlicher Fall ereignete sich
im October 1862. Eine Zweitgebärende, welche eine etwas
verzögerte Entbindung durchmachte, war in den ersten vier
Tagen des Wochenbettes üeberfrei und vollständig wohl. Am
fünften Tage wurde der Wochenfluss übelriechend, sodass ich
eine Ocular-lnspection der Genitalien vornahm, bei welcher
sich jederseits an der grossen Schamlippe ein diphtheritisches
Puerperalgeschwur voifand. Chlor-Injectionen und aroma-
tische Umschläge brachten den Prozess zum Stillstände, und
war bereits am siebenten Tage die Schwellung des umgebenden
Gewebes wesentlich geschwunden. An diesem Tage aber
fand ein Streit mit dem Ehemanne statt, der eine äusserst
heftige Aufregung zur Folge hatte. Wenige Stunden darauf
zeigte die bis dahin fieberfreie Wöchnerin einen Puls von
140 Schlägen p. M., sehr beschleunigte Respiration und
brennend heisse Haut, leichte Schmerzhafügkeit des vorher
schmerzfi-eien Uterus, verfiel am darauf folgenden Tage bereits
in Delirien und verstarb vier Tage später mit den Erscheinungen
einer weitverbreiteten Peritonitis.
Darf man in diesen Fällen die plötzlich auftretende schwere
Allgemeinerkrankung als eine Folge der plötzlichen Resorption
eines schlechten Eiters ansehen, wodurch am ehesten die
Symptome und der schnell eintretende Tod zu erklären wäre,
so dürfte man wohl aus dem Verlaufe der Fälle die die Re-
sorption vermittelnde Kraft darin zu suchen haben, dass bei
Anwesenheit des localen diphtheritiscben Processes in den
Genitalien die plötzliche Veränderung der Blutströmung, welche
durch zufällige Schädlichkeiten hervorgerufen wurde, eiuen die
Resorption befordernden Einfluss auf die Gefässe der nächsten
Umgebung der kranken Stelle ausübte. —
•leb«» Jalir« ia der KSaigHb. Entbindongf Anstalt etc. 285
Ausserdem aber, dass das jauchige Sekret schlecht
eiternder duich locale Schfidlichkeiten hervorgerufener Wuadeo,
welches, wie unter den oben erwähnten Umständen von den
Gefaasen des Genitalkanals aufgenommen wird, durch Selbst-
infection der Wöchnerinnen zum Puerperalfieber führt, wird
wohl sehr häufig der inficirende Stoff dem Individuum von
aussen her zugeführt und gelangt dann entweder direct durch
die Gefftsse der Vagina oder des Uterus zur Resorption oder
giebt erst auf der Schleimhaut der letzteren zu Ulcerationen
Veranlassung, welche dann erst das zur Infection führende
jauchige Secret liefern. Der Ursprung eines solchen über-
tragenen Aosteckungsstoffes scheint ein verschiedener sein
zu können; Erforderntss ist nur, dass er das Product zer-
setzter animalische Gebilde ist Damit dürfte auch der von
SemmelweisB aufgestellten Theorie einiges Recht eingeräumt
werden, doch nur in gewissen Grenzen. So kann diese Theorie
auch in der Königsberger Anstalt^ wenigstens für die letzteren
Jahre, keine Anwendung finden, da die Sectionen früher nur
in AusnahmeiSllen, in den letzten 3 Jahren nie von den
Aenten der Anstalt gemacht sind. Eine sehr häufig wirksame
Schädlichkeit darf man wohl aber mit Recht der directen
Uebertragung jauchiger puerperaler Secrete von Wöchnerin
zu Wöchnerin zuschreiben. Finden sich doch hiefür gerade
kk Gebäranstalten so sehr zahlreiche Gelegenheiten. Vor
Allem sind es die Hebammen und Wärterinnen, welche beim
Reinigen mehrerer Wöchnerinnen hintereinander so sehr leicht
iDfectionsetoffe verbreiten können. Aber auch Wäsche,
vornehmlich Unterlagen, sodann Instrumente, Leibschösseln
u. s. w. werden wohl mit Recht allgemein als Träger des
Contagiums angesehen. Es kann bei dieser Vielfältigkeit der
die Ansteckung vernuttehiden Momente in einer Anstalt, in
welcher nicht die peinlichste Reinlichkeit nach jeder Richtung
beobachtet wird, von einer Wöchnerin, bei weicher durch
locale Schädlichkeiten brandige Geschwüre in der Vagina oder
in dem unteren Uterusabschnitt entstanden sind, durch Con-
tagium eine lange dauernde Endemie ausgeben und unterhalten
werden. — Allerdings lässt sich der directe Nachweis der-
artiger Uebertragungen in einer Anstalt und Hess sich auch
in der hiesigen nicht fähren; auffallig war es mir aber immer,
286 XXI. Bildebrandt, Notiren Über die wKhrend der lettten
das8, wie oben bereits erwabnt ist, nicht selten zur Zeit,
wenn sich ein schwerer Fall von Puerperalfieber oder auch
nur von diphlheritischen Geschwören der Genitalien zeigte,
sehr bald darauf eine Reihe anderer Wöchnerinnen ebenfalls
mit Puerperalgeschwören behaltet war, denen dann mehr oder
weniger oft Allgemeinerkrankungen folgten. Ich glaubte hier
ebenso an eine mehr oder weniger directe Uebertragung von
einer Wöchnerin zur anderen, wie bei den zu verschiedenen
Zeiten in der Anstalt oft zahlreich aufgetretenen Ophthalmien
der Neugeborenen. Wahrend Wochen und Monate hindurch
keine Ophthalmie zur Behandlung kam, zeigten sich nach
einem Falle häufig sehr bald mehrere neue, trotzdem dass
die Wärterinnen, mit den Gefahren des Leidens und seiner
Ansteckung vertraut gemacht, zur äussersten Vorsicht und
Reinlichkeit ermahnt vicaren. Ich glaube mich sogar der
Ansicht derer anschliessen zu müssen, welche die Möglichkeil
einer Uebertragung contagiöser Stoffe durch die Hebammen
auch auf grössere Entfernungen annehmen, ifie eine Reihe
von Fällen der Art ehestens Wegscheider in der Berliner
Gesellschaft für Geburtshulfe mitgetheilt hat; und glaube ich
zwei hierhin einschlagende Beispiele aus meiner Praxis ebenfalls
anfOhren zu dürfen.
Frau G. erkrankte am 4. November 1862, dem Ende
ihrer zweiten Schwangerschaft bereits nahe, an lebhaften
Schmerzen im Unterleibe, welche sie für Wehen hielt und
daher eine Hebamme zu sich berufen liess. Da aber die
Eröffnung des Muttermundes sehr zögerte und die Schmerzen
an Heftigkeit zunahmen, wünschte man meinen Beistand. Ich
fand die Frau lebhaft fiebernd, mit einem Pulse von 130 Schlägen
p. M., heisser trockener Haut, lebhaftem Durst. Der Uterus
zeigte sich in seinen Wandungen nberall abnorm schmerzhaft,
vornehmlich aber in seinem unteren Abschnitte. Die Vagina
war serös gevvulstet, heiss, ziemlich trocken; die beinahe
verstrichene Vaginulportion, deren Muttermund das Einfuhren
zweier Finger gestattete, bei Druck schraerzhail. Nach der
inneren Untersuchung fand ich meine Finger mit einem
schwefelgelben, ziemlich corisislenten Eiter bedeckt. . Da der
letztere aus der mit sehr wenig Secret versehenen Vagina
nicht rühren konnte, unternahm ich bald darauf eine zweite
•Ieb«ii Jahr« In der RSnlgsb. Eotbindnnga- Anstalt etc. 287
innere Unteranchung, f&hrte zwei Finger darch den Mutter-
mand hindurch und bestrich mit ihnen die Innenwand des
Uterus soweit ich reichen konnte. Es gelang mir hierdurch
eine so reichliche Quantität Eiter von der Innenwand abzu-
heben, dass derselbe in mehreren Tropfen bis auf die innere
FIfiche meiner Hand herabfiel und so an Stellen haftete, die
mit der Vagina nicht in Berührung kamen, mithin die Mög-
lichkeit einer Verwechslung mit Vaginalsecret vei'hinderten. *)
Der Verlauf der sehr schmerzhaften Entbindung war ungemein
langsam, endete mit der Geburt eines lebenden krSftigen
Mädchens. Die krankhaften Erscheinungen, welche während
des Krdssens beobachtet waren, verschwanden aber nach der
Entbindung nicht, sondern steigerten sich in ihrer Heftigkeit
fast mit jeder Stunde, sodass am zweiten Tage das vollständige
BHd eines so schweren Puerperalfiebers vorhanden war, wie
man es sonst nur in Anstalten während Epidemien zu sehen
bekommt Die Wöchnerin Verstarb am fünften Tage nach
der Entbindung an einer über den ganzen Unterleib verbreiteten
Peritonitis, ihr Kind sechs Tage später ebenfalls an eitriger
Peritonitis, welche von einer Entzündung der Nabelgefässe
ausgegangen war. — In diesem Falle, der ganz evident zum
Ausgangspunkte des später folgenden Puerperalfiebers die primär
erkrankte Uterusinnenfläche hatte, konnte die Ursache der
Erkrankung nur darin gefunden werden, dass die Hebamme,
welche die Kranke vor dem Ende der Schwangerschaft mehr-
mals untersucht hatte, während dieser Zeit bei einer an
schwerem Puerperalfieber erkrankten Wöchnerin beschäftigt
gewesen war. Diese Vermuthung bestätigte sich zu ziemlicher
Gewissheit,^als ich am 12. November, also wenige Tage nach
dem eben beschriebenen Vorfalle von derselben Hebamme zu
einer unter genau denselben Symptomen erkrankten Schwangeren
gmifen wurde. Auch diese, welche von Anfange bis zu Ende
*) Aninerk. Dieser Befund ist deshalb so speciell oiitgetheilt,
weil derselbe wie auch ein gleicher in einem ähnlich verlanfeneo
Falle von puerperaler Erkrankung während der Schwangerschaft,
dafar sprechen, dass auch das während der Gravidität auftretende
Puerperalfieber seinen Ausgangspunkt von der Innenfläehe des
Oesitalkanais nimmt, was bekanntlich von mancher Seite bestritten
wird.
288 XXI. Hild9hr€Mdi, Noticen nb«r die währe«d'der Utialton
der Geburt äusserst scbmerzhafle, wenig wirksanie Weben
hatte, fieberte sehr lebhaft, zeigte verfallene, sehr bleieiie
Gesichtszüge, einen kleinen schwachen, sehr beschleunigleii
Puls, sehr beschleunigt« Respiration, recht schmerzhaften Utems,
sehr empfindliche trockene Genitalschieimhaut. Siie kreisste
im Ganzen 13 Stunden, kam mit einem todten Knaben nieder
und starb zwölf Stunden später unter den £rsoheinttngen
einer allgemeinen Peritonitis.
Diese eben ausgeftihrten Beispiele einer ContagiositSt
des Puerperalfiebers, welche auch auf grössere Entfernungen
wirkt, sowie die oben erwähnten einer Weiterverbreitung von
Bett zu Bett trotz äusserster Reinlichkeit und Vorsiobt mit
den Vermittlem einer directen Uebertragung, dringen uns die
Ueberzeugung auf, dass wir es mit einer zwiefachen Form
des Contagiums zu thun haben, einem an festen Gegenstanden
haftenden und einem in der Luft suspendirten. Wenn auch
gewiss sehr oft eine directe Uebertragung krankhafter Genital-
secrete in der oben geschilderten Weise stattfindet, so ist
man doch auch genöthigt, die Wahrscheinlichkeit einer Ver-
mittelang des Contagiums durch die Luft anzuerkennen, in
welcher Weise dies geschieht, bleibt noch festzustellen: am
erklärlichsten durch Eiter- und Fermentkorperchen, wie sie
von Panum und Paateur in der Luft und an den Wänden,
der Wäsche u. s. w. in Krankenzimmern durch directe
Beobachtungen nachgewiesen sind.
Einige Beobachtungen aus der hiesigen Anstalt, weiche
zur Annahme eines durch Vermittelung der Luft wirksamen
Contagiums nöthigen, will ich kurz mittheilen:
Zunächst war zu wiederholten Malen auflallig, dass von
den drei das Jahr über benutzten Wochenzimmern, welche
in einer Reihe nebeneinander liegen, gerade immer das mittelste
von den zahlreichsten und schwersten puerperalen Erkrankugen
heimgesucht wurde, in sehr viel geringerem .Grade die beiden
nebenanstehenden, mit ihm durch ofiene Thuren verbundenen,
und kann ich einen Grund für diesen Umstand nur darin
finden, dass dies Zimmer nicht nur relativ, sondem auch
absolut eine lange Zeit hindurch am stärksten belegt war,
nämlich mit sieben Betten, während in dem sehr viel grösseren
ersten Zimmer nur sechs, in dem fast ebenso grossen dritten
«Üben Jfthi« in d#r Eöoigtb. Enibindongt-laaUlt etc. 289
Wir finf BetteD sUodeD. Es konnteo »cb in diesem Räume
also am oieiaten schädliche EffluvieD eotwickeln und an-
sammeln uod eiae Ciimulaiion derselben um so eher statt-
finden, da dies Zimmer in der Mitte zwischen den beiden
Mideren gelegen isL Als aber durch ergiebige Lüftung mittels
Oeffoen der Fenster einem Stagniren der Lufl in allen Zimmern
f orgebeiigi war, trMen auch in diesem Zimoier jene durchaus
günstigereD Gesundheitsverliältnisse unler den Wöchnerinnen
ein, wie sie oben nachgewiesen sind. Dass jedoch durch
diese Maassregeln der Lufterueuerung nicht ein Miasma d. 'h.
ako eiue specifiscli chemisch schädliche Luft, sondern die
Anhäufiiog contagioser Stoffe in einer sonst nicht nachweis-
bar nacbtheilig wirkenden Luft beseitigt wurde, glaube ich
mit folgienden Giüaden belegen zu dürfen;
1) Die puerperalen Erkrankungen, welche, wie aus der
oben angeführten Tabelle hervorgeht, in der hiesigen Anstalt
inii Ausnahme des Jahres 1862, nie auflaUend zahlreich
auftraten, vertheilten sich meistens ziemlich gleichmüssig auf
die verschiedenen Monate, sodass wir von 1857 — 62 niemals
von besonders gut^n oder besonders schlechten Gesmidheits-
Verhältnissen sprechen liomiten. Auch i^aren die Formen
der Erkrankungen gewöhnlich durchaus gemischt. Es wech-
selten fortwährend die einfachen Metritiden mit Lympbangoitis
und Phiebitis ab. Alle diese Momente sprechen aber dagegen,
dass , während dieser Jahre dauernd ein Miasma geherrscht
habe ; wogegen die fortdauernden Wirkungen eines Contaginms,
dessen Veri>reitang mit der Anwendung ergiebigster Lufter-
neuerung aafliorte, alle jene Verhältnisse wohl zulassen. —
2) Es soll die Erfahrung, dass in Anstalten nach dem*
Uebersiedeln aus den lange Zeit belegten in neue gelüftete
Zimmer, schwere Endemien sehr häufig vollständig zum Auf-
hören gebracht werden, vornehmlich die Richtigkeit der
Annahme eines die Endemie unterhaltenden Miasmas unter-
stützen. Wie die Wirksamkeit dies^ Maassregel aber sehr
häufig sich nur da herausstellte, wo man zugleich mit der
Uehemiedelung die Aufhabme der Schwangeren und Kreissenden
sehr beschränkte oder wo man statt kleinerer Räume grössei^e
eintauschte, so zeigte sich auch in hiesiger Anstalt im
Jahre 1862 ein solcher Umzug nickt nur unnütz , sondern,
MonatoMhr. f. Oeburuk. 1866. Bd. XXY., Hft. 4. 19
290 ^^I* HÜMrantU, Notisen über 4ie während der UteUB
wie es schiaA, sogar naoblbeilig. Als wir kn Jaoi 62 M
immer steigender Frequenz der Erkrankungen aus den bis
<laliin belegten drei Wochenziromern nach einem anderen
Flügel mit drei von jenen ganz getrennlen bb dahin leeren
whI wohlgelAflleten Zimnera die Wöclinerinnen hi&öbersohafflai,
hörie die Endemie nicht nur niclit auf, sondern stieg in
schreokenerregender Weise : Während in den verlassenen Zon-
aiern im MIrz unter 42 Wöchnerinnen mir ein Tcidesfoll, im
April unter 38 nur drei, im Mai bei 31 drei Todesiaile vorkamen,
starben in den neu bezogenen Räumeji im Juni von 27 Wöcb-.
neriimen zwei, im Juli von 25 Wöchnerinnen f&nf. Dieaen u»-
gunstigen Erfolg glaube ich nur dem Umstände zuschreiben
zu müssen, dassroan die Aufnahme nicht wesentlich genug hatte
beschränken können und dass die Wöchnerinnen ^ wenigstens
in zwei der Zimmer noch näber aneinander lagen, als in den
verlassenen. Die Zimmel*, welche vieUeicht mit schidlicher
Luft überladen gewesen, waren geröunit, aber in den neuein-
getauschten fand die Verbreitung von Ansleckungsstoflen dordi
die Luft noch günstigere Bedingungen vor durch das nahe
Zusammenliegen der Wöchnerinnen. ,
' 3) Die oft gemachte Erfahnmg, dass diejenigen Personen
am eliesten vom Puerperalfieber vor und nach der Entbindung
ergriffen werden, welche am längsten als Schwangere in ^er
Anstalt gewesen, fand auch in hiesiger Anstalt Bestätigung.
Während der Endemie des Jatires 62 waren von den Erkrankten
ungefähr ^/^ länger als einen Tag, ^9 ^^^ einen Tag vor
ihrer Entbindung in der Anstalt. Von den Verstorbenen
hatten zehn längere Zeit vor ihrer Niederkunft, acht als Kreissende
Aufnahme gefunden. Diese Erfahrung, welche man wieder-
bolentlich zum Beweise für die Anwesenheit eines Miasmas
benutzt hat, könnte mit mehr Recht als Stütze für das Con-
tagium verwandt werden, indem diejenigen Personen, welche
am längsten in der Anstalt sich aufhalten, auch am häufigsten
zu Touchirübungen benutzt werden, mitiun am meisten der
dii*ecten Uebertragung krankhafter Stoffe ausgesetzt sind.
4) Auch die als Beweis für die AnvMesenheit eines Miasmas
benutzte Beobachtung, dass zur Zeit von ^demischem Auf-
treten des Puerper^alfiebers gleiclizeitig zahlreiche Erkrankungen
und SterbefäUe unter den Kindern vorkommen, wie auch in hiesiger
0l«b«nj Jafcre In iti Kdnigab. läitbiiidiin^-ADtteU ete. 2{91
Anet^ in den Jaliren 1859 u. 1863 (vergl. d. Tab.), kann eben
sowohl und besser die Wirksamkeit eines Contagiums bekräftigen.
SobaM wir das PnerperaHleber als eine paerperaie Pyaemie
auflassen dürfen, erklärt sich's nicht schwer, weshalb während
findcmien von bereits während der SchwangefScbafl erkrankten
hirsonen todte oder lebensschwache und bald yersterhende
Kinder geboren werden. Wenn wir femer ans an die äber-
aeagenden Reobachtungen Bukl^s halten, welche darthun, dass
„dieanf die Naugehornen von deü puerperal erkrankten Müttern
übertragene Infection in einer Bindegewebsinfüträtion sieh
äussere, welche den Nabeigefassen folge,*' so ist die An-
steckung von der Nabelwunde aus die natfirlicfaste Erklärung
fAr die Erscheinung, dass während Endemien auch Kinder
gesunder Wöchnerinnen durch die EinfNIsse der Endemie zu
Gninde gehen.
5) Schliesslicf) glaube ich folgenden Fall anführen zu
inttsaen, welcher fftr die Contagiosität des Puerperalfiebers und
zwar durch. Vermittlung der Luft wesentlich sprechen dürfte.
Im Winter 1859, in dem sich zahlreiche und schwere puerperale
Erkrankungen ereigneten, kamen bei der Krankenwärterip des
Instituts, welche in dem ersten Wocheuzimmer, jedoch ziem-
lich esifernt von den Betten der Wöchnerinnen schlief, fol-
gende Erscheinungen zur Beobachtung: dieselbe, eine robnsle
Person, die ein Mal vor Jahren regelmässig geboren hatte,
erkrankte am vierzehnten Februar während ihrer Menstruation
unter äusserst lebhaftem Fieber mit Schmerzen im Hypogastrium,
Urtnbeschwerden und äusserst quälenden Schmerzen im Kreuze.
Sie glaubte diese Beschwerden einer Erkältung zuschreiben
zu müssen, welche sie sich zwei Tage zuvor, schon während
des Fliessens der Menses zugezogen haben wollte, und schien
sich auch anfangs das Bild einer einfachen Metritis darzubieten.
Der Vejrlauf stellte sich jedoch anders heraus. Nachdem die
Person bei einem sich stets gleichbleibenden Fieber mit einer
Pulsfrequenz von 100 — 120 Schlägen p. M., bei einer jeder
Therapie trotzenden Schmerzbaftigkeit des Uterus und seiner
Umgebung gegen drei Wochen in der Entbindungsanstalt
krank gelegen hatte und dann nach der Med. Klinik hinöber-
geschafll war, entwickelte sich dort allmälig das deutlichste
Bild der Pyaemie. Es erschien an der rechten Schulter ein
19*
209 XXJ. ffiUMfrandtt Noilitn über <tU w|Ukr«oad«r Utattn etc.
Abscess« wpjcher nach Eröffbung ein« reicblicbe NftQge Muligen
Eiters entleerte und kam ein zweiter Alicess auch nm aweiten
Kreuzbeinwirbel zur Ausbildung, nach dessen Schliessung »11-
mälig Genesung eintrat.
Sowie der Verlanf der Krankheit, der den behaodelndeii
Aerzten anfangs wesentliche Zweifel an der Richtigkeit der
Annahme einer einfachen Metritis verursachte , sich nach^
träglich herausstellte, darf wohl nicht Anstand genommen
werden, diesen Fall der Art zu erklären, dass jene ausserhalb
des puerperalen Zustandes befindliche Person während ihrer
Menstruation, bei der die Uterus- und Scheidenschleimhaut
in ähnlicher Weise zur Aufnahme contagiöser Stoffe geneJgt
sein dürfte, wie bei Wöchnerinnen, durch den EioAuss der
zu jener Zeit contagi6sen Luft in der Anstalt, an einer sich
alimälig entwickelnden von den primär ergriffenen Genitalien
ausgehenden Pyaemie erkrankte, somit denselben Prozess
durchmachte, wie wir ihn hei der Febris puerperalis zu sehen
bekommen« ^) —
1) ADmerk. Vergl. den Fall yod Depaul: Eine Hebammen-
fchalerin der Maternite su Paria wurde beim Wascben einer
an Paerperalfieber leidenden Kranken unwohl, erkrankte am
Abende deeeelben Tago8 mit einem Prostanfalle, dem alle Symp-
tome des PnerperalBebers folgten, nnter welehen üie am dritten
Tagfe yerstarb. Die Leiche seigte alle Beweise der Virginität.
(De la fi^Tre puerperale, üe sa natnre et de sou traitenient,
Communications k Tacad^mie imperiale de m^decine par M. M.
Quira/td, Depaul etc. Paris 1868).
X\n. W0rämMer^ Beobaehtongen fib. das in d. Gemeinde etc. 293
•
XXII.
Beobaöhtcmgen üb«r das in dw Gemeinde ]fa«r,
Kanton Ztkrioh, herrschende Paerpexalfleber
(Jon 1868 bis Sept. 1864.)
£io Vortrag gebalten im medicioischen Kanlonalcongresse Zürich
Otto Werdmüller,
Arzt In Uster.
t
Puerperale Erkrankungen in epidemischer Weise sind
ausserhalb Gebäranstalten und auf dem Lande wohl ziemlioh
selten und MütbeiJungen solcher Beobachtungen um so ei*-
wdDscbter, als über Entwicklung, Ausbreitung und Wesen
desjenigen Krankheitsprocesses, den wir mit dem CoUeciiv*
namen „Puerperalfieber** bezeichnen, noch so manches Dunkel
herrscht. — Hiezu eineii geringen Beitrag zu liefern, ist
Zweck vorliegender Hittheilung, wobei ich mich reio auf das
Thatsächlicbe beschränke, und die Erscheinungen so biete,
wie sie 'sich mir dargestellt haben und wie sie von mir,
Ireitieh vielleicht in subjeetiver Weise, am Krankenbett erfasst
worden sind. —
Zwischen dem berühmtem Zürichersee und dem, zwar
weniger bekannten, aber lieblichen, zwei Stunden langen
Greifensee erhebt sich ein mehrere Stunden langer, von Nord-
ost nach Westen verlaufender, circa 1200' hoher, sdimaler
Bergrücken, „die Forch** genannt, dessen nördliche Seite, von
Wald und Feld durchzogen, von einzelnen kleinen Ortschaften
und Höfen gleichsam übersäet, ziemlich steil in die Niederung
des Greifenseettiales abfällt. Unmittelbar am Fusse dieses
Berges, und vom Ufer des Sees sich an diesen aufwärts
ziehend, liegt das ansehnliche Pfarrdorf Maur, dessen Ein-
wohner, ein gesunder und ziemlich kräftiger Menschenschlag,
sich ausschliesslich mit Landwirthschaft und Seidenweberei
beschäftigen, imd in bäurischen Verhältnissen, aber ziemlichem
Woblsiande leben. Die Gegend ist eine durchaus fruchtbare
und gesunde, und namentlich .wurden, wenigstens während
294 X^il* WerdmimeTf Beobacbtimg«a üb. dai in d. O^aMivde
meines 22jährigen ärztlicben Wirkens, daselbst niemals Epi-
demien beobachtet, was ich von dem gegenüberliegenden
recbtseitigen Ufer des Sees durchaus nicht rühmen kann.
Un so auffattender* war mir in dieser vom grossen V4)rk«far
aEiemlich fern iiegonden und abgegi*<nzten Ortflcbaft die Eof^
Wicklung und Aoabreitung einer puerperaten Erkrankung, die
ich nach ihrem ganzen Auftreten als „Puerperaliieber*' be-
zeichnen muss, und die in ähnlicher Weise wohl nur in Ge-
bäranstalten, vielleicht auch in grossen Städten, gewiss sehr
selten auf dem Lande aufzutreten pfiegL
Unterm vierten Juli vorigen Jahres wurde ich zu Frau
St ...., zu ob^rst auf der Bergeshöhe der Forch wohnend,
berufen, einer gesunden, vollsaftigen Frau von 42 Jahren,
Mutler von vier Kindern. Einige Tage früher 0OII sie von
einem andern Ärzte glücklich durch die Wendung von einem
lebenden Kinde entbunden worden sein. Die ersten Tage nach
der Geburt war das Befinden ungetrübt; am dritten Tage
aber trat heftiger ScbüUeitrost ein, dem unerträgliche Kopf-
schmerzen und profuse Diarrhöen folgten. Besonderer Um*
stände wegen wurde meine Hülfe indess erst am fünften
Tage in Anspruch genommen. Ich fand die Kranke sehr
• fiebernd mit einem Pulse von 120 Schi., geröthetem Gesichte,
die Haut feucht und über dem ganzen Körper einen starken
Miliariaausschlag d. h. eine Frieseleruption bei dunkelge-
rötheter Haut. Die Localuntersuchung zeigt den Unterleib
hl der rechten Ovariengegend sehr schmerzhaft, den Uterus
contrahirt, oberhalb der Symphyse stehend, wenig empfindlich ;
der Bauch ist tympanitisch , Lochienftuss gering und übel-
riechend. Die Diarrhöen waren 10 bis 12 Mal täglich, wäs-
serig — Zunge feucht und schmierig bdegt — das Bewusst-
sein ungetrübt bei sehr deprimirter Gemüthsstimmung. —
Die Kranke theilte mir mit, es sei vor einigen Wochen eine
benachbarte Person als vierzehntägige Kiiidbetterin aus der
Gebäranstalt zurückgekehrt, die bald nach ihrer Heimkunft
an Scbüttelfrost, Fieber und Diarrhoe erkrankt und nach
wenigen Tagen gestorben sei. Diese Person habe sie mehr-
mals besucht und sie sei ähei-zeugt, die Krankheit geerbt zu
haben. — Icti setzte damals keinen grossen Werth auf diese
Mittheilung, glaubte an eine typhöse Erkrankung, verordnete
Il«iip, KBiftton Zllriob, h«mtßli«Bd« PnerperAlfielk^r etc. 295
einige Caldnueldoeen , EmUlsiva und CttWpltisroatB. — D«n
fotgeniefli TVig scMeiien die ]oca)«n Symptome etwas gemildert,
der Stuhl fiicQknter, der Leib weniger eoipfindlieti ; der PuU
imleB8 immer 120 Schläge; zuweilen leise DcHirien. — So
ging es «b und zu, bald etwas besser, bald etwas schlimmer
bis zum neunten Joli, den elften Tag nach der E^lbindtmg.
Da trat plötzlich ein neuer SchQttelfrost ein, das Exanthem
verschwand binnen wenigen Stunden; es kamen öftere An*
Wandlungen Ton Ohnmacht, der Bauch trieb sieh volnmiilö^
auf, Diarrhöen erfolgten unwillkuhrlich. Bei rasch schwindenden
KrMten blieb das Bewusstsein ungetrftbt, und der Tod er-
folgte, trotz Campbor und Moschus, in der Nacht vom elften
Juli unter l^rsclieinungen allgemeiner Erschöpfung. —
Zweiter Fall. Wenige Tage später am achtzehnten
JqK wurde ich zur Schwägerin obiger Frau 8t berufen, die
in halbstündiger Entfernung im Dorfe Maur selbst wohnt. Ich
traf cüne sehr kräftige 40 jährige Primipara, die am sech&zehnten
Juli regelmässig geboren hatte. — Am zweiten Tage nach
der Geburt war Schfittelfrost eingetreten; jetzt ist Brust und
Bauch mit entwickeltem Scharlachfriesel bedeckt, das Fieber
lieftig, Puls voll, hart, vibrirend, 140 Schi., Zunge feucht, be-
legt; der Unterleib meteoristisch aufgetrieben, schmerzlos,
Lochienfluss unterdrückt, SecreUo alvi et urinae retardirt. —
Ich verordnete Calomeldosen, Emulsio nitrosa, Sinapismen. -
Am folgenden Tage war Catheterismus nölbig. Bei öftern
Delirien dauern die Fieber fort, sind die Sehweisse profus. —
Unter abwechselnden Erscheinungen stellte sich am siebenten
Tage Nasenbluten^ ein, worauf alle Erscheinungen sich min-
derten und naclr einigen Wochen diese Frau als genesen be-
trachtet werden konnte. — Noch bemerke ich, dass beidb
Sebwftgerinnen denselbei] Geburtsstuhl benutzten, und von
derselben Wärterin gepflegt wurden.
Dritter Fall. Zu derselben Zeit, am zwanzigsten Juli
erkrankte die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnende, 22jäh-
rige Primipara, Frau Ä . . , Seidenweberin, eine zarte,
cblorotisch aussehende Person. Sie hatte am seehszehnten
Juli normal geboren, war am neunzehnten von heftigem Schüt-
telfröste mit gleichzeitig einti*elenden Delirien befallen worden.
Bei meiner Ankunft war die Kranke am ganzen Leihe mit
296 ^^11- W4r4müUer, Beobiietal«»g«ii fib. dtB ia d. Gsmeted«
Scharlachfriesel bedeckt, war das Gesiebt geröthet, der Blick
stecheod, feurig, der Puls 140 ScUage, klein und contrahirt
Der Baucb zeigte sich schmerzlos, aber lynifamlisch, Diorese
sparsam, Locbiennuss retardirt; dagegen sind öftere Diarrhden
und Brechneigung zugegen. Auffallend war eine beständige
Unruhe und Agilität: Kranke wollte sich immer abdecken
oder aus dem Bette beraussteigen , sprach continuii^Ueb, oft
delirirend, sagte mit Bestimmtheit, dass.sie sterben müsse.
Ich verordnete Nitrum mit Camphor, Hess aromatische Fo*
mentalioneti auf den Unterleib machen, Cbamomilleninjediotten
in die Vagina appliciren u. s. f. — alles umsonst! Nach drei
Tagen erfolgte der Tod unter Erscheinungen allgemeiner Er*
Schöpfung. — Section: Der jugendliche Körper ist wohl*
genährt und mit starkem Fettpolster versehen. Bei Eröffnung
der Bauchhöhle entweicht eine Menge übelriechendes G|is,
Exsudat ist keines vorhanden ; das Peritonaeum erscheint un-
betheiligt, die dicken Gedärme sind von Gas enorm igisge-
dMint; die Schleimhaut des Rectums und absteigenden Theiles
des Dickdarms ist catarrhalisch gerötbel und infiltrirt; Ge-
schwüre zeigen sich keine. Dtn* Uterus steht zwei Zoll oter*
halb der Symphyse, zeigt eine dunkelbläuliche, livide Färbung;
die Schleimhaut desselben ist aufgelockert, mit einer weiss-
liehen Exsudatschicht durchzogen und lässt sich mit dem
Messer abschälen. Die Schleimhaut der Vagina ist geröthet
und an der hintern Wand mit diphtheritischen zusammen-
fliesfienden Geschwüren bedeckt. —
In der linken Brusthöhle existirt ein serös eitriges
Exsudat von mehreren Unzen; die linke Lunge ist in ihren
untern Partien hepatisirt und zeigt deutliche Spuren localer
Entzündung. Der Herzbeutel enthält eitriges Exsudat,
das Endocardium und die innere Gefassbaut der grossen Ge-
lasse sind hyperämisch. — Das Blut ist auffallend schwarfe,
tbeerartig, flüssig. — Der Kopf wurde nicht geöffnet. — Im
Leben hatte ich keine Erscheinungen beobachtet, die auf be-
stehende Entzündung der Brustorgane hingewiesen hätten d. h.
die Kranke hatte weder Husten, noch Stechen, noch Athem-
iH>th und ich hatte es daher unterlassen, mein Augenmerk
auf die Brustorgane zu richten und eine genaue Untersuchung
derselben vorzunehmen.
MiiQr, Kantom Mtieh, h^moliftftde PuerperftMeber ete. 297
Vierter, fünfter luid sechster Fall. Es folgten
ntto «n Achtnndzwanzigsten Augnst, ferner am sechsten
September nnd am zwölften September drei FäHe, die sämmt-
lieh mit befligem Fieber, aber ohne Frieseieruption oder
Localaffection aufgetreten waren, sich nach drei bis vier
Tagen reichliche Sehweisse kritisirten und sSmmtlicIi, unter
zierolicli exspectativer Behandlung, glöcklich verliefen:
Siebenter Fall. Es war nun einige Monate Rohe,
nnd leb glaubte schon, das Puerperalfieber sei, Dank der
ktllem Jahreszeit, verschwunden; aber bald wurde ich eines
Andern belehrt, als ich am 26. Deebr. zu Frau Seh ... in
Maur gerufen wurde. Sie hatte zum dritten Male, ganz regel-
mässig, schon vor vierzelm Tagen geboren, hatte sich bis
jetzt ganz wohl befunden, ward aber am 25. Decbr. (den
dreizelmten Tag nach der Geburt) von heftigem Schilttelfroste
befalien, dem brennende Hitze, grosse Erregtheit und Un-
ruhe, zeitweise Delirien folgten. Ich traf Patientin mit ge-
i-ölhetem Gesichte, trockner Zunge, einer feuchten, stark
schwitzenden Haut, einem harten, vibrirenden Pulse von 180
Schlägen^ starken Herzpalpitationen, Carotidenschnurren. Bei
retardirtem Stuhle und sparsamer Diurese war der Bauch
massig meleoristisch, schmerzlos. Die in diesem Falle vorge-
nommene Temperaturmessung ergab in der Achselhöhle 80^^^
in der Vagina 33^. — Die bisher nicht glücklichen Erfolge
dargereichter Evacuantien und die sich mir immer mehr auf-
€fa*angende Ueberzeugung, dass es weniger die Localerkraskung,
als vielmehr die etntretretende Blutdyscraaie sei, gegen die
ein therapeutisches Verfahren gerichtet sein müsse, bestimmten
mich in diesem Falle zur antidyskrasischen, tonisirenden Be-
handlung, ich reichte daher Aq. chlorata inneriieh sowohl,
als zu Vaginahnjeclionen ; nebstdem liess ich aromatisch weinige
Fomentationen auf den Unterleib machen. — Nach drei Tagen
war Abnahme der Fiebererscheinungen und der Delirien er-
siehtiich, aber nun trat grosse Schwäche mit öftem Ohnmacht^
anwandkuigen ein; ich zögerte nicht, Roth wein (Bordeaux)
zu verordnen und zwar stündlich löffelweise. Der Eifolg war
äusserst befriedigentl, nach wenig Wochen war die Frau ge-
nesen.
298 ^Xll. ^'«iHfMlU^» Beob»el(tMi8«i> illK dat iB d. Qtaaeiaa«
Acbler Fall. Nidit so gfiosiig war der folgoDd« Fall,
den ich eioen Monat spdter, den 28. lan., air Bebattdlimg
bekam* Es betraf dies Frau Pfr. K . . ^ weiche vor aclK
Tagen ihr sechstes Kind glücklich geboren hatte; Ihr Bo*
linden war in den ersten fünf Tagen ein durchaus befHedi-"
gendes. Da trat amfuDllen Tage, den 26. Jan., ScbAttel-
frost ein, der sieb auch am 26. und 27. Jan. wiederiiolte.
Erst drei Tage spater, am 28. Jan., wunle meine HüUe ge-
sucht. Ich traf die Frau bereits sehr sdiwach und matt; der
Puls war löO Schläge, schwach und blutleer, das Bewosst*
sein ungetrübt, die Gewissheil des bevorstefaenden Todes un-
erschutterlich , die Haut von einem klebrigen Sehweisse be^
deckt; nur an der Brust sind Andeutungen (ioes weissen,
bbssen Frieselausschlags. Bei meteoristisch ausgedehntem
Unterleibe sind die Diarrhöen proftis, die Lochien sparsam uad
übelriechend; die linke Ovariengegend zeigt sich gegen Druck
empfindlich. — Die grosse Entkräftung und die bereits be*
stehenden Erscheinungen der Blutsepsis lies&en keine Hoffnung
auf Genesung zu; versuchsweise gab ich Chinin, am folgenden
Tage Moschus, verordnete aromatische Foraentationen , in-
jecitonen etc. — umsonst! Die Kranke starb am 30. Jannar
bei vollem fiewusstsein und nachdem sie mit seltener €ha^
rakterstarke und hellem Geiste ihr Haus bestelH hatte. Die
Sßction wurde nicht gestattet
Begre^icherweise war nun bei allen Wöchnerinnen in
wdieni Umkreise die Angst und Sorge vorwiegend, und manch-
mal wurde ich gerufen, wo der Fieberzustand wesentlich der
ängstlichen Gemüthsstinmiung zugeschrieben werden musste.
Drei leichtere Fälle nur kann ich als Febrioula puerperalis,
heftigere Grade von Mikhüeber, bezeichnen, zwei weitere Fälle
indess führe ich noch an, die ich entschieden als Puerperal-
fieber bezeichnen ' muss.
Neunter Fall. Der eine Fall betraf Frau J9 . ., in
ÜssikoB, einem eine Viertelstunde von Mam* entfiMrten Weiler, kh
halte diese 40jährige, robuste Primipara am sechszehmen ilanuar
mittels einer schweren Zangenoperation von einem kräftigen
Kinde entbunden. Die ersten vierzelm Tage war das Befinden
ganz befriedige.nd. Am dreissigsten Jan. musste ich wegen
des erkrankten Kindes in's Haus, und (ragte zufällig nach
IfMur, Kaftton Zftrioh, h^rrttfhead« .Pii«rp6i%lieb«r «tc.
dem Beftidai der Mutter. Sie gab an, sie aei ganE wohl;
der Eheinaftn ^er aagte mir, daas sie oft verwirrt sei und
Diarrhoe habe. Die n&bere Besichtigung zeigte: Lebhaft ge*
rölhetes Gesicht, funkelad^ Blick, trockne, rissige Zunge,
Puls von 140 Schlägen, meteoristisch aufgetriebener, Schmers*
]o0er Unterleih ; der Liochienfluss ist unterdnlckt, Vagina beiss
und trocken mit einer Temperatur von 34^. — Es war un^
zweifelhaft, daas auch hier PuerperaJüeber bestelle. Ich ver*
ordnete Aq. oxymuriatica innerlich und zu Injeclionen, aro-^
macisch weinige Fomenlationen. Während vier Tage blieb
der Zustand sich gleich, waren die Diarrhöen profus, Jie
Delirien oonünuirlieh; dann zeigte sich iiber Brust und Bauch
unter Steigerung der febrilep Erscheinungen Scarlatina ähnliche
Röthe mit Frieseleruption, worauf am sechsten Tage die Fieber-
Symptome sich minderten. Nun aber trat grosse Erschdprung
mit Obnraachtsanwandlungen ein, wogegen ich China mit Acid.
phoepbor. und Bordeauxwein verordnete. Ailmälig hoben sich
die Kräfte und nach Verlauf von mehreren Wochen war die
Frau genesen.
Zehnter Fall. Der folgende ernstere Fall betraf die
26 jährige zarte Frau iEf . . . in Maur. Sie4hatte unterm
dreissigsten Januar glücklich ihr zweites Kind geboren. Vor
dem Kindbettfieber hatte sie so grosse Angst, dass ich am
Tage nach ihrer Niederkunft berathen wurde* Ich fand sie
unter den normalsten Verhaltnissen des Wochenbettes, be-
ruhigte sie, vei*sprach ihr aber, noch mehrmals bei ihr nach*
zuMhen. In der Tbat blieb die erste Wechte das Befinden
nach Wunsch; nur blieb auch Furcht und Sorge vor Erkran-
kung. In der Nacht vom achten auf neunten Febr. brachte
dci- Blann den Bericht, die Frau sei so eben von heftigem Schot-
telfroste befallen worden; ich verordnete, auf Rechnung der
Aengstlichkeit , eine einfache Oelemulsion. Am Morgen früh
braf ich die Frau in kaltem, klebrigem Scbweisse liegend, heftig
Hebernd mit einem Pulse von 140 Schlägen, bei sehr depri-
mirter Gemfithsstimmung. Der Bauch ist meteoristisch auf-
getrieben und in der linken Ovariengegend bei Druck.', sehr
schmerzhaft. Diarrhöen snid keine vorhauden, im Gegentbeil
besteht seit zwei Tagen Verstopfung. Der Lochienfluss hat
aufgehört, die Scheide ist heiss und trocken. — In diesem
^300 ^^U- WerdmiUUr, Boobaohtvngen ttb. ätks in d. GAiuelttae
Falle glaubte ich doch eine Entzündung in der Orariengegend
substituiren zu mössen, verordnete daher acht Egel, Cala*
plasmata, Glysma, innerlich Aqua orymuriatica. -7- Am M^
genden Tage war zwar die Schmerzhafligkeit geschwun-
den, aber der Meteorismus bedeutender, das Gefühl der
Schwäche vermehrt, der Puls auffallend klein bei 1:30 Schi.;
Stuhl war erfolgt. -~ Durch die Erfahrung belehrt fiirehte
ich den Schwächezustand, verordne daher Chinin mit Va-
lenanainfus, topisch aromatische Fomente, Chlorwasserin*
jectionen in ' die Vagina. Nach einigen Tagen zeigten sich
blasse Miliarien über Bauch und Brust. Damit hörte die
Bangigkeit auf, der Meteorismus legte sich; unter steigend
roborirender Behandlung ist die Kranke nach zwei Wochen
genesen.
Es trat nun eine längere Pause ein. Bis Ende Juni
dieses Jahres hatten mehrere Frauen geboren, ohne die
mindeste Störung des Wochenbettes erlitten zu haben. Jetzt
traten wieder zwei pernk^öse Fälle auf:
Elfter Fall. Am neunten Juli hatte Frau Z
in Maur, eine 38 jährige gesunde Bäuerin, ihr fünftes Kind
normal geboren. In der Nacht vom elften auf den zwölften stellte
sich plötzlich heftiger Frost ein. Idi traf am Morgen Patientin
heftig deltrirend, ungestüm um sich schlagend, mit geröthetem
Gesichte, klebrigem Schweisse, vollem Pulse von 140 Schlägen,
schmerzlosem, weichem Unterleibe, contrahirtem Uterus, nor-
malem Lochienfluss. Zuweilen trat Brechen ein. Ich ver-
ordnete in der Nacht eine Natronsolution , kalte Umschläge
auf den Kopf, sechs Egel an die Schläfe. — Am Morgen
war die Kranke ruhiger; bei stark schwitzender Haut stellte
sich Miliaria über den ganzen Körper ein ; Unterleib durchaus
weich und schmerzlos. Puls 120 Schi. Bei retardirtero Stuhle
verordne ich Glysma, Oelemulsion mit Magnesia carb. — Am
dreizehnten liegt die Kranke in stillen Delirien, Puls fast un-
fühlbar, 140 Schi., Schweisse profus, Friesel sehr entwickelt,
Unterieib tympanitiscb aufgetrieben, aber schmerzlos, Lochien-
lluss^stirt. Verordnung: Aq. chlorata innerlich, Chamomillen-
injecttonen in die Vagina. — Derselbe Zustand am vierzehnten,
der Puls so gesunken, dass er kaum zu fühlen ist. Unter
Zeichen allgemeiner Erschöpfung erfolgt der Tod in der
MMr, Kftttion ZäriDh, Wrraehende P«erp«r«Jfi#b«r «to. 801
Naelit auf den funftebulen. Seetion am aechsielinUa. Bei
Eröffnimg der Schädelhöhle traten die Geßstte der Meningen
^hr gefüllt und blutreicb zu Tage; die Hiriisubstanz ist nor-
mal, ohne alle Entzändungssymptome , kein Erguss in den
Höhlen. — Brust höhle: Die Lungen durchaus gesund,
Uutöberfiiilt; Herz ebenso, jedoeb das Endocardium und die
innere Gelasstiaut der grossen Gelasse lebhaft gerötbet; das
Bhit ist dunkelschwarz, schmierig und flössig.
Bei Eröffnung der Bauchhöhle entweicht eine Ueoge
Gas; innerhalb der Peritonaealhöble zeigt sich bei leicht ixt-
iicirtao) Peritonaeum eine kleine Menge röthlich-seröse Flüs-
sigkeit. Die Beschaffenheit dei* Gedärme bietet nichts Ab-
normes. Der Uterus sieht zwei Zoll oberhalb der Symphyse ;
er ist in seiner Substanz gelockert, fast brüchig erweicht, die
Schleiiiibaut als sokshe nicht zu erkennen; die ganze Innen-
fläche bis in die Scheide hinab mit einer weisslichen Ex-
sodalschicht« Mberzc^en; die hintere Seheidenwand mit diph-
tfaeritischen, congruirendeo Geschwüren bedeckt. Die Ovarien
zeigen sich etwas geschwellt*
Zwölfter Fall. Der letzte Fall stellte sich bei Frau
L . . . in dem benachbarten Weiler Üssikon ein, eider
schwächlichen Seidenweberin, Hutler eines zweijährigen Kindes.
Sie hatte am sechsten August normal geboren, war am achten
an Schüttelfrost erkrankt Die Erscheinungen boten, ohne
aiilfallende Schwäche und geringen, blassen Miiiariaausschlag
wenig Abnormes. Der Puls indess war cborakteristisch; er
betrug ISOScbL, war dabei kaum fühlbar; der Bauch weich,
schmerzlos, Locbienfluss sparsam* Schon sm neunten war
Collapsus vorhaoden, worauf in der Nacht der Tod folgte.
Hit diesen zwölf Fällen ist der gegenwärtige Cyclus
meiner Beobachtungen geschlossen. Wenn ich trotz dieser
kleinen Zahl von q^demischer Verbreitung geredM habe, so
berechtigt mich hiaeu das Verhältniss der Erkrankungen au
der Zahl der Geburten, indem in der genannten Zeit 35 Ge-
borten in Maur voiiamen, wovon 12 Wöchnerinnen erkrankten
und von diesen sechs tödtlich endeten. Die epidemische Ver-
breitung wird ferner cbarakterisirt durch die längs dem
linkseitigen Ufer des Sees und dessen Auafiuss, idt Glatt,
alfanähg fortschreitende Ausbreitung der Krankheit über die
30g XXIL WerdnMUr, Bto^trhiVLngwt Ob. 4m In d. Oeaieiiide
benacUMitieB OrteGbidten Pttllaoden «md DabefMkrf, in welch
ieUterer Gemeinde naaienflicfa , Fröbjahr und Sommer hin-
durch, sehr penudöse Fälle von Kindbeit^ber vorgekoDMUen
sein sollen. — Ob nun speciell in Maur das weitere Aul*
treten, das gi^pp<«weise AufHackern erloschen ist, steht
dabin. — Auffallend ist iflHnerhin die Art und Weise der
Entstehung und aUmälige Ausbreitung über alle Ortschaften
des linken Seeufei^s von Maur abwärts, während auf 4er
rechten Seeseite, speciell dem industriellen und Aberfölfcerten
Usler kein einziger FaU von Puerperalfieber iiiir bekannt ge»
worden ist. Es drängt sich daher zutiiohst die Frage auf,
was ist als Ursache der Entstehung und Ausbreitung su be-
zeichnen ? Sind es endemische, tellurische, oder miasmatische
oder contagiöse Agentieii, welche die Entstehung ond Aus^
breitung bedingen ? — Da bis auf die neueste Zdt da« Vor-
kommen des f uerperalhebers in Maur durchaus unbekannt
war, so liegt bei Mangel alter übrigen Anhaltspunkte 4ie
Annalime der GontagiosiUit nolie. Betrachten wir en Resmn^
nochmals den Verlauf: Eine Person kommt aus der Gebär-
anstalt, erkrankt — nach der Erzählung uneweifelhafl —
an Puerperalfieber und stirbt. Die schwangere Frau St, be-
sucht dieselbe wiederholt unmittelbar vor ihrer Niederkunft,
wird in ähnhcber Weise befallen und stirbt ebenfalls« Deren
SGhwä{ferin ist die folgende; sie hat denselben Geburtsstuhl
gebrauobt, von derselben Wärterin wird sie verpflegt. i>ie
Hebanmie besuche unmittelbar von diesen Frauen, die in
nficbster Nähe wohnende Frau Ä.^ welche nun ebenfalls hfi-
ficirt wird, und von da aus folgt nun ein Fall dem andern.
— Der Contagiosität widerspricht ansciieinend der Umstand,
dass die UebammC; wekhe in allen diesen FälieB lungiit hatte,
gerade in der schlimmsten Zeit unmittelbar nach dem ^I^yde
der Frau Pfr. K. ebenfalls zur Niederkuoft kam; merkiwur*
4igerweisse blieb sie verschont Allein wir wissen, dasi auch
bei andern contegiösen Krankheiten W&rCer oll verscIiofK
werden, überhaupt die Empfikiglichkeit nicht hei allen Indi-
viduen dieselbe ist -^ ,
Interessant ist ferner das gruppenweise AuffiJaekem, naeli-
dem Mooate lang die Krankheit ststirt hatte. Dieselbe Er^
scheinung wtN*de, meines Wissens, auch in der Gebäranstelt
IfAiir, K«i»ton Zürieh, hArrsdiead« Poerperalfleber etc. ^8
Zürich be^baelitet, ohne da^ eine gfenAgend« Erkttrang für
diese ErBcheinung tu finden w&re. — Wie in den Gemeinden
Filllanden and Dökendorf sich das Puerperalfieber ausgebreitet
habe« weiss ich »ieht Doch liegt die Annahme nahe, dass
a«8 dem ConUginm sich das Miasma entwickelt und als solches,
wie wir AehnKcbes von der Cholera gehört haben, längs dem
Seeufer und dem Laufe dei* Glatt sieh ausgebreitet hebe,
wofür die Thatsadie spricht, dass die untero Ortschaften weR
später, als Maur befallen wurden.
Was nun die Erscheinungen der beobachteten Patte be-
trifft, so sind sie sich alle ziemlich itmlich. Schüttelfrost
bezeichfKt immer den Anfang; Calor mordax, wesentlich er-
liölite Temperatur, bedeutende Pulsf^equent , ungewöhnliches
Sdiwäcbegeföhl mid ErgrifTensieifl des Sensoi'iuras fehlt nie.
Mit Ausnahme eines günstig Teriaufenden PaHes (Nr. 7), wo
die sensoriellen Störungen pravahrten, war bei Allen Priesel*
emption ertülgt und zwar von dem blassen, weissen, oft kaum
bemerkbaren Prieselausschlag bis zum vollendeten Soharlach-
fHefiiel. Plötzlicher Rücktritt des Exanthems ging (Nr. 1 u. 8)
dem Tode voran; doch war auch schön entwickeltes Exan-
them kein Kriterium der Genesung (Nr. 3u. 11). — Diarrfiöen
waren fast in allen Pällon vorhanden ; je heftiger diese, desto
■nginstiger die Prognose, indem Verfall der Kräfte rasch
folgte. — Schmerzgefühl gegen Drack, resp. Erscheinungen
bestehender localer Endzündungen waren nicht immer vor-
banden und hnisichtlich der Prognose nicht bestimmend. ^
AufniUend war in zwei Fällen eme fast gänzliche Pulslosig-
keü; beide endeten klhal. — Delirien waren in allen FäUen
vorbanden, aber von freien Intervallen unterbrochen. Ihre
Vehemenz war nicht massgebend und gerade m einigen der
tödMicb eodHiden Pilllc erkannten und beuitheitten die Kran-
ken ihren Zustand .mit hellem Geiste und bewundemswerther
Charakterstärke.
Die freilich nur in zwei Fällen vorgenommene Section
zeigte fibereinsliramend di£ Innenfläche des Uterus als Lo-
caltsatiensheerd und bot die charakteristischen Symptome von
fintfometritis diphtheritica. — Ebenso oharakterisiren sich
beide Fälle durch eine flüssig«;, Üieerartige BhilbeschafTenheft^
entsprechend einer frühzeitigen Zersetzung der Blulmasse. —
304 XXII. WärdmOlUr, Be*b«t-litaBg«ii Ab. das in d. Gemeinde
Nach diesen, freUicli vereiozelten Sectioosrefmllaten so-
wohl, als deoi ganzen Verlaufe und den Symptomen der Krank*
heit glaube ich berechtigt zu sein, in vorliegenden Fällen
allen ein wahres Puerperalfieber, nicht einen blossen Kind*
bettfriesel annehmen zu dürfen. Das Exanthem war blosses
Symptom, gerade wie manchmal bei Typhusepidemien FrieseU
eruption Zeichen höchst entwickelter Krankheit ist. — Ueber
Definition und eigentliches Wesen des Puerperalfiebers herrscht
übrigens bekanntlich heutzutage noch grosse Meinungever-
schiederdieit — und während die Einen dasselbe ftlr einen
stets gleichartigen Krankheitsprocess, für eine in sich ab-
geschlossene pathologisclie (Inität erklären, behaupten die
Andern, dass das Kindbettfieber unter den verschiedensten
Zustanden und Krankheitslocalisationen sich ausspreche, bald
geschehe die Localisation im Utei*us, im Ovarium, Peritonaeuai,
in den Venen u. s. 1. Darnach • seien die Erscheinungen
durchaus verschiedene und die verschiedensten Krankheilen
haben nur gemein ihre Tendenz zur Adynamie, zur Exsudat*
bildung, zur Sepsis, begründet in der Aehnlichkeit der Blut*
krasis und der Erregtheit des Nervensystems. Darauf hin
weisen nun freilich auch die neueren Untersuchungsresultate,
die eine Verminderung der Blutkilgelchen , ein frühzeitiges
Zerfallen derselben und einen grossen Reiclithum an farblosen
Blutkügelcben, vielleicht Eiterkörperchen, bestätigen.
Meine Erfahrungen sind zu gering, als dass ich mir ein
Urtheil in einer Streitfrage erlauben dürfte, die nur die ge-
lehrten Fachmänner entscheiden können. -— Darüber indess
bin ich unzweifelhaft und halte es für practisch wichtig, dass
das Kindbettfieber, ähnlich wie der Typhus, nicht eine rein
locale Krankheit ist, dass ferner die beobachteten Fälle in
ihrem Verlaufe grosse Aehnlichkeit mit exantbematischen Pro-
cessen hatten, dass die Localisation erst im Verlaufe statt fand,
nicht immer ein und dieselbe war, und dass danach die
Symptome sich wesentlich roodificirten.
Dieser Umstand war es dton auchr, der mich in der
Behandlungsweise leitete. Prophylactisch hatte ich das Mög*
liebe zu Verhütung der VVeiterverbreitung gethan; ich hatte
die Hebamme angewiesen, den Geburtsstuhl nicht mehr zu
gebrauchen, r— ihre Person durch öfteres Waschen mit
Maar, Kaolon Ztiri^h, herrscha^de PDerp«ir«]ß«ber ato. 305
Chlorwasser zu desinficiren , nach, jedem Besuch einer er-
krankten Frau die Kleider zu wechseln u. s. f. — Ich hahe
Ursache anzunehmen, dass diese Anordnungen von der ge-
wissenhaften Hehamme hefolgt wurden. — Bei allen Wöch-
nerinnen, gesunden und kranken, ward auf möglichste Rein-
Uchkeit gehalten und die Furcht vor Erkrankung machte auch
die Fahrlässigen williger, die Anordnungen zu hefolgen.
Gestutzt auf die Erfahrungen erprobter Geburtshelfer
hatte ich mehrmals Calomel versucht; aber der Erfolg war
durchaus nicht ermunternd. Ueberhaupt kann ich der
evacuirenden Methode nicht rechtes Zutrauen schenken und
konnte daher auch die Seifferi&fAxe, Anwendung von Laxativen
nicht in Anwendung ziehen ; denn es ist gewiss, dass Diarrhöen
ein schlimmes Criterium waren und dass daher Beförderung
derselben den Verfall der Kräfte zu befördern scheint —
Mehr Vertrauen habe ich, wenn überhaupt ein directes Ver-
fahren am Platze ist, zur desinGcirend umstimmenden Behand-
lung; ich versuchte daher Aq. chlorata, reichte dann aber,
sobald Kräfteabnahme zu besorgen war, Roborantia - Ex-
citantia: Chinin, Wein — mehrmals mit gutem Erfoig. —
Gewiss muss, wie äherall, individuaüsirt werden; so wenig
als jeder Einzelfall, ebenso wenig kaun jede Epidemie, die
oft ganz verschiedene Charactere offenbaren, auf eine und die-
selbe Weise behandelt werden. Wer so tiefe Erkrankungen
nacli einer Chablone kuriren will, geräth auf Irrwege; man
hüte sich überhaupt vor directem „Zuvielthun" und halte sich
stets an das alte, aber wahre Wort : Medicus nun sit magister,
sed minister naturae!
Monatsachr. f. Qebartsk. 1865. Bd. XXV.. Hft. 4. 20
306 XXm. Pojn^sl, Ueber Coprostaftii im tV^ocbettbett,
xxm.
üeber Coprostasis im Wochenbett«
Von
D. J. Pappel,
Privatdocant , HQIfsarzt an der gebnrtflbfllfllehen Poliklinik und prakt. Arxt
in München.
Der in der Aufschrift bezeichnete Zustand einer Wöch-
nerin dürfte im Allgemeinen als ein normaler anzusehen sein,
indem gewiss in der Regel in den letzten Wochen der Schwan-
gerschaft nicht nur in Folge mechanischen Druckes des
Uterus auf den Hastdarm, sondern auch in ("olge geringerer
Dannperistaltik eine Stagnation der Kothmassen eintritt, die,
in deii ersten Tagen des Wochenbettes noch andauernd, oft
künstlich beseitigt werden muss. Ueber die Diätetik dieser
fast Constanten Obstipation in der Schwangerschaft und während
des Wochenbettes enthalten die Lehrbücher weitläufige Er-
örterungen, in deren Verlauf wohl auch erwähnt wird, da^s
in seltenen Fällen eine so hartnäckige Stuhlverstopfung im
Wochenbette auftreten könne, dass man mit den gewöhn-
lichen Evacuantien nicht zu Wege komme, und man genöthigt
sei, zu stärkeren Laxantien, selbst zu den Drasticis überzu-
gehen. Dies ist aber auch beinahe Alles, was Über solche
länger andauernde und schwerer zu beseitigende Obstipation
mitgetheilt wird, und meines Wissens wird allenfalls nur noch
auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die aus versäumter
oder zu lange verschobener Entleerung der stagnirenden
Kothmassen erwachsen könnten. Eine eingehendere Schil-
derung der Symptome, die dabei zur Beobachtung kommen
können, wird bei den Autoren vermisst. Auf Grund aller-
dings nur weniger aber dafür sehr unzweideutiger Erfahrungen
über den besprochenen Gegenstand möchte ich die Aufmerk-
samkeit vorzuglich auf die unter Umstanden nicht ganz auf der
Hand liegende Diagnose der Coprostasis lenken. Die Symp-
tome, die eine erheblichere Kdthanhäufung veranlassen kann,
sind nach den gleich näher zu erwähnenden Beobachtungjen
XXIII. Fajf^el, Ueb^i- Copjrofttuis im WooImüImU. 807
manchoial s» störmuebe^ das» m "bei der vtUem. mehr^betv-
tläcbliehen Betrachtiiog leicbl xur Aouahme eiaer viel sohwereren
Erkrankung verleiten.
Folgende K^ankeageschicibten niögeA imn Beweis« fiü*
diese Ansiebt dienen.
Bei einer Erstgebärenden v«o 26 Jafaran, die wfthrend
der Schwangerscbaft inuner gesund gewesen war<» auch in
der letzten Zeit dm*cbaus nicht an auflUiender Stuhl? erstoptuag
gelitten hatte, tralen an) Anfange des neunten Monates früh*
zeitige Wehen ein. Die Eröfitoangaperiode dauerte 60 Slunden.
Schon während dieser war der Leib auffallend empfindlich«
'aameatlich oberhalb der rechten Inguinalgegend. : Gegen
Ende derselben stellte sich anhaltendes Erbrechen gräner
Massen mit Zanahme der Sehmerzen ein. Nach dewWasen-
aprunge und nach zweistdndiger Dauer der zweiten Gebnrtfl-
periode wurde ein lebender Knabe von 46 Gt. Linge giboren.
Die Geburt erfolgte am ersten Januar 1865« Abends acht Uhr.
in der darauf folgenden Naehi dauerten das Erbrechen und
die Scfainerzhafiigkait des Unterleibes an. Am zweiten Ja- '
nuar ergab eine genauere Untersuduuig grosse Schmenihailtig-
keit naonaitlich der Regio iUaca dextra, an derselben leeren Per-
Cttsaiouston und unverkennbar vermehrte Resistent, ohne daas
aber eine circuiuscripte Geschwulst abzugi*eifen gißwesen wäre.
Der Uterus war gut contrahirt und auf Druck nicht empfind-
Ueh. Das Allgemeinbefinden dagegen sehr beiifirubigend :
Brennende Hitze der Haut, seht* freqoenter Puls, trockene
Zange, eingenommenes Sensorium, konnten, w^nn man das
immer andauernde Erbrechen und das schmenhafle Abdomen
mit in Betracht zog, leicht au der Annahme einen acuten
Peritonitis verleiten. In der Tbat wurde der Zustand aucti
von einen Prakticanten der Poliklinik in diesem Sinne ge-
deutet, und desshalb Opium in grösseren Dosen verabneiebt.
Als ich an demselben Tage Abends die Patiealid zum erstell
Male sah, wer keine Veränderung in dem Befinden eingetreten.
Ea wurde nun Ricinusöl verordnet, aber sofort wieder er-
brochen; auch ein Klystiilr mit Rioinusöl blieb ohne Erfolg.
Des andern Morgens hatten sich alle Ei*scbeinungeu ver-
schlimmert , das Erbredien dauerte noch immer an , die
SchmerzhaftigkeJt des ganzen Abdomen war sehr gross und
20*
308 XXIII. Poppen, Uftbar CoprotlMU im Wochenbett.
der Puls auf Qker 120 SchUge gestiegen. Jetzt wurden drei
fAnfgränige Calomelpul?er verordnet, von denen das erste
auch wieder erbrochen wurde. Die zwei apdem blieben und
bewirkten gegen Abend desselben Tages einige massenhafte,
aashafl stinkende Ausleerungen. An diesem und den folgen-
den 4 Tagen erfolgten nun 44 (genau gezählt) kothige, meist
sehr copiöse Stühle, ohne dass ein weiteres Mittel verabreicht
wurde. Alle bisherigen bedrohlichen Erscheinungen minder-
ten sich um so mehr, je mehr Stühle erfolgten, namentlich
war ein successives Kleinerwerden der resistenten Stelle in
der Regio iliaca, dextra genau zu beobachten. Am 9. Januar
waren Fieber und Schmerzen voUstfindig verschwunden und
relatives Wohlbefinden vorhanden.
Wenn in diesem Falle die Diagnose keiner Schwierigkeit
unterlag , so kann der folgende zeigen , dass unter Umstän-
den das Bild der Krankheit so vollständig einer heftigen puer-
peralen Erkrankung gleichen kann, dass eigentlich erst der
Erfolg der Therapie allen Zweifel beseitigt.
Bei «iner 33jährigen Zweitgebärenden stellte sksh, nach-
dem die Eröffnungsperiode 8 Stunden gedauert hatte, der
Kopf in erster Vorderscheitellage zur Geburt. Nach 12 stün-
diger Dauer der zweiten Geburtsperiode wurde die Zange an-
gelegt, und nach 12 — 15 sehr kräftigen Tractionen ein todter
ausgetragener Knabe entwickelt Eine Stunde vorher waren
die Herztone noch regelmässig zu hören gewesen. Die Nach-
geburt folgte ohne Kunsthälfe nach. Acht Stunden nach der
Geburt stellte sich angeblich plötzlich grosse Aufjgetriebenheit
des Leibes mit bedeutender Schroerzhaftigkett namentlich in
der Cöcalgegend ein. Dazu gesellte sich anhaltendes Erbre-
chen, anfangs schleimiger, später grünlicher Massen. Von
dem Practikanten wurden 10 Blutegel an die am meisten
empfindliche Stelle vei*ordneL Am Abende desselben Tages
fand ich Zunahme sämmtlicher beängstigender Symptome,
namentlich des Meteorisrous, der Schmerzhattigkeit des Unter-
leibes und des unaufhörlichen Erbrechens. Ohne dass man
den Puls gefühlt hätte, wäre der Eindruck, den die Patientin
bot, ganz der einer an der acutesten Peritonitis Erkrankten
und dem Tode Nahen gewesen. Aber gerade der Puls wider-
sprach ganz dem übrigen Krankheitsbilde, denn er war voll,
XXIII. PappBl, Udb«r CoprostaBiB im Wochenbett. 309
regelmässig und macbte nicht über 84 Schiäge in der Minute.
Den Sitz des Schmerzes im Abdomen genauer zu beeiimmen,
war nicht mdglicb, da die ganz ungewöhnliche Tympanitis
jedes nähere Untersuchen vereitelte; doch war neben der
über den ganzen Unterieib verbretteten Schmerzhaftigkeit
deren Ueberwiegen io der Cöcalgegend nicht zu verkennen.
Die Urinsecretion zeigte keine Anomalie. Schon an diesem
Abende wurde durch Ausschluss anderer Möglichkeiten die
Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf Coprostasis gestellt Denn
mit allen anderen Annahmen, also etwa mit der einer Coo^
tinuitätstrennung des Uterus, an die man bei dem so sichnei-
len Auftreten der Symptome nach einer schwierigen Opera-
tion zuerst denken konnte, oder mit der einer acuten Peri^
tonitis aus anderen als traumatischen Ursachen, war der
YoUständig normal beschaffene Puls lücht in Einklang zu
bringen. Die Therapie wurde an diesem ersten Abende aitf
Darreichung von Eispillen und einer Brausemischung beschränk^
da man bei Abwesenlieit einer dringenden Indication unbe-
sorgt die Entwickelung des Krankheitsbildes abwarten konnte.
Als jedoch am andern Morgen keine Aenderung einge-
treten, das Erbrechen alle viertel oder halbe Stunden
wiedergekehrt war, die Tympanitis sich eher vermehrt hatte,
auch der Puls etwas frequenter geworden war (100 Schläge),
sah man sich, da man noch immer an der Wahrscheinlich-
keit einer Kothanhäufung im Cöcum festhalten musste, ver-
anlasst, 2 funfgränige Calonielpulver zu . verabreichen. Diese
hatten denn auch den gehöhten Erfolg. Im Laufe des Tages
traten 8 reichliche kothige Ausleerungen ein, das Erbrechen
sistirte fast gänzlich, der Meteorismus nahm ab. Auch am
folgenden Tage wurden wieder 8 Ausleerungen 'gezahlt. Ohne
weitere Verabreichung eines Mittels stellten sich noch in den
nächsten 2 Tagen je 3-4 StuMe ein, so dass im Ganzen
22 — 24 erfolgt waren. Am Morgen des sechsten Tages war
Patientin als genesen zu betrachten.
Der nächste Fall zeichnete sich weniger durch die Schwie-
rigkeit der Diagnose, als durch die grosse Hartnäckigkeit der
Stuhlverstopfung aus.
Bei einer achtgebärenden Frau traten am dritten Tage
des Wochenbettes, nachdem die Geburt ganz normal und
310 XXIIL Pappel, Ueber Ooprostasis im Wochenbett.
sehr M^blleU veriaufen war, heftige Schiiier2eD in der G^cal-
gegendl auf; Dieaeib« war auf Druck sehr empfindlich, resH
Stent und bot leeren Percuasionston dar. Der Puta war
massig accelerirt, die Haut heiss, Erbrechf>n fehlte. Ricinusöl
blieb ohae Wirkung. Als auch am fünften Tage nodi kein
Stuhl trotz öfterer Darreichung desselben Mittels erfolgt war,
wurden 3 fünfgränige Catonielpulver verabreicht, aber auch
diese bewirkten bis zum siebenten Tage keine Ausleeningen.
Die Symptome waren in dieser Zeit i»ich gleich geblieben.
Doch forderte eine stets zunehmende Schmerzhaltigkeit der
Cöcalgegend zu energischeren Mitteln, um Stuhl zu erzielen,
a«f. Es wurden deshalb am siebenten Tage des Wochen-
bettiis vier Unzen wä^srige RheunUinctur verabreicht. Aber
selbst diese blieben erfolglos, so dass man am nennten Tage
ein starkes Sennainfus als Klystter verordnete. Jetzt endlich
traten in den nächsten z\fei Tagen 21 reichliche kothige
Stöhle ein, womit die oben erwähnten Symptome allmälig
schwanden. Vierzehn Tage nach der Geburl wiederholte sich,
nur in geringerem Grade die Anschoppung der Kothmassen,
doch war diesmal Ricinusöl im Stande, 9 ergiebige Auslee*
rungen zu bewirken.
Diese Beobachtungen, so wenige es auch sind, berech-
tigen gewiss zur Aufstellung der Goprostatis als einer selbst-
ständigen Erkrankungsform im Wochenbette. Es drängt sich,
meme ich, die Frage auf, warum dieselbe erst hn Woclien-
bette so plötzlich die heftigslen Symptome hervorrufen kann,
nachdem sie doch auch schon Während der Schwangerschaft
bestanden hat, ohne irgend welche Beschwerden bedingt zu
haben. Dass nach der Entleenmg des Uterus und damit
nach Aiiflfebung des Druckes die durch diesen gelähmte
Darmperistaltik in der Regel doch erst nach kürzerer oder
längerer Zeit ihre frühere Energie wieder erlangt, ist be-
kannt. Aber man kann sich vielleicht vorstellen, dass bei
beträchtlicher Anhäufung von Kothmassen und durch diesel-
ben bewirkter naturwidriger Ausdehnung des Dickdarms, sich
sofort oder bald nachdem das mechanische Hinderniss der
Fortbewegung des Kothes durch die Geburt beseitigt ist, auch
der Darm seines voluminösen Inhaltes durch Gontractionen
zu entledigen sucht. Pa diese Bestrebungen bei zu grossem
XXIII. Poppelt IJebei CoprosUBis im Wooheobett. 311
Widerslande ▼ergehliobe sind, entsteht bald eine entzündlicbe
Reizung des Darmes, und damit beginnen die Krankheitser-
scheinungen. Das so heftige Fieber, wie es im ersten FaDe
beobachtet wurde, darf vielleicbt auf Resorption deletärer
Stoffe aus dem faulenden KoUi zurückgeführt werden; denn
dass im Wochenbette, namenüicli in den ersten Tagen ^ eine
sehr energische ResorptionsthStigkeit im ganzen Organisimis
herrscht, geht aus vielen Umständen hervor, wie aus der so
raschen Verkleinerung des Uterus, aus der so schnellen Ab-
nabnie seröser Infiltrate, aus dejn enormen, in den ersten
acht Tagen stattfindenden im Mittel den zwölften ^) Theil des
mntterlidien Körpers betragenden Verluste des GesanmU^
gewichtet der Wöchnerinnen. Dass die beginnende entsTuid-
liehe Reizung des Darmes wenigstens nicht im Anfange das
Fieber bedingt, beweist der zweite Fall, wo mit den andern
heftigen Erscheinungen der Puls so auffallend contrastirte.
üeber die Therapie ist nichts Beraerkenswerthes zu er-
wähnen. Ich glaube, dass, wenn man mit Ricinusöl und Ca-
lomel nicht bald Stuhl bewirkt, man mit stärkeren Mitteln,
Rheum und Senna, nicht lange zögern soll, ehe sich eine
wirkliche Entzündung des Darmes einstellt. Mit Opium da-
gegen wird man der Kranken wohl nicht viel nutzen können.
XXIV.
Notizen aus der Journal -Literatur.
Qu99erow: Ueber Dysmenorrhoe aus mechanischer
Ursache.
Yerf, macht aaf die Häufigkeit der mechanischen Ursachen
bei schmerzhafter Tind anregelmJissigfer Menstruation mit Recht
aufmerksam und gebt besonders die Vereni^ernn^en des Cervical-
canales durch. Dieselben kennen angeboren oder erworben
sein, sitzen am innern oder Knssern Muttermunde, erstrecken
sieh in seltenen Fällen auf den ß;ansen Canal. Die erworbenen
1) GoMner, Ueb«r die VerXnderaogen des Körpergewielils
bei S^ehwaDgeren etc. Monatssckr. f&r Gabortak. und Frauen-
krankheiten. Bd. XIX.
312 XXIV. Kotlsen ans der Jonrnal* Literatur.
Dlod narbig nach GesohwÜren and Katarrhen, fthnlieh wie Stric-
tareA der Diännliehen Harnröhre nach Gonorrhöen, oder sie tre* '
ten In Begleitung der chronischen Metritis anf, dareh Sehwellang
der Schleimhant, oder mit Retro- and Anteflezionen des Uteras.
Aach iLrampfhafte Zusehnnrangen des inneren Muttermandes kom-
men Tor and deshalb ist die Feststellung der Diagnose nicht
immer leicht and verlangt grosse Oeschieklichkeit bei der Be-
ntttsong der Uternssonde. Die Therapie wird haaptsXchlioh me-
chanisch sein mfissen, wie bei den Stricturen der Harnröhre.
Dilatatorien Terschiedenster Art and Incisionen sind die richti-
gen Mittel.
(Berliner klinische Wochenschrift 1865. Nr. 6).
Ghräf: Die verschiedenen Formen Yon Hydrorrhoea
graTidaram.
Verf. theilt zwei Beobachtungen mit und knüpft daran einige
epikritische Bemerkungen.
Die erste Schwangere hatte im Anfange des vierten Mo-
nates wässerigen Abgang nach einem vorausgegangenen Fehl-
tritte und anstrengendem Gange. Die Entleerung erfolgte stoss-
weise unter leichten ziehendes Schmerzen, das Abgehende war
wasserhell, klebrig, stärkte die Wäsche und roch wie Frucht-
wasser. Unter ruhigem Verhalten minderte sich der Abfluss,
trat aber bei stärkeren Bewegungen immer wieder ein und*die8er
Zustand dauerte volle 11 Wochen. Jetzt trat die Geburt ein,
es floss fast kein Wasser, aber bald reines Blut. Das Kind
wurde in Steisslage, noch vollständig von der Blase umschlossen,
geboren, war unreif und starb nach y. Stunde. Das Wochen-
bett verlief normal. Der Fruchtkuchen war klein, in den an
seinem Rande eingerissenen zarten Eihäuten fand sich ausser
diesem Risse eine kreisrunde Oeffnung, gegen 3'" im Durch-
messer; ihre Ränder erschienen dem blossen Auge scharf, unter
der Loupe jedoch sind wulstige, umgekrempelte Fetzen zu sehen,
welche sowohl auf der Uterinal- als Fötalfläche die Oefinung
wallartig umsäumen; sie ist 6" vom Placentarrande, «V' vom
blinden Ende des Eihautsackes entfernt.
im zweiten Falle verlor vom dritten Monate ab die Schwan-
gere eine theils chocoladefarbige , theils blutwässerige Flüssig-
keit mit häutigen, weisslichen und röthlichen Fetzen gemischt,
mitunter allmälig, dann wieder stossweise unter wehenartigen
Schmerzen. Dies dauerte bis zur rechtzeitigen Geburt, bei der
zuerst ähnliche Abgänge stattfanden, dann ein ziemlich starker
Bluterguss; einige Stunden darauf Blasensprung, Ablauf vielen
Fruchtwassers und schleunige Geburt eines kräftigen, lebenden
Mädchens. Nachgeburt normal, Eihäute derb, ohne zweiten Riss.
Wochenbett günstig.
XXiy. Notisen ans der Journal -Literatur. 313
Verf. glaubt hiemaeh, dass die frühsettige Zerreissung des
Eieaekes häufiger Torkomme, als wenigstens die deutschen Ge-
burtshelfer gewöhnlich annehmen, und durch mangelhafte Unter-
suchung des Sackes übersehen werde.
Jedenfalls ist die Hjdrorrhoea nicht als eine geschlossene
Krankheitsform anzusehen, sondern nur als eine Erscheinuu};,
welche mehreren auf rerschiedenen anatomischen Grandlagen
berahenden Zustanden gemeinsam ist. Dahin gehören früheei-
tige Lösung äer Placenta, Catarrh der Uterindrflsen und Torsei-
tige Zerreissung der Eihäute, meist durch ein Trauma herbei-
geführt. Für die Diagnose ist die Beschaffenheit und Menge des
Ausflusses, das gleichseitige VerhAlten der Gebärmutter, das
Allgemeinbefinden, die Geburt und das Wochenbett Ton Wich-
tigkeit.
(Jenaische Zeitschr. f. Media, u. s. w. Bd. II., H. 1, 1865).
Schnitze (Jena): lieber Superföcundation und Super-
fötation.
Verf. fand in der Präparatensammlung der Jenaer Entbin*
duBgsanstalt die Nachgeburt eines ansgetragenen oder fast ans-
getragenen Kindes, deren Band an */^ des Umfanges Ton einem
festen concentrisch geschichteten Fibrinring umgeben ist, wie
solche öfter nach intrauterin gebliebenen Blutungen im Umkreise
der Phkoenta' vorkommen und entweder anra Abortus führen oder
die Breitenentwickelung der Placenta hindern. An der Stelle,
wo der Fibrinring den Band des Eies frei lässt, liegt demselben
unmittelbar ein «weites Ei an. Eine dünne Decidnaschiebt ist
•wischen beiden Chorien gelagert und bei Zerrung spannen sich
in ihnep die sich k reusenden Zotten. Das kleinere £i länft langge-
streckt >am Bande des grösseren, sein Chorion haftet dem Amnion
fest an und ist letateres nur an einer kleinen Stelle freigelegt.
An der Innenfläche des Eies entspringt ein 2 Centim. langer
Nabelstrang, welcher einen wohlgeformteu, nnr im Spiritus etwas
geschrumpften 9 — 10 Millim. langen Embryo tragt, welcher siem-
lieh genau der ß. Schwangerschaftswoche entspricht. Seine Ober-
flKehe ist Tollkommen glatt und glRnsend weiss, die Haut nioht
leicht yerletsbar und die ganse Substana des Körpers atemlieh
fest elastisch ansufühlen, wie nur an einem gans frisch in den
Spiritus gelangten Embryo dieses sarten Alters. Der Kopf ist
▼erh<nissinftssig klein und ohne sichtbare Scheidung der ein-
aelnen Himblasen, der Bauch gesohlossen, die Extremitäten fioa-
senförmtg, ohne Pingertheilung. Beide Eier sind fest und orga-
niteb mit einander Terbunden und jedenfalls au gleieher Zeit
geboren.
Verf. glaubt nicht, dass hier eine Snperfötation rorliege,
314 XXIV. Notisen ans der JoumAl-Iiiteratur^
obwohl der Unterschied io der Entwickelnng beider Eier (aehein-
bar 6 Wochen und 40 Wochen) ein ganz anaaerordentlieher ist,
and swar hanpt8ächlic|i deshalb, weil die ChorioDhöhle das sechs-
wöchentlichen Eies in längster Aasdebnung über 3'' lang ist and
mit derselben Länge dem grösseren Ki anliegt. Das seigt deut-
lich, dass es an dem Wachsthuui des grösseren Eies längere
Zeit bindttcch, durch seine Verbindung mit ihm, sunächst passiv
betheiligt wnrde. Das Amnion ein^s frischen ^echswöchentlichen
Embryo misst im längsten Durchmesser etwas über r', liegt
ancb dem Chorion niemals fest nn, sondern ist von ihm durch
einen Kaum, welcher spärliches embryonales Bindegewebe ent-
hält, getrennt, im vorliegenden Eie liegt das Amnion dem Cho-
rion fest an und hat also eine die sechswöehentliche Entwicke-
lang noch weit mehr als das Chorion und um das Vielfache
ubertrelFende Ausdehnung. Auch die Nabelschnur ist länger als
an einem frischen sechswöchentlichen Embryo. Daraus geht
hervor, dass das Ei viel länger gewachsen ist, als der Embryo
und letsteren um Monate überlebt hnt. Deshalb kann es aaeh
eben so alt sein, als das grössere Zwillingsei.
Wenn also auch im Allgemeinen die Möglichkeit einer Super*
fÖtation nicht in Abrede gestellt werden kann, so bleibt doch
kein bisher beobachteter Fall vor strenger Kritik auf Superfo-
tation verdächtig und auch das oben beschriebene Präparat
(welches übrigens durch eine gute Abbildung veranschaulicht
ist), kann bei genauer (Tntersuchnng den Verdacht beseitigen,
obwohl kein Präparat existirt, welches in so hohem Orade im
8tande wäre, den Verdacht su rechtfertigen.
In den der Beschreibung des Falles vorausgeschickten Ans-
einandersetsungen über Superfötation folgt Verf. im Wesent-
lichen den Ansichten und Kritiken KtutmauVs,
(Jenaisehe Zeltschr. f. Media, n. s. w. Bd. II, H. U 1865).
Htümann: Ein Fall von Extrauterinschwangerschafi
bei einer Mehrgebärenden, welche zuletzt durch
den Kaiserschnitt entbunden worden.
Die durch den Kaiserschnitt durch Verf. entbundene Frau
(s. MoBatsschr. f. Geburtok., ) war im Joli 1863 sum letsten
Mftle menstruirt, nachdem sie die Zeit von ihrem letaten Wochen-
bette an fortschreitender Osteomalacie gelitten hatte. Im achten
Monate ihrer jetaigen Schwangerschaft glitt sie aus and seitdem
traten die Erscheinungen des Todes der Fraeht 6in. Am
Itl. Febniar aeigten sich Wehen and Blatabgang. Di« innere
üntersuchnng war wegen äusserster Verengnag des osteoaiala-
cischen Beckens unausführbar, bei der äusseren Untersttohung
liesaen sich die Fraehttbeile so daatlich du rehfüh le u , dass H,
XXIV. Notlfen mnä «Ur JoaraAl-Literatnr. 315
«0 eine UterBuroptvr und Austritt «ler Pracht in die BnncbhShlp
deehte, oder, well das Alt^meinbefinden gnt war nnd die Wehen
fortdftnerten , aa eine eackförtnige Ansbochtung der an der
NarbenateUe rielleicht rerdOnnten OebArmnttorwRnd. Allmliligr
lieseen die Wehen nnch nnd da keine hedenkliehen Erscheinung^en
aaftraten, entfernte sich H. wieder. Acht Tag^e nachher wurde
die Hant der Banchdecke in der IleocücAlg^eKend rosenartig ent-
findet nnd ödematös inflhrirt, es trat Fieber ein, die Bauchdeeke
ezcoriirte, nnd aus dieser Stelle trafen seitweilip Blntergüsse
ein. Am 27. Februar, 15 Tage nach dem ICintritte der ersten
Wehen brach swischen Nabel und Symphyse ein Abseess auf
ond entleerte reichliche Jauche. Der durch die Oeflfnung
eingeführte Finger fühlte deutlich dicht hinter der Hanchwand
den Kindeskörper. Da die Baaehpfesse den Fötns stark gegen
die O^ffnung drängte,, erweiterte /f. dieselbe nach oben. und unten,
etwa 6" lang und entwickelte einen macerirten Knaben, dem nach
Tier Wochen au der Reife fehlten. Da die Nachgeburt nicht
folgte, wurde die Hand eingeführt nnd diese gelangte in einen
geschlosnenen Ranin, der Torn und seitlich Tom Bnuchfelle, hinten
von der schlaffen rorderen Uebärmotterwand umschlossen war.
Auf dieser rorderen Wand sass die Plaeenta, fest mit ihr ▼er-
wachsen und Hess sich etwas schwer, aber ohne Blutverlust
lösen. Die EihXute fehlten gKnulieh. ~- Die Höhle wurde nun
sauber gereinigt und rerbunden und nachdem die ersten Tage
QOter bedenklicheren Erscheinungen Terflossen waren, erfolgte
dann die Schliessung und Heilung überraschend schnell, denn
schon nenn Tage nach der Operation Terliess die Kranke ihr
Bett und sechs Wochen nachher traten die Menses wieder ein.
In der Banchlinie blieb ein Bauchbrnch surück, der den grössten
Theil der Eingeweide enthielt.
(Berliner klinische Wochenschrift, 1864, No. 48.)
Luven: Ein Beitrag zur Aeliologie der Geschwüre
der Vaginalportion.
Y^ri. hat in der Würsburger Gebäranstalt 100 Schwangera,
meist auf dem 9. und 10. Monate, mehrere aneh aus dem 7. und 8.,
«>ine aus dem 6. Monate mit dem Speculum untersucht und so
ausserordentlich häufig Erosionen ond Ulcerationan der ISohleim-
haut der Vaginalportionen gefunden, dass er dieselben, -wie schon
früher andere, besondere fransdsische Aerate es ausgesprochen
haben, fHr Hagel in der Sehwangerachaft ansieht. Die Vaginal-
portioB war in seinen 100 Untersuchungen nur 19 Mal vollkommen
normal (8 Primip«, 11 Multip.) 24 Mal ^nden sich leichte Ero-
sionen (18 Pr.» 11 Mult«), 22 Mal folliculfire Geschwüre (7 Fr.,
15 Muh.), 2 Mal Schleimpolypen (1 Fr., 1 Molt.), 30 Mal papill&re
316 XXIV. Votisen aus der JoiurMl-Liteimtnr.
Oeschwfire (10 Pr., 20 Malt.), 3 Mal HalmeaJcaBiiigMehwfire (1 Pr.,
2 Molt.). Aneh bei den Wöehnerümeii werden ähaliche Z«-
•tilnde gefunden, welche aber meist schnell von selbst heilen
oder durch sweckmissige Mittel schnell snr Heilung au brin-
gen sind. Verf. schliesst daraus, dass die Ulceratlonen und Ero-
sionen der .Vaginalportion , welche bei so yielen Nichtschwaa-
geren geftinden werden und deren Entstehung von den meisten
Gynäkologen der mehr oder weniger schwierigen, Yerletsenden
Geburt sugeschrleben wird, nicht Ton der Geburt ausgehen, son-
dern vielmehr schon während der Schwangerschaft sich ausge-
bildet haben.
(Würsburger media. Zeitschrift Bd. 5, Heft 2. S. 1864.)
Eckhardt: Fall von Extrauterinschwangerscbaft,
Verjauchung des Fötus und Entleerung eines
Theiles der Jauche durch den Darm. Tod durch
Erschöpfung.
Frau I. L. erlitt Ende Juni 1859 plötzlich einen heftigen
Krankbeitsanfall im Unterleibe, der für Qebärmntterentsfindnng
gehalten und antiphlogistisch behandelt wurde. Bald darauf stellte
sich heraus, dass die Frau schwanger sei und da im 10. Monate
die Frucht nicht ^bgiog, wurde der Zustand für eine Schwanger-
schaft ausserhalb der GebUrmutter erklärt. Die Kranke verhielt
sich Ton jetst an sehr vorsichtig, die Menstruation kehrte wieder,
der Leib blieb geschwollen, der Znstand war aber bis zum Herbste
1868 erträglich, wo sich ein typisches Fieber einsteilte, das zwar
nach 2 Monaten wieder aufborte, aber dann noch oft wiederkehrte
und die Kräfte stark mitnahm. Am 28 März 1864 wurde die
Kranke plötzlich ohnmächtig, bekam verfallene Gesichtszüge und
bot das Bild einer an einer heftigen Peritonitis Erkrankten dar.
Unter wechselnden Erscheinungen nnd zunehmender Erschöpfung
erfolgte am 15. Mai der Durchbrach des verjanchten Fötus nach
dem Darme, es gingen reichliche Massen ab, aber die Kranke
erlag am 28. Mai.
Bei der Section fand sich die kleine, matsche Gebärmutter
an der vorderen Wand der die Kindeshöhle einschliessenden
Kapsel, die linke Tuba war nur Z'*' vom Uterus aus zu verfolgen,
im weiteren Verlaufe mit der Kapsel fest verwachsen und unent-
wirrbar verschmolzen. Die Kapsel bestand aus einem von 1'' bis
handbreit dickem Gewebe, welches gröistentheils aus Binde-
gewebe, in welchem erbsen- bis haselnussgrosse Cysten einge-
schlossen waren , dann aber auch ans Fett, knorpliehen Massen
und Blutgefässen ausammengesetst war. Im linken Hypoohondrinm,
wo die Kapsel die grÖsste Dicke hatte, konnte das Placentar-
gewebe an einaelnen Stellen deutlich nachgewiesen werden. Die
Kapsel war im Ganaen starr und mit dem Peritonäum untrennbar
XZIV. Notisen an« der Jonnial- Literatur. 317
T«rwachf«n, oar nach rechti selgten aieb Psendomenibrmneii aod
Adb&8ioB«D mit DSrmeD, nach hinten mit dem Mesenterinm. In
der Höhle befand sich, mit Jauche bedeckt, der FStns mit nach
abwirta gerichtetem Kopfe und nach Tom gerichteter Wirbel-
tttnle. Er iiess sieb leicht heranenehmen und bestand aas einem
bis auf die breiten SchRdelknoohen und die Phalanf^en der Finger
und Zehen noch in unTersehobeaer Verbindung stehendem Knochen-
gerüste Ton 16'' Länge, mit gleichmftssig entwickelten, einem
reifen Kinde sukommenden Knochen, welche nur hier und da
noch mit Weichtheilen bedeckt waren, worunter vorsüglieh die
gana nurersehrte harte Hirnbaut, ein 3" langer Nabelschnurrest
nad das Rudiment eines Penis erwShnenswerth erscheinen.
(Allgem. Wiener medii. Zeitung. 1864. No. 41).
OHertag: Grosses Ste^toio des Uterus bei einer
Gebärenden.
Eine 44 jahrige Frau litt in ihrer 13. Sehwange rsehaft an
reichlichen Blutungen, die sieh auch wXhrend der Gebart wieder-
holten. Der Uterus seigte sich sehr vergrÖssert, in swei Hälften
gatfaailt, Kindestheile konnten aber nur an einer Seite gefBhlt
werden. Die innere Untersuchung aeigte den Muttermund aiem-
Ueh geöffnet und ffihlte man auf demselben die ihn vum swei
Drittheile Terschliessende Placenta. Wegen der Blutungen ent-
sebloss sieh Verf. sur Wendung und Extraetion, die swar schwer
war, aber ein lebendes Kind sur Welt brachte. Beim Einführen
der Hand wurde ein grosses, die HXlfte der Oebärmatter aus-
füllendes Produet gefühlt, ähnlich sweien mit einander verwach-
senen Placenten. Nach der Qebnrt des Kindes blieb der Umfang
des Uterus uuTerändert, aber ein sweites Kind war nicht au
finden. Wegen einer neuen Blutung entschloss sieh Verf. jetst
sur Lösung der Placenta, wobei ihm an der linken hinteren Seite
des Mntternundes eine Geschwulst entgegenkam, welche wie eine
umgestülpte von den Eihäuten überdeckte Placenta sich anfühlte,
den Ablösungsversuehen aber gänslich widerstand. Die Nabel-
schnnr stieg an der rechten Seite dieser Geschwulst in die Höhe,
konnte aber bei der äusserst krampfhaften Spannung des Mutter-
mundes nicht bis su ihrer Insertion verfolgt werden. Die Ans-
treibang musste der Natur überlassen werden. Am 4. Tage des
Wochenbettes begannen sehr übelriechende Lochien und am 6.
starb die Frau an Ersehöpfung.
Die Section ergab,, dass der Uterus vom linken Bande des
Mattermundes herauf, über den Fundus hinweg und über ein
Drittheil auf der rechten Seite hinab steatomatös entartet war,
am Fundus au einer Dicke von 8", dabei waren 3^4 Auswüchse
auf der äusseren Utemsfläche, faustgross und grösser. Die
rechte Seite des Uterus allein musste den Fruehtsack bilden,
818 XXiy. Notis^R RUfi der Journal - LUeratur.
.du Höhe d«a Uterus betrag 14—15''. Die gaoM innere FUcbe,
»n der die seiir amfangrelohe Placenta in eiaem aalSsbaren
faserigen Zasammenhange haftete, war gräulich geiUrbt, die Ober-
fl&ebe der Placenta im jaochigen Zerfliessen and in die Masse
des Steatoms Tersohiedene melanotische Knoten eingebettet.
Das Gewicht des degenerirten Ute ras betrag etwa 10 Pfd.
(Zeitschrift fdr Wand&rste and Gebartshelfer. 1866.
Heft 1. S. S7).
Baart de la FaiUe: Collapsus post partum.
Es werden 13 Fälle von Collapa. poat partum susammea-
gestellt. Zwei hatte Verf. selbst beobachtet, fünf dessen Vater,
swei Fälle sind von Brc'Sra bekannt gemacht (Tijdschr. ▼. Öy-
naecologie 1847. I, p. 60), einer von Niemeyer (dessen Zeitschr.
f. Gebartsh. I, i. 18^8, p. 168} endlich vier Fälle von Eamebo-
tham (ObserT. in midwifery 1842, p. 116).
jßin Fall (ron de la FaÜle^ Vater) betraf eine Gebarende,
alle iibrigen Wöchnerinnen, welche sämmtlieJi in den ersten
Standen nach der Gebart befallen worden. Drei Fälle endeten
mit Genesang, sehn Terliofen tödtlich. Operatire Eingriffe hatten
in fünf FiÜlen stattgefunden, nämlich dreimal Zangenapplication.
ein Mal Wendung und ein Mal manuelle Löffiing der Placenta.
Von diesen fSnf FHllen verliefen vier tädtlich. Der Tod erfolgte
meistens einige Stunden nach der Geburt, ein Mal am swetten
nnd ein Mal am dritten Tage. Die Seetion wurde nnr in swei
Fällen gemacht und ergab das eine Mal keine irgend erhebliebe
Anomalie, das andere Mal eine Tympanites uteri (Fall von l^amt-
hotkan). Bei der in der Gebart Verstorbenen aeigte die post
mortem vorgenommene Sectio caesarea wenigstens die Abwesen-
heit einer Rnptura uteri. Eine Blntoug hatte nur in einem Falle
stattgefnndea nnd war ohne augenblickliche schlimme Wirkang
Torübergegangen , als einige Standen später der Collapsns auf-
trat. In allen Fällen wird erwähnt, dass der Uterus sich gut
eontrahirt leigte (mit Ausnahme des Falles von tympanitfes uteri),
dass also auch eine innere Blntong ansgeschlossea war. Betreffs
der Erklärung des sog. Collapsas p. part. bespricht Verf. su-
nä6hBt die Möglichkeit des Lufteintritts in die Utemsvenen,
nennt die von Simpeon u. A. dafür angegebenen Gründe, kommt
aber seUiesslicb su dem Jäesultate, dass diese Hypothese durch
keinen sicheren anatooiischen Befund gestätat werde, mithin su
verwerfen sei. (Den vom Ref. Monatsschr. f. Gebk. Bd. XXIV,
n. 360 beschriebenen Fall von Lufteintritt in die Utemsveaen
konnte Verf. noch nicht keimen; ebensowenig kannte Ref. da-
mals den hier besprochenen Aufsats). Embolie der Aa. pnlme-
naleH als Ursache des gansen Symptomencoinpleze« kann Verf.
ebenfalls nicht gelten lassen; noch weniger Embolie der Gehirn-
XXV. Literatur. 319
arteriell, da gerade Oehirnejmptome Immer ▼ermiaet wei'den;
auch eine Embolie der A. eoronaria oordie, die eine angemeine
Seltenheit ist, darf man nicht als Ursache annehmen; doch hat
der ganse Symptomencomplex bei Collaps. post part. grosse Aehn-
lichkeit mit einer Hersparalyse , bei der nach Somherg*» An-
gaben anch die Zeichen der annehmenden Ileraschwäche mit der
psychischen Integrität einen so grellen Contrast bilden, gerade wie
bei dem Collapsns der WScbnerinnen. Vielleicht führt eine Bei-
snng des N. yagns die Hersschw8che nnd endlich Hers-Lähmnng
herbei, welche beim Collapsns p. part so deutlich ist. Der Zu-
sammenhang swischen dieser Anomalie und dem Puerperalau-
stande bleibt dabei unklar; doch ist eine Wechselwirkung swi-
schen Uterus und n. yagus anch sonst ans der Pathologie wahr
scheinlich, so weni«; derselbe anatomisch su erklären ist. 0
(Nederl. Tijdschr. t. Geneesk. VIII. Jan. 1864).
B. OUhctusen.
XXV.
Literatur.
Diseases of ihe Ovaries. Their diagnosis aud
treatment by 7. Spencer WeOs. (Vol. L) London 186Ö.
Mit dem letsten Tage des vergangenen Jahres ist ein Buch
nnter die Presse gegeben worden, welches nicht yerfehlen wird,
bei Allen, die sich mit Pathologie und Therapie der Oyarlen-
krankheiten beschäftigen das grSsste Interesse su erwecken.
Dr. Sp6neer Welis reröffentlicht in dem eben erschienenen 1. Bd.
seiner „Krankheiten der Ovarien*' die Resultate seiner lliOvario-
tomien, welche er in der verhftltnissmässig kursen Zeit von nur
7 Jahren ansgeflihrt hat. Von der ersten Ovariotomie an, die
er im Februar 1868 verrichtete, machte er es sich sur strengen
Pflicht jeden Fall, mochte er glücklich oder ungiflekliefa abge-
laufen sein, sorgfältig su notiren, au verfolgen und von Zeit au
Zeit verÖffentiichte er grnpponweise die von ihm vorgenommenen
Operationen in den gelesensten englischen Journalen, nachdem
er die meisten Praeparate der „pathological societj'* in London
vorgewiesen hatte. In dem vorliegenden Buche werden nicht
blos sämmtliche 114 vollendete Ovariotomien im Detail be-
schrieben, sonderndes findet sich auch noch die Eraählung von
sehn Fällen unvollständiger, unvollendet geblieben erOvariotomieen
nnd als Appendl>r der Bericht aber fünf Fälle von Exstir-
patlonen iibroider oder fibrocystischer Tumoren des Uterus von
der Baucbhöhie aus. Die Erfolge der kflhnen Operationen
Spencer WelU werden am besten in wenigen Zahlen ausgedräckt.
Von den 114 Patienten, an welchen die Ovariotomie vollendet
320 XXV. Literatar.
warde, sind 76 genesen und nur 38 gettorbeUi Dab Ver-
bültnifli der Genesenen sn den Gestorbenen war also wie 2 : i.
Von den Genesenen starben nachtrfigUch 4, 1 an Hemiplegie
2 Jahre nach der Operation, und 8 an Cancer abdominalis,
6 Wochen, 4 Monate und 10 Monate nach der Operation. Die
andern 72 sind gesand geblieben. 5 haben seitdem in leichter
und regelmässiger Weise geboren. Die sahireichen Kranken- and
Operationsgeschichten an lesen, denen nicht selten die anatomischen
Beschreibungen der exstirpirten Tumoren oder Sectionsbe richte
nebst einigen Abbildungen angefügt sind, erscheint swar monoton
und wird nicht Jedermannes Unterhaltung sein, aber in Yerf.*s
grosser Casnistik findet sich eine solche Fülle von werthyollen An-
merkungen und Bemerkungen aller Art, eine solche Mannigfaltigkeit
der A^ und Weise wie sich der Verf. au helfen snchte und sn helfen
^verstand, das« Jeder dem es wirklich £rnst darum ist,' seine Kennt-
nisse über Ovariotomie su bereichern, das Buch nicht eher ans
der Hand legen wird, bis er die 360 Seiten in Anspruch nehmenden
Beobachtungen gelesen hat. Ein sehr ausführliches Begister
Über den Inhalt des 1. Bandes erleichtert das Aufsuchen der da
und dort serstreuten einselnen Gegenstände und giebt die Mög-
licjikeit sich yorkommenden Falls des Buches wie eines Lehr--"
bnches som Nachschlagen und sur Einholung eines Raths su be-
dienen. In der Vorrede ersählt der Verf. in nüchterner Weise mit
wolchen Schwierigkeiten die Einführung der Ovariotomie in England
verbunden war, wie unglücklich die Erfolge mancher Operateure
waren, welch* gewichtige Stimmen sich noch vor wenigen Jahren
dagegen erhoben , und wie die NichtVeröffentlichung der Fälle
von Seiten mancher Operateure nichts sur Förderung der Sache
beitragen konnte. Erst in neuester Zeit kämen von allen Seiten
Berichte über gelungene Ovariotomien und es sei jetst kaum
möglich sieh richtig vorsustellen, wie die Meinung über diese
Operation war, als er sie vor 7 Jahren sum erstenmale ausführte.
Was Spencer Wells in dieser Richtung der Gynaekologie und
Chirurgie geleistet hat, wird für immer als eine Errungenschaft
sich forterben; um das su erreichen was uns jetst als Thatsache
überliefert ist, dasu gehörte die aussergewöhnliche Ausdauer,
das unablässige Streben nach Einem Ziele, die GeschiokUchkeit
und Kenntniss eines Mannes der das Glück hatte, in der Welt-
stadt London über ein grosses Material su verfügen, den Muth
alle Vorurtheile, die sich ihm gegenüberstellten, su bekämpfen,
und die Aufrichtigkeit Gelungenes und Nichtgelungenes gleich
treu SU berichten.
In dem II. hoffentlich bald erscheinenden Bande verspricht
der Verf. die Schlussfolgerungen aus seinen Operationen genauer
auseinandersusetsen. Wir sehen dieser Fortsetsung mit Spannung
entgegen und werden dieselbe später sur Anseige bringen.
Prof. Breslau in Zürich.
XXVI.
Verhandlungen der Oesellschaft für Oeburtshttlfe
in
Berlin.«
Sitzung am 13. Deceinber 1864.
Herr KristeUer hält einen Vortrag über Athmung
der Kinder vor der Geburt.
Vagitus ist eine sehr seltene und von Virli'ii noch be-
zweifelte Erscheinung. Einige der Fälle, welche der Literatur
überliefert sind, werden nicht durch gute Zeugen genügend
beglaubigt, andere sind gar mit so wunderlichen Nebenereig-
nissen ausgestattet, dass sie dadurch aller Glaubwürdigkeit
unwerth geworden. Viele sehr beschäftigte Geburtshelfer
haben den Vagitus niemals aus eigener Erfahrung kennen
gelernt. Daher kommt es, dass von guten Autoritäten die
Möglichkeit des Vagitus bezweifelt und alle Fälle auf Täu-
schung der Beobachter zurückgeführt werden. So sagt z. B.
Schwarz*), ein Mann, dem man über die Athmungserschei-
nungen der Kinder vor der Geburt gewiss ein competentes
Ilrlheil zugestehen darf: „Er habe hörbaren Vagitus uterinus
vel vaginaUs niemals wahrgenommen. Das Vorkommen
desselben bei Früchten, die noch völlig innerhalb der Ge-
burlswege stecken, scheine ihm zweifelhaft. Ohne Zweifel
könnten die vorzeitigen Inspirationen unter besonderen Um-
ständen atmosphärische Luft in die Lungen schafi'eii, bevor
noch die Frucht zum Vorschein gekommen sei, aber es
dürfte mehr als fraglich sein, ob der auf diese Weise ge-
wonnene Luftgehalt ausreiche, um einen deutlidien Schrei zu
*) Die vorseitigen Atfaembewegungen toh Dr. Heriuann
Sehware. Leipiigi Breitkopf und HSrtel. 1858, pag. 225.
MonatiDolir. f. Oeburtsk. 1806. Bd. IILV., Hft 5 "^^
322 XXVI. Verbandlnngren der Oeflellschtft
ermöglicben etc." Nachdem ich nun einen Fall von Vagitus
ulerinus beobachtet habe, der durch innere und äussere Unw
stünde sich als ein vollständig glaubwürdiger darstellt, halte
ich es für geboten, ihn hiermit der Literatur zu übergeben,
einmal der Thatsache selbst wegen, zweitens aber auch dess-
wegen, weil mir der Fall geeignet scheint eine wichtige Tages-
frage näher zu beleuchten.
Frau Schneider Schulze hier, hinter der Gamisonkirche
No. 2 wohnhaft, 32 Jahre alt, ist seit dem zweiundzwanzig-
sten Jahre menstruirL Die Menses waren immer sehr schmerz-
haft, hielten 6 — 8 Tage an und gaben reichlich Blut. Seit
etwa 3 Jahren verheirathet, kommt sie jetzt zum dritten
Male nieder. Das erste Mal hatte das Kind Schädellage, das
zweite Mal Querlage. In der Nacht vom 26. zum 27. Januar
1864 beginnt die Frau zu kreissen. Die Wehen, anfangs gut,
verlieren sich allmälig. Am 27. Vormittags zehn Uhr werde ich
zu Hülfe gerufen. Die bei der Kreissenden beschäftigte Heb-
amme Frau Döhlert berichtet mir, die Blase sei schon in
der Nacht gesprungen, die Wehen seien seit etwa vier Stunden
vollständig ausgeblieben^ ein Arm liege vor. Das Allgemein-
befmden der Frau ist gut, Temperatur und Pulsfrequenz durch-
aus nicht lalmorm. Die äussere llntersuchimg ergiebt:
Regelmässig gebautes Becken, schlaffen Uterus. Ueber dem
horizontalen Aste des rechten Schambeines eine feste vor-
springende Kugel, die sich leicht als Kindeskopf erkennen
lässt, der Rücken des Kindes nach rechts und vom^ kleine
Kindeslheile niclit durchzufühlen. Innere Untersuchung:
Die äusseren Schamlippen ofTen und weich. Zwischen den
klaffenden äusseren sind die inneren Schamlippen sichtbar,
welche sehr unregelmässige Formen darbieten. An dem Ueber-
gange von äusseren in innere Schamlippen, namentlich an der
oberen Hälfte der inneren, befinden sich etwa wallnussgrosse
bläuliche Geschwülste, welche aus einem Convolul varicös
erweiterter Venen bestehen. Zwischen den so deformirten
Schamlefzen, welche natürlich keinen guten Verschluss der
Vagina abgeben, ragt noch die udematös angeschwollene
Clitoris hervor. In der weichen, nicht heissen Vagina sind
die Fortsetzungen der Varicositäten zu fühlen. Der Mutter-
mund ist schlaflT und auf etwa 2^1^" Durchmesser erweitert,
fnr Gaburtohulfe in Berlin. 323
in ibm der vorliegende linke Arm zu fühlen. Der Koyf liegt
oberhalb des Beckencinganges auf dem rechlen Sclianibeine,
die Pfeiloaht etwa im zweiten schrägen Durchmesser, die
grosse Fontanelle ungefähr in der Mitte der Beckeneingangs-
ebene, die kleine Fontanelle etwa in der Gegend des rechten
Tuberculum ileopectineum. Stirn und Gesicht leicht zu er-
reichen. Die Hochlegung des vorliegenden Armes war ohne
grosse Schwierigkeit zu vollbringen. Um ein wiederholtes
Vorgleiten des Armes sowie das Vorfallen anderer Kindestheile
zu verhüten, versuchte icli mit meiner im Becken befmdlichen
Rechten den Kindeskopf in den Beckeneingang hereinzuführen,
indem ich mit der Linken von den Bauchdecken her auf den
Kindeskopf wirkte. Diese Operation gelang nicht. Da nun aber
nicht blos zur Verhütung eines wiederholten Vorfalles^ sondern
auch zur Ermöglichung des Geburfsmechanismus die Einleitung
des Kopfes in den Beckeneingang durchaus nöthig war, so suchte
icii nach gemachtem Querbette dieses Ziel mit der Zange zu
erreichen. Wegen des hochstehenden Kopfes aber glitt das
Instrument ab. Als ich nuy die abgeglittenen Zahgenbtätter
wieder in die Höhe schob, um den Kopf von Neuem zu
fassen, ertönte das Geschrei des noch ungeborenen Kindes.
Sämniüiche in 4lem Zimni«;r Anwesende: die Kreissende und
deren Mann, der inzwischen dazu gekommene Herr Stud.
Mied. Albert Michaelia aus der Klinik des Herrn Prof.
Martin^ wohin man vor mir, um Hülfe zu erlangen, geschickt
hattK, die. oben erwähnte Gerichtshebamme Frau Döhlert,
klosterstrasse No. 19 wohnhaft und ich wurden auf die uns
alle üLierraschenden Töne zu gleicher Zeit aufmerksam. Ich
zog nun des Experimentes wegen die Zangenblätter nach
gelöstem Schlosse wieder abwärts und schob sie wie das
erste Mal fu die Höhe, und wieder vernahmen wir die Stimme
des Kindes. Ich wiederholte das Experiment noch einigemal,
und es gelang mir jedesmal das Schreien hervorzurufen. Es
stellte sich dieses Schreien als eine kurze Reihe von 5 — 7
zusammenhängenden Tönen dar, welche sich mit einer Art
Moilulalion durcli verschiedene Tonhöhen hiiidurchbewegte,
ganz so wie es Neugeborene hervorbringen und natürlicli nur
dadurch abgedämpft, dass die Töne aus einem umschlossenen
engen Räume hervorklangen. — Da meiner Meinung nach Lufl-
• 21*
324 XXVt. Verhandlungen der Oesellschaft
eintriU in den Uterus eine ludieaüon zur G^burtsbeschleuniguog
ergiebt, so schritt ich zur Wendung auf den Fuss mit daran sich
j^chliessender Manuatextraclion. Während ich zu diesem Zwecke
mit meiner rechten Hand im Uterus operirte, ertönte noch
einigemal der Vagitus^ den wir im Ganzen wohl 8 Mal gehört
haben mögen. Im Uterus fühlte meine Hand deutHch die
Respirationshewegungen des kindlichen Thorax, zugleich aber
auch die Pulsatlon der Nabelschnur. Die Pulsschlage waren
durchaus nicht schwach, und der Zahl nach schätzte ich sie
auf 100 in der Minute. Die Wendung vollbrachte sich leicht,
ebenso die Extraction bis auf die Lösung der Arme. Diese madite
grosse Schwierigkeiten, und sehr deutlich w«iren während meiner
Manipulationen behuts der Armlösung krampfhafte zuckende
Bewegimgen an dem Humpfe des Kindes wahrzunehmen.
Die Nabelschnur pulsirte in diesem Stadium der Operation
«schwach und nachdem mir die Lösung der Arme und Ex-
traction des Kopfes gelungen war, welche Operation vielleicht ö
Minuten gedauert haben mag, war keine Pulsation der Nabel*
«schnür mehr zu fühlen. Das Nougebome athmete nicht, doch
vibrirte das Herz noch schwach. Die Abnabelung fand sofort
nach der Extraction statt Als Wiederhelebungsmittel wurden
Hautreize, abweclisi^lnd warmes Bad und Besprengen mit
kaltem Wasser und Durchschwenken durch die Luft ange-
wandt. Nach wenigen Minuten begann das Kind zu schreien,
die Athmung entwickelte skh ohne grosse Rasselgeräusdie
und bald war das Kind in vollem Leben. Die Placenta lag,
nachdem wir das Kind zum Athmen gebracht hatten, eine
Arbeit, über welche etwa 5 — 7 Minuten vergangen sein
mochten, bereits in der Vagina. An der Placenta war nichts
Unregelmässiges wahrzunehmen. Der Uterus halte sich gut
zusammengezogen. Das Wochenbett war ein sehr leichtes.
Das Kind blieb gesund und ist jetzt viele Monate nach der
Gehurt kräftig und wohlgenährt.
Betrachten wir nun zuerst das Physiologische des Her-
ganges. Wie in den meisten bisher erzählten Fällen wurde
auch hier der Luftzutritt zu dem Kinde dadurch ermöglicht,
dass hei geplatzter Blase und vorliegenden fnspirationsöffnungen
fdr GebnrUhülfe in Berlin. 325
Hand und Instrument in den Uterus eingeführt wurden ; doch
ist hier noch der eine Umstand dazugekommen, dass durch
Deformität der Schamlefzen und des Scheidenrohrs der Luft-
zutritt noch mehr als anderswo begünstigt worden ist. l}ie
so eingetretene Luft ist nun von der Frucht im Uterus ein-
und ausgeatbmet worden, denn nicht anders können wir uns
die oben geschilderten Töne entstanden denken, als dass Luft
durch den Kehlkopf des Kindes ein- und ausgetreten sei.
Sollte von zweifelsuchtigen Kritikern der Einwand irgend einer
Täuschung in der Beobachtung erhoben, und namentlich an
die Möglichkeit der Tonerzeugung in den Därmen der Mutter
erinnert werden, so will ich es doch ausdrücklich hervorheben,
dass ich den ganzen Fall mit grosser Aufmerksamkeil be-
' obachtety dass mich kein äusserer Vorgang, ja nicht einmal
eine besondere Unrulie der Kreissenden gestört hat, dass ich
jede der geschilderten Thatsachen durch Demonstration an
Herrn Studiosus Michaelis und die Hebamme constatirle, und
dass ich namentlich über die Quelle der Töne mir Sicherheil
zu verschaffen suchte. Ich betastete und percutirte den Leib
der Kreissenden und fand, dass er durchaus nicht mit Gasen
gefüllt sei, dagegen vernahm ich den Vagilus sehr deutlich
aus der Vagina heraustöiien, ja ich erinnere daran, dass ich
den Schrei durch die Bewegung des Instruments und später-
hin der Hand beliebig hervorlockte, und dass ich endlich auch
die Respirationsbewegungen des Kindes, durch welche es einen
Schrei producirte, sehr deutlich fühlte. Wenn Schwarz eb
bezweifelt hat, ob der geringe Luftgehalt des Uterus ausreiche
um eine Stimmproduction zu ermöglichen, so kann ich die-
sem Zweifel nicht beipflichten. Meiner Meinung nach gehört
nicht sowohl viel Luft als vielmehr ein günstiges Verhallen
der Stimmbänder dazu, dass ein Kindesschrei hervorgehradil
werde. Wir sehen es ja auch, dass Kinder nach der Geburl
nicht selten schon Töne von sich geben, bevor sicli die Re-
spiration in vollen Gang gebracht hat.
Es wird nun die Frage zu beantworten sein, was war
im vorliegenden Falle die Ursache für die Athnning
des Kindes?
Die jetzt herrschende Theorie über die Entstehung der
vorzeitigen Athmung verdankt ihre Urheberschaft dem geist-
326 XXVI. Verhandlungen der Gesellschaft
reichen Formeller Kr ahmer. Diese Theorie isl durch einen in
dieser Get^ellschal'l iui Mai 1853 geballeiien Vurtrag unseiTs
geehrleii Mitgliedes Herrn Hecker (Beiträge zur Lehre von
der Todesart der Kinder \<ährend der Gehurt u. s. w. vide
Verhandl. d. Ges. f. Geburtsk. VlI. Hft. p. 145) erläutert und
unterstützt worden. Sodann hat Herr Schwarz in seinem
oben genannten Buche die Theorie noch weiter ausgebaut,
mit guten Gehurtsgeschichten und Sectionen belegt und mit
ebensoviel eigener Ueberzcugung wie gewinnender Dialektik
als ein festes abgerundetes Ganzes hingestellt. Endlich hat
uns vor nicht zu langer Zeit unser verehrtes Mitglied Herr
Boehr durch seine lleissige Arbeit ^äh(;r das Athmcn der
Kinder vor der Geburl" (Erlangen 1863 Palm & Enke)
die betrelTende Frage wieder zur Discussion gebracht. Bei
der Wichtigkeit der Angelegenheit wird es nützlich sein noch
einmal darauf zurückzukommen.
Nacl) obiger Theorie oder vielmehr nach der Ansicht
ihres wärnislen Vertheidigers, des Herrn Schwarz dürfen wir
die Ursache der vorzeitigen Athmung nur in einer Unter-
brechung des Placentarverkehrs suchen. Ich habe
aber in meinem Falle von Vagitus weder eine solche Unter-
brechung wahrgenommen, noch habe ich irgend einen Umstand
aufgefunden, der die Ursache einer solchen Unterbrechung
hätte abgeben können. Die Nabelschnur war nicht vorgefallen,
sie war nicht umschlungen, noch war irgend Etwas aufzu-
finden, was einen Druck auf dieselbe ausübte. Als ich bei
der Wendung die Nabelschnur mit der Hand befühlte, puisirte
sie ca. 100 Mal in der Minute regelmässig und durchaus nicht
schwach. Solche Qualität und Quantität der Pulsationen schon
als eine Unterbrechung des Placentarverkehrs aufzufassen, wie
dies Schwarz öfter thut, halte ich für gezwungen. Denn
wenn auch in der Mehrheit der Fälle die Zahl der fötalen
Pulsscbläge eine höhere ist, so habe ich sie doch mehrmals
ca. 100 gefunden bei Früchten, welche dann mit voller Lebens-
trische und untadelhafter Respiration geboren worden sind.
Es war ferner keine Placenta praevia, noch war eine Blutung
während oder nach der Geburt vorhanden, noch zeigte end-
lich das Aussehen der gelösten Placenta irgend etwas, was
auf eine vorzeitige Lösung derselben hätte bezogen werden
für QeburUihttlfe in Berlin. 327
könneo. Die PJacenta war in ihrem Baue normal und zeigte
an ihren Flächen und zwischen den Lappen nichl mehr Blut
als dies gewöhnlich der Fall ist.*) Girculationsstörungen im
Uterus, wie sie durch stürmische Weben, krampfhafte Cod-
traclionen oder durch sonstige Ursachen erzeugt werden, wareu
aucli nicht zu constatiren. Dex Uterus war schlalT, ganz ohne
Wehen und durchaus nicht empfindlich. Kurz ich konnte
Nichts auffinden, was nur nach der obenbenannten Theorie
eine Ursache für die Athmung des Kuides hätte abgeben
können, und ich bin der Meinung, dass in meinem Falle der Reiz
der atmosphärischen Luft und wahrscheinlich auch die mecha-
nische Reizung durch Zange und Hand die Frucht zum Athmen
gebracht hat* Diese Meinung widerspricht der ursprünglichen
Anschauung Krahmer'a nicht, welcher als Motiv einer inspira-
torischen Thätigkeit einerseits den Hautreiz durch die kältere
Atmosphäre, fraglicherweise auch den Reiz mechanischer In-
sulte bezeichnet und in ersterem mindestens die factische
Veranlassung des ersten Athemzug'es nach der Geburt sieht,
es aber anderseits in einem durch Hemnmng der Umblical-
circulation unabweisbar gewordenen Respirationsbedürfnisse
sudit. Nach Schwarz und Boehr aber ist diese Anschau-
ung eine falsche. Beide formuliren die Theorie ganz streng
dahin: Jede Unterbrechung des Placei^tarverkehrs
erzeugt Athmung und es giebt nur eine einzige Ur-
sache für die Athmung, nämlich die Unterbrechung
*) Wie yorsichtig übrigens selbst Placenta praeria und Na-
belschnnruinschliognng als Momente der Placentarverkehrshem-
mung sa yerwerthcn sind, hat mir ein Fall bewiesen, den ich
zwischen Vortrag nnd Druck dieser Zeilen erlebt habe, nnd anf
den ich später ausführlicher zurückkommen werde. Hier will ich
nur Folgendes mittheilen: Bei einer älteren Primipara traten 8
Wochen vor der Niederkunft Uterusblutungen auf. Die Placentu
praevia bedeckte den Muttermund. Die Blutung vermehrte sich
in der Nähe des Schwangerschaftscndes. Während der Geburt
fanden starke Blutungen statt. Nach dem Durchtritte des Kopfe«
seigte sich die Nabelschnur sweimal eng nnd straff um den Hals
umschlungen, war nach keiner Richtung zu lockern und mussto
vor der Geburt des Rumpfes durchschnitten werden. Das Kind
kam lebend sur Welt nnd seigte keine Spuren von vorzeitiger
Athmung.
828 XXVI. VerfaandlnngeD d«r GesellBchaft
des Placenlarverkehrs. . Kin driües ist nach diesen
Autoren iiiiinugJidK Die (>rilLigkeil und ünfeblbarkeil dieses
Satzes ist t'iir die Wissenscbalt, für die Praxis, und iiisoiern
er von der forensischen Mcdicin adoptirt wird, auch lür
das bürgerliche Leben von sehr grosser Bedeutung, Grund
genug, um die Wahrheit dos Satzes auf das Sorgfältigste zu
prüfen.
In der Sitzung unserer Gesellschaft vom S). Juni 1863
habe ich hei Gelegenheit des J3o6Ar'schen Vortrages folgende
Einwendungen erhoben: 1) Es werden kräftige lebensfrische
Kinder unter d(^n normalsten Verhältnissen geboren, welche
ihre Athmung mit Rasselgeräuschen beginnen. 2) Krampf«
hafte Bewegungen der Frucht während der Geburt oder einer
Operation, wie Zucken des Kopfes, des Kusses können nicht
als Alliembewegungen aufgefasst werden. 3) üie Füllung dei*
Luftwege todi geborener Fruchte mit Liquor amnü u. s. w.
beweist nicht absolut (vide Bohr) die vorangegangene Ath-
mung, diese Füllung kann auch durch Hineinpressen des
Liquors in die offenen Luftwege mittels der Zusammenziehungen
des Uterus entstehen. 4) die Füllung der Lungenblutbabn,
Anwesenheit von capillären Ecchymosen ist auch kein sti*enger
Beweis für die vorangegangene Athmung, denn bei Hemmung
des Placentarkreislaufes treibt das fötale Herz mit vierfach
grösserer Wirkung, insofern es erstens die halbe Blutmasse
zu stosseii, und zweitens auch nur noch eine halbe Bahn zu
durchlegeii hat — kein Wunder also, dass die mit solcher
Kraft fortbewegte Blutwelle sich neue Bahnen aufsucht, und
namentlich solche, wo sie wie in den Lungen einen geringen
Widerstand fmdet. Aus demselben Grunde bemerken wir ja
neben der Füllung der Lungenblutbahn auch Blutaustritt insoiclie
Organe, wie Gehirn, Nieren etc., auf welche die Schröpf-
kopfwirkung der Thoraxerweiterung nicht bezogen werden
kann.
Zu diesen Einwendungen füge ich nun noch die Er-
fahrung, welche aus einem Falle von Vagitus hervorgebt, uäm-
lich, dass Placentarkreislauf und Athmung neben
einander besteben können. Schwarz hält dies für ganz
unmöglich. Ich meine aber, dass mehi Fall so wie andere
Fälle von Vagitus es sehr wahrscheinlich machen, dass solch
für GeburiahUlfe in BerUn. 329
Xebeneioanderbestehen wobl möglich sei. Mit dem runden
Abweisen .von ThaUachen, welche sicJi einer beslimmten
Theorie nicht wülig fugen oder mit dem Misscreditiren der-
selben durch Bezeidmungen wie „xweiielhafl, ominös etc/'
koronil mau der Wahrheit nicht näher. Sehen wir von den
der älteren Literatur angehörigen fabelhaften Erzählungen ab,
so bat uns die Neuzeit sehr glaubwürdige Fälle von Vagitus
gebracht, welche durch Männer, wie Oslander^ L W, Schmitt^
Wigandj E. v, Siebold u. A. vertreten werden. Kunze^
(der Kiodermord, Leipzig Veit & Comp. 1860, pag. 99.)
bat 11 Beobachtungen zusammengestellt. Zu diesen 11 Fällen
bind 7 Kinder lebend geboren. Da nun die Geburten bei
^hnen meist langsam verliefen, so ist doch wahrscheinlich
Dicht anzunehmen, dass der geringe Luftzutritt, bei der grossen
Schwierigkeit in dem engen Räume des Uterus ergiebige Aihem-
bewegungen zu machen, ausgerichtet hätte das Sauerstolf-
beclüifuiss der Fruchte genügend zu befriedigen. Die Folge
hätte sein müssen, dass die Mehrzahl der Fälle von Vagitus
asphyctische oder todte Fruchte ergeben hätte. Wenn die
Früchte aber trotzdem leben geblieben sind, so ist es mehr
als wahrscheinUch, dass neben der Luflathmung auch Placen-
tarkreisiauf stattgefunden hat, zumal uns in den Erzählungen
nichts mitgetheiit wird, was eine Aufhebung des Placentar-
Verkehrs beweist, ich meine also, wenn auch Placentarkreis-
lauf und Thoraxathmung zwei Vorgänge sind, welche in der
Mehrheit der Fälle hintereinander auftreten, so ist es doch
nicht für unmöglich zu erklären, dass sie unter günstigen
Bedingungen auch nebeneinander bestehen können. Es ist
die Coexistenz von Organen und Functionen, welche in der
Entwickelungsgeschichte gewöhnlich sich ablösen, durchaus
nicht etwas» was dem organischen Leben so sehr widerspräche
und was bei der menschlichen Frucht als Ausnahme vorkommt
ist z. B. bei der Entwickelung der ungescbwänzten Bati*achier die
Regel; hier giebt es einen Zustand, wo zu gleicher Zeit Kiemen
und Lungen existh*en, obwohl sie beide für zwei ganz verschie-
dene Lebensbedingungen und Lebensperioden eingerichtet sind.
Wenn aber Piacentarkreisiauf und Thoraxathmung neben-
einander bestehen können, so kann unmöghch die Hemumng
des Placenlarverkebrs die einzige Ursache für die Athroung
330 XXVI. Verhandlungen der Gesellschaft
der Fötus sein. Dieses geht uns auch daraus hervor, dass wirk-
liche Hemmung des Placenlarverkehrs nicht immer Athem-
bewegung hervorruft. Denn wäre dies der Fall, so mössten
wir an den Fruchten während der Geburt häulig Athembe-
wegungen beobachten ; ja dies mfisste eigentlich die Regel
sein.
•Jede Geburt besieht aus einer Reihe von Zusammen-
ziehungen des Uterus, deren jede einzelne den Placentarver-
kebr . hemmt. Die Hemmung beobachten wir ganz deutlich
an der verminderten Pulsalion während der Wehe. Im Laufe
der Geburl rucken die Wehen immer näher aneinander, ihre
Hemmungswirkungen summiren und cumulireu sich, und mit
dem Auftreten der Treibwehen wird Häutigkeit und Dauer
derselben schliesslich eine so gesteigerte, dass von einem
„das Athembedürfniss der Frucht befriedigenden Gasaustausche"
gewiss nicht mehr die Rede sein kann, und doch machen
die Fröchte in der Mehrzahl der Fälle keine vorzeitigen
Athembewegungen.
Schwarz verhehlt sich die Wichtigkeit dieses Einwurfes
durchaus nicht. An mehreren Orten seines Buches pag. 24,
25, 95 und 213 kommt er auf die Hemmung des Placen-
tarverkehrs während der Geburt und ihre grosse Bedeutung
zu sprechen, er schildert in trefienden Worten die grosse
Wirkung derselben, die zunehmende Beschränkung des bis-
herigen StofTverkehrs zwischen Mutter und Frucht, die ver-
vielfältigte Blutstauung in den Körpergefassen des Foetus
u. s. w. Und wie erklärt er es, dass diese grosse Hemmung
des PJacentarkreislaufs doch keine Athmung hervornifl?
Hören wir ihn selbst In seinem Buche (pag. 118) sagt
Schwarz: „Es ist in dieser Beziehung ausschliesslich zu
verweisen auf den Grad und Modus der Circulationshemmung
durch die Geburtswehen. Ersterer bleibt bei regelmässigem
Geburtshergange bis zum Austritte' der Frucht stets inner-
halb bestimmter Grenzen, für deren nähere Bezeichnung aller-
dings kein allgemeüi gültiger Ausdruck zu finden ist, deren
Ueberschreitungen aber glücklicher Weise dem aufmerksamen
Beobachter gewöhnlich erkennbar werden. Was aber die
Hauptsache ist, die Art des Eingriffes der Wehen in die
Uterin- und Fötalcu-culation ist eine eigeuthümliche und zwar
für Geburishülfe iu Berlin. 331
derartige, dass eine mechanische Alteration des Blutiaufes
erfolgen kann, ohne dass unter normalen Verhältnissen der
Gaswechsel in demselben Maassc unterbrochen wird. Die
Wehe namUcb verdrängt den Inhalt der klap]>enlo6en Uterin-
gefasse nothwendig einestheils nach aussen in der Hichtung
der mütlerlichen Körpergcfässe , anderutlieils in der Hichtung
nach innen zwischen die Zellen des Placentarpai*enchyms.
Letzteres — wenigstens bei voi*gcschrittener Entwickelung
ohne alle Gewaltsamkeit einem Schwämme vergleichbar, dessen
Poren mit mütterlichem Blute gelullt sind, dessen Balkeiige*
röste aber die fötalen Cappillaren führt — erleidet in Folge
der Zosammenziehung des Uterus und der Ha um Verminderung
seiner Höhle eine Verkleiherung seiner Haftlläche, eine Zu>
sammendrängung, einen gewissen Grad von Pressung. Der
auf das Placentarparenchym ausgeübte Druck fördert zunächst
die Aufnahme der mütterlichen Intercellularilussigkcit von
Seiten des fötalen Blutes, zwingt aber sodann bei seiner Fortdauer
und Steigerung auch das fötale Blut zum Ausweichen in der
Ricblung gegen die Nabelschnur hin, hemmt somit das Ein-
strömen aus den Nabelarterien, beschleunigt und vermehrt
das Ausströmen durch die Nabelvene. Besitzt nun das die
Placenta tränkonde Mutterblut die genügende respiratorische
Qualität, hat dasselbe noch einen grossen Reich thum an
Sauerstoff, so wird auch während der Wehe dem fötalen
Organismus das erforderliche Kespirationsmaterial zugeführt
und keine Athemnoth erzeugt/* — Dies ist die Antwort aut
die so wichtige Frage. Schwarz antwortet mit einer Hypo-
these, die erst noch zu beweisen wäre und die so sehr allen
hydrostatischen Gesetzen eines geschlossenen Blutkreislaufes
widerspricht, dass ich die ganze Stelle als die Achillesferse
seines Buches bezeichnen möchte. Ich weiss nicht, wie unter
den obwaltenden anatomischen unjd physiologischen Verhält-
nissen ein gehemmtes Einströmen aus den Nabelarterien und
ein beschleunigtes und vermehrtes Ausströmen durch die
Nabelvene möglich sein sollte. Die Nabelschnurgefasse senken
sieh innerhalb der Placenta in die geschlossenen Chorionzotten
hinein, gehen in jeder einzelnen Zotte und in jeder einzelnen
Verzweigung derselben mittels einer geschlossenen Schleife
in einander Aber, stehen durchaus m keinem offenen Verkehre
332 XXVI. VerhandliiDgen der GeselUchHfi
mit dem niätlerliclien Blule, sondern es bilden die fötalen
Gefässe ein in sich abgeschlossenes Röhrensysiem und es
ist gar nicht denkbar, dass während der Dauer einer Wehe
oder gar während der längeren Dauer der zu Ende der Ge-
burt sich an einander schiiessendcn Treib wehen in den Ar-
terien eine langsamere Blutl>eweguiig stattlinden soll als in
der zurückkehrenden Vene. Jede fötale Herzcoutraclion
treibt eine Blutwelle aus der Frucht hinaus und wenn nicht
die Nahelschnur oder die Placentarzotlen zerrissen sind, so
muss eine ebenso grosse BJutwelle durch die Nabel vene wieder
zurückkehren.
Wenn nun die Schwäche dieser Hypothese anerkannt
wird, so muss zugegeben werden, * dass während der Geburt
eine geraume Zeit Henmmng des Placenlar Verkehrs bestehen
kann, ohne dass diese Uennnung Atlimungsbewegungen der
Frucht hervornifi, und ich bin der Meinung, dass die Fruchte
sowohl während der Geburt als auch dicht nach derselben
sich gar nicht selten in einem Zustande befinden, wo die
Oxygenisirung ihres Blutes eine gewisse Zeit hindurch ganz
unterbleibt, wo sie also weder durch die Placenta noch durch
die Lungen athmen, und dass sie diesen Zustand, wie uns
viele Fälle von Scheintod beweisen, unbeschadet ihrer Gesund^ '
heit eine gewisse Zeit lang ertragen können.
Wird nun zugegeben, dass Hemmung des Placentarver-
kehrs nicht nothwendig Athmung hervorzurufen braucht, und
dass vorzeitiges Athmen auch aus irgend einem andern Grunde
z. B. durch den Zutritt der atmosphärischen Luft oder durch
mechanische Reizung entstehen kann, so stellt sich uns die
Frage auf, ob nicht umgekehrt eine intrauterine Athmung
die Ursache abgeben kann für eine darauf folgende Unter-
brechung des Placentarverkehrs. Denn mit der beginnenden
Athmung, mit der Eröffnung des 'kleinen Kreislaufes, mit der
Verschiebung des Botallischen Ganges , mit dem Herabtreten
des Zwerchfells und der Leber, mit der Knickung des Ductus
Arantii sind genug Momente gegeben, welche den Placentar-
verkehr schwächen und unterbrechen können. Es wird sich
also immer fragen lassen , was in irgend einem gegebenen
Falle das Primäre und Secundäre gewesen, ob zuerst Athmung
stattgefunden und in Folge dessen Unterbrechung des Pkcen*
für GebnrtshUlfe in Berlin. 333
tarterkehrs oder umgekehrt. Von diesem Gesichtspunkte aus
müssen auch die Leichenöffnungen der durch vorzeitiges Ath-
men zu Grunde gegangenen Rinder betrachtet werden. Die
Begnlnder und Vertheidiger der neuen Hypothese suchten die
Unterbrechung des Placentarverkehrs in den Veränderungen
des Uterus, der Placenta und dann iiur noch der Nabel-
schnur. Was sie an der Frucht verändert fanden, deuteten
sie stets als Folge der Unterbrechung des Placentarverkehrs.
Wenn ich aber einen geschlossenen Blutkreislauf habe , kann
ich mir da nicht in jedem Punkte des Kreises eine Unter-
brechung denken? und gehört nicht das Gefässsystem der
Frucht in den Ring, innerhalb dessen der Placentarverkehr vor
sich geht, mit hinein? Ich meine also, es läge darin nichts
Unlogisches noch Unphysiologisches, dass das Kind aus irgend
einem Grunde vorzeitig athme, dass dadurch gewisse anatomische
Veränderungen in ihm entstehen, und dass hieraus wieder
eine Unterbrechung des Placentarverkehrs resultire.
Betrachten wir nun den Fall vom practisch ohstetri-
cischen Standpunkte aus. In derBerliner klinischen Wochen-
schrift Jahrgang I. No. 9 befindet sich ein Aufsatz über d:is
Rindringen von Luft in die Gebärmutter im Verlaufe zögern-
der Geburten von unserm geehrten Milgliede Herrn /. Winkel,^
Der Aufsatz enthält drei klinische Beobcichtungen aus der
hiesigen Universitäts - Entbindungsanstalt mit daran sich
schliessenden Bemerkungen unseres verehrten Vorsitzenden
Hen*n Martin, Mit Recht wird in diesem Aufsatze hervor-
gehoben, dass dem Eindringen von Luft in die Geburtstheile
von den neueren Lehrbüchern nicht die gebührende Auf-
merksamkeit geschenkt wird. Was die Folgen anbetrifft, so
berühren sie sowohl die Mutter als die Frucht. — Betreffs
der Mutter, so ist es leicht ersichtlich, dass ein Zersetzen
der Flüssigkeiten in den Geburtstheilen durch den Zutritt der
Luft bewirkt werden kann, dass namentHch bei vorhandenen
Verhetzungen solche zersetzte organische Substanz Anlass
zur septischen Infection geben, und dass endlich durch spätere
Abschiiessung das Uterus unter zunehmender Gasentwickelung
Physometra entstehen kann. Auf diese schädlichen Polgen
334 XXVI. VerbandlnngeB der GesflllflchRft
für die Mutter hat Herr Prof. MaHin in jenem Au&atze
liinroichend nurmerksam gemacht. — Betrefls des Kindes, so
bin ich der Meinung, dass Luft, welche zur Frucht gelangt,
dieselbe zu vorzeitiger Athmung reizen kann. Da nun aber
die Luft weder in genügendem Haasse zugeführt wird, noch
der enge Raum des Fruchthälters ausreichende Atbmuhgs-
bewegungen gestattet, da ferner Zersetzungsgase einen sehr un-
gesunden Athmungsstoff bieten und auch durch Aspiration
von nüssigen Theilen die Luftwege des Kindes verstopft werden
können, und da ich endlich auch die Unterbrechung des
Placentarverkehrs in Folge iler voi*zeiligen Atlimung für mög-
lich halte, so erachte ich den Lufteintritt in den Geburls*
kanal während der Geburt für einen der Frucht gefährlidteu
Umstand, welcher wenn die oben angeführte Folge auftritt,
eine Indication zur Geburtsbeschleunigung abgiebt
Betrachten wir endlich den Fall noch mit Rücksicht
auf die forensische Medicin, so schliesst er sich den schon
häufig beobachtelen Fällen an. Die Blase war geplatzt, es
hatte Kunsthülfo slnttgefunden, Luft trat ein, das Kind ath-
mete. In seiner thalsachlichen Entwickelung ist natürlich
der Fall nicht dazu angelhan, den Gegenstand einer foren-
sischen Untersuchung abzugeben. Aber nehmen wir an, er
hätte eine heimlich Gebärende beti^offen und Kunstliulfe hätte
nicht stattgefunden. Um dies annehmen zu können, liätien
wir uns die Frage vorzulegen, ob es möglich sei, dass ein
solcher Fall sich überhaupt ohne Kunsthülfe abwickele. Ich
nehme keinen Anstand die Frage zu bejahen. Möglicli war
es, dass die Wehenthätigkeit von selbst wieder erwachte,
dass der Arm sich reponirte, dass der Kopf einträte und &ie
Geburt sich natürlich vollendete, Fälle der Art, dass die
Natur falsche Lagen und falsche Haltungen nach abgestosse-
nem Fruchtwasser noch corrigire, sind zwar s<5lten, aber
kommen doch vor. Ob das Kind hierbei lebend, sterliend
oder todl geboren wird, hängt von den verschiedensten Zu-
fälligkeiten ab. Eine andere Frage aber wäre, ob auch
ohne Einführen der Hand und Zange Luftzutritt und Athmung
hätte st;iltfinden können. Ich meine, dass in diesem Falle
die Bedingungen für den Luftzutritt auch ohne Concurrenz
der Knnsthülfe gegeben waren. Die Blase war geplatzt, dm'
ffir Gebnrtohülfe in Berlin. 335
Uterus schlaff, der Muttermund offen, der Beckeneingang
war nicht voUsländig ausgefüllt, ein Arm lag vor, der Kopf
<itam) hoch, die Respirationsöffnungen des Kindes waren zu-
gängig und das Scheidenrohr schloss endlich durch seine
eigenthilniliche Verunstaltung durchaus nicht luftdicht. Müssen
wir uns also die vorgelegten Fragen bejahen, müssen wir e^
für nicht unmöglich erachten, dass bei einer heimlichen Ge-
burt Luftzutritt und vorzeitiges Athmen stattfinden könne, so
ermahnt uns dies wieder, in der forensischen Medicin das Zeichen
des Luftgehaltes in den Alhmungswegen einer gestorbenen
Frucht nur mit strengster Kritik und urfter sorgfältigster Ver-
gleichung des ganzen uhrigen Sectionsbefundes zu ver-
werthen.
Herr Böehr entgegnet:
Unser geehrtes Mitglied Herr Kristeller hat unter Mit-
theilung eines sehr genau und sorgfältig beobachteten Falles
von Vagilus uterinus, — einer Beobachtung welche den streng-
sten Anforderungen wissenschaftlicher Kritik und Glaub-
, Würdigkeit durchaus entspricht, einen wohlerwogenen Angriff
auf die Krahmer'sche, Theorie und auf die auch von mir
vertretenen Ansichten ül)er die Folgen einer Unterbrechung
des Placentarverkehrs für das Kind gerichtet. Meinem Dafür-
halten nach ist die in der Thatsachenfrage auch nicht dem
mindesten Zweifel unterworfene Boobachtung Kriatellera
tlurchaus nicht im Stande, die von Krahmer, Hecker ^ Schwarz^
und mir vertretenen physiologischen Anschauungen umzustos-
sen, sondern sie lasst sich mit ihnen sehr wohl vereinigen.
Wenn gleich Schwarz in seiner Monographie sich über das
Thatsächliche des Vagitus uterinus etwas zweifelhaft ausspricht,
so habe ich doch in meiner von Kristeller citirten Schrift
die Bedingungen für das Vorkommen dieser seltenen Erschei-
nung genau ebenso formulirt, wie sie in der Kristeller^^^vhew
Beobachtung wirklich sich finden: Abgeflossensein der
Fruchtwässer, klaffende Weite der Genitulien, passende f^age-
rung der kindlichen Bespirationsöffnungen, Eingehen mit der
Hand und mit Instrumenten zu wiederholten Malen. Kristeller
)»t vor dem Eintritt des Vagilus keinen Umstand bei der
iieburt beobachtet, welcher als eine Unterbrechung des Pla-
rentarkreislaufs zu deuten wäre, — er hat bei klaffendem
Scheidenrohre das Kind mit der Fland und mit der Zange
336 XXVI. Verhandlniigeii der Qeaellfchaft
gereizt, und darauf hat es jedesmal geschrien, (scilicet, also
geathmet). Wenn ich ihm also auch ohne alles Bedenken
zugebe, dass unter ganz bestimmten und künstlichen Aus-
nahmebedingungen vorzeitige Reizungen des kindlichen
Organismus das Kind in solchem Falle zu vx)r zeitigem Ath-
men und Schreien bringen können, und wirklich bringen, so
scheint mir diese Thatsacbe doch nicht im mindesten dazu
angelhan, zu beweisen, dass in der ungeheuren Mehrzahl aller
übrigen Fälle , in denen solche exceptionelle und gewissermas-
sen experimentelle Bedingungen fehlen, eine .Unterbrechung
des Placentarkreislaufs nicht die Ursache der vorzeitigen
Alhemversucbe des Kindes sei. Die KtaJimer'&che Theorie
hat das Merkmal jeder guten physiologischen Lehre, eine ganze
Reihe von sonst unerklärbaren Thatsachen und Lebensvor-
gängen in einheitliche Deutung zu bringen, und sie verträgt
sich meiner Ansiebt nach auch mit der Thatsacbe, dass es
einem genauen Beobachter auf experimentoliem Wege (sit venia
verbo) durch eine andre Ursache, durch vorzeitige Reizungen
gelingt, dieselbe Wirkung, vorzeitiges Athmen hervorzubringen,
und so Placenlarkreislauf und Lungeuathmung unter bestimm-
ten artificiellen Bedingungen ausnahmsweise nebeneinander
zu constatiren. Die Unterbrechung des kindlichen Placentar-
kreislaufs ist bei dieser Geburt erst eingetreten, als KriHeUer
nach der Wendung bei der Lösung der Arme Schwierigkeiten
fand, worüber 5 Minuten vergingen, das Kind wiederholt zuckte,
die Nabelschnurpulsation erlosch, und das Geborne asphyctlsch
nur mit schwachen Herzschlägen erst durch wiederholte Haut-
reizungen zum Athmen gebracht wurde. Dass die ersten
Athemzuge des wieder zum Leben gebrachten Kindes ohne
alle Rasselgeräusche einhergingen, erscheint nach meinen
Anschauungen gleichfalls sehr wohl erklärlich — die Frucht-
wässer waren längst abgeflossen, das vorher schon athmende
und schreiende Kind konnte, als es bei der sich verzögernden
Lösung der Arme in asphyctische Intoxication gerieth, daher
keine Flüssigkeit aspiriren, es muss mir gestattet sein, den
Zustand des Kindes nach meiner Terminologie als begin-
nende fötale Erstickung zu bezeichnen, aus der es dun*.h die
Wiederbelebungsversuche gereitet wunle.
Aber Herr KriatdUr fuhrt jedes Moment der Skepsis
rar Gebnrtftliiilfe in Berlin. 3^7
gegen die Krahmer'sche Theorie ins Feld, und in dem Be-
streben nach wissenschafUicher Ermittehmg der Wahrheit
komme ich ihm bereitwilligst entgegen. Ich habe ihm bereits
zugegeben, dass vorzeitige Reize unter bestimmten Bedin-
gungen vorzeitiges Athmen gleichfalls auslösen können, dass
unter solchen Verhältnissen Placentarkreislauf und Lungenath-
mung neben einander als Ausnahme constatirt wurden, ohne
mich durch diese Umstände von der Falschheit der Krdh-
m^'schen Theorie zu überzeugen. Ich gebe ihm zu, dass
die exceptionelle (artificielle) Coexistenz von Organen und
Functionen, welche in der Entwicklungsgeschichte gewöhnlich
sich ablösen (und nach Krahmer in Causalnexus, und phy-
siologisch nothwendig sich ablösen müssen) nichts Gezwun-
genes hat, aber den anderen Momenten der Skepsis, dass
wirkliche Hemmung des Placentarkreislaufs nicht immer Ath-
mung hervorriefe, dass jede Gehurt das Kind in Siickiingsnoth
versetzen müsste, dass die vorzeitige Athembewegungen die
Regel sein mnssten, muss ich durchaus entgegentreten.
Sobald man überhaupt zugiebt, dass während der Schwan-
gerschaft die Decarbonisirung und Oxygenisirung des Foelal-
blutes in der Placenta slattimdet, dass der Foetus indirect
mit der Mutter ein- und ausathmet, ist es ein nothwendiger
Schluss^ dass jede Unterbrechung dieses indirecten Aufnahme-
und Abscheidungsprocesses nothwendig und immer eine
Ueberladung des Foetalblutes mit Kohlensäure, und eine Ver-
armung desselben an SauerstoiT zur Folge haben muss. Die
Analogie der pathologischen und pathologisch -anatomischen
Erscheinungen des asphyctischen Foetus mit denen des ex-
trauterin in Athmungs- und Stickungsnoth versetzten Men-
sdien ist ja eben die Quelle von Krahmera Theorie. Nehmen
wir also zunächst nur an, dass Hemmung des Gasaustausclies
durch mechanische Unterbrechung der Blutcirculation noth-
wendig und immer den von Volkmahn als innere Athemnoth
deftnirten Znstand der Organe setzen muss, so hat die von
KristeUer bezweifelte^ Auslösung der Respirationsbewegungen
meiner Ansicht nach auch dann, wenn sie sich nicht in jedem
Falle beobachten und beweisen lässt, die höchste Wahrschein-
lichkeit für sich. Einmal spricht dafür die directe Beobachtung
solcher Respirationsl)ewegungen der Foetus bei Vivisectionen
Uonat««ehr. f. Gehnrtsk. 1805. Bd. ZXV., Hft. 6. 22
338 XXVI. Verhandlnngen der GeBoIUchaft
trächtiger Tbiere, die directe Beobachtung des Luftschnappens
bei lebend ausgestossenen, aber noch nicht lebensfähigen Ab-
orten, die Häufigkeit mit der solche Atliembewegungen im
Uterus direct gefühlt sind, wenn wegen Nabelschnurvorfall,
oder wegen eines andern dem Kindesleben gefahrdrohenden
Umstandes die Wendung gemacht wurde. Herrn KrtsteUery
der die ^raA^n^r^sche Theorie anzweifelt, kann ich allerdings
nicht die Blutfiille und Schlagflüssigkeit der Respirationsorgane
als Resultate der Schröpfkopfwirkung des instinctiv inspirt-
renden Thorax zum Beweismomente der dagewesenen Re-
spirationsbewegungen vorführen, denn dieser Causalnexus ist ja
eben der von ihm bestrittene Punkt, vielleicht aber wird er
mir in einer teleologischen Betrachtungsweise folgen. Der
Bau der foelalen Circulationsorgane und des Respirationssys-
tems ist darauf angelegt, dass beide organischen Systeme mit
wunderbarer Praecision und Harmonie in einander übergreifen,
dass der Moment des Umwerfens der Blutbahn aus dem foe-
talen Kreislauf in den postfoetalen des extrauterin lebenden
Menschen, ein Moment der bezeichnet ist durch Inhibition
des Stromes aus dem Ductus venosus Arantii, ein Ablenken
des Hauptstromes von den Arleriae umbilicales, eine ausgie-
bige Fällung der Pulmonararterienbahn, ein Ablenken von der
Fenestra ovalis, dem Ductus arteriosus Botalli, dass dieser
teleologisch im anatomischen Baue aller Organe praeformirte
AugenbUck, den wir als Beginn des selbstständigen Lebens
bezeichnen, nothwendig und immer einhergeht mit der ersten
Entfaltung des Respirationsapparates, die wiederum nur aus-
gelöst werden kann durch die ersten inspiratorischen pum-
penden Hebungen des Thorax. Dieser Weg muss nothwen-
dig und eo ipso beschritten werden unmittelbar nach der
Geburt, sobald also der vicariirende indirecte placenlare Gas-
austausch sein natürliches Ende erreicht, ist es nun so ge-
zwungen und willkuhrlich, anzunehmen, da alle Organe bereits
auf diesen schnellen Wechsel, diesen gewaltigen Umschwung
systematisch praeformirt sind, dass der grosse Moment der
Inspiration bei dem sauerstofTt)edürfligen Foetus früher ein-
tritt, sobald die vicariirende Foetalbahn eine Hemmung und
intensiv das Leben bedrohende Unterbrechung erleidet? Ich
bestreite also Herrn Kristeller den Satz, dass wirkliclw Hem-
für GebnrtBholfe in Berlin. 339
uiting des Placentarverkehrs nicht immer Athembewegung
bervorruft, und gebe ihm nur zu, dass man diese Athembe-
wegungen nicht immer direct beobachten, oder durch das Ge-
fühl empirisch diagnosliciren kann, sondern sich häufig darauf
beschränken muss, sie durch einen Inductions- und Vermu-
thungsschluss , — den Weg den Kr ahmer betreten —
immerhin wie ich wohl weiss, kein absoluter, sondern nur
ein hoher Wahrscheinlichkeitsbeweis — der aber der medi-
cinischen Logik in keiner Weise Gewalt anthut, — ex post
tx eflectibus zu erschliessen.
Ueber die Zeildauer der Aufeinanderfolge von wirklicher
Hemmung des Placentarverkehrs und dem Eintritte vorzeitiger
Alliembewegungen will ich nur bemerken und Herrn Krüteller
concediren, dass diese Zeitdauer eine verschiedene sein mag
je nach dem Grade (einem wissenschaftlich ja nicht genau
messbaren Factor) der Hemmung, und je nach der Duldung
und Reactionsfähigkeit des Organismus gegen Kohlensäureuber-
ladung des Blutes, zwei Momente, die ebenfalls nicht wissen-
schafllich genau und gradatim messbar sind. Aus dieser
Duldung gegen geringe und nicht eclatant das Normalmass
überschreitende Störungen des Gasaustausches mag denn auch
die Antwort rosulliren, wesshalb nicht jede sturmische Wehe,
oder jeder Complex von heftigen Treibwehen gleich vorzeitige
Athmenbewegungen auslöst.
Den Angriflen Kristellers gegen Schwarz, der Polemik
gegen dessen Hypothese , die er die Achillesferse desselben
nennt, kann ich daher auch iu'der Hauptsache nicht beitre-
ten. Ich stimme Kristeüer zwar zu, wenn er nachweist,
dass Schwarz' Deduction von einer Beschleunigung und Ver-
mehrung des Rückstromes in der Nabelvene eine nicht zu be-
weisende physiologische Hypothese sei, und kann mir imv
denken, dass das Lumen der kindlichen Capillarsrhiingen in
den Placentazotten sich schlicssen kann unter einem über-
mässig sich steigernden Druck Verhältnisse von Seiten des sie
umspülenden mütterlichen Blutes, der übermässig gepressle
Schwamm drückt die Wandungen seines Balkengerüstes zu-
sammen, und bewirkt dadurch eine Hemmung der Foetalcir-
culation in den Capillaren auf der Höhe der übermässigen
Wehe, — im übrigen aber finde ich in der citirlen Stelle
22*
340 XXVI. VerhandlaDgen der OeBellschaft
von Schwarz so viel klarer und überzeugender physiologi-
scher Dialeclik, dass ich sie nicht absprechend als ,, seh wache
Hyjiothese** und „Achillesferse^* abgewiesen sehen möchte.
Es ist doch innmerhin sauerstoffhaltiges Multerbiut, welches
wenn auch während der Wehe an Ort und Stelle fixirt, die
Placentazrotten umspült, und mit Nachlass der Wehen sofort
durch neu dahin gelangendes Arterienblut des Uterus er-
setzt wird. Dies erklärt meiner Ansicht nach hinlänglich,
wesshaU) nicht jede Geburt das Kind in Stickungsnoth ver-
setzt, und der dritte Einwurf Kristeller 8^ dass die vorzeitigen
Athembewegungen die Regel sein mussten, beantwortet sich
dadurch von selbst.
Kristellers theoretischer Ausführung, dass das Hem-
mungsmoment des foetalen Kreislaufs ebensogut einmal in dem
andern bisher wenig berücksichtigten Gliede des Kreislaufs-
ringes, nämlich im Kinde selbst gesucht werden könne, stimme
ich der Theorie nach bei. Hierin ist seine Crilik aber mehr
negativ als posiliv, er stellt keine positiven Facta zum Belege
dieser theoretisrben Möglichkeit auf. Er nimmt an, dass das
Kind ,;aus irgend einem Grunde'' vorzeitig athme, dass da-
durch gewisse anatomische Veränderungen in ihm entstehen,
und dass hieraus wieder eine Unterbrechung des Placentarver-
kehrs resultire. Welches sind diese „irgend welche Gründe?"
Kristeller führt in seinem genau beobachteten Falle von Va-
gitus die Reizungen mit Hand und Zange und Luftzutritt an.
Passen diese artificiellen Bedingungen für das ungeheure Gros
der Fälle, bei dem von ihnen gar nicht die Rede ist? Stürzt
also die Kr ahmer' sehe Theorie, so bleibt KristeUer die Ant-
wort schuldig, welches sonst noch „die irgend welchen Gründe"
seien, aus denen das Kind in der ungeheuren Mehrzahl der
Beobachtungen vorzeitig geathmot hat. Zur Constatirung der
ungemeinen Seltenheit des Vagitus uterinus, also auch seiner
producirendon und concurrirenden Bedingungen erlaube ich mir
gehorsamst die Frage an die verehrte Gesellschaft für Geburls-
hülfe zu stellen, wer unter den hier anwesenden zahlreichen
und reich erfahrenen Geburtsltelfern den Vagilus uterinus
jemals beobachtet hat? —
Herr C, Mayer erinnert sich, dass vor einigen 40 Jah-
ren diese Erscheinung zweimal ihm als Assistent an der
für Qebnrtshülfe in Berlin. 341
Siebolctsdtien EDlbindutigsaiisLall , vor^ukomifieu bei, eiomal
wäbreud einer Zangenoperalion uuil das zweite Mal bei einer
Wendung; äeildeui habe er sie nie wieder wabrgenoinnien.
Herr Martin erklärt, dass ilini dci* Vagitus ulerinus noch
niemals zur Beobaehtung gekommen sei.
Herr Guaserow erzählt, dass Herr S. E. Dr. Winkel in
Gunnersbach Vagitus bei einem Falle von Gesichtslage gehört
habe.
Boehr: Wenn somit die ungeheure Seltenheit dieser
Erscheinung wohl über allen Zweifel erhaben ist (und wir
Kristeller daher für seine exacte Beobachtung um so dank-
barer sein müssen) — so. müssen, da, wie ich bereits an
andern Orten wiederholt hervorgehoben habe, in der ganzen
neueren und glaubenswürdigen Literatur nie und nirgends ein
Sectiousbefund über ein todtgeborncs Kind mit Vagitus uie-
rittus vorliegt, die Schlüsse füi^ diese Erscheinung auf dem
Gebiete der gerichtlichen Medicin mit um so grösserer Vor-
sicht gezogen werden. So lange wir überhaupt noch keine
Sectionsbefuude von vorzeitig schreienden, und dann unter
den Augen eines Geburtshelfers auf natürliche Weise ohne
Kunsthälfe todtgebornen Kindern kennen, so lange ist jede
Speculation über etwa einmal in foro zur Sprache kommende
Fälle von Vagitus und heimlicher, natürlicher Todtgeburl
eine rein theoretische Möglichkeitenerwägung ohne allen prak-
tischen Anhalt, und die Annahme einer Todtgeburt mit Lufl-
gebalt eine aprioristische Voraussetzung ohne jede praktische
fclrfabrung. So sehr ich mit höchstem Interesse die Mittheilung
des seltenen und zu vielen Erwägungen Anlass gebenden
Falles vernommen, so kann ich doch KriBteUers Abstrac-
lionen aus demselben für die gerichtliche Medicin nicht bei-
ätiromen. Er stellt die Hypothese auf, dass dieser Vagitus
bei einer heimlich Gebärenden auch ohne Kunsthülfe, ohne
Zange und ohne Manipulationen hätte eintreten können — es
lässt sich darüber streiten, ob dies der Fall gewesen sein
würde, jedoch die Möglichkeit zugegeben, so lässt sich dann
mit viel grosserer Wahrscheinlichkeit die Hypothese dalün
erweitern, dass dann das Kind auch wahrscheinlich, wie in der
Mehrzahl der Fälle von Vagitus, lebend geboren sein würde. Unter
den 11 Fällen bei !£u9i2;e (der Kindesmord) sind 7 lebende Kinder,
342 XXVI. Verhandlnngen der Gesellscbaft
und unter den 4 Todlgeburten 3 Cephalotripsien und schwere
Wendungen, und die Seclionen der 4 Todtgcburlen fehlen gänzUch.
Wir [iiüssen daher noch heute, und so lange bis neues
und thatsächliches Beobachtungsinaterial mit Sectionen vor-
hegt, in der forensischen Verwerthung des Vagitus im wesentlichen
bei den Grundsätzen stehen bleiben, die das bekannte Gutachten
der wissenschaftlichen Deputation vom 28. Februar 1816 aufge-
stellt hat, welches seine Erwägung in forensischen Fällen nur
dann statuirt, wenn er durch Zeugenaussagen belegt werden kann.
Im Uebrigen kann ich nicht umhin, zum Schluss darauf
aufmerksam zu macheu, dass alle unsere geburtshulUichen Be-
obachtungen und Schlüsse zu ihrer Verwertliung auf dem
Gebiete der gerichtlichen Medicin noch der Controle und
Rectification durch reich erfahrene Gerichtsärzte von Fach
bedürfen, denn in foro stellen sich die Schlüsse und die Be-
weiskraft der Thatsachen anders, als bei der einfachen ge-
burtshülflichen Beobachtung. So hat mein verehrter Lehrer
Casper in seinem neusten Werke, den „Klinischen Novellen
zur gerichtlichen Medicin** bei der Lehre vom Ertrinkungs-
tode (Seite 547 — 49) nachgewiesen, dass die von mir auf-
gestellte Ansicht von der absoluten Beweiskraft aspirirter Flüs-
sigkeiten Meconium und Fruchtwasser in den Brondiien als
Residuen verfrühter Attjemversuche, — eine Ansicht die bereits
in unserer Gesellschaft von Kristeller, wenn gleich aus anderen
Gesichtspunkten bekämpft wurde, auf forensischem Gebiete
,, leider nicht stichhaltig sei/* Der Geburtshelfer, der die Un-
terbrechung des Placentarkreislaufs beobachtet, der da weiss,
dass die von ihm untersuchte Kindesleiche nirgend anders
mit den specifischen Massen in Berührung gekommen, dar^
für sein Gebiet den Befund in den Bronchien als durch Ath-
men dahin gelangt, betrachten, aber für den Gerichtsarzt,
dem alle diese Thatsachen unbekannt sind, würde der gleiche
Schluss, wie Cafj^er ausfuhrt auf einer petitio principii beruhen.
Ich acceptire also dankbar diese Widerlegung und Rectifica-
tion von Seiten meines verewigten Lehrers.
Herr Stubenrauch berichtet über) eine Zwillingsgeburt,
bei der er um das zweite Kind zu fördern die Hand einfüh-
ren musste und hierbei weder fühlbare noch hörbare Zeichen
von AthmuBg wahrgenommen habe.
für Gebortobälfe in Berlin. 343
Herr Gusserow erwähnt eipen in <l«r Gaz(itte des höpi-
taiix (1864. Nu. 113) erzäliltea Fall von Vagilus, der wäh-
rend einer Zangeuoperation gehört worden ist.
Der Ansicht KristellerX dass Liquor amnii in den Ath-
mangsröhren des Kindes nichts Ungewöhnliches sei, und dass
die Wehenthäligkeit des Uterus den Liquor und die in ihm
suspendirteu Dinge also auch Meconium in die Luftwege des
Kindes hineintreiben sollte, könne er sich nicht anschliessen.
Er meine, die Luftwege des reifen Foetus hätten noch gar
kein offnes Lumen und Liquor amnii mit Meconium etc. könnte
nur durch Aspiration in die Luftwege eintreten, da bei stehender
Blase Kind u.Fruchstwasser immer unter gleichem Drucke stehen,
also Fruchtwasser nicht in die Bronchien eyigepresst werden kann.
Herr Martin verweist betreffs des Lufleintrittes in den
Uterus auf die Berichte von Michaelü und CoUins über
Vagitus. Aus dem Uterus könne die Luft in die Gelasse
übertreten und dieser Umstand erzeuge immer eine grosse
Gefahr. OUhausen habe neulich einen plötzlichen Todes>
fall erlebt, der dadurch entstanden sei, dass in Folge der
Uterus - Douche Luft in die Gefasse eingetreten sei. Er
selbst habe mehrere derartige Beobachtungen sowohl in Jena
als hier gemacht. So sei vor nicht langer Zeit eine Primi-
para, nachdem in der Stadt von -mehreren Aerzten bei ihr
vergebliche Zangen- und Wendungsversuche gemacht, der
Entbindungsanstalt übergeben worden, an welcher durch 'Tas-
tung und Percussion die Physometra sehr deutlich zu erken-
nen war. Nachdem der Kranken Ruhe gegönnt war und sie
ein Pulvis Doweri genommen hatte, befand sie sich leidlich
wohl. Als sie sich nun, um eine Suppe zn gemessen, aufge-
setzt und einige Löffel mit Behagen genommen hatte, schrie
sie plötzlich auf, bekam Zuckungen und verstarb in kürzester
Zeit. 'Es wurde die Sectio caesarea gemacht. Aus dem ge-
öffneten Uterus trat ein Strom von Luft heraus. Das Kind
war todt Dass auch Luft in die Gefasse eingetreten war,
konnte man aus der überaus schnell eintretenden Fäulniss der
Leiche erkennen. Herr Martin verspricht eine ausführlichere
Berichterstattung über diesen Fall.
Herr Körte sagt, es sei zu verwundern, dass bei der
Zugängigkeit des Gebmaskanales während der Geburt und bei
344 XXVI. Verhandluiigeii der Gesellschaft
der Häufigkeit von Operationen die Zufälle des Lufteii^ittes
nicht öfter vorkämen.
Herr Martin: Lufleinthtt in den Geburtskanal möge
häufig genug vorkommen, eine Gefahr entwickele sich aber
erst danp daraus, wenn Luft in die Gefässe übertrete. Doch
mögen wotil auch viele Formen von Wehenstörung im Luft*
eintritte ihren Ursprung nehmen.
Sitzung am 10. Januar 1865.
Herr v. Haselberg berichtet über einen Fall von
acuter Leberatrophie bei einer Schwangeren.
Der Fa]], welchen ich mir Ihnen milzutheilen erlaube,
kam im Sommer vorigen Jahres in der Entl)indungs-Anstalt
zur Beobachtung, wo die Patientin am 3. Juli, Mittags 12
Uhr, in fast gänzHch bewustlosem Zustande aufgenommen
wurde. Leider ist der Fall nicht mit der wünschenswerthen
Genauigkeit beobachtet, aber bei dem seltenen Vorkom&ien
der Krankheit bei Schwangeren nicht ohne Interesse.
Die nachträglich eruirte Anamnese ergab Folgendes:
Die Patientin ist 39 Jahre alt, Köchin in einer hiesigen Restau-
ration. So lange sie in ihrer jetzigen Stellung im Dienste
gewesen ist (seit einigen Monaten) , ist sie immer vöUig ge-
sund gewesen; Ober ihre fillhere Vergangenheit wussten die
Betreffenden Nichts, als dass sie vor mehreren Jahren ein-
mal entbunden war. Seit einiger Zeit hatte man Anschwellung
des Leibes an ilir bemerkt, und sie wiederholt auf Gravidität
angeredel. Anfangs hatte sie diesen Zustand in Abrede ge-
stellt, später jedoch zugegeben, . ohne dass diese Entdeckung
auf ihre immer heitere Gemüthsstimmung irgend einen Ein-
fluss ausgeübt hätte. Auch in diesem Zustande befand sie
sich bis zum 28. Juni vollkommen wohL An diesem Tage
bemerkte man zuerst an ihr eine leichte icterische Färbung,
welche allmälich zunahm und sie veranlasste, auf den Rath
irgend emer Frau einen von dieser verabfolgten Thee zu
trinken. Weitere Störungen des Befindens sollen gänzlich
gefehlt haben, vielmehr that Patientin bis zum 2. Juli (also
4 Tage nach Ausbruch der Gelbsucht) alle ihre Arbeit,, und
war gerade am letzten Tage, einem Sonnabend, sdo* ver-
für Gebnrtshiilfe In Berlin. 345
gnögi mit den übrigen Mädchen gewesen. An diesem Tage
haite^sich jedoch Blutbrechen und Nasenbluten einge-
stellt Ain folgenden Morgen erschien sie nicht zur gewohn-
ten Zeit, und als man sie suchte, fand man sie in halbfee-
wustloseoi Zustande, unangekleidet, mit dem Oberkörper im
Bette liegend, mit den Füssen auf der Erde, auf dem Fuss-*
boden einen 5 monatlichen Fötus zusammen mit seiner Pia-
Genta, im Bette und auf dem Boden eine ziendich beträchtliche
Meoge Bhit. Herr Dr. Wegscheider, welcher hinzugerufen
wurde, hatte die Gute, die Kranke nach der Entbindungs-
Anstalt zu dirigiren.
Bei ihrer Ankunft um 12 Uhr Mittags bot sie folgenden
Status praesens dar.
Patientin liegt zusammengesunken und kraftlos im Halb-
scUommer, mit mattem schlaffem Gesichtsausdrucke, die Augen-
lider geschlossen. Angerufen klagt sie über Beängstigung^
Beklemmung und Kopfschmerz; weitere Angaben, sind nicht
aus ihr herauszubringen. Bisweilen erwacht sie aus dem
Sopoi\ fragt wie lange sie noch zu leben habe, bittet auch
wälirend der Untersuchung, sie zu schonen, da es doch bald
mit ihr vorbei sei. Der Puls ist klein, und zeigt eine Fre-
quenz von über 120 Schlägen.
Die Haut, Conjunctiva und Zahnfleisch sind ziemlich
intensiv gelb gefSrbt; der ganze Körper, besonders die Ex-
tremitäten kühl. Die Zunge ist dick grau belegt; Druck
auf die Lebergegend so schmerzhaft, dass Patientin
aus dem Schlafe auffahrt und laut ihren Schmerz äussert,
während der ganze Leib gar nicht empfindlich ist. Der fest
coutrabirte Uterus steht wenig über der Symphyse. Bei der
Percassion des Leibes erscheint der tympanitische Schall
nur durch eine sdimale gedämpfte Zone von dem Lungenschall
getrennt, den Rippenbogen überragt die Leberdämpfung
nirgends. Im Muttermunde finden sich einige kleine Eihaut-
fetzen, welche gleich entfernt werden. Aus der Schamspalte
fliesst fortwährend etwas dünnflüssiges Blut, und zwar ist
die Quelle dieser Blutung die hintere Scheidenwand. Der
w^ge mit dem Katheter entleerte Urin zeigte bei Zusatz
von Acid. nitr. sehr deutlich die von Gallenfarb^toff herrühren-
den Färbungen, enthielt aber kein Eiweiss.
346 XXVI. Verhandltingen Aer Gesellschaft
Es wurden zunächst wegen der Bkilung kalte iDJ^ctionen
gemacht, und da sie immer wiederkehrte, die Scheide Jtam-
ponirt. Auf den Kopf wurden kalte, auf den Unterleib tem*
perirte Umschläge gelegt.
.Der Coliapsus nahm schnell zu, das Bewustsein hörte
völlig auf, und 2 Stunden nach ihrer Aufnahme starb die
Patientin.
Bei der am folgenden Tage gemachten Section zeigte
sich die icterische Färbung über den ganzen Körper gleich-
massig verbreitet Die Lungen in den unteren Lappen by-
perämisch, sonst nonnal. Das Herz blutleer, die Musculatur
anscheinend nicht verändert. (Die mikroskopische Unter-
suchung ist leider versäumt). Milz gross, schlalT, stark blut-
haltig. In beiden Nierenbecken massig grosse, in der Rinden-
und Marksubstanz mehrfache kleine Bkitextravasate. Die
Epithelien der Harnkanälchen fettig degenerirt. Magen- und
Darmschleimhaut blass, sonst nicht verändert. Im Dickdarme
sehr wenig belle Paecalmassen. Die Leber ist klein, wiegt
kaum 2 Pfd., besonders sind der Höhen- und Dickenduroh-
messer, weniger der Breitendurchmesser verringert. Sie ist
ausserordentlich sq^laiT, auf der glatten Oberfläche von blass-
gelber Farbe. Die Gallenblase enthält nur wenig blassgelfoe,
stark schleimhaltige Galle. Durchschnitte der Leber zeigen
ebenfalls eine sehr gleichmässige blassgelbe Färbung mit
äusserst kleinen und schwer zu erkennenden Acinis.
Die Grösse und Beschaffenheit dieser letzteren ist in
allen Theilen des Organs gleich. Die Gallenwege sind leer,
die Geßsse auffallend bhitarm.
Die mikroskopische Untersuchung, weiche am 2; Tage,
bei nicht wahrnehmbarer Fäulniss von Dr. Klebs unter-
nommen wurde, ergab nirgends deutlich begrenzte Leber-
zellen, sondern an deren Stelle überall eine reichliche Menge
meist sehr feinkörnigen Fettes, das die ganze, an Bindege-
webe reiche Substanz durchsetzte.
Die chemische Untersuchung ergab reichliche Mengen
von Leucin, kein Tyrosin.
Der Uterus mit seinen Adnexis bot nichts Ungewöhn-
liches dar.
Ich bin nicht in der Lage, der MittheUung dieses einzel-
rar Gebnrtohülfe in Berlin. 347
ii«n Falles neue Reflexionen folgen zu lassen; nur über die
Aeliplogie desselben möchte ich mir eine Bemerkung erlauben.
Bei der grossen Uebereinsümmung in dem Obductionsbefunde
bei acuter Leberatrophie und bei Pbosphorvergiftung liegt es
nahe, in jedem solchen Falle zu veruiuthen, dass eine Ver-
giftung zum Grunde liege, zumal in neuerer Zeit von Wagner
(Archiv d. Heilkunde 1862) die Ansicht ausgesprochen wurde,
dass mehrere in der Neuzeit beschriebene eigenthuniliche
Krankheitsfälle auf Phosphorvergiftmig beruhen möchten. Hier
giebt nun die anatomische Untersuchung allein gar keinen
Anhalt, denn alle die gefundenen Erscheinungen, der Icterus,
die Blutextravasate, die Degeneration von Leber und Nieren«
bei Abwesenheit irgend welcher Veränderungen auf der Magen*
und Darmschleirahaut kommen beiden Processen gemeinsam
zu« Liebermeüter fuhrt in seinen Beiträgen zur pathologischen
Anatomie und Klinik der Leberkrankheiten an, dass sich nach
seinen Zusammenstellungen und Untersuchungen die voll-
• kommene histologische Idenlität der Veränderangen der Leber
bei der Phosphorvergiftung und der primären nicht toxischen
parenchymatösen Degeneration ergeben hat. Der einzige
Unterschied ist der, dass bei Phosphorvergiftung die Leber
nie verkleinert, kein so vollständiger Zerfall der Leberzellen,
und nie Leucm und Tyrosin gefunden sind. Herr Dr. Klebs
sprach sich zweifelhafl darüber aus: es fände bei der Ein-
wirkung von Phosphor zwar eine sehr beträchtliche Aufnahme,
aber meist grosstropilgen Fettes in die Ijeberzelien, und auch '
wohl Zerfall derselben statte aber keine so hochgradige Zerstörung
der secretorischen Substanz und Verkleinerung des ganzen Or*
gans. AUa'dmgs lasse sich nicht ableugnen, dass beide Processe
eine grosse Uebereinstimmung zeigten, und es wäre nicht un-
möglich, dass der vorliegende Fall einem seltner zur Section
kommenden, ^pät(9*en Stadium der Phosphorvergiltung angehöre,
wofür ihm noch besonders die verschiedenen Blutextravasate
sprächen. — Ob die Magenschleimhaut diejenige Veränderung
dargeboten bat, welche Virchow kurzlich als constant hei
Pbosphorvergiftung beschrieben und als Gastrodenitis bezeich-
net hat, darauf ist damals freilich nicht geachtet, es fiel nur
ihre blasse Farbe bei anscheinend normaler Beschallenheit auf.
Während also die anatomiache Untersuchung bis jetzt
348 XXVI. Verhandlungen der Gesellechaft
den Ursprung nichl entscheiden kann, iniiBerbia aber zugiebl,
das8 das Abweichende in diesem Befunde nur durch die An-
nahme eines spateren Stadiums der Krankheit erklärt werden
könne, glaube ich, dass Anamnese und Verlauf der Krank-
heit es wahrscheinlich machen, dass hier keine Pliosphor-
vergiilung angenommen werden kann. Zunächst ist in dep
äusseren Lebensverhältnissen der Patientin durchaus keine
Veranlassung zu finden. Sie hatte keine Angehörigen hier,
machte keii) Ilehi daraus, dass sie schon ein Kind .geboren
hatte, besass etwas Vermögen und brauchte also weder
Schande noch Nahrungssorgeu zu furchten; und »ach
dem einstimmigen Urtheil der Leute, welche sie kannten,
waren ihrem heiteren Gemuthe keine Selbstmordsgedanken zu-
zutrauen. Auch dem Thee, welchen sie getrunken hat, ist
keine Schuld beizumessen, da der Icterus schon vorher be-
stand.
Der Verlauf der Krankheit war allerdings ein sehr
schneller. Sie war im Ganzen 6 Tage krank, und davon ö
Tage nur ictei*isch, ohne sich irgendwie schlecht dabei zu be-
fmden; die schweren Erscheinungen haben höchstens 12
Stunden gedauert, bis sie zum Tode führten. Aber gerade
bei diesem rapiden Verlaufe sollte man nicht erwarten, dass
die Zerstörungen in der Leber bereits eineu so hohen Grad
hätten erreichen können; wenigstens ist eine so bedeutende
Verkleinerung des Organs und so vollständiger Zerfall der
Leberzeilen bei Vergiftung nicht beobaclitet, während doch
viele Fälle bis 6 Tage gedauert hatten, bevor sie mit dem
Tode endeten.
Wenn diese Annahme richtig ist, dass es sich um eine
primäre nicht toxische parenchymatöse Degeneration der
Leber handelt, so spricht auch dieser Fall, durch die weite
Verbreitung der Störungen in Leber, Nieren und Geßiss-
system für die Ansicht BuhVs, welcher auch Bamberger
jetzt beigetreten ist, dass der Krankheit nicht eine locale
Affection der Leber, als vielmehr eine schwere Allgemeiner-
krankung zu Grunde liege.
Herr Hirsch verweist auf einen in der Wiener Medici-
nalhaUe 1864 No. 7 vom Wundarzt MaU in DeuUch- Wagram
veröffentlichten ganz analogen Fall.
fBr OeborUhaife in Berlin. 349
Herr Ulrich fragt an, ob man die Erkrankung in
diesen und äinlichen Fällen in einen ursächlichen Zusammen-
hang mit der Schwangerschaft bringen könne, oder ob letalere
nur eine zufallige Complication dabei abgebe? Er selbst
möchte sich für die letztere Annahme erklären, da der Ver-
lauf der Krankheit in keiner Weise von dem bei acuter
Leberatrophie häufig beobachteten abweiche, (wie ihn z. B. noch
ein vor Kurzem im St. Hedwigs Krankenhause vorgekommener
Fall bei einem 6 jährigen Knaben zeigte), auch nicht abzu-
sehen sei, weshalb bei dem so ausserordentlich seltenen Vor-
kommen der genannten Krankheit in der Schwangerschaft
gerade in dieser ein ätiologisches Moment gesucht wei^den
solle.
Herr Krtsteller erzählt einen Fall von Placenta
praevia.
Frau & in Berlin, Primipara, etwa 30 Jahre all, iiatte
in den letzten Monaten der Schwangerschaft ab und zu Ge-
bärmutterblutungen. Der Arzt derselben diagnosticirte btn^eits
8 Wochen vor der Niederkunft Placenta praevia, und fand
den Kopf nicht vorliegend. Bei sorgsamer Pflege und passen-
den Hedicamenten wurden die Haemorrhagien so viel wie
möglich zurückgehalten, doch traten sie gegen Ende der
Schwangerschaft einigemal sehr ernst auf. Am 18 Dec. 1864
früh 3 Diu* begann die Frau zu kreissen. Auf Wunsch des
bdian^leinden Arztes wurde ich um 7 Uhr dazugerufen. Die
Frau war ziemlich gut bei Kräften, doch sehr unruhig. Der
Uterus war durch die Bauchdecken als ein fester, ovaler
Körper durchzufühlen. Die Kindesherztöne waren links unten
am deutlichsten zu hören und an Zahl 120 — 130 Mal in
der Minute. Das Ostium vaginae war eng, der Damm straff und
unelastisch. In der Scheide lagen grosse Massen geronnenen
Blutes. Der äussere Muttermund stand hinten oben, links,
etwa 1" geöflhet, war an seinem Rande saitenartig scharf,
sehr wenig ausdehnbar und sehr empfindlich. Im Mutter-
monde war jene weiche Masse zu fühlen, welche sich als
Placenta praevia zu erkennen giebt. Die Placenta lag nicht
genau central vor, sondern reichte etwa noch einen Zoll
350 XXVI. Veriiandlangen dar GeMlUehaft
weit über den rechten Rand des Muttermundes hinfiber. In-
iiem ich, um die Piaceota zu umgehen, den Utenisbalii mit
dem Finger durchsuchte, erkannte ich, dass die Piacenta
mit dem untersten Uterusabschnitte nidit verbunden war, son-
dern sich erst etwa in der Gegend des inneren Muttermundes
fest inserirte. Der Gürtel, der zwischen innerem und äusserem
Mutte|munde liegt, war dünn, glatt und frei zu fohlen und
verhielt sich so, als wenn die Placenta nicht vorläge.
Ich glaube dies hervorheben zu müssen, da der Mutterbals
bei Placenta praevia gewöhnlich als hypertrophisch, dick
und aufgelockert geschildert wird, während ich ihn hier so
dünn und fest fand, wie er gewöhnlich bei älteren Primi*
paris vorkommt. Oberhalb der Placenta i war der Schädel
zu filhlen, seine besondere Lage war nicht zu erkennen,
doch konnte man aus der äusseren Untersuchung auf erste
Schädellage scliliesseri. Der Kopf war noch nicht in das
kleine Becken eingetreten. Die Wehen traten alle zehn Mi-
nuten auf, der Uterus zog sich gut zusammen, die Er-
weiterung des Muttermundes machte aber keinen Fortschritt,
und ebensowenig war ein Herabtreten des Kopfes zu be-
merken. Um die hin und wieder stärker auftretende Blutung
zu hemmen, wurde innerlich Acid. sulph. mit Tinct. opii und
äusserlkh ein mit Luft gefüllter Colpeurynter angewandt.
Um 1 Uhr Mittag hatte die Geburt noch keinen besonderen
Fortgang genommen. Die Blutung hatte sich zwar sehr ge-
mässigt, aber der Muttermund war nur ein wenig grösser
geworden, und der Kopf noch immer nicht ins kleine Becken
eingeti^eten. Dabei war die Frau sehr unruhig, klagte über
unerträgliche Schmerzen, wurde heiss, trank viel und hastig,
und bekam einen harten Puls, der auf HO stieg. Unter
diesen Umständen entschloss ich mich zur Incision des
Mutteimundes. Ich spaltete den Muttermund nach rechts
hin durch drei Einschnitte. Die Schnittwunden bluteten un-
bedeulend, dagegen hatte die Operation für den Mechanismus
partus den besten Erfolg. Der Muttermund erweiterte sich
sofort nach der Operation auf etwa 2^^^'*, nach einigen
Wehen trat der Kopf in das kleine Becken ein, die Blase
platzte, es ergoss sich wenig Fruchtwasser, die PIncenIa
blieb an der linken Seite des Uterus haften, die Blutung
für GebnrUhfilfe in Beriin. 351
zeigte sieb gar niclH mehr, und im Laufe einer halben
Stunde war der Kopf auf dem Beckenboden angdangt und mit
einem kleinen Abschnitte zwischen den Schamlippen zu fühlen.
Nun aber begannen neue Schwierigkeiten. Der feste, un-
elastische Damm dehnte sich nicht aus, das Ostium vaginae
blieb ungetalir 2^' weit geöffnet und so stand die Geburt
etwa anderthalb Stunden. Hierbei litt die Frau sehr und
klagte namentlich über Schmerzen im After. Der Sphincter
wurde nämlich in diesem Stadium der Geburt auseinander
gezerrt imd in die Länge gezogen, der Damm selbst ver-
breiterte sich sehr wenig, und indem der Kopf durch die
Wehen auf den Damm getrieben wurde, und weder durch
das Ostium vaginae genügend hindurcbtreten noch * auch die
Dammmuskeln genügend ausdehnen konnte, bewirkte er jene
Zerrung des Sphincter ani, so dass die Schleimhaut der
vordem Wand des Rectum frei zu fühlen war. Jeden Augen-
blick stand eine Ruptura perinaei zu furchten, die sich unter
diesen Umständen leicht bis ins Rectum hinein erstrecken
konnte. Um diese grosse Gefahr zu verhüten, und auch
um den nun zur Unerlräglichkeit gestiegenen Leidenszustaiid
der Frau zu beendigen, machte ich am Perinaeum die analoge
Operation, die ich oben am Muttermunde gemacht habe. Ich
vollzog an der rechten Schamlippe vier und an der linken,
welche mir schwieriger zugängig war, zwei Querschnitte, und
bald nach der Operation rollte der Kopf über den Damm.
So fest war der vorhandene Vorkopf in den engen straffen
Scheidenmund eingezwängt, dass ich um die ersten Schnitte
zu machen. Mühe halte mit dem durch den Finger cachirlen
Messer zwischen Kopf und Scbamlippe 'einzudringen , und
dass nach der Geburt die Kopfgeschwulst durch eine scharfe
Marke von dem übrigen Schädel abgegrenzt war. Nach ge-
bornem Kopfe zeigte sich die Nabelschnur zweimal um den
Hals geschlungen, war nach keiner Seite zu lockern und
musste durchschnitten werden. Die weitere Entwickehing
des Kindes gelang sehr schnell, das Kind, ein Mädchen, fing
sofort nach der Gebut an zu schreien, und die Athmung
kam ohne auffallende Rasselgeräusche in guten Gang. Nach
der Geburt des Kindes ging ich an die Lösung der Nach-
geburt. Ich bemühte mich etwa 8 Minuten lang nach
362 XXVI. Verhandlmigeii der Gesellschaft
CVedAcher Methode die Placenta herauszudrücken und den
Uterus zu verkleinern, doch ohne Erfolg. Bei der starken
Blutung indess und bei der durch die langdauernde und
schwierige Enthindung bedingten Schwäche der Frau zögerte
ich nun nicht länger, sondern ging mit der Hand in den
Uterus, fand denselben mit geronnenem Blute erfüllt und die
Placenta mit der linken Seite des Uterus verwachsen, so
dass ich sie künstUch abtrennen musste.
Nach herausgenommener Plaoenta zog sich der Uterus
gut zusammen und die Blutung stand still. Die Coagula in
den Genitalien und zwischen den Schenkeln der Frau mögen
wohl an 3 Pfd. betragen haben. Die Schnittwunden des
Muttermundes und der Schamlippen hatten sich sehr ver-
kleinert. Ich beobachtete die Frau noch eine Stunde, gab
ihr etwa eine halbe Flasche Rothwein zu trinken, der Puls
hob sich, es bracb ein guter Seh weiss aus, Schlaf stellte
sich ein, und es trat weiter keine Blutung auf.
Die ersten fünf Tage des Wochenbettes hatte die Frau
einen (ieberhaflen Puls, schlief und schwitzte dabei aber
sehr viel. Am sechsten Tage war die Frau fieberfrei und
erholte sieh von da ab unter passender Ernährung ziemlich
schnell. «
Heute, mehr als 3 Wochen nacli der Entbindung, ist die
Frau ganz wohl auf und säugt ihr Kind, welches vortrelfich
gedeiht.
Herr 0. Mayer findet es nicht gerechtfertigt, dass Herr
Kristeüer sich sofort nach der Entbindung an die Herausbeför-
derung der Placenta gemacht habe und nach 5 Minuten langer
fruchtloser Cr ed(f scher Manipulation sogleich zur operativem
T.ösung übergegangen sei. Nur die dringendste Lebensgefahr
rechtfertige einen solchen Eingriff, denn er könne nicht oft
genug wiederholen, wie die Folgen künstlicher Placentalösungen
häufig sich durchs ganze Leben bemerkbar machten.
Herr Wegscheider erwähnt, dass er kürzlich in der
Nacht von einem Collegen zu Hülfe gerufen, um die Lösung
einer Placenta vorzunehmen, bei seiner Ankunft 2 Stunden nach '
der Entbindung dieselbe bereits in der Scheide vorgefunden
habe. Er sei früher ein Anhänger der activen Methode ge-
wesen, durcJi C. Mayer aber zur abwartenden bekehrt, könne
für Gebnrtohtilfe In Berlin. 353
er nar eiiigesleben dass er nie Gruud gehellt habe, die Be-
folgung dieser Grundsätze zu bereuen.
Herr KrigteUer giebt diese Einwendungen im AUgemeiDen
zu, erklärt aber, dass er in dem vorher erwähnten Falle
habe operiren müssen, da eine lebensgefährliche Blutung ei»*
getreten sei.
Uebrigens seien Gewebserkrankungen der Gebärmutter
nach Placenta praevia doch nicht lediglich einem operativen
Verfahren zuzuschi*eiben. Die ganze Auflockerung der Vagi-
nalportion, die ungleiche Rückbildung des Fundus und des
aufgelockerten Cornu uteri beding« schon an und für sich
Störungen des Gleichgewichtes in der Gebärmutter auch ohne
spedelle Reizung durch Manipulationen.
Sitzung am 24. Januar 1865.
Tagesordnung: Innere Angelegenheiten.
Da keine Statutenänderung beantragt ist, so geht der
Vorsitzende zur Wahl neuer Mitglieder Ober:
Es werden aufgenommen
als ausserordentliche
Herr Prof. Dr. Hirsch in Berün. «
Herr Dr. Klebs in Berlin.
als auswärtige
Herr Prof. Dr. Hermann in Bern.
Herr Dr. EasÜake in London.
Herr Dr. Robert Barnes in London.
Herr Dr. Edw. Will. Murphy in London.
Herr Prof. Dr. Leishman in Glasgow.
H^rr Prof. Dr. Simon Thomas in Leyden, /
Herr Prof. Dr. Aloys Valenta in Laibach,
als ordentliche
Herr. Dr. Schwahn.
Herr. Dr. Zober.
Herr. Dr. Bömer.
Herr. Dr. Ebell
Bevor zur Neuwahl der Beamten geschritten wird, er-
bittet sich Herr Kauffmann das Wort.
Monatofekr. f. Gebnrtok. 1M6. Bd. XXV., Hft. 5. 28
354 XXVI. Verhandlungen der tieMlLBchaft
Er daiilil der Geseilschafl für das ihm bibiier unverroin^
dert bewiesene Verlrauen, bittet aber bei der Neuwahl eines
Secretairs einen Andern zu diesem Amte zu ernennen, da er
wegen Ueberhäufung mit anderweitigen BerufsgescbäIXen nicht
mehr im Stande sei, die Secretariatsgeschäfle mit genügender
Sorgfalt zu verwalten.
Man schreitet demnjichst zur Wahl.
Es wurden gewählt:
Herr 0. Mayer als Präsident
Herr Martin als Vicepräsidenl.
Herr Gusaerow als JSecretair.
Herr Kruteller als Vicesecretair.
Herr L. Mayer als Kasseufuhrer.
Sämmtliche Gewählte erklärten die Wahl anzunehmen.
Sitzung vom 28. Februar 1865.
Der Präsident zeigt nach Eröflnung der Silzung den Tod
des langjährigen auswärtigen Mitgliedes Herrn ßetschler zu
Breslau an und knüpft daran einige Worte ehrender Aner-
kennung der langjährigen Thätigkeit des Verstorbenen. Die
Gesellschaft erhob sich als Zeichen ehrenden Gedächtnisses
für den*Todten von ihren Sitzen.
Herr Klebs legt
Ein Präparat von Mastdarmscheidenfistel,
mit Zerstörung der äussern Genitalien durch
einfache nekrotisirende Geschwüre bedingt,
vor.
Das betreffende Präparat rüfart von einer auf der gynä-
kologischen Abtheilung des Herrn Martin verstorbenen Per-
son her und bestand aus dem gesammten Inhalt des kleinen
Beckens nebst den äussern Genitalien. Von diesen letztern
befanden sich nur geringe Reste der kleinen Schamlippen in
der Nähe der Clitoris in normalem Zustande; ihre nächste
Umgebung, die vordere Vaginalwand, war intensiv geröthet
und diese Stelle war die einzige, wo die normale Schleim-
haut noch vorhanden war. Die übrige Scheide war gänzlich
untergegangen in knollige, eigenthümlich gelblich gefärbte
Massen, die durch andere Steilen von schmutzig grauer Farbe
für Oebnrtsbülfe in Berlin. 355
in einzelne Pai*tieen getrennt waren. Das Ganze bot auf den
ersten Anblick das Bild einer Carcinoma tosen Erkrankung
der Genitalien dar, doch bei genauerer Betrachtung ergab
sich, dass es sich hier um eine einfache Nekrotiäirung des
normalen Fettgewebes handelte. Jeder der einzelnen oben
erwähnten gelblichen Buckel gehört einer Fetttraube an, wäh-
rend das dazwischen liegende Gewebe nekrotisirt ist. Die
mikroskopische Untersuchung ergiebt zahlreiche mit Fett ge-
fnllte Zellen, bei einigen von ihnen ist der Fettinhalt kry-
stalliniscb, dazwischen Detritus und keine Spuren von Wu-
cherungszellen. Durch diesen Nekrotisirungsprozess ist die
ganze hintere Scheiden- und vordere Mastdarmwand voll-
ständig zerstört. In die so entstandene Höhle ragt die, mit
flachen Erosionen der Muttermundslippen besetzte Yaginal-
portion tief hinein. Der ganze Uterus ist mit der Harnblase
sehr tief heruntergetreten und zeigt keine anderen Yerände-
rungep, als die bei Prolapsus gewöhnliche langgezogene Form
der Vaginalportion. Die sehr bedeutende Senkung des Uterus
und nach hinten gerichtete Lagerung seines Fundus ist in
diesem Falle entschieden bedingt durch die vollständige Zer>
Störung der hintern Scheidenwaiid , und so beweist dieser
Fall wiederum, dass die wichtigste Fixining des Uterus durch
diese Scheidenwand gebildet wird, während die Ligamenta
lata, wie auch in diesem Falle, leicht nachgeben.
Was die Entstehung dieser .nekrotischen Zustände mit
Abwesenheit aller Regeneration anlangt, so fehlen« in diesem
Falle alle Anhaltspunkte für eine Erklärung. Man könnte an
eine syphilitische Erkrankung oder eine mechanische Ver-
letzung als den Ausgangspunkt denken; für die erstere Mög-
lichkeit könnte der Befund an den Nieren sprechen, deren
Oberflächen leicht vertiefte narbige Züge zeigten, wie man sie
bei Syphilis findet, dagegen waren Leber, Knocbeir etc. ganz
frei von den Veränderungen bei einer derartigen Erkrankung.
Zu bemerken dörüe nodh die hochgradige Kachexie sein, die
der Leichnam der 24 Jahre alten Person zeigte. Ferner fan-
den sich am rechten Arme einige oberflächliche nekrotische
Geschwüre.
Herr L. Mayer bemerkt hierzu, dass er seil Kurzem
eine Frau behandele, bei der ihm ein ähnliches Leiden, wenn
23 •
356 XXVI. Verhandlungen der GeselUchafl
auch bei Weitem nicht in diesem ausgi^dehnteii Grade vor-
zuliegen sdieine. Dieselbe sei 29 Jahre alt, sehr berunter-
gekommeo, seit 27« Jahren vcrheiratliet, habe vor l^'« ^^^
reo geborto, klage seit 1 Jahr über Schmerzen im Leibe
und den Genitalien, über Tenesmus und Stranguric. Starke
Leucorrhoe bestehe schon seit den Mädchenjahren, Coitus
verursache seit geraumer Zeit Schmerzen. Es habe sich bei
der Untersuchung ein tief gehender Substanzverlust an der
hintern Commissur gefunden, in Form einer sich von Aussen
nach Hinten in das Perhiaeum gegen das Rectum erstrecken-
den über walhiussgrossen Höhle; die Oberfläche derselben
habe ein geschwüriges Aussehen von rother Färbung gehabt,
sei leicht zottig gewesen, ähnlich dem vorliegenden Präpa-
rate, aber nicht nekrotisireud , und secernire eine massige
seröseitrige Flüssigkeit. Wiewohl aus der Anamnese sich
für eine syphilitische Basis keine ' Anhaltspunkte ergeben
hätten, auch gegenwärtig keine weiteren Symptome von Lues
vorlägen, denn unbedeutende Schwellung der Inguinaldrusen
würde man der entzündlichen Reizung zuschreiben müssen,
so habe er dessenungeachtet eine nominelle Behandlung ein-
geleitet, local die Geschwürsfläche mit Liquor Hydrargyr.
nitric. behandelt, innerlich Sublimat gegeben.
Herr L. Mayer verliest folgenden Fall von
Placenta praevia.
Die 32 Jahre alte Zjmmermeistersfrau E. entstammte
einer gesunden Familie und erfireute sich bis zu ihrem 15.
Jahre einer blühenden Gesundheit In diesem Jahre stelken
sich chlorotische Erscheinungen bei ihr eiji, die bis zum 19.
Jahre fortdauerten, während die Menses im 18. Jahre un-
regelmässig, spärlich und stets von Schmerzen im Os sacnim
und Hypochondrium begleitet, eintraten. Vom 19. bis 24.
Jahre war sie wieder völlig gesund. Im 24. Jahre fanden
sich Husten mit Brustbeklemmungen, copiösem Auswurfe, hau*
figem .starken Nasenbluten und öttefem Blutspeien, welches
sich auch in den späteren Jahren, zuletzt vor 16 Monaten
wiederholte, ein, während Nasenbluten bis in die jüngste Zeit
nicht selten auftrat Scheinbar nach heftiger Gemütbsbe-
wegung wurde Frau E. in jeuer Zeit zuerst von einer eigeu-
thümlichen Motilitätsneurose befallen, auf die ich bei anderer
fQr Gelmrtshttlfe in Berlin. 367
Gekgenbeit austubriicli zurück zu komnien gedenke. Es
mag hier die Millheiluug gendgen, dass dieselbe von dieser
Zeit an in Form längerer oder kürzerer Anfälle periodisch
häufiger oder seltener auftrat und meiner Meinung nach am
liassendsten als Reflex lä hm ung zu bezeichnen sein möchle.
Ein halbes Jahr nach dem ersten Auftreten dieser Neurose ver-
heiralhete sich Frau E, Drei Monate später abortirte sie
ohne angebbare Ursache, gebar darauf im Ganzen 6 lebende
Kinder« darunter einmal Zwillinge. Betreffs der drei ersten
Geburten, Schwangerschaften und Wochenbeilen ist nichts
Besonderes zu bemerken. Dagegen *fanden sich in der vor-
letzten Gravidität vor Vl^ Jahren, elwa in der Mitte derselben,
Schmerzen im Rückgrathe, besonders in dem uniern Driltel,
weidie von liier über die linke Hüfte in das Hypogastrium
ausstrahlten, mit parelhisdien Erscheinungen im linken Schen-
kt*! umhergingen und für Rheumalisnms gi-hall«*!) wurden.
Sie schwanden zwar nach der Gehurl auf einige Zeit, kehrten
ahm- bald wieder, um danach forldauernd in mehr oder we-
niger heftigem Grade zu beslehen. Fünf Wochen nach dieser
Geburt stellten sich die Menses ausserordentUch profus ein
und blieben seitdem immer auflallend stark. Zu bemerken ist
noch dass Frau E, nie nährte.
Ende April v. J. wurde sie zum sechsten Male Gravida.
Die Menstruation trat in den ersten beiden Schwangerschafls-
numaten wie gewohnlich ein, vom di*itten an blieb sie aus.
Es fanden sich aber von diesem Zeitpunkte an bis zu Ende
der Schwangerschaft gesteigerte Schmerzen im Rücken und
im Hypogastrium, verbunden mit Tenesmus und Slranguiie.
Jm fünften Monate überraschte sie eine heftige vierzehn Tage
dauernde Blutung, ebenso im folgenden Monate eine vierund-
zwanzig Stunden währende sehr profuse Metrorrhagie. Bei
dieser letzteren konnte als nrsächliclies Moment körperliche
Anstrengung und Gemülhsbewegung durch Krankheit und Tod
eines Kindes angeführt werden. Desgleichen blutete die Frau,
als sie das Unglück hatte, zwei Monate später, also im achten
Schwangerschaflsmonate, ein zweites Kind zu verlieren, wie-
derum acht Tage hindurch stark.
Diesmal wurde Frau E, mehr als durch die ersten
beiden Metrorrhagien angegriflen, es stellten sich Schwindel,
358 XXVI. Verbandlungen der Gesellschaft
Uebelkeilen, liäuliges Erbrechen, ausserdem von dieser Zeit
an fast allabendlich von 6 — 1 Uhr Fieberbewegungen, Frost,
Hitze, Durst, Kopfschmerzen ein, die sie während der beiden
letzten Monate nicht meljr verliessen. Bis zum Beginne der
Geburtsliiätigkeit am 30. Januar a. c. blutete Frau E. Aus-
gangs des achten Monats zum vierten Male unbedeutend, da-
gegen sehr profus vierzehn Tage vor der Geburt einen halben
Tag, und endlich zum sechsten Male zwölf Tage später nur
eine halbe Stunde aber sehr heftig. Ursachen für diese letzten
drei Metrorrhagien sind nicht anzugeben gewesen.
Am 30. Januar a. *c. Mittags sah ich Frau E, zum
ersten Male. Ich fand sie im Bette liegend, zwar bleich,
mit anämischen Lippen, Zunge und Conjunctivae, aber keines-
weges auffallend entkräftet. Sie beklagte sich am meisten
über das Gebot ihres Hausarztes, das Bett nicht zu verlassen,
da sie ja nur ab und zu ein eigenes Ziehen im Leibe mit
Drang zum Uriniren verspüi*e, sich übrigens ganz wohl fühle.
Der Puls war in Anbetracht der vorausgegangenen starken
Bhilungen kräftig zu nennen 96 bis 100. Die Untersuchung
ergab Herz und Lungen gesund. Nonnengeräuscb. Der l^ib
sehr ausgedehnt; beim Drucke empfmdlich. Gebärmuttergrnnd
bis an die Bippenbo«,MMi reichend. Kindskopf in der linken
Seite, in der rechten kleine Theile. Folaipuls unterhalb des
Nabels deutlich. Bei der inneren Untersuchung fand sich
Folgendes: Vulva und Vagina waren schmerzhaft, ebenso das
untere Uterinsegment. Die Vaginalportion stand nach hinten.
Beide Muttermuiidslippeu hingen schlaff, nicht verdickt, etwa
einen Zoll lang herab. Das Orificium war etwa thalergross
geöffnet. Der untere Abschnitt des Uterus lag, prall und fesli
auf dem Beckeneingange, comprimirte die Blase, wie der
Katheter ergab und war beim Drucke überall empfindlich.
KindesLlieile konnten nicht durchgefühlt werden. Von dem
Orificium externuni aus gelangte der untersuchende Finger
in ein nach oben sich trichterförmig erweiterndes Cavum,
welches etwa P/s bis 2 Zoll vom äusseren Bande des Ori-
ficium durch das tiefgefurchte schwammige Gewebe der Pla-
centa, wie von einem darauf gelegten Deckel abge;^chlossen
war. Das rundliche, freiliegende Stück der Placenta halte
gegen 2 Zoll im Durchmesser und sass ringsum der Uterus-
m Gebnrtuhfiir« In Berlin. 859
Wandung fest an. Eihäute oder Placentarrand waren nicht
zu fQhlen, so dass nicht zu eruiren war, welchem' CJterin*
abschnitte der nicht vorliegende Theil der Piacenta aufsass.
Wie schon mitgetheilt, fand die letzte Blutung sturzartig, eine
halbe Stunde dauernd, 48 Stunden vor der Geburt statt Jetzt
aber wurde bei der Untersuchung nur schleimiges Secrel ohne
Blutbeimischung in der Vagina gefunden. In den Nach-
mittagsstunden vermehrte sich das Gefilhi von Ziehen im
Leibe und steigerte sich bis 10 Uhr Abends drei Mal zu un-
zweifelhaften Wehen. Von 10 — 12 Uhr Nachls herrschle
völlige Ruhe. Von 12 Uhr an aber begann eine ununter-
brochene Wehentbatigkeit. Die Wehen waren — nament-
lich Anfangs — sehr verschieden an Dauer und Energie, zu-
dem stellten sie sich als Contraclionen der Gebürmulter dar,
die sich deutlichst sichtbar bald auf die eine bald auf die
andere Hälfle des Uterus unregelmässig auf kleitii* iuhv grössere
Theile beschränkten, ohne dass dl«* plötzlichen und heftigen
Schmerzen, wie sie bei solchen klonischen, partiellen Krampf-
wehen Rege] sind, hervortraten. Einen Einfluss auf die Er-
weiterung des Muttermundes hatten diese Wehen nicht. Denn
als ich gegen 1 Uhr Nachts zu der Kreissenden gerufen wurde,
fand ich die Beschaffenheit der Vaginalportion noch gerade
so wie bei der Exploration des Mittags. Die Frau war munter,
ertrug die alle drei bis fünf Minuten wiederkehrenden Wehen
mit grosser Ruhe und unterhielt sich in den Wehenpausen ober
Gegenstände aller Art. Obgleich nun eine strenge Indication
nicht vorlag, da nicht die mindeste Blutung stattgefunden
hatte, so wurde dennoch, einestheils prophylactisch Blutungen
zu hindern oder doch zu massigen, andemtheils zum Versuche
die Wehentbatigkeit zu normiren eine Gummiblase in die
Vagina gelegt und mit kaltem Wasser geffiUt. Dieselbe ver-
ursachte anfanglich heftigen Stuhlzwang und Kreuzschmerzen,
wurde aber alsbald gut vertragen und halle wirklich eine
Normirnng der Wehen zur Folge, insofern sich dieselben nun-
mehr nur mit Ausnahmen, gleichmässig über den ganzen Uterus
erstreckten, ohne gerade an Häufigkeit, Dauer und Energie
zuzunehmen. Die Kautschuk blase blieb '/« Stunde liegen
und wurde alsdann entfern!, weil wieder heftiger Drang auf
das Rectum eintrat. Nach Entfernung derselben fand sich
860 XXVI. Verhandlangen d«r OenelUiehaft
der äussere H|ittermund |bi8 zu Zweithalergrösse erweitert.
Trotzdem hatte sich kein Blut gezeigt. Wiederum ly« Stunde
lang wurde der weitere Geburtsfqrtgang sich selbst überlassen.
Bei den in dieser Zeit etwa alle 10 Minuten auftretenden
Wehen mittlerer Starke, drängte sich die Placenta wenig
nadi unten convex herab, die Muttermundslippen spannten
sich nur wenig und häufig gingen kleine Mengen Urins bei
den Wehen unwilikührlich ab. Die zweite Application der
Gummiblase um 3 Uhr hatte wiederum einen günstigen Ein-
fluss auf die Stärke und Häufigkeit der Wehen. Das Befinden
der Kreissenden war gut; der Puls IVequent, aber die Haut
feucht, ihre Temperatur normal. Um V46 Uhr wurde die
Blase wieder entfernt, weil das Drängen «luf das Rectum der
Kreissenden unerträglich war. Das Orificium fand sich jetzt
um ein Bedeutendes weiter gegen 2 Zoll im Durchmesser
eröffhel. Die schlafTen Muttermundslippen umgränzten jetzt
ein von der anfanglichen Trichter- in die Walzenform über-
gegangenes Cavum. Aber auch jetzt konnte nirgends durch
die sorgfältigste Untersuchung ein Placentarrand gefühlt
werden. Möglich nun, dass bei der Exploration trotz gröss-
ter Vorsicht ein PLicentarstöck vom Uterus getrennt wurde,
oder dass ein zufälliges Zusammentreten obwaltete — plötz-
lich rieselte ein Strom Blutes über die untersuchende Hand.
In wenig Augenblicken halte die Frau gegen zwei Quart
Blut verloren und blutete unaufliörlich. Da die Muttermunds-
lippen schialT waren, so konnte trotz der noch nicht genü-
genden Erweiterung des Orificium an das Gelingen einer
Extracüon des Kindes ohne Gefahr für die Mutter gedacht
werden. Die Kreissende wurde daher schleunigst auf ein'
Querbett gelagert, die Hand in des Orificium eingeführt, und
zwar wurde die linke Hand gewählt, erstens in Erwägung
der ausgemachten Thatsache, dass die Placenta am häufigsten
an dem rechten hinleren Umfange des Uterus festsitzt, der
Rand also vorn rechts zu vermuthen war, ausserdem weil
die Fösse des Kindes in der rechten Seite lagen. Es wurde
nun der Versuch gemadit, den Placentarrand und Eihäute
zu erreichen, wobei zunächst ein Placentarstück von der
vorderen Uteruswandung getrennt werden musste. Da aber
sliess die Hand auf einen mehrere Linien dicken, festen von
^ für Oeburtabiilfe in Berlin. 361
der UteruswanduQg nicht loszulöseoden Wall. Da die Blutung
in heftigster Weise fortdauerte und somit jeder Augenblick der
Zögerung die Gefahr für die Mutter wachsen liess, so wurde
ohne Bedenken das Placentargewebe vor dieser Stelle durch-
bohrt, die innere Membran mit Hülfe einer Sti'icknadel
durchbrochen, der vordere Rand der Placenta — der sich
der Annahme entsprechend an dem vorderen rechten Uterin-
segmente befand — von der ei'wähnten festen wallarligen
HervorragUBg, in welche derselbe überging, in hinreichender
Ausdehnung getrennt, ein Fuss herahgeholt und die Extrac-
tion des Kindes langsam aber ohne Unterbrechung ausgeführL
Als der Steiss geboren war, bemerkte man mehrere kräftige
Athmungsbewegungen des Kindes, die sich bald darauf bei
der Losung der Arme wiederholten. Das Kind kam Schein-
tod! zur Welt, wurde indessen bald ins Leben zurückgebracht
und erfreut sich bis auf den beuligen Tag bester Gesundheit,
Der quere Kopfdurchmesser mass gegen 3'' der gerade kaum
4". Während der Extraclion war die Blutung nur unbe-
deutend, nach derselben stand sie. Die Placenla fand sich
in der Vagina bis auf den hinteren Theil, der noch festhaflete.
Der Uterus contrahirte sich, die Blutung stand, und so fand
sich nicht eher Grund sie zu entfernen, bis nach % Stunden,
trotz fast beständiger Frictionen des Uterusgrundes, wieder
bedeutendere Blutungen eintraten. Es war nicht schwierig
den hinteren Abschnitt der Placenta von der Uteruswandung
zu trennen. Die Hand stiess aber wieder wie an der vor-
deren Wandung auf einen ähnlichen harten, festen, nicht zu
trennenden WaU. Es blieb nichts übrig als die Placenta von
diesem Ringe abzulösen, und denselben nebst dem übrigen
Theil der Eihäute im Uterus zu belassen. Es wurde ein
Infusum secal. cornut. gegelien, ausserdem der Uterus durcli
beständige Frictionen des Grundes, die von einer zuverlässigen
Person mehrere Stunden hindurch fortgesetzt wurden, in Con-
traction erhalten. Die Placenta mass im Durchmesser gegen
6 Pariser Zoll. Der Abschnitt, welcher vorgelegen hatte,
grenzte sich ziemlich scharf ab und zeigte einen Durchmesser
von etwa 2^« Zoll, er war zerfetzt, sein oberer Rand nicht
völlig erhalten. Das Placentarparenchym war stark fettig
degenerirt. Der Ueberzug der Fötalfläche erschien verdickt.
362 XXVI. Verbandlangen der GeaellschRft
Amnion und Chorion waren an einzelnen Stellen zu trennen ;
wo dies geschehen konnte war auch ersteres verdickt. Die
iNaheischnur war aufTaliend dünn, central inserirt. Nach dem
Rande zu verdickte sich das Chorion zu einem an einzelnen
Stellen his 4 Linien starken Wall von fester Consistenz und
sehnigem Aussehen.
Das Puerperium betreffend, fuge ich hinzu, dass die
ßhilung nach der Entfernung der Placenta nur noch unbe-
deutend war und die Wöchnerin zwar ausserordentlich ge-
schwächt, dennoch einen verhältnissmässig kräftigen Puls gegen
100 Scliläge hatte. Nachwehen und die eigenthumlichen
nervösen Anfalle, von denen zu Anfang dye Rede war, peinig-
ten sie in den ersten beiden Tagen, im Uebrigen verlief diese
Zeit den Umständen nach günstig. Pieberbewegungen waren
nicht vorhanden, der Leib nicht schmerzhaft, Appetit trotz
häufigei' llebelkeiten rege, Stuhlgang erfolgte durch Lavemenis.
Von den Eihäuten ging aber vorläufig keine Spur ab. Man
fohlte dieselben aus dem tlialerweit geöflnelen Orificium des
fest Contrahirten Uterus in Form dicker fjappen hervorragen.
Die Verordnung bestand in Gebrauch von Seeale cornut. In-
fus und dreistündlichen Injectionen von verschlagenem Wasser
in die Vagina. Am dritten Tage des Wochenbettes stellte
sich ein jauchiger, sehr copiöser, mit Eihaulfetzen gemischter
Abfluss ein, der am 12. Tage nhchliess und mit demselben
leichte Pieberbewegungen, die vom 4. Tage an ohne Schmerz-
haftigkeit des Leibes, bei leidlichem Appetite, unbedeutenden
Kopfschmerzen zu bemerken waren. Der Uterus fand sich
an diesem Tage bei der inneren Exploration wenig empfind-
lich, zurückgebildet. Die Eihautpartien waren aus dem Ori-
Jicium verschwunden. Letzteres wenig geöffnet. Am 18. Tage
verliess die Wöchnerin auf einige Stunden das Bett. Der
Loehialfluss , der vom 12. Tage bis dahin schleimig eitrig
gewesen war, wurde zwar wieder sanguinolent , auch fand
sich der alte Schmerz in der Regio iliaca sinistra, begleitet
von einem Gefühle des Pressens nach unten und Strangurie,
indessen hoben sich die Kräfle der Wöcbnerin schnell bei
gutem Appetit. Am 23. Tage nach der Entbindung stellte
sich eine starke Blutung unter ziendich lebhaften Schmerzen
ein, die für die Menstruation angesprochen wurde. Sie dauerte
mr Qebartshaife in Berlin. 363
24 Stunden und endete mit einem sehr heftigen der be-
sprochenen nervösen Anfalle. Eine Untersuchung an diesem
Tage ergab den Leib weich und klein, nirgends beim Drucke
schmerzhaft ; den Uterus nach rechts deviirt retroponirt, nicht
frei beweglich und wenig schmerzhaft, das Orißcium aber
geschlossen.
Es sei mir gestattet, an diese Geburtsgeschichte einige
ganz kurze epikritische Bemerkungen anzuknöpfen.
Der Symptomencomplex unseres Falles bot Eigenthüm-
liebes durch das Hinzutreten einer Compiication, deren Ein-
fluss sich beim Geburtsacte durch die Consequenzen , welche
sie nach sich zog, besonders bethätigte. Ich meine die vom
dritten Schwangerschaftsmonate an datirenden inflammatori-
schen Processe des Uterus, die vom 8. Monate an einen
fast acuten Gliarakler annahmen, anßnglich sich durch Rücken-
schmerzen, Druck im Hypogastrium, Tenesmus, Strangurie
kund Ihaten, später mit Fieberbewegungen einhergingen. Die
Folge dieser Vorgänge waren Verwachsungen und Verdickun-
gen der Eihäute mit den Uleruswandungen. Diese Verdickun-
gen hatten am Ende der Schwangerschaft einen so hohen
Grad erreicht, dass sie den Placentarrand als ringförmigen
bis 4'" dicken Wall umgaben. Dass trotzdem in der Gravidiiät
l.oslösungen der vor dem Orificium gelagerten Placentatheiie
erfolgen konnten, war aus den wiederholten Hämorrhagien
ersichtlich, folgte auch daraus, dass vor dem Eintritte der
eigentlichen Geburtsthätigkeit bereits das Oilficium extern,
uteri weit geöffnet war , und ein umfangreiches Placentastöck
ganz frei lag. Der Uterinabscimitt unterhalb der verwachs
senen Eihäute, d. i. der von der Placenta eingenommene
Theil, war also jedenfalls nicht behindert, die in der ScHwan-
gerscliaft vor sich gehende Entwickelung und Erweiterung
einzugehen, so dass die gewöhnlichen Consequenzen dieser
letzteren Vorgänge, Loslösungen der Placenta und Blutungen,
statttinden konnten.
Betrachten wir, welchen Einfluss die vorliegenden Ver-
hältnisse auf den Geburtsact ausübten, so erscheinen sie in
zweifacher Beziehung von grossem Werth. Erstens wurden
wir die Schlaffheit und Energielosigkeit des ganzen von der
Placenta eingenommenen Theils der Gebärmutter auf ihre
364 XXVT. Verhandlung:«!! der Oesellacbaff
Rechnung zu bringen haben. Denn dass hier Störungen in der
Circulalion und somit auch in der Ernährung in dem ohnehin
durch inflammatorische Processe von der Norm abweicheaden
Utorusgewebe gegeben sein konnten, ist nicht zu bestreiten.
Pflegt doch sonst bei Placenta praevia durch gesteigerte
Blutzufuhr gerade das untere Uterinsegment besonders tur-
gescirend und geschwellt zu sein. Zweitens waren die festen
Eihantverwachsungen Ursache, dass die kräftigen und anliai-
tenden Wehen der letzten Stunden vor der Geburt nur eine
äusserst langsame Erweiterung des Orificiura herlieizuföhren
im Stande waren. Es wurden somit Lostrenuungen der
PlacHnta vermieden, bis das Orificium so weit eröfliiet war,
dass die Extraction des Kindes gescheheu konnte.
Im Puerperio hätten die im Uterus zurückbleibenden
verwac4isenen Eihäute Ausgangspunct gefahrdrohender Pro-
cesse werden können, indessen erfolgte Zerfall und Abstos-
song derselben in verbältnissmässig kurzer Zeit, und so ging
Frau E, auch aus dieser Gefahr glücklich hervor. —
Der Sekretär, verliest einen der Gesrllschafl üliersandten
Aufsatz des Herrn Winckel sen. zu Gummersbacli : (aus-
wärtiges Mitglied):
Ein h&chst merkwürdiger Geburtsfall.
' Frau Lebrecht Schmidt zu Lobscheidt, 37 Jahre alt,
eine sehr kräftige, stets gesund gewesene Person, welche
schon dreimal, aber immer schwer, doch ohne Kunsthälfe ge-
boren hatte (es war nämlich jedesmal wegen der langen
Dauer des Geschäfts ein Geburlshelfer herbeigerufen, aber
schon vor dessen Ankunft die Geburt beendet worden), schickte
am 6. Oclober a. p. Nachmittags um meinen Beistand. Da
ich zufällig abwesend war und erst gegen Abend zurückei*-
wartet wurde, so lief der Bote zu dem 'V4 Stunden von hier
entfernt wohnenden CoUegen Wiefei, den er ebenfalls nicht
zu Hause traf und deshalb hiexher zuräckkelu*te. Inzwischen
heimgekehrt, begab ich mich sofort zu der Kreissenden^ wo
icl) gegen V28 Uhr Abends eintraf. Ich fand die Gebärende
in den furchtbarsten Schmerzen, welche ihr keinen Moment
Ruhe gönnten, in grosser Angst und Aufregung im Bette sich
hin und her werfend.
Die äusseren Genitalien waren etwas angeschwollen ; der
für Geburtthillfe in Berlin. 365
Kindskopf »tand in erster Schädellage im Beckeneingange ein-
gekeik and halte schon eine nicht unbedeutende Kopfge-
schwulst, er war aber trotz der ungeheueren Anstrengungen
der Kreissenden^ völlig unbeweglich. Der Vorberg war leicht
zu erreichen und schätzte ich die Conjugata vera auf 3 bis
^^U". Das Fruchtwasser war am Vormittage abgeflossen.
Die anwesende Hebamme hatte 3 Klystire gegeben, welche
indess sogleich wieder abgeflossen waren und glaubte sie ein
Hinderniss beim Einführen der Spritze wahrgenommen zu
haben; auch den Katheter hatte dieselbe vergeblich einzu-
führen versuelit.
Ich liess sofort die linke Seitenlage einnehmen und ap-
plicirte ohne die geringste Schmerzäusserung seitens der
Kreissenden die Zange mit grosser Leichtigkeit. Beim Ein-*
föhren des zweiten Löffels fioss etwas mit Kindspech verun-
reinigtes Fruchtwasser ab. Das Instrument fasste gut und
der Kindskopf folgte ohne grossen Kraftaufwand. Als ich
mit der Zange aus der ersten in die zweite Position über*
ging, schnellte sich mit einemmal, unter einem hörbaren
Geräusche, eine mannsfaustgrosse, blasenartige Geschwulst aus
der Oeffnung des Anus, die ich anfänglich för einen Prolap-
sus ani hielt, weshalb ich die den Damm unterstützende Heb-
amme aufforderte, ihre Hand mit über dieselbe zu legen.
Nachdem ich den Kopf leicht durch den Beckenausgang ge-
fuhrt hatte, .fand sich die Nabelschnur so fest um den Hals
geschlungen, dass ich sie nur mit grosser Mühe durchschnei-
den konnte, wonach ich das Kind, einen starken lebenden
Knaben, leicht und rasch entwickelte. Die Nachgeburt wurde
durch den gewöhnliche^ Handgriff entfernt, wobei die Blutung
unbedeutend war.
Eine sorgfältige, freiUch nur bei durRiger Thranlampe
mögliche Untersuchung der aus dem Anus hängenden Ge-
schwulst, liess mich nun erkennen, dass dieselbe an einem
langen, bis oben ins grosse, linksseitige Becken reichenden,
sehnigen Bande hing. Ein geringer Zug an ihr verursachte
heftigen Schmerz oben in der linken Seite, neben dem Uterus.
Sie war eine derbe, durchsichtige Blase, die in ihrem Ge-
webe die grösste Aehnlichkeit mit einem Bruchsacke hatte,
ohne waiimeliinbare Huskeffaseni, aber mit Gelassen durch-
366 XXVI Verhandlnngoii der Oesellschafi
wobt. Die in clers(*Ibf*n eiilbalteiie Flüs;»jgkeit lies» sieb nicht
aus ihr in den Mastdarm drucken und eine Reposition der
ganzen Masse war unnooghch. Auch durch die Scheide
konnte ich den Strang, au den) die Geschwulst befestigt, wie
einen gespannten Strick fühlen und kam es mir sogar einen
Augenblick vor, als käme er aus dem Muttermunde. Die
gleichzeitig in die Scheide und den Aller eingeführten Zeige-
finger konnten indcss eine Communicalion beider Theile nicht
entdecken, wie hoch ich sie auch hinaufTühren mochte; nur
an der vorderen Wand des Rectums glaubte ich eine Ver-
letzung der Schleimhaut zu fühlen. Der Sphincter ani war
sehr schlaff und gestattete die tiefe Einbringung des Fingers.
Was war zu machen? Hätte ich mich mit meinen CoUegen
berathen können, wurde ich mich wahrscheinlich entschlossen
haben, die ganze Masse durch eine Ligatur und die Scheere
zu entfernen, da mir aber die Natur derselben durchaus
fremd war, so beschloss ich, sie vorläufig zu entleeren und
punctirte sie mit einer Insectennadel. Es flössen dadurch
indess nu> wenige Tropfen aus, und ich sah mich genötbigt,
eine grössere OefTnung mit einem Tenotom zu machen, wor-
auf wohl ein Schoppen einer wasserhellen geruchlosen Flüs-
sigkeit entleert wurde. Der coUabirte Sack, an und für sich
nicht empfindlich, veranlasste auch jetzt noch den oben an-
gegebenen Schmerz im Becken, wenn man ihn anzog, er liess
sich aber nun leicht reponiren und nachdem dies geschehen,
fühlte sich die Entbundene behaglicher als vorher. Am Damme
und Scheideneingange fand sich keine Spur einer Verletzung.
Einige Nach wehen abgerechnet, befand sich die Entbundene,
als ich sie um 10 Uhr verliess, sehr wohl.
Am Morgen des 8. Octobcr berichtete mir der p, Schmidt,
dass seine Frau in verwichener Nacht von sehr heftigen,
anhaltenden Leibschmerzen und Brechreiz befallen worden
sei. Urin habe sie mehrmals entleert, doch noch keinen
Stuhlgang gehabt, wiewohl sie das Bedürfniss dazu geäussert,
auch habe sie beständiges Aufstossen. Ich verordnete eine
Emulsio ricinosa c. Extr. hyoscyami, stündlich 1 Esslöffel und
warme Wasserumschläge auf den Unterleib. Als ich die Wöch-
nerin gegen 2 Uhr Nachmittags besuchte, fand ich den Unter-
leib enoim tympauitisch aufgetrieben, sie halle mehrmals
für GebiirtshUIfe in Berlin. 367
gallichle Massen erbrochen, doch sollte der Leibschmerz nicht
mehr so intensiv sein. Sie war sehr niatl und ihr Gesiebt
collabirty die Stimme etwas heiser. Der untersuchende Fin-
ger fand im Mastdarme einigen Koth, aber nichts mehr von
der Geschwulst, doch glaube ich sicher in der vorderen Wand
eine Trennung in der Continuität der Schleimhaut entdeckt
zu haben, wenn es mir auch jetzt nicht möglich war, eine
Communication zwisclien Rectum und Scheide ausfindig zu
machen. Die Untersuchung beider war übrigens nicht schmerz-
haft. Der Locbialfluss war natärlich. An dem in das Rec-
tum geführten Finger fanden sich keine Spuren von Eiter
oder Lochien. Verordnet wurde R. Calomel. gr.ij Exti*. op.
aq. gr. V4 Sacch. alb. Bß. mfdD. d. VL s. 2stündl. 1 Pulver
und Fortgebrauch der warmen Wasserbähungen.
Am 9. wurde mir die Nachricht, dass sich Frau S. be-
deutend gebessert, habe. Der Schmerz sei fast ganz gewichen
und der Leib sehr zusammengefallen, nachdem einige dünn-
flüssige Stuhlentleerungen erfolgt und viele Blähungen abge-
gangen waren. Den 10. trat eine starke Diarrhoe mit Ab-
gang vieler Spulwürmer ein, welche aber ohne Anwendung
von Arzneien, dem Gebrauche schleimiger Getränke wich.
Den 14. October habe ich Frau S, besucht und mich von
ihrer Genesung überzeugt. Die Verdauung ist normal, Schmerz
und Meteorismus sind spurlos verschwunden, die Lochien
fliessen sparsam, aber natürlich. Scheide und Uterus zeigen
nichts Widernatürliches. An der Vorderen Wand des Bectums,
circa 3" vom Orificio ani entfernt, constatirte ich auch an
diesem Tage eine circa 2 Silbergroschen grosse Oeffhung in
der Mastdarmwand und glaubte auch jetzt noch durch die-
selbe den Muttermund fühlen zu können, wenn gleich es mir
wiederum nicht gelang eine Verbindung zwischen Darm und
Scheide ausfindig zu machen. Frau S. versicherte auch mit
aller Bestimmtheit, weder den Abgang von Fäces noch Flatus
per vaginam bemerkt zu haben. Auch in den Stuhlgängeji,
wekbe auf meinen Wunsch von dem sehr verständigen Ehe-
roanne stets sehr genau besichtigt worden sind, sind uie Eiter
oder Spuren von dem fremden Körper gefunden worden.
An demselben Tage habe ich folgende Beckenmaasse auf-
genommen.
368 XXVU. KUiuke, Eine Decapiütion nach Karl Braunes
Spinae anl. sup. 9 Vs'', CrisUe 10 V4", Tronchanl. IIV2",
Conjug. B. 6V4''.
Eine Ocular-Inspecüon durch ein Speculum mochte ich
noch nicht vornehmen, werde eine solclie später aber jeden-
falls instituiren. —
Von den anwesenden Mitgliedern hat Niemand einen
ähnlichen Fall beobachtet oder erinnert sich in der Literatur
gelesen zu haben. Die Deutung jenes aus dem Mastdarm ge-
tretenen Tumors ist daher unmöglich.
Herr Klebe äussert die Yermuthung, dass es sich hier
wohl wahrscheinlicherweise um einen Mastdarmpolypen mit
cystenarliger Degeneration von ganz ungewöhnlicher Grösse
gehandelt habe.
XXVIL
Eine Decapitation nach Karl Braun's Methode,
nebat Bemerkungen zu den Ansichten L. Leh-
mann's über diesen (Gegenstand.
Von
Dr. WlUi. Rflneke,
Prlvatdocent in Oöttingren.
Frau K.y Ehefrau eines Schneiders in Erbsen, emem
2 Stunden von Göttingen belegenen Dorfe, hatte am 21. No-
vember 1864 um 11 Utir Abends Wehen bekommen und
deshalb zur Hebamme geschickt. Als diese aus ihrem eine
halbe Stunde entfernten Dorfe Morgens gegen 3 Uhr her-
beikam, war etwa eine Stunde vorher nach Aussage der Krei-
senden etwas Blut abgegangen. Bei der sogleich vorgenom-
menen Untersuchung will die, wiewohl schon alte, doch höchst
unkundige Hebamme keine Oeffnung des Muttermundes be-
merkt haben, weshalb sie ruhiges Verhalten und Abwarten
anempfahl. Gegen 7 Uhr früh aber erfolgte eine ziemlich
starke Blutung, welche die Hebamme veranlasste, die schleu-
nige Hülfe des Dr. F,^ der eine Stunde entfernt wohnt, nach-
zusuchen.
Methode, nebst Bemerknndfeii zu den Ansiebten etc. 369
Dieser gegen VjS Uhr eintreffend, fand die Kreissende
sdll und nihig auf der linken Seite liegen, die Schenkel stark
an den Leib gezogen. Auf ^.*s Befragen gab sie an, dass
in dieser Lagerung sich die Blutung gestillt habe, die gleich
im Beginn einer sehr schmerzhaften Wehe eingetreten sei.
Es hätten sich in dieser Lagerung nachher hoch mehrfach
Wehen eing<tsteltt, doch wären sie nicht so schmerzhaft und
nicht von Blutung begleitet gewesen. Nachdem F. die Racken-
lagerung angeordnet, fand er den Muttermund 3 Cm. im Durch-
messer geöffnet und von Placcntarmasse ausgefulh. Ein vor-
liegender Theil war nicht zu entdecken, doch Hess die äussere
Untersuchung den Kopf als vorliegenden Theil und die Pwsse
in der linken Seite vermuthen. Das Uteringerüusch fand sich
zum grössten Theil in der linken Seite und dicht über der
Symphyse. Nach vorgenommener Untersuchung Hess F., da-
mit sich der Muttermund erst möglichst ausdehnen solle, die
Seitenlagerung wieder annehmen, am Fussende des Bettes ein
Querlager herrichten uud blieb vorläuiig passiv. Es traten
nun etwa viertelstündlich Wehen ein ohne Schmerz und ohne
Blutung. Gegen 12 Uhr aber bekam die Kreissende eine
sehr schmerzhafle Wehe, liei welcher Blut abging. Da diese
Blutung länger währte, Hess F. die Gebärende aufs Quer-
lager bringen, um die Geburt künstlich zu beenden. In dem
4 Cm. weit geöffneten Mutlermunde löste er den links auf-
sitzenden kleineren , etwa 2 — 3 Cm. breiten Theil der Placenta
ohne grosse Schwierigkeit und ohne die starke Blutimg er-
heblich zu vermehren, sprengte sodann die Blase und suchte
zu den Füssen zu gelangen, doch contrahirle sich der Uterus
jetzt so fest, dass es trotz der grö.ssten Kraftanstrengung
ihm nicht möglich war, mit der Hand weiter vorzudringen.
Die Blutung stand während dieser Manipulation und F, Hess
seine Hand liegen, um bei Nachlass der Contraction einen
abermaligen Versuch zu machen. Allein dieselbe dauerte fort
und F. zog endlich seine Hand, die sehr schmerzhaft wurde,
vorsichtig zurück, ohne dass die Blutung sich erneuert hätte.
Er gab nun ''4 Gran Morphium und versuchte nach einer
halben Stunde, während welcher die Gebärende ruhig und
ohne Wehen gewesen war, nochmals die Wendung, woran -er
wieder durch starke Contraction des Uterus gehindert ward.
Houatsn'ehr. f. OebarUk. 1866. Bd. ZXV.. Hft. 6. 24
370 XXVn. Küntkßy Bine Deoapitetion nach Karl Brami'a
Er Stand daher von wetteren Versuchen vorläufig ab , gab
nochmals 74 ^^^^^ Morphium und sandte um meine Hülfe.
In den ganzen 4 bis 5 Stunden, ehe ich hinzukam, waren
weder Wehen, noch Blutung erfolgt, und die Kreissende lag
still mit geschlossenen Augen, doch ohne zu schlafen und
befand sich ihrer Aussage nach recht gut
Als ich um 6 Uhr Abends in der ärmlichen Hätte, in
der es selbst an Raum und Erleuchtung gebrach, eintraf,
lag in der Mitte des breiten Bettes still und regungslos die
Kreissende, eine Frau von 43 Jahren, welche 4 Kinder, das
jüngste vor 11 Jahren und nach Angabe der Hebamme, ohne
ungewöhnliche Schwierigkeit geboren hat. Seit jener Zeit
soll sie mit Ausnahme eines „Schleimfiebers" an keiner Krank-
heit gelitten haben, ist nicht wieder schwanger und immer
normal menstruirt gewesen. Ueber ihre diesmalige Schwan-
gerschaft, in dor sie sich wohl befand, war sonst nichU We-
sentliches zu erfahren.
Die in der Morphiumnarkose befindliche Kreissende gab
auf meine Fragen präcise Antworten : sie habe keine Schmer-
zen und es gehe ihr vollkommen wohl. Ihre Gesichtsfarbe
war ein wenig anämisch, der Puls jedoch voll und kräftig
und von normaler Frequenz.
Bei der äusseren Untersuchung fand ich den Leib von
mittlerer Grösse und stark vorgewglbt. Der Uterusgrund stand
hoch in der Magengrube, war hart und fest contrahirt und
etwa wie auf der Akme einer Wehe so stark erigirt, dass
die Percussion zu beiden Seiten des Leibes einen breiten
Raum mit Darmton ergab. Einzelne Fötalüieile waren daher
nicht deutlich dm*chzufuhlen. Links oben schien ein grosser,
etwas weicher, rechts unten ein harter Theil zu liegen. Be-
wegung wollte sie überall, namentlich oben links wahrge-
nommen haben. Nur eine einzige Stelle der ganzen Uterus-
region war weich und fluctuirend, nämlich über den Scham-
beinen, wo die etwas gefüllte Harnblase stand. Herztöne
waren nicht vernehmbar, Uteringeräuscli nur in der rechten
Inguinalgegend und bis in den Beckeneingang zu verfolgen.
Bei der inneren Untersuchung kam mir in der gut vor-
bereiteten Scheide zunächst eine grosse pulslose Nabelschnur-
schlinge, höher, doch unterhalt) des Beckeneinganges, die
lf«tii»d«, Bebst Bomerknagaii bii den Anaichten »te. 371
linke Hand entgegen, deren im Eilnbogen flectirter Arm
nach rechts hin bis 2ur Achselgrube und Schulterhöhe zu
verfolgen war, jene nach links und hinten, diese nach rechts
und vorn gerichtet. Es musste also der Kopf rechts, der
Rücken .nach vorn gelagert sein (zweite Hauptart der Schiriler-
lage). F. behauptet bei seinen Wendungsversuchen nichts
von diesem Befunde bemerkt zu haben, derselbe müs^e erst
später entstanden sein. Alle die genannten Theile waren
mit Placentarsubstanz umgeben. Das Promontorium sprang
in nicht unbedeutendem Grade ins Becken vor. Deber dem
Beckeneingange drang der Finger nur mit grosser Mähe durch
den harten Ring des Muttermundes bis zum Kopfe vor, indem
die ganze Frucht sich in hoher Lage befand.
Auf dem Querlager überzeugte ich mich zunächst von
der Unversehrtheil der Geburtstheile und entleerte sodann eine
massige Menge Urins, worauf die Geschwulst \\\u*v der Sym-
physe verschwand. Ich beabsichtigte nun die Querlage durch
die Wendung auf den Fuss in die Längslage zu verwandeln,
allein der Muttei*mund umschioss über dem Beckeneingange
die in ihm liegende Schuller derart krampfhaft und fest, dass
selbst mit aller Mühe kaum die vier Fingerspitzen hindurch
zu bringen waren, wobei derselbe nicht die gei*ingste Nach-
giebigkeit bemerken Hess. Es stellten sich somit die von F,
geschilderten Hindemisse jetzt völlig als unüberwindlich her-
aus. Ein weiteres Forciren der Wendung erschien daher
ebenso gefahrlich, wie erfolglos, weshalb wir von der Aus-
führung derselben Abstand nahmen.
Es wäre nun vielleicht indicirt gewesen, mit der Be-
handlung des bestehenden Tetanus uteri, welcher somit einer-
seits die Entbindung hinderte, andererseits dagegen der Blu-
tung heilsam entgegenwirkte, einen Versuch zu machen. Das
Morphium, welches zu diesem Zwecke von F, bereits gege-
ben war, hatte seine guten Wirkungen im Uebrigen gehabt,
Scbmerzlosigkeit und Ruhe bewirkt, nur den Krampf, wie
gewöhnlich und begreifüch, nicht zu beseitigen vermocht. An
ein warmes Bad war unter den obwaltenden liäusiiclien Ver-
hältnissen nicht zu denken, Chloroform nicht in genügender
Quantität vorhanden. Allein auch abgesehen, davon , konnten
wir von diesen, sowie von den übrigen bekannten Mitteln
24*
372 XXVU. KüMke, Eine Oecapitetion nach Karl Brann's
durchauft keiaen Erfolg erwarten, so lange die ätiologischen
Momente des tonischen Krampfes nicht beseitigt waren.
Mochten die nächsten Ursachen dieses Krampfes in den Wen-
dungsversuchen, in dem Blutverluste und der dadurch hervor-
gerufenen Gemütbsbevvegung zu suchen sein; die «Reizung
des Muttermundes duixh den gelösten Placentarlappen, die
Nahelschnur, den Arm und endlich die Querlage selbst, be-
standen fort. Es fiel somit die Beseitigung des Tetanus im
Wesentlichen mit der ohnehin bestehenden Indication zusam-
men, nämlich mit der Verwandlung der Querlage in die Längs-
lage. Dieser künstUche Situswechsel liess sich nun aber auf
die gewöhnliche Weise nicht ausführen und an Selbstwendung
oder Selbstenlwickelung war gar nicht zu denken. Es blie-
ben also zur Herstellung der Längslage des todten Kindes,
eventuell tzur VoUführung der Entbindung nur zwei Wege
offen : die Einbryotomie oder das Abwarten der Fäulniss des
Fötus. Der Erfolg jedoch der Eröffnung von Brust- und Bauch-
höhle, um behufs der Wendung zu den Füssen zu gelangen, wäre
bei dem krampfhaften Zustande der Gebärmutter, der sich
bei erneuter Reizung und nach theilweiser Entleerung ilires
Inhalts sogar noch steigern konnte, ein sehr zweifelhafter ge-
wesen uikI hätte ausserdem mit dem Abwarten der Fäulniss
eine grosse Geföhrdung der Gebärenden getheilt,- welche sich
durch die beschränkte Räumlichkeit des Beckens nicht eben
verminderte.
Unter so kritischen Verhältnissen war ich glnckhcher-
weise in der Lage mittels Anwendung der anderen Art der
Enibryotomie , der Decapitation, die Querlage auf eine
leichte und gefahrlose Weise in die Längslage verwandeln
und damit die Entbindung bewerkstelligen zu können. Dies
geschah nach der Methode von K. Braun in Wien, und
zwar in der Weise, wie ich sie in meiner Abhandlung „die
Decapitation des Fölus'' (B, Schuchardfs Zeitschrift für
praktische Heilkunde. Hell 1. 1864) modificirt beschrieben
habe. — College F. war mit meinem Vorschlage einverstanden.
Zur Ausfuhrung der Operation streckte ich mit meiner
Redhten den vorliegenden linken Arm in die Scheide herab
und suchte durch kräftige Traction an demselben den Hals
zu ddmon, ihn in den Beckencanal zu leiten und zugänglich
Methode, nebst Bemerkungen zn den Anstchton sto. 878
2U machen. Allein die Strictur des äusseren Muttermundes
gestattete nur in kaum nennenswertfaem Grade einen Erfolg
und ich sah mich genöthigt, den Hals über dem verengten
BeckeneiDga'nge aufzusuchen. Es war dabei nicht ohne nam-
hafte Schwierigkeiten, besonders vorn für den Daumen, mit
den Fingern durch den festen Ring des Muttermundes hin-
durch und zum Halse vorzudringen, auf welchem Wege icli
noch dazu durch die Nabelschnur, die Placenta und die Becken-
enge unangenehm incommodirt ward. Endlich war der Hals
mit meiner Linken umfasst, jedoch nur mit drei Fingern,
dem Daumen vorn, Zeige- und Mittelfinger hinten. Ich führte
nunmehr den mit meiner Rechten ergriffenen Decapitations-
haken flach auf der Vola meines Unken Vorderarmes ein, in-
dem F. den kindlichen Arm stark abwärts ziehend nach links
fährte , um mir Raum zu machen. Als der Haken bis in
meine linke Hand vorgedrungen war, wollte es mir wegen
der beschränkten Räunilichkeit der obem Apertur und der
Strictur des Mulleimundes anfangs nicht gelingen, denselben
von vorn nach hinten über den kindlichen Hals hinüber zu
fiibren, während dies von hinten her leichter war. Ich ver-
sudite es daher gegen die Regel in letzterer Weise. Aliein
der Haken fand keinen Halt, nmsste in horizontaler Richtung
angezogen werden und glitt ab. Mit gross^er Mühe und be-
deutendem Kraftaufwandes was ein mehrmaliges Ausruhen der
Hände nothwendig machte, gelang endlich die Anlegung des
Hakens von vom nach hinten, so dass ich mit dem Zeige-
Goger den Knopf desselben berührte. Indem ich nun in ver-
ticaler Richtung den Decapitator fest anzog, fasste ich eine
Partie Weichtheile und drehte sie mittels einiger Axendre-
hungen oder Rotationen desselben in Supinations-
bewegung der drehenden rechten Hand ab,* bis der Haken
frei in der linken Hand lag. Dabei stemmte ich beim jedes-
maligen Neufassen des Hakengriffes den nach unten befind-
lichen Arm des letzteren gegen den Rücken meines linken
Vorderarmes, um das Zurückschnellen des torquirenden Ha-
kens zu verhüten, ein Verfahren, welches ich in meiner Ab*
handlung nicht ausdrücklich erwähnt habe. Sogleich nach
beendigter ersten, schritt ich zur zweiten Torsion. Ich
setzte den Haken von Neuem in den Hals ein und trennte
374 XXVU. Küneke, Eine Decapitation tiAch Karl Braun*»
in der nämlichen Weise eine zweite Partie Weicbtheile. Schon
mit der dritten war unter knackendem Geräusche die Wirbel-
säule gebrochen, ich wollte nun den Versuch machen, den
Rumpf vorzubewegen und zog zu dem Zwecke den Arm
stärker an. Allein er gab nicht im Geringsten nach. Ich
löste daher mit zwei ferneren Torsionen auch die jenseiti-
gen Weichtheile, so dass nunmehr mittels im Ganzen nur
fünf Torsionen der Kopf vom Rumpfe gänzlich getrennt war.
Da sich während der ersten Torsionen die Nabelschnur im
Haken fing und mit torquirt ward, so schuiit ich sie durch.
Di^sc erste Abtheiiung der Operation hatte im vorlie-
genden complicirten Falle die ungewöhnlich lange Zeitdauer
von etwa oiner Viertelstunde erfordert.
Nachdem somit die Längslage des Fötus bewirkt worden
war, schritt ich sofort zur Extraction und zwar zunächst
zu der des Rumpfes. Dem sehr kräftigen Zuge am Arme
gab der vom umschnürenden Uterus zurückgehaltene Rumpf
nur sehr schwer und allmälich nach und schon waren die
Schultern dem Beckenausgange nahe gerückt, als das Eiln-
bogengelenk sich verlängerte und auszureissen drohte. Ich
löste daher leicht den zweiten Arm und vollendete so an
beiden die Extraction ohne Mühe. Der Körper war der eines
ausgetragenen, von etwas über mittlerer Grösse etwa 7 Pfd.
schweren Kindes. Der Amputationsstumpf des Halses zeigte
keine Lappen der Weicbtheile, sondern war wie immer glatt,
mit nur geringem Hervorragen der Halswirbel.
Hierauf folgte die Extraction der Nachgeburt, deren nur
noch partielle Adhärenzen im Umfange des Muttermundes
ich löste.
Nachdem jetzt der Beckencanal frei war, fiel die nicht
unbedeutende Prominenz des Vorberges erst recht auf. Letz-
terer war mit dem Zeigefinger bequem zu erreichen. Die
Conjug. diag. betrug 3" 7'", woraus sich die vera des Ein-
ganges auf höchstens 3'' berechnet.
Hatte diese Verengerung die Operation in ihrem bishe-
rigen Gange bereits nicht unerheblich erschwert und ver*
zögert, so setzte sie nun der Extraction des Kopfes
die grössten Schwierigkeiten entgegen. Ich versuchte dieselbe
zunächst nach dem Verfahren von Dionis und Kütan^ indem
Methode, netwt Bemerknngen su den Ansiehten etc. 375
ich Zeige- und Mittelfinger in den Mund, den Üaumeu auf
den Ualsslumpf setzte. Allein es brach der Unterkiefer im
Kinn und riss aus. Die Mesnanfsche Zange leistete nichts,
indem die damit gefassten Weichtheile, so wie die eine H&lfle
des ^Unterkiefers abrissen. Die Anlegung der N%emeyer*&chea
Kopfzange gelang erst das zweite Mal, doch bei der Traction
glitt sie ab, und bei einem dritten Versuche fasste sie den
Kopf wieder gar nicht, denn er wich, ungeachtet F. ihn von
Aussen zu fixiren suchte, in dem nun erschlafllen und gänz-
lich wehenlosen Uterus stets nach oben und vom aus. Weil
ich die Unmöglichkeit, ihn zu fassen einsah, so hatte ich zu
dem leicht abgleitenden Kephalolrypler so wenig Vertrauen,
dass ich jeden Versuch mit demselben als mussig aufgab.
Auch ^.*s frischen Kräften wollte die manuelle Extraction
nicht gelingen. V^ir standen daher von allen Extractions-
versuchen, auf welche so viel Zeil verwandt zu haben ich fast
bereute,, gänzlich ab und iiberliessen die Ausstossung der
Natur in der Erwartung, dass sich, wie in vielen anderen
Fällen, so auch hier, regelmässige Wehen einstellen und den
Kopf gehörig accomniodirt denselben Weg treiben wurden,
welchen bereits vier Köpfe glücklidi passül waren.
Die Frau befand sich übrigens seht* wohl und hatte sich
während der auch ohne Chloroform schmerzlosen Operation
so folgsam, verständig und ruhig verhalten, wie es selten der
Fall zu sein pflegt. Auf das Längslager zurückgebracht,
stellten sich bei ihr schon, während wir mit dem Reinigen
der Instrumente beschäfigtt waren, die Wehen ein.
Dr. F,, der bis zur Beendigung der Geburt dablieb,
während ich, zufällig daheim gleichfalls engagirt, mich nach
Hause begab, berichtete über den weiteren Verlauf. Eine
Stande lang kamen die Wehen regelmässig, nicht zu oft und
nicht schmerzhafl, von da ab fing die Kreissende an während
der Wehe über Schmerzen zu klagen, die so zunahmen und
häufig wurden und fast ununterbrochen fortdauerten, dass
sie F. dringend bad sie davon zu erlösen. F, brachte sie
nun nochmals aufs Qnerlager und versuchte den Kopf manuell
zu entwickeln, was indess in der Rückenlagerung trotz der
verschiedensten Versuche nicht gelang. In der darauf ange>
ordneten KnieeUenbogenlagerung glückte es jedoch bald den
376 XXVII. Küneke, Eine DecHpitatiou nach Karl Braun's
Kopf lierau8Ziibefördern, der jeUl so gestellt werden konnte,
dass der Zeigefinger in eine Augentiöiile und der Daumen
am harten Gaumen Platz fand. Es war dies gegen 11 Ulir
Nachts.
Die Wöchnerin befand sich die folgenden Tage, die in
Folge des Blutverlustes herbeigeführte Schwäche abgerechnet,
im Ganzen wohl bei einer geUnd abführenden Behandlung;
bis am 10. Tage nach der Entbindung eine starke BIennon*hoe
der Scheide auftrat, die binnen 6 Tagen durch in adstrin-
girende Flüssigkeiten getauchte Schwämme ganz gehoben war.
Ihre Schwäche dauerte noch längere Zeit an.
Bald nachdem meine oben erwähnte Abhandlung über
die Decapitation des Fötus erschienen war, veröffentlichte
Professor L. Lehmann zu Amsterdam, in der Nederlandsch
Tijdscbrift voor Geneeskunde VIU. vom Januar 1864 unter
dem Titel : „Eenige opmerkingen tot de leer der Decapitatie
of Detruncatie'' einen Aufsatz, welcher seiner brieflichen Mit-
Iheiiung zufolge ein Auszug ist aus einem mündlichen Vor-
trage, den er im Jahre vorher in einer dortigen Versammlung
von Aerzten gehalten hat! Da dies das letzte Wort ist,
weiches in einer noch controversen , heute viele Geburts-
helfer in teressir enden Angelegenheit gesprochen worden,
so sei es bei dieser Gelegenheit erlaubt, die von Leh-
mann ^ (der meine Arbeit nicht gekannt zu haben scheint),
vertretenen Ansichten kritisch zu beleuchten.
Unter den bekannten indicirenden Geburtsverhältnissen
will er von den drei Arten der Embryo tomie der Ex en-
ter ation kaum einen Platz unter den geburtshülflicheu
Operationen zugestehen und lässt nur mit Widerstreben die
ganz allgemein als gültig anerkannte Indication als einzige
bestehen: „wenn bei einer vernachlässigten Querlage und
beim erkannten Tode der Frucht die Wendung unausführ-
bar ist und die Geburt auf keine andere Weise bewerkstelligt
werden kann.'' — Die Brachiotomie verwirft er ganz, da
man einsehn gelernt habe, dass ihr Zweck, Platz zu schaffen
und die Extraction des Kopfes oder Rumpfes zu erleiclUern
selten erreicht werde. ^ — Betreffs der Decapitation da-
Methode, nebst Bemerkungen stu den Aniicbten etc. 377
gegen gesteht er, dass, „wo er eine Wahl unter den genann-
ten Arien zu treffen hätte, er unbedingt der letzteren den
Vorzug geben wurde, weil die Weichtheile gar zu leicht ver-
letzt werden können." Doch bleibt es ihm (iine sonderbare
Erscheinung, dass so viele Geburtshelfer von wohlverdientem
Namen so oft Gelegenheit gefunden haben, die Decapitation
auszuföhren und sie zu empfehlen, die doch einen ganz
niittdalterlichen Charakter verrathe. Er selbst habe sie noch
nie anzuwenden brauchen, sondern sei stets mit der künst-
lichen Nachahmung des Mechanismus der Selbstentwickelung,
nämlich mit der Wendung und Extraction am Steisse, nöthigen-
falls mit Anwendung des stumpfen Hakens ohne Nachtheil
für die Mutter ausgekommen, ein Verfahren, welches er ohne
Neues zu geben, am Schlüsse seiner Abhandlung auseinan-
dersetzt.
Vor allen anderen Methoden zur Decapitation gicj)t L.
derjenigen von K. Braun mit dem 'geknöpften Schlüssel-
haken den Vorzug. Und doch äussert er nicht gerade die
Uauptvortbeile derselben. Das Instrument, dass einige Aebn-
lichkeit mit jenen Haken habe, mit welchen man die Stiefel
anzieht, sei ein höchst einfaches, dabei wohlfeiles und brauche
ausserdem nicht oft reparirt zu werden. L. hat zwar diesen
Haken bei Versuchen an Kindsleichen sehr geeignet befunden,
dennoch vermag ich bei der Art wie er sein Verfahren da-
bei beschreibt einigen Zweifel an - der Richtigkeit dieses Ur-
tbeils nicht zu unterdrücken. Da diese Schilderung desselben
mit der bekannten von K, Braun und Anderen gegebenen
öbereinstimm}, so will ich sie hier nicht ganz reproduciren,
sondern nur den Punct, auf den es wesentlich ankommt, her-
vorheben und betrachten.
Auch Lehmann will mit dem über den Hals, des Fötus
gelegten Haken durch rotirende Bewegungen erst die Hals-
wirbel luxiren und dann durch abwärts gerichtete Traction
die Weichtheile zerreissen. Es dürfte aber diese Beschrei-
bung wiederum zu dem nämlichen Missverständnisse verleiten,
dem so viele Geburtshelfer verfallen sind, und welches der
Recipirung der Methode bisher so sehr hinderlich gewesen
ist. Man muss nämlich der ZeAmann'scheif Auseinander-
setzung gemäss annehmen, dass der Haken den Hals
378 XXVir. KUnek^, Eine DecapitaHon nach Karl Brann^a
wenigstens grosslenlheil umtasse und dass die
Durchtrenuung desselben mit einem Male bewirkt werde.
Ich habe diesen Punct bereits in meiner Aj)handlung mit
besonderem Gewichte betont -und hervorgehoben, dass der
Haken seiner Construction nach zu einem Umfassen des
Halses nichts weniger als geeignet ist und dies höchstens bei
sehr kleinen oder faulen Früchten möglich erscheint. Es
kann daher die Durchtrennung des Halses ^ auch nicht mit
einem Male, sondern nur successive ausgeführt werden
und es ist somit eine mehrmalige Anlegung des Hakens
erforderlich. Bei jeder einzelnen Application habe ich die
Axendrehung oder Rotation des Hakens und die Tor-
sion desselben sti*eng unterschieden, indem ich unter letzterer
die Gesammtheit der Rotationen verstehe, welche nolh-
wendig sind, um die mit dem Haken gerade gefasste Hals-
partie abzudrehen und zu lösen. Wie nun eine Torsion
aus mehreren Rotationen besteht, so setzt sich die ganze
Durch trennung, die Amjmtation des Kopfes vom Rumpfe,
aus mehreren und zwar aus 5 bis 7 Torsionen zusammen.
In unserer oben beschriebenen nach diesem Verfahren an
sich leicht und sicher bewirkten Decapitation genügten schon
5 Torsiopen, obwohl das Kind ober mittelstark und erst
seit etwa einigen Stunden abgestorben war. Und die Schwie-
rigkeiten und Verzögerungen, welche bei der Operation ent-
gegenstanden treffen keineswegs die Technik des Verfahrens,
sondern lediglich die Complicationen dieses speciellen Falles,
welche nichtsdestoweniger in einer so glucklichen Weise über-
wunden wurden.
Obwohl Lehmann auch die Resultate der Statistik
(nicht wie er angiebt 5 Todesfalle der Mütter von 18, son-
dern 4 von den damals bereits bekannten 28 Beobachtungen)
für die Einfachheit und Unschädlichkeit der Operation zu
sprechen scheinen, so komme es ihm dennoch vor, dass die
Decapitation weder ein so einfaches noch unschuldiges Ver-
fahren sei; eine Behauptung, welche er durch vier Argu-
mente zu stützen sucht, die wir näher betrachten müssen.
1. „Soll die Ausführung möglich werden, so muss der
Hals der Frucht auf eine leichte Weise zu erreichen sein,
was aber in den meisten Fällen einer Scbulterlage, wobei
Methode, nebst Bemerktingeo tn den Ansichten etc. 379
jedenfals die Wendung auf die Fasse als unmöglich ange-
nomnien werden muss, nicht der Fall ist. Üei* vorgefallene
Arm mit der Schulter und einem Theile des Rumpfes sinkt
in Folge der Zusammenziehungen der Gebärmutter tiefer in
das Becken, während der Kopf auf dem Darmbeine, der Lin.
arcuata oder dem geratlen Asle des Schambeines liegen bleibt,
dergestalt, dass der Hals, wenn er nicht stark gestreckt ist,
entweder gar nicht oder kaum zu fühlen ist/* Diese An-
gaben sind durch die Erfahrung Anderer bislang nicht be-
stätigt worden. Insbesondere kann ich meinen obigen Fall
entgegenhalten, bei dem alle erschwerenden Momente sich
combinirten: enges Becken, Placenta praevia, Nabelschnur-
Vorfall, hohe Lage der Frucht und vor allen endlich die
Strictur des Muttcrnmndes, welche letztere übrigens schlimm-
sten Falles durch Einschneiden des Muttermundes noch zu
überwinden gewesen wäre.
2. „Das starke Herabziehen des Halses mit der^ Hand
um ihn zu spannen, namentlich mit dem Schlusselhaken, um
Torsion der Halswirbel mit Trennung der Weichtheile zu
Wege zu bringen, muss leicht nachtheilig wirken, da der
Uterus alsdann zwischen den Kopf und das Becken, vorzug-
lich an der Stelle der Lin. arc. oder des Ram. horiz. oss.
pub. gedruckt wird und zerreissen kann* Dass diese Be-
merkung nicht auf blos theoretischem Grunde, sondern wirk-
lich auf der Erfahrung beruht, das beweisen die vi^n Fälle
von Ruptur der Gebärmutter bei Querlage, welche gewöhn-
lich spontan auf diese Weise zustande kommen.'* Was
diesen bekanntlich schon von Scanzoni erwähnten Einwurf
betriffl, so ist derselbe einestheils durch die Erfahrung eben*
falls nicht gerechtfertigt; anderntheils .kann wenigstens bei
der von mir beschriebenen Verfahrungsweise der successiven
Durchtrennung, wie ich bereits a. a. 0. hervorgehoben habe,
entschieden keine solche Quetschung und Durchreibung des
Uterus stattfinden. Es durfte diese Gefahr vielmehr für die
forchlen Wendungsversuche oder fhichtlosen Anstrengungen
der sich selbst überlassenen Naturwirkung, welche die De-
capitation heilsamerweise vermeiden soll, gerade durch die
Erfahrung anerkannt sein.
3. „Ob die Torsion der Halswirbel mit dem Schlüssel-
380 XXVII. Küneke, Eine Decapitation nach Karl Braan*8
hakeil bei eiuer eben geslorbetieii Frucht so leiclil zu be-
werkstelligen sei, kann ich aus eigner Erfahrung nicht enl-
sjcheiden, sondern will blos darauf aufmerksam machen, dass
dieses Manoeuvre bei Versuchen mit Kindsleiclien im Phan-
tome ziemlich viel Kraftanstrengung erfordert und nicht die
Arbeit eines Augenblickes ist*' Es ist mir nicht zweifelhaft,
dass wie so viele Anderen, welche das Verfahren dahin
missverstanden haben, dass der Hals mittels einer einma-
ligen Anlegung des Ilakens zu durchtheilen sei, auch
Lehmann in diesem Punkte vollkommen Recht hat. Ja es
hätte ihm bei so übermässiger Kraftanstrengung obendrein
recht gut passiren köuiien, wie es Martin in Berlin beim
Operiren am Phantome und, wenn ich mich recht entsinne,
einem ungarischen Arzte an der Lebenden erging, dass der
Griff des Hakens zerbricht; was bei meinem wenig Gewalt
erfordernden Verfahren sich nicht wohl ereignen dürfte. Auch
gebt aus Lehmann's Worten nicht deutlich hervor, ob er an
Weingeistkindem oder frischen Leichen operirt habe, lieber
ei*stere besitze ich keine Erfahrung, doch wäre die Operation,
einer mündlichen Aeusserung von Schwartz zufolge, aller-
dings nicht möglich. An frischen Kindsleiclien dagegen haben
meine Schüler so gut wie ich den Zweck stets sicher, leicht
und schnell erreicht.
4. „Dass die Extraction des nachkommenden Kopfes,
wenn ei^.ganz vom Rumpfe getrennt ist, nicht immer so
leicht mit der Hand oder mit dem Haken vollführt werden
kann, davon bin ich zweimal Zeuge gewesen, und ich würde
vor allem schon dieses Grundes wegen anrathen, mit der
Decapitation höchst vorsichtig zu sein, namentlich sobald das
Becken verengt ist.''
Dieses Argument, welches auch Hohl gegen die De-
capitation ganz besonders geltend macht, aber doch nacih
Erfindung des Kephalothryptors selber für ziemlich hinfällig
hält, scheint nach Lehmann'^ Erfahrungen, sowie durch
meine eigene obige Beobachtung nicht ohne Berechtigung zu
sein. In seinen zwei Fällen war bei der Extraction aus den
massig verengten Becken durch andere Aerzte der Kopf vom
Rumpfe abgerissen. In dem einen derselben gelang es Leh-
mann weder mit der Hand, noch mit Instrumenten verschie-
Methode, Debst Bemerkiingeii zu den Ansichteii .etc. 381
denei Art den zurückgebliebenen Kopf herauszuholen und
die Frau starb 24 Stunden nach der Entbindung n)it dem
Kopfe in der Gebärmutter. Im anderen Falle glückte es
ihm erst nach vielen fruchtlosen Versuchen den durch den
Kephalothryptor gänzlich zertrümmerten Kopf mit dem Smellie'-
schen Haken herauszuziehen. Auch in meinem Falle gelang
die Extraction des Kopfes erst melu*ere Stunden nach der
Entbindung dem Dr. F. und zwar in der Knieellenbogen-
lagerung der Frau, ein Auskunftsmiltel, von dem ich nicht
weiss , oh es vor ihm zu diesem Zweck Anwendung gefun-
den hat. Vielleicht auch war der Kopf durch die Wehen um
jene Zeit bereits besser accommodirt und fixirt und so die
Hindurchiührung durch das enge Becken erleichtert Wurde
doch in dem von Martin mit dem stumpfspitzen Haken van
Smellie operirten Falle (Mon. f. Geb. Bd. 19., S. 250) bei
einer noch bedeutenderen Verengerung des Beckens von 3"
4'" Conj. diag. der Kopf einige Minuten nach der Exti*aclion
des Rumpfes von den Wehen im Beckeneingange lixirl und
alsdann mit den in den Mund und den Halsstumpf einge-
setzten Fingern aus der Scheide, weim gleich nicht ohne
Muhe herausgezogen. Uebrigens hat bekanntlich der zurück-
gebliebene Kopf in den beti^effenden DecapitationsföUeu kei-
nen Nachtheil für die Mutter bewirkt, sondern ist stets noch
durcli die Naturthätigkeit binnen einigen Stunden nach der
Entbindung spontan ausgestossen worden. —
Es sind bis jetzt 29 nach der Methode von K. Braun
ausgeführte Decapitationsoperationen bekannt geworden. Da-
bei starben 5 Mattet* und zwai* dm*ch Verletzung in Folge
anderweiter Operationsversuche 2 (K. Braun) ^ an Endo-
metritis puerperalis 2 (Streng y K, 5rawn^„ an anderen
Complicationen 1 (Ad. Breiner in Ungarn^. Von den 29
Operationen fallen 26 auf den österreiduschen Kaiserstaat
und 3 auf Holland. Hieran schliesst sich als 30. mein so-
ehm beschriebener glücklich verlaufener FaU vom 22. November
1864, zugleich der erste ün ausserösterreichischen Deutschland.
Göttingen, den 7. März 1865.
382 XXVUI. Dohm, Deber die Anwendung des Collodiamt
XXVIIL
üeber die Anwendung des CoUodiums bei der
Peritonitis der Wöchnerinnen.
Von
Prof. Dohrn in Marburg.
Im Jahre 1859 empfab] der französische Arzt Robert
de Latour^ bei puerperaler Peritonitis eine Bepinselung des
Bauches mit Collodium vorzunehmen ^). Latour hatte in
einem Falle dieser Krankheit sich des Mittels bedient und
vorzüglichen Erfolg davon gesehen. Seine Empfehlung blieb,
wie es scheint ^ in Frankreich unbeachtet, dagegen fand in
dem Hebammeninstitute zu Petersburg das Collodium noch
im selben Jahre Anwendung und mit Schluss des Jahres
1860 hatte Tamoffsky bereits 99 Falle aufzuweisen, in
welchen er sich des Mittels bedient halte ^). Die gunstigen
Resultate, welche von Petersburg aus berichtet wurden, be-
stimmten auch mich, das Collodium in Gebrauch zu ziehen,
und nach l'/s jähriger Anwendung desselben steht mir eine
Erfahrung über 31 damit behandelte Fälle zu Gebote. Ist
diese Zahl auch nicht der von Tarnoffsky beobachteten an
die Seile zu stellen, so reicht sie doch hin, dass ich mir ein
selbslslandiges Urlheil über die Wirkung des CoUodiums habe
bilden können, und ich darf die Aufmerksamkeit der Fach-
genossen auf dieses Mittel lenken, welches bisher in Deutsch-
land weniger Anwendung gefunden hat, als es dieselbe verdient.
Die Applicationsweise ist einfach. Von einem gut kle-
benden Colledium trägt man auf die vordere Abdominalwand
eine hinreichend mächtige Schicht auf, so dass bei der Ver-
dunstung eine zusammenhängende Decke gebildet wird. Tar-
noffeky bestrich die ganze vordere Abdominalwand mit Col-
lodium, ich habe mich darauf beschränkt, die Gegend unterhalb
des Nabels damit zu bedecken; das erwies sich in meinen
1) Gazette ra^dic. de Paris. 1869. Nr. 6.
2) 8. Hugenberger, Bericht über das HebamnieDinstitut zu
Petersbarg. Petersb. medic. Zeitschr. Bd. 2.
bei der Peritonitia der Wöcbnerinnen. 383
Fällen als ausreichend, wobei ich indess bemerken muss, dass
leb das Mittel stets im Anfange der Erkrankung angewandt
habe und in Fällen, wo die Äflection noch auf den unteren
Abschnitt des Peritonaeums beschränkt war. Ebenfalls habe
ich nicht für nöthig befunden, vom Collodiuro 3 Schichten in
verschiedener Richtung aufzusti^eichen, wie Tarnoffsky em-
pfiehlt. War nur die hinreichende Menge aufgetragen, so
war die Bestreichung in Einer Richtung genügend.
Im Anfange wandte ich das Collodium nur in solchen
Fällen an, wo ich annehmen musste, dass das vordere Pa-
rietalblatt des Peritonaeums afßcirt sei. Später zog ich es
auch bei tieferem Sitze der AlTection in Gebrauch. Die Wir-
kung war hier nicht gleich schlagend, immerhin aber befrie-
digend genug, um auch bei solchen tiefer sitzenden Erkran-
kungen weitere Versuche mit dem Mittel zu recbtfeitigen.
Unter den behandelten 31 Fällen beobachtete ich 28 Mal
eine gnnstige Wirkung. Drei Mal blieb der Erfolg aus, das
eine Mal bei einer Kranken, die neben der Peritonitis eine
Phlebitis der Beckenvenen hatte; das zweite Mal bei einer
Patientin, die mit einem weit rückwärts im Becken, wahr-
scheinlich retroperitonaeal gelegenen Exsudate behaftet war, wo
also Ort der Erkrankung und Ort der Application weit von
einander lagen; in dem 3. Falle dagegen bestand eine ein-
fache Peritonitis im vorderen Abschnitte des Bauchfells und
es Hess sich hier die Erfolglosigkeit des Mittels nicht weiter
erklären.
In einigen Fällen war die Wirkung ganz überraschend,
schon in den ersten Minuten nach Vornahme der Bestreichung
erniässigte sich das Schmerzgefühl und besserte sich damit
das Allgemeinbefinden. Die Kranken selbst verlangten wieder-
holt nach Vornahme der Bepinselung, wenn sie einmal an
sich die günstige Wirkung derselben erprobt hatten.
Tamoffaky giebt an^ dass in den glücklich verlaufenen
Fällen verminderte Puls- und Athemfrcquenz schon in den
ersten 24 Stunden auf das Deutlichste habe wahrgenommen
werden können. Ich kann diese Angabe bestätigen. Physio-
logisch ist die Erscheinung leicht zu deuten, indem bei ge-
mindertem Schmerzgefühle die Athemzüge tiefer werden und
damit die Circulation freier. Noch deutlicher aber als an diesen
384 XXVm. Dohm^ Uelcr die Anwendung^ des Collodiiiins
Erscheinungen zeigte sich in den meisten Fällen die günstige
NVirkuug des Collodiums an dem Verhalten der Teroperatm*.
Als Beispiele mögen folgende Fälle dienen:
L. Sccundip. Geburl am 28. Februar. In den ersten Tagen
des Wocbeiibelles ungestörtes Defindeu, am 4. und 5. Tage
bei gesteigerter Milchsecretion und putriden Lochien massiges
Fieber, darauf Besserung.
Am 8. März Morgens ein heftigei' halbstündiger Frost,
dem Kopfschmerz, Hitze und starker Durst folgt. Der Leib
ist gespannt, docii nicht aufgetrieben, Hypogastrium auf Druck
sehr empfindlich, Schmerzen bei der Inspiration, Puls 112,
Temj)eratur 40,6.
Bepinselung des Hypogastriums mit CoUodium Morgens
10 V2 Uhr.
9. März. Unmittelbar nach Anwendung des Collodiums
haben sich gestern die Schmerzen betiächtlich gemindert. Es
ist imr noch ganz geringe Emplindhchkeil mehr vorhanden,
das Allgemeinbefinden ist gut, die Temperatur ist auf 37,8,
der Puls auf 84 gefallen (s. Tab. L) >).
S. Primip., am 19. Jan. mit der Zange entbunden. Am
22, Morgens erste peritonitische Erscheinungen. Anhaltende
Schmerzen im Leibe, Empfindliciikeit des Uterus auf Druck,
Ucunentlich seiner linken Kante. Kein Meteorismus. Belegte
Zunge, viel Durst, Puls 126, Temper. 40,2. Anwendung von
Collodium Morgens 10 V4 Uhr, Am 23. haben die Schmerzen
nachgelassen und ist die Empfindlichkeit auf Druck geringer,
Temper. auf 38,8 gefallen (s. Tab. U.).
St. Primip. Leicht verlaufene Geburt am 15. März. In
den ersten Wochenbettstagen ungestörtes Befinden.
18. März. Morgens heftige Kopfschmerzen und Frösteln.
Zunge belegt, Leib aufgetrieben, Wandungen gespannt Em-
pfindlichkeit auf Druck an der Linea alba bis zum Nabel hin-
auf, Uterus der Empfmdüchkeit wegen nicht durchzufühlen.
Milchsecretion sehr gering. Puls 120, Temper. 39,4.
1) Die Morg^enteinpernturen sind 10 Uhr, die Abendteutpera-
tnren 5 TThr gemessen.
vr^nr*— e
r« — o o» oo «-««^ '••«P« -« O «» X »-«"»* M f^ - O 0> •»- »3 •«•♦"* '*-*0 e» • '-'O "^ ^"«^ «**** Ö *•*•"•'*"•'•* ••"O
w) vm M— e » *B»i0«^««i«^r< M e,
bei der PeritonitiB der WöohBerinoea. 386
Bepinselung oüt CoUodium Morgen« 10^4 Uhr.
19. März. Der Leib ist weniger gespannt. Die EinpOnd-
iicbkeit geringer, der Uterus leicht durclizufuhlen , der Puls
auf 90 Schläge, die Temperatur auf 87,4 heruntergegangen.
Am 20. wird die fiepinselung wiederholt, am 21. sind
die peritonitischeu Erscheinungen verschwunden (s. Tab. III.).
R. 1 p. Geburt am 19. November. Am 20. Abends die
ersten Zeichen von Peritonitis. Rasch entstandener Meteo-
rismus, anhaltenile Schmerzen im Abdomen, Empßndlichkeil
des Uterus auf Druck, Puls 120, Temperatur 39,8.
Bepinselung mit Collodium Abends 5 Uhr.
21. November. Unmittelbar nach Anwendung des Col-
lodiums liessen die Schmerzen nach. Es ist nur noch ge-
ringe Empfmdlichkeit mehr vorhanden, die Temperatur auf
37,7 gefallen. Abends wurde die Emplindlichkeit wieder
starker, die Bepinselung daher wiederholt. Der Erfolg war
in gleicher Weise günstig.
Im weiteren Verlaufe wurde noch an 2 Abenden die
Wiederanwendung des CoUodiums nothig, worauf die Kranke
beide Male sich sehr erleichtert fühlte und das Fieber sich
eruiässigte (s. Tab. IV.).
In anderen Fällen war der Einlluss des CoUodiums auf
den Gang der Temperatur weniger günstig, in einzelnen wenigen
fand siel) bei der zunächst folgenden Messung sogar eine
Exacerbation des Fiebers, obwohl sich das Allgemeinbefinden
gleich nach der Application des CoUodiums gebessert hatte.
Die Wirkung des CoUodiums bat man sich auf vei*schie-
dene Weise gedeutet. Ijotour hatte sich die eigenthömliche
Vorstellung gebildet, das Collodhnn wirke, hideni es den Zu-
tritt der atmosphärischen Luft, namentlich des Sauerstoffs,
von den erkrankten Theilen abhalte, eutzüudungswidrtg. Tivr-
noffsky stellte dieser Theorie die nicht minder' gekünstelte
gegenüber, die Coli odiumdecke bewirke einen Zustand localer
Anästhesie, indem sie die Ausscheidung der Kohlensäure in-
hibire. Die einfacheren Erkiärungsweisen verdienen, wie
Hugenberger mit Recht andeutet, diesen Theorien gegen-
über den Vorzug.
MouftUsehr. f.aeburtek. 1866. Bd. XXV., Hft. 6. 25
386 XXVIII. Dch;tn, Ueber die Anwendung des Cenodinm etc.
Das GoHodiam erzeugt bei der Verdonstung betrichtlicbe
Kälte und bewirkt eine Cootraction der Baucbdeeken. Das
Eine wie das Andere könnte seine günstige Wirkung er*
Uären, indess ist die Contraction der Bauchdecken von grös-
serem Belang, als die Erzeugung der Kälte. Käme die letz-
tere wesentlicb in Betracht, so müsste unmittelbar nach
Aufslreichen der Flüssigkeit die schmerzstillende Wirkung am
Deutlichsten sein und bei zunehmendem Wärmegefühl die
Empfindlichkeit sich wieder heben. Dies ist indess nicht der
Fall, die Wirkung hält für gewöhnlich mindestens mehrere
Stunden vor. Einige Kranke haben mir auch geradezu an-
gegeben, die Kälte sei ihnen unangenehm gewesen und erst,
als sich ein erhöhtes Wärmegefiüd ehigestellt habe, sei der
Schmerz geringer geworden. Es ist sonach die Contraction
der Baucbdeeken das Wesentliche, damit werden die Gefasse
der Abdominalwand verengt und mit geminderter Hyperämie
verringert sich die EmpGndlichkeit *). Weiter mag in Be-
tracht kommen, dass die Respirationsbewegungen freier werden,
indem die Colludiiimdecke die Excursionen einzelner Theile
der empfindlichen Abdominalwand beschränkt. In dieser Be-
ziehung darf man indess ^von dem Gollodium nicht mehr er-
warten, als von den üblichen Katapiasinen und temperirten
Wasserumadilägen , während in jeder andern Rucksicht das
CoUodium weit den Vorzug verdient.
Den Fachgenossen empfehle ich angelegentücbst die
weitere Prüfung des Mittels.
1) Naoh Hugenberger haben solche Mittel, die keine Con-
traction der Bauchdecken zu Stande bringen, z. H. daa Collodlum
elasticnm, auch keine günstige Wirkung. Ich habe einen Ver-
such mit Wafiflerglas gemacht, doch blieb aller Effect ans, da
sich eine zusainmeiihUngende Decke von hinreichender Festig-
keit damit nicht herstellen Hess..
XXIX. Pappel, Ueber einen Fall Ton dareh Killte etc. 387
XXIX.
üeber einen Fall von durch Kälte bewirktem,
bewusstlosem Znstande während und nach
der Gebnrt.
. Von
Dr. J. Poppel,
Privatdocent, HHlfsHrzt an der geburtibUiriiohen Poliklinik nnd prakt.
Arzt in MOnohen.
Wenn vom Gebären ohne Bewustsein die Rede ist, so
musä man dabei fast immer — naturlich abgesehen von der
Ausstossung des Kindes in der Chloroformnarkose — an pa-
thologische Zustände der Mutler denken, die so offenkundig
sind, dass sie wohl nie Anlass zu ernstlichem Zweifei geben
können, wenn etwa wegen eines dem Kinde zugestossenen
Schadens die gerichtliche Untersuchung eingeleitet wird.
So kann bekanntlich während eines eclaraptischeil oder
epileptischen Anfalles, vielleicht während einer durch Blut-
verlust bedingten Ohnmacht, während eines apoplektischeh
Insultes, möglicherweise auch im höchsten Grade der Trunken-
heit die Sensibilität so vollständig aufgehoben sein, dass der
GeburtSticl nicht zum Bewusstsein der Mutter gelangt. Oh
während eines tiefen Schlafes die Geburt erfolgen könne,
wird von den meisten Autoren bezweifelt, scheint aber doch
in der Möglichkeit zu liegen. Wenigstens wird ein Fall von
Dubois *) erzählt, wo eine Erstgebärende den grössten Theil
des Gebäractes verschh'ef, und als sie beim Erwachen einen
starken Drang zum Harnlassen verspürte, sich deshalb auf-
richtete, ein Nachtgeschirr ergriff und in dieser aufrechten
Stellung das Kind gebar.
Bei forensischen Untersuchungen in dieser Hichtung han-
delt es sich meistens um ein angebliches Verkennen der Wehen-
ihätigkeit. Die Angeschuldigten schützen vor, entweder ihren
schwangeren Zustand gar nicht gekannt, oder, wenn sie auch
dieses zugeben, nicht gewusst zu haben, dass die Leibschmerzen,
die sie fühlten, auf Wehenthätigkeit beruhten. Dass ein solches
Verkennen nicht nur bei Erstgebärenden, sondern selbst bei
1) Osz. des h6p. 27. 1854, in Sehmidt's Jahrbüchern, Jahrg. 1854.
25*
388 ^XIX* Popp€l, Ueber ofnen Fall von dnrcfa KXlte
iMehrgebäreiiden wirklich stattfinden kann; und dieselben z. B.,
indem sie einen Drang zum Stuhlgang fühlen, bona fide in
den Leibstuhl oder Abtritt gebaren können, ist durch die un-
zweideutigsten Erfahrungen bestätigt.
Der zu erzälilende Fall betraff jedoch eine Erstgebärende,
die wusste, dass sie im Gebären begriffen sei, die aber von
dem Acte der Geburt auch nicht die geringste Erinnerung
hatte. Ob meine Ansicht, dass dieser bewusstlose Zustand
durch Kälte bedingt gewesen sei, die richtige ist, muss dem
llrtheil des Lesers überlassen bleiben.
Die 19 jährige F. will Mitte April 1864 die letzten Re-
geln gehabt haben. Von da an bUeben sie aus, und es stellte
sich anhaltender weisser FIuss ein. Aus diesem Grunde, und
weil sie auch keine anderen Beschwerden hatte, wie sie im
Beginne der ersten Schwangerschaft meist auftreten^ wollte
sie niemals trotz der allmäligen Ausdehnung des Leibes an
Schwangerschaft denken, obwohl sie die Möglichkeit derselben .
nicht laugnete. Auch von Kindesbewegungen will sie nichts
gespürt haben. So kam nach ihrer Aussage, der aber kein
Gewicht beigelegt werden soll, der 3. Januar 1865 heran,
ohne dass sie wusste, dass sie schwanger sei. An diesem
Tage verspürte sie öfters wiederkehrende Leihschmerzen, die
gegen Abend so heftig wurden, dass ihre Umgebung, die an
ihrer Schwangerschaft nicht zweifelte, ihr rieth, zur Hebamme
zu gehen und sich untersuchen zu lassen. Diese klärte sie
über ihren Zustand auf und stellte ihr baldige Niederkunft
in Aussicht. Doch bestärkte sie ihr Vorhaben, sofort nocli
sich nach dem 3 deutsche Meilen entfernten München zu ihren
Filtern in einem Schlitten fahren zu lassen, indem sie bei
der guten Schlittenbahn noch zeitig genug dort eintreffen
könne. Von der grossen Naivität und ünerfahrenheit des
Mädchens kann ihre Erkundigung bei der Hebamme zeugen,
wie sie sich, wenn sie allenfalls unterwegs von der Geburt
überrascht würde, zu benehmen hätte, ob sie ihre Röcke auf-
machen müsse, denn sie glaubte, dass das Kind durch den
Bauch geboren würde. Mag man diesem Glauben schenken
oder nicht, Thatsache ist, dass sie" Abends um 7 Uhr jn
einem einspännigen, ganz offenen Bauernschlitten blos mit
dem Kutscher als Begleiter, die Reise antrat. In dieser
bewirktem bewasstiosem Zaatande während u. nach d. Geburt. 389
Nacbi war die heftigste Kälte, die uberliau})t in diesem Winter
beobachtet worden ist, nämlich 17^ C. Die Fahrt dauerte
nahezu 3 Stunden. Von dieser weiss sich das Mädchen des
ersten Theils ganz gut zu erinnern. Sie erzählt, dass die
Leibschmerzen in regelmässigen Zwischenräumen immer stärker
wiederkehrten, und endlich, als sie ungefähr noch eine Stunde
von Mönchen entfernt war, so heftig wuixlen, dass sie dem
vor ihr sitzenden Kutscher die Weisung gab, in Mönchen
gleich an das Gebärhaus und nicht an die weiter entfernte
Wohnung ihrer Eitern zu fahren. Von da an hört die Er-
innerung des Mädchens auf. Der Kutscher scheint das Ge-
bärfaaus nicht gekannt zu haben, und fuhr der Strasse zu,
in der er wusste, dass die Eltern des Mädchens wohnten.
«Gegen 10 Uhr Nachts sah man einen Schlitten am Anfang
dieser Strasse mit grosser Schnelligkeit fahren. Als er an
einer Gesellschaft heimkehrender Wirthshausgäste vorüber war,
bemerkten diese einen Gegenstand auf dem Geleise Hegen,
und fanden hinzueilend, ein nacktes neugeborenes, wimmern*
' des Kind sammt der Nachgeburt. Dasselbe wurde sogleich
einer in der Nähe wohnenden Hebamme übergeben, die Leute
aber, die ein Verbrechen argwöhnten, verfolgten die Richtung,
in der der Schlitten davongeeilt war. Mittlerweile war der
Kutscher, der nichts von dem Vorgefallenen gemerkt hatte,
zugefahren in der Zuversicht, seine Reisegefährtin wörde ihm,
wenn er das Haus erreicht hätte, schon ein Zeichen geben.
Da dies nicht geschah, fuhr er immer fort, bis er das Ende
der Strasse, die aus der. Stadt hinausföhrte, und damit das
Ende der Stadt err^cht hatte; als nun allmälig alle mensch-
lichen Wobnungen aufhörten, kam ihm doch der Gedanke,
er müsse falsch gefahren sein, er fragte also das Mädchen,
bekam aber keine AntworL Erst nach langem Rufen inid
Rütteln schlug sie die Augen auf, und kam allmälig zn sich,
so dass sie sich orientiren konnte und den Kutscher um-
kehren hiess. Als sie nun endhcli am Hause der Eltern, das
etwa in der Hälfte der Strasse lag, anlangten, entstand ein
wahrer Volkstumult, denn die Leute, die vorhin das Kind
gefunden und theilweise dem SchUtten nachgeeilt waren, er-
kannten ihn sofort wieder und beschimpften nun die angeb-
liche Kindesmörderin und riefen auch gleich die Polizei herbei.
390 XXIX. Poppet, lieber einen Fall von darcb Killte etc.
Die Mutter lag noch in halb erstarrtem Zustande im SdiiiUen
und wusste gar nicht, was dieser Aiiflaui' zu bedeuten hatte,
sondern verlangte blos zu ihren Eltern gebracht zu werden.
Von einigen mitleidigen Menschen wurde sie aus dem Schlitten
gehohen und in die Wohnung der Genannten getragen und
so der Wutli des Volkes entzogen. Die Ehern, die von dem
schwangeren Zustande ihrer Tochter keine Ahnung hatten,
wussten natürlich weder was ihrer Tochter begegnet sei,
noch was der Tumult auf der Strasse zu bedeuten habe, bis
endlich das Corpus delicti, das Kiud, ihnen gebracht wurde.
Jetzt erst wurde dem Mädchen klar, dass sie geboren haben
müsse, und so koimte sie ihren Eilern doch die nothdürfÜgsle
Aiiskunft geben. Als diese das Kind, dem kein Leid ge-
schehen war, bereitwillig annahmen, beruhigte sich allmalig
die aufgeregte Menge und verlief sich. Die Mutter bekam
jetzt einen mehrstündigen heiligen Schüttelfrost, konnte dann
gegen Morgen aber etwas schlummern und erwachte am an-
dern Tage zwar erschöpft, doch vollkommen gesund. Auch
im W^ochenbett trat keine erhebliche Störung ein.
Interessant ist, dass nicht einmal das Schamlippenbänd-
eben eingerissen war. Das Kind war ein Mädchen, das nicht
ganz ausgetragen zu sein schien. Es zeigte keine Spur von
Verletzungen, und war die ersten acht Tage vollkommen ge-
sund. Vierzehn Tage alt starb es an Diarrhöe. Da von der
Polizei Anzeige gemacht worden war, wurden zwar vom Ge-
i*ichte Erkundigungen bei den Eltern und der Mutter erhoben,
und auch ich wurde nach dem Tode des Kindes gerichtlich
über einen möglichen Zusammenhang desselben mit der Ge-
burt des Kindes vernommen, doch ist keine Anklage gegen
die Mutter erhoben worden.
Dies ist die einfache Erzählung des Vorganges, wie er
theüs von der Mutter berichtet wird, theils aus den Aussagen
von Augenzeugen erhellt.
Auch abgesehen von den Behauptungen der Mutier,
glaube ich, kann aus den Thatsachen an sich der Sctiluss
gezogen werden, dass wirklidi die Geburt in bewusstlosem
Zustande erfolgt ist und dass also, selbst wenn dass Kind
durch den Sturz vom Schlitten Schaden gelitten hätte, keine
bewirJclen bewnsstlosen ZtisUnde während u. nach d. Gebort 391
verbrecberiscbe Absicht der Mutter untergeschoben werden
kann.
Tbatsacbe ist, dass das Mädchen bei ihren Eltern ge-
baren woUiei dass sie also im Anfang umnoglich daran dachte,
dem Kinde ein Leid zuzufügen. Thateache ist zweitens, das«
der Schlitten, nachdem er eine Strecke über sein Ziel bin^
ausgefahren war, wieder umkehrte und vor das Haus der
Eltern des Mädchens fulir. Was für ein Grund konnte die-*
ses bewegen, angenommen es sei in seinem Schuldbewusstsein
an dem Elternhause absichtlich voräbergefabren, um vielleicht
zu entfliehen, plötzlich wieder umzukehren, und sich der Ur»
mendeo Menge selbst auszuliefern. Thatsaclie ist endlich, dass sie
ganz erstarrt und noch halb bewusstlos im Elternhause ankam.
Diese drei Momente genügen, um die Glaubwürdigkeit
der Aussagen der Mutter zu beweisen, deren Benehmen übri-
gens auch durchaus ein solches war, dass es den Eipdruek
der Unbefangenheit und Schuldlosigkeit machte.
Auf der andern Seite steht der Annahme, dass durch
die intensive Kälte, der die Gebärende 3 Stunden lang in
einem offenen Schlitten zur Nachtzeit ausgesetzt war, ein ge-
föhl* und bewusstloser Zustand der Mutter bewirkt worden
sei. Nichts im Wege, und wird durch vielfältige Erfahrungen
bestätigt, dass die Einwirkung der Kälte, wenn sie lange ge~
nug stattfindet, constant nach vorhergegangener Müdigkeit
and Schläfrigkeit, Gefühl- und Bewusstlosigkeit erzeugt.
Allerdings muss zugestanden werden, dass noch andei%
aber doch gezwungene Erklärungen des Vorganges möglich
sind. Man könnte annehmen, dass das Mädchen noch mit
Bewusstaein geboren, dann aber in ihrem erstarrten Zustande
aus Erschöpfung in Ohnmacht gefallen sei. Jedoch auch
diese Annahme spräche gleich der ersten zu Gunsten der
MuUer, wenn es sich um die Anklage des Versuchten Kinds«
nioi*des oder der Aussetzung des Kindes handelte.
Man könnte femer ein Einverstandniss des Mädchens
mit dem Kutscher und damit voraussetzen, dass letzterer
absichtlich so schnell davon- und über das Ziel hinausge-
fahren sei, um dem lärmenden Haufen zu entrinnen, und
dass» beide dann, als sie glaubten, die Menge würde sich
verlaufen haben, umkehrten. Dass sich der Kutscher durch
392 XXIX. Popp€l, lieber einen F«II von ^reh KKlteetc.
das Geschrei der Leute, die das Kind fanden, nicht auf-
halten licss, hat nichts auffallendes, denn bei der grossen
Schnelligkeit, mit der er fuhr, war er, bis die Leute sich
von ihrer Ueberraschnng erholt hatten, schon lange aus dein
Bereiche, dass er ihre Zurufe verstehen konnte; i^nd ein lär-
mendes Schreien ist um diese ^eit der Nacht in Mönchen
und zumal in den Strassen der Vorstadt, um die es sicli
handelt,« etwas Alltägliches. Aber bei obiger Voraussetzung
mflsste man auch die Verstandeskräfte beider Schuldigen als
unter dem Niveau der geringsten Ansprüche stehend an*
nehmen, denn gerade in einer um diese Zeit noch so be-
lebten Strasse ein Rind aussetzen, das sie, wenn sie nur die
eine Strasse entlang und zur Stadt hinausfuhren, ganz unbe-
merkt aut alle mögliche Weise beseitigen konnten, das hiesse
doch mehr als unüberlegt handeln. Ueberhaupt konnte ja
die Mptter, auch weun sie sich vielleicht mit dem Kutscher
verständigt hätte, nicht mehr an ein Verheimlichen ihrer Geburt
denken, da ihr Zustand an dem Orte, von dem sie schon
mit Wehen weggefahren, zu bekannt war.
Die Schuld der Mutter ist also mit Sicherheit zu ver-
neinen. Ob man ihr auch darin Glauben schenken ddrte,
dass sie von dem Akt der Geburt nicht die leiseste Empfin-
dung gehabt habe, oder ob die andere Möglichkeit anzuneh-
men sei, dass sie gleich nach der Geburt bewusstlos gewor-
den, ist aus den Thatsachen nicht bestimmt zu entscheiden,
doch hat die erstere Annahme, wie schon oben erwähnt,
durchaus die Wahrscheinlichkeit für sich.
Noch ein Bedenken könnte geltend gemacht werden,
nämlich warum nicht auch der Kutscher durch die Kälte be-
wusstlos wurde. Abgesehen davon, dass das Gegentheil be-
wiesen ist, und sein ganzes Verhalten eher für eine gewisse
GefiQbllosigkeit iftd Stumpfheit spricht, kann doch kein Ver-
gleich stattfinden zwischen einem Pferdeknechte vom Lande
und ein«m 18 jährigen gebärenden Mädchen aus der Stadt,
wenn von der Einwirkung der Kälte auf Beide die Bede ist.
XXX. ^otisen ans d«r Journal- Literatur. 393
XXX.
Notizen aus der Journal-Literatur.
Alfr, Taylor: Tod nach Zerreissuug des Uterus,
Umslulpung des Uterus und Austreibung des
Fötus durch Fäulnissgas.
Die Drr. Bedford, Eoberls and Shaw Diachten am 3. Juni
1864 die Seotion einer in ihrer 7. Gebart anentbanden ge-
storbenen 37jährigen Frau. Schon am 26. Mai hatte sie Anfl&Ue
gehabt, welche aaf eine Koptnr des Uterus hindeuteten. Sie
tvar snnfichst innerlich behandelt worden und als bei fortschrei-
tenden gefährlichen Erscheinungen der Geburtshelfer seine In-
strameote holen Hess, starb die Frau, ehe ein geburtshülflicher
Eingriff stattgefunden hatte. Eine Woche nach dem Tode wurde
die wieder ausgegrabene Leiche secirt. Sie war stark in Fänl-
niss übergegangen und der Leib bedeutend aufgetrieben. Ein
ausgetragenes männliches Kind lag swischen den Schenkeln, mit
dem Kopfe nach den Füssen der Mutter hingewendet, der Uterus
war umgestülpt und lag piit der noch an ihm festsitseuden Pla-
centa gleichfalls swischen den Schenkeln. Der Nabelstrang war
nicht getrennt. Bei Eröffnung der Bauchhöhle entströmte eine
grosse Menge Gas, in ihr befanden sich 4 Pint Blut, die Hand
konnte von oben swischen Blase und Mastdarm in eine tiefe
Tasche bis zwischen die Schenkel vorgeschoben werden. Nach
dem Rectum an fand sich ein Loch im Uterus, 6" lang, quer
laufend, dicht über dem Cervix. Man nahm an, dass der Gebär-
mutterriss und die starke Blutung den Tod herbeigeführt hätten,
dass beides aber spontan erfolgt sei, da erst nach derselben die
Aerste hiniugekommen waren. Es war in diesem Falle nur eine
einaige langdauernde Contraction beobachtet worden, unter der
der Riss erfolgt sein mnsste und obgleich dieser sehr gross war,
■ehiilpfte das Kind doch nicht in die Bauchhöhle, sondern blieb
im Uterus, da die eine Contraction den Kopf wohl su tief ins
Becken gedrängt hatte.
Bas Kind wurde ferner nach dem Tode der Mutter nicht
durch eine Uterus contraction ausgetrieben , denn der Uterus
wurde schlaff und grosg gefunden, sondern sowohl die- Geburt
des'Kisdes, als die Umstülpung der schlaffen Gebärmutter erfolgte
durch den Druck des in der Bauchhöhle entwickelten Fäulniss-
gases. Hätte eine Uteruscontraction die Austreibung des Kindes
bewirkt, so würde dieses schon vor dem Einlegen der Leiche in
den Sarg gefunden worden sein.
Verf. führt noch mehrere ältere Fälle von bedeittender
394 XXX. Notisen aus der Joarnal- Liter» tnr.
Gasentwickelang in Leichen an. (s. Orfila M^decine legale I. G56;
London med. gpaz. 1860. voL 45. p. 17; Guy^a Hospital Reports.
Octbr. 1863, p. 181 ; Casper'^ Vierteljahrsachrift f. öff. a. gerichtL
Med. XIX, p. 163, 1861.)
Quy'n Hospital Reports Vol. X., J864, p. 268.)
Hervieux: Ueber das Puerperal-Erysipel.
Aas seiner längeren Abhandlung zieht Verf. selbst folgende
Schlussbetrachtnngen an:
1) Das Puerperal- Erysipel kann, wie das gewöhnliche, in
▼ersehiedenen Formen auftreten, entweder als phlyctenoKdes oder
als phlegmonöses oder als gangränöses Erysipel. Von letsteren
•beiden Varietäten führt Verf. je ein Beispiel auf. Ein phlegmo-
nöser Rothlauf befiel im Wochenbette eine 43jährige Mehrge-
bärende nach der 13. Niederkunft. Das Erysipel trat nach
schweren Allgemeinerscheinungen am 6. Tage am linken Elin-
bogen und am 6. am rechten Fasse auf. Der Tod erfolgte am
9. Tage nach einer heftigen Qemtithsbewegnng. Die Autopsie
wies keine Spur von Peritonitis und Phlebitis nach, sondern an
den Stellen des Erysipels ausgedehnte, das Zellgewebe in6l<
trirende Eiterablage rangen. Der Fall von gangränösem Pnerpe-
ralerysipel betraf eine S2jiihrige Mehrgebärende, die ohne Knnst-
hülfe und ohne Blutung entbunden worden war. Nachdem in der
folgenden Nacht sofort Fieber und Schmersen eingetreten waren,
denen am 2. Tage bald das Exanthem folgte, entwickelte sich
dieses von beiden Hinterbacken nach den Lenden au (5. Tag),
erreichte unter starker Geschwulst am 9. Tage die Oberschenkel,
bis zum 16. Tage die Füüse, während es auf den erstbefaUenen
Stellen abbleichte« Am 19. Tage entwickelte sich oberhalb des
äusseren Malleolus des einen Fusses ein bläulicher, bald ins
Graue fallender Fleck, der brandig zerfiel, aber sich schon am
31. Tage mit einer Demarcationslinie abgränzte und darauf leicht
abheilte. Hierauf trat anhaltende ' Besserung bis zur Mitte ^er
6. Woche ein. Am 39. Tage aber trat Schuttelfrost und heftiges
Fieber ein und das Erysipel erschien nach 4 Tagen wieder und
zwar am linken Fusse, der besonders in der Wadengegend stark
anschwoll. Nach einigen Tagen bildete sich ein beträchtlicher
Abscess an der l^intem und obern Seite des linken Obersehen-
kels ans, der an 2 verschiedenen Malen punctirt wnrde. Das
Erysipel setzte sieh über den Unterleib auf den rechten Fiiss
fort, wobei das Knie stark anschwoll. Am 61. Tage langte es
auf dem rechten Fassrücken an; auf dem Kreuzbeine hatte sich
um dieselbe Zeit ein Schorf gebildet. Der allgemeine Zustand
verschlimmerte sich von Tag zu Tag und es trat anter typhoiden
Erscheinungen am 80. Tage der Tod ein.
X'XX. Notisen ans der Joarnal-LiterAtur. 395
*2) Das Exanthem kann alle Theile des Körpers befallen, aber
meist das Geflieht, Gesäss nnd die Extremitäten*, weil hier die
aeiatan loeaKdisponiranden Ursaehen sich vorfinden. Verf. fKgt
hier einen 3., sehr günstig abgelaufenen Fall von paerperalem
Gesiehtserysipel an, das sich nach einem Initial froste am 8. Tage
der Entbindung unter müssigem Fieber auf Nase und beiden
Wangen xeigte und nach ungefähr 12 Tagen verschwunden war.
Die WSebnerin stand im 38. Jahre nnd war normal mit dem 13.
Kinde niedergekommen.
3) Puerperal- Erysipel ist ebenso gut sporadisch, wie epide-
misch, je nach disponirenden nnd Gelegenheitsursachen.
4) Es IKsst 2 Arten von Ursachen seiner Entstehung erken-
nen: locale und allgemeine. Unter den ersteren führt Verf. be-
sonders alle oberflftchlichen Gesehwflre, Ausschlage oder Ver-
letamgen an, sowie auch tiefer liegende, sufHllig gegenwartige
Eiterheerde. Für das Erysipel des Gesftsses nimmt Verf. die
Beisung der betreffenden Theile durch reichliche und stinkende
Lochlalsecrete einerseits nnd Verletaungen oder Excoriationen
des Seheideneinganges unter der Geburt oder die ans Erythe-
men oder Pblyctänen in der Kreusgegend, die gern im Wochen-
bette aich ausbilden, entstandenen Ulcerationen andererseits als
Ursachen an. Hiervon hat er schon ein Beispiel angeführt, wel-
ches eine 26 j^lhrige Erstgebärende betrifft. Nach sehr schweren
Vorboten, maniakalisohen Delirien, Krämpfen, hohen Fieber-
graden n. s. w. erschien am 6. Tage des Wochenbettes, von Ein-
rissen nnd Verletsnngen des Scheideneinganges ausgehend, ein
Erysipel, das binnen 5 langen von den Hinterbacken auf die
Hüften and von da auf den rechten Oberschenkel wanderte,
6 Tage lang gleichmässig stand, und darauf binnen 3 Tagen mit
vollständiger Heilung der Fnin verschwand. — Ffir das Gesichts-
eryslpel sind als Ursachen an beseichnen , Ecseme oder impe-
tiginSse Ausschläge auf der Nase, den Lippen, Ohren, oder
Ophthalmieen , Stomatitiden oder Pharyngitiden und Anginen.
Verf. rath daher, jede Angina im Woehenbette streng au nehmen
und umgekehrt bei Gesichtserysipelen die Untersuchnng des
Gaumens nie au unterlassen. Ursachen des Erysipels der Ex«
tremitäten sind eitrige Phlebitis oder Eiteransammlungen in die-
sen Theilen.
Die allgemeinen Ursachen bestehen in der Anhäufung von
Wöchnerinnen in Spitälern, in der M()glichkeit der Ausbreitung
durch Infeotion oder vielleicht Contagion. Verf. neigt sich nicht
auf die Seite der Contagionisten nnd nimmt als Hauptgrund gegen
die Contagion den an, dass sich alle Erscheinungen des epide-
misehen Auftretens des Erysipels du roh die Annahme der In*
feetionskrankheit erklären lassen, wogegen allerdings jede Con-
tagionskrankheit leiaht als durch Infeotion entstanden angesehen
werden kann und wird. Dass, wie für die übrigen Puerperal-
396 XXIV. Notlaen aas der Journal -Literatur.
erkrankuDgen, so auch fiir das Erysipel der Einfluss Aer Spitäler
nicht an verkennen sei, nimmt Verf. daraus ab, dass an derselben
Zeit, wo Phlebitiden, Peritonitiden , Plearittden oder gangrä-
nöse Formen des Puerperalfiebers anftrttten, auch Erysipelen
nicht ausblieben, weshalb er glaubt, wohl mit Recht, alle diese
Erkrankungen unter dem Namen des Puerperalfiebers susammen-
fassen eu können» da ihre Entstehung meist gleichen and nur
der Sita der Affectionen ▼erschiedenen Ursachen entaprüehe.
5) Das Puerperal-Erysipel wird von schweren Allgemein-
erscheinungen eingeleitet, und Verf. warnt vor der falschen
Diagnose einer heftigen Peritonitis oder Uterinalphlebitis mit
eitriger Infeotion, die man nach dem Complex von Erscheinungen
leicht aUBunehmen geneigt ist.
6) Die Prognose ist verschieden nach Form und Bits der
Affection, nach ihren Complioationen und Ursachen. Die pMeg«
monösen und gangränösen Formen sind viel schwerer, als die
erythematösen und phlyctänoiden. Das Gesichtserysipel ist das
gutartigste von allen ; am Gesässe und den unteren Extremitäten
ist es meist viel schwerer, als im Gesichte, selbst wenn es daselbst
auch den Haarboden mit befällt.
7) Ein während der Schwangerschaft auftretendes Erysipel,
wovon Verf. 2 Beispiele anführt, ist selten tödtlich, aber es kann
die Veranlassung aur Frühgeburt geben, welche in dem einen
der beiden Fälle 6 Wochen vor rechteeitigem Ablaufe der Schwan-
gerschaft erfolgte. Beide Male war das Gesicht befallen, das
eine Mal Ende des 9., im andern Falle Mitte des 10. Schwanger-
schaftsmonates, im letztern dehnte es sich über den ganxen be-
haarten Theil des Kopfes aus. Vollständige Heilung nach einigen
Tagen.
8) Für die Behandlung ist die Hauptregel die Causalindi-
cation, sowie die Ursachen locale oder allgemedne. Daher kom*
men sowohl hygieinische als wirklich therapeutische Maassregeln
aar Beachtung. Zu Ersteren gehört die Isoiirung der Erkrank-
ten, womöglich ihre Entfernung vom Orte der Erkrankung, Sorge
für Reinlichkeit, tägliche Lüftung und Räncherungen , tagt.
Erneuerung etwaiger Verbände, Verhütung von Anhäufting
miasmatischer Stoffe und strenge Absonderung von Schwangeren
und Lernenden zur Vermeidung der Verschleppung der Krankheit.
Dia Therapie richtet sich nach den Ursachen und werden die-
selben nach allgemeinen Regeln behandelt. Bei Verletzungen
des Einganges empfiehlt Verf. das Einlegen von Charpiebänsch-
chen, die mit Chlorwasser getränkt sind, bei Ulcerationen auf
dem Kreuzbeine Einstreuen von Kleie ins Bett, bei Ansammlungen
von Eiter in der Tiefe die Eröffnung, bei reichliehen Lochialflüs-
sen öftere Waschungen der eryaipelatösen Stellen.
(Gazette m^dieale de Paris. 18^- No. I. III. und IV.)
XXX. Notisen aus der Journal- Literatur. 397
Breslau: Zwei Ovariotomieen.
Der eine der Fälle verlief lethal, der andere sehr glücklich.
Im ersten Falle datirte die Geschwulst im Unterleibe ans dem
ersten Wochenbette; die Frau, die im 38. Lebensjahre stand, ist
im Gänsen sweimal niedergekommen, hatte aber auch im sweiten
Wochenbette eine Oophoritis überstanden. Es fand sich bei der
ersten Untersuchung ein Tumor des rechten Ovarium , der für
eine grosse, uniloculäre, seröse Cyste angesehen wurde; seit
5 Jahren hatte sie an Grösse nicht sugenommen. Danach war
sie V4 <^<^' später, sehr schnell auf eine enorme Grösse ange-
wachsen, so dass der grösste Umfang des Leibes 112 Ctm. betrug.
Es wurde die Function vorgenommen und dabei nach Simpsons
Vorschlage die rechte Seitenlage auf dem Bettrande eingenom-
men. Da nach 8 Monaten die Geschwulst wieder die frühere
Grösse erreicht hatte, so wurde die Radical Operation gemacht.
Ks fanden sich starke Verwachsungen mit dem Netae, welches
losgelöst und reponirt wurde. Nach provisorischer Anlegung
einer Klammer, wurde die Doppelligatur (nach Function der
Cyste und Kxtraction der Geschwulst) um den Stiel angelegt und
ausserdem noch eine starke Sicherheitsligatur um den ganaen
Stiel. Der Verschluss der Wunde wurde nach Angabe Spenesr
Wells mit 6 lanzenförmigen , starken, vergoldeten Nadeln und
swischenliegenden Knopfnähten hergestellt. Nachdem anfangs
der Verlauf ein günstiger schien, folgte bald hochgradige Tyin-
panitis, kurss darauf häufiges, suletst fast ununterbrochenes Kr-
brechan und langandauernder CoUaps, und am 4. Tage trat der
.Tod ein, der durch die Section in einer hochgradigen Peritoni-
tis mit allenthalben verbreitetem, eitrig -fibrinösem Exsudate
seine Erklärung fand. Vert sieht als deren Ursache weniger,
die Operation, als die eingetretene Menstrualperiode an.
. Der günstig endende Fall betraf ein 37 jähriges Mädchen,
das vor Einem Jahre geboren hatte, und Yt <^<^^' darauf ohne
sonstige Beschwerden ein allmäliges Zunehmen des Leibes be-
merkte. Seit 6 Wochen hatte er sich sehr schnell bedeutend
vergrössert, und gleichseitig stellten sich Schmerseu im Hypo-
gastrium mit Urinbeschwerden ein. Bei der ersten Untersuchung
glich der Leib in Form und Grösse dem einer Schwangeren im
7.-8. Monate; sein grösster Umfang in der Höhe des Nabels
betrug 80 Ctm. Es war ein elastischer ovoider Tumor durch die
Üauchdecken fühlbar, neben deutlicher Fluctuation an den ge-
dämpften Stellen. Die Ezplorativpunction ergab eine albuminöne
Flüssigkeit. Wegen einer geringen seitlichen Dislocation de»
Uterus nach rechts, wurde die Diagnose auf Erkrankung des
linken Ovarium gestellt. Durch Function wurden 1700 CCm.
blutig gefärbter Flüssigkeit entleert; 11 Tage später trat Un-
wohlsein mit Frösteln ein und es wurde in der Geschwulst das
398 XXX. Notisen ans der Joaraal-I^iteratur.
Vorhandensein von Luft entdeckt. Da sieh bei der wieder
11 Tage spiiter angestellten Function mit Jodinjeotioo (die Ope-
ration wurde nnter Wasser rorgenommen , am das Eindringen
von Lnft zn Termelden nnd nm Gas aofsnfangen), in der Torher
entleerten stinkenden Flüssigkeit Tiele Vibrionen fanden, so ist
wobl ansnnehmen, dass diese Luft durch die erste Function in
die Cjste gelangt ist. Der Injection folgten weder Jodsymptome,
noch Peritonitis, aber schon bald« darauf nahm der Tumor Ton
Neuem su und es währte nicht lange, so waren dieselben Grössen-
verhXltnisse und Auscultationsergebnisse wie früher Torhanden.
Nachdem eine 2. Function mit Jodinjection nichts genütst hatte,
wurde zur Exstirpation geschritten, weil über kurz oder lang
das Leben der Frau durch Septicaemie gefthrdet gewesen wäre.
Hiürcth führte in der Chloroformnarkose unter Assistenz Bre«<at(*s
die Operation aus. Bei Ausführung der 2'/,'' langen Inoision
durch die morschen, infiltrirten Gewebe wurde trotz grosser Vor-
sicht die Tordere Cystenwand ein wenig geöffnet, worauf ein be-
täubendes, sehr Übel riechendes Gas entströmte; bei der Eztrac-
tion des zusammengefallenen Sackes entleerte sich riel putride
Flüssigkeit. In der Tiefe fand sich kein derber Stiel, sondern
nur morscho, mit dem Pinger losbare Verbindungen. Aus der
Tiefe wurden durch warme Injectlonen mit verdünntem Creosot-
wasser Jauche und gangränöse Fetzen entfernt, die Bauchwunde
aber offen gelassen, um Weg für die abgehenden Entzündungs-
producte zn behalten. Aus der offenen Bauchhöhle gingen nach
und nach noch nekrotische Gewebsfetzen los, aber die Heilung
ging ungestört ihren Gang yorwarts. Später entleerte sich viel
Eiter, besonders bei Druck in der Blasengegend. Die H5hle
Bchloss sich durch Granulation von hinten, und 61 Tage nach
'der Operation wurde die Kcconvalesccntin mit einer kaum 8" (?)
langen rothen, glatten Narbe entlassen.
Ausser den 3 Ovariotoniieen des Verfassers wurden bis jetzt
noch 2, je eine von Frof. Loeher-Zwingli nnd Prof. CloßUa Im
Canton Zürich ausgeführt, aber der zweite Fall des Verf.'s ist
wohl der erste, der dort glücklich auslief.
(Wiener mediz. Fresse 1865. Nr. 5, 6, 11—18.)
XXXI. Literatar. 399
XXXI.
Literatur.
Saemann: De seclione caesarea agitur, luin quae-
ritur, num matris genus moriendi rim liabeat ut
foetos ?el prospere vel infeliciter sectione cae-
sarea in lucem edaturr (Diss. inaug. Rönigsb. 1864.)
Naebflem Verf. nach einigen geschichtl. Bemerkungen über
den Kaiflerscbnitt an VerBtorbenen, der Versuche, welche lk'$8lau
mit nicht ganz ungünstigem Erfolge an Thieren über diesen Ge-
genstand gemacht hat, gedacht, kommt er bei der Frage, ob die
Furcht vor dam Scheintode der Mutter ausreiche, den Kaiser-
schnitt SU unterlassen, auf die Misslichkeit des Unterschiedes
Ewischen Tod und Scheintod. £r spricht sich im ersten Abschnitte
der Abhandlung dahin aus, dass nur die Art der Krankheit eine
Vermuthung sulasse, ob Scheintod zugegen sei; hierher rechnet
er Hysteria und andere Nervenstörungen, grosse Blutverluste
und Apoplexia, wogegen bei chronischen Krankheiten der Eintritt
tüdtiicher Erscheinungen als wirklicher Tod diagnosticirt werden
dürfte. Deshalb hält Verf. die Furcht vor Scheintod der Mutter
stets für unbegründet, um vor einer Operation zurückzuschrecken,
die zwar oft unnöthiger, nie aber schädlicher Weise ausgeführt
wurde. Der 2. Theil forscht nach etwa vorhandenen Gründen,
aus denen man eine gewisse Unabhängigkeit des Foetus im Uterus
vom mütterlichen Leben abnehmen könnte. Den Nachweis, wel-
che Factoren nach dem Ableben der Mutter, abo bei Unthfttigkeit
der Placenta, dem kindlichen Leben übrig bleiben, der Physio-
logie überlassend, setzt Verf. die Bedingungen auseinander, unter
denen der Foetus weniger, als man für gewöhnlich glaube, von
der todten Mutter abhängig sei und meint, daas Phtbisis, Typhus
und Dysenteria den Tod des Foetus weder immer, noch sehr
schnell herbeiführten. Hier widerspricht Verf. entschieden Nae-
gele, welcher annimmt, dass das Kind den Tod der Mutter selten
in anderen Fällen überlebt, als wo derselbe durch zufällige äus-
sere Einwirkungen bedingt tvird. Man darf nach Verf.^s Ansicht
den eigenen Lebenswerth des Kindes nie zu gering anschlagen,
wenn der Arzt sich einen gerechten Tadel ersparen will. Ob
aber der Kaiserschnitt auszuführen oder das Kind auf dem natür-
lichen Wege zur Welt zu bringen sei, müsse dem Ermessen des
Arztes nach der jedesmaligen Sachlage anheimgeatellt bleiben.
Absehend von den Fällen, wo die Geburt schon im Gange ist,
wirft Verf. die Frage auf, ob die Todesart der Mutter einen
Etnfluss auf die glückliche oder unglückliche Eztraction des Kin-
des mittels des Kaiserschi^ttes gehabt habe und hat zu diesem
Zwecke Tabellen entworfen, in die er 36 noch nicht veröffent-
400 XXXI. Literatur.
lichte und andere 32 ans der Literatnr gesammelte, glaubwürdige
Fälle rergleichshalber aufgenommen hat. Aus ihnen geht femer
hervor, dass, wie Schwangere meist seltener in acute Krankheiten
als in andere verfallen, sie ebenso selten eher sterben, als bis
entweder der Fötus geboren, oder die Geburtstbfttigkeit doch
sehr vorgeschritten ist. In diesen Fällen wird also weniger cum
Kaiserschnitte als zum Accouchement forc^ Indication sich dar-
bieten. In Fällen jedoch, wo Schwangere an acuten Krankheiten
(Pnenmonia, Pleuritis, Meningitis) sterben, ist die Sectio caesa-
rea SU beschleunigen. In einem der Fälle wurde die Operation
25 Minuten nach dem Tode der Mutter ausgefährt; das Kind
wurde noch mit Hersbewegungen geboren, aber nicht zum Ath-
men gebracht. Gehen auf der andern Seite Schwangere an chro-
nischen Krankheiten au Grunde, so tritt aus 3 Gründen die
Nothwendigkeit der Operation viel eher ein: 1) weil bei Schwan-
geren der Tod sehr oft chronische Krankheiten abschliesst und
2) weil einige chronische, die Lebenskräfte allmählig aufaehrende
Krankheiten dem Leben des Fötus einigermaassen weniger Ge-
fahr bringen. Bei einer an Phthisis Verstorbenen wurde dnrch
Kaiserschnitt eine Stunde nach dem Tode das Kind noch lebend
extrahirt. Nur bei Cholera Ist alle Mühe vergeblich; es tritt
entweder Abort ein oder doch Tod des Kindes vor dem der
Mutter (Boehr, Heyfelder),
Die Todesarten, welche die Mutter bei völliger Gesundheit
treffen, geben die besten Prognosen für den Erfolg der Operation,
wenn der Fötus reif oder lebensfähig ist und die letstere mög-
lichst schnell ausgefährt wird. Es tritt zwar häufig Asphyxie des
Fötus ein, aber man bringt ihn doch durchschnittlieh leicht ins
Leben zurück.
Schliesslich geht Verf. noch gegen Depaul u. A. vor, die
meinen, dass, wenn der Herzschlag des Fötus eine Minute lang
nicht gehört worden sei, von der Sectio caesarea abzusehen sei ;
der Fötus ist aber deshalb nicht nothwendig todt, denn es glebt
viele Momente, welche die Auscultation der Herstöne verhindern.
Abgesehen von Anasarca, Ascites und Hydramnios oder stark
entwickeltem Panniculns adiposus der Bauchbedeekungen der
Mutter können einfache Lage Veränderungen des Kindes, die es
selbst zu Wege bringt, denselben Erfolg haben oder die Ai-
phyxie kann so tief sein, dass die Herztöne nicht oder nur sehr
schwach hörbar sind, weshalb auch in diesen Fällen die Sectio
caesarea nicht zu unterlassen ist.
XXXII.
Verhandlungen der Gcnsellschaft für Geburtshttlfe
in
Berlin.
Sitzung am 14 März 1865.
Herr Martin gieU in Bezug auf das von Herrn Khbs
in der vorigen Sitzung vorgelegte Präparat folgende KrankeiH
geschichte:
A. P. 24 Jahre alt, war seit dem 16. Lebensjahre re-
gelmässig meiistruirt, hatte m April 1857, Ende December
' 1860 und am 7. Januar 1863 leicht geboren, war im aweiten
Wochenbette (angeblich in Folge einer Pleuritis) krank gewesen«
Im August 1863 soll der Stuhlgang schmerzhaft geworden
und bisweilen mit Blut gemischt gewesen sein. Anfang
December 1863 kam sie auf die äussere Weiberabtheiiung
des Charitekrankenhauses mit zwei einander gegenüberliegenden
pxcoriirten thalergrossen Wundflächen am After, von welchen
sich eine tiefe ringförmige Ulceration in den Mastdarm hin-
auf erstreckte. Das Geschwür soll scharf abgeschnittene
Ränder und einen schmierigen Grund gezeigt haben. Deut-
liche Zeichen von Syphilis vermochten die aufnehmenden
Aerzte nicht aufzufinden. Bei Ausspritzung des Hastdarms
mit Chamillenthee und Verband mit Kampherwein reinigte und
verkleinerte sich zwar das äussere Geschwür, allein im Innern
kam eine Perforation der Mastdarmscbeidewand nicht zu Stande.
Als die Kranke Ende December 1863 auf die gynäkologische
Rlmik verlegt wurde, fand man mit dem Finger unebene mit
zahlreichen Excrescenzen bedeckte Geschwüre am Mastdärme.
Die Commutücation zwischen dem letzteren und der Scheide
war so weitt dass man mehrere Finger leicht hindurchführen
konnte. Im unteren Theile des Rectum entdeckte man
mittels des Mastdarmspiegels ein rundliches von verhärtetem
Monatüitelir. f. Gebnrtok. 1866. Bd. XXV., Hft. 6. 26
402 XXXIl. Verhaodiangeii der GeseHschaft
Bande umgebenes Geschwür. Das AHgemeinbefimlen erschien
nicht gestört.
Es wurde eine kleine Inunctionsnir von je ein Scni|)el
Ung. einer, tägl., sowie Einspritzungen von Ifydrarg. biclilorat.
corros. ^ß in Aq. desL 5vj 1 Esslöffel in l'^ Tasse Wasser
täglich 2 Mal verordnet. Innerlicli wurde Decoctum Hgnor.
gereicht. ^
Da sich nach 15 Einreihungen Spuren von Sahvation
eingeteilten, wurden diesellien ausgesetzt und Kali cliioricum-
f.ösung zum Gurgeln empfolden. Nach 8 Tagen konnte die
Iiiunctionscur wider aufgenommen und bis zu 28 Einreibungen
fortgesetzt werden.
Da sich jedoch keine Besserung in dem Zustande der Ge-
schwüre am Aller zeigte, wurde am 5. März die Mercuriaicur
auiVegeben und zunächst bei reinigenden Sitzbädern und Ein-'
spritzungen der Erfolg abgewartet Diarrhöen, welche Ende
März sicli einstellten, forderten den Gebrauch von Opium.
Einspritzungen mit Argentum nitricim) brachten keine Ver-
änderungen im Zustande der sich vergrössernden, von einem
körnigen vielgespaltenen Bande umgebenen Geschwüre zu Wege.
Ebensowenig das am 1. Juni verordnete Hydrargyrum oxy-
datum rubrum gr. V24 täglich 2 Mal, steigend bis gr. V|2.
Das bis dahin nicht gestörte Allgemeinliefinden begann jelzt
zu leiden, die Kranke verlor den Appetit und mageite ab,
so dass bereits am 22. Juni die Gur unterbrochen werden
musste. In dex Scheide ^j^" über dem Eingange fanden
sich zahlreiche Knoten zumal an der hinteren Wand, weiche
die Einführung des Fingers erschwerten. Ebensolche Knoten
fanden sich am After und in demselben. Dabei klagte die
Kranke über lebhafte Schmerzen in den ergriffenen Theilen
aus welchen eine reichliche Absonderung staltfand, so dass
neben Injectionen von Tannin mit Tlieerwasser im Anfang
August subcutane Injectionen mit Morphium verordnet wurden
und vom Ende September an eine Salbe mit Opium zur An-
wendung kam. Dabei griff die Verjauchung rasch um sich
und bereits Anfang October war der Damm gänzlich zei'stört.
Dessenungeachtet kam es erst spät zu unwillkürlichen
Ausleerungen, ja nicht selten traten mehrtägige Stublver-
haltungen ein. Am 15. Januar war die Scheidewand zwischen
für Oebnrtahfilfe io Berlin. 40S
Mastdarm und Sdieide hodi hinauf zerMöri, so dass die vordert
iebhal't gerölliele Scheidewand herabsank und in der weiten Ge*
schwürsöffnung sichlbar wurde. Bei zunehmendem Cotiapsus
unter heftigen Sehn^erzen, welche häufige subcutane Injecii*
oiien erheischten, stellte sich am 16. Februar ober Nacht
eine schmerzhafte Anschwellung der linken Seite des Halses
sowie des linken Armes ein, welcher eine merklich geringere
Temperatur zePgte. In der Geschwulst am Halse fühlte man
die thrembosirte Vena jugularis externa. Auch an der linken
Seite des Thorax wurde eine dunkelblaue Schwelliuig der
ausgedehnten Hautveneii sichlbar. Endlich am 2G. Febiuar
starb die Kranke marastisch, nachdem jene Anschwellung sich
wieder vermindert hatte.
Herr Martin fugt noch hinzu, dass seiner Ansicht nach
die Natur der Erkrankung weniger eine syphilitische als eine
hipöse zu sein scheine.
Herr E. Martin spricht
lieber die Behandlung der Neigungen und Beu-
gungen des Uterus mittels der von Hodge em-
pfohlenen Pessarien.
Die Behandlung der Neigungen und Beugungen der
Gebärmutter auf mechanischem Wege ist seit Jahren Gegen-
stand des Studiums der tüchtigsten Gynäkologen gewesen,
indem die Ueberzeugung jedem umsiclitigeii Beobachter mehr
und mehr sich aufdrängt, dass Gestalt- und Lagenfehler des
Uterus, auch abgesehen von Cmnplicationen z. B. Entzün-
dungen, wesentliche Gesundheitsstörungen bedingen können.
Die bekannten Instrumente von Kitvisch, Kilian u. A.
haben wegen der von ihrem Gebrauche nidit zu trennenden
bedenklichen Folgen wenig Anhänger gefunden, die von
Valleix sind ausserhalb Frankreich meines Wissens auch
nur versuchsweise gebraucht; die drei verschiedene^ Vor-
richtungen von Simpson sind wahrscheinlich theils wegen
der Schwierigkeit ihrer Application, theils wegen der Gefahren,
welche mit deren Anwendung unter nicht geeigneten Verhält-
nissen oder in roher, gewaltsamer Hand verbunden sein
können, nur von wenigen Aerzten acceptirt, obschon sie bei
404
XXXIf. Verhftadlanflron der GeaelUchaft
den ihnen enlaprechenden Verflionen and Flexionen die evi-
denteste nnd voükominenate Hülfe gewähren, Die in ihrer
Wiiiiinig für viele Fiiie ebenso sicheren, als, wenn zweck-
mässig gewählt, von Nachtheil freien excentrischcn MiUter-
kränze, Pessaires ä contraversion, scheinen wenig gebraucht
zu werden, da sie ebensowohl den ans anderen klinischen
I^hranstalten zu mir kommenden Aerzten stets etwas Neues
sind, als auch in den gynäkologischen Schriften kaum er-
wälmt werden. Von minder sicherem Erfolge fand ich die
von C. Mayer empfohlenen KautscJioükringe, obschon ich
I. Änteversjo ui
1) Fr. Gräfin ©. W,
33 J. steril.
2) Fr. V. M. 29 J.
in 9jHlir. Ehe»
steril.
3) Fr. V. W, 31 J.
steril.
4) Fr. ö. 27 Jiihre
steril.
5) Fr. V. R. 24 J.
steril.
6) Fr. F. 29 Jahre
steril.
7) Fr. V. K. 26 J.
steril.
Anteversion mit geringem Grade j 7.8.64
von Anteflezion.
Hochgradige Anttsflexion, be-
weglieh.
Anteversion, wogegen sie ly, J.
lang einen Giiininiring getragen
hatte.
Vorwurtsbengung.
VorwUrtsbeugung.
Vorwürtsbengnng.
VorwKrtsbeugung.
9.11.64.
29.10.
24.10.
24.10.
17.1.
18.3.
If. Retroversio und Flexio ule
8) Fr. B, 27 Jahre | Rüekwärtsneignng des IJteras. | 18.10 Utei
steril. I Hysterie. Hohe ^Empfindlichkeit , V«'' '^ ''^
des Mutterkörpers. Krämpfe beim ,
Coitns.
IHr 0«b«rt8bAlle is Berltn.
406
sie ebenfaMs häufig angewendet habe. Grösseres Aufsehen
haben in neuester Zeit die Ton Hodge 1860 empfohlenen
Leverpessaries, Hebelpessarien , gemacht; eine sorgfaltige
Prüfung ihrer Wirkung an Kranken scheint daher dringend
geboten. Mögen folgende, auf eine Anwendung dieser Pessarien
bei 41, theils in der gynäkologischen Klinik, tbeils in metner
Privatpraxis, behandelten Frauen, beruhenden Bemerkungen
beitragen das Urlheil über diese Pessarien zu fordern!
Den Resultaten meiner Beobachtungen sende ich eine
kurze tabellarische Uebersicht der bebandelten Fälle voraus.
lexio Uten.
Snle^en eines oTn-
m Gnttapercharin-
Einlegen einen
lurt^n m mi rin -
ei.
Ringförmiges
Hartgammipefi-
sarinm
HnfeisenforniigeR
Pessariuin ron
Rartgnmmi rer-
inacht Schmersen.
lartgaromi ring.
Wurde bin sn 10.9 getra-
gen, dann Tertanacht mit
einem Hartgummi ring.
Dieser aber nicht ertragen.
Fiel ans, daher 11.11 ein
hafeisenformiges Pessar,
y. Hartgummi, verursacht
Schmers.
17.1. Wegnahme, weil der
Mann »ich dadurch genirt
fohlte.
25.10. Vertauscht mit ei-
nem Ringe von Hartgummi.
Roiset ab.
lartgummiring. < 25.1. Wohlbefinden.
i
ovaler Ring von 24.3. Wird gut ertragen
lartgnromi. bis znm 30.3
26.9. Kautschuk-
Ring.
11.10. Gnttnpercha-
hnfeiseti lag besser.
Conception.
9.11. Abreise
Wohlbefinden.
bei
Wegnahme wegen
Schmersen.
Ins meiner Privat-Praxis.
lartgummibufei- Erweitert sich spontan, ! 14.12 Ovaler Gutta-
ilBpeMarium. wird nicht ertragen. i percharing wird gut
i ertragen. Wegblei-
ben der Krämpfe.
Heimreise.
406
XXXH. Verhandlangen der OeaeOfichaft
9) Fr. ty. K. 39 J.
geb. 3 Mal.
10) Fr. i4.41J. ßeb.
9 Mal zeitige
Kinder, 5 Abor*
tue.
11) Fr. E. 32 J. 4
Mal geb.
12) Fr. M. 32 Jahre
steril.
13) Fr. N. 24 J., 3
Mal geb.
14) Fr. V. S, geb.
3 Mal. .
15) Fr. Ö. 32 Jahre,
steril.
16) Fr. Gräfin C.
29 J. 4 Mal geb.
17) Fr. K, 40 J. 3
Mal geb.
18) Fr. V. G. 33 J.
6 Mal geb.
19) Fr. C. 29 Jahre
2 Mal geb.
0) Fr. D. 35 J. geb.
lMal,abortirte.
Zuräckbengung der verläDgerlen
Gebärmutter.
Zarückbengung der verlängerten
Gebärmutter mit heftigen Hast-
darrobeschwerden und Mutter-
blatangen.
ZurückbeagUDg dea Uterus be-
weglich.
Zurückbengnng nach einer Me
tritis.
Zurückbengnng des nm 1" ver-
längerten Uterus.
28.10. TTter
1" sa lan
3.10. üter
lV,"«a lan
12.9.
15.10.
27.1.
Zuriiekbeugung des 1" zu langen '
Uterns.
I
Zurückbengnng dcH mangelhaft '
entwickelten Uterus.
I
RecidiveZurückbeugnng der ver-
längerten Gobärmntter nach dem .
Wochenbette. I
Zurückbeugung des um 1" zu
langen Uterns.
Zurückbengnng des verlängerten
Uterns.
Zurückbeugung.
Rnckwärtabeugung des um 1" '
verlängerten Uterus.
10.11
13.11.
14.2.
13.2.
21.
23.2.
2.3.
fttr Oeburtsbälfe in Berlin.
407
P a r tg D Ol m i pess«-
rium io Hufciaen-
foroi.
Hufeisenförmiffe«
Peiiar. aas Gutta-
percha.
Oral ringförmiges
Pe<aar. aas Hart-
^BmiDi.
Ha rtg u ni niipes-
Mfiain. Ovale Bing-
form.
VornrsachtSchmersen, da-
her Wegiiahme 2.11.
Gut ertragen lieben 8its-
bädern ans Lohe -Absud
mit Alaun und Tannin-In-
jectionen.
Lag nicht fest, fiel aus.
7.1. Ring liegt quer, aber
ohne Nachtheil.
Hufeisenförmiges
Pessar, von Hart-
gummi, sich erweiterte» daher
, Wegnahme 29.1
Verursacht heftigeächmer-
s&en, well das Instrument
I
Hufeisenförmiges
Pessar, von Hart-
gummi.
Kingforniiges Pes*
tarium von Hart-
gummi.
Hnieisenförmiges
Pessar, von' Gutta-
percha.
Hufeisenförmiges
Pessar, von Gutta-
percha.
Hufeisenförmiges
Pessar, von Hart-
gummi..
Hufeisenförmiges
Prasar. von Gutta-
percha.
Ovaler Ring von
flaxtgammi.
Genirt den Ehemann, da-
her
Fällt 24.1 bei der Menstru-
ation aus.
4.11. Hartgummi-
ring wirkt günstig.
Abreise in die Hei-
matb.
27.12. Abreise mit
dem Pessarium bei
Wohlbefinden.
1 3.10. Einlegen ei-
I nes neuen Hart-
I g uln m i ringes ve r-
I ursacht Schmersen,
I dH^er Wegnahme.
7.1. Menstruation
fehlt seit 2 Monaten.
Abortirt Ende Jan.
Wegnahme 30.3.
10.2. Einlogen eines
hufeisenförmigen
Instruinentes von
(üuttapercha wird
ebenfalls nicht er-
tragen. Wegnahme
27.2.
Wegnahme 14.11.
Hufeisenförmiges
Pessar, von Hart-
gummi verursacht
Schmersen, daher
Wegnahme -28.1
Liegt am 16.3. gut bei
Wohlbefinden. '
I
I
Verursacht Schmereen, da- I
her Wegnahme.
Verursacht nach d. Menstr.
Schmers.
Gut 14.3.
Wohlbefinden. 25.3.
Excentrischer Ring.
Wegnahme 15.3.
408
XX IL II. VerbftiHll«Bgen der Oesellschaft
21) Fr. i?. 29 J. geb. Zurückbeaguag.
1 MaI, ftbortirte
3 Mal.
22) Fr. S, 25 Jahre, , Zurückbeagiing des nm 1" ver-
steril* ! länge rten Uterus.
18.3.
10.3.
b. aus der gyni*
23) Fr. Schmidt. 29 Zurtickbeiigting des V/^" ver-
J., hat abortirt
n. 3. 3. 60. c.
lebend. Knaben
geb.
24) Fr. Fleischhauer,
44. «r. geb. 8 Mal.
25) Fr. Opitz. 33 J.
geb. mehrere
Male.
Fr,Schiihm<u:hef .
26 J. geb. 1 Mal.
längerten Uterus.
Zurückbengung des nicht yer>
l&ngerten Uteras, nicht erodirt.
ZurUckbeagnng des verdickten
Uterus.
Zuriickbeugung des um 1" ver-
längerten Uterus.
27) Fr. Neumann. Zuriickbeugung des 1" zu langen
37 J . geb. 3 Mal. Uterus.
28) Fr. Vierling. 5^3
J. geb. 1 Mal
29) Fr. Trautmann.
25 J. geb. 1 Mal,
abortirte vor
■AJ.
Zurückbeugung des um 1" ver-
längerten UterUH. Aetsung mit
der armirten Sonde 4 Mnl.
Zurückbeugung des 1" verlänger-
ten Uterus.
11.10.
12.10.
20.9.
17.9.
22.10.
12.11.
10.12.
für Geburtflhülfe in Bm-Üd.
409
nfaiaenformiges I Pat. befindet sich wohl.
Mar. Ton GutU- i 31.3.
rcha. I
infeisenformi^ea Verursacht beftigeSchincr-
ssar. Ton Hart- , s«n, daher 12.3. Wegnahme.
immi. 'I
alogischen Klinik.
ogformiges ovalea
«aar. von Gutta-
rcha.
[afeisenformiges
issar. von Gutta-
reha.
BgfÖr miges ovale«
wsariam fällt bei
r profusen Men-
ination aus 1.10.
Agforoiiges ovales
easar. von Gntta-
ireha.
iafeisenfÖrmiges
i88«r. von Gntta-
ireha.
ingformiges ovales
essHr. von Gutta-
trcha.
ria fei sen fö rin i ge 8
effsar. von Gutta-
ffcha.
Die Kranke zeigt sich
nicht wieder.
I8.t0. Das Instrument ist
ausgefallen. Einlegung
eines neuen.
8.10. Einl^gung eincR
grösseren Ringes ; fällt aus.
Fällt 11.10. beim Stuhl-
gang aus. Wiedereinlegen.
Daneben Einspritsungcn
von Tannin und später
von Zinc. snlj^huricuni.
Wohlbefinden bis 2.2., wo
Blutung eintritt.
24.12. wegen iSchmerssen
entfernt.
25.10. Das- Instru-
ment ist wieder her-
ausgefallen.
13.10. Hufeisenför
miges Pessar. Da
die Flexion fort be-
steht, der Mutter-
grnnd hinter dem
Bügel zu fühlen ist.
Wegnahme 31.12
12.11. Nach dem
Ansfalle wird ein
hufeisenförmiges
Pessar, eingelegt;
wegen Schmerz spä-
ter entfernt. Excen-
trischer Ring.
Wohlbefinden. 7.3.
Uterus aufrecht, wie
die Sonde zei^t.
2.2. Wegnahme. Ein-
spritzung mit Ace-
tum pyrolignosum.
Wohlbefinden 2.3.
Excentr. Pessar.
410
XXXII. Verhandlungen der OeseUsefaaft
30) Fr. Lange. 4H J.
geb. 7 Mal.
31) Vr.SpkaUki. '24
J., gfb. 2 Mal.
32) Fr. Thiele. 29 J.
geb. 4 Mul.
33) Fr. Grit«. 45 J.
34) Fr. We4tphaL'6i)
J. geb. 4 Mal.
36) Fr. »Scäm/z. 56 J.
geb. 3 Mal.
Ztirückbengung des V," ▼erlün*
gerten Uteriitf; l^rolnpsas vag.
poHterior. nach Heilung einer
Uterusblasenfistel durch
Aetzung.
Zorückbeugung des verlängerten
Uterus.
Zuriiokbeugung des 1" verlänger-
ten Uterus.
Zarückbeugung des V* verlänger-
ten und verdickten Uterus.
Zurück beugmig des 7,' zu lan-
gen Uterus. Kine Anschwollung
des iScheidentheils war beseitigt. ,
Zurückbeugung der unr Vg" ver- ,
lungerten Gebärmutter.
1».2
36) Fr. H^'ufer 47J. ; Zurtickbeugung mit chron. Ent-
geb. H Mul. Zündung des .Scbeidentheils.
37) Fr. Jederifk. 46
J.geb.OMalzei-
tig, 6 Abortu».
38) Fr. Adlfff 46 J.
geb. 4 Mal. 1
Abortus. ,
Zurückbeagnng des l*' zu langen
Uterus.
Zurückbougung des Va"zn langen
Uterus*
39) Fr. Schumanv. ' Zurückbeugung des freibeweg-
28 J. geb. 5 Mal. I lieben Uterus.
40) Fr. RiefUahl. 56'] Zurückbeugung des verlängerten
J. geb. 6 Mal. | Uterus.
41) Fr. Krale. 30 ; Zurückbougung des verlängerten
J. alt, hat geb. , und verdickten Uterus.
18.2.
4.3.
für Gebnrtnhiilfe in He Hin.
411
■feisenförmiges
isar. Ton Gutta-
cha.
igförraiges ovales
Hi«r. TOD Gutta-
rcha.
afeisenförmiges
tsar. Ton Giitta-
reha. Taonin.
lafeisenformiges
•aar. voo Gotta-
rcha.
[nf«iien förmiges
)M«r. Ton Gatta-
rcba.
[■feisenfonnigcfl
(Mar. von Gutta*
rcha.
lafeifenföriuiges
(Mar. Ton Gutta-
ircfaa.
25.12. Ausfall dps Pes^Hr. ' Kinspritaimgen von
, l'iq. plunih. hydr.
' acet.
I
17.1. Retroversio
besteht. Wiedorein-
legen eines Hof
I eisenpessariam.
3.1. Wegnahme ' wegen j 11.2. Wicdereinic-
I,
Schmerzen.
31.12. Wohlbefinden,
ras anfrech f.
Ute-
31.1. Wohlsein. Zinc.sulph.
14.2 liegt gnt.
16.2. Wegnnhme wegen
Bin tan g.
11.3. Wohlsein. Fällt heim
Stuhlgang aus.
Bleibt weg.
I gen eines andern.
1 16.2. Fluor albus.
' Wegnahme.
24.1. Scheidentheil
liegt dicht am Bo-
gen. Wohlsein bis
auf Schwellung der
Mastdarmschleim-
haat.
18.2. Wohlsein.
Wohlbefinden.
Tannin. Abführ-
Thee.
Hufeisen förmiges
^ssariam.
Hnfeisenförroiges
essar. von Gatta-
ereha.
11.3. Wiedereinlegen nach-
dem d. Pessar, herausge-
! fallen.
I
I
20.3. Wohlbefinden.
23.3. Wirkung
digend.
27.3. Wohlsein.
bcfrie-
20.3.
Wiedereinle
gen.
Wohlbefin
den.
4.4
20.8. Da das Instrn-
ment nochmnls wie-
der anngcfallen ist,
wird ein grösseres
eingelegt. 1.4 Wohl-
befinden.
412 XXXU. VerhandlnngeD der GMellscbaft
1. Die Gestalt der hier in Betracht kornnienden
Pessarien ist entweder einem Hufeisen ähnlich oder
ein offener Ring, -oder ein ovaler geschlossener
Ring; bei der Mehrzahl dieser verschieden grossen und
weiten Ringe concurrirt überdies eine Biegung desselben
nach der Fläche. Nach- meinen Beobachtungen haben die
geschlossenen Ringe eine weniger sichere Lage, als die huf-
eise nförniigen, obschon auch bei diesen Verschiebungen und
Drehungen vorkommen; die Ilufeisenform ruft dagegen häufiger
Reizungen der Scheidenwand d. h. rothe, Eiter absondernde
Stellen theils an den Stutzpunkten, theils, jedoch seltener, auch
da, wo der Bogen des Hufeisen gelegen hat, früher oder
später hervor. Sehr wichtig ers<;heint, wie begreiflich, die
richtige Auswahl der Grösse des Instrumentes, indem, zumal
bei den Flexionen der Bogen des zu kleinen Pessarium in
die Beugungsstelle des Uterus sich hineinlegt und dadurch
den Fehler verschlimmern kann, wie ich gesehen habe.
2. In BelreiT dos Materials, aus welchem diese Ringe
oder Halbringe gefertigt werden, bietet das Hartgummi
(i)ornisirtes Gummi) den Vortheil der Zierlichkeit und Leich-
tigkeit I»ei genügender Festigkeit; andrerseits verursachten
die, wenn schon abgerundeten Enden der hufeisenförmigen
Pessarien von Hartgummi nicht selten bedenkliche Schmerzen,
ja selbst Blutungen, welche zur Wegnahme des Instrumentes
drängten. In zwei Fallen erweiterte sich überdies die Spannung
des Bogens bei aus Hartgummi gefertigten Hufeisenpessarien
imierhalb der Scheide sehr beträchtlich, so dass die Weg-
nahme nothwendig, aber zugleich sehr mühsam und schmerz-
haft wurde. Endlich ist die Lage der Hartgummipessarien
weniger sicher; dieselben gleiten beim Stuhlgange oder zur
Zeit der Menstruation leicht aus.
Die Guttapercha hat sich mir als Material dieser Pessarien
durchschnitthch besser bewährt. Abgesehen von der beque-
men Anfertigung aus einfachen Ringen oder 4 — 6" langen
4—5'" dicken Stangen von Guttapercha und der leicht mög-
lichen, dem einzelnen Falle entsprechenden Umgestaltung nach
Eintauchen in heises Wasser liegen insbesondere die huf-
eisenförmigen Instrumente von Guttapercha meist sicherer
fOr Gebortshttlfe in Berlin. 413
and venirsadien seltener und nur geringere Beschwerden,
als die aus Hartgummi geferliglen.
3. Fragen wir nach der Wirkungsweise der so-
genannten Hebelpessarien, so muss ich zunächsl die liebe U
Wirkung bestreiten. Bei einem ein- wie zweiarmigen
Hebel bedarf es eines SUitzpuuktes (Hypomochlion) an dem
einen Ende oder innerhalb der Länge des Instrumentes und
einer Hebelkrafl. Bei den Hodge'&chen Pessari^n findet sich
zwar ein Stützpunkt, aber keine HebelßrafL Da nun die Be-
zeichnung Hebelpessarien eine iirige Vorstellung von der
Wirkung hervorruft und zu falscher Anwendung verleiten
kann, möchte es gefathener erscheinen, die in Rede stehen-
den Instrumente entweder nach ihrem Autor, oder nach ihrer
Gestalt als ovalringfOrmige und hufeisenförmige
Pessar i«n zu bezeichnen.
Nach meinen Beobachtungen besieht die Wirkung der
hier in Betracht kommenden Instrumente theils in einer
directen Stützung des nach lünten oder vorn herabgesunke-
nen Mutterk6rpers, mag diese Stützung durch ein Aufstemmen
des einen Endes des Instrumentes auf der Scheiden- und
mittelbar der Beckenwand bewirkt werden, oder darauf be-
ruhen, dass der ganze Ring von der sich darum zusammen-
ziehenden Scheide getragen wiinl, von welch letzterem Vor-
gange ich bei verhältnissniässig kleinen Halbringen einzelne
unzweifelhafte Beweise gesehen habe. Anderentbeils dürfte
bei den Retroversionen und Flexionen eine von dem das hintere
Scheidengewölbe entpoinlrängenden Bügel ausgehende Reizung
der Ligamenta sacro-uterina, Musculus retractor uteri (Luschka)
in Betracht kommen. In Folge einer Contraction dieses
Muskels muss der Mutterhals nach hinten gezogen und da-
durch die Retroversion gelioben werden. In der That fand
ich auch bei der Mehrzahl derartiger Fälle, wenn der Erfolg
günstig war, den Scheidentheil stark nadi hinten gegen den
Bügel des hufeisenförmigen Pessariums angezogen.
Demgemäss möchte ich behaupten, dass der Nutzen der
in Rede stehenden ovalen geschlossenen oder offenen Ringe
wesentlich in der Erregung der Muskelcontractioii der Scheide
spJbst und der an dieselbe und den Mutterlials herantreten-
414 XXXIJ. VerbHndlaog«n der Geseltschnft
den fonlraclilen Elemente des weiblichen Beckenbodeiis
(Levator ani ii. s. w.) berubU
Dass die Slutziing des MiiUergrundes durch Aufsleniinen
des enlgegengesetzlen Endes des Instiumenles auf die
Scbeidenwandung oft bedeuklicb d. li. Schmerz und Blulung
erregend wirkt, zeigt die Beobachtung unzweideutig, denn bei
56 Anwendungen der genannten Instrumente fanden sich 17
Fälle der Art, also 30,3 Proc, welche die Entfernung der
Instrumente aus den genannten Umständen forderten. Hätte
man die Instrumente länger in der Scheide gelassen, so wurden
ohne Zweifel bedenkliche Vcrsch wärungen entstanden sein.
4. Die Ilodge^scheu Fessarien reihen sich hinsichtlich
ihrer Wirkung am nächsten den bereits erwähnten, seit mehr
als 15 Jahren von mir vielfach applicirten excentrischen
Mutter kränzen aus einem Wuttering mit Kautdchukui>er*
zug an^ welche dadurch, dass der breilere Tbeil des Hinges
zugleich beträchtlich höher ist, als der sciimälere, eine ent-
sprechende Emijordrängung derjenigen Gegend des Scheiden-
gewölbes und der darauf ruhenden -Gebärmutter bewirken,
gegen welche diesei' dickere Theil gestellt ist. Bei Anwen-
dung dieser Mutterkränze habe ich wiederholt die Herstellung
einer normalen Stellung und Gestalt des Uterus in Fällen
gesehen, in welchen ich die Hetroversion und Flexion mittels
der Sonde constatirt hatte.
Die Hodge^^chon Pessarien haben vor diesen excentri-
schen Mutterkränzen zwar den Vorzug, dass sie zierlicher
und daher leichter einzufilhren sind, dagegen liegen die letz-
teren erfahrungsmässig sicherer, gleiten nicht so leicht aus
und verursachen, wenn den Veihältnissen entsprechend ge-
wählt, nicht einen so partiellen, oft schmerzhaften und be-
denklichen Druck auf die Scheidenwandungen, wie die in
Rede stehenden Pessarien. Für die Behandlung von Ver-
sionen und Flexionen bei Frauen, welche man nicht bald
wiederzusehen Gelegenheit hat, möchte ich daher den excen-
trischen Mutterkränzen den Vorzug geben. HinsichtlicJi der
Möglichkeit der Cohabitation und der Conception bieten beider-
lei Instrumente nach meinen Beobachtungen gleiche Verhält-
nisse. Nur einzelne Männer fanden in dem einen, wie. in
für Geburtshülfe in Berlin. 415
dem anderei) Instrumente ein Hindernisä des chelicben Um-
ganges. Einpfangniss fand bei beiden Statt.
Die "Gefabr der Incrustaliun durcli die Gebärmutter- und
Scbeidensecrete findet sich bei beiden Inslitinienlen, diese
Incrustation scheint von der verschiedenen Qualität der Secrete
bei verschiedenen Individuen abzuhängen und erfolgt daher
zu sehr verschiedenen Zeiten. Auch scheint die Qualität der
Secrete im Laufe der Zeiten zu wechseln, so dass eine Frau
Jahre lang ein Pessarium ohne alle Bescliwerden trägt, während
sie alsdann pl6tzUch von denjenigen Ri^zungen befallen wird,
welche mit der Incrustation verbunden sind. Andere Frauen
zeigen bereits nach kui'zerer Zeit Incrustatioiien der von
ihnen getragenen Pessarien.
5. Soll ich endlich noch einige aus meinen Beobachtungen
sich ergebende Regeln für den Gebrauch der Hodge'^c\\ti\
Pessarien hinzufugen, so möchte ich folgende aufstellen.
a. Bei ii*gendwie fixirten Gestalt- und Lageveränderungon
der Gebärmutter erscheinen die Ringe wie hufeisenförmige
Pessarien im Allgemeinen weniger geeignet; sie finden hier
nur ausnahmsweise eine eutsprechendt; und bleibende La-
gerung.
b. Die Instrumente müssen ihrer Grösse und Gestalt
nach für den individuellen Fall sorgfaltig ausgewählt werden,
damit dieselben weder Reizungen veninlassen noch die ihnen
angewiesene Lage verändern.
c. Der Arzt muss die mit derartigen Instrumenten ver-
sehenen kranken in den nächstfolgenden Wochen überwachen,
damit er die Instrumente, sobald als , Reizungserscheinungen
sich zeigen, entfernen könne. —
Herr L. Mayer bemerkt, dass nach seinen Erfahrungen
die Anwendung der Hodge"^\nin Hebelpessarien überhaupt
nur eine sehr beschränkte sein könne. Die Instrumente seien
in der Mehrzahl der Fälle zu gross um mit Leichtigkeit in
die Scheide eingeführt werden zu können, sobald sie kleiner
sind, erfüllen sie ihren Zweck nicht oder gleiten gar zur
Scheide tieraus. Bei Retroflexiouen scheinen sie angemessener
als bei Anteflexionen, weil ijn hinteren Scheidengewölbe mehr
Raum für eine gesicherte Lage derselben sei als im vordem.
Gleicbwobl würden auch bei Retroflexionen diese Instrumente
416 XXXIf. Verlwndtaii^en der Gesellschaft
oft durch die Last des Fundus uteri aus der ricbtigen Lage
gebracht und dadurch unwirksam, hauptsächlich sei dies bei
den vorn offenen, hufeisenförmigen Exemplaren der" Fall, die
besonders leicht mit dem offenen Ende gegen die Vaginal-
wandungen druckten. Er habe aus diesem Grunde seit län-
gerer Zeit die runden Cautchoucringe in Anwendung ge-
zogen und halte diese insbesondere bei Anteversionen für
geeignet. (Vergl. Verhandlungen der Gesellschaft vom 24.
März 1863. Monatsschrift ffir Geburtskunde Bd. XXI. S. 426).
Dieselben haben ihrer elastischen Beschaffenheit wegen auch
defi Vortheil, dass sie leichter zu appliciren sind.
HeiT Martin hat ebenfalls die runden Gummiringe häufig
in Anwendung gebracht und dieselben Monate lang mit
günstigem Erfolge tragen lassen, allein es mache sich dabei
öfters ein Uebeistand geltend, über den die Kranken bald
lebhaft Klage führten, nämlich ein sehr stark übelriechender,
oft corrodirender Fluor albus. Aus diesem Grunde hält er in
den Fällen, wo die Hebel pessarien ihrem Zwecke nicht ent-
sprächen die Anwendung der Pessaires ä contraversion für
geeigneter. —
Herr Riedel trägt einen Fall vor von
Eklampsie nach der Geburt, mit zurückbleibendem
eigenthümlichen Gedächlnissmangel.
Frau K,y 24 J. alt, niiltelgross, regelmässig gebaut und
von echt weiblichem Habitus^ mit dunklem Haare und blauen
Augen, an Geist und Herz wohlgebildet, von phlegmatisch-
cholerischem Temperamente^ war als Kind nie schwer krank,
als Mädchen aber lange Zeit bleichsüchtig gewesen. In ihrer
vor etwa 2 Jahren geschlossenen glücklichen Ehe behielt sie
ein blasses Aussehen, abortirte 2 Mal, zuletzt gegen Ende
August 1863, hatte um Mitte September noch einmal wieder
ihre Periode Und bekam bald hernach abnorme Appetiter-
regungen, öfters aufTallende Uebelkeit, bisweilen zur Morgen-
zeit Erbrechen, so dass, nachdem im folgenden Monate auch
ihre Menses nicht wiedergekehrt waren, eine Schwangerschaft
nicht zu bezweifeln war. Letztere verlief unter vorsichtigem
Verhalten, namentlich auch längerer Innehaitung der Rücken-
lage während der Tageszeit in den ersten 3 Monaten, unge-
stört und bei dem mit zeitweiligen Unterbrechungen fortee-
mr GebürUhUlfe in Berlin. 417
setzten Gebrauch essigsaurer Eiseniinctur ward das Aussehen
der Frau von Monat zu Monate ein gesunderes, ja fast Muhen*
des. Wie mir spater erst mitgetheilt wurde, war indess im
letzten Monate der Schwangerschalt eine massige Anschwellung
beider Füsse, namentlich des rechten, wie auch der rechten
grossen Schamietze eingetreten. £ine Untersuchung des Urins
auf Eiweissgehalt geschah nicht
Am 1. Juli 1864 Morgens spürte die Frau anfangende
Geburtswehen und liess die Hebamme rufen. Um 11 Uhr
Vormittags sah ich die Kreissende und fand dieselbe noch
im Vorbereitungsstadium des Gebäractes : die Weich theile wold
vorbereitet, den Kindskopf fest auf der oberen Beckenapertur
stehend, den Muttermund sehr hoch und nach hinten ge-
wendet, so dass ich mit eingebendem Zeigefingefi* mich nicht
genau von dem Grade seiner Eröffnung überzeugen konnte.
Bei meinem zweiten Besuche um 3 Uhr Nachmittags, bjs zu
welcher Zeit die Wehen weit häufiger und kräftiger, aber
auch peinlich schmerzhaft geworden waren, fand ich den
Muttermund in der Mittellinie des Beckens, aber bei einer
kaum groscbengrossen OefTnung das untere Uterussegment
in stralTer Spannung den Kopf umschliessend. Zur Förd<^rung
der weitern Muttermundsöffnung verordnete ich 6 Pulver aus
je Y« Gr. Opium und ^s ^r. Ipecac, halbstündlich eins zu
nehmen, liess die Hebamme, welche ich nicht bei der Kreis-
senden antraf, mit der ausdrücklichen AufTorderung , diese
nicht wieder zu verlassen, herbeirufen und entfernte mich
sodann wieder.
Als ich Abends 7 Uhr zurückkehrte, um von dem wei-
teren Verlaufe des Geburtsactes Kenntniss zu nehmen, war —
wie der Ehemann mir berichtete — so eben das Kind, ein
lebendes ziemlich kräfüges Mädchen, geb(»ren, leider aber
ohne allen sachverständigen Beistand für die Kreissende. Die
Hebamme war — so erzählte man mir — um etwa 5 Uhr,
weil angeblich der Muttermund noch wenig geöffnet sei und
ihrer Versicherung nach die Entbindung sich bis zur Nacht
hinziehen werde, fortgegangen und war erst eben jetzt kurz
vor mir, als das. Kind bereits zwischen den Schenkeln der
Mutter lag, wieder eingetroffen. Die junge unerfahrene Kreis-
sende war daher mit ihrem ebenso unerfahrenen Manne und
llonAtitiiehr. f. Geburuk. 18GA. Bd. XXV., Hfl. 6. '«^T
418 XXXII. Verhandliintfcn Avr OeÄellschaft
^inor iinverhoiralhrlen Schtvosler walirend dos scliwiorigsten
Tfioiles <les GelKlracl**9r sidi selbst, iliroii Srhrnerzon und ihrer
Angs! fdierlassen gewesen. Nachdem in Folge ohgedachler
Pidver Anfangs mehr Ruhe und Wehennachlass eingetreten,
hntfe die Kreisseiide — nach Aussage des Mannes — xwi-
sclien 5 und 6 Uhr sehr lebhafte und oft wiederkehrende
VVehenschmerzen bekommen; um ß'/^Uhr halle sie in Schmer-
zensangst geschrieen: ,,es zerreisse ihr etwas im Leil)e'',
worauf sie unler fast ununterfuocfienem VVeliendrange , meist
aufrecht silzeml, öfters sich heftig hintemiberwerfend, verblieh,
Ins kurz vor 7 Uhr das Kind mit einem Male aus den Ge-
biirtstheilen hervorgetrieben ward. Unter Reibungen des
rnlerleibcs und Zusanimendrflcken des Gebarmutlergrundes
durch die Rauchdecken erfolgte nunmehr leicht auch der Aus-
tritt der Nachgeburl.
Eigenthumlich und Besorguiss erregend erschien mir
aber der Zustand t\ev Entbundenen. Auf ihrem blassen Anl-
liiz, in ihren weil geöfTnelen, etwas starr um sich blickenden
Augen und ihren slinnmen bewegiuigsiosen Mienen , prägte
sich noch die erstarrende Ang^t aus, welcher sie anlieim ge-
fallen war. Daboi zitterten die Hände , die Temperatur am
Kopf und übrigen Korper war auffallend kühl, die Haut ohne
Scbweiss, der Puls auffallend ruhig, ja etwas verlangsamt,
das Alhmen unregelhuissig bald tief und stöhnend, bald ober-
flächlich und kaiun bemerkbar. Auf meine Frage: ob sie
Schmerz habe, wies sie nach dem Nacken und Hinter-
kopf; ein Druck oben in den Nacken schien ebenso wie
Rewegimg den Schmerz zu vermehren. Die Schmerzemplin-
dung gerade an dieser Stelle glaubte ich der gezwungenen
aufrechten Kopfhaltung und dem öfteren Hintenfd>erwerferi
des Kopfes während des Webendranges zuschreiben zu müssen.
Das Bewusstsein schien ungetrilbt, doch hatten die Antworten
der Frau etwas Zögerndes unil Langsames, als erforderten sie
o'iw gewisses mühsames Besinnen. Die Gebärmutter hatte
sich nach Abgang der Nachgeburt gut contrahirt, zeigte sich
aber sowohl gegen einen Druck durch die Bauchdecken, wie
l)ei der Untersuchung durch die Scheide ^ehr empfindlich.
Der Damm war allerdings eingerissen , doch erstreckte sicli
für Gebaruhülfe iji BerÜD. 41^
der Riss nicht über die Halfle der Mittelfleischbreite fort und
erschien daher keiner Naht bedürftig.
Nactidem ich die Cotbundene durch Zuspruch psychisch
KU beruhigen gesucht, ders«^lben zur Förderung der fehlenden
Hauttemperatur uud Ausdunstung neben einer warmen Be-
deckung «ine Tasse warmer Milch zum Getränt^ und für das
eiiigerisaene Mitiellleisch einen Chaniillenthec - Umschlag an-
enipfablen hatte, verhess ich dieselbe einstweilen, besuchte
sie aber etwa nach einer Stunde (8V2 ^^^^) ^^^^^ einmal
und fand sie dann zu meiner Befriedigung sehr viel ruhiger,
gleiclimässig alhmend, uiciit melir zitternd, mit gleichniassiger
Respiration« gehobetierem Pulse, guter Temperatur, etwas feudi-
ler Haut, gut couti*ahirter Gebarmutter und obwohl noch
ober Nacken und Hinterkopf klagend, doch ohne irgend ein
auffalleiuies Gehirn- und Nervensymptom.
Um 10 Uhr desselben Abends, also 3 Stumleii nach
der Entliindung, fing sie an irre oder doch unverständlich zu
reden, bekam Erbrechen uud ward gleich darauf von heftigen
allgemeinen Gliederzuckungen unter Theiinahme der Gesichts-
niuskeln befallen, wobei Schaum vor den Mund trat und iimcIi
angeblich etwa 5 Minuten langer Dauer dieser Krumpfe lolgte
eine »lii Schleinirassein auf der Brust und lautem Schnarr
cheii verbmidener Schlaf. So ward mir berichtet, als ich
herheigerufeu ^— wegen weiter Enilernung gegen 11 Ulu*
erst — bei der Wöchuerin eintraf. Letztere war aber wie-
der erwaclit, erkanute mich, war wieder bei anscheinend
vollem Bewusslsein und klagte auf Beh*agen, nur über noch
»ndauernde Nackenschmerzen, doch fiel es inii* auf, dass bei
dem auch jetzt eiwas zögernden Sprechen luehrfach das rieh*
tige Wort verfehlt und Silben umgestellt wurden. Weil
übrigens der Puls ruhig und regelmässig, auch nicht retardirt,
der Kopf von guter Temperatur, nur die Hände etwas kühl
und die Haut nicht ausdunstend, der Unterleib gut war, so
fand ich vorläufig nicht Grund zu besonderem ärztlichen Eiii^
sclu'eken, sondern iteolMiehtete die Kranke etwa 2 Stunden
lang und ging dann, da inzwischen Temperatur und Auadüu-
stuttg der Haut befriedigender geworden und keinerlei be-'
denkliclies Kraukheitssyuiptom wieder autgetreleii war, nach
HauHe, i\en Auftrag hinterlassend, mich sofort zu l»enach-
27*
^20 XXXII. Verbau^lnngren der Oesellschaft
riciuigen, falls fible ZofMIe bei der Kranken sich wieilerholen
soitlen. -
Dies ges^Jiah denn auch nur zu bald^ denn schon gegen
3 Uhr Morgens — 5 Stunden nach dem ersten Krainpfanfalle
— folgte nach erneuelem Einbrechen ein zweiter ganz
gleicher Anfall, jedoch angeblich von etwas kürzerer Dauer,
als der erste. Bei meiner Ankunft war Patientin schon* wie-
der wach und bei Bewustsein ; die Sprache versagte ihr wie
nach dem ersten Anfalle bisweilen, doch klagte sie verstand-
lieh genug auch jetzt über Schmerz im Nacken und Hinter-
ko[»f, dazu ilber Benommenheit des Kopfes. Der Puls war
etwas beschleunigt und klein, die Hauttemperatur befriedigend
und gleichmässig vertheilt; Seh weiss aber fehlte. Aufge-
fonlert entleerte Pat. etwas Urin, der mit f^chialbhit gc-
mi^icllt und daher zu einer Untersuchung auf Eiweiss nicht
geeignet war (den Katheter hatte ich aus Rücksicht auf die
Empfindlichkeit der Frau nicht anzuwenden gewagt). Verordn.:
10 Blutegel in den Nacken zu setzen; tnnerl. Opium zu 74 Gr.
4 Dos., stundl. 1 Pulv. z. n.
Am nächsten Vornn'ttage (2. Juli) fand ich Pat in recht
befriedigendem Zustande; unter Nachlass des Nacken- und
Hinterkopfschmerzes war zeitweise ruhiger Scidaf dagewesen,
aus welchem sie mit klarem Bewustsein erwachte, auch eine
mnssige Ausdunstung der gesammlen Körperoberßäche und
ein ruhiger, massig voller und weicher Puls Hessen Günstiges
hofien. Dennoch war, wie ich bei meinem At>endbesuche
gegen 7 Uhr erfuhr, Nachmittags 3 Uhr — also nach 12sCun-
diger * Zwischenzeit — ein dritter, nur wenige Minuten
währenA^r Kramp fanfall (diesmal ohne vorheriges Erbre-
chen) eingetreten und — wie ich mich jetzt überzeugte —
war danach das Bewustsein etwas getn^bt und die Sprache
mangelhaft geblieben. Zu einer eingreifenderen Antiphlogose
konnte ich gleichwohl in dfir Temperatur des Kopfes, in der
Beschaffenheit des Pulses und unter Berücksichtigung der
ganzen Constitution der Kranken keine Auffordenmg linden,
sondern ich beschränkte mich darauf, wiederholte Senfteige
an Annen und Beinen und zum innerUchen Gebrauche wieder
Opium KU Vg Gr. (6 Dosim) stündlich zu verordnen.
Noch ehe nach meinem Fortgehen diesen Verordnungen
ftir Geb«rUbttile ia Berlin. 421
s
Folge geg«b«u werden konnte, kam utti 7Va lihr — nach
4V2Stufifliger Zwisclienzeil seil dem dritten — ein vierler
Krampfan fall, nach welchem auf kurzen, schnarchenden
Schlaf lebhaftes Irrereden lolgte; später schlief Fat zwar
verbälUiissmässig viel, war jedoch im Schlafe äusserst un-
ruhig und namentlich iml Armen und Beinen fast furiwälirend
in Bewegung. Als dann etwa 7 Stunden später (Nachts
2^2 Uhr) noch ein neuer Anfall, der fünfte, folgte,
ward ich wieder herbeigerufen. Pat., bei meiner Ankunft
noch schlafend, ölfhele zwar alsbald die Augen, war aber sehr
unklarer Besinnung und redete vollkommen unverständlich;
der Kopf hatte eine erhöhte Temperatur, die Haut geringe
Schweisstliäligkeit, der Puls machte 90 Schläge in der Min.,
war dabei ziemlich voll und hart (ö der lelztverordneten Pul-
ver waren eingenommen).
Verordnung: Eisblase auf den Kopf; innerl. Sol. zinci
acet. 0ij) BIV. c. Syr. simpl. ^j, slundi. 1 Essl. v. z. n.;
auch sollte zum näclisten Morgen um 10 lihr ein warmes
Bad für die Kranke in Bereitschaft gesetzt werden.
Am folgenden V(»rmittage (den 3. luii) um 10 Uhr sah
ich mit Hrn. (leh. Sen.-R. f)r. Fätseh, um dessen Beirath
ich gebeten hatte, Pat wieder. Nacli eiue^i seit 4 Uhr Mor-
gens mehrere Stunden mit geringen Unterbi^chungen andau-
ernden ruhigen Schlaf war dieselbe nunmehr wach, die Glied-
niassen halte sie nicht mehr wie Abends zuvor hin- und
hergeworfen , im Blicke und Gesichtsaasdrucke lag eine er-
freuliche, ansclieinend bewusste Ruhe; der Puls schlug 75 Mal
in der Min. und die Haut war am ganzen Körper warm, auch
nicht eigentlich schwitzend, doch weich und ausdünstend,
der Kopf von normaler Temperatur. Pat erkannte ihre Um-
gebung, untei*schied sehr wohl den ihr bisher unbekannten
Arzt von den ihr bekannten Personen, sprach auf Befragen
verständlich und gab Aber ihr Befinden Auskunft, war jedoch
nicht im Stande, dem Geh.-R. PäUch die an sie gestellten
Fragen über ihren Geburts- und Hochzeitstag, so mühsam
sie sich darauf zu besinnen such^, zu beantworten.
Sie ward in das zuvor bestimmte 29^ R. warme Bad
gebracht, worin sie sich nach eigener Aussage sehr behaglich
fühlte, bekam nach demselben zum ersüm Mal seit ihrer
422 XXXII. VerhAttdliingeD d^r GeserHschaft
Flf^thiridiing einen reichlichen, allgemeini^n 8cliw<»is8, scMief
wahrenfl des Tages stundenweise ruhig und — hNeb fortan
von weiteren Krampfanl^llen verschont.
Der Lochialflass war und blieb ' spärHch. Milch-
secretion stellte sich zwar am folgenden Tage ein und
das Kind wardo an die Brnste gelegt, tla indess die Milch-
menge sehr gering und für das Kind nicht ausreichend blieb,
andererseits die Mutier — zuntal bei nunmehrigem Wund-
werden der Warzen -*- durch jedesmaliges Darreichen der
firust in bedenklicher Weise angegriffen und von Schmens
erregt ward, so liess ich nach einigen Tagen das Stillen ganz
aussetzen und das Kind durch Ammen4)nist ernähren.
Der weitere Verlauf des Wochenbettes war nun zunächst
im Allgemeinen befriedigend. Am Wenigsten befriedigte der
Nachlscblaf, welcher mehrere Nächte fast ganz feMte und
erst nach kleinen Gaben Morphium, die ich mit Brausepulver
mehrere Abende hinler einander nehmen liess, zu entschie-
dener Ei*quickung und Stärkung der Frau, dauernder und
fester ward. Eine Schnicrzempfindung im Nacken, besondere
beim Anfrechthallen des Ko()fcs, blieb noch einige Zeil zu-
rück. Für Sluhlcnlleerung nuisste theüs durch Klystire,
iheils dnrch Ol. Bicini gesorgt werden. Der Appetit war gut
und konnte bald ohne Bedtsnken durch Darreichen stärkender
Nahrungsmittel, namentlich Fleischbrühen, befriedigt werden.
In psychischer Beziehung schien keine Störung zurückge-
blieben zu sein und als Geh. San.-B. Patsch einige Tage
nach seinem ersten Besuche der Wöchnerin bei seinem zweiten
Besuche die früher gestellten Fragen nach GebiH'ts- mid Hoch-
zeitstag wiederholte, beantwortete sie dieselben lächelnd ohne
Zögern.
Leider fand die völlige Wiedergenesung der Frau noch
eine unerwartete und lange Verzögerung durch eine in der
zweiten W\)che nach der Entbindung beginnende liitksseitige
Psoitis, welche zwar zum Glück nicht zur Eitenuig fihrte,
aber doch trotz wiederholter örtlicher Bluten teiekimg unM
mit grosser (lonsetfuenz fortgesetzter heisser Breiumschläge
erst nach 6 Wochen so weit gewichen war, dass (kmvales-
centin das Lager verlassen und im Gehen die ersten Ver-
suche machen konnte. Erst allmälig gelangte sie wieder zu
für Qa^itrtfibäif« in Berlin. 423
eiDero völlig ungehinderten Gebrauclic de» linken Bdnes, wel^
dies lauge Zeit wegen Contracüon der euUQndel gewe}>ei|(ni
Scbenkelbeuger nur unvollkommener 8treekimg fähig und
de»hcüb anscheinend verkürzt war. Die etwa 10 Wochen
nach der Coli)indung sich wieder einsteileudcn Menses schie-
nen durch Ableitung den letzten Best jener MuskolaOecUun
beseitigt zu haben«
Die Frau erfreute sich bereits einige Zeit dc3 beMen
Wohlseins, als ich eines Tages bei gelegentlicher Erwähnung
ihres glucklich uberstandenen scbwereu WocbenbetJieidens
zu meiner Verwunderung eifubr, dass derseüien ubei' mit
ganz bestimmt begränzte Epoche ihrer Leidenszeit alle uiul
jede Erinnerung durchaus fehlte; der Anfang di<^ser Epoche
war der Moment des Blasensprunges aiu 1. Juli 6^« lihr
Abends, also ''^ Stunde vor der Geburt des Kindes, etwa
3'/2 Stunden vor dem ersten eklamptiscben Anfalle, das Ende
derselben fiel auf den Vormittag des 3. Juli, 7 — 8 Stunden
nach dem letzten (5.) Krampfanfalle, als Geh.-U. Patsch
gemeinsani mit mir die Kranke besuchler und letztere ihr
Bad l>ekam. Sie erinnerte sich $ehr klar der enlsetelicheu
Angst, die sie empfunden, als sie ohne einen sariiverständigen
Beirath unter dem heftigsten Wehendrange plöUlich das Ge-
fuid hatte: „es reisse ihr der Unterleib auseinander''; aber
von Allem, was weiter an diesem Abende und überhaupt
wahrend der folgenden 40 Stunden- mit iln* vorgegangen,
sowohl von (ier Geburt des Kindes, wie vqu ihren andern
Begeguissen vor und zwisclien den Ki^ampfanfallen hatte sie,
wie sie versicherte, durchaus keine Spur von Auckerijnie-
rung. Erst mit dem vom Geh.-San.-K. Patsch mit ihr an-
gestellten und von ihj* schlecht bestandeneu Examen über
ihren. Hodizeits- und Geburtstag und mit dem darnach fol-
genden Auüenthalt im warmen Bade begann die. unterbrocliene
Beihe iliier Erioiierungeu . wieder und auch diese eben ge-^
dachten Erinnerujtgen bezeidmete sie als noch sehr unklare
und dunkle. Icli kann hinzufügen, dass auch bis jetzt —
nacd einem Zeiträume von 8*2 Monaten seit der Entbindung
— jene Lücke in der Erinnermigsreihe ganz diesell»e ge-
blieben ist. Die Aimahme einer absichtliehen Fiction und
Täuscbiing halle ioh bei dei* Persöiüichkeil, mn die es sich
424 XXXIT. Verhandlungen der Oesellschaft
handelt, und bei dem Mangel eines jeden M(»tivs fAr solche
Absicht ganzlich ausgeschlossen.
Ein doppeltes Interesse därfle dieser Fall daher dar-
bieten: 1. ein pathologisches oder pathogenetisches
— sofern die Eklampsie hier aller WahrscbeinKchketi nach
der Wirkung eines heftigen psychischen Eindruckes auf die
Gehirntliatigkeit ihre Entstehung verdankte oder doch in
solchem Eindnick ihre Causa occasionalis fand; 2 ein psycho-
logisches und forensisches, sofern dieser Fall beweist,
dass der heftige psychische Eindruck der Angst, schon be-
vor eine bestimmt ausgeprägte Form von Cerehralleiden zu
Stande kommt, das Bewustsetn einer Kreissenden in dem
Grade zu trüben vermag, dass ihr später die Röckerinnerung
an den Vorgang der Geburt und die begleitenden wie nach-
folgenden Umstände durchaus fehlt.
Protocoll der Sitzung am 28. März. 1865.
Herr L. Mayer erläutert seine in der vorigen Sitzung
ausgesprochenen Ansichten über die Hodge'schen Pessarien
durch schematische Abbildungen.
Herr O. Hüter (als Gast) demonstrirt einen Fall von
Verwachsung beider Tuben miteinander.
Dass betreffende Präparat stammt von einer 64jährigen
alten Frau, die^ wegen einer complicirten Vorderarmfractur
in der Langenbeck* sehen Klinik aufgenommen wurde und dort
an einer im Verlaufe der zur Eiterung aufgetretenen Phleg-
mone und Osteomyelitis starb. Bei der Section fand sich
noch eine Fissur der Schädelbasis und apoplectische Heerde
im Gebirne. Was die Genitaheu anlangt, so war der Uterus
retroflectirt und in geringem Maasse vergrössert. Die Schleim-
haut der Scheide bot eine epidermoidale Beschaffenheit, wie
bei altem Prolapsus vaginae, dar; auch fand sich in der
Scheide ein Pessarium. Bei der weitern fnspection des kleinen
Beckens zeigte sich im Douglcui'^hen Baume ein freier Ring
von einigen Linien Dicke, dessen ganz gleicbmässige Beschaffen-
heit besonders auffallend war. Zwischen ilmi und der hinteren
Uteruswand konnte man eine Hand durchführen. Bei ge-
für Oe^urtslialfa io Berlin. 425
Daaer UnlerMichung ergab sieb, das« 4i«ser Ring von «leii
beidea T«b«i gebildet worde, die mit ihren AbdominaJoslien
nach hinten geridilet und hier durch einen ddnnen, etwa
]'" slarlien fibrösen Ring mit einander vereinigt waren. Die
Fimbrien, der eigentliche Morsus diaboti, fehlen. Die Ovarien
sind in ihrer noimalen Lage. Die Frage kafm entstehen, ob
man es hier mit einer congenitalen Missbildung zu tbnn
hrt>e; dafür könnte die symmetrische vollkommen gleich-
massige Entwickelung des ganzen Ringes spix'chen. Andrer-
seils finden sich allerdings Abrisse Strftnge zwischen den
breiten Mutterbändem und der hintern Uteruswand, und
dörfle dieser* Umstand auf perimetritische Vorgänge hindeu<)fn,
als deren Resultat jene Verwachsung der Tuben aufzufassen
sei, jedoch ist dabei wiederum auffiillig, dass gar keine Dis-
location der Ovarien stattgeftoden hat Ob die Frau ge-
boren hat, war nicht mit Bestimmtheit zu ei*mitteln gewesen.
Wenn dies der Fall gewesen, so kann naturlich jene Ver-
wachsimg erst nach der Befruchtung eingetreten sein. Hin-
zozufingen ist noch, dass von der Mitte des Ringes eine kleine
Cyste f^ei in den X>ottjrZaa'sclien Raum hineinhing.
Herr Martin ist der Meinung, dass es sich hn vorMe-
genöen Falle um eine in Folge von Entzöndungen im spätern
Leben, etwa nach einer Entbindung, entstandene Verwachsung
handle. Dass die Frau geboren habe, daför spräche auch der
Prolapsus uteri. Wenn jedoch die Vereinigung der Tuben
wirklich eine congenitale sei, so könne sie doch auch nur in
Folge einer fötalen Entzflndung entstanden sein, denn anders
wSr dieselbe nicht zu erklären.
Auf eme Anfrage des Herrn Kauffmann, wie sich bei
Prolapsus uteri die Tuben in Bezug auf ihre l^gerung ver-
hielten, giebt Herr Hüter zu, dass dieselbe dabei stets her-
unlergezerrt und mit ihren freien Enden einander genUiert
seien; dass dieser Umstand zur Erklärung der vorliegenden
Missbildung aber nicht gut zu verwerthen sei, da die Ovarien
eben voIhtSndig normal gelagert sind. —
Herr E. Ro$e hielt einen Vortrag
Ueber Harnverhaltung beim Neugebornen.
Bei den widersprechenden Ansichten, zu denen noch in
der Jftngsten Zeit der angebome Verschluss der Harnröhre
426 XXXIl. V«rlwndl«iigen 4»r GU»Aell8chaft
^«Ctihri hat.4 möcbte es bei ihrer Begpr«ohting angeniMsen
hmky von eiaeüi couct-elen Faiie auszugehen, cien ^u beob>
achten sieb mir im vorigen Herbsie eäie Gel^nbeit ge-
boten bat.
An (ten y4>rlipgeiiden Sachverhalt wird sieh aei besten
eine Betrachtimg über die angeblidie Unvereinbarkeit einer
angeborenen Harnröbi*enalreßie mit der Etitwickeluiigsge&chiohte,
sowie ekle Würdigung der aua ähniichen Fällen abgeleiteton
Folgerungen knüpfen.
Aus dem Naobwcis, unter weichen Bedingungen die Harn-
rölarenetresie die Lebensfabigkeil nidjt auäscbltesBl, wit>d sich
von öeibet die Bedeutung der Har«verbaitung . hei Neugeboh-
nen ergeben.
Der Fall ist folgender:
Frau Diß^ch, denen einziges Kind dr^i Jahre zuvor
hatte, mit der Zange geholt werden müssen, jedoch Aur
kurze Zeit gelebt hatte, war Anfang MarE 1864 in ihrem
37.' Jalu'c zum zweiten Male schwanger geworden, nachdem ihre
letzten Regeln am 24. Februar aufgehört halten. Kindsbeweg«ut-
g(Mi will sie angebUch bis 211m 23. September zwei Uhr verepfuU
haben; eine Stunde danach sollen die ersli!« Weben ein-
gieti*eten sein, welche jedoch den Stand nur wenig veränder-
ten, zuletzt ganz aufhörten. Da nun auch die Uebafliuiß
wegen der in der Mitte eingesuakenen Bildung des tiebäi^
nmtiergrijmdes, dei' zin* Zeitrechnung onverbaltnissmässigeti
Aumkhnuiig des Leibes und der eigentbumlielien Beschaflisa-
heil der vorliegenden Tbeile Zwillinge vermutbete, wurde ioti
kurz nach Mitternacht liinzugei'ufen, und fand bei straffen
uAd massig engen Geburl swegeii zwei Fasse, derea ZeJien
sich einaudev zugekehrt standen,' vorliegend. Ging man mög-
lichst tiel' ein, so kannte man sich jedoch uheneugen, dass
beide untereinander und mit einer Geschwulst .zusanunen-
hingen, difi etwa der Grosse eines hei der Gehurl stark .auf-
gelaufenen Scrotums entsprach, jedoch keinen Penis halle.
Vom Muttermunde war nichis zu Fühlen, ebensowenig von
Kiniisbewegungen; auch' konnte ich nirgends Herztöne des
Kindes bei wiedeiholler Untersuchung walu'nehinen.
Ich glauble es danach' mit einem todleu, 8iel)enmonal-
lichen Fötus zu Uiun zu haben, und sciiob die Geburtsver-
für 6abvl«littife Ui Berlin. 427
zjigerung. hvd die S4tt8slfege uimI diis AUa# der Frau^ Uni-
alMide, 4ie mir keineu weiteren Eingriff för die Müller wAn-
iebenawerth scbeinen liessen, zuimI dit» Weben niilllerweile
elwas kräftiger wurden.
Afe sie jedodi ohne den genugsten Fortschritt xu- erge-
be» «ack einigen Stunden aufTiorteti, aog ich einen der Fäase
herunter, wobei mir die Enge der TheMe ee unopwarioi
aehwierig machbe; liess ihn, da er mich durch sein Sdhlot»-
tern noch mehr hinderte, an eine Sclilinge legen tind in. ^
Höhe halten/ während ich den anderen herabbolte. Ich legtt^
darauf beide Hände niogiieh&t hodi an die Oberschenkei und
wftitte das Kind herauseiehen, sliess aber atif ^ineo se^ eigen«-
thöndich feaien Widerstand, wie ihn seHist die achiversten
ExtraoCioneo nach Wendungen nicht bieten, indem derKörpei*
$ieh auob nicht im Geringsten« fortbewegte, ein Umstand, ckr
Cdr üoiebe Falle, glaube ich, charakleristiscb sein möchtei
- Die Füsse waren geechwolien; als ich sie mir hei Licht
besah, da sie eben vor die Schamlippen gebracht werdni
konnten, ganz schwarablau. Da wo die Scblkige gelegen
hatte, w^ar das Fussgelenk eingerissen, so dass ider Knöchel
des schlotternden Gelenks bipraiissah, ohne Jedoch 2u bluten.
Die abnorme Stellung der Füsse früher erkl^te ■ sich jefiil
durcli eine gans abnorme Bewegliclikeit der seblotfeernden
Keine.
Da mir so nun bei einem weiteran Versudie der Ex-
traelion nur eine Zerfeteung des ({rwt)icbt(*ii Fötus in Aus-
siebt stand, und ich bei todten Früditen nur sehr ungern in 4ie
€M»bäniMitter selbst eingehe, so heschloss ich fürs Erste ruhig
den Erweichungsproce^s weiter fortsdireiten zu lassen, zumal
das AUgemeinbdindefi der kräftigen Frau nicht drängte.
Als ich sie am andern Morgen wieder besuchte, hatten-
skb denn auch ganz krafiige Wehen eingefunden, ohne frei-
lieh viel zu fruchten, da der Beckeneingaiig- nach wie vor
fest von dem Körper ausgefüllt war.
Um Hn Uhr entscfaloss ich mich die Sache zu beenden.
Zuvor jedot^ machte ich nodi prolieweise einen neuen Ex-
tractioni»ve]*such; der Widerstand schien derselbe, doch plöta-
heh faMte ich eifteii Kuck, war ganz mit Wasser überscböltet
und hatte Frucht nebst Placenta in Händen.
428
XXXII. VerhandloDg^D der Gesellschaft
Das Wocbenbetl, welclies nach ^er er^R EiUbiiMHing
sehr schwer gewesen war, verlief CroCz enormer Anschwel-
lung fler Brüste so leicht, dass mich dieser Fall nur noeh
mehr von allen EingrifTen hei todlen Kindern zurückhalten wird.
Doch was verui*sacbte den Ruck? Dicht unter dem lin-
ken Schenkelbogen war die Haut quer eingerissen, eine Oefftiimg,
aus der noch immciforl seröse Flüssigkeit ramt. Legüe man
die Hand auf den unförmlichen Leih, so drang sie dort im
Strahl Itervor. Jetzt erklärte sich auch das eigenihAmliehe
Resultat der Untersuchung mit dem Finger!
Die Frucht hatte keine Andeutung eines Afters oder
einer Ruthe am Scrotum. Die Stellung der Fasse erklirfe
sich durch das Schlottern, indem durch die Erweichung alle
Gelenke gelockert und beide Epiphysen des Ohersdienkels,
(Ue noch keinen Kern enthielten, von den Diaphysen ge-
trennt waren. Uebrigens hatten diese schon solche Stärke,
dass mir ihr Zerbrechen nur schwer gelang. Die Nägel
waren eben angedeutet. Auch die Länge de^ Kindes ent-
sprach etwa dem 7. Monate; noch jetzt, wo Kopf, Hals und
drei Glieder, die gar nichts Bemerken swerthes boten, fehlen,
beträgt die" Entfernung vom 1, Rdckenwirbel bis zum linken
Hacken 13 Zoll, wovon 6 auf das Bein kommen.
Das Präparat, das jetzt sechs Monate in Spiritus g«^
legen und dadurch zusammengeschrumpft ist, wurde paraHel
der Mittellinie einen Zoll davon entfernt auf der linken Seite
aufgeschnitten. Obgleich die Bauchdecken sehr eingefaltm,
fand sich doch in der Bauchhöhle noch ein grosser Tumor,
der vorn mit der rechten Hälfte der Bauchdecken zusammen
hängt. Klappt man noch jetzt die andere Seite nach links
zurück, so hat man einen viereckigen Lappen, dessen Breite
von der Wirbelsäule ab 8 Zoll, dessen Höhe 7 Zoll misst.
Diese Ifälfte bedeckte die Gedärme, besonders den von Kinds-
pech strotzenden Grimmdarm, während die andere kaum
weniger ausgedehnt war.
Es wurde darauf der Tumor längs der Mitte4Hnie aufge-
schnitten. Man drang dabei durch eine ^j^" starke Muskelschieht
in eine glatte Höhle, die Blase, die links eine wallnossgrosee,
rechts eine apfelsinengrosse (der längste Durehmesser ihres
engen Eingangs misst drei Zoll) Tasche zeigt und naoli obea,
für Oebortühäira in B«riiii. 429
WO sie bb xum Nabel reidit, sieh aiisMrdem dahinter in
eine glalle Ausbttobtung veriängeri, deren Einfang vkh am
imtören Ende des Hautnabels befiadet und zwei Finger ei»-
lässl. Ihre Länge betragt Yon da zwei Zell; sie ist ganz
und gar vom Bauchfelle Aberzogen, war nach vom gekehrt
und bildete den Inhalt eines hreitbasigen Nabelsebtiurbruches.
Die Baucfagesehwulst ist von einer etwa eine Linie starken
nicht durchsichtigen Decke bedekt, von der man leicht Am<<-
nion und Bauchfell jederseits von einer zarten mittlem Haut
ahsiehea kann. Durch Zuruckzieinmg der Haut r^n der Na*
bebcbnur ist eine Zweilhalerstöck grosse BauebQäche vom
Amnion bedeckt An ihrer oberen Seite sitzt die Nabel-»
scbnor an, deren dicke Vene sofort in der Bruchdecke eine
Biegung nach rechts macht, deren A^rt (die einzige, eine Linie
im liebten etwa stark, drei mal eo dann als jene) jedoch
erst senkrecht hinab über die ganze Bntchdecke Uuft, daim
sieh auch nach reclHs biegt, und endlich wie jene in die
Tiefe dringt, leicht auf der Rückseite unter dem Banclifell-
öberaug der Blase sechs Zoll lang zu verfolgen bis zwei Zoll
ab von der Aorta, neben der Wirbelsaale, deren unmittelbare
Verlängerung sie Ist, in der Art, dasa die Lichtung und Rieh»
tung der Aorta sich bis zum Nabel nur unbedeutend ändert,
und seitlich unbedeutende Gefäaskimina sich zeigen. Ausser
dem FeUen der anderen Arterie zeigt die SchniN* sonst nichts
A«frallendes, ein Rest des Uracbus ist nicht zu bemerken,
wenn man nidit die obere Tasche filr eine seitliche A«s->
buebtong ansehen will. Jedenfalls ist seine Mdndung ge^
schlössen.
Die Vene lässt sich leicht durch das dicke, lang ausge-
zogene Lig. tei*es 2^1^ Zoll vom Nabel bis zum Eintritt in
die Leber imd von da diircii das Lig. venosum bis zur Cava
sondiren.
Die Leber ist wie die Brusteingeweide nach oben ge*
chrängt, so dass das Bauchfell linlcs davon direct auf di6 un-
lere Flache .des linken Leberla))pens übergeht, von dem nur
' der unterste Thed der linken Oberfläche links frei in die
Bauchhöhle hervorragt, indem iNe ganze Leber nur an einem
4" breit sich ansetzenden, 2^' langen, schief nacli rechts lau-
fenden Lig. Suspensorium hängt.
430 XXXII. VerUnnd langen der QescIlHchaft
Das KranKbafid der Leber febil. Ibris Substanz ist von
«Uen Seilen mit ser()ser glatter Decke aberzogen atid Jässl
skli weit vom ZwerchMi abziehen, wobei sich das Lig.
suspensonum wie «*in Gekrös anspannt
Das Herz mit seinem ufTeoen För. ovale, die noch nicht aus*-
gedehnten Limgen, die sicii jedoch von der glaCt zusanmnen*-
gelegten Luftröhre aus leicht aufl)lasen iiessen, Magen und
Milz (IV2 Zoll hoch, 1 Zoll breit) iiieten nichts fiesond«l*es
dar; ebenso das sehr entwickelte Netz.
Die Dtinndälin« sind etwas nach ünks durch den selbst
die rechte Seite und Mille des l^ibes einnelmienden Harn-
raum gedrangt. Das Colon ascendens verschwindet dadurch,
indem der (4'" lange) Wurmfortsatz sich ungefähr m der
Mittellinie des Körpers befindet; ein Blinddarm fehlt.
Siehi man sich jeizl nach den Geschlechtsdrusen um,
so findet man auf der Rückseite des Harnraums, der hydro-
piscben Blase, unter ihrem Bauchfelluberzuge einen Kanal, der
ganz nach rechts horizontal verläuft und dok't in der Tiel^
oflen mit Franzen endet, dicht parallel einem halbzoll langen
OfV^rium. Schneidet man den Kanal naclJ^ links auf, so ef^
sli*eckt er sicIi von jenem Ovarium 3^/4 Zoll lang, ist An*
fangs (Tuba, % Zoll lang) sehr eng, dann etwas weiter,
musculös und mit zarten QtAerfallen besetzt (Uterus); endlich
nimmt er an Starke der Wandung und Lichl^nng bedeutend
au, biegt dabei rechtwinklig in die Tiefe um (Vagina), »nd
eadet 27t Zoll später nahe einer kleinen Oefthung an der
untern Ruckseite, der Blase, aus der man nach dem Auf*
schneiden stets hei Druck auf das kindspechbeladeBe Colon
descendens Kothflocken dringen sab. Beim Aufschneiden die-
ses Uteinis ersieht sich, dass er viel höhere Runzeln enthalt
und djis Colon in ihm mit einer engen Mundtnig endet, eih
Zoll etwa unter der Biegungsslelle. S Romanum und Rectum
fehlen also. Jener Kanal entspricht ganz dem Uterus und
der ^heide wegen der Stärke der Musciilaiiir, der I^nge^
der Lidbtung und des Vorhandenseins der palmzweigartigen
Falten, sowie der Culunma rugarum untei^iaih der Biegungs-
stelle. Ein dem Ovürium an Grösse ihniicher, aber gialtfirer,
aasi'lieitiend. unentwickelter Körper fand sich ünks im BanclH
felinberzuge des Harnraums; der zugehörige Eiergaüg hatt^
ffir Gebartnhiilfe in Berlin. 431
diesetbe Lfiiig«^ von S^j^ Zoll, verlief ji^och bei grösserer
Nähe in einer Spirale um iIab linke Ovarium. Beim Auf*
schneiden zeigte sich) cinss er ntcbl in «l«"» andern Eiergang
nulndet, sondern in einen ganz gleichen Körper, der neben
ihm links mil einer ebenso feinen Oefl'nung endet, anfangs
durch eine zwei Linien starke Muskelschicht, unten- durch
eine feine Hembi*an getrennt, die mir beim Somliren schon
etwas eingerissen ist.
Wenn man den engen Anfang beider EiergSnge ffir die
l>rt>en, die beiden drei Zoll langen Qnerkanäle mit ihren
Falten für die Geb&rmntter, die weiteren (2" langen) paral-^
lelen Rörper unterhalb der Biegungsstellen mit den Colamnis
mgarum föi* Scheiden Unk, so hatten wir hier einen Uterus
duplex und eine Vagina bicornis duplex. Ihre beiden OelF-
nungen sind parallel, hatten das Ansehen zweier Scheideii»
tfaetle, und sahen einem wie die Oeffnungen eines Doppelpistolfl
entgegen. Diese Wandungen iKitten einen feine Lichtung im
Verhältniss xo der Ausweitung im ganzen Verlaufe der Scheide.
Beide Oeffnungen munden nicht direct in jene kothentleer«<nde
Uelle im Hamraume, sondern ebenso wie eine ihnen gerademul
fast unmittelbar gegenuhei*stehende doppelt so grosse Oeffnnng
senkrecht dazu^ so dass sich dort vier Oeßnungen fast he^
rubren. Jene Kothdelle muss man für das Orificium uretlirae
vesicale halten, obgleich es an der Rückseite lie*gt; denn
sonst hat der Hai*nraum keine Oeffnung. Aus dem Inhalt«
des Harnraums wurden 14 3 klarer Flüssigkeit, abgesehen
von den Seitentaschen^ aufgefangen; sie trübte sich mit Sal-
petersaure und enthielt nur ganz wenig Kothflocken, die erst
siditlich tjeim Aufschneiden eindrangen, zum Zeichen, dass
trotz <ier offn^^n Communication mit dem prallen Colon diir'ili
den Druck des Ascites und der vollen Blase beiderseits auf
den Eiergang der Eintritt des Kindspechs in denselben <bch
nicht mdglich war; gerade wie feine überbäutete Fadenlöcber
nach der Operation der Blasenscheidei^stel voHstdndig bei
entsprechendem Verlaufe von dem angesammelten Harne was«-
serdicbt eomprimiit wei*den können.*)
*) Verp^l. dip 1.3. Krankengeschichte und 7. u. 8. Figur in
meiner Abhandhing nher die Operation der ßlasenscheidenfistel
Charitvannaleo 'Bd. XL pag. IS.S.
433 XXXII. Verbandlun^^n dar Oesallsehaft
Verfolgen wir jetzt die unterste der vier Oeffnongcsi, so
kommen wir in einen gleichmä8sig weilen , Va Zoll langen
glatten Kanal, der sich dann in einen eben so langen
Trichter blind endeU
Suchen wir jetzt aussen nach einer Ilaroruhrenoflhung, so
zeigt sich an einer Grube im wallnussgrossen Scroium zwischen
zwei senkrechten (V4 Zoll hohen) Falten ein Va 2<>ll langer
sehr enger Eingang, der dort wieder blind endnL Nachdem
jetzt iMside Ossa pubis abgetragen und vor dem Scbanibogen
ein Querschnitt gemacht, zeigen sich darauf zwei sehr feioe
Oeflhungen ; die vordere fuhrt in einen spindelförmigen Kanal,
der im Ganzen sehr eng in der rechten jener Falten (Labia mi-
nora) endet, so dass eine etwa eine Linie dicke Wand ihn dort
treonl in vier Linien Ldnge von dem anliegenden aussen
oAenea Kanäle, an dessen innerem Ende oben ein Stecknadel*
kopfgrosser clitorisartiger Körper zu flnden ist. Der blinde
Kanal endet nach hinten nach Länge von einem Zoll —
seine grösste Breite ist etwa eine Linie — blind unter dem
Schambogen in einen Bindege websfaden von der Dicke eines
Zwirnsfadens, der Va ^oU l^ng i^^ u^d ^bn mit jener
blinden Tricitterspilze verbindet Die Entfernung vom Ort-
ficium vesicae bis zum blinden ^nde in der rechten kleinen
Schamlippe beiragt 2% Zoll.
Die INieren liegen an ihrer SLelle; die linke Va Zoll
hoch, mit viel körnigem Fett umgeben, ist traubenförntig ge-
lappt und kleiner als die rechte, welche Va Zoll breit und
^/4 Zoll hoch ist und viele kleine Kysten enthalt.
Die Ureteren liegen ebenso wie Eiergänge und Nabel-
arlerie unter dem Baucbfellüberzuge auf der Rückseite des
ilarnraumes, in dessen breite reich mit Divertikeln besetzte
und dadurch llieilweis sehr dünnwandige Seitentaschen sie
einmunden. Der linke ist bei längerer Ausdehnung nar in
seHier unteren geknickten Hälfte dilatirt, der rechte ganz und
gar , bis auf das oberste einen Zoll lange Stück. Da die
Bbse' sieb mehi* nach rechts den rechten Nieren entge-
gen ausgedehnt hat, ist der letztere fast alle Va Zoll ge-
knickt und wie in sich zusammengeschoben. Dabei bilden
die Knickungsstellen nie Verschlüsse, sondern im Gegentbeil
durch Ausweiten der convexen Wand Taschen. Die grosseu
für GeburtshSlfe in Berlin. 433
Seitentascheii des Harnraumes möchte man danach für Er-
weiterungen ihrer untersteh Stücke halten, weil sie dünn
und mit Divertikeln hesetzt einen Gegensatz bilden zu der
glall- und dickwandigen Blase, deren innere Wand ein mehr
seröses Aussehen hat.
Das Bauchfell zeigt nirgends eine Spur von Entzündung ;
beim ersten Aufschneiden noch jenes Serum, das durch eine
feine Oeffnung unten links vorn und von da durch jene Haut-
ruptur am Schenkelbogen ausgeflossen war.
Werfen wir jetzt einen Blick zurück, so fehlen also bei
einem unreifen Fötus, dessen äussere Geschlechtstheilo zwar
den männlichen, dessen innere jedoch den weiblichen Habitui^
tragen, — Es fehlen:
Arteria umbilicalis sinistra,
Ligamentum hepatis coronarium,
Coecum und rectum, ^
alles Mängel, die an und für sich die Lebensfähigkeit nicht
ausschHessen. Dafür findet sich eine schiefe Scheidewand in
der Harnröhre, und ausserhalb fast des Beckens eine faden-
artige Atrophie (Ausziehung) derselben unter dem Scham-
bogen, Hindernisse für die Harnentleerung, die eine so un-
mässige Ausdehnung der Blase, eine Blasenwassersucht zur
Folge hatten, dass man sie sich jetzt wie einen Handschuh
anziehen kann (Hydrops vesicae urinariae).
In Folge davon ist der Harnstrang, dessen Nabelmün-
dung geschlossen, zum Theil in die Blase aufgegangen, die
Ausdehnung der Harnleiter eingetreten. Wahrscheinlich ist
auch jene fadenartige Ausziehung der Harnröhre erst eine
Folge der Harnslauung, mit deren Zunahme die Blase wie
alle Geschwülste des kleinen Beckens aufstieg. ^)
1) In dem ähnlichen Falle von Delphcke fand Billard diesen
Faden sich im Damm verlierend. Da die Blase in dem Falle
sehr stark anfgostiegen war und auch sich vornüber gestülpt
hatte, so ist es denkbar, dass das VerhKltniss nnserem Falle
ähnlich gewesen und nur die fadenartige Ansziehnng schliesslich
durchgerissen sei.
Vielleicht ist es in einigen der anderen Fälle dieser Art
Mon&uachr. f. Oeburtok. 1866. Bd. XXY., Hft. 6. 2^
434
XXX 11. Verbandlnnij^en der Gatellsehaft
Die rechte Niere ist cystös entartet. Colossaler Ascites
war die Folge davon, oder besser von der beiden ursäch-
lichen Harnverhaltung; schwerlich vom Druck der Blase auf
die ja ganz weiten Gefässe, wie Depaul in einem ähnlichen
Falle behauptete.
Dieser Ascites hat einerseits einen ßlasennabelschnur-
bruch zur Folge gehabt, der in solchen Fällen doch sicher
durch Druck von Innen gegen den Processus peritonaei um-
hihcalis, nicht durch Hemmungshildung entstanden ist. An-
dererseits hat er die Unmöglichkeil herbeigeführt, ohne
ErölFnung der Bauchhöhle aus dem mutterlichen Becken zu
kommen. Vielleicht hat er auch endlich durch die mecha-
nische Ausdehnung die Geburt eingeleitet und hei dem ersten
leisen Andrängen des Uterus durch Störung der schon schwe-
ren Circulation das Absterben verursacht, da wenigstens sonst
kein Grund dafür gefunden ist.
Ausserdem fmdel sich ein Uterus duplex und eine Va-
gina bicornis duplex mit Einmündung des Colon in seine
rechte Hälfte. Die Einstülpung des Mastdarms von der äus-
sern Haut ist ganz ausgeblieben, während die für die* Harn-
röhre ihr Ziel verfehlt, und so ein schmales Septum hinter-
lassen hat, welches den Urquell aller Störungen bildete.
Lange Zeit habe ich (wie es auch in den meisten älteren
ähnlichen Fällen geradezu angegeben ist — ich habe deren
15 gesammelt) deshalb, weil die untere und vordere Fläche
der Blase glatt und eben sind, und die kleine Kothdelle leicht
zu übersehen war, wirklich geglaubt, der Blase fehle die
Harnröhrenmündung ganz. Um darüber sicher zu sein, muss
man, wie hier geschehen, vorsichtig den Schambogen ent-
fernen und vor ihm Querschnitte machen. Erst dadurch
fanden sich die feinen Harnröhrenlumina. Da dies sonst nicht
geschehen, kann man sich auf die Ausdehnung der Atresie
in den andern Fällen wohl nicht stets verlassen.
Aus der Betrachtung eines solchen Falles scheint es
mir nun hervorzugehen, dass sich die Harnröhre aus drei
ähnlich (gewesen, und es nur deshalb nicht constatirt, weil man
die Abtragung des ScbainbogeDs unterlassen hat.
fiir Geburtsliülfe in Berlin. 435
gesonderten Stücken entwickelt, 1) dem Binsenhais, 2) einer
äussern Einstülpung der Haut, dem Eichelslück, und 3) einer
inneren Ausstülpung aus dem hinteren Ende des Darmkanals,
einem Scheidenstück, welches, gerade so wie die Allantois
den Ansführungsgängen der Primordialnieren entgegenwachst,
so jenem Eichelstück entgegen kommt. Während es hei sei-
nem Auswachsen und Zunehmen zur Ahschliessung vom Darm-
ende beitrugt, nimmt es seitlich hei der männlichen Bildung
mehr an seinem inneren Ende, bei der weiblichen am vor-
dersten das Blasenstück auf.. Uebrigens entsteht es vielleicht von
allen zuletzt, da Jacobson*) beim Embryo von P'^ Zoll
zur Zeit der höchsten Entwickelung der Primordialnieren bei
cylindrischer Blase und IJrachus zwar schon einen Kanal in
der Cliloris, aber noch keine Spur von Scheide, Gebärmutter
und Eiergängen fand.
Aus der Hauteinstülpung bildet sich danach der Eichel-
theil der männlichen Harnröhre oder der Vorhof; aus der
letzten Damiausstülpung die übrige Harnröhre bis zum Uterus
masculinus oder die Scheide.
Unser Fall würde dadurch entstanden sein, dass sich
^ Eichel- und Scheidenstück verfehlt haben. Ganz etwas ähn-
liches fmdet bei der Hypospadie mittleren Grades statt, wenn
sich in der Eichel ein blinder Kanal und eine feine Harn-
röbrenölTnung an der untern hintern Seite der Ruthe findet,
Fälle, die bekannilich schon öfters für congenilale Atresien
des Penis gehallen worden sind. Der Unterschied ist nur
der, dass hier das Scheidenstück auf seinem Iirweg die
äussere Haut erreicht oder vielmehr muihmasslich an ihrer
dünnsten Stelle durch die Harnstauung gesprengt hat, wovon
es itt unserem Falle auch nicht gar fern mehr wai*.
Entsteht die Hauteinstülpung gar nicht, so bleibt die
Eichel imperforirt; wir haben dann einen Defectus urethrae
externus, wie in dem Fall von Brodie. Fehlt die innere
Ausstülpung, so ergiebl sich ein Defectus urethrae internus
wie in den Fällen von Delpeche, Cadsy Duparque, Mo-
•) Jaeobaon: Die Okeniichen-Körper nnd die Primordialnieren,
Kopenhagen, 18H0. 4.
28*
436
XXXII. Verhandlungen der Gesellschaft
reau. Endlich können, wie bei Portal, beide Stucke Tchien
(Defectus urethrae totalis).
Ein Septuni der Harnröhre kann sich erhallen, sowohl
iladurch, dass sich beide Stucke verfehlen, als auch dadurch,
dass sie sich ungenügend entwickeln. In jenem Falle wird
CS schief stehen, wie bei meinem vorgelegten Fötus, in die-
sem quer, wie in. den Fällen von Merriman^ Delhorier,
Depauly Freund, Hecker, Jany.
Beim Weibe wurde durch Mangel der Hauleinslölpung
der Defeclus vulvae, durch Mangel der Darmausstölpung der
Defectus vaginae entstehen, bei dem man mit dem Finger
im 'Mastdarme unmittelbar den Katheter in der Blase und
hoch oben den Uterus als ein festes Querband durchfühlt.
So, dächte ich, liesse sich allenfalls das Vorkommen
congenitaler Harnröhrenatresien mit der Entwickelungs-
^'eschichte in Einklang bringen!
Das Blasenslück nmss*) natürlich stets einmal vorhan-
den gewesen sein, sofern es überhaupt zur Allantoisbildung
gekommen ist; von solchen ganz unlebensfähigen Missgeburten,
wie die Sirenen, denen oft der ganze Harnapparat fehlt, sehen
wir hier ab. Ob es aber später nicht noch beim Fötus durch
pathologische Verhältnisse zu einem Verschluss des Blasen-
stückes kommen kann, möchte ich schon in Erinnerung an
den Fall von Cabrol nicht für ganz unmöglich halten, der
noch bei einem erwachsenen Mädchen mit weitem Urachus
die angeborene Atresie der Harnröhre vor jetzt über 300 Jahren
operirte. Ein zweiter Fall von angeborenem Harnröhrenver-
schlusse bei einem Mädchen, der wegen Harnstauung tödtlich
war, ist von Moreau beobachtet; ein dritter von Oberteuf er.
Jedenfalls lehrt unser Fall aber wieder, zu welch bedeu-
tenden und verhängnissvollen Störungen selbst ein so scbma-
*) Selbst das ist nicht nothwendig, wenn die Embryologen
Kbcht haben, welche nach ihren Beobachtungen annehmen, dass ,
nich bei Menschen die Anschwellung, aus der sich der ürachns
entwickelt, Kuerst in der Mitte aushöhlt, nicht sich vom Darm-
kHnal ans erweitert, wofür die drei von mir gesammelten Fälle
von Atresia urethrae bei Frauen deshalb mehr sprechen, weil
Hie gut beobachtet sind und keine Narbe eines pathologischen
Prosesses seigten.
(i\T Geburtahülfe in Berlin.
437
]ps Septum ffihrl, wenn anders sich die Naliir nicht einen
andern Ausweg bahnt.
Depauly ^) der einige Fälle der Art zusamniengestelll hat,
glaubte damit als Neu^aus der Hypertrophie der Blase, die
ihn an die Vessie ä colonnes bei Prostataklappen erin-
nert, die Harnse- und excretion beim Fötus folgern zu können.
«Tavais etabli, sagt er — que Turine est excretee par les
contractions de la vessie, que la cavite de Tamnios en est
le reservoir ultime etc.
Wenn damit ein wirkliches Pissen wie beim Erwach-
senen gemeint ist, so möchte sich dagegen doch vieles ein-
wenden lassen, weil dazu, abgesehen von der Bauchpresse,
ein Sphinkter gehört, dessen Widerstand zur Füllung erfor-
derlich und bei der Entleerung zu überwinden ist. So lange
also der Urachus offen, könnte von DepauVa fötalen Con-
tractioncn zur Entleerung der Blase und „ihren oft erneuten
Anstrengungen zur Entleerung''^) nicht die Rede sein, da nach
Remak^) nur der Huhnerembryo, aber nicht andere Thiere,
auch nicht der iMensch einen muskulösen Nabelsphinkter be-
sitzt. Nun hat aber bekanntlich schon 1823 Jacobson^)
gezeigt, dass die Nieren die ersten thätigen Organe sind,
und deshalb die Wolf*^c\\e\\ Körper Primordialnieren genannt,
nachdem er durch Erhitzen mit Salpetersäure und Ammoniak auf
dem Platinblech, die ' Murexidprobe^ ein leichtes Mittel ange-
geben, sich von der Anwesenheit der Harnsäure in der Al-
lantoisflüssigkeit der Vögel zu überzeugen.
1) BuHetin de TAcad. II. 21. Aoüt. 1852. Gas. hdbdoouad.
VJI. 1860. p. 824.
2) Gaz. h^bdomad. 1860. 873.
3) lieber die Zusammenziehnng des Amnion von R. Remak.
MüUers Archiv. 1864 p. 369.
4) Loc. cit. p. 6; Deutsches Archiv für Physiologie v. Meckel.
Halle 1823. Bd. VIII. p. 332; Berzelius ^ die Anwendung des
Löthrohrs. Nürnberg, bei Schräg. 1828. p. 270. Bei einem todt-
gebornen Fötus von acht Monaten mit Verschluss beider Harn-
leiter und doppelter Hydronephrose fand Prout in den l:-) Unzen
Flüssigkeit in dem Nierenbecken Harnstoff und Harnsäure; nach
Robert Lee: Observations on thc Functions of the foetal kidney iti
The Laneel for 1834—35. Vol. 1. p. 870. London.
438
XXXII. VerhaDdlungen der Gesellschaft
Fliesst nun also in den ersten zwei Monaten vof dem
Nabelverscbluss der Harn ohne aclive Biasenlhäligkeit in die
vAlianlois ab, so wird es auch in der nächsten Zeit kaum an-
ders sein, da sich die Muskeln fiborhaupterstspäter bilden sollen.
Kranke, die nacli dem Steinschnitl Harndrang behalten
und sich aus Vorsicht in GeseJlschallten z. B. eines Llrinolrs
bedienen, bekommen erfabrungsgemäss durch das stete Baden
des Penis im Harn leicht eine vollständige Incontinenz; ein
Umstand, der dem Fötus in seinem permanenten Wasserbade
also nicht gerade zu seinen ersten Blasencontractionen be-
bfüflich sein wird.
Ferner kann eine Muskelhypertropbie wohl Folge ver-
mehrter Arbeit sein, wenn, wie bei Pros! ataleiden, schliess-
lich der Harn noch einen Ausweg fmdet, und es noch zu
einer wirklichen Contraction kommen kann. Hier möchte
sie aber bei Verschluss des Urachus und ünwegsamkeit der
Harnröhre ganz undenkbar sein, da sich der Harn doch nicht
comprimiren lasst.
Betrachtet man endlich die Blase in unserem Falle näher,
so ninunt man wahr, dass sie selbst und die llracbustasche
ganz und gar glatt und dickwandig sind, an den Stellen da-
gegen, wo in den Seitentaschen Divertikf-l sind, treten die
Muskeln nur durch die grosse Verdünnung der Taschen bal-
kenartig vor, so dass man die Dicke der Blasenwand> wie
die Entartung ihrer Schleimhaut dem Beize durch die mecha-
nische Ausdehnung zuschreiben möchte, die Muskelsaulen aber
einer Auseinanderdrängung der Fasern (in den Harnleitern),
vorausgesetzt, dass nicht etwa gar die Muskelbildnng erst
nach vollendeter Ausdehnung eintritt. *)
Wie dem imn auch sei, soviel geht aus solchen Fällen
stets aufs Neue hervor, dass auch nach dem Nabelverschluss
der Fötus stets Harn secernirt und fljessen lässt,*) wie schon
Portal annahm.
1) Die BetfchaifeDheit der Blase war in dem Falle von Depaul
g^nz ähnlich. Auch er beschreibt hernies de la menibrano mu-
queuse. Vergl. Gas. hebdoniadaire 1860. p. 343.
2) Portal sagt 16H6 bei seinem Fall: „Nous crüiiies, que cet
enfant qui n'avait pu vider ses eaux par Tur^thre, dana 1h ma^
trice de su m^re, en ^tait devenue bydropique. Ce qni noas
L
für Gebartaliülfe in Berlin.
439
Findet der AusOuss des Urins ein Hinderniss, so stant
er sich so lange, bis seine Ansammlung endlich vorzei-
tige Uteruscontractionen herbeiföhrl. Indem das Herz dabei
auf dem prallen Tumor wie auf einem Ambos aufliegt,
wird die erste Contraction wohl durch seine Compression
stets ein Aussetzen des Blutumlaufs zur Folge haben. Unter
15 sichern Fällen der Art ist nur einmal der frühgeborene
Fötus lebend zur Welt gekommen, Dank einer Complication,
nämlich einem colosalen Hydramnios, ein Umstand, der aber
wieder sofort in Folge der secundären Atrophie in 30 Stun-
den den Tod veranlasste; so dass dietor Ausnahmefall eigent-
heb die Regel nur bestätigt. So wurde also die geringste
Atresie der Harnröhre durch Harnstauung stets den intrau-
terinen Tod des Fötus zur Folge haben, wenn die Natur
nicht noch manchmal sich einen Ausweg zur Vermeidung der
Stauung zu bilden im Stande wäre.
Bekommt ein Erwachsener ein Ilinderniss in der Cxcretion,
sei es durch Steinverstopfung Prostataanscbwellung, Strictureu,
Wucherungen im Blasenhals^ so entsteht um so leichter, je mor-
scher die Gewebe schon durch Entzündung sind, Urininfiltration,
im günstigen Fall mit Bildung von Fisteln am Damm, Ober-
schenkel, Bauch, Leisten, ja bis zu den Lenden hinauf habe
ich sie gesehen. Je weniger es der Fall, desto mehr staut
sich erst der Harn auf, bildet Blasentaschen durch Auseinander-
drängen der Blasenfasern, bis er endlich durch Druck sich
einen Ausweg bahnt, am leichtesten da, wo die Bauchdecken
am dünnsten, also am Nabel. Dass hierbei nicht der Ura-
chus wieder aufbricht, lehrt z. B. der Fall von Faivre ', wo
sich zunächst im Nabel eine Fistel bildete, nach vier Jahren
oberhalb der Schamfuge eine zweite aufzubrechen drohte.
donna Jien de conjecturer, qae les eanx de Teufant faisaiest
partie de ceUes, que la femme vide an tempa de raoconohement*^
und fährt fort: ,^e snis d*antant plns confirmc dana cettc con-
jectnre, qne j'ai vn en aoconchant nne femme, dont l*enfant ve-
nait lea pieds devant, loraque le yentre fut an paaaage, cet en-
fant nrina par la yerge avec impötnoaiU encore, que vraiaem-
blableiiient il ne reapirdt paa.**
1) Jonrnal de Mödecine, de Chirurgie et de Pbarmacie. Paria
1786. T. ea p. 206. IX. Obaervation.
440 XXXII. VerhaiMllaiiereii der Oetellschaft
lät doch ausserdem schon bei der Geburl der Urachus ein
weist zur Hälfte fadeudünner Strang , ^) der dem andrängen-
den Harn sicher mehr Widerstand leistet, als sein benach«
hartes lockeres Bindegewebe, sich schwerlich wieder zu einem
fingerdicken Kanal ausdehnen kann, und schon im zweiten
Jahre gar nicht mehr mit dem Nabel im Zusammenhang steht.
Man darf deshalb solche acquirirte Nabel fisteln wohl
nicht Urachusfisteln nennen, noch weniger als man beim Ca*
put Medusae nach Lebercirrhose ein Recht lial, ein Wieder-
aufbrechen der Nabelvene anzunehmen.*'^) Die Nabelvene ist
doch wenigstens noch> zum Theil beim Erwachsenen stets
oifen, während mir beim Urachus selbst solche Ausnah-
men bei der Geburt noch nicht vorgekommen^) sind.
1) Wovon ich noch keiue Ansnahino gerunden, obgleich ich
schon lange darauf fahnde.
2) Sappey, Bali, de TAcad. 24. p. 943. 1859.
3) Rohifiy M^m. de Tacad. de m^d. de Paris 24. 2. p. 380.
1860, giebt dasselbe an. Ich habe noch nicht Gelegenheit ge-
habt, wie Luschka y einen gewundenen Lanf oder Kystenbildung
im Uamstrang zu sehen. (Vergl. V'irchoio^ti Archiv 23. 1861.)
Auch Hwrtl, Handbuch der topographischen Anatomie, Bd. I.
p. 701, Anmerkung, 1860, spricht über die IJndeutlichkeit der
Chorda umbilicalis nn ihrem oberen Ende. Ausser Luschka hielten
sich schon Haller^ Noreen^ Walter sen. von der ÜnrchgSngig-
keit des Harnstranges bis zum Nabel übersengt, während sich
Arantituff Wuldschmidt , Hebensteity Hildebrandt ^ Ruysch^ Rohi'n
nie davon haben überzeugen können, so dass »i«; doch wohl sicher
nicht regelmässig da ist. Der Nal)el ist die dünnste, nachgie-
bigste Stelle am Bauche, und deshalb eine Pforte für Alles, was
hinaus will, und zwar nicht bloss für die Brüche.
Sind doch selbst Nabelgeburteu ganzer Kinder constatirt,
»owohl bei Menschen (Triceen) als besonders bei Schafen. Afeckel
untersuchte eine Schaafheerde zu Dieskau bei Halle, die epide-
misch ganze todte Lämmer am Nabol ansstiess , und fand eine
feste Verwachsung der Mntterhälse, die man der Einwirkung
eines und desselben Bockes zuschrieb; vergl. Fh, Fr. Meckel
„über eine seltene Geburtsart**. Journal für anat. Variet. 1805.
Hallo. I. 3. Durchbrüche von Flüssigkeiten ans der Bauchhöhle
Kind alltäglich. Schon Biolan sagt; Scitnm ex Hippocrate ab-
scessum ventris eaae terminum umbilicniu. Aquam hydropico-
rum interdum per nmbilicum erumpere — (Euchiridiuni anat. et
patbol. £d. IV. p. 103. 1668. Parisiis).
Die Fälle von Naturheilung des Ascites durch Nabelruptur,
tÜT Gebnrtshüifo in Berlin.
441
Der Nabel ist ja endlich .auch for andere Flüssigkeiten iti
der Bauchhöhle zum Durchbruch ein Liebiingsorl, wie ich
es z. B. bei eitriger Peritonitis, seröser Eierstockswassersuchl
gesehen habe, wo sich denn doch gar kein vorgebildeter
Kanal öiTnen kann. Nur die Seltenheit der Nabelharnfisteln
ist aufTallend, jedoch erklärlich durch die Entfernung der
Blase vom Nabel unter gewöhnlichen Verhähnissen. Etwas
anderes gilt beim Fötus. Hier wo die Harnröhre fast znr
selben Zeit wegsam wird, in der sich der Harnstrang schliesst
(Ende des zweiten Monats), ist es denkbar, dass sich die
Natur, \scenu jener Ausweg verschlossen bleibt, diesen offen
balU Dies sind dann die wahren Urachusßsteln , die also
wohl, stets congenital «sind und sich dadurch von den Nabel-
blasenfisteln unterscheiden.
Schon aus dem 16. Jahrhundert ist uns eine solche
Beobachtung erhalten von Cabrol, einen zweiten Fall habe
ich erlebt; leidet*') ist er dadurch unvollständig, dass ich
wie sie s. B. LaurentiuB^ Beniveni^ Fabrieius SAhen, sind die na-
türliche Begründnng der Operütionsmothode des Asciteii durch
den Nabel (verf^I. Ghiilel, Fahrieii Hildani ObservHtionum Cent.
1, 47; II, 58, 86; III, 37; iV, 42), wobei Fahriz uachweisen isu
können glaubte, dass sich direct die itchlechten Säfte aus der
Leber durch die wieder durchgängige Nabelvene ergössen.
Selbst Durchbruch eines perforirenden Magengeschwürs in
den Nabel scheint vorzukommen, wie wohl die Krankengeschichte
von Chomel und Antruc allein verständlich wird. (Vergl. Hist.
de Tacad. roy. 1737. Observ. anatomiq. No. 7. p. 49. Paris 1766.)
Die Entloernng von Leberabscessen im Nabel sah Morgagni^ eines
fimpyems Tulpiui. Larrey hat nach Harnverhaltung einen Harn-
abscess im Nabel öffnen müssen, Portal endlich sah an der Leiche
diese Harnfistcl an der Seite des bindegewebigen Urachus ver-
laufen. (Mem. de. Paris 1769. p. 287.) Alles Gründe, welche
für die Analogie der erworbenen angeblichen Urachusfisteln mit
den gans alltäglichen Harufisteln sprechen!
1) Zumal in Hinblick auf das in der Entwickelungsgeschichte
des Menschen streitige Enden des LTrachns und das in diesem
Falle nothwendige Einmünden des Urachus in einen Hohlraum
im Ei ausserhalb des Fötus. Vielleicht berstet der Urachus dicht
ausserhalb der Bauchwandnngen, wie in Heeker^B Fall von Atrc-
sia nrethrae mit lethaler Harnstanung sich muthmasslich im Mnt-
terleibe schon der Inhalt der Bauchhöhle durch einen Riss er-
gossen hat; oder wie meist bei Defectus urethrae ezternus das
442 XXXIl. Verhandlungen der GeaeUschait
nicht bei der Geburt zugegen gewesen bin, so dass ich
über die Eitheile nictil Auskunft geben kann.
Das Kind wurde am Freitag den 6. Mai 1864 Abends
neun Uhr geboren und Montag froh nach Bethanien gebracht,
weil es noch immer nicht seine Windeln nassgemacht hatte
und seinem Arzte der Katheterismus nicht gelungen war.
Der kleine Penis war weder an der Wurzel aufgetrieben,
noch erigirt Die Vorhaut bedeckte die Eichel nur zur Hälfte,
au der offenen Harnröhrenmündung zeigte sich angetrock-
netes BluL Um dieselbe war die innere Platte der Vorhaut
fest mit der Eichel verwachsen. Die Harnröhre Uess sich,
wie sonst, an der unteren Seite der Harnröhre durchfühlen
und verfolgen. Uebrigens war das kräftige Kind normal ge-
baut, weder sichtlich verfallen noch sonderlich unruhig. Der
Unterleib war nicht gedämpft, eine Ausdehnung der Blase
war nicht zu fühlen.
Beim Eingehen mit einem dicken elastischen Katheter
zeigte sich etwa dicht vor dem Schambogen ein Hiuderniss,
das sich weder mit einem feinen geknöpften Bougie, noch
;iiif andere Weise, auch nicht in der Narcose durchdringen
Hess. Bis zum Hindernisse halte die Harnröhre ihre normale
Lichtung.
Nachdem dies Verhalten zur Genüge constatirt, durch-
stiess ich mit einiger Gewalt mittelst eines dicken, spitzen,
stählernen Myrthenblaltes , in Ermangelung eines besseren fn-
slrumeules das Hindeniiss, dem Verlauf der Harnröhre fol-
gend, deren Biegungen ich durch Anziehen des Penis aufhob.
Dann führte ich einen Katheter ein, um die Oeffnung aus-
reichend zu erweitern. Harn floss nicht aus, das ergiebige und
jenseits des Flindernisses leichte Vordringen des Katheters bürgte
für seine richtige Lage. Um die Blase nicht unnütz zu reizen,
zog ich ihn später halb heraus, und während ich dann sein
Ende befestigte, um ihn zur Vermeidung von HarinGltratioii
liegen zu lassen, tröpfelte etwas klarer Harn heraus. Nach
innere Stück berstet bei der Bildung dor gewöhnlichen Hypo-
spadie. Sonst würde die Nabelschnnrunterbindung in einem sol-
chen Falle künstlich eine Hariistauung setzen, was möglicherweise
wirklich in einigen der bestrittenen Fälle von Harnröhrenatresie
l^eschehen sein ma,^ {Herold, ßbert, Zbörer^ SabtUier, Streubel).
für GeburtabiUfe in Berlin.
443
Abireoniing der Synechie raitiels eines Skalpelistiels wunk^
die Blutung aus dieser Wunde und der Harnröhre durch
kalte Umschläge geslillt.
Der Harn sollte aller zwei Stunden abgelassen werden,
allein es kam nie etwas, so wi^iig als bei der Operation.
Es lief auch uichts neben dem Katheter ab, denn die Windeln
blieben ganz trocken. Dagegen wurde das Kind sehr un-
ruhig, ling mehrmals an zu brechen, der Leih schien jetloch
nicht gerade sehr schmerzhaft zu sein. Das Bedenkliche
schwand jedoch bald, aJs sich herausstellte, dass die Nabel-
binde, die schon mehrmals unbemerkt nass geworden war
und hatte erneut werden müssen, sich sofort danach immet^
wieder von Innen durchtränkte. Demgemäss verursachte es
auch weiter keinen Schaden, dass bei der Llnru)ie Nachts
der Katheter heimlich herausgegiitten war. Als ich ihn am
andern Morgen erneuern wollte, hatte ich die Freude, ihn
beuu ersten Eindringen durch einen kräftigen Harnstrahl fort-
schwemmen zu seheu. Mit dem Katheter konnte man deut-^
lieb die wulstförmigen Reste des Septum fühlen, wie noch
lange Zeit nachher.
Nach genauer Messung ergab sich seine Lage gerade ein
Centimeter oberhalb der EichelöfTnung. Nach dem Wider-
stände bei der Durchbohrung und dem nicht unbedenklichen
Blutvei'lust zil urtbeilen, möchte ich eine carnöse Atresie von
etwa einer Linie Dicke annehmen.
Als die Schnur später abfiel, ') sah man im Nabel einen
kleinen schwarzen Punkt, muthmasslich die ehemalige ürachus-
öffnung. Eine genauere Constatiruiig hütete ich mich vorzu-
nelimeu, weil uaeh dem zweiten Morgen das anhaltende Aus-
sickern aus dein Nabel aufgehört hatte, und trug, um den
so günstigen Heilungsprocess ja nicht zu stören, Sorge, dass
der Nabel so wenig als möglich berührt wurde.
Das Kind wurde bald entlassen, weil ich eine Bougies-
knr für unnütz hielt. Der kräftige Harnstrahl hätte nach
dem ersten Tage wohl schon allein ein Verwachsen der Wülste
verhindert. Eine Narbenverengerung ist wohl in solchen an-
gebornen Fällen nicht zu befürchten, da die Harnröhre dies-
1) Durch ein Veraehen i«t sie mir entgangen.
444
XXXII. Verhandlungen der GeseUschaft
seiis und jenseits ihre normale Lichtung hat, und zum Un-
terschied ?on den traumatischen, chemischen, gonorrhoischen
Strilituren Erwachsener hier kein Defect, eher zu viel vor-
handen ist
Jedenfalls befand sich das Kind, als es mir die Eltern
wegen eines Impetigo im Herbste wieder vorführten, sonst
selir wohl.
Die Entschiedenheit, mit der man in der Neuzeit die
Möglichkeit jeder Harnröhrenatresie in Abrede gestellt, möge
die Weitläufigkeil dieses Berichtes entschuldigen!
Beacbtensvveirth scheint mir an diesem Falle der Kraft-
aufwand zur Durchdringung des Septum, so wie die reich-
liehe Blutung nach Ueberwindung des Hindernisses, entspre-
chend dem Bau der Theile.
Bemerkenswerth ist die schnelle Verklebung der Urachus-
fistel, sowie der Harn anderweitig einen Abfluss bat. Sie ent-
spricht ganz den Erfahrungen, die man auch anderweitig
fiber Urachusfisteln, wahre wie falsche gemacht. Sie be-
stätigt durch die leichte und spontane Heilung im Verlaufe
i\er Nabelnarbenbildung, wie wenig der Harn der Heilung
einer Wunde schadet, und spricht dafür, dass, wie ich ander-
weilig ^) ausgeführt, das Haupthinderniss für die Heilung der
Blasenscheidenfistel nicht in der Harnbenetzung , auch nicht
in der Spannung, sondern in der Nahlzerrung zu suchen sei.
Indem somit in diesen Fällen der Urachus wie ein Ventil
offen bleibt, verstellt es sich von selbst, dass man mit der
Operation nicht, wie verlangt, auf eine Harnansariimiung in
der Blase warten kann , da ja der menschliche Nabel keinen
Sphinkter hat, der Harn also ständig abflie>sst.
Es ist das nicht die einzige Möglichkeit der Lebens-
erhaltung bei der Harnröhrenatresie. In einem Falle von
Rublach und einem von Oberteuf er war muthmasslich die
Verbindung der Blase mit dem Mastdarm olfen geblieben
(eine Alresia urethrac analis!). In einem Falle von Blasius
mündeten bei einem erwachsenen Manne mit Defect der ganzen
1) „Die Operation der Blasenscht'idenfigtel. Loc. cit. p. 97.
fQr Qeburtshülfe in Berlin.
446
Blase beide Haroleiter vereint im Nabel. Häufig wird das
Scbeidenstuck bei voller Eiitwickeljung am Ende plaUen^
und der Fötus kommt lebend, aber als üypospade, zur
Welt.
Andererseits giebt es Fälle, wie den von Monro, bei
denen es trotz der Atresie der Harnröhre und Mangel eines
sonstigen Auswegs doch nicht zur Harnstauung in der Blase
kommen kann, Fälle, die uns deshalb interessiren, weil sie
ein Gegenstück zu dem mitgetheiiten Bildungsfehler sind.
Ich meine den angeborenen Verschluss der Harnleiter , ent-
standen dadurch, dass die Ausfuhrungsgänge der Primordial-
nieren bei ihrem Vordringen die ihnen entgegenkommende
Allantois verfehlt haben.
Diese Atresie der Harnleiter ist naturlich wegen der
consecutiven doppelseitigen angeborenen Hydronephrose ebenso
lethal für den Fötus, wie die Blasenharnstauung; falls die Atre*
sie nicht etwa unvollständig ist, wie bei Bayerns Kranken,
der im 15. Jahre starb, oder einseitig, wie denn das Mäd-
chen bei Glass bis zum 23. Jahre und das Kind bei BiUard
bis zum zweiten Monat lebten.
Dieselbe W^irkung wie die Atresie der Hanileiter kaiui
endHch auch der Defect beider Niereu haben, wie in dem
Fall von Alms, endlich auch die^sonst zuweilen allein vor-
vorkommende cystöse Entartung derselben, wenn sie ausge-
dehnt. Nur ihr verdankt die Frucht bei Merriman und
zum Theil woiil auch die von Moreau, die glückliche Ent«
bindung, indem dabei die Harnstauung keinen so ausser-
ordentlichen Umfang erreichen konnte, als in den anderen
Fällen, andererseits aber auch ihren sofortigen Tod wenige
Stunden nach der Entbindung.
Jedenfalls schliessen also auch diese Leiden die Lebens-
nihigkeit aus, um so m^hr, da sich bei ihnen ziemlich regel-
mässig bedeutende Ergüsse in andere Organe (Hydrocepha-
lus, Ascites) finden, welche für das Ausbleiben der Nieren-
thätigkeit compeusa torisch zu wirken scheinen, und ganz ana-
loge Geburtshindernisse verursachen. (Fall von Alms.)
Es ergiebt sich so aus diesem Ueberblicke, dass die
Harnverhaltung beim Fötus, welche durch einen angeborenen
Verschluss der Hai'n^ege verursacht wird, stets zum Tode
44€
XXXII. Verhnndlnngen der Oesellschaft
vor oder doch während der Entbindung föhrt, und nur die
Fälle von angeborener Alrcsie ins Leben treten, wolclie eine
vontilartige Vorrichtung sich mitbringen, der Art, dass sie
»tatt an Harnverhaltung wie bei allen Blasenfisteln an stetem
fiarnabfluss leiden.
Dies mag der Grund sein, weshalb überhaupt eine Harn-
verhaltung bei Neugebornen so sehr seilen vorkommt, wenig-
stens eine dauernde. Eine vonlbergehende kommt wohl häu-
figer vor, wenn auch sie nicht sehr bekannt zu sein scheint.
Wenn ich mir aus der Erinnerung einen Ueberschlag
machen darf, so möchte ich annehmen, dass mir in Betha-
nien jährlich etwa vier mal Neugeborne, welche durch ihre
Unruhe, die Empfindlichkeit des Unterleibes, die fidilbare Auf-
ireibung der Blase ihr Leiden verriethen, gebracht wurden.
Auf Befragen ergab sich oft erst, dass sie am dritten Tage
noch keinen Harn gelassen. Sonst kann man in solchen
Fällen die Ursache in angeborener Phimose , *) Vorhauthyper-
trophie, abnorme Lage ihrer Oeflhung durch sofortige Behe-
bung des Leidens nach einem Einschnitte nachweisen; in die-
sen musste der Grund ein anderer sein. Katheterisirte man
sie, so hatte man nicht mehr Schwierigkeit, als der Wider-
stand des kleinen Geschö|)fes erwarten Hess. Blut kam nicht
und das Harnen ging später allein; nur eines Falles entsinne
ich mich, wo ich Chloroform beim ersten Katheterisiren nöthig
halte und der Katbeter am Abend noch einmal erforderlich
war. Die Kinder waren dabei wohl und zeigten auch im
Harn nichts Auffallendes. Alles das spricht für eine rein
iunctionelle Störung, die aHerdings, da die Kinder schon so
1) Unterlägst man diese Operation, so wachsen mit dem Al-
ter die Folgen der Retention. Schon Howahip hat 1822 einen
Mann von 32 Jahren nicht bloss von seinen Harnbeschwerden,
sondern auch von dem Harngries, der ihn secundär die letzten
15 Jahre plagte, dadurch befreit. Man findet die Krankenge-
schichte in seinem Treatise on the complaints that affect the se-
cretion and excretion of the urine (London 1823), p. 411. 649.
Oase 91. Ich selbst habe erlebt, dass ein comAtöser Arbeiter,
den ein Arzt (nicht sein erster) als am Typhus krank ins Spital
geschickt hatte, dadurch von seiner colossalen Betention, bald
von seinem Coma , und wie sich ergab, von seinen angeborenen
Harnbeschwerden befreit wurdö.
fBr Gebnrtshtllfe in Berlin.
447
warme Bader bekommen, aufTallend ist, sich jedoch wohl
leicht mit den grossen Umwälzungen in den ersten Lebens-
tagen in Beziehung bringen lässt. Ein etwaiges Vorhanden-
sein häutiger Membranen wäre dem Gefühle sichi^r nicht ent-
gangen und scheint mir ebensowenig mit der Entwickelungs-
geschichte vereinbar, als die Existenz einer carnösen Harn-
röhrenatresie bei lebendem Ncugebornen , ohne angeborenes
Sicherheitsventil. Als solches ergaben sich die ursprüngliche
Verbindung mit dem Darm (eine Atresia urethrae analis), die
Hypospadie bei Alresie der Harnröhre in der Eichel, ein Fall,
bei dem noch jungst jene übersehen worden ist, vor allem
die angeborene Urachusfislel.
Ohne ein Ventil der Art, möchte ich den Schluss nach
eigener und fremder Erfahrung wohl für berechtigt halten,
kann die Harnverhaltung beim Neugebornen stets nur func-
tionel sein.
Anhang. Nachweis der Belegstücke.
I. Fälle von Harnröhrenverschluss ohne Harn-
stauung.
1. Cabrol operirte im Jahre 1550 in Beaucaire ein Dienst-
mädchen, welches eine Atresia urethrae von Jugend auf
hatte und wegen beständigen Harnausflusses aus einer
vier Finger langen hahnenkanmiartigen Wucherung am
Nabel einen furchtbaren Geruch verbreitete, durch Per-
foration und Ligatur jener Wucherung in zwölf Tagen.
Seine naive Mitlheilung im Alphabet anatomique. Obs. 20,
findet sich wörtlich abgedruckt in Boyer: Traile des mala-
dies chinirgicales. Tome VII. p. 540.' Paris 1821. und in
Richenand's Nosographie. T. IV. 339.
2. Blasius : (Observ. med. pars IV. Obs. 6. p. 52.) Man-
gel der Harnblase bei einem Manne. Beide Harnleiter
mündeten vereint im Nabel.
3) Alms {Rudolph€s schwedische Annalen der Medizin
und Naturgeschichte, Berlin und Stralsund bei Lange,
1800. I. 115.), Fehlen des Penis, der Hoden im Sacke
und der Nieren. . Blase cytindrisch ohne Ausgang. Hy-
448 XXXII. Verhandlungpca der Oeiiellscbaft
drocephalus von 22 Zoll Unrifang, machte die PuDctbn
in Utero nach vergeblichem Versuche der Zangenanlegung
und Exlraction nach Wendung nöthig. Serum in den
Pleuren.
4. Alex. Monro (Description of a human male monster
in Transact. of Ihe royal Society of Edinb. T. IH.
P. 1. p. 216) 1794.
Das Mittelstfick der Harnröhre fehlt ein Zoll von der
Mündung in die Eichel bis eine Linie von der Mündung in die
Blase, dabei Atresia ani vesicalis und offener Urachus. (Ausser-
dem fehlten Kopf, Arme, Herz, Lungen, 18 Rippen, Magen
und Speiseröhre, Loher, Milz, Netz, Kniescheiben, der Unke
Hode. Es waren nur sechs Wirbel da, und die Harnleiter
waren ohne Zusammenhang mit der Blase. Placenta und
rothes Blut in den Gelassen waren vorhanden.
5. Ein etwa 1^2 Fuss langer Fötus ohne äussere und
mittlere Geschlechtstheile , ohne After, mit Üefect am
linken Unterschenkel ^ Synechien der Augenlider, 11
Finger und Spina bifida befmdet sich im Berliner ana-
tomischen Museum, hei dem das pralle Colon in eine
spindelförmige Blase eng einmündet: Andererseits endet
sie blind im Nabelstrang. Harnleiter und Harnröhre
fehlen. Nieren vorhanden. In der Bauchhöhle des alten
Spirituspräparats viel Concretionen.
6. Mädchen von ungefähr 20 Jahr mit Blasenspalte ohne
Urethra aus der chirurgischen Klinik in Göttingen, ab-
gebildet von August Förster, (Die Missbildungen des
Menschen. 4 1861. Jena, Mauke. Taf. 22. Fig. 4.
7. Otto (Monstr. sexcent. descript. anatomica. Vratislav.
1841. Taf. 11.)
Blinde Höhle ^ an Stelle der Vulva bei einem acht-
monatlichen Fötus. Darm und Uterus didelphy^ mun-
den in die Blase.
Urachus offen am unteren Ende > eines enormen
Nabelschnurbruchs, an dem die Placenta unmittelbar
aufsitzt.
Dieser Fall, so wie der von mir beobachtete Fall von
UrachusTistel bei noch bestehender und unterbundener Nabel-
schnur sprechen dafür, dass schon im Uterus bei Verschluss
fiir Gebartshulfe in Berlin.
449
der Harnröhre der Harn unmittelbar aus der NabelöfTnung
der ßauchdecken fliesst, nicht etwa der Urachus spater irgendwo
in der ^Nabelschnur oder der Placenta enden.
8. Ruhlach {Ru8t\ Magazin für die gesamnite Heilkunde.
Bd. XVHI. p. 290).
Abgang von Urin durch den After eines Neugeborenen.
9. Oberteuf er (Merkwürdige Beobachtungen aus der prakt.
Geburtshult'e und den Weiberkrankheiten in Starks
neues Archiv für Geburtshülfe , Frauenzimmer- und
Kinderkrankheiten. Jena 1801. Bd. H. p. 643. Fall 8,)
sah bei einem Jungen mit ganz rudimentärem Penis selbst
wie der Harn durcli den Mastdarm entleert wurde. Ander-
weitig Hess er keinen Tropfen.
Am 17. Tage starb der Junge in vier Stunden an Con-
Tulsionen.
10. Derselbe wurde von seinem Vater mit einer Dame be-
kannt gemacht, die 42 Jahr lang lebte und aHen Harn
von Geburt an^ nur durch den Nabel entleerte, vor dem
sie mittels Bandage einen Schwamin trug.
Zwei Jahre vor ihrem Tode sah er die Fistel tederkiel-
dick. Die Scheide und Menstruation waren normal; es fehlte
die Harnröhre, (ibid. Fall 9.)
11. und 12. Meckel. (Handbuch der pathologischen Ana-
tomie. Leipzig 1802. Theil 1. p. 754.)
1) Embryo ohne Harnblase, bei dem Harnleiter und
Tuben in die Nabelschnur münden.
2) Embryo mit Scheide , ohne Harnblase, niit Mündung
unter dem Nabel.
13. Bonnett j Wundarzt in Lanteglass Com Wallis. (Beob-
achtung von Huxham u. Oliver in Philosoph. Iransacl.
Vol. 32. forthe years 1722—23. No. 379. p. 408— 18.)
Atresia urethrae. Fungöse ürachusfistel hühnoreigross,
drei Finger lang, oberhalb des knorpligen Schambogens, ent-
leert in zahlreichen haarfeinen Strahlen den Urin, wenn man
bei der Reposition des Uterusvorfalles die Blase damit in
die Höhe staut. Unter dem Bogen eine drei Zoll lange klaf-
fende Scheide, in deren Höhe man nach der Reposition eine
Nastdarmscbeidenfistel sah, die erst bei der Entbindung ent-
Monauaobr. f.Qeburtok. 1865. Bd. XXV., Hft. 6.
29
450 XXXII. Verhandlungren 4er Gesellflchaft
standen war, drei Zoll oberhalb des Afters. In der Selieide
keine Andeutung einer Urethra oder Cliloris.
Der Vorfall war erst nach der Entbindung entstanden,
die äusserst schwer war. Vordem hatten zwei Oeflhnngen
existirt, deren obere zwei Finger unter der Harnfistel gelegen
war, zwei Finger olierhalb der unleren; beide einem kleinen
Finger nicht zuganglich. Die untere war blind; durch die
obere entleerten sich die Regeln und der Coilus hatte durch
dieselbe stattgefunden.
Eine Erweiterung trat nicht bei der Geburt ein, nur
klalTte der Aflei* weit. Zuletzt trat Collapsus und K-rämpfe
ein. Da machte Bonnett einen Schnitt diu*ch den Damm, der
di»^ Vagina mit dem ßlindsack vereinte, worauf die Extraclion
leicht.
Es gehl nicht hervor, ob die Mastdarmfistel durcli die
Geburtsarbeit oder das Messer entstanden ist.
14. Thomas Bartholinus 1654. (Hislor. anatom. raiior.
Cent. I. Hist. 65. Amstelodami 1654.)
Der berüchtigte Kothbreclier (Vir sine pene et podire)
gab den Harn durcli eine fungöse Nabelfistel von sich.
15. Ruysch 1672. {Van Roonhauaen: Geneeskunstige
Anmerkingen 1672. p. 66.)
erwähnt eines Cryplorchen, bei dem üreteres dilatati urinas
non in vesicam (quae omnino desiderabatur) sedad umbilicum
duxerunt und dasselbe in einem zweiten Falle, wo Blase und
Penis fehlte.
17. Cornelius Stalpaart van der Wiel (Observ. rar.
med.'anat. chirur. Cent. II. P. I. Obs. 32. Lugd. Batav.
1687 p. 327.)
*/4Jähriger Junge mit imperforirtem Penis und ducaten-
grosser Urachusfistel, angeblich ohne Nabelschnur geboren.
18. Nathanael Highmore. (Corporis humani disquisit.
anatom. Hagae Comit. 1651. Lib. 1. Ps. IV. Cap. VII.
p. 115.)
Ein 10 jähriges Kind in Oxford, an dem kein Geschlechts-
theil, keine OetTnung für den Harn unterschieden werden
konnte, sondern vor dem After alles glatt war, hatte dicht
unter dem Nabel eine zwei Finger breite Blasenöffnung. Dar-
unter schwoll die Blasengegend oft an, wonach es dann zur
für Qebnrtflhülfe in Uerlin.
451
Cnlkening der Hamansaoimlung genöüiigt war den Unter-
leib gegen einen vorspringenden Stein auszudrucken. Etw9$
Harn tröpfelle stets so oben beraus.
19. [Andreas Laurentius. (Histor. anat. corp. huniani.
Fol. 160(). Lib. 8. Quaest. 17.):
,,(]uni audirem recens in lucem edito male vinctum um-
bilicum numquam coaluisse, exbinrque semper*nonniliil
stillasse, censui nondum inaruisse uracbum et nunc,
illi perinde atque dum utero geslaretur urinam e ve-
sica in umbilicum refluere.**]
20. Dictionnaire raisonne d*Anatomie et de Pbysiologie.
Paris 1766.
Ein Einsiedler, dessen kurzer Penis die cavernösen Kör-
per liatte, vorlur aus einer fungösen Gescliwulst am Nabel
d(*n Harn. Eine Harm'Obre feblte ihm.
? [Johannes Fernelius, (Patbologia lib. VI. cap. 13. in
Opera medicinalia Venetiis apud Borgominerium 1565.
4. p. 381.)
bericbtet nacli Hörensagen von einer Uracbuslistel , indem er
sicfi wörtlich der oben von Laurentius gebrauchten Worte be-
dient, so dass beide wohl nur denselben Fall im Auge haben,
ohne jedoch ihre gemeinsame Quelle anzugeben.]
21. Pitha (Krankheiten der, männlichen Geschlechtsorgane.
Erlangen 1864. p. 82.)
sah einmal „den offen gebliebenen Urachus die Stelle der im-
perforirten Harnröhre vertreten*'.
? [Cheselden hat es vom Hörensagen , dass ein Kind Harn
aus <iem Nabel verloren, dem die äusseren Geschlechts-
Iheile fehlten. {Sabatier: Trait«^ d'anatomie. Paris.
2. Bd. 1781. Tom. HI. p. 473.)]
22. Reechus: Rar. med. thesaur. Faher ad Hernandez
in histor. Mexicana. Romae 1651. Fol. p. 546.
Im Bamberger Spital starb am 15. Tage ein Kind ohne
Blase (Anus clausus), dessen Clitoris von zwei Tumoren um-
geben war (Tumores sulTusos), die das prolabirte Colon mit
den beiden Harnleitern darstellte, wie Faber an der Leiche
bei der auch sonst bemerkenswerthen Sectiön fand.
23. Dr. Starr (Northamptonshire 1844: Lond. medic. Ga-
zette. Jan. p. 484.)
2ü*
4.")()
Äldcfien, dessen von Gebui
Sonde durcbJiess, vergeblicl
t^imri^ftrenverschiuss mit Harn
f^.4(W|« resicae urinariae congenitus).
ro71 (cf. La pratique des accouchementi
. *«t . M iprmid iwmbre d'observations. Paris 1685
^.v ^^r^mkl von Depaul in Gaz. hebdomad
^ uißf deiue blinde Delle am UnterJeib; sonst keine
und äusseren Genitalien. Harnröhre und
•^ 'xa
ito^t» euUiäit einen Schoppen klarer Flüssigkeit, ist sehr
te ly/) und enthält sanda/üge Steinchen in ihrer
ML An der Röckseite mündet das pralle Rectum
i*u üKT (einen Oeffnung hinein.
ttsHiik^iler normal, Nieren gelappt.
IN dei- £nü)induug einer seit drei Wociien an den Bei-
.*•« byOropiscIien Mehrgebärenden wurde dem Tmoiialiichen
^oute^ erst der Kopf und Arm abgerissen, dann nn't ehiem
>ctoiWi Haken 5 Finten Wasser aus der ßauchfellhöhle
tHidievrt VVocJirubett leicht,
t Merriman 1810. Section von Howahip (cf. Howship:
A pracOcal Treaüse on Symptoms etc. of tlie most im-
porlanl complaints, that affect Üie secretion and excre-
üon of the urine. London 1823. p. 375. 646.).
Kicbelstück V« Zoll lang, Septum »/^ Zoll dick.
Blase eiUhielt 8 Unzen, verdickt. Uretei-en fingerdick
liiid gewunden. Statt der Nieren Haufen erbsengrosser Hy-
ilaliA^ die mit Bhidegewebe verbunden sind. Atresia ani.
Dw inäimlidie Kind kam lebend im achten Monate zur
(Wt slarl» jilier denselben Al>end noch.
H, (?) I^^imott: Petersburg (ibid. 647. p. 367 nach mönd-
Mi^ Mittheilung).
liii(MNftMniitio urethrae.
OtbutM wsicae et uretenim.
1^ ««i$^gflr«g^ne Kind sollte nach 48 Stunden (?) ge-
für Geburtobülfe in Berlin.
453
4. M. Brodü (ibid. 648. p. 376).
Die äussere Oeffhung der Harnröhre bei einem fast aus-
getragenen männlichen Fötus soll gefehlt, massige Ausdeh-
nung der Blase und ^rke der Harnleiter und Nierenbecken
die Folge gewesen sein. Brande fand im Inhalte keitio
Harnsäure.
5. Delpeche (Section von Bülard, cf. B. Traite des nia-
ladies des nouveau*nes. I. ediL p. 436.) 1826.
Todtgeborenes , anscheinend rechtzeitiges Kind, dessen
Gichßlstuck ' der Harnröhre Vs Zoll offen war, von dem blin-
den Ende verlor sich eine fadenartige Fortsetzung im Damm.
Oritic. urethr. internum fehlt. Cryptorchismus. Defectus ani.
Dilatation der Blase, an der oben hinten zwisdien den
Samenblasen das Rectum blind endet, während die erweiter-
ten Harnleiter vorn und seitlich einmünden, mit beiderseitiger
huhnereigrosser Hydronephrose. llrachus klein, oblilerirl.
6. Moreau 1828. (Archives generales de medecine. T. 17.
p. 299. 1828: Maladie de Tappareil urinaire chez un
foelus.)
Ein Mädciien, das drei Wochen zu früh geboren, 30
Stunden nach der Entbindung starb, zeigte eine rothgetüpfelte
Blase, die. bis über den Nabel hinaufging, Harnleiter von der
Stärke eines kleinen Fingers, and cystöse Entartung beider
Nieren. Dabei Ascites (ein Litre).
Das schlanke Kind kam von selbst, nachdem beim Riss
der Eihäute der übrigens gesunden und jungen Mutter, einer
Viertgebärenden, circa acht Finten Fruchtwasser abgeflossen
waren.
7. Charles Cade (The Lancet. H. p. 178. London 1835.
Vol. 28.) in Derby.
Harnröhre bis zur Pars membranacea olfen. Zugleich
Defectus recti und Zurückbleiben des rechten Unterschenkels
in der Entwickelung.
Dilatation der Blase und Harnleiter, Hydronephrose.
Die Mutter wird nach mehrtägigem Kreissen im 7. oder
8. Monate nach Amputation des Kopfes und beider Arme
und Eröffnung der Brusthöhle durch Function entbunden.
Die Blase war 3 bis 4 Linien dick und hielt 2 Quart.
Kopf und Nabelschnur hatten vorgelegen.
454
XXX II. Verhandlnngen der Ge86ll8chatt
8. Duparque 1840. (Aiinales d*ol»8l«lric|ue des maladies
des femmt^s et des enl'arits. Gas. hebdotnad. 1860.
p. 376.)
Harnröhre von aussen bis unniiUelbar an die Blase ofTeti;
Dilalatian der Harnleiter und Blase, die vom bis zum Nabel
mit den Baucbdecken verwachsen.
Hydrone|ihrüsis duplex. Uradnis geschlossen.
Sehr schwere Exlraclion des achtmonatlichen Fötus, der
mit dem Kopf allein kam.
9. DelborteVj Prosector in Lnttich. (Arcliives de la me-
decine beige, mai 1842. p. 10; Gaz. Iiebdomadaire 1860.
p. 347.)
Defectus ani. Der Penis entliält einen fünf Cent langen
Kanal, der am Schambogen blind endet, und durch ein schma-
les Septum getrennt ist vom innern Harnröhrenstücke.
Blase ausgedehnt, mit Trabekeln bis 1^/2 Cent dick.
L)iis Rectum mündet mit einer feinen Ocflnung hinein. Rech-
ter Harnleiter und rechtes Nierenbecken erweitert. Linke
Niere atroph, rechte sehr vergrösscrt
Die Mutler, eine Fünft^bärende, wurde glücklich enl-
bunden von diesem achtmonatlichen Fötus, nachdem seine
Haut zerrissen und beide ünterscheDkelknochen zerbrochen
waren, dann durch einen Lanceltstich in die Leiste sein Asci-
tes war entleert worden.
10. Gaudon in Leidanc. 1846. (Bulletins de la societe
anatomique. April 1846. p. 103. Gaz. hebdom. 1860;
p. 371.)
Dilatation der Blase bis zu zwei Litre. Blasenhals endet
trichterförmig frei ^) mit wohlgebildeter Harnröhre.- Harnleiter
erweitert
Fötus wurde schwer im 7. Monate bei einer Mehrge-
barenden durch Eingehen mit der Hand entwickelt
11. Depatd in Paris 1848. (Gaz. hebdomad. VH. 20— 23.
1860. p. 324, 342, 371.)
Eine penisartige Vorragung mit grosser Voriiant (2 Cnt
laug, 8 Millim. dick) ist perforirt bis zur Pars membranacea.
Das innere Harnröhrenstück ist von der Blase ab nur
1) Frn glich nach DepauL
für Gebnrtshiilfe in Berlin. 455
1 Cni. durchgängig, und endet dann blind. Scrotuni fehlt.
Atresia ani vesicalis.
Die Mündung- in die ßlase des verengerten Darnicndes
iäl SU eng, dass sich nur mühsam Luft durchblasen, kein
Kindspech durchdrucken lässt.
Dilatation der Blase, die bis zum Nabel mit der vordem
Baiichwand verwachsen ist.
INieren normal, Harnleiter an beiden Enden dilatirt, mun-
den oben in die Blase. Ascites, Oedeni der Bauchdecken.
Hollen auf der Rückseite der Blase. Vasa deferentia enden
blind ohne Samenblasen. Urachus, ein feiner offener Kanal,
endet blind im Zellgewebe.
Bauchwandungen durch Geifern bis zu 3 Cnt. dick mit
Eindruck, in denen die abgeplatteten Füsse lagen.
Die Mutter wird nach zwei normalen Entbindungen im
28. Jahre davon im 7. Monate entbunden. Schulterlage.
Wendung auf den Kopf. Dann Abreissen der Kopfes in Folge
Zen*eissung der Wirbelsäule zwischen dem 4. und 5. Hals-
wirbel, Abreissen des einen Armes. von der Hebamme; des
anderen, der Wirbel, Rippen, Herz und Lunge von einem
Arzte.
Wochenbett ohne Störung.
12. Moreau (Bull, de TAcad. d. scienc. H. 21. Aoül 1852.)
in Paris.
Das Eichelstücli der Harnröhre ist 3 Millim. lang, eine
Blasenmündung fehlt. Zugleich Defectus recti.
Dilatation d«r Blase, Vergrösserung der rechten Niere
und des rechten Harnleiters. Ascites.
Die "Mutter wird im 7. Monate von dem ersten Zwillinge
mit der Zange entbunden; dieser zweite lasst sich nicht ent-
wickeln, ehe nicht 1 Litre aus dem Leibe, 1 aus der Blase
entleert, wozu die ELind dreimal eingeführt wird. Alter und
Belfnden' der Wöchnerin nicht bemerkt.
13. M. B. Freund. 1860. (Klinisclie Beiträge zur Gynae-
kologie von Betachler u. Freund. Breslau, bei Morgen-
slern. H. Heft. p. 240. 1864.)
Bestireudes Septuro 2 Cnt. lang, davor der Penis 4 Cnl.
lang durchbohrt Blaseuslück 3 Millim. lang. Penis 1 Cnt.
4b6 XXXII. VerbaDdlnaffen der OeselUchaft
von der Wurzel zu % seines Umfangs 2 Millioou breit narbig
eingeschnürt und davor ödematös und gewunden. Cryptor-
ehismus. Oedeni des Scrolums.
Dilatation der Blase (157 Cnl. Fassend), jedes Ureters
(218 und 76 Cnt.).
Geringer Ascites. Hydrops renum cysticus.
Sehr schwere Extraclion bei einer 3. gebarenden Fra«
von 30 Jahren im 7. Monate der SchwangerschafL
14. Hecker, 1861. (Klinik der Geburiskuiide von Hecker
und Buhl. Leipzig, Engehuann.» 1861. p. 122.
Restirendes Septuui entfernt von der Blasenmündung und
4 Cnt. von der OelFnung im Penis. Cryptorchismus. Atresia
aoi vesicalis. Nabelschnurbruch. Vernarbter, nur mit fiauch-
Tell bedeckter Riss in den ßauciidecken.
Dilatation der Blase ohne Ascites.
Die 30jähnge Multer endete diese ihre fünfte Scbwan-
l^erscbaft im Anfange des ' achten MonaU?. Pulsloser Nabel-
scbnurvorfall neben dem Kopfe, der nach Zangenapplicatioo
abriss. Leichte Geburt, nachdem ß — 8 Pfund Wasser durch
doppelte Durchbohrung der Bauchdecken und der Blase ejitleert.
Die Wöchnerin überstand eine Reihe Schüttelfröste.
15. Jany, 1862. (Klinische Beiträge zur Gynaekologie von
Betschier, W. A. und M. B. Freund. IL p. 244.)
Eichelstnck der Harnröhre 1 Cnt. lief durchgängig, ebenso
der Anfang des Blasenstücks. Cryptorcbisnms.
Dilatation der Blase und der Harnleiter nn't Ascites, Hy-
drops ventriculorum cerebri, Oedem der Beine, des Hoden-
sacks und der Vorhaul.
Schwere Extraclion bei einer Drittgebärenden von 28 Jah-
ren im 7. Monate mit Zerreissung der Nabelschnur.
Die Blase enthielt 115 Cubikcent. und Harnstoff nach
Lothar Meyer, die Bauchhöhle 900 Cubikcent.
ML Fälle von angeborener Atresie der Harnleiter.
1. Bonet. (Sepulcrelum. T. H. p. 290. Lib. 3. Set. 17.)
Todgebornes Kind mit Hydronephrosis dexlra durch Atre-
sie des rechten Harnleiters.
2. Billard. (Traite des maladies des nouveaunes. Paris,
p. 934.)
ffir Gebarlshürre in Kerlin. 457
■#
Hydrops renalis sioister durch fadenaitige Ausziehung
und Atresie des linken Harnleiters. Hydrops canalis spinalis
et cerebraJis. Tod nach 30 Tagen.
3. GloBs, (Phil. Transaclions. V. 44. u. 482. p. 337.)
Tod eines 23jähr. Mädchens an Hydrops renalis d^xler,
der scbon bei der Geburl dagewesen und bis zum Umfang
von 30 Galionen gewacitsen war. Die Mutter war in der
Schwangerschaft hydropisch gewesen, (cf. Treatise of llie
mos| important complains, that affecl the secretion of urine
by Howship. London- 1823. 59. p. 33.)
4. Bayer, (Traile des maladies des reins. Paris 1841.
T. Hl. p. 495.)
Tod eines Jungen von 17 Jahren an Hydronephrosis du-
plex in Folge congenitaler Stenose des linken und conge-
nitaler Klappenstrictur des rechten Harnleiters.
5. Friederici. (Monstr. hum. rariss. Lips. 1737. p. 13.)
Defectus ureterum. Blase und Nieren da.
rv. Fälle von wahren Urachusfisteln (congenitalen),
bei denen über das Verhalten der Harnröhre unmittelbar nach
der Geburt nichts Besonderes bemerkt ist.
1. Boyer. (Traite des maladies chirurgicales. Tom. VII.
541. 1821. Paris.)
Bei einem steinkranken Jungen von 18 Jahren zeigte
die Section den Urachus vier Querflnger breit offen.
2. Paget (Med. chir. Transaclions. V. 33. u. 44.)
1) Ein Mann mit 2— 3 Finger weitem Urachus hat um
ein Schamhaar im 40. Jahre einen Stein bekommen. Harn-
röhre jetzt wegsam. Urachus, von Geburt offen, ist später
im 55. Jahre operativ geheilt.
2) Kind mit bieistiftdicker Urachusfislel geheilt.
3. Froriep. (Mein, de l'academie de medecine. Paris 1838.
T. 7. p. 608.)
Knabe von drei Wochen zeigte einen 20 Sousslück gros-
sen offenen Harnstrang und durchgängige Harnröhre bei der
Section mit fnversio vesicae per urachum congenita. Der
Dr. Gusserou halte ihn erst einige Tage nach der Geburt
bei gelieiltem Nabel gesehen, wo das Loch 100 Sousslück
gross gewesen war.
458 XXXII. Verhan'llungen der Ge$«llftch«ft %
4. A, F,örster, (MissbiJdungen des Menschen. Jwa 1861.
Taf. 22. Fig. 8. ii. 9. aus der Würzbiirgei* Sanimluiig.)
Fasl ausgelragene Frucht mit Aliesia ani el vulvae. Sehr
weitem Urachus.
5. Lütre (Mein, de raeadeni. niyale de Sciences 1701.
Paris 1743. p. 1)0.)
theiile am 6. April 1701 einen Fall mit von einem Fötus,
der im 8. Monate im Mutterleihe gestorJ)en war und drei Ei-
häute zeigte, die sich leicht von einander ahsli^eifen, ja ab-
blasen liesseil. Die mittelste (Allantois) war dunner als das
Amnion und davon durch eine halbe Unze einer gelben schlei-
migen Flüssigkeit getrennt, die er fiir Reste des ersten Harns
hielt. Sie enthielt keine Gefasse und erstreckte sich um das
Ei bis zur IMacenta. Von dem Chorion, das gleiche Dicke
hatte, war sie nicht durch eine Flüssigkeit getrennt.
Später sali er bei normalen Früchten noch einige Male
die Allantoide.
Er kannte einen 30jährigen Mann, der (fast) allen Harn
«lurch den Nabel entleerte, seit der (ieburl.
Einen Knaben endlich von 12 Jahren obducirte er, der
von Geburt (fast) allen Harn durch den Nabel entleerte, und
einen Verschluss des Rlasenhalses durch einen Fungus hatte.
6. Ph. V. Walter, (Einige Krankheiten der Nieren und
Harnblase. Berlin 1800.)
Das getrocknete Präparat von den Harnwegen eines Er-
wachsenen mit fingerstarkem Harnstrange ist im Berliner ana-
tomischen Museum aufgestellt.
7. Briaut (Medical Times and Gaz. 1862. V. 1. p. 456.)
Ein Knabe von acht Jahren mit offenem Harnstrange.
Endlich gehören hierhin alle Fälle mit vollständiger und
unvollständiger, einfacher oder complicirtcr^ aber stets abge-
rundeter') Blasenspalte, die, wie sich denn alle üebergänge
zur einfachen mehr weniger weiten Harnstraii|:listel finden,
ihre Existenz in der Regel einem Stillstehen in der ersten
Harnexcretionsperiodc des Fötus (in Folge etwelchen llinder-
1) »»L'^T^ct de fente qne U poche nrinairc dcvnit prcKcnter
nVxinte jnmais," «ind Velpeau^s Worte ip meinem Rnpport Hur un
eas d'exstrophie cong^enitate de vesKie in Mcinoires de PAcRdemie
royale de nirdecine. Paris. 1B3H. T. III. p. 90.
für Oeburtshülfe in KorJhi.
469
niftses für das Zustaudekomiiien df;r spätereii £xc;r«tioii inil-
lels der Genitalien) verdanken wird, und ihrerseits die Aus-
bildung der Bauchwandung verhindert. Dafür spricht die stets
begleitende Dilatation der Harnleiter bei ßlasenspalle. A\\*i
Falle von ßauchspalte mit ßiasetrspalte sind niclit schlechthin ^
Hennnungsbikluiigen , sondern ein Stillstand auf dem Zustand
der ersten Periode, da sich ^a die Blase nicht erst wie die
Bauchwandungen ahschliesst, sondern der Urachus von vorn
herein an dieser Seite abgeschlossen ist. Das Klafl'en der
Spalte braucht nicht erst durch ein Platzen der Allantois ')
zu entstehen, sondern kann dadurch zu Stande kommen, dass
sich der Rest derselben mit der Nabelschnur abstösst, gerade
wie dann bei persistentem Ductus omphalomesentericus eine
(oder durch Prolaps auch zwei) Kothristeln im Nabel zu
Stande kommen, wobei ich wenigstens einige Tage nach der
Geburt keine Spur, keinen Rest eines Nabelschnurbruchs
wahrzunehmen im Stande war, dnn mit der Ligatur abgebun>
1) Man würde dnTin Narben von den zeitlichen AasIKofcin
des Risfies »eben , wie bei dem FaU von Hecker eine Narbe in
den Bauchdecken zu »eben war. Velpeau will sie zwar oft ge-
sehen haben, and gründet darauf seine Theorie der ßlasenspalte
durch gewaltsame Zerreissung des Fruchtleibes, die schon früher
von A.Roose (de nativo vesicae urinariae prolapsu. Göttiog 1793.)
aufgestellt. Allein die meisten Beobachter, die Erfahrung spricht
dagegen. '
Wenn er andererseits gegen Dnncans Ansicht, ,,die Blasen-
spalte entstehe durch ein Hinderniss der Harnexcretioii** anführt
hauptsächlich: ,,L''ex8trophie de vessie est presque toujours con-
g<^nitale , quoique pendant la vie intra-utcrine le foetus n*ait
point d*urine k rendre*^, so haben die vorhergehenden Blätter
hinreichend die Nichtigkeit dieser Behauptung erörtert. FiS möchte
demnach Duncan^s Ansicht nicht so „unhaltbar und bizarre^' sein,
als es Velpeau damals schien.
Die Blasenspalte ist nur quantitativ (abhängig von der Zeit)
unterschieden von der Harnstrangfistel. Sie ist dushalb eben-
sowenig eine Hemmunrgsbildung, sondern ein Stillstand in der
ersten Ilarnexcretionsperiode, eine Hemmung der Rückbildung,
wenn man will, nichr der Anbildung, da ja die Blase nicht, wie
die B.MUchdecken, aus zwei Stücken zusammenwächst, sondern
sich nur aus der Allantois in die Bauchhöhle zurückzieht. Von
der Dünnbeit des Strangs in der Höhe der Bauchdecken und sei-
ner Answeitnng hängt die Grösse der Oeffoung nach Abfallen
der Nabelschnur ab.
460
XXXII. Verhandlangon der Gesettsohaft
den zu haben, die Hebamme in diesem FaJIe w^l fölscMieh
in Verdacht gekommen isl.
Darmepalte und Blasenspalte sind Niebls aJs weite Dot-
tergang- und Harnslrangfistehi, stellen ein Andauern der ersten
Ausscheidungsperiode der Frifcht dar, und werden beide durch
ein Hinderniss verui*saclit, welches sich für das Zustandekom-
men der endgültigen Ausscheidungswege in After und Harn-
röhre, theils im Ausbleiben der äusseren Hauteinstulpongeii
(Defectus recti, ani, uretbrae), tiieils im Verbleiben von Scheide-
wänden (Alresia) in der Regel nachweisen l^sst.
Die Existenz eines oflenen Urachus bei Harnröbrenatresie
setzt entweder das Vorhandensein einer hohlen Allan tois vor-
aus, wie sie nach Lütre auch beim Menschen nicht so selten
vorkommen soll, oder einer Ruptur des Urachus in die flöhle
des Amnion, wie sie in meinen Falle dicht an der Haut da-
gewesen zu sein scheint, da der Nabel bei fesler und unter-
bundener Nabelschnur nasste; in anderen Fällen auch ferner
vom Leibe des Embryo denkbar ist. Leider ist Lütre der
Einzige, welcher die Eitheile dabei zu studiren Gelegenheit
halte, so inleressanl die Frage auch für die Entwickelungs-
geschichte isl.
V. Zweifelhafte Fälle von Harnröbrenatresie.
1. Sabaiier: Lehrbuch für praktische Wundärzte., Tb. L
p. 377.
2. Streubel: in Schmidts Jahrbücher 95. p. 348.
3. Heroldt: in Joh, Chr, Starkes Archiv für die Geburts-
hulfe, Frauenzimmer u. neugeborner Kinderkrankheiten.
Bd. HL St, L p. 82. Jena 1791.
4. Ebert: lieber angeborene VerSchliessungen der Harn-
röhre bei Knaben in den Charileannalen IL 1851. 183.
Berlin, Enslin.
5. Zbörer: in der Wiener medicJnisclien Wochenscbriil.
1842. 23.
6. Hönerkopf in Seehausen im Journal für Kinderkrank-
heiten. 1856. 34.
7. Rauchfuss: in Verhandlungen der m<^dicinischon Ge-
sellscliaft in Petersburg, in der Petersburger inedictn.
Zeitschrift. Bd. U. 1862. p. 167.
für 6«bart8bülfe in Berlin.
461
S. MerkwArdige Beobachtungen am der praktischen Geburts-
höJfe und den Weiberkrankheiten von Oberteufer, in
Starkes neues Archiv filr GebuilshöJre. Bd. fl. p. 634.
Erklärung der Zeichnungen, die in nnttlrlicher
Grösse.
Fig. I. stellt den von unten gesehenen Fetus bei ge-
spreizten Beinen dar. Das rechte ist exarticulirt , das linke
(p) etwas gebogen in Folge der Lösung der unteren Ober-
sehenkelepiphyse. An seinem oberen Ende nimmt man die
Hautruptur (Z) wahr. '
Zwischen beiden Beinen findet sich zwar die GefSssfalte,
jedoch ohne' jede Andeutung eines Afters oder einer After-
kerbe, sowie einer Ruthe.
Darüber nimmt man das wallnussgrosse Scrotum wahr,
welches auf seiner Höhe in einer Vertiefung die zwei ungleich
grossen kleinen Schamlippen trägt.
Fig. H. giebt eine Ansicht der Harnwege von vorn.
• Die Bauchdecken und die damit verwachsene hydropische
Blase sind längs und airsserdem die linke Hälfte der Blase
quer aufgeschnitten und auseinandergeklappt.
In der Mitt^ ungefähr sieht man die apfelsinengrosse
Tasche, an die hinten der rechte Harnleiter einmöndet, mit
ihren Divertikeln. Eine zweite wallnussgrosse findet sich links
oben als Endsack des linken. Sonst sieht man überall die
glatte Innenwand der dickwandigen Blase, die nur (bei e)
eine siecknadelkopfgrosse Kothdelle zeigte.
Gerade oberhalb derselben sieht man uimiittelbar den
Eingang in die beiden Eiergänge (Scheiden) airfgeschnitten
(f,f)' Die feine Scheidewand (jr) ist nach rechts umgelegt,
und dadurch besonders die linke Scheide aufgeklappt. Ur-
sprunglich ging die Scheidewand in Verbindung mit der Leiste
zwischen beiden Scheiden (/) unnnttelbar bis zur Kothdelle
(e) und ist nur soweit .durch das Herumzeigen und Sondiren
des Präparats aufgerissen.
Im Pi*äparat und der Zeichnung ist die untere Begren-
zung der Kothdelle durch den Blasengrund erhalten und die
Fortsetzung eines ^meinschafüichen Koth-, Harn- und Eier*
462 XXXII. Verhundliingeii der GeaeUschaft
ganges erst weiter unten eröffnet, wonach man sich denselben
bald zu einem triciiterförmigen Ende (c^) zuspitzen sieht
Die Fortsetzung fand sich nadi Abtragung des Scham-
bogens {h^ h Querscimitt der horizontalen, i, t der abstei-
genden Arste der Schambeine) in einer Oulenartig^n Auszie-
bung (in c), welche die Verbindung mit einem Kanal (a) im
Scrotum herstellt. Dieser endet blind in der rechten Scham-
lippe (a?), wahrend sich zwischen beiden ein zweiter Kanal
findet (b); derselbe (b) verläuft dicht an seinei* Seile durch
eine Scheidewand von einer Linie Stärke und vier Linien
Lange getrennt und blind unter einem stecknadelkopfgrossen
klitoFisartigen Körper endend.
Ausser den beiden weiten Harnleitertaschen sieht man
rechts int Bilde den Eingang in die grosse hornartige glatte
Harnstrangtasche, und noch mehr rechts aiaen breitbasigen
tlialerstuckgrossen Nabeischnurbruch , dessen Inhalt ausser
Ascitesflfissigkeit, die Spitze jenes mit Bauchfell, aber-
zogenen Hnrnslranghornes bildete. Trotz dieser starken Er-
weiterung des Ilarnstranges und der unmittelbaren Nälie der
Blase am untern Ende des Nabels findet sich doch die üra-
chusöfl'nnng im Nabel wie immer geschlossen.
Die einzige rechte Nabelarterie, eine directe Fortsetzung
der Aorta, siebt man bei Z, die Nabel vene bei k durch-
schimmern.
m ist der Längsschnitt in der Blase, n der Querschnitt
ihrer linken Hälfle.
o sind die Hautschnitte.
Fig. Hl. giebt eine Ansicht der Harnwege von hinten , so-
wie des Eier- und Kothgangs.
Der ganze grosse Harnraum ist vorn übergestfdpt und die
in seinem serösen Uehcrzuge, zumal jetzt, wo sie ganz colla-
birt, schwer findbaren Gänge, soweit ihre Lichtung es zu-
liess, aulgeschnitten.
So sieht man in der Mitte den weiten absteigenden
Grimmdarm (d) mit enger Oeffnung. in die rechte Scheide
(a) einmünden.
Man siebt beide Eiergänge jeden mit seinen drei Stöcken,
Trompete mit Franzen (c), Gebärmutter (b) und Scheide (a),
und neben der rechten Trompete, die sich nicht aufschueideo
ftlr QebnrtflhUlfe in Berlin.
4fi3
kässt, den Eit^rstock (t\ der altein über die FiSche des Baiicli-
felis eine Erhebung bihlete.
Beide? Handetter (/ n. r) sind, soweit es ging, aufge-
sebnilten und fast bis zu den Nieren (e) zu verfolgen; stark
gewunden und immer mehr sieh ausbaueliend, treten sie
schliesslich in jene beiden Seitentaschen {m' u. m"*) di*s
Harnraumes ein, die damit als die grössten Endsäcke dersel-
ben erscheinen.
Die Aorta descendeus (st (g) aufgeschnitten; der Pfeil
deutet den Uebergang in die rechte Nabclarterie an. Dort wo sie
tief unter dem rechten HarnliMter (/) hindurchgeht, ist ein«»
Sonde eingeführt; später geht sie hinter der apfelsinengros-
sen rechten Seitentasche des Harnraums (m'), dem Endsack
des rechten Harnleiters, entlang, kommt oberhalb und hint«;r
demselben aussen von dem Urachushorn (m) zum Vorschein,
um wie der Pfeil andeutet, in einer OefTnung oberhalb des-
selbefi die Bauchwandungen zu durchdringen. (Im diese Theile
deutlich zu zeigen, ist die Nierengegend, die ganz hinter der
Blase verborgen lag, künstlich hervorgehoben, wodurch die
untere Lebernäche (f) jetzt dem Beschauer zugekehrt ist,
und Netz (q) und Dünndärme (v) ebenso nach oben lagen.
Zur Orientirung mögen folgende Bezeichnungen dienen:
a. Scheide.
b. Gebärmutter.
c. Trompete mit Franzen.
d. d. Absteigender Grimmdaim , dessen Oeffnung in die
reeble Scheide so aufjgeschnitten ist, dass ein Stuck davon
auf der Scheidewand der beiden Scheiden ist sitzen geblieben.
d'. Quergrimmdarm.
e. Nieren.
ftfff' Rechter Harnleiter, welcher fünf Windungen macht,
ehe er in die grosse Tasche einmundet.
9) 9^ 9' D'® absteigende und in die eine Nabelarterie
übergehende Aorta.
h. Gallenblase.
%. Untere Leberfliche.
kj k. Stärke vom Zwerchfell.
Z. Nabelvene.
{'. Nabelschnur.
464 XXXn. Verhandlungen der GeselUchafl: fBr Oeburtahaife etc.
19». Ausweitung des Harnraumes nach oben, welche mit
der Spitze im Nabelschnurbruch lag.
m*, Apfelsinengrosse Seitentasche, fn die der rechte
Harnleiter mündet
m". Rückseite der Blase.
m'**. Kleinere Seitenlasche, in die der linke Harnleiter mündet.
n, n. Querschnitt in die linke Hälfte der Blase.
Oy Oy 0, 0. Ausdehnung der Bauchhaut, welch« das bei
der Geburt abfliessende Wasser beherbergte.
p. Linker Unterschenkel.
j,^, gr. Netz.
Ty r. Linker Harnleiter.
«. die drei ersten iRückenwirbel.
t, U Eierstöcke.
UyUyU^ u. Rippen.
V; V. Dünndarm.
Xy X, Mündung der beiden Uarnleitei* /. u. r, m die
Seitentaschen m^ u. m'\
Herr Hüter bemerkt auf die Yom Vortragenden ausge-
sprochene Ansicht, die sogenannten erworbenen Uraclmsfistehi
seien keine solchen, d. h. keine WiederöfTnung des Urachus,
sondern einfache Nabelfisleln, dass, abgesehen von den klinischen
Beobachtungen eine derartige Ausweitung des Kanals sehr
wohl denkbar sei, da nach Luschka^ Untersuchungen nach-
gewie^n, dass das Epithel des Uracliuskanals an vielen Sldlen
persistent sei.
Herr Mose erwidert, dass er seil einem Jahre alle ihm
zu Gebote gestandenen Leichen von Neugebornen h\ Ruck-
sicht auf die Persistenz des Uracbusc^nals untersucht, je-
doch nie eine solche gefunden habe. Er wolle zwar deslialb
die Richtigkeit der Lu8chka*sehen Beobachtung durchaus
nicht bezweifeln, bemerke jedoch dass auch Robin niemals
eine solche Persistenz des Urachuscanals gefunden habe.
Rolin beschreibt sogar, dass der schon von der Geburl an
fadendünne Urachusstiel sich im ersten Jahre bereits von
Nabel entferne. Aus diesem Grunde müsse er bis weitere
Untersuchungen und Beobachtungen vorlägen bei seiner An-
XXXIII. HäfimatM, Neuer t«*»!! von Spoiidy töfisthesia ; etc. 465
sieht verharren dass die meisten sogenannten erworbenen
Drachusfisteln einfache ffabetfisleln sein.
Herr Martin schliesst die Sitxung indem er im Namen
dei* GesetfochafI dem einem Rufe nach Bern folgenden Mft-
gliede Herrn Lücke den Dank für seine rege Theilnalmie an
den Angelegenheiten der Gesellsdiafl ausspricht.
XXXIII.
Neuer Fall von Spondylolisthesis ; geringer Grad
von Beckenenge; künstliche Einleitung der Früh-
geburt; günstiger Ausgang für Mutter und Kind*
Aus der Gebäranstalt zu Stuttgart mitgetheilt
(■• HartoiaHtt,
zweitem Hebftramenlebrer.
In^den folgenden Blättern will ich eine seltene Becken-
anomalie beschreiben, und habe mich anfanglich fast gescheut,
ihr den obigen Namen zu geben, da ich mir das Bfissliche
einer solchen Diagnose, wenn sie nicht auf dem Secirtisclie
erhärtet werden kann, durchaus nicht verhehle ; trolzdem aber
glaube ich, geslAlzt auf die anatomischen Daten, soweit die-
selben zu eruiren waren, dass der Fall kaum anders gedeutet
werden kann, und hoffe auch, dass die Leser bei eingehender
Prfifiing derselben damit uberenislimmen werden.
Im Februar 1865 meldete sich eine Zweitgeschwängerte
zur Aufnahme in die hiesige Anstalt, bei welcher schon die
äussere Besichtigung eine Anomalie des Beckens vermuthen
liess, die auch durch eine vorläufige innere Untersuchung be-
stStigt wurde, indem die hintere Beckenwand verhältnissmäs-
sig leicht erreicht werden konnte. Schon bei dieser ersten
Unfersuchung wurde hoch an der hinteren Beckenwand ein
als Hiaca com. dextr. anzusprechendes Gefass entdeckt, wel-
cher Umstand, gestützt auf den kürzlich von Olshausen be-
obachteten Fall (s. diese Monatsschrift XXlil. 2. u. 3.) , der
MouftUscbr. f. GeburUk. 1805. Bd. XXV.. HA. 6. 30
4Q6 XXXIII. Hurtmann, Neuer Fall toq SpondylolUthesi»;
anfänglich auf Rachitis gestellten Vermuthungsdiagnose glaicfa
eine andere Richtung gab, und sie auf die in Rede stehende
Aaoni^ie, nämlich die Spondyioiistliesis hinleitete, was io der
Folge dannr auch durch die Anamnese und genaue (Juter-
suchung bestätigt wurde.
Anamnese: /fo«in6 JT..... •,24jährige Näherin, ist
das dritte und kleinste von sechs gesunden Geschwistern, ihr
Vater lebt noch, ihre Mutter sei vor fünf Jahren am Typhus
gestorben. Nicht ganz zwei Jahre alt, habe sie ihre Schwe-
ster, der sie auf den Schultern, die Beine über deren Brust
herabhängend, gesessen sei (eine hier zu Lande unter den
Kindern sehr übliche Art, einander zu tragen), nach hinten
hinabfailen lassen, wodurch ehi schmerzhaftes Leiden in ihrem
Kreuze entstanden sei, das sie auf eine ganze Reihe von
Jahren bettlägerig machte, und dem sie selbst ihre jetzige
Kleinheit und die Anomalie ihres Ruckgrates zuschreibt Etwa
\onr faulten Lebensjahre an konnte sie sich aufrecht halten
und etwas gehen (oh sie vor dem Falle schon gehen gekonnt,
weiss sie nicht anzugeben), aber noch bis zum achten Jahre
so schlecht, dass sie täglich in die Schule geti*agen werden
musste. Den Oberkörper habe sie damals immer stark nach
rückwärts gekrümmt gehalten, und nach vorn habe sie sich
gar nicht biegen können, „so dass sie, um etwas vor ihr auf
dem Boden Liegendes aufzuheben, sich halb umke^iren und
.seillich hinabbeugen musste'' (ihre eigenen Worte!).' Ob die
Beine während des langen Krankenlagers oder wenigstens
Anfangs gleich nach dem Falle gelähmt waren, weiss sie
nicht, wie überhaupt nichts weiteres mehr über die damalige
Aftection aus ihr herauszubringen ist. (Eine an den damals sie
behandelnden Arzt gerichtete Anfrage blieb ebenfalls erfolglos.)
Im Laufe der Jahre haben sich die Haltung und die Ge-
brauchsfahigkeit des Körpers, sowie auch die Beschwerden
aliinälig gebessert, aber noch jetzt ist ihr länger fortgesetz-
tes aufrechtes Stehen wegen im Kreuze auftretender Schmer-
zen unmöglich, während sie das Gehen aucli bei grösseren
Touren viel leichter erträgt» im Sitzen dagegen frei von jeder
Beschwerde ist, westialb sie auch den Bemf einer Näherin
gewählt hau Im Längen wadistlium blieb sie nicht nur hinter,
ihren Geschwistern bedeutend zurück, sondern dfisselbe soU
geringer Or»d tob BMkenenge ; kfliwiL EinleitnBg ete. 467
auch sehr Qnre^massig von Slatlen gegangen sein; ioa 18.
und 1 9. Lebensjahr» wUl sie schnellere Fortsebfif te in dem-
selben nnd noch im leUlverflossencn Jahre eine merkliche
Zunahme ihrer Körperlpnge (an ihren Kleidern) beobachlet
haben.
Im 15. Lebensjahre * traten ohne besondere Beschwerden
die Menses zum ersten Male efai und kehrten ¥on da an
regelmässig mit vierwöchenüichen Pausen wieder, bis 2u ihrer
(Ersten Schwangerschaft im 21. Jahre. Die Gebart erfoigie
ilirer Angabe nach in der 39. Woche der Gravidität, in ihrer
lleimath, ohne besondere Schwierigkeit, das Kind kam aber;
mit deai Schädel voraus, todt zur Welt^ obwohl die Mutter
nocli zwei Stunden vor seiner Ausstossung deutliche Bewe-
gungen desselben gefublt haben will.
(Jeher die Dauer der ganzen Geburl, sowie der einzel-
nen Perioden, über den Zeitpunkt des Was0erabgangsl, über
die Grösse des Kindes und über sonstige bei dem Tode
desselben etwa zu beschuldigende Momente ist mit Ausnahme
der Angabe , dass die Nabelbchnur umscblungt^i gewesen sei,
nichts Bestininiles und Brauchbares zu ei*utren, so dass, ab-
gesehen von diesem letzteren, in der grossen Mehrzahl der
Fälle ja unschuldigen Umstände, nur die Anomalie des Beckens
als einzig greifbares, ätiologisches Moment bierfär in Betracht
kommen kann ; üudere aUerdings nicht bestimmt ausauschlies-
sende Todesursachen sind wenigstens rein hypothetisch, loh
führe diese Schlussfolgevung absichtlicli hier an, weil sie später
bei dem einzuschlagenden Verfahren niitbesliumend war.
Im Wochenbette blieb die Person ganz gesund und ver-
liess nach wenigen Tagen schon wieder das Bett; vier Wo-
chen spater traten die Menses wieder ein, sollen aber in der
Folge regelmässig nur 14 lägige Pausen geiiiaohl haben, bis
sie im Sommer 1864 durch eine neuerliche Scbwangerscliafl
wieder unterbrochen wurden. Den Zeitpunkt der Conceptioti
weiss die Person nicht bestimmt anzugeben, die Menses will
sie Anfangß Juli zum letzten Male gehabt und am 13« Ooto^
her die ersten Kindesbewegungen gefühlt haben. Die Gravi-
dität verlief normal; mit Ausnahme eines Erysipelas faciei,
das sie im September mehret^ Wochen ins Bett fesselte, will
sie stete gesuad geweeen sein.
30*
4(38 XXXni. Hartmann, NenerPall von Spondylotiitthesiii;
Status praesens den 26. F«*briiar 1865.
Kleine Person, 140 Cent, hoch, von blfthendem Aus-
selten, mit gut entwickelter Musculatur, reichlichem Fettpol-
j ster und kräftigem Knochengerüste; Thorax gut gewölhl, sein
\ llnifang Aber den schlalT herabhängenden Brüsten 86 €enL;
^ die Fingerspitzen bei senkrecht he^abhängendelll Arm dem
1 Bollen merklich näher als bei einem wofdgewachsenen Men-
I sehen, die Länge der letzteren-: Schulterhöhe — FJngerspitzen
I 66 Gent., Schulterhöhe ~ Fusssoble 119 Cent.; Beine ge-
J rade, lang; 4iilttbeine gleichstehend, Crista — Fusssoble 89,
i Trochaot«r — Fusssoble 81 Cent. ; der Rippenbogen beider-
seits der Crista il. so genähert, dass kaum ein Finger zwi-
schen beide eingezwängt werden kann. Der Gang ist nor-
mal, durchaus nicht watschelnd ; die Haltung des Oberkörpers
gerade wie in dem von Robert beschriebenen und abgebil-
deten Falle (s. diese Monatsschrift V, 2.), indem das Rück-
1,'ral eine starke Lordose zeigt, welche vom fnnflen Brust-
wirbel bis an die Kreuzbeinbasis sich erstreckt und unten
t;erade irber der letzteren am stärksten ist; die Sehne dieses.
Bogens beträgt 29 Cent., die perpendiculäre Entfernung der
stärksten Veitiefung von jener 6 CenL Die einzelnen Dom-
l'ortsätze dieser Part hie des Röckgrats sind, theil weise in Folge
ilex starken Entwicklung der Weichthede, nur undeutlich und
^'anz unten g^r nicht mehr zu unterscheiden, so dass Ober
ihre Zahl und Beschaffenheit nichts bestimmtes ausgesagt wer-
ilen kann; dagegen macht sich an der Basis des Kreuzbeins
iiin starker Dornfortsatz bemerkfich, welcher vielleicht der
sitzengebliebene Dom des letzten Lendenwirltels ist, wie in
«lern Falte von Breslau (s. Monatsschr. XVIFF, 6.). Die Ent-
fernung dieses Punktes von dem Anus beträgt, mit dem Baml
gemessen, 18 Cent. An der Haut der Kreuzgegend ist nichts
von einer Narbe, Einziehung oder dergleichen zu bemerken.
Die Biegung des Kreuzbeins erscheint normal, ebenso die
Stellung der äusseren Genitalien, dagegen nähert sich die
Richtung der Symphyse mehr als gewöhnlich der Vertical-
tisie, so dass die Neigung des Beckens also etwas vermnidert
erscheint.
Die ätisseren Maasse des Beckens sind folgende: Spin,
il. 24,5; Crist. il. 27,5; Trochant. 30; Peripherie 93; Conjug.
g«Ft»ger Gnui von B«tikeiie<i^, fciln»4l. KinleiNisg^ etc. 4g9
Rauflei. 18—20 Cent., jß nach cleii liiiiteren Endpnnkton,
nämlich von d»ni oben erwähoieo Doriit'orlsalze aus 20, von
der liefslen Stelle der Lordose au^ 18, und von einem Funkle
zwischen diesen beiden, etwa 3 GenL unterlialb einer beide
Uöflbeinkämme verbindenden Linie 18,& Ceat.
Der Baucli ist selir stark uberbangeod, die Bauchdeckeii diino,
nut vielen alten Striae vergehen, der Nabel versirieben itnd
etwas hervorgctriebeu , nimmt die tiefste Stelle des Bauches
ein , die sich 10 Cent, unter dem obermi Rande der Symphyse
(bei aufi^ecbter Stellung) befindet Die Maasse des fiaudif»
sind folgende: Umfong 100, Symphyse — Nabel 13; Sym-
physe — Uterusgruod 33, Symphyse — Proc. xipboid. 45 Cent,
(mit dem Band gemessen).
Bei der inneren Untersuchung stösst der fmgeir in der
Gegend, wo das Prowon toriuni sein sollte, auf eine von oben
nach unten uml von rechts nach links convexe KnoehenflMie,
deren näcbstgelegener Punkt vom unteren Rande der Sym-
pbyse 11 CenL Entfernt ist, und die nach abwärts, durch ihr
Zurückweichen nach hinten, dem Finger allroälig entgeht^
Der untere, leicht erreichbare Theil des Kreuissteissbeins zeigt
eine von jenen Knochen ganz abweichende Richtung, indem
er einen Winkel von circa 100^^ mit demselben bildet. Bei
starkem Empordrängan des Fingers konnte auch die Spitze
dieses Winkels erreicht werdeji, und es fand sicli hierbei,
dass beide Knochen nicht einfach aneinander stiessen , son-
dern dass der obere den unteren wie ein vorspringendes
Dach überragte, so dass man die Fingerfl|)ilze mehrere Linien
lief unter denselben hinabschieben konnte.
Weiter fohlte man hoch obei^ an der hinteren Becken-
wand ein kleinfmgerdickes, der Radialis isochron pulsirendes
Gelass von links oben nach rechts unten vorbeiziehen, das
für nichts anderes als die rechte Uiaca comni. angesprocheti
werden konnte; die liulie, mehf vertical verlaufende, war
schwieriger zu erreichen, einmal aber glaubte ich sogar die
Theilungsstelle der Aorta selbst gefitfilt zu haben. Es ist
dieser Erfund, wie ich schon Eingangs bemerkte, derjenige,
der als beiweitetn auSalligsti^r hauptsächlich und in erster
Linie zur Stellung der richtigen Diagnose leitend und mass-
gebend war,, die allen angefahrten Merkmalen nach uicht an-
470 XXXIII. HaHm«ftn, Neuer Fall von 8potid3rh>li«ihe«ia;
rfers (aiif^n^ konnte, als: Durcfi Spondylolisliies is ver-
engles Beck«n, mit einer stellvertretenden Con-
jugata von 9 — 9,5 GctiI.
Die Vagiualportfou steht sehr hoch und hinten, ist nocli
ziemlich lang, d^r nntere Theil des Cervicalcanals geöffnet,
der innere Moitermund noch geschlossen , der f ornix leer.
Die äussere Untersucliimg ergab: SchieOage des Kindes mit
dem Kopfe nach rechts unten, Röcken vorn , Herztöne links
von der Mittellinie und eine ziemlich beträchtliche Menge
Fruchtwasser.
Therapie: Trotz des geringen Grades der Beckenenge
und trotz der natörlicli ahgelHuFenen ersten Gehurt (über die
ja, wie schon in der Ananmese erwähnt, etwas genaueres
nicht hatte ei*uii*t werden können), wikr es klar, dass die Ge-
burt eines vollkommen ausgetragenen und kräftig entwickelten
Kindes mit bedenklicher Gefährdung für dieses selbst und
für die Nutter verbunden sein würde, woraus sich die even-
tuelle Nothwendigkeit einer künstlichen, frühzeitigen Unter-
brechung der Schwangerschaft von selbst ergab. Nun waren
aller die Angaben der Mutter in Betreff der Schwangerschafts-
seit ganz widersprechende: nach dem Ausbleiben der Menses
berechnet, wäre die Geburt Anfangs April, nach dem Auftre-
ten der ersten Kindsbewegungen ab«fr schon Anfangs März
zu erwarten gewesen; der objective Befund ergab natürlich
bei dem starken Hängebauche auch keine bestimmten An-
haltspunkle, doch konnte mit Sicherheil so viel behauptet
werden , dass das Kind jetzt (Ende Februar) noch klein sei
und somit, wenn die Schwtfngerschaft wirklich schon Anfangs
März ihr Ende erreichen mürde, der Geburt ein wesentliches
Hinderniss nicht entgegensetzen werde, uud es wurde äomit
beschlossen: die erste Woche des März vorbeigeben zu las-
sen, dann aber die Gebart, wenn sie bis dahin nicht von
selbst eingetreten sem würde, künstlich einzuleiten.
Nebenbei kann ich nicht unterlassen zu bemerken, dass
Herr Prof. Br&it von Tübingen, der einer an ihn ergangenen
Einladung zur Untersuchung dieses seltenen Falles bereitwil-
ligst Folge geleistet hatte, sowohl mit der Diagnose als d^m
besoblo&senen Verfahren vollkommen übereinstimmte.
Geburtsverlauf: Nachdem man während der oben'
geringer Grad ron Bcckenenge ; künstl. Einleitang etc. 47 1
bezeichneten Frist auf den spontanen Eintritt von Wehen ver-
gebens gewartet und eine am 8. März vorgenommene Unter-
suchung ergeben hatte, dass der Umfang des Leibes um 4,
die Höbe des Uterus um 2 Gent, zugenommen habe, während
6er übrige Befund noch der gleiche war, wurde nun zum
künstlichen Eingriff geschritten: die Schwangere erhielt nun
am 9., 11. und 13. MSrz je ein wannes Vollbad, die beiden
letzten Male mit Vaginaldouche in demselben, und am 13. Abends
5 Vhr wm'de (nach der ursprünglichen CoA^n'schen Method«^)
eine Injection in den inneren Mutlermund gemacht, die aber
grösstentheils wieder ablief, und gleich danach der Colpeu-
rynter eingelegt, worauf sich in ganz kurzer Zeit deutliche
Contractionen des Uterus einstellten. Abends 10 Uhr wurde
der Colpeurynter, da er der Kreissenden ein sehr lästiges
Spannen verursachte, entfernt und dieselbe schlief in der
Nacht mehrere Stunden ordentlich, trotz fortdauernder Wehen,
welche letztere früh Morgens (14. März) ohne neuen Eingrifl
stärker und häuüger, und von Vormittags 9 Uhr an ganz
regelmässig und recht kräftig wurden, so dass Mittags I2V4 Uhr
der Mutlennund vollkommen olfen war und die Blase anfing
in die Vagina herabgetrieben zu werden. Jetzt war auch zum
ersten Male der Schädel des Kindes vorliegend zu finden,
und es war diese Rectification der Kindslage allein durch
die Thätigkeit des Uterus, unterstützt durch Rückenlage mit
erhöhter Kreuzgegend zu Stande gekommen.
Kurz vor 1 Uhr Nachmittags wurde die klare, nur mit
Fruchtwasser gefüllte Blase ilber kindskopfgross vor die
Vulva herausgetrieben; die nächste Wehe brachte den Kopf
des Kindes zum Vorschein, und trieb ihn allmälig in
die Blase hinein, so dass ihm schliesslich die
Eihäute ganz fest anlagen, während das Wasser,
das vorher die Blase gefüllt hatte, neben demsel-
ben zurückwich. Im nächsten Augenblick drehte sich der
bereits ruUkommen geborene Kopf mit dem Gesicht nach dem
rechten Schenkel der Mutter, und der Mund des Kindes
machte deutliche Bewegimgen, weshalb die Eihäute jetzt
künstlich zerrissen wurden. Die gleich folgende Wehe brachte
den übrigen Körper des sogleich lautaufschreienden Kindes
und eine beträchtliche Menge Fruchtwasser zu Tage; die
472 XXXXII. HaHmann, Neaer Fftll TOfi Spoia«ljrlo^tUiMis ;
56 Cent bnge Nabelschnur war di^m^lben um die recble
Sdiulter und zweimal um den recltien Fus6 lucker liermu-
geschluDgen; 10 Miuulen darauf wurde auch die Nachgehurt,
durch äusseren Druck uulerstüUt, aus den Genitalien au:»-
gestossen.
Durch eine sofort mit der ganzen Hand vorgeaoinroeae
innere Exploration wurde constatirt, dass die gefühlte likiCere
Beckenwand wirklich die ins kleine Becken herabgesunkene
Lenden Wirbelsaule ist; es konnten deutlich die Intervertebral-
sdieiben zwischen den einzelnen Wirbeln gefüldt werden ; das
stellvertretende Proroonloriuni wird von der unteren Parthie
des zweitletzten Wirbels gebildet und die bezügliche Pseudo-
diagonalconjugata wurde wieder zu 11 Cent gefunden. Die
beiden lliacae und das Endstück der Aorta konpien gaAZ
deutlich verfolgt werden, und zwar befindet sich die Thei-
lungsstelle an dem oberen Rande des zweitletzten Wirbels.
Der Vorspruiig der Lendenwirbel über das Kreuzbein ist
nicht bedeutend und verliert sich nach beiden Seilen gegen
den Raqd des Wirbelkörpers bin allmählig; der ganze Vor-
sprung zeigt einen ziemlich scharfen, nach unten convexen
Rand, so dass er in der Mitte weiter herunterhängt als zu
beiden Seiten. Die Höhe des letzten Lendenwirbels erscheint
merklich kleiner als die des zweitletzten ; die Entfernung des
Gliltwinkels vom unteren Rande der Symphyse beträgt 13 Cent.
Die seitlichen Tlieile der Lendenwirbel, ebenso die hintersten
Parthien der Linea innominata und die Flügel des Kreuz-
beins können, wie es scheint, wegen starker Entwickelung
des lliopsoas, nicht ordentlich durchgefühlt werden«
Das Wochenbett vei'lief ganz normal : das Kind, weib-
lichen Geschlechts (5Va Pfund schwer, 45 Cent, laug, Kopf-
umfang 33,3 Cent) hatte namentlich an seinem Hautsystenie
deutliche Zeichen der Unreife, gedieh aber an de4* Mutterbrusl
vortreHlich, so dass es l>ei der Entlassung am 18. Tage um
74 Pfund an Gewicht und um 4 Cent an Länge zugenom-
men hatte.
In die immer noch dunkle Genese der Spondylolisthesis
wirft dieser Fall allerdings kein bedeutendes Liebt, und ich
XXXiy. Notiseu aan dor Joiirynl- Litocniur.
473
unifBrlasse es 9iicli, darauf bezugliche Bemerkimgen zu machiMi,
Ab bei dw mangelhafleii Keniitniss, von dem die Anomalie
verursacht habenden Vorgange und hei dem Fehlen einer
pathologisch - anatomischen Untersuchung doch nur [lypolhe-
üsches darüber vorgebracht werden könnte.
Da^ kürzlich von Olshausen (L c.) aufgestellte a|iho-
ristisclie Resam^ über die Spondylolisthesis erieidet durch
diesen neuen Fall einige, nicht ganz unwesentliche, Modi>
ficationen.
XXXIV.
Notdaeu aus der Jonmal» Literatur.
Inglis: lieber die Vorlheile eines ausgedehnteren
Gebrauches der Wendung in Fällen von Miss-
verhallnissen.
Ans seinem früheren AufsRtxe über die ausgedehntere Ans-
fuhrnng der Wendung «ur Verminderung der Fülle von Cranio-
tomie recapitulirt Verf. den Sats, dass er bei allen Kopflagen,
wo die Zange nicht passend erschienen w:ire, durch die Wen-
dung sum Ziele gelangt sei, wenn nicht das MissvcrbUltniss swi-
schen kindlichem Kopf und mütterlichem Recken ein xu grosses
ist. Die Vortheile einer solchen Anwendung der letzteren sind
folgende :
1) Man kann sicli nur bei der Wendung eine genane Kennt-
niss der relativen Gxösse des Kindes und der Geburtswege ver-
schaffen und sich dadurch die Ausflucht nehmen, diese wichtige
Operation unnothiger Weise ausgeführt su haben, was ander-
weitig ans Unkenntniss dieses Verhältnisses geschehen ist.
2) In Fällen, wo man die Craniotomie phne Wendung für
erforderlich hltlt, gelingt oft die Heendigung der Entbindung
durch Anlegung der Zange an den nachfolgenden Kopf mit bes-
serem Resultate für die Mutter und häufig oho« Nachtheil für
das Kind.
3) Wogegen in den Fällen, wo die Wendung uns nicht in
den Stand setst, die Craniotomie sn vermeiden, seheint letstere
nach vorhergegangener Wendung leichter ausführbar %n sein,
ohne die Gefahr nach irgend einer Seite hin su vergröasern.
Auf der andern ist selbst bei massiger Beckenenge die Cranio-
tomie oft mit grossen Schwierigkeiten verknüpft.
474
XXXIV. Nottsen aas der Journal -Literatur.
Ans alle dem feigen der Verf., dasli, anstatt die Gefiahr der
CraniotoDiie su Terineliren, die Wendnng sie veroiindert, da «e
uns in den Stand seist, die Zertrünimerung des Torangebenden
Kopfes sn verlassen, durch welche leichter Schaden sagefiigt wird,
als durch die Wendung.
Verf. wendete oft bei fehlerhafter Kinstellnng der Frucht
und fand, dass, wenn das Becken normal wer, die Matter sich
besser erholte, als naoh einer gewöhnlichen If^ntbindang, wenn
aber das Becken massig verengt war, waren die Resultate durch-
aus gut. Ausser der Gefshr der Erschöpfung u. s. w. ist auch
in der Ausföhrung der Craniotomie bei Kopflage einige Gefahr
vpr Uterusraptur vor der Entbindung während der Operation
wohl in Frage su sieben. Die Wendnng wird in solchen FSllen
bestimmt vollendet sein, ehe die Geburtsthätigkeit so weit vor-
geschritten ist, dsss eine Uternsrnptnr wahrscheinlich' werden
könnte, und nach der Extraotion des Rumpfes ist keine Gefahr
für die des Kopfes verhanden. Deshalb empfiehlt Verf. eifrig
die Wendung in allen Fftllen von MissverhKltnissen an versuchen,
wenn dieses sn gross ist, als dass es die Entbindung mit der
Zange gestattete, ausser wenn die Nothwendigkeit der Sectio
caesarea deutlich indicirt ist. Mit voller Sicherheit kann man
dann annehmen, dass die weiter erforderlichen Operationen durch
die Wendung und Kxtraction des Rumpfes nur erleichtert - wer-
den; aber nicht dies allein, sondern auch, dass der Kopf selbst
nach der Wendung leichter extrahirt werden kann; Verf. rechnet
auf den Vortheil der Lageverbesserung in Verbindung mit der
erhöhten Gewalt der Adaptation in dieser Lage, so dass man
eher noch lebende Kinder in diesen FKlIen su extrahiren hoffen
konnte. Ist aber schliesslich Craniotomie nöthig, so ist trots
den Verbesserungen der Kopfanbohrung die Ausführung der Wen-
dung fortwährend als Vorbereitung dasn eine grosse Hülfe und ihre
Vorthcilc müssen uns daher stets von der äussersten Wichtigkeit
in allen Fällen von Craniotomie sein.
(Edinburgh Medical Journal: No. CXIV. December 1864.)
V, Scanzoni: Ueber die Beziehung der beidersei-
tigen ErkraukuDg der Eierstöcke zur- Ovario-
tomie-Frage.
Da Erkrankungen beider Ovarien keineswegs sn den Selten-
heiten gehören, und sich entweder gleichzeitig oder snccessiv
solche ausbilden können, so hält es Verf. für sehr wichtig, über
die Schicksale der ein Mal Operirten nachzuforschen, besonders
mit der Absicht, sich ein ürtheil darüber zu bilden, welchen Einflnss
die vorgenommene Ovariotomie, falls sie glücklich überstanden
wurde, auf die Thätigkeit des anderen Ovarlnm ausübe. Veranlas-
XX XIV. N»lis«n II Vi der Joornaf LittraCur. 476
SQBg feu dieser Unterenebttog wurde ein FaH von Oviirioteiinie, dch
Kiwiick Bwar mit Olüek ausführte, dem aber nach 18 Moftaten
ecbon ein Tnnior de« anderen Ovarinm nachfolgte, an dessen
Folgen die Kranke 14 Jahre nach der Operation der ersten
Oyariengfeschwnlst starb. Aas DuioiVn Tabelle über 324 glücklich
endende Totalexstirpationen kranker Ovarien kann Verf. nur in
84 FAHen etwas über das spUtere Sobicksal der Gebeilten erfah-
ren; in diesen allerdings erfolgte (ausser in KiwUcICb FalU)
binnen der ersten awei Jahre naeh der Operation kein Rezidiv;
viele Frauen gebaren spXter wiederholt regelmüssig. Verf. ent-
wirf! sodann über die Befunde bei 99 Fällen von Ovarientumören,
die während der letaten 14 Jabre in der Würsburger Klinik aur
Section gekommen waren, Tabellen, um dar»utbun, ob von den
vorgefnndenen Erkrankungen beide oder nur eines dieser Organe
berührt wurde. Das Ergebniss ist, dass 48 Mal nur ein, 61 Mal
abor beide Ovarien erkrankt waren; und dieses ist es, worauf
Verf. besonders hinweisen will, dass nämlich die Mögliohkeit
eines Beoidtvs naeh ^lüoklich überstandener Ovariotomie viel
näher liegt, als gew&hnlich angenommen wird, da eben in mehr
als der Hälfte der Fälle beide Ovarien gleichseitig oder nach
einander erkranken. Aus denselben Tabellen geht aber hervor,
dass b«i 62 Kranken, deren Alter unter 60 Jahren stand, ai bei-
derseitige und 21 einseitige, dagegen bei 44 Kranken über 60
Jahren 17 beiderseitige und 27 einseitige Erkrankuagen statt
hatten. Es liegt daher die Gefahr eines Recidivs bei Franen in
in der seugongsfähigen Periode viel näher als nach der Menopause.
Verf. wundert sich, dass bei dem bänfigen Vorkommen der bei-
derseitigen Erkrankungen unter Dutoit^s 324 Fällen nur 25 sind,
in denen beide Ovarien exstirpirt wurden (11 glückliche Fälle),
welche Operation allerdings in geraUesu nmgekehrtem progno-
stischem Verhältnisse zur Exstirpation Eines Ovarium steht» da
von 26 Operirten 14 starben.
Schliesslich weist Verf. nochmals darauf hin, nicht der Aus-
breitung der Operation hinderlich in den Weg treten au wollen,
sondern es läge nur in seiner Absicht, die Operateure, beson-
ders die englischen, au veranlassen, weitere Berichte über die
späteren Schicksale ih^er Operirten so veröffentlichen.
(Würzburger Medizinische Zeitschrift. Sechster Band;
I. u. II. Heft. 1865.)
Dunean: lieber das Gewicht und die Grösse des
neugeborenen Kindes im Vergleiche zUin Aller
der Mutter.
Während Verf. bei UntersQchungen über den Eiuflnss des
mitterlichen Alters auf deren Fruchtbarkeit auf den Gedanken
476 XXXIV. Nottien au« der Jouraitl-LiierAtiar.
kam, die Lungen- and GewielitsYerhaltnUffe der aaegvUegenen
Kinder yon Frauen verschiedenen Alters su veri^ieicben, benutxle
er die von 2070 Schwangeren geborenen 2087 Kinder su seinen
Beobacbtnngen.
In dem ersten Theile derselben bestHligt er HeiAer'M ans
1096 Fällen genommene Ansicht, dass die erstgeborenen Kin-
der denen von Mehrgeb&renden an Gewicht nachstehen, aus
206S Wnj^ngen (1011 Kinder von Krstgeboronen wogen durch-
scbntttHch 7,170 Pfnnd; 1042 K. Ton Mehrgeb. 7,277 Pfnnd). Den
Schlnss aber, welchen Hecker ans dieser Thatsaehe sieht, dass
nümllch die Erstgeburt als solche die Ursache davon sei, lehnt
Verf. ab, wogegen er in dem Alter der Matter aar Zeit der be-
treffenden Geburt diesen Umstand begründet findet. Als Beweis,
dass die Erstgeburt diesen Einfluss nicht ausüben kann, dienen
ihm folgende 8iitse: 1) das Gewicht erstgeborener Kinder ist
nicht stets gleich, sondern ändert sich gemäss dem Gesetae vom
Alter der Matter. Nach demselben Gesetae ändert sieh 2) das
Gewicht von Kindern aller Matter, sowohl Erst- als Mehrgebären-
der. 3) Die beigefflgten statistischen Tabellen über mittlere Ge-
wichtsverhältnisse der Kinder der ersten und folgenden Schwan-
gerschnften seigen wedor ein Steigen noch ein Fallen gemSas
der Zahl der Schwsngerschaft. Es sind die erstgeborenen Kin*
der swar meist die leichtesten, aber dies ist im Alter der Matter
begründet, da die meisten Erstlinge von jungen Frauen geboren
werden.
Kach der hier einschlagenden Tabelle nimmt während der
ersten drei Schwangerschaften xwischon dem 23*/4. ii. 27%. Le-
bensjahre der Frauen das Gewicht des Kindes von 7 Pfnnd
3,16 Unzen auf 7 Pfund 5,597 Unsen su, fällt bei der vierten
Schwangerschaft bei einem Alter von 30,32 Jahr (?) auf 7 Pfund
8,04 Unsen, um sich bei der fQnften im 80,424. Jahre bedeutend
SU heben, und swar auf 7 Pfund 7,22 Unsen; hierauf ftllt es all-
mählig langsam bis zu 7 Pfnnd 4,991 Unzen Im 35,56 Jahre.
Die sweite Rubrik- der Abhandlung berücksichtigt die Ver-
schiedenheit de« Gewichtes der neugeborenen Kinder gemäss dem
Alter der Mutter. Wie die Fruchtbarkeit bis um das 25. Jahr
zunimmt, so werden auch die grÖSften Kinder zwischen dem 25.
und 29. Jahre der Mutter geboren; nach dieser Zeit Qkllt, aller-
dings sehr langsam die Gewichtsznhl, aber ebenso huch vorher,
so dass sich die mittleren Gowichtsverhältnisse der während des
15. bis 19. Jahres, und der zwischen dem 45. bis 49. Jahre der
Mutter geborenen Kinder ziemlich gleichen (6 Pfund 15,74 Unzen
bis 6 Pfnnd 14,66 Unzen). In den letzteren Jahren (45—49)
nimmt natürlich die Fruchtbarkeit rapid ab (drei Fälle), während
zwischen dem 40. bis 44. Jahre noch 38 Fälle vorkamen.
Pa lipoker über den EtnOuss der Erstgeburt auf die Länge
XXXIY. Nötisen atiü der JoimiAl- Literatur. 477
der neugeborenen Kinder Beobaehtangen nicht HBgeelellt hat, ao
fiigt sie Verf. nach eig^enen Mesunngen an 2068 Kindern bei;
1011 ron diesen waren Erstgeborene; ihre mittlere Lunge betmg
19,918 Zoll; bei 1042 Kindern von Mehrgebäreoden 19^202 Zoll.
Die beigefBgte Tabelle seigt bei gleiehem Alter ein SlIiDliebes Stei*
gen und Fallen, wie in den OewichtsverhUltnisKen der Kinder in
den verschiedenen Schwangerschaften; von der ersten bis siir
dritten nimmt die LKnge sn (19,197 bis 19,804 Zoll), fKlIt bei der
vierten Schwangerschaft anf 18,969, nm sich bei der fünften wie-
der Sil heben (19,278) nud dann allmäiig an fallen. Aber auch
hier ist diese Verschiedenheit abhftngig vom Alter der Mntter.
Verf. giebt an, dass anch die grössten LKngenverhHltnisse (19,866)
swiscben das 25. nnd 29. Lebensjahr der Mntter fallen, vorher aber
langsamer ansteigen, als sie nachher fallen, so dass hier die Zeit
•wischen dem 15. bis 19. Jahre (mit 19,007 durchschnittliche Likn-
gensahl) nicht der awischen dem 46. bis 49. (mit 18,166 Zoll)
gleteht.
In den awei Schlnsstabellen vergleicht Verf. sowohl die
Gewichts- als LRngenverhllltnisse nicht allein mit dem Alter der
Mntter, sondern auch mit der jedesmaligen Schwangerschaftssahl.
Bfn im 50. Lebensjahre der Mntter geborenes Kind wog 6,8 Pfd.
and war 21,00 Zoll lang. Die grössten GewlebU- nnd Lungen-
Mihlen fallen anf die dritte Schwangerschaft, wenn sie awischen
dem 16. bis 19. Jahre erfolgt war, nämlich 11,5 Pfnnd mit 22,6
Zoll LXnge.
(Kdinhnrgh Medical Journal No. CXIV. Deeber. 1864.)
Ikatoitz: Beinerkpiiswerther Fall von Exstirpalion
einer zusammengesetzten Cyste (GysloiJ) des lin-
ken Eierstocks.
Das 29 jährige Fräulein H, K. litt schon seit ihrem 17. Le-
bensjahre an dysmenorrboiscben Beachwerden, die sich bis auni
21. sehr vermehrten,, an welcher Zeit eine Geschwulst in der'
linken Seite anftrat, die sich bis ins 28. Jahr auffallend vergrös-
serte. Damals war man in Betreif der Diagnose schwankend
»wischen EztrauteringraviditXt nnd Hydrovariuni ; doch nicht
Jange; man entschied sich bald für ietateree. Unter verschie-
dener Behandlung, besonders mit Jodkalium und dem Gebrauch
von Kreuznacher Wasser neben Jodbäderu trat eine seitweilige
Besserung ein, die aber (im 27. .fahre) durch drei rasch verlau-
fende, aber siemlich heftige Peritonitiden aufgehoben wurde.
Von jetst ab nahm die Geschwulst fortwährend ;bu, so dass noch
in demselben Jahre der Umfang des Leibes 62" betrug, das All-
gemeinbefinden sich mehr und mehr verschlechterte. Daher wurde
jetit die erste Puuction vorgenommen; sie lieferte 58 Pfund
478 XXXI V. NoUmii «q8 der Jonrnal-Literatar.
dieker, seröser, ehoeoladenfarbigrer Pläesigkeit. Kaeh dreitftgigem
heftigem Fieber begann sich die Cyste bald wieder sn füllen,
und sie nalim binnen 13 Monaten grössere Dimensionen ein als
vor der ersten Pnnction. Im April ihres 29. Jahres wurde die
»weite Punotion mit 48 Pfund, am 10. Jnni desselben Jahrea
(1864) die dritte^ mit 46 Pfund entleerter Flüssigkeit ausgeführt.
Nach vielen genauen Untersuchungen wird am 27. Juni aur Ra-
dical Operation geschritten. Der bis swei Zoll vor die Symphyse
herabgehende, anfangs 3" lange, später auf 4Vs 2oll erweiterte
Einschnitt Hess sofort den weisslichen Sack der Cyste sehen;
bei der Punction floss Nichts ans, weshalb in die Cystenwand
eine Incision von 2" Länge gemacht wurde. Ks floss eine sehr
dicke, mit vielen Fibringerinnseln gemischte Flüssigkeit aus (ca.
10 Pfund). Auf dem Boden der Cyste erblickte pian noch swei
Cysten, jede von der Grösse eines Kopfes eines nengeboruen
Kindes. Sie wurden entleert und dann sur Formation des Stum-
pfes nach Extraction der Cyste und Loslösung sahlseicher, «her
dUnner und nachgiebiger Adhäsionen vorgegangen. Der Stiel
wurde unterbunden und swar mit swei Ligaturen in swei Bün-
deln, in welchen noch einsein sieben Arterien mit fünf Ligaturen
unterbunden wurden. Sttmmtliche Fftden wurdon sum unteren
Wundwihkel herausgeleitet, die Beckenhöhle gereinigt, und die
Wundrftnder durch acht Karlsbader Nadeln, die durch die ganse
Dicke bis durchs Peritonaenm hindurch geführt wurden, vereinigt.
Die Operation dauerte 50 Minuten und wurde in vollster Chloroform-
narkose ausgeführt. Nach der Operation stellte sich Urinver-
haltung ein ; am fünften Tage ein Frost ohne Fieber, ohne Leib-
schmersen, Unterleib ist wenig gespannt, die Eiterabsonderung
reichlich. Am siebenten Tage willkührliches Harnlassen, aber
unter Schmerzen, Am 14. Tage Ablösen einer Ligatur einer
Arterie und einer des Stieles. Am 23. Tage dumpfe, periodische
Schmersen im Leibe mit Abgan«; von 12 blutigen Stöhlen und
unter Fieber. Dies wurde schnell beseitigt und die Heilung nicht
wieder unterbrochen. Vom 52. Tage nach der Operation ab be-
gann Patientin susnnehmen und befand sich gans wohl.
An der Innenfläche der sehr verdickten Cystenwand fanden
sich sahireiche junge Cysten, oft mehrere übereinander. Alle
Cysten waren mit einer hellen, durchsichtig serffsen Flüssigkeit
angefüllt. Ausser diesen Cysten waren noch feste Geschwülste
von verschiedener Grösse auf der inneren Oborfläcbe serstreut.
Der Sack ohne Flüssigkeit wog vier Pfund.
(ArchiT f&r klinische Chirurgie von Loa^en^seX:. Band VI.
Heft 3. 1865.)
XXXIV. NotUen aub der Jouniia^LiterftUr. 479
K^Uh: Ein Fall von Ovariotomi«.
Varf. berichtet seinen 21. Oporatfonsfall. Die Oeschwulst hin^
•ehr innig mit dem Uterns sasammen, nnd es handelte sich daher
mniichst dämm, %xx erforschen, ob die Verbindnngsmasse so kurs
sei, dasa sie die OTariotomie nnthnnlich oder fast tödlich machte,
oder ob hinreichender Ranm vorhanden w&re swisrhen Uterns und
Geschwulst, nm die Vollendnng der Operation in befriedigender '
Weise an gestatten. Nach Spencer WelW Rathe wurden mit den
gewöhnlichen Pansen einige Functionen der Cysten ausgeführt^
worattf durch die neue Füllung der Cyste sich die kurse Verbin-
dvngainasse binnen fünf Monaten betrfichtlich Terliingerte. Es
betrug nun der Umfang des Leibes wieder d9 Zoll;, die Geschwulst
selbst bestand aus drei Cysten, die einer halbfesten Masse auf-
sassen; ein beträchtlicher Theil derselben ragte ins kleine
Be«ken; frQher war der Cerrlz durch die kurse Strangmasse voll-
stlndig fixirt, jetst deutlloh beweglich. Nach erneuter Function
füllte sieh die Geschwulst binnen einer Woche atf fast dasselbe
Volumen, wie vorher, wieder an, und es ward daher die Entfer-
nung der Cysten vorgenommen. Nach Blosslegung der Oberfläche
des Tumor fand sich der Stiel hinreichend- lang, um das Ein-
legen eines Zeigefingers unter seinen unteren Kand zu gestatten.
Mehrere Cysten wurden punctirt, sKmmtltche Adhäsionen an der
hinteren Oberfläche der («eschwulst am Netae, sowie eine feste
naeh unten am oberen Theile des Colon wurden glücklich ge-
trennt; im unteren Drittel war der dicke, kurse und breite Stiel
einen Zoll lang, oben aber fast zwei Zoll lang; er wurde durch
die Ligaturen In fünf Theile getheilt, aber die Strangulation war
doch so nnvollstSttdig, dass eine frische Blutung nach dem Ab-
schneiden der Basis der Geschwulst eintrat. Die Operation wurde
in der gewöhnlichen Weise vollendet. Der Kranken, welche im
34. Jahre ihres Lebens stand und schon seit mehr als swei Jah-
ren an ihrer Krankheit litt, wurde nach sechs Wochen im Zim-
mer umheraugeheu gestattet.
(Edinburgh Medical Journal Nr. CXIV. December 1804.)'
Dütmar: Ein Fall von Ovariotomie aus der Poli-
klinik von Middeldorpf \n Breslau.
Nachdem die 27jHhrige Patientin seit drei Jahren an Stuhl-
drang, Anschwellung und Schmershaftigkeit des linken Hypo-
chondrinm mit allmHlig bed^tender Zunahme des Leibesum-
fanges, welcher sur Zeit der Operation vier Fuss zwei Zoll
mass, gelitten hatte, wurde auf ihren eigenen dringenden Wunsch
hin die Operation, ohne dass eine Function vorher irgend
einmal gemacht worden wKre, am 20. Juni 1864 ausgeführt. Gin
480 XXXIV. Notitten aas der Jonmiil-Literatar.
4Vb" langer Einschnitt in der Line« alba lieis dnreb den ^^[^
langen PeritonlkeaUchnitt den prall gefüllten Tnmor sehen, bei
dessen Entleernng mittels Troikart keine Spur von Flflseigkeit
in die Bauchhöhle drang. Die abgecapfte Menge betrug 6% scble^
Hiscbe Quart. Nach der Excision der Geschwulst, UnterbindoDg
des Stieles mittels doppelter FadenbSndchen wurde die Wunde
so vereinigt, dass der Stiel in dieselbe eingenäht wurde.
Die Cyste ist uniloculftr nnd trägt nur an ihrer ObarflJlcli»
eine massig tiefe Einschnürung.
Der erste Tag nach der Operation verlief befriedigend; am
zweiten seigte sich schon früh etwas Fiebersteigernng, die gegen
Mittag zunahm und von niehrmaligein Erbrechen begleitet wur.
Am dritten Tage trat unter Collaps, nachdem der Leib tieh
etwas aufgetrieben hatte, der Tod ein.
Die Section seigte geringes Kxandat in der Abdominal*
höhle; das Peritonäum sah in der Umgebung der Wunde sebie*
fergrau und missfarbig. Nirgends Blnterguss oder Verletsnng.
(Wiener Medicinische Wochenschrift: KUnfaebnter Jahr*
gang. 1865. Nr. 34.)
Oreenhalgh: Neues Seetang Dilatalorium.
Die VorsÜge der aus Laminaria digitata gefertigten DiUta-
torien gegen die aus Pressschwanim sind durch die ErCabrang^
bereits hinreichend festgestellt. Verf. empfiehlt behufs de« schnel-
leren Quellens des Tanges, das Stäbchen der Länge nach an
durchbohren, damit die Feuchtigkeit auch von dem Hohrcanale ane
wirken kann, und es vor der Anwendung eine kurae S^eit in heisaea
Wasser su tauchen. Das obere Ende des Stäbohens wird abge-
rundet, während in das Bohrloch des unteren Endes ein Inttro*
ment sum Festhalten und besseren Einführen eingeschoben wir^-
Nach der Anlegung muss die Kranke ruhig liegen, lauwarme Va-
ginaldoucben machen, und kann sich nach einer bestimmten Zeit
mittels des an dem St&bchen befestigten Faden« da« ötftbchen
selbst wieder hervoriiehen. Gegen die etwa eintretenden Schmer-
zen müssen beruhigende Mittel innerlich nnd von der Scheide
und dem Mastdarm aus in Form von Suppositorien gegeben
werden. (The Lancet 1865, 8. AvtII.)
Druck von A. Th. Engelbardt in Leipxig.
Monatsschrift
für
GEBÜRTSKUNDE
und
Frauenkrankheiten.
Im Verein mit der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin
heraasgogebon von
Dr. C. S. F. Cred6,
Hofrath, ord. Prof. und Director der Entbindungs - Anstalt in Leipxii; etc.
Dr. C. Hecker,
Hofrath , ord. Prof. und Direotor der Embindnngs • Anstalt in München, Uitter etc.
Dr. Ed. Martin,
Qeb. Ratb, ord. Prof. nnd Director der Kntbindangs -Anstalt in Berlin, Rittor ete.
Dr. F. A. von Ritgen,
Oeb. Ratb, ord. Prof. und Director der Entbindung« • Anstalt in Olesien,
Gomthur etc.
Fniifaiidxwaiizigster Band« Supplen.-Heft
Mit einer Tafel Abbildungen.
Berlin, 1865.
Verlag von Anguat Hirachwald,
08 D. d. Linden, Ecke der Schadow-Straase.
Inhalt.
Supplement-Heft.
Seite
I. U6ber den Scheintod Nea|i:eborener. Von Dr. J. Pojspel,
prakt. Arst and Hülfsarst an der geburtshälfl. Poliklinik
in Manchen 1
II. Mittheilnngen über die Thätigkeit nnd die Verhandlungen
der Gesellschaft für Gebnrtshülfe an Leipzig im sehnten
Jahre ihres Bestehens:
I. Jahresbericht, erstattet durch den d. Z, Secretair
Dr. EmÜ Äpoüo MeisMner 59
II. Ruptar eines Variz in der ^Scheide ain 21. Tage
nach der Gebart. — Tod am 26. Tage in Folge
der Verblutung. Von Dr. Friedrich Wilhelm Helfer 77
III. üeber die Vortheile und die Nachtheile des Zan-
gengebrauchs bei engem Becken, verglichen mit
denen der Wendung auf die Ftisse. Von Dr.
C Hennig 86
IV. Kaiserschnitt wegen eines grossen Utemsfibroide^.
Ausgeführt und mitgetheilt von Prof. Dr. Breslau
in Zürich. (Mit Abbildung, Fig. 1.) 122
V. Doppelmissgeburt, schwere Geburt, Decapitation
etc. Untersuchung der Kindesleiche. Von Dem-
selben. (Mit Abbildung. Fig. 2.) M7
VI. Prolappus des hochRchwangeren Uterns , ausge-
dehnte Ineisionen in den unnachgiebigen Cervi^c,
Perforation des Kindes etc. Von Demselben . . 161
III. Zerreissung der Gebärmutter, Mutterscheide und Harn-
blase bei der Geburt. Untersuchung wegen fahrlässiger
Tödtung durch begangene flrstliohe Kunstfehler. Von
Dr. Hefmann In München 167
IV Inhalt.
Seite
IV. Ist Bweckmässig und znlässi^ and ausführbar, in Univer-
sitätsstädten unefaelich Gebärenden die Niederkunft nur
in Gebärhäusern zu gestatten, in den Privatwohnungen
der Hebammen aber sn verbieten? Von Dr. Hofmtmn
in München .^ 209
V. Bericht über die geburtshülflich'an Leistungen der Rhei-
nischen Provincial- Hebammenanstalt in Coeln in den
Jahren 1860—1863. Von Dr. Friedr, H. Q, Birnbaum,
Director der Provinsial-Hebamraenanstalt in Cöln . . . 226
VI. Notizen aus der JonmaN Literatur:
Frankenhäuaer : Die Nerven der weibl. Geschlechts-
organe des Kaninchens 293
Otto Spiegelberg : ÜruBenschlftnohe im fötalen mensch-
lichen Eierstocke 294
A, Breisky: Ueber den Einfluss der Kyphose auf die
Beckengestalt 294
Robert Barnes: Ueber Spondjlolisthesis 295
Ä{f, H, M'Clintöck: Ein Fall von Wehenmaogel nebst
Beobachtungen 296
Alfr, H. M^CfUntock: Beobachtangen tib. Wehenmangcl 297
A. 8. Donkin: Ueber die physiologische Thätigkeit
des Uterus bei der Geburt 299
Mattei: Ueber Entzündung der Placenta 299
Berieht dee Committee der R. Medical and CJUrurgical
Society zur Untersuchung der Gebrauchsweisen und
der physiologischen, therapeotischen und toxischen
Wirkungen des Chloroforms 300
Henry Bennet: Behandlung der Utejin-^Bchmeraen dnrch
hypodermatische Injectionen . . . ^ 302
Edto. B. Sinclair: Ueber die Anwendung des Chloro-
forms in der Oebnrtehülfe 802
R. Olehatuen: Die Behandlung scheintodter Neugebo-
rener durch künstliche Respiration 303
0. Spiegelberg: Zur Behandlung des Scheintodes der
Neugeborenen (die Marsball Hairscbe Methode) . . 305
(Jkaeeinati Der Wasserkopf des Foetus als Hindernlas
bei der Geburt 306
R. Wagner: Ein Fall von Lithopaedion 308
G, Braun: Die strangfSrmige Anfwiokelung des Am-
iiihAit. y
*
Seite
nioo am den Nabeletrang des reifen Kindei — eine
seltene Ursache des intrauterinen Todes. ...... 309
O. SpiegsUterg: Drei FKlle von Struma congenita . . 810
Engel: Ueber Entstehung von Missbildungen durch
änseere Bedingungen 810
C B. Reichert: Anatomische Beschreibung dreier,
sehr frühaeitiger Doppel • Embryonen Ton Vögeln,
— sur Erlftuterung der Entstehung Ton Doppel.
Missgeburten 312
Breslau und Rindfleiaeh: Geburtsgescbichte und Un-
tersnchung eines Falles von Foetus in foetu .... 314
Fonaaagrivee und Gcnllerand: üeber einen Acephalus
Peracephalus 317
MarUn-Seharlau : GefKhrliche Folgen eines Falles in
den letzten Monaten der Schwangerschaft 318
R» W. Crighton: Ein Fall von Uterusrnptur, mit glück-
lichem Erfolge der Oastrotomie H19
J. Fleury: Uterus-Haeroorrhagie nach der Entbindung 820
Ä. Änderaon: Ueber die Behandlung der Nachgeburts-
Periode 321
Simon Thotnae: Transfusion an einer durch Blutung
erschöpften Wöchnerin 322
H. Hildehrand: Ueber Erweiterung des äussern Mut-
termundes bei der Geburt durch Incisionen .... '624
Valentai Weitere Beiträge sur Catheterisatio uteri . 327
8. L. Hardyi Ueber Einleitung der Frähgeburt bei
excessivem Erbrechen Schwangerer 327
Simon Thomae: 40 Fälle von künstlicher Frühgeburt 329
B. Lion sen. : Ueber den Kaiserschnitt an Sterben-
den. Zur forensischen Casuistik 332
Baker- Hroum: Resultate von 55 operirten Blasenschei-
denfisteln 334
0, V. Franque: Ueber plötzliche TodeafftUe im Wochen
bett 334
Breslaui Ueber Gebiyranstaiten mit B^rüeksiehtigung
des Zellensystems 335
Säming^; Zwei Falle von spontaner Gat-Entwiekeliing
aoa eitrig-janchigen Exsudaten 337
TI Inhalt,
i
8«ita
FUchmr: Bericht über die wKhrend des Zeitraumes
▼om 1. October 1862 bis Ende MBra 1864 auf der
innern Abtheilnng des Professor Traube in der
Charit^ Yorgekommenen Poerperal-Erkranknngen . 889
Aug, Theod, Stamm: Ueber die YeraichtangsmögUch-
keit des epidemischen Paerperal- Fiebers 348
GMrg€ Hilli lieber Pnerperal-PyÄmie > . 347
Wade: Ueber Ketronterin-Hämatocele 349
Caresme: Haematocele retronterina in Folge von Apo-
plexie des Oyarinm 349
Breslau: Beitrag zur Kenntniss der Haematocele peri-
uterina 850
Guetav Braun: Ueber Haematocele eztraaterina . . . 861
Baker Brown: Ueber Behandlung der RetroTersio,
Retroflexio und Anteflexio der Geb&rmntte'r 254
Bryk: Zur Diagnose der Atresieen der weibliehen Ge-
schlechtsorgane 355
Comil: Cancroid des Collum uteri, auf die Lymph-
gefässe des Uterus fortgepflanzt 857
S. L. Hardy: Grosse polypöse Uterus- Geschwulst bei
einem jungen Mädchen 358
O. Braun: Ueber die Verwendung von „Hebel - Pes-
sarien** bei Behandlung der Lageyer&nderungen des
nicht geschwängerten Uterus 359
Simpson: Ueber pyariotomie und die erste Punction
bei Hydrops ovar^i . 362
Simpson: Ein glücklicher Fall von Ovariotomie . . . 363
Maisonneuve: Ovariotomie 364
Rokitansky: Ueber Torsion und Strangulation von
OTarial-Geschwülsten 364
Wilson Fox: Ueber den Ursprung, den Bau und die
Art der Entwickelnng der cystischen Geschwülste
des Eierstockes 365
liussbaum: Eine roultiloculäre, im gansen Umfange
▼erwachsene Eierstocks -Gbsohwulst glücklieh ez-
stirpirt . . 867
Schmidt: Eine OTariotomie mit dem Ansgang in roll-
stündige Heilung 868
InhftU. VII
i
8«it«
T. Spmtcer WßUtx Ein Fall Toti Tumor fibroey»ticQ8
uteri 869
N. H. Cohehi Berieht über die Ovariotomie, mit be-
•onderer BeriickeichtigiiDg der letaten Jahre .... 870
Tk. KMki Pftlle ▼on Orariotomie 371
Orvhei Sarcoma fibrosnm cyeticnm des ÜDken Eilei-
tert. Ovariotomie. Vollständige Geneaviig .... 371
StUUngi lieber die Ezstirpation krankhaft ▼ergrös-
«erter Orarien, Oyariencyeten 872
StüUng: Fortgeeetater Bericht über neue Fftlle Ton
Ezstirpation krankhaft vergrösa erter Eierstöcke
(Ovariotomie) nach des Autors Methode der eztra-
peritonttalen Unterbindung und Einheilnng des Ova-
rialstieles 376
I%oma9 Keiih: 14 Fälle von Oyariotomie 376
K Siehnoald: Die Colloidentartung der Eierstöcke . 377
Bre§lau: Zur differentiellen Diagnose swiscben Hy-
dro-Ovarinm und Ascitis 378
Th. Komer: Anatomische und physiologische Unter-
suchungen aber die Bewegungsnerven der Gebär-
mutter 879
L. Kugelmann: Gynäoologisebe Ifittheilnngen mit be-
sonderer Rücksicht auf die chronische Oophoritis 881
Hecker: Statistische Tabelle über die Vorkommnisse
in der Gebär - Anstalt au München im Etatsjahre
1863—64 382
F. Bartschi Bericht über die Ergebnisse der ßpäth'-
sehen geburtshülflichen Klinik für Hebammen im
Solarjahre 1868 883
Späth: Ueber die Sanitätsverhältnisse der Wöchnerin-
nen an der Gebärklinik für Hebammen in Wien,
1863 884
Breelau: Bericht über die Ereignisse in der Gebär-
anstalt lu Zürich im Jahre 1863 886
George B. Brodle: Statistik des Queen Lying • in
Hospital SU London 886
Edward Headlam Oreenhow: Fall von angeborner Un-
▼ollkommenheit der Brüste, Gescblechtslheile , des
Brustbeins und des Hersens bei einem 22jlUirigen
Weibe 388
VIII iDbalt.
8«lte
0. V. HatMmrg {Martin): £lfter Beriebt aas der ge-
bartehülflichen und gyn&colog^iachen Klinik des Hrn.
Geb. Bath Martin in Berlin 388
Boecker: Bericht über die Vorgänge im Gebärhanse
der königl. Charit^ an Berlin im Winter- Semester
1862—63 389
Pohl: Beriebt über die Vorgange im GebKrbanse
der kSnigl. Cbarit^ an Berlin im Winter -Semester
1868—64 : 390
Hartmanni Jabresbericht über die Ereignisse in der
OebÜranstalt der nnter Direetion von Dr. M, Hauu-
tnann stebenden königl. Landes-Hebammenschnle an
Stuttgart im Verwaltungsjabre 1868 -64 390
VII. Literatur:
Winekel: EineOrariotomie, Antrittsprogramro. Rostock,
1864 392
E, Ott: Die periuterinen und retrovaginaten Blut-
ergüsse. Inang. Dissert. Tübingen, 1864 ...*.. 393
Heigh L. Hodge: Prinbiples and practice of obste-
trics; illustr. with 169 lithograpbiu Figures from
original Pbotographs a. witb numerons woodcnts.
Philadelphia, 1864. 4. 560 S 394
Hieher: Kum versio in caput inter graviditatem sit
adhibenda? 398
0. Spiegelberg: De cervicis uteri in graviditate mnta-
tionibus earumqne quoad diagnosin aesttmatione.
Begimonti, 1865 . . : 399
I.
üeber den Scheintod Neugeborener.
Von
Dr. J. Poppel,
prakt Arst n&d Hlllfsanst an der geburtihfllfllchen Poliklinik in Mflnchen.
Die Lehre des Scheintodes der Neugeborenen hat in
neuerer und neuester Zeit so grundliche Bearbeitung erfahren,
dass es einer besonderen Entschuldigung zu bedürfen scheint,
wenn dieser Gegenstand wiederholt besprochen wird. Die
Forschungen von Kramer, Hecker, Schwarz und jüngst
von Pernice haben die Aetiologie des Scheintodes unter ganz
anderen Gesichtspunkten aufzufassen gelehrt, als sie bis dahin
gang und gäbe waren. Und doch findet man selbst in den
neuesten Lehrbüchern, dass diese Ansichten der genannten
Autoren wenn nicht bekämpft, so doch nur mit gewissen
Einschränkungen zugestanden werden. Die Berechtigung oder
Nichtberechtigung dieser Widersprüche zu erörtern, soll eines-
theils der Hauptzweck der nachfolgenden Seiten sein. Andern-
theils schienen sich mir bei statistischer Zusammenstellung
nicht uninteressante Daten zu ergeben, die in Bezug auf
Aetiologie und Prognose einigen Aufschluss gewähi*en. Der
Güte meines verehrten Lehrers, Herrn Hofrath Hecker j habe
ich das Material zu verdanken, das ich zu dieser Zusammen-
stellung benutzte. Ich habe die Journale des Gebäi^hauses
und der Pohklinik von den letzten vier Jahren, während
welchen ich persönlich die meisten Fälle beobachtete oder
Kenntniss davon nahm, der Statistik zu Grunde gelegt, so
dass ich für möglichst richtige Angaben einstehen kann.
UonAtaacbr. f. Oebnrtok. 1866. Bd. XXVm 8apt>l.Hft.
2 I* PoppeZ, Ueber den Scheintod Neugeborener.
Die Lehrbücher definiren den Scheintod oder die Asphyxie
als einen Zustand des neugeborenen Kindes, bei dem ausser
dem Fühl - und Hörbarsein der Herzcontracliofien sonst .keine
Lebenszeichen vorhanden sind. Dies scheint mir allerdings
eine ganz richtige Definition des Wortes Scheintod zu sein,
nicht aber eine solche, die alle Formen und Grade dieses
Zustandes bezeichnet; denn wenn die Autoren einen aus-
dröoldichen Unterschied machen zwischen 'Scheintod, Lebens-
schwäche und Sterbendgeborenwerden, so ist diess eine rein
theoretische Eintheilung , die in keiner Weise der' Wirklich-
keit entspricht. Wenn Lebensschwäche der Zustand sein
soll, bei dem die Kinder ausser der Herzthätigkeit auch noch
andere schwache Lebenszeichen, wie Bewegungen der Ex-
Iremitäten, einzelne Athmungsbewegungen erkennen lassen, so
ist man genöthigt, jedes scheintodt geborene Kind, wenn es
zum Leben gebracht wird, zuerst den Weg durch die Lebens-
schwäche gehen zu lassen;. wozu aber dann eine eigene Be-
nennung für einen Zustand, der entweder den nothwendigen
Uebergang vom Scheintod zum Leben bildet, oder wenn er
von Anfang an vorhanden, auf derselben Aetiologie und pa-
thologisch anatomischen Veränderung beruht. Deswegen kann
die Lebensschwäche allerdings als ein Grad des Scheintodes
bezeichnet werden, wenn man nicht lieber nur frühzeitig ge-
borene Kinder lebensschwach nennen will, die dann selber
wieder scheintodt geboren werden können. Ebenso steht es
mit der Unterscheidung des Sterbendgeborenwerdens (Scan-
zonijy denn es kann dies blos ein Uebergang vom Scheintod
zum wirklichen Tod sein, für den nicht einmal irgend welche
charakteristischen Merkmale angegeben werden können; denn
so lange noch Herzcontractionen vorhanden sind, ist Schein-
tod , wenn diese aufgehört haben, wirklicher Tod vorhanden.
Zudem kann man einem Kinde, das mit schwachen Lebens-
äusserungen geboren wird, nie von vornherein ansehen, dass
es nicht belebt werden wird, im Gegentheil wird ja mit Recht
betont , dass so lange ' auch nur noch die leisesten Herz-
contractionen vorhanden, die Hoffnung auf Belebung nicht
aufzugeben sei. Als dem höchsten Grade des Scheintodes
mag dem Sterbendgeborenwerden sein Recht nicht streitig
gemacht werden.
I. Papp&lj Ueber den Seheintod Neugeborener. 3
Nach Allem glaube ich, sollte man unter dem CoUectiv-
oamen Scheintod alle die Zustände eines neugeborenen lebens-
fähigen Kindes zusammenfassen, wo ausser Herzcontractionen
entweder keine oder nur verringert! und seltener sich kund-
gebende Lebensäusserungen vorhanden sind.
Die. Ursachen des Scheintodes sind, allgemein ausge-
drückt, Girculatipnsstörungen, und stimmen völlig mit den
während der Geburt den Tod des Kindes bedingenden über-
ein. Die anatomische Untersuchung weist sowohl bei wäh-
rend der Geburt gestorbenen, als bei aspbyktisch geborenen
Kindern, die nicht wieder belebt wurden, wesentlich dieselben
Veränderungen nach. Sie bestehen bekanntermaassen , wenn
wir von Missbildungen oder äusseren Verletzungen oder an-
geborenen Krankheiten absehen, in Blutüberfüllung der inne-
ren Organe ; namentlich der Lungen, des Herzens, des Ge-
liirns, der Leber und des Darmes, oft mit Ecchymosen unter
die serösen Häute und freien Blutergüssen verbunden. Diese
Thatsachen waren schon lange bekannt und man war nicht
verlegen, sie theils als mechanisches Druckphänomen, theils
als active und passive Hyperämien, bedingt durch Functions-
störungen des Herzens oder des Placentarkreislaufes zu er-
klären. Bei Blutfulle und Extravasaten in der Schädelhöhle
war es keinem Zweifel unterworfen , dass sie den Tod oder
die Asphyxie zur nothwendigen Folge hatten. Der Befund in
den Lungen und am Herzen Hess ohne Bedenken die Er-
klärung des Todes oder der Asphyxie aus Blutstauungen
durch medbanisch gestörten Fötalkreislauf zu.
Nach den historischen Zusammenstellungen von Hecker ^)
und Schwarz^) war Kr ahmer ^) der erste, der, nachdem
nur vereinzelte Untersuchungen und Beobachtungen von
Maj/er^), Dubois^), Berard^), Caseaux'^), Volk-
1) Verhandlnngen der Gesellschaft f. Gebnrtshülfe in Berlin,
Heft 7, 1863.
2) Die vorseitigen Athembewegnngen. Leipsig 1858.
3) Handbuch der gerichtl. Medicin. Halle 1851.
4) Salzbarg, med.-cbirurg. Zeitnng 1817 n. Hufeland^B Jour-
nal 1824.
5) M^moires de Tacad. de m^d. de Paris, T. II.
6) Cours de Physiol. Paris 1861.
7) Trait^ th^or. et prat. de l'art des Acconch. Paris 1860.
1*
4 I- Poppel, Ueb^r den Scheintod Neng^eborener«
mann^), Vierordt^), auf die richtige Fährte geleitet hatten,
die während der Geburt entstehende Athemnoth als eine der
Ursachen des Scheintodes und die Erstickung als nicht sel-
tene Todesart der Kinder*unter der Geburt bezeichnete. Er
stutzte sich nämlich auf die Beobachtung, dass solche Ge-
burtscomplicationen, die den Blutaustausch zwischen Mutter
und Kind hemmen, vorzeitige Athembewegungen bewirken,
deren Residuen in den Veränderungen der . Brustorgane auf-
gefunden werden. Diese Veränderungen sind auf durch ver-
gebliche Athemversuche erfolgte Aspiration des Blutes in den
Thorax zurückzuführen. Die Athmungsfunction der Placenta
war bei Krohmer aus anderweitigen Gründen geschöpfte theo-
retische Voraussetzung. Hecker ^) hat namentlich darauf Ge-
wicht gelegt, den indirecten Beweis für diese Athmungs-
function geführt zu haben. Während Kr ahmer so schloss:
durch Unterbrechung oder Behinderung des Placentarkreis-
laufes entsteht SauerstoiTraangel, dadurch werden Athembewe-
gungen ausgelöst, die aber bei Mangel an Luft Aspiration
von Blut in den Thorax und von den umgebenden Medien in
die Trachea und Bronchien bewirken, — schloss Hecker
folgendermaassen : „bei asphyktischen, nicht belebten oder
todt geborenen Kindern, bei denen nachweislich während der
Geburt Unterbrechungen des Placentarkreislaufes stattfanden,
findet man constant diejenigen pathologisch-anatomischen Ver-
änderungen, die bei jedem Erstickungstod vorkommen; wenn
das Kind also in Folge von Störungen des Placentarkreis-
laufes immer erstickt, müssen ihm durch das Blut der Pla-
centa die Bedingungen geboten werden, die das Ersticken
verhüten, d. h. es wird ihm Sauerstoff zugeführt oder die
Placenta ist Respirationsorgan.
Hecker liess die Frage offen, ob der Tod während der
Geburt oder der Scheintod nach derselben ausnahmslos auf
Erstickung beruhe, ist aber doch geneigt, auch Tod und
Scheintod durch Druck auf das Gehirn anzunehmen (I. c '
Seite 186).
1) MülUr'a Archiv, 1841.
2) Wagner's Handwörtorbnch , Bd. II,
3) 1. c.
I. Poppel, Ueber den Scheintod Nea^borener. 5
Erst Schwarz^) hat diese Frage in bejahendem Sinne
entschieden und vor Kurzem bat Pemice^) dieselbe Ansicht
vertheidigt, dass nämlich der apoplektische Tod und Schein-
tod ganz zu streichen sei. Zur näheren Erörterung dieses
Punktes ist es nöthig, einmal die pathologisch - anatomischen
Veränderungen genauer zu besprächen und dann die ätiolo-
gischen Momente in*8 Auge zu fassen, die erfahrudgsgemäss
den Tod während der Geburt oder den Scheintod nach der-
selben bedingen.
Die von Krahmer zuerst in Bezug auf ihre Entstehungs-
weise näher gewürdigten Stauungserscheinungen der Brust-
organe, auf die vor ihm nur durch vereinzelte Beobachtungen
von Ritgen^), CruveilMer*) und Litzmann^) aufmerksam
gemacht wurde, die aber bei nach der Geburt Erstickten von
Bayard^) und nach ihm von Guspar'^) als regelmässiger
Befund angegeben worden waren, 6ndet man also constant
bei während der Geburt erstickten oder durch Athemnoth
asphyktisch gewordenen, nicht belebten Kindern. Häufig ge-
nug, wenn auch nicht immer, findet man ausserdem noch
Blutstauungen im Gehirne und den Gehirnhäuten, verbunden
mit Blutextravasaten , die ganz selten parenchymatös sind,
sondern fast immer in den Gehirnhäuten ihren Sitz haben*
Die Blutstauungen in den Unterleibsorganen, namentlich der
Leber und den Nieren, die auch mit Ecchymosirungen ver-
bunden sein können, interessiren hier nur als Theilerschei-
nungen des Erstickungstodes, können aber als solche niemals
den Tod oder Scheintod begründen.
Schwarz behauptet nun, dass die Stasen und Bluter-
gösse In den cerebrospinalen Centralorganen an und für sich
weder die alleinige, noch die mitwirkende Ursache des Todes
während der Gehurt oder des angeborenen Scheintodes sein
1) 1. c.
2} Greifswalder med. Beiträge, Dansig 1863.
3) Gemeinsame deatsche Zettsebrift für Qebartskande, Bd. I,
1827.
4) Anat. pathol.,' Liv. XV.
6) Deutsche Klinik, 1852, Nro. 19.
6) Annales d*Hygi^ne pnbl., 1847.
7) Geriohtl. LeichenSfihnngen. Erst. Hand, 84.
Q i. Poppel, Ueber den Scheintod Neugeborener.
können, sondern dass Beidem Immer SufTocation zu Grunde
liege. Wenn Schwarz zunächst behauptet, man dürfe gleich-
artige Erfahrungen von der Wirkung der Meningealblutungen
an Geborenen nicht ohne Weiteres auf ungeborene Fruchte
anwenden, da ihr „noch nicht volJgereiftes Hirn- und Racken-
mark noch sehr spärlich functionirt und namentlich weder
die Herzthätigkeit , noch den Stoffwechsel beherrscht,'' so
dürften dafür doch noch andere Beweise verlangt werden,
als die , dass in .Folge von Hydrorhachis oder Hydrocephalie
die Centralorgane vernichtet sein können, und dass nach Per-
foration lebender Kinder und selbst nach Abfluss von Him-
masse dieselben ihr Leben noch stundenlang fristen konnten.
Denn der Hirntheil, um den es sich zunächst handelt, wenn
von Beeinflussung dieses auf die Athmungs- und Herzthälig-
keit, dieser zweier zum extrauterinen Leben absolut noth-
wendigen Factoren, die Rede ist, die Medulla oblongata ist
in den meisten Fällen unverletzt vorhanden, selbst bei sonst
vollständigem Defect des Gehirns, und wenn sie in seltenen
Fällen auch fehlt, so kann man höchstens den Schluss dar-
aus ziehen, dass dieses Organ zum intrauterinen Leben nicht
unumgänglich nothwendig ist, nicht aber den, dass, wenn es
normal vorhanden, und es durch äussere Ursachen insultirt
wird, es anders functioniren solle, als nach der Geburt.
Ferner hat man doch auch bei Geborenen nach Schädelver-
letzungen nicht unbeträchtliche Hirnmassen verloren gehen
und dabei doch das Leben bestehen gesehen. Es kann also
die Erfahrung, dass nach Perforation und Abfluss von Ge-
hirnmasse die Kinder unter Umständen ihr Leben noch stun-
denlang fristen konnten, nicht als Beweis daför herangezogen
werden, dass die intrauterine Function andersartig oder ge-
ringgradiger von Statten gehe. Aber selbst zugestanden, dass
diese Functionen intrauterin noch sehr spärlich zur Geltung
kommen, so wird man doch gerade in dem Zeitabschnitte,
wo es sich um Etablirung der Respiration und des .Lungen-
kreislaufes handelt, deren Beeinflussung von der Medulla aus
dann wohl nicht geleugnet werden wird,, also gleich nach der
Geburt berechtigt sein, anzunehmen, dass durch den Druck
eines Blutextra vasates die durch das Athembedürfniss zur
Reflexaction gereizte Medulla in einem Zustande vod Lähmung
I. Poppet jV eher den Scheintod Neag^eborener. ^
sich befinden könne, so dass die Athembewegungen nicht
oder nur mangelhaft zu Stande kommen. Die klinischen Er-
fahrungen ober Meningealblutungen an Geborenen sind über-
haupt sehr dürftig. Denn abgesehen von traumatischen Er-
güssen, bei denen die damit verbundene Gehirnerschütterung
in erster Linie zur Sprache kommt, oder wenigstens das
Krankheitsbild trübt, und dem durch Pachymeningitis be-
dingten Haematoma dürae matris, wo meningitische Symptome
die Hauptrolle - spielen , gehören spontane Blutungen in die
Meningen und namentlich in den Arachnoidealsack etwa durch
Berstung eines ateromatösen Gefasses zu den grössten Selten-
heiten, so dass man über die Symptomatologie dieser Er-
krankung noch lange nicht im Klaren ist, •-und nur so viel
weiss, dass Hemiplegieen und Lähmungserscheinungen ein-
zelner Nervenpartieen seltener,' dagegen meist Sopor und Goma,
Verminderung der gesammten Motilität und Sensibilität Me-
ningealblutungen begleiten.
Einen gewichtigen anatomischen Beweis für seine Ansicht
findet Schwarz darin, dass «erfahrungsgemäss Kinder ganz
lebensfrisch geboren werden können, aber nach ihrem früher
oder später erfolgten Tode Blutergüsse in den Arachnoideal-
sack oder auf die Oberfläche des Gehirns zeigen, die nach
ihren Veränderungen von der Geburt her daliren müssen.
Solcher Beobachtungen führt Schwarz zwei an, Pemice^),
der denselben Schluss daraus zieht, bringt ebenfalls zwei
eigene Beobachtungen. Daran ist demnach gar nicht zu zwei-
feln, und ich könnte es durch drei ähnliche Fälle bestätigen,
dasi^ solche meningealc Blutungen, die der Geburt ihre Ent-
stehung verdanken, das Leben der Kinder gleich nach der
Geburt unter Umständen in keiner Weise beeinträchtigen. Man
kann sich aber jedenfalls vorstellen, dass in der Art der Ent-
stehung der Extravasate grosse Verschiedenheiten bestehen
können, dass einmal die Blutung sehr laugsam, wenn sie
capillär, das andere Mal bei Zerreissung eines grösseren Ge-
fasses oder eines Sinus schnell eintreten kann, und Niemand
wird im speciellen Fall den Beweis fähren können, ob ein
später gefundenes Extravasat schon gleich bei der Geburt
1) 0. 1.
g I. Poppd, Ueber den Scheintod Neugeborener.
diese Ausdehnung gehabt habe, man wird im Gegentheile mit
demselben Rechte behaupten können, es habe bei der Geburt
erst angefangen zu entstehen und es sei in den ersten Stun-
den oder am ersten Tage nach der Geburt zu der gefundenen
Grösse herangewachsen.
Viel gewichtiger scheint mir die Thatsache zu Gunsten
der UnschädJichkeit der Blutextravasate, die Pernice anfuhrt,
zu sprechen, dass tiefe Impressionen des Schädels, bewirkt
durch das Promontorium, dann ohne allen Einfluss auf die
Lebensfrische des Kindes sind, wenn im Laufe der Geburt
keine Veranlassung zu Piacenlarkreislaufsslörungen gegeben
war. Man kann sich aber vielleicht denken, dass diese Im-
pressionen zunächst blos auf die betreffende Grosshirnhemi-
sphäre einen Druck ausüben, dessen Fortpflanzung auf die
Medulla aber das Tentorium verhindert, während die Blut.-
ergüsse sehr häufig sich unter dasselbe, auf die Basis des
Kleinhirns und um die MeduUa herum senken, und so jeden-
falls einen intensiveren, weil directeren Druck erzeugen, als
die Impressionen.
Aus dem gleichzeitigen Vorkommen von anatomischen
Erstickungsmerkmalen und Blutextra vasaten in den Meningen,
die jedenfalls während des Lebens entstanden sein mussten,
bei unter oder gleich nach der Geburt gestorbenen Kindera,
hat Schwarz den Schluss gezogen, dass der einfache mecha-
nische Druck der Extravasate die Functionsfahigkeit der Me-
dulla oblongata wenigstens nicht unmittelbar zerstört, dass
also trotz dieser Blutaustritte die durch andere Ursachen be-
dingten Athembewegungen zu Stande kommen konnten. Man
wird allerdings selten, wenn es sich um Auffinden einer Ur-
sache der frühzeitigen Athembewegungen handelt, in Verlegen-
heit kommen, aus irgend einem Umstände bei der Geburt
eine Störung des Placentarkreislaufes mit mehr minder grös-
serer Wahrscheinlichkeit folgern zu können, und sollten es
auch nur intensive Wehen oder muthmaasslicher Druck auf
die Nabelschnur sein. Aus dem anatomischen Befund allein
wird sich nie mit Sicherheit die Möglichkeit ausschliessen
lassen , * dass die Blutung in die Gehirnhäute auch das Pri-
märe gewesen sei, und die vergeblichen Athembewegungen
durch dieselbe ausgelöst worden seien. Denn so gut man,
I. Poppel, lieber den Scneintod Neugeborener. 9
wenn man die AthmungsinsufBcienz als constante Ursache des
.Todes und Scheintodes annimmt, auf die Reizung des Cen-
trums der Athembewegungen der MeduUa oblongata, durch
sauerstoffai'mes Blut zurückgehen und derselben also eine
gleiche Functionstbäligkeit zutrauen muss, wie nach der Ge*
burt, ebenso darf man doch auch so handgreiflichen Verände-
rungen, wie Blutungen in die Gehirnhäute, theoretisch wenig*
stens einen ähnlichen £influss auf die Medulia vindiciren.
Auch dagegen lässt sich theoretisch gewiss kein Einwand er-
heben, dass nach der Verschiedenheit der Grösse des Druckes
einmal Athembewegungen ausgelöst, das andere Mal von An-
fang an verhindert werden können. Freilich musste zur prak-
tischen Anwendung dieser Annahme bekannt sein, wie gross
der Druck sein müsse, um solche Wirkungen zu erzielen,
und dann, ob er im speciellen Falle diese Grösse erreiche.
Für eine solche mechanische und zwar lähmende Wirkungs-
weise eines Extravasates auf das verlängerte Mark spricht
sich übrigens auch Vtrchow^) aus; er schildert den Tod
eines Kindes, das sterbend geboren wurde, bei dem man bei
der Section Ansammlung von zwei Kaffeelöffel voll dunklen
dickflüssigen Blutes auf der Oberfläche und zwei andere an
der Basis des Gehirnes, und viel blutiges Serum in dem seit-
lichen und dem vierten Ventrikel, sonst alle Organe gesund
fand, folgendermaassen : „Die ersten Respirationsbewegungen,
gleichviel ob durch peripherische Reizung sensitiver Hautnerven
oder durch Reizung des verlängerten Markes traten ein, und
damit die Lungencirculalion ; allein die folgende periphere
Reizung, die des Vagus, kam nicht vollständig in Gang, weil
der zunehmende Druck auf die Centralnervenapparate diese
immer mehr hinderte, jene Reizung aufzunehmen und in neue
Bewegung umzusetzen. Daraus musste sehr schnell eine se-
cundäre Asphyxie hervorgehen, deren Erfolg um so ungün-
stiger zu denken ist, als die bei der Geburt zerrissenen Him-
venen eine schnelle Zunahme des Extravasates im geraden
Verhältniss zur Asphyxie wahrscheinlich machen. In diesem
Cirkel von Ursache und Wirkung, wo die Extravasation die
1) Verhandlnngen der pbys.-med. Gesellscb. in Würsbnrg,
Bd. U., Nro. I. IL IL, 1861.
10 I* ^^PP^f Uebep den Scfaeitttod Neagebor«iier.
Asphyxie uod diese wieder eine ZuDahme der Apoplexie und
sofort bedingt, musste das Leben schnell zu Ende gehen«''
Und so kann man sich gewiss vom anatomischen Standpunkte
jeden Tod und in Tod übergegangenen Scheintod eines neu-
geborenen Kindes erklären, wenn man bei der Seclion so-
wohl Apoplexieen als Suffooalionsmerkmale findet Vom kli-
nischen freilich wird man in sehr'vielen Fällen die Suffocation
als das Primäre, oder wenigstens als die hinreichende Ur-
sache des Todes und Scheintodes nachweisen können. Darauf
jedoch will ich erst später zurückkommen, und gegenwärtig
die Frage Mos in anatomischer Beziehung betrachteiL
Schwarz und Berniee betonen, wie erwähnt, ausdrück-
lich, dass man bei allen während der Geburt gestorbenen
oder asphyktisch geborenen, nicht belebten Kindern die un-
zweideutigsten Spuren energischer verfrühter Athemversuche
finde, und suchen darin natürlich einen Hauptbeweis für ihre
Ansicht Gegen das Factum lassen sich aber doch Zweifel
erheben. Ich möchte zunächst auf obigen Sectionsbefund bei
Virchoio hinweisen, wo ausser der Anomalie im Schädel
sonst alle Organe gesund gefunden wurden, und dann Beob-
achtung 1) bei Schwarz hier anführen, als obigen Ausspruch
gerade nicht beweisend. Wenn man bei einem Kinde, das
nach einer schweren Zangenoperation bei engem Becken ster*
bend geboren wird, bei der Section ausser starker Füllung
des rechten Vorhofes mit Blut in den Circulations - und Re-
spirationsorganen nichts Abnormes, dagegen Verschiebung der
Schädelknochen, theilweise Abtrennung des Periostes und der
Dura mater von den Schädelknochen durch zwischengelagerte
mehrere Linien dicke halbgeronnene Blutextravasate, sehr be-
trächtliche Meningealblutungen an der oberen und unteren
Fläche des grossen und kleinen Gehirns, Hyperämie der Ge-
liirnsubstanz, Blutfülle und einzelne kleine Blutungen der fei-
neren Rückenmarksbäule findet, so ist, anatomisch betrachtet,
die Annahme eines vom Gehimdruck erzeugten Scheintodes
und Todes doch gewiss mindestens ebenso gerechtfertigt, als
die des suflbcativen Todes. An diesen Fall anschliessend
erlaube ich mir mehrere Sectionsbefunde mitzutheilen , wie
sie in dem Sectionsbuche des Gebärhauses aufgezeichnet smd.
I. Poppelt Ueb«r den Sohetntod Keuj^eborener. H
1. Bei einer Zweitgebärenden mit eng^em Becken (3" 3'")
wurde nach 5 stündiger Daner der «weiten Periode ein hochgradig
. asphyktischer, nicht wieder belebter Knabe dnrch die Naturkräfte
in zweiter Scheitellage geboren. Sein Kopfnmfang betrag 377,
Ctm., seine Länge 56 Ctm., sein Gewicht SVi^ Pfd. Es war mit
dem Katheter Lnft eingeblasen worden. Die Section ergab Blnt-
eztravasate und seröse Infiltration swischen Pericraninm und Kopf-
schwarte, besonders auf der linken Hälfte des Schädels; das
Hinterhaupt-, das linke Stirn- nnd das rechte Seiten wandbein
an den betreffenden Nähten unter das linke Seitenwandbein ge-
schoben. An der Naht des rechten Stirn- und Seitenwandbeines
ist eine bedeutende Impression, und es verläuft von hier aus in
das Stirnbein eine 2 Gtm. lange horisontale Fissur in der Höhe
des Arcus superciliaris. Die Impression war schon äusserlich
fahlbar. Die Bänder der eingedrückten Schädelknochen haben
sich auch am Gehirn abgedrückt und gilt dies insbesondere von
der Impression an der rechten Stirnbeinnaht. Unter der 4-rach-
noidea ist die ganze Gehimoberfläche mit Blutest ravasat bedeckt,
so dass die weisse Farbe des Gehirnes nur an einzelnen Win-
dungen inselförmig hervortritt; an der Baeis des Grosshirns und
auf dem Tentorium ist eine grosse Menge freies Bluteztravasat,
ebenso längs der MeduUa freies Blut ergossen. In den Ventri-
keln ist etwas blutiges Serum, die Gehirnsubstanz selbst ist grau-
röthlich durch grossen Blutreichthum. Trachea leer, beide Lungen
vollständig mit Lnft gefüllt (Einblasen mit Katheter) ohne Ecchy-
mosen, ganz normal, . ebenso Herz, Thymus, Leber; Nieren
blutreich.
2. Bei einer Erstgebärenden war die vorgefallene Nabel-
schnur mit Glück reponirt worden; 19 Stunden später musste die
Zange angelegt werden wegen Fieberanfregung der Mutter bei
Stand des Kopfes in der Beckenenge in zweiter Scheitellage.
28 schwere Tractionen entwickelten ein asphyktisches , nicht
wieder belebtes Mädchen. Section: Kopfumfang 36 Gtm.; sehr
fester unnachgiebiger Schädel, unter der Kopfschwarte viel blu-
tiges Serum, in der rechten Schläfengegend Bluteztravasat unter
dem Periost. Meningen stark hyperämisch, Gehirnsabstanz weich,
'serös durchfeuchtet, auf dem Durchschnitte treten sehr viele
Blutpunkte hervor. Auf dem Tentorium cerebelli nnd um die
Pens Varoli herum viel freies Bluteztravasat; Rückenmark hyper-
ämisch ohne Blutaustritt. Lungen durch künstliche Respiration
gut durch Luft ausgedehnt, so dass sie mit dem Herzen auf dem
Wasser schwimmen, normal. Herz mit ziemlich viel Blntcoa-
gulis gefüllt. Im Abdomen blutiges Serum. Leber, Milz, Nieren
sehr blutreich, Darm stark injicirt.
3. Ein ausgetragenes Mädchen einer Drittgebärenden wurde
nach 13 stündiger Geburtsdauer (2. Periode Vi Stunde) ohne be-
12 !• P^PP^t Uabar den Seli»iatod Ntfafcborener.
kaoDta Ursache ««phyktisch ^^eboren, durch Hmatreis bmld belebt,
starb aber 5 Stonden nach der Gebort «rieder nnter cjanotiseher
Färbang: der Haot mit Oedem nameotlieb an Händen and Fassen,
nnd Paralyse der unteren Extremitäten. Section: Unterbaatsell-
gewebe am gansen Körper odematos. Die Gefasse der Pia mater
and des Gehirns stark bintgefnllt, im linken SeitenTentrikel blu-
tiges Seram, im rechten scbwarsgeronnenes Blnt; ein 6ber den
Seh- and Streifenhügel dieser Seite hinlaafendes Gefass stark
erweitert and geborsten. Die Capillaren des Pericardinms and
die grossen Gefösse stark blatgefüllt, Hers normal; Dactas Bo-
talli sehr geranselt. ' Beide Longen haben ein marmorirtes Aas-
sehen darch aahlreiche zerstreate atelectatische Heerde. Trachea
and Bronchien leer. Mils, Leber blatreich, aaf der Gallenblase
einige Ecchjmoseu. Nieren ohne Hamsäareinfarct.
4. Bei einer ErstgebSrenden dauerte die ErSffnangsperiode
3 Tage anter seltenen, oft stundenlang aussetsenden , aber sehr
scbmershaften Wehen. Zwei Stauden nach yollkommener Er-
weiterung des Muttermundes wurde ein hochgradig scheintodter
Knabe in Scheitellage geboreA, der mit Mühe mittels Luftein-
blasen durch den Katheter belebt wurde. Am sweiten Tagestarb
er unter oonvnlsiTischen Erscheinungen. Section: Auf der Ober-
fläche des Gehirns an den yerschiedensten Stellen freies Blut-
extra vasat, das auch swisohen den beiden Hemisphären bis auf
den Balken reicht, und nach rückwärts auf das kleine Gehirn
übergreift, dessen Oberfläche ganz mit Blut bedeckt ist; ebenso
die Basalfläche. Ferner findet sich in beiden Seitenyentrikeln
ein freies Blnteztravasat. Gehirnsubstanz fest, blutreich. In den
Pleurahöhlen etVas rothgelbliches Serum, beide Lungen gut durch
Luft ausgedehnt, kein Emphysem vorhanden, Schleimhaut der
Trachea blass, dieselbe ohne Inhalt, auch die feineren Bronchien
sind leer. Im rechten Herzen ein blasses Faserstofi^gerinsel.
Leber, Milz normal, Nieren blutreich ohne Infarkt.
6. Bei einer Erstgebärenden wurde die Geburt wegen Wehen-
schwäche mit der Zange beendet, und ein hochgradig asphykti-
Bcher Knabe zu Tage gefördert, der mit Mühe wieder belebt
wurde. Das Kind war immer wie betäubt. Es wurde ein Blut-
egel hinter das Ohr gesetzt, der sehr lange nachblutete, so dass
die Blutung mittelst Umschlingung gestillt werden mnsste. Der
Sopor dauerte an, am dritten Tage bekam das Kind Tetanns und
starb noch an demselben Tage. Section: Auf der Oberfläche,
namentlich der linken Hemisphäre des kleinen Gehirns blutig-
seröse Infiltration, im dritten nnd yierten Ventrikel Blntcoagula
mit blutigem Serum; Gehirn sehr weich zerfliessend, in der
Rüokenmarkshöble freies Blutextrayasat. Beide Lungen voll-
kompen mit Laft ausgedehnt; Herz, Milz, Leber normal, in den
Nieren starker Hamsäureinfarot.
I. Poppil^ üeber den Scheintod Neuf^boreiier. 13
6. Ein Mädchen einer Zweitgebftrenden mit eng^m Becken
(conj. 3") wnrde nach dreistündiger Dauer der zweiten Gebnrts-
Periode in erster Scbeitellage dnrch die Natarkräfte massig
asphyktisch geboren, und bald belebt. Es zeigte auf dem linken
Scheitelbeine eine deutliche Promontoriummarke mit Excoriation
der Weichtheile. Das Kind starb 6 Tage alt unter nicht näher
bekannten Erscheinungen. Section: Unter dem Pericranium aus-
gedehnte Blutextravasate. Auf der Oberfläche der linken Hemi-
sphäre ist dickflüssiges, theils coagulirtes Blut aufgelagert. Ge-
hirn blutreich. Lungen, Herz, Leber, Milz normal, in den Nie-
ren Harnsäureinfarct.
7. Ein in Fusslage vorliegender Knabe einer Viertgebären-
den mit engem Becken (8" b'") wurde hochgradig asphyktisch
extrahirt, aber wieder belebt und starb 2 Tage alt an Oonvul-
sionen. Section: Weichtheile des Schädels sehr hyperämisch.
Bei Eröffnung der Schädelhöhle fliesst sehr viel Blut aus; die
Gefässe der Pia mater strotzend mit Blut gefüllt, ebenso die
Sinus. An der Basis des Gehirns, namentlich auch um das
kleine Gehirn herum sehr viel freies Bluteztravasat, die Sub-
stanz des Kleinhirns theilweise dnrch Blutextravasat zertrümmert;
in den Seitenventrikeln Klumpen geronnenen Blutes. Rücken-
markshäute sehr hyperämisch mit einigen Blutanstritten. Die
Organe der Brust- und Bauchhöhle vollkommen normal.
8. Bei einer Zweitgebärendeu mit engem Becken (conj.
3'" 3'") wurde nach 15 stundiger Dauer der zweiten Periode mit-
tels der Zange durch 12 kraftige Tractionen ein hochgradig
asphyktlsches Mädchen in erster Scheitellage entwickelt, das mit
Miihe wieder belebt wurde, aber 1 Tag alt an Convulsionen starb.
Section: Am rechten Scheitelbein starke Kopfgeschwulst, am
]inken nahe an der klpineo Fontanelle eine deutlich sichtbare
Abflachung; über der Nasenwurzel eine Continuitätstrennung der
Cutis mit jauchigem Eiter bedeckt. (Zangendruck.) Das linke
Scheitelbein zeigt eine mit der Sntura coronalis parallel laufende,
von der Pfeilnalit 3 Ctm. nach aussen sich erstreckende Fissur.
Sämmtliche Nähte sehr eng. Der linke Schenkel der Sutura
lambdoidea vollkommen durchgerissen. Das Gehirn sehr weich,
ödematös, die Gefässe der Pia stark injicirt. Herz und Lungen
normal, letztere mit künstlichem Emphysem. Leber, Milz normal,
Darm sehr anämisch, in den Nieren Harnsäureinfarct.
In keinem der 8 angefahrten Fälle hat die Section un-
zweideutige Zeichen der Suffocation nachgewiesen. Wenn man
ziemlich häufig allerdings. Blutreichthum der Leber, der Milz,
. der Nieren gefunden hat, so ist in keinem Falle von sub-
pleuralen oder pericardialen Ecchymosen oder von fremdem
Inhalte in der Trachea und den Bronchien die Rede, wie sie
14 I« Poppti^ Ueber den Scheintod Neageborener.
doch kaum vennisst werden, wenn aus der klinischen Beob-
achtung eine Placentarkreislaufsstorung angenommen werden
musste. Jedenfalls sind die in den Centralnervenorganen
gefundenen Läsionen hervortretender, al§ die der Brustorgane.
Im letzten Falle 8. sind zwar keine Blutextravasate in der
Schädeiböhle gefunden worden, dagegen so bedeutende Läsio-
nen des Schädels, die auf eine grosse mechanische Com-
pression desselben hinweisen, dass neben dem negativen
Lungenbefund auch hier ein Scheintod vom Gehirn aus nicht
•gut von der Hand gewiesen werden kann. Fall 5. nament-
lich scheint mir unzweideutig zu sein, wo nach der Wieder-
belebung aus tiefer Asphyxie sich sogleich ein soporöser Zu-
stand anschloss, der am 3ten Tage unter Convulsionen zum
Tode führte; als Ursache des Sopors wird Niemand die bei
der Section gefundenen Blutextravasate im Schädel bezweifeln,
warum sollten dieselben unmittelbar vorher nicht auch der
Asphyxie zu Grunde gelegen haben?. Man könnte einwenden,
dass dieser Fall die Ausnahme sei und dass in der Begel
solche Blutergusse, wenn sie nach der Gebort zum Tode
führen, erst einige Tage nach der Geburt Symptome des
Gehirnreizes oder des Gehirndruckes durch die inzwischen
eingetretene entzündliche Schwellung hervorrufen, dass also
trotz des Blutergusses die Asphyxie, wenn überhaupt besei-
tigt, meist bald in einen lebensfrischen Zustand übergeht,
aber ich glaube, dass man diese Thatsache einmal mit der
bekannten Gewöhnung des Gehirnes 'an einen constanten
Druck erklären kann, und dann damit, dass, wenn der Druck
nicht von Anfang an das Zustandekommen des rythmischen
Athmens hindert, durch das allmälig immer freier werdende
Athmen und die Herstellung des Lungenkreislaufes die im
Gehirn bestehende Hyperämie bald beseitigt und so auch die
Quelle der Blutung gestillt werden kann, gerade im Gegen-
satz zu dem oben nach Virchow geschilderten Vorgange, wenn
die Atliemnoth nicht im Stande ist, von der MeduUa aus
Atliembewegungen auszulösen, und darum eine Vermehrung
der Stauung im Gehirne verursacht. . In Fall 4., 5., 6., 7., 8.
mag die Einwendung gestattet erscheinen, dass sich die Ver-
änderungen der Lungen und am Herzen in den ersten Lebens-
tagen ausgeglichen haben; wenn dies natürlich von der
I. Poppü, üeber den Scheintod Neugeborener. 15
Hyperämie der Fall ist, so glaube ich doch gewiss nicht von
EcchyiDosen und fremdem Inhalt bi den Bronchien, der entr
weder partielle Atelectasen oder Bronchitis und Pneumonie
zur Folge hat.
Aher man miisste, glaube ich, selbst nicht auf den
Mangel ausgesprochener Veränderungen in den Respirations-
organen ein' so grosses Gewicht legen, es könnte im Gegen-
theil aulTallend sein, wenn bei derartigen Blutaustritten in
die Schädelhöhle, ihren lethalen Einfluss auf das Leben wäh-
rend der Geburt zugegeben, nicht sehr häufig während des
Absterbens. Athembewegungen durch Reizung der Medulla ob-
longata entstünden, sondern wenn der Tod ohne solche er-
folgte. Aus diesem Gesichtspunkte könnten also, worauf
schon früher hingewiesen wurde, nicht einmal die Fälle von
Tod während der Geburt oder von Asphyxie beweisend sein,
bei welchen die Section neben Apoplexien der Schädelhöhle
auch deutliche Suffocationsmerkmale nachweist. Natürlich
bin ich weit entfernt, so weit gehende Schlussfolgerungen,
gestützt auf den anatomischen Befund in Wirklichkeil für be-
rechtigt zu halten, es war nur die Absicht, nachzuweisen,
dass aus ihm die Suifocation für alle Fälle nicht sichef be-
wiesen werden kann.
Vielleicht dürfte in den angeführten Fällen mit keinen
oder nur geringen Spuren vorausgegangener Athemnoth die
Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass die ersten frühzeiti-
gen Inspirationen allerdings durch Kohlensäureanhäufung im
Blut bewirkt worden seien, dass dieselben aber durch den
zunehmenden Druck des Blutextravasates in der Art, wie
oben in Virchow's Deduction angeführt, behindert worden
seien, und dass deswegen die Merkmale des Suffocationstodes,
die ja blos Folgen fruchtloser Athembewegungen sind, so ge-
ringflQgig seien. Gegen diese Erklärung wäre auch nicht mehr
der oben anerkannte Einwurf stichhaltig, dass tiefe Impres-
sionen des Schädeldaches, wenn im Laufe der Geburt keine
Veranlassung zu Placentarkreislaufsstörungen gegeben war,
ohne Einfluss auf die Lebensfriscbe des Kindes sein können,
denn wir geben mit ihr zu, dass für eine gesunde Medulla
oblongata der Druck der Blutextravasate oder der Impres-
sionen ohne Einfluss sei, sondern halten nur die Ueberzeugung
16 I. Poppel, üeber den Scheintod Neugeborener.
fest, eine dass durch krankhafte Kohlensäiireanhäufung im
Blute beeinflusste Medulla oblongata auch durch die genann-
ten mechanischen Insulte in ihrer Function gestört werden
könne. *)
Wenn wir bis jetzt auf anatomischem Wege zu dem
Schlüsse gelangt zu sein glauben, dass die Blutergüsse in der
Schädeihöhle, wenn auch nicht die einzige, so doch die mit-
wirkende Ursache des Todes während und des Scheintodes
nach der Geburt sein können, so kann uns vielleicht auch
« das Experiment einigen Aufschluss geben, imd obigen Satz
entweder bestätigen oder widerlegen.
Zu diesem Zwecke stellte ich mir die Frage, ob und
welchen Einfiuss bei jungen Kaninchen kunstliche Flüssigkeits-
ansammlungen im Arachnoidealsack ausüben. Natärlich kann
bei albmenden Thieren nicht die Frage entschieden werden,
ob und welcher Druck auf das verlängerte Mark Athembewe-
gungen auslöst, sondern blos die, ob und wie die Athem-
bewegungen sich ändern, resp. zum Stillstand gebracht werden.
1) Das giebt ancfa Schwarz selbst zn, dass Neugeborene
trotz «der anfanglich durch Hautreize hervorgerufenen, anschei-
nend ausreichenden Athembewegungen dennoch bisweilen nicht
zum vollendeten Athmen gelangen, binnen Kurzem absterben,
und dass man dann bei der Section mehr weniger atelektatische
Lungen im Verein mit cerebrospinalen Blutextravasaten findet,
obgleich sich in den LuftcanKlen kein mechanisches Hind^miss
für den Lufteintritt nachweisen lässt. Man kann in diesen Fällen
die Lähmung der Athembewegungen durch den Druck des Extra-
vasates als Ursache der Atelektase doch sicher annehmen, da
man ja, was Schwarz für eine solche Behauptung verlangt, mangel-
hafte Ventilationsfahigkeit des Thorax und Anfüllung der Luft-
wege mit den Lufteintritt ganz abschliessendem flüssigem Inhalte
ausschliessen kann; dass, wie Schwärz meint, die vorhandene
Hyperämie der Lungen den Aiangel an Luftgehalt der Lungen-
zellen erklären könne, ist mir doch zweifelhaft. Man wird eben
in solchen Fällen, in denen es sich allerdings immer nur um die
Erklärung partieller Atelektasen handelt, weil die, wenn auch
noch so wenig ausgiebigen Athembewegungen doch einzelnen
Theilen der Lungen Luft zugeführt haben, sagen müssen, dass
die Athembewegungen durch den Sauerstoffmangel des Blutes von
der Medulla obl. aus zu Stande kamen, dass aber dieser Reiz
bald nicht mehr genügte, um von ihr aus, die durch den Druck
des Blutes gelähmt wurde, Athembewegungen auszulösen.
I. Poppet, üeber den Scheintod Nengeborener. X7
Bei der Ausführung der Experimente, zu denen mir mein
Freund Dr. Oertd behülflich war, machte ich an jungen
Kaninchen in ein Scheitelbein ein möglichst kleines Loch, um
die Canule einer fToocTschen Spritze durchschieben zu kön-
nen; die Dura mater wurde dann mit Vorsicht durchstossen
und die Canule, um das Gehirn nicht zu verletzen, längs des
Scheitelbeins noch etwas vorgeschoben. Sodann wurde theils
Wasser, theils Blut injicirt. Zunächst erlauhe ich mir die
einzelnen Versuche kurz anzuführen.
Erster Versuch.
Aeht Tage altes Kaninchen.
124 Athemzüge in der Minute.
Um 5 Uhr durch das linke Os parietale '/, Cnbik-Centimeter
Wasser ziemlich schnell eingespritzt. Einige Convulsionen, nach
denen die Respiration sehr rasch steigt, dann aber schnell bis
anf 40 in der Minute sinkt. Soporöser Zustand.
6 Uhr 15 Minuten wieder Vs Cubik-Centimeter Wasser injicirt.
Convulsionen von kurzer Dauer, soporöser Zustand dauert fort.
Sensibilität erhalten, Pupille reagirt. ^
5 Uhr 80 Minuten 36 Respirationen,
5
45
)*
36
5
50
n
28
6
—
>i
24
6
30
»1
40
8
—
19
48
,, noch immer soporös.
Tags darauf früh 7 Uhr 124 Respirationen, ganz munter, bleibt
gesund.
• Zweiter Versuch.
Nenn Tage altes Kaninchen.
100 Respirationen in der Minute.
5 Uhr 50 Minuten V4 Cubik-Centimeter Wasser eingespritzt,
am linken Os parietale mit ziemlicher Gewalt; kurze Convulsio-
nen, das Wasser sickert wieder etwas ans. 56 Athemzöge.
5 Uhr 55 Minuten wieder V4 Cnbik-Centimeter Wasser ein-
gespritzt. Conyulsionen , Harnlassen. 42 Respirationen. Sopor.
6 Uhr wieder V4 Cubik-Centimeter Conynisionen, gleich
darauf Respiration 84, die aber bald wieder auf 66 sinkt.
6 Uhr 5 Minuten wieder V4 Cubik-Centimeter. Respiration 44.
6 Uhr 10 Minuten wieder V4 Cnbik-Centimeter. Convulsionen.
6 Uhr 15 Minuten wieder ^1^ Cnbik-Centimeter. Das Wassor
fliesst immer langsam wieder aus. Respiration 42.
6 Uhr 20 Minuten wieder ^/^ Cnbik-Centimeter. Respiration
sinkt bis anf 28. Harnlassen.
Monatosehr. f. Oebnrtak. 1866. Bd. XXV., SappI.Hft. 2
18 I- Poppet, Ueber den Scheintod Neugeborener.
6 Uhr 30 Mianten man» achten Mal V« O.-Otm. eingespritst.
Convnlaionen. Hers macht 90 Schlage, Aufhören der Respiration.
6 Uhr 36 Minuten. Herz 60. Keine Respiration.
6 Uhr 40 Minuten. Herz hört auf zu schlagen. Section
Va Stunde darauf. Unter der Pia mater auf der linken Hemi-
sphftre Blutaustritt, entsprechend der Oeffnung im Schädel, keine
Verletsung des Gehirns; an der etwa krenzergrossen Stelle des
Blutaustrittes ist namentlich die graue Substanz, weniger die
weisse stark capillftr injicirt, in den Hirnhöhlen kein Blut. Uro
die Medulla starke capilläre Injection mit einigen Eztrayasaten
unter die Pia. Herz stark mit Blut gefüllt, Lunge normal. Darm
stark injicirt.
Dritter Versuch.
10 Tage altes Kaninchen.
70 — 90 Athemziige in der Minute. 160 Herzcontractionen.
Um 11 Uhr 45 Minuten % C.-Ctm. geschlagenes Ochsenblut
durch das linke Os parietale ziemlich schnell injicirt. Kurze
Convulsionen. Harnlassen. Respiration 60. Herz 148. Sopor.
11 Uhr 50 Minuten wieder Y, C.-Ctm. Blut injicirt. Convul-
sionen. Respiration 46. Herz 120.
11 Uhr 55 Minuten. Respiration 40.
12 Uhr wieder .^/, C.-Ctm. Ochsenblut injicirt. Convulsio-
nen» Aufhören der Respiration. Herz 60, unregelmässig.
12 Uhr 5 Minuten Tod. Vom eingespritzten Blut waren
höchstens einige Tropfen wieder ausgeflossen.
Section. Nach Abnahme des Schädeldaches mit Schonung
der Dura mater sieht man dieselbe prall durch das eingespritzte
Blut gespannt; nach Oefliiung der Dura fliesst es ab, und zeigt
sich, dass das Gehirn ganz unverletzt ist. Das Blut hat sich im
Arachnoidealsack überall hin yertheilt, auch di^ Hirnhöhlen waren
ganz mit Blut angefüllt, ebenso das Kleinhirn und das verlän-
gerte Mark ganz von Blut umflossen. Hirnsubstanz ganz normal.
Rechtes Herz stark durch Blut ausgedehnt, Lungen normal,
Darm injicirt.
Vierter Versuch.
11 Tage altes Kaninchen.
70 — 80 Respirationen in der Minute.
Um 5 Uhr 40 Minuten ungefähr 3 C.-Ctm. Wasser mit gros-
ser Kraft injicirt, wovon natürlich wieder ziemlich viel abfloss.
Convulsionen. Respiration 1^; ganz enge Pupillen, Sopor.
6 Uhr 43 Minuten Respiration. 164 sehr angestrengtes Athmen.
6 Uhr 46 Minuten wieder ungefähr 3 C.-Ctm. Warser ein-
gespritzt. Tetanas, Aufhören der Respiration. Herz 72.
5 Uhr 50 Minuten Tod.
I. Popptlf Ueb«r den Scheintod Kencfeborener. 19
SectioD. Gehirn nirg^ends yerletzt, g^anz ungemein anä*
misch in allen Theilen, an der Oberfläche plattgedrückt, com-
primirt; nirgends Blutaustritt, die Plexus cborioidei gana blut-
leer. Dickes Coagulum im rechten Hersen, HeragefHsse strotzend
mit Blnt gefüllt, Lungen aehr blutreich mit zahlreichen sub-
pleuralen Eochymosen, Darm stark injicirt.
Fünfter Versuch.
13 Tage altes Kaninchen vom Versuch Nro. I.
70 Respirationen in der Minute.
Um 12 Uhr V« C.-Ctm. Blut sehr langsam eingespritzt; keine
Convulsionen.
12 Uhr 10 Minuten. Respiration 40. Sopor.
12 Uhr 15 Minuten wieder V^ C.-Ctm. sehr langsam einge-
spritzt. Es sind kaum einige Tropfen ausgeflossen. Respiration 36.
12 Uhr SO Minuten. Respiration 60. Tödtung mit Chloroform.
Section. Die Dura mater ist straff gespannt durch das
eingespritzte Blut, das nach ihrer Eröffnung zum Tbeil ausfliesst.
Gehirn normal. Das Blut hat sich im ganzen Arachnoidealsack
yertheilt, namentlich ist an der Basis sehr yiel angesammelt,
desgleichen in den Ventrikeln. Herz, Lungen hjperSmisch.
Sechster Versuch.
13 Tage altes Kaninchen.
Respiration 70.
Um 11 Uhr Va C.-Ctm. Blut sehr langsam injieirt; keine
Convulsionen. Respiration 48. Sopor.
11 Uhr 15 Minuten wieder */, C.-Ctm. sehr langsam injicirt.
Keine Convulsionen. Respiration 40.
11 Uhr 46 Minuten. Respiration 60,
1 Uhr 50 Minuten. *^, C.-Ctm. sehr langsam eingespritzt.
Respiration 48.
2 Uhr 30 Minuten. Respiration 80. Das Thier ist ganz
munter. Abends ganz gesund, frisst mit Appetit. Am anderen
Morgen wurde es todt gefunden.
Section. Unter der Dura die beiden HemispkXren mit eine r
dünnen Blutschicht bedeckt, die Pia getrübt und verdickt, die
GehimoberflHcbe selbst stark capillär injicirt. An der Stelle des
Loches im Schädel ist die Gehirnsubstanz verletzt, und befindet
sich ein mit Blnt gefüllter Gang, der in den linken Ventrikel
fiihrt, und mit dem eingespritzten Blut angefüllt ist; der rechte
Ventrikel ist ganz leor. Gehirnsubstanz anämisch. Rings um
das Kleinhirn, die Medulla oblongata und tief in den Rücken-
markecanal sich erstreckend ist das eingespritzte Blnt ange-
sammelt, Hera, Lunge normal.
2*
20 I* iVn^t Udbar den ScheiBtod Keng^boroDen
Siebenter Versuch.
Aeltares Kaoinchen.
Retpiration 84.
6 Uhr 30 Minnten '/, C.-Ctm. Blot sehr Ungsam am rechten
Ol parietale eingespritst. Keine Verandernng in der Respiration.
Sopor.
5 Uhr 36 Minuten. '/, C.-Ctm. sehr langsam. Respiration
anfangs 90, gleich darauf 60.
6 Uhr 40 Minuten. Vc C.-Ctm. sehr langsam eingespritst.
Respiration 54 bis anf 44 sinkend.
5 Uhr 45 Minuten. Vs C.-Ctm. sehr langsam eingespritst.
Respiration 64.
5 Uhr 55 Minuten. Vs C.-Ctm. sehr langsam eingespritst.
Respiration 48- -46.
Hierauf wurde der Versuch anterbrochen, nachdem also
2y, C.-Ctm. eingespritst waren , yon denen höchstens '/, C.Ctm.
wieder ausgeflossen war. Das Kaninchen war soporös, schleppte
den linken Vorderfoss etwas nach, erholte sich aber bald, und
frass denselben Abend mit Appetit. Des anderen Morgens fand
man es todt.
Section. Unter der Dura über beiden HemisphSren gleich-
massig vertheilt Bluterguss, Pia sehr verdickt und getrübt, Ge-
hirn selbst unyerletst, sehr stark an der Oberfläche injicirt;
Kleinhirn, Mednlla oblongata und Rückenmark gans von Blut
umflossen, doch entspricht es der Menge nach nicht dem einge-
spritsten, so dass gewiss schon bedeutende Resorption stattge-
funden hat. Die Hirnhöhlen mit wenig serös-blutiger Flüssigkeit
gefüllt, Qehirnsubstanz anämisch. Hers, Lungen gesund.
Achter Versuch.
16 Tage altes Kaninchen.
100 Respirationen in der Minute.
6 Uhr 18 Minuten. 7, C.-Ctm. Blut eingespritst, sehr lang
sam. Respiration 76 — 72.
6 Uhr 20 Minnten. Vs C.-Ctm. sehr langsam eingespritst.
Respiration 64 — 68. Sopor.
6 Uhr 30 Minnten. V, C.-Ctm. sehr langsam eingespritst.
Heftige Conynisionen. Respiration 124.
Der Versuch wurde unterbrochen. Der Sopor dauert an.
Unter Conyulsionen starb es 20 Stunden nach Beendigung d^s
Experimentes.
Section. Unter der Dura auf beiden Hemisphären, dann
rings um das Kleinhirn und die Medulla oblongata Bluterguss,
Pia mater sehr verdickt und getrübt. Graue Substans sehr hyper-
Kmisch. Gehimhöblen leer. Hers, Lungeu normal.
I. Poppsl, Ueber den Scheintod Neugeborener. 21
Diese Versuche scheinen mir zu beweisen,
1) dass ein sehr plötzlicher und intensiver Druck die
Athmungsfunction des verlängerten Markes nur sehr kurze
Zeit steigert, indem die Respirationen sich schnell bis aufs
Doppelte erhöhen, dass dann aber schnell Lähmung und Tod
eintritt. (Versuch 4.) Einen solchen intensiven Druck können,
wenn auch noch so rapid entstehende Blutextravasate nicht
ausüben.
2) Ein sehr allraälig zunehmender Druck hat constant
die Wirkung, die Athembewegungen zu verlangsamen. Das
Gehirn und das verlängerte Mark können siph selbst an einen
grossen Druck, wenn er langsam entsteht, bald accomodiren,
so dass nach einiger Zeit die Drucksymptome wenn nicht
ganz verschwinden, doch sehr zurücktreten. Bei Versuch 1.,
5., 6., 7. und 8. wurden 1 C.-Ctm. Wasser, und 1, IV2,
^Va» 1% C.-Ctm. Blut ohne directe Lebensgefahr vertragen.
Bei Erreichung eines gewissen Maximum des Druckes tritt
jedoch immer, auch wenn er langsam entstanden ist, der
Tod durch Lähmung der Athembewegungen ein. (Versuch 2., 3.)
Die Beeinflussung der Herzthätigkeit durch die Ergüsse wurde
in den Versuchen nur in so weit constatirt, als in den Fällen,
wo der Tod als directe Folge des Experimentes eintrat, kurz
vor dem Tode die Zahl der Herzcontractionen beträchtlich
sank. Welcher Druck den natürlich vorkommenden Blut-
ergüssen zukommt, ist in keiner Weise zu bestimmen, aber
jedenfalls entsteht er immer sehr allmälig, und kann nie den
Druck im Gefasssystem überschreiten, weil dann sogleich
eine Comprimirung des blutenden Gelasses eintreten muss.
Die Versuche bestätigen, glaube ich, demnach allerdings
die Ansicht, dass solche Blutungen in dem Arachnoidealsack
wohl kaum das Leben direct aufheben können, so lange das
ergossene Blut blos mechanische Wirkung äussert: Die hin-
gegen so constant beobachtete Herabsetzung der Athemfrequenz
zusammen mit dem soporösen Zustande, die ich mir so ent-
standen denke, dass der gewöhnliche normale Athmungsreiz
des Blutes nicht genügt, einen Athemzug auszulösen, der
erst dann zu Stande kommt, wenn di6 Ueberladung mit
Kohlensäure noch zugenommen und der Reiz vermehrt ist,
lässt doch die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass
22 I- Poppelt Ueber den Scheintod Ne ageboren er.
auch unmittelbar nach der Geburt ein soporöser Zustand, bei
dem es eines mehr als gewöhnlichen Reizes bedarf, um eine
Alhmung auszulösen], solchen Ergüssen seine Entstehung ver-
dankt. Wie dann, wenn das Athraen allmälig immer aus-
giebiger zu Stande kommt, und der Lungenkreislauf immer
vollständiger wird, eine Aufhebung dieser Druckwirkung durch
das Ruckgängigwerden der Gehirnhyperämie stattfinde, habe
ich schon oben zu zeigen gesucht. Andererseits wird, wenn
das Athmen nicht in hinreichender Weise eintritt, wie ich
oben auf Virchow gestutzt anführte, eine secundäre Asphyxie
entstehen können,, die bald in den Tod übergeht. Zum
Schlüsse dieser Betrachtung kann ich die Ansicht nicht ganz
unterdrücken, ob nicht auch bedeutende individuelle Ver-
schiedenheiten bestehen, und ob nicht ein gleich grosses Extra-
vasat einmal ohne allen, ein andermal von sehr erheblichem
Einfluss sein könne. Wenigstens wird die Thatsache nicht
bestritten werden können, dass in Bezug auf Unterbrechung
des Placentarkreislaufes die Kinder eine ganz ungemein ver-
schiedene Resistenz kraft besitzen. Und ebenso dürften sie
auch anderen Schädhchkeilen einen sehr verschiedenen Wider-
stand entgegensetzen.
Nachdem wir so den suffocativen und apoplektischen
Scheintod betrachtet haben und uns nicht entschliessen konn-
ten, letzterem gänzlich seine Berechtigung abzusprechen, s^
mir noch erlaubt, über den in den Lehrbüchern angeführten
anämischen Scheintod kurz zu sprechen. Darüber sind alle
einig, dass nur in den seltensten Fällen von Zerreissung der
Nabelschnur oder eines Gelasses derselben, Tod oder Schein-
tod durch Verblutung entstehen könne. Aber auch hier
scheint SuObcationstod in Folge des Blutverlustes einzutreten.
Hecker ^) spricht bezüglich eines solchen Falles von Zerreis-
sung eines in den Eihäuten verlaufenden Nabelschnurgefasses,
bei dem das Kind todt geboren wurde, und die Section neben
grosser Anämie der Haut und Lippen, der Luft- und Speise-
röhre, Hyperämie des Gehirns, des Darmes, und Meconium
in den Bronchien nachwies, die Ansicht aus, dass, da aus
dem Verlauf der Geburt kein anderer Umstand sich ergab,
1) Klinik der Oeburtskunde. Leipxig 1861. S. 162,
L Poppet, lieber den Scheintod Neugeborener. 23
der den Suffocationstod hätte erklären köBnen, durch den
Blutverlust zu Erstickung führende Athembewegungen hervor-
gerufen worden seien, und dass also der suffocative Tod
gewissermaassen dem aus Anämie zuvorgekommen sei. Wenn
man, worauf Femice ^) aufmerksam macht", das Krankheits-
bild solcher Kinder, welche nach der Geburt grosse Blut-
verluste durch den Darm erleiden, in's Auge fasst, und sieht,
wie ganz ungemein viel Blut verloren gehen kann^ ehe der
Tod wirklich blos durch Anämie eintritt, so verliert die An-
nahme eines Scheintodes als Folge des Blutverlustes sehr an
Wahrscheinlichkeit, und man ist gewiss geneigt, vorstehender
Erklärung Hecker's beizustimmen.
Grössere Meinungsverschiedenheiten bestehen noch über
den Tod und Scheintod • bei Placenta praevia. Früher nahm
man, ehe man wusste, dass das Placentargefässsystem der
Mutter und des Kindes nirgends miteinander communiciren,
ohne Zögern anämischen Tod und Scheintod an. Jetzt leugnet
man diesen vollständig, weil aus dem geschlossenen Fötal-
placentargefässsystem auch nach Loslösung der Placenta kein
freier Blutaustritt stattfinden könne. Jüngst hat Schulze^)
dies durch den Umstand zu beweisen gesucht, dass angeb-
lich, wenn man eine eben frisch ausgestossene Placenta unter
warmem Wasser durch die Nabdvene mit Milch kräftig inji-
cirt, nie, auch wenn man den Druck im kindlichen Gefäss-
system sehr hoch steigert, auf der Uteriniläche der Placenta
auch nur ein Tröpfchen Milch hervorquillt. Dies ist aller-
dings /ichtig, wie wir uns bei Wiederholung des Experimentes
im hiesigen Gebärhause überzeugten, bei Placenten mit nor-
malem Sitz; hingegen sahen wir bei zwei Placenten, die als
Placentae praeviae laterales aufgesessen und Blutungen wäh-
rend der Geburt veranlasst hatten, und durch den Cred^*-
sehen HandgrilT entfernt, auch bei der Hinwegnahme und
Zurichtung für den Versuch mit der grössten Schonung be-
handelt worden waren, sogleich, als sich der Stempel der
Spritze in Bewegung setzte, die Milch in feinem Strahle her-
vorquellen und zwar gerade an den Stellen, die vorgelegen
1) 1. c.
'2) Jen. Zeitsohrift f. Hediein, I. 2. 1864.
24 ^' Poppet, lieber den Scheintod Neogeborener.
und sich frühzeitig gelöst halten. Wie schon Holst ^) her-
vorgehoben hat, ist die Lösung der Placenta allerdings kein
genügender Grund, um sich die Entstehung solcher Trennun-
gen der fötalen Gefasswände zu erklären, aber in den meisten
Fällen von Placenta praevia treten Umstände ein^ die diese
bewirken können. Bei dem Untersuchen und Befühlen, und
wenn es nur in einem etwas stärkeren Drucke 1)esteht, werden
in dem lockeren und leichten Gewebe leicht Risse zu. Wege
gebracht, aus denen sich kindliches Blut entleeren muss.
Solche Risse können dann ferner hervorgerufen werden durch
vielleicht vorhandene Adhäsionen zwischen Placenta und Ge-
bärmulterwand, durch die Einklemmung der Placenta zwischen
Kindstheil und Beckenwandungen und endlich durch operative
Eingrifle. Man findet doch auch häufiger bei Placenta praevia
als bei anderen Störungen die Kinder anämisch aussehend,
und auch bei der Section sieht man Blässe der Haut und
der Muskeln oft sehr hervorstechend. Damit soll aber keines-
wegs behauptet werden, dass der Tod oder Scheintod auf
Anämie beruhe, vielmehr ist ja der sufTocative Tod oder
Scheintod hier immer die Regel. Die Art des Zustandekom-
mens dachte man sich so, dass die gelöste Placentarstelle die
zum Athmen taugliche Fläche verkleinere, und dass dadurch
Sauerstoffmangel eintrete. Pernice^) hat aber namentlich
hervorgehoben, dass diese Stelle doch oft zu klein sei, um
diese Erklärung statthaft zu finden, und glaubt, dass durch
die auch im Uterus eintretende Anämie und durch die Herab-
setzung der Propulsivkraft des Herzens der Mutter der Frucht
nicht das zum Fortsetzen des Respirationsgeschäfles nöthige
Quantum sauerstoffhaltigen Blutes zugeführt wird. Schulze^
hat die Ansicht ausgesprochen, dass in den mechanischen
Störungen der Circulation, welche durch intrauterine Athem-
bewegungen gesetzt werden, ein Moment liegt, welches die
oft tiefe Asphyxie bei nicht sehr ausgedehnten Verkürzungen
der Respirationstläche vollständig zu erklären vermag. Wenn
nänllich diese, wenn auch geringe Verkürzung nur eine plötz-
1) Der vorliegende Mutterkachen. Monatsschrift für Gebarts-
knnde, Bd. II. 1863. 8. 264.
2) 1. c.
3) 1. c.
I. Popp^lt Ueber den Scheiatod Neugeborener. 25
li€lie ist, damil der Reiz gross genug ist, die ersten Inspi-
rationen auszulösen, so wird mehr und mehr dem Blute des
rechten Herzens die Bahn durch die Lungen angewiesen. Im
Ductus BotaUi und in der absteigenden Aorta muss dadurch
die Blutmenge und der Blutdruck abnehmen, und diese Ab-
nahme muss sich in den entferntesten Gefassgebieten, in
denen der Placentararterien am meisten geltend machen: für
die ganze Placentarcirculation wird die Vis a tergo schwä-
cher, dieselbe daher langsamer und quantitativ geringer. Später
wird, je mehr der Lungenkreislauf durch die fruchtlosen
Respirationsbewegungen in Gang kommt, desto mehr die
Füllung des linken Vorhofs fortan durch die Lungenarterien
erfolgen, der Raum für das Placentar- und Körpervenenblut
wird mit zunehmendem Verschluss des Foramen ovale auf
den rechten Vorhof beschränkt, durch diese Ueberfuliung des
rechten Vorhofes entsteht, wenn nun noch die Arbeit des
Herzens geringer wird, eine Stauung im gesammten Körper-
venengebiet. Am spätesten wird die Nabelvene davon be-
troffen, weil das eingeschaltete Gebiet der Lebercapillaren
eine sehr erhebliche Blutmenge aufzunehmen im Stande ist.
Also Abnahme des Druckes in den Nabelarterien und damit
Verlangsamung der Placentarcirculation und Zunahme des
Druckes in den Nabelvenen sind beides Momente, die immer
mehr die Kohlensäureanhäufung im fötalen Blute steigern und
so lange neue Inspirationen hervorrufen, als das verlängerte
Mark noch auf den Reiz reagirt. Ich glaubte diese geist-
reiche Deduction von Schulze fast wörtlich hier wiedergeben
zu sollen, da sie in der That nicht nur die Asphyxie bei
Placenta praevia, sondern auch bei allen anderen geringfägi-
geren Störungen des Placentarkreislaufes, sobald sie im Stande
sind, einzelne Athembewegungen hervorzurufen, auf sehr
naturgemässe Weise erklärt.
Diese letzte Betrachtung über die Asphyxie bei Placenta
praevia bildet den Uebergang zu der Aetiologie. Hier soll
zum Anschluss an «die bisherige Controverse gezeigt werden,
dass die klinische Beobachtung viel seltener Zweifel an der
Suffocation todter und scheintodter Kinder aufkommen lässt.
Also abgesehen von den von selbst einleuchtenden Kreislaufs-
störungen, die entweder im Tode oder der Agone der Mutter,
26 '• Poppü^ lieber den Scheintod Neugeborener.
im Druck auf die Nabelschnur durch Umschlingung, Vorfall,
bei ßeckenlagen, durch manuelle und iDstruroenCelle Eingriffe,
in frühzeitiger Lösung der normal oder fehlerhaft sitzenden
Placenta, in Wehenanomalien ihren Grund haben, sind auch
in den Fällen ohne Schwierigkeit Störungen der Placentar-
circulation anzunehmen, die auf den ersten Blick den Grund
des Scheintodes in Compression des Schädels, des Halses etc.
suchen liessen. £s ist Thatsache, dass bei langer Einkeilung
des Kopfes in das Becken mit beträchtliche^ Verschiebung
der Nähte, oder bei Zangenoperationen, oder bei engem Becken
die Kinder häufig todt oder scheintodt geboren werden; aber
um eine Verschiebung der Nähte herbeizufuhren, müssen die
Wehen sehr kräftig oder anhaltend sein, und ebenso, uro den
Kopf durch ein enges Becken zu pressen, und kräftige und
häufige Wehen, womit eine immer wiederkehrende Compres-
sion der Placentarstelle nothwendig verbunden ist, stören
schon an und für sich den Blutaustausch zwischen Mutter
und Kind. Zangenoperationen werden entweder unter den
angegebenen Bedingungen unternommen, oder wenn andere
aus dei^ Herztönen der Frucht sicher zu erkennende Kreis-
laufsstörungen dazu auffordern, als deren Ursache sich später
vielleicht Druck auf die Nabelschnur, vorzeitige Lösung der
Placenta etc. ergeben. Dass mit Pemice^) in der Verklei-
nerung des Uterus hinter dem Kinde bei tiefem Kopfstande
auch eine solche an der Placentarstelle sich geltend machende
Kreislaufsstörung zu suchen ist, scheint mir sehr wahrschein-
lich. Hecker ^) hat jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass
bei Zatigenoperationen die Kinder öfters todt oder scheintodt
geboren werden, nicht nur wenn bei Umschlingung der Nabel-
schnur um den Hals die Gipfel der Zange mit dieser in
Couflict kommen konnten, sondern auch ohne diese Compli-
cation, wenn die Zangenspitzen durch ungünstige Lagerung
den Hals und namentlich die Gegend der grossen Halsgefasse
comprimirten, was sich aus den Druckspuren deutlich er-
kennen liess. Er war, da ^r öfters ein^sehr schnelles Ab-
sterben der Kinder beobachtete, der durch directen Druck
1) 1. o.
8) Klinik der Oebartskonde , II. Bd. 1864. S. 197.
I. Poppelf Ueb«r den Scheintod Neugeborener. 27
bewirkten Aufhebung der Blutcirculation im Rinde den Tod
zuzuschreiben geneigt. Zwei Sectionen, die ich von auf diese
Art gestorbenen Kindern notirt finde, sprechen zwar für den
Suffocationstod , von dem aber nicht geleugnet werden soll,
dass er durch plötzliche Unterbrechung der Circulation im
Gehirn oder vielleicht durch plötzlich entstandene Stauungs*
hyperämie, wenn die Compression vorzuglich die Vene betraf,
von der Medulla oblongata aus eingeleitet worden sei. Ein-
mal fand man bei einem wegen Febricitation der Mutter mit
der Zange durch vier Tractionen leicht entwickelten Kinde,
das nach einigen Athemzugen starb, Meconium in den Luft-
wegen und einige Ecchymosen auf der Pleura, Hyperämie
sämmtlicher Organe der Brust-, Bauch- und Schädelhöhle;
die Gefässe des Halses waren strotzend mit Blut gefüllt, die
Haut aufTallend anämisch. Beim zweiten Falle, wo bei Vorder-
scheitellage und verengtem Becken wegen Edampsie der
Mutter, die aber durch den einzigen aufgetretenen Anfall noto-
risch keinen Einfluss auf das kindliche Leben gehabt hatte,
ein todtes Kind mit grosser Mühe extrahirt wurde, waren die
Erstickungsresiducn weniger auffallend, denn sie bestanden
nur in Hyperämie der Lungen und einer grösseren Ecchymose
am Herzbeutel, dagegen fand sich in der Schädelhöhle neben
starker Hyperämie freies Blutextravasat von massigem Um-
fange auf den beiden Grosshirnhemisphären. Die am Halse
auf der rechten Seite sichtbare, durch die Zangenspitze ver-
ursachte Haulverletzung entsprach nicht ganz dem Verlaufe
der grossen Gefässe, war ihm jedoch so nahe, dass an einer
Compression nicht gezweifelt werden konnte. Es wären die
eben erwähnten Fälle aber doch wieder solche, wo eine vom
Gehirn aus bedingte Asphyxie nicht ganz von der Hand ge-
wiesen* werden kann.
Um noch andere Geburtscomplicationen anzuführen, bei
denen nicht von selbst der suffocative Scheintod einleuchtet,
sondern bei denen man geneigt sein könnte, der Compression
des kindlichen Körpers ihn zuzuschreiben, so wird derselbe
nicht selten beobachtet bei langer Dauer der zweiten Geburts-
penode. Abgesehen von den Ursachen, die derselben zu
Grunde liegen, wird nach Abiluss des Fruchtwassers eines-
theils eine Verkleinerung und damit Compression der Pia-
28 1« i>FP^f Uehw des ScheiBtad NeageborcMr.
cenlareleUe erzielt, amlemüieilft mass jede Wehe als eio 4em
Kinde scbadüclies Agens aufgefasst werden, das oft md impg
wiederiioll sebüesslich sich in seinem nachtheihgen
summirL Dasselbe gilt auch von dem erfahningsgemäss
liehen Etnfluss des frühen Abflusses des Fruchtwassers vor
Erweitening des Muttermundes. Dabei kommt gewiss
sehr wesentlich in Betracht, dass, während bei
Wässern der durch jede Wehe auf die Piacenta ansgeable
Druck, obwohl er ein ganz enormer, nämlich nach roeinco
früher reröffentlichten approximativen Berechnungen ') durch-
schnittlich 40 Kilogramm ist, doch dadurch ohne Nachlheil
für die Fötaicirculation der Piacenta bleibt, weil er sich
gleichmässig auf eine Fläche von durchschnittlich 176 Quadrat-
cenümeter vertheilt, — nach Abfluss des Fruchtwassers die
Piacenta bei jeder. Webe zwischen Uteruswand und einzelne
kindliche Körpertheile gedrückt wird, wobei natürlich ein oft
sehr starker einseitiger Drqck nicht wird vermieden werden
können, so dass sehr leicht eines oder mehrere grössere von
und nach der Nabelschnur laufende Gefasse durch Compres-
sion für das Blut undurchgängig werden können. Deshalb
liegt die Vermuthung nahe, ob nicht überhaupt diese Com-
pression unter Umständen so ungünstig ausfallen könne, wenn
z. B. ein fesler Kindstheil gerade auf die Einpflanzungsstelle
der Nabelschnur in die Piacenta, wo auch die Sülze oft sehr
spärlich vorhanden ist, angedrückt wird, dass dadurch man-
cher Tod und Scheintod sich erklären Hesse. Naturlich wird
der Beweis dafür nie geliefert werden können, jedenfalls ist
aber dort die Möglichkeit eines Druckes auf die Nabelschnur«
gefasse eine viel grössere, als an anderen Stellen.
Dass die Umschlingung der Nabelschnur um den Hals
nicht, wie früher behauptet wurde, durch Druck auf die
Hsilsgefässe schädlich auf das Kind wirkt, sondern dass, ehe
ein solcher allenfalls schädlicher Druck zu Stande kommen
kann, die Nabelschnur selbst schon durch den Gegendruck
leidet, bedarf keines besonderen Beweises.
Bei Gesichtslagen, bei denen die Kinder erfahrungs-
gemäss häu6ger asphyktisch geboren werden, liegt der Grund
1) MonatSBohrift für Oebnrtskunde , 186S. Bd. XXII , Hft. 1.
J. Poppelf Ueber den Scheintod Neugeborener. 29
Hiebt im Dnick auf die Halsffefässe dorch die Streckung des
Halses , * sondern in dem grösseren Wiederstande , den die
Wehen zu überwinden haben, weshalb die zweite Geburts-
periode oft länger dauert, als bei Schädelgeburten.
Der schädliche Einfluss des Mutlerkornes endlich beruht,
wie namentlich Hecker ^) bestätigt bat, auf durch dasselbe
bewirkte starrer Gontraction des Uterus , somit auf Placentar-
kreislaufsstörungen.
Ich gehe nun zu der Statistik über. Derselben liegen
6076 Geburten mit 6183 Kindern zu Grunde. Zu bemerken
ist, dass alle Kinder unter 9 Monaten ausgeschieden sind.
Von diesen Kindern wurden lebensfrisch geboren 5569 = 90,2 Proc.,
asphyktisoh geboren belebt . . . 809»: 4,9 ,
„ „ nicht belebt 58= 0,9 „
todtgeboren 149= 2,4 „
todtfanl geboren ..v 98=r 1,6 „
Von 367 esphyktisch geborenen Kindern wurden 58 oder 15,8 Proc.
nicht belebt.
Gebarten lebender Kinder kamen vor
5467 nnd zwar bei 1911 =34,9 Erstgeb. und bei 8556 =65,1 Mehrgeb,
Gebarten asphyktischer Kinder kamen vor
362 nnd zwar bei 129=: 35,5 Erstgeb. nnd bei 238*=: 64,5 Mebrgeb.
Oebnrten todter Kinder kamen vor
149 und zwar bei 57 = 88,2 Erstgeb. nnd bei 92 = 61,8Mehrgeb.
Anders ansgedrtickt kamen
bei Gebarten lebender Kinder auf 100 Hehr- 52 Erstgebärende,
n n asphyktischer „ „ 100 „ 55 „
, todter „ „ 100 „ 61 „•
Von lebenden Kindern waren . . . Knaben 2858 =» 51,2.
Mädchen 2716 » 48,8.
Von asphyktischen Kindern waren Knaben 212 s=r 57,7.
Mädchen 155 = 42,3.
Von todten Kindern waren .... Knaben 92 «> 61,8.
Mädchen 57 = 88,2.
Anders aasgedrückt kamen
anf 100 lebende Mädchen . . . 106 lebende Knaben,
9 100 asphyktische Mädchen 136 aspbyktische Knaben,
„ 100 todte Mädchen .... 161 todte Knaben.
Von allen lebensfrisch and asphjktisch geborenen aber wieder-
belebten Kindern «3 5878 starben in den ersten acht Tagen 189
= 3,2 Procent.
Von allen lebensfrisch geborenen Kindern = 5569 starben in den
acht Tagen 137 = 2,45 Procent.
Von allen asphyktisch geborenen wiederbelebten Kindern = 309
starben in den ersten acht Tagen 52 = 16,8 Procent. ■
Unter den in den ersten Rcht Tagen gestorbenen Kindern =sr 189
waren 116 = 61,3 Knaben, 73 =: 38,7 Mädchen.
1) Verhandl. d. Gesellsoh. f. Gebartsb., Heft 5, S. 54,
30 I* Poppelj Ueber den Scheintod Neugeborener.
Unter den lebensfrisch geborenen nnd in den ersten 8 Tagen
gestorbenen Rindern »= 137 waren 88 = 60,5 Knaben, 64 s«
39,5 Mädchen.
Unter den aspbyktisch geborenen wiederbelebten und in den ersten
8 Tagen gestorbenen Kindern =» 52 waren 33 = 63,4 Knaben,
19 — 36,6 Mädchen.
Anders ausgedrückt:
Auf 100 in den ersten8 Tagen g'estorbene Mädchen kamen 158 Knaben.
Auf 100 lebensfrisch gebo!:ene und in den ersten 8 Tagen ge>
storbene Mädchen kamen 153 Knaben.
Auf 100 asphyktisch geborene, belebte und in den ersten 8 Tagen
gestorbene Mädchen kamen 173 Knaben.
Daraus ergiebt sich im AUgemeiuen, dass bei Erst-
gebärenden die Kinder etwas bäuliger asphyktisch und todt
geboren werden , als bei IMehrgebärenden ^) , dann dass über-
haupt mehr Knaben als Mädchen scheintodt und todt geboreB
werden ; ferner dass in den ersten acht Tagen fast 7 Mal mehr
asphyktisch geborene wiederbelebte Kinder starben, als solche,
die lehensfrisch geboren wurden, und endlich dass, wie über-
haupt mehr Knaben als Mädchen in den ersten acht Tagen
starben, dieselben vorzüglich dann überwiegen, wenn sie
asphyktisch geboren wurden.
Sehen wir. zu, ob und wie sich diese Verhältnisse bei
den einzelnen Schädlichkeiten anders gestalten, die erfalirungs-
gemäss Asphyxie häufig zur Folge haben. Ich gebe zunächst
das rein Thatsächlicbe in Tabellen, wobei zu bemerken ist,
dass patürlicb ein Fall, der mit ein oder mehreren Compli-
cationen verbunden ist, in ein oder mehreren Tabellen sich
wiederholt, dass z. B. wenn bei einer Zangenoperation Um-
schlingung vorhanden war, dieser Fall sowohl bei den Zangen-
operationen als bei der Umschlingung angeführt werden muss.
Noch ist zu bemerken , dass bei den 367 asphyktisch
geborenen Kindern 26 Mal , und bei den 149 todt geborenen
12 Mal keine Ursache des Scheintodes und Todes aufzufinden
war, dass diese also aus der Statistik ausgeschieden wurden.
1) Wie Veit für die ErstgebHrenden bu so ungünstigen Zahlen
kam, kann ich nicht erklären. In seinen Beiträgen snr geburts-
hülflichcn Statistik (Monatsscbr. f. Geburtsh., Bd. VI.) giebt er an:
Scheintodt wurden geboren bei Priniip. 5,15, bei Maltip. 1,81 Proc.
Todt „ „ „ „ 1,46, „ „ 0,63 „
Ich berechne auf diese Weise:
Scheintodt wurden geboren bei Priniip. 6,2, bei Multip. 6,0 Proc.
Todt n n n , 2,7 , „ „ 2,3 „
Der einzige Unterschied in beiden Statistiken ist der, dass
Veit nur mit Schädel gebarten rechnet*
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Folgende Tabelle stellt alle bisher gewonneDen Zahlen
ökersicbtiieh zusammen. Sie zeigt, dass, wie schon a priori
zu erwarten war, je mehr Kinder bei einer Complication
asphyküsch geboren werden, im Allgemeinen auch desto mehr
nicht belebt oder todt geboren werden, was jedenfalls be-
stätigt, dass Asphyxie und Absterben während und gleich
nach der Geburt auf derselben Aetiologie beruhen.
Tabelle XV.
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belebt
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10,9
12,2
10,6
13,6
1.7
6,1
7,2
3.9
2,6
Zu dieser Tabelle muss bemerkt werden, dass, obwohl
sie das Thatsächliche statistisch nachweist , aus ihr doch kein
sicherer Schluss auf die mehr minder grosse Gefährlichkeit der
einzelnen Complicationen gezogen werden darf. Es sind
zum Beispiel bei der Qmschlingung Fälle mit eingerechnet,
bei denen nicht der Umschlingung sondern etwa der Zangen-
.-Operation oder ihrer Veranlassung die Asphyxie zuzuschreiben
ist. Um einen reinen Au2»druck für die Gefahr bei einer
I. I^ppUt U«b«r dett 8eb«ialAa üeiigttliiijrtsen
49
eioselnen . Complication zu erhalten, muss man blos reine
Fälle verwerthen, wie ich in Tolgender Tabelle gethan habe,
wo idi ^ Weodiifig bei Scbulterlage, Beckenendlage, einfachi»
Zangenoperationen, bei Wehenscbwäcbe , Querstand, Miss-
verhältniss des kindlichen Kopfes, dann für frühen . Abfluss
des Fruchtwassers, Frühgeburt, Gesichtslage und Umschlingung
eine genügend grosse Anzahl solcher durch nichts complicirten
Fälle nachweisen kann^ um eine Procentberechnung statthaft
zu finden. Die Procentzahl für die Asphyxie hält zwar die»
selbe Ordnung ein, wie in der vorigen Tabelle XV., nur ist
sie, wie zu erwarten, überall ziemlich viel geringer.
Tabelle XVL
Es wurden bei
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Lebens-
fri&eli
ge-
boren
Todt
geboren
Wendung . . .
BeckenUge . .
Zange
Früher Abflnss
Frühgeburt . .
GesicbtaUge .
ümaehliDgnng
67,1
36,7
36,2
9,8
8,6
8,1
6,4
11,4
6,9
2,9
0,9
1,8
0,4
46,7
30,8
32,8
8,9
6,7
8,1
6
14,4
63,1
69,8
88,2
86,8
89,2
98,4
28,6
10,2
2
6,6
2,7
1,1
Wie sehr zwei Complicationen zusammen die Proceiit-
zahl für die Asphyxie und die Todtgeburt verändern und
meist vergrössern, können folgende Beispiele zeigen. In dei*
Tabelle XVIi. ist nur die Complication der Frühgeburt und
Beckenlage für letztere günstig, für erstere auch ungünstig,
und sonst gestaltet sich eine zweite Complication infHiier zu
Ungunsten der ersten.
MoBAUcebr.f G«barUk. 1S66. Bd. XXV. SappL-Hfl.
ee
I. B^^^y U«Wr de» Sclicliitod Neugit^rinef.
Tabelle XVn.
Ii8 wurden bei
Asphyktiffcb geboren
in , nicht ; v^i^k»
toto belebt i^****^*
Lebens-
frisoh
geboren
Todt
geboren
Umaehlingang tllein . .
Früberem Abflnse allein
Umaoblingnng o. früberem
Abfluss
Umflchlingnng allein . .
BeckenendUge allein . .
Umseblingung u. Becken-
endlsge
Umschlingnng allein . .
Zange allein , .
Umseblingung und Zange
Umseblingung allein . . .
Frübgeburt allein . . . .
Umschlingung und F'rtib-
geburt
Zange allein
Früherem Abfluis allein
Zange Und früherem Ab-
flnss
B^ckenlagc allein . , . .
FrUbgebnrt allein . . . .
Beckanlage und Früh-
geburt
5,4 i
9,8
0,4
0,»
6
8,9
15,4 , — 15,4
98,4
88,2
69,2
M
t,8
15,4
6,4
36,7
50
0,4
6,9
5
80,8
93,6
53,1
1
10,2
5,5 ' 44,6 89,9 11,1
6,4
35,2
66,6
0,4
2,9
11,1
6,4
8,5
35,2
36,2
9,8
58,8
36,7
8,6
13,6
0,4
1,8
11,7
2,9
0,9
6
82,3
65,5
6
6,7
28,6
82,3
8,9
11,7 , 47,4
6,9
1,8
30,8
6,7
- I 18,6
93,6
69,8
27,9
98,6
85,8
68,1
59,8
88,2
36,4
53,1
85,8
77,4
1
4,9
6,5
1
6,5
11,7
4,9
2,0
6,8
10,2
6,6
9
Wenn vt'w die im Anlange gegebenen allgemeioen sia-
tisliscben Verhältnisse bei den einzelnen Tabellen vergleichen,
so ergiebt sich Tür die Thatsache, dass bei Erstgebärenden
häuGger als hei Mehrgebärenden die Kinder srheintodt und
todt geboren werden, bei einzelnen Complicationen kein
besonderer Anbaltspunkl.
1. F^pf^t iHhmr 499 &eh&bä\»4' Il«ag«k#r6iier.
M
Dagegen zeigt folgen^« Tabelle, dass auch bei den ein-
zelnen Complicationen fast immer mehr Knaben als Mädchen
scheintodt und todt geboren werden.
Tabelle XV 111.
Kmibeii wardeB bei
Lebenafriscb
geboren
Äspbyktiscb
geboren
Todt
geboren
Fräherem Abflnss . . . .
Frühgeburt
Vorfall der Nabelscbnnr
UmscblingUDg
Beckenendlsge
Engenr Becken
Lang^Dauer der sweiten
Periode
Zange
Wendung
47,2
47,8
50
62,5
58,d
5a,s
56,4
63,1
66,6
60,7
46,5
54
63,1
67,6
70,5
54,1
71,6
58,1
75
56,5
61,9
60,8
6M
88,3
58,8
69,5
68,7
Die nächste Tabelle zeigt in Bezug a«r die anfangs ei^
wähnte Angabe, dass von aphyklisch geborenen Mebte«
Kindern in den ersten acht Tagen fast 7 Mal mehr starben,
als von lebensfrisch geborenen, dass diese Mortalität in
ziemlich geradem Verhältnisse zur ProcCTitZBM^^i^^SeiiffBBP*
und Todtgeburlen steht, das heisst, dass je mehr Kinder
bei einer bestimmten Complication asphyktisch und todt ge-
boren werden , desto mehr auch in den ersten acht Tagen
nach der Geburt sterben.
Solche Complicationen , bei denen die absolute ZaJI)i_ zur
Procentberechnung nicht gross genug erschien , habe ich dabei
gar nicht berücksichtigt, und daher 50 Fälle als Minimum
angenommen.
4*
»8
I. P«fB)fMl, U«b«r dMi Schaitttod N#n0*bMrtaer.
Tabelle
Es wurden bei
Aspbjktisch
und
todt geboren
Von den lebensfrisch
Geborenen u. aspbyktisch
geborenen Belebten
starben
in den ersten
acht Tagen
wurden
gesund
entlaasen
Wendung
Vorfall der NabeUcbnur
Beckenlage
Zange
Langer Dauer der «weiten
Periode
84,5
78,3
56,8
66,8
48,4
26,9
17,6
18,8
20
16,2
10,9
7,2
8,1
6,2
6,1
1,6
80
84,8
89,1
92,8
91 d
Frühem Abflüsse ....
Oesichtilage
Umschlingung
Uli
Um den Einfluss zweier zusammentreffenden Gompli-
cationen zu beseitigen , habe ich nachfolgend blos reine Fälle
in obiger Weise berechnet, und dabei 35 als Minimum an-
genommen.
Tabelle XX.
Es wurden bei
Asphyk tisch
und
todt geboren
Von den lebensfrisch
Geborenen n. asphyktiscb
geborenen Belebten
starben
in den erstenj
acht Tagen entlassen
wurden
ii{ gesund
Wendung ....
Beckenlage . . .
Zange
Frühem Abflüsse
Gesichtslage . .
Umschlingung .
•86,7
47
40,2
11,4
10,8
6,5
16,9
7,1
4,2
4,9
6,6
0,8
84,1
92,9
96,8
96,1
94,6
99,2
I. -^fpptij tTeft«r den Sdletnto^ Notiftt^oretief. ^
Während in TabeH« XJX. ein fliist regelmässiges Sinken
der Mortalität mit dem Sinken der Scheintodt- und Tod^
geburt ersichtlicb ist, zeigen sich in Tabelle XX. allerdings
beträcbtKche Schwankungen. Aber einmal ist die Zahl der
Fälle eine ziemlich geringe, und dann kaim es mir ja durchaus
nicht beikommen, behaupten zu wollen, die Gefahr für das
Kind während der Geburt .sei das einzige Mbment, das in
den ersten acht Tagen auch nach der Geburt das Leben des
Kindes gefährde, aber jedenfalls ist durch die Tabellen be-
wiesen, dass sie ein Hauptmoment ist.
Auch in anderer Weise noch erhellt diess daraus, dass
je länger die Asphyxie dauerte und je tiefer sie war, desto
mehr Kinder in den ersten acht Tagen starben. Die An-
gaben, die ich bei den 309 der Statistik zu Grunde liegenden
asphyktisch geborenen und belebten Kindern in den Journalen
notirt finde über die Dauer der Asphyxie, sind zwar mit
grosser Vorsicht aufzunehmen, da man bekanntlich selten
bei Wiederbelebungsversuchen in der Lage ist , die Zeit genau
zu bemessen, die bis zur Wiederbelebung verstrichen ist;
demgemäss finde ich ober die Dauer auch oft blos die Angabe,
dass sie kurz, massig lang, und sehr lang, oder dass die
Asphyxie gering- oder hochgradig gewesen sei; trotzdem ist
es gewiss nicht zufällig, dass von
163 nach kurzer Zeit belebten Kindern in den ersten acht
Tagen 19 = 11,6 Procent starben, von
33 nach massig langer Zeit belebten Kindern in den ersten
acht Tagen 5 = 15,1 Procent und von
113 erst nach langer Zeit belebten Kindern in den ersten
acht Tagen 28 = 24,7 Procenl starben.
Aus Tabelle XIX. war eraichtlich, dass von allen bei einer
bestimmten Complication sowohl lebensfrisch , als «sphyktisch
geborenen und belebten Kindern in den ersten acht Tagen
eine der Grösse der ScheinCodt- und Todtgeburten proportionale
Ancahl stirbt.
Die nächste Tabelle zeigt , dass sowohl eine Complication
an sich, auch wenn die Kinder dabei lebensfrisch geboren
werden, die Lebensfl^higkeit der Kinder l>eemträchtigt, als
dass namentlich, wenn sie asphyktisch geboren wurden, die
MortalitAt noch bedeutend zunimmt.
M
I. P^pp^f Ueb«r 4«M 8ell«iB«od V^ngßhof^^t.
Tabelle XXI.
Es starben
in den ersten acht Tagen
nach
von
lebensfrifioh
geborenen
Kindern
von
aspbyktisoli
geborenen
belebten
Rindern
Frühgeburt
Wendnng
Vorfall der Nabelschnur
Beekenlage
Frühem Abflnss
Oesiohtslage ...'....
Langer Daner
Zange
Umschlingnng
27,9
16,6
12,5
6,6
4,1
4,7
4,8
4,7
1,3
54,2
18,7
16,6
16,9
15.1
14,2
13,4
10,8
6,2
Zur VergleichtiDg dieser ProcenUahlen mit der Gesauimt-
mortalitat ist nicht die im Anfang berechnete von 3,2 Procent
maassgebend , sondern man nivss die Mortalität solcher Kinder
bei*echnen, die ohne alle Complication lebensfrisch geboren
wurden ; auf diese Art ergiebt sicli , daas von den 6183 Kindern
4196 ohne jede Anomalie lebensüisch geboren wurden, und
dass von diesen 48 oder 1,1 Procent in den ersten acht
Tagen starben, während von den übrigen 1987 Kindern,
deren Geburt durch eine oder mehrere Anomalien coroplicii't
war, welche theils lebensfrisch, tbeils asphyktisch geboren
wurden, in den ersten acht Tagen 141 oder 7,2 Prooent
starben.
Ueber die Ursache dieser ungünstigen Mortaiiläi kann kein
Zweifel s«Hi. Sie liegt in den anatomischen Verändeningen,
4k «inesiheils die Asphyxie bedingen, aoderntlieils dnreh
dieselbe bewirkt werden. Die Thatsache, dass auch von
solchen Kindern, die zwar lebensfrisch geboren wurden, aber
während der Geburt irgend eine Complication, die Scheintod
zur Folge haben kann, darboten, in den ersten acht Tagen
eine gi*d84ere Anzahl sterben , als von Kindern , die bei ganz
normalen Geburten zur Welt konimen, scheint zu beweisen,
dass entweder diese Complicaiionen beiin Kiade noqfc innerbiJb
I. Pappel, DftbUf 4m »chateud K«iifl^iW^tier. fift
des Uterus StAniugen veranlassten , welche sioli zilar bei der
Geburt scheinbar wieder ausgeglichen, abei* doth der e\-
tmiteriiien Lebensfähigkeit Eintrag getban halten, oder dass
diese Störungen die Disposition zu anderen Erkrankungen
erhöhten.
Die anatomi^ben Veränderungen , die nach übei*$tandenef
Asphyxie das Leben des Kindes geföbrdeii, sind die cerebvo-
spinalen Blutergusse und Erkrankungen der Respirationsorgaue,
namenllicb Fremdkörperpneumenie luid Bronchitis. Es wäre
?on Interesse gewesen, alle SecUoneu der Kinder, die m
den ersten acht Tagen gestorben sind, zusammenzustellen,
und ihre Ergebnisse fär asphyktische und njcht asphyktische
Kinder zu vergleichen. Da jedoch weder im Gebärbause, noch
in der Poliklinik alle Seclioneo gemacht werden , in ersterem
nicht, weil viele Kinder zu den Operationscursen verwendet
werden, konnte ich von den 189 in den ersten acht Tagen
gestorbenen Kindern nur 78 genaue Sectionsbei'icbte der VerT
gleichung untei'ziehen , die aber imoierhin noch ganz sicberf
Anhaltspunkte gewährt. 27 solche Sectionen betreffen nämlich
Kinder, die asphyktiscli geboren und belebt worden waren.
Unter diesen finden wir fast in zwei Drilttlieil der Fälle
als Todesursache Veränderungen, die mit der Asphyxie im
genauesten Causalzusammenhange stehen. Man fand nämlich
7 Mal Blutergüsse im Geliirn,
3 Mal Ecchymosen der Brustorgane mit Hruuchitis,
4 Mal beide vorhergehende Veränderungen gemeinschaftlich,
3 Mal Atelectase,
10 Mal andere, weder das Gehirn noch die Lungen be-
treffende Veränderungen.
lätter 51 Sectionen von lebensfrisch geborenen, in den
ersten aebt Tagen gestorbenen Kinder» fand man nur in einenl
Seobstel der Fälle Veränderungen, die entweder bestimmt
oder \vahrseheiidich SlAruiigen ihre Entstehung verdaaktei],
die nur während der Geburt wirksam sein kennlen. Man
fand aimlicb
$ Mal Blotergüsae im Gehirn,
1 Mal Bluterguss im Gehirn mit Ecchymosen auf der
Pleura und Bi'onchitis,
M I. Pappel, Ueber den ScheinUd Nivgeboräner*
4 Hai Pneumonie,
1 Mal Bronchitis,
42 Mal andere, weder das Gehirn noch die Lungen be-^
Ureflbnde Veränderungen.
Wenn Obigem zu Folge die Aussicht auf Erhaltung des
Lehens der Kinder eine geringere ist, wenn sie asphyktisch
geboren wurden , und wenn sie um so geringer wird , je
hochgradiger und langdauernder sie es sind, so darf doch
eine jungst von Wegscheider^) ausgesprochene Ansicht, man
solJe nämlich nicht zu lange mit Belebungsversuchen sich
abmOhen , da die Kinder im gunstigsten Falle doch bald wieder
sterben , nicht gutgelieissen werden. Denn Niemand wird die
Zeit bestimmen können, von der an Belebungsversuche, wenn
sie auch mit augenblicklichem Erfolge gekrönt werden, ohne
Aussicht auf längere Erhaltung des Lebens bleiben. Und
selbst dieses zugegeben , möchte ich nicht gerne auf die Be-
friedigung verzichten, die soJche wenn auch Yoröbergehende
Lebensrettungen sowohl dem Arzte, als namentlich den An-
gehörigen gewähren.
Zum Schlüsse sei noch eine kurze Wiederholung der
bisherigen Betrachtungen und Untersuchungen öbersichtlich
gestattet
1. Die anatomische Untersuchung weist in der bei
weitem grössten Mehrzahl der Fälle bei todt- und Scheintod t~
geborenen Kindern die Merkmale des SufTocationstodes un-
zweifelhaft nach.
2. In seltenen Fällen sind die SufTocationsnierkmale
entweder fehlend oder so geringgradig , dagegen die Ver-
ändei'ungen in der SchädeJhöhle so hervortretend, dass in
ihnen , wenn auch nicht die einzige , so doch die mitwirkende
Ursache des Todes und Scheintodes gesucht werden niuss.
3. Wenn neben Meningeaiblutungen unzweideutige Suffo-
cationsmerkmale gefunden werden, berecbligt dieser Befund
allein noch nicht zu dem Schlüsse, dass trotz ersterer das
Leben bestanden habe und Erstickungstod eingelreten sei.
Man kann im Gegentheil mit demselben Rechte behaupten.
1) MonaUtohrift für Geburtvkonde, 1S64, Jani-He/t.
i. P0jpp^^ U«b*r den Sclleiliteil N«vg6bor«ner. 5f
dass dei* Druck der CxlruTasate vonteilige Atfaemliewegungen
ausgelöst habe, tiaaa die Circidationsstöiiingea in der Brust-
höhle also nieht der Effect von Albeiiiheweguugen i»t, die
von der durch Kohlenaaui'elnfaäülfiiig im Blute gereizten
Hedolla oblongata ausgelöst worden sind, aondeni von Atfaem-
bewegungen, die durch den Reiz des Druckes auf das ver-
längerte Mark zu Stande kamen.
4. Die Erfahrungen von Meningealblulungen bei Er-
wachsenen sind wegen ihrer ganz verschiedenen Aetioiogie
nicht anwendbar bei der Beurtheilung der Wirkung solcher
Blutungen bei Neugeborenen.
5. Experimente an Thieren beweisen, dass nur ein in
der Natur wohl nie vorkommender sehr plötzlicher oder sehr
starker Druck von Flüssigkeiten in der Scbadelhöhle das
Lehen direct aufhebt. Es werden dagegen ziemlich beträcht-
liche Flussigkeitsansamndungen , wenn sie langsam zu Stande
kommen und ein nicht näher bestimmtes Maxinmm nicht
überschreiten, ohne directe Lebensgefahr vertragen, haben
aber constant eine bedeutende Verlangsamung der Respiratioii
und soporösen Zustand zur Folge.
6. Ans diesen Experimenten scheint der Schluss gerecht-
fertigt, dass die Meningealblutnngen ; die bei Kindern während
der Geburt entstehen, niemals den Tod des Kindes direct
durch den Druck , den sie auf die Medulla oblongata ausüben,
bedingen. Sie «berechtigen jedoch zu der Annahme, dass
durch sie das Zustandekommen der regelmassigen Respiration
verzögert werden, und ein kürzer oder länger dauernder
soporöser Zustand hei*vorgebracht werden könne.
- 7. Die kKnische Betrachtung lässt in allen Fällen von Tod
und Scheintod die Annahme einer stattgefundenen Placentar-
kreistaufsstörung und also der Suffokation zu.
8. Bei Erstgebärenden werden die Kinder häutiger
asphyktisch und todt geboren, als bei Mebrgebärenden.
9. Es werden mehr Knaben als Mädchen scheintodt
und todt geboren.
10. In den ersten acht Tagen nach der Geburt sterben
fast 7 Mal mehr asphyktisch geborene wiederbelebte Kinder,
als solche, die lebensfrisch geboren wurden.
Sg I. Poppst t U«ber den S«h«itttod Keug^borMiet.
11. Es Sterben ftberhaujH mehr Knabe-R als MMcben
in den er^len acht Tagen nach der Geburt, sie Aberwiegen
aber besonders dann , wenn sie aspbyk lisch geboren wurden.
12. Je mehr Kinder bdl einer beetimniten Geburts*
comflicatioo , die Asphyxie und Tod zur Folge haben kaiw;
asphyktisch geboren werden, desto mehr werden von diesen
asphyktischen nicht bplehl, und desto mehr werden auch
todt geboren.
13. Nicht nur im Allgemeinen, sondern bei jeder das
Kind geßhrdenden CompJication werden mehr Knaben ats
Mädchen scheintodt und todt geboren.
14 Je mehr Kinder bei einer bi^stimaiten Complication
asphyktisch und todt geboren werden, desto mehr sterben
auch in den ei*sten acht Tagen.
15. Die Mortalität in den ersten acht Tagen steht in
geradem Verhältnisse zur Länge und Tiefe der Asphyxie.
16. Eine Complication, die Scheintod und Tod zur
Folge haben kann, beeinti*ächtigt schon an und für sieh,
auch wenn die Kinder dabei lebensfrisch gel)oren werden,
die Lehensfähigkeit der Kindei* in den ersten acht Tagen
nach der Geburt. Die Mortalität solcher Kindei* übersteigt
also immer die Mortalität derer, die ohne alle Complication
lebensfriseh geboren wurden.
IJ. Jr#<MlMr,Mittboil«if«i«bM*ai«TliMiltolt»to. 60
IL
Mitttieilungeii über die Thfttigkeit und die Ver*
bandlimgeii der Gesellschaft für Oebiiftelift&lfe
zu Leipzig
im zehnten Jahre ihres ßestehens.
I. Jahresbericht,
erstattet durch den d. Z. georetair
Dr. Emil Apollo Melssiiw.
Vorgetragen am 18. April 1864.
Die oberste Leitung unserer Vereineaegeiegenheiteii,
wekhe- zunäebst Herrn PIosb iiberUiigeo, von diesem aber
dankend aligelelint worden war, befand sich in eben ver-
flfiwsenen Scblussjahre des ersten Deeenniuins in den Hfodeii
des Hrnrn Kirsten^ welchem als Vicedirector Herr Mennig
zur Seite stand, während Herr Beck als Cassira* gleich wir
weiter fuiigirte. Der Kreis der ordentlichen Mitglieder wurde
durch die Aufnahme der Herren Friecbriek Adolph Jädiwrig
(Dr. med. , Assistenzant an der K6nigl. Estbindungsscbule su
licipzig, jetzt in gleicher Eigenschaft an der Dresdener Ann
sUlt) und ObriHian Wilhelm Braune (Dr. med.. Privat*
docent an der Unitergität und städüschei* Armenarat hier)
erweitert; — ingleichen Termitielst einhelliger Wahl bei der
letzten Zusamnieiikunft behebt, zur Feter des zehnjährigen
Bestehens unserer Gesellschaft am heutigen Tage, wie tnermil
gescbiebt, die Herren J. Th. Sifnpeim in Edinburgh und
Fr, Wüh, von Scans^oni in Wursburg als Ehrenmitglieder^
sowie die Herren Alfred Hegar in Darmstadt md Otto
Spiegelberg in Freiburg i. B. als correspondirende Mitglieder
unserer Vereinigung zu prodaniiren und werden die hetreflen*
den Diplome denselben in den nichsten Tagen zugesendet
Als Geschenke gingen dem Archive der Gesellschaft zu :
A. Jacobiy Dentition and its derangenients, NeiK-York 1862;
66 tl- Mmiumnr, MiMbeÜMiffMi Aber die TMMitieU
C. Hennigy die Cysten ties inensvhlicben Eileiters (Separal-
nbdruck aus Wagner*^ Archiv); E, P. Meiaaner, Haeinoptyse
mit nachfolgender acut verlaufender Tuberkulose in Folge
von Chlorinh«lationen, und H. Haake, Exlraction der Frucht
am Skmmeadt (aus Kiichenmeister'^ Zeitsehrifl); A. Comlon,
Handbuch der KnochenbrAclir bei Kindern, aus dem Fran-
zösischen von einem prnclischen Arzte; Oenkschrifl, der
Senckenberg^schen Stiflung in Frankfurt am Main zur
Säcularfeier 18. August 1863 gewidmet vom Offenbacher
Verein für Naturkunde; E, W. Qiintz, das ableitende Ver-
mögen der Seelenverrichtungen, ein Schutzmittel gegen Seelen-
störungen; E. A, Meissner, der Keuchhusten und dessen
Beziehungen zum Gehörorgane im Besonderen; Sptegelberg,
Bericht über die Leistungen in der Geburtshillfe 1862 (aus
Ganatqtts Jahresbericht); Dr. M. B. Freund, die Lage-
entwiekelung der fieckenorgane, insbesondere de« weiblichen
Genitalcanales und ihre Abwege ; — nebst zahlreichen Inaugural^
dtssertationen und Programmen verschiedener Universitfll«n.
BeridiCen über Mineralquellen , Kurorten , Hml - und Bade-
anstalten und der Gesellschaflsschiiflen verschiedener wissen-
schaftlicbei* Corporationen.
Zur Ergänzung des armoch fehlenden Materials ffir den
Lesezirkel wurde einestheils vom Herrn Hennig, anderentbeiis
vom Berichterstatter dargeliehen: B, R, Puckek. Couimen-
tatio de tumorifous in |)elvi partum impedientibus ; Jiiüiet,
Memoire par Tiodisme constitutione!; NaegeU-Grenser, Lehr-
buch iler Geburtshülfe, 5. Aultage, 2. HiilfLe; Hecker 4ind
BMhiy Klinik der Geburtskundn I.; Schott, Wiklbad Snlzhnmn
bei Kempten in Bayern ; Br. Will, Brinion, die Krankhnten
des Magens, deutsch von Dr. //. O, Bauer,
Die Vei*Sffnimlung«n der Gese]lsc4iaft im letztverAosseiien
Jahi*e ertolgten zu eilf (den 108. bis mit 118.) wissensihaflt-
liclien, am 20. Afiril, 18. Mai, 15. Juni, 20. JuK, 21. Sep*
tember, 26. October, 16. November, 21. December 1863,
18. Januar, lö. Februar nnd 21. März 1864 abgehaltenen
Sitzungen und zu einer (der dritten) geselligen Vereinigung
im Hotel de Prusse am 15. Juni v. J. — Als Gäste erfreti*-
ten uns dsrch ihren Besuch die Herren (Kollegen Berger imd
Dudeneing hier.
Q. d.V«rhiiii4La.0«ftelk4bAlSliaätaftaMlf6siiI««ll>sif etc. 6l
Ab eiBcn GJiede des ,,Vereifi& für gMDeiniciMftiiehe
ArbeileA aur Förderang der wicftenacbaflUcfaeii Huikunde^
tag uns ia der 112. Silzuag die Absümmung Aber -die in
No. 64 des €orre^>ondm)zblatles aufgesleUle Altermtire eb,
ob der genannte Verein wegen mangelnder Arbeiisbetkeiligang
ganz aufaulösen sei, od^ unter gewissen vom Direetorium
vnrgeseyagenen Modificaiionen fortgeführt werden solle. Unser
Votum sprach sich für den letstem Vorschlag aus, der denn
auch seiner Zeit zum ^esebiuss erhoben woi*den und bereite
zw* Aiisfähning gelangt ist. — Naeti Beschluss der 117. Silsung
sind ferner auch bereits einleitende SchriUe cur Anbahnung
eines gegenseitigen Sebrtftenwecbseis mit der Obstetrical So-
ctety SU London und der zu Edinburgh geschehen.
lieber die Verhandlungen der Section tOr Gynäkologie
und Geburtshölfe zu Stettin während der im September v. J.
dort tagenden Versammlwig deutscher Naturforscher und Aerate
gaben in der 113. Sitzung die Herren Haake und PIob^
detailMrten Bericht, von dem die Grundlagen aus der Feder
des Erstgenannten bereits in dei* Monatsschrift flQr Geburts*
künde, Bd. 22, Heft 4 abgedruckt wurden.
* In der 116. Sitzung sprach Herr Gredi Aber die Gren^
zen der Hebammeuthätigkeil und das im Königreiche
Snebsen neuerdings eingefilhrte Lehrbuch von 6Wi«Mr,
an dessen Bearbeitung der Redner selbst thfttigen Anthcü mii
genommen halte. Unter Hinweis anf die vielfaoben finlheren
Fehlgriffe im Hebammeuwesen überhaupt wurde hinsicbtlieh
der meist zu mangelhaften anatomischen und physiologischen
Kenntnisse auf Naegele\ Vorgang, der diesem Uebdstande
am gründlichsten zu begegnen gewussl hat, auftnerksam ge-
macht. Während in gar vielen Lehrbüchern der Hebammen*
kuast aus llterer Zeit die Grenaen für die practische Thalag*
keit derselben unendlich weit gesogen worden; eine ziemlieh
ausgedehnte, zum Theil selbst bald mystische, bald eynisobe
Pbannacopoe ihr zur Verfügung gestellt wurde ; auch bald mehr
buM weniger operative Verfabningsweisen mit in ihr Berekh
gesogen «ad demgemäss gelehrt wurden; — gebühre Jo^g
besonders das Vercteenst, in richtiger Auflassung der rechten
Grenslinien mit Konsequenz die Thäligkek der Hebammen
auf das ihnen einsig zukommende hygimnische und prophy*
laciiadK Terrani eiMchrinkeiiil fesigestaik au ImImi, umi des-
sea Sutidpunia sei deiui auch in dem neuen Lehrbuoke fest-
geballen worden. Die Anwendung von Arznetmitleln durch
die HiAmioien sei mögiicbst 2u reduciren; die Zukssung
auch IHN* 8U gewissen Operationen, selbst verclausiilirt, wie
es seiner Zeil «7. H. Schmidi galfaan, habe aber ihr Be-
denkUclies; zumal die vorgingige Cnlsebeidiing darAber, ob
z. B, die Wendung im specielten FaJle eine ictcble sein werde,
oh nichl die Extraction ihr werde foJgen raitaseD u. s. w.,
durchaus keine Jeicbte, ja oft gar nicht möglich sei, und wohl
foat immer ganz von den Hebammen wurde unterlassen wer-
den, wenn sie in der betrelienden Operation ekimal unler-
richtet seien. Ueberhaupt Ikige dann die Yersuehong viel zu
nahe^ um das Verletzen der CompeUina nichl baldigst all-
gemein an der Tagesordnung zu linden. Wie viel ünglilck
die Eingriffe von Hebammen ferner bei Placentarlösaiigen
herbeigefihrt, davon geben unzählige (iriminaluntersuchuageD
mit den Obduclionsbenebten von Perforation^ Ruptur, Inver-
sion und anderen Verletzungen der inneren (leschlecfatetlieile
ein sprechendes Zeugniss ab; weit mehr mögen gar nioht
bekannt geworden sein. Redner sei selbst nicht abgedbigt
gewesen, die Grenzen för die Wirksamkeit der Hebammen
noch enger zu ziehen, ihnen nur die Mehrgebarenden ausu-
weisen, wie deren ganze Thäligkeit unter die bleibende
Controle voa Aerzlen z« steUen, zumal ihnen meiBt alle
liefere wissensobaltliche fieföhigung abgehe. Oie^dringeod lU
wänsohende Aofbeseerung des ganaen Standes sei nur ersA
dann au gewartigen, wenn Franen aus gebildeten Stinden
das Gonlingent der Scbdhirinnen stellen. — Hmrr PUs^ for-
dert im AnsoMuse daran eiueslheils die gesetahehe StatuiTMng
eiiwr längeren Lehrzeit, um die Hebammen «^Sclialerioiien
gröndlicher ausgebiMet ihrem känftigen Stande euzuföhren,
aaderemheils die subsidiäre linterstftuung des Staates fiür
die Lernenden, wie namentlich auch eine Auf besaerung ihrer
fiehAhrenlaxe. Ausaerdem seiea die Verbälloisse in den be-
völkerten tMdten, wo Aopzte immer schneller immI leichter
Bur Hand seien, gane andere als m kleineren Orien und auf
dem l^nde, es wurden also beim Eing^en auf Heran Crtdf^
Preposilianen dann für die einaelaen Orte und deren Vnr^
Q. d.y«ili«Mi.d Gkaeütobaft f.fiatertehaifam Leipsif etc. $$
bftIttiiMe eolweder immat mehr oder miadtr modüoirle fie*
letigolwngen «inzulireten buliefi, oder hie uai da besoidwpe
Att»aliniebestinMWUiigen sUluirl werden luiseett, was doci
iMner etwas Misslichee habe. — Herr Grede bemerkt dazu,
dass er bereils früher bei Gelegenbeii einer ten ibm aii§e-
hufanten Hebw»iiienrei|(nn an geeigoeier Stelle die BiMwig
ekie« Landeshebeaimenronds vorgeschlagen habe, wie er x. B.
in Prenssen existire, der durch Erliebuog klemiH* Beiträge
durch die Geietiiohen bei Trauungen und Taufen gebüdet,
die Aufgabe habe, gewisaenhiflen Hebaomiien, die aieb daroh
treue DieAstleifttueg aiisgeeeichnel, und deren Exiatenx obue
ihr Verschulden« wie z. B. in ariaien Gegenden, UDgeuflgend
ftindirt sei« iugleicben varzuglicben Scbuleriniien entapreoheode
UntersIfiUungen, Prämien und Gcatiftcationen erlbeilen et
ktanen.
In derselben Versammlung gab Herr Hemdg eine Notis
über die Natur des Vorwassers. Ausgebend von
dem allen Streite, ob dasselbe aus dem Baume awischea
Uterus und Decidua, oder zwischen der flecidua vera und
refiexa^ oder endlich aus der AllantoishöUe staamie, bemerkte
derselbe, dase die Entscheidung des Uraprungs immer schwer
«ein werde, selbst weuo es gelinge, die s^äoHnllieben ßilbeüe
uorersehri zu etiialu»n. Bisher habe der Sprecher sich iiauaer
vergeblich bemüht, reine AllantoiaUssigkeii zur Uaterauckung
zu erhalten; denn dass die AUantois nicht iauner aeilig, wie
man fpsglaubt, beim Measohen wieder au Grunde gehe, sei
jetat dargetban, üire Membranen exisliren sidier noch in der
Nachgeburt beim rechtzeitigen Ende <ler SchwaBgersebaft.
Völlige Trennung der Eihäute kommen selten vor^ doch gäbe
es häufig Udne Absaokungen, Abschnfirungen und dei^teben
zwischen Ghorion und Anuiion, weldie nach Virchow ScMeim*
gewebe enthalten, die GreAzen der AUantois seien allefdings
nur schwer au erkennen. Neuerdings habe H^ nmi einaMi
reines Vorwasser erhalten — sieber allerdinge kein AUautois*
waaaer, wie die später uavei'sehrt erhaltenen nicht getiH»na4en
Eibänte ergaben — und zeigte dies bei der mikroakopiaefaen
Untersuchung nur Schleimkugeln, aber keine Epidermisfloehen
v«Mi F4tU8 oder .WoUfaaare, wie beim Fruchtwasser; lUe che-
mische Prüfung aber ergab alkalische Reaction, Chiornatriuni,
koblensaures Nalro«, wenig scbwefelMures uimI pboaphorr
saufes Alkali und eine geringe Menge von £iweifl8 luR einer
Reaetion auf Essigsäure, wie sie dem verdilnnlen UtarinsGyeioie^
nicht aber dem Pnicbtwaespr zukommen, zeigte dfeo dttrcfa-
ans keine ÄehnKchheit mit Amnioswasser. Der Sinredier
gianbte daber an eine Identiläl die||^. Vorwassers mit dem
Secrete bei Hydrorrhoea gravidarum und somit an die Eiistenz
von Vorwasser, wek:be8 nicht von den Einbauten stamme. —
Herr Hcudce verweist in dieser Bezidmiig auf Hegar"» Unter-
suchungen, womach colossal entwickelte Uterin-
drdsen die Ursache der Hydrorrhoe sein sollten, zeigte
auch in der darauffolgenden (116.) Sitzung einige betreffende
nikroskopische Präparate Hegar's mit den einscblageiKlen
Bemerkungen aus einem Briefe desselben vor. Gedachte Prä*
parate erwiesen sich jedoch nach einer weiteren Mittheilung
des Herrn Hemng in der 117. Versammlung bei den von
demselben in Gemeinsehafl mit den Herren Schüppel und
Professor Ernst Wagn&r vorgenommenen genaueren Unter-
suchungen als Arterien.
In der 110. Sitzung zeigte Herr Credi die Nacbgebmt
eines am betreffenden Tage geborenen 7 monaüicben, bald
darauf verstorbenen Fötus weibliclien Gescbleclites vor, welche
zaUreiche theils frische, Üieils ältere Apoplexieen darbot
Letztere hatten zur Verödung und Verfettung der Gefasse,
sowie Erwekbnng des umliegenden Gewebes gefuhrt.
Von Herrn Neugebaner in Warschau empfing die €e-
sdisohaft einen Beitrag zur Lehre von der Selbstent-
Wickelung des reifen Kindes aus der Schulterlage.
Diese Mitlheilung, welche in der 111. Sitzung zur Vorlesung
gelangte, betraf zwei Fälle aus den Jahren 1851 und 18ä3,
als Verfasser noch in Kalisoh pra«ticirte, bei deren emero
er aber nur unmittelbarer Zeuge d&r Gebort und zwar auch
MUT des Schlussactes derselben war. Das Schriftstöok seitist,
in wekhem die entgegenstehenden Ansichten von Carl Braun
und Spätii zu widerlegen gesucht werden, ist in der „deutschen
Klinik'' von Ooesehen 1864 Nr. 13 p. 127 zur VerMfent-
hchuiig gelangt.
Ueber Versio dpontanea completa sprach HeiT
Hennig in der 117 Versan»mlung unter Bezugnahme a«C
o. d.Verhaodl. d. Oeseltschaft f.GeburtshüIfe zu Leipzig etc. 65
f^eine frühere (im ersten Jaiirpsberichte erwähnte) Miltheilung
imd die Dissertation des Herrn Kreussler über diesen Ge-
genstand, indem er dem Grunde und dem böchstgelegenen
Theile des Körpers der Gebärmutter, als den maskelmäch-
tigsten, den grössten Antheil beim Vorgange dieser Lagever-
ändening zuschrieb. Bisher sei die Annahme noch nicht
bestritten worden, dass die gedachte vollsHhidige Umdrehung
nnr hei noch nicht eröffnetem Muttermunde stattzufinden
scheine, doch neuerdings von ihm das Gegentheil beobachtet
worden. Dieser Fall betraf eine 37jährige Mehrgebärende,
\m welcher der Muttermund bereits mehr als zur Hälfte er-
weitert, das Fruchtwasser längst abgegangen war, und der
Kopf anfangs im Eingange des kleinen Beckens vorgelegen
haite, und findet seine Erklärung in dem Umstände, dass
nicht nur der Fundus uteri sehr stark nach vorn Aberragle,
sondern auch das Kind stark (fast unter rechtem Winkel)
im Rumpfe gekrümmt war. Abnorme Wehenthäligkeit und
active Bewegungen des Kindes mögen im specieNen Falle be-
sonders auch mit von entscheidendem Einflüsse gewesen sein.
Bei Ruptura uteri gehöre dieser denkwürdige an sich seltene
Vorgang zu den pathognomonischen Kennzeichen; bei vor-
herigen Schräglagen Hessen sich allerdings häufig mannichfache
Aenderungen beobachten. —
Bereits in der 111. Sitzung sprach Herr -ffenm^- über
die Vortheile gnd die Nachtheile des Zangenge-
brauches bei engem Becken, verglichen mit denen
der Vifendung auf die Filsse. Dieser Vortrag ist in
der Beilage sub No. 3 vollständig wiedergegeben.
Fnr die letzte (118.) Versammlung bildeten die Vorlage
der wissenschaftlichen Verhsmdlung drei von Herrn Breslau
in Zörich eingesendete denkwürdige Operationsfälle,
welche durch beiliegende Originalzeichnungen der betreffenden
pathologischen Präparate erläutert waren, als 1) Mittheilung
über einen Kaiserschnitt wegen eines grossen Utenisfibroi-
deg; 2) Doppelmi'ssgeburt, schwere Geburl, Decapitation etc.,
UDlei*suGhnng der Kindesleiche; 3) Prolapsus des hochschwan-
geren Uterus, ausgedehnte Incisionen in den unnachgiebigen
Cervix, Perfonilion des Kindes etc. (Vergl. die Beilagen »nb
iVo. 4—6.)
Mouatatchr. f. Oeburtsk. 1865. Bd. XXV., Buppl.-Hft. 6
6H II. MeUaner, Mittheilangen Hber die Thätigkeit
I» der 115. SiUung veiias Herr Oermann den an ibn
gericiUete» Brief eines RitleigulsbesiUers in der Gegend bei
>Yien, worin derselbe auf einige Arzo ei mittel aufmerluaiD
roacht, welche bei der Geburlshülfe der Thiere auf «einer
dortigen Oeconomie seit Jahren mit den unfehlbarsten Er-
folgen angewendet werden, und „daher auch bei Menseben
vielleicht mit ebe4i solchen Resultaten verordnet werden könn*
len. Heine MilU&eilungen," heissi es dort, „betreffen die
Wegschaffung der Nachgeburt, ohne gewaltsames
llerausreis«>en und ohne NacbÜietl für den Gesundheitszustand
des Viehs, falls diesellie angewachsen sein sollte. Das An-
wachsen der Nacligeburt kommt hier beim Rindvieh bei
40—50 Procent der Geburten vor und während in früheren
Jahren viele Kühe dabei verloren wurden, ist in den letalen
(i Jahren keine Einzige verloren gegangen. Ist die Nach-
gelmrt angewachsen, so wartet man 24 — 36 Stunden ab, ob
sich die Natur uichl selbst hilft, alsdann werden 4 JLoUi
Campher in zwei Maass warmem Wasser gelöst und hiervon
die Hälfte nach obiger Zeit, die andere Hälfte zwölf Stunden
später gegeben. In den meisten Fällen löst sich die Nach-
geburt schon nacl) 6 — 8 Stunden auf die erste Portion«
sicher aber in kurzer Zeit, sobald die zweite Portion gegeben
isL In letzterem Falle, wenn> also die Nachgeburt sieb erst
nach 48 Stunden löst, erscheint dieselbe meistentheils im au-
gefaulten Zustande. Wenn Campher angewendet werden muss,
werden ausserdem häufig noch schleimige Einspritzungen,, als:
Absud von Eübischwurzel, Enzian und dergleichen gegeben.
Sobald die Nachgeburt abgegangen ist, fressen die Köbe
meistentheils schon gut, sollte dieses jedocli nicht stattfinden,
der Appetit also noch uichl gut sein, so werden zur Magen-
stärkung: gestossener Calmus oder Wachholderbeeren mit
Wennutii mit Mehl zu Pillen angemacht, eingegeben und die
Fresslust stellt sich sehr bakl darnach ein. Bei Fehlgeburten
werdi'n hier zur Beruhigung des Viehs gestossene Angelica-
Wurzel mit Meld in Pillenlorm mit siclierem Erfolge ange-
waiult. Diese Mittel sind hier als Geheimmittel von einem
alten Tyroler Hirten angekauft, und, wie ich gefunden, nicht
sehr verbreitet!**
n. d. Verhanci]. d. Gesellschafi f. Gebartshülfe bu Leipzig etc. 67
Eine in der daraufTalgeuden (1.16.) Sitzung durch Herrn
Haake »>i<getheilie brieOtche IVoliz des Henn Hegar beti^af
die in der letzten Zeit mit gutem Resultate von ihm in zwei
Fällen ausgeführte Damnnaht bei allem Dammriss, Vor-
fall der hintern Scheidenwand und Prolapsus uteri, worin der*
selbe u. A. sagt: „Man muss dabei nur die hintere Scheide-
wand recht hoch yon der Nastdarmwand abpräpariren. Gut
ist es, die pr(^abirte Scheidenvviilst in einem nach oben spitzen
Winkel auszuschneiden und die Wundränder dann Cur sicli
zn vereinigeu, so dass die Fäden der Schleimhautnaht in die
Vagina zu liegen kommen, üie breite Dauimwunde wird für
sich durch weitgreifende Fäden vereinigt. Die Patientinnen
sind stets sehr zufriedengestellt und man vermeidet' den für
später unvermeidHchen Prolapsus uteri.
An demselben Abende stand ein kleiner Vorlrag des
Referenten über Throrabe^i der Schamlippen im Wochen-
bette auf der Tagesordnung. — Rechtfertigen an sich sc;hon
seltener vorkon>mende Anomalieen die Mittheüimg einzelner
Fälle, so erscheint dieselbe doppelt gQl)olen, wenn dieselben
mit der sonst l>ekannt gewordenen (älteren) CasuisUk sowohl^
als auch mit den Behauptungen sonst anerkannter Autoritäten
nieht vollständig im Einklänge stehen; — zumal letztere meist
Ton dem nur lobenswerthen Streben beseelt, lediglich eigener
Anschauung und eigenen nüchternen Beobachtungen zu folgen,
hinsichtlich dergleichen seltener Zufalle weniger als in anderen
Capiteln eine gewisse Einseitigkeit der Anschauung vermissen
lassen. So stehen noch jetzt die Ansichten der geschätztesten
Schriftsteller über die Thromben der Schamlippen, wie solche
im Wochenbette auftreten, hinstchilich der Aeliologie wie
der Prognose, unter sich wie mit der Casuistik noch nicht
im vollständigen Einklänge, wenngleich so viel festzustehen .
scheint, dass ein constanter Zusammenhang ihres Auftretens
mit zahlreichen Varicositäten diesci- Theile oder mit unge-
wöhnlich schwierigem Geburts verlaufe sich keiuesweges nach-
weisen lässt. So auch in den beiden folgenden Fällen: Am
1. September 1861 gebar die Schubmachergesellen - Ehefrau
Siegel hier nach normalem Verlaufe ihrer ersten Schwanger-
schaft ein mittidgrosses Mädchen in Steisslage. Der Cieburts-
08 n. Meißner, Mittheilun^en über die TfaKtigkeit
verlauf bot aü sich iiichU Abnormes dar, wobJ aber slQrzie
das erste Bett, tu dem die Gebärende lag, während einer
leichten Lageveränderung, die ihi* angeordnet worden war, in
»ich zusammen. Mein Beistand beschränkte sich darauf, dass,
als der Steiss dem Beckenausgange nahegerückt war, ich einen
hakenförmig gebogenen Finger in die nach unten zu gelegene
Hüftbuge einlegte, während der Wehe den Rumpf leicht an-
zog, und beim Nachiass der Wehen das Zurückweichen des-
selben zu verhindern suchte. Das Lösen der Arme und das
Entwickeln des Kopfes mit der Hand gelang den gewöhnlieheo
ersten Handgriffen, wie überhaupt die ganze Geburt leichl
und sbhnell verlaufen war. — Bereits nach 3 Stunden war
unter lebhaften Schmerzen eine dunkelblaurotiie Anschwellung
der linken Schamlippe eingetreten, die allmälig die Grösse
einer 'Manuesfaust erreichte, und sich als durch Blutaustritl
bedingt kund gab. Ich Hess Schmucker' j^he Umschläge,
später Blei Wasser anwenden. In den beiden folgenden Tagen
musste <ler Urin mit dem Catheter entleert weixleo, der Puls
stieg wiederholt auf 1 ^8 Schläge in der Minute, fiel aber am
4. September unter Anwendung eines Infns. radic. ipecac.
cum Mucilag. mimos., Aq. laurocer. und Extr. tliebaic. auf 100,
stieg am ö. September wieder auf 112. Nachdem am
6. September auf eine Gabe Ol. Ridni Stuhlgang und darauf
merkliche Verminderung des Allgemeinleidens eingetreten war,
zeigte sich am 8. September die Schleimhaut an der Innern
Fläche geborsten und ich konnte das Coagulum fast in toto
nach Erweiterung der Schleimhautöffnung ausschälen; das
Gewebe der Schamlippe selbst zeigte darauf eine von oben
nach unten zu verlaufende kahnförmige Vertiefung mit fast
glatter Oberfläche, die ich mehrmals täglich mit Intus. Ser-
.pylli reinigen Hess, und bis zum 16. Tage mit Zurücklassung
einer seichten rinnenlormigen Narbe, welche in der Richtung
der Schamlippe selbst verlief, vollständig geheilt war. Am
9, September war die Patientin gegen meine Verordnung
schon aufgestanden, was am 10. September abermalige Re-
tentio urinae zur Folge hatte, weshalb der Cathetei* 2 Mal
eingelegt werden musste. Am 11. September nrinirte sie
wieder spontan und verliess alsbald abermals das Bett. —
n. d. Verhandl. d. GesetlschHft f. Gebnrtäliülfe sii Leipsigr etc.* 69
Eineil zweiten Fall verdauke ich der Mitüieihing des Herrn
Dr. Ludwig Schulze hier. Der genaimle (lollege hatte am
12. August 1860 die circa 42 Jahre alte Frau Meyer, die.
bereits öfters geboren hatte, von langem, kräftigem Körper-
bau und gesunder Constitution war, gegen ^1^2 Uhr Nachts
massig schwer mit der Zange von einem Knaben entbunden
und sich darauf noch 1'^ Stunden lang hei der Wöchnerin
aufgehalten, ohne dass sich die geringste Anomalie eingestelll
hatte. 5 Uhr Morgens abermals gerufen , fand er Patientin
über colossale Schmerzen klagend, und sich unruhig hin-
und lierwerfend, . die Oberschenkel, sowie die äusseren Ge-
schiechlstheile auflallig varicös, und zweifelsohne nur durch
die Ruptur eines Varix bedingt: die rechte Schamhppe durch
eine beinah« kindskopfgrosse bläuliche Blutgeschwulst aus-
gedehnt. Die Anordnung von kalten Umschlägen billigte der
alsbald zum Consilium binzugerufene Herr Crede. Sechs
Tage lang wurde zweimal täglich calheterisirt. Nachdem sich
eine 1 Zoll breite, 2 Zoll lange brandige Stelle auf dem
Thrombus gebildet, zeigte sich dieselbe am 16. August theil*
weise matschig zerfallen, eine grosse Menge jauchiges Secrft
war bereits ausgelaufen, circa ^/^ Nösel Rlutcoagula wurde
kunstlich entfernt, worauf Fomentationen aus einem Aufgusse
von Ruia, Absynth und Serpyllum aufgeschlagen wurden, in
die Höhle legte man Charpie (nach einigen Tagen mit Aq.
creosoti vorher getränkt) ein« Aromatische Injectionen wurden
täghch, vom 21. August bis 8. September alier an jedem
zweiten Tage vorgenommen, und schliesslich die Wunde mit
Höllenstein touchirt. Als am 26. October sich Patientin .der
weitern Behandlung entzog, zeigte sie noch einen Substanz-
vertust von '/^ Zoll Länge, 2 Linien Tiefe und nur geringer
Absonderung.
In der 110. Versammlung brachte Herr Helfer seine
nachstehend sub Nr. 2 anhegende Beobachtung: Ruptura
▼aricis vaginae am 21. Tage nach der Geburt und Tod
durch Verblutung am 26. Tage des Wochenbettes zum Vor-
trage.
Die Transfusion nach Blutungen Neu-Entbun-
dener betrefifend, machte zunächst Herr Hennig in der
108. Sitzung auf die neuerdings von Demme (in der schwei-
70 II* Mtiatnety MittheilnogeD über die Thätigkeit
zerischen ZeHsehritt für lleilkuiidp, 1. Bd. 5. Heft, S. 437)
gemachten Vorschläge aufmerksam; — später (in der 116.
Sitzung) wurde aus einem Briefe des Herrn Hegar noch
Folgendes uher diese Operation mitgetheilt: „Vor Kurzem
machte ich eine Bluttransfusion und zwar mit sehr gutiem
Resultate. Der behandelnde Arzt halte die Wöchnerin auf-
gegeben und ich schlug ihm die Transfusion erst vor, als
er meine Frage, ob er die Patientin für verloren halte, be-
jahte. Der Fall scheint mir auch deswegen sehr für den
Nutzen der Operation zu sprechen, weil die Blutungen be-
reits 7 Tage nach der Niederkunft gedauert hatten; denn
man beobachtet ja oft Blutungen bei und kurz nach der Ge-
burt, mit sehr hochgradigen anämischen Erscheinungen, von
denen sich die Kranken oft auffallend rasch erholen. Unter
solchen Umständen ist der Nutzen eines Mittels immer ein
sehr problematischer. Dagegen wird die Prognose bei Blut-
ungen, welche schon längere Zeit anhielten und scliliesslidi
einen bedeutenden CoUapsus hei*beifuhrten, schon ungünstiger,
man kann daher eher dem angewandten Mittel den Erfolg
zuschreiben. Ich spritzte etwa 5 Unzen Blut ein ; der Eflect
war ein unmittelbarer, der Puls wurde wieder fühlbar, die
Brustbeklemmung liess nach, die Extremitäten wurden wärmer
und die vorher schwerbesinnliche Kranke kam mehr zu sich.
Sie beiludet sich seitdem auf dem Wege der Genesung, welche
freilich sehr laugsam fortschreitet. — Uebrigens konnte ich
bei der Operation die Afar^iVschen Kanüle nicht benutzen;
dieselbe war zu breit für die Vena mediana, obgleich diese
von allen Venen des Ober- und Unterarmes am meisten ent-
wickelt war. Ich muss nach dem Resultate dieser Transfusion
nur bedauern, dass ich nicht schon früher diese kleine
Operation versucht habe. Ich glaube, dass die Transfusion
noch eine grosse Zukunft hat«*'
In der 109. Sitzung hielt Hen* Hoss einen längeren Vor-
trag über das Legen, Tragen und Wiegen der Kinder
(bald nach der Geburt und in deren späteren Entwickelungs-
altern) vom hygieinischen und culturhistorischem Standpunkte,
erläuterte auch die betreffiBuden Gebräuche der verschiedenen
Völkerschaften durch gelungene Federzeichnungen. Auch
von diesem Abschnitte seiner grossem ethnographiscb-cuUfli^T
Q. d. Vt9rhandl. d.Oesellschaft f.Gebnrtuliülfo ett Leipzig «tc. 71
historischen Arbeit über die Gebräuche bei dei' Gebut*t gilt
hiosiclitlich der vom Autor vorbebalteneu Veröfreiitltchiin^*
das in den letzten beiden Jabresbericblen scboii Gesagte.
Die Verhandlungen aus dem Gebiete der speciellen Gy-
näkologie eröffnete Herr Hennig in der 106. Versammlung
unter Vorzeigung eines rudinientairenPessariums, das vor
17 Jahren der betreffenden Patientin eingesetzt worden war.
Nachdem diese bereits vor längerer Zeil den Stiel desselben
verloren hatte, zeigte sich der mit Kalksalzen stark incrustiile,
unter Bildung einer Scheiden-Mastdarmfistel im Becken fest*
gesetzte Rest desselben durch einen callösen Ring der hin-
tern Scheidenwand fest umschlossen. Erst nachdem dieser
i-aliöse Ring in der hinteren und einer seitlichen Parthie in-
cidirt worden war, konnte der incrusttrte Rest des Pes-
sariums, indessen auch nicht in toto, sondern nur in einzelne
Stficke zerborsten, zu Tage gefordert werden.
Das,' was Hen* Hennig an demselben Abende von der
Möglichkeit hielt, * Flüssigkeiten durch den mensch^
liehen Uterus und die Toba in die Bauchhöhle zu
spritzen, ist zum grössten Theile in die seitdem erschienene
Inauguraldissertation seines Assistenten Ernst Hermann
Klemm : Aber die Gefahren der Uterin-Injectionen, Leipzig 1863
Abergegangen.
In der 114. Sitzung hörten wir einen Voilrag des HeiTn
Kirstfin ober die chronische Me^rilis und deren lüin-
fluss auf das Conceptionsvermogen, wie auf den Ver-
lauf von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und
Lactation. Nach einer Bemerkung über die tnigerisclien
HofAiungen, welche der im Volke oft gehörte Rath, zu hei-
rallieu, erwecke, wurden die vielfachen Hindernisse für die
Gonception auseinandergesetzt und für die Filie, wo diese
dennoch überwunden, der vielfachen vermehrten Schwanger-
schafUbeschwerden gedacht, die meist zu sich häufig wiedet*-
holenden Aborten fahren. Der Redner knüpfte daran die
Mittbeilung einer eigenen Beobachtung. In dem betreffenden
Falle war nach längerer Behandlung endlich Conception mit
anniingUch sehr vermehrten Seh wangerschaflsbesch werden ein-
getreten^ spdler aber habe ein normaler Verlauf der Schwanger-
schaft, der Geburt und des Wochenbettes mit ungestörter
72 !!• Memner, Mittheiliui^n über die Thätigk«ii
Laclaüoß PlaU gegrifleii. — Bei (ier sidi aiiadilie&6end«n
üebaUe erklärte acanzon€& Meiiiujig (in seiircr iiemisteii
Schriil übet* diesen GegeiisUiM^) gegenüber Herr Crede die
meisten Fälle von cbroniseher Metritis leichlerea nnd mittel-
scbweren Grades für vollständig heilbar und empAehit iu
diesei' Hinsicht den selbst wiederholten Gebrancli des Ferrum
candeus, worauf er nicht selten und zwar auch wiederholt
Conceptionen euiireten und normalen Verlaut' von Schwanger*
Schaft, Geburl und Wochenbett folgen sah. — fkrr Hennig
knüpfte daran einige Bemerkungen über die patiiologische
Anatomie der chronischen Metritis, die li*otz ilirer grossen
Uäuligkeil nur äusserst selten, d. h., beim Tode durch iniei-
currirende Krankheiten sich eruiren lasse. Denn bei Ob*
duclionen von Frauen aus den höheren Lebensjahren, wo das
Uebel sich schon meist sehr gemildert habe, lasse sich sel-
ten nur ein genaues Bild wegen der inzwischen eingetretenen
Productsmodificationen, der betreffenden Altersveränderungen
u. s« w. gewinnen. Meist werde auch zu viel Gewicht auf
die Portio vaginalis allein gelegt, womit sich der practische
Arzt aber nicht begnügen dürfe. Wo man Irische FäHe zur
ünlersudiung bekommen, habe sich das üebel durcli con-
stante Vermehrung des Bindegewebes characterisirt, dessen
Verfettung^) meist der einzige Weg zur Heilung sei; denn
Eiterdepols im Uterus seien sehr selten, dei* beobachtete
Eiierabgang beruhe meist allein auf dem begleitenden K,a*
tarrhe. Die Schmelzung der Bindegewebs*Neubildung erfolge
nächst dem Ferrum candens vorzüglich leicht durch AeU-
natronlauge, Nitras argenti, Liq. Beilostii und den (■ebi'auch
aufsteigender Doucben mit alkalischen Thermen. — Herr
Beck, der auch nach Fällen chronisclier Metritis, die duiM:h
Retroflexio uteri compücirt waren, wiederholte Conceptionen
und Geburten ohne die mindesten Störungen beobachtet bat,
drifigt auf zeitweilige längere Entfernung vom Eheroanoe, um
ein sokb günstiges Resultat zu ermögUcfaen.
]} Diese Mittbeilnng des Herrn Hennig erfolgte am 16. No-
▼ember 1863, also längere Zeit vor Veröffentlichung der Arbeit
TOD C Braun über diesen Ausgang der Metritis chronica in der
Zeitoohrift der k. k. Gesallscbaft der Aersie in Wien (Jahrbücher,
40. Jahrgang), 1864, Heft 1.
a. d. Verhaodl.d.GeselUebaft r.Geburtehülfe su Leipsig etc. 73
lu der 110. Versaiiinihjiig berichtete .Herr Germann
über eitiefi durcb die Sectiua t»cljlieäsUcli zur Aufklärung ge-
koniraeuen Kraitkheitsfall mit einer \m diibiu räthselharieu
Geschwulst im üougJas'cheii Räume. Die betreuende
Patientin, urspi*uiigliGh von Herrn Dr. üchloßahauer hiei* alleui
bebandeity hatte ober heftige KoUk schmerzen mit wecbseludeu
BrechduA'chfölleu und vern»eintlichein GebäriiuiUervorlall ge-
klagt. S|>äter war wtedeiholtes Erbrechen von darnigasähnlicb
riecheuden gelblich breiigen Flüssigkeiten eingetreten und
dabei ein Tumor in der 4Ieocoecalgegend deutlich zu fahlen
gewesen. Als am 26. Januar v. J. Herr Oermann zugezogeu
worden war, fand derselbe die Gebärmutter lief in der Scheidfs
deren Vagwalportion mehr nach rechts stehend, den Grund
dei*selbeii nach hinten zu umgeknickt; links oben im Dougbs!-
scheu Beckenraome eine quergelagerte Gescliwuist; dabei
Blaseakatarrh, Kolik mit abwechselnder Stuhlverstojitung und
Diarrhoe, kleinen freifuenteu Puls, unruhigen kurzen Schlaf,
die Haut kühl, trocken, gelblich gefärbt Die Reposition der
geknickten Gebärmutter und der Geschwulst in das grosse
Becken brachte grosse Eiieiehterung. Am 15. Februar wie-
derholte sieb ein- Anfall mit den genannten hol'tigeren Beschwer-
den, am 16. ejusdem wurde wegen Widerstrebens der Pa«
tieiitiu gegen eine erneuerte Reposition (det; Uterus und der
Geschwulst) Jodtinctur auf den Unterleib eingepinselt, worauf
abermals einige Besserung eintrat. Die Beckengescbwulst
bildete in der darauflolgeiiden Zeit die einzige constaiite Er-
scheinung, während einige kleinere, in der Magen- und Ileo<
coecalgegeud be^ierkle Geschwulste abwechselnd auftraten
und verschwanden. Am 9. April über führte eiue abennalige
VerschKmmerung der Erscheinmagen Peritonitis und den schnellen
Tod der erschöpften Patientin herbei. Der Sectionsbefund
war in dem wichtigsten Stücke mit zur Stelle gebracht wor-
den; im unteren Theiie des Dünndarmes befanden sieb zwei
grosse Perforationen, dm*ch die eine derselben war eine ziem-
liche Parthie der ohern Dönndarmschlingeu in das Darmlu«««i
hinein- und aus der anderen in Form 'eines Beutels wieder
herausgetreten. — fm Anschlüsse daran berichtete Herr Berger
(als Gast anwesend) über den Sectionsbefund nach einem
Falle von lleos. Durch eine vor mindestens 9 Jahren über*
74 H. Meissner, Mitiheilungen über die Thiitigrk«it
statNi^iin pucrpm'cile Periluiiilis halle sich ein verütckler NeU-
straiig an iler recliien Seile des (Jlerus angelölhel, um weldie
heiinii eine Achsencirehung der Darme erfolgt war.
In der 112. SiUiing sprach der Bericblcrstatter uiter
den Eeraseur und dessen Anwendung in der gynä-
kologischen Praxis im besonderen. Ehiem kurzen ge*
schiclitlichen Abrisse diesin* Ei*ftndung (JhaBsaiffn€^'» und
der Characlerislik der verschiedenen iHodiHcaliönen din^h
Liier, Charriire und Maisonneuve (wobei die «tnzeluen
Inslrumenle Itieiis in naUira, Iheiis in guleii Abbikkjngeii vor-
gezeigt wurden) folgte die An»*tHn8iiderse(znng der Motive,
aus denen Iferr Hadke \\e\\n InslrnnKMilrninacher O. Hoifin
bierselbst die Anfertigung eines Inslrnnienls neuer €on-
struotion inil rechlwinklich gegen die Fnhrinigs^iehse desselben
wirkender Ketlenschiinge veranlassl hatte, welches in gelungener
Ausführung gleichfalls vorlag. Bei der Wirkung dieses Ecra-
seur*s roUt sich die Kette auf einer Hölse des Pilhrungsstabes
auf; gedaclite Hnise aber tritt dabei vet*niöge eines an ihrem
unteren Bn<le befindlichen Gewindes aHniShIicb abwärts,
während eine doppelte federnde Voirichtung in kleine Längs-
falze einspringt und so ein Erschlaffen und Zurücktreten der
Kelle unmOglieh macht. Daran schloss sich eine ausföftniiehe
Darlegung der Vorzuge des Excrasements auf Grund der an
Thieren angestellten Experimente und der zeithertgeu Er-
fahrungen bei Kranken, sowie die kurze Besprechung der
voHiereitenden Stielbildung bei breit auf- oder gar vielleicht
in tier Tiefe sitzenden Geschwülste. Um das unbeabsichtigte
Einziehen nicht selten lebenswichtiger Nachbarorgane in die
Kettenschlinge zu vermeiden , wird in , einzelnen Fällen eine
sorgsame Prophylaxis nölhig (Einstechen von Nadeln' unter-
halb der Basis des durch die Operation zu entfernenden
Theils) — eine weitere Cautele betrifft die ROcksichlnahme
auf die mögliche und z. B. dem Berichterstatter begegnete
Zeireissung des Ketlenhakens während der Operation. Nächst-
dem wurden im Allgemeinen alle Krankheiten, speciell und
ausführlicher die der weiblichen Geschlechtstheile ' aufgeführt,
bei denen bisher der Excraseur angewendet wurde, und meist
mit bestem Erfolge wirkte. Schliesslich berichtete Sclireiber
dieses über 5 von ihm mit einem OAamere'schen Instni-
u. d. Verhiinüt. d. Geselluehaft f. Geburtohiilfts in Leipzig etc. 75
in^iite veiTicbieU; OperalioiMtii. 1) Frau K,^ 53 Jahre alt,
halle neun uial geboren, Uli an einem liorch alle Hu|Hura
perinaei bedinglen ausgedehnten Mastdarnischeideubruche und
hochgradiger Hy|)erlrophie des nieisl prolabirteii (Jterns. der
aehiiesslich gar kein Pessariuni mehr vertrug und zaidreieke
hyslerieche Zufälle (bald in ietanischen Zuständen^ bald in
aiihalUsaden hefligeo ZuckungiMU bald in selbst stundenlanger
IJi»bewegUchkeit und Spraeldosigkeil ]>estehend) veranlasste,
wodurch die äusserste Reizbarkeit und Scbwäebe eingetreten
wai*. Die durcli verschiedene Familienverhälinisse verzögerte
Operation erfolgte im Beisein des Herrn Gr^de am 14. No*
vember 1860; — die Portio vaginalis wurde durch die Haken*
zaoge vor die Schamlippen herabgezogen erhalten, bei der
fast lederartigen Festigkeit ihi*es Gewebes aber zersprang der
Kelteuhaken, noch ehe der secliste Theil getrennt war, trotz
der vorsichtigsten Anwendung und die Operation musste durch
vier kräftige Scimitte mit der /SVeftoZct'schen Polypenscheere
vuUeiidet werden. Die nur massige Blutung stillte man wegea
der gro66e4i Schwäche der Patientin durch Wattetampons mit
Liq. ferri sesquichlorati getränkt, alsbald vollständig. Die
Heilung des Stumpfes wurde durch aromatische liqectioHen
unterstützt, erfolgte aber nur äusserst langsam; — der Er-
folg aber war ein sehr befriedigender, wenngleich der Scliei-
den-Mastdarmbruch noch einzelne Beschwerden verursacht;
leider conti*aindicirten die individuellen Constitiitioiisveriiäft*
nisse die zu dessen Hebung beal>sichtigle könslliefae Damm-
bildung. Die mikroscopische Untersuchung des abgetrennten,
durch die Operation entfernten, 2 Zoll im Dickendurcbmesaer
haltenden und % Zoll langen Stücks der Portio vaginalis
zeigte hodigradige Bindegewebshypertrophie mit eingebetteten
Golloidcysten. 2) Frau S., 29 V4 Jahre alt, hatte bemts
6 Kinder geboren und schon ein Jahr lang an heftigen und
andauernden Blutungen aus dem zahlmch zerklüfteten carci«
noroatösen Uterushalse gelitten. Die Abti*agung desselben
geschah unter Assistenz des Herrn Kollmann (Hausarzt)
am 23. November 1860 und zwar, da das morsche Gewebe
ein vollstamiges Hervorziehen des Mutterhalses nicht ge-
stattete: innerhalb der Scheide, und ohne dass die mindeste
Blutung folgte. Auch nach der in wenigen Tagen erfolgten
76 !'• MMsnw^ MittheilUDgen über die TbUtigkeit
Veinarbuiig der Wunde Irat keine Blutung wieder ein, woHi
aber ging Patientin binnen Jahresfrist an carcinooiatöser In-
filtration des LItei*u8körpers, des Magens und Darmkanals zu
Grunde. — Das enlferntc Stuck zeigte unter dem Mikroscop
geWöhiiliches Cylindercarcinom. — (Der drille Fall betrifft
einen alten Herrn von 76 Jahren, L., vormaligen Oeconom,
bei welclieni ein im Antrum Highmori dexlr. wurzelndes und
die ganze betreffende Gesteh t$^liülfle auftreibendes Knoclien-
carcinoui durch die Alveolen des Oberkiefers nach der Mund-
höhle gewachsen war. Bine so am Palahnn durum von iler
Grösse einer ausgewachsenen Feige entstandene Neidiildung.
welche bei continuirlichem SpeichelausHusse das Schliessen
des Mundes unmöglich machte, das Essen und Sprechen aller
bedeutend erschwerte, wurde, am 19. August 1861 von mir
unter dem Beistande des Herrn Beck entfornl, ohne das:»
Patient besondere Schmerzen oder die mindeste Blutung er-
litt. Als die unvermeidliche Regeneration der Neubildung
aui Gaumen eintrat, halte der bei zunehmender Anschwellung
des Gesichts wahrscheinlich auch gleich massig fortschreitende
Druck nach innen zu vollständiger Apathie und Somnolenz
des Kranken gefühlt, in weldiem Zustande er am 15. September
sanil verschied.) — 4) Am 2. September 1863 enllernle
ich im Verein mit ^en Heireu Th, Kirsten und J. E, Kühn
hier die hypertrophische vordere Mutter mundslippe bei der
46 Jahre alten Frau K. (hatte 7Male geboren), die an viel-
fachen und anhaltenden Beschwerden des abwärts drängendi^n
Uterus mit refleclirten Magenerscheiiiungen (Sodbrennen,
Aufstossen, Uebelkeit, Appetitlosigkeit) litt, binnen 13 Minu-
ten ohne alle Blutung. Das entfernte Stück zeigte mikros-
kopisch: reine Hypertrophie. — b) Adelheid 8. aus E
28 Jahre alt, hatte vor circa 8 Tagen zum zweiten Maie ge-
boren und litt an heiligen Schmerzen in der Gegend der
Aftei*effnung, die sich bei der Untersuchung als durch eine
syphilitisch -Condyloma löse Wucherung von der Grösse einer
Pfirsiche bedingt auswiesen. Die Abtragung geschah am
21. September 1863 in wenigen Minuten ohne alle Blutung,
jedoch unter lauten Schmerzensäusserungen. Patientin reiste
bald darauf ab.
u. d. Varhanil. d. Oesellschaft f. Oebmrtoliilfe tu Leipsi^ etc. 77
In der 117. Versa vmluog zeigte Herr Hennig Slücke
der Laminaria digitata vor und rühmte gleich Herrn Plo$9
die enorme Qucllbarkeit derselben imd den Vorzug, den die-
ses neue Mittel zui* Erweiterung des Muttermundes unbedingt
vor dem Pressschwamme und Bougies habe. ^
Ais neu erschienene Schrift wurde vorgelegt : J. F. Edouard
Lauth. L'Embryothlasie et en particnlier. de la cepbalotrypsie.
Strassbourg 1863. 4.
IL Kuptur eines Varix in der Scheide
a« Sl. Tage laeh der liebirt. — TmI m M. Tage ia VMg«
der VerUvtvflg.
Von
Dr. Friedrich Wilhelm Helfer.
Vorgetragen am 16. Juni 1863.
Meine Hennen! ich habe die Ehre, Ihnen wohJ einen
der seltonsten Fälle der geburtshölflichen Praxis vorzutragen*
Denn wenn in dem klinischen Berichte der geburtshülflichen
Klinik an der Friedrichs-Wilhelms-Universität zu Berlin vom
Geh. Rath Bueeb aus den Jahren 1836—1841 unter 4124 Ge-
burten 3 Fälle angefüiirt werden, wo das Bersten von Vari-
cosiUlten während der Geburt (in der 3. und 4. Geburts-
periode) zu bedeutenden Blutungen Anlass gaben, ohne das
Leben zu gefährden, — so werden in dem Bericht ülier die
Ereignisse in den Gebäranstalten von Stuttgart, Milncheji,
Petersburg, Dresden, Christiania, Halle, Berlin, HannovtT und
Göttingen, zusammengestellt von Dr. Sickd im 88. Bande
der ächmidt'^chen Jahrbücher unter 12612 Geburten 2mal
Berstungen der Varices in der Scheide während der Schwanger-
schaft aus der Poliklinik von Busch \ in der Klinik von
1841 — 47 3mal erfolgte Ruptiu' eines Varix in der Sdieide
erwähnt, was Blutungen iu der 5. Geburtsperiode zur Folge
hatte und die Anwendung des Tampon und kalte Ii^ectiooen
nöthig machte; welchen Ausgang diese Fälle gehabt haben,
ist nicht dazu bemoi^kt. HoU erwähnt in seinem Lehrbuch
78 H- MeissHBr, Mittkeilangen ober die Thttiflieit
der Gebartshfllfe einen Fall, von Fr, B, Oslander beob-
achtet, wo der Tod eine Viertelstunde nach einer BtiHung
aos zwei zerrissenen varicösen GefÜssen der Scheide eintrat
(Handb. der Entbiudungsk. Btl. III. Tübingen 1828, S. 86.)
Auch Seulen Üieüi einen Fall mit, wo in Folge der Zer^
retiBiiog eines Varix in der linken grossen Schamiippe der
Tod kurz nach erfolgter Entbindung einti*at. {EL.v. Siebold^%
Journal, ßd. IX., St. 1, S. 188.) Nach einer anderen Mit-
theilung von Schott berstete eine varicöse Geschwulst der
i*ecblen Schamlippe, der Kopf stand für die Zange zu hoch
und in 8 Minuten eifolgte der Tod. ( WnrUendierg. med.
Correspondenzbl. 1833, ßd. Vlll., Nr. 38.) Einen gificklicher
btendeften Fall beobachtete WiUke (Neue Zeitschrift für Ge*
burtskunde, ßd. HI., S. 249.) Profe^^sor Streng (Geburts-
hfilflicher Bericht der Klinik für UehauHnen zu Prag vom
1. Septbr. 1852—1855) sali unter 2i)36 Geburten 6 Fälle
von ßerstungen der Bluladerknoten beim Durchschneiden des
Kopfes mit bedeutenden Blutungen, üer Sitz derselben war
2mal am Vaginalmunde, 3mal zwischen Kitzler und Harn-
röhrenmfindun^ und Imai an dem Schwellkörper der Ctiloris.
In allen diesen Fällen genügte die Compression zur StHlung
des Blutes. Joerg in seinem Handbuche der speciellen
Therapie für Aerzte am Geburtsbettc S. 186 IT., v. StebolJ,
Lehrbuch der Geburtshilfe S. 362, ebenso Chiari^ Braun
und Spaethy Klinik der Geburtshillfe und Gynäkologie S. 222
sprechen nur von Zerreissungen während der Gebnrtsperioden,
nirgends habe ich einen dergleichen Fall beschrieben gefun-
den, wie der nachstehende, wenn man nicht den interessan-
ten Fall von Maschka (Prager Vierleljahrsschrift 1861, 2. Bd.)
in seinem Berichte Aber die in dem Zeiträume vom 1. Juli
1859 bis Ende 1860 vorgenonunenen gerichtsärztliehen Un-
terauchungen mit dazu rechnen könnte: (6. 123), „Job. L.,
ein 24jShrige8, froher gesundes Madchen, erkrankte in dei*
Nacht zum 20. October, nachdem sie am Abend eine dchledite,
etwas übel riechende Wurst genossen haben soll, an heftigen
Ihtterleibsschmerzen, zu denen sich Erbrechen hinzugeseHie.
Nachdem difse Erscheinungen trotz angewandter ärztlicher
Hülfe rasch an Intensität zugenommen hatten, trat Gollapsut«
ein und nach 8 Stunden erfolgte der Tod. Bei der wegen
n. d.Verbnild]. a.OeseUMhaft f.Cteburtflhaife %vl Leipzig etc. 79
Vej^acbt einer stattgeftitHienen VergifliiBg vorgonomineiien
ObduotiM fand man den Körper woblgenihrt, die Hauldecken '
und sflmnsüiciie sichtbare Schleimhäute sehr Mass etc. Im
Unterleibe, besonders iu dfi^BeckeuhöUe, befand»!! sich gegen
4 Pfund geronnenen Bluies angesanMueli. Djp GebärmuUer
war jttogfräuiieb, jedoch etwas grösser, ihre Schieimliaut auf*
gelockert, mit einem bräunlich -blutigen Schleim überzogen,
Muttertrompete und Eierstöcke vollkommen normal. Am Grund
der Gebärmutte»* gerade oberhalb der Einmündung der iiniien
Tuba befand sich eine haselnussgrosse, mit dünnen Wandungen
versehene, geborstene, noch mit Blutgerinsangen angefüUle
H^hle, welche mit einer erweiterten Yene communidrte und
xufolge ihrer Beschaffenheit ab ein unter dem Peritonaeal*
übera^uge gelegener Varix angesehen werden mussie.^'
Frau Kunze, 35 Jahre alt, hatte in ihrer Jugend Masern
und Keuchhusten, sowie im 20. Jahre eine Pleuropneirnionie
überstanden, war sonst stets gesund und vom 14. Jahre
regelnissig viei'wöcbentlich mensliuirt gewesen, wurde im
29. Jahre zum ersten, drei Jahre darauf zum zweiten Male
schwanger; diese Sohwaogei*schaflen verliefen ganz normal,
sie hatte während dieser Zeit keinerlei Beschwerden, höchstens
anfänglich über Uebelkeiten zu klagen, Varioositälen waren
an den Füssen nicht zu sehen ; beide Kinder hatte sie 9 bis
12 Monate gestält. Im Jahre 1862 wurde sie zam dritten
Male schwanger, doclj entwickelten sich schon in den ersten
Monaten sehr bedeutende Yaricositaten, insbesondere längs
der Yena saphena magna et parva, desgleictien Yena cruralis,
Yeiia podenda und Plexus pudendalis der Iroken Seite, welche
sich nach und nach immer mehr vergrosserten, so dass im
7. Monate, in . welchem ich die Frau zum ersten Male sah,
von den Genitalien herab bis an die Knöchel 'derselben Seite
die Yarices die Grösse von Tauben- bis Gänseeiem eiTeieht
Italien; dass dadurch das Gehen sehr beschwerlich und
sclunerzhafl war, in der Nacht häufig Wadenkrämpfe auftraten,
verslebt sich von selbst. Im Uebrigen war die Frau wohl,
lialle guten • Appetit und Yerdauung, nur hin und wieder
Suibiverstopfung, zur Hebung dieser wandte sie St. Gennain^
Üiee im Aufguss an. Am 25. April 1863 früh 7 Uhr traten
die« ersten VYehen ein. Mittags war der Mnttermuml wip ein
80 II- Meiainer, Mittbeilimefen über die TbUigirait
ZweithalerstJick erölftiet, 4 Uhr s|H*ang di« fitaee und nach
*eiaer halben Stunde gel>ar sie ein kräftiges Mädchen und
bald darauf wurde die Placenia ohne irgend eine Beihulfe
von Seiten der Hebamme mit geringem Blutverlust auage-
sioaaen. Das ^Wochenbett verlief normal, am 8. Tage stand
die Wöchnerin auf und vom 14. Tage an verrichtete sie ihre
häuslichen Arbeiten wie früher. Am lö. Mai (also den 21. Tag
nach der Niederkunft) wollte die Frau ihr Kind baden und
holte, weil keine Dienerin sogleich bei der Hand war, aus
dem bei dem Hause vorbeifliessenden Flusse selbst in zwei
sogenannten Wasserkannen das Wasser. Bei dem Heraus-
heben dieser nicht ganz gefällten Gefasse aus dem Flusse
wäre ein schmerzhaftes (vefuhl in den (leburtstheilen und
sofort darauf ein nicht unbedeutender Blutverlust entstanden,
sie habe sich niedergelegt, wäre aber nach einer Stunde, nach
Aufhören der-Blutung wieder an ihre Arbeit gegangen. Bemerkt
liätte sie während* des ganzen Tages nur massigen BkHabgang
und erst in der Nacht, nachdem sie das Kind gestiUl und
wieder in das Bettchen gelegt, wäre jener so bedeutend
geworden , dass sich Schwarzwerden vor den Augen , Ohren-
sausen und Ohnmächten einstellten. Jetzt erst wurde ein in
demselben Hause wohnender Regimentsarzt geholt, der ihr
drei Mal 15 Tropfen einer sauren Flüssigkeit gegeben, woi*anf
sich die Blutung gestillt. Eine geburtshülfliche Untersudiung
von dessen Seite war nicht angestellt worden. Ruhiges Ver-
balten, horizontale Lage im Bett, Limonade und Bouillonsuppe
mit Ei war die Ordination. Am 17. Mai fWlh 7 Uhr trat
die Blutung mit grösserer Heftigkeit als früher auf. Da jener
Reginsenlsarzt veri*eist war, wurde ich um ^/^S Uhr frAh
geholt und fand die Frau leicbenblass , Gesicht mit kaltem
Schweiss bedeckt, in Ohnmacht liegend, Puls kaum zu fühlen,
leicht wegzudrücken ; bei näherer Untersuchung vor den Geni-
talien eine bedeutende Quantität (circa 2 Pfund) coagtiKrt««»
Blut liegend, aus der Vagina quoll trotz der theilwWsen
Ausfüllung mit Coagnlis liellrothes Blut hervor. Nach Ent-
fernung der Coagula konnte ich bei der geburtsMiiflietiee
Exploration deutlich einen Riss in dem oberen hinteren
Sckeidengewölbe mehr nach links und oben fühlen und kam
mit dem untersuchenden Finger in eine Höhle, aus welcher
o. d. Verbandl. d. tiesellschaft f . Gebnrtihttlfe eti Leipsi^ etc. gl
dre BJolung sich ergoss; oh dieselbe zugleich mit aus der
GebärmuUer stammte , konnte durchaus nicht mit Bestimmtheit
erkannt, werden. Die Coagula wurden entfernt, zwei Ein-
spritzungen von Essig rail kaltem Wasser gemacht, sodann
aber Wattetampons, stark mit Acidum tannicum bestreut, ein-
geführt, wodurch auch Stillung der Blutung erzielt wurde.
Aeusserlich aber wurden Eiswasserübersciüige (alle Viertel-,
stunden erneuert) und innerlich Analeptica, Zimmettinctur,
Wein, Eiswasser, Bouillon mit Ei, ein Decoctum Seealis
comuti 5j auf Siv Golatur mit Aci^lum phosphoricum dilutum
angewendet Noch muss bemei*kt werden, dass unmhtelbar
nach dem Erwachen aus der Ohnmacht Uebelkeiten und gegen
IOV2 Ühr Vormittags mehrmaliges galliges Erbrechen auftrat,
weiches nach Eispillen aufhörte. Während des ganzen Tages
ging kein Tropfen Blut ab, die Frau erholte sich unter An-*
Wendung jener Mittel zusehends , die Erscheinungen des Blut-
verlustes traten immer mehr zurück, sie klagte weder fdier
Kopfschmerzen noch Schwarzwerden vor den Augen , sendeten
nur fiber zeitweilige Uebelkeiten und grossen Durst , weshalb
audi mit dem Genuss von kleinen Portionen Eis fortgefahren
wurde. Abends 10 Uhr war die Haut normal warm, mit
nicht übermässigem Schweiss bedeckt, der Puls ziemlich voll,
96 Schläge in der Minute, Gesicht nicht mehr verfallen, Augea
glänzend, Sensorium vollständig klar. Patientin klagte sehr
Aber Brennen in der Vagina, und Druck auf den Mastdarm,
gleich als ob sie zu Stuhle gehen sollte , und verlangte schon
jetzt die Entfernung des Tampons, was von meiner Seite
verweigert wurde. Urin war nicht abgelassen worden, wes-
halb der JCatheter applicirt und damit eine ziemliche Quantität
dunklen Urins entleer^ wurde. Auch ferneriiin kam der
Katheter früh und Abends bei jeder Urinentleerung in An-
wendung, um keine Veranlassung zum Wiedereintritt der
Blutung zu geben. Während der Nacht hatte Patientin (heil-
weise stundenlang ruhig geschlafen, war jedoch auch im
Traume von schwarzen Gestalten gequält worden. Der Durst
war gleich geblieben , die Uebelkeiten aber ganz verschwunden.
Um 10 Uhr früh wurden die Tampons nach 26 stundigem
Verbleifeen in der Vagina mit Leichtigkeit entfernt, und es'
If6ii«tmclif . t. 6«bnrtBk. I88fr. Bd. XXV., Suppl.Hfl. 6 •
ti2 II- Meissner, Mittheilttngen. über die ThHt^keit
tloss ein tiluüg jauchig auss^heiuies Secrel obutt irgeud einen
übl«Q Geruch ab. Damit aber nun nicht etwa eine JfHicbige
Aufsaugung durcti die Gebärmutter oder die verletzte Veae
stattfinden könne, wurden von meiner Seite mehrte In-
.jectionen, J)esteheBd aus gleichen Theilen Weinessig und
Eiswasser mit der grössten Vorsiclit ausgefObrt, dabei floss
das blutig jauchige Secret ab und bei der vierten Einspritzung
war die abfliesseude Flüssigkeit nui* wenig ge&rbt. Patientin
sab angegriflen aus, klagte nicht ober den Kopf, wohl aber
über Appetitlosigkeit und grossen Durst. Der Puls war sich
gleich geblieben (96 Schlage in der Minute), Leih weder schmerz-
haft noch aufgetrieben , leicht zusammendrückbai* ; AppKcaüon
des Katheter; in der Hedication keine Aeiiderung. Einbringen
von Eisstuckchen in die Vagina und Loijectionen wurden ferner-
rhin in der Zwischenzeil von 2 — 3 Stunden von einer zu-
verlässigen, als Hebamme gelernten VVärteiin nach meiner
Anweisung mit der May&r'schexx Uterusdouche, angefüllt mit
Eis Wasser, ausgeführt.
Bei der Abendvisite fand ich Patientin heiter, gesprächig,
sie hatte auch mit Appetit einen Teller Bouillousuppe gagessen.
Der Durst ist immer noch gross, Eiswasser und Eis zur
Stillung desselben gebraucht und einige Male nur wurde über
ganz kurz vorübergehende Uebelkeiten geklagt Puls ziemlich
voü, 92 Schläge. Haut warm, mit Scb weiss bedeckt; während
des ganzen Tages kein Blut abgegangen. Gegen Abend war
Drang zur Stuhlentleeruiig eingetreten , etwas Stuhlgang wai*
unfreiwillig abgegangen, zwei masseidiafle breiige Stuhlgänge
erfolgten auf die Application zweier Klyslire von Essig» Wasser
und Oel. (Von Freitag lö. bis Montag 18. Mai hatte die
Stuhlentleerung gefehlt.) Weil Patientin über grosse Müdig-
keit und Unruhe klagte, wurde Extr. thehaic. gr. ij auf 3iv
Mohnsamenemulsion , zweistündlich einen Esslöffel voll ver-
ordnet, jedoch hatte selbige nicht grossen Erfolg, Schlaf war
nur vorübergehend dagewesen. — Gjßgen 3 Uhr Morgens am
,t9. Mai war urplötzUdi ohne weitere Ursache die Blutung
von Neuem mit grosser Heftigkeit aufgetreten, circa IVs bis
2 Pfund Blut verloren gegangen. Bald darauf binzugeholt
entfernte kh die Coagula, und da die frühere Tamponad«
sowohl als die Colpeurese nach Braun von der Frau auf das
u. d. Verhandl. <!. 6«iie1lflchflf|: f. GebnrtshUlfe in Leipsit^ etc. g3
Enischiedensie verweigert wurde, machte ich Eins|>ritBungeii
von üq. ferri seBquiehlorati und der gleichen Menge Eis-.
wasMT, woranf die Blutung sofort stand. EisstAokchen in
die Vagina und Eisuberscbläge über den Leib. Ohnmächten
und Scbwarzwerden vor den Augen war nicht eingetreten,
wdbl aber vorübergehendes Ohrensausen. Zwei Stunden darauf
war noch etwas Blut nacbgesickert , wesiiaib jene starke Ein-
itpritzung wiederholt, Eis sowohl auf den Leib gelegt, als in
die Scheide eingebracht und dadurch endlich die Blutung
zum Stillstand gebracht wurde. — Am Dienstag den 19. Mai
ging es ohne Blutung ruhig weiter fort^ nur Nachmittags
trat Gleichgültigkeit gegen ihre Umgebung, auch gegen ihr
Kindchen ein, sie verweigerte das bis jetzt sehr gern ver«
richtete Stillen, die abendliehe Unruhe steigerte sich; Herum»
werfen der Hände, während der Körper selbst ruhig liegen
blieb. Puls 104 in der Minute. — Mittwoch frilh (20. Mai)
hatte sich der Zustand nicht verändert, die grosse Gleich-
gAlligkeit, die vollständige Verweigerung, das Kind anzidegen,
die grosse Unruhe mit den Händen waren geblieben, ebenso
der Durst, jedoch war weder Ohrensausen, noch Schwarz-
werden vor den Augen vorhanden, Antworten gab sie richtig,
Puls 96. — Nachmittags 4 Uhr war Patientin heiter, auf
meine Frage, wie sie sich befinde, giebt sie mir die Antwort:
„es gebt gut, die Blutung ist nicht wiedergekehrt, ich bin
wieder ganz warm.'' Bei der Untersuchung fand ich aber
120 Pulsschläge in der Minute und die Haut mit profusem
Scbweiss bedeckt, Appetit wenig. — 9 Uhr Abends plötzlicher
Verfall der Kräfte, Ohnmächten; selten und nur auf wenige
Minuten Wiederkehr der Besinnung, Puls nicht mehr zu
fohlen, Haut kalt mit klebrigem Schweisse bedeckt. Gesiebt
fahl aussehend. 10% Uhr Abends erfolgte der Tod durch
SufTocation. Die annoch vorgeschlagene Transfusion war ver-
weigert worden.
Die Sectio n wurde bereits den 21. Mai Nachmittags
4 Uhr angestellt, weil zu befürchten war, dass wegen allzu-
grosser Hitze die Päulniss öberhandnehmen und man dann
kein klares Bild Aber den vorhanden gewesenen Zustand
erhalten wurde. Sie geschah im Beisein des oben angeführten
Regimentsarztes. — Die Leiche , sich noch im Bette befindend,
6*
84 1I> MeUtner, Mittheilungen Ober die ThKtigkeit
war eil) gut geaälirUir weibiicher Körper, voii wachsgeibeni,
.bluttleerem Aussehen. Am linken Fusse konnte man nur noch
einzelne unbedeutende Erweiterungen der Venen, aber weder
Oedero noch Emphysem, noch grüngelbe oder braune Flecke
in der Gegend der äusseren Schamlippen oder des Dammes be-
merken, der Introitus ^ginae war mit Blutgerinseln ver8to|in,
die Unterlagen, auf denen die Leiche lag, unbedeutend mit
Blutwasser verunreinigt. Nach Eröflhung der Brustliöhle zeigte
die vordere Seite der rechten Lunge, besonders im mittleren
und unteren Lappen viele alte Adhäsionen, (herzuleiten von
jener vor 15 Jahren überstandenen Pleuropneumonie), die
oberen Lappen beider Lungen waren blutleer, lufthaltig,
nirgends Spuren von Tuberkeln; beide untere Lappen über-
füllt durch bypostatische Blutsenkungen. Herzbeutel enthielt
circa V^ Essiöffel Serum, das Herz schlaff und welk; die
rechte Herzhälfle, insbesondere das rechte Atrium mit Fett
bedeckt, Herzmusculatur blass, Herzhöhlen frei von Coagulis.
Klappen normal. Leber blutarm, fettreich, derb; Milz matschig,
von normaler Grösse. Nieren blass blutarm. Gedärme wenig
aufgetrieben, wie ausgewaschen aussehend; desgleichen Peri-
tonäum. In der Bauchhöhle keine Biutextravasate , nirgends
eine Spur von Peritonitis. — Uterus von der Grösse einer
Mannsfaust ^ blutarm. An beiden Ovarien Varicositäten von
der Starke eines Raben- bis Gänsefederkiels. Tuben ebenfalls
varicös. Bei der Herausnahme der Gebärmutter, Scheide,
Blase und des Mastdarmes aus der Höhle des kleinen Beckens
und nach Durchschneidung der Ligamenta uteri lata zeigte
sich das ganze Zellgewebe (insbesondere der linken Seite)
unterhalb der Excavatio vesico- uterina und recto- uterina,
sowie der Plicae semilunares Douglasii bis tief hinter der
Vagina und dem Mastdarme herab, sowie die Vagina selbst
mit Blutgerinseln in Form schwarzer Krömelchen (durch den
Liquor ferri sesquichlorati entstanden) ausgefüllt An der
hinteren Wand der Vagina konnte mau zwei Risse bemerken,
die von einem geborstenen Varix ausgingen; der eine untere,
einen halben Zoll lang und circa 2^/2 Zoll von dem Introitus
vaginae entfernt, öffnete sich nach der Scheide; — der zweite,
circa einen halben Zoll höher gelegen, 1 bis IV2 Zoll lang,
erstreckte sich nach der Fascia pelvis, so dass bei der
XL d. Verhandl. d. Geiellsohaft f. Geburtshürfe eq Leipzig etc. 85
Untersuchung mit dein Zeigefinger man in eine Höhle gelangle,
wei€he mit jenem oben näher beschriebenen Herde des Blut-
extravasales ausgefüllt war. Die grossen Beckenvenen sowohF
als die der Gebärmutter waren blutleer. Die aufgeschnittene
Gebärmutter war in ihren Wandungen circa vier Linien dick,
bt»ss und blutarm; im Fundus der frühere Sitz der Placenta
noch nachweisbar und etwas nach rechts ein Rudiment der-
selben, circa '/^ Zoll breit und einen Zoll lang, sitzen ge-
blieben, das sich leicht ausschälen lässt. (Das betreffende
Präparat ist der Gesellschaft vorgezeigt worden.) Mutterhals
und Muttermund normal.
Dass der vorbeschriebene Fall nicht zu den Thromben
der Vagina, Lab. major., Becti und Perinaei zu rechnen sei,
geht schon aus der Bemerkung von C. Braun S. 222 hervor :
Thromben kommen häufiger bei Erstgebärenden al§ bei Mehr-
gebärenden vor. Varicositälen konnten wir nie als Ursache
erkennen, da wir an Individuen, die von einem Thrombus
belästigt wurden, nie solche vorfanden, während wir auch
bei den ausgebreite sten Varicositäten um das Ostium vaginae
keine Blutgeschwulst entstehen sahen. — Haematoma vulvae
ist eine bei Schwangeren spontan , während der Geburt durch
Zerreissung und Quetschung, ausserhalb der Fortpflanzungs-
periode nur selten auftretende Blutgeschwulst der grossen
Schamlippen. Die Ursachen des Entstehens liegen stets in
mechanischen Stauungen der Circulation und in Zerreissung
der Gefasse. Das Haematom kommt gewöhnlich in einer
Schamlippe als faust- bis kindskopfgrosse Geschwulst vor und
besteht bald mehr in einer gleichförmigen Sufl'usion des Binde-
gewebes der Schamlippe, bald mehr in einem umschriebenen,
eine Höhle darstellenden Extravasate. Gewöhnlich dehnt sich
das Haematom gegen den Damm hin aus und breitet sich in
noch selteneren Fällen über die kleine Beckenwand, Banch^
wand und Fossa iliaca. — Unter 9723 Geburten hat Braun
drei Vaginal- und Mittelfleischhaeinatome und zwei Mal Scheiden-
thromben , Scanzoni hat bis jetzt ein Haematom gänseeigross
beobachtet.
gg II. Meissner , Mittheüangen über die ThÜtigkeii
III. lieber die Yortheile und die Nacbtheile des Zangen-
gebrauchs bei engem Becken^
▼erglickei vit ileiiei der Wendniig auf die FÜMe.
Von
Dr. C. Hennlg.
Vorgetragen am 20. Jnli 1868.
Ganz in neue$ler Zeil hat die Frage, ob man nicht hei
gewisser Beckenenge mit der Wendung auf das Unterende
der Frucht besser daran sei als mit der Zange, das Nach-
denken der Geburlsärzte wiedei' angestiengl. Davon zeugt,
ausser den bekannteren , in Deutschland gepflogenen Ver-
handlungen und der verdienstlichen Schrift von Franke , eine
?on Blot^) ausgegangene Auflbrderung, welche sich auf die
unterdess gelöste Preisfrage der französischen Akadenotie he*
zieht.. Blot hält dafür, dass jene Frage nur an der Hand
genau verwertheter Thatsachen beantwortet werden könne
und veranlasst seine Anitsgenossen , die einschlägigen Fälle
thunlichst zu veröffentlichen. Er selbst geht mit einem für
die Wendung auf die Füsse sprechenden Beispiele voran.
In Folgendem sollen nun eine Anzahl noch unbekannter Fälle
mitgetheilt werden.
Ueberflussig wäre es, weiter auszuführen, wie die Kopf-
zange, nachdem sie fast 50 Jahre das Geheimniss weniger
Familien gewesen , gleich nach ihrer allgemeineren Anwendung
zum Vortheile der Gebärenden und einer ungleich grösseren
Anzahl lebendgeborener und lebengebliebener Kinder der
Wendung den Rang abgelaufen hat. Bis auf Chamberlain
und Pajfyn^ dem zweiten Erfmder der Zange, besass man
ja zur Ausziehung sowohl des mit dem Kopfe als auch des
mit dem Steisse vorliegenden Fötus fast kein anderes Mittel
als die Anziehung der Fusse; wollte man nicht den vor-
liegenden Kopf, der sich mit der hlosen Hand damals wii*d
ebenso schlecht haben fassen und ausziehen lassen wie in
unseren Tagen, mit verletzenden Werkzeugen bezwingen,
1) ff. Blot, Aroh. g^D., Jnin. 1863, p. 19.
n. d. Vdrhftndl. d. OeselUohAffc f.Oeburtshttlfe lu Leipsig etc. g7
SO rousste mau eben die Fruchl aul' ihr Steissende drehen.
Tausende von Geburlsgeschichleii aus jener Zeit belegen
diesen Satz.
Mit der Einfahrung der Koptzange tagte eine für unsere
Wissenschaft heiisame Neuerung; das Gluck, welches diese»
Instrument Ober so viele Famüien verbrettete, miisste fSr
längere Zeit jede andere Entbindungsweise in den Schatten
stellen, und wirklich nailhiien die rivilisirten Völker, mit
Ausnahme Englands, die englische Erfindung freudig auf:
überall wo die natürlichen Kräfte unzureichend erschienen,
glaubte man in der Kopföange das Heil zu linden. In letzter
Zeit nun ist die auf richtige Indicationen zurückgeführte
Wendung auf das Beckenende auch noch in denjenigen Fällen
zurfickgewieseii worden, wo die Zange, welche erst nach
d«m Eintritte des Kopfes ins kleine Becken in ihre
Rechte tritt, den Kopf nicht ohne Gefahr für Kind und
Mutter durch die Beckenenge fuhrt, und beswiders in den
«rittelm&ssigen Graden der Verengung
adhuc inter judices lis est,
ob man den vorangehenden Kopf mittels der Zange durchs
zwangen oder die Frucht auf ihr Beckenende drehen soll,
um sie trotz dei* Gefahr, welche der nachfolgende Kopf dem
Mutlaufe im Nabelstrange bringt, mit Benutzung * desjenigen
langen Hebelarmes rascher auszuziehen , den die Beine und der
ganze Rumpf darbieten.
Geschichtliche Vorbemerkungen.
Die folgenden Angaben lehnen sich an PrivatmittheHungen
meines Freundes H. Ploss und an die Frai^e'w^t Mono>
grapbie. im Pentatench findet sich eine Stelle, aus welcher
hervorgehl , dass die alten Juden eine falsche Fruchtlage sehr
wohl kannten. Bei Gelegenheit der Zwillingsgeburt der Thamar
wird erzftfalt, dass der eine Fötus eine Hand 'herausragen
liess und wieder hineinzog, nachdem die Wehmutter einen
Faden darum gebunden hatte. Diese Frucht wurde als zweite
geboren. Auch alle Talmud - Aerzte scheinen die Selbst-
entwickelmi'g der querliegenden Frucht gekannt zu haben, einen
Vorgang, weichen erst (1786) D&Mnan wieder der Vergessen-
heit entrissen hat.
98 H- MeiuMr, Mittheiloiigen über die Thätigk«it
Erste Epoche.
Die ersten indischen Aerzte nahmen vier falsche
Stellungen an:
1. Der Fötus hat seine Hände vorgestreckt, Kopf und
Fösse liegen oben, und der Fötus verlegt den Huttei*rauiri
wie ein Keil (genannt „Keil'') — wahrscheinlich Steisslage.
2. Hände, Fasse und Kopf der Frucht treten zugleich
ein (genannt „di^ Klaue*')- «
3. Der Fötus liegt mit Kopf und Händen zu gleicher
Zeit vor (hiess „die Citrone").
4. Er stellt sich auf den Hutiermund , wie ein Stock
ihn verschliessend („Stock").
Sogar Hippokrates verschmähte es nicht, ein ähnliches
Bild seinen > Schülern vorzulegen: „Wenn die Frucht schräg
herabrückt, so entsteht daraus viel Ungemach, gerade sowie
e^ nicht angeht, einen Olivenkern schief aus einer enghalsigeo
Flasche zu ziehen."
Susrutas, der grosse Schüler des noch grösseren
Charaka, kritisirte und verbesserte, was er an üeber-
h^feningen fand. Ausgenommen die ersten drei Kategori<ai,
welchj^ biß dahin zu den richtigen Lagen gezählt worden
waren und welche er fehlerhaft für falsche ausgab, und ab^
gerechnet 'die 4., welche bis jetzt in der Ueb^rsetzung noch
dunkel geblieben, können wir uns mit den übrigen falst^iien
Lagen einverstanden erklären: . ■ ;:
5. Der Fötus bedeckt den Mullermund mit seiner Brust,
der Lende oder dem Rücken und verharrt in dieser Stellung.
6. Es liegt ein Arm vor, während der Kopf von der Brust
weggewandt ist.
7. Beide Arme liegen vor bei nach v^rn gebogenem
Kopfe.
8. Hände , Fasse und der Kopf liegen neben der Mitte
des gekrümmten Körpers vor. Ein solcher Fötus biess in
der indischen Geburtskunde Foetus. perturbatus.
Doch erschöpfen diese Klassen keineswegs die mögbcfaen
Fälle; Susrutas fügt hinzu, Kopf, Schultern und Becken
könnten durch/ falsche Einstellung, aber auch durch über-
mässigen Umfang die Geburt erschweren und die Hülfe, der
Kunst erheischen.
a. d. VerbADdl. d.GeselUcbaft f.Geburtshnlfe zu Leipsig etc. 89
Das fuhrl auf uoser Thema, nämlich auf die ersten
Anfänge der Wendung;. Wemi in Folge eines der ge-
nannten Hindernisse die Frudil nichl ausgeslossen werden
konnte, so sprach der Brahmane ein Gebet über die Kreissende,
liess sie mit gebogenem Kniee auf den Röcken lagern, die
Kreuzgegend durch ein Kissen erhöht Nun führte der Arzt
die nait Salbe aus Pentoptera ajuna, Vrittis und gereinigter
Butter bestrichene Hand ein und zog die Frucht aus. Befand
sich der Kopf von der Brust abgewandt (wahrscheinlich in
Schulterlage), so schob der Geburlshelfer die Schulter zur
i>eite und nach oben, nälierte dann den Kopf dem Mutter-
munde und machte die Ausziehung. Wenn beide Arme vor
dem Kopfe ausgefallen waren, so brachte man sie zurück
und führte den Kopf nach unten. Wir haben hier also schon
die Ausübung der Wendung auf die Fasse und die Wendung
auf den Kopf.
Wir kommen zu den alten Griechen. Wenn die
Frucht eine falsche Lage zu haben schien und die Wendung
auf den Kopf nicht gelang, so band man die Frau auf das
Bett fest , schüttelte das letztere, nachdem man es mit der
Frau erhoben , oder erhölite das Bett nur an seinem unteren
Ende und schüttelte die mit abhangigem Kopf festgebundene
Frau. War die Frucht todt, so war das Verfahren ein etwas
ruberes: war ein Glied des abgestorbenen Fötus vorgefallen,
so schnitten die Zeitgenossen des Hippokrotes die herab-
getretene Exti'emilät ab und wandten das Kind auf den Kopf.
Soranus von Ephesus schliesst von einer „guten Lage'*
etwas zuviel aus. Die Frucht, sagt er, befindet sich in einer
fehlerhaften Stellung, wenn der Kopf sich nach der rechten
oder linken Seite der Gebärmutter hinwendet oder wenn eine
oder beide Hände vorliegen. Liegt ein Fuss vor, während der
andere zurückbleibt , oder stützt sich der Fötus gedoppelt auf
irgend einen Theil des Fruchthallers , so muss ihm eine andere
Lage gegeben werden. Uebrigeus sind nach seiner Ansicht die
Schräglagen weniger unheilvoll. Sie können sich unter drei
Formen darstellen: entweder liegt eine der beiden Seiten-
flächen, oder der Bauch vor. „Nichtsdestoweniger ist die
Bauchlage noch die günstigere, denn solche kann von der
Hebamme benutzt werden zur Wendung auf den Kopf oder
90 II« MeUaner^ Mittheilnngen Über die ThHtigkeit
auf (li<^ Ffisse. Die schJimniste Lage isl die , gedoppelte,
heäoiiders wenn sirli die Lendenwirbel einstellen; ausserdem
kann nämlich der Fötus mit dem Kopfe und den Schenkeln
oder mit dem Bauche eintreten,"
Dabei giebl Soranus sehr praktische Vorschläge zur
Abwendung der durch derartige Dystocieen drohenden Ge-
fahren, nur in einem Punkte verstösst er gegen die Regeln
der Mechanik , insofem er der Gebärenden bei zweiter Schräg-
lage (Kopf rechts) den Rath giebt, sich aul die linke Seite
7U legen und umgekehrt. Besser ist seine Verordnung« wenn
der Fötus in der Lende der Frau liegt: sie soll sich auf die
Knie legen.
In mehreren Fällen erreichte luan den Zweck durch
einen Handgriff, welcher sich noch lange erhalten Iwt: man
verbesserte die Lage dadurch, dass man mittels der ein-
geführten Hand den voiliegenden Theil des Fölus durch den
Scheiden theil hindurch und mit demselben htnaofscbob. So
verfuhr Soranus, wenn der Kopf abgewichen und von der
Gebärmutter fest umschnürt war.
Zweite Epoche.
Dem Gesagten nach war es nicht ein neues Verfahren,
als Roesßlin und Rueff den Praktikern die W«*ndnng
auf die Füsse statt der Wendung auf den Kopf vorschlugen,
um die der letzteren Methode gewöhnlich folgenden Aus-
ziebungsversuche mittels Haken und Zangen zu umgehen,
wie sie damals noch üblich waren. Ja auch Celsus und
A'etius , nach letzlerem schon Phtlumenos und die Aspaata
hatten seine Methode gekannt und geübt.
Ambros. Par^ uu6 J. Guillemeau, sein Schüler, haben
bei dem allen das Verdienst, genanntes Verfahren erfolg-
reicher als die schweizer und deutschen Aerzte der Vergessen-
heit entzogen zu haben.
Wir kommen jetzt auf diejenige Phase der Naturwissen-
schaften, wo der menschliche Geist, überdrüssig d^sen, was'
ihm seit Htppokrates, Aristoteles und Qtden so oft vor*-
gesagt worden war, selbst zu snehen anfing und sich dit
natürlichen Wege der . Entbindung einprägte. Von Vesal ge*
läutert, führte die Anatomie dea weiblichen Beckens auf die
a. d. Verhandl. d. (iesellscbaft f. Geburtahöire za Leipzig etc. 91
Lehre von der Verengung dieseb Canales , und AranHus stoUte
dazu die Grundpfeiier auf. Fineau t'ägle die Pathogenie des
lachilificlien Beckens Jiiuzu, zu weicher die Bevölkerung ven
Paris das Material darbot.
Dennoch bedurfte es eines Zeitrauntes vou mehr als einem
Jahrhundert, daoüt die Pathologie des Beckens die Ausbildung
erreichte, wie sie unter Deventer und de la MoUe stand.
Bei allem Zugestandnisse dtfr Schwierigkeit, das Becken einer
lebenden Frau als verengt zu erkeiuien, bezeichnete de la Motte
zuerst den Beckeneingang als das Haupthinderniss in den
meisten Fällen, ihm zufolge ist es weise abzuwarten , bis
zu welchem Grade die Natur mit dem Bestreben fertig werde,
den Fötussehädel dem Engpasse anzuschmiegen; in allen
zweifelfreien Fällen von Missverhältiiiss aber lehrt und fuhrt
er die Wendung auf die Fusse aus, um nicht verletziendea
Operationen in die Hände zu fallen. Ein schwacher Buck&U
tritt mit DenyM ein. Er lässt die Wendung nur für die
einfachen Fälle gelten. Bei schweren Geburten greift er, ein
Benegat der menschlicheren Chirurgie, wie vormals zu ent-
hirnenden Insti*umenten.
Dritte Epoche. Von der Erfindung der Zange an.
Der ebenso erfahrene als gelehrte SmeUie gelangte bald
zu der Ueberzeugung, dass die metallenen IJäude sich ebenso
gut dem nachfolgenden wie dem vorangebenden Schädel an-
passen würden und sah eine Menge Vortheile von der An-
wendung dieses heilbringenden Instrumentes bei einer Anzahl
von Geburten voraus, deren Schwierigkeit in der Mechanik
liegt. Sein grosser Zeitgenosse Levret stellte von vornherein
die Anzeigen für Zange und Wendung so wie wir sie noch
jetzt besitzen und wie sie es wohl für alle Zeiten seih werden :
„Die Wendung kann nur in Frage kommen, solange nicht
der Kopf in das enge Becken eingekeilt oder in die Scheide
eingetreten ist.''
Dieser Lehrsatz erfuhr nun aber Abänderungen schon
während er in die Welt traU Meenard entschied sich für
die Zange nur wenn der Kopf nicht durch ein enges Becken
treten konnte , zog jedoch meist die Wendung vor. SmeUie
ist kein Freund der Wendung; als Grund giebt er an, dass
92 II MeUaner, Mittbeilangeii über die TbKtigkeit
sicti der Kopf vor seinem Eintritte in ein enges Becken schlecht
in die passende Stellung bringen lasse, obgleich schon Ould
und Levret gezeigt hatten, dass der Kopf den Querdurch-
messer des Beckeneinganges zu behaupten pflege. LevreCs
Verdienst beruht besonders in der Verweilhung des Maasses
der Diagonalconjugata und der fötalen Kopfdurchniesser, worauf
er den Mechanismus der Scliadellagen gründete. Die Wendung
auf einen Fuss befürwortete Fuzos; Deleurie spricht der
Eröffnung des Eies an seinem oberen Pole vor der Wendung
das Wort.
Di^ von SmeUie ausgesprochenen Grundsätze wurden
von Burton stark angefochten, wofür die Wendung auf beide
Fösse wieder an Boden gewinnt; Pugh begnügt sich bei
engem Becken mit der Zange , solange dieses Hölfsmitlel zur
Herausbeförderung genüge. Roederer schliesst sich eng an
letztgenannte Maximen.
Q, W. Stein spricht zum ersten Male die Ueberzeugung
aus, der nachfolgende Kopf, weit entfernt sich
leichter als der vorangehende entwickeln zulassen,
bilde stets eine Gegenanzeige de/ Wendung, sobald
Missverhältnisse eintreten. Saxtorph fürchtet bei dem
Versuche , die Frucht zu wenden , nachdem der Schädel bereits
in die Beckenhöhle getreten, ^Zermssung der Gebärmutter.
Vierte Epoche.
Der geburtsärztlichen Kunst widerfährt eine neueste Dm*
wäizmig mit dem Einleiten der Frühgeburt. Dieser
Schritt , nach welchem Plenck ernst strebte und zu welchem
Denman das Zeichen gab, wurde von MacatUy zuerst getban.
Ausserdem gebührt Denman das Verdienst, die rachitischen
Verunstaltungen von den osteomalacischen getrennt und den
Rath ertheilt zu haben, dass man die Austreibung einer ge-
wendeten Frucht zunächst der Natur überlasse. Joerg war es
vorbehalten, auf die deutliche Scheidung der Wendung und
der Ausziehung als zweier an sich verschiedener Operationen
zu dringen.
In Frankreich hatte man erst das abenteuerliche Ansinnen
ßigauli^s zu überwinden, ehe man die Bedenken beseitigte,
welche der berühmte Kenner des Gebilrtsmechanismus, Baude-
u. d. Verhandl. d.Oenellschaft f. Gebnrtabülfe zn Leipzig etc. 93
locque d. Ae. gegen die englische Neuerung, die künstliche
Frilhgeburt, erhob. Uebrigens vi^v Bauddocque kein warmer
Vertheidiger der Wendung in engem Becken , überzeugt , dass
auf ein dadurch gerettetes Kind mehrere daran eingegangene
kamen. Bei alledem finden wir von ihm Voreriimerungen zur
Wendung und Auszieliung bei wenig verengtem Becken und
nachgiebigem Schädel. Ohne Zweifel hat schon damals
mancher Hebarzt zum Beispiel bei unbequemeren Gesichtslagen
gewendet
In Deutschland standen sich Bper in Wien und der
Gottinger Oslander schroff entgegen. Ersterer, ein treuer
Priester der Natur , sah kein Heil in der Wendung bei Miss-
verhältniss. Letzterer, obschon Virtuos auf der Zange, war
nicht abgeneigt zu wenden voraussichtlich , dass der noch über
dem kleinen Becken weilende Kopf eine Schwierigkeit finden
werde , ja sogar Angesichts des in die Beckenhöhle gelangten
Schädels. Die dafür von ihm aufgebrachten Gründe sehen
eher einer Nebenabsicht ähnlich, den nüchternen Boer ins
Lächerliche zu ziehen. Dabei ist zu erinnern, dass Boer
nicht mit soviel unregelmässigen Becken zu thun hatte, als
sein norddeutscher Gegner.
Muthig vertheidigt wurden die wiener Lehren von Schmitt
und Joerg. Der leipziger Gynäkolog gab zwar zu, dass es
leichter fallen kann, einen Schädel mit vorausgehender Basis
durch ein Becken ohne Zange zu ziehen als durch dasselbe
Becken mittels der Zange bei vorangehendem Scheitel, wies
aber Osiander^s Ansicht in ungeschminkter Rede durch die
Thatsache zurück, dass die Wendung, unter welchem Vor-
wande auch unternonmien , bei gleichen Verhältnissen jederzeit
ungünstigere Resultate für das kindliche Leben liefern würde,
als die Zange bei Schädellage.
Unterdess ward man auf den dem starken Geschlechte
schwer zugänglichen Sälen der Pariser Maternile für Oslander*»
Meinung günstiger gestimmt. Die Vorsteherin Lachapettey
.eine Frau von seltenem Geiste und Geschicke, befand sich
mehrmals bei massigem, namentlich zu stark geneigtem Becken
besser , wenn sie nach der Wendung dem Kopfe eine Richtung
gab, welche die kleineren Schädeldurchmesser zur Geltung
94 n. Meisßn&Tt Mtttheünngen über die ThHti^keit
brachte. An Trefurt fand sie einen Vertreter dieser Rraxis.
Die spS^teren Känstler besserten nor' an den Indicationen.
Fnnrte Epoche. Die Jetztzeit.
Wir sind gewohnt die FäJle, wo die Wendung wegen
engen' Beckens in Frage kommt, nacli folgenden drei Factoren
abzuwägen :
1) nach dem Maasse des verengten KanaJes,
2) nach dem Umfange und der Federkraft der FruclH,
3) nach den natürlichen Triebkräften.
1. Die Mehrzahl (Busch ^ J, Fr, Oslander (der Sohn),
Küian, Ed, v. Siebold) lassen unter gleichen Bedingungen
eine um höchstens l^^Centimeter verengte Conjugata zu*.
Bosshirt lobt die Wendung besonders im allgemein ver-
engten Becken, Cazeaux, VelpeaUy Huber und Martin
im schrägverengten.
2. Man hat Anspruch auf Rettung der lebenden Frucht,
wenn sich die Kopfdurchmesser als höchstens mitteigrosse,
oder bei härterem Schädel , als untermässige bestimmen lassen
und die Zange auf ihn noch wenig oder nicht gewirkt hat
Hierher kann man die Beispiele rechnen, wo der normal
grosse aber wenig nachgiebige oder der ungewöhnlich dicke
Kopf des lebenden Kindes ein regelmässiges Becken zu über-
winden zögert, weil er sich unpassend einstellt oder neben
ihm eine oder die andere Gliedmaasse vorliegen {Kremser
Fernice), Hierher kann man noch die Gesichtslagen mii
dem Kinn nach hinten (Crede) ziehen, welche nicht die
gewünschte Drehung erleiden und die für die Zange ^ un-
bequemen Stirnlagen (C. Braun ^ Spaeth).
3. Hier sind die austreibenden Kräfte unzureichend, die
Folgen einer zu langdauernden Geburt zu ersparen , oder sie
hören ganz auf. Auch eine Geburt von mittlerer Dauer wird,
sobald sie zur schwierigen geworden, zu Gunsten der Mutter
und des Kindes abgekürzt.
Varianten*
a) Die Einen scheicten sti*eng Wendung und Ausziehimg;
Andere vermengen beide Arten.
b) Die Einen nehmen alte obigen Sätze an, Andere
wählen darunter aus.
n. d.Vertiandl- d.Oete1]8ohaft f.GeburUhtilfe sa Leipsig etc. 9ß
c) Eioig«, so Spiegelberg ^ haben nur die Beendung
der Geburt im Interesse der Mutter im Auge , z. B< um den
zu perforirenden Schädel am Ausweichen zu verhindern, oder
wenn fröhei^e Entbindungen ergeben haben, das« die Wabr-
^einlicbkeit, das Kind zu erhalten, eine sehr geringe sein
luid die Gebärende zuviel zu leiden haben werde, wollte man
den Zeitpunkt abwarten, wo Zange oder Trepan am PlaUie
sind. Denen gegenüber stellt sich die Majoiität die Aufgabe,
bei möglichstem Bestreben die Geburt der Mutter zu erleictUern,
zunächst dem Kinde die Folgen zu langer oder zu energischer
Zangentractionen , oder wie beim Vorfalle der Nabelschnur,
die relativ zu lange Geburtsdauer überhaupt zu vermindern.
Ist die Frucht abgestorben, so kann noch wunscbenswerlli
sein, nach der Kephalotrhypsie die' Extracliob durch nach-
trägficbe Wcgadung zu erleichtern {Oermann),
Der berufene Vorstand des Gebärhauses zu Wilrzburg
hat mehrere Grunde für die Wendung, unter anderen die
von Simpson und HoU zuerst hervorgehobene Beziehung
zwischen dem nachfolgenden Kindskopfe und d&Oh knöchernen
Geburtskanale. Die Schädelknochen sollen sich daran besser
als am vorangehenden Kopfe, untereinanderschieben, so dass
sich der Querdurchmesser des Kopfes regelmassig um 7 bis
10 Millimeter verkürze, der lange entsprechend zunehme;
denn , sagt 8imp$on , der Kegel tritt hier mit vorangehender
Spitze durch. Allerdings ist der Durchmesser von einem
ZItzenfortsatze zum anderen am Schädel des Neugeborenen
geringer als der von einem Scbeitelbeinliöcker zum anderen,
und Franke hat aus eigenen , mit Umsicht angesteliien Ver-
suchen an Kinderleichen den Schluss gezogen, dass sich beim
Durchziehen derselben durch das weibliche Becken der Quer-
dorcbmesser durchscbBittlich um 9 Millimeter verkürze für
den nachfolgenden Kopf. Dieser Gewinn wird von
Simpson auf Rechnung der Zusammendrückung des Schädel-
bogen» von seinen Pfeilern aus , von Radford u. A. zugleich
auf Rechnung der gefahrloseren Intercalation der Knochen-
räoder des nachfolgenden Schädels geschrieben. Diesen von
Capuran^ Cred4 und in seirier Allgemeinheit auch von
Martin bezweifelten Lehrsatz suchen MichaMs und LitZ"
96 n. M%i»9ner, Mtttheiinngen über die TbKtigkeit
ißann experimenlell zu widerlegen, Seyfert betraditel iliri
ats fiberwundenen Standpunkt.
Wenn 8eanz<yn% und seihe Anhänger Recht hahen, so
muss man sich wundern, dass die prophylaktische Wendung
and Ausziehung an den FQssen lychl ganz im Schwünge ist,
ja man muss diel Praktiker ermahnen, diese Operation zu
pflegen und findet Aberle'^ Verhallen hegreiflich; dieser hat
sieben Fälle veröffentlicht, wo er nach vergeblichen Zangen-*
versuchen bei engem .Becken sAmmlliche Kinder durch ge-
nannte Methode gerettet hat, nachdem er vor der Extraction
den Nabelstrang unterbunden.
Das Amendement Cazeaux*, die Wendung auf Becken
mit vorzugsweise engem Ausgange auszudehnen, ist nicht
einmal von mechanischer Seite zu halten, da hier der fiir
enge Becken überhaupt von Simpson gehend gf'machte Fall
wegfallt, dass die flache Wölbung des kindlichen Scheitels von
den Beckenwänden zugespitzt wird. In Bezug auf das he-
regte Dogma fand Simpson, was den Eingang eines engen
Beckens betrifft, schon unter seinen Landsleuten mehr Wider-
sacher als Gläubige. Demohnerachtet Jst anzuerkennen , dass
der schottische Koryphäe die Perforation, welche auf den
britischen Inseln eine der Nachkommenschaft verderbliche, an
Schlendrian grenzende Routine ausmachte, in gebührende
Schranken , zunickwies und die Zange zu Ehren brachte.
Debatte.
Wenn heutzutage eine Verständigung über die Regela
angebahnt wird , unter welchen man sich zur Wendung und
Ausziehung an den Füssen bei engem Becken enlschliessen
würde, so kann es sich weder, wie hei unseren Vorfahren,
um die Wendung handeln als eines Mittels, sich der Frucht
zu bemächtigen, sobald letztere nicht mehr im Schoosse ihrer
Mutter weilen soll — denn die früheren Hebärzte hatten^ eben
ausserdem kein anderes Mittel — noch um die Au«ziehung
eines falsch gelagerten oder der Zange nicht zugängKehen Fötus,
denn kein verständiger Geburtshelfer würde sich dem wider-
setzen. Es ist vielmehr die Frage, ob es der Mühe verlohnt
und ilen betreffenden Parteien zuträglich ist, eine mit dem
Kopie vorliegende Frucht zu wenden, um sie«
Q. d.Verfaandl. d. Oesellsehaft f. Oeburtolifilfe %n Leipsig^ etc. 97
schneller, sicherer und leichter för die Matter ins
Leben zu fördern; wäre dies der Fall, so milsste diese
Methode bei massig engem Becken, als den Bedingungen
„cito, tuto, jucunde"* genügend, zur Regel erhoben werden.
I. Citol
Trennen wir sogleich Wendung und Ausziehung.
1. Die Wendung ist eine ziemlich kurze Operation,
wenn die Eiblase noch nicht oder höchstens seit zwei Stunden
gesprungen ist; unter letzterem Umstände ist erforderlich,
dass der Fruchtballer, solange unsere Hand in seiner Höhle
weilt, wenigstens ebenso nachgiebig und nnlhatig verharre
als bei stehenden Wässern. Eine reizbare , jeden Eingriff mit
fester Zusamnienschnörung des Cervix oder gar mit tetanischer
Wehe beantwortende Gebärnuitler wird selbst die Bemühungen
eines umsichtigen und geschickten Arztes zu Nichte machen.
Jedermann weiss übrigens , dass die Wendung einer den Bauch
nach vorn kehrenden Frucht zumal in einer stark nach vorn
geneigten Gebärmutter mit Hindernissen verknüpft ist , welche
sich zu höher oben angeführten Missstanden gesellen und die
Dauer iev Operation wider Erwarten verlängern können.
Zudem ist es unmöglich, einen Fötus, dessen Schädel schon
mit seinem grpsssten Umfange in die Beckenhöhle getreten
ist, schnell, d. h. binnen weniger als fünf Minuten auf die
FQsse zu drehen.
2. Die Ausziehung eines abgestorbenen oder eines
perforirten Fötus, sei die Kephalothrypsie gefolgt oder nicht,
ist gewöhnlich die Sache einiger Minuten, höchstens einer
Viertelstunde bei einem Becken von 8 Centimeter Conjugata
vei*a. Denn in solcher Sachlage brauchen wir nicht diejenigen
Theile der Frucht zu schonen, welche sich während ihres
Lebens der Kraflanstrengung erlaubter Tractionen widersetzen.
Ist ein lebender Fötus herauszubefördern , so tritt die
Frage uns an, ob die Erhaltung des kindlichen Lebens Haupt-
zweck der Operation sei. Dann wissen wir wohl , dass selbst
für einen reifen und kräftigen Fötus der Verlust von fünf
Minuten meist verderblich wird, wenn der Nabelstrang solange
zwischen Brust, Kopf und mülterlicher Beckenwand ein-
geklemmt bleibt. Einem schwächlichen Fötus kann schon
Mon«t«scbr. f. Qeburtak. 1866. Bd. XXV., Suppl.Hft. ^
98 n. Mekiner, IfitÜieilangeii über die Th&tigkeit
der im* Äbloufe von zwei Minuten gehemmte Püaceniarkreislauf
Erstickung bringen.
Nun aber liegt es nicht immer in unserer Macht eine
schleunigere Wendung zu machen. Schon hier begegnen wir
einem Zweifel. Auf der anderen Seite hiesse es die Äugen
dem Lichte verscliliessen, wollen wir nicht zugeben, die
Drehung und Ausziehung an den Füssen könne ein Kind aus
engem Becken hei Gesichts- oder Stimlage oder i)ei dritter
und vierter Schädelstellung (das Hinterhaupt nach hinten)
treten lassen; in derartigen Stellungen ist die Natur ge-
meinighch unzureichend und wirkt auch die Zange, wenn sie
(Iherhaupt die Geburt beendet, zu spat oder zum Schaden
dei' betroffenen Theile. In Vorstehendem gingen wir noch
nicht auf alle Vorkommnisse ein, in denen die Kopfzange auf
den nachfolgenden Schädel zu wirken kommt.
II. Tuto!
Diese Anforderung spaltet sich von selbst in zwei
Rubriken:
1. Zunächst muss die Entbindung gewiss durch
Wendung und Extraction beendet werden.* Denn die
Wendung kann nur den Geburtsact vorbereiten. Zugegeben,
dass sie eine fehlerhafte Stellung, wie eine Gesichtslage mit
der Stirn nach vorn, bessere, so wird sie den Eibewohner
in den Stand setzen, sogar ohne weiteres Hinzulhun der
Kunst seine Pflanzstätte zu verlassen. Es giebt aber Fälle,
wo die Weiterbeförderung stockt und die Ausschliessimg auf
uuerwunschte Klippen stösst. Man weiss, wie oft man ge-
täuscht worden ist: man bleibt mitten in der Arbeil stecken
oder muss schliesslich zur Zange, ja zu verkleinernden Werk-
zeugen greifen. Die Parteigänger der Wendung hei massiger
Beckenenge trösten sich mit folgender Betrachtung: wenden
wir die Frucht , um sie besser in unserer Gewalt zu haben ;
denn Trepan und Kopfzerscheller gleiten manchmal am vor-
liegenden Kopfe ah. Um diesen Uebelstand zu vermeiden,
habe ich die Combinalion des Hakens mit dem Kephaiothrypter
vorgeschlagen und kurzlich nn't Erfolg vollzogen. Man wird
künftighin die Umdrehung eines perforirten Kindes, ein stets
heikliches Unternehmen, nicht nöthig haben.
a. d. Veriiandl. d. Oesellschaft f. Oebartshölfe sn Leipsig cftc. 99
Es Us8t mh an diesem Orte der Vorschlag einiger
Praktiker einschalten, die Frucht einer sterbenden
Gebärenden zu wenden, um die Gastrohysterotomie nach
dem Tode der GebSrenden zu umgehen und um die schlechte
Prognose der Cäsaren aufzubessern. Die Kinder Sterbender
sind aber in der Regel an sich im Absterben begriffen, und
man wird nie eher an eine kindrettende Ausziehung gehen,
als nicht die fötalen Herztöne anfangen seltener oder überhaupt
schwächer zu werden; ich darf demnach stark bezweifeln,
dass mit der Wendung mehr gewonnen werde und gebe dem
sofort nach erfolgtem Ableben der Schwangeren anzustellenden
Kaiserschnitte als der für das Kind schonenderen Operation
den Vorzug, lasse jedoch, da wir nur von engen ßecken
mittleren Grades sprechen, die Zange in ihrem Rechte, sobakl
der Kopf der Frucht einer Sterbenden zangenrecht steht.
Es ist zu beklagen, dass trotz der Studien HohTs der
Wunsch, bestimmte Zeichen des mechanischen Verhältnisses
zwischen Frucht und Geburlswegen, besonders die jedes-
maligen Umrisse des Schädels zu gewinnen, für die meisten
kritischen Fälle ein frommer bleibt. Wenn es sich um 1 bis
2 Centimeter handelt, wird man fast immer den Verlauf der
Geburt voraussagen können; aber da tritt in ein wenig ver-
engtes Becken, dessen Durchmesser wir bis auf Millimeter
genau kennen, ein Kopf, dessen Umfang oder dessen Härte
nicht mit der Entwickelung des Qbrigen Kindskörpers dber-
einstimmt und' sich durch die sehr massigen Weichtheile der
Frau kaum annähernd hatte bestimmen lassen — oder wir
kommen erst dazu, nachdem den vorliegenden Schädelabschnitt
eine weitgediehene Kopfgeschwulst verdeckt hat; wir sind nicht
im Stande, des Kopfes Ausbreitung und Widerstand zu messen:
da müssen wir eingestehen, dass für die Mehrzahl der Ge-
burten bei engem Becken unsere Berechnungskunst sich auf ein
den gegebenen Umständen angepasstes Verhalten beschränkt.
2. Das zweite Erforderniss war , dass das zu erwartende
Kind lebend geboren werde, denn sonst würde sich die
Wendung nicht der Muhe verlohnen oder ein blosser aben-
teuerlicher Streich sein.
nAudentem fortuna juvaf'
könnte nur immerhin dann der Arzt ausruff'n, der das Gluck
7*
100 'II- Meifmer, Mittheilaagen «ber du ThUigkeii
hatte, auf vage Indiden hin das Kkid zu drehen und lebend,
oder auch lebenslahig auszuziehen. Rufen wir uns ins Ge-
däcbtniss den ersten Wahlspruch zurück : „cito!'* Wir kommen
in den Fall, unter schwachen Wehen oder ohne alle Hölfe
von Seiten der Natur zu arbeiten. Ausgenommen nun die-
jenigen Beispiele, wo wir uns eine oder die andere vorgefallene
Hand vor der Wendung mittels einer Schlinge sichern konnten,
werden wir, von den Wehen im Stich gelassen, die neben
dem Kopfe hinaufgerathenen Arme vor dem Schlussacie zu
lösen haben , ein im engen Becken möhsames Werk , welches
eine kostbare Zeit in Anspruch nimmt und oft über das Leben
des neuen Bürgers entscheklet. Pest steht, dass auch bei
verengtem Becken die Schädelgeburten viel günstiger für das
Kind verlaufen als die Unterendgeburten. Die Scbäddgeburten
und vorzugsweise die vorderen Hinterhauptsgeburten werden
die regelmässigsten genannt, weil sie sich am günstigsten den
mechanischen Beckenverhaltnissen anschliessen , weil sie von
der Natur allein am schonendsten beendet werden können
und weil sie die häufigsten sind*
Das wohige formte Becken gestattet dem Fötuskopfe,
dass er sich Schritt für Schritt herabbegebe, der nöthigen
Zusammendruckung allmählich unterwerfe und unter demjenigen
Bedingungen strecke, welche ihn geschickt machen, die eigent-
liche Beckenenge zurückzulegen. Hier verlangsamt sich das
Vorschreiten des Schädels einer reifen Frucht; zugleich ge-
winnt sie Zeit, um Maassregeln Genüge zu leisten, welche
die Wichtigkeil der Procedur eriieischt. Die stärkste Ver-
schränkung des Schädels findet kurz vor dem Verlassen der
bisherigen Wohnstätte statt. Die Verlaogsamung des Biut-
laufes in den NabeJ - und Kuchengeiassen erreicht einen hohen,
doch nicht denjenigen Grad, welcher der Frucht die Nöthigung
auferlege Athem zu holen. Wenige Augenblicke später tritt
dieser Fall ein, nämlich wenn nach Austritt des Kopfes der
zwischen dem Unterkörper der Frucht und den starren Becken-
wänden eingeschobene Nabelstrang die Lichtung seiner Geßsse
ganz einbüsst und der hinter der ausgestossenen Frucht sich
entsprechend zusammenziehende Uterus die Placentargeßsse
vollends todtdrückt und aus ihren Verbindungen lösL
n. d. V«r]Huidl. d. Oeaellflobaft f.GcbQrlahfilfe bq Leipzig; etc. 101
Im rachitiseben Beckee, dem haufigsien unter den
massig engen, verlängert und duckt sich der Fötusschädel
conform den knapperen Beckendurchmessern, wozu er mehr
Zeit braucht; oft setzen die Wehen stundenlang aus, doch
gehe« unterdess am Schädel, wenn auch ihrer Langsamkeit
we^en unmerkliche, Veränderungen vor sich. Mit ihrer Hülfe
aber drängt unter neuerwachlen Wehen der Kampf zur Ent-
scheidung und wird verhällnissmässig rasch oder durch wenige
Zangentractionen beendet, vorausgesetzt, dass sich die Hand
eines ungeduldigen Helfers nicht vorwitzig, nämlich vor d«r
erfolgten Eindrehung des Schädels in den engen Beckeneingang
eingemischt hat oder der Ausgang höhere Schwierigkeiten
bietet. Meist jedoch ist hei solchen Becken der Ausgang
weiter oder wenigstens normal weit, und nur ein zu langes
Aufstehen des Schädels auf einer, gewöhnlich der vorderen
Wand des Beckeneinganges erfordert nächst der passenden
Lagerung der Kreissenden eine kräftige Zangenoperation. Die
Kunst darf sich durchaus erst dann einmischen, wenn die
Kreissende längere Zeit diejenige Stellung eingenommen bat,
welche den Scheitel , wo möglich das Hinterhaupt des Schädels
ziemlich genau in die Fübrungslinie des Beckeneinganges
bringt, oder wenn der Geburtsarzt die Ueberzeugung gewonnen
hat , dass irgend ein Umstand diese günstigste Einst^ung des
Kopfes hindert. Wie oft ist aber die Geburt unter solchen
Umständen für der Kunst anheimgefallen erklärt worden und
ist während der Vorbereitungen zur Entbindung odei*^ weil
der Arzt nicht alsbald zur Stelle sein konnte, der Kopf
glücklich ein- und durchgetreten! Man kann an solchen
Fällen noch das Zuwarten lernen, nachdem man zehn und
mehr Jahre activ gewesen ist.
Wie ganz anders geht es bei den Uuterendlagen her!
Da wird der Nabelstrang periodisch und auf Secunden, öfter
aber anhaltend im engen Becken vorzeitig zusammengedrückt.
Diese Compresston geschieht nämlich beim rachitischen Becken
bereits während des Eintrittes des Kopfes in den BeckeiH
eingang, dabei sind die Wehen von dieser Zeit an unzu-
verlässig und nehmen in dem Grade ab, als der kindliclie
Körper den Fruchtlialter verlässt, hören wohl gan^ in dem
Momente auf, wo ihre Mitwirkung von höchstem Belange wäre.
102 II* M€i999ier, MittheüoDgen llUr die TbHtigkeit
Daher sUioinl eioe gerechte Besorgnies, welche den
Geburtshelfer vor jeder üaterendgeburl , besonders aber bei
engem Becken, befallt, daher die Unruhe der Wehfrau, weiche
nicht gleich einen Arzt zur Stelle bat, daher die dunkle
Prognose, welche den Betheiligten gestellt wird.
III. Jucunde!
Was den Ausgang für die Mutter betriilt, so wird
er von der Geburtsdauer, von etwaigen vorherigen Eingriifen
und von dem Grade des Missverhällnisses abhängen; die
Wendung und Ausziehung kurzen zwar in der Regel die
Geburt zu Gunsten der Kreissenden ab , doch kommen, zumal
bei zu grossem Schädel, Uebelstände zu Tage, welche den
Verlauf des Wochenbettes bestimmen ; wir werden darauf zurück-
kommen.
Wie unsicher noch heut die Vorstellungen vorn Vorlheile
der Wendung bei engem Becken .sind, geht aus dem Rathe
hervor, welchen Barnes bei der Discussion in Dublin über
M* ClifUock>s ^) Bericht gab: Barnes will bei Beckenenge
ersten Grades die Zange versuchen, wo diese nicht genügt,
die Wendung machen; beim zweiten Grade sofort wenden,
beim dritten und vierten verkleinernde Operationen oder den
Kaiserschnitt anstellen. Trotz der Klarheit, mit welcher die
Geburtshulfe ihre Objecte übernimmt, weil sie unter allen
medicinischen Disciplinen mit den relativ gröbsten Elementen
aus der Mechanik zu thun hat, ist doch der Gegenbeweis
im einzelnen Falle für unseren gegenwärtigen Zweck ebenso
schwer zu führen, wie der Erfolg des Chinins im Weehsel-
fiebcr. Selbst zugestanden, dass der nachfolgende Kopf «ch
im engen Becken stärker (aber auch unschädlicher?) ver-
schmälert als der vorangehende, so ist doch unsere Erfahrung
durch einschlägige Fälle noch so wenig bereichert, dass wir
noch auf dem Standpunkte der wenn auch folgerichtigen
Hypothese stehen; wäre die Indiction sclion spruchreif, so
hätte ein Mitglied der Dubliner Gesellschaft nicht die Frage
unbeantwortet stehen lassen können: iässt sich darthun, dass
1) On tonraing in cases of dlBproportion: the Lancet, 13. Sept.
1862, p. 285.
a. d. Vcrbandl. d. Getellsobaft f. G«buf tsbülfe xu Leipzig etc. 105
die von CUntock durch die Wendung g^relteten Kinder nkhl
auch mitlels der Zange lebend entwickeU worden wären?
Was Wunder , dass Einer unserer Gesellschaft sich also ver-
nehmen Hess: wir sind froh, wenn wir es nicht mit einer
Unterendlage zu Ibun haben müssen — warum bei Scbädel-
lage wenden?
Um zur Entscheidung zu kommen, werde ich mich Vwi
nun an nur an Thatsachen halten. Mit Vorbedacht und nioht
ohne Zagen habe ich nochmals an die
Statistik
ai^pellirt ; ich kenne die Vorspiegelungen und Gefahren dieser
jetzt so beliebten Methode , dennoch hoffe ich nur auf diesem
Wege die Urtheile meiner Amtsgeuossen auf meine Seite zu
bekommen.
Um die angedeuteten Klippen des zählenden Verfalu^ens
zu umschiffen, schien es mir erforderUch, eine beträchtliche
Anzahl von Beispielen untereinander zu vergleichen; auf diese
Weise, sagte ich mir, stehe zu hoffen, dass die auf indi-
viduellen Schwankungen und zufälligen Erlebnissen berulieuden
Ungleichheiten sich gegenseitig abschwächen, wo nicht untet*
der Masse verschwinden.
Durchmustern wir erst einmal die den statistischen Ver^
suchen in unserem Fache feindseUgen Potenzen.
1. Im AUgemeiuen verlaufen die Geburten nicht ganz
gleich bei verschiedenen Völkerstämmen. Es ist zur
Genüge bekannt, dass die Frauen der Naturvolker in günstigen
Khmaten , und sogar noch die wenig von der Cultur beleckten
Weiber strengerer Himmelsstriche, wie die Chinesinnen und
Japanesinnen fast ohne Ausnahme leicht und meist oline
Beistand niederkommen; einige thun es in der Stille des
Waldes ab. Doch muss zur Steuer der Wahrheit gesagt
werden, dass gewisse Nationen trotz der niederen Bildungs*
stufe im Nachtheile sind; so die BewohneriraieD der Gestade
des kaspischcn Meeres, unter denen es eine Menge mit schlecht
gebildeten Becken giebt; diese ausserdem sdiwäcUicben und der
Geburtsarbeit wenig gewachsenen Fra^ien sind ausschliesslich
unter den Händen ebenso dummer als dreister Hebammen , so
dass ein irgendwie gefährdeter Geburtsfall, ja schon eine Unter*
104 II. MeUäfUTy Mtttkeilangen «bor die Thttigkeil
eiidlage bei massig vei*englem Becken ziemlich auf gleichem
Blatte wie das Todesurtheil fdr beide Betheiligte steht
Schliessen wir die auch aus anderen Gründen unmögliche
Statistik von diesen Bezirken aus. Ich habe unter den civi«
lisirten Völkern gewählt und mich dabei erinnert, dass die
verschiedenen Stämme und Classen verschieden geneigt sind
zu Beckenfehlem wie zu Störungen der Geburtsdynaniik, woraus
unter dem gleichzeitigen Einflüsse gewisser Wittei*ungsver-
hältnisse und des ärztlichen Beistandes Abweichungen, z. B.
eine überwiegende Anzahl Unterendlagen in einzelnen Monaten
und Jahrgängen hervorgelien.
2. Die Entbindungen in ^einer Gebäranstalt und die von
einer beschäftigten Hebamme aufgezeichneten werden häufiger
normale sein. Der Privatarzt und der Vorstand einer geburts-
hölflichen Poliklinik dagegen werden in der Regel zu schweren,
oft verschleppten oder schon von anderen ärztlichen Personen
angefassten Fällen gerufen. So verlor Hohl auf seiner
Station während der Enthindung von 100 Kindern mit
Schädellage und ohne Eingriff der Kunst 1, in der Poli-
klinik in demselben Jahre von Schädellagen 32,6. Dazu
weiss man , dass selbst auf den stationären Kliniken die Zahl
der Ausnahmelalle je nach der Frequenz der Klinik in gewissen
Breiten, vielleicht je nach den Grundsätzen des Vorstandes,
wechselt In der Wiener Gebäranstalt hat die Zahl der Ope-
rationen während einer bestimmten Reihe von Jahren die Zahl
4,6 Procent der Geburten nicht überschritten, während sie
auf den ebenso ausgezeichnet bestellten Kliniken anderer
deutscher Städte auf 12 — 13 Procent gestiegen war.
3. Die erste Geburt hat in Folge der durch sie ge-
setzten Veränderungen mehr Chancen als die folgenden.
„Die Gefahr der ersten Entbindung übertrifTt die der folgenden
in Bezug auf das Kind fast um das Doppelte" (Veü). In
Churhessen mu«ste man bei Erstgebärenden beinahe dreimal
so oft als bei Mehrgebärenden zur Zange greifen.
Um daher die Ausstellungen, welche man an einer
liederlichen Statistik machen darf, zu entkräften, habe ich
alle diejenigen Fälle meiner Berechnung unterworfen, welche
sich in den beiden letzten Bänden der N. Zeitschr. für Geburts-
künde und in den ersten 10 der Monatsschrift aufgezeichnet
n. d. Verhandl. d. Gesellschiift f.Gebnrtolifilfe m Leipsigf etc. 106
findeu. Sie sind vod 60 Dii-ectoren geburtshnlflicber Inslitute,
▼OD ihren Assistenten oder Hebammen und mehreren pi*akti-
scben Geburtshelfern beobacbtei worden. Ich konnte demnach
über 37,970 Pille verfügen, die sieb von selbst in zwei
Gruppen theilen:
A. in ihren Einzelheiten genau bescbriebeDc,
B. nur dbersicbtlich zusammengesteUte Beispiele.
In der Gruppe B. figuriren Entbindungen, von denen
nicht bekannt worden ist, ob sie rechtzeitige, ob das Kind
vor der Geburt gestorben oder während und vermöge der-
selben abgelebt war, endlich ob es eine blosse Unterend«
gehurt, eine Selbstwendung oder Entwickelung, eine Wendung
mit oder ohne darauf folgende Ausziehimg an den Fassen
gewesen.
Fftr die geringste Anzahl der unter B, gesammelten
Fälle hatte man angegeben, ob ein regelmässiges Becken im
Spiele gewesen ist oder nicht
In der des Raumes wegen hier nicht ausgeführten Tabelle •
A. hatte ich nur rechtzeitige oder ein wenig äberreife Ge-
burten vor mir. Trotzdem zeigte sie in vielen Punkten eine
merkwürdige Debereinstimmung mit der Tabelle B,, namentlich
die Resultate für das Kind bei normalem Becken und Kopf*
läge. Für zwei Abscissen konnte ich nur einige Beispiele
auftreiben.
Ja, die Wendung allein hat nur in einem und
zwar güustig abgelaufenen Falle, der nicht mit in die
Statistik aufgenommen worden ist und weil er eine seltene
Ausnahme bildet, erst später zur Sprache kommen kann,
bei engem Becken zur Ermöglichung der Geburt
genügt.
Es wird erlaubt seiu, aus den gewonnenen Zahlen Schlüsse
zu ziehen:
1. Das ungnnstigte Resultat ergiebt sich für Kinder,
welche bei engem Becken gewendet und ausgezogen worden
sind: alle die wenigen Fälle, wo nach Wendung auf einen
oder auf beide FGsse extrahirt worden ist, endeten für das
Kind so, dass es während oder kurz nach der Operation
abstart). Es befinden sich in dieser Rubrik zwei FSIIe, welche
ich unter Beisein von Praktikanten der Poliklinik beendete.
10({ II. Ideiuntr, Mitlheauiigen über die Thniigkeit
Die Beekenenge der betreffenden Frauen beiträgt 3^4 bis
3V2 Zoll für die Conj. vera; in beiden Fällen bandi^Re es
sich um ausgelragene , wenigetens normal dicke, querliegeude
Frucbte. Von der einen war der Nabebtrang schon seil
einigen Stunden vorgefallen und pulsirte nur schwach und
selten; die andere erlitt das Missgeschick, dass während der
Wendung die Frucht durch die Schlinge des ungewöhnlich
langen Nabelstranges gesteckt werden niusste und diese Schlinge
sidi während der Extraction zum Knoten schürzte.
2. Demnächst erhalten wir die ungAnstigste Prognose
für Beckenendgeburten mit Complication des verengten Beckens.
Auch ohne Einmischung der Kunst starben alle hier ein-
gezeichneten Geborenen.
3. Procente der Todtgeboreucn bei Wendung auf die
Ffisse und Extraction ohne IMissverhaltniss nach Angaben der
meisten Aerzte, 93,ö Procent.
4. Resultat der Wendungen; die Angabe, ob Au.sziebung
•folgte, ist nicht durchgeführt, 92 Procent abgestorbene kindt^r.
5. Wendung auf die Füsse, der wahrscheinlich die
Extraction folgte, 90 Proceut
6. Sterblichkeil der Kinder bei Beckenendgeburten ohne
IMissveffaällniss der interessirten Theile und mit solchem,
66,8 Procent
7. Resultate der Wendungen und Extractionen auf der
Endbinduugsanstalt zu Berlin, und der übrigen zusammen-
genommen, ohne Missverliältniss, 63,9 Procent.
8. Mittle Mortalität, gezogen aus einer kleineu Reihe
von Wendungen auf Kopf und ehügen mehr auf die Füsse
mit Extraction, 46 Procent.
9. Ergebniss der Ausziehung an den Füssen bei engem
Becken durch Busch und die anderen Geburtshelfer zusaininen-
genommen bei engem Becken, 46 Procent.
10. Durchschnittszahl derselben Operation ohne die
Fälle von Busch, 41,7 Procent.
11. Durchschnittszahl der Wendung allein, 41,2 Proceut
12. Durchschnittszahl der Extraction durch Busch und
die Uebrigen ohne Wendung , 36 Procent.
13. Durchschnittszahl der Extraction ohne Busch^
32,6 Procent
u. d. y erb«iidl. d, GetelUchnf^ f. GebcurUhiilfe su Leipzig otc. 107
14. Einige Kliiiikeu warea so glöGklicb, eine Menge
von Zangengebuilcii ohne ein Todlgeborenes zu Laken, und
selbst bei einigennassen verengten Becken bat mau daselbst
nur mit dem Verluste von eitlem Kiude auf 26 (= 3,8 Pi'oc.)
operirL Schädellagen mit Uissverbältniss, darunter einige
Zangenextractionen , ergaben im Ganzen Todt^snile, 30 Proc.
15. l^endung auf den Kopf meist bei geräumigem Becken,
27,9 Procent.
16. Schädelgeburten ohne weitere Angabe, bei engem
Becken, 23,8 ProcenL
17. Wendung und Ausziehung ohne Angabe der Becken-
Verhältnisse, 21,4 ProcenU
18. Rechtzeitige Schädeilageu ohne und mit Operation,
3,7 Procent.
19. Schädeilageu ohne Angabe des Scbwangerschaits-
terwines, 3,6 Procent.
20. Beckenendlageu bei regelmässigem Becken, 2,3 Proc.
21. Scliädellagen reifer, gesunder Kinder bei regel-
mässigem Becken, 1,2.
22. Wendung auf den Kopf bei massiger Beckeuenge
und Zange (wenige Beispiele), kein Todesfall bei den Geborenen.
Diese Stufenleiter mit fortschreitender Verbesserung der
Prognose für das Geborene spricht für sich selbst und beweist
aufs Neue, dass die Sdiädelgeburten und die Resultate der
• Kopfzange selbst bei verminderter Gunst der Umslände die
Aussicht auf Lebensrettung bei Beckenendlagen, vor allen
aber bei Ausziebung am Unterende überragen.
Die einzelnen Ergebnisse ordnen sich in sechs Gruppen,
deren erste von der folgenden mehr absteht als irgend eine
der nachberigen von ihren Nachbarn (1. u. 2.).
Die vierte Gruppe ist die reichhaltigste (8. — 11.): Schädel-
lagen und Untercndlagen sind hier mit starkem Ueberwiegeii
der letzteren vertreten und meist durch das Einschreiten der
Kunst modificirt.
Die fünfte Gruppe (12.— 17.), zwar zahlreicher an
Klassen al)er ärmer an Beispielen als die vorige, ist immer
noch wenig gunstig wegra des noch überwiegenden Miss-
verhaitnissea. Die letzte Gruppe enthält ein Element, welches
auf den ersten Anblick Wunder nelmien kann (No. 20); man
108 I^ MeUmer, Mittheilnngron Aber die ThStigkelt
wird erwartet haben, dass die Unterendgeburt, allerdings bei
regelmässigem Becken, eine nicht so niedrige Sterbezifler
liefern könne. Die Erklärung liegt nicht fem; wirken gute
Wehen auf ein mit dem Beckenende vorangehendes Kind,
so wird, falls nicht unberufene Ausziebversuche geschehen,
der Kopf dem Rumpfe ungehindert nachfolgen und die Gebart
mindestens ebenso glflcklich verlaufen, als eine Schädelgeburl.
Da nun Beckencndlagen bei Mehrgebärenden häufiger vor-
kommen als bei Erstgebärenden, so ist für die Frucht von
dem den letzteren zukommenden verlangsamten Verlaufe der
Austreibeperiode verhältnissmässig weniger in der Unterend-
geburt zu förchten. Bleibt allerdings der vorangehende Kopf
vor dem Einschneiden stecken, so verfällt die Entbindung
meist der Kunst, gehört also nicht mehr zur 21. Classe;
bleibt er dagegen in Untercndlagen stecken, so steigt die
Procentzahl der Todesfalle für das Kind plötzlich und un-
yerhältnissmässig, vergl. Classe 6 u. 7. Auffällig ist die
Uebereinstimmung der Prognose in den Qassen 8 und 9, 10
und 11, 18 und 19.
Der Vortheil der Schädelgeburt wird auch bei engem
Becken aus Folgendem deutlicher hervorgehen.
A, Zur Rettung des Kindes.
1. Günstige Beispiele.
Ich beginne mit einer Wendung auf den Kopf.
1. Beobachtung. Mehrgebärende mit vielleicht
rachitischer Exostose. Schulterlage. Zange.
Johanne Christiane Vetter^ eine kräftige Bäuerin von
41 Jahren , wohnhaft in R. bei Leipzig , war sieben Mal Mutter
geworden. Die Geburten verliefen, der Kleinheit der Früchte
wegen , leicht und glücklich. Das achte Kind , dicker als die
vorigen, stellte sich, vier Jahre vor der gleich zu beschreiben-
den neunten Entbindung, mit dem Rumpfe zur Geburt.
Fr. L. MetBsner erfuhr von der Kreissenden, sie habe die
Bewegungen der Frucht bis zum Beginn der Wehen gefühh;
er selbst konnte kein Lebenszeichen mehr nachweisen und
vollendete die Wendung auf die Füsse mit einiger Schwierig-
krit; der Kopf wurde mittels der Zange entwickelt.
n. d. Verhandl. d. Gesellschaft f. GebnrUltillfe in Lelpslf etc. 109
Die nächste Geburt begann am 13. August 1853 Abends;
im Anfang März hatte die Frau die ersten Bewegungen ge-
fühlt. Am 14. früh 9 Uhr fand die H^amme die Wässer
abgeflossen und Querlage. Um 12 Uhr 20 Minuten Mittags
kam ich mit dem poliklinischen Praktikanten in der ärmlichen
Wohnung an und fand den Schädel etwas oberhalb des linken
horizontalen Schamheinastes, den Rucken- nach vorn; in der
linken hypogastrischen Gegend der Mutter hörte man schwache,
aber genug häufige Herztöne. Die Wehen hatten seit mehreren
Stunden aufgehört. Aus dem wenig geöffneten Muttermunde
ragte ein Arm, hinter demselben und liöher oben fQhlte ich
eine nicht deutlich pulsirende Schlinge des Nabelstranges.
Sofort liess ich ein Klystier von lauem Wasser geben und
die Frau auf das Querbett bringen , brachte den vorliegenden
rechten Arm hinauf und ergriff mit der vollen Hand den
Sctiädel. Wegen einer 3,7 Centim. langen, gegen 13 Millim.
hohen Knochenleiste , welche von der Innenfläche der Scham-
fuge nach hinten einsprang, liess sich der Kopf nur bis an
deo Beckeneingang führen.
Um 4 Uhr Nachmittags schlug der Puls der Gebärenden 88 Mal
in der Minute, es begannen wieder Wehen, welche die Kreissende
verarbeitete. Der Kindesscbädel blieb dennoch am bezeichneten
Platze stehen und zeigte eine beträchtliche Kopfgeschwulst;
die Herztöne waren noch regelmässig. Unter diesen Ver-
hältnissen legte ich um 4 Uhr 20 Minuten die Zange au.
Bei der vierten Traction rutschte der Kopf in erster Scheitel-
sielluog ober das Hinderniss herab und war um Vi^ Uhr
geboren. Das scbeintodte Mädchen wurde bei noch stark-
schlagender Nabelschnur nach kaum viertelstündigem Belebungs-
versuche zum Schreien gebracht. Der Kuchen folgte bakl nach,
war an seiner Fötalfläcbe grünlich, der IV« G^Ue messende
Nabelslrang mitten inserirl , und nach wenig Minuten Reibimg
zog sich die Gebärmutter genügend zusammen. Die Mutter
verliess, gegen unser Gebot, schon am dritten Tage das
Lager und stillte ihr noch jetzt lebendes Kind.
In diesem Falle hielt ich mich für berechtigt, auf den
Kopf statt auf die Füsse zu wenden und habe meine Wahl
nicht bereut. Denn 1) war die Frucht bereits seit mehreren
Stunden wegen des abgeflossenen Wassers in Gefahr: der
110 n. MeUaner, Mittheilnngen über die ThStIgkeit
Nahel»traiig neben dem vorliegenden Kindestheile herabgetreteo
und bei meiner Ankunfl fast pulslos , die Herzthäligkeit herab-
gesetzt; die Wendung auf das Unterende, wahrscheiniich scboo
der Versuch dazu hätte dem Fötus das Leben gekostet (S. 105).
2) Selbst wenn die Wendung gelungen und noch ?or dem
Absterben der Frucht ausgeführt worden wäre, so hätte noch
die ßeckenenge überschritten werden müssen. In dem Augen-
blicke , als ich n)it dem Rucken meiner Hand den Vorsprung
der vorderen Beckenwand entdeckte, war mein Entschluss
gefasst, die Frucht nicht auf einen Fuss, sondern auf den
Kopf zu wenden, abgesehen von der leichteren Ausführbar-
keit der letzteren Operation. Hatte doch der Schädel des
vorherigen , weil grösseren Kindes als der früheren , die An-
legung der Zange erheischt.
Um ein freieres Urtheil über den Werth der prophy-
laktischen Wendung bei engem Becken zu erhalten, habe ich
aus Mangel an eigenen Beobachtungen über ein immerhin seltenes
Problem die n)eisten Vorsteher von Entbindungsanstalten
Deutschlands brieflich ersucht, mich mit Beispielen aus eigener
Beobachtung zu versehen. Diejenigen , welche die Güte hatten
mir zu antworten, werde ich redend einführen; mehrere
derselben haben mir dazu ausdrücklich Erlaubniss eriheilt,
die übrigen haben es sich bisher nid)t verbeten.
Als von Parteigängern ausgeführt habe idi die zu er-
zahlenden Beispiele ebensowenig als die von Simon- Thomeui
zusammengestellten wegen schrägverengter Becken vorge-
nommenen Operationen in die frühere Tabelle aufgenommen
(S. 105); die M' CUntock' sehen Beobachtungen sind für die
schliessiiche Betrachtung der Ergebnisse für Multei* und Kind
mit verwandt worden.
Die gegebenen Fälle ordnen sich in zwei Abtbeilungen;
es ist nämlich die Wendung, wie ihre Alternative, die An-
wendung der Zange in situ, entweder ausgeführt worden
a) um das Kind zu retten, oder
b) um die Entbindung im Interesse der Gebärenden zu
beschleunigen.
In mehreren Beispielen lässt sich eine gemischte Indication
vorlu'ingen :
c) die Erhaltung beider Wesen zu gleicher Zeit.
Q. d. Verbahdl. d. GeseUsobaft f. Gebnrtoblilfe su Leipzig etc. Hl
Zweite Beobaehiung. Erste Entbindung. Massig
▼ erengtes Becken. Querlage. Wendung auf einen
Fuss. Natürliche Geburt. (Sccmzoni.)
Der Beckeneingang dieser Erstgebärenden betrug im
geraden Durchmesser etwa 3^2'^* ,, Wendung auf den Fuss;
natürliche Expulsion eines lebenden starken Kindes.''
Dritte Beobachtung. Mehrgebärende, ziemlich enges
und schiefes, rachitisches Becken. Vorher schwere
Entbindung. Wendung und Ausziebung mit gluck-
lichem Erfolge. (Scanzonu)
,, Diese Zweitgebärende wurde von mir im Jahre 1851
auf der Würzburger Klinik durch die Perforation und Kephalo-
thrypsis entbunden. 'Rachitische Verkrümmung der Wirbel-
saule (Kypho - Scoliose) und der unteren Extremitäten. Becken
selu* stark geneigt, schief und verengert: Conj. 3 — 3^4".
Bei der zweiten Geburt Querlage: Kopf links, Rücken vorn.
Wendung auf den Fuss bei noch stehender Blase. Extraction
des Rumpfes und Kopfes sehr leicht , letztere manuell. Kind
lebend."
Vierte Beobachtung. Mehrgebärende, früher durch
Kephalothrypsis entbunden. Becken schrägverengt.
Wendung auf einen Fuss. Mutter und Kind er-
halten. (Ed. Martin.)
Martin ermöglichte die Ausschliessung dieses Kindes
dadurch , dass er während der Wendung das Hinterhaupt als
den breiteren und Jiärteren Theil des kindlichen Schädels in
die geräumigere Beckenhälfte eintreten liess, während in der
vorherigen Entbindung der in die kürzere Hälfte des ver-
unstalteten Beckens eingetretene Schädel nnverkleinert nicht
geboren werden konnte.
2. Ungünstige Beispiele.
Fünfte Beobachtung. Mehrgebärende. Ziemlich
enges Becken, dazu abnorm grosser Schädel.
Zange ohne Erfolg. Metrorrhagie. Wendung auf
einen Fuss, Ausziehung, Zange. Das Kind erscheint
sterbend; die Mutter erholt sich. {Scanzom',)
„Die Frau war zwei Mal schwer mit der Zange ent-
bunden worden und schon 36 Stunden in der Gehurt.
112 II. MeUmer, Mittheflangen über die Thttigkeit
Conjugala 3^4 — SVs"* Kopf Aber dem Beckeneingange fest-
stf'bend, auffallend platt; grosse Fontanelle und weile Nähte.
Die von Dr. Friachmann zwei Mal angelegte Zange rutschte
gleidi nach den ersten Tractionen ab. Dasselbe begegnete
mir zwei Mal. Heftige Metrorrhagie, Herztöne des Kindes
laut und regelmässig; deshalb stehe ich von der Perforation ab.
Die Wendung auf den Fuss hol keine besonderen Schwierig-
keiten, ebensowenig die Extraction. Der Kopf (hydrocephalisch,
18" im Umfange) folgte dem Zuge mit der Zange sehr leicht
Das Kind machte noch einige Respirationsbewegungen. Die
Mutter erkrankte an leichter Endometritis, genas aber und
hat später noch zwei Mal geboren, beide Male ohne bekannte
Ursache frühzeitig.''
Sechste Beobachtung. Massig enges Becken. Ver-
gebliche Anwendung der Zange. Wendung and
Ausziehung an den Füssen. Kind todt (Rosshirt.)
„Vor 30 Jahren wurde ich zu einer Gebärenden gerufen,
weil dem vorher verlangten Arzte die Geburtszange an dem
voranliegenden Kopfe des Kindes zwei Mal abgeglitten war.
Der Kopf stand noch Ober dem Beckeneingange, aber fest
Das Becken war verengt, man konnte den Vorberg erreictien.
Ich besann mich nicht lange, sondern wendete das Kind auf
die Füsse und extrahirte es. Das Herausleiten des Kopfes
machte einige Schwierigkeiten, aber nicht bedeutend. Das
Kind war todf
3. Ausgang ftir das Kind xmbekamit«
Siebente Beobachtung. Massig enges Becken. (Conj.
gegen S^J^".) Zange ohne Erfolg. Ausziehung des
auf die Fösse gedrehten Fötus. Erfolg unbekannt
in Bezug auf das Leben Beider. (Kosshirt.)
Auch in diesem Falle hatte ein anderer Arzt vergebliche
Zangenversuche gemacht.
Achte Beobachtung. Massig enges Becken. (SVs'^*
Erfolglose Zangenversuche eines anderen Arztes. Operation
und Erfolg wie im siebenten Falle. (Derselbe.)
u. d.Verb&ndl. d. Gesellschaft f^Oeburtshlilfe zn Leipzig etc. 1]3
B. Zunächst zur Rettung der Mutter. '
1. Günstige Beispiele.
Neunte Beobachtung. Fünfte Niederkunft. Ziem-
lich enges Becken. Durch vorliegenden Kuchen
bedingte Blutung. Wendung und Ausziehung an
den Füssen. Ausgang ^günstig. {Hcanzoni.)
„Eine Frau , welche vorher vier Mal kleine Kinder natür-
lich zur Welt gebracht halte, hot bei der fünften Gehurl
Placenta praevia dar. Das Promontorium sprang anfTallend vor,
die Conjngata wurde annähernd auf S^/a — ^^U" bestimnil.
Sehr p;*ofuse Blutung. Wendung auf denFuss, Extraction,
Kopf manuell entwickelt. Kind lebend; die Mutter blieb ge-
sund und wurde später von mir mit der Zange entbunden.'*
Zehnte Beobachtung. Bedeutende B e c k o n e n g e.
Schädel noch hoch über dem Eingange. ISach frucht-
losen Zangen versuchen von Seilen der anderen Aerzte,
wobei das Kind abstarb, Perforation. Wendung. Die
Mutter erholte sich. (Spiegelberg.)
2. Ungünstige Beispiele.
Eilfle Beobachtung. Bedeutende Verengerung. Der
Kopf bleibt am Beckeneingange stehen. Ein anderer Arzt
hat die Zange versucht, wobei das Kind das Leben einbüsste.
Perforation, Wendung. Tod der Mutter. (Spiegel-
berg.)
Zwölfte Beobachtung. Erstgebärende. Sehr enges
Becken. Zange vergebens. Perforation, Kephalo-
thrypsis ungenügend. Metrorrhagie. Wendung auf
den Fuss und Ausziehung. Tod der Mutter in Folge
eines Gebärmutterrisses. (Scanzoni.)
„Auf der Würzburger Klinik wurde (lSb\)) die Conjvgata
3" befunden. 45 ständige Geburtsdauer. Fruchtlose Zangen-
versuche; Perforation. Der Kephalothrypter gleitet ab. Pro-
fuse Uterusblutung. Die Wendung auf den Fuss gelingt leicht,
ebenso die Extraction; der Kopf folgt der Zange mit der
Hand. Kind todt; Mutter gestorben. 3" langer Riss im
linken unteren Umfange des Uterus.''
Uonatsaehr. f. QebarHk. 18«6. Bd. XXV.. Suppl.-Hft. ^
114 n. MßUtner, Mtttheilan^eiv über die Thäti^rkeit
Dies die Fälle meiner CoUegen. Werfen wir nun einen
Blick auf die Fruchte ihrer Beslrehungen und vergleichen sie
mit den Ergebnissen unserer früheren Tabelle.
Im Ganzen liefern die 11 Bericlite von Wendung auf
das linierende:
erhaltene MAUer 7, Kinder 4,
gestorbene „ 2, »5,
Schicksal unbekannt 2, „ 2.
Zwei Mütter starben nach der Entbindung, die eine
sieber an den vor der Wendung angestellten Enlbindungs-
versuchen. Der Wendung selbst kann man in keinem Bei-
spiele den traurigeu Ausgang für die Mutter beimesse^. Drei
Kinder wurden lodt geboren , eins sterbend (WasserkopO und
eins starb wahrend der Entbindung ab.
Rechnen wir die Berichte M'Cltntock*^ hinzu, welcher
nur unter massigen Beckenverengungen operirte/ so wurden
genau so viel Kinder gerettet, als verloren gingen, während
mi günstigsten Falle von 11 Müttern nur 2 erlegen sind.
Da nun unter den in die Tabelle aufgenommenen engen Becken
auch solche mit 2 — 2^^" Conj. vorkommen, so bilden wir
die richtigere Parallele mit derjenigen kleineren Zahl, wo
unter mittlen Verengungen (3 — 3%") der vorliegende Kopf
mittels der Zange entwickelt worden ist. Wenn nun in der
Poliklinik zu Leipzig sowie in der Poliklinik zu Halle von
100 unter erwähnten Umständen 4 mit der Zange, von den
oben zusammengestellten 26 Kindern 13 durch Wendung
(und Extraclion) entwickelt todt ankamen und von 9 der-
selben angegeben wird, dass sie vor der Entbindung gelebt
haben, so ist die Prognose für die Frucht wahrlich durch
die prophylaktische Wendung nicht gebessert; ob sie es für
die Mutter ist, müssen anderweite zahlreichere Beispiele er-
weisen. Und selbst wenn wir unter Ausschluss der irischen
Beispiele alle Zufälligkeiten ausschliessen wollen und nur
1 Kind von den 11 deutschen Fällen als der Operation zum
Opfer gefallen zulassen , so würde immer eine höhere Procent-
zahl (9) als für die Zange ceteris paribus herauskommen.
Ja stellen wir, um jede Parteilichkeit abzustreifen, Schädel-
Geburten mit Missverhältiüss , seien sie durch die Zange be-
endet oder ohne Kunsthülfe verlaufen, den Resultaten der
u. d.Verhand]. d. Gesellschaft f.Geburtshiilfe zu Leipzig etc. 115
Weildung bei massig engen) Becken' nach Ausschluss der
Fälle gegenüber, in denen das Kind vor der Operation schwach
gewesen oder bereits gestorben war: so sind mit Einrecbnung
der ATClintock'Bchefi Fälle 36 Procent nach der Wendung,
die Extraction mochte folgen oder nicht, 30 Procent laut
no. 14 unserer Tabelle Kinder daraufgegangen, es hat also
die Schädeigeburt selbst unter Vernachlässigung der gewöhn-
lichen Fehlerquellen einen geringen Vorsprung.
Kann man mir es demnach verargen, wenn icli für die
grosse Hasse der Vorkommnisse wenig Muth habe, der pro-
phylaktischen Wendung als einer Operation das Wurt zu
führen , weiche die Frucht vor den Nachtheilen einer längeren
Geburtsdauer in engem Becken und vor den Unbilden der
Zange bewahren soll?
Mein Endurtheil lautet demnach folgendermaassen ; Die
Wendung auf einen Fuss, mehr noch als die auf
beide Fusse, Ausziehu ng möge ihr folgen oder nicht,
ist in der Hand eines umsichtigen Geburtshelfers ein nicht
abzuweisendes Auskunftsmittel, um bei gewissen Graden von
Missverhältniss die Frucht zu retten und die voraussichtlich
vorzunehmende oder bereits nutzlos begonnene Ausziehung
des ursprunglich vorhegenden Kopfes zu ersetzen, bleibt
aber immer eine durch besondere Umstände gerechtfertigte
oder selbst gebotene Operation der Ausnahme.
Da jedoch auch die Ausnalime ihre Regeln hat — denn
in der Natur, der wir doch nachahmen wollen , giebt es nichts
Gesetzloses — so werden wir die Anzeigen der exceptionellen
Operation zu bestätigen haben.
Nun so wiederholen wir nochmals, dass Wendung und
Zangengebrauch mit einander verwandt, aber nicht peie-mele
zu erfassen sind. Die Wendung bleibt das einzig zulässige
Expediens, solange der Scheitel oder das Gesicht des Fötus
sich über dem Eingange des kleinen Beckens befindet! Jeder
Versuch, zu dieser Zeit den Kopf mittels der Zange herab-
zuführen , ist eitel oder wird für Mutter und Kind gefahrlich,
wäre es auch nur um des Hindernisses willen, welches der
Kopf in dem Bestreben findet, sich den Durchmessern des
verengten Einganges gerecht zu stellen. Trift der Kopf nicht
8»
116 IT. Mehtner, Mittheilnngen über die ThKtigkeit
ein urtd isl weiteres Zögern von Naclitheil, so wende man
dreist.
Kann der Kopf nicht eintreten, weiJ , wie in der dritten
und vierten Gesichtsstellung, die kindlichen Durchmesser sich
nicht den entsprechenden mütterlichen anpassen, findet kein
Uehergang zur ersten oder zweiten Stellung statt und liegt
im Verzuge Gefahr, so ist die Wendung ein unschätzbares
Manöver.
Ferner kann uns der Umstand zur Wendung bestimmen,
dass frfihere Entbindungen hei derselben Frau durch ver-
letzende Operationen beendet werden mussten , die Becken-
Verhältnisse an sich aber bei nicht zu grossem noch zu hartem
Schädel derartige Operationen nicht unbedingt erheischen:
so in Scanzoni'ii Beispielen. M'Clintock giebt an, dass bei
froheren Entbindungen der von ihm zuletzt durch Wendung
entbundenen Frauen nur 2 Kinder den Geburtsact überlebten,
dagegen in Sumnia 16 todt geboren wurden. So wie Spiegel'
berg bin auch ich Gegner forcirter Zangentractionen am vor-
liegenden Kopfe , halle aber den Ausspruch zu gewagt , dass
man durch die Wendung die Perforation, nicht aber die
Zange in gewissen Fällen umgehen solle , d. h. unter gewissen
Verhältnissen könne die Wahl zwischen Zange und Wendung
gar nicht freistehen , sondern gelinge es , mittels der Wendung
die Geburt zu beenden und vielleicht noch das Kind zu reiten,
oder man müsse, wenn dies nicht gelinge ^ die Zange gar
nicht erst versuchen, sondern gleich perforiren, selbst zu-
gegeben, dass „man durch Herstellung einer Fusslage den
leichteren Durchtritt des grössten Theiles des kindlichen
Körpers ermögliche und somit <lie Geburtsdauer abkürze.*'
Die Bedingungen, unter welchen die Wendung
auf das (Jnterende einen günstigen Erfolg ver-
spricht, sind folgende!
1) Von Seiten der Muller eine nicht zu geschwächte
Körperbeschalfenheil, Abwesenheit von stärkeren Blutverlusten,
grosse Gemütbsruhe, massige Wehen mit nicht zu kurzen
Zwisclienräumen , ein weder zu reizbarer noch entzündeter
Fruchtträger, ein gehörig breites und im geraden Durcli-
messer höchstens auf 3^4 — 3" verengtes Becken oder ein
u. d. Verband], d. GesellBchaft f. Gebartshiilfe zu Leipzig etc. 117
asymnielrischei», wobei eine Seitenhalfle mehr Raum bietet
als die andere. Gegen letztere Jndicalion ist von inehreien
Seiten Einspruch erhoben worden; man habe es nicht sowie
es scheinen mochte in der Gewalt, den nachfolgenden Kinds-
kopf mittels des Rumpfes so einzudrehen, dass die dickere
Partie des Schädels in die weitere Beckenhälflc einzutreten
konmie. Ferner hat man sich auf die Simon- 2'homas'^he
Zusamiuenstellung berufen. Unter 15 Gehurtsfailen hei durch
Leichenöffnung bestätigten Beispielen von .schragverengtem
Kecken waren 11 zeitige, 4 frühzeitige Gehurten. Unter
4 Fällen von weitständiger Kopfstellung starb die Kreissende
unentbunden 3 Mal, 1 Mal verschied sie 24 Stunden nach
der Entbindung. \ou den 5 engständigen Fällen konnten
3 mittels der Zange, 1 durch Perforation beendet werden,
1 forderte den Kaiserschnitt. In den 4 frühzeitigen Geburten
lag 1 Mal der Kopf vor , und dieser koimte bei engständigei
Stellung mit der Zange entwickelt werden; 3 Mal hatte die
Frucht eine ßeckenendlage , und dabei drehte sich der Kopf
immer so, dass die Pfeiluaht mit dem kürzeren schrägen Durch-
messer zusammenfiel, und nur in dieser Stellung konnte der
Kopf mit den Händea entwickelt werden. Auf diese Thatsachen
gestützt, behauptet Simon - Thomas ^ dass die Geburl bei
schrägverengtem Becken weniger schwierig sein werde, wenn
der Kindskopf mit dem Hinterhaupte nach der abgeplatteten
Beckenseite und nach vorn gekehrt ist, als wenn er eine
andere Stellung hat. '
Was zunächst die Schädeilagen bei obigen reifen Ge-
burten betrifft, so sind die engständigen Stellungen zwar öfter
als die weitständigen überhaupt zur Ausschhessung gekommen,
doch figuriren dabei je 1 Mal Perforation und Kaiserschnitt.
Und wenn bei nachfolgendem Kopfe das Kind nur unter
engständiger Schädelstellung und zwar mit der Hand ent-
wickelt werden konnte , so suche ich den Grund davon darin,
dass die Schultern während des Durchganges durcirs schräg
verengte Becken nur weilständig geboren werden konnten,
wobei der Kopf nolhwendigerweise die enge Hälfte behauplen
rouflste und es auch fernerhin konnte, sobald di^ Schultern,
wie häufig , mehr Hinderniss abgeben als der kleinere Schädel.
11g II. MeUiner, Mittheilangen |lber die TbXtigkeit
Der beste Beweis für die MartMsche Theorie aber ist der
oben erzählte Fall (Beob. 4) , welcher sich den froheren Er-
fahrungen Martin'^ ') anreiht. Hier können nur Thatsachen
entscheiden.
Ein zu enger Beckeneingang und das Trichterbecken
eignen sich nicht für die Ersatz bieten sollende Wendung;
hier kann nur die Zange am vorangehenden Schädel An-
spräche >auf Rettung der Frucht machen. Daher Termutbe
ich auch, dass die Wendung bei Mehrgebärenden öfter zur
Befriedigung ausfällt als bei Erstgebärenden (vergl. Beob. 3,
4, 9 mit 12). Nur Beob. 2 macht eine in jeder Hinsicht
seltene Ausnahme.
2) Von Seiten des Kindes. Die Frucht darf nur
massigen Umfang erreicht haben. Die Betastung des Bauches
der Schwangeren wird uns schon einigermaassen versichern,
ob ein sehr dickes, festes Kind mit entsprechenden Schnltern
und Kopfe zu erwarten steht; die Vaginaluntersuchung wird
in den meisten Fällen die zur Bestimmung der wichtigsten
Durchmesser der Frucht fehlenden Pactoren ergänzen. Gegen-
fiber einem Becken mit Verengung des zweiten Grades er-
fordert die rettende Wendung einen Scliadel von geringerem
als mittlerem Umfange und Widerstände, gegenöl)er einem
Becken des ersten Grades einen gewöhnlich grossen und nicht
zu festen Schädel, damit nicht die Zange am zuletztkomnienden
Kopfe mit zu heftiger Gewalt oder gar das Perforatorium zu
wirken habe. Ich brauche nur an die Vortheile der künst*
liehen Frühgeburt zu erinnern.
Was Wasserköpfe betriflTl, so haben mir und Meissner
d. V. mehrere Erfahrungen gelehrt, dass man sich nidit zu
sehr den manuellen Extractionsversuchen — dem SmeUie'schen
Handgriffe im oberen, dem Prager oder Wiener Handgriffe
im unteren Räume des kleinen Beckens — hingeben darf.
Beim hydrocephalischen Schädel wird Simpaon's Theorie von
der Nachgiebigkeit des zuletztkommenden Kopfes noch mehr
als beim gewöhnlichen aufs Eis geführt; wie oft ist man
nicht nahe daran gewesen, den Kopf abzureissen oder hat
man ihn in der That im Schoosse der Gebärenden zurück-
') Monatsschrift XV., S. 22 und 28.
u. d.Verhandl. d. Gesellschaft f.Geburtshülfe aa Leipaig etc. 119
' gelassen, getauscht durch die scheinbar geringe Ausdehnung,
welche die Sch&delbasis im engen Becken dem nntersuchentien
Finger darbietet. Giebl der Kopf massigen Tractiunen nicht
nach , muss man an einem zuietztkommenden , scheuihar nicht
zu festen Kopfe zu oft Hand anlegen, bietet der geborene
Körper eine Wirbelspalte oder Klumpfösse dar: so sei man
auf einen enormen Schädel gefasst uml handle danach, um
wenigstens die Mutter zu schonen.
Ich bin ilber/eugt, dass viele Piaktiker sich besondere
Vortheile von der Wendung im engen Becken bei Fröh^
gehurt vei*sprechen.
Leider hat die Beobachtung gezeigt, dass, je ftüherreif
ein Kind zur Geburl gelangt, um so misslicher es um sein
Leben bei Unterendlage steht; es wachst die schlimme Pro-
gnose im Verhältnisse der ungewöhnlichen Stellungen schon
bei den Kopfgeburten.
Im Allgemeinen wendet man im engen Becken ebeufaJLv
auf einen Fuss, um den Durchtritt der oberen Körperhalfle
so weit thunlich zu begünstigen; doch halte man im Gedächtniss,
dass die auf Wendung folgende Ausziehung, obgleich letztere
mit der vorhergehenden in eine einzige Operation verschmolzen
zu werden pflegt, jedenfalls eine Operation mehr ist und die
Gebärende gemeiniglich mehr angreift als eine entsprechemle
Zangenoperation. Ist man also auf geringe Wehen imd be-
deutendes Missverhältniss gefasst, so drehe mau sofort auf
beide Fasse, um der Gebärenden das Herabholen des zweiten
Fusscs für sich zu ersparen.
Wir sind zur dritten Anzeige der Wendung hei engem
Becken gelangt; es ist das Mittel, die Geburt zu be-
schleunigen. Diese Indication zerfällt in zwei Elemente:
a) Ursachen , welche die Beschleunigung der Entbindung
im Interesse der Mutter rathsam machen, als da sind:
Uterinblutung, Eklampsie, Epilepsie, schwere Nervenerscbei-
nungen Oberhaupt wie Kopfschmerz, tiefe Ohnmächten , ausser-
ordenflicbe, durch Chloroform oder Opium nidit stillbare
Schmerzen, Bauchfellentzündung, ein eingeklemmter Bruch.
b) Ursachen, welche das Leben der Frucht bedrohen:
Zen*eissung oder irrepoiiibler Vorfall der Nabelschnur, plötz-
120 II* Meismer, Mittbeüungen über die ThHtigkeit
liebe oder zunehmeode Absdiwachung der fötaieit Herztöne:*
Abftiiss von Kifidspecb, bedenkliche Steigerung der Kopf-
geschwulst.
Um dieser Anzeige zu genügen, wird man öRer beide
Fnsse statt eines einzelnen herabholen, weil sich an beiden
Schenkeln die Frucht schneller ausziehen lässt , als an einem.
Vermag man jedoch zum zweiten Schenkel nicht zu gelangen,
ohne den Nabelstrang anhaltend zu drücken oder zu zerren,
80 begnüge man sich bei noch lebendem und lebenskräftigem
FAtns mit dem einen Fusse und vollführe die Operation mit
dem Bewusslsein, di/e Rettung des Kindes im Auge behalten
zu haben.
Die Prognose der zur Beschleunigung der Niederkunft
unternommenen Wendungen und Extractionen schwankt je
nach der Schwierigkeit der Sachlage : Complicationen wie die
in den mitgetheilten Beobachtungen vorkommenden lassen die
Zahl der Todtgeborenen von 25 auf 46 Procent steigen , indem
die vor der Geburt zu Grunde gegangenen Fruchte bisvVeilen
um ein Drittel die Zahl der in dei* Entbindung abgestorbenen
und der sterbend zur Weli kommenden übersteigen. Auc-fa
hierin hat der Gebrauch der Zange am vorliegenden Kopfe
bisher Erfreulicheres geliefert, indem in unserer Poliklinik
die Procente der Todtgeborenen und der in der Entbindung
absterbenden bei Beckenenge zweiten' Grades 12 , bei Becken-
enge dritten Grades 25 betragen. Dafür gewinnen wir durch
die Wendung (und Extraction) bei Verengung ersten und
zweiten Grades ohne ernste Complicationen 88,2 Procenl
lebende Kinder.
In jedem Falle ist es klug, die Prognose ei*st gegen das
Ende der Entbindung hin auszusprechen; denn nur zu häufig
bleibt zu unserem Verdrusse der nachfolgende Kopf während
der letzten Minuten stecken und macht. sogar, wenn uns das
Missverhältniss des Ausganges vorher entgangen war, die
Rntlnrnung des zuletztkommenden Schädels zur Pflicht.
Von dieser Gattung ist eine von Hohl erzählt« Geburts>
gps<ihirhte; m^n hatte am vorausgehenden Schädel zwei Mal
ohne Erfolg die Zange angelegt , entschloss sich zur Wendung
und brachte dieselbe gut fertig: aber sowohl die an den
a. d. Verband!, d. Gesellschaft f. Geburtshiilfe stt Leipzig etc. 121
Füssen angestellten AoBziehungsversuctie als auch Zaugen-
tractionen schlugen fehl, man tnusste zum spitzen Haken greifen.
Die Gegen anzeigen der genannten Classen von Wendung
bei engem Becken gruppiren sich folgend ermaassen :
1) für immer ein zu stark verengtes Becken;
2) ein den ganzen Canai hindurch verengtes (zu tiefes oder
allgemein verengtes Becken des zweiten und dritten
Grades) ;
3) das querverengte Becken;
4) das Tricbterbecken , sowohl das aufrechte als das um-
gekehrte ;
5) für jedes Becken die ausserordentliche Grösse öder
Härte des Kindsschädels; Wasserkopf mit zu hartcfm
und breitesn Schädelgrunde;
6) Einkeilung des fötalen Kopfes;
7) zu enge und pralle äussere Geschlechtstheile ;
8) anhallende Rigidität de% Mutlermundes (Krampfwehen);
9) erfolgler oder nahe bevorstehender Tod der Frucht,
ausser wo frühere Entbindungen für die Mutter sehr
angreifend waren.
In einem solcheii Falle habe ich, allerdings nach längerem
Abflüsse des Fruchtwassers, den in halber Gesicblslage zur-
Geburt gestellten Fötus auf einen Fuss zu drehen versucht,
konnte Jedoch theils wegen der Beckenenge (3" 2"' ConjOt
theils wegen des fest um die dicke Frucht geschlossenen
(Jterus nicht einmal zu dem nächstliegenden Fusse gelangen;
ein Arzt hatte vor mir Wendung vergeblich versucht und
auch mit der Kopfzange nichts ausrichten können. Daher
stelke ich den Schädel mittels der Hand zurecht, perforirte,
stand bald von den wiederholten Zangenversuchen ab , machte
langsam die Kephalothrypsis, und da der mit Vorsicht ge-
handhabte Kepbalothrypter abglitt, setzte ich den stumpf*
spitzen Flaken ins Schläfenbein, legte den. Kopfzerscheller
wieder an und vollendete so mit Hülfe beider Instrumente
rasch die Ausziehung.
Zuweilen macht sieh das Mutterkoni zum wirksamen
Bundesgenossen; ich für meinen Theil fürchte die Wendung
im engen Becken, wenn iöh ohne Wehen arbeiten soll, weil
122 I^- M«imner, MittheUnngen über die ThSti^keit
das Hinaufschlagen der Arme in derjenigen Geburtaepoche
zu concurriren pflegt, auf welche sich ohnehin niebrer« Cr>
schwernisse auf kürzesten Zeitraum zusammonztidrängen |>t1egen.
IV. Kaiserschnitt wegen eines grossen Uterusflbroides.
Ausgeführt und mitgetheilt
von
Profes&or Dr. Breela« in Zürich.
Vorgetragren am 21. März 1864.
(Mit Abbildung, Fig. 1.)
So gross auch die Erde ist und so viele Millionen von
Geburten es auch jährlich auf ihr giebt, so gehört doch der
Kaiserschnitt an einer Lebenden nicht zu den oft vorkom-
menden Ereignissen und ein ]e&ev Fall kann aus diesem oder
jenem Grunde das Interesse des Geburlshelfers und Chirurgen
in Anspruch nehmen. Dies zu thun wird auch derjenige nicht
verfehlen, dessen Mittheilung ich zu machen mir erlaube, ein
Fall, so eigenthumlich, so selten, so schwierig, so unglücklich
und glücklich wie er nur sein kann.
Am 15. September 1861 wurde ich von Herrn rDr. Reiser
in Aussersihl (bei Zürich) brieflich ersucht mich zu einer
Frau 8, zu begeben um mich mit ihm über deren Zustand
zu berathen. Ich fand eine 35jäbrige, wohl genährte, etwas
anaemisch aber keineswegs kacbektisch aussehende Frau mit
hellbraunen Haaren, die seit sieben Jahren verheirathet in
kinderloser Ehe lebend, schon seit geraumer Zeit sich unwohl
fühlte. Früher stets gesund, stets regelmässig aber sparsam
menstruirt fing sie bald nach ihrer Verheiralhung über mannich-
laltige Unterleibsbeschwerden zu klagen an. Vorzüglich waren
es Schmerzen in der Kreuz- und in der hypogastrischen Ge-
gend, gewöhnlich einige Tage vor dem Erscheinen der Menses
am heftigsten, beim Gehen und Stehen sich vermehrend, femer
ein häufiger, nicht immer zu befriedigender Drang zum Urin-
lassen, und nach und nach das Gefllhl einer im Unterleih«*
sich senkenden Kugel, wodurch sich die Kranke belästigt und
a. d. VerhandU d. Gesellscbaft f.Gebnrtslifilfe su Leipzig etc. ]23
bei i\nw sonst grossen häuslichen Thätigkeit vielfach beein-
trächtigt fand. Nie war Metrorrhagie, nie Fluor albus vor-
handen ; auch jetzt noch kehrten die Menses wie früher vier-
wöchentlich und stets in geringer Menge wieder. Den höchsten
Grad schienen die Beschwerden vor ungefähr einem halben
Jahre erreicht zu haben. Seitdem Frau 8. gelernt hatte, sich
selbst zu catheterisiren, seitdem sie warme Sitzbäder und In-
jectionen und innerlich leicht eröffnende tonisirende und
koblensäurehaltige Mittel gebrauchte, ist der Zustand erträg-
licher geworden. Von Zeil zu Zeit aber traten Exacerba-
tionen ein, besonders dann wenn feste Faecalmassen abgehen
sollten. In den letzten Wochen hatten sich über beide
Oberschenkel neuralgische Schmerzen verbreitet, öfters war
es zu Erbrechen gekommen, fortwährende Obstipation und
häufige Urinretention gehörten mit zu den unangenehmsten
Symptomen. Bei der ausserlichen Untersuchung des schwach
meteoristisch aufgetriebenen Unterleibes fühlte ich in der Tiefe
der hypogastrischen Gegend, einen gleichmässig harten, sphä-
roiden, unbeweglichen, unschmerzhaften Tumor, der aus der
Tiefe des Beckens bis 3 — 4 Querfinger unterhalb des Nabel«
heraufstieg, von Damischlingen bedeckt war und nirgends un-
mittelbar an der vorderen Bauchwand anlag. Bei der Vaginal-
Untersuchung stiess ich, kaum mit dem Finger in die Scheide
eingedrungen, in geringer Höhe auf die etwa 1^2 Zoll l^^S®
Vaginalportion, welche hinter der Urethra lag, von einem grossen
Tumor an die vordere Beckenwand angedruckt. Mit der
Vaginalportion war der Uterus oder zunächst wenigstens seine
rordere Wand und seine Höhle nach vorne gedrängt, platt-
gedrückt, die Höhle bis zu 4 Zoll verlängert, für die Sonde
in der Richtung nach links und über die Sehambeinsymphyse
hinauf durchgängig. Ging ich mit dem Finger von der hin-
teren Muttermundslippe aus zum Scheidengewölbe, so fand
ich einen auf diesem ruhenden, beinahe die ganze obere
Hälfte des kleinen Beckens auslullenden Tumor, dessen Ober-
fläche ziemlich platt, eine gleichmässige grosse Härte bot.
Die Form des Tumors war ähnlich der eines zur Geburt sich
stellenden Kindskopfes und ich bin fest überzeugt, dass man
ihn jetzt me später bei ungenauer Untersuchung leicht fiir
einen solchen hätte halten können. -Fast unbeweglich fest-
124 !'• M titaner, Mittheilnngen über die Thatigkeit
Stehend lehiile er sicli dicht an die hintere Wand des Uterus
an, war mit ihr offenbar in ganz inniger Verbindung.
Durch die combinirte (äuteerJiche und innerliche Unter-
suchung) konnte festgestellt werden, dass die von den Bauch-
decken aus erreichbare Geschwulst der obere Theil der io
das Becken hinabragenden Geschwulst und keine füi* sich be-
stehende sei und es muss noch bemerkt werden^ dass durch
das Rectum nicht weniger deutlich wie durch die Scheide
das umfangreiche, untere halbkugelige Segment des Tumors
zu fühlen war. Zu diagnosticiren war kaum etwas anderes
als ein interstitielles, von der hintei^n Wand des Uierus aus-
gehendes, fast die ganze Excavatio recto-uterina ausfüllendem
Fibroid. Alles sprach für diese Diagnose, dagegen höchstens
der einzige Umstand, da^ss die Kranke nie an Metrorrhagieen
gelitten hatte, indess weiss man, dass diese fehlen können,
wenn die Fibroide nicht gegen die Schleimhaut hin wachsen
sondern sich in der Muscularis eingebettet ausbreiten oder
gegen das Peritonieum vorrücken. Nicht so leicht wie mit
der Diagnose war es mit der Therapie ins Reine zu kommen.
Das Fibroid schien zwar sehr langsam gewachsen zu sein,
hatte aber schon eine Grösse erreicht, die bei seinem Sitze
nicht mehr viel überschritten werden durfte wenn nicht die
höchste Gefahr entstehen sollte. Etwas musste geschehen,
die vorhandenen Beschwerden erträglich zu machen, künftige
zu verhüten. Von einer totalen und radicaien fixstirpaüon
konnte bei dem grossen Umfange des Tumors nicht die Rede
sein, von einer partiellen Entfernung etwa durch Enucleation
von der Scheide aus musste der grossen Gefährlichkeit halber
und da der Tumor kein aus mehreren zusammengesetztes
sondern ein einfaches zu sein schien, abstrahirt werden, eine
Function zum Zwecke der Entleerung flüssigen Inhalts konnte
bei einem Fibroide keinen oder einen nur ganz unbedeutenden
Nutzen haben, wenn man zufällig eine der mitunter im
Innern solcher Geschwülste vorhandenen mit schleimiger Flüssig-
keit gefüllten Höhlen traf. Durch eine medtcinische Behand-
lung glaubte ich auch nur wenig Erspriessliches und dies^
nur auf Umwegen leisten zu können. Zuerst brachte ich in
Vorschlag, den Marienbader Kreuzbrnnnen trinken zu lassen,
später wollte ich einen Versuch mit der Heilbroimer Adelheids-
u. d. Verhandl. d. OBsellschaft f.Gebnrtshülfe sn Leipzig etc. ]26
quelle machen, wiewohl mein Vertrauen auf Jod und Brom
bei Fibroiden kein grosses ist Das verordnete Marienbdder
Wasser wurde nicht vertragen und da in den nächsten acht
Tagen die Symptome des Druckes neuerdings eine Steigerung
erfuhren, so brachte ich nun ein Verfahren in Ausführung,
welches mir unterdessen in den Sinn gekommen war.
Für die iFibroide gibt es drei Arten eines natüdichen
Ueilungsprocesses ; die eine besteht in Verfettung und Er-
weichung, die andere in Verkalkung oder wirklicher Ver-
knöcherung, eine dritte Art die der spontanen Abscedirung
und nekroüscheu Abstossung des ganzen Fibroides oder ein-
zelner Parlhieen pflegt meines Wissens zwar hei submucösen
Fibroiden, bei denjenigen die zu Polypen wenlen, vorzukommen,
aber nicht bei den in der Muscularis des Uterus vollkommen
eingebetteten, interstitiellen Fibroiden.
Wie sollte nun der eine oder der andere dieser Pracesse
eingeleitet werden, deren-ein jeder eine Wachsthumsbeschränkung,
eine Volumen Verminderung zur Folge hat? Ich erinnerte mich
irgendwo ^) gelesen zu haben, dass liayer an Thieren denen
er öfters Nadeln in die Ohrknorpel einstiess, nach und nach
eine Verkalkung und Verknöcherung dieser Tbeile hervor-
brachte und wenn mich mein Gedächtniss nicht trügt, so
braclite auch Bayer aufgemuntert durch die Resultate seiner
Versuche in Vorschlag die Uterusfibroide in gleicher Weise
zu reizen um sie zum Verkalken und Verknöchern zu bringen.
Ist nun auch das Grundgewebe eines Fibroides ein anderes
als das eines Ohr-Faserknorpels, so ist doch bei der histo-
logischen Verwandtschaft des Binde- und des Knorpelgewebes
für beide bekanntlich die Metamorphose zu vollständigem
Knochengewebe oder die einfache Absetzung vcm Kalksalzen
möglieh und in beiden Geweben kann es zur fettigen Degene-
ration oder endlich zur entzündlichen Schmelzung und Eiter-
bildung kommen. Durch diesen Gedankengang entstand mein
Entschluss, durch Einstechen von Nadeln in das grosse Fibroid
der Frau S, eine nutritive Veränderung hervorzubringen, von
der ich freilich im Voraus nicht wissen konnte, welcher
1) Wahrscheinlich in den Berichten der Soci^t^ de biologie
▼on Paris.
126 I^- MeUmer, Mittheilnn^en über di« ThAtigkeit
Art sie sein werde. Durch das hinlere Scheidengewölbe stiess
iclj zuerst einen gewöhnlichen Exploralivlroikar mitten in das
Parenchyni des Fibroides ein, die Möglichkeit ins Auge fassend,
dass icli eine Höhle IrefTen und den -Inhalt entleeren könne.
Ausser ein paar Tröpfchen Blut floss aber nichts ab. Hierauf
machte ich, die Canule des Troikars bei Seite lassend, mit
der fixplorativnadel allein noch rasch hinter' einander drei
oder vier Stiche in verschiedenen Richtungen in das Pibroid,
somit eine einfache Acupunctur in der Absicht durch Reizung
des Fibroides sein Gewebe zu einer regressiven Degeneration
zu bestimmen. Die Folgen dieser scheinbar kleinen Operation
für den Gesammtorganismus waren weit bedeutendere als ich
vermutliet hatte. Es traten die Symplonäe einer heftigen Peri-
metritis mit ausgedehnter Betheiligung des Peritonäums auf,
es entwickelte sich hei starkem Fieber mit wiederholten
Schüttelfrösten ein pyämischer Zustand mit icterischer Haut-
farbung, und für das Leben der Kranken war mehrere Wochen
hindurch sehr zu furchten, so dass ich wirklich bereuen
inusste, die Acupunctur vorgenomnten zu haben. Erst als
theils durch die Slichöfl'nungen in die Scheide hinein, theils
in das Rectum sich listulöse Gänge bildeten, welche eine nicht
unbedeutende Menge von Eiter lieferten, wichen die bedenk-
lichsten allgemeinen Erscheinungen und Friau S, erholte sich
nach gnd nach Dank ihrer zähen Constitution so weit, dass
sie das Bett wieder verlassen und ihre gewohnten Be-
schäRigungeu wieder aufnehmen konnte. Während der schweren
Erkrankung hatte ich Frau 8, nur ein einzigesmal besucht.
Sie hatte das Vertrauen zu mir verloren und wollte von ihrem
Hausarzte Herrn Dt, Reiser allein behandelt sein.
Nach Neujahr 1862 besuchte sie mich, erstaunhch gut
aussehend und ihre Freude darüber äussernd, dass es ihr
jetzt doch weit besser gehe wie vor der Operation.
Die J)ruckheschwerden waren vermindert, sie selbst glaubte
eine entschiedene Verkleinerung ihrer Geschwulst zu bemerken,
aus der immer noch bald mehr bald weniger Eiter in Scheide
und Mastdarm abfloss, und die von Herrn Dr, Reiser vor-
genommene Untersuchung, die mii^ nicht mehr gestaltet wurde,
bestätigte, dass das Fibroid, wenn auch nicht viel, doch elwas^
u. d. Verband], d. Gefl^Hschaft f. Oebnrtshülfe in Leipzig etc. 127
abgenommen halte. Dieses ^^Etw^is'' war aber leider ge*
iiugend um unsere Kranke in einen physiologischen Zusland
zu versetzen der so unglücklich för sie enden sollte.
Zwei Jahre vergingen, bis ich Frau >S'. wiedersah. Es
war am 18, December 1863 als sie sich in meiner Spi*ech-
stunde bei mir einrand. Schon bei ihrem Eintritt liel mir
ihr durch die Crinoline nur unvollkommen maskirter grosser
Umfang auf, der mich sogleich zu der Frage veranlasste, ob
sie etwa guter Hoffnung sei. Sie erzählte mir nun, dass sie
Ende März oder Anfangs April zum letzten Male ihre Regeln
gehabt und von jener Zeit an sich schwanger glaube. Im
Anfange habe sie viel an Uebelkeit und Erbrechen besonders
des Morgens gelitten, habe auch einen starken Druck m
Becken empfunden, seit August aber, seit welcher Zeit sie
Kindesbewegungen fühle, sei es ihr in dem Maasse als der
Unterleib mehr nach aufwärts an Umfang zugenommen, leichter
geworden. Sie komme ji^tzt nur um von mir Gewissheit zu
erlangen, ob sie wirklich schwanger sei, da ihr Arzt, der sie
eiuigemale, zuletzt vor ungefähr drei Monaten untersuchte,
stets grosse Zweifel geäussert habe. Seit zehn Jahren ver-
beirathet und im 38« Jahre stehend hatte sie gleichwohl stets
das Verlangen nach Nachkommenschaft. Vielleicht um dieses
erfüllt zu sehen hatte sie es vermieden in einer früheren
Periode ihrer Schwangerschaft deren künstliche Unterbrechung
anzustreben. Ihr natürlicher Verstand liess sie die Gefahren
einer rechtzeitigen Geburt wohl erkennen, aber ihr Muth und
eine gewisse leichte Art das Leben so zu fassen, wie es eben
ist, verdrängten die Sorgen und Bedenken, die eine jede zum
ersten Male schwangere Frau hat, die sie in weit höherem
Maasse zu haben berechtigt war. Sie war merkwürdig ge-
fasst und entschlossen, was u. A. daraus hervorgeht, dass sie
sich in den letzten Wochen ihren Leichenanzug selbst nähte,
plättete und aufs Sauberste zu recht richtete. Meine Unter--
suchung jetzt und mit grösserer Exactheit ein paar Tage später
in der Behausung der Frau S, angestellt, ergab mir Folgendes:*
Das Ausseben gut, Fettpolsler nicht geschwunden, Muskeln-
und Knochenbau kräftig, voller, regelmässiger Puls, Respiration
etwas beengt, Brüste turgesciren, beide Brustwarzenhöfe
sind stark pigmentirt. Der Unterleib bedeutend ausgedehnt,
128 I^* Meissner ^ MUtheilungen über die TbStigkeit
misst im Umfange 102 Ctm. und in der Höhe von der
Scbambeinsymphyse bis zum Grunde des Uterus 42 Cün.
Die Linea alba ist schwach pigmentirt, der Nabel ganz ver-
strichen, die Bauchbaul ist lielrächllich gespannt. Die Form
des Bauches ist eine ovale, der Grund des Uterus lässt sich
deutlich durch das Gefühl und die Percussion l'/^ — 2 Hände
breit ober dem Nabel abgrenzen. Drei unzweifelhaft in der
Uterinwand sitzende, unverschiebbare knollige Erhabenheiten,
2 rechts, 1 links lassen sich mit den darüber gleitenden
Fingern von den Bauchdecken aus erkennen und mit der
höchsten Wahrscheinlichkeit als Fibroide bestimmen.
.Links oben fühlte ich einen grösseren wenig beweg-
lichen Kindstheil (Kopf), kleinere konnte ich nicht entdecken.
Die Fötalberztöne hörte ich links das Erstemal ganz deutlich,
das zweite Mal undeutlich. Beim Auflegen des Kopfes zum
Zwecke des Auscultirens fühlte ich öfters erschütternde,
stossende Bewegungen des Kindes, welche mit dem suh-
jectiven Gefühle der Mutter übereinstimmten. Die Scheiden-
exploration ergab ein ähnliches Resultat wie das früher geschil-
derte. Die an der vorderen Beckenwand anliegende Vaginal-
portion war noch einen guten ^/^ Zoll lang, die vordere
Lippe länger als die hintere. In den äusseren Muttermund
konnte die Fingerspitze nur eine kleine Strecke weit ein-
dringen, die Scheide war etwas rauh. (Vaginitis granulosa).
Kein Kindestheil lag vor, dafür aber das kindskopfgrosse von
der hinteren Uterinwand ausgehende Fibroid, unverschieh-
bar, last beinahe wie ein hölzerner Klotz. Unmöglich war
es mit der Fingerspitze seitlich an der Linea innominata und
liinten in der Kreuzbeinaushöhlung einen Raum zu finden, der
es gestattete, zwischen Tumor und zwischen Beckenwand in
die Höhe zu dringen, und an der vorderen Beckenwand war
noch eine quere Spalte übrig, gerade genügend zur Aufnahme
der Weichiheile, der Vaginalportion, des Blasenhalses und der
Urethra.
Dass Frau S. schwanger sei, dass ihr Kind lebe, dass
die SchwangerschaO, wenn auch nicht ganz am Ende, so doch
dem Ende nahe sei, war über allen Zweifel erhaben; nicht
aber so sicher festzustellen war die Meinung, welche man
über die Bedeutung des Tumors für die bevorstehende Geburt
Q. d.Verhandl. d. Gesellschaft f.Gebnrtsbaife cnLeipsigf etc. 129
haben konnte. Mochte man ihn immerhin för ein schweres
Geburtshinderniss mechanischer und dynamischer Natnr hallen,
so konnte man doch noch daran denken ob die Geburl nicht
auf irgend eine Weise auf natürlichem Wege geleitet werden
könne, oder ob ^s absolut nöthig werde die Sectio caesarea
ZQ machen.
Nach reiflicher Ueberlegung und vorheriger B^ratliung
mit Herrn Professor Clo'ita und Dr. Reiser entschied ich
mich dafür, dass ich die Sectio caesarea als die einzige
Möglichkeit ansah, Mutter und Kind zu retten. Keine
Alternatiye schien mir gegeben zusein, nicht einmal die einer
gänzlichen Zerstückelung > des Kindes, denn bei einer Raum-
beschränkung so hoben Grades war voraussichtlich das
Einfuhren von Hand und von Instrumenten ein Ding der
Unmöglichkeit. Mein Plan war also, wenn es anginge, das
Ende der Eröflnungsperiode abzuwarten und dann ohne irgend
welche andere Versuche und , ohne weiter zuzuwarten , den
Haiserschnitt bei stehender Blase zu unternehmen.
In der Nacht vom 24/25. Januar 1864 um V^l Uhr
früh wurde ich zu Frau S. gerufen. Schon Tags zuvor waren
vorbereitende Wehen vorhanden gewesen, um 11 Uhr Nachts
waren sie mit grösserer Heftigkeit aufgetreten. Zuerst war
die Hebamme, dann Herr Dr. Reiser geholt worden. Noch
bevor derselbe kam (gegen 12 Uhr) war die Blase gesprungen
und viel Fruchtwasser abgegangen. Bei der erstmaligen Unter-
suchung fand er die Nabelschnur in die Scheide vorgefallen,
machte einige Reposition s versuche, stand aber davon ab, als
sie misslangen. Ich selbst fand, dass durch einen 1 Franken-
stück grossen Muttermund eine Nabelschnurschlinge, die deutlich
und ziemlich lebhaft pulsirte, in die Scheide tief herab-
getreten war, der vordere Rand des Mutlermundes war scharf-
^ randig, an die hinlere nicht ganz vei'strichene Lippe lehnte
sich unmittelbar der bekannte Tumor an, der nun auch vom
Cervicalcanal aus, in den ich mit der Fingerspitze eindringen
konnte, deutlich zu en*eichen war. Hoch oben im Cervical-
canal erreichte ich die Zehen des linken Fusses. Die Nabel-
schnur konnte ich nur theilweise reponiren und auch das
reponirle Stuck wurde bei jeder Wehe wieder vorgedrängt.
Schleim rah etwas Mekonium gemischt ging aus den Geni-
Moa«U80hr. f. GebarUk. 1866. Bd. XXV., Snppl.-Hft. 9
130 n. MeiMfier, MittheUan^<»o über die Thütigkeit
Ulieu ab. Der Uterus hatte eine geringe Schiefläge nach
rechts, in seinem Grunde war der Kopf des Kindes zu luhkfh.
Somit hallen wir es mit einer Fusslage zu thun. Die Wdien
waren sehr kräftig« schmerzhaft und hatten sclion den
Charakter der Treibwehen angenommen. Mein schon ü'öher
gefasster Entschluss musste nun zur Ausführung kommen.
WoJUe man nicht geradezu eine für Muttermund Kind ganz
hoffnungslose Operation unternehmen, so durfte nicht lange
mehr gezögert werden. Die ungünstigen Umstände des fröli-
zeiligen Wasserabflusses und des NabelschnurvorfaJIes durften
nicht abhalten, sondern mussten zur möglichsten Beschleu-
nigung anspornen. Bis zur Ankunft, meiner Assistenten der
Herren Dr. Biüeter und Moor^ und bis alle Vorbereitungen
getroffen waren, vergingen noch zwei Stunden, während
welcher ich die Gebärende drei i>otoer'sclie Pulver nehmen
Hess, um das Uebermass der Wehen herabzusetzen, ehie bei
der Krankhaften Beschaffenheit des Uterus jeden Augenblick
drohende Ruptur zu verhindern und den das Leben des Kindes
im höchsten Grade gefährdenden Druck zu massigen. Gegen
drei Uhr konnte die Ordre de batailie ertheilt werden. Un*
verändert war der Status quo von zwei Stunden früher. Die
Gebärende ertlieilte mir die Erlaubniss zu thun was ich für
uöthig finde und ihr Mann, ein hoher Fünfziger, zum dntten
Male schon verheirathet, erhob keine Einsprüche gegen mein
ihm schon früher mitgetheiltes Vorhaben,
Das Zimmer war klein, die Beleuchttmg mangelluift, an
Assistenten hatte ich keinen Ueberfluss. Herr Dr. Reiser
besorgte die Chloroformnarkose, die Herren Moor und BiUeter
standen der eine auf der rechten, der andere auf der linken
Seite der Gebärenden, ihr Mann hielt ein Licht, die Hebamme
halte Wasser und Schwämme zu reichen. Nachdem der Uterus
in die Körperacbse gebracht und fixirt war, begann ich den
Hautschnitt in der Linea alba, Schamberg und Nabel schonend
und führte ihn (wie eine nachträgliche Messung ergab)
16 Ctmtr. lang. Dabei war eine querherüberlaufende grosse
Hautvene nicht zu schonen. Noch vor Eröffnung des
Peritonäums stillte ich die Blutung aus der durchschnittenen
Vene durch Ansetzen zweier Schieberpincetlen. Aus der
geöffneten Peritonäahöhle floss die gewöhnliche Menge sei*öser
n. d. Verfaandl. d. Gesellsebnft f. Gebnrtshfilfe ni Leipzig etc. 131
Flüssigkeit. Auf der Oberfliche des nim blos gelegten lividen
Uterus sahen wir ein paar kleine suhperitonäale Fibroide.
Der {Schnitt durch den Uterus weniger lang als durch d)e
Bauchdecken wurde möglichst gerade und schnell geffilirt.
Die Blutung war einige Momente eine ungeheuere. Da das
Fruchtwasser abgeflossen, so musste die Innenflache des Uterus
auch am Kinde anliegen; desswegen war Vorsieht geboten
um bei Erdflmmg des Uterus nicht das Kind zu verletzen.
Kaum dass die vordere Utertnwand durchschiikten war, so
drängte sich aus dem oberen Wundwinkel ein weisslicher,
etwas höckeriger Körper hervor, den ich. beim ersten Anblick
für ein kindliches Knie oder einen Ellenbogen hielt. Bald
gewahrte ich aber meinen Irrthum und sah dass es ein un*
gefabr welscbnussgrofises submuoöses Fibroid sei.
Nachdem ich die Uteruswunde nach unten dilatirt hMi**,
praseRtirte sich der linke Schenkel und die linke Hätte des
Kindes. Meine beiden Assistenten setzten ihre Zeigefinger m
den oberen und unteren Wundwinkel des Utei*us um ihn an
die Bauchwand heranzuziehen, trotzdem drängte sich wäln'end
der nun folgenden Extraction des Kindes von unten links eine
Dönndarmschlinge vor, welche schwer zuiiick zuhalten war.
Die Extraction volHuhrte ich beide Ffisse ergreifend, beide
Arme lösend ohne Mfihe bis zum Kopfe. Für diesen musste
aber die Uterinwunde noch etwas erweitert werden. Das
Kind, ein kräftiger, ganz reifer Knabe war scfaeiatodt, schlafl*,
cjanotisch. Ich schnitt schnell die fast pulslose Nabelschnur
ab und äbergab den jungen Caesar der Hebamme. Nach
einigen Bemähungen wurde er zum Schreien und Bewegen
gebracht, und beflndet sich zur Zeit, was ich gleich bemerken
will, vollkommen wohl. Alsbald erschien in der Schnittwunde
die Placenta, die ich sammt Eihäuten leicht entfernte. So
weit war mm Alles. noch gut gegangen. Jetzt aber begann
das Unerwartete, das Unregelmässige, das Zweifel Erregende.
Der Uterus seines ganzen Inhalts entledigt^ contrahirte sirh
nicht regelmässig, sank nicht in das Becken hinab, seine Schnitt*
rander näherten sich einander nicht. Statt dessen war der
Uterus noch voluminös, mit grösseren und kleineren Fibroiden
darehsetzt, der Schnitt klaffte weit von einander^ die hintere
Parthie des Uterusgrundes, an welcher die Placenta gesessen,
9*
132 n. IMtMtfr, Mitiheilangen über die Thi&tifkelt
zeigte die Neigung sich zu invertiren, die untere Parthie der
hinteren Uterinwand war starr dem grössten der Fibroide
abliegend, das kleine oben erwähnte Fibroid wich nicht aus
dem oberen Wundwinkel. Wollte ich die Operation nicht
unvollendet lassen und Frau S. einem sichern und schnellen
Tode preisgeben, so musste ich den widersti*ebenden Uterus
kunstlich vereinigen. Dies geschah auch, nachdem ich
mehrere Minuten lang vergebliche Versuche mit Händen und
Schwämmen gemacht hatte, den sich mehr und mehr um*
Stulpenden Uterus zu reponiren und zur natürlichen Reduclion
zu bringen. Vorerst musste ich noch das kleine Fibroid mit
den Fingern enucleiren, denn sonst wäre nicht einmal eine
Naht möglich gewesen. Dann gin^ es ans Nähen der Uterus-
wunde. Noch bevor ich den ersten durch die ganze Dicke der
Uterus-Muscularis gezogenen Seidenfaden auf der Peritonäalseite
des Uterus knüpfen konnte, trat Chloroform-Erbrechen ein,
das sich von nun an öfters wiederholte. Wir hatten dabei
alle Muhe das Vorfallen von Darraschlingen und das Umstülpen
des Uterus zu verböten und -nebenbei musste der nicht un-
erheblichen Blutung aus der Placentarwunde und den Schnitt-
rändern durch Hände und Schwämme Einhalt geschehen. Nach
einem unvermeidlichen Aufenthalte wui*de im Nähen des Uterus
weitergefahren und seine Wunde durch fünf Knopfnähte ge-
schlossen. Beide Fadenenden wurden kurz abgeschnitten, denn
beide oder nur Eines nach aussen durch die Bauchwunde zu
leiten, schien mir weniger rationell, als die Fäden im Uterus
ihrem Schicksal zu öberlassen, die Möglichkeit voraussetzend,
dass sie einheilen können. (Ich habe mich schon früher
viel mit dem Gedanken beschäftigt, wie man es anfange soll,
um eine Naht an den Uterus, sei es mit Seidenfaden, sei es
mit Metalldrahl, zu legen, die durch die Bauchwunde nach
aussen geführt später wieder entfernt werden könnte, aliein
dieses Problem zu lösen ist mir nocli nicht gelungen.) Nach
Schliessung der Uteruswunde vereinigte ich die Bauchdecken
durch zwölf Knopfnähte mit Seidenföden, wovon sechs das
Peritonäum mit fassten, die anderen sechs aber nur ober-
Qächlich die Wundränder mit einander verbanden. Um %4 Uhr
war die ganze Operation vollendet. Die aus der Chloroform-
narkose erwachte Operirte war nicht im Geringsten collabirt,
Q. d. Verband!, d. OeselUchaft f. Gebnrtsfaülfe in Leipsig eic. 133
der Puls war massig voll, schlag circa 80 Mal in der
Minute, die EztremitSten waren warm, die Farbe der Lippen
und der Gesichlshaul war nichts weniger als anämisch. Zu-
nächst wurden der Operirten ein paar Löffel voll Suppe mit
etwas Wein gereicht, dann erhielt sie Vs stündlich Vs &'
Opium. Um zehn Uhr war die gleich nach der Operation
vorhanden gewesene grosse Schmerzhaftigkeit und Aufregung
gemindert. 4 gr. Opium waren genommen worden. Ein Ver*
such eine Eisblase auf den Unterleib zu legen wurde nur
kurze Zeit vertragen. Erbrechen war wiederholt eingetreten ;
noch konnte es der Nachwirkung des Chloroform zugeschrieben
werden. EisplUen und stündlich ^1^, gr. Opium verordnet
Um vier Uhr Nachmittags war der Puls 112, Schmerzen ver-
breiteten sich über den ganzen meteoristisch aufgetriebenen
Unterleib und den Rucken, Würgen und Erbrechen grunliclien
Schleimes sehr häufig. Verordnet wurde Tr. op. simpl. Sii
mit Liq. anodyn. miner. Hoffmanni 5i halbstündlich 6 — 8
Tropfen, femer ein einfaches Clysma. Um acht Uhr Abends
war der Zustaud sehr verschlimmert. Puls fast unzählbar
und verschwindend, kleine Exti*emita|en mit kühlem, klebrigem
Schweiss bedeckt, Gesichtszüge entstellt, grosse Jactation,
immerwährendes Erbrechen, Verlangen nach Schlaf und Ruhe.
Dies zu erfüllen wurde die Kranke in eine mehrstündige leichte
Chloroformnarkose versetzt und ein Clysma mit 40 Tropfen
Opiunitinctur gegeben. So wurde auch ein der Unglücklichen
noch recht wohlthätiger Schlummer erzielt, bis um ein Uhr
früh, also 22 Stunden nach der Operation, der Tod bei vollem
Bewusstsein erfolgte.
Die Section, im Anfang verweigert, konnte erst am
28. Januar, wenige Stunden vor dem Begräbniss, gemacht werden,
bei bereits sehr vorgerückter Fäulniss.
Zwischen Bauchdecken und Uterus lag eine Dünndami-
schlinge, wahrscheinlich dieselbe die schon bei der Operation
sich vorgedrängt hatte. Die Uterinwunde war gut verschlossen;
eine geringe Menge blutiger trüber Flüssigkeit war in der
Bauchhöhle. Naclf Eröffnung des Uterus brachte ich durch
denselben von oben her meine Hand in das Becken. Nur
an der vorderen Beckenwand konnte ich vier Finger der
Quere nach hinabscbieben, sonst nirgends. • In der Richtung
134 !'• Meissner f Mittheilungen über die Thätigkeii
des geraden Durchmessers dos Beckeneinganges hatten zwei
nebeneinandergeiogte Finger nicht mehr Platz. Mehrere dex
anwesenden Coliegen beslätigten diesen Befund. Den ganzen
Uterus sammt Geschwulst, die im hinteren Douglasischen
Räume verwachsen war, und sich längs der Lendenwirbel tiel
ins kleine Becken verfolgen Hess, exstirpirlen wir nnd schafften
ihn aus dem Hause.
Das ganze Präparat wog 5% Pfd. eidgenössischen Ge-
wichtes = 2875 Grm. Rechnet man hiervon für den Uterus
allein nach den Gewichtsbestimniungen \on Hecker ') 1000 Grm.
weg, so bleiben für sämmtliche Geschwülste 1875 Grm.
Die Länge vom Grunde des Uterus bis zum äusseren Mutter-
munde an der hinteren Wand gemessen betrug 10" 2'" P.,
die Länge des Cervix allein 4" P. Die Uterinsubstanz war
an verschiedene Stellen von sehr ungleicher Dicke, am düimsten
die hintere Parlhie, hinler welcher das gleich zu erwähnende
grosse Pibroid lag. Hier war fast nur Schleimhaut, nur wenig
Muscularis. Ausser einer unhestinmiten Anzahl kleinerer
und grösserer Fibroide, submucöser, interstitieller und suh-
peritonäaler fand sich das schon wiederholt angedeutete grosse
int4>rstiüelle Fibroid eingebettet, in der hinteren, sehr ver-
längerten Wand des Cervix, herabreichend bis zur Scheide,
nach aufwärts bis etwa in die Mitte des Uteruskörpers. Seine
grösste Höhe betrug 5" 6'" P. , seine grössle Tiefe (in
sagiltaler Richtung) 3" T'\ sein grössler horizontaler Umfang
33 Ctm. Es hatte eine nahezu eiförmige Gestalt. Seine'Con*
sistenz war weit weniger bedeutend als ich sie früher an
der Lebenden wahrgenommen hatte. Seröse Durchtränkung
und Fäulniss mögen die Consistenz verändert haben. Kalk-
oder Knocbenablagerung fand sich nirgends. Auf dem Durch-
schnitt quölle seine Substanz über die Schnittflächen hervor.
Eine grosse, beinahe centrale etwas langgezogene Höhle mit
fetzigen Wandungen und missfarbigem Inhalte fand sich in
seiner Substanz, ausserdem mehrere kleinere. Es schien nicht
aus mehreren zusammengesetzt zu sein^ wenigstens konnte
man keine deutliche Abgrenzung zwischen dem Gewebe wahr-
nehmen. Gegen die Oberfläche hin waren aber deutliche Ein-
1) Hecker'» Klinik der GeburtBkunde, Bd. I., 8. 90.
u. d. Verhandl: d. GeselUehaft f. GeburUhülfe so Leipsig etc. 1 35
kerbungen zu sehen, lieber Farbe und Blnfreiehthuui nii<l
die feinere histok)gisGhe Beeohafleiiheii konnte der Paulnisft
wegen kein AufechJuss erlangt werden. Seine Verbindong
mit der ibn umgebenden Uterinsubstans war eine innige ; eine
Enncleatien wilre nimnicrmehr gelungen. Die beigegebene
Zeicbming noch am gleichen Tage von Henrn Höfling auf-
genommen, stellt die hinlere Seite des Uterus mit seinen de-
sclimllsten in natftriicher Grösse dar. Der Künstler hat sich
bemdht, eine möglichst getreue Abbildung zu liefern, und ich
glaube, dass es ihm auch gehingen ist. Das grosse Fibroid
in verticaler Richtung durchschnitten und auseinander geklappt
(ritt dem Beschauer am meisten in die Augen. An dasselbe
angrenzend nach oben ist ein kleineres, darQber sind niebitsre
andere wiedeiinn grössere, theils durchschnitten, tfaeils vom
Peritonlnm noch bedeckt wahrzunehmen. In keinem der Fi-
broide, mit Ausnahme des grossen, fand sich eine Höhle imd
ich vermutbe, dass diese in Folge der vor zwei Jahren vor-
genommenen Acupunctur entstanden ist. (S. die Abbildung.)
Am Sdilusse meiner Erzählung angelangt werfe ich mir
selbst die Frage auf, ob der Kaiserschnitt unter den gegebenen
Verhältnissen indicirt war, oder ob ein anderes Verfahren mit
Wahrscheinlichkeit zu einem glücklicheren Resultate bitte fflhren
können.
Einen Irrthum, einen Fehler einzugestehen, wArde ich
kein Bedenken tragen, wenn ich mir jetzt eines solchen he-
wusst wSre, aber mein Wissen und Gewissen sagt mir, dass
ich so gehandelt habe, wie ich unter den gebotenen Umständen
habe handeln können.
Eine künstliche Frühgeburt oder vielmehr ein künstlicher
Abortus zu einer Zeit, wo der Fötus noch nicht lebensl^htg
war, hatte vielleicht Frau S, retten können.*) Später, ffinf
Wochen vor der Entbindung als ich zum Ersten Male die
Schwangere untersuchte, hätte eine künstliche Unterbi*ecbong
der Schwangerschaft bei der bereits weit gediehenen Ent*
Wickelung des Fötus kaum einen kleinen Vortbeil vor dem
passiven Zuwarten bis zur rechtzeitigen Beendigung voraus
1) Cfr. die Fälle von kiinstliclier Frfihgebart bei OeschwUlsten
von Dr. Äiikwtll in den (Ttiy's Hospital reports, Vol. I., p. 8(fo.
136 I'* MmwMT, MUtheilungen über di« TbUtigkeii
gdMibi. Zudem glaubte ich die Geburl, den Angaben der
Frau 8, gemäss^ auf die ich mich faal aliein aintzen konnte,
schon um Neigahr herum erwarten zu dürfen. Als nun die
Geburt von selbst eingetreten war, konnte man noch ver-
aehiedene Wege einschlagen. Der eine war der, lange Zeit
gar nichts zu thun, sondern zuzusehen, was die Wehentbätig-
keit zu leisten vermöge, ob der Tumor von der hinteren
Wand des Uteras zurück in die Höhe gesogen werde, ob er
von dem durchtretenden Kindeskörper verdrängt und zu-
sammengedruckt werde. Versteht sich, dass das Kind, dessen
Nabelschnur vorgefiiUen, unfehlbar dabei zu Grunde gegangen
wire und was die Mutter betrifil, so wäre sie allen Chancen
der Uterusruptur primo loco, daim dei* Erschöpfung, der Bhituog
ete. schon während der Geburt ausgesetzt gewesen. Ein zweiter
Weg bestand darin, Versuche zu machen, den Tumor über
das kleine Becken hinauf in die Höhe zu schieben, dabei wie
beim sogenannten doppelten Handgrifl* den vorliegenden Fuss
zu ergreifen und das Kind herabzuziehen, sobald sich der
Muttermund eröffnet oder nachdem man zur Einsicht ge-
kommen wäre, dass die Naturkräfle das mechanische Hindei-
iHSs nicht zu überwältigen vermögen. Dann wäre die Gefabr
einer kiosllichen Ruptur eine äusserste gewesen, man hätle
sich gefasst machen müssen, die schwierigste Perforation,
Kephalotripsie am nachfolgenden Kopfe zu unternehmen, diese
Operation möglicher We*ise gar nicht vollenden zu können und
zuletzt noch, nur um die Mutter nicht unentbundeu steii>en
zu lassen, den Kaiserschnitt zu machen. Man hätte endlich
einige mehr unschuldige aber immerhin das Leben des Kindes
tödtende Operationen, wie Extraction an den Füssen^ und
etwa noch die Zange probiren und dann zum Kaiserschnitt
seine Zuflucht nehmen können. Nach dem Sectionsergebniss
zu schtiessen glaube ich, dass die Geburt auf natürlichem Wege
durch das Becken hindurch, sei es als spontane, sei es als
operative unmöglich war. Nicht blos die Grösse des Tumors
inusste ein unüberwindbares Hindemiss abgeben, sondern seine
Lage vom Gervix uteri aus über den Scheidengrund und seine
Fixirung durch alte Adhäsionen im hinteren Douglasischen
Räume. Wie ii»l es denkbar, dass er iiätte von seinei* so un-
günstigen Stelle weichen können, und wenn nicht, — wie
n. d. VerlMsdl. d. QeselUekiift L G^burtobfilfe «n Lelpsig etc. 137
kau» «an giauben, dasg er« IrolB einer gewifiseu Weichheit,
in seinem segillaien Durchimsser um Vj^" durch Compreesion
b&tte abnehmen können? Und so viel bedurfte es doch we-
nigstens!, um ein seJbst vöUig zertrümmertes Kind hindurch*
zuleiten. Gesetzt aber, es wäre endlich doch gelungen, die
Entbindung auf natMichem Wege zu vollenden, so hätte man
noch die Gefabren des Wochenbettes bei einem maltraitirten,
erschöpften, kranken Uterus v<h* sich gehabt, gewiss nicht
minder gross « ja vielleicht grösser als diejenigen , welche ein
regelrecht und ohne die störende Zwischenkunft unvorbar-
gesehener Zufälle ausgeführter Kaiserschnitt der Wöchnerin
gebracht hätte. Der schnell tödtliche Ausgang ist wohl vor*
xöglich dem langen Offenstehen der Peritonäalhöhle 2U2u-
Bchreiben, welches eine Peritonitis de& acutesten Grades nach
sich Kog. Hätte ich in kürzerer Zeit, in 20 Minuten etwa
statt in ^/4 Stunden die Operation beendigen können, so
dürfte eine Genesung nicht in das Bereich der Unmöglichkeit
gehört haben.
Die S^ltei^it des Falles hat mich vei^anlasst eine Umschau
in der mir zu Gebote siehenden Literatur zu halten , welche
Ansichten und Erfahrungen von Anderen ober die CompKea*
tionen der Gehurt etc. mit Fibroiden gesammelt worden sind.
Hei der grossen Zerstreuung der Fälle in Lehrböcbem und
Journalen ^) ist es mir zwar nicht gelungen eine ganz genaue
historische Uebersicbt geben zu können, aber es dürfte mir
kaum eines der wichtigsten Ereignisse entgangen sein.
Des besseren Verständnisses halber theile ich die von
mir aufgefundenen Fälle in verschiedene Gruppen ein:
L Fälle ohne besondere Störung bei der Geburt
und im Wochenbette mit glücklichem Aus-
gang für die Mutter.
a) Ein Fall der Madame LachapMe erwähnt von
Jacquemier, ^) Spontane Geburt bei einer Frau, deren Becken
durch einen kindskopfgrossen Tumor beinahe ausgefüllt war.
1) Mit möglichster Benatsang der Origioalbeecbreibangen.
2) J^JaequemUry Manuel dee aocoacbemenU etc., Paris 1846.
T. IL, p. 174.
13g II. Meumer, MitUrailungett fiber die Thtfti^H
^Lb tumetir paraissait renfermee dans les fiarois idmileft
et podterieures du col/' Der Fötus war klein and seit
langer Zeil abgestorben, plattete sieh 'betin Dorehgang
durch die enge Passage ab. (Da nichts über den Tod der
Mutter erwähnt ist, so darf man annehmen, dass sie genas.)
b) Ein Fall von Simpson. ^) Der Uterus war von
mehreren Fibroiden durehsetst, eines reichte bis zum Nabel
und ein Tbeil davon in das Becken. Rechtseilige, schwierige
aber spontane Geburt. Kopf des lodten (?) Kindes war stark
zusauimengedrdckt und abgeplattet. Mutter genas.
c) BeaUy's Fall erwähnt von 8imp90^^.^) Grosses
Fibroid fAllte das Becken ans. Man glaubte der Kaiserschnitt
werde nothwendig. Während der Geburt wurde der Tumor
durch die Wehen von selbst emporgehoben und das Kind
(lebend?) spontan ausgetrieben. (Aasgang bei der Mutter
nicht erwähnt, wird von mir als glucklicher angenommen.)
d) Gin Fall von Hecker. ') Bei einer Schwangeren fand
er enorm grosse subperitonäale zum Theil ins Becken hinein*
ragende Uteiiisfibroide. Er f&rchtete sehr fAr die Geburt.
Sie verlief aber zur rechten Zeit und leicht ohne alle Nach-
tlieile für Matter und Kind.
II. Fälle ohne besondere Störung bei der Geburt,
aber mit unglücklichem Ausgang unmittelbar
nachher oder im Wochenbette.
a) Ein Fall von Chaussier, kurz mitgelbeilt von Boivtn
und Duges.^) Man fand bei einer Wöchnerin, die an Blutung
gestorben war, ein grosses die hintere ülerinwand einneh-
mendes Fibroid, welches den Uterus verhinderte sich hinläng-
lich nach der Geburt zusammenzuziehen.
h) Ein Fall von Chia/ri.^) 30jährige Erstgebärende.
Spontane aber schwere Geburt eines todten Kindes. Tod der
1) Simpion*B Obstetric meinoirs and coDtributions, Vol. I.,
p. 883.
>2) A. a. O. p. 886.
3) Hecker'B Klinik der Geburtskande, Bd. II., S. 124.
4) Boivin et Dugha^ Trait^ pratiqae des maladtes de Tat^ras.
T. f., p. 217. Bnixelles 1834.
6) CHari, Braun ond Spüeih, Klinik der Oebartshttlfe and
Gynäkologie, S. 398.
u. d. Verhandl. d. Geselltehaft f. Gebnrtsli&lfe in Leipzig etc. 189
Mwtibr am zweflen Tag« an EndometriUs spltacetosa. In d^
äusseren Schichten des Uterus drei faurlgrosse itugelförniige
Fibroide und viele kleinere in der hinteren Wand.
,c) Ein- Fall von Sequeroe, ^) Langsame aber spontane
Geburt eines in Steisslage befindlichen lebenden (?) Kindes.
Nach der Geburl blieb der Unterleib gross und nian ent*
deckte eine Geschwulst von Kindskopfgrösse. Die Wöchnerin
starb und bei der Section fand man eine im Ulerushalse ent-
wickelte sehr laage und breite fibröse Geschwulst, ausserdem
mehrere andere.
d) Ein Fall von Simpson.^) Etwas schwere Erstge-
burt eines todten Kindes. Tod der Mutter 5 — 6 Stunden
später an Erschöpfung, nicht an Blutung. Der Uterus
enthielt nahezu 40 Fibroide» bis orangengrosse.
e) Ein Fall von Hecker. ^) Fnihgeburl, lebendes Kind.
Nachblutiuig. Tod der Mutter nach sechs Stunden. Man
fand ausgedehnte Lungentuberkulose. In der vorderen Wand
des Uterus ein 6% Ctm. hohes interstitielles Fibroid. Uterus
mit Fibroid wog 145Ü Grannnes, war mangelhaft contrahirl.
/) Ein anderer Fall von Hecker,*) Erstgebärende,
36 Jahre alt. Knielage. Extraction eines scheintodten Kindes,
das zum Leben kommt. Enorme Nachblutung. Erschöpfung,
typhöser Puerperalprocess. Tod am neunten Tage. An dem
wenig involvirteu Uterus ein solides von den beiden Platten
des breiten Mutterbandes öberkleidcles Fibroid, 18 Gtm. lang,
11 breit und dick. •
g) Ein Fall von AT Glintock.^) Drillingsgeburt bei
einer 36 jährigen Mehrgebärenden, ein todtes Kind ausserhalb
der Gebäranstalt; zwei lebende in derselben. Im unteren Theü
des Uterus von aussen durch die Bauchdeckeu ein Tumor
zu entdecken. Massige Blutung. "Tod an Erschöpfung drei
Stunden nach der Geburt. In der vorderen Wand des Uterus
fand man einen 7" langen und 2%'* dicken fibrösen Tumor.
t) Im AnssQg in der Oebartsh. Monatsicbrift , Bd. IV., p. 227.
2) A. a. O. p. 884.
8) A. a. O. p. 128.
4) A. a. O. p. 129.
6) M*Clintockf CHnical memoirt on diseases of Women,
Dnblin 1868, p. 116.
140 11' Mma$Mr\ MitllieilvageB iber die Tklitifkeii
UL Fälle, in welchen das die Geburt ersehwe-
rende Fibroid reponirt werden konnte.
d) Ein Fal! von Hoogetoeg. ') 38 jährige Mehrgebärende.
Geschwulst (Fibroid ?) prall, scheinbar unbeweglich, fällte Tast
die ganze Höhlung des Kreuzbeins aus. Wendungsversuch
bei voRkommen erweitertem Muttermunde misslang, die Ge-
schwulst von der Scheide aus reponirt Rind mit der Zange
extrahirt starb nach V« Stunde. Uterus blieb nach der Ge-
burt gross. Mehrere Geschwulste wahrnehmbar. Wochenbett
verlief langsam, indess doch allmälig Genesung; später noch
die grosse Geschwulst hinten zu fühlen.
b) Ein Fall von C. May er. ^) 38 jährige Erstgebärende.
Grosses Geburtshinderniss bedingt durch einen Tumor im Becken
(Fibroid od. Sarkom des Uterus?) Fruchtwasser abgeflossen».
Nabelschnur vorgefallen, welk, kalt, puislos. Kaiserschnitt
schien nothwendig; mit vieler Mtihe gelang die Reposition des
Tumors. Extraction eines kleinen todten Kindes an den Füssen.
Mutter genas. Zwei Jahre später neue Geburt eines todten
Kindes, von C. Mayer nicht beobachtet.
c) Anderer Fall von C'.ifay er.') Mehrgebärende, 29 Jahre
alt. Geschwulst im Becken wie ein relrovertirter Uterus im
dritten Monate, weich, nach vom nur för zwei Finger Raum.
Geschwulst übergehend in die hintere Lippe. Kopf vorliegend.
Frühzeitiger Blasensprung. Versuch, Geschwulst hinauf, Kopf
hereinzudrücken. Gelang unvollkommen. Einstich in die Ge-
schwulst. Bräunliche Flüssigkeit entleert. Kopf nach und
nach in das Becken eingetreten. Schwere Zangenoperation
nach drei Tagen. Kind todt Uterus zog sich zusammen.
Geschwulst war verschwunden. Tod vierzig Stunden nach der
Geburt an Peritonitis. Hinter dem Uterus pralle kindskopf-
grosse blasenartige Geschwulst fest verwachsen, fraglich ob
erweichtes Fibroid?
d) Ein Fall von PtUore.*) 39jährige Mehrgebärende
in sehr erschöpftem Zustande, bewegliche grosse Geschwulst
1) Verband], der gebnrtsh. Gesellschaft in Berlin, H. 4, 8. 46.
2) Verhandl. der gebartob. Gesellschaft in Berlin, H. 1, 8. 106.
3) A. a. O., Bd. IV.. 8. 89.
4) Gas. des hdpitaaz, 1864, p. 547.
Q. d. Verli«ii4]. d. Geselisebaft f. OeBnrtsbfilfe ra Leipsig «tc. 141
im Becken und eine Süssere am Uleras. Reposition der
Beckengeschwulst ohne SchwimgkeiL Wendung. Exlraciio»
eines l'auUodten Kindes. Tod der Müller am gleichen Tage.
Fibröser Tumor der vorderen Wand des Uterus angehörig,
fettig degenerirt: 30 Ctm. lang, 24 Ctm. breit, l6 Gtm. dick.
e) Ein Fall von Späth, ^) Grosser fibröser Tumor fast
das ganze Becken ausfüllend, schon in der Schwangerschaft
gefunden. Zwölfstündige Geburtsarbeit Explorativpunction
ohne Erfolg. Sect. caes. in Aussicht. Die Reposition des
Tumors gelang. Wendung und Zange, lebender Knabe. Tod
der Mutter am dritten Tage an Hetropblebitis und Peritonitis.
Kleinere und grössere Fibroide. Ein grosses kurzgestieltes
von der Mitte des Fund, uteri ausgebend; an der hinteren
Fläche sein Peritonäaluberzug geschwärig zerstört.
rV. Fälle, in welchen die Reposition nicht ge-
lang, gar nicht versucht wurde oder nicht
nöthig schien, mit mehr oder minder schwe-
ren Operationen (Kaiserschnitt ausgenommen).
d) Ein Fall von Bezold.^) Mehrgebärende. Schiefläge
des Kopfes. Tieflage der Place.nta. Runder iaustgrosser Tumor
an der hinteren Wand des Uterus. Schwere Wendung. Todtes
Kind. Ruptur des Uterus während der Geburt. ^/^ Stunde
später Tod. Bei der Section: in der hinteren Wand des
Uterus eine grosse halbkugelrunde Geschwulst, Sarcom? In
deren Nähe der Riss im Uterus.
b) Ein Fall von (f Outrepont ') Nach einer schweren
Entbindung (auf welche Weise, mir unbekannt) trat schnell
der Tod an Blutung ein. Im Körper des Uterus drei fibro-
cartilaginöse Tumoren, wovon der grösste W lang 5" dick.
Entvvickelung des Uterus in den letzten Monaten betraf fast
nur den Cervix.
1) Zeitschrift der Gesellechaft der Aerste s« Wien , 1860, Ne. 10,
o. Oebartoh. Monataschrift, Bd. XVI., S. 8d2.
2) El. f>. aiebold'9 Journal fiir Gebiirtehttlfe, Bd. II., S. 126.
3) Lee, JS., Clinical reporte of ovarian and uterina disease,
London 1858, p. 180. (Originalbesebreibnng In Arehiveft de M^decine,
Mai 1880.)
142 n. Meiämtr, MlUheilnageii über dieThiliglMU
c) Ein Fall von JSOiekleUm, ^) Mehrgebirende, zumsecbstefi
Mal. Schon bei der vierten Geburt Geechwitki bemerkbar.
Bei der fönften, Perforation und Abtragung der Kopftnochen.
Bei der sechsten fast voUstiindige Ausfüllung des Beckens.
Kaiserschnitt in Aussicht, nicbt ausgefährt. Dafür Perforation,
dann Abtrennung des vorgefallenen linken Arms, femer Trennung
der Wirbelsäule, zuletzt Entfernung des zurückgebliebenen
Kopis, Tod zehn Minuten nach vollendeter Extraction. Section
wies ausgedehnte Ruptur des Uterus nach.
d) Ein Kall von Cazeaux.^) Mefargebärende. Frucht^
wasser seit mehreren Tagen abgeflossen. Die ganze Exca-
vation des Kreuzbeins und noch mehr ausgefüllt von einem
grossen Tumor, scheinbar fluctuirend. Kopf vorliegend. Seit
vier Tagen Fruchtwasser abgeflossen. Dubms und Banyau
consultirt. Beide punktirteu im Ganzen vier mal. Nichts
entleert. Dann Incision und Spaltung des Tumors. Ver-
gebliche Versuche, die Zange anzulegen; auch Perforation
und Kephalothrypsie misslingen. Endlich die Wendung. Tod
'/« Stunde später. Geschwulst sass in der vorderen Lippe.
Uterus ganz un^ seine Langsaxe gedreht. Geschwulst schien
ein« enorme (fibröse?) Hypertrophie des Collum zu sein.
e) Ein Fall von Klaproth. ^) Mehrgebärende. Schuller-
lage. Scliwierige Wendung. Todtes Kind sechs Pfd. schwer.
Uterus bh'eb gross, hart. Tod sechzig Stunden nach der Ge-
burt an Peritonitis und Endometritis septica. Uterus war
durchsetzt von 16 grösseren Fibroiden , pflaumen- bis apfel-
gross, wog mit Geschwülsten 8 Pfd. 4 Lth. Die tief liegenden
Fibroide erweicht, die anderen unverändert.
/) Anderer Fall von Klaproth. "*) Wie im vorigen Wendung
mit lüdlem Kind. Wochenbett verlief günstig. Am Grund
des Uterus mannsfaustgrosses Fibroid.
1) Ärneiht Ueber Gebartsbülfe und OynMkologie in Frank*
reich. Wien etc., 1868, 8. 349.
2) Cazeaux, Trait^ de l'art des accon Clements, VI. 4dit.,
Paris 1862, p. 620.
3) GebarUb. Monatsscfarift, Bd. XI., B« 86.
4) Ibid
u. d. VorkaiidKd. Gesellaehikft f.OelmrtsbaHe sa Laipsif etc. 143
g) Bin Fall von Hecker ^ ') Grosse »iibperiionäale Uterus**
ßbroiile« Geburi wegen VVelienaangels glucklieb durcb die
Zange beemligt, lebendes Kind. Naohbiulung. Tod durch
Peritonitis am seehsteii Tage« Uterus wog mit Fibroiden
1140 Grammes. Rechtsseitiges grosses Fibroid 12 GtM. iaag,
9 Gim. breit, im Innern erweicht.
i) Ein Fall von Simpson.^) Erstgebärende, 10—12
Jahre verbeiralheL Grosser Tumor, während der Schwanger-
schaft gewachsen, füllte einen grossen Theil des Beckens
aus* Wahrseheinlich Uterusfihroid. Wendung. Todtes Kind.
Mutler genas.
i) Ein Fall von Ingleby,^) Eine Dame die einen sehr
bedeulenden fibrösen Tumor am Uterus halte, lieiratbete
eiwas spät, wurde schwanger und hatte eine gefährliche Ent-
bindung. (Welche?) Tod erfolgte nach wenigen Tagen. Im
Innern des Tumors eine Erweichungshöhle, in weldier über
ein Quart purulenler Flüssigkeit.
VI. Fälle bei welchen der Kaiserschnitt allein
a priori oder nach anderen vergeblichen
Operationen unternommen wurde.
a) Ein Fall von GensouL ^) Das Heiligenbein von einem
Tumor ausgefüllt, d^ die Gonjugata bis auf 1" beschränkte.
Kaiserschnitt. Bei der Secüon vierzig Stunden nach der Ope*
ration fand man ehie harte, bewegliche Geschwulst (Fibi^oid?)
von den beiden Mutterbändem ausgebend, vom Bauchfell oben,
von Scheidenschleimbaut unten bedeckt. Erfolg für das Kind
ist mir unbekannt.
b) Ein Fall von Kilian,^) 42jährige Mehrgebärende.
Grosser Tumor von aussen und innen zu fühlen, oler wäfirend
1) A, a. O.^S. 124.
2) Ä. a. O. S. 888.
3) Klinische Bemerkattgen über fibröse OeschwültU de« Utants
in den Analekten für Franenkrankheiten, Bd. IV, $ 288.
4) Im Auaang in Sokmtdt^s Jabrbiicbern, Bd. 86, S. 60, aus
ifewnsr's Forschungen des 19. Jahrhai^derts, 4. Th., 8. 177.
6) JEUUng^r, Dtaaart. observ. obstetric. per 13 rnanses in
Clinico Bonnensi iastitalo sist., Bonn 1844. Im Ausaag in SchmiäVu
Jahr., Bd. 86.
144 II- M^Utnety MIttiMlIaiigcm liber die Thttifieli
der Wehen tiefer berabirat. Troikarslicb , keine Pläragkeit
entleert, Blase . springt, ein Bein bis zuni Knie geboran, dann
Kaiserschnitt. Lebendes Kind. Mutter starb nach 48 Stunden.
Uterus enthielt kleinere und grössere sareomatöse (?) GeschwMste.
Eines füllte das Becken aus.
c) Ein Fall von Thibault ^) Eine 22jährige Erstge-
bärende mit Blattern behaftet, kam ins Hospital St. Antoine.
Geschwfliste von aussen und innen zu fühlen. Biplorafiv-
piinctien durch den Mastdarm ohne Besultat. Drei Tage spater
gute Wehenthätigkeit. Blasensprung, Vorfall des Nabelstranges.
Am folgenden Tage machte Mcdgaigne die Sect. caes. Faul-
todter sechsnionatlicher Fötus. Tod dei* Mutler nach 20 Stunden.
Zwischen Scheide und Mastdarm ein grosses 33 Ontimeter
im Umfange betragendes Pibroid, mit den» Becken nicht
verwachsen.
d) Ein Fall von Montgomery.^) Unebene, knotige, bei-
nahe knorpelharte Geschwulst füllte die Beckenhöhle so aus,
dass der Muttermund nicht zu erreichen war und die Finger-
spitze nicht mehr zwischen Geschwulst und Scharobein-
symphyse vorbeidringen konnte. Kaiserschnitt, Kind starb
während der Entbindung, die Mutter nach 21 Stunden. Das
Pibroid wog fast 8 Pfd.
e) Ein Fall von Ch. Waller. ^) 41 jährige Person, seit
15 Monaten verheiratiiet, nach zweimaligem Abortus nun am Ende
der Schwangerschaft. Sehr harter Tumor flßlUte fast das ganze
Becken aus, unbeweglich, scheinbar mit dem Sacrum ver-
wachsen. Vorn an der Symphyse noch 1%" Baum. Kaiser-
schnitt. Husten und Erbrechen. Darmschlingen fielen massen-
haft vor. Uterus zog sich mangelhaft zusammen. Sehnittränder'
blieben nach, aussau umgewendet (much everted) Kind lebte.
Tod der Mutter nach zwei Tagen. Viele Fibroide im Uterus
ein grosses ins Becken hinabreichend von der hinteren .und
linken Seite ausgehend. (In der Originalbeschreibung eine
ziemlich gute Abbildung des Präparates«)
1) Archive g4n6ra\ de M^deoine, Jani 1844. Im Auszug in
Schmidi'B Jahrb., Bd. 86.
2) Arneth a. a. O., sonst noch in vielen Büchern eifirt, auch
in des berühmten Verf. Zeichenlehre der Schwangerschaft.
3) Med. Times, 1853, p. 266; auch in SchmidVa Jahrb.
u. d.y«rli«Bdl. d. QMeHsdluift f.Gsbattoliilfe raJLtl^si« etc. 145
f) Ein Fall tmi LekmoM. ^) Verhwathung seit vier-
zebo Jahren, drei Mal Abortus, dain Schwaiigeraehaft bis xum
Ende« Grosser Tumor sclücin etwas beweglich , ähnlich eineüi
vorliegenden Kopfe. Vorne pchts die Port, vagin. für zwei Finger
neben einander kaum mfibr Platz. Diagnose hieb unklar:
mau schwankte zwischen Osteosarcom oder Encboadroui.
Nach abgeflossenem Fruchtwasser trat der Tumor noch
tiefer herab. Kaiserschnitt. Kind in Beckenendlage lebend
entwickelt« Tod der Mutter nach 57 Stunden. Innere Seite
der Uteruswunde schon verklebt, äussere nicht, klaffte 1V)&"-.
Hinten am Uterus ein Fibroid von 23 Ctm. Umfang. Con-
jugaia nur 1" lang« Viele andere Fibroide ausserdem.
g) Eid Fall von Fmge.^) 40jflhrig« Erslgdblrendt«
Fruchtwasser Ooss ah. Ein grosser Tumor md daneben nach
ein kleinerer (OUten den ganzen liinteren Beokenraum aus.
Man wartete zwei Tage. Geschwnisle treten liefer herab,
vorn nur noch 1" flbrig. Keine Diagnose auf die Art der
Geschwulste. Explorativpunction durch das Rectum ohne Ae-
sultat. — Kaisersohnitt, Blutung durdi CoMipression der Aorta
gemässigt, Darmvorfall, Kind i» Steisslage, lebend extrehirt«
Nach der Operation Erbreclien etc., Ted nach SO Sünden.
An der hinteren Wand des Uterus zwei grosse Fibroide «nd
viele kleinere.
h) Ein Fall von Pillore.*) 46 jährige Mehrgebirende;
vorzeitiger Blasensprung, mehrtägige Wehentbätigkeit. Ge-
schwulst fMlte fast das ganze Becken aus, war nicht zurück-
zubringen (irreductible). Vorne nur ein Raum von zwei Ctm.
Wehen lassen nach. — Kaiserschnitt, lebendes Kind.' Tod
der Mutter am fönften Tage des Wochenbettes. 4yrosses
Fibroid, birnförmig an der hinteren Seheidenwand , zwiedwo
Uterus und Rectum, 16 Ctm. hoch, 10 breit, 9 dick.
1) In AwEag 10 Schmidt' n Jmhrh. y Bd. 86; iot)riginal in der
holllUid. Tigdschr. tot bevordering d. Oene«skiiQSt, 1854.
2) Ansfährlich in Schmidts Jahrb., Bd. 85. An« dem Nortk
MagasiD, Bd. 6.
8) Gm. des h6piteaz, 1864, p. 647.
Monataiebr. f. Ooburttk. 186S. Bd. XXV.. Sappl.-Hn. tO
146 n. M0i$9m4r, UHAmiUmgtn Aber die TbStigk^U
V. Fälle in denen die Gjeburt unvollendet blieb
und der Tod eiolraL
%) Boivin und Dugh. ') citiren drei ältere Falle in
denen die Gebui*! wegen tibrdser Tumoren des Uterus nicht
vollendet wurde. Bei ihnen heisst es: „Voigtel parle, d'apres
ZeUer, ,d*une tunieur dlle atheromateuse, qui pendant treize
Jours, emp^ha* la sortie du foelus; eile adherait au col de
Tuterus el reniplissait V excavation pelvienne. La niplure
de Tuterus et la morl de la renime furent oceasionnees par
un semblable obstacle dans un cas rapporte succinclement
par Fabrice de Hilden (cent 1., obs. 67). La femnie dont
nous avons Tait mentiou plus haut, d'apres Deliaen, niounit
amsi apr^a un travail de sept jours, et sans que la partu-
rilMfi eAifMia'operer, une bemorrhagie enftira ceOe malbenreiise
au momenl o6 l'on allail operer k version. L'enlaiU preeenlail
rüttle ei eette positiau eüi inia obsiade, peAi*^4re, k um
partuhtion spontanee, quand im^nie ii u'y eM poiot eu de
liMieür ä ruterui/' —
b) Ein Fall yon KivnMch^'^) kurz angedeutet mit fid-
geuden Worten : „ Aueb die Contraotion der GebArmuiler wird
UModmial durch tief eingebettete Fibmide in der Art ge-
binderl, dass Gebarende unenlbuodeo gestorben sind, wie
sich ein derartiger Fall erst in diesem Jahre in der hiesigen
GebäramUalt ergab/'
c) Ein Fall von R. Lee:') „Im Museum der Londoner
llnifersilat ist ein Tumor aufbewahrt so gross und nahezu
so hari wie ein Cricket-Ballf welcher aus dem Leibe
einer upentbunden gestorbenen Frau genommen wurde.
Der Tumor (ein Fibroid) lag unter dem Peritooaum an der
UBlMren und hinteren Parthie des Uterus,''
1) A. «. C. p. 217.
2) KiwUck^ Klinische Vorti-äge über Krankheiten det weib-
lichen Geflchlecht», S. Aufl., Prag: l^^l . T. f., S. 428.
3) A. a. O. p. 180.
o. d.yerhandl. d. Gesellschaft f. Gebartshülfe sn Leipzig etc. 147
V. Doppelmtssgebnrt, schwere Geburt, Decapitation etc.
Untersuchung der Kindesleiche.
Von Demselben.
(Mit AbbildQD«^, Fig. 2.)
Am 8. Dec. 1863 wurde mir von einem meiner fiikheren
Schüler, Herrn Dr. Bretter in Flaach (Canton Zürich) ein
Doppelmonstrum nebst einer kurzen Geburlsgeschichte einge-
scbikt. Zii einer Mehrgebärenden Mittags 11 Uhr gerufen,
welche Tor zwei Jahren mit Hilfe der Zange leicht entbunden
worden war; vernahm er, dass einige Stunden zuvor ungefthr
in der 94. Woche der glücklich verlaufenen Schwangerschaft
das Fruchtwasser abgegangen sei. Ein Knie wurde als vor-
üegemler Theil erkannt. Erst gegen Abend erwachte die
Wehenthätigkeit und nun waren zwei gleiche Füsse (die rechten)
vor die äusseren Genitalien getreten, welche auf das Vor-
handensein von Zwillingen schKessen Hessen. Einige Tractionen
das erste tieferatehemle Kind zu extrahlren blieben erfolglos,
mdem der Kopf dtirch das zweite Kind am Herabrücken
veiiiindert zu werden schien. Abends neun Uhr war die
Gtebärende sehr schwach und aufgeregt. Von dem einen
Kinde war die rechte Schulter entwickelt, der linke Arm aber
nocb in die Hübe geschlagen, die untersten Rippen der linken
Seite gerade unter der Schambein -Symphyse vorstehend.
Nach hinten und rechts hing ausserdem der rechte Schenket
des zweiten Kindes aus der Schamspalte hervor, so dass man
gleich über dem Damm den Steiss des zweiten Kindes fand.
Die Nabelschnur war pulslos, die Kinder, deren Zusammen-
gewaehsensein richtig erkannt wurde, waren todt. Es wurde
nun da* noch aufgeschlagene Unke Arm des ersten Kindes
herabgeholt und die betreffende Schulter angezogen. Nun hielt
es der Operateur für angezeigt den hinter der Symphyse be-*
findliehen Kopf des ersten Kindes abzutrennen, was unter
dem Schutze zweier Finger mit einer krummen Scheere gut
von Statten ging. Der abgelöste Kopf wich nach oben ab
und der geroeinschflfUiohe Rumpf nebst Kopf des zweiten
Kindes konnte jetzt ohne Schwierigkeil extrahirt werden. Un-
10*
}4S H. Mei$$ner, Ifittlieiliingen Qber die TbXtig^«tt
mittelbar daraur foi^e der abgeschnittene Kopf mit der ein-
racbi« PUcenta. Der Wtebnerin ging es Tags danilif gut
und sie bat. sieb den neuesten Nacbricbten zu Folge voll-
ständig eriH^.
Die mir übersendete Ki«de«ieidie unterwarf leb einer
genaueren anatomischen Zergliederung und es war mir be-
sonders daran gelegen eine Einsicht Aber das Verbalten der
inneren Organe zu gewinnen.
Wie die beigelegte Abbildung in ungeftbr halber Grfiaae
zeigt, liilngen die swei weiblichen Individuen an Brust
und Bauch seitlich und vorne mit einander ansaramen,
und haben einen gemeinscbaftlichen Nabel, sind aber im
üebrigen, was EUtremititen, Köpfe und HUse, WirbelsäuleB
und Becken betrifft voükoromen von einander getrewt Es
kömmt diesem Doppelmonstrum der Name Thoracopf gus
tetrabachius, tetrapiis zu. ^) Ausser den* Weichthoilen sind an
dem genieinschaftMcben Rumpfe auch noch die Rippen voru
und rückwärts mit einander verschmolzen liod geben ia Ein
St^rpum über. Das Gewicht der ganz bkilleereq Leichen be-
trug 6^ 9 Pfd. =:= circa 8440 Grammes. An dem dem Be«<^iier
KUgewendetfn zu seiner Rechten hegenden Kinde, also 4ßm
linken und dem in der Gel>urt als Erstes hezeicbnetoQ war
der Kopf dicht am Thorai^ abgetrennt uiul der Schnitt war
in die Brusthöhle selbst eingedi'ungen , beide OberscheBkel
waren gebrochen und umfangreiche Bluteitravasfle ersUreckten
sich Aber die unteren Eztremitäten und die Gegend der
Genitalien und des Gelasses, ein Beweis daas bei deu Eztractiooa-
versuchen dieses Kind noch gelebt haben muas. Dia Ent^
Wickelung heider Kinder war nahezu die gleiche und die Aebn-
Uchkeit der Gesichter eine ausserordentliche. Die Uinge des
Unken und des rechten Kindes betrug 44 Ctm., die Kopk-
maasse des linken, dessen Schüdel gequetaclit und plattge-
drückt war sind: gerader Durclunesser: 3%'\ grosaari|uerer
2^l^'\ diagonaler: 4^/^" die des rechten: gerader Divcbmeaser:
3'/^" grosser querer ^^U*\ diagonaler: 4'\ der Umfang des
linken Schädels: 29,6 Ctm., der Umfang des rechten Schädels:
1) A. FSrsUr, DU MlatbiUaagen 4m IfeMobeii. TmI 8. 84
QDd Taf. IV.. VI. «. VII.
a. d. Verhandl. d. GeielUelnift f. Gebvrtohlilfe SQ L^ipkig ete. . ]49
31 Ctni. Durch die einfache und zteroiich magere Nabele
sehnor Terliel^n vier Gefasse, die bei weiterer Verfolgung
durch den Nabelring sieh als zwei Venen und zwei Arterien
erwiesen. Zum Nabel erstreckten dich ausserdem von dem
Grunde beider Blasen her die awei obKt^rirten Urachi, se
dass Mher kwei Allantoiilen vorhanden gewesen sein müssen.
Der Urachus des linken Kindes lag unterhalb, der des rechu»n
oberhalb der Nabelarterie. Die zwei NabeJvenen la^ öber-
einander durch ein etwas ÖilematöMs Hndegewebe einge-
hüllt in der Medianlinie des J)oppelkdrper6 und drangen, die
eine etwas liefer, die andere oberflädilicher in die Leber
ein. Dieses Organ war das einaige in der UnterleibshAhle
fftr beide Kinder gemeinschaftliche, voluminös, breit, in der
Mitte mit Ehiem langen Ligament. Suspensorium verseben. Mag
»ttch in ailerfrAheater Zeit eine doppelte Leber vorhanden
gewesen sein, so Ist doch jetzt im Parenchym keine Spur
Arüherer Trennung oder späterer Verwachsung wahrzunehmen:
linker Lappen der einen ist mit dem regten der andet^
innig verschmolzen. Die Gallenblase war einfach. Alle an-
deren Organe des Unterleibes sind getrennt» die . etnfachen
einfach, die paarigen paarig und so gut und regelmassig ent-
wickelt wie nur in irgend einem woMgd)ildeten Kinde. So
finden sich z. B. zwei Milzen, die des rechten Kindes von
der Leber bedeckt, die des linken im gemeinschafilichen linken
Hypochondrium einige Genttm^tres vom Knken Rande der Leber
entfernt, ferner zwei complete Darmkanäle, zwei Gebärmutter,
vier Nieren, vier Ovarien etc.
In der Brusthöhle war analog der gemeinschafilichen
Leber, ein grosses, breites, median gelegenes Herz. Das
Herz hatte einen gemeinschafUicben weiter in der Mitte be-
findlichen linken Ventrikel, aus welchem zwei Aorten ent-
sprangen. Die rechten Ventrikel zu beiden Seiten des ge-
HieinsciMniichen linken waren ganz von diesem wie von
einander getrennt und aus einem jeden entsprang ein Haupt-
stamm der Pulmonalarterie, je in zwei Aeste sich spaltend
nnd je durch einen Ductus Botalli in die Aorten sich fortsetzend.
Der rechte Vorhof, in welchen zwei Venae cavae inferiores und
superiores einmündeten, war gemeinschaftlich, wie aber der
linke Vorhof war, ob Einer, ob Zwei, konnte ich, da er
IgO n. Mti9sner, Mitlheilungen über die Thätigkail
in Folge der De€a)iilatu>n beträchtlich verieUt war nicht meiir
sicher unfersciieiden, glaube aber, dass er auch gemeinschaft-
lich war. Sonst fanden sich vier Lungen, zwei Thymus eU.
Alles ganz so wie bei einfachen Kindern. In Förster'^ Adas
Fig. 1 — 3, auf Taf. VIL sind Abbildungen gegeben, welche
ein Verhalten der Eingeweide zeigen, das dem unseres Tho-
racepagus in vieler Beziehung ähnlich isU
Nur ein paar Worte der Kritik über das geburtshilfliche
Vecfahren des Herrn Dr. Breuer will ich mir zum Schlüsse
noch erlauben. Bei vorhandener Beckenendlage und nachdem
das Vorhandensein zweier erwachsener Kinder diagoosticirt
war, hätte man vielleicht kunstgerechter gehandelt, wenn man
die vier Fösse gestreckt und bis vor die Genitalien geleitet
hatte ohne zuvor wie dies geschah, das nach vorne gelegene
Kind bis zum Halse zu entwickeln. Dann^ hatte man einen
vermehrten Zug an den Füssen des nach hinten gelegenen
Kindes anwendend den gemeinschafUichen Rumpf und den
Kopf dieses (hinteren) Kindes extrahiren und den anderen
vorderen Kopf erst folgen lassen können nachdem Alles An-
dere sonst schon. geboren gewesen wäre. So lautet derRalh
den Hohl ^) und den Buhch geben und es ist denkbar, dass
es bei einer solchen Handlungsweise leichter, schneller und
ohne Zerstöckelung abgegangen wäre, zumal die Kinder klein
waren. Nun muss man aber freilich bedenken, dass es sichere
und allgemein anerkannte Regeln zur Entbindung bei Doppel-
rooastris nicht giebt und dass jeder Geburtshelfer sich und
der Gebärenden in solchen Ausnahmsfällen zu helfen sucht
wie er eben kann, daher bin ich auch weit entfernt, irgend
einen Vorwurf meinem Collegen machen zu wollen. Nachdem
einmal das erste Kind bis zum Halse extrahirt und der Tod
coBstatirt war, war auch die Decapitation gerechtfertigt und
für die Mutter war unter den gegebenen Umständen diese
allerdings abschreckende Operation gewiss die einzige heil-
bringende.
1) Hchlf Die Gebarten misegettülteteri kranker und todter
Rinder. Halle 1850. 8. 224.
a. d. VerbanTdl. i1. G^gelltehaft f. Geharttflitilfo au Leipsig etc. 151
VI. Prolapstts des hochschwangeren Uterus, ausgedehnte
Incisionen in den unnachgiebigen Cerrix, Perforation
des Kindes etc.
Von Demselben.
Maria -ff., 43 Jahre all, wurde am 30. Nov. 1863 von
ihrem einige Stunden enlfernlen Wohnorte gegen Mittag in
die Gebäranstall gebracht Die Angaben, welche sie uns
machte, sind bei der geringen geistigen Befähigung unvoll-
ständig gewesen und es ist ihrem ziemlich apathischen Wesen
zuzuschreiben, dass sie ein Leiden, welches andere Kranke
sicher veranlasst hätte, fröhzeitige ärztliche Hülfe zu suchen,
so lange und ohne sich viel darum zu kfunmern ertrug. Vor
acht Jahren gebar sie zum ersten Mal ungeRIhr um die SO.
Woche ein todtes Mädchen mit Hfilfe der Zange, wobei ein
tiefer Damm- und penetrirender Aflerriss entstand, weswegen
sie zu jener Zeit auf die chirurg. Klinik in Zürich aufgenommen
wurde. Die Heilung scheint eine unvollständige gewesen zu
sein, denn es fand sich noch jetzt, was ich gleich erwähnen
wiH, ausser einem beinahe completen Mangel des Dammes
eine die Spitze eines kleinen Fingers durchlassende mit nar-
bigen Rändern umgebene Scheidenmastdarnifistel ungefähr
einen Zoll über dem Scheideneingange. Die letzten Regeln sollen
Ende April vorhanden gewesen sein. Gleich mit dem Beginn
der Schwangerschan trat der Uterus vor die Genitalien, bis
zwischen die Schenkel hervor und es soll bis ganz zum Ende
der Schwangerschaft ein Vorfall des Uterus oder wenigstens
seiner untersten Parthie zwei Fäuste gross (?) Tortbestandcn
haben, der sich erst mit dem Beginn der Geburt am Tage
vor der Aufnahme von selbst bis in die Scliei<fe zurückge-
zogen babeo seil. Trotzdem scbeinl die Pat nichts gegen
dieses Uebei angewendet zu haben und auch der fortwährende
Abgang von Kolh durch 4ie Scheide blieb von ihr unbernck-
siehUgl. Kindsbewegungen wurden bis vor ungefähr 4 — 5
Tagen vob der Sebwaugereu eHipfutiden, seitdem aber niciH.
In der Nacht vom 28/39 Nov. begann die Webentkäligkeit
mii heftigen und krampftaften SchmerieB^ ziigleiob Ooes des
15S n. MeUiner, Mittheilniigeii über di« ThXil^kelt
Fruchtwasser ab. Der zur Gebarenden gerufene Arzt erkannte
dit Scbwierigkeii de$ Falles und ordnete den Transport der
Gebarenden in die Anstalt an.
Status praesens. 30. Nov. Mittags. ADgemeiner Zustand
der Gebärenden der einer massigen Erschöpfung. Puls 90.
Temp. normal. Weben mit dem Charakter der Drangweben,
kehren in kurzen Zwischenräumen und mit Starke wieder.
Aeussere Untersuchung ergiebt den Grund des Uterus eine
schmale Hand über dem Nabel. Uterus fest um das Rind
zusammengezogen, Kindstbeile von aussen nicht fühlbar, weder
Fötaltöne, noch Bewegungen des Kindes. Bei der Vaginal-
untersuchung stösst man sofort beim Eingehen mit dem Finger
in die Scheide^ ßuf einen voluminösen Tumor, welcher nichts
anderes ist als der bis zum Beckenausgang herabgedi*ängte
Kindesschädel, der aber nicht frei in dem Scheidenrohr liegt,
sondern zum grössten Theil überzogen ist von dem mit herab-
gedrängten (unteren Uterinsegraent, welches seinerseits die
Scheidenwände, insbesondere die vordere, vor sich her ge-
stülpt hat Bei Entfaltung der äusseren Genitalien kann man
die evertirte vordere Scheidenwand sehen und weiter nach
hinten, gegen den After zu fühlt und sieht man den circa
zwei Francsstück grossen Muttermund und dahinter die
faltige, mit Haaren besetzte, schlaff infiltrirte Kopfschwarte
des Kindes. Die Circumferenz des Muttermundes ist ganz
besonders an der hinteren Parthie verdickt, callös, einem alten
Narbengewebe vergleichbar und wenn man versucht zwischen
vorliegendem Schädel und Muttermund die Fingerspitze ein-
zubringen, so überzeugt man sich, dass eine Dehnung des
Muttermundes fast gar nicht bei seiner grossen Resistenz
gelingt —
Kein Zweifei, dass wir es mit einer durch chronische
Entzündung entstandenen Induration des den ämeeren Ein-
ftftssen Monate lang hindurch auageeetiten unleren Uterin-
Segmentes zu thnn hatten, eine Gewebsverfindennig so be-
deutender Natur, dass eine passive Erweilerung durch die
WehenChMgkeit, ein Nachgeben und Dehnen wie bei gewöhn-
lichen Geburten kaum mehr möglieh erschien, zotnal schon
seit ungeflhr 90 Stunden die Gebart in voUem Gange war.
Q. d. y erhanai. d. GMftlUeliaft f. 6«biir«iiUilfc m Leipsig^ ete. 15g
Ich bes^Mo»» vorerst noch etwas passiv mich au ver-
halt«! «nd m beobacbteil ob sich der Muttermund im Ver^
laufe einiger Stuoden verändero werde« Den heftigen Weben-
drang und die willkürliche Action der Bauchmuskeln lu
massigen liess ich die Gebärende von 7»^ Uhr Mittags an in
CMoroformnarkose leichteren Grades versetzen und verord-
nete ausserdem den Gebrauch eines warmen Sitzbades. Um
%S Uhr war der Zustand durchaus unverändert, obwohl die
Wellen stets andauerten, und es war nun wohl mit Sicher-
heit 2U bestimmen, dass entweder eine völlige Atonie des Uterus
oder eine permanent spastische Zusammenziehung oder eine
Ruptur des unteren Uterinsegmentes folgen mftsse. Eine
weitere Gefahr drohte noch der Mutter aus dem schon seit
wenigstens zwei Tagen erfolgten Tode des Kindes, welches
bei freiem Luftzutritt in Fäulniss mit subcutaner Gasentwickelung
übergehe konnte. Allen diesen und noch anderen schlimmen
Eventualitäten vorzubeugen schritt ich jetzt zu folgenden
Handlungen :
1. Ich dqirchstach, nachdem die Gebärende in Stein-
schnittslage gebracht worden war, das Gewebe des vorge-
stülpten Scbeidengewölbes und Vaginallheilps des Uterus an
dem vorderen Segmente des vom Muftermunde gebfldeten
Kreises schief von oben vom nach unten rflekwirts auf jeder
SeRe mit einer krummen Nadel und führte in der angegebenen
Richtung 2 Silberdrähte durch. Inwendig lagen die Drähte
auf der Kopfschwarte auf, nach aussen liess ich die zwei langen
Enden jedes Drahtes von einem Assistenten halten und an-
ziehn. Mit diesem vorbereitenden Akte des Durchstechens
verband ich die Absicht die durchgezogenen Drähte zu be-
nutzen um nach den nun folgenden Incisionen eine etwa
starke Blutung sogleich bemeistern zu können, da ich an den
Drähten den durchschnittenen und wahrscheinlich zurAck-
wekfaenden Gervix nach aussen riehen konnte, ferner sollten
die Drähte zugleich als Nähte dienen.
2« Ich durchschnitt in ihagonaler Richtung den Mutter-
mund zwischen den Slicböffnungen der Drähte, beiderseits
in der Länge von 6—8'". Versteht sich, dass hierbei die
Drähte geschont werden mussten. Die diagonale Richtung
wählte ich um vorne die Bhise, seHlicb die Uterovaginalarterien
154 H. Mtinner, MittlieiKingeii «b«r die Tbitiglicit
ZU schonen. Die gemachten Incisionen, nadt welchen sich die
Gircumferenx des Mutlerniundes schon sehr belräehflliGlt er-
weiterte, genfigten nicht, daher ich an dem hinteren Segmente
des Kreises ebenfalls in schräger Richtung dcirch das hier
am meisten indurirte Gewebe noch vier oder tUnf Incisionen
3—4'" lang iri Ausfährung brachte, ohne aber hier vorerst
DHIhte durchgezogen zu haben«
8. Ich perforirte den vorliegenden SchSdel mit einem
scheerenformigen Instrumente, die kleine fast auf dem Mutter-
munde aufruhende Fontanelle durchbohrend. Gehirn eiilfernie
ich mit Finger und Spritze. Bei einigen Versuchen den ent-
leerten SchSdel mit dem Kiwi9ck-Leisnig*sche\\ Insirnmenle
zu extrahiren zeigte sich immer noch eine grosse Uimaclf-
giebigkeit des hinteren Umfanges des durchschnittenen Mutter-
mundes, wesshalb ich noch zwei kleine Incisionen machte.
4. Ich zog vorsichtig theils mit der Stein- MesnarcT-
sehen Knocbenzange die Schädelknochen fassend, theils mit
den Fingern nachhelfend den zusammengefallenen Schädel durch
den kunstlich erweiterten Muttermund hindurch. Schnell folgten
der Rumpf und die Placenta nach.
Nach vdiendeter Extraction zog sich der UtenM von obeta
gut zusammen aber sein unteres Segment hing in viele Lappen
getheilt schlaff bis gegen den Scheideneingang herab. Das
leichte Erreichbarsein des Gervix uteri gab Veranlassung die
geraaclrten Incisionen genauer zu inspidren, wobei sich ergab,
dafis keine derselben weder das Peritonaeum noch eines der
umliegenden Organe noch eine grosse Arterie getroffen hatte.
Durch Anziehen an die provisorisch angelegten zwei* Silber-
drahte wurde diese Untersuchung bedeutend erleichtert. Ein
Schniil auf der lioken Seite des Certix war am weitesten
hinaufgedrungen und schien etwas gerissen, alle übrigen hatten
glatte Ränder wie sie eben Schnittwunden zuzukommen pflegen.
Nachdem die mächtige Blutung dur<;h kahes Wasser gestillt
war, hielt ich es Ar angemessen, die Schnitte durch Nähte
mit einander so gut wie möglich zu vereimgen. Dies geaobah
durch acht Silberdrabtc, wovon zwei die schon früher ange-
legten. Der wiedervereinigte Gervix hing iimi kegelförmig ia
die Scheide, der äussere sehr unregeimfissige Mutterauind liest»
0. d. Verbandl d. Geseilscbaft f. Gebnrtebttlfe s« Irtipsie^ etc. 155
Boeb einen Finger in den CervicaleaMl aindna^ea. Das Nähen
schien mir in doppelter Hinsicht gebeCen 1) nn eine Naoh*
Mttlung ans den vielfechen SchniUen lu verhindern 2) um
Gelegenheit xur Heihmg per primani rennioneni zu geben und
einen bng dauernden Eiterungsprocess mit üipbteiilis, Gang«-
rän, PMebiiis etc. zu verhiten. Schliesefich wurde noch der
inimer noch tief gesenkte Uterus von der Scheide aus in die
Höhe gedrfingt, ein Charpielanqion eingeführt und eine T Binde
angelegt Um V%4t Uhr war die ganxe Operation vollendet.
Das excerebrirte Kind männl. Geschlechts vier Pfd. wiegend,
46 Ctm. lang, unreif, zeigte ziemlich ausgedehnte Merkmale
wirklicher Päulniss, nicht der gewöhnlichen Maceration der
todten im Fruchtwasser verweilenden Fruchte; Fäulnissgase
unter der Haut und in den Körperhöhlen hatten sich aber
noch nicht gebildet.
Von der langen Geschichte des Wochenbettes will ich
nur weniges erwähnen. Eine schwere, ernstliche Erkrankung
trat nicht ein; nur eine massige linksseitige Peri- oder Para-
metritis mit hartnäckiger Obstruction und zeitweisen Fieber-
anfallen verzögerte die Reconvalescenz. DerLochialfluss war
reichlich und häufig mit etwas Blut gemischt. Am 26. Dec.
somit 26 Tage nach der Entbindung entfernte ich fünf oder
sechs Drahte, die übrigen waren fnlher unbemerkt abgegangen
Die Schnitte waren vollständig geheilt und wäre der Cervix
uteri nicht verlängert, die Scheide nicht schlaff und vorgestnipt
gewesen, so hätte man keinen Unterschied zwischen der Be-
schaffenheit der Genitalien dieser und'einer anderen Wöchnerin
in gleichem Stadium gefunden. Selbst die Induration war
rast geschwunden. Am 8. Januar operirte ich die Scheiden-
mastdarmfistel in der bekannten Weise durch trichterförmiges
Anfrischen und genaues Vereinigen mit drei Silberdrähten.
Zwar gelang die Operation vollkommen, aber die Heilung
erfolgte sonderbarer Weise nicht Des Vorfalles des Uterus
und vorzäglich der vorderen Scheidenwand wegen applicirte
ich der Krankeit «inen S^cafM^on^schen Hysterophor und ent-
lies sie am 27. Januar, ihr die Weisung gebend, sich in
einigen Wochen zur Vornahme einer neuen Fistel- und Damm-
operation wieder auf meiner Klinik einzufinden.
15g II. il«»MMr, MitthetlBDcreB «l>«r aie ThMtigfc«it MC
Die vorhMMltiie Litoralur Aber 4k Geburten bei VerMI
des schwangeren Utenis hat F. Hüter mit groftsem Heiiae
geaaimiieit ') und hat in aaner werlhvoUen monogrepMeclMi
Bearbeitung dieeea Gegenstandes besondere RAcksicht aof die
Incisioneu in den prolabirten Uterus* genommen. Er IMirt
(S. 271) an, dass drei mal eine Incision, drei mal xwei In-
cisionen, fünf mal mehrere Incisiooen in den ihm bekannt
gewordenen Ffillen ontemoromen wurden und empfiehlt gant
besonders die multiplen Incisionen drrogend. Weniger gönsCig
spricht er sich Aber das Nähen der Incisionen aus und eut-
schuldigt das Nähen in der Einen von ihm erzählten Be-
bachtung nur dadurch, dass er es als eine Abereilte Handlung
hinstellt. Bei den Veränderungen, welche während des
Wochenbettes in dem Parenchym des Uterus vor sich gehen,
meint er, werde man niemals eine Neigung der Uterinwunden,
per primam intentionem zu heilen, erwarten dArfen.
Meine Beobachtung zeigt aber, dass dieser Satz ein rein
theoretischer urtd irriger ist, und ich halte, nach dem was ich
erfahren habe nicht blos das primäre Anlegen von Drähten,
sondern auch das nachfolgende Incidiren und Nähen der In-
cisionen für ganz zweckmässig.
1) Gebnrt«h. Monatsschrift, Bd. XVI.
III. Bt/wumn, ZerrAiMoiif der Geb&rnatter etc. 15T
IIL
Zerreissung der Gebärmutter, Mutterscheide
und Harnblase bei der Oeburt
Untersuchung wegen fabrläBsiger Tddtung
durch begangene ärztUche Kun^tfekler.
Vofi
Dr. HoftMimi in Mtocliep.
IUt«risckes.
IMe Baueria A. von B., k. LandgeriohU C, »aeh Aim*
9«g9 ihres Ebemanne«, des Bauern und OrUnacbbarn A. tu
b. an({«blich 4Q Jahre alt, roiillerer Grösse und Stärke, war
mit ihrem Ehenianne 17 Jahre verbeirathet und im A%eniein6U
gesund. In dieser 17]ährigen Ehe gebar sie ihren fihemanne
einachlüssig des leisten Kindes, während dessen Geburt sie
starb, elf Kinder, aändiob drei Knaben und acht Midchen,
wovon fi9j»f Mädchen noch leben, swei Knaben und drei Näd*
eben gesiorinen sind und der suletzt geborne Knabe todt zur
Welt kam. Die früheren Schwangerschaften verliefen ohne
besondere Störungen, die Geburten abwechselnd b«M leichler
bald schwerer, -^ leichter besonders wenn die A. Mädchen,
«ehwerer wenn die A, Knaben gebar, — doch jedes Mal mit
Ausnahme einar Geburt, welche die känstliche Hinwegnahme
der Nachgeburt erheischte, ohne KuustbiUe.
Die leiste Schwangerschaft verlief mit mehr Beschwei*deH
als die früheren Schwangerschaften und beaeichnet der Ehe-
mann diese Beschwerden als in Kreuaschmerzen, wemi die
Schwangere eine Zeitlang spaim, und Beschwerden beim Auf-
stehen nach langem Siiaen, als in KopfWeh, Schlaflosigkeit
und Hamdraeg, ohne jedoch den Harn anders als tropfen«
weise lassen su können, als in grösserem Durste und ge*
ringerem Appetite bestehend. Am Ostermontage (24. Mars)
1845 wurde der Chirurg und Geburtshelfer D. von E., k.
Landgerichts C, zu der .Schwangeren beschieden, die damals
158 in. ffo/maiMi, ZerreiMVo; der Oebftrmwlter,
bedeutend unwohl war, welches Unwohlsein der Ehemann
ais Erysipeias, die Ortshebamme F- von G., k. Landgerichts
C, vom Hörensagen als Catarrh, die Dienstdime der Schwan-
geren als Kopf- und Zahnweh, der Chirurg und Geburtshelfer
D. aber als Seilenstechen und Schwerathmigkeit bezeichnet.
Der Chirurg D, lies der Schwangeren zur Ader, und zwar
sieben, oaeb späterer Angabe acht Unzen. Die Aderlässe
halten einen guten Erfcdg: Das Kranksein verschwand und
die Schwangere befand sich den Rest ihrer Schwangerschaft wohl.
Am 10. April 1845 gegen Abend nach Angabe des Ehe-
mannes sieben Uhr Abends, naeb Angabe der Dirne schon um
fünf Uhr Abends begann die letzte Geburt Als die Frau
dies merkte, schickte sie ihre Dirne fort, die \^^ Stunde von
B. entfernt wohnende Hebamme F, von G. zu holen, welche
auch um sechs Uhr Abends schon bei der Gebirenden ankam.
Diese fand den Zastand der Gebärenden, „sebon noch recht,
nur war sie matt^* und die Gebärende selbst bestfttigte ihr
ihr Wohlbefindnn. lhi*en Puls taxirte die Hebamme „niehf
so, als wenn eine Aderlasse nothwendig gewesen wäre, dena
er schlug ordentlich. Bald war die Gebärende beiss, bald
kalt; ihre (Tesiohtsfarbe war immer blase; vom Durst sagte
sie nichts. Der BmicIi war gross und gespannt und ganz
nach v«rne geneigt wie es sich hall bei einer Geburt geb^l.
Der Muttermund stand hoch, und war noch nicht so ausge-
spannt, dass der Kopf halte eindringen können. Der Kopf
lag ordentlkh vor, nur hatte das Kind eine Kopf^eschwotst,
denn man griff alle Fontanellen*'. ^) Bei Ankunft der Hebamme
wareii die Wehen ^,mdit viel stark, der Bauch war M>eraH
fest, und wenn die Wehen nachgelassen haben, hat auch seine
Spannung nacfagelasaen.'' Dabei schwitzte die Frau nach Aus-
sage des Ehemannes „bos'^ Die letzten Entleerangen der
Urinblase und des Mastdarmes fanden nach Aussage der
Hebamme vor de» Blbsensprunge statt, der nach Aussage
des Ehemannes in der Macht um neun, zehn oder elf Uhr,
nach Aussage der Hebamme am Mitternacht erfolgte. Nach
ihrer späteren Angabe fand aber ein eigentlicher Blasensprang
gar nicbt statt, sondern, W4> die Gebärende gegangen and ge^
1) ?? Dr..Ä
MaiUr««li«id« und HarBbUse b&i d%r Clebart. 1£9
sUQd^t ^i it9&„ Wa&Aer imiuer nursa weggesieen' % wa» beaenders
d«r Fall gaweson aais aoll bei der zweitae Ualersiicbuug, die
die Hebaiuiue um sehn Uhr Abends vorgenommen haben
wiU, Nacfa dem iaui erater Aussage um Mitternacht eifolgien
BJasensprMiige nahm die Hebamme eine Unleniuchtiiig vor,
Sie fand den Mutlcirmund „sein*", nach einer späteren Aus-
sage »,ein Biscbeo*' erweitert, ,,aber nicht so, dasa es den
Anschein gehabt hatte, ,«als i^ante die Frau das Kind ge-
bären!*, nach beiden Aussagen aber den Kindskopf ,,kaiim um*s
Merken vorgeriUikt'*.
Nach dem Blasensprunge nahmen die Wehen ab uwl
wm^n immer schwächer, die Gebärende wurde sehwach und
wollte oiciu liegen können, kurz, die Geburl stockte, weil
nach Aussage der Hebamme die Gebärende die Wehen nicht
mehr verarbeiten konnte, da diese „nicht mehr anireibeiid
warep und das Kind selbst gross gewesen ist." Ana -diesen)
Grunde verlangte die Hebamme die Herbeibokmg «nes Geburts-
helfers» als wdcher von der Gebärenden der Chirurg D. voo
E. bezeicimet wurde.
Am 11. Afril.1845 in der Nacht um 1 oder IV^UImt
wurde der Knecht des Bauern A. und der Baumanfi seines
Nadibacn, des Bauern H. von B., mit einem Fuhrwerke nach
dei9 eine Stunde von B. eo^ernt liegenden E. zum Chirurgen
und Geburtshelfer X). geschickt, wo sie auch nach des Letzteren
Angabe «pi 1 — 1}I^~2 Uhr Morgens eintrafen. Chirurg !)•
richtete sich gleich zurecht, und will auf dem Wege von E.
nach B. beiläufig Vs Stunde zugebracht haben, also beiläufig
eine Stunde, nach seinem Herheirufen bei der Gebärenden in
B. eingetrofi*en sein. Ueber die Zeit, wenn Chirurg D, bei
der Gebärenden .eintraf, schwanken die Angaben zwischen 1 '/.2,
zwei und. drei Uhr Morgens yvelche letztere Angabe die des
Chirurgen D. ist
In der Zwischenzeit, bis der Chirurg D. ankam, war
die Gebärende sehr unruhig und „wusste nicht im. Bette und
nicht aufzubleiben. Wenn sie im Bette war, verlangte sie
wieder hinaus*', ging unter Assistenz ihres Eheipaones und
der Hebamme 2 — 3 Mal die Stube auf und ab, „und ver-
langte dann wieder ins BetL'' Um diese Zeil überzeugte sich
die Hebamme öfter vom Leben des Kindes.
160 II'- Ho/mttn, ZerreiuMg der OebÜrnvttor,
Ak der Chirurg D. m der GebireiMkii ins Ziiimier trtl,
fand er sie nach seiner Angabe x neben ihrer Bettlade stehen,
naeh Angabe des Ehemanns im Belle, naoh denen der Ifeb-
aoime ausser dem Belle. ^ ,,Sie jammerte webmulhig, dass
sie es vor Sohmerzen nicfal mehr aushalten kdnne, hatte
Sluhlreiz/' und war nach Aussage der Hebamme aÜei^dings
„sehr mau, doch nicht so, dass sie sich nicht mehr hStle be-
wegen ttönnen'', nach des Chirurgeu i>. Aussage aber „sehr
aufgeregt und um*uhig» Dabei war der Puls hart und fire-
quem mit Intervallen, ^) voll, abwechselnd klein: sie aihmete
schwer, die Temperatur des Körpers war heiss und es war
Schweiss zugegen, so dass ihr das Wasser herabfloss; Extre-
mitäten und Gesicht waren heiss, doch wechselte che Tem-
peratur und war bald Frost, bald Hitze zugegen; eben so
Brechreiz/'
Chirurg D. liess die Gebarende zur Vornahme der Unter-
suchung in die gewöhnHohe Lage ins Bett bringen, und nahm
hierauf die Untersuchung, zuerst äuseerlich, danu innerücfa
voi\ Nach späterer Angabe will er die Frau wiibrend sie
an der Bettlade stand, untersucht haben.- E> fakid bei der
Untersuchung ,«den Fundos uteri hart, nach rechts gerichtet
und einen Hingebaucli; die Ausdehnung des Bauches war
gross, seine Belehrung schmerzhaft.'' Die abweohaehide
Barte und Weichheit des Bauches liessen ihn schUessen „dass
kein Krampfzustand im Uterus zugegen war." Sodann nahm
Chirurg B. die innerliche Untersuchung vor, wobei er „die
Geschlechtstheile ganz zur Zangenoperation vorbereitet und den
Muttermund gehörig erweitert fand um uüt dem Instrumente
beikommen zu können/'
Ueber die Lage des Kindes dnlckt sich Chirurg D. sehr
unklar aus; so viel geht mit Gewissheit aus seinen verwor-
renen Aussagen hervor, dass der Kopf mit seiner Sdieitel-
oder Hinterhauptsfläche in der ersten Lage (Pfbilnafat im
ersten schrägen Durchmesser und Hinterhaupt nach vonie und
links) vorlag, was nach seiner Ansicht an und für sich schon
ein ungünstiges Ereigniss war, „weil dadurch die Wehendiätig-
1) ? ? Dr. H.
Muftertebeide nnd Harnblase beider Qebart. 161
keit gtflieamft waf/^>') 'Ueber den HöheMaitd des Kopfes Bind
seine Angaben noch vefwirrter, indem Innt erster Atissnge
desselben „der Köpf des Kindes auf^) dem 8c}ianibogen s«fir
fest eingekeilt, eigentlich aber auf dem grossen Beckeneingaiige ^)
stand/* nach einer späteren Angabe schon „im Becken^ih^
gange/' und nach einer noch späteren „am Beckeneingange
eingekeilt war,'» welcher Ausdruck för dch Gbh*urg D, gleich-
bedeutend ist mit dem, „der Kopf siehe noch hoch.'* Ebenso
gibt Ober das Vorhandengewesensein öder Nrchtvorhanden-
gewesensein ton Wehen zur Zeit setner Ankunft €hhiirg D.
widersprechende Angaben, denn nach der einen Aussage des--
selben waren abwechseltid „Härte und Weichheit des Bauches
bei der fierfthnmg bemerkbar** und ,,nocli einige kleinere
W^hen" vorbanden, nach andei*er Aussage hatte die Wehen -
thätigkeit ganz „aufgehört und war von Wehen nichts melit*
wahrzunehmen.** lieber das flehen des Kmdes zu dieser Zeit
des Gebäractes will sich Chirurg Z>. durch das Geffihhhab^n
setner Bewegungen überzeugt haben. Um das Weitere, wie
lange die Frucht noch Lebenszeichen von sich gegeben habe,
kümmerte er sich nicht mehr „weil man spätere Untersuch-
ungen' nicht mehr tornimmt.***)
Nach beendigter Unlersuchuhg erklärte Chirurg D. gegen
die Bebamme, „es sei eine grosse Scheitelgeschwulst ' vor-
handen,*^ nnd gegen den Ehemann, „um diesen nicht zu er-
schrecken, es habe gute Wege,** gab der Gebärenden ein Pulver
Mutterkorn, „um dadurch die Wehen hervorzurufen nnd einem
Bhitfiuss in der ffinften Geburtsperiode vorzubeugen.** Die
Entleerung des Urins durch den Katheter hielt er für bedenk-
lich und unmöglich, „weil bei dem auf die Blase druckenden
Kmtlskopfe leicht durch den Katheter eine Verletzung hätte
entstehen können; was oft den augenblicklichen Tod der
Frau zur Folge habe.** Es dftnkte ihm aber auch deshalb
die Katheterapplication unnothig, weil ihm die Hebamme ge-
sagt hatte, die Frau habe mehrere Stuhlgänge gehabt, woraus
1) II
Dr. U
2) t?
Dr. B.
3) M
Dr. H,
MoDattielir. f. GcbarUk. vm. Bd. XZV «Boppl Hft-
11
168 ni. ffofmaimf Zerreicanag der Gebäriniill#ff,
tr auf eint gieiobxeiiig geschehene UnaeRilaenuig «diktts»
Zum Ueb«r8ufts soll ihni nach seiner AuMage dw G#häreB4ie
ii9ch gesagt babani sie tiabe beim Blaseospitinge lJria.gelas9eii.
Chirurg Z>. liess sofort das Qiierbelt heiTicblen md die
Frau darauf legen, während nach Angabe der Dirne daaselb«
Siphon vor seiner Ankunft von der Hebanune hergerichiet worden
sein soll und schickte er sofort aur Anlegung der Zange sich
an. Dass er zui* Ermittelung der Ursachen des Zustande»
in dam er die Gebärende fand selbige examinirt, sowie aur
Beseitigung dieses Zustaudes ausser der schon erwähnten
einen Dosis Mutlei*kornes sonst etwas ordinirt habe, ist jair-
fgwds aus den Acten ersicbtlicli. Den Gnmd des aulgeregleo
Zustandes der Gebärenden suchte er vielmehr in dem Mangel
der Wehenthäügkeit ') und der sciion angeblich geschehenen
Verarbeitung der Weben. Diese „Schwäche gab ihre Anzeige
zur Zange, da Gefahr auf Veriug stand und awar sowohl
für die Mutter, als auch Air das Kind, welches letzlere durch
den fortwährenden Druck erstickt worden wäre/' ^) Dies
waren die Gründe, welche ihn zur Anlegung der Zange ver-
mochten.
Chirurg D. schritt also gleich nach vorgenommener ((Inter-
suchung und nachdem die Gebärende auf das QuerbeM ge-
bracht worden war, zum Auspacken der Zange, was er auf
einer neben dem Bette, worauf die Frau lag, stehenden Truhe
that. Uebrigens will er mit dem Auspacken seiner Instru-
mente nicht Aufsehen erregt haben, wie der Ehemann, die
Hebamme und die Dirne versichern, sondern ruhig verfahren
sein* Die Frau aber, welche beim Anblicke der Instrumente
vom Sterben zu reden anfing, tröstete er nach eigenem Ge-
ständnisse damit; „dass dies nur aus Vorsicht geschehe, weil
es öfters vorkomme, dass man zu einer Person, die schon
oft ohne Anstand geboren habe, gerufen werde, und dann
die Sache scblinmi ausfalle und der Geburtshelfer um Zutrauen
und Praxis komme;') übrigens solle sie nur den Muth Dicht
verlieren, es könne Jedoch auch noch gut gehen, sie solle
sich nur ruhig verhalten.'' Auf dem Querbette lag die Frau
mit erhöhtem Oberkörper und wurde von dem hinter ihr
1) ? ? Dr. E.
Mntterfreheide and HarnbUte bei der Oebnrt. 16S
recblft auf dem Bette stehenden Ehemanne unter den Sclmkeni
gehalten; die Füase hatte sie auf eine tor dem Bette stehende
Bank oder einen niedrigen Stuhl gestellt und hielt die
Hebamme das rechte und die Dirne das linke Knie, wiHrend
nach des Ehemanns Angaben die Assistentinneii nnjge4cehr(
placirt waren. Zugleich hielt die Hebamme die instrenente
des Geburtshelfers, die Dirne aber das Licht Chirurg />.
sdbst sass zwischen den von einander gespreitzten Knieen
der Gebärenden, wartete noch eine Zeitlang die Wirkung de»
gegebenen Bfutterkornpnlvers ab, so dass ungefähr Vs~%
Stunden seit seiner Ankunft bei der Gebärenden verflossen
gewesen sein mochten, bis er sich wirklich an die Operation
machte.
Nach des Chirurgen D. bestimmter Behauptung wiN er
zuerst den linken Zangenlöffel eingefftbft haben, während narli
der Aussage der Hebamme, der auch, in jedoch unsicherer
Aussage die Dirne beipflichtet, der rechte* ZangenMff^l soll
zuerst eingeflihrt worden sein, nnd dann der linke. Chirurg
Z>. fasste den ZangenlOffel, „nicht wie es Anlanger tbun
müssen, wie man eine Schreibfeder hält, sondern mit der
vollen Hand, indem ihm eine Zangenoperation keine schwere
Aufgabe ist, deren er schon mehrere bei ungfiiistigeren Ver-
hältnissen mit glücklichem Ausgange fRr Mutter und Kind^'
gemacht haben wiH. Der zuerst eingeffthrte Löffel konnte
nach seiner Angabe leicht, nach der Hebamme Aussagen aber
schwer eingeführt werden; „doch gab die Gebärende dabei
keinen Laut von sich.** Chirurg D, übergab den eingelegten
LöATel der Hebamme zum halten, und schritt zur Anlegung
des anderen (nach seiner Angabe des rechten) Löflels, den
er gerade so hielt und einbrachte, wie den ersten Zangenlöfl««!.
lieber das, was nun bei der Anlegung dieses zweiten Löffels
geschehen sein soll, sind die Angaben der Betheiligten sehr
widersprechend. Nach des Geburtshelfers Angabe soll, als
er den zweiten (nach seiner Angabe rechten) Zangenlöffel bis
zur Hälfte eingebracht hatte in die Mutlerscheide ^ die Gebä-
rende ihm einen „Ruker** entgegengemacht haben, „indem
sie sich pärzte in der Art, dass er beinahe unter ihr 'hätte
durchschlüpfen können, welche Bewegung unisomehr Kraft
hatte, da ihre Pässe nicht herabhingen, sondern in der Höbe
11 ♦
164 ni. Sofinann, Zorteia^ng dor GeMrniiiMer,
w«re«/' d. h. auf einer Biok oder dnem SluUe «taoden,
tittd da Ar ,,bei der vorliegenden Einkeüung des Kopfes mit
deoT Zangenlöfiel nach hinten an der Kreuzdammbeinfuge ia
die H^lie su kommen tracblen nHisaie, so musate er dabei''
seiner Beachreibuag nach ,,natärlicher Weise ohne sein Ver-
scbuMen aus der Ricblung kommen/' auf welcher Aussage
Cbimrg D» auch in der Folge stehen bleibt und siets he»
baumlet, die Gebärende habe sich bei Anlegung dieses zweilien
Löffels sehr unruhig verhaUej). Nachdem das durch die eben
beschriebene Bewegung der Gebäreoden momentan vorbandene
Hindernis gehoben, will er die weitere Einführung des LöfieU
leicht 2U Stande gebracht haben. Auf das Bestiipntesle
werden jedoch diese Angaben des Chirurgen von dem Ebe-
wnne, der Hebanime und der Dhrne widersprochen und vou
ihnen einstimmig behauptet, es habe die Geliärende wedei* eine
solche plötzliche Bewegung mit dem Hinlern gemacht, nod)
Oberhaupt sich um^uhig, sondern im Gegentheile ruhig benommen,
und nicht einmal oder nur unbedeutend gejammert. IJeberr
haupt soll nach Aussage des Ehemanns und der Dirne diese
erstmalige Zangenanlegtmg leicht gewesen sein und auch nicht
lange gedauert haben, nur nach Aussage der Hebamme ging
es schwer. Irgend ein Ausfluss aus den Geschlechtslheileu
fand bei diesem erstmaligen Anlegen der Zange nicht statt.
Nachdem die Zange angelegt war, brachte sie dei* Ge-
burtshelfer zum Schlüsse, was er nach eigener Bestätigung
nur mit Muhe thun konnte. Nach seiner und der Hebamme
Aussage scbloss die Zange schlecht und ergibt sich ^wischen
den Aussagen Beider nur die Differenz, dass sie nach setner
Aussage wenn auch schlecht, doch ganz, nach der der Hebamme
aber gar nicht geschlossen haben soU. Er machte nun einen
Probezug mit dem Instrumente und fand, dass dasselbe gut
lag. Zugleich hielt er sich dabei überzeugt, dass eine Ver-
letzung der mntterlirhen Theüe, an deren Möglichkeit er hei
der unruhigen Bewegung, welche die Frau beim Einführen
des zweiten Zangenlöffels nach seiner Aussage gemacht haben
soll, mit Befürchtung gedacht hatte, nicht stattgefunden habe,
denn die Frau machte beim Probezug kein Zeichen des Schmerzes,
obgleich sie dabei nach seiner Angabe eine Bewegung, ge-
waltsamer Art mit dem Hintern gemacht haben soll, was
Muttoraclieiile and HftrnblftM bei dtr GebiiYt. 1^
aber ebenso beetiniiut von den drei bei der Enfbindong gegen-
wftrtig gewesenen Zeugen widersprochen wird. Nach Aussage
der Zeugen soM der Chirurg D, nun 2 — 3 Mal fest mit der
Zange gezogen haben, was er konnte, „so daas er schwittte
nod ihm das Wasser über das Gesicht herabrann,'' und dass
di$r die Gebärende unter dem Arme haltende Ehemann „hallen
inussCe, was er nur konnte, denn das Weib wäre iban beinafae
ausgekommen/' Dieses krädige Aniiehen des GeburtsbeHers
s<ril ungefihr vier Vaterunser lang gedauert haben und dann
soll ihm nach Aussage der Hebamme und der Dirne die Zange
abgerutscht sein. Ganz verschiedcü von diesen Aussagen ge^
staltet sich die des Geburtshelfers. Nach der dritten bis
vierten Rotation der ersten Traction schon wurde seiner Autr-
«age nach der rechte Zangenlöflel aus dem Schlosse gewcNieii
und er will daher genöthigt gewesen sein, die Zange abiu-
nehmen und verivahrte sich feierlich gegen ein Abgeratschtseiu
der Zange. Bei diesen vom Geburtshelfer gemachten wenigen
Rotationen, die er nicht einmal mit Kraft gemacht haben
wiN, soU nach seiner Angabe das Weib nicht einmal geschrieen,
und auch nach des Ehemanns Angaben nicht besonders viel
SchmerB getuesert haben.
Nachdem die Zange aus den Geburtslheilen entfernt oder
abgerutscht war, jammerte die Gebärende sehr. Nach he*
stimmler Angabe der Dirne floss nichts als etwas Wasser und -
hellen Blutes aus den Geschleditstheilen aus; nach ebenso he-
slimmter Aussage des Geburtshelfers kam aber schon nach
der angeblichen Herausnahme des rechten Zangenlöffels Vkit,
sodass es ihm selbst auffiel, „woher denn das Blut käme/'
Er dachte sich „von einem Einrisse des Mnltermundes wie
sie bei Zangenoperationen gewöhnlich seien." An allenfalls
geschehene Verletzungen des Uterus dachte er nicht, „doch
kam ihm jedenfalls dieses Ereigniss sonderbar vor.** Se er-
skhreckettd war ihm übrigens dieser Blutfluss, gegen den er
eine Compresse zwischen die Geschlecbtstheile gelegt, und
Zimmt* ilbd Rhatanhiatinktur ana partes aequales gegeben
haben vril, gerade nicht, „aber doch bekam die Kreissenile
schon kleine Gonvulisionen und zeigte sich kränklich.*' Die
Menge des aiigebUch verlornen Blutes schätzt Chirurg D. auf
angeblich 16 — 20 Unzen.
Mit diesen Angaben de» bedenUicben Scbwifibezuslandes
der Frau nach dem ersten oiisalungeneo Zangenversiiehe
stimmen abgesehen von dem zwetfellianen Blutflusee die Ao*
gaben des Ehemannes und der Hebamme dberein. Ueber den
aligemeinen Zustand der Gebärenden zu dieser Zeil weiss
Chirurg D. nichts anaugeben« ^da man,*' wie er sagt, ^nicbt
mehr Zeit bat auf das Aeuasere zu sehen, >) weil das Innere
fiescbafUgung genug da giebt.''. Um diese Zeit oder schon
bei Gelegenheit, als der Geburtshelfer die Rotationen bei dem
erstmaligen Gebrauche der Zange gemacht halte, soll die
Gebärende geäussert haben, „sie hätte ein Krachen in ihrem
Leibe verspürt" Die Angaben und Aussagen der bei der
Gebnrl Anwesenden änd über diesen Punkt aber so wider-
sprechend, dass es nicht nur ungewiss wird, wann ein aolclies
frag^ches Krachen stattgefunden haben soll, sondern auch,
ob überhaupt nur diese Aeusaerung von der Gebäreoden wirk-
lich gefallen ist oder nidit. Selbstgeh^rt will Niemand dieses
fr^liche Krachen haben.
ids der vom Chirurgen D. behauptete und beobachtete
Hntflttss vorüber war, nahm er eine innerliche UnteraHcfalMig
vor, um sich von der Quelle der Blutung zu überzeugen. Er
fand dabei den Muttermund gerade so, wie früher nnd den
Kindskopf ,4ioch an derselben Stelle wie fk'üher/' Ob er
aber bei dieser Untersuchung die Quelle der Hämorrfaagie
entdeckt habe oder nicbti darüber spricht sich derselbe nicht
aus. Er bereitete sich viel mehr, „weil denn doch die Geburt
beendigt werden musste,'' zur nochmaligen Anlegung der Zange
vor, bis zu dem Beginne welcher vom Ende des ersten Zangen-
Versuches an gerechnet ein Zeitraum von drei Vaterunser ad
Vi Viertelstunde verflossen sein soll.
Ueber die zweite Zangenlinlegung, bei welcher Chirurg
J>. auerst den linken und dann den rechten ZangenlMTel ein-
brachte^ sind die Aussagen der gegenwärtig Gewesenen eben-
falls unter einander ungleich. Nach des Geburtshelfers Aussage
war die aweitmalige Anlegung der Zange „nicht schwer, aber
das Hindemiss*) mit dem rechten Lüffel war wieder wie
1) I ! Dr. B.
8) ?? Dr. H.
BlittUMehetile and Harnbl«»« bei der Geburt. f^
ArtUher/' Der Hrne dtiikt 4ie xwMle Zangenaiilegmig achwie-
ri|psr and Hnger dauernd als die ei-sImaKge, der Hekeimiie
aber IWGiiler. (Jebrigens sagen der Bbemami und Geftnrto^
Helfer fibereinstimmend, dass sich die GeMreiide dabei rnbiger
verhalten habe, aie das erste Mal und nttr die Hebamme sagt
ans sie sei unrtibig gewesen, „itnd babe dabei den unken
Fttfls immer in cfie Höhe getbaii, bis man sie recht fest ge*^
halten babe, dass sie sich nicht mehr rätiren b#nttte,' nnd
dabei babe sie recht gejammert/' Aucbiusserte die GebAreiidn,
,»sfe sei so^* (von der Zange ndmiicb) „geewicitt worden,*'
was der Gliirurg D. als ein Erfasstwordensein der Sebambaare
M der Schliessung des Instrumentes erklärt. Naeb des Ge-
burtshelfers erster Aussage seMoes die Zange dies mal besser,
ah das erste Mal, nach einer späteren Aussage nur schlecht
und mit Mühe, nacb der Hebamme Aussage aber „ebenso
wenig, wie es sich gehört, wie das erste Mal." Nach dem
Probesug wiH der Geburtshelfer ebenfalls wieder nur 3 — 4
jedoch stärkere Rotationen mit dem Inatrumente gemacht
haben, als die Mheren; „2 — 3 l^ste Zdge'* nennen aber die
Ifebamme und die Dirne diese Rotationen, werauf nach Beider
bestimmter Aussage die Zange wiederholl abgerutsoht sein
soll, während nach des Geburtshelfers ebenso bestiromier An-
gabe das Instrument von ihm soR abgenommen worden sein,
weil — jedoch ohne dass er es Jetzt sehen ahnte — der
Memeiit des 8tei1)ens fär die Gebärende herannahte. Diese
wurde nämlich schwach und bekam Convulsfonen , weshalb
der Ehemann die Aeusserung machte, man mächte seine Frau
docli providiren lassen, und diese Worte wanen nach des
Geburtshelfers Aussage der Grund, der ihn das« vermochte,
die Zange abzunehmen. Doch hielt er de» Zustand der Ge-
bärenden noch immer nicht für so bedenklieh, sondern fir
Schwäche, welche Ansichten er auch offsn adssprach. Nach-
dem aber die Zange aus den Ges<^deobtstheilen entferat war,
uiid nm ehte prefbae Metrorrhagie eintrat, redete er selbst
zu den Geietlicben zu holen, und verlangte ddn k. Geriohtsarzt
von G. als Betstand. Auf seinen Befehl gA die Hebamme
der Gebärenden einen Löffel voll Zimmt- mid Rhatanhürtttihtttr
ans partes aequales, denn die Blutung war so stark, dass
der Geburtshelfer selbst zugiebt, ^es babe wie bei einer Adei^
]j^ IXJ. Ho/mann, ZarrcHuvDg d«r GebÄfmaUar,
\m^ feDofiseo'/ und die Hebamme sagte, ««^ bfibe geflosse«,
mafi Jmr heraus booiile/' und das» der am Kopfe d^r &e-
bäneaden auf dem 36tte slekende Elienano „das Kluscbeln des
Blytos auf denn B^dea hdrta'' Beim £iii§ebe» der Tinktur«
die die Gebarende nicbt iiehmmi wollte, uod aucb aiv sor
Hüfk binunteirbraobte, biss diese auf den Löffel, woraus die
H«baiMne sobloas, „dass es gefehlt sei^'' wesbalb sie auch
MW dem Zimmer lu ebeuei' Erde hinablief, um d«a Befebi
zur sfiUeuoigen Herbeibolung eines Geisüicben m geben.
Wahrend ihrer Abwesenheit s<dl nach Angabe der Dirne
4ler CUnirg D. noch einen dritten Versuch mit dei* Zange
gemacht haben, ohne es jedoch zu einem wirklichen Schlinssen
und Operiren mit dem lBsti*uttenie gebracht zu haheii^ denn
der Ehemann habe ihn . gebeten , seine Fran ruhig s4ei*ben
zu lassen , worauf er von einer weiteren Procedur abgestanden
sein soll« Erst nun soll nach Aussage der Dirne das Blut
80 stark geflossen sein, dass es nicht Jnehr zu stillen war,
seUmt als der Gdmrtshelfer „einen Hadern vorhielt/' Dieser
IßauMte der Sterbenden Na{>htba auf die Herzgrube und dcBse
vertattgte auf die linke Seite, gel^t zu werden, was aueh
geschah. Sodann verfiel sie in. ZOgen, bekam etUcbe Coii-
vulstonen und starb in den- Armen ihres sie noch umfangen
hakenden Hannes. Von d^ Zeit, als nach dem zweiien
Zangenversttche das Blut so stark floss, bis zum Tode der
Frau soll nach Aussage der Hebamme und Dirne ^1^ bis kaum
1 Viertelstunde verflossen sein; „3 — A Vaterunser lang'* be*
stimmt der Ehemann diese Zeit. Im Ganzen mochte der
(seburtshelfer von seinem ersten Erscheinen bei der Frau
bis au deren Tode ^j^ — 1 — IV« Stunde verweilt habeuw
Laut beim k. Gerichtsarzte in C. abgegebenen Todtensclieiii
starb die Gebfirende am 11. Aprü 1845 um 3,, laut d^s
GebmtsheUers Aussage um 3^/4, und nach der Dirne Angabe
zwischen 4 — 5 Uhr Morgens.
Ak die Gebärende kein Lebengzeicben mehr von sieh
gab, nahm der.GeburlsheMer die äuaserliche Untersuchung des
Leibes ivor, den er welk und weich fand und wobei «r
deutlioh die Eitremitäten des Kindes durch die rB^uehdeeke
•dufchfBUen konnte. An die Möghcfakeit der Rettung des
Kindes denkend schritt e^ nach kuraer Zeit zur Wendung
Huit^riohci^e und Harnblas« b«i der Gebmi. 169
und £xUraetion. Zur lYeiKluiig * wählte er* die liniie Hand,
,^weii a«cb der Ungesehickleele wi^se, dass maa das» nur
iomier diese Hand nebmen könne.^' Ueber cue Lage* des
Kindes, wie er sie bei der Wendung fand, drückt er sich
fo^geodermaassen aus : „Gesicht und Baiichlläche des Kindes
waren nach rechts und hinten in der Gebäimutter gekigert,
Steiee und Rückenfla^he, er&terer nach rechts und letztere
nach Unks gerichtet; die Fasse befanden sich in der rechten
Mutteraeite nach hinten. Der Koj^f stand hoch im Becken,
da wegen des erfolgten Todes keine Uterincoatractionen zih
gegen, waren, war die Wendung leicht'*, was auch die Hebanraie
bestätigt ; nicht minder der Ehemann. Ob die NabelscbiKir
A<ftch pulsirl habe, weiss der Geburtshelfer nicht mehr, ver-
DMithet es aber des starken Blutverlustes der Mutter halber.
Einer späteren Angabe nach soll sie nicht mehr pulavt habeit.
Nach eigener und der Hebamme Aussage bekam Chirurg D.
6en erslen (linken) Fuss des Kindes leicht in seine Hand;
dann holte er den anderen Fuss herab, Was schwerer ge-
gangen sein soll. Nach eigener und der Hebamme Aussage
bedurfte es einer guten Viertelstunde, bis das Kind bis zum
Halse geboren war. Weder der Geburtshelfer, noch die Heb-
amme, noch die beim Tode der Frau davongelaufene, in-
zwischen aber wieder herbeigerufene Dirne bemerkten Lebens-
zeichen am Kinde. Am e^wierigeten war die Lösung der
Anne , namentlich des linken , um welchen nach der Hebamme
Aussage die Nabelschnur gewickelt war, die gelöst wurde,
wahrend der Geburtshelfer behauptet, die Nabelschnur sei
um den rechten Arm gewickelt gewesen. Beim Lösen brach
der linke Arm ab.
Zu dieser Zeit soll es gewesen sein, wo nach des Geburts-
helfers Aussage seine Assistentinnen nicht mehr Stich gehalien
haben, sondern davongelaufen sind, weshalb er zwar mil
der Hand den Kopf zu entwickeln suchte, aber die Zange
nicht mehr habe anlegen können. Dieser Umstand und weil
keine Bewegungen des Kindes ein L^ben desselben verriethen,
und selbet, wenn es noch vor der Wendung gelebt hätte,
bei der bisherigen Dauer der Oparation von mehr als V4 Stunde
nolhwendigerwaise hätte lodi sein müssen — dies waren die
Gründe, waium der Geburtahelfei* von weitereu Bemühungen
170 1^'* Bofmanny ZerrelMttng ^tr GabMristtHer,
den Kofif zu entwickeln abstand« Von einem sokilMfii an-
geliehen Daroiilaufen der Assistentinnen enthalten die Aeti>n
nieRts Näheres, sondern die bestifliniten Aussagen des Hie-
mannes, der Hebamme und Dirm; gehen dahin, dass Chirarg />.
die Entwickelung des Kopfes mit der Hand zwar versodrt,
aber nicht %n Stande gebracht , und im Beisein der bishi^r bei
der Entbindung gegenwärtig gewesenen Personen unverrichteler
Dinge die Todte unentbunden verlassen habe.
Chimrg D. blieb noch kufze Zeit im Hause ^^ De-
fnnclin nnd machte sodann noch an demselben Moiigen um
7 Uhr Selbstansetge Ober das Geschehene bei dem k. Gericbts-
arxte in G., der in Anbetracht des Umstandes, dass derselbe
schon mehrere Maie seine BeAignisse dberschQtlen bette , nnd
deshalb gestraft worden war, Anzeige beim k. Landgerichte
C. erstattete.
Bemerkt wird, dass der Chirurg D. an der chirurgischen
Schule zu J. seine Studien machte, und das Absohttorium
mit der dritten Note „gut*^ erhielt
Die am 11. April 1845 vorgenonimeiie Obduction ergab
folgendes Resultat:
A. Mütterliche Leiche.
L Aeiaeaerllohe Beelohtigunir.
Die Leiche liegt unangekleidet im Bette, die Arme Aber
der Brust gekreuzt, die Ffisse gleichweit von einander liegend,
und zwischen ihnen die auf dem Bauche liegende laiche des
Kindes, dessen Kopf noch in den Gescblechtstbeilen der
Mutter steckt.
Die Leiche ist mittlerer Grösse und dm*cbaus sehr blass.
namentlich an den Lippen und dem Zahnfleische , mager , der
Bauch selir aufgetrieben ^ nicht trommelsüehüg , sondern ober-
halb des Nabels etwas weich. Unterhalb des Nabels die
Kugelform etwas ungleich and diese Gegend theils wekh.
theils harilich anznföhlen!
Nabel nicht hertorgetrieben , vielmehr etwas nnnlig.
Die äusseren Geschlechtstheile von dem aus ihnen beraes-
hingenden Kindskdrpers bedeckt, und an den Oh«r* «nd
Unterschenkeln Spuren eingetrockneten Blutes.
lf«lt#r«eli«Ue ud Harnblstft bei <ler €iebart. 171
Da» swmdieo d«il Schenkelii der Mutier geftegeoe Kind
naonUehen Geachkcbies vmi den FAssen bis gegen den Beueh
hinauf föllig Mau; der dbrige Kdrper, d. b. der Rampf und
der BU$, soweil dieser siebibar, Mass inid nur theilweise
violett geßrbL Die Vorderflaebe des Kindes dem Unken
Muttersebenkei und nacb hinten zu genditet, so daes der
rechte Arm des Kindes unferbalb der mütterlichen Symphyse,
der linke am Danme sieht
Die coUabirte Nabefechnur läuft vem kindlichen Nabel
der linken Kindsseite au^ wendet sich gegen den rechten
Schenkel der Mutter und läuft mitten am Röcken des Kindes
in die Höbe, bis sie sich an ebersten Rande des rechten
Scbttlturblattes in die GescblMhtstheUe der Mutter Terlint.
Breiie des mutterlicben Hüftemaasaes von einer Seite
zur anderen U&%'\^)
•n. Innerliohe Boeichtigung.
a. Bauchhöhle.
1) Nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigt sich
2) die sehr stark ausgedehnte Gebärmutter bis zur
Magengegend hinaufreichend und an ihrem Grunde vom grossen
Netze bedeckt, unterhalb dessen ein Theil der Gedärme. Zur
Seite und vorwärts ist die Gebärmutter von einer harnähnlich
riechenden gelblichen Flüssigkeit umspült.
3) Der Peritonäalüberzug des Uterus an der oberen
Hälfte des Organes viel derber und fester anliegend, als an
der unteren und namentlich vorderen Fläche, wo dieser
Ueberzug nur locker anhaftet und mit gelblicher Sülze unter-
laufen ist, die sich nach den Gesetzen der Schwere nach
der rechten Unterbauchgegend hinabsenkt Am unteren Gebär-
muttersegmente vielfache Verbindungen mit dem Peritonäal-
überzuge der Bauchdecken.
4) Länge der Gebärmutter vom Schambeinrande bis zur
Oberbaucbgegend 10'', ihre Breite in der Mitlelbaucbgegend 8".
5) Am Körper der Gebärmutter eine merkliche Ein-
schnürung sichtlich, welche fast kreisförmig um die Gebär-
mutter herumläuft und unterhalb welcher
1) Dnreh die ganse Seetion geht der Pariter IfAMtatab.
Dr. B.
172 '^'* Siofmunm^ Kerreittttiig der GebftrnittUer,
6) die Gebärnmtler wieder an Umfang suBitniiit Die
beiden Ovarten und Tuben nicbis (JngewöhnKebes darbietend.
7) Gerade oberhalb der Sobambeinverbindung ragt eine,
eineii ^zigen Erguss enthaltende floclnircnde, röttdiebe Ge-
schwulst von der Grösse einer Kindesband bervoi*, die steh
bei genauer Besidiligiuig als die dininwandige und zimt TVil
mit Irübem Barn gerüllte Harnbild dai^stelH , deren Schleim-
haut Iheils weiss, Ibeils rötblich gesprenkelt isL
8) Die äussere Farbe der dem Auge frei sieh darbietenden
Gebäraiutler durchaus weisalich, und
9) es zeigt sich deutlich durch das GefOM, dass in
ihrer Hoble ausser dem Kindskopte noch ein festweieher
tUr|>er von beträcbüicbem Umfiinge enthalten sein hrass.
Die übrigen Baucheingeweide Ton normaler Besehaffienheit,
und in der durch den schwangeren Uterus bedingten normalen
Lage; nur die Dünndärme hier und da mit der unteren Hälfte.
des Uterus durch eine lockere, dünnhäutige Verbindung zu-
sammengewachsen.
Unter dem Bauchfellübefzuge der Psoasmuskeln schimmert
in das lockere Verbindungszellgewebe ergossenes Blut schwärz-
lich (hirch; ein ähnliches Aussehen zeigt das untere und
hintere Drittel des Bauchfellüberzoges der Gebärmutter.
10) Am Einschnitt in den obersten und vordersten Theil
der Gebärmutter zeigen sieb die Gebärmutterwanduugen an
dieser Stelle 7 *" dick , derb und von gesunder BeschafTenbeiL
Nach abwärts zu nimmt die Gebärmutiersubstanz immer mehr
an Dicke zu, welche im Gebärmatterkörper 10'" hat*, von
da an aber gegen das untere GebärmuUersegmenl wieder
abnimmt, so dass sie hier nur mehr 4"' zeigt.
11) Innerhalb der Eihülleu und oberhalb des noch in
der Gebänfnutter befindlichen Kindskopfes 7 — 8 Unzen blutiger,
röthlich brauner mit Coagulis gemischter Flüssigkeit.
12) Die Trennung des Mutterkuchens und der Eihäute
von der inneren Gebärmutteroberfläche überall leicht zu bewerk-
stelligen, und letztere, mit frischem Wasser abgespult, röthlich
weiss und ungleich aufgelockert.
13) Eine Verletzung der Gebärmutter an den bis jetzt
durch die Obduction ersichtlich gewordenen zwei oberen
Drittijeiien des Organes nicht wahrzunehmen.
Mtttl«r»«littfde nad Hnntblafl« bei dar Gebttrh 173
14) Zar Besichtigung iles unteren DriUfieiles der Gebär^
mutier und der Beckenorgane wurden die Weichtheile des
Scbamberges büt auf die Knochen durcbschnilten und rechts
und links von der Schambeinverbindung abpräparirt und die
absteigenden und queren Aeste der Schambeine beiderseits
durchsägt
Es zeigt sich nun, dass die obere (bmtere) HflKte des
Kindskopfes noch oberhalb des Beckeneinganges steht, wSlirend
die untere (vordere) Kopfhälfte im kleinen Becken ist. Der
behaarte Theil des Kopfes schaut in die Gebärmutter hinauf,
das Gesicht gegen die linke Mutterseile und etwas nach hinten,
so dass das rechte Obr an der linken Synostosis puboiKaca steht,
15) Nach Heraus)iebuiig des Kmdskopfes, die leicht
bewerkstelligt werden konnte, zeigt sich
16) die innere Oberfläche des unteren Drittheiles der
Gebärmutter, das den Kopf umschlossen hatte, missfarbig,
bräunlich und aufgelockert, der Mutterhals ganz vei*striclien,
und der in die Mutterscheide hineinragende TheU des unteren
Gebärmuttersegmentes zeigt mehrere Einrisse. Von der vor^
deren Muttermuodslippe ein unförmliches wallnussgi*osses
Rudiment nach einwärts gegen den Jj^indskopf hinaufgedrängt*
17) An der rechten Seite des unteren Gebärtmuter-
Segmentes ist dieses durchbohrt, und es zeigt sich ekie l^',^'*
lange falsche Höhle zwischen den Platten des Bauchfelles, wo
dieses von der Gebärmutter zum Mastdarm öbergeht Der
Eingang zu dieser abnormen Höhle ist länglich rund und
lasst die Spitze des rechten Zangenlöffels Jenes Instrumentes,
das der Chirurg D, bei der Entbindung gebraucht hatte,
ohne Schwierigkeit hindurch. Die Umgebung dieser wider-
natürlichen Oeffnnng blutgetränkt.
Ifta) Die Mutterschetde an der rechten Seile von ihrer
normalen Anh^flung an den Schambeinen losgetrennt, und
ein ovales Loch zeigend, von welchem aus der Finger und
auch die Spitze des rechten ZangenlöfTels ein und 1^' weit
in die Tiefe nach rückwärts ins Zellgewebe zwischen Mutter-
scheide und Mastdarm gelangen kann.
b) Im Scheidengewölbe rechterseits ein ovaler Einriss,
von welchem aus man zwischen der Substanz und dem Bauch-
174 11^* Hofmann, ZerreiMung dar OebiirtRiitter,
fellOberzuge der Gebflriuiitter in eine V!^'* weit in die Höhe
gehende Höblung gelangen kann.
19) Die HarnMase an der Yorderen Wand nach rechts
hinauf auf ähnliche Weise, wie die Mutterscheide durchbohrt,
die Oeffttung oval und 1V2'' 's^i^g n^t gerissenen Rändern.
Uebrigens die Blase sehr dünnwandig, und an den gerissenen
Wundrändem keine Blutanterlaufung.
20) Die Psoasmuskeln und das sie und die grossen
Geisse umgebende Zellgewebe ausseriialb der Höhte d<'.s
Bauchfellsackes stark Von fi^i ergossenem Blute unteriaufen,
welcher Bluterguss an der Wirbelsäule bis zum Magen hinauf
reiche, übrigens vorzugsweise die rechte Bauchseite einnimmt
und von den in dieser Matterseite sichtbaren Gebärmutterrissen
seinen Anfang nimmt.
21) Mastdarm, die äusseren Geschlechtstheile und der
Damm unversehrt
22) Grosser Querdurchmesser des grossen Beckens 9^1^'-
Kleiner Queiidurchmesser des grossen Beckens 9^2 "• Gerader
Durchmesser des Beckeneinganges 4V4''* Rechter schräger
Durchmesser des Beckeneinganges 4" 10'^' — 4" II'".
Linker schräger Durchmef ser des Beckeneinganges 5 ". Quer-
durchmesser des Beckeneinganges 4'/^". Querdurcbmesser
von einer Pfannenwand zur anderen 4V4 "• Gerader Durch-
messer des Beckenausganges 3%". Querdurchmesser des
Beckenausgänges 3^4''* Gerader Durchmesser der Becken-
weile 5".
23) Die übrigen Baucbeinge^eide normal; Leber und
Nieren blulreicb, Milz matsdi.
b. Brusthöhle.
Lungen normal, Herz welk, rechte Herzh<Me biutleer,
in dor linken etwas weniges seröses Blut. Gi'osse Geftss-
stämroe leer un<i coUabirt.
c. Kopfhöhle.
Gehirn mit seinen Häuten ziemlich blutreich, und in
seinen Höhlen, auf der Basis und zwischen den Häuten geringer
wässriger Erguss.
lloMerMfaeiila and HAmMMe bei d»r Oebtirt. 175
JB. Kindliche Leiche.
1) Männlichen Geschlechtes und wohlgenährt.
2) 20 Va" lang und 7% Pfund Civilgewicht schwer.
3) Kopf an der linken Seite von der Ohrmuschel bis
zur Mitte des Scheitels einen achwachen Eindruck des Zangen-
löffels zeigend.
4) Kopfknochen unter einander unbeweglich.
5) Kleiner Kopfquerdurchniesser 4". Grosser Kopf-
querdurchniesser 4". Stirnhinlerhauptsdurchmesser 4" 10 ''^
Kinnbinterhauptsdurchmf^sser 6 ". Senkrechter Kopfdurch-
noesser S*/«". Kopfcircunirerenz 14".
6) Schulterdurchmesser 4*/jj". Hfiftendurchmesser 3Yt"-
7) Die Ausbildung des Kindes ist die eines vollkommen
reifen , und findet sich an demselben nichts Bemerkenswerthes
vor, als dass
8) der linke Oherarmknochen in seiner Mitte schief
gebrochen ist.
9) Mutterkuchen regelmässig gebildet, 7" im Durch-
messer haltend und die Insertionsstelle der 21 " langen welken
Nabelschnur in der Mitte des Mutterkuchens.
D»ft gerichlsarzlliebe Gutachten erstreckt sich anf folgejjji«
Paukte:
I. Allgemeine Kritik der Handlungsweise des Chirurgen D.
seiner Behandlung der Gebärenden.
Der k. Geriditsarzt hebt hier zunächst hervor:
1) Die in dem kurzen Zritraume von '/4 bis höchstens
Vj^ Stunden Schlag auf Schlag sich folgenden Operativangriffe,
die den Tod der Frau, die bei Ankunft des Chirurgen D.
noch keinerlei bedenkliche Zußiie darbot, sondern lediglich
das BiU einer sehnierzlieh und ängstlich aufgeregten, un-
geduldigen und erhitzten Gebärenden, noch bei Anwesenbeil
des Geburtshelfers zur Folge hatten.
2) Die Erschreckung, die der Geburtshelfer der Gebarenden
gleich bei seinerAnkunft du^ch ostensible Auskramung seiner
Instrumente und durch jene unüberlegten Aeusserungen be-
reitet habe, wodurch von vornherein das Zutrauen das
176 I'I* Hofmann, Z«rr«iffirottg dar OebHraiQtter,
Weibes — ein nothwendiges RequiBii jeiler (^rick)ichen Geburts>
hülfe — habe verloren gehen müssen.
3) Die Uebereilung , rait der Chirurg D. seine Diagnose
stellte, als von einer Einkeilung des Kopfes in der Becken-
höhle oder im Beckeneingange noch keine Rede war, sooderri
im Gegenlheiie noch derselbe im grossen Becken stand. Diese
Uebereilung hatte
4) nothwendigerweise auch eine falsche Behandlung zur
Folge, denn statt die Ursache des aufgeregten und erhitzten
Zustandes der Gebärenden zu erforschen, und wie es am
Platze gewesen wäre, den Fall medicinisch zu behandeln,
habe der Geburtshelfer zur Zange gegriffen, und das bei einem
so hoch und nicht einmal noch zangengerecht stellenden Kopfe.
5) Vor der Operation habe derselbe sich nicht einmal
um den Zustand der Harnblase bekümmert , und habe sonach
in dreister Uebereilung fehlerhaft zur Zangenoperation gegriflen,
ohne vorher die Urinblase entleert zu haben.
(3j Bei der Zangeneinführung selbst habe sich der Geburts-
helfer roh und ungeschickt benommen , denn statt die Zange
wie eine Sclireibfeder zu lialten, habe er sie in die volle
Hand genommen, wodurch allerdings bei einer plötzlichen
gewaltsamen Bewegung der Frau mit ihrem Hintern, wie der
Ol^urg i>. von der Gebfirenden voi*gebe, was aber nicht
erwiesen sei , Verletzungen der mütterlichen Theile hatten ent-
stehen können.
7) Das Abgleiten der Zange und ihr Auseinandergehen
im Schlosse, wie die Aussagen des Geburtshelfers einer- und
der Hebamme und Dirne andererseits lauteten, beim ersten
Zangenversudie hätte der Geburtshelfer von einenri wieder-
holten Zangen versuche abmahnen und ihm zeigen sollen, dass
der Kopf für die Application der Zange noch zu hoch stehe.
8) Der, zwar nur nach Aussage des Geburtshelfers nach
der ersten Zangenapplication eingetretene Blutfluss, der be-
deatend genug gewesen, hJItte denselben noch dHngender
abhalten müssen, seine Operationsversnche fortzusetzen. Allein
sein Operatiofweifer sei zu gross gew^en, und daher hätte
9) nothwendigerweise der uiiter ähnlichen Verhältnissen,
wie der erste unternommene zweife Zangenwer9uch ebenfiills
.misslingen mfissen.
Mnfctersoheide and Harnblase bei der Gebart 177
10) Dass Chirurg D, nach der Mutter Tod das Kind
gewendet habe, daran habe er Recht gettian; aber zur
Vollendung der Exlraclion habe ihm die nötige Fassungs-
kraft gefehlt, und da wo jetzt die Zange indicirt gewesen
wäre, habe er sie nicht angewendet, während zuvor, wo sie
nicht angezeigt gewesen, er mit ihrer Anlegung nicht genug
habe eilen können. Unentbunden aber eine Verstorbene zu
▼erlassen, sei die grösste Schmach, die einem Geburtslielfer
begegnen könne.
11) Den dem Kinde beigebrachten Armbruch entschuldigt
das gerichtsärztliche Gutachten als ein Ereigniss, das auch
schon ausgezeichneten Geburtshelfern begegnet sei.
II. Beurtheilung der Verletzungen.
Der k. Gerichtsarzt bebt hier folgende Punkte hervor:
1) Die Verletzungen seien sämmtlich an dem unleren
Gebarmutterabschnitte , der Hutterscheide und Harnblase vor-
gefunden worden.
2) Die Einrisse des Muttermundes und die EinwärtSr-
stölpung eines Theiles der vorderen Muttermundslippe erachtet
der k. Gerichtsarzt als Ereignisse, die sich auch bei natür-
lichem Geburts verlaufe häufig vorfanden, und da sie sich in
diesem Falle auf den Müttermund beschränkten, und nicht
höher in die Gebärmuttersubstanz hinauf erstreckten, für
geringfügig.
3) Die im Obductionspro'tocoll sub A. II. , A. .17 be-
schriebene Verletzung erachtet das gerichlsärztliche Gut-
achten für äusserst wichtig , und Form und Grösse derselben
zeigten deutlich genug, dass sie nicht von selbst entstanden,
sondern eine mit der Zange bewirkte Zerreissung der- Gebär-
mutter sei.
4) Zwei ebenso beschalfene und rücksichtlich der Form
und Gestalt gleiche Verletzungen hätten sich laut Obductions-
protocoll sub A II., A. 18 in der Mutterscheide vorgefunden,
und stellten ebenfalls zwei gewaltsame, durch die Zange
gebahnte falsche Wege dar.
5) Eine ganz ähnliche Durchbohrung zeige die vordere
Blasenwand nach rechts bin (Obduclionsprotocoll A, IL, A. 19).
Monatuehr. f. Oaburtak. 1866. Bd. ;KXV., Snppl.Hfl. ^^
178 in* Wofmanny Zerreissung d«r GebXrinntter,
Pörm und Grosse diesiM- VVrlelzung sprSchen ebenfalls für
geschehene Zerreissung mit der Zange, und nur die Stelle
der Zerreissung (vordere Blasenwand) lasse hierüber Zweifel
zu. Allein einem ungeschickt eingeführten und bereits auf
falschem Wege befindlichen Zangenlöffel sei auch die vordere
Blasen wand erreichbar, und in dif'sem Falle um so mehr, da
die höchst wahrscheinlich Harn enthalten habende Blase über
die Schambeinveii)indung hinaufgeragt habe und von der Gebir-
mutter nach seitwärts gedrängt worden sei.
6) Vergleiche man Form, Grösse und Ort dieser Ver-
letzungen mit der gebrauchten Zange, so könne kaum be>
zweifeil werden, dass sie mit dieser angelegt worden seieu.
7) Der in der Nähe dieser Verletzungeq unter dem
Bauchfell und den Psoasmuskehi voriindliche Bluterguss (Ob-
ductionsprotocoll A, IL, A. 20) bekräftige, dass diese Ver-
letzungen noch bei Leben der Frau zugefügt worden seien.
8) Betrachte man diese Verletzungen (1 in der Gebär-
mutter^ 2 in der Multerscheide und 1 in der Harnblase) in
ihrer Totalität, so gelange man zur * Uohei'zeugung, die
Gebärende sei eines gewaltsamen Todes, und zwar an den
Verletzungen, die ihr vom Geburtshelfer durch un^eitiges,
rohes und ungeschicktes Operiren mit der Zange an der
Gebärmutter, der MuLlerscheide und Harnblase seien zogefAgt
forden, gestorben.
9) Das gerichtsärztliche Gutachten erklärt sorak ^w Ver-
letzungen für unbedingt und nothwendig tödtiich.
10) Laut Obduclionsprotocoll sub A\ IL, A. 3 seien
in der Leiche Spuren eines abgelaufenen EntzOndung^processes
gefunden worden, woraus wahrscheinlich weinie, dass Deftinctin
während der Schwangerschaft eine chronische Bauchfellent-
zündung durchgemacht habe. Allein es sei in diesem bereits
zum Abschlüsse gekommenen Krankheitsprocesse kein Einfluss
auf den Tod einzuräumen.
11) Die fraglichen Verletzungen seien demnach nichi
blos unbedingt und nothwendig tödtlich. sondera auch oif
mittelbar tödtlich gewesen.
Mntterschelde und Harnblase bei der (?ebitrf. 170
llf. iTiiputation zur Schtiid d«s Chtriirgen 1),
1) Nach seinen Kenntnissen.
a) Chirurg Z>. sei an der ehemaJs bestandeneq chirurgi-
schen Sctiule zu J. gebildet und approbirt werden, mithin
Bader nach der Norm der allerhöchsten Instruction für
Chirurgen vpm 25. Januar 1823. Man könne sonach von
ihm fordern, dass er mit den zur geburtshillfUchen Praxis
nöthigen Kenntnissen und Fertigkeiten ausgestaltet sei, nament-
Jich nicht nur den medicinischen Geburtsbeistand kunstgemäss
zu leisten» als auch die Zange, wo sie nöthig sei, handhaben
zu können.
6) Chirurg Z>. habe aber in dem voriiegepden Falle eine
inedicinische Behandlung, worauf eigentlich Alles angekommen
wäre, ganz ausser Acht gelassen, und die Zange roh und
ungeschickt angewendet,, und überhaupt Unwisseniheit un(]
BegrifTswirrung an den Tag gelegt.
c) Auf solche Weise habe er für Mutter und Kin4 höctjst
verderbliche Kunstfehler begangen, welche er nach den von
ihm zu fordernden Kenntn^sen und Fertigkeiten allerdings
hätte vermeiden können und müssen.
2) Nach den liesonderen Umständen deß vorliegenden
Falles.
Der k. Gerichlsarzt führt in dieset* Beziehung als Ent-
f^ehuldigungsgrftnde für den Geburtshelfer an:
d) Die nothvvendigerweise mangelhafte und lückenhafte
Bildung, d^ie überhaupt ' den Zöglingen einer diirurgi^cJien
Schule zu Thßil werden müsse.
h) Die Schwierigkeit de«; speciellen Geburtsfalles, die
geeignet gewesen sei , auch den geübtesten Geburtshelfer zur
'genauesten Untersuchung und umsichtigsten Behandlung auf-
zufordern.
c) Die rasche Eile, womit der Geburtshelfer in eitler
stürmischen Aprilnacht den Weg zur Gebärenden zurückgelegt
habe, beweise, wie er von dem Drange beseelt gewesen sei,
möglichst bald zum Beistand der Gebärenden an Ort und
Stelle zu sein, welchem Drange möglichst rasch helfen zu
wollen, die leider zu einem so traurigen Ende geführt habenden
Zangenversuche grossentheils zuzuschreiben sefn düi-flen. jr;
12*
1^ III. Hofmann ^ ZerreUsangf dar GebUrmnUer,
d) Die angebliche Unruhe der Kreisseoden bei dem ersten
und auch beim zweiten Zangenversuche lässt das gericbts-
ärztliche Gutachten als keinen Entschuldigungsgrund für die
vielen Verletzungen zu, und umsoweniger , da Chirurg D,
gegen die Regel der Schule die Zange in die volle Hand ge-
fVisst habe, statt sie wie eine Schreibfeder zu halten, wie es
Anfanger thun müsst'en — da er gemäss seiner Bildungsstufe
sich stets zu den Anlangern rechnen dürfe.
e) Die Grösse des Kindes entschuldige die Schwierigkeit
und lange Dauer der Wendung, den davon abhängigen Tod
des Kindes , und die Schwierigkeit der Armlösung den Bruch
des einen Oberarmes.
f) Endlich enlschuldigt der k. Gerichlsarzt den Geburts-
helfer, dass er unter der Einwirkung all des Unglückes, was
geschehen sei, und in Betracht der auf ihm lastenden gesetz-
lichen Verantwortlichkeit den Kopf verloren, und es unterlassen
habe , durch die Extraction des Kopfes des ohnehin schon
todten Kindes die Geburt zu beendigen.
3) Nach der allerhöchsten Instruction för die Chirurgen
vom 25. Januar 1823, 'nach welcher Chirurg D, die geburts-
hülf liehe Praxis auszuüben berechtigt sei, in Specie nach
§ 14 lit. h und § 15 m *) und n dieser Instruction.
1) § 14. e) Krankheiten und GebQrtBfttlle, wobei ein Zo-
samm antreffen mehrerer 'Znatände in der Art eintritt, data sie
in bedeutende Uebel übergeben, und nur durch besondere richtige
i^ehandlung und durch gemischte Kur behoben werden können,
dürfen von den Chirurgen nicht selbstständig behandelt werden.
/) FKlle, welche durch krankhafte Anlage, durch tu sartes
oder an hohes Alter, durch Entwicklnngsseitr&ome des KSrpers
oder Menstruation, Schwangerschaft, Geb&ren leicht bedeutend
werden können, gehören nicht in der Chirurgen aelbstständige -
Praxis.
g) Nur bei eigentlichen chirurgischen Krankheiten, wo
ohnehin die Nothhfilfe eintritt, steht den Chirurgen grosserer
Umfang der Befngnisse.au.
h) DaH Nämliche gilt auch für die Oeburtshfilfe , aumal
hinsichtlich des Entbindnngsgeschftftes; nur sollen sie, wenn nicht
Gefahr auf Verzug haftet, keine Operationen selbststRndig unter-
nehmen, welche mit Lebensgefahr für Mutter oder Kind yer«
bnnden sind.
t) Sie hab«n in diesen F&llen, wie sie ancb lur ersten
Muttersclieide und Harnbinse bei der Geburt. 4gl
Der k. Gerichtsarzt bebt hier die Widerspruche dieser
Instruction im AUgemeinen, und die in den §§ 14 lit. h
und § 15 lit. m und n enthaltenen Widerspruche hervor,
welche Instruction einerseits den Chirurgen Befugnisse ein^
räumen, die mit ihrer Bildung im Widerspruche ständen,
andererseits aber zu ihrer Einschränkung und Verhütung von
Missbräueben und Unglücksfällen etwas Unmögliches voraus«
setze, nämlich dass jeder Chirurg bezeichneter Norm und
Qualität, wie sie die chirurgische Schule in J. zu liefern
beauftragt gewesen sei, auch ein guter Diagnostiker und
Prognostiker sein solle; und nicht eiumal ein guter Dia-
gnostiker und Prognostiker könne immer von vorne herein
wissen, ob ein Geburtsfall in seinem weiteren Verlaufe Lebens-
gefahr entwickeln werde oder nicht.
Hülfe berechtigt und verpflichtet sind, doch sugleich für die
Beisiefaung eines Arztes der weiteren Behandlung wegen zu sorgen.
§ 15. m) Als Geburtshelfern ist ihnen auf besonderes Verlangen
der Gebärenden die Hülfeleistung bei regelmässigen' Geburten,
die Bestimnmng der Lebentordnnng für die Kindbetterinnen und
Neugeborenen gestattet, wobei sie sich jedoch aller unnöthigen
Einmischung in die Geschäfte der Hebammen zur Vermeidung
der Beeinträchtigung derselben zu enthalten haben.
Ist eine krankhafte Geburt an sich nicht für die Mutter
oder Kinder lebensgefährlich, oder führt sie nicht nothweudig
zur Bildung von Orgtinisations fehlem an Ersterer, so steht ihnen
dicr selbstständige yollführnng des Entbindungsgeschäftes, sonst
aber nur die Nothhülfe zu. In dem Falle, in dem zunächst be-
deutende Krankheiten der Mütter oder Kinder als Folge der
Geburten zu befürchten sind, haben sie für die baldmöglichste
Zuziehung eines Arztes zu sorgen.
n) Insbesondere dürfen sie aber für sich keine Operation
unternehmen, welche an sich für die Mutter oder ihre Leibes-
frucht zu gefährlich ist, noch weniger aber zu jenen schreiten,
mit denen ein hoher Grad von Gefahr für Erstere verbunden ist,
wie zur Entbirnung und zur Zerstückelung des Kindes, zum Banch-
oder Kaiserschnitte an der lebenden Mutter. Die Vornahme des
Schnittes der Schambeinfuge ist ihnen durchaus untersagt.
Leichtere Krankheitssustände der Gebärenden und Wöchnerinnen,
dann der Neugeborenen, dürfen sie behandeln, haben aber bei
bedeutenden Zhfällen vorbehaltlich der Nothhülfe für ärztliche
Beiziehung zu sorgen.
Ig2 ^ll* Eofmann, Zerrei98UDg der OobArmnUer,
Soviel sei ibdessen zieinlich jecieiii Chirurgen klar, oder
iolle ibra wenigstens klar sein, da^s eine. Zangeuoperatioa bai
hoobsleheodem oder eingekeiltem Kopfe Tür MuUei: und Kiad
gefährlich sei. Da nun 2ur Zeil der Ankunft de$ CJnrurgeu JD.
bei der Gebärenden nicht Gefalir auf Verzug gehaflet liabe«
so hätte derselbe seiner luslrucliuu gemäss die Ueiziehung
eines zweiten Gebuitshelfers verlangen sojlen. Der Gebürtig
helfer habe sonach seine Instruction ubei'Schrilten. Wolle
oder könne u)«in diese Ueberschreitung auch damit eui-
schuldigen, derselbe habe den Fall uiclit richtig aufgefasst,
so könne doch nie nach dem misslungenen ersten Zangen-
versuche die zweite Zangenaperation entschuldigt werden.
Somit sei klar, dass Chirurg D, bei der Ausführung der so
unglückHch abgelaufenen Zangenoporatiouen niclit innerhalb
der Grenzen der ihm zustehenden Wirksamkeit geliandelt,
sondern sich auf dem Gebiete der geburlshulflichen Pfuscherei
bewegt und somit seiner Instruction zuwidergehandelt habe.
Unterm 16. Juli 1^47 stellte das k. Appeliationsgericht
von Niederbayern die Ausführlichkeit und Gruodhchkeit des
gerichtsSrztlichen Gutachtens anerkennend auf Grund des vom
Vertheidiger des Chirurgen D. gestellten Antrages dem k. Medi-
cinalcomite der k. Ludwigs - Maximilians - l'niversililt Mfuiciien
die Acten zu, und verlangte eine auf die Beantwortung
foJgendeer Fragen sich gründende Revision des geriehts-
ärztlichen Gutachtens:
1) Ob die Gebärende A, eines gewaltsamen Todes und
zwar an den im ObductionsprotocoU sub A, II., A. 17, 18,
19 beschriebenen Verletzungen oder welchen von diesen
gestorben sei?
2) Ob Gewissheit oder nur Wahrscheinhchkeil vorhanden
sei , dass diese Verletzungen oder welche von ihnen von dem
Geburtshelfer nn't der Zange zugefügt worden seien?
3) Ob dieselben nicht ebensowohl von selbst (spontan)
durch Zerroissung oder Zerplatzung in Folge krankhaften
Zustandes der Gebärmutter entstanden sein können?
4) Ob die der Gebärenden von dem Geburtshelfer
zugefügten Verletzungen nothwendig töddich .seien oder nur
zuweilen den Tod zu bewirken pflegen?
Mutter9(*heide und Harnblase bei der Gebart. ]g3
5) Ob dies»eU)eu ihrer allgemeinen NaiMr nach den Tod
bewirkteu oder nur im gegenwärtigen Falle wegen ungewöhn*
lieber Leibesbescballenbeit der Beschädigten oder weg^p zu-
fälliger äusserer Umstände Ursache des Todes gewesen sind ?
6) Ob die Verletzungen unmittelbar oder mittels einei'
Zwischenursaclie, welche durch jene erst in Wirksamkeit
gesetzt worden, den Tod veruisacht haben?
7) Ob der Geburtshelfer dei* Gebärenden die fraglichen
Verletzungen aus Mangel oder Vernachlässigung der zu seiner
Kunst gehörenden gemeinen Kenntnisse und Fertigkeiten zu-
gei'ugt habe?
8) Ob es möglich oder wahrscheinlich sei, dass die
Verletzungen, welche den Tod der Gebärenden zur Folge
g^abt Ijatlen, durch die Unruhe und Bewegungen derselben
während der Operation lierbeigefübrt worden seien?
9) Ob in diesem Falle jene Verletzungen durch vor-
sichtiges Einbringen der Zangenlöfiel auf die vom k. Gericht6-
arzte beschriebene Weise durch das Halten derselben wie
eine Schreibfi^der hätten vermieden werden können?
10) Ob der in Frage stehende Gebm*t$fall an sich als
ein für Mutter oder Kind lebensgefahrlicher im Sinne der aller-
höchsten Instruction für die Chirurgen vom 25. Januar 182ß
§ 14 lit. h und § lö lit. m und n angesehen werden müsse,
und ob hierbei Gefahr auf Verzug gehaftet habe?
Hedicinalcomit^gntachten. ^)
I.
Starb die Gebärende eines gewaltsamen Todes und
zwar an den im Obductionsprotocoll sub A. IL
A. 17, 18, 19 beschriebenen Verletzungen oder
welchen von diesen?
Das Obductionsprotocoll bietet bei genauer Sichtung der
in der Leiche gefundenen anatomisch -pathologischen Ver-
änderungen drei Reihen solcher krankhafter anatomischei
Zustände dar, nämlich:
1) Abnorme Zustände, welche als Besiduen eines bereits
abgelaufenen Krankheitsprocesses anzusehen sind.
1) Von mir als Referenten entworfen , upd in obij^em Wort-
]ftnte Tom Collegiani adoptirt« Dr. S.
184 m* ßofmantif Zerreissong der Gebftrmiitter,
Dahin gehören die im ObducliousprolocoU sub A. IL,
A. 3 beschriebenen zahlreichen Anlötbungen des die Gebär-
mutter an ihrem untersten Segmente überziehenden Banch-
feiles an die innere Fläche der die Bauchmuskeln überziehenden
Bauchfellplatlc ; ferner die nur lockere Verbindung des Bauch-
felles mit der Gebärmuttersubslanz an der unteren Hälfte dieses
Oi^anes mit den hier befindlichen Unterlaufungen einer gelb-
lichen Sülze; ferner die im Obductionsprotoeolf sub A. IL,
A. 9 beschriebenen Anlöthungen der Dünndärme an das untere
Gebärmuttersegment.
2) Abnorme Zustände neuer Art, die erst während der
Geburt entstanden sind.
Dahin gehören:
a) Die im Obductionsprotocoll sub A. IL, A. 16 be-
schriebenen Einrisse des Scheidenlheiles der Gebärmutter und
die Hinaufdrängung eines wallnussgrossen Stückes dieses
Scheidentheiles an den Kindskopf entlang.
b) Ein sub A. IL, A. 17 des Obductionsprotocolies
beschriebener falscher Weg am Eingang des untersten
GebärmuttersQgmentes innerhalb des Bauchfelles hinein, dessen
Umgebung mit Blut unterlaufen war, und der sich als eine
Durchstossung oder Zerreissung der Gebärmutter an ihrem
untersten Segmente und rechts darstellt.
c) Ein sub A. IL; A. 18a des Ohductionspi*otocolles
besch^ebenes Loch der Mutterscheide, von welchem aus
dieses Organ einen Zoll weit nach innen und rückwärts und
rechts von seiner normalen Anheftung an die vordere Becken-
wand losgetrennt wurde.
d) Ein sub A. IL, A. 185 des Obductionsprotocolies
beschriebener Einriss rechterseits in der Mutterscheide, von
welchem aus man in einer Länge von V/i Zoll in die Höhe
in eine Höhle zwischen der Gebärmuttersubstanz und dem
Bauchfelluberzuge dieses Organes gelangte.
e) Ein sub A. IL, A. 20 des Obductionsprotocolies
beschriebener^ von der ebendaselbst sub A. IL, A. 17 be-
schriebenen Verletzung der Gobärmutter anhebender und
unterhalb des Bauchfelles längs der Wirbelsäule nach aufwärts
bis zum Magen sich erstreckender, besonders die rechte
Mutterseite einnehmender starker Bluterguss.
Mntierscheide und Harnblase bei der Geburt. 185
/) Eine sub A.ll., A. 19 des ObducitoDsprolocolles be*
schriebene DordibabriiDg der Harnblage an ihnsr Torderen
Wand nach rechts und durch eine OelTnung von l^s Zdi
Lange in diesem Organe init zerrissenen, jedoch nichl Uvtig
unierlaufenen Wundrändern gebildet wurde.
g) Ein sub A II., A. 2 des ObduciionsproiocoHes be-
schriebener und die Gebärmutter besonders an ihrer hinteren
Fläche umspulender Erguss einer harnähnlich riechenden
Flüssigkeit in die Höhle des Bauchfelles , die unzweifelhaft als
wirklicher Harnerguss anzusehen ist.
3) Abnorme Zustande, die in der eigenthumlichen Be-
schaffenheit der Organe selbst begründet ist.
Dahin gehört die sub A. IL, A. 17 und 19 des Ob-
ductionsprotocoUes erwähnte Dünnwandigkeit der Harnblase.
Was nun die gestellte Frage betrifft, an welchen dieser
Verletzungen und Krankheitszustände die Gebärende gestorben
sei, so ist Folgendes darüber zu erwähnen:
An den soeben sub No. 1 erwähnten krankhaften Zu-
ständen ist die Gebärende ebensowenig gestorben, als an der
sub No. 3 erwähnten Dönnwandigkdt der Harnblase,^ denn
diese bestand jedenfalls schon seit l^benszeit, und die
sab No. 1 bezeichneten anatomisch -krankhaften Veränderungen
sind die Spuren eines bereits zum Abschluss gekommenen,
getilgten, und also vorübergegangenen Krankheitsprocesses,
die, wäre die Frau am Leben geblieben, allenfalls vielleicht
im Wochenbette sich hätten geltend machen können, denen
aber auf das stattgefundene Ereigniss nicht der mindeste Einflass
beizumessen ist. Es bleiben also nur noch die sub No. 2
erwähnten Verletzungen mit ihren Folgen, welche die €»ebdrende
getödtet - haben können, betreffs welcher aber auch eine
Sichtung nothwendig ist.
Die sub No. 2 a vorbin bezeichneten Einrisse in den
Muttermund und die Scheidenportion der Gebärmutter sind
weder durch die Substanz des Organes durchdringend, noch
sonst von Bedeutung und kommen ohne allen Nachtheü bei
vielen Geburten vor, und ihnen kann sonach kein Einfluss
auf den erfolgten Tod eingeräumt werden.
Anders ist es mit den sub No. 2 lit. b — g vorbin er-
wähnten krankhaften Zuständen, bei welchen nicht Mos der
•186 ^I'« Hoff^tkn^ Zerreiwvn^ der GebHrmiiUef,
Mmid in der Leiche, soiidet*a vor Allem der EififiiH»s der
imglMif n Verletzungen während des Leben» gewürdigt werden
iMtea. Dieser Einllues ofPenbarte sieii aiber wHbrend des
LelMiia:
1) Durch einen von aiteo bei der Entbitiduog aawesend
gewesenen, den Geburlsbelfer nicht ausgeiioDimen, zugestandenen
Aluiflttse nadi ausseii, der, wenn er auch nicht ao stark
wir, daes man behaupten kann, die Frau sei an Verblutung
gestorben, doch jedenfalls beträchtlich genug gewesen ist,
um bei einer 40 jährigen Erstgebärenden ein fitwicht in die
Whgschale abzugeben.
2) Durch einen erst bei der Section zur Oirenbarani;
gekomluenen Blnterguss na<Qh innen in die Baucbh<klile und
eineft Härnenguss in den Bauehfellspck.
3) Durch einen so bedeutenden Eindruck auf das Nerven*
•System, dasa in dei* kürzesten Zeit, nacbdeui die fraglicben
Verletzungen geschehen, die Gebarende collabirte, in Con-
vulsionen verfiel und mit dem Tode abging.
Es 01U8S 60»ach die ganze Frage entschieden dahin
beantwortet werden, dass die Gebarende an den im
Obduetionsprotacoll sub A, IL, A. 17, 18 be-
aebrtebaäen Verletzungen der Gebärmutter, Nulter-
soheide und Harnblase und den nothwendig mit
ihnen verbundenen Folgen eines Harnergussea in
<iie Höhle des Bauchfellsackes, eines Blutergusses
•acb innen in die Bauchhöhle hinein und nach
auBsen, und einer von dem Organismus nicht zu-
überwältigen gewesenen Rückwirkung dieser Ver-
letzungen und ihrer nolhwendigen Foigezustüade
»uf das Nervensystem gestorben sei.
11.
Ist Gewissheit oder Wahrscheinlichkeit vorhanden,
dass diese Verletzungen oder welche von ihnen
der Gebärenden von dem Geburtshelfer mit der
Zange zugefügt wurden?
Zur Beantwortung dieser Frage mus$
1) zunächst erlogen werden, worin die Operativ-
handlongen des Geburtshelfers befitaaden haben.
Miiiteeacheide und H^riiblft«« b«! der Gebpfifc. Ig7
All«» Operjkeii des GeburishijUenf au der Gttbärendeo
reducirl sich aber auf zwei Reihen:
a) auf Zaogcnversudie vor dßm Tode und
b) auf die Wendung und hiilbgescbebene Extraciion des
Hindes oacb dem Tode der Frau.
2) Es mä'ssen die im Obductionsprotocoll sub A, IL,
A. 17 und 18 beschriebenen VerieCxungen der Gebärmutter
und Mutterscheide einerseits und die eben daselbst sub A. D.,
A. 19 bescbnebene Verletzung der Harnblase andererseits
abgesondert von einander ge^örcligt werden.
a) Dass die Verletzungen der Gebärmutter und Mutter-
scheide, wie sie das ObductionsprotocoU sub A, II., A. 17
und 18 ausführhch beschreibt, nicht nach den^ der Mutter
hei der Wendung und halbgeschehenen Extraction des Kindes,
sondern vor dem Tode mit der Zange zugefügt worden sind,
dafür spricht:
cc) Die Stelle der Verletzungen, di^ sämmtlith i^i der
rechten Mutlerscheide sind, wo der rechte Zangenlöffel gelegen
halte.
ß) Die allen den bezeichneten Verletzungen gleichmfl^sfgi'
Form und Gestalt, die so ist, dass das obei*ste End¥ des
gebrauchten ZangeelölTols in sie hineinpasst.
y) Dk Multiplicitat der Verletzun^'en. Bei einer Wendung
und Extraciion des Kindes zerreissl weder die Scheide an
mehreren SM^Hen, wie das ObductionsprotocoU sub A- l{-^
A. 18 nachweiset, noch auch zugleich mit der Scheide die
Gebärmutter; sondern bei einer Wendung zerreisst eotw^er
aa) die Gebärmu^er allein, oder
ßß) die Mutterscheide aliein; oder
yy) Gehärmuller und Multerscheide reissen in mehr odef
weniger horizontaler Richtung an der Stelle von einander ab,
wo beide Organe mit einander verbunden sind; oder endlich
öd) Gebärmutter upd Mutterscheide reissen zugleich, aliei'
nur in einem, in mehr oder weniger der LäügeDinasse des
weiblichen Körpers parallel gehenden Risse.
d) Die BeschafTenheal der Verletzungen, di« alle drei s»
sifld, da&6 sie sich als deutliche Durcbslossungen der Organe
mit dem obersten Ende des rechten Zftngeiddffejs darsteUen,
l88 '^'' Hofmann^ Zerreissung der GebXrmuUer,
da sie alle falsche Wege oder Canäle biMen, (Ke in die
Höhe gehen.
Aus dieser Erörterung geht hervor, dass die im Oh-
ductionsprotocoll sub A, IL, A. 17 und 18 beschriebenen
Verletzungen nicht gelegenheilKch der Wendung und halb-
geschehener Extraction des Kindes nach dem Tode der Nutter,
sondern noch während des Lebens, und zwar mit dei* Zange
sind angelegt worden.
b) Die im ObduclionsprolocoU sub A, IL, A, 19 be-
schriebene Verletzung der Harnblase betreffend, so scheinen
folgende Gründe, nämlich:
«) Die Stelle , wo sich die Vcrlelzung vorfindet (vordere
Blasenwand und rechts) und
ß) der Mangel an Blulunterlaufuug an den Wundrändern,
da bekanntlich Blutaustritt aus Gefässen fast nur während
des Lebens und in der Regel nicht nach dem Tode geschieht;
Dafür zu sprechen, dass diese Verletzung nicht mit der
Zange bei Lebzeiten der Mutter, sondern erst nach dem
Tode bei der Wendung und halbgeschehener Extraction des
Kindes, oder vielleicht gar erst bei der Section gelegenbeitlich
der Durchsägung der Schambeine geschehen sein möge,
gegen solche Annahme sprechen aber folgende Gründe:
cf) Die Blase war, da der Geburtshelfer vor der Zangen-
aniegung den Katheter nicht appiicirte, wenn auch nicht ganz
voU Urin, da die Frau vor oder mit dem Blasensprunge
während der Geburt solchen gelassen haben soll, doch gewiss
auch nicht ganz leer. Dies beweiset das Obductionsprotocoll
selbst .sub A, IL A. 7 und der in die Bauchhöhle geschehene
Hinaustritt von Urin (Obductionsprotocoll sub A, H. A. 2).
In dem, wenn auch nur halbgefüllten Zustande war aber die
Blase genugsam ausgedehnt, um von dem auf sie drückenden
Kindskopte nach rechts hinübergedrängt und durch diesen
Druck zugleich so dislocirt zu werden, dass ihre vordere,
in nicht beschränkter Lage der vorderen Beckenwand zu-
schauende Wand von dieser sich entfernte und seitwärts
drehte, wodurch sie für den Zaiigenlöffel erreichbar wurde.
ß) Es ist zwar wahr, dass jeder im Leben geschehenen
Verletzung Blutaustritt in die benachbarten Theile folgt, aUein
Malteraeheide and HarablMe bei der Gebort, lg9
die Blasen wandungisn sind, abgesehen von den paar Haupt-
gefässeu, die sie durchziehen, im Allgemeinen blutarm, und
die Verletzung selbst war eine gerissene Wunde, bei welcher
sich die zerrissenen Gefässe in sich selbst zurückziehen, so
dass aus diesen beiden Gründen der Mangel eines Blutergusses
in die nächste Umgebung der Harnblasen wunde wohl erklarli^sb
und nicht auffallend wird.
y) Die Annahme eilaer bei der Section gelegenheitlich
der Durchsägung der Schaambeine geschehenen Zerreiasung
der Harnbbse war eine willkürliche, durch nichts zu he*
weisende Behauptung, denn weder erwähnt dieses Umstandes
das Obductionsprotocoll, noch ist man bei der Umsicht und
der' Genauigkeit, mit der der k. Gericbtsarzt die Section
leitete, zu einer solchen Annahme berechtigt.
Aus diesen Gründen wird es wahrscheinlich, dass die
Verletzung der Harnblase nicht nach dem Tode der Mutier
überhaupt, sondern noch während ihres Lebens geschehen
sei. Diese Wahrscheinlichkeit wird aber zur Gewissheil er-
hoben, wenn mau die Form der Wunde betrachtet. Das
Obductionaprotoeoll beschreibt sub A. II. A. 19 die Wunde
als eine gerissene und von der Form wie die übrigen Ver^
letzungen der Scheide und Gebärmutter, so dass kein Zweifel
darüber entstehen kann, dass nicht auch diese Verletzung
der Harnblase mit der Zange angelegt worden sei.
Wir glauben somit die uns gestellte Frage unbedingt
dahin beantworten zu müssen, dass alle im Obductions-
protocoll sub A, H. A. 17, 18, 19 verzeichneten Ver-
letzungen der Gebärmutter, Mutterscheide und
Harnblase von dem Geburtshelfer der Gebärenden
mit der Zange zugefügt worden sind.
m.
Können die genannten Verletzungen nicht auch von
selbst (spontan) durch Zerreissung oder Zer-
platznng in Folge des krankhaften Zustandes
der Gebärenden entstanden sein?
Zur Beantwortung dieser Frage wird es wiederholt noth-
wendig, die im Obductionsprotocoll sub ud. IL A, 17 und 18
verzeichneten Verletzungen der Mutterscheide von der eben-
190 m* Boßnonn, Zerreltttitig d«r Oebtrmntier,
dipselbdt sttb ^.11. A. 19 bescbriehenen Yeiietiiung 4er ffiarn-
blase gesondert z« betrachten.
1) Dass dlie Verletzangen der Gehärimrtter uöd Mutter-
scheide (Ohdiiottonsprotoco]! sfib A: H. A. 17, 18) nicht
spontan derch Zer|)1at7.utig oder Zerreissting der betreffenden
Theile entstanden sind, daffir spriolit Folgendes:
a) Zerreissl eine Gebärmutter oder Miitterscheide spontan
während der Geburt, so sind diese Organe entweder in einem
gesunden oder kranken, in beiden FäHcn in einem durch die
Section nachweisbaren Zustande. Nirgends im Obductions-
protocol^ ist bemerkt, -dass die Gebärmatter oder Mutter-
scheide Spuren eines kranken Zustandes an sich getragen
ballen; im Gegentheil das ObduetionsprotocoU beschreibt suh
^. U, A. 10 die Gebärmutter von normaler |)icke und die
ebendaselbst sub A. II. A. 5 und 6 beschriebene Einschnu-
rang des Organes in seiner Mitte (am Körper) ist nnr dem
(Imstande zuzuschreiben, dass zu der Zeit, als der obdocH
rende t«. GerfchCsarzt während, der Section diese fragliche
Einschnüning wahrnahm, die obere Hilfte der Gebärnmitter
le^, die untere aber von dem noch theil weise darin befind-
liehen Kind^ und Fruchtwasser angefont war. Es ist sonach
unbedhigl anzufiehmen, dass <He Gebärmutter und Matter-
scheide der Gebärenden gesund waren. Eine gesnnde Gebär-
mutter und Mutta*scheide zerreisst aber bei der Geburt nur
dann sj)ontan, wenn erstere, durcli irgend ein mechanisches
Hindemiss in der Austreibung der Frucht gehemmt, ihre
Kraftäusserung auf den höchsten Grad entwickelt, ohne dieses
Hinderniss überwältigen zu können. Dies war aber bei der
vorliegenden Geburt nidit der Fall, denn
a) die Section ergab ein gegen die Grössenverhältnisse
des Kindes entsprechend geräumiges ßecken (Obduetions-
protocoU sub A. II. A. 22 niul B. 5 und 6) und
ß) wenn auch über den Grad der WehenthAtigkeit von
der ersten Zangenanlogung" die Aussagen der Zeugen wider-
sprechend sin^, so geht doch soviel mit Gewissbeit aus
diesen Angaben hervor, dass die Gebärende zu der eben er-
wlihi^e^ Zeit weit davon entfernt war, den vorlihi bezeich-
neten hohen Gi»ad entwickelter Wchenihätigkeil gezeigt zu
heben, wie er zur Hervorbringung spontaner Zerreissungen
MntteraelMiile Qttü Haro1>kiM bei der €kbttfl. tgl
einer) geMinden Gebirmutter und Miitterscfaeideibei Gebären-
den als notbwiRndig vorbanden Toranegesetzt -werden' mii»». •
b) Die Vielfacbheit der bei der Obductiort g^fandenen
Zerreieeungen«
Es gut nämlich för spontane Zerreissungen der Geber-*
niutter und Matterschetde während der Geburi Daesefln^ was
von der Zerreissung dieser Organe bei der Wmdung gelefpen-*
beillich der Beantwortung der zweiten Frage siib No. 2 <ju j
gesagt worden ist.
c) Endlich darr nicht ausser Adit gelassen werden, dass
^w in dei* Gebärmutter und Mutterscheide anfgefondeneii
Risse go^de die Grösse des obersten l'beiles des gebraocbten
Zangenidffels haben.
Es wäre th der Tbat ein niebt denkbares Zusammeki^
treffen von ZuftUigkeiten , dass eine geswide Gebäramile^
and Mntlepscheide bei nicht obwaltenden mecbanisebe» fie<»
burtshindernissen und verhäknjssinassig nicht starb entwichet
ten Wehentliätigkeit an mehreren Stellen avgleieh spontan
reissen, und jeder dieser Risse in seiner Fonn, Gestatt. und
Ausdehnung dem obersten Ende der gebrauchten Zanfs wie
ein Ei dem andern gleichen sollte*
Wir glauben somit bewiesen au haben, das» die im Ob4
duetionisprotocoll sub A. IT; A. 17 und 18 besefariebenen
Verletiungen der Gebärmutter und Muttei^scheide nicht spbntan
haben entstehen können«
2) Die Verletzung der Harnblase betreffend (Obduotions^
pi'otocoU A, IL A. 19), so möchte es im ersten Augenblicke
plausibel erscheinen, dass diese hätte spontan entstehen
können t 4enii
a) das Ob.ductionsprotocojl nennt sub 4* "- ^- '^ ^iP^l 13
die Blasenwämle dünn, i^nd
h) die Blase war, wie bei Gelegenheit der Beantwortung
der zweiten Frage sub %. b. a dargethan worden ist,
gei^i^s. h?)!)« wen» iiicbt ganz mit Urin g^fftllt, ;
Mnd beide Umstände in Vereinigung miteinander o>jtfsen oQen-
\m die.EotiStelkuag eines. sp^Oit^neili Risses in d«r Harnt^lase
begunaligen. Dagegen ist aber zu erioi^rn: Wie vieile VV^ber,
d^re» Harnblase diinowandig und bei der Geburt inifr Urin
gefüllt ist, mag es geben, die. schon geboren haben umü npcb
183 III. Mo/mann t Zerreisssng dar GebftraiQttor,
gebären werden, ohne dasä deswegen bei ihnen die Harn-
blase während der Geburt spontan zerreisst. Es gehört also
offeid>ar noch etwas Anderes dazu, um eine dünnwandige,
mit Urin halb oder ganz gefüllte Blase zur spontanen Zer-
reissung zu bringen, als die Duonwandigkeit und die Drin-
aafölhmg der Blase allein. Dieses Andere während der Geburt
kann wieder nur eine energisch entwickelte Wehenthatigkeit
^in, die den Kindskopf nach abwärts gegen die Beckenböble
drängt, und die dünnwandige und mit Urin gefüllte Blase so
in die Enge treibt, bis sie endlich berstet. Eine solche starke
Wehenthatigkeit war aber in dem vorliegenden Falle nicht
vorhanden, und also auch keine Gelegenheit zur spontanen
Zerreissung der, wenn auch dünnwandigen und mit Urin ge-
füllten Blase gegeben, ganz abgesehen von dem sonderbaren
Zufalle, dass ein spontaner Riss gerade dem gebrauchten
ZangenKffel und den übrigen Verletzungen der Gebärmutier
und Hutterscheide ganz entsprechende Form, Grösse und
Gestalt sollte erhalten haben.
Es ist somit zur Genfige bewiesen, dass auch die Ver-
letzung der Harnblase nicht von selbst entstehen habe können
und wir nehmen daher auch keinen Anstand , diese ganie
Frage unbedingt dahin zu beantworten, dass die im Ob-
ductionsprotocoll sub A. IL A. 17, 18 und 19 ver-
zeichneten Verletzungen der Gebärmutter, Mutter-
scheide und Harnblase ohne Ausnahme nicht spon-
tan entstanden, sondern von dem Geburtshelfer
der Gebärenden mit der Zange zugefügt worden sind.
IV.
Sind die der Gebärenden von dem Geburtshelfer
zugefügten Verletzungen nothwendig tödtlich
oder pflegen sie nur zuweilen tödtlich zu sein?
und
V.
Bewirkten dieselben ihrer allgemeinen Natur nach
den Tod oder sind sie nur im gegenwärtigen
Falle wegen ungewöhnlicher Leibesbescbaffen-
heit der Gebärenden Ursache desTodes gewesen?
• Wir glauben, diese beiden Fragen in Eine Antwort zu^
sammenfassen zu müssen, weil ihr Sinn fast gleichlautend
Mtttiersoheide und Harnblasd bei der Oebuft. 1S0<
ist, und man nur b«i Beantwortung der zweiten Frage in
Wiederholung des schon bei Beantwoilung der efsteii Prt^e
Gesagten fallen wurde.
Zur Beantwortung dieser beiden Fragen wird es niobi,
wie bei Beantwortung der früheren Fragen notbw^ndig , die
Verletzungen der Gebärmutter und Mutterscheide einer- und
die der Harnblase andererseits getrennt zu betrachten, sondern
sie vielmehr in ihrer Totalität aufzufassen, und zwar im Zu-
sammenhang mit ihren unmittelbaren und notbwendigen Folgen.
Es kommen hierbei folgende Momente in Betracht:
1) Die Wichtigkeit jeder Körperverletzung richtet sieh
grossentheils nach der Dignitit des verletzten Organes. Nun
ist aber zu keiner Zeit des Lebens die Gebärmutter von so
hoher physiologischer Bedeutung, als gerade während des
Gebäractes, ja dieses Organ ist während dieses geschlecht-
lichen Actes Ton so hoher physiologischer momentaner Be-
deutung, dass alle andern Organe des Körpers in ihren An-
forderungen gegen dieses herrschend gewordene Organ augeur
hlteklicb zunVcksteben müssen, und dass es gleichsam alle
übrigen Organe und Systeme beherrscht. Es zeigt daher audj
die Erfahrung, dass jede Verletzung der Gebärmutter während
des Geburtsgescbältes von der allergrössten Bedeutung und
den inhaltsschwersten Folgen ist.
2) In dem concreten Falle haben wir es mit keiner
einfechen und gutartigen Verwundung zu tbun, sondeni die
Gebärmutterwunde ist laut ObduclionsfMrotocoU aub A. ILA. 17
und nach ihrer Entstebuig eine gertsaene Wunde, wetehe
-bekanntlich nebst den Quetsdiwundea die bedenklichste Wuiid-
fom istf die die Qirurgie kennt.
3) Wenn wohl zugegeben wei*den kann, dass in sehr
seltenen Fätten Zerreissungen der Gebärmutter während der
Geburt, bewirkt unter dem Zusammentreffen ganz beaoodei's
gdnstiger Uinstände zur Heilung gebracht worden isind, so
kann dieser Umstand doch nicht hier geltend gemacht wei»defi>
wo die mit der Zange bewirkte Durchstossung des unteren
GebSrmntteriegments nicht als isolirte Verietaung daaleht,
sondern vergesellschaftet mit einer Bweimatfgen DorchbeJHtng
der Mutterscheide OOfcductionsptotocoll sub A. II. A. 18),
Itonftüithr.f. UebttrUk: 1865. B<. XXV., Bttppl.-H«l. 13
194 II^- Hofmann, ZerreUsang der OebHrmutter,
mit «hier Z«rreisQUiig der Uarublase (Obductioiisproloeoli sub
A. n. A. 19) und sut einer Harnergiessung in die HdUe des
Bauchfellsackes (Obductionsprotocoll sub A. H. A. 2.), uod
endlich noch mil eifiem Blutextravasate iu die Baucfabölile
uiUerh«lb des Bauchfelles (Obductionsprotocoll sub A II. A. 20),
welche Verletzuiigefi und Folgezustande nicht isolirt in ihrer
Bedeoltiiig gewürdigt werden können, sobald es sich um die
Frage der Möglichkeit ihrer Heilung handelt
4) Auf gleicher Stufe der Bedeutsamkeit wie die Gebär-
mutterverletzung steht die Verletzung der Harnblase mit dem
Harnergusse in die Bauchhöhle (Obductionsprotocoll sub A.
II. A. 2 und 19), welche nach allen bieröber vorKegendeo
Erfehrungen zu denjenigen Verletzungen gezahlt werden musü,
die absolut tödtlicb sind.
5) Die im Obductionsprotocoll sub A. II. A. 18 be-
schriebenen Zerreissungen der Mutterscbeide sind zwar solche
Verletzungen, die ebenfalls unter dem Zusammentreffen ganz
besonders günstiger Umstände, wohin ganz besonders ihr
Isolirlsein gezählt werden muss, vielleicht zur Heilung biUea
gelangen können; allein vereint mit den bereits erwähnten
Verletzungen der Gebärmutier und der Harnblase und mit
ihren Folgezuständen eines Urin- und Blutergusses in die
Bauchhöhle ist an eine solche Möglichkeit nicht m denken,
und sie geben ofienbar ein Gewicht melir iu der Waagschale
zur Abwägung des tödtlichen und nichttödtlicben Ausganges
der zagefugten Verletzungen.
6) Die schon bei Beantwortung der ersten Frage sub
iNo. 1 verzeichneten Befunde in der Leiche lassen, wie scboa
das gerichtsärztliche Gutachten sub IL 10 mit allem Rechte
hervorhebt, auf einen früheren, zur Zeit der Geburt bereits
abgelaufenen Krankheitsprocess schliessen. Da nun von eioei*
besÜinnHfen Krankheit der Verstorbenen vor der loteten
Schwangerschaft nirgends in den Aden die Rede ist,
wM aber von allen betlieiliglen Personen ein ungeiShr vier
Wochen vor dem Ableben erfolgtes Ei*kranken der Schwan-
i;tl*0n erwähnt wird, rucksichtlich dessen aber die Aussagen
devjefiigen Personen, die darum wissen konnten und mussten,
gans ans im Dimkebi lassen, so wird es aus den in der
Leiche aufgefundenen Residuen dieses Kranklieitsprocesses,
Mattersoheide und Harnblas« bei der Oebttrt. 195
die sclion der k. Gerichtearxt in seioem GuUcbton sub il. 10 -
hei*vorhebl, sehr wahrscheinlich, dass diese Krankheit «m
vom Chirurgen D, zwar richtig behandelte, aber doch Jiiciit
erkannte Bauchrellentzünduog geweses seL Wir atiauDen bier
aber durchaus mit der gericbtsarztiichen Ansicht (Gutaebten
sub IL 10) äberein, dass den hierdurch in den Unterleibs-
Organen gebildeten Veränderungen durchaus kein EinAuss auf
den iethalen Ausgang der der Gebärenden zugefdgien Ver«
letzungen eingeräumt werden dürfe, denn der Tod erfolgte
SO rasch, dass die Spuren dieses während der Seh waager«*
Schaft zu Ende geführten Krankbeitsprocesses, die überhaupt
erst vielleicht im Wochetd>ette sich hätten geltend maohett
können, momentan in gar keinen Anschlag komafien koanlcii.
Nach diesen Ei*örterungen sehen wir uns denn zu dem
A'ussprudie bere<^tigt, dass die inl Obduclionsprotö^
colle sub Ä. II. A. 17, 18, 19 beschriebenen Vejr^
letzungen der Gebärmutter, Mutterscbeide und
Harnblase mit ihren unmittelbaren Folgeereignissen
eines Harn- und Blutergusses in i\9i Bauchhöhle
(Obductionsprotocoll sob A, U. A. S, 20) ihrer all«-
gemeinen Natur nach stets absolut und nothwen-
dig tödtlich sind, so zwar, dass jedes Weib von
jedem Alter und jeder Körperbeschaffenheit ohne
Ausnahme ihnen in kürzester Zeit hätte erliegen
müssen.
VI.
Haben diese Verletzungen unmittelbaV oder mittelst
einer Zwischenursache, welche dur&h sie erat
in Wirksa^mkeit gesetzt worden ist,' den Tod
verursacht?
Zur Beantwortung dieser Frage wird es vor Allem noth-
wendig, den individuellen Körper- und Gesondheitscustand
der Verletzten zur Zeit ihres ' Ablebens gehörig ia'a A4ifiL^
zu fassen.
. Nach Aussage des Ehemannes hatte die Ehe mit «ler
Verstorbenen 17 Jahre gedauert, und war Letztere 40 Jahre
alt und wohl auch darfdier, denn ein legaler TedtUDSchein
fddt bei den Acten. Sie hatte bereits früher lOtKindc» ge-
IS*
196 IIV« Hoßnann^ Zerr^issting^ der OebKrmiitter,
-bordi, und war im Aitgemeinen gesund. Audi rerKefen ihre
MHiere» Schwangerschaften und Geburten ohne besondere
Aosläiide, mit Ausnahme einer hier nicht in Anschlag zu
hmgimdeB kdnsüichen Lösung der Nachgeburt bei der fönflen
tieiNiit. Nur die letete Schwangerschaft war mit mehr Be*
sehwerden und wirkliehem Unwohlsein rerbunden, wie wir
schon bei Beantwortung der vorigen Frage sub No. 6 dar-
gelhan haben.
Ein Weib, welches innerhalb einer 17 Jährigen Ehe 11
Kinier gebärt und bei seiner elften ScbwangerschafI bereits
io den Vierzigern ist, muss nothwendigerweise in seinem
Mräfiesustand lierabgekonimeu sein. Dass dies bei der De-
fiMKlMi der Fall war, geht aus dem ganzen Geburtsverlaufe
his zur erstmaligen Zangenanleguog auir Genüge hervor. In
einem so entkräfteten Individuum, wie die Gebäreade war,
musß ieder Eingriff von Verletzungen^ wie die genannten, in
seinen Folgidn um so vernichtender sein, als schon ein mit
jeder Verletzung verbundener, selbst verhältoissmässig ge-
ringer Blutverlust vom Organismus nicht «rtragen wird und
R^otioo in der Sphäre des Nervensystems ItervorrufL Alle
dietSß Momente concarriren im gegenwärtigen Falle, und vir
spi^cb^n .daher auch unsere Ueberzeugung dahin aus, dass
4ie angelegten Verletzungen unmittelbar und ohne
Einvifirku«!^ eii^er Zwischeoursache« die durch sie
erst in Wirksamkeit gesetzt worden wäre, tödtlicb
waren.
VII.
Rat der Geburtshelfer der Gebärenden die frag-
lichen Verletzungen aus Mangel oder Vernach-
lässigung der zu seiner Kunst gehörenden ge-
meinen Kenntnisse oder Fertigkeiten zugefügt?
Wir glauben diese Frage so wie sie gestellt ist, nicht
beMitwotten zu . kdnnen,* sondern eine Vorfrage Torausschicken
zu müssen, und diese Vorfrage betrifft den Maassstab, der
«ir Ermilleluiig der Schuld des Chirurgen i>. an den frag-
lichen VerleüBungen angelegt werden solk 8oIl der Gbirarg
D. vor dem Forum der einzigen und alleinigen Wissen-
scbaA oAbt vor dem Forum der Wissenschaft zur Rechen-
Mntteracheide und Harnblase bei der Gebort. 197
Schaft gezogen werden, die er sich in seinen Lebens- und
Slandesverhäitoissen eigen machen kannte? — Da« ist die
grosse Vorfrage, die zuerst getöst werden mus«, ehe wir m
die Beantwortung der Hauptfrage gehen können.
Wir glauben das Letztere, denn es wäre unbillig, von
Jemandem mehr zu fordern, als er wissen kann.» Itätjte
Chirurg D. regelrechte Studien gemacht und die Medicin in
ihrem ganzen Umfange studirt und absolvirt, so wurden wir
keinen Anstand nehmen, von ihm die strengste Rechenschaft
zu fordern, die man nur immer zu foitlern berechtigt isL
Chirurg D, hat aber nur an einer der ehemals bestandeneu
chirurgischen Schulen seine Studien gemacht. Nun geht aber
aus dem allerhöchsten Ediae über die innere Einrichtung
der chirurgischen Schulen vom 25. Jänner 1823 hervor und
ist allseitig zur Genüge bekannt, dass es der Zweck dieser
Schulen nicht gewesen ist, Aerzte im eigentlichen und höch-
sten Sinne des Wortes, sondern blos Chirurgen und Gei)ur(&-
helfer zu bilden. Dass aber Chirurgie und Geburt^hülfe
nimmermehr von der Medicin in der allumfassendsten Bedeu-
tung dieses Wortes sich emancipiren konnten, noch je können
werden, ist ebenfalls zur Genüge bekannt, und gerade durch
diese chirurgischen Schulen dargethan, und es war somi^
nothwendig in der Einrichtung derselben selbst gelegen, dass
die aus ihnen hervorgehenden Zöglinge weder in wissen-
schaftlicher, noch praktischer Beziehung entsprechen konnten.
Allein an Allem dem ist der Angeschuldigte nicht schuld,
denn alle jene Kenntnisse und Fertigkeiten, die er sich in
einer Anstalt, welche es nicht auf ganzes, sondern u(ur tbeil-
weises Wissen, nicht auf allumfassende, sondern nur theiU
weise Kenntnisse abgesehen hatte, erwerben konnte, hatte er
sich erworben, wie das Approbationszeugniss nachweist» laii|l
welchem er sich die Note „gut*', d. h. die dritte Note im
Abeoluiorio erworben hatte. Ob ihn Mangel an Fähigkeiten
oder Fleiss hinderten, sich während seinei* Studienzeit mehr
Kenntnisse zu erwerben, haben wir hier nicht zu unter-
suchen. Das Factum ist und bleibt, dass die diirurgische
Schule zu J. den Zögling D. mit der letzten Note absolvirte,
und dass die k. Staatsregierung durch Ertheilung der Licentia
practicandi nach Maassgabe der allerhöchsten Instruction für
198 m» Hofmann, Zerreissung der GebKrtimtier,
Chirurgen vom 26. Jftnner 1823 dieses Absohitoriuin bono-
rirte. Ist dies aber einmal geschehen, so föllt aueh nicht
alle Schuld f&r die daraus liervorgehenden Folgen auf den
Chirurgen D. allein, sondern auf die staatlichen Einrichtungen.
Dies sind die Gründe, warum wir glauben» dass bei
Abwlgilng des Schuldqnantums des Chirurgen D. an die der
Gebärenden zugefügten Verletzungen nicht der strenge Maas-
stab wissenschaftlicher Aus- und Durchbildung, sondern der
einer ungenügenden Wissenschaft angelegt werden muss, als
welche nach den Studien, die er gemacht hatte, Chirurg ß.
sich nicht mehr erwerben konnte. Dies halten wir für den
einzig wahren Standpunkt, von dem aus das Verfahren und
die Schuld des Chirurgen D, gewürdigt werden muss und
zur Gewinnung dieses Standpunktes hielten wir diese Vor-
erörterung fQr nothwendig.
Auf welcher Bildungsstufe übrigens Chirurg 2>. mit seinen
geburtsbülflichen und medicinischen Kenntnissen stehe, geht
aus den eigenen Worten zur Genüge hervor. Seine Aussagen
sind nämlich der Art, dass sie zur Genüge beurkunden, der-
selbe habe entweder gar keine oder wenige Begriffe und Vor-
stellungen von dem physiologischen und pathologischen Verlaufe
einer Geburt und wisse zwar die ihm eingetrichterten Schul-
regeki so ziemlich, ohne jedoch das Judicium zu besitzen,
dieselben einem concreten Falle anzupassen — lauter Umstände
welche die nothwendigen Folgen einer ungenügenden und ein-
seitigen Bildung an einer chirurgischen Schule sind.
Zur Conslatirung der Schuld des Chirurgen Z>. müssen
sein Handeln und der Erfolg seines Handelns von einander
nothwendigerweise geschieden werden.
1) Die Handlungsweise des Chirurgen D, bei der Geburt,
die einen so üblen Ausgang nahm, betreffend, so finden wir
bloss einen Punkt, worin er zu tadeln ist, nämlich, dass er
den MissgrifT machte, mit der Zange die Gebuit zu einer Zeit
beendigen zu wollen, wo die Möglichkeit dazu noch nicht
gegeben war. Dass aber dies ein wirklicher Missgriff war,
geht aus folgenden Gründen hervor.
a) Der Zustand der Gebärenden zur Zeil, als Chirurg D,
die Behandlung des Geburlsgeschäftes in die Hand nahm, war
so, dass ausschliesslich btos von einer medicinischen Behandlung
Matt«riif*bHde und Hambkise bei der Gebart. 199
des Falles, nie in Operaltveingrifreii Heil zu erwarten war.
2or Beurtbeihing eines solchen Zustandes gehören aber um-
fiissendere medicinisehe Kemiüiisse nnd arnfassendere geburts^
bölflictie Kenntnisse, als sie Ghirfirg D. an einer cbirurgischefi
Schule erlern&i konnte. Mangel an Kenntnissen binderte ihn
also, den Zustand der Gebarenden in seiner ganeen BedefH-'
samkeit auffassen zu können. Die Richtigkeit dieser BebaupUMiig
geht auch ans dem Umstände hervor, dass Chirurg D. den
damaligen Zustand der Gehörenden als gefährlich „auf Verau^
fir IMutter und Kind '' schildert und diese falsche Beurtbeiliiiig
des Falfos mag auch die Hauptschuld an dem voreiligen mA
unzweckmässigen Gebrauch der Zange getragen haben.
b) Weniger Entschuldigung als bezfiglich des Misskennens
des Zustandes der GebSi*en<len darf Chirurg D. wegen seinev
drmsten Zangenversuche in Anspruch nehmen. Der Kopfstamd
war, wie die eigenen Aeusserongen des Geburtshelfers lauteo,
noch im grossen Becken, d. h. nicht zangengerecht und au«
dem Umstände, dass sonderbarer Weise Hebamme und Ge-^
burtshelfer von einer Kopfgescfawulst M>ehi , wovon das Ob-
ducttonsprotocoll nichts weiss, wird die Annahaie nicht un-
wahrscheinlich, dass zur genannten Zeit während der Geburt
(nhnlich vor der ersten Zangenanlegung) der Muttermcmd noch
gar nicht hinreichend erweitert gewesen und das untere Ge-
bärmuttersegment noch über den Kopf gespannt gewesen sei,
was Hebamme und Geburtshelfer misskannt und irriger Weise
fnr eine Kopfgeschwulst gehallen hatten. Die Vertfaeiloag der
Verletzungen an dem unteren Gebärmuttersegmente und dem
Grunde der Mutterscheide, sowie der Umstand, dass der
Geburtshelfer bestandig von einem, durch sonst nichts erklär*
liehen Hindemisse bei Einführung des rechten Zangenlöfiek
spricht, bestärken noch diese Vemuithung. Wenn freilich
diese Annahme aus den Akten nicht nachweisbar ist und eben
deshalb als Gravamen für den Angeklagten nicht gellend
gemacht werden kann und darf, so ist dies doch weniger
mit dem Zangengebrauche der Fall. Wann ein Kopf zangen-
gerecht stehe, uiusste Chirurg D. von der Schule her wissen
und aus lOjähriger Praxis kennen, denn er ist nach eigenem
Geständnisse kein Neuling mehr in der Geburtshilfe. Will
man aber auch die allerdings richtige Behauptung gelten ;
200 Iti- ^oy^anti, ZerreimvDg d«r Oebftrnvfcter,
die B^urtheilong ob ein Kopf KaiigeRgemsbt stehe oder nkbl,
sei im Allgemeinen sefawer^ und Dur einem GeuUeo leicbt,
se kann eine solche Entschuldigiing doeh nie auf die zweite
Zangenoperalion des Gebarl£Mfei*s ausgedehnt werden, da er
zu dieser Zeit bereits aus dem misslungeaen (^ten Zangen-
versuche entnehmen konnte, dass der Kopf nicht zangengerechi
stehe, da femer der das gewöhnlieiie Quantum übersteigende
BhKflnss ihn vorsichtig machen, und der hohe Schwächezustand
der Frau, die schon anfing, in Convuisionen zu verfallen, was dem
Gehwrtehelfer nach eigenenr Geständnisse nidit entging, ihn
von einem wiederholten Zangenversuche hätte abmahnen
müssen.
c) Dass Chirurg Z>. bei der Zangenapplication roh und
ungeschickt verfahren sei, ist nirgends aus den Akten ersicht-
lioh^ und eine willkörliehe Annahme des gericbtsarzUichen
Gutachtens (11 6), die sich nach den vom k. Geriehlsarzte
in seinem Gutachten entwickelten Ansichten etwa auf folgende
Grdnde stützen dürfte.
er) Dass der Geburtshelfer beim Einführen die Zange in
6h volle Hand und nicht, wie der k. Gericbtsarzt in seinem
Gutachten sub lil. 2. d. will, wie eine Schreibfeder gehalten,
habe. Bezuglich dieses Punktes vei*wet8en wir auf die Beant-
wortung der Frage No. IX., wo derselbe seine volle Erledigung
finden wird.
ß) Dass der Geburtshelfer nach Aussage des Ehemannes,
der Hebamme und der Dirne beide Male mit der Zange tüchtig
gezogen habe. Abgesehen davon, dass dies vom Geburtshelfer
in Abrede gestellt wird, so geht aus der Beschaffenheit der
Verletzungen unzweifelhaft hervor, dass sie beim Einführen,
nicht beim Ziehen mit der Zange angelegt worden sind, denn
die Verletzungen bilden alle sammt- und sonders falsche Wege
oder Höhlen, die von ihrer Anfangsmundung an der Scheide
und Gebärmutter in die Höhe gehen, und in ihrer Form dem
Ende des rechten Zangenlöffels entsprechen (Obductionsproto-
coli sub A. H. A. 17, 18) und sich ganz deutlich als Durch-
stossungen der genannten Organe mit der Zange darstellen.
Höchstens kann die Verletzung der Uterinblase (Obduetions-
protocoll sub IL A, 19) beim SchKessen der Zange ent-
standen sein.
So viel ist gewifi», dasa die Verleisuogeci der Sohisidf
und Gelidriouttor (OixhiclioiispratocoU sah A. IL A. 17, 18)
auf keinen Fall eotsUinden aeieii, ak das InsIruaneDl ieioe
Wirkung als Zuginstrumant geltend raaelile. Daher ist es «audi
y) %dm% gleicbgikig, ob der Geburtshelfer jedesoial, wj#
er behauptet, die Zange abgenommen babe, oder ob diese,
wie die Dirne und die Hebanune hehauplen, ahferulschl sei,
denn noch weniger, als beim Zuge konnte die Zange beim Ab-
rutadten, selbst angenomroen, aber nicbt zugegeben, dass diea
der FaU gewesen, die fraglichen VerleUungen dar GebftnBttttsr
und Huttersebeide (ObduetionsprotocoU sidi» A. IL A. 17, IS)
angelegt haben.
S) Dass der Geburtshelfer vor Anlegung der Zange den
Katheter nicbt appücirt bat, ist ein fernerer Vorwurf, den ihm
das geriebtsärztlicbe Gutachten sub L 5 aur Last legt. Wir
glauben diesen Vorwurf zurücklegen zu müssen, denn einmal
fürchtete derselbe die mögliche Verletzung der Hararöhret
was dner so ungeschickten, wie seiner Hand allerdings möglieb
gewesen wäre, -und dann hielt er dessen Appü^tion für
unnotfaig, weil er mit allem Rechte zu schlieäsen befugt war,
die Frau babe Urin gelassen, nachdem ihn die Hebamme
davon unterrichtet hatte, die Frau sei vor dem Blasenspruoge
zu Stuhl gewesen, und nachdem die Gebärende ihn selbst
versicherte, sie habe Urin gelassen.
Wir glauben somit zur Genüge die willkürliche Annahme
des k. Gerichtsarztes, als sei der Geburtshelfer bei der Zangen-
operation roh und ungeschickt verfahren, widerlegt zu haben.
Dieses Thema führt von selbst auf den zweiten Punkt.
2) Den Erfolg der Handlungen des Geburtshelfers d. h.
die im ObductionsprotocoU sub A, H. A. 17, 18, 10 ver-
zeichneten Zerreissungen der Mutterscheide, Gebärmutter und
Harnblase.
Dass die betrübende Zangenoperation diese Verlelningeii
erzeugt habe, haben wir schon bei Beantwortung der Frage
No. H. dargetban. Hier kommt lediglich die Schuld des Ge<-
buitsbeifers zur Sprache. Insofern derselbe ohne Nolh und
Anaeige und zu einer Zeil, die Zange anlegte, wo er sie nkhl
hätte anlegen sollen ist er allerdings an den geschehenen
202 111. Hofmannt ZerrefMQUg^ d«r 0«l4iniicitl«^;
V«rletziing«n Schuld. Dass jedo^^h nidit Rolfheit und Vnge-
schicklicbkeil m der tediDisch^n Handhabimg des f nstrumeiitMi
die fraglioben Verletzungen erzeugt habe, heben wir so eben
stib I. e. bewiesen. Die Schuld ist also mehr mittelbar emem
Mangel an Wissen und Jadicinm über den zeilgemäsäe« Gebrauch,
als unmitteibar einem Mangel an Fertigkeit in Handhabung
des InstrumoDtes zuzuschreiben. Nicht dem Chirurgen D.
allein, ndn, geübten Gebortshelflern, ja renommirten Gelebrittten
unserer Kunst ist das Unglück schon geschehen, mit der Zange
eine Gebinniitter und Muttei'scbeide durchbohrt zu haben —
wie bezüglich dieser unserer Behauptung wir eine üusserst
namhafte Zahl von Fällen aus der Literatur anzuführen ver-
möchten — und Niemand ist es noch eingefallen, diese Ce-
lebritäten desswegen so strenge? Verantwortlichkeit zu unter*
werfen, die bei ihnen doch sicher mehr mit Fug and Recht
am Platze gewesen wäre, «als bei einem armen Landchirurgen
der solches Unheil mehr aus Mangel an gehöriger Durchbildung,
als aus Mangel an DexteritSt angestiftet hat, wobei die in der
nächsten Frage zu erörternde angebliche gewaltsame Bewegung
der Gebärenden mit- dem Hinteren im Momente der Einführung
der Zange noch dazu ein wichtiges EreigiJss in der Wag-
schale ist.
Nach gewissenhafter Abwägung aller die Schuld des
Geburtshelfers belastender und mildernder Umstände glauben
wir uns berechtigt, folgende, die Schuld und Unschuld desselben
bezeichnende Schlussresuhate als Antwort auf die gestellte
Frage auszusprechen:
1) Der Chirurg D, hat einen Mangel an den
gemeinen Kenntnissen seinerKunst verrathen, dass
er die Zange an einem nicht zangengerechl stehen-
den Kopfe anlegte. VITann ein Kopf zangengerecht
stehe oder nicht, kann man von ihm zu wissen
lordern*
2) Chirurg Z>. hat sich keck und dreist bewiesen,
dass er nach dem misslungenen ersten Zangenver-
suche einen zweiten machte, und noch dazu bei dem
ZuBtande, in dem sich die Gebärende nach dem
ersten Zangen versuche befand.
Matte rsebeMe nnd Harnblaie bei der Geburt. 203
3) Dass Chirurg D. fiberhaupl den ganzen Zu-
stand der Gebärenden niisskannte, daran ist seine
mangelhafte Ausbildung an einer chirurgischen
Schule Schuld.
4) Die Verletzungen der Gebärmutter, Harriblase
und Mutterscheide (Obductionsprotocoll sub A. 11.
A. 17, 18, 19) sind ein Unglück, welches anderen
Geburtshelfern auch schon begegnet und in dem
specielien Falle keineswegs einer Rohheit und Un-
geschicklichkeit in der Handhabung des Instru-
mentes, sondern zumTheil dem geschehenen Miss-
griffe in der Behandlung zuzuschreiben ist, zum
Theil aber auch dem Umstände, der Gegenstand
der nun zur Besprechung kommenden Frage ist
VIIL
nämlich:
Ist es möglich oder wahrscheinlich, dass die
Verletzungen, welche den Tod der GebArenden
zur Folge hatten, durch die Unruhe und Be-
wegungen derselben während der Operation
herbeigeführt worden sind?
Es wäre allerdings zur Ermittelung der Schuld oder
Unschuld des Geburtshelfers von der grössten Wichtigkeit
gewesen, genau zu ermitteln, oh in der That während der
erstmaligen Anlegung der Zange die Gebärende eine kraftvolle
und gewaltsame Bewegung mit ihrem Hinteren gegen den
Geburtshelfer gemacht habe, wie dieser behauptet, oder nicht,
wie mit derselben Bestimmtheit der Ehemann, die Hebamme
und die Dirne behaupten. Mit Gewissheit lässt sich dies nicht
mehr ermitteln, daher man höchstens Wahrscheinlichkeitsgrunde
auffinden kann, ob die Gebärende sich so oder anders ver-
halten habe.
Wie bei Beantwortung der Frage VH. sub 16 dargethan
worden ist, konnten die im Obductionsprotocoll sub A, II.
A. 17 und 18 beschriebenen Verletzungen der Gebärmutter
und Mutterscheide nur bei Einführung, und höchstens nur
die im Obductionsprotocoll sub A, H. A. 19 verzeichnete
Zerreissung der Harnblase allenfalls beim Schliessen des hi*
204 m* Eofmannf Zerreissuog der Oebftrmatier,
slrvioeole« entsiauden sein. Nan macht aber der Geburtshelfer
beständig die gewalUanie Bewegung der Gebäreoden uül dem
Hinleni und ihre Unruhe überhaupl bei der Zao^iapplikaiion
als Veranlassung der von ihm zugefügten VerleUuogen g^tend.
Diese Vertbeidiguug ist so schlagend und so sachlich richtig,
dass man nach der sonstigen Bildungsstufe, die Chirurg D.
nach den Acten beurkundet, nicht annehmen kann, er habe
diese Vertheidigung ex propriis erfunden, um sein Handeln
zu beschönigen, sondern eher, dass diese Angabe wirklicli
richtig ist und dass nur die übrigen Zeugen wie es in solchen
Fällen geht, wo Alles den Kopf verloren hat, bintennach sich
nicht mehr des wahren Sachverhaltes erinnern konnten. Doch
ist diese Ansicht eine blosse Vermulbung, der der sacblidie
Beweis allerdings fehlt, aber eine Vermulhung, die viele Wahr-
scheinlichkeii hat.
Es sei übrigens wie es wolle, Vermuthung oder Wirklich-
keit, dass die Gebärende im Momente der ersten Zangen-
anlegung bei Eünfülining des rechten Löffels eine solcke
gewaltsame Bewegung mit ihrem Hintern gemacbi und Oberhaupt
sich bei beiden Zangenappiikationen unruhig und beweglich
verhalten habe, so ist so viel gewiss und ausser allem Zweifel,
dass durch solche Unruhe und gewaltsame Gegenbewegung
dem Geburtshelfer die Einführung des Instrumentes ausser-
ordentlich erschwert, und sehr leiclU Verletzungen ohne deb
Geburtshelfers Verschulden mit der Zange augelegt werden
konnten. Haupterforderniss für den Operateur bei Anlegung
der Zange ist Ruhe der Gebärenden, im gegenlheiligen Falle
kann er für eine Verletzung, deren Entstellung durch Unruhe
im höchaten Grade beguDstigi wird, nie verantwortlich gemacht
werden. Dass also die im Obductionsprotocoll sub A. U.
A. 17-^-19 verzeichneten V'^rletzungen der Gebärmutier
Mutterscheide und Harnblase durch Unruhe und
gewaltsames Widerstreben der Gebärenden ver-
schuldet wordeu sein können, ist keinem Zweifel
unterworfen, ja es ist im höchsten Grade wahr-
scheinlich, dass die Gebärende, wenn sie sich
überhaupt so wie Chirurg D, angibt, gebärdet haU
zum grossen Theil ihre Verletzungen selbst ver-
schuldet bat. Ob aber dieser Moment mit Gewiss-
1
Muttei^ebeide und HftrnblaBe bM der Gebort. 805
beit die traurigen Folgen Teratilaftste, kann ans
dem Grunde nicht mit Bestimmtheit behauptet
werden, weil die Erfahrnng lehrt, dass sowohl bei
ruhigem als unruhigem Verbalten der GebSrendeu
Verletzungen an den Geseblechtstheilen ohne Ver^
schulden des Geburtshelfers sowohl ?orkommen,
als auch nicht Torkommen.
IX.
Konnten in dem Falle, als die Gebarende durch
Uarnh^ die VerletEuagen verschuldet haben
konnte, dieselben durch Torsichtiges Einbringen
der Zange auf die vom k. Gerichtsarzte snh 111.2
seines Gutachtens angedeutete Ari durch Halten
des InstriMoentes wie eine Schreibfeder ver«-
mieden werden?
Ob die Zange bei der Applicatien wie eine SchreiMeder
gehalten oder in die volle Hand genommen werden soll, ist
eine Streitfrage, die wohl in der Theorie nnd in geburtshüritcheii
0])eration8Conrsen und Privatissimis , wie sie die Studenten
an den Universitäten fVequentiren, aufgeworfen wiixl, in Praxi
aber von selbst, man möchte sagen durch den Instinkt des
Operatem*s ihre Erledigung findet. Das Einftihren der wie
eine Schrerbfeder gehaltenen Zangenlöffel ist nflmlich mir in
den ailersdtensten FSllen, wo nicht das geringste mechaniscftie
Hinderniss Kngegen ist, möglich, in welchen FSUen die Zange,
man braucht ihr nur die richtige Direction zu geben, von
sdbst sieh an den Kopf anschmiegt, in aHen übrigen Fällen
*^ die leichtesten Zangenoperationen abgerechnet — wo nnr
irgend die Einföhruiig der Zaqge etwas erschwert ist, ist es
nicht möglich, sie, wenn man sie wie eine Schreibfeder hält,
anzulegen, denn es fehlt den sie so fassenden und haltenden
Händen die Kraft, das entgegenstehende Hinderniss zu fiber-
winden oder zu umgehen. In allen solchen Fällen fasst Jeder
Gebor tsbelfer,' ond wenn er aUe der Theorie entnommenen
Grönde noch von seiner Studienzeit her im Gedächtnisse hat,
warum er nicht so handeln soll, instink tmässig das Instrument
in -die voHe Hand und mnf^s es so fassen, wenn er zurecht
' kommen wHI. Es ist nicht nur kein Fehler, sondern Vorschrift
sog III. Hefmann f ZenreiMang der Qebärmntter,
10 allen schwierigen Fällen die Zange in die volle Hand zo
fassen und so und nicht anders muss und kann sie nui' io
solchen Fällen gehalten werden.
Was den vorwurligen Fall betrifil, so haben wir bei
Beantwortung der Frage VIL sub 16 dargethan, dass der Stand
des Kopfes zur Zeit der Zangenversuche noch so hoch geweseu
sei, dass der Kopf gar nicht mit dem Instrumente gefasst
werden konnte, mit anderen Worten: die Zange war noch
gar nicht am\Platze, als Chirurg D, sie anwendete. Wegeu
des ausserordentlich hohen Kopfstandes aber war und lausste
die Zangenapplicalion mit den grössten Schwierigkeiteo ver-
bunden sein. Chirurg D, hätte auf keine Weise die Zange
anlegen können, wenn er sie, wie der k. Gerichtsarzt sub
lil. 2 d seines Gutachtens . meint, wie eine Sclireibfeder ge-
halten hätte. Gefehlt war, dass der Geburtshelfer überhaupt
in diesem Falle an die Zangenanlegung dachte ; naehdem aber
dieser Missgriff einmal geschehen war, so war der Geburts-
helfer in vollem Rechte und handelte ganz nach
den Regeln der Schule, dass er die Zange nicht wie
.ei.ne Scbreihfeder hielt, sondern in die volle Hand
fasste. Es kann daher auch eigentlich keine Rede
davon sein, ob durch Einführen der Zange, wie
man eine Schreibfeder hält, die Verletzungen der
Gebärmutter hätten vermieden werden können oder
nicht, denn die Anlegung der wie eine Schreibfeder
gehaltenen Zange war bei dem vorliegenden Stande
des Kopfes und noch mehr, wenn die Gebärende
sich dabei so unrohig gebärdete, wie der Geburts-
helfer stets behauptet, eine haare Unmöglichkeit
X.
War der in Frage stehende Geburtsfall an sich
als ein für Mutter und Kind lebensgefährlicher
im Sinne der allerhöchsten k. Instruction für
Chirurgen vom 25. Januar 1823 §. 14 lit. N, §. 15
M. und N. anzusehen und haftete dabei Gefahr
aut Verzug? '
In dem Augenblicke, als Chirurg D. die Leitung ties so
üülficküch geendeten Geburtsfalles übernahm, war derselbe
Mott«r«eheide ond HarnblM« bei der Gebavt 3fff
offeDbar weder lebefisgeührüch, aof^ hf^eie Gf^afir aqf dem
Verzuge für Mutter oder Kind, wohl aber )var e^.e^q Frii
und ein Augenblick, der eine gereiftere Erfahrung ui^d gnind-
lichere Kenntnisse erforderte, als Chirurg £). nach seiner
Ausbildung haben konnte — ein Fall, der durch falsche Be-
handlung im entscheidenden Momente, als Chirurg D. dieselbe
in seine Hände nahm, ebenso gewiss zum Unheil fähren musste,
— wie dies in der That auch im Uebermaasse eintrat — als
es möglich gewesen wäre, ihn durch richtige und umsichtige
Behandlung für Mjutter und Kind glucklich zu Ende zu führen.
Hiermit wäre eigentlich die Antwort auf die gestellte
Frage gegeben; allein wir glauben den Sinn dieser Frage
anders auffassen zu müssen, indem das k. Appellatiousgericht
mit dieser Frage wohl dahin abzielt, ob Chirurg D, im Sinne
des §. 14 lit. N. und §. 15 lit. M. N. der allerhöchsten
Instruction für Chirurgen vom 25. Jänner 1823 seine Befug-
nisse überschritten habe oder nicht? und in diesem Sinne
werden wir jetzt versuchen, eine Antwort auf obige Frage
zu geben.
Wie schon das gerichtsärztliche Gutachten sub HL 3 sich
ausspricht, enthält die fragliche allerhöchste Instruction an und
für sich und die beiden citirten Paragraphen in specie sehr
unsichere und schwankende Bestimmungen, deren Grenze man
willkürlich sehr weit, aber auch willkürlich sehr enge ziehen
kann. Man mag aber auch die weiteste Deutung dem Gesetze
unterschieben und die Handlungsweise des Inculpalen von
dem glimpflichsten und schonendsten Standpunkt aus be-
trachten, von dem man will, so steht jedenfalls soviel fest,
dass keine Lebensgefahr für Mutter und Kind weit und breit
zu finden war, die ihn berechtigt hätte, auf jene zerstörende
Weise einzuschreiten, wie er es that. Und wenn auch Chirurg
D. den Fall als einen solchen betrachtete, in welchem Lebens-
gefahr für Mutter oder Kind auf dem Verzuge haftete, so
hatte er um so mehr nach dem misslungenen ersten Zangen-
versuche, bei den nun eintretenden Convnisionen, dem Blut-
flusse und dem Schwächezustand der Gebärenden, was ihm
Alles keineswegs verborgen blieb, in Anbetracht seiner In-
struction die Hilfe eines graduirten Geburtshelfers in Anspruch
nehmen müssen.
S06 ^T- Bofinaitn, Serreistan^ ^er Geblrttvtt«r.
E§ ist also vom Standpunkte de» Gesetzes aus keinem
Zweifel unterworfen.
1) Dass der Fall weder an sich noch im Sinne
des §. 14 üt N. und §. 15 lit. M. und N. der aller-
höchsten Instruction für Chirurgen vom 25. Jänner
1823 lebensgefährlich für Mutter oder Kind war,
noch dass dabei Gefahr auf dem Verzuge stand, als
der Chirurg D. die Behandlung übernahm, die ihn
berechtigt hätte, so forlgesetzt vernichtend auf den
Organismus der Gebärenden einzuwirken, wie er
es that; sondern dass
2) Chirurg D, Zeit und Muse genug gehabt
hatte, einen zweiten Geburtshelfer zu Rathe zu
ziehen, was er sogar nach dem misslungenen
ersten Zangenversuche hätte thun müssen.
3) Wir stimmen somit ganz mit dem am Ende
des gerichtsärztlichen Gutachtens enthaltenen
Ausspruche uberein, dass Chirurg 2). seine Befug-
nisse aberschrilten und sich nicht mehr innerhalb
der Grenzen der ihm zustehenden Wirksamkeit
befunden, sondern auf dem Boden geburtshilf-
licher Pfuscherei bewegt habe. Endlich
4) Seine man^el- und lückenhafte Ausbildung
ist bezüglich der Ueberscbreitung seiner Befug-
nisse ein sehr nothdürftiger Milderungsgrund
seiner Straffälligkeit.
Der Chirurg D, wurde zu 19 monatlicher Gefangnissstrafe
verurthält.
lY. JTo/m««», Ist ■weekoi&fltig n. svlitotig q. MMfilhrbAr etc. 809
IV.
Ist zweckmftBsig und zulAsBig und ausführbari
in UniYeiBitätSBtädten unehelich Gebärenden die
Niederkunft nur in Oebarhftusem zu gestatten,
in den Privatwohnungen der Hebammen
aber zu verbieten?
Von
Dr. Hoftnann in München.
Die Veranlassung zur Erörterung dieser Frage ist folgesde:
Seit Jahrzehnten maditen in Bayern die Hebammen y<hi
der durch das Hebammenedict vom Jahre 1816 ihnen einge-
räumten Befugniss, unehelich Schwangere zur bevorstehenden
Enthindung in ihren (der Hebammen) Wohnungen ein Asyl
zu gewähren, unbeanstandeten Gebrauch und nahmen mit
Wissen der PoHzeibehörden unehelich Sdiwangere und unehe-
lich Gebärende in ihre Wohnungen auf. Im Jahre 1858 gefiel
es dem damaligen Vorstande des Gebärhauses in Mönchen,
Herrn Professor Dr. Anaelm Martin^ eine Sl^ugammenanstalt
in und fAr Mönchen zu gründen; und setzte es eben dieselbe
Persönhchkeit durch, dass in die von der vorgesetzten Behörde
genehmigten Satzungen dieser sogenannten Anstalt ein Para-
graph — § 5 — Aufnahme fand, der folgende Passung hatte:
„Den Hebammen ist die Aufnahme schwangerer und gebärender
Personen fernerhin untersagt und kann diese Bewilligung nur
in spedellen Fällen ausnahmsweise von der k. Polizeidirection
aus Veranlassung der UeberföUung des Gebärhauses gegeben
werden^) (Polizeianzeiger für Mönchen vom 6. Juni 1853).
Alle Recbmationen der Münchner Hebammenschaft blieben
1) Der saehanknndige Leser möchte meinen, ee lei im
Jahre 1863 dem Herrn Voritande dea Qebärhansee ein Bieeen-
palast mit nahem ichrankenlosem Gelaese snr Aufnahme der
Schwangeren nnd Gebärenden sn Gebot gestanden. Znr Anf-
kl&mng diene, dass die Gebäranstalt damals sich in einem ein-
scMassig des Erdgeschosses yierstÖckigen Hanse von 13 Fenstern
Strasseufrontbreite befand und dass die Gebftranstalt nieht blos
Monatasehr. f. Qebortak. 1866. Bd. XXV., Sappl • Hft. 14
210 l^V. Bo^mm^ Ist twe^kmlUiig a. nläMig a. Aoaflibrbar,
damals nicht blos erfolglos, sondern als im Jahre 1858 der
damalige Hofrath und nmimehrige Geheimrath Herr Dr.
V. Scamoni in Würzburg an des verstorbenen Herrn Ge-
heimrath Dr. BuscKs Stelle nach Berlin einen Ruf erhielt,
erfolgte ein gimz ähnliches Verbot auch für die Hebunmen-
Schaft der Stadt Würzburg (Aerztliches Intelligenzbiatt,
herausgegeben vom ständigen Ausschusse bayrischer Aerzte,
29. Mai 1858, S. 270). Ganz neuerlich endlich, nämlich im
Jahre 1862 bei Gelegenheit eines Rufes nach Baden-Baden,
machte Herr Geheimrath und Professor Dr. v. Scamoni
sein Verbleiben in bayrischen Diensten und in der Würzburger
Professur ausdrücklich nochmals von fortdauernder Aufrecht-
biitong dieses Verbots abhängig. So waren und sind respective
m zweien der drei Landesuniversitäten Bayerns unehelich
Schwangere gezwungen, entweder ausserhalb der Universitäts-
stadt niederzukommen, oder wenn sie in diesen Städten ihre
Niederkunft abwarten wollen dies in emer eigens gemiethelen
Privatwobnung oder im Gebärbause zu thun«
Wenn im Nachstehenden ich mich in einer Kritik dieser
Maassregel ergehe, welche die k. bayrische Staatsregierung
m zwei Landesuniversitäten durchführte, so begründe ich
meine materielle Befähigung dazu damit, dass ich elf Jahre
lang Vorstand der geburtsbülflichen Poliklinik, der k. Uaiver-
tiUt Müachen war und bei einer Zahl von circa 4000 Ge-
burten jahrelang Gelegenheit hatte, zu allen Stunden des Tages
und der Nacht in den Wohnungen der Hebammen zu ver-
kehren und die Verhältnisse unter denen sich dort die in-
ehelichen Sehwangeren, Gebärenden und W^bnerinnen und
nengebornen Kinder befinden, kennen zu lernen. Ich werde
bei dieser Kritik den Rechtsstandpunkt der Frage für Bayern
gegenüber dem Hebammenedict vom Jahre 1816 gänzlich bei
Seite lassen, und mich blos auf den principiellen SUmdlpuBkie
der allgemeinen Opportunität und Zulässigkeit einer solchen
Maassregel stellen.
localen Charakter für die Haupt* n&d Beiide&Mtadt iBol. Au ttod
Haidhansen mit ihren damaligen 180,000 Einwohnern hatte, in
der die Zahl der nnehelichen Gebarten nahesn der der ehelichefi
gleichkommt, sondern sugleieh Vereinsanstalt ffir Oberba^ero
war nnd noeh ist, das 600,000 Seelc^n a&hU.
im UniTertitiltsvtXdieB aoehelicb Gebärenden etc. 211
Die Frage mmi&s von einem vierfachen Standpiuikte aus
betrachtet werde«:
1) Tom sanitätfipoliieiliclieD;
2) Ttun sitttnpolizeüichen;
3) vom universitätischen;
4) von dem der M^lichlbeit der Durchführbarkeit eines
Prohibitinerhotes.
Bis jetit sind in Deutschland nur einige wenige Hebammen
(meiiies Wissens nur in Frankfurt, Heidelberg und Mainz;
in süddeutschen ttl§ttern finden sich wenigstens nur bezüglich
dieser Städte einschlägige Anzeigen) so industriös gewesen,
elegante und comfortable grössere Etablissements zu errichten,
wo Dalben der höheren Stände, die sich in einem gewissen
FaUe befinden, Unterkunft fänden.
WeUen Damen bezeichneter Lage und Categorie nicht
sich in die sogenani^n Zahlabtheilungen der Gebärliäuser
beigeben, so ist ihr Niederkommen noch zur Stunde mit sehr
belräohtüehen Kosten verbunden. Reichlicher — ob desswegen
besser, ist eine andere Frage *- ist gßsorgt für die unehelich
Schwangeren der niederen Stände: Die Dirnen und Mägde
der kleinen Städte und auf dem Plattiande finden Unterkunft
bei ihren Eltern, Geschwistern und sonstigen Verwandten, im
ättss^sten Falle sogar selbst manchmal bei den Bauern, wo
sie dieaen. Ebenfalls zum Theil bei Verwandten, zum Theil
ia den Gebärtiäusern, zum Theil aber bei Hebammen findet
das grosse Contingent an Schwangeren seinen Abzug, das
die mittelgrossen und grossen Städte aus der Klasse der
Putzarbeiterinnen und Nähterinnen, Stuben- und Dienstmädchen,
Fabrikarbeiterinnen und Tagelöhnerinnen hefern. Da es mit
der Zahlungsfähigkeit aller dieser Mädchen nicht weit her ist,
so können die Hebammen, die solche Mädchen aufnehmen,
auf Wohnung und Wohnungseinrichtung ebenfalls nicht viel
aufwenden, weil das eventuell sonst aufgewendete Kapital
rentenlos bUebe. Zur Aufnahme einer oder zweier Mädchen
sich einaurjchten renUrt sich für die Hebamme nicht, weil
das Kapital, das die Hebamme aufwenden muss, zu gross
ist, 'als dass ein oder zwei Mädchen die Zinsen decken wurden.
Die Hebamme richtet sich daher zur Aufnahme von drei und
vier Mädchen ein und wenn sie es zu einer gewissen Wolil-
14*
212 1^* He/mannf Ist sweokmftBSig q. snlistig q. antffilirbar,
babeaheit gebracht hat, zur Aufnahme von fünf und sechs.
Dadurch entstehen aber nicht blos sogenannte, sondern wirk-
liche Winkelgebäranstalten, welche vom sanititischen und
sanitätspolizeilichen Staudpunkte aus näher beleuchtet sein
wollen.
ad 1. Was zunächst die Wohnung als solche betrifil,
so findet man bei Hebammen, die Mädchen aufindbnien, nur
ganz ausnahmsweise eine freundliche, heitere, luftige, geräumige
Wohnung mit Strassenfronte. In einer besseren Strasse för
ganz gewöhnlich nehmen solche Hebammen Rückwärtswohnungen
in Hofräuroe hinein oder Wohnungen in engen, winktifsn
Strassen. Unter den Fenstern in dem dunklen, dumpfigen
Hofraum die Dfingergrube, die Abtrittsgrube, einen Viehstall
zu finden, oder in dem Hofraum den Betrieb eines mephitisebe
DOnste verbreitenden Gewerbes zu finden, z. B. eine Seifen-
siederei, eine Schlächterei, eine Saitlingbereitungsanstalt, Räam^
lichkeiten zur Aufbewahrung fauliger Stoffe, z. B. von Knochen,
Thierhaaren, Thierhäuten, gehört zu den Gewöhnlichkeiten.
Atich fensterlose Kammern habe ich getroffen, worin die
Mädchen Unterkunft fanden. Es liegt die Wahl solcher Woh-
nungen seitens solcher Hebammen in der Natur der Dinge:
Die Mädchen können der Hebamme nicht soviel zahlen, dass
diese sich eine theuere Wohnung besserer Qualität roielhen
kann; nur die Wohlfeilheit, nicht die Gesundheitsräcksicht,
ist der Maassstab, nach dem die Hebamme ihre Wohnung
vermiethen kann, daher wird sie mit ihrer Wahl zu den Woh-
nungen bezeichneter Categorie und Oertlichkeit gedrängt
Entbehrt in Folge dessen die Gesammtwohnung der Hebamme
der Eigenschaft, gesundheitsgemäss zu sein, so emlehnen
selbstverständlich jene Wohnungsgelasse, welche den Mädchen
angewiesen werden, derselben Eigenschaft Ganz aa^nahms-
weise nun habe ich in meiner früheren grossen geburts*
hilflich poliklinischen Praxis Wohnräume für Uneheliche ge-
troffen, welche den Anforderungen der Sanität nur einiger-^
maassen entsprochen hätten; för ganz gewöhnlich waren die
Räumlichkeiten der Art, dass sie nicht einmal den allerbe-
scheidensten Ansprüchen entsprachen, vielmehr direct sanitäts-
widrig waren. Welche Luftbeschaffenheit an solchen Räum-
lichkeiten herrscht, kann man sich denken : schon durch ihre
m üaiTenitlitMtftdUn anehelioh Gebärandan etc. 218
Lage Kblecht ventilirt und durtb Beimengung gesundbeits»
schädlicher Elemente eine yerderbte Luftbeschaflenheit be*
silzend, werden solche enge und dumpfe Gelasse noch von
fier Mädchen, darunter vielleicht eine oder zwei W(>chnerinnen
mit ihren Kindern bewohnt, und dient ein und deradhe
ZimmerraAm zur Beherbergung der Schwangeren, zum Gebären,
zur Abhaltung des Wochenbetts, zur Aufnahme der Neuge-
borenen und auch noch zur Trocknung der von diesen letzteren
Teninreinigten Bett* und Leibwäsche.
Um nichts besser ist die Reinlichkeit bestellt. Es bekommt
z^ßr jedes Mädchen sein eigenes Bett und frische Bettwäsche
beim Zugang; allein mit- der Qualität des Bettes und mit
dem Wechsel der Bettwäsche darf man es nicht allzu genau
nehmen. In dem Bette kann man am Matratzen- oder Stroh-
Mckuberzug die unzweideutigsten Spuren erkennen, dass schon
mehr als eine Wöchnerin darauf gelegen. Eher noch wird
das Stroh in Slrohsäcken gewechselt, weil dieser Wechsel
leichter zu bewerkstelligen ist und nicht viel kostet; dass
aber der Bettfederreiniger über die Kopfkissen, Ober- und
Unterbetten, der Tapezierer über die Seegras- und Wald*
haarmatratze kommt, das ereignet sich alle zehn Jahr einmal,
weil es zu viel kostet, und weder die Daraufliegenden, noch
die Hebamme das Bedürfniss darnach fühlen. Dadurch wird
aber offenbar das Bett schon zu einem Reservoir von Krank-
heitastoffen. Die Bettwäsche beurkundet, dass ein allzuhäutiger
Wechsel nicht stattfindet; als Unterlagen der Wöchnerinnen
kann man modrige, alte Hadern und Lumpen finden, die ober-
flächlich gewaschen werden, um einer anderen Wöchnerin
wiederum zur Unterlage zu dienen. Der Bettbeschaffenheit
correspondirt die übrige Reinlichkeit des Zimmers; errathen
kann man nur, dass der Boden Niemals weiss war, and auf
dem Fenstergesimsen, dem Tische, im Tischschubladen liegen
Haarkämme, Zahnbürsten, Pomadebüchschen, Scbnörstifle,
Striekstrümpfe, Nähnadeln, Zwirn, Wolle, Bändel, Bindfaden,
Tascbenkalender, Taschenspiegel, Fingerhüte und dgl. in
patriarchalischer Eintracht neben einander. Dass bei solcher
Reinlichkeit^pflege in Bett und Zimmer auch noch andere
Inwohner sich einstellen, Wanzen, Läuse, Flöhe jeglicher
214 I^* JTo/mann, Ist sweckmüftigf q. siilftflsig «. «asIDlirbar,
Grösse bis zum sogenannten' Hnsarenfloh, Russen, Schwaben,
MSuse versteht sieb von selbst
Wie es bei solcher Besebaflenheit der Verhaltnisse mit
der Gesundheil der Zimmerinwohnermnen stehen ninss, iSssl
sich leicht erratben. ' Der dble Einfluss üussert sich nur
deshalb in weniger augenfalHgem Grade bei den Mutlem, weil
diese bei ihrer grösseren Körperkrafl widerstandskrilUgcr sind,
tritt aber in vollem Maasse bei den Neugehomen vor. In
6 — 8 Tagen sieht man das kräftigste Neugeborne, absonderlich
wenn es keine Mutlerbrust, wohl aber Mehlbrei und Schnuller
bekommt, verfallen ; äl)er Icterus, Blepharitis und Blennorrhoe
der Conjuncliva, Pemphigus, Intertrigo, Aphten Studien zu machen,
sind solche Winkelgebäranstalten die vorzugsweise geeigneten
Orte. Am aUerschlimmsten daran sind Wöchnerinnen, die
ernstlich erkranken. Von einer Krankenwart und Kranken-
pflege ist nur ausnahmsweise die Rede; die Hebamme über-
lässt die Kranke ihrem Schicksale, macht die Cataplasmen
nachlässig, reicht ebenso nachlässig die Arznei, und trachtet
im Falle ernstlicherer Erkrankung, die Kranke sobald als
möglich los zu werden und ins Gebär- oder Krankenhaas zu
scbafTen.
Auch über die Räumlichkeiten des Mädchen zimroers hinaus,
erstreckt sich dessen Einfluss. Die Emanationen, wetebe
die Wöchnerinnen und Neugebomen in die durch die Lage
des Zimmers schon verderbte Zimmerluft abgeben, finden ihren
Weg in die Wohnungsräumlichkeiten der Familie der Hebanmie.
Gesunde Kinder hier zu finden ist eine Seltenheit; ffir ganz
gewöhnlich sind sie scrophuiös, venrathen schlechte Blutbe-
schafTenheit, schlechte Ernährung, und sind in ihrer physischen
Entwickelung hinter ihren Jahren zurück.
Wenn aus allen diesen Gründen die Sanitätspoliaei den
Winkelgebäranstalten zu Leibe ^geht, so hat sie recht, denn
ihre Unterdrückung muss Postulat der Sanitätspoltzei sein.
ad 2. Es ist mir öfter vorgekommen, dass idi unter
Tages einen oder den anderen Liebhaber im Mädchenzimmer
traf; die Inwohnerinnen genirte seine Gegenwart im Ein- und
Auskleiden nicht im Mindesten. Es ist mir abei: Auch vor-
gekommen, dass ich, zur Nachtzeit gerufen, das ein- und
is UaiversitätMtiidteii anebeU«li Oebärendtn ^tc. 215
re Mal dea Liebhaber bei einem der Mädchen im Bette
traf, so dass dessen Ausschaffuog unter Androhung zwangst
weiser Entfernung durch die Genadarmen der Beginn meiner
heilärKtlichen Thäligkät sein musste. Dass ich mit der Hebamme
in Folge dessen kein sanfles Recontre hatte, versteht sich vmi
selbst, und mieden solche Hebammen dann ein Jahr und noch
länger die Inanspruchnahme poliklinischer Hilfe. Ich muas
jedoch der Mönchner Hebammenschaft zur Ehre nachsagen,
dass es nur ganz wenige, 1 — 2 Hebammen waren, welche
*ibre Wohnungen gewissermaassen zum Betriebe der Hurorei
ho'gaben; die weitaus grösste Zahl der Hebammen hielt auf
Zucht und Sitte, schon wegen ihres persönlidien Rufes und
des davon abhangigen Vertrauens in der Frauenweit. Dagegen
kaan man nach ein^ anderen Seite hin eine in den Familien
aUer Hebammen, welche Mädchen zum Entbinden aufnehmen
sieb vorfindliche Wahrnehmung machen, welche darin besteht,
dass die heranwachsende Generation, die Kinder der Hebamme,
Knaben und Mädchen von 12 — 14 Jahren, in alle Mysterien
des Gebäraktes, und folglich auch des Schwangerschaftsvor-
ganges und Zeugungsaktes, eingeweiht sind. Nicht selten
lassen die Hebammen durch ihre Kind«* den Arzt, wenn
solcher nöthig wird, herbeirufen, und für ganz gewöhnlich
kann man wahrnehmen, dass diese Kinder aber den augen-
blicklichen Stand der Dinge so umfassenden Bescheid wissen,
dass der Arzt ohne nur vorerst im Hause gewesen zu sein«
vollständig informirt ist Zu wundern ist dies freilich nicht,
da ja Hocbschw.%ngere immer unter den Augen solcher Kinder
herum laufen und unvermeidlich ist, dass sie mit Aug und
Ohr das Geschäft der Mutter kennen lernen.
Auch die Sittenpolizei hat sonach kein Interesse an der
Duldung, vielmehr ein solclies an der Aufbebung solcher
Winkelgebaranstalten.
ad 3. Das universitätische Interesse an der Duldung
soteher Winkelgdbäranstalten wird sich v^rsdiieden gestidten
je nach der Grösse des den universitätischen Lehrzwecken zu
Gebote stehenden Gebärhauses und je nachdem die Universität
eine geburtshulflicbe Poliklinik besitzt oder nicht
Nur in dem einen Fall, wenn die Universität keine ge-
burtsbulflicfae Poliklinik und eine kleine stationäre Klinik hat»
316 I^* Sofmaun, Ist sw#ekiiittMig n. Mititotlfr «• »willikvbAr,
iD der die Zahl der zum Lehrzwecke verwendbareii diepanUeB
Schwangeren, Gebärenden und WöchBerinnen im MiesTerhalt*
nisae steht mit der Frequenz der medidnischen Fakultät —
nur in diesem einen Falle hat die UniTersität ein Inlereaae
an der Aufhebung der Winkelgebäranstalten. In diesem Falle
reicht nämlich dies zum Lehrzwecke verwendbare Material
nicht aus und die Universität muss eine Vermdining des Lehr-
materials anstreben, will sie nicht die Erfahrung mach»,
dass die Frequenz der medidnischen Fakultät sinkt, und zwar
aus keinem andern Grunde, als lediglich dem, wdl es den*
Studirenden an Lern-, dem Lehrer der Geburtshülfe am Unter-
richtsmaterial gebricht. In diesem Falle wird eine gegen
unehelich Schwangere ausgesprochene Gebärortsprohibitivmaasa-
regel die Frequenz des Gebärbauses steigern machen und
das bisherige Missverhältniss zwischen Unterrichtsmaterial und
Klinicistenzahl ausgleichen. Es versteht sich ganz von selbst,
dass Conditio sine qua non zum Vollzug jeder Prohibittv-
maassregel sattsame* Räumlichkeit des der Universität zur
Benutzung zu Gebot stehenden Gebärhauses ist, sodass dieses
um so viel mehr dem Unterrichte dienende Personen auf*
nehmen kann, als fürVie viele die Prohibitivmaassregel Anlass
geben wvd. Ohne solche Ranmdisponibilität des universitä-
tischen Gebärhauses hätte die Universität nicht das mindeste
Interesse an einem gegen die Hebammen in der bezeichneten
Riditung zu erlassenden Interdikte. Den bezeichneten einen
Fall ausgenommen hat die Universität in allen anderen Fällen
kein Interesse an einem solchen Verbote, das ihr im gelin-
desten Falle nichts nützt, nn anderen Fall aber sogar viel
schadet. Hat nämlich die Univ^^ität eine den Unterrichts-
bedürfnissen ausreichende stationäre geburtshulfücbe Klinik,
aber keine geburtsbüifliche Poliklinik, so ist sie bds dem
Erlasse eines solchen Verbots gänzlich unbetheiligt und dieses
daher für sie interessenlos. Das Lehrmaterial des Gebärhauses
deckt ihre Unterrichtsbedürfnisse und die durch Verschluss
der Hebammenwohnungen bewirkte Rückstauung der U/iehe-
liehen ins Gebärhaus und dann auch in die universitätische
Klinik ist für die Unterrichtszwecke eine Last Das Unter-
richtsmaterial wird zu gross, um vom Universitätslehrer über-
sehen und unterrichtsentsprechend verw«rthet zu werden.
ia UaiTertitftUttiidt«n an«h«lich OsbärAiMkn etc. 317
-weshalb «uob errahrungagemäss die mitlelgroaaeB Gebär^
aosUheii der mittelgrosaen üiuTerntäUstädte von jeher mehr
för die WisseiMchaft geleistet und Erspriessliches f&r die
YarsorgUDg des Publikums mit Geburtshelfern gewirkt haben,
als die grossen Gebäranatalten der Grossstadte und grosse»
Universitäten mit ihren jälirliehen Tausenden von Geburten«
Belastet aber ein Prohibitivverbot die universitätiscbe stationäre
Klinik bei Nicbtexistenz einer geburtshälflichen Poliklinik schon
in dem Unterricht nicht förderlicher Weise, so schadet es
direct im Falle der Existenz einer geburtshöinichen Polikliaik
neben der stationären Klinik; weil es das Unterrichtsmaterial
der ersteren schwächt Was aber das geburtshülflich poli-
klinische Material schwächt, beeinträditigt direct den geburts*
hölflicken Lehrzweck. Die Poliklinik ist es nämlich, welche
ganz vorzugsweise bestimmt ist, dem Lernenden das Gebären
unter häuslichen Yerbältnisen, die anderer Natur sind, als
die gebäranstaltlichen Verhältnisse, anschaulich zu machen
und die PoUklinik ist es, welche bestimmt ist, dem Lernenden
der bisher am Gängelbande der stationären Gebärhausklinik
geführt wurde, nach und nach jener Selbstständigkeit zuzu«
fahren, die er binnen Kurzem haben muss, wenn er in Vertrauen
engender Weise als Geburtsarzt dem gebärenden PiihUkura
gegenüber auftreten will. Die Poliklinik ist es daher, welche
den Udl>ei*gang aua der engen Zwangsjacke der Schule in die
Schule des Lebens zu vermitteln berufen ist. Diesen Zweck
kann aber die PoUklinik nur dann erfüllen, wenn sie ein der
Zahl nach reichhaltiges, der Sache nach mannigfaltiges Unter-
richtsmaterial hat, und j6 reichhaltiger und mannigfaltiger ihr
Unterrichtsmaterial ist, um so mehr wird die Poliklinik ihren
Beruf erfüllen. Sie kann sich daher auch schlechterdings
nicht beschränken lassen, was zweifellos bei jeder Prohibitiv-
maassregel bezeichneter Art der Fall wäre. Jede Universität
daher, die eine geburtshülfliche Poliklinik hat, muss zweifels-
ohne im Interesse ihrer Poliklinik, d. h. im Interesse der
Doctrin und der medicinischen Facultät mit allen ihr zu Gebot
stehenden Mitteln protestiren, wenn Sanitätspolizei und Sitten-
polizei die Winkelgebäranstalten auflieben wollen. Werden
daher letzlere Beide gegebenen Falles schon an der Universität,
wenn anders diese ihre Schuldigkeit thut, eine Gegnerin finden.
218 IV* Eo/mmin, Ist feweokmJUBig «. ssliMlg* vl «nafllliffbar,
tritt gegen sie eine noch viel bedeiHendere, ja geradesn «n^
überwindbare weitere Gegnerin in die Schranken, nämlieh
«d 4. Die Undurcbfahrbarkdt des Verbotes, dass keine
Hebamme in ihre Wohnung Schwangere eiim Gebären seil
aufnehmen dürfen. Nach mehreren Ricbtongea stellt sich
ein solches Verbot als unausführbar dar:
a) V^enn Hebammen keine Mädchen nrehr in ihre Wohuimgen
aufnehmen dürfen, so werden sich diese keineswegs alle be»
stimmen lassen, ins Gebärhaus zu gehen ; es werden sich ^äm*
lieh immer welche, wie die Erfahrung in Münchenlehrte, bestimmen
lassen, sich Privatwohnungen zu miethen und in diesen dann
die Niederkunft abzuwarten. Das ist aber gerade der Punkt,
den die Sittenpolizei wohl ins Auge fassen möge, demd welcher
Art werden denn die Famiüen sein, welche an eine UneheKch-
Schwangere behufs Erwartung der Niederkunft ein Zimmer
vermiethen ? Und hat denn zu einem solchen ZimroerfHiuleni
der Liebhaber nicht ungenirteren Eintritt, als in der Hebammen-
wohnung? Als Zimmerfräulein erachtet sich das Mädchen als
eigene Herrin, die thun kann was ihr beliebt, da sie zum
Mietbgeber, der in der Regel eine Frau oder Wittwe ist,
im Verhältniss einer selbstständigen Aflermielherin steht,
w^che zu überwachen der Miethgeberin weniger Recht, und
weniger Interesse bat, als wenn die Hebamme die Miethgeberin
ist Diese ist nämlich aus Rücksicht für ihre Praxis gebunden,
dafür zu sorgen, dass ihre Wohnung sich nicht in ein Rordeil
umwandle, und desswegen überwacht sie das bei ihr wohnende
Mädchen und die Besuche die es empfängt, weil sie selbst
wieder vom Publikum und den übrigen Hebammen überwacht
und controlirt wird; jene ist aber nicht gebunden oder
jedenfalls in weit geringerem Grade. Soviel steht fest: je
mehr die Polizeibehörde das Qliederkommen der Mädchen bei
Hebammen erschwert, um so mehr treibt sie dieselben in
Privatwohnungen und um so mehr arbeitet sie auch der Un-
Sittlichkeit in die Hände.
b) Will das gegen die Hebammen erlassene Verbot Mädchen
anfiEunehmen, nicht blos auf dem Papier stehen, sondern ins
Leben treten, so steigt nothwendigerweise die Frequenz
des Gebärbauses, weil nicht alle Mädchen so bemittelt sind,
sich Privatwohnungen miethen zu können. Bevor man daher
ia ünWersitütoHlldtMi nnehelicb Oebäx««d«ii etc. 219
ein solches Verbot eriässt, muss zuerst ermittelt sein, ob die
disponiMen Räoine der GebirMistalt der zu erwmrteBden
stärkeren Frequenz gewachsen sind. Verabsäumt man diese
vorherige Feststellung und zeigt ach nach erlassenem Verbole
dass die GebSrbausrdumliehkeiten fl&r die gesteigerte Frequens
nicht ausreichen, so kann man vorerst entweder das erlassene
Verbot nicht dorcbfubren, oder man dringt nicht wenige
MSdchen so, dass sie nicht mehr wissen, wo sie niederkommen
sollen, und drängt sie dem Hetmlicbgebftren m die Arme.
Vom Heimiicbgebären zum Kiadesmerde ist aber erfahnings-
gemäss nur ein sehr kurzer Schritt und die Beantwortung der
Frage, ob es weise ist, den Mensdien auf die Verbrechensbabn
zu drängen, überlasse ich getrost Anderen, die besser berufen
sind dazu, als ich. Ich bemerke nur, dass meines Wissens
die Potizeigewalt des Staates ihren grössten Rohm darin suchen
muss, Verbreclien zu verböten, nicht aber Verbrechen zu
veranlassen. Mit einem Worte: will man das Verbot aufrecht
halten, so erübrigt nichts, als in vollkommen ausreidiender
Weise die Gebärbäuser der Universitätsstädte zu vergrössem.
Dies ist aber geradezu unmöglich, denn keine Universitäts-
und städtische Kasse wüi-de so ?iele disponible Kapitalien
haben und auch aufwenden wollen, als dann die Gebärbäuser
in Anspruch nehmen würden. Ob die Staatskassen gewält
sein werden, den Universiläts* und gemeindlichen Kassen
unter die Arme zu greifen, möchte ich um so eher bezweifeln,
da die Volksvertretungen dann ein Wort dabei mitzureden
hätten und diese sicher nicht geneigt wären, zu einer Saohe
Znschuss zu geben, deren Nutzen schon für die universitätische
Zwecke sehr problematisch ist, die jedenfalls zum Nachtheil
der inwohnerschafl der Gebärhäuser umschlagen würde, da
die Geschichte aller Gebärhäuser lehrt, dass die Mortalitäts-
ziffier nicht in stetiger Progression mit der Grösse des Gebär-
hauses steigt, sondern in ungleich grösserem Maassstabe.
c) Soll das Verbot aufrecht gehalten werden, so muss
daf&r gesorgt werden, dass zu jeder Stunde des Tages und
der Nacht Gebärende auf Tragbahren ins Gebärhaus ver*-
schafft werden können. Diese Vorsorge muss deshalb geschehen^
weil es nicht so selten sich ereignet, dass Schwangere unge-
ahnt von der Geburt überrascht werden und diese einen so
220 I^* BioßiMUMt Ist feweckmiUftigr a- «ulüasig n« »lulfikrbar,
rftscheo Forlgang oimnit , dass die Gebaroaden ohne inögkdie
LebeDsgeföhrduDg für sich uad ihr Kind niobiaiehr su Fiue
ins Gebärhaus gelangen können. Diese Vorsorge wird in dem
Maasse dringlicher, als die üniversimsstadi grösser ist, weil
dann die Entfernungen ?on den äusserstai Punkten der Stadt
und Vorstädte zum Gebärhause wachsen. Wer soll denn die
Kosten tragen? Die Universität doch nicht, fär die ohnedies
schon die gesteigerte Frequenz des Gebärhauses nicht zum
FroBimeu des gebortshulflichen Unterrichts ist? Oder die
Gemeinde, die nicht das geringste Interesse hat, persönliche
Zwecke des universitätischen geburtshölOicben Lehrers zu
unterstützen? Und wenn nun Vorsorge nicht getroffen wird,
und eine nahewohnende Hebamme nimmt, nicht weit sie
Hebamme ist, sondern aus allgemeiner Menschenpflicht eine
Gebärende, die auf dem Wege ins Gebärhaus ist, es aber nicht
mehr errekhen kann, in die Wohnung auf, wie will man die
Hebamme strafen? sie, die nicht mehr gethan, als was ich
und Jedermann nicht blos zu thun berechtigt, sondern nach
dem (jebote der Nächstenliebe verpflichtet ist?
d) Es kann hier fugUch ausser Acht gelassen werden,
ob es Puerperalfieberepidemien giebt, oder ob, wie Semmdtoei»
behauptet, alle vermeintlichen Epidemien Pseudoepidemien
sind, herbeigerufen durch Infection ursprünglich mit Leichen«*
gilt Die Thatsache nur braucht festgehalten zu werden, dass
von Zeit zu Zeit, gleichgiltig ex qua causa, Puerperalfieber
in epidemieähnlicher Häufigkeit in Gebärhäusem vorkommen,
und die Thatsache, dass das radikalste Mittel zur Abschneidung
dieser Krankheiten die Schliessung der Anstalt und die Zer*-
Streuung ihrer Inwohnerinnen ist. Wie steht es gegenüber
dieser Thatsache mit dem qoästionirten Verbote? Soll es um
jeden Preis, selbst um den sich mehr und mehr in dem Ge-
bärhause häufender Sterbefalle und auf die Gefahr hin der
Versdileppung der Krankheit aus dem Gebärhause in die Stadt
hinaus aufrecht gehalten werden ? Die städtische Bevölkerung
wird sich dafür bedanken! Oder wenn Nein, wohin sollen
die Schwangeren zum Entbinden gehen? Glaubt man, dass
eine zeitweilige Suspension des Verbots vielleicht helfen könne?
Wie sind denn die Hebammen, die bisher wegen des Verbots
nicht in Wohnung, Meublement und Weisazeug zur Aufnahme
lB UniverdtlltstUdleii mi«h«Ueh GabärMideii ete. 2S1
SefawaDgerer eingerichiet sind, knall und Fall im Stande^
MMchen zu beherbei^en ? Und wenn nun aBes das nicfat
geht und man den Unehelichen auch nicht die offene Straaae
zur Abwertung der Niederkunft und Abhsdlung des Wochen-
bettes anweisen kann, was soll denn gesdiehen? Ich erbitte
mir eine Antwort.
e) Ein solcdies Verbot beeinträchtigt in völlig unzuliSBiger
Weise die Freiheit des Individuums. Selbst im Falle der
NotorietSt hodigradiger ^stediungsßihigkeit einer Krankheit
wie z. B. der Blattern, übt die Behörde keinen derartigen*
Druck auf die Bevölkerung, dass sie ausnahms- und rücksichtslos
jede Blattemkranken in die Blatternabtheilung des Kranken-
heuses verweist AUes was die Behörde fordert, fordern kann,
aber auch fordern rouss, ist Sicherstellung der übrigen Be-
völkerung gegen die Ansteckung ; erst wenn diese Sicherstellioiig
unter den gegebenen Veriiältnissen, in denen sich der Kranke
befindet, nicht möglich ist oder nicht geleistet werden will,
übersiedelt sie aus Bucksicht auf das Gemeinwohl den Kranken
in eine öffentliche Anstalt, um ihn isoliren zu können.. Diesen
Fall ausgenommen übt die Behörde niemals einen moralischen
oder physischen Zwang gegen den Kranken, überlässt vielmelu*
seinem und seiner Angehörigen Ermessen, sich, wo und wie
es ihnen am zweckmftssigsten dünkt, eine ärztliche Hülfe zu
suchen. Die Wahl des Arztes ist auch so sehr Vertrauens^
Sache des Kranken und seiner Angehörigen, dass sich die
Nichteinmischung der Behörde ganz von selbst versteht Freiheit
der Person ittnei*halb der gesetzlichen Schranken ist jedem
Inwohner eines constitutionellen Staates (und unsere deutsehen
Staaten sind nunmehr alle ausnahmslos consUtutionell) verbürgt
Wie reimt sich zu dieser verbürgten persönlichen Freiheit
die Uebung eines indirecten auf Uneheliche gelegten Zwangs,
nur in einem Gebärhause niederkommen zu dürfen? Wo
existirt in einem deutschen Staate ein mit der Volksvertretung
vereinbares Gesetz derart? Wie ist es vor dem Riditeratuhl
der Humanität veranlwortbar einen solchen Zwang namentlich
zu einer Zeit aufrecht zu halten, wo Puerperalfieber in der
Gebäranstalt herrschen, wenn man nidit den grossen fimfiuss
der Gemithsstimmung auf den Gesundheitszustand der Wöch-
nerin geradezu läugnen will, was man zur Zeit nicht kann.
da dUB ^«mwM&i^ew'sche Theorie aber die Entolehung das
Puerperalfiebers bis jetzt noch Tiei zu sehr Hypothese and
▼iel 8U wenig thatsaehlig begründet ist? Man denke sieb
in die Lage eines zwar unbemittelten, aber um das moraliscbe
Wohl seines Kindes ängstlich besorgten FamiüedTaUirs, dem
das Unglück begegnete, dass seine älteste Tochter ausserdielich
schwanger wurde. Im Ha'use kann er sie nicht behalten aas
Rficksicht für zwei eben erst heranwachsende jüngere Töchter;
zu einer Hebamme kann er sie ni^t einquartieren wenn dies
I verboten ist; zur nächst besten Frau die Tochter in Wohnung
zu bringen, und so gewissermaassen sein ohnehin bereits
unglückliches Kind noch mehr, als bereits geschehen, der
Unsittlichkeit in die Arme zu treiben, nimmt er noch grösseren
Anstand; im Gebärhause herrscht gerade das Kindbettfieber,
oder wenn auch nicht, sein vaterliches Gefühl sträubt sieb
gegen den Gedanken, die Geschleehtstheile seines Kindes z«
geburtshulflichen Lehr* und Lernzwecken herzugeben; —
wo soll dieser Vater mit seiner wegen ihres Fehltrittes noch
keineswegs entsittlicliten Tochter bin? und wie will in einem
constitutionellen Staate ein auf keine geseUliche Bestimmung
weit und breit sich fussender moralischer Zwang gegen Vater
und Tochter vor dem Gesetze, welches dem Individuum Freiheit
der Person innerhalb gesetzlicher Schranken verbürgt, gerecht-
fertigt werden?
Endlich
/) £in solches Verbot, wenn urplötzlich erlassen und
durchgeführt, benaohtheiligt den Nabrungstand der augenblick-
Uchen Hebammenschaft der Universitätsstadt aufs Empfindlichste
und drängt dieselbe der Verarmung entgegen, weil all das
Kapital, welches die Hebammen in Wohnung, MeuUeroent
und Weisszeug gesteckt hat, urplötzlich unfructificirlich ge-
worden ist. Würde die Behörde einen Erlass des quästionii*len
Verbotes dennoch für geboten erachten, so könnte dies ^hwt
Beoachtheiligttttg der Hebammenschafl der Universitätsstadt
nur so geschehen, dass die lebenden Hebammen im Besitze
einer nun einmal durch Verjährung gewissermaassen sanctionirlen
Befugoiss gelassen, dagegen ausgesprochen wdrde, dasa von
jetzt an keiner neuzugehenden Hebamme diese Befugniss mehr
gestattet würde. Die künftighin zugehenden Hebaimnen
iD üniTeraititMttdtan «»«iMlfeh GebftrMid«ii «to. 223
wissea dann, woran sie sind, und werden nicht ein unrentir*
lidies Kapital in Wohnung, Meubeis und Weisweug anlegen.
KftBstUch aber die Hebammenschaft einer Stadt yerarmen zu
machen, Hegt um so weniger Grund vor, als, sehr wenige
Ausnahi&eD abgerechnet, alle Hebammen in aller Herren Ländern
sich nicht eines Ueberflusses an Sobsistenzmitteln zu rühmen
haben.
So stellt sich nun von allen Seiten her die Undurchföhr-
barkeit einer solchen Prohibitivmaassregel zu vermeintlichen
Gunsten der universitätischen Gebäranstaiten zur Evidenz
heraus. Sollte es indess noch weiterer Beweise bedürfen,
so lasse ich hier Zahlen folgen, welche beweisen, dass gerade
in München, wo man die Inscenirung dieser Maassregel zuerst
in Angriff nahm, nach noch nicht zehn Jahren Niemand mehr
an deren Aufrechthaltung denkt und sie factisch daher zu
Grabe getragen worden ist. Laut amtlicher Bekanntmachung
nämlich wurden im Monate April 1861 in München 215
eh^iche und 221 uneheliche Kinder, und von diesen 86
innerhalb und 135 ausserhalb des Gebärhauses geboren.
Der Stand der Sache wäre sonach, dass Sanitäls- und
Sittenpolizei unbedingt die Aufliebung der Winkelgebärandtalten
fordern, die Hebammenschaft deren Beibehaltung eifrigst bevor-
wertet, die Universität über die Erspriesslichkeit ersterer
Maassregel für ihre Zwecke sehr zweifelhaft denkt, die Praxis
aber die Durchführbarkeit solcher Maassregel nur mit Hint-
ansetzung aller Rücksichten bejaht Die Sanitätspolizei würde
ihre Aufgabe verkennen, wollte sie bei solcher Sachlage
dennoch auf rückhaltlose Durchführung der Naassregel noch
dringen. Sie würde sich als das Erste im Staate hinstellen,
dem alles Uebrige weichen müsste; das aber kann und darf
die Sanitätspolizei nicht
Es giobl Rücksichten für den Staat von utizweifetbafl
viel bedeutenderer Wichtigkeit, als die für Sanitatspoiizei, und
wo solche. Rflcksichlen vorwalten, soM und muss letztere auf
das Unerreichbare verzichten und mit dem Erreichbaren sich
zufrieden stellen. £s soll damit keineswegs gesagt werden,
dasa der j 6 1 z i g e Zustand der Winkelgebiranstalten in Ewigkeit
da jY^ 0^^^^ i,ei^t, werden, dass das
1 ii0 ^^gi0 0^^ sfem iwn dies der Fall, wekhes
'aäÜ^ ^ "^ ^'^ «ff^^ '®'' ^ ^^^ widerstreitendeo
^^f Aosg^^J^^ei, der Slttenpolwci, der EMMmmen-
j^^^g00p <*^. .^^ uad der Oppertunität? Es fiodel sich
get»^ ^-h esvanki dort, wohin alle unsere moderneD
' ^ der ^"^Tßeß: iV/chtbeeinlrächtiguiig der freien
» Sta»^^'^ ^^j. Biiizelnen roit parallelgehender Con-
Be^^S oiissbräuchliche Ausschreitung. Man
^^^^ ifer £io2e]hebamme, ob sie Uneheliche annehmen
n oder nic^'J ^^^'^ ^*^ Sanilätspolizei überwache in Wirk-
. .|^^,|^ nicht auf dem Papiere und blos dem Namen nach
das saiiitälische Wohl, die Sittenpolizei die sittliche Aufführung
eoer Mädchen, die sich bei Hebammen einmieüien. Thun
diese zwei Factoren ihre Schuldigkeit, so wird es nicht
fehieOf dass die industriöse Hebamme ein den Anforderungen
der Sanität und der öffentlichen Sittlichkeit entsprechendes
Etablissement herstellen wird. Es wird dann in sittlicher und
physischer Beziehung gesorgt für Persönlichkeiten der Mittel-
and besseren Stände, die desswegen, weil unehelich in dem
bezelclmeten Falle noch nicht entsittlicht sind ; es ist gesorgt
für den bedrängten Familienvater, der gegebenen Falles seiner
Tochter Leib weder einer das Leben zerstörenden Ansteckungs-
krankheit, noch als Unterrichtsobject preiszugeben braucht
Es ist auch gesorgt für die ihre Niederkunft abwarten wollenden
Putzmacherinnen , Kamnierzofen , ' Bonnen , Stubenmädchen ;
denn diese alle werden, übt die Sanilätspolizei in Bezug auf.
Wohnung, Meublement und Reinlichkeit einen gehörigen Druck
*- gegen die Hebamme, die paar Gulden Preiserhöhung nicht
scheuen und lieber um etliche Gulden theuerer bei einer
' Hebamme, als um etliche wohlfeiler im Gebärhause nieder-
kommen. Geschieht dies, so wird der Andrang zum Gebärhause
an und für sich nicht so hoch ansdiwellen, wie er notiiwendig
anschwellen rouss bei eioem exclusiven Schulzverbot. zu Gunsten
des Gebärhauses. Jetzt ist aber auch die Polizei wirklich in
der Lage, die noch übrig bleibenden eigentikben Winkel-
gebäranstalten für Dienstmägde und'Taglöhuerinnen schliesseo
}jk ^niv^raitiitflstKdten uoekelich Gebär&odeD ete« 225
\nen, wie dies Ihun zu können sie 4)ei einer scbranken-
Npfaibitivmaassrege) eben wegen Undurchführbarkeit
«liebt in der Lage ist. Auf diesem Wege aBein
"^ressen der Sanitat und öfTentlichen Sittlichkeit
^n; die Hebainmenschaft der Universitätsstädte
«)g gewahrt; den Fonlerungen der Humanität
s Interesse de« Individuums möglichst
üisherigen Winkelgebäranstalten schliessen
.0, reinlichere und zweck massigere Anstalten
ihre Stelle und auf schonendstem Wege ist die
.^e Mitte gefunden. Preisgegeben ist nur die arme Dienst-
•iiagd und Tagelöhnerin, die unvermögend die theueren Kosten
der Niederkunft in besser als jetzt organisirten Privatanstalten
zu tragen, gezwungen ist^ in der Gebäraristalt ihren Körper
und möglicherweise sogar ihr Leben zu Markt zu tragen.
Selbst diese Klasse der weiblichen GesellschafL wird 'indessen
jedenfalls durch bessere Verpflegung und Graüsverpflegung
theilweise wiedej- entschädigt, und betrefl's des restirenden
Deficits schlimmer daran sein als die wohlhabenderen
Klassen. So liegt nun einmal in menschlichen Verhältnissen
und ist göttliche Anordnung der Dinge, die der Mensch nicht
abändern kann, dass unter der Sonne nichts vollkommen, der
Arme überall stets schlimmer daran ist, als der Wolilbabende
und Reiche.
MoDAtsachr.f.aebumk. 1866. Bd.XXV.. Snppl.Hn. 15
226 ^- Birnbaum, Bericht über die gebnrtshilfliehen
Bericht über die geburtshilflichen Leistungen
der Bheinischen Provinzial-Hebammenanstalt in
Goeln in den Jahren 1860—1863.
Von
Dr. Frledr. H. 6. Birnbaum,
Director der ProylosUl^HebamnieiiABStaU tn 05ln.
Es wurden in diesem vierjährigen Zeiträume entbunden:
1860 302
1861 315
• • 1862 322
1863 335
1274
Davon waren:
Erstgebärende 788 Un^erbeiralhet 1102
Mehrgebärende 486 Yerheirathet 140
T274 Verwittwet 32
Unter 20 Jahren 95 Cöln, Stadt 861
20—25 „ '593. Cöln, Regierungsbezirk 112
26—30 „373 Aachen, „ 96
31—35 „ 127 Coblenz, „ 56
36-40 „ 69 Düsseldorf, „ 122
41—45 „ 17 Andre Bezirke 27
1274 1274
Die Beschäftigimg vertheilte sich den Prozentsätzen nach
auf die 1102 Unverehelichten der Art, däss der grösste Prozent-
satz A. auf die Dienstmädchen, B. auf die Gewerblos^n,
(7. auf die Näherinnen, D. auf die Fabrikarbeiterinneu,
E. auf die Taglöhnerinnen fiel und der Rest F. Putz-
macherinnen, Händlerinnen, Ladengehilfinnen, Schauspielerinnen,
Lehrerinnen u. s. w. umfasste in folgenden Verhältnissen:
A. Dienstmädchen 60,03^/o
B. Gewerblose 12,90%
C. Näherinnen 9,24%
D. Fabrikarbeiterinnen 6,05%
E. Taglöhnerinnen 5,73%
F. Verschiedene __Qfi6%
100,00
L6i«iaii§f«ii d«r Rhein. ProT.-HebammeMiBttalt eU. 227
* i
Die Geburten waren:
EiDfach Mehrfach
1860 297 1860 5=1: 60.40 = l,65«/o
1861 310 1861 5=1: 63,00 = 1,59%
1862 316 1862 6 = 1 : 53,66 = l,83o/o
1863 331 1863 4=1:83,75 = 1,19%
1254 20=1:62,70 = 1,59%
Die Kinder waren:
1860 Knaben 154, Mädchen 153, 307
1861 „ 141, „ 179, 320
1862 „ 153, „ 175 328
1863 „ 171, „ 166, unbeslinviit^ . 339
619, 673, 2. 1294
Die Fruchte unbeslimmten Geschlechtes waren
eine 3 — 4 monatliche, plattgedröckte Frucht in den Eihäuten
eines starken Mädchens, die auf den ersten Anblit^k einem
verkütnnierten Nebenkuchen gleichsah, bis man Augenpunkte,
platte Scheitelbeine von Vs'' Durchmesser und verkümmerte
Glieder feststeilen konnte, und, ein ausserhalb der Anstalt
verbi^ierischer Weise in den Abtritt geborenes Kind, dessen
Geburt die Person trotz Gegenwart einer Placenta adnata
hartnäckig läugnete.
Das Verhältniss der Knaben zu den Mädchen war demnach :
1860 = 1 : 1,006
1861 = 1:1,283
1862 = 1:1,144
1863 = 1:0,971
1 : 1,081 *
und das Normalverhältniss der Geschlechter wurde demnach
so oft umgekehrt gestaltet, dass es auch in diesem ganzen
vieijährigen Zeiträume nicht wieder hergestellt wurde, wa^
offenbar der grossen Zahl der unehelichen Geburten zu den
ehelichen zuzuschreiben ist.
Die Vertheilung der Geburten nach den Monaten ergab:
Janaar. Febraar.
1860 Oeb. »I Enb. 14 Mdcb. 19—88 * Geb. 80 Kab. 16 Mdch. 16—81
1861 „ 29 „ 9 „ 20—29 „ 22 „ 10 „ ISt— 22
1862 „ 26 „ 9 „ 17—26 „ 27 „ 11 „ 16—27
1863 „ 23 „ 17 „ 6—23 ' „ 87 „ 20 „ 18—89
110 49 62 111 1 unbestimmt.
116 66 62 119
16»
22^ V. Birnbaum^ Benoht über die gebartsbUflUheo
Mäirs.
Aixril.
lg60Geb.80Enb.l6Mdch
.16^81
Geb. 88 Knb. 13 Mdeb,
.10—88
1861 „ 86 „ 14 »,
12—26
ti 16 »» 4 „
12—16
1862 „ 80 „ 18 „
14—38
.. 19 ,r 6 n
14—88
1868 „ 34 ^ 20 „
14—34
.. 84 „ 18 „
16-85
119 67
56 123
1 nobestimmt,
91 41
52 94
Mai.
Jnni.
1860 0eb.29Enb. 12Mdch,
. 17—29
Geb. 20 Knb. 10 Mdch.
.10—20
1861 .. 80 ., 10 „
21—31
1» 23 „ 9 „
14—23
1862 „ 35 „ 17 ,,
18—35
n 86 „ 17 .,
11—88
1863 „ 35 „ 14 ,.
21—35
,. 27 ., 12 „
1fr— 27
129 53
77 130
96 48
50 98
Juli.
Angnst.
l8G0Geb.84Knb. 13Mdch
.12-25
Geb. 17 Rnb. 10 Mdch
. 7—17
1861 „ SD „ 16 „
16—81
„ 28 „ 16 „
18—28
1668 „ 86 „ IH „
18—86
M 28 „10 ..
18—28
1863 „ 28 „ 12 „
16—28
.. 28 „ 12 „
12—84
108 „ 53 „
57 110
91 „ 47 „
45 92
September.
October.
1860 Geb. 28 Knb. 14 Mdch. 14—28
Geb. 26 Knb. 14 Mdch. 12-26
1861 „ 2Ö .. 16 „
9-26
M M « 1» „
18—88
1862 „ 84 H 15 „
19—84
♦1 22 ,» 11 „
11-22
1863 „ 30 „ 18 „
12—30
„ 32 „ 17 „
15—32
117 63 54 117
November.
1860 Geb. 22 Knb. 11 M'dch. 11—22
1861 ^ 81 „ 11 „ 12-88
1862 „ 22 „ 10 „ 12—22
1863 „ 17 „ 7 ,. 10—17
"45
111
51 112
61
December.
Geb. 22 Knb. 15 Mdch. 7—22
„ 34 ., 15 „ 19-34
„ 33 „16 „ 17-33
„ 15 „ 4 „ 11— 15
104 50 54 104
82 89 45 84
Die grösste Zahl der Zwillingsgeburten ßel demnach auf
den Monat März mit vier, nämlich im Jahre 60 eine, 61 drei,
dann auf den Februar mit drei, wovon 1860 eine 1863 zwei
und April mit je einer im Jahre 1860, 1862 und 63. Ebenso
brachte der Monat Juni im Jahre 1862 zwei Geburten, der
Juli je eine in den Jahren 1860 und 61. Keine Zwillings-
geburt kam in diesen vier Jahren bloss auf September und
December.
Den Stunden und Tageszeiten nach, in welchen
die Geburten erfolgten, sind über die Jahrgänge 1862 und 63,
aUo über 657 vergleichende Uebersichten gemacht« die bei
dem Wechsel von Sonnenauf- und Untergang nach den einzelnen
Monaten folgendes ergaben:
Leiatnngen der Rhein. ProT.-HebammeiiansUlt etc. 239
ErBtg^eb. Hehrgb. Sma. Kab. Mdcfa. Sma.
Mitternacht liy,— 12V. 19 17 36 23 13 36
12%— 6 104 84 188 78 112 190
6— 11 Vi 82 48 ISO 68 66 133
MitUg 117,— 12Vt 18 10 28 19 9 28
12V,— 6 93 40 188 65 69 184
6— llVi Ji _58 14a 71 78 144
400 267 667 324 341. 666
EfBtgeb. Melirgb. Sma. Knb. Ifdch. 8tila.
Mitternacht .... 19 17 36 23 18 86
Nacht 90 76 165 72 95 167
Sonnenanfgang ... 17 7 24 12 12 24
Morgen 82 61 188 62 73 186
Mittag 18 10 28 19 9 28
Nachmittag .... 79 33 112 57 67 114
Sonnenuntergang . . 18 7 26 14 11 26
Abend ^ _61 184 66 71 186
4ÖÖ 267 657 324 341 665
Eretgeb. Mebrgb. Sma. Knb. Mdch. Sma.
Mrgns. 6 bia Abde. 6 193 98 "^ 291 152 143 295
Abda. 6 bie Mrgns. 6 207 159 8^ 172 198 370
400 267 667 324 341 605
Erstgeb. Mehrgb. Öina. Knb. Mdch. Suia.
V, Sonnenuntg. b. Aufg. 196V, 1^1 2977,161 1507, 30l7,
V, Sonnenaufg. b.Untg. 203% 156 369V, 173 190V, 3037,
4ÖÖ " 267 667 324 341 666
Das Mehr der Geburten, weiche von 6 Uhr Abends bis
6 Uhr Morgens fallen, denen gegenüber, welche von 6 Uhr
Morgens bis 6 Uhr Abends fallen, ist daiiim etwas grösser,
als das Mehr der Geburten von der Hälfte der auf Sonnen-
uiltergang zur Hälfte der auf Sonnenaufgang komineiiden
gegenüber den entgegengesetzteiL Es beträgt:
Kratg. Mehrg. Sma. Knb. Mdch. ' Sma.
für die von 6 Abends bis 6
Morgens fallenden ... 14 61 76 20 65 76
för die Hälfte der auf Son-
nenuntergang kommenden
bis cur Hälfte der anf
Sonnenaufgang .... 7 66 62 22 40 62
Bezeichnet man die huI Stmnenäufgang und -Untergang
fallenden Geburten aber als Däinmerungsgeburten, die
dazwischen fallenden als reine Nacht- und Taggeburten,
so komml folgendes Verhältniss heraus:
330 ^' Birnbaum, Berieht über die gebnrtahilflicben
Erst-
geb.
186
Mehr-
geb.
149
Sma.
886
Knb.
160
Mdch.
179
Sma.
339
35
14
49
26
23
49
179
94
278
138
139
277
7
65
62
22
40
62
Nachtgebnrten . •
Dämmrungsgebarten
Taggebnrten . . .
Diff. d. Nacht- u. Taggb.
Das Mehr der Differenz beträgt demnach für die Mehr-
gebärenden 48^ för die Mädchen 18, während die Dämmerungs-
geburteil bei Erstgebärenden um 21, bei Knaben um 3 häußger
sind als bei Mebrgebäreuden und Mädchen.
Die Kinder waren:
Knb. Mdch.
vorzeitig: 1860 13 21
1861 7 10
1862 18 26
1863 _9 _15
47 72
■eitig: 1860 141 132
1861 134 169
1862^136 149
1863 162 IM
672 601
619 673
unbestimmt Sma.
34
17
44
26
121
273
303
284
313
2
2
1173
1294
B|
10
11
12
5
8
286 j
299/
• 37 = 1 : 34,97 oder 2,867o
aller Kinder.
36 «^ 1 : 35.92 oder 2,787o
alier Kinder, 1 : 34,88 oder
2,86 der lebend aar Geburt
liommenden.
Von diesen Kindern wurden geboren
Vor der Geburt abgestorben 1860 10
1861 9
1862
1863
Bei der Geburt absterbend 1860
1861
1862
1863
Lebend 1860 286
1861
1862 815 (
1863 320]
Die Gesammlzahl der Todtgeburten beträgt demnach im
Verhältnisse zu der Gesammtsumme d«r Kinder 1 : 17,72
oder 5,647o-
Die Gewichtverhältnisse der Kinder ergaben, soweit
dieselben ausgetragen waren und die Bestimmung nicht durch
entschieden vorgeschrittene Maceration oder Verkleinerungs-
operationen unsicher erschien, wetii wir mit A. die Kinder
bis zu 6 Prd. bezeichnen mit B. die^von 6^« — 7 Pfd. mit (7.
1220.
I^eiatnngen der Rhein. Prov.-Hebammenanstalt etc. 231
die von 7Va Pfd. und darüber, nach ZoUge wicht, folgende
Verhältnisse und Prozentsätze nach den Geschlechtern:
Knaben.
A 194 = 11297, Pfd. = 34,267o der Knaben.
B 286 «1619% „ -•41,707o „
C 136==:1084'A „ ==24,0370 „
566 SSSSVj Pfd.
M&dchen. Snmtna.
A 276 = 168.^ Pfd. = 46,0ff4 der MÄdchen. 470 = 2712V, Pfd.
B 247 = 1682 „ = 4I,237o „ ,, 483 = 3301'/, „
C _76 — 600 „ « 12,697o „ „ 212 « 1684'/, „
699 3866 Pfd. 1166 « 7698'/, Pfd.
Im Mittel also: 6,78 Pfd., 6,45 Pfd., 6,61 Pfd., indem
von den Mädchen 11,82^0 mehr kleine geboren wurden, von
den Knaben 11,82% mehr von Mittelgewicht und grosse.
Die Nachgeburtsgewichte betrugen:
A. B.
Knb. Mdoh. Sma. Knb. Mdch. Sma.
unter 1 Pfd 38 54 92 8 7 15
1 Pfd. b'is 1 Pfd. 6 Lth. 122 J76 297 143 141 284
1 Pfd. 7 Lth. bis 16 Lth. 33 42 75 78 92 170
1 Pfd. 16 Lth. bi« 27 Lth. 15 6 6 6 12
2 Pfd jr JZ JZ ^ ^ _?
194 276 470 236 247 483
C.
Knb. Mdch. Sma. Generalanmme.
unter 1 Pfd 2 1 3 110
1 Pfd. bis 1 Pfd. 6 Lth. 34 22 66 687
1 Pfd. 7 Lth. bis 16 Lth. 70 38 108 363
1 Pfd. 16 Lth. bis 27 Lth. 25 14 39 67
2 Pfd 6 — 6 7
2 Pfd. 6 Lth j- _1 _1 1_
136 76 212 1165
Die Summe der Nachgeburtsgewichte und das Mittel
betrug demnach für die einzelnen Klassen: '
Knaben. Mittel. Mädchen.
A. 194 201 Pfd. 19 Lth. 1 Pfd. 1,18 Lth. 276 804 Pfd. 22 Lth.
B. 286 284 „ 24 „ 1 „ 6,20 „ «47 294 „ 27 „
a 136 187 „ 14 „ 1 „ 11,36 „ J*^ ^^ n_ ^_n_
666 673 Pfd. 27 Lth. 1 l^fd. 5,72 Lth. 699 703 Pfd. 28 Lth-
Mittel. Sninma. Mittel.
A. 1 Pfd. 3,12 Lth. 470 606 Pfd. 11 Lth. 1 Pfd. 2,32 Lth.
B. 1 „ 6,82 „ 483 679 „ 21 „ 1 „ 6,00 „
C. 1 „ 11,18 „ ^2 291 „ 23 „ 1 „ 11,29 „
1 Pfd. 6,24 Ltb. 1166 1377 Pf d^ 26 Lth. 1 Pfd. 6,48 Lth«
232 V. Birnbaum, Bericht über die gebnrtahllflicheo
Die NabelscbnAre maassen:
Knaben. MSdoiMn. 8aniina.
Im
10—15".
A.
14
B.
9
C.
10
A. B.
30 22
C.
4
89
16—20".
86
95
51 ]
136 119
26
513
21—26".
68
91
44
84 73
30
385
26-^0".
25
32
20
21 29
12
139
31—35".
5
8
11
4 3
3
34
36—39".
1
0
0
1 1
0
3
40".
0 1
194 286
0 0 0
136 276 247
1
76
2
1165
GesammtmaHsse und
Mittel
:
Knaben.
A. 4078"— 21,02"
Mftdohen.
5451"— 19.76'
IfD Gamseo
' 20,28".
B. 5059'-
'—21,43"
5018
"—20,31'
f
20,86".
C. 8040"
-22,35"
1700
"—22,87*
i
22,86".
12177'-
^-21,51"
12169
••—20,31'
'
20,90".
Die Kinder stellten sich zur Geburt in folgenden Lagen:
1. öcheitftlUgen: Erste 934
Zweite 260
Dritte und vierte 15
1209= 1 : 1,07« 93,437o der Lajjen.
2. Ge8icht8lagen . . . € = 1:215,66=« 0,467«
3: Unterendlagen . . . 34=1: 88,06= 2,637«
3. Schieflagen .... 10 -= 1 : 129,40= 0,777«
4. Unbestimmte Lagen 35 = 1 : 36,97= 2,717«
1294 100,00
I. Die Scheitellagen
boten bei 1209 Fällen fest bestimmbare Lageverhäitnisse, die
aber bei der grossen Zahlder mit Wehen einti'etenden Personen
nur für das Ende der Geburt feststellbar waren, und zwar:
I : II : IIIftIV = l : 0,21 : 0,01=77,25 : 21,51 : 1,24 Proc.
Von den 15 Vorderscheitellagen kamen zwei bei
zweiten Zwiilingskindern zur Beobachtung, deren eine wegen
Convulsionen der Mutter die Zange forderte, eines, ein un-
zeitiges Knäbchen von P/4 Pfd. mit Vorfall der Nabelschnur
rasch lebend austrat. Zwei Kinder wurden früh, respective
unzeiti(^ leicht und naturlich so geboren, ^ein Mädchen von
vier Pfd. und ein Knabe von 2^!^ Pfd. mit Armvortall und
Anencephalie. Von den übrigen rechtzeitigen Geburten verhefe n
sechs, bei zwei Erstgebärenden mit 7 pfundigem und 6 pfundigem
Kinde und vier Mehrgebärenden natörhch und thdilweise leicht,
während bei drei Erstgebärenden und einer Mehrgebärenden
L>ei8tnng6ii der Rhein. Prov.'HebamnienaiistHlt etc. 233
mit SVipJ^ndrgem Kinde und Scheiden Vorfall die Zange er-
forderlich wurde. Einmai musste zu Perforation, Kephalolhrypsie
und Wendung geschritten werden.
II. Die Gesichlslageo
wurden sechs Mal beobachtet, 1 : 201,50 oder bei 0,49 Proc.
der bestiunntcn Kopflagen, 1:215,66 oder bei 0,46 Pror.
sänuntiicber Lagen. Sie kamen bei vier lürstgebarBUib^n,
zwei Mebrgebärenden zur Beobachtung. SämuMiiche Kmder
waren ausgetragen, zwei Knaben (6*72» 7 ''4 Pfd.) und vier
Madeheu (6 Pfd., 7 Pfd., 8 Pfd.).
Zweimal war dabei die Stirn nach rechts gerichtet,
jedes Mal nach vorn, und ein Mal erfolgte hier der Uebergang
in dritte Scheitellage, das zweite Mal ging trotz Armvorlage
und Nabelschnurumschlingung das Kinn von Ihiks hinten nach
links vorn, kam auch nur nach raschem AusU'itle des Kopfes
doppelte Drehung, erst nach rechts dann nach links zu Stande.
In den vier andern Fällen, woiunter drei Erstgebärende,
befand sich die Stirn in der linken Beckenhälfle, jedes
Mal ursprfinglich nach vorn gerichtet, und jedes Mal ging
dabei das Kinn von rechts hinten nach vorn über, bei der
Mehrgebärenden tief auf dem Damm, aber rasch und leicht,
bei den drei Erstgebärenden höher oben im Becken aber
mühsam, schwierig, nicht ohne grosse Anstrengung. Einmal,
bei 6 pfundigem todten Mädchen, fand sich später die Drehung
bloss auf den Kopf beschränkt, indem der Rumpf mit nach
vorn gekehrtem Rücken austrat. Bei den beidtm anderen
Kindern beobachlete man neben starker Bewegung der Zunge
hei einem sehr deutliche, starke Allicud)eweguHgen, die in
einem 'Falle über ^/4 Stunde lang bemerklich wurden, trotz
deren aber das Kind gleich lebend geboren wurde. Das
andere Kind kam scheintodt zur Welt, nachdem ihm durch
Skarifikationen des Mittelfleisches der Weg gebahnt worden.
Es zeigte auf der Mitte des Scheitels eine viereckige, blutige
Haulschürfung, V2" in der Diagonale haltend, und die Pfeilnaht
entlang einen 2'" breiten Blulrunstigkeitsstreifen, olfenhar von
der Steissbeinspitze, da die Skarifikationen bei Vortreten der
Stirn gemacht worden waren.
In diesem Falle fand sieb eine platte, feste, dünne rer-
234 V. Birnbaum, Beriebt aber die gebnrUhilflichep
dichtete Masse 3" vom Mutterkuchenrande ab zwisdien den
Eihäuten, die man auf den ersten Blick für verödete Kotyledonen
eines .Nebenkuchens halten oiusste, bis man an der kleineren
Abtheilung einen ganz plattgedrückten l" langen, y^" hohen
Kopf mit den beiden Augenpunkten erkannte, an dem grössern
unregelmässig geformten Stücke den gleichfalls platten Brustkorb
und Rumpf mit verkümmerten Armen und Beinen.
III. Regelwidrige Armhaltung bei Kopflagen.
Dieselbe kam vor: i4. als Arm Vorfall neben dem Kopfe
8Malbeidenl274Geburten=l : 159,25=0,637o=l:löl,90
der Kopflagen =0,66 Proc.
Darunter waren drei Zwi Hin gskinder=l : 13,33= 7,50
Proc. und fünf einfache Kinder= 1 : 250,80=0,40 Proc.
drei Mal bei den drei Zwillingsgeburten war er mit Nabel-
schnurvorfall complicirt, ein Mal hei den einfachen Ge-
burten.
Ein Mal, bei einem 2y^ Pfd. schweren männlichen
Anencephalus in vierter Scheitelstellung erfolgte die Geburt
mit Vorfall des rechten Armes spontan, ohne alle. Nachhülfe.
Ein Mal, bei einer zum dritten Male Gebärenden, blieb
der in dritter Scheitellage vorgefallene linke Arm auf Beibe-
haltung der linken Seitentage spontan zurück und erfolgte
der Austritt in zweiter Scheitelstellung sehr leicht
Ei n Mal, bei zweitem Zwillingskinde, gelang die Reposition
des neben dem in zweiter Scheitelstellung befindlidien Kopfe
unter den Schossbogen vorgetretenen rechten Armes leicht,
und ging dann die Geburt natürlich voran.
Beiden beiden übrigen Zwillingskindern musste wegen
Vorfall des rechten Armes. ein Mal bei erster, ein Mal bei
zweiter Scheitellage und gleichzeitigem Vorfalle der
Nabelschnur die Zange angelegt werden. Ein 4^2 pfundiges
Zwillingsmädchen kam mit schwachen Lebensspm*cn , nicht
belebbar, ein 5 pfundiger Knabe Scheintod t wiederbelebbar
zur Welt.
Zwei Mal erforderte die Beckenenge Wendung mit
nachfolgender Extraction und Anlegung der Zange an den
nachfolgenden Kopf. In dem einen Falle, wo beide Arme
neben dem Kopfe vorgefallen waren, kam der 6 pfändige Knabe
LeUtoogen der Rhein. Prov.-Hebaminen*ii«t«lt etc. 236
wegen gieicbzeitigen Nabelschnurvorfalie« todt zur Welt, in
dem anderen bei einfachem Vorfalle des linken Armes neben
erster Scbeitellage, wies der 7 '/s pfundige todtgeborene Knabe
Kreuzbruch des einen Scheitelbeines.
In einem dritten Falle von Beckenenge, wqbei der Kopf
des öVspfundigen Kindes mit der Stirn an den Vorberg
angelegt erschien mit Vorfall des linken Armes, mussie nach
vergeblichen kräftigen Zangenversuchen die Zuflucht zur Ke*
pbalothrypsie genommen worden.
B, Als einfach verkehrte HaUung der Arme
ist sie bloss für die 657 Geburten der Jahre 1862 und 63
als Anlage der Arme neben dem Kopfe verzeichnet, und kam
hier vor bei 118 Geburten, 1 : 5,57 oder bei 17,96 Proc.
In dieser Häufigkeit ihres Vorkommens und in der
Wirkungslosigkeit derselben bei einer grossen Zahl von Geburten
möchte sie als eine ganz unwesentliche Erscheinung bezeichnet
werden können, ist aber nicht ohne Interesse theils an sich,
theils dadurch, dass sie in den Drehungen des Rumpfes bei
Unterendlagen ihr genaues Analogon fmdet und zur Erklärung
derselben die wahren Motive ergiebt.
Bezeichnen wir mit Anlage des Aermchens das Vorkommen,
wo die Hand dicht neben dem Kopfe lijegt, ohne erreicht
werden zu können, und gleichzeitig mit oder dicht hinter
dem unteren Theile desselben durch die Schamspalte tritt,
80 sehen wir, dass der Mechanismus von den feinsten Nuan*
cirimgen der Haltungsverhältnisse durchaus abhängig erscheint
und ein geringer Unterschied des weiteren Vorgeschobenseins,
oder der seitlichen Verschiebung schon die grössten Unterschiede
in der Wirkung, in dem Einflüsse auf die Geburt bieten kann.
Bei den 118 hierher gehörigen Fällen kamen folgende
Verschiedenheiten vor: «
a. Einfach für sich kam sie vor 69 Mal.
Sie blieb dabei ohn^ Einfluss auf die Geburt 40 Mal =
58,82 dieser Fälle, und zwar bei:
35 Erstgebärenden,
5 Mehrgebärenden,
18 Knaben wovon vier frühzeitig, ein erster Zwilling,
22 Mädchen,
236 V- Bifnboumt Bericht üb«r die gebortMillflieheii
•
35 ersten Hinterscheitellagen,
16 Mal der rechte Arm,
18 „ der linke Arm,
1 „ tieide Händchen,
5 zweiten Hinterscheitellagen,
1 Mal der linke Arm,
4 „ der rechte Arm,
bewirkte einfach gehinderte Drehung des Kopfes im
Becken drei Mal =4,41 Proc. jedes Mai GeradstcUung im
Ausgang hervorrufend und zwei Mal die Geburt dadurch sehr
wesentlich erschwerend; worunter ein Mal bei dem ersten
ZwilHngsmädchen.
1 ErstgebSrende,
2 Mehrgebärende,
2 Knaben^ wovon einer frühzeitig,
1 Mädchen, erster Zwilling,
2 erste Scheitelstellungen, mit Anlage ein. Mal des
rechten, ein Mal des linken Händchens,
1 vierte Scheilelstellung, linkes Händchen,
üjrschwerte den Austritt des Kopfes, Zweimal
= 2,91 Proc.
2 Erstgebärende,
1 Knaben,
1 Mädchen,
1 erste, 1 zweite Scheitelstellung, beide Mai mit Anlage
des rechten Händchens, bei der zweiten Scheitelstellung
Anlegung der Zange fordernd, und in diesem Falle
noch Senkung der Nabelschnur vermittelnd.
Führte zu einfach verkehrter Schulterdrehung
17 Mal =25,00 Proc.
13 Erstgebärende,
4 Mehrgebärende,
8 Knaben, wovon 1 frfibzeiCig.
9 Mädchen,
13 erste Scheitellagfin, wovon 1 aus der vielen.
* 9 Mal Anlage des rechten Händchens,
4 „ des linken,
4 zweite Scheiteflagen, wovon zwei aus der dritten,
2 Mal Anlage des rechten, 2 Mal des linkfti Händchens.
I>«i»taiigen der Rhein. Prov.-Hebammenanstalt etc. jl97
Führte zu doppelter Drehung der Schultern
sechs Mal = 8^1 Proc.
6 Erstgebärende,
2 Knaben, deren einer scheintodt,
4 Mädchen,
5 erste Scheitellagen,
3 Mal Anlage des linken Armes,
1 Mal mit Drehung nach rechts und dann nach links,
1 „ mit DrehuQg nach links und dann nach rechts,
1 „ mit Drehung nach rechts, dann nach oben,
2 Mal solche des rechten Armes.
1 Mal mit Drehung nach links, dann nach rechts,
1 „ mit solcher nach rechts, dann nach links,
1 zweite Scheitelstellung mit Anlage des linken Händchens
und Drehung erst nach rechts, dann links. Hier war
auch der Austritt sehr erschwert und wurde der Knabe
scheintodt geboren.
Bewirkte sie Senkung der Nabelschnur 1 Mal
= 1,46 Proa bei erster Scheitellage mit linker Handanlage und
32'' Nabelschnur.
6. Mit einfacher Nabelschnurumschlingung com-
plicirt kam sie vor 31 Mal.
Sie blieb in dieser Zusammensetzung wirkungslos 13 Mal
= 36,1 1 Proc. dieser Fälle, bei
7 Erstgebärenden, 6 Mehrgebärenden,
9 Knaben, 4 Mädchen,
10 ersten Schertellagen,
2 Mal mit Anlage des rechten, 7 Mal des linken, 1 Mal
beider Hände.
4 „ mit einfacher, 2 Mal mit doppelter Halsumschlingung,
2 „ mit Umschlingung um die anliegende Hand,
1 „ mit Bok^r um beide Fasse,
1 „ um Schulter und Rücken,
3 zweiten ScheiteUagen,
2 Mal oiit Anlage des rechten, 1 Mal des Uaken Händchens,
1 „ mit einfacher, 2 Mal mit doppelter Halsumschlingung.
Einer dieser Fälle hetraf ein erstes Zwiliingskind,
einer eine Frühgeburt.
238 ▼• Birnbaum, Berieht über die gebnrUhilflicben
Sie war mit einfach verkehrter Drehung der
Schultern verbunden 10 Mal = 27J8 Proc. dieser Fälle bei:
7 Erst- 3 Mehrgebärenden,
4 Knaben, 6 Mädchen,
7 ei*sten Scheitellagen,
7 Mal einfach um den Hals^ 1 Mal um das anliegende
Händchen,
3 zweiten Scheitelstelhingen, jedes Mal mit Anlage des
linken Hündchens und einfacher Hatsnmschlingung.
Führte zu doppelter SchuUerdrehung 4 Mal
= 11,11 dieser Falle.
1 Erstgebärende, 3' Mehrgebärende,
2 Knaben, 2 Mädchen,
3 erste Scheitellagen,
3 Mal Anlage des rechten Aennchens,
3 „ einfache Halsumsclilingung,
1 „ solche um die rechte Schulter und den Leib,
1 vierte in erste übergehende Gesichtslage, mit Anlage
des rechten Händchens und Umschlingung um den Hals.
Sie führte zu regelwidriger Kopfstellung beim
Austritte 1 Mal =2,77 Proc. bei einer Erstgebärenden mit
Anlage des linken Händchens bei Geradstellung des Kopfes
und einmaliger ümschlingung um den Hals des Mädchens.
Sie führte zu gehinderter Kopfdrehung mit ver-
kehrter Schulterdrehung 1 Mal =2,77 Proc. bei einer Mehr-
gebärenden mit erster Scheitelslellung und Anlage des linken
Händchens in Geradstellung übergehend bei Umschlingung um
den Hals und umliegenden Arm des Knaben.
Sie führte zu Senkung bei verltehrter SchuUer-
drehung 1 Mal bei 2,77 Proc. Bei einer Erstgebärenden
mit Anlage des rechten Händchens bei erster Scheitelsteilung
und Umschlingung dieses ariliegeaden Händchtos bei einem
Mädchen.
Sie bewirkte Blutung und Scheintod des Kindes
nebst verkehrter Schulterdrehung 1 Mal =2,77 Proc. bei
einer ErstgebSrenden mit Anlage des linken Händchens bei
erster Scheitelstellung und einmaliger Ümschlingung um den
Hals des Mädchens.
LeUtusgen der Rhein. Prov.-Hebammenanstalt etc. 239
c. Mit einfacher Becken enge war sie complicirt
10 Mal.
Sie biieb dabei ohne alJe Wirkung 6 Mal =60,00 Proc.
dieser FiUe, bei
4 Erstgebärenden, 2 Mehrgebärenden,
2 Knaben, 4 Mädchen,
5 ersten Scheitelsiellungen,
2 Mal mit Anlage des rechten, 3 Mal des linken Händchens.
1 zweiten Scheitollage mit Anlage des linken Händchens.
Sie bewirkte verkehcte Drehung 1 Mal=10ProG.
bei einer Erstgebärenden mit einem Knaben und erster
Scbeitelstellung mit Anlage des linken Händchens.
Sie bewirkte bei Trichterbecken nach unten bedeutende
Erschwerung des Austrittes 1 Mal = 10Proc. bei einer
Erstgebärenden mit einem Mädchen und zweiter Scbeitelstellung
mit Anlage des rechten Händchens.
* Sie bewirkte Senkung und Umschlingung 2 Mal
=20,00 Proc. erstens bei einer Erstgebärenden mit todl-
faulem Knaben und erster Scbeitelstellung mit Anlage des
linken Händchens; letzteres bei einer Erstgebärenden mit
todtgeborenem Mädchen bei erster Scheilelslellung mit Anlage
des linken Händchens.
d. Hit einfachen Krampfwehen war sie complicirt
3 Mal bei 3 Erstgebärenden, 1 Knaben, 2 Mädchen. Sie
bheb im Uebrigen wirkungslos bei Anlage des linken Händthens
neben 3 in 2 Scbeitelstellung, bewirkte einfach doppelte
Drehung bei Anlage des rechten Händchens neben erster
Scbeitelstellung, bewirkte solche nach Zangenanlegung bei
Anlage des rechten Händchens neben dergleichen.
e. Mit einfacher Enge der Schamspalte war sie
vei*))unden 1 Mal bei einer Erstgebärenden mit einem Knaben
in zweiter Scheitellage, wo Anlage des rechten Händchens
zu verkehrter Drehung führte.
/. Mit Umschlingung und Beckenenge verbunden
war sie 4 Mal. Sie bewirkte dabei 1 Mal verkehrte Drehung
allein, bei einer Erstgebärenden mit Anlage des rechten Händchens
bei erster Scheitellage und einfacher »Umschlingung um den
Hals des Mädchens. * Ein zweites Mal war eine solche Er-
schwerung der Geburt dabei vorausgegangen bei Anlage des
240 ^* Birnbaum^ Bericht libM* die ^bartabilflidien
rechteo Qändchens neben erster Scheitclstellung, dass das
Mädchen abstarb.
Bei einer Mebrgebärenden bewirkte sie bei Anlage des
rechten Händchens neben erster Scheiteilage und einmaliger
Umschlingung um den Hais des Knaben bei sehr schwerem
Austritte eine nicht unbedeutende Blutung und später doppelte
Drehung.
Bei einer zweiten Mehrgebärenden forderte zweimalige
Umschlingung der Nahelschnur um den Hals des Knaben mit
Anlage beider Hiindchen neben 1. in 4. Scheitellage erst An-
legung ihr Zange, dann Dnrchschneidung der Nabelschnur.
IV. Regelwidrigkeiten bei der Schulterdrehung
kamen iui Ganzen 120 Mal vor bei den 657 Geburten der
Jahre 1862 und 63, hei welche^ sie genau verzeichnet sind,
1 : 5,48 oder bei 18,19 Proc. diesc^r Geburten. Sie äusserten sich
A, Als Schul teraustritt in d e m s e 1 b e n Durclunesser,
wie der Kopf 67 Mal, hei 55,83 Proc. der Fälle.
Es gehurten hierher: 47 Erstgebärende, 20 Mehrgebäreude,
26 Knaben, 41 Mädchen,
Als Ursachen erschienen:
Einfache Armanlage . . 19=28,36 Proc. der Fälle.
Erste Scheiteilage 13,1 aus der vierten,
Rechte Händchen 9 Mal, linke 4 Mal,
Zweite Scheitellage 6, 2 aus der dritten,
Linke Händchen 3 Mal, rechte 3 Mal.
Nabelschnurumschlingung für sich 22=32,84
Proc. der Fälle.
Erste Scheitellage 18, 1 aus der vierten,
Zweite Scheitellage 4,
Umschlingung einmal um den Hals 14 Mal,
1»
zweimal „ „ „3 „
* 9»
dreimal „ „ „ 1 „
»>
zweimal „ „ „
und um ein Bein 1 „
»1
über die Schulter ... 3 „
Sehr ras
eher Austritt 2=2,98 Proc. beide Male bei
rster Scheitelstellung.
Leifliimgeii der Bhein. ProY.^Hebammenanstalt etc. 241
Kurz.e der Nabelschnur 6 Mal=8,95 bei 5 ersten,
1 zweiten Scheitelstellung.
Sehr langsamer Austritt 1=1,49 Proc.
Umschlingung nebst Handanlage 8 Mal=ll,94
Proc
7 erste, 1 zweite Scheitellage,
4 Mal die rechte Hand, 3 Mal die linke bei erster,
1 „ die rechte Hand bei zweiter Scheitelstellung,
1 „ um den Hals 4
2 „ um den Hals 1
um das anliegende Händchen 3, wobei 2 Mal Senkung.
Beckenenge mit Armanlage 1=^1,49 Proc. Erste
Scheitelstellung, linke Handanlage.
Beckenenge mit Umschlingung und Armanlage
2 Mal=2,98 Proc. bei- 2 ersten Scheitellagen mit Anlage des
rechten Händchens.
Ohne bestimmt nachweisbare Ursache 6=8,95
Proc. Alle bei erster ScheiteUage.
B. Als VeUeii der irehug oder qierer Aistritt der Schul-
tern: 26 Mal =21,67 Proc.
Als Ursachen erschienen bei den 14 Erst- und 12Mehr-
gebäreoüen mit 15 Knaben 11 Mädchen:
Nabelschnurumschlingung einfach für sich: 7 Mal,
bei 26,92 Proc. dieser Fälle, 4 erste, 3 zweite Scheitellagen.
1 Mal um den Hals 6,
1 „ um die Schulter 1.
Beckenenge einfach für sich: 1 Mal, bei 3,84 Proc.
bei ,erster ScheiteUage.
Umschlingung mit Beckenenge: 3MaI,beill,52Proc.
bei 3 ersten Scheitellagen,
2 einmaligen, 1 zweimaligen Halsumschlingung.
Umschlingung 3 Mal um den Hals und eine Schulter
mit Mastdarmscheidenvorfall 1 Mal bei 3,84 Proc. bei
Entwicklung des Kopfes mit der Zange in vierter Hinter-
scheitelstellung.
Regelwidrige Kopfstellung bei frühzeitigen Kindern
2 Mal=7,68Proc. einer Geradstellung des Kopfes und einer
queren Schiefsteiluiig bei zweiter tScheitellage.
Krampfwehen, Zange fordernd 1 Mal, bei 3,84 Proc.
M onausobr. f. Oebortok. 1805. Bd. XXY.. SuppL-HA. 16
242 V. Birnbaum, Bericht über die geburtohiUnickeii
Keine bestimmte nachweisbar llHalfbei42,31Proc.
bei 8 ersten, 3 zweiten Scheitelstellungen.
C. Als UebergMg der Sdivltem und des Rumpfes aus
einem Durchmesser des Begkens in den andern oder
mehrfache Drehung 27 Mal^ bei 22,50 Proc.
Die Uebergänge fanden statt:
A. Aus der richtigen Drehung in die Quer-
stellung zurück 3 Mal, bei 11,13 Proc. bei 3 Erstgebärenden,
1 Knaben, 2 Mädchen in erster Scheitelstellung. 1 Mal bei
Anlage des linken Händchens, 1 Mal bei solcher des rechten
mit (Jmschhngung der Nabelschnur um den Hals, 1 Mal bei
Beckenenge mit Zange.
B. Aus der verkehrten Drehung in die Quer-
stellung zurück 1 Mal, bei 3,71 Proc. bei 1 Erstgebärenden
mit 1 Knaben in erster Scheitellage mit Anlage des rechten
Händchens.
C In die verkehrte Drehung nach querem
Schulteraustritt 1 Mal, bei 3,71 Proc. bei 1 Erstgebärenden
mit 1 Mädchen in erster Scheitelstelluug, welche durch zwei-
malige Nabelschnurumschlingung um den Hals beim Austritte
in Geradstellung überging.
D. Aus der richtigen in die verkehrte Drehung
7 Mal, bei 25,92 Proc.
Bei 5 Erstgebärenden, 2 Mehrgebarenden,
2 Knaben, 5 Mädchen,
4 ersten, 2 zweiten Scheitelstelluugen,
1 vierten in erste übergehenden Gesichlslage,
2 Mal bei Aruianlage, linker Arm bei erster und zweiter
Scheitellage,
, 1 „ bei Umschlingung der Nabelschnur 3 Mal um den Hals,
1 „ bei Anlage des rechten Armes bei Gesichtslage und
Umschlingung 1 Mal um den Hals,
1 „ bei Umschlinguug um den Hals mit Krampfwehen,
1 „ bei Kürze der Nabelschnur,
1 „ bei stürmisch raschem Verlaufe.
B. Aus der verkehrten in die richtige Drehung
14 Mai, bei 51,84 Proc.
bei 9 Erstgebärenden, 5 Mehrgebärenden,
6 Knaben, 8 Mädchen,
Leistnngen der Rhein. Proy.-HebammenaDBUlt ete. 243
14 ersten Scheiteilagen, wovon 1 aus der vierten,
4 Mal bei Armanlage, wovon 3 Mal des rechten Armes,
3 „ bei einfacher Nabelschnurumscl^ingung,
1 „ bei Nabelschnurkürze,
1 „ bei grosser Schullerbreite,
3 „ bei Anlage des rechten Händchens und Umschlingung,
1 Mal um die- Schulter, 2 Mal einfach um den Hals,
1 „ bei Anlage des rechten Aermchens und einfacher
Halsumschlingung bei engem Becken,
1 ,. bei dreifacher Halsumschlingung und Beckenenge
mit Anlegung der Zange.
F. Aus der verkehrten in die richtige Drehung
mit Rückkehr zur Querstellung 1 Mal, bei 3,71 Proc.
bei einer Erstgebarenden mit Knaben in erster Scheitelstellung
ohne nachweisbare Ursache.
Es geht aus dieser Uebersicht zur Genüge hervor, wie
mannigfache Verhältnisse auf den Geburtsmechanismus von
EinQuss sind, welche sich bei der beträchtlichen Wirkung
oft ganz ausserordentlich geringer Verschiedenheiten in ganz
unberechenbarer Weise eingreifend ausweisen. Dieselben
Ursachen aber, welche bei Kopflagen so mannigfache Ver-
schiedenheiten im Mechanismus hervorrufen können, bedingen
bei ebenfalls oft sehr geringen Nuancirungen eben so grosse
Verschiedenheiten im Verlaufe.
V. Unterendlagen
kamen 34 Mal zur Beobachlung 1 : 38,06 der Kinder, =2,63 Proc.
und zwar in folgenden Verhältnissen zur Geburt kommend:
todtfaul 4=1:9,25 oder bei 10,81 Proc. dieser Kinder,
lebend 30=1:41,90 oder bei 2,39 Proc. dieser Kinder,
Zwillinge: 9=1 : 4,44=22,50 Proc. der Zwillinge,
Einfach 25=1 : 50,16=1,91 Proc. der einfachen Kinder.
Die Zahl der unzeitigen Früchte, welche vor Feststellung
der Kindeslage in der Schwangerschaft geboren wurden, war
zu gering, um ein bestimmtes Verhältniss zu ergeben. Von
den Zwillingen war es der erste 4 Mal, der zweite 3 Mal,
beide 1 Mal.
Von den 30 lebend zur Geburt kommenden Kindern
starben bei der Geburt 2=1 : 15=6,66 Proc.
16*
244 ^* Birnbaum, Bericht aber die g^ebartsbulflicben
Die Gebärenden waren:
Erstgebärende 17==2,l6Proc. der Erstgebärenden,
Mehr gebären de 16=3,29Proc. der Mehrgebärenden.
Die Kinder waren: Kna ben 14 (1 absterbend, 2 lodtfaul).
Mädchen 20 (1 absterbend, 2 todtfaul).
Die Lagen waren:
Reine Steisslagen 17 (4 Zwillingskinder).
Steissfusslagim 5 (1 Zwillingskind).
Fusslagen 13 (4 Zwillingskinder).
Knieiagen 1
Der Stellung der Hüften nach zeigten die Kinder:
Linke Hülle vorn rechts 9 (zweite Unterendlage) 3 Steiss-
2 Steissfuss- 4 P'usslagen.
Rechte Hütte vorn links 14 (Erste Unlerendlage) 8 Steiss-
3 Steissfuss- 2 Fuss- 1 Knielage.
Rechte Hüfte hinten rechts 6 (dritte Unterendlage) 3 Steiss-
1 Steissfuss- 2 Fusslagen.
Linke Hüfte hinten links 5 (vierte Unterendlage) 2 Sleisfl^
3 Fusslagen.
Rücken vorn zu Bauch vorn
bei Steisslagen=l :0,45
bei Steissfusslagen = l :0,20
hei Fusslagen = l :0,83
bei Knielagen=l:0,00
allgemein =1 :0,48
18 dieser Geburten verliefen natürlich, wovon 2 bei todt-
faulen Kindern, und 16 forderten mehr oder weniger bedeutende
künstliche Nachhülfe.
Die Kunsthülfen waren:
a. Manuelle Drehung der Hüften 1 Mal.
Fusslage mit Nabelschnurvorfall bei einer Erstgebärenden.
Drehung der rechten Hüfte von rechts vom nach links vom.
Todtfaules Mädchen 6% Pfd.
b. Operative Drehung mit Scsrrificationen 1 Mal.
Steisslage linke Hüfle vorn links bei einer Erstgebärenden.
Die Drehung nach vorn rechts kam erst zu Stande, nachdem
der Scheideneingang nach links mehrfach leicht scarilirt woi^den.
Tief scheintodter Knabe 6 Pfd.
Leistangen der Rhein. ProT.-HebaaineiiansUU etc. 245
c. Einfache Armlösung mit manueller Kopfenl-
wickelung 7 Mal.
Sleissfusslage beim zweiten Zwilling. Erstgebärende. *
Mädchen 5 Pfd. erste Stdssfusslage, rechte Hüfte vorn links.
Steisslage,* Mehrgebärende. Mädchen tief schein todt. 7 Pfd.
Zur Armlösung bei linker Hüfte vorn links (dritter) musste
die linke Seite nach rechts hinten geleitet werden.
Steisslage. Mehrgebärende. Mädchen, nicht wieder be-
lebbar, 6^/2 Pfd. Bei sehr langsamem Gange der Geburt ging
schon vor Austritt des Steisses Kindspech in sehr grossen
Mengen ab. Tiefer Einsatz des Mutterkuchens. Entwickelung
des bis zur Brust geborenen Kindes sehr rasch und leicht.
Erste, rechte Hüfte vorn links.
Steisslage. Mehrgebärende. Mädchen von 6 Pfd. Erste,
rechte Hüfte vom links.
Steisslage. Erstgebärende. Mädchen von 5 Pfd. Die
enge Schamspalte und der widerstrebende Damm erschwerte
die Drehung und den Austritt bei Abgang sehr vielen Kinds-
peches und Urins. Vierte in erste übergehend, rechte Höfte
vorn rechts.
Steissfusslage. Mehrgebärende. Knabe 6V4 Pld. Ur-
sprünglich lag ein Knie vor, welches sich hob bis zu Steiss-
fusslage. Dritte in zweite, linke Hüfte vorn links nach rechts
hinübergehend.
Steisslage. Mehrgebärende. Mädchen 4% Pfd. Zweite,
linke Hüfte vom rechts.
d. Einfache Armlösung und Kopfentwickelung
mit der Zange 2 Mai.
Fusslage. Erstgebärende. Allgemein zu enges Becken
3*/«". Mädchen 6 Pfd. Zweite Fusslage, linke Höfte vorn
rechts mit viermaliger Umschlingnng der Nabelschnur um den
Hals. Kopf quer im Eingange.
' Fusslage. Mehrgebärende. Rhachitisches Becken 2^2".
Mädchen 5 Pfd. Vierte in erste, rechte Hüfte vorn rechts
nach links. Künstliche Frühgehurt. Der Kopf im Eingange
quer, bot tiefen Eindruck an einem Scheitelbeine.
e. Lösung der Beine und Arme mit Kopfent-
wickelang mittels Zange 1 MaL
246 ^' Birnbaum^ Bericht über die gebnrtohülfliehen
Erslgebärende. Sehr enge, widerstrebende Schamspalte.
Mädchen 6 Pfd. Erste Steisslage, rechte Hüfte vorn links.
Mähsame Entwickelung der Fnsse fiber dem Damm. Mähsame
weitere Entwickelung des Kindes, welches gedoppelt so weh
vorgetreten war. Einmalige Umsc^Ungung der 16''igen Nabel>
schnür um den Hals.
/. Völlige Extraction an den Füssen 1 Mal.
Fusslage. Erstgebärende. Absterbender Knabe 6% Pfd.
Fusslage bei erster Scheitellage. Anziehen der Fösse.
Fusslage. Erstgebärende. Erster Zwilling. Mädchen
5 Pfd. Erste Fusslage, rechte Hüfte vorn links mit Vorfall
der Nabelschnur.
Halbe Fusslage. Erstgebärende. Erster Zwilling. Mädchen
4 Pfd. Vierte Steissfusslage, rechte Hüfte vorn rechts, wobei
zuerst wegen gehinderter Drehung der rechte Fuss herabge-
leitet werden, und als er nach einiger Zeit rasch bleich und
schlaff wurde, die Extraction an ihm fortgesetzt werden
musste.
Steisslage. Mehrgebärende. Enges Becken 3 Vs''* Mädchen
in beginnender Maceration. 6 Pfd. Erste, rechte Hüfte vorn
links. Beim Eintritte in die Anstalt Vorfall der pulslosen
Nabelschnur bei wenig geöffnetem Muttermunde. Später bei
tiefem Ansätze des Mutterkuchens sehr starke Blutung, die
zur Herausziehung aufforderte. Der linke Arm folgte von
selbst, der rechte musste in den Nacken hinaufgeschlagen
mühsam gelöst werden.
Demnach bei 9 Erstgebärenden von 17,
7 Mehrgebärenden von 16,
9 Mal Rücken nach vorn von 23=1 : 2,55
7 „ Bauch nach vorn von 11=1:1,57
Als Complicationen erschienen:
Ernstere Wehenanomalien 2,
Nabelschnurvorfall mit Kopfvorlage 1,
Nabelschnunorfall allein 3,
Nabelschnurumschlingung um den Hals 2,
Enge Geschlechtstheile 2,
Beckenenge 3.
Die manuelle Entwickelung des Kopfes wurde jedes
Mal durch Anzug an den Schultern geleistet, und führte
LeistQTigcn der Rhein. ProT.-Hebunimenanstalt etc. 247
immer, wenn der Kopf in der Beckenhöhle stecken gebheben,
rasch und leicht zum Ziele. Wurde er im Beckeneingange
zurückgehalten, so wurde zu seiner Entwickelung schleunigst
von der Zarige Gebrauch gemacht. Die 3 Fälle, welche hier-
her gehören, ergaben jedes Mal zwar scheintodte aber völlig
wieder belebte Kinder.
Die Drehung des Rumpfes erfolgte jedes Mal ganz nach
Analogie der Schulterdrehung bei verschiedener Haltung der
Arme, und es ergeben sich auch für die regelwidrigen Drehungen
ganz dieselben Grundlagen des Zustandekommens, wie für die
regelwidrige Rumpfdrehung nach gebornem Kopfe, ganz der
gleiche Einfiluss der Umschlingungen der Nabelschnur und
der Beckenenge sowie der Haltung der Beine. Diese Drehungen
crwiiisen sich also auch abgesehen davon, dass sie zu Stande
kommen, bevor der Kopf in das Becken tritt, schon in sofern
von der Bewegung des Kopfes durch das Becken völlig unab-
hängig, als bei solch regelwidrigen Verhältnissen Drehungen
vorkommen, wie der Kopf dieselben im Becken gar nicht
eingehen kann.
Das Verfahren war meistens bis zu dem Austritte des
Brustkorbes ein ganz passives, aber, wenn dieser nicht sofort
nachfolgte, ein sehr entschieden actives und die Sterblichkeits-
verhältnisse Hessen nicht langes Zögern sehr empfehlenswerth
erscheinen. Sie ergaben:
allgemein todte Kinder zur Gesammtzahl
6: 34=1: 5,67=17,65 Proc.
davon vor Eintritt der Geburt gestorben
4 : 34=1 : 8,50=11,76 Proc.)
bei der Geburt absterbend > 17,64
2 : 34=1 : 17,00=5,88 Proc.)
Von diesen starb eines trotz sehr rascher und leichter
Nachhülfe ^ seitens der Kunst zu Entwickelung des Kopfes
und der Schultern ab, eben weil diese Nachhülfe wegen
zögernder Eröffnung des Muttermundes und späten Austritts
des Steisses, nachdem schon grosse Mengen von Kindspech
abgegangen waren, erst spät geleistet werden konnte.
248 V. Bimhaumt Berieht übar dia ^ebartahfilflichen
VI. Schieflagen.
Von den vorkommenden 10 Schieflagen , 1 : 129,40
=0,77 Proc. der Lagen, konnte nur eine der Natur uberlaslien
werden, während 9 die Wendung nothwendig machten.
Diese eine betraf eine im siebenten Monate der Schwanger-
schaft befindliche Erstgebärende, bei welcher aber die Frucht
schon seit einem Monate abgestorben war. Als Todesursache«
des Kindes wurde heftiger Schreck bei Feuerlärm im Hause
vor 4 — 6 Wochen angegeben. Bei nach rechts vom ge-
richtetem Rucken, links vorn stehender Schulter mit Arm-
vorfall kam die £volutio spontanea nur sehr langsam und
mühselig zu Stande, indem die Schulter des nicht ganz
2 pfundigen Kindes um 8 Uhr Abends zum Einschneiden kam,
das Durchschneiden der Hüften erst eine halbe Stunde später
erfolgte.
VU. Zwillingsge hurten.
Sie kamen vor 20 Mal bei 1274 Geburten=l : 63,70
= 1,57 Proc, und zwar:
bei 11 Erst gebärenden = 1,39 Proc. derselben
„ 9 Mehrgebärenden = 1,85 Proc.
2 Knaben 4 Mal. 5^4 und 6 Pfd., 4'/4 und 5 Pfd.,
4 und 5 Pfd., 5% und 1»/« Pfd.
2 Mädchen 10 Mal. 5% und 6»/» Pfd., 6% und 5 Pfd.,
4»/4 und 4V2 PW., 5V« und 4»/« PW., 5 und 3^/4 Pfd.,
4 und 5 Pfd., 3»/« und 3 Pfd., 2V4 und 2^« Pfd., 5V4 und
6 1/4 Pfd., 2»/4 und 2% Pfd.
Mädchen Knabe 4 Mal. ö*/« und t% Pfd., 5 und 4'/4 Pfd.
41/4 und 4% Pfd., IV2 und IV4 Pfd.
Knabe Mädchen 1 Mal. 5 Pfd., 4Vs Pfd.
Mädchen unbestimmt 1 Mal. 6^/2 Pfd.??
Das erste demnach bei denen, die beide lebend geboren
wurden, am schwersten 7, das zweite am schwersten 11,
beide gleich 1, der Knabe am schwersten ,4, das
Mädchen am schwersten 1.
Die Differenz betrug bei lebend geborenen Zwillingen:
0 Pfd. ... 1 Mal
V4 „ . • . 7 „
Leistnngan der Rhein. ProT.-HebammenanBtult etc. 249
Vt Pfd. . . • 4 Mai
% „ ... 1 .
1 4
2 „ . . . 1 „
Beide in Kopflage 10=s60Proc. 3 Mal zwei erste
Scheitellagen, 1 Mal I. occ. IL occ. 2 Mal U. occ, I. occ.
1 Mal I. occ. IV. occ. 1 Mal III. occ. I. occ. 1 Mal I. occ.
Geradstellung, 1 Mal Geradstellung I. occ.
'Kopflage. Unterendlage 2=10 Proc. zwei erste Scbeitel-
lagen mit zweiter Fuss- und zweiter Steisslage.
ünterendlage. Kopflage 4= 20 Proc. zweite Steisslage,
zweite Scheitellage, dritte in zweiter Steisslage mit erster
und mit zweiter Kopflage. Erste Pusslage mit zweiter
Scheitellage.
Beide in Unterendlage 1^=5 Proc. eine Steiss- und eine
Steissfusslage.
Unterendlage. Schieflage 1=5 Proc. Fusslage. Schulterlage.
" Schiefläge. Kopflage 1 .=5 Proc. Schulterlage erste
Scheitellage.
Gesichtslage unbestimmt l=röProc.
Demnach Kopflagen 28=70,00 Proc.
Unterendlagcn 9=22,50 „
Schieflagen 2= 5,00 „
Uebestimmt 1= 2,50 „
Es waren unzeitig 4 Zwillingspaare
frühzeitig 2 „ „
zeitig 13 „
Zeitig mit. unzeitigem Zwilling 1 „ „
Die Nachgeburtsverhältnisse-ergaben:
Vollständige TreDDong 6
27 L. 1 Pfd. 3 Lth. 1 Pfd. 1 Pfd. 1 Pfd. 1 Pfd. 27 L. 27 L.
15" 14" 16" 16" 20" 19" 26" 26"
Letsteres mit kleiner plac. bqco. 19 L. 19 L.
13" 18"
TrenDung der Matterkachen bei Terschmolznen Eihäuten 2
22 L. 22 L. 1 Pfd. 3 Lth. 1 Pfd. 3 Lth.
17'' 17" 22" 22"
Verwaehenng und Venehmelsnng 12
250 V- Birnbaum, Bericht über die ^ebnrtuhälfliclien
1 Pfd. 21 Lth. 1 Pfd. 24 hth, 2 Pfd. 2 Pfd. 6 Lth. 2 Pfd. 6 Lth.
16" 16" 20" 21'' 17" 16" 16" 16" 17" 16"
2 Pfd. 7V, Lth. 2 Pfd. 12 Lth.
28" 27" 24" 17"
1 Pfd. 3 Lth. 1 Pfd. 13 Lth. 1 Pfd. 27 Lth. 1 Pfd. 27 Lth. 1 Pfd. 9 Lth.
14" 17" 20" 20" 20" 28" 16" 14" 19" 19"
Verkümmening des einen Mntterkuehens 1.
Nur bei z.weien dieser Nachgeburten mit Verschmelzung
war eine Anastomose der beiden Nabelstränge nach-
weisbar. In einem Falle entsprang der eine aus der Ecke
einer schräg über die ganze Masse weglaufenden stark 'vor-
springenden Demarkationslinie, und schickte seine Hauptver-
zweigungen in die kleinere Portion hinüber, einzehie grosse
Aeste in die grössere Portion, welche sehr deutlich mit
einzelnen Aesten des am RaiMle der grössten Parthie eal-
springenden anderen Nabelstranges zusammen kamen. Ganz
ähnliche Verhältnisse bot der zweite Fall.
In einem Falle fand sich bei dem Mutterkuchen eines
6^2 pfändigen Mädchens am Rande eine Gruppe verödeter,
fester, lederartig derber Kotyledonen in kleinem Umfange und
etwa drei Finger breit vom Rande ab, frei zwischen ^len
Eihäuten, eine derbe, feste, ebenfalls platte Stelle, aus einer
kleinen, regelmässig länglich runden und einer grösseren
unregelmässig geformten Partliie bestehend, die sich bei ge-
nauerer Untersuchung als eingeschrumpfter viermonatlicher,
ganz plattgedrückter Embryo auswies. An der kleinen Parthie
erkannte man zu beiden Seiten die Augenpunkte, auf der
scharfen Kante Nase und Mund, an den grösseren Rippenbogen,
ein Aermchen und ein Beinchen.
hen Geburtsverlauf betreifend, so war er:
a. Natürlich bei beiden Kindern 10 Mal.
Siebent gebärende, welche ein Kind, Knaben, in erster, einen
zweiten in zweiter Scheitellage gebar.
Erstgebärende, bei welcher ein Knabe mit linker Handanlage
neben erster Scheitellage, der zweite in zweiter Steisslage,
innerhalb der Eihäute bis dicht an den Kopf geboren
wurde, beide rasch hintereinander.
Erstgebärende mit Uterus bicornis, wo das erste Kind in
vierter, in erste übergehender, das zweite in dritter in
zweite übergehender Scheiteilage geboren wurde.
Leistungen der Rhein. Proy.-HebammenanstAlt etc. 251
Erstgebärende, deren erstes Kind, Mädchen, mit Anlage des
rechten Händchens neben zweiter Scheitellage und zwei-
maliger Umschlingung um den Hals geboren ward, das
zweite fünf Stunden später in erster Scheitelstellung austrat.
£rst gebärende, deren erstes Mädchen in erster Scheitelstellung,
das zweite bei Umschlingung der Nabelschnur in Gerad-
stellung unmittelbar hinter einander hervorkam.
Viertgebärende, bei welcher dem ersten bei Anlage des
linken Händchens in GeradsteUung austretenden Mädchen
ein zweites ebenfalls mit Anlage des linken Händchens
neben erster Scheitelstellung und fester Umschlingung um
den Hals unter starker Blutung nachfolgte. ' Die Nabelschnur
musste durchschnitten werden.
Sechstgebärende, bei welcher die Blase des zweiten Kindes
zuerst sprang und bei Sprengung der Blase des ersten
der Vorfall der Nabelschnur des zweiten Kindes eintrat.
Die unreifen, blosä Vj^ und IV4 Pfd. wiegenden Kinder,
Mädchen und Knabe wurden dicht hintereinander lebend
geboren.
Zweit gebärende, welche einen Knaben und ein Mädchen, beide
in erster Scheitelstellung, im Zwischenräume von einer
Stunde gebar. Der erste Mutterkuchen liess sich bei
innerer Blutung mit vielen Blutklumpen äusserlich durch-
drücken, der zweite musste bei Fortdauer der Blutung
mittels des gewöhnlichen Innern Handgriffes herausge-
nommen werden.
Erstgebärende, bei welcher der Kopf des ersten Mädchens
unter starker Blutung in Folge kurzer (14") Nabelschnur
in vollkommener Querstellung durchtrat, das zweite in
erster Scheitelstellung nach 10 Minuten folgte.
Zweit gebärende, die beide Kinder in erster Scheitelstellung
gebar, das zweite bei Umschlingung der 16" igen Nabel-
schnur über den Röcken um den linken Arm in unver-
letzten Eihäuten.
Als elfter Fall schliesst sich der mit «verkümmertem vier-
monatlichem Embryo an.
b. Natürlich beim ersten, künstlich beim zweiten
4 Mal.
Bei S leben t gebärender nach Geburt eines Knaben in erster
252 ^> Bim^aum^ Bericht über die gebortshülflichen
Scheitelsteliiuig Extraction des zweitem an den Fassen
wegen heftiger Blutung bei festen Eihäuten und Lösung
des Mutterkuchens.
Erstgebärender mit Geburt des ersten Kindes in reiner Steiss-
läge mit nach vorn gekehrtem Rücken sehr schwere Losung
der Arme des zweiten, welche durch rasches Herabtreteu
in Steissfusslage eingeklemmt waren. Beide Kinder lebten.
Erstgebärender mit Geburt des ersten Kindes in zweiler
Scheitellage, Anlegung der Zange an den Kopf des zweiten
bei erster Scheitellage wegen Vorfall des rediten Armes
und der Nabelschnur, deren Pulsationen rasch abnahmen.
Dieses zweite Kind konnte nicht wiederbelebt werden.
Erstgebärender, bei welcher das erste Kind in dritter, rasch
in zweite übergehender Steisslage durchtrat, bei dem
zweiten hinter dem in zweiter Scheitelstellung befindlichen
Kopfe der Arm quer unter dem Vorberge wegging und
der Nabelstr^ng vorgefallen war. Er folgte der Zange
leicht, wobei der Arm hinter ihm zurückblieb. Beide
Knaben lebten,
c. Künstlich beim ersten, natürlich beim zweiten
3 Mal.
E r s tgebärende, Extraction eines 5 pfundigen lebenden Mädchens
bei erster Fusslage mit Vorfall der Nabelschnur und
natürliche Geburt eines Knaben in zweiter Scheitellage.
Drittgebärende, Wendung wegen Schulterlage mit Vorfall
des linken Armes und der Nabelschnur in der rechten
Beckenseite mit lebendem Mädchen und natürliche Geburt
eines Knaben in zweiter Fusslage.
Erstgebärende. Wendung des ersten Kindes bei Schieflage,
rechte vorn rechts , Kopf über den Schoosbeinen nach
vom hinausgeschoben, Füsse hinten bei der rechten
Hüftkreuzfuge gefolgt von einer natürlichen Geburt in
erster Scheitellage. Die 2^/4 pfundigen Mädchen lebten.
Es hatte sich hier bei der grossen Menge von Fruchtwasser
in beiden Blasen jund der Kleinheit der unzeitigen Früchte
die Eigenthümlichkeit ausgebildet, dass die Blase des
zu zweit geborenen Kindes neben der anderen
herabgedrungen war und sich vor ihr ausgebreitet
hatte, so dass man an der im Becken stehenden Blase
Leistungen der Rhein. Prov.-Hebammenanstalt etc. 253
vorbei oben zu deren engem Halse kam und hinter diesem
die zweite Blase fühlte. Das erste Kind war so durch
die Blase des zweiten ganz in die eine, rechte Beckenhälfte
gedrängt, und die erste Blase musste erst gesprengt
werden, ehe man zur Blase des tiefer liegonden Kindes
kommen konnte. Nachdem auch diese gesprengt war,
Hessen sich die Fusse von rechts und hinten leicht herunter-
holen und das Kind mit Uehergang der rechten Hüfte
nach links und vorn leicht exirahiren. Das zweite Kind,
dessen Blase zuerst gesprengt worden, folgte nach einer
Stunde natürlich.
d. Künstlich bei beiden Kindern 2 Mal.
Bei einer Erstgebärenden £ntwickelung des Kopfes mit Zange
bei dritter ScheitelJage des 9^/« pfundigen Mädchens wegen
Krampfwehen mit hysterischem Delirium und beginnenden
Zuckungen, des zweiten in erster Scheitelstellung ebenfalls
mit der Zange wegen Vorfall der Nabelscimur. Beide
Kinder lebten.
Bei einer Erstgebärenden bot sich das erste Mädchen in
Steissfusslage, rechte Hufle rechts vorn Anstemmung des
Beines an den Schoosbogenschenkel hinderte die Drehung
und den Austritt, wesshalb der rechte Fuss herabgestreckt
wurde. Da er nach kurzer, rascher Anschwellung mit
einem Male schlaff und bleich wurde und die Eindrücke
behielt, ging ich sofort zur Extraction des tief scheintodten,
sehr schwer wiederbelebten Kindes über. Das zweite
Mädchen trat durch Selbsteinleitung in erster Scheitel*
Stellung herab, doch fiel der rechte Arm neben dem
rechten Schoosbogenschenkel bis zum EUnbogen vor.
Er liess sich leicht diesen Schoosbogenschenkel entlang
gegen den Damm hin herunterschieben und dann gänzlich
zurückbringen. Das ö pfundige Mädchen folgte dann eben
so rasch.
Als Complicationen erschienen 'demnach:
Uterus bicomis 1.
Delirium hystericum mit Eklampsie 1.
Blutung bei festen Eihäuten 1.
beim zweiten Kinde.
254 ^* Birnbaunij Bericht über die geburtehfilflichen
Blutung bei kurzer Nabelschnur 1.
beim' ersten Kinde.
Umschlingung der Nabelschnur 4.
1 beim ersten Kinde,
3 beim zweiten, einmal mit Blutung.
Einfacher Armvorfall 1.
beim zweiten Kinde.
Nabelschnurvorfall 3.
1 bei dem ersten mit Fusslage,
2 bei dem zweiten in 1. Kopflage.
Vorfall von Arm mit Nabelschnur 3. '
1 bei Schulterlage des ersten Kindes,
2 bei Kopflage des zweiten.
Geburt innerhalb unverletzter Eihäute .... 1.
Abgang der Blase des zweiten vor der des ersten 2.
Operationen waren
Extraction an den Füssen 4.
2 Mal beim ersten, 2 Mal beim zweiten.
Wendung des ersten Kindes ... .^ ... 2.
Zange an den Kopf 3.
wovon 2 beim zweiten.
Reposition des Armes 1.
VIII. Blasenbildung.
a. Der Abfluss des Wassers vor vollkommener
Blasenbildung und Eröffnung des Mutlermundes kam als
schleichender Abfluss 122 Mal vor auf die 657 Geburten
der zwei letzten Jahre = 1 : 5,39=18,55 Proc.
und zwar bei 76 Erstgebärenden, 54 Knaben,
46 Mehr gebärenden, 68 Mädchen,
118 Kopflagen, 2 Unterendlagen.
Vor Eintritt der Wehen 47 Mal V2— 1 Stunde
9 Mal, IV2— 5 Stunden 18 Mal, 6—10 Stunden 4 Mal.
11—15 Stunden 7 Mal, 20—25 Stunden 3 Mal, 30-40
Stunden 5 Mal, 136 Stunden 1 MaL
Mit Eintritt der Wehen 56 Mal.
Nach „ „ „ 19 „
Bei kleinen (a) Kindern 62.
Bei mittelgrossen (b) Kindern 44.
LoUtoagen der Bhein. Prov.-HdbammenanBtalt ete. 255
Bei grossen (o) Kindern 16.
Das Vorkommen traf häufig mit mannigfachen anderen
Erscheinungen zusammen, doch ohne irgend bedeutenden
Einfluss auf den Gang der Geburl zu üben, indem dieselbe
meistens ganz leicht und regelmässig verlief und die Er-
schwerung in einzelnen Fällen blos von der Complication
abhängig erschien. Es war complicirt:
mit Handanlage beim Kopfe . 15 Hai erschwerend 1,
Umschlingung 21 „ ,, 5,
Engem Becken 7 „ , „ 2, ,
Kürze der Nabelschnur ... 3
Krampfwehen « 2
Krampf und Handanlage . . 1 „ „ 1,
und Umschlingung . . . 1 „ „ 1,
Beckenenge ubd Umschlingung 4 „ „ 2,
ArmvorfaU 1 „ „ 1,
Handanlage
Handanl. und Umschl.
Handanlage und Umschlingung
66 16^
Die 56 Fälle, wo keine sonstigen Regelwidrigkeiten vor-
kommen, verliefen olme jede Störung und die erschwerten
Fälle boten die Erschwerung ganz in dem Verhältnisse der
übrigen Complicationen dar.
i. Zu grosse Festigkeit der Eihäute, die Sprengung
der Blase fordernd, wurde bei diesen 657 Geburten beobachtet
bei 123 Geburten, 1:5,34 oder bei 18,72 Proc, drei Mal
bei beiden Zwillingskindeni, demnach bei
Erstgebärenden 87, Knaben 72,
Mebrgebärenden 37, Mädchen 54,
Kopflagen 119,
Unterendlagen 6,
Schieflagen 1,
Hierbei war zu gleicher Zeit für 23 Fälle wenig Frucht-
wasser oder gehindertes Herabtreten des Fruditwassers bei
sehr tiefem Kopfstande zugegen und wurde aus letzterem
Grunde 5 Mal die Zerreissung der Eihäute bei noch wenig er-
öffnetem Muttermunde erforderlich, indem 2 Mal nach 45 Stunden,
1 Mal nach 64 Stunden, 1 Mal nach 97 Stunden und 1 Mal nach
w
»t
»»
»»
n
2
»
8
«
2ö6 V. Birnbaum, Bericht fiber die gebartihülfliehen
mehreren Tagen anhaltender kräftiger Wehen weder die Blase
tiefer herubtrat, noch auch der Muttermund sich erweiterte,
bis die Eihäute gesprengt waren und nun die Wehen ihre
volle Wirksamkeit entfalten konnten.
Die Kinder waren unter Hittelmaass 62,
Hittelmaass 44,
über Mittelmaass 20.
Die Geburten verliefen meistens nach der Sprengung
leicht, und regelmässig, obschon ein grosser Theil der Fälle
mancherlei anderweite Complicationen bot. Nur ausnahms-
weise bedingten diese auch nach der Hand noch eine grössere
Trägheit und Beschwerlichkeit des Verlaufes. Solche Com-
plicationen waren:
leicht Ter- schwer ver-
laufend laufend Sonme
Armanlage 13 — 13
Nabelschnurumschlingung .23 1 24
Armanlage und Umschlingung 7 18
Beckenenge 8 6 14
Solche mit Armanlage . . 3 — 3
„ mit Umschlingung .1 — 1
„ mit beidem .... 1 — 1
„ mit Nabelschnurvorfall 1 — 1
Krampfwehen 1 7 8
Eklampsie — 1 1
58 16 74
Ohne Eklampsie .... 49 — 49
Die erforderlichen Operationen waren:
Extraction an den Füssen 2,
Zange an den nachfolgenden Kopf,
Zange 11.
Die Schwierigkeiten waren demnach ganz von den Com-
plicationen abhängig. Zwei Fälle veranlassten starke Blutung
bis zum Blasensprengen. Einmal rissen die Eihäute hoch
oben und mussten später aufs Neue gesprengt werden.
c. Grosse Dehnbarkeit der Eihäute mit Sprengung
derselben katn im Ganzen 31 Mal zur Beobachtung, 1 : 21,20
=4,72 Proc.
LeUtongea dar Rhein. FroT.-Hebftmmattaiittalt ate. 257
Sie betraf: Erstgebärende 16, Kopflagen 31,
Mehrgebärende 15, Knaben 17,
Mädcben 14,
Kinder unter Mittelgrosse 9,
von Mittelgrösse 16,
Ober Mittelgrösse 6.
Complicationen waren: Nabelschnurumschlingung . 9,
Annanlage 1,
Armanlage und Umschllngung 2,
Beckenenge 1.
Nur einmal war wegen Umschlingung und Krampfwehen
Anlegung der Zange nöthig. Alle übrigen Fälle verliefen
äusserst leicht und günstig.
d. Innerhalb unzerrissener Eihäute wurden
geboren ein Zwillingskind inSteisslage zum grössten Theile,
ein anderes mit Vortreten des Mutterkuchens bei complicirter
Umschlingung ganz.
Im Ganzen l)oten also auf die 657 Geburten 278 mehr
oder weniger bedeutende Regelwidrigkeiten der Blasenbildung,
1 :2,36 oder 42,3 Proc.
IX. Umschlingung der Nabelschnur
ist im Ganzen 277 Mal verzeichnet, wovon 82 Mal auf die
617 Geburten von 1860 und 1861 und 195 Mal auf die
657 Geburten von 1862 und 63, in welchen Jahren die
Aufzeichnungen erst ganz genau sind, für diese letzteren
also 1 : 3,37 oder bei 29,68 Proc. Die 277 FäUe ergaben
folgende allgemeine Verhältnisse:
E r stgebärende 167 ==1 : 4,72, Mehrgebärende 110=1 : 4,42.
Knaben 132. Mädchei» 145.
A. Kinder 50 Knaben, 71 Mädchen= 121=43,72 Proc.
der Fälle.
B. Kinder 53 Knaben, 43 Mädchen = 96 = 34,65 Proc.
der Fälle.
C. Kinder 27 Knaben, 19 Mädchen= 46=16,61 Proc.
der FäUe.
Frühzeitig 2 Knaben, 12 Mädchen= 14= 5,12 Proc.
der Fälle*
132 145 277
MonfttMohr. f. aebnrttk. 1886. Bd. XXV., Bappl • Hft. 17
258 V. BtrnioM», Betioht aber dia geburtshalflulien
für die Verhältnisse der UiuscUiBgungen zu den Gewichts-
categorien ergiebt sich hieraus:
A. Kiuder 121 : 470=25,65 Proc. derselben.
B. Kinder 96 : 483=19,88 Proc J .„ ^^
C. Kinder 27 : 212=11,74 Proc. p^'^*^'*''^-
Frühzeitig 14: 121 = 17,37 Proc
Unter den Kindern waren 4 ZwilHngskinder, wovon
1 frühzeitig. Die Umschlingung kam daher auf Zwillinge
=4: 40=1: 10=10 Proc.
Die Gewichte der frühzeitigen Kinder waren:
2V« Pfd., 3 Pfd., 3^/4 Pfd., 4 Pfd., 4 Pfd., 41/4 Pfd.,
4V2 I^fd., 4VaPfd., 4«/aPfd., 4Vä Pfd., 4^« Pfd., 4Va Pfd.,
5 Pfd., 5 Pfd.
Die Lageverhähnisse der Kinder waren:
Erste Scheitellagft 218=23,23 Proc. derselben -
Zweite „ 46=17,70 „ [22,00 Proc.
Dritte und vierte 2 = 13,33 „
Gesichtslage . . 2 = 33,34 „
ünierendlagen 6 = 17,65 „ ^22,00 Proc.
Schieflagen . , 3 = 30,00 „
277
oder für Kopflagen im Allgemeinen 22,23 Proc.
Unterend- und Schieflagen 19,15 Proc.
Die Nabelschnurlängen betrugen:
15"
16"
5
12)
5
Proc, der Nabel-
schnarlängen
3,85
Proc. d. Um-
schlingongen
1,81 ;
1
17"
8/
i
18"
19"
I9J
81
14,78 .
29,241
20"
17)
> 7(
21"
18)
22"
38i
l
23"
24"
i
110
26,44
39,7x1
25"
lA
)
70,76 Proc.
Laistvnge« der Rhein. ProT.-HebammeMiiistalt etc. 259
/
Proe. der Nabel- Pree« d. Um*
scbnarl&ngen seblingangen
26" 14)
27" 14/
28" löl 61 38,37 22,10j
29" 71
30" ll]
31" 3] > 30,60 Proc.
32" 51
33» gf 19 48,72 8,14^
34" 2!
39" 1)
41" 1 1 50,00 0,36;
37"
38"
Das Prozentverhältniss steigt demnach stetig mit der
Länge der Nabelschnöre und ist blos fär die Umschlingungen
selbst mit derselben geringer werdend, da die Zahlen der
Aber Mittelgrösse kommenden Nabelschnüre so gering sind.
Die Umschlingung ging:
Um den Hals allein 229
1 Mal 188,
2 „ 31,
3 „ 7, (24", 28", 31", 31", 33", 33", 40",)
4 „ 3, (29", 30", 30".)
Um Hals und anliegendes Händchen .... 4
Um Hals (2 Mal 2 und 2 Mal 3 um Hals) und Leib 8
Um Arm oder Schulter 27
1 Mal die 16"ige bei Schiefläge.
Um das Bein 4
Um Hals und Bein 3
1 Mal um Hals, 28", 2 Mal um Hals 23", 4 Mal
um Hals 33".
Um den Leib 2
1 Mal mit Kreuzung auf Brust und Rücken.
Die Umscblingungen waren für sich allein vorbanden
ohne andere Complication 215 Mal und 77,62 Proc. und hier
17*
26Q ^' Bimkmtw^ Bericht über die gebartthäMiohea
ohne jeden nachweisbaren Einfluss 127 =45,85 Proe.
45,85 „
von bestimmt nachweisbarem „ 88=31,77 „
31,77 „
Die Wirkungen waren:
a. Hinderung des Geburtsmechanismus ohne Ge-
burtsbehinderung 1 =0,36 Proc.
Vollkommene Geradstellung des Kopfes im Becken bei
einem 2V2pföndigen zweiten ZwUlingsmädcWn. Nabelschnur-
länge 20".
Ä. Regelwidrige Lage der Frucht 9=3,25 Proc.
18", 2 Mal um den Hals. Steisslage bei Erstgebärenden.
Zange an den nachfolgenden Kopf.
18", 1 „ „ den Hals. Steisslage bei Erstgebärenden.
Unzeitige Geburt.
22", 1 „ „ die Hüften. Steisslage bei Mebrgebarenden.
Kind scheintodt.
18", 1 „ „ den Hals. Knielage bei Erstgebärenden.
16", 2 „ „ „ „ Fusslage.
16", 1 „/ „ den Arm. Schieflage beim ersten Zwilling.
19", 1 „ „ den Hals. Schulterlage mit Wendung und
Scheintod des Kindes.
20", 1 „ „ den Arm. Schieflage beim ersten Zwilling.
29", 4 n tf den Hals. Fusslage. Extraction mit^ Zange
an den Kopf,
c. Erschwerter Kopfauetritt 21=7,58 Proc. Bei
einmaliger Umschlingung um den Hals Nabelschnurlängen von
15", 17", 2X18", 19", 3X20", 4X22", 2x23", 25",
2 X26", 27, 30". Bei zweimaliger Umschlingung Nabelschnur-
langen von 22" und 24".
Natürlich verliefen dabei 13 Geburten, wobei 1 Mal
gehinderte Kopfdrehung mit Geradstellung im Ausgange, 2 Mal
verkehrte Drehung der Schultern , 2 Mal gehinderte Drehung
mit querem Austritte zur Beobachtung kam. Zwei dieser
Kinder kamen scheintodt zur Welt, nachdem bei einem vor
Austritt des Kopfes gewaltsame Athembew*egungen in der
Schamspalte sichtbar geworden, und 1 todt mit viel Schleim
und Kindspech in den Luftwegen. Zweimal machte . sich auch
Auafluss vielen Wassers und Schleims aus dem Munde nach
Leiitang^n der Bheia. ProT.-HebammenanttftU et«. 261
gebornem Kopfe oder nach Geburt des ganzen Kindes bemerk-
lieb, ohne dass diese Atbembewegungen ?orher beobachtet
worden wären, beide Mal bei gleichlebenden Kindern.
Die Zange war erforderlich 8 Mal, wobei 1 Mal Gerad*
Stellung des Kopfes zugegen war, 1 Mal verkehrte, 1 Mai
doppelte Schulterdrehung zu Stande kam. Vier dieser Kinder
waren scheintodU
Die Nabelschnurlängen betrugen in allen diesen Fällen
20" und darüber, einmal 30" und bei 20" musste noch nach-
träglich zur Durchschneidung des Nabelstranges übergegangen
werden, um die Schultern entwickeln zu können.
d. Behinderter Austritt der Schultern allein
1=0,36 Proc. Bei einer Erstgebärenden mit 27 "iger Nabel-
schnur die 2 Mal um den Hals, und dann um den Rücken
des Kindes geschlungen war.
e. Regelwidrigkeiten der Schulterdrehung als
Hauplwirkung 88 Mal ==13,72 Proc. und mit Einschluss von
7 anderen Fällen, wo andere bedeutende Einwirkungen vor-
hergingen, 45 Mals= 16,24 Proc. Die 38 Fälle kamen vor bei
Umscblingung einmal um den Hals und Nabels^chnurlängen
von 15", 2X16", 17", 4X19", 2X20",
2X21", 4X22", 23", 2X24", 2X27",
28", 30", 32", 33".
„ zweimal um den Hals und Nabelschnurlängen
von 23", 25", 26", 30", 30", 32".
„ dreimal um den Hals und Nabelschnurlängen
von 24" und 31".
„ viermal um den Hals und Nabelschnurlängen
von 34".
„ 2 Mal um den Hals, 1 Mal um das Bein
bei 23".
„ Um Schulter und Rücken bei 21".
Um die linke Schulter bei 17" und 18"'
Die Regelwidrigkeit betraf die einfach verkehrte
Drehung 25 Mal. Bei einem dieser Fälle war bei zweimaliger
Umschlingung um den Hals bei 25" Scheintod durch Strangu*
lation zugegen.
Die einfach behinderte Drehung mit querem Austritte
6 Mal.
V. BimbrnuMf Beriolit über die crtb'>rt0lt^fl<oh«i^
Di6 doppelte Drehung 7 Mal.
Unter diesen, Fällen war einmal, bei zweimaliger Dm-
schlingung um den Hals und Verlauf der Nabelscbnnr über
den Rficken, Geradstellung des Kopfes vorausgegangen, und
traten die Schultern in voller Querstellung aus, um sich bei
weiterem Vorrücken nach links zu drehen.
/. Blutungen bei erschwertem Austritte des Kopfes
7 Mal=2,53 Proc.
Bei Umschlingung 1 Mal um den Hals und Nabelschnur-
längen von 19', 20'^ 22", 2 Mai um den Hals und Nabel-
schnurlängen von 20'', 1 Mal um den Hals und die rechte
Schulter und Nabelschnur v(m 19'', 1 Mal um die Schalter
und NabelscBnurlängen von 2X26".
Es war hierbei die Zange erforderlich 4 Mal, worunter
1 Mal mit schrägem Schiefstande des Kopfes, einmal mit tiefem
Spheintode, 1 Mal bei Abgang vielen Kindspeches. Die Nabel-
schnurlängen betrugen 20 ", 22", 26", 26".
Einmal wurde verkehrte Drehung beobachtet bei 19"
Nabelscbnurlänge , 1 Mal die Durchschneidung erforderlich
bei zweimaliger Umschlingung der 20"igen Nabelscbnur um
den Hals.
g. Senkung und Vorfall der Nabelschnur 6 Mal
=2,17 Proc. .
Zwei Mal als Vorfall bei einmaliger Halsumschlingung
und 19"iger Nabelschnur, wo das Mädchen in Gesichtslage
todtgeboren wurde, und bei 28"iger Nabelschnur.
Vier Mal als Senkung, jedes Mal unter dem Schoossbogen
von vorn her, jedes Mal bei einmaliger Umschlingung um
den Hals und bei Nabelschnurlängen von 22", 25", 25", 28".
Eines dieser Kinder, wo tiefer Ansatz des Mutlerkuchens mit
Einpflanzung am unteren Rande vorkam, wurde tief scheintodt
geboren mit Abgang vielen Kindspeches bei der Geburt.
h. Scheintod einfach für sich als einzige Wirkung
3=1,08 Proc
Bei Umschlingong einmal um den Hals und 31", 2 Mal
um. den Hals und 24", eihmal um die Schulter und 28",
Länge der Nabelschnur.
t. Tod des Kindes ohne sonstige Veranlassung
1=0,36 Proc.
Leistungen der Rhein. ProT.-HebammenAnitalt etc. 263
Bei Umscblingung um die Schulter und 23" Nabelschnur-
lange.
k. Austritt in unverletzten Eihäuten l=0,36^/o.
Bei am Racken und linken Arm des zweiten Zwillings
geschlungener Nabelschnur von 16".
Sie war mit anderen Zuständen complicirt,
fö Mal =22,38 Proc, und zwar:
A. Mit A rm an läge neben dem Kopfe 36 Hal= 12, 10 Proc.
Es fahrte dieses, indem es 18 Mal wirkungslos blieb,
=6,50 Proc.
CL, Zu einfach behinderter Kopfdrehung 1 Mal,
Geradstellung mit Anlage des linken Händchens bei 18".
b. Zg regelwidriger Schulterdrehung 11 Mal, und
zwar : 3,97 Proc. zu einfacher bei einmaliger Umschlingung
um den Hals und Nabelschnurlängen von 19", 20", 23", 26",
26", 29". Umschlingung um Hals und anliegendes Händchen
und Nabelschnur von 24", zweimaliger Umschlingung um
Schulter und Leib und Nabelschnurlänge von 21". Zu doppelter
bei einmaliger Umschlingung um den Hals und Nabelschnur-
längen von 22", 24", 25", hierbei war 1 Mal Gesichtslage
mit Anlage der rechten Hand.
c. Zu Senkung der Nabelschnur 2 Mal, 0,72 Proc,
bei einfacher Umschlingung um das anliegende Händchen und
Nabelschnurlänge von 24", beide Male mit verkehrter Schulter-
drehung.
d. Erschwerter Kopfaustritt mit Anlegung der
Zange 1 Mal =: 0,36 Proc. bei einmaliger Halsumschlingung
und 17".
e. Erschwerter Kopfaustritt mit Blutung 2 Mal
=0,72 Proc. Das eine Mal, bei einmaliger Halsumsdilingung
und 17" war Durchschneidung der Nabelschnur erforderlich,
das zweite Mal bei 19" Nabelschnurlänge kam noch verkehrte
Drehung hinzu, und zeigte das Kind bei deutlich sichtbaren
Athembewegungen bei Durchtritt des Kopfes durch die
Schamspalte und starker Strangulationsrinne am Halse tiefen
Scheintod.
/. Der Tod ohne sonstige Ursache 1 Mal =0,36 Proc.
bei Umschlingung um eine Schulter und Nabelschnurlänge
von 22".
264 ^« Birnbaum, Berioht über die gebnrUbnUlielien
B. Mit nach uoteo trichterförmigem Becken 2 Mal
=0,72 Proc
Es blieb hier 1 Mal wirkungslos und fährte 1 Mai zu
Anlegung der Zange bei einmaliger Halsumschiingung und
Nabelschnurlängen von 28'' und 23".
C. Mit Trichterbecken mit Bandanlage 1 Mal =
0,36 Proc. mit sehr erschwertem Austritte des Kopfes und
starker Blutung bei Drehung erst nach einer, dann nach
der anderen Seite, dann nach oben und einmaliger Hals-
umschlingung mit Nabelschnurlänge von 18''.
D. Mit Becken enge 12 Mal=433Proc. Es blieb dies
ohne Einfluss 4 Mal= 1,44 Proc. und fährte:
a. Zu regelwidriger Schulterdrehung 3 Mal
= 1,08 Proc. jedes Mal zu gehinderter Drehung bei querem
Schulleraustritte, 2 Mal bei einfacher HalsuroschUngung und
19", 21", einmal bei zweifacher und 27" Nabelschnurlänge.
b. Zu Vorfall der Nabelschnur und Senkung 2 Mal
=0,72 Proc. Das erste bei UmschUngung um Hals und
Schulter und 24", das andere bei einfacher Halsumschlinguug
und 24" Nabelscbnurlänge.
c. Zu einfacher Behinderung des Kopfaustrittes
1 Mal mit Anlegung der Zange an den Kopf und verkehrter
Schulterdrehung bei einmaUger Halsumschlingung und Nabel-
scbnurlänge von 22".
d. Zu behindertem Kopfaustritte mit Blutung
1 Mal, bei einmaliger HalsumschUngung und Nabelschnur von
16" und Durcbschneidung bei Vortritt der Schultern.
6. Zu tiefem Scheintode 1 Mal bei einmaUger Hals-
umschlingung und Nabelschnurlänge von 22" mit querem
Schulterausti^ilte.
E. Mit Beckenenge mit Handanlage 5 Mal
=1,81 Proc.
Sie führte zu
Regelwidriger Schulterdrehung bei 22" Nabel-
schnurlänge und einfacher Halsumschlingung.
Gehindertem Austritte des Kopfes mit Zangenanlegung
und Durchschneidung der Nabelschnur bei 28" und ein-
maliger Halsumschlingung.
Scheintod bei einmaliger Halsumschlingung und 22" Länge.
Leiatangen der Rhein. ProT.-Hebammenanstalt etc. 265
Strangulation mit Tod der Frucht bei einmaliger Hals-
umschlingung und 19" Länge mit veiiiebrter Schuller-
drebung.
Blutung mit Absterben der Frucht bei einmaliger
Haisumschlingung und 20" Länge.
F. Mit Uterus bipartitus 1 Hal=0,36Proc. mit An-
legung der Zange bei Umschlingung 3 Mal um den Hals,
1 Mal um den Leib und 39" Länge.
G. Hit Prolapsus recto-vaginalis 1 Mal bei vierter
Scbeitelstellung mit dreimaliger Umschlingung um den Hals,
einmaliger um den Leib und starker Blutung bei Zug mit der
Zange mit querem Schulterauslritle 32" Nabelschnurlänge.
H. Hit Enge der Schamspalte 2 Mal = 0,72 Proc.
beide Male mit Scarification des Dammes, sonst bei zweimaliger
Haisumschlingung und 28" Länge wirkungslos, bei einmaliger
und 27" zu Scheintod des Kindes führend.
/. Mit enger Schamspalte und Handanlage 1 Mal.
Hier verursachte die Fixirung des Armes mU weit vorstehendem
EUnbogen durch Uraschlingung der 18"igen Nabelschnur um
den Hals und diese Hand trotz der Scarificalion einen Damm-
riss bis zum After.
K. Mit Eklampsia parturientium 1 Mal.' Es wurde
hierbei das Kind mit der Zange entwickelt und kam bei ein-
maliger Haisumschlingung mit vielem Kindspechabgange bei
Nabelscbnurlänge von 25" in tiefem Scheintode zur Welt.
Die Umsclilinguug war daher:
mit Compli-
fSr sich allein cationen Summe.
ohne allen Einflusa ]27»45,86Vo 24» 8,66% 151«54,617o
▼ on nachweisba-
rem Einflüsse . . . 88==31,77„ 38=13,72,, 126= 45,49 „
216=77,62 „ 62=22,38 „ 277=100,00 „
und zwar föhrte sie zunächst:
rahindernder, hem-
mender Einwirkung 29=10,47 „ 11= 3,97 „ 40= 14,44,,
SU nachtheiliger
ohne bestim'mte
Hemmung 19= 6,86,, 11= 3,97,, 30= 10,83,,
SU bloe Abwei-
chungen bedin-
gender 40=14,44 „ 16= 6,78 „ 66^20,22,,
88=81,77 „ 38=»13,72 „ 126= 45,49 „
266 ^< Bifnbaum^ Bericht über die gebortuhtilflieheB
Die dadurch herbeigeführten Regelwidrigkeiten, de-
reo oft mehrere in einem einzelnen Falle zusammentrafen, waren :
ohne Com- mit Com-
pHcation. plication. Summe.
Behinderung; des Kopf-
und Scbnlteraustrittes 29 . 6 36
Stärkere Blutung dabei 2 4 6
Regelwidrige Lage der
Fruoht 9 — 9
Vorfall und Senicung . . 6 4 10
Scheintod 12 4 16
Tod 1 2 8
Regelwidrige Schulter-
drehung 50 21 71
Hinderung d.Kopfdrehng. 5 1 6 •
Zerreisflung des Mittel-
fleisches — 1 1
114 43 167
Es wurde durch dieselbe erforderlich:
Zange an den vorausge-
henden Kopf 12 8 20=7,227o
Extraction und Zange bei
Unterendlagen — 2 2=<0,72 „
Wendung u. £xtraction — 2 2=0,72 „
12" 12 24=8,66 „
X. Kürze der Nabelschnur
*wurde als Ursache mehr oder weniger bedeutender Störungen
10 Mal beobachtet, bei 0,78 Proc. der Geburten. Dieselben
waren :
A. Regelwidrige Drehung der Schultern 5 Mal.
a. Als einfache verkehrte Drehung bei 14", 14", 14", 16"
Nabelschnurlänge.
b. Als doppelte Drehung bei 15" Nabelschnurlänge.
B. Einfach starke Blutung bei natürlicher Geburt
1 Mal. Frühzeitiges erstes Zwillingsmädchen in Mitteibecken-
geburt austretend. 14" Nabelschnurlänge.
C. Starke Blutung bei Herausziehung des Kopfes
mit der Zange 4 Mal. Einmal wegen Krampfwehen mit
tiefem Scheintode von vielem eingeathmeten Schleime und
Blut. Länge 15". Einmal bei Trichterbecken nach unten
und starker Schmerzhaftigkeit bei Tractioneir. Nabelschnur-
länge IT'. Zweimal bei Beckenenge, das erste Mal mit
querem Schiefstande des Kopfes und tiefem Scheintode bei-
Nabelschnurlänge von 15'', das andere Mal bei solcher von
16" unter Abgang vielen Kindspechs mit dem Blute und
LeiBtimgeii der Rhein. Prov.-HebammenanstRlt etc. 267
doppelter SchuJterdrehung^ Tiefer Schekitod und später er-
folgendes Absterben des 7 pfundigen Mädchens von Verstopfang
feiner Bronchenäste.
Wir sehen, dass die absolule Länge hier nicht entscheidet,
indem unter den 89 Fällen von Nabelschnuren bis zu 15''
nur 7 ernstere Störungen oder Abweichungen bewirkten, also
1 von 12,71 und unter den 513 Nabelscbnären von 16—20''
nur 3, also 1 : 171. Wir sehen aber, dass sie hier doch
viel entschiedener in Betracht kommt, als bei den Um-
schlingungen, deren Einfluss so mannigfaltigen ModiOcationen
unterliegt
XI. Senkung und Vorfall.
Die Senkung ist im Ganzen 19 Mal verzeichnet, worunter
18 auf die 657 Geburten der beiden letzten Jahre, wo die
Verzeichnungen ganz detaillirt sind, also 1 : 36,50.
Als Ursachen erschienen:
Umschlingung einmal um den Hals bei Nabelschnur-
länge von 22", 25", 28", jedesmal mit Vortritt unter dem
Schoossbogen. Einmal um die Schuller bei Nabelschnurlänge
von 24", 26", 27", dabei wegen Wehenschwäche starke
Blutung bei Extraction mit der Zange an den vorausgehenden
Kopf und tiefem Scheintode, da die Nahelschnur mitgefasst
worden, war.
Einpflanzung am unteren Rande des tiefsilzenden
Mutterkuchens bei Nabelschnurlänge von 24".
Umschlinguug mit Armanlage bei Nabelschnurlängen
von 24" und 25". In ersterem Falle ging die Umschlingung
um das anliegende Händchen und führte bei Senkung unter
dem Schoossbogen zu verkehrter Drehung. Im zweiten Falle,
bei Schulterumschlingung, erfolgte bei den Tractionen mit
Zange starke Blutung, da der Nabelstrang mitgefasst war und
Scheintod des Kindes.
Beckenenge bei Nabelschnurlänge von 17" und 30".
Im ersten Falle erfolgte bei Senkung unter dem Schoossbogen
doppelte Drehung. Im zweiten erfolgte bei Senkung über
den Damm nach Zangenanlegung Scheintod des Kindes.
Beckenenge mit Umschlingung um den Hals bei
Nabelschnurlänge von 20". Vortritt unter Schoossbogen.
268 V- Bimbmm, Berieht über die gebartilifilfliebeD
Beckenenge mit Armaniage bei todtfaulem Kinde,
Senkung unter dem Scboosabogen bei 31''.
Gesichtslage ohne sonstigen Nebenuip^nd bei Nabel-
schnurlänge von 35".
Keine bestimmt nachweisbare Ursache bei Nabel-
schnurlänge von 22'', 22", 26", 26', 30". Einmal waren
dabei Krampfwehen zugegen, einmal frühzeitiges Kind. Zweimal
fand die Senkung über den Damm her statt, die übrigen Male
unter dem Schoossbogen , einmal mit Sdieintod des Kindes.
Der eigentliche Vorfall wurde 15 Mal beobachtet, bei
1,18 Proc. der Gebärenden, 1,16 Proc. der Kinder und zwar bei
Zwillingskindern 6 : 40=15,00 Proc.
Einfachen Geburten 9:1254= 0,72 „
Erstgebärenden 8 =1,02 Proc. davon Zwillinge 3, mit
einfacher Geburt 5 : 777=0,72 Proc.
Mehr gebärende 7 = 1 ,44 Proc. davon . Zwillinge 3 , mit
einfacher Geburt 4 : 477=8,84 Proc.
Knaben 7 (3 Zwillinge).
Mädchen 8 (3 Zwillinge).
Scheitellagen 9= 0,74 Proc.
Gesichtslagen 1=50,00 „
Unterendlagen 4=11,77 „
Schieflagen 1=10,00 „
Davon fielen auf die Zwillingskinder:
Kopflagen bei zweiten Zwillingskindern 4,
Unterendlage beim ersten Zwillingskinde 1,
Schieflage beim ersten Zwillingskinde 1,
"6
auf die einfachen Geburten:
Scheitellagen 5= 0,42 Proc. derselben
Gesichtslagen 1=50,00 „ „ ,,
Unterendlagen 3=12,00 „ ,, „
Von den Zwillingsgeburten und den Unterendlagen
war schon die Rede.
Bei der Gesichtslage erschien einmalige UmsebUngung
des 29 zölligen Nabelstranges bei Eintritt in die Anstalt mit
Wehen als Ursache. Das 6 pfundige Mädchen kam Unit
zur Welt
Bei den 5 Scheitelstellungen war 4 Mal dei* Vorbil
LeiitoDgen der Eheln. Prov.-HebammeBanaialt etc. 269
der Nabelschnur bei Eintritt der Personen mit Weben,
1 Mal bei Verbeimlicfaung der Wehen schon bei der
ersten Untersuchung vorgefunden.
1 Mal war Ümschlingung der 28zöUigen Nabelschnur
zugegen, der Kopf tief im Becken, der Muttermund 2 Zoll
geöflhet, das Kind wurde bald danach todt geboren.
4 Mal war Beckenenge bei Scheitellage zugegen. Das
erste Mal, bei schrägyerengtem Becken, hatte die Person
die Wehen verheimlicht und war bis nach dem Blasenspmnge
umhergegangen. Der Kopf stand unvollkommen im Becken,
der Nabelstrang war pulslos kalt Das 6^2 pfundige Mädchen
wurde todt geboren.
In dem zweiten Falle war neben der Beckenenge noch
Vorfall beider Arme neben dem Kopfe und Umschlingung
der Nabelschnur vorhanden. Die Person hatte bei Beginn
der Wehen noch in der Fabrik gearbeitet , dann nach Abfluss
der Wasser sich nach Hause und von da in die Anstalt be^
geben, wo sie mit Vl^ Zoll weit geöffnetem Muttermunde und
grosser, neben erster Scbeitellage vorgefallener, pulsloser
Nabelschnur eintraf. Die vorgefallenen Arme hatten den
unteren Abschnitt spitz herab- und vorgedrängt. Die Zurück*
bringung der vorgefallenen Theile misslang, nach ^4 Stunde
aber hatte sich in linker Seitenlage der Muttermund hin-
reichend erweitert, mit tieferem Herabdrängen beider Arme,
und zeigte der Nabelstrang wieder schwache Pulsatjonen,
langsam aber sehr deutlich. Auch jetzt misslangen die Re-
positionsversuche , aber die Einleitung des linken Fusses kam
leicht zu Stande und ebenso durch gelinden Anzug desselben
mit äusserem Gegendrucke die vollkommene Drehung des
Kindeskörpers. Der Steiss ging mit der linken Hüfte nach
rechts und vorn, die Arme blieben herabgeschlagen und
folgten sehr leicht Der Kopf wurde sofort mit der bereit-
fiegenden Zange entwickelt, der 6 pfundige Knabe aber konnte
trotz Spuren von Herzschlag nicht wiederbelebt werden.
Die dri tte Person trat bei schräger rhachitischer Becken-
verengerung von 3^2 Zoll Conjugata ebenfalls mit Weben
ein, mit Vorliegen der pulsloseo Nabelschnur in den Eihäuten
bei 1 Zoll weit geöfiGaetem Muttermunde. Der Kopf stand rechts
auf der vorderen Beckenwand auf. Bei drei Querfinger breit
270 ^* Bimb€Mm, Bericht über die g^ebartshülflicfaen
geöffnetem Muttermunde wurde die Blase gesprengt, und ob«-
schon mit dem Fruchtwasser viel Kindspech fortging, die
Reposition der Nabelschnur bewirkt, welche in grossem Packe
vorlag. Die Wendung erschien durch die grosse Unnach-
giebigkeit des Muttermundes unräthlich. Der Kopf hielt
nachher unverrückt trotz starker Wehen auf dem Boden des
Beckens und musste mit der Zang^ entwickelt werden. Bei
der zweiten Scheitellage erfolgte die Drehung des Gesichtes
zwar zum linken Schenkel, bei weiterer Hervorleitung jedoch
die Räckkehr in den Querstand. Es war Sprengung der
Nähte links für die Hinterhauptsnath , rechts für diese die
Krön- und Schuppennath vorhanden. Das Kind hatte Mund
und Bronchen mit Schleim und Kindspech gefüllt.
Der viecte Fall betraf ebenfalls eine mit Wehen nach
Abfluss des Wassers eintretende Person mit im Eingange be-
findlichem, starkverschwoUenem Kopfe und heftiger krampf-
hafter Wehenthätigkeit. Da die grosse vorgefallene Schlinge
ganz vollkommen puislos war, so wurde erst durch Tra. cannab.
und später durch einen Aderlass mit Opium der Krampf be-
seitigt, sodann die Zange an den in erster Scheitelstellung
befindlichen Kopf angelegt und unter mühesamer Zurück-
haltung der mit herabquellenden vorderen Scheidenwand und
öfterer Regulirung, weiterhin mit zwei Einschnitten in das
Mittelfleisch der Kopf langsam entwickelt. Die Schultern
forderten auch noch grossen Kraftaufwand. Der Körper des
Kindes war sehr stark zusammengepresst , der Rumpf im
Kreuze nach hinten übergebogen. Der Knabe wog 8 Pfund.
Unter den 15 Fällen war 5 Mal Beckenenge zugegen,
bei den 6 Fällen einfacher Geburt mit Kopflage 4, während
bei 4 Kopflagen Zwillingsgeburten theilweise mit Armvorfall
kamen.
Die Beckenenge erscheint demnach auch hier in ihrer
ganzen Bedeutung für den Nabelschnurvorfall, der bei den
Scheitellagen einfacher Geburten vorkam
bei engem Becken 4 Mal auf 100 = 1 : 26 = 4,00 Proc,
bei regelmässigem 1 Mal auf 1150 = 1 : 1150 = 0,09 Proc.
Wir erkennen aber auch die mannigfache Gombination
der Ursachen, weiche den Vorfall bedingen, bezeichnen wir
sie wie folgt:
LeittnngeD der Rheio. Prov.-HebAmneoanttalt etc. 271
a) Aufredite Körperhaltung im vgllen Gebortsgeschäft
b) Gewaltsamer Wasserabfluss.
e) Regelwidrige, d. i. andere, als Kopflagen.
d) Regelwidrige Gliederbaltung.
e) Umschlingung der Nabelschiuir.
f) Beckenenge.
g) Krampfwehen.
h) Tiefe Einpflanzung in den tiefangehefteten Mutterkuchen:*
so ergeben sich für die einzelnen Fälle folgende Combinationen :
abedefgh
a b e — — — — —
a h e — — — — —
a 6— <J — — - —
ab — — « — — —
a 6 — — — / — -;-
a — (f d e — — —
tf-- — -— / ff —
a— — — — / ff —
— & c — — — — —
--6— de — — —
n 9 7 6 6 6 2 Ö
Dieses Resultat der Häufigkeit der Ursachen stimmt auch
ganz mit den in meinen früheren Uebersichten (geburtsbülfl.
Skizzen u. Honatsschr. i. Gebqrtsk. XVI. 5, 6) gegebenen
Resultaten, soweit sie dort festgestellt sind, indem hier bei
den 1274 Geburten namentlich auch blos ein Mal Senkung
des Nabelstranges bei tiefer Anheftung des Mutterkuchens
mit Einpflanzung im unteren Rande bemerkt ist , bei ein Mal
Vorfall, dort bei 2580 Geburten blos zwei Mal Vorfall.
Es weist aber auch ganz besonders auf die Nacbtheile
einer bis weit ins Geburtgeschäft hinein fortgeführten aufrechten
Haltung der Frauen und des plötzlichen, gewaltsamen Wasser-
abflusses hin, welche um so mehr hervortreten, wenn beide
zusammenfallen. Denn von den 10 Beobachtungen mit Vorfall
der Nebelschnur neben dem Kopfe kamen 5 auf Personen,
die mit Wehen eintraten, 1 auf eine die ihre Wehen ver-
heimlicht hatte, und die 4 übrigen auf Zwillingsschwanger-
272 V- ßimbmm^ Beriokt über dU gebnrtsKlUlliclieii
Schäften. Bei einfachen Geburten , die von Anfang an genaner
Controlle unterworfen und zu frühzeitigem Liegen gebracht
werden konnten, kam, mochte der Kopf gleich vollkommen
vorliegen oder später erst zum Vorliegen kommeo, nicht ein
einziger Fall vor.
Es erklärt dies auch das höchst ungünstige Resultat (ur
die Kinder. Denn von diesen 15 Kindern wurden geboren:
• lebend 6, sämmtlich in Unterendlage oder als Zwillinge ;
todtabsterbend 7, worunter 1 ZwiUingskind ;
todtfaol 2.
Für die 10 Vorfalle neben dem Kopfe also lebend blos
3 Zwillingskinder , wovon eines unzeitig, die beiden and«*en
mit der Zange entwickelt
lieber die Sectionsresultate soü noch späterhin das Er-
forderliche nachgetragen werden.
XII. Vorliegen des Mutterkuchens.
Es wurde bei den 1274 Geburten 5 Mal beobachtet,
1 : 254,80 = 0,39 Procent und zwar bei
Erstgebärenden 2 == 0,25 Procent,
Mehrgebärenden 3 = 0,62 Procent.
Die Vorlage war 2 Mal central, 1 Mal lateral, 2 Mal marginal.
Die marginale Vorlage machte sich bei einer Erst-
gebärenden erst zu Anfang der Geburt geltend in immer
mehr zunehmender Blutung, bis die Blase gesprengt wurde.
Die Geburt des 6V4 pfundigen Mädchens erfolgte danach rasch
in erster ScheitelsteUung. Bei der Mehrgebärenden hatte
sich aber die Blutung seit den letzten sechs Wochen immer
zeitweilig wiederholt, und war im Beginne der Geburt bei
krampfhaften Wehen solange stark andauernd, bis bei An-
wendung des Ung. beilad. und Pulvis Doweri der Muttermund
zwei Thaler gross geöffnet war und die Blase gespr^gt wurde.
Die Geburt des 6 pfundigen Mädchens verlief dann rasdi und
leicht in erster Scheitelstellung.
Die laterale Vorlage bei einer Erstgebärenden im
siebenten Monate der Schwangerschaft, die nach starkem
Blutverluste in die Anstalt gebracht wurde , forderte Wendung
und Extraction.
Die beiden Fälle von Placenta praevia centralis wurden
Leiatimgen der Rhein. Proy.-Hebamnienaaatalt etc. 273
in dem Zustande grösster Anämie mil sehr fester Tamponade
in die Anstalt gebracht. In beiden war nach Entfernung
des Tampons der Mutterkuchen grösstentbeils gelöst gefunden,
in beiden wurde aber mit Rücksicht auf den grossen
Schwächezustand zur Wendung und Extraction geschritten.
In dem einen, bei einer Sechstgebärenden, lag die linke
Schulter in der linken Beckenhälfte vor, Kopf über die linke Syn-
ostosis puboiiiaca hinausgeschoben, Fasse etwas über die»
vordere Beckenhälfte. Mit Sprengung der Blase hodi oben
hinter dem Mutterkuchen gelang die Einleitung der Fasse
leicht Es ging aber ein mit vielem Kindspech gemischtes
Fruchtwasser ab, und da der Anzug an den Füssen sehr
schmerzhaft wurde, musste die Drehung des Kindes mittels
einer Gabe von 15 Tropfen Tra opü vorbereitet werden. Die
Hüften traten bei weiterem Anzüge V4 Stunde später so ein,
dass die rechte vorn links, Rucken vorn rechts zu stehen
kam. Bei weiterem Vorrücken ging dieselbe wieder nach
rechts vorn zurück , so dass der Bauch nach oben sah, und
Hess sich dann ganz leicht die linke nach rechts vorn hin-
überleiten, so dass das Kind in erster Fusslage durch das
Becken durch, in zweiter aus demselben hervortrat. Die Lö-
sung der Anne ging leicht vou Statten. Ebenso folgte der
Kopf dem Anzüge an den Schultern und dem Kinne. Das
Kind blieb dabei wachsbleich, ohne Spur von Anschwellung,
ohne Spur von Athembewegung oder Bewegung irgend welcher
Art. Der Mutterkuchen musste wegen fester Anheftung an
der vorderen Wand der Gebärmuttei* kunstlich gelöst werden.
El- war 10" lang, in der Mitte 6", an einem Ende 3", am
anderen 5'* breit. Die Frau erholte sich langsam. Bei dem
Kinde fanden sich zahlreiche pericraniale Ecchymosenflecken
und an der rechten Seite Spm*en subpericranialen Extravasates,
ungemeine Blutüberfailung der Pia mater und der Sinus, mit
etwas ödematöser Infdtration der Hu*nobei*fläclie und der Höhlen,
Ecchymosenflecken auf den dunkelfarbigen Lungen, an der
Pleura diaphragmatica und am Herzen , dessen rechter Vorhof
sehr stark mit Blut überfüllt. Alle Organe der Unterleibs-
hölde sehr kräftig entwickelt, strotzend von Blut. Der Tod
war apoplectisch suffocatorisch.
In dem anderen, bei einer Drittgebärenden, war die
Uonauiebr.f. aeburtak. 1866. Bd. XXV. Snppl.-Hft. 18
274 V. Bifrnbaum^ Bericht über die gebnrtshülfli^en
Anämie ebenfalls sehr bedeutend vorgeschritten, die Kreisseode,
welche schon vier Wochen vorher eine starke Blutung über-
standen, bleich, pulslos, zu Ohnmächten geneigt Der Mutter-
mund fand sich nach Entfernung der ausserhalb der Anstalt
eingelegten Tampons fünf Groschen gross erweitert Mit Muhe
gelang es, an dem hinleren grösseren Stucke vorbei vier
Finger durchzuftlhren , mit keiner Anstrengung aber die ganze
' Hand. Der Kopf wurde sehr beweglich vorliegend gefunden.
Doch gelang es leicht, durch äusseren Gegendruck den
rechten Fuss in den Bereich dieser Finger zu
bringen, und mit einiger Muhe, die Eihäute am Rande des
mit vielen Faserstofl'plaques durchsetzten Mutterkuchens zu
zerreissen, um diesen Fuss aus ihnen, dem Mutterkuchen
und der Muttermundsli])pe frei zu machen und einzuleiten.
Nachdem er einmal durchgeleitet war, folgte das Kind dem
Anzüge rasch mit Drehung dieser Hüfte nach links und vom:
doch musste die linke Hüfte rechts und hinten mit aufge-
schlagenem Beine aus dem mit herabgezogenen Muttermunde
künstlich gelost werden. Dann ging die weitere Entwickelung
und Lösung des linken Armes unmittelbar ganz leicht, die
des rechten mit Drehung der Schulter von links vom nach
hinten ebenfalls rasch und gunstig von Statten. Das 4pföndige
Mädchen war todt. Die Frau erholte sich zwar langsam aber
vollständig im Wochenbette.
XIII. Krampfhafte Wehenthätigkeit
wurde als vorwiegende Regelwidrigkeit bei 66 Gebärenden
beobachtet, also 1 : 17,79 oder bei 5,18 Proc, und zwar bei
Erstgebärenden 57 =7,23 Proc. Mehrgebärenden 9=1,85 Proc.
Knaben 33, Mädchen 33,
Kinder bis 6 Pfd. 27=4,57 Proc. dieser Kinder mit Einschluss
der vorzeitigen.
von6V2und7Pf. 29=6,01 Proc. dieser Kinder,
über 7 Pfd. 10=4.71 Proc. dieser Kinder.
Scheitellagen 64, Steisslagen 2.
Als Compli cationen mit oder ohne Causalnexus erschienen:
LefstQDgen der Hhein. Prov.-Hebammenftnstalt etc. 275
, Unnacbgiebigkeit der Geschlechtsllieile 7,
Umschlingung der Nabelschnur 5,
Kurze der Nabelschnur 2,
Umschlingung mit Uterus bipartitus 1,
Beckenenge 12,
Feste Eihäute 9,
llandanlage 1,
Plethora 9,
Erkältungen 9,
Endometritis 4,
59.
Manche dieser PSlle forderten im weiteren Verlaufe
opftFalive Nachhülfe, und werden unter dieser Rubrik Er-
wähnung finden. Nur wenige waren übrigens von grösserer
Hartnäckigkeit, die in Gebrauch gezogenen Mittel waren immer
Vaginaldouchen, warme Umschlage, Sinapisnu^n , Klysliere,
Oeieinreibungen, in einzelnen Fällen allgemeine Bäder, Blutegel,
Schröpfkopfe, in einzelnen Fällen Aderlass, und unter den
arzneilichen Mitteln Ipecacuanha, mit oder ohne Borax, Tra
Tlifbaica oder Pulvis Doweri, Tra cannab. ind., Ung. Beilad.
Zuweilen erwies sich Compression und Zurückschiebung
der Ihrombenartigen Vordorlippe als nützlich oder nolhwendig,
besonders bei Einklemmung im engen Becken.
XIY. Eclampsia parturientium.
wurde 5 Mal beobachtet, immer nur bei Erstgebärenden,
also 1 : 254,80 oder bei 0,40 Proc. der Geburten, 1 : 157,60
der Erstgebärenden, oder bei 0,64 Proc.
Alle Fälle betrafen kräftige, voUsaftige Personen. Die
meisten waren mit nachweisbarer Albuminurie verbunden. Bei
allen bildete der Aderlass den Haupttheil der Behandlung und
dann künstliche Entbindung mittels Zange. Tödtlir.h endete
keiner der betreffenden Fälle.
XV. Regelwidrigkeiten der mütterlichen
Weichtheile.
Dieselben betrafen:
A, Die Gebärmutter selbst 5 Mal =0,40 Proc. und
zwar:
18*
276 V. Birnbaum, Berieht ober die gebnrtshilflieheB
a. Die Form, derselben 2 Ma]=0,16Proc. Efaimal
als Uterus bicornis mit Zwillingen, 1 Mal als Uterus
unicornis mit verkümmertem Nebenborne, in welchem die
Placenta befindlich war. Hier wurde Zangenanlegung an den
Kopf und nachträglich Solutio placentae erforderiicfa.
b. Rigidität des Muttermundes 2 Mal=0,16Proc
Bei einer 32jährigen Erstgebärenden forderte sie zweimalige
Anwendung des Dampfbades, bei einer 21 jährigen blutige
Erweiterung.
c. Vorfall des unteren Abschnittes 1 Mal
=0,08 Proc. Die Frau, eine Zweitgebärende, kreisste seit
vollen zwei Tagen mit anhaltenden und heftigen Wehen bei
schleichendem Abflüsse des Wassers. Der nebst der Scheide
in breiter Wulst um ihn herum durch die Schamspalte hervor-
getretene untere Abschnitt war zurückgebracht worden, doch
trieb ihn der Kopf immer wieder hervor. Die Erweiterung
des Mutlermundes aber war bei der heftigen Thätigkeit trotz
10 Gaben Seeale cornutum und warmer Umschläge nidit
erzielbar gewesen. Bei der Transferirung in die Anstalt
fand ich die Scheide weit wulstig vorgetrieben, den unteren
Abschnitt tief herausgedrängt, den Muttermund knorplicht fest,
narbig, daumendick, etwa 2'' geöffnet. Die Person verbreitete
einen wahrhaft aasartigen Fäulnissgeruch. Die Entbindung
keinen Augenblick verschleppend chloroformirte ich sie sofort,
und legte nun nicht ohne Mühe eine kleine, sehr schmale
englische Zange (die Johnson'sche) an, und machte mit ihr
vorsichtige Tractionen. Da aber der untere Abschnitt mit
herabkam, nahm ich 3 — 4 Incisionen von 3"' Tiefe in den
Muttermund vor und schob ihn so unter Anspannung mittels
der Zange hinter den Kopf zurück. Dieser wurde zuletzt
manueU aus der Schamspalte gelöst. Die Schultern* folgten
leicht, aber hinter dem Kinde eine über alle* Maassen senkende,
schwarze, missfarbige Brühe. Die Umschlingung der Nabel-
schnur um den Hals hatte nicht gehindert. Kind und Mutter-
kuchen befanden sich im äussersten Grade der Fäulniss. Die
Mutter ging an Metrophlebitis septica mit brandigem Erysipel
in der Sacralgegend zu Grunde, hatte aber aucli zugleich eine
äusserst bösartige Puerperalfleberform , die viele Opfer forderte
eingeschleppt.
L«iftangren dtt Khein. Prov.-HdbammenanataU etc. 277
B. Die Mutterscheide 13 Hai.
a. Vorfall derselben 6 Mal=l : 212,33=0,47 Proc.
Vier Hai betraf dies die vordere Wand, die aber immer
leicht zuräckgehalten werden konnte, wenn gleich 2 Hai dabei
allgemeine Enge des Beckens die Zange erforderte. 1 Hai
war noch Anlage des rechten Händchens nebst verkehrter
Schulterdrehung vorhanden.
Ein Hai war bei einer dreizehnten Geburt der ganze
Scheidenumfang vorgetreten, und konnte nur mit HQhe zurück-
gehalten werden.
Ein Hai war bei einer dritten Geburt Prolaps-, recto
vaginahs zugegen. Das Kind blieb in dritter Scheitelstellung
und wurde so mit der Zange hervorgeleitet. «Bei dreimaliger
Umschlingung der Nabelschnur um den Hals erforderte die
Vorleitung der Schultern Richtung des Rumpfes gerade nach
aufwärts.
b. Gegenwart des Hymen 4 Mal=l : 318,50=0,31 Pr.
Ein Hai zerriss es von selbst bei der Geburt, da es
weich und niedrig war. Das Schamlippenbändclien blieb wohl
erhalten.
Ein Hai musste es wegen sehniger Beschaffenheit in
unversehrtem Zustande eingeschnitten werden, um dem Kopfe
den Austritt zu gestatten.
Ein Hai war es bei gleicher Beschaffenheit blos einge-
kerbt. Der vordrängende Kopf trieb es bis in die Hitte des
Dammes, welche sich dadurch in starker Spannung eingezogen
und vertieft auswies. Der Kopf selbst di*ängte den Hinter-
damm stark vor, während die Kopfgeschwulst gegen Vorder-
damm und Schamspalte vorquoll, wodurch die stramme Ein-
ziehung in der Mitte sehr auffallend erschien. Auch hier
hoben mehrere seichte Einschnitte in das Hymen das Hinder-
niss sofort, musste aber der Damm später ebenfalls noch
seitüch eingeschnitten werden.
Ein Mal, bei einer 24jährigen Blondine, wurde es dick,
fleischig, sehr fest, der Art vollkommen angetroffen, dass
erst nach 2 seitlichen Einschnitten mit der Scheere über-
haupt die Untersuchung möglich wurde, indem zuvor der
kleine Finger nur mit der grössten Hube und nicht ohne
die grössten Schmerzen */«" ^*®f eingedrungen war. Bei
278 V. Birnbaum, BerU^t über die gubartshüllliolieii
Austritt des 6Vapfüiidigen Knaben inusste ebenläJls noch
durch seitliche Incisionen naciigeiiolfeu werden.
Hier hatte offenbar Coucepliu sine ulJa im-
missione penis stattgefunden.
c. Der Scheideneingang 3 Mal = 1 : 424,33 =
0,24 Proc.
Bei einer Erstgeliärenden mussie der Uebergang der
linken Häfle von links nach rechts durch Scar^ficalion des
Scbeideneinganges erleichtert werden, um den Austritt des
allen Wehen Trotz bietenden Steisses zu bewirken*. Diesel-
ben wurden im obern Umfange gemacht.
Bei ehier anderen Erstgebärenden waren sie in gleicher
Richtung erforderlich, um den schief gestellten Kopf zum Ein-
schneiden zu bringen.
Bei einer 24 jährigen Erstgebärenden spannte sich IV«"
weit hinter dem Frenulum eine stramme Falte der Art vor
dem Kopfe des blos 5-pfündigcn Kindes, dass sie auf das
Hartnäckigste immer an derselben Stelle festlitelt und sich
ebenfalls erst nach mehreren seichten Scarificationen verlor.
Die Incision des Dammes konnte in allen diesen Fällen nicht
in Betracht kommen, da derselbe gar nicht gespannt war,
und die Versuche, das llindemiss durch Dehnung und Zurück-
schiebung zu beseitigen, blieben vergeblich.
C. Die äusseren Geschlcchtstheile 36 Mal =
2,83 Proc. der Gebärenden, 4,57 Proc. der Erstgebärenden.
Es wurden hier immer seichte Einschnitte in das
Mittel fleisch gemacht, bald zu beiden Seiten, bald in der
Mitte, und niemals der geringste Nachtheil oder ein Unver-
heiltbleiben der kleinen Wunden beobachtet. Die lacisio-
nen reihten sich unmittelbar an die oben erwähnten Sca-
rificationen an, indem sie bald durch dieselben entbehrlich
wurden, wenn Schief- oder Querstellungen des Kopfes so
sich regulirten, bald sich unmittelbar an dieselben anschlössen,
bald selbstständig von ihnen für sich allein vorgenommen
wurden. Niemals riss bei uncomplicirten Fällen eine der
Incisionen nach. Nur Complicationen fährten zuweilen zu
solchem Nachreissen.
Von diesen Fällen waren es 23 Mal, bei 63,89 Proc.
dieser Fälle, vorwiegend die Unnachgiebigkeit 4es
LeUiuagon dar Bheio. Prov.-Heb«miD«aanslalt eto. 279
Danmies, welche die Operation forderte. 7 Mal war dabei
Beschräukung des Beckens zugegen, meist mit dem Charakter
des allgemein zu engen Beckens, worunter 2 künstliche Früh-
geburten mit Anlegung der Zange an den Kopf bei der einen,
und 2 Zangeuanlegungen bei reifen Kindern. Einmal war
ferner die Zange an den Kopf bei 40 jähriger Erstgebärender
mit regelmässigem Becken angelegt worden. Einmal waren
Scarüicationen des Scheidennrandes vorausgegangen.
13 Mal bei 36,11 Proc. der Fälle wirkten andere
Complicationen zum Festhalten des Kopfes im Ausgange
des Becken mit, welche die Natur vor Beseitigung des Hin-
dernisses Seitens des Danunes gar nicht, nach derselben
leicht und rasch überwand.
Dieselben bestanden in
a. Trichterbecken nach abwärts 1 Mal. Der Kopf
blieb hier gleich nach den Scariiicationen auch ausser den
Wehen in der Schamspalle.
6« Nabelschnurumschlingung 7 Mal. Einmal war
die Geburt bei doppelter Umscldingung um den Hals noch
krampfliaft gestört, bis nach Aderlass und Pulvis Doweri
Besserung eintrat, docli folgte der Kopf erst unmittelbar nach
den Incisionen. Der 7 pfundige Knabe war tief scheintodt.
Auch ein 8 pfundiges Mädchen wurde unmittelber nach den-
selben scheintodl geboren. Einmal war so bedeutende
Verkürzung der Nabelschnur zugegen, dass das Kind nur
unter Erhebung des Rumpfes bis zu aufrechtem Sitzen vortrat.
Einmal ging der Nabelstrang 4 Mal um den Hals herum.
c. Armanlage neben dem Kopfe 2 Mal, bei Anlage
des rechten Händchens neben erster Scheitellage, einmal mit
verkehrter Schulterdrehung.
d. Armanlage mit Umschlingung 2 Mal. Das eine
Mal ging die Umschlingung einfach um den Hals und musste,
da durch Anlage des rechten Händchens die Drehung aus
vierter in erste Scheitelstellung behindert wurde, vorher noch
der vorgedrängle Hymenrest durchschnitten werden.
Das zweite Mal ging sie gleichzeitig um den anliegenden
Arm und hielt ihn in starker Abduction unverrückt fest, so
280 V. Birnbaum, B«rioht über die gebartthttlfKebea
dass der EHnbogen trolz der Scarification den Damm bis
zum Sphinkter entzweiriss.
e. Krampfwehen 1 Mal.
XVI. Beckenenge.
Sie kam im Allgemeinen 114 Mal vor, 1:11,17
=8,95 Proc, und betraf:
A. Me leckeahUle 104 Mal = l : 12,25=8,16 Proc.
Die niHi«ren Verhältnisse waren:
Erstgebärende 74, Mehrgebärende 30.
Knaben 46, und zwar frühzeitig 3 (4, 4% 4Vs Pfd.)*
von 5—6 Pfd. 20 (6 X 6 Pfd., 2x5V2 Pfd., 12X6 Pfd.),
von 6Va imd 7 Pfd. 15 (5X6»/« Pfd., 10 X 7 Pfd^ von
7Va Pfd. und darüber 8 (4X7V« Pfd., 4x8 Pfd.).
Mädchen 58, und zwar frühzeitig 8 (3x3, 4, 4'/«, 2X
5, 5VaPW.» von 5— 6 Pfd. 26 (4X5, 3X5% 19X6 Pfd.).
von 6V, und 7 Pfd. 22(10X6'/«, 12x7 Pfd.), von 77« Pfd.
und darüber 2 (8 und 8'/» Pfd.).
Es verliefen: natürlich 61 J p;QßR.>ii qx
künsüich43i = ^^^'^^ = ^^'^^*^'3^-
Die Beckenformen waren:
Mit natürlichem Verlaufe
Allgemein zu eng ... . 15 (3'', UXSy.'O*
Rhachitisch allgera. sa eng 6 (27,'', 3'', 4X3V,'0-
Einfach rhachitisch . . . 21 (2 X 3", 3 X 3%", 12 X S%",
4X3V4").
Rhachitisch schief. ... 6 (3", ÖXSV.'O-
Nach oben trichterförmig . 13 (37/', 7X3»/,", öXS»/*")-
Schr&g oyal —
Jnstominor mit sechswirbli-
chem enormem KreuEbein —
61"
Mit Knnsthtilfe.
Allgemein zu. eng . . . "^ . 8 (sämmtlich 37,").
Rhachitisch ailgem. su eng 10 (öX2Vs"> ^>^Vi!*t^">^%'%^V%')'
Einfach rhachitisch ... 13 (1«/^", 2'/,", 3", 2X3 WS 8X3*/,").
Rhachitisch schief . . . . 7 (2%", 6X3V,").
Nach oben trichterförmig . 3 (sämmtlich 37,").
Schräg oval 1 (37,").
Jnstominor mit sechswirbli-
chem enormem Kreagbein 1 (SV/^Q.
48~"
Leftitm^M der Bheis. Prov.-HttbftniineiiRaaUU etc. 281
Samme.
Allgemein Btt eng . . . . 23 (3", 22X8VV0-
Rhaobitisch allgem. su eng 16 (6X2'/,", 2X2V4'', 2X3'', SV^",
5X8%").
Einfach rhachitisoh ... 34 (IV4", 2*/,", 3X3", ÖXSV^", 20
X3V,", 4X3V4")-
Rbacbitiach schief. . . . 13 (2V4") 3", 11X3'/,").
Nach oben trichterförmig . 16 (37^', 10X3V,", ÖX3V4")
Schräg oval .1 (3'/,").
Jnstominor mit Bechswirbli«
cbem anormem Krenabein 1 (3%").
104 "
Die allgemeine Uebersicht, abgesehen von der Form,
ergiebt demnach:
der Gebarten der Becken
= 0,07 Proc. 0,96 Proc
10 = 0,78 „ 9,61 „
= 0,56 „ 6,73 „
76 = 5,96 „ 73,08 „
= 0,78 „ 9,61 „
1V4" 1(
[kfinsüich .1)
2V," 7
6)
2V4" 3
3)
3" 7
2)
3V4" 7
3)
3Vi" 69
27)
3V4" 10
1)
104
43
8,14 Proc 99,99 Proc,
Das Verhältniss des Gewichtes der Kinder zu dem
natürlichen und künstlichen Verlaufe der Geburten und der
Todtgeburten ergab:
natürlich geboren künstlich geboren
A 35. B. 22. a 4. A. 22. B. 15. C. 6.
, 61 ~ 43 ~
Unter den mittels Kunsthfilfe geborenen Kindern befinden-
sich 9 mittels der künstUcben Frühgeburt eingeleitete, von
denen 6 nach Beginn der Wehen ohne weitere Kunsthülfe
zur Welt kamen, 1 noch Extraction mit Anlegung der Zange
an den nachfolgenden Kopf erforderte, 2 Zange an den voraus-
gehenden Kopf. Diese danach vertheilt, gestaltet sich das Ver-
hältniss also:
natürlich geboren kfinstlieh geboren
A. 41. B. 22. a 4. A. 16. B. 15. C. 6.
67 '~ 37
Todtgeboren waren
als bei der Gebort absterbend:
282 V. Birnbaum, Bericht über dfe gebnrUtolllKeb««
Knftben
MXdche
R
5 A. 3 g. _
3A.
8 B.
^8 -4. 8 B.
^ 8 er
von 57 von 37
von 10.
Die natürlichen Geburten waren
complicirt
mit:
Armaniage neben dem
Kopfe 7,
Krampfwellen . . .
. . 5,
Umschlingung der Nabelschnur 14,
Vorrall der Nahelschnui* . . 2.
Die Kunslhulfen waren:
A. Künstliche Frühgeburt 9, also in
8,657o der Beckenenge.
B, Wendung 5, „ „
4,81,, ,,
♦»
C. Extraction bei Uuter-
endlage . . . . 2, „ „
'1»9«>» »t
«9
2>. Anlegung der Zange
an den vorausgehen-
den Kopf . ♦ . 21, „ „
20,19,, „
»»
E. Perforation und Ke-
phalotripsie . . . 3, „ „
2,89 „ „
1»
F. Kaiserschnitt . . , 2, „ „
1,92,, „
f)
G. Reposition der Nabel-
schnur .... 1, „ „
0,96 „ „
»»
43 41,347o.
A. Die künstliche Frühgeburt betraf:
3 Mehrgebärende, 6 Erstgebärende.
Rhachitisch allgemein zu enge Becken 7.
ö mit 2V2"igen Becken 2 mit 2V4'igen Becken.
4 mit Einlegung eines Bougies, 1 mit lojectioa mit
nachfolgender Zangenanlegung.
1 mit Injectionen, Bougie und nachfolgender Extraction
mit Zange an den nadifolgenden Kopf.
Rhachitisch schiefes Becken mit Lumbarlordose 1,
von 3V4" Conjugata. Einfache Injeclion.
Rhachitisch schiefes Becken mit 3V4'' Conj. . 1,
Injection noch Blasentampon.
Von den Kindern kamen zur Welt:
lebend, gesund enUassen 4 (4^/« Pfd. 4% Pfd. 5 Pfd. 3 Pfd.
bald sterbend 3 (4 Pfd. 4Va Pfd. 3 Pfd.)
todt 2 (5 Pf4. ÖV« Pfd.)
LeitUiogen d^r Bbein. Prov.- H«b«inifteBMi8tftlt etc. 283
B. Die Wendung betraf:
Er8lgebäi*ende, die mil Arnivorfall bei Trichterbecken
?0D 3V2" eintrat Zange an den nachfolgenden Kopf. Knabe
7 Pfd., lodt,
Er^gebärende mil gleichem Becken. Vorfall der Nabel-
schnur und beider Arme neben dem Kopfe beim Eintritte in
die Anstalt. Extraction mit Zange ergab todten Knaben
von 6 Pfd.
Erstgebärende mit rhachitischem Becken von SVs" und
Schulterlage. Knabe 8 Pfd., todt.
Erstgebärende mit 6wirblichem Kreuzbeine, erste Scheitel-
lage mit Arnivorfall. Extraction mit Zange an den nach-
folgenden Kopf brachte einen todten Knaben von 1% Pfd.
Hehrgebärende mit Tricbterbecken von S%** und Schulter-
lage mil Armvorfall. Mädchen 7 Pfd., todt.
C. Die Extraction bei Unterendlage betraf eine
Erstgebärende mit allgemein zu engem Becken von S%"
Conjugala und Fusslagc Unke Ilfifte vorn rechts. Durch
Anlegung der Zange an den nachfolgenden Kopf wurde ein
scheintodtes belebtes Mädchen von 6 Pfd. geboren, eine
Mehrgebärende mit kunstlicher Frühgeburt und halber Fusslage
rechte tlüflc rechts vorn nach hnks übergehend. Die Zange
brachte ein scheintodtes wieder belebtes Mädchen von 5 Pfd.
D. Die Zange an den vorausgehenden Kopf
ergab 7 Mal todte Kinder, 2 Mäddicn von 6^4 und 67« Pfd.
5 Knaben von b% Pfd., 6 Pfd., 6'!^ Pfd., 8 Pfd., 8 Pfd.
E. Die Kephalotripsie wurde bei Pelvis nana mit
infantilem Charakter von 3^' Conjugala erforderlich und mittels
Wendung zu Ekide geführt Die Mutter starb nach 14 Tagen.
Der zweite Fall betraf eine riiacbitiscbe Person mit
3Va"igem Becken , die mit sehr hartnäckigem Rheumatismus
uteri seit mehreren Tagen zu kämpfen hatte, und wo sich
in Folge dessen der neben dem Kopfe vorgefallene Arm so
fest in das Becken einkeilte, dass nur die Kephalotripsie zur
Entwickelung des Kindes übrig blieb. Die Mutter genas.
Bei dem dritten Falle war ein 2V2"igcs rhachitisches
Becken vorhanden. Die Person gab an, schon einmal natürlich
ein 7 monatliches Kind geboren zu haben, und jetzt ebenfalls
sich im siebenten Monate zu beflnden. Beide Angaben erwiesen
284 V- Bimbrnim^ Beriolit über die gebnrtahalflieheii
sich als von ihr gcAissentlich falsch gemacht, indem das
unter enormen Schwierigkeiten entwickelte Kind sich als aus-
getragen herausstellte, und nacli eingezogenen späteren Er-
kundigungen da^ erste Kind kein sieben- sondern ein sechs-
monatliches war. Die Mutter starb nach 48 Stu^flen an
einer Usur der hinteren Gebärmutterwand bis auf den Peritoiiaeal-
Überzug in der Gegend des Vorberges.
F. Der Kaiserschnitt kam zuerst bei einer rhacbi-
tischen Zweitgebärenden mit 2'/4'1gem Becken und bis auf
einen engen Fistelgang totaler Verwachsung des Muttermundes
und des Scheidengewulbes ziu* Beobachtung. Das Kind wurde
lebend extrahirt. Die Mutter starb an Sepsis.
Der zweite Fall betraf eine sehr verwachsene rhachitische
Erstgebärende mit l'/4"igem Becken, die nach fünftägigem
Kreissen mit noch ganz unverändertem Mutterhalse in die
Anstalt gebracht wurde. Das 7 pfändige Mädchen mid der
Mutterkuchen befanden sich im Zustande weit vorgeschrittener
Fäulniss; die Mutter starb nach 48 Stunden.
Die Beckenformen anlangend, so hebe ich zwei
als besonderes Interesse bietend hervor, das eine der Form
wegen, das zweite der grossen Beschränkung wegen.
Das erste bot die Seitenbeckenkuochen mit dem vollen
Typus der Pelvis nana, das Kreuzbein in überstarker Ent-
Wickelung, wie folgende vergleichenden Maasse ergeben:
Darmschaufelhöhi 3" 5Va''
Hüflblattlänge .* 5" 6'"
Länge der horizontalen Aeste der Schambeine 2'' T"
Vorderseitenhöhe 3''
Krettzbeinhöhe 4" 10'"
Dieselbe von der Verbindung des 1. u. 2. Kreuz-
wirbels gemessen 3" 8'"
Kreuzbeinbreile oben 4^' 2"'
Breite des 5. Kreuzwirbels 2" Q%*''
Es ergaben sich hieraus, und da das Kreuzbein 6 Wir-
bel besass, deren unterster als Schaltwirbel seine Stellung
zwischen Kreuz- und Steisswirbel findet (die vordere Fläche
ist durch tiefe Verbindungsstellen dem ersten Steisswirbel
sehr ähnlich, während die beiden Schenkel des letzten Stachel-
fortsatzes um den untersten Hiatus canalis sacralis herum
Leiatang^dn der Rhein. Prov.-Hebamroenanstalt etc. 285
auf die Hinterfläche übergehen und ihn so als Kreuzwlrbel
eharakterisiren. Die Foranrina sacralia dieses frei schmal
überragenden Wirbels sind nichl geschlossen, nur tiefe %
Kreis betragende Einschnitte) folgende näheren Beckenver-
liältnisse :
Abstand der Hnftstacheln 8'' IOV2'"
Abstand der Hüflkämme 9" 10"'
Beckenumfang in der Pfannengegend . . 20^' A**'
Eigentliche ConjugaU 3'' Sy»'"
Dieselbe vor der Verbindung des 1. u. 2.
Rreuzwirbels 3'' 8'"
Abstand der Bogenlinien 5"
Abstand der Hüftsclioossverknöcherungen . 4'' 2*"
Gerade der Beckenmitte 3" W*
Quere zwischen den Pfannen 4" 3'"
' Vorderer Sitzknorrenabstand 3" 2'/«^'"
Hinterer Sitzknorrenabstand 3" 10"'
Sclioossbogenbreite zwischen den Synost.
puboischiad. bei 9'" Höhe .... 2"
Im Niveau des Beckeneinganges befand sich nicht der
Vorberg, sondern die Verbindung des 1. und 2. Kreuzwirbels,
über welche Stelle sich der erste Kreuzwirbel um 14'" hin-
aufschob. Der 6. Kreuzwirbel bot bei 7"' Höhe knapp 1"
grösste Breite. Das Becken war demnach durch diese regel-
widrige Kreuzbeinbildung in gerader Richtung in allen Theilen
zu eng, in querer nur im Ausgang, in allen übrigen zu weit,
und der Beckeneingang war in einen Zwischenbeckenraum
von 14'" hinter^ Höhe umgewandelt.
Das zweite ist durch den gleichmässigen und hohen
Grad der Verengerung im Eingange von Interesse bei übrigens
rein rhachitischer Form und stelle ich es hier mit dem
nächst engen Becken zusammen, bei welchem die Kepha-
lotripsie mit tödlichem Ausgange für die Mutter gpmacht
worden.
286 Bimbimm, V. Bericht über die gebnrtslitilfnelieii
Aeasaere Circamferens um die Pfanae
Abstand der Spinae anteriores saperiores von einander .
„ „ cristae ossiam iliam von einander ....
„ „ Spinae anteriores saperiores von den posteriol
Mittlere Schanfelhöhe von der Bogenlinie anr Karamhobe
Vordere Schanfelhöhe von Spin. ant. aap. za Syn. paboiliM
Abstand des Proc. spin. vertebr. lamb. quint. v. d. Spin. ant. nf
„ „ „ „ „ „ v.ob.Randd.Schootf^
» « « « ») quartae „ . ,i „ ^
» >» « n >» terliae ,, „ „ „
Höhe des fünften Lendenwirbelkörpers
„ ersten Krens wirbeis
„ „ zweiten „
Krensbeinbreite ^
Kreuzbeinhöhe
Schoossfug^enhöhe
Schoossbogenhöhe
Vorbergmitte zum untern Runde der Scbooesfage . . .
Verbindung des 2. mit dem 3. Kreuzwirbel zu derselben.
Beekeneingang.
Vorbergmitte zum obern Schoossfugenrande . .
,, zu Synostosis puboiliaca ....
Seiten des Vorberges zu derselben direct gemessen
Abstand der Bogenlinien von einander
„ „ SynbBtoses pubo iliacae von einander .
„ ,, Verbindungslinie der Synostoses vom Vorberf.
)) )) )) }) )) von d. Schoossftif
Erste schiefe Durchmesser . *
Zweite „ „ i
Beckenmitte.
Verbindung des 1. und 2. Kronzwirbels zur Scboossfngennutt
„ „ 2. und 3. „ „ „
„ „ 1. und 2. Kreuzwirbels zum untern Rande
„ „ 2. und 3. „ „ „ „
Pfannenabstand
Beckenenge und Beckenausgang.
Kreuzbeiuspitze zum unteren Schoossfugenrande .
Steissbeinspitze „ „ „
Abstand der Spinae ischiadicae von einander . .
„ „ Tubera ischiadica „ „ vom
ji n n n v n hinten
,7 „ „ Synostoses. poboischiadicae von einsd
Leiitii]if«a der Bheia. Proy.-HebMnnieiMMUH ete. 287
A. B.
8" 9"'
rechts 5" 6'", links 6" 6'"
„ 3" 7'" „ 3" 9'"
„ 2" 6'" „ 2" 4"'
„ 6'' „ 6"
6" 3'"
6" 9'"
6" 9"'
21"
-
9''
31.1
9''
6'"
i 5" 6"' links,
, 5"
4"'
2" 11'
«4
3"
1"'
2" 11'" „
3"
1"'
6" 9'" „
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„ 2" 3V,'
2" 3'
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4"
11"'
4"
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1"
3'"
1"
3«i«
4"
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10"
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2"
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* 9'"
2"
1'/.'"
288 V. Birnbrnm^ Bericht aber di« ^dbartohttillieheii
A. Die Krümmung des Kreuzbeines beginnt beim 3. big
4. Kreuzwirbel erst, und die 3 obersten Kreuzwirbel treten
von einer Seite zur andern convex hervor.
B. Die Krümmung des Kreuzbeines ist ebenso. Die
Starice convexe Wölbung von einer Seite zur andern tritt am
stärksten am 1. und 3. Kreuz wirbel hervor.
XVII. Physio-palhologische Varietäten.
Die Einpflanzung der Nabelschnur betreffend, so
war sie unter 666 in den letzten Jahren genau verzeich-
neten Fällen:
central 202 = 30,33 Proc.
excentrisch 360 = 54,05 „
marginal 99 = 14,87 „
velamentös 5 = 0,75 „
666 . 100,00
Einpflanzung am untern Rande ist bei tiefem
Sitze des Mutterkuchens 6 Mal notirt, und führte
2 Mal zu Senkung der Nabelschnur.
1 Mal zu Absterben der Frucht bei Steisslage.
blieb 1 Mal wirkungslos einfach für sich.
2 Mal „ durch Umschlingung.
Die velamentöse Einpflanzung ging 1 Mal in einem
Strange 3'' weit durch die Eihäute weg, sich Va'^ ^^^^ Rande
des Mutterkuchens theiiend, 1 Mal ebenso 2" weit, 1 Hai
gingen die Gefässe in weitem Bogen um den Rand hemm,
2 Mal war die Regelwidrigkeit in sehr geringem Grade gegeben.
Gabelförmig war die Einpflanzung 6 Mal.
Unter den Formvarietalen war 1 Mal bandartig breite
Abplattung, 1 Mal ein Zopf von 1" Länge, 1 Mal eine
Aneurysmabildung, 1 Mal ein Sulzknotep vorhanden.
Die Mutterkuchen boten folgende Grössenver-
hältnisse:
In der grössten Ausdehnung:
Leifllaageii der Rhein. Prov.^Hebammenanstalt etc. 289
8" .
. . 199)
9" . ,
. 42 250 =. 37,76 Proc.
10" .
• 9)
6—7" .
.403 403 = 60,88 Proc.
bi" .
. . 2)
4 frühzeitig bei b" .
, . 6| 9= 1,36 Proc.
1 unzeilig bei 4^" .
. 1)
-662 100,00.
Folgende allgemeinen Formverbältnisse nach
der Differenz der Länge und Breite:
Differens :
runde und rundliche Form : 0"
r
1"
534 = 80,66 Proc.
108 = 16,31 Proc.
zipfligt und buchtig:
280 ;
44
260 '
11
2" . . 79 1
2i" . . 1 '
3" . . 131
4" . . 3I
5" . . 1
8-6" . . 1
8—3" . . 1
7—3" . . 1
6-2" . . 3
5—2" . . 2
5—1" . . 2'
4i— 1" . . 2
4—2" . . 2j
3— i" . . 1
3-0" . . 1
2i— 1" . . 1
2— li".. 2
7—3—6" . . 1
Die Formvarietäten waren:
herzförmig 1 Mal;
nierenformig 2 Mal, in 2 lappigen Hfilfien mit un-
gleich eingebogenem Rande und einfach mit zwei
kleinen Nebenkuchen;
buchtig 1 Mal;
MonMisolut. t. Geburtak. 18«e. Bd. mV. 8appl.-Hft, 19
20 = 3,03 Proc.
290 V. Simbaum, Berieht über die geburtshüifliolMii
oben und unten buchlig 1 Mat;
wellenförinigr 1 Mal mit siebenfacher Einbiegong des
Randes;
zweizipHig 1 Mal, indem genau die Mitte bei 8" und
7|", in der ganzen Masse nur 5 — 7|" bietenden
Dimensionen um 3 — 4'' verlängert war;
Trennung in 2 Theilc 3 Mal, das eine Mal 2 gleiche
Lappen^ unten weit von einander getrennt, oben
mehr verschmolzen, Nabelstrang zwischen beiden,
das andere Mal darch einen tiefen, spitz zu einen
dännen Verbindungscotyledon verlaufenden Ein-
schnitt getrennt. Die grössere Madse bot hier 8''
und 6", die kleinere 5^' und 3".
* Die Nebenkuchen waren der Grösse nach so ge-
theilt:
5" 4'" als doppeller Mutterkuchen.
6" 5'"
; 7" 6'"
: V' 5'"
: 8" ö'"
7" 7"
: 7" 6"
: 6" 6"
: 7" 6"
: 7" 7" 4"
Von angeborenen
kamen vor:
Allgemeine Deformität:
Mannlicher Foetus mit fehlender Verknöcherung des
Unterkiefers, Verkümmerung der Arme und Beine der Lange
nach, aber monströser Ent Wickelung der Dicke 'nach, mit
6 Fingern an jeder Hand, 6 Zehen an jedem Fusse, die
Brusthöhle sehr verkämmert, mit Verkümmerung der Lun-
gen und des Herzens. Leber und Milz sehr gross^ Nieren
aber ganz verkümmert^ kleine platte Kapseln ohne nach-
weisbare Uretheren. Darmkanal im Mastdarm kurzkolbig
endend, mit Fehlen des untern Endes und des Anus. Harn-
blase langer, sehr schmaler, dünner Schlauch, an dem
keine ürelhralöffnung auch mit der feinsten Sonde nach-
5"
3'"
5"
2"
4"
2"
5"
H"
3"
2"
3"
H"
:7"
4"
2^"
2"
.?"
6"
2"
1 '"
:8"
7"
2"
1"
:6"
6"
1 11'
1"
:8"
6"
4"
2"
+ 3"
1 "'
:8"
7"
3"
2"
+ 3"
2"
:8"
6".
SS
bildunsen der Frucht
Lditaiigen der Rhein. Proy.-HebainMenai»talt etc. 291
weifliNir, indem der Penis ebenfalls vollkommen feklt. Der
Jlodensack ist gespalten, enthält die beiden Hoden «her
weder an ihm, noch am Leislenringe ist eine Spur von
Samenslrang nachzuweisen. Im untern Ende der Falte,
zwischen den beiden Hodensacköffnungen ist eine kleine,
ebenfals durch keine Sonde m durchdringende Oeffnung
als Andeutung der Harnröhre.
Atrophischer abgeplatteter Foelus von etwa vier
Monaten, der in den Eihäuten eines reifen kräftigen Mäd*
eheas, 2'' weit vom Mutterkuchenrande sich befand, und
auf den ersten Blick verödeten, lederartig gewordenen
Kotyledonen glich, bis man eine kleinere, etwa 1\^' hohe
und 1'^ breite, länglich runde AbtheHuiig als plattgedrück-
ten Kopf an den sehr deutlichen Augenpunkten auf beiden
Piachen erkannte, eine grössere, unregelmässig geformte,
etwa 2*' lange, 1\^^ breite als platten Rumpf, an dem un-
deutlich Rippenbogen, ein kleines Händchen nebst Vorder-
arm und ein verkflmmertes Pusscken unterschieden wer-
den konnten.
Regelwidrigkeiten der Kopfbildung.
Craniotabes exencephalica in grossen Lucken
auf beiden Scheitelbeinen neben der Pfeilnaht wurde ein-
mal in massigem Grade beobachtet.
Einmal kam Cephalaematoma vor.
Einmal Anencephalus immaturus.
Einmal Hasenscharte mit Wolfsrachen.
Einmal kam tiefer Eindruck an der ganzen linken
Schläfengegend von Defekt am Keilbeine mit cretin-
artiger Bildung des Kopfes vor. Die Kopfmaasse betrugen:
4'' 8'", 4" 1'", 2" 10'", 2" 4'", 3'' 2"' und 24 Stunden
nach der Geburt 4" 9% 4" 2"', 3" 3"', 2" 8'", 3" 4'".
Regelwidrigkeiten am Unterleibe.
Einehernia funiculi umbilicalis von der Grösse
eines Gänseeies bei enormer Vergrösserung der Leber und
Verkümmerung des Brustkorbes enthielt einen grossen Theil
der dünnen Gedärme und der dicken bis zur fiexura sig-
moidea.
Ein Mädchen wurde mit atresia ani geboren, indem
292 ^- Birnbaum, über geburtahülfliche Leistungen.
der Masldarm sich durch einen engen Kanal in den untern
Theil der vulva aswischen frenulum und hymen öffnete.
Es hatte zugleich zwei sich rasch vergrössernde herniae
inguinales congenitae. Die Entleerung des Kindspeches
durch die Fistelöffnung an der vulva erfolgte gehörig. Bei
der Section fand sich der Mastdarm unten auf einen star-
ken Zoll von dem anus vulvaris nach aufwärts bis zn der
Dicke eines feinen Rabenfederkieles verengt, höher oben
erweitert. Die wohlgebildete Scheide zeigte einen ein*
fachen Mutterhals. Von ihm aus .ging eine grössere
Gebärmutter schräg nach rechts gegen den rech-
ten Bauchring in die Höhe mit bedeutender Verkürzung
des sehr dicken runden Mutterbandes und der entsprechen-
den Tuba. Der Eierstock lag hier als bandartig plattes
Körperchen^ wie immer, aussen dicht neben dem Annulua
abdominalis. Die Hernie dieser Seite enthielt. bloss einige
Eingeweideschlingen. Vom untern Ende dieses convex
«ach rechts gebogenen Uterus ging nach links eine
feine strangartige Röhre schräg gegen den
linken Annulus abdominalis empor, oben in eine kurze
blasige Erweiterung mit kurzer Tuba endend, welche theil-
weise neben dem länglich runden, die Dicke einer kleinen
Haselnuss bielenden Eierstock, bei ganz kurzem runden
Mutterbande in den canalis inguinalis vorgetreten war.
Es war darum linkerseits eine vollkommene hernia
inguinalis ovarii vorhanden, die keine Intestina enthielt.
Hissbildungen der Glieder.
Als solche kamen zwei Mal überzählige kleine
Finger vor ohne ossa metacarpi, blos mit weichen Stielen
einmal an einer, einmal an beiden Händen anhängend.
Bei einer Person, die schon ein Kind mit Fehlen
beider Daumen geboren haltte, fehlte der Daumen an
der rechten Hand des Mädchens vollständig. Der Mittel-
handknochen des Zeigefingers verlief bei sonst regel-
mässiger Bildung etwas schräg nach aussen, in Annäherung
an die Daumenbildung. Der Daumen der linken Hand
zeigte Verkümmerung der Phalangen, Fehlen des Metacarpus
und hing so als Anhängsel neben dem Zeigefinger herab.
VI. Notieeh aus der Journal- Literatur. 293
VI.
Notizen aus der Journal -Literatur.
Frankenhävser : Die Nerven der weiblichen Ge-
schlechtsorgane des Kaninchens.
Nach einer kurzen geschichtlichen Darstellung und Kritik
der hisher gemachten wichtigeren anatomischen Untersuchungen
der üterinnerven, namentlich von Tiedemann 1822, Ijobstein 1823,
Kdbert I^e 1841, ühxy und Stmo-Beck 1845, Ltmget 1849, Hirsch-
feld und LeveilU ia53, Ktlian 1851, K(yrner, Kehrer, gieht Verf.
eine nähere Beschreibung der Nerven, welcher er einige Bemer-
kungen über die Gestalt, Lage und Texturyerhältnisse der Ge-
schlechtsorgane beim Kaninchen vorausschickt.
Die Nerven der Geschlechtsorgane treten in 3 verschiedenen
Bahnen zu denselben und stammen theils aus sympathischen Ge-
flechten, theils aus dem Rückenmarke. A. Die sympathischen
Nerven kommen aus dem 1) plexus aorticus, aus welchem
der Hauptstamm 2" lang auf der Aorta weiter herunterläuft, und
an der Bifurcation der Aorta sich in 2 Schenkel , plexus hypo-
gästrici genannt, trennt. Die feineren Zweige gehen in das Meso-
metrium, Mesenterium und rectum. Die plexus hypogastrici um-
greifen den Mastdai*m, gehen an der Seite desselben theils in das
ganglion uterinum über, durch welches vielfache Verbindungen
mit anderen Nervenbahnen vermittelt werden, theils geben sie
directe Zweige an die breiten Muttorbänder und die Mutterscheide,
den Ureter. Alle diese Nerven liefen in der hinteren Platte des
Mesometrium. Ein Verbindungsstrang läuft vom gangHon zu den
aus dem dritten und vierten Krenzbeinloch kommenden Nerven,
wird gewdhnlich plexus haemorrhoidalis genannt und giebt Käden
zum Mastdarm. 2) Der plexus spermaticus konnnt als Faden
aus dem ganglion mesentericum, läuft mit 2 Fäden aus dem plexus
aorticus die Art. sperm. entlang zum Ovarium, der Tuba und dem
Gebärmutterhorn. — B, Die Krenzbeinnerven der Geschlechts-
organe sind Zweige des dritten, vierten und fünften Kreuzbein-
nerven, der unterste geht zur Blase, die zwei oberen steigen an'
der Seite des Mastdarms und der Scheide in'^die Höhe, in die
breiten Mutterbänder und mit den üterfngefässen zu den Hörnern.
Neben diesen drei Hauptstämmen gehen noch eine ganze Anzahl
diknnerer Fäden mit unzähligen Anastomosen, in denen sich klei-
nere und grössere Ganglien eingesprengt finden, so das« sie ein
ganzes Netzwerk von Fäden bilden. Es gehen danach also die
Kreuzbeinnerven in den ganzen Uteiiis. Der Nervus clitoridis
entspringt mit 3 Wurzeln aus dem plexus ischiadicus, ans dem
dritten und vierten Kreuzbeinloch, der nervns pudendus ent-
springt ebenfalls aus dem plexus ischiadicus.
294 VI. Notiien aas der Journal -Literatur.
2 Tafeln Abbildungen erläutern die feineren Verhältnisse der
oben nur angedeuteten Nervenbahnen und ausserdem verspricht
Verf. für die nächste Zeit eine Arbeit, in welcher er seine Unter-
suchungen derselben Nerven beim Weibe darlegen wird.
(Jenaische Zeitschrift für Medizin u. s. w. Bd. 2, H 1, 1865)
Otto Spiegelherg: Drüsenschläuche Infi fötalen
menschlichen Eierstocke.
Verf. ist es gelungen, die von Pflüger geschilderten DrOsen*
schlauche im f&talen Menschen- (und Katzen-) Eierstocke, sowie
die Entstehung der Follikel durch Abschnürung aus den Schläu-
chen durch directe Beobachtung zu bestätigen. Die Frucht, die
S. untersuchte, gehörte ungefähr der 36. Woche an und war in
der Geburt abgestorben, aber wohlgebildet. Die Ovarien hatten
das diesem Alter gewöhnliche bandartige, leicht gelappte, am
Rande gezähnelte Ansehen. Zahlreiche Follikelbläschen mit Mem-
bran, Epithelschicht und Ei waren leicht zu erkennen Nach
zwölfstündigem Liegen in Opalsäure-Lösuug (l : 10) wurden senk-
rechte Schnitte gefertigt, mit Glycerin behandelt und auf dem
Object- Träger gelinde comprimirt. Hierdurch wurde nun be-
stätigt, dass, was gewöhnlich als primäres Follikelbläschen er^
scheint, theils ein abgeschntrter Follikel, theils ein Querschnitt
des Schlauches ist, und dass das primäre Follikel -Bläschen mit
einer distincten Membran ausgestattet ist. Die Drüsen-Schläuche
sind wegen ihrer schweren Darstellung oft übersehen worden.
Sie scheinen in allen Ebenen neben einander zu laufen, mit ein-
ander zu anastomosiren und weniger als bei den meisten Sänge-
thieren vom Stroma differenzirt zu sein. Die Abschnürung der
FoUikel geht wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit von Statten.
(Vwchaw, Archiv. H. Folge. Bd. 10. Heft 3 u. 4. 1864.)
A. Brmky: üeber den Einfluss der Kyphose
auf die Beckengestalt.
Unter Benutzung der reichen Beckensammlung des Prager
pathol.-anatom. Museums giebt Verf. in seiner mit mathematischer
Genauigkeit durchgeführten Arbeit ein umfassendes Bild der dnrch
Kyphose bedingten Yeränderungen am Becken.. .Die Haupter-
gebnisse seiner Untersuchungen in Kürze zusammenge£Eis8t ^d
folgende. Das Becken erleidet, wenn das Kreuzbein an der Com-
pensation einer Kyphose der Wirbelsäule Theil nimmt, eine
Keigungs- und Qestalts-Veränderung. Letztere ist um
80 beträchtlicher, je tiefer die Kyphose gegen das Kreuzbein
faerabrflckt und beruht hauptsächlich darauf, dass das Kreuzbein
sich um eine durch das Ileosacralgelenk gehende horizontale Axe
mit seinem obem Ende nach hinten, mit seinem untern nach vorn
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 295
bewegt, w#bei in der Hauptsache eine Längsstrecknng und lUkck-
w&rt82iebung der Körper seiner obem Wirbel eintritt. Zugleich
werden die Hüftbeine hinten von einander gedrängt und rück-
wärts gezogen, während jed«B derselben durch die Anspannung
der ligg. interfemoralia eine Rotation um eine senkrecht auf die
Zagrichtung dieses Bandes durch das Hüftgelenk gehende Axe
mit dem Effect erfährt, dass die Entfernung der beiden Hüftbeine
von einander oben wächst, unten vermindert wird. Es wird durch
diese Stellungsveränderung der Beckenknochen die Trichter-
form erzeugt und zwar mit allgemeiner, meist ungleichmässiger
Verengerung des Ausganges.
Vom Grade und Sitze der Kyphose, sowie von der Beschaffen-
heit des Beckens zur Zeit der Entstehung jener ist auch der
Grad der Gestaltsveränderung des Beckens abhängig. Ausserdem
influirt aber jedenfalls die sitzende Stellung auf die Beschaffen-
heit der Sitzbeine und den Abstand ihrer Tubera. Danach
bestimmen sich zunächst die individuellen Verschiedenheiten der
hierher gehörigen Beckenformen und die gelegentlichen Abwei-
chungen von diesem Typus. Bei den gewöhnlichen längsovalen
Becken bei winklicher Lumbodorsalkyphose ist die Verengerung
des Beckenausganges häufig nur eine relative im Verhältnisse zu
den Durchmessern des Eingangs, während die absoluten Maasse
dabei grösser sein können, als im normalen Becken.
Bei der Skoliosis kyphotica ist die Conjugata vera vergrössert,
der gerade Durchmesser des Beckenausgangs verkleinert, wobei
jedoch selten eine wesentliche Verengerung des Beckenausganges
besteht. • Ist die Skoliosis kyphotica rhachitischen Ursprungs, so
entsteht durch die Kyphose eine bestimmte Modification des
rhachitischen Beckens.
Der Einfluss der Abweichungen des kjphot Beckens auf den
Geburtsmechanismus richtet sich im speciellen Falle natürlich
nach der individuellen Beschaffenheit jedes einzelnen Beckens;
im Allgemeinen aber ist bei regelmässiger Beschaffanheit der
Wehenthätigkeit und des Geburtsobjectes eine leichte und rasche
Geburt zu erwarten. Sind absolute Baumbeschränkungen vor-
handen, so nehmen sie nach dem Beckenausgange hin zu und
alteriren in entsprechender Weise den Geburts\organg.
Im Anhang fügt Verf. eine ergänzende Beschreibung der
von ihm benutzten Präparate bei.
(Medicin. Jahrbücher. Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte
in Wien. Jahrgang 1865. I.Heft)
Robert Barnes: üeber Spondylolisthesis.
(Mitgetheilt in der „Obstetrical Society of London".)
Das von B. mitgetheilte Memoire nmfasst eine Geschichte der
diesen Gegenstand betreffenden Literatur und eine Znsammen-
296 VI. Notizen ans der Jonrnal- Literatur.
stellnng der bisher beschriebenen Fälle. Der erste wurde 1868
Ton Kilian beschrieben, welcher die Entstehung dem Ab- und
Vorwilrtsgleiten des letzten Lendenwirbels ttber das Sacmm zu-
schrieb. So rücken ein oder mehrere Lendenwirbel in den Becken-
eingang und verengern denselben, so dass die Sectio caesarea
hierdurch nöthig werden kann. Verf. theilt einen Fall mit,
bei welchem diese Missbildnng Ursache einer sehr schweren Ge-
burt zu werden drohte. B. leitete deshalb im 8. Monat die Frfth-
geburt ein und extrahirte nach vorgenommener Wendung ein
todtgeborenes Kind. Die Geburt dauerte weniger als 5 Stunden.
Als mögliche Ursachen dieser Deformität wurden im Laufe der
Discussion hingestellt: Rhachitis, Cartes und Erweichung der
Zwischenwirbelbänder.
(The Lancet 18. Juni 1864.)
Alfr.n.MCUntock: Ein Fall von Wehen-Mangel
nebst Beobachtungen.
Verf. wurde vergangenen Sommer von einer 45jährigen,
kachectischen Bäuerin, welche öfters geboren hatte, und welche
seit einigen Monaten Ober einen putriden Ausfluss aus der Vagina
klagte, konsultirt. Sie hatte keine Blutverluste und keine Schmer-
zen dabei gehabt, war aber immer schwächer und magerer ge-
worden. Bei der Untersuchung fand Verf. in der hypogastr.
Gegend einen runden, dem Uterus einer viermonatlich Schwän-
gern entsprechenden Tumor. Die innere Untersuchung zeigte
einen reichlichen Ausfluss stark fötider Flttssigkett, die aus dem
verhärteten und verdickten Os uteri floss und au Garcinom den-
ken Hess. Beim Eindringen in den Uterus erst mit der Sonde,
dann mit dem Nagelgliede des Zeigefingers gewahrte man ver-
schiedene Knochentheile , was sofortige genauere Fragen nach
der Anamnese zur Folge hatte. Sie gab nun an, 12 lebende
Kinder und dann ein ausgetragenes todtes Kind geboren zu haben.
Kurz nach der letztgenannten Geburt will sie zum 14. Male
empfangen haben. Bis zum 7. Monat normaler Schwangerschafts-
verlauf; um diese Zeit will sie das Absterben des Kindes bemerkt
haben. Trotzdem ging die Schwangerschaft bis zum 9. Monate
weiter, zu welcher Zeit unter Wehen eine blntig-wässrige Flüssig-
keit abging. Bald hörten die Wehen wieder auf und die Schwan-
gerschaft dauerte weitere 5 Wochen, worauf wieder zwei Tage
lang heftige Wehen eintraten und von einem „Arzte'' die Rippe
eines FoetuB aus der Vagina entfernt wurde, der nach und nach
andere von Fleisch entblösste Knochen folgten. Seit dieser Zeit
waren bis zur jetzigen Untersuchung Ö2 Wochen vergangen. —
Offenbar waren demgemäss die wahrgenommenen Knochen noch
Reste jenes Foetus; es galt dieselben zu entfernen.
Zu diesem Behufe wurde zunächst ein konisches Stitck Press-
VI. Notizen ans der Journal - Literatur. 297
schwamm in das Os uteri eingeführt; am andern Morgen wurde
es wieder entfernt und warmes, mit Natrum chloricum gemischtes
Wasser injicirt Während dessen inhalirtc Patientin Chloroform.
Mit einer langen, gekrümmten Pol3'penzange wurden auf diese
Weise mehrere Knochen fragmente entfernt, was sich in 5 Wochen
7 Mal wiederholte. Dann unterhlicb ein weiteres Operiren wegen
Entzündungserscheinnngen. Erst nach etwa 2 Wochen wurden
wieder mehrmals Knocheustücke entfernt, zuletzt ein femnr und
ein hnmerus, die offenbar in das Uterus - Gewebe eingebettet ge-
wesen waren. Nach letzterer Operation entstanden Schmerz,
Prostration, Pulsfrequenz, Fröste, Brechen, kopiOsc Expectoration,
profuse Schweisse; die Kranke starb unter den Zeichen acuter
Pyämie. — Section wurde leider nicht gemacht. Der entfernten
Knochenstückchen waren mehr als 60 von allen Körperregionen.
Verf. führt noch Fälle an von Montffomery, Oldham, Memies,
Chestan, CtildweU, Nehelius, Voigtel, Vondorfer und Sckuls. Die
vom Verf. gewonnenen Schlüsse sind:
1) Re^te eines Foetus müssen aus der Uterinhohle entfernt
werden.
2) Je früher dies geschieht, desto besser ist es.
3) Wenn der Muttermund nicht so weit ist, dass zwei Finger
eingeführt werden können, so mnss er mit Pressschwamm
erweitert werden.
4) Es scheint besser zu sein, wenn man in vielen Operationen
jedesmal nur geringe Eingriffe macht, als wenn man durch
die Stärke der Eingriffe die Zahl der Operationen zu ver-
ringern sucht.
5) Beim Auftreten akuter Entzündungssymptome sistire man
die Operationen.
6) Bei ulcerativen Processen in der Üterinwand ist Vorsicht
sehr geboten.
7) Bei Gewöhnung des Uterus an den Inhalt operire man nicht.
(Dubl. Quart. Journ. Febr. 18G4.)
Al/r, H, AViJlintock: Beobachtungen über Wehcn-
mangel.
Schon früher (Dubl. Quart. Journ. Febr. 1864) hatte Verf.
Einiges über diese Anomalie mitgetheilt. In Folge dessen kamen
ihm von manchen Seiten schiitzbare Mittheilungen zu und zwar
a. Von Bürden (Belfast) Eine Schwangere bekam heftige
Wehen und von einem Arzte grosse Dosen Opium. Die Wehen
hörten ganz auf. Nach einigen Wochen starb sie.
h. Von Patton (Tandragec). Derselbe thcilte ihm ein Ana-
logen aus der Thierwelt mit, welches er vom Verwalter des Her-
zogs von Manchester erfahren hatte, nämlich dass unter dessen
Schaf iieerden vor 8— i) Jahren es durch Zufall öfters vorkam,
298 ^^* Notizen aus der Journal -Literatsr.
dass Schafe die Lämmer, welche sie trugen, nicht anastieeaeB,
sondern eine fötide, bräunliche Flüssigkeit verloren.
c, Auch King (Stanmore) hatte mehrmals bemerkt, dass Kühe
wegen mangelhafter Geburtsthätigkeit nicht ausstiessen.
d, Carson sen. (Colerainc) erzählt einen Fall vom Jahre 1836.
Eine Erstgcschwäugerte, im 9. Monate der Schwangerschaft Be-
findliche, erlitt während der Wehen ein Trauma gegen den Unter-
leib, Die Wehen hörten sofort auf. Die Frucht schien abge-
storben. Zwei Monate nachher starke Wehen. Dilatation des
Muttermundes gut. Abscheulicher Geruch aus der Vagina. Nach
.53 Stunden Geburt eines stark zersetzten Foetus. Zwei Stunden
nachher Tod der Wöchnerin unter Erschöpfung.
e, J. Brown (Dundalk). Eine 30 Jahre alte Frau, die im
April schwanger geworden war, bekam im August nach dem
Heben einer schweren Last plötzlich Unwohlsein und Metrorrha-
gie; sodann entstand ein fotider Geruch aus der Vagina. Im
November Entfernung von circa 20 Knochens tückcn Kurz darauf
neue normale Schwangerschaft.
f, Purdon (Belfast) erinnert an einen Fall, wo eine Dame im
5. Monate ihrer zweiten Schwangerschaft zu abortiren schien.
Nach Wasserabgang gingen unter Schmerzen zuweilen Stücken
Fleisch von fotidem Gerüche fort. Nach 12—14 Wochen ging
die Tibia eines Foetus, einige Monate nachher unter Wehen-
schmerzen ein Knochenstack, mehrere Monate hierauf eine ganze
Rippe ab ; zuweilen entleerten sich einige bräunliche übelriechende
Massen — kurz es schien hier eine langsame Losstossung statt-
zufinden.
g, Bawsofi (Kegworth) veröffentlichte (Lancet, Dec» 1838)
einen ähnlichen Fall, betreffend eine 27jährige Frau, die sich im
4. Monate ihrer fünften Schwangerschaft befand. 14 Tage nach
einem Trauma auf den Unterleib: Wehenschmerzen, Abgang von
Wasser und Blut; später nach und nach Losstossung von Knochen
und Eiresten eines Foetus.
Der Einfluss des abgestorbenen Foetus auf die Bewegung des
Uterus ist sehr verschieden. In den ersten Monaten schrumpft
die Frucht fester zusammen, während eine 6 — 7monatliche Frucht
mehr erweicht und zersetzt wird; je von dieser Beschaffenheit
hängt es ab, ob der Uterus eine Tendenz zur Ausstossung des
Inhaltes gewinnt oder nicht. Doch wird auch dabei in Betracht
kommen, ob das Ei schon gesprengt ist oder nicht. — Auf jeden
Fall fordern solche Vorfälle zur Mittheilung ähnlicher Fälle auf.
(The Dublin Quarterly Journal. Mai 1864.)
YL Notizen aus der Journal -Literatur. 299
A. S. Dankin: Ueber die physiologische Thä-
tigkeit des Uterus bei der Geburt.
Yerf. sucht die Frage zu erörtern, ob der Uterus als Ganzes
an der Wehencontraction theilnimmt und betrachtet zu diesem
Behufe zunächst die bisher hierflber existirenden Hypothesen,
Wigand nahm eine peristaltische Bewegung an, die vom Collum
zum Körper und Fundus fortschreitend alsdann wieder zu jenem
zarackkehre. Müller , Michaelis, Bigby, Churchiüy Tyler Smith,
Farre u. A. haben dieser Meinung sich angeschlossen. Murphy
bestritt zuerst Wigand'a Ansicht in so fem, als er nur eine vom
Fundus zum Collum fortschreitende peristaltische Bewegung an-
nahm. Braun versetzt den Beginn der Contraction an die Tuben-
mOndung. Scamani nimmt an, dass die Wehe gleichm&ssig im
ganzen Organ beginnt. Chrisiie (Aberdeen) meint, dass die Con-
traction im Fundns beginnt und sich in der Weise gegen das
Collum fortpflanzt, dass, während ein Theil noch nicht erschlafft
ist, sich schon der nächstliegende zu contrahiren beginnt. Der
Fundus uteri ist nach ihm vom Anfang bis Ende der Wehe activ.
Von peristaltischer Bewegung sieht Christie ab. Im Allgemeinen
herrscht jetzt die Ansicht vor, die Contraction sei gleichmässig
auf alle Theile des Uterus vertheilt. Donkin kommt, seinen Be-
trachtungen gemäss, zu folgenden Schlüssen:
1) Während der natfirlichen Geburt ist Fundus und Körper
des Uterus Sitz der Contraction; nur im untern Uterus -Segment
fehlt sie.
2) Das Collum und eine schmale Zone des Körpers zeigt bei
der Wehe keine Contraction, sondern nur passive Ausdehnung.
3) Nach Ausstossung der Frucht erfolgt eine „passive Con-
traction" des Collum, entsprechend dem Vorkommen bei anderen
Sphincteren.
4) Die practische Beobachtung bestätigt ihm seine An-
sicht Ist z. B. die vordere Lippe in Gestalt einer dünnen Falte
aber den Kopf geglitten, so würde, wenn die portio vaginalis uteri
sich contrahirte, jetzt ein starkes Hindemiss entstehen. Die Yer-
theüong der physiologischen Wirkung ist der Grund, weshalb
eine oberhalb jener Cervical-Zone eingeschnürte Placenta bei nor-
malen Wehen nicht vorkommt, warum eine derartig aufsitzende
Placenta bei der Wehe gelöst und jede Hämorrhagie bis zum
Schluss der Wehe in Folge der völligen Compression der Gef&sse
unterdrückt werden muss.
(Edinburgh Medic. Journal. Decbr. 1863.)
Mattet: Ueber Entzündung der Placenta.
Gestützt auf einige Beobachtungen , in welchen der Tod des
Fq^ettts durch Verfettung der Placenta eingetreten war, und auf
den guten Erfolg von Blutentziehungen bei einer Frau, welche
300 ^I- Notizen aus der Journal -Literatur.
schon drei todte Kinder und verfettete sowie apoplectische PU-
centen geboren hatte, nimmt Verf. die Entsündung der Placenta
als Ursache der Verfettung an und gelangt zu folgenden Schlflssen :
1) £s giebl eine acute Entzündung der Placenta in Terschie-
denen Graden der Congestion, der Erweichung, Eiterung (sehr
selten), Verdichtung (wie bei der Pneumonie).
3) Ist diese Entzündung nur theilweise und überlebt sie der
Foettts, so werden die Blutgefässe des kranken Theiles undurch-
gängig, eng und verfetten.
3) Man darf mit der Entzündung der Placenta nicht eine
theilweise oder allgemeine Verdickung der Decidua, Cysten, Fibrin-
gerinsel und andere Producte verwechseln. Die Congestion und
Blntergiessnng grenzen indess nahe an die Entzündung an, ebenso
hängen die Verwachsungen der Placenta, zumal die mit dem
Foetus, die Verkalkungen ohne Zweifel mit den Folgen der Ent-
zündung zusammen.
4) Die Entzündungen der Placenta, deren Erscheinungen
allerdings oft denen anderer Krankheiten des Foetus, der Fmcht-
anhänge und der Gebärmutter selbst gleichen, sind indess an der
gebornen Placenta leicht nachzuweisen, und da sie bei derselben
Frau wiederzukehren pflegen, so kann man sie später überwachen.
Bekämpft man sin frühzeitig, so ist ihr Einfluss auf den Foetus.
nicht so schwer, wie man gewöhnlich angiebt.
5) Treten sehr deutliche Erscheinungen allgemeiner Plethora
oder Uterincongestionen auf und namentlich sind früher schon
Entzündungen an der Placenta beobachtet worden, so müssen
Ableitungen nach der oberen Körperhälfte angewendet werden.
Weichen die Erscheinungen nicht leicht, so fürchte man wieder-
holte kleine Aderlässe nicht, namentlich zu den Menstmatiens-
Zeiten und behandle im Allgemeinen boruhif^end und entzün-
dungswidrig.
(Gaz. dos höpitaux. 18G4 No. 98.)
Bericht def< Commiffee der R, Medical and (Mmirpicat
Society zur Untersuchung der Gebrauchs-
weisen und der physiologischen, therapeu-
tischen und toxischen Wirkungen des Chloro-
forms.
Die Daner des animalischen Lebens (hauptsächlich bei Hun-
den untersucht) bei Chloroform -Narcose steht in umgekehrtem
Verhältniss zur angewandten Concentration des Mittels. Atmo-
sphäre mit 1—2 Proc. führte ünempfindlichkeit herbei und konnte
lange eingcathmet werden, ohne das Leben zu gefährden. Die
stärksten Dosen (bis 40 Proc.) brachten, wenn durch Mund und
Nase oingeathmet, in ungeföhr 1 — 2 Minuten den gleichzeitigen
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 301
Stillstand der Athmung und des Pulses hervor, während das Herz
noch kurze Zeit (gegen 5 Minuten) schlug. Wenn die stärksten
Dosen aber durch eine Oeffnung unter der Glottis inhalirt wur-
den, hörte das Herz schon in 16 Sekunden auf zu schlagen, wäh-
rend die Athmung in 32 Secunden aufhörte, also fast augenblick-
lich. Die durch ein Haemadynamometer gemessenen Herzbe-
wegungen zeigten, dass die Herzthätigkeit nach kurzem Steigen
allmälich abnimmt, jedoch bei den durch den Mund eingeathmeten
starken Dosen wieder zunimmt, wenn Kehlkopfkrämpfe eintreten
oder dazwischen reine Luft zugelassen wird, und zwar kann das
mehrmals hintereinander beobachtet werden, sogar noch kurz vor
dem Tode. Auf die Epiglottis zeigten schwache nhalationen
5 Proc. wenig Einfluss, concentrirte Inhalationen brachten schnell
Schlingkrämpfe hervor; die durch diese Krämpfe nach hinten
gezogene, fast versteckte Epiglottis wurde aber beim Eintritt der
BetftubuDg nach vorn gezogen und blieb so steif; die Stimm-
bänder näherten sich einander bei jedem Athemzuge; allmälich
wurde die Epiglottis vom Athemzuge vor und zurück geschlagen.
Aether wirkt viel weniger auf das Herz ein. Wenn er con-
centrirt durch die Trachea angewendet wurde, hörte die Athmung
in 1 Min. 48 See, der Puls in 2 Min. 43 See. und der Herzschlag
in 3 Min. 57 See. auf. Gewöhnlich tödteten 10—25 Proc. Aether-
dftmpfe in der Luft in etwa einer Stunde, doch nicht immer. Da
die Wirkungen des Aethers und des Chloroforms auf Respiration
nnd Circulation einander entgegengesetzt sind, haben Amerikaner
eine Mischung beider Mittel vorgeschlagen. Solche im Verhält-
niss von 4 : 1 zeigten sich schwach , von 2 : 1 dagegen wirksam
und praktisch. Doch wird die Mischung schnell durch verschie-
denes Gewicht und die raschere Verdunstung des Chloroforms
▼erändert. Diesem Mangel hilft Dr. Harley'a Mischung von 1 Theil
Alkohol, 2 Theilen Chloroform und 8 Theilen Aether ab. — Von
Apparaten zum Chloroformiren empßehlt das Committee nur
den des Dr. ülover und räth in Ermangelung desselben ein kegel-
förmig gefaltetes Taschentuch zu benutzen. — Als Wiederbe-
lebungsmittel wird künstliche Athmung von Mund zu Mund
den andern Methoden vorgezogen. — Bei der Anwendung des
Chloroforms ist Zulassung atmosphärischer Luft absolut geboten.
Chloroform soll immer langsam gegeben und besonders nie plötz-
lich concentrirt werden. 3} Proc. soll die ungefähre Mischung
und 4J Proc. mit 95} Proc Luft das Maximum sein. Erbrechen
könne man durch schnelles Chloroformiren vermeiden. Wird Pat.
plötzlich blass oder livide, setzt der Puls aus, wird die Athmung
plötzlich schwach oder oberflächlich, so soll sofort das Anaesthe-
ticum angesetzt werden. Herz- oder Lungenkrankheiten sollen
den Gebrauch des Chloroforms nicht contraindiciren.
Es ist aus der Geburtshülfe dem Committee kein beglau-
bigter Todesfall durch Chloroform bekannt. In massigem Grade
802 ^l- Notizen aus der Journal -Literatur.
angewendet, schwächt es etwas normale Geburtswehen; nur, wenn
es tiefe Betäubung hervorruft, hebt es dieselben auf. Es prae-
disponirt nicht zu puerperalen Gonvulsionen oder zur Apoplexie,
nicht zu Krankheiten im Wochenbett und hat wohl keinen schäd-
lichen Einfluss auf das Kind. Dagegen ist unentschieden, ob es
zu vollkommener Zusammenziehung des Uterus und zu Blutungen
nach der Geburt disponirt. In WendungsfUlIen ist tiefe Betäu-
bung zu empfehlen, weniger bei instrumentaler Entbindung, da
es die Kreisende schwerer zu behandeln, „less manageable"
macht Im Ganzen wird in geburtshülflichen Fällen Chloroform
dem Aether vorzuziehen sein.
Auch in der Gynaecologie ist der Gebrauch des Chloroforms
zu empfehlen, besonders bei sehr empfindlichen Frauen, bei sehr
schmerzhaften Untersuchungen, bei Simulation und zur Be-
kämpfung hysterischer Krämpfe.
(Medice Chirurg. Transactions. Vol. XL VII. London 1864. S. 323.)
Henri/ Bennet: Behandlung der Üterin-Schmer-
zen durch hypodermatische Injectionen.
Durch die Artikel von Okaries Hunter (in Lancet) angeregt,
hat B. mit Erfolg die hypodermatische Iqjection bei schmerzhafter
Dysmenorrhoe mit oder ohne hysterische Complicationen, bei
Neuralgie des Uterus und der Ovarien und bei der den Uterus-
Neuralgieen sympathischen Gesichts-Neuralgie angewendet Die
Erleichterung des Schmerzes erfolgte in 15—30 Minuten, ohne
dass Kopfschmerz, Appetitverlust und Brechen eingetreten wären.
Die von ihm benutzte Formel war:
B, Morph, acet. gr. ix.
solve in Aqu. dest. § jj.
entsprechend dem Laudanum liqu. Sydenham.
B. wählte vorzüglich die Praecordialgegend , wenn es sich
um Uterin - Neuralgie oder allgemeinen Schmerz handelte. Bei
lokalen Neuralgieen wählt man zweckmässig den nächstgelegenen
Punkt.
(Gaz. des höpit 1864. 7. Juli. No. 79.)
Edw. B. Sinclair: üeber die Anwendung des
Chloroforms in der Geburtshülfe.
An eine ziemlich ausführliche und specielle Erörterung über
die im Dubliner Lying-in Hospital beobachteten Fälle von An-
wendung des Chloroforms beim Geburtsacte schliesst Verf. eine
Kritik des daselbst gewonnenen statistischen Materials, vorzüg-
lich um nachzuweisen, dass die von einigen Statistikern hierüber
aufgestellten Angaben ohne genügende Kritik der einzelnen Fälle
VI, Notizen aus der Journal -Literatur. 303
zufiammengestelh und daher unrichtig sind. Besonders geht aus
seiner Erörterung, die durch Tabellen erläutert ist, hervor, dass
die ungünstigen Resultate der Ghloroformirung mehr auf Kosten
der schweren und complicirten Geburtsfällc zu rechnen sind, in
welchen sie angewandt wurde. Tödtlichen Effect oder wesentliche
KachtheÜe der Narcotisirung hat Verf. trotz zahlreicher, selbst
bei normalen Geburten angestellter Versuche nicht beobachtet
Dennoch aber kann er sich nicht entschliessen , den auf solche
normale Verhältnisse auszudehnenden Gebrauch des Chloroforms
£u empfehlen, will dasselbe vielmehr nur in Fällen, wo eine
dringendere Indication vorliegt, angewandt wissen. Zu dieser
Beschränkung der Anwendung veranlasst ihn die in zwei Fällen
gemachte Erfahrung, dass die Geburtsthätigkeit zuweilen dadurch
bedeutend abgeschwächt und verlangsamt wird, und dass sogar
— vielleicht auf der Basis einer Idiosyncrasie — leicht und plötz-
lich eine Lebensgefahr eintreten kann, wenn nicht eine scharfe
Controle des Pulses ausgeübt wird.
Angefügt sind Erzählungen dieser beiden Fälle.
In Fall 1. handelte es sich um eine zum dritten Male Ge*
bärende, welche bei den vorhergegangenen Geburten stets auf
eigenen Wunsch chloroformirt worden war, aber auch stets eine
schwere, mit Blutungen complicirte Nachgeburtsperiode durchge-
macht hatte. Verf. fand diesmal den Kopf des Kindes bereits so
weit herabgedrängt, dass er in 3 oder 4 Wehen geboren sein
konnte. I)ie Wehen waren kräftig. Auf Andringen der Patientin,
der Arzt solle sie chloroformiren, gab dieser nach ; hierauf wurden
die Wehen schwächer und unwirksamer und nach einer Anae-
sthesie von 6 Stunden sah sich Verf. genöthigt, die Geburt mit-
tels Forceps zu vollenden. Die Nachblutung war beträchtlich.
Fall 2. betraf eine Erstgebärende, bei welcher sich vor Ab-
lauf der Schwangerschafts-Dauer Wehen eingestellt hatten Verf.
fand einen Tmonatlichen , sich in Fusslage einstellenden Foetus.
Auf dringende Bitten chloroformirte er die Frau , worauf die bis
dahin kräftigen Wehen schwach wurden. Plötzlich hörten Puls
und Respiration auf und nur mit Mühe gelang es dem Verf., das
erlöschende Leben wieder anzufachen.
(Dublin Quarterly Journal. August 1864.)
R.OUhausen: Die Bjehandlung scheintodter Neu-
geborener durch künstliche Respiration.
Von der jetzt allgemein gewordenen Ansicht ausgehend, dass
oft der Tod und meist der Scheintod bei Kindern unter der Ge-
burt durch frähzeitige Athembewegungen in Folge von Erstickung
einträte (vergl. H. Schwartz: Die vorzeitigen Athembewegungen.
Leipzig 1858) schliesst sich Verf. innig der Meinung von F. Hueter an
(Catheterisation der Luftröhre bei asphyktisch geborenen Kindern :
304 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
Monatsschrift für Geburtskunde. 1863. Bd. XXI. S. 123), nämlich
dass erst die vorhandenen Flüssigkeiten stets mittels Gatheters
aus den Luftwegen zu entfernen seien, ehe Luft in dieselben ein-
geblasen werden könne. So erst kann das Blut in den Lungen
arterialisirt und durch dieses dann das Herz zu grösserer Thätig-
keit angeregt werden; jede einzelne richtig ausgeführte Inspiration
beschleunigt die Herzthätigkeit um 10—20 Schläge.
Dass es Gegner dieser Methode giebt, liegt nur an unrich-
tiger Ausführung der Operation; so z. B. verwirft Verf. das Ein-
blasen von Mund zu Mund; wie Haeter, führt er das Einblasen
von Luft nur mittels elastischen Catheters von i"* im Durch-
messer aus, den er 1! — 3'' durch die Stimmritze hindurch fiEÜirt. Die
ersten Inspirationen massen etwas kräftig gemacht werden, bis
sich der Thorax sichtlich hebt. Misslingt der Versuch, so schiebt
man den Catheter noch 1 - 2** tiefer, um, Aber die Theilungsstelle
der Trachea hinausgelangt, jede Lunge für sich aufzublasen.
Man macht ungefähr 8 Inspirationen in der Minute, jede Exspi-
ration geschieht durch Heraufdrängung des Zwerchfells und Com-
pression des Thorax mittelst beider Hände. Das zuweilen ent-
stehende interstitielle Emphysem hält Verf. nicht für gefährlich,
wohl aber das, einmal bei Experimenten un der Leiche beobach-
tete Pneumopericardium. Den Einwurf, dass die inspirirte Luft
exspirirte sei, entkräftet er mit dem Hinweis, dass diese min-
destens besser sei, als keine. Die nächste Folge des Luftein-
blasens ist Beschleunigung der Herzthätigkeit bis auf 120 bis
150 Schläge.
Er wendet diese Methode natflrlich nur in den höhern und
höchsten Graden der Asphyxie, d. h. wenn ausser dem Herz-
schlage kein Lebenszeichen wahrgenommen wird, an. Bei An-
wesenheit von Schleim in der Mundhöhle versäume man nie
zuerst eine kräftige Aspiration dieser Massen, und setze hierauf
die künstlichen In- und Exspirationen so lange fort, bis das Kind
ungefähr vier selbstständige Inspirationen in der Minute macht
Bis zum ersten spontanen Athemzuge vergehen oft -l— J Stunde,
bis zur völligen Bcschliossung der Operation öfters 1^—2 Stunden.
Hieran knüpft Verf. die Erzählung von
1) 7 Fällen mit vollständigem Erfolge nach sehr starker
Asphyxie; in dem einen Falle genügte die blosse Aspiration der
Schleimmassen zur Anregung spontaner Inspirationen; und
2) 3 Fällen mit vorübergehendem Erfolge. Die Kinder kamen
zu sich, aber gingen doch bald zu Grunde, theils wegen Neben-
stönmgen, thcils durch die Unzulänglichkeit der Operation.
Der Verf. schliesst, indem er noch einige Worte zur Kritik
der Anwendung der gewöhnlichen Wiederbelebungsmittel hinzu-
fügt. Das unentbehrlichste derselben ist das warme Bad. Haut-
reize und zuweilen Aderlass bei vermeintlichen Blutüberfüllungen
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 305
innerer Organe bilKgt er, verwirft aber Femiceh elektriBche
Beisungen der Nervi phrenici.
(Deutoche Klinik 1864. No. 36 ff.)
0. Spieyelbei'g : Zur Behandlung des Scheintodes
der Neugeborenen (die Marshall HalTsche
Methode).
In dem I. Abschnitte zollt Verf. den Arbeiten von Htteter
(Catheterisation der Luftröhre bei asphyktisch Geborenen ; Monats-
selirift f. Geburtsk, XXI.) und von Femice (Ueber den Scheintod
der Kinder und dessen Behandlung durch elektrische Reizungen :
Grcifswalder Mediz. Beitrüge. II. 1.) die verdiente Anerkennung
in Betreff der Darstellung des Wesens der Asphyxie ; mit Schwartz
und Obigen nimmt auch Verf. an, dass die Asphyxie meist durch
verhinderten Abfluss des mit Kohlensäiu'c geschwängerten Blutes
während der Wehen thätigkcit herbeigeführt wird (Erstickungstod),
und so muss denn die Behandlung (II. Abschnitt) naturlich in
Entfernung der Kohlensäure -Intoxicatiou bestehen, also in An-
regung der Respiration in guter Luft nach Entfernung der aspi-
rirten Massen aus Trachea und Bronchien. Verf. verwirft aber
für schwerere Fälle sowohl Pemice's Faradisatiun der Nervi phre-
nici (weil man den Apparat nicht stets zur Hand hat) als auch
HueUf's Methode (weil das Einbringen des Catheters sehr ge-
schickte Hände erfordere) und berichtet, dass er für seine Person
den besten Erfolg durch die, noch wenig angewandte Marshall
HaWiche Methode (die derselbe „ready method" nennt) selbst in
den schwersten Fällen von Asphyxie erreicht habe. Man lagert
das asphyktiscbe Kind auf das Gesicht und unterstützt die Brust
mit einem Tuche, den Kopf durch die untergelegten Arme des
Kindes. Nach einigen Secunden dreht man den Körper langsam
auf die Seite und etwas darüber hinaus und dann schnell wieder
auf das Gesicht zurück; sodann dreht man es auf die entgegen-
gesetzte Seite und dies so fort, ungefähr 15 Mal in der Minute.
Während der Bauchlage übt man zugleich einen gelinden Druck
mit Reibungen längs der Wirbelsäule aus. Man beginnt das Ver-
fahren am besten, nachdem man das Kind einige Augenblicke in
ein warmes Bad gesetzt hat, für kurze Zeit, um dann wieder mit
dem Bade abzuwechsehi, worauf dann wieder die Rotirungen be-
ginnen. Durch dieses Verfahren werden sowohl die adspirirten
Massen leicht entfernt (aus dem Munde uatürhch mittels des
Fingers), indem die Zunge in der Bauchlage nach vorn fällt und
80 die Epiglottis vom Kehlkopfeingange abgezogen wird, als auch
dem Lultzutritte der nöthige Raum verschafft; es hat den Verf.
noch nie im Stich gelassen, wenn noch irgend eine Spur von
aipirateriacher Bewegung und Herzschlag vorhanden war. Schliess-
lich führt der Verl III. noch 4 Fälle an, in denen er mit Erfolg
Honatsffchi. f. Geburtsk. 1865. Bd. XXV. SuppL-H/t. 20
306 VI. Notiten aus der Jonrnal-Litpratur.
die Marshall HalFsche Methode anwandte. Nach drei bis sechs
Umkehrungen erfolgte meist die erste Inspiration (in Einem Falle
nur erst nach Jstflndigen Rotirungen). Sämmtliche Kinder waren
in hoher Asphyxie (III. Grad von Hueter).
(Würzb. mediz. Zeitschrift. 1864. Bd. 5)
Ckassinat: Der Wasserkopf des Foetus alsHin-
derniss beider Geburt.
Im Ganzen sind sowohl in früheren als auch in späteren
Zeiten Wasserköpfe, zumal solche, welche ein gröiseres Hinder-
niss für die Geburt abgeben, selten beobachtet worden. So fand
z. B. die Lachapelle unter 43,555 G^burtsfällen nur 15 Wasser-
köpfe, also 1 : 2904, und unter diesen mehrere nur geringen Gra-
des. Verf hat eine grössere Zahl hierhergehöriger F&lle gesam-
melt, von denen einige noch nicht veröffentlicht waren, um ans
ihnen allgemeinere Regeln für die Geburten solcher Wasserköpfe
zusammeTiznstellen. Er theilt die Fälle in zwei Klassen: 1) mit
Kopflagen, 2) mit Steisslagen, ein und trennt die natürlich ver-
laufenen Geburten von den künstlich beendeten In der ziemlich
ausführlichen anatomischen Beschreibung der Eigenthümlichkeiten
des mit Wasserkopf behafteten Kindes geht er auf die verschie-
dene, in drei Grade eingeth eilte Vergrösserung des Schädels, die
Beschaffenheit der Kopfknochen, die Bedeckungen des Kopfes, das
Gehirn und seine Häute, so wie auf den übrigen Körper des Kindes
ein, ohne aber neue Gesichtspunkte hervorzuheben. Auch die Auf-
zählung der Zeichen des Hydrocephalus vor seiner Geburt bietet nur
Bekanntes. Er hebt hervor, dass leider die Hydrocephalie meist
(unter 28 Fällen 17 Mal) selbst von geübteren Geburtshelfern ver-
kannt worden ist. Ueber die ursächlichen Momente sowohl seitens
der Mutter als des Kindes besitzen wir keinen irgend genügen-
den Anhalt, wir können nur Yermuthungen darüber aufstellen.
Der Foetus stellt sich verhältnissmässig seltener mit dem Kopfe
zur Geburt als bei normalen gesunden Kindern, bei letzteren
nämlich 19 Mal in 20 Fällen, bei Hydrocephalus nur 15 Mal in
20 Fällen , demnach verhältnissmässig öfter in Steisslagen. Für
das häufigere Vorkommen von Querlagen fehlen die Beobachtun-
gen. Aus den von ihm gesammelten und beschriebenen Fällen
geht hervor, dass bei 21 Schädellagen 7 Mal eine natürliche Ge-
burt erfolgte, 14 Mal Kunsthülfe nöthig war; bei 7 Steisdagen
war die Geburt 3 Mal natürlich, 4 Mal künstlich. Bei den 21 Sch&del-
lagen war 12 Mal die Eigenthtimlichkeit des Kopfes nicht erkannt,
bei den 7 Steisslagen war 5 Mal keine exacte Diagnose gemacht
worden. Verf. geht nun die Zeichen bei vorliegendem Schädel
und vorliegendem Steisse sehr ansfährlich durch, ohne wesentlich
neue Momente aufzustellen.
Auch die möglichen Verwechselungen des Wasserkopfes, ». B.
mit dem Bauche des Foetas, mit dem hochstehenden, nar theü-
yi. Notizen »u8 der Joornsüi-Lijfceraturi' 307
weise ins Becken getreteneu normalen Kopfe, anderen Qeschwül*!
sten des Kopfes, wie Oedem, Hirnbrucfa, Kysten, Doppelköpfen,
mit Molen werden erwähnt und mit Itecht hervorgehoben, das»
sie sämmtlich bei genauer Untersuchung vermieden werden können;
dasselbe gilt von Verwachsung des Muttermundes oder der Scheide,
Entartungen des Collum, Lageveränderungen und Schiefheiten der
Gebärmutter, fibrösen Geschwülsten und Polypen, Verengungen
und Verunstaltungen des Beckens u. a. m.
Die Prognose betreifend, hat Verf. 125 Fälle gesammelt und
in vier Tabellen geordnet, um die Aussichten für die Erhaltung
des Lebens der Kinder zu bestimmen In der ersten Tabelle sind
17 Fälle zusammengestellt, in denen der Hydrocephalus sich
zwischen dem 3. und U. Lebensjahre (einschliesslich) entwickelte;
letzteres Jahr ist das späteste, in welchem noch die Entwickelung
eines inneren chronischen Wasserkopfes mit Vergrösserung des
Kopfes beobachtet wurde ; zwei dieser Fälle waren durch Puoction,
die andern alle nicht behandelt worden ; der Tod erfolgte zwischen
dem 3. und 50. Lebensjahre, fünf lebten noch. Die zweite Tafel
enthält 27 Fälle, in denen zwischen dem vierten Monate und Ende
des zweiten Lebensjahres die Krankheit sich entwickelte; drei
Fälle wurden durcb Function, zwei mit Mercur, die übrigen nicht
behandelt; die meisten starben vor dem 5 Lebensjahre, einige
erst später im 14., 24. und 45. Jahre; fünf lebten noch, davon
zwei durch Mercur geheilt. Die dritte Tafel weist 21 Fälle auf
mit der Entwickelung der Krankheit in den drei ersten Lebens-
monaten; fünf waren durch Pnnction, zwei mit Moxen behandelt,
die andern gar nicht ; die meisten starben im 1. Jahre, drei erst
später, vier lebten noch, davon zwei durch Moxen geheilt. Sämmt-
liche Kranke obiger drei Tafeln waren geistig schwach, einige
bis zum untersten Idiotismus, und der Umfang der Köpfe machte
vielerlei Beschwerden. Je jünger die Kinder beim Entstehen der
Krankheit waren, desto schnrller entwickelte sich letztere und
führte schneller zum Tode. Ein Kind, welches mit' geringem
Wasserkopfe geboren war, starb 1 Monat alt, und sein Kopf
enthielt 24 Pfund Flüssigkeit Von 60 Kindern, die mit Wasser-
kopf geboren wurden, kamen 41 todt zur Welt und nur sieben
Mal war die Geburt spontan erfolgt Von den 19 übrigen lebend
mit Hydrocephalus geborenen Rindern, welche in der vierten
Tafel aufgeführt sind, starben 15 innerhalb der ersten 21 Lebens-
jahre, vier lebten noch, davon eins geheilt. In diesen Fällen
hatte der Wasserkopf bei der Geburt stets einen nur geringen
Umfang, die Kinder führten ein trauriges Leben.
Im Ganzen ist also die Hoffnung auf die Lebenserhaltung
der Kinder sehr gering, fast alle sterben früh und die, welche
länger leben, führen kaum ein menschliches Leben. Die inneren
und äusseren Behandlungen nützen nichts, die Function beschleu-
nigt meist das Ende, die wenigen oben als geheilt aufgeführten '
20*
308 ^I- NotiteB ans der Journal -Literatur«
FÄlle sind nicht weiter Tcrfolgt worden. Alle Foetas mit stäricer
entwickeltem Wasserköpfe wurden schwer und todt geboren; die
Kanst mnss dann eingreifen und nicht zu spät uud nicht das
Leben des Foetus schonend, muss vielmehr nur darauf bedacht
sein, die Gesundheit und das Leben der Mutter zu erhalten.
Der Einfluss der Geburt des Wasserkopfes auf die Mutter
ist Erschöpfung der Kräfte, Druck der Weichtheile und Nerven,
Lähmung und Krämpfe der Beine, Ohnmächten, Quetschungen,
Biutergiessungen , Entzündungen, Zerreissnugen des Uterus, der
Scheide, des Dammes. Diese Gefahren erlauben nicht, an die
Schonung des Foetus zu denken, sondern machen die mehr weniger
eingreifenden Verfahren nöthig.
Die rationellste und ergiebigste Anzeige für das gebnrtshfilf-
liehe Verfahren ist die Perforation des Schädels und Abzapfen
des Wassers. Dann kann die Natur allein, oder der Zug mit
dem Finger oder stumpfen Haken, oder am Rumpfe, wenn dieser
schon geboren ist, oder die Wendung auf die Füsse bei noch
hochstehendem Kopfe, oder die Zange bei tiefstehendem Kopfe
die Entwickelung des Foetus erleichtern. Hat man vorher nicht
perforirt, so sollte mau niemals die Wendung machen und die
Zange nur bei tiefstehendem Kopfe versuchen. Als Perforations-
Instrument empfiehlt sich am meisten Smeüie's Scheere.
(Gaz. medicale de Paris. No. 29—63. 1864.)
jR. Wagner: Ein Fall von Lithopaedion.
Verf. theilt den höchst interessanten FaU mit, dass in der
Leiche einer 68 Jahre alten Frau, die plötzlich gestorben war,
bei der Section ein Lithopaedion, besser Dermatopaedion gefun-
den wurde. Die Frau hatte bis zu ihrem 24 Lebensjahre fünf
Kinder geboren und glaubte sich zum sechsten Male schwauger,
als sie vom Typhus befallen wurde, während dessen die Kindes-
beweguDgen verschwanden; trotz 29jährigcn Bestehens und Auf-
enthaltes des Kindes im Mutterleibe (die ganze Geschwulst wog
Si Pfd. und war kindskopfgross) war dasselbe noch in allen
Theilen fast ganz gut erhalten, nur sehr eng zusammengekauert.
Sämmtliche Theile zeigten normale Structur, nur die Weichtheile
waren sehr eingetrocknet, einzelne Knochen zeigten starke Ver-
kalkungen; die Kopfhaut war an einzelnen Stelleu und das eine
Ohr ganz mit den Eihäuten verwachsen. Letztere besassen spär-
liche, theilweise feste Adhäsionen, besonders am untern Theile.
Ob eine graviditas abdominalis primaria oder secundaria
stattgefunden, lässt Verf. dahingestellt. Die Grösse entsprach
einem ziemlich ausgetragenen Kinde ; den vorgeschlagenen Kaiser-
schnitt hatte die Frau vor 29 Jahren nicht gestattet.
(Archiv der Heilkunde. 1865. 2, Heft)
VI. Notizen ^ns der Journal -Literatur. 309
G. Bravn: Die strangförmige Aufwickelung
des Amnion um den Nabelstrang des reifen
Kindes — eine seltene Ursache des intrau-
terinen Todes.
Bei der häufig voikommenden logen Verbindnng zwischen
Chorion und Amnion geschieht es leicht, daes diese Hftute ein-
zeln bersten nnd zwar meist zuerst das Ghorion. In seltenen
Fällen zerreisst zuerst das Amnion und wird durch aetive Be-
wegungen der Frucht zu einem strangförmigen Gebilde aufgedreht,
das durch Umschlingung um den Nabelstrang Girculationsstörung
und den Tod der reifen Frucht bedingen kann. Verf. beobachtete
einen solchen Fall. Bei der Aufnahme einer Schwangeren in der
Klinik fand man die Zeichen einer nahebevorstehenden Geburt,
die Frucht lebend, in erster SchAdellage. Als acht Tage später
die rechtzeitige Geburt eintrat, wurden die kindlichen Herztdne
nicht mehr gehört, die Geburt wurde leicht und schnell beendet
Das gebome Kind war 6 Pfund 8 Loth Wiener Gewicht schwer,
19'' lang und hatte alle übrigen Zeichen der Keife, aber die Epi-
dermis löste sich bereits an mehreren Stellen in dünnen Fetzen
ab. Den Nabelstrang bedeckte von der Placenta her bis in seine
Mitte ein strangförmiges Gebilde und hüllte ihn in Windungen,
welche fest an seiner Aussenfläche anlagen, ein, so dass an ein^
beiläufig 5" vom Nabelringe entfernten Stelle eine vollständige
Compression seiner Gefässe herbeigeführt war. Chorion und Pla-
centa waren normal. Bei der Entfaltung des strangförmigen Ge-
bildes erwies sich dasselbe als Amnion, welches, flächenartig aus?
gebreitet, sich vollkommen dem Chorion anpassen liess und an
der Insertionsstelle des Nabelstranges als Hülle desselben bis auf
eine Entfernung von 1 Zoll sich ablösen liess. Auch das Mikro-
skop bestätigte, dass die Haut das Amnion war.
Dnrch diese neue Beobachtung wird ein älterer Fall desselben
Verf.'s (Zeitschr. d. Gesellsch. d. Aerzte in Wien. 1854. 6. 192.),
in welchem die Ligatur der Nabelschnur durch Amniosstränge
gefanden wurde, unterstützt. Im Jahre 1852 wurde in der Klinik
von einer gesunden Erstgebärenden ein reifes, aber sehr mageres
und blass aussehendes Kind geboren, welches gleich nach der
Geburt starb. Bei der Section fand sich Atelectase und Anaemie,
an der Nabelschnur aber bemerkte man 1 Fuss weit vom Nabel*
ringe entfernt an einer 3 Linien breiten Stelle ein Convolut von
Knoten und Strängen, die endlich in die flächenformige Ausbrei-
tung des Amnion ausliefen. Von der Ligatur bis zur Innenfläche
der Placcntii war die Nabelschnnr von ihrer Scheide entblösst,
so dass man das Entstehen der durch Stränge gebildeten Ligatur
durch theilweises Abstreifen des lose anhängenden Amnion vom
Nabelstrange erklären konnte. Jeder Strang konnte ausserdem
mechanisch entfaltet und in eine sorOse Membran ausgebreitet
'310 VI. Notizen aus der Journal -Literatur»
werden. Hier hatte das Convolut von Knoten und Strängen eine
mangelhafte Ernährung , aber noch nicht den Tod des Foetus
veranlasst
Dem Gesagten zufolge kann also das Amnion nicht nnr in
den frühereren Schwangerschaftsmonaten durch anomale FaUung
die Bildung und Weiterentwickelung einzelner Foetustheile ver-
hindern oder Theile davon absetzen, sondern auch in den späteren
Monaten Ligaturen des Nabelstranges mit Nachtheil f&r das fötale
Leben bilden.
(Oestr. Zeitsch. f. prakt Heilknnde, 1865. No. 9. 10.)
0. Spiegelberg: Drei Fälle von Struma con-
genita.
Verf. weist aui* die von Hecker beobachteten Fälle von den
unter der Geburt von Kindern in Gesichtslage entstandenen An-
sehwellungen der Glandula thyreoidea hin, die jedoch meist nur
ans der Kindeslage hervorgegangen waren (den seltenen Fall aus-
genommen, dasB gerade durch die Struma eine fehlerhafte Hal-
tung des kindlichen Schädels in Gesichislage erzeugt wird) und
kommt dann auf die zahlreichen Fälle von wirklichem, intraute-
rinem Kröpfe zu sprechen. Den hier einschlagenden froheren
Beobachtungen fügt er aus eigener Anschauung noch drei Fälle
hinzu.
In sämmtlichen Fällen waren die Mütter, deren eine xum
zweiten Male, die andere zum dritten und die letzte zum vierten
Male schwanger war, mit starkem Kröpfe behaftet und aus den
engen Thälern des Schwarzwaldes gcbtlrtig. Die Kinder wurden
leicht geboren und zeigten alle abgegränzte und bewegliche Ge-
schwülste zwischen Kion und Steruum. Bei zwei Kindern wurde
die Section angestellt, eines wurde am 10. Tage relativ gesund
entlassen und ist über sein Schicksal Nichts bekannt geworden.
Das eine Kind starb ^ Stunde, das andere am dritten Tage nach
der Geburt. Die I%yreoidea war sehr vergrössert, das Gewehe
war dicht, nicht von Cysten durchsetzt, sehr blutreich (einfache
intrauterine Hyperplasie). Stets hatte die vergrösserte Schild-
drüse durch Yerengenmg des Larynx im einen, und der Trachea
im andern Falle Respirationshindernisse bedingt, die d&n Tod
herbeiführten. Zusammenhang mit Oretinismus war nicht nach-
zuweisen.
(Würzburger mediz. Zeitschrift. 1864. Bd. 5 )
Engel: lieber Entstehung von Missbildungen
durch äussere Bedingungen.
Die frühere Ansicht, dass die Bildungsanomalien das Ergeb-
niss einer mangelhaften Entwickelung des zum missgebüdeten
VI. Notisen aufl der Journal -liileratur. 3t 1
TheSe geh^brigen Nerren- «ad Gefäeaaj^parates wSren, vefwirft
Verf. Beide Regelwidrigkeiten entwickeln sich nach ihm gleich-
seitig nebeneinander, daher könne auch die eine die andere
nickt bedingen. — Den Einfluss der mecjianiacben YerhäHnisse
auf die Entwickelung sieht er als ausgemacht an, nur sei es etw«s
Anderes, ihnen eine zufällige RoHe in gewiasen Periodeader Ent-
wickelung zu gestatten, und etwas Anderes» ihnen eine üauptrollfB
in jeder Periode der Entwickelung zuzuschreiben. Schon sei man
durch die neuerdings angestellten Experimente den Bedingungen
der normalen und anomalen Entwickelung n&her gekommen.
FreUich gestatte die Zartheit des embryonalen Organismus es
nicht, ohne Hintenansetzung der Lebensfähigkeit des zu unter-
suchenden Objectes, Studien fib6r die unmittelbare Einwirkung
auf den Embryo zu machen, und so müsse man si^h TorUiufig
begnügen, die durch verschiedene Regelung der Tempe^ratur
und der Feuchtigkeit der umgebenden Atmosphäre hervorge-
brachten Anomalien am Foetuskeime aufzusuchen.
^ Die Veränderungen in der Temperatur (Erhöhung und Er-
niedrigung unter das Normalmass) fähren nicht zu Monstrositäten.
Bei stärkerer Erhöhung der Temperatur entwickele sich der
Foetus überhaupt nicht, oder wenn bereits entwickelt, gehe (Jr
zu Grunde. Bei Erniedrigung entstehe nur Verzögerung der Ent-
wickelnngsYorgänge und schliesslich Absterben, aber keine Miss-
bildung.
Anders verhalte es sich, wenn zugleich die Feuch-
tigkeit der umgebenden Luft möglichst beschränkt
werde, dann beobachte man oft Missbildungen schon in den
ersten Tagen nach der Bebrütung. -- Nach kurzer Beschreibung
des Apparates zur Hervorbringung dieser Missbildungen giebt
Verf. eine nach ihrer Zusammengehörigkeit, bezüglich der For-
men geordnete Zusammenstellung der erzeugten Missbildungen.
Aus den Resultaten seiner Experimente zieht er den Schluss, dass
Veränderungen der zur normalen Entwickelung des Foetuskeiuis
nothwendigen Bedingungen: gleichmässige Temperatur und Feuch-
tigkeit, keine Hemmung, sondern eine Anomalie der
Formentwickelung hervorrufen; aber nur mit Wahrschein-
lichkeit vermöge man Missbildungcn durch Variation der oben an-
gegebenen Verhältnisse zu veranlassen, ohne die Art derselben
von vom herein bestimmen zu können.
Uebergehend zu einer näheren Besprechung der sogenannten
drei Gesetze der Missbildungen : lex compensationis, lex topicorum,
lex proprietatia, reiht er au dieselben, aof die Resultate seiner
Untersuchungen gestützt, noch das Gesetz des gleichzeitigen
Zusammentreffens'', oder der ^Zusammengehörigkeit
mehrerer Missbildungen". Organe nämlich, welche aus dem-
selben Keime hervorgehen, würden immer gleichzeitig missgebildet
312 VI. Notizren aas der Journal -Literatur.
erscheinen, wenn der beiden geneinsehaillfche Kein irgendwie
erkranke.
Schliesslich erklärt Verf. , dass wenn auch Schwankungen in
der Tempefratur und Feuchtigkeit der umgebenden Medien beim
Menschen keine Rolle spielten, doch Bedingungen bei ihm auf-
treten, die man bei einschlagenden Untersuchangen in ihrer Wir-
kung mit den genannten Einflüssen in eine Parallele stellen kann.
(Wiener med. Wochenschrift. 1865. No. 9, 8 u. 4.)
C.ß.Ä^iVA^f: Anatom i sehe Beschreib ung drei er,
aehr frühzeitiger Doppel-Embryonen von
Vögeln, — zur Erläuterung der Entstehung
von Doppel-Miasgeburten.
Aus der Eingangs seiner Arbeit sehr ausführlich gegebenen
anatomischen Beschreibung dreier, sehr frühzeitiger Doppel-Em-
bryone von der Gans und dem Hühnchen glaubt Verf. eine Ein-
sicht in die Entstehungsgeschichte sämmtlicher Doppel -Missge-
barten schöpfen zu können. Nach ihm lassen sich dieselben
wahrscheinlich bei genauerer Prüfung in zwei Abtheilungen unter-
bringen :
1) in solche, bei welchen die sogenannte Keimspaltung in der
Längsaxe;
2) in solche, bei deren Genesis eine Spaltung des Keims in
der Queraze vorausgesetzt werden muss.
In manchen Fällen könne es allerdings unentschieden bleiben,
ob eine Quer- oder Längsspaltung des Keimes vorausgegangen
sei, denn das Lageverhältniss der betreffenden Axen wäre durch
die unregelmässige Entwickelung einer oder beider durch Keim-
spaltung gegebenen Anlagen zu einander so verschiebbar, dass
ein Uebergang aus der einen Abtbeilung in die andere wohl statt-
finden könne. Hierbei leite ihn die Annahme, dass Doppel-Miss-
bildungen mit einem nur rudimentär entwickelten Individuum aus
zwei gleichwerthigen Anlagen dadurch entstanden seien, dass die
eine nur sich mangelhaft ausbilde. Wenn es sich nachweisen
lasse, dass derartige Doppel - Missgeburten aus einer unregel-
mässigen Keimspaltuug mit Rücksicht auf die Richtung der Axen
und in Betreff der qualitativen und quantitativen Beschaffenheit
des Keimes hervorgehen könnten, dann würde man die in Rede
stehenden Doppel -Missgeburten zu den regelmässig angelegten
rechnen müssen.
Nach dem Befunde liessen sich folgende Gesetise für die Bil-
dungsgeschichte der Doppel'Missgeburten aufstellen.
1) Jede Anlage einer Doppel - Missgeburt entsteht an einem
befruchteten Ei, an welchem auffällige Abweichungen von der
Norm sich nicht nachweisen lassen.
VI. Notizen ms der JouriMl- Literatur. 313
2) Der Bildungsdotter absolrirt den Furehongsprocess wie
bei den normal sich entwickelnden befruchteten Eiern, seine £nt-
wickelungsgeschichte beginnt in normaler Weise mit Sonderung
und Bildung der UmhaUungshaut Die Anlage für die Doppel-
Missgeburt erfolgt an dem von der UmhaUungshaut ganz oder
theilweise bekleideten Beste der Bildungsdotterzellenmasse , ent-
weder vor oder nach stattgehabter Sonderung in die ersten Grund-
lagen des Wirbelkörpers (Gentralsystem , Stratum intermedium,
Gylinder-Epithel des Darmkanals).
3) Den Bildungsdotterzellen muss man mit Rücksicht auf die
Doppel-Missgeburten zwei Eigenschaften zuschreiben. Einestheils
sind sie befähigt einzeln als Keim eines Individuums aufzutreten
und nach gesetzlichen oder abnormen Zustanden diese Fähigkeit
ziur Geltung zu bringen; andemtheils vermögen sie in Gemein-
schaft mit andern in den Bildungsprocess eines Organismus über-
zugehen, wobei ein Theil der Zellen die erste Eigenschaft mehr
«der weniger einbüsst, ein anderer Theil aber als keim&higes
Material (Eeimorgan) bei ihnen reservirt bleibt. Der letzte Fall
ist der normale in der Bildungsgeschichte einer Species. In den
Doppel -Missgeburten dagegen offenbart sich diese Eigenschaft
unter abnormen Yerh<nissün.
4) In Rücksicht auf ihre Genesis ze^^en die für die Wirbel-
ihiere aufgestellten beiden Abtheilungen von Doppel-Missgeburten
folgende Unterschiede:
a) Bei den aus Querspaltung hervorgehenden Doppel-
Missgeburten muss die Anlage für beide Embryonen in einer
Spaltung der Bildungsdotterzellenmasse unmittelbar nach der Bil-
dung der Umhüllungshaut und vor Anlegung der primitiven Grund-
lage des Wirbelthierorganismus eingetreten sein. Es beginnt also
der Wirbelthierorganismus mit zwei ursprünglich gesonder-
ten Anlagen sich zu entwickeln. Die Vereinigung und das Ver-
wachsen kommt dadurch zu Stande, dass die Beziehungen der
Doppel- Anlagen zu der einheitlichen, von nur einer Urohül-
lungshaut bedeckten Grundlage sich geltend machen.
b) Bei den durch Längsspaltung bedingten Doppel-Miss-
geburten kann die Ansicht zu Grunde gelegt werden, dass der
normal entwickelte, bilateral gebaute Wirbelthierorganismus, so
zu sagen, ein paariges Individuum darstelle, in welchem die linke
und rechte H&lfte zweien Individuen angehöre, welche sich mit
Aufoi^eruog der fehlenden Hälften zu dem bilateral oonstrairten
Wirbelt hierkörper vereinigt haben. Hierbei entsteht die Doppel-
Missgeburt dadurch, dass die auf die Vereinigung bezüglichen
BildoBgsvorgänge gestört und. eine selbststftndige Entwickelung
und eine mehr oder weniger vollständige Trennung der für den
bilateralen Bau normal berechneten Doppel -Anlage in weiterem
Fortgange der Entwickelung zur Geltung kommt. Entwickeln sich
so die Anlagen eines Doppel -!&nhryonen weiter, so treten mehr
314 VI. NotUen ans der Jonroal- Literatur.
oder weniger amföngliche YerwachBungen ein, die ihrerseits wie-
der die Rückkehr zar Norm anbahnen.
(Archiv f. Anatomie, Physiologie u. wiasenschalU.
Midizin. 1864. No. 6.)
Breslau und Rindfleisch: Geburtsgeschichte und
Untersuchung eines Falles von Foetus in
foetu.
Ein interessanter Fall von Foetus in foetu, den B. in geburts-
hülflicher und makroskopischer, R. in mikroskopischer und tera-
tologischer Hinsicht beschrieben, ereignete sich in der Gebäranstidt
zu ZQrich. Am 8. Februar 1864 fand daselbst eine 28j&hrige
Bäuerin Aufnahme, versehen mit einem Schreiben ihres Arztes,
worin dieser die Function eines Hydrovarium, woran Pattentin
leide, empfahl. Die Frau und ihr Mann, mit dem sie seit xwei
Jahren verheirathet war, stammten beide von gesunden Familieii.
Erstere hatte seit einem Nervenfieber und einer Pneumonie keine
Krankheit mehr gehabt^ hatte vor 1} Jahren einen lebenden, ge-
sunden Knaben geboren und denselben 18 Wochen lang gestillt
In der 15. Woche nach der Geburt Wiedereintreten der Menses.
Seit Ostern 1863 waren sie wieder ausgeblieben. Seit der ersten
Geburt will sie eine bewegliche, grössere Geschwulst im Unter-
leibe zurückbehalteu haben, die November 1863 zunahm, and
zwar Anfangs langsam, nach Netgahr 1864 aber rasch. Die ge-
wöhnlichen Folgen einer solchen Geschwulst (Athemnoth, Oedem
der Beine) traten ein. In den letzten 10 Wochen will sie hier
und da Kindesbewegungen wahrgenommen haben. Status: durch
die eaorm gespannten Bauchdecken fühlte man einen nach oben
gegen Epigastrium und die beiden Hypochondrien abzugrenzen-
den, nach allen Richtungen fluctuirenden Tamor von glatter,
gleichmässiger Oberfläche, Umfang des Unterleibes in der Nabel-
gegend 110 Cm., Höhe des Tumor von der Schaambeinfuge zum
Fundus 43 Cm. Weder Kindestheile , noch Kindesbewegungen,
noch Herztöne, Scheide aufgelockert, warm, secernirend, Schei-
dengewölbe fluctuirend, herabgedrängt, Vaginalportion verstrichen,
äusserer und innerer Muttermund für eine Fingerspitze geöffnet.
Eine Fruehtblase, zeitweise gespannt; innerhalb derselben ein sein:
kleiner, auch spontan leicht beweglicher Kindestheil, wahrschein-
lich ein Fuss. Diagnose: Hydramnios, und zwar entweder mit
Zwillingen oder mit einem verktimmerten Foetus. oder mit einem
missgebildeten (etwa hydrocephalischen) Foetus. Eine periuterine
Cystengeechwulst wurde ausgeschlossen. Geburt: Die Weben
steigerten sich in der Nacht vom 8. zum 9. Februar, frUh 4 Uhr
Muttermund völlig erweitert. Vortritt der Blase, künstliche Spren-
gung derselben« Man fühlte einen kleinen Foetus in vollkommener
Fusslage, der im Beckeu-Eingange mit den Uiften stehen bheb.
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 315
Bis halb 6 Uhr deutliche Pulsation der Nabelschnur. Enorm viel
Fruchtwasser war abgeflossen. Utenis - Gontraction trotz Seeale
ungenügend Es wurde daher kurz vor 6 Uhr früh die Extractton
gemacht, die sehr schwierig war «nd bei welcher der Foetus fast
zerriss. Beide Arme gelöst. Kopf endlich durch eine Wehe her-
ausgetrieben. Wochenbett normal.
Der Foetus war weiblichen Geschlechts, 1548 Grarames
schwer, anscheinend 23 bis 24 Wochen alt. Der Schädel war
verhältnissmässig um das Doppelte zu gross und stellte eine
schlotternde Masse mit halbfesten Wandungen dar, annähernd
zwei Mannsfanstcn entsprechend. Zum Munde hing eine eigen-
thflmliche Geschwulst herans von der Grösse einer Mannsfaust,
an einem kleinfln gerdicken Stiel inserirt, beweglich, mit einer
zarten, glänzenden Membran überzogen, eine traubig -unregel-
mässige Masse darstellend, bald härtere, bald elastischere, bald
deutlich iluctuirende Stellen darbietend. Schädel knochen gering
entwickelt, Nähte und Fontanellen weit. Bei der ersten Incision
quoll eine theils flüssige Masse (Hirn), theils bröckelig > halbfeste
Substanz, welche letztere einer in der Schädelhöhle be-
stehenden Geschwulst angehörte, herans. Diese Geschwulst
war kleiner als die oben erwähnte, von ähnlicher Form, aber ge-
ringerer Consistenz. Hirn breiig zerstört. Seitenventrikel be-
trächtlich erweitert. Kleinhirn verkümmert Vierter Ventrikel
hy dropisch erweitert. — Im Uebrigen zeigte der Foetus kleine,
mit subpleuralen Ecchymosen bedeckte Lungen. Herz klein,
gelblich, stark fettig degenerirt. Nieren stark gelappt, klein,
wachsgelb. Leber 74 Grammes, Milz nur 1^ Granmies wiegend.
Die Nachgeburt wog 1000 Grammes, war nahezu rund und
hatte einen Durchmesser von 21 Cm. Gewebe blassroth, ödematös.
Chorion -Zotten nicht hydatidös entartet. Zwischen Amnion und
Chorion eine Schicht sulziger Flüssigkeit; unter dem Chorion
einige kleine apoplektische Heerde. Nabelstrang lateral inse-
rirt, 40 Cm. lang, mager, nicht ödematOs.
Die weitere Untersuchung der extra- und intra-
craniellen Geschwulst ergab Folgendes: der runde, in der
Mundöifnung A**' dicke Stiel veijüngt sich nach innen, ist am
Gaumensegel nur noch 2'" dick, mit der Uvula verlöthet, aHmälig
den Charakter der Serosa verlierend und in die Rachenschleim-
haut Obergehend. Der Körper des Stiels geht bis zur Basis cranii,
ja durch diese hindurch nach dem Boden der Schädelhöhle. Hirn,
Hirnhäute und intracephaler Tumor stark macerirt. Letzterer
lag dem Boden der Schädelhöhle auf, mit einem bandartigen Stiel
in der Sella turcica befestigt Der Himanhang fehlte. Der Ge.
schwulststiel verschwand in einem länglich -runden Loche am
Boden der Sella, durch welches beide Geschwülste communicirten.
Interessant war nun die intracephale Geschwulst Aeusser-
lich stellte sie eine Anhäufung rundlicher, roth und weiss gefleck-
316 VI. Notizen aus der Journal -Literatar.
ter Knollen und Cysten dar. An einigen Stellen ragten vielge-
staltige, zungenbeinartige Gebilde aus den Fugen zwischen den
Knollen hervor. Dieselben waren an ihrer Spitze zu einer drei-
eckigen Fläche verbreitert und» zeigten eine deutliche Zähnelung.
An einer Stelle sassen vier solche, anscheinend verkQmmerte Ex-
tremitäten. Beim Oeffnen der Falte, aus der sie -kamen, gewahrte
man zwei schwarze Pünktchen, die Augen, und darunter eine
quere Vertiefung, den Mund eines höchst mangelhaft entwickelten
Foetus. Darunter sah man eine Anzahl in einander laufender
Kreise durch die dfinne Haut schimmern, den Darm des Foetus.
Auch eine Nabelschnur fahrt von der Höhe über die Dannschlin-
gen nach links in die dünne Haut der Geschwulst, welche als
Amnion anzusehen sein würde. £s ist also ein Foetus in
foetu im eigentlichsten Sinne des Wortes. Uebrigens
zählte R. nicht nur vier Extremitäten, sondern sieben, und auch
mehr als zwei Augenpunkte, so dass man sogar von mehreren
Foetus in foetu sprechen kann, oder doch von einer regel-
losen Neubildung körperlicher Organe, die von der
Hypophyse ausgeht, indem sie — unter Abwesenheit dieses
Organes ^ an der Stelle eingepflanzt ist, wo die Hypophyse zu
liegen pflegt.
Was die übrige Geschwulstmasse betrifft, so befanden
sich hier Knorpel-, Knochen-, Muskel-, Nerven- und Drüsen-Sub-
stanz wunderlich angeordnet in fötalem Bindegewebe- eingebettet,
ein histologisches Potpourri. Das Epithel der Mundschleimhaut
ging continuirlich in ein pflasterförmiges, un geschichtetes Epithel
der dünnen Umhüllungshaut des extracephalen Tumors über.
Hier und da regressive Processe (Erweichung, fettige Dege-
neration).
An diesen Fall knüpft R. Bemerkungen über das Wesen und
die Deutung einer solchen Erscheinung. Offenbar gehört die
vorliegende Missbildung nicht unter die Missbildungen per exces-
sum, d. h. unter solche, die wesentlich auf einer zu grossen
Energie der bildenden oder der die Bildung anregenden KJraft be-
ruhen, sondern unter die Doppel-Missbildungen, von denen die eine
durch das Wachsthum - der andern verkümmert. Diese Doppel-
bildungen beruhen auf doppelter Anlage des Fruchthofes in einer
Keimblase. Diese Anlage ist bei entstehenden Doppel -Missbil-
dungen ^er Art, dass die beiden Fruchthöfe sich störend berühren,
so z. B. in demselben Meridian in paralleler Lagerung n. s. w.,
Fälle, in denen meistentheils Missbildungen zu erfolgen pflegen.
Die Endpunkte der Embryonen-Axe sind nun Sella turcica (Hypo-
physe) und Steissbeinspitze (Steissdrüse). In diesen beiden End-
punkten pflegen die beiden Embryonen -Axen bei Doppel-Miss-
bildungen besonders häufig zusammenzutrefl'en. Die Hypophyse,
ein abgeschnürtes Stück der Chorda dorsalis, erscheint beim Er-
wachsenen als Hirnanhang, indem sie durch einen bindegewebigen
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 317
Stiel mit dem Hirn verbunden ist. Es ist nutzloses Keimgewebe,
ohne bestimmten Typus. Es ist ein Rest nicht differenzirter,
d. h. nicht in Keimblätter (Darmdrüsenblatt, intermediäre Schicht,
Hornblatt) getheilter Keimhaut. Die Hypophyse ist der Central-
pnnkt für die Kopftheile, die Gehimblasen, die Gesichts-Fortsätze.
Während die Embryo-Axe die Richtung der seitlichen Einwürts-
krümmung angiebt, bezeichnet die Hypophyse den Punkt, um den
die vordere Abwärtskrümmung erfolgt. Findet also hier Berüh-
rung statt, so wird die Ab- und Einwärtskrümmung der Kopf-
hälfte des einen Embryo aufgehalten. Vielleicht könnte dieser
FalKauch als organopoetische Geschwulstbildung, wie sie an bei-
den Arten, besonders an der Steissdrüse, zuweilen Statt hat,
gedeutet werden.
(Vircfiaw's Archiv. IL Folge. Bd. 10. Heft 3 u. 4. 1864.)
Fonssagrives und GaiUerand : üeber einen Acepha-
lus Peracepbalus.
(Mitgetheilt in der Sitzung der Academie des Sciences zu Paris,
den 18. April 1864.)
Das Präparat war den Herren F. und G. durch Barnbanson
in Lesneven (Finist^re) zugegangen. Die Umstände der Geburt
waren folgende : Die Mutter war 21 Jahre alt, hatte vor 3 Jahren
zum ersten Male und zwar ein normales Kind ohne Kunsthilfe
geboren. Nach der Geburt starke Metrorrhagie. Was die neueste
(zweite) Schwangerschaft betraf, so war dieselbe ohne irgend
welche physische oder psychische Störung verlaufen. Am 24. Ja^-
nuar 1864 wurde Barbanson von der Hebamme zu der Frau
gerufen ; nachdem vor einer Stunde ein wohlgebildetes Mädchen
geboren war, hatten die Wehen fortgedauert und bald nachher
noch ein zweites weibliches Kind, dem aber Kopf und obere
Extremitäten fehlten, ausgestossen. Die Nabelschnur des ersten
Kindes war normal, die des zweiten sehr dünn. Beide Fruchte
hatten eine gemeinschaftliche Placenta.
Die wichtigsten anatomischen Eigenschaften dieser Monstro-
sität waren:
1. Beide Lungen waren in eine verschmolzen, in einen Pleura-
sack eingeschlossen und mit einem Rudimente der Trachea
versehen.
2.- Die Thymus-Drüse war sehr gross.
3. Drei Vesicules cardiaques mit einem Systeme arterieller
und venöser Gefässc.
4. Vollständige Abwesenheit der Leber; dafür ein venöser
Plexus hepaticus, der von der Rena umbilicalis stammte.
Ein Verdauungskanal, welcher theils in einem dünnen,
kurzen, theils in einem dickeren Darm mit Coecum und
Processus vermiformis bestand.
3 18 ^I* Notizen aus der Journal -Literatur.
6. Ein kleiner Kopfknochen - Tuberkel , der keine Hirnmasse
enthielt.
7. Ein Stumpf von Rückenmark und ein grosser Sympathicus,
beide von normaler Structur.
8. Ein Urogenital -System, das sich auf nidimentäre Nieren,
eine unvollständige Vagina, einen Uterus bifidus beschrankte.
Tuben und Ovarien fehlten.
9. Die untern Extremitäten waren, ausgenommen eine dop-
pelte Yalgus-Stellung und eine theils in Neigung zu Ver-
wachsung, theils in Un Vollständigkeit der Zehen bestehende
Unregelmässigkeit, normal.
Bemerkenswerth war übrigens die vielfach bei derartigen
MissbilduDgen angezweifelte P^xistenz 'eines Diaphragma, der
Lunge, des Herzens und der Leber.
(Gaz. Medicale de Paris.. 1864. 30. April. No. 18.)
Martin' Schar lau: Gfefährliche Folgen eines Fal-
les in den letzten Monaten der Schwanger-
schaft.
Ein von S. mitgetheilter Fall, betrefifend ein 21jährige8, zum
ersten Male geschwängertes Mädchen, welches am 11. Januar 1863
in die Entbindungs- Anstalt der Berliner Universität aufgenommen
worden und am 14. Februar daselbst auf dem Rücken die Treppe
hinabgestürzt war, ist geeignet, die Folgen einer solchen Erschttt-
tening bei Schwangeren deutlich zu machen. Am 16. Februar
traten die ersten Schmerzen ein, am 19. erfolgte die Geburt eines
lebenden Kindes. Im Verlaufe des Wochenbettes jedoch stellten
sich Schmerzen in der rechten Seite, Fieber, Fröste und Durch-
fälle ein. Am 9. März trat ausserdem noch eine Pleuritis auf»
die sich mit Pneumonie compliciile Nach abwechselnden Delirien
und Collaps-Zu ständen erfolgte am 22. März unter zunehmender
Dyspnoe der Tod.
Was das Resultat der Section betrifft, so sei hier hervorge-
hoben, dass das Colon ascendens mit der rechten Niere verwach-
sen war; nach Trennung dieser Verwachsungen kam dicker,
grüner Eiter zum Vorschein. Das an einigen Stellen verdQnnte
Duodenum, welches rostfarbenen Schleim und grtlnlich-dicken Eiter
enthielt, zeigte eine erbsengrosse Perforation. Ausserdem fanden
sich Thrombosen der Venae suprarenales, Vena cava, des Herzens
und der üterusvenen.
Die hier beobachteten pathologischen Zustände sind unzwei-
felhaft zum Theil als Folge des nach jener Erschtttteruog einge-
tretenen Blutergusses in das Bindegewebe der rechten Nieren-
kapsel anzusehen.
Beiläufig erwähnt werden noch drei von Martin beobachtete
VI, Notiten aaa der Journal -Literatur. 319
F&lle ähnlicher Art mit Abscessbildong nach Erschüiteningen bei
Schwangeren.
(Berliner Klin. Wochenschr. 1864. No. 29)
R.W, Crighton: Ein Fall von Uterusruptur, mit
glücklichem Erfolge der Gastrotomie.
Verf. kam zu einer Gebärenden, die der Agonie nahe war.
Die Untersuchung ergab eine Zerreissung der Gebärmutter, das
Kind Jag in der Bauchhöhle. Nach Ueberwindung Tielfacher
Schwierigkeiten wird die Erlaubniss zur Ausführung der Gastro-
tomie gegeben und diese nach den gewöhnlichen Regeln ausge-
führt; das Kind wurde nicht ganz leicht extrahirt, natürlich todt;
ihm folgte die gelöste Placenta. Der Uterus zeigte sich gut con-
trahirt, der Riss ging fast quer um die Ueberg'angsstelle des
Körpers in den Hals und war durch eine Schicht coagulirten
Blutes verdeckt. Die Ränder der Bauchwunde wurden mittels
Acupressurnadeln einander genähert, um den Leib eine Bandage,
auf ihn ein Warmwasserüberschlag gelegt. Im Wochenbett folgte
eine ziemlich hochgradige Peritonitis, durch Icterus complicirt,
der sieh jedoch bald wieder verlor. Nachdem schon am dritteu
Tage nach der Operation 4 Nähte herausgenommen worden waren,
barst die Wunde bei einem Anfalle von heftiger Uebelkeit mit
Würgen, herbeigeführt durch verabreichte Abführmittel, in ihrer
ganzen Länge von einander und wurde von Neuem genäht und
mit Hef^flaster zusammengezogen. £s wurden vorher schon ein-
mal (am zweiten Tage) und nun nochmals (am fünften Tage nach
der Operation) Blutegel in die Lebergegend gesetzt, da dort ein
sehr empfindlicher Schmerz gefühlt wurde.
Am 7. Tage wurden alle Nadeln entfernt und ein widrig
riechender Ausfiuss aus dem Peritonaealcavum durch einen nicht
verheilten Punkt der Banchwunde, der sich schon zwei Tage zu-
vor gezeigt hatte, dauerte an. Abwechselnd traten noch ruhelose
Nächte, Brechen, Uebelkeiten ein, aber ging die Heilung gut vor
sich; der Ausfluss verwandelte sich später in gutartigen Eiter
and am 25. Tage nach der Operation erfolgte ein Durchbruch
von £iter durch die Scheide; es folgte hierauf schnelle Besse-
rung ; ein geringer Rückfall mit Frost und Schmerz in der linken
Fossa iliaca trat am 34. Tage ein; er besserte sich aber schnell
nach Anwendung schweisstreibender Mittel und lokaler Aufpin-
seiung von Jodtinctur. Dasselbe mit geringem Icterus zeigte sich
wieder am 55. Tage. In der nächsten Woche stand Patientin
täglich auf und 2 Monate später legte sie einen 4^ engl. Meilen
weiten Weg zu Fuss zurück.
Die Frau stand übrigens im 28. Lebeniqjahre und war vorher
schon dreimal mittels der Zange von zwar lebenden Kindern
entbunden worden, die jedoch kurze Zeit nachher wegen der zu
320 VI. Notizen aus der Joainai^Lheratur.
starken Gompression des Kopfes gestorben waren. Sie iiatte den
Rath erhalten, die künstliche Frühgeburt zwischen dem 7. ond
8. Monat an sich yornehmen zu lassen, hatte aber niemals sich
willig fiuden lassen.
Verf. macht schliesslich auf die besonders beachtenswerthen
Puukte in diesem Falle aufmerksam und fahrt hier auf:
^dass 14 Stunden zwischen Kiss des Uterus und Extraction
des Kindes aus der Bauchhöhle verflossen waren; dass
Wiedergenesung von einem acuten Icterus unter diesen
Umständen erfolgte,"
und rühmt den guten Erfolg der Anwendung von Jodtinctur be-
hufs Absorption von Entzündungsproducten.
(Edinburgh MedicaJ Journal No. CX. August 1864.)
J,Flmry: Üterus-Haemorrhagie nach derEat-
bindung.
Eine 30jtährige, wohlgebildete Frau, welche im Juli 1855 zum
ersten Male von Zwillingen entbunden worden war, machte nach
dieser Entbindung eine schwere l'terus-Haemorrhagie durch. Im
Jahre ia^7 Abort im 3. Monate. Am 2. April 1860 wurde F.
gerufen, um wegen Wehenschwäche die Zange anzulegen. (Je-
eignete Massregeln verhinderten bei dieser Geburt eine heftige
Blutung. Am 3. Juni 1863 abermalige Niederkunft. Gegen 10 Uhr
Abends war die spontane Ausstossuug eines lebenden Kindes er-
folgt. 1 Stunde nachher heftiger Blutverlust, von der Hebamme
vergeblich mit kalten Compressen bebandelt Die Blutgerinnsel
wurden von der Hebamme entfernt. Bei F.'s Ankunft hatte die
Frau 2 Litres Blut verloren und bot Zeichen der Auämie dar.
F. Hess 2 Grammes Seeale cornutum holen und wandte zunächst
die gegen die Hämorrhagie indicirten Verfahren an. Der Puls
war klein und frequent. Plötzlich verlor die Frau das Bewusst-
sein. • Kalte Applicationen auf den Unterleib, Frictioneu, Entfer-
nung der Gerinnsel aus dem Uterus. — Nicht« hatte bisher die
Hämorrhagie zum Stehen gebracht. Die Bauchdecken waren
nachgiebig, der Uterus massig contrahirt; die Schläge der Aorta
abdominalis waren deutlich durchzufühlen, aber äussert frequent
Nach 15 Minuten anhaltender Compression der Arterie hatte die
Frequenz etwas nachgelassen, die Respiration besserte sich,
ebenso das Aussehen. Das Bewusstsein kehrte wiedler. Jetxt
wurde das (mittlei-weile angekommene) Seeale 3 Mal alJe 5 Minu-
ten gegeben. Nach Jsttindiger Compression wurde danlit aufge- ,
hört; tiefe Inspirationen wurden veranlasst. Die Secaledosen
wurden beschränkt. Das Gesicht röthete sich nun wieder. Der
Puls wurde günstiger. Application eines Clysma mit öOO ör.
eines kräftigen Weines. Einnahme von Bouillon. Die Frau war
VI« Notizen ans der Jonrnal* Literatur. 821
«Bf dem kflvzeslen Wege wieder hergestellt und hat seit der
Conpression der Aorta keine Blutang mehr gehabt
(Gaz. des Uöpit. 1864. 14. Joli. No. 82.)
A. Afiderson: üeber die Behandlung der Nach-
geburt B-Perio de.
(Aus einem Aufsatze „Ueber Gebärmutterblutiiugen nach
der Entbindung und während des Wochenbettes^'.)
Verf. bemerkt, dass das active Verfahren zunächst zu berück-
sichtigen habe, wie jeder Fall, in welchem einige Stunden nach
der Entbindung die Plaeeata noch nicht ausgestossen ist, als
Retention anzusehen und daher die Placenta unter Berttcksieh-
tigang der Ursachen entfernt werden muss.
Credit 8 Verfahren, welches die active und passive Wirksam-
keit vereinigt, entspricht nach des Verf» e4genen, auf gegen
400 Fälle gestützten Erfahrungen den wichtigsten prophylakti-
schen und operativen Indicationen. In manchen Fällen jedoch
konnte es nicht — wie Crede vorschreibe — gleich nach der Ent-
bindung, sondern erst einige Zeit nachher angewandt werden.
Nach- des Verf. Meinung ist Credos Verfahren durch manueUe
Lösung der Placenta zu ersetzen:
1. Bei gleich nach der Entbindung eintretender so heftiger
Blutung, dass die Placenta nicht sofort durch äussere Mani-
pulationen entfernt werden kann.
2. Wenn der Bauch sehr empfindlich und gespannt ist, und
die Bauchdecken sehr dick und ödematös sind.
3. Wenn eine Strictur im Uterus vorhanden ist. (Mit Zuge-
ständniss von Ausnahmen.)
• 4. Bei abnormer Adhäsion der Placenta, besonders wenn der
krankhafte Process, welcher die Adhäsion vermittelte, Tex-
turveränderungen des Uterus mit entsprechender Minderung
seiner Gontractilität herbeigeführt hat. Einige Male habe
man so intime Verwachsungen gefunden, dass sich keine
Gränze zwischen Textur des Uterus und der Placenta auf-
finden Hess und selbst durch die pissection keine Lösung
zu Stande zu bringen war. Zuweilen bestehen diese abnor-
men Adhäsionen in dicken, sehnigen Strängen.
Der Vorschrift Crede's, die Manipulation unmittelbar nach
der Geburt vorzunehmen, kann Verf. nicht beistimmen, indem
nicht selten Schlaffheit des Uterus und Blutungen die Folgen
einer übereilten, selbst durch Uterus -Contractionen vermittelten
Entfernung der Placenta seien. Entweder löst sich, in gewissen
Fällen, die Placenta nur partiell und muss wegen Blutung manuell
entfernt werden, oder die Gebärmutter behält noch lange die Ge-
neigtheit, in einen atonischen Zustand zu verfallen.
£r hält es demnach für richtiger, dass man die Contractionen
Monatsschr. f. Geburtak. 1865. Bd. XXV. Suppl.-H/t. 21
VI. Notizen aus der Journal •Literataf.
abwartet, wibrend man, wie White und Glarke Torsehreil^en^ den
Uterus mittels der über den Fandus gelegten Haad flberwaeht,
welche den Uterus gelinde zu Zusammcuztetiungcn reizt und eine
etwa eintretende Blutung entdeckt. (Dieses Verfahren steht mit
dem Crede's gar nicht in Widerspruch; letzteres ist überhaupt
vielfach in ausgedehntester und unbedingtester Weise hingenom-
men worden, was in Crcd&s Angaben durchaus nicht Begrftndung
beanspruchen durfte, da er gleichfalls Ausnahmen für unvermeid-
lich hält Kef.) Zuweilen müssen resistente Uterin-Placenta-Ge-
fjUse und die Verlängerungen der Decidua, welche zwischen die
Cotyledonen dringen, zerrissen werden. Da dies bei der manuellen
Lösung oft schmerzhaff ist, dagegen oft durch die Natur selbst,
wenn auch langsamer, bewirkt wird, so dürften hier meist innere
Eingriife zu unterlassen sein. Ist aber ein aetives Verfahren in
solchen Fällen angezeigt, so empfiehlt Verf. die manuelle Losung.
Die J/q/on'schen Hiuspritzungen in die V. umbil. verdienen nach
ihm bei Schlaffheit des Uterus, Abwesenh^t von Blutung und
Contraindicationen gegen Cred&s Verfahren versucht zu w^erden.
(Med. Archiv. Stockhohn. I. 2. 8. 1 -76. —
SekmidVa Jahrb. Bd. 12^ 1864. No. 7.)
Simon Thomas: Transfusion an einer durch. Blu-
tung erschöpften Wöchnerin.
Am 2. März 1863 wurde S. Tb. zu einer 40 Jahre alten Frau,
welche mit ihrem dreizehnten Kinde schvranger gmg, wegen Blu-
tung gerufen. Er fand den Muttermund erst i( Zoll weit geöff-
net und die Blase noch stehend. Ein Colpeurynter wurde ein-
gelegt und Mutterkorn gegeben. Nach 8 Standen wurde der
Colpeurynter entfernt und das Kind mit dem Haupte voraus
geboren. In der Placeuta wurden Ueberbleibsel frafaerer Blu-
tungen angetroffen, wie denn auch die Frau solche im vierten
und siebenten Monate der Schwangerschaft gehabt hatte. Das
Wochenbett verlief ungestört.
Am 24. Octöber 1864 Abends 9 Uhr wurde S. Th. zu der-
selben Frau wegen Blutung während der Geburt gerufen. Von
den Eihäuten bedeckt war das vorliegende Haupt fühlbar. Die
starke Frau lag blass und mit kalten Extremitäten im Bette und
hatte einen sehr kleinen und schwachen Puls. Wiewohl sie noch
keine Wehen gefdhlt hatte, war der Muttermund etwa einen Zoll
weit offen. Ein Aufguss von Mutterkorn wurde gegeben uud der
Colpeurynter eingefflhrt. Bis 11} Uhr hatte sie regelmässige
Wehen; die Hautwärme war besser und der Pnls grösser ge-
worden.
Bei 2 Zoll weitem Muttermunde wurde durch Wendung ein
scheintodter Knabe ausgezogen und durch Catheterismns der
Luftröhre zitm Atbmen gebfucht. Der Mutterkuchen lag rechts
yj. Notizen ans der Journal -Literatur. $28
hinten und musste zum Theil abgelöst werden. Die Mutter hatte
während der künstHchen Entbindung und der Nachgeburtsperiode
noch ziemlich viel Blut verloren. Um 2 Uhr Naebts begann die
Wöchnerin über Leibweh zu klagen. Der Puls war kaum fühlbar
md die Gebärmutter voll Gerinnsel. Diese wurden entfernt, die
Gebärmutter mit der Hand gedrückt, kalte Umschlüge auf den
Leib gelegt, ein paar Einspritzungen mit kaltem Wasser gemacht
und zur Abwechselung Analeptika und Branntwein mit Eidotter
gerettht. Der Blutfluss hörte ganz auf.
Des Morgens gegen 9 Uhr fand S Th. die Wöchnerin ganz
erschöpft, mit kalten Händen und Füssen, sehr bleichen Lippen
und kaum fühlbarem Pulse; t^ie klagte über Beklemmung, war
sehr unruhig und sprach mit sehr schwacher Stimme. Blutver^
lust war nicht mehr bemerkt worden, die Gebärmatter gut zu-
sammengezogen. Da öftere Ohnmächten eintraten, bcschloss S. Th.
die Transfusion zu machen und holte den Troicart von Martin
und einige gläserne Spritzen. Nachdem der Mann seine ZustinV'
mung gegeben hatte, wurde diesem ein Aderlass gemacht. Unter-
dessen schnitt S. Th. am rechten, zunächst gelegenen Arme über
der Vena mediana basilica eine Hautfalle mit einem 2 Cnu langen
Bistouri durch und legte so die Vene bloss. Um den Troicart
besser einführen zu können, machte er einen Schnitt in die Ader,
aber das Collabircu derselben verhinderte gerade das Einbringen
des Troicarts, selbst nachdem S. Tb. den Daumen darüber gelegt
hatte, um das Instrument darunter -in. die Vene zu schieben.
Daher verband er den rechten Arm wieder wie nach einem Ader-
lässe und legte die gleichnamige Vene am linken Arme bloss.
Sofort konnte er Martinas Troicart einführen und nach Zurück-
ziehung des Stilets zeigte die Beweglichkeit des Köhrchens nnd
seine Anfttllung mit Blut, dass es wirklich in der Vene lag.
Unterdessen hatte aber der Mann wieder verbunden werden
müssen. Schnell wurde ihm eine zweite Ader geöffbet und dos
Blut in einer Tasse aufgefangen, welche in ein Becken mit war-
mem Wasser gestellt war. Mit dem Blute wurde eine Spritze
gefüllt und, nachdem man sich überzeugt hatte, dass sie keine
Luft enthielt und ein Läppchen Eaulschok um die Spritzen gelegt
war, in die Ader ausgeleert. Unterdessen ward eine zweite Spritze
gefüllt und mit ihr in derselben Weise verfahren, darauf die erst«-
gebrauchte wieder genommen und auqh die zweite noch einmal
benutzt. Während der Augenblicke, in denen nicht eingespritzt
wurde, schloss ein Assistent die Röhre mit dem aufgesetzten Fin-
ger ab. Der Puls wurde wieder fühlbar und die Athmung merk-
lich ruhiger. 2 § Bhit waren eingespritzt worden als das Übrige
zu gerinnen begann. Der Arm wurde in gewöhnlicher Weise
verbunden. Die Operation hatte etwa J Stunde gedauert. Nach-
her wurde der Wöchnerin rother Wein und Fleischbrühe gereicht
Um 2 Uhr begannen die Fasse warm zu werden; die Hände
21*
324 VI* Notizen aus der Journal -Literatur.
waren noch kühl; der Puls des rechten Armes war unfahttiar
geworden, wurde aber wieder gut, als man den Verband an
demselben gelockert hatte. Von nun an kam die Wöchnerin
mehr und mehr zu sich.
Am Morgen des 2(). Octobers klagte sie über Sanseji und
Klopfen im Kopfe. Die Wunden iu den Venen hatten sich schon
geschlossen, aber die Hautwunden eiterten noch einige Tage. Am
SO. zeigte sich etwas Milch in den Brüsten und das Kind wurde
angelegt.
Am 10. Novbr. war die linke Hautwunde geheilt, die Wunde
am rechten Arm schwoll am 18 schmerzhaft an; es mussten
Blutegel und warme Umschläge angewandt werden. Am 30. Novbr.
war auch diese Hautwunde geheilt.
Die Frage, ob die Transfusion in diesem Falle iudicirt
gewesen sei, beantwortet S. Th. dadurch, dass er augiebt, die
Frau habe vor derselben das (Josicht verloren und gleich darauf
wieder angefangen zu sehen. Dass die Operation überhaupt er-
folgreich sei, dafür führt er die Monographie von Martin an, in
welcher 57 Fälle von meist erfolgi'cichcr Transfusion bei Wöch-
nerinnen zusammengestellt sind. Auch erwähnt er, dass , wie in
seinem Falle, in mehreren von Martin citirtcn 2 Unzen Blut ge-
nügt haben, also wahrscheinlich die Menge des Blutes nicht den
Erfolg bedingt.
. Als Instrumente hat er die von Martin angegebenen benutzt,
nur statt der dazu gehörigen Spritze, deren Stempel eingetrock-
net, gebrauchte er zwei kleinere Glasspritzen, von denen jede nur
l Unze fasste. Bei Ausffihruiig der Operation warnt er davor
die Vene vor dem Einstechen des Troicats zu öffnen, wie es
Lehmann in Amsterdam gerathen habe, da sie dann zusammenfalle.
Schliesslich empfiehlt er die Operation, welche er znerst in
den Niederlanden ausgeführt hat, seinen Laudsleuten und sagt,
dass die Fälle ihrer Anwendung gar nicht so selten seien. Er
selbst habe vier Frauen an Blutverlust sterben sehen, bei denen
vielleicht die Transfusion Rettung gebracht haben würde. Drei
davon hatten Placenta praevia gehabt und stnrben wenige Stun-
den nach glücklicher Entbindung; bei einer war bei zurückge-
bliebener Nachgeburt heftige Blutung eingetreten; sie starb vier
Stunden nach leichter Entfernung derselben.
(Nederlandsch Tijdschrift vor Geneeskunde. Jahrg. 1865.)
H. Hildehrmid: üeber Erweiterung des äussern
Muttermundes bei der Geburt durch Inci-
sionen.
Um von Neuem zu dieser Operation anzuregen, erstattet Verf.
Bericht über neun Fälle, in welchen er das Orificium extemnm
des gebärenden Uterus mit dem Messer erweiterte. Er führte
VI. Notizen aus der Journal -Literatar. 326
die Operation 7 Mal wegen Unnaobgiobigkeit dOB Mvttemandes,
1 Mal bei einem schweren Falle von Eclampsie und 1 Mal als
Vorbereitung zur Ermöglichung der NabelBobnnrrepoeition aus.
Nach einer eingehenden Besprechung dieser Fälle wendet sich
Verf*. zur Rechtfertigung seines Verfahrens, wobei er hauptsäch-
lich zwei Punkte herrorhebt: l) War die blutige Eröffhimg stets
ohne Gefahren fOr die Mutter? ^2) War dieselbe in allen FlUlen
nnumganglich nothwendig?
Die Beleuchtung der ersten Frage führt ihn auf die Gefah*
ren, um derenwillen von manchen Seiten die Vor-
nahme der Operation widerrathen wird.
Man ffirchte: 1) Ncrvenerscheinnngen, hervorge-
rufen durch die Schraorzhaftigkeit mehrerer Schnitte
in einem durch Druck des Kindestheils empfindlichen und
gereizten T heile bei Personeu, welche durch langen Geburts-
verlauf bereits zu nervösen Zufällen geneigt sind. Diesen der
Operation gemachten Vorwurf weist er als irrtbOmlidli aurfick)
denn er fand im Gegentheil, dass die Schnitte selbst durchaus
schmerzlos waren und dass sogar mit dem Nachlassen des Hin-
dernisses, welches der Geburt durch den rigiden Muttermund
gesetzt wurde, die Controctionen sich mehr regelten und weniger
Schmerz verursachten. — 2) Widerrathe man die Incisionen be-
sonders wegen der Möglichkeit des Weiterreissens der
gepaltenen Stellen imd der dadurch gegebenen Gefahr eii^
Ruptura coiporis uteri. Auch diese Gefahr existirt nach der
Meinung des Verf. nicht, da die kleinen unbeabsichtigten Erwei-
terungen sich höchstens bis in die Nähe des inneren Mutter-
mundes, nie über den Cervicaltheil hinaus erstreckten, ein
Umstand, der besonders durch die Lagerung der Muskelfasern
in der Gegend des Oriüc. intern, anatomie. bedingt sei. — >
3) Füichte man den p]intritt einer excessiven Blutung
während oder nach der Operation, weil die Schnitte in einem
durch den Schwangerschaftsproccss besonders blutreichen Organe
gemacht würden und zwar an einem Theile desselben, der nicht
in gleichem Maasse wie das C'Orpus uteri durch kräftige Con-
tractionen die entstehende Blutung nach der Entbindung zu stillen
im Stande sei. — Auch diese Gefahr schätzt Verf. gering; denn
man operire meist in rigidem, blutarmen Gewebe, und der Blut-
verlust selbst sei daher ganz unbedeutend. Wenn man aber auch
in einem durch abnorme Blutfülle veränderten Muttermunde die
Operation vorzunehmen gezwungen sei und nach der vielleicht
gewaltsam beschleunigten Entbindung trotz der Digitalcompression
der blutenden Luppen eine stärkere Blutung folge, so dürfe man
doch deshalb bei einem für die Gebärende lebensg^ährlichen
Znstande, wie bei Eclampsie (Fall 9. des Verf.) jener Gefahr
wegen, deren Beseitigung durch bekannte blutstillende Mittel
mehr oder weniger leicht ausführbar sei, nicht zaudern, eine
326 ^- Notiz6B aus der Journal- Literatar.
offenbar Leben rettende Operation zu nntemelmien. -* Eine an-
dere Fra^e wäre es, ob bei Placenta praevia die Operation
ebenso gefahrlos und zuverlässig sei. Denn wenn ein Schnitt in
dem in diesem Falle sehr blutreichen Gewelie sicher eine Blu-
tung veranlasse, so könne dieselbe, selbst wenn sie verhältniss-
mässig unbedeutend sei, bei einem meistens schon durch Blutung
geschwächten Individuum geradezu lebensgefahrlich werden, zu-
mal man nie vorher berechnen könne, wie viel Blut noch bei der
Ablösung der Placenta und während der Wendung abßiessen
werde. — Diese Bedenken werden übrigens von Scamonif Ritgen^
Ed. V. Siebold f Braun ^ Holst und BeUini nicht getheilt. Diese
rathen, wenn Gefahr im Verzuge sei und die Hand noch nicht
eindringen könne, mehrere seichte Incieionen vorzunehmen.
Die unter 2) oben berührte Frage : war die blutige Eröffnung
des Muttermundes in den vom Verf. beschriebenen Fällen unum-
gänglich nothwendig? führt denselben zunächst zu den Indica-
tionen für die Vornahme der Operation. Als solche nennt er:
1. pathologische Texturveränderungen der Vaginal-
portion des Uterus. Hauptsächlich sind dies Zähigkeit, hyper-
trophische, starre Beschaffenheit, krebsige Degeneration der Va|^-
nalportion. In diesen Fällen sind die Incisionen ganz vornehm-
lich indicirt.
2. Lebensgefährliche Zustände, welche die Opera-
t^n als stellvertretende, statt des unblutigen Ac-
couchement force, mit der Hand erfordern. Hierbei
werden besonders Placenta praevia und Eclampsie hervor-
gehoben. Erstgenannter Znstand wurde bereits unter 1) bespro-
chen; bei letzterwähntem sei die blutige Ei Weiterung der unblu-
tigen durchaus vorzuziehen, weil sie vollkommen schmerzlos sei,
mithin die bestehende Nervenerregbarkeit nicht steigere, wie die
unblutige.
Eine dritte Indication : „Anomale Wehenthätigkeit der
Portio vaginalis und dadurch bedingte Hinderung des
Gebnrtsganges^' erkennt Verf. nicht als solche an. Ein Krampf
am äusseren Muttermunde komme allein nicht vor, und wo sich
der Muttermund krampfhaft geschlossen zeige^ sei dieser Krampf
Theilcrscheinung eines allgemeinen krampfhaften Zustandes der
ganzen Gebärmutter. Das Hindemiss für das Vorrücken der
Frucht befinde sich also in geringcrem Maasse an der Vaginal-
portion, in weit bedeutenderem höher hinauf, meist in der Gegend
des Innern Muttermundes, den zu incidiren denn doch absolut
schädlich sei, weil wahrscheinlich eine Kuptnra corporis uteri
darauf folgen würde.
In Ausnahmefällen empfiehlt Verf. endlich die Incision zur
Vorbereitung für die Vornahme der manuellen Repo-
sition der Nabelschnur auszuführen, wenn letztere Druck-
erscheinungen zu zeigen beginne, während die Reposition wegen
VI. NotixdM ftDs.iler Joocnal-Literattv. g27
gering et Erweitenaig des MdUermawies weder miit der Hand
noch mit dem Bepositotium ansfülurbar 66i. Näberes tiftier die«e
Indioation hat Verf. bereits in dem Fehruwr-HeU ]fi64 der Mo«
natBSchrift ffir Geburtskunde und Frauenkrankheiten uuteo dem
Titel: ^Ueber Vorfall der Nabelsehnar bei Kopllagein." auifokr-
licher mitgetheilt.
(Eönlgsb. med. Jahrb. Bd. IV. Hi^ft 1.)
Fa/^ia; Weitere Beiträge zur Catheterisati-p
uteri.
AnknApilBAd an frühere in derselben ZeHsehrifb 1868 n. 1864
veröffentlichte Fälle berichtet Verf. Tier neue Fälle (No. 19- fi^,
in denen der Oatbeter wegen Weheasehwäche in den Cterüs ein-
gelegt wurde. Der erste Fall betraf eine Fehlgeburt im 7 Meaat
mit Zwillingen , Placenia praevia lateralis deztra und Wehen*
schwäche. Letztere war anfangs durch den Kautschttcktampon
gebessert worden, während der später eingelegte Catheter wir*
kmigslos blieb. In dem scweiten Falle wurden dagegen die Weil«n
sehr kräftig und blieben ies; im dritten Uieben sie nur so langem
als der Catheter lag, kräftig, mit seiner Entfernung hteten' B&e
jedoeh wie abgeschnitten wieder auf; im vierten Falle war die
Wirkung eine schnelle und sehr günstige.
(Wiener Medizinalhalle. 89. 40. 1864.K
S. L.llardy: üeber Einleitung der Frühgeburt
bei excessivem Erbrechen Schwangerer,
Verf. hatte in zwei von ihm beobachteten Fällen 60«
iegenheit, die heftige Einwirkung oxecssiven Erbrechens auf die
Schwangerschaft zu beobachten und die Ansicht bestätigt zu
finden, dass in solchen Fällen, welche jeder Therapie trotzen,
die Frühgeburt, sei es die natürlicbe oder die kfinstü«fa eingeleitete,
das einaige Rettungsmittel für Mutter und Kind ist.
1. Fall. Am 14. Febr. 1864 wurde H. zu einer Dame ge-
rufen, die ihre Entbindung um den 12. März erwartet«. Sie war
sehr zart, das einzige noch lebende Glied einer an Auszehrung
zu Chrnnde gegangenen Familie. Sie hatte mehrere Kinder gehabt,
die, mit wenigen Ausnahmen, früh gestorben waren. Oeiegentlich
einer Spazierfahrt hatte die Dame heftigen Spasmus uteri be-
kommen, der sich nach wenigen Tagen legte, aber einem von
Durohfell begleiteten Erbrechen Platz machte. Erslerer wieh
bald einer geeigneten Behandlung; letzteres aber wurde so he^
tig, dass Patientin aufs Aeussersle ermsböpft wurde und man ffir
ihr Leben fürchten musste. Es war für den 2G. Febr. eineOon-
sultation angesetzt worden, als an demselben Tage spontan Wehen
eintraten, die nach einer Stunde mit Leichtigkeit ein weibliches,
328 VI- Notizen ans dar Joarnal- Literatur.
8 Wochen zu frflh geborenes Kind imr Welt brachten. Die ^a«
centa folgte leicht; der Uterus contrahirte sich gut, und die
Patientin erholte sich in günstigster Weise. Leider bekam sie
durch eine unvorsichtige Mittheilung am sehnten Tage einen
Anfall von Puerperal -Manie und ging später an einer sich ent-
wickelnden Phthise za Grunde.
2. Fall. Im März 1864 wurde eine 22jährigj Frau in
Steevens-Hospital (Dublin) aufgenommen, welche im ti-^7. Monate
ihrer ersten Schwangerschaft stand und während der letzten
Monate an Verstopfung und starkem Erbrechen gelitten hatte.
Nam'tentlich das Letztere hatte sie ungemein geschwächt und war
▼on einem brennenden Schmerze im Epigastrium, Durst und Mat-
tigkeit begleitet Das Erbrodiene war eine dunkele, mit Blut
gemischte Flüssigkeit Am 30. März wurden die Foetal-Herztöne
schwächer und langsamer; der Puls der Mutter war schwach,
hob sich aber am folgenden Tage wieder, während das allge-
meine Befinden sich verschlimmerte und der Foetuspuls unhorbar
geworden war. Es wurde die Blase gesprengt, der Kopf stelke
sieh rnid unter Mitwirkung kräftiger Wehen wurde die Gebart
kftnsdich beendet. In wenigen Tagen Hess das Erbrechen nach
und Patientin erholte sich binnen kurzer Zeit
• Verf. kann bei Gelegenheit dieser Mittheüung nicht nmliin,
wiederholt auf den Nexus zwischen Magen- und Utems-Affectio-
neu hinzuweisen. Dieser Zusammenhang ist bereits vielfach
wissenschaftlich cohstatirt, und dennoch kommen noch Fälle vor,
wo Monate, selbst Jahre lang die Behandlung ohne Erfolg anf
ein Magentibel gerichtet ist, während der Krankheit ein Gebär-
mutterleiden zu Grunde liegt. Wird dies gehoben, so verschwin-
den auch die gastrischen Symptome bald, wie ein vom Verf. be-
obachteter Fall beweist, wo er hartnäckiges Erbrechen durch
Erkennung und Operation eines Uteras -Polypen beseitigt hat
Bei Schwangerschaft, welche mit Erbrechen complicirt war, hat
ein Zögern mit dem Einleiten der Frühgebnrt auch nach den
Beobachtungen Anderer {Murphy, üfmrckäl) grossen Naehtheil
gebracht Was die Behandlung betrifft, so ist zunächst die
Stellung der Patientin zu berücksichtigen. Nach Beau soll sie
möglichst aufrecht sitzen, nach H. horizontal liegen. Aeussere
Application von Eis auf das Epigastriom, innere Anwendung von
Creosot und Morphium, Inhalationen von Laudanum {Simpson)
haben mehrfach gute Dienste gethan. Vor Allem aber ist es die
angemessene, kräftigende Diät, welche von Bedeutung iat In
manchen Fällen muss man selbst zur Iivjection von Nahrung in
das Rectum schreiten, um <Me Kräfte zu erhalten. Kalten Cham-
pagner und Moselwein verträgt der Magen bei sotehen Affeetionen
meistens gut
(Dublin Quarteriy Journal. August 1864.)
VI. Notizen am der Journal -Literatur. 329
Simon Thomas: 40 Fälle von künstlicher Früh-
geburt.
Die ausfübrlielie tabdlarischc Uebersicht, welche der Abhand-
lung vorausgeschickt ist, zeigt unter Anderem, dass 16 Mal das
Kind in erster Scbädellage geboren wurde, wobei 2 Mal Hand
und Fuss vorgefallen waren; 10 Mal in zweiter Schädellage, dar-
unter 1 Mal mit vorgefallener Haud ; 5 Mal in erster Fusslage,
welche 1 Mal aus Schädellage spontan hervorgegangen war, 2 Mal
mit vorgefaUencm Nabelstrang; 1 Mal in zweiter FuBslage und
1 Mal in zweiter Knielage; 1 Mal m erster und 2 Mal in zweiter
Steisslage, darunter 1 Mal mit vorgefallenem Nabelstrang; 5 Mal
in Schulterlagen, von denen zwei spontan aus ßchädellagen her-
vorgegangen waren.
Unter den 24 Frauen, an denen S. Th. dio 40 künstlichen
Frühgeburten herbeigeführt hat, haben sich 1 fünf Mal, 1 vier
Mal, 1 drei Mal, 7 zwei Mal und U ein Mal dieser Operation
unterzogen. 14 Fälle sind in der Klinik, 8 in der Poliklinik
und 18 in der Privatpraxis in und um Leyden beobachtet wor-
den. Die 14 klinischen Fälle sind unter 118G Entbindungen von
1848-1864 im Nosocomium academicum, die poliklinischen unter
2076 wahrend 14 Jahren heobachtrten Fälle vorgekommen. 9 von
den klinischen Fällen und 5 von den poliklinischen waren be-:
sonders zur Einleitung der Frühgeburt in die Anstalt geschickt
worden. Nach Abzug derselben bleiben 8 Fälle, in denen die
künstliche Frühgeburt bei 3200 Schwangeren nöthig gefunden
wurde. Aus diesem Verhältnisse 1 : 400 macht S. Th. folgenden
Schlnss: unter 1000 Entbindungen hat man zu Leyden und in
Umgebung Gelegenheit 60 oder mehr anzutreifon, bei denen das
Becken so eng ist, dass man die Frühgeburt einleiten mussi
Unter 2000 Frauen trifft man hier 120 an, bei denen ein ausge-
tragenes Kind mittlerer Grösse nur schwer und langsam durch
das Becken gehen kann und mindestens 5, bei denen man wohl
thnn wird, dieser Schwierigkeit durch dicf künstliche Frühgeburt
aavorzukomxnen.
Unter den 40 Fällen kamen 85 bei 19 Mehrgebärenden, 5 bei
Erstgebllrenden vor. An den Mehrgebärenden war 13 Mal die
Perforation oder Cephalothrypsie vorher ausgeftlhrt, 6 Mal ein
todtes Kind mit der Zange geholt, 1 Mal ein lebendes Kind mit
Hülfe der Zange geboren worden. Bei aHen Erstgebärenden
hatte 8. Th. durch Messung festgestellt, dass das Becken so eng
war, dass die Erhaltung des Kindes, wenn ausgetragen, unwahr-
scheinlich oder unmöglich erschien, ja für das Leben der Mutter
gefürchtet werden mnsste.
35 Mal verlief das Wochenbett gut, 5 Mütter starben in dem-
selben. Von den Kindern blieben 27 am Leben, 13 waren todt
880 VI- NolJ2«n ans der Jo«niftl*Ijiteratiir.
oder scfaeintodt geboren, diese starben bald. Also wnrden Ton
80 Individuen G2 oder 77| Proc. am Leben erhalten.
In Bezug auf die Schwan gerschaftsperiode, in der die FrGh-
gebnrten eingeleitet ivurden, sind die 40 Fälle so vertheilt:
in der 82. Woche wnrde 6 Mal,
n 71 83- i> >» 2 Mal,
n n ^* n n 2 Mal,
„ „ 35. „ „ 11 Mal,
j» n Ö6« 11 n ^3 M*^
„ „ 37* „ „ 6 Mal
die FrOhgeburt herbeigeführt
18 Mal wurde sie natfirfich beendigt und dabei 11 Kinder
lobend, 2 todt geboren;
11 Mal die Zange wegen mechanischer Hindernisse angelegt
und dabei kamen 10 Kinder lebend, 1 todt;
16 Mal mit oder ohne Wendung wegen ungünstiger Lage
6 Kinder lebend, 10 todt ausgezogen.
Die Indication auf künstliche Frühgeburt stellt S. Th. nicht
nur nach vorhergegangenen Entbindungen, sondein auch nach
sorgfältigen Beckenmessungen. Ja er will die Grosse des Kindes
nach dem Umfange, der Consistenz und der Form des Leibes
schätzen und ziemlich sicher bestimmen, ob das Kind gross, mit-
telgross oder klein ist. Mit Kücksicht auf diese Schätzungen hat
er nach seiner Erfahrung die auf nebenstehender Seite gedruckte
Tabelle entworfen.
Bei Zwillingen soll man etwa vier Wochen länger warten,
wie ein Fall beweist, bei welchem auBgetrageue Zwillinge durch
ein rhachitisches Becken mit 3 Zoll Conjugata geboren wurden,
während aUe andern ausgetragenen Kinder derselben Frau bei
einfacher Schwangerschaft das Leben verloren hatten.
Die Prognose der natürlichen frOhzeit^^en Entbiadangen
aiellt S. Th. für die Mütter eben so günstig, wie die der natür-
lichen rechtzeitigen, bei denen in seiner Klinik und Poliklinik
ein St^befall auf 10> Fälle kommt Dagegen ist die Mortalitit
seiner künstlichen Frühgeburten 5 auf 40, also 12 Proc. Frei-
lich sollen die in denselben Fällen sonst nothwendigen Perfora-
tionen, Cephalotrypsien oder schweren ZangenentbindungenäOPree.
Todte liefern.
Die erste von S. Th. benutzte Methode war die voo Lehmann
angegebene, ein Bougie während kurser Zeit einige Zoll tief
zwischen die Eihäute und die Gebärmutterwandong einzusehiebea
und täglich mit einem dickereu zu vertauschen, bis die Weben
kräftig eintreten. Beim ersten Falle der Art traten erst an
zehnten Tage vorbereitende Wehen auf und selbst PiUen tob
Mutterkorn und Aloe genügten nicht; so dass die Zange noch
angelegt werden musste.
VI. Kotizem «ns der Journal -Literatur.
331
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332 ^I« Notizen au» der Journal 'Literatur.
Deshalb führte S. Th. die zweite Frühgeburt mit der von
Kiwisch empfohlenen Donchc herbei und hatte in fünf Tagen
16 Douchen *zu gelcn. Im Wochenbette starb die Mutter an
Pyämie. Im • dritten und vierten Falle kehrte S. Th. zum Leh-
wann'schen Bougie feurück. Allein er mussle am sechsten oder
am fünften Üage mjt der Douche nachhelfen. Bei dem fünften
und sechsten .Falle lagogen wurde die Dumhe nicht nöthig, in-
dem die ElihüiitP rissen. Die siebente Frühgeburt wurde im Jahre
1855 31 Stuilden n^ch einmaliger Einführung 'des Bougie und
Darreichung ton Pilsen aus Mutterkorn und Aloe durch die Zange
glücklich boehdigt, ändern allerdings die Mutter für frühzeitige
Niederkunft losondefrs ompfiinglicb gewesen zu sein scheint, da
nach der kütstlicheii Frühgeburt 1858 in den Jahren 1862 und
1863 die Wehen an dem bestimmten Tage von selbst begannen.
Im achten Falle dajuerte die Fintbindung 66 Stunden. In den
übrigen Fällen gebntuchte S, Th. die Krcmse^^che Methode, einen
elastischen Catheter oder Bougie liegen zu lassen. Doch drang
derselbe in drei Fällen in die Eihäute ein, zwei Mal wurden die-
selben mit einem Stilet eröffnet und ein Mal musste mit der Douche
nachgeholfen ,werden.
Von 32 Kindern,* deren Geburt durch die AVaws^sche Methode
veranlasst wip-de, k«m eins nach 6 und eins erst nach 92 Stunden
zur Welt. Wenn man diese beiden Fälle, in deren erstem die
Wehen schon. vor Beginn der Operation eingetreten zu sein schei-
nen, und in deren zweitem eine Schulterlage die Geburt hinaus-
zog, abzieht j so ge9)en die andern ein Mittel von 40 Stunden,
indem sie vier Mal Jjis 24, zehn Mal 24—36, drei Mal 36 — 48,
fünf Mal 48r-60, awci Mal 64 und ein Mal 78 Stunden lang
dauerten. • • '
Von diesfen 32 Kindern lebten 25. Von den 7 todten hatten
3 die Wendufg bei Querlage, 2 die Ausziehung bei Beckenende-
lage, dabei einmal <mit vorgefallenem Nabelstrang erlitten, die
2 anderu hatten sich mit dem Schädel eingestellt.
Von den 32 durch die Krause'üche Methode entbundenen
Frauen hatteh 25 ein ganz uagAstorteA WoiJienbett; 3 machten
weniger bedeutende Krankheiten in demselben durch; 4 starben,
eine an Pyanie mit' lobulärer Pneumonie , eine an febris puer-
peralis pyämjjca, eine an Endometritis und eine an Pyämie mit
Peritonitis uid metistatischen Processen. Uebrigens war Sorge
getragen worden, jedesmal einen frischen Catheter anzuwenden.
(Nederlaivlsch Tijdschrift voor Genecskunde. Jahrg. 1865)
B, Lion seA,: Uober den Kaiserschnitt an Ster-
benden! Zui" forensischen Casuistik.
Unter der Devise: Summum jus summa injuria, berichtet Verf.
über einen Fall, wo bei einer Sterbenden der Kaiserschnitt ge-
YI. Notizeoi aus der Joarnal- Literatur. 838
macht worde, um das Kind zu retten. Die Mutter Aberlebte die
Operation noch 14 Stunden, erhielt aber die schon vorher t6IV
lorene Sprache nicht wieder ; das Kind war todt Der Operateur
wurde angeklagt, aber freigosproehea Verf. steHt si<^ selbst
die Frage , ob der Arzt berechtigt sei , an einer Sterbenden den
Kaiserschnitt zu machen, oder ob er warten müsse, bis die Per*
son todt ist (in welchem letzteren Falle die Wahrscheiulicbkeit,
ein lebendes Kind zu extrahiren, fast gleich Null sbi) und ob die
M^issenschaft im Staude ist, fiberall mit Bestimmtheit anzugeben,
ob und wann eine Kranke rettungslos verloren sei? Er weist
natürlich auf die Schwierigkeit, sich über den letzteu Thcil der
Frage zu vcrgcwisäcru, hin (Scheintod, Yerwechscluug der Agonie
mit Krisis) und führt einen Fall an, wo ein todtes Mädchen acht
Tage lang weder Leichengenich noch sonstige Leicbenveran-
derungen zeigte und deshalb erst nach dem achten Tage beerdigt
werden konnte. In diesen Fällen, wo es sich natürlich nicht um
absolute Bcckcnonge — 2J" Cpnjugata uteri handele, müsse der
Arzt daher mit doppelter Vorsicht zu Werke gehen, and sobald
nur noch irgend eine Hoffnung, eine entfernte Möglichkeit, die
Mutter zu erhalten, vorhanden sei, dürfe die Operation natürlich
nicht gemacht werden, eben so wenig wie bei todtem Kinde;
natürlich kann aber ein Arzt, der eine rettungslos Verlorene erst
sterben lässt und bald darauf den Kaiserschnitt macht, nicht ge-
tadelt werden , weil es keine gesetzliche Bestimmung über das
Verhalten des Arztes bei Agonie von Schwangeren gicbt. Wenn
aber ein Arzt an einer, nach seiner besten Ueberzeugung ret-
tungslos Verlorenen mit (ihrer eigenen und) der Angehörigen
Zustimmung den Kaiserschnitt noch vor dem eingetretenen Tode
macht, und zwar mit ciuigermassen bestimmter Aussicht auf Er-
haltung des kindlichen Lebens, so begeht er sicher kein Ver-
brechen und kann nicht bestraft werden. Der Arzt hat die
Operation natürlich zu unterlassen, wenn efr die Ueberzeugung
gewonnen hat, dass das Kind todt oder nicht lebensfähig ist.
Wird aber die Operation ausgeführt, so muss es stets nach den
Regeln der Kunst geschehen, der Arzt braucht sieh aber dabej
nicht an die allgemeinen Methoden zu halten (im oben angeführr
ten Falle hatte der Operateur dem Längsschnitte im Uterus noch
einen Querschnitt »ugefügt, um das Kind besser extrahiren zi^
können).
Verf. führt schliesslich nocliraals aus, dass er dem Arzte in
verzweifelten Krankheitsiällen , wenn die gehö>rigen Indicationei^
(gänzliche Hoiffiaungslosigkeit in Betreff der Mutter bei lebendem
Kinde) vorhanden simd , stets das Recht zugestehen , nicht ein^
Sterbende zu tödten, sondern nur an ihr eine lebeAsgefährlichue
Operation zu vollführen, um ein anderes in ihr lebendes Wesen
SU retten, weil, wenn es nicht möglich ist» Beide zu retten,
wenigstens dasjenige beider Individuen erhalten werden muss,
884 VL NotizeB aus der Journal -Literatur.
wofür im concreten Falle die grftsate Wahrscheinlichkeit spricbt
Wenn die Kreisende als rettungslos verloren zu betrachten und
daher die Operation zu machen ist, muss in den ▼erschiedenen
F&llen der Arzt sie nach bestem Wissen und Gewissen, nacb
bester Ueberzengung selbst festotellen , eine Norm ffir alle FaUe
Iftsst sieh bei der Verschiedenheit der Todesursachen natürlich
nicht angeben.
(Deutsche Zeitschrift fttr die Staatsarzneikunde.
1865. 23. Band. 1. Heft)
Baker -Broicn: Resultate von 55 operirten Bla-
sen scheiden fisteln.
Seit 4^ Jahren wurden in London Surgical Home 58 Frauen
mit Blasenscheidenfisteln aufgenommen, 55 wurden operirt, bei
43 trat Tollständige Heilung ein, 1 wurde sehr gebessert, 2 star-
ben, 5 wurden nicht geheilt und 4 blieben in Behandlung. Von
den 43 Heilungen erfolgte dieselbe bei 24 nach der ersten Ope-
ration, bei 8 nach der zweiten, bei 5 nach der dritten und bei
6 nach mehr als drei Operationen.
Aus den Angaben über die Dauer der Geburten, durch
welche die Fisteln herbeigeführt wurden, geht hervor, dass die
Ursache der Verletzung in der Verzögerung der Geburt, nicht
in der Anwendung von Instrumenten zu suchen ist und dass man
durch rechtzeitigen Gebrauch von Instrumenten die Entstehung
von Fisteln verhüten kann.
(Brit. med. Journal No. 117. 28 Mars 1863;
Mediz. chir. Monatshefte Juni 1863. S. 547.)
0. V. Franque: lieber plötzliche. Todesfälle im
Wochenbett.
Dass zuweilen plötzliche Todesfälle gerade im Wechenbette
eintreten ; ist eine Thatsache. In manchen Fällen mögen die*
selben durch profuse Blutung bedingt sein. Häufiger aber ist es
das Bild acuten Lungenödems, unter dem die Frauen zu Grunde
gehen und zwar in einer Zeit von wenigen Minuten bis 2 Stra-
den. Unter Respirationsbeschwerden, Angstgefühl, Cyanose, klei-
nem fadenförmigem Puls und zuweilen Schmerzen in der Magen-
gegend erfolgt der Tod. Selten erweist die Section nur Lungen-
Odem. Häufiger findet sich eine Thrombose der Lungenarteriea,
meist durch Embolie veranlasst, welche letztere das Herz oder
die Venen der untern Extremität, zum Ausgangspunkte hat IHe
Thrombose findet meist an einer Bifnrcations-Stelle der Lungen-
arterie Statt, und kann — besonders bei schwacher BlutstrOmuDf
und Anämie — complet sein. Angefügt ist die Beschreibung voa
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 335
3 hierker gehörigen Fällen; die beiden ersten aus der Praxis des
Verf., der letKte aus der eines Collegen.
1. Fall. Am 4. Tage nach der Geburt ohne Vorboten Tod
binnen 3 — 4 Minuten unter Athcmnoth. — Mitralklappe mit
fibrösen Vegetationen. Im Hauptstamme der rechten A. pulm.
ein dieselbe complet erfüllendes, adhärirendes Gerinnsel.
2. Fall. Blutung bei der Geburt Kiüistlichc Lösung der
Placenta. Tiefe Ohnmacht. Rückbleibende Anämie. Normales
Wochenbett. Am 9. Tage Schmerz in der rechten untern Extre-
mität längs der Venen. Acnsserlich Nichts nachzuweisen. Graue
Salbe, Opium, Wärme. Vollständiges Verschwinden der Schmer-
zen. Am 16. Tage plötzlich Angstgefühl, Dyspnoe, Schmerz in
Magengegend. In IJ Stunden Tod — Sectiou: Lungenödem. An
der ersten Theilungsstclle der A. pulm ein diese complet aus-
fallender Thrombus, besonders in die rechte Lunge fortgesetzt.
Herz normal. Die grosse Schenkelvcne der rechten Seite bis zur
Kniekehle mit Blutgerinnseln gefüllt.
8. Fall. Während der Schwangerschaft Erkrankung der
Venen der lioken Kniekehle. Geburt und Wochenbett normal.
In der 8. Woche nach der Geburt plötzlich Angst, Dyspnoe,
bhmen 1 Stunde Tod. — Section: Herz normal. Lungenödem.
Hauptstamm der rechten A. pulm. durch einen Thrombus com-
plet ausgefällt. Von der Theilungsstelle der untern Hohlvene bis
unterhalb der Kniekehle vollständige Ausfüllung mit Thromben.
(Wiener Medicinal- Halle. 1864. No. 33 u. 84.)
Breslau: Ueber Gebär-Anstalten mit Berück-
sichtigung des Zellensystcms.
Nachdem Verf. schon öfters seine Befürwortung dieses Systems
ausgesprochen, kann er jetzt nicht unterlassen, dasselbe nochmalB
dringend zur allseitigen Einführung zu empfehlen, da er in ihm
eines der Mittel sieht^ welche dem Puerperal - Fieber zu steuern
im Stande sind und daher jedenfalls Erwägung verdienen.
In Kiel ist bereits eine Gebär -Anstalt nach dem Zellen-
system errichtet , in Göttingen ^ und Freiburg hat man die vor-
handenen Räume möglichst für diesen Zweck eingerichtet, in
Freiburg, vielleicht auch in Zürich werden voraussichtlich solche
Anstalten erbaut — kurz, die Ansicht beginnt Boden zu gewinnen.
Dass Wöchnerinnen in selbst ungünstigen Privatverhältnissen
meist besser vor dem Puerperal-Fieber geschützt sind, als selbst
in guten Anstalten, dies veranlasst den Verf., darauf hinzuweisen,
dass der Vortheil in der Privatpraxis die Isolirung von anderen
Wöchnermnen ist. Hält er nun auch das Unterbringen von vielen
^trennten Wöchnerinnen unter einem Dache noch nicht für ganz
hinreichend zur VerhUtung des Puerperal -Fiebers, so ist damit
386 ^* Notizen aus der Journal -Literatur.
doch das MdgHcbste und etwas den Privat- Verhältniasen Analoges
geboten. Y ortheile des Zellensystems sind:
1) Schädliche aus Effluvicn entstandene Stoffe treffen nar
die eine Wöchnerin, ohne sich unmittelbar weiter verbreiten zu
können.
2) Infection durch directe Uebertragung (Coutagion) findet
nicht Statt, da jede Wöchnerin alles Nöthige für sich hat
3) Ein Wechsel im Belegen der Zimmer kann regelmassiger
und häufiger geschehn.
4) Einzelne Zimmer könneu länger leer gelassen werden, als
grosse Käume.
5) Einzelne Zimmer können ohne Nachtheil lange Zeit hin-
durch unbenutzt bleiben.
6) Eine natürliche Ventilation (die Strohmeyer'sche) kann
vielleicht bei kleinen Zimmern genügen.
7) Künstliche Ventilation ist bei kleinen Zimmern erfolg-
reicher.
8) Das Reinigen und Reinhalten der Zimmer geschieht leich-
ter und schneller.
9) Die isolirten Wöchnerinnen haben grössere Ruhe.
10) Die Zellen können mit Vortheil zum Qebären benutzt
werden.
Die Mängel dieser Einrichtung bestehen in Folgendem:
1) Die Verpflegung isolirter Wöchnerinnen ist schwieriger.
In dieser Beziehung hält es B. für das Beste, das8 mau jeder
Wöchnerin eine Hebammenschülerin zutheilt, die mit in der Zelle
schläft. Ist dies nicht ausführbar, so empfiehlt B. den Patrouillen-
Dienst der Wärterinnen, wie er z. B. in Spitälern geistlicher
OrdtiB zuweilen besteht.
2) Die Zellen bieten zu wenig Raum für klinisdie Zwecke
(Demonstriren, Dociren, Operiren). Hier meint B. dürfte bei
grosser Anzahl von ELlinicisten durch Theik n derselben in Abthei-
lungen, durch Transport der Wöchnerin in ein Auditorium etc.
zu helfen sein.
3) Heizung und Beleuchtung sollen umständlicher und kost-
spieliger sein, was B. läugnet. Er führt Dampf-, Wasser- oder
Luftheizung, sowie zweckmässig angebi'achte Gasbeleuchtung als
Auskunftsmittel an.
Nach alledem hält B. dies System wesentlich für kleinere
und mittlere Anstalten aufrecht und glaubt darin eine sehr wich-
tige hygieinische Maassregel gegen das Puerperal - Fieber zu
finden. Als Beweis der möglichen erfolgreichen Verwirklichung
bietet er eine Schilderung der Kieler Anstalt (Litzmatin). Hier
stehen das ganze Jahr so viel Schülerinnen zu Gebote, wie Wär-
terinnen nöthig sind. In jedem Zimmer schläft eine Wöchnerin
und eine Schülerin. Ein Gebärzimmer existirt nicht. Jede
Schwangere gebiert in ihrer Zelle. So wi^d der Umstand, datt
VI. Notizen aus der JoaruRl- Literatur 837
du8 GebÄrzimtaer als miasmatischer Heerd für eine Puerperaf-
Endemie dienen könnte, vermieden. Die Erfahrungen in der
RotundA zu Dublin und in Zürich sprechen allerdings dafür, dass
trotz Abschaffung eines Gebärzimmers doch starke Endemieen
auftreten können. Die Kieler Anstalt ist mit natürlicher {Stroh-
m^y^^scher) YentilaMon versehen, die durch die günstige Lage
des Hauses begünstigt wird. Puerperal -Erkrankungen sind bis
jetzt (seit 1} Jahren) unter mehreren Hunderten von Geburten
noch nicht vorgekommen.
Bei dem Neubau eines Gebärhauses muss zunächst ein freier
hochgelegener Platz auf trocknem Boden gewählt werden , nicht
zu nahe anderen Spitälern. Die Front gegen West oder Südwest,
eingeschlossene Höfe sind zu vermeiden , ein Mittelbau mit zwei
geraden oder einem rechtwinklich angesetzten Flügel oder Pavil-
lons, durch Corridore verbunden; gute Ventilation, zweckmässige
Abtritte, Räume für die beschmutzte Wäsche, Desinfectionskam-
mer. In 3 Worten : Luft, Raum, Trennung, kann man die Postn^
late für eine neue Gebär-Anstalt zusammenfassen, und wenn dann
Reinlichkeit und Ordnung regieren, so vi-erden Hunderte von
Menschenleben erhalten werden.
(Wiener mediz. Wochenschrift. 1864. No. 33—35.)
Säainger: Zwei Fälle von spontaner Gas-Knt-
Wickelung aus eitrig-jauchigen Exsudaten.
Der erste Fall betraf eine 27jährige Wöchnerin, die nach
einer vollständig normalen Geburt an einem schweren Puerperal-
Processe erkrankte, welcher mit Schüttelfrösten begann nnd mit
heftigen Fiebererscheinungen einherging. Nach einer auf reich-
liche diarrhöische Entleerungen eingetretenen Remission folgten
bald wieder schwere Fiebererscheinnngen ; kurz darauf zeigte
sich an der rechten Wade vom ICnie bis zur Achillessehne hinab
schmerzhafte Schwellung, bedingt durch starre gleichmässige In-
filtration des Zellgewebes. Bald schmolz dieselbe und es war
deutlich Flactnation über die ganze Wade zu bemerken. Zwei
Tage später fühlte man in der Umgebung des Eitcrheerdes unter
der Hant Knistern und hörte beim Eindrücken an der geschwolle-
nen Wade deutlich ein Schwappen einer mit Luft gefüllten Flüs«
sigkeit: über dieser Stelle war der Percussionston tvmpanitisch.
Beim Eröffnen des Abscesses entwich unter Zischen eine ansehn-
liche Menge eines nach faulen Eiern riechenden Gases, welches
sich durch die entsprechende Reaction auf ein in concentrirt^
Bleiessiglösung getränktes Filtrirpapier als Schwefelwasserstoffgas
auswies. Der hinterher entleerte Eiter war dünnflüssig, missfar-
big, stark alkalisch und weder mit Blut, noch necroti'
sehen Gewebsfetzen gemengt. Tod am 24. Tage des
MonatBschr. f. Gebnrtsk. 1865. Bd. XXV. Suppl.-Hft. 22
388 ^* Notizen aus der Journal -Literatur.
Wochenbettes. Der Eiterheerd fand sich bei der Section zwiscbea
Haut und Muskulatur, der im Abscesse vorhandene Inhalt enthielt
Ammoniak.
Der zweite Fall betraf eine 27jährige Wöchnerin, welche ein
Puerperalfieber glaoklich überstanden hatte. In der Beconvales-
cenz zeigten sich jedoch bald Schmerzen im rechten Hüftgelenk
und Fiebererscheinungen, die sich allmälig steigerten. Zugleich
schwoll die vordere äussere Seite des oberu Drittels des Ober-
schenkels an, wurde hart und schmerzhaft An die Stelle der
Härte trat nach und nach deutliche Fluctuation, über welcher
nach einigen Tagen ein exquisit-tympanitischer Percussionston
und beim Eindrücken deutliches Schwappen einer mit Luft ge-
mengten FiüBsigkeit zu hören war. Bei der Eröffnung entwich
eine ziemliche Menge einer nach faulen Eiern riechenden und
schwefelwasserstoffhaltigen Luft, worauf eine dünnflüssige braun-
schwarze, mit kleinen necrotischeu Gewebsfetzen gemischte Jauche
abfloss. Tod nach 7 Wochen. Bei der Section fand sich die
rechte Pfaonengegend zerstört, die Gelenkbänder zerfallen, das
kaum haselnussgrosse , poröse^ Caput femoris durch die Pfannen-
öffnung in das kleine Becken getreten, die umliegende Muskula*
tur in einen grossen, mit dünnflüssiger, dunkler Jauche und stin-
kendem Gase gefüllten Abscess umgewandelt, so dass die ganze
Cruralgegend und der Psoas tympanitisch resonirten. Diagnosis
Coxitis ichorea dext. Abscessus muscul.
In einer kurzen Epikrise führt Verf. sodann mehrere von
Bamberger, Bricf^eteau, Duchek, Stokes, Sarauer, Friedreick,
Breslau j Dressier und Scheiber beobachtete Fälle von spontaner
Gasentwickelung aus eitrig -jauchigen Exsudaten auf und stellt
diesen Beobachtungen als Aualogon seinen zuerst angeführten
Fall zur Seite, in welchem nachgewiesenermaassen nur der
Eiter als Quelle für die Gasentwickelung aufzufinden
war. Die rasche und massenhafte Production de& Exsudates an
und für sich scheint ihm mit der Gasentwickelung in einem Zu-
sammenhango zu stehen.
Der zweite vom Verf. angeführte Fall bietet zwar bezüglich
der Entstehung von Gasen nichts Neues, doch ist er dadurch von
Interesse, dass die Gasentwickelung hierbei soweit gedieh, dass
eine grosse Partie des mit Jauche gefüllten obern Dritttheils des
Oberschenkels deutlich tympanitisch resonirte, und weil beim
Einstich die angesammelte Luft als Gasstrom unter Zischen ent*
wich. Einen ähnlichen Fall hat Morrel- Lavallee in der Union
nMicale 1861. Tom. IL mitgetheilt.
(Prager medizin. Wochenschrift. 1864. No. 51.)
VI. Notizen au8 der Journal -Literatur. 389
Fischer: Bericht über die während des Zeit-
raumes vom 1. October 1862 bis Ende Mätje
1864 auf der innern Abtheilung des Pro-
fessor Traube in der Charite vorgekomme-
nen Puerperal-Erkrankungen.
Es s^hliesBt sich dieser Bericht dem froher von. Leyden
(Charite-Annalen 1863, Bd. X. S. 22) veröffentlichten an, indem
vom 15. April bis 1. Octbr. 16(32 keine Puerper alkranke von Be-
deutung zur Beobachtung kamen. Verfl's 164 Beobachtungen sind
nach den Eurzetteln und Temperaturmessungen gemacht, vie sie
auf der Trau&e'schen Abtheilung angefertigt wurden, und es gel-
ten für diesen Bericht die von Leyden über die Art und Zeit der
Tetaperaturmessungeu gemachten Vorbemerkungen.
In der obengenannten Zeit kamen in der Charite 975 Ent-
bindungen vor, davon 164 Puerperal-Erkrankungen, also 16,82 Proc.
Die häufigsten Erkrankungen fielen in die Monate November,
Deceraber 1862, Januar 1863, ferner von November 1863 bis M&re
1864; die meisten Sterbefälle in die Monate October, November,
December 1862 und März 1864^ Die günstigsten Monate waren
vom Februar bis October 1863. Die Wintermonate waren also
entschieden ungünstiger. In den Einrichtungen der Charite ist
kein Moment für die Entstehung der Krankheit au&ufinden, aus
der Stadt kamen nur drei Erkrankte hinzu; es befijel die Krank-
heit eben so gut kräftige, wie schwächliche Personen; eine Ver-
bindung mit dem Leichenbause gab es nieht, laagdauemde und
schwere Geburten gaben . eine bemerkenswerthe Prädi^ositioii.
Bei den Seetionen wurde niemals •chronische Lungentuberculose
gefunden, dagegen öfter Herafehler. GemütfasalTecte sind kaum
als Ursache anzunehmen. Es herrschien in derselben Zeit in
Berlin viele Exantheme, besonders Pocken, ferner Typben und
biliöse Pneumonien, dagegen auf der chirurgischen Station auf-
fallend wenig Pyämien.
Was- die Krankheitsformen betrifft, so theilt sie Verf. ein:
1) in die parenchymatöse oder phlegmonöse Form {Virehoto),
gebildet durch Fortkriechen im Bindegewebe der Adnexen des
Uterus auf die benachbarten Organe, besonders auf die anliegen-
den serösen Häute; 2) in die thrombotische und ichoröse Forjqd
durch directe Infection des Blutes, entweder durch Zerfall der
Thromben oder durch directen Uebertritt von Jauche in das Blut.
Da aber die Grenze zwischen diesen beiden Formen oft* sehr
schwer zu ziehen ist, so kommt 3) eine Mischform beider Zu-
stände vor, die von Bvhl auch aufgestellte Peritonitis mit Pjäpii^
oder die phlegmonös-septhämische Form, eine das klinische Bi)d
des Puerperalfiebers vielfach verwirrende.
Der ersten Form gehörten 129 Fälle an, davon starben 34,
während von den 35 Septhädoaischfßn 22 starben. Aus diea^
340 VI- Notizen aus der Journal - Literatur.
Zahlen geht die H&ufigkeit und relative Gutartigkeit beider For-
men henror.
Nach YorauBschickung von 16 ausführlichen, der ersten Form
zukommenden Krankengeschichten gelangt Yerf schliesslich über
diese erste Form zu folgenden epikritischen Bemerkungen.«
1) Fast in allen FftUen fanden sich Ülcerationen in und
an den Geburtstheilen von verschiedener Ausdehnung .und Tiefe,
oft mit diphtheritischem Belag; die übelriechende, alcalische, dünne,
eiterähnliche Absonderung zeigte Eiterkörperchen , eine grosse
Menge Vibrionen und viel feinkörnigen Detritus.
2) Das Fieber begann fast constant mit Schüttelfrost, der
in 5 Fällen fehlte und zwei Mal sich erst sp&ter zeigte, nachdem
die Krankheit schon locjilisirt war; Wiederholung des Frostes
höchst selten, vielmehr traten neue Entzündungen (Pleura, Peri-
eardium) meist ganzirtent ein. Die Temperatur war meist
sehr hoch, im Mittel 39,5* C. , stieg in sehr bösartigen Fällen
bis auf 42" C. — Meist febris continua, die Remissionen fielen
in die Morgenzeit, selten in die Abendzeit, entschied sich meist
dnrch Lysis. Wenn sich die Krankheit zum Besseren neigte,
nahm das Fieber den exquisit hektischen Charakter an, besonders
wo sich ein parametri tisch er Abscess als Nachkrankheit ausbil-
dete. Bildete sich nach der Hectica eine Continua wieder aus,
80 konnte man bestimmt ein Weiterkricchen des Processes, meist
eine beginnende Pleuritis annehmen. Auch nach zurückgetretenen
Localerscheinungen dauerte das Fieber meist noch einige Zeit
fort. Beträchtliches Absinken der Temperatur bei unverminder-
ter, selbst gesteigerter Pnlsfrequenz war von schlimmster Beden-
tiing, ein Vorzeichen des Todes. Sehr hohe Pulsfrequenz
von Anfang an giebt die übelste Prognose, besonders bei Span-
nung der Arterie und constantem Steigen.
3) Nervöse Symptome. Das Sensorium war meist frei,
selbst bei höchstem Fieber und unter den gewaltigsten Schmer-
zen, wahrscheinlich gerade wegen letzterer. Kurz vor dem Tode
kamen zuweilen Delirien, 3 Mal furibnnde, vor. Grosse Angst
und Todesahnungen quälten die Kranken, im Verlauf der Krank-
heit wurden sie ruhiger, ja oft heiter im grellen Widerspruche
zum Gesammtzustande. Tiefer Verfall der Krftfte begleitete die
schwereren Formen.
4) Localerscheinungen. Der Wochenfluss war spär-
lich, fehlte auch wohl ganz, oder dtinn, schmutzig blutig roth,
reicWich und Übelriechend. Reaction desselben Öfters stark
alcaltsch, und enthielt dann Vibrionen in grosser Menge. Ausser
den Vibrionen fanden sich c'>nstante kleine stäbchenförmige, sel-
ten auch einige längere, gabelförmig gespaltene, nngegliederte
Pilze in dem Lochialsecrete. Man beobachtet indessen dieselben
pflanzlichen nnd thierischen Parasiten auch im Wochenflusse
gesunder Wöchnerinnen. Die Milchsecretion verlischt all-
Vt. Kotizeb aus der Journal - Literatur. $41
mäiig bei längerer Dauer der Eraukheit Leibschmerz ist
das constanteste Symptom dieser Form, von der Gebärmutter un4
ihren Anhängen ausgehend und mehr weniger verbreitet. £r
bestand continuirlich , steigerte sich aber in kolikähnlichen An-
föUea zur unerträglichsten Höhe. Mit dem Eintritte massenhafter
Exsudation verschwindet oft der Schmerz. Ebenso oonstant ist
der Meteorismus mit Verdrängung der Leber zuweilen bis jsur
dritten und vierten Hippe, femer Spannung der Bauchmus-
keln, nicht passiv sondern bedingt durch abnorme Gontraction
derselben, Erbrechen und Durchfälle In den diarrhoischen
Stühlen wurden meist Blut- und Eiterkörperchen in grosser Zahl,
Vibrionen, Tripelphosphate und viel feinkörniger Detritus beob*
achtet. Sehr häufig kam Tenesmus vesicae vor, oder attch
bei Verletzungen der Scheide, Harnträufeln. Der Urin enthielt
fast in allen schwereren Fällen Spuren von Eiweiss, keine Qallen-
Carbstoffe.
5) Respiration und Circulation. Die Frequenz der
Athmang stieg meist über 40 und wurde hauptsächlieh durch
den vehementen peritonitischen Schmerz bedingt. Tod tMibt
anter den Zeichen hochgradiger Dyspnoe und Oyanose, nnid
dazu gewinnt in scheinbar crassem Widersprüche die Arterie
mehr und mehr an Spannung und Enge, bedingt durch den Reii
der angesammelten Kohlensäure auf das Herz. Eitrige Pieu*
ritis wurde 19 Mal, Pericarditis 4 Mal beobachtet
6) Der Verlauf war in einzelnen Fällen äusserst acut,
36 Stunden war die kürzeste Dauer der Krankheit, gewöhnlich
. zog sie sich, wenn es zum Bessern ging, durch Monate hin. Die
mittlere Dauer betrug etwa 14 Tage. Der Tod erfolgte meist
unter den Symptomen der Erstickung. Die Prognose dieser
Form ist nicht so ungünstig, wie obige Statistik zeigt; sehr
schlecht wird sie durch Hinzutreten von Pleuritis und Pericar-
ditis, durch Dyspnoe, Cyanose, Spannung des engen Arterien-
rohres und steigende Pulsfrequenz.
7) Die Behandlung war hauptsächlich kräftig antiphlo-
gistisch. Wiederholte örtliche Blutentziehungen bis zur Erleich-
terung der Schmerzen, warme Fomente auf den Leib und kräf-
tige Purganzeu reichten meist in den leichteren Fällen aus. Es
wurde Infus, senuae comp, zweistündlich ein Esslöffel gereicht
und die von SloU, Seyferty Breslau damit erzielten günstigen
Hesuhate bestätigt. Bei wesentlicherer Betheiligung des Perito-
näum eine energische Mercurialkur, zweistündlich 1 Gran Calomel
und )j ungt einer, zweistündlich abwechselnd in die verschiede-
nen Körpertheile eingerieben. Durchfalle wurden als kein Con-
traindicans gegen Calomel betrachtet, vielmehr befordert Trat
Salivation und damit meist Be serung ein, so wurde wieder Infus.
sennae comp, gereicht. Die meisten Kranken waren sehr resistent
342 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
iJegen" Mercuriat-Einwirltangen und vertrugen grosse Dosen. Bei
hohen Schmerzen subcutane Einspritzungen ron Morphium , der
inneriiche Gebrauch des Opium wirkt durch Lähmung des Dar-
mes naehthellig. Gegen den Meteorismns trockne Schröpfköpfe,
Sinapismen, Terpentlnfomente. Grosse Sorgfalt i^erdienen die
Puerperal-Geschwüre, häufiges Reinigen, Verbinden mit Campher-
wein und Chlorkalk, Touchiren mit Lapis, aromatische Fomente etc.
(Annalen der Charit^. 1864. XIL 1. S. 52.)
Aug, Theod. Stamm: üeber die Vernichtungs-
möglichkeit des epidemischen Puerperal-
Fiebers.
In einem längeren Aufsatze geht Verf. auf die Aetiologie
und Prophylaxe des Puerperalfiebers specieller ein und belegt
aeke Ansichten mit tabeUarischen Zusammenstellungen der von
ihm in der Wiener Gebärklinik (G. Braun und Späth) gemachten
Wahrnehmungen. Gestatzt auf 20jährige ätiologische Forschun-
gen über epidemische Krankheiten (Bubonenpest, Gelbfieber, Cho-
lera, Typhus) ist Verf. definitiv zu der Ansicht gekommen, dass
mit allgemeiner ^epidemischer Luftconstitution" oder „epidemi-
schen in der Gesammt- Atmosphäre liegenden Einlassen"
Nichts gesagt uad gewonnen sei. Was das Puerperalfieber be-
trifft, welches Verf. als epidemisch , nicht als endemisch bezeich-
net, «weil es weit über seinen Entstehungsheerd verschleppt
werden kann und andrerseits Epidemieen mitunter einen ganz
umschriebenen Heerd zeigen," so sucht Verf. die Ursachen nach
(ien bisherigen Erfahrungen zusammenzustellen. Zuvor aber
bemerkt er, dass er mit Anderen folgendes symptomatolo-
gische Schema des Puerperalfiebers annimmt: ■
I. Ohne bestimmte Localisation mit Symptomen der Blutdisso-
lution und Alteration des Nervensystems. (Intensive Sep-
ticaemie.)
IL Mit nachweisbarer Localisation:
1. Endometritis
2.- Metrophlebitis und Metrolymphangoitis. Was erstere
betrifft, so stellt Verf. den Satz auf, dass die üterus-
venen nach der Geburt (besonders bei ungenügender
Involution) als Saugapparate wirken und die Erkran-
kung vermitteln:
a. durch jauchige Zersetzung der Thromben;
h. durch directe Aufsaugung jauchiger Bestandtheile.
Die Lymphangoitis entsteht durch Resorption von
Eiter und Jauche aus dem Uterus mittels der Lymph-
gef&sse.
3. Peritonitis.
VI. Notizen ans der Journal -Literatur. 343
Eine nnläugbare Entstehungs-Ursache bildet
1. Die Infection mit zersetzter animalischer Materie, un4
zwar
a. als Selbstinf ection ;
6. als directe FingerQbertragung von Leichengift;
c. als directe Fingerübertragung anderer animalischer
Zersetzungsstoffe.
Nebenbei kann die locab Uebertragung noch durch
Wäsche, Instrumente etc. vermittelt werden.
Nur die geringe Zahl der Puerperal -Erkrankungen ist auf
diesem Wege zu erklären. Vielmehr ist
2. die Luft der Kreias- und Wochenzimmer der Träger
der zersetzten animalischen Materie und die Haupt-
ursache der Kran kheits Verbreitung.
Was fQr Substanzen in der Luft suspendirt sind, ist noch
nicht nachgewiesen; vielleicht sind es die von Mayrhofer und
JClebs beobachteten Vibrionen, die sich aus Keimen, welche aus
der Luft in faulende thierische Materie abgesetzt werden, ent-
wickeln. Die Wissenschaft hat es noch zu ergründen, worin die
Beschaffenheit derartiger Zimmerluft zu suchen ist; jedenfalls
ist so viel durch die Erfahrung bewiesen, dass eine so verdorbene
Luft viel zur Verbreitung der Epidemie beiträgt, dass also nicht
die allgemeine, sondern die locale Luftconstitution Hauptursache
der Epidemie ist. Im Anschlüsse hieran stellt Verf. den Satz
auf, dass ein „an beschränkter Oertlichkeit epidemisches" Puer-
peralfieber zunächst die Herstellung einer reinen Athmosphäre in
dieser Oertlichkeit erheischt. Diese reine Luft ist aus der Um-
gebung zu entnehmen, welche vom Puerperalfieber frei ist. Da
die Ursachen des Puerperalfiebers in ganz localen Verhältnissen,
die der Mensch selbst schafft, beruhen, so kann man annehmen,
dass er sich selbst das epidemische Puerperalfieber schafft. Als
erstes Mittel, es zu beseitigen, gilt dem Verf. demgemäss eine
gründliche Ventilation, und er sucht dies durch ausführlich mit-
getheilte Beobachtungen zu erweisen, welche die 1. Abtheilang
der Wiener Gebärklinik (C Braun) betreffen und in der Zeit
Tom September 1862 bis zum März 1863 angestellt worden sind.
Zum Beweise, dass noch andere Erfahrungen es bestätigen,
wie die mit zersetzter animalischer Materie geschwängerte Luft
der Kreiss- und Wochenzimmer das Puerperalfieber epidemisch
macht, gebt Verf. noch auf die Beantwortung einiger naheliegen-
den Fragen ein. Er weist nämlich darauf hin:
1. Dass bei Gassengeburten die Erkrankung der Mutter
geringer zu sein pflegt, als bei den in der Anstalt Entbundenen.
2. Erstgebärende pflegen in höherem Maasse vom Puerperal-
fieber zu leiden, indem:
a) Zerreissungen und Quetschungen häufiger sind*,
b) der Gebärakt länger dauert. *
344 Vi. Nutiz^D MS der JimrnAl-Literataf.
Dieselben sind also den sckädlichen Agentieii ttager nad
ialeDsiver ausgeBetzi.
3. Die durch die Natur oder durch KunsthQlfe beim Geboits-
akte Verletzten haben in höheren) Grade vom Puerperalfieber xa
leiden, indem durch die Wnndstellen, welche der Puerperal-
xinimerluft ausgesetzt sind, die Vergiftung erfolgt.
4. Die Durchschnittssterblichkeit in vielen grossbritanniscbea
Gcbärhäusern ist eine weit geringere, als die in deutschen Ge-
bärhäusern. Dies schreibt S. dem Umstaude zu, dass in England
theils durch die Kaniinheizung und durch das stete (selbst nächt-
liche) Oeflfnen der Fenster, thoils durch zweckmässige VentOation
die animalisirte Luft entfernt wird, und bessere Einrichtungen
üetf-effs der Water Closets und der Fingerwaschungen Statt haben.
5. Dass im Spätherbst und Winter die Puerperalfieber- Epi-
demieen häufiger sind als in anderen Jahres7eiten, kommt daher,
dass zu dieser Zeit die Fenster mehr als sonst geschlossen gehal-
ten werden, also von schlechterer Ventilation.
Dass die mit animalischen Zersetzungsstofien geschwängerte
Luft auch bei anderen Krankheiten einen verderblichen Einfluss
ausübt, ja, dass Krankheitsprocesse durch solche £inwirkuj.g
erzeugt werden können, glaubt S. seinen Erfahrungen gemäss
bestätigen zu können. Er erwähnt in dieser Beziehung: Ileo-
tyiiLus, Hospital-Fäulniss, Pest, Malaria-Fieber und cxanthema-
tischen Typhus. Besonders ist es der Ileotyphus, der eclatiint
durch den Genuss verdorbener Nahrungsmittel und durch das
Einathmen verdorbener Luft entstehen kann. In den hierbei
entstehenden Darmgeschwüren sieht Verf. Localisations- Punkte
der Krankheit, also analog mit dem Puerperalfieber.
Für eine solche Analogie spricht der Umstand, dass Jüecker
(laut Bericht von 1861—1862) bei anscheinend reinen Puerperal-
fieber - Kranken durch die Section typhöse Geschwüre im Darm-
kanale fand. Femer erw&hnt Veif. in dieser Hinsicht den üospi-
talbrand (nach ihm besser Hospital-Fäulniss), dessen Entstehen
er einzig der zersetzten animalischen Materie zuschreibt, während
die epidemische Verbreitung ihren Grund in der permanenten
Wirkung derselben Ursache hat. Von einem „Virus ^' kann bei
der Gangraena nosocomiulis nicht die Rede seiu. Dass nur die
verdorbene Luft die Ursache des Entstehens und Weitergieifeus
ist, geht dem Verf auch aus den günstigen Erfolgen hervor, die
Günther in Leipzig mit seinem Luft-Pavillon gemacht hat. Auch
hier tritt die Analogie mit dem Puerperalfieber hervor; denn
1. Beide entstehen durch schädliche Einwirkung zersetzter
animalischer Materie.
2. Bei beiden fieberhaften Krankheiten findet Resorption fester
und flüchtiger animalischer Zersetzungsstoffe Statt, 1 esou-
ders durtfh Wundstellen.
VI. Notizen atis der Journat - Literaitii'. 545
3. Reinlichkeit imd gute Ventilation können beide Krankheiten
nicht nur verhindern, sondern sogar unterdrücken.
Nach alledem kommt Yerf. zu dem entschieden ausgesproche-
nen Satze, dass die Luftverschlechterung vom Menschen selbst
<mit oder ohne Schuld) erzeugt wird. Dieser verschlechtert die
Luft unter gewissen Verhältnissen. Er schafft daher auch die
durch Luftverderbniss erzeugten und verbreiteten Krankheiten.
Die Natur ohne 2uthun des Menschen schafft keine von den
Krankheiten, welche durch die Krankenluft, durch vom Kranken
ausgehende Emanation sich auf Gesunde Obertragen können. Die
Natur ohne Zutbun des Menschen schafft keine einzige epide-
mische Krankheit.
Das epidemische Puerperalfieber wird durch den Menschen
erzeugt, durch Verunreinigung der Hände, Gebrauchsgegenstände,
die Luft der Kreiss- und Wochenzimmer; die Mittheilung erfolgt
durch Resorption zersetzter animalischer Mat«rie; die Haupt-
ursache fOr die epidemische Veilnreitung ist die verderbte Laft
der Kreiss- und Wachenzimmer. Schon Erkrankte vemehrea
die Luftverderbniss und Verbreitung der Krankheit ganz ausser-
ordentlich.
Zur Vertilgung müssen praktische Massregeln getroffen wer*
den, wekhe sich beziehen auf: 1) die untersuchende Hand und
das Ungenügende der Ghlorwaschungen; 2) die Gebrauchsgegen-
stände; 3) «die Notbwendigkeit der Absonderung der Schwan-
geren mit todtfauler Frucht; 4) die Grösse der GebäraBstalten ;
5) das Unzweckmässige der Einrichtung von Wechselanstalten;
6) die Luftreinheit nach aussen und innen.
ad 1) Die untersuchende Hand und das Ungenügende- der
Chlorwaschungen. Die Waschungen mit Chlor, Chamäleon mine-
r&le oder verdünnter Salzsäure haben sich nach vielfachen Er-'
fahinngen, zumal in der Wiener Gebäranstalt, als nicht genügend
herausgestellt, um eine Infection zu verhüten Deshalb ist dem
gesammtt^n, in einem Gebärhanse beschäftigten Personale der
Besuch von pathologisch - anatomischen Instituten und jede. Be-
schäftigung mit zersetzter anknalischer Materie streng zu udter-
sagen.
ad 2) Die Gebrauchsgegenstände. Verf. empfiehlt statt des
Strohes in den Betten Abfälle von Fischbein oder Rohr, weil
diese nicht modein und leichter gereinigt werden können, eiserne
Bettstellen, gefirnisste Fussböden ohne alle Ritzen, Rollbettstellen,
um sie leichter und öfter umstellen zu können, keine Schwämme,
sorgsamst rein gehaltene Instrumente und andere Apparate,
schnelle Beseitigung der Placenten und des Blutes, gut angelegte
Brunnen, Dampfw äscherei , aber Trocknen der Wäsche in freier
Luft, Aufbewahren derselben in luftigen Kammern.
ad 3) Die Noih wendigkeit der Absonderung der Schwan-
geren mit todtfauler Frucht ergiebt sich aus der Erfahrung,
346 ^^' Notizen aus der Journal- Literatur.
dass letztere zuweilen den Ausgangspunkt der weiteren Erkran-
kuDgeu bildeten.
ad 4) Die Grösse der Gebäranstalt. Nach den bisherigen
Erfahrungen ist die Grösse der Anstalt yon keiner Bedeutung,
indem in den kleineren Anstalten eben so ungünstige Besultate
nachzuweisen sind, wie in den grösseren. Nur die Grösse des
Belegraumes fQr die einzelne Wöchnerin , die Möglichkeit der
Isolirung, überhaupt Lage, Einrichtungen sind massgebend. Wollte
man also mehrere kleinere Anstalten nebeneinander oder an dem-
selben Orte errichten, so dass die. Zahl der Jahresgeburten denen
einer grösseren Anstalt gleichkommt, so wird dadurch zwar die
Aufsicht und Verwaltung vertheuert, aber kein besseres Resultat
für die Gesundheit gewonnen werden. Ist in einer grossen oder
kleinen Gebäranstalt die Jahressterblichkeit viel Ober 1 Procent,
80 trägt die Einrichtung oder die Leitung die Schuld.
ad 5) Will man Wechaelanstalten einrichten, so gesteht man
ein, dass Gebäranstalten das Brutoest der Puerperal-Erkrankun-
gen sind, und dann ist es eine grössere Pflicht, die Ursachen za
erforschen. Nicht das Uebertragen in andere Häuser und Abthei-
lungen steuert dem Uebel, es besteht dann immer in der Anstalt
selbst ein Fehler, der beseitigt werden muss, und da wir die
meisten Fehler nachweisen und beseitigen können, so sind Wech-
selanstalten überflüssig.
ad 6) Um in einer Anstalt die Luft reinigen und rein halten
zu können, muss selbstverständlich die Anstalt von gesunder Luft
umgeben sein. Gebäranstalten müssen eine gesunde freie Lage
haben, ein sumpfiger, feuchter Untergrund ist verwerflich, die
Nähe des Wassers und feuchter Wiesen ist zu vermeiden, ebenso
frühere Begräbnissstätten, stinkende Gräben, Abzugscanäle, Ana-
tomien, pathologische Anatomien, Knochen brennereien und ähn-
liehe Fabriken. Gynäkologische Abtheilungen dürfen nicht mit
Gebäranstalten verbunden werden, eben so wenig darf letztere in
einem allgemeinen Krankenhause liegen. Die Krankenzimmer
sind von den Gebär- und Wochenzimmern möglichst zu trennen,
ebenso die Schwangeren von den Wöchnerinnen. Mehrere Stock-
werke hochgebaute Hospitäler und Gebärhäuser sind überall ver-
werflich, sie erschweren die Luftreinigung. In der reinen Luft
existirt kein epidemisches Puerperalfieber, deshalb öffne man so
viel wie möglich im Sommer und auch im Winter die Fenster,
reinige und streiche fleissig die Zimmer und Dielen, führe Wech^
selzimmer ein, wechsele, wenn es Noth thut, täglich die Zimmer.
Weder beim Oeffnen der Fenster, noch beim Wechseln der Zim-
mer kommen Erkältungen vor, die Deutschen haben im Allge-
meinen viel zu viel Angst vor frischer Luft, in England kennt
man diese Angst fast gar nicht. Auch auf Abtheilungen mit
typhösen und durch die Krankenluft mittfaeilungsfähigen Krank-
^kiilken, eben so auf den chirurgischen und syphilitischen Abthei-
VI. Notizen aus der Jonrnal- Literatur. 347
lungen, eben so bei den Tuberkulösen sollten Wecbsehimmer ein-
geführt werden. Liegt eine Anstalt zu ungünstig, so muss sie
aufgehoben und verlegt werden. Es ist von nun an vollständig
gerechtfertigt, Vorsteher von Anstalten, in denen die jährliche
Durchschnittssterblichkeit selbst höher als 1} Proc. ist, vor ein
sachverständiges Tribunal zu laden, da sie der Menschenvernich-
tung durch Fahrlässigkeit dringend verdächtig sind. Auf ein
künstliches Ventilationssystem darf man sich absolut niemals ver-
lassen, wenn es auch Jahre lang sich gut bewährt haben sollte,
auch bei bester Ventilation sollte wenigstens wöchentlich zwei-
maliger Zimmerwechsel stattfinden. ' Für je zwei benutzte Zimmer
sei immer ein Wechselzimmcr vorhanden, das ist immer noch
billiger, als die unzweckmässigen Wechselanstalten. — Für die
Form des Gebäudes empfiehlt sich die Längs- oder auch die
Hufeisenform. Einen rings umschlossenen Hof darf es nicht
haben, muss vielmehr nach allen Seiten mit Garten umgeben
sein. Auf die zweckmässige Eintheilung der innern Räume ist
besondere Sorgfalt zu verwenden.
(Wiener Medizinalhalle. 1864. No. 15--46.)
George Hill: Ueber Puerperal-Pyämie.
Verf hält es im Hinblicke auf die unvollständige Eenntniss
von dem Wesen des Puerperalfiebers und auf die Verwirrung,
welche entsteht, wenn man die verschiedenen Formen desselben
zusammenwirft, für gerathen, diesen Schwierigkeiten dadurch ent-
gegenzutreten, dass man — von zu frühem Systematisiren ab-
sehend — sich zunächst mit einer Präcisirung der einzelnen
Formen befasst. Gelingt es, die Symptomencomplexe derselben
festzustellen und die ätiologischen Momente zu ergründen, so wird
auch die Prophylaxe und Therapie bessere Resultate liefern, als
dies bisher der Fall war.
Verf. hebt die Analogien zwischen der Puerperal-Pyämie und
andern pyämischen Zuständen hervor und zwar, dass in beiden
der allgemeinen Erkrankung eine örtliche vorangeht, und dass
in beiden ein Zersetzungsproduct durch' Resorption die Zer-
setzung der Säfte herbeiführt. Den Unterschied zwischen der
„chirurgischen und puerperalen Pyämie" findet Verf. darin, dass
bei ersterer häufiger als bei letzterer metastatische Abscesle vor-
kommen. Der Verlauf ist etwa folgender:
Nachdem sich Patientin eine Zeit lang nach der Geburt den
Umständen entsprechend wohl befunden, tritt am 8. bis 8. Tage
ein heftiger Schüttelfrost, begleitet von Depression und Mat-
tigkeit, auf. Es folgt eine Pause von etwa 24 Stunden, wobei
sich die Patientin wieder wohler fühlt. Alsdann aber tritt er-
neuter Schüttelfiost auf, der sich nun noch häufier und länger
348 VI« Notizen aus der Journal -Literatur,
dauersd, zuweilen in regclmä^sigeren Intervallen ^ wiederholt«
Auch in den Intervallen dauert nun das Zittern fort Das Gesicht
wird bleich, erdfahl. Das Aussehen niedergeschlagen, das Auge
glanzlos. Während des Frostes ist das Gesicht livid, der Mund
geschlossen. Die Haut ist zuweilen etwas icterisch, trocken, heiss,
ohne Schweiss. Die Zunge ist trocken, in der Mitte dick weiss
belegt. Patientin klagt über grossen Durst. Symptome von
Gastro-intestinal-Irritation sind vorhanden. Der Athem hat einen
krankhaften Geruch. Der Darm ist meist relaxirt. Die Fäces
sind dunkel und fotid, zuweilen schaumig (wie bei Gährung) und
nach faulen Fischen riechend. Nach jeder Ausleerung hat Patien-
tin grosse Erleichtei ung. Der Urin ist reichlicher, aber von nor-
maler Farbe. Die Lochien sind oft fotid und sparsam. Die
Milchsecretion ist unterdrückt; die Biüste werden schlaff. Der
Puls ist klein, beschleunigt, meist zwischen 130 und 150. Die
Respiration ist erschwert, zuweilen stark beschleunigt (40 — 50),
zuweilen tief seufzend. Der. Unterleib ist gespannt und aufge-
trieben, auch Druck nicht immer empfindlich. Vage Schmerzen
, in der Gegend der Leber und Milz sind nicht selten Bei Zu-
nahme der Affection bietet sich ein starker Husten dar. Endlich
tritt Stupor ein; ohne besondere Klagen entsteht schnell ein
Zustand von Schläfrigkeit und unter erhöhtem Puls und ange-
strengter Kespiration endet die Kranke mit den Zeichen von
Erschöpfung.
Einen Fall der Art führt Verf. an.
Verf. findet, dass die obige Beschreibung von „puerperaler
Pyaemie" dem „puerperalen remittirenden Fieber" von Bttttlers
entspricht. Was die Frage nach der Natur jenes in die Circu-
lation aufgenommenen deletären Agens betrifft, so kann Verf.
allerdings nicht zugeben, dass Eiti rkörperchen in den Kreislauf
gelangen, sondern er nimmt an, dass dies nur mit einem Zer-
setzungsproducte derselben der Fall ist, sei dies nun „putrides
Serum", oder seien es „zersetzte Eiter-Elemente", oder „desorga-
nisirte Fibringerinnsel". Die Venen oder die Lymphgefässe sind
als die Kanäle anzusehen, mittels welcher die Zersetzungsproducte
in den Körper gelangen. Die Intensität der Eikrankung hängt
von der Quantität des resorbirten Stoffes ab. Die Dauer derselben
ist. selten geringer als drei Wochen. Die Prognose ist im Allge-
meinen ungünstig. Besonders sind solche Frauen, die eine schwere,
durch* manuelle oder inslruraentelle Eingriffe complicirte Geburt
durchgemacht oder eine bedeutende Hämorrhagie dabei erlitten
haben, dieser Erkranknng ausgesetzt. Demnach sind in diesen
Fällen besondere Vorsichtsmassregeln nöthig. Die Behandlung
der „ Puerperal -Pyaemie" hat von allen deprimirenden Mitteln
abzusehen; im Gegentheil muss man die Natur in ihren Be-
strebungen, die schädlichen Substanzen durch den Stoffwechsel
zu elimiren, unterstützen. Gute, aber nicht zu reizende Diät,
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 349
Antiseptica; blutverbessernde Mittel sind neben guter Lüftung
anzuwenden.
(Edinb. Med. Journ. März 1864.)
Wade: üeber Retrouterin-Hämatocele.
Verf. macht besonders darauf aufmerksam, da es in Fällen
von Haematocele nach vorausgegangenen Uterinschmerzen eiiie
Entleerung von verändertem Blute aus der Gebärmutter vor-
kommt, ähnlich dem Blute, welches nach einer Perforation in's
Rectum fliesst. Es folgt eine schnelle Verkleinerung der Ge-
schwulst, welche . gleichzeitig härter wird. Solche Blutung tritt
nicht zur Menstruationszeit ein, und Farbe und Geruch des Blu-
tes gleicht nicht dem des Menstruationsblutes. Man kann an-
nehmen, dass dies Blut unmittelbar aus der Cyste in den Uterus
gelangt, wahrscheinlich durch die Tuben hindurch.
(The Lancet. 10. Sept. 1864)
Caresme: Haematocele retrouterina in Folge
von Apoplexie des Ovarium.
Die Bulletins de la soci6t6 anatomique veröffentlichen einen
im Höpital St. Antoine, Abtheilung GoupiTs, beobachteten und
von Caresme berichteten, durch die Ergebnisse der Section inter-
essanten Fall. Es war zunächst ein Bluterguss im Ovarium ein-
getreten, dann nach etwa sechswöchentlicher Dauer desselben
Zerfressung des Ovarium und damit Haematocele in den Perito-
näalsack mit folgender Entztindung etwa 4 Tage vor dem Eintritt
in's Hospital, woselbst am Abende des Eintrittst ages bereits der
Tod erfolgte. Die Erscheinungen bei der Aufnahme waren Peri-
tonitis, Verschiebung und Festklemmung des Uterus nach vom,
die hintere Muttermundslippe mit der hinter dem Uterus liegen-
den, faustgrossen, das Becken füllenden, harten, undeutlich fluctui-
renden, halbkugligen Geschwulst verschmolzen. Aus dem Mutter-
munde floss Blut.
Die Section ergab Spuren der Peritonitis, einige Adhäsionen
nnd Entfärbung der Eingeweide; in der Beckenhöhle zwischen
Uterus und Rectum eine bedeutende Geschwulst, durch Anlöthun-
gen des Dann- und Blinddarmes geschlossen. Sie ist weich,
teigig and ftlhlt sich wie ein fester, in Fltlssigkeit eingeschlossener
K(')rper an Beim Auseinanderlegen der Theile entweichen aus
einem llisse im Netze weiche schwarze Blutklumpen und weisse
fibrinöse Massen mit Blutserum und Eiter. Nach Entfernung des
Dünndarmes und Netzes findet mnn eine weite Höhle im Douglas-
ßchen Räume, die etwa 400 Grammes Flüssigkeit enthalten mochte.
An einzelnen Stellen haften graue Fetzen, die sich leicht in
grossen Stücken ablögen lassen. Die breiten Mutlerbftnd^r; Welche
360 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
die Wände der Höhle bilden, sind serös infiltrirt und gefässreicb.
Das linke Ovarium liegt an richtiger Stelle und enthält etwas
Serum und Eiter. Das rechte Ovarium bildet eine kleine, platte,
weissUch gelbe Geschwulst, eine Cyste, und ist mit strahligen
Narben bedeckt. An der vorderen äusseren Fläche, nahe dem
oberen Rande der Geschwulst, liegt die Tube, mit dem Ovarium
verschmolzen. An der hinteren inneren Fläche verbindet ein
etwa 1 Ctm. grosses Loch die kleine Ovarientyste mit der grossen
Beckengeschwulst Die Ovariencystc enthält einen umfangreichen
schwarzen Blutklumpen, 6 Ctm. lang, 2— 3 Ctm. dick, ohne Höhle
und ohne Spur eines Ovulum; er ist (est und seine Basis von der
noch durchgängigen Fimbrienö£fnung der Tube umfasst. Am
inneren Ende der Tube liegt ein erbsengrosser Eiterpfropf.
(Gaz. des höpit. 1864. No. 95.)
Breüau: Beitrag zur Kenntniss der Haemato-
cele periuterina.
Verf. berichtet über 6 von ihm beobachtete Fälle von Haema-
tocele peri- oder retrouterina, einer AiFection, die 2U den seltenen
und wenig eruirten gehört, und daher selbst von langjährigen
anerkannten Beobachtern (Scamoni) hinsichtlich ihrer Erkennung
und ihres Vorkommens stark in Zweifel gezogen wird. Dass B.
davon in Zeit von 2 Jahren unter 120 Kranken 6 Fälle gesehen,
schreibt er dem häufig bemerkten cumulirten Vorkommen gewisser
seltener Ereignisse zu. Die Fälle sind:
1. Chronische Beckenzellgewebs-Entzündung, Complication mit
einer intraperitonäalen Haematocele. Heilung, Geburt nach
11 Monaten.
2. Extraperitonäale anteuterine Haematocele. Eröffnung mit
einem Troikar. Putride Zersetzung des Inhalts- Spontaner
Durchbruch in den Cervicalcanal. Symptome von Septicämie.
Langsame Genesung.
3. Haematocele extraperitonaealis retrouterina, retrovaginalis.
Während einer Geburt entstanden. • Troikarstich und nach-
folgend Discision. Heilung.
4. Haematocele periuterina subperitonaealis. Explorativ-Punc-
tion. Spontaner Durchbrüch in das Darmrohr. Heilung.
5. Haematocele anteuterina intraperitonaealis. Keine Opera-
tion. Heilung.
6. Haematocele retrouterina subperitonaealis, combinirt mit
Bindegewebs - Entzündung. Explorativ - Function. Heilung.
Angehängt ist:
7. Ein Fall von Parametritis, der für die differentielle Diagnoae
dieser mit der Haematocele verwandten Affection von In-
teresse ist.
Hieratn knüpft B. einige Bemerkungen. Er bezeichaet als
VI. Notizen aus der Journal- Literatur. 351
die hier Torliegende Aufgabe der Gynaecologie , nicht bei der
Diagnose auf Bluterguss um den Uterus herum stehen z\x bleiben
(obwohl auch diese oft eben so schwierig wie wichtig ist), sondern
den Ort, die Ausbreitimg und die £ntBtehung8ursache der Blutung
zu erforschen. Von pathologisch • anatomischer Seite i^t diesem
Gegenstande bisher noch wenig Aufmerksamkeit gewidmet wur-
den. B. glaubt daher auf die genaue Untersuchung der subperi-
tonäalen Bcckeoräume bei Sectionen hinweisen zu müssen, da er
im Gegensatz zu Voisin die sub- und extraperitonäale Hämatocele
für häufiger hält, als die intraperitonäale. Die differentiellc
Diagnose des Sitzes ist in 4 Punkten zusammenzufassen:
a. Bei Haem. subperitonaealis ist der Uterus nach dem
Hypogastriiun gehoben, bei intraperitonaealis gesenkt»
(Prost)
h. Bei Haem. subperitonaealis ist die Geschwulst durch
Scheide und Rectum zu fohlen oder steigt auf den Becken-
boden herab, bei intraperitonaelis ist die Geschwulst
weit über dem Beckeneingange von aussen allein oder doch
besser als von innen zu fühlen, die Bauchwäude über ihr
sind verschiebbar, der Ton mehr oder weniger tympanitiscb.
c. Bei Haem. subperitonaealis sind die Grenzen diffus mit
allmäligem Uebergang in normales Gewebe, Uterus and
Scheide in verschiedener Richtung umfassend; bei intra-
peritonaealis sind die Grenzen scharf; die Form ist
meist ein Kugelsegment, der Sitz meist in der Richtung des
geraden Beckendurchmessers.
d. Bei Haem. subperitonaealis findet man selten a^der-
weite schwere Symptome, die Geschwulst wächst langsam
und mehr nach abwärts; bei intraperitonaealis sind
starkes Fieber, Schmerz, Erbrechen, Collaps vorhanden und
die Geschwulst wäciist rasch.
Die diiferentielle Diagnose von Bindegewebs- Entzündung
dürfte schwierig sein, zumal diese häufig mit der Haematocele
combinirt ist. Die Prognose ist bei der extrapehtonäalen Form
günstiger. Bei der Behandlung ist der operative Eingriff, wenn
er sonst indicirt ist, nicht zu scheuen ; die Resultate der Function
oder Incision sind nicht so ungünstig, wie sie Vomn darstellt
(Schweiz. Zeitschr. f. Heilkunde. H. Bd. 4. u. 5. Heft.)
Gustav Bravn: Ueber Haematocele extrauterina.
Gelegentlich der Mittheilung von 5 Fällen von Haematocele,
welche Terf. beobachtet hat, spricht sich derselbe über das Wesen
dieser von manchen Seiten angezweifelten Affection aua Man
unterscheidet:
1. Haematocele extrauterina intraperitonaealis und
2. Haematocele extranterina extfapeidtonaetis«
352 ^^' Notizen aus der Journal -Literatur.
E stere zeigt meist einen Erguss in den Dauglas^eehf'n Raum,
zuweilen aber auch in die Vesico-Uterin-Excavation ; bei letzterer
geschieht der Erguss in den subperitonäalen ZeHstoff und das der
Mntterb&nder. Was die ätiologischen Momente der erste-
ren betrifft, so sind ausser der Häraorrhagie der Oraaf^Khen
Follikel (Menstruation) noch erwähnenswerth : Borstung von Venen
in den Ovarien, Hämorrfaagien aus den Tuben, Berstung varicöser
Venen der 'Ligamenta lata, Berstung von Cysten oder Säcken bei
Extra-Uterin-Schwangerschaffc , Ruptur von Blutsäcken des Eier-
stockes, Berstung einzelner Gefässe von Pseudomembranen. Auch
können Krankheiten, welche Stauung bewirken (Knickungen), oder
welche Hämorrhagien begünstigen, die Ursache abgeben. Die
extraperitonaeale Haematocele kommt besonders durch
Zerreissung venöser Gefässe, selbst durch Berstung von Eileiter
oder Uterus zu Stande.
Das extravasirte Blut ist Anfangs flüssig, gerinnt aber bi^ld
nnd verwandelt sich in schwarzbraune, theerartige Massen, die
sich später theils resorbiren, theils verändern und schliesslich nur
Pigment hinterlassen. Um den Erguss bilden sich cystenartige
Wände von organisirtem Gewebe, Stränge und Adhäsionen. Die
Hftmatocele tritt meist zwischen dem 30. und ÖO. Jahre auf, selten
froher, meist bei Multiparis.
Die Symptome bestehen Anfangs in mehr oder weniger
starken Schmerzen in der Leisten- und Kreuzbeingegend, zuweilen
über eine untere Extremität, zuweilen über den Unterleib (Peri-
tonitis?), nicht selten während der Catamenien heftiger. Ferner:
Erbrechen grünlich-gelber Flüssigkeit während der Extravasation.
Fieber bei gleichzeitiger Peritonitis. Haut meist schwitzend, blass
und kühl. Bei directem oder indirectem Druck auf die Blase:
Harndrang, Brennen an der Harnröhre. Ferner Verstopfung,
Kopfschmerz, Ohnmächten, Menstruationsanomalien (Metrorrhagie
oder pUtzHche Amenorrhoe).
Diagnose: Unterleib massig gespannt, über der Symphyse
etwas v('rgew(V]bt Tumor seitlich der Medianlinie, elastisch, etwa
kindskopfgn^ss, undeutlich flnctuirend, deutlich abzugrenzeiv
empfindlich, nicht beweglich. Portio vaginalis meist höher nnd
seitlich stehend, verdickt, geöffnet, empfindlich, Anfangs beweg-
lich, später nicht mehr; bei anteuteriner Haematocele steht der
Scheidentheil weniger nach vorn und nach der Seite. Bei ante-
uterinem Erguss ist das vordere, bei retrouterinem das hintere
Scheidengew(')lbe convex vorgetrieben. Bogen des Scheidengewöl-
bes spitzer. Der Scheidentheii ist nicht verkürzt Per rectum
fohlt man eine pralle, oft elastische, selten nach oben abzugren-
zende Geschwulst Per speculum gewahrt man die blaurothe Fär-
bung des Scheidentbeils und das Ausquellen von dftnner, rMh*
lieber Flüssigkeit oder weisslie h-klarem Schleim aus dem Orificinm
exteruum. Untersuchung mit der Sonde schwierig, tchmerzhaft;
VI Notizen aus der Journal -Literatur. 853
unter Zubälfeuahme der Untersuchung per rectum, des Catheters
und der äusseren Falpation lässt sich der Sitz des Extravasats
noch genauer ermitteln. Der Uterus erweist sich meist nicht ver-
längert. Man kann nochj um sich über den Inhalt des Tumor
£U unterrichten^ die Akidopeirastik von Miädeldorpf benutzen.
Für den intraperitonäalen Sitz spricht: Rasches Auftreten
während einer Menstruationsanomalie, Herabsteigen einer vor
oder hinter dem Uterus liegenden Gesehwulst, Verdrängung der
Vaginalportion, cystöser Tumor über d^r Symphyse. Auf extra-
peritonäalen Sitz deutet: Ungleiche Begrenzung der Geschwust,
welche man zugleich vor, neben und hinter der Vaginalportion
fühlt. Breslau hält den letztgenannten Sitz für häufiger. Die
differentielle Diagnose hat in's Auge zu fassen:
a. Ovariocele (eingeklemmte Ovariencyste zwischen Uterus
und Rectum).
b. Retioflexion des schwangern und nichtschwangern Uterus.
c. Extra-Uterin-Schwangerschaft, besonders im Dou^^o^schen
Räume.
d. Subperitonaealen Abscess.
€. Intraperitonaeales Exsudat oder Hydrops ascites.
Der Verlauf zeigt
entweder baldige Resorption,
oder langsame Resorption,
oder Oeffnung der Haematocele (nach Schüttelfrösten) mit
Perforation (in Uterus, Harnblase, Periton&um, retro-
peritonäales Bindegewebe, Scheide, Rectum),
oder plötzlichen lethalen Ausgang (Anaemie, Peritonitis).
Breslau hält die Prognose bei extraperitonäalem Sitze für
günstiger.
Die Behandlung ist zunächst eine symtomatische,
gegen das Brechen und die Kreuzschmerzen gerichtete. Bei Zu-
nahme aller Erscheinungen und drohender Berstung der abge-
kapselten Geschwulst: Punction, nach Becamier in Verbindung
mit Incision und Compression, nach Nelaton mit nachfolgender
Wasser- und Jodinjection , nach Nont mit nachfolgender Ein-
legung einer Gummisonde, nach C. Braun mit Einlegung eines
elastischen Catheters
Die Punction wird angebracht:
ff. oberhalb der Symphyse {Piorry, Trovsseau);
h. durch das Rectum;
c. durch die Vagina (vom .Verf. für zweckmässiger gehalten).
Seyfert bedient sich dabei eines geraden, dicken Troicart,
Madurowitz bei höher gelegenem Tumor eines nach der Becken-
axe gekrümmten.
Bei Abwesenheit gefahrdrohender Erscheinungen statt der
operativen nur medicamentöse Behandlung, und zwar:
Monatsschr. f. Geburtsk. 1865. Bd. XXV. Snppl.-Hft 23
354 ^I- Notizen aus der Journal -Literatar.
bei acutem Verlaufe: Ruhe, kalte Umschläge, Eiswas&erkly-
stiere, Mineralsäuren, Digitalis;
bei chronischem Verlaufe: Laue Voll-, Sitzbäder und Irriga-
tionen, Jodglycerin zum Einreiben, Suppositorien von
\ 6r. Jod, 10 Gr. Jodkali und Sj CacaobuUer (1 Mal
täglich), Priessnitz^sche und erweichende Umschläge,
Eisen, reborirende Diät.
Die f) oben erwähnten Fälle sind:
1) Haemat. extraut, intraper. Entstanden durch Verkühlung
zur Menstruationszeit. Medicamentöse Behandlung. Fast völlige
Genesung. Rückfall. Nach 7 Monaten Genesung.
2) Desgl. Veranlasst durch Coitus während der Menstruation.
Heilung nach 3 Monaten unter medicamentöser Behandlung.
.'3) Desgl. Entstanden durch Verkühlung. Probepunction.
Heilung in 14 Tagen.
4) Desgl. Entstanden durch Verkühlung. Heilung in drei
Wochen.
t)) Desgl. Entstanden durch Erkältung. Probepunction. Hei-
lung in drei Wochen.
(Gestern Zeitschr. f. pract. Heilk. Wien. 1864.
No. 18, 19, 21, 22, 24, 25).
Bake)' Brown: lieber BchandluDg der Retro-
versio, Retroflexio und Anteflexio der Ge-
bärmutter.
Nach einigen vorausgeschickten Bemerkungen über das ana-
tomische Verhalten obiger Zustände, die nichts Neues enthalten,
geht Verf. auf die Behandlung derselben über und besonders der
Flexionen. Die Erfolge, welche er früher mit Simpson's Auf-
richtungsapparat zu erzielen suchte, waren durchaus ungenügend.
Der Zufall veranlasste ihn bei einer Kranken, deren Uterus behr
derb und hart war und die Einführung der Sonde sehr erschwerte,
mit dem Hysterotom den Cervix zu erweitern, und es trat uner-
wartet sofort eine Geraderichtung und dauernde Heilung ein. Seit-
dem batB. dasselbe Verfahren in zahlreichen Fällen mit demselben
günstigen Erfolge wiederholt. — Er leitet auch die Neigung zur
Onanie von Gebärmutterflexiouen ab und hat nach Beseitigung
derselben und gleichzeitiger Exstirpation der Clitoris Heilungen
erzielt.
(The Lancet. 1864. 13. August)
VI. Notizen ans der Journal -Literatur. 355
Bryk: Zur Diagjaoäe der Atresieen der weib-
licheo Geschlechtsorgane.
Verf. beabsichtigt sich auf jene Arten der Genital Verwachsung
zu beschränken, bei denen die Unterbrechung der Gontinnität des
Mnttersefaeidenrohres durch Verwachsung der Canalwandnngen
ohne Betheiligung anderer Ursachen stattgefunden hat und wo
die Störung oder Sistirung des Menstrualflnsses als wesentliches
Kranheitssymptom zur Erscheinung gelangte.
Der 1. Fall betrifft erworbene, mehrfache Stenosen der Scheide
in Folge einer schweren Geburt; es hatten sich seit 5 Monaten
dysmenorrfaoische Beschwerden eingestellt, die zur Spaltung der
Strieturen Veranlassung gaben, worauf, wie im folgenden Falle,
Genesung eintrat; in letzterem wurde eine partielle, erworbene
Obliteration der Scheide mit Bildung einer Hämatometra gefun-
den; es wurde in die yerwachsene Stelle incidirt und das Men-
strualblut entleert.
Bei angeborenen Formen ist die Verwachsung am Introitus
yaginae meist sehr fest, in der Tiefe aber locker und leicht mit
dem Finger zerreisslich , w&hrend sie bei erworbenen Formen
(nach ulceröser Colpitis) in der ganzen Länge des auf diese Weise
an der Stolle der Vagina gebildeten Septum Tesico - rectale aus
dichter Narbenmasse zu bestehen pflegt und nur mit dem Messer
getrennt werden kann ; daher fühlt man bei angeborenen Formen
partieller Scheidenobliteration bei Druck auf die Hämatometra
die Flttctaation der meist dünnen Verschlussmembran, bei erwor-
benen Formen nicht. Die genaue Diagnose einer partiellen Schei-
denatresie gelingt durch die vom Mastdann (und dem vielleicht
zugänglichen Scheidenabschnitte) aus fühlbare Fluctuation der
Scheidengeschwulst, deren Begrenzung in der Höhe der Verwach-
sangsstelle und durch die Möglichkeit, die Geschwulst bei Druck
auf die Bauchwand der Verwachsung zu nähern und durch den
Nachweis der Portio vaginalis; letztere ist deshalb yon practischem
Werthe, weil dadurch die Eröffnung der Genitalwege von Seiten
der Scheide wesentlich bestimmt und der Gebärmutterstich durch
den Mastdarm nur auf die Fälle beschränkt wird, wo durch
Ckgenwart von Darmschlingen in der Nähe der Verwachsung
oder durch die meist bedeutende Verdünnung des Septum vesico-
rectale die Gefahr einer Verletzung des Peritonaeum in sichere
Aussieht gestellt wird. Man fahlt die Portio vaginalis aber nicht,
wenn die Urethra ein normales Kaliber hat, bei hochgradiger
Hämatometra und bei hochgradigen seitlichen Versionen, wo sie
zu hoch für den Finger steht Bei Lageveränderungen der mit Men-
strualblut gefüllten Gebärmutter ist stets auf Durchgängigkeit des
hinter der Verwachsung gelegenen Scheidengewölbes zu schliessen
(partielle Scheidenobliteration); häufiger bildet sich Anteflexio
und seitliche Flexio dabei aus, selten Retroff exio; ist jedoch der
23*
356 VT. Notizen aus der Journal -Literatur.
hinter der Verwachsunu gelegene Theil der Scheide lang, so ent-
stehen selten Lageveranderungen, weil dann der herabsinkende
Uterus durch das im obern Scheidenabschmtte angesammelte Men-
strualblut nach allen Seiten gleichmässig fixirt erhalten wird.
Die wesentlichsten Criterien der totalen ScheidenverwacbsDng
bestehen in der ImpermeabilitiU des obern, zunächst dem Uterus
angräuzenden Theils des Kanals, in der Unmöglichkeit die H&ma-
tometra der Verschlussstelle zu nähern, im Mangel von fühlbaro*
Fluctuation an derselben, und im gleichzeitigen Verschluss des
Muttermundes mit nachfolgendem Verstreichen des Collum uteri
durch die Hämatoroetra; man fühlt hier stets einen in die Blase
eingeftLhrten Gatheter durch das Septum hindurch mit dem in
den Mastdarm eingeführten Finger und hat in solchen Fällen nie
Lageveränderungen des Uterus beobachtet.
Auch für die totale Verwachsung fuhrt Verf. 2 Fälle an, in
beiden war sie erworben; im ersteren hatte die Hydrometra die
Höhe von zwei Querfingern über dem Nabel erreicht; es wurde
die Scheidenbildung ziemlich leicht bewerkstelligt und dann die
Function des Uterus unternommen, an dem sich keine Spur von
Vaginalportion zeigte. Es entleerten sich i\ Litre zäher, mit
Eiterkörpercheu vermischter Flüssigkeit. Vom dritten Tage ab
trat Peritonitis ein, und es folgte am fünften der Tod. Die Section
zeigte die Innenfläche des Uterus mit diphtheritischen Schorfen
bedeckt, in der einen Tube das Abdominale, in der anderen das
Uterinalostium verwachsen, übrigens «ausgebreitetes peritonäales
Exsudat mit Adhäsionen. Im zweiten Falle, wo nach einer ulce-
rösen Colpitis im Wochenbette eine totale Verwachsung entstan-
den war, hatte sich Incontinenz des Urins wegen der Starrheit
der umgebenden Exsudatmassen eingestellt. Durch wiederholte
Versuchung der Scheidenbildung wurde diese beseitigt, aber es
stellte sich in Folge einer sehr wahrscheinlichen Atrophia uteri
und Verschluss des Ostium externum uteri die Menstruation nicht
ein, ebenso fehlten jeglicjlie Meustruationsbeschwerden. — Sodann
weist Verf. auf einige Punkte, die von Einfluss auf die Diagnose
sein können, hin. Amenorrhoe allein giebt bei Obllteratiuuen des
Genitalrohrs noch keinen sichern Anhaltspunkt für die Beschaf-
fenheit der über der Stricturstelle gelegenen iunem Geschlechts-
organe für die Indication zur Vornahme der Operation. Es
kommt vielmehr sowohl auf die allgemeinen [Aller 3—4 Wochen
wiederkehrende Molimina irenstrualia ohne Ausscheidung von
Blut nach aussen, Urinbeschwerden, Obstruction, vicariirende
Blutungen , Hysterie, Chlorose^ als auf die localen , zunächst das
Genitalsystem betreffenden Folgezustände an [eine aller3-4Wochen
wachsende Hämatometra kennzeichnet den functionsfähigen Uterus;
die Folgen sind verschieden je nach der Art der Verschlussstelle :
Geschwulstartige Formen am Scheideneingange sind die häufigsten
(hymenale Atresie) mit zwei Unterarten : Hämatokolpos meist mit;
VL Notizen ans der Journal - Literatur. 357
aber aach ohne Hämatometra. In zweiter Linie stehen die mem-
branösen oder narbigen Verschliessungen an der AnsmOndung des
Genitalrohrs ohne Betheilignng des Hymens.] Man findet femer
bei Atresieen entweder eine rndimentare oder nicht sehr von der
normalen Länge abweichende Vagina; erstere dentet bei Gegen-
wart einer H&matometra auf eine partielle oder totale Scheiden-
verwachsung, letztere aber auf eine am Orificium uteri bestehende
Atresie.
Von Complicationen der Atresieen fahrt Verf. als die wichtig-
sten die Yerwachsungen eines Uterus bicornis an Einem Orificium
bei doppelter Scheide und die Cloakenbildungen an.
Als Ausg&nge der Atresieen findet sich sowohl spontanes
£inreis8en der Verschlussstelle am Scheideneingange oder am
Muttermunde durch kräftige Zusammenziehungen der Bauchmus-
keln oder die Thätigkeit der Uterusmuskulatur, als auch das
Bersten einer Haematosalpinx oder der Haematometra selbst —
Zustände, die als tödtliche zu erachten sind. Seltener ist der
Eintritt der Menopause, ein allmäüges Abnehmen der Intensität
der Menstrualcoliken, sowie der Uterusanschwellung, worauf sich
ein relatives Wohlbefinden nach jahrelangen Leiden einstellen kann.
(Wiener medizin. Wochenschr. 1865. No. 11—13 u. 16—18.)
Cornil: Cancroid des Collum uteri, auf die
Lymphgefässe des Uterus fortgepflanzt.
(Mitgetheilt in der „Soci^te de Biologie'' zu Paris, Novbr. 1863.)
Der Fall betraf eine 64jährige, am 4. Februar 1863 in die
Salp^tri^re aufgenommene und am 8. November 1863 verstorbene
Frau. Dieselbe hatte vom 12. bis zum 50. Jahre ihre Menstrua-
tion gehabt, dann 10 Jahre lang stark an Asthma gelitten und
im 60. Jahre wieder monatliche Blutungen bekommen, welche seit
2 Monaten fast ununterbrochen fortgedauert hatten. Die Person
war seit 3 Jahren abgemagert, doch noch immer sehr fett. Am
Status praesens war hervorzuheben, dass die Hautfarbe gelblich
war. Die Inguinal-DrOsen waren zahlreich, hart, von Haselnnss-
Grösse. Das Collum uteri war nach links gedrängt, ulcerirt, mit
kleinen, harten B'ungositäten besetzt. Fortwährender Abgang von
einer rothen Flüssigkeit, welche viele weisse und wenige rothe,
guterhaltene Blutkörperchen, sowie viel wässrige Flüssigkeit dar-
bot. Die Kranke klagte seit 6 Monaten über Wadenkrampf und
über Schmerz in der Ilio-Crural-Gegend.
Die Autopsie am 9. November 1863 ergab ausser einem
Emphysem und einer enormen Ausdehnung der rechten Niere
folgende Anomalie : Der Uterus war «gross. Rechts bildeten Ova-
^um und Tube einen bedeutenden Tumor; letztere war daumen-
gross, um dns Ovarium gerollt und enthielt eine trübe, seröse
358 ^^•. Notizen aus der Journal- Literatur.
Flüssigkeit. Links war die Tube ebesso ausgedehnt und stand
mit der hinteren, seitlichen Fläche des Collum in Verbindung.
Das linke Ovarium enthielt kleine, mit heiler Flüssigkeit geftülte
Cysten. Das Collum uteri war blass und besass auf der Ober-
fläche blasse Knötchen und gefässreicbe fransen, ßeim Auf-
schneiden in der Uterus -Axe kam tropf weise eine dicke, weisse
Flüssigkeit hervor. Auf dem Durchschnitte baten sich kleine,
gekrümmte Höhlungen mit einer Flüssigkeit dar, welche Cylinder-
Epithel-ZeUen mit yerlängerten Kernen und Kernkörpereben ent-
hielt. Der Cerrical-Canal war obliterirt, die Uterushöhle dilatirt
Letztere enthielt etwa 2 Löffel gelb-schleim^er Flüssigkeit, die
durchscheinend' war und in deren Mitte undurchsichtige, blasse
Stellen von l—l Millim. waren. Die Flüssigkeit enthielt runde,
zelUge Elemente, welche stark mit Fettkörnchen erfüllt waren.
Die Höhe des Uterus betrug 9 Cm., die Dicke der Wandungen
IJ Cm. Die Peritouäal-Oberfläche des Uteruakörpers zeigte viele,
alisgebuchtete, vorspringende, perlschnurartige, theils parallele,
theils netzförmig anastomosirende , cylindrische Gefösse (Lymph-
gefässe) unter der Serosa. Sie hatten einen Durchmesser von
^^1 Cm. Bei einem Schnitte durch die Uterus wand entsprachen
sie Oeffnungeu, aus denen sich eine dicklich -weisse Flüssigkeit
drücken Hess. In dieser befanden sich abermals cylindrische und
abgerundete Epithelialzellen mit granulirtem Inhalte und in
ziemlich regelmässiger Anordnung, nämlich radial um eine Axe
geordnet.
Jedenfalls war hier eine auffallende Epithel - Neubildung in
den Lymphgefässen vorhanden, welche als im Zusammenhang mit
der Cancroid-Bildung stehend anzusehen war.
(Gaz. M6dicale de Paris. 1864. 30. AprU. No. 18.)
S. L, Hardy: Grosse polypöse Uterus -Ge-
schwulst bei einem jungen Mädchen.
Verf. berichtet über, einen Fall, den er an einem 17jährigen,
im 15. Jahre zum ersten Male menstruirten Mädchen von kräf-
tiger Constitution beobacljtet hat. Sie hatte vier Monate lang
ununterbrochen Blut aus der Scheide verloren und nun in der-
selben einen Tumor bemerkt, welcher zuweilen heraustrat. Zu-
gleich klagte sie über Schmerz im Rücken und Epigastrium. Der
Tumor hatte die Grosse eines Kindskopfes. Er wurde umbnn-
den, was sich nur schwer bewerkstelligen liess, indem man den
Uterus dabei mit hervorziehen musste. Nach dem Abschneiden
geringe Blutung. Aetzung mit Argent. nitr , Heilung, aber nach
»wei Monaten völliges Kecidiv. Abermalige Wiederholung der
Operation, Kurz nachher dreitägiger Blutabgang und allmäliger
Verschluss des Orificium uteri Von einem Tumor nichts mehr
wahrzunehmen. 3 Monate später war der Tumor wieder bedeo-
Tl. Notizen aus der Journal -Literatur. 359
tead, hatte die Grösse einer nicht geringen Placenta erreicht,
erschien dreifach gelappt und reichte mit dem gröBsten Stücke
mittels eines engen Halses znm Os uteri heraus. Das zweite
Stück entsprang von derselben Wurzel, das dritte von der Lippe.
Die Geschwulst hattg, als der Arzt hinznkam, 12 Stunden vor der
Vagina gelegen, blutete bei der Berührung, liess sich aber ohne
heftige Blutung, nach Anlegung von 3 Ligaturen, mittels eines
Schnittes entfernen. Die Eiterung war sehr heftig und brachte
die ohnehin schon geschwächte Gesundheit noch mehr herunter,
bis das Mädchen an Entkräftung starb. Section wurde nicht
gestattet.
Einen ähnlichen Fall hatte H. im Dublin Quart. Joum. (Mai
1855) Teröffentlicht Der Fall, welcher hier erzählt worden, hat
dadurch besonderes Interesse, dass die Patientin von einem so
jugendlichen Alter war, wie dies bisher noch nie beobachtet wor-
den ist, nämlich 9 Jahre jünger, als die bisher bekannten Fälle.
Auch der rapide Verlauf binnen 15 Monaten ist bemerkenswerth.
Die Entfernung durch Excision nach Unterbindung ist entschieden
der blossen Unterbindung vorzuziehen.
Die fötide Secretion, welche sich in solchen Fällen nicht
selten auf der Wundfläche einstellt, wird Reinlichkeit und anti-
septische Behandlung erfordern. Gegen die Schmerzen empfiehlt
H. den indischen Hanf, gegen die Mastdarm- und Blasenbeschwer-
den Injection von Chloroform und Oel.
(The Dublin Quarterly Journal. May, 18<»4.)
G. Braun: üeber die Verwendung von „Hebel-
Pessarien'' bei Behandlung der Lageverän-
derungen des nicht geschwängerten Uterus.
Die von B. gegebenen Mittheilungen beziehen sich auf die
von Hodge empfohlenen „ Hebel •Pessarien'\ Man hat demnach
zu unterscheiden:
L Das offene Hebel-Pessarium. Dasselbe ist ein 3 bis
4'" dicker Ring, welcher ein 2'' bis 2" W** langes und 1 bis 2i"
breites, auf einer Seite offenes Parallelogramm beschreibt, dessen
beide längere gekrümmte Seiten man die „Hörner" nennt, wäh-
rend das Verbindungsstück die „Stange" heisst. Dieses Hebel-
Pessarium ist, je nach Bedürfhiss, in 4 verschiedenen Num-
mern anwendbar.
No. 1. Einfach gekrümmt. Dasselbe wird so angewendet,
dass die Stange hinter die Vaginal-Portion zu liegen kommt,
während die Homer mit ihrer Convexität nach der Kreuz-
beinhohlung zu liegen. Die Vaginal-Portion hängt alsdann
frei in die Lichtung des Pessarium hinein. Die Hebelwir-
knng gestaltet sich hier so, dass der hinter dem Scheiden-
theil gelegene Thoil des Pessarium als kürzerer, der vor
360 VI. Notizen aii6 der Jonmal - Literatur.
derselben gelegene Theil desselben als längerer Hebeltim
und die bintere Scbeidenwand als Hypomochlion anzusehen
ist. Drückt man die Hörner nach abwärts, so hebt sich
Körper und Grund des Uterus aufwärts.
No. 2. Doppelt gekrümmt. Fftr gewisse Fälle zweck-
No. 8. Einfach, aber stärker gekrümmt; die beiden
Enden der Hörn er mit stark abgerundeten Knöpfen ver-
sehen. (Besonders bei Druck der Hörnerenden auf die
Blase vorzuziehen.)
No 4. Desgleichen, jedoch mit stärker convergiren-
den Hörnern. Diese Nummer ist dann geeigneter, wenn
der Schambogen nicht, mehr weit ist oder die Empfindlich-
keit der Gewebe zu gross ist
Beim Einbringen und Entfernen des offenen Hebel -Pessars
wird dasselbe in den geraden Durchmesser der Scheide gebracht.
Yortheile sind: Leichtigkeit der Application ; freier Messtrual-
flnss, Festhalten des Uterus in normaler Lage bei Gestattung der
Beweglichkeit und bei Vermeidung von Druck ; ungestörter Coitus.
II. Der geschlossene Hebel. Dieser entspricht im All-
gemeinen dem offenen, nur sind die beiden offenen Hömerenden
noch durch eine zweite Stange verbunden. Auch von diesem
Hebel sind zu unterscheiden:
' No. 1. Einfach gekrümmt.
No. 2. Doppelt gekrümmt. Derselbe ist dem ersteren in
mancher Beziehung vorzuziehen, besonders bei Empfind-
lichkeit der Blase. Man hat an diesem Pessar eine grössere
und eine kleinere Krümmung, welche, wenn man es von
der Seite betrachtet, ihm ein S-förmiges Aussehen ver-
leihen. Man kann nun entweder das schmälere Ende mit
der schwächeren Krümmung hinter die Portio vaginalis
bringen, oder das andere. Hieraus entspringen zwei Mo di-
ficationen:
a) das schmälere, schwächer gekrümmte Ende steht hinter
der Vaginal-Portion mit der Convexität nach vom, der
Concavität nach hinten. Alsdann ist das breitere, stär-
ker gekrümmte Ende mit der Convexität nach dem Mit-
telfleisch, mit der Concavität nach der vorderen Uterin-
fläche gerichtet.
h) Das breitere, stärker gekrümmte Ende steht hinter der
Vaginal-Portion mit der Concavität nach vorn, der Con-
vexität nach hinten. Alsdann ist das schmälere, schwä-
cher gekrümmte Ende mit der Convexität nach der vor-
deren Scheidenwand und Blase, mit der Concavität nach
•dem Mittelfleisch gerichtet.
In der letzten Modification ist die Hebel-Wirkung besonders
stark, stärker als die des offenen Hebel-Pessars Zeigt also der
VI. Notizen aus der Journal • Literatur. 361
Uterus bei Herstellung seiner normalen Lage grossen Widerstand^
so wird der geschlossene, doppelt gekrümmte Hebel, Anfangs in
der ersten, später in der zweiten Modification am zweckmftssigsten
sein. Im Vergleiche mit dem offenen Hebel hat er den Vor t heil,
keinen Druck mit freien Enden auszuüben, aber den Nachtheil,
dass selbst das geschlossene Ende zuweilen auf Blasenbals und
Harnröhre drückt. Einbringen und Entfernen sind leicht
IIL Ber unterbrochene Ring. Derselbe wird zunächst
im geraden Durchmesser der Scheide eingebracht, so dass letztere
seitlich von der Harnröhre liegt. Alsdann wird der Ring so ge-
steUt, dass die Gonvexität nach hinten zwischen Portio vaginalis
und hinteres Scheidengewölbe, die Spaltstelle nach rom gegen
den Blasenhals zu liegt.
Nach dieser Schilderung geht B. ziur Besprechung derjenigen
pathologischen Zustände über, bei denen die Anwendung
der Hebel-Pessarien indicirt ist. Es sind anzuwenden: Bei An-
teversio yiteri der offene Hebel No. 1, bei gleichzeitigen Ulce-
rationen am Scheidentheil aber der unterbrochene Ring. Bei
Anteflexion der unterbrochene Ring, oder wenn er nicht ver-
tragen wird der offene Hebel bei enger, der geschlossene No. 2
bei weiter Scheide. Bei Senkung des Uterus mit Gysto-
oder Rectocele der geschlossene Hebel No. 2, bei Gystocele
mit Modification a, bei Rectocele mit Modification b. — Auch die
offenen Hebel No. 1 und 2 sind verwendbar. Bei unvollstän-
digem Prolapsus uteri der offene Hebel No. 2, zuweilen der
geschlossene Hebel. Bei senilem Gebärmutter-Vorfall der
unterbrochene Ring, dicke Qualität. Bei vollständigem Ge-
bärmutter-Vorfall der offene Hebel. Bei Enterocele vagi-
nalis der offene Hebel. Bei Gewichts-Zunahme des Uterus
durch Bindegewebs-Neubildungcn beliebige Hebel-Pessarien.
Als Vortheile der Hebel-Pessarien führt B. an: 1\ die
Application ist leicht. 2) Sie sind billig. 3) Sie sind dauerhaft
aus Hartgummi gefertigt und widerstehen lange den Einflüssen
der Socrete. 4) Die Reposition mit der Sonde wird überflüssig
5) Sie gestatten Abfluss der Secrete und des Menstnialblutes,
sowie ungestörte Anwendungen von Iigectionen, Uterus - Douchen
und Sitzbädern. 6) Sie führen langsam aber sicher zur Herstel-
lung der normalen Lage des Uterus. 7) Sie können Tag und
Nacht getragen werden. 8) Sie hindern den Coitus nicht. 9) Sie
erleichtei-n die bei Flexionen oft gestörte Harnausscheidung. 10) Sie
hindern die nach Schwängerung des flectirten Uterus leicht statt-
findenden Störungen.
Etwaige Nächtheile können sein: 1) Schlechtes Material,
besonders Zink. 2) Druck auf Nerven; meist schnell vorüber-
gehend. 3) Drücken der Homer gegen die Weichtheile; durch
Knöpfe an den Enden leicht zu vermeiden. 4) Herauspressen des
Hebels bei Stuhl- oder Harnentleerung; erfordert die Wahl einer
36^ VI. Notizen aus der Journal - Literatur.
grösseren Nunimer. 5) Druck auf Blase oder Rectum ; erfordert
sorgfältige Wahl Aer Form und Krümmung. 6) Drehung in eine
senkrechte Stellung; kommt meist vom unrichtigen Einbringen
und ist durch Wahl eines breiteren , stärker gekrümmten Pessa-
rium zu vermeiden. 7) Complicationen der Lageverändening mit
Tumoren etc. machen zuweilen Schwierigkeiten. Hier behalte man
Geduld. Oft ist eine Formverändenmg des Pessars gut; man
kann diese durch Bestreichen mit Fett und durch Nähern an
eine Weingeistflamme bewirken.
Angefügt sind Berichte über folgende Fälle:
1. Fall. Retroflexion des nicht geschwängerten Uterus; 2 Mal
Abort vorausgegangen. Anwendung des Hebel -Pessa-
riums. Günstiger Erfolg.
2. Fall. Retroflexion des nicht geschwängerten Uterus. Chro-
nischer Vaginal-Oatarrh. Anwendung des Hebel -Pessa-
riums. Günstiger Erfolg.
3. Fall. Rectocele vaginalis mit Descensus uteri, Anwjendung des
Hebel-Pessariums. Günstiger Erfolg.
4. Fall. Anteflexion des nicht schwangeren Uterus. Neuralgie
der vorderen Scheidenwand. — Ischuria spastica. —
Anwendung der Hebel-Pessarien nach früherer Anwen-
dung der Hartgummisonde. Relatives Wohlbefinden der
Kranken.
5. Fall. Anteflexion des nicht schwangeren Uterus. Ischuria
spastica. Hebel-Pessarium. Heilung.
6. Fall. Retroversion des nicht schwangeren Uterus. Hebel-Pes-
sarium. Günstiger Erfolg.
7. Fall. Unvollständiger wirklicher Vorfall des Uterus, Cystocele
und Rectocele vaginalis. Hebel- Pessarium. Bessertm^.
8. Fall. Anteflexion des Uterus. Heftige Neuralgie desselben.
Scheiden-Katarrh. Anwendung eines Hebel-Pessarium.
Günstiger Erfolg.
9. Fall. Anteflexion des Uterus. Stenose dos Cervical - Ganais.
Kreuzschmerzen während und ausser der Menstruations-
zeit. Hebel-Pessarium. Günstiger Erfolg.
Der Verfertiger der Hebel - Pessarien ist: Leiter in Wien,
Aiserstrasse IG.
(Wiener Med. Wochenschr. 18(>4. No. 27-31 )
Sh)ij>fio/i: Uober Ovariotomic und die erste
Function bei Hydrops ovarii.
(Mitgeth. in der Sitzung der Edinb. Obstcr. Soc. vom 29. Juli I66a)
S. berichtete über einen Fall, in welchem ein 24jährige8
unverheirathetes Frauenzimmer seit 1 Jahre an einem schnell
wachsenden Tumor litt und seitdem mager und anämisch gewor-
VI. Notizen aus der Journal • Literatur. 363
den war. Der Tumor war grösser als der im 10. Monate schwan-
gere Uterus. Am 18. Juni 1863 Pundion, Entleerung von 10 Pfd.
einer dunkeln, röthlichen Flftssigkeit, Incision, Erfassen des colla-
birten Tumor, der noch in einer Cyste 2 Pfd. Flüssigkeit enthielt,
Anlegen der Klammer am Stiel, Abschneiden der Geschwulst. Die
Bänder der Abdominal- Wunde mittels 3 dicker Nadeln, die durch
die ganze Dicke der Haut gestochen waren, in 3 umschlungenen
Nähten (von India-Rubber-Faden) vereinigt. Dazwischen wurden
6 Stahl-Nähte angebracht. Die Nadeln wurden am 4., die Suturen
am 10., die Klammer mit dem mortificirten Stiele am 13. Tage
entfernt. Am 19. Tage stand Patientin auf; am 29. wurde sie
entlassen.
Ein Austupfen der Bauchhöhle wegen etwaigen hineinge-
flossenen Blutes fand nicht Statt. Die Klammer hatte leider
an einer Stelle durch Druck einen oberflächlichen Abscess ver-
ursacht.
Während der letzten 9 Monate hatte S. zwei Fälle von Tod
nach der ersten Punction gesehen. Im ersten Falle hatte schon
vorher Entzündung der Cyste stattgefunden, wodurch Patientin
sehr gelitten hatte. Im jsweiten Falle entstand durch die Punction
bei einer gesunden Frau Entzündung der Cyste. Die Punction
hält S. nur für ein Palliativum, da die Fälle, wo eine Wieder-
fOHung unterbleibt, sehr selten sind. Enthält der Tumor viele
kleine Cysten oder sind diese mit gelatinöser Masse gefüllt, so
ist eine Punction unnütz. Die Procentzahl der tödtlich verlaufen-
den Punctions- Fälle ist von bedenklicher Höhe, wie statistische
Angaben von Soutfiam, Lee und Kiwisch darthun.
(Edinb. Medic. Journal. März 1864.)
Simpson: Ein glücklicher Fall von Ovario-
tomie.
(Mitgetheilt in der Medico-chirur. Soc. of Edinb. v. 3. Febr. 1864.)
Patientin war eine Frau, welche 1 Mal geboren hatte. Sie
war bereits 3 Mal punktirt ; seitdem hatte der Tumor wieder eine
beträchtliche Grösse erlangt. Das Aussehen der Kranken war
sehr schlecht; Puls 110—120. Der Tumor zeigte beim Einschnitte
bedeutende Adhäsionen mit dem Peritonäum. Die Cyste wog mit
dem Inhalte gegen 30 Pfd ; eine grosse Cyste enthielt gegen
20 Pfd. Eiter. Die Klammer wurde angelegt, aber der Stiel zog
sich plötzlich zurück. S. fasste ihn, zog ihn ein wenig hervor
und befestigte an ihm innerhalb der Bauchhöhle eine Art von
Acupressur, worauf er den vorstehenden Theil abschnitt. Die
Blutung stand. Der Acupressnr-Apparat bestand in einer langen
Nadel, welche an einer Seite in den Stiel gestochen denselben
2 Mal durchbohrte und um deren Enden ein derber Faden fest
364 VI. Notizen aus der Journal - Literatur.
umfichlungen war, der den Stiel zusammenschnürte. Die Nadel,
welche mit einer Schutzkappe- versehen worden war, wurde
46 Stunden nachher entfernt. Nach 4 Tagen war die Wunde
ziemlich geheilt 14 Tage später bildete sich in der Äbdominal-
Wand ein Abscess, der sich öffnete. Die Heilung ging gut yon
Statten.
Verf. hält, was die Behandlung des Stieles betrifft, die An-
wendung der Klammer für wenig günstig. Vielmehr glaubt er,
dass es besser sei, wenn man denselben in die Bauchhöhle zurflck-
briogt und zwar mit dem Ligatnrfaden, dessen Lossstossung man
abwartet So günstig z. B. die desfallsigen Resultate von Tyler
Smüh sind, so sieht Verf. doch die Acupressur vor. Denn erstens
fällt wegen ihrer baldigen Entfernung der Reiz eines fremden
Körpers weg, und zweitens entsteht ans eben dem Grunde keine
gangränöse Losstossung.
(Edinb. Medic. Journal. März 1864.)
Afawitonneuve : 0 v a r i o t o m i e.
pjin von M. im H6tel-Dieu operirter uniloculärer Ovarium-
Tumor mit secundären Cysten enthielt in der Hauptcyste lOLitres
Flüssigkeit Die übrige Masse wog 2 Kilogrammes. ' Die Opera-
tion dauerte ^ Stunde und ging ohne Unfall von Statten. Vier
Tage schien die Heilung gut vorzuscbreiten, als die Patientin am
5. Tage einer adhäsiven Peritonitis erlag.
(Gaz. des Höpit 1864. 9. Juli. No. 80.)
Rokitansky: Ueber Torsion und Strangulation
von Ovarial-Geschwülsten.
In der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien vom
27. Januar 1865 berichtet R. über 8 von ihm (unter 58 Ovarial-
Tumoren) beobachtete Fälle von Drehung. Er kommt nach Dar-
legung der einzelnen Fälle zu den Schlüssen: 1) die Drehung
und Strangulation von Ovarial- Tumoren ist ein durchaus nicht
seltenes Ereigniss. 2) Sie kommt sowohl rasch, als auch allmählig
zu Stande. 3) Im ersten Falle wird sie häufig todtlich, wird aber
auch ei-tragen und es kommen während des Lebens unzweifelhaft
spontane Repositionen vor. 4) Die unerwartete Fixirung eines
bis dahin beweglich gewesenen Ovaria! - Tumors mit Erscheinung
von Entzündung desselben und von Peritonitis lässt eine stattge-
habte Drehung und Strangulation des Tumors vermuthen. Es
wäre die Reposition zu versuchen. 5) Ausserdem, dass neben
Ovarial-Tumoren überhaupt Darmincarceration auftritt, ist eine
solche im Besonderen zuweilen durch die Drehung des Ovarial-
Tumors selbst unmittelbar gegeben. 6) In Folge der ertragenen
Drehung und Strangulatiou kommt es zuweilen zur Involution
' VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 365
und Verödung dee Qyarial- Tumors, worin manche der Fälle von
allmähligem Ein- und Verschwinden constatirter Ovarial-Tumoren
ihre Erklärung finden dürften.
(Oesterr. Zeitschr. f. pract Heilk. 1865. No. 7.)
Wilson Fox: Ueber den Ursprung, den Bau und
die Art der Entwickelung der cystischen
Goschwülste des Eiersliockes.
Nach einer ausführlichen Besprechung der Literatur, beson-
ders der deutseben, über diesen Gegenstand -erklärt sich W. Fox
dafür, dass die einfachen und die multiplen Cysten aus den
6^aa/^Bcben Follikeln entstehen. Er hat bei der Section einer
42j&hrigen Frau in beiden Eierstöcken Cysten gefunden: in dem
linken zwei grosse von Faustgrösse und eine Reibe kleinerer bis
herab zu 0,01'' im Durchmesser haltende. Sie waren alle von
theilweise flachem Epithel aus sechseckigen Zellen, deren Kerne
deutlich waren, ausgekleidet. Die grossen glichen vollkommen
den kleineren, nur dass das Epithel in jenen flacher war, wäh*
rend die Wandungen der kleineren ganz dem der 6rraa/^8chen
Follikel entsprachen. Der andere Eierstock zeigte nur Cysten
von der Grösse einer Erbse, aber dieselben hatten einen ähn-
lichen Bau.
Dann beschreibt Fox die Cysten, welche zwar im Stroma des
Ovariums liegen, aber in ihrem Innern wieder Gruppen von Cysten
bergen. Das Peritonäum Ober Ovarial-Tumoren kann vollständig
„natural^' oder durch Adhäsionen, zottige Auswüchse, sowie Per-
forationen von „warzigen Gebilden'' verändert sein. Ausserdem
zerfällt die äussere Wand, deren Dicke zwischen 1^2 ^^^ V* ^^^
mehr schwankt, in zwei Lagen, eine äussere feste aus breiten
Fasern , die dem Umfang der Geschwulst entlang» laufen , und in
eine innere, welche mehr den Character eines „areolären" Ge-
webes trägt und weicher und zerreisslicher, fleischiger und gefäss-
reicher ist, als jene. Die innere scheint, unter dem Mikroskop
geseheuy^ aus einem zierlichen Netzwerk von Fasern, in welchem
viel „verlängerte Kerne und Faserzellen" liegen, zu bestehen.
Das Stroma der Wand enthält zahlreiche GeH^sse, und diese be-
halten oft die Korkzieherform, welche sie im Stroma des Eier-
stockes besitzen. Die innere Oberfläche der Cyste trägt ein
Epithelium.
Bei diesen gemeinsamen Eigenschaften zeigen die Cysten
mannigfache Verschiedenheiten:
1) durch die Mannigfaltigkeit des Epithelialüberzuges, welcher
einfach oder mehrfach oder auch ganz abgestreift, verfettet und
gefärbt oder sonst verändert sein kann;
2) durch Veränderungen der innern Lagen der Wand, weiche
Fox strichweise verfettet und vrrkreidet gesehen hat;
366 Vi- Notizen aus- der Journal -Literatur.
3) durch warzige „papillary or cauliUower or dendritic" Aus-
w&chse ;
4) u. 5) durch zottige und drüsige Auswüchse.
Die warzigen Auswüchse kommen nicht sehr häufig vor: nur
2 Mal in 15 Ovarial- Tumoren. Fox vergleicht sie den von Biü-
roth an der Froschzunge beschriebenen. Sie können die Grösse
einer Orange erreichen, sind an der Spitze abgerundet, sehr
gefässhaltig ; sie breiten sich leicht durch weitere Verästelungen
aus. Wenn sie zahlreich auftreten und stark wachsen, können
sie buchtenartige Räume des Inhalts zwischen sich und die
ursprüngliche Wand einschliersen und, wenn sie durch entzünd-
liche Beizung mit einander verwachsen, ganz isoliren. Weitere
Veränderungen finden statt durch Wachsthum der ganzen Ge-
schwulst, häufig auch durch Verfettung, durch Ablösung u. s. w.
Der Inhalt damit behafteter Cysten glich immer in Consistenz
und Aussehen einer dicken Erbsensuppe ohne die Zähigkeit und
Scbleimartigkeit von Cysten, in denen diese Bildungen nicht vor-
kommen. Mikroskopisch zeigte sich der Inhalt angefüllt von freien
Fettkömern, Oelkügelchen und den Besten fettig entarteter Epi-
Üielialzellen. Granulirte Zellen und Massen waren ebenfalls häufig
dann^ während Cholestearincrystalle fehlten.
Zottige und drüsige Auswüchse „villous & glandulär growthB"
kommen meist zusammen vor. Sie bestehen meist nur aus einer
Gefäesschlinge mit wenig Bindegewebe und einer oder mehreren
Lagen von Epithelialzellen. Sind sie vereinzelt, so bleiben sie
meist unbedeutend. Gehäuft wachsen sie oft sehr und geben
durch ihre Ausbildung Veranlassung zu buchtigen und drüsigen
Höhlen, welche durch Verwachsung der sie bildenden Auswüchse
ganz von der gemeinschaftlichen Höhle abgeschnürt werden können.
So sollen nach Fox die secundären Höhlen entstehen und die Ver-
schiedenheit des Druckes von aussen und die Art der Verwachsung
sollen die verschiedenen, bald in Stockwerke getheilten, bald dicht
gehäuften oder im Gewebe weithin zerstreuten Anordnungen der-
selben bedingen. Neue Auswüchse in den secundären Cysten
können den Process wiederholen. Auch kann das Epithel sich
in verschiedenen Lagen anhäufen oder ganz abfallen, die Höhle
ausfüllen oder auch nach Verfettung als Schutt in der Flüssigkeit
sich finden und derselben eine feste Constistenz verleihen. Der
Inhalt von Cysten, die mit solchen Auswüchsen versehen sind,
ist sehr mannigfaltig. Fox fand in allen ähnliche Beactionen,
wie die von Scherer dem Metalbumin und Paralbumin zugeschrie-
benen. Der Ansicht Virchow's^ dass die Verflüssigung des In-
kaltes allmählig eintrete und deshalb die ältesten Zellen den
flüssigsten Inhalt hätten, tritt er nicht bei.
Aus diesen Beobachtungen schliesst Fat-, dass man alle
Ovarial - Cysten (mit Ausschluss der von ihm nicht untersuchten
dermoiden) als Modificationen von Crrao/^schen Follikeln ansehen
VI. Notizen aus der Journal - Literatur. 367
solle und auch die niultiplen durch Kinschoürung und Verviel-
fältigung ihrer Höhle entstehen lassen kann. Eier hat er übrigens
in denselben nicht gefunden.
Die Abhandlung ist von vielen Zeichnungen mikroskopischer
Schnitte begleitet.
(Med.-chir. Transactions. Vol. XLVII. London. 1864. S. 227.)
N%i8f<baum: Eine multiloculäre, im ganzen Um-
fange verwachsene Eierstocks-Geschwulst
glücklich exstirpirt.
Die Verwachsungen der Cyste waren in diesem Falle so be-
deutend, dass fast an der Vollendung der Operation, mindestens
aber an dem glücklichen Ausgange gezweifelt werden musste.
Verf. bediente sich zur Lösung der Adhäsionen eines eigenthttm-
lichen Verfahrens und sieht sich in Folge des glflcklichen Aus-
ganges der Operation veranlasst, zu häufigeren Ausfahrungen der
Ovariotomie aufzufordern. Die Operation wurde in der rechten
Seitenlage gemacht, um die Bauchhöhle möglichst frei von Blut
und Cysteninhalt zu erhalten. Der Schnitt in der Linea alba
begann 2 Cm. unterhalb des Nabels ' und war 10 Cm. lang. Als
unter der Entleerung der Cyste ein handgrosses Stück des Sackes
hervorgezogen war, wurde der Widerstand grösser und bei stär-
kerem Zuge kamen innig verwachsene Netzdarmstücke von allen
Seiten mit zur Bauchwunde heraus. Die Verwachsungen des
Netzes wurden mit dem Finger, die des Dick- und Dünndarmes
mit der Scheere vorsichtig getrennt und dabei mehrere grössere
Gefässe unterbunden, kleinere torquirt. Nun konnte die Cyste
wieder etwas weiter hervorgezogen werden. Am wenigsten beweg-
lich war sie jetzt in der Blasengegend und so fest mit der Blase
verbunden, dass auch nicht die Spur einer Grenze zwischen beiden
sichtbar war. Nur unter Leitung des in die Urinblasc hochge-
schobenen Catheters konnte sehr langsam mit dem Messer die
Abtrennung einer beiläufig vier Thaler grossen Verwachsung aus-
geführt werden. Die folgende Blutung wurde durch Torsion von
4 Gefässon gestillt Während der Zeit war die Cyste fast ganz
leer geworden, da die tiefer liegenden Cystenräume mit den höher
gelegenen commuuicirten. Nun wurde die leere Cyste mit vier
Händen in eine grosse Falte gefasst und langsam, aber mit grosser
Kraft nach den verschiedensten Richtungen hin gezogen, jedoch
ohne jeden Erfolg. Sic war in ihrem ganzen Umfange mit einer
ungeheuren (juadratflächc verwachsen, nicht strangartig, sondern
in der Fläche und Hess weder die Hand noch einen Finger gut
vordringen. Ehe N. jedoch die Operation als unvollendbar auf-
gab, glaubte er noch folgenden Eingriff versuchen zu müssen.
Er zog die Troicartcanule aus und spaltete die Troicartwunde mit
der Scheere nach oben und unten 10 Cm. lang, legte die Kranke
368 VI. Notizen aus der Journal- Literatur.
für ein paar Minuten auf den Bauch, worauf nuch eine grosse
Menge des gelatinösen Inhaltes abfloss, der Bauch ganz einsank
und die Därme weiter vorfielen. Nun ging er mit der ganzen
rechten Hand in die Cyste ein, um deren Tiefe zu untersuchen
und von innen her sie in Falten zu erheben und loszureissen.
Sie reichte Yom Zwerchfell bis zum Mastdarm, der Blase uud den
Becken schaufeln, war sogar mit den grossen Gefässen verbunden,
welche beim Anziehen des Sackes mit in die Höhe gezogen wur-
den. Nun' wurde am Promontorium eine Cystenfalte gemacht und
daran kräftig gezogen, sie gab nach, wurde nun mit zwei Händen
gefasst und langsam loste sich die invertirte Cyste hieibei aus
ihren Verwachsungen los, so dass sie endlich vollständig mit
Uterus und Tube aus der Bauchwunde hervorhing. Das Ab-
trennen der Cyste und der Verband geschah ungefähr in der von
Spencer Wells empfohlenen Weise. Das multilocul&re Cystoid
wog im Ganzen 23 J Pfd., der Sack allein IJ Pfd. — Die Nach-
behandlung war einfach, die Genesung erfolgte mit Ausnahme
einiger beunruhigender Erscheiuungen beim Abstossen des Stum-
pfes und der Ligaturfäden im Ganzen gleichmässig und vollständig.
(Aerztl. Intelligeuzblatt baierscher Aerzte. 1864. No. 50.)
Schmidt: Eine Ovariotomie mit dem Ausgang
in vollständige Heilung.
Die Operation fand auf der chirur. Klinik in Tübingen statt.
Die Kranke war 42J Jahre alt und die Eierstocksgeschwulst hatte
sich verhältnissmässig schnell in l\ Jahren zu einer bedeutenden
Ausdehnung ausgebildet^ so dass die Frau einer Hochschwangeren
glich und der stärkste Umfang des Bauches in der Nabelgegend
100 Ctm. betrug. Nach vorausgeschickter Probepunction wurde
die Diagnose auf Hydrops ovarii gestellt und mit Wahrscheinlich-
keit nur eine grössere Cyste mit nur geringen Adhäsionen an*
geliommen.
Am 28. Juni wurde von Brunn die Ovariotomie gemacht. Der
Bauchschnitt in der Linea alba, 12 Ctm. lang ; leichte Adhäsionen
wurden gelöst, mit dem Troicart von Spencer Wells die Cyste ent-
leert und so viel wie möglich hervorgezogen, dabei weitere Adbä*
sionen mit dem Netze und den Dilnneu gelöst, die grosseren
Gefässe unterbunden. Aus einer der Dünndarmschlingen sah
man einen schwarzen^ schmalen fremden Körper hervorragen; er
erwies sich als eine Nähnadel mit abgebrochenem Oehre, durch
Oxydation ganz schwarz geworden; die Nadel hatte den Dann
doppelt durchbohrt und überdiess die Cystenwand angespiesst, so
dass die Darmschlinge dadurch au die Cyste festgeheftet war.
Die Frau wusste über diese Nadel keinen Aufschluss zu geben.
Der Stiel der Cyste hatte die Dicke von zwei Daumen und wurde
mit zwei Drähten unterbunden, der Verband in bekannter Weise
VI. Notizen ans der Jonrnal- Literatur. 3g9
angelegt, bei der Nachbeh&iidlitng besonders Kftite, Opium uä'A
Malaga verwendet Die Genesung ging ziemlich gleichmästig vor
sich, am 22. Tage nach der Operation verliess die Frau das Bett.
Nur eine Harnfistel nach aussen blieb zurfick, welche jedoch
immer enger wurde und zuletzt nur so wenig Harn abfliessen If'ess,
da$8 eine schliessliche Heilung aueh dieser zu erwarten ist.
(Deutsche Klinik. 1864. No. 46, 48, 49.)
T. Spencer Wells: Ein Fall von Tumor fibro-
cysticos uteri.
Am 20. Juni 1864 kam in des Verf. Behandlung eine 46rfährige
unverheirathete Dame, welche sehr abgemagert war. Die Unter-
suchung des Unterleibs hatte vor 10 Jahren die Existenz von
zwei Tumoren, von denen der eine central und etwas Aber dem
Nabel, der andere rechts unterhalb der spina ant. sup. usb. ilei
zu fohlen war, ergeben. Diese beiden hatten damals die Grosse
von Gänseeiern und hatten nur sehr langsam zugenommen Wäh-
rend der letzten zwei Monate waren sie rapid gewachsen. Das
Abdomen war enorm ausgedehnt, halte .56" Circumferenz in der
Umbilicallinie ; die Verbindungslinie des Proc. xiphoideus mit dem
Nabel betrug 19, die ^ von der Schaamfuge bis zum Nabel 16".
üeber dem Nabel war die Haut ähnlich wie bei einem Nabel-
bruche ausgedehnt, üeber dem Nabel war frei in der Peritonäal-
Höhle flnctuirende Flüssigkeit nachzuweisen, während man in der
Tiefe einen halbsoliden Tumor fohlen konnte. Unterhalb des
Nabels war eine weniger deutliche Fluctuation und ein anschei-
nend adhärirender Tumor wahrzunehmen, von dem man auch,
per vaginam eingehend, hinter der Portio vaginalis etwas fohlen
konnte. Veif. stellte die Diagnose auf eine oberhalb des Nabels
frei in der Bauchhöhle befindliche Flüssigkeit und auf eine unter-
halb des Nabels befindliche, adhärente, grosse, multiloculäre Cyste.
Es wurde nun unter Chloroform -Narcose oberhalb des Nabels
punctirt uncj zwar mit einem 14" langen Troicar. Ungefähr
30 Pinten einer hellen, visciden Flüssigkeit gingen ab. Gleich-
zeitig bemerkte man, dass keine Adhäsionen vorhanden waren,
dass aber der Tumor an einigen Stellen fluctuirte. Nach Schliessung
der Stichwunde wurde unterhalb des Nabels ein 6" langer Ein-
schbitt gemacht, worauf man zwei, durch eine tiefe Spate ge-
trennte, dem linken Ovarium angehörende Cysten bemerkte. Die
linksseitige wurde punctirt, worauf gegen 10 Pinten blutigen
Serums ausfli>ssen; auch aus dem erstpunctirten Theile wurden
noch 3 Pinten entleert, worauf die linke Cyste removirt wurde,
w<'>B nur nach Trennung mehrerer Adhäsionen m«'glich war. Der
rechtsseitige Tumor wurde wegen seiner Soliditltt und seiner
Adhäsionen mit dem Colon transversum nicht entfernt. Die
Monatsschr. f. Geburtsk. 1865. Bd. XXV. SuppL-Hft 24
370 ^' Notizen aus der Journal -Literatur.
Wunde wmrde regelrecht geschlowen. Die Frau starb nach drei
Stuideii an Erscliöpfang.
Die UntersuchuBg des Tumor wurde nach 34 Stunden durch
BUdiü Torgenommen. Der Tumor war unregelmäseig oval, 20 Pfd.
schwer, 18" lang, VJf* breit, 7—8" dick Er bestand aus unregel-
m&Bsig angeordnetem Bindegewebe, das von zahlreichen, versdiie-
den grossen, serosanguinolenten Inhalt fahrenden Cysten durch-
setzt war. Auch zogen sich durch dasselbe viele, beträchtliche
Blutgefässe. An einigen Stellen waren tuberkelartige Knötchen
zu bemerken. — Aehnlicher Structur war der nicht removirte
Tumor, welcher vom Fundus uteri ausging, während das rechte
Ovarium gesund war. Dieser Tumor war vielfach adhärirt, hatte
eine Länge von 18" und eipe Breite von 16". — Es zeigt dieser
Fall aufs Neue die Schwierigkeit der Diagnose mancher Ovarium-
Geichwflkte.
(Dublin Quarterly Journal. August 1864.)
N. H. Cohen: Beriebt über die 0 variotomie, mit
besonderer Berücksichtigung der letzten
Jahre.
Nach einer kurzen geschichtlichen Darstellung der Operation
der Ovariotomie berichtet Verf. besonders die von Clay veröffent-
lichte Zusammenstellung und fügt noch einige von diesem ausge-
lassene und eine grosse Zahl erst später veröffentlichter Fälle
hinzu. So aus England noch 109, aus Frankreich 27, aus Amerika 5,
ans Deutschland 3, aus Russland und Spanien je 1 Operation. Die
Totalsumme dieser neuesten Fälle beträgt mithin 146, und ihr
Reintltat verhält sich wie folgt:
genesen
todt
England . .
. . 67
41
Frankreich .
. 13
14
Amerika . .
. 4
1
Deutschlaod . .
2
1
Bussland . .
1
—
Spanien . . .
. —
1
87
58
Verf. geht nun auf die Todesursachen, unter denen die Peri-
tonitis die Hauptrolle spielt, auf die Wichtigkeit der Adhäsionen,
auf die Bestimmung des Zeitpunktes der Krankheit, in welcher
die Operation am besten zu machen ist, und auf die Ausführung
der Operation selbst näher ein. Er berichtet hauptsächlich die
von Spencer Wells^ Clay und Biücer Brown empfohlenen Yer&h-
rungsweisen, erwähnt aber auch die Vorschläge ven TyUr Smith^
Stiüing, Breslau, Botnety Demarquai, KöberU u. A. m.
{Schmddt'tf Jahrbücher. Bd. 124. No. 12. 1864 )
VI. Notüsen aus der Joarual- Literatur. 871
Tä. Keith: Fälle vou 0 variotomie.
yprf. hat in neuerer Zeit 6 Oväriotomien gemacht, nnr ein
Mal war die Cyste einfach, ftlnf Kranke genasen, eine starb
schnell nach der Operation an Peritonitis. Die Kranken waren
zwischen 21 und 68 Jahre alt, die letztgenannte wohl die älteste
Person, an der bis jetzt die Operation ausgeführt wurde« Sie
genas. Bei der 21jährigen Kranken war der untere Theil der
Geschwulst fest und deshalb die Diagnose flber die Beschaffenheit
des Uterus sehr schwer. Bei der Operation zeigte sich, dass
dieser feste Theil die Beckenhöhle follte, die Kranke war sehr
schwach, erholte sich aber. Im Ganzen hat K. 14 Mal die Ovario-
tomie gemacht, 10 Mal mit Erfolg.
(Edinburgh Medical Journal. Juli 1864. S. 65.)
Grube: Sarcoma fibrosum cysticum des linken
Eileiters, Ovariotomie. Vollständige Gene-
sung.
Nachdem in Eussland erst Eine Ovariotomie vor zwei Jahren
ausgeführt worden wai', unternahm Verf. die zweite und berichtet,
dass kurz nach ihr noch eine dritte, die jedoch am fünften Tage
lethal endete, gemacht wurde. Aus der sehr gründlichen Be-
schreibung des Krankheitsverlaufes, der Operationsgeschichte und
der Nachbehandlung sind folgende Daten von grosserem Interesse.
Eine 37jährige Frau aus den höheren Ständen litt nach voraus-
gegangener Oophoritis (im 26. Jahre) im 34. Jahre an heftiger
Peritonitis, und es wurde dabei eine Geschwulst in den unteren
Theilen des Unterleibes gefunden. Dieselbe vergrösserte sich
seitdem allmälig und war von festem Gefüge; um sie herum
sammelte sich allmälig bedeutende ascitische Flüssigkeit an. Es
wurde 3 Jahre später eine, vom linken Eierstocke ausgehende,
feste Geschwulst, die am Gebärmuttergrunde und am Netze ad-
härire, diagnosticirt und zur Operation geschritten. Nachdem
eine 4 Zoll lange Incision durch* Bauchdecken und Peritonäum
unterhalb des Nabels bis. 2" vor die Symphyse herab gemacht
worden war, wurden aus der punctirten höckrigen Geschwulst zwei
Umsen viscider Flüssigkeit, aus der Bauchhöhle dagegen 25 Pfd.
Fltlssigkeit entleert. Um die erste Geschwulst im Ganzen zu
cxtrabiren, musste der Schnitt noch fünf Zoll nach aufwärts ver-
grössert werden. Das Netz wurde zweimal wegen dicker Adhä-
sionen unterbunden. Der lange^ dünne Stiel wurde mit den üblichen
8 Ligaluren versehen, die Wunde mit 2 starken goldenen Lanzen-
nadeln und 11 Knopf nähten (Silber und Eisendraht) geschlossen \
die Netzligaturen zum oberen, die des Stieles zum unteren Wund-
winkel heraus geleitet; ob letzterer selbst in die Wunde eingeheilt
wurde, vA nickt berichtet. Nach der Operation trat oftnutligeB
24*
372 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
Erbrechen und schon am .5. Tage Decubitus ein; am 6. Tage wur-
den 84^nopfnäbte und eiue der oberen Ligaturen entfernt, nach-
dem am 2. und 3- Tage das ganze Wundgebiet mit Collodium
ricinoBum überstrichen war. Als Medicamente wurden nur Opiate
mit und ohne Aq. laurocerasi angewandt; am 9. Tage wurde die
letzte untere, am 15. Tage die letzte obere Ligatur entfernt; die
Wunde war bis auf die Winkel vereinigt. Sehr frühzeitig wurde
stftrkende und n&hrende Diät gestattet Am 18. Tage verliess die
Kranke das Bett, 11 Tage sp&ter die Klinik. Nach 5 Monaten
hatte die Anfangs bleiche, cachectische Person eine blähende,
gesunde Gesichtsfarbe wiedererlangt.
(St. Petersb. Mediz. Zeitschr. 1864. 12. Heft)
StiUing: lieber die Bxstirpatiou krankhaft ver-
grösserter Ovarien. Ovariencysten.
Nachdem Verf. in Betreff der Geschichte der Ovariotoraie auf
das Werk von Th. S Lee (Geschwülste der Gebärmutter und der
übrigen weiblichen Geschlechtstheile) verwiesen bat, kommt er
auf seine vor 30 Jahren in HoUcher's Hannoverschen Annalen
veröffentlichte Operationsweise zu sprechen und hebt aus dem
damaligen Aufsatze die betreffende Stelle hervor. ^Nach ge-
machter Laparotomie zieht man die Geschwulst, wenn keine Adhä-
sionen da sind, aus der Bauchhöhle und trennt sie, unter Zurflck-
lassung eines tellerförmigen, etwa faustgrossen Stückes, ab. Die
Schnittfläche dieses Restes, der in den untern Wundwinkel gelegt
wird, bleibt entweder ausserhalb der mit nahe aneinandergelegten
Fadenbändchen geschlossenen Bauohwunde (bei langem Stiele),
oder man vereinigt die Ränder des Geschwulstrestes auf beiden
Seiten mit den Rändern der Bauchwunde (bei kurzem Stiele).
Man hat dadurch die Blutung und Eiterung zu extraperitonaalen
Processen gemacht." Nach einigen Jahien wurde in England und
Frankreich, später auch in Deutschland auf diese Art verfahren
und durch diese Operations weise die frühere Mortalität von 50 Proc.
auf ein Minimum reducirt; denn sie ist in der Regel von gün-
stigem Erfolge begleitet.
Verf. referirt sodann über 3 Fälle, die er nach dieser Weise
operirte. Das Alter der 3 Operirten schwankt zwischen 28 und
32 Jahren; in allen 3 Fällen fand sich ein grosses Cysto-Ovarium
und nach der Exstirputii^n vullständige Heilung,. .obwohl in dem
einen Falle starke Verwachsungen mit dem Netze zugegen waren.
Verf. knüpft hieran einen Fall, bei welchem Fehler in der
Diagnose und Behandlung vorkamen. Es wurde ein colossales
Myoma des Uterus für eine Ovariencyste gehalten, ezstirpiit
sammt Uterus und Ovarium und die Kranke starb am 3. Tage
durch Nachblutung, weil es Verf. unterlassen hatte, seine für das
VI. Notizen ans der Journal - Literatur. 373
Ovarinm gebränchliche Methode auch hier tinznwenden; er hatte
nftmlich den Stiel der Geschwulst nicht in die Wunde einzuheilen
rersucht, weil die Geschwulst dem blossen Anschein nach eia
Markschwamm zu sein schien, von dem er seiner Bösartigkeit
wegen natürlich Nichts abrig lassen wollte.
Hieran schliesst Verf. einige Bemerkungen an:
1) Der Einschnitt in die Bauchdeckeu soll am passendsten in
der Linea alba von der Mitte zwischen Nabel und Symphysis
pubis nach letzterer abwärts gehen, 4 bis 6 Zoll lang sein. Vor
der Operation unterlasse man nie die Entleerung von Blase und
Mastdarm.
2) Entleerung der Flüssigkeit aus dem Cysto-Ovarium mittels
starken 'Troicars und langer Canule, nicht zu rasch. Hervorziehen
der Geschwulst mittels scharfer Haken aus der Bauchhöhle.
3) Verhütung des Vorfalls der Unterleibs - Eingeweide durch
einen Assistenten, der beide Hände zu beiden Seiten des Ein-
schnittes flach auflegt. Man darf während der ganzen Operation
ausser dem Cysto - Ovarium Nichts sehen. Langsame Extraction
des Tumors nach Entleerung der Cysten.
4) Nach Anlegung einer provisorischen Ligatur um die Basis
der Geschwulst, Abtrennung derselben mittels Messerschnittes.
5) Vereinigung der Bauchwnnde durch sehr nahe aneinander
gelegte Knopfnähte mittels der Graefe^schen Fadenbändchen ; vom
obern Wundwinkel beginnend auf jeden Zoll 3 Nähte, die das
Bauchfell mitfassen.
6) Befestigung des Ovariumstit'les und hermetischer Ver-
schluss der Bauchwunde Man fixirt den Stiel durch eine 5 bis
6" lange Lanzennadel, die man durch beide Theile der Banch-
wandung und durch die ganze Dicke des Stieles hindurchstösst,
und um welche man sodnnn Schlangen- oder doppelte 8 -Touren
anlegt. Man stiisst sodann eine starke, mit zwei Ligaturen ver-
sehene Nadel durch die Stielbasis in gleicher Höhe mit der Bauch-
wandung und zieht die eine Ligatur nach rechts, die andere nach
links zu, mittels Graefe'scheT Ligaturstäbchen.
7) Verband nach Beendigung der Operation. Die vereinigten
Wundränder werden mit dachziegelförmig sich deckenden Heft-
pflasferstreifen bedeckt; unter die Enden der Lanzennadel und
die Graefe'schen Ligaturstäbchen leinene Compressen gelegt und
letztere mit Heftpflasterstreifen befestigt Endlich werden lange
und breite Heftpflasterstreifen vom Rücken her um den ganzen
Leib herum angelegt, der Stumpf wird mit Charpie und Heft-
pflaster bedeckt und ein breites Handtuch um den Leib gelegt.
8) Nachbehandlung: Transport der Kranken ins Bett, wobei
Letztere sich ganz passiv verhalten muss. Gute Lüftung, ein
Stärkungsmittel nach der Operation, sonst 2—3 Tage lang Nichts
als Zuckerwasser. Stuhlgang ist bis zum 12 — 14. Tage zu unter-
374 ^I- Notizen ans der Journal -Literatur.
brücken ) wenn Alles gut geht Abnehmen des UriiiB, wenn er
nicht von selbst geht, nach 8—10 Standen und von da ab 2—3 Mal
täglich. In den ersten 3>>-4 Tagen sieht man täglich 2 Msl nach
dem Stumpfe; sobald an ihm Mortification zu bemerken ist, wird
alles üeber flüssige Ton ihm hinweggenommen, er selbst mit Eoh-
lenpulver bestreut. Die Knopfn^hte sollten vor dem 8. Tage nie
weggenommen werden, die grosse Lanzennadel nicht vor dem
Ende der 2. Woche. Vom 4 — 5. Tage ab Bouillon, Milch, vom
8—9. Tage ab Thee, Kaffee; feste Nahrung nicht vor dem Ende
der 2. Woche. Bettlage bis Ende der 4. Woche. Vom 2 -3. Tage
ab täglichen Wechsel des Bettes, aber stets passives Verhalten
der Kranken dabei. Vor dem 3. Tage kein Wechsel der Leib-
wäsche.
9) Verfahren bei Verwachsungen des Cysto - Ovarium. Kein
Eingehen mit Fingern oder Sonden nach Eröffnung der Bauch-
höhle! Die Adhäsionen kommen beim Abzapfen des Inhalts und
dem Anziehen des Stieles von selbst zum Vorschein. Man schnei-
det sie am besten so nahe als möglich am Tumor mittels flacher
Messerztige durch. Beim Abreissen, Durchbrennen oder Ecra-
siren der Adhäsionen folgt leicht Eiterung. Arterien von J— 1'"
Durchmesser werden mittels Gefössdurchschlingung geschlossen.
Ueber diese im Jahre 1832 vom Verf. erfundene Methode des
Verschlusses verwundeter Arterien siehe dessen Schrift fiber Oe-
fftssdurchscblingung. Marburg bei Elwert. 1833. 8.)
10) Vier Gehilfen sind zur Operation nüthig. Der erste com-
primirt die Wundränder, zuweilen vom zweiten unterstützt. Der
dritte reicht die Instrumente zu und besorgt die erste Blutstillung
beim Schnitte durch die Bauchwandung; der vierte sorgt für Unter-
haltung der Cbloroform-Narcose.
11) Einige Bemerkungen über die Anwendung der C/ay'schen
resp. Hutchinson'üchen Klammer. Der Nachtheil dieses scheeren-
oder zangenfbrmigen Instruments, mit dem Clay den Stiel des
Cysto-Ovarium durchquetscht, ist der, dass es wegen seiner Grösse
eiuen grossen Theü der Bauchwunde dem Blicke des Operateurs
entzieht Denselben Nutzen ohne diesen Nachtheil besitzen die
Graefe's^chen Ligaturstäbchen, die man allmälig durch die Schraube
fester anziehen kann, wenn Nachblutung eingetreten ist
Verf. schliefst mit der Bemerkung, dass er abeimals zwei
Ovariotomieen nach seiner Operationsweise, die er die „Extra-
Peritonaeal- Methode'' zu nennen vorschlägt, mit gutem Erfolge
ausgeführt habe.
(Zeitschr. f. pract. Heilkunde u Medicinalwesen
von Dr. Bernhard Schuchard, 1865. Erstes Heft.)
VI. Notizen aus der Journal -Literatur. 375
SHlling: Portgesetzter Beriebt über neue Fälle
von Exstirpation krankht^ft Vergrösserter
Eierstöcke (Ovariotomie) nach des Autors
Methode der extraperitonäalen Unterbin-
dung und Einheilung des Ovarialstieles.
Nachdem Verf. in Schuchard^s Zeitschrift für practische Heil-
kunde (1865. 1. Heft) die ersten drei Fälle von Ovariotomie ver-
öffentlicht hat, f^hrt er hier fort, Über dieselben und über neue
zu berichten. Nach einigen geschichtlichen Bemerkungen revin-
dicirt er sich selbst die Erfindung der extraperitonäalen Methode
im Jahre 1837, weil man in Deutschland dieselbe als die „eng-
lische" zu bezeichnen beliebe. Als Cardinalpunkt seiner Methode
bezeichnet, er die Einklemmung und Einheilung des Ovariaktieles
im untern Wundwinkel und geht dann zur Beschreibung der
übrigen drei Fälle vor. Das Alter der Operirten war apweimfll 98,
einmal. 44 Jahre.
Die Operationsmethode war in allen sechs Fällen dieselbe.
Letztere d.Fälle verUefen sämmtlich günstig; es fanden sieh Sehr
grosse Cysto-Ovarien^ wovon zwei nach vierjähriger Dauer. Der
eine Fall war 24 Tage, der andere 4, der letzte B Wochen nach
der Operation geheilt. Dass die Reconvalescenz in letztem zwei
Fällen eine so lange war, erklärt sich daraus, dass nach der einen
Operation sich ein grosser Abscess in der Stielbasis gebildet hatte»
▼on hier war der Eiter nach der Blase durchgebrochen, ohne ddsa
jedoch Urin in die Bauchhöhle getreten war (Klappenmechani»* ,
mus); im andern Falle folgte nach der Operation eine ziemliche
Blutung und, als die Heilung schon ganz gut vor sich zu gehen
schien, noch eine Thrombose mit Oedem des linken Beines, durch
zu vieles Umhergehen veranlasst. — In jedem Falle war natürlich
vorher öfters die Function, jedoch ohne dauernden Erfolg, ver-
sucht worden; einmal entleerten sich 40 Pfd. Flüssigkeit; einmal
wurde auch ohne Nutzen eine Jodinjeetion mit 4 Unzen der reinen
Tinctur verursacht.
Schliesslich fQgt Verf. als 7. Fall eine unglückliche Operation
hinzu, die er schon bei den ersten drei Fällen an angegebener
Stelle erzählte ; er diagnosticirte nämlich eine Degeneration ein 6s
Ovariums und bei der Operation fand sich ein Myoma uteri als
colossale Geschwulst, die er exstirpirte, jedoch ohne den Stiel,
wie sonst, einzuklemmen, weil er ein Medullarcarcinom vor sich
zu haben glaubte. In diesem Falle erfolgte der Tod durch Nach-
blutung in die Bauchhöhle am dritten Tage.
Als Ursache der öfters nach der Operation eintretenden Urin-
verhaltung giebt Verf. folgenden Grund an; da er sie nie bei
langen und dünnen Stielen fand, so erklärt er sie als nothwen-
dige Folge des entzändlichen Oedems des Ovarialstieles und seiner
Umgebung, das bei kurzen und dicken Stielen natürlich bedeutend
3T6 ^^". ^otiz(*n aii8 der .Tournal- Literatur
st&rker ist. Erstreckt sich, was hierbei leichter ist als wenn der
Stiel ein langer ist, die ödematose Anschwellung bis auf die
Blasenwandungen, so ist die natürliche Contraction der Blase und
also ihre Functionirung unmöglich, ßie Retention des Harns
giebt keine schl^'chte Prognose, das Aufhören derselben stete
eine gute.
(Deutsche Klinik. 1865. No. 1, 2, 5—8, 10.)
Thomas Keif h : 14 Fälle von Ovariotomie.
Nachdem Verf. im Juli 1863 einen Bericht über die ersteu
etfolgreichen Operationsilklle in Schottland, die seit Lizars ein-
seSoen uod nur theilweisen Erfolgen im Jahre 1825 daselbst aus-
geführt wurden, gelesen, bat er seitdem selbst glücklich uod
unglflcklich dieselbe Operi.tian ausgeführt und referirt hier Ober
vierzehn derselben. Er entfernte nie kleine Geschwülste, da die
AuSdehtauDg des Leibes durch dieselbe meist gegen 42 'Zoll
(gr(96ster Umfang, meist in der Nabelhiihe gemessen) betrug,
speciell zwischen 38 u. 50 Zoll schwankte-, er weigerte sich (und
zwar im Ganzen 9iMal} die Operation zu unternehmen stets dann,
wenn das Allgemeinbefinden gut und die Krankheit nur die Quelle
von Unbequemlichkeiten, nicht aber von Lebensgefahr war, und
auf der andern Seite (3 Mal), wo die Krankheit dem Ende schon
zuführte; bei solch gewissenhafter Auswahl der Fälle hat sich
O^türlich auch die Prognose der Operation wesentlich gebessert.
' Die Operationsmethode war in allen Fällen die nämliche und
zwar die von StüUng zuerst ausgeführte. Die Länge der Inciaion
betrag zwischen 2^ und 4 Zoll. Die extrahirten Creschwülste, die
meist multiloculär oder httlbfester Natur waren, wogen zwischen
36 und 80 Pfd. (mit Inhalt, der natürlich vor der Extraction der
Cysten Wandungen durch Punction entfernt worden war).
Von den Operirten, deren Alter sich zwischen 16 und 68 Jah-
ren verhielt, wurden 10 Fälle geheilt, 4 gingen zu Grunde, und
zwar zwei 38 bis 46 Stunden nach der Operation in Folge von
starken Blutverlusten, während zwei am 6. und 9. Tage starben
(Peritonitis). In den übrigen 10 Fällen fand die Heilung zwischen
dem Ende der 2 und 6. Woche statt, in den letzteren (2) Fällen
waren stets Complicationen hinzugetreten, die die Heilungsdauer
sehr verlängert hatten, denn in dem einen Falle waren eine
heftige Peritonitis und Pleuritis die Ursachen gewesen, dass das
ganze Wundgebiet von Neuem aufbrach und er^t durch Granu-
lation ausheilen nuisste, und in dem andern Falle hatte sich noch
ziemlich spät eine Thrombose der Croralis eingestellt, die sich
sehr allmälig erst wieder löste.
Schliesslich fügt Verf. noch eine Tabelle bei , die eine ge-
drängte Statistik aller vun ihm ausgeführten Ovariotomieen ent-
VI. Notixen auf der Journal -liiteratur. 377
h&U. Von den 20 Fällen starben 6» und U (70 Proc.) wurden
TOÜkommen geheilt In den ersteren 6 Fällen erfolgte, der Tod
zwischen der 23. Stunde und dem 9. Tage nach der Operation.
Sämmtliche Ovariotomieen wurden in der Zeit vom September 18^
bis Juli 1864 ausgeführt.
(Edinburgh Medical Journal. No. CX. u. CXI
August u. Septbr. 1864.)
E. Eichwaid: Die Colloidentartung der Bier-
stöcke.
Den Kern dieser Arbeit bilden eine bedeutende Anzahl von
Fällen der Colloidentartung, welche Verf. zu St. Petersburg im
gynäkol. Klinikum des Prof. Krassawski beobachtete.
An die Spitze seiner Arbeit stellt er einen besonderen Ab-
schnitt über die in Colloidflüasigkeiten vorlcbmmenden Protein-
substanzen, die er in zwei distincte Reihen gruppirt, als deren
Repräsentanten er wieder das Mncin und das Albumin ansieht
a) Die Mucinreihe ordnet er, von den weniger lösUclien
beginnend, so:
1) Stoff der CoUoidkugeln ;
2) Mucin;
3) CoUoidstoff;
4) Schleimpepton.
Diese 4 Substanzen unterscheiden sich nach ihm fast nur
durch die verschiedene Leichtigkeit, mit der sie aus dem fest-
weichen in den flüssigen Zustand übergehen. Während n&mlich
der St iff der CoUoidkugeln zu seiner Lösung verdünnte Alcaliea
verlangt, löst sich das Mucin ausserdem auch in alkalischen Erden
und quillt in Wasser ausserordentlich auf. Der CoUoidstoff ist
schon ziemlich leicht in kaltem, noch mehr in heissem Wasser
loslich. Das Schleimpepton löst sich sehr leicht und vollständig
in Wasser von jeder Temperatur. — Ferner findet Verf.: Je mehr
Alealien zur Löslichkeit eines Körpers nothwendig waren, desto
leichter wird er aus seiner Lösung durch Säuren auch wieder
ausgeschieden; nämlich der Stoff der CoUoidkugeln und das Muo^n
vollständig, der CoUoidstoff unvollstimdig, das Schleimpepton gar
nicht Die durch Essigsäure erhaltenen Fällungen sind in einem
üeberschusse derselben unlöslich ; dagegen lösen sich alle Glieder
der Reihe in Mineralsäure : der Stoff der CoUoidkugeln am schwer-
sten, das Schleimpepton am leichtesten.
Durch FerrocyancaHum sind die sauren Lösungen und durch
Tannin und neutrale Metallsalze die Stoffe überhaupt unfMlbar.
YoUstilndig gefällt werden dieselben durch basisches Bleisalz.
Mit allen Proteinsubstanzen gemein haben die Stoffe: die FäU-
barkeit durch Alcohol, MUlon'a Probe, Xanthoproteinprobe. Zwei
Stoffe der Reihe sind nachweislich schwefelfrei.
378 VI. Notizen aus der Jouinal- Literatur.
b) Die Albumin reihe gruppirt er so:
1) Albumin und Fibrin;
2) Paralbumin;
3) Metallbumin;
4) Albuminpepton (und Fibrinpepton).
Diese Stoffe sind von denen der Mucinreihe durch folgende
Eigenschaften unterschieden. Sie sind föllbar durch Tannin und
neutrale Metallsalze; die ersten 3 Glieder sind unbedingt &chwefel-
baltig (bei 4. ist der Schwefelgehalt wenigstens zweifelhaft). Be-
züglich der Löslichkeit orgiebt sich foIgeDdesVerhältniss: Albumin
ist gleich dem Mucin in Wasser unlöslich, dagegen geht es mit
Alcaiien in Lösung über, woraus es wieder durch Säuren ■ f&llbar
ist. Das Eiweisspepton aber ist gleich dem Schleimpepton in
Wasser, Alealien und Säuren gleich leicht und vollkommen loa-
lieh. Diis Paralbumin und Metallbumin entsprechen dem Colloid-
stoffe. Das Paralbumin ist löslicher als das Albumin, und die
Verbindungen des ersteren mit Mineralsäuren sind leichter lös-
lich als die entsprechenden Verbindungen des letzteren. Ferner
BÜid die Fällungen des Mucins in einem Ueberschusse conces-
trirter Mineralsäure löslich; die Fällungen des Paralburains
dagegen in einem Uebermassc verdünnter. Noch geringer ist die
Fällbarkeit des Metallbumins; es unterscheidet sich dasselbe vom
CoUoidstoffe genau dadurch, wodurch sich das Mucin vom Albumin
unterscheidet
Pepsin konnte in den Colloidilüssigkeiten nicht gefunden
werden. Die Proteinsubstiinzen der in CoUoidmassen vorkom-
menden Gewebselemente konnten in die angegebene Grup-
pirung nicht aufgenommen werden, weil darüber fast noch nichts
bekannt ist.
im II. Abschnitte seiner Arbeit giebt Verf. eine Uebersicht
des Beobacbtungsmaterials und führt als solches 14 sehr genau
beobachtete und interessante Fälle an, wobei er in jedem die
Krankengeschichte, einen Bericht über die Obduction, Über die
Untersuchung der gefundenen ColloidflÜssigkeit und über die
histologischen Befunde beifügt.
(Würzb. Medicin. Zeitschr. Bd. V. Heft 4, 5 u. 6.)
Breakfv: Zur differentiellenDiagnose zwischen
Hjdro-Ovarium UDd Ascitis.
Verf. giebt als fast untrügliches Unterscheidungsmerkmal an,
dass man sich in einem fraglichen Falle zuerst die Linie zwischen
gedämpftem und tympanitischem Tone zu bezeichnen und dann
die Flnctuation der Flüssigkeit (nicht Undulation?) zu prüfen
habe; bei Ascitis sei dieselbe noch über die Begränzungslinie
hinaus deutlich fühlbar, während sie beim Hydro-Ovarium (wegen
der gespannten Peritonäal-Ueberkleiduug) die natürlich gegebenen
VI Notizen aas der Jonrnal- Literatur 379
Gr&nzen und somit auch die PercassioBBlinie nicht überachreite.
In den beigegebenen Zeichnungen fahrt Verf. dbrigens zugleich
ein anderes wichtiges Kennzeichen durch, das er nicht erwähnt;
bei Ascitis ist die Begränzungslinie nach oben meist concav, bei
Hydru-Ovarinm stets conrex.
(Wiener Medizin Presse. 18öö. 8. 10 )
Th, Körner: Anatomische und physiologische
Untersuchungen über die Bewegungsner-
ven der Gebärmutter.
Auf Grund einer Reihe von 61 mit grosster Genauigkeit
angestellten anatomischen, mikroskopischen und experimentell -
physiologischen Beobachtungen giebt Yerf Eingangs seiner höchst
anziehenden Arbeit zunächst eine ausfflhrlichere Beschreibung
über das anatomische Verhalten der üterinnerven beim Kanin-
chen und weiterhin auch beim Menschen. In mikroskopisch-anato-
mischer Beziehung hebt er besonders hervor, dass seine Beobach-
tungen, was das Verbalten der Nervenfasern im Uterus betreffe,
mit denen Kilian*8 (Zeitschr. f. rationelle Medizin von Hefde und
Pfeuffer. 10. Bd. 1861. Heidelberg) vollkommen übereinstimmen ;
was dagegen das Vorbandenseiii von Ganglien im Gebärorgane
anlange, so könne er die Ansicht anderer Forscher, welche das-
selbe leugneten, uicht theilen, denn er konnte bei seinen Unter-
suchungen hierüber (nach Behandlung der Präparate besonders
mit verdünnter Holzessigsäure) sicher das Vorhandensein
von Ganglien am Gebärorgane constatiren. Dieselben
sind nach ihm nach Grosse, Inhalt, Gestalt und Begrenzung sehr
verschieden, nur die Gegend, wo sie gefunden wurden, ist sowohl
beim Kaninchen als beim Menschen beschränkt Bei letzterem
finden sich die Ganglien im obern Drittel der Vagina in der gan-
zen Länge des Cervix uteri ; an der vorderen und hinteren Wand
sind sie nur sp&rlich vertreten, massenhaft dagegen zu beiden
Seiten, da wo der sogenannte Plexus pampiniformis das Laquear
vaginae und die Cervicalportion umgiebt. In dieser Gegend treten
auch beim Menschen die Nerven an den Uterus heran, und es
sind hier einzelne Ganglien in den oberflächlichsten Muskel-
schichten eingebettet; die meisten liegen jedoch im Bindegewebe,
welches die Muskelschicht in dieser Gegend umgiebt. Sonst fand
Verf am menschlichen Gebärapparate keine Ganglien.
.Weiterhin wendet sich Verf. zu dem physiologischen Verhalten
der Uterinbewegungen und bespricht hier zunächst die sogenann-
ten spontanen Contractionen, die so häufig den Versuchen
störend in den Weg treten. Bei der Frage nach dem Grunde
dieser Gontractioiien stellt er eine Parallele zwischen den ver-
schiedenen Ansichten der Forscher (Kutan, Spiegelberg, Kehrer)
auf und spricht sich schliesslich dahin aus, dass die spontanen
380 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
Contractionen Nichts sind als der Ausdrack hoher Keizbarkeit
des Uterus, uncL dass die yerschiedensten EinflfisBe ihre Ent-
stehung bewirken können. Verf. konnte an diesen Zusammen-
ziehungen weder einen besonderen Rhythmus noch das Abhängig-
sein von der Integrität gewisser Nerven bemerken, sondern fand,
dass ihre Dauer und Itensität lediglich von der Grösse der Reiz-
barkeit und des Reizes abhänge. Nach Anwendung von Chloro-
form beobachtete übrigens Verf. stets ein starkes Auftreten von
spontanen Bewegungen und sah, dass Gravidität und grosse Ent-
wickelung des Uterus, sowie St^>rungen in der Circulation (z. B.
jeder plötzliche Blutverlust in der Nähe der Genitalien) fast
immer Veranlassung zu solchen gab. — Was ferner die Stelle,
wo die Contractionen des Uterus überhaupt beginnen,
betrifft, so hält sich Verf. zur Zeit noch nicht berechtigt, darüber
aus seinen Beobachtungen einen sichern Schluss zu ziehen.
Endlich gelangt Verf. zur Besprechung der motorischen
Nervenbahnen des Uterus. Er gewinnt aus seinen Versuchen
folgende Sätze:
Elektrische Reizung der zum Uterus gehenden Sacraläste
hat jedesmal Contractionen desselben zur Folge; es sind also
diese Aeste motorische Nerven für den Uterus
Elektrische Reizungen des* auf der Aorta herablaufenden
sympathischen Zweiges hat jedesmal Uterus -Contractionen zur
Folge; es ist dieser Nerv also ein motorischer für den Nerv.
Von jedem Punkte des Rückenmarkes aus lassen sich durch
elektrische Reizungen bei Integrität der zum Uterus führenden
Nervenbahnen, Contractionen desselben einleiten und zwar um
so leichter, je mehr man sich dem mitteren Theile des Rücken-
markes nähert Dieser Ort ist zur Erzeugung von Uterus- Con-
tractionen durch elektrische Reizung der geeignetste.
Nach Durchtrennung sowohl der Kreuzbeinäste als auch des
sympathischen Zweiges lässt sich keine Contraction des Uterus
mehr durch elektrische Reizung des Rückenmarkes auslösen. Es
sind demnach diese beiden Nerven die einzigen motorischen Lei-
tungsbahnen vom Ruckenmarke zum Uterus.
Die Kreuzbeinnerven enthalten direct motorische Fasern für
den Uterus und sind auch nach Durchschneidung des sympa-
thischen Zweiges fähig Cterin-Contractionen hervorzurufen.
Der sympathische Zweig enthült ebenfalls direct motorische
Fasern für den Uterus und kann auch nach Durchschneidun^ der
Sacraläste Reize vom Rückenmark zum Uterus leiten, resp. Be-
wegungen desselben dadurch zu Stande bringen.
Die Sacraläste für die Uterusbewegungen verlassen das Bücken-
mark etwa in der Gegend zwischen 3. und 4. Lendenwirbel; die
Uterusfasern des sympathischen Zweiges dagegen in der Höhe
ungefähr des letzten Brustwirbels. Nach Durchschueidung des
VI. Notizen aus der Journal- Literatur. 381
Rückenmarkes uberhalb dieser Stelle hat elektrische Reizung des
oberen Endes keine Uterus- Contractionen mehr zur Folge.
Die Medulla oblongata, das Cerebellum, der Pons varoli, die
Corpora quadrigemina, die Crura cerebri ad pontem, das Corpus
callosum, der Thalamus opticus und das Corpus striatum sind
Punkte, durch deren elektrische Reizung sich Üterus-Contractionen
hervorrufen lassen und zwar um so leichter, je näher die gereiz-
ten Punkte der Medulla oblongata liegen.
(Aus den Studien des physiolog. Instituts zu Breslau. Heft III.)
L. Kvgehnann: Gynäcologische Mittheilungen
mit besonderer Rücksicht auf die chro-
nische Oophoritis.
Den Kern der vorliegenden Arbeit bilden eine Reihe von
F&llen, bei denen theils ernstere, theils leichtere Erkrankungen
der Sexualspliäre sich hauptsächlich als Neurosen darstellten,
ohne dass bei ihnen wesentlichere örtliche Erscheinungen sich
geltend machten. Häufig gebe die chlorotische Blutentmischung
das Causalmoment zu diesen chronischen Neurosen ab, denn sie
erzeuge bei längerem Bestände chronische Erkrankungen des
Uterus und seiner Adnexa, welche ihrerseits auch nach Heilung
der Chlorose fortbestünden. In manchen Fällen sei sogar die
primäre Beseitigung der Chlorose unmöglich, denn die Anwen-
dung von Martialien rufe eine Steigerung der Localsymtome her-
vor. Besonders sei dies der Fall bei der chronischen Oophoritis.
Dieser Umstand fordere in allen Fällen zu einer rechtzeitigen
Exploration auf. — Da Verf. in den mitgetiieilten Krankenge-
schichten öfters als Diagnose die chronische Oophoritis mitauf- .
fahrt, so bleibe hier nicht unerwähnt, dass er die Diagnose der-
selben namentlich bei Schlaffheit der Bauchdecken für nicht
schwierig hält; und versichert, er habe in allen jenen Fällen. die
Ovarien wirklich - gefQhlt.
Gleichzeitig führt er speciell die Kennzeichen der Oophoritis,
sowie ihre Aetiologie an. In letzterer Hinsicht hebt er als die
häufigste Ursache die Chlorose und die verschiedenen Lagever-
änderungen, besonders die Senkung des Uterus hervor. Zur
Verhütung dieser Uebelstände urgirt er die rechtzeitige Behand-
lung der Chlorose in der Pubertäts-Entwickelung, die Gefahren
des zu frühen AufsU^hens im Wochenbette und die Folgen der
nicht durch die Naht geheilten Dammrisse, nacb Geburten. Das
häufige Vorki'mmen letzterer und die daraus resultirenden Uebel-
stände lassen es ihm sogar wünschenswerth erscheinen, dass auch
die Hebammen in der Anlogung der blutigen Naht unterrichtet
würden.
Bezüglich der Behandlung der angegebenen Krankheitsform«D
382 ^I- Notizeu aus der Journal -Literatur.
▼erweist er auf die bekannten Lehrbücher des Faches. Henror-
zuheben ist nur, dass Verf. bei der chronischen Oophoritis ohne
Exsudate den von Weil und Breslau wieder in die Praxis ein-
geführten, sogenannten schottischen Hysteropbor zur Fixirung des
Uterus und Stützung der Ovarien mit kleinen Modificationen fiär
nützlich fand. Bei vorhandenen Exsudaten leiste ein kohlen-
8&urefreies Soolbad ganz entschiedenen Nutzen. Bei Retro- und
Lateroversio lageie sich ein chronisch entzündetes Ovarium bis-
weilen zwischen Fundus uteri und Rectum in den Z>oif^7<M'schen
Raum, erzeuge dadurch heftige Schmerzen und die Unfähigkeit
zu gehen- Es trete sofortige Erleichterung ein, wenn man mit
2 Fingern das dislocirte Ovarium (falls es nicht angewachsen ist)
durch sanften und constanten Druck über das Niveau des Fundus
uteri in das grosse Becken, dann durch Druck gegen die Rück-
seite des Fundus uteri auch diesen emporhebt und schliesslich
die Gradstellung des Uterus dadurch vollendet, dass man gegen
die vordere Wand der Portio vaginalis einen Druck nach hinten
ausübe, als wolle man den Uterus antevertiren.
Am Schlüsse lässt Verf. die obenerwähnten 12 Fälle ausführ-
licher folgen.
(Deutsche Klinik. 1865. No. 12 u. ff.)
Hecker: Statistische Tabelle über die Vorkomm-
nisse in der Gebär-Anstalt zu München im
Etatsjahre 1863 — 64.
Es kamen 769 Geburten zur Beobachtung, darunter 7 Zwil-
lingsgebuiten, 13 unzeitige, 57 frühzeitige Es wurden 409 Knaben
und 367 Mädchen geboren. Kindeslagen waren : 714 Scheiteüagen
(8 Mal 3te und 2 Mal 4te), 6 Gesichtslagen, 29 Beckenendlagen,
5 Schulterlagen, 22 unbestimmte Lagen. Als Geburtshindemisse
und üble Zufälle traten auf 9 Mal Wehenschwäche, 2 Mal Krampf-
wehen, 7 Mal Beckenfehler, 5 Mal Blutungen in Folge von Pia-
oenta praevia, 27 Mal Blutungen aus anderen Ursachen, 4 Mal
Eclampsie, 29 Mal Dammrisse, 11 Mal Vorfall der Nabelschnur.
Operationen wurden ausgeführt: 1 künstliche Frfihgebnrt,
4 Wendungen auf die Füsse, 19 einfache Exiractionen atf den
Füssen, 4 Extractionen nach der Wendung, 19 Zangen an den
vorausgehenden Kopf, 1 Perforation ^ 1 Cephalotrypsie, 3 Kepo-
sitionen der Nabelschnui*, 6 Nachgcbnrtsoperationen. Von den
Entbundenen erlcrankten im Wochenbette 79, davon starben 9
und wurden 19 trausferirt; von diesen letzteren starben 5; im
Ganzen also starben 14 Wöchnerinnen.
Von den Kindern wurden 31 todtgeburen, von diesen waren
16 schon vor, 15 während der Geburt gestorben, 39 andere starben
bald an Lebensschwäche 63 erkrankten und von ihnen starben 18.
VI. Notizen aus der Jourual- Literatur. 383
Im Ganzen also wurden 688 Kinder gesund entlassen, 88 gingen
verloren.
(Aerztl. Intelligeuzblatt baierscher Aerzte. 1864. No. 44.)
F. Baiisch: Bericht über die Ergebnisse der
Späth'schen geburtshülflichen Klinik für
Hebammen im Solarjahre 1863.
In 3638 Geburten, deren 216 sogenannte Gassengeburten
waren, wurden 3549 lebende und 142 todte Kinder geboren,
51 Mal Zwillinge, 1 Mal Drillinge; 37 Mal Abortus, 179 Früh-
geburten, bei letzteren kamen 170 lebende, 31 todt zur Welt.
Bei den 61 Zwillingsgeburten stellten sich 27 Mal beide Kinder
mit den Köpfen zur Geburt, 16 Mal das erste mit dem Kopfe,
das zweite mit dem Beckenende, 4 Mal beide mit dem Steisse,
die 4 übrigen in andern Variationen. Die Drillinge wurden lebend
geboren in Schädel-, Steiss- und Fusslage, hatten getrennte Frucht-
kuchen und wogen 2 Pfd. 11 Lth., 1 Pfd. 29 Lth., 2 Pfd. 20 Lth.
Das erste Kind wurde am 9. Tage mit der Mutter entlassen, das
zweite starb am 5., das dritte am 8 Tuge nach der Geburt
3. und 4. Schädellage kam 14 Mal, Stirnlage 1 Mal, Gesichtslage
25 Mal zur Beobachtung, 1 Prolapsus uteri, 1 Metrocarcinoroa;
79 Mal Wehen schwäche, 10 urämische Eclampsien, welche einzeln
kurz berichtet werden. Metrorrhagien in der Eröffnungsperiode
22 Mal (5 Mal bei Abortus, 5 Mal bei tiefem Sitze der Placenta,
4 Mal bei Placenta praevia, 8 Mal bei vorzeitiger Lösung des
Fnichtkuchens), in der Nachgeburtsperiode 15 Mal, bei Neuent-
bundenen 21 Mal geringen Grades, bei Wöchnerinnen 4 Mal.
Operationen : 92 Mal Manuaihtilfe bei Beckenendlagen (20 Mal
nach vollfflhrter Wendung, 74 Kinder lebend, 18 todt geboren);
24 Mal Wendung auf die Füsse (19 Kinder lebend, 5 todt); 5 Mal
Reposition der Nabelschnur (3 Kinder lebend, 2 todt); 5 Mal
Reposition vorgefallener Gliedmassen; 66 Mal Zange (64 Kinder
lebend, 2 todt); 7 Mal Craniotomie (3 Mütter gestorben); 15 Mal
Lösung der Placenta; 1 Mal Sectio caesarea post mortem (Kind
todt); 15 Mal Episiotomie; 12 Mal Episioraphie.
Die Wöchnerinnen hielten sich in einem ungewöhnlich gün-
stigen Gesundheitszustande. Von 8630 Entbundenen erkrankten
63 an ausgesprochenen Puerperalprocessen , von diesen wurden
48 geheilt entlassen, 15 starben, also ein Mortalitätsverhältniss
von 0,4 Proc. Ausserdem kamen 100 leichtere Affectionen der
Wöchnerinnen vor, 30 Erkrankungen, die mit dem Wochenbett in
keinem Zusammenhange standen.
Die Neugebooreneii blieben gleichfalls nateist gesund. Von
384 VI. Notizen aus der Juuroal- Literatur.
d616 Kindern starben 164, die meisten in Folge von Frühreife
oder Schwächung während der Geburt.
(Wiener Spitalszeitung. 1864. No. 44, 49, 50.)
Späth: üeber die Sanitäts -V erhältuisse der
Wöchnerinnen an der Gebärklinik für Heb-
ammen in Wien, 1863.
(Vorgetragen in der Ges. d. Aerzte daselbst, den 29. Jan. 1864.)
' Während des Jahres 1863 ereigneten sich an den beiden Kli-
niken des Wiener Gebärhauses 8456 Entbindungen und 90 Sterbe-
fölle, mithin war ein Mortalitätsverhältniss von 1,06 Proc, und
zwar kommen auf die Gebärklinik für Aerzte bei 4818 Geburten
71 Todesfälle (1,4 Proc), auf die für Hebammen bei 3G38 Gebur-
ten 19 Todesfälle (0,5 Proc). Das Gesundheitsverhältniss war
demnach so günstig, dass es an der ersten Klinik in den letzten
3 Decennicn nur von dem Jahre 1848 (1,2 Proc.) tibertroffen wor-
den ist, während die zweite Klinik* noch nie ein günstigeres
Resultat gehabt hat. Verf. giebt nun in einigen Tabellen eine
specielle Üebersicht ülier die Erkrankungen der Schwängern und
Wöchnerinnen, aus der hervorzuheben ist, dass bei letzteren
48 eigentliche Puerperal -Erkrankungen (worunter 15 mit tödt-
liohem Ausgange) beobachtet worden sind. Eingehender berichtet
Verf. über:
1. 3 Fälle, in welchen die Mütter schon puerperalkrank und
Sterbenden gleich zur Entbindung in die Klinik gebracht
wurden.
2. 12 Fälle, in welchen die Mütter an der Klinik an Puer-
peral - Processen erkrankten und daselbst starben. Unter
diesen ist besonders zu bemerken, dass bei einer Sectios
ein Uterus bicornis cum duplicitate paitis inferioris vaginae
gefunden wurde, dessen linkes Hom geboren hatte und nun
Endometritis zeigte.
3. 3 Fälle, in welchen die Mütter wegen anderer Erkrankun-
gen in's Krankenhaus transferirt worden waren, aber zu-
gleich von einem Puerperal - Processe ergriffen daselbst
erlagen.
4. 9 Fälle, in welchen die Wöchnerinnen anderartigen Er-
krankungen erlagen, ohne dass die Obduction eine Puer-
peral-Erkrankung nachweisen konnte.
Eine fernere Tabelle bringt eine üebersicht der Morbilität
und Mortalität nach den einzelnen Monaten. Was die Procente
betrifft, so bot erstere das Maximum von 3,0 im Februar, das
Minimum von 0,3 im Mai, letztere das Maximum von 0,9 im März,
das Maximum von 0,0 im Februar, April und December.
YL Notizen aas der Journal -Literatur. 365
Yerf- war auch in dieBem Jahre auf möglichste Sorgfalt
bedacht gewesen in Besng auf:
a. Beschaffung und £rhaltung reiner Luft. Gegenüber den
primitiven Einrichtungen, welche in England bestehen und welche
besonders auf fleissiges Oeffnen der Fenster und auf die Be-
nutzung grosser Kamine gerichtet sind, verdient die seit Neujahr
1864 eingeführte Braun- Bohfn'uche Ventilation den Vorzug. Im
Jahre 1863 Hess Verf. jedes Zimmer (auch das Kreisszimmer) alle
6 bis 7 Tage gründlich reinigen und lüften. Letzteres geschah
selbst in den benutzten Zimmern durch Oeffnen der Fenster, das
täglich vorgenommen wurde. Alles Grestank Verursachende wurde
schleunigst entfernt. Räncherungen — als Gestank verdeckend —
wurden vermieden.
b. Separirung der Kranken von den Gesunden, mit streuger
Anweisung einer besonderen Wärterin und besonderer Utensilien.
c. Reinlichkeit bei Allem, was irgendwie mit einer Kreissen-
den oder Wöchnerin in Berührung kommen konnte. Hierher
gehörten: Sorgfältige Waschungen mit Chlorkalk. Gewöhnung
der Schülerinnen stets mit einer weissen, von jedem Schmutze
freien, bis an den Hals reichenden Schürze zu erscheinen, Er-
setzung der hölzernen Leibschüsseln durch zinnerne. Das Waschen
der Genitalien wurde ~ aus Furcht vor Infection — verboten;
nur früh beim Wechsel des Leintuches wurden sie mit diesem
abgewischt.
(Wiener Med. Jahrbücher. 1864. 4. Heft.)
Breslau: Bericht über die Ereignisse in der
Gebliranstalt zu Zürich im Jahre 1863.
Uebertragen vom verflossenen Jahre wurden 9 Wöchnerinnen,
6 Schwangere, 4 Kranke und 7 Kinder. Neu aufgenommen wur-
den 225 Personen, darunter 50 gynäcologische Kranke. Zur Ge-
bart kamen 156, drei gebaren Zwillinge. Von den 159 Kindern
wurden lebend geboren 68 Knaben und 76 Mädchen, reif waren
58 Knaben und 68 Mädchen, frühreif waren 12, unreif 6. Von
den 15 Todtgeborenen waren 5 vor der Geburt, 7 während und
3 unmittelbar nach der Geburt gestorben. Später starben noch
32 Kinder, 16 Knaben und 14 Mädchen. Diese überaus grosse
Sterblichkeit war eine Folge der herrschenden Puerperalfieber,
wodurch auch die Kinder inficirt wurden» Die Sectionen dieser
Kinder wiesen nach : 7 Mal Nabelgefässentzündung, 7 Mal Septi-
cämie und Pyämie, 6 Mal Sclercm der Haut, 5 Mal Darmkatarrh
und Atrophie, 2 Mal Peritonitis, 4 Mal Lebensschwäche und
Atelectase der Lungen, 1 Mal Hirndruck. — Kindeslagen wurden
beobachtet: 146 Schädellagen, 1 Gesichts-, 1 Stirnlage, lOBecken-
endlagen. Von Operationen wurden ausgeführt: 10 Anlegungen
^M osaissefar. f. Geburtak. 1S65. Bd. XXV. Snppl.-Hft. 25
3^ VL Notizeu aus der Journal- Literatur.
der Zange, 1 Wendung auf den Kupf durch äussere Handgriffe,
1 Wendung auf die Füsse, 1 Mal mehrfache £iBBcfaaeidaDg des
sclerosirten Muttermundes bei Prolapsus und Perforation des
todten Kindes, 2 Mal Beposition der vorgefallenen Nabelschnur.
Aeusserst ungünstig war das Jahr 1663 für die Wöchnerinnen,
das Puerperalfieber herrschte so ausgedehnt und bösartig, wie
niemals zuvor. Es starben im Ganzen: 24 Wöchnerinnen, also
15,4 Proc, 19 davon, an Puerperalfieber , also 12,1 Proc Verf.
beobachtete alle Yorsichtsmassregeln , um die Krankheit zu be-
schränken, im Ganzen aber ohne wesentlichen Erfolg. Es fand
keine Ueberfüllung der Anstalt statt, Anwendung von Waschun-
gen der Wäsche und Hände mit Liq. Kali hypermanganici und
Chlorwasser, häufiger Wechsel der Bettwäsche, Isolirung der
Wöchnerinnen, Wechsel des Gebärzimmers, Verlegung aller
Wöchnerinnen in ein anderes Spital, Benovirung und Desin-
fection aller Räume und Geräthe der Anstalt, der Abtritte etc.
Von den 50 gynäcologischen Kranken starben 5.
(Jahresbericht des Medicinalwesens des Gantons Zürich
vom Jahre 1863.)
George B, BroJie: Statistik des Queen Lying-in
Hospital zu London.
Vom Jahre 1828 — 1863 wurden 7736 Schwangere, darunter
3611 Unverheirathete von 7824 Kindern entbunden. Im Ganzen
sind von den Entbundenen 202 gestorben, darunter 126 unver-
heirathete. Das grosse Sterblichkeitsverhältniss von 2,6 Proc
schreibt Brodie dem Umstände zu, dass das Queen Charl. Lying-
in Hospital auch Unverheirathete aufnimmt, während andere
englische Entbindungshäuser dies nicht thun. Wird die Sterb-
lichkeit der Verheiratheten, zu denen noch 10858 vom Hospital
aus zu Hause behandelte, welche immer verheirathet sein müssen,
kommen, zusammmengercchnet, so ergiebt sich für sie eine Sterb-
lichkeit von 1,84 Proc, während die Uuverheiratheten für sich
gerechnet, fast 3,48 Todesfälle zeigen. Die tabellarische Zusam-
menstellung der Sterblichkeit nach den Jahrgängen ergiebt für
die Jahre 1828 — 1847 eine Sterblichkeit von 3,77 — 0 Proc, für
die Jahre 1848 — 1850 während der Choleraepidemic eine von
9,32- 5,03 Proc für die Jahre 1851—1858 eine von 0-1,22 Proc
und für die Jahre 1859—1863 eine von 8,12—1,55 Proc
Mit dieser Uebersicht vergleicht B. die Tabelle der Sterblich*
keit im Dublinor Kotunda- Hospital, welche im Mittel 1,45 Proc
beträgt , sowie des Londoner British Lying - in Hospital mit
0,69 Todesfällen. Freilich nehmen beide Anstalten nur verhei-
rathete Frauen auf. Uebrigens ist auch das Qu. Ch. Lying-in Hosp.
nur für erstgebäreude Unverheirathete zugäugjüch und diese „ge-
hören nicht selten zu den besseren Klassen der Gesellschaft''. ^
VI. Notizen aus der Journal- Literatur.
387
Eine andere Tabelle giebt die Art der Todesursachen:
Krankheit.
Verheirathete.
önverh.
Summe.
Mebrgeb.
Erstgeb.
Fifstgeb.
Puerperalfieber ....
17
24
82
123
Puerperal-Mania ....
1
4
11
16
Phthisis
3
4
11
18
Diarrhoe
—
4
10
Haemorrhagia post partum
2
1
5
Uterusniptur
1
1
3
Pneumonie
—
—
4
Pleuritis
2
—
—
2
Erysipelas
—
1
2
Scharlachfieber . : . .
—
2
Masern
1
Herzkrankheit ....
1
^
2
Ruptur der Aorta . . .
1
—
—
1
Coma nach Convulsionen .
1
1
3
Apoplexie
—
1
3
„Shok" Nervenschlag . .
—
2
—
2
Erschöpfung
1
3
1
5
Summe
80
46
126
202 .
Unter der Bezeichnung „Puerperalfieber müssen Peritonitis
und die andern verschiedenen Varietäten (various varieties), zu:
denen diese Krankheit so sehr geneigt ist, einbegriffen werden".
Auch für die einzelnen Jahre ist eine Tabelle der Krank-
heiten gegeben, aus der sich ergiebt, dass am Puerperalfieber in
den Jahren 1851—1858 am wenigsten, nämlich zusammen bloss 3,
und am meisten in denen von 1848—1850, nämlich zusammen 32^,
und in denen von 1859 — 1862 zusammen 38 Wöchnerinnen ge-
storben sind.
Folgt eine üebersicht der an Puerperalfieber in jedem Monat
gestorbenen, aus der sich ergiebt, dass im März am meisten,
Jiämlich afle Jahrgänge zusammengerechnet 20, und im October
am wenigsten, nämlich zusammen 4 daran gestorben sind.
Die Mittheilung schliesst mit einer kurzen Geschichte des
Hospitals, in der hervorgehoben wird, dass man die hohe Sterb-
lichkeit in den Jahren 1848—1850 der schlechten Ventilation und
Drainage des alten Gebäudes zuschrieb und daher 1856 ein neues
bezog. Dasselbe besitzt zwei Abtheilungen, die eine zur Auf-
nahme von Verheiratheten, die andere von Ledigen, in jeder
6 Säle zu je 3 Betten mit wenigstens 1000 Gubikfuss Raum für
jede Patientin, ausserdem iioch Säle für Reconvalescenten. Das
Hans ist mit besonderen Ai)paraten zur Ventilation, zur Wasser-
heizung versehen, der Boden ist besonders drainirt und die Zim-
mer werden fleissig gereinigt und überfimisst.
(Med. Chirurg. Transactions. Vol. XLVH. London, 1864. S. 1^)
25*
388 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
Edward Headlam Greenhow: Fall von angeborner
ünvollkoramenheit der Briiste, Geschlechts-
theile, des Brustbein« und des Herzens bei
.einem 22jährigen Weibe.
Dieselbe war nie menstruirt und hatte nie vicariirende Blutun-
gen. Von mittlerer Grösse, kindischem Aussehen, blühender Farbe
hatte sie weibliche Stimme und reichliches Haar. Die Gegend
derBrttste war flach, doch waren Warzen vorhanden, rothe linsen-
förmige IJ'" breite Erhöhungen, J '" über der Umgebung. Um
jede ein blasser rothbrauner, etwas vertiefter Hof, etwa J '" im
Durchmesser. Hüften wenig gerundet und Becken klein. Der
Umfang desselben mass 31" engl, der Umfang um die Schultern
34 j" engl Schamhttgel wenig vorstehend, kaum behaart, die
Haut an den Schamtbeilen sehr fein. Clitoris und .Nymphen
normal, Hymen und Vorhof sehr gefilssreich. Die euge Scheide
Hess 2}'' des Zeigefingers zu. Muttermund, Scheidentheil und
Eierstöcke, sowie der Uterus selbst waren von Scheide und Mast-
darm aus nicht bestimmt wahrzunehmen.
Im Brustbein war ein mehrere Zoll grosser und etwa J" tiefer
Eindruck. Der Herzfehler ist nicht genauer bestimmt worden;
er war durch ein Geräusch zwischen systolischem und diasto-
lischem Tone und durch einen bei aufrechter Stellung unregel-
mässigen Puls characterisirt.
(Med. Chiruig. Transactioris. Vol. XLVII.
London, 1864. S. 159.)
0, V, Haselherg (Martin): Elfter Bericht aus der
geburtshilflichen und gynäcologischen Kli-
nik des Hrn. Geh. Rath Martin in Berlin.
Aus dem eingehenden Bericht sei Folgendes hervorgehoben;
Im Winter - Semester 1863 — 64 betrug die Anzaftil der in
Martinas geburtshilflicher und gynäcologischer Klinik und Poli-
klinik behandelten Fälle 912.
Es fanden Statt: 475 Geburten und zwar in der Klinik 213,
in der Poliklinik 312.
15 Mal Zwillingsgeburten , 1 Mal Drillingsgeburt (3 lebende
Kinder, jedes in Steisslage, in den ersten Tagen wieder gestorben).
Von 466 nach der 28. Woche geborenen Kindern (239 Knaben,
227 l^ädcben) kamen 17 Knaben und 22 Mädchen todt zur Welt.
5 Mal kam Abort, 18 Mal Partus immaturus, 11 Mal Partus
praematnrus vor. Beckenenge war 12 Mal vorhanden, worunter
2 Mal: 2" 9-11'" (Perforation und Cephalotrypsie). Ferner
wurden beobachtet: 8 Schieflagen (1 Mal mit Selbstentwickelung};
18 Mal fehlerhafte Haltung, 53 Mal Umschlingung und 9 Mal
VI. Notizen aus der Journal -Literatut*. 389
Vorfall der Nabelschnur ; 4 Mal Placenta praevia (1 Mal central) ;
Betentio placentae 4 Mal; Eclampsie 3 Mal (1 Mal tödtlich).
Operative Hülfe in 88 Fällen, worunter Incisionen in den
Muttermund 2, in den Damm 21, kflostliche Frühgeburt mit Ein-
legung eines elastischen Catheters 2 (1 Mal mit 3'', 1 Mal mit
2'' 11''' (/onjugata), Wendung 13 (worunter 12 Mal Extraction),
Zange 16, Transfusion 1 Mal (ohne Erfolg).
Die klinische Anstalt blieb frei von Puerperal -Epidemien.
Von den 475 Wöchnerinnen starben G, von den lebend gebornen
Kindern starben während der ersten 11 Tage 6.
An Fällen von Erkrankungen der weiblichen Sexualorgane
ausser der Geburt kamen 437 Fälle zur Behandlung, welche vom
Verf. übersichtlich zusammengestellt sind und ein reiches Unter-
richts-Material repräsentiren.
(Deutsche Klinik. Berlin, 1864. No. 33.)
Boecker: Bericht über die Vorgänge im Gebär-
hause der k. Charit^ zu Berlin im Winter-
Semester 1862—63.
Im angegebenen Zeiträume fanden 320 Geburten Statt. Die
jüngste Gebärende war 15, die älteste 49 Jahre alt. 181 waren
Erst-, 149 Mehrgebärende, worunter je eine zum 10. u. 14. Male
gebar. Da vier Zwillingsgeburten beobachtet wurden, belief sich
die Zahl der Neugebomen auf 334. Von ihnen waren 297 zeitig,
37 unzeitig geboren, 159 waren Knaben, 169 Mädchen, 6 Mal war
das Geschlecht unbestimmbar.
Von den Entbindungsvorgängen interessirt Folgendes: Von
den 334 Kindern wurden, 12 Strassengeburten und 6 Aborte
ohne bestimmtere Lage abgerechnet, in erster Schädellage 218^
in zweiter Schädellage 81 , in vierter 2 , in Gesichtslage 3 , in
erster Steisslage 3, in zweiter 4, in dritter und vierter je Eines,
in erster und dritter Fusslage je 2, in zweiter Schulterlage erster
Unterart Eines und in Brustlage 3 geboren.
Von den 8 Zwillingskindern kamen 6 lebend, 2 wegen Eclam-
psie der Mutter todt zur Welt Ausserdem wurden noch 2 Fälle
von Eclampsie beobachtet; in allen 3 Fällen erfolgte der Tod.
Von den 37 frühgeborenen Kindern wurden 16 todt geboren.
Es war 24 Mal die Anlegung der Zange nöthig und zwar bei
18 Erst- und 6 Zweitgebärenden ; 1 Mal wurde die Sectio caesarea
nach dem Tode angestellt.
Unter den Wochenbetts - Vorgängen sind hervorzuheben :
58 ernstere Puerperal - Erkrankungen , wovon 46 Fälle auf die
innere Station translocirt.
Von den Neugeborenen, und zwar: 159 Knaben, 169 Mäd-
chen (bei 6 konnte das Geschlecht nicht bestimmt werden), waren
297 aasgetragen, 37 früh geboren, von letzteren 16 todt and
590 VI. Notizen aus der Journal -Literatur.
21 lebend geboren; von den ersteren starben 6 während der
Geburt.
(Annalen des Charite- Kraukenhauses zu Berlin.
12. Band. 2. Heft. 1865.)
Pohl: Bericht über die Vorgänge im Uebär-
hause der k. Oharlte zu Berlin im Winter-
Semester 1863 — 64.
Von 369 aufgenommenen Schwangeren waren 32 unter 20 Jah-
ren, 2 über 40 Jahre alt.
Es fanden Statt: 353 Entbindungen bei 224 Erstgebärenden,
129 Mehrgebärenden, je eine gebar zum 9. und 10. Male. Dar-
unter befanden sich 8 Zwillingsgeburten , so dass im Ganzen
193 Knaben, 164 Mädchen, 3 Fleischmolen und 1 unreife Frucht
ohne bestimmbares Geschlecht geboren wurden.
Von Schädellagen wurden 319 beobachtet, und zwar die erste
252, die zweite 59, die dritte 5, die vierte 3 Mal.
Gesichtslagen wurden* 3 geboren, wobei je 1 Mal Drehungen
aus dritter und vierter in zweite und erste Lage zur Beobach-
tung kamen.
Steisslagen 8, Fusslagen 3 Mal.
knielagen 2, Schulterlagen 1 Mal (I. 1 Unterart). Am vor-
liegenden Kopfe wurde die Zange 2 Mal angelegt; der Kaiser-
schnitt post mortem 2 Mal ausgeführt
Wegen Kindbettfieber translocirt wurden 78 Wöchnerinnen
(am meisten im März 1864), sehr häufig fanden sich diphtheritische
Geschwüre am Introitus vaginae mit oder ohne Allgemein -Er-
scheinungen von Septhämie.
Unter den 361 Neugeborenen (incl. 3 Fleischmolen und eine
unreife Frucht) waren 193 Knaben, 164 Mädchen, todt geboren
wurden 30 (worunter Eines todt zugebracht in Fol^e von Strassen-
goburt) ; in den ersten 14 Tagen starben 36 Kinder. Reif geboren
Waren 308, zu früh aber 50 (worunter 13 unreif und lebensunfähig).
Das Befinden der Neugeborenen war im Allgemeinen gut.
(Annalen des Charite - Krankenhauses zu Berlin.
12. Band. 2. Heft 1865.)
llarimami: Jahresbericht über die Ereignisse
in der Gebäranstalt der unter der Direction
von Dr. M. Haussmann stehenden k. Landes-
Hebammenschule zu Stuttgart im Verwal-
tungsjahre 1863 — 64.
I. Allgemeine Uebersicht:
Am Anfang des Jahres (1. Juli) wurden 10 Schwangere und
8 Wöchnerinnen übernommen; zu ihnen hinzu kamen bis Ende
VI. Notizen ans der Jotirna) - Literatur. 391
Juni 64. 612 Schwangere', von welchen am 1. Juli 1864 noch
18 Schwangere und 20 Wöchnerinnen zugegen waren. Schwangere
wurden 12 entlassen. Es fanden 497 Gehurten statt, worunter jedoch
20 nach schon vollendeter Gehurt, 197 während der Geburt und
280 während der Schwangerschaft anfgenommener Personen ein-
gerechnet sind. 490 Geburten waren einfach, 7 Zwillingsgeburten,
448 wurden durch Naturkräfte, 49 operativ beendet.
Geboren wurden 504 Kinder, und zwa r233 männlichen, 271 weib-
lichen Geschlechts, davon waren unreif 41 Knaben und eben so
viel Mädchen. Von Lagen kommen zur Beobachtung: 4ö8 Schädel-
lagen, 4 Gesichtslagen, 22 Beckenendlagen, 8 Querlagen, 17 Gas-
sengeburten. Gestorben sind 3 Wöchnerinnon, 33 Knaben (davon
17 unreif) und 22 Mädchen (davon 13 unreif).
II. Besondere Geburtsfälle:
Unzeitige Geburten fanden 2 statt (1 Mal bei constitutioneller
Syphilis nach Mercurialkur).
Frühgeburten: 76, worunter 4 Zwillingsgeburten; von den
«0 frühgeborenen Kindern waren 9 todtgeboren (macerirt), 18 star-
ben in den ersten 48 Stunden, 17 später und nur 41 blieben
erhalten.
Zwillingsgeburten: 7 (3 am normalen Ende der Schwanger-
schaft). Dabei war 4 Mal das Geschlecht der Kinder gleich,
o Mal Knaben, 1 Mal Mädchen. Es starben 6 Zwillingskinder^
lauter unreife.
Schädellagen mit regelwidrigem Mechanismus: von 56 Kin-
dern, die ursprünglich in dritter und vierter Position sich ein-
stellten, wurden nur 4 in dritter und 1 in vierter Position geboren.
Gesichtslagen : 3 Mal die erste, 1 Mal die zweite. Alle Kin-
der lebten, 3 wurden ohne Kunsthilfe, 1 wegen Nabelschnurvor-
falls mit der Zange geboren.
Beckenendelagen: 22, worunter 6 Mal Zwillingskinder und
zwar 5 Mal das zweite Kind betreffend. Hiervon waren 11 Steiss-
lagen, 10 Fusslagen und 1 unvollkommene erste Knielage. Dabei
war 4 Mal vollständige, 7 Mal theilweise Manual extraction, 2 Mal
Zange am nachfolgenden Kopfe nöthig.
Querlagen: 3. Hierbei wurde 1 Mal Wendung bei noch
stehender Blase, 2 Mal dieselbe kurz nach Abfluss des Wassers
gemacht ; ferner 2 Mal sofortige Extraction und 1 Mal die Zange
am nachfolgenden Kopfe angelegt und dabei 2 lebende, 1 todtea
Kind geboren; eine Mutter starb im Wochenbett.
In Betreff der Summe der Operationen ist zu erwähnen: Es
wnrde 10 Mal die Blase gesprengt, 7 Mal vorgefallene Theile
reponirt, 11 Mal die Extraction an den Füssen, 8 Mal die Wen-
dung, 15 Mal die Zangenextraction, 1 Mal Perforation und Cepha-'
lotripsie (bei einer Diagonalis von 10,6 Ctm.), 2 Mal die Episio-
tomie, 2 Mal Placentarlösung ausgeführt.
392 ^^' I^tteratnr.
Der Verlauf des Wochenbettes war in 374 F&llen normal,
erkrankt sind 123 (24,75 Proc), gestorben 3 Wöchnerinnen. Von
eigentlichen Puerperal - Erkrankungen kamen 82 Fälle vor, und
zwarSMal lethal; der eine Todesfall betrifft Pyaemia puerperaliß,
der andere eine Peritonitis, der dritte aber Pneumonie.
Von den 488 lebend geborenen Kindern erkrankten 197,
starben 55. Von diesen 197 hatten 164 Muttermilch erhalten,
38 waren künstlich aufgezogen worden ; auf erstere kommen 36,
auf letztere 19 Todesfälle.
(Mediz. Correspondenzblatt des Württemb. ärztl. Vereins.
Bd, XXXIV. 1864. No. a5— 39.)
vu.
Literatur.
Winckel: Eine Ovariotomie, Antrittsprogramm.
Rostock, 1864.
Verf. hat in Rostock, wo vor ihm schon 3 Mal (2 von Quitten-
baum, 1 von Kraul) mit glücklichem Erfolge die Ovariotomie
gemacht worden ist, einen neuen glücklichen Fall zu berichten.
Er betraf eine zusammengesetzte Cdlloidcyste eines Ovarium
Die Operation wurde nach der in England iu neuester Zeit
üblichen Methode ausgeführt. Adhäsionen fanden sich nur mit
den Bauchdecken ) der Stiel war dühn, wurde im Ganzen unter-
bunden, indessen nach Abqnetschung des Sackes entschlüpfte das
Ligaturband und eine reichliche Blutung aus den varicösen Venen
des Stieles erfolgte, welche nur durch sorgfältige Unterbindung
der einzelnen Gefässe gestillt werden konnte. Das Verhalten
der Operirten war ziemlich gleichmässig gut, der grösste Theil
der Wunde heilte durch erste Verklebung. Interessant und neu
sind des Verf. 's genaue Temperaturmessungen vor, während und
nach der Operation. Aus denselben geht hervor, dass namentlich
nach der Operation sechs Tage lang Reaction, sogenanntes Wund-
flebrr bestand, welches als reines, einfaches sich darstellte, obwohl
die Bauchwunde mindestens 10 Zoll lang war, sehr starke Gefasse
unterbunden und verschiedene Peritonäal - Adhäsionen getrennt
worden waren. Die Pulsfrequenz blieb die ganze Zeit auffallend
gering. Es folgt aus der Temperaturmessung, dass die Ovario-
tomie an und für sich nicht eingreifender iat, als eine Amputatio
antibrachii, hameri u. s. w.
Vn. Literatur.
E, Ott: Die periuterinen und retrovaginalen
Blutergüsse. Inaug. Dissert. Tübingen 1864.
Mit Rücksiebt auf die im Vorausgehenden angestellten ana-
tomischen Erörterungen theilt Verf. die sogenannten Haematocelen
in intraperitonäale, suhperitonäale und interstitielle
oder recto vaginale ein. Die ersteren entstehen nach ihm
meist durch Rückflnss des im Uterus durch verschiedene Hinder-
nisse zurückgehaltenen Blute's; die subperitonäalen werden ver-
ursacht durch Zerreissnng der zwischen den breiten Mutterbän-
dem, oder zwischen Vagina und Rectum^ oder vor dem Uterus,
oder im ganzen Umkreise des Vaginalschlauches verlaufenden
Gefässe, besonders der zahlreiche Geflechte bildenden Venen. Die
interstitiellen endlich entstehen durch Zerreissung der im Septum
rectovaginale verlaufenden GeiUsse. Die Annahme der letzterwähn-
ten Art gründet sich auf ein zufällig bei der Obduction einer am
Typhus Verstorbenen aufgefundenes und ausführlich beschriebenes
Präparat eines im Septum rectovaginale liegenden grossen Blut-
ergusses, neben welchem sich noch mehrere kleinere dergleichen
vorfanden ; sowie auf einen ähnlichen von J. W. Betschier (Klin.
Beitr. zur Gynäkol. 1862. 1. Heft. p. 133.) beschriebenen Fall,
in welchem die Diagnose einer Hämatocele durch den Aufbruch
in die Scheide und Entleerung alter, schwarzer Blut^oagula be-
stätigt wurde.
Nach ausführlicher Erläuteiung der genetischen Momente der
Hämatocele und einem kurzen Ueberblick Ober den pathologisch-
anatomischen und histologischen Befund bei derselben (wobei er
übrigens auf die bereits von Breslau y Braun u. A. gemachten
Untersuchungen verweist), entwickelt Verf. ein in kurzen Umrissen
gezeichnetes Krankheitsbild mit besonderer Berücksichtigung der
bei der innern Untersuchung hervortretenden Momente.
Als diagnostisches Hilfsmittel hebt er hierbei die durch Ein-
fübrung des Speculum erkennbare blaurothe Farbe der Vaginal-
portion hervor, erwähnt sodann kürzlichst die Sondirung der
Geschwulst durch Catheter und Uterinsonde (nach Braun) und
empfiehlt in zweifelhaften Fällen die Acidopeirastik von MidcM-
dorpf (Function mittels Probetrocart).
In Rücksicht darauf, ob das Extravasat extra- oder intra-
peritonäal sitze , bezieht er sich auf die von Breslau (Schweiz.
Zeitschr. fQr Heilk. II. p. 297. 1863.) gegebenen Anhaltspunkte
und lässt hierauf die hauptsächlichsten Momente, welche bei der
Differentialdiagnose zwischen Haematocele einerseits und Gravi-
dilas extrauterina, Pelvioperitonitis und sogenannter GellulitiB
peKiua andererseits in Betracht kommen, folgen. Besonder«
schwer, oft unmöglich sei die Unterscheidung der Haematocele
von Pelvioperitonitis, wobei der Zusammenhang der ersteren mit
der Menstruation noch den meisten Werth habe. Weniger schwierig
304 Vit. Literatur.
sei die Unterscheidung der Haeinatocele von Graviditas extra-
uterina, denn es finde sich bei ihr eine langsame Kntwickelung
der Geschwulst bei einem in den ersten Monaten ungestörten
Wohlbefinden, Schwellung der Brnste und Milchabsonderung, Ver-
grösserung der erweichten Yaginalportion und Verlängerung der
leeren Gebärmutterhöhle, endlich Kindesbewegungen und Herz-
töne, wenn die Geschwulst der Ruptur nahe sei.
Eben so sei die sogenannte CelluUtis pelvina leichter zu
diagnosticiren, besonders wenn sie nach einer Geburt, also nicht
zur Zeit der Menstruation und nicht unter stürmischen Erschei-
nungen auftrete, und wenn sich der Ausgang in Vereiterung
dadurch kenntlich mache, dass die Anfangs harte Geschwulst
weich und fluctuirend werde.
Die Prognose sei bei extrapentonäalem Sitze der Haema-
tocele günstiger als bei intraperitonäalem. Die Befürchtungen,
es möchte Sterilität die Folge der Krankheit sein, habe sich als
grundlos erwiesen. Nur wenn während der Schwangerschaft ent-
standen, könne die H. ein Geburtshindemiss abgeben.
Das Heilverfahren sei entweder exspectativ-syniptoma-
tisch, oder chirurgisch-eingreifend, letzteres nur bei Dringlich-
keitssymptomen, tiefem Herabtreten und starker Spannung der
fiuctuirenden Geschwulst. Die Function mache man am besten
von der Vagina aus.
Als Anhang fügt Verf. 2 Krankengeschichten bei.
1) Haematocele intraperitonaealis retrouterina mit Ausgang
in den Tod nach Perforation in die Scheide unter septicämischen
Erscheinungen.
2) Haematocele retrouterina subperitonaealis mit Perforation
in's Rectum und Ausgang in Genesung.
Heiffh L, Ho(h/e: Principles and practice of
obstetrics; illnstr. with 159 lithosrraphic
Figures from original Photograplis a. with
numerous woodcuts. Philadelphia, 1864.
4. 550 S.
Die Wände des Beckenkanals theilt H. mittels zwei verticaler
Schnitte, einen durch Symphyse und Krenzbeinaxc und einen
ilnrch die Spinae ischii, in vier Theile, die er „inclined planes''
nennt Dass die vorderen von den hinteren durch die Spinae
ischii getrennt werden, hält er f(ü* sehr wichtig. Er behauptet,
dass der Kopf bis an die Spinae ischii gerade herabrücke, und
dikss bis dahin die Beckenaxe eine gerade Verlängerung der Axe
des Eingangs sei. Senkrecht auf diese Axe führt er im kleinen
Becken vier parallele Schnitte. Der erste ist die Fläche des
Ewgangs, der zweite geht durch das Ligamentum arcuatum und
VII. Literatttr. 30ft
die Mitte des zweiten Kreuzbeinwirbels , der dritte darcb die
Spinae ischii, der vierte erstrecke sich rings um die Spitze des
Steissbeines als um einen Mittelpunkt. Diese Auffassang der
Beckenhöfale als eines geraden, nur nach unten veijüngten Canals
macht er durch Photographien der Aussenflächen und Durch-
schnitte eines Gipsausgusses deutlich.
Die Schwangerschaft bezeichnet H. als einen Zustand hoch-
gradiger Plethora und empfiehlt reichliche Aderlässe, wie sie von
seinem Lehrer Davees vielfach zu 60 — 60 § angewandt worden
seien.' £r bekämpft mit grossem Eifer die Theorien, welche
eclamptische Convulsionen aus Blatarmuth, Urämie, Cholämie oder
Toxicämie herleiten, und lässt nur Plethora als Ursache derselben
gelten. Uebrigens empfiehlt er Schwangeren Fleischnahrung mit
starken Gewürzen. Daneben sollen sie Milch, FleischbrOhe und
Sappen, alkoholische (!) Getränke, starken Kaffee und Thee ge-
niessen. Bei nervöser Reizbarkeit Antispasmodica, besonders nach
Meigs Eisenhutwurzel. — Als Spätgeburt führt H. eine solche
Schwangerschaft von 330 Tagen aus seiner Praxis und zwei Fälle
von Detees, in welchen todte Kinder 26 und über 29 Monate lang
getragen worden seien, an Umgekehrt habe er eine Dame beob-
achtet, welche nach höchstens 169 Tagen ein lebendes und später
kräftig aufgewachsenes Kind geboren habe. — Als Belege für
Super foetation durch mehrere rasch sich folgende Beischlafe er-
zählt er: Bei Philadelphia wurde eine Frau von einem weissen
und einem Mulattenkinde entbunden; sie gab zu, bald nach der
Umarmung eines Weissen von einem Neger beschlafen worden
zu sein. Ein ähnlicher Fall sei in Charleston vorgekommen, wo
eine Frau eine halbe Stunde später, nachdem ihr Gatte sie ver-
lassen habe, von einem Neger beschlafen worden sei.
Bei Darstellung des Mechanismus partiis legt H. grossen
Werth darauf, dass „Presentation" nur auf den Theil angewandt
werde, welcher sich in der Mitte des Beckens und Scheidekanals
einstelle, und polemisirt gegen Naegele, welcher den Ausdruck
anders gebraucht, also den Geburtsverlauf anders dargestellt habe.
H. behauptet nämlich, dass nicht ein Scheitelbein oder ein anderer
Seitentheil bei der gesundheitsgemässcn Geburt die Presentation
bilde, sondern immer nur ein Punkt der Pfeilnaht oder ihrer Ver-
längerung. Die Geburt mit der vorderen Fontanelle, der Stirn
und dem Gesichte voran schliesst H. von den natürlichen Ge-
burten aus. Die Hinterhauptslagcn „vertex presentations" theilt
er nach Baudehcque in sechs Positionen ein: left occipito- ante-
rior, right occ. ant, occ. pnbic, left occipito posterior, right occ.
post., occ. sacral. Die Position mit dem Hinterhaupt nach vorn
und rechts hält H. für nicht so selten, als es Naegele angiebt.
Auch die occ. pubic habe er mehrmals, Deweea 3 Mal beob^htet,
die occ. sacral Dewees 3, Meigs 2 Mal. • Von der rechten and
der linken orc. post giebt er zu, dass sich, wie NuegeU gefunden
396 Vit. Literatur.
hat, das Hinterhaupt gewfthnlich nach vom drehe, aher es thüe
dies nicht immer. Der Geburtshelfer solle daher das Hinterhaupt
zeitig mit dem Plnger und Hebel vor die Spina iachii nach der
Symphyse zu bringen suchen.
Während H. die manualen Operationen nur kurz bespricht?
behandelt er die instrumentalen ausführlicher. Er schlägt vor,
die Schlinge „the fillet" nicht nur zur Sicherung vorgefallener
Theile, sondern auch zum selbstständigen Operiren, besonders in
Steisslagen zur Extraction zu verwenden. Dazu soll die Schlinge
aus einem längsgefalteten , durch ein Bougie oder einen Fisch*
beinstab oder durch Draht verstärkten Bande bestehen, welches
gebogen und wohl beölt eingeführt und dann von dem stützenden
Stabe befreit werden soll. Zur leichteren Einführung soll man
unter Umständen eine Röhre mit federndem Stifte darin, oder
eine vergrösserte Bello&Bche Röhre anwenden. Den stumpfen
Haken stellt H. der Schlinge nach : er sei zwar leichter anzuwen-
den als die Schlinge, aber viel gefährlicher. Den Gebrauch des
Hebels findet er lange nicht ausgedehnt genug. Man soll ihn
erstens zum Zug, namentlich zum Herabziehen des Hinterhauptes,
dann als Hebel im engeren Sinne, vorzüglich bei der horizontalen
Drehung des Hinterhauptes anwenden.
Gegenüber den englischen kurzen Zangen empfiehlt H. sehr
die langen französichen, als deren Muster er die von Baudelocque
anführt. Zangen, welche von Deutschen angegeben sind, scheint
er wenig zu kennen und zählt dieselben den kurzen zu. Nur
das Schloss der r. Siebold'schen Zange, welches die Vortheile des
englischen und französischen vereinige, empfiehlt er. Seine eigene
Zange ist damit versehen, sonst eine zierlichere Nachbildung der
Baudelocque^schen. Sie ist 17 § schwer, 16" lang und hat eine
sehr starke Kopfkrümmung, welche erst am Ende der Arme an-
gebracht ist. Die Fenster sind sehr gross und ihre Ränder auch
nach der Breite gekrümmt, so dass die Arme zum Umfassen eines
kugelförmigen Körpers besonders geeignet erscheinen. Tiefe Nar-
cose soll bei dem Gebrauche der Zange nicht eingeleitet werden,
denn Anlegung wie Ausziehung dürfe der Patientin nicht schmerz-
haft, ja von ihr nicht bemerkt (\) werden.
Statt der verschiedenen Instrumente zur Craniotomie empfiehlt
er zwei über das Blatt gebogene Scheeren, deren äusseres Blatt
verlängert ist. An der einen ist dasselbe spitz und soll in den
Schädel so eingestossen werden^ dass man die Oeffiiung von dem
Einstiche aus erweitern kann. Dann soll man mit der andern,
deren längerer Arm oben stumpf ist, die Eröfl'nüng des Schädels
vervoliständigen. Entschieden verwirft H die in England zum
Ausziehen des geöfi^neten Kopfes gebräuchlichen scharfen Haken
^crotchets" und empfiehlt statt derselben die „deutsche enten-
schnabelförmige ", odei' eine von Meigs angegebene gel>ogene
Zange. Noch mehr empfiehlt er die Cephalotribeu , von denen
Vn. .Literatur. 397
er nur die Baudelocqtie^hche und die Braun'sche kennt, indem
die Cepbaloiripsie seines Wisseos weder in Amerika noch in
England vorgenommen worden sein soll. £r selbst hat die
Bäudeloeque^hche abgeändert und sein Instrument „compressor
cranii" genannt. Es wiegt 3} Pfd. und ist mit einer Kopfkrüm-
mang versehen, welche das Ausgleiten des Kd^fes verhüten sulL.
Die Arme werden durch eine 4.J " lauge Schraube mit einer
Schraubenmutter in beweglicher Nuss an dem einen Griff, nach-
dem der andere an die lange Schraube des erste u befestigt wor-
den ist, aneinander getrieben Das Schloss gleicht dem an seiner
Zange.
Den Kaiserschnitt soll man in der ersten Geburtsperiode
machen. H. erzählt, dass Gibson in Philadelphia an einer
Patientin, die schon 2 Mal durch Craniotomie wegen zu engen
Beckens entbunden worden war, 2 Mul den Kaiserschnitt voll-
zogen habe
Stirnlagen räth H. in Hinterhauptslagen zu verwandeln und
dazu den Hebel zu benutzen, da« die Spitzen der Zange leicht
ttber den Kopf hinausreichen und den Hals, die Schultern, oder
wie er selbst beobachtet hat, die Nabelschnur verletzen und Blu-
tungen hervorrufen könnten. Bei todtem Kinde bat er auch durch
den stumpfen Haken Stirnlagen mit gutem £rfolge in Gesichts-
lagen verwandelt. Bei Gesichtslagen , besonders wenn das Kinn
nach hinten sieht, hält H. die Anwendung der Schlinge für sehr
nützlich. Wenn man sie zwischen Hals und Hinterhaupt gebracht
habe,' was man mittels biegsamen Stabes oder fej/oc'schen Böhr-
chens wohl thun könne, habe man es in der Gewalt, das Hinter-
haupt herabzuziehen. Gleichzeitig soll man das Kinn hinauf-
Bchieben. Viel käme dabei auf die Richtung des Zuges an, der
immer in der Richtung des Diameter cervicobregmatic. gemacht
werden müsse, also bei dem Herabrücken des Hinterhauptes
allmälig mehr nach hinten.
Auch beim nachfolgenden Kopfe verwirft H. die Anwendung
der Zange und empfiehlt nach fruchtloser Anwendung der Finger
und des Hebels einen kurzen stumpfen Haken an den Rand der
Augenhöhle („child still livingl") oder in die Nasenhöhle einzu-
setzen, während man das Hinterhaupt in die Höhe schiebt.
Bei Querlagen soll man erst die äussere Wendung auf den
Kopf versuchen und vorzüglich durch passende Lagerung unter«
stützen. Wenn das Kind todt ist, soll man es am besten mit einem
in den Beckenrand eingesetzten Haken ausziehen.
Den fehlerhaften Becken widmet er nur wenig Raum. Bei
Nordamerikanerinnen sollen die aus schlechtem Lebensunterhalt
entstehenden Krankheiten sehr selten sein: „Malacosteon" komme
hauptsächlich in England vor und werde daher „englische Krank-
heit" genannt.
Gegen Krampfwehen empfiehlt H. hauptsächlich Aderlässe»
398 Vll. Literatur.
aber auch Narcose. Statt des Chloroforms räth er Aether zu
nehmen. Aether wirke zwar langsamer und unangenehmer, habe
aber noch nie einen Todesfall zur Folge gehabt, obgleich er in
Amerika regelmässig angewandt werde. Gegen „puerperale Cdn-
vnlsionen'' empfiehlt er mehrmaligen Aderlass, Narcotica per
rectum, Chloroform oder Aether. Dagegen räth er dabei von
künstlicher Beschlcuaigung der Geburt ab, besonders vom Blasen-
sprengen und Ton der Wendung. In demselben Capitel bespricht
er auch Uterusruptur, die er weniger von Verletzungen durch
Instrumente oder von mechanischen Geburtshindernissen ableitet,
als von ungeregelter Thätigkeit der Muskelfasern, vorzäglich
nach dem Gebrauche des Mutterkornes. In allen Fällen von
Uterusruptur, die er gesehen^ einen ausgenommen, habe man
vorher Mutterkorn gegeben.
Carl MarUfL
Hieber: Num versio in caput inter gravidita-
tem sit adhibeuda?
(Dissert. inaug. obstetric. pp. Regimonti Pr. MDCCCLXIY.)
Nachdem Verf. zuerst fttnf Fälle mitgetheilt hat, in deren
Einem allein die in der letzten Zeit der Schwangerschaft bei
querliegendem Kinde versuchte Wendung auf den Kopf durch
äussere Handgriffe von gewünschtem Erfolge begleitet war, wäh-
rend von den vier Obrigen drei Kinder in Steisslage und eines,
wo die Versuche nicht geglückt waren, dennoch ohne UiSe in
Kopflage geboren wurden, berichtet er über 20 Fälle, in denen
die Wendung auf den Kopf erst während der Geburt eingeleitet
wurde. Zwölf von diesen Fällen Hessen die Einleitung der Wen-
dung vor dem Blasensprunge durch äussere Handgriffe zu, wäh-
rend die acht übrigen mit äusseren und inneren Handgriffen
behandelt wurden. In den ersteren wurde die Wendung dadurch
herbeigeführt, dass die Person auf die Seite gelagert wurde, wo
sich der Kopf des Kindes befand, und an die Stelle, wo der
letztere durchgefühlt wurde, ein Kissen untergelegt wurde. Es
blieb stets der Kopf über oder im Beckeneingange, wo ihn die
nächsten Wehen fixirten, nachdem öfters zu ihrer Unterstützung
die Blase gesprengt worden war. 6 Mal wurde vollständiger Er-
folg erzielt, 6 Mal jedoch nur so viel, dass durch permanente
Seitenlage und unterliegendes Kissen der Kopf schliesslich ein-
trat; in den übrigen acht Fällen wurde die Wendung dadurch
zu Stande gebracht, dass in der Seitenlage die eine Hand innei-
lieh den Kopf einzog, während die andere äusserlich den Steiss
nach der Mittellinie zuschob. Der Ausgang war stets der ge-
wünschte.
Aus diesen Fällen zieht Verf. den Schluss, dass es weit mehr
am Platze sei, die Wendung auf den Kopf wäkrend des Beginnes
VII. Literatur. 399
der Geburt vorzunehmen , als jede andere Zeit und jede andere
Operation. Denn wenn auch die Wendung in der Schwanger-
schaft meist sehr leicht ausfahrbar sei (mit Ausnahme der Fälle,
wo eine abnorme Configuration des Uterus, z. B. herzförmige
Gestalt desselben, oder eine zu geringe Menge Fruchtwassers
zugegen ist), so sei doch der Erfolg auf der einen Seite kein
constanter^ wie aus obigen Folgen hervorgeht, auf der anderen
Seite aber auch oft unnöthig, weil, wie CreeU (unter 100 Fällen
66 Mal) und Hecker bezeugen, die Selbstwendung in der letzten
Zeit der Schwangerschaft oft einträte. Verf. schliesst sich daher
Hecker*8 Vorschlägen an, der nur das Liegen auf der betreffen-
den Seite und das Tragen einer eng anschliessenden Leibbinde
mit zwei, unter die Endtheile des kindlichen Körpers unter-
gestopfte Compressen empfiehlt, um so die Selbstwendung zu
begünstigen.
Dagegen bezeichnet Verf. als die heilsamste aller Operationen,
in den Fällen, wo die Selbstwendung nicht eintritt, die künstliche
Wendung auf den Kopf zu Beginn der Geburt, da hier alle
Unterstützungsmittel leichter oder nur für kürzere Zeit anzu»
wenden seien, und für den Fall, dass sich der Kopf nicht fixiren
liesse, immerhin noch das Sprengen der Blase zu diesem Ziele
führen könne.
Nachdem Verf. schliesslich noch die dieser Operationsmethode
gemachten Einwürfe widerlegt, vergleicht er kurz den Erfolg
dieser Operation mit der Wendung auf die Füsse; bei ersterer
kamefi alle Kinder lebend, bei letzterer gehen nach Hecker ziem-
lich \ derselben zu Grunde. Die erstere gelang in sechs Fällen
sogar noch nach Reposition der Nabelschnur oder kleinerer Theile^
die sonst bei Querlagen gar nicht unternommen werden ; auch die
Prognose für's Wochenbett ist bei ersterer bedeutend besser, weil
der Uterus weniger gereizt wird.
(\ Spiegelherg: De cevicsis uteri in graviditate
mutatiuaibus earuuKjue quoad diagnoäin
aestimatioue. Kegimouti 1865.
Verf. hat in dieser Gelegenheitsschrift die von ihm auf der
Naturforscherversammlung zu Giesseu mitgetheilten Beobachtun-
gen über die Längenveränderungen , welche der Mutterhals in
der Schwangei-schaft erleidet, näher auseinander gesetzt. Er hebt
zunächst hervor, dass man von einer isoliiten Betrachtung der
Vaginalportion absehen und den Cervix in seiner Totalität bei
Beurtheilung dieser Frage berücksichtigen müsse ; denn jene, die
eigentlich nur eine Duplicatur der Scheidenscbleimhaut bildet,
bietet so viele individuelle Modificatiouen , dass keine für alle
Fälle gültige Beschreibung derselben zu geben ist. Sic hat auch
allein zu der Lehre vom „Verstreichen" Anlass gegeben, indem
400 VII. Literatar.
9ie sehr oft wirklich kürzer wird. Dies ist aber nur die Folge
der Lockerung und Massenzunahme der Schleimhaut des Schei-
dengrundes und des supervaginnlen Bindegewebes, wodurch der
Ansatz jeuer an den Cervix den Muttermundslippen naher rückt;
ja es kann vorkommen^ dass die Vagina Ischleimfaaut, ohne einen
Winkel zu bilden, dircct auf die Labia uterina übergeht, die Por-
tion ganz verschwunden erscheint — ähulich wie die Brustwarze
in Folge der Schwellung und Erhebung ihres Hofes in der zwei-
ten Schwangerschaft shälfte verkürzt erscheint, ohne es wirklich
zu sein.
Die Länge des eigentlichen ilalses aber ist vom Scheiden-
grunde aus schwer zu taxiren, weil seine oberen Grenzen durch
die Lockerung verwischt worden und weil in den letzten Monaten
das durch den vorliegenden Kopf herabge drängte untere Uterin-
segment den Hals nach hinten treibt und so dem untersuchendea
Finger unzugänglich macht. Wo dieses nicht der Fall ist, wie
bei hochstehendem Kopfe, bei Beckenend- und Schieflagen, kann
mau sich oft auch von der Scheide aus von dem unverkürzten
Zustande des Halses überzeugen.
Sicher aber gelingt dies nur durch Messung der Lange des
Gervicalkanales, und durch diese Untersuchungsweise fand Verf.
in einer sehr grossen Zahl von Messungen, dass die L&nge —
für die er im nichtschwangeren Zustande durchschnittlich etwas
über i'' P. (nach Krause) annimmt — unverändert bleibt,
80 lange nicht Gontractionen das Ei gegen den Canal
vordrängen und so seine Wände auseinander trmen.
Je resistenter der untere Abschnitt des Uterus, je mehr gespannt
er ist, desto früher wird der Canal kürzer, und daraus erklärt
sich das verschiedene Verhalten desselben bei Erst- und bei
Mehrgeschwängerten. Die Verkürzung des C anales giebt
also nicht über den Termin der Schwangerschaft, son-
dern nur über das Herannahen der Geburt Aufschluss.
• Nachdem Verf. seine Untersuchungsweise an einer Zahl von
Beispielen erläutert, geht er auf die Frage von der Zeitbe-
stimmung der Schwangerschaft überhaupt ein, and
führt als Momente, welche diese zu beantworten im Stande sind,
an: die Ausdehnung des Uterus, die Entwickelung seines unteren
Abschnittes im Verhältnisse zu der des Grundes, die durch gleich-
seitige innere an4 äussere Untersuchung zu bestimmende Grösse
des Foetus, den Grad der Lockerung der inneren Genitalien und
der der Reizempianglichkeit des Uterus. Eine Anzahl von Mes-
sungen des Höhenstandes des Utcrusgrundes oberhalb der Scham-
fuge aus verschiedenen Schwangerschaftsmonaten ist noch beige-
fügt; eb hat sich kein bestimmter Anhalt aus ihnen ergeben.
Drnck von G. fieri^tein in Berlin, Behrenstr. 06.
MofLiiy.ri'j f GekroVi.Ti BiXJiV Hl"' '
Tbf. l
1 l/i-^.-c'ii-a-c^'fi.-A 0.C '.'M* jH
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*^
Monatsschrift
für
GEBÜRTSKUNDE
und
Frauenkrankheiten.
Im Verein mit der
Gesellschaft für Geburtshülfe in Berlin
herausgegeben von
Dr. C. S. F. Cred6,
ITofratb, ord. Prof. und Director der EntbindungR- Anstalt In L'oip/i^' etc.
Dr. C. Hecker,
Uofratb , ord. Prof. nnd Director der Entbindtings • Anntalt In München, Ritter rtc
Dr. Ed. Martin,
Of*h. Rath, ord. Prof. und Director der Entbindtings -Anstalt in Berlin. Ritter otc.
Dr. F. A. von Ritgen,
nch. Rath, ord. Prof. und Director der Entbindung« -Anstalt in Oie<iscn,
Corothur etc.
Sechsaiidzwanzigster Band.
Mit sschn Tafeln Abbildungen.
Reriin, 1865.
▼erlag von Angnst Hirschwald,
'"•-> r. i\. IJndon, Erko «lor Srlia<1o«-Stra»<«5r
Inhalt.
Heft I.
Seite
I. Verhandlang^en der GeselUehaft für Gebartshülfe io Berlin 1
C Braun: Ueber eine Spritie la Injectionen in die
GebSrmntterböhle 1
Spiegelberg: Ueber die Bildung und Bedeatung des
gelben Körpers im Eierstocke 7
E. Martin: Zwei Fälle von Darmeinklcmmung durch
Exsndatfäden nach Wochenbetten; bei der einen
Kranken ein Uterus bilocnlaris 17
Klebe : Vorlegung eines Präparats von Ovarialcystoiden
(Adenome) 19
. L. Mayer: Ueber Atresia vaginalis acquisita 20
II. Ueber ein cystenartiges Gebilde im Nabelstrange einer
Tranbenmole. Von Dr. Oekar Hahn. (Mit Abbildung.) 33
III. Beiderseitiges Cephalhaematoro. Von Dr. Äbegg .... 43
IV. Achtundvierzigster Jahresbericht über die Ereignisse in
dem Entbindungsinstitute bei der königl. sHchs. Acade-
mte zu Dresden im J. 1861. Von Prof. Dr. Oreneer, königl.
sUchs. Geh. Med.-Rath etc 51
IV Jnhalt.
SflH
V. Notisen ans der Journal -Literatur:
Ludwig Füret: Zar Therapie der chronischen Metritis 77
J. Main Die Ansteckung bei dem Kindbettfieber . . 8(>
Marion Sima: Blutige Erweiterung des Mutterhalses 80
Heft n.
VI. Ueber die Anwendung der Intrauterin- Pessarien. Von
Dr. H. Hildebrandt t Privat -Dozenten in Königsberg
in Preussen 81
VII. Hin Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der reifen
menschlichen Eihüllen. Von Prof. Dohm in Marburg.
(Mit vier Tafeln Abbildungen.) 114
VIII. Ueber die in der geburtshülflichen Klinik zu Bonn^im
Sommer 1864 und Winter 1864/65 aufgetretenen puer-
peralen Erkrankun^n. Von G. Veit, (Fortsetzung folgt.) 127
IX. Notiien aus der Journal -Literatur:
G. L. Bonnar: Kritische Untersuchungen über Super-
foetation nebst Fällen von solcher 155
P. Müller: Bericht über die Ereignisse auf der unter
der Leitung des,6eheimraths Prof. Dr. v. Scamtoui
stehenden geburtshülflichen Klinik zu Wurzburg,
vom 1. November 1860 bis 81. Ootober 186S .... 158
F. Müllen Ein F^all von wiederholter totaler Um-
drehung des Kindes um seine Querachse im letzten
Schwangerschaftsmonate 160
Heft ra.
X. Ueber die in der geburtshülflichen Klinik zu Bonn
im Sommer 1864 und Winter 1864/65 aufgetretenen
puerperalen Erkrankungen. Von G. Veit. (Fortsetzung
und Schluss.) ' 161
XI. Hin neuer Untersuchungsstuhl für die gyuHkologische
Praxis. Von lyr. Ernst Mauke, Arzt in Hamburg. (Mit
einer Tafel Abbildungen.) 208
XII. Gerichtliche Gutachten über fleischliche Vergehen.
Von Prof. Dr. Hofmann in München 213
Inhalt. V
XIII. Notizen aus der Journal -Literatur:
0. Spiegelberg: Bemerkung^en über Hebelpesflarien
und Hartgnmmisonden 232
Grenet; Ueber Hjsterocautomie 233
XIV. Literatur:
CcuoUif Q.y secondo assistente cet., prospetto clinico
della regia scnola di ostetricia in Milano. Mil.)
Borroni, 1866. VIII. und 183 S. 8« 233
Derselbe^ rivista ostetrica e ginecologica. Mil., presso
la 8ociet& per la pnbbl. degli Annuli Univ. delle
Science cet. 1864. 32 S. 8®. V 283
[G. C<uati: Rivista ostretrica e ginecologicn.J .... 240
Heft IV.
XV. Verhandlungen der Gesellschaft für Geburtshiilfe in
Berlin 241
Junge: Fall von Graviditas tnbo-uterina 241
Bo9e: Ueber das Offenbleiben des Blase. (Mit Ab-
bildung.) 244
Kleba: Einige Präparate von Haematom derPlacenta 272
XVI. Ein Fall von Uterus und Vagina duplex, beschrieben
von Dr. Rabe^ Assistensarzt am Stadtkrankenhause
zu Dresden 275
XVII. Mittheilungen ans der geburtiihülfliohen Klinik zu Kö-
nigsberg in Prenssen. Von Dr. Carl Seydel, erstetu
Assistenten der Klinik 277
I. Einige Fälle von Eclampsia pucrpernlis 277
II. Beitrag zur Behandlung des Scheintodes der Neu-
geborenen. — Einführen von Luft in die Lungen
eines todtgebornen Kindes durch die AfarshaU-
HalVnoht Methode 284
XVlir. Gerichtliche Gutachten über fleischliche Vergehen.
Von Prof. Dr. Hofmann in München. (Fortsetzung.) 289
XIX. Notizen aus der Journal -Literatur:
W. Döniiz: Beschreibung und ErlHuternng von Dop-
pelmissgeburten 315
Oreenhalgh: Ueber Dysmenorrhoe 318
Haakei Zur Diagnose der Nabelsehnurumschlingung 319
Cohnatein: Mangel der Herztöne beim Sitz der Pla-
centa an der vorderen Uterinwand ........ 319
VI Inhfilt.
Soll-.
XX. Lit(.'rntiir: '
A. Poma, i solfiti. Lettera tersa al Dottor O. PolU.
Mil. 1866 3«0
G. Polliy sag^li effetti ottenuti dal solfito di inagnesia
Della febbre puerperale cet. Mil. 1865 S20
Heft V.
XXI. Verhandlungen der Gesellschaft für Qeburtahiilfe in
Berlin 321
Boehr: Ueber das Absterben eines Zwillings wäh-
rend der Schwangerschaft bei Weiterentwickelnng
des Anderen 321
Boehr: Fall von Graviditas tubaria 334
Martin: Ueber eine glückliche Ausstossang and
Ausziehnng eines ganzen extrauterinen Fötus
durch die Bauchdecken 336
Zober: Ueber Nabelblutungen 336
Martin: Zwei Fälle von phagedanischem Geschwär
am Muttermunde 342
XXII. Ueber Gewicht und Länge der neageborenen Kinder
im Yerhältniss zum Alter der Matter. Von C, Hecker 348
XXIII. Gerichtliche Gutachten über fleischliche Vergehen.
Von Prof. Dr. Hofmtsnn in Münohen. (Fortsetsun^r
und Schluss.) 363
XXIV. Notizen aus der Journal -Literatur:
Day: Eine Wanderniere giebt die Veranlassung zu
Symptomen der Schwangerschaft 387
V. Weber: Die Kephalotripsie mit besonderer Hück-
sieht auf Dr. Breiskifa Kephalotribe 388
Eaatlake: Ein Fall von Amaurosis, die acht Mal
nach den Entbindungen beobachtet wurde .... 389
Banon: Ueber die chirurgische Behandlung von
Vesico-Vnginal-Fisteln 390
(7. Braun: Ueber künstliche Frühgeburt durch See-
tang (Laminaria digitata) 392
R. Döbner: Sechzehn Fälle von künstlich eingelei-
teter Frühgeburt, beobachtet auf der geburtshülf-
liehen Klinik zu Würzbnrg, mit epikritischen Be-
merkungen 392
Inhalt. VII
Seite
XXV. Literatur:
Handbuch der systematischen Anatomie des Men-
schen. VonDr.iS.ZfsnZs. 11. Band. Eing^eweidelehre.
2. Liefr. Harn- und Geschlechtsorgane. Braon-
schweigr, 1864. pag. 278—534 394
Die corabinirte änssore nnd innere Wendung von
/. Braxton Hicka^ M. D. Lehrer der Geburtshülfe
u. Frauenkrankheiten u. Arzt am Ouy^s Hospital
2U London etc.; aus dem Englischen von Wil-
helm L. Küntkty Priyatdocent in Göttingen. Göt-
tingen 1865. 8. p. 86 395
£. KoeberU, de rovariotomie. Paris, 1865. 88 p. 397
Le m6me, Operations d^ovariotomie; avec 6 plan-
ches lith. Paris, 1865. 152 p 397
F. C. Fayej Beretning om Födselsstiftelsen i Chri-
stiania i Sexaars-Tidsrnmmet fra 1858 til 1863. 398
Heft VI.
XXVI, lieber Hypospadie beim Weibe. Von Dr. C. L. Hepp-
ner in St. Petersburg. (Mit einer Abbildung.) . . . 401
XX VII. Vierzigste Versamml. deutscher Naturf. u. Aerste in
Hannover 1865. Verhandl. d. Section f. Gynäkologie.
Berichtet von Dr. W. Küneke 421
Neugibauer: Gebnrtsfall e. doppelköpfigen Kindes 421
Kaufmann: Ursachen d. epid. Puerperalfiebers in
Gebäranstalten 423
Winckel: Ueber die Harnbeschaffenheit beiSchwan-
geren, Gebärenden und Wöchnerinnen .... 424
Homeyer: Behandlung des Prolapsns uteri .... 424
Martin: Modificationen in d. Technik d. geburtsh.
Wendung a. d. Füsse u. d. Ausziehung d. zuletzt
kommenden Kopfes 428
Schwartz: Präparat von Inversio uteri 436
Sehtoartz: Ueber die Häufigkeit des engen Beckens 437
Walz: Ueber die Therapie des Uteruskrebses . . 443
Müller: Ueber einen interessanten Geburtsfall . . 445
XXVIII. Zwei neue Fälle von Geburtscomplication durch
Uterusfibroide. Von C. Hecker 446
XXIX. Notizen aus der Journal -Literatur:
Sadler: Tubarsch wangerschaft mit einem Corpus
luteum im Kierstockc der anderen »Seite .... 459
Vrri Inhalt.
Seite
Philippart: Fall von Extranterin-Schwangerschaft 459
Baker Brown: Zwölf Fälle von Ovariotomie ... 460
Dominico Peruzzi: Fall von Ovariotomie 461
C, Hueter: Die Saftcaniile and Lympfgerdsse der
menschlichen Eihäute . . 462
W. Eis: Keob. üb. d. Bau d. Snngethiereierstockes 4GS
Rob. Lee: üeber die Behandlung der Sterilität . .465
Bennet: D.cfair. ßehandl. d.schmerzh. Menstruation 466
Johnson: Urinretention fUUchlicb für Geburtsstn-
^ium gehalten 468
0 . Spiegeliberg : Tiefe Blaaen-Uterus-Schcidenfistel;
Zerstörung der hinteren Muttermnndslippe n.s.w. 468
H. Davis u. G» Lawson: Nierengeschwulst, fiilsch-
lich für Ovariengeschwulst gebalten 469
Simsx Schmerzhafte Menstruation 470
PeUiachek: Gleichzeitiger Bestand einer intra- nnd
extrauterinen Schwangerschaft u. s. w 472
Hom: Ein Fall von Herausreissen der Gebärmnt-
ter aus dem Schoos einer Neuentbundenen . . 473
Baumann: Heilung einer spontanen Uterusruptnr 475
XXX. Literatur:
F, Winckel: Studien üb. d. StoflFwechsel'b.d. Geburt
u. im Wochenbette im Anschluas an Harnanalysen
b. Schwang.» Gebär, u. Wöchoer. Rostock, 1865. 476
O, V. Frangue: Beiträge zur geburtshülfl. Statistik.
Sep.-Abdr. a. d. 22. Hft. d. med. Jahrb. f. d. Her-
zogthum Nassau. Wiesbaden, 1865 478
E. Martin in Berlin an O. Veit in Bonn 480
I.
Verhandlungen der Gesellschaft für Oeburtshttlfe
in
Berlin.
Sitzung am 11. April 1865.
Herr Fürst (aus Franzensbad, als Gast anwesend) de-
monstrirt C, Braun's Spritze zu Injectionen in die
Gebärmutterhöhle.
Das Instrument ist zu Injectionen ilössiger Hedicamente
in das Gavum uteri bestimmt, und ist der Pravat*&chen
subcutanen Injectionsspritze nachgebildet; es besteht aus einem
21/2 — 3" langen Hart - Kautschuk - Rohre, welches nach Art
der Simpaon'schefi Uterussonde gekrümmt ist und am obem
Ende eine bewegliche Olive mit einei* seitlichen Oeffnuiig
zeigt, ferner aus einem Glascy linder, der zur Aufnahme von
zwölf Tropfen Flüssigkeit dient und drittens aus einem Ver-
läugerungsrohre, in dessen Innern ein Stempel läuft, dessen
Stempelstange mit Granentheilungen versehen ist. Was die
Injection medicamentöser Flüssigkeiten in die Uterinhöhle über-
haupt anlangt, so bemerkt Herr Fürsty dass es zunächst kei-
nem Zweifel unterliege, dass zuweilen nach Injectioneii in die
Gebärmutterhöhle heftige Schmerzanfalle im Unterleibe, oft mit
den Theilerscheinungen einer allgemeinen oder localen Peri-
tonitis auftreten können. - Die allgemeine Ansicht ist nun, dass
diese Zufalle durch Uebertritt der injicirten Flüssigkeit aus
dem Uterus durch die Tuben in die Bauchhöhle hervorgerufen
sind. Scanzoiu^s Experimente, die Herr Fürst öfter wie-
derholt, haben allerdings die Möglichkeit oder wenigstens
MonatMchr. f.Oftbnrtek. 1886. Bd. XXVI.. Hfl 1 1
2 I. Verliiindlnngen der Gesellschaft
Häufigkeit dieses Vorganges sehr unwahrscheinlich gemacht.
Bei zwei Fällen, wo nach einer äusserst vorsichtig vorgenom-
menen Einspritzung der Art bei einer Lebenden die heftigsten
Schmerzen auftraten, überzeugte sich Herr Fürst, dass er
es beide Male nur mit vehementen Uferinalkoliken d. h. Ute-
ruscontractionen zu thun hatte, die dann auch nach warmen
Umschlägen und der Darreichung einiger Tropfen Opium-
tinctur vollständig verschwanden. Unter allen Umstanden
scheint es bei einer mittleren Emplindlichkcit oder Reactious-
fähigkeit der Gebärmutter hauptsächlich von der Gewalt,
mit, der die eingespritzte Flüssigkeit in die üterinhöhle kommt,
abzuhängen, ob Schmerzanfalle folgen oder nicht. Ausserdem
ist es nöthig, vorerst die Quantität der zu injicirenden Flüs-
sigkeit genau zu kennen, damit nicht durch die zu grosse
Menge ein Ueberti'itt in die Bauchhöhle möglich werde, an-
dererseits aber auch die injicirte Menge mit der Uterusschleim-
haut gleichmässig in Beruhrimg zu bringen. Simmtlicbe Be-
dingungen werden durch die vorgelegte Spritze erfüllt, deren
TreibkrafL eine sehr geringe ist, so dass die Flüssigkeit nicht
herausgeschleudert wird, sondeVn nur seitlich allmälig tropfen-
weise hervorquillt. Bei 16 derartigen Injectionen fand Herr
Fürst, wenn er nur Acid. pyrolignosum einspritzte, gar keine
Empfindlichkeit der Gebärmutter; bei Einspritzung von zwölf
Tropfen einer Höllensteinlösung von einer Drachme Argent.
nitr. auf zwei Drachmen Wasser trat nur ein leichtes vor-
übergehendes Ziehen und Brennen ein. Bei chronischer Me-
tritis und Endometritis erwiesen sich diese Einspritzungen
vortheilhafter als die directe Aetzung der kranken Schleim-
haut mit dem Höllensteinstift, da die ätzende Flüssigkeit weit
schneller mit der erkrankten Schleimhaut in Berührung kommt,
als bei dt^r Aetzung mit dem Stift, wobei sich stets ein Sil-
heralbuminat u. s. w. mit dem vorhandenen Schleime bildet,
so dass die kranke Schleimhautoberfläche nur in geringem
Grade geätzt wird. Es gelang Herrn Fürst in allen seinen
Fällen, mit einer Ausnahme, die profuse Schleimabsonderung
mit zwei bis drei derartigen Einspritzungen wenigstens für die
Dauer der Beobachtung vollständig zu beseitigen.
Herr Martin bemerkt, da«s er auch, besonders frubw,
derartige Injectionen in die> Gebärmutterböhle öfters g4»macht
flir Oebnrtshfilfe in Berlin. 8
bähe; er habe sich dazu einer Messingspritze mit einer ganz
feinen Oeffnung bedient und mit dieser Lüsun$?en von Cnpr.
snlf,, Argent. nitr. und Tannin von Tersch#l»dener Stärke in-
jicirt. Wesentlich scheine ihm in Rücksicht auf die zu be-
fürchtenden llterinkoliken die Temperatur der zu injicirenden
Flüssigkeit zu sein, bei zu kalten Injectionen traten Jeichl
Schmerzanfalle auf. Bei hartnäckigen Blutungen, die durch
Schwellung der IJterinschleimhaut bedingt gewesen seinn.
hätten ^ derartige Einspritzungen durchaus keinen dauernden
Erfolg gehabt. Besser sei in solchen Fallen öfter das Ein-
legen eines Höllensteinslifles gewesen, der sich förmlich mit
dem erkrankten Gewebe verfdzte, so dass er nach mehr-
tägigem Liegen manclmial nur durch Einspritziirtg mit Wasser
zu entfernen gewesen wäre. Die vorgelegte Spritze sei be-
sonders wogen der seillich angebrachten OelTnung gewiss sohr
zweckmassig, nur furclite er, dass gerade diese seitliche OefT-
nung leicht durch Schleim sich verstopfen könne.
Herr C. Mayer hat sich schon wiederholt gegen der-
artige Injectionen in die Gebärmutterhöhle ausgesprochen, da
er selbst bei der vorsichtigsten Anwendung derselben schwere
Znfalle danach habe eintreten sehen. Was die Katarrhe der
Uterinhöhle anlangt, so unterliegt es keinem Zweifel, dass
sie zu den hartnäckigsten üterinleiden gehören und sehr
häutig zu Sterilität Veranlassung geben. Die Diagnose dieses
Leidens ist jedoch fast unmöglich unti berulit mehr auf einer
Wahrscheinljphkeitsannahnie, denn es ist schwer zu entschei-
den, ob der in solchen Fällen aus dem Muttermunde (piellende
eitrige Schleim aus der Gebärmulterhöhle oder nur aus dem
Cervicalkanal stammt. In den meisten Fällen durfte er niu'
in dem Cervicalkanal entstehen und dann seien die von Herrn
Fürst empfohlenen Einspritzungen nicht nölhig. Er habe in
solchen Fällen die Einspritzungen auf den Cervicalkanal be-
schränkt und sehr häuHg in Anwendung gezogen. Das dazu
angewandte Instmment sei ein einfacher elastischer Katheter
gewesen, an den er eine kleine Glasspritze angesetzt; man
sehe nun, wenn der Katheter nur in den Mutterhalskanal ein-
geführt sei , deutlich die Flüssigkeit sofort wieder al.tti«»ssen
und so sei ein Eindringen derselben in die riebärmutlerhöhlf*
und weiter unmöglich, lim die Aetzung mit iW kraiikiMi
4 I. VerhaudluD^en der Gesellschaft
Schleimhaut in direcle Berührung zu bringen, habe er immer
eine Einspritzung von lauen> Wasser vorausgeschickt. So
viel gebe er übrigens zu, dass mit der JSraun'schen Spritze
die Gefahr der Einspritzungen in die Gebärmutterhöhle we-
sentlich gemildert sei. Dass aber nach zweimaliger Aetzung
Uterinkalarrhe zum Stillstand gekommen, sei nach seinen Er-
falu^ungen überaus merkwürdig, auf jeden Fall könne doch
die gfeichzeitig bestehende Endometritis nicht so schnell zur
Heilung gebracht sein.
Herr Fürst entgegnet hierauf, dass natürlich bei be-
stehender chronischer Endometritis gewöhnlich die Therapie
gegen diese nicht ausser Acht gelassen werden dürfe. Er
theilt als Beispiel folgenden Fall mit: Eine junge Dame litt
seit 5 Jahren an einer chronischen Wulstung der IJterin-
schleimhaut mit erschöpfenden Menorrhagien und profusem
Schleiujfluss. Wiederholte Cauterisationen mit Lapis infer-
nalis, Cuprum sulf.. Stabchen von Tannin etc. reichten nebst
Sitzbädern und Vaginalinjectionen nicht aus, diesen Zustand
wesentlich zu ändern. Dagegen genügten zwei Injectiouen
mit der oben beschriebenen IlöUensteinlösung, um die Schleim-
absonderuug zu sistiren und die Menstruation normal zu
machen.
Herr Martin erzählt folgenden:
Aerztlichen Kunstfehler bei einer Entbindung.
Eine 39jährige Frau hatte 8mal leicht geboren bis auf
das erste Kind, das mittels der %nge entwickelt werden
musste. Die 9. Geburt hatte am normalen Ende der Schwan-
gerschaft eines Abends begonnen; nachdem am andern Mor-
gen das Wasser abgeflossen, der Muttermund vollständig er-
weitert war, gab die Hebamme Seeale, das sie von einer
andern Entbindung mitgenommen hatte und nach drei kräf-
tigen Wehen wurde ein kleines lebendes Mädchen leicht ge-
. boren. Die Nachgeburl wurde durch Zug an der Nabelschnur
entfernt. Die Entbundene wurde vom Gebm*tsstuhl aus in
das Bett geführt und befand sich hier anfänglich ganz wohl,
bis sich bald heftige Schmerzen im Unterleibe einstellten,
welche die Hebamme für Nachwehen hielt. Etwa 1 Stunde
daraut zeigte sich ein fremder Körper aus ihren Genitalien
hprausgetreten. Nachdem die Hebamme etwa V4 Stunde an
für Gebortshülfe in Berlin. 5
diesen) Körper manipiilirt hatte, ohne dass die Wöchnerinn
lebhafte Schmerzen empfand, wurde zu einem Arzt geschickt.
Derselbe fand seiner Aussage nach einen schwarzröthlichen
nmden Körper, etwa 1" weit zur Scheide herausragend, in
der Scheide selbst kam er bald auf eine Oeifnung, die er für
den Muttermund hielt. Er glaubte einen Fleischpolypen oder
eine Fleischmola vor sich zu haben , die er auf Verlangen
der Frau, die er übrigens für moribund hielt, entfernen wollte.
Zu diesem Zwecke brachte er die Frau auf ein Querbett und
ging unter den heftigsten Schmerzen der Frau mit der rechten
Hand in die Scheide ein. Nachdem er ohne Erfolg so eine
Zeit lang manipulirt hatte, ging er mit der andern Hand ein.
Die • Frau empfand während der ganzen Zeit die heftigsten
Schmerzen und blieb in einem anhaltenden Schreien. Nach
% Stunde forderte der Arzt die Hebamme auf, an dem
Körper zu ziehen und so wurde derselbe entfernt. Gleich
darauf trat eine Darmschlinge heraus, die repojiirt wurde.
Der Arzt liess noch einen Sandsack auf den Leib legen und
verliess die Wöchnerinn, die sehr bald darauf verstarb. Am
andern Tage erkannte .ein anderer Arzt in dem entfernten
Körper den Uterus mit seinen Adnexis, schnitt ihn an der
vordem Wand auf und conservirte ihn in Spiritus. 6 Wochen
nach dem Tode der Frau wurde in Folge einer anonymen
Denunciation die Leiche auf gerichtlichen Befehl wieder aus-
gegraben und die obducirenden Aerzte berichteten, dass die
Fäulniss noch so wenig vorgeschritten gewesen wäre, dass
mau die betreffenden Verhältnisse noch genau habe beurtheilen
können. Es habe sich weder ein Uterus noch seine Adnexa
gefanden, dagegen sei ein grosses Loch im Mesenterium und
in der Harnblase gewesen. Die Scheide sei abgerissen ge-
wesen. Die Obducenten waren der Ansicht, dass man es in
diesem Falle (nit einem Prolapsus uteri zu thun gehabt hätte.
Das Medicinalcolleg ersah aus den zu beschreibenden Ver-
letzungen an dem Uterus, dass dies wohl nicht der Fall ge-
wesen sei, ebenso spräche gegen eine Inversio uterf die Unter-
suchung des zweiten Arztes und das noch vorhandene Prä-
parat. Man gab schliesslich das Gutachten ab, dass es sich
hier möglicherweise um eine ßetroversio uteri mit spontaner
Zerreissung der Sclieide gehandelt habe, allenlings kenne man
6 I. Vorhand langen der Gesellschaft
liierlTir keinen Präcedeiufall. Ileir Martin fand zunäcb^t ao
(lern der wisse iiscliaftlicben Depulaüou eingesandlen Präparat
eine sterufurnuge Yerlelzuug aussen an der hintern Wand de;»
Uterus, ausserdem Trennungen seines Gewebes in Gestalt voii
Rissen, die in einer Länge und Tiefe von 1 — IV2" vom
Fundus herab nach dem Collum zu verliefen und zwar aul
beiden Seiten. Diese Verletzungen schienen mit den Nägehi
gemacht zu sein und lassen sich nur erklären, wenn man
eine Retroflexion des IJtcfus amiiinmt, mit vorheriger Durch-
bohrung des Scheidengewölbes, wo an der nach vorn gekehr-
ten hintern Wand des Uterus rohe Manipulationen vorgenoroaien
waren. Herr Martin fand nun zunächst in der Literatur zwei
Fälle, die hiei* mit heranzuziehen sind; der eine ist Major in
Lausanne vorgeliommen und später von Duhois besdiriebeo.
Es handelt sich um eine Relroilexion einer schwangern Ge-
bärmutter im 4. oder ö. Schwangerschaflsmonate mit voran*
gegangener Ruptur der Scheidenwand. Die Reposition der
Gebärmutter wurde vorgenommen und die Frau starb bald
danach. Einen ähnlichen Fall beschreibt Grenaer^ in welchem
die Frau ebenfalls staii). Diese Fälle sind jedoch nur an-
nähernd hier zu verwerthen, da sie die schwangei*e Gebar^
niutter betreffen, allein ein ganz analoger Fall ist im Jabre
1838 von Schnackenberg in Cassel beobachtet. Es zeigte
sich nach der normalen Entbindung einer Mehrgebärenden
unter heftigen Schmerzen in der Scham eine Geschwulst von
blaurolher Farbe, die Schnackenberg für den retix)l)ectirten
Uterus erkannte, der aus einem fühibaron Scheideuriss hei-^
ausgetreten war. SchnacJcenberg rej)onirte den Uterus mit
der Hand und liess die Frau dann 14 Tage auf dem Bauche
liegen, in weicher Lage dieselbe genass, so dass man noch
lange die Quernarbe des ehemaligen Risses in der Sdieide
fühlen konnte. Herr Martin erklärte demnach den oben an-
getührten Fall in seinem von der wissenschafllichen Deputation
angenommenen Gutachten ebenfalls für euie Retroflexio uteri
pust partum mit Austritt des Fundus jiach aussen durch einen '
Scheidenriss. Um Prolapsus uteri könne es sich hier nicht
gehandelt haben, da weder die Hebamme noch der Arzt etwas
von pjnem Muttermunde bemerkt hallen, fernei* sprachen da-
gegen die äusseren Verletzungen an der hintern Wand und
ffir Oeburtflhalfd in Berlin. 7
endlich erschiene es unmöglich, ohne liistiumente einen pro>
labirten Uterus bei bestehender Scheidenwand von seinen Ver-
bindungen zu trennen. Gegen die Annahme einer Inversio
uteri spricht die Beschaffenheit des Präparats, wo sich an
der Innenfläche des Uterus auch noch Piacentarreste und
Blutgerinnsel fanden.
Von den anwesenden Mitgliedern theillen die meisten das
von C. Mayer j Krieger und anderen geäusserten Bedenken,
dads es fast unmöglich erscheine, dass der Fundus des nach
der Geburt retroflectirten Uterus die hintere Scheidenwand
perforiren solle, ohne dass dieselbe vorher zerstört worden
sei, etwa bei Entfernung der Nachgeburt, Aoför aber kein
Anhaltspunkt aus den Acten sich ergeben hatte, wie Herr
Martin auf eine bezügliche Anfrage des Herrn Gussero w
bemerkt.
Sitzung am 25. April 1865. ^
Herr Spiegelberg (auswärtiges Mitglied) macht Miithet^
krngefi:
1) Ueber die Bildung und Bedeutung des gelben
Körpers im Eierstocke.
Nach der Angabe der Autoren beginnt die Bildung des
Corpus luteum nach dem Austritte des Eies als eine Wuche«
rUDg von den Zellen der Membrana granulosa aus ; nur Einige
lassen auch die bindegewebige Wand des Follikels an jener
Theil nehmen. Die gelbe Farbe soll grösstentheils von dem
ergossenen und veränderten Blute herröbi'en. Nach meinen
UDtei*duchtingen ist das Epithel des Follikels an der Bildung
des gelben Körpers gänzlich unbetheiUgt. Dieser besteht aus
grossen, vielgestaltigen, dicht gedrängten Zellen mit grossem
Kerne; eine Membran fehlt den Zellen; getragen sind sie von
einem zarten- Geräste eines aus länglichen Zellen und Kernen
bestehenden Gewebes, in welciiem die Gefasse enthalten sind.
Alle diese Elemenle stammen von der bindegewebigen FoUike^
wand . welche nach aussen in das OvaHalstroma ohne Grenze
übergeht. Reste des FoUikelepithels finden sich, in Zeifall
begriflen, nur in jungen* gelben Körpern, nocli in deren ceu-
3 !• Verfaandlnngfen der GeselUebaft
Iraler Höhle; sie hängen nirgends mit der eigentlichen Neu-
bildung zusammen.
Die ersten Anfänge des Corp. lut zeigen sich
aber schon lange vor der Ruptur des Follikels.
Schon bei Kindern, und ich sah dies bei solchen aus dem
2. Jahre schon, zeigt die innerste Lage der Wand des Eisackes
ein lockereres Gefuge als die äussere, von der sie sich In
continuo leicht abziehen lässt; und sie unterscheidet sich von
ihr durch eine deutlich gelbe Färbung. Diese Lage besteht
nur aus in reichlicher Neubildung begriffenen Bindegewebs-
zollen, welche von vielen weilen Capiilaren durchzogen sind
imd fast jeder Intercellularsubstanz entbehren; ein Tbeil der
Zellen und besonders die dem Epithel nächsten sind in Fett-
iiietamorpbose begriffen, wenigstens reichlich mit Fettkörn-
eben gefüllt Zur Zeit der Pnbertätsentwicklung wird diese
innerste Wucherungsschicht an den der Peripherie des Organes
zunächst gelegenen Follikeln mächtiger, die Zellen sind ge-
drängter, die Capiilaren bilden enge, dicht an das Epithel
heranragende Schlingen ; die fettige Metamorphose ist stärker;
die Epithelzellen selbst scheinen in solcher begriffen und zu
zerfallen, sie liefern wohl zum Theil die Follikelflössigkeit
(Luschka). — An den zur Ruptur bestimmten, dicht unter
der Serosa gelegenen Follikeln, sistirt aber an der vom Ovarial-
stcoma nicht mehr umfassteu PaHie die Wucherung, während die
Fettmetamorphose hier gerade stark ist Indem durch
fortschreitende Wucherung das Lumen des Follikels
verkleinert, die peripherischen Partien durch re-
trograde Metamorphose erweicht worden, bricht
endlich die Wand durch und tritt das Ei aus. — Der
Bluterguss ist beim Menschen wenigstens sehr unbedeutend,
ebenso bei der Kuh ; beim Pferde, dem Schafe fehlt er ganz,
beim Schweine ist er am stärksten.
Nach dem Bersten fallt der Follikel zusammen, seine
Wand legt sich in Falten; die Bildung von Zellen aus der-
selben gebt aber jetzt erst recht energisch vor sich, und die
Wand, welche jetzt die bekannten himähnlichen Windungen
' zeigt, wird sehr stark; das Ganze hat das Aussehen einer
dichten Granula lionsschichl. So wird die Höhle gefüllt, nur
im Centrum liegt in der Regel ein kleiner /^luterguss, welcher
für Qebnrtahiilfe in Berlio. 9
die bekannten Metanioipbosni durchmaclit. — Die Zellen der
gewucherlen Wand gehen dann fettig zu Grunde, nur das Ge-
röste mit den grösseren Gelassen bleibt. Durch diese fettige
Metamorphose wird die gelbe Farbe bedingt; wo sie an den
Zellen sehr früh eintritt, wo Neubildung mit Zerfall Hand in
Hand geht (Mensch und Kuh), ist der Körper immer gelb;
wo sie spät eintritt (Pferd, SchaO« hat er lange ein röthliches
fleischiges Aussehen. AUmälicb verschwindet so diese Zellen-
masse, und es bildet sich aus dem Gerüste derselben, dessen
Gefasse später ebenfalls zum Tbeil fettig zu Grunde gehen,
die sternförmige weisse Narbe, von der noch lange Spuren
bleiben. Wo der Bluterguss sehr reichlich war, ist die Narbe
noch lange dunkel gefärbt.
Noch möchte ich einige Bemerkungen über die mor-
phologischen Vorgänge bei der Ovulation anreihen.
Man sagt gewöhnlich, diese sei durch das periodische Reifen
eines Eies bedingt. Wenn wir aber aus einer Anzahl von
peripherisch gelegenen Follikeln die £ier betrachten, so finden
wir keinen Unterschied iu denselben ; sind sie überhaupt nor-
mal, so verhalten sie sich alle auf gleiche Weise. Wir haben
keine Mittel , einem Ei anzusehen , ob es ganz oder noch
nkht ganz reif .sei ; und wenn wir von einem Reifen der Eier
sprechen, so ist das eine hypothetische Annahme. Was wir
aber bei jeder Ovulation (Menstruation, Brunst) beobachten
können, ist das Reifen der Follikel, und dieses besteht
morphologisch iu der Zunahme der schon vorher begonneneu
Wuchenmg und fettigen Metamorphose der Foliikelwand. Ich
nehme an, dass reife Eier im geschlechtsreifen Zustande fort-
während im Ovarium enthalten sind und dass die morpholo-
gischen Veränderungen in der Ovulation vielmehr im Reifen
eines oder mehrerer Follikel, d. h. in einer Vorbereitung der-
selben zum Bersten bestehen.
Es ergiebt sich aus alledem somit, dass
1) das Corpus luteum durch eine Neubildung von Zellen
und Gefässen aus der innersten Schicht der Foliikelwand er-
zeugt wird; Hand in Hand mit der Neubildung von Zellen
geht deren fettige Metamorphose.
2) Dieser Prozess beginnt schon sehr lange vor der
Pubertät, steigert sich zur Zeil derselben, und bei jeder
10 1. Verfaandltingen der Geselisehaft -
M«fisti*uation und Brunst tritt er an einem »der niefarereD
Follikeln Aberwiegend hervor.
3) Er ist das Mittel, welches die Ruptur der Follikel zu
Wege bringt, und es bedarf zu deren Zustandekommen keiner
durch zweifelhafte muskulöse Elemente ^sgeäbten Vis a tergo.
Zugleich ist diese rasclte Zunahme der Wucherung der Fol-
likelwand und dei* Fettmetamoqihose der neugebildeten Zellen
die einzige Veränderung, welche wir zur Zeit der Ovuiatioo
an den betreffenden Follikeln nachweisen können.
4) Nach der Berstung des Follikels wuchern die zusaui-
niengefailenen Wände desselben stärker; am stärksten geschieht
dies, wenn Conception erfolgt ist, in Folge der in der Schwan-
gerschaft zuüehmendcn Blulfülle und der intensiveren nutri-
tiven Thätigkeit im Stronta des Ovarium. Die neugebildeten
Zellenmassen gehen aber bald fettig zu Grunde, nur deren
aus Gefässen und länglichen Bindegewebszellen bestehendes
Gerüste bleibt und bildet durch Schrumpfung die Folltkelnarbe.
Ausfährlicher davon an einem andern Orte.
2) Zur Aetiülogie des Cephaliini atonia neonatorum.
Am Cephalämatom der Neugeborenen haben immer seine
Entstehung und seine Behandlung interessirt. • lieber letztere
gehe ich hinweg, denu Jeder, der eine Reihe solcher FaMe
gesehen, weiss, dass der Blaterguss, wenn er nidit zu massig
ist, ohne jegliches Zuthun völlig schwindet, und dass ein
operativer Eingriff ihn in der Regel wohl schneller beseitigt,
dass aber auch hin und wieder ein übler Ausgang darnach
eintritt.
Die Genese des Ce]>haläniatQms dagegen ist noch nicht
aufgehellt. Die Mehrzahl dei* Geburtshelfer Ifindet sie in einem
mechanischen Einflüsse. Inmier aber isit es aufge/allen, dass
der Blulerguss sich auch nach relativ ganz leichten Geburten
findet, bei denen ein besonderes Trauma nicht nachzuweisen.
Nun habe ich 1) das Cephal. bei einer Frühgeburt von 6 Mo-
naten, welche in utero vor dem Blasensprunge abstarb, beider-
seitig beobacbtet; 2) dasselbe zwei Mal in der Eröffnungs*
periode nach finlj abgegangenem Fruditwasser am vorliegen-
den Scheitelbeine entstehen fühlen; 3) es bei in Sleisslage ge-
borenen Kindern gesehen, deren Köpfe rasch durchtraten.
für Geburtahülfe in Berlio. XI
iiadtden) die Geburl des ninnpfps lauge gedauert; 4) iinmer
liahe icl) das Gepliaiäu)ati>a) sehr bald naah der Geburt enlr
deckt und uicbt erst nach einigen oder 1 — 2 Tagen, und
ich glaube, dass solche Angaben aus niangeihafler Aufmerk-
samkeit entspringen. Halte ich nun mit diesen, zum Theil
auch schon von Anderen gemachten Erfahrungen die That-
süehen zusammen — welche aus einer Durchmusterung der
beschriebenen P'älle, aus Schwarzes Buche üher che vorzei-
tigen Athembewegungen, aus meiner Beobachtung sich ergiebt,
und auf welche jüngst JSimon in Hörn'» Vierldjahrsscbrift
aufmerksam gemacht — , dass nämlich bei Kimlern, beson-
ders bei denen, deren Kreislauf in der Geburt eine Störung
erlitt, sich so häufig subpericraniale Extravasate finden: so
schliesse ich, dass die Kopfbl utgeschwulsl der Neu-
geborenen als eine Theiler sehe] nun g der durcli
Störung des foetalen Gasaustausches und beson-
ders d urch vorzeitige A thembewegungen bedingten
Stauungen und Extravasate am kindlichen Körper
auzusehen ist; und dass, wo man Cephaläma toni
findet, man jene Störung aus der Geburt wird nach-
weisen können. Dass dasselbe so gern an den Schädel-
knochen entsteht, findet seinen Grund in dem Baue dieser,
deren diploeartige Substanz locker vom Periost bedeckt ist,
in welche die Gefasse des letzteren fast ohne jegliche Scheide
eintreten, also leicht zerreisslich sind.
Bei dieser Genese wird auch die Thatsache aufgehellt,
welche bis jetzt nicht erklärt ist, dass nämlich das ergossene
Blut immer flössig ist und nur hei massiger Ansammlung
wenige weiche Gerinnsel zeigt; es ist eben Blut, welches bei
drohender oder eingetretener Asphyxie ergossen wurde, also
bei einem Zustande, der immer dünnflüssiges oder niclit ge-
rinnbares Blut liefert, zumal beim Foetus, dessen Hut über-
haupt weniger leicht gerinnt Daher auch kommt es, da«s
das Blut, öffnet man die Geschwulst sehr bald nach deren
Entdeckung, an der Luft sich sogleich rötliet und zu einem
klumpen gerinnt. — Näheres werde ich später mittheilen. —
Herr Boehr erwidert in Bezug auf die letzte Miltheilung:
gegen die aufgestellte Hypothese von der Entstehung des
Cephalanjatoms, scheine ihm der Umstand zu sprechen, dass
12 I- Verhandlangen der Gesellschaft
dasselbe sehr häufig sein masse, wenn es Theilerscheinung
(les gehinderten Placentarkreislaufes wäre, hekanntermassea
sei dasselbe jedoch eine ziemlich seltene Erscheinung. Ferner
müsse es nach der angeführten Theorie ganz besonders häufig
bei todt- oder sterbendgeboronen Kindern beobachtet werden
und doch sei dies sehr selten, so selten, dass er unter all
den in dem Buche von Scktoarz über die vorzeitigen Athem-
bewegnngen angeführten Sectionsergebnissen sterbend- oder
todtgeborener Kinder keinen derartigen Fall sich zu erinnern
wisse ; die Erfahrung lehre auch, dass eben das Cephaläroatom
an lebenden Kindern zur ärzdichen Behandlung komme.
Herr Spiegelberg entgegnete hierauf, dass bei sterbend-
uder todtgeborenen Kindern bekannterniassen subpericranielle
Blutergüsse eine überaus häufige Erscheinung seien, dass diese
sich niciit zu Cephalämalomen, von denen sie doch nur gra-
duell unterschieden seien, entwickelt haben, liege eben darin,
dass die Kinder unter der Geburt gestorben seien.
Herr Boehr ist der Ansiqht, dass bei gestörtem Placen-
larkreislauf Blutergüsse an der innern Schädeloberfläche häu-
figer sein, mussten , wie dies auch aus den ÄcAtt;ar«'scben
Sectionsberichten sich ergebe, dass also für das Zustande-
kommen der äussern Cephaläinalonie noch andere Momente
massgebend sein mussten.
Herr Spiegelberg meint, dass gerade das Cephalämatoma
interaum sehr selten sei und zwar aus dem Grunde, weil die
Dura mater dem kindlichen Schädel weit fester und inniger
anliege, als das äussere Pericranium.
Herr Martin hat das Cephalämatom fast immer da ge-
funden, wo der Kopf an einer Steile des Beckens länger- auf-
gestanden hat, ferner häufig am hintengelegenen Scheitelbein,
wo die Wirkungeti eines Druckes der den Kopf getroffen,
leicht hervortreten. Aus diesen Gründen sei er der Meinung,
dass eine geringe Verschiebung der Schädelknochen aneinander
genüge , um eine Gefässzerreissung unter dem Periost zu be-
wirken und so entständen die Cephalämatome. Dass ein so
gebildeter, ursj)rünglich gewiss oft sehr kleiner Bluterguss be-
deutend wachsen müsse, wenn Stauungen in der Circulalion
hinzukämen, sei selbstverständlich. Für seine Ansicht von
für Oebartshiüfe in Berlin. 13
der Entstehung der Blutkopfgescliwulst sprächen auch die
Fälle, wo dasselbe bei Scliädelbrüchen beobachtet sei. In Be-
zug auf die Tlterapie dieser Affection, so halle er es nicht
für zweckmässig, die Heilung immer der Natur zu überlassen,
einmal sei dieselbe auf diese Weise eine sehr langsame und
dann blieben nicht selten Difformitäten des Schädels danach
zurück. Wenn die Eröffnung der Blutkopfgeschwulst bedenk-
liche Folgen gehabt habe, so sei dieselbe meist zu früh oder
durch einen zu grossen Schnitt unternommen worden, er er-
öffne alle Cephaläraatome am 10. Tage durch einen kleinen
Einstich und habe niemals danach üble Folgen gesehen.
Zur Bestätigung des von ihm Gesagten theill Herr Martin
folgende zwei Fälle mit: '
Bei einer kräftigen Erstgebärenden mit gut entwickeltem
Becken (Sp. U. 9V4" Cr. 11. 11" D. B. 71/4" D. obig. 8"),
begann am 16. November 1864 am normalen Ende der
Schwangerschaft Morgens früh die WehenthätigkelL Unter
regelmässigen Wehen war Abends 9 Uhr 55 Minuten die
Blase gesprungen, bei nahezu vollständig erweitertem Mutter*
munde und um 10 Uhr 40 Minuten erfolgte die Geburt eines
lebenden reifen Knaben verhältnissmässig schnell. Der Kopf
des Kindes hatte sich in erster Schädellage zur Geburt ge-
stellt und während des regelmässigen Durchtrittes durch den
Beckencanal war auf dem rectiten Scheitelbeine eine massige
Kopfigeschwulst entstanden. Die Kopfdurchmesser waren fol-
gende: die beiden queren 3 und SVa"« die geraden 4'/«
und 5".
Nach der Geburt zeigt sich auf dem rechten Scheilel-
und Hinterhauptsbeine eine massige Kopfgeschwulst, die ani
ersten Tage fast vollständig verschwindet Am 2. Tage jedo^
bemerkt man auf dem rechten Scheitelbeine eine etwa thaler-
grosse fluctuirende mit den Nähten abschliessende Geschwulst,
eine andere gleicher Beschaffenheit, von etwa Zehngroschen-
stück Grösse sass mehr auf der rechten Hälfte des Hinter-
hauptsbeins. 6 Tage später ist die Geschwulst auf dem
Scheitelbeine fast zu Gänseeigrösse augewachsen, länglich oval
gestaltet (Längsdurchmesser 8 Miliim. , Querdurehuiesser
5 Miliim.), die auf dem Hinterlmuptsbeine ist rundliclier ge-
worden (4 Miliim. im Durchmesser). Die Ränder sind iheil-
14 I. VfrrhandlnD^en der Gesellschaft
weise in einen schwielig harten Wall umgeändert. Das Wachs-
thuin scheint zu sistiren. Am 10. Tage wurden durch zwei
kleine Einstiche mittels der Abscesslancette die beiden fluc-
tuirenden Geschwölsle geöffnet und aus der grossem 2 — 3
Esslöffei voll, aus der kleinern über 1 Esslöffel voll sdiwarzen
flüssigen Blutes entleert, die SticholTnungen durch Heftpflaster
geschlossen. Die Genesung erfolgte ohne alle Störung in den
nächsten Tagen.
II. Querlag« (bei einer Erstgebärenden) Kopf i^echls,
Baucli vom. Wendung. Extraction eines tief aspliyctischen
Knaben, wiederbelebt durch Einblasen von Luft. Enges Becken.
Ophalämatoni auf dem rechten Os temporale.
Eine 29jährige gesunde Erstgebärende begann nach nor-
mal verlaufener Schwangerschaft am 21. November 1864 zu
kreisen. Bei vollständig erweitertem Muttermunde erkannte
man eine Querlage des Kindes mit nach vorn gerichtetem
Bauche, während der Kopf in der rechten Seite des Beckens
lag. Die Wendung auf den rechten Fuss wurde in linker
Seitenlage unter Choloformnarkose ziemlich leicht ausge-
führt. Die Extraction gelang bis zu den Schultern leicht. Der
rechte Arm hatte sich jedoch in den Nacken geschlagen and
es gelang nicht, ihn zu lösen. Der nach vorn gelegene
linke wird ziemlich leicht gelöst. Bei der etwas gewaltsamen
immer noch sehr schwierigen Lösimg des rechten Armes, zer-
brach die Clavicula des Kindes. Die Extraction des Kopfes
war ebenfalls nur durch grosse Kraflanstrengung möglich
Das Kind, ein Knabe, war tief asphyctisch. Nach Einblasen
von Luft von Mund zu Mund und nach Einführung des Ka-
theters in die Trachea kamen einzelne Inspirationen zu Stande
^1 nach ^/4Stundigen fortgesetzten Wiederhebungsversuchen
gelang es, das Kind vollständig zu beleben. Am 2. Tage
zeigte sich ein Cephalämatom , genau auf die Schnppe des
rachten, also des bei der Lähmung nach hinten gelegenen
Schläfenbeines beschränkt und wenig prall gefüllt. Dasselbe
heilte in wenigen Wochen durch Zertheilung. Der Ann des
Kimles wurde in eine Mitella gelegt.
Die mütterlichen ßeckenmaasse waivn folgende: Sp. ^Vi"-
Cr. 93/4". Conj. ext. 6". Obl. d, 7^ 2- s- Ö"- l'romon-
torinm- nicht zu erreichen.
für .OebnrUbülfe io Berlin. 15
Herr Weffscheider spricht sich entschieden dafür aus,
die €epha)gmalome der Natur zu überlassen. Er habe in
einer Reihe von Fällen die üblen Folgen der zu frühen Er-
öffnung (d. h. am 8. Tage) dieser Geschwulst zu beobachten
Gelegeilheit gehabt. An den grossen Anstalten zu Prag und
Wien gelte bekanntlich auch der Grundsatz, die Blutge-
schwülste nicht zu erölTnen und dies sei ja auch conform
deai Grundsätzen der Chirurgie, wonach man der Luft nicht
' gern den Zutritt zu Blutergüssen derart gestatte. Im Uebri-
gen sei die Heilung dieser Geschwulst allerdings langsam,
so entsinne er sich eines Falles, wo ein mit CephalaroüLom
geborenes Kind 4 Wochen alt, an einer Pneumonie gestorben
sei, hier habe er hei der Section noch eine ziemUch reich-
liche Fibrinsclticht unter dem Periost gefunden.
Herr Spiegelberg entgegnete zunächst den Anführungen
des Herrn MaHin, dass nach seiner Ansicht die Abtrennung
des Periostes nicht das Primäre für die Entstehung der iu
Rede stehenden AfTection sein könne, da bekanntlicii Cepha-
lämatonie oft nach den leichtesten Geburten entstünden. In
Bezug auf die Behandlung erwähne er nur, dass Baum iu
Göttingen ebenfalls ausschliesslich exspectativ dabei verfalu*e
und er (Spiegelberg) liabe nie einen Nachtheil davon ge-
sehen, am wenigsten könne die lange Dauer der Heilung als
solcher aufgefasst werden. Bei kleinen Einschnitten läge
immer die Gefahr der Wiedernnfüllung vor, während in zwei
Fällen von Eröifnung der Gesell wulst durch einen langen
Schnitt er beide Male den Tod der Kinder durch Pyaemie in
Folge der Eiterung habe eintreten sehen.
Herr Martin erwidert, dass nach seiner Anschauung
eine sehr geringe Abtrennung des Periosts zur Entstehung des
Cephalämatoms ausreiche, dazu sei keine grosse Gewalt er-
forderUch und dadurch auch das Auftreten desselben bei leich-
ten Gehurten erklärlich.
Herr Riedel spriclit sich schliessUch «ibeafdils für die
exspectative Behandlung aus, die er immer befolgt, seitdem
er einen unglücklichen Fall nach ErölTnung eines Cepha-
lämatoms gesehen hat. Naditheile hat er nie davon liemerkt,
sondern immer trat Heilung im Verlaufe von 4 Wochen ein.
Obwohl er wiederholt Kinder nach solchen Heilungen in ihren
16 !• VerfaandluDgen der Gesellschaft
späteren Lebensaltern zu beobachten Gelegenheit gehabt, habe
er nie die geringste Difformität des Schädels auffinden können.
Herr Cohnheim (als Gast) legt
Ein Präparat von Uterus bilocularis
vor und giebt dazu folgende Erläuterung: Das Präparat
stammt von der Scction einer auf der gynäkologischen Ab-
tbeilung des Herrn Martin gestorbenen Person (s. die nach-
folgende Krankengeschichte). Es fanden sich zunächst bei
Eröffnung der Bauchhöhle stark von Gas ausgedehnte, aussen
lebhaft geröthete Dunndarmschlingen, die an einzelnen Stellen
durch feine Exsudatstränge mit der ebenfalls lebhaft gerötbe-
ten andern Bauchwaud verbunden waren. Nach Aufhebung
dieser tynipanilischen Dänndarmschlingen stiess man in der
rechten Fossa iliaca auf ein Convolut sehr stark verengter,
ganz dunkelblaurother Dunndarmschlingen. Ueber dies Paket
hinüber reicht eiti dunkelblaurother derber Strang, von der
Dicke eines Sackbandes, welcher sich bei der Präparation als
ein bindegewebiger vascularisirter Adhäsionsstrang erweist^
der von dem Anfangslheil des an der normalen Stelle ge-
legenen Coecum nach einer Dunndarmschlinge hinuberreicht,
deren natürliche Entfernung von der Valvula Bauhini nicht
ganz 2 Fuss beträgt und welclie jetzt am Eingange des grossen
Beckens gelegen ist. Die Länge des Adhäsionsstranges beträgt
genau 2 Zoll. Das Paket Schlingen zwischen der Valvula
Bauhini und der eben erwähnten Darmschlinge, an welche
sich der Adhäsionsstrang inserirt, hat sich vollkommen zwi-
schen letzterem und dem Mesenterium hineingeschoben und
derartig eingeklemmt, dass die Communication des Dannrohres
an beiden Endpunkten, besonders aber im Verlaufe des Dünn-
darms selbst aufgehoben ist. In Bezug auf den Uterus, der
der Gesellschaft denionstrirt wurde, ergab sich folgender Be-
fund : Der Uterus war nach links geneigt und vergrössert.
Der Fundus durch eine gerade in seiner Mitte verlaufende
etwa V' tiefe Furche in zwei gleichmässig entwickelte Ab-
theilungen geschieden. Die Scheide ziemlich weit mit glatter
Schleimhaut, die eine eigenthümliche schiefrig-gefleckte Zeich-
nung trägt, die durch eine Pigmentirung in der Subnuicosa
bedingt ist Der Muttermund klalTl ein wenig, seine Lipppen
sind hier und da eingerissen mit überhänteten Rändern. Die
für GeburtflhSlfe in Berlin. 17
Höhe des Uterus beträgt in der Mitte entsprechend der Furdie
2^/4 Zoll, an beiden Seiten 3 Zoll. Die Breite des Fundus
3", seine Dicke ^l^'\ Der Cervicalkanal ist etwas weit und
ragt von) Orüicium int. her an seiner hintern Wand ein %"
langes, leicht bewegUches, ca. 2 Linien dickes, fleischiges An-
hängsel in diu hinein. Dieses bildet den Anfangstheil ehier
completen Scheidewand, die die Höhle des Uterus vom Ori-
ticiura int« bis zum Fundus iu 2 ganz getrennte Hälften theilt
und an der oben erwähnten Furche sich inserirt. Die Dicke
dieser Scheidewand beträgt überall 2 Linien. Von den beiden
Höhlen ist die rechte etwas enger, ihre Sclileimhaüt ist weich,
aufgewulstet, leicht schiefrig, mit trübem Schleime bedeckt.
Die linke Höhle dagegen etwas weiter, die Schleimhaut noch
mehr aufgewulstet, gelblich und findet sich hier an der hin-
tern Wand eine ^f^" hohe, 7«" breite, 1'" dicke Erhebung
der Schleimhaut von weicher, wulstiger Bescliaffenheit (Pia-
centarstelle). In beiden Ovarien findet sich kein deutliches
wahres Corpus luteum, am allerwenigsten im linken Ovarium.
Im rechten Ovarium findet sich eine kleine erbsengrosse Cyste
mit weissem talgähnlichen Inhalte, der mit Haaren unter-
mischt ist.
Im Anschluss hieran erzählt Herr Martin zwei Fälle
von Darmeinklemmung durch Exsudatfäden nach
Wochenbetten. Bei der einen Kranken ein Uterus
bilocularis.
1. Eine 40 Jahre alte Bauersfrau in einem 2 Stunden
von Jena entfernten Dorfe, welche bei ihrer ersten Entbin-
dung am 20. Februar 1849 den Beistand der geburtshulf-
liehen Poliklinik wegen einer Blutung in der Nachgeburls-
Periode verlangt hatte, war durch künstliche Lösung der
links vorn adhärenten Placenta von dem Verblutungstode ge-
rettet, erkrankte aber im Wochenbette an einer Perimetritis,
welche jedoch bald beseitigt wurde. Sechs Wochen nacl)
der Entbindung (Anfang April) trat ohne bekannte Vei'anlas-
sung heftiges Erbrechen mit lebhaftem Schmerze in der rechten
Weichengegend auf. Der Leib erschien in der rechten Seile
aufgetrieben ; der Stuhl war verstopft; von der Scheide aus
konnte nichts Abnormes ermittelt werden. Das Erbrecht)
Mouatsschr. f. Qebartak. 1866. Bd. XXYI., Uft 1 2
lg I. Verhandlungen der Oesellschaft
dauerte trotz aller Heilversuche fort, giDg in Rolhbreehen
über und die Kranke starb am 4. Tage der neuen Erkran-
kung, Die an dem folgenden Tage angestellte Section der
Bduchböble ergab die Incarceration mehrerer Döundarmschlin-
gen, welche dunkelscbwärzlichroth erschienen und eine feste
strangartige Pseudomembran, welche vor der Vordem Fläche
des Blinddarms zu einer Dünndarmschlinge verlief, und die
Einschnürung der darunter liervorgescbobenen Darmschlingen
bewirkte.
Der 2. Fall betrifit eben die Person, deren Seclionser-
gebniss Herr Cohnheim mitgetheilt hat. Die Patientin W.
Buchholz, 24 Jahre all, wurde am 12. April d. J. auf die
gynäkologische Station der Chaiite aufgenommen. Die Ana-
n)nese ergab folgendes : Pat. stammt von gesunden Ehern und
will in ihrer Kindheit ebenfalls stets gesund gewesen sein.
Menstruirt wurde sie in ihrem 20. Jahre nicht ganz rege]-
^massig, jedoch immer ohne Beschwerden. Nach einer normal
▼eHaufenen Schwangerschaft wurde sie im März 1863 von
einem lebenden Knaben leicht entbunden. Das Wochenbett
verlief ohne Störung. Die Regel stellte sich 6 Wochen post
partum wieder ein und blieb von da ab regelmässig bis Mitte
Juni 1864, wo erneute Conceptiou eintrat. Die Gravidität
verlief, ausser anhaltender Obstipation, ohne Beschwei*den.
Die Entbindung erfolgte am 22. Februar d. J. in der Ent-
bindungsanstalt und ist darüber Folgendes notirt: Die Wehen
begannen am 22. Februar Morgens 8 Uhr kräftig und regel-
mässig, der Blasensprung erfolgte 107a Dhr Vormittags imd
gegen 2 Uhr war der Muttermund vollständig erweitert. Der
Kopf lag in erster Schädellage vor. Der Leibesumfang be-
ti*ägt 90 Cm. 'Die Gestalt des Abdomen ist länglich rund.
Die Neigung des Fundus ist nach rechts, sein Höhenstand
handbreit über dem Nabel: eine dem Uterus scheinbai* an-
gehörende, doch durch eine deutlich fühlbare Einziehung im
Fundus von ihm abgegrenzte kuglige scheinbar fluctuirende
Geschwulst springt am rechten Seitenrande des Uterus henor
und erscheint mit demselben gleidizeitig verschiebbar, wäh-
rend der Wehe auch gleichfalls zu erhärten. Um 2 Ulir
45 Minuten j^rfolgte die Geburt eines lebenden massig ent-
wickelten Knaben in 1. Schädellage. Am 1. Tage des Puer-
für GebuTtshiilfc in Berlin. 19
perium sfellte sich in der rechten Regio iliaca Schmerzhaflig-
keit ein. Der Leib war etwas aufgetj-ieben ; Obstructio alvi
bestand schon seit mehreren Tagen vor der Entbindung. Die
Uteringegend schmerzfrei, obiger Befund, besonders - die Ein-
ziehung des Fundus, springt deutlicher hervor. T. 39,5^.
P. 108. Am 3. Tage Schüttelfrost, Zunahme der Schmerz-
haftigkeit rechterseits. Nach Ol. Ricini Abgang harter, bröck-
licher Scybala. Ord. Calomel gr. i 2stündl. Dos. Nr. V.
Hirud. Nr. VIII. Am 5. Tage nach mehrmaligen dünnflüssi-
gen Ausleerungen Abnahme der Schmerzhafligkeit und der
Aufgetriebenheit des Leibes. Am 4. März wird Pal. voll-
kommen genesen entlassen. Am 10. April ^erkrankte Pat
unter heftigen Leibschmerzen mit Auftreibung des Leibes und
Hess sich auf die gynäkologische Station der Charite aufnehmen.
Hier zeigte sich das Abdomen massig gespannt, auf Druck
besonders in der Gegend des Colon transversum äusserst
schmerzhaft. Dabei auch spontane Schmerzen im Leibe und
bedeuteude Athemnoth. Die Untersuchung ergiebt die Brust-
eingeweide als normal. Die Kranke giebl an, dass seit circa
3 Tagen Stuhlverstopfung vorhanden sei. Nach dem Gebrauch
von 6 Igränigen Calomelpulvern kein Stuhlgang, wohl aber
mehrmaliges Erbrechen grünlich gelber, äusserst faeculenl
riechender Massen. Clysmata sind ohne Erfolg. Ebenso
wenig ei'folgt am 13. und 14. April nach dem Verbrauch von
15 Gr. Calomel, Clysmata von Ricinusöl etc. Stuhlgang. Am
15. nach Anwendung der Clysopomps Abgang von einigen
festen KolhbaHen. Forldauerndes Erbrechen von dünnflüssi-
gen, hellgelben, kothig riechenden Massen. Schmerzen die-
selben. 16. April Status idem, ebenso am 17. und 18.
Tod am 19.
Sitzung am 9. Hai 1865.
Herr Klebs legt ein
Präparat von Ovarialcysloiden (Adenome)
vor. Die nicht sehr grossen Cysten nehmen f)eiderseiU die
ganze Masse der Ovarien ein, so dass fast kein normales
20 ^ Vorhaudlnngen der OeselUchaft
/
Ovarialgewebe aufzufiiideo war. Das Eigenthumlicbe des vor-
liegenden Falles bestand darin, dass auf der lanenfläche dieser
Cysten zahlreiche warzige Excrescentien vorhanden sind, die
der ganzen Oberfläche ein papilläres Aussehen geben. Wäton
Fox, der diese Gebilde neuerdings genau untersucht bat (Med.
chir. Transactions XXIX. S. 227—288) führt sie auf Papillen zu-
rück, die dann durch Zusammenwachsen röhrenförmige Drusen
herstellen, denen aber eine Membrana propria fehlt. Es siud
demnach diese Geschwulstformen als Adenome der Ovarien
zu bezeichnen. Wilson Fox ist von der drüsigen StrucUir
des fötalen Eierstocks soweit überzeugt, dass er diese cy-
stoiden Geschwülste des Ovariums als solche betrachtet, die
in Folge einer abnormen Wiederholung des embryonalen Ent-
wicklungsprocesses entstanden sind, obwohl es ihm nicht ge-
lungen ist, dieselbe direct darauf zurückzuführen. Herr Klebt
behält sich in Bezug hierauf eine genauere Untersuchung des
vorgelegten Präparates vor.
Herr L, Mayer hält einen Vortrag
lieber Atresia vaginalis acquisita.
Die übliche Trennung der Atresien der weiblichen Ge-
nital-Organe in angeborene und erworbene, hat zwar keine
erhebliche practische Bedeutung, wird aber immerhin audi
von diesem Standpunkte als berechtigt festgehalten werden
können. Erwägen wir die Momente, die für den Practiker
bei diesen Atresien von Belang sind, so beschränken sie sich
im Wesentlichen auf die Frage , welche Differenzen bieten
beide Arten für Vornahme und Prognose operativer Eingriffe.
Dies ist in der Symptomatologie der Verschliessungen der
weiblichen Sexual - Organe begründet, da sie Störungen er- -
heblicher Art einzig durch Retention des Menstrualblules und
der Secrete ' des Uterus hervorrufen , nur in vereinzelten
Fällen die fraglichen Atresien spontan durch das Andringen
der zurückgehaltenen Secrete zerreissen, wie es bei Atresia
hymenalis nicht ganz selten beobachtet ist, andernfaUs aber die
künstliche Eröffnung nothwendig wird. Für die operativen
Eingriffe nun ist es von grosser Wichtigkeit, welcher Art und
welcher Ausdehnung die Verwachsungen sind, und dann, wie
sich die Organe oberhalb derselben verhalten. Lassen Sie
uns nun von diesem Gesichtspunkt die erworbenen und con-
für Gebnrtshülfe in Berlin. 21
genitalen Atresien betrachten. Beide sind mit Ausnahme der
Defecte und der Atresia hymenaea, welche letztere durch ex-
cessive Bildung entsteht, auf Entzundungsprocess zurückzu-
fähren, durch welche bei den angeborenen während des ganzen
fötalen Lebens offene Kanäle geschlossen werden. In den erst
in der Entwicklung siebenden Organen stellen sich sehr innige
Verwachsungen her, dazu gesellen sich die bestehenden Ent-
zöndungsprocesse zu den anzuführenden Entwicklungsslörungen
benachbarter Organe. Die erworbenen Atresien dagegen sind
Verwachsungen in fertigen Organen, die in den leichten Fäl-
len ohne grössere Schwierigkeit zu trennende Verlöthungen
sein können. Es werden also geringere Innigkeit der Ver-
wachsungen einerseits und günstigere Verhältnisse für die
Beurtheilung der oberhalb der Atresie liegenden Organe an-
dererseits den erworbenen VerSchliessungen eine günstigere
Stellung in practischer Beziehung sichern. Die Vaginal- Atre-
sien gestatten noch eine weitere Eintheilung verschiedener
practischer Bedeutung. Die Afresia hymenaea, welche nur
congenital vorkommt, und wie schon erwähnt, sich durch ihre
Entwicklung als excessive Bildung von den eigentlichen Va-
ginal-Atresien unterscheidet, ist vermöge ihrer einfachen ana-
tomischen Verhältnisse, die am wenigsten geföhrlichste aller
VerSchliessungen des Genitalapparates. Wir wollen sie als
zu den eigentlichen Vaginal-Atresien gehörig nicht weiter in
das Bereich unserer Betrachtung ziehen.
Die Vaginal-Atresien sind entweder vollkommene oder
partielle. Die partiellen wiederum theilen sich in. zwei Arten
verschieden practischen Werthes. Nämlich diejenigen, die
am Introitus ihren Anfang nehmen und die Vulva oberhalb
frei lassen, und zweitens die in höheren Partien der Vagina
bestehendien. Die ersteren sind nach Angabe aller Autoren
seltener und schliessen sich, was ihre Prognose betrifil, den
hymenalen Atresien an. Der Ausdruck Atresia tncompleta
möchte am besten ganz vermieden werden , ' und zwar nicht
allein der in dieser Beziehung liegenden Contradictio in ad-
jeclo halber, sondern auch deswegen, . well eine Subsumirung
der Stenosen unter die Atresien ihrer diiferenten Symptoma-
tologie halber nicht zu billigen sein möchte. Das aber muss
zugegeben werden, dass bei einer Betrachtung der Atresien
22 I* Verhandlung«!] der QeselUcfaaft
die Stenosen als unvollkommene EntwickluugssLadieu der
Alresien berücksichügt werden müssen.
Lassen Sie mis jelzl, meine Herreu, auf eine etwas spe-
ciellere Betrachtung der erworbenen Atresien übergeben.
Die ibi*er Entstehung zu Grunde liegenden Eutzünduugs-
processe mit Zerstörung oberflächliclier oder tieferer Gewebs-
schichten und narbiger Zusammenziehung haben ziemlich zahl-
reiche ursächliche Momente. Als solche sind anzuführen,
erstens mechanische Einflüsse, unter diesen wieder
Cauterisation, Trauma durch Stoss, Eindringen fremder Körper
und Fall. So theill z. B. Bouchard (Bul. de Therap. Juiu
1853) emen Fall von Obliteration der Vagina in Folge schwe-
ren Falles auf das Kreuz n)it. Schwere Entbindungen mit
instrumentellen Eingriffen Ueferu unter den Ursachen mecha-
nischer Natur wohl das grösste Contingent von Scheidenver-
wachsungen. Beispiele sind nicht selten zu finden. Bryk
beschreibt in einer sehr beachtenswerthen Arbeit (zur Diagnose
der Atresien der weiblichen Gescldechtsorgane, Wiener Medic.
Wochenschrift) drei eigen beobachtete Fälle von erworbenen
Atresien und eine hochgradige Stenose. Unter den erstei'eo
ist die eine nach schwerer Geburt entstanden, sowie auch die
letzere auf eine gleiche Ursache zurückzuführen ist. Macon
Warren erzählt einen Fall, wo die vordere Wand der Vagina
zerstört, die Urinblase mit der hinteren Scheiden wand zu-
sammengewachsen war^ »und ein künstlicher Weg zwischen
hmterer Vaginalwandung und Rectum gebahnt wurde.
Eine liochgradige Vaginal-Stenose nach schwerer Ent-
bindung finden wir von Turnbull (Med. Exam. 1851) mit-
getheilt.
Schliesslich möchte ich unter die mechanischen Ursachen
der Vaginalverschhessungen noch unzweckmässige Pessarien
anführen. Ich selbst habe durch sie zwar nur Stenosen ent-
stehen sehen, das Zustandekommen von Atresien ist mir afber
hier unzweifeihafV, wenn icli erwäge, wie liefe und umfang-
reiche Zerstörungen der ^Scheid«», durch Pessarien hervorge-
rufen, ich häufig in Behandlung nahm. Nicht nur, dass die
Apparate ohne Rücksicht, ob passend, oder nicht, applicirt
werden, sondern sie bleiben auch Monate und Jalire in der
Vagina liegen. Besonders ist das Zwanck'sche Hysterophor
/ für Gebartsbülfe in Berliu. 23
geeignel, ti*olz seiner Unübertrefflicbkeit hei richtiger AuswaM
und Anwendung — liefe Coritinuitätsstörungeu zu veranlassen.
Es ist dabei auflallend, unter wie verhäitnissmäsiig wenig Be-
schwerden die Continuitätsstorungen fortschreiten können,
sobald die Anlange der Exulcerationsprocesse, die in der Regel
schmerzhaft sind, überstanden wurden.
So kajHt vor einiger Zeit eine Frau in meine Behandlung,
hei welcher Monate langes Tragen eines Zt^rancÄ^'schen Pes-
sariums, ohne Beschwerden zu verursachen, eine nicht unbe-
deutende Vesicovaginal-Fistel hervorgebracht hatte.
Einen ähnlichen Fall theilt Stetger in der Würzburger
Med. Zeitscbr. V. 2 u. 3, S. 129 mit. Hier hatte ein gleiches
Instrument 5 Monate in der Vagina gelegen und zwar —
horribile est dictu — ein zerbrochenes. Der eine Stiel des
Hysterophors war allmählich ohne jegliche Schmerzempfin-
duug in die Blase eingedrungen. — Eine weitere keineswegs
seltene Ursache für Obliterationen der Vagina ist in chroni-
scher Colpitis mit Zerstörung oberflächlicher und tieferer
Gewcbsschichten gegeben. Auch hier handelt es' sich nicht
um einfache Verlöthungeu , sondern es sind, was Eoaer für
jede Atresie geltend hervorhebt, Substanzverluste und narbige
Zusammenziehuugen Bedingung, werden die Muttermundslippen
wie dies zumeist der Fall ist, gleichzeitig Erosionsprocessen
unterworfen, so verlötlien sie sich schon frühzeitig mit den
Vaginal- Wandungen. Man beobachtet die ersten Anfange der
durch chronische Erosionsprocesse hervorgerufenen Verwach-
sungen der Scheide als ring- oder halbmondförmige Vor-
sprünge, einzeln oder in grösserer Zahl sich kreuzend und
Taschen bildend. Im weiteren Stadium erscheint bereits die
Vagina in ihrer Form verändert, verkürzt oder nach Oben
verengert, ein Theil der Vaginal-Portion, gewöhnlich die hin-
tere Lippe, fuidet sich wohl auch schon mit den Vaginal-
Wandungen verwachsen. Schreiten die Erosionsprocesse nicht
fort, so ist eine Stenose der Vagina gegeben, die sich durch
narbige Zusammenziehung bis zu einem bestimmten Grade
mehr verengt, und dan)it ist der Process abgelaufen. Bestehen
die Entzündungsprocesse mit Erosionsvorgängen fort, so ver-
engt sich die Vagina mehr und mehr und schliesslich bleibt
eine kleine Oeffirnng an irgend einer Stelle, die dem Meu-
24 !• Verhandiangeo der Oesellicbaft
strualblute und dem Secrete des Uterus Abfluss gestatlAL In
diesem Stadium habe ich hochgradige Stenosen bei ulceraüver
Colpitis bestehen sehen, oft Jahre lang. Möglich, dass das An-
dringen des Menstrualhlutes und der Uterinsecrete die völlige
Obliteration hemmt, oder Veranlassung zu einem erneuten
Aufbruch ist. Ich will aus einer ganzen Reihe von Beobach-
tungen nur ein Beispiel anführen. Eine 42jährige Wittwe
consultirte mich im November v. J. wegen Dysmenorrhoe,
Es fand sich die Vagina verkürzt, in den unteren Abschnitten
normal, in den oberen narbig zusammengezogen, die hintere
Lippe war in den narbigen Verwachsimgen aufgegangen, die
vordere sehr kurz, Orificiuni externum nach hinten. Der
obere Theil der Vagina erodirt, blutete bei der Untersuchung.
Die Frau litt an einem hartnäckigen Catarrh der Respirations-
wege und Rheumatismus, auf welche Leiden sich die Behand-
lung in den nächsten Monaten beschränkte. Als sie Anfang
März wieder explorirt wurde, war auch die vordere Lippe
in die Verwachsung hineingezogen, das Orificium uteri war
verschwunden, dagegen fand sich ganz rechts in dem Blind-
s^cke eine kleine Oeffnung, durch die sich das Menslnialblut
ergoss. Da die Vaginai-Portion in der Beckenenge stand, so
hatte sich das Menstrualblut einen Gang vom Orificium uteri nach
rechts offen gehalten. Nach der Menopause, wo ja ohnehin eine
Verengerung und Verkürzung der Vagina durch Atrophie Regel
ist, habe ich Obliterationen häufiger beobachtet und zwar ohne
bedeutendere Erscheinungen. Dagegen sind hochgradige Ste-
nosen durch Colpitis auch bei jüngeren Individuen nicht
selten. Das jüngste Individuum meiner Beobachtung war eine
25jährige Virgo inlacta. Wenig unter dem oberen Drittel war
hier die Vagina bedeutend verengt, indem hier die hintere
Wandung sich an dieser Stelle in das Scheidenlumen hinein-
zog. In dem Raum darüber verliefen mehrfache narbige
Stränge und Hervorragungen. Von der Vaginai-Portion fand
sich die vordere Lippe in einer Tasche, die hintere war be-
reits mit der Vaginal-Wandung verwachsen. Das Mädchen
hatte mich wegen Blutungen und Fluor albus zu Rathe gezogen.
Die Ursache dieser Symptome, wie der Stenose waren Ver-
schwärungsprocesse in der Portio vaginalis und der Vagina.
Unter den schon oben erwähnten Bryk'&chen Atresien
für OebnrUhfilfe in Berlin. 25
findet sich im Fall fif. eine lolale Verwachsung der Vagina mit
Hydronielra bei einem 18jährigen Mädchen nach katarrhal.
AflTection des Mutterrohrs. Diesen chronischen Verschwdrungs-
(irocesseu gegenüber, die deshalb, weil sie oberflächliche Ge-
Wehsschichten ergmfen, auch weniger energische Narben-Con-
tractionen hervorrufen, ^sind als gewichtigere Ursachen für
Entstehung voh Vaginal- Alresien vor Allem die diphteritischen
Geschwüre anzuführen, wie sie beim Typhus, bei der Cholera
und beim Puerperalfieber vorkommen. Sie haben, mit jenen
verglichen, einen acuten Gharacter, setzen in verhähnissmässig
kurzer Zeit umfangreiche tiefgehende Zerstörungen der Vagina
und bedingen je nach ihrer Form und Ausdehnung Stenosen,
oder Atresien. So Iheilt N4laton (Gaz. des höpit. Nr. 10.
25. Jan. 1853) eine Beobachtung mit, wo bei einer 40jäh-
ngen Frau nach einem heftigen Choleraanfalle sich ein durch
iNarbengewebe verschlossener Blindsack der Seheide fand, der
durch einen Troicart geöffnet werden musste. Die syphilitischen
Geschwüre schliessen sich den diphteritischen hinsichtlich der
Energie der Narben - Contraclion an, bei den krebsigen da-
gegen würde es kaum wegen der continuirlichen Abstossung
mortilicirten Krebsgewebes zur Verlöthung kommen. Stenosen
durch krebsige Infiltration bis zum scheinbaren Verschluss
(furch Aneinanderlagerung der infiltrirten Vaginai-Wandungen
sind dagegen nicht selten.
Die Symptomatologie der erworbenen Atresien des Mut-
terrohrs betreffend, so haben wir schon Anfangs erwähnt,
dass sie sich in wenigen Worten dahin zusammenfassen lässt,
dass die Vaginal- Atresien an und für sich nur dadn eine hohe
Bedeutung erlangen, wenn durch sie der Ahfluss grösserer
Quantitäten von üterinsecretionen , also vor Allem des Men-
strualblutes behindert wird. Vor der Pubertät und nach der
Menopause machen sie so wenig Beschwerden, dass etwaige
vorhandene Krankheitssymptome zumeist begleitenden Pro-
cessen zuzuschreiben sein werden. Aber auch während der
Geschlechlsreife können Vaginal - Atresien ohne Krankheitser-
scheinungen bestehen^ wenn Amenorrhoe vorhanden ist. Ich
führe hier an, dass Bryk in der erwähnten Arbeit zur Diagnose
der Atresien der weiblichen Geschlechtsorgane (Wiener Med.
Wochenschrift 1865, Nr. 16) darauf aufmerksam ntacht, dass
26 I- VerhaadloDgren der Gesellschaft
acute Krankheiten, wie Typhus, Cholera etc. die Atresia va>
ginalis zur Folge gehabt haben, gleichzeitig einen Schwuod
des Dterus mit Amenorrhoe bedingen können. Er theill eine
derartige Beobachtung bei einer 30jährigen Frau mit. —
Hinsichtlich der Erscheinungen, die durch AbflussbehiDdeniog
des Henstrualhiules und der Uterinsecretionen hervorgerufeo
werden, wollen wir bemerken, dass*die Ruptur der Hämato-
metra nicht immer absolut lethal sein wird. Es ist nämlich
von Wichtigkeit, ob die Ruptur innerhalb oder ausserhalb des
Cavuni peritonaei erfolgL Im ersten Falle wird der Tod
eintreten, im zweiten alter kann sich eine Haematometra bilden,
.die nicht absolut den Tod herbeiführt.
Die Therapie der Vaginal -Atresie beschränkt sich da,
wo diese überhaupt Gegenstand therapeutischer HaassDahme
ist, auf die Operation, durch welche eine Wegsamkeit der
Vagina wieder hergestellt wird. Bekanntlich sind die An-
sichten, ob bei angeborener Vaginal- Alresie operative £in>.
gri/Te statthaft, unter den namliaftesten Autoren auseinander-
getiend. Gewichtige Autoren, wie Dupuytren und ChdiuM
wollen in schwierigen Fällen die Unglücklichen sich selbst
überlassen, Busch, Scamoni, Kiwisch u. A. empfehlen die
Operation. Aller Ansichten stimmen aber darin überein, dass
die Operation von Zufalhgkeiten abhängig, leicht die traurig-
sten Folgen haben kann. Nicht ganz so ungünstig verhalten sich
die erworbenen Atresien. Ein grosser Theii derselben wird
nur leichtere mehr oder weniger ungefährliche Eingrill'e noth-
wendig machen. Troicart und Bistouri werden ausreichen,
und nicht complidrte Instrumente, wie sie für Eröffnung des
Cervicalcanals vorgeschlagen sind, erfordern.
Ich erlaube mir hieran die genauere Miltheilung eines
Falles von Atresia acquisila vaginalis zu knüpfen, die siel)
nach Diphteritis der Vagina entwickelte.
Anfang October 1858 wurde ich zu einer 28 jährigen
Schheidersfrau B, gerufen, die ich bereits zwei Jahre früher
an chronischem Magencatärrh behandelt hatte. Dieselbe, seit
dem 17. Jahre regelmässig menstruirt, war, ausser an dem
eben angegebenen Leiden, das sich liäufig wiederholte, trotz
anstrengender Beschäftigung als Dienstmädchen in einej- gros-
sen Wirthscbafl, nie krank gewesen. 1857 wurde sie von
rar Geburtshülfe in Berlin. 27
eiuem Typhus befallen, der eineu^fast dreinionatlicbeii Auf-
enthalt in Betlianien notliwendig machte. Von dem Arzt, der
sie damals in dieser Anstalt behandelte, erfuhr ich, dass eine
umfangreiche Diphteritis der Vagina mit vorhergebender Los-
stossung grosser Schleimhautparthien den Typhusprocess be-
gleitet hatten, und dass sich danach bei angestellter Unter-
suchung ein . tiefes circuläres Geschwur im oberen Drittheil
der Vagina gefunden. Während des Typhus cessirten die
Menses, und als sie nach 14 Wochen, nachdem die Kranke
bereits Bethanien verlassen, wieder erschienen, waren sie von
liefügen krankhaften Schmerzen begleitet, dauerten acht bis
neun Tage, wahrend sie früher nur drei Tage geflossen waren ;
auch zeigte das Blut jelzt eine blasse, schleimige Beschaffen-
heit. Sechs Mal traten sie mit Steigerung der Schmerzen
ein, ohne dass Leucorrhoe oder sonstige Erscheinungen in
den Zwischenzeiten vorhanden gewesen. Dann blieben sie
aus. Da Frau B, sich inzwischen verhoirathet hatte, glaubte
sie Gravida zu sein, wiewohl die Immissio penis nie voll-
konmien, und nur unter Schmerzen hatte vollzogen werden
können. Sie schob auch Schmerzen, die sich vier Wochen
nach der letzten Menslruatiou fanden, auf die vermeintliche
Schwangerschaft. Die Schmerzen steigerten sich indessen,
nahmen dabei einen intermittirenden Typus an, indem sie An^
fangs von 12 Uhr Mittags bis 7 Uhr Abends, später von drei
bis vier Uhr Nachmittags bis neun und zehn Uhr Abends
dauerten. In den freien Zeiten war Patientin matt aber ohne
Beschwerden, im Stande ihre häuslichen Beschäftigungen zu.
verrichten. In den Schmerzanfallen selbst waren Remissionen,
aber kehie freien Intervalle zu unterscheiden. In der Zeit,
wo die Menstruation zum dritten Male wiederkehren sollte,
erreichten die Schmerzen eine immense Höhe. Ich fand die
Frau in zusammengekrummter Stellung mit starrem Blick,
kalten Extremitäten, kleinem frequenten Puls, wimmernd vor
heftigen, drängenden Schmerzen im Hypogastrium und Becken.
Der Leib war wenig aufgetrieben; Percussionsschall tympa-
nitisch nur oberhalb der Symphyse in geringer Ausdehnung
gedämpft. Daselbst fühlte man einen rundlichen, bewegUcben,
beim Druck scbmerzhaften Tumor. An den äusseren Geni-
talien war nichts Abnormes ^n bemerken, Scheidcutemperatur
28 1* Verhandlnngen der Gesellschaft
nicht erhöht; die Vagina kaum l'^^oU^angi stra AT gespannt,
in einen Blindsack endigend, dessen oberer Theil sich leicht
convex nach Unten wölbte. Dieser letztere Abschnitt erschien
ziemlich deutlich fluctuirend, wenn man auf den erwähnten
Körper oberhalb der Symphyse einen Druck ausübte. Von
Vaginalportion oder Orificium Hess sich Nichts entdecken,
vielmehr zeigte sich die ganze Oberfläche der Schleimhaut
glatt, aber in den oberen Parthien derbe, fast bärtlich. Ein
klareres Bild konnte durch Untersuchung per vaginam wegen
Straffheit der letzteren nicht gewonnen werden, deutlicher
wurde es durch Exploration per rectum. Man fQhlte durch
die normal beschaffenen Wandungen des Mastdarms einen
rundlichen klein apfelgrossen fluctuirenden Tumor oberhalb
des Blindsackes, nach Oben ging diese Geschwulst unmittelbar
in den Körper ober, den man oberhalb der Symphyse
durch die Bauchdecken fühlte, und unzweifelhaft der ver-
grösserte beim Druck schmerzhafte Uterus war. Die Berück-
sichtigung der anamnestischen Momente bei dem vorliegen-
den Befunde sicherte die Diagnose, dass nämlich eine umfang-
reiche Verwachsung im oberen Drittheil der Vagina einen
völligen Verschluss derselben herbeigeführt, dass sich das zu-
räckgehalteue Blut dreier Menstruationen in der Höhle des
Uterus und einem kleinen nicht verwachsenen, sich dem un-
teren Uterinsegment ansetzenden Vaginaltheile angesammelt
und unter Erregung lebhafter Schmerzen bedeutend ausgedehnt
hatte. Es konnte kein Bedenken haben, dem zurückgehal-
tenen Menstrualblut auf künstlichem Wege einen Ausweg zu
verschaffen. Ein ziemlich dicker Troicart wurde somit etwa
in der Mitte durch die sich herabwölbende Scheidenwandung
gestossen, und durch denselben unter sofortiger bedeutender
Erleichterung gegen zwei Tassen schwärzlichen, theerarügen,
geruchlosen Blutes entleert. Die Kanäle blieb bis zum an-
deren Tage liegen, wahrend welcher Zeit nur noch geringe
Quantitäten Blutes ähnlicher Beschaffenheit abflössen. Nach
Entfernung der Kanüle ergab eine Untersuchung mit der Sonde
folgendes: die durclibohrte , sehnenartige Wandung war drei
bis vier Linien dick. Hinter derselben lag eine Höhle gegen
1 Zoll im Durchmesser, von dieser aus gelangte man in einen
etwa drei Zoll langen, schmäleren Kanal, in das Cavum uteri.
für OeUruhülfe in Berlin. 29
MuUerniundsIippen oder eine Gräiize zwischen Uterus und
Vagina war nicht zu coustatiren. Nach der Function traten
keine Reactionserscheinungen ein, vielmehr war Palientin in
wenigen Tagen wieder röstig und ging ihren häuslichen Be-
schäftigungen nach. Jetzf boten sich aber Schwierigkeiten,
das künstlich gewonnene Orificiuni offen zu erhalten. Denn
eine Tendenz zur narbigen Zusamnienziehung halte schon in
wenig Tagen später die Troicartwunde fest gesclilossen. In-
cisionen der Ränder des Foramen, lange fortgesetzte Erweitonni-
gen durch Pressschwänime, Tragen von Bougies aus verschie-
denem Material waren nutzlos. Effect hatte erst das Tragen
von Bougies nach voraufgegangenem wiederholten Excidiren
keilförmiger Stucke. Dadurch war es endlich nach 8 monat-
licher Behandlung gegluckt, ein bleibendes federkielstarkes
Foramen zu erzielen. Die Menses waren regelmässig, schmerzlos,
im Mai und Juni weniger stark als sonst, die Frau sah zwar ein
wenig bleich aus, war dabei aber völlig gesund. Da ich im Begriff
stand, sie im Juli 1860 aus der Behandlung zu entlassen,
so unterzog ich sie vorher noch einer Untersuchung mit der
Sonde. Die Höhle oberhalb der Oeffnung fand sich zu einem
' engeren Kanal zusammengezogen; zu meiner Ueberraschung
war die Sonde zwei Zoll tiefer als früher, aber leicht und
schmerzlos, in den Uterus gedrungen, auch fühlte ich, als ich,
leider erst jetzt, den Uterus durch die Bauchdecken genauer
paipirle, eine Vergrösserung desselben. Nach der Unter-
suchung zeigten sich Blutspuren. Ich hatte — und dies fühi*e
ich zu meiner Entschuldigung au — abgesehen davon, dass
nicht die mindesten Erscheinungen einer Schwangerschaft an-
wesend waren, eine Conccption unter den vorliegenden Ver-
hältnissen für unmöglich^ gehalten. Die Untersuchungsresultate
sprachen aber für Gravidität, und Abends wurden vollends
alle Zweifel gehoben. Stärkere Blutungen und deutliche
Wehen 'stellten sich ein, und mit ihnen trat ein beweglicher
Körper gegen die Oeffnung der Scheide herab, gegen dessen
fötale Natur nicht mehr das mindeste Bedenken obwalten konnte.
Ziemlich kräftige und anhaltende Wehen dehnten den Raum
oberhalb der Oeffnung wieder aus. Den fast dreimonatlichen
Fötus extrahiren zu können, wurden an verschiedenen Stellen
mehrere Linie tiefe Incisionen radial von dem Foramen aus
30 ^* Verhandlungen der Gesellschaft
g^nnacht. Die Extraction glückte indessen nicht, da die im-
rijer noch zwei his drei Linien dicke Wandung zu fest und
rigide war, um auch nur im mindesten nachzugeben. Tie-
fere Incisionen kunnte ich als möglicherweise Gefahr bringenil
vermeiden, wenn ich den Fötus zerstftckelle, was denn aucfi
allerdings mit einiger Schwierigkeit geschah. Dieser künst-
liche Ahortus hatte für die Frau keine nachtheiligen Folgen,
unbedeutende Schmerzen, kaum merkliche Fiebererscheinungen
gingen bald vorüber. Den achten Tag war Frau B, wieder
wohl auf. Die Oetlnung hatte jetzt einen Durchmesser von
vier his fünf Linien , die von Neuem gebildete Höhle ober-
halb derselben wieder einen Zoll Durchmesser. Die Wandungen
dei*selben fühlten sich, mit dem Finger untersucht, schwielig
an, zum Theil mit kleinen wulstfßrmigen Hervorragungen
versehen. Die Vaginalportion war nicht zu constatiren, da
die Höhle trieb terforn)ig nach Oben zulief, und sich unmil-
telbar in den Cervicalcanal fortsetzte. Der Gebarmuttergrund
fiberragte die Symphyse um 2*^ Zoll. Da sich die Tendenz
zum Verheilen und Verschluss der OelTiHmg schon in den
nächsten Tagen erkennen liess, so wurden wieder grössere
dreieckige Stücke der Scheidewand excidirt, und wiederum
entsprechende Bougies eingelegt, wodurch nach mehrwöchent-
licher Behandlung die Oeflntmg in Grösse eines Zweigroschen-
stücks erlialten wurde.
Die Menses traten ohne Schmerzen vier Wochen nach
dem Abortus wieder ein, waren bei gutem Wohlbefinden drei
Monate regelmässig in Verlauf und Typus, cessirlen dann aber
wieder. Da sich Ziehen in den Brüsten, Heis^hunger, Idio-
syncrasien einstellten, auch der lltei*us alsbald vergrösserl
erschien, so trug ich kein Bedenken, eine erneute Gi*avidität
anzunehmen. Zum zweiten Maie wurde ich bald meines
diagnostischen Irrtliums überführt, als die Menses in einigen
Monaten wiederkehrten und regelmässig blieben. In den fol-
genden drei Jahren salj ich die Frau nicht. Ende des Jahres
1863 suchte ich sie aber auf, um mich von dem Verhalten
im Pornix vaginae zu überzeugen. Ich erfuhr von ihr, dass
sie sich in den verflossenen drei Jahren his auf zuweilen
aufgetretenen Magencatarrh mit lästiger Pyrosis vollständig
gesimd gelTihlt habe. Ich fand die Vagina 1 '/.^ Zoll lang wie
für GebartshUIfe in Berlin. 31
fröber, die Oeffnung aber wieder bis auf Linsengrösse znsam-
inengeschrumpft. Der Ulerus lag aiiscbeineud dem Furanien
iiaber, die Sonde drang drei Zoll tief bis an den Fundus
uteri, der oben die Symphyse überragte. Im Speeulum sab
man ein slrablenfßnniges Narbengewebe im Fornix concen-
Irisch nach der Oeffnung verlaufend.
Ende Mai 1864 consultirte mich Frau Ä wieder, weil
ihre Menses zwei Monate ausgeblieben waren, auch Uebelkeiten,
Schmerzempfindungen in den Brüsten, Pyrose, Obslrurli(ui,
Appetitlosigkeit sich eingefunden hatten. Eine Vergrossorung
des Uterus war nicht nachweislich. Dies Mal wartete ich mit
der Stellung der Diagnose bis im Juli, da keine Zweif<'l an
einer vorliegenden Gravidität mehr gehegt werden konnten.
Die äusseren Genitalien zeigten sich livide aufgelockert, der
weiche kuglich ausgedehnte Uterus überragte handbreit dieS\m-
physe. Im Furnix vaginae bemerkte man aber keine Auf-
lockerung. Die Oeffnung war nicht über linsengross.
Anfang OAober traten Kindesbewegungen auf. Ende des-
selben Monats reichte der Uterusgruiid 1 bis l'/^Zoll
über den Nabel. Der Kindskopf war durch das Scheiden-
gewölbe undeutlich durchzufühlen. Letztei'es war gespannt.
Das Foramen wie im Juli. Der Rest der Gravidität verlief
ohne Störung.
Leider war ich verhindert, während der Geburt zugegen
zu sein, freue mich aber, dass die geübte Hand meines Freun-
des Kauffmann die meinige. bei diesem interessanten Ge-
burtsfalle ersetzte, und dass derselbe die Gefälligkeit haben
will, ihn der Gesellschaft mitzutlieilen.
ATau^mann; Geburtsverlauf in dem von L. Mayer
geschilderten Fall von Atresia vaginalia acqui-
sita. In der Nacht vom 30/31. December 1864 wurde ich
für den abwesenden Dr. L, Mayer zu der lange Zeit von
ihm behandelten Frau B, gerufen, um die seit einigen Stun-
den begonnene Geburt zu Ende zu leiten. Aus den Milthei-
lungen des mich rufenden Mannes entnahm ich, dass es sich
um eine Verengerung der Scheide handele, ohne indess den
Grad derselben ermessen zu können. Bei meiner Ankunft
fand ich die Frau in starken schmerzhaften ' Wehen, und bei
der Untersuchung den Kopf im Beckeneingange von einer
32 VerbandlungeD der GeselUchaft für Gebnrtohülfe etc.
glatten Uenibram slrafT überzogen, in deren Mitte eine kreis-
runde Oeflhung von Zollweile sich durch die scharfen Ränder
deutlich markirte. Hätte icli nichts von einer Scheidenver-
eugerung gewusst, so wurde ich dies für den unteren Uterin-
abschnitt mit strafTein Muttermunde gehalten haben. So indess,
zumal da die Hebanmie behauptete, dass dieser Zustand tJotz
kräftiger Wehen schon seit zwei Stunden unverändert bestehe,
zögerte ich nicht länger, sondern ging mit einem schmalen
Fistehnesser durch die erwähnte OeffiTung und zwischen diese
1 — 2 Linien starke Membran und den dicht dahinter liegen-
den Kopf, und schnitt mit einem kräftigen Zuge 1 — Vj^ZoW
gerade nach hinten, nachdem ich mich vorher überzeugt hatte,
dass in dieser Ausdehnung die Haut dieselbe Dicke hatte.
Unmittelbar nach dem Schnitte stürzte das Fruchtwasser her-
vor, und da meine operirende Hand zugleich mit Koth erfüllt
war, so fürchtete ich schon in den Mastdarm geratben zu
sein, doch stellte sich gleich heraus, dass diese Entleertnig
unwillkürlich auf normalem Wege erfolgt warn Nach einigen
Wehen war die Oellnung um ungefähr ein Zweititalerstück
gross geworden, und zeigte wiederum einen scharfen sehnigen
Rand, der den weiteren Fortgang des Kopfes hinderte. Ich
ging deshalb abermals mit dem Messer ein, und kerbte nun
fortgesetzt jede stärker vorspringende Parthie dieses Ringes
durch seichte Einschnitte ein, so dass nach circa zwanzig
applicirten Einkerbungen, bei fortgesetzt kräftigen Wehen die
Oeifnung den Durchmesser von 3 — 3 Va^ Zoll hatte. Von da
an überliess ich die vollständige Erweiterung dem vorrücken-
den Kopfe, und halte die Freude, ungefähr zwei Stunden nach
meinem ersten Eingriffe ein lebendes Kind zu Tage zu fördern.
Das Befinden der Wöchnerin war gut und das Wochen-
bett vei'lief normal. —
Herr Liman trägt ein von ihm abgegebenes Gutachten:
lieber einen Fall von zweifelhaftem Kindesmord vor,
dessen spätere Veröffentlichung er sich für einen anderen
Ort vorbehält.
II. Hahn, lieber ein cyatenartiges Gebilde etc. 33
Ueber ein cyatenartiges Gebilde im Nabelstrange
einer Traubenmole.
(Mit Abbildaag.)
Von
Dr. Oskar Hahn,
Assistent an der gebartshülflich-gjnäkologischen Klinik zn Leipzig.
Gegenstand nachfolgender Betrachtung ist ein vor circa
1^2 Jahren abgegangenes menschliches Abortivei aus der
6. Schwangerschaftswoche, welches der Klinik, wie viele der-
gleichen, leider ohne Angabe anaronestischer Momente aus
hiesiger Stadt überschickt wurde. Dasselbe zeichnet sich
durch eine so seltene Anomalie aus,^dass mich Herr Hofrath
Credi zu einer Beschreibung und Veröffentlichung veranlasste,
um so mehr, da seine Eigenthümlichkeit und die Schwierig-
keit seiner Erklärung die Aufmerksamkeit manches gelehrten
Besuchers unserer Anstalt auf sich gezogen und zu den man-
nichfachsten Deutungen Anlass gegeben hatte.
Es stellt sich erwähntes Präparat als eine zusammen-
hängende IJ/2 Unzen schwere, in der äussern Form einem
Eie ähnliche Masse dar, die 2%" (P, M.) in der F^änge, 2"
in ^&t Breite und am Maximum ihrer Dicke — da, wo die
Decidua vera noch vorhanden — 9'", am Mininium, wo letz-
tere fehlt, 4'" raissL
Die Wandungen dieses Abortiveis, soweit sie sich noch
in unverletztem Zustande befinden, sind au ihrer äusseren
Fläche convex und werden, da noch an keiner Stelle eine
SjHir von Placenta zu bemerken ist, tlieils durch' die Decidua
Vera und die dem Eie nur noch lappenartig anhängende De-
cidua reilexa gebildet, Iheüs ist an einigen Stellen die Decidua
abgerissen, und fehlt hier ganz, wo dann das darunterliegende
durchweg gut erhaltene Chorion die Wand abgiebt. Letztere
Membran ist allenthalben massig verdickt und lässl an allen
Mouat38chr. f. Geburtsk. 1866. Bd. XXVI., Hfl. 1. 3
34 II* ffahut Uober ein cystenartigea Gebilde
Stellen ihrer äusseren Fläche zahlreiche und zwar an einigen
Stellen his üher Zoll lange Zotten wahrnehmen, deren liaar-
dünne Stiele stellenweise Linsen (siehe Abbildung) bis erbsen-
grosse, durchsichtige Molenbläschen tragen. Besonders aus-
geprägt ist diese anomale Endigung der Chorionzotten an den
Stellen zu finden, wo jene in die dadurch stark Terdickte De-
cidua Vera eingebettet liegen und es lassen sich dort Träub-
eben und Büschel solcher Zotten mehr oder weniger leicht
aus der Decidua herauslösen. Die Decidua vera, welche den
Zusammenbang der ganzen Masse als. Basis vermittelt, stellt
sich als eine gegen 5'" dicke, ziemlich feste, stellenweise wie
gelatinös aussehende Membran dar, an deren äusserer Ober-
Hache in ziemlicher Häufigkeit die anomalen Eudbläschen der
hypertrophirten Chorionzotten als linsengrosse, runde, weiss-
liehe Erhabenheiten hervorsprossen. Unter das Mikroskop
gebriicht, zeigt das Gewebe der Decidua vera ebenfalls zahl-
reiche in und durch sie hindurchgedrungene Chorionzotteo,
dieselben sind deutlich byiiertrophisch , ihre mikroskopisch
feinen Seiteusprossen sibd durchaus mit kolbigen, dickeren
Enden versehen und enthalten massenhafte Zellen. Daneben
liegen durch das Gewebe der Decidua zerstreut in einer ho-
mogenen, glänzenden Grundsubstanz zahlreiche hier und da
dicht zusammenliegende, gegen ^/soo'" ^^ Durchmesser hal-
tende, runde, dunkelconturirte Kerne mit reicbhchem grano-
lirten Inhalte. Au anderen Stellen bemerkt man noch Detritus
zerfallener Eiweissgebilde, dass der Schluss auf früher hier
stattgehabte kleine Apoplexien gerechtfertigt erscheinen durfte.
Zur Betrachtung der concaven^ Seite der Einwandung
übergehend , beqnerken wir zunächst das durch alle seine
Eigenschaften deutlich als solches charakterisirte Amnion (f).
Diese Membran, welche der Innenfläche des Chorion fest an-
liegt und dieselbe bis auf einen kleinen, sogleich näher zu
besprechenden Theil allenthalben austapeziert, geht ano con-
ünuo auf einen blindendigenden Sack (b) aber, weldier von
der Wölbung der Seilenwand und gegenüber der Ansatzstelle
der Decidua vera in den vorbeschriebenen Eiraum in einer
Ausdehnung hineinhängt, dass er etwa reichlich den «3. Theil
des letzteren einnimmt. An der Spitze dieses I74'' langen
und IVV breiten, also mehr eiförmigen Gebildes und zwar
im Nabatstran^e einer Traabenniole. Sf)
auf dessen äusserer der Amnionbdhle zugekehrten FlSehe ist
der Embryo (a) mit der der Nebelgegend entsprechenden
Stelle seiner Banchwand unmittelbar dem Amnion aufgeheftet;
er ist stark gekriknmt und misst in dieser Haltung 3'", in
der vollkommen extendirten knapp 4''', wobei indess in Be-
tracht 8u ziehen ist, dass seine Körperdimensionen durch ein
IVtjäbriges Aufbewahren in Spiritus allseitig eingeschrumpft
und etwas kleiner als im natürlichen Zustande erscheinen
müssen. Bei näherer Betrachtung des kleinen Embryo unter-
scheidet man an seinem Kopfende deutlich die erste Anlage
der Augen als schwarze Punkte, weniger deutlich die un-
förmliche Mundöffnung, mit welcher die Nasengruben noch
im Zusammenhange stehen. Der Unterkiefer ist nur in
schwacher Andeutung vorhanden. Dagegen differenziren sich
knospenartig hervorsprossend , die untern und obern Extre-
mitäten vom Rumpfe und vom schmalen etwas gekrümmten
Steissende. Diesem noch nahegelegen findet sich der schon
ziemlich enge Nabelring, doch schliesst derselbe die Rumpf-
böhle noch nicht vollständig'). ,
Untersucht man mit unbewaffnetem Auge die unmittelbar
an der Insertionsstelle des Embryo liegenden Theile des mehr
besprochenen Sackes, so ist man nicht im Stande, Gefasse
deutlich nachzuweisen; ebensowenig lässt sich ein zum Nabel-
bläschen (m) fähi*ender Strang, der Rest des Ductus vilello^
intestinalis entdecken, obgleich jenes deutlich vorhanden 1"
weit von der Ansatzstelle des erwähnten Sackes an die Innen-
wand der Eihöhle zwisdieu Choiion und Anuiion als gelb-
licher, rundlicher, platter Körper gefunden wird.
Das Eigenthumliche i\er sackartigen Bildung wird noch
dadurch erhöht, dass man au ihr deutlich eine doppelte Wand
unterscheiden kann. Die äussere nach der Amnionhöhle und
dem Embryo hingewendete (b und d) haben wir schon oben
als Portsetzung des Amnion bezeichnet; aber neben ihr be-
steht noch eine innere, den Hohlraum des Sackes zunächst
^) Eine Untersuchung der inneren Organe des Embryo war
leider nicht wohl statthaft,- da durch genauere Präparution des-
selben das ohnehin sehr zarte Präparat nicht unbeträchtlich ge-
litten haben würde.
36 1^- Eakn^ Ueb^r ein cyatenartige« Gebilde
unischliessende dickere uod festere Membran (e), welche dem
AmDiuii an den dem Embryo zunächsl gelegenen Stellen ziem-
lich fest anliegt und erst weiler unten nach der Insertion des
Sackes an die Eiwand tiin (wo der Sack durch einen Längs-
schnitt künstlich geöffnet ist), sich vom Amnion allmählig
etwas entfernt, sodass zwischen beiden und der Seiten wand
des Eies als ßasis ein dreieckiger Hohlraum bleibt, welcher
auf das deutlichste ohne alie Präparaüon das Auseinander-
weichen der inneren Schicht vom Amnion erkennen lässt
Verfolgt man die innere Schicht bis zur Insertion des
Sackes an die Seiten wand, so findet man, dass sie sich an
dieser Stelle nach Aussen umbiegt, so aber, dass die Ränder
der Umbiegungsstelle sich gegenseitig nicht berühren, also
auch den Sack hier nicht verschliessen , sondern ein ovales,
etwas gezacktes Loch (c) frei lassen, welches eine directe
Communication zwischen der Höhle des Sackes und der
Aussenfläche des Eies herstellt: denn auch die Decidua vera
ist an der jenem Loche entsprechenden Stelle mit perforirt,
und Spuren der dem Durchbruche zunächst hegenden Gewebs-
theile hängen fetzenaitig in das Lumen der Perforationsöff-
nung hinein.
Schliesslich geht die innere Membran des beregteu Sackes
unter Bildung eines mehr oder weniger deutlich häutigen
Ringes in die Biudegewebsschicht des Chorion selbst über.
Die Innenwand des sackartigen Gebildes erscheint übri-
gens nicht mit Zotten besetzt, sondern alleuthalben ganz glatt
und ist ein polygonales Pflasterepithel daran deutlich nach-
weisbar. Untersucht man ihr Gewebe mikroskopisch, ^ sieht
man eingebettet in vielfach untereinander commuuicirendeu
feinen Bindegewebsfaserzügeu , spärliche schwach - conturirte
Gefässe verlaufen, in denen deutliche Kerne ei*kannt werden.
Diese Gelasse theilen sich vielfach dichotomisch und lassen
sich bis zur umbiegungsstelle dei* Membran in die ßindege-
websschicht des Cborion hinein verfolgen, wo sie untereinander
netzartig communiciren. Was weiterhin die Grösse dieses
eigenthömlichen sackartigen Gebildes anlangt, so erreicht es das
Maximum des Umfangs von 2", ca. Vs' "nterhalb der Inser-
tionsstelle des Embryo, während der Umfang des häutigen
Ringes am Eingange nur %" beträgt, sodass also letzterer
im Nabelstrange einer Traubenmole. 37
verengt erscheint, während der innere Hohlraum sich beson-
ders im oberen Drittel beträchtlich erweitert.
Es bleibt nur noch fibrig, die Innenfläche des Amnion
einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. Die Amnionhöhle
niisst in der Länge 2^//', knapp in der Breite 2", uöd zeigt
an ihrer Epithelialseite, nach dem Eiraum Yorgebuchtet, zahl-
reiche bis haselnussgrosse hin und wieder dunkelbläulich ge-
färbte Einstülpungen des Amnion (k). Schneidet man eine
solche ein, so fliesst dabei ein bräunlich gefärbtes, ziemlich
dickes, gelatinöses Fluidum aus, welches sich unter dem
Mikroskop als Detritus zerfallener Zellen und beim Kochen
als Eiweiss ausweist. Unter der flussigen Schicht folgt meist
ein kleines bräunlich-gelbes Faserstoffcoagulum , das mit der
unter ihm befindlichen Decidua vera ziemUch fest verklebt
erscheint. Wird auch dies entfernt, um einen freieren Ein-
blick in den Verlauf der häutigen Umhüllung dieser Einstül-
pungen zu bekommen, so zeigt sich bei allen, dass sie am
offenen Ende ihrer Basis einen grösseren Umfang (1) haben,
als weiter unten nach der blindsackartigen Endigung hin.
Was endlich den Inhalt sowohl der Amnionhöhle, wie
des sackartigen Gebildes betrifft, so ist derselbe schon vor
der Uebersendung des Präparates an hiesige Anstalt abge-
flossen gewesen.
Die Frage, wie wir die mannichfachen Abnormitäten an
dem ebenbeschriebenen Präparate aufzufassen haben, ist nach
der einen Richtung hin bez. der Anomalie der Chorionzotten
klar: wir haben es nach der Beschreibung letzterer mit einer
sogenannten „Traubenmole'', Mola hydatica, zu thun ^). Schwie-
riger möchte die Natar der sackartigen Bildung unseres Prä-
j)arals zu erklären sein. Um diese Aufgabe zweckentsprechend
zu fördern, müssen wir uns zunächst erst darüber klar sein,
welche Organe hierfür nach dem Sitze der Anomalie uber-
') Aasführli obere Notisen über die Literator, Aetiologie and
Histologib der Traubenmolen finden sich in meiner Inaagural-
dissertatiou: „ Ueber ein cystenart. Gebilde inr NabeUtrunge
einer Trunbenmole". Leipsig 1864.
38 II' Huhn, Uebfir ein cystenartiges Gebilde
liiiupl in Betracht koininen. Einerseits siiid dies alle normaler-
weise im Nabelstrange gelegenen Gebilde, andererseits Nach-
barorgane desselben, die anomal in seine Amnionscbeide ge-
drängt wurden.
Ausser der ^''^Aar^on'selien Sülze (ein weiches galleri-
artiges Bindegewebe) finden wir aber in . der Amnionscbeide
des Nabelslrangs normalerweise nur den Urachus oder Stiel
der Allantois, der in frühester Zeit mit den Gefassen ver-
sehen ist, die später die Vasa umbiiicalia darstellen; ferner
die Vasa umbiiicalia selbst und endlich den Ductus vitello-
intestinalis mit den an ihm nur in der frühesten Zeit nocb
vorhandenen Dottersackgefassen.
Nun kann aber weder eine Anomalie der Vasa umbüicaKa
nodi des Ductus vitello - intestinalis mit seinen Geßssen die
vorgefundene blasige Bildung irgend wie erklären. Denn wollte
man auch annehmen, dass. die Cyste von einer Ausdehnung
des Ductus vitello intestinalis herrühre, so würde doch die
colossale Ausdehnung des Sackes, die ohne Beihfilfe des
ausserhalb des Nabelstrangs zwischen Amnion und Chorioo
gefundenen Nabelbläschens zu Stande gekommen sein müsste,
sowie der Umstand im höchsten Grade unwahrscheinlich er-
scheinen, dass sich im Innern des cystenartigen Raumes, nach
der bedeutenden Ausdehnung desselben zu schliessen, jeden*
falls eine verhältnissmässig sehr beträchtliche Menge Flüssig-
keit befunden hat, deren Bildung im Rohre des Nabelganges
nicht zu erklären wäre.
Ebensowenig können wir annehmen, dass durch ein*
faches Auseinanderdrängen des Schleimgewebes im Nabek
Strange ein solcher Hohlraum gebildet worden sei. Denn wie
käme — abgesehen davon, dass einer solchen Auffassung alle
Analogie fehlt — das Epithel und die gefundenen in der an^
gegebenen Weise verlaufenden Gelasse in die Innenwand der
Cyste und wie wäre überhaupt das Entstehen eines solchen
Hohlraums zu erklären, der nach seinem Umfange, wie wir
vorhin sahen, eine beträchtliche Menge Flüssigkeit beherbergt
haben muss.
Es kann sonach von der cystenartigen Ausdehnung eines
nurmnlerweise im Nabelslrange gelegenen Organs, ausser der
Allantois, wovon später gesprochen werden soll, nicht die
im Nabelstrange einer Travbenraole. 89
Rede seio, ond es würde sich nur rrngen, ob dabei iiichl
«n ein normal in den Nabels Irang gedrängtes Organ gedacht
werden könnte. Das Nächste, was hierbei in Betradit zu
ziehen wäre, durfte eine Einstülpung des Chorion en niasse
in die Amnionscheide des Nabelstrangs hinein und bis zum
Embryo hin sein. Ich muss offen gestehen, dass diese An-
sicht auf den ersten Blick hin etwas Verführerisches hat,
zumal ihr zalilreiche Analogien hi den umliegenden apoplecti*
sch^ Ergüssen zwischen Chorion und Decidua zur Seite stehen,
und das am Grunde des Sackes befindliche, eine Communis
cation zwischen Cystenhölile und Aussenfläche des Eies ver-
mittelnde Lftch auf diese Weise am natürlichsten erklärt
würde, ohne dass es der besondern Annahme einer hier
stattgefundenen Perforation bedürfte.
Indessen sind die gegentheiligen Gründe doch zu gewich-
tig, um bei dieser Annahme stehen bleiben zu können. Zu-
nächst wäre es zum Mindesten auflallend, dass, falls die
Membran wirklich das Chorion wäre, an der Innenfläche des
Sackes auch nicht eine Spur einer Chorionzotte sich nachweiseu
liesse. Denn wollte man auch annehmen, dass durch den
Di'uck der im Sacke früher befindlich gewesenen Flüssigkeit
ein allniälicber Schwund der Zotten an jener Stelle herbei-
geführt worden sei, so dürfte die Innenwand des cystenartigen
Gebildes nidit so glatt und glänzend, wie mit einer Epitbel-
scbicht überzogen erscheinen, wie es doch in Wirklichkeit der
MU ist, sondern seine Innenfläche würde sich mehr oder
weniger rauh darstellen und wenigstens Rudera oder doch
mikroskopische Zotten nachweisen lassen. Statt dessen findet
swh aber gleichmässig über die Innenfläche verbreitet, eine
feine Epithelialschicht vor, wie sie die AUantois z. B. an
ihrer idnern Seite nach den Untersuchungen alier Forscher
bemerken lässt
Eine weitere von Seiten des Enibi^yo in die Amnion-
scheide des Nabelslrangs vorgeschobene und dort cystenartig
ausgedehnte Bildung dürfte aber schon deshalb nicht anzu-
nehmen sein, weil gerade am Nabeh*ing von einer Communi-
cationsöfTnung zwischen Bauchhöhle und Cyste fast nichts
nachweisbar ist, wie es doch mehr oder weniger der Fall
sein müsate, wenn es sich um einen Nabelbruch handelte.
40 I^ Hahn, Ueber ein oysieoArliges Oebtlde
üvr Weg des Auscblusses, auf dem wii* bisher nur nega«
tive Resultate gefunden, lässt nur eine Auffassung offen, welche
wir bisjetzt zu besprechen unterliessen, obgleich wir ihr sliil-
schweigend huldigten. Wir glauben nämlich, dass die son-
derbare Anomalie nichts Anderes sei^ als ein Ueberrest des
. ehemaligen Aliantoissackes, dessen Wandungen hier aber nicht
miteinander stielartig verschmolzen und atrophirt sind, wie
wir das normalerweise beim Urachus linden, sondern dessen
Epithelialblätter durch reichlicher zwischen ihnen angesam-
melte Flüssigkeit von einander getrennt gehalten wurden, so
dass der starkausgedebnte Rest der AUantois jetzt eine Cyste
vorstellt, welche in der Amnionscheide des Nabelstranges ein-
geschlossen liegt. Die Möghchkeit der Entstehung einer Cyste
auf dem angegebenen Wege gründet sich auf so viele Ana-
logien , in der pathol. Anatomie , dass dem Gesagten etwas
Weiteres beizufügen überflüssig sein durfte. Nur das wollen
wir hier noch hervorheben, dass wir die Rildung als eine
Cyste im eigentlicben Sinne des Wortes betrachten, d. h. als
eine Geschwulst, bestehend aus einem mit Epithel ausgeklei-
deten Balge oder Sacke und einem Inhalte, welcher Product
des erstereu ist ; und zwar stellen wir dieselbe, was ihre Bik
dongsweise betrifft, nach dem Vorausgehenden unter die Ru-
brik derjenigen Cysten, welche durch Ausdehnung geschlosse-
ner physiologischer Hohlräume — hier der Allantots — ent-
stehen.
Ein wesentlicheres Bedenken gegen diese unsere Ai0
schauung, glauben wir nur in dem Vorhandensein des Loches
an der Basis des Sackes gefunden zu haben^ zumal dasselbe,
wie wir Eingangs diisser Arbeit beschrieben, glatte Flächen
zeigt, und an dieser Stelle der bindegewebige Theil des Sackes
in den des Chorion uno continuo übergeht Zur Vertheidi-
gung unserer Ansicht können wir aber anfuhren, dass durch
unsere Auffassung das Vorhandensein und die Beschaffenheit
des Loches nicht unerklärt bleibt.
Wenn wir nämlich annehmen, dass nadi betrachtiicber
Füllung und Ausdehnung des cystenartigen Restes der Allan-
tots schliesslich in Folge des zu stark gewordenen Druckes
des Inhalts eine Perforation nach aussen eingetreten sei, so
spricht wesentlich für diese Auffassung der Befund, nach
in NnbeliitraRge einer Traubenmole. 41
welchem die Ränder des Loches, welchit durch die Decidiia
Vera an der Aussenseile des Eies gebildet werden, in einer
Weise zerfezt sind, wies dies nur nach einer Perforation der
FaH zu sein pflegt. Dass aber dieselbe gerade an der be*
zeichneten SteHe erfolgte, mag wohl durch die dort vorgefiui-
dene Dännwandigkeit des Eies am besten zu erklären sein.
Dabei nöthigt allerdings der Umstand, dass die Innenmembran
der Cyste ah der Umbiegangsstelle so glatt erscheint, zur
weiteren Annahme, dass schon einige Zeit vor der Ausstossung
des Eies infolge des stetig zunehmenden Druckes besonders
au dieser Stelle ein allmälicber Schwund der zwischen Cho-
rion und Cystenraum ausgespannten dünnen Allautoisplatte zu
Stande kam, während die Perforation der ganzen übrigen
Eiwand vielleicht erst während des Gebiu*tsactcs erfolgte.
So ungewöhnlich übrigens der besprochene Fall ist, so
stellt er doch nicht allein da. Infolge einer Notiz KöUiker's
(Entwickelungsgesch. des Menschen, Leipzig 1861, p. 174),
worin derselbe von blasigen Gebilden im Nabelstrange, oder
dicht daneben spricht, welche man als Reste der Epithelial-
blase der AUautois angeseben habe, fand ich nach vielfachem
Stichen in alterer und neuerer Literatur im Ganzen 11 solcher
Fälle 0. Zwar war in keinem derselben eine so ausserordent*
liehe Ausdehnung des beregten Organs vorbanden, wie an
unserem Präparate ^ immerhin wird aber das Vorhandensein
von Analogien unsere Auffassung wahrscheinlicher machen,
^le denn auch der Ausgang des Gebildes vom Nabel aus und
seine Lage in der Scheide des Amnion, die mit der des
Nabelstranges entschieden identisch ist, mit unserer Annabme
zusammenstimmt.
^) V. Baer, Entwickelangsgesch. d. Thiere, 1837. Bd. II. 8.
276 u. flf.j S. 278. Taf. VI. Fig. 9 etc.; Taf. VII. Fig. 14; Taf.lV.
Fig. 20. — B. Wagner, Jcon. physiol. 1839. Tab. VIII. Fig. 3;
Umriflsfig, Tab. VII. 11; Erklärnng S. 24. — PoeluU, Isis 1826
Hft. 12- Taf. 12. Fig. 5. n. 7. ä. ». «. — Alf. A, L. M, Velpsau,
Kinbryologie oo oyologie hnroaine. PK 1. Fig. 4; PI. II. Fig. 2.
c. d. e. f.; Fig. 7. — B, W. iSeiler, üeber d. Gebftrmntter «. das
Ki des Menschen, S. 24. Tab. X. — C. Hennig, lieber Nebenbän-
der und .Schaf hautstränge in der Eihöhle des Menschou. Virchow,
Arcb. für path. Anat.,.fid. &IX. Uft. 1. o. 2. Tab. IV. 2.
42 I^* Jffoibi», Ueber ein cysteiwrliges Gebilde etc.
Was endlich die Ursache der cystenartigen Aiisdebouiig
des Allantois anlangt, so durfte diese Frage nicht geringere
Schwierigkeiten bieten, als die eben verhandelte. Doch ist
nadi unserer Meinung in dem primIren Vorhandensein der
i>chleiinigen Degeneration des Inhalts der Chorionxotten ^),
welche weiterhin zur Bildung einer sogenannten Traubenmole
führte, immer noch das wahrscheinlichste Moment für eine
ErkUrong der bestehenden Anomalie zu suchen.
Thatsaebe ist nämlich, dass bei Bildung von Trauben-
molen fiberbaupt, deren Ursprung von Virchoto auf einen
entzündlichen Zustand der Uterinwandungeu zurückgeführt
wird, durch letzteren Umstand eine Reizung und so eine ge--
steigerte Säftezufuhr bewirkt wird, sodass sehr häufig eine
ödematöse Infiltration der Nacbbarlheile entsteht Ist nun
aber die Einführung vdn Ernährungsflüssigkeit in alle Theile
des Eies, also auch nach dem Embryo bin, wenigstens in der
ersten Zeit eine gesteigerte^ so wird es nicht Wunder nehmen,
wenn auch das Ausfuhrsquantum jener entsprechend sich ge-
staltet; sodass aJso in unserem Falle die Allantois schon in
frühester Zeit in den anomal gesteigerten Säfteverkebr hinein-
gezogen, ein diesem entsprechendes Quantum von Abson-
derungen von Seiten des Embryo aufzunehmen hatte.
War aber einmal der Grund zu einer derartigen Anomalie
gelegt, so bedurfte es nur einer fortgesetzt gesteigerten Ip-
balation und Exhalation, um die vor uns liegende cystenartige
Ausdehnung der Allantois und nebenbei einen Hydrops amnii
— wie wenigstens nach der verhältnissm|issig beträchtlichen
Ausdehnung auch dieser Höhle zu scbliessen ist — entstehen
zu lassen.
Würde aber nun einerseits durch die allmälicbe vor sirJi
gehende unregelmAssige Bildung der Allantois eine Compres-
sion der an der Wandung verlaufenden Gefasse und so eine
theilweise Atrophie derselben bewirkt, so dass sie nicht recht
deutlich, wie sie es für diese Zeit eigentlich schon sollten,
hervortreten, so koimte andererseits durch die allzustarke
Ausdehnung der Cystenwandung zunächst die AIIantoisRchtcht
0 Virehow, Die krttokbaften GeschwiUate, Kd. I. 8. 410.
III. Äbsgg, Beiderseitiges Cephalbaemstoni. 43
und ivftiterbin , vielleicht erst wäbrend des Abortus eine Per-
foration nacb Aobsen zu Stande kommen.
SchlieBslich ist es denn recht wohl erkUrlicfa, dass der
durch die Entartung der Chorionzotten in seiner Emlhrung
beeinträchtigte und durch den Druck des stetig wachsenden
Hydrops amnii allmälig atrophisch gewordene Embryo abstarb
und das Ei vorzeitig au^estossen wurde.
111.
Beiderseitiges Cephalhaematom.
Von
Dr. Ahegg,
HelMUDinenlabrer so Dansig.
Am 17. Juni 1864 wurde im königl. Hebammen -Institute
hier eine Mehrgebarende nacb zwölfstundiger Dauer und ganz
regelmässigem Verlaufe der Gehurt, von einem ziemlich kräftigen
Knaben entbunden. Die Kindesbewegungen waren in der
rechten, die Herztöne und der Röcken des Kindes in der
linken Mutterseite wahrgenommen worden, und dasselbe hatte
sich, diesen Wahrnehmungen entsprechend, in erster Scheitel-
lage zur Geburt gestellt Der Kopf zeigte sofort nacb der
Geburt auf jedem Scheitelbeine eine deutliche Anschwellung,
die grössere auf dem rechten, die kleinere auf dem linken.
Beide Geschwöiste fluctuirten entschieden in ihrem ganzen
Umfange, der bis zum fönilen Tage nocii etwas zunahm.
Die Hautdecke war unverändert, auch gar keine gewöhnliche
Kopfgeschwulst vorhanden. Ohne sichtlichen Erfolg wurden
kalte Umschläge gemacht; indessen blieb' der Knabe anschei-
nend gesund bis 28. Juni Abends, wo Erbrechen und allge-
meine' Convulsionen eintraten, und bis zum T/O. Morgens, an
welchem der Tod eintrat, öfters wiederholten. Noch an dem-
selben Tage untersuchte ich die Geschwidste näher.
Von beiden Scheitelbeinen war das Pericranium in gros-
44 ^11* ^^^99 f Bctderseiti^fe« Cephalhaematoin.
8(n*eni Umfange abgelöst, und der Zwischenraum tbeils durch
noch dünnflüssiges Blut, theils, namentlich in der Nähe der
Scheitelbeinsböcker, durch dunkelschwarzes, Iheerartig aus-
sehendes Blntgerinnsel ausgefüllt. Es lag also ein doppeltes
Hämatom auf dem Cranium, Cephalhaematome epicraniale, ror.
Das rechtsseitige bedeckt fast das ganze Scheitel-
bein, hat die Gestalt einer Niere, deren Hilus der Mitte der
Sutura coronalis zugewendet, das Tuber parietale umfasst, wäh-
rend der convexe Rand dicht an der Sutura sagittalis und
occipitalis verläuft. Der grosseste Durchmesser, von rechts
und hinten nach links und vorn, beträgt acht Centimeter, der
kleinste vom Vereinigungspunkte der Pfeil- und Hinterhaupts-
Naht, links vom Tuber parietale vorbei, nach rechts und vorn
sieben Centimeter. An der unteren concaven Fläche dieses
Scheitelbeines ist die Dura niater, fast drei Centimeter weit,
durch einen ähnlichen Biulerguss vom Knochen abgelöst.
Das kleinere Hämatom auf der oberen Hälfte des
linken Scheitelbeins ist von der Lambda - Naht bis zur
Kranznaht gleichfalls acht Centimeter lang, dagegen nur vier
Centimeter breit, von der Mitte der Pfeilnaht bis fast an den
Scheitelbeinshöcker. Unter diesem Scheitelbeine befindet sich
kein Extravasat.
Die Sinus des Gehirns und dieses selbst waren blutreich,
nicht bloss durch Leichen-Hypostase in den am tiefsten liegen-
den Partieen. —
Beide getrocknete Scheitelbeine zeigen den,
einige Zeit bestandenen Cephalhämatomen eigenthumlichen,
knöchernen Wall, welcher die Peripherie der Geschwulst, die
Grenze des abgelösten Pericranii bezeichnet. Derselbe ist am
stärksten, etwa 2"' breit und l'/j"* hoch, längs der Pfeilnaht
entwickelt. Die strahlenförmig um die Tubera parietalia an-
geordneten Gefässcanälchen sind, namentlich im rechten Schei-
telbeine, zahlreicher als gewöhnlich, wodurch die Knochen
siebartig durchlöchert erscheinen.
Als Todesursache ist der subcraniale Bluterguss zu be-
trachten.
Was die Entstehung der Kopfblutgeschwulst
betrifft; so ist dieselbe jedenfalls hier, wie in den meisten
Fällen, nicht dem Druck allein zuzuschreiben, welchen die
III, Äbegg, Beiduiraeiti^e« C«phalb«eiDfttom. 45
Peripherie des vorliegenden Scheitelbeins beim EintrUl in das
kleine Becken und beim Durchgang durch dasselbe w&hrend
der Geburt erütU . .
Denn bei zwölfstündiger Geburtsdauer und günstigen
Grossenverhältnissen der Frucht und des Beckenraumes ist
schon an und für sich ein ungewöhnlich starker Druck nicht
anzunehmen, wofür auch der Mangel des Caput succedaneum
spricht. Aber auch bei sehr langsamem Geburlsverlaufe und
nachweisbarem Missverhällnisse des Kindes zum Becken ent-
wickelt sicli zwar oft genug eine bedeutende , gewöhnliche
Kopfgeschwulst, doch selten ein wirkliches Hämatom, Iih)Iz
des langdauernden und intensiven Druckes, welchem der Kupf
ausgesetzt war.
Es muss also noch eine andere, wesentliche Ur-
sache geben, bei deren Existenz schon ein geringer
Druck genügt, um das Pericranium von den Schädelknochen
abzulösen und die von jenem in diese übertretenden Gefässe
zu zerreissen, somit ein Hämatom hei*vorzubringen.
Wenig Extravasat in dunner Schichte komuU nach
Rokitansky ^) wohl bei allen Neugeborenen vor, und muss
als geringerer Grad derselben Blutung gelten, deren höherer
das Hämatom bildet. Je mehr Gefässe vorhanden sind, desto
grösser wird aucli die Möglichkeit der Gefäss-Rhexis und einer
bedeutenderen Blutergiessung sein.
, Im vorliegenden Falle waren nun in der Tbat die Schei*
telbeine von einer auffallenden Menge von Gefässen
durchsetzt, und dieser Umstand scheint mir hier ätiologisch
^m wichtigsten zu sein, zumal das linke Scheitelbein bei
erster Scheikelstellung der Frucht unmöglicii einem starken
Drucke exponirt war, und dennoch auch auf ihm sich eine
solche Blutgeschwulst gebildet hatte.
Hierzu tritt noch ein anderes Verhältniss. Schon Müdner '^)
sieht nicht immer das örtlich einwirkende, mecJianisclie Mo-
ment als nächste Endui*sache an, sondern eine allgemeine Cir-
culationshemmung , und weist auf die, namentlich darch Engel
hervorgehobene Zartheit der Ca pillarge fasse bei Neugeborenen
1) RoküanBky, Path. Anat. 3. Aufl. Wien, ISöti. Bd. 2. 8. 1&3.
2) Mildner, Präger V4J.-8. 1848. Bd. 18. S. 60.
46 UI* Ahtgg^ Beidcrteitif«» Cephalhaenifttoiii.
hin, welche eine weit grössere als bei Erwachsenen ist Nächst
4ler Menge von Blutgefässen wird eine besondere Düunwan-
digkeit derselben die Disposition zur Zerreissung bedeutend
steigern mössen.
Demgemäss schliessl auch Heck^ ^) schon aus der gros-
sen Seltenheit der CephalhSmatome , wenn auch deren Ent-
stehung gewissermaassen mit der Geburt zusammenbange, auf
eine besondere Disposition zur Geßsszerreissung an den be-
troffenen Schädeln. Burchard*) hatte unter 1402 Geburten
13 Pralle, demnach ein Verbal tniss von etwa 1 zu 108.
Hecker sah 15 Fälle unter 3519 Geburten, also erst
einen auf 250 Kinder, Böhm 96 unter 21,045 Kinder,
also 1 :219, darunter nur vier doppelte, auf beiden Schei-
telbeinen. Mir kamen unter 809 Geburten, wovon 406 un
königl. Hebammen -Institute, 403 in meinet* Praxis, ausser
obigen nur noch 3, und zwar einseitige Hämatome, also
1 : 202, vor.
Hinsichtlich des Zeitpunctes der Entstehung sagt
ViTchofc: „Die Ablösung des Pericranii geschieht wälu'end
der Geburt selbst durch den Druck der mütterlichen Theile
auf den Kindeskopf, die Blutung folgt gewiss immer sofort^
u. s. w. Den Umstand, dass die Geschwulst keineswegs immer
sogleich, sondern öfters erst einige Stunden oder Tage nacli
der Geburt wahrgenommen wird, erklärt Vii*chow mir durch
die Fortdauer der Blutung. Die Blutung dauert aber wohl
immer noch nach der Geburt fort, was das Wachsen des Häma-
toms in den nächsten Tagen erweist, und doch sind in vie-
len, wie in meinen vier Fällen, die Geschwülste sofort nach
der Geburt zu henuirken gewesen. Für jene Hämatome nun,
die erst später wahrnehmbar sind , scheint mir Bednar's An-
sicht viel Wahrscheinlichkeit für sich zu haben, dass die Zer-
reissung der zarten Blutgefässe nicht sowohl schon wäh-
rend der Geburt, durch den, oft gar niclit sehr erheb-
lichen Druck selbst, sondern erst durch die BlutüberfQllnng
gleich nach derselben bei Nachlass des Druckes Statt finde**.
1) Henker^ Klinik der GeburUknnde. 2. Bd. Leipsig, 1864.
S. 236.
2) Burehardf De Tumore eritnii reoens natoram tangaiqeo
SymboUe. VratisUv. 1887. 8. 4. 8. 28.
m. Ab€gg, Beiderseitiges CephalbMinatoin. 47
Durch das aus den zerrissenen Gefässen austretende Bitft
wird dann allmälig erst das Pericranium vom Knochen ab-
gefioben.
Die Behandlung der Kopflilutgeschwulst ist
noch heule eine sehr verschiedene. Gewichtige Siininien sind
für die unbedingte Eröflnung, so Seanzoni^), l[ecker%
Crede *), Bardeleben *), während Andere, wie BeUchkr *),
Virchow^)j Vogel^)^ Bednar^), Weat^), dieselbe unt^T-
lasseu und sich für ein rein exspectatives Verhalten aus-
sprechen.
Sciutzani rfith, wenn das Stillsteheu der VolumenÄsunahme
davon überzeugt, dass kein weiterer Bluterguss zu
furchten ist, zur künstlichen Entleerung durch einen 4 bis
&" langen Lanzettstich. — Nun findet aber nach jeder Er-
öffnung eine theilweise Erneuerung der 'Blutung Statt, wovon
ich mich ein Mal seihst überzeugte. Hecker sagt: „Eröffnet
man die Wunde zu bald hinterher wieder und lässt das Blut
heraus, so kann man das Kind, weil immer wieder eine
Ansammlung stattfindet, allerdings in einiger Zeit blut-
leer macheu; wartet man aber einige Tage und entleert dami
wieder, so ist oft eine völlige Resorption und Anlöthung des
Pericranium die schnelle Folge. Aehnlich sagt Burchard^
S. 22: „Aliquoties uonnullis diebus post (incisionem) denuo
auctus et sanguine impletus est tumor, quum incisio nimis
mature peracta erat/' Uebrigens erklärt sich auch Burchard
für die Eröffnung mit den Worten: „Quam maxime exoptatus
\
1) ^consoni, Gebarfcshilfe. 3. And. Wien, 1866. 8. 1068.
2) Hecker, a. «. O. S. 240.
3) CredS, Klin. Vorfcräg^e, S. 326. Berlin, 1863.
4> Hardeleben, Tidars Lehrbuch der Chi riygie. 3. Bd. ä. 104.
Berlin, 1866.
6) Bettehler, Beitrilge aar O3 nilkologte. I. 8. liO. Breslau,
1968.
6) Virehow, Krankhafte Geschwülste. I. S. 136. Berlin, 1863.
7) Vogel, Kinderkrankheiten. 2. Anfl. Erlangen, 1863. 8. 47.
8) Bednar, Krankheiten der Nengeborenen. II. 8. 177. Wien,
1861.
9) West, Kinderkrankheiten, aber«. ▼. Wegner, 2. Ana. Berlin,
1R67. 8. 84.
48 ^^I* ^^9f Beiderseitiges Cephaliiaematom.
laustusque fuit morbi decursus, ubi tumor ope incisiouis
curabaUir/'
Credd öffuele die Geschwulst stets mit gfiDstigem Er-
folge, nach Barddeben hat die firöffiiuiig keiiieriei üble
Folgen, kfirzt die Krankheit wesentlich ab, und ist iniiiier,
namentlich, wenn die Geschwulst nichi sehr klein ist, in*AD-
Wendung zu ziehen.
BeUchler hat durch vergleichende Beobachtung tou
doppelseitigem, aber verschieden behandeltem Cephalämatom
sicher nachgewiesen, dass der Anschluss der periostealeu
Knochenschichten in gleichen Zeiträumen vollständiger erfolgt?
ohne die Eröffnung, als nach derselben, und erklärt sich dem-
zufolge gegen die letztere. Ebenso hält VirchoWj der diese
Ansicht bestätigt, die Entleerung des Blutes in der Regel nicht
für nöthig, vielmehr oft für schädlich, da die Blutung sich
leicht erneuert, und stellt als Regel auf, dass der natör-
liehe Verlauf dieser Tumoren ein gänstiger sei.
Vogel ist gegen Kompression, Aetzeii, Schneiden, Sleclien
wegen möglicher Reizung der Kopfschwarti^ und Berührung
des vom Periost entblösslen Knochens mit der atmosphäri-
schen Luft. — Beides lasst sich nun wohl durch einen klei-
nen Einstich vermeiden, nicht aber die wiederholte, von
Vogel nicht erwähnte Blutung, deren Grund in der schweren
Gerinnbarkeit und Dunnflüssigkeit des Blutes liegt. Wie
Virchow (S. 134) angiebt, ist dasselbe beim Fötus arm an
Faserstoff und bei Cephal^motomen, die 4 bis 6 Wochen
bestanden, stets noch flussig.
Von Bednar'^ 70 der Natur uberlasseneu Fällen heilten
67 theils durch Resorption, theils durch Verknöcherung voll-
konnnen, ein Mal bildete und öffnete ^sich ein Abscess, der
die weitere Nalurheilung nicht störte, ein Mai entstand durch
Erysipel der Kopfhaut Vereiterung des Unterhautzellgewebes,
und Caries, ein Mal wurde eine bis zur rechten Ohrgegend
ausgedehnte Eiteruug durch Entleerung vielen Eiters mittels
eines Einschnittes bald beendet, und das Hämatom heilte mit
Verknöcherung. In 4 anderen, bald eröffneten Fällen gescliab
die Heilung binnen einigen Tagen ein Mal, erst nach elf-
wöchentlicher Eiterung ebenfalls ein Mal; die beiden anderen
in. Ahegg, Beiderseitiges Cephalhaematom. 49
Fälle verliefen tödtlich durch Vereiterung der Weicbtheile und
Caries des Knochens-
Bednar kommt zu folgenden Scfalusssätzen :
1) Das Hämatom heilt bei unverletztem Pericranio und
Fernbleiben äusserer Schädlichkeiten durch Resorp-
tion und Verknöcherung;
2) die Eröffnung wird nur durch Abscessbildung an-
gezeigt;
3) die Eröffnung des frischen Hämatoms kann tödüiche
Blutung oder Eiterung (^wirken.
West sieht ebenfalls keinen Grund zu Eingriffen, da das
Blut in einigen V^ochen resorbirl.wird und der Tumor schwin-
det. Auch er wiJl die Eröffnung nur bei Röthung, Verdün-
nung und stärkerer Schwellung der Hautdecken, also bei den
Zeichen entstandener Eiterung, gestatten.
In den 3 mir ferner vorgekommenen Fällen, in denen
das Hämatom 2 Mal auf dem linken, 1 Mal auf dem rechten
Scheitelbeine sass, machle ich ein Mal 6 Tage nach der Ge-
burt einen Einstich. Die Geschwulst heilte, nach nochmaliger
Ansammlung und Eröffnung, binnen 3 Wochen^ also nur etwa
4 Wochen früher, als die beiden anderen, der Naturheilung
uberlassenen Tumoren.
Eine solche Abkürzung des Verlaufes ist aber um so
UHwesentlicher , als auch die langsamere Naturheilung weder
das Gedeihen des Kindes stört, noch etwa eine weniger vuU-
ständige ist, sondern nach Betschl&r und Virchow entschie-
den vollkommener stattfmdeL Auch Burckard sah die natür-
liche Heilung in 7 bis 9 Wochen zu Stande kommen.
Die Gründe für die natürliche Heilung dieser
Hämatome, wie sie früher namentlich Bednar bestimmt
aussprach,^ und nunmehr besonders Virchow und Betschier
hervorheben, scheinen mir so schlagend, dass ich die Incision
nur bei eingetretener Eiterung angezeigt finde, wie bei
dem oben erwähnten Falle von Bednar und bei einem ähn-
lichen von Betschier ^), wo am 21. Tage ein Einschnitt und
darauf binnen 8 Tagen Heilung erfolgte. — Ungeachtet
^) BetachUr, Annaleo für Gebartshülfe etc. Breslan 1884,
2. Bd. 8. 191.
MouAUaobr. f. Gebartsk. 1866. Bd. XXVI.. «ft. 1. 4
50 HT. Ahegg, Beiderseitiges Cephalbaematom.
Becker*^ ') Bemerkungen scheint mir übrigens die Eröffnong
durch den Schnitt höchstens bei ungewöhnlich grossem
Hämatome zu empfehlen, wo eine sehr umfangreiche und
dicke periosteale Knochenoeubildung, und somit allerdings
eine bedeutendere Entstellung der Form des Schädels zu
erwarten steht. Die beiden, ziemlich grossen Geschwülste,
welche ich in ihrem natürlichen Verlaufe nicht störte, heilten
jedenfalls ohne nennenswerthe DifTormitat, obwohl die Knochen-
auflagerung ebenso gut zu fühlen war, wie der Callusring um
eine frisch vereinigte Fractur, weichen man doch an und lur
sich nicht als eine Entstellung bezeichnen kann. Findet aber
in den hiernach die Eröfihung fordernden Fallen der Ein*
schnitt statt, so geschieht er sicher nach den von Bedncar^
Scanzoni und insbesondere Hecker aufgestellten GrundsäUen
am besten, also erst dann, wenn die Geschwulst niclit mehr
wächst, etwa nach 6 Tagen, ferner mittels eines kleinen,
nur gerade zum Abtiusse des Blutes hinreichenden Einschnil-
les; eine wiederholte Oefihung aber fmde nur nach einer
neuen bedeutenderen Blutansammluug und dann erst nach
8 Tagen statt.
Der Compressivverband, den Hecker^) empfahl,
auf welchen er aber später^) verzichtete, ist, wenn er nicht
fest liegt, unnütz, wenn er aber wirklich einen stärkeren Druck
ausübt, wohl leicht von schädlichem Einflüsse, schien jedoch
nach Burchard den Schädel besser zu gestalten. Die ans-
seren, zur Steigerung der Resorption angewendeten
Mittel, wie Jod, scheinen den Verlauf nicht wesentlich zn ver--
kürzen, wie gleichfalls Burchard bereits bemerkt.
Danzig, den lö. November 1864.
1) Eecker^ a. a. O. S. 239.
2) ffeeker, a. a. O. S. 240.
3) Hecker ^ Monatsschr. für Gebartskande, 1864, September
8. 173.
IV. Orenser, Achfnndvierzigstef Jahresbericht etc. 51
IV.
Achtundvierzigater Jahresbericht über die Ereig-
msM in dem Entbindungsinstitate bei der kttnigL
Bachs, chirurgisch-medioimsehen Akademie 211
Dresden im Jahre 1862.
Von
Professor Dr. Grenser,
könlgl. säehflisQfaer Geh. Med. lUth etc.
Im Jahre 1862 wurden 648 Schwangere, Gebärende und
Wöchnerinnen verpflegt, von denen 7 Schwangere und 12
Wöchnerinnen am Schlüsse des vorigen Jahres in Bestand
verblieben waren und 629 theils als Schwangere, theils als
Gebärende im Laufe des Jahres neu eintraten.
Geboren haben 613, und zwar: im Januar 48, im
Februar 46, ,im März 60, im April 43, im Mai 50, im
Juni 42, im Juli 57, im August 55, im September 58, im
October 43, im November 40 und im December 71. —
Hiervon gebaren zum ersten Male 324, zum zweiten
Male 194, zum dritten Male 59, zum vierten Male 16,
zum fAnften Male 9, zum sechsten Male 6, zum sie-
benten und achten Male je 1, zum zehnten Male 2 tmd
zum zwölften Male 1.
Von den Gebärenden waren verheirathet 60, ver-
wittwet 4, ledigen Standes 549. Ihre Heimath in
Dresden hallen 158, in andern Orten des Königreichs Sachsen
385, Ausländerinnen waren 70. — Zur evangelischen Con-
fession bekannten sich 577, zur katholischen 33, zur deutsch-
katholischen 2, und 1 war Israelitin.
Die jüngste Gebärende zählte 17 Jahre, die älteste
41, die Mehrzahl befand sich in dem Alter von 23 — 26
Jahren.
Gesund entlassen wurden Wöchnerinnen 602, an an-
dere Heilanstalten abgegeben 6, (nämlich 2 an das Stadt*
Krankenhaus, 1 an die Diakonissenanstalt und 3 an die innere
Klinik); 5 Wöchnerinnen starben und 12 blieben am Schlüssle
des Jahres in Bestand.
4*
52 ^^' Grenser, Acbtandvierisigster Jahresbericht
Einfache Gehurten waren 602, Zwillinge wurden
11 Mal geboren. — Durch die Naturkräfte allein ?o]l-
endet wurden 565 Gehurten, 59 Mal machten sich opera-
tive Eingriffe nöthig, als: 35 Mal die Zangenoperation,
7 Mal die Wendung, 2 Mal die Extraction des Kindes an
den Füssen, 5 Mal die Perforation, 4 Mal die künstliche
Erregung der Frühgeburt und 6 Mal die künstliche Losung
und Wegnahme der Nachgeburt.
Den Geburtsmechanismus anlangend, sosteilten sich
die Früchte zur Geburt:
369 in erster Schädellage.
210 „ zweiter „
11 „ zweiter „ ohne Drehung.
3 f, erster Gesichtslage.
1 „ zweiter „
7 „ erster Steisslage.
8 „ erster voUkommner Fusslage.
2 „ zweiter
7 „ fehlerhafter Lage.
In 6 Fallen blieb der Geburtsmechanismus unbestimmt,
weil die Geburt ausserhalb der Anstalt erfolgt war. Hierzu
kommt noch 1 Abortus.
Kinder wurden geboren 624, nämlich 332 mannhclieii
und 291 weiblichen Geschlechts und 1 Abortus, wo das
Geschlecht sich noch nicht bestin>men Hess. — Ausge-
tragen waren 599, frühzeitig 16, unzeitig 8 und 1
Abortus. Scheintod t wurden geboren 5 Knaben und 2
Mädchen; todtgeboren 44, nämlich 29 Knaben und 15
Mädclien; -davon 5 in macerirtem Zustande, 8 unzeitige, 11
kurz vor der Geburt verstorben in Folge schädUcher Ein-
wirkungen auf die Schwangere z. B. heftigen Schreckes,
Aergers, MisshandlungQn , eines Falles u. s. w. ; 5 in Folge
hochgradiger Beckenenge, so dass die Perforation gemacht
werden musste, ö in Folge zu starker Compression des Ge-
hirns bei massiger Beckenenge, 1 in Folge der Wendung
und Extraction an den Füssen, 2 in Folge von Eclampsie
der Schwangern, 3 wegen Vorfall der Nabelschnur und 4,
wo sich die Todesursache nicht genau nachweisen liess.
Bei den Zwillingsgeburlen wurden 5 Mal 2 Knaben.
über die Ereignisse In deni Entbindangsinstitute etc. 53
6 Mal je eiD Knabo und ein Mädchen ui'd rin Mal zwei Mädchen
geboren. Davon waren 8 Zwillingspaare reif, 3 fnlhzeitig.
In Betreff der Nachgeburtstheile bemerken wir, dass die
Placenta 5 Mal mit beträchtlichen apoplectischen Herden
durchsetzt gefunden wurde. Der Nabelslrang war 90 Mal
central, 460 Mal seitlich und 73 Mal marginal inserirt;
3 Mal enthielt derselbe wahre Knoten und 25 Mal falsche.
Anomalien der Schwangerschaft.
Von eigentlichen Abortus kam nur einer zur Beobach-
tung, im dritten Schwangerschaflsmonate, bei einer Schülerin
des Entbindungsinstitutes, welche während der Stillungsperiodr
concipirt hatte. Nachdem zwei Tage lang die gewöhnlichen
Vorboten des Abortus vorausgegangen waren, stellte sich eine
so heftige Metrorrhagie ein, dass Ohnmacht eintrat und
lamponirt werden musste, was mittels des Colpeurynters
geschah. Darauf wurde schon nach zwei Stunden der voll-
ständige Eisack ausgestossen, welcher einen 2" langen Em-
bryo enthielt. Das Ei zeigte nichts Krankhaftes.
Un zeitige Geburten beobachteten wir 8. Veran-
lassende Ursachen waren: in einem Falle Torsion der
Nabelschnur, die an der Insertionsstelle in den Bauch
des Kindes bis zu einem 3'" dünnen Strange zusammenge-
dreht erschien; in 2 Fällen habituelles Absterben der
Leibesfrucht, indem die Früchte schon mehrmals in vor-
ausgegangenen Schwangerschaften zu derselben Zeit abge-
storben waren; in 3 Phallen wurden heftige Gemüthsbe-
wegungen als Ursachen angegeben und in 2 Fällen liess
sich über die causalen Momente nichts ermitteln. Die Früchte
wurden sämmtlich todtgeboren.
Frühgeburten zählten wir 16, darunter 3 Mal Zwil-
linge. Veranlassende Momente waren meist: körperliche
Anstrengungen, Mangel un Pflege, Diätfehler und allgemeine
Körperschwäche. Die Eröffnungsperiode dauerte in einem
Falle 46 Stunden. Von den Kindern kamen 4 todt zur Welt,
8 starben in den ersten Tagen nach der Geburt. Mit Aus-
nahme einer massigen Peritonitis bei einer Wöchnerin, welche
nach fünf Tagen beseitigt ward, kamen weitere Erkrankungen
im Wochenbette nicht vor.
54 I^* Greruery AchtandyiersigBter Jabreaberieht
Acute Zellgcwebsentzundung mit aachfolgen-
der Abscessbildung ain linken Unterschenkel bei eiuer
Ilocbsdiwangeren machte eine Incision nöthig. Drei Tage
darauf trat die Geburt ein, welche wegen Wehenschwäcbe
mittels der Zange beendet werden musste. Die Heilung deb
Abscesses erfolgte erst in der dritten Woche nach der Geburt
Eine im vierten Monate befindliche Schwangere über-
stand glucklich eine hochgradige^ rechtseitige Pneumonie,
ohne zu abortiren, und gebar rechtzeitig lebende Zwillinge.
Emphysem der rechten Lunge und Insufficienz
der Mitralklappe verursachte bei einei* 35 jährigen, zum
dritten Male Schwangern Anfalle von beträchtlicher Dyspnoe.
Dessenungeachtet erreichte die Schwangerschaft ihr normales
Ende. Die Geburt erfolgte in weniger als drei Stunden. Im
Wochenbette bildete sich Oedem der Fusse und jnitlels der
physikalischen Untersuchung Hess sich sehr bald eine An-
sammlung von Wasser in der Brust- und Bauchhöhle nach-
weisen. Der Gebrauch der Digitalis erregte zwar eine reich-
liche Diurese, dessenungeachtet gelang es nicht die Wasser-
ansammlungen m der Brust- und Bauchhöhle zu beseitigen,
und die Kranke wurde in der dritten Woche nach der Ge-
burt der Diakonissen-Anstalt überwiesen.
An Rheumatismus acutus vorzugsweise der linken
Schulter und des linken Handgelenkes litt eine 26jäbrige
Handarbeiterin, kleiner Natur, dürftiger Ernährung und aus-
geprägter Anämie. Sie fieberte heftig, indem sich der Puls
mehrere Tage auf der Höhe von 120 — 130 Schlägen in der
Minute und die HauLtemperatur auf 31, 4 — 32, 3^R. erhielt
Die Behandlung bestand in Einwickelungen in Hanfwerg und
der Darreichung einer Emuls. papaver. c. nitro. Später
fixirte sich der Rheumatismus besonders im Ellenbogengelenke
und im Kniegelenke der linken Seite. Die Geburt verlief ganz
normal, das Neugeborne war ein Mädchen von 8 Pfd. Ge-
wicht. Sie stillte ihr Kind. Nach einer Remission der rheu-
matischen Schmerzen für einige Tage kehrten aber diese im
Wochenbette zuräck, und da die Krankheit chronisch wurde,
ward die Wöchnerin an die innere Klinik abgegeben, woselbst
sie noch mehrere Monate krank lag.
über lü« KreignUse in dem Kotblpdangsinntittite etc. 50
Anomalien der Geburt.
RachitischeBeckeneDge als GeburUhinderuiss kam
hei 15 Gebärenden tot, ?od denen 6 zum ersten Male, 4
aum zweiten Male, 3 zum dritten Male^ 1 zum fönfteii und
1 zum sechsten Male entbunden wurden. Die Conjagata Vera
betrug bei zwei 3" &" y beide wurden mit der Zange ent-
bunden, die eine ?on einem lebenden Mädchen, die andere,
bei welcher während der Geburt eklamptische Convulsioneu
ausbrachen, von einem todten Knaben. — 7 zeigten eine
Coujugata von 3" 3-- 4''', davon machte sich hei einer die
Perforation nothwendig, bei 2 die Zangenoperation, wobei
die Kinder todt zur Welt gefördert wurden; in 3 Fällen
wurde die Frühgeburt künstlich erregt, wobei wegen fehler-
hafter Fruchtlage sich die Wendung und Extraaion an den
Füssen nöthig madite; das Resultat war in einem Falle ein
todter Knabe, in dem andern lebende Kinder. — 2 Mal
fanden . wir die Conjugata vera 3'' 2'" und entbanden die eine
mittels der Perforation ; die andere mittels der Zange voii
einem todten Knaben. — Eine 3zollige Conjugata erforderte in
2 Fällen die Perforation, einmal mit nachfolgender Kephalo-
tripsie; ebenso eine Conjugata von 2'' 10"' die Perforation
und Kephalotripsie. — Bei 10 dieser wegen rachitischer
Beckenenge Entbundenen verlief das Wochenbett ohne Störung,
bei 4 traten leichte Perimetritis und Peritonitis auf, in einem
Falle aber folgte ein Retroperitouäalabscess, welcher tödtlich
Aiidete; (s. unter den Anomalien des Wochenbettes).
Scoliose an Gebärenden, wobei beide Male die untern
Brustwirbel nach rechts ausgewichen waren ; im Kmdesalter
entstanden^ in Folge von Schwäche der Rückenmuskelu, beo-
bachteten wir 2 Mal, ohne einen uachtheiligen Einfluss davon
auf den Geburtshergang ^u sehen.
Hängebauch höheren Gradt^s kam zweimal, massigen
Ttrades öfters vor. Beide waren Mehrgebärende und hatten
einen in Folge von Hydramoios enorm ausgedehnten Leib,
die eine auch beträchtliches Oedem der Schenkel und varicöse
Anschwellungen. Bis zur Geburt war bei der iimern Unter-
suchung ein vorliegender Fruchttheil nicht zu erreichen. Bei
beginnender Geburtsthätigki^il wurde der Fundus uteri stark
56 I^* Orenterj AehtUDdvierBigvter Jabrefibericht
in die Höhe gehalten und dauiil bis zum Blasenspruug« fori-
gerahren. Die entleerte Menge Fruchtwassers hetrug mehrere
Kaunen. Der Schädel trat nach dem Bldsenspruoge in erster
Stellung schnell ein und durch das Becken. Es wurde ein
kräftiger, 77« Pl*<^* schwerer Knabe geboren, welchem die
Nachgeburl bald nachfolgte. Das Wochenbett verlief ohne
alle Störung. — In dem zweiten Falle compiicirte sidi der
Häugebauch mit einem inveterirteu, faustgrosseu Nabelbruch,
welcher, nachdem er reponirt worden war, durch umgelegte
Handtucher wahrend der Geburt zuröckgehalteu wurde. Auch
in diesem Falle war die Menge des Fruchtwassers sehr be*
deutend, nach dessen Entleerung die Austreibung eines
8 Pfd. schweren Mädchens in erster Schädellage schnell erfolgte.
Ausser der eben erwähnten Hernia umbilicalis fanden
wir bei zwei anderen Gebärenden Leistenbrüche, welche
während der Wehen mit den Fingern zuioickgehalten wurden
und so zu Übeln Zufallen nicht Veranlassung gaben.
Scheidenvorfälle kamen 4 Mal zur BeobadiUing,
gaben aber ein Geburtshinderniss nicht ab. Dreimal betraf
der Prolapsus die vordere Scheidenwand, einmal die hintere.
Hochgradiges Oedem der Schenkel und Scham-
lippen zeigte eine 20jäl)rige Erstgebärende, mittlerer Stator
und von kräftigem Knochenbaue. Der Harn enthielt viel Eiweiss.
Nach 38stündiger Geburtsdauer wurde in 2. Schädellage ein
Knabe von nur 15'' Länge und 57^ Pfd. Schwere geboren.
Während solche Oedeme erfahrungsmässig schon in den
ersten Tagen des Wochenbettes schwinden, bheb dasselbe
hier unverändert, und in dem ausgedehnten Unterleibe iiess
sich deutlich Fluctuation (Hydrops ascites) nachweisen.
Die Haut erschien beiss und trocken, der Puls zählte 100
Schläge, die Hauttemperatur betrug 30,3. Unter dem Ge-
brauche der Digitalis in Verbindung mit Liq. Kali acetici«
wurde die Haut vom fünften Tage an thätig, der Puls ruhig
und die Diurese reichlicher. Der Eiweissgetialt des Harns
verminderte sich von Tage zu Tage, in dem Maasse, als die
Milchsecretion zunahm, und so konnte die Wöchnerin mit
ihrem Säuglinge schon nach 10 Tagen gesund entlassen werden.
Eclampsie hatten wir 2 Mal Gelegenheit zu beobachten,
beide Fälle mit glücklichem Ausgange: Der eine betraf eine
über die Ereignisse in dem Entbin dun gsinsti tute etc. 57
23jäbiige Erstgebärende, welche am 19. Apnl mit schwachen
Wehen in die Anstalt eimrat. Am folgenden Tage fräb brach
der erste Anfall aas, nach welchem aber das Bewu^sein
vollständig wiederkehrte. Dje Erweiterung des Muttermundes
war bis zur Tbalergrösse gediehen, der Schädel stand im
Reckeneingange in erster Siellung. Der Harn enthielt viel
Eiweiss. Patientin erhielt zweistündlich 2 Gran Galomel ond
kolileudes Getränk. Sy^ Stunden nach dem ersten trat ein
zweiter Anfall ein, weniger heftig, als der erste. Die Wehen
blieben schwach. IV^ Stunde darauf kam ein dritter, viel
inlensiverer Paroxysmtis mit blaurothem Gesichte, starrer Pu-
pille, starkem Klopfen der Carotiden. Der Muttermund zeigte
erst die Grösse eines Zweithalerstuckes. Es wurde jetzt eine
Venäsection von 15 Unzen vorgenommen, Eisblasen auf den
Kopf und wiederholte Sinapismen auf Waden nnd Oberarm
gelegt. Das Bewustsein blieb auch in den freien Zwischen-
räumen getrübt. Erst nach vier Stunden war die Erweiterung
des Muttermundes so weit gediehen, dass sich die Zange
hätte anlegen lassen, und das Fruchtwasser ging rauschend
ab, als einige kräftige Wehen den Kopf zum Einschneiden
brachten. Da kein neuer Anfall eingetreten, der Fötus aber,
wie die Auscultation lehrte, bereits abgestorben war, ober-
Hessen wir die völlige Austreibung der Frucht den Natur-
kräften. Sehr bald wurde darauf ein 8 Pfd. schwerer, lodter
Knabe in erster Schädellage geboren, welchem die Nachgeburt
leicht nachfolgte. Die Schwerbesinnlichkeit der Patientin
erhielt sich noch 10 Stunden nach der Geburt, von dieser
Zeit an erlangte sie das Bewustsein erst vollständig wieder.
Von dem ganzen Geburtsverlaufe wusste sie nichts. Die An-
fälle kehrten nicht wieder. Der Puls blieb während der ersten
tfinf Tage des Wochenbettes auf der Höhe von 100 Schlägen
in der Minute, die Temperatur wechselte zwischen 30,2 und
31,1* Die Wehenfunctionen traten regelmässig ein und der
Eiweissgebalt des Harns war vom siebenten Tage ad ganz
verschwunden. Jetzt machte die Reconvalescenz so rasche
Fortschritte, dass schon am 10. Tage die Entlassung erfolgen
konnte. — In dem zweiten Falle war es eine IRjährige
Enntgebärende von kleiner Statur und guter Ernährung, die
an Rachitis gelitten hatte. Am 14. Juni frfih erschien sie
58 ^^- Cheuäer, Achtundviertigcter Jahr««berieiit
in der Anstalt, b'iii Wehen waren noch ndiwacb, der Blnilfr*
UHind in der Grösse eines Zehnneugroschensiuckes geoBiiH,
der Kopf hoch über dem Beckeneingange; die Conjugata v«ra
Itetrug 372''* In der siebenten Abendstunde stellte sicii
|dötziich ein eklamptisrher Anfall ein, nach dessen Beendigung
ein Aderlass von 12 Unzen gentacht und eine Gabe Calomel
von 2 Gran gereicht wurde. Da der Muttermund jetzt vöUig
erweitert gefunden wurde und der Frucbtkopf fassbar für
die Zange stand, ward diese angelegt und mit grossem Kraft-
aufwände ein 9^/2 Pfd. schwerer, todter Knabe in zweiter
Schädellage ohne Drehung entwickelt. Während der Zangen-
operation traten 2 eklamptische Anfalle in rascher Folge eia
Bewustlos wurde die Entbundene auf das Wocbenlager gebracht
wo nach 1 V2 Stunde ein vierter Paroxysnius erfolgte. ^^ gr.
Morphium brachte ihr einige Stunden Schlaf; am andern
Morgen erst stellte sich das vollkommene Bewustsein wieder
ein und mit Erstaunen erfuhr sie erst ihre schwere Entbindung.
Der Harn enthielt nur wenig Eiweiss. In den ersten Tagen
des Wochenl>ettes bestand etwas Fieber mit einer Pulsfre-
quenz von 1 10 Schlägen in der Minute und einer Temperatur
von 30,3 bis 31,1. Vom 8. Tage des Wochenbettes an,
kehrte Alles zur Norm zurück und der Harn zeigte keine
Spur von Eiweiss mehr.
Ein noch unversehrtes Hymen von ungewöhnlich
derber Beschaffenheit wurde, als der vorliegende Schädel der
Frucht am Beckenausgange stand, nach oben und unten
mittels des Bisti)uri incidirt, worauf der Kopf sehr bald zum
Ein- und Durchschneiden kam und ein 8 Pfd. schwerer Knabe
in zweiter Scbädellage geboren wurde.
Rigidität desMuttermundes gab 14 Mal Veranlassung
zu schwieriger und langsamer Erweiterung des Muttermondes.
Bis auf zwei waren es Erstgebärende. In allen Fällen reich-
ten erweichende Sitzbäder hin, das Geburtshinderniss zu heben.
Metrorrhagien während der Geburt der Frucht
kamen zweimal vor. Einmal bei einer 36 jährigen Erstge-
bärenden von dörttiger Ernährung. Mehrere bedeutende Blut-
verluste in ihrer Wohnung veranlassten sie in der Anstalt
Hölle zu suchen. Die Blutung erneuerte sich auch hier, und
da der Muttermund nodi geschlossen und der Kopf vorliegend
über die Ereigniase in dem Entbiodoogiinstitnte etc. 59
gefundeil wurde, ward der mit kaltem Wasser gefüllte Col*
peuryuter eingelegt. Nach viermaliger Füllung des Colpeu>
ryuters mit kaltem Wasser stand die Blutung und konnte von
fernerer Tamponade abgesehen werden. So blieb der Zu*
stand bei ruhiger, horizontaler Lage der Schwangern 9 Tage,
Jetzt stellten sich Wehen und mit ihnen erneuerter Blutabgang
ein; die Untersuchung zeigte am Innern Muttermunde deu
Rand der Placenta. Die kräftigen Wehen drängten jedoch
den vorliegenden Schädel so rasch in den Mutlermund und
in das Becken, dass nicht nur die Blutung stand, sondern
schnell auch das Kind geboren wurde. Es war ein 8 Pfd.
schweres lebendes Mädchen. Abermals eintretende reichliche
Blutung machte die kunstliche Lösung des Fruchtkuchens
nöthig, welche]' sehr lang und schmal war und in Folge dessen
mit seine/h Bande bis zum innern Mudernmnde hinabgereicht
hatte. — Der zweite Fall betraf eine dürftig genährte Mehr-
gebärende, bei welcher schon dupch die äussere Untersuchung
fehlerhafte Fruchtlage erkannt wurde. Beschäftigt mit dem
Drehen einer Wäschrolle, erlitt sie plötzlich eine Metrorrhagie.
Da der Muttermund noch geschlossen gefunden wurde, legten
wir den Colpeurynter ein. Sehr bald darauf traten Wehen
ein, die den Muttermund schnell so weit eröffneten, dass man
mit der Hand eingehen und die Wendung machen konnte.
Wegen fortdauernder Blutung liessen wir die Extraction fol-
gen, die leicht und schnell gelang, aber ein bereits todtes
Kind zur Welt förderte. Auch hier machte sich wegen
Blutung die kunstliche Wegnahme der leicht adhärenten
PLncenta nöthig.
Vorfall der Nabelschnur kam 7 Mal vor, 5 Mal
hei Mehrgebärenden, 2 Mal bei Erstgebärenden. In 2 Fällen
wai' das Fruchtwasser schon vor Ankunft der Gebärenden in
der Anstalt abgegangen und die Schlinge der vorgefallenen
Nabelschnur hing pulslos zur Scheide heraus. In einem
dritten Falle ereignete sich der Vorfall der Nabelschnur bei
einem so hohen Grade von Beckenenge, dass sich die Per-
foration nötliig nuichte. Ebenso wurde in einem vierten
Falle, wo sogleich nach dem Blasenspruuge die vorgefallene
Nabelschnnr welk und pulslos erschien, von Reposiüousver^
suchen abgesehen. In einem fünften Falle wurde an dem iu
(jO VL Crretuer^ Achtundviersigster Jahresbericht
2. SlelJuDg vorliegt* Ddeii ScLädel wegen Vorfalls der Nabel-
Hcbiiur zwar schoell die Zange angelegt, allein die Operation
erforderte wegen Beckenenge zu lange Zeit, als dass das
Leben der Frucht erhalten worden wäre. So kamen in den
beschriebenen fünf Fällen die Kinder todt zur WelL In zwei
Fällen dagegen gelang es bei Vorfall der Nabelschnur das
Leben der Kinder zu retten, einmal durch schnelle Extraction
mittels der Zange, das andere Mal durch die Wendung und
Extraction des Kindes an den Füssen. — Als Ursachen des
Voifalls der Nabelschnur ergaben sich: mangelhaftes An-
schliessen des untern Uterinsegments,. Beckenenge, fehlerhafte
Fruchtlage und tiefer Sitz der Placenta mit marginaler Inser-
tion der Nabelschimr an der tiefsten Stelle.
Dammrisse kamen bei 15 Gebärenden vor. Durch
Illoses Zusanmienbinden der Schenkel in Verbindung mit
ruhiger Lage erzielten wir Heilung bei 7, durch den gleich-
zeitigen Collodiumverband bei 4, nur Iheilweise und uiivoll-
konimene Vereinigung ebenfalls bei 4.
Geburtshulfliche Operationen.
Von den 59 geburtshulflichen Operationen waren 35
Zangen Operationen:
18 wegen Wehenschwäche,
5 „ Kopfgeschwulst,
3 „ Vorfall des Nabelstranges, der niclit zu
reponiren war,
1 „ fester Einkeilung des Kopfes,
1 „ Abnahme der Frequenz und Stärke der
Herztöne der Frucht,
1 ,, bedeutender ödematöser Anschwellung
der grossen Schamlippen,
6 „ Beckenenge.
Summma 35.
Dabei wurden 28 Kinder lebend, 7 todt extrabirt, vuu
letzteren 2 wegen Druckes der Nabelschnur, 5 wegen zu be-
trächtlicher BecktHienge und dadurch bewirkter zu starker
Kompression des Gehirns. Von den mit der Zange entbun-
denen Wöchnerinnen starben 2 an PeriConilis.
über die Ereigniase in dem Entbiadnngsinstitate etc. 61
Die Wendung, und zwar auf einen Fuss, durch in-
nere HandgrifTe wurde 7 mal ausgeführt. Zweimai machte
sie sich ooth wendig nach der kunstlich eingeleiteten Früh-
gehurt (siehe unter künstl. Frühgeburt). Dreimal wurde sie
bei Zwillingen vorgenommen, und zwar jedesmal bei der zwei-
ten Zwiliingsfrucht, während die ersten in Schädel* oder Fuss-
iage geboren waren. — Bei einer Zweitgebärenden ergab die
Untersuchung, dass der Kopf der Frucht nach rechts, der
Rucken nach hinten, Bauch und Füsse nach der vorderen
Gebärmutterwand gerichtet waren. Da es schwer war, in der
Rückenlage der Gebärenden den unteren Fuss zu fassen, wurde
derselbe in die Seitenlage gebracht, wo es leicht gelang den
Fuss zu ergreifen und herabzuleiten. — Die oben, wo von
den Metrorrhagien während der Geburt der Frucht die Rede
war, erwähnte Weridung complicirte sich insofern ungünstig,
als beim Sprengen der Blase eine Schlinge der Nabelschnur
vorfiel, an der sich Pulsation nicht wahrnehmen liess. Die
Frucht befand sich in zweiter Schulterlage, und es gelang
leicht, die Wendung auszuführen, welcher wegen fortdauern-'
der Blutung sogleich die Extraction folgen musste. Das sie-
ben Pfund schwere Kind, ein Mädchen, war bereits todt.
Die Perforation kam fünf Mal zur Ausführung:
I. Eine 36jährige Näherin, welche bis in ihr viertes.
Lebensjahr an Rachitis gelitten hatte. Vor sechs Jahren war
sie wegen Beckenenge bereits durch die Perforation entbun-
den worden. Am 21. Januar kam sie als Kreissende in die
Anstalt; das Maass der Conjugata betrug 3" 2^", die Oeffnung
des Muttermundes im Durchmesser == 1'^ der vorliegende
Schädel stand in querer Stellung noch über dem Eingange:
das Wasser war bereits abgegangen, der Fötalpuls vernehm-
bar. Am andern Morgen ging Kindespech ab und die Herz-
töne liessen sich nicht mehr hören. Nachdem Abends 7 Uhr
der Mutlermund die gehörige Weite erlangt hatte, wurde mit-
tels der Levref^hen Scheere die Perforation gemacht, das
Gehirn ausgespritzt, und d^arauf mit der Zange der Kopf ent-
wickelt; ein Knat»e von 19" Länge uifcl 7\a Pfund Gewicht.
Mit Ausnahme einer geringen Colpitis verlief das Wochenbett
günstig, so dass die Wöchnerin bereits am neunten Tage ent-
lassen werden konnte.
62 ^V- OrenaeTf Achtnndyierzig^ster Jahresbericht
W. Eine 40i51irige Erstgebärende, von dürftiger Ernäh-
rung und blassem Aussehen, bis in*s dritte Lebensjahr rachitisch,
suchte am 3. M§rz Abends in der Anstalt Hülfe. Die Messung der
Conjngata ergab knapp 3", der Muttermund zeigle eine Er-
weiterung von 1" im Durchmesser, der vorliegende Schäd#-1
stand noch beweglich auf dem Beckeneingange. Wegen schwa-
cher Wehen war der Muttermund erst am 5. März früh acht
Uhr völlig erweitert. Die Blase drängte sich bis zur Scham*
spalte hervor und wurde gesprengt, wobei sich eine massige
Menge mit Meconium gemengten Fruchtwassers entleerte. Der
Muttermund fiel hierauf mit schlaffen Rändern wieder zusam-
men. Die Wehenthatigkeit hörte im Laufe des Tages fast
ganz auf, die Herztöne der Frucht waren nicht mehr zu hö-
ren. Da von der Natur nichts mehr zu^ erwarten war und
der Kopf für Anlegung der Zange noch zu hoch stand, be-
stimmte man sich für die Perforation, die ebenfalls mit dem
scheerenförmigen Perfora toriu in bewirkt wurde. Zur weiteren
Compression . und Ausziehung des Kopfes wurde der Cepha-
lotribe von Scanzoni angelegt, der aber wiederholt abglitf,
so dass zuletzt noch die Extraction mit dem Haken vollen-
det wurde. Das Geborene war ein B'/^ Pfund schwerer,
18'' langer Knabe. Die ganze Operation dauerte eine Stunde.
Eine leichte Peritonitis und Colpitis wurde glücklich beseitigt,
dagegen stellte sich am neunten Tage des Wochenbettes ein
heftiger Rheumatismus des linken Armes ein, der sich zuletzt
im Handgelenk flxirte und in der dritten Woche nach der
Geburt eine Ueberlragung der Kranken an das Stadtkranken-
haus nöthig machte.
Hl. Eine 28jährige Dienstniagd kam als Drittgebärende
in die Anstalt. Wegen rhachitisch- verengten Beckens hatte
sie vor vier Jahren eine schwere Zangeiioperation überstan-
den. Die zweite Niederkunft war frühzeitig erfolgt. Die äus-
sere Untersuchung ergab einen sehr stark ausgedehnten, nach
vorn überhängenden Unterleib, in der Gegend des Muttermun-
des waren kleine Fruchttheile zu fühlen, der Fötalpuls liess
sich an mehreren Steifen hören. Innerlich fühlte man hoch
oben den vorliegenden Schädel ballotiren; der Muttermund
zeigte am 12. Juni IVüh 7 Uhr eine Erweiterung von 1'' im
Durchmesser und sehr derbe Ränder, weshalb Sitzbäder in
über die Ereignisse in dem Entbinduagsinntttate eto. §3
Anwendung kamen. Die Conjugata inleraa roasB 3'^ Erst
am 13. Vormittags 10 Uiu* war der Miittermnnd völlig er*
weilert; bald darauf sprang auch die Blase, wobei sieb ein«*
sebr grosse Menge Fruchtwassers entleerte. Der Muttermund
Ael darauf wieder zusammen, der Schädel der Fnjcht blieb
in querer Stellung noch immer hoch. Nach einer Pause von
einer Stunde wurden die Wehen häufiger, ohne jedoch den
Kopf bis in den Beckeneingang zu treiben, es bildete sich
Kopfgesehwulst, die Herztöne der Frucht, die bis jetzt noch
vernehmbar gewesen waren, wurden matter und waren von
Nachmittag 3 Uhr an nicht mehr zu hören. Als der Kopf
jetzt fassbar schien, wurde die Naegele'sche Zange angelegt;
da aber mehre kräftige Traclionen d^n Kopf nicht von der
Stelle brachten, wurde mittels des scbeerenförmigen Perfora-
toriums die Perforation gemacht und darauf der Seamonf-
sehe Gephalotribe angelegt. Versuche, den Kopf mittels die-
ses Instrumentes zu entwickeln, misslangen, daher abermals
die Zange in Anwendung kam, mit welcher ein 20'^ langer,
8V2 Pfund schwerer Knabe herausgefördert wurde. Eine
reichliche Blutung gab die Indication zu sofortiger Lösung
und Entfernung der Nachgeburt. Das Wochenbett verlief
regelmässig.
IV. Am 18. September früh Va^ Uhr erschien in der
Anstalt eine 27 jährige Erstgebärende zu Anfsmg der Eröff-
nungsperiode. Die Muttermundsränder fühlten sich härtlich
und gespannt an, daher trotz kräftiger Wehen die Erweite-
rung mir äusserst langsam vor sich ging, weshalb Sitzbäder
von einem Decoct. semin. lini in Anwendung kamen. Am fol-
genden Vormittage zeigte der Mutteimund erst die Grösse eines
Zweithalerstuckes, die Blase drängte sich hervor, der vor-
liegende Schädel stand aber in querer Stellung noch hoch
auf dem Beckeneingange. Die Messung der Conjugata vera
ergab 3". Beim Blasenspruuge 1 Uhr Mittags fiel eine Schlinge
der Nabelschnur vor, die wir vergeblich zu reponiren such-
ten. Abends 6 Uhr war der Muttermund vollkoumicn erwei-
tert, der Kopf stand fest am Beckeneingange, die Welten nah-
men an Kraft ab. Da über den erfolgten Tod des Fötus
kein Zweifel bestand, wurde sogleich mit der Kopfscheere die
Perforation vorgenommen und nach Entleerung der Hirnmassc
64 I^- €lr0n$er, AohtundviersiKStor Jahreflbericbt
dfT Kopf RiiUeis der Zange «xtrahirt. Es war ein Deun
Pfund schwerer Knabe. Die Nachgeburt liess sich durch
Druck leicht entfernen. Die Wöchnerin wurde am neuolejt
Tage gesund entlassen.
V. Am 22. September suchte ein Dienstmädcbeo von
hier, Erstgebärende, die bis in's dritte Lebensjahr an-Rachitis
gelitten hatte, Hülfe in der Anstalt Der Torliegende Schädel
stand hoch auf dem Beckeneingange, das Maass der Conju-
gata betrug 3'' 3^'^ Die Wehen waren häufig und kräflig,
so «lass Abends sechs ühr der Muttermund vollkommen er-
weitert war* Nach dem Blasensprunge fiel derselbe aber
wieder zusammen und die Wehen in der Nacht vom 22. zum
23. September vermochten den Schädel nicht bis m den
Beckeueingang zu treiben. Nachmittags nahmen die Wehen
an Frequenz und Stärke ab und die fötalen Herztöne waren
nicht mehr zu hören. Um 7 Uhr wurde deshalb sogleich zur
Perforation mittels des scheerenförmigen Perforaloriums ge-
schritten. Audi in diesem Falle konnte der Kopf nach Ent-
leerung des Gehirns mittels der Zange entwickelt werden.
Das Gewicht des Kindes, eines Knaben, betrug 6'^ Pfund.
Die Nachgeburt folgle nach einer Viertelstunde auf Druck.
Am neunten Tage verliess die Wöchnerin gesund die Anstalt
Die vier künstlich erregten Frühgeburten be-
trafen sämmtlich Mehrgebärende.
Der erste Fall kau) im März vor bei einer 34jährigen
Bauersfrau , welche das fünfte Mal schwanger war. Ihre erste
Entbindung mussle dprch die Perforation beendet wei*deu.
Bei der zweiten Geburt hatte die Frucht eine Steisslage ge-
habt und der zuletzt konmiende Kopf war unter grossen
Schwierigkeiten mittels der Zange entwickelt worden. Die
dritte und vierte Entbindung konnte ebenfalls nur durch Per-
foration beendet werden. Die Schwangere wurde in der
33. Sehwaugerschaftswoche zur Einleitung der Frühgeburl
bestellt. Die Messung der Conjugata diagonalis mittels des
Zeigefingers ergab 3'' 4''', so dass sich das Maass der Con-
jugata Vera 2'' 10'" annehmen liess. Am 27. März früh
8 Uhr wurden nach der Cohen'&cben Methode die erste In-
jection gemacht und die Injectionen dreistündlich wiederholt.
Nach drei intrauterinen Einspritzungen fingen die Weben aa
über die Ereignisse in dem EntbinUungsinstitute etc. 65
den Muttermund zu öffnen, dessen Erweiterung aber so lang-
sam fortschritt, dass erst am folgenden Tage Mittags 12 Uhr
der Muttermund völlig erweitert war. Um 4 Uhr Nachmit-
tags sprang die Blase, wobei das in reichlicher Menge ab-
stürzende Fruchtwasser den Nabelstrang mit Torspülte und
die eingehende Hand hoch oben die erste Gesichtslage er-
kannte. Da bei der Aufgeregtheit der Gebärenden ein länge-
res Zuwarten nicht räthlich schien, die Nabelschnur sich nicht
zurückbringen Hess und das Gesicht noch zu hoch stand^
um die Zange anlegen zu können, wurde schnell die Wen-
dung und Extraction an den Füssen vorgenommen und ein
4*/a Pfund schweres, asphyktisches Mädchen entwickelt, wel-
ches jedoch alsbald zu athmen begann. Sogleich zeigte sich,
dass noch eine Frucht vorhanden war, welche sich in erster
Schulterlage zur Geburt stellte. Die abermals leicht und
rasch ausgeführte Wendung mit nachfolgender Extraction för-
derte einen ebenfalls 4'/« Pfund schweren Knaben in asphyk-
tischem Zustande zur Welt. Beide Kinder blieben lebens-
schwach und starb der Knabe schon am folgenden Tage, das
Mädchen nach drei Tagen. Die Entbundene zeigte einen Puls
von 110 Schlägen und eine Temperatur von X 31, 3^ B.
Dieser Zustand hielt mehre Tage an, auch trat Diarrhoe ein,
worauf das Fieber ganz schwand, so dass die Wöchnerin am
12. Tage das Institut verlassen konnte.
Im zweiten Pralle war es eine 40jährige Handarbeiters-
frau, welche in der sechsten Schwangerschaft unsere Hülfe
begehrte. Sie war bereits vier Mal durch die Perforation
und ein Mal durch die künstliche Frühgeburt, aber ebenfalls
von einem todten Kinde entbunden worden. Am 19. Mai,
als in der Sz, Scbwangerschaflswoche, wurde, nachdem die
Conjugata vera als 3" 3'" messend bestimmt worden war,
die erste Inject ion nach der OoAen'schen Methode vorgenom-
men. Nach der zweiten Injection traten mehrere , länger an-
haltende Wehen ein, der Puls stieg auf 100. Zur Unterhal-
tung der Wehen machten sich noch zwei Injeclionen noth-
wendig. Abends "/«S Uhr war der Muttermund völlig erweitert.
Da sich kein vorliegender Fruchttheil fühlen liess, führte man
die rechte Hand ein und constatirte zweite Schullerlage. Die
Wendung machte in der Bückenlagc einige Schwierigkeiten,
MoDAUsohr. f. Oebartsk. 1866. B<i. XXVI., Hft. 1. 5
66 IV. Grenzer, Achtnndviersigster Jahresbericht
gelang aber bald nach eiagenommener Seilenlage. Die ziem-
lich kräftigen Wehen trieben das Kind darauf schuell bis zu
den Schultern aus, die Arme -wurden jetzt scboeli herabge-
schlagen und der Kopf entwickelt, dessenangeacbtet zeigte das
Kind, ein fünf Pfund schwerer Knabe, keine Spur von Leben,
Das Wochenbett verlief ohne alle Störung.
Der dritte Fall betraf eine 33jährige, zum dritten Male
gebärende Webersfrau. Im Jatu*e 1859 war dieselbe in un-
serer Anstalt mittels der Zange sehr schwer von einem tod-
ten Kinde entbunden worden, wobei man eine Conjugata von
3" 3" gefunden hatte. Im Jahre 1861 hatte sie im vierten
Monate abortirt. In der 33. Schwangerschaftswoclie wurde
am 2. Juni die erste intrauterine Injection vorgenommen.
Erst nach der vierten Injection Gngen kräftige Weben den
Muttermund zu erweitern an. Um neun Uhr Abends erschien
derselbe völlig erweitert; die Blase, da sie bis zur Scham-
Öffnung herabdrängte, wurde gesprengt, und bereits um zehn
Uhr gelaug es den Naturkräflen ein fünf Pfund schweres
Mädchen in zweiter Schädellage lebend auszutreiben. Leider
starb das Kind bereits in der folgenden Nacht an Lebens-
sehwäche. Eine leichte Perimetritis in den ersten Tagen
wurde bald beseitigt, und so verliess die Wöchnerin am neun-
ten Tage gesund die Anstalt.
Im vierten Falle meldete sich zur kunstlichen Fröli-
geburt eiue 24jährige, zum dritten Male schwangere Hand-
arbeilersfrau, die ihr erstes Kind nicht völlig ausgetragen,
bei ihrem zweiten aber eine schwere Zangenoperation aus-
zuhalten gehabt hatte. Am 4. Juli, wo sie sich in der
33. Schwangerscbaftswoche befand, wurde früh 7 Uhr das
Cohen sehe Röhrchen eingeführt, wobei leider die Eihäute
verletzt wurden , so dass das Fruchtwasser sich entleerte.
Eine Messung der Conjugata vera hatte 3'' 3'" ergeben. Die
Frucht stellte sich in zweiter Schadellage zur Geburt. Nacli-
mittags war der Muttermund völlig erweitert, und es zeigte
sich an dem vorUegenden Schädel eine pralle Geschwulst,
welche sich runder und kugeliger anfühlte, als eine gewöhn-
lii he Kopfgeschwulsl. Es wurd<' jetzt zur Anlegung der Zange
geschritten, und nach mehreren kräftigen Tractionen ein sechs
Pfund «rhwerer, nur soliwarhes Leben zeigender Knai»e enl-
iib«T di« Ereigpnisse in dem Entbindungsiustitnte etc. 67
wickelt Der ScbMel zeigte an der kleinen Fontanelle einen
prallen Beutel von der Grösse eines Hfihnereies, ivelcher mit
der Sfhadelbdhle zusammenhing und eine seröse Flüssigkeit
zu enthalten schien (s. unter den Anomalien der Neugebo-
renen). Das Kind war nicht zum Saugen zu bringen und
starb bereits nach zwei Tagen. Das Wochenbett verlief, mK
Ausnahme einer sehr geringen circuniscripten Peritonitis, ohne
weitere krankhafte Erscheinungen,
Nachgeburtsoperationen wurden bei vier Erstge-
bärenden und zwei Zweitgebürenden nöthig. In zwei Fällen
war die Verwachsung der Placenta durch feste sehnige
Stränge bedingt, die bei der Lösung mit den Fingern abge-
knippen werden mussten. In den übrigen Fällen war die
Placenta leicht abschälbar, Zweimal musste die Nachgeburt
wegen sehr reichlicher Blutung sofort weggenommen werden.
In einem Falle folgte Endometritis septica und Metrophle-
bitis, an welcher die Wöchnerin starb,
Anomalien des Wochenbettes.
Entzündliche Affectionen des Bauchfelles
kamen im Allgemeinen bei 67 Wöchnerinnen vor. Sie ver-
tlieilen sich nach Monaten, wie folgt: im Januar 4, im Fe-
bruar 8, im März 6, im April 5, im Mai 8, im Juni 8, im
Juli 5, im August 2, im September 5, im October 4, im
November 5 nnd im December 7. Davon beschränkte sich
die Entzündung in dreissig Fällen auf den Bauchfcllüberzug
des Uterus, in zehn Fällen strahlte sie von da auf die vor-
dere Bauchwand über, und in 27 war das Pcritonäum in
grösserer Ausilehnung ergriffen. Bei diesen ausgebreiteleren
Entzündungen bestand dann heftiges Fieber, Puls meist 110
bis 120 mit entsprechender Erhöhung der Temperatur (höchste
Pulsfrequenz 160, wo Genesung eintrat, höchste^ Temperatur
32,4 R. , bei einer Moribunda 33,4.), Tympanitis, grosse
Schmerzhafttgkeit und meist war Exsudat sehr bald nachweisbar.
Von diesen schweren Fällen verliefen folgende drei lodtlich.
1. Eine 35jährige Näherin aus Dresden, Erstgebärende,
trat am 2. Juli Nachts V2I2 Uhr in die Anstalt, Sie gab
an, in der letzten Zeit ihrer Schwangerschaft viel geKrankeit,
besonders an häufigen Diarrhöen und öfteren Frostschniieni
ßg IV. Qren$er, AcbtandWersi^ster Jahrefbericht
gelitten zu haben. Sie ist kleiner Statur, dörfUg genibri,
von kachectiscbent Aussehen, der Unterleib massig gross, Ge-
bärmutter eiförmig, hart anzufühlen, Herztone rechts, Uteria-
geräusch sdiwach hörbar. Scheide massig aufgelockert, Mul-
temiuadsränder zäh, Muttermund so weit geöffnet, dass die
Fingerspitze kaum eindringen konnte, Schädel der Frucht in
zweiter Stellung fest im Eingange des Beckens; das Fnichl-
Wasser hatte sich bereits abgeschlichen. Unter scliwacheo
Wehen verging der ganze Tag und die darauf folgende Nacht,
so dass erst am 4. Juli Mittags der Muttermund völlig erwei*
terl war. Die Kreissende war durch die lange Geburtsdauer
aufgeregt, hatte einen Puls von 100 Schlägen und mehrere
diarrhoische Ausleerungen gehabt. Da der Kopf zu langsam
vorrückte, wurde die Zange angelegt, und ohne besonderen
Kraftaufwand ein acht Pfund schwerer lebender Knabe ent-
wickelt. Reichliche Blutung machte alsbaldige Entfernung der
Nachgeburt nöthig, und als auch darauf wegen Atouie des
Uterus die Blutung fortdauerte, wurden nach Ausräumung der
angesammelten Blutgerinnsel aus der Gebärmutterhöhle, einige
Injectiouen von Essig imd Wasser gemacht und innerlich
Tinct. Cinnamomi gereicht. Nach einigen. Slundeu traten wie-
der diarrhoische Ausleerungen ein, der Puls 120, Temperator
31,2, Unterleib schmerzhaft. Die Kranke erhielt zweislündlich
74 Gr. ExtracL Ihebaic. und Siuapismen. In den folgenden
Tagen steigerte sich das Fieber, der Unterleib trieb sich
mehr aid' und es liess sich Exsudat nachweisen, daher Cataplasm.
emoll. und das Unguent. hydrargyr. einer, in Anwendung
kamen. Unter diesen Symptomen starb die Kranke bereits
am T.Juli Nachmittags. Sectiousbefund; Lungen bis auf
einiges Oedem gesund, nach hinten Leiclienhypostase; Herz
schlaff, im rechten Ventrikel Imbibitionsröthe, auf der Mitral-
klappe geringe atlieromatöse Ablagerungen; die Vaivulae semi-
lunares aortae siebforinig durchlöchei't. Im Abdomen eine
massige Menge serös -eitrigen Exsudates, alle Baucheingeweide
mit eitrigen Flocken bedeckt, Leber massig gmss, eine Ein-
schnürung zeigend, Milz vergrössert, matschig. An der Pla-
cenleustelle des Uterus schwärzliche Exsudatmassen.
2. Eine 19 Jahre altes Dienstmädchen, kleiner Statur, guter
Ernährung, von gesundem Aussehen, kreisste am 31. August.
aber dl« Ereig^nisse in dem Entbindang^einstitate «tc. H9
Sie hatte einen stark ausgedehnten, etwas überhängenden Un-
terleib, Herztöne der Frucht rechts, Schädel der Frucht in
zweiter Stellung noch hoch auf dem Beckeneingange, innere
CoDJugata 3^«", Scheide grieslich , unteres Uterinsegnient zäh,
Muttermund im D. = 1" geöffnet, mit schwieligen Rändern,
Wehen sehr schmerzhaft. Erweichende Sitzbäder. Erst am
3. September Vormittags 10 Uhr vollkommene Erweiterung
des Muttermundes. Da sich Kopfgeschwulst gebildet hatte,
die Herztöne der Frucht träger und matter wurden, die Ge-
bärende auch sehr erschöpft war, wurde die Zange angelegt
und ein Mädchen extrahirt, hei welchem zwar das Herz noch
etwas thätig war, welches aber trotz aller Belebungsversuche
nicht zum Athmen gebracht werden konnte. Die Nachgeburt
wurde unter reichlicher Blutung mit der Hand entfernt. Die
zwei ersten Tage des Wochenbettes verliefen ohne Störung,
nur bestand Harnverhaltung. Jetzt aber trat acute Peritonitis
mit raschem Exsudate ein, der Puls erreichte die Frequenz
von löO, die Tem])eratur die Höhe von 32,2. So starb die
Wöchnerin bereits am dritten Tage der Krankheit, am fünften
Tage des Wochenbettes. Die Section ergab eine Kanne serös-
eitriges Exsudat, die Serosa am Jejunum und Ileum stark in-
jicirt, ebenso an den breiten Mutterbändern, Tuben und Ova-
rien, alle Bancheingeweide mit Eiterflocken bedeckt. An der
inneren Fläche des Uterus keine Spur von Entzündung.
3. Eine 29jährige Näherin, welche bereits einmal eine
normale Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett durchge-
macht hatte, kam am 29. September Abends acht Uhr als
-Kreissende an und gebar binnen einer Stunde in erster Schä-
dellage ein 6*/« Pfufid schweres, lebendes Mädchen, welchem
die Nachgeburt schnell folgte. Die ersten drei Tage des
Wochenbettes verliefen regelmässig, als am 2. October sich
Symptome von Peritonitis, von der Gegend des rechten f^igam.
ut. latum ausgehend zeigten. Puls 110, Teniperatur 30,3.
Am folgenden Tage trat Pleuritis der linken Seite hinzu,
Percussionston gedämpft bis zur vierten Rippe. Die Milch-
secretion versiegte gänzlich. Am siebenten Tage früh Puls
120, Temperatur 31,0. Hinzutretendes Knisterrasseln zeigte,
das auch die Lunge afticirt war. Die Dämpfung des Percus-
sionstons linkerseits erstreckte sich jetzt bis zur zweiten
70 IV. Gren^er^ Achtundvierzigster Jahresbericht
Rippe. Unter Steigerung des Pukes bis 156, der Tempe-
ratur bis zu 32,3* Zunahme der Allieinnotb und des Lungee-
Ödems erfolgte am 13. October Mittags V«12 Uhr der Tod.
Bei der Sectiun fanden wir die linke Brusthöide voU von
serös-eitrigem Exsudate, die entsprechende Lunge am uateren
Lappen comprimirL Das Lungengewebe dasellist im Stadhim
der eitrigen Infiltration. Rechte Lunge, ausser acutem Oedem,
gesund. Leber gross, im rechten Lappen eiu baselnussgrosser,
hämorrhagischer Infarct. Milz etwas grösser als gewöhnlich«
Auf dem linken, wie rechten Ovarinro, ebenso auf beiden
Ligam. lat. uteri abgelaufene Entzündung mit Auflagerung
dicklichen, gelben Exsudats.
Endometritis kam im Ganzen 11 Hai vor. Ausser
zwei Fällen, von denen sich der eine mit Peritonitis (s. oben),
der andere mit Metrophlebitis complicirte, weiche beide tödt-
lich endeten, gingen alle in Genesung über. Die Pulsfrequenz
betrug meist 96— 110, die Temperatur 30,2 bis 31,1. Mehr-
mals fanden wir gleichzeitig Endocolpitis und Ulcera puer-
peralia. Reinigende Injectionen galten als Hauptmittel der
Behandlung. Der tödtlich endende Fall ist folgender:
Die oben (siehe Metrorrhagien während der Gebiu't der
Frucht) erwähnte 36jährige Erstgebärende, wo sich wegen
Blutung die Colpeurysis und in der Nachgeburtsperiode die
künstliche Lösung des Fruchtkuchens noth wendig machten,
erlitt am dritten Tage des Wochenbettes einen FieberanraJI
mit einer Pulsfrequenz von 110 und Temperaturerhöhung von -
31,2. Gleichzeitig stellten sich Diarrhoe und übelriechende
Lochien ein, während der massig gespannte Unterleib schinerztos
blieb. Am sechsten Tage Abends trat plötzlich ein Anfall
von Mania puerperalis auf, welcher ziemlich eine Stunde lang
anhielt. Der Aufall wiederholte sich zwar nicht, aber Puls-
frequenz und Temperaturhöhe steigerten sich immermehr, die
Zunge wurde trocken und rolh, der Durst unlöschbar und
immer wieder zeigten sich Diarrhoeeu. Hinzutretende öftere
Frostschauer wiesen darauf hin, dass sich die Endometritis
mit Metrophlebitis complicirt habe. Alle Mittel, unter welchen
wir von der Zeit an, wo die Frostschauer auftraten, nur den
ergiebigen Gebrauch des Chininum sulfuric. erwähnen, blieben
fruchtlos, und so starb die Kranke am dreizehnten Tage des
über die ßreig^nisse in dem EntbiDdung^sinstitute etc. 71
Wochenbettes. Bei der Seclion fandiMi wir unter der Galea
aponearotica, rechts über deni Supraorbitalrande einen klei-
nen Eiterheer d, welcher etwa einen Fingerhut voll Eiter
entleerte. Hirnhäute und Hirn blutarm, übrigens norin^y.
fieide Luitgen gesund, nur nach hinten alte Verwachsungen.
Das Herz schlaff, weich, an der Valvula mitraiis kleine Ex-
crnscenzen, in den Wandungen der grossen Gefössstämme
Imbibition mit Anfangen atheromatöser Entartung. Leber gross,
über deren Mitte eine Einschnürung, jedenfalls von festem
Schnüren. Milz gross, Gewebe breiig, am unteren Theile
des rechten Randes keilförmig nach innen gehende
Eiterheerde. Uterus noch gross, schlalT, an seiner inne-
ren Fläche mit schmierigen, dunkeln Massen bedeckt Auf
der Schnittfläche der Placentenstelle quillt Eiter aus den
Venen hervor.
Endocolpitis fanden wir bei 59 Wöchnerinnen, davon
41 Mal mit gleichzeitiger Anschwellung der Schamlippen, an
denen es bei 16 zur puerperalen Gesc|iwürsbildung kam. Sie
trat immer gruppenweise auf, so dass epidemische Einflüsse
nicht zu verkennen waren, am stärksten im Monate März urid
in den letzten vier Monaten des Jahres.
Von Harnverhaltung im Wochenbette zählten wir 26
Fälle. Meist bestand sie nur zwei bis vier Tage; zwei Mal
machte sie bis zum siebenten, ein Mal bis zum achten Tage
des Wochenbettes die Application des Katheters nothwendig.
Metrorrhagien kamen acht Mai zur Behandlung; davon
sechs Mal in der ersten Stunde nach der Geburt, zwei Mal
dagegen am sechsten und siebenten Tage des Wochenbettes.
Wo ilie Blutungen bald nach Entfernung der Nachgeburt ein-
traten, war Atonie des Uterus die Ursache, und demgemäss
die Behandlung. Von de\\ später im Wochenbette auftretenden
Metrorrhagien betraf eine zum zehnten Male Entbundene,
wo bei der siebenten, achten und neunlcn Geburt die Pla>
centa jedesmal künstlich durch den Arzt hatte gelöst werden
müssen, und dabei bei der neunten Geburt eine Inversio uteri
entstanden war, welche nur unter grossen Schwierigkeiten
und bedeutender Blutung reponirt worden war. Im October
gebar die Person in der Anstalt zum zehnten Male ganz
regelmässig ein dürftig genährtes, nur öVa Pfund schweres
72 IV. Oretuer, Achtandyieriigster Jahresbericht
Mädchen. Die Nachgehurt liess sich ^erst nach drei Vierlol
Stunden nach wiederholten Versuchen durch äusseren Druck
entfernen. Die Placenta war klein mit faserstofOgen Exsudaten
und tbeilweise kalkigen Concrementen durchsetzt. Die Blu-
tung d^bei war zwar sehr reichlich, stand aber n-dth blosen
Reibungen der Gebärmutter von Aussen. Die Wöchnerin blieb
darauf zwar anämisch, befand sich aber bis zum siebenten
Tage des Wochenbettes wohl, wo plötzlich wieder eine so
reichliche Metrorrhagie eintrat, dass [njectiouen von Essig
und Wasser gemacht und innerlich Tinct. Cinnamom. mit Aeid.
(»hosplior. dilut. gereicht werden musste. Kräftige Kost brachte
die Kräfte darauf wieder so weit, dass die Wöchnerin am
dreizehnten Tage des Wochenbettes entlassen werden konnte. —
In dem zweiten Falle complicirten sich die Blutungen im Wochen-
bette mit einem retroperitonäalen Abscesse, und wurde
der Fall deshalb tödtlich. Es war dies eine 28 jährige Näherin,
von / bleicher cachektischer Gesiclitsfarbe , die in den letzten
Monaten der Schwangerschaft immer gekränkelt und über
Schmerz in der Unterbauchgegend geklagt hatte, welcher sie
am Arbeiten verhinderte. Sie erschien als Kreissende am
1. Juli Nachmittags, das Wasser war bereits abgegangen, der
Unterleib massig ausgedehnt, etwas überhängend | Foetalpuls
links hörbar, Muttermund im D. = T' eröffnet, Schädel der
Frucht in erster Stellung auf dem Beckeneingange noch be«
weglich, Conjugata vera Sy^*'. Als V2 H ^^^ Nachts der
Muttermund völlig erweitert war, die Herztöne der Frucht
schwächer und langsamer wurden, die Gebärende einen Puls
von 110 Schlägen zeigte, wurde an dem erst mit einem
Segment im Beckeneingange stehenden Schädel die Zange
versucht, die aber bei den Tractionen zu gleiten drohte, da-
her man sie wieder abnahm und noch wartete,. Drei Stunden
darauf trieben kräftige Wichen das Kind, ein sieben Pfund
schweres , nunmehr todtes ' Mädchen, aus. Die Nacligeburt
folgte bald darauf auf Druck, die Blutung war massig. Am
dritten Tage des Wochenbettes Symptome von Peritonitis und
Endometritis. Am siebenten Tage profuse Metrorrhagie, welche
Injectionen von Essig und Wasser nöthig machte. Die Blu-
tungen wiederholten sich in den nächsten Tagen und es stellte
sich heftiger Kreuzschmerz ein mit ziehenden Schmenen in
' über die KreigniKse in dem .Knthindnng^sinatitute etc. 73
den Schenkein, die immer unbeweglicher wurden. Puls klein,
130, Temperatur 32,4. Oefteres Erbrechen. Am dreizehnten
Tage erfolgte der Tod. Der Leichnam erschien sehr abge-
magert, wachsfarben, alle Eingeweide blutleer, Milz vergrös*
sert, bauchig. Hinter der Pars Uimbalis peritonaei ein grosser,
von einer Niere zur andern sich erstreckender Sack, welcher
beim Einsiechen eine eitrig-jauchige stinkende, mit Blut ge-
mengte Masse entleerte. Der Uterus zeigte an der Placen-
tenstelle jauchiges Exsudat.
Mania puerperalis brach am siebenten Tage des
Wochenbettes bei einer 24 jährigen Dienstmagd nach völlig
normalen) Gehurtsverlaufe aus. Der Puls hatte dabei 88 Schläge,
Symptome von Peritonitis waren nicht vorhanden. Kalte Fo-
mentationen auf den Kopf, Sinapismen, Morph, acetic. Ve Gr.
pr. dosi, brachten nur wenig'Ruhe und die Wöchnerin musste
wegen zu lauten Tobens und Schreiens, wodurch die dbrigen
Wöchnerinnen in den Nebenzimmern sehr beunruhigt wurden,
an das Stadtkrankenhaus abgegeben werden.
Kehlkopf-, Bronchial- und Lungenkatarrhe
kamen 24 vor und wurden in der Regel, selbst wenn sie
ziemlich inveterirt waren, durch den Wochenschweiss und die
dem Wochenbette eigenthumlichen Veränderungen in den Or-
ganen der Respiration und Circulation in den ersten acht Tagen
des Wochenbettes geheilt. Ebenso wichen Darmkatarrhe,
davon wir sechs beobachteten, im Wochenbette sehr schnell,
und nur in einem Falle unter Mithülfe des Extract. thebaic.
Ausser dem bereits angeföhrten Falle von Pleuritis,
welcher sich mit Peritonitis complicirte und tödtlich endete,
beobachteten wir noch drei andere leichterer Art in den ersten
Tagen des Wochenbettes, deren Heilung durch Cataplasmen
und den Gebrauch der Digitalis bald gelang.
Bei drei Wöchnerinnen, die an chronischem Husten litten,
entdeckten wir Lungentuberculose in den Spitzen beider
Lungen, welche in eitrige Schmelzung überzugehen anfing.
Gegen den quälenden Husten erhielten sie einen Linctus mit
Morphium.
Gegen wunde Brustwarzen versuchten wir das in
dem grossen Dubliner Gebärhause gebräuchliche Mittel be-
stehend aus: Borac. 3ii, Calc. viv. 3i, Spirit. vin. Sü und
74 '^' Qretuer, Aehtundvierzig^sier Jiihre«beriebt
Aq. foiitan. Jiv. Leinwandlappohen, in diese Flüssigkeit g^e-
taucht, wurden auf die Warzen gelegt und nuch dem Ein-
trocknen erneuert. Nach unseren Erfahrungen entsprach aber
das Mittel seinem Rufe ebensowenig, wie 6ie meisten übrigen,
und wir kamen wieder auf ttie von uns seit einer Reibe von
Jahren mit Nutzen gehrauchte Mischung von Borax mit Milch-
rahm zurück.
Anomalien der Neugeborenen.
Von di^n Neugeborenen verstarben in der Anstalt 21,
als 12 Knaben und neun Mädchen, und zwar:
8 an Lebensschwäche wegen Frühzeitigkeit, davon drei
nach der künstlichen Frühgeburt, inclus. ein Zwil-
lingspaar,
1 an Hydrocephalus externus,
3 an Atelectasis pulmonum,
1 an Icterus,
8 an Krämpfen in Folge von Hirnhyperänue.
sir2i;"
Von sonstigen Erkrankungen beobachteten wir 1 Perio-
stitis, 1 hartnäckige Ohstructio alvi, 2 Cephalaematome, 4 Na-
helentzöndungen, 2 entzündete Brüstchen, 1 Entzündung der
Scl»amlippen, 4 Fälle von Mundaphtben, 1 Bruch des Ober-
armbeins, 2 Icterus, 1 Blutung aus dem Mästdarme, 3 Her-
nien, 3 Pemphigus und 46 Ophthalmiae neonatorum.
Das Vorkommen der Ophthalmia neonatorum band sich
an keine Jahreszeit, so dass einige Fälle dieser Krankheit in
jedem Monate zur Beobachtung kamen. Ein Dritttbeil der Ge-
sammtmasse der augenkranken Neugeborenen waren solche,
die von Hausschwangern geboren worden waren, eine Erfali-
rung, die wir schon längst gemacht haben. Es kamen näm-
lich auf 88 von Hausschwangern Geborene 15, auf 524 von
erst während der Geburt Eintretenden 31 augenkranke Kin-
der. Die Ursache hiervon liegt wohl darin, dass durch die
öfteren Untersnclmngen der Hausscliwangeren nicht selten
Scheidenblennorrlioen erzeugt werden, welche während des
Gehurtsactes inficirend auf die Augenlider der Kinder wirken.
Daher wurde darauf gesehen, dass, wo sidi l»ei der Mutter
aber die Bret^niiise in dem Entbindungsineütote ete. 75
weisser Fluss zeigte, die Augen der, Neugeborenen im ersten
Bade mit besomlerer Sorgfalt gereinigt wurden. — Was die
Ausgänge der Ophthalmia neonatorum betrilTt, so blieb nur in
oinent einzigen Falle eine beträchtliche Trübung der Cornea
auf beiden- Augen zurück, in zwei anderen nur leichte Ma-
culae des einen AugevS.
Von Missbildungen kamen vor:
1 Klumpfuss,
1 Teleangiectasie am rechten Obersclienkel von der Grösse
einer welschen Nuss,
1 Spina bifida in der Gegend des vierten bis achten Brust-
wirbels; ausserdem erstreckte sich bei diesem Kinde der
vordere Winkel der grossen Fontanelle bis zur Nasen-
wurzel, übrigens erschien das Kind gut genährt und
saugte an der Mutterbrust;
1 Hydrocephalus externus congenitus und gleichzeitig Atre-
sia ani bei dem oben erwähnten durch die künslliclie
Frühgeburt zur Welt geförderten, lebensschwacben Kna-
ben. Bei der Section zeigte sich, dass der huhnereigrosse,
beuteiförmige Anhang von einer Fortsetzung der Dura
mater ausgekleidet und mit Serum angefüllt war, mithin
einen Hydrocephalus externus darstellte.
Unterricht in der Geburtshülfe erhielten 25 Stu-
dirende und 54 Schulerinnen.
76 IV. Chrenter, ÄchtundTieriigster Jahresbericht etc.
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Zahl der Geburten.
Zahl der aufgenommenen
Schwangeren und Ge-
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Bestand am 81. Dec. 1861.
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1
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SS • • : • iilill.
V. Notiaen aas der Jourotil-Literatar. 77
V.
m
Notizen aus der Journal -Literatur.
Ludung Fürst: Zur Therapie der chronischen Me-
tritis.
Nach einer karsen Würdigung der aber die Aetiologie der
chronischen Metritis bestehenden Ansichten (Sean^onij Sey/ert)
bekennt sich Verf. schliesslich lu der ^raiin'schen Meinung, wo-
nach er die beregte Ute rnsk rankheit einerseits von Blutstaaungen
nnd Hyper&mien in den Beckenorganen herleitet, andererseits die
Ursache derselben den puerperalen Vorgängen allein yindiciren zn
können glaubt. Dieser Anschauungsweise folgend, nimmt er bei
Aufstellung der Causalindicationen hauptsächlich darauf Rücksicht:
1) ob die krankhaften Erscheinungen ursprünglich aus einem
alterirten Kreislaufe in den Beckengefüssen und denjenigen in-
nerhalb der Gebärmutter hervorgegangen, oder ob 2) die localen
Erscheinungen lediglich durch Veränderun^ren in dem Uterus-
parenchym bedingt werden, die insbesondere mit einem voraus-
gegangenen puerperalen Vorgange im Causalverbande stehen.
Ad 1. Da die Ursache der Blutiiberfiillung des Uterus einer-
seits in diesem selbst liegen kann, andererseits die localen
Cireulationsstörungen des Uterus von allgemeinen in den be-
deutenderen Blntbahnen stattgehabten Unregelmässigkeiten (Hera-,
Lungen-, Leberkrankbeiten) herzuleiten sind, so werden aneh die
therapentischen Maassnahmen verschiedener Art sein müssen.
Die Beseitigung des andauernden Oongestivzustandes im
Utems wurde bekanntlich von jeher, besonders durch Blut ent-
sieh ung am Scheidentheile, angestrebt. Die Anwendung der-
selben hält Verf. (natürlich unter Beobachtung der nÖthigen Can-
telen) im beregten Falle für durchaus zweckmässig; besonders
nützlich seien sie aber, wenn jene Cireulationsstörungen bei chro-
nischen Metritiden zur Zeit der katamenialen Function in Er-
scheinung treten, weil die durch die chronische Metritis bedingte
Gewebsveränderung des Uterus das Zustandekommen der Blut-
gefftsszerreissung bei jenem Acte erschwere oder verhindere, und
Amenorrhoe befördere.
Wesentliche Bücksicht sei aber auf die durch Vorm- und
Lageveränderungen (Ante- nnd Retroflexionen) vemrsaehte Cir-
oulationsstö rangen im Uteras zu nehmen. Diese wären nicht
durch örtliche Blutentziehungen allein zu heben, sondern hier
gelte es die ursächlichen Momente entweder zn beseitigen oder
78 ^* Notisen aus der Journal- Lite ratar. ,
in ihrer Wirkung weniestcns sn paralysiren. Dazu empfehle «iek
die Anwendnn)^ des O. Braun^sehen Hebelpessartum« (Wieaer
Wochenschrift, Nr. 27 — 81. d. J. 1864); denn wenn man auch
durch dies Instraiuent nur eine Aufrichtung^ des geknickten Or-
gans während der ^elt seiner Wirksamkeit und keine dauernde
Herstellung der krankhaften LageTeränderong ersiele, so könae
doch durch jenen Vorgang einmal die Veranlassung su andaut-m-
den collateralen venösen Hyperämien behoben und unter Hin
flussnabme einer entsprechenden localen Blut entsieh an g die He-
flection des Uterus auch bewerkstelligt, andererseita aber aocli
consecutive Zufälle der Knickung, wie Oedem, Hypertrophie,
Katurrh n. s. w. hintangihalten werden.
Mit Uebergehung der gewöhnlichen diätetischen und hjrgie-
niNchcD Maassnahmen bei bestehenden organischen Hers-, Lungen-
nnd Leberkrankheiten, als ursächliche Momente für die beregt#
Circotationsstörung, würdigt Verf. kurz die Heilpotensen, welche
auf Kestaurirung einer alterirten Blutbeschaffenheit (Chlorose,
Scrophulose) und auf Hebung der durch überstandene schwere
Krankheiten oft «ehr beeinträchtigten Krafteaustände der Ge-
sammtconstitution Bezug haben, und verweist schliesslich in Be-
treff der hier ebenfalls in Betracht kommenden Fremdbilduagen
im Cavo uteri auf die operative Curmethode.
Ad 2. Hinsichtlich der aus Involutionsstörungen dea puer-
peralen Uterus hervorgegangenen chronischen Metritis könne die
Medication nur insofern das Krankheit machende Agens berück-
sichtigen , als sie für die nächstfolgenden Wochenbetten Bestiu»-
mungen gebe, welche eine Beförderung der fettigen Degeneration
der vermehrten Uterinelemente beabsichtigten. Es sei dasu die
baldige Ausatossung der Placenta herbeizuführen und danach die
Contractionen des Uterus durch fortgesetztes Massiren des Kua-
das, durch Gaben von 8ecale cornutum und fleissige Clysmala
anzuregen; aus demselben Grunde auch den Müttern das Selbst-
Htillen ihrer Kinder diingend aus Herz su legen. Nach dem Ver-
lassen des Wochenbettes empfiehlt Verf. Vollbäder, die jeden
zweiten Tag in der Dauer von 15 — 20 Minuten, 28—80^ B. warm
während der ganzen Invohitionszeit genommen, durch Beachlen-
nigUDg des capillären Blutlaufs eine Hebung des fitoffwechiM»!«
und Beförderung der Absonderung der jn den Utorinwaadungeu
gesetzten Detritusmasse bewirken sollen. —
Geht aber nnter weniger gunstigen Bedingungen der Rnck-
bildungsprocess im puerperalen Uterus nicht gehörig von Statten.
so bleiben die Uterin Wandungen von jenem hyperfrophirten nnd
theilweise vermehrten Bindegewebe durchsetzt und es folgen «11*
iiiälich alle die bekannten Veränderungen, welche die chronische
Metritis kennzeichnen. Dem ätiologischen Momente nach 8le4it
aUo die angedeutete Massenvermehrnng den Uterus mit keiner.
V. Notizen ann der Journal- Litaratnr. 79
wie immer ▼ernnlaasten GrDährnngAaooiiialie des Utenisparen-
chyms in vausHlem Nexus, sondern ist ans einer Hypertrophie
hervorgeganiten , die salbst erst dnreb den ächwangerschafts-
prooess angeregt wnrda.
Bei Krwägung des Heilverfahrens ist nach dem Vorausge-
gangenen besonders darauf sn denken, dass durch Anregung und
Beschleunigung der Stoffmetamorphose die excedirenden Elemente
des Uterus zur Resorption kommen und zwar a) durch AnMtre ben
verbesserter allgemeiner VerhUItniRse, und b) durch HarttelluKg
einer regeren Blutcirculation. in den UteringefAssen, durch An-
regung der Uterincontractionen.
Bei der Wahl der in die letste Kategorie gebärenden Heil-
agctttien sind die GonsisteniverhXItnisse des Uterinparenchyms
massgebend. Bei Starrheit und voIlstJindiger Induration des («e*
wehes sind die warmen Volt- und Sitzbäder und die iRUwarma
Ut^rindouche vereint mit den nöthigen Aetsmitteln und Adstrin-
lyentien sehr zweckmKssig. Die Anwendung letzterer, welche die
abnorme Wulstnng der Uterinsehleimhaut beben sollen, Ifisst nur
bei directer Application des Medicaments auf den afficirten Theil
einen Erfolg erwarten. Zur Ausführung dieser Manipulation be-
diente sich Verf. des CAtarrschen Porte - caustiqne , mit dessen
Hülfe er sowohl Cnpr. sulf., Aluinen, Zinc. sulf. als auch Stäb-
chen von Tannin in die innigste Berührung mit der ktanken
Uterinsehleimhaut brachte. Namhaftere Schwellungen mit pro-
fusem, tbeilweise eitrigem Secrete bednrftea des Lapis, inf. in
Substanz, dessen Gebrauch bei Beobachtung der nöthigen Can-
telen durchaus gefahrlos ist.
Bei Schlaffheit und Auflockerung des Uteringewebes mit
vorwiegender Secretion der Mucosa empfiehlt Verf. die Anwen-
dung des kalten Wassers, die Injection flüssiger A Ätzmittel
(Nitras argent. cryst. 3i Aq. destill. 3ii) mit der C, BraunVchen
Uterinspritze und die wiederholte Einführung dar Uterinsonde.
Weitere die chronische Metritis begleitende Erscheinun-
gen: die am Orif. ext. uteri sehr gewöhnlich vorkommenden
papillären, follicnlären, fungösen Geschwüre und der Scheiden-
katarrh verlangen ebenso locale l^ehandlung. Bei letzteren räth
V^erf. Tampons mit Adstringentien versehen in die Scheide ein-
zubringen, oder die C. Braua*8chen Suppositorien au« Alnmen,
Zinc. sulf. u. s. w. anzuwenden.
Um schliesslich eine Verbesserung der alterirten Allgemein-
verhHhnisse herbeizuführen, hält Verf. neben der oombinirten
Behandlungsweise und einem roborirenden Verfahren den (te-
brauch einer geeigneten Brunnen- und Badecur durchaus für noth-
wendig, und rühmt in dieser Beziehung das bewührte Franzens-
bad, wo fler reiche Kohlensänregehalt der MineralwUsser und <tie
80 ^* NotUen aas der Jounuil- Literatur.
MoorbHder wesentlich aar AnregDOg des StoiFireebsela ond also
sur Resorption der nafsaagungsffthigen Substanaen beitrage.
Zar Bekräftigung des Oesagten führt er am Schlaaae aelaer
Arbeit einzelne hierher gehörige Krankeogesohicfaten aas aainea
Aafaeiehnnngen aaf.
(Wiener Media. Wochenschrift. 1865. Nr. 24. a. ff.)
J. Main Die Ansleckung bei dem Kindbettfieber.
Im Anschlnss an die schon früher von «Semms^tosüs, Hirt^
Stamm, Pfeuffer, Bemhardi n. A. aber den septicümischen Ur-
sprung des Kindbettfiebers mitgetbeilten Tbatsacben veröffentlicht
Verf. aar Warnang für Aerste and Hebammen einen Fall, wo
die mit der Keinignng einer am Puerperalfieber erkrankten Wöch-
uerin betraute Hebamme wahrscheinlich durch Uebnrtragnng
putriden Wochenflusses im Gänsen sechs Neaentbandene inficirte.
Ton denen nur eine gerettet wurde.
(Aertcliches Intelligenablatt Baiems. Nr. 19. 1865.)
Marion Sims: Blutige Erweiterung des Mutter-
haJses.
Verf. iSsst zwar den von Simpson und Cfreenhalgh ange-
gebenen Instrumenten zur blutigen Erweiterung des Mntterbalses
Gerechtigkeit wiederfahren, hKlt ihre Anwendung aber insofern
nicht für zweckmHssig, als die Schnitte durch diese Instrumente
im Finstern, allein durch das Gefühl des Fingers controlirt, aas-
geführt werden. Er will die Einschnitte durch das Speculum
machen, legt die Kranke auf die Seite, fixirt mit einem kleinen
scharfen Haken die vordere Muttermundslippe, und schneidet zu-
nächst mittels einer eigens dazu gebauten Scheere zuerst nach
links, dann nach rechts den Rand des Muttermundes vollständig
durch die ganze Partie' Vaginalis hindurch, dann führt er ein
Messer, welches durch eine Schraube nach zwei Seiten in belie-
bigein Winkel festgestellt werden kann, bis über den Innern
Muttermund, und durchschneidet auch diesen nach beiden Seiten.
Dann wird der aufgeschnittene Halscanal mit einem in Glycerin
getauchten Wattenpfropf ausgestopft, und dieser Verbund öfter
wiederholt, bis zur Heilung der Wunde. Zuweilen treten starke
Blutungen ein, gegen welche gute Styptica zur Hand sein müs-
sen. Die Verengerung tritt leicht wieder ein, wenn nicht ISn
gere Zeit Dilatatorien angewendet werden.
(The Lancet 1. Avril 1866.)
VI.
lieber die Anwendung der Intrauterin -Fessarien.
Von
Dr. H. Hildebrandt^
I*iiT«t*Docenten in KOnigtbergr tn Pnaffen.
Es därfle wohl allgemein anerkannt sein, dass die meisten
Flexionen des nicht schwangeren Uterus am geeignetsten nur
mit denjenigen Mitteln behandelt werden, welche gegen die
die Flexion bedingende oder begleitende Texturerkrankung
des Uterus gerichtet sind.
Die Gewebsveränderungen aber, welche wir mit dem un-
tersuchenden Finger und allenfalls mit dem Speculum an
unseren mit Flexionen behafteten Kranken nachweisen kön-
nen^ sind, die seltenen Fälle von Neubildungen bei Seite ge*
lassen, einerseits reine Atonie des gesammten Uterus, ande-
rerseits Anschoppung entweder des ganzen oder nur einzel-
ner Partien des Uterus, und zwar bald im ersten Stadium,
dem der Anschwellung mit Auflockerung, bald im zweiten,
dem der Anschwellung und Induration des Gewebes.
Verlangen nun auch die Flexionen vornehmlich, dass
man bei ihrer Behandlung aufs sorgfaltigste individualisire,
da gewöhnlich ein ganzes Heer von pathologischen Erschei-
nungen das Gefolge der Texlurerkrankungen des Uterus zu
bilden pflegt, welche auf unsere therapeutischen Maassregeln
mehr oder weniger infiuiren, und dürfen wir daher nicht
beanspruchen,, specielle Vorschriften der Behandlung ertheilen
zu können, welche für alle Fälle ausreichen, so lassen sich
M0Q«t«80br. f. (»eburisk. 1S65. Bd. XXVI.. Hft. 2. 6
82 VI. Hildebrandt, lieber die Anwendang d.Intranteriii-PestArieB.
doch, wenn man die Art und den Grad jener Textunrerände-
rungen im Auge behält, allgemeine Grundsatze der Behand-
lung'für die eine oder die andere Gruppe von Erkrankungen
wohl aufstellen.
Betrachten wir zunächst die Fälle von Flexionen, welche
mit reiner Atonie der Wandungen ohne sonstige Verände-
rungen des Parenchyms einhergehen. Es sind sowohl Ante-
als Retroflexionen , meistens bei an sich sehr schwächlichen
Personen, die wir am häufigsten nach zu schnell aufeinander
folgenden Geburten, besonders unzeitigen und frühzeitigen
und mit copiösen Blutungen verknöpften Geburten und unter
diesen Verhältnissen besonders bei solchen Frauen zu Stande
kommen sehen, die in sehr jugendlichem Alter heiratheten,
bald schwanger wurden, vielleicht durch das Nährgeschäll noch
angestrengt wurden. Ich zähle unter 45 Fällen von Flexionen
des Uterus, die ich bis jetzt in Behandlung gehabt habe,
11 von reiner Atoilie des Uterus, welche ich auf die genann-
ten Ursachen ziffückfQhren zu mössen glaube. Es zeigen
femer dieselbe Art von Texturerkrankung manche Fälle von
Flexionen des Uterus, welche bei Virgines vorkommen. In
zwei Fällen von Retroflexion, welche ich neuerdings bei Vir-
gines vorfand, erschien der Uterus dem untersuchenden Fin-
ger und beim Einfuhren der Sonde so weich und nachgiebig,
wie ein schlaffisr Sack. In einem Falle war die Krankheit
eingestandener Maassen, in dem andern meiner Udierzeugaag
nach durch Masturbation entstanden.
Alle Flexionen nun, welche mit einer solchen reinen Er-
schlaffung des Gewebes einhergehen, verlangen eine rein robo-
rirende Behandlung. Neben einer recht kräftigen, der Ver-*
dauungskraft des Magens angepassten Diät, den Gebrauch
eisenhaltiger Mittel: vornehmlich, wenn es die äusseren Ver-
hältnisse gestatten, den Gebrauch eisenhaltiger Brunnen in
reiner kräftigender GebirgslufL Ausser den firunnencuren sind
die verschiedenen leichteren Eisenpräparate, welche zweck-
mässig mit Ergotin verbunden werden, indicirt. Von entschie-
denem Nutzen ist fQr Viele dieser Kranken der Gebraach
der Seebäder. In fönf von den vorhererwfthnten df Ftilen
haben unsere Ostseebäder sehr günstige Erfolge gehabt
Vier dieser Frauen, deren Leiden in Folge zu zahbneicher
VI* Hiidebramdtf lieber die Anwendtm^ d. Inträuterln-Pessarien. g3
Geburten und Aborte entstanden war, kehrten naöh einem
fönfwöcbentlichen A»fenthal(e in unserem Badeorte Kranz voll-
sUndig geheib zoröek. Sie fühlten sich nicht nur kräftiger,
wohler, von den die Flexion begleitenden nerrösen und menstrua-
len Beschwerden befreit, sondern es war auch die Flexion
selbst vollständig gehoben, der Uterus in seinem 6e-
wd)e fester und straffer. Die fünfte, eine der vorerwähnten
Virgines, eine chlorotisehe sehr nervöse Person, welche seit
dem Bestehen einer sehr erheblichen Retroflexion allmälig
eine solche Unsicherheit und Schwäch« in den Schenkeln
verspürt hatte, dass sie nie länger als höchstens eine Vier-
telstunde sich auf ihren Füssen zu halten im Stande war,
Hess ich im Sommer 1863 zunächst, weil ich glaubte, dass sie
ihres hochgradig chlorolischen Habitus wegen kalte Bäder
nicht vertragen wurde, wöchentlich drei Bäder mit warmem
Seewasser nehmen und rielli ihr aufs strengste den steten
Aufenthalt im Freien in der Nähe der See an. Sie kehrte
nach sechswöchentlichem Aufenthalte in wesentlich gebesser-
tem Zustande zurück. Im Sommer 1864 durfte sie bereits
taglich ein kaltes Seebad nehmen, und stellte sich mir nach
Gebrauch von 30 derselben vollständig genesen vor. — ^ Die
wenig aufregenden Seebäder an unserem Ostseestrande und
der Aufenthalt daselbst in der erfrischenden, den Stoffwechsel
lebhaft anregenden, die R^production fördernden Luft, habe
ich überhaupt durchaus vortheilhatt zur Behebung aller ato^
siscben Zustände des Uterus gefunden, welche ohne entzünd-
liche Reizungen verlaufen.
Für ein ebenso werthvolles und besonders da, wo man
die kalten Seebäder Dicht in Anwendung ziehen kann, fast
unentbehrliches Mittel zur Behebung der Atonien des Uterus
ohne entzündliche Reizungen halle ich den vorsichtigen Ge-
brauch der kühlen Doucbe. — Ich wende dieselbe stets in
der Weise an, dass idi mit dem 0/ May^'&chen Apparate
anfangs täglich ein Mal durch fünf Minuten ^Vasser von 25 ^ R.
i» die Geschlechtstheile gegen den Uterus einpumpen lasse.
Ganz allmälig lasse ich die Teroperatur des Wassers kälter
nehmen, etwa jeden zweiten Tag um einen Grad, und so
kerab bis zu 14^ R,, jedoch nie darunter; bestimme dann
allmälig auch eine etwas längere Zeitdauer, jedoch nie über
. ' . 6*
84 VI, Hildebrandt, Ue ber die Anwendung d. Intraoterin-PMMirien.
zehn Minuten, und laeuse schliesslich zwei Hai im Tage
douchen, und zwar Morgens im Bette, so dass die Kranken
stets noch V2 — ^ Stunde in der Beltwärme rerbleiben und
Abends kurz vor dem Schlafengehen. Indem ich diese Vor^
sichtsmassregeln anwandte, und indem ich ferner es nie wagte,
die kühle Douche da zu verordnen, wo entzündliche Prozesse
vorhanden waren, habe ich niemals, weder bei den einfachen
Atonien noch bei den chronischen atonischen Anschoppungen
des ersten Stadiums und bei den mit ihnen verbundenen
Flexionen und Versionen des Uterus die Übeln Folgen ge-
sehen, welche man jetzt von so vielen Seiten dem Gebrauche
der kalten Douche nachSitgt. Freilich verträgt ihre Anwen-
dung nicht jede Constitution. Sehr hochgradig anämischeD
chlorotischen Personen darf man sie nicht verordnen, noch
weniger Brustkranken, und auf unvorsichtigen Gebrauch kön-
nen entzündliche Erscheinungen aufnieten, welche sich auch
iiber den Uterus hinaus erstrecken. So sah ich mehr-
mals in Fällen, in welchen Frauen gegen die Anweisung das
Wasser zu kühl genommen hatten, ziemlich hartnäckige katar-
rhalische Blasenreizungen entstehen, aber eben immer nur als
Folge der Unvorsichtigkeit d^ Kranken. Auch habe ich mich
überzeugt, dass beim zweiten Stadium der Metritis chronica,
bei der chronischen Induration die kalte Douche durchaus
contraindicirt ist. Für die Behebung der Zustände von rei-
ner Atonie aber möchte ich den örtlichen Gehrauch des kalten
Wassers nicht nur ein sehr wichtiges Unterstützungsmittel
für die allgemein roborirende und tonisirende Behandlung
nennen, sondern denselben als das wesentlichste, das un-
schädlichste, einfachste und am schnellsten wirksame Mittel
bezeichnen.
Eine sehr ähnliche Behandlung, wie die bei reiner pri-
märer Atonie entstandenen Flexionen scheinen mir diejenigen
Fälle zu erfordern, bei welchen sich der Uterus im ersten
Stadium der Anschoppung, dem der Anschwellung und Auf-
lockerung des Gewebes befindet. Wir bekommen sie am
häufigsten zu sehen nach vernachlässigten Aborten und bei
Frauen, welche viele Wochenbetten nacheinander durchmach-
ten und dabei sich sehr wenig schonten, meist als Folgen
mangelbaftc^r Rückbildung des puerperalen Uterus. — Ich
^ VI. Hildehrandty Ueber die Anwendang d.Intranterin-Pdssarien. g5
zähle unter 45 Fallen Ton Flexionen sieben Retroflexionen
und zwei Anteflexionen, deren £ntslebung ich diesen Um-
ständen, am häufigsten vernachlässigten Aborten zusehreiben
musste. Die meisten verliefen mit recht profusen Blutungen^
mitunter bis zur hochgradigsten mit hydropischen Erschei-
nungen verbundenen Anaemie; bei wenigen fehlte die Blutung,
bei aUen war die Schmerzhaftigkeit bei Berührung des mehr
vom oder hintenubergelegten Uteruskörpers mit dem touchi-
renden Finger recht erheblich, bei allen die nervösen Erschei-
nungen, wie sie nach^ schnell entstandenen Flexionen aufzu-
treten pflegen, mehr oder weniger stark vorhanden.
In allen diesen nenn Fällen habe ich nach vergeblichem
Gebrauche der Styptica innerlich und äusserlich in Form von
Injectionen, nach vergeblichem Gebrauche des Seeale cornuti
und des Ergotin erst auf den Gebrauch der kühlen Doudie
in jener vorherbesehriebenen Weise dauernd günstigen Erfolg
eintreten sehen. Auf ihre Anwendung erst hörten die pro-
fusen Blutungen völlig auf, verschwanden allmälig die vielfach
schmerzhaften Empfindungen, kehrte der Tonus des Uterus-
gewebes zurück. Sieben der auf diese Weise behandelten
Frauen sind dajpernd genesen, ohne ein Recidiv der Flexion
zu erleiden; mehrere von ihnen haben wieder regelmässige
Geburten durchgemacht. Bei zwei anderen stillte sich zwar
die Blutung und gewann der Uterus an Festigkeit, die Flexion
verschwand aber erst vollständig nach mehrwöchentliebem Auf-
enthalte an der See und dem Gebrauche kalter Bäder daselbst.
Ausser der Zuverlässigkeit der Wirkung, wekhe ich nach
diesen Erfahrungen der kalten Douche zuschreiben zu müssen
glaube, kann ich nicht genug die Schnelligkeit rühmen, mit
welcher sie die bestehenden Beschwerden behebt. Es* ist in
den genannten Fällen die Anwendung der kalten Douche mei-
stens nur drei bis sechs Wochen erforderlich gewesen, um
alle krankhaften Erscheinungen, welche in directem Zusam-
menhange mit der Flexion standen, zu beheben. Diese Er-
folge können wir keiner anderen Behandlungsmethode nach-
rühmen.
Der Bereich der Wirksamkeit der kalten Douche wie
der kalten Seebäder ist aber leider ein sehr beschränkter.
Die Fälle von Flexionen, welche mit reiner Atonie des Ge-
gg VI. £ftM«&ra9M{<,Ueb«rdi« Anwendung d. iBlravUrin-PeMarien.
wehes oder mit Anschwellung, Aufleokerimg und EracUaffiing
desselben einbergehen, sind der Zahl nach gering dem gros-
Heer von Flexionen gegenüber, bei denen wir den Uterus im
zweiten Stadium der Anschoppung finden. Der untersuchende
Finger lässt uns das geknickte Organ im Zustande beträcht-
licher Induration und'VolumensKunahroe der Wandungen fahlen;
die Sonde giebt uns Vergrösserung des Cavums an, häulig
finden wir aber auch die deutlichsten Zeichen empfindlicher
Reiczustande, Schmerzhaftigkeit^ eitrigen mit Blutstreifen ver-
niischten Austluss, Geschwüre der Mutierraundslippen n. s.w.
Es ist nicht meine Absicht, hier den ganzen Schatz der
therapeutischen Maassregeln zu besprechen, welche in diesen
die Ausdauer der Kranken und des Arztes auf die Piröbe
stellenden Fällen, allmälig die Genesung der Kranken herbei-
fuhren können : ich will nur kurz der Mittel Erwähnung thun,
welche mir am wirksamsten erschienen sind. Das zweile Sta-
dium der Anschoppung verträgt weder den Gebrauch der kal-
ten Seebäder, poch der kalten Douche. Auf die Anwendung
des einen wie des anderen Mittels treten gewöhnlich Ver-
schlimmerungen "des Uebels ein durch lebhafte Schmersen
und selbst Peritonitiden; Jedenfalls nimmt ^ Anschwelktng
des Uterus zu. Wo Besserung verspürt wird, ist sie nur
sdieinbar und von sehr kui*zer Dauer.
Von den inneren Mitteln kann man mit Ausnahme der
Abfuhrmittel keinem eine günstige Einwirkung auf die Behe-
bung der Anschoppung und der. Flexion zuschreiben: weder
dem Jod, noch den Mercurialien, noch dem Auro- Natrium-
chloratum, welches von einer Seite als Specificum gerade
gegen diese Krankheit gerühmt ist. Der Zufall hat es gefügt,
dass ich in den letzten Jahren mehrere Frauen, die seit lange
an chronischen Anschoppungen des Uterus mit Induration des
Gewebes litten, wegen Lues Mercmial- und Jodcuren durch-
machen liess : zwei haben eine Schmiercur mit nachfolgendem
Jodgebrauch, die anderen haben Pillencuren (Sublimat und
Jodquecksilber) durchgemacht; aber nadi vollständiger Besei-
tigung der Lues war die Induration des Uterus, der begM*
tende Katarrh u. s. w. unverändert geblieben. Die meisten
Fälle erfordern zunächst die Anwendung von Blutegeln, die
aber gerade bei den Flexionen zweckmässiger an die fiaudi-
VI. SUd^brandt, Ueb«r die Anweodang d. Intranterin-PeMarien. g7
decken und nichl an den Uterus selbsl gesetzt werden* Die
Blutegel, welche bei Flexionen an die Vaginalporlion gesetzt
werden, führen oft entweder zu schwache oder zu profuse
Blutungen herbei, so dass ihre Anwendung entweder mit Ap*
piication an den Bauchdecken wiederholt oder andererseits
die durch ihre Anwendung hervorgerufene Blutung- durch den
Tampon beseitigt werden muss.
Ausser den Blutentziebungen habe ich zur Behebung der
Schmerzhaftigkeit und Volumensvergrosserung des Organs am
wirksamsten gefunden warme Sitzbäder mit Zusatz von Kreuz-
nacher Mutterlauge und Auflegen von Compressen , welche
mit Losungen der letzteren dm*chfeuchtet wurden. Von gfm*
stigem Erfolge zeigten sich femer Iiyectionen von Jodlösungen
in die Vagina und die Anwendung von Jodglycerin in der
Weise, wie es Bcanzoni empfiehlt. Als nothwendige und
nützliche Beihülfen wurden leichte Abführmittel und Injectio-
nen lauen Wassers mit der ifayer'schen Doucbe gegen den
Uterus angewandt Mit der allmälig abnehmenden Intumescenz
und Schmerzhaftigkeit des Uterus, schwanden bei dieser Be-
handlung in den meisten Fällen auch die Beschwei-den, welche
die Flexion an sich hervorrief: die Menstruationsapomalien,
die Druckerscheinungen, welche der flectirte Uterus gegen
Blase oder Mastdarm bewirkte, und es verminderte sich, die
Zahl der qualenden nervösen Leiden. Die Zeitdauer, bis die-
ser Grad von Heilung eintritt, ist zwar meist eine sehr lange,
der Aufwand an Unbequemlichkeiten und an Geldkoeteii ist
gross, aber die Kranken sind mit dem Erfolge der Behandlung,
da sie ihre Leiden allmälig schwinden sehen, doch zufrieden,
und dann um so mehr, wenn im Verlaufe oder in Folge der-
selben lang ersehnte Conception eintritt. Die Flexion an sicli
ist aber trotz der Beseitigung der Beschwerden und trotz
der Behebung der Texturerkrankung der Waodungen des
Uterus in den bei weitem meisten Fällen nicht behoben und
neue Schädlichkeiten, die den Uterus treffen, auch mitunter
nur geringe Anlässe, können leicht wieder Recidive bis zur
Rückkehr des alten Zustandes hervorrufen.
Von 26 Fällen von Flexionen, bei denen der Uterus im
Beginne der Behandlung sich im zweiten Stadium der Anschop^
puug befand, kann ich nur zwei von Retroflexion aufweisen,
8g VI. midsbrandty Ueber die Anwendongr d.lBtraQteriD-PMnrieii.
iu welchen mit der Anschoppung auch zugleich die Flexion
vollständig behoben wurde: ich darf aber nicbC unerwibnt
lassen, dass während der Behandlung beide Frauen schwanger
wurden und ein regelmässiges Wochenbett durdimachteo, wd*
ches auch das Seine zur Behebung der Knickung geth«i
haben mag. In allen äbrigen Fällen sowohl von Ante- als
Retroflexion wurde die Knickung an und für sich dardi die
gedachte Behandlung nicht beseitigt, und es haben sich von
Zeit zu Zeit Recidive eingestellt
Fasst man nun das Resultat der Erfolge zusamnieD«
welche man bei Behandlung der Flexionen zu erzielen hoffen
darf, wenn man dem obigen Grundsatze getreu, nur die Me-
thoden einschliesst, welche es sich zur Aufgabe stellen, die
Erkrankung des Gewebes z^ beheben, so stellt sich dasselbe
nach meinen allerdings wenig zahlreichen Erfahrungen nicht
sehr günstig, nämlich so heraus:
Nur die kalte Douche ist im Stande, verhältnissnidssig
schnell sowohl die krankhaften Erscheinungen zu beheben,
welche die Flexion begleiten, als auch die Flexion selbst tu
beseitigen. Bei manchen Kranken führten zu demselben Ziele
Seebäder. Aber die Fälle, für welche sich diese beiden Mittel
eignen, sind im Ganzen die sehr viel seltneren und in man-
chen derselben, bei welchen die Texturerkrankung des Uterus
ihre Anwendung wünschen Hesse, dürfen wir wegen Constitution
neiler Leiden von ihnen nicht Gebrauch machen. Alle an-
deren Mittel wirken weder schnell, noch sicher, erföllen den
Zweck nur halb, indem sie die Flexion nicht beheben, und.
sind für viele Kranken mit so grossen Inconvenienzen ver-
bunden , dass sie nicht angewandt werden können. — • Die
Lücken, welche sich somit in der Therapie der Knickungen
des Uterus vorGnden, sind noch imgemein gross, mid die Aus-
füllung derselben wäre um so Wünschenswerther, da die
Flexionen zu den häufigsten Erkrankungen des Uterus, die
durch sie hervorgerufenen Leiden mit zu den quälendsten ge-
rechnet werden müssen. — Der Weg, auf welchen wir viel-
leicht dem erwünschten Ziele sehr viel näher kommen, ist
die Anwendung der Intrauterin-Pessarien zur Aufrichtung und
Aofrechterhaltung des geknickten Uterus.
Welche Zukunft dieselben haben, wie weit wii' in ihnen
Vi. HUd^h-muUj Ueber die Anwendaog d. IntraaterSB-Pessarien. 89
den Ersatz finden, den wir noch in so empfindlicher Weise
fahlen, ist noch nicht abzusehen. Vorläufig haben sich in
Deutschland erst in neuester Zeit wieder einzelne Stimmen
für die gQnstige Wbksamkeit derselben erhoben, nachdem
ihre Anwendung Jahre lang fast allseitig als ein verfehltes,
zweckwidriges, in vielen Fällen schädliches Vorgehen ver--
dämmt und allmalig ad acta gelegt war. Bei den widerstrei-
tenden Ansichten, welche Aber ihre Tauglichkeit zur Bebe»
bung -der Flexionen geltend gemacht worden sind, bei der
Empfehlung, welche sie auf der einen, bei den vollständigen
Yerdammungsurlheilen , welche gegen sie auf der anderen
Seite ausgesprochen wurden, wie dies neuerdings in. der Ber-
liner Gesellschaft fiir Geburtshülfe geschehen ist, können nur
viele Versuche von vielen Fachgenossen aUmäiig entscheiden,
wie weit die Grenzen dieser Bdiandluugsmethode gesteckt
sind; nur eine grosse Reihe genau mitgetheilter Kranken-
geschichten von Flexionen, welche mit Intrauterin-Pessarien
behandelt wurden, können über folgende wichtige Punkte auf-
klären, die, aus dem Gegensatz der Ansichten unserer erfah-
rensten Gynäkologen zu urtheilen, noch ganz unentschieden
dastehen : wie weit das Intrauterin-Pessarium zur augenblick-
lichen Beseitigung der die Flexion begleitenden Beschwerden,
wie weit zur dauernden Behebung der Knickung beitragen
kann, welche Nachtheile, welche Vortheile aus seiAer Anwen-
dung hervorgehen; welche Fälle sich für seine Anwendung
eignen, welche nicht.
Mit Rücksicht hierauf unternehme ich's, nachfolgende
Fälle von Flexionen des Uterus, in welchen ich Intrauterin^*
Pessarien in Anwendung gezogen habe, .zu veröffentlichen.
Es smd deren vorläufig nur wenige, da die Erfahrungen frü-
herer Zeiten zu aller Vorsicht in der Auswahl der FäUe und
in der Anwendung der Pessarien aufTorderten, und ich somit
ans einem grösseren Beobachtungsmaterial nur vereinzelte Fälle
für diese Behandlung aussuchen zu dürfen glaubte.
I. Anteversio und Anteflexio Uteri. Uteruswan-
dungen im ersten Stadium der Anschoppung,
Frau 8ehL, 24 Jahre alt, hatte ihre erste EntUndong
im Jahre 1855 durchgemacht, danach vier Wochen lang an
4
90 VI. jBtkMroiMU, üeber die Aq wendoagr d. Intra«t«rm-P«MBrie»,
einer Metroperitonkis krank gdegen; die swefte im Jahre
1857, ebe Frühgeburt im sechaleo Monate der Schwanger-
schaft, i^ach welcher ebenfalls eine Hetroperitonitia, jedoch leieh-
leren Grades auftrat. Später sind noch fönf regelmässige Ge-
burten zu Stande gekommen, worunter eine Zwülingsgebort,
und zwar waren die dritte und vierte ebenfalls Ton Emaün-
dungen im Unterleibe während des WochBnhettes gefolgt
Dia letzte Entbindung fand im Juli 1862 statt, rarhef nor-
mal, ebenso die neun ersten Tage des Wochenbettes; danach
aber trat bäuflges heftiges Erbrechen und Schwindel ein, nnd
Wochen lang anhaltendes allgemeines UebelbelSnden, Abnahme
der Kräfte, Mattigkeit, Olmmachtsgefühl, bis die Kranke sich
mir am 2. October 1863 mit folgenden Beschwerden yot-
steBte: Appetitmangel, dauernde Aufgetriebenheit und in An-
ßUeo exacerbirende Scbmerzbaftigkeit der epigastrisdien Ge-
gend; dabei unregelmässige StuhleDÜeerungen — dauernde
Schmerzen im Unterleibe, in der Blasengegend, vomehndicfa
beim Geben, das ausserdem wegen eines unsieheren Gefühls
in den Beinen ersdiwert war. Sehr häufiger Drang zum
Urinlassen, wobei kleine Quantitäten eines klaren, brennenden
Urins entleert wurden. Dazu kam beim Stuhlgange ein ste-
chender Schmerz nach dem After.
Die früher alle vier Wochen eintretende fünf Tage
dauernde Menstruation, ersdiien seit dem Frühjahre 1863
immer 'nach Ablauf von drei Wochen und dauerte acht Tage,
und war gegen sonst auffallend reichlich, jedoch seit Juli
sehr bbiss. In der Zwischenzeit fand reichlicher Fluor albus
statt. Das Aussehen der früher bl^enden Frau war sehr
chkrotisch.
Die Untersuchung am 2. October ergab: Anteversio und
Anleflexio des Uterus, dessen Wandungen sich ziemlich dick
aber weich und schlaff zeigten, dessen Höhle um %" v^^n*-
gert, dessen Vaginalportion fast ganz nach hinten gerichtet
war, während das Corpus das vordere Scheidengewölbe auir
füllte. Empfindlichkeit des Organs nicht erheblich, nur beim
Aufrichtungs versuch vom vorderen Scheidegewölbe her vor-
banden ; die Secrete der Schleimhaut sehr reichlich , wässerig,
scUeiinig. Die Schleimhaut des Cervicalcanals gewnlslet, ober-
flächlich uicerirt, zu Blutungen geneigt. Die Fl»ion des
VI. ffUdßbrmdi, Ueb«r d»e ▲oweadoiiff d.liilrwterüi«PMMrian. 9]
Ulwus war sehr erheblich, so daas ich nur mit einer aSber*
nen Sonde, die ich %'' vwi Ende stark eingeknickt hatte,
eindringen konnte.
Am 3., 4,, 5. nnd 6. October wurde die Sonde täglich
eingelubrt und blieb jedes Mal nach Aufrichtung des UterHS
fflr eine Viertelstunde liegen. Danach trat stets awar Bren-
nen im Leibe ein, aber für einige Stunden war mehr Sicher-
heit im Gange vorhanden, blieb der Urindrang aus, fehlte
das ScbwindelgefQhl. Vom 7. bis 14. dauerte die Menstrua-
tion, welche diesmal weniger reichlich war.
Am 15. wurde wieder die Sonde eingelegt, am 16. ein
iSmpaon*sches Intrauterin-Pessarium. Dasselbe liess idi bis
zum 6. November mit kunen Unterbrechungen tragen, nahm
es an jedem zweiten Tage für kurze Zeit heraus, und über-
zeugte mich dabei zugleich, wie viel leichter jedes Mal da9
Einführen des Instruments gelang. Blutungen, die beim Ein-
führen und Herausnehmen bemerkt wurden, schwanden ge-
wöhnlich, nachdem das Instrument einige Stunden gelegen
hotte. Am 6, November trat die Menstruation in gewöhn-
licher Weise ein, und das Pessariuni wurde ganz entfernt.
Nachdem nun s<5hon während des anhaltenden Tragens des
Pessariums die früheren Beschwerden allmälig sich mehr und
mehr gelegt hatten, stdlte sich mir die Kranke am 12. No-
vember als vollständig genesen vor. Sie hatte ihre Kräfte,
die Sicherheit im Gange wieder erlangt, war vom Sdmiene
im Unterleibe, von Urin- und Stuhlbeschwerden ganz befreit
Eine Untersuchung liess die noch bestehende Version nach
vom erkennen, während sowohl mit dem touchirenden Fin-
ger, als mit der Sonde einestheils die vollständige Beseitigung
der Flexion, anderentheils auch eine Verkleinerung der Höhle
um V«'' gegen früher nachzuweisen war. — Der Catarrh der
Schleimhaut war nicht vermehrt, die Schwellung im Cervicat-
canal eher vermindert, Neigung zu Blutungen nicht mehr vor-
banden. — Zur Behebung der Version wurde ein Mayer'sAtr
Gummiring eingelegt, die Vaginaiportion in das Lumen des-
selben hineingelogen und damit die Kranke sich selbet über-
lassen.
Im December 186S stellte die Kranke sieh noch ein
Mal vor, so kräftig, wohl wie vor dem Beginne ihres Leidens,
92 VI. HUdebrwuUf Ueber die Anwendmig d.Intraaterin-PeasArieii.
Die Version bestand noch fort, wurde weiter dui*ch den Gummi-
ring unterstAtzt, die Flexion aber war nicht wiedergekehrt
In diesem Falle hatte also das Tragen des Intrauterin-
Pessarium folgenden Erfolg gehabt: nachtheilige Erscheinun-
gen waren gar keine aufgetreten, die Blutungen abgerechnet,
die Yielleicht Verletzungen beim Aus- und Einfuhren der In-
strumente zuzuschreiben sind. Die Menstruation wurde nicht
wesentlich und nicht dauernd heeinflusst ; der Fluor albus ist
sehr verringert. Die Knickung wurde vollständig
behoben; ebenso die Beschwerden, welche aus
derselben herzuleiten waren; die Version blieb
unverändert. Die Länge der Höhle des Uterus
ist während der Behandlung verkleinert.
II. Anteversio und Anteflexio Uteri. Uterus im
zweiten Stadium der Anschoppung.
Helene P., Dienstmädchen, 28 Jahre alt, klagte, dass
sie seit einer m ihrem 18. Jahre, also vor zehn Jahren statt-
gehabten Enthindung an äusserst quälenden Unterleifosbeschwer-
den litte. Diese Entbindung soll zwei Tage' und zwei Nächte
gedauert und eine Entzündung im Wochenbette zur Folge
gehabt haben, welche erst nach vierwöchentlicber Dauer be-
hoben wurde. Schon von der Zeit her, als sie das Kran-
kenlager verliess, datirte sie ein höchst peinigendes Gefähi
im Unterleibe , das sie wie ein unaufhörliches Wühlen in und
unter der Nabelgegend beschrieb, und von dem sie alle diese
Jahre hindurch Tag und Nacht, und zwar oft in dem Maasse
heimgesucht wurde, dass sie Abends nicht zum Einschlafen
gelangen konnte und Tags nicht selten zu jeder Arbeit un-
fähig war. Am stärksten aber trat das Uebel jedes Mal zur
Zeit der seit jener Entbindung nur einen Tag andauernden
und mit sehr heftigen Rücken^ und Magenschmerzen oft mit
Erbrechen einhergehenden Menstruation auf. — Diese Be-
sehwerde und ein wechselnd bald häufiger, bald seltener auf-
tretender krankhafter Drang zum Urinlassen waren eigentlich
die einzigen Klagen, mit denen die Patientin, welche sonst
den Eindruck einer rüstigen gesunden Person machte, am
8. October 1863 zu mir kam.
VI. EUdArmidt, Ueber di« Anwendiuig d. Intraiiteriii*PeMari«ii. 9$
Die Beschreibuiig des offenbar im Wochenbette entstan-
denen Leideos, gegen welche bis dahin jede von anderen
Aerzten eingeleitete Therapie (u. A. Bandwurmcurenl) erfolglos
geblieben war, forderte zu einer genauen Untersuchung der
Genitalien auf.
Bei der Palpation der Baucbdecken liess sich nichts Ab*
normes wahrnehmen; bei der inneren Untersuchung aber zeigte
sich das ausgesprochene Bild einer Anteflexio und Anteversio.
Uteri. Die Vaginalportion des recht hochstehenden Uterus
war stark nach hinten abgewichen, der Fundus uteri im yordem
Scheidengewölbe schwer aufliegend jku fühlen; der ganze Ute-
rus iui Beginne des zweiten Stadium der Anschoppung, von
prallem, festem, wenig eindruckbarem Gewebe. Die vordere
Huttermundslippe, in ihrer Breite und Länge verbal tnissmässig
nicht erheblich vergrössert, hatte offenbar durch die Com*
pression der Geßisse an der Knickungsstelle, in ihrer Dicke
bedeutend zugenommen, so dass der Cervicalkanal kein run»
des, sondern durch das Hineinragen der geschwollenen vor-
deren Wand ein halbmondförmiges Lumen zeigte. An der
hinteren Muttermundslippe befand sich ein kreisrundes katarrha-
lisches Geschwür von etwa 2'" Durchmesser. — Die Uterus*
höhle, von welcher ein massiges Quantum schleimig- eitriger
Flüssigkeit ausgeschieden wurde, hatte an Länge erheblich
zugenommen, indem die Simpson' sehe Sonde einen Zoll tief
über das normale Maass eindrang.
Nachdem im October, November und December 1863
die verschiedensten Mittel angewandt waren, um die Anschop-
pung des Uterus zu verringern; nachdem eine zeitweise Bes-
serung auf Blutentziehungen an den Bauchdecken aufgetreten
und ein Mal auch für eine Woche das Ausbleiben aller krank-
haften Symptome beobachtet war, als die Menstruation statt
einen Tag acht Tage geflossen war, kam im Anfange des Ja->
nuar die Kranke mit vermehrten Klagen wieder, und be-
schwerte sich besonders über die unaufhörliche Unruhe und
das ewige Wühlen im Leibe, das ihr keinen Augenblick mehr
Ruhe gönne und sie zur Arbeit ganz untüchtig mache.
Ich legte nun ein Simpgon'Bches Intrauterin-Pessarium
von Kupfer mit kleinem rundem Knopfe ein, und liess das-
selbe gleich andauernd liegen.
94 ^« SüMrmndt, Uob«r die A&wendnn^ d. Intrantorin-PesMiieB.
Beschwerden irgend welcher Art erfolgten weder gleidi
nach dem Einlegen des Instrumentes, noch auch später. Die
Scbleimabsonderung in den Genitalien nahm allerdings anfangs
SU, reducirte sich aber später auf ein Minimum. Auch flös-
sen die Regeln im Januar, Februar und März 1864 statiner,
nftmUch im Januar acht Tage, im Februar sechs, im Man
fünf Tage, sind danach aber auf dieses Maass, welches sie
Tor der Erkrankung hatten, beschränkt geblieben.
Der gunstige Erfolg der Behandlung trat schneB und in
sehr erfreulicher Weise ein. Nachdem im Januar die Men-
struation ohne alle Scbmerzmi erschienen und durch acht
Tage angehalten hatte, meldete sich die Kranke bald daraof
als von ihrem Leiden befreit Sowohl das lästige C^effUd m
Leibe, als auch der Drang zum Urinlassen waren geschwun-
den, und Schlaf und Gemüthsruhe waren wiedergekehrt.
Ich liess das Pessarium trotzdem weiter tragen und ent-
fernte es erst Anlang April.
Bei einer am 3. April Yorgenommenen Untersucfanng
zeigte sich die Flexion beseitigt, die Version gemildert, die
Anschwelking der vorderen Muttermnndslippe verschwundeo, die
HöUe des Uterus um ^j^" kleiner gegen froher; seine Wan-
dungen noch ein wenig geschwellt, sonst, wie es mir schien,
von normaler Textur. Ein leichter Catarrh und das Geschwür
an der hinteren Muttermundslippe bestanden noch. Zur Behe-
bung derselben wurde die laue Uterusdouche (24^) verordnet
Nach Anwendung derselben durch zwei Monate, bis An-
fang Juni, konnte ich die Kranke als vollständig genesen
aus der Behandlung entlassen. Der Catarrh war verschwun-
den, das Geschwfir geheilt, die Flexion nicht wiedergekehrt,
und nur noch ein Rest von Anteversio erinnerte an das fro-
her bestandene Leiden.
Der Erfolg des Intrauterin - Pessarium in diesem Falle
läset sich mithin in Kürze so zusammen fassen:
Behebung der Flexion, Verringerung der Ver-
sion, Verkleinerung der H6hle des Uterus, Besei-
tigung der secundären Beschwerden. — Anfangs
verstärkte, später tum Normalmaass zurOckkehrende Men-
stmatien, geringer Fluor albus.
yi. H&d^hrmndi^ üeb«r die Anwendangf d. loträatorte'-Pef f arien. 95
nt. ÄDteversio und Anteflexio Uteri. Uteruswan-
dungen welk, atoiiisch nicht verdickt
Med. H,, eine sehr schwächliche Blondine mit hecb<-
gradiger lUeidisucht undJBrutibeschwerden^ wdche den Ver-
dacht herannahender Tuberculose erregen, bat, jung verbei«-
rathet, inneriialb vier Jahren drei regeimässige Gfeburlea
und einen Abort im dritten Monate und cfiesen wibrend
des Stillens des dritten Rindes durchgemacht, und jedes Mal
in Wochenbette an sehr profusen Bbitnngen gelitten. Seit
der ersten Entbindung, welche sehr lange gedauert und ein
fünf Wochen langes Krankenlager zur Folge gehabt haben
solL verspürte sie einen constanten Selunera tief im Unter«*
leibe, Druck auf die Blase, häufigen Harndrang und Schmere
beim Stuhlgange, welche Beschwerden bei iAr gewöhniioh
fünf Tage dauernden Periode an Heftigkeit erbebUch au«
nahmen.
Seit October 1864 ist sie von diesen Leiden, zu denen
sich noch sehr heftige Rückenschmerzen gesellten, daumid
keinigesucbt worden, und Kat seit der Zeit ihre Menstmalien
sehr unregeimassig und beim Erscheinen stets unter grcMsen
Schmerzen gehabt. Die unausbleiblichen Folgen, Anaemie,
hysterische Beschwerden , Magenschmerzen und Ueblichkeiten,
Hemicranie, mitunter Ohnmächten waren bis zum 15. Jan^
wo ich die Kranke zum ersten Male sah, immer erheblicher
geworden.
Ich fatad einen wenig vergrösserten, mit schlaffen, wel-
ken Wandungen versebenen Uterus stark antevertirt und so
stark nach vom flectirt, dass ich mit der ^tmpaon'sohen
Sonde nicht durch Ae Knickungsstelle hindurch gelangen,
sondern eine silberne Sonde fast rechtwinkelig biegen musste»
n» sie der Gestalt der Uterushöhle anzupassen. Dieseifae
drang V/' über das gewöhnliche Maass ein, und richtete den
sehr schlaffen nachgiebigen Uterua, ohne dass der Kranken
erhebliche Schmerzen verursacht worden, volbtandig aof.
Bei der Behandlung dieses Falles hätte ich nun gern
einen Versnch mK Anwendung der kühlen Douobe gemacht^
wagte densdben aber nicht wegen des Verdachts der Lun-
96 VI. ffüdßbrwuUt Ueber die Anweodiing d.Iatimnterio-PaMviM.
gentuberculoae. So legte ich denn am 8. Febraar eio Intn-
uterin-Pessarium aus Hartgumm] ein.
Der Erfolg bis zum beutigen Tage (30. Harz) ist ein
durchaus günstiger.
Gleich mit dem Tage, an dem das Pessarium eingelegt
war, verschwanden der Druck auf die Blase, der Urindrang
und die Schmerzen im Kreuze. Das Ohnmachtsgefühl und
die Hemicranie sind nur noch sehr selten, in den letzten
Tagen gar nicht wiedergekehrt. Die Menstruation ist am
5. März ohne allen Schmerz wiedergekehrt und hat nur fünf
Tage gedauert.
Das Pessarium ist noch nicht entfernt; die Erholung der
Kranken geht aber unter dem Gebrauche von Tr. Ferri pomata
und kalten Abreibungen so schnell vor sich, dass ich hoffe,
der weitere Erfolg wird ein eben so günstiger sein, wie der
Anfang der Behandlung ihn versprochen hat, und das Pessa-
rium wird bald entfernt werden können. Die Flexion ist vor-
laufig sicher nodi nicht behoben, eben so wenig die Version.
Denn als ich am 15. März das Pessarium fQr einen Tag
entfernte, fand ich am 16. die Knickung fast in demselben
Maasse vor, wie zur Zeit, als die Kranke in meine Behand-
lung kam.
IV. Retroflexio und Retroversio Uteri. Uterus im
Zustande reiner Atonie und Schlaffheit
Fräul. FL, 27 Jahre alt, ist bis vor drei Jahren voll-
ständig gesund gewesen, von blühender Gesichtsfarbe und
rüstiger Constitution, hat ihre Menstruation hn 17. Jahre be-
kommen, ohne Beschwerden, dieselbe bis zum 24. Jahre stets
regelmässig jeden 28. Tag eintreten, nach drei Tagen schwin-
den sehen, und während dieser Zeit über kein Uebelbefinden
zu klagen gehabt
Seit dem 24. Jahre aber stellte sich ein allmälig ao
Heftigkeit zunehmender Schmerz in der linken unteren Bauch-
gegeiKl ein, der sich oft über die ganze linke Seite, vor-
nehmlich nach der Milzgegend zu verbreitete, und an dieser
Stelle oft aufs äusserste peinigend wurde. Gleichzeitig em-
pfand die Kranke -auch oft das Gefühl von Schwere und
VI. HiUkbpmtdty Ueber di« Anwuidniig d.Intraiiteriii-Pe«Mrieii. 97
Drang im Unterleibe, und gwar voraehmlicb in der Zeit kurz
vor Eintritt der Regeln, wo sie dann auch nicht selten die
Empfindung hatte, als woUe etwas zum Schoosse hinaus-
dringen. Erst im Laufe d^s letzten Jahres gesellten sich
hierzu noch Blasenheschwerden, welche in häufigem schmerz-
haften Drange zum Uriniren und häufiger schmerzhafter Ent-
leerung ideiner Quantitäten eines brennenden wasserklaren
Urins bestanden. Schmerzen bei der Stuhlenüehrung hatten
-nie stattgefunden, wie nach dieser Richtung hin die Ver-
dauung Oberhaupt stets regelmässig gewesen war.
Am wesentlichsten hatte im Verlauf der letzten drei Jahre
das Allgemeinbefinden gelitten. Aus einer lebensfrohen und
frischen Person . war allmälig eine von fortwährenden Ge-
mütbsverstimmungen geplagte Hysterica geworden, welche von
den mannigfachsten grossen und kleineu nei*v6sen Leiden ge-
plagt wurde. Am quälendsten war für die Kranke ein bei
sonst tede]loser Verdauung auftretendes, von anstrengendem
Würgen und Magenschmerzen begleitetes Erbrechen, welches
Anfangs nur am Tage des Eintritts der Menstruation, später
seibstständig und immer häufiger erschien, im letzten J^re
sehr oft mit Blutungen aus dem Magen begleitet und steU
von grosser Erschlaffung, Gemüthsverstimmung und äusser-
ster Reizbarkeit gefolgt war. Neben diesem häufig , mitunter
an einem Tage mehrmals, auftretenden Leiden waren sehr
gewöhnliche Erscheinungen: Hemicranie, Schwindel, hyste-
rische Lach- und Weinkrämpfe. Zuweilen waren fliegende
Gelenkschmerzen, besonders in den Knie- und Fussgelenken
aufgetreten, und zum Theil aus diesem Grunde, mehr aber
noch, weil sie in den Schenkeln eine gegen früher auffai-
lende Schwäche und Unsicherheit verspürte, war ihr weiteres
Gehen unmöglich und durfte sie sich meist nur auf die
Häualichkeit beschränken.
Die genannten Beschwerden waren alle in hohem Grade
vorhanden, als ich im April vorigen Jahres die Kranke zum
ersten Male sah und untersuchte.
Ich fand ein unversehrtes aber so schlaffes Hymen, dass
es mir gelang, mit dem Zeigefinger nicht nur die Vaginal-
portion. Sandern auch das hintere Scheidengewölbe genau zu
untersuchen. Die ziemlich weiche, aufgelockerte und blut-
Monataschr. f. Q«burtHk. 1865. Bd. XXVI., Uft.2. ^
98 y^' Hüdthrandt, Ueber die Anwendon; d. Intraateria-PeMariea.
reiche, wenig vergrösserte Vaginalportion ]ag' eines lliefls
der vorderen Beckenwand nSher als gew6hnlich, war aber
auch anderen Theils mit ihrem onteren Ende derselben mehr
zugeneigt, also im Zustande der Retroversio Uteri. Im hin-
teren Scheidengewölbe liess sich eine kuglige unafangreiche
Geschwulst wahrnehmen, die ich für den Fundus Uteri halten
musste, deren directes Uebergehen in den Cerricaltheil aber
mit dem untersuchenden Finger nicht zu ermitteln war. Wohl
liess sich dasselbe aber nachweisen, als ich die schwacbgc-
krümmte Simpson'sche Sonde in die Uterushöhle mit der
ConcavitSt nach hinten eingeffihrt hatte. Bei einem sehr
langsamen, trotzdem aber doch sehr schmerzhaften Umdre-
hen der Sonde mit der Goncavität nach vom, bei welchem
sich auch die Schlaffheit der Wände des Uteruskörpers deut-
lich documentirte, entschwand die Geschwulst im ScheideD-
gewölbe dem untersuchenden Finger total.
Die somit nachgewiesene RetroOexio und Retroverao
des Uterus, fQr deren Entstehung ich keine Gründe in d^
Anamnese (vielleicht Masturbation) aufzufinden im Stande
war, glaubte ich zum Angriffspunkte für die Behandlung des
complicirten Falles nehmen zu müssen.
Nachdem durch Wochen und Monate Versuche mit der
kalten Ulerusdouche , mit kalten Abreibungen und dem Ge-
brauch des Eisens, mit kleinen Blutentziehungon am Damme
und wiederholentlich an die untere Bauchwand gelegten, noch
am meisten wirksamen Vesicatoren gemacht waren^ ohne dass
ein bleibender Erfolg für die Genesung zu erzielen war, legte
ich am 26. October ein Intrauterin-Pessarium, einen geraden
Blfenbeinstiel mit kleinem Knopf aus Cocosnuss ein« und
liess dasselbe bis zum 12. Januar liegen.
Der Erfolg für das Allgemeinbefinden war ein durchaus
günstiger. Aeusserte sich schon in der sehr verbesserten,
froheren und gleichmässigeren Stimmung, dem Ausbleiben
der Anfälle von Missmuth, Verzagtheit, Gereiztheit ein wesent*
lieber Fortschritt zum Besseren, so war dies in noch viel
höherem Grade der Fall durch das Zunehmen der Kräfte,
die wiederkehrende Sicherheit des Ganges, durch die Mög-
lichkeit, auch weitere Wege zu Fuss zurückzotegen. Die
Symptome aber, welche die Kranke am meisten gequält halten.
VI. BUdthrmuU^ Uebef di« Aow«ii<lniig d. Intrauteria-PeManeD. 90
das Erbrechen, die hysterischen Krämpfe, die Migräne schwanden
allmälig mehr und mehr und kamen in den letzten Wochen
gar nicht melir vor. Die Menstruation war jedes Mal ohne
alle Beschwerden aufgetreten, war aber häufiger als frUher
wiedergekehrt, nämlich die letzten Male in Zwischenraum von
drei Wochen.
Am 12. Januar entfernte ich nun das Pessarium. Der
Uterus zeigte etwas mehr Festigkeit,- die Flexion war nii^l
mehr nachzuweisen, die Stellung der Vaginalportion normal.
Ich wollte darauf eine Probe anstellen, ob die Heilung schon
erfolgt sei und bestellte die Kranke erst wieder Aber acht
Tage zu mir, erhielt dann aber den sehr äbeln Bericht dass
aHe die alten Beschwerden in fast ebenso heftiger Weise
wiedergekehrt seien, wie vordem. Den Uterus fand ich wieder
in der froheren Weise retrofiectirt und retrovertirt. Ich legte
daher dasselbe Pessarium wieder ein und verordnete nun
neben dem Tragen desselben den Gebrauch der kfihlen Uterus^
douche. Nachdem die letztere den Februar hindurch 2 Mal
täglich in Anwendung gezogen, das Pessarium am 1. März
entfernt worden ist, muss«ieh nun die Kranke für .genesen
erachten. DieiSelbe hat sich mir jetzt in den letzten vier
Wochen wiederholenüich vorgestellt, fühlt sich von allen ihren
Beschwerden frei und erholt sirli beim Gebrauch von Eisen
mehr und mehr. Von der Flexion und Version des Uterus
habe ich nichts mehr vorfinden können. — Ob jetzt, nachdem
die krankhaften Symptome geschwunden sind, die Heilung
dauernd erfolgt ist, will ich nicht behaupten, glaube fs aber
hoffen zu dürfen, da das Gewebe des Uterus mehr Festigkeit,,
die ganze Constitution wieder ihre alte Frische erlangt hat.
Der Erfolg der Behandlung in diesem Falle ist kurz
also folgender : Heilung der Version und der Flexion,
Beseitigung der nervösen Beschwerden, Hebung
der GesammtGonstitution, dauernde Heilung aber
erst durch den vereinten Gebrauch der Intraute*
rin Pessarien und der kühlen Douche erzielt. —
Nicht erwünschte Folge war die häufiger eintretende Men-
struation.
7*
100 VhEüdebrümdi^ U^bfMrdiaAawaadnagcLlBirAnteriB-PMttrwB.
V. Relroflexio Uteri« Uteru« im 3. Sladivm der
Anschoppung.
Mad. Dr. 35 Jahre alt, MuUer von drei Kjndem« ?od
denen das jüngste 4 Jahre alt ist, leidet an einer Relrofie&o
Uteri ^ welche mit allmilig sich steigernden Beschwerden seit
dem letzten Wochenbette zu bestehen scheint. Die Kranke
war seit dieser Zeit in hohem Grade hysterisch geworden,
hlt dauernd an einer sentimental-melaiicholischen Gemöths-
stinuBung, die mitunter auf oft nur kleine Anlasse sich so
sehr verscbliaimerte, dass sie zu jeder häuslichen Beschäftig*
uog unßhig war, dass oftmals Weinkrimpfe auftraten, naeli
denen sie Tage lang, wegen vollständiger Abgeschlageaheit
und Susserster Ermattung das Bett hüten musste. Zu dieser
trüben Stimmung führte sie, wie sie glaubte, vomehmJich ein
dauernd lästiges wehes. Gefühl in der Hagengegend, welches
mitunter in einen äusserst heftigen Anfall von Magenkrampf
überging. Herzklopfen, Hemikranie, Clavus, Schwindel traten
nicht selten auf, waren der Kranken aber immer nicht so
quälend, wie die Magenbeschwerden. — Die Verdauung war
trotzdem durchaus normal, die Kranke im Ganzen, wenn aocfa
von sehr l)leicher Gesichtsfarbe, gut genährt. Die Nenses,
seit drei Jahren sehr spärlich, beim Eintritte stets von grossen
Schmerzen und allgemeinem Uebelbefinden begleitet, dauerten
gewöhnlich drei Tage. Der gegen Berührung mit dem touchi-
renden Finger sehr wenig empfmdliche, nicht sehr ertieblicb
vergrösserte, mit dicken derben Wandungen versehene Uterus,
zeigte eine sehr bedeutende Retroflexion und kichte R^ro-
Version. Es gelang mir erst bei der dritten Untersudimig
durch die sehr enge Knickungsstelle mit der Sonde m das
Corpus Uteri einzudringen. Jedes Mal, während des Sondi-
rens fioss eine kleine Quantität bkitigen Schleims aus dem
Cervicalkanai ab; anch verursachte die Aufrichtung des Uterus
reclit erhebliche Schmerzen, die aber verschwanden, nachdem
die Sonde einige Minuten in dem aufgerichteten Uterus ge-
legen halte. -^
Ein am 27. Septeuftber 1864 eingelegtes Simps&n'aebe$
Intrauterin -Pessarium rief anfangs üble Zustände hervor.
Einige Stunden nachdem es eingebracht war, trat heftiger
Harn- und Stuhldrang ein, welcher nicht eher aufhörte, als
VL Hild^hrmmdi, U«berdi»Aliw«fichinf d.Intraiit^riii-PMffttien. IQl
bis Am P^ssariam aus den GeniUlien herattsgefaUeii wat,
DaDacb kebrle der alte Zustand zoruck«
Am nächsten Tage brachte ich das Pessarium wieder
ein. Die Folgen waren weniger peinigend, aber Schmerzen
im Unterieibe und Tenesrarus schwenden erst wieder, als bei
einem Stuhlgange das Pessarium hinausglitt
In den darauf folgenden Tagen, in denen das Pessarium
immer wieder neu eingebracht werden musste, schwächten
sich die Bescbwerden allmilig mehr und mehr ab, und am
3. October wagte ich es bereits, das Instrument durch ein
darunter gelegtes rundes Kautschuck- Pessarittm iu seiner
Lage flxirt zu erhalten. Seit dem Tage ist es Torldafig an--
haltend liegen geblieben bis zum 6. Januar dieses Jahres
und hatte während dieses Zeitraums folgende. Veränderungen
in dem Befinden hervorgerufen: Die Menstruation war' im
October sehr reichlich durch acht Tage aufgetreten und war
von einem anhaltenden wässrig-blutigen Ausflusse aus den
Genitalien gefolgt, der so reichlicli war, dass Wundsein der
Schenkel ehitrat Im Novenber dauerte die Menstruation
nur fünf ^age, jedoch ej)enso reichlich und hatte wieder eine
profuse wässrige Ausscheidung zur Folge. Seit dem De-
cerober ist dieselbe jedoch sowohl an Quantität als Zeitdauer
gleich der Menstruation, wie sie ver der Erkrankung auütu-'
treten pflegte: sie dauert 4 Tage, tritt ohne alle Schmerzen
ein und ist gehörig dunkel blutig geßirbt. Auch der. Ausflugs
nach ihrem Aufhören ist nur noch in geringem Haasse vor-
handen. Wesentliche Besserung war im Allgemeinbefinden
aufgetreten. Die Stimmung war fflr gewöhnlich eroe voll-
ständig normale and nur zeitweilig nach Gemäthsbewegungem,
nach einem ermüdenden Gange, nach emcr schweren Stahl-
entleernng u. s. w. kehrte för Stunden die alle Melancholie
zurAck. Am meisten erfreut war aber die Kranke üiber das
Fortbleiben der Cardialgie^ welche gleich in den ersten Tagen
nach £infijlhrung des Pessariums verschwunden war.
Am 6« Januar d. J. meldete sich die Kranke bei nMr
wieder in AUerem Zustande und klagte vornehmlich über
Schmerzen tief im Unterleibe. Ich fand das kupferne Pessa*
riam^ das über 3 Monate im Uterus gelegen hatte, schadhaft
geworden, seinen Sliel an einer Seite aus der kupfernen
102 VI. Bildebrandt, UeberdieAaweiiAoDgd.IiitrmQtertB«PeM«neii.
Hohlkugel gelöst und nach hinten umgebogeo. Idi mosite
dasselbe somit entfernen, fand danach aber leider den UUra
beinahe ebenso stark geknickt, wie im October vortier bei
der ersten Untersuchung.
Ich habe nun der Kranken ein Pessarium von Elfenbeiii
mit Cücosknopf eingelegt, dasselbe durch einen HolniDg
unterstutzt und lasse seit Januar gleichzeitig täglieh ein waimes
Sitzbad mit Kreuznacher -Mutterlauge brauchen. Die Kranke
fdfalt sich dabei vollständig wohl, die Anschoppung des Uterus
nimmt jetzt auch deutlich ab, aber wie weit* und wann Be-
seitigung der Flexion und der begleitenden Beschwerden andi
ohne Zuhfilfenahne des Pessariums eintreten wir(j|, ist noch
nicht zu bestimmen ; augenblicklich halte ich <fie dauernde
Genesung fär noch nicht eingetreten. —
Der Erfolg der Behandlung ist also in diesem Falle:
Vollständige und schnelle Beseitigung der die
Flexion begleitenden Leiden. Anfangs sehr ver-
stärkte, später zur Norm zurückkehrende Men-
struation. Nach der Menstruation auftretende pro-
fuse wässrige Secretion aus dem Uterus, die
allmälig verschwindet. Heilung nach 6 Monaten
nicht erfolgt, steht aber zu hoffen unter der Beihülfe des
Gebrauchs medicamentöser Sitzbäder.
VI. Retroflexio Uteri. Uterus im 2. Stadium der
Anschoppung indurirt, vergrossert.
Had. A^. 34 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, seil
fünf Jahren an einer Hysterie des schlimmsten Grades leideiid,
kam im November 1863 mit folgenden Klagen in meine Be-
handlung: Seit ihrem zweiten Wochenbette, in welchem sie
eine Entzündung im Unter leibe durchmachte, fühlte sie eine
erhebliche Schwere im Unterleibe, Drängen zum Scboosse
hinaus, heftige Schmerzen beim Stuhlgange, Kreuzsehmerzeii,
Druck und Schmerzhaftigkeit in der linken untern Bauchgegend,
welche sich nicht selten bis unter die kurzen Rippen linker-
seits ausbreitet?. Alle diese Beschwerden, welche besonders
zur Zeit der unter grossen Schmerzen und gegen früher bloss
und spärlich auftretenden Menstruation in sehr eriiöhteoa
Maasse auftraten, erachtete die Kranke aber nur gering gegen
VI. H»{il«6raii4{<,Ueb«rdieADweiid«DgdJiitrauteriD-Pe8gari6n. 103
die Qualen der ?iel£acheD nervösen Leiden, Ton denen sie
nun die Reihe von Jahren hindurch gepeinigt, ihrer Um-
gebung und sieb selbsl zur Last war. Dahin gehörten vor
Allen) ausser anhaltender Uebellaunigkeii Migräne und Clavus,
Schwindel, Funkensehen, unruhiger Schlaf bis zur Scldaf-
losigkeity Unsicherheit der Bewegungen, sowohj der Arme, in
denen häufig anhallendes Zittern eintrat, als auch der Schenkel,
so dass ihr weiteres Gehen unmögUch war und sie seit Jahren
^as Zimmer nicht verlassen hatte.
Bei der Untersuchung fand ich einen recht erhebUch ver-
grösserten Uterus, dessen Höhle um 1" an Länge über das
Normal-Maas hinausging, dessen Wandungen stark verdickt
und indurirt waren. Die Vaginalportion mit dem weitklaffen-
den von oberflächlichen Ulcerationen bedeckten Orificium ex-
ternum war ein wenig nach vorne geneigt, sehr umfangreich,
aber wenig verlängert, das Corpus Uteri stark nach hinten
übergenei^t; die Knickungsstelle nicht sehr enge, für die Simp-
«on'sche Sonde ziemlich leicht passirbar, mit welcher die
Aufrichtung des Organs ohne erhebliche Schmerzen für die
Kranke bewerkstelligt werden konnte. Die Secretion des
Uterus schleimig eitrig, aber nicht sehr reichlich.
Die Versuche, welche ich in diesem Falle zur Beseitigung
der Retroflexion gemacht habe und .welche in Application von
Blutegeln an die Vaginalportion, Anwendung leichter Laxanzen,
Gebrauch von Sitzbädern mit Kreuznacher Mutterlauge, in
lauen Vollbädern und der lauen Uterusdouche bestanden, er-
streckten sich auf die Dauer eines vollen Jahres, hatten aber
sftmmtlich keinen irgend erspriessUchen und bleibenden Er-
folg, mit so anerkenncnswertber Consequenz auch die Patientin
den Verordnungen Folge leistete. —
Seit dem Octpber v. J. liess ich nun ein Simpson! sehe»
Intrauterin -Pessarium tragen und zwar anfangs nur während
der menstruationsfi'eieu Zeit, seit December anhaltend. —
Der Erfolg bis zum 15. Februar, wo ich das Pessarium
für einen Tag zur Controlle 'entfernte, war folgender: Die
früher mit grossen Schmerzen und sehr sparsam durch 3^4
Tage auftretende Menstruation, stellte sich im November
schmerzlos ein, dauerte acht Tage, floss recht reichlich und
war von weniger allgemeinem Uebelbefinden begleitet und
104 VI. ffUä€hrandi,Veh^rAieAnwwAmg4.Iwirmwi»rb^^emmriem.
gefolgt. Im December datierte sie nur Nknf Tage, n
vier, hat sich seitdem auf dieseio Staiidpviikte erhalCea und
war nremals mehr Ton den vorerwähnten Beisehwerdeii be-
gleitet. Das AUganeinbefinden hatte sieh weseHllidi gebessert
Die Stimmung war eine viel gleichmissigere, frobere; At
MigrSne nur sehr selten, SchwhidelanftUe fest gar nicht avl^
getreten; das nervöse Zittern der Hände habe ieh oidii mehr
beobachtet. Am erfreulichsten war es aber der Kraiiieiif
üass sie mehr Sicherheit des Ganges erlangt batle und skfc
soweit gekräftigt fOAiMe, um ihrer Wirthscbaft selbsCsläodig
vorstehen zu können. — Beschwerden bei der Defeeeatmi
fanden wohl noch statt, auch kehrte das GefiM von Schwere
und Völle m Vnterleibe und der Sebmerz m der liskeD Seit«
nochr mitunter in ziemlich hohem Grade wieder. —
Bei der am 15. Februar vorgenommenen Umepsucbnig
fbnd ich das Gewebe des Uterus und ^f Vagiwiiporiioo
weniger indurirt, leichter eindröckbar, das Secret des Cem-
calcanals nicht vermehrt, die Flexion aber noch in demseibeo
Stadium, den Uteruskörper hart und schwer aufliegend, die
Höhle ebenso gross wie vordem.
Seit dieser Zeit nun lasse ich die KrMike tägUeb ein Mel ein
warmes Sitzbad mit Kreuznacher Kutterlange nehwien, wibrend
ich das Pessarium dauernd im Uterus liege» lasse. —
Nach sechswöchentUcher Anwendung dieser Cur scbie»
mir das Gewehe des Uterus mehr zu normaler Textur ao-
rückgekehrt; der Uteroskörper weicher zu sein und weniger
schwer aufzuliegen', aber die Ftexion besteht noch, die Bohle
ist unvermindert gross. Dnrdi diesen Erfolg errouthigl, hoffe
ich; dass bd noch längerer Anwendung der genanBten Mittel
und durch einen mehrwöchentlichen Gebraueb Ten Eger*
Franzenshrunnen in der wärmeren Jahreszeit das erwöaschte
Ziel der .Verkleinerung des Uterus und der Bebebung seiner
Knickung wird erreicht werden können, voridufig^ ist die
Kranke nach sechsmo'natlicbem Gebraueb des In-
trauterin-Pessariums wohl gebessert aber nicht
geheilt, der Erfolg also ein zweifelhafter.
VI. .0Jiii0firafldlyU«b«rdi«Anweiidiwgd.>Iotniiit»ri»-PtMarieo. 105
GesUiltet ^ Reäie vorstdiender Fälle vorUhifig auch heiii
endgiltiges Urtheii znrEoiacbetdung Aber alle die wichtigen Fragen,
welche Aber die Zulässigkeit and Wirksamkeit der Intrauterin-
PessarieB noch ollen stehen, und können diese Fille tmt-
nehmlieb auch augenbUcklicb noch nicht alle dazu dienen^
den Bescheid abzugeben, oh durch die eingeschlagene Behand-
hing eine Heilung der Flexionen erzielt ist, so ertbeilen die-
seften dodi über einige der am meisten das praktische
Interesse i» Ansprach nehmenden, streitigen Punkte gemigende
Aoskunft.
Zunächst glaube ich hervorheben zu müsseu, dass die
von Martin empfohlene Hodification der^ Anwendung der
Intrauterin-Pessarien , welche ich in den fünf zuletzt be-
schriebenen Fällen adoptirt habe, durchaus wesentliche Vorzüge
vor dem alleren ursprünglichen Verfahren bietet. Eine kurze
Beschreibung und ein Vergleich der beiden Verfahren wird
dies lehren:
Zum ersten Acte der Behandlung, zur Aufrichtung des
geknickten Uterus, benutzt man am Besten zwei Sonden: Für
die leichteren Grade von Knickungen, besonders für Knick-
ungen nach bint^, reicht die wenig gekrümnue nicht bieg-
same iSimp^on'sche Sonde aus; für die stärkeren aber und
besonders für die erheblicheren Anteflexionen wende ich eine
silberne Sonde an, wefciie ich etwa ^j^!* unterhalb des Knopfes
yt nach der Grösse des Knickungswinkels mehr oder weniger
stark einbiege. In manchen Fällen ist dies in hohem Grade
nothwendig; so musste z. B. in dem oben beschriebenen
Falle I iwd U die Sonde eine Biegung bis zur Herstellung
eines rechten Winkels erbatlen. Aber trotz dieser Aushülfe
ist die Einführung der Sonde nicht immer leicht. Wo sehr
hochgradige Knickungen des Uterus besteben, bedarf es oft
der äiissersten Geduld und Ruhe bei Handhabung der Sonde,
bis es gelingt, durch die Knickungsstelle hindurch zu dringen,
und es vergebt oft die Zeit einer halben Stande und drüber,
es entsteht Scbmerzhafligkeit des Uterus, es zeigen sich wohl
auch Blutungen aus der katarrhalisch geschwellten, mitunter
auch wobt ukerirtea Schleimhaut des Cervicalcanals, und man
gelangt trotz vorsichtigster, sorgsamster Führung dodi nicht
106 VI. fi»M<5r«fidt,U«berdUAow«Bdi»igd.Ittiraiite«iii-FesMHn.
tnm Ziele. Was aber am ersten Tage nicht möglieli ist,
Ifisst sich meist am zweiteo oder dritten aosfuhren.
Ist die Sonde mit dem Knopfe bis zum Fuodus tttoi
vorgeschoben, so lasse ich sie wenige Minuten liegen « richte
dann den Uterus langsam auf und schiebe gleich entweder
das Intraulerin*Pessarium neben der Sonde vor oder lege »
ein, während ich ihm durch Zurückziehen der Sonde PliU
mache. Am meisten wende ich die /Stmp^on'scheo Pessarien
mit langem geradem Stiele und kleinem Knopfe an^ leite die-
selben, mit Zeige- und Mittelfinger den Knopf hallend, bis
zum Muttermunde vor und benutze entweder den Daumen
derselben oder den Zeigefinger der andern Hand» um das
weitere VorschieBen des Stiels in den Uterus zu bewerk-
stelligen. Wo der Uterus nicht sehr hoch steht und die
Genitalien nicht sehr eng sind, reiche ich mit der Hand aMn
ohne BcihQlfe von Instrumenten aus: im andern Falle leite
ich über die im Uterus liegende Sonde ein Speculum, lege
die Vaginalportion frei und führe dann das Intrauterin-Pessa-
rium mit einer langen Polypenzange oder mit einer kleineo
in eine Oeffhung des Knopfes gesteckten Sonde in die Ute-
rushöhle.
Dieser zweite Act der Behandlung macht gewöhnUdi sehr
geringe Schwierigkeiten und ist meist von keinen Übeln Neben-
umständen begleitet; einen kleinen Schmerz ausgenommen,
der beim Eindringen der Spitze des Pessariums durch den
innern Muttermund, wie beim Einführen der Sonde durch
diese Stelle entsteht. —
Das einmal eingebrachte Pessarium bleibt nun ohne
Unterbrechung dauernd liegen, auch während der Menstruation
und es wird den Kranken keine Einschränkung in Betreff der
körperlichen Bewegungen auferlegt. —
Nicht immer aber hat das Pessarium gleich seinen
sichern Halt. Meistens zwar, nämlich bei sehr starken Knick*
ungen und enger Uterushöhle bedarf es keiner Unterstützung^
ebenso wenig bei Anteflexionen, welche mit erheblichen Ante*
Versionen verbunden sind, indem dann der Knopf gegen äe
hintere Scheidenwand sich anlehnt und von ihr getragen wird.
. In vielen Fällen aber muss man eine künstliche Stütze von
unten her anbnngen, und benutze ich zu diesem Zwecke
Vi. HüdsbrmuU, üeber die An w4mdoog d. Intranteriii-PeiBarieii« 107
entweder die schwarzen, nindeo, iingestielteri Gummi-Pessarien
oder Hoizringe oder die Mayer'schen Gummiringe. Iü einem
kürzlich in Behandlung genommenen Falle bei einer Virgo
mit sehr enger Vagina, für welche icli keine passenden Stutz-
Pessarien ausfindig machen konnte, legte ich zur Befestigung
eines bis zum Knopfe eingeführten IntrauCerin-Pessarium aus
Hartgummi einen kleinen GummibaUon ein, der gut vertragen
wird. Die nach der ursprünglichen Simp9on'^hen Vorschrift
gearbeiteten Pessarien mit Bögel halte ich aus vielen Gründen
für unzweckmäsMg : sie sind sehr schwer und meist nur
unter grossen Schmerzen einzuführen und herauszunehmen
und fixiren femer den Utcirus nicht aUein in seiner Haltung,
sondern auch in seiner Lage absolut, was dem physiologischen
Verhalten des gesunden Uterus durchaus nicht entspridtt. —
Die so ausgeführte Art der Anwendung der Intrauteriu-
Pessarien hat nun grosse Vorzüge vor dem altem Ursprung-
heben Verfahren. Man glaubte früher den Uterus zunächst
für den Reiz der Pessarien durch tägliches Einführen der
Sonde, welche man allmalig längere und längere Zeit, doch
nicht über eine Stunde liegen liess, abhärten zu müssen, dann
erst brachte man das Pessarium in den Uterus und gestattete
auch für das Tragen dieses nur allmalig eine längere und
längere Dauer. Aus einer so grossen Vorsicht aber ent-
springen gerade die Nachtheile, welche der ganzen Behand-
lungsweise Widersactier bereitet haben. Entstehen dadurch
einerseits für die Frauen höchst peinUclie und beschämende
sich täglich wiederholende Situationen, für den Arzt eine Ver-
geudung üieurer Zeit, so ist auch andererseits das oft wieder-
holte Sondiren und Aufrichten des Utems und das häufige
Einführen und Herausnehmen des Pessariums für den Zustand
des Uterus durchaus nicht ohne nachtheilige Folgen. Jedes
Sondiren eines stark geknickten Uterus geht immer mit mehr
oder weniger Zerrung des Mutterhalses, mit Schmerz, oft mit
Blutimgen einher, und wenn diese Reizungen täglich wiederhol!
werden, so ist es wohl erklärlich, dass aus den kleinen Blut-
ungen allmalig permanente, aus den leichten Reizungen all-
malig Entzündung des Uterus entstellt, deren Grenzen viel-
leicht nicht zu berechnen sind.
Zum grossen Tbeil aus dem Umstände, dass diese nach-
108 VI. midt^andt, Ueber dl« AttwmidtRig d. lotnin teiitt-PeffMkri«. '
eheiligen Folgen bei dem ursprAngltchen Yeifihren sehr binfli
vorkommen mussten, ist es erkiärlich, weslialb »an bei seiner
Anwendung so wenig gilnstige Resultate erssielte, so oft mr
Schaden anrichtete ond daher ohne Bedauern von einer Be^
handlungsweise Abstand nahm, die ausserdem noch nnt den
grössten Unbequemlichkeilen fSr den Arzt ^le für die Patien-
tili verbunden war.
Die Inconvemenzen der einen wie der andern Art bleflieii
aber fort, sobald man an demselben Tage, an welchem der
Uterus zum ersten Haie mit der Sonde aafgemhtet wiri
auch gleich das Intrauterin Pessarium einlegt und ohne Unfer-
brechung dauernd tragen lässt Es verliert dadorch ^e Be-
handlung zunächst einen grossen Theil der Pein und Y^rielzung •
der Schamhafligkeit für die Kranken, es raubt ferner dena
Arzt sehr viel weniger nutzbare Zeit, da nfnr in Zwischenraum
von anfangs einigen Tagen, später von Wodien die Lage des
Pessarinms and der Erfolg desselben geprüft su wertdeii
braucht, und es setzt ausserdem die Kranken in Stand, uii-
behindert ihren häuslichen Beschäftigungen nachzugehen, ohne
sich besonderer Enfischränkungen in Betreff ihrer Lebensweise
aafzuerlegen ond ohne durch die tagiichen zwei Besuche des
Arztes zum Einlegen und Herausnehmen des Pessarräms
immer wieder in der unangenehmen Weise an den FeMer
erinnert zn werden, den sie mit sich umbertragen.
Es bleiben aber auch, wenn man gleich am ersten Tage
der beginnenden Behandlang das Pessarium für die Bmier
einlegt, meist die gefürchteten Reizzustände des Uterus aus.
Ich habe mich nicht nur in den oben beschriebenen sechs
Fällen, sondern auch in einer kleinen Reibe anderer, deren
Behandlung erst vor zn kurzer Zeit begonnen hat, um me
hier mit anzuführen, überzeugt, dass der Bei«, weihen das
in den nicht entzün^ten {Jteros eingelegte Intrauteriff-Pessa*
riam hervorruft kein zu grosser zu sein pflegt Die meisten
Frauen, die es trugen oder noch tragen, haben von demselben
gar keine Unbequemlichkeiten und keine nachtheiligen Polgea
za erleiden: sie werden durch das Instrument weder v«tt
Schmerzen gephgt, noch auch in ihren K/^erbewegungea
beeinträchtigt; sie pflegen sogar sehr viel mehr Kraft nnd
Sicherheit des Ganges zu erhallen und ihren tüglichen Be-
VI. MildebrmditVe\k%r6i0An¥i»uänng4.lainxL^nu-F^9mTitn, 109
sdidftiguDgeD mit sehr* vielmehr Lust uod Eoorgie nachEU-
gehen , da mb sieb gleich nach Aufrichluag des Uterus von
den lästigsten Beschwerden ihres Leidens befreit fühlen. —
Nur in einem Fülle traten Schmerzen im Unterleiber ein , die
erat mit der Entfernung des Pessariums aufhörten, aber auch
diese Frau trägt Jetzt dasselbe Instrument monatelang ohne
alle Beschwerden. Die einzigen Reizerscheinungen, welche
ich geseboi habe und welche in den meisten Fällen einzu-
treten pflegen, sind Verstärkung der Menstruation und Vef^
mehrung des schon vorhandenen oder Hervorrulung eines
neaen Fluor albus. — Die Verstärkung der Ittenetruation
bestand bald in zu häufiger Wiederkehr derselben, bald in
dem Zunehmen der Uenge des ausgeschiedenen Blutes und
in Verlängerung der Dauer des Fliessens. Der Reiz, den ^s
Pessarium nach dieser Richtung ausübte, schwächte sich aber
alhnälig ab, und die Menstruation, welche das erste Mal nach
Einffifarung des Pessariums acht Ta^e dauerte, hielt das
nächste Mal nur 6 — 6 Tage, das dritte Mal nur 4 Tage an
u« s. w. bis zur Rückkehr auf das aJte Maaa, welches vor
Beginn der Krankheit das normale gewesen. war. — Profuse,
schwächende Blutungen, welche zur Entfernung des Pessa-
riums aufgefordert hätten, habe ich nicht beobachtet und
glaube ich, dass in den obigen Fällen die verstärkte Blutung
bei der Menstruation eher mit als ein Mittel zur Anbalmung
der Ueihmg, denn als eine unerwünschte und nachtheilige
Nebenerscheinung angesehen werden darf. Der Fall No. ^
wenigstens lehrt, dass die quälenden nervösen Ersdieinungen,
welche die Flexion begleiteten und welche für längere Zeit
nach der rein medicamentösen Behandlung aufliörten, als die
Menstruation ein Mal sehr- stark sich zeigte, dauernd ver-
schwanden, als beim Tragen des Intrauterin-Pessariums die
Menstruation in sehr vermehi*tem Maasse erschien und einige
Male stärker als früher wiederkehrte.
Aus den Erfahrungen in meinen Fällen muss ich daher
sebliessen^ dass man, da gerade das Erscheinen der profusen
Blutungen als eine häufige und sehr nacbtheilige Folge beim
Tragrn der Pessarien hervorgehoben wird, oft Fälle für diese
Bt^haikdiung gewählt hat, die sich für dieselbe nicht eigneten
oder dass man den Uterus zu stai^k durch häufiges Einfuhreii
110 VI. iEra<2«6ra«i<ft, lieber 4i« An Wendung d.Iatrauterttt-P6Marieii.
von Instrumenten reizte, vielleicht aber auch, dass msD vor
kleinen Ausscheidungen von Blut aus dem Uterus f^leich z«
sehr zurückschreckte.
Auch die Befürchtung, dass durch die Intrauterin-Pessa-
rien profuse, schwächende und nicht zu behebende Blennorrhoe
hervorgerufen wird, scheint mir nicht gerechtfertigt: dieselbe
ist in den von mir behandelten Fällen nicht abzuleugnen;
trat ein Mal sogar in sehr profuser Weise auf; war gewöhn-
lich gegen fräher aber nicht wesentlich vermehrt und aahm
meist den Verlauf, dass mit Behebung der Knickung und der
allgemeinen krankhaften Erscheinungen auch die Secretion
zum Schwinden gelangte, und geschah dies auch in dem FaUe,
in dem sie Anfangs so sehr reichlich zum Vorschein kam.
Mithin habe ich in meinen Fällen nachtheilige absolut schäd-
liche Reizerscheinungen des Uterus nicht zu beklagen: ent-
zündliche Zustände der Schleimhaut oder gar des Uterus
selbst und seines Peritonäalüberzugs habe ich nicht beobachtet.
Es ist mir aber nicht zweifelhaft, das idi das Ausbleiben
solcher Übeln Polgen, welche ja, wie die Literatur nachweist,
nicht selten bis zum tödtlichen Ausgange vorgekommen sind,
nur dem Umstände zu verdanken habe, dass ich die Fälle
sorgfältig auswählte, welche ich der Behandlung mit Intra-
uterin-Pessarien unterwerfen wollte. Ausgeschlossen habe
ich von derselben alle Flexionen, welche mit mehr oder we-
niger entzündlichem Reize entweder nur der Schleimhaut
oder auch des Parenchyms des Uterus einhergingen. Auch
nur ganz leichte Entzündungen vertragen den Reiz des Pessa-
riums nicht. Es giebt Knickungen, bei denen alle sonstigen
Erscheinungen , welche auf einen entzündlichen Zustand des
Uterus hinweisen hönnten, fehlen, in denen aber der touchi-
rende Finger Empfindlichkeit der Vaginalporlion nachweist,
die Sonde schon bei ihrer, Einführung bis zum innern Mutter-
munde lebhafte Schmerzen verursacht. Bei diesen Knickungen
ist der Behandlung mit Intrauterin-Pessarien erst eine anti-
phlogistische Behandlung bis zur Behebung jeder Schmers-
haftigkeit voranzuscbicken. Für ungeeignet halte ich ferner
die Fälle, welche von copiösen Blutungen begleitet sind, und
diese sind nicht selten; vor allem die frischen FäUe von
Knickungen, meist mit mangelhafter Rückbildung des vor
VI. lKli06raiui<,U«b«rdU ABw«ndongd.Iiitraiitftria-p6fM^ieii. HX
Kurzem schwanger gewesenen Uterus und die meisten Fälle
von Flexionen mit Anschoppungen des ersten Stadiums. Sie
alle vertragen die Anwendung der Intrauterin-Pessarien nicht,
sei es dass die Neigung zu Blutungen sich nur durch das
Vorhandensein einer abnorm reichen und lange dauernden
Menstruation, sei es dass sie sich auch durch ausser der
Henstruationszeit erscheinende Haemoirhagien documentirt. —
Fluor albus dagegen, wenn er nicht gerade einer acuten
Entzündung der Schleimhaut der Vulva oder des Uterus seine
Ursache verdankt und Geschwüre des Mutterhalses halte ich
nicht für Contraindicationen gegen die Anwendung der lutra-
uterin-Pessarien ; ebenso wenig die Virginitaet.
Indem man so zwei grosse Gruppen von Fällen vorweg
auszunehmen genöthigt ist, bleibt nur eine verhältnissmässig
kleine Zahl von Knickungen des Uterus übrig, welche die
genannte Behandlung vertragen; nämlich diejenigen von alter
Induration des Gewehes mit secundärer Blutarmuth und spär-
licher Menstruation und Abwesenheit entzündlicher Reiz*
ungen, und diejenigen, welche mit einer primären Atonie des
Gewebes einhergehen. —
Nur für diese Fälle von Knickungen scheint die Anwend-
ung der.Intrauterin-Pessarien möglich und geeignet.
Wie wir uns aber die physiologische Wirkung derselben
vorzustellen haben, kann erst aus einer sehr viel grösseren
Reihe besonders solcher Fälle entnommen werden, welche
eine genauere Beobachtung zulassen, als dies in der Privat-
praxis möglich ist.
Nach den Erfolgen, welche ich bis jetzt getobt habe,
glaube ich folgende Schlüsse über die Wirkungen der Pessa-
rien ziehen zu dürfen:
1) Die nächste und meist augenblicklich nach Aufrichtung
des Uterus hervortretende Wirkung ist die Behebung der
Reizerscheinungen, welche das geknickte Organ auf die Nach-
barorgane ausgeübt hatte. Es schwinden bei der Anteflexion
augenblicklich die Beschwerden von Seiten der Blase, bei der
Retroflexion die von Seiten des Mastdarms. Dieser Erfolg
ist regelmässig gleich zu constatiren.
2) Die durch die Flexion des Uterus hervorgerufenen
rein nervösen Erscheinungen werden d^r grössern Zahl nach
112 Yl.Hüdäbfw^V%htTaihknm^it6MU^d.lnitAnUiyi*^^BmiHeB.
durch dM Tragt«! des Inlraiiterin-Pesnrimm beseitigt, manehe
schoeller, andere langsamer. So äusserten meiae KraokeD
gewfthnlich, nachdem sie mit dem eingefeglen Pessarivm um-
heriugehen anlBngen, dass der RüdEenschmera, welcher bei
aUen Knickungen nicht aoszuUeibeu scheint, sehr viel
geringer sei, und dass sie mehr Sicherheit im Gange ver-
spürten. Die krankhaften Erscheinungen in den vom Uterus
entferntem Nervenpartien, Koliken, Cardialgien, Cephaialgien,
hysterische Krämpfe schwanden dauernd, aber nur sehen
gleich, mässigten sich jedoch gewöhnlich sdion in sehr
kuraer Zeit.
3) Das Tragen eines * Intrauterin-Pessariums kann die
vollständige Behebung der Flexion des Uterus bewerkstelligen;
dies beweisen aufs entschiedenste die oben beschriebeiien
Fälle I und II und der Fall IV, in welchem letzteren ausser
dem Pessarium allerdings auch die kalte Doucfae in Anwendinig
gezogen wurde. In den Fällen V und VI spricht die l^nge
Zeitdauer, nach welcher die Knickung sich gleich wieder
herstellte, sobald das Pessarium entfernt wurde, dafür, dass
durch dieses Mittel allein nur palliative Hälfe, keine daaemde
Heilung herbeigefälirt ist, dass letztere jedoch vielleicht durch
gleichzeitige medicamentöse Behandlung zu erzielen sein wird.
Der physiologische Process aber, durch welchen diese
definitive Heilung in den genannten Fällen herbeigeführt wurde,
ist wohl nicht anders zu erklären, als einestheils durch die
Anbahnung der normalen Circulation in den durch die Knick*
ung des Organs verengten Gelassen, andeititheils durch eine
dem Reia des fremden Körpers zuzuschreibende Congestioo,
Umsatz des alten, Heranbildung neuen normaleren Gewebes
in ähnlicher Weise, wie der Uterus beim Herabtreien eines
fibrösen Polypen blutreicher, aber auch contractionsfahiger
vrird, also zunimmr an höher entwickeltem Gewebe der
Wandungen. Man muss wohl annehmen, dass in den FäHen
iU u. IV, in welchen reine Atonie und ErscUaffung des Gewehes
die Ursachen der Krankheit abgaben, durch die kdnsdiche
hervorgerufene Cengestion derjenige Tonus der Wände des
Uterus zurückkehrte, welcher erforderlich war, dem kdnstlidi
aufgerichteten Organ 8i)äter die normale Haltung auch selbst-
ständig wiederzugeben. Es ist ferner durch den Erfolg in
Tl. J9tU[e&raM{<, lieber die Aüweiidangd.Intraiiteria-Pessarieii. 113
doi Fällen I und II aufs deutlichBte die far die Beurtheilung
des ganzen Verfahrens höchst wichtige Thatsache dargethan,
dass durch das Tragen der Pessarien ein sehr reger Umsatz des
Gewebes und zwar mit entschiedener Neigung zur Rückkehr
auf die normalen Verhältnisse hervorgebracht wird. Denn
nur auf diesem Wege konnte die durch die Untersuchung
mit der Sonde nachgewiesene Verkleinerung der Uterushdhle
zu Stande kommen. Unberücksichtigt darf aber für die Er-
klärung der Wirkung der Pessarien nicht bleiben, dass mit
dem FortfaU der mancherlei die Flexion begleitenden secun-
dären Leiden, die ganze Constitution sich bebt, der gesammte
Stoff-Umsatz und - Ansatz reger und normaler wird und hieraus
auch ein günstiger Einfluss auf das Gewebe des Uterus er-
wächst. Sobald man aber von diesem Gesichtspunkte aus
die Wirksamkeit der Behandlung mit Intrauterin-Pcssarien
betrachtet, liegt es nahe in den Fällen, in welchen auf den
alleinigen Gebrauch derselben keine wirkliche Heilung, sondern
nur palliative Hülfe eintritt, mit ihper Anwendung zugleich
auch die der bis jetzt zur Behebung der Texturerkrankungen
des Uterus als wirksam anerkannten innern und äussern
Mittel zu corabiniren. Diesen Weg habe icti eingeschlagen,
und dass er der richtige ist, um zu bessern Besultaten zu
gelangen und uns vielleicht noch ein reiches weites Feld
günstiger Erfolge unserer «tberapeu tischen Bestrebungen eröff-
net, beweist der Fall IV, in welchem auf Anwendung der
Pessarien allein keine Heilung, nur palliative Behebung der
Beschwerden eintrat; in welchem aber auf gleichzeitigen Ge-
brauch der kalten Douche auch die Flexion selbst und mit
ihr jedes Symptom der vorhanden gewesenen Krankheit
schwand. Das Pessarium allein hatte diesen Erfolg nicht
hervorbringen können, ebenso wenig die vorher allein ange-
wandte kalte Doudie, aber beide combinirt führten schnell
zu dem erwünschten Ziele. Ob man durch die Com-
bination der Anwendung der Intrauterin-Pessarien auch mit
andern Mitteln, als mit der kalten Douche, dieselben günstigen
Resultate wird erzielen können, niiiss die Zukunft lehren.
,Die beiden Fälle, in denen ich in dieser Weise die Sitzbäder
mit Kreuznacher Mutterlauge zu Hülfe genommen habe, scheinen
dies zu versprechen.
* Monatssohr.f. Gebartsk. 1866. Bd.XXVL, Hft.2. 8
114 VII. Dohrtit £in Beitrag sar DiikroskopisclieD
Man würde aber trotz der glücklichen Erfolge, welche
die Anwendung der Intrauterin-Pessarien allein bereitB gehe*
fert tiat und trotz der Hoffnungen, welche das combinirte
Verfahren zu erregen berechtigt ist, den Werth dieser Be-
handlungsweisen sehr überschätzen, wollte man sich der An-
sicht hingeben, dass man durch dieselben alle Fälle von
Flexionen, welche sich für dieselbe zu eignen scheinen auch
zu heilen im Stande sei. Es- bleibt noch immer, abgesehen
von den Flexionen, welche überhaupt keine Aufriditung mehr
zulassen, die ganze Reihe von Fällen als unheilbar und durch
Aufrichtung mit der Sonde und Tragen von Pessarien höchstens
palliativer Abhülfe zugängig, in welchen das Gewebe an der
Knickungsstelle eine zum physiologischen Verhalten nicht mehr
zurückzuführende Veränderung erlitten hat.
Somit glaube ich mit vollem Rechte darauf zurückkom-
men zu dürfen, dass nur in der sehr viel kleineren
Zahl der Fälle von Flexionen die Behandlung mit
Intrauterin-Pessarien ihren Platz finden kann und
darf, dass sie in diesen aber die volle Anerkennung
ihrer nicht nur palliativen sondern auch curativen
Erfolge verdient. —
Vll.
Ein Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der
reifen menschlichen Eihttllen.
Von
Prof. Dohrn in Marburg.
(Mit 4 Tafeln Abbildangeo.)
Die Vornahme einer mikroskopischen Untersuchung der
reifen menschlichen EibüUen ist lange Bedürfniss gewesen.
Seit dem Erscheinen der grösseren Arbeiten von Vdpeau^)
und Biachoff^) hat dieser Gegenstand nur wenig Bearbeitung
gefunden und was die Neuzeit in diesem .Gebiete geleistet
1) Embryologie humaine Paris 1833.
2) Beitrüge zar Lehre von den EibüUen des menschl. F5tiis.
Bonn 1834.
Anatomie der reifes meDeckHohen Elhfillen. 115
hat, findet sieb zerstreut in der Literatur, der Sammlung und
der wiederholten Untersuchung beddi'ftig. In keinem Gebiete
bat sich auch gleich sehr als in diesem gezeigt, dass die
mikroskopischen Befunde, um zu verbreiteter Kenntniss zu
gelangen, der bildlichen Darstellung nicht entbehren köpnen.
So ist die ti^efflicbe Abhandlung von Heinrich Müller ^) von
Vielen unbeachtet geblieben und doch brachte sie eine so
grosse Menge neuer und woblbegrQndeter Thatsachen, wie
wenige Arbeiten der Neuzeit, die sich mit vorUegeudem Gegen-
stand beschäftigten.
Bei den Untersuchungen, welche ich folgen lasse, war
es ein Hauptzweck, die verscliiedenen Schichtungen im Eisack
des reifen menschlichen Fötus zur Anschauung zu bringen.
Um dies zu erroögtichen , wurde die Anfertigung von Quer*
schnitten nöthig, und hierzu musste, wo es darauf ankam,
mehrere juxtaponirte Häute im Zusammenbang zu beobachten,
eine Erhärtung derselben vorausgehn. Ich habe diese Er-
härtung bewirkt durch Trocknen der über ein Objectglas ge-
spannten Membranen. Schon nach 24 Stunden ist die Trocknung
bei gewöhnlicher Zimmertemperatur weit genug vorgeschritten,
um die Anfertigung eines Querschnittes vonhinreichender Fein-
heit zu gestatten. Die gewonnenen Präparate wurden dann mit
flössigen Reagentien aufgeweicht uudder mikroskopischen Unter-
suchung unterworfen. Durch wiederholte Vergleichung mit
frischen Präparaten wurde der Befund controlirt. —
Ein Querschnitt, den wir in der Nähe des Placentar-
randes durch den Eisack fuhren, durchsetzt von innen nach
aussen das Annuon, die Gallertschicht, das Chorion, die De-
cidua reflexa uihI die Decidua vera. In dem gewonnenen
Präparat orientiren wir uns leicht, der unschwei* zu erkennende
Saum der Amnionzellen bildet auf der einen Seite die Grenze,
dann folgen helle, grösstentheils bindegewebige Schichten,
dann die dunkler gefärbten Zellmassen des Chorions und der
Deciduen (Fig. 1). Auch das kann uns leiten, dass ein feiner
Schnitt bei Wasserznsatz sich nach der Amnionseile hin ein-
zubiegen pflegt, da das Quellungsvermögen der innig in ein-
1) Abhandlung über den Bau der Molen. Habilitationsschrift.
Wiirabarg 1847.
8*
116 yn. Dojkrn, Ein BeUrag sar mikroakopUeVen
ander greifenden AnoüQionzeUen nur ein höchst geringfügiges
ist Noch leichter wird die Orientirung, wenn der Schnitt,
wie das namentlich Anfangs oft geschieht, von der Epithel-
schicht des Amnions einen zu breiten Saum abtrennte und
wir nun von oben auf den umgeschlagenen Saum dieser
Zellschicht schauen. (Fig. 2).
Die nähere Untersuchung der einzelnen Gebilde ergiebt
folgendes.
I. Das Amnion.
In dem Amnion finden sich zwei Schichten, fötalwärts
eine Zellschicht, nach aussen eine Schicht jungen Bindege-
webes (s. Fig. 6 — 8).
Die Zellschicht besieht aus einer einfachen Lage po-
lygonaler Zellen, deren Durchmesser 0,008 — 0,012 mm. be-
trägt Dieselben hängen fest an einander, eine jede coaptirt
sich den Formen der Nachbarzellen, durch Bepinseln des
Präparats sind sie nicht von einander zu trennen, nur durch
Abschaben mit dem Hesser lassen sie sich von einander
lösen. Die Zellmembran ist dick, lässt aber mehr Licht
durch als der Zellinhalt In letzterem finden sich neben
dem Kern Fetttröpfchen und Molekularkörnchen, erst auf Zu-
satz von Essigsäure tritt der massig grosse ovale Kern
deutlich hervor. Bei diesem Verhalten erscheint jede einzelne
Zelle dunkel gefärbt und mit einem hellen Saume umgeben,
gleichsam durdi ein Interstitiuni von den Nachbarzellen ab-
gesetzt s. Fig. 3 und 4 '). Benutzt man indess stärkere
Vergrösserungen, so gewahrt man in dem scheinbaren Inter-
stitium eine leichte Streifung, die den Conturen des Zelün-
balts parallel läuft. Eine Membrana propria habe ich als
Unterlage der Zellschicht niclit auffinden können.
Auf dem placentaren Endstacke der Nabelschnurscfaeide
und dem Amnionuberzug der Placenta begegnet man bisweilen
Stellen, wo die Zellschicht gewuchert ist und Prominenzen
bildet, die oft mit blossem Auge erkennbar sind. Diese, beim
Menschen zuerst von H. MiUler aufgefundenen^) Bildungen
1) Dieses optische Verhalten erklärt auch den Irrtham tob
BUehoffy welcher (1. c.) Fig. 6 u. 6 die Amnioniellen als u
Häufchen susammenstebendo Körnchen abbildete.
2j I. c. pag. 48. Kehrer ist im Irrthura, wenn er glaubt,
Anatomie der reifen menschlichen Eihfillen. 117
sind ohne Zweifel den Carunkeln analog, welche an dem
Amnion mancher Thiere schon seit längerer Zeit bekannt
sind. Sie zeigen zuweilen eine deutlich papilläre Form, in
andern Fällen findet man nur flache halbkugelige Prominenzen
(Fig. 9 u. 10.) oder ganz unregelroässig geformte Erhebungen
der Oberfläche.
In der zweiten Schicht des Amnions finden wir
Bindegewebsformen auf verschiedenen Stufen der Entwickelung.
Der gewöhnlichste Befund ist der einer hellen oder leicht
gestreiften Grundsubstanz mit eingelagerten spindelförmig aus-
gezogenen Zellen. Diese liegen reihenweise neben einander
und setzen sich durch ihre Endausläufer in Verbindung. Sie
erreichen eine Breite von 0,008 mm. und zeigen einen lang-
gedehnten Kern. Von der Zellschicht des Amnions sind sie
durch einen schmalen Saum lichter structurloser Substanz
getrennt. Seltener und vereinzelt findet man rundlich oder
oval geformte Zellen. In andern Fällen ist die Intercellu-
larsubstanz stark wellig gestreift oder zeigen die eingelagerten
Zellen nach verschiedenen Seiten bin unregelmässig stern-
förmige Verästelung. Bei verschiedenen Nachgeburten stellt
sich dieser Befund verschieden heraus, indess sind zum Theil
diese Abweichungen auch abhängig von der Stelle des Amnions,
die man zur Untersuchung wählte. Je weiter nach der
Nabelschnurinsertion hin, desto massiger wird gewöhnlich die
Bindegewebsschicht, desto deutlicher die Streifung der Inter-
cellularsubstanz, desto zahlreicher die Anastomosen der
Zellen (cf. Fig. 7, 8 u. 11.) und ohne scharfe Grenze geht
hier die Bindegewebsschicht des Amnions in das Gewebe der
Wharton*schen Sülze über*).
diese Gebilde am menaehliohen Amnion snerst aufgefunden zn
haben (s, diese Zeitscbr. Bd. 24. U. 6). Die Beschreibung, weiche
derselbe von ihrer Form giebt, stimmt mit dem von mir Gesehe-
nen überein. Eine rothe Färbung habe ich, gleichwie Kekrer
nach Znsats von Jod und Schwefelsäure oder Eisessig nicht
beobaobtet.
1) Nach diesem Befund kann es nicht sweifelhaft «ein, daes
das Amnion beim Menschen als eine Fortsetsung der ganien Haut
und nicht allein als eine solche der Epidermis au betrachten ist,
eine Yermuthung, auf weUhe schon KoUtker durch eigene Be-
obachtung, wie durch die Angaben von Eeiehert und Bemak ge-
118 ^I'* Dohrrij Ein Beitrag cur mikroakopiseben
Um Über die äussere Grenze des Amnions bestimmteren
Aufschluss zu erhalten, habe ich zahlreiche Querschnitte durch
die Amnionstellen gemacht, denen das Nabelbläschen anhaftete
(s. Fig. 24 u. 25). Um das Nabelbläschen herum musste
sich die Gallertschicht finden, fötalwärts das Amnion, von dem
nach aussen liegenden Gewebe dagegen konnte nichts mehr
dem Amnion angehören. Ich habe nun in allen diesen Fällen
die spindelfArroigeh Elemente fötalwärts vom Nabelbläschen
liegen sehen und niemals reichte die innere Contur des Nabel-
bläschens bis unmittelbar an die Zellschicht des Amnions
hinan. Damit ist, wenn noch irgend ein Zweifel bestehen
könnte über die Zugehörigkeit dieser Gebilde zum Amnion,
derselbe vollständig gehoben.
IL Die Gallertschicht.
Diese schleimig gallertige Masse, welche das Ueberbleibsel
der eiweisshaltigen Flüssigkeit darstellt, welche in früher Zeit
des Eilebens in grösserer Menge zwischen Chorion und Am-
nion angesammelt ist, zeigt beim Menschen keine Organisation
es hat sich daher mit Recht die Bezeichnung „mittlere Haut*',
welche Bischoff für dieselbe vorschlug, weitere Verbreitung
nicht verschaffen können. Ihre Consistenz wie ihre Mächtig-
keit variirt sehr. Bisweilen ist es möglich, eine membran-
ähnlich zusammenhängende Masse derselben abzuheben, in
andern Fällen gelingt es nur, Schleimtropfen aus ihr hervor-
zuziehen. Die chemische Prüfung weist einen reichUchen
Gehalt an Mucin nach. Bei Durchschnitten durch die ganze
führt wordea ist. Bei diesem Befände muss sich aber auch der
weiter^ Gedanke aufdrängen, dass an der Bildung der Whtarton^-
schen Sülze des Nabelstrangs eine Wucherung der Bindegewebs-
schiebt des Amnions (vielleicht unter Mitwirkung des swisohen
Amnion und Choriou befindlichen Qallertschleims) wesentlichen
Antheil hat. £& hat ,Virch<no in seiner Cellularpfthologie auf
die Uebereinstimmung von IFAcirton^scher Sulse und Unterhaut-
zellgewebe hingewiesen. Wird es hiernach für das fötale Ende
der NabeUcbnur wahrscheinlich, dass die PFAarton*sche Sulse
eine Fortsetzung des Unterhautaellgewebes bildet und lassen sieh
in der weiteren Ausbreitung des Amnions 2 Schichten auffinden,
die wir als eine Fortsetaung der Uautgebilde anerkennen mfissen,
so ergiebt sioh als höchst wahrsclieinlioh, dass von dem Amnion-
bindegewebe die Wharlon^Bche SnUe gebildet wird.
Anatomie der reifen menechlioben EihüUen. 119
Wand des Eisacks siebt man die Schicht als lichten Saum,
welcher die Bindegewebslagen des Amnions und Chorions
trennt (s. Fig. 1, b).
Von Bischoff sind in der Gallertschicht Streifen be-
obachtet und Abbildungen davon gegeben worden, deren
Detitung ihm grosse Schwierigkeiten machte. Die Beobachtung
hat ihre volle Richtigkeit und ich kann nur auf die natur-
getreue Darstellung verweisen, welche diese Streifen in dem
Werke von Bischoff gefunden haben. Dieselben sind indess
nicht als infolge bestimmter Organisation präformirt aufzu-
fassen, sondern vielmehr der Ausdruck der streifenförmig
verschiedenen Consistenz * der Gallertschicht, in welcher je
nach dem verschiedenen Gehalte der einzelnen Stellen an
festen Materien eine mehr weniger vollkommene Gerinnung
fadenförmig fortschreitet. Bei längerer mikroskopischer Beob*
acbtung kann man ihre mit fortschreitender Wasserver-
dunstung zunehmende Vermehrung und Ausbreitung verfolgen.
Dass diese Streifen nicht auf ein»r Faltenbildimg beruhen,
davon kann man, wie auch schon Bischoff zu dieser Ueber-
zeugung gelangte, leicht den Nachweis liefern, indem sie
durch Dehnung des Präparates nicht ausgeglichen werden
können.
III. Das Chorion.
In dem Chorion finden wir f5talwärts eine Bindegewebs-
schiebt, die sich vor der Bindegew«bsschicht des Amnions
durch ihre grössere Mächtigkeit, sowie durch deutlichere
Streifung der Intercellularsubstanz auszeichnet. Auch hier
finden wir langgedehnte Zellen. Selten sind mehrfache Ver-
ästelungen derselben, wie in Fig. 23. An einzelnen Präpa-
raten fand ich anstatt der Zellen Fetttröpfchen in die Binde-
gewebsfasern eingelagert.
Die zweite, nach aussen gelegene Schiebt wird von
rundliehen Zellen von 0,008—0,01 mm. Grösse gebildet, die
.in einem traben Inhalte einen runden, meist central gelegenen
Kern enthalten. Es liegen von diesen Zellen mehrere Schichten
4tbereinander, gewöhnlich 4 — 10. Je weiter nach aussen
hin, desto langgedehnter werden die Zellen, wahrscheinlich
eine Folge des stärkeren Druckes, welchen die äusserste
Chorionschicht von der verdrängten Decidua reflexa zu
120 ^^^- Dohrn^ Ein Beitrag lar mikroskopischen
ertragen hat. Die äussere Begrenzung der Zellschielit ist wdlig
uneben, die innere setzt sich in mehr gerade gestreckter
Linie gegen die Bindegewebsschicht ab.
IV. Die Decidua.
Von sämmtlichen Eihäuten, die den menschlichen Fötus
umgeben, ist die Decidua neuerer Zeit am meisten untersucht
worden. Schon von Bischoff war in der oben citirten Ar-
beit bemerkt worden, dass ein Deciduaüberzug an der reifen
Nachgeburt sich regelmässig yorlinde. Diese im Laufe der
Zeit fast in Vergessenheit gerathene Thatsache wurde neuer-
dings von Hegar und Eigenbrodt ^) wieder in Erinnernng
gebracht und eine Beschreibung der Deciduastructur gegeben.
Insoweit die letztere sich auf die makroskopischen Verhält-
nisse bezieht, kann ich mich den Angaben der beiden For-
scher durchaus anschliessen , bezöglich des mikroskopischen
Befundes dagegen stimme ich nicht in allen Punkten gleich
vollständig mit ihnen überein.
Das Bild, welches uns ein Deciduapräparat unter dem
Mikroskop giebt, kann zwar sehr variiren, indess Ein Ge-
webselement habe ich, mochte es nun an dem einen oder
anderen Deciduaabschnitte sich vorfinden, doch bei keiner
der zahlreichen von mir untersuchten Nachgeburten vermisst,
es ist das die grosse länglich geformte Zelle mit grossem
rundlichem Kern und einem durch Fetttröpfchen und Hole-
kularkörnchen leicht getrübten Inhalt. Diese Zeliform muss
ich als das Hauptgebilde betrachten, welches den Deciduatheil
zusammensetzt, der auf das Chorion der reifen Nachgeburt
übergeht. Wir finden sie gewöhnlich in der Decidua reflexa
und Vera und in der ganzen Dicke der letzteren, so weit sie
an den reifen Eihäuten vorhanden ist. Die mittlere Grösse
dieser Zellen beträgt 0,01 Breiten- und 0,03 Miüimeter Lan-
gendurchmesser. Ihre Isolirung von einander gelingt nicht,
leicht, da sie durch ein, optisch nicht wahrnehmbares Binde*
mittel mit einander verklebt sind, meist sieht man mehrere
1) Siehe diese Zeitschrift Bd. 22., H. III., vergl. auch die
Arbeiten von Hegar über die Placentarretention und Monatsschr.
f. Qeburtsh. Bd. 21. Sappl.-H.
Anatomie der reifen menschlichen Elhüllen. 121
Schichten derselben ober einander und die Conturen der tiefer
liegenden Zellen durch die oberflächlichen hindurchscheiuen. ^
Eine Verästelung dieser Zellen findet sich für gewöhnlich
nicht vor, meist sind ihre Enden abgerundet. Auf dem gros-
sen Kern bemerkt man deutlich das Kerniiörperchen , häufig
sind auch deren mehrere vorhanden, und nicht selten finden
wir, besonders in der Nähe des Placentarrandes mehrkernige
Zellen vor. Der Fett- und Körnchengehalt dieser Zellen ist sehr
verschieden, an einzelnen Stellen gewahrt man nur eine
leichte Umlagerung des Kernes mit molekularer Masse, an
anderen zeigt sich eine gleichmässige trübe AnitUlung des
Zellinhaltes.
Zwischen diesen Zellgebilden findet sich freies Fett und
auch einzelne frei liegende Kerne. Ein bindegewebiges Stroma,
in dem die Zellen etwa eingelagert wären, lässt sich für ge-
wöhnlich nicht nachweisen, es ist das ein ungewöhnlicher
Befund, und ich kann dem Ausspruch von Hegar (diese Zeit-
schrift Band 21, Supplh.), dass man besonders in den vor-
gerückten Stadien der Gravidität in der Vera Schichten eines
fibrillären Bindegewebes bemerke, nicht beitreten. Am häu-
figsten findet man G^webselemente, wie sie Fig. 38 — 41
dargestellt sind.
In der Reflexa ist die Verfettung stärker und ausgebrei-
teter als in der Vera, es kommen Fälle vor, wo die Reflexa
nur einen mit vielem Fett durchsetzten Detritus bildet, wäh-
rend in der Vera noch die gewöhnlichen Gewebselemente der
Decidua nachweisbar sind. Aber auch je nach der Entfer-
nung der untersuchten Stelle vom Placentarrand stellt sich
der Grad der Verfettung verschieden heraus; je weiter vom
Placentarrand , desto mehr verfettete SteUen sind vorhan-
den. An einzelnen Nachgeburten lässt sich dies auf das
Deutlichste erweisen (vergl. Fig. 42 und 43, 44 und 45).
Möglich, dass noch ein drittes Moment auf den Grad der
Verfettung von Einfluss ist, die Entfernung der untersuchten
Deciduastelle vom Muttermunde. Ich habe auf diesen Punkt
meine Untersuchung nicht gerichtet.
Die Angaben Hegar^s und Eigenbrodfs über die Apo-
plexieen der Decidua habe ich vollständig bestätigen können.
Sowohl frische als alte Extravasate, denen der Blutfarbstoff
122 ^II* Dohm, Ein Beitrags inr mikroskoptsoken
schon entzogen ist (Fig. 31), kommen häufig zur Be<^
acbtung.
Die Placenta materna.
An der reifen Placenta foetalis bleibt bei ihrer Ablösung
vom Uterus eine Schiebt mätterlicben Gewebes haften. Wurde
die Nachgeburt recht vorsichtig herausgenommen, so finden
wir von dieser Schicht die Aossenfläche der Placenta foetalis
vollständig überdeckt. Was zum mutterlichen, was zum föta-
len Gewebe gehört, . erkennen wir gewöhnlich ohne Schwie-
rigkeit schon am Farbenunterschied, die Lamelle der Piae.
materna erscheint weiss gegen die rothen bluterfüllten Zot-
tenmassen der Plac. foetalis. War dieser Unterschied nicht
gleich von Anfang an deutlich, so tritt er hervor, sobald wir
etwas Wasser über die Aussenfläche dei* Placenta rieseln bs-
sen, und wir können dann verfolgen, wie sich die beilere
Gewebsschicht über den Pla^entarrand wegspannt und in
die Decidua fortsetzt. 0
Wenn man eine Reihe von Nachgeburten durchmustert,
so bemerkt man vor Allem eine grosse Verschiedenheit in
der Dicke der Gewebsschicht, welche der Fötalplacenta an-
hängt. Von einem feinen durchscheinenden Bauteilen bis zu
einer liniendicken weissen Lamelle kommen alle Uebergänge
vor, und auch an einer und derselben Placenta verhalten sich
verschiedene Stellen sehr ungleich, einzelne Cotyledonen tra-
gen einen dünneren, andere einen dickeren Ueberzug. Die
Ursache hiervon müssen wir in dem eigenthümlichen Bau der
mütterlichen Placenta suchen. Wir wissen, dass die am weite-
sten fötalwärts belegene Schicht der Placenta materna ein
stark sinuöses, rareficirtes Gewebe darstellt, dessen Hohl-
räume durch unregelmässige Oefinungen mit einander com-
municiren. Dieser Bau lässt sich auch noch an dem Ueberzug
nachweisen, welcher auf die Placenta foetalis übergeht. Heben
wir eine Gewebslamelle desselben vorsichtig ab, so gewahren
1) Das beute Untersnchangsobject sind sUrk blaterfälUe
and recht frische Nachgebarten. Künstliche Injection der Fö-
talplacenta mit stark gefärbten Materien bietet weniger Vortheile
für die Untersuchung der Grensschicht als die Benutsang der
natärlicfaen Injection.
Anatomie der reifen menseblichen Eihtllleo. 123
wir Hohlräume unregelmässiger Gestalt, die von Septis durch-
setzt sind, je nach der Dicke des Ueberzuges zwei bis drei
und mehr über einander gelagert. GefSssschläuche , welche
in diese Hohlräume einmunden, finden sich normaler Weise
nicht ?or, selbst zwischen den Cotyledonen nicht, wo die
Plac. matema doch eine weit grössere Mächtigkeit erreic^L
Für gewöhnlich bleibt die Schicht der Plac. materna, inner-
halb welcher sich noch eng geschlossene Gefässe vorfinden,
im Uterus haften, und es erfolgt die Gewebstrennung weiter
fötalwärts in dem sinuösen Abschnitte der Decidua. ^)
Schwieriger als diese schon mit unbewafihetein Auge
erkennbaren Verhältnisse ist die Frage nach der Verbindungs-
weise zwischen Plac. foetalis und materna zu beurtheilen.
In kleinerer Ausdehnung gelingt es fiber die Höhe der Coty-
ledonen ,das Gewebe der Plac. materna ohne Verletzung der
Zotten abzuziehen, und so die Höhlung eines Blutraumes zu
eröffnen, in dessen Wand die Zotten frei zu Tage liegen,
weiter stösst man aber auf Stellen, wo die Verbindung der
beiderseitigen Gewebe eine feste ist, uiid eine Trennung ohne
Zerreissung nicht ausgeführt werden kann. Hier finden sich
gefasslose Filamente, die von der Plac. matema nach den
Zottenspitzen hinüberlaufen, Fäden, deren Vorkommen Ooodtir
und Ecker früher beschrieben haben. Abgesehen von diesen
filamentösen Verbindungen, findet sich kein weiterer orga-
nischer Zusammenhang zwischen Plac. foetalis und matema«
Bringt man ein Präparat unter das Mikroskop, welches der
Grenzschicht der beiden Placenten entnommen ist, so sieht
man zwar die Zotten von den Zellen der Plac. matema um-
lagert, es handelt sich hier aber, wie ein Druck auf das Deck-
glas zeigt, nur um eine Juxtaposition , nicht uqi eine Ver-
klebung oder Verwachsung, und es kann keinem Zweifel
unterliegen, dass an der reifen Placeota die Zotten frei; ohne
Ueberzug in die Sinus der Placenta materna hineintauchen.
Entnahm man das Präparat einer etwas tieferen Schicht, un-
terhalb der äusseren Oberfläche aus dem Cotyledo, so ge-
wahrt man keine Gewebseleniente der Plac. materna mehr,
1) In den wenigen Fällen, wo ich in der Placenta materna
Gefasietümpfchen gefunden habe, seigte das umgebende Gewebe
pathologische Beschaffenheit. ^
124 ^U* I>ohm, Eio Beitrags snr mikroskopischen
sondern nur Zottenstämme. Es dringt auf der coDYex.eD
Fläche des Cotyledo das mütterliche Gewebe nur bis zwischen
die Spitzen der Zottenaosläufer, während zwischen den Coty-
ledonen sich tiefgehende Septa der Plac. materna vorfinden.
Der weitaus grösste Tlieil des fötalen Placentargewebes dient
daher nur zur Fortleitung des Blutes, nicht zum Stoffaus-
tausch mit der mütterlichen Placenta.
lieber die Gewebselemente, welche die Placenta niatema
gegen Ende der Schwangerschaft zusammensetzen, werden
von Hanchen Anschauungen gehegt, deren Richtigkeit ich
nicht anerkennen kann. Nur von Wenigen ist eine sorgfälüge
mikroskopische Untersuchung vorgenommen worden, gewöhn-
lich hat man sich mit der Annahme begnügt, dass die Zu-
sammensetzung die gleiche sei, wie die der Decidua vera und
reflexa. Auch Hegar scheint seine Ansicht über die Struetin'
der Serotina gegen Ende der Gravidität mehr auf theoretische
Deduction als auf Beobachtung zu gründen. Er meint, tnan
sei vollständig im Rechte, eine rückgängige Metamorphose
derselben anzunehmen und beruft sich unter andern auch
auf Virchow, welcher glaubt, dass die Veränderungen in der
Decidua serotina einen ähnlichen Gang durchmachen, wie in
der Deddua vera. ^)
Nun hätte aber, wie mir scheint, schon das theoretische
Räsonnement zu anderen Vorstellungen führen können. Die
drei Theile der Decidua, welche wir als Vera, Reflexa und
Serotina zu unterscheiden pflegen, flnden sich, je näher die
Gravidität dem Ende kommt, unter desto verschiedeneren Er-
nährungsbedingungen. Die Vera hat dann nur wenige Ge-
isse, in der Reflexa Hessen sich schon in der Mitte der
Schwangersphaft keine Gefässe mehr nachweisen, dagegen
stellt die Serotina ein rareficirtes; mit grossen Bluträumen
durchsetztes Gewebe dar. Diese Verschiedenheit hätte schon
darauf hinweisen können, dass bezüglich der rückgängigen
Metamorphose die drei Deciduaabschnitte sich sehr verschie-
den verhalten werden.
In der That sind auch schon früher Abweichungen der
Zusammensetzung beobachtet worden, indess blieben diese
1] Placeotarretention pag. 3.
Anatomie der reifen menechliehen EihüUen. 125
gegenüber der einmal gangbaren Anschauung, dass auch die
Decidua serotina verfette, unbeachtet. Schon Heinrich Müller
wies darauf hin, das8 der Nachweis von Zellen mit grossen
bläschenartigen Kernen und nur spärlichem Körnchengehait
besonders an der Uterinfläche des Kuchens leicht zu führen
sei. Ausführlicher hat sich Köüiker über diese Zellen aus-
gesprochen (Entwickelungsgeschichte pag. 147).
Bringt man ein kleines Stück von der Plac materna
einer reifen Nachgeburt unter das Mikroskop, so bemerkt
man Zellen, die sich durch ihre Grösse, den stark entwickel-
ten Kern und den geringen Gehalt an Körnchen und Fett-
tröpfchen vor den übrigen Deciduazellen auszeichnen. Die
meisten derselben sind einkernig, darunter findet man aber
häufig auch Zellen, die mehr Kerne, 2, 3, bis zu 16 dersel-
selben (die höchste Zahl, die ich beobachtete) enthalten:
Diese Zellen erreichen die bedeutende Grösse von 0,03 — 0,04
Millimeter, die Kerne eine Breite von 0,008, eine Länge von
0,012 Milhm. Sie sind bisweilen in die Länge ausgezogen
oder mit Einschnürungen versehen (s. Fig. 48.) oder man
findet selbst lange Schläuche, die zahlreiche Anschwellungen
und in jeder derselben einen Kern aufweisen (s. Fig. 51.),
daneben finden sich im Gewebe freiliegende Kerne vor. Diese
Gewehseleraente sind gewöhnlich in eine structurlose Grund-
substanz eingelagert, seltener findet man ein bindegewebiges
Gerüst
Wo wir nun aber solche Gebilde in grösserer Zahl vor^
finden, da ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass das sie
tragende Gewebe einer rückgängigen Metamorphose anheim-
gefallen sei, vielmehr nöthigt der Befund im Gegentheil zu
dem Schlüsse, dass dies Gewebe einem regen Stoffwechsel,
einem raschen Wachsthume unterworfen ist, und der. alten
Anschauung gegenüber, wonach die Lockerung der Placenta
materna auf einer Gewebsverfeltung beruhe, kommen wir
vielmehr zu der Annahme, dass es gerade die mit Vergrösse-
rung der Bluträume zunehmende Gewebswucherung ist; die
unter starkem Nachschübe von Zellen die Lockerung des Zu-
sammenhanges herbeiführL
Die Frage, ob und wie weit die mehrkernigen Zellen
über den Placeniarrand hinausreichen, ist schon von Köüiker
126 VII. Dokm^ Bin Beitrag zur mikroskopischen Anatomie etc.
aufgeworfen worden. Ich habe bei mehreren Nachgeburten
diese Gebilde noch einen ZolJ vom Placentan*ande entfernt in
der Decidua vera aufgefunden, freilich nicht so zaMrejcb und
nicht so gross, wie in der Plac. matenia. In Präparaten, die
mehrte Zoll weit vom Placentarrande aus der Decidua her-
genommen waren, habe ich sie nicht mehr nachweisen kön-
nen. Dieser Befund steht mit der verschiedeneu Vascula-
risation der Decidua in Zusammenhang.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 9. nnd 10. sind bei 60 ==, Fig. 24. bei 80 =:^ die übrigen
Figg. bei 200— 400facher Vergrösserung geseichnet. Fig. 3. und
4., 9. n. 10, ^7^51 nach frischen Pr¶ten.
Fig. 1. Querschnitt durch sämmliche Eihäute von der Nähe
des Placentarrandes, mit verdünnter Essigsäure be-
handelt, a) Amnion, b) Gallertschicht, c) Chorion,
d) Decidua reflexa, e) Decidua vera.
Fig. 2. Quei^schnitt durch sämmtllche Eihäute von einer an-
deren Nachgeburt. Zusatz von Essigsäure und Anilin.
Der Rand des Amnions umgeschlagen.
Fig. 3. u. 4. Fölalseite des Amnions.
Fig. 5—8. Querschnitte durchs Amnion, Fig. 7. u. Fig. 8.
von der gleichen Nachgeburt, Fig. 7. 3" von der
Nabelstranginsertion, Fig. 8. Va" ^^i^®" entfernt.
Fig. 9. u. 10. AmnionpapUlen.
Fig. 11. Querschnitt durchs Anmion, */«" ^^'^ ^^ Nabd-
. stranginsertion.
Fig. 12—23. Querschnitte durchs Chorion. Die Fig. 13., 15
und 22. zeigen noch einen Theil der Decidua re-
filexa mit dem Chorion in Zusammenhang.
Fig. 24. Q'uerschuitt durch das Amnion und Nabelbläscfaen.
Fig. 25. Eine Stelle desselben bei stärkerer Vergrösserung.
Fig. 26 — 45. Deciduagewebe. Fig. 26. Ein Querschnitt, bei
welchem die Zelischicht des Chorions, a. an der
Decidua refiexa haften geblieben ist Die Präparate
zu den Figg. 32 — 37. sind der Decidua refiexa, die
öbrigen der Decidua vera entnommen. Die Präpa-
rate zu 22. und 24. sind i" vom Placentarrand der
VIII« G. Veit, U«ber die in der gebiirtehfilfl. Klinik in Bonn etc. 127
Decidua eDtnommen, zu Fig. 43. und 45. dagegen
3'' vom Placentarrand.
Flg. 46—61. Gewebselemenle der Decidua serotina. Fig. 60.
ist von der gleichen Nachgeburl gezeichnet, von
welcher die Deciduazellen Fig. 44. und 46. stam-
men, ebenso sind die Präparate von Fig. 51., 42.
und 43. von Einer und derselben Nachgeburt Der
Unterschied in der Verfettung \9i deutlich, wenn man
diese je 3 Einer und derselben Nachgeburt entnom-
menen Präparate mit einander vergleicht.
VIII.
üeber die in der geburtshülflichen Klinik zu
Bonn im Sommer 1864 und Winter 1864/65 auf-
getretenen puerperalen Erkrankungen.
Von
G. Telt.
Als ich im April 1864 die Leitung der Klinik übernahm
erfuhr ich, dass sich das Institut dauernd günstiger Gesund-'
heitsverhältnisse zu erfreuen gehabt hatte. Unter den die
Entstehung von Epidemien verbindernden Momenten wurde mir
besonders die Lage der klinischen Räumlichkäten hervorgehoben,
wodurch die letzteren den starken Luftströmungen, welche sich
in Bonn fast beständig bemerkbar machen, ausgesetzt sind.
In den vorhandenen Jahresberichten fand ich erwähnt,
dass auch bei den Wöchnerinnen acute Gelenkrheumatismen
relativ häufig aufgetreten waren; gleichzeitig sind aber in den
sieben letzten Jahren (1851/56, 1859/60 und 1861/62) bei einem
jährlichen Bestände von 85 — ^90 Wöchnerinnen meist 2 — 4,
nur ein Mal sechs puerperale Erkrankungen, und nur in
einem Jahre zwei mit lethalem Ausgange aufgeführt. Indem
Journal für das Solarjahr 1863 sind zwei Todesfalle und
zwei günstig verlaufene Processe verzeichnet.
130 VIII. G, Veity üeber die in der gebartsliillfl. Klinik stt Bonn
Ich habe diesen Tumoren seit einer Reihe von Jahrea
meine Aufmerksamkeit zugewendet. Sie kommen, wie schon
die obigen Zahlen zeigen, häufig vor. In den ersten Tagen
der Erkrankung ergießt die Exploration der Beckenorgane
nichts weiter als eine mehr oder wenige begrenzte Empfind-
lichkeit der seitlichen Gebärmuttergegenden. Bisweilen ist
nur die eine Seite gegen Druck empfindlich; dann kann der
Schmerz nach 24 — 48 Stunden hier verschwunden sein, sich
auf der anderen Seite fixirt haben, und auf der letzteren
ausschliesslich von der Entwickelung einer Schwellung gefolgt
sein. Relativ selten sieht man doppelseitige Geschwülste
entstehen. Der Nachweis einer diffusen Resistenz in
der Nachbarschaft der Gebärmutter kann, wenn eine genaue
Exploration möglich ist, schon am zweiten oder dritten
Tage gelingen; meist aber verstreicht bis dahin ein länge-
rer Zeitraum, und, bis sich eine kleinere oder grössere
drcumscripte Härte unterscheiden lässt, nahezu die erste
Woche. Geschwülste auf der Fossa iliaca, welche sich in
das kleine Becken unmerklich verlieren, werden am spätesten
greifbar, weil sie nur von der oberen Seite her gesacht
werden können. Ihr Umfang ist sehr wandelbar. Die mit
der Gebärmutter in grösserer Ausdehnung verschmolzenen
und nicht sehr grossen Tumoren bedingen weder neuralgische
Zufälle, noch Oedeme; auch bei denjenigen, welche bis an
den Scheidengrund reichen, nimmt man eine nach und nach
eintretende oedematöse Schwellung oder Auflockerung der
Vaginalwand meist nur dann wahr, wenn es zur Abscessbildung
kommt. Desgleichen fehlen Harn* und Stuhl-Beschwerden
sehr häufig, weil die Geschwülste sehr oft weder die Harn-
blase noch das Rectum berühren. Bei Geschwülsten, die
sich primär auf der oberen Partie der Fossa iliaca
entwickelten, habe ich hingegen gkich nach dem Beginn
des Fiebers die heftigsten neuralgischen Schmerzen in der
Nieren- und Lendengegend der afncirten Seite auftreten und
viele Stunden lang andauern sehen; derartige Exsudate kommen
selten vor, weshalb ich dahingestellt lassen muss, ob das
beobachtete Symptom constant sei.
Auch über den extraperiton aalen Sitz derjenigen des hier
besprochenen Schwellungen, welche sogenannte characteristiscbe
im Somoier 1864 and Winter 1864/65 aufgetretenen etc. 131
Merkmale eines solchen Verhaltens nicht darbieten, kann kein
Zweifel sein. In ihrer Entwiekelung und ihren Ausgängen
verhalten sie sich, wie die anderen; und die umfangreiche
, VersohmelzuDg vieJer von ihnen mit dem Uterus, sowie das
naehmahge Ausbleiben einer BeeiDträchtigung der Fruchtbarkeit
bestätigen von der klinischen Seite aus, was die anatomischen
Forschungen FtrcAoic^'s über den Sitz des Processes darge-
tban haben.
Die Entwickeiung der Schwelbingen fallt fast immer in
die erste Woche des Pueiperiums. Die relativ spät eintre-
tende Möglichkeit, ihr Vorhamiensein nachzuweisen, uud vor
Allem der Umstand, dass das erste Fieber, wie auch bei
den oben aulgezählten Fällen wiederholt bemerkt wurde, bis-
weilen nicht über die erste Woche hinaus anhält, und die
Pulsfrequenz sich nicht bis auf 100 steigert, erklären es,
dass man von einer Entstehung abgesackter Exsudate in der
2., 3. und 4. Woche als von einem häufigen Vorgange ge-
sprochen hat In den zahlreichen FäUen, in welchen ich
erst 4pät von den Kranken consultirt worden bin, weil sich
diese nicht früher krank fohlten, habe ich stets ermitteln
können, dass in den ersten Tagen des Wochenbettes Fieber
vorhanden gewesen war, und meist, dass Schmerzen im
Unterleibe u. s. w. dabei nicht gefehlt haben. Die Unter*
suchung ergab hier auch regelmässig, dass eine mehr oder
weniger bedeutende Geschwulst schon vorhanden war. Bei
den wenigen Wöchneriuucu, bei denen ich die späte Entsteh-
ung einer Scbwelluug von Anfange an beobachten konnte,
handelte es sieh nicht um eine erst zu dieser Zeit beginnende
Parametritis , sondern um die Recrudescenz eines früheren,
schriflbar abgelaufenen oder in der Rückbildung begriffenen
Processes in Folge des Zutrittes eiuer neuen Schädlichkeit.,
Eiu Beispiel bietet der später mitzutbeilende Fall 1.
Nicht selten kommt es vor, dass gleichzeitig mit einer
neuen Exacerbation oder einer Rückkehr des Fiebers nicht
bloss die iocaien Schmerzen wiederkommen, sondern auch
geringe Neti*orrhagien verbunden sind. Mitunter wiederholt
sieh dieser Vorgang mehrere Male, ohne dass eine Abscess
sieh bildet
Der an und für sich gunstige Verlauf der gutartigen
9*
132 Vm. G. Veit, U^ber die \n der gebarttlifiM. Klinik n Boui
Metritis und ParainetrJtis wehrt zwar, abgesehen too der
Cauterisation der zugänglichen puerperalen Wunden, eine
eingreifende Behandlung ab; nichtsdestoweniger ßnde ich in
der Unmöglichkeit, zu Anfange eine Prognose zu stellen eine
Aufforderung, nicht einfach abzuwarten, ob sich eine Pen-
ronitis einstellen werde oder nicht Erreichen der Schmerz
und das Fieber nicht eine beträchtliche Höhe, so beschränke
ich micli ironaer auf eine oder wiederholte Gaben von milden
Abföhrmilteln , namentlich von Ricinusdl, wo nicht subjectives
Ekelgefühl Erbrechen erwarten lässt. In Betreff der Wirkung
dieses Verfahrens haben die Beobachtungen in Bonn lediglich
meine frühere Erfahrung bestätigt. Nach dem Eintritte reich-
licher Ausleerungen erfolgt oft ein vorübergehender Abfall
des Fiebers, und die erneuerte Anregung der Darmsecrelion
bewirkt neue Remissionen. Bisweilen gelingt es erst durch
eitle Reihe von Gaben Diarrhoe zu erzeugen; häufig aber
führt eine einzige massige Dosis (z. B. ein Esslöffel voll Ri-
cinusölj 6 — 10 flüssige Stähle oder selbst eine zweitägige
Diarrhoe herbei. Bedenkliche Durchfälle habe ich bisher nie
nachfolgen sehen.
In denjenigen Fällen, in welchen gleich von vom herein
sehr heilige Schmerzen vorhanden sind, und die Temperatur
hoch steigt, gebe ich vom Beginne an Calomel, und zwar zu-
nächst grössere Gaben, um StuhlentleeiTing zu bewirken, bald
darauf aber kleinere, 1 — 2 Grane zweistündlich, fort. Häufig
bleibt der Process beschrankt, und das Ausbleiben einer
Affection des Bauchfells beweist, dass die Vorsicht unnörbig
war. Andererseits jedoch tritt auch eine nachtheilige Wirkung
des Mittels nicht liervor, und bei denjenigen Kranken, bei welchen
sich demnächst die gefurcbtete Peritonitis wirklich «instellt,
bedarf es nachmals einer geringeren Zeit, um eine Affection
des Zahnfleisches hervorzurufen. Hierin sehe ich einen we-
senllichen Vorlheil. Erstens kann man niemals vorhersagen,
wie schnell die septische Entzündung auf d^ Serosa sich
ausbreiten werde, und zweitens ist nach meiner iJelierzeugUDg
die Quecksilberbehandlung diejenige, welche, auch wenn äe
nur in der Minderzahl der Fälle die Fortsdiritte der Perito-
nitis aufhält, doch noch die relativ günstigsten Erfolge auf-
zuweisen hat. Dass das von der perforativen Peritüoitis
im Sommer 1864 iwd Winter 1864/55 mufgetretenen etc. 133
euüehnte Opium bei den puerperalen AfTectionen so .gut wie
nichts nfttzt» habe ich, wie viele Andere, erfahren. Dieser
Erfahrung steht gegenüber , dass selbst Aerzte, welche, wie
ArmHtong^ nur grosse Dosen von Calomel und diese nur,
uni Ausleerungen zu bewirken, gaben, eine günstige Wendung
def* Krankheit beobachteten, sowie wider ihre Absicht Spei-
chelfluss sich einstellte. Um diesen wo möglich rechtzeitig
8U erzielen, raoss man aber, wie es D^aormeaux in der
1829 in der Maternite ausgebrocbenen Epidemie, und Traube
neuerdings mit entschiedenem Nutzen thaten, neben dem
Calomel noch Ifercurialeinreibungen anwenden, und 1 — 2 stünd-
lich dß — 3ij Ungt. einer, verbrauchen. Den Ueberfluss kann
man hinterher abwischen lassen. Unter den nachfolgenden
FSMen* wird ein Beleg für den Nutzen der Quecksilberbehand-
lung gegeben werden.
Hier ist zuerst die Frage aufzunehmen, ob bei gutartigem
Verlaufe der Parametritis die entstandenen Geschwülste eine
besondere Therapie beanspruchen, auch wenn es nicht zur
Abscessbildung kommt. Ohne Zweifel erfolgt bei einem ge*
eigneten diätetischen Verhalten die Resorption nicht sehr
umfangreicher Exsudate ohne Zuthun der Kunst. Grössere
Tumoren indessen «können viele Wochen liinclurch unverändert
bleiben, und verkleinern sich bei dem Gebrauche von Jod
und Bädern oft aufläUig rasch. Von Ableitungen auf die
Haut in der Nachbarschafl des Exsudates glaube ich kaum
jemals einen Erfolg constatirt zu haben; deshalb wende ich
duch Jodtinctur nicht in der Weise an, dass die IO*anken
viele Schmerzen haben; die von den Franzosen noch immer
missbrauchten Vesicantien sind bei uns ans der Praxis ohne-
hin ziemhch verschwunden. Bestehen die Geschwülste schon
viele Wochen, so ist di«; fortgesetzte iimere Anwendung von
Jodkalinm nach meiner Erfahrung von überraschendem Nutzen.
Auch von der heilsamen Wirkung der Sitzbäder liabe ich
mich überzeugt, ebenso aber auch davon, dass Vollbäder,
insbesondere mit einem die Haut rei /.enden Zusatz von
Mutiierlauge entschieden wirksamer sind, ganz abgesdieu davon,
dass sie sich noch für Kranke eignen, welche in Sitzbäder
nicht gebracht werden können. Frauen mit Exsudaten auf
der Fossa iliaca, welche die Extremität der leidenden Seite
1 34 VIII. G. Veit, Ueber die in der gebart9haii. Klinik sn fiofla
nicht zu bewegeo vermögen, lasse ich in das Vollbad und
hinaustragen, sowie, das Fieber nachgelasseD hat. Ich kam
versichern, dass ich die Resorption erfolgen sah, wo Ge-
schwülste der Fossa iliaca allmälig mehr und mehr von oben
nach dem Poupart'schea Bande hinabröckten, und ihren
Ortswechsel überdies dadurch bezeichneten, dass die von ihnen
abhängigen Neuralgien von den oberen Zweigen des Plexus
cruralis auf die unteren übergingen, wo ich daher fräher
bereits einen Beckenabscess diagiiosticiren zu können Raubte.
Die frühzeitige Diagnose der Abscessbildung hat bei
langsamem Verlaufe ilure Schwierigkeiten. Gelegentlich frei-
lich kommt es zur Senkung des Eiters aus dem Becken
schon in den ersten Tagen der zweiten Woche des
Puerperiums ; aber auf die Senkung, beziehungsweise die Er-
hebuni; des Abscesses an der vorderen Bauch wand bis gegen
den Nabel oder die Perforation der Scheide u. s. w., will
man mit Recht nicht warten. König hat deshalb hervorge-
hoben, dass man nach Gewebslöcken innerhalb der harten
Wandungen zu spähen habe; und ich meine, dass man gut
thut, noch einen Schritt weiter auf diesem Wege zu geheu.
Man muss versuchen^ wo Gewebslücken noch nicht vorhanden
sind, die Wandungen durch Druck mit dem Finger zu ver-
dünnen. Bei den Drüsenabscessen der Mamma ist dies zwar
leichter auszufahren, aber es gelingt auch bei den Beckenge-
scfawülsten bisweilen.
Ich scfaliesse an diese anspruchslose Bemerkung drei der
36 bezeichneten Fälle an.
Erster Fall.
Nachdem eine mehrtägige geringe Temperatur-
Steigerung vorausgegangen, aber wieder ver-
schwunden ist, tritt am 11. Tage heftiges Fieber
ein, und in dem Uterusanhange entsteht eine
Geschwulst.
Secundipara. I.Tag. Nadiwehen. Morgens: T. 37,4 <^C., P. 96,
R.24.
Abends: T. 38,20C.,P.98,
R.28.
im Sommer 1864 aod Winter 1866/S6 aafgetreteDen «to. 135
2. Tag. Kopfschmerz, Stiche im Unterleibe, Ut«rus sieht
eropfindlidi.
Morgens: T. 37,8«» C, P. 84, R. 18.
Abends: T. 37,8» C, P. 84. R. 24.
3. Tag. Morgens: T. 38,5« C, P. 100, R. 24.
Abends: T. 39,8« C, P. 116, R. 28. .
4. Tag. Morgens: T. 37,8" C.,P. 96, R. 20.
Abends: T. 38,3*0 C, p. loo, R, 20.
5. Tag. Morgens: T. 38,0 <> C, P. 102, R. 22.
Abends: T. 39,4 »C^ P. 100, R. 25. Ol. ricin. S/J.
6. Tag. Morgens: T. 38,3 " C, P. 104, R. 28. 4 Stuhlaus-
leerungen.
Abends: T. 38,5« C, P. 98, R. 26. 2 Stühle. Ol.
ricin. iß.
7. Tag. Morgens: T. 37,9« C, P. 84, R. 18. 3 Stähle,
Abends: T. 38,0« C, P. 94, R. 26. 6 Stühle.
8. Tag. Morgens: T. 38,4« C, P, 94, R. 18. 2 Stühle.
Abends: T. 38,2« C, P. 84, R. 22.
9. Tag. Morgens: T. 38,1« C, P. 88, R. 20.
Abends: T. 37,6« C, P. 82, R. 15.
10. Tag. Morgens: T. 37,9« C, P. 90, R. 28.
Bei der Exploration in der klinischen Stunde
erscheint die Gebärmutter anteflectirt, nirgends em-
pfindlich.
Abends: T. 37.9« C, P. 82, R. 22.
Von 7 Uhr an bis zum anderen Morgen Frost
mit Zähneklappern und Leibschmerzen. , .
11. Tag. Morgens: T. 41,4« C, P. 132, R. 37.
Die innere Exploration zeigt, dass die Gebär-
mutter empfindlich ist. Ol. ricin., iß drei Mal.
Abends: T. 41.2« C, P. 128, R. 43. 4 Stühle.
Gebärmutter gegen äusseren Druck empfindlich.
12. Tag. Morgens: T. 40,0« C, P. HO, R. 26. 3 Stühle.
Abends: T. 39,4« C., P. 100, R. 27. 2 Stuhle.
13. Tag. Morgens: T. 39,3« C., P. 94, R. 22. Gebärmutter
rechts ßmpfindlich; in dem linken Anbange ein
bei Druck schmerzender Tumor von Taubenei-
grösse.
Abends: T. 40,0« C., P. HO, R. 16.
136 VIll. O. Veit. Ueber die in der geburUhfilfl KliDik sn Boon
14. Tag. Morgens: T. 40,0« C, P. 106, R. 30.
Abends: T. 40,3 <> C, P. 108, R. 29.
18. Tag. Morgens: T. 39,0*^ C, P. 112, R. 30. Uterus et-
was auteflectirt; links ?ob ihm ein huhnereigros-
ser Tumor, der bei starkem Drucke empfiDdlich
ist, während die rechte Kante der Gebännutler
stärker schmerzt.
Abends: T. 38,0« C, P. 76. R. 25. .
19. Tag. Morgens: T. 37,5 <>C., P. 80, R. 22.
Abends: T. 37,0<^ C, P. 70, R. 25 u. s. w.
in diesem Falle ist der Zusammenhang der Entwickelung
des Tumors mit dem am 11. Tage aufgetretenen Fieber un-
zweifelhail , und ebenso wenigstens höchst wahrscheinlich , dass
die am Morgen des 10. Tages statlgefundene Exploratioa den
Ansloss zu beiden gab. Das mit dieser verbundene Trauma
erklärt die Folgen genügend; an eine septische Infecüoii in
so später Zeit zu denken, liegt jedenfalls ferner.
Zweiter FalL
In^ufficienz der Mitralklappe. Albuminurie.
Zwillingsgeburt. Urämie. Paramelritis. Metror-
rhagie mit Rildang eines adhSrenten, polypösen
Gerinnsels (fibrinösen oder Placentarpolypen).
35jähr. Primipara mit einem seit längerer Zeit beste-
henden Broachialkatarrh. Herzdämpfung nicht auffallend ver-
grossen, "aber der erste Ton durch ein schwirrendes Ge-
räusch verdeckt, und der zweite Pulmonalton deutlich accen-
tuirt. Die. unteren Extremitäten seit einigen Wochen stark
ödematös infilu*irt, ebenso die untere Partie der Bauchdeckeo.
Im Harne eine beträchtliche Menge von Eiweiss, und anfangs
auch Blut, welches nach mehreren Tagen verschwindet. Die
äussere Untersuchung ergiebt Zwillingsschwangerschaft, die
innere einen in zweiter Stellung vorliegenden Kopf; da gleich-
zeitig über dem rechten geraden Scharabeinaste in kleinem
Umfange Herztöne (138) und andere (146) in der linken
Seite höber zu hören sind u. s. w., ist klar, dass das vor-
angehende Kind hinter dem zweiten, und dieses in erster
Kopfstellung sich befindet. Sechs Tage nach ihrer Recep-
im Sommer 1864 und Winter 1864/B6 ftnfgetreteoeii etc. 137
tioo geht die Niederkunft leicht innerhalb sechs Stunden vor
sich. Darauf ist die Wöchnerin schlafsüchtig, und lässt Koth
und Harn unter sich gehen.
I.Tag. Morgens: T. 38,2. P. 144. R. 24,
Abends: T. 38,4. P. 142. R. 24.
2. Tag. Morgens: T. 37,6. P. 140. R. 34.
Abends: T. 39,1. P. 162. R. 30.
3. Tag. Aus dem Sopor aufgerüttelt, klagt sie über Kopf-
schmerz. Im Harn noch sehr viel Eiweiss.
Morgens: T. 38,6. P. 134. R- 26.
Abends: T. 39,4. P. 146. R. 30.
4,. Tag. Morgens: T. 38,5. P. 140. R. 28. Der sparsam
abgesonderte Harn enthält Blut und Eiweiss. Ord.
Infus, digital, c. Liq. Kah* acet.
Abends: T. 39,2. P. 141. R. 32. Die Ränder des
Dammrisses zeigen einen weisslichen Beleg.
Am 5. Tage verschwindet das Blut, am 6. das Eiweiss
aus dem Harn; am 8. wird die Wöchnerin munterer. Die
Temperatur fallt dabei nach und nach auf 37,8, und der
Puls auf 120; das Oedem der Extremitäten nimmt ab. Am
10. Tage verliert sie etwas Blut aus den Genitalien; am 12.
treten Schmerzen im Abdomen ein, es folgt ein zweistündiger
Frost, die linke Weiche und das vordere Scheidengewölbe
sind sehr empfindlich, und es ist starker Harndrang vorhanden.
Abends: T. 40,^*P.134. R. 30.
13. Tag. Morgens: T. 38,3. P. 126. R. 30. Die Empfind-
lichkeit und der Harndrang dauern fort; in der
linken Nachbarschaft des Uterus nimmt man ver"
mehrte Resistenz wahr. Ol. ricin. l^ß, 2 Aus-
leerungen.
Abends: T. 40,4. P. 134. R. 30. Am Nachmit-
tage war wiederholter Froat und darauf reich-
licher Blutabgang eingetreten.
14. Tag. Morgens: T. 37,9. P. 112. R. 30. In der Nacht
vier Mal Diarrhoe. Der Schmerz bei der äusse-
ren Untersuchung heftig.
Abends: T. 40,2. P. 140. R. 34. Am Nachmit-
tage wieder Frost mit reichlicher Blutung.
.138 ^J^^' ^' ^^'^ TJ9her die in der ffebnrtabaifl. Klinik so Bonn
16. Tag. Morgens: T. 38,2. P. 130. R. 26.
Abends: T. 4D,1. P. 138. R. 40.
16. Tag. Morgens: T. 38,2. P. 130, R. 24. Gute Nachi;
Empfindlichkeit sehr vermindert. Am Hitlage und
am Nachmittage kehrt die Metrorrhagie wieder.
Abends: T. 40,2. P. 134 R. 30. Schmerzen, die
vom Knie über den Rücken in die rechte Kopf-
seite ausstrahlen, und mehrere Tage, lang an-
dauern.
17. Tag. Morgens: T. 38,6. P. 134. R. 36. Nach Ol. ricin.
3/3 fünf Mal Diarrhoe.
Abends: T. 39,2. P. 138. R. 30.
22. Tag. Morgens: T. 38,9. P. 140. R. 30. Am inneren
Muttermunde stösst der Finger auf einen har-
ten, ziemlich glatten, unten walzen-
förmigen Körper, welcher sich ringsum
umgehen lässt, und am Fundus uteri
nach Art eines Septum mit breiter Ba-
sis inserirt. '
Dieses polypöse Coagulum wird nach einigen Tagen nicht
ohne Mühe abgebröckelt. Das Fieber hielt noch bis zum
30. Tage an, und an der Stelle der früheren Resistenz in
der linken Seite war ein am Uterus breit aufsitzender Tumor
wahrzunehmen.
Der .hier mitgetheilte Fall ist ein gujyir Beleg für die
Richtigkeit der von Klob ausgesprochenen Meinung, dass ein
sogenannter fibrinöser Polyp durch ungewöhnliche Ausdeh*
nung und Verlängerung eines von den Venenmündungen der
Placentarstelle ausgehenden Pfropfes entstehen kann.
Einen dritten Fall von Parametritis lasse ich vorzugs-
weise zu dem Zwecke nachfolgen, um den Einfluss der künst-
lichen Abkühlung der Körperoberfläche durch fortgesetztes
Einschlagen derselben in nasskalte Leintücher auf das Fieber,
auf welchen ich später anrückkommen werde, möglichst zu
veraHScbaulicben.
in SomBMr 1864 uad Winter 1864/96 Mifgetretanen etie. IgQ
Dritter PalL
Metritis uod Parametritis mit Entwickelung einjßs
Tumors und nachfol-gendem, lange Zeit fortdauern-
dem hectischem Fieber. Kaltwasserbehandlung.
1. Tag. Morgens: T. 38,1. P. 80. R. 21.
Abends: T. 37,7. P. 68. R. 17.
2. Tag. Morgens: T. 37,6. P. 68. R. 17.
Abends: T. 38,8. P. 90. R. 19. Uterus im gerin-
gen Grade empflndlicb.
3. Tag. Morgens: T. 39,9. P. 118. R. 21.
Abends: T. 40,8. P. 124. R. 24. Dicke dunkel-
braune, übolriecbende Lochien. Empfindlichkeit
gegen Druck, besonders stark an der rechten Ge-
bärmutterseite. Ordin. Calomd. gr. v. drei Mal
und Eisblasen auf das Abdomen.
4. Tag. Morgens: T. 39,6. P. 112. R. 23. Ord. Calomel.
gr. V.
Abends: T. 40,7. P. 118. R. 25.
5. Tag. Morgens: T. 39,7. P. 108. R. 27. Ordin. Chinin.
gr. XV., Injectionen.
Abends: T. 39,8. P. 110. B. 31.
6. Tag. Morgens: T. 38,9. P. 92. R. 25.
Abends: T. 40,6. P. 112. R. 28. Die Empfind-
lichkeit rechts hat zugenommen.
7. Tag. Morgens: T. 39,6. P. 106. R. 27. Ordin. Chinin.
gr. viii.
Abends: T. 40,3. P. 102. R. 26.
8. Tag. Morgens: T. 41,1. P. 106. R. 26. Ord. Kaltwas-
^ Wasserbehandlung. Nach 15 Einpackungen fallt
die Temperatur von 40,7 ^ auf 40,6, und von
hier um 2 Uhr nach Anwendung von 23 Laken,
welche in Wasser von 10 — 14** getaucht sind,
auf 40,1.
Abends: T. 40,4. P. 110. R. 28; nach 19 maliger
Eiowickelung (Wasser von 8 <"). T.39,3. P.98. R.25.
9. Tag. Morgens: T. 37,2. P. 80. R. 19.
Abends: T. 40,4. P. 114. R. 24 und nach 21 Ein-
wiekehmgen von 8<* T. 39,a P. 108. R. 27.
140 VIU. &. y$U, üeber di« in der gebartshfllfl. RUiiik ni Bonn
10. Tag. Morgens : T. 40,0. P. 110. R. 28.
NachiDitt2Uhr
T. 40,3.
Abends: T. 40,0. P. 118. R. 29.
11. Tag. Morgens: T. 39,9. P. 108. R. 25.
Abends: T. 40,5. P. 128. R. 27.
12. Tag. Morgeus: T. 38,2. P. 100. R. 22.
Abends: T. 40,4. P. 124. R. 26.
Ordin. Chinin.
gr. X.
13. Tag. Morgens: T. 38,2. P. 96. R. 20.
Abends: T. 40,6. P. 112. R. 26.
Rechtsseitiger
Schmerzen wegen kalte Umschläge.
14. Tag. Morgens: T. 37,6. P. 96. R. 23. PoUicularkatarrh
des Dickdarms. Die Auftreibung des Leibes ge-
stattet nicht, bis zu den oberen Grenzen des Tu-
mors vorzudringen, der, wie die Vaginaluuter-
suchung ergiebt, oberhalb der Seheide und neben
dem Uterus liegt, und vorzugsweise dessen rechte
Seite begrenzt.
Abends: T. 40,6. P. 116. R. 28.
Das hectische Fieber mit T. 37t4— 38,3 des
Morgens und T. 40,4 — 38,9 des Abends dauert
bis zum 42. Tage fort. Nadi dieser Zeit ist noch
eine Woche lang rechts ein harter, empfindUcher,
aber an Umfang abnehmender Tumor zu con-
statiren.
Die übrigen neun Fälle betrafen schwere, und mit Aus-
nahme von zweien, todtlich verlaufend.e Erkrankungen. In vier
entwickelte sich eine diffuse Peritonitis, find in drei
von diesen neben Peritonitis auch Pleuritis.
Vierter PalL
Endometritis diphtheritica. Parame Iritis mit aus-
gedehnter Thrombose der Lymphgefässe. Peri-
tonitis. Pleuritis. Beginaende metastatische Ent-
zündung des Schultergelenks.
1. Tag. Morgens: T. 37,7. P. 60. R. 15.
Abends: T, 37,9. P. 60. R. 17.
2. Tag. Morgens: T. 37 J. P. 56. R. 1& Danach Schut-
im Sommer 1864 und- Wtster 186^^ anfgetretenep ete. 14t
telfrost, linksseitige Sehmerzen. Ord. Ol. ridn.
2 Mal iß.
Abends: T. 39,4 P. 106. R. 32. OL nein. iß.
3. Tag. Morgens: T. 39,4. P. 106. R. 32. Stuhiausleenin-
g^n sind nicht erfolgt, um 10 Uhr tritt zwei-
maliges Erbrechen ein.
Mittags: T. 39,6. P. 124. R. 34. Eisumschläge.
Calomel. gr. vi. und dann gr. ii. zweistöndlich;
Ungt. einer. 3i zweistöndlich. Die erste Gabe
des Calomel wird ausgebrochen.
Abends: T. 39,5. P. 136. R. 25. Die Kranke
bricht in der Nacht drei Mal, und entleert dabei
einen Spulwarm mit.
4. Tag. Morgens: T. 38,9. P. 124. R. 28. Nicht unbelrScht-
lieber Meleorismus.
Abends: T. 39,2. P. 126. R. 38.
5. Tag. Morgens: T. 38,6. P. 116. R. 44. Einmaliges Er-
brechen. Da noch immer kein Stuhlgang erfolgt
ist, ein Clysma, aber ohne Erfolg.
Abends: T. 38,9. P. 124. R. 34. Schmerzen in
der linken Schulter.
6. Tag. Moi^ens: T. 38,5. P. 118. R. 50. Ein Clysma mit
Zusatz von Ol. terebinth. Sü bewirkt zwei Aus-
leerungen.
Abends: T. 38,9. P. 128. R. 48. Der Leib ist nur
links vom Uterus empfindlich.
7. Tag. Morgens: T. 39,5. P. 146. R. 46. Seit zwei Tagen
Husten. In der hinteren unteren Partie des Tho-
rax ist links der Schall gedämpft, die Dämpfung
aber nicht genau begränzt; das Athmen bronchial.
Mittags 2 Uhr: T. 39,8. P. 156. R. 52.
Abends: T. 39,7. P. 156. R. 44. Athmen ange-
strengt; Rewusstsein gestört; Unruhe.
Am 8. Tage früh 6^/2 Uhr erfolgte der Tod.
Seqtion'): Zwerchfell bis zur vierten Rippe aufwärts
1) Die äectionen sind entweder von Hrn. I^rof. C 0, Weber
oder bei behinderung de89elben von dem A^slAtented de« patho-
lo^sebanatomisob«!! Inttitnto anageffihrt wovden.
142 Vill. G, Veit, Ueb^r 4ie in der ^ebvrUhiU. KlMk in Bona
. gedrangt. Auf der recblen Lunge ist der seröse Ueberzog
trübe und rauh; die oberen Lappen trocken und hinten, wie
der ganze untere, hyper&misdi. In der linken Pleurahöhle
ein ziemlich reichliches, tröbes, flockigee Ezsadat; .auch der
Ueberzug der Lunge ist auf dem unleren Ltfppen und dem
Rande des oberen mit flockigen Massen bedeckt und der
untere Lappen comprimirt, luftleer. Herzüberzug trübe ; unter
demselben sind auf der hinteren Seite beider Ventrikel kleine
Ecohymosen sichtbar ; int rechten Ventrikel liegen zähe, stark
mit den Muskeln verfilzte Gerinnsel, die Musculatur ist murine,
blass und mit Eechymoseu besetzt. Der Leberuberzug ist
diffus getrübt und hinten flockig belegt; das Parenchym
bruchig, roth marmorirt. Milz gross; die Kapsel trübe und
pit flockigem Beschläge versehen; das Parenchym zerOies-
send und von Ecchymosen durchsetzL Das Bauchfell zeigt
besonders an den unteren Partien über dem Dünndärme und
längs des Colon sowie auf der Rückseite der Bauchwand
einen flockigen, eiterigen Beschl^g, der nach dem kleinen
Becken hin zunimmt und auf dem gänseeigrossen Utmiis
stark hervortritt. Die V. V. spermat. und die V. cava sind
mit flüssigem Blute, dem einzelne Gerinnsel beigemengt er-
scheinen, gefülUt. Die Lympbgefässe der linken Seite enthal-
ten vom Beoken aufwärts 4hs zum Receptaculom chyli einen
gelblichen, zähen Eiter; die Lymphdrüsen sind massig ver-
..grössert. Auch an der rechten Seite des Uterus ist diese
eiterige AnfüUung. der Lympbgefässe bis zur Arter. iliac.
comm. zu verfolgen« Auf der vorderen Fläche der C^bär-
matter schimmert ein zum Umfange einer Boteie erweitertes
gelbes Lymphgefass durch, das als derber Strang in die Mus-
cniatur triU. . Beide Eierstöcke stark angesehwollen; ihre
Oberfläche exulcisrirt; von diesen Geschwüren gelangt man
in rundliche Höhlen, welche links geräumiger als rechts sind.
Die Tuben mit flockigem Eiter bedeckt. Die innere Ober-
fläche des Uterus ist mit eiterig zerfaUenden Massen bedeckt;
an der Placentarstelie ausserdem ein eiteriger Zerfall des Ge-
webes wahrzunehmen. Die Schleimhaut der Vaginalpartie ist
eiterig infiltriK und theilweise in diphtheritische Fetzen ab-
gelöst Zur Seite des Uterus an der Insertion der breiten
Ligamente ist eine diffuse eiterige Infiltration des Bindegewe-
im Sommer 1864 uüd Winter 1864/65 aafgetreteoen ete. 143
bes vorbanden. Die Schleimbaut des Magens und Ddnn-
darms zeigt eine fleckige Hyperimie.
Im linken Schullergelenke ist eitriger Schleim und eine
Aaschwelhing der SynoviaUs zu bemerken.
Fünfter FaU.
Endometritis. Parametritis mit ausgedehnter
Thrombose der Lymphgefässe. Peritonitis.
Pleuritis.
1< Tag. Va Stunde nach der Niederkunft: T. 36,8. P. 70.
R. 21.
Abends: T. 37,9. P. 76. R. 28.
2. Tag. Morgens: T. 37,6. P. 76. R. 19. Die Einrisse der
Scheide sehen gut aus.
Abends: T. 40,0. P. 104. R. 20. Ord. Calomel,
gr. V.
3. Tag. Morgens: T. 40,6. P. 122. R. 88. Leib unten auch
bei der leisesten Berährung schmerzbafl. Galo-
mel. gr. v.
Abends: T. 40,2. P. 114. R. 92. Drei dünne Aus-
leerungen, nach denen die Kranke nackt in <K)r
Stube herumgelaufen ist. Galomd. gr. v zwei
Mal, worauf bis zum andei*en Morgen 10 StMlle
erfolgen.
4. Tag. Morgens: T. 39,7. P. 110. R. 30. Leib nur noch
rechts empfindlich.
Abends: T. 40,4. P. 110. R. 44. Magnes. suif.S/}.
Drei Ausleerungen.
5. Tag. Morgens: T. 39,9. P. 104. R. 38. Fünf StAMe.
Abends: T. 40,9. P. 104. R. 62. Naebts fünfzehn
Stühle,^ Unruhe, Delirien. "^
6. Tag. Morgens:' T. 40,2. P. 106. R. 46.
Abends: T. 40,8. P* 120. R. 52. Heftige spontane
Schmerzen, besonders links; dabei der Leib gegen
Berührung äusserst empBndtiefa und meteoriscisch
aufgetrieben; in der Lage auf der linken «Seite
ist freies Exsudat bis zur halben Nabelhöhe nach-
weisbar. Ord. Eieumscbläge. Nachts Delirien.
144 VUL Q. VeU, Uober die in der gebortohdlfl. KUalk sa Bonn
7. Tag. Morgens: T. 39,9. P. 104. R. 60. Zwercbfeil imt
aufwärts gedrängt.
Abends: T. 40,2. P. 108. R. 60. Ein Clysma mit
Ol. terebinth. Sii enlfemt Kotb und viele Flatus.
Nachts Delirien.
8. Tag. Morgens: T. 39»3. P. 118. R. 46. Der Hetaoris-
mus ist geringer. Calomel. gr. ii zweistöndlicfa,
UngL hydrarg. ein. 3i zwei Mal.
Abends: T. 39,8. P. 144. R. 50. Die Delirien des
Nachts dauern fort. Ein Stuhl.
9. Tag. Morgens: T. 39,5. P. 134. R. 50. Der Meteoris-
. mus ist noch immer geringer als früher; das
Exsudat nfanmt zu.
Abends: T. 39,8. P. 158. R. 58.
10. Tag. Morgens: T. 39,5. P. nicht zu füMeii. R. 48. Be-
wusstsein frei.
Um 9 Uhr früh stirbt die Kranke.
Section: Hirnhäute und Gehirn blutreich; an der inne-
ren Oberfläche der Dura mater eine dünne Gallertschicht mit
einzeben punctförmigen Extravasaten.
In der rechten Pleurahöhle ein Schoppen trüber, gelbe
Flocken enthaltender Flüssigkeit; Costalpleura hyperämisch
and stellenweise mit Pseudomembranen belegt, ebenso das
Lungenfell; der untere Theil des unteren Lappens compri-
mirt, luftleer. Im rechten Herzen ein ziemlich derbes, gelb-
liches Gerinnsel.
In der stark ausgedehnten Bauchhöhle eine ziemliche
Menge brauugelber Flüssigkeit; Peritonfium stark vascularisirt;
Darmschlingen durch dicke, gelbliche Pseudomembranen
verklebt.
Milz mit Pseudomembranen bedeckt; Kapset faltig, Pulpa
bveiig. Lebei*überzug hyperdmisch. Das geronnene Exsudat
nimmt nach dem kleinen Becken, und insbesondere der vor-
deren Fläche' des Uterus hin zu. Die innere Fläche des
letzteren ist mit eiterigen, missfarbigen Schorfen bedeckt, die
nicht ganz oberQächlich aufsitzen; die Placenlarstelle in der
Umgebung der kleinen Thromben unregelmässig exulcerirt. In
den äussere^ seitlichen Schichten sind stark erweiterte, mit
ziemlich dickem Eiter gefüllte Lym.pl^fässe vorhanden, welche
im Sommer tM4 and Winter 1864/B5 anfgatfetenen etc. 145
gegen den Cervit hin weiter werden, und sich bis nach den
stark angeschwollenen, ödeniatösen Ovarien bin erstrecken.
Retroperilonäaldriisen grösser und weicher wie im normalen
Zustande. Auch in dem Peritonäum viscerale sieht man ge-
fällte Lymphgeßisse , und der seröse Ueberzug des Darms
selbst ist byperamisch.
Sechster FalL
Endometritis. Parametritis. Peritonitis. Nach
dem Eintritt von Salivation Besserung.
1/2 Stunde nach der Niederkunft: T. 37,6. P. 80. R. 24.
Der gerissene Damm wird genäht.
1. Tag. Morgens: T. 37,6. P. 80. R. 18.
Abends: T. 39,4. P. 114. R. 34. In der Nacht
heftige Kopf und Leibschmerzen.
2. Tag. Morgens: T. 40,6. P. 126. R. 30. Leib sehr em-
pfindlich. Zwei, rechts und links von der Flarri-
röhre gelegene Schleimhautrisse sind dick gelb
belegt. Ord. Calomel. zuerst gr. v und dann
gr. ii zweistündlich; 14 Blutegel in beide Wei-
chen. Eisblasen.
Abends: T. 39,4. P. 120. R. 26. Schmerzhaftig-
keit geringer; zwei Ausleerungen sind erfolgt.
3. Tag. Morgens: T. 40,1. P. 124. R. 33. Schmerzen em-
pfindet die Kranke nur rechts. Risse wie früher.
Linke Scharolefze angeschwollen, Ungt. ein. 3i.
Abends: T. 40,7. P. 144. R. 30. Sie hat drei
Stühle gehabt und klagt über bedeutende Sehmer-
zen und Unruhe. Ungt. ein. 3i. Contin. Calomel.
4. Tag. Morgens: T. 39,6. P. 126. R. 30. Am Zahnfleisch
ist ein bUulicber Rand sichtbar, weshalb das
Quecksilber ausgesetzt wird. Die Risse sind zum
Theil gereinigt.
Abends: T. 39,9. P. 132. R. 32. Sie hat eine
Ausleerung gehabt und klagt noch über Schmerzen.
5. Tag. Morgens: T. 39,6. P. 122. R. 34. Zwei Stühle.
Die wieder schlechter aussehenden Geschwüre
wurden mit Arg. nitr. geätzt. Um 3 Uhr Nach-
Monatnachr. f. Oeburtuk. 1866. Bd. XXVI.. Hft. 2. 10
146 VIII. Q. V$itj üftb«r die In der frebnrlsblUi. KUnik sa Bonn
mittiigs ein SchüUdfrost mit T. 42,1. P. 148.
R. 44. Der Unrabe wegen Morph, mur. gr. y^,
und ausserdem Chinin, gr. x.
Abends: T. 39,6. P. 12& R. 29. Eiue halbe Stmide
später zweiter Scbdttelfirost mit T. 41,7. P. 164.
R. 20; Chinin, gr. x. um S% Uhr: T. 39A
P. 132. R. 32. Heftiges Ohrensausen.Morph.gr. »V
6. Tag. Morgens: T. 37,3. P. 104. R. 29. Schwere im Kopf ;
Puls aussetzend und ungleich.
Abends: T. 39,6. P. 120. R. 32. Sie idagl noch
über Leibschmerzen.
7. Tag. Morgens: T. 39,7. P. 114. R. 26. Mittags dritter
Frost mit T. 41,5 ^
Abends: T. 40,1. P. 126. R. 30. Nach zwei Mal
5 Granen Chinin u. einer Ausleerung: Morph, gr. ^4.
8. Tag. Morgens: T. 40,0. P. 110. R. 28.
Abends: T. 40,5. P. 122. R. 30. In den leUten
24 Stunden vier Stuhle. Morph, gr. ^4-
9. Tag. Morgens: T. 39,0. P. 120. R. 28. Vier dünne Aus-
leerungen.
Abends: T. 39,8. P. 116. R. 32. Morph, gr. Vi-
Kein Schlaf. £in Stuhl. Leibschmerzen.
10. Tag. Morgens: T. 39,8. P. 110. R. 30. In der linken
Nachbarschaft der^ Gebärmutter ein empfindiicber
Tumor.
Abends: T. 40,1. P. 112. R. 28. Extract. opii gr. /3
SstOndiicb.
11. Tag. Morgens: T. 30,2. P. 112. R. 28. Eine Ausleerung.
Leibsehmerzen.
Abends: T. 39,5. P. 112. R. 27. Wegen drohen-
den Decubitus Wasserkissea. Morph, gr. ^.'4 mit
nachfolgendem Schlaf.
12. Tag. Morgens: T. 40,0. P. 116. R. 26. Eine Ausleerung.
Abends: T. 39,6. P. 114. R. 26.
18. Tag. Morgens: T. 38,7. P. 108. R. 24. Die Schmerzen
geringer.
Abends: T. 38,9. P. 98. R. 28. Z wer Ausleerungen.
14. Tag. Morgens: T. 38,3. P. 108. R. 32. Eine Ausleerung.
im Sommer 1604 oad Winter 1864^ aufgetretenen eto. 147
Um lOVftültf f ierter Prost mit T. 41,3. P- 140.
R. 46. Ke HiUe fallt langsam ab auf 39,6 <>.
Abends: T. 39,8. P. HO. R. 34.
lo der folgenden Zeit dauert die Diarrhoe, mit hectiscbem
Fieber verbunden, fort. Der Uterus steht hoch und ist na-
mentlicb nach rechts , wo etwas unterhalb der Nabelbohe ein,
langsam an Umfang verlierender Turner an seinen Winkel
stösst, fixirt. Die nach links von ihm befindliche Partie des
Unterleibes gewäbrl ein Gefühl, wie Emphysem; druckt man
anhallend auf, so entsteht ein pldliliches Gurren in den an-
gelölheten Darmschlingen. Die der Kranken noch immer
sehr lästigen Kolikschmerzen verstärken sich oft. Am 25. Tage
wird die Temperatur Abends normal; auch Diarrhoe und
Schmerz sind verschwanden. Den Irnks von der Gebärmutter
früher gelegenen Tumor kann man nicht mehr wahrnehmen;
den intraperitonäal gelegenen rechten «desgleichen nicht mehr
deutlich füllen; die Gebärmutter ist aber noch wenig be-
weglich und bleibt in die Höhe gezerrt. Der weitei*e Fort-
gang der Reconvalescenz wird durch eine Mastitis, welche am
26. Tage beginnt, und mit vier Abscedirungen endjgt, ver-
zögert. Acht Wochen nach der Geburt steht die Gebärmutter
noch auffalleod hoch, und erschehit jetzt miit dem Grunde
etwas nach links gerichtet.
Siebenter Fall.
Endometritis mit Gangrän der Schamlefze. Throm-
bose der Lymphgefässe. Peritonitis. Pleuritis.
1. Tag. Morgens: T, 3»,1. P. 108. R. 24.
Abends: T. 37,9. P. 80. R. 16.
2. Tag. Morgens: T. 40,7. P. 128. R. 24. Ord. Calomel.
gp. ii zweistündlich»
Abends: T. 40,9. P. 124. R. 26. Acht Auslee-
rungen.
3. Tag, Morgens: T. 40,6. P. 124. R. 33. Vier Ausleerun-
gen. Unterleib empfindlich und rechts spontan
schmerzhaft.
Abends: T. 41,0. P. 120. R. 30. Nachts stärkere
Schmerzen.
10*
148 Vl'l- ^' ^«^<f Ueber die in der gebartshfitö. Klinik sa Bonn
4. Tag. Margen»: T. 40,6. P. 116. R. 34. Metcorismus.
Die Schmerzen lassen nach 10 Blutegeln nach.
Abends: T. 39,6. P. 108. R. 26.
5. Tag. Morgens : T. 40,5. P. 122. R. 24.
Abends: T. 41,0. P. 122. R. 38.
6. Tag. Morgens: T. 40,7. P. 126. R. 32. Das rechte La-
bium stark geschwollen, aber nicht ödeinatös, son-
dern hart. Ein kleiner, rechts vom Frenulam
gelegener Riss missfarbig. I^cbien eiterig.
Abends: T. 40,8. P. 1^. R. 28. Die Kranke
ist sehr unruhig, phantasirt, Haut und Zunge
trocken.
7. Tag. Morgens: T. 39,2. P. 126. R. 24. Chinin, gr. x?.
Abends: T. 40,7. P. 134. R. 51. Die Unruhe so
gross, dass die Kranke kaum im Bette zu halten
ist. In der Nacht tobt sie und läuft in das an-
stossende Zimmer. «
8. Tag. Morgens: T. 40,8. P. 150. R. 54. Nasskalte Ein-
wickeluiigen vermindern die T. auf 40,0, der
. P. auf 130, die R. auf 44. Um 3Va Uhr aber
bereits T. 40,9, P. 136, R. 46; Patientin alhniet
schnarchend und spricht viel. Nach 23 Ein-
packungen (9-^10") um 41/2 Uhr: T. 39,2,
P. 122, R. 40. Während derselben wird die Kranke
klarer, giebt Zeichten des Wohlbehagens und ver-
langt die Fortsetzung der Kur.
Abends 7% Uhr: T. 40,2, P. 128, R. 44, und nach
23 Einpackungen:
T. 39,4, P. 128, R. 36. In der
Nacht grosse Unruhe und De-
hnen.
9. Tag. Morgens: T. 42,1. P. 176. R. 60. Piatientin ist völ
lig ohne Besinnung lind murmelt ab und zu un-
verständliche Worte. Die Respiration ist sehr an-
gesti*engt; dicke Schweisstropfen stehen vor der
Stirn; die Lippen sind dick belegt. Puls kaum
zu fühlen, und wegen des vorhandenen Sehnen-
hüpfens nicht zu zählen, wesshalh er nach dem
Herzchoc bestimmt wird. Um 9 Uhr wm*de sie
»1
2
,. T.
'>
3V,
f, T,
»1
4%
,f T,
ff
6V4
f, T.
ff
9
„ T.
ff
10V4
„ T,
L Tag. Morgens:
T. 42,1.
im Sommer 1864 und Winter 1864/56 anfge traten en «tc. 149
in 22 Laken von 13^ und iinmittdbar darauf in
27 von 5^ eingehüllt.
Uro 11 Va Ubr: T. 37,6. P. 132. R. 42. Bei den
letzten Einpackungen lispelt sie Worte, welche
ihre Befriedigung und ihren Wunsch nach Fort-
setzung der Abkühlung andeuten.
Um 12V« Uhr- T. 38,2. P. 136. R. 42.
T. 39,8. P. 144. R. 44.
40,4. P. 148. R. 46. Nach aber-
maligen 27 Einwickelungen.
38,3. P. 130. R. 44.
39,8. P. 140. R. 46.
40,2. P. 154. R. 50. Nach 35
Einwickelungen (5—10^).
37,2. P. 118. R. 39.
P. 162. R. 58. Befinden wie am
Morgen des 9.- Nach 39 Einpackungen (5—10^).
Um 9V« Uhr: T. 37,9. P. 144. R. 50 und nach je
weiteren 70 Minuten
T. 38,6. P. 152. R. 54.
T. 39,7. P. 146. R. 52.
T. 40,6. P. 152. R. 60.
T. 41,4. P. 142. R. 48.
Um 2Va Uhr erfolgt der Tod bei T. 41,6.
Section: Hirnhäute und Hirnsubstanz hyperämisch. fni
rechten Pleurasäcke zwei Schoppen trüber, eiteriger, aiK
grüngelben Flocken vermischter Flüssigkeit; Lungen- und
Costalpleura in grosser Ausdehnung verklebt; der untere
LuBgcnlappen in Folge von Gompression luftleer. Die linke
Lunge ist an ihrem vorderen Rande mit faserslofBgem Exsu^
date belegt, und dadurch adherent Im rechten Herzen ein
grosses Fa9erstoffgerinnsel.
Gedärme stark aufgetrieben. Der Ueberzug der Leber
etwas getrübt, in ihrem Gewebe kleine gelbliche Einlagerungen.
Milz ziemlich gross; Kapsel faltig; Pulpa zerfliessend, chooo-
ladenfarben. Bauchfeit uach dem kleinen Becken zu getrübt,
hyperämisch, mit Ecchymosen bedeckt. Rechts adhärirt eine
Dfinndarroschlinge an der das Lig. rotund. einschliessenden
Falte, links die Flexura iliaca 1" weit fest an dem Uterus,
150 ^^^^' ^' ^m'<i Udber die in der ^bortibillfl. Ktinlk feil Bonn
mit dem unten auch die linke Tobe verklebt ist Die Gebär>
mutter erscheint schlafT, die höckerige Placenln^stelle miss-
faii)ig; rechts findet sich an der Innenfläche ein groschen-
grosses Geschwür mit zackigen Rändern, und weiter unten
ein kleineres, in den äusseren Schichten sind namentlich
h'nks erweiterte und mit Eiter gefüllte Lyniphgeßsse for-
banden; der äussere Theil der linken Tube ist ebenfalls
erweitert utid miit grünlich gelbem Eiter gefüllt; die rechte
Tobe normal; die Eierstöcke nicht angeschwollen. Die grös-
seren Beekenvenen enthalten dunkles flüssiges Blut
Die grossen Schamlefzen sind angeschwollen, die rechte
zum Theil in einen gelblicfaweissen diphtberitischen Schorf
umgewandelt
Unter den letzten 5. schweren Erkrankungen befanden
sich zwei, bei welchen die localen Veränderungen unbedeutend
blieben ond die Septicaemie früh in den Vordergrund trat
(F. 9 u. 10), und drei, ici denen sich Thrombosen der
Venen entwickelten. Einen ?on diesen letzteren nehme ich
hier vorweg, weil nicht die Venenthrombose, sondern die
Septicämie, welche ans der mit Lymphgefassveränderungen
verbundenen Metritis nesultirte, und die aus der Septicämie
hervorgehenden fläcbenartigen Entzündungen dein Krankheits-
verlaufe vorwiegend das Gepräge autdrückten:
Achter Fall.
Metritis. Thrombose der Lymphgefässe. Throm-
bose der rechten Cruralvene mit Zerfall des
Pfropfes. Metastatische Entzündung des linken
Kniegelenkes und des angrenzenden interstitiellen
Bindegewebes, sowie des Bindegewebes am rechten
Vorderarme.
1. Tag. Nachmittags 4 Uhr (gleich nach d«r Entbindung)
T. 87, 9. P. 58. R. 20.
Abends; T. 38,4. P. 72. R. 18.
2. Tag. Morgens: T. 39,8. P. 90. R. 26.
Abends: T. 40,2. P. 100. R. 24.
3. Tag. Morgens: T. 89,4. P. 110. R. 22.
Abends: T. 40,9. P. 126. R. 35. Schmerzen aaf
Druck. Ol. ricin. Wasserumschläge.
im Soaun^r 1864 oad Winler 1864/B6 anfgetreienen 6tc. 151
4. Tag. Morgens: T. 39,5. P. 92. R. 16.
Abemto: T. 39,7. P. 94. R. 38.
& Tag. Moi^ens: T. 39,3. P. 96. R. 30. Die Sutureo am
Perinaeum werden entferot, der Riss erscheint
vereinigt. Dicke, eiterige Lochien.
Ahends: T. 40,3. P. 96. R. 32.
6. Tag. Morgens: T. 40,2. P. 96* R. 20.
Abends: T. 40,8. P. 104 R. 44.
7. Tag. Morgens: T. 41,3. P. 112. R. 33.
Abends: T. 41,2. P. 114. R. 34. .
8. Tag. Moi^ens: T. 39,7. P. 110. R. 50.
Abends: T. 40,4. P. 114. R. 50.
9. Tag. Morgens: T. 40,6. P. 114. R. 32.
Abends: T. 40,4. P. 112. R. 50.
10. Tag. Morgens: T. 40,5. P. 112. .R. 52.
Abends: T. 40,8. P. 122. R. 42. Das linke Rein
ist geschwollen und sehr schmerzhaft, und die
Kranke beginnt zu deliriren. Am 14. hegt sie
TölUg typhös da, bat Flockenlesen und gleitet.
nach dem unteren Rettende herab. Am 15. fällt
die Temperatur zuerst wieder Abends nnter 40^;
später tritt hinlen und links am Thorax eine
Dämpfung mit Knisterrasseln ein, und endlich ent>
wickelt sich an dem rechten Arme um den $ujn-
nalor longus ein Abscess,.der eröffnet wird. Mit
einer floctuirenden Geschwulst, welche rom Koken
Knie bis oben in die ^Weiche reicht, stirbt die
Kranke am 37. Tage.
?ection. Die rechte Lunge ist m ihrem oberen und
mittleren Lappen trocken, in . dqm unteren mäs/ng feucht,
durchweg lufthaltig; die linke unten luftleer, aber von den
Bronchien her aufzublasen. Im rechten Herzen ein grosses,
festes, gelbliches Gerinnsel.
Leber ödematös. Milz massig gross, blass, weich. In
den Nieren die Corticalsubstanz fettstreifig. Im kleinen Becken
ein Sclioppen braungelber Flüssigkeit. «An der Portio vagi-
nalis des Uterus finden sich zwei kleine Geschwüre« ein rechts
gelegenes, ziemlich tiefes, von P/a'^' Breite und 3'^' Länge
und ein linkes oberflächliches; die Lymphgefässe hier sind
152 ^IH ^- ^^^ Uebor dU In der gebartolifili. Klisik mu Bom
mit gelbem, rahmigen oder käsigen Eiter gettUl, und lassen
sich mit dieser VerftndeniDg durch das rectale Ligam. zum
Ovarium verfolgen, treten auch unter dem Ueberzuge der
Gebärmutter selbst hinten und rechts herror. Die Eierstöcke
ö^ematös. In der V. ca?a flüssiges Blut; in der rechten V.
cruralis ein derbes, in der Mitte eiterig zerflossenes Gerinnsei,
welches sich von der Mitte des Schenkels bis in die V. Y.
tibial. erstreckt; ebenso in der V. profunda, während die V.
saphen. nicht verstopft isL In dem linken (Hierschenkel ist
ein Abscess vorhanden, welcher unter den Extensoren anf
dem Periost vom Knie bis zum oberen Drittel des Femor
reicht, und mit dem durchbrochenen, vereiterten Kniegelenke
communicirt; die anstossenden Venen sind mit Thromben
gefüllt und verdickt Auf dem rechten Vorderarme zwischen
den Pronatoren ist eine Abscesshöhle vorhanden, welche
gleichfalls an das Periost grenzt.
Neunter Fall.
•Diphtheritische Geschwüre mit Septicäroie. Gene-
sung.
1. Tag. Mittags llVa Uhr (gleich nach der Niederkunft):
T. 37,4. P. 78. R. 26.
Abends: T. 38,6. P. 92. R. 20.
2. Tag. Morgens: T. 37,3. P. 76. R. 23.
Abends: T. 37,8. P. 86. R. 22.
3. Tag. Morgens: T. 37,5. P. 72. R. 29.
Abends: T. 37,9. P. 88. R. 24
4. Tag. Morgens: T. 37,7. P. 84. R. 25.
Abends: T. 38,0. P. 84. R. 25.
5. Tag. Morgens: T. 37,7. P. 92. R. 23.
Abends: T. 39,4. P. 100. R. 34.
6. Tag. Morgens: T. 40,3. P. 116. R. 38.
Abends: T. 40,0. P. 118. R. 36. Uterus links in.
geringem Maasse empfindlich; die Schnittwunden
der Labien sind in Geschwöre verwandelt, und
links von* der Harnröhre ein drittes vorhanden.
7. Tag. Morgens: T. 38,2. P. 96. R. 28. Die Empfindlich-
lichkeit des Uterus hat abgenommen, hingegen
klagt Pat. ober Kopfschmerzen. Lochien normal.
ym Sooimer 1864 and Winter 18$^ aofgetrelonea etc. 153
Abends: T. 42,0. P. 152. R. 42. SUrke Kopf-
schmerzen. Calomel. gr. v. drei Maie.
S. Tag. Morgens: T. 40,4. P. 130. R. 38 nach 15 Aus-
leerungen. Chinin, gr. iv. ein Mal. Mittags 2 Uhr:
T. 41^
Abends: T. 40,6. P. 124. R. 36. Ohrensausen.
9. Tag. Morgens: T. 40,2. P. 110. R. 83. Sensorium frei;
Geschwüre gut aussehend; Lochien leicht übel-
riechend.
Abends: T. 40,0. P. 116. R. 40. Bluüger Aus-
fluss.
10. Tag. Morgens: T. 40,0. P. 116. R. 40. Lochien weiss.
Um 2 Uhr T. 40,6. Gesichtstäuschungen. Chinin,
gr. X. Eisumschläge.
Abends: T. 40,3. P. 120. R. 46. Patfentin ist
theilnabmlos und delirirt.
11. Tag. Morgens: T. 39,8. P. 114. R. 34. Fat. liegt mit
schnarchendem Athmen soporos da. Um 2 Uhr:
T. 41 ,0^ Chinin, gr. v. zweimal.
Abends: T. 40,6. P. 144. R. 40.
12. Tag. Morgens: T. 40,7. P. 152. R. 41. Tiefes Coma mit
dunkler Röthung des Gesichts. Lippen und Zunge
mit dunkler, rissiger Borke bekgt. Unwillkür-
licher Abgang ?on Harn und Koth.. Die Milz ist
massig vergrössert, keine Roseola verhanden. Chi-
nin, gr. X. Um 12 Uhr T. 40,60. Sieben Ein^
Packungen mit 15^, während deren die Kranke
Leben bekommt und zu trinken verlangt Darauf:
T. 38,8«, aber schon um 2 Uhr wieder 39,8^
und ebenso um 4t% Uhr. läe wird wieder einge-
wickelt, aber nur dreimal, weil die vorhandenen
Rasselgeräusche dabei zunehmen.
Abends 7 Uhr: T. 40,8 und nach 7 Binwickelnngen:
40,2. Unruhige Nacht.
.13. Tag. Morgens: T. 41,0. P. 144. R. 38. Die Puerperal-
. geschwöre sehen gut aus, die Lochien riechen
nicht übel. Stuhlausleerung ist seit 24 Stunden
nicht erfolgt, der unwillkürliche Harnabgang dauert
forL Nach 9 Einpackungen 39;6«; ihr Einfluss
164 VUI. Q. V^Uy Ueber die in fler g^lwrtsliaifl. Klinik sn Boa« etc.
auf das Sensorium ist seiir auflallig. Um 27, Uhr
T. 40,7^, tind nach 11 Eiowickeknigen , die ihr
sehr wohlgefaliefi, und einige uBventäiidUche Worte
entlockten: 39,0^
Abends: T. 39,7. P. 144. R. 33. Nach 15 Eio-
packuBgen: T. 38,4.
14. Tag, Morgens: T. 41,2. P. 162. R. 42. Nach 16 Ein-
packungen T. 39,1-
Mittags 2 Uhr: T. 41,3; nach 20Einp. (10—14«)
T. 39,2. P. 14a R. 34, Chinin, gr. v.
Abends: T. 39,7. P. 148. R. 32; nach 19 Einp.
(80) T. 37,8. P. 128. P. 38. Während jeder
künstlichen Abkühlung blickt sie Yerständig um-
her, und versucht, Indees^i ohne Erfolg, zu
sprechen.
15. Tag. Morgens: T. 40,6. P. 164 B. 38. Nach 20. Einp.
<8<») T. 39,2. P. 148. R. 33.
Nachmittags 2% Uhr; T. 40,5. P. 168. R. 38.
Nach 22 Einp. (8«) T. 38,8. P. 154. R. 33.
Chinin, gr. v.
Abends: T. 39,2. P. 14ä R. 29. Die Kranke ist
theiinehmender, kanii versUndiich t»prechen und
yerlaligt zu essen. Nach 21 Einp. T. 38,3.
P. 136. R. 31. Epistaxis uterina. Sehr unruhige
Nacht«
16. Tag. Morgens: T. 40,7. P. 156. & 44. INach 21 Einp.
T. 39,4. P. 146. R. 40.
Nachmittags 2Vs Uhr: T. 39,8. P. 152. R. 38.
Nach 20 Einp. T. 38,9. P. 132» R. 34.
Abends: T. 38,9. P. 138. R. 36. Chinin, gr. v.
Nach 17 Einp. T. 37,8. P. 116. R. 32. Noch
etwas Metrorrhagie.
17. Tag. Morgens; T. 41,2. P. 156. R. 40. Nach 10 Einp.
Schüttelfrost T. 40,8. P. 148. R. 38.
Nachmittags 2% Uhr: T. 4Q,3. P. 152. a 40.
Nach 22 Einp.. ohne überniädsiges Frieren.
T. 39,5. P. 136. R. 40. CWain. gr. v.
Abends: T. 39,0. P. 130. R. 36. Patientin spricht
verstlndlicher, 2eigt Appetit und schläft gut. Auf
rX. Notisen ans der JonniAl- Literatur. Ig5
dein Kreuzbeine hat sie zwei troekene» schwarze
Schorfe. Nach 22 Ein Wickelungen T. 37,8. P. 114.
R. 38. Wasserkissen.
18. Tag. Morgens: T. 38,8. P. 132. R. 32. Chinin, gr. v.
Patientin ist theilnehmender.
Abends: T. 39,8. P. 124. R. 44.
Am 19. Tage ist das Sensorium ganz frei. Die Schorfe des
Decubitus stbssen sich ab; das Fieber bleibt ge-
ring. In der Nacht zum 27. Tage ein geringer
Frost.
27. Tag. Morgens: T. 37,9. P. 104. R. 24.
Abends: T. 41,0. P. 134. R. 40. Die Inguinal-
drufien * schwellen rechterseits an und vereitern in
der nächsten Zeit. Nach Entleerung des Abscesses
am 40. Tage hört das Fieber wieder auf.
50. Tag. Morgens: T. 38,4. P. HO. R. 28.
Abends: T. 40,4. P. 120. R. 30. In der linken
Achselhöhle entwickelt sich ein neuer Drüsen-
abscess, und bald darauf ein dritter in der rechten
AxlHa. Im Leibe treten vorübergehende Schmerzen,
desgleichen beim Harnlassen auf, und links vom
Uterus fühlt man einen kleinen Tumor. Nach
neunwöchentlicher Behandlung kann die Kranke als
geheilt entlassen werden.
(Forttetaong folgt.)
IX.
Notizen aus der Journal «^Literatar.
G. L. Bonnar: Kritische Untersuchung über Super-
foetation nebst Fällen von solcher. (Mitgelheilt
in der Sitzung der Obstetrical-Society zu Edinburg, 23. Nov.
1864.)^
Die Frage ▼on der Mögüebkeit einer Snperfötation ist noch
immer eine anenteehiedene* £• gab eine Zeit, wo man diese
für onaweifelhaft hielt, eine l'olgen4e, wo man sie alt anhaltbar
164 Vm. O. VeU, Utbtr die i« der gebttrtolifilil. KliniJ^
«f das Sensorhun ist sehr auflä»»/^ ^» •«"« *•••••"
... </v rr« j -u i 1 I?:..-,- ' •'• »l« wieder n
T. 40,7", tind nach 11 Emr ,
sehr wohlgefallea, und tmfr. ^crfdtation gerechnet
entlockten: 39,0»
Abends: T. 39,7. P. ' •" ' »der Supereonceptioo,
Packungen: T. 38 ' Reichem yerMhiedener VSter
14. Tag. Morgens: T. 41,2 ^° • k'-«"«"/« f ""- — "f »•
* ^ ^ roFBeitigem Untergange d ei
Packungen T ^^^j ^j^^ andere lur Reife gelangt.
Mittags 2 U*^ fiitergangene FStas
T. 39^ y^^ Sil ein abgehen;
Abends jt^^Oibart des anderen, selbst ohne Fäalni««, im
/pr V^'^fiveileil.
i'^titio Vera, wobei
iir ti^^ FÖtue reif geboren wird, während der noch
^' tl^^ife bis sa seiner Reife and Gebart im Uterus
lg r* ^0iohseitig ein reifer nnd ein an reifer Fotos geboren
werden f die von wesentlich ▼erschiedenem Alter sind
nod deren letzterer annehmen lasst, dass er ohne den
Eintritt der Gebart des andern sur Reife gelangt wirs.
urt berücksichtigt in seiner Mittheilang nar die wahre
^^(latlon. Als solche führt er Fälle an Ton:
^'^tlp0üu (1796). Gebart eines reifen Kindes. Fünf Monate
später eines sweiten reifen Kindes.
Maton (1807 — 8). Gebart eines reifen, nar nenn Tage leben-
den Kindes. 82 Tage später Geburt eines sweiten reifen
Kindes.
Desgrangu (1779—80). Gebort eines siebenmonatlicben Kin-
des. Einen Monat nachher neue Oonception; sieben
Monate hiernach Gebart eines lebenden Kindes; 5 V, Mo-
nate nach dieser abermals Gebart eines aasgetragenen
Kindes.
Wäre eine neue Empfängniss — so fährt er nach Schilde-
rung dieser Fälle fort — erst nach 30 Tagen, von der Gebart
an gerechnet, möglich and nimmt man eine darohsehnittliehe
Sehwange rschafts-Dauer tod 274 — 280 Tagen an, so kann niemals
ein reifes Kind früher, als am 804—310. Tage nach der lettten
Torb ergegangenen Geburt sar Welt kommen.
Im Gegeiksats hiersu ist selbst ein Spatium von 365 Tagen
nichts Seltenes. Als längere Schwangerschaften citirt Verf. Bei-
spiele aus der höchsten englischen Aristocratie, indem jenes
Spatium betrug bei
swei Kindern der kdnigl. Familie .... 858 Tage.
f, , des Earl of BaUerr^ . . . 845 ,
. „ ebendesselben 840 .
\1X. Notiien ans der Joarnal-Literatnr. 157
KiDdern des Rev. Leggt 885 Tage.
*^^ ^\ , des Baron Stowttm .... 881 „
^54, \ jes Earl of Ännealey .... 836 „
*V % des Earl of CarlUU .... 880 .
k^^fc ** der Marqaess 0/ ^ornHUidy . 316 ^
*^' tC ^ '^" Baron Clarina 310 „
'•-^^ des Rev. B 806 ,
'^ ,, des Earl of Buehingham . . 806 ^
'^ ocbwestem des Earl of BevorUff . . ' . 808 9
^ Kindern des ReT. Dundo« . . . . , 294 „
„ Brüdern Dawton 1 ogo
, Brüdern HiU ) "
, Enkeln des Viscount Sidmontk .... 288 „
„ Geschwistern des Earl of BUonborough 280 „
Die Fragte, wie bald Aach der Gebnrt eine neue Bchwita-
gernng Statt baben kann, beantwortet Verf. dahin, dass hier der
Zustand des Uterns (weniger der der Vagina) maassgebend sei.
So lange des Uterns vergrössert, der Mottermand offen , der
Lochialflnss vorhanden ist, so lange ist, nach Verf. Moinong,
neue Schwängerung unmöglich ; daher kann eine solch« beetimmt
innerhalb der ersten 14 Tage nicht eintreten.
Eine «weite Frage, bis sn welcher Zeit des Uterhi-Lebeos
es für ein Kind möglich sei, sich so zu entwickeln, dass es eiihe
verfrühte Geburt wirklich überlebe, entscheidet Yerf., sich Ati-
deren anschliessend, dahin, dass 210 Tage die frühesten Oe«
bnrtstermine sind, bei welchen das Kind leben bleiben kann,
also eine Art Mini mal -Spat iura.
Man müsste demnach bei den oben citirten Beiepielen stela
snnächst 14 Tage von jenen dort angegebenen Zeiträumen ab-
sieben. Das letstgenannte Spatium, 280, wäre also auf 266 lu
rednciren u. s. w. Es folgen noch als Beispiele:
2 Kinder des Lord de Blaquiere : 273 T. ; nachAbsug der 14 : 259 T.
„ n n Rev. TwisUeton: 262 „ „ » . „ 288 ,
,, , „ Hon. Cole Hamülon: 182 9 „ „ „ „ 168 ,
in wolch letzterem Falle beide Kinder leben blieben und sich
normal weiter entwickelten. Hieraus würde «ich eine Vermin-
derung des Midinal-Spatium um 42 Tage ergeben, wie aus dem
letsten Beispiele sich als möglich erweist, eine Differenz, welche
zu auffallend war, als dass nicht eine nochmalige' Untersuchung
jenes Minimal - Spatium nöthig erschienen wäre, Ytrf. stellte
daher tabellarisch eine Anzahl von Frübgeburts-Fällen
zusammen, bei denen die Schwangersehaftsdauer zwischen 210
und 120 Tage fiel und das Kind stets gelebt hat, wobei freilich
die Lebensdauer eine sehr verschiedene (drei Minnten bis meh-
rere Jahre) war. Diese Fälle betrugen also sämmtlich weniger
als das obige Minimal - Spatium von 210 Tagen , und bewiesen,
dass Lebensfähigkeit schon früher möglich ist. Nun stellt jedoeh
158 I^« NotiEen fta« der Jonnial - Literafear.
Verf. den Begriff eineg lebenden nnd lebensfähigen Kinde«
so fest, dam er ein lebend geborenes Kind erst dann lebensfShig
nennt, wenn es mehr aU acht Tage alt wird. Nor anf diese
nimmt er daher Besag, w&hrend er die übrigen in seiner Tabelle
enthaltenen, sowie die ungenügend besehriebenen ignorirt. In-
dem er nan die alsdann übrigbleibenden Fälle kritisch beleneh-
tet, kommt er in dem Resaltate, dass anch nicht alle ein gerin-
geres Mininal-Spatinm beweisen, yielmehr som Tbeil anf irriger
Berechnnug der Schwangerschaftsdaner oder onsnlänglicfaer Beob-
achtung benfhen, während die gut berechneten nnd constatirten
Fälle allerdings beweisen, „dass unter günstigen Umstän-
den schon ein 180 Tage alter Fötus lebensfähig sein,
d. h. mehr Als acht Tage leben kann".
Zwei fernere Beispiele Töllig lebensfähiger Kinder sind:
Zwei Kinder des Baron ^tteX;2aiu2.* 178 Tage, minus 14 «=159 Tage.
n w » Lord Gardon: 127 » „ 14=113 .
Diese awei gans unzweifelhaften Fälle, die aller Rech-
nnngs- und Beobacbtungsfehl er spotten, sind nur als Fälle Ton
Snperfötation ansusehen, die jeden Streit und Zweifel su be-
seitigen Termögen.
Hieran knüpft Verf. noch die Kritik einiger Fälle, welche
bisher in der Literatur als Fälle abnorm langer Schwangerschafts-
dnaer beseichnet worden sind, wobei das primäre Kind su früh,
das secundäre su spät geboren sei, der Ursprung beider aber
susaromenfalle. Verf. weist nach, dass dies Fälle von Super-
HHalion sein mfissdn, da sie, auf dem Wege der protrahirten
Schwangerschaftsdauer erklärt, fär diese Zeiten ergeben müssten,
die bisher noch nicht wissenschaftlich erwiesen sind, indem sie
selbst die Ton Simenon beobachtete Schwange rschafsdauer von
81» Tagen (Edinb. MontM. Journ. July 1853) noch überträfen.
(Edinb. Med. Journ. Jan. 1865.)
P. Müller. Bericht über die Ereignisse auf der
UDler der Leitung des Geheimraths Prof. Dr. von
ßeanzoni stehenden geturlshilflichea Klimik zu
Würzburg, rom 1. November 18Ö0 bis 31. Ocio-
ber 1863.
Nach Angabe des Verf. wurden während der obengenannten
18 Jahre in die Anstalt aufgenommen 4323 Schwangere; davon
166 unentbunden entlassen, .entbunden 4170, gestorben 4. — Von
den WSchnerinnen Terliessen gesund oder gebessert die An-
stalt 8970; 14S wurden krank in*8 Juliushospital überbracht; es
sterben 65. — Von den 4170 Geburten waren 4105 einfache,
65 Zwiilingsgebnrten. Sonach wurden 4285 Kinder, und zwar
lebend geboren 3951, todt 284. Von den lebend geborenen waren
IX. Notisea am der Jonniftl-Litdratar. 159
8879 ■•ilige, 73 nbieUige; roA den Todlfl»eboren«D 20a seiUg«,
81 nnieitige. Von den lebendgeborent» slarben 222 in der Aatteli.
HinslohUiclft «ler Kindetiellongen bei der Oebmrt wur-
den beobaehlet: 1. Sob&deltftellimcr 2838 Mal; 11. BelitdeliPlat-
lang 1077 Mal.- J. Ge«iobt8iiteUiittg 10 Mal. II. Oesichtsstellnng
12 Mal. Steisslagen 66, Fnsslagen 62, Querlagen 54, unbeBtimmt
gebliebene Lagen 122.
Operationen: a) Einleitung der künttl. Frtibge-
hart 16 Mal. 10 Mal wegen Beekemenge (von deir MÜttem
blieben geeond 7, erkrankten 3; von den Kindern lebend 4, todt
6), 1 Mal wegen Glottlsödem (Matter erleichtert, Kind lebend).
1 Mal bei Morbas Brightii (Matter geeand, Kind todt), 2 Mal bei
Bronchitis (von den Müttern 1 gesand, 1 gestorben, Kinder lebend).
Wegen habituellen Absterbens 1 Mal (Matter gesand, Kind lebend),
b) ZangenoperiCtionen 262 (daranter 1 Mal wegen Eklampsie,
Matter gesand, Kind lebend). Von den Müttem blieben gesand
1^3, erkrankten 41, starben 18; Ton den Kindern kamen lebend
214, todt 38. — c) Extractlon mittels des ASrotractors
5 Mal (von den Müttern blieben 4 gesand, 1 starb, alle Kinder
kamen lebend). — d) Extra ction des mit dem antern
Kämpfende yorlieg enden Kindes 66 Mal. Die Extractlon
des Kopfes erfolgte 7 Mal dnrch die Zange, 69 Mal manaell.
Von den Möttern blieben 62 gesand, 4 erkrankten; von den Kin-
dern kamen 46 lebend, 17 todt, 3 macerirt. — e)Wendangen
anf den Fass 65 Mal. 11 Mal Extractlon des nachfolgenden
Kopfes mit der Zange, 32 Mal manuell. Von den Viittern blie-
ben gesand 41, erkrankten 9, starben 6; von den Kindern kamen
lebend 27, todt 21, macerirt 7. — f) Perforation, Cephalo-
tripsie 7 Mal wegen Beckenenge: 6 Mütter bliebett gesand, 2
starben; mit Van HueveVB forceps-scie 1 Mal wegen Becken-
enge, Matter gesond. — g) Placentarlösnngen 23 Mal bei 4
Torseitigen and 19 rechtzeitigen Geburten. Von den WÜchne-
rinnen erkrankten 6, davon starben 2, 1 an Pnerperalfieber, 1 an
Erschöpfung. Verfasser macht hierbei die Bemerkung, dass die
Plaoentarlösangen in den letaten Jahren seit Uebung des Cred^*-
sehen Handgriffes bedeutend abgenommen haben.
Stö rangen des Wochenbettes. £s erkrankten von den
Wöchnerinnen im Ganzen 709; von den in der Anstalt behan-
delten wurden entlassen: geheilt 297, gebessert 138, ungeheilt
72. Es starben 56. — In das Juliushospital wurden transferirt
141; davon wurden entlassen: geheilt 102, gebessert 14, angeheilt
12. Es starben 13. — An sogenannten Puerperalprocessen er-
krankten 146 Wöchnerinnen, von denen 37 starben. 2 Mal trat
das Puerperalfieber epidemisch auf. Puerperale Geschwüre ohne
gleichseitige Genitalerkrankung zeigten sich in 9 Fällen; puer-
perale Manie kam in 3 Fftllen vor, 1 Fall endete tödtlich, 2 mit
IQO IX. Nottften a» der Jornro*! - Literatur.
0eii««aB|r- — 1 ^*11 '^^^ Eklampsie Im Wooheabette. Oie
Motter g^eenndete, das Riad lebte.
VoA den Rindern erkrankten 788; davon worden geheilt
36a, gebeeeert 166, nioht geheilt 99. £e tUrben 221.
(Würibarger medicinische Zeitaehrift 1966. Band VL
Heft 3 n. 4, S. 166.)
P. MiÜler, Ein Fall von wiederholter totaler Um-
drehung des Kindes um seine Querachse im
letzten Schwangerschaftsmonate.
Anknüpfend an die schon früher von Cred4, Hecker n. A.
sahireichen nnd exact durchgeführten Beobachtungen über die
in den letsten Schwangerschaftsmonaten häufig Yorkommeeden
Drehungen des Kindes, veröffentlicht Verf. einen intereaeanten
Fall, wo innerhalb 6 Tagen eine 6 malige totale Umdrehung das
Fötus constatirt werden konnte. Der ausführlichen Angabe der
jedesmaligen Untersuchungsbefunde schliesst Verf. eine Benr-
theilung des ätiologischen Momentes dieser Vorgange an, nnd
will als solches nicht allein die grosse Oerftumigkeit des Uterns-
cavum infolge einer abnormen Vermehrung der Amniosfliiseigkeit,
sondern auch die Erschlaffung der Uter in wände meist nach vor-
ausgegangenen Geburten hingestellt wissen. . Infolge dieser Er-
schlaffung der Uterinwandungen gehe nämlich die Ovoidform rer-
loren, die Querdurchmesser wurden auf Kosten des Längendurch-
messers vergrössert, und so accommodire sieh das Gebärorgan
als schlaffer Sack mehr der Lage des Kindes, als dass jenes die
Lage des Fötus bedinge. — Schliesslich glaubt er aus dem tob
ihm angeführten Falle direct erweisen au können, dass einerseits
die Kindesbewegnngen im 8. und 9. Monate der Schwangerschaft
selbst, sowie die gerade dadurch angeregten intensiven krampf-
haften Oontractionen des Uterus wesentlich auf den Lagewechsel
der Frucht influiren.
(Würsburger medic. Zeitschr. VL Band. 1865.)
X.
Ueber die in der geburtshülflichen Klinik zu
Bonn im Sommer 1864 und Winter 1864/65 auf-
getretenen puerperalen Erkrankungen.
Von
G. Telt.
(Fortsetzung und Schluss.)
Zehnter Fall.
Puerperale Septicaeinie mit rapidem Verlaufe.
Die zum vierten Male schwangere Frau halte einen so
stark ausgedehnten Uterus, dass der Verdacht auf Zwillinge
nahe lag. Derselbe bestätigte sich jedoch nicht bei der meh-
rere Male wiederholten, genauen Exploration. Die Eihäute
zerrissen schon gleich nach dem Eintritte der Wehen, und
der vorzeitige Abgang der grossen Menge von Wasser hatte
keinen störenden Einfluss auf den Geburtsverlanf. Die Tem-
peratur betrug gleich nach der Entbindung 37,3; die Puls-
frequenz 76. Sieben Stunden später am
1. Tag. Morgens : T. 37,6. P. 92. R. 18. Starke Nach-
wehen. Um 5 Uhr geringer Frost.
Abends: T. 39,4. P. 110. R. 22. Leib empPnd-
lich, besonders rechts. 0). ricin. iß zwei Mai.
2. Tag. Morgens: T. 39,1. P. 108. R. 22. Patientin hat des
Nachts Schmerzen und eine Stuhlen tieerung ge-
habt, und bekommt nach Ol. ricin. i'i noch drei
Stühle.
MonaUHcbr. f. Geburtsk. 166A. Bd. XXVI., Hft. 3. H
162 X. Q. Veit, Ueber die in der gebartshülfl. Klinik za Bonn
Abends: T. 40,4. P. 164. R. 30. Der Uterus liegt
recbts, und fühlt sieb steinhart an; nur rechts
ist Empfindlichkeit, daneben aber allgemeiner Ale-
teorismus vorhanden. Die Labien sind von früher
her ödematös; die Risse sehen gut aus. In der
folgenden Nacht sechs Stühle.
3. Tag. Morgens: T. 40,4. P. 156. R. 28. Der kleine und
unregelmassige Puls bessert sich gegen Mittag,
bleibt aber eben so frequent, während die Tem-
peratur um 0,5 fallt. Die Schmerzhaftigkeit sitzt
jetzt mehr links. Ord. Chinin mit Camphor, Wein.
Mittags 2 ühr: T. 40,5. P. 172. R. 30.
Abends 6 ühr: T. 40,1. P. 158. R. 30. Nach 7 Uhr
wird die Kranke soporös, die Respiration abge-
brochen, angestrengt, die Pupille weit. Der Me-
teorismus hat abgenommen, der Puls verschwin-
det. Sie stirbt um 9 Uhr, d. i. 67 Stunden
nach der Entbindung.
Section (38 St. p. m.): Schädelknochen blutreich; Dura
mater längs des Sinus longitud. , der ein massiges Gerinnsel
enthält, etwas verdickt. Gefässe der Hirnoberfläcbe reichlich
mit dunkelem Blute gefüllt. Grosses Gehirn hyperämisch und
etwas ödematös; auch das kleine und die Medulla oblong,
ziemlich blutreich. Die Venen und Sinus an der Schädel-
basis ziemlich blutreich.
Die Intercostalvenen und die V. azygos strotzen von dun-
kelem, flüssigem Blute, auf welchem viele Fetttröpfcbeo
schwimmen. Die rechte Lunge massig collabirt, ziemlich stark
hyperämisch und massig ödematös; Bronchialscbleimhaut hy-
perämisch, Bronchien leer. In der linken Pleurahöhle vier
Unzen einer trüben, gelben Flüssigkeit; Pleura etwas trübe;
die Lunge selbst massig collabirt ; ihr oberer Lappen trocken,
der untere nur hinten in ganzer Ausdehnung hyperämisch.
Bronchien wie rechterseits. Im Herzbeutel eine geringe Menge
röthlichen Serums; das massig grosse Herz zeigt eine reich-
liche Fettläge, und enthält in seiner rechten Hälfte ein reich-
liches, ziemlich adhärentes Gerinnsel ; das Herzfleisch ist derb,
das Endocardium blutig imbibirt. Das linke Herz ist hypc^r-
trophisch ; die an 6er Spitze fast 1" dicke Musculatur ist nn
im Spoimer t864 und WiDtcr 1865/56 nnfgeireteDen etc. 163
einzelnen Stellen gelblich gestreift, das Endocardium trübe
und verdickt; die Mitralklappe an den Rändern etwas knotig.
Gedärme stark meteoristisch aufgetrieben. Gegen das
kleine Becken hin sieht man eine trübe, flockige, gelbe Flös-
aigkeit. Das subsei*6s6 Bindegewebe ziemlich stark infiltrirt;
die Serosa über den Schlingen des Ileum rosig gelarbt. Ova-
rien geschwollen und mit gninlichem Eiter bedeckt; das sub-
seröse Bindegewebe in der Umgebung des linken Eierstockes
mehr als rechts eitrig infiltrirt. Scheide in die Länge ge-
zogen, hyperämisch ; an ihrer vorderen Wand kleine Ecchy-
mosen, von welchen einzelne in nekrotischem 'Zerfall begriffen
sind; zu beiden Seiten der Harnrölire zwei kleine auf Ge-
websnekrose beruhende Defecte. Die Uterushöhle fassl noch
zwei starke Fäuste und ist mit blutig-schleimigen Massen ge-
füllt; an der Placentarstelle adhäriren bliese etwas fester; die
Mtiskelhaut normal grfarbt; in den Venen keine verstopfenden
Gerinnsel vorhanden ; auch die V. V. hypogastr. und spennat.
enthalten nur flüssiges dunkeles Blut. Die Schleimhaut der
Tuben erscheint glatt, nicht entzündet; das subseröse Gewebe
etwas ödematös. In dem ödemalös geschwollenen rechten
Ovarium sieht man auf dem Durchschnitte emzelne Eiterpuncte;
das linke ist einfach ödematös. Die Lymphgefässe sind nicht
auffallend gefüllt, die retropeiitonäalen Drüsen nur wenig an-
geschwollen. Im Cervix uteri ßnden sich an einzelnen Stellen
Maschen, die mit einer geringen Menge von Eiter gefallt sind.
Die Leber ist massig ödematös , und unter ihrem Ueber-
zuge, namentlich an der unteren Fläche mit zahlreichen Ec-
chymosen besetzt. Der Ueberzug der massig grossen Milz
stark gefaltet und leicht getnibt; unter ihm auf der unteren
Fläche hyperamisclie Flecke; Pulpa zerfliessend, chocoiaden-
farben. DieCorticalsubstanz beider Nieren zeigt eine ausgeprägte
gelbliche Streifung. Im Magen eine chocoladenfarhene Flüs-
sigkeit. Die Schleimhaut ist im Dünndarme und an einzelnen
Stellen des Dickdarms rosig geröthet, und stellenweise etwas
hyperämisch.
11*
166 >^ ^- y^ii. Ueber die in der js^ehnrtihülfl. Klinik sn Bonn
22. Tag. Morgens: T. 38,5. P. 120. R. 28.
Abends: T. 39,3. P. 132. R. 36.
23. Tag. Morgens: T. 39,1. P. 130. R. 29.
Abends: T. 38,3. P. 124. R. 27.
24 Tag. Morgens: T. 38,9. P. 138. R. 24
Abends: T. 39,5. P. 132. R. 38.
25. Tag. Morgens: T. 38,9. P. 132. R. 32.
Abends: T. 39,6. P. 128. R. 30.
26. Tag. Morgens: T. 38.4. P. 126. R. 28.
Abends: T. 40,0. P. 140. R. 24
27. Tag. Morgens: T. 38,8. P. 122. R. 37. Oedem der un-
teren Extremitäten,
Abends: T. 39,4, P. 144. R. 34
28. Tag. Morgens: T. 39,3. P. 138. R. 26. Starkes Oedem
der Füsse. Der Urin sediraentirt viele Eilerkör-
perchen und enthält massige Mengen von Eiweiss.
' In der rechten Nierengegend entschiedener Schmerz.
Ueber der rechten Scapula bronchiales Exspirium
und grossblasige Rasselgeräusche. Die Kranke hat
grosse Neigung zum Schlafe.
Abends: T. 39,7. P. 142. R. 28.
29. Tag. Morgens: T. 38,9. P. 140. R. 35.
Abends: T. 37,3. T. 132. R. 36.
30. Tag. Murgens: T. 39,1. P. 146. R..36. Die Rasselge-
räusche nehmen zu.
Abends t T. 40,4. P. 166. R. 42.
Um Mitternacht erfolgt der Tod.
Section: Hirnhaut- und Gehirngefasse blutarm; Pia
mater ödematös, ebenso das grosse Gehirn.
Im Herzbeutel 6 Unzen klaren Serums; Ueberzug des Her-
zens ödematös. Herz klein, rechte Hälfte eng, die Musculatur
derb. Am linken Ventrikel ist die Wand dünn und aussen aus
einer mehrere Linien dicken FetÜage bestehend; die Papil-
larmuskeln blassgelb, die Klappen gesund. In der rechten
Pleurahöhle wenig, in der linken vier Unzen heller Flüssig-
keit. Die Pleura diaphragm. zeigt rechts eine massige Ge-
fässentvirickelung und Pigmenteinlagerungen; die PI. pulmon.
erscheint blass, trübe, und lässt deutliche Lymphgefässnetze
durchschimmern. Rechte Lunge ödematös, hinten blutreich
im Sommer 18ß4 'und Wintey 1864/65 aufg^etretenen etc. 167
und hinten und unten luftleer; Bronchien mit schaumigem
Schleime geföUt, gerölhet. Linke Lunge ebenso beschaffen.
In der Peritonäalhöhie wenig Flussigiteit. Leber.uherzug
triibe, auf dem rechten Lappen mit hyperärnfscben Flecken
versehen; Parenchym blassgelblich, brüchig. Milz gross; lieber^
zug faltig; Pulpa zerfliessend , blasschocoladenfarben ; Mal-
pighische Körperchen undeutlich. Magenschleimhaut stellen-
weise hyperämisch; auch im Dünndarm ist hier und da, im
Dickdarm in grösserer Ausbreitung eine Hyperämie der öde*-
matösen Zotten zu bemerken. Ovarien klein. In den Tuben
erscheint das Gewebe verdickt und vascularisirt. Der Uterus
hat den Umfang einer massigen Birne; seine Wand ist Va'^
dick, mürbe; die Venen derselben sind zum Theil mit festen,
zum Theil mit eiterig zerflossenen Thromben gefüllt, in ihrer
Wand aber nicht verändert. Die innere Gebärmutterfläche
stark pigmentirt; die unregehnässig rauhe Placen tarsteile grün-
lich schwarz gelarbt. In der Blase trüber Urin. Die linke
Niere zeigt höckerige Hervorragungen, durch eiterige Infarcte,
welche bis in die Medullarsubstanz reichen, gebildet. Auch
in der rechten Niere Onden sich fünf grössere und kleinere,
zum Theil verfettete Eilerheerde.
Die Bietroperitonäaldrüsen sind zum Theil erheblich ver-
grössert. Die V. hypogastr. dextra ist mit einem .dicken,
den Wandungen adhärenten, bis in die V. cava reichenden
Gerinnsel verstopft. Die V. iliac. comm. sinistra enthält ein
frisches, massiges Coagulum, ebenso die V. iliac. ext. sin.
Der Thrombus der rechten Y. hypog. ist an der Ginmün*
dungsstelle der V. uterin. am stärksten adhärent, und im
Innern bis in die V. cava in einen choeoladenfarbenen Brei
zerfallen.
In diesem Falle verlief der Process, wie meist, als reine
Metrophlebitis ohne Complication mit Peritonitis. Der fol-
gende hatte für uns deshalb ein besonderes Interesse, weil
wir, wie die Section ergab, eine unrichtige Diagnose in so-
weit gestellt hatten, als wir eine am fünften Tage eingetre-
tene Embolie der Lungen annehmen zu müssen glaubten.
Während nämlich die im Anfange sehr deutlich ausgespro-
cheneu Symptome der Peritonitis nactiliessen, und das Fieber
vom Morgen des vierten Tages an stetig fiel, trat plötzlich
168 ^- ^' ^^'^ Ueber die in der gc hurtshülfli Klioik za Booo
am fufifltefi eine starke Dyspnoe eiu, ohne am Abende ein
weiteres Absinken der Temperatur und des Pulses zu ver-
hindern. Das dann eintretende neue Fieber entsprach einer
oonsecutiyen Pneumonie durchaus, und die allerdings aufTal-
lende Tbatsache, dass beide Lungen afficirt erschienen, er-
klärte sich durch die Voraussetzung eines reitenden Embolus.
Das Vorhandensein eines phlebitischen Processes wurde am
achten Tage noch durch die Belbeiligung der Suralvenen des
rechten Fusses doculiientirt und die später lünzukommenden
Zeichen einer Verstopfung der Vene der linken unteren Ex-
tremität fährten zu der Annahme, dass die Thrombose in
den Beckenvenen ihren Ausgangspunct habe und, wie im
elften Falle, bis in die V. cava reiche.
Zwölfter ^alL
Metroperitonitis. Pleuritis. Thrombose beider
Cruralvenen, mit jauchigem Zerfalle auf der
rechten Seite.
.1. Tag. Morgens (4 St. nach der Gehurt): T. 37,8. P. 72.
R. 18. Einn Stunde später Schüttelfrost.
Mittags 2 Uhr: T. 39,3. P. 112. R. 21.
* Abends: T. 40,8. P. 138. R. 24. Ol. ricin. %ß;
darauf ein Stuhl.
2. Tag. Morgens: T. 39,9. P. 130. R. 22. Unterleib links
kaum, rechts massig empfnullich. Ein Stuhl.
Abends: T. 40,3. P. 128. R. 25.
3. Tag. Morgens: T. 39,3 P. 110. R, 26. Leib rechts sehr
empfindlich und massig aufgetrieben.
Abends: T. 40,5. P. 132. R. 40. Rechts starke
Schmerzen. Eine Ausleerung, in der Nacht noch
vier nach Ol. ricin. ^ß.
4. Tag. Morgens: T. 39,5. P. 118. R. 34.
Abends: T. 39,4. P. 108. R. 3^. Leib sehr wenig
empfindlich, aber aufgetrieben.
5. Tag. Morgens: T. 39,0. P. 100. R. 38. Am Vormit-
tage tritt plötzlich heftige Dyspnoe ein.
Abends: T. 38,6. P. 98. R. 56. Die Kranke klagt
im äommer 1864 und Winter 1864/65 aufgetretenen etc. 169
Über hefli^^o RückenschDierzeii besonders beim
Atbineii, doch ist nichts zu entdecken.
6. Tag. Morgens: T. 40,0. P. 110. R. 66. Dyspnoe und
Schmerzen dauern fort. Hinten rechts ist der
Schall kürzer und das Athmungsgeräusch schwä-
cher. Nach einer Venäsection von Bvi Mittags
1 Uhr: T. 40,6. P. 124. R. 48.
Abends: T. 40,5. P. 124. R. 42. Vorn auf der
Lunge heller Schall und verschärftes vesiculäres Ath«
men. Hinten rechts vom 6. Pr. spin. an Däm-
pfung und feinblasiges Rasseln ; hinten links etwas
tiefer gleichfalls Dämpfung und Knisterrasseln mit
bronchialem Exspirium. Sputa fehlen.
7. Tag. Morgens: T. 40,5. P. 120. R. 40. Hinten rechts
und links, rechts etwas hoher hinaufreichend leerer
Schall und links feinblasiges Rasseln mit bron-
chialem Exspirium.
Abends: T. 41,3. P. 124. R. 42. Die Dyspnoe hat
sehr nachgelassen.
8. Tag. Morgens: T. 40,4. P. 116. R. 42. Schmerzen an
der rechten Wade, wo entzündete Varices zu be-
merken sind. Oedem des Fusses. Um 2 Uhr:
T. 41,6.
Abends: T, 40,6. P. 130. R. 48. Geringe nicht
blutige Sputa.
9. Tag. Morgens: T. 39,1. P. 116. R. 50.
Abends: T. 40,6. P. 124. R. 50. Den geringen
Sputis ist etwas Blut beigemischt.
10. Tag. Morgens: T. 38,7. P. 128. R. 44. Am rechten Fusse
findet sich auch oberhalb des Malleol. int. eine
entzündete Partie Varices, und am linken schmerzt
gleichfalls die Wade.
Abends: T. 40,7. P. 140. R. 46. Nachts Delirien.
11. Tag. Morgens: T. 39,1. P. 130. R. 42. Infus, fol. di-
gital.
Abends: T. 39,4. P. 132, R. 52. Harnverhaltung.
12. Tag. Morgens: T. 38,5. P. 130. R. 40. Die Rasselge-
räusche sind verschwunden, die Dämpfung be-
steht fort.
170 X. G. Veit, Ueber die in der peburtshälfl. Klinik zu Booti
Abends: T. 40,3. P. 148. R. 52.
13. Tag. Morgf^ns : T. 40,4. P. 138. R. 46.
Abends: T. 40,0. P. 116. R. 46.
14. Tag. Morgens: T. 38,4. P. 90. R. 38.
Abends: T. 39,9. P. 116. R. 41.
15. Tag. Morgens: T. 38,2. P. 84. R. 46.
Abends: T. 40,1. P. 150. R. 46. Hat im Ganzen
5lß Fol. dig. erbalten.
16. Tag. Morgens: T. 38,5. P. 120. R. 44. Zum ersten Male
hat sie wieder von selbst Harn gelassen. ' Sie
erscheint freier und klagt niebr über die Füsse,
deren ödematöse Anschwellung etwas geringer her-
vortritt. Die hintere Körperfläche ist von der
Lendengegend bis in die Schenkel gleichmAssig
dunkel geröthet; der Teint der Haut einigermaasseo
gelblich.
Abends: T. 39,4. P. 140. R. 48.
17. Tag. Morgens: T. 40,8. P. 124. R. 52. Die Kranke kann
nicht mehr sprechen und nur schwer schlingen.
Abends 7 ühr: T. 42,4. P. 184. R. 52. Einehalbe
Stunde später tritt der Tod ein.
Seclion 16 Stunden p. rn. •
Die Lungen sind wenig collabirt. Die rechte Pleura-
höhle enthält etwas trübe flockige Flüssigkeit; der Ueberzug
der Lunge ist mit Flecken bedeckt und mit feinen Ecchy-
mosen besetzt; .der untere Lappen ödematös und nach hinten
sehr blutreich. Längs des unteren Randes ist eine keilför-
mig infarcirle Stelle vorhanden. Die Gef^sse der rechten
Lunge sind frei und glattwandig, die Bronchien mit rölli-
liebem, schaumigem Schleime angefüllt.
Die linke Pleurahöhle enthält etwas mehr trüber Flüs-
sigkeit; besonders der Ueberzug des unteren Lappens ist mit
flockigen, blutig infiltrirten Massen besetzt. Dieser Lappen
erscheint derb und nur in seinem convexen Theile luflhafÜg.
Die Gefasse frei.
Im Herzbeutel drei Unzen Serum. Das Herz schlaft*;
das Endocardium ecchymosirt.
Die Leber hyperämisch und fettreich. Milz massig gross,
Kapsel getrübt, Pulpa zerfliessend. Das Peritonänm in seinen
im Sommer 1864 und Winter lft64/6ö nuf^retretenen etc. 171
ttnteren Theilen diffus geröthet; einzelne Sclilingen des Dünn-
darms mit einander verklebt und mit einem dicken, eiterigen
Belage versehen, der sich auch auf der hinteren Seite der
Flexura iliaca neben starker Hyperämie vorfindet. Gebär-
mutter gänseeigross , ihr seröser Ueberzug diffus geröthet.
Das rechte Ovarium mit Eiter bedeckt und wie die Tuba
verklebt; das linke liegt frei und hat einen geringeren Ueber-
zug von Eiter. Auf der hinteren Fläche des Uterus, welche
durch eine gelbe Pseudomembran dem Rectum adhärirt, sind
grosse hämorrhagische Erosionen vorhanden, die brandige
Geschwüre veranlasst haben. In ähnlicher Weise ist die mit
der Blase verklebte vordere Gebärmutierfläche hämorrhagisch
infiltrirt. Die Schleimhaut der mit schleimigem Harne ge-
füllten Blase ist hyperä misch und aufgelockert. In der Ge-
bärmutterhöhle findet sich eine schaumige, blutige, flockige
Masse, und an der Placentarstelle schwarze Pfropfe. Das
Bindegewebe an den Seiten der Gebärmutter erscheint nor-
mal. Die Nieren hyperämisch, in ihrem Becken eiteriger
Harn.
Die Musculatur der rechten Wade ist ganz von buch-
tigen , bis unter die Haut reichenden Abscessen durchsetzt.
Von diesen führt eine durch einen blutigen, zähen Thrombus
verstopfte Vene in die Vena cruralis, welche bis zur Ein-
mündung der V. profunda verstopft und in ihrer Wand be-
deutend verdickt erscheint Das Gerinnsel ist bis zur Mitte
des Oberschenkels eiterig zerfallen. Die V.. cruralis sinistra
enthält ein auf der Abgangsstelle der V. profunda reitendes,
bröckeliges Gerinnsel.
In Betreff der Behandlung der schweren Puerperalerkran-
kungen habe ich schon oben ausgesprochen, dass ich die
nächste Aufgabe darin finde, die Ausbreitung der Peritonitis,
von welcher meist die erste Gefahr droht, zu beschränken,
und deshalb Quecksilber in entschiedener Weise anwende.
Weder in Bonn noch fniher habe ich die Ueberzeugung zu
gewinnen vermocht, dass Caiomel in grösseren Dosen, wie
Martin befürchtet, bei Wöchnerinnen eine schwere Affection
des Darrokanals zur Folge habe. Die in dem letzteren tbei
Sectionen so häufig, auch in Fällen, in welchen Caiomel nicht
gegeben war, anzutreffenden flecken weisen Hyperämieen u. s. w.
172 ^- ^' Veit, Ueber die in dtr geburtshülfl. Klioik za Bodo
sind, wie C. 0, Weber gezeigt hat, einfache Folgen der
Sopticaemie. Ich habe df^sbalb nur zu bedauern, dass das
Quecksilber auch nur in der Minderzahl der Fälle nützt, und
insbesondei^e, dass sich die beabsichtigte Salivation nicht
immer erieichen lässt. Indessen die anderen Heilmethoden
leisten noch weniger.
Gegen den Meteorismus haben sich mir Eisblasen und
Klystiere mit Zusatz von ^\ß — ii Oi. terebinth. noch am mei-
sten bewälu*t. Mit Hülfe der letzteren ist es mir wiederholt
gelungen, die entschiedenste Erstickungsgefahr abzuwenden,
und wenigstens den Tod um 36 — 48 Stunden zu verzögern.
Von Klystieren von Bleiwasser kann ich die gleichen Erfolge
nicht rühmen, und das Infus, fol. nicotian., welches bisweilen
den Darm bedeutend entleert, erscheint mir aus zwei Grün-
den weniger empfehlensvverth. Erstens, lässt sich die Dosis
nicht recht bestimmen; so sah ich nach kolossalen Gaben,
die versehentlich zur Anwendung gelangt waren, nach meh-
reren Unzen Tabak pro clysmate, keine Intqxication eintreten.
Zweitens geht dem Tabak die Qualität eines Excit^ns ab,
welche das Terpentinöl den englischen Aerzten beim Puer-
peralfieber so werthvoU gemacht hat, u{id welche, auch weno
man das Mittel, wie es von mir geschieht, nie per os, son-
dern stets per anum einverleibt, in wüaschenswerüiem Maasse
hervortritt.
Mit der Beschränkung der Peritonitis ist leider auch bei
dem gewöhnlichen Gange des Processes nur die eine Seite
der Gefahr abgewendet; die Septicaemie macht hier, wie in
denjenigen Fällen, wo sie sehr früh und von vorn herein in
den Vordergrund tritt, ihren besonderen Verlauf, und die bis-
herigen Bemühungen, auf sie einzuwirken, sind nicht erfolg-
reich gewesen. Ob durch Anregung der verschiedenen Kör-
persecretionen die Reinigung des Blutes erheblich befördert
werden kann, erscheint mir noch sehr zweifelhaft. Vielleiclit
wirken die Abführmittel auch nach dieser Richtung hin wobi-
thätig; vielleicht aber beschränkt sich ihr Nutzen auf ein<'
Verminderung des von der Septicaemie abhängigen Fiebers.
Sicher ist mfr, dass ihr Einiluss in letzterer Beziehung nocb
Vieles zu wünschen übrig lässt. Auch von dem Chinin bin
ich nicht sehr zufriedengestellt worden; am meisten scheinl
im Sommer 1864 nnd Wintor 1864/65 aufgetretenen etc. 173
mir noch die Anwendung grösserer Dosen , nach Beginn der
Remission gegeben, um die bevorstehende Exacerbation za
beschränken , zu nützen. Deshalb halte ich die Bemühungen
verschiedener Aerzte, Heilmittel, welche sicherer auf das Fie-
ber wirken, ausfindig zu machen, die Versuche mit Veralrum,
über welches ich keine Erfahrungen gemacht habe u. s. w.,
für nicht unberechtigt. Aus diesem Grunde möchte ich auch
die Anwendung der Kaltwasserkur wenigstens für die Fälle,
in welchem die Seplicaemie mit typhösem Fieber auftritt, auf
Grund der oben mitgeth eilten Beobachtungen, empfehlen. Die
künstliche Abkühlung ist den Kranken entschieden angenehm,
befreit das Sensorium, und bewirkt bedeutende Temperatur-
abfalle. Mit Consequenz durchgeführt, erspart sie den Kran-
ken Stoff und Kraft in hohem Grade. Sie hat allerdings die
Schattenseite, dass sie das ärztliche und Warlepersonal sehr
belästigt, weil sie einen ungemeinen Zeitaufwand beansprucht.
Bei den phlebitischen Processen habe ich mich stets
exspectativ verbalten.
2. Aeliologie.
In sechs von den genannten 44 Fällen bedarf es zur
Erklärung des Zustandekommens der Erkrankung nicht der
Voraussetzung einer Infection von aussen her. In dem aus-
führlich mitgetheilten zweiten Falle handelt es sich ofTensicht-
lieh um eine sogenannte Selbstinfectio.n , welche am zwölften
Tage des Wochenbettes durch den fibrinösen Polypen hervor-
gerufen wurde. Zwei andere Wöchnerinnen erkrankten nur
unter leichten und schnell vorübergehenden Erscheinungen
von Endometritis, nachdem bei der einen eine spontane Früh-
geburt mit vorausgegangener mehrtägiger Blutung eingetreten,
und bei der zweiten durch Einführung einer Laminaria-Sonde
die Schwangerschaft künstlich unterbrochen worden war. Bei
der vierten hatte der Geburtshergang eine beträchlliche Quet-
schung, besonders der vorderen Muttermundslippe, weiche
an dieser Stelle zur Ablösung gangränöser Fetzen, und auch
zu oberflächlicher Gangrän der Hymen-Reste führte, mit be-
trächtlicher Temperatursteigerung inter partum und einem
geringen Nachfieber nach Ablauf der ersten 30 Stunden des
j 74 X. (?. Veitf Ueber die in der gebortshülfl. Klinik zu Bonn
Woclienbetles zur Folge. Die fünfte überstand bei einer Cod-
jugala. von höchstens S^«" eine schwere, wenn gleich das
Einschreiten der Kunst nicht erfordernde Geburt; und bei der
sechsten musste eine nicht ganz leichte Zangenoperation aus^
geführt werden.
Bei 38 Hessen sich solche individuelle Ursachen der Er-
krankung nicht ausfindig machen. Sie vertheilen sich natur-
gemäss in folgende Gruppen:
1) Nr. 3, 4, 6 und 7 erkrankten zwischen dem vierten
und achten Mai; woher? weiss ich nicht.
2) Bei Nr. 16^ 18 und 19 erfolgte der Aasbruch resp.
am 5., 16. und 17. Juni, und zwar allem Anscheine liach
zunächst durch Verschleppung von der im zweiten Falle oben
genannten, spontan erkrankten Wöchnerin. Bei letzterer wurde
die Bildung der fibrinösen Poly|)en am 1. Juni entdeckt, und
am 3. Juni die beginnende diphtheritische Verscborfung des
Dammrisses constatirt.
3) Am 16., 19. und 23. Juli erkrankten die 29., 31.
und 34. Wöchnerin, und zwar die erste derselben (cf. den
9. Fall) erst am fünften Tage des Puerperiums, folglicii in
Folge einer erst während des letzteren eingetretenen Infection.
Am 14. Juni war ein am Tage vorher bei Nabelschnurvor-
fall todtgeborenes Kind exenterirt und zum Gebrauche för
Phantomübungen hergerichtet worden ; die am 13. spät Abends
entbundene Nr. 30. blieb gesund. Auch eine am 21. Juni
Nachmittags 4% Uhq Entbundene (Nr. 33.) erkrankte nicht,
sondern erst wieder Nr.. 34., welche um 6% Uhr durch die
Zange von einem und durch die Wendung von dem zweiten Kinde
entbunden wurde, nachdem der Assistent vorher — um 6 Uhr
— bei Nr. 31. den Eintritt übelriechender Lochien ermittelt
hatte.
4) Vom 22. August bis zum 10. September erkrankten
sechs von zehn Entbundenen, drei unter ihnen (cf. Fall 5,
7. und 8.) tödtlich. Die Quelle für die Infection der ersten
war anscheinend ein bereits in Zersetzung begriffenes Ei, wei-
ches der Assistent am 21. August aus der Poliklinik nach
Hause brachte. Vom 10. bis zum 28. September kamen
Entbindungen nicht vor, wodurch eine weitei*e Fortpflanzung
der Krankheit verhindert wurde.
im Sommer 1864 and Winter 1864/65 aufgetretenen 9tc. 175
5) Am 19. November erkrankte Nr. 56. bald nach ihrer
Entbindung leicht, und am 23. Nr. 57 (Fall 6.) schwer.
Nr. 56. war am 17. November von dem Assistenten und von
einer Anzahl Studirender untersucht worden. Als Nr. 57.
bereits dipbtheritische Geschwüre hatte, kam Nr. 58. nieder
und erkrankte; ebenso Nr. 60, 61, 62, 64. (jun 18. Decem-
ber entbunden).
6) Am 4. Januar wurde Nr. 67. nach einer schweren
Niederkunft wegen Beckenverengerung von Metritis befallen.
Auf diese Wöchnerin habe ich bei meinen Nachforschungen
stets zurückgehen müssen, um die am 7. und 9. Januar aus-
gebrochenen Erkrankungen bei Nr. 68. und 70. zu erklären.
Ihnen schlössen sich alsdann noch eine Reihe anderer, unter
ihnen drei tödtliche (Fall 4., 10. und 12.) an. Die Neuent-
bundenen wurden niemals in die Zimmer, in denen sich Er-
krankte befanden, gelegt, und überdies die Entbindungen in
den gewöhnlichen Betten und in den zur Abhaltung - des
Wochenbettes bestimmten Räumen gemacht, so dass ich
eine Propagation durch Vermittelung der Luft ausschliessen
muss. Andererseits bekam ich für die directe Inoculation des
Giftes entschiedene Beweise. Am 7. Februar Abends 9 Uhr
starb Nr. 78. (Fall 10.) an Septicaemie. In der darauf fol-
genden Nacht musste der Assistent in der Poliklinik eine an
Stenose« der Mitralis und Verdickung der Aortenklappen mit
Dilatation beider Ventrikel, und deshalb an grosser Dyspnoe
inter partum leidende Frau in der Stadt entbinden. Diese
starb am 12. Februar an Diphtheritis uteri und eiteriger Pe-
ritonitis mit geringen Veränderungen der Lymphgefasse, und
wurde ihrerseits die Quelle für die Infection von Nr. 80.
(Fall 12.), welche am 13. Februar unmittelbar nach ihrer
Niederkunft erkrankte. Sowie bei Nr. 78. bedenkliche Sym-
ptome eingetreten waren, wurde angeordnet, dass demnächst
weder der Assistent noch die Hebamme bei den neuen Ent-
bindungen und der weiteren Wochenbettspflege sich bethei-
ligen, und die Practicanten die ganze Fürsorge übernehmen
sollten. Diese Anordnung wurde auch bei den zwei am 13. Fe-
bruar vorgefallenen Geburten befolgt, aber die eine Wöch-
nerin (Nr. 80.) erkrankte trotz dessen. Schon der Umstand,
dass in diesem Falle der Process bereits fünf Stunden nach der
176 X. G. Veit. Ueber die in der geburtshölfl. Klinik in Bonn
nur zw«i Stunden dauernden Geburt begann, weist auf eine
Infection vor Beginn der Entbindung hin, und in der That
ist diese Person am 11. Zwecks ihrer Reception von dem
Assistenten untersucht worden, d. i. an einem Tage, wo er
auch die in der Poliklinik erkrankte Wöchnerin explorirt
hatte.
Je mehr die Beweise für die unmittelbare Infection ^ch
häufen, desto mehr empOndet man das Bedürfniss, genauere
Aufschlüsse über die Dauer des Incubationsstadiums zu er-
halten.
Zwischen dem Eintritte der ersten Erscheinungen und der
ersten inneren Exploration bei durchgängigem CervicalkanaJe
verflossen.
1 Mal 27 Stunden
3 „ 30—32
4 „ 36-40 „
12 „ 40-48 „
Eine Wöchnerin, welche erst 65 Stunden nach Been-
digung der Geburt erkrankte, war 27 Stunden vorher im
puerperalen Zustande untersucht worden.
Auch das grosse llebergewicht derjenigen Erkrankungen,
welche vor Ablauf der ersten 48 Stunden p. partum ihren
Anfang nehmen, und Alles, was uns über die Dauer des
latenten Stadiums bei Infection der Finger bekannt ist, spre-
chen dafür, dass meist in dem zweiten vierundzwanzigslön-
digen Zeiträume nach geschehener Inocnlation der Aushnifh
erfolge. Indessen sind umfangreiche Nachforschungen drin-
gend wünschenswei'lh.
Resumire ich die Resultate, welche mir die Erfahrungen in
Bonn in ätiologischer Hinsicht geliefert haben, so beschrän-
ken sich dieselben im Wesentlichen auf eine Bestätigung des-
sen, was ich vor dieser Zeit bereits als hinreichend sipher
gestellt annehmen zu dürfen glaubte, d. h. den Anschlnss
ganzer Reihen von Erkrankungen an einen spontan entstan-
denen puerperalen Process, die Verschleppung der Krankheit
von einem Individuum auf das andere, die Entwickelung von
Puerperalfieber in Folge einer Berührung der Wöchnerinnen
mit Händen, welche durch Leichen theile, die in einem gewis-
sen Siadium der Zerselzmig begriflTeii sind, verunreinigl win*-
im Sommer 1864 und Winter 1864/65 Aa%etreteneD eto. 177
den, und endlich die hervorragende Rolle, welche bei der
Yermittelung der Infection das in den Entbindungsanstalten
angestellte Personal spielt. Meiner festen (leberzeuguug nach
wird auch die in den letzten Jahren in immer grössere Kreise
eingedrungene Ansicht , dass das Puerperalfieber
nichts weiter als das Product einer septischen
Infection ist, in kurzer Zeit kaum noch Gegner finden;
da aber jetzt noch gewichtige Stimmen in ihren Bemühuagen,
sie zu widerlegen, fortfahren, will ich mir gestatten, die vor-
handenen Beweise für ihre Richtigkeit und gegen die mias-
matische Genesis an dieser Stelle zu prüfen.
1) Der Ausbruch und die Verbreitung des
Puerperalfiebers ist nicht von einer besonderen
Luftconstitution oder einem in der Atmosphäre
in grösserer Ausdehnung verbreiteten schädlichen
Agens abhängig. Nicht bloss die MortalitätsverhAltnisse
der verschiedenen Landern angehörigen Entbindnngsanstallen
entbehren einer Uebereinstimmung, sondern, wie Arneth und
Semmelweiaa mit Zahlen belegt haben, und zahlreiche Spe-
cialberichte ergeben, auch in Gebärhäusern, welche in der-
selben Stadt gelegen sind, und in verschiedenen Abtheilungen
desselben Hospitales steigt und fallt die Morbilität und Hör*
talität zu verschiedenen Zeiten. Von 2J6 Epidemien, welche
Hirsch zusammengestellt hat, erlangten nur zwölf eine Ver*
breitung über grössere Landschaften; 129 blieben auf ein-
zelne Häuser oder einzelne Abtheilungen von Anstalten be-
schränkt; 41 andere drangen von den Gebärhäusern in die
Stadt ein, ohne hier in 21 Fallen mehr als vereinzelte Er-
krankungen zu bewirken; 34 betrafen ausschliesslich die Pri-
vatwohnungen einer einzelnen Ortschaft.
Alle Nachforschungen nach einem ätiologischen Zusam-
menhange der Krankheit mit bestimmten tellurischen Ver-
hältnissen haben nur die Unabhängigkeit von den letzteren
herausgestellt. In BetrelT der Beziehungen zur Witterung hat
sich nur ein Einfluss der kälteren Jahreszeit ergeben, und
diesen kann man nur als einen indirecten auffassen, seitdem
Hiraoh gezeigt hat, dass er sich bei den Hospitalepidemien
beträchtlich, bei dem Auftreten des Puerperalfiebers in Pri-
vatwohnungen aber nur sehr wenig bemerklich macht.
HouatMchr. f. Oeburtsk. 1865. Bd. XXVI., H/t. 8. 12
178 X- ^' y^^t Ueber die in der greburtshtild. Klinik sn Bonn
Endlich haben die kritischen Forschungen ßirseh*s zo
dem Ergebnisse gefuhrt, dass das froher betonte gleichzeitige
Vorkommen von PuerperalGeber und der Ruhr, dem Typhus,
dem Scharlach ein rein zufälliges ist, und dass die Goinddenz
mit Erysipelas nur insoweit Beachtung verdient, als man
- unter diesem Namen, wie es in England üblich ist, nicht das
einfache Erysipelas, sondern phlegmonöse und diphtheritische
Prozesse begreift.
Man kann schon hiemach einen miasmatischen Ursprung
des Puerperalfiebers nur unter der Voraussetzung annehmen,
dass das Vorbandensein dieses Miasma's sich auf einen sehr
geringen Umkreis, unter Umständen auf einzelne Räumlich-
keiten eines Hauses beschranke.
2) Die verschiedenen pathologischen Processe
beim Puerperalfieber erklären sich ausreichend
durch die Annahme einer septischen Infection.
Die Mehrzahl der zu einer Epidemie gehörigen, d. h. durch
ein gemeinsames genetisches Band verbundenen Erkrankungen
äussert sich in diphtheritischen und phlegmonösen Affectionen,
welche von den Geburtsorganen und zwar hier wieder
von Stellen, welche durch den Verlust ihrer schützenden
Decke infectionsfahig geworden sind, ihren Ausgang nehmen,
und zum Tbeil gutartig, d. i. ohne beträchtliche locale Ne-
krose und weitere Complicationen verlaufen, oder durch die
Portpflanzung des Processes auf das Bauchfeil oder auch auf
die serösen Häute der Brusthöhle, durch Verjauchung u. s. w.
des ergriflenen Bindegewebes oder durch den Eintritt von
Septicämie mit deren weiteren Folgen einen virulenten Cha-
racter bekunden. So ist denn auch gewöhnlich von einer
AUgemeinerkraukung, welche den localen Processen voraus-
' ginge, nichts wahrzunehmen , und wenn das Fieber so häufig
das am frühesten erscheinende Krankheitssymptom ist, so darf
man nicht ausser Acht lassen, dass die ersten localen Vor-
gänge schwer nachzuweisen sind , und dass Fälle, in welchen
vor dem Beginne des Frostes oder der Temperatursteigerung
ein diphtheritischer Belag der puerperalen Wunden, Empfind-
lichkeit des Uterus gegen Druck oder andere locale Erschei-
nungen sich constatiren lassen, vorkommen. Die Differenzen
in der Zeit, zu welcher in den schlimmen Fällen die Svm-
im 8omm«r 1864 and Winter 1864/^6 nafg^etr^tenen «ie. 179
ptome der Septiedmie auftreten, bilden den >onsländigen^
Uebergang zu den am rapidesten Terlaiifenden Erkrankungen,
welche mit Septicämie beginnen, ebenso wie eine stufenweise
Abnahme der In- und Extensität der localen Veränderangen
bis zu dem fast vollständigen Mangel derselben sich nachwei-
sen lässt. Die schlimmsten Fälle, in denen ,,die Krankheit
nur im Blute verläuft'', characterisiren sich unzweifelhaft durch
die Symptome der Septicämie; bei peracutem Verlaufe findet
man dieselben fleckigen Hyperämien und Hämorrhagien be-
sonders der Lungen, der Leber, der Nieren, des Magens und
Darms, der in verschiedenem Grade erweichten Milz, wie sir
in Folge der Injeclion von septischen Flüssigkeiten autlreten,
und namentlich von (7. O. Weber hervorgehoben worden
sind. Der von uns mitgetheilte zehnte Fall zeigt dies am
deutlichsten. Zu der Annahnie, dass bei rapidem Verlaufs
das septische Gift an einer anderen als der gewöhnlichen
Stelle in den Organismus eindringe, zwingt Nichts ; man kann
eieh sehr wohl vorstellen, dass die Gebärmuttergefässe, die
Vasa lymphatica oder die Venen oder beide, die Aufnahme
vermitteln. In dem eben genannten zehnten Falle weist einer-
seits die bei Lebzeiten vorhandene Empfindlichkeit der einen
Uternsseite, und andererseits die bei der Section erkennbare
Veränderung der Ovarien auf einen solchen Zusammenhang
direct hin. Der Mangel der physiologischen Thrombose der
Gebännuttervenen erscheint als Folge der auffallend kräftigen
Contraction des Organs nach der Geburt; dass diese Venen
giftige Stoffe weiter geführt haben, mag deshalb zweifelhaft
bleiben und die Vermittelung der Infection durch die Lymph-
gefässe plausibler erscheinen.
Das Auftreten phlebitischer Processe bei epidemischen
Erkrankungen erklärt sich durch die Voraussetzung eines
Mtasma's ebenfalls nicht besser; es vervollständigt nur die
Analogie, welche zwischen dem Puerperalfieber und der chi-
rurgischen Pyämie besteht.
3) Dass die Inoculation septischer Stoffe bei
Kreissenden und Wöchnerinnen sporadisches
wie epidemisches Puerperalfieber erzeugt, ist
nachgewiesen. Das vereinzelte Auftreten der Krankheit
aus dieser Veianlassung bezeugen schon die Fälle sogenannter
12*
180 ^ ^- ^«^9 Ueber die in der gebnrtshülfl. Klinik in Bonn
^ SelbstiufecUoD, das epidemisch« nanientlicb die Aetiologie der
Epidemien in den Privatwohnungen. Das Studium der letzteren
ist darum so wichtig, weil man sich selbstverständlidi am
sichersten vor Irrwegen schützt, wenn man der Art imd
Weise der Entstehung und der Verbreitung der Krankheit
dort nachspürt, wo die Verhältnisse am durchsichtigsten sind.
Bei den Epidemien in den Privatwohnungen ist
häufig constatirt worden, dass sich die Krankheit ausschliess-
lich oder nahezu auf die Praxis einzelner Geburtshelfer oder
Hebammen beschränkte, oder dass sie aus einem Gebärbaus«
oder aus einer Privatwohnung durch Aerzte, Hebammen oder
Wärterinnen, welche mit Personen, die am Puerperalfieber
erkrankt oder verstorben waren, mit Theilen von ihren Lei-
chen, oder mit der von ihnen verunreinigten Leib- oder
Bettwäsche in Berührung gekommen waren, hier- und dorthio,
bisweilen Meilen weit vei*schleppt wurde. Bei Hirsch Gndet
sich eine Sammlung derartiger Mittheilungen von Oordon^
Kolde, Douglas y Gooch, Moir nach der Ueberiiefening
Hamüton% Simpson^ Ingleby, Lttzmann, Levergood,
EobertoUf GampbeU^ Warrington ^ West, Storrs, ic«,
Schulten, Punch, Ramsbotham^ Armstrong, Wegscheider,
Cederschjöld, Blackmore, Elkington, BeaUy, VoiUemier,
Schneider, Speyer, Zwei neue, hierher gehörige Thatsachen
hat im vorigen Jahre Orisar referirt; eine andere ist mir aus
Schwerin bekannt geworden; die Verschleppung der Krank-
' heit durch den Assistenten in die Poliklinik und aus dieser
zurück in die Entbindungsanstalt im vorigen Jahre habe ich
oben berichtet; und wenigstens ein Fall eigenhändiger Ueber-
traguug ist mir ganz unzweifelhaHt, weil er mich sehr nahe
angeht. Freilich hat mau den Einwand erhoben, dass solche
Berichte wenig beweisen, weil sich die Richtigkeit der Deu-
tung bezweifeln lasse, und diese Fälle noch zu vereinzelt da-
ständen. Nach KiwiscVs Memung kann das vorwiegende
Vorkommen des Kindbettfiebers in der Praxis eines Arztes
oder einer Hebamme darin seinen Grund haben, dass ent-
weder ihr Entbindungsxerfahren unzweckmässig war, oder
dass sie den umfangreichsten Wirkungskreis hatten, oder,
dass eben nicht Alles Kindbettfieber war, was sie dalur aus-
gaben, odrr dass andere Geburtshelfer nur die Geburt zu
im Sommer 1864 und Winter 1864/55 aufgetretenen etc. Igl
leiten hatten, und über den Verlauf des Wochenbettes in Un-
kenntnhss blieben. Indessen erscheinen diese Versuche, den
Zusammenhang anders zu deuten, demjenigen, welcher die
erwähnten Berichte mit Sorgfalt gelesen hat, durchaus miss-
lungen, und Hirsch behauptet mit Recht, dass sich die Ge-
ringfügigkeit der Zahl dieser Beobachtungen heute nicht mehr
betonen lässt. Man muss daher zugeben, dass die Verschlep-
pung des Puerperalfiebers feststeht, und dass derjenige, wei-
cher den miasmatischen Ursprung festhalten ^ill, daneben die
contagiöse Genesis anzuerkennen gezwungen ist.
Der Hypothese eines Miasma's aber bedarf es nicht ein-
mal, um die Entstehung des ersten Falles einer Epidemie zu
erklären; denn auch die Fährte, welche dahin fuhrt, hat be-
reits die Erfahrung kennen gelehrt. Hutchinson berichtet,
dass gleichzeitig an zwei, zehn englische Meilen von einander
entfernten Orten zwei Frauen tödtlich am Puerperalfieber er-
krankten, welche von zwei verschiedenen Aerzten entbunden
waren, nachdem diese 30 — 40 Stunden zuvor an einem zwi-
schen jenen Orten gelegenen Platze die jauchende Fläche
eines an phlegmonösem Erysipel leidenden Menschen
mit den Händen untersucht hatten. In derselben Weise in-
ficirten Sleight und Elkington je eine Gebärende, nach /n-
gleby'^ Mittheilung ein Arzt nach einander zwei, Clark des-
gleichen zwei, Lloyd drei Frauen. Nach den Referaten
Ingleby^Sy Lee'^ und Elkington*^ folgten in drei anderen
Fällen zahlreichere Erkrankungen. Storrs wurden zwischen ^
dem 8. Januar und 26. Februar unter 24 von ihm entbun-
denen Frauen acht vom Puerperalfieber ergriffen, während er
ein gangränöses Erysipel behandelte; da seinen Collegen da-
mals Puerperalkrankheiten nicht vorkamen, verliess er auf
einige Zeit seinen Wirkungskreis; indessen erkrankten dif
zwei Kreissendeu, welchen er am 21. und 22. März Beistand
geleistet, wiederum, weil er bei der am Erysipel leidenden
Frau einen neuen Abscess geöffnet hatte. Eine Puerperal-
fieberepidemie in Halifax hess sich auf eine gangränöse
Entzündung des Sero tu in, eyie andere von Holmes
beschriebene, auf eine Gangrän des Schenkels, eine
dritte in Sheffield auf einen p hagedänischen ßubo, eine
vierte nach der Mittheilung von Storrs auf die Section eines
182 ^' ^' y^h Ueber die in der gebartshülfl. Klinik sa Bonn
an incarcerirter brandiger Hernie VersiorbeDen, und
die Erkrankung einer im Petersburger Hebaromeninstituie und
niuer zweiten in der Stadt selbst Entbundenen auf eine von
Eüinger gemachte Section zurückführen,
Dass sich in den Gebäran stalten, wo jede Kreissende
mit vielen Banden in Berührung tritt, die Infection eines
Individuums mit septischen Stoffen, und die Verschleppung
der Krankheit von einer Person auf die andere seltener und
auch dann noch schwieriger feststellen lässt, liegt in der Na-
tur der Sache. Die Peststellung gelingt um so weniger, je
mehr Glauben das Miasma« gefunden hat, und der Glaube an
das Miasma erleichtert das Gewissen. Nichts desto weniger liegen
auch aus den Gebärhäusern Erfahrungen vor, welche die in den
Privatwohnungen gemachten Beobachtungen bestätigen. Ein-
zelne Fälle, in welchen die Verschleppung des Puerperalfiebers
von Kranken auf Schwangere oder Kreissende durch die Heb^
ammen der Anstalt erfolgte, berichten Lee aus dem Brilish
Lying-in Hospital und Cederschjöld aus dem Gebärhause zu
Stockholm ; in der Entbindungsanstalt zu Rostock constatirte
Winkel die Verbreitung der Krankheit durch den im Insti-
tute wohnenden Practicanten, in der geburtshulflichen Klinik
zu Bonn ich, wie erwähnt wurde, durch den Assistenten. In
i
dem Gebärhause zu New- York begann 18Ö0 eine Epidemie
nach der Reception einer an Peritonitis leidenden, schon
moribunden Frau; und der erste Fall von Puerperalfieber
betraf eine Person, welche von der Hand dessen, der die
Section der Gestorbenen kurz vorher gemacht hatte, entbun-
den worden war. In einem kleinen Institute Frankreichs in-
ficirte , wie Arneih referirt , der Arzt nach einer ^Section
zwei Kreissende. In dem neuen Gebärhause zu Hünchen
brach zum ersten Male das Kindbettfieber aus, nachdem der
Assistent eine Leichenöffnung gemacht hatte; die von dem-
selben Explorirten erkrankten zuerst allein, nachdem dann
im Januar und Februar der Gesundheitszustand günstig ge-
wesen war, wurden wieder zwei Wöchnerinnen befallen, welche
der Assistent unmittelbar nach der Section einer Kindesleiche
untersucht hatte. Colltns berichtet, dass in dem Dubliner
Gebärhause zwei Mal Epidemien durch AufnahVne einer Ty-
phttskranken hervorgerufen wurden. Im October 1847 un-
im Sommer 1804 and Winter 186^6 aufgetretenen etQ. 183
tersucbte Semmelweias mit seinen Schälern im Kreisazimraer
zunächst eine an Uleruskrebs Ladende, und darauf die zwölf
übrigen vorhandenen Gebärenden; elf von den letzteren er*
krankten tödtlicb. Wie Chiari mittheiit, so musste im Ja-
nuar 1853 in Prag eine Erstgebärende in Folge von Ver-
dickung und nachträglicher Gangränescenz des Muttermundes
mittels der Perforation entbunden werden, und erlag später
einer septischen Endometritis; neun andere Gebärende, die
mit derselben im Kreisssaale sich befanden, erkrankten und
starben mit Ausnahme einer einzigen. Von dieser Zeit an
schleppten sich die häufigeren Erkrankungen bis in den Monat
Hai hin. Im October starb wieder eine mittels der Perfora-
tion Entbundene an septischer Endometritis, und diesem Er-
eignisse folgten wieder zahlreiche Erkrankungen bis zur Mitte
des November. In der durch gute Gesundheitsverhältnisse
ausgezeichneten Anstalt zu Gothenburg entstand von sechs
Epidemien eine aus traumatischer Ursache, und die übrigen
fünf entwickelten sich nach der Aufnahme von Wöchnerinnen,
welche an acuten Krankheiten — zwei Mal Erysipelas —
litten. Auch in Bonn schlössen sich^ wie berichtet, an
spontane Erkrankungen andere an.
Die vorstehenden Erfahrungen lehren sciion, dass
4) die Annahme eines Miasma's eine unzurei-
chendeundaufder anderen Seite unnöthige Hypo-
these isL Die Richtigkeit dieses Ausspruches tritt aber noch
deutlicher hervor, wenn man die anderweitigen Ergebnisse der
bisherigen Bemühungen, die Ursachen der epidemischen Er-
krankungen der Wöchnerinnen zu ergründen, kritisch beleuchtet.
Diese sind entweder der Lehre vom miasmatischen Ursprünge
der Krankheit geradezu ungünstig, oder lassen sich wenig-
stens durch die Annahme einer septischen Infection ebenso
gut erklären.
Zunächst muss man sich darüber klar werden ; dass die
Lehre von dem miasmatischen Ursprünge durch den Nach-
weis ^ dass das Puerperalfieber nicht eine ausschliesslich bei
Wöchnerinnen vorkommende Krankheit ist, eine wesentliche
Stütze verloren hat. Strenge Essenfialisten , wie Litzmann,
haben dies gefühlt, desshalb bezweifelten sie die Richtigkeil
der Deutung det* schon von Clarke und Boer zum Beweise
184 X- ^- V^i, Ueber die in der gflliurteb6lfl. Klinik sn Bonn
des gelfgenüichen Befailenwerdens Schwangerer angefahrten
Fälle, 'und bemühten sich, 'die Krankheitserscheinungen aas
dem vorgängigen Absterben der Frucht abzuleiten. So lange
mau sich unter dem Puerperalzustande etwas ganz Besonderes
vorstellte, mochte es allenfalls gerechtfertigt erscheinen, ihn
als eine Quelle für eigenthömliche Effluvien, als die Eni-
wickeluugsstätte eines besonderen Puerperalmiasma's anzu-
sehen. So lange der Puerperaizustand als conditio sine qua
non der Wirkung des supponirten Miasma's gelten durfte,
trat die Frage nicht heran, warum dieses Miasma, im C^gen-
satze zu allen anderen, vorzugsweise, wenn nicht
ausschliesslich auf Menschen wirkt, welche zur
Aufnahme septischer Stoffe geeignete Haut- oder
Schleimllautstellen haben. Heute ist diese Frage un-
vermeidlich, und führt noth wendig zu der Analogie, welche
zwischen dem Puerperalfieber und den virulenten Phlegmonen,
die zu unbedeutenden Excoriationen und Wunden der äusse-
ren Haut hinzukommen, bestehL Denn wir wissen, dass
nicht bloss Wöchnerinnen, sondern auch Frauen vor ihrer
Entbindung, und überdies Kinder ohne Vermittelung des Blu-
tes ihrer Mutter, ja selbst noch andere Menschen von dem
krankheitserregenden Agens getroffen werden können. West
versichert, dass während der 1813 und 1814 in Abingdon
und Umgegend herrschenden Puerperalfieberepidemie Nicht-
wöchnerinnen sehr häufig von der Rose befallen wurden, dass
die Frequenz und Intensität beider Kranklieiten gleichmassig
zu- und abnahm, und dass das Puerperalfieber nur an den-
jenigen Orten vorkam, wo die Rose herrschte, während in
anderen unmittelbar in der Nachbarschaft gelegenen Ortschaf-
ten keine von beiden Krankheiten bemerkbar wurde. Fer-
guson, Sidey u. A. erzählen, dass gerade die Umgebung von
Kindbettfieberkranken, besonders dj^s Wartepersonal, häufig
an der Rose erkrankte. Die Infection von NichtWöchnerinnen
ist neuerdings durch Pthan-Dufeillay bestätigt worden. Im
Februar 1861 wurden im Höpital St. Louis, um eine Epi-
demie zum Erlöschen zu bringen, die Säle der Wöchnerinnen
und der Hautkrank.en ausgetauscht. Die transferirten Wöch-
nerinnen blieben gesund, aber unter den 32 umgelegten Haut-
kranken brach eine Erysipelasepidemie aus und eine starb.
im Sommer 1864 nnd Winter 1864/ß5 ftfiffrelreteiien etc. 185
Mit dem Puerperalfieber der Kinder wurde recht eigenttfch
die Brücke erobert, welche zu der Erkrankung der Warte-
rinnen und der Hautkranken an Erysipels und schliesslich
zu den phlegmonösen Processen und Lymphangioitiden, welche
Aerzte und Hebammen durch Verunreinigung ihrer verwun-
deten Hände bei Verrichtung von geburtshülflichen Dienst-
leistungen und Sectionen sich zuziehen, hinfährt. Jetzt ist
kein Zweifel mehr darüber möglich, dass auch nicht puer-
perale, traumatische Eingriffe an Vagina und Uterus eine dem
Puerperalfieber in jeder Beziehung gleichende Krankheit er-
zeugen können, wovon Buhl neuerdings drei Beispiele mit-
tbeilte. Ebenso ist sicher, dass ausserhalb des Puerperiums
die Infection spontan entstandener Orificialgeschwilre zu dem-
selben Processe fähren kann, wie H, Meckel an einem Falle
von Uterusfibroid mit Exulceratiun der Muttern lundsh'ppen nach-
gewiesen hat.
Für die Bichtigkeit der Infectionstheorie und«
gegen die miasmatische Genesis zeugt entschie-
den der Einfluss, welchen der Zeitpunct der Be-
ception der Individuen in das Gebärhaus im Ge-
gensatze zu der Gleichgültigkeit der constitutio-
nellen Verhältnisse auf die Morbilität ausübt
Schon Semmelweiss hat darauf aufmerksam gemacht, dass
diejenigen Pei'sonen, welche bereits entbunden in das Gebär-
baus kommen, eine grosse Immunität gegen das Puerperal-
fieber zeigen. Neuerdings bat Spaeth in seinem Berichte über
die 1861/^ in der Khnik für Hebammen zu Wien beobach-
tete Epidemie mitgetheilt, dass bei 90 während derselben vor-
gekommeneu sogenannten Gassengeburten nm* eine Puerperal-
erkrankung vorkam, obwohl die in diese Bubrik gehörigen
Personen mitten zwischen die kranken Wöchnerinnen gelegt
wurden. Auch hinsichtlich derjenigen, welche vor vollendeter
Entbindung aufgenommen werden, stellt sich heraus, da^s die
Morbilität in demselben Maasse, wie die Gelegenheit zu einer
iocalen Infection zunimmt. Dies ergiebt a) der Vergleich der
kreissend und der vor Beginn der Geburtswehen Becipirten,
b) der Unterschied zwischen den Priteiparen und Multiparen,
c) der Einfluss einer kürzeren oder längeren Dauer des Auf-
enthaltes der Schwangeren vor ihrer Entbindung. Bei den
186 X* ^« ^«<i Ueber die in der gebarUhölfl. Klinik sn B«an
kreisseod Aufgeaommenen ist die Zahl der Erkran-
kuDgen geringer, weil sich der erste Abschnitt ihrer Eut*
bindung der Exploration entzieht;
Strassburg 1856/57 (Levy).
Von 45 Kreissenden erkrankten 19 = 42 7o«
„ 47 Schwangeren „ 25 = 53 „
München 1859/62 (Hecker),
Von 1033 Kreissenden erkrankten 132 = 12,8%,
^ 534 Schwangeren „ 88 = 16,1 „
Desgleichen bei den Mehrgebärenden, weil durch
den schnelleren Verlauf der Geburt im Allgemeinen und durch
die Nichtbeachtung der ersten Periode ile für die Infection
am meisten geeignete Zeit abgekürzt ist, oder verloren gehe
In Wien erkrankten, von 491 Primiparen 117 =» 23,8 %
und sterben 80 = 16,2 ^
„ 636 Mulüparen 93 = 14,6 ^
und starben 68 = 10,6 „
München „ „ 304 Primiparen 66 = 21,0 „
und starben 15 = 4,9 „
„ 609 Multiparen 76 = 12,5 „
und starben 17 = 2,2 ,.
„ 232 Primiparen 36 = 15,5 „
und starben 13 =3 5,6 ^
„ 431 Multiparen 43 = 10,2 „
und starben 20 = 4,6 „
Strassburg „ „ 56 Primiparen 33 = 59 „
und starben 10 <== 18 „
„ 44 Mulüparen 19 = 43 ^
und starben 5 =s 113 »
Auf 17 Primiparen kommen 10 Multiparen.
Vor Beginn der Geburt kann eine Infection der Regel
nach nur erfolgen, wenn der innere Muttermund durchgängig
ist, desshalb meist nur bei Multiparen; die wenigen Kranken
in Bonn , bei welchen der Process gleich nach der Nieder-
kunft seinen Anfang nahm, gehörten in diese Klasse«
Die grösste.Gefahr liegt darin, dass eine Per-
son kurze Zeit vof ihrer Entbindung die Anstalt
betritt.
Nach Braun waren im October bis Deoember 1861
im Sorainer 1€6/ Qüd Winter 1864/66 mtfgretreteiieii etc. Ig7
unter den in der ersten Wiener Klinik Verstorbenen 86 ss
6ö^/o einen Tag vor der Entbindung und 35 =s= 26%
1—6 Wocben vorher recipirt; im Januar 1862 betrug die
Sterblichkeit der ersten Klasse 67 7o« di^ ^^^ zweiten 30 ^o*
In München schwankte die Mortalität bei einem 2, 3, 4
oder mehrwöchentlichen Aufentlialte vor der Entbindung zwi-
schen 11 und 16%, und stellte sich im Durchschnitte zu
13,6%, während bei einem 1—7 tagigen Aufenthalte 29,8%
erkrankten. Der Schlüssel zu dieser Thatsache liegt sehr
nahe; ein Theil derjenigen, welche kurze Zeit vor ihrer Ent-
bindung die Reception nachsuchen, ist schon bei dieser in
Folge der Eröffnung des Orific. intern, u. s. w. inficirbar;
andererseits gelingt die Verheimlichung des Beginnes der Ge-
burt um so leichter, je längere Zeit vor demselben die Schwan-
geren sich in der Anstalt befinden. Die Hypothese, dass der
längere Aufenthalt eine Abstumpfung gegen das vermuthete
Miasma zur Folge habe (Hecker) ^ ist schon deshalb unzu*
lässig, weil sie die Voraussetzung einschliessen muss, dass
diese Abstumpfung gerade immer in den letzten acht Tagen
vor der Entbindung eintrete, ganz gleich, wie lange vorher
der Aufenthalt gedauert.
Durch die Infectionstheorie lassen sich die
Schwankungen, welche in der Zeit des Ausbruches
der Krankheit vorkommen, sehr bequem verständ-
lich ma eben. Die ersten Symptome stellen sich sehr selten vor
dem Beginne ordentlicher Geburtswehen , häufiger schon wäh-
rend der Geburt, gewöhnlich erst im Wochenbette, und hier
am häu%sten am zweiten oder dritten Tage, selten wieder
nach Ablauf des fünften ein. Vor dem Eintritt der Wehen
ist nur die innere Oberfläche der eigentlichen Gebärmutter-
höhle durch die Ablösung der Decidua eine geeignete Keim*
Stätte iür die Infection und auch der unterste Theil dersel-
ben für den Finger entweder unzugänglich oder sckwer
erreichbar. In der Eröffnungsperiode wird nicht bloss das
Orific. intern, erweitert, sondern oft gleichzeitig der Cervix
verletzt, und der Durchbruch des Kindes bedingt sehr ge-
wöhnlich neue kleine Risse in der Mündung des Genital-
kanaies. Die Abnahme der Zahl der Erkrankungen jenseits
des dritten Tages des Puerperiums erklärt sich wieder dar-*
Igg X. Q, Veit Ueber die in der gebartsBfiA. Klinik lo Bomt
aus, dass die YeranlassHDg zur Digitalexploration naeh Beeo-
digung des Geburtsgescbäftes mehr und mehr wegfallt Wo,
wie es in Bonn geschah, der Assistent u. s. w. auch im
Wochenbette specieUe Studien macht, bleiben späte Infectio*
nen nicht aus. Hält man die miasmatische Genesis fest, so
lassen sich die Differenzen in der Zeit des Ausbruches der
Kraniiheit nur unter Zubülfenahme neuer, nicht zoläsaig^
Hypothesen deuten. Man muss dann mit Rücksicht auf die
Seltenheit der Erkrankung Schwangerer und älterer Wöch*
nerinnen entweder die Beschränkung des Miasma's auf das
Gebärzimmer oder auf die Wochensäle, oder die besondere,
die Disposition erhöhende Eigenthömlichkeit des Puerporal-
zustandes im engeren Sinne geltend machen. Aber die Ei^
fahrung hat mich und Andei*e gelehrt, dass die Abhallung
der Entbindung ausserhalb des Gebärzinimers wenig schützt;
und dass die Schwangeren in~ kleinen Anstalten , wo sie als
Wochenwärterinnen benutzt werden, nicht häufiger erkranken.
Und wenn die in der Entbindung liegende Katastrophe einen
so grossen Einfluss ausübt, warum erkrankt eiue Anzahl von
Wöchnerinnen, welche durch ihre Erkrankung ihre indiri-
duelle Disposition kundgiebt, nicht wie die Mehrheit schon
in den ersten Tagen, sondern später?
Das Auftreten des Puei-peralfiebers bei Kindern selzl die
Anhänger der Infectionstheorie nicht in Verlegenheit. Erfolgt
der Tod schon während oder bald nach der Geburt, so inuss
die Infection durch das Blut der schon vor oder während
der Entbindung inficirten Mutter vermittelt sein. Erkrankt
das Kind erst nach Ablauf der ersten Lebenstage, so kann
man das mütterliche Blut nicht als das Medium der Infec-
tion betrachten, mag das Kind einer kranken oder einer ge-
sunden Mutter angehören. Wenn man in diesen Fällen die
Keimstätte des Giftes in den bei Neugeborenen nie fehlenden
Wufidstellen sucht, so betritt man nur den Weg, auf wel-
chen die Aufschlüsse, welche Buhl über die Krankheit ge-
geben hat,^ hinweisen. Bei spät erfolgendem Tode bildet
regelmässig die Nabelwunde, ausnahmsweise ein Gephaläma-
tom u. s. w. den Ausgangspuuct der krankhaften Verände-
rungen. Mit diesen Wundstellen kommen sowohl die Finger
der Nutter und des mit der Wartung betrauten Personals,
im Sommer 1864 und Winter 1864^65 safgetretenefi etc. 189
als die bei der Pflege gebrauchten Utensilien, als endlich die
— 80 wollen wir vorläufig voraussetzen — gelegentlich mit
septischen Stoflen angeschwängerte Luft in Berührung. Es
ist deshalb nicht im Mindesten, auffällig , dass Neugeborene
direct septisch inficirt werden. Man muss sich vielmehr nach
den Momenten fragen, welche verhindern, dass diese Infection
nicht häufiger ist. Sie würde gewiss viel häufiger vorkom-
men, wenn diejenigen Personen, welche vorzugsweise die In-
fection der Mütter vermitteln , sich der Pflege der Neugebo-^
renen in gleichem Maasse annähmen. Die miasmatische Ge-
nesis aber hat auf die Frage keine genügende Antwort Sollte
sich herausstellen, was zur Zeit mit Sicherheit nicht behauptet
werden kann, dass die späten Erkrankungen bei den Kindern
gesunder Mütter seltener sind, als bei denjenigen, welche Er-
krankten zugehören, so würde hiermit eine neue Schwierig-
keit für die Miasmatiker gegeben sein.
Endlich sprechen das vorwiegende Vorkom-
men des Puerperalfiebers in Gebäranstalten, die
Differenzen, welche die verschiedenen Hospitäler
unter einander zeigen und die Fluctuationen,
welche in demselben Hause zu verschiedenen Zei-
ten vorkommen, nicht für den miasmatischen Ur-
sprung gegen die Genesis durch septische In-
fection.
Von vorn herein ist klar, dass die Ursachen, welche
gelegentlich Epidemien in Privatwohnungen zur Folge haben,
in den Gebärhäusern diese Wirkung häufiger und in grösse-
rer Ausdehnung äussern müssen. Denn einerseits bedingt
die Beschäftigung des in den Instituten lehrenden, lernenden
und wartenden Personals, dass dasselbe mindestens an vielen
Orten häufiger mit septischen, zur Infection der Kreissenden
und Wöchnerinnen geeigneten Stoffen in Berührung kommt,
als die ausschliesslich mit Privatpraxis beschäftigten Aerzte,
Hebammen und Wärterinnen ; andererseits hat jenes Personal
in viel grösserem Umfange die Gelegenheit, das Gift in Person
oder mittels seiner Geräthschaften zu fibertragen. Aus dem
vorwiegenden Vorkommen des Kindbettfiebers in den Hospi-
tälern ist man daher noch nicht berechtigt, zu schliessen,
dass hier neben den erfahrungsgemässen Ursachen der Epi-
190 ^- ^' ^«^'<. Ueber die in der gebartsbilS. Klinik mn Bonn
denüen in den Privatwohnungen noch andere Torbanden
müssen; Tielmehr fordert ein solcher Schluss noch beson-
dere, zwingende Gründe. Diese sind aber nicht vorhanden.
Wir wissen, dass die Morfoih'tSts- und Mortalitatsverbält-
nisse in grossen und in illeinen Anstalten günstig und bd-
gunstig sein können, dass sie in verschiedenen Instituten mit
annähernd gleicher Anzahl von Gehurten nicht gleich sind,
und dass diese Unterschiede sich nicht genügend aus der
'grösseren oder geringeren Zweckmässigf(eit oder ünaweck-
mässigkeit der Lage, aus der Beschaffenheit der Räumlich-
keiten , der besseren oder schlechteren .Ventilation u. s. w.
erklären. Auch besser angelegte und ausgestattete Hospitaler
bleiben nicht verschont; die neugebauten Häuser in Mnnchen
und Hannover wurden bald nach ihrer Eröffhung von Epide-
mien heimgesucht.
Die Mortalitätsverhältnisse verschiedener Ge-
bärhäuser.
Epidemien treten nicht bloss in denjenigen Gebäranstal-
ten auf, welche Unterrieb tsz wecken dienen, sondern auch in
solchen, welche nur die Aufgabe haben, ein Asyl für Schwan-
gere zu sein. Unter den ersteren werden nicht bloss die
klinischen Institute, sondern zum Theü auch die Hebammen-
lehranstalten bedeutend verheert. Diese Thatsache beweist
aber nichts zu Gunsten des Miasma*s. Es ist richtig, dass
Schulerinnen die Gelegenheit zu einer Verunreinigung ihrer
Hände nur in dem Gebärhause selbst, Studireude auch noch
ausserhalb desselben finden können, und dass in den dem Unter-
richt entzogenen Anstalten nur das Hauspersonal die Infec-
tion vermittehi kann.
Aus den Mortalitätsverhältnissen für Wien und Paris ist
audh eine Differenz in dieser Beziehung ersichtlich.
Wien.
Die
Klinik für Aerzte
haue 1841-
-1846
eine
von
MorUliUt
9.92%.
O
,, „ fiebsmtnen „ 1841-
-1846
eine
Mortalitäl
von
3,38 V
im Sommer 1868 vnd Winter 1864^6 anfgretretenen ete. 191
Die Klinik für Aerzte hatte 1847—1858 eine Mortalität
Ton 3,57 V
„ „ „ Hebammen „ 1847 — 1858 eine Mortalität
?on 3,06 7o-
Die Zahlabtheilang hatte 1839—1848 eine Mortalität von
2,50/0.
Paris.
In DubM Klinik starben 1835—1841 und 1844—1848
4,50/,.
„ der Matemite sterben 1836—1841 und 1844—1848
3,30/,.
Indessen ist hierbei zu erwägen, dass in der Anstalt
selbst die Gelegenheit zur Verunreinigung der Hände so gross
sein kann, um den Einfluss einer Einschl^ppung septischer
Stoffe von aussen her bis nahezu zum Verschwinden ^u ver-
ringern, und dass die Ausdehnung, in welcher eine Ver-
schleppung von Person zu Person stattfindet, wesentlich von
der Art abhängen muss, wie der Unterricht organisirt ist.
Betheitigen sich die Schüler oder Schülerinnen, welche der
Kreissenden beistehen, nicht in derselben Zeit an der Pflege
der Erkrankten, und wird die Exploration am Gebärbette nur
Einem oder Zweien gestattet, so nimmt die Gelegenheit zur
infection durch das lernende Personal ab. In der. Gebär-
anstalt der Charite zu Berlin zeigt es sich, dass die Studiren-
den der Einschleppung septischer Stoffe kaum verdächtig
sind, jedenfalls dadurch sehr wenig schaden. Mindestens in
den letzten Jahren ist gerade in den Zeiten des Hebammen-
unterrichls der Gesundheitszustand besonders ungünstig ge-
wesen, und es liegt nahe daran zu denken, dass der Unter-
schied in der Art und Weise, wie die Schülerinnen und die
Studirenden unterwiesen werden, dort nicht ohne Einfluss
bleibt. In der Klinik last man vielleicht, wie unter der Di*
rection J. JJ. Sehmidfs, die Kreissenden nur von vier Stu-
direnden untersuchen; sicher haben die Studirenden mit der
Wartung der erkrankten Wöchnerinnen nichts zu thun. In
der Hebammenschule verhalt sich dies anders. Zudem ist
-anzunehmen, dass das bei dem Unierrichte am Kreissbette mit-
wirkende Anstaltspersonal (Assistenten und Hebamme) den in
192 ^* ^* ^«^'^ UebM* die in der gebartohülfl. Kliaik sa Bonn
grösserem Umfange eiuer Anleitung bedürftigen Scfauleriunen
gegenüber ibätiger ist. Und es kommt an erster Stelle in
Betracbt, dass das lernende Personal sowohl bei dem Aus-
bruche der ersten Erkrankung als bei der weiteren Verschleppung
der Krankheit im Allgemeinen eine viel unbedeutendere Rolle
spielt, als das mit dem Unterrichte betraute.
Diese Behauptung ßndet schon in mehreren früher an-
geführten Beispielen einer Infection durch Assistenten und
Hebammen eine Stütze; für sie sprechen indessen noch an-
dere Thatsachen. So die vorübergehende Abnahme der Mor-
talität in den Monaten December 1846 bis März 1847 in der
Klinik für Aerzte zu Wien. In diesem Zeiträume starben
nur 2,3% 9 während in den übrigen Monaten des Jahres
1846 steU über 10% und bis zu 19%, und in den Win-
termouaten der vorausgegangenen Jahre ebenfalls mehr als»
10% erlegen waren; die Explorationen der Studirenden hatte
man nicht unterdrückt, vielmehr nur die Zahl der TheJlneb-
mehmc^r von 42 auf 20 vermindert; der Assistent aber kam
damals nicht viel in die Todtenkammer. Als ^icb dieses Ver-
hältniss änderte, stieg sogleich die Mortalität; sie erreichte
im April und Mai 1847 wieder resp. 18 und 12%. Femer
habe ich mich nicht bloss in Bonn fiberzeugen müssen, dass
sich der Gesundheitszustand in dem Maasse verschlechtert,
als der Eifer der Assistenten, sich zu unterrichten und Beob-
achtungen zu sammeln, zunimmt In der Zeit, in welcher
ich in Gemeinschaft mit Hecker die stationäre Klinik in Berlin
als Assistent versah, stieg die Sterblichkeit, wenn mich mdn
Gedäcbtniss nicht trügt, auf 16%. In München wurde, wie
erwähnt; gleich nach der Eröffnung des Hauses durch den
Assistenten eine Epidemie eingeleitet 1862 kamen dort ge-
rade in den Osterferien, wo nur wenige Studirende sich bei
den Geburten betbeiligten, 29 Erkrankungen und acht Todes-
fälle vor; im Mai, Jdni und Juli aber, wo die Zahl der Kli-
nicisten mehr als 30 beti-ug, nur 6 Erk. und 3 Tod.; und
gleich nach dem Schlüsse der Klinik und dem Beginne des
Hebammenuuterrichts fünf tödtliche Erkrankungen« Auch in
der neuen Gebäranstalt zu Hannover brach bald nach ihrer
Eroffttung (October 1863) eme Epidemie aus; das Institut
hatte gleichzeitig mit dem Neubau einen Assistenten erhalten.
im Sommer 1864 und Winter 1864/65 RufgetreUuen eto. 198
Die Gebäranstalt der Charite zu Berlin gab im Winter
1859/60, wo von 341 Wöchnerinnen 102 (57 lödllich) er-
krankten, Gelegenheit zu älinlichen Erfahrungen. Das ärzt-
liche Personal betheiligte sich niemals manuell bei den Sec^
tipaen der am Puer|)eraljQeber Verstorbenen, aber der Ober-
arzt und der Unterarzt fungirten gleichzeitig als Assislenien
auf der Abtheilung, auf welche die erkrankten Wöchnerinneu
-verlegt wurden. Als die Zahl der Erkrankungen zunahm,
richtete mau am 10. December in einem isolirt gelegenen
Gebäude eine Filialanstalt ein, der Art, dass der bisherige
Bestand an Schwangeren und Wöchnerinneo auf der alten
Station verblieb, während die neu Aufzunehmenden mit be-
sonderer Hebamme und eigenem Wartepersonale in der neuen
Anstalt untergebracht wurden, und ein neues laveutarium er-
hielten. Trotz dieser Cautelen verbreitete sich die Krankheit
weiter; die Assistenzärzte besorgten auch das Filiale.
Die Rolle des lehrenden Personals bei der Verschlep-
pung des Puerperalfiebers ist daher auch nicht ausser Acht
zu lassen^ wenn man die Grösse der DiiTerenz, welche in
der Tabelle für Wien vor 1847, und die Geringfügigkeit der-
selben, welche in der spateren Zeit an diesem. Orte und
gleichermaassen in Paris hervortritt, erklären will. In der Be-
deutung des behandelnden und pflegenden Personals für die
Entwickelung und Verbreitung ~ der Epidemien finden die im
Vergleich zu der Sterblichkeit in den Pri?atwohuungen be-
trächtlichen Todtenlisten der Zahlabtheilung zu Wien ihre Er-
klärung. Semmelweüs hat mit Recht auf die wissenschaft-
lichen Leistungen und die sonstige Stellung der dirigirenden
Aerzte dieses Institutes hingewiesen und auch über die Vor-
gänge in der Gebärabiheilung des St. Rochus - Spitales zu
Pest Aufschluss ertheilt. Auch diese dient nicht zum Unter-
richt, sondern nur in den Ferien — im August und Seplem-
ber — zur Aufnahme der Kreissenden. Trotz dessen herrscJute
i^i ihr alljährlich das Puerperalfieber, so lange sie von dem
chirurgischen Primarärzte mit versorgt wurde '^ und in dei\
übrigen Monaten des Jahres einen Theil der chirurgischen
Station bildete. Nachdem sie 1851 einen besonderen Diri-
genten in Semmelweisa erhalten hatte ^ kam das Kindbett-
MoDAUKcbr. f. Oburtak. ISOi. B.l XXVI., Hffc. 3. IS
194 ^* ^- ^a'<) Ueber die in cler geburtshnlfl. Klinik sa Bonn
fieber onr selten vor, und raflle in fünf Jahren yod 933
Wöchnerinnen nicht mehr als 8 = 0,85 *^/o weg.
Dasselbe Moment erklärt die ganz auflallend gflnstigen
Gesundheitsverhältnisse der Rotunda - Anstalt zu Dublin und
die schon ungünstlgei'en dreier nur zu Asylen bestiainiten
Anstalten London's, und ist auch bei der Nachforschung nach
den Ursachen der grösseren Sterblichkeit in der vierten Zu-
fluchtsstätte der letztgenannten Stadt zu berücksichtigeo.
Das Gebärhaus zu Dublin verlor 1827—1846 : 1,1 %.
„ British lying-in Hospital 1827—1846 : 2,1 „
„ Queen Chariotte's Hospital 1828—1842 : 1,7 „
„ City of London Hospital 1827—1846 : 1,2 „
„ General Hospital 1829—1846 : 3,9 •„
Im Rotunda -Hause werden die Kreissenden von einem,
höchstens zwei Studirenden untersucht und behandelt; dies
geschieht ohne belehrende Controle, und nur bei zweifelhaf-
ten oder abnormen Verhältnissen wird einer der Assistenten
pflichtmässig hinzugerufen. In den Hospitälern Loudon's woh-
nen der Geburtshelfer und der Assistent ausserhalb der An-
stalt, und werden bei den gewöhnlichen Geburten nicht con-
sultirt. In dem Queen Charlotte's Hospital giebt es weder
männliche, noch weibliche Eleven im Hause ; im City of Lon-
don Hospital sind zwei Plätze für Hebammenschülerinnen
vorhanden, aber nicht immer besetzt; im British lying-in
Hospital kann einem männlichen und einem weiblichen Ele-
ven Aufnahme gewährt werden, ohne dass jedoch diese Ge-
legenheit anders als ausnahmsweise benützt wird. Im Ge-
neral lying-in Hospital hingegen sind zwei Plätze für house-
surgeons vorhanden, und in den oben verglichenen Jahren ist
wenigstens einer dieser Plätze immer besetzt gewesen ; diese
house-pupils haben die Befugniss, die Gebärenden zu explo-
riren, und die Verpflichtung, täglich einige Haie die Kranken
und auf Verlangen auch die 400 — 500 Gebärenden in der
Stadt, für welche van der Anstalt gesorgt wird, zu besuchen.
Die Differenzen in den Mortalitätsverhältnissen
derselben Anstalten.
Von diesen Diflerenzen bat bekanntlich ßemmdtoeiMs
seinen Ausgangspunot genommen. In dem Gebärhause zu
im Sommer 1864 and Winter 1864/66 Aufgetreten en ete. 196
Wien betrug, wie derselbe zeigte, in den Jabreo 1784 bis
1822 die Mortalität durchschnittlich 1,25% und wähi*end
25 Jahre sogar unter 1,00%. Sie stieg, als die dortige Schule
ihre anatomische Richtung nahm — wobei ich nicht blos«
an die daraus resultirende Zunahme des Studiums an Leichen
denke — 1823 — 1832 auf 5,30%, und stellte sich nach
der Trennung des Hauses in zwei Abtbeilungen, in welche
die Studtrenden und Hebammeuschölerinuen in gleicher An-
zahl vertheilt wurden, 1833—1840 in der ersten Klinik auf
6)06%, in der zweiten auf 5,58 7o* Nachdem nunmelir die
*erste Klinik ausschliesslich für die Ausbildung der Aerzte und
die zweite für den Hebamnienunterricbt bestimmt worden
war, erreichte die Sterblichkeit 1841 — 1846 auf jener die
Höhe ?on 9,92%, und betrug auf dieser nur 3,38%. Im
Jahre 1847 bezeichnete S. die Infection mit Leichengift als
die Ursache des Puerperalfiebers, und trat desshalb Maasi»-
regeln, um örtliche Infectionen möglichst zu verhüten; die
Folge war, dass 1848 nur 1,27 % in der ersten Klinik im
Verhältniss zu 1,'33% in der zweiten starben. Nach dem
Abgange S,'s aus der Assistentenstelle wirkte , wenn auch nicht
die Ueberzeugung von der Richtigkeit der von 3, bezeich-
neten Aetiologie, so doch das Vorhandensein dieser Ansicht
nach. Die Sterblichkeit in der ersten Klinik beschränkte sich
1849 auf 2%, 1850 auf 1,1 % und 18öl auf 1,1 %, in
der zweiten auf resp. 2,1 und 3 %. Als hierauf der Schein
dafür sprach, dass man die Ansicht S.'s ruhig ad acta legen
könne, stieg die Sterblichkeit wieder in beiden Kliniken.
In den letzten Jahren hat sie abermals beträchtlich abgenom-
men. C, Braun sucht die Ursache dieser Abnahme in der
Verbesserung der Ventilation, in der Einführung des Böhm'-
sehen Heitzungs- und Ventilationssystems. Icli kann aber
dieser Einrichtung nicht die behauptete Tragweite beimessen.
In der zweiten Klinik ist der i^ö&Tn'sche Apparat nur in be-
schränktem Umfange eingeführt worden; ich suche daher
den Grund für die colossale Verlängerung der Mortalität in
dieser Abtheilung — 1863 starben hier nur 0,5 % — viel-
mehr vorzugsweise in den mit grosser Sorgfalt durchgeführ-
ten Bemühungen Bpaeth'», locale Infectionen zu verhuteo.
Zudem sind, wie erwähnt, wurde, gerade auch in beiden Ab-
is*
.196 X. G. Veüf lieber die in der geburtehiilfl. Klinik in Bonn
theikingen des Wiener Ge1)ärhauses neuerdings Thatsachen
beobachtel worden, welche sich genügend nur durch die in-
feclionslbeorie erklären lassen. Erwäge ich endlich nicht bloss
die sonstigen Beweise für die Richtigkeit dieser Liehre, soo-
dem dabei auch noch, dass Mayerhof er ^ der Assis teoi der
ei*sten (Uinik, nicht mehr, wie Truher, das Medium für die
Inoculation der Vibrionen in der Luft sucht, sondern inzwi-
sdien zu der Ueberzeugung gelangt ist« dass der unter-
suchende Finger gewöhnlich den Träger der Vibrionen bildet,
so liegt mii* eine Deutung, welche auch in der ersten Klinik
nicht bloss mit der Verbesserung der Ventilation rechnet, un-
gleich näher.
In der geburtshülflichen Klinik zu Pest blieb der Ge-
aandheitszustand der Wöchnerinnen längere Zeit als in Wien
ein günstiger, weil die anatomische Grundlage später zur Gel-
tung kam.
In der Maternite zu Paris war die Mortalität bereits in
den Jalu*en 1798—1809 so beträcbüich, wie 1828—1848,
nämlich 4 ^/^ ; die Lehrerin, wie die Schülerinnen waren schon
in jener Zeit mit Leicbenoifnungen und anatomischen wie kli-
nischen Studien sehr eifrig beschäftigt* ^
In dem General lying-in Hospital, dessen im Vergleich
zu den anderen Anstalten London's höchst auffälliger Sterb-
lichkeit ich bereits gedachte, fand sich das Kindbettfieber bald
nach seiner Eröffnung im Jahre 1827 ein, und die Epide-
mien wiederholten sicli, so dass eine Schliessung des Hauses
mehrmals nötlüg wurde ^ bis 1842 incl. Im Februar und
März 1843 kamen noch im Ganzen zwei Todesfälle vor,
denen bis. zu Ende 1846 kein neuer nachfolgte. Der sum-
pfige Baugrund war bei der Anlage des Gebäudes durch Aus-
graben und zweckmässige Füllung beseitigt worden; die von
Ferguson als Quelle der schädlichen EfQuvien bezeichneten,
kaum dreissig Fuss von der Mauer entfernten, offenen Grä-
ben, welche eine stagnirende und in beständiger Gasentwicke-
lung begriffene Jauche aus dem angränzenden Armenviertel
aufnahmen, wurden im October 1838 mit grossen Kosten ge-
reinigt und überbaut. Da sich der Gesundheitszustand auch
jetzt nicht dauernd besserte, liess Righy zu Anfange 1842
den iiet<j'schen Wärme- und Ventilationsapparal anbriog«^.
Jm Sommer 18(*4 und Winter 1864/S6 uafgetreienen etc. 197
Ein Jahr später entdeckte Beid noch eine miasmatische Quelk»
in einer äbeli*iechenden Flössigk'eit, welche sich von dem
Grunde des K^llergewöJbes da, wo der Feuerheerd der Zug-
schornsteine angebracht war, in Folge der Verstopfung einer
Abzugsrinne hin und wieder erhob. Nach Beseitigung dieser
Quelle hörten die Slerbefalle auf. Dieser Wechsel in dem
Gesundheitsznstande ist anschf^inend ein eclatanter Beweis für
die miasmatische Genesis des Kindbettfiebers ; aber der Schein
trügt Als man nach der Ueberbruckung der genannten offe-
nen Gräben im November 1838 die Anstalt nach viermonat-
lieber Sperre wieder öffnete, starb auch elf Monate hmäurch
keine Wöchnerin, und im October 1839 ist die später ver*
dächüg erschienene Abzugsrinne wohl nicht schon verstopft
worden. Sie Jiesse sich höchstens für die Sterbefalle im No-
▼ember bis December 1842 und Februar bis März 1843
verantwortlich machen. Rigby leugnet die Bedeutung dieser
Verstopfung überhaupt, weil er jede Spur einer Kellerfeuch-
tigkeit ausser in der, an der Seite des Gebäudes liegenden
Wölbung vermissle. Rigby sieht in der Einrichtung der Ven-
tilation die erfolgreiche Maassregel, und schreibt den späten
Eintritt des Erfolges dem Umstände zu, dass das Dienstper-
sonal lange Zeit sich nicht abhalten liess, durch unzeitiges
Oeffnen und Schliesscn der Klappen alle Ventilation zu hin-«
dem. Auch hierin liegt nach meiner Ueberzeugung eine be-
deutende üeberschälzuog der Wirkung des i?67'c{'schen Ap-
parates. In dieser Ueberzeugung kann mich auch die Thal-
sache nicht wankend machen, dass die Sterblichkeit in der
Anstalt 1847—1850 nur 0.6% betrug, und von 1851, wo
die Ventilation wieder ausser Tbatigkeit gesetzt wurde, bis
1855 auf 2,6 % stieg* Mir ist zwar bis jetzt nidit bekannt ge-
worden, wie sich die Gesundheitsverhältnisse dort seit 1856, wo
Rigby den Ventilaiioiisapparat abermals einführen wollte, ge-
staltet haben, aber ich muss darauf zurückkommen, dass im
General lying-in Hospital zwei Plätze für junge Aerzte mit
Functionen, die in eifrigen Händen gefahrlich werden, existiren.
Die beständigen Fluctuationen in den Morbilitäts>
Verhältnissen.
Die Thatsache, dass das Puerperalfieber auch in den
Hospitälern seinen epidemischen Charakter bewährt, kann an
198 X- <^- ^^t Uftber di6 in der gebnrtabfllfl. Klinik lu Bon«
und für sich eben so gut die Inrectionstbeorie wie die mias-
matische Genesis erhärten. ' Schwierig erscheint es mir, vom
erstgenannten Standpunkte aus den Einfluss der Jahreszeiten
auf die Morbilitäts- und Mortalitäisyerbältnisse zu deuten.
N^ch Hir8cV% Angabe traten von 137 Epidemien
72 im Winter,
28Mm Herbst,
27 im Frühling und
10 im Sommer auf.
In dem Hebammeninstitute zu St Petersburg erkrankten
nach* dem Bericht Hftgenberger*s während der Jahre 1845
bis 1849
im Winter von 2106 Wöchnerinnen 19.33 o/o und starben
4,18 „
15,09 „ und starben
3,41 „
14,98 ,, und starben
2,17 „
11,77 „ und staii>en
2,02 „
In dem Zeiträume vom 1. Januar 1841 bis incl. den letzten
Februar 1849 schwanlite in der Kh'nik für Aerzte zu Wien
die Mortalität
durchschnitU.
Betrag
9,1 7o
Frühling „
1934
Herbst „
2069
Sommer „
1927
im Januar zwischen 2,2^0 ""<^ 20,8 7« 1
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
October
November
December
0,7.,
0,0 „
0,6 „
0.8 „
1,1 „
0.4,.
0,0,.
0,9 „
2.3 „
2,9 „
1,3 „
7.1
6,8
la Prag betrug 1839—1845
die Morbilitltt
im Januar bis März 10,9 **/o
10,5 „
die Mortalität
^1* /o
im SomoMr 1«64 «a4 Winter 1864/66 aufgetretenen etc. 199
die MorbilitHt die Mortolit»t
im April bis Juni 8,8 7o 2,2%
„ Juli bis September 4^ „ IJ „
„ October bis December 7,7 „ 2,6 „
Im General lying-in Hospital zu London starben in den
Jahren 1829 bis 1840:
im Januar bis März 6,6%
„ April bis Juni 6,3 ,,
„ Juli bis September 1,0 „
„ October bis December 3,3 „
Das Winterhalbjahr ist sicher das ungesundere, und die
ersten zwei Zahlenreihen ergeben sogar ein« stufenweise Stei-
gerung der Morbilität vom Sommer durch den Herbst und
den Frühling zum Winter. Man kann diese Thatsache ent-
weder davon ableiten, dass in der schlimmen Jahreszeit hau*
figer Epidemien ausbrechen, oder davon, dass die ausgebro-
ebenen Epidemien alsdann eine grössere Ausdehnung erlanges.
Bei der ersten Voraussetzung wurde es sich darum handeln,
Ursachen ausjßndig zu machen, welche eine grössere Frequenz
sogenannter erster Fälle zur Folge haben; bei der zweiten zu
begründen, dass eine Verschleppung der Krankheit auf An-
dere weniger vermeidbar sei.
Die Zunahme der „ersten Fälle*' könnte darin ihren
Grund haben, dass eine grössere Menge von Gift in die An-
stalt von aussen eingeschleppt wird, oder darin, dass sich in
dieser selbst Gift bäujßger entwickelt. Semmdweiaa entschied
sich für die erste Alternative, indem er die Art der Be-
schäftigung des Assistenten und der Studirenden, sowie dep
grösseren Eifer der letzteren im Wintersemester hervorhob*.
Auch ich halte die von ihm bezeichneten Vorgänge keines-
wegs für irrelevant, aber doch gleichzeitig seinen Erklärungs-
vorsuch schon deshalb nicht für genügend, weil er nur für
die besonderen Verhältnisse Wien*s (und vielleicht auch Prag's)
zutreffen würde. Septische Stoffe werden auch nicht bloss
durch das lehrende und lernende Personal von aussen ein-
geschleppt, sondern gelegentlich ebenso von den Schwangeren
und Kreissenden, wenn diese mit Krankheiten behaftet eintre-
ten, mitgebracht. An verschiedenen Orten hat man auf die
Reception von Personen, welche an Typhus u. s. w. litten.
200 >"• ^- V^t, Ueber die in der ^cbortabSM. KKnik zu Bonn
(Ion Ausbruch einer Puerperalfieberepideniie folgen sehen,
und dif* Voraussetzung, dass solche Receptionen in den Win-
tennoiinten häufiger erfolgen, erscheint nicht zu gewagL Die-
ser Umstand mag insbesondere da, wo man aus anderen
Krankenhäusern oder aus anderen Abtheilungen des Hospitals
regelmässig Kranke, deren Entbindung bevorsteht, in die Ge-
bäranslalt transferirt, nicht ohne Bedeutung für die Verschlim-
merung des Gesundheitszustandes im Winter sein. So kann
derselbe beispielsweise in der Gebäranstalt der Charite zu
Berlin, welche im Sommer zum klinischen Unterricht der
Studirenden, im Winter zur Unterweisung der Hebammen be-
nutz» wird, und hn Winter einen ungleich ungAnstigeren Ge-
sundheitszustand aufzuweisen hat, mit in Rechnung kommen
mdssen. Nagel erwähnt unter den aus den anderen Ab«
theiiungen der Charite erhaltenen Individuen auch soldie,
welche an phlegmonösen, phlebitischen u. s. w. Processen
litten, und Virchow bezeugt das häufigere Vorkommen der
Phlegmonen im Winter. Die unter Cred4*& Direction im
Winter 1852/53 ausgebrocbene Epidemie ist augenscheinlich
ieingeschleppt worden; hier blieb die Anstalt verschont bis in
die Mitte März, wo Gebäi*ende schon krank aus der Stadt
und dem wegen einer Epidemie geschlossenen khnischen In-
stitute der Universität aufgenommen wurden. Ueberdies kann
es auch für die Gebäranstalt der Charite nicht gleichgültig
sein, dass die Assislenien im Winter (auch im Sommer?)
gleichzeitig in der gleichen Pynction auf der Abtheilung fQr
innere Kranke, wohin zur Beschränkung des Puerperalfiebers
auch die erkrankten Wöchnerinnen transferirt werden, Be-
schäftigung finden.
Die zweite Alternative, dass sich in den Winter-
nionaten in den Hospitälern selbst häufiger Gift entwickelt,
wurde von den Anhängern des miasmatischen Ursprunges fest-
gehalten, und diese wiesen dabei auf zwei Momente hin, auf
den grösseren Zudrang der Schwangeren zu den Gebäranstal-
ten und die Erschwerung der Ventilation.
Die Folgen der UeberfuUung.
Es ist nicht selten beobachtet worden, dass einer tem-
porären UeberfGlIung ganzer Anstalten oder einzelner Räume
im Sommer 1864 und Winter 1^4/66 «nf getretenen etc. 201
in denselben der Ausbruch des Puerperalfiebers auf dem
Fusse nachfolgte. Auf der anderen Seite steht aber ebenso
fest, dass häufig Epidemien auftreten und erlöschen, ohne
dass in jener Beziehung eine ungünstige oder günstige Ver-
änderung bemerkbar ist, und dass im anderen Falle in dem-
selben Gebärhause schon fräher liäofig genug eine Ueberföl*-
lung der Localitäten vorkam, ohne eine Epidemie zu bedin-
gen. Ferner hat Semmelweiss hervorgehoben, dass die
zweite Klinik zu Wien relativ stärker besetzt und trotz des-
sen von der Krankheit weniger, wie die erste, heimgesucht
war, sowie durch eine grosse Reihe tabellarischer Zusammen-
stellungen nachgewiesen, dass der günstigere oder ungun-
stigere Gesundheitszustand nicht mit dem geringeren oder
beträchtlicheren Bestände an Wöchnerinnen zusammenfiel
Endlich fehlt das Moment der UeberfüUung bei den Epide-
mien in den Privatwohnungen, und Alles, was wir hier und
bei den Hospitalepidemien über den Ursprung und die Ver-
breitung der Krankheit in Erfahrung gebracht haben, drängt
nothwendig zu dem Schlüsse, dass die iocale Infection min-
desten» der gewöhnliche Weg zur Eutwickelung und Ausdeh-
nung der Epidemien ist. Das Zustandekommen der Infection
setzt freilich das Vorbandensein eines inficirbaren Individuums
voraus, und dieses wird uns bei einer grossen Frequenz der
Anstalt sicherer zur rechten Zeit in den Weg geworfen werden.
Damm lässt sich gar nicht bezweifeln, dass die Zunahme der
Frequenz in kleinen Anstalten die Zunahme der Zahl der
Erkrankungen begünstigen nluss sowohl dadurch, d^ss leichler
„erste Fälle'' sich entwickeln, als dadurch, dass die Weiter-
verbreituug der Krankheit erleichtert wird. Soweit es sieb
daher uro eine Deutung des Einflusses der Jahreszeiten in
kleinen Anstalten handelt, muss die damit verbundene Fluctuation
der Frequenz mit in Erwägung kommen, ohne dass man dabei
gezwungen ist, die Entwickelung eines Miasma's in Folge dei*
Anhäufung von Wöchnerinnen zu statuiren. In grösseren
oder grossen Gebärhäusern ist immer Material in hinreichen-
der Menge vorhanden; die Zunahme desselben kann die ersten
Fälle nur in so weit vermehren, als damit nothwendig die
Zahl der spontanen Erkrankungen wächst, d. i. aber in sehr
wenig relevantem Umfange. Ob die Menge der Pfleglinge
202 X- ^: y^*j üeber di^ in der gebnrtahfilfl. Klinik sn Booa
noch in andei^er Weise einen Einfluss auf die SCerbliebkeii
hat, sollen die folgenden Zablengruppirungen zagen.
1. Gebärhaus zu Wien.
Zwischen 1785 und 1812 schwankte die Zahl der Ge-
burten zwischen 855 und 2346; Mittel 160a
Es starben:
bei weniger als 1600 Geburten (14 Jahre) 0,8%
„ mehr „ 1600 „ (14 „ ) 0,9 „
2. Rotunda-Hospitai zu Dublin.
Vom Jahre 1757 bis 1818 süeg die Zahl der Wöchne-
rinnen allmälig auf 3500; 1829 erhielt die Anstalt eine be-
deutende Erweiterung, und gleichzeitig fiel die Zahl der jähr-
lichen Geburten auf 2lXX) und darunter.
1758 bis 1829 incl. betrug die MorUhtät bei
Zahl von .
460— lOOÖ Geburten (23 Jahre) 1,2 7o
1001—2000 „ (23 „ ) 0,9 „
hO%
o
2001-5000 „ (21 „ ) 1,4„ J •
3001-3500 „ ( 5 „ ) 1.3« i ' "
Hod 1830-1849
bei weniger als 2000 Gebarten ( 8 Jahre) 1,9 % i t o «/
„ mehr „ 2000 „ (12 „ ) 1.0 „ j ^'"^ '•
3. Coombe lying-in Hospital zu Dublin.
Bei 306-427 Geburten (7 Jahre) 1,27« Todte.
„ 429-513 ., (7 ,, ) 1.1 „ .,
4. Maternite zu Paris 1821—1841 und 1843—1848.
Bei 2500—3000 Geburten (11 Jahre) 4,7% Todte.
„ 3001—3752 „ ( 8 ., ) 3.6 „ „
5. Duhaie' Klinik für Aerzte zu Paris 1835—1848.
Bei 242— 596 Gebuiten (7 Jahre) 5ß% Todte.
,. 730-1082 „ (7 „ ) 4.1 „
6. Klinik för Aerzte zu Wien.
In den Jahren 1841 bis 1846 war die HortalitSt in den
Sommer- Monaten (d. i. Mai bis September) viel geringer.
in 8«mmer 18<(4 und Winter t86^^ aiif|^etretea«n «tc. 208
und gieicbieitig die Frequenz der Aostalt viel häufiger iin«
beträcbtiich, als in den Winter-Monaten (October bis April).
Um daher den Einfluss des monatlichen Bestandes zu
ermitteln, scheide ich die beiden Jahreszeiten.
Im Winter betrug die Mortalität:
bei 201—250 Wöchnerinnen (13 Monate) 16, 47o
„ 251-275
w
(15
^>
) 11, 1 „
„ 276—300
«
(8
»1
) 10,«2 „
„ 301-336
n
(9
♦»
) 10,76 „
im Sommer:
bei 201—250
»
(14
f9
) 8,6.,
„ 251^310
« "
(10
»»
) 7, 9 .,
Thatsache ist also, dass in denjenigen Gebär-
bäusern, in welchen nicht schon bei einer gerin-
gen Anfullung die Bedingungen der Puerperal-
fieberepidemien häufig wiederkehren, auch die
Steigerung der Frequenz keinen nennenswerthen
Einfluss ausübt; dass hingegen unter entgegen-
gesetzten Verbältnissen die Zunahme der Zahl der
Wöchnerinnen zu einer Verminderung der rela-
tiven Sterblichkeit fährt.
Ein neuer Beweis für die Richtigkeit der Infections^
theorie.
Das hypothetische Miasma kann man sich entweder ate
ein im eigentlichen Sinne puerperales, d. h. erst durch die
Anhäufung vieler Wöchnerinnen auf demselben Räume ent-
stehendes denken, oder man kann seine Quelle in anderen
EfDuvien suchen, welche die in diese Atmosphäre versetzten
Personen einfach vorfinden. Gegen die Entwickelung eines
Puerperalmiasroa's sprechen schon die Zahlenreihen sub. 1.
bis 3. Will man trotz dessen diese Ansiebt festhalten, so
wird man sich vorstellen, dass das Miasma an Intensität ge-
weint, je grösser die Ueberföllung wird, und daher von der
Zunahme der letzteren eine weitere Vermehrung der rela-
tiven Sterblichkeit erwarten. Neigt man zu der zweiten der
möglichen Auffassungen von der Natur des HMiasma's, so muss
man voraussetzen, dass von dem Zeitpuncte an, wo das
Miasma in Wirksamkeit tritt, die absolute wie die relative
Sterblichkeit im Vergleich zu frfiher zunehmen, aber ebenso
204 X- ^- V^i Uebar die in der grebnrtshnlfl. Klinik la Bodii
auch, dass trotz einer weiteren Steigerung der Frequenz die
relative Sterblichkeit demnAchst die gleiche bleiben werde.
Nun zeigen die Reihen sub 4., 5. und 6., dass auch, nach-
dem der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen bereits ein
ungünstiger geworden ist, die Sterblichkeit durch die Zu-
nahme der Anzahl der Geburten in aufTallender Weise beein-
flusst und zwar vermindert wird; ja die gleiche Wirkung
spricht sich auch in den sub 3. und sub 2., Th. 2, aufge-
führten Zahlen aus.
Diese Thatsache erklärt sich durch die Infectionstheorie.
Diese verlangt, dass sich die Zahl der Erkrankungen nach
der Zahl der mit vei*unreiniglen Händen u. s. w. in Berüh-
rung kommenden Schwangeren und nöchnerinnen richte.
Hit der Zunahme der Zahl dieser letzteren vermindert sich
die Beachtung, welche das einzelne Individuum auf Seiten
des Assistenten, der Haushebarome u. s. w. findet; mit der Stei-
gerung der Frequenz hat daher eine grössere Anzahl von
Schwangeren das Glück unbeachtet zu bleiben, und die Folge
hiervon ist die Abnahme der relativen Morbilität und Morta-
lität. Ein Beispiel wird dies näher veranschaulichen. Neh-
men wir an, dass der vierte Theil der Erkrankten sterbe,
so berechnet sich die Zahl der Wöchnerinnen, welclie in
den 14 suh 6. genannten Sommer -Monaten erkrankten, auf
4 X 282 = 1128 gegen eine Gesammtsumme von 3285
Wöclioerinnen ; und in den zehn anderen Monaten zählen
wir 4 X 265 — 1060 Erkrankungen auf 3322 Geburten.
Dort wurden von 235 Individuen 80, hier 106 von 332 all-
monatlich inficirt, hier also im Vergleich zu dort sieben zu
w^nig. Diese sieben machen nur den 14 Theil der 97 Per-
sonen aus, um welche sich die Frequenz der Anstalt ver-
mehrt hatte. Es bedarf, um die sub 6. ersichtliche Abnahme
der Mortalität zu erklären, nur der Voraussetzung, dass sich
bei einer Zunahme der Wöchnerinnen um ^^/^ die Fürsoi;ge
im Ganzen um Vi6 vermindert, oder dass der fünfte Theil
des Zuwachses an Pfleglingen der besonderen Aufmerksamkeit
derer, .welche die Infection vermitteln, entgeht.
Auch die Erfahrungen , welche Hecker y ohne meine An-
sicht zu theilen, aus München milgetbeilt hat, beweisen, dass
die Epidemien, dort nicht auf einer Ueberfüllung beruhten.
im Sommer 1864 und Winter L864/66 aufgetretenen etc. 205
}l859/60 Stellte sich ein beträchtlicher Unterschied zwischen
der zahlenden und der kliuisdien Ablbeilung heraus, indem
auf der ersteren nur 4,9 ^/y, auf der letzteren 16,3 erkrank-
ten, während für die Dauer der Epidemie in der zahlenden
Abtheilung auf jeden Saal 60 Wöchnerinnen, in der klinischen
nur 51 kamen. 1861/62 fielen auf der klinischen Abtbei-
lung nur 474 Geburten gegen 715 im Jahre 1859/60 vor,
und den Wöchnerinnen standen anstatt, wie früher, vier, jetzt
sechs Säle zur Disposition; die Morbilität betrug 14,1^/^,
die Mortalität Sfi%. An Zahlenden waren 439 (gegen 449)
verpflegt; von diesen erkrankten 11% und starben 3,4%.
Diese Vorgänge sind eben nur ein neuer Beleg dafür, dass
bei der Verbreitung der Krankheit das den Unterricht genies^
sende Personal relativ sehr wenig in Betracht kommt.
Die vorstehenden Erwägungen werden \nich rechtfertigen,
wenn ich die UeberfuUung nur in kleinen Anstalten als ein
die Morbilität steigerndes Moment betrachte. Ueberdies zeigt
schon die früher niitgetheilte Statistik aus dem Petersburger
Hebammeninstitute an sich, dass auch bei der gleichen An-
zahl von Wöchnerinnen die Jahreszeit auf die Sterblichkeit
influirt. Im Frühlinge wurden ebensoviele Individuen ver-
pflegt, als im Sommer, und doch erkrankten 3,3% mehr;
im Winter die gleiche Zahl, wie im Herbst bei einem Mor-
büitätsverhältniss von 19,23% : 14,98%.
Dass
die Ventilation
bei der Erklärung des Einflusses der Jahreszeiten von Wich-
tigkeit ist, dafür spricht neben allgemeinen hygieinischen Ge-
sichtspunkten besonders die stufenweise Zunahme der Mor-
bilität vom Sommer durch den Herbst und das Frühjahr zum
Winter. Ein solcher Causalzusammenhang ist nicht wohl
denkbar, ohne dass man die Atmosphäre als eines der Me-
dien, durch welche die Verbreitung des PuerperalGebers er-
folgt, ansieht Er nöthigt indessen nicht zur Annahme einer
miasmatischen Genesis, d. h. er zwingt nicht zu der Voraus-
setzung» dass die Atmosphäre das einzige Medium bildet,
oder, dass die ungenügende Lüftung die hauptsächlichste und
erste Ursache des Ausbniches von Erkrankungen ist. Diese
206 X. (7. Veit, Uttber die in der gebarubttifl. Rüaik sa Boott
Voraussetzung wird schon widerlegt durch die Erfahrung,
dass in den veischiedeneii Wintermonaten in Wien die Mor-
talität ungemein gering war, dass in der Charite zu Berlin
im Winter 1853/54 die Saiubritätsverbältnisse bis zur Ein-
scbleppung der Krankheit gut blieben, und 1855^6 wenige
Erkrankungen vorkamen, sowie dass die demnäcbstige Unter-
bringung der Anstalt in einem zw^ckmässigeren Gebäude keine
günstigeren, wohl aber schlimmere Perioden bedingte, u. dergl.
mehr. Man kann sich auf das Zugeständniss beschräukeu,
dass unter Umstfinden die, sei es spontan oder durch lofection.
Erkrankten den sie umgebenden Theil der Atmosphäre mit
septischen Stoffen anschwängern und dadurch auf die Nach-
barschaft inficirend wirken, wenn ein genügender Luftwechsel
fehlt. Für die Richtigkeit dieser Annahme lasst sich der Er-
folg geltend macfien, welchen die Lüftung und Reinigung der
inOcirten Räume in vielen Epidemien gehabt hat, und von
welchem die Verbesserung der Ventilation in der General
lying*iu Hospital zu London und in dem Gebärhause zu Wien
anscheinend gekrönt war. Für sie kann man Beobachtungen
heranzielien , wie sie von Semmeltoeisa und AlthiU uiitge-
tbeilt werden. Als im November 1847 eine Person mit fer-
jauchender Caries des linken Kniegelenkes in das Wochen-
zimmer aufgenommen wurde und die Luft verpestete, traten
bei den anderen Wöchnerinnen Erkrankungen ein. Im Ro-
tunda- Hospital starb am 16. Juli 1854 in einem der zwei
in der kleineren Ahlheilung eines Saales stehenden Betten
eine Wöchnerin, worauf dieses Bett freigelassen, die übrigen
aber belegt wurden. Von allen Wöchnerinnen erkrankte jetzt
nur eine einzige, welche in dem an das inficirte zunächst
anstossenden Bette lag. Am 26. und 28. Juli wurden in
diese beiden Betten Wöchnerinnen gebracht, und beide starben
am 4. umi 5. August, während alle anderen in dem Haupt-
Iheile des Saales und den übrigen Räumen des Hospitals ge-
sund blieben. Die Verbreitung der Krankheit durch die At-
mosphäre wird vielleicht auch durch andere Beobachtungen
geslülzt, nach welchen das PuerperalOeber in einzelnen Epi-
demien auf einzelne Säle einer Anstalt beschränkt blieb.
Durch sie erklären sich manche Fälle noch, in welchen alle
BeiiiQliuiigt>n , finen amieren möglichen Weg der Infection
im Somiuer 1864 und Winter 1864/65 anfpotretenen etc. 207
ausfindig zu machen, gescbeilerl sind, und wird es am letcl^
testen begreiflich, dass beim Eintritt von Erkrankungen in
einem bis dahin gesunden Räume auch Wöchnerinnen, weiche
bereits die gefährliche Zeit des Puerperiums zurückgelegt
haben, und ohne dass eine Exploration erfolgte, ergriffen
werden. Auch die Erkrankung der Kinder erklärt sich unter
Umstanden so am bequemsten.
Wie gross der Einfluss einer mangelhaften Ventilation
ist, lässt sich zur Zeit nicht angeben. Ich bin möglicher-
weise geneigt, die Verbreitung der Krankheit durch die Laft
zu unterschätzen, kann sie aber jedenfalls nicht fflr den
hauptsächlichsten Weg halten. Den früher angegebenen Grün-
den will ich hier nur Folgendes hinzufügen. Will mau das
von ÄihiU bezeichnete Factum als ejnen Beweis für die
Verbreitung durch die Luft heranziehen, so lehrt dasselbe
gleichzeitig, dass nur, soweit eine mangelhafte Ventilation
nachweisbar war, die Lufl inficirend wirkte. In vielen Epi-
demien wurde festgestellt, dass in demselben Räume, in wel-
chem schwer Erkrankte lagen, andere Wöchnerinnen gesund
blieben, und umgekehrt Individuen, welche in besonderen
Zimmern verpflegt wurden, erkrankten.
Die Untersuchung des Einflusses der UeberfüUung und
der Ventilation hat mich schon von der Betrachtung der-
jenigen Ursachen, welche in der kälteren Jahreszeit eine grös-
sere Frequenz der „ersten Fälle"* bewirken können, weg und
mitten in die Beantwortung der Frage, warum die Verschlep-
pung der Krankheit hier weniger vermeidbar s^i, geführt.
Gewiss kommen in letzterer Beziehung auch der grössere
Eifer der Assistenten u. s. w., die grösseren Schwierigkeiten,
auf welche die Sorge fdr Erhaltung der Reinlichkeit stösst,
und dergleichen mehr, in Rede.
Nach meiner Meinung sind es daher verschiedene Fac-
toren, welche bei der Erklärung der Präponderanz des Puer-
peralfiebers in der kälteren Jahreszeit Erwägung finden müs-
sen, upd ich mache nicht den Anspruch, sie erschöpfend dar-
gelegt zu haben. Sie werden in verschiedenen Anstalten in
verschiedenem Umfange zu dem traurigen Ergebnisse bei-
tragen.
Sowie man in dem Puerperalfieber niclits weiter als das
208 ^^- MoMke, Bin nemer UnteravcHwigastahl
Resuitat eiuer sepUschen Infection siebt, muss man deo
Wunsch nach einer genaueren Aufklärung über die eigent-
liche Natur des septischen Giftes theilen, und folgerichtig den
hierauf gerichteten Bestrebungen die volle Anerkennung zu
Theil werden lassen. Zur Zeit steht nur die fernen läbnliche
Wirkung des septischen Giftes fest, während die Enlschei-
dung der Frage , ob es sich dabei um chemische Qualitäten
handelt, oder ob, wie Mayerhofer annimmt, die Vibrionen
die Infection vermitteln, der Zukunft vorbehalten ist Möge
uns die Verfolgung der verschiedenen Wege, auf welchen die
Antwort gesucht wird, bald die Entscheidung bringen.
Die geneigten Leser wollen entschuldigen, dass ich die
Gelegenheit zur Aufklärung eines Missverständnisses benutze,
welchem ich nicht bloss bei meinem Freunde Hecker ^ son-
dern, wie ich aus ßd. 23., Hefl 1., pag. 73. der Zeitschrift
ersehe, auch bei Spiegelberg begegnet bin. Ich habe in dem
kleinen Aufsatze in ßd. 19. nicht leugnen wollen, dass Um-
schiingungen der Nabelschnur auch schon vor Eintritt der
Geburtswehen schädlich wirken können — an Beweisen für
diese Thatsache fehlte es nicht — vielmehr nur der Ver-
anlassung entbehrt, hierauf einzugehen, weil ich nur die Vor-
gänge bei dem Geburtsacte einer Besprechung unterwarf.
XL
Ein neuer ünterBUchungsstuhl ftir die gynäko-
logische Praxis.
Von
Dr. Ernst Mauke,
Arst in Hamburg.
Mit einer Tafel Abbildungen.
Bei der grossen Bedeutung, die eine Untersuchung der
weiblichen Genitalien bei irgend welchem Verdacht auf Krank-
hi9it derselben för eine rationelle Einleitung der Behandlung
für die ^näkologisebe PraxU. 209
bat, ist es in hohem Grade zu bedaueru, da&s dieselbe so
oft auf Schwierigkeiten stösst» die Seitens der Patientionen
gemacht werden. Es giebt aber noch eine andere Schwie-
rigkeit, die in der Privatpraxis den Erfoig einer Jocalen Un-
tersuchung oft mehr weniger in Frage stellt, und dieses hin-
sichtlich der passenden Lagerung der Kranken zur Inspecüon
und eventuell manuellen Behandlung der Genitalien«
Den wesentlichen, dem Zweck der Sache entsprechenden
Bedingungen, namentlich gutes Licht, freie Lagerung der
Genitalien, uud diese in der richtigen Höhe entspricht das
gewöhnliche Bett am wenigsten; denn nur selten, — und immer
nur mit vielen Umständen — lässt sich ein Bett so rucken,
dass die Tagesbeleuchtung filr die Inspection ausreichend ist;
andererseits lässt sich eine kunstliche Beleuchtung, die jener
Cd)rigens an sich immer nachstehen möchte, immer nur mit
vielen Schwierigkeiten anwenden. Was aber femer die Lage
der Kranken in einem Bette betrifft, so ist dieselbe für eine
Besichtigung der Genitalien ganz gewiss sehr ungünstig ; denn,
auch wenn man ein Querbett herstellte, würde in der gerin-
gen Höhe des Bettes immer ein nicht unerheblicher Nach-
theil fortbestehen.
Vorrichtungen durch zusammengerückte Stühle theilen
hinsichtlich der Beleuchtung dieselben Nacbtheile mit einem
Bette, und sind ausserdem für die Kranken im höchsten
Grade unbequem und lästig.
Dem Zweck am meisten entsprechend wäre ein Tisch
mit angerückten. Stühlen. — Dem Wesen der Sache nach
sind in dieser Weise ja auch die Vorrichtungen der grös-
seren Kliniken und Spitäler construirt, nämlich hochbeinige
Tische mit oder ohne Fussbreller. — In der Privatpraxis
aber möchten sich wohl nur in ganz seltenen Fällen Frauen
des höheren Standes dazu bereit erklären, sich, sei es im
eigenen, sei es im Hause des Arztes, auf einen Tisch behufs
der Untersuchung zu legen. — So kommt es denn, dass der
Arzt, will er eine genaue und gründliche Untersuchung an-
stellen, ein ßedurfniss nach einem eigens zu diesem Zwecke
construirten Stuhl empßnden muss.
Wir glauben nicht, dass man uns wird einwerfen kön-
nen, duss ein gut construirtrr Untersuchungsstuld wohl seinen
MonaUsohr. f. Geburtsk. 1866. Bd. XXVI., Hft. 8. 14
210 ^I* ^' Mmtke, Bin neuer ünUrioehanKsstnhl
Werth in gewissem Grade habe, dagegen aber die, der Un-
tersuchung ohnehin entgegenstehenden Schwierigkeiten yei^
mehre, indem eine Frau sich dann am allerwenigsten zur
Untersuchung entschtiessen würde.
Verständige Frauen, die als solche auch leichter von
der Wichtigkeit der Untersuchung zu überzeugen und daher
für dieselbe zu gewinnen sind, werden sich gewiss ohne
Weiteres bereit erklären. Weniger einsichtsvolle Frauen wür-
den dagegen eine Untersuchung im Rette wohl vorziehen;
bleibt aber der behandelnde Arzt nur standhaft, sich mit
der Zeit auch fügen.
Der Arzt kann durch Beharrlichkeit allein mit der Zeit
das Vorurtheil der Frauen abschwächen, dass sie gegen die Un-
tersuchung haben aus einem hier verkehrt gezeigten Schamge-
fühle. Uebrigens wird es vielleicht den Frauen doch bei Wei-
tem unangemessener sein und undecenter erscheinen, sich,
besonders im Hause des Arztes, auf ein Sopha oder gar einen
Tisch zu legen, als auf den für den bestimmten Zweck con-
struirlen Untersuchuiigsstuhl , der nur ihren Leidensgefähr-
tinnen gedient hat und dienen wird.
Mancher Praktiker, der als Gerichtsarzt oder specieller
Frauenarzt seine Praxis übt, hat sich wohl eine für seinen
Zweck brauchbare Vorrichtung anfertigen lassen, ohne aber
dieselbe dem ärztlichen Publicum bekannt zu machen. ^] So
kommt es, dass bei dem übrigens durchaus nicht bestehen-
den Mangel an Maschinerien und Apparaten für mediciniscbe
und chirurgische Zwecke, unser Gegenstand eine äusserst
beschränkte Vertretung findet, ja dem Inventarium eines Ban-
dagisten wohl meistens eine ganz fremde und nicht gehal-
tene Waare ist.
Dem praktischen Arzte kann nur ein solcher Stuhl von
wirklichem Werllie sein, der ohne viele Umstände aufzustel-
len, und ebenso leicht wieder fortzuschafien ist, der ferner
ein möglichst kleines Volumen hat, und endlich hinsichtlich
des Kostenaufwandes eine billige Grenze nicht übersteigt
1) Vor einif^er Zeit veröfiontlichte Dr. Baumgärtner in Buden-
Baden in der „deutschen Klinik" die Construction eines Unter-
NUcliungMMtiihles.
für die g^yn^akologische Praxis. 211
Diese Hauplbedingungen glaobt Verfasser durch seine
Gonslruction des Stuhls erföilt zu haben, und die Ueber-
Zeugung, dass auch ein kleiner Beitrag für die Praxis dem
ärzüichen Publicum nicht vorenthalten werden muss, be-
stimmte ihn dazu, die Veröffentlichung zu machen.
Der von mir construirte Stuhl ist aus bestem Schmiede-
eisen (^/g" breit, V/ d»ck) gefertigt. ^) Eiserne Stangen
kreuzweise durch Schrauben lind Muttern aneinander gehalten,
bilden das Gerüste des Stuhles; die so gebildeten Beine
sind zur Festigkeit des Ganzen durch eiserne Stäbe verbun-
den. Unter die Fusse ist je ein Holzsuckel mittels Schrauben
beCestigt. Um £tas Gleichgewicht des Stuhls herzustellen,
sind die Verbindungspunkto der kreuzweise gestellten Beine
möglichst hoch constiwt (Fig. 1. c), so dass die Füsse
weit vor und hinter dem Sitze hervorragen. Der Punkt c.
bildet ein Gelenk, das ein vollständiges Zusammenstellen der
Beine gestattet. An die vorderen Stuhlbeine (Fig. 1. a. c. e.)
sind die Fussbretter (Fig. 1. h,) aus Holz mit Leder überzogen,
auf dem eisernen Gestelle (Fig. 1. m.) construirt, durch
eine abnehmbare Schraube gehalten, durch welche Einrichtung
sehr leieht eine höhere und tiefere Stellung der Fussbretter
ermöglichst ist. (Fig. 1 . p.)
' Die beiderseitigen Verbindungsstangen der oberen End-
punkte der Beine (Fig. 1. d e.), in der Mitte durch ein Ge-
lenk (Fig. 1. /.) getheilt, in dem Punkte/, und c. durch
eiserne Stäbe mit denselben der anderen Seite verbunden,
bilden das Gerüst des Sitzes; auf dasselbe ist das Sitzpolster
(^\^* Holz, \^l^ hoch gepolstert, mit Leder überzogen) ein-
fach darauf zu legen, indem eine Leiste an der unteren Fläche
des Sitzpolsters am Punkte /. ein Verrücken des Ganzen un-
möglich macht. Das Polster ist, zur möglichst freien Lage-
rung der Genitalien vorn mit einem Ausschnitte versehen.
Die Lehne des Stuhls, aus einem eisernen Rahmen mit
1) Der Verfertiger ist Herr C H, A. Dannenberg ^ cbirnrg.
TnstramenteniDHcher und Bacdagist in llauiburg, Kaboiseii 70.
Der Pfeis ohtie Verpackung ist 18 Thlr.
14*
212 ^'* ^' Mo/ukt, Rio D6oer UoUr«ue)iiiog>9t°hl <^^^-
zwei Querstangen, mit ürafalgeflecbte gefüllt, ist beweglicb am
Sitz, und kann ganz herabgeschlagen werden an die Fö&sc
des Stuhls. Beim Gebrauche wird die Lehne durch eine Kette
(Fig. 1. L) die an den Funkien g, und d. beiderseits eia-
gehakt wird, an den Sitz in dem passenden Winkd gehallen,
welcher letztere durch Verlängern und Verkürzen der Kette
(die um den ganzen Stuhl herum läuft) beliebig gross und
klein gemacht werden kann.
, Für die vollkommene Festigkeit des Ganzen ist es in-
dessen am passendsten, dass die Kette so befestigt wird, dass
die Lehne in derselben Ebene liegt mit den vorderen Stuhl-
beinen , was auch für die bequeme I^gerung der Kranken
vollständig hinreicht. Die Lehne ist übrigens, um das Ganze
beweglicher und leichter zu machen, nicht, gepolstert; ein
Kissen kann zur Bequemlichkeit der Kranken unter Kopf und
Rücken gesteckt werden.
Durch die Einrichtung der mittels eines Schraubenschlüs-
sels fest und lose zu stellenden Scharniergelenke, ist nun
die Bedingung des sehr leichten Auf- und Wegstellens des
Stuhls entschieden in genügender Weise erfüllt
Zur Zusammenstellung des Stuhles nimmt man das Sitz-
polster ab, löst die Kette der Lehne, und lässt diese bis an
die Stuhlbeine nach hinten herabschlagen, und ergreift nun,
nachdem man die Kette durch einen Knoten etwa an eine
der eisenien Stangen des Sitzes geknüpft hat, die vordere
Verbindungsstange des letzteren (am Punkte /. Fig. 1.) mit
der Hand, und bewirkt durch ein einfaches Emporziehen der-
selben, ein vollständiges und haltbares Zusanmienschlagen des
ganzen Stuhles, der dann ein Bild zeigt, wie Fig. 2. es wie-
dergiebt, welches, wenn man noch die abnehmbaren Fuss-
bretter und die lose Kette entfernen will, einem Ofenschirm
nicht unähnlich ist. — In derselben leichten Weise geschieht
das Aufklappen des Stuhles, nämlich durch einfaches Entfer-
nen der Stuhlbeine von einander, Aufschlagen der Lehne,
Befestigung derselben durch die Kette und Auflegung des
Sitzpolslers. Das Bild des Stuhles für den Gebrauch zeigt
Fig. 3.
Hinsichtlich des Aufsleigeus ist noch zu bemerken, dass
die Kranken beim AoHrelen am besten die Verbindungsstange
XU. Ho/mann, Gerichtliche Gatachten etc. 213
zwischen den vorderen Beinen des Stuhles (Fig. 1. am Punkt
t.) benutzen.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass trotz der leichten,
wenn auch eisernen, Construction, die Festigkeil und Sicher-
heit des StuWes der Art ist, dass auch sehr schwere und
corpulente Personen sicher und ohne etwas zu besorgen, den
Stuhl besteigen können.
XIL
Gerichtliche Gutachten über fleischliche Vergehen.
Von
Prof. Dr. Hofmann in Mönchen.
Nachforschung wegen behaupteter Unzucht. Ge-
pflogen von der königl. Staatsanwaltschaft beim
königl. Kreis- und Stadtgerichte zu München
links der Isar.
Historisches.
Im October 1856 will die 14jährige A, geschlechtlich
missbraucht worden sein. Mehr als die bei der königl. Po-
lizeibehörde behauptete Thatsache des Missbrauchs liegt nicht
vor, über das Wie spricht sich das Mädchen nicht weiter
ans, als dass ihr die Sache „nicht viele Schmerzen'* verursacht
habe, und dass sie gleich nachher Harnbeschwerden gehabt
habe und noch immer — Januar 1857 — habe. Die von
mir im Januar 1857 vorgenommene Untersuchung ergab ganz
kindliche Formen und nur erst die schwächste Andeutung
geschlechtlicher Entwickelung. Es war Vaginalblennorrhöe zu-
gegen, aber keine Spur einer Verletzung der Geschlechtslheile
wahrnehmbar; das Jungfernhäutchen war vorhanden und hatte
eine äusserst enge Oeffnung und gewulstete Ränder.
Gutachten.
Es ist vollständig gewiss und unzweifelhaft, dass dieses
Mädchen mit einem normal gebauten Manne noch nie einen
214 Xn. Ho/mann, Gerichtlielie QnraehteD
dpiririigen Beischlaf gepflogen, dass der Penis ganz und seibsl
nur grOsstentheils in die Scheide gekommen wäre. Biiie
solche Annahme schliesst die unversehrte BeschafleuheiC der
noch kindlichen Geschiechlstheile und die Enge der Hyme-
nHiölThiing geradezu als unmöghch aus. Wenn dieses Mäd-
chen je einem Manne cohabitirt hat, so trat sicher nicht der
Penis über die vorderste Spitze seiner Eichel hinaus in den
Scheideneingang und die Hymenalöffnung.
Die ursprüngliche anatomische Bildung des Hymen ist
hei den verschiedenen Individuen eine höchst verschiedene.
Deshalb muss auch ärztlich völlig dahingestellt bleiben, ob
die jetzige Hymenalbeschaffenheit die dem Mädchen A, von
Haus aus zukommende ist, oder ob eine schwache Dilatation
auf die FlymenalölTnung eingewirkt habe. Der weisse Fluss
kann ebensowohl Entwickehjngsvorgang als Folge eines Miss-
brauchs sein. Die angeblich jetzt noch vorhandene Beschwe-
rung im Harnhalten kann wiederum mit dem weissen Fluss
zusammenhängen, oder auch Folge eines Misshrauchs sein.
Es steht sonach ärztlicherseits nichts im Wege, wenn juristi-
scherseits ein Nachweis eines derartigen Missbrauches gelie-
fert werden kann, anzunehmen^ dass die Penisspitze oder ein
derartiges Diiatatorium bis an den Scheideneingang und bis
au die Hymenalöffnung gelangt sein könne-, einen derartigen
Mtssbrauch aber ärztlicherseits nachzuweisen ist deshalb un-
möglich, weil ein solcher 'Missbrauch überhaupt keine Spuren
hinterlässt, und ärztlicherseits der concrete Befund auch mit
der Aimahme vereinbarlich ist, das überhaupt gar kein Miss-
brauch geschehen.
Es wurde keine (Untersuchung eingeleitet.
Staatsanwaltschaftliche Nachforschung wegen
unerzwungener Unzucht.
Historisches.
A., geboren am 25. August 1845, Pflegetochter des B^
und ihre Freundinnen 6^, geboren am 1. Mai 1843, und />.,
geboren am 23. October 1839, sollen nach ihrer Angabe im
Frühjahre 1853 vom B, auf folgende Art zur Unzucht ver-
führt worden sein:
über fleiachllche Vergeheo. 215
B, &o]l ihnen, tlieils jeder allein, Iheäs je zweien und
allen dreien zusamineo seinen Penis gezeigt^ sich auf ein
r hohes Schenoelchen gesetzt, und die Ä. und C. — denn
die Z>. kam ihm immer aus — auf seinen Schoss rilüings
üher seine Oberschenkel gesetzt haben. B. habe nun die
Röcke empor-, und seinen Penis entweder ungefähr 1" weit
in ihre Scham geschoben, oder auch ihr mit seiner Hand in
ihrer Schamspalte auf- und abbewegt haben. Dies habe den
Kindern nicht nur keinen Schmerz gemacht, sondern sehr
wohl gethan, daher sie sich auch gerne bereitwillig fanden.
So weit die Angabe der Kinder.
Bei der gerichtsärztlichen Besichtigung wurden der Penis
des B. sowie die Geschlechtsüieile der Kinder ganz normal
getroffen; die Hymen und deren Oeffnungen, dann die Scham-
lippenbändchen waren ganz unversehrt bei allen drei Mädchen.
Die Geschlechtstheile des B. normal.
Der königl. Herr Staatsanwalt stellte mir die Frage:
Ist es möglich, dass — ganz objectiv betrachtet —
ein mit normalem Penis begabter kräftiger Mann von
38 Jahren mit seinem erigirten Penis zwischen den
Schamlippen von 8 — lOjährigen mit normalen Geschlechts-
theilen versehenen Mädchen solche Manipulationen, wie
sie die Mädchen vorbringen, vornehmen kann, ohne dass
hierdurch die grössten Schmerzen durch Auseinander-
zerren der grossen und kleinen Schamlippen entstehen
müssen ?
Ich gab folgendes
Gutachten
ab:
Die mir gestellte Frage muss unbedingt bejaht werden,
und es kann auch nicht ein einziger Grund für ihre Ver-
neinung aufgeführt werden. Die Schamlippen sind Weich-
thoile und bq^itzen eine grosse Nachgiebigkeit. Man kann
jeden Augenblick den Versuch machen und einem 8—10 — 12
jährigen Mädchen die grossen und kleinen Schamlippen aus-
tiinanderziehen , so dass der Sdieideoeinganginit den 8chei>
denklappen frei für das Gesicht zu Tage liegt, und diese
Manipulation wird den Mädchen nirht den geringsten Sdimerz
216 XII. Ho/mann^ Gerichtliche Ontacfaten
machen. Was die Finger können, kann eben so gut die
Eichel des Penis. Schmerz wird in beiden Fällen erst ent-
stehen, wenn der dickere Finger oder dickere Penis nach
Durchschreitung des zwischen den Schamiippen und vor dem
mit dem Hymen geschlossenen Scheideneingange liegenden
Raumes d. h. des hinler der Schamspalle gelegenen soge-
narmten Scln^denvorhofes die engere Oeffhung des Hymen^
zu durchbohren Irachlet; und Finger und Penis können nicht
blos bis au das Hymen hin, d. h. bis in den Scheiden Torhof
ohne alles Schmerzgelöhl für ein Mädchen eingeluhrt werden,
sondern es entsteht nie Schmerz und kann keiner entstehen,
so huige Finger oder Penis nicht weiter als bis in den Schei-
deneingang und die Hymenöffnuug dringen.
Im concreten Falle sagen die Mädchen, der B. habe sei-
nen Penis in ihre Scham gethan, und eine derselben be-
zeichnet sogar die Länge des Nagelgliedes eines Fingers,
d. h. ungefähr 1", als wie weit B, seinen Penis in die Ge-
schlecht stheile gesteckt habe. Schmerz habe ihnen dieses
nicht verursacht, sondern eher wohlgethan. £s ist constatirt,
dass das Hymen der drei Mädclien unversehrt war, der Penis
des B. aber normal ist. Hält man ärztlich diese Aussagen
und diesen Augenschein zusammen, so ist als ganz gewiss und
unzweifelhaft anzunehmen, dass ß. seinen Penis mit der vor-
dersten Spitze nie weiter gebracht haben konnte, als höch-
stens bis an die Hymen hin, denn deren Perforation könnte
bei so jungen Mädchen durch einen normalen und erigirten
Penis eines Mannes nimmermehr geschehen, ohne grösstes
Schmerzgefühl seitens so junger Mädchen, und musste auch
der Augenschein der Spuren einer geschehenen Perforation
gezeigt haben. Wenn von den Mädchen ausgesagt wird, sie
hätten keinen Schmerz verspürt, sondern die Sache habe
ihnen wohlgethan, so liegt hierin nichts dem objectiven Be-
funde Widersprechendes: B. hat seinen Penis in die Scbam-
spalte der Mädchen gebracht, und ihn zwischm den Scham-
lippen theils durch die begegnende Kraft der PenismuskeJn,
theils durch seine Hand in Bewegung gesetzt. Das hat den
Mädchen nicht wehgethan und konnte ihnen nicht wehthun,
sondern that ihnen wohl und musste ihnen wohlthun, denn
die ^itze des Penis rieb den Kitzler. Tch finde in den Aus-
über fleiscbliche Vergehen. 217
sagen der Mädchen ärztlich nichts Ungereimtes sondern bloss
Gereimtes.
Nachforschungen wegen behaupteter No.thzucht.
Gepflogen von der kgl. Staatsanwaltschaft beim
königl. Kreis- und Stadtgerichte zu München.
Historisches.
Zum Zahnärzte X., 50 Jahre alt, nicht zum Besten be-
leumundet, jedoch noch nie in Untersuchung, kam die gut
beleumundete A, zum Zähneputzen. Sie ist geständig früher
ein Mal mit einem Manne sich geschlechtlich vergangen zu
haben. X machte der A, beim Anläuten an der Hausthüre
selbst auf, führte sie durch zwei unbewohnte Zimmer in ein
drittes und putzte ihr die Zähne, wobei die A. auf einem
mit hoher Rucklehne versehenen Lelinstuhl sass. Nach dem
Zähneputzen erklärte X, eine Gefälligkeit sei der anderen
werth, und langte der A, unter das Kleid an die Brust. Die
A, wehrte und sträubte sich, konnte aber bei ihrer behaup-
teten Kränklichkeit nicht verhindern, dass X. ihren Kopf
gegen die Rückwand des Lehnstuhles drückte, ihre beiden
Fasse über seine Schullern legte und so den Beischlaf mit
ihr vollzog. In welcher Stellung sich X befand, kann die
ii., die ganz erschrocken sein will, nicht angeben. Das
aber weiss sie gewiss, dass X, den Beischlaf vollkommen
vollzog.
Sofort begab sich die A, zur königl. Polizei - Direction
und brachte die Sache zur Anzeige. Die 2^2 Stunden nach
der behaupteten That vorgenommene polizeiärztliche Unter-
suchung ergab folgendes: Die A, ist ein Mädchen Anfangs
der zwanziger Jahre, von kräftiger Constitution und gesundem
Aussehen. An den Schamhaaren keine Spuren von Samen-
feuchtigkeit. Grosse und kleine Schamlippen normal, keine
Samenfeuchtigkeit an ihnen. Schambändchen unverletzt.
Schleimhaut rosig. Hymen nicht mehr vorhanden, keine Spur
«iner frischen Zerstörung. Scheideneingang und Vagina ziem-
lich eng, und berechtigt zu der Ansicht, dass die Beschä-
digte fleischlich noch wenig mitgemacht habe. Kein Fluor
albus, nichts Pathologisches an den Geschlechtstbeilen. Am
218 Xn. Hofinann, Geriehtlielie GnUchten
hinteren Tbeile des von der Ä. Tags vorher frisch angezoge-
nen Hemdes in der Gegend des Afters ein 3"— 4" laoger
und 2"~2V/ breiter Flecken von fast ovaler Gestalt, seinem
Ausseben nach glaublich von Samenflüssigkeit herrührend.
Die hönigl. Staatsbehörde stellte die Frage:
ob aus dem ärztlichen Augenscheine nach Massgabe
der in Betracht zu ziehenden Zeitverhältnisse (Zwi-
schenzeit zwischen dem behaupteten Reate und dem
polizeiarztlichen Augenscheine) ein Schluss dahin ge-
zogen werden könne, dass die von der A. behauptete
Notl)zucht nicht anzunehmen sei?
Gutachtliche Aeusserung.
Ich sehe nicht den entferntesten Grund, warum aus dem
polizeiärzllichen Befunde nach Massgabe der hier gegebt^nen
Zeitverhältnisse die von der A. behauptete Nothzucht nicht
sollte geschehen sein können. A. ist geständig, ein Mal
einer Mannsperson schon früher den Beischlaf gestattet zu
haben, und folglich konnte die ärztliche Untersuchung keine
frische Zerreissung des Hymen nachweisen. Ihr früherer
sittlicher Lebenswandel wird durch den Eindruck ihrer Ge-
schlechtstbeile auf den königl. Herrn PoUzeiarzt verificirt.
Dass bei der polizeiärztlichen Untersuchung an den Scliaro-
lippen und Schamhaaren keine Samenflussigkeit haftete, darf
nicht im Mindesten aufTalien, dieselbe hat sich in der Zwi-
schenzeit von zwei Stunden durch die Körperbewegungen am
Hemde abgestreift oder ist am Damme oder den Oberschen-
keln eingetrocknet. Auch muss keineswegs selbst unmittelbar
post actum Samenflüssigkeit nothwendig an den Schamliaaren
kleben. Mit einem Worte: der polizeiärztliche Befund ist
nicht im Geringsten in Widerspruch mit der von der A. be-
haupteten That; bietet anderei*seits aber auch keine Anhalts-
punkte zur objectiven Verificirung des angeblich Geschehenen.
Uebrigeas ist die behauptete Nothzucht noch keines-
wegs ganz klar. Die A. wird vom königl. Herrn Polizeiarzte als
eine kräftige, gesund aussehende Person geschildert Dass
eine solche junge Person so leicht von einem 50 jährigen
Manne mir nichts dir nichts in der behaupteten Stellung gegen
ihren Willen sollte roissbraucht worden sein, ist mir noch nicht
übAr fleiscbliehe Vf^rgebea. 219
SO ganz klar. Hat sie nicht geschrien ? warum nicht ? Wurde
sie so vom Schrecken übermannt, dass sie^ indem sie ihre
Fusse über X's Schultern hatle^ denselben nicht zu Boden
reissen oder doch wenigstens durch Bewegung des Hintern
am Einbringen des Penis hindern konnte? Wenn Ja, wodurch
war ein solcher Schrecken motivirt? Hatte X. etwa die
Thüre abgeschlossen? drohte er ihr vielleicht? wie? womit?
IJeberall all Das und noch so Manches Andere müsste eine
einzuleitende Untersuchung Aufschluss geben.
Es wurde keine Untersuchung eingeleitet.
Untersuchung wegen widernatürlicher Unzucht.
Geführt beim k. Kreis- U.Stadtgerichte zu München.
Historisches.
Die kleine sechs Jahre alte A, ist ein für 'ihre Jahre
geistig ziemlich entwickeltes Kind ; sie fasst den Sinn alW
Fragen rasch und richtig, ihre Antworten sind prompt und
präcis, und man überzeugt sich alsbald bei einer Unterredung
mit ihr^ dass sie für erlebte Dinge ein treues Gedächtniss
bat. Dieses Kiud sagt aus, der B. habe es im Winter
1853/54 öfter an seine Wohnung hingelockt^ es dann um
den Leib gegrilTen, auf die Stiege oder sonst au einen pas-
senden Ort hingestellt, ihr die Böcke emporgehoben, und
dann mit den Fingern an ihren Geschlechtstheilen gespielt.
Schmerz hat der B. dem Kinde nach der Aussage dieses nie
bereitet; auch die Mutter bemerkte an dem Kinde nie elnas
Aussergewöbnliches, oder dass es je über Schmerzen an den
Geschlechtstheilen geklagt hätte.
Die von mir am dritten April 1854 vorgenommene Un*
tersuchung des Mädchens ergab an den grossen und kleinen
Schamlippen, am Mittelfleische und Scheideneingange nichts
Pathologisches. Frenulum labiorum und Fossa navicularis
unversehrt Schleimhaut des Scheideneingangs normal und
gesund. Hymen zugegen, mit einer erbsengrossen , runden,
mit gewulsteten Bändern versebenen Oeflnung.
Die Finger des B, sind eher dick als schlank.
320 XU* Hofmann, Qerxchtlicbe Gutachten
Gutachten.
I.
Dass sich die angeblichen Spielereien des B,
mit seinen Fingern an den Geschlechtstheilcn
der A, soweit erstreckten, dass derselbe einen
seiner Finger dem grössten Theile seiner Lange
nach in die Scheide des Kindes gebohrt hatte, ist
im höchsten Qrade unwahrscheinlich.
Es wird ärztlicherseits eingeräumt, dass die Geschlechts-
theile eines Mädchens vom Alter der A, wie überhaupt die
Geschlechtslheile des Weibes in hohem Grade nachgiebig sind
und dass ein massig dicker Mannsfinger durch das Loch des
Jungfernhäutchens eines solchen Mädchens, und ganz beson-
ders, wenn er sehr vorsichtig, schonend und langsam bohrt,
allerdings eindringen kann, und zwar seiner ganzen Länge
nach; aber doch nur unter lebhaftem Schmerzgefühl seitens
des Mädchens, und dürfte in der grössten Mehrzahl der Fälle
das Jungfernhäutchen wenigstens einer theilweisen Zerstörung
unterliegen. Im concreten Falle widerspricht die kleine A
jemals ein Schmerzgefühl gehabt zu haben; / der die Oeff-
nung ihres Jungfernhäutchens umkreisende Rand ist zwar ge-
wulstet — was auch ursprüngliche Bildung sein kann, denn
die Beschaffenheit des Jungfernhäutchens ist eine sehr ver-
schiedene — aber dasselbe ist doch noch zugegen, eine ge-
schehene Verletzung an ihm ist nicht ersichtlich, und die
Finger des B. gehören eher zu den dicken als zu den
schlanken. Aus allen diesen Gründen wird es im höchsten
Grade unwahrscheinlich, dass derselbe jemals einen seiner
Finger der ganzen Länge oder selbst nur dem grössten Theile
der Länge nach in die Scheide des Mädchens gebohrt haben
sollte. Eine ganz andere Frage ist, ob
n.
allenfalls Bohrv ersuche gemacht worden sind oder nicht
— eine Frage, die gerade weil die ursprüngliche Bildang
des Hymens und die Grösse seiner Oeffnung so sehr nach
den verschiedenen Individuen schwankt, vom ärztlichen Stand-
punkte aus gar nicht beantwortbar ist. Von diesem Stand-
über fleischliche VergeheD. 221
punkte aus kaun nur die Möglichkeit eingeräumt werden, bis
zu einem gewissen Grade, ohne Schmerz zu erregen und
ohne der Integrität des Hymen Eintrag zu thnn, den Finger
eines Mannes in die Oeifnung eines Hymen eines 6 jährigen
Mädchens eindringen zu maclien, und folglich die Möglichkeit,
dass auch £., ohne der kleinen Ä. Schmerz zu verursachen
und ihr Jungfernhäutchen zu verletzen, allenfalls mit der ober-
sten Endigung seines kleinen Fingers .in die Oeffnung des
Hymen zu bohren vermochte.
Das Gutachten geht daher dahin, dass ärztlicher-
seits nicht ermittelt werden könne, ob die be-
haupteten Spielereien in Bohrversuchen bestan*
den haben mögen.
Die Untersuchung wurde eingestellt.
Untersuchung wegen Nothzucht. Geführt beim
königl. Kreis- und Stadtgerichte München links
der Isar.
Historisches.
Am 23. September 1855 Morgens soll der A. die B.
auf freiem Felde angepackt, überwältigt und fleischlich ge-
braucht haben, wobei nach Angabe der Damnificatin das Glied
ganz in ihre Scheide gedrungen sein soll. Dje B. hatte sich
früher schon Männern preisgegeben.
Die von mir am 27. September 1855 vorgenommene
Untersuchung der beiden Persönlichkeiten ergab folgendes:
der Ä, ist ein 20 Jahre alter rüstiger Bursche mit normal
gebildeten Geschlechtstheilen. Die B. ist 21 Jahre alt, wohl-
gebaut, kräftig; ihre Genitalien deflorirt, übrigens ganz un^
versehrt.
Gutachten.
1) Durch das Bekenntniss der B., schon vor dem
23. September 1855 mehrmals mit Maqnspersouen Umgang
gehabt zu haben, ist conslatirt, dass der Zustand der De-
floration, welchen der Genitalapparat bei der Augenscheins-
eiimahme nachwies, nicht von der angeblichen Ueberwältigung
des 23. September 1855 herrührt.
222 ^11- Hofmonn, Gerichtliehe Gutachten
2) Damniflcalin hat ausser der zur Zeit noch im Be-
reiche ärztlicher Unmöglichkeit liegenden Beantwortung der
Frage ober allenfalls geschehene Concepiion aus diesem an-
gf^hlichen Misshrauche am 23. September 1855 keinerlei phy-
sischen Nachtheil geschöpft; dafür bürgt die bei der Unter-
suchung vorgefundene Integrität des Genitalapparates.
3) Vom A. kann gemäss seines Alters und der Beschaf-
fenheit des Gein'talapparates die Möglichkeit, den Beischlaf
mit einer Frauensperson nach Gebühr vollziehen zu können,
gar nicht beanstandet werden.
4) Ob am 23. September 1855 zwischen den fragltcheD
beiden Personen geschehen, und wenn ja, welcher Art dieser
Begattungsakt war, — diese Frage ist in concreto für den
Arzt unbeantwortbar, da sich an beiden Personen nach kei-
nerlei Richtung Erscheinungen vorfinden, die das Eine oder
Andere beurkunden könnten. Ich habe nur zu bemerken,
dass das Verbältniss körperhcher Kraft der J3. dem A, ge-
genüber ein solches ist, dass es meiner Ansicht nach uner-
klärlich ist, wie der A., wenn er anders die Widerstands-
fähigkeit der B. nicht zuvor durch moralische Einwirkungen
beseitigte , gegen deren Willen durch blosse Gewaltanwendung
zum Zwecke hätte kommen können.
Die Untersuchung wurde eingestellt.
Untersuchung wegen Unzucht. Geführt beim kö-
nigl. Kreis- und Stadtgerichte München rechts
der Isar.
^ Historisches.
Im December 1854 lief beim königl. Kreis- und Stadt-
gerichte München rechts der Isar die Anzeige' ein , däss im
Juni 1853 ad. Juni 1854 die Taglöhnersbuben A., damals
13 ad. 14 Jahre alt, B,, damals eben so ah, C.^ damals
11 bis 12 Jahre alt, Z>., damals 9—10 Jahre alt, und £.,
damals 10—11 Jahre alt, die damals 10 — 11 Jahre alte F,
fleischlich gebraucht hätten. Das Mädchen F. klagte dage^
gen den damals 14 — 15 Jahre alten (?., den 13 — 14 Jahre
alten H, und den E. der That an.
Der Augenschein ergab:
über fleiflchlicbe Vergeben. 223
die Gesdilechtstheile der — Ende des Jahres 1854 —
12 Jahre allen F. hatten ganz kindliche Formen, und
war an den Schamlippen und am Mittelfleisch nichts
Abnormes wahrnehmbar. Die Schleimhant des Schei-
deneingangs war gerölhet, das Jungfernhäutchen vor-
handen und unversehrt, sein Rand ganz scharf und
ohne Einkerbungen. Auffallend war* nur die Weite der
Hymenöflhung , die grösser war, als man nach den
kindlichen Formen des Individuums hätten vermuthen
sollen.
Der Junge H., 15 Jahre alt, war bereits in die geschlecht-
liche Entwickelung getreten, der Schamberg behaart, die
Hoden gross, Hodensack und Penis entwickelt. Die Geschlechts-
theile des im 16. Jahre stehenden O, zeigten ganz kindliche
Formen und nur eine geringe Vergrösserung des Penis deu-
tete an, dass die geschlechtliche Entwickelung bei diesem In-
dividuum eben anzufangen beginne.
Der königl. tierr Untersuchungsrichter stellte mir die
Frage, ob die F, wirklich fleischlich gebraucht wurde, und
ob Knaben in dem in Frage stehenden Alter schon die Ffi-
higkeil zum Beischlafe besässen.
Gutachten,
ad 1.
Laut Angabe des Mädchens F. will sie vom £. , zur
kritischen Zeit 10 — 11 Jahre alt, dem H., zur kritischen
Zeit 13 — 14 Jahre alt, und vom Q.y zur kritischen Zeit 14
bis 15 Jahre alt fleischlich gebraucht worden sein. £., jetzt
[Jänner 1855] 12 Jahre alt, befindet sich notorisch noch im
Kindesalter. Der Knabe <?. war es jedenfalls noch vor
Va Jahre. Bezüglich der geschlechtlichen Entwickelung des
H, zur kritischen Zeit gestattet der jetzige Zustand seiner
Geschtstheile nicht den geringsten Rückschluss, ob er damals
schon in die Pubertät getreten gewesen. Ich glaube aber
diese Frage dennoch verneinen zu sollen, da die noch vor-
handene Integrität der Geschlechtstheile des Mädchens die
, Möglichkeit , dass je ein geschlechtlich entwickeltes Individuum
männlichen Geschlechts seinen Penis ganz in ihrer Vagina
gehabt habe, geradezu ausschliessf. Es wtlrde demnach die
224 Xn. Ho/mann, Gerichtliche GqtAchten
gestellte Frage lauten: ist die F. jemals von noch nicht in
das Puhertätsalter gelrelenen Knaben ßeischlich gebraucht
worden ?
Ich muss mir hierauf die Gegenfrage erlauben: was ist
fleischlicher Gebrauch?
Will darunter verstanden \verden« dass der Penis eines
dieser Knaben gant in ihrer Vagina je gewesen, so halte ich
dies für im höchsten Grade unwahrscheinlich. Die Dimen-
sionen eines kindlichen Penis sind zwar klein, aber die Weite
der Oeffnung in dem Hymen eines Kindes ist auch klein.
Namentlich der diese Oeffnung umgehende scharfe uotl un-
gekerbte Rnnd, wie er sich bei der F, zeigt, macht mir
höchst unwahrscheinlich, dass einer dieser Knaben je seinen
Penis in der Vagina des Mädchens gehabt habe, weil dann
doch eine oder die andere Einkerbung geschehen wäre, selbst
wenn die F. die Begaftung zugestanden hätte. Mit Gewiss-
heit traue ich mir aber die gestellte Frage deshalb nicht zu
verneinen, weil mir die Weite der Hymenöfffnung dter F, auf-
fiel, diese Weite von Natur aus bei den verschiedeneu Indi-
vidualitäten eine höchst wandelbare ist und ärztlich nicht
constatirt werden kann, ob im concreten Falle die Weite
eine natürliche oder künstliche ist.
Will unter „fleischlichem Gebrauch'' verstanden werden,
dass diese Knaben die F. hinlegten und ihren Penis in die
Vagina zu bringen versuchten, ohne dass sie jedoch mit
der Eichel weiter als bis an den die Scheidenöffhung ver*
schliessenden Hymen kamen — und ein geschlechtlicher Ge-
brauch resp. Misshrauch ist dies offenbar — so kann ärztlich
nichts gegen einen solchen Gebrauch, richtiger Missbrauch,
eingewendet werden. Ob etwas Derartiges aber geschehen
oder nicht, kann das Wissen des Arztes nicht ermitteln. So
viel ist richtig, dass wenn überhaupt die F. fleischlich ge-
braucht d. h. missbraucht wurde, dieser Missbrauch höchst
wahrscheinlich nicht weiter ging, als in diesem letzten Sinne.
ad 2.
Heischli^fsfähig ist jedes Individuum, dessen Penis eree-
tionsfaitig ist, wann es weiss, was es mit dem erigirten Penis
zu tliun hat. Dass bei Knaben fraglichen Alters bereits Erec-
übar aeitohliebe Vergeben. • 325
tionen vorkommen, ist nicht dem ieiseslen Zweifbi unterwor-
fen, denn sie kommen ja schon bei ganz kleinen Kindern
vor. Wussten daher die Knaben, wie sie ihren erigirten Penis
gebrauchen sollten, so kann auch ihre Beiscblafsfahigheit nicht
bezweifelt werden.
Die Untersuchung wurde eingestellt.
Untersuchung wegen Nothzucht. Gefuhrt beim
königl. Kreis- und Stadtgericht München rechts
der Isar.
Bistori-sches.
Im Sommer 1854 gebrauchte — so erzählt die jetzt
[Berbst 1855] 13 ^ und damals also noch nicht 12 Jahre
alte A. — der B. dieselbe wiederholt fleischlich in folgender
Art: B. gebrauchte nie Gewalt, sondern bloss Ueberredung.
Das Mädchen musste, während B, vor ihm stand, dessen
entbldssten und erigirten Penis in die Band nehmen. B.
legte femer die A. wiederholt auf das Bett und spielte dann
mit seinen Fingern an ihren Geschlechtstheilen , oder legte
sich auf das Mädchen hinauf und versuchte seinen Penis ein-
zubringen. Schmerz empfand die A. bei diesen Versuchen
sehr wenig. — So weit die Aussagen des Mädchens.
Die Genitalien des ISjährigen Kindes zeigten kindliche
Beschaffenheit. Das Byihen war vorhanden, seine Oeffnung
ungleich rund, gezerrt-rund, von der Grösse einer sehr gros-
sen Erbse. Die Ränder der Bymenalöffnung gewulstet, ge-
rundet, stellenweise eingekerbt, daher die ungleiche Rundung
der Oeffnung. Genitalschleiuihaut gesund. Die Geschlecbts-
theile des B. normal.
Gutachten.
Die A. behauptet, B. habe bloss mit seinen Fmgem an
ihren Genitalien gespielt und sieh auf sie hingelegt, und zwar
versucht, seinen Penis in ihre Geschlechlstbeüe zu bringen,
aber nicht wirklich einbringen können. Im Allgemeinen schon
lassen solche Bandlungen, wie hier vorgefallen sein sollen,
keine Spuren ander Missbrauchten zuröck, ass deren Gegen*
wart man einen Rückschluss auf deinen Geschehensein machen
MoBAUsobr. f. QebarUk. 1866. Bd. XZYI., Hfl. 8. ^^
8316 XII. Sofmatm^ Gerichtliche OaUchteo
könnte, und der Arzt befindet sich daher ganz aUgenc«
schon nicht in der Lage, eine ent8cheideAde Ansicht för oder
gegen die Wahrheit solcher Behauptungen aufstellen tu kön-
nen. Dies findet in erhöhtem Maaese in concreto statt, wo
einerseits die Hymenalöffnung der kindlichen Genitalbeschaf*
fenheit des Mädchens gegenüber verbaltnissoiässig weit und
und der sie umgebende Rand gewulstet und stellenweise ein-
gekerbt befunden wurde, und ein solcher Befund allerdings
nicht der ganz gewöhnliche bei vollständigster Integrität des
Genitalapparates in solchem Alter ist ; andererseits aber dem
gegenüber auch wieder festgehalten werden muss, dass die
ursprüngliche anatomische Bitdung des Hymen, seiner Oeff-
nung und des sie umgebenden Randes itn Zustande der In-
tegrität eine höchst variable ist. Es kann daher höchstens
vom äretliehen Standpunkte aus <fie Vermathung eingeräumt
werden, dass irgend ein dilatirendes Agens — sei es Finger
oder Penis oder sonst ein Analogon — auf den Hymen und
seine Oeffnung bei fragiichem Mädcheji bereits eingewirkt
habe, und diese Vermuthung drängte sich auch mir bei der
Autopsie auf. Ich möchte jedoch nicht haben, dass meine
Vermuthung so gedeutet werden möchte, als wollte icJi damit
sagen , es . habe wahrscheinlich etwas Derartiges statt«-
gefunden. Zum Wahrscheintichkeitsgrade kann icb vom ob-
jectiVen Standpunkte aus meine Vermathung nicht erhöhen.
Die Untersuchung wurde eingeftellt.
Untersuchung wegen Nothzucht, geführt beim
königl. Bezirksgerichte München links der Isar.
Historisches.
Im October 1857 fing der A, ein Liebesverhältniss mit
der Kellnerin B, an, 21 Jahre alt, welche beeidigt, zu da-
maliger Zeit noch Jungfrau gewesen zu sei«, die sich noch
niemals mit einem Manne begattet hatte. A, machte ihr
wif^erboh das Versprechen der Ehelichung. Am 26. Decero*
ber 1857 ging die B. mW dem A. spazieren, und lud sie
Letzterer ein, auf sein Zimmer zu gehen, welchem Antrage
die B,, nichts Böses ahnend ^ folgte. Im Zimmer angekom-
men — ob sonst noch Jemand in der Wohnung war, wei«
fiber fleiflchllehe Vergehen. 227
dfe -Q. nicht — drehte A, die Schlösse! heram, sperrte zu,
zog den Schlüsse) ab und steckte ihn in seine Hosentasche.
A. packte die B, um die Mitte des Körpers, wie die B.
erzählt, legte sie auf sein Bett, und wollte sie fleischlich ge-
brauchen , mit dem Versprechen und der Aufmunterung, ihn
nur gehen zu lassen; er mache nicht so viel, und wenn er
auch ein Rind mache, so sei er beim Bezahlen schon da;
es thue ihr nichts, da er sie ja doch heirathe. Die B. wollte
aber weder seinen Heiralhsversprechungen Gehör geben, noch
sich fleischlich gebrauchen lassen, weil sie noch eine reine
Jungfrau war und eben auch menstruirle. Sie sträubte sich
mit aller Gewalt, entwischte auch dem A. zwei Male vom
Bette herah, warf sich vor ihm auf die Knie und l)al mit
aufgehobenen Händen um Schonung. A öbermannte sie aber
jedesmal, warf sie wieder aufs Bett und legte sich auf sie
hinauf. Nach einem wohl % ständigen Widerstände war die
B. so erschöpft, dass sie sich nicht mehr röhren konnte und
sich wider ihron WHIen ergeben musste. Sie weinte und
bat, aber Alles vergebens; sie drohte zu schreien, schrie aber
nicht. A. kam >mK seinem Penis vollständig in die Scheide
der B., was ihr Schmerz machte. Ob eine Emissro seminis
geschehen, kann die B. nicht sagen, weil sie zu jener Zeit
menstruirte, und folglich ohnedies befeuchtet war.
Die B. war in Folge dieses unfreiwilligen Aktes acht
Tage lang unwohl und fohlte Schmerzen und Ueblichkeilen ;
sie hatte 2% Monate lang ihre Menstruation nicht mehr und
glaubte sich schwanger. Noch später machte A. der B. An-
träge, die sie aber jedesmal zurück wies. In der Zwischen-
zeit zerschlug sich das Liebesverhältniss hud A, wurde Bräu-
tigam einer Anderen. Die B. forderte von dem A. 300 Fl.
Defloralionsenlschädigung, die er nicht zahlte. Sie sagt selbst,
sie würde keine Klage erhoben haben, wenn der A, sie ent-
schädigt hätte. Da dies nicht geschah, brachte die B. die
Sache am 1. August 1858 bei der k. Polizeidlrection zur
Anzeige. Die vom königl. Herrn Polizeiarzt am 2. April 1858
vorgenommene Besichtigung der B. ergab normale Genita-
lien; der königl. Herr Polizeiarzt koipte einen massig dicken
Mutterspiegel beqnem einführen, und. glaubte zwar nicht mit
aller Sicherheit, aber doch mit Wahrscheinlichkeit behaupten
16*
228 ^'^* Hofman^n^ GertektUehe GnUchten
ZU können, dass die B. schon mehr als einmal» doch aucfa
nicht ungewöhnlich oft cohahitirt haben möge.
Es wurde strafrechüiche Untersuchung eingeleitet
Vor Allem hielt ich nicht aus ärztlichen sondern rich-
terlichen Rücksichten nöthig, Ocularinspection von dem Ge-
nitalapparate der B. zu nehmen. Auch dieser Nothzuchtsfdl
spielte nämlich^ wie die meisten Fälle derart, ohne jegliche
Zeugen zwischen den zwei betheiligten Personen allein, und
war vorauszusehen, dass die Pointe der ganzen Untersuchung
die Frage sein werde , welchen Glauben der Richter den Aus-
sagen dieser beiden Personen schenken wolle und solle.
Alles, was dazu beitrug, den Glaubwni*digkeitsgrad dieser
beiden Personen mehr und mehr festzustellen, musste vor-
aussichtlich dem Richter willkommen sein. Diess der Grund,
warum ich zunächst feststellen zu sollen meinte, ob die Aus-
sage der B.y nur dieses eine Mal und sonst nie in diesem
Leben cohahitirt zu haben, vom ärztlichen Standpunkte glaub-
würdig sei oder nicht Ich musste diesen Punkt um so mehr
ins Auge fassen, da die B»
1) ihrem Stande gemäss fast eher die Präsumtion für nicht
mehhge Existenz ihrer Jungfrauschaft zur kritischen Zeit
oder doch wenigstens ihrer Bereitwilligkeit für die da-
maligen Anträge der B. für sich haben mochte; und da
2) der königl. Herr Polizeiarzt einen massig voluminösen
Mutterspiegel bequem einfuhrin konnte, und aus dem
Augenschein im Widerspruch mit den Angaben der B.
über nur einmalige Cohabitation mit Wahrscheinlichkeit
die Ueberzeugung schöpfen zu können meinte, dass die
£., wenn auch noch nicht ungewöhnlich oft, doch be-
reits mehr als ein Mal den Coitus gepflogen haben
möge.
Dies die Gründe, warum ich vorerst eine Besichtigung
des Genitalapparales für nöthig hielt, deren Ergebniss folgen-
des war: die B. ist eine kleine, schwächliche Person. Ihre
Geschlechtstheile waren ganz normal. Der Hymen war voi^
banden und deutlich sichtlich. Nach unten und rechts, sowie
nach unten und links ^ar je ein tief dringender Einriss, so-
dass dem ganze Hymen dreilappig war. Von einer Umwaod*
lung dieser drei Lappen in sogenannte myrtenförmige Wärt-
aber fleischliche Vergehen. 229
eben, wie sich nach oftmaligem Coitus der Hymen nicht
selten umwandelt, war gar keine Rede, sondern waren diese
drei Lappen ganz deutlich sichtbar, und jeder derselben un-
versehrt. Die mit dem Scheideneingange zusammenfallende
Hymenalöffuung war so eng, dass ich zwar ohne besonderen
Schmerz zu erregen, meinen kleinen Finger bis zum dritten
Gliede, nicht aber meinen Zeigefinger einführen konnte, und
glaubte ich auf dieses Ergebniss hin nicht einmal einen Ver-
such der Einführung eines Hutlerspiegels machen zu dürfen.
Vorläufiges Gutachten.
1) Die Angaben der B, sind psychologisch glaubwürdig.
Psychologische Glaubwürdigkeit steht den Angaben eines Zeu-
gen oder Angeschuldigten zur Seite, wenn man aus einer
mit ihm geführten Unterredung die Ueberzeugung schöpft,
dass der Mensch seiner geistigen Sinne mächtig, von keiner
Seelenstörung befangen ist, und wenn seine Angaben ausser-
^ dem nicht den Stempel des Ungereimten , des Widersinnigen
an sich tragen. Alles das ist bei der B. der Fall.
2) Die Angaben der B. sind glaubwürdig.
a) Ihre Angabe, wie das Reat verübt worden, enthält bis
jetzt nichts Unglaubwürdiges. Dass die Kräfte einer
kleinen, schwächlichen, mit keinem grossen und nach-
haltigen Widerstandsvermögen ausgerüsteten Person im
Kampfe allgemach erlahmen, so dass sie widerstands-
unfähig wird, liegt in der Natur der Dinge. Ich finde
bis jetzt nichtS; was sich ärztlicherseits gegen die Glaub-
würdigkeit der B. über den Hergang der Dinge einwen-
den liesse, sondern muss vielmehr zugegeben werden,
dass ein schwächliches Frauenzimmer von einem kräf-
tigen Hanne allerdings su genothzüchtigt werden könne,
wie die B. genothzüchtigt worden zu sein behauptet.
b) Gegen die- Glaubwürdigkeit der Angabe der Ä, nur ein
Mal in ihrem Leben den Begattungsact vollzogen zu
haben, lässt sich ärztlicherseits keine Einwendung machen.
Es weicht in dieser Beziehung mein Gulachlen wesent-
lich von dem des königl. Herrn Polizeiarztes ab, der mit
Wahrscheinlichkeit annehmen zu dürfen meint, dass die
230 ^n. So/mann, GeriohtHebe OuUchten ^
B. bereits mehr als ein Mal cobabitirt haben möge.
In Anbetracht
a) der ausserordentlichen Verschiedenheit der Ge-
schlechlstheile nach blos einroaligem wie mehr-
maligen) Begattungsakte, dann
ß) der ausserordentlichen Lage des Scheideneingangs
und der ziemlichen Integrität des Hymens bei
der B.
würde ich nicht wagen, nur im Vermuthungsgrade, ge-
schweige im Wahrscheinlichkeitsgrade auszusprechen, dass
die B. sich schon mehr als ein Mal begattet habe, leb
' muss dabei stehen bleiben, das auf objectiver Unteriage
aus dem Zustande des Genitalapparales nichts Mehrere«
geschlossen werden kann, als dass sich gegen die An-
gabe der B, über diesen Punkt ärzllicherseils keine
Einwendung erheben lässt. Ein Schluss, der mehr als
dieses Negative enthalt, und in die Affirmation übergeht,
irrt von der objectiven Basis ab und stellt sich auf das
Gebiet der moralischen Ueberzeugung , das der Ant
nicht betreten darf.
A., 31 Jahre ah, ist von kleiner Statur, aber dem
Aeusseren nach zu urtheilen, einer augenblicklichen und nach-
haltigen Kraftentfaltung fähig. Er läugnete nicht, die B. ge-
braucht zu haben, jedocli mit ihrem Willen, und widerspricbt
jede Gewaltanwendung. Sie sei auch nicht mehr Jungfrau
gewesen, denn sie habe schon früher ein LiebesverhSltoiss
gehabt. Letzteres bewahrheitete sich bei DurcbfTihniDg der
Untersuchung.
Schlussgutachten.
Für gewöhnlich kommen bei der gericlitslrzüichen Wür-
digung jedes Nothzuchtsfalles die beiden Persönlichkeiten —
Notbzüchter und Genothzöchtigte — nach ihrer psychischen
und physischen Seite in Betracht. Da jedoch im concreteo
Falle die angeblich Genothzüchligte des psychischen Elementes
— Einwirkung von Schrecken, Angst, .Ueberraschung etc. —
gar nicht erwähnt, vielmehr aus ihren Angaben hervorgebt,
aber fl«iscblie^e Vergehen 231
dass derartigt psychische Momente gar nicht als Hdbelkräfte
von dem Angeschuldigten geltead gemacht, von der B. als
angeblich leidenden Theile wahrgenommen wurden» bo spielt
gegenwärtiger Nothzuchtsfall rein auf dem somalischen Terri-
torium, und wirft sich, da Thatzeui^en nicht zugegen waren,
eiBfach die Frage auf:
„überwiegt das körperliche Kraflverhältniss des A.
„derart das körperliche Kraflverhältniss der J3., dass
„deren Aussage Aber die vollzogene Nolhzucht ob-
„jectiv glaubwürdig erscheint?'^
B. ist eine kleine schwächliche Person ; A, ist ein klei-
ner, aber dem Anscheine nach einer nachhalligen Krafbenl-
wickelung fähiger Mensch. Die Intensität und Nachhalligkeil
körperlicher Kraflentfaltung aber, die man einem Menschen
zutrauen kann, ist etwas dem Arbitrium des Taxirenden An-
heimgestell les, wofür es kein Maass, kein Geweht giebt, wo-
mit eine Abwägung geschehen könnte. Ich — mich streng
auf dem objecliven Standpunkte ballend — wage nun, wenn
ich Körpergrösse und Körperkräfligkeil des A, und der B,
gewissenhaft objecliv abwäge, nicht, zu behaupten, dass
des Ersteren Körperkraft so überwiegend über die der B^
sei, dass ihm gelingen könnte, Letztere auf dem Wege phy-
sischer Ermödung, wie die B, behauptet, zu nolhzüch^
tigen. Ich wage diese Behauptung nicht, weil ich sit^ be-
weisen müssle, ich aber einen solchen Beweis niemals zu
liefern vermöchte. Ich wage aber ej)en so wenig zu behaup-
ten, dass die Annahme der B, unwahr und A, nicht im
Stande sei; die B, auf dem Wege der physischen Ennfidung
zu nothzuchtigen ; denn auch 'diese Behauptung müsste ich
beweisen , was ich ebenfalls nicht kann. Hiermit ,wird aber
die ganze Frage dem Standpunkte der Objectivität entrück!,
und auf den der moralischen Ueberz'eugung versetzt, d. h. auf
den Standpunkt, dass es Sache des Richters, nicht des Arztes
ist, sich eine Ueberzeugung zu verschaffen, ob er den An-
gaben der B, Glauben schenken will oder nicht Witl dies
der Richter, so kann er es mit gutem Gewissen, denn die
Wissenschaft des Arztes wird ihm nicht entgegentraten und
ihm sagen: Dies kannst Du nicbl lliun; dir' Wissenschaft des
Arztes wird sich vielmehr passiv verhalten und höchstens
232 XIII- Notiseii a«8 4dr .Tournal-Llterator.
sagen: Ich kann nicbts beitnigen, um Deine Ueberteugimf
zu stützen. Will aber der Richler sich eine gegentbeUige
Ueberzeugung bilden, so kann er dies mit nicht minder gutem
Gewissen, denn die Wissenschaft des Arztes wird auch nach
dieser Richtung bin ihm nicht in den Weg treten, ihm viel-
mehr die Hand bieten und ihm sagen: auch ich kann keine
(objectlve) Ueberzeugung schöpfen. *)
Die Untersuchung wurde eingestellt.
(Forts etftQDgf folgt.)
xin.
Notizen ans der Journal -Literatur.
0. Spiegelberg : Bemerkungen über H^belpessarien
und Hartgummisonden.
Auf die Empfehluag G. Braun'a (Wiener Wocbenschrift
27—31) hin wandte VeVf. die schon länger in England g^ebrancb-
ten Hodge*8thBti Hebelpessftrien gegen Versionen und Flexionen
des Uterus an. Nach seinen Erfahrongen kann dadurch eine
Retroversio gans, eine Anteyersio theilweise rectificirt, eine
Flexion aber nie aufgehoben werden. Die Uebelpessarien be-
wirken nach ihm dasselbe, was die Simpson* Bchen and Mayer*-
sehen Kinge thnn: eine Erhebung, Sttitsang und Flxirung des
Ut«ru8. Dennoch sieht Verf. die Hebelpessarien jenen Ringen
deshalb ror, weil sie leichter su handhaben sind, den Abflusi
der Sekrete, den Gebrauch yon Injectionen nicht hindern, und
weil sie besser ertragen werden.
Bei Knickungen benutzte Verf. mit Vortiieil die von C. Braun
empfohlenen Hartgummisouden (O. Braun im Wochenblatt der
Gen. für Aerste bu Wien. 1864. Nr. 16—19.]. Dieielben stel-
len die GebRrmutter nicht unyeränderlich fest, sondern erlauben
1) Ich glaube kaum erwKhnen zu diirf(*n, dass dieses Schlnss>
gutaohten nicht im Entferntesten mit dem früheren Gutachten
im Widerspruche stand. Letsteres war am Anfange der Untere
suchung abgegeben und stötste sich blos auf die Persönlichkeit
der B,{ das Schlussgutachten fusste aber auf beiden Persönlich-
keiten. «
XIV. Literatur. 283
derselben mit ihnen nach vorn, hinten 'nnd fleltlieh anesaweichen.
Der Vortbeil, den sie in dieser Besiehang yor den Simp»on*'
sehen Apparaten haben, lieg^ darin, dass sie viel leiehter lu
hantiren sind als diese, and dass eie weit weniger reisen. Der
Anlegung^ der Sonde wurde übrigens immer die wiederholte Auf-
richtung mit der gewöhnliehen Metallsonde und dann die Prfi-
fung der Reaction des Uterus auf dauerndes Liegen eines In-
strumentes in ihm mittels Laminariasonden yorausgeschickt.
Nach diesen Vorbereitungen Iconnte Verf. die Sonde' immer
länger, liegen lassen und daneben SoheideneinspritBungen und
medioamentöse Stoffe aur Unterstutsung der Cur applioiren.
(Wäraburger med. Zeitschrift VL Band. 1866.)
Ghrenet: Ueber Bysterocautomie.
Verf. empfiehlt yon Neuem die iimfi«sat*sche Methode, die
Lageabweiehungen der Gebärmutter durch Brennen des Schei-
dengrundes, und swar mittels des Glüheiseos an behandeln. Die
Brandnarbe bewirkt eine krKftige Znsammensiehung und stellt,
an der richtigen Stelle ausgeführt, das verlorene Gleichgewicht
der falsch gelagerten Gebirroutter wieder her. Gefahrep sind
nicht SU befürchten, Schmersen werden ksum gemacht, nur muss
stets das Eisen weissglühend sein.
Verf. berichtet über swanzlg nach der obigen Methode be-
ll andelte.Fftlle, elf Anteversionen, eine Betroversion, eine Ante-
lateroyersion, sechs Retroflexionen und eine Antefiexion. Alle
Flexionen und acht Versionen wurden geheilt, swei Anteyertlo-
nen gebessert, awei blieben unyer&ndert.
(Gaz. des hdpitaux. Nr. 58—58. 1866«)
XIV.
Literatur.
Casatif O,, secondo assistente cet., prospetto clinico della
regia scuola di ostetricia io Milano. MiL, Borroni, 1865.
VlIL and 183 S. 8».
Derselbe, rivista ostetrica e ginecologica. MiL, presso la
Societä per la pubbl. degli Annali Univ. delle Scienze cet
1864. 32 S. 80. V.
Bei der seltenen Gelegenheit, aber italische GebirbKueer
Bericht au erstatten, sei es erlaubt, einige aus obiger Jahres-
übersicht heryorgehende allgemeine Bemerkungen über die Mai-
länder Anstalt yoraussuschicken.
234 XIV. Litentnr.
Wir bAben hier mit. eiaetn grdsaereo lfAt«ri«le so tbttm
insofern als sieb die Zahl der jäfarlicben Geborten swiscben 600
nnd 600 bewegt; dasn hat Verf. es sich sar Haoptanfgahfi ge-
stellt, den objectiven Tbatbestand niöglicbet trea wiedersageben,
so das« sein klinischer Berieht werthToUes Snbstrat für Statistik
nnd znm Studium der Einseibeobachtungen enthält (p. I.). Einige
Notisen über die innere Einrichtung des Instituts entnehmen wir
der dem Jahresberichte yorangest eilten Einleitung des Directon
d. Z. Prof. Dr. La9wUL Sie erwftbnt dankend der Verbeaaemn-
gen und Neugestaltungen, welche das Ministerium des öffenl-
liehen Unterrichts tu Turin auf Vorschlag des betr. Directorinins
SU Anfange des Schuljahres 1864/66 (im November) im Getriebe
der Anstalt hat eintreten lassen.
Die Entbindungsanstalt in Mailand ist nämlich yorzngsweise
königliche Hebaitimenechule. Das vollendete 18. Lebensjahr be-
fähigt eine Aspirantin snm Eintritte in dieselbe. Die übrigen
Erfordernisse sind bei uns ähnlich. Dagegen besteht dort der
Lehrcursus aus einem theoretischen Abschnitte von fünf Mo-
naten, während welches die Schülerinnen sum Theil extern blei-
ben, d. h. ausserhalb der Anstalt wohnen nnd sich beköetigeD
könnep, und einem praktischen von vier Monaten, welcher alle
im Hause sesshaft macht. Zur praktischen Fröfong gehört
auch das Beibringen je zweier Geburtsgeschichten , von der
Ezaminandin schriftlich abzufassen. Ueber diese Fälle wird ver-
handelt, ehe man zu den Prüfungen am Phantome ver^chreitet.
Besteht die Schülerin, so erhält sie sofort da« Dyplom nur freien
Praxis. Der Oberhebamme ist in der Anstalt eine erste Gehülfit
beigeordnet mit Gehalt. Die beiden Hülfsärste müssen von nun
an zugleich in die in nächster Mähe der Anstalt befindliche Woh-
nung des Professors aufgenommen werden.
Der Jahresbericht des Dr. Covai«, welcher bereits über das
Jahr 1863 Sechenschaft abgelegt hat, verbreitet sich über die
Ereignisse von 1864. Diejenigen Wöchnerinnen, deren Erkrao-
ken ein längeres Verweilen in der Entbindungsschule anznträg-
lieh macht, werden in das allgemeine Krankenhaus (Spedale
Maggiore) abgeführt; dsdurch geht allerdings die üebersicht der
Enderfolge gewisser Krankheitsformen verloren.
Der Standpunkt der Mailänder Schule, nlso anch nnseref
Herrn Verf.'s, ist der des gemässigten Fortsehiittes auf den Ge-
biete der Geburtskunde; die Vorgänge im Auslände, namentlich
die deutschen Leistungen, finden eine den Italiener ehrende Auf-
nahme. Weniger erstreckt sich diese Auszeichnung auf die
übrigen medicinischen Fächer, soviel man ans der durch vorlie-
genden Bericht schimmernde Physiologie und Pathologie er-
schliessen darf — auf eine uns unbegreifliche therapeutische
Stabilität kommen wir noch sn sprechen.
So ist Beckeomessung stets mit grosser Sorgfalt aoge-
XIV. Literatur. 285
«teilt nnd reg^strirt, and fast re^l massig da» Haaas der aehräge«
Dnrchmeifser des grossen Beckens aufgeeeichnet; dagegen ge-
schieht des paerpernlen Osteophytes weder am Schädel noch am
Becken der verstorbenen Wöchnerinnen ErwHbnnng. Behufs
Bestimmung der Conjugata vera wird in Mailand ohne Ausnahme
ein Absng von 6'" von der Diagonalis gemacht. Zu welchen
Irrungen das bei einselnen rachitisch verengte Becken führt,
ist diesseits bekannt. Die Seife des Geborenen bestimmt
man dort bauptsftchlioh nach Ckaussier mit Hülfe des Abstandes
des Nabels vom Scheitel, auf die ganze Körperlänge bezogen.
Die Neugeborenen läset man in der Regel von der Mutter
stillen; hat letztere einen anderen als physischen Abhaltung«*
grund, so kann sie sich durch ein Sühnegeld von dieser Ver-
pflichtung loskanfen. Die der Mutterbrast entbehrenden Kinder
werden der in enger Verbindung mit der Hebammenschule ste-
henden Findelanstalt, einer frommen Stiftung, übergeben; dahin
gehen auch Entbundene aus der Schule als Ammen über. Wo
es darauf ankommt, die Milchabsonderung der Wöchnerin su
unterdrücken, empffingt selbe innerlich Jodkalium oder eine Hanf-
samenmilch, oder es werden die Brüste mit Hanföl bestrichen.
Bisweilen nimmt die Mutter ihr eigenes Kind mit in die Findel-
anstalt oder führt ein ausgesetstea als dessen Amme aus jener
mit in ihre Heimath.
Auffallend ist, wie früh bisweilen Wöchnerinnen aus dem
Oebärhanse „gesund" entlassen werden mögen — allerdings oft
auf ihren dringenden Wunsch; z. B. pag. 52:
Am 30. Mai schwere Extraotion; es folgt „leichte** Me-
tritis (Adeilass, Purganzen) — am 4. Juni verliess sie die
Anstalt.
Ein ziemliches Gewicht legt Verf. auf die von Lareher und
Duerest betonte „Schwangerschafti^hypertrophie" des Herzens.
Leider fehlen zur näheren Beurtheilung die Angaben der Dicken-
durchmesser beider Herzkammerwände bei den betreffenden Per-
sonen. Verf. scheint die correctlven Bestimmungen Gerhardt*B,
welcher die Sypmtome im Leben auf Verschiebung des Herzens
während der letzten Monate der Schwangerschaft bezieht, nicht
zu kennen.
Was das Alter der aufgenommenen Schwangeren betrifft,
so war die jüngste 14, die älteste 47 Jahre alt. Dabei finde ich,
dass die Menstruation zwar oft schon im 16,, meist aber erst
im 18. Jahre bei Mailänderinnen, also durchschnittlich später als
bei Stcilianerinnen zum ersten Male erscheint. Die S. 60 er-
wähnte Kranke, auf welche wir noch einmal zurückkommen, hatte
mit 20 Jahren die ersten Regeln; sie flössen von da an stets
nur im Winter und setzten in den übrigen Jahreszeiten aua.
Die Zahl der Fehige bnrten fällt in einer klinischen
Anstalt immer sehr klein ans; für den Nachweis des wahren
236 XIV. Literatur.
Verhttltnisflos eignet iich in diesem Falle nur die PriTntpraxii.
Ich finde in meinen Tabellen anter fast zehn Geborten allemal
einen Abortus.
Rachitis kam in diesem Jahre anffallend häufig nnd na-
gleich öfter als im ▼origen zur Beobachtung. Osteomalaeie
wurde nur bei Frauen aas dem unfruchtbaren Theile der
Unigebtuig Mailands gefunden; Vorfall der Nabelschnur
war ungewöhnlich hSufig.
Viel kam auch zu früher Abfluss der Wässer während
der Geburt ohne bekannte Ursache vor (pag. 45); die pag. 168
folgende Bemerkung, dass auf vorzeitigen Blasensprung Nach-
blutung zu folgen pflege, kann Rec. bestätigen.
Verf. gehört zu denen, welche die Ursachen des Kind-
bettfiebers schon in der Schwangerschaft snchen; einen tödt-
liehen Fall ohne anatomischen Befand sah' er bisher nicht, auch
kam in diesem Jahre die weisse ächenkelgeschwulst nicht vor.
8ehr zurück ist man noch in der Lombardei mit der Deutung
des „Frieselfiebers*' — ist doch der Frieselausschlag (Miliaria)
etnf> an sich unschuldige, höchstens durch Jucken iMstige Zu-
gabe zu den verschiedensten einfachen und complicirten Wochen-
betten, namentlich zum Puerperalprocesse.
Vom Chloroform scheint selbst bei nnregelmässigen Ge-
burten, z. B. bei unnachgiebigem Mutterhaise, wenig Gebrauch
gemacht worden zu sein, desto ergiebigerer von den allge-
meinen Blutentzichnngen. Zunächst hält Verf. dafür, dass
man die dammschUtzende Episiotomie lediglich dnrch Hader nnd
Aderlässe ersetzen könne — allerdings werden merkwürdig wenii;
Dammrisse aus dem Mailänder Institute gemeldet. An einer ein-
zigen Stelle mag den Verf. ein gelinder Schauer über die Masse
Blutes überkommen sein, welche man seinen heissblütigen Lands-
männinnen entzieht. An einem anderen Orte aber wird (p 109)
ganz trocken erzählt, dass man einer schwächlichen Osteomala-
eiscben, zum neunten Male Schwangeren, in sechs Wochen fünf
nnd dann noch vier Venäsectionen im Wochenbette gemaeht
hat; die Kranke starb dennoch erst am zehnten Tage nach der
Entbindnng. Dies int auch beiüahe der einzige Fall, wo Verf.
nicht angiebt, duss die Hirnhäpte ,,injicirt*' und das Mark ,, Mut-
punktig" gefunden worden.
Die durch passende Lagerung der Schwangeren und die
durch äussere Handgriffe zu bewerkstelligende Wendung sind
flicht geübt worden.
LovaiVs Zange, eine wie es scheint sehr lange mit starker
Beckenkrümmung, wird den deutschen vorgezogen, insofern sie
schon bei hoch [über?] dem Ringauge stehenden Kopfe brauchbar
sei. Man legt sie dort, conform mit dem Natnrvorgange, schon
in der oberen Apertur biparietal an, wenigstens glaubt Verf.,
dass Prof. LofxUi dies thue, um namentlich bei engem Becken
XIV. Literatur. 237
auf Verringeran^ des QnerdarehmeRieri am kindlichen Schädel
hinsawirken. Das folgende Beispiel, in welchem dnrch dieies
Verfahren das Kind vielleicht gerettet, die Mntter aber beechü-
digt wnrda, aeigt angleich, wie viel Blutverlust eine Italienerin
verträgt. — Man hatte in Zeit von fünf Tagen sieben Mal aar
Ader gelassen und 22 Egel gesetat; angleich erhielt Fat. wegen
Metroperitonitis Akonit, Kalomel und Hyoscyaujun, dann wieder
wegen an argeft Durchfalles, Ipecac. Becken sehr eng und ver-
unstaltet; aweite Schüdellage. Zange in erster Position; das
Kind kommt apoplektisch , erholt sich aber. Die Mutter beh<
eine Scheidenblasenfistel.
Nun au den Einaelnheiten der
Schwangerschaft.
629 Schwangere bilden das Material der ersten Abtheilnng in
vorliegendem Prospeete. Trota der Anhäufung so Vieler in un-
sureichenden Bäumen gab es schwere Puerperalk ranke wenig.
Durch gute Ventilation und Besorgung der geringsten Krank-
heitsanfUnge glaubt man im Mailänder Gebärhause einer tieferen
Erkrankung vorgebeugt au haben. Eigenthnmlicher Weise gab
CS in den Monaten Juli und Juni, dann erst im Februar die
grösste Zahl kranker Schwangeren. Anaiehend ist die Thatsache,
dass eine Epileptische einen eklamp tischen Anfall bekam, worauf
Irrereden folgte.
Eine aweite Tabelle (p. 6.) giebt uns Aufschluss über das
aus der ersten abgeleitete Ergebniss der aahlreichen Erkran-
kungen in den heissen Monaten: die grösste Erkranknngsaiffer
(24/167) rubricirt unter Hirnfluxion (»Cephalaea*'). Demnächst
figuriren: Uterin fluzion (vier mit Oedem) 16, Bronchitis 16,
behandelte Venerie und Syphilis 141 Gastritis 10.
Genau unterschieden werden die Fälle von Wassersucht
(einer mit Pellagra) nach Organen und Complicationen; nicht
bei allen war- Albuminurie. Längentuberkulose ist neun Mal,
Wechselfieber sechs Mal, Hirnschlag, Pocken und Masern je ein
Mal angemerkt; ferner eine Chorea, sieben Eklampsien, sieben
Oeteomalacien (eine mit Anasarca), eine Erweichung der Sym-
physen, drei Metrorrhagien, eine Mastitis, awei Bupturae uteri.
Gegen Hirn- und Uterinflnxionen wurden mit Erfolg Ader-
lässe in Anwendung gezogen. Hirnapoplexie in der Brücke
war der einaige Todesfall Schwangerer (Auf. 8. Mon., Wendung
an der Sterbenden voUaogen befördert ein sterbendes Kind her-
aus); die Jugend der Kranken und die erste Entbindung sind bei
dieser Kranken bemerkenswerth; als Ursache des Hirnschlages
nimmt Verf. die Schwangerschaftsye ränderung des Hersens an.
Bec. fand obige Umstände mit nachgewiesenem, in der Schwan-
gerschaft entstandenem Hersfehler vereinigt (Blasen statt des
ersten Tones im linken Ventrikel; Kyphoskoliose); er musste
wegin Ijeckenciige miltols Zange und Epitiiotouiie entbinden.
238 XIV. LlterÄtTir.
Jetzt, sieben Monate danach, hat »ich das Hersgeränsch and die
Accentaation des zweiten Falmonaltons verloren, die Hemiple-
gie nicht ganz.
Von den £klamp tischen hatten drei kein Eiireiss im
Harne. Ein MaF half prohibztiver Aderlass oricht; sonst war Bti-
Rchleantgung der Gebart zagleich hülfreich. Keine starb; aeehs
waren Erstgebärende. Während der Anfälle beobachtete man die
Neignug, hockend anf der Seite au liegen.
Gebart.
Ueber die Kindeslngen and die Dauer der Gebart sind
36 — 87 Tabellen geführt. Die- Ursache der Fr 8h geh ort wird
vorzugsweise in die Placenta gelegt; ein Mal fand sie sich bei
Lnes der Matter mit „Granulationea^ besetzt und im Zottenl&ger
atrophisch. Die h8ttlSgeren ünterendlagen bei Frühgebart werden
numerisch nachgewiesen. Eine Wöchnerin starb plötslich in
Ohnmacht; auch hier hatte man tüchtig Blut vergossen (p. 47).
Unter den unregelroHSsigen und künstlichen (1:11) Geborten
kommen besonders viel Wendungen vor. Am 28. Juli trat
eine zum dritten Male schwangere 40jährige "in die Anstalt.
Becken btark geneigt, Cg. vera =3 3" 7'". Letzte Menstruation
in der zweiten Häffte Novembers; erste Wehen am 26. Augast.
Den folgenden Tag plötzliche Steigerung der Wehen, wobei die
Kreisaende aufgeregt wird nnd die Wehen gegen Gebot ver-
arbeitet. Das Hinterhaupt tritt in die erste Stellung herab. Anf
Aderlass folgt Ruhe; wenige Stunden später neuer Sturm, Fat.
schreit heftig. Am 28. früh während heftigen Presaena reiset
die Gebärmutter ohne Blutfluss. Wendang an den Pfisten,
Aussiehung. Schluchzen, heftige Leibsehmersen nnd andere Zei-
chen der Unterleibseutzündung künden den am 29. elf Uhr Abends
erfolgten Tod an. Ein Becherglas voll Blut in der Bauchhöhle,
plastische Peritonitis, wenig eitriges Serum. Reehts ein Linga-
riss durch Mutterhals und Scheide. Stelle der Kachenanheftang
im oberen hinteren GebKrmutterkörper. Uterlngewebe normal,
nach unten zu sehr dünn.
Drehnngen mit der Zange sind üblich; nie wird be-
richtet, das sie mfsslongen seien [?].
Die Kraniotomie geschieht nach SmeUie. Verf. hSlt aieli
p. 79 darüber auf, dass Lauth von Kephalothrypsien in Italien
und England ganz schweige, während er nur ^nmo's Inatrament
anführe und nicht die BizzötVnchB Modificatio«.
Um diese Lücke zu büssen, wird angeführt, dass schon
1854 Paatorello in Pavia von mehreren Kephalothrjrpsien spreche,
die er ausorefiihrt, woran sich die von Giordano in Tarin, Ptazz«
!n pAlermo (2) und Esterle in Trient behandelten FJlIle schlies-
sen. Die in Mailand übliche Modifieation ist die Charrikre^DepttuC'
sehe, womit auch Ghtelmi (Pavia 1864) zwei Mal operirt hat. '
XIV. LUeratnt. 289
Rahr leseniwerth sind die vier Fftlle, in deaeo snr Kepbalo-
thiypaie TerfehrtUen werden ma88te^ Zwei der Operirten etftr-
ben; bei einer batte man ZangeBTersnehe gemaebt, die andere
war von Aersten ausser den Spitale Ms anf den Pötnskopf ent-
bunden worden (Steissiage). Dabei war der Hals des Fracht-
balters darobgerieb«n, und eine Darmschlinge fiel aar Lüeke
herans; spKter wurde der ausgefallene Darm brandig. Elgen-
thiimlicb erseheint nns die ron der Hebamme Tor der Operation
Torgenommene Nothtanfe.
Zwei Kaiserschnitte an Lebenden wegen reehitiseher
Beckenenge, die Kinder wurden erbalten; im ersten Falle stäraten
die Eingeweide der Operirteu hervor, als während des Anlegens
der NKhte Erbrechen eintrat: sofortige Taxis.
17 Eiinstltcbe Frühgeburten, üeber die Anaeigen
wolle man nachlesen: V. LazzaH, N. 60 casi dl parto prematuro
artifieiale provocati per ristrettesaa del baoino — Ann. Univ. di
Med., fas« di maigo 1864. 16 waren rachitisch, 1 osteo mala eis ch
▼erengt, ein Mal drängte Eratickungsgefahr bei beginnender
Beekenerweichnng. Man machte den Eihautstich. Beckenen^e
Bweiten und dritten Grades waren in diesem Jahre häufiger,
in sechs Fällen genügte, meist durch allgemeine Bäder untere
stiitst, der elastische Katheter; in fünf musste sngleloh Press-
schwamm vorbereiten; awei Mal wurden Doacben yorangesohiokt,
swei Mal alle drei Methoden combinirt. Ein Mal wandte man
PressBchwamm, wegen vorübergehenden Erfolges voi TamtaKs
Instrument, dann noch den Katheter an. Letzterer verursachte
in drei Beispielen den Blasensprung. Eine Operirte starb an
Lofugenhyperämie und Blutaersetaung (Seet. caes* post mortem)
1 an Puerperalfieber am 17. Tage (alte Tuberoulose), 1 an Kindi-
bettblutung. Hier hatte man mit einem au kuraen Inatrumente
Cranloclasma versucht, musste aber wegen ungenügenden Erfol-
ges Wendung und Ansziehnng nachschicken. Doch fügt Verf.
binnu, dass er jetzt im Resitae des von Bame» verbesserten
Werkaanges sei und von guten Erfolgen, namentlich gegenüber
der CAtarTschen Knoohenpineette, sprechen könne. Ein Mal vef*
uraachte der Gebrauch des Pressschwannues Zufälle (17. Fall).
Die meisten wurden der Operation Ende des achten Sonnen^
monats unterworfen. *
288 Knabon, 283 Mädchen wurden in der Klinik lebend
26 „ 11 n n n n n ^odt geboren.
26 „ 17 9 starben in der Klinik, 4 an Sklerom.
Ophthalmien sind wenig vorgekommen. Der offengebliebene
Botallische Gang ninss mehrmals als Todesursache herhalten,
während er nur zu den Folgen zSblt.
Wochenbett.
Die Erkrankungen waren Ende Januar mild, Februar schwer
(.s f), nahmen üid Juui allmählich Hb, flackerten im November
240 2IV. Liieratar.
boi viel kalt«in Regen nen aaf bitt December, wo TrenniiDg der
Gesunden von den KrankenMie Endemie anf ihrer Höhe erstickt«.
Zwei Mal kamen mnltiple Abseesee tot.
Thermometrie scheint nicht vorgenoninien %n werden.
Die Behandlung mit echwefligsaurer Magnesia gab sweifel-
hafte Resultate und viel Gestank ; die Diarrhöen, durch das sekos
an der Lnft sich bildende Sulfat angeregt, erleichtern kaum.
Es gab 17 schwere Nachblutungen, davon die meisten im
August und September; gleichseitig waren in der Stadt k&ufi^e
Fehlgeburten. S. 176 ist ein lehrreicher Fall von Bright'» Krank-
heit mit Thrombose fast aller oberen Körperadern ond nsment-
lich der Pulmopalarterien; dabei Dictjitis ha^morrhagica mit
sonderbaren Phantasmen im Leben.
Die Schreibart des Verf.'s ist gewandt, der Druck gut
[G, üasati: Rivista osletrica e ginecoiogica.J
Die gynäkologische Rundschau desifelben Herrn Ver-
fassers ist äusser|iuh weniger gut ausgefallen — der Druck i<t
SU klein, die Reyision oft nachlftssigf so ist p. 16 mal uterino
statt canal stehen geblieben. Die Zusammenstellung selbst Ter-
dient Lob. Es sind die Jahre 1863 und 1864 vertreten, u. a
Klob, Q. A. Braun t Qraüy HewiU, A, Gu4rin und Piiedk be-
«prochen. Ich erlaube mir nur wenige Bemerkungen.
p. 13. Verf. sagt nichts dazu, dass Qr, HeunU das Msn-
strualblut *för nicht verschieden von gewöhnlichem Blute tr-
klUrt, nichts, dass Scamtovi die chronische Metritis als unheilbar
darstellt. Haematocele periuterina wird gründlich beschrieben.
Gelegentlich hebt Verf. La9%atVfi Methode des Anstreibens ▼od
Placentaresten aumal nach Fehlgeburten mittels gebrocfaeaer
Gaben Mutterkorns als probat hervor. Das so oft fälachlich ge-
brauchte Wort antro-flexto(-versio) wird mit Recht getadelt.
S. 32 lässt der Herr College mich die geburtshfilfliche 6s-
sellschaft in Berlin (statt Loipsig) von Dysmenorrhoea villois
unterhalten. Dabei dürfte denen, welche meinen Aufeats über
diesen Gegenstand (Monatsschrift Bd. 24.) einiger Beachtung gs-
wärdigt haben, nicht unlieb nu erfahren sei, dass besagte Dams
xvon mir am Termine von einem kräftigen, noch jetat gesundes
Knaben mittels der Zange entbunden word^ ist, denaelben gestillt
und darauf nur ein Mal, aber wieder unter Aasstossung
oines kleineren sottigen Productes, menatruirt hat, jetst
aber wieder in Hoffnung ist. C. Hennig,
Druckfehler.
BftDd 26, S. 11, Z. 10 V. o. lies: „liiman" statt „Stmon**.
„ S. 126, letzte Z. lies: „42 und ü" statt „22 and 24".
„ Heft 2, Tafel 8 mUsflen die unter Fig. 25 geseichneten Bilder nicht
(IberGtnfi&der, «ondern nebenelnsnder stehen.
XV.
Verhandlungen der OeBellschaft für Oeburtohfllfe
In
. Berlin.
Sitzung vom 23. Hai 1865.
Herr Junge (als Gast) spricht unter Vorzeigung des
betreffenden Präparates über einen
Fall von Graviditas tubo-uterina.
RosaUe C, 36 Jahre alt, will am 29. April er. Mor-
gens beim Aufhängen von Wäsche plötzlich ohnmächtig um-
gefallen sein und seitdem krampfartige Schmerzen im Unter-
leibe bekommen haben. Die um 10 Ohr Vormittags ange-
stellte Untersuchung ergiebt Folgendes:
Frau G.j Frau eines Arbeitsmannes, 36 Jahre alt, ist
eine im Ganzen schwächliche , anaemische Frau von mittlerer
Grösse. Auf dem linken Jochbeine unbedeutende Excoriationen.
Puls 88, Respirations- Frequenz 18. Das Abdomen massig
aufgetrieben, bei Druck Aberall schmerzhaft, die rechte Ileo-
coecal-Gegend, wenn auch nur sehr wenig, schmerzhafter als
die anderen Parthien. Tyropanitische AufLreibung des Colon
transversum und descendens. Stuhlverstopfung seit drei bis
vier Tagen. Respirations- und Circulations - Organe bieten
nichts Abnormes dar, Sensorium frei. — Die p. C will Mh^.r
ganz gesund gewesen sein , sie hat vor zehn , vier und zwei
Jahren normal geboren, die Geburten sind der Beschreibung
nach in Schädellage gewesen, Wochenbett etets gut verlaufen,
Kinder selbst gestillt. Das jüngste Kind, jetzt zwei' Jahre
alt, hat sie bis vor einem Jahre gestillt, dann sind die Men-
ses wieder regelmässig eingetreten, bis Januar, Ende Februar
blieben sie fort, traten jedoch Ende März, aber Einen
Tag, und ziemlich stark, wieder ein. Pat. will schon seil
Monatisehr. f. GebarUk. 1885. Bd. XXTI., H(t 4. 16
242 ^^' Verbandlungim der GeseÜBchaft
längerer Zeit an Trägheit des Stuhlganges gelitten haben,
so dass sie oft vier Tage lang keine Oeffhung gehabt.
Diagnose. CiOlica stercoracea in Folge von Koth-An-
häufung. Therapie Ol. Ricini.
Der 31. April. Pat. hatte im Laufe des vergangenen
Tages zwei Ausleerungen gehabt, die Schmerz hafligkeit bat
nicht ab-, sondern zugenommen, um 10 Uhr Vormittags be-
ginnender Coilapsus, Puls klein 72, Sensorium benommen,
bei lautem Anrufen langsame, träge Antworten. Temperator
der Extremitäten kühler als die des Rumpfes. Auftreibung
des Abdomen hat nicht zugenommen, jedoch die Schmerz-
haltigkeit, und besonders in dtT Regio ileocoecaiis dextra
und Regio pubis. Harnverhaltung seit gestern Morgen, der
Catheter entleert nur wenige Tropfen eines dunklen, dicklichen
Urins. In der Nacht hat sich e^i unbedeutender Biutabgang
aus der Vagina eingestellt.
Diagnose. Acute Peritonitis in Folge von Perforation
des Processus vermiformis.
Da hei den ärmlichen Verhältnissen der Patientin eine
Behandlung in ihrer Wohnung nicht gut möglich war, so wurde
ihre sofortige Aufnahme in das kathol. Krankenhaus angeord-
net. Bevor dieselbe jedoch geschieht, stirbt die Frau unter
Zunahme des CoUapsus.
Section. Es wurde nur die Oeffnung der ßauchhöhle
gestattet.
Im Cavo peritonaei findet sich ein sehr bedeutender
Bluterguss, circa vier bis fünf Waschbecken theiis geronne-
nen, tbeils dickflüssigen, dunkelen Blutes. Die Goagula be-
linden sich hauptsächlich im kleinen Becken. — Der Dann
ist noch mit zahlreichen Kothmassen gefüllt, der Perttonaeal-
Ueberzug, besonders das untei^e Ende des Dünndarms, das
Coecum und Colon ascendens stark gerölbet. Der Uterus
zeigt sich vergrösserl, au seinem rechten oberen Ende eine
kuglige Geschwulst. Nach Herausnahme des Uteruß und seiner
Anhänge zeigt dieselbe an ihrem hinleren oberen Umfange
mehrere kleinere Risse, die den Peritonaeal-Ueberzug durch-
dringen; bei ihrem Anschneiden entleeren sich circa serh.<
bis acht Unzen einer klaren serösen Flüssigkeit und zuglrirh
"^* • Fötus.
für Gebnrtshülfe in Berlin. 243
Der Uterus ist circa b" lang, sein«; Wandungen bedeu-
tend verdickt (am Fundus circa '/4")f ^^^ Cavum uteri ver-
grössert, seine Schleimhaut zeigt deutliche Decidua-Bildung^
Die oben erwähnte Geschwulst stellt ein Ei dar, dessen Ent-
wickelungsort der Durchtritt der Tuba durch die Wand des Uterus
ist; es hat das Gewebe des Uterus auseinandergedrdngt. Das
Ostium uterirmro tubae ist für die Spnde durchgängig, ebenso
das Ostium abdominale bis zum Ei. Die Ruptur hat da statt-
gefunden, wo die Entwickelung der Placenta vor sich gegan-
gen ist. Der Fötus und das Ei bieten die Erscheinungen
des dritten Monates der Gravidität dar.
Wir haben es demnach mit einer Graviditas tubo-uterina
zu thun, weiche durch Ruptur die tödtliche Verblutung ver-
anlasst hat, welche, wie es gewöhnlich der Fall ist, im drit-
ten Monate der Gravidität eingetreten ist —
. Herr Klehs macht darauf aufmerksam, dass die Ent-
wickelung des Placeutargewebes in diesem Falle an der der
Bauchhöhle zugewandten Seit^ des Fruchtsackes stattgefunden
hat mit entsprechender Verdünnung der Wandung. An dieser
Stelle ist auch die Perforation entstanden. Dieses Verhalten
ist für das Zustandekommen der Perforation von Wichtigkeit.
Analog wie unter normalen Verhältnissen die Decidua an der
Placentarstelle durch das Hineinwachsen der Chorionzotten
gleichsam aufgezehrt werde, so sei auch hier eine Verdünnung
der Wand durch das activ« Vordringen der Chorionzotten
entstanden.
Auf diese Weise ist nun auch überhaupt die Ruptur zu
Stande gekommen; dafür spricht vor allen Dingen schon die
Form derselben, die ganz klein und von der Beschaffenheit
einer einfachen Usur ist, wie sie nicht leicht bei einfachem
Platzen des Fruchtsackes entstehen könnte. Die Verdünnung
der Wand und die endliche Zerreissung derselben ist dem-
nach nicht durch die einfache Vergrösserung des Eies ent-
standen, sondern vorzüglich durch das active Vordringen der
Chorionzotten.
Das Corpus luteum findet sich übrigens in dem Ova-
rium derselben Seite, auf welcher die Schwangerschaft stalt-
gefunden hat.
16*
244 ^^' Verhandlnngen der Oesellsehaft
Herr Rose spricht unter Vorzeigung des Präparates
Ueber Jas Offenbleiben der Blase.
An meinen jüngsten Vortrag anknüpfend hatte icb mir
erlauben wollen, einige weitere Schlussfolgerungen aus den
Betrachtungen, die sich damals ergaben, über die fötalen
Störungen der Harnexcretion zu ziehen.
Sehr erwünscht ist es mir dazu gewesen, dass ich durch
die Güte unseres Heirn Vicepräsidenten Martin in deo Stand
gesetzt bin, den Leichnam eines Kindes zu untersuchen, den
ich mir sofort als Grundlage ihnen nebst Abbildungen vor-
zuzeigen erlauben will, um so mehr, als derselbe einzig in
seiner Art und zum Beweise meiner Ansichten wie geschaffen
ist. Nur einige Angaben über seine Lebensgeschichte mögen
vorausgehen!
So weit ich von der Hebamme als sicher habe ermit-
teln können, hat das Kind vom 4 — 9. April gelebt und ist
nach anderthalbtägigen Krämpfen gestorben. Anfangs nahm
es die Brust gut, später verfiel es. Uebrigens athmete es
kräftig, schrie, lag aber stets sehr nass. Das Meconium
wurde am Unterleibe aus der stets nassen ^ rothen Fläche,
welche durchaus unbedeckt war, ohne Durchfall entleert.
Uebrigens war es das zwölfte Kind, kam zu früh —
man rechnete ihm erst 7^2 Monate nach — jedoch verhält-
nissmässig schwer wegen Krämpfe und Wehenschwäche der
Mutter und zwar in sechs Stunden. Die Eihäute mussten erst aus-
serhalb der Theile von der Frau gesprengt werden, und haben
sich nach ihrer unverständlichen Schilderung sehr auffallend
verhalten, abgesehen von der Insertio velamentosa.
Was den Leichnam des Kindes selbst betriflH, so ist der
16 V2 Zoll lange Körper, wie sie sehen, mit sehr sparsamen
Wollhaaren besetzt.
Der Kopf ist mit einen Zoll langen Haaren reichlich lie-
deckt; die Länge der grossen Fontanelle beträgt einen ZoU.
Sein Umfang 11", sein gerader Durchmesser 3%, der querr»
2%, der schräge 4%".
Die Knorpel der iNase fühlen sich schon härtlich an.
für Gebnrtshülfe in Berlin. 245
Die Breite der Schultern beträgt 4%^ die der Höften
SV« Zoll.
Die Fingernägel erreichen die Spitzen der Glieder«
Der Knocfaenkem in der Oberschenkelepiphyse ist eine
Linie breit.
Im rechten Scheitelbeine fühlt man von der Pfeilnaht
aus quer eine Depression verlaufen, die vielleicht post mor-
tem beim Transport entstanden.
Die Nabelschnur, welche noch das Nabelband trug, wird
gegen ihren Ansatz hin immer breiter, zuletzt ein % Zoll
breites Band ^) , und setzt sich mit der Breite quer an eine
mit Amnion bedeckte, 1 Zoll breite, ^/s" hohe glatte Nabel-
fläche an.*)
In ihrer linken Kante enthält sie die Vene («), welche
aufgeschnitten fast Vs ^^^ breit, in ihrer rechten die eine
Arterie (a) mit sehr viel engerer Lichtung.
Diese querovale Nabelplatte (3) bildet den obersten Theil
einer runden, buckeligen, theilweise betrockneten, nur slrei-
Jenweise mit Epidermis, sonst mit Epithel bedeckten Masse,
die sich bis etwa V4 Zoll vor der Spitze des Steissbeins er-
streckt, l*/^" hoch, IV«* breit ist und mehrere Oeffnungen
enthält, die sonst am Unterleibe des Kindes fehlen. Diese
ganze Masse geht an ihrer Grenze ziemlich plötzlich in die
gesunde Haut über, ohne dass man dort Spuren einer Ver-
dickung, Zacken oder sonst Zeichen einer Ruptur oder Ent-
zündung wahrnehmen könnte, gerade wie an der Grenze jedes
Nabelschnurbruches.
Auffallt zunächst darin eine IVa Zoll lange, ^2 ^^^^
hohe wurstarüge Bildung (%'), die allerdings mit dem grossen
Penis eines Kindes einige Aehnlichkeit hat. Sie erstreckt sich
längs und etwas mehr links, beiderseits von zwei betrock-
neten wulstigen Massen {w) begleitet, welche man dann für
die Hälften eines Scrotums hätte halten können.
Die Untersuchung, ergiebt, dass beide Scrota ofiene um-
gestülpte Blasen darstellen, und dei* Penis einen After mit
1) Siehe Fig. 1, 3.
2) Von di Öfter Beschaffenheit hat sich Herr Martin seibat
bei Lebzeiten übereeugt.
246 XV. Verhandlungen der Oesellsehaft
Vorfall und Umstülpung zweier Darmenden. Man sieht näm-
lich äusserlich noch Folgendes:
Die rechte Blasenfiäche, die grössere und bukligerp,
^V hoch und Vs" breit, setzl sich wie der ganze Körper
rechts gegen die normale, epidermishedeckte Bauchhaut mit
einem Graben ab, der am unteren £nde der Blase auf der
Steissbeinseite mit mehreren Hautwölsten (h) besetzt ist;
links wird sie von einem vier Linien breiten Hautwulst (x)
begrenzt, der sich in der Mittellinie hinauf l'^^ Zoll erstreckt
und zuletzt nur sich nach links wendend zwischen linker
Blase und dem penisartigen Körper einerseits, rechter Blase
und Nabelplatte andererseits eine flache, reichlich eine Linie
breite Epidermisgrenze bildet. Ein schmalerer Ast dieses
Hautstreifens bildet eine Grenze zwischen rechter Blase uud
Nabelplatte.
Die linke Blasenfläclie, 1'' hoch, ^^* breit, scheint au
ihrer rechten Seite unmittelbar in den penisartigen Körper
überzugehen. Von jenem trennenden Epidermiswulst schräg
nach links oben lauft über denselben wie ein Bügel eine ge-
spannte (Dünndarm) Falte («), welche ihn in zwei Theile
theilt; der obere Theil, an der Rückseite breit aufsitzend,
endet fast einen Zoll darüber oben in eine zusammengelegte
Mündung (jr), die so gross im Liciiten wie der Dünndarm
(t) in den sie führt; die eingeführte Sonde dringt durch zahl-
reiche Windungen bis in die Speiseröhre, und bringt gelbe
Fäces heraus.
Der untere Theil ist kaum ^/^ Zoll lang, frei und zwei-
hörnig; das rechte Hörn ist blind, das linke trägt an seiner
unteren Fläche den Eingang (y) des unleren Dunndam-
stückes, dessen Inhalt weiss ist.
Der Versuch durch Anziehen von Innen zeigt, dass sich
beide Dünndarmstücke eine Strecke weit zurückziehen lassen;
das Gekrös (m) lässt sich nicht mit herausziehen, weil es
dort durch starke Vasa omphalo - mosenterica {h) mit den
Bauchwandungen verwachsen ist, so dass keine Zweifel, dass
der penisartige Körper Nichts als eine Dünndarmfistel ist mit
füllhornartiger doppelter Ans- und Umstülpung beider Darm-
stücke, Fälle, wie sie jeder Anus praeternaturalis^ nach
Brucheinklemmung oder Darmverwundung zeigen kann.
für Qebnrtshülfe in Berlin. 247
Die rechte grosse Blase (w) eiUhäll uiUerhalh der Buckel
in der Mittellinie an der Grenze des unteren Drittels eine
slecknadelspitzgrosse (^) OeiTnung, die Mundung des rechten
Harnleiters'), tiefer unten die stecknadelkopfgrosse (z), des
sonst viel voluminöseren rechten Eierganges.
Ihr glattes unteres Drittel ist links zum Theil von dem
senkrechten £pidermiswulst hedeckt, der dort einen glatten
4!" langen und hohen Kanal enthält, welcher unter der den
peuisartigen Körper quer theilenden Dikindarn^falte breit mün-
det und im Innern keine ausgeprägte Structur erkennen
lässt.
£twas Aehnliches findet sich links, nur ist dit3 mit Epidermis
bedeckte Hautfalte (x) siehr viel schmäler, und deshalb der
hier einen Zoll breite, fast gleiche Kanal sehr viel kurzer;
ausserdem liegt hier dieser Hautstreif aussen von der Blase,
so dass er mit dem anderen, in den er übergeht, um linke
Blase und Dünndarm ein Oval beschreibt. *)
Der Eiergang endet links am unteren und inneren Ende
der Blase (w) mit einer V4 Zoll langen Queröffhung (z) in
den äusseren Bedeckungen, wulstförmig überall eingefasst,
ausser an seiner linken Seite, hinter der der Kanal verläuft.
Der Harnleiter mündet Stecknadel knopfgross C^) in der Mitte
des unteren Drittels, das sehr faltig ist, während der obere
Theü der Blase glatt ist. ^)
Die Schamheinkörper stehen ohne Bandverbindung zwei
Zulle* weit auseinander (s).
Die Section ergiebl, dass das Bückgrat vollständig ge-
schlossen ist, und die blassen Lungen vollständig, vielleicht
zu sehr sich durch Athmen ausgedehnt haben. Ausser dass
man alle Lungenaiveolen sehr deutlich erkennt, findet man
wenigstens am rechten unteren Lappen zwischen den Läpp-
chen eine Luftblase von der halben Grösse des Kleinßnger-
nageis an dem sonst ganz frischen Leichnam, welche nicht
1) Hierdurch ist die 8oode auf Fig. 3. in den innen aufge-
schnittenen Harnleiter geführt.
2) Durch beide Kanüle ist in Fig. "2. eine gerade Sonde
{geführt.
3) Die Sonde in Fig. 1. ist durch seine Oeffnnng in den
aufgeschnittenen linken Harnleiter gebracht.
248 ^^- VerhfiBdliingen der OoselUcbaft
wie FSulnissblasen ober das Niveau der Lunge hervorragt
Die Leber hat nichts Ungewöhnliches.
Der Magen (/) zeigt Spuren von grossem Netz (g) au
der grossen Curvatur; die vier Lig. colica fehlen.
Das Lig. duodeno-renale ist nur unbedeutend , und geht
am Zwölffingerdarm gegen den hintern Leberrand vor der €afa
vorbei, längs der ein anderes faltenartiges fraes Uganieat
am hinleren Leberrande {h) hinablaufL ^) Aussen von dem-
selben liegt ein fingernagelgrosser flacher Körper, der ioi
Durchschnitte eine grosse Höhle mit blutiger Flüssigkeit ein-
schliesst und der Nebenniere (Z) entspricht
Zwischen diesen drei Bändern ist das über federkieldicke
Wimlow^eche Loch zu sehen. Die hineingeführte Sonde
liegt hinter dem Magen olTen da, wenn man ihn aufhebt, wo-
durch das Pancreas (p) zum Vorscheine kommt
In Folge der Länge des Lig. duodeno-renale habeu
sämmtliche zahlreiche Darmschlingen (t) ein Gekröse (m),
welches mehr weniger lang ist. Geht man sie durch, so
sieht man das Ende in die obere Oeffnung des äusseren
Afters treten, begleitet zuletzt von einem zweiten Dänndarm-
stück von gleichem Aussehen, das in die untere Mündung
sich verliert, während sein anderes finde umbiegt und etwas
hinabgeht, um oberhalb der Linea innominata blind zu enden.
Alle drei Dünndarmstücke liegen hinter einander ' in einer
und derselben Gegend der Gekrösfalte, welche zwischen die
beiden vorgefallenen Darmstücke mit nach aussen gezo-
gen ist.
Die Gefasse und Drüsen des Gekröses befinden skb
zwischen den beiden Dünndarmstücken, welche sich nach
aussen öffnen. Das blinde liegt in einem Theile der senkrechten
Gekrösplatte, die sich von da gefasslos fort hinab erstreckt im
Ligamentum intestinorenale und sich dann rechts über das
kleine Becken (die rechte Niere (r)), links über den linken
Uterus (n) ausbreitet
Da sonst keine Darmtheile vorhanden, so besteht hier
also ein Defeclus ani, recti , coli, coeci et processus vermi-
formis. Daraus folgt, dass wir es mit einem angeborenen
1) Man vergl. Fig. 3.
für Gebnrtflhnlfe In Berlin. 249
^'Nabelafter, durch d(>n sich beide Dünndarmstncke fullhorn-
artig gestülpt, zu tliun haben.
Unterhalb des Lig. gastroNenale findet sich die linke
Niere (r) mit schönem Harnsäureinfarkt. Der normale Harn-
leiter (tt) geht dicht längs der Gekrösfalte 2" hinab, dann
hinter dem linken Uterus (n) entlang, umgeht ihn dicht von
aussen im Bauchfelluberzuge der' Bauchdecken aufsteigend, um
nach einem Verlaufe von ungefähr drei Zollen in der oberen
Oeffnung der linken Blase (w) zu enden.
Vor ihm liegt der linke Eiergang mit seinen Abtheilun-
gen, dem Verlaufe der ungenannten Linie sich anschmiegend,
dem ein gleicher andererseits entspricht.
Unter der rechten Nebenniere findet sich keine rechte
Niere. Dieselbe liegt wie ein runder Kuchen im kleinen
Becken, das sie vollständig ausfüllt, äusserlich vom Bauch-
felle, darunter von ihrer Kapsel überzogen. Der Hilus findet
sich in der Mitte ihrer unteren Fläche. Indem nämlich die
Aorta descendens sich, ohne sich viel zu verjüngen, in die
eine Art. umbilicalis dextra (a) fortsetzt, giebt si^ links dem
Promontorium entsprechend eine feine Art. iliaca comm. sin.
(0) ab, und dann eine viel stärkere Arterie, die nach Art
etwa der Art. sacralis media (d)) senkrecht hinab geht und
in den Hilus renis eintritt (drei Zoll beträgt die Entfernung
vom Abgang der Renalis bis zum Durchtritt durch die Nabel-
platte). Nach unten geht aus dem Hilus der linke Harnleiter
hervor (u), der sich hinter und um den rechten Eiergang in
den Bauchdecken emporwendet und in die obere OefTifkung
der rechten Blase mündet, nach einem Verlaufe von etwa
1% Zoll Länge.
Zu bemerken ist nun noch schliesslich, worauf ich Sie
besonders zu achten bitte, dass weder innerlich noch äusser-
lich eine Andeutung von Entzündungen (Verklebungen, Trü-
bungen am Bauchfelle) oder von Zerreissuugeu (weder frischen
noch alten) oder endlich von Callusmassen oder Narben auf-
gefunden werden konnte. Nirgends eine Spur eines irrita-
tiven Vorganges.
Es ergaben sich danach bei einem fast reifen Kinde,
welches einige Zeit ausgiebig geathmet haben muss, mehrere
250 . XV. Verhandlungen deV Gesellschaft
sehr aufTallende und ganz einzig dastehende Eingenthnmlich-
keiten. Zunächst haben wir hier also eine ganz Tollkom-
mene getrennte Duplicitat dei' Eier- und Harngänge mit voll-
ständiger Trennung der beiden Hälften durch eine Gekrösfalt«,
in der Art , dass die beiden rechten Gänge gemeiosam auf
der affenen Blase mönden, während die linken ganz geson-
dert sind. Der linke Harngang mundet in die linke Blase,
der Eiergang darunter in der Haut.
Beide Hälften sind äusserlich durch einen Epidermiswuist
sowie eine bis gegen das Steissbein verlaufende angeborene
Darmspalte getrennt, wogegen die zugehörige Gekrösfalte innen
der Art den ganzen Unterleib in zwei Theile theilt, die rechte
Niere den Grund des Beckens ausfüllt, dass das Zusammen-
kommen der zwei Harn- und Eiergänge unmöglich ist.
Dies mag die Ursache sein, dass sich hier ^ zwei voliständii;
gelrennte Blasen finden, welche beide wieder ,, gespalten*' im
Sinne der Embryologie d. b. offen sind. Der Grund davon
wird bei dem Mangel jedes irritativen Vorganges die Ausfoi-
lung des kleinen Reckens mit der Niere sein, welche die Bil-
dung einer (oder zweier) Harnröhren und damit das Zu-
standekommen der zweiten fötalen Harnexcrelionsperiode ver-
hindert hat.
Die Darmspalte ist sehr umfangreich, stellt jedoch auch
Nichts als die Persistenz des ursprünglichen Dottergangps ')
(Ductus omphaloentericus s. vilello - intestinalis) mit Vorfall
zweier Darmschlingen dar. Das untere Darmstuck ist auf-
fallend kurz, indem es sich gar nicht weiter zum Dickflarro
entwickelt hat. Ausserdem findet sich auch hier, wi«' so
oft bei der angeborenen Darmspalte, ein Defecl des Mast-
darms, muthmasslich auch in Folge der abnormen Lage der
rechten Niere.
Da sich nirgends eine Spur von Verletzung oder Ent-
zündung zeigt, kann die ganze Missbildung nur auf einer
1) Am 28. März 1863 wurde ein iir der Agone fast «»chon
befindliches Kind nach Bethnnien gebracht, das am 24. Febrnir
geboren war, mit einer Dottergangfistel ; am andern Morgen »tarb
CS. Bei setner Aufnahme war jedes der zwei nrngestnlpten vor-
gefallenen aufgerollten Darmitücke einen Puss lang.
für Gebartahülfe in Berlin. • 251
Störung der Entwickelung heruheo. Der Grund derselben
mochte in der rechten Niere zu suchen sein, welche durch
ihre abnorme Lage die Entstehung der After- und Harnroh-
reneinstulpung an ihrem natörJichen Orte und die Verschmel-
zung der Harn- und Eiergänge verhindert hat. Die Folge
war einerseits die Duplicität dieser Bildungen, andererseits
die Persistenz der Nahelöflnungen.
Diese abnorme Lage ist weder Folge eines ,,Wandern8
der Niere"* noch eines irritativen Prozesses, sondern eine in
Bezug auf den Ort irrende Entwickelung, indem sich hier die
definitive Niere statt am olieren an dem unteren Ende der
Urniere entwickelt hat.
Das Fehlen der * einen Nabelarterie ist ein ebenso häu-
figer als belangloser Bildungsfetiler ; Vrolik hat sie ja selbst
bei einem sonst ganz wohlgehildeten Kinde gefunden ^).
Die zwei senkrecht durchbohrten Haut falten werden sich
dadurch erklären, dass die seröse untere VereinigungshauU
Eaihke*8 *) Membrana reuniens inferior, welche vor der Ent-
wickelung des Haut- und Muskelsysleins die Leiheshöhle
schliesst, die Decke aller Harnstrangfistein, offener Blasen und
persistenter Allantoiden bilden wird, wie sie in die Scheide
des Nabelstranges übergeht, und bei einigen Fischen als Na-
belsack sogar den ganzen Doltersack überzieht; später aber
geht sie schon vor oder bei der Geburt in Folge der Atrophie
ihrer Gelasse (Verzweigung der Nabelvene) zu .Grunde, da sie
ohnedem die Entbindung hindern würde. Da wo der Harn-
druck stärker, berühren sich die Blasen, so das.s sie. keine
solidere Bildung dazwischen zu Stande kommen lassen; wo
er schwächer^ bilden sich an ihr die Bauchdecken (Bauch-
platten) wie gewöhnlich, also rund um die offenen Blasen
und hier, wo zwei sind, auch dazwischen. Diese Zwischen-
bildung wird in Folge der Hinfälligkeit der unteren Verbin-
1) Abgebildet in Tnbalae ad illnstrandum embryogenesin
hominis et mamroaliam Buctore W, Vrolik. Am^ttelodami apud
Lonilonk. 4. 1«49. Tab. 20. Fig. 2.
2) Vergl. Entwickelnngsgescbichte dir Natter. Königsberg,
bei Borntrapr^^r. 1839. 4. §. 29. p. 60—65. nnd Zur Entwicke-
Inngsijeschicbte der Thiere, eine Bemerkung von H. Batkke in
Mmier'a Archiv. 1838. Hft. IV. p. 361.
252 X^- VerhHDdlangen der Gesellschaft
duDgshaut als eine Leiste, und da, wo die beiden kugelför-
migen Blasen zusammenstiessen und sich so beruhiteD, das«
es nicht zu einer solideren Bildung kommen konnte, wie ein
Bröckenbogen stehen bleiben. Ich habe in der Literatur kei-
nen Fall gefunden, der durch eine ähnliche Bildung mdir
Licht auf diese Eigenthumlichkeit unseres Falles würfe.
Jedenfalls macht dieser Umstand, die abnorme Lage der
Niere, die vollständige Duplicität der Harn- und Eiergange,
wodurch wir es hier mit einer doppelten weiten, offenen. Blase
zu thun haben, diesen Fall zu einem der merkwürdigsten
angeborener Bildungsstörung.
Ein abnormer Tiefstand der Niere ist schon oft be-
merkt; Meckd kannte ein Dutzend Fälle. Auffallend isl hier
nur der hohe Grad, indem sie, statt wie gewöhnlich, am Pro-
montorium zu liegen, platt das ganze kleine Becken aui^fällt,
sowie der Umstand, dass der Harpleiter an ihrer unteren
Seite einmündet, was Meckel an seinen zwölf Fällen nur ein-
mal bei Eußtach ') fand.
Die voUsländige Duplicität der Eiergänge ist selten, aber
schon der Fall, den jungst Herr i^artin zeigte, der, den ich
der Gesellschaft neulich vorlegte, beweisen, dass sie nicht
so gar selten sein kann.
Am seltensten, von manchen Seiten sogar mit Unrecht
bestritten, findet man an den Theilen des Urogenitalapparates
die Duplicität an der Blase ausgesprochen, weil dieselbe, wie
man in der Regel annimmt, sich für sich und aus t*inem
unpaarigen Organe, der AUantois, entwickelt
Fälle jedoch, wie der von Testa^)^ der die Blase innen
durch eine Scheidewand vollständig in zwei Theile gel heilt
fand ; von Oerardus Blasius *), der bei der Section eines
erwachsenen Mannes zwei Blasen nur verklebt und Selbst
äusserlich schon durch eine Rinne getheilt sah; von Isaac
1) Journal für anatomische Varietäten, feinere und ptitho-
logische Anatomie von PK F. Meckel. Halle, bei Trompeus. 8.
1805. Abhandlung über die Varietäten des Harnsystems.
2) Meckel, path. Anatomie. Bd. I.
3) Gerardi Bltuii, observationes medicae rariores. Amate-
lodami 1677. p. 59. Obs. XIX. «
für Gebartshtilfe in Berlin. 263
GixtUer ^) , bei dessen 15 Tage alt gewordenem Kinde beide
Blasen einen Finger breit durcb den Mastdarm von einander
getrennt lagen ; von Sömmertng ^) endlich, der auch an der
Leiche eines Kindes von zwei Monaten zwei Blasen fand —
alle solche Fälle ') zeigen , dass selbst dies Organ , wie
1) liaaci Cattieri, obseryationes medioinales P$iro BoreUo
commanicatae Prancofnrti 1670. Obs. 20. p. 86. in Petri BoreUi
Histor. et Observ. Cent. IV.
2} Vergl. MeduH^ path. Anat Bd. I.
8) FäUchlich mit angesogen wird ein Fall, den Ttnon ge-
nauer nntersncbt hat (M^m. de Tacad. des sciences de Paris
1768. p. 48. N. II.). Die Blase war durch eine Wand getheilt,
welche in ihrer Mitte durchbohrt war; bei genauerer Beobachtung
zeigte sich, dass die grossen Abtheilnngen nur aus Schleimhant-
ausstülpnngen zwischen die Maschen des fleischigen Geflechts
bestanden und bei der 75 Jahre alten Frau durch die die letzten
drei Monate totale BlasenlKhmung (Harnverhaltung) hervorge-
bracht waren, wie sich nach Tenon gar viele der Xlteren Beob-
achtungen über Doppelheit der Blase so nur als scheinbare zei-
gen sollen.
In der That ist auch der Befund an der Leiche von Ca-
aaubonu9 so zu deuten, dessen Veiiica duplex immer citirt wird
und nur in einer Absacknng um einen grossen Harnstein beruhte
(vergl. Johannis Riolani filii Anthropographia. Parisiis. 4. 1626.
pag. 247.).
Bauhins Fall stellt eben so nur ein durchbohrtes Septum
dar. (Vergl. Johannia Veslingitj Sjntagma auatomicum illustra-
tnm commentario a Gerardo Blaaio Trajecti ad Rhenum. 4. 1696.
Cap. V. p. 81. in commentario.)
Nicht hergehörig ist ferner der Fall, dass scheinbar zwei
Blasen sich beide mit Harn fUllten, aber nur in eine derselben
an der Leiohe die Harnleiter einmündeten, wie es endlich Gentrd
Bliuiu» an der Leiche einer Kuh {Johannit VeMigü Syntagma
p. 81.) fand.
Aehnlich sollte nach Biolan der viel citirte Fall von Vol-
eheru» Coiter sein, was jedoch, wie Ifor^a^i nachweist, nur auf
einem durch Tradition verschleppten Versehen bernht, indem
Coiter'» Mädchen scheinbar zwei Blasen, in der That (wie aus
dem von Morgagni angefahrten Text {Morgagni de sedib. et cans.
morbor. Bd. III. £p. 42. art. .32.) hervorgeht) jedoch nur eine
hatte und daneben eine hydropische Cyste.
Ob dagegen der dort angeführte Fall von MoUneUus stich-
halti)^er ist, der ,in muliere publice ostendit quinqne, totidem
254 ^^' Verh&ndlnngeii der Gesellschaft
alle änderet^ m der Miltellioie des Körpers, paarig Torkem-
inen, sich für jeden Harnleiler gesondert ausbUden kann.
Eine Beobachtung von Reichert am Vogelei giebt dafür wohl
eine Erklärung.
renibns, sex autem ureteribns praedita, qnorum bini id majorem
qaatuor reliqui siDgali in singulas minores vesicas inserebantar,
qaae per sing^nlares tnbulos in majorem lotinm mittebant*' — mns«
ioh dahin gestellt sein lassen, da es nicht unmöglich wäre, das»
hier nur mehrfache und theilweise sackig erweiterte Harnleiter
die Missbildnng ausgemacht, was ein nicht gerade seltenes Vor-
kommen.
Während die soweit besprochenen Fälle von Vesica duplex
Nichts als Blasentaschen, merkwürdig ausgeweitete Blasendiver-
tikel darstellen, findet sich in anderen F^ällen die scheinbare
Doppelheit dadurch hergestellt, dass im Grund der Blase ein
zweiter oft nur durch feine Oeffnung zusammenhängender Sack
sich befindet, welcher gegen den Nabel aufsteigt und wie bei
den früher besprochenen Fällen von Atresia urethrae cystica mnth-
masslich Nichts als eine Dilatation des Urachus darstellt. Dies
erachtet Ruytchf der diese Form zuerst beschrieben zu fanben
scheint, für um so wahrscheinlicher, als sie ihm nur bei Tbieren
(Quadrupeden) vorgekommen sei. Denn deren Urachus sei ja
durchgängig, der menschliche Kolid. — Genuinam vesicam urioa-
riam in corpore humano nunquam reperi — (cf. Ruysck Obser-
vationum anatomicarum et chirurgicarum Centuria. Amstelodami
1691. 4. Observ. 8. Vesica ovilla quasi in duas partes divisa^j
Beim Menschen freilich macht die Beobachtung von Anion
Portal diese Ansicht fiir die Mehrzahl trotz der Lage zweifelhaft.
Er sah einen Mann von 45 Jahren auf den Bauch fallen, der in
Folge dessen sofort Harnabfluss aus dem Nabel bekam. Nach-
dem er bald darauf gestorben , fand sich seine Blase contrahirt
uad sichtlich schon lange erkrankt. Nach oben ging eine nnr
von der Sehleimhaut bekleidete Tasche , die zwischen den Bla-
senmuskelbündeln eine Hernie bildete, gegen den Nabel hinauf,
und bildete die abnorme Fistel, welche in ihrer vorderen FlScbe
von dem sehnigen Urachus bedeckt sich fand.
Ganz ähnlich ist der Kall eines Steinkranken von Sabalier,
der nach Harnverhaltung einen Banchabscess and eine Fistel
dicht am Urachus bekam. (Cf. Trait^ d*anatomie. Paris. JI. Bd.
1781. T. III. p. 472.)
So sieht man, dass die meisten Fälle von doppelter Blase,
wie die Fälle von erworbenen Nabelharnfisteln und der soge-
nannten Lapides tunicati auf demselben Process beruhen, der
allun Harnabsoessen und Fisteln zu Grunde liegt, der Blasen-
taschenbildung (Hernia tunicae Tesicae internae Portal).
für Qebartshalfe in Berlin. 255
Ebenso auffallend als die Doppelbildung ist aber der Um-
stand, dass sich in unserem Falle überhaupt eine Blase fiiidet,
da hier doch der ganze Dickdarm fehlt, und der unterste
Rest des Dünndarms den Blasen so fern liegt, als es nur
immer möglich ist. £s mochte dieser Uinsiand gerade so
wie die Fälle von angeborenem Blasenverschlusse in der Scheide
bei Frauen (Cabrol, Huxhanij Oberteuffer) dafür sprechen,
dass sich die Blase mehr am Darm bildet und höhlt, als
durch eine Ausstülpung des Darms zu Stande kommt, so
dass sie also eigentlich gar nichts mit ihm zu thun hat.
Nach Reichert verwächst ja die Allantois, noch ehe sie
hohl ist, aus zwei soliden Zellenanhäufungea , die dicht am
Wolff'^d\e,i\ Körper hegen (bei») Vogelei) *).
Das Zustandekomnien der Umstülpung beider Blasen muss
man sich vorstellen, wie bei einer; durch ein Hinderniss für
den Uebergang des Fötus aus seiner ersten in seine zweite
Harnexcretionsperiode. Die abnorme Lage der Niere verhin-
derte das Zustandekonunen ^er Harnröhre, wie es das Zu-
sammenfliessen der Harnwege unmöglich gemacht hat. In
Folge dessen wurde« die Bildung und Verwachsung des Harn-
Stranges durch die Stauung des Harnes hi^tenangehalten,
oder vielmehr der zwei Urachi, wie die Doppelheit der
Blase sie nothwendig gemacht hätte.
Wegen dieser ausgesprochenen Duplicität und Inversion,
der Harnstränge bis in den Nabel steht der Fall einzig bis
jetzt da.
Am ähnlichsten und des Vergleichs wegen von Interesse
ist ein Fall von Petit ''^), der, allerdings anders aufgel'asst, in
manchen Stücken nicht ausreichend genug beschrieben ist,
um entscheiden zu können, ob es sich, wie es scheint, dabei
auch um eine Inversio vesicae duphcis congenita gehandelt hat.
Es betri£fl ein Zwillingskind, welches, rechtzeitig gekom-
men, nach vier Stunden starb, während der Genoss vollstän-
dig gesund.
1) Joh. Müller, Physiologie des Menschen. 1840. II. 698.
2) D^ecription d'un foetus difforine in M^moires de Taca-
demii! royale des sciences. Annee 1716. p. 82. Paris. 4.
266 X^- Verhandlnn^eü der Oesellsehaft
Ausser unbedeutenden Abnormitäten (der linke Schenkel
war grösser als der rechte; dessen ersiere und zweite Zehe
▼erwachsen war; die Nabelvene verlief in einen Spait ober-
halb der Leber; der Hagen lag rechts neben der rechten
Niere; es fand sich nur eine starke Nabelarterie — )
fehlten die Geschlechtsdrüsen; das Steissbein war nach
vorn gewölbt, so dass seine Spitze oberhalb der Scham-
fuge stand und keine Beckenböhlung vorhanden war. An
der Spitze des Steissbeins und der Schamfuge war ein di-
torisartiger Körper, der einen blinden Kanal enthielt, be-
festigt. Eine Harnröhren- oder Afteröihiung fehlten dahinter;
darüber jedoch war der Leib thalergross bis zum Schwert-
fortsatz offen. Von zwei Afleröffnungen in der Mitte ging
die rechte in das ' Magenende der prallen Dünndärme, die
linke in ein kurzes Darmstück mit zwei wurmförmigen An-
'hängen am Ende und etwas Schleim im Innern. Sonst ent-
hielt die Bauchhöhle keinen Darm. Neben dieser Darmspalte
bemerkte er jederseits noch einen Darm (boyau), in den er
bei weiterem Präpariren den Harnleiter jederseits endend
fand. An seiner weitesten Stelle hatte der linke 24 Linien
im Durchmesser. An den Nieren war der linke zwei Linien
dick auf eine Länge von vier, dann wurde er bis ^4 dönn
auf sechs Linien Länge. Der rechte war die Hälfte weniger
dick und endete ebenso mit einem feinen Kanal.
Beide münden vier Linien ab von der Darmspalte, auf
ihrer halben Höhe. „Urachus und Blase seien nicht vorhan-
den gewesen.**
Soweit man aus dieser unvollkommenen Beschreibung
schiiessen kann, endeten zwei normale („für Schweinsborsten
durchgängige") Harnleiter in zwei weite („darmähnliche**)
Blasen, die also in diesem Falle auch ziemlich weit von ein-
ander lagen.
Die Ursache der Duplicitäl der. Hamstrangumsinlpung
war hier ebenso eine abnorme Ausfüllung des kleinen Beckens, die
jedoch nicht von einer Niere, sondern vom heiligen Beine
zu Stande gebracht war, und die Atresia ani et uretln*ae
umbilicalis veranlasst hatte.
Ebenso bot vielleicht folgender Fall eine Aehnliclikeit
för Gebnrtghülfe in Berlin. 257
dar, dessen Beschreibung fAttre ^) 1709 in der königl Aca-
demie in Paris vortrug.
Das Kind war bei kurzer Nabelschnur durch vorzeitige
Lösung der Placenta zu Grunde gegangen. £s fand sich am
Os sacrum ein gestielter Hydrorrhachissack. Es fehlte der Dick-
darm, der Dünndarm communicirte mit dem Nabel.
Eine Nabelarterie fehlte, die Vene ging in die linke
Leiste, von da längs der Wirbelsäule mit Aufnahme der Ilia-
cae in den Truncus superior venae cavae.
Prostata, Samenblasen, Vorhaut, Scrotum fehlten, die
Testikel lagen noch in der Bauchhöhle. •
Von den Harnleitern, die beide in einem Gekröse lagen,
war der linke ein Drittel grösser als der rechte, und mün>
dele in eine T" lange, 4"' breite Blase, in die auch der linke
Samengang endete. Ihr Hals mündete IV2'" stark 3'" ober-
halb des linken Schambeins, das vom rechten 2Va Zoll klafile.
Der rechte Harnleiter öiliicte sich 4!" oberhalb des reclilen
Schambeins (lang IV2'"» ^^*^^^ ^W") ""^ nahm drei Linien
von der Mündung den rechten Samengang auf.
Unter diesen Mundungen fand sich der 9"' lange, 4"'
dicke Penis, dessen Glans nicht durchbohrt war, mit zwei
Corppra cavernosa und Urethra.
Daraus, dass bei Einspritzungen etwas Vif^asser in der
linken Blase blieb, dasselbe aus der rechten Oetfnung gleich
abOoss, schloss er, dass links ein Sphinkter sei, rechts kei-
ner, und glaubte, dass links eine Blase sei, rechts der Harn-
leiter in die Bauchdecken münde. Dass dieser Versuch nichts
beweist, und blos von ungleicher Capacität, ungleichem Drucke
abhängen konnte, liegt auf der Hand; so dass es immerhin,
wenn auch unsicher, doch leicht möglich wäre, dass hier ein
Fall von doppelter Blase vorlag.
Dies sind die einzigen Fälle, die ich in der Literatur
gefunden, und die, soweit es aus der unzureichenden Be-
schreibung zu entnehmen, vielleicht dem vorliegenden ähnelten.
Betrachtet man ihn näher, so zeigt sich, dass er die
1) Snr nn f^tus humain inonstrneux. M^m. de TAcad. royale
des sciences ann. 1709. p. 9.
MonatRflcbr. f. Oeburtflk. 1866. Bd. XXVI.. Uft 4. 17
258 ^^* Verhandlnn^en der Gesellschaft
auch sonst schwach begründet^ Theorie der KJoakbildung
von Meckel ^) und der Blasenexstrophie von Velpeau m-
derlegt«
Jüngst habe ich ausführlich erörtert, wie die Hanisecr«-
tion schon in den frühesten Zeiten bei der Fracht im Gange
ist; wie der Harn die ersten Wochen durch den Nabe) ab-
fliesst, bis die Harnröhrenbildung zu Stande kommt
Wir sahen, wie eine Störung in der Bildung der Ham-
röhrenstücke entweder eine abweichende Ausmündung des
inneren zur Folge hat (auf welche Weise sich leicht die Bil-
dung der gewöhnlichen Art von Hypospadie , sowie der so
seltenen Fdiie wahrer Epispadie*^) erklärt) oder eine tödüiche
Harnstauung (Atresia ur^thrae cystica), oder endlich ein Offea-
bleiben der naturlichen Ventile nach sich zieht (Persistenz
der Nabel- und Darmcommunication).
Die Persistenz des Harnstranges ergab sich als die natür-
lichste Folge einer nicht gerathenen Harnröhrenbildung. Die
Urachusfistel hat dabei eine sehr verschiedene Stärke, ab-
hängig muthmasslich von der verschiedenen Stärke des Ham-
druckes; bald haarfein, nimmt sie bald den ganzen Unterleib
1) Die im Encyclopädischen Wörterbuch der medicinischen
Wissenschaften herausgegeben von Professoren der Berliner Fa-
cnltät (1884. Bd. II. pag. 651. Art. Ezstrophie) selbst gegen Jo-
hanne$ Müller mit Energie aufrecht erhalten wurde.
2) Der Defectns urethrae externüs (Imperforation der Eichel)
falls die Eichel überhaupt nicht ganz verkrüppelt bei der Di*-
location ihres Corpus cavernosum urothrae ist, wie sie in der be-
kannten Abbildung von Ruysch zu sehen ist, wird in manchen
der von Baum (Dissertatio de urethrae virilis fissuris congenitis
speciatim vero de epispadia 1822. Berolini. 4.) gesammelten Be-
obachtungen ausdrücklich erwähnt (3, 6, 7, 9 die Falle von
JordenSf Gianella^ SetdUtus, Oberteuffer). Ausserdem beschreibt
Breschet ganz bestimmt, dass die Eichel iniperforirt und die Haro-
röhre geschlossen bei seinem Falle. Vergl. Artikel Epispadiss
im Dictionn. des sciences medicales. Paris 1816. T. 12. Man
vergleiche über diese Ricfatnngsäbweichnng der Harnröhre liidüre
Qeoffroy St. Hilaire in Traitd 'de Teratologie. Paris. Bailli^re.
1832. T. I. p. 507. Für diese Fälle ist der Name Episparfi?.
wenn man ihn wörtlich nimmt {ifCLöfccca)) , treffender als sein Kr-
ßnder glaubt, jedenfalls besser und richtiger als die verbesec-^
Auflage, Epidiast^matocaulie.
für GebnrUhalfe in Berlin. 259
ein, ein Zustand, den Meckelf Bla&enspalie nannte, und der
durch Complication mit Hülfe der Bauchpresse die bekannten
Formen offener Blase mit Umstölpung (Inversio), Vorfall
(Prolapsus) und Hernienbildung durch die hintere Wand zeigt.
Selbst solche einfache Fälle f^s&i Meckd unter den Be-
griff der Cloakbildung zusammen, die ausgebildet bei ihm jede
offene Höhle, in die sich Darm, Harn und Geschlechtswege
zusammen oder zu zweien einmünden, ohne Unterschied heisst.
Er war der Ansicht, dass sie das Resultat ursprunglicher
Bildungsfehler aller Organe sei, die sich nicht bedingen, in
früherer Zeit des Fötus aber normal seien; eine Hemmungs-
bildung der ganzen Bauchwande, die gerade wie der Darm
sich aus zwei Platten entgegenwüchsen.
Um diese Theorie richtig zu würdigen, kann man sich
kaum einen geeigneteren Fall als den unserigen denken!
Es unterliegt wohl keinem Zweifei , dass Meckel in sei-
ner Kloakentheorie zwei ganz verschiedene Dinge zusammen-
geworfen, ganz so wie man durch einen oberflächlichen An-
blick verführt; Epi- und Hypospadie, Hermaphroditismus su-
perior und inferior, (Breschefs) Epi- und Hypodiaslemato-
caulie ') zusammenzustellen pflegt, Krankheiten, die man sich
wohl kaum verschiedener denken kann, sowohl in Bezug auf
ihre Entstehung als in Hinsicht ihrer Würdigung.
Jedenfalls muss man unter Mecket% Cloaken diejenigen
unterscheiden, welche auf einem Offenbleiben der anfänglichen
Nabelöffnungen, 'Harnstrang und Dottergang, beruhen, von
denen, wo die für den Menschen normale Sonderung des
Mastdarms vom Urogenitalsinus unvollständig bleibt, wie es
z. B. bei den meisten Fällen von Atresia ani vaginalis, ure-
thralis, vesicalis und bei der Atresia urethrae analis, der
Fall ist.
Nur diese haben ein Recht mit der Kloakbildung bei
Vögeln verglichen zu werden, wahrend die ersten, schon ohne
gemeinsamen, wenn auch noch so schwachen Sphinkter stets
zwar eine Nachbarschaft, genau genommen jedoch eine voll-
ständige Trennung der Darm- und Harnwege zeigen. Scheinbar
1) Dictionn. de medecine. Paris. T. VI. 1823. Art. De-
viation von Breichet.
17*
2t>0 >^V. Verhandinngen der Gesellschaft
ausgenonimen sind davon eirtige seltene Fälle, in denen Wi
Atresia ani vesicalis gleichzeitig in Folge Alresia urethne
eine Persistenz des Urachus vorhanden ist, so dass dann der
Mastdarm mitten auf der Blase in den Nabel mündet, ein
leicht erklärlicher Fall, weil dann eben die wahre KJoakbü-
dung sich mit der scheinbaren auf Persistenz der Nabelwege
beruhenden combinirt.
Es giebt allerdings Fälle, wo man bei der äusseren Be-
sichtigung allein schwanken kann, mit welcher dieser drei
Möglichkeiten man es zu thun hat, wenn ausser dieser Miss-
bildung gleichzeitig die äusseren Geschlechtstheile sowohl feh-
len, als aucli die ganzen unteren Bauchdecken mitsaaiml
den Beckenknochen unvereint geblieben sind, Theile, die sonst
die persistirenden Oeflhungen von der Kloake äusserlich tren-
nen. Selbst dann kann man sich aber meist durch die NäJie
der Harnstrang- und Dottergangfisteln am Nabel orieotiren,
oft durch die Lage oberhalb oder unterhalb der Gesclilecbts-
öffnung, wenn diese wenigstens vorhanden ist. Nur muss
man dahei nicht vergessen, dass bei (Vesica inversa) Umstfil-
pung der Blase, wenn die Nabelschnur abgefallen,- keine Na-
belgrube vorhanden, sondern nur eine quere Nabelfalte, wes-
halb man bekanntlich vor 100 Jahren sich noch einbildeCe,
solche Früchte seien nabellos und führten den Beweis, dass
man im Gebärmutterleibe sich nur vom Trinken des Scbaf-
Wassers ernähre {Desgranges). *)
Aufschluss giebt dann schliesslich nur die Section, weiche
die Dotlergangöfinung mitten in den Dünndarm, bei der
Kloakbildung das Mastdarmende in die Blase oder Scheide
sich öffnend zeigt, wie denn überhaupt das Vorhandensein
zweier Darmmundungen gegen das Vorhandensein der Kloak-
bildung spricht.
Wie ähnlich sie dem offenen Nabel heim ersten BMck
scheinen kann, zeigt der vorliegende Fall. Wie wehig Meckd's
Theorie hierför gilt, sieht man klar an der Epidermisfalle,
die zwischen rechter Blase und dem Darmvorfall senkrecht
von oben nach unten verläuft; sie schliesst jede Annahme
(^iner Hemmungsbildung durch Ausbleiben der Verwachsung
1) Vergl. A. Rooae. §. 2. ßonn. pag. 11.
für QebQrtshülfe in Berlin. 261
der von der Seite zusainmeDwachseiKlcii Buuchdecken aus,
wie denn auch in jedem anderen Falle der Art eine sorg-
faltige Untersuchung ebenso dagegenspricht, wie eine einfache
UeberJegung. ^ '
Darm und Bauchdecken wachsen wohl von der Seite
sich nähernd zusammen, aber die Blase geht danach aus oder
an dem vereinigten Organe aus der unpaaren Allanlois her-
vor. Wie kann eine Hemmungsbiidung jenen Einfluss haben
auf diese, welche sich in ganz anderer Richtung entwickelt!
Nur dann wäre man eine wirkliche Blasenspalte als
Hemmungsbiidung anzunehmen berechtigt, wenn man vom
Nabe] ab den Darm bis zu seinem Ende gespalten und jeder
Spaltfläche eine vollständig gesonderte Blasenfläche entspre-
chen lande, ein Fall, von dem mir kein Beispiel bekannt.
Denn man darf damit nicht die Fälle von Blaseninversion mit
iNabelafler verwechseln, weil dabei nur die Darmmitte, der
Dottergang, otfen geblieben ist und die Oefliiung der Blase
und der After nur zufällig (der Nähe von Dottergang und
Harnstrang entsprechend) aneinander liegen. Zufallig, wie
dabei die Einmündung des Nabelafters in den Dünndarm für
gewöhnlich, in dem vorliegenden Falle ausserdem der Ober-
hautstreif zwischen Blase und Aller deutlich zeigt.
Jeder Fall, in dem die ßlase oberhalb der Genitalien
und der Schamfuge offen steht, ist als Persistenz des mehr
weniger weiten Urachus zu deuten; und die Blase ist offen,
nicht weil sie zerrissen ist (Htgmore *), Duncan, Velpeau),
was, wenn es überhaupt vorkommt (Velpeau), die Ausnahme
ist, da man in der Regel keine Spuren (Risse, Narben, Ent-
zundungsreste) davon findet; sondern weil durch Harnstaunng
der Harnstrang nicht ausgebildet, die Blase offen erhalten ist.
Sein Verwachsen ist unterblieben, weil die normale Bildung
der Harnröhre auf irgend ein Hinderniss gestossen ist.
So geht der Ursprung aller FäJle von Blasen* und Darm-
spalte in den ersten Fötalmonat zurück, wo bei der Nähe
des Nabels an den Geschlechtstheilen die so ungleiche Grösse
der persistenten Oeffnungen erklärlich wird.
1) Anf^eblich post partum in Folge der Ligatur um den
Hamstrang.
262 ^V. VerhandlnngeD der Geielhchaft
Für meine Ansicht spricht dieser Fall klar, aber auch
mancher Umstand sonst deutet bei ausgesprochenen Pällra
die Wirkung der Harnstauung auf Harnblase und Ham-
strang an. * •
Oft findet man nämlich bei der sogenannten BlasenspalU
die Harnleiter erweitert [Roose), gerade wie in den fräh«r
von mir besprochenen Fällen von Blasenwassersucht beiiD
Fötus sich oft die Wirkung bis in die Nieren fortsetzt
In keinem Falle sind Urachus und Blase ausserdem vor-
handen, wie Petit sagt, natürlich, weil beide eben in diese
Missbildung aufgegangen.
Bei Erwachsenen fehlt der Nabel oder wenigstens die
Nabeli^undung , weil natürlich bei einigermassen grosser Oeff-
nung des Harnstranges die Nabelschnur nicht mehr cylindrisdi
sein konnte. Dass bei Blasenspalte Erwachsener stets höch-
stens eine Nabelquerfalte da ist, bei den Neugeborenen die
Schnur sich bandförmig ansetzt, zeigt, dass ein Theil des
Nabels, der Urachus, in die Bildung aufgegangen.
Oft klaffen die Schambeine, die sich natürlich so wenig
als die Bauchdecken über die ausgeweiterte Blase vereinen kön-
nen, falls die Oeffnung gross und weit hinabreicbt. Eine
kleine Urachusfistel am Nabel hindert die Vereinigung nator-
lich nicht (cf. den früher von mir mitgetheilten Fall), wie denn
auch andererseits ohne Blasenspalte natürlich die Fuge o/Tefi
stehen kann (Fälle von Walter, Coates). Beide Möglich-
keiten zeigen die Unhaltbarkeit der Theorie von Roose, dass
der Grund der Inversio vesicae in der Diastase der Scham-
fuge liege, mag man nun ihren Ursprung in ein intrauterines
Trauma (Roose) der Anamnese zu Liebe, oder in eine Bii-
dungshemmung verlegen {Creve) *).
Fälle, wie der hier vorgelegte, zeigen, dass bei der Ent-
stehung solcher Missbildungen, wie der Fistula urachi, Ectopia
vesicae, Epispadie, Inversio vesicae, Fissura vesicae mit oder
ohn«! Fissura intestini, Fistula ductus vitello intestinalis ein
intrauterines Trauma überhaupt nicht im Spiele ist, wovon
man doch sonst ausgiebige Zeichen wahrzunehmen im Stande
1) C CoMpar Crh)e, von den Krankbeiten des weiblicbeo
Beckens. Berlin, bei Himbnrg. 4. 17^5. p. 131.
för Geburtohtilfe iii Berlin. 268
ist, wie die oben mitgetheillen FäJJe von Hecker und Freunde
die Fälle von Selbstamputatioii, coojplicirtef Fractur und ao-
deren Wunden des Fötus in den ZusanamensteUungeu von
Feieiy Ed. Martin und Ourlt zeigen. Wenn man in einigen
Fällen Spuren davon getroffen (Velpeau), so folgt jedenfalls
aus unserem Falte, wie auch aus der ähnlichen Mehrzaiil,
dass das Trauma nicht noth wendig zur Entstehung ist, also
zur Eriilärung nicht ausreichend.
Damit fallen die Theorien von Rooee^ der den Ursprung
von einer violenlen Diaetaee der Schamfuge ^) herleitete,
von Duncan, der die pralle Blase zerreissen liess, von Vel-
peau^ der überall nur eine intrauterine Zerreissung des Bau-
ches sah *).
Dass der HaupteinwUnd gegen die Herleitung von der
Hanistauung, weil — pendant la vie intrauterine le fetus
n'ait point d'urine k rendre, wie Velpeau 1833 sagt, voll-
ständig nichtig, habe ich in meinem ersten Vortrage ausfuhr-
lich besprochen. Sab doch Portal selbst während der Ge-
burt (schon 1685) den Fötus im vollen Strahl pissen. Da-
nach ist es wohl keine , völlig 'unerwiesene und durchaus un-
wahrscbeinhche Meinung, dass der Harn des Fötus durch
die Harnröhre ausgeführt werde, un^ also durch Verschlies-
sung derselben angehäuft werden müsse'*; wie Meckel's Worte
sind, mit denen er Duiican*s Ansicht abfertigt, und auch Velpeau
möchte sie bei Kenntnissnahme von den dort gesammelten
und besprochenen Fälle nicht für so „bizarre und unhaltbar"'
erklärt haben.
Denn das geben alle Beobachter an, dass, wenn eint;
Harnröhre vorhanden, sie ausnahmslos undurchgängig (i^on« ^),
Uoose, Meckel^ Ruysch); man kann demnach alle lieber-
1) Th. A. BooBe^ de oativo vesicae nrinariae inversae pro>
lapsa. Götting. 4. 1798. §. 44—47.
2) Analof^ erklärte schon HeitUr die Atresia ani vaKinalis
für eine nach der Gebart entstandene Folge der Atresie.
8) Euyeh: Observ. anat. ohirurg. Cent. 1691. Observ. 23.
Andrea» lionn, ober eine seltene und widernatürlicbe BescbaffeD-
heit der Harnblafie ond Gebnrtstheile eines 12 jährigon Knaben,
HOS d<>ui Holland, übersetst von Arutz. Strasbt^rg 1782. )>. 11.
Boa»e §. 22.
264 X^- Verhhndlnngen der Gesellschaft
gänge in der Grösse ?on der feinsten UracbosOstel durdi
Frortep*s „angeborene Inversion der Blase ^) durch den
Uraclius"* zur vollen Blasenspalte nachweisen, dieser Blasen-
spalte, die, wie schon andere bemerkt (AfccAcZ*), Velpeauy)
nie das Ansehen einer Spalte hat, sondern stets breiter als
hoch ist.
Hemmungsbildongen möchten dann nur in Betracht kom-
men, wenn bei grosser Ausdehnung der Spalte auch böher
hinauf über den Nabel (totale Bauchspalte) oder bis auf die
Ruthe hinab (Epispadie) die Vereinigung der Bauchdecken
ausbleibt, oder auch nur als eine secundäre und nicht nolfa-
wendige Folge der mechanischen Trennung, gerade wie die
so häufige Complication mit Diastase der Schamfuge. Denn
auch hier zeigt sich der grosse Unterschied zwischen Epi-
uud Hypospadie.
Jene beruht auf Ati^esie der Harnröhre, die den Uradiu«
in so früher Zeit offen hält, dass es nicht Wunder nehmen
kann, wenn bei der Nähe von Nabel und Schanifuge seihst
die obere Decke der Rüthe an ihrer Wurzel dadurch getrennt
bleibt. Denn selten findet mau eine Epispadie ohne Spaltung
des Bauchs bemerkt. Die Epispadie ist deshalb eine Art
Blasenfistel, und mit all* ihren schweren und furchtbaren^)
Folgen verknöpft
1) Mömoires de Tacad. de inödeoine. Band 7. pag*. 608.
Paris, 1838.*
2) M(§moire8 de Tacad. royale de medecine. T. III. p. 90.
Paris, 183S.
. 3) Handbuch der pathologischen Anatomie. Leipsig, 1812.
T. 1. p. 716.
4) „Miseram hoiuinnni hoc malo affeetoram conditioneiD,
qai perpenderit, quam non solum ad nauseam usque imroQnditie
et sorditate laborant, odoremque urinosum iuf^atissimnm fundont,
vemm etiam quoties vestibus tangantnr intolerabilibns fere do-
loribns concientur et cute femorum semper corrosi adque exco-
riati evadnnt, sane mirabitnr, eiusmodi malam tarn saepe obser-
vatum et nibiloroinus per longnm temporis spatium ad leniends
aegrotorum incomrooda nihil factam fuisse.'* Wem fKlIt bei
diesen Worten Äugutt Booae^n nicht Dieffenbach*8 berühmte Schil-
derung der Leiden in Folge Blasenncheidenfistel ein 1 (Operat.
Chirargie I. 646.)
Bis jetBt habe ich noch Niemanden gesprochen, der eines
für Oeburtflhfilfe in Berlin. 265
Die Hypospadie beruht auf eiuem Verfehlen der zwei
ursprünglichen Harnröhrenslncke, des innen sich ausstülpen-
den, welches zum Unterschiede von meinem Falle von Alresia
urethrae cystica die Haut erreicht, und des Sasseren ') sich
einstölpenden, welches oft gar nicht angedeutet ist.
Wenn, wie meist, die Harnröbrenöffnung an der Rück-
seite des hängenden Ruthentheils , so ist die Missbildung, da
sie an sich überhaupt weder mit Incontinenz noch mit Im-
potenz ^) verbunden, wie erfahrene Aerzte aller Jahrhunderte
(Fabricius, Morgagni, BoerhaviuSy Hauer, Jördens,
Richerand) bezeugen, so unbedeutend, dass die Leute oft
nur ganz zufallig (z. B. bei Cathetern aus anderer Ursache,
Brucheinklemmungen) entdeckt werden; Gründe, die haupt-
sächlich neben den grossen Gefahren — es sind Todesfälle
danach bekannt — und dem gewöhnlichen Missglücken die
Operation der Hypospadie nie recht hat aufkommen lassen.
Die abnorme Mündung ist eben das Wesentliche bei der Hy-
pospadie, eine Folge des Defects des äusseren Tbeiles, nicht
die Fissur, welche oft fehlt, eine Folge der schiefen Ein-
mündung oder oft nur (ein leider schwer vermeidbares) Kunst-
produkl ist, da ja in Folge der abnormen Lage die hintere
(untere) Wand der Harnröhre dabei oft feiner als Postpapier.
Isidor Oeoffroy 8t Hilaire's Bezeichnung Fissure ure-
FftU von Epispadia penis solius gesehen, woraus man auf ihre
Seltenheit schlie^sen kann. Beim Phinioflenschnitt kann man sie
leicht machen, wenn sngleich, wie so oft Synechie der Vorhaut
besteht.
1) Joh. Müller nahm an, dass sich der Penis durch Zusam-
menwachsen zweier Falten von ihrem unteren Winkel ans bilde
und eine vorherbestehende Schleimhautrinne einen Centralkanal
erhalte, der bei der Hypospadie yon ebendort aus mit verwüchse.
Kennt die ganze Chirurgie einen Fall, wo ein Schleimhautkanal
▼erwächst? Wem ist es möglich dabei zu erklären, wie denn
dabei überhaupt eine Mündung entsteht, woher dann oft das
blinde Harn röhrenstück in der Eichel sich erklärt, das sich oft bei
Hypospadie findet, woher die versprengte Schleimhautrinne ge-
kommen?
2) Cf. die Beschreibung eines Präparatps von Ruytek^ The-
saurus anatomicus III. Amst. 1703. N. 6 v 1 u. N. 22 n 3. Tab. 8.
Fig. 1. explic. p. 66. und Baum loc. ctt. pag. 31.
XV. Verhandlangen der GeselUchaft
thrale inferieure ist deshalb keine Verbesserung gegeo den
alten Namen der Hypospadie, den roao strikt als eine Ab-
Ziehung des Verlaufes vom Normalen fassen kann.
Die seltenen Fälle von Epispadie ohne Blaseniaversion,
vvelcbe von Baum zusammengestellt sind, sind nur durch
die Seite, nach der das innere Harnröhrenstück abgeirrt, ver-
schieden von dem früher von mir vorgezeigten Falle (Atreiiia
urethrae cystica) und von der Hypospadie.
Wir sahen eben, dass allen Missbildungen des Unter-
leibes von der .Harn Strangfistel bis zur Bauchspalte wesentlich
gemeinsam ist
einmal eine unmittelbare von der Nabelquerfalte ab-
wärts sich erstreckende angeborene Harnfistel von sehr
verschiedenem Umfange, und
zweitens ein Verschluss der Ramröhre.
Wir fanden alsdann oft dabei als secundäre Störungen
eine Diastase der Fuge, eine Dilatation der Harnleiter, eine
Spaltung der Bauchdecken, die daher nicht nothwendig mit
jenen Beiden verknöpft sind.
In Betracht, dass in der Begel kein Zeichen einer Ver-
letzung vorhanden ist, suchten wir die Erklärung in einer
Bildungsstörung.
Da der Fötus zweifellos von den ersten Wochen ab schon
Harn secernirt uud ausfliessen lässt ') , erst durch den Nabel, in
1) Schon die grossen Anatomen des 17. Jahrhunderts haben
die Frage über die Harnexcretion des Fötns durch den Nabel
▼ielfach besprochen. Anton Eberard in Middelburg (ef. Antonii
Everardi Novns et genuinus hominis brutiqne animalis exortoi
antore Anthonio Evsrardi^ Mediobnrgi 1661. p. 201, 186.) entschied
gegen Aquapendente ^ Spiegel ^ Highmore n. a. die Frage doreb
sein Ansehen und bei der Unkenntniss der hier besprochenen
fötalen und angeborenen Missbildungen, die fast ohne Ausnahme
erst seitdem beobachtet und untersucht sind, die Diskurse eod*
giltig dahin, dass weder durch Nabel noch Harnröhre der Fotos
Harn abgebe, sondern nur reines Nahrungsmaterial in sllen
drei EihHuten sei. Erstens sei sein Uraohus solid, swelteoB
treffe man in der Leiche von Embryonen stets die Blase toII
Harn, drittens sei die Flüssigkeit, die sich wohl swisohen Cho-
rion und Amnion finde, nicht Ton der Beschaffenheit des Hanu.
für Oebartehttlfe in Berlin. 267
die Allantois, spater durch die Harnröhre in das Amnion, so
muss da:» Ausi>leihen einer vollständigen Harnröhrenbiidung
für ihn schwere Folgen nach sich ziehen.
Ist die Blase bereits allseitig fest geschlossen, so stirbt
er an angeborener Blasenwassersucht.
ist irgendwo noch eine Oeffnung, so wird dieselbe durch
den Druck des Harns offen erhalten.
Wii* sahen deshalb den Grund der ganzen Störung im
Nichtgerathen der Harnröhrenbildung, und erkannten als Folge
entweder die Blasenwassersucht oder das Offenbleiben eines
der Ventile.
In, Betracht der bekannten Fälle, welche alle Uebergänge
darstellen, kann man zwischen Harnstrangfistel und Epispa-
die nur einen quantitativen Unterschied annehmen.
Nichts ist verschiedener als die Blasenfistel, welche man
gewöhnlich Epispadie oder Herroaphroditismus superior nennt,
und die Harnröhrenmissbildung, welche man ihr als Hypospa*
dfe oder Hermaphroditismus inferior vergleicht.
Wie der Verschluss oder das Fehlen der Harnröhre ein
Offenbleiben des Harnstrangs, scheint der Verschluss oder
schliesslich müsse ja der Fötns aas dem Harnbad voller Exco-
riationen kommen. Diese vier Gründe hat die weitere Erfahrung
jetst also widerlegt.
Das« der Hamstrang nicht immer, in den ersten Fötal-
monaten niemals solid , lehren die wohlconstatirten Beobachtun-
gen von angeborenen Urachusfisteln. Die Ezistens der mensch-
lichen Allantois ist von Graf^ Ruyach, Roederer, Haller gut be-
schrieben; ihr Zusammenbang mit der Blase aber erst durch
Kenntniss von Embryonen ans der dritten und vierten Woche
beim Menschen nachgewiesen von J, F. Meckel, Pockelst CaatB,
Thomson^ R* Wagner^ Johannes Müller^ Domrich und Schröder van
der Kolk,
Der feweite Umstand lehrt nur, dass der Fötus nicht activ
pisst, spricht aber gerade für ein Uebertröpfeln , fthnlich den
Fällen von Retentiou mit Incontinens bei Prosta laanschweHungen
und Strikturen.
Den dritten Grund hat Jacobson durch aeine schöne Ent-
deckung widerlegt und gegen die Ezcorintionen sehntst ebenso,
die WAssrigkeit des kindliehen Harns wie die Verdünnung des
Schafwassers durch den mntterliohen Antheil, vor allem die dicke
Schicht Vernix caseosa.
268 ^^- Verfaanillongen der Oesellschaft
das Fehlen des Mastdarms stets ein Offenbleiben seiner Ven-
tile, der Verbindung mit der Blase oder des Dotterganges
zur Folge z^ haben, wobei wenigstens noch nie der Dick-
darm normal gefunden zu sein scheint ').
Sicher ist Meckefs Ansicht, der After fehle nur, weil
der Mastdarm sich dabei in andere Organe öffne, falsch, weil
ja Anfangs bei jedem Fötus der Dönndarm mit dem Nabel
und der Dickdarm mit den Harn und Eiergängen com-
municirt
Es bleiben auch diese Oeffnungen nur, weil der nor-
male Ausweg nicht zu Stande kommt ^.
Das Wesentliche aller Missbildungen des Unterleibes wird
deshalb der Grund sein, welcher die endgditigen Auswege
nicht zu Stande kommen lässt. Schliesslich beruhen sie alle
auf dem Missrathen oder Nichtgerathen derselben.
Wenn das aber .der wesentliche Punkt, so möchte ich
vorschlagen, all* den Namen Wirrwarr, in den sich bei Man-
chen noch die verschiedenen Bezeichnungen der Gynandrie*.
Hermaphrodisie und Androgynie mischen, fallen zu lassen,
und dafür eine anatomische Nomenklatur anzunehmen, um
so mehr, als dieselbe eben so wohl den einfachen Befund
als die für den Wundarzt wesentlichen Punkte bezeichnet.
Missratlien ist die Harnröhrenbildung, wenn sich beide
Bestandtheile nicht treffen, eine Abweichung der Bilduugs-
ricbtung, wie bei meinem Fall von schiefem Septum, der
wahren so seltenen Epispadie und bei der Art H^-pospndie,
wo zugleich das äussere Harnröhrenslück in der Eichel blind
endet, Fälle, für die der Name Spadie wörliich genommen
als eine Ablenkung von der geraden Bichtung nicht unpas-
send ist.
1) Schon Meckel erw&bnt dabei (T. 692), dass dar nntere
Tbeil des DarmkaoaU gewöhnlich mehr oder weniger nnent-
wickelt.
2) Noch im Jahre 1832 konimt Iridore Geoffroff St, Hilaire
in Folge setner geswongenen Eintheilnng daso la Confosion fait«
par toas les antenrs entre les emboachiires anomales de Tin-
testin et les imperforations de Tanns in Spesie BeitUrn Toran-
werfen and so den naheliegenden Zasamroenhang sn Terkennen.
Tratte de Teratologie I, 615.
für Geburtaktilfe in Berlin. 269
Nichlgerathen ist sie beim Ausbleiben des inneren und
äusseren SlAcks (Defectus urethrae internus et pxternus) oder
bei ibrer ungenügenden Entwickelung , wo dann ein queres
Sepluu) bleibt (Atresia).
Ebenso unterscheidet man die MissbiJdun^en des Mast-
darms in Defecte und Atresien.
AUe Defecte und Atresien theilen sich in
einfache mit Stauung und •
in solche mit Ventilen, die entweder im Nabel oder
am Steissbein, entweder auf Persistenz der Nabel-
gänge oder der anfanglichen Kloakenbildung beruhen.
Alle die mannigfachen Abarten lassen sich leicht bestim-
men, wenn man das Organ, zu dem das Ventil fuhrt, hinzu-
fügt, wie schon Adrian van Fapendorp vor fast hundert
Jahren eine Atresia ani vaginalis und vesicalis, Meckel eine
Atresia ani urethralis beschrieb, je nachdem das Mastdarm-
ende mit Scheide, Blase und Harnröhre communicirt bei Ver-
schluss des gewöhnlichen Afters.
Dem entsprechend könnte man die angeborene Dotter-
gangtistel und Darmspalte, bei welchen die den Mastdarm bil-
dende Hauleinstülpung unterblieben ist, eine Atresia .oder
Defectus (je nach dem Graue) recti umbilicalis nennen, und
analog Fälle, wie den von Arnauld, wo die Menses aus dem
Mastdarme Oossen, eine Atresia vaginae analis, oder die er-
wähnten von Ruhlach y von Oberteuffer^ wo die Harnröhre
verschlossen, der Harn durch den After abfloss^ eine Ati*esia
urethrae analis; die einfache Urachusüstel, die einfache Bla-
senspalte eine Atresia urethrae umbilicalis, den Fall von
Huxham und Olliver eiii«n Defectus urethrae umbilicalis.
Der früher von mir abgebildete Fall stellt einen Defectus
recti vaginalis mit Atresia urethrae simplex dar; der jetzt
vorliegende einen Defectus et recti et urethrae umbilicales
mit Vagina et Vesica duplices.
Der MeckeT%ch^ Fall endlich, der oberhalb des Kitzlers
und eines knorpligen Bandes zwischen der klaffenden Scham-
fuge bei Fehlen des Dick- und Mastdarms sowie der Harn-
röhn», die doppelte Scheide, invertirte Blase und Dünndarm
270 ^^- Verhattdlnngen der Gesellschaft
unter dem Nabel roüDden, wäre ein Defectus et recti el ure-
thrae iimbilicales mit Vagina duplex. ^)
Die Combinatiön der Kloakbildung mit Persistenz clia>
rakterisirte sich als eine Atresia ani vesicalis et urethrae
umbilicalis.
Jedenfalls möchte für diese Nomenklatur ebenso die
Einfachheit und Kürze sprechen, wie sie das Wesentliche her-
aushebt und sich des Dogniatisirens enthalt. ^) Zu bedauern
ist freilich dabei, dass gerade über diese Punkte ebenso die
Embryologen wie die Beschreiber von Missbildungen selten
mit hinreichender Klarheit in ihren Beschreibungen sich aus-
lassen.
Erklärung der Tafel.
Fig. 2. stellt den Unterleib des Kindes von vorn and unten dar,
Fig. 1. die' linke, Fi^. 3. die rechte Banchbftifte.
Die Bezeichnung geht durch und bedeutet:
a. Arteria umbilicalis dextra.
b. „ omphalomeseraica.
c. „ femoralis dextra.
d. „. renalis media.
' e. ^, iliaca communis sin.
/. Untere Fläche des Magens.
g. Netz.
h. Untere Fläche der Leber.
t. Dünndarm ; i\ i* vorgefallene Dünndärme.
k. Bauchfell.
L Nebenniere.
1) Vergl. die Abbildungen 1—4. in Tafel I. von Ph, F.
MeckeVa Journal für anatomische Varietäten, feinere und pathol.
Anatomie. Halle, 1806.
2) Der Name filasenspalte beruht auf einer unrichtigen
Theorie der Entstehung. Der Name Ectopia ist unrichtig, weil
meist nachweislich die Blase an ihrem richtigen Orte liegt. Der
Name Inversio (Prolapsus, Ezstrophie) vesicae congenita ist ein
Widerspruch in sich, indem die Umstülpung und der Vorfall
nicht angeboren ist, sondern mit der ersten Bethätigung der
kindlichen Bauchpresse s. B. durch Schreien, also bei Lebaeiten
zu Stande kommt. Angeboren ist nur das, dass die Blase am
Nabel offengeblieben ist.
f^T O^bartshalfe in Berlin. 271
m. Gekrös.
n, n. Uterus.
0. o. perstöcke.
p. Pancreas.
q,q. Oefiniingen der vorgefallenen Dünndärme.
r, r. Nieren.
«, 8. Gelenkflächen der Sohamfuge.
t Bügel des Darmvorfalles.
tt, tt. Harnleiter.
V. Vena umbilicalis.
t&, tr. Die Harnblasen.
X, X, X. Epidermisfalte.
y, y. Harnleiteröfihungen.
z. Oeffnungen der Eiergänge.
1. Spina anterior superior ossis ilium sinistri.
2. Hautwfdste (Labia majora? Clitoris?).
3. Bandförmige Nabelschnur.
Herr Klebs hebt hervor, dass die starke Ausdehnung
der Blase wohl im Stande sei, durch ihren [h*uck die Bauch-
decken zum Schwinden zu bringen und so zu einer all-
mäligen Ruptur füllen könne. Diese Erklärungsweise sei um
so weniger för alle Fälle zurückzuweisen, als man ja oft die
Ränder der Blase deutlich von zerrissener, callös verdickter
Beschaffenheit finde. Ob dieser Vorgang nun allerdings zu
beiden Seiten der Mittellinie stattfinden könne, sei bis jetzl
nicht bewiesen, allein es sei doch sehr wohl denkbar, da die
Mittellinie eine festere Beschaffenheit habe, und so eine
Atrophie durch Druck zu beiden Seiten des festeren VS'ider-
standes wenigstens möglich sei.
Herr Rose bemerkt hierauf, dass die Ränder der Blasen,
als das Präparat frisch war, wohl eine glatte Abflachung ge-
zeigt haben, aber keine Spur von Narben oder callösen Mas-
sen. Für diesen Fall müsse er also in Rücksieht auf die
Entstehung desselben an seiner Ansicht festhalten. Es scheine
ihm aber dies auch für die Mehrzahl der Fälle die einzig
richtige Erklärungsweise, da die von Velpeau gegebene nur
für die Fälle zu benutzen sei, wo eben deutliche Spuren
einer Ruptur etc. vorhanden seien.
272 ^V- VerbandluDgeii der GeseUscbnft
Herr Kleba giebt zu, dass für den voriiegenden Fall die
Erklärung Rose*s viel Wahrscheinliches habe, allein schwer
erklärlich bleibt dabei immer, dass die HiUelliDie, die die
beiden Blasen von einander trennt, die Beschaffenheit der
Cutis hat. Da die Baucbplatten bekanntlich seitlich heran-
wachsen, so sei das Vorhandensein an Cutis in der Mittel-*
linie nicht gut zu erklären, ohne dass man einen vorher be-
standenen Bauchverschluss annehme.
Herr Rose ist der Meinung, dass die beiden AUantoideo
sich stellenweise wie zwei Kugeln berührt haben mögen und
dass so ein dünner seröser Bauchverschluss vorübergebend zu
Stande gekommen sei. Die Allantpisblätter seien dann bald
zu Grunde gegangen, nachdem bei dem allseitigen Zusam-
menwachsen der Bauchdecken in diesem ^alle die gedachte
Brücke sich in der Richtung von unten nach oben gebildet hatte.
Herr Martin hat das Kind im Leben gesehen und be-
merkt, dass die Blasenflächen den Anblick von Schleimhaat-
oberflächen dargeboten haben, die Mittellinie dagegen wie ein
Hautstreifen ausgesehen habe. Das Kind sei übrigens fünf
Tage am Leben gewesen.
Herr Itlebs legi einige Präparate vor, welche bestimmt
sind, die Geschichte des Haematom's der Placenta zu
erläutern. Er fasst unter diesem Namen die als Blutextra-
vasate, Blutgerinnungen, fibröse oder scirrhöse Knoten, sowie
die von Brächet und Rokitansky als Hepatisationen oder
entzündliche Veränderungen beschriebenen pathologischen Bil-
dungen der Placenta zusammen, indem sich demonstriren
lässt, dass, wie schon Gierse und H, Meckel annahmen,
dieselben sämmtiich aus Blutgerinnseln hervorgehen, welche
dieselben Veränderungen ihrer Zusammensetzung erfahreo,
wie die an anderen Orten ausser- oder innerhalb des Gefass-
systems abgelagerten. Die jüngsten derartigen Veränderungeo
scheinen sich, wie dies auch Gierse und Meckel annehmen,
ausschliesslich in dem mütterlichen Theil der Placenta zu
finden. An einem vorgelegten Präparat eines schwangeren
Uterus aus dem vierten Monate liess sich nachweisen, dass
ein an der inneren Fläche der Placenta maiema befind-
lUr QobvrUhülfe in Berlin. 273
liebes Haematom, welches nur wenig in den von den
Cborionzotten eingenommenen Raum hineinragte, aus geron-
nenem Bkt besteht, das in präexisteuten Räumen abgelagert
ist, welche die oberflächliche Schicht des mutterlichen Pia-
centartheils einnehmen und an den unveränderten Stellen mit
einer farblosen, an grossen, lympboiden Zellen reichen Flüs-
sigkeit ausgefüllt werden. Es bildeten diese Höhlungen
schmale der Oberfläche parallele Spalträume, die von dünnen,
vielfach untereinander zusammenhängenden und durchbroche-
nen Scheidewänden getreqnt werden, üie Substanz der letz-
teren besteht aus den gewöhnlichen grossen Deciduazellen,
die von der Seite gesehen, eine spindelförmige, von der Fläche
gesehen, eine sternförmige Gestalt besitzen. Dünnwandige,
reichlich mit Blut gefüllte, enge Gefasskanäle, ohne besondere
Wandung, durchziehen diese Scheidewände. Da das Präparat
allein im gehärteten Zustande untersucht wurde, konnte nicht
direct festgestellt werden, dass der Inhalt der erwähnten Hohl-
räume ein flüssiger war. Die ungleichmässige Vertheilung
der zelligen Elemente, welche an einzelnen Stelleu fehlen, an
anderen, dicht neben den ersteren gelegenen, in grossen Hau-
fen zusammenliegen, an noch anderen eine einfache der Wan-
dung anhaftende Lage darstellen, macht indess diese Annahme
ziemlich wahrscheinlich. In dem Hämatom waren nun diese
Räume durch in denselben enthaltenes Blut stark ausgedehnt
und der Umstand, dass zwischen den wohlerhaltenen Blut-
körperchen zahlreiche der ungewöhnlich grossen Lymphzellen
einzeln oder in Haufen vorkamen, Hess den Schluss zu, dass
an diesen Stellen eine Mischung der in den Räumen ursprung-
lich enthaltenen flüssigen Substanz mit extravasirtem Blut
stattgefunden hat. Die Dilatation der Hohlräume durch das
Blutextravasat beweist, dass ihr Inhalt unter einem Drucke
steht, der .erheblich geringer als der Blutdruck. Alle diese
Umstände lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass die-
selben dem lymphatischen System angehören.' Erst weitere
Untersuchungen frischer Präparate können hierüber vollstän-
digen Aufschluss geben.
In zwei gleichfalls vorgelegten Aborten finden sich die
weiteren Veränderungen, welche das Haematom der Placeuta
erfahren kann. Dasselbe kann sich vergrössern, indem auch
Mon»ii8chr. f. Qebnrtsk. 1866. Bd. XXVI., Hfl. 4. 18
274 ^^« Verhandlungen der Gesellschaft für Oebartshülfe etc.
in den zwischen den Zotten befindlichen RSumen der Pia-
centa villosa Abscheidungen geronnenen Blutes ehatreten,
welche meist zur Gompression des Eies fahren. Hier mm
scheint es nicht selten vorzukommen, das cystische, mit
klarer Flüssigkeit gefällte Räume inmitten des Haematoms
vorkommen. Ein solcher, von Erbsengrösse fand sich in dem
einen Fall, von dessen glatter Wandung etwas hydropiscbe
Chorionzotten frei in das Lumen hineinragten, in welcher
Weise diese Bildungen entstehen, ist sehr schwer verständ-
lich; wenn die allgemein angenommene Ansicht von E, H.
Weher, dass die Chorionzotten vom mütterlichen Blute un-
mittelbar umspult werden, eine richtige ist. So sehr erheb-
liche Bedenken dieses von dem bei allen anderen Säugethie-
ren abweichende Verhältniss zwischen mutterlidien und fötalen
Theilen erregen musste, kann die Entscheidung dieser
Frage nur von weiteren Untersuchungen abhängen. In Bezug
auf diese aber verdient hervorgehoben zu werden, dass, wie
die lange dauernde Controverse über den angenommenen
directen Zusammenhang zwischen mütterlichen und f5ialen
Gefassen beweist, von künstlichen Gefässinjectionen keine
sichere Entscheidung zu erwarten ist. Besser dürfte es sein,
einen schwangeren Uterus aus ^ den früheren Monaten im Zu-
sammenhange mit den fötalen Theilen der Placenta zu er-
härten.
Die weiteren Umwandlungen des Blutes in Thromben and
Hämatomen sind bekannt genug. Erwähnung verdient, dass
bei den Placentar - Hämatomen stellenweise eine vollständige
Umwandlung des Blutes in entfärbte weissliche, aus dicht-
gedrängten eiterähnlichen Zellen bestehende Massen stattfindet,
ein Zustand, welcher für die Loslösung des ganzen Eies oder
einzelner Theile desselben gewiss von Bedeutung ist. Dass
hierbei die Mischung der Blutflüssigkeit mit derjenigen der
lymphatischen Räume des mtltterlichen Theiles von Wichtig-
keit ist, indem die letzteren eine reichlichere Menge von ent-
wickelungsfahigen Zellen enthalten, liegt auf der Hand.
Der andere der vorgelegten Aborte stellte einen fast
vollständigen Abguss der Uterinhöhle dar, indem auch die
Uterinschleimhaut selbst (Decidua vera) von Extravasaten
durchsetzt war. In der rundlichen, zwei Centim. im Durch-
4
XVI. Bab0y Ein Fall tos Uteras nod Vagina duplex. 275
medser ballenden Eiliöhle fand sich ein drei Millimeter langer
Fötus, welcher innerhalb einer weiten, vom Amnios gebildeten
Blase lag. In der Wandung der letzteren waren nur Rudi-
mente von Umbilicalgefässen zu entdecken, dünne Stränge
ohne Lumen; der Fötus mit seiner Bauchseite der Innen-
fläche des Amnios kurz angeheftet. Gegenüber der Insertion
der Nabelgefässe in der bereits stark entwickelten Placenta,
fanden sich dünne, vom Amnios zur serösen Hülle {Baer)
hinübergehende Fäden, die Reste der ursprüugKchen Verbin-
dung beider. Das Ei war 53 Tage alt, der Fötus in seiner
Entwickelung sehr bedeutend zurückgeblieben.
Herr Martin ist nicht der Meinung, dass die mensch-
liche Placenta wenig Blut enthalte, sondern man könne im
Gegentheil aus einer eben geborenen Placenta immer eine
grosse Quantität Blut ausdrücken. Er giebt zu, davss die
von Cruveähier so schön beschriebenen Hämatome der Pla-
centa in Bezug auf ihre Entstehung durchaus nicht völlig
erklärt sind. Dass Herr Klebs das spitze Ende, was man
bei Abortiveiern findet, für dasjenige hält, was in den inneren
Muttermund hineingeragt hal, halte er für nicht richtig; das
spitze Ende entstehe vielmehr an der Stelle, wo das Ei mit
dem Uterus am innigsten verbunden sei. Es finden sich
nämlich an dieser Eispitze stets die Reste der Decidua adnexa.
XVL
Ein Fall von Uterus und Vagina duplex,
beschrieben von
Dr. Rabe,
Assistenxarst am Stadtkrunkenhause xu Dresden.
In Kussmaurs trelTiichem Werke: „Der Mangel, die
Verkümmerung und Verdopplung der Gebarinutter. Würz-
bürg 1859.'S ist ein nummernreiches Verzeichniss aller über
die obengenannte Missbildung veröffentlichten Fälle enthalten,
18*
276 ^Vl. Rabe, Ein Kall von Uterus aod Vagina duplex.
welchen ich zum Zwecke der Vervollständigung noch folgen-
den, kürzlich von uns beobachteten Fall anreihe. ^
Magdalena B,, eine zwanzigjährige, Muhend aussehende
Bauernmagd, wurde am 24. Mai 1865 in die chirurgische
Abtheilung des Stadtkrankenhauses zu Dresden wegen unbe-
deutender Blennorrhoe des Uterus und leichten Excoriatio-
nen am Scheideneingange aufgenommen. Dieselbe ist seit
ihrem 16. Jahre regelmässig, stets etwas reichlich menstruirt
Ihre äusseren Genitalien sind ganz normal gebildet; öas
Hymen aber fehlt. Bringt man ein mittelweites Speculum
in die Vagina ein, so stösst dieses bereits nach circa einem
Zoll Einführung auf ein Hinderniss. Drückt man dasselbe
nur massig an, so erblickt man in seinem Lumen zwei seit-
lich gelegene, trichterförmige Gruben, welche beide von ein-
ander durch einen in der Mitte senkrecht stehenden Schleim-
hautwulst getrennt sind. Bei einfachem Auseinanderhalten
der Labien könnte man glauben einen Prolapsus parietis an-
terioris vaginae vor sich zu haben; das ist jedoch nicht der
Fall, jener Schleimhautwulst ist vielmehr der vordere Rand
einer Scheidewand , welche die Vagina in zwei vollkommen
gleiche, neben einander befindliche Theile theilt. Man unter-
richtet sich über die bestehendt*n Verhältnisse am Gründlich-
sten durch gleichzeitiges Einführen zweier, am Besten der
beiden Zeigefinger: Beide Scheidenkanäle sind eng, an ihrem
Eingange mit einer hymenähnlichen, scharfen Schleimhautfalte
versehen. Rechts so gut wie links trifft der Finger in einer
Entfernung von circa ly^ ^^U auf eine etwas kleine, feste
Portio vaginalis, die zapfenförmig aus dem Laquear hervor-
tritt, und deren jede ein gesondertes, queres Orificium be-
sitzt Die rechte Vaginalportion ist wenig kleiner als die
linke, nicht gerade nach dem Scheideneingange, sondern etwas
nach der Scheidewand hin gerichtet, die Grösse ihres Orifi-
ciums steht im Verhältnisse zu der der Portio vaginalis. Die
vordere Muttermundslippe ist beiderseits länger als die hin-
tere. Zwischen den untersuchenden Fingern fühlt man die
starke und feste Scheidewand sich bis an das Ende des Ca-
nals erstrecken, nirgends ist eine Connnunication zwischen
beiden Scheidenhälften aufzufinden. Die Simpson'&che Ute-
rinsonde lässt sich nur in das linke Ostium utorinum, da
XVII. StjfdO, MittlieilangeD ans der gebnrtshülfl. Klinik etc. 277
aber ohne Schwierigkeil einfuhren. Das rechte ergiebt sich
aJs zu eng, und ist somit der Nachweis, ob der Uterus voll-
kommen doppelt vorhanden oder einfach, ob sein Körper
eine einzige oder zwei getrennte Höhlen besitze, unmöglich.
Ueber die Beschaffenheit der Gebärniutteranhänge , über Zahl
und Lage der Tuben und Eiei*stöcke vermag die objecliv^
Untersuchung selbstverständlich kein Licht zu verbreiten. Bii-
dungsfehler anderer Organe, wie des Gehirns, des Gaumens,
der Harnblase etc., welche neben der beschriebenen Missbil-
dung nicht selten bestehen, sind in unserem Falle nicht vor-
handen. Ein richtiger Collus hat, wie aus der Erzählung des
Mädchens hervorzugehen scheint, bis jetzt noch nicht statt-
gefunden; ein mit der B, dienender Knecht ist bei einem
derartigen Versuche höchst wahrscheinlich nur bis zu jener
Scheidewand gelangt und bat die am Introltus befindlichen
Excoriationen verursacht.
XVIL
Mittheilungen aus der geburtshttlflichen Klinik
zu Königsberg in Preussen.
Von
Dr. Carl Sejdel,
erstem Assistenten der Klinik.
L
Einige Fälle von Eclampsia puerperalis.
Nachstehende fünf Fälle von Eclampsie, im Winterseme-
ster 64/65 in der hiesigen Klinik beobachtet, bieten eine
vielleicht nicht uninteressante Illustration jener Krankheit
weshalb^ ich mir erlaube, darüber kurz zu berichten.
Fall I. Nr. 239. 1864. Amalie £., 22jähiigp, kräf-
tige Erstgeschwängerte, hat vor vier Jahren angeblich an
278 XVII. 6>y(2«{, Mittheilnngen ans der gebartshälflieheD
Hydrops, aus unbekannter Ursache, gelitten ; drei Monate Tor
ihrer Aufnahme in die Anstalt hatte sich ein allmälich wach-
sendes Oedem der unteren Extremitäten eingestellt. Die
eklamplischen Anfalle traten ohne deutlich erkennbare Wehen
im achten Schwangerschaftsmonate ein. In der Anstalt wur-
den im Ganzen zehn Anfalle, bei vollständig geschwundenem
Bewusstsein, beobachtet Nach einer Venaesection von %i
sistirten dieselben. Circa acht Stunden später kehrte das
Bewusstsein wieder. 24 Stunden nach den AnßUen war fast
vollständige Amaurose vorhanden , der ophthalmoskopische
Befund war dabei ein negativer. Die Amaurose schwand all-
mähg spontan. Fünf Tage später, unter Fortbestehen des
nicht unbedeutenden Oedems, ward ein frühzeitiges Mädchen
ohne jede Störung geboren. Wochenbett fast ganz normal.
Urin in und bald nach den Anflillen reich an Albumin, das
sich im Wochenbett vollständig verlor.
Fall II. Nr. 293. 1864. Minna L, 21jährige kräf-
tige Erstgebärende ; die Geburt war normal bis auf ein etwas
lang dauerndes, die Person sehr alterirendes Austreibungs-
stadium. Puls 110. Eine halbe Stunde nach der Geburt
trat unter grosser Aufregung und Unruhe ein eklamptischer
Anfall ein: klonische Krämpfe, auf alle Rumpf- und Extre-
mitäten-Muskeln sich erstreckend, allmälig in tonische über-
gehend. Nach dem Anfalle langsames, schnarchendes Ath-
men; das in dem Anfalle bläulich-bleiche Gesicht röthel sich
allmälig wieder; die Pupillen sind weit, fast reactionslos.
Pids 118 — 120. Während des Anfalles massige Metrorrha-
gie, die sich auch später wiederholte. Nach circa zwei Stun-
den Wiederkehr des Bewusstseins mit heftigem Kopfschmerze,
undeutliches Sehen (wie durch Nebel), Schmerz bei Bewe-
gungen des Auges, die Pupillen verkleinern sich allmälig,
bleiben aber noch lange träge reagirend. Urin, gleich nach
dem Anfalle durch den Katheter entleert, zeigt sich bedeutend
eiweisshaltig.
Behandlung : Kalte Fomentat. auf den Kopf, kühles säuer-
liches Getränk, Venaesection für etwa folgende AnfSille in
Aussicht genommen. Am dritten Tage des bis dahin nor-
malen Wochenbettes trat heftiger Kopfschmerz ein, die Pu-
pillen ei^schienen wieder weit, trag, das Gesicht gerothet, der
Klinik in Königsberg in PrensBea. 279
Kopf heiss. Der Puls Torher 100—110 süeg auf 128. Die
Zunge war an den Rändern roth, in der Mitte stark belegt;
Urin gegen die vorhergehenden Tage nicht verändert. Ord. :
acht Schröpfköpfe in den Nacken, Eiskappe auf den Kopf,
zwei Calomelpulver ä gr. v. Danach trat schnelle Besserung
ein, doch war am folgenden Tage der Eiweissgehalt des Harns
gegen die vorhergehenden bedeutend vermehrt, keine Cylin-
der. Das übrige Wochenbett verlief normal.
Fall UI.. Nr. 315. 1864. H. £., kräftig gebaute Erst-
gebärende war bewusstios in die Anstalt gebracht; nachdem
ausserhalb derselben wiederholte Krampfanfalle aufgetreten
waren. Befund bei der Aufnahme: Uterus fest contrahirt,
in den Geschlechtstheilen die bis auf den Beckenboden rei-
chende Fruchtblase. Blasensprung bei den nächsten Wehen.
Kopf tritt in erster Schädelstellung auf den Beckenboden,
wird sehr bald in den Wehen sichtbar, aber erst nach ein
und einer halben Stunde, als die Zange eben angelegt wer*
den sollte, geboren. In dieser Zeit traten drei Aufalle ein,
der vierte unmittelbar nach der Geburt de^ Kindes; nach
Ausstossung der Placenta erneute vier Anfälle. Zwei Stun-
den post pari. Venaesect. von Sx ; fünf Minuten später neuer
Anfall, ziemlich starke Blutung aus der Venenwunde. Deglu-
tition unmöglich; subcutane Morphiuminject. von Gr. ^/s* Nach
einer halben Stunde neuer Anfall; wiederholte Injection von
Gr. ^/a. Seitdem kein Anfall mehr. Fat noch sehr unruhig,
Eiskappe nur schwer auf dem Kopfe zu erhalten, Puls in den
Anlallen 120, sinkt nach denselben auf 108. Pupillen, frü-
her weit, trag, contrahiren sich eng. (Morphium -Wirkung.)
Nach 1^/2 Stunde tiefer, selten unterbrochener Schlaf, nach
diesem stellt sich das Bewusstsein nach und nach ein. Puls
sinkt stetig, ist am Abend des Tages nach der Geburt 71.
Die Eiweissmenge, die vor und gleich nach der Geburt ^/g des
Volumens des Urins betragen hatte, nahm allmäüg ab. Am.
Morgen des nächsten Tages, nach gutem Schlafe, enorm hohes
Fieber, Schlingbeschwerden, Erythem über den ganzen Kör-
per, besonders über den Rumpf, Diphtheritis des Genitalrohres,
Sluhlverstopfung, später, nach Calomel, unstillbare Diarrhoeeu,
die in Secess. invoinnl. übergingen; Peritonitis; Delirien, Tod
nach fünf Tagen. Der Eiweissgehalt des Urins verringerte
280 X^n. Sepäel, Mi^theilangen an« der gebartahiliriichen
sich in diesen Tagen mehr und mehr, ohne vollständig zu
verschwinden.
Die durch Prof. v, Reklinghausen vorgenommene Sec-
tion ergab im Wesentlichen: Starke Anaemie des Geliimes,
ohne Oedem, sehr schwach ausgeprägtes Anfangsstadium der
parenchymatösen Nephritis („trübe Schwellung der Epitbe-
lien'O, starke Diphteritis der Scheide und der Innenfläche des
Uterus, im rechten Lig. latum nahe am Fund. ut. , geringe
eitrig-seröse Infiltration. (,,Acutes sero-purulentes Oedem".)
Fall IV. Nr. 330. 1864. Auguste Ä., kräftige Primi-
para, wurde in voller Geburtsthäligkeit Mittags zwölf Uhr in
die Anstalt gebracht. Es hatte seit einigen Tagen Hamvei^
haltung stattgehmden, die kunstlich behoben werden inusste.
Seit fünf Stunden Wehen, in dieser Zeit vier bis fönf heftige
Krampfanfalle. Untersuchung, wegen grosser Unruhe in leichter
Cliloroformnarkose vorgenommen, ergiebt: Harnblase linker-
seits als mannskopfgrosse, fluctuirende Geschwulst bis' ober
den Nabel reichend, Uterus eng um die Frucht contrahirt,
nach rechts gedrängt, Kopf in der Beckenhöhle ohne Eihäute
in erster Schädellage.- Durch den Katheter werden ca drei
Quart blassgelben, fade riechenden, vollständig eiweissfreien
Urins entleert. Einige Minuten darauf Geburt eines kräftigen
Knaben. Gleich nach der Geburt heftiger, eclamptischer An-
fall. Die kräftig gebaute Person blass, mit leichtem Oedem
des Gesichtes und der Oberschenkel. Ord.: Eiskappe, inner-
lich Morph, gr. %, Danach ziemlich schnelle Aufeinander-
folge mehrerer Anfalle: Venaesect. von 5x. Fünf Uhr Nach-
mittags erneute Anfalle mit geringer Nachblutung aus der Ve-
nenwunde. Nach im Ganzen 14 in der Anstalt beobachteten
Anfällen, Inject von gr. Vs Morph, in die Bauchhaut ober-
halb des Uterus. Von da an (11 Uhr Abends) Aufliören der
Anfllle, Sinken des Pulses, am nächsten Mittage Wiederkehr
des Bewusstseins; normales Wochenbett. Urin stets ei-
weissfrei.
Fall V. Nr. 355. 1864. Amalie Z., kräftige, sehr
wohlgenährte und vollsäftige Primipara, nach etwa 24 stundiger
Eröffnungsperiöde von einem schwächlichen friihzeitigen Kinde
(33 — 34 Stunden) entbunden. Vollkommenes Wohlbefinden
der ersten fünf Stunden post partum ; Nachts ein Uhr leichter
Klinik m Köni^benr in Prengven» 281
eclampt Anfall, dem aeht Uhr Morgens und zwölf Uhr Mit-
tags zwei ziemlich intensive folgten. Nachblutung aus
den Genitalien in jedem Anfalle. Oberschenkel und
Gesicht leicht ödematös, Urin eiweisshaltig. Ras Bild in den
Anfallen gleich dem oben beschriebenen. Nach einer Venaesect.
von Sxii^ Mittags ein Uhr, sofort erneuter Anfall mit ziemlich
starker Blutung aus Genitalien und Venaesect. - Wunde. Da-
nach noch zwei Anfalle in zweistündigen Intervallen auftre-
tend. Sechs Uhr Abends Inject, von Morph, gr. ^Z^. Calo-
mel und Eiskappe waren nach dem ersten Anfalle schon an-
gewandt. Nach der Injectiou tiefer Schlaf. Hit fast voll-
ständig freiem Sensorium erwachte die Wöchnerin am andern
Tage. Das Wochenbett, etwas gestört durch Bronchialkatarrh,
verlief unter anhaltend hoher Pulsfrequenz und reichlicher
Transspiration im Uebrigen normal. Der Eiweissgehalt des Urins
am vierten Wochenbetttage geschwunden. — Die neuerdings von
Traube aufgestellte, von Rosenstein besonders vertretene
Ansicht über die Pathogenese der Eclampsie : „Erhöbung des
Aortendruckes, Oedem des Gehirns, mit secundSrer Anaemie,^*
ist für viele Fälle, docti gewiss nicht tur alle ausreichend.
(Vergt. Monatsschr. fär Geburtskunde 1864. Bd. 23. pag.
441.) Die von Hecker betonte acute Ueberladung des Blutes
mit excrementielien Stoffen in Folge acuter Nephritis hat
viele Vertheidiger, doch schwinden ihre Stutzen mit der Aus-
dehnung klinischer Beobachtung mehr und mehr; denn der
Eiweissgehalt des Urins tritt nicht allein ohne Geburtsthätig-
keit bei Schwangeren, namentlich hydrämischen, nicht selten
auf, sondern steigert sich auch in der Geburtsthätigkeit, oder
tritt oft zuerst während dieser, langsam wachsend, auf, wo
in der Gravidität keine Albuminurie vorhanden gewesen. (Vgl.
Scanzoni'» Beiträge zur Geburtsk. und Gynäkolog. IL Bd.
pag. 40 u. folg.) Die Sectionsergebnisse ^.ndlich an Eclampsie
Verstorbener weisen immer mehr die Unzulänglichkeit der
NierenafTection zur Erklärung acuter Uraemie nach.
Ein Moment, das von älteren Geburtshelfern und den
Pathologen der Neuzeit (vgl. Virchow'% gesammte Abhandl.
pag. 778.) mehr gewürdigt und hervorgehoben wui*de, die
gewaltige, vielleicht primäre, Affection des Nervensystems ist
in der neuern Zeit mit Unrecht mehr und mehr in den Hin-
282 X^n. 8&ifd6l, Mittheilan^eB aos der gebartohiUfliehen
tergrund geschoben. Bei unbefangener Beobachtung findet
man nach Professor Spiegetberg, namentlich im Anfalle selbst
einen Syroptoroencomplex, der die Reizung einer ganzen Ab-
tbeilung des Nervensystems des sympathischen manifestiit
Aus den obenstehenden Berichten hebe ich als hierher gehö-
rend hervor: die weiten, trägen Pupillen, der Gefasskrampf
der Haut, der; nicht ohne Beihulfe des Respirationskrampfes
freilich, den Livor der Haut hervorbringt, die Zusammenzie-
hungen der Geß|Ssmoskulatur, die sich deutlich in der BUsse
des Gesichts und dem nach den Anfallen erscheinenden coropen-
sirenden Turgor desselben manifestiren; schliesslich die bedeu-
tende in den Blutungen sich kundgebende Atonie des Uterus. Die
dem Anfalle vorausgehende und denselben ankündigende Pub-
beschleunigung bildet wohl das Anfangsgiied dieser Erschei-
nungen, dem durch Reiz der Medulia oblongata reflectorisch
allgemeine Couvulsionen zugleich mit den obengenannteii
Symptomen folgen (vielleicht liegt dieser durch Reizung des
Sympathicus bedingte Gefasskrampf auch einer momentaoeo
Anämie des Hirnes, die sich in den Convulsionen äussert, iq
Grunde). Dass diese Alteration des Nervensystems ihren Aus-
gang vom Uterus nimmt, und mit dessen Functionen, besoih
ders der Wehentbätigkeit eng zusammenhängt, ist nicht an-
walirscheinüch, wenn man die erhöhte Reizbarkeit des Ner^
vensystems, namentlich bei Erstgeschwängerten und den in
dieser Zeit den ganzen Organismus beherrschenden spezieUeo
Einfluss des uterinen Nervensystems berücksichtigt. Occa-
sionelle epidemische Momente, die zu Eclampsie besonders
disponiren, sind nicht nachgewiesen, erscheinen aber nicht
unwahrscheinlich. Ob gerade, wie Roienatein venntitbeC
Witterungsverhältnisse, die die Hautthätigkeit beeinflussen,
wichtig sind, da die Nierenfunction alterirt ist, und starke
Schweisssecretion (wie freilich bei den meisten Wöchnerinnen)
im weiteren Puerperium beobachtet wird, ist vorläufig our
als Hypothese zu betrachten. Immerhin bleibt es merkwür-
dig, dass wir im vorigen Jahre nach einem kalten regnerij^cheo
Sommer und Herbst in wenigen Monaten die relat. bedeu-
tende Anzahl beobachten konnten, während lange wrher uo<'
seitdem kein einziger Fall in der Gebäranstnlt vorkam. —
Wie dem Allem nun auch sei, so muss man Jedenfalls daran
Klinik so Königsberg in Prenasen. 283
festhalten, dass die jetzt bestehenden Theorien Qber die Pa-
thogenese der Eclampsie nicht ausreichen, und dass wahr-
scheinlich auch nicht ein und d^selbe Grund für alle Fälle
angenommen werden könne; vielmehr ist nur genaues Beob-
achten und Individualisiren der einzelnen Fälle im Stande,
auf die richtige Spur zur Erkenntniss dieser noch räthsel-
haften Krankheit zu führen.
Was die Behandlung der Eclampsie betrifft, so ist sie
genügend bekannt und wird, mit der gehörigen Energie durch-
geführt, im Durchschnitt gute Resultate geben. Merkwürdig '
ist der günstige Einfluss der Venaesection, und fühle ich mich
fast versucht, die günstige Einwirkung der Geburt auf die
eclamptischen Anfalle zum Theil der, besonders bei Erstge-
bärenden physiologisch reichen, Blutung zuzuschreiben. Dass
dieser Umstand, wahrscheinlich eine Folge des physiologisch
vermehrten ßlutquantums in der Gravidität (und eine solche
Vermehrung muss man annehmen — Spiegdberg) der An-
nahme vom erhöhten Aortendruck günstig, ist unschwer ein-
zusehen. Doch reicht meist die Beseitigung dieses Factors
nicht aus, und wird das stürmisch aufgeregte Nervensystem
erst durch starke Gaben von Narcoticis beschwichtigt, wäh-
rend diese ohne vorangegangene V. S. langsamer und weniger
sicher zu wirken scheinen. (Vgl. Hecker^s Fälle: October-
beft der Monatsschr. 1864. pag. 303, und die hier mitge-
tlieilten.) Dass die subcutane Injection vor der inneren Ein-
verleibung viele Vorzüge hat und oft, wie oben erwähnt, die
einzig* mögliche Applicationsform ist, brauche ich kaum her-
vorzuheben. Die Rücksicht, die man auf Beendigung der Ge-
burt zu nehmen hat, muss, glaube ich, einer anderen unter-
geordnet werden : jede eingreifende Manipulation zu vermeiden,
ein Grundsatz, der mit grossem Rechte von den älteren Ge-
burtshelfern festgehalten wurde. Diese Rücksicht mag viel-
leicht in dem einen der oben angeführten Fälle zu etwas zu
langem Temporisiren verleitet haben, doch glaube ich, dass
viel leichter durch frühes Operiren , als durch das Gegentheil
geschadet wird. Zur Unterstützung dieser Ansicht will ich
zum Schluss aus dem Berichte eines Dr. SerUex^ Assistent
von Rousset in Bordeaux zehn Fälle von Eclampsie anfQhren.
(Vgl. Gazette des Höp. 7. Janvier 1863.) Von den zehn
284 XVII. SBydel, Mittheilungen ans der gebortsbülf lieben
Mattem starben sechs, eine am neunten Tage an Metrope-
riionitis, die übrigen in den Anfällen, die in der Zahl von
14—27 schwankten. Von den eilf Kindern blieb nar eine
am Leben; es ist freilich nicht gesagt, ob die Kinder tot,
in oder bald nach der Geburt starben. Sieben Mal wurd«
hierbei die Zange angelegt (vielleicht recht früh). Drei Mai
cessirten die Anfälle nach der Geburt, vier Mal dauerten sie
darüber hinaus bis zum bald eintretenden Tode« Die Be-
handlung bestand in Blutentziehungen durch Blutegel am
Kopfe, Eiskappe, Hautreizen. Innerlich, wie Rousset bei ailen
Albuminurosen verordnet, Tannin.
II.
Beitrag zur Behandlung des Scheintodes der
Neugebornen. — Einführen von Luft in die Lun-
gen eines todtgebornen Kindes durch die
Marshall - Hairsche Methode.
Auf die Untersuchungen über die Ursache des ScbeiD-
todes der Neugeborenen fussend, wandte man auch der Be-
handlung der Asphyxie erneute Aufmerksamkeit zu. Von
Hueter wurde die Catheterisation der Luftröhre (Monatsschr.
für Geburtsk. XXI.) von Pernice („Ueber den Scheintod der
Neugebornen und dessen Behandlung durch elektr. Reizungen*'.
Greifs w. med. Beiträge IL 1.) die Faradisation der Phrenid
warm empfohlen. Die Permc^'sche Methode, deren Ausfuhr-
barkeit in der Privatpraxis unmöglich und selbst in Gebar-
anstalten mindestens sehr umständlich, habe ich kaum Gele-
genheit gehabt, zu erproben, desto häufiger wurde froher in
unserer Klinik, nach dem Erscheinen der Hu^^er'scben Ar-
beit, die Catheterisation der LufU*öhre genau nach den dort
angegebenen Vorschriften ausgeführt. Die Zahl der Fälle
weiss ich nicht genau anzugeben, doch war es nach unseren
damaligen Erfahrungen diejenige Methode, die bei tief As-
phyktischen am schnellsten die Athmung in den Gang brachte
und allen Anforderungen zu genügen schien. An vier Neu-
geborenen aber, die aus tiefem Scheintode mit Mübe mm
AHmen und schwachen Schreien gebracht waren, stellte sich
24 — 36 Stunden nach der Geburt Trismus mif rasch tödt-
Klinik xu Königsberg^ in Preassen. 285
licliero Ausgang« ein. Das Sectionsergebniss war constant;
an einzelnen Steilen der Lungen subpleuraies Emphysem, an
anderen Atelectase» deren Ausdruclc die, zu E^nde des Lebens
auftretenden, Krämpfe sind. Aus diesen Befunden iässt sich
ein gewichtiger Vorwurf gegen die Hueter'sdw Metliode hei^
leiten. Die gleich nach dem Einführen des Katheters ge-
machte Aspiration, wodurch die intrauterin eingeathmeten
Blut- und Schleimmassen entfernt werden sollen,« reicht in
leichteren Fällen, wo sich diese Massen in der Trachea und
den Bronchien erster Ordnung befinden, vollkommen ans,
keineswegs aber in den schwereren Fällen, in denen man die
Massen selbst in den feineren und feinsten Bronchien findet.
Das der Aspiration folgende Einblasen von Luft ist, wie un-
sere Fälle zeigen, trotzdem dass neben dem dünnen Katheter
ein grosser Theil der Luft aus der Rima glottidis rasselnd
entwich, stark genug, in einzelnen wegsamen Lungenparthien
subpleurales Emphysem, in anderen, durch tieferes Eintreiben ,
der ScIUeimmassen vollständig unbehebbare Atelectase her-
vorzubringen. Die Schwierigkeiten des Katheter- Einfuhrens,
bei einiger Uebung irrelevant, und die dem notbwendig öf-
teren Einführen des Katheters in den ersten Lebeustagen
wohl stets folgende Heiserkeit sind gegen den oben erwähn-
ten Vorwurfe unbedeutend. — Frei von diesem Vorwurfe,
wenn auch etwas weniger schnell wirkend, ist die von
Spiegelberg im fünften Bande der Würzburger mediciniscben
Zeitschrift, pag. 150 u. folg., empfohlene MarshaU-HaW^che
Methode.
Indem ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf den
oben citirten Aufsatz verweise, beschränke ich mich darauf,
die Art und Weise, wie wir diese Methode in der hiesigen
Gebäranstalt, seit ca. einem Jahre zur Anwendung brachten,
etwas genauer zu bezeichnen. Die asphyctisch Geborenen
wurden, nachdem Besprengen mit' kaltem Wasser, Reinigen
der Mund- und Nasenhöhle ohne Erfolg geblieben, schnell
abgenabelt und für einen Moment in ein heisses Bad gebracht.'
Traten in diesem keine oder nur sehr selten die bekannten
krampfliaflen Inspirationen ein, so wurde das Neugeborene
in ein Tuch geschlagen und auf einem mit runden Kanten
versehenen Polster abwechselnd in Bauch- und Seiteniage ge-
286 HyU' 8e9tUl, MUtfaeiliMireB aas der g»bftehglflirfcf ^
bracht, wafareod der Kopf von dem Polster etwas
Hatte dies eine Zeit lang staltgeTandeD , umI
zeite oder häufigere Respirationen eingetreten. So wurde das
Kind^ nachdem es mit warmen Tnchem tnchtig gcriebea,
wieder in's warme Bad zurückgebracht u. s. f. Während
der eben beschriebenen Manipulation sah man meist blutige
Schleimmassoi in beträchtlicher Menge ans Nase und Mnad
aosfliesseo, die ersten Inspirationen erfolgten meist in der
Seiteniage und wurde die Exspiration durch gelindes Zusam-
mendrucken der Hypochondrien und Heraufdrängen des Zwerch-
fells unterstützt — wie es in dem Spiegdberg'^cbien Anf-
satze angegeben ist
Die einzelnen Fälle anzuführen, liegt nicht im Zwecke
dieser Zeilen, und verweise ich hierin auf den seiner Zeit
erscheinenden Jahresbericht der Klinik. Es genüge die Be-
merkung, dass alle auf diese Weise behandelten Asph. drca
25 ins Lehen gebracht wurden, und nur eins unter ihnen
circa in 24 Stunden an Atelektase zu Grunde ging. Eine
Beobachtung jedoch, welche die entschiedene Wirksamkeit des
Verfahrens ins klarste Licht stellt, will ich anführen, weil sie
die Veranlassung dieser Mittheilung ist.
L. £, Nr. 206. 1865. 1. para, 18 Jahre alt, tritt den
17. VI» 11 N. in die Anstalt, die äussere Untersuchung ergibt
nichts Abnormes, Foetalpuls in der .Nabelgegend 12, Mutter-
mund gröbchenförmig, Kopf fest auf dem Becken. Den 18.
VL 2 N. Muttermund fast tlialergross , Blase in demselben
gespannt, Fötalpuls nicht zu hören. Auch nach dem
bald erfolgenden Blasensprunge wurde der Fötalpuls bei wie-
derholten Untersuchungen nicht vernommen, so dass das Ab-
sterben der Frucht angenommen werden musste. Dies be-
stätigte sich, denn 7 Uhr T. wurde ein kräftig entwickelter
Knabe, frisch aber ohne alle Lebenszeichen, in erster Schä-
dellage geboren, dem die Nabelschnur zwei Mal fest um den
Hals geschlungen war. Trotzdem wurden zwanzig Minuten
lang Belebungsversuche in oben angegebner Weise ausgeführt,
wobei aus Mund und Nase ziemlich viel dünne, schleimige,
grünlich gefärbte Flüssigkeit ausfloss. LulleinUasen von Mund
zu Mund, oder durch den Katheter wurde nicht geübt.
Die Section, sechs Stunden post mortem angestellt, er-
KÜBik sn Kö&igptberg in Preatseti. 287
gab: Leber blutreich, an einzelnen Stellen, besonders am
rechten Lappen stecknadelkopfgrosse dunkle Ecchynioseii, alle
übrigen fJnterleibsorgane blutreich, Harnblase reichlich mit
hellgelbem klarem Urin gefüllt, der sich leicht aus der Ure-
thra ausdrücken lässt. Beide Lungen zeigen auf der Ober-
fläche neben grösseren dunkeln, compacten, Partien, kleinere,
hellrothe, lufthaltige. Sie schwimmen vollständig. Auf
dem Durchschnitt ist das Gewebe fast überall
lufthaltig, es lässt sich aus allen Theilen grünlich weisse
Flüssigkeit ausdrücken. A^f der Pleura pulmonal, vereinzelte
stecknadelkopfgrosse dunkle Ecchymoseu. Im Herzbeutel ca.
3ü hellgelbe klare Flüssigkeit, au der Herzbasis und auf den
Anfangen der grossen Gefasse, besonders der Aorta, reichlich
kleinere und grössere Ecchymoseu. . Im Herzen wenig dunkles
flüssiges Blut Sonst Nichts Bemerkenswerthes.
Auf den ersten Blick fallt die grosse Aehnlichkeit dieses
Falles mit dem von Hecker ( Vvrch. Areh. Bd. XVI. 6. Heft,
pag. 536.) beschriebenen auf und könnte man sich versucht
fühlen , beide auf gleiche Weise , nämlich durch intrauterine
Athmung zu erklären. Bei genauerer Durchmusterung der
Fälle lassen sich jedoch wesentliche Untnrschiede constatiren.
In jET.'s Falle wurde öftei* mit halber Hand untersucht,
das untere Uterinsegnient lag, wie überhaupt bei Beckenenge,
wohl nicht fest dem Kopfe an und konnte so Lufteintritt ins
Cav. uteri, gestatten, der übrigens, wie H, angiebt, durch das
öftere genauere Betasten des Kopfes ermöglicht sein kann.
Uebrigens spricht der Befund — Emphysem bei mangeln-
den Fäulnisserscheinungen — mit Bestimmtheit für Athmen
in der Geburt. In unserem Falle wurde selten, immer nur
mit zwei Fingern untersucht, dann war der Fötalpuls schon
vor dem Blasen Sprunge geschwunden, und der Kopf
lag dem unteren Ut-Segm. fest an und rückte nach dem
Blasensprunge schnell in die Beckenhöhle beigab. Von einem
Emphysem, einem gewaltsamen Einführen der Luft fand sich
in unserm Falle nichts. Ausserdem war die Wirkung der
MivrahoM-HalP^cYiew Melliode bezüglich des Einfahrens von
Luft deutlich in der rasselnden In- und Exspiration nachzu-
weisen, denn die in beträchthcher Menge ^ausfliessenden aspi*
rirten Massen maditen der Luft immer wieder genügend Platz.
288 ^VII. Seffdel, Mittheilongen au der g^bartsb. Klinik etc.
Nach dem eben Gesagten ist es kaum zweifelfaafl, diss
die Luft durch die Belebungsversuche in die Langen des
todlgebomen Kindes gebracht worden, also die Belebungs-
melbode auch bei der tiefsten Asphyxie im Stande ist, xum
Leben genügende Luft in die Lungen zu schaffen. Wie gering
diese Menge mitunter zu sein braucht, beweisen zwei Fälle,
der eine von Hecker (Virch. Arch. Bd. XVL pag. 539.),
der andere von A, E. Simon Thomas (Nederl. TAdsdir.
V. Geneesk. VIIL p. 337. Junii 1864.) erzählt, wo bei der
Section lebend geborner, schreiender Kinder nach sechs resp.
siebzebnstündiger Lebensdauer vollständige AteJectase der Lun-
gen nachgewiesen wurde; in wiefern hierbei die Elasticitat
des Lungengewebes betheiligt ist, lässt sich freilich nicht
beurtheilen, denn dass bei lautem Schreien absolut keine
Lungenatbmung existirt haben soll, ist sehr schwer zu be-
greifen.
Zur richtigen Würdigung der verschiedenen Metboden xur
Belebung asphyctisch Geborner wird man sich den Zweck
der Manipulation auf anatomischer Grundlage klar machen
müssen. Die Aufgabe besteht darin, die aspirirten Flüssig-
keiten zu entfernen und Luft in die wenigstens zum Theil
entleerten Lungen einzubringen (vergl. den oben citirten Auf-
satz von Spiegelberg), Vollkommen wird die Aufgabe nur
eifuUt durch die ^ue^er'sche, übrigens in ihren Elementen
schon lange bekannte, und die MarshaU-HaWsch^ Metltotif.
Nach den berechtigten Voi*würfen gegen die erster« wird man
unbedingt der letzteren den Vorzug einräumen, und ist es
nur auflallig, dass trotz der schon vor mehr als einem Jahre
geschehenen Empfehlung durch einen Fachmann in einem
der gelesensten Journale von dieser Methode bis jetzt so
wenig Kenntniss genommen zu sein scheint.
Alle anderen Mellmden: von Pernice, von Silvester
(new method) etc. nehmen zu wenig Rucksicht auf Entfer
nung der die Luftwege verstopfenden Massen und auf den
Verschluss der Glottis, die bei Asphyctischen durcli die nach
hinten sich ballende Zunge meist erfolgt. Beachtenswerlb,
aber umständlich erscheint der Vorachlag von Panum (vergl-
Dr. 0. Thamhayn „üeber Asphyxie und Lebensrettung As-
phyctischer**. Schmidts Jahrb. B. 106. Jahrg. 1860. Nr. 4
XyiU. Hofinann, Geriohtlicbe Qatacb^tn etc. 289
pag. 96.) niiUels einer Saug- und Druckpumpe,^ die dem
yerscbiedenen Lungeninbalt entsprechend eingericbtel werden
mu8»te, um Verletzungen der Lungen zu vermeiden» die Alb-
roung Aspbyctiscber in den Gang zu bringen.
Auf den eben citirten längeren Aufsatz jerweise ich auch
der tretflicbei;^ Kritik wegen, die darin die einzelnen Metho-^
den, namentlich die Marshall'H€Ur&cbe der Sitüestar' $chm
gegenüber, erfahren.
XVIIL
Gerichtliche Gutachten über fleischliche Vergehen.
Von
Prof. Dr. Qofmann in Manchen.
(Forisetsmig.)
Untersuchung wegen Nothzucht, geführt beim
königl. Bezirksgerichte München links der Isar.
Historisches.
Die A. ist 27 Jahre alt, gross, muskelkräftig, stark,
knochig. Sie will noch nie einem Manne fruherhin mh hin*
gegeben haben und ist in geschlechtlicher Beziehung gut be-
leumundet. Eines Tages soll der jS., Anfangs der Zwanziger,
an Grösse, nicht aber, so weit man dies aus dem Aeusseren
eines Menseben beurtheilen kann, an Körperkraft das gewöhn-
liche Mittelmaass überschreitend, in die Wohnung ihres Dienst-
berm gekommen, dieser aber nicht zu Hause gewesen sein.
B, soll der A, unsittliche Anti*äge gemacht haben, die sie
aber zurückgewiesen haben will. Da habe der B, sie mit
aller Gewalt aufs Canapee gezogen, sich neben sie gesetzt
und sie umarmt. Mit einem Male habe B. eine Schwenkung
gemacht, sich auf sie binaufgele^l und mit seinem Körper
so gegen ihren Magen gedrückt, dass sie kaum habe athmen
können. Darüber, ob sie um Hülfe geacbHeen, kann die A,
kerne bestimmten Aufschlüsse geben; ein Mal will sie dies
Monateiotar. f. 0«bnrtok. 1865. Bd. XXYI., Hft 4. 1 ^
290 XVni. Hofmann, Gerichtliehe Oatochteni
jedoch, weil Niemand zu Hause gewesen, erfol^os gethai
haben, das andere Mai weiss sie nicht mehr recht genau, ob
sie geschrieen habe oder nicht. Von ihren Armen meint
sie, dass sie unter ihrem Körper gelegen, so dass sie
keinen Gebrauch davon habe machen können. Von den
Füssen, meint sie, dass der rechte ober das Canapee herab-
gehängt, der linke aber auf dem Canapee gelegen sei. In
dieser Stellung habe ihr B. die Röcke emporgehoben, ood
den Beischlaf durch Einbringung des Penis in ihre Vagina
vollständig gepflogen. Hemd und Strumpfe seien nach den
Vorfalle mit Blut befleckt gewesen, das aus ihren SchamtbeOen
gekommen. Nach fünf bis sechs Tagen habe sie eine Er-
krankung an den Geschlechtstheilen wahrgenommen, gegen
welche ärztliche Hülfe anzurufen sie sich aufanglich geschämt
habe. Erst als diese Krankheit Monate lang gedauert habe,
habe sie ärztliche Hülfe gesucht Die Krankheit habe in
einem zeitweise aus den Geschlechtstheilen austretenden
Schleimflusse bestanden. Es ist Thatsache, dass die JL an
gutartigem weissen Flusse ärztlich behandelt wurde.
Die fünf Monate nach dem behaupteten Reate von mir
vorgenommene Untersuchung der Geschlechtstheile der A.
ergab gar nichts Pathologisches, als dass, wenn man wollte,
die Röthung der Schleimhaut etwas intensiver man finden
konnte. Von einer syphilitischen Ansteckung, war gar keine
Spur. Der Hymen war zerrissen und gewährte die üeber-
Zeugung, dass schon ein Dilalatorium auf ihn gewirkt habe;
er war übrigens noch vorhanden und schloss den Scheiden-
eingang so enge, dass ich ohne Erregung von Schmerzgefühl
das Nagelglied meines kleinen Fingers nicht einbringen konnte.
Solche Beschaffenheit des Scbeideneinganges musste mich be-
stimmen, von einer Digital- und Ocularuntersnchung der inne-
ren Geschlechtstheile abzustehen.
Die Geschlechtstheile des A. fand ich regelmässig ge-
bildet und frei von jeglicher Spur augeubticklicber oder fro-
herer Syphilis.
Gutachten.
I.
Von einer Nothzucht, verübt „durch Drohungen mil
„dringender gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben*'
über fleiBohliehe Vergehen. 291
ist nach Lage der Dinge gar keine Rede; eine solche Be»
baiiptung stellt selbst die angeblich Genothzuchtete gar ni^t
auf. —
Die physische Gewaltanwendung, welche behauptet wird,
soll darin bestanden haben, dass B. die A, stark auf den
Magen gedruckt habe, während sie mit ihrem Körper rück-
lings gelegen habe , angeblich die Hände unterm Röcken und
den einen Fuss auf dem Canapee, den andereu aber vom
Canapee herabhängend. Alles dies als wahr angenommen,
kann vom rein physisclien Standpunkte aus um so weniger
eine Widerslandsunfahigkeit der angeblich Genothzüchteten an-
genommen werden, als sie eine grosse, starkknochige, mus-
kelkräflige Person, der B, zwar auch gross, aber ein Mann
nur mittlerer Körperkräfligkeit ist. Bei solcher gegenseitigen
Stellung der Kräfte ist eine Nothzucht so lange eine baare
Unmöglichkeit, als nicht der psychische Factor mit in den
Kreis der ein solches Attentat begünstigenden Momente her-
eingezogen wird. Nur unter der Voraussetzung, dass die A.
durch das urplötzliche Vorgehen des B, " in der Art über-
rascht — im gewöhnlichen Leben sagt man: verblüfft —
wurde, dass dadurch eine völlige Willeoslosigkeit momentan
erzeugt wurde, welche die A, augenblicklich widerstands-
unfähig machte und sie in einen Zustand versetzte, in dem
sie alles Beliebige mit sich anfangen liess — nur unter dieser
Voraussetzung und bei solchem Hergange der Dinge kann
ärztlicherseits eine geschehene Nothzucht zugegeben werden.
Eine so momentane Willenslähmung hinterlässt aber bekannt-
lich keine Spuren ihres Dagewesenseins; deshalb ist auch
die Lösung der Frage, ob sie dagewesen oder nicht, der
objectiven Beurtheilung und auf das Gebiet der moralischen
Ueberzeugung gerückt. Der Richter mag sich darüber eine
moralische Ueberzeugung bilden, und er kann sich ohne An-
stand eine solche den Angeschuldigten gravirende Ueberzeu-
gung bilden, denn die ärztliche Wissenschaft stellt sich solcher
Ueberzeugung nicht entgegen, unterstützt sie vielmehr, denn
die Behauptung der A,, nur ein Mal im Leben, und dieses
eine Mal vollständig sich begattet zu haben, findet ohjective
Unterstützung durch den Befund an ihren Geschlechtstheilen.
Der Arzt kann und darf sich aber keine moralische, sondern
19*
292 XVIII. Hofmann, Oenehfliche Gntaehten
nur eine objective Ueberzeugung verschaffen, und nach dieser
Ric^hlung hin geht mein Gutachten daliin, dass das Ge-
schehensein einer Nothzucht nicht nachgewie-
sen sei.
II.
Der sogenannte weisse Fluss, der nach Bestätigung des
behandelnden Arztes ein gutartiger ist, kann mit der behaup-
teten Nothzucht im Zusammenhange stehen, und schenkt man
den Angaben der A. über das ^rste Auftreten dieses weissen
Flusses Glauben, so röhrt er sogar sicher von dem incriroi-
nirten Begattungsacte her. Einen Nachtheil an ihrer Gesund-
heit hat die A. nicht davon erlitten. ^)
Die Untersuchung wurde eingestellL
Untersuchung wegen Nothzucht, Gefuhrt beim
k. Bezirksgerichte Mönchen links der Isar.
Historisches.
Im März 1859 erschien die ledige, taubstumme, 22 Jahre
alte A. mit ihrer Mutter bei dem k. Herrn Untersucbungs-
1) Darüber, ob diese Vagiualblenoorrhöe einen „Naehtheil
an der Gesnndfaeit* involvire oder nicht, niosste sich das ge-
nchtflärstliche Gutachten aaasprechen, denn da« 8trafge»ets too
1813, nnter dessen Herrschaft der Fall sar Benrtbeilang kam,
strafte das Beat starker, wenn ein solcher Nacbtheil aarackblieb,
als wenn keiner snrückblieb. Dass ich die Frage ▼emeinte,
hatte seinen Grand darin, dass der arstliche Gesandheitsbegriff
ein anderer ist, als der gerichtsiy'stliche. Nach Jirstlichen Be-
griffen ist allerdings eine Vagina1blennorrh5e ein „Naehtbeil «a
der Gesundheit". Von dem gerichtsftritliohen Begriffe Ton Oe-
Blindheit ist aber das Pradicat der Berafsfähigkeit schlechter^
dings unsertrennbar , ebenso wie yon dem gerichtsärstlicben
Krankheits begriffe daS Pradicat der Berufsanfahigkeit schlechter-
dings nicht getrennt werden kann. Wer dem Gesetze gegenfiber
„krank'' sein will, mnss „bernfsnnfXhig'' d. h. in allen nach
Maassgabe von Alter, Geschlecht, Bernf ankommenden PflicbteB
nnd Obliegenheiten nntanglich sein. Da nun die Blennorrhoe
die A. in Erfüllnng ihres Bernfes einer Dienstmagd nicht einmal
beschränkte, geschweige sie ganz und gar behinderte, so mnsste
die Frage über das Zurückgebliebensein eines „Kachtheils ao
der Gesundheit'' gerichtsärstlich vernelat werden« Dr. H.
ober OeiMhliofae Vergehen. 298
richler beim k. Besirksgericbte Mäncheu links der bar und
gab durch Vennittelung ihrer Mutter Folgendes an:
Sie habe bis in den December 1858 hinein noch nie
mit einem Manne zu thun gehabt.
Vor oder um Weihnachten 1858 habe der ledige B.
die A. in ihrem Zimmer zu drei verschiedenen Zeiträumen
am Halse gepackt, sie rücklings in eine Zimmerecke gednickt,
mit Beihulfe seiner Hände und Fasse ihre Füsse auseinander-
gedrängt und ihre Röcke in die Höhe geschoben und in ge-
genseitig stehender Stellung zwei Mal den Finger und ein
Mal sein Glied in ihre Scham gesteckt. Gleich in der ersten
Zeit nach den angeblichen Missbräuchen will die^ Ä, sehr
schmerzhafte Urinbeschwerden gehabt haben, die sie anfäng-
lich aus Schamgefühl verschwiegen habe, später aber nicht
mehr habe verschweigen können. Sie wandte sich Mitte Fe-
bruar 1859 an einen Arzt, der sie drei Wochen lang an
entzündlicher Reizung der Genitalschleimhaut behandelte.
Der von mir unterm 22. März 1859 vorgenommene
Augenschein ergab : die A. ist ihrem Alter entsprechend kör-
perlich entwickelt. Bei ungeöffneter Schamspalte zeigen die
äusseren Geschlecfatstheile durchaus nichts Aussergfiswöhnliches,
namentlich keine Ueberreste ehemaliger Verletzungen. Zieht
man die Schamspalte auseinander, so zeigt sich zuerst eine
ganz geringe Röthung der Schleimhaut des Scheideneingangs
mit Gefassinjection, d. b. entzündliche Röthung. Der Hymen
ist vorbanden, gelappt, die Hymenalränder gewulstet. Die
Hymenalöffnung ist so eng, dass schon der Versuch der Ein-
führung des kleinen Fingers einer Mannshand Schmerz ver-
ursacht. Weder an den Brüsten noch durch die Bauch-
decken hindurch ist eine Spur von Schwangerschaft wahr-
nehmbar.
Der B, ist 41 Jahre alt, brustleidend, übrigens mittel-
kräitig, seine Geschlechtstheile ganz normal gebaut und sicht-
lich nocti geschlechtskräflig. Er widerspricht die gegen ihn
erhobene Anschuldigung, weil sein Penis nicht mehr erec-
tionstähig sei.
Ich war vom k. Herrn Untersuchungsrichter zur Aeus-
serung über das ganze Reat und namentlich die Anwendbar-
294 XVIU. Hoßmann, Oert^htUebe Gataehten
keit des Art. 188. Tl. I. des StrafgesetzbHches *) veraiibssl,
welcher AalTorderung ich in Folgendem nachkam:
Gutachten.
1) Der Angeschuldigte behauptet, sich nicht mehr be-
galten zu können, weil sein Penis nicht mehr ereclioostähig
sei. Kann man nun auch aus dem Alter und der Körper-
beschaffenheit eines Mannes im Allgemeinen und der nor-
malen Beschaffenheit seiner Genitalien keinen absoluten Rück-
schluss auf seine Beischlafsfähigkeil oder -nichtfahigkeit inachen,
so stQht doch
a) das* Alter des Angeschuldigten,
b) seine noch krallige Körperbeschaffenheit,
c) die sichtlich kräftige Beschaffenheit seines Genitalap-
paratfts, welche nicht so ist, wie sie sich bei Ge-
schlechtsschwäche kund giebt,
der Glaubwürdigkeit seiner Angabe über Begattungsuntucb-
tigkeit bewahrheitend nicht zur Seite.
2) Der objective Befund an den Geschlechtstheilen der
A. gestattet folgende Röckschlösse :
a) es ist ganz gewiss, dass die A. noch sehr wenig ge-
schlechtlich mitgemacht hat Die Annahme des Gegen-
theils ist mit dem objectiven Befunde unvereinbar. Die
Behauptung, nur drei Mal missbraucht worden zu sein,
ist ärztlicherseits als glaubwürdig zu erklären. Solch
geringe Zahl harmonirt mit dem effectiven Befunde,
und die Annahme einer beträchtlich grösseren Zahl von
Begaltungsacten wurde in Dysharmonie mit dem objec-
tiven Befunde stehen.
b) Die A. behauptet, dass B. zwei Mal mit seinem Pin-
ger und ein Mal mit seinem Penis eingebohrt habe.
Die ärztliche Wissenschaft befindet sich nicht in der
Lage, aus vorgefundenen ärztlichen Erscheinungen einen
1) Strafg^esetibach für das Königreich Bayern Tom Jabre
1818, Tl. I. Art. 188:
wenn die genotbzüchtigte Person durch die
verübte Gewalt oder durch den Beischlaf selbst an ihrer Ge-
sundheit irgend einen Nachtheil erlitten, so etc. etc.
aber flei«Ql|liche Vergehen. 295
Raekschlu5s auf den eingedrungenen Körpertheii zu
machen, und muss ärztlicherseits eine ofiene Frage
bleiben, ob Finger oder Penis einge/lrungen. Doch ist
zu erwähnen, dass der Finger eines Hannes ein we-
niger voluminöser Körpertheii ist, als der erigirte Pe-
nis. Die dem Integritätszustande sich mehr als dem
entgegengesetzten Zustande annäberde Hymenbeschaf-
fenheit steht der Glaubwürdigkeit der Annahme über
zweimalige Einführung des Fingers eher zur Seite, als
nicht
c) Die A. behauptet, der B, habe sie am Halse gepackt
und rücklings in eine Zimmere^ke gedrängt, und mit
Beihölfe seiner Füsse ihre Füsse auseinandergezerrt,
die Röcke emporgeschoben und in gegenseitig stehen-
der Stellung sie missbraucht. Die ärztliche Wissen-
schaft kann auch in der Richtung keinen Beweis lie-
fern, ob der Hissbrauch in dieser oder jener Stellung
geschehen. Doch kann Folgendes bemerkt werden: In
stehender Stellung ist nur mit Hübe eine vollständige
Immissio penis möglich; es bleibt die Immissio mehr
weniger unvollständig, d. h. es tritt mehr oder weniger
nur die Eichel mit der flachsten Penispartie ein. Die
Beschaflenheit des Hymen der A. spricht mehr dafür,
dass, wenn überhaupt eine Immissio penis geschehen,
was zu bezweifeln ärzlicherseits kein Anhaltepunkt vor-
liegt, diese Immissio eher eine unvollständige als voll-,
ständige gewesen sei, und spricht sonach nach dieser
Richtung der objective Befund eher für als gegen die
. Glaubwürdigkeit der Angaben der A.
d) Die Hissbräuche sollen um Weihnachten 1858 herum
geschehen sein. Die ärztliche Wissenschaft befindet
sich nicht in der Lage, aus dem objectiven Befund
einen anderen Rückschluss auf den Zeitpunkt, der De-
floration zn machen, als den, dass die Entjungferung
höchst wahrscheinlich nicht in den letzten 24, wahr-
scheinlich auch nicht in den letzten 2x24 Stunden
von dem Tage der von mir vorgenommenen Unter-
suchung [22. März 1859] an rückwärts gerechnet ge-
schehen sei.
296 XVIII. Ho/mwmj Oeriehtlielie Glitechten
e) Die A. behauptet, sie habe gleich nach den Attentatoi,
d. h. bereits zu Weihnachten 1858 UrinbesdiwerdeD
gespürt, aber aus Schamhaftigkeit sich erst Mitte Fe-
bruar 1869 einem Arzte anvertraut, der sie drei Wochen
i^oag an entsündlicher Reizung der GenitalscMeimbaut
behandelte. Objectiv ist der Zusammenhang zwischen
dem dreiwöchigen Kranksein Ende Februar 1859 und
den behaupteten Attentaten um Weihnachten 1858
herum freilich nicht nachgewiesen. In Anbetracht jedoch
cc) dass die A, behauptet, sie babe bereits gleich
nach den behaupteten Angriffen Urinbescbwerdeu
bekommen, «die sie aus SchamhafLigkeit so lange
▼erschwiegen habe, bis sie nicht mehr gekonDt habe;
in Anbetracht
ß) dass Urinbeschwerden nach Notfazucht eine sich
selbst erklärende ganz gewöhnliche Erscheinung
sind; in Anbetracht
Y) dass Schamhafligkeitgefuhl als ein psytdiologisch
begründetes Moment erachtet werden muss, warum
die A. sich nicht eher einem Arzte anvertraute,
als bis sie die Noth zwang —
in Anbetracht dieser Gründe steht nichts im Wege, den
Zusammenhang des Krankgewesenseins im Februar 1859
mid März 18Ö9 mit den behaupteten Reaten als er-
wiesen anzunehmen.
Dass die Verzögerung in der Beruftmg irztlicher
Hülfe die Dauer der Krankheit veriSngerte, und diese
viel kürzer gewährt hätte, wenn die A. sogleich
ärztliche Hülfe beansprueht hätte, ist ganz gewiss. Um
wie viel Zeit jedoch die Krankheitsdaiier hei rechtzei-
tiger Beinifung eines Arztes abgekürzt worden wäre
— ' dies zu bestimmen fehlt jeder Anhaltepunkt
f) Die bei der Ocularinspection des 22. März 18Ö9 vorge-
fondene geringradige Entzündungsrötbe der Schlamhaut
des Scheideneinganges kann ebensogut Ueberrest der
angeblich in jüngster Zeit dagewesenen Ertrankung, als
auch möglicherweise mit dieser Erkrankung in gar kei-
nem Zusammenhange stehende, sondern eine jener spon-
tanen entzündlichen Reizungen sein, wie sie so häufig
fiber fl«i9olili«hd Vergehen. 397
beini weibiicben Gescblechte ▼orkommen; üar die eine
wie für -die andere Annabme Hegen ärxiboherseiCe gleicb^
viele Grdnde, oder wenn man auch will, keine vor*
schlagenden Grunde for.
Die Untersuchung wurde eingestellt.
Untersuchung wegen Nothzucht, gef&hrt beim
k. Bezirksgerichte München links der Isar.
Historisches.
Die ledige A., 19 Jahre alt, etwas sohmficUtigen Körper-
baues, hat geständigermaassen fröherhin eio Mal, nicht öfter,
ihrem Liebhaber dea Beischlaf gestattet
Von einem Balle, wo sie maskirt war, Morgens drei Uhr
^allein aach Hause zurückkehrend, wiU sie von dem B, unter
Beihülfe zweier anderen Männer gepackt, und unter ZuhaK
tung ihres Mundes in die nächstgelegene Werkstatt des B.
geschleppt worden sein. Dort sollen ihr die drei Männer
stets den Mund zugehalten, sie auf eine Bank gelegt und
fleischlidi der Reihe nach gebraucht haben. Die A. behauptet
mit Bestimmtheit, sie sei widerstandsunfähig gewesen, weil
je zwei Männer sie immer gehalten hätten, während der
dritte sie gebraucht habe. Von dem Ersten, der sie gebraucht
habe, behauptet sie Samenerguss gespart zu haben, von den
zwei folgenden Männern behauptet sie ifiichls gespürt zu haben.
Nach dem dritten Begattungeacte sei sie so ersdiöpft gewe»
Ben, dass sie eingeschlafen und etwa eine halbe Stunde ge->
schlafen habe. Aufgewacht will sie von B. aus der Werk*
statte entlassen worden sein.
Der von mir vorgenommene ärztliche Befbnd ergab sech*
zehn Tage nach dem behaupteten Reate kerne Verletznngs-
spur an den Geschlechtstheilen und in der Umgegend; der
Hymen zerrissen, aber noch vorhanden, der Scheideneingang
leicht zugänglich und ein geringgradiger Schleimabfluss nebU
leichtentzündlicher Reizung der Schleimhaut der Schamlippen
und des Scheideneinganges wahrnehmbar. Die grossen Scham*
Jippen überragen die kleinen, schliessen die Scharospalte voH-
ständig, und das Gesammtbild des Genitalapparates ergab den
Eindruck, dass seine Besitzerin denselben noch wenig in
298 XYIII. Eojmmin, Geriehtliebe GnUchten
Gebrauch gezogen haben möge. Die A. zeigte übrigens ba
der Untersuchung die grösste üngenirlheit und Gleichgfltig-
keit; sie Hess sich die Röcke emporheben, die Fasse auseiiH
anderspreizen, die Scbamspalte öffnen, als ob sie dergleicfaen
Dinge schon gewohnt sei.
Gutachten
[abgegebeo gleich im Beginne der Untersuchnng].
Die Angabe der A, vor dem 8. Februar 1859 nur ein
Mal ihrem Liebhaber die Begattung gestattet, sohin überhaupt
in ihrem Leben mit Hinzurechnung der drei Zwangsbegal-
tungen, die Gegenstand ihrer Behauptungen sind, nur vier
Mal sich begattet zu haben, kann vom 3tandpunkte .des Ge-
oitalapparaies nicht als geradezu unglaubwürdig und als mit dem
örtlichen Befwide in Widerspruch stehend erklärt werden.
Doch muss die Möglichkeit, dass die Angabe über nur ein-
maligen Vollzug der Cohabitalion vor dem 8. Februar 1859
eine Unwahrheit enthalte, ärztlicherseits eingeräumt werdea
Was die behauptete Nothzucht beürifil, so kann aus den
örtlichen Befunde diese Behauptung weder als auf Wahrheit
beruhend bekräftigt, noch als auf Unwahrheit ruhend wider-
legt werden. Noch weniger kann natürlich aus dem örtlicbeo
Befunde deducirt werden, ob die Angabe der Umstände, unter
denen und wie die behauptete Nothzucht geschehen sein soll,
wahr sei oder nicht. Es kann nach dieser Richtung hin nur
gesagt werden, dass die Erfahrung unbedingt nachweist, dass
drei Männer ein Frauenzimmer nothzüchtigen können. Das
physische Uebergewicht von drei Männern ist gegeoAber einer
jugendlichen Frauensperson mittlerer Körperkraft, wie die J.
ist, ein so beträchtliches, dass von einem Widerstände keine
Rede sein kann. Wenn daher den Angaben der A, über die
näheren Umstände dieser Nothzucht richterlicherseits Glaubee
geschenkt werden will, so steht ärztlicherseits Dem nichts
im Wege.
Ich habe noch einen Punkt zu berühren, auf den ich
jedoch ärztlicherseits gar kein Gewicht gelegt wissen wilL
weil auf diesem Territorio, wo nur objective Merkmal« Gel-
tung haben, kein Gewicht darauf gelegt werden darf. Ich
berühre ihn nur desshalb, weil in fast allen Fällen, und so
über fiMsehlleh« Vergehen. 299
auch in concreto, richterlicberseits ein unendliches, ja sogar
manchmal Ausschlag gebendes Gewicht auf die ganze Person- .
lichkeit und die damit in Zusammenhang stehende Glaubwür-
digkeit der angeblich Genotbzüchtigten gelegt wird, und
deshalb auch dem Richter Alles willkommen sein muss, was
irgend einen Beitrag zu dieser Persönlichkeit liefert. Dies der
Grund, warum ich für den Richter, nicht für ärzüiclie Zwecke,
einen Punkt mittbeile, nämlich die Haltung der A. mir ge-
gegenüber vor, während und nach der yorgenommenen Ocu-
larinspection ihrer Geschleclitstheile.
Es liegt in der Natur der Dinge, dass ein 19jä)rige8
Madchen, auch wenn es seinem Liebhaber den Beischlaf schon
gestattet hat, auch wenn es nach einem Attentate auf seine
Geschlechtsebre ?on der Notbwendigkeit einer Ocularinspeo-
tion überzeugt, auch wenn es sich dem Arzte gegenüber be*
findet, von dem es weiss, dass es sich freier benehmen und
weniger geniren dürfe — es liegt, sage ich, in der Natur
der Dinge, dass ein so jugendliches Mädchen, wenn es nicht
alle Scham bereits abgestreill hat, doch eiiiigermaassen Scham-
gefühl nach aussen hin kundgeben wird, wenn es den Antrag
vernimmt, sich in eine dem Schamgefühle des Weibes so wi->
derstrebende und nach Laienansicht so unanständige Stellung
begeben soll, wie bei Untersuchungen auf geschehene Noth»
zueht gefordert wird; wann es sich in dieser Stellung und
wann es sich nachher dem Manne Gesicht gegen Gesiebt
gegenüber befindet. Von einem solchen natürlichen Scliam-
geföhl konnte ich bei der A, und ich fasste sie scharf in's
Gesicht, keine Spur entdecken. Sie legte sich mit einer Un*
genirtheit und Gleichgiltigkeit nieder« liess sich die Röcke
emporheben, die Füsse auseinanderspreizen, die Schamspalle
öflTnen, als wenn all Das gar nichts wäre. Ich scbliesse dar-
aus als Gerichtsarzt, dass die A. jetzt wenig Schamgefühl
hat, gleichgiltig , ob ihr Mutter Natur von Haus aus nicht
mehr Schamgefühl gegeben, oder ob sie, was sie von der
Natur an Schamgefühl hatte, verloren^ habe. Mehr zu schlies-
sen bin ich nicht berechtigt, denn jeder weitere SchJuss
könnte nur auf dem Gebiete der moralischen Ueberzeugung
geschehen, das zu betreten mir nicht zusteht.
Die Untersuchung wurde eingestellt.
800 XVIII. Hofimann, GerielitlMe Gvtachten
Untersuchung wegen Verführung zur Unzucbl
Geführt beim kgl. Bezirksgericht München links
der Isar.
Historisches,
Nach Aussage der 14 Jahre alten, sehr geistesbeschriudkten
A., soll im November 1862 der jB. sie dadurch genothzücb-
tigt haben, dass er die Stehende an die Wand dröckte, ihr
einen Knebel in den Mond steckte, die Hände hielt, die Röcke
in die Höhe hob und seinen Penis in die Scheide brachte.
Dies that dem Mädchen weh und es sagt aus, es habe ihr
der B. zwischen die Beine „bnieingepiiBt^'. Es will sich,
obwohl merkend, dass B, etwas Unrechtes unterneiioie,
nicht hid[)e wehren können, weil es den Knebel im Hunde
hatte und der B. ihr die Hände hielt Die A. behauptet,
sich noch nie mit einem Manne abgegeben zu haben. Die
am 16. März 1868 yon mir vorgenommenen Ocularinspectieo
ergab: das Mädchen ist in Körpergrösse und Genitalapparat
nahezu mannbar. Die BrAste sind in der Entwickelang m-
röckgeblieben, denn sie treten nur sehr wenig über das Ni-
veau der Thoraxwand vor. Die Geschlechtstheiie sind ganx
ent^wiekelt, die Schleimhaut der grossen und kleinen Scham-
hppen aber und des Scheideneingangs mit dem Hymen in
der Art intensiv entzündlich gerötbet und hei Berühnuig
schmerzhaft, dass nur mit Mühe der Hymen zur Besichligimg
gebracht werden konnte. Derselbe ist gelappt, d. b. ^oe
Integrität beschädigt; die Weite der Hymenalöffinung isi von
der Dicke eines dicken Bleistiftes. Eine ktestliche Erweite-
rung der Hymenalöffnung durch forcirte Auseinaaderziehung
der Schamlippen ist bei dem durch die Entzündung der Ge-
nitalschleimhaut bedingten lebhaften Schmerzgefühle nicbl
möglich. Schwangerscbaftserscheinungen sind nicht vorhanden.
Ich zog aus diesem Befunde den Rflckschluss, dass der
Angabe der A., vorher noch nie mit einem Manne gesdlecblr
liehen Umgang gehabt zn haben, Unglaubwnrdigkeit nicht zur
Seite stehe, und selbst die Annahme eines öfter wiederfaolteo
Geschlechtsumganges ausschliesse.
Es war mir von der königl. Staatsbehörde die Frage
über fleischliche Vergehen 801
gestellt: ob die A. ein „uobescholtenea Mädchen*^ im Simif
des Gesetzes sei ? ^)
Gutachten.
Das christliche Sittengesetz gestattet Befriedigung der
Geschlechtslust nur innerhalb der von Staat und Kirche ge-
tragenen Ehe, und verpönt jed welche aussereheliche Befrie*
digung, sie mag geschehen, wie immer. In Ausfluss dieses
christlichen Sittengesetzes verlangt die gebildete christliche
Welt absonderlich von der unverehelichten Weibsperson, dem
Mädchen, nicht blos Enthaltung von jedwelcher wie immer
gearteten Geschlechtstfaätigkeit, sonder auch Enthaltung von
allen nur entfernt auf Befriedigung der Geschlechtslust ab-
zielenden Handlungen, die, wenn gleich in der Ehe gestattet,
ausser der Ehe jedenfalls den Charakter der ünzüchtigkeit
annehmen. Nur^ ein so geartetes Mädchen nennt die Welt
„unbescholten*^; ein Mädchen aber, dass diesen Fordernissen
nicht nachgekommen, „bescbolten'% die gebildete und gesittete
christliche Welt legt, indem sie von „Unbescholtenheit'' spricht^
den Accent auf Enthaltung von allen, auf Entfaltung einer
Geschlechtsthätigkeit irgendwie, wenn auch nur entfernt abzie-
lenden Handlungen. In dem Begriffe des Wortes „Enthal-
tung'' liegt aber ein freiwilliges aus Bewusstsein entspringed»-
des Fembleiben von einer Sache, und ist ein unbewusstes
oder unfreiwilliges Sichfemhalten keine „Enthaltung'* mehr
sondern eine erzwungene oder instinctive oder zufällige Unter-
lassung, die mit dem, was man „Enthaltung** nennt, nichts
weiter, als die Wirkung, den Effect, nicht aber die Causa
movens gemein hat! In Consequenz dieses Sprachgebrauches,
der eine tiefliegende innere Berechtigung hat, sieht kein ge-
1) Es war dai erste Mal seit der^ Herrschaft den »eaeA
Strafgesetaei, daas mir diese Frage gestellt war, daher ich etwas
weiter aasbolen sa müssen glaubte.
Der betreffende Art. 222. des Strafgesetzes lautet:
Wer eine unbescholtene Person, welche das 12., aber
noch nicht das 16. Lebensjahr zurückgelegt hat, zum
Beischlafe oder zur Gestattung des Missbranehes an
widernatürlicher Wollust verführt, ist etc. eto. zu be-
strafen.
302 XVIII. Hofmann, Qericbtliehe OnUchten
biMeter Mann ein Mädchen dann für „bescbolten** an, wem
ohne seine freie und im Bewusstsein der sittlichen Uner-
laubtheit unzüchtiger Handlungen gegebene Einwilligung die
physische Jungfräulichkeit Schaden gelitten, wohl aber dann,
wenn dieser Schaden Folge d^r freien und im Bewusstsein
der sittlichen Unerlaubtheit unzüchtiger Handlungen gege-
benen Einwilligung war. Nicht daher auf der Existenz oder
dem Verluste physischer Jungfräulichkeit, sondern vielmehr
auf der Causa movens im Falle des Verlustes liegt das Cri-
terium der „ünbescholtenheit" und „unbescholten" ist ein
selbst entjungfertes Mädchen dann, wenn die Defloratioo
bei wohl yorhandener Kenntniss der Bedeutsamkeit der Ge-
schlechtshandlungen erzwungen oder die unzuchtigen Hand-
lungen- aus Unkenntniss ihrer Unerlaubtbeil erschlichen waren.
Demgemäss stelle ich gerichtsärztlicberseits folgende Begriffs-
bestimmung auf: „Unbescholten'* ist jedes Mädchen,
welches die sittliche Unerlaubtheit unzuchtiger
Handlungen kennend, sich freiwillig zu solchen
Handlungen noch nicht hergegeben hat.
Ist diese Begriffsbestimmung richtig, so kann recht go(
„ünbescboltenheit" mit dem Verluste physischer Jungfräulich-
keit einerseits und andererseits mit der Existenz physischer
Jungfräulichkeit Hand in Hand gehen. Ich nehme auch kei-
nen Anstand, dies zu behaupten, denn eine durch Zwangs-
begattung d. h. Nothzucht Deflorirte ist, obwohl und weil
deflorirt, eben so wenig bereits „bescholten*', als ein im Be-
sitze physischer Jungfräulichkeit seiendes, aber sich an belie-
bigen Körpertheilen abgreifen lassendes Mädchen deswegea
weil und obwohl noch physisch Jungfrau, auch noch ein
„unbescholtenes'* Mädchen ist.
Die Beihälfe des Arztes zur Feststellung der „Beschol-
tenhfit'* oder „Unbescholtenheit*' ist eine sehr beschränkte.
Nur in dem einen Falle, wenn aus der Körperlichkeit des In-
dividums eine wiederholte Entfaltung einer Geschlechts-
thätigkeit ersichtlich ist, kann auf ärztlichem Vfeg^ die „Be-
scholtenheit^* des Mädchens nachgewiesen werden. Absolut
unnachweishar ist aber auf diesem Wege die „Unbescholten-
heit**, weil, wie entwickelt, die physische Jungfräulichkeit kein
absolutes Criterium der „Unbescholtenheit** ist. Ebenfalls
fiber fleiflcfaliohe Vergehen.
ärztlich onnacbweisbar ist die „Bescholtenheit'* dann, wenn
nur entfernt auf Geschlechtsbefriedigung abzielende Handlun*
gen die „Unbescholtenheil'* verlieren gemacht haben. In
Folge dessen ist auch der Befund an den Gesciüechtstheilen
der A.y obgleich günstig der Annahme ihrer ^^Unbescholten*
heil", kein unumstösslicher Beweis dafür, daher das Gut-
achten dahin (;eht: es stehe der Annahme, die A. sei
vor ihrem Zusammentreffen mit dem£. ein unbe-
scholtenes Mädchen im S^nne des Art 222. des
Strafgesetzes ärztlicherseits nichts im Wege.
Die Untersuchung wurde eingestellt
Anklage wegen des nächsten Versuchs zum Ver-
brechen der unfreiwilligen unef zwungenen Un-
zucht Verhandelt vor dem k. Kreis- und Stadt-
gerichte München.
Historisches.
iV., acht Jahre alt, ein schwächliches, ganz scrofulftses,
im körperlichen Wachsthum hinter seinen Jahren zurückge-
bliebenes Mädchen, kam im Monate Juli 1853 statt um vier
Uhr erst um fünf und 5Va Uhr aus der Schule nach Hause.
Die Mutter fragte ihr Kind öfter um die Ursache des langen
Ausbleibens, aber es wusste immer eine Ausflucht Zu glei-
cher Zeit klagte die kleine N. über Schmerzen in den Ge-
scblechtstheilen , sie zwickte die Beine beim Gehen zusam-
men, konnte den Urin nicht recht halten. Eines Tages weinte das
Kind absonderlich über seine Schmerzen; nun untersuchte
die Mutter das Kind, und fand seine äusseren Geschlechts*
tbeile geschwollen, bei deren Berührung es laut vor Schmer-
zen weinte. Die Mutter konnte sich die Sache nicht erklären,
glaubte aber, das Kind habe sich wund gegangen, obgleich
sie von einem Wundsein nichts merkte.
Gegen Ende August 1853 ging das Kind mit der Magd
auf der Strasse, .als ihnen ein alter Mann begegnete. Das
Kind sprang auf ihn zU; that mit ihm ganz vertraulich, und
auf seine Frage, warum es nicht mehr zu ihm komme, ant-
wortete es, wenn die Vacanzschule wieder angebe (d. h. nach
Marii; Geburt) werde es wieder kommen. Dies fiel der Magd
304 ^^I^* EofmomM^ QeriehtUcbe Gatachten
auf und sie eraählte es ihrer Frau, weiche nun deshalb in ihr
Kind drang. Die ErzäUung, welche das Kind seiner MuUiv
machte, und auch später in der Voruntersuchung uod auch
bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung in ihren wesentliche«
Theilen gleichlautend wiederholte, ist folgende:
Auf dem Wege von der Schule nach Hause sei sie öfter
dem X — 85 iahre alt and seiner äusseren Erscheinung
nach das Vorbild der Decrepiditat — hegegpet, von dem es
übrigens bekannt ist, dass zu iliro alle Kinder des Stadt-
theiles kommen, weil er immer sehr liebevoll gegeo sie ist
X habe sie, die kleine iV^., unter dem Versprechen, ihr Obst
und Bilder zu schenken, mit auf sein Zimmer genommen,
ihr auch wirklich Obst und Bilder geschenkt, sie auf seinen
Schooss genommen .und geschaukelt. Dann habe er ihr unter
die Röcke binaufgelangt , habe ihr gesagt, die Beine ausein-
ander zu thun, und habe sie an den Geschlechtstbeilen ge-
kitzelt. Dann habe er sie auf den Boden gestellt, habe ihr
die Röcke aufgehoben, habe ans der Hose ein abscheuliches
Ding» das ausgesehen habe wie ein Finger, und so hart wie
Holz gewesen sei, herausgebracht, und habe ihr dannit zwi-
schen die Beine hineingestossea. Dies habe ihr immer sehr
webe gethan, besonders aber ein Mal, wo X. ein Messer^)
gehabt habe, und habe sie daher geweint und geschrien. X
habe ihr aber wieder 0b6t dafür geschenkt. ViTelche Stel-
lung X bei diesen dem Kinde schmerzhaften Stössen einge*
nommen habe, darüber konnte das Kind durchaus keine Auf-
schlüsse mehr geben. Alles dieses habe ihr X drei bis
vier Mal getbtfn, und schätzt die Mutter den Zeitraum, s«
lange sie das zu späte Nacbhausekommen des Kiade» uad
1) Diese in der Vornntersuchung höchst auffallende An^abo
des Kindes, der Ang^eschuldigte habe ein Mal ans seiner Hose
ein Messer hervorgebraefat, Irlärte sich hei der öffsiitHclMB V«f-
handltittg dabin anf, daaa späterhin, als die Matter T«n ihrem
Kinde erfahren, was ang^eblich geschehen sei, sie demselben, wtf
sie fragte, was denn das für ein abscheuliches Ding gewesen sei
was der Herr aus der Hose gesogen habe, um es su schrecken,
damit es sich nicht mehr su diesem Herrn locken lassen mScIrte,
•agte, das sei ein Messer, womit Ihm, dem Rinde, wehgetfaio
verde.
aber flBiflohliche Vergehen. gOÖ
die oben sobon erwlhnten Symptome am Kinde beobachtete,
auf üngeßhr 14 Tage.
Die nach gerichtlicher Anzeige in den ersten Tagen des
8eptemba*s 1853 vorgenommene gericbtsärzüiche Visitation
des Kindes ergab schlaffe und nicht geschwollene grosse und
kleine Schamlippen; Integrität des Hymen, intensive Röthung
der Schleimhaut des Scheideneinganges und der Cliloris, kei*
nen pathologischen Ausfluss aus der Scheide. Ganz dasselbe
Resultat ergab die vier Monate später, nämlich Anfangs Jänner
1864 vorgenommene Revisitation der Geschlechtstheile, nur mit
dem Unterschiede, dass das Mädchen über keine Schmerzen
an diesen Theilen mehr klagte, und auch die Mutter schon
seit längerer, Zeit nichts Ungewöhnliches mehr am Gange ihres
Kindes wahrnahm.
Die von mir in der Voruntersuchung beantragte Unter*
suchung des Angeschuldigten wurde von der königl. Staats-
behörde, da die Anklage nur auf nächsten Versuch gerichtet
sei, für nicht nothwendig erachtet.
Gutachten.
Ob ein nächster Versuch oder ein Versuch
überhaupt zum Beischlafe stattgefunden habe
oder nicht, lässt sich in diesem Falle vom ärzt-
lichen Standpunkte aus nicht ermitteln.
Objective ärztliche Anhaltspunkte, dass ein Versuoh zum
Beischlafe allenfalls stattgefunden hätte, haben wir in dieseip
Falle nur zwei, nämlich:
1) die bei den beiden äritlieben Untersuchungen sich her-^
ausgestellt habende intensive Röthung der den Schei-
deneiogang und den Kitzler überziehenden Schleim*
baut, und
2) den Umstand, dass das Kind im Juli 1863, also zur
kritischen Zdt über Schmerzen an den Geschlecht»»
theilen klagte, welche Theile von der Mutter auch ent-
zündet und geschwollen gefunden wurden, womit in
Zusammenhang zu bringen ist, dass das Kind beim
Gehen die Beine öfter zusammenzwickte und den Harn
nicht recht halten konnte.
MonatMobr. f. Gebartak. 1865. Bd. XXVI.. Hfl. 4. ^
306 Xyill. Hq/m«««, a«H«fatU«b6 OAtacbten
Der Werlh dieser ErscheiiuingeB todi dnlikhen SUnA-
punkte ist folgender:
ad !• Die iotensive Rdtbuog der SeUeimhaat« die den
Scbekdeneingang und den Kitzler äberaieht, wje sie sMbald
nach dem Beginne der gerichtlichen (Julersuchiing eiwa na
bis sechs Wochen nach der angeachnldigten Handlung die ge-
richtsärztUche Untersuchung heraussteUte, ist keineswegs die
Folge einer von aussen her geschehenen mechanischen Beicuni,
welche diese Theäe etwa von dritter Hand erlitten baUen.
Wenn dies der Fall wäre, so hätte diese entTtoUiche Rötbuiig
alsbald wieder verschwinden mAsseo; so aber leigte sich net
Monate später bei jener, die ich erst ganz kurz vor der
öffentlichen Gerichtsverbanillung machte, ganz denMlbea Be-
fund, wie vier Monate früher. Diese entzündliche Reizung,
die der erstbesohauende königl. Gerichtsarzt und auch ich
vorfand, muss sonach eine andere Deutung erhalten, und diese
Deutung liegt sehr nahe. Das Kind ist scrophulos. Bei der
Scrophelsucht kommen entzündliche AJectiooen chronischen
Verlaufes in Schleimhäuten sehr häufig vor, und diese Röthuog,
von der ich spreche, muss sonach als das Symptom einer
chronisch catarrhalischen Entzündung gedeutet werden, und
somit ist jedenfeUs gewiss, dass sie nicht exckrsiv das Symploni
einer von aussen her auf diese Tbeile eingewirkt habenden
mechanischen Reizung ist.
ad n. Was die Klagen des Kindes über Schmerzen
beim Geben in diesen Tbeilen und das damit in Zusammen-
bang zu bringende, von der Mncter beobachtete Zusammen-
zwicken der Beine beim Gehen, das gestörte Yerroögen den
Harn zu halten, und die Geschwulst und Schmerzhaftigkdt
dieser Tbeile betriflfl, so steht fest, dass damals die«e Theik
acut entzündet gewese» sein messen, was späterhin schon
bei der ersten gerichtsärztlichen Visitation nich4 mehr der Fall
war. Nicht minder Thatsache ist, dass eatarrinüsche chro-
nische Entzündungen der Schleimhaut des Scheideneiiiganges
häufig, besonders zur Som^ierszett , durch die neebanische
Heizung, die diese Theile beim Gehen ia grösserer Warme
erleiden, acut werden. Ob nuu die dauMls im Mi 186ä ton der
Mutter am Kinde beobachtete Eiaeerbalion der chrenisch-
catarrbalischen Affection das Ergebnis» einer duvch di» Som-
Aber fl^teliKshe Verg ehan. 307
meraieit und die inechMiiBobe Aiüibung dmer Theie herror-
gWOfendi, oder durch rM dritter Hand getchchttM« roecluH-
Riachtn Reisung dieser Tiicile sei« mag diese mechatiiaolM
RMiiBg im Kitaein am Kitaler, oder in eiden BeiseUafafer-' #
raehe, oder iMMin iMuner bestanden haben — das liss4 aicb
▼om §ratlicben Standpadkte aus gar niebi mehr ermitteln*
Ea ist somit d#r NaAwteta geliefert, dasa id diesca» Palle
kein objectifes Zeicben rorhanden ist, aus dem. man edtneh-
aoen kftmite, ob eia BeisehMsfensuch oder was sonsi atatt«-
gtTiindeB bebe. Es iat aber auch kein Zdehen da» welches
das Gegentbeil beurkunde» wärde. Diese Erage kann aosaeb
f0m ftratfichen Standpunkte aua fiberhaoj^t nicht zur f^aaung
gebraobt «erden»
Der Gerichlahof erliess ein freisprecheades Erkenntniaa«
Anklage wegen des Verbrechens widernatürlicher,
unTreiwilliger und unerzwuugener (Inzucht. Ver-
handelt vor dem königl. Kreis- und Stadtgericht
Hünchen links der Isar.
Historisches.
Am 1. Mai 1851 war der X, in (tmi fünfsigeni« ver«
elieHeht und Vater zweiei* Mfidebem, im WirtbsbaiiM und
kam, seiner Angabe nach, baibberauacht, am 2# Mai 1851
VlQfgm^ IV« Ubr nach Hafiae. Die im NcbeMionner schia«-
fende Magd F. hörte gleich nach der Ankunft dea X in sei*
Dem EinlBier, Worin seine beiden TMlter, SL gebore» am
la November 183B und A. gebbrca am 26. Ocfober 1840,
schfiefeft, Lfln». Die Ma^d F. ging in die KAcbe uird aah
doreb dae KAcbenfenater id da» Zimmer. X. sasa auf eirtem
Stuhle im Hemde odd schob seine aufe Hemd eD&Uöeale
Tochter 8. zwischen seinen Füssen auf und ab,, settte zeit**
weise ava, sagte dem Kinde etw^aa ins Obr, küasie es iMd
UiA (JntaiBbt mit ihm, wofaai sein «mt des Kiades Bmni in
die Höhe geschoben war. Vom Vater X. wird* «in^fianit,
das», als er nach Hanse kam, er seiner Tochter & eine
Wurst angeboten und darauf ihr seinen Pf«)s i» den< Mund
gesletlil habe;, mit de» Worten, da bebe sie ebne Wurst, sie
solle aber nicht darauf beiseen. Am 2. Mai 1851 sehiekte X.
20*
308 XVIII. HpfmmM, Geriehtlieh« Gutachten
seine Toditer 8. irgend wohin und sagte, dass ist sdiist m
den englischen Garten spazieren gehe. Die 8. blieb aoflU-
lend lange aus und wurde auf das Befragen der Magd ver*
«legen, bis sie endlich gestand, mit dem Vater im engüsohen
Garten gewesen zu sein; sie di>rfle es aber nicht sagen. INe-
ses Factum wird vom Vater X, in Abrede gestellt Die Magd
F. bemerkt femer, dass in der Leibwftscbe des Töchtercfaens
A. Blutspuren seien, worauf sie die Mutter und den Veter aof-
merksaA) machte, weshalb Letzterer das Kind zuditigte. Des
Töchtereben A. sagt aus, dass in einer Nacht im fl««bsie 186Q.
wibrend es im Bette des Vaters schlief, dieser mit seinem
Finger in seine Schani gelangt habe, was ihm Scfamersen
verursacht habe, so dass es weinte, und gleich darauf habe
Papa ,,mit seinem Ding, womit man Wasser mache**, gegeo
des Mädchens Sdiam gestossen, und habe wohl V« Stunde
lang so auf und ab gemacht. Dass Stossen dieses Dinges
gegen die Scham habe keine Schmerzen verursacht, wohl aber
das Hineinlangen mit dem Finger, A. spurte acht Tage lang
stechende Schmerzen beim Verrichten der Notbdurft, und sei
auch Blut aus der Scham geflossen. Dieser Blutabgang habe
ungefähr vierzehn Tage gedauert, und dann hätten auch die
Schmerzen aufgehört
Ein paar Monate später ging die A. mit ihrem Vater in
englischen Gärten spazieren, und da machte ihr der Veter die
Zumuthung, sie solle sich niedei*legen, und er wolle den Pin-
ger hineinbringen. A, ging nicht darauf ein und es liess der
Vater sie in Ruhe. Dieser Letztere läugnet bezuglich der A
Alles. V« ^^^^ später sah J4., wie in einer Nacht ihre Schwe-
ster /8L, die mit dem Vater in Einem Bette schiief, ausstieg,
und ihr der Vater dann ins Ohr flüsterte : „Sag fein keinem
Menschen etwas davon*'. Noch wiederholt bemerkte A, wie
ihre Schwester 8, und* der Vater, die fertan beständig in
Einem Bette schliefen. Nachts mit einander plauderten, wri-
ches Verhällniss bis in die zweite Hälfte des Norember 1864
so fortdauerte.
Die körperliche Untersuchung des Vaters X. ergab ganz
normale Genitalien.
Die am 27. November 1864 von mir vergenommene kör-
perliche Untersuchung der 8. zeigte ganz kindliche Genit»*
Aber fl^laeUieb« Vergsli^ii. . SOQ
Imd, Sebamlippaa und Müteifleisch uoverBehrl» Sebteknhaut
des Scbeideoeinganges schön roseni*oth, ganz normal^ Hymen
vorhanden, deasep Oeffinung rundlich, deren Rander abgerun-
det. Mei|i kleiner Finger konnte nahezu die Hälfte seines
NagelgUedes in die Hymenalöffnung eindringen, ohne Schmerz
2U verursachen.
Am 23. November 1854 sollte ich auch die Ä. körper-
lich uptersuGben,^ fand aber die Schleimhaut des Scheidenein-
ganges so lebhaft gerütbet« wie diese Röthuog nur bei Ent-
zündungen vorkommt; auch schmerzte die leiseste Beröhrung
das Mädchen so sehr, dass Cur den Augenblick die Unler-
»uctuing unmöglich wurde. Am 13. December 1854 waren
diese Symptome verschwunden, und die an diesem Tage vor-
genommene Untersuchung stellte vollständige Integrität des
Genitalapparates heraus.
Von der k. Staatsbehörde wurde mir im Laufe der Vor^
Untersuchung eine Reihe von Fragen vorgelegt, die ich beant-
wortete, und welche auch meinem in öffentlicher Gerichts-
verhandlung abgegebenen Gutachten als Grundlage dienten.
Gutachten.
Ich habe die Ehre, das von mir verlangte Gutachten auf
den Grund der mir von verehrlicher k. Staatsbehörde in der
Voruntersuchung vorgelegten Fragen abzugeben wie folgt:
Frage 1.
In welchem Zusammenhange stehen die an den
Genitalien der A. vorgefundenen krankhaften Er>
scheinungen mit einem vorhergegangenen Miss-
brauche des Mädchens zur Unzucht?
Wenn irgend eine Sache in der ganzen Welt missbraucht
worden ist, so wird man diesen geschehenen Missbrauch erst
dann erkennen können, wenn sich an dieser Sache solche
Spuren vorfinden, welche den Rückschluss gestatten, dass
hier einmal ein Missbrauch geschehen sei. Wo sich solche
Spuren nicht vorfinden, wird man der Sadie auch nicht an-
sehen können, ob sie missbraucht worden ist oder nicht.
Was von Sachen gilt, gilt auch von Personen im ärztlichen
Bereiche.
310 XVIII. H#/m€mtt, 0«ricMlebt teUchten
Wendet man dieses aHgemeine Aiiotn auf den ooncmn
Fall an, so ergiebt sieb Folgendes:
1) Bei der ersten Unterstidiung am 23. NoTenfcer 1854
war die Schleimhaut des Scheideneinganges und der Ge-
schlechtstheile überhaupt bei der A, in einem Zustande, der
momentan die weitere Uiltersuchung verbot. Ob die»er Em-
zündnngszustand durch einen geschlechtlichen Missbrauch des
MSdchens, oder — was bei heranreifenden MSdcben nkk
selten vorkommt — durch innerhalb des Organismus gelegene
Ursachen hervorgerufen war, lässt sich im concrelcfi FaBe
ärztlich nicht ermitteln, denn Erscheinungen, die in der einen
oder anderen Richtung einen Schluss gestatteten, waren neben
den Entzündungssymptomen nicht vorlianden.
2) Bei der zweiten Untersuchung am 13. December 1854
zeigte der Zustand der Geschlechtstheile vollständige Integrität
Daraus geht selbstverständlich hervor, dass, wenn dieses Mäd-
chen je einmal geschlechtlich missbraucht wurde, dieser Miss-
braucb jedenfalls ein solcher war, der keine Spuren hinter-
liess. Ob es aber überhaupt geschlechtlich missbraucht wurde
oder nicht, lässt sich ärztlich gar nicht ermitteln, denn es
gebricht an der allerwesentlichsten Erforderniss einer solchen
Ermittelung; an objectiven Merkmalen, die einen solchen
Schluss gestatten würden.
Frage 2.
Zu welcher Zeit dirfte der letzte Missbraucb
stattgefunden haben, wenn ein Causalzusammen-
hang zwischen den Erscheinungen an den Geni-
talien der A. mit einem vorausgegangenen Hiss-
brauche besteht.
Nachdem die Frage 1. dahin beantwqrtet wurde, dass
es vom ärztlichen Standpunkte aus dahingestellt bleiben müsse,
ob ein solcher Missbrauch geschehen oder nicht, fallt die
Beantwortung dieser Frage von selbst hinwe;g.
Frage 3.
Ist es nöglich, dass die an den Gescfalechts-
theilen der A» Torgefuudenen Erscheinvngen vofl
einem Missbranche zur Unzucht herräbren, der
bereits vor 37« Jahren statt fand?
«bor A«i»^liolie Vergelieii. 311
NeiD, wena imtor diesen Erscheiuungea jener EnUüi>-
dbngszustand der Genitalschleimhaut verslanden ist, wie er
sieh bei der ersten (Jutersuclning der Ä. M. heraus-
stellte. In diesem Sinne ist die Frage mit alier Eotschiedea-
faeit ZH verneinen, denn ein solcher lor Sy^ Jahren siattge-
babier Missbraucb könnte nimmermehr ä^« Jahre lang seine
Folgen in der Richtimg forlerstrecken, dass jetzt noch dees-
halb die Genitalscbleimfaant enUftndet wäre.
Erstreckt sich der Sinn der Frage in der Richtiing auf
jene Ersebetnungen, die sich bei der zweiten Untersuchung
der A. vorfanden, so muss die Frage bejaht werden, und ist
ärztlidierseits die Möglichkeit, dass dieses Mädchen vor 3^«
Jahren zur Unzodit missbraucht worden sein kann, zuzugeben.
Dieser Missbrauch war aber dann jedenfalls ein solcher, der
keine objectiv wahrnehmbaren Folgen hinterliess, denn die
zweite Untersuchung des Mädchens ergab vollständige Integri*
tat des Genitalapparates.
Frage 4.
Ist aus diesem Missbrauche ein bleibender
Nachtheil für die Gesundheit der A. entstanden
und welcher?
Fasst man den Begriff des Wortes Gesundheit bloss nach
der Richtung der körperlichen Sphäre auf, so ist kein Zweifel
vorhanden, dass ein solcher Nachtheil an der körperlichen
Gesundheit des Mädchens nicht entstanden ist. Dafür bärgt
mit zuversichtlicher Gewissheit die noch vorhandene Integrität
ihrer Genitalien.
Fasst man den Begriff des Wortes Gesundheit in wei-
terem Sinne, und zieht man die ungetrübte Reinheit und un-
befleckte Unschuld des kindlichen Gemüthes mit in die Be-
griffsbestimmung herein, so kann ebenfalls keinem Zweifel
unterliegen, dass diese rettungslos dahin ist, und dieses Kfnd
einen für sein ganzes Leben nachhaltig wirkenden Nachtheil
an seiner moralischen Integrität erlitten hat Einer Begrün-
dung dieser Behauptung wird es gar nicht bedürfen.
Frage ö.
Ist bei den Körperverhältnissen der A. und
ihres Vaters eine körperliche Vereinigung wie bei
312 XVIII. Hofmann, GeiithtlUlie Oatachten
dem Beischlafie mit einer erwachsenen Person
denkbar?
Ich muss mir hier die Gegenfruge erlauben: was heisei
„körperliche Vereinigung"?
Nennt man Vereinigung, wenn der Penis ganz o^er
grösstentfaeils oder auch nur mit seiner Spitze, der Eichel
innerhalb des im jungfräulichen Zustande durch den Hymen
grösstentheilig verschlossenen Scheideneinganges getk*eten, so
muss die gestellte Frage zweifellos dahin beantwortet werden,
dass eine derartige Vereinigung nun und niromormebr statt-
gefunden hat. Den selbstredeoden Nachweis hierfür liefiert
die zur Zeit noch bestehende Integrität des Genitaiapparates
der A. Jf., .die eine physiologische Unmögliclikeit wäre, wenn
je eine derartige Vereinigung geschehen wäre.
Fasst man den Begriff des Wortes „körperiicbe Ver-
einigung" im weiteren Sinne dahin, dass man so auch nennen
will, wenn der Penis mit seiner Eichel zwischen die Scbaroiippen
und in den Scheideneingang, aber nicht darüber hinaus tritt
— eine Auffassungsweise, der, im Vorbeigehen gesagt, ich als
Arzt nicht beipflichten kann — so muss die Möglichkeit einer
derartig geschehener Vereinigung eingeräumt werden, denn
eine solche Vereinigung hinterlässt keine Spuren ihres Ge-
schehenseins.
Frage 6.
^ Sind die au den Geschlechtstbeilen der Ä.
vorgefundenen krankhaften Erscheinungen muth-
masslich durch Einbringen anderer Gegenstände
z. B. eines Fingers entstanden?
Laut Antwort auf Frage 1. muss es eine völlig offene
Frage bleiben, ob die bei der ersten Visitation des Mädchens
an den Geschlechtstbeilen vorgefundenen krankhaften Erschei-
nungen das Resultat irgend eines Missbrauches des Mädchens
mit was immer für einem Gegenstande, oder eines innerhalb
der Grenze des Organismus gelegenen und momentan zum
Vortritt gekommenen Krankheitsprocesses sind. Die logische
Folgerung dieser auf die erste Frage gegebenen Antwort ist,
dass ärztlicherseits keine Muthmassung darüber geäussert wer-
den kann, ob diese Erscheinungen etwa durch das Einbrin-
gen eines Fingers oder ähnlichen Körpers entstanden sein
mögen. Es kann nur die MftglicblLeil eiiiger8u«il werde«,
dass dorch solche Manipulationen der fragUche EnUlündüiig«*
jsQBland bervorgerufen gewesen sein kanoo
Frage 7.
War bei dem normalen Zustan.d€ der Ge-
schlecbtstbeile der S. der Vollzug des Beischlafs
mit einer erwachsenen Mannsperson, wie ibr eige-
ner Vater ist, mdglicb, oder hätten dadurch be-
merkbare krankhafte Erscheinungen bei dem kind**
liehen Alter des Mädchens eintreten inQssen.
Bevor ich aur Beantwortung der gestellten Frage "über*
gdie, muss ich bemerken, dass die sehr geehrte k. Staats-
behörde d»i Zudtaqd der Genitalien der 8. als einen nor*
malen betrachtet — eine Anschauungsweise, die ärztlicherseits
nicht so unbedingt liquid ist Thataache ist, dass ich bä
diesem Mädchen, ohne ihm Schmerz zu verursachen, das Na-
gelglied meines kleinen Pingers fast bis zur Hälfte durch
die Hymenaldfiftiung einführen konnte. Ich muss zugestehen,
dass in dem Augenblicke, wo ich dies that, es mii" auffiel,
eine so weite HymenalöfTnung zu finden. Einen bestimmt
formulirten Verdacht konnte ich aber weder bei der Unter-
sucbung schöpfen, noch 'kann ich ihn jetzt aussprechen, wdl
die Weite der Hymenalöffnung eine bei den verschiedenen
Individuen verschiedene ist, und es im ooncreCen Falle dahm
gestellt bleiben muss, ob der Zustand des Hymen der & M.
ein natürlicher* oder durch vorausgegangene Dilatationsve^^
suche künstlich massig erweitert ist. Auch der die Hymenal-
öffnung umgebende gewulstete Rand gewährt hierüber keine
Aufschlüsse, da zwar gewöhnlich in so jungen Jahren der Rand
scharf ist, aber doch auch häufige Ausnahmen vorkommen*
kb gehe nun über zur Beantwortung der mir gestellten
Frage und muss mir auch hier wieder die Gegenfrage er-
lauben: was heisst „Beischlaf"?
Versteht man unter Beischlaf, wenn der Penis ganz oder
grösstentheilig, oder doch nur mit seiner Eichel innerhalb des
Scheideneinganges in die Vagina tritt, so muss die Frage mit
Bestimmtheit dahin beantwortet werden, dass die 5. M. mit
ihrem Vater einen derartigen Beischlaf nicht durchgemacht
hat. Ein solcher Beischlaf hätte bei den kindlichen Formen
306 XVni. Bufmmny G«rt«1itUQb6 QtUehten
Der Werth dieser EracKeiwingeD Tom antücheii SCaoA-
punkte ist folgender:
ad !, Die iiUeasive Rdtbuog der SeUeimhaot» die den
ScheideneingaDg und den Kitzler aberzieht, wie sie akbald
nach dem Beginne der geridbtlkfaen üttlersuclrang eiw» fier
bis sechs Wochen nach der angescbuldlgten Haodking die ge-
ricfatsärztlicbe Unlersucbung heraudstelke, ist keineswegs die
Folge einer von aussen her gescheheyeii mecbanischen Rmniig,
welche diese TheUe etwa voa dritter Hand erlitten baICea.
Wenn dies der Fall wäre, so bitte diese eatztadiiche Rötbuag
alsbald wieder verschwinden missea; so aber aeigte sich fier
Monate später bei jener, die ich erst ganz karx yot der
öffentlichen Gerichtsverhandlung machte, ganz denselbeo Be-
fund, wie vier Monate früher. Diese entzündliche Reizatng,
die der erstbesohauende königl. Gerichtoarzt und auch ich
vorfand, muss sonach eine andere Deutung erbalten, und diese
Deutung liegt sehr nahe. Das Kind ist sci*ophulö8. Bei der
Scrophelsucht kommen entzündliche Afiectioiien chronischen
Verlaufes in Schleimhäuten sehr häufig vor, und diese Röthung,
von der ich spreche, muss sonach als das Symptom einer
chronisch catarrhalischen Entzündung gedeutet werden, und
somit ist jedenfialls gewiss, dass sie nicht exchfsiv das Symplom
einer von aussen her auf diese Theile eingewirkt habenden
mechanischen Reizang ist.
ad II. Was die Klagen des Kindes ftber Schmerzen
beim Geben in diesen Theifen und das damit in Zusammen-
hang zu bringende, von der Mutter beobachtete Zusammen-
zwicken der Beine beim Gehen, das gestörte Vermögen den
Harn zu halten, «ad die Geschwulst und Schmerzbafligkeit
dieser Theile betrifft, so steht fest, dass damals diese Theile
acut entzündet gewesen sein mAssen, was späinrhin schon
bei der ersten gerichtsärztlichen Visitation nichl mehr der Fall
war. Nicht mkid«* Thatsacbe ist, dass eatarrkdische chro-
nische Entzündungen der Schleimhaut des Scheidensinganges
hänig, besonders zur Sombierszeit , durch die meebaniscbe
Reizung, die diese Tkeile beim Gehen in grösserer Wärme
erleiden, acut werden. Ob nun die damals im Mi 186ä von der
Mutter am Kinde beoiMichlele Ezaeerbalion der chrsnisch-
catarrhaliscben Affection das Ergebniss eiaer dnvch 4m Som-
über .i^MI«be Vargelieii. 907
metsiMl und die mcchaniicbe Rmbung dteeer Theie berror«-
g»riifencb« oder durch vd» dritter Hand geschehdMHi roecba^
Rtschtn Reisang dieser Tlwile sei, mag diese mechatiisclM
RdsiMig im Kitaeio am Kitsler, oder in einem Baiseblafftver-' #
suele, oder mm Mnmer bcistandeD htben — des lisa4 sieb
▼om Ik^tlichen Standpcinkte aus gar nieht mehr ermiUelfi.
E» ist somit d^r Nsebwero geliefert, dasa kl diese» Falfe
kein objectms Zeictien forhanden iai« au» dem man enttieh*
meo kAmite, ob eia BeisohM^tersuch oder was sonst stalt-
gefmdeA habe. Es ist aber aueh kein Zricfaea d»^ welches
das eegentheü beurkunde» wurde« Diese Frage kann soaadi
?om ftratficben Standpunkte au» fiberbaoj^t nicht zur l^äsung
gebraobt werden.
Der Gericbtabof erliess ein freisprechendes Erkenntaiss«
Anklage wegen des Verbrechens widernatürlicher,
unrreiwilliger und unerzwuugener Unzucht. Ver-
handelt vor dem königi. Kreis- und Stadtgericht
München links der Isar.
Historisches.
Am 1. Hai 1851 war der X, in dmi fünfaigem, ver*
elMHehl und Vater zweier Mädehjsn, im Wirlhsbansei und
kam, seiner Angabe nach» balbberauseht, am 2. Mai 1851
Morjgena IV« Uhr nach Hanse. Die im NebenaimnMr schla^
fenda Magd JP. hörte gleich nach der Ankunft des X in sei-
Dem finlmer, worin s«sne beiden TMiter, S. gieboren am
1». November 183» und A. gekbren am 26. (klober 184d,
schliefen, Lfln». Die Magd F. ging in die Hiebe und sah
dureb daa KAckenfenstar in dae^ Zimmer. X, sasa auf eiitem
Sliihlei i« Hemde und schob seine aufe Hemd entUöaale
Tochter 8. zwisctaen seinen FAssen duf und ab,, seiate zeit-
weise aua, sagte dem Kinde et>Maa ins Ohr, küasU' es und
trifft UntMBbt mit ihm, wobei sei» undi des Kindes Hemd in
die Höbe geschoben war. Vom Vater X. wird* ein^raamt,
das», als er nach Raoae kam, er seimr Tochter «Sl eine
Wurst angeboten und darauf ihr seinen Penis in den< Mund
gesleck« habe;, mit den Worten, da bebe sie me Wurm, sie
solle aber nicht daranf bnsaen. Am 2. Mal 1851 sehiekte X
20«
816 2<X- Votiaoa «M d#f Jmhmü- Llteramr«
Ofgan, deob 4«iateD swei an ihr befin41iclie OalUoblaMii anf eist
doi^pelte Anlage hin. Die Frage, welobe Theile der eioseln an-
gelegten Lebern hier mit einander verwacbsen sind, beantwortet
Verf. damit, dasa die beiden reobten Leberlappen ▼eraehmol-
«en, «r^il ein unpaariger coniaeher unterer Lappen die
b-elden Oallenb lasen trügt. Verf.* glaubl» daae die Lebec»,
welche araprüngllch einander gerade gegenfiber lagen, aick durch
eine Drehung um die transTeraelle Acbae (wie aua dem Terbal-
ten dea Sternum heryorgebt), notbwendigerweise in der Art rer-
achieben muaaten, daaa die redeten Lappen einander gegenfiber-
anliegen kamen und nun yerwachaen konnten. Daa Product die-
aea Vorgangea war ein in eigenthümlicher Weiae ajmmetriach ge-
bautea Doppele rgan, beelebend aua awei aeitliehen (uraprünglich
Unken, die natttrlieh frei geblieben waren) JLeberlaf^en und
einem un paaren mittleren (aua awei TeraehmoUenen rechlea
Leberlappen gebildeten) Conua.
Bei Verfolg dea Entwickelungagangea derartiger Misabildan-
gen giebt Verf. sngleich ein Bild ron der Entwickelnng der be-
regten Miaabildnng. Man mnaa aicb, nach ihm, hierfiber einen
uraprünglicb einfachen Keim Torateilen, aua welch em swei
paarig aymmetriache Hälften henrorgingen, d. h. awei
Hälften "einea Keimea, deren jede ein IndiTiduum repraaentiit
Dieae Keimapaltung blieb indeaa nnyollat&ndig, denn Wirbel- und
Hautayatem haben aicb nur in beachränktem Maaaae (an Kopf
und Schwansenden) für jedea IndiTiduum iaolirt ausgebildet
Mit Rückaieht auf die embryonalen Anlagen im Torliegendea
Falle oonatruirt aicb Verf. acblieaalich folgendea Bild:
Einfache Umhüllnngahaut, paarigea NerTenayetem, paa-
rigea Stratnm intermedium, paarige Anlage ^ea J>am-
epitbela, bilateral aymmetriacbeR, nur an Kopf- und Sehwana-
ende geapaltenea Wirbel- und Hautayatem.
Der eweite Fall betrifft eine weibliehe Doppelmiaebildang
Ton etwa aieben Monaten. Dieselbe hat dem iuaaeren An^efaea
nach die gr^Btte Aehnliehkeit mit der eben beachriebenen : der
haupta&chlichate, ftuaaerlich wahrnehmbare Unterschied bestellt
eben nur darin, dass die Verbindung der beiden IndiTidnen io
■weiten Falle auch auf einen Theil dea Halsea aieh eratreekt
Dagegen finden fich auffalle nderweiae weaentliche und manntcb-
faltige ünterachiede bei der Untersuchung der inneren Organe
beider IndiTiduen. .Denn während das erste Monstrum alle in-
neren Organe, die Leber ausgenommen, doppelt und normst ge-
lagert neigte , fand Verf. beim sweiten neben auffHlligen Lage-
TerKndernngen einselne Organe gans oder theilweise in der
EInsahl Tor.
Eine eingehendere Betrachtung der einselnen Organe resp<
Systeme ergiebt in der Hauptsache: das Fehlen einselner Moa-
keln (Omohyoldeus) und das Auftreten übers&hllger Mnskelb&i-
XIX. Kotisra ««8 d«r JowMl-LHeraliir. 817
^•1 (ibDSolieiDViid oba« direkte Besi^hniig sii de» al« pMuri^e«
IndMdtten aiiflr8teiid«ii MMbüdimgeii). Pftraer du PvhUD etaM
ftfg^nlliaben MediMtfnniBt (die g«fiiiid«DMi beides LaftvSbren
nsd die einfache Speieeröhre werden durch BiBdegewebe eoiaai*
men, and die Oeflieee and Nerven innerhalb des ThoraxenaaMe
durch lockere« Bindegewebe in ihrer Lage erhalten). Weiter*
hin die yollttändige Trentanng beider Brnttbelne In eis T4M'dfffaa
nnd hintere« (,,8temani h^t^roginee" , ^err««). Verf. «chliesst
an« der Bildung de« Brnstbein«, dae« da« Tordere and hintere
Sternam der paarigen ludividnen ganx ver«chiedene Bedeatang
haben mn8«en; da« vordere «teilt nach ihm da« normale, da«
hintere eip accesso ri«chd« Bra«tbein vor.
Während ferner bei der Entwiekelang de« Embrya hn Be-
reiche de« Thorax da« Bestreben anvevkennbar ist, die DnpU»
eitftt aofkageben ond in die Einheit vnrfick tak ehren , Iknd Vevf.
am Kopfende eine TolUtJindige Verdoppelung vor. Erst im Be«
reiche de« dritten Visceralbogens (Kiembogen«) sah er Sparen,
welche anf einen Kampf awischen DuplieitHt nnd bilateraler Sjm*
metrie hinweisen. Die Zangenbeine waren für jede« Individnnm
getrennt entwickelt, während ein Theil der Mnskeln, welche «ich
an jene aD«etaen , nach den 6e«etsen der bilateralen Symmetrie
angeordnet erschien.
Rfl ergiebt sieh daran«, das« die vollkommene Spaltung
de«. Kopfe« bi« som dritten Vi«c«raibogen reichte. Am Schwanv*
ende eretreekte «ich die«e]be nnr bi« sar Höhe de« Nabel«.
Zar primitiven Anlage de« Cylinderepithel« de«
Darmkanal« «ich wendend, fand Verf. in Uebereinctimmanfs mit
dem Wirbel«7«teme hier vollständige Spaltung am Kopf- nnd
Sohwantende. Erst in der Gegend des Darmcanals, die «ich
dnrch das Fortbestehen der Vasa omphalo - mesentertca genau
kennseicfanete , hörte die Verdoppelung nuf und begann erst am
iussersten Kopfende wieder« beaeiohnet dnrch das Doppeltseia
dee Pharynz. Oesopbagn«, Magen, Anfiing de« Dfinndarma, stelle
ten al«o ein einfache« Bohr dar, doch «ehiokte jedee Individuum
swei Nervi vagi «um Oesophago« nnd Magen, und in da« Duo-
denum mflndeten von beiden Seiten her OallengÜnge. Die« Ver-
halten He«« den Verf. auf da« Bestimmteste erkennen, dass da«
Rohr aus einer paarigen Anlage entatandea war („bilaterale
Symmetrie eine« paarigen Individnum«^'). -^ Weiterhin fanden
«ich, wa« die Adnexe de« Darmkaual« betriflft, nur eine Bauch*
■peieheldrti«e, dagegen awei Lebern; die Gallenblaeen fehlten.
Ans dem Vorhandeneein aweier Lungenpaare, sowie and»*
reffseite aue der Verdoppelung der Nieren und GFb«ehleoht«werk*
«enge konnte Verf. ferner erkennen, da«« die Spaltung der pri«-
mftiven Anlage de« Stratum intermedium wenigitens am
Kepf- und Sehwanaende eine voUitündige war. Da« gro««e
qaadretisehn Hern trttg ebenfall« unsweifelhafta Spuren der Du*
818^ XIX« ttotiMi »V« 4«r JnurMl-Uteriktot.
pti«iiftl A» «eil. HttclMl iiitiMretsMii M dftbfli, 4m« atck »etaM
Utatoram aoeb eis kUioe«, n^^k setflKr C«salff««tMii •»ieelsie-
deQ iMnartife» Organ auf der fittokeeite de* FMu bemetkUck
iBsekfc«. Dasselbe ttelli aa«h 4er Anshekl des Yerf,. gewieeer-
BMMeeB ttiD isoliriee, sa des aocessorisekes HiLUten gfshorigei
Hersokr dar. Einen aksHcban Fall laad Bmkmot Mosatr» asi-
naUiim dspUola. 1826. Tb. I. 8. 13-— 16.
(Arahfy für ABatomie sod Physiologie ran BeUk^^ aad
du Bai9'Mt^monL 18d6. Mr. U s. 8.)
Grreenhaigh: Ueber Dysmenorrhoe.
Von das drei Forauea dereolben — der raeehasiaoko», der
aongeetiTen aad der neopalgtsekeii — kalt Verf. BAoh a«iner Bf-
ftüimn^ die eraU Isr die kHufi^ite. £inige Fftlla, die er friber
as den ietaten awei Arten a£hlte msd okne Erfolg nach dittaea
Begefai behandelte, betrachtet er jetat al« soleke, die ao dea,
Dgrimenorrboe bedingenden Affeelioaea dea MütteraiaAdea aad
Carvix ateri gehören. In Beang aof die erste Fonn hat Verf.
es in der Gawohnheit and empfiehlt ee aar Naekahasang^ erat
eisige ber?^riaigende Sjrmptome dnrck Beilmittei as nüldeca,
ehe er zn operativen Eingriffen Torgebt. Ferner hält er aa ür
sehr wUbtlg^ daran an erinsera, das« da, wo Djsaienorrhoe lange
bestanden hat, «ft nickt mekr ihre Ursaeken die Indiealien .aar
Behaadlnngsweise abgeben, gleicbriel ob CongestioB- oder Inda-
ratSon dea Uteriogewebes oder Erweitemng der ütarinhöifle zu-
gage» waren ; dies gilt beseaders Yon der 11 etritis die die Dys-
menorfho» i» Gefolge bat Der Plan, dea Verf. gaw^vhafich ia
solofaea Fälies eiaaehlägt, ist folgender. Anaeer dea ge«M>ks*
liekes dIStetisehen Maaeeregeln giebt er eine Miachang Ton lie-
blima«, Obiaio nm4 Belladonna in Pillen, früh «sd Abesds. itci
groeaer lokaler Empfindlichkeit verordnet er die AppiieatioB Taa
^er bia seeks Blotegela an die Portio Tagiselis; bei garlsgea
Sekmeraen 8«|»positeriea von Atropin and Oeeaobotterv jedes
Abend ein Stöek. Bei gveaser H&rte des CoUnm uteri ffigt er
die leeale Aswanidnag eiaer Bferoarialsalke bei. Die besten Er-
folge sah V«vf. Ton den Üteroe-Donchen mit lanem, spStet kal-
tean Wasser, tüglieh awei Mal, in einsgea Fklles wiu-den beio-
bigende, in andern adstriagtresde infecfeionati f&r niMalieh be»
fünden.
Zum Sehliiss noch ein Wort tber aterilitat. Die Bcfahraag
h«t geseigt, dasa Frauen meist kara nach EinSritt der Ifenstroa-
tion, selten knfs ▼orber schwanger wesdas; ansserde« aber hat
Verf, Fftlle aogetroifon, wo besonders bei sobwfichliekes Fraoea
der aia Morgen ansgefibte Cokas (aaoh den» belebenden EiofliMaa
der Nachtrabe) die besten B»felgo eraielte. Dagegen kann die
Meastrnation so stark sein, wie sie bei nittelaiissigsii Qesnnd-
XIX. Notisen avs der Jovraal- Literatur. 319
heitsTerhKltnisaeii auftritt, dass sie die Spermatoteen Tomichtet.
In solehen Fällen hat Verf. Injectionen Ton warmem WasRer,
welche einfaeb jede Secretion beaeitigen , oder den Oebranoh
einer «ehr schwachen Lösung von Natron- oder Ammoniakcar-
bonaten in Milch oder in einer milden Flüssigkeit sehr nntslich
erfunden, besonders wenn sie knrs vor dem Coitus wiederholt
wurden.
(Hdinbargh Medical Jonmal. Nr. CXIV. Deeember 1864.)
Haake: Zur Diaguose der NabeUchnurumgchliQ*
gung.
Bei der durch Nabel8chnanimsohUngon|pea um. den Hals dem
Fötus oft drehenden Lebensgefahr ist es sehr erwünaoht, schon
▼or der Geburt des Kindeskopfes den Znstand erkennen und ans
der Art der Pulsation der Nabelschnurarterien die Lebenavet*
hältnisse des Fötns nXher bestimmen su können, um in geeig-
neten Fällen sur aehnelLeren Extraction Torsngehen. Verf. em-
pfiehlt deshalb bei bereits tiefstehendem Kopfe die Untersuchung
durch den Mastdarm. Der Finger dringt leicht bis über den
Kopf aum Halse des Fötus vor und fiihlt die Nabelschnur und
ihren Puls. Namentlich sollen die Hebammen mit dieser Unter-
snchungsweise vertraut werden ond bei £rstgebftrendeti die
Hülfe des Arates suchen» bei Mehrgebarenden aber nach der
von e. Ritgen aur Erhaltung des Dammes angegebenen Me>
thode durch einen vom Mastdarme ans ai:(f das Kinn der Frucht
ansgeübten Druck oder Zug die Geburt des Kopfes beschleu-
nigen. Verf. glaubt, dass durch, sein Verfahren vielen Kindern
das Leben gerettet werden kann.
(Zeitschr. f. Mediain, Chirurgie n. GeburUh. 1866. Bd. IV.
Heft a. S. 193.)
Cohnstein: Mangel der Herztöne beim Sitz der Pia-
cenla an der vorderen Uterinwand.
y^rf* konnte bei einer ZwiUingsgeburt, neben anderen aof
Zwillüigc hindeutenden ßrseheinnngen nur an einer Stelle Herz-
töne hören, ond fand b«si der später nöihif werdenden kitest-
liehen Lösung des Placenta diese an der vollen vorderen Wand
des Uterus angeheftet. Kf schliesat hteraua, dass in vielen FSIlen,
anoh einfachen Geburten , wo überhaupt die Heraftöne gereicht
oder nur sehr sehwaeh gehört wurden, dieselben dorcb <(te an
der vorderen Uterinwand aitoende Plaeenta verdeeht wurden,
eine Erklärung, die bis jetst noch nicht aufgestellt und in den
Lehrböchern vertreten ist.
(AUg. med. Centralaeitung. 1865. Nr. 43.)
320 XX. Lltoratar.
XX.
Literatur.
A. Poma, i solfiti. Lettera terza al Dottor G. PoUu Mil.
1865.
(?: PoUi, suglr effetti ottenuti dal solfito di magoesia uella
febbre puerperale cet Mil. 1865.
IndefD wir Sber Poma's Sohriftcheii , welches swei «Dgeb-
Uche Heflang^eo — eines Typhoids und eines Kindbettfiebers —
durch schweflig^saQre Bittererde, mitthetlt, als nnbedeotend schnell
hinweggehen, wenden wir unsere Aofmerksamkeit dem PoQTschen
Pamphlet an. Verf. emendirt' die cnm Theil von ihm bekimpf-
ten, sam Theil als nngenägend erkannten SKtae, welche s. Z.
Q. Ccaati (Tergl. unsere Recension) aus den Beobachtungen im
Bfail&nder Entbindungshanse gesogen hatte, wo Magnesiasulfit
eine Reihe von kranken Wöchnerinnen yersnchsweise Terabreicbt
worden war.
Die Ausstellungen, welche Caiati an dem Mittel gemacht
hatte, rersncht Verf., niit den Erfolgen in La9»atp9 Oebftrklinik
mehr als sufrieden, durch folgende Angaben «u schwachen oder
au beseitigen: „Man Termeide während des inneren Oebranches
der Snlfite sKuerliche Getrftnke, lasse dagegen auf die Gabe der
schwerlöslichen schwefligsauren Magnesia reichlich Wasser naeb-
trinken, setse onterdess den Gebrauch des Caloroel und der Drs-
stica aus — das empfohlene Sals soll ursprünglich nicht abfüh-
ren [doch Tergl. C€uaU]\ sur Säuberung der nach HS. .riechenden
Oeftlsse und Wäsche nach den Ausleerungen der Kranken wende
man grünen [am besten unter Zusats Yon gebranntem Kalk Rsc]
oder weissen Vitriol, Chlorwasser oder die Auflösung eines an-
terschwefligsauren Salaes an, welches billiger sei als das von
OmalH für gut befundene übermangansaure Kali. Latsteres hatte
Verf. übrigens schon im Mars 1888 empfohlen. Im übrigen Bi-
sovB^ment begegnen wir denselben ontologisohen Lieb&ugeleien mit
der „Febris miliaris ** und der Hypothese von der ozydirendeD
[?] Wirkung der Bataünduiig wie bei CatoH u. A.
Sehlieaslioh weist Verf. auf 8now Bede bin, welcher (Tbe
Lanoet, Apr. 1865) den inneren und ftusseren Gebrauch der Sal-
ute der geburtsh. Geaallschaft au London empfohlen habe.
(7. Henad^,
XXI.
Verhandlungen der Oesellschaft für Oeburtshttlfe
in
Berlin.
Sitzung vom 13. Juni 1865.
Herr Boehr spricht:
Ueber das Absterben eines Zwillings wahrend
der Schwangerschaft bei Weiterentwickelung
des Anderen.
Es möge mir gestattet sein, die Aufmerksamkeit der
geehrten Gesellschaft auf eine seltene und in physiologischer
Beziehung gewiss merkwürdige Erscheinung zu lenken, ich
meine sicher nur höchst ausnahmsweise zur Beobachtung kom-
mende Geburten reifer oder nahezu reifer Zwillinge, bei denen
das eine Kind lebend und meist immer völlig gesund und
lebensfrisch, das andere dagegen todtfaul, mit allen praeg-
nanten Symptomen der Maceration zu Tage trat. Es giebt wolil
kaum eufien redenderen Beweis, bis zu welchem Grade die
relative Selbstständigkeit des Intraulerinlebens der einzelnen
Früchte geht. Wir Alle kennen die Erscheinung der soge-
nannten Foetus papyracei, w» neben einem lebenden und ausge-
tragenen Kinde ein in früherer Schwangerschaftszeit abgestor-
bener ZwiUing von sehr verschiedener Grösse, meist zwischen
zwei und zehn Zoll schwankend, eingetrocknet, plattgedrückt,
trocken roumificirt ausgestossen wird. Diese Fälle, obgleich
immerhin nicht alltäglich, äind noch ungleic)^ häufiger als die
Erscheinung, auf die ich heute Ihre Aufmerksamkeit lenken
möchte, die Geburt eines lebenden Kindes und einer macc-
rirten Leiche. Wenn sich gleich der unbefangenen Beob-
achtung die Frage aufdrängt, wie ist das möglich?, unter
welchen Bedingungen kommt ein so ausnahmsweiser Vorgang
zu Stande?, so bedauere ich doch der AeCiologie des son-
Monatasehr. f. Oeburtsk. 1866. Bd. XXVI., Hfl. 6. 2 1
322 X^l- Verhandlungen der Gesellschaft
(lerbaren Factums durch die heul zur Sprache zu bringenden
Fälle keine ganz neuen und bereichernden Daten hinziifiigeu
zu können, und muss das Bekenntniss vorausschicken, in
einigen Fällen sind Ursachen, welche allgemein anerkannt den
Tod eines einzelnen Kindes oder von Zwillingen im Uterus
zu Wege bringen können, zu erheben, in anderen Fällen lisst
sich nach unserer bisherigen Kenntniss die Ursadie nicht mit
Präcision feststellen. Ich werde zuerst das ihatsächliche Ma-
terial anfuhren, welches ich beizubringen im Stande bin.
1) Am 5. Februar 1863 wurde ich zu einer 34jährigen
Zweitgebärenden, Frau M,, welche bereits zwei Jahre früher
ein gesundes reifes Kind ohne Kunsthülfe geboren, wegen
Steisslage gerufen. Ich fand den Steiss im Durchschneiden,
und überwachte die Entwickelung eines reifen, gesunden, kräf-
tigen, sogleich schreienden Knaben. Sofort stellte es sich
lieraus, dass ein Zwilling folgen würde, über dessen Lage ich
nicht ganz klar werden konnte, da der durch die Eihäute
hoch und beweglich zu fühlende Kindestheii für de» Kopf
zu weich erschien. Von Herztönen keine Spur. Beim Bla-
sensprunge, eine halbe Stunde nach der Geburt des ersten
Kindes floss grünliches, auffallend stinkendes Fruchtwasser ab.
ein Kopf mit beweglichen Schädelknochen trat ein, und unter
zwei bis drei stürmischen Wehen wurde ein reifer und aus-
getragener aber völlig todtfauler Knabe geboren. Der ganze
Cadaver hatte die bekannte schmutzig rothe Farbe, der Kopf
war so matsch, dass sich seine wirklichen Durchmesser kaum
mit Genauigkeit hätten messen lassen. Die Epidermis löste
sich an verschiedenen Körpersiellen in grossen Fetzen los.
Zwei in der Raphe mit einander verwachsene Placenten folg-
ten bald dem Crerfe'schen Handgriffe. Kein Unterschied im
Parenchym der Placenten des lebenden und todten Kindes,
das Septum der Eihäute war zweiblättrig, die Kinder hatten
also ein gemeiiTschaftliches Chorion und getrennte Amnien
besessen. An der etwas missfarbig aussehenden Nabelschnur
des todten Kindes war keine Abnormität, keine Strictur, kein
Knoten, keine Torsion zu entdecken. Als ich bei der Mutter
nach etwaigen Veranlassungen zu dem auffallenden Geburts-
vorgange forschte, erfuhr ich, dass sie etwa zehn Tage vor
der Geburt in der Stube ausgeglitten, und sich im Fallen den
ffir Oebartflhülfe in Berlin. 323
Leib an einer Stuhlecke gestossen, und in den letzten
acht Tagen mehrmals Frösteln und Unbehagiichkeit empfun-
den hätte. Der Sclimerz im Leibe bei diesem Hinfallen sei nichr
heftig gewesen und bald vorübergegangen. Ich muss es da-
her dahin gestellt sein lassen, ob dieser Fall die Ursache des
Todes des einen Kindes gewesen, obgleich der. Grad der Todt*
faulheit nicht gegen eine zehntägige Maceration im Uterus zu
sprechen schien, sowie auch das Frösteln, das sie seitdem
empfunden, so zu deuten wäre; meine Zweifel an dieser
Aeiiologie des Vorganges begründeten sich aber durch den
Umstand, dass die Mutter erst durch mehrfaches Examiniren
auf ihr Hinfallen als mögliche Ursache gebracht worden, der
Sturz also jedenfalls nicht sehr heftig und schmerzhaft ge-
wesen sein kann, sowie auch dadurch, dass sich bei der Sec-
tion des todtfaulen Kindes keinerlei Verletzung, keinerlei Frac-
tur, überhaupt nichts Bemerkenswerlhes fand. Das Wuchen-
beit verlief normal, etwas stinkender Wuchenfluss wurde durch
CamiUeueinspritzungen bekämpft, der lebende Zwilling blieb
durchaus gesund.
2) Ueber eine zweite Beobachtung kann ich nicht mit
gleicher Ausführlichkeit berichten, sie ist aber an und für
sich bemerkenswerlh. Von einer secundär syphilitischen Mut-
ter, die nach ihrer Aussage bereits ein Jahr früher eine Mer-
curialkur durchgemacht hatte, aber zur Zeit wieder Condylomata
ad anum und papulöses Exanthem über die Haut verstreut
zeigte, waren bei ihrer dritten Entbindung am 24. September
1864 zwei nach ihrer Grösse, und nach der angeblichen
Schwangcrschafisdauer achtmonatliche Zwillinge sehr schnell
geboren worden, von denen der eine entschieden todtfaul
war, das zweite Kind dagegen die gewöhnliche Leichenfarbe
zeigte, als ich am folgenden Tage «zur Aussteilung der Tod-
tenschcine gerufen wurde. Dieses zweitgebonie Kind soll
nach Aussage der Mutter und der Hebamme etwa eine halbe
Stunde gelebt und gewimmert, nicht geschrien haben. Beide
Kinder waren höchst mager, schwach und abgezehrt, die
Sectionen wurden mir verweigert. Die Placeulen waren be-
reits fortgeworfen, sollen aber nach Angabe der Hebamme
getrennt gewesen sein.
Der Mutter rieth ich, sich nach Beendigung des Wochen-
21*
324 XXI. Verhandlungpen der GeseUschaft
bettes in die Charite aufnehmen zu lassen, und habe sie
nicht wieder gesehen.
Wenn gleich die Syphilis der Mutter mehr als hinrei-
chende Ursache für Todtfaulgeburten, und Frühgeburt höchsl
elender und schwacher kaum lebensßhiger Kinder ist, so
bleibt es doch sonderbar, dass hier der Tod des zweiten
Kindes neben seinem todtfaulen Bruder erst extrauterin eine
halbe Stunde nach der Geburt erfolgte. In der für die Ca-
suistik des Zugrundegehens der Kinder durch SyphOis reich-
haltigen Monographie von Bärensprfing „die hereditäre Sy-
philis^' finde ich kein strenges Analogon.
3) Eine dritte Beobachtung hat unser geehrtes auswär-
tiges Mitglied Herr Professor Hecker in München die Gfitp
gehabt, mir brieflich mitzulheilen. Von einer Zweitgebärenden,
die drei Jahre früher ein gesundes Kind geboren, wurde am
18. December 1862 nach fünfstündiger Geburtsdauer in erstpr
Scheitellage ein todtfaules Mädchen (S'/g Pfund schwer, 41 Cent
lang) geboren, dessen Abgestorbensein Hecker auf 8 — 14
Tage schätzte; nach einer Viertelstunde folgte ein lebender
Knabe S'/g Pfund schwer, 43 Cent, lang in Fusslage. Die
Placenlen waren miteinander in einer deutlichen Raphe ver-
wachsen, 1^/e Phmd schwer, und zeigten keinen Unterschied
im Parcnchym. Das Septum der Eihäute war vierblättrig,
also für jedes Kind getrenntes Chorion und Amnion. Der
Nabelstrang der Todtfaulgebuit war faul, 39 Centimeter lang,
am Rande inserirt, der des lebenden 34 Centimeter lang, in
der Mitte inserirend. Keine Anomalie an dem todtfaulen
Kinde, seinem Nabelstrange und der Placenta. Dies ist der
einzige Fall dieser Art, den Hecker beobachtet, und hat er
für die Aetiologie desselben keinen greifbaren Umstand auf-
finden können. Die Mutter war gesund bis auf starkes Oedem
der unteren Extremitäten, ohne Eiweissgehalt des Urins.
4) Wenn in dem vorliegenden Falle die Aetiologie ganz
dunkel blieb, so ist eine andere Beobachtung, die ich der
gütigen mündlichen Miltheilung unseres allgemein geschätzten
Coilegen, des Syphilidologen F, J. Behrend verdanke, gerade
durch die Deutlichkeit des causalen Vorganges, hier einer
violenten Veranlassung, merkwürdig. Behrend entband hier
in Berlin vor vielen Jahren die Frau eines Arbeitsmannos,
für Qebartahülfe in Berlin. 325
welche drei Wochen vor ihrer Entbindung von einem Feld*
huter beim Karloffelbacken niedergeworfen und mit Fusstrit-
ten auf den Leib gröblich roissbandelt worden war. Sie war
besinnungslos liegen geblieben, hatte heilige Schmerzen im
Leibe empfunden, und seitdem gekränkelt. Bei der Entbin-
dung wurde in Behrendts Gegenwart ohne Kunsthälfe in
Schädellage zuerst ein reifes nahezu ausgetragenes todtfaules
Kind, mit durchrissener Nabelschnur geboren. Der normpi
lange, einmal um den Hals geschlungene Funiculus war näm-
lich hart an seinem Placentarande, und wie sich nachher
zeigte, dicht an der Insertionsstelle der Placenta iiotra uterum
quer zerrissen, wie die zackigen verwelkten Ränder der Riss-
stelle, und die Hissfarbigkeit des der Rissstelle zunächst liegen-
den Strangendes bewiesen. Ein lebendes, gesundes , reifes,
völlig ausgetragenes Zwillingskind folgte ebenfalls in Schädel-
lage. Placenta und Eihäute der Kinder waren getrennt. Die
Mutter erkrankte im Wochenbette an Peritonitis, genas aber.
In der Literatur sclieinen, obgleich Geburten eines leben-
den Kindes und eines Foetus papyraceus häufiger mitgetheilt
sind, doch die heute von uns erörterten Zwilliugsgeburteu
mit einem macerirten Kinde sehr selten zu sein. Ich habe
in der Literatur, soweit mir dieselbe zugänglich gewesen, nur
bei BrauHy Chiari und Späth in deren „Klinik für Geburts-
hulie und Gynäkologie,'' Erlangen 1852, S. 10, fünf Fälle
gefunden, über die sununarisch berichtet wird.
5) In dem einen Falle dieser Autoren (Nr. 5.) sprang bei
normal beendeter Schwangerschaft die Blasß des zweitgebor-
nen macerirten Kindes vor der des ersten lebenden und erst
während der Geburt abgestorbenen Kindes, beides waren Kna-
ben. Ursachen nicht ermittelt. Placenten verwachsen, ein
Clioriou, zwei Amnien. Die Mutter erkrankte und starb an
Metrophlebitis.
6) Geburt im zehnten Monate, von den reifen Kindern
eins lebend, eins todtfaul. Der Fall war mit Hydroammion
und Hydrops ohne Albuminurie complicirt. Die Gebärmutter
gewann dabei eine solche Ausdehnung, dass der Umfang der
Mutter über die grösste Wölbung des Uterus 40 Zoll betj*ug.
7) Zwillingsgeburt im achten Monate, mechanische Ur-
sache, da die Mutter ein paar Wochen früher rücklings über
326 XXI. Verbandlangen der Gesellschaft
eine Bntte gefallen war, und seit dieser Zeit eine unange-
nehme Schwere im Bauche, zeitweises Frösteln, Mattigkeit
und Abgeschlagenheit fühlte.
8) Zwillingsgeburt im achten Monate, keine Ursache
ermittelt.
9') Zwiliingsgeburt im siebenten Monate bei dem lodlen
Foetus Torsion der Nabelschnur als Ursache nachgewiesen.
Werfen wir nun einen Ruckblick auf die neun Fälle, so
ergiebt sich, dass die Geburt eines macerirten Zwillings vier
Mal im zehnten Monate der Schwangerschaft erfolgte, ein
Mal im neunten, drei Mal im achten, und ein Mal im sieben-
ten Monate. Drei Mal kamen die todten Rinder voran, zwei
Mal die lebenden , und vier Mal ist dieser an und für sich
auch nicht erhebliche Umstand nicht angegeben. Völlig ge-
trennte Placenten fanden sich fünf Mal, verwachsene Pla-
centen vier Mal, und unter diesen vier verwachsenen Pla-
centen zwei Mal getrennte Eisäcke mit zwei Cfaorien und
zwei Amnien , und zwei Mal ein gemeinschaftliches Chorion
mit zwei Amnien. In diesen beiden Fällen waren die Rinder
gleichgeschlechtlich (Knaben), in dem Hecker'schen Falle ein
todtes Mädchen und ein lebender Knabe, in den übrigen Fäl-
len sind die Geschlechtsverhältnisse und Unterschiede nicht
so genau angegeben.
Es bleibt uns jetzt der schwierigste Punkt unserei* heu-
tigen Besprechungen, die Untersuchung der ätiologischen
Verhältnisse, welche zur Geburt eines macerirten Zwillings-
kindes führen und führen können. Wir müssen zu diesem
Zwecke noth wendig die ursächlichen Verhältnisse, welche zur
Bildung eines Foetus papyraceus der früheren Schwanger-
schaftsmonate bei Zwillingen führen, in die Betrachtung hin-
einziehen.
Es drängt sich dabei zunächst die Frage auf, ob nicht
die beiden verschiedenen Formen der Leichenerscheinung die
Mumificafion und die Maceration einfach durch den Unterschied
im Alter der Früchte bedingt seien, während die ursächlichen
Verhältnisse des Fötaltodes in beiden Fällen die ganz gleichen
seien. Nur deii ersten Theil dieser Frage müssen wir dabin
bejahen , dass allerdings ein Kind , wenn es sich bis zu den
letzten Schwangerschaftsmonaten entwickelt hat, und nun aus
für Qeburtshülfe in Berlin. 327
irgend welchem Grunde stirbt, nun nicht mehr mumificireD
kaoo, sondern entweder sogleich ausgestossen wird, oder im
Fruchtwasser maceriren, todlfaui werden muss. Der Haupt-
grund für dies thatsächliche Verhältniss ist wohi die bei dem
erheblichen grösseren Körperumfange, Gewicht, Grösse und
Masse de^ reifereu Kindes vorhandene beträchtlich grössere
Flüssigkeitsmenge im Körper der letzteren, welche seine Ein-
trocknung und mumienartige Umwandlung verbietet.
Andererseits glauben wir aber den Nachweis fuhren zu
können, dass die Todesursachen der Foetus papyracei im All-
gemeinen Andere sind, als diejenigen der reiferen todU'auIen
Kinder, und dass gerade in der Verschiedenartigkeit* dieser
Todesursachen, und der Art ihrer Einwirkung auf die Frucht,
eine wesentliche Bedingung zu suchen ist, wesshalb, immer
unter der Voraussetzung . des ungestörten Fortlebens des einen
Zwiliingskindes die jüngeren Früchte mumißcirt, die älteren
ntacerirt neben der lebenden Frucht geboren werden. '
Bei der häufig plattgedrückten Gestalt der Foetus papy-'
racei ist es eine weitverbreitete Ansicht, dass ihr Tod in
einem früheren Schwangerschaftsraonate durch Druck von
Seiten ihres Zwillingsbruders wegen Mangel an Raum im
Uterus erfolgt sei. Sehr mit Recht führt dagegen Hohl aus,
dass das, was man als Ursache genommen, erst die Folge
sei, und ist der Meinung, dass, wenn der eine Foetus slirbt,
der andere aber forlwächst, der Uterus sich nicht wie bei
einer ZwiUingsschwangerschaft entwickelt, und so jener platt-
gedrückt wird. Für diese Ansicht spricht im Vergleich zu
der Zahl von Zwillingen selbst Drillingen der doch verhältniss-
mässigen Seltenheit der Foetus papyracei, und die Ansicht ist
auch physiologisch die natürlichste. Wegen Mangels an Raum
stirbt kein einzelnes Kind — höchstens bei Retroflexio uteri
gravid! im kleinen Becken, aber abgesehen von solchen Ver-
hältnissen müsste man eine ganz abnorme und patholo-
gisch wotd nicht vorkommende Rigidität der Uterusfasern vor-
aussetzen. Andererseits sehen wir, welcher colossalon Aus-
dehnung der. Uterus und Mutterleib bei reifen ausgetragenen
Zwillingen und Drillingen fähig ist.
Wir sind der Ansicht, dass die Todesursachen der Foe-
tus papyracei immer solche sind, welche rein localer Natur
328 ^^' Verbandlangen der Gesellschaft
iniverhalb des Eisackes, also im Rinde selbst, oder in seiner
Nabelschnur liegen, und welche langsam und allmälig das
Absterben bewirken. Diese beiden Kriterien der rein loca-
len Nalur und der allmäligen Wirkung bei völliger Integritil
und Nichtbetheiligung des mütterlichen Organismus, sind, wie
ich glaube, die alleinigen und nothwendigeu Bedingungen für
den Pi'ocess der Verscbrumpfung und Eintrocknung. Nament-
lich bat die Erfahrung als besonders häufige Ursache eine
allmälige Kreislaufsunterbrechung in der Nabelschnur des be-
treffenden Fötus nachgewiesen. In allen Fällen nämlich, die
Hohl in seinem vortrefflichen Buche: („Die Geburt naissge-
stalteter, kranker und todter Kinder, 1850. S. 114.) gesam-
melt — und es sind dies 23 Fälle von Geminos papyraceos
— findet sich ausdrücklich bemerkt, dass die Nabelschnur
des kleinen Fötus membranös, oder dünne, dünne und ge-
wunden, ohne alle Sülze, kurz und mager, oder mit Strictu-
ren, Knoten oder Torsionen u. s. w. versehen gewesen sei.
"^In einem Falle war nur eine Nabelarterie vorhanden, far
dreizehn Fällen hatte das Fruchtalter der mumificirten Frucht
den vierten Monat, sechs Mal den fünften, drei Mal den drit-
ten, und ein Mal den siebenten Monat erreicht. Dass gerade
bei Zwillingen die mumienartige Eintrocknung und nicht der
Abortus erfolgt, erklärt sich dadurch, dass der Tod in Folge
der allmäligen Blutent^iehung , und somit des fötalen Erbal-
lungsuiatcriales nur nach und nach eintritt, der Fötus unter
solchen Umständen vielleicht noch einige Zeit ein rerküm-
merles und latentes Leben fuhren mag, während die Placenta
mit dem Uterus zur Erhaltung des anderen Zwillings in Ver-
bindung bleibt, während die Vitalität des Uterus dauernd in
Anspruch genommen wird durch das Wachsen und Gedeihen
des lebenden Zwillinges. Erst secundär und sehr allmälig
verödet und verfettet dann die Placenta der abgestorbenen
Frucht, ebenso wie sich ihre Eihülle und ihr Fruchtwasser
wahrscheinlich noch lange Zeit nach dem Tode normal ver-
hielten. Aber auch, wenn sich bei einem Foetus papyraceus
die angegebene und häufigste Beschaffenheit seiner Nabel-
schnur einmal nicht findet, sind wir berechtigt, rein locale
Ursachen im Fötus von allmäliger Wirkung zu snpponiren,
ohne freilich in einem solchen Falle die anatomischen Beweise
fHr Oebartohttlfe in Berlin.
fAr eine solche Anschauung beibringen zu können. Es kann dies
eine Schwäche des Fötus ^ eine durch irgend weiche Organ-
erkrankung bedingte Lebensschwäche, Gefasserkrankungen im
Kmde selbst, wichtige Kreislaufstörungen stricluiirender Natur
im Herzen oder Nabelarterien sein. Wer aber will, selbst
welcher pathologische Anatom von Fach wird im Stande sein;
an einer mumienartigen eingetrockneten Leiche, die erst mo-
natelang nach dem Tode untersucht werden kann , solche
Verhältnisse und Organerkrankungen objectiv. feststellen T Hier
wird, wie es in der Natur der Sache Hegt, noch lange oder
immer eine Lücke der objecti?en Forschung bleiben. Eine
theoretische Betrachtungsweise aber müssen wir hervorheben,
weshalb wir plötzliche und rasch wirkende Ursachen, und
solche, die von der Mutter ausgehen oder mit ihr im Zusam-
menhange stehen, Ursachen, denen wir, wie wir gleich sehen
werden, vorzugsweise das Absterben der reiferen maceriren-
den Kinder zuschreiben, für die Bildung der Fötus papyracei
ausschliessen zu dürfen glauben. Trifft in einem früheren
Schwangerschaftsmoiiate ein Stoss, eine heftige Verletzung den
Leib einer Zwillingsmutter, so isbbei der Kleinheit des Ute-
rus, bei der relativ geringeren Resistenz und Lebensfähigkeit
der Früchte, die Wahrscheinlichkeit grösser, und die Erfah-
rung bestätigt es, dass beide sterben, und beide abortirt
weitlen, als dass Einer stirbt mfid der Andere fortlebt. Krank-
heiten der Mutter, namentlich constitutionelie Syphilis wer-
den den gleichen Effect des Todes beider Kinder zur Folge
haben. Ja es fragt sich, ob nicht ein rasch eintretender
Fruchttod auch in den fiühesten Schwangerschaftsmonaten
immer die feuchte Maceration, und niemals die alimälige
trockene Verschnimpfung zu Wege bringt ? Dass feuchte Ma-
ceration und Auflösung schon in den frühesten Perioden des
Fötaliebens möglich ist, beweisen ja die Molenschwanger-
schaften, in denen man gar keinen Fötus findet, also suppo-
niren muss, dass er sich im Fruchtwasser macerirt, aufge-
löst hat.
Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Verhältnisse
in den letzten Monaten der Zwillingsschwangerschafl. Wir
haben schon gesagt, dass wir für den Tod und die Macera-
tion des reifen oder nahezureifen Zwillings vorzugsweise die
330 XXI. Verhandlangen der OeneUscbaft
rasch und plötslicb wirkenden Ursachen, und solche, die too
der Mutter ausgehen, oder mit ihr im ZuBanimenbange stehen,
in Anspruch nehmen. In unseren oben hesprochenen neun
Fällen konnten wir zwei Mal Stdsse und Verletzungen der
Mutter nachweisen, in einem Falle, meiner zuerst milgetheil-
ten Beobachtung ist diese Veranlassung zweifelhaft, aber wahr-
scheinlich, ein Mal lag constitutiondle Syphilis vor, ein Mal
Hydrops der Mutter mit Hydroamnion, drei Mal wurde keine
Ursache ermittelt, und ein Mal fand sich noch bei einem
7 monatlichen Kinde Torsion der Nabelschnur.
Wenn der Uterus gross und umfangreich, die Placeuten
weit ausgebildet, die Resistenz und V^iderstandskrafl der Kin-
der bereits gross lind erheblich, dann allein ist es erklärlich,
wie Stosse und Verletzungen des Leibes, die bei seinem gros-'
sen Umfange doch meist nur die eine Seite desselben trefien
das eine Kind tddten, das andere leben lassen. Bei Erkran-
kungen der Mutter, namentlich bei constitulionellen Erkran-
kungen wird die Aetiologie des einseitigen Fruchttodes schon
viel schwieriger, uud Fälle, wie meine Beobachtung eines
syphilitischen Zwillings, der noch eine halbe Stunde nach
der Geburt lebte, und wie Braun- Chiari und 8pätK% Fall
einer hydropischen Mutler, deren eines Kind gesund blieb,
sind daher sehr vereinzelt, die Wahrscheinlichkeit, dass beide
Zwillinge einer kranken Mutter todtfaul werden, ist viel grös-
ser, und das Factum häufiger. Für andere Fälle, wie in deu)
£ecA;er'schen, und in zwei Braun-ChiarV^dti&n uud SpätK-
sehen, wo die Mütter gesund waren, müssen wir uns h^
schränken, die Ursache nicht zu kennen, und nicht finden
zu können. Dahin aber müssen wir uns entschieden aus-
sprechen, dass wir die Torsionen und Striauren der Nabel-
schnur, die wir als so häufig und vorwiegend bei den FoetUi»
papyraceis, und für das allmälige Absterben in den früheren
Schwangerschaftsmonaten besprochen haben, fast in ^keinem
Falle zur Erklärung des Todes eines reifen oder nahezu rei-
ten Zwillings glauben verwerthen zu können. Einerseits sind
sie acht Mal in unseren neun Fällen nicht gefunden worden,
nur eÜ3 Mal noch im siebenten Monate, also niemals mehr,
sobald die Schwangerschaft den achten Monat erreicht hatte,
und die Betrachtung liegt andrerseits nahe, dass wenn der
fnr Q^hntiBhmU in Berlin. 351
Funietdus weit und wegsam genug war, um die Entwickelung
bis zum achten Monate zu gestatten, dass dann keine aihnä*
lige und krankhafte Strictur und Verengerung des Stranges
mehr den Tod herbeifEIhren wird. HoM spricht sich (1. c.
S. 114.) dahin aus, dass auch bei einzelnen Kindern mit pa-
thologisch verengerter Nabelschnur das Absterben fast immer
schon in den früheren Schwangerschaftsmonaten erfolgt war.
Er hat nach der Untersuchung von sechzehn "Pötuspräparaten
mit derartigen Nabelschnuren gefunden, dass von den Kin-
dern mit magerer Nabelschnur sechs nur den dritten, mit
gewundener und magerer Nabelschnur sieben den vierten, eins
den fünften Monat erreicht haL Immerhin aber mögen lieber-
gangsfälle existiren zwischen der Mnmification durch das Verhal-
ten des Nabelstranges in den früheren Monaten und dem ander-
weitigen Todtfaulwerden des einen Kindes in den späteren Mo-
naten, wie die als neunter Fall von uns mitgetheilte Beob-
achtung Braun -Chiari nnd Späth*» beweist, wo sich bei
einem todtfanlen Zwillingskinde im siebenten Monate noch eine
Torsion seiner Nabelschnur vorfand. —
Herr Martin bemerkt, dass er in Bezug auf die Ver-
änderungen, die ein abgestorbener Fötus im Uterus durch-
machen könne, drei ganz scharf von einander zu trennende
Gruppen unterscheide. Ein Mal sind die Pnichte meist ganz
wohl genährt, haben aber ein bedeutendes Oedem der Haut-
decken und der Nabelschnur. Dieses Nabelschnuroedem hört
oft plötzlich an der Insertion des Nabels in die Bauchdecken
auf, so dass hier dann eine scheinbare Verengerung vor-
handen ist, die aber die Gefasse der Nabelschnur nicht be-
trifft. Das Oedem werde meist gebildet von einer blutig-
serösen Flüssigkeit, die in das Unterhautbindegewebe, beson-
ders der Schädeldecken reichlich ergossen ist. Dieselbe
Flüssigkeit findet sich in der Brust- und Banchiiöhle, dabei
beobachtet man Vergrösserung der Milz ziemlich constant.
Diese Form könne man nicht als Fäuiniss des Fötus bezeich-
nen, es sei dabei keine Rede von einer Gasentwickelung oder
von einem Zersetzungsgeruch. Man müsse diese Vet*änderun-
gen als das Resultat einer Krankheit des Fötus auffassen,
deren Wesen bis jetzt noch nicht aufgeklärt. Hierzu seien
nicht die Fälle zu rechnen, in deiien einfaches Oedem des
332 ^^I- Verbandlangen lUr Gesellflchaft
Fötus bei Lebererkrankungeo z. B. vorhandeo sei. Zwei mal
habe er dieselbe beobachtet nelnSn reifen gesunden ZwiUing»-
kindem. Die zweite Gruppe, die M. unterscheidet, betreffea
Fruchte, die einfach verschruuipfl sind, mit gerunzelier Ober-
haut ohne alles Oedem; diese bezeichne er als macerirl, ?oii
Fäulniss sei dabei auch nicht die Rede. Endlich drittens
komme nun wirkliche Fäulniss eines abgestorbenen FöUis
vor, wenn ebed die atmosphärische Luftzutritt bei gesprun-
gener Blase gehabt habe. Endlich könne man von allen die-
sen Veränderungen noch diejenigen trennen, die eine Mumi-
lication eines Fötus aus den früheren Monaten der Schwan-
gerschaft betrifft, wovon so zahlreiche Beispeile unier dem
Namen der Fötus papyracei bekannt seien; doch gäbe es auch
Fälle der Art, wo nicht eine Gompression die Todesursache
gewesen, so habe er einen Fall beobachtet, der in einer Dis-
sertation des Dr. Kiaselhausen beschrieben, wo in der Nach-
geburt eines reifen lebenden Mädchens sich ein todter Fötus
von vier Monaten gefunden habe, der in eine kleine niereii-
ähnliche Masse geschrumpft war, durch einen eigenthffnüicbe»
gallertartigen Ueberzug ober die Haut, der augenscheinlich
die Folge eines Blutaustrittes gewesen sei. Die Nabelschniir
des Fötus war um den Hals geschlungen und abgerissea.
Das lebende Mädchen hatte an beiden Knieen eigenthumlicfae
braune lederartig comprimirte Stellen in d^ Haut, die sich
später durch Eiterung losstiessen. Was den erwähnten gH-
lartartigen Ueberzug anlangt^ so habe er einen anderen ana-
logen Fall beobachtet; in welchem aber die Nabelschnur mcbi '
zerrissen war, sondern hier schien jener Ueberzug das Pro-
duct einer exsudativen Hautentzündung zu sein.
Aus diesen verschiedenen Fällen geht wohl genügend
hervor, dass man nicht schlechtweg den Ausdruck todtfaui
für alle diese verschiedenen Formen gebrauchen dürfe, son-
dern dass man dieselben streng von einander sondern müsse.
Was das Verschrumpfen von Fötaltheilen auch nach nahezu
vollständig erlangter Reife betrifft, $o beweist der von ihm
beobachtete und ausführlich beschriebene Fall von Selbst-
amputation, bei welchem der durdi äussere Verletzui^ abge-
trennte Arm in der Nachgeburt verschrumpft angefunden sei
(Ueber Selbstamputation beim Fötus. Beobachtungen und
f&r Gebvrtshfilfe in Berlin. 833
Bemerkungen von E. Martin, Jena 1850), dass eine solche
Verschrompfttng auch später nidglich sei und vorkomme.
Was nun noch schhesslich die ursächJichen Momente für
diejenigcD Fälle anlangt, die er zuerst beschrieben und die
er um ihre Eigenthümlichkeit als besondere fötale Erkran-
kungen hervorzuheben, Hydrops sanguinolentus genannt habe,
so bemerkt Herr Martin, dass diese Erkrankung wohl durch
verschiedene Ursachen müsse entstehen können. Bei ein-
fachen Fruchten, die habituell so verändert geboren seien,
habe er fast immer SyphiUs des Vaters nachweisen können,
dagegen erinnere er sich zweier Fälle, wo so erkrankte und
abgestorbene Kinder als Zwillingskinder neben vollständig ge-
sunden reifen Kindern geboren seien, und da mösse man eine
syphilitische Erkrankungsform entschieden zurückweisen.
Herr Hirsch erzählt einen Fall aus seiner Praxis, in
welchem er Zwillingsschwangerschaft diagnosticirte, weil der
vorgefallene Arm entschieden einem todten unreifen Kinde
angehörte, die Ausdehnung des Leibes bei gleichzeitig vor-
handenen Herztönen für die Anwesenheit eines zweiten leben-
den und ausgetragenen Kindes sprach, um so mehr, als
die Schwangerschaft volle zehn Mondsmonate bestanden hatte.
Zuerst wurde dann auch eine lodte männliche Frucht etwa
aus dem Anfange des sechsten Monates geboren, die zweite
war ein vollständig gesunder reifer Knabe. Die Placenten
waren bei beiden Früchten der Entwickelung jedes einzelnen
entsprechend. Als Todesursache für die erste Frucht erwies
sich eine vollständige Abdrehung der Nabelschnur in der
Weise, dass die beiden Enden der Nabelschnur eine förm-
liche Vernarbung, wenigstens vollkommen glatte Oberflächen
darboten.
Herr Boehr erwidert auf die Bemerkungen des Herrn
Martin, dass er den Ausdruck todtfaul nur als allgemein
gebräuchlichen in Anwendung gebracht habe^ ohne damit eine
bestimmte Veränderung der Frucht bezeichnen zu wollen. Er
habe so todtfaul synonym mit macerirt gebraucht und aus-
drücklich hervorgehoben y dass dieser Zustand gänzlich von
dem der wirklichen Fäulniss zu trennen sei. Diejenigen Ver-
änderungen, die Herr Martin als Hydrops sanguinolentus
bezeichnet, habe er nur ein Mal gefunden, und zwar in dem
834 XXT. Verhandlungen der Geseilicliftft
zweiten von ihm angeführten Falle, wo secundäre Syi^iäa
der Mutter naclige wiesen sei^ in allen anderen Fäiien halie
es siel) um einfoch macerirte Früchte gehandelt.
Sitzung vom 27. Juni 1865.
Herr Boehr erzählt, unter Vorlegung des betrefleiiden
Präparates, folgenden
Fall von Graviditas tnbaria.
Bei einer kräftigen 24 jährigen Person hatten sich plötz-
lich, unter Schmerzen im llnterleibe, anhaltende, tiefe Ohn-
mächten eingestellt. Herr Boehr fand die Kranke in einer
solchen Ohnmacht mit wachsbleichem Gesichte, blutleeren Lip-
pen, fehlendem Radialpulse. Es gelang ihm durch Analeptica
die Person wieder zum Bewusstsein zu bringen, so dass sie
im Stande war, auf Befragen klarem Antworten zu geben.
Eine Schwangerschaft läugnete sie, dieselbe wurde jedoch von
dem Bräutigam als möglich zu^gegeben, und zwar seit etwa
sechs V^ochen. In der unteren Bauchgegend Hess sich recb-
terseits eine Dämpfung constatiren, so dass die Diagnose auf
innere Blutung ^ in Folge von Berstung eines ausserhalb der
Gebärmutter befindlichen Fruchtsackes, gestellt wurde. Unter
den zunehmenden Erscheinungen der Anaemie starb die Per-
son sehr bald. Bei der Section fand sich die Bauchhölde
mit grossen Blutcoagulis angefüllt, in denen es nicht gelang
den Fötus aufzufinden. Die rechte Tuba war der Sitz der
Schwangerschaft; dieselbe war durch den Eisack, an dem sich
Zotten nachweisen Hessen, ausgedehnt, entsprechend der
Grösse eines etwa sechswöchentlichen Eies. Die Berstung
des Sackes hatte am oberen Rande stattgefunden. Der Tu-
benkanal war vom Uterus aus bis zum Fruchtsack wegsam,
hier schien keiqe Verwachsung zu bestehen. Der Uterus
war etwas vergrössert. Im rechten Ovarium fand sich das
Corpus luteum.
für Oebartohnlle in Berlin. 335
Herr Mt^rtin reihle hieran folgenden Bericht:
lieber eine gluckliche Ausstossung und Auszie-
hung eines ganzen extrauterinen Fötus durch die
Bauchdecken.
Frau 8,j eine 34 Jahre alte Kaufmannsfrau, hatte vor
neun Jahren leicht ein lebendes Mädchen geboren und später
sich einer ungestörten Gesundheit erfreut. Im Februar 1861
blieb die Regel aus und es zeigten sich die gewöhnlichen
Erscheinungen der Schwangerschaft Während des folgenden
Sommers bildete sich eine sehr beträchtliche ödematöse An-
schwellung der Fasse aus, und im Octobcr stellten sich We-
hen ein; allein die Geburt kam nicht zu Stande. Ein hinzuge-
rufener Geburtshelfer erkannte die Abdominalschwangerschall,
indem er die Kindestheile und deren Bewegung deutUch
hinter den Bauchdecken ftihlte. Mit Nachlass der Wehen und
dem allmäligen Aufhören der Kindsbewegungen zeigte sicli
eine lähmungsartige Schwache der Unterextremitäten, welche
die Kranke, deren Leib stark blieb, verhinderte, das Bett zu
verlassen. Nach Anwendung verschiedener Mittel gewann die
Kranke im Sommer 1863 das Gehvermögen wie<ler, so dass
sie in den Jahren 1863 und 1864 sogar grössere Spazier-
gänge machen konnte, und sich wolil befand. Im Winter
1864 auf 1865 stellten sich jedoch von Neuem Schmerzen
im Unterleibe mit Fieber em; die Kranke magerte ab und
wurde so matt, dass sie im Bette liegen musste, während
sich allmälig zwei über nussgrosse Geschwulste im Bauche
in der Gegend des Nabels hervordrängten. Am 10. Januar
brach der obere Wulst auf und ' entleerte eine eiterig jauchige
Flüssigkeit, worauf sich nach wenig Tagen der rechte Fuss
einer Frucht in der Oelfnung zeigte« Sehr langsam >tmd bei
fortdauerndem Fieber trat aus der im Laufe der folgenden
Monate mehr und mehr sich erweiternden Oeffnung unter ste-
tem aashafl stinkendem Jaucheabfluss der andere Fuss und
Steiss hervor. Als ich die Kranke am 10. Mai 1865 zuerst*
sah, fand ich den macerirten blassweissen Steiss des Kindes
mit seiner linken Hinterbacke nebst dem linken Fusse und
der linken Hand aus der mehr als zwei Zoll im Durchmesser
haltenden Oeffnung etwa 1% Zoll weit hervorragend. Eine
386 X^'- Verhandlmi^eii der GesdUsehaft
zweite kleinere geschwürige Oeffifiung der Baucbdeeken fand
sich ein Zoll unterhalb der vorigen; aus dieser war kein
Kindestheil hervorgetreten, sondern entleerte sich nur stin-
kender Eiter. Obgleich die Kranke sehr erschöpft und von
der scheusslich stinkenden Absonderung gequält war, konnte
man sie nicht dazu bewegen, einen Versuch der Auaziehun^
des Kindes machen zu lassen. Endlich am ersten Juni 1866,
nactidem die kleinere OeiTnung mit der grösseren verschmol-
zen und die Hufle, die Unterextremitaten und der eine Vor-
derarm der Frucht etwa fünf Zoll weit aus den Bauchdecken
hervorgedrängt waren, gestattete die Leidende, dass man doi
Rumpf und Kopf vorsichtig aus der Bauchöffnung hervor-
leitete. Der bereits ausgetretene untere Tbeil des Rumpfes
wurde mit einem Handtuch gefasst, und die Auazidiui^ ge-
lang ohne alle Schwierigkeit. Nur die Schädelknochen waren
gdöst und mussten einzeln aus der kopfgrossen schwärz-
liehen Höhle, deren Wandungen körnig erschienen, herausge-
hoben werden. Nachdem die Höhle vollständig gereinigt war,
fällte man sie lose mit Baumwolle und erneute den Verband
täglich. Binnen vier Wochen hatte- sich die Höhle auf die
Grösse einer WaUnuss zusammengezogen und die Kranke ge-
nas einige Wochen später vollständig. Die Frucht, welch«
in der Sammlung der k. Entbindungsanstalt aufbewahrt wird,
zeigte die Verhältnisse einer nahezu ausgetragenen; die Haut
und die Muskeln waren fettig umgewandelt und die einzelnen
Theile leicht trennbar.
Herr Zober spricht
Ueber Nabelblutungen.
Der Fall von Nabelblutung, welchen ich vor einiger Zeit
zu beobachten Gelegenheit hatte, führte mich darauf, nach
dessen Vorkommen bezuglich der Häufigkdt und der Art des
Auftretens überhaupt zu forschen. Ich fand, dass die ZaM
der beobachteten Fälle nur euie verhältnissmässig kleine sei.
Was ich bei jenem gesehen habe, ist nichts Neues oder be-
sonders Nittheilenswerthes, und deshalb erlaube ich mir auch
weniger des Falles selbst als des Gegenstandes wegen diesen
fSr Gebiirtflhfilfe in Berlin. 387
Vorgang zu besprechen, der in seiner Eigenthömiichkeit jeden-
falls eine Berücksichtigung verdient und fär dessen genauere
Kenntniss ich zu gleicher Zeit die Erfahrung der verehrten
Mitglieder erhitten möchte.
Das betreffende Kind, ein Knabe, wurde am 7. Mai
dieses Jahres als jüngeres Zwillingskind geboren. Vorfall der
Nabelschnur und Querlage des älteren ZwilHngskindes, daraus
nothwendig gewordene Wendung machte die Entbindung der
Mutter zu einer schweren. Herr Dr. Ousserow^ dem ich
bei der Operation assistirte, extrahirte zuerst ein starkes
aber todtes Kind, gleichfalls männlichen Geschlechts, während
das zweite, in der Fusslage geboren, auffallend klein und
schwach entwickelt war. Bis zum 14. Mai schien es jedoch
bei regelmässiger Functionirnng aller Organe und bei aus-
reichender Nahrung der Mutter, welche sich vollkonimeii wohl
befand, verhältnissmässig gut zu gedeihen. An dem genann-
ten Tage aber, also gerade eine Woche nach der Geburf,
trat um 11 Uhr Vormittags eine Nabelblutung ein, die von
der Mutter und der gerade anwesenden Wickelfrau bemerkt
wurde. Um der Blutung Einhalt zu thun, legten dieselben,
ohne die Nabelcompresse zu entfernen, auf die blutdurch*
tränkte Nabelbinde neue Compressen aut. Als ich um drei
Uhr Nachmittags hinzukam, fand ich das Kind bereits sehr
anämisch; es hatte augenscheinlich schon eine bedeutende
Quantität Blut verloren. Nach Entfernung der Binden und^
Compressen sah ich das sehr helle Blut zur Seite des be-
reits obliterirten aber noch nicht abgestossenen Nabelschnur-
restes langsam hervor träufeln , und zwar, wie es schien, nur
von einer kleinen Stelle ausgehend, wie von einem bluten*
den -Nadelstiche aus. Eine wunde oder granulirende Stelle
ofler eine Oeifnung vermochte ich nicht zu entdecken, indem
die Blutung aus dem Nabelgrunde hervorkam; Ich touohirte
die Gegend mit Argent. nitric. Hiernach stand die Bhitung.
Als ich nach einer Stunde wiederkehrte, hatte dieselbe aber-
mals begonnen. Ich legte nun einen kleinen Charpiebausch
' auf, den ich in Liqu. ferr. sesquichlor. getränkt, wonach die
Blutung sofort sistirte. Ich hatte das Kind inzwischen meh-
rere Male an die Brust legen lassen, wo es noch mit vollen
Zügen trank. Als ich es gegen Abend desselben Tages noch^
MonatMchr. f. Oebnrtsk. 1866. Bd. XXYI., Hft. 5. 22
338 ^^1- Verhandiangen der Qeselliehftft
mala, besuchte, war die Bluluog nicht wieder etogetreten.
Um neun Uhr Abends jedoch erfolgte bei der überhaupt ge-
ringen Lebensfähigkeit des Kindes bereits der Tod, nachdeiB
kurz vorher abermals die Blutung sich eingestellt hatte. Die
Section zu machen wurde mir nicht gestattet. Die Leiche
bot äusserlich keine erwähnenswerthen Erscheinungen dar,
weder icterische Färbung nocli Ecchymosen.
Im Anschluss an diesen Fall will ich mir einige Bemer-
kungen aus der Literatur über diesen Vorgang erlauben.
Underwood ist der erste, welcher darüber etwas ver-
lauten lässt. Später sind es besonders Vüleneuvs, Eduard
ßatfj Dubais, John Mardey u. a.-m., welche OinphakM'-
rhagien z. Tb. selbst beobachtet, z. Th. die Beobachtuogeo
Anderer zusammen gestellt haben. Ich will Sie nicht mit
Anführung und ausführlicher Besprechung vieler Fälle von
diesen Autoren ermüden, sondern nur die wesentlichsten That-
Sachen hervorheben.
Diese eigentlichen, in den häufigsten Fällen todtlichen
Nabelbiutungen sind vor Allem wohl zu trennen von den Blu-
tungen aus dem Nabelschnuneste , wie sie in Folge mangel-
hafter Unterbindung vorkommen können, ferner auch von den
Blutungen, welche auf zu frühzeitiger oder gewaltsamer Ab-
trennung des Nabelschnurrestes beruhen, schliesslich auch
von denen, wo die Bildung fungöser Wucherungen zu Hämor-
rhagien Veranlassung giebt, da diesen allen ja fast immer bei
frühzeitiger und zweckentsprechender Anwendung von Mitteta
Einhalt zu thun ist.
Unter 10,000 Neugeborenen soll nur ein -Fall von Ooh
phalorrhagie vorkommen; und zwar nach Angäbe von Bwr
chut nach Verlauf von 7, 9, 11 und selbst 13 Tagen* von
Zeitpunkte der Geburt an gerechnet. Der Bemerkung dieses
Autors, dass das Eintreten derselben immer erst nach dem
Nabelschnurabfall stattfindet, widerspricht aber der von mir
beobachtete Fall, wo der Nabelschnurrest, wie ich bereits
gesagt habe, zwar obliterirt aber doch noch nicht abgefallen
war. Häufiger tritt allerdings die Blutung nach als vor dem
Abfall desselben ein.
Von den verschiedenen Ursachen, durch welche diese
Blutungen hervorgerufen werden sollen, ist wohl die lO
für Qebartshülfe in Berlin. 330
schwache Gerinnbarkeit des Blutes die am meisten
haltbare und zumeist auch zutreffende. Hiermit im gewissen
Causalnexus stehend, scheint der den grössten Tfaeil der Na-
belblutungen begleitende Icterus zu sein, indem dieser einer-
seits auf eine allgemeine mangelhafte Ernälirung schliessen
lässt, und andererseits es auch erwiesen ist, dass Gallen-
farbstoff ins Blut übergetreten die Gerinnungsfähigkeit dieses
bedeutend herabsetzt. Dieser Icterus, auf den alle Beobachter
der Nabelblutungeu einen grossen Werth legen, tritt aber
auch in anderer Weise auf als der gewöhnliche Icterus neo-
natorum. Die Farbe der Cutis ist eine schmutzig-gelbe; die
Verdauungsstörungen sehr hoch gradig. Manley fuhrt an, dass
Campbdi unter den mit Gelbsucht einhergehenden Fällen
in zweien das gänzliche Fehlen der Gallenblase und der Gal-
lenleiter angeti'offen habe. Dann erzählt derselbe aus einer
Beobachtung des Dr. Bowditch von einer bedeutend ver-
grösserten Leber von gelber Farbe, die sehr welk, beim
Durchschnitte nichts von rothen Pailhien darbot, so dass die
ganze Durch^hnittsfläche mehr dem Inneren des Dickdarms
glich, wenn derselbe mit gelben Rothmassen bedeckt ist. Bei
sorgfaltiger Entfernung der Masse fing dieselbe dennoch an
zu bluten. Die Gallenblase war hierbei klein, zusammen ge-
zogen, keine Galle enthaltend.
Dieser Icterus wird also als characteristisch und bedeu-
tungsvoll für das Eintreten von Mabelblutungen angesehen.
Unter der verhältnissmässig grossen Anzahl von Fällen,
die Eduard Ray beobachtet und gesammelt hat, befindet
'sich kein Fall von Nabelblutung bei einem Mädchen, so dass
er zu dem Schluss kommt, sie trete überhaupt nur bei Kna-
ben *auf, eine Behauptung, der auch Lar^ beitritt So sah
ersterer von sechs Kindern derselben Mutter drei, welche
Mädchen waren, lebend und gesund bleiben, während die
anderen, drei Knaben, an Nabelblutung zu Grunde gingen;
von diesen war einer bereits bei der Geburt icterisch, die
beiden übrigen wurden es sehr bald nach derselben. Diese
in Bezug au das Geschlecht aufgestellte Regel erleidet aber
Ausnahmen, da auch unter anderen Bowditch einen Fall von
Nabelblutung bei einem Mädchen beobachtet hat.
Die Umstände, unter denen die Blutung überhaupt auf-
22*
340 XXI, VerhandluDgon der Gesellschaft
tritt, die Beschaffenheit des Nabels hierbei, der Verlauf, die
Begleitungs- und Folgeerscheinungen, die Stillbarkett res{t.
Nicfatstillbarkeit der Blutung, sowie auch die Versdiiedenheit
des Sectionsbefundes lassen wohl noch auf eine Verschieden-
heit des V^esens bei den beobachteten Fällen selber schliessen.
Es können sowohl schwächliche wie sehr kräftige Kin-
der davon befallen werden, meist bei voraurgegangenem Icte-
rus, aber auch ohne denselben, wie dies bei dem Ton mir
gesehenen Falle war. Es können dabei ferner gewisse nach-
weisbare ätiologische Momente oder hereditäre Dispositionen
zu Grunde liegen: grosse Blutverluste bei der Mutter wäh-
rend der Schwangerschaft oder kurz vor der Geburt; dann
auch besonders, wie schon ipehrfach erwähnt, erbliche Blut-
erdiathese. Alle diese Bedingungen können nun aber auch
fehlen. —
Der Nabel bietet dabei folgende Verschiedenheiten dar:
1) der Band des Nabels* ist von natürlicher BeschafTen-
heit, die Vertiefung des Fundus mit einer schmutzigen Masse
angefüllt, welche abgestorbenem mit Blut untermischten Zell-
gewebe gleicht;
2) in der Mitte des Nabels zeigt sich ein ganz kleines
Geschwür, in der Form einer Geßssmündung ;
3) es ist weder eine Oeffnung noch ein Geschwür zu
erkennen; die Blutung quillt aus dem zusammengerunzelten
Grunde der Nabelvertiefung hervor.
Abgesehen von den selbstverständlichen Erscheinungen
der Anämie treten ein Mal fast zugleich mit der Blutung
Ecchymosen und Petechien auf der Haut auf, ein anderes
Mal erst bei längerem Bestehen derselben, in noch anderen
Fällen erst da, wo es gelungen ist, die Blutung zum Stehen
zu bringen. Zuweilen treten auch mit der Omphalorrhagic
zugleich blutige Darmentlerungen auf, die, ebenso wie die
Purpura nach sislirler Blutung den Tod herbeiführen köDDcn.
Die Dauer der Blutung ist eine ganz verschiedene: sie
kann nur Stunden und wenige Tage, aber auch Wochen
anhalten; in einem Falle hat sie sogar zweiundvierzig Tage
gewährt;
Das Blut, immer gleichmässig fortlliessend , niemals in
flir Qebartflhülfe in Berlio. 341
einem arteriellen Strome, ist immer sehr hell und färbt die
Wäsche roth, ohne sie steif zu machen.
Um die Blutung zu stillen, sind die verschiedensten
Mittel angewendet worden. Die Compression, die Styptica,
seihst das Fernim candeus geben nie einen sicheren und
dauernden Erfolg. Dubots empfiehlt die Unterbindung en
niasse, welche darin besteht, dass man zwei sich im rechten
Winkel kreuzende Insectennadeln tief durch den Nabel sticht
und mit Achtertouren umwickelt. Vogel machte bei einem
Falle von Nabeiblutung hiervon Gebrauch, jedoch ohne glück-
lichen Erfolg, da nun das Blut aus den Nadelstichen hervor-
sickerte und ebenso wenig zu stillen war. In anderen Fällen
will man duixh die genannte Methode das Blutstillen en'eicht
haben. Thomas Hill bat einen Fall geheilt, indem er auf
den zuvor einige Zeit comprimirleu und abgetupften Nabel
einen Brei .von Modellirgyps goss und die später entstehen-
den Risse immer wieder mit frischem Gypsbrei ausfüllte. Der
Werth der Unterbindung der Nabelgelasse ist noch sehr zwei-
felhaft und in manchen Fällen gar nicht anwendbar, jeden-
falls da zu verwerfen, wo eine Bluterdyskrasie zu Grunde liegt.
Mit dem Aufhören der Blutstillung . ist jedoch keineswegs
die Gefahr beseitigt, indem dann noch andere aus der Dys-
krasie oder aus dem Blutverluste hervorgehende Krankheiten
und Schwächezustande gewöhnlich dem Leben ein Ende
machen.
Auch die Verschiedenheit des Sectionsbefundes spricht
noch ffir die Verschiedenartigkeil der Krankheit in den ein-
zelnen Fällen. In dem einen Falle fand man Nabelvcne und
Nabelarterie mit vollständigen Thromben angefüllt, in einem
anderen zeigte sich eine aneurysmatische Beschaffenheit der
Nabclgeßsse, indem diese am Nabel in einer Art gemeinsamer
Höhle endigten, von wo aus die Nabelblutung stall fand, was
in dem erstgenannten Falle nicht geschehen.
Die Petechien und Ecchymosen der Haut werden bei der
Section auch vielfach auf Pleura und Pericardium gefunden.
Herr Martin erinnert sich emes eigentliümlichen Falles
der Art, wo bei einem Neugeborenen die Nabelschnur faulig
wurde und das Kind am fünften Tage in Folge einer heftigen
Blutung aus dem fauligen Nabelgrunde starb. Bei der Section
342 X^I- Verhandliingren der Gesellschaft
fand sich nur eine Nabelarterie, die einen ungewöhnlichen
Ursprung aus der A. sacralis media hatte und von ziemlich
bedeutendem Lumen war.
Herr Ousserow erwähnt eines, im letiten Bande der
Verhandlungen der geburtshulfiichen Gesellschaft zu London,
von Crraüy Hetoüt erzählten Falles. Ein Kind, bei dem
eine Bluterdyskrasie wahrscheinlich war, wurde am ersten
Tage gelbsüchtig; am zweiten Tage begann eine geringe Blu-
tung aus dem Nabel, die am dritten Tage trotz der Ligatur
en masse zum Tode führte. Oraüy Hetoitt fngt hinzu,
dass, nach den Zusammenstellungen von Oandidier^ die Mor-
talität in diesen Fällen 83% Procent betrage. (TransactioDs
of the obste trical society of London. Vol. VL S. 65.)
Herr Eggel hat kürzlich ein Kind gesehen, das sich,
kurz vor seiner Ankunft, an einer derartigen Nabelblutuog
verblutet hatte. Er konnte sich an der Leiche noch von dem
festen Verschlusse der Nabelschnur-Unterbindung überzeugen.
Herr Rose ist in einem ähnlichen Falle durch eine ein-
stündige Compression der blutenden Stelle mit styptiscben
Mitteln zu einem günstigen Resultate gekommen.
Herr Mctrtin erzählt nach einleitenden Bemerkungen
über die seltenen und meist mangelhaften Berichte, weldie
die IJteratur über con*odirende Geschwöre des Uterus bietet,
zwei Fälle von phagedänischem Geschwür am
Muttermunde.
1. Der erste Fall betraf eine sehr zarte feingebildele
27 Jahre alte Predigersfrau, welche längere Zeit am weissen
Fluss und an Hysterie gelitten, nachdem sie vor dem Eintritte
der Menstruation angeblich in Folge des zufälligen Eiodrio-
gens eines Strohhalms in die Vagina längere Zeit gekrän-
kelt hatte.
Diese im 18. Lehensjahre aufgetretene Krankheit soll
sich als Magenkrampf mit Erbrechen sowie in somnam-
bulen Zuständen, geäussert haben, aber mit dem Eintritte der
Menstruation verschwunden sein. Nach der Ostern 1850
erfolgten Verheirathung zeigte sich eine so krankhafta Em-
far Oebnrtshftlfe in Berlin. 343
plindlicbkeit der Scbeidenöflhang ; dass die Immission stets
eine unvollstäDdige geblieben sein soU, wie der £bemann Ter-
sicherte. Dennoch glaabte das Ehepaar, als am 18. Juni nach
einer körperlichen Anstrengung eine beträchtliche Blutang
aus den Genitalien eintrat, an einen Abortus. Seit dieser Zeit
blieb, obschon die Frau sich ganz wohl fohlte, ein unange-
nehm riechender braunlich wässriger Ausfluss aus den Geni-
talien. Die Blutung kehrte im September und am 20. No-
vember wieder, obschon die Menstruation inzwischen regel-
mässig stattgefunden hatte. Der am 24 Nofember wegen
der Blutung considtirte Hausarzt verordnete ein lofusum seealis
ciHtiuti. Dennoch trat am 27. November nach einer unbe-
deutenden Anstrengung beim Hinfiberrutschen aus einem Bette
in das danebenstehende des Ehemannes die Blutung in hef-
tigster Weise ein. Deshalb zum Concilium hinzugerufen, fand
ich bei meinem Eintreffen in dem fünf Stunden von Jena
entferntem Dorfe am folgenden Morgen um zwei Uhr die
Kranke todtenbleich, kühl, mit trockner Haut in häufigem
Würgen und Erbrechen. Der Puls war sehr klein, 120.
Die Blutung stand; die Kranke klagte über zeitweise wieder-
kehrende Kreuzschmerzen. Bei der Exploration zeigte sich
der Scheideneingang eng, der Scheidentheil ungewöhnlich kurz,
die Mutterlippen uneben, hinter der Vagioalportion war der
Motterkörper wahrnehmbar. Die Dterussonde argab keine
erhieblicbe Verlängerung und hob den retrovertirten Mutter-
körper ohne Schmerz «npor. Da die Blutung stand, hatte
die Therapie zunächst die Aufgabe, die ausserordentliche
Anämie zu bekämpfen. Dies gelang, bis am 2. December,
wie mir der Hausarzt mittheilte, angeblich nach grosser Auf-
regung eine Starrsucht eintrat, in welcher die Kranke zwar
wahrnehmen, aber sich nicht bewegen konnte. Am Nach-
mittage des dritten December hinzugerufen , fand ich die
Blässe der Haut und Lippen verraelirt, den Puls von 140,
kaum wahrnehmbar; öfteres Räuspern von Scldeim und Todes-
furcht quäken die Kranke. Der örtliche Befund wich von/
dem früher citirten nur dadurch ab, dass die Retroversion
nicht nachzuweisen war, der Scheidentheil höher als früher
stand, und dass eine eigenthümlich widrig riechende bräun-
liche Flüssigkeit abgesondert wurde. Trotz aller Bemübun-
344 X^I- V«rb«ndlangeii der GMellsohaft
gen; die unkenden Kräfte zu unterslötzen, sdle am 5. De-
cenaber früh Doppelsehen, arge Eingenommenheit des Kopfes
und Zuckungen der Extremisten eingetreten sein. Naclh
dem völlige Erblindung erfolgt war, start> die Kranke am
frülien Morgen des 6. December. Die vom Hausarzt an-
gestellte Section ergab den höchsten Grad von Anämie, sonal
keine wesentlichen anatomischen Verlnderungen bis auf den
Uterus, welcher dem nunmehr verstorbenen Professor A, För-
ster zur genaueren Untersuchung übergeben wurde. An dem
inneren Muttermunde fand sich ein flach trichterförmiges von
einem hervorragenden Rande nicht umgebenes Geschwür, wel-
ches einen Theil der vorderen Wand des Mutterhalses and
KörpfTs zerstört hatte. Die Basis des Geschwüres und die
schwarzen pulpösen Massen auf demselben enCbieileQ nur die
Elemente des Uteringewebes zerfallen und zum Tbeil m
amorphe molekulare Massen verwandelt. Keine Spur von
Carcinom und dessen Elementen war zu entdecken'). Bk
Mutterlippen waren nicht krankhaft verändert und in dem
Multerbakkanale neben dem Geschwüre konnte man die ge-
wöhnlichen Palten des Arbor vitae unverändert nachweisen.
Der Muttergrund und die Aussentläche boten keine VeräBde-
rangen dar. Am linken Eiet*stocke fand sich ein geborstener
mit etwas Blut angefüllter ä^'aqiT'scher FoUikel.
2. Am Abend des 12. Mai 1865 wurde ein 24 Jalffe
alles wohlgenährtes Dienstmädchen in sehr anämiseheni In-
Stande in die gynäkologische Klinik zu Berlin .gebracht, wel-
d)es, obschon früher gesund und kräftig, in seinem 13. Le-
benisjalire eine Brustfellentzündung und im 19. Jahre eiae
Lungenentzündung überstanden haben wollte. Seit der letzt-
genannten Erkrankung sollen immer Kopfschmerzen zugegen
gewesen sein. Die Menstruation stellte sich im 17. Lebeiis-
jahfre ein, und kehrte regelmässig nach drei Wochen \iMer;
der Blutverlust soll stets gering gewesen sein und nur zwei
Tage gedauert haben. Geboren hat Patientin nicht Naoii'
dem sie Ende April 1865 ihre Menstruation gehabt hat, stellu
sich am Morgen des 3. Mai, als Patientin aufstand, piötiticb
1) Vergl. Ä. Forater'a Handbach der spesiellnii pttholo-
gischea Anatomie. Leipzig 1854. S. S18.*
für OAbvrlsfaliUe in Berlin. 34^
ohne bekannte Ursache eine Blutung aus den GenUalien ein,
welche mit wenig UaterbrecbuBgen bis zu Ihrer Aufnahme in
das Charitekrankenhaus andauerte. Schmerzen will Patientin
nicht empfunden haben, aussei wenn ein grösseres Gerinnsel
dmreh die Scheidenöffaung heraustrat.
Bei der Aufnahme fanden die Assistenzärzte des Charite-
krankenhauses an der mit Fett reichlich unterlagerten Haut
eine leicht icterische Färbung; die Schleimhäute erschienen
sehr blass, die Zunge graugelb belegt. Die Respiration war
beschleunigt und oberflächlich, die Pulsfrequenz mehr als
120. Der Thorax von normaler Länge, breit, gut gewölbt,
die Intercostalräume verstrichen. Die Percussion ergiebt nichts
Abnormes. Der Spilzenstoss ist ziemlich kräftig im fünften
Intercostakaum in der ParasternaUinie zu föblen und die Er-
schütterung des Thorax daselbst zu sehen. Bei der Auscul-
tation ist der. erste Herzton fast gar nicht zu boren, der
zweite hingegen ziemlich kräftig. Der Unterleib weich, nicht
aufgetrieben. Bei der Palpation klagte Patientin geringe
Schmerzempfindung. Der in meiner Abwesenheit fungirende
Oberarzt verordnete Acidi phosphorici 3i, Syr. rub. Id. Si«
zum Getränke, Liq. fern sesquichlor 5ß in Svi, Aq. dest.
zweistündlich einen EsslöfTel voll und kalte Injectionen. Bei
der am 13. Mai vorgenommenen Exploration fand sich die
Scbekle mit geronnenem Blute gefüllt. Nach Entfernung des-
selben durch den kalten Wasserstrahl erschien der Mutler-
mund gleich einem Sechspfennigstöcke geöffnet, weich; die
Blutung stand. Dennoch wurde Patientin unruhig, warf sich
hin und her und stöhnte sehr viel. Am 14. Mai starb die
Kranke, wdche ich, anderweit verhindert, im Leben nkbt
gesehen hatte.
Die am 15. Mai angestellte Section ergab reiches Fett-
polster, sehr blasse Musculatur, sehr blasse Lungen, von
denen die linke adhärent war; Schlaffheit des Herzens mit
fettigen Degenerationen der Papillarmuskeln im linken Ven-
trikel; Klappen normal. Milz adhärent klein, äusserst blass
und schlaff. Beide Nieren gross, sehr anämisch. Leber
ziemlicli normal, aber sehr anämisch. Hai^nblase stark von
Urin ausgedehnt. In der Scheide ein grösseres längliches
Coagulum, Scheiden- und Blasenschleimhaut sehr blass, in
346 ^^^* Verhandlan^Mi der GotelUehftft
letzterer zwei kleine Venenectasien. Uterus schlaff animisch,
drei Zoll lang, Mutlerhals neun Linien lang, schmal, an der
Uebergangsstelle leicht eingeschnört Die breiteste SieUe des
Uterus beträgt 2% Zoll, die schmälste % Zoll. Die Schldm-
haut ist blass geschwellt und an einigen Punkten stärker
injicirt. Der Scbeidentheil ragt etwa V4 Zoll in die Scheide,
sein unteres Ende wird von einem trichterförmig sieh ver-
tiefenden Geschwüre eingenommen, in dessen Mitte der Cer-
vicalcanal einmundet. Die Oberfläche ist glatt, von gelbUcber
Farbe, an mehreren Stellen des Randes zeigen sich offene
Geffisse, welche etwas Blut fähren. Die Grenze des Geschwörs
gegen die Schleimhaut des Mutterhalscanals ist kaum nach-
zuweisen. Im linken Ovarium eine wallnussgrosse Cyste mt
klarer Flüssigkeit. Tubenschleimhaut blass, nicht veränderL
Herr Klebe bemerkt bei der Vorlegung des Präparates
folgendes:
Trotz der grossen Anämie der Uterossubstanz wie der
Schleimhäute fielen sogleich bei der Section zwei Verände-
rungen auf, einmal eine sehr erhebliche Schwellung der
Schleimhaut der Ulerushöhle, die ein etwas tnibes, graues
Aussehen darbot und die erwähnte Ulceration, welche wie ein
schmaler Ring die innere Kante der HuttermundsKppen ein-
nahm. Der äussere Rand setzte sich ziemlich steil abfallend
mit scharfem Rande gegen die Nachbarschaft ab, hier fanden
sich die von flüssigem Blute gefüllten und umgebenen .Arterien-
mündnngen vor. Im Allgemeinen war das Geschwür nur we-
nig vertieft, mit Ausnahme einer Partie der hinteren Lippe,
von welcher der Substanzverlust eine Dicke von 2 — 3 Milli-
meter erreicht haben mochte. Gegen die innere Oberfläche
des Cervicalcanals war keine deutliche Grenze wahrzuDefameo.
Die ulceröse Oberfläche zeigte keinen Eiterbelag, war im
Ganzen glatt, beim Aufgiessen von Wasser wurden indesB
dünne circuläre Fasern, die mit den Enden noch anhafteten,
abgehoben. Die mikroscopische Untersuchung zeigte, dass
dieselben theils aus musculüsen, theils aus bindegewebigen
Theilen bestanden, in denen ebenso wie zwischen den noch
testhaflenden (^ewebsbestandtheilen des Geschwürsgnindes '
ziemlich spärliche feine Fettkürnchen sich eingelagert fan-
den; nirgends waren Zell- oder Kernwucherungen walir-
für Oelmrtflhülfe In Berlio. 347
zunehmen. — Man hätte den ganzen Substanzverlust flkr einen
durch Anätzung hervorgerufenen halten können, wenn nicht
eben die Abwesenheit reactiver Vorgänge dies unwahrschein*
lieh gemacht. Diese einfache Art der Necrose erinnert am
meisten an die Verhältnisse des runden Magengeschwürs, wozu
noch die Beziehung zu den Arterien, die Eröffnung derselben
und die daraus erfolgenden schwer stillbaren Blutungen kom-
met). Freilich bleibt in beiden Fällen die eigentliche Natur
der Veränderung gleich dunkel.
Ausserdem dürfte noch darauf hingewiesen werden, dass
die Schwellung der Uterinschleimhaut den ganzen Process den
raenstrualen Vorgängen annähert, ja dass sogar nicht in Ab-
rede gestellt werden kann, dass ein Theil der Hämorrhagie
von dieser Partie ausgegangen ist.
Herr (7. Mayer hat öfter derartige Geschwursformen
der Vaginalportion gesehen. Alle Fälle zeichneten sich durch
enorme Blutungen aus. Die Form des Geschwüres ist immer
sehr charakteristisch, indem dasselbe strahlenförmig vom Mut-
termunde aus auf der gesunden Vaginalportion verläuft. Diese
eigentbümliche Gestalt ist auch der Grund für die alte Be-
zeichnung Ulcus cristatum. Auf den Mutlermundslippen
erscheint die Geschwürsbildung nur oberflächlich, bei genauer
Untersudiung sieht man aber, dass dieselbe trichterförmig in
den^Cervicalkanal hineindringt. Die Blutungen erfolgen auch
aus dem Cervicalkanal und nicht aus der flachen Zer-
störung der Lippen. Herr C. Mayer hat diese Form immer
bei älteren Individuen beobachtet. Ob Syphilis dabei im
Spiele war, ist nie mit Sicherheit zu ermitteln gewesen. Nie-
mals haben die verschiedensten Behandlungsweisen ein gön-
stiges Resultat gehabt; die betreffenden Kranken sind immer
in Folge der Blutungen gestorben.
Herr L, Mayer macht darauf aufmerksam, dass' man
diese Geschwursformen leicht mit oberflächlichen Cancroiden
der Vaginalportion verwechseln kann. Unter den wenigen
ihm zur Beobachtung gekommenen Fällen war einer, in dem
sich später ein Cancroid entwickelte.
Herr C. Mayer hat bef Cancroiden immer sehr frühzeitig
Wucherungen und die Auflockerung des umgebenden Uterin'
gewebes nachweisen können, während bei diesen Geschwüren
348 ^X'I* Eeeksr^ Ueber Gewicht und Längte der
die umgebende Schleimhaut ganz glatt und normal bleibe.
Herr Mayer legt Abbildungen derartiger Fälle vor und bebäll
sich eine ausfuhrliche Besprechung seiner bezüglichen Erfah-
rungen vor.
Zu ordentlichen Mitgliedern wurden gewählt die Herren
DDr.
V. ChamissOf
Scharlau, •
Behrendt,
E, Münnich,
sämmtlich in Berlin.
XXII.
Ueber Oewicht und Länge der neugeborenen
Kinder im Verhältniss zum Alter der Mutter.
Von
G. Becker.
Die Tbatsache, dass das Durchschnittsgewicht der aus
der ersten Schwangerschaft entsprungenen Kinder ein gerin-
geres ist, als das von solchen, die aus wiederholten Schwaih
gerschaften hervorgegangen, welcher ich bei mehrfachen Ge-
legenheiten, zuletzt in einem im December 1864 in der Mo-
natsschrift erschienenen Aufsatze meine Aufmerksamkeit ge-
schenkt habe, hat durch die jungst publicirten Untersuchungeo
von Matthews Duncan ^) eine neue und eigentbumlidic
Deutung erfahren. Die dort ausgesprochenen Ansichten des-
selben sind für mich von um so grosserem Interesse ge-
wesen, als er meinen Namen vielfach in dieselben verfloch-
1) Edinbnrgh medica] Jonrnsl. December 1864. (8. Mo-
natiecbr« Bd. 26. 8. 475.)
nengebornen Kinder im Verh3(Itni88 Eam Alter der Mutter. 349
t«n, und auf diese Weise mich eigentlich direct zu einer
weiteren Prüfung des Gegenstandes aufgefordert hat.
Der wesentlich neue Gesichtspunkt, den Duncan auf-
gestellt hat, lässt sich in wenigen Worten dabin wiedergehen,
dass er behauptet, die Gewichtszunahme der neugeborenen
Kinder, welche aus wiederholten Schwangerschaften hervor-
gegangen sind im VerhSitniss zu denen Erstgebärender, hinge
ganz und gar nicht mit dieser Wiederholung als solcher zu-
sammen, sondern sie sei direct und allein abhängig von dem
Alter der Mutter, dessen Zunahme bis zu einem gewissen
Höhepunkte, der zwischen dem 25. und 29. Jahre liegen
soll, auch eine Zunahme des Gewichtes bedinge, fernerhin
sucht er zu beweisen, dass die Länge des Kindes eine dem-
selben Gesetze folgende Zunahme erfahre. Ehe ich an die
Prüfung dieser von Duncan ausgesprochenen Ansichten gehe,
möchte ich nur meine Verwunderung darüber aussprechen, dass
derselbe hervorhebt, ich hätte diese Gesichtspunkte vollkommen
ausser Acht gelassen (altogether omitted); nach meinem Da-
fürhalten kann man eine Betrachtungsweise nicht vernachläs-
sigen, die man gar nicht kennt: wenn ich die Bedeutung' der
Länge des Kindes gegenüber seinem Gewichte hervorgehoben
habe, so steht damit das Verhältniss derselben zu dem A(ter
der Mutter in gar keinem logischen Zusammenhange, und es
wäre in der That sonderbar, wenn man für die Nichtverwer-
thung von Anschauungen verantwortlich gemacht werden sollte,
die im Laufe der Zeit von irgend einer Seite her hinzuge-
kommen sind.
Mit der Untersuchung des Gegenstandes nach den von
Duncan angegebenen Richtungen hin habe ich nun hn An-
fange dieses Jahres den Assistenten der Gebäranstalt Herrn
Dr. Noder betraut, der sich mit rühmlichem Fleisse der
äusserst mühsamen Arbeit unterzogen, und mir kürzlich die
Resultate derselben unterbreitet hat. Das Material ist allein
den Jahren meiner Wirksamkeit an der Anstalt entnommen
worden, weil ich nur auf die in dieser Zeit gewonnenen Zah-
len vertrauen , und für dieselben mich verantwortlich erklären
kann; es beläuft sich auf die Höhe von 4449 Fällen, eine
Anzahl, welche die von Duncan verwerthete (2087) um ein
Bedeutendes übersteigt. In welcher Weise die Wiegungen
350 XXII. Hsdcm-^ (Jebdr Gewicht und Län^e der
und Messungen in der Gebäranstalt ausgeführt worden, ist wieder-
holt Gegenstand der Erörteru4ig gewesen ; ob die in EdiDburgh
ausgeführten dasselbe Vertrauen verdienen, kann ich oalöriicb
nicht entscheiden, aber ich glaube, es wäre gut gewesen,
wenn Duncan einige Angaben über den dort innegehaltenen
Wägungs - Modus gemacht hatte, um so mehr, als die Ge-
wichtsbestimmungen nach Pfunden und Unzen, wie er sie in
seinen Tabellen giebt, dem allgemeinen Verständnisse, wei-
ches durchaus das metrische System verlaugl, unnutze Schwie-
rigkeiten bereiten. Hinzufugen will ich noch, dass, wie früher,
alle Zwillingskinder, todtfalden und unter 5 Al. d. G. oder
2600 Grammes wiegenden aus der Statistik ausgeschlosseo
worden sind.
Um nun den Einfiuss des Alters der Mutter auf das Ge-
wicht des Kindes zu studiren, ist eine Reihe von Tabellen
angelegt worden, die sich von dem i>tincan*scheD durch eine
grossere DetaiUirung unterscheiden.. Es erschien nämlich notfa-
wendig, die Durchschnittsgewichte der Kinder nach den von
Duncan aufgestellten, immer fünf Jahre umfassenden Alters-
categorien nicht nur durch die erste, zweite, dritte, vierte
u. s. w. Schwangerschaft zu verfolgen, sondern hierbei auch
zuerst die Knaben von den Mädchen zu trennen, und dann
erst beide in einer gemeinschaftlichen Tabelle zusammenzu-
fassen. Bei dieser Arbeit kam man sehr bald zur Veher-
Zeugung, dass eine gesonderte Behandlung der Fälle jenseits
der fünften Schwangerschaft wegen Mangels an Material nicht
thunlich erschien, weshalb diese mit den der fünften aoge-
hörigen zusammengeworfen worden sind. In den Tabelien
von Duncan ist auch noch die sechste und siebente Schwan-
gerschaft berücksichtigt, was gewiss nicht zweckmässig ge-
nannt werden kann. Die betreifenden fünf Tabellen lauten
nun folgendermassen:
neugebomen Kinder im VerbäUuis« zum AlU^x der Mutter. ^1
Tabelle 1.
L Schwangerschaft.
Knaben.
MKdchen.
Alter
der
Motter.
Totel-
Gewicbt.
Dareh-
Schnitts
Gewioht.
Alter
der
Mutter.
Total-
Gewicht.
Durch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre
16—19
20—24
25-29
30—34
35-39
40-44
65
428
237
79
18
2
Gram.
210131,25
1384795,75
766151,60
249218,75
57031,26
7281,25
Gram.
3232,788
3235,674
3232,706
3154,665
3168,402
3640,626
Jahre.
15—19
20-24
25-29
30—34
35—39
40—44
64
411
238
67
19
2
Gram.
168000
1287956,66
741694,26
184165,26
60631,25
7000
Gram.
3111,111
3133,711
3116,941
3230,793
3186,866
3500
Alter
der
Mutter.
Total-
Gewicht.
Durch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre.
15—19
20—24
26—29
30-34
35-39
40—44
119
839
475
136
37
4
Gram.
378131,26
2672761,30
1607745,76
433374,00
117562,26
14281,25
Gram.
3177,673
3186,639
3174,201
3186,573
3177,364
3670,818
Tabelle 2.
n. Schwangerschaft
Knaben.
Mädchen.
Alter
der
Motter.
-Si
Total-
Ge wicht.
Dnrch'
schnitts-
Gewieht.
Alter
der
Mutter.
Total-
Gewicht.
Durch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre.
16—19
20-24
26-29
80—34
86—39
40—44
2
208
328
160
60
6
Qram.
6812,5
701600,00
1117466,00
546906,76
162760,00
19718,76
Gram.
3406,26
3372,596
3406,206
8411,917
8255
3286,468
Jahre.
16—19
20-24
26-29
80—34
35—39
40—44
3
202
329
160
51
6
Gram.
8126,0
650843,76
1067466,65
490132,26
167662,50
18781,26
Gram.
2708,333
3221,800
3244,646
3267,648
3286,639
3180,208
352 XXIL Hteker, üeber Gewicht und LHoge dwr
Alter
der
Matter.
u
9
Total-
Gewicht.
Durch-
Bchnitts-
Gewioht.
Jahre.
Oram.
Oram.
16—19
5
14987,5
2987,5
20—24
410
1352843,75
3298,899
25—29
657
2184741,65
3326,284
30-34
310
1086039,00
3342,061
35—39
101
330312,50
3270,420
40-44
12
38500,00
3208,333
T«beUe S.
in. Schwangerschaft.
Knaben. 1
Mädchen.
Alter
der
Mutter.
Tot«l-
Gewicht.
Durch-
schnitts-
Gewicht.
Alter
der
Mutter.
•Si
69
Total-
Gewicht.
Dureh-
schnitti-
Gewicht
Jahre.
16—19
20—24
26-29
30-34
36-89
40—44
46-49
34
163
149
52
6
Gram.
117631,26
619010,00
601218,25
183062,50
19936,76
Gram.
3456,801
3392,222
3363,880
3624,278
8322,791
Jahre.
15—19
20-24
25—29
30-34
85—89
40—44
45—49
29
124
136
58
11
2
Oram.
94530,75
405781,25
450843^75
184218,75
37687,50
6562,5
Gram.
3259,681
3272,429
3316,027
3176,328
3426,136
8281,25
Alter
der
Mutter.
Total-
Gewicht.
Durch -
schnitts-
Gewieht.
Jahre.
Gram.
Gram.
20-24
63
212062,00
3366,063
26—29
277
924791,25
3338^96
30-34
285
952062,00 .
3340,568
85-39
110
367281,26
3388,920
40—44
17
57624,25
3389,661
46—49
2
6562,60
3281,250
neageboroen Kinder im Verhältniss zam Alter der Mutter. 363
Tabelle 4.
IV. Schwangerschaft.
Knaben.
Alter
der
Matter.
•Si
Jahre.
20—24
6
25—29
55
30-34
74
3Ö-39
37
40-44
12
45—49
—
Total-
Gewicht.
Gram.
17093,75
183343,75
255281,25
180343,75
39978,75
Durch-
schnitts«
Gewicht.
Gram.
3418,75
3333,522
3449,746
3522,804
3331,562
Mädchen.
Alter
der
Matter.
■SS
3
46
Jahro.
20-24
25—29
30-34 I 55
35—39 41
40-44 1 10
45-49 1
Durch-
Total -
Gram.
9187,5
146813,00
175747,50
136250,00
31349,75
2656,25
Gram.
3062,5
3191,586
3195,409
3323,170
3134,975
2656,25
Alter
der
Matter.
-sä
Total-
Gewieht.
Doreh-
Schnitts-
Gewicht.
Jahre.
Gram.
Gram.
20—24
8
26281,25
3285,156
25—29
101
330156,75
3268,878
30—84
129
431028,76
3341,808
85—39
78
266593,76
3417^368
40—44
22
71328,50
3242,204
45—49
1
2656,25
2656,25
Tabelle S. V. und weitere Schwangerschaft
Knaben.
Mädchen.
Alter
der
Matter.
%m
Toto]-
Gewicht.
Durch-
schnitts-
Gewioht.
Alter 1 « 6
Mutter., 'S Pm
In
Total-
Gewicht.
Durch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre.
Gram.
Gram.
Jahre.
Gram. Gram^
20—24
1
3187.5
3187,5
20—24
—
— —
25—29
20
71312,50
3565,625
25-29
21
73312,25 8491,059
30—34
44
154031,25 1 3500,742
30—34
41
138187,50; 3370,426
35—39
50
173093,75, 3461,875
35—39 34 1 113406,25 . 8335,477
40-44
18
61943,75 1 3441,319
40-44
18 1 60250,00 1 3347,222
45-49
2
5531,25
2765,125
45—49
2
6500
3250
Monatsiehr. f. Gebartsk. 1866. Bd. XXVI., Hft 6.
23
354
XXII. Becker, lieber Oewieht nad LSnga der
Alter
der
Matter.
1'
Total-
Gewicht.
Dnrch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre.
ar*m.
Oram.
20-24
1
3187,5
3187,5
26-29
41
144624,75
3527,432
30—34
85
292218,75
3320,220
85—39
84
286600,00
3410,714
40-44
36
122193,76
3394,270
46-49
4
12031,26
3007,812
Eine Betrachtung der gewonnenen "Zahlen lehrt, dass in
keiner der einzelnen Schwangerschaften die Zunahme des
Durchschnittsgewichtes niit dem Alter der Mutter zu einem
ganz reinen Ausdruck gelangt ist, dass aber der Einfluss des-
selben durchaus nicht verkannt werden kann; es scheint
aber, dass die Zahlen, mit denen operirt worden ist, noch
nicht die nöthige Grösse besitzen, und dessfaalb ist eine sum-
marische, sämmtliche Fälle umfassende Tabelle zusammenge-
stellt worden; wir wollen nur noch bemerken, dass in den
einzelnen Tabellen die Ansicht Duncan's vou einer regel-
mässigen Abnahme des Gewichts nach dem 29. Jahre, wie
leicht ersichtlich, eine Bestätigung nicht gefunden hat, woge-
gen offenbar neben dem Alter ein Einfluss der Anzahl der
Schwangerschaften als solcher auf das Gewicht einhergeht,
worauf wir gleich zurückkommen werden.
Die alle Schwangerschaften umfassende Tabelle S4i!l jetzt
ihre Stelle finden:
TabeUe 6.
Alter
der
Matter.
Summe des
Gewichts
aller
Knaben.
i4
1^
Durch-
schnitta-
Gewicht.
Jahre.
Gram.
Gram.
15-19
216943,75
67
3237,966
20—24
2224108,25
676
3290,100
26—29
2657273,75
793
3350,912
30—34
1705666,25
506
3370,862
36-39
706281,25
207
3411,986
40-44
148859,25
44
3383,164
45-49
6631,25
2
2766,626
nengehornen Kinder im VTerhfiltaiss lum Alter der Mutter. 555
Alter
der
Mutter.
Summe des
Gewichts
aller
Mädchen.
Burch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre.
Gram.
Gram.
16—19
176126,00
67
3089,912
20-24
2042617,66
646
3166,693
26-29
2434966,40
768
3212,343
30—34
1439066,26
439
3278,066
36—39
661968,76
208
3260,929
40-44
166068,60
47
3299,329
46—49
16718,76
6
3143,760
Alter
der
Mutter.
Summe des Gewichts
aller Kinder ohne
Unterschied
des Geschlechts.
IS
Durch-
schnitts-
Gewicht.
Jahre.
Gram.
Gram.
16—19
393068,76
124
3169,900
20—24
4266626,80
1321
3229,846
26-29
6092060,16
1661
3283,081
30—34
3144722,60
946
3327,748
36—39
1368249,76
410
3337,194
40-44
303927,76
91
3339,866
46—49
21260,00
7
3036,714
Die mitgetheilten Zahlen bringen in dem dritten Theile
der Tabelle die von Duncan gefundene Thatsache ganz rein
zur Anschauung, denn wir haben eine ganz regelmässige Stei^
gerung des Gewichtes vor uns, und zwar nicht, wie Duncan
will, bis zum 29. Jahre, sondern weit über dieses hinaus bis
zum 44., also bis an die Grenze des zeugungsfähigen Alters,
eine Erscheioung, die auch noch mehr oder weniger deutlich
bei den die Knaben und Mädchen gesondert behandelnden
Theilen der Tabelle hervortritt: bei den Knaben hört die
Steigerung schon nach dem 39. Jahre auf, bei dem Mädchen
sogar schon nach dem 34., aber hier sind dennoch die Kin-
der von 40 — 44 Jahre alten Muttern die schwersten.
Wenn wir somit die Ansichten von Duncan von dem
Einflüsse des Alters der Mutter auf die Gewichtszunahme des
Kindes mit der Einschränkung bestätigen können, dass wir
die von ihm angegebene Grenze der Zunahme nicht auflSndcn
23*
356
XXn. Esther, Uebor Gewicht ond Lftnge der
konnten, sondern die Steigerung bis zum Aufhören der Zcu-
gungsföhigkeit Oberhaupt wahrnehmen, so müssen whr nun
die Frage aufweifen, ob das Alter a)s der alleinige Factor
der Steigerung, angesehen werden muss, welchen Standpunkt
Duncan vertritt , oder ob die Anzahl der Schwangerschaflen
als solche nicht auch in Rechnung zu ziehen sei, wie ich
das bis jetzt vertheidigt habe. Um diese zu beantworten,
habe ich zunächst eine Tabelle ganz nach Art der Tabelle I.
bei Duncan anfertigen lassen, in welcher das DurchscbniUs-
gewicht der Kinder nach der Zahl der Schwangerschaften,
und ohne Rücksicht auf das Alter registrirt, dennoch aber
zur Controle das Durchschnittsalter der betreffenden Mutter
hinzugefugt worden ist. Eine Trennung in Knaben und Mäd-
chen hat auch hier stattgefunden.
TabeUe 7.
Nummer
der Gebart.
1. 11.
i
III. IV.
V etc.
Summe.
Gewicht de«
KiDdes in Gram.
8182,512
8315,635
3342,688 3327,567
3413,70
3279,367
Alter der Mntter
in Jahren.
1
i 24,367
27,525
30,019
32,120
35,517
27,603
Nummer
der Gebart.
I. 1 II.
lll.
IV.
V ete.
Summe.
Gewicht dea
Knaben in Gram.
3226,308 3432,989
3402,940
3420,990
3474,814
3339,718
Alter der Mutter
in Jnhren.
24,407
27,507
29,939
31,939
34,525
27,571
Nummer
1
1
der Geburt.
I.
II.
UI.
IV.
V etc. ! Summe.
Gewicht des
1
MHdchens in Gr.
3136,0261 3242,780
3276,734| 3217,974
8376,344 3215,144
Alter der Mutter
1
in Jahren.
24,258
27,543
30,358
32,333
36,672 27,661
Dass in diesen Zahlen eine Steigerung des Durdischnitts-
gewichts nach der Zahl der Schwangerschaften ausgedröckt
ist, möchte doch wohl keinem Zweifel unterworfen sein, wenn
die Reihe auch in ihrer Regelmässigkeit durch den Abfall in
nengebornen Kinder im V^rhältnifls sam Alter der Mutter. 357
der vierteo Scbwaogerschaft unterbrochen wird. Ganz ebenso
verhält sich die Reibe in der Tabelle I. von Duncan^ und
ich begreife in der That nicht, wie er zu dem Ausspruche,
kon^t; dass hier weder Zu- noch Abnahme nach der Zahl
der Schwangerschaften hervortrete ; höchstens könnte er doch
sagen, dass di^ regelmässige Steigerung nicht über die dritte
Schwangerschaft hinaus vorfallt, oder vielmehr bei der vier-
ten eine Unterbrechung erleidet, die sich bei der fünften
wieder ausgleicht. Aber die ganze Tabelle beweist insofern
Nichts, als das Durchschnittsalter, welches mit dem Durch-
schnittsgewichte correspondirt, ganz derselben Steigerung sich
unterworfen zeigt, man also inmier wieder, wenn man will,
das Hauptgewicht auf das Alter legen kann. Es muss viel-
mehr untersucht werden, wie sich die Durchschnittsgewichte
in den verschiedenen Schwangerschaften bei gleichem Alter
der Mütter verhalten. Das Material zu einer solchen Ver-
gleichung ist vollständig in den ersten fünf Tabellen enthalten,
und bedarf nur der Zusammenstellung. Duncan hat eine
solche in seiner Tabelle V. gegeben.
Tabelle 8.
Alter der
Erste
Zweite | Dritte
Vierte
Fünfte
Matter.
Sobw.
_^
3177,673
Scbw.
Sebw.
Scbw.
Scbw.
16—19
2987,5
—
—
—
20-24
3186,639
3298,399
3366,063
3286,156
3187,5
25—29
3174,201
3325,284
3338,596
3268,878
3527,432
30-34
8186,673
3342,661
3340,568
3341,308
3320,220
35—39
3177,364
3270,420
3338,920
3417,868
8410,714
40-44
3670,312
3208,333
3389,661
3242,204
3394,270
46-49
—
—
3281,260
2666,26
8007,812
Meiner Ansicht nach ist durch diese Tabelle der schlagende
Beweis geführt, dass wir der Zahl der Schwangerschaften einen
mindestens eben so grossen Einfluss auf die Gewichtszunahme der
Kinder zuerkennen müssen, als dem Aller der Mutter. In fast
allen Altersstufen, wo die Zahl der Fälle noch eine statistische Be-
trachtung zulässt, finden wir eine Steigerung wenigstens bis
zur dritten Schwangerschaft, deuUich ausgesprochen, ob der
in der vierten Schwangerschaft, wie früher, hervortretende
Abfall eine tiefere Begründung hat, oder ob er her Anwen-
358
XXII. Hecker, Ueber Gewicht and Länge der
düng grösserer Zahlen verschwinden- würde, darüber lässt sich
schwer Etwas Sicheres sagen, doch soUle raan fast das Letz-
tere vermuthen, da in der fünften Schwangerschaft für meh-
rere Altersstufen die absolut höchsten Durchschnittswerthe
zum Vorschein gekommen sind. DieseV letztere Umstand, der
besonders für dies Alter 36 — 39 und 40—44 frappant ist,
kann wiederum nicht dazu dienen, der Ansicht von Duncan yon
der Gewichtsabnahme nach dem 29. Jahre das Wort zu reden:
^ir müssen vielmehr sagen, dass, wo sich eine bedeutende
Anzahl Schwangerschaften mit relativ hohem Alter combinirt,
durchschnittlich sehr schwere Kinder geboren werden, und
hegen die Vermuthung, dass sich dies Verhältniss bei grös-
seren Zahlen noch deuthcher aussprechen würde.
Für die Länge des Kindes gelten dieselben Verhältnisse,
die wir eben für das Gewicht kennen gelernt haben ; wir kön-
nen uns deshalb wohl ohne weitere Erläuterung auf die ein-
fache Mittheilung der Tabellen beschränken.
TabeUe 9.
L Schwangrerschaft
Knaben. {
Mädchen.
Alter
der
Matter.
0esammt-
Länge.
Durch-
schnitts-
Länge.
Alter
der
Matter.
'S»
Gesammt-
Länge.
Dnrcb-
schnitts-
Länge.
Jahre.
15-19
20—24
26-29
30—34
35-39
40—44
65
428
237
79
■5
Oentlmtr.
8286,5
21741,5
12038,0
4011,0
921,0
103
Oentimtr.
60,561
50,797
50,793
50,772
51,166
51,5
Jahre.
15-- 19
20-24
25-29
30-34
35-39
40-44
64
411
238
57
19
2
Centimtr.
2700,5
20550,0
12040,5
2885,6
966,0
101,0
Centimtr.
60,009
60,001
60,690
60,622
50,842
50,5
TabeUe 10.
15—19
2 1 103
eo— 24
208 10649
25—29
328 16789,5
30-34
160 8188,0
«5-89
60 i 2566,6
40—44
6 1 308
n. Schwangerschaft.
48
50,554
50,553
60,405
60,833
60,341
51,5
15—19
3
144
51,199
20-24
202
10212,0
51,180
25—29 329
16632,0
51,176
30—34, 150
7567,5
51,330
36-39 51
2592,5
51,333
40—44
6
302,5
neagAbornen Kinder im Verbftltoiss siim Alter der Mntter. 359
Tabelle 11.
nL Schwangerschaft.
Knaben.
Mädeben.
Alter
der
Mntter.
ig
Oeaammt-
Länge.
Durch-
achnitts-
Länge.
Alter
der
Matter.
Gesammt-
LHoge.
Dnrch-
echnitts-
Länge.
Jahre.
20-24
26—29
30—34
36—39
40—44
46-49
34
163
149
62
6
Centimtr.
1756,6
7748,0
7622,6
2679,0
308,0
Centimtr.
61,632
60,640
51,167
61,619
51,333
Jahre.
20—24
26-29
30-34
36-39
40—44
46-49
29
124
136
68
11
2
Centimtr.
1466,6
6234,0
6892,6
2926,0
663,0
100
Centimtr.
60,568
60,274
60,680
60,448
61,181
60,000
20—24
26—29
30—34
36—39
40-44
46—49
66 !
74
37
12
Tabelle 12.
266
2806
3810
1919
629
IV. Schwangerschaft.
61,2
61,018
61,486
51,864
62,416
20-24
26—29
30-84
36—39
40—44
46—49
3
46
66
41
10
1
149
2324,6
2691,0
2106
497
60
49,666
60,632
48,927
61,366
49,7
60
Tabelle B.
V. und weitere Schwangerschaft.
20-24
1
25—29
20
30—34
44
35-39
60
40-44
18
46-49
2
60
1033
2667
928
100
60,0
61,66
61,465
61,34
51,666
50
20—24
26—29
30-34
35—39
40-44
45—49
21
41
34
18
1046
48,857
2068,6
60,461
1731
60,882
922
54,222
103
61,5
I. Schwangerschaft.
n. Schwangerschaft.
Alter
der
Matter.
•SA
Samine
der
Lüngen-
Darob-
. schnitts-
Länge des
M
werthe.
Kindes.
Jahre.
Centimtr.
Centimtr.
15—19
119
6987,0
60,310
20—24
839
42292,0
60,407
26-29
476
24078,6
60,691
30—34
136
6896,6
60,706
35—39
37
1887,0
51,010
40—44
4
204,0
61,000
Alter '
der
Matter.
Jahre.
16—19
20—24
26—29
30--34
36—39
40-44
3 -.*
6
410
657
310
101
12
Summe
Darcb-
der
schuitts-
Längeo-
Längedes
wertbe.
Kindes.
Centimtr.
Centimtr.
247
49,4
20861,5
60,881
33421,6
60,869
16755,6
60,824
6169,0
61,079
610,6
60,875
360
XXII. Henker ^ Ueber Gewicht und L&nge der
m. Schwangerschaft. IV. Schwangrerschaft
Alter
der
Mutter.
Summe
der
Längen-
werthe.
Durch-
schnitta-
LUngedea
Kindea.
Jahre.
Centtratr.
Centimtr.
20-24
63
3222,0
51,142
25—29
277
13982,0
50,476
30—34
285
14515,0
50,929.
3&— 39
110
5605,0
50,954
40—44
17
871
51,235
45—49
2
100
50,0
Alter
der
' (Q
Samme
der
Ungen-
werthe.
Dnrch-
echnitto-
Lan^e des
Kiodea.
Jahre.
Centfmir.
Centimtr.
20—24
8
405
50,625
25—29
101
5130,6
60,797
30-34
129
6501,0
50,395
35—39
78
4025
51,602
40-44
22
1126
61,181
46—49
1
50
60,0
V. und weitere Schwangerschaft.
Alter
der
Mutter.
Summe
der
Lungen-
werthe.
Durch-
achnitta-
Länge dea
Kindea.
Jahre.
Centimtr.
Centimtr.
20—24
1
50
50,0
25—29
41
2079
50,707
30—34
85
4333
50,976
35— S9
84
4298
51,166
40—44
86
1850
51,388
45—49
4
203
50,75
Tabelle 14.
Alter
der
Mutter.
Summe der \ ^ .
Lungen- , "^ ^
werthe aller S g
Knaben. elS
Jahre.
15—19
20—24
«5—29
80—34
35—39 1
40-44
45—49
Durch-
achnitta-
LSlnge.
Centimtr.
3389,5
84452,0
40414,5
25896,0
10652,5
2276
100
67
676
793
506
207
44
1
Centimtr.
50,589
50,964
50,964
51,177
51,458
51,727
60,0
nengebornen Kinder im Verhältniss suoi Alter der Matter. 361
Alter
der
Mutter.
Jahre.
15—19
20-24
25-29
30—34
35—39
40—44
45—49
Summe der
Längen-
werthe aller
Mädchen.
Centimtr.
2844,5
32377,5
38277,0
22105,0
10321,5
2385,5
253,0
• «• ! Durch-
^^ I schnitts-
E^ Länge.
57
645
758
439
203
47
5
Centimtr.
49,894
50,197
60,497
50,353
50,844
50,755
50,6
Alter
der
Mutter.
Summe der
Längen-
werthe aller
Kinder.
Durch-
schnitts-
Länge.
Jahre.
Centimtr.
Centimtr.
15—19
6234,0
124
50,274
20-24
66830,5
1321
50,598
25—29
78690,5
1551
50,735
30-34
48001,0
945
50,793
35—39
20974,0
410
51,156
40—44
4661,6
91
51,225
45—49
353,0
7
50,428
Aus der Tabelle 14 ersehen wir, wie in ihrem dritten
Theile die Steigerung der Länge bis zum 44 Jahre eine
vollkommen gleichmässige ist, während bei der Trennung in
Knaben und Mädchen, wenigstens bei letzteren, nicht unbe-
deutende Schwankungen vorkommen.
Tabelle 15 und 16 entsprechen der Tabelle 7 und 8,
und geben das Verhältniss der . Länge des Kindes zur Zahl
der Schwangerschaften.
Tabelle 15.
Nummer
der Geburt.
Länge des l^indes
in Centimetrea.
Alter der Mutter
in Jahren.
I.
50,524
24,357
II.
50,872
27,525
IIL
1
50,789
30,019
IV.
50,848
82,120
V etc.
61,047
35,517
Summe
50,740
27,603
362
ZZII. Hatktr, lieber Gewieht nnd L&nge ete.
%
i
Nommer
der Qebart.
I.
II.
III.
iv;
V etc.
SomiM.
Lfinge des Knaben
in Centimetres.
50,786
51,199
51,048
-61,475
51,417
51,059
Alter der Mntter
in Jahren.
24,407
27,507
29,989
31,989
84,525
27,671
Nummer
der Gebart.
Lunge des Mäd-
chens in Centim.
Alter der Matter
in Jahren.
I.
50,248
24,258
IL
IIL
IV.
50,540
50,506
50,112
27,543
30,358
32,333
V ete. • Samne.
50,608 50,401
36,672 1 27,661
TabeUe K.
Alter der
Erste
Zweite
Dritte \
Vierte
Fnnfke
Matter.
Schw.
Schw.
Schw.
Schw.
etc. Schw.
15—19
60,310
49,4
—
—
—
20—24
60,407
60,881
61,142
60,625
50,0
26—29
60,691
60,869
60,476 '
60,797
60,707
30-34
60,706
50,824
50,929
60,395
60,976
36—39
51,000
61,079
60,964
61,602
51,166
40-44
61,000
60,876
61,235
61,181
&1,388
46—49
—
—
60.0
60,0
60,76
Wir wollen gern zugeben , dass in der Tabelle . 15 und
16 die Schwankungen etwas grösser sind, als in der Tabelle
7 und 8, aber sie erscheinen nicht so bedeutend, dass man
den Einiluss der Zahl der Schwangerscliaflen auf die Längen-
zunahnie läugnen durfte. In sämmtlichen Tabellen 9 — 16
aber ist kein Verhältniss zu Tage getreten, was als Bestäti-
gung der von Duncan angenommenen Grenze der Langen-
zunähme mit dem 29. Jahre angesetzt werden könnte.
Zum Schlüsse wollen wir unsere Ansicht in folgenden
Sätzen resumiren:
1) Die Anschauung von Maihews Dufican, dass die
Gewichts- und Längenzunahme des Kindes in directer Ab-
hängigkeil sei von dem Aller der Mutier, hat sich als voll-
kommen richtig herausgestellt:
XXni. ffüfmatm. Gerichtliche Gutachten etc. 363
2) Es hat sich dagegen nicht bestätigt, dass eine be-
stimmte Grenze der Gewichts- und LSngenzunabme innerhalb
des zeugungsfähigen Alters des Weibes existire; Tielmehr
lässt sich die Zunahme bi& zum Aufhören der Fruchtbarkeit
Oberhaupt verfolgen.
3) Das Alter ist nicht, wie Dunean will, der einzige
Factor der Zunahme , sondern man muss daneben einen Ein-
fluss auf dieselbe von Seite der Zahl der Schwangerschaften
als solcher anerkennen.
xxm.
Gerichtliche Outachten ttber fleischliche Vergehen.
Von
Prof. Dr. Hofknann in München.
(Fortsetzung and Schlnss.)
Anklage wegen Nothzucht. Verhandelt vor dem
k. Bezirksgerichte München links der Isar.
Historisches.
Ä. ist ein kräftiger, geschlechtsbefähigter, in sittlicher
Beziehung nicht zum Besten beleumundeter Mann von 32 Jah-
ren. Er ist beschuldigt, am 12, April 1860 sein ganz gut
beleumundetes Dienstmädchen genothzöchtigt zu haben, nach
dessen Aussagen sich die Geschichte so verhalten haben soll?
Das Dienstmädchen Z, teg bereits im Bette und schlief
halb und halb; neben ihr das dreijährige Söhnchen des A.
Sie hörte den Ä. nicht ins Zimmer treten, und erwachte
erst durch ein schmerzliches Gefühl. Erwachend fand sie
den Ä, auf sich liegen, und versuchte er ihr beizuhalten.
Sie jammerte und versuchte mit ihrem Oberkörper den A.
wegzuschieben und sich seiner zu erwehren ; allein es gelang
nicht. A. drängte seinen Penis vollständig in ihre Geschlecht»-
theile und vollzog den Beischlaf, lieber eine geschehene oder
364 XXIIl. Hcifnwn, Gerichtliche Gutachten
Dichtg«8chehene Emissio seminis kann die Z. keioen Auf^
schluss geben, denn auf Befragen zeigt sich, da^s sie Doch
ganz unbewandert in solchen Sachen ist und nicht weiss,
dass bei vollständiger Begattung eine Samenergiessung erfolge*
Anders erzählt Ä. die Sache: Am 5. April oder 6. April
1860 habe er das Dienstmadehen im Zimmer bei den Kin-
dern getroffen. Sie lag bereits im Bette, war ganz entblösst
und liess sich, ohne sich im Geringsten dagegen au&uhalteii,
ihre. Brüste und Schamtheile berühren. Am 12. April 1860
unter Tags griff A, der Z., während sie gerade auf eioem
niedrigen Schemmel sass, unter die Röcke. Sie hatte gerade
eine ungeschickte Stellung, dass A. nicht beikommen konnte,
wohin er wollte; die Z, rutschte daher mit ihrem Hinteren
freiwillig bis an den Schemmelrand, so dass nun A» sie voll-
ständig ausgreifen konnte. Abends legte sie sich im Beisein
des A. mit dem Unterrock ins Bett und liess sich wieder
von A. gutwillig ausgreifen. Nun macht«? A. Anstalten zum
Vollzug des Beischlafes, liess aber, da die Z. über Schmer-
zen klagte, und weil ihm das noch so junge jungfrauliebe
Geschöpf dauerte, davon ab, brachte seinen Penis nicht ein-
mal in die Vagina und hatte auch keine Emissio seminis.
Auf dieser seiner Aussage bleibt A, stehen ; die Z. bleibt
eben so fest auf der ihrigen; und Jedes bezeichnet die An-
gaben des Andern als Lügen.
Am 13. April 1860 zog die Z. eine Hebamme zu Rathe;
diese fand die Geschlechtstheile geschwollen, -ungewöhnlich
schleimabsonderud , sehr empfindlich, den Hymen zerrissen.
Ob die vorgefundene Hymenalzerreissung frisch oder veraltet
gewesen, darüber kann die Hebamme keinen Aufscbluss geben.
Die am 2. Mai 1860 von mir vorgenommene Visitation
der Z. ergab Folgendes:
Die Z. ist eine kleine schwächliche Person, an Körper-
grösse hinter den Jahren zurück, und macht, den Eindruck
eines eben aus den Kinderschuhen in die Pubescenz tretenden
Mädchens. Die Brüste sind ziemlich entwickelt und zeigen
die pubesdrenden Mädchen noch eigenthümlichen Erscheinon-
gen. Am Genitalapparate ist nichts Pathologisches wahr>
nehmbar; der Hymen zeigte eine nicht mehr frische Loogs-
spaltung. Der ganze übrige Genitalapparat machte in jeder
über fleischliche Vergehen. 365
Beziehung den Eindruck der Jungfräulichkeit, die Behaarung
ist mittelmässig , die Schamspalte schliesst voUständig, die
kleinen Lahien sind ganz von den grossen bedeckt; der In-
troitus vaginae ganz eng, so dass schon der Versuch der.
Einführung meines kleinen Pingers, nachdem ich denselben
bis über das NagelgHed eingebracht hatte, Schmerzen erregte,
daher ich von einer in concreto auch ganz bedeutungslosen
Erforschung der inneren Geschlecbtstheile abstand.
Im Hemde der Z., das sie zur kritischen Zeit auliatte
und noch ungewaschen zu Gerichtshanden kam, konnten
mikroskopisch zwar Körperchen gefunden werden, die den
Verdacht von Spermatozoen erregten; mit Gewtssheit öder
auch nur Wahrscheinlichkeit konnte übrigens die Eigenschaft
dieser Körperchen Spermatozoen zu sein, nicht nachgewiesen
werden.
Gutachten.
1.
Gegen die Aussage der Z., noch vor dem 12. April
1860 Jungfrau gewesen zu sein, steht ärztlicherseits nichts
Unglaubwürdiges. Die Veränderungen, die der weibliche Ge-
nitalapparat durch eine oder mehrmalige Begattung erleidet,
sind nicht so prägnant, dass es« möglich wäre, zu entschei-
den, ob eine Person erst ein oder bereits mehrere Male sidi
begattet habe. Die Möglichkeit, dass die Z. sich öfter, und
zwar mit demselben Manne oder mit verschiedenen Männern,
begattet haben könne, wird daher objectiv eingeräumt, und
nur so viel behauptet, dass sich die Z. noch nicht oft in
ihrem Leben begattet habe. Ebenso möglich ist objectiv
auch nur ein einmaliger Begattungsakt, und dessbalb steht
auch objectiv der Glaubwürdigkeit der dahin gehenden Aus-
sage der Z. nichts im Wege.
Ob die Aussage der Z. wahr ist oder nicht, dass, wäh-
rend sie im Schlafe gelegen, A. zu ihr ins Bette gestiegen,
und sie erst erwacht sei, als er aul ihr gelegen — zur Er-
mittelung der Wahrheit oder Unwahrheit dieser Aussage man-
geln objectiv alle Anhaltspunkte. Die Beantwortung dieser
366 XXin. Eofmann, Gerichtliche QaUchten
Frage stellt sich daher auf den Standpunkt der tnoraliscben
Ueberzeugung oder Nichtüberzeugung, den ich als Michtricbler
nicht betreten darf. Ohne jegliche Rücksicht auf die Wstr-
heit oder Unwahrheit der concreten Aussage kann ich na
ganz im Allgemeinen mittheilen, dass es möglich ist, das$
ein Mann bei tiefem Schlafe des Weibes — und der Schlaf
vor Mitlernacht ist bekanntlich der beste — in das Belle
eines Weibes gelangen kann, ohne dass dieses früher erwa-
chen würde, als bis der Mann obenauf liegt.
Die Z. will sich des auf ihr liegenden A. nicht mehr
erwehren können. Bei dem gegenseitigen Kräfteverhältniss
der beiden Personen kann im Zusammenhalte mit der Ver-
bluffung — dem Betrolfensein — welche wohl jedes noch so
jugendliche physisch und moralisch jungfräuliche Mädchen
über eine solch unsittliche Handlung des Mannes befallen
wird, gegen die Glaubwürdigkeit dieser Aussage eine erheb*
liehe Einwendung ärztlicherseits nicht erhoben werden.
A. will seinen Penis nicht in die Scheide gebracht ha-
ben. Absolut möglich ist, dass er den Hymen mit seinem
Finger zerrissen haben könne. Gerichtsärzüich betracblel,
scheint es gleichgiltig, ob A, mit seinem Finger oder seinem
Penis zerriss, da gerlchtsärztlichersejts Nothzucht feststeht,
sobald die aussereheliche Unzucht seitens des Mannes eine
physisch erzwpgene ist. Da übrigens A. behauptet, ?on
weiterer Verfolgung abgestanden zu sein, als er Kennlniss
von der Nochjungfräulichkeit der Z, bekommen, so wird es
ärztlich sehr wahrscheinlich, dass erst die Hindernisse, die
sein Penis fand, ihm diese Kenntniss verschafft haben mögen,
und dann beweist die Längenspalte des Hymen, dass sein
Penis mit dem grösseren Theil der Eichel die Hymenalöffnurig
durchschritten, passirt haben müsse. War dies aber der Fall,
so war selbstverständlich eine Vereinigung der Geschlechts-
theile geschehen.
über fleiflchliche Vergeben. 367
5.
Emissio semims will A. nicht gehabt haben. Ob diese
Aussage wahr ist oder nicht — daräber kann sich die ärzt-
liche Wissenschaft nicht äussern. Ich will nur darauf auf-
merksam machen, dass aus der Unmöglichkeit der Consta-
tirung von Spermatozoen im Hemde der Z, kein st rin-
ge nt er Rückschluss auf die Wahrheit der Aussage des A.
gezogen werden dürfe. Die Constatirung der Samenfiecken-
eigenschaft auf Leinewand drei Wochen nachher gehört zu
den schwierigst löslichen Aufgaben der Wissenschaft und der
Möglichkeit, dass in concreto Emissio seminis geschehen, muss-
Raum gelassen werden, auch wenn das Mikroscop keine Sper-
matozoon in dem kritischen Hemde nachwies.
6.
Wie A. die Z. darstellt, wäre dieselbe, wenn auch am
12^. April 1860 noch im Besitze physischer Jungfräulichkeit
dennoch bereits ein sittlich verkommenes Mädchen gewesen.
Ob sie dies war und ist, darüber steht mir kein Urlheil zu,
weil ich weder das Eine noch das Andere mit thatsächlichen
Beweisen belegen könnte. Aber das darf ich dem hoben Ge-
richtshofe mittheilen, dass die ganze Hallung der Z. vor,
während und nach der von mir vorgenommenen Ocularinspec-
tion auf mich keineswegs den Eindruck einer entsittlichten
Person, sondern vielmehr den eines um den Verlust seiner
physischen Geschlechtsehre bekümmerten Mädchens gemacht
hat. Muss ich für meine Person aber aus der Haltung
der Z. mir unter vier Augen gegenüber sie für ein
züchtiges Mädchen halten, so widerspricht psychologisch und
erfahrungsgemäss einem so qualificirten Mädchen ein der-
artiges Gebahren, wie A, der Z. insinuirL
Mein Gutachten geht dahin:
es steht ärztlicher und psych'ologischer-
seits der Annahme nichts im Wege, dass
der Hergang der Dinge so gewesen, wie
ihn die Z. beschreibt.
A, wurde von der gegen ihn erhobenen Anklage frei-
gesprochen. Der Grund lag wohl nur in der Differenz, die
368 XXnr. Ho/mann, Gericbtliobe GnUchten
die Haltung der Z. in der Voruntersuchung und bei der
öffentlichen Veriiandlung zeigte. In der Voruntersuchung stand
sie dem köuigl. Herrn Untersuchungsrichter und mir allein
gegenüber, blos von ihrer älteren verheiratheten Schwest»*
begleitet, die ihr zuredete, ohne Scheu Alles zu erzählen,
wie es sich zugeti*agen. In der öffentlichen Verhandlung stand
das sechzehnjährige Mädchen allein,' hatte vor sich den Ge-
richtshof mit seinem Zugehör, hinter sich ein, trotz be-
schränkter Oeffentlichkeit zahlreiches Publikum« und vor so
vielen männlichen Ohren sollte es nun Dinge erzählen, zu
deren unter solcher Umgebung unbefangenen Mittheilung notb-
wendig Entsittlichung vorausgesetzt werden müsste. Es half
daher nichts, dass sich der Herr Vorsitzende des Gerichts-
hofes alle Mühe gab, des Mädcliens Haltung war und blieb
zurückhaltend. Der Z. gegenüber trat der Angeklagte mit
au jener Ungenirtheit und Sicherheit auf, die er nach Erfah-
nmg, Alter und Geschlecht vor der Z. voraus hatte. So
musste es nothwendigerweise zu einer Freisprechung kommen.
Anklage wegen Diebstahls. Verhaudell beim
k. Bezirksgerichte München links der Isar.
Historisches.
Am 21. Jänner 1857 erschien vor der Behörde der junge
ledige Maler A. mit der Anzeige , es sei ihm ein Siegelring
im Werthe von 16 Fl. bis 18 Fl. aus seinem Zimmer, wo
er auf der Commbde gelegen , gestohlen worden. Verdacht
warf er auf ein junges Mädchen B, , das vor vier Tagen, am
17. Jänner 1857, zu ihm gekommen und sich ilun als Mo-
dell angeboten habe. Er habe sie aber nicht dazu verwertben
können, weil sie zu mager gewesen. Dieses Mädchen müsse
seinen Siegelring gestohlen haben.
Die deshalb gefänglich eingezogene A. läugnete den Dieb-
stahl nicht im Mindesten. Sie sei zu A. gekommen, um ihm
ihren Arm als Modell zum Abzeichnen anzubieten, als er sie
zu Boden geworfen, sich auf sie gelegt und sein Glied in
ihre Geschlechtstheile zu bringen versucht habe, was aber
bei ihrer Unruhe und ihrem Widersträuben dem A, nicht ge-
lungen sei. Doch sei der Samenerguss ihr auf den Leib ge-
über fleisehliche Vergehen. 3^9
scb<^hen. Dn^sen habe A, mit einem Papiere abgewischt und
das beschmuzte Papier in die Hand gedrnckt. Erbost über
diesen ^ Hohn habe sie sich über den Angriff auf ihre Ge*
schlecbtsehre schadlos halten wollen, und habe den auf der
Commode liegenden Siegelring als Entschädigung mitge-
nommen.
Dieser Angabe widerspricht A, Er habe gleich gemerkt,
dass die B. des Bürens wegen gekommen sei. Nicht er
habe einen Angriff auf die Geschlechlsehre gemacht, sondern
umgekehrt habe sie B. , während er ihre Arme und Brust
untersuchte, ihm, der zufallig in Schlafrock und Unterhose
gewesen, in die Unterhose und an seinen Penis gelangt, und
diesen an der Eichel gedrückt, so dass Emissio seminis er-
folgt sei. Allerdings habe er mit einem Papier den Samen
von seiner Unterhose, nicht aber vom Leibe der B,. abge-
wischt und das Papier zum Fenster hinausgeworfen, nicht
aber der B, in die Hand gegeben.
Die B, bezeichnet diese Angabe des A, als freche Lö-
gen und er.bietet sich, zum Beweisantritt ihrer Jungfräulich-
keit. So kam die Sache vor das ärztliche Forum und war
ich veranlasst, mich über die Glaubwördigkeit und Unglaub-
wurdigkeit der beiderseitigen Angaben und über den straf-
rechtlich indicirten Nothzuch tsversuch auszuprechen.
Die am 30. Jänner 1857 von mir vorgenommene kör-
perliche Untersuchung der B, ergab Folgendes:
Die Brüste sind massig, aber keineswegs mager; ganz
normal, von schöner jugendlicher halbkugliger Beschaffenheit;
die Warzen klein, ins Hellbrä unliebe spielend. Die Gescblechts-
Iheile zeigen jene Beschaffenheit, die dem noch sehr jugend-
lichen Alter von 16 Jahren und der noch nicht ganz vollen-
deten Pubertätsentwickelung entspricht. Spuren von Ver-
letzungen an den Schamlippen und dem Mittelfleische, her-
rührend von einem behaupteten Nothzuchtsversuch, sind nicht
wahrnehmbar. Der Scheideneingang vom Hymen verschlos-
sen; der Rand der Hymenalöffnung gewulstet, mehrfach ober-
flächlich eingekerbt, so dass der ganze Hymen eine lappige
Beschaffenheit zeigt. Die Hymenalöffnung äusserst enge, sodass
nicht einmal die Spitze des kleinen Fingers eindringen kann.
MonatMchr. f. aoburtHk. 18Ö5. Bd. XXVT., Hft. 5. 24
370 XXIII. Hofmann^ Geriehtliche Oatachten
Gutachten.
Der an der B. wahrgenommene Befund lässt folgende
ärztliche und psychologische Rilckschlässe zu:
1) Es ist vollständig gewiss, dass dieses Mädchen noch
nie einen Begattungsakt der Ai*t gepflogen hat, dass der nor-
mal gebildete Penis eines Mannes ganz oder auch nur über
die Eichel hinaus in die Vagina gekommen wäre. Eine solche
Annahme lässt die sehr belrächUiche Enge der Hymenalöflhung
nicht zu, und wenn die A. behauptet, noch nie mit einem
Manne zu thun gehabt zu haben, so steht ihrer Behauptung
der ärztliche Befund insofern zur Seite, wenn darunter ein
Begattungsakt in gewöhnlicher Uebung und gewöhnlichem Sinne
verstanden wird.
2) Es steht dahin, ob die Wulstung und Einkerbung
des Hymenalrandes und die desshalb hervortretende lappige
Bildung des Jungfernhäutchens Naturbildung, oder ob, was
wahrscheinlicher, entweder ein absichtliches Dilatatorium be-
reits auf den Scheideneingang gewirkt habe, oder ob durcli
Waschen und Reinigen diese jetzige Beschaffenheit des Hymen
hervorgerufen worden. Alle drei MögUchkeiten sind vom ärzt-
lichen Standpunkte aus zulässig; denn die anatomische Bil-
dung des Hymen ist ursprünglich von Natur aus eine sehr
variable und ebenso vielgestaltig sind die Nüancirungen der
Veränderungen des Hymen, wenn ein unabsichtlich wirkendes
Dilatatorium, ein Waschen, Reinigen, oder ein absicbtiicfaes
Dilatatorium, wie Penis oder Finger, seinen Einfluss geäussert
hat. Der objective Befund widei*$pricht daher der Angabe der
B., mit einem Hanne noch nie Umgang gepflogen zu haben,
nicht, sondern bewahrheitet sie sogar, wenn man den Begriff
des Geschlechtsumganges auf gewöhnliche und naturgemässe
Befriedigung des Geschlechtstriebes fasst.
3) Verletzungsspuren in der nächsten Nähe der Ge-
schlechtstlieile finden sich nicht vor. Es darf desshalb juri-
stischerseits nicht der Rückschluss gemacht werden, dass
kein Nothzuchtsversuch stattgefunden habe, denn innerhalb
jener vierzehn Tage, die zwischen dem behaupteten Noth-
zuchtsversuche und dem gerichtsärztlicheti Augenschein inmit-
ten lagen^ konnten Quetschungen der Weichtheile ohne An-
stand verschwunden sein. Die Einkerbungen und lappige Be-
über fleischliche Vergehen. 371
schalTenheit des Hymen können wohl, müssen aber nicht die
Ueberbleibsel dieses angeblichen Noihzuohtsversuchs sein. Der
objective Befund widerspricht sonach den Angaben der B.
über versuchte Nothzucht nicht, wetin er sie auch nicht
bestätigt.
4) Es steht unwiderruflich fest, dass die B. noch nicht
einem Manne auf gewöhnlich übliche und naturgemässe Weise
cohabitirt habe, was den Rückschluss gestattet, dass dieses
Mädchen noch nicht in dem GrMe moralisch gesunken, dass
man annehmen könne, es steige proprio motu in hurerisefaer
Absicht einem Manne auf das Zimmer, und werde ihm als-
bald in die Unterhose nach dem Penis langen. Vom psycho-
logischen Standpunkte aus verdient daher die Angabe des
Mädchens über den Zweck ihres Hinkommens und was sich
dann ereignet habe, offenbar weitaus grössere Glaubwürdig-
keit, als die Angabe des A. über den Hergang der Dinge;
abgesehen davon, dass wenn die B, ihre physische Jungfräu-
lichkeit zu Markte tragen und lossctilagen wollte, esinjhrem
Interesse lag, ein Finanzgeschäft zu machen, sie dieses aber
bei ihrer Jugend offenbar durch vorherige Stipulation besser
engagiren konnte , als durch blosses Aufs - Zimmer - Steigen
zu einem ganz unbekannten Manne, von dem sie voraus nicht
wusste, was er hintennach J)ezahlen werde.
5) A. sagt, die B, sei an Brust und Arme sehr mager.
Dies ist nur für die Arme wahr. Die Brust der B. ist aber
keineswegs mager, wenn auch nicht massig; sondern besitzt
vielmehr jene in allen Details schöne und normale Beschaf-
fenheit, wie sie nur der Jugend zukommt und wie sie für
Modelle von Malern gefordert werden muss, wenn es nicht
im Zwecke des Malers liegt, eine andere,^ als jungfräuliche
Kunst zu malen.
Die B. wurde des Diebstahls für schuldig erachtet und
zu einer ganz kurzen Gefangnissslrafe verurtheilt.
24*
372 XXIII. Ho/mann, Geriehtliche Gntachten
Anklage wegen widernatürlicher Unzucht. Ver-
handelt vor dem königl. Bezirksgerichte Mäncbeo
links der Isar.
Historisches. '^
Der Maurer A.y 33 Jahre alt, hatte im Jahre 1858 den
Tripper, der übrigens vollständig geheilt worden war. Zu
wissen, dass ein Tripper ansteckend sei, ist A, gesländig.
Am 4. Septembei* 1859 nahm er das zehn Jahre neun Mo-
nate alte Mädchen B. seines Nachbarn, nach Zeugniss d^r
Localschulinspection ein sittlich braves, jrahrheilsliebendes
Kind, mit zur Kirchweibe nach C. Das Kind ging arglos
mit. Nachmittags vier Uhr herum ging die kleine B. auf
den Abtritt; A. ging ihr nach, angeblich uro ebenfalls seine
Noihdurft zu verrichten, und schloss die Abtrittsthüre hinter
sich zu. Wie er die kleine B, so dasitzen sah, überkam
ihn die Gescblechtslust. Er nahm das Kind, drückte es in
beiderseitig stehender Stellung gegen die Wand, schob dessen
Röcke in die Höhe, zwängte sein Glied der sich Wehremlen
und Widerstrebenden zwischen die Fusse an die Scham, und
Hess nicht eher ab, als bis das Kind, das sich nicht mehr
weiter wehren konnte, am Bauch und Schenkeln ganz nass
geworden war. A, behauptet, das Kind habe freiwillig ihm
zu Gebote gestanden. Das Kind spielte den Abend über mit
anderen Kindern, und beim Nachhausegehen Abends neun Uhr
suchte A, die B. zu überreden, ihm noch ein Mal zu Ge-
bote zu stehen, was diese aber auf ganz schlaue Art dadurch
ablehnte, dass sie ihm versprach, am nächsten Sonntag in
die Wohnung kommen zu wollen.
Am Abend nach Hause gekommen, sagte das Kind sei-
nen Eltern von dem Geschehenen nichts; doch merkte seine
Mutter schon an den folgenden Tagen einen eigenthümJichen
Gang, und hatte die Kleine Schmerzen beim Uriniren. Da
auch am 7. September die Mutler gelbgrünliche Flecken im
Bette des Kindes wahrnahm, die ihr adfßelen, weil sie das
Kind stets sehr reinlich hielt, drang sie in das Kind, und
dieses gestand nun das Geschehene, worauf die Mutter poli-
zeiliche Anzeige machte.
Die am 13. September 1859 vorgenommene polizeiärzt-
über fleiscblicfae Vergehen. 373
liebe UiUersuchung ergab folgendes Resultat: Das Kind ist
seinem Alter entsprechend körperlich entwickelt; der Genital-
apparat kindlich, die ganze Schamspalte stark geröthet und
mit einem eiterähnlichen Secrele bedeckt; die grossen Scham-
lippen ziemlich weit von einander stehend, stark geröthet,
entzündlich geschwollen, und ihren Rändern entlang streifen-
artig mit gelbgrunlichen Krusten bedeckt. Die Umgegend der
Harnröhre und Clitoris stark geröthet, und wie der ganze
Scheideneingang mit dicklichem eitrigschleimigem Secrete reich-
lich bedeckt. Die Hymenalöffnung etwas mehr als in diesem
Alter gewöhnlich, aber nicht auffallend dilatirt; keine Ein-
kerbungen am Hymenalrande.
Bei den am 14. September 1859 pohzeiärztlich unter-
suchten A, zeigt sich ein entzilndungsloser Harnröhrenlripper
und normale Gestallung des Penis.
Am 18. September 1859 kam die kleine B, ins Kran-
kenhaus zur ärztlichen Behandlung. Die äussere Fläche der
grossen Schamlippen sind mit kleinen gelben vertrockneten
Krustchen bedeckt, die auf der unversehrten Epidermis auf-
sitzen, und von etwaigem Vaginalsecrete herrühren. Beim
Auseinanderhalten der Schamlippen sieht man eitriges Secret in)^
Scheideneingaiige lagern. Dieser, sowie die innere Fläche der
kleinen Schamlippen sind intensiv geröthet, etwas geschwellt;
ein Druck auf die letzteren presst gelbes Secret aus der
Scheide, ein Druck auf die Harnröhre gelbes Secret aus der
Harnröhrenöifnung. Hymen stark gerötliet, unversehrt. Bren-
nender Schmerz beim Uriniren, Gehen etwas behindert. All-
gemeinbefinden ganz normal, stark ausgeprägter scrophulöser
Habitus. Vierzehn Tage lang fortgesetzte warme , Sitzbäder
und Vaginalinjectionen sowie Hamröhreneinspritzungen mit
einer Lösung essigsauren Bleies brachten nur eine geringe
Ahnahme des blenorrlioischen Secretes tiervor, das bei jeder
Untersuchung sich in bald grösserer bald geringerer Menge
an der Schamspalte zeigte. Es wurde daher die Bleilösung
inil einer leichten Höllensteinlösung vertauscht, und bekam
das Kind kohlensaures Eisen. Schon nach sieben Tagen
zeigte sich entschiedene Abnahme der Secrelion, die gerö-
theten Theile gewannen mehr die normale Färbung, und nach-
dem auch auf Druck auf die kleinen Schamlippen und Harn-
374 XXIII. Ho/mann^ Gerichtliehe Gutachten
röhre hin sich keiD Secret mehr zeigte, wurde das Mädclmi
am 23. Oclober 1859 geheilt entlassen.
Am 7. November 1859 ergab die gerichtsärzlJicije Ke-
sicbtigung des Kindes wiederum Vaginalblenorrboe, so dass
der königl. Gerichtsarzt die Mutter des Kindes zu wieder-
holter ärztlicher Behandlung aufforderte.
In der Voruntersuchung legte die königl. Staatsanwalt-
schaft am königl. Bezirksgerichte Manchen links der Isar dem
königl. Medicalcomite an der königl. Ludwigs- Maximiliaus-
Universität die Akten vor, und stellte folgende Fragen:
1) ist nach den gepflogenen Erhebungen anzunehmen, dass
der A, mit der B, den Beischlaf gepflogen habe?
2) Liegen nach den gepflogenen Erhebungen ärztlicherseits
Anhaltspunkte zur Annahme eines gewaltthätigen ge-
schlechllichen Missbrauches vor?
3) Wie lange war das Kind in Folge geschlechtlichen MiV
brauches krank?
4) Konnte oder musste A. zur Zeit der That Kenntniss
von seinem Tripper haben?
»
Medicinalcoroite-Gutachten. ^)
ad L
Bezüglich der an uns gestellten Frage: „ob nach den
„gepflogenen Erhebungen anzunehmen sei, dass A. mit der
„£. den Beischlaf vollzogen ?'* muss es uns, bevor wir eine
Antwort geben, gestattet sein, zu fragen, was denn unter
„Beischlaf' verstanden werden wolle? Wird darunter eine
Immissio penis in Vaginani verstanden, wie diese bei Erwach-
senen verschiedenen Geschlechts üblich; so ist ein derartiger
Begattungsakt ganz sicher nicht geschehen. Zeuge desselben
ist die vollständige Integrität des Hymen der B. und ihrer
Geschlechtstheile überhaupt, die bei einem 11jährigen Mäd-
chen geradezu unmöglich wäre, wenn der normal gebaute
Penis eines Mannes — und einen solchen hat A, — in die
Scheide dieses Mädchens getreten wäre. Wird aber auch
Das ein Begattungsakt genannt, wenn die Geschlechstheile
1} Von mir als Referenten entworfen und vom Colleginm
in obigem Wortlante angenommen. "^
aber fleischlicbe Vergfehen. 875
zweier Personen verschiedenen Geschlechtes zu gegenseitiger
Berührung, wenn auch nicht vollständiger Ineinanderschie-
hung gelangen, so existirt darüber, dass dies mit den Ge-
schlechtstheilen des A, und der B. geschehen, kein Zweifel.
Dafür sprechen folgende Grunde:
; Die Mutter sagt, sie habe das Kind am Leibe und an
Weisszeug $tets sehr reinlich gehalten und vor dem 4. Sep-
tember 1859 nie etwas Auffalliges bemerkt. Dass, wenn das
Kind vor dem 4. September 1859 jene Erkrankung gehabt
hätte, die es nach dem 4. September 1859 bekam, eine auf-
merksame, ihr Kind reinlich haltende Mutter gar nichts sollte
gemerkt haben, ist nicht denkbar. Aus dem Nichtsgemerkt-
haben der Mutter schliessen wir rückwärts, dass das Kind
vor dem 4. September 1859 gesund gewesen. A. ist gestän-
dig, das Mädchen in der Art missbraucht zu haben, dass er
in stehender Stellung seinen Penis dem stehenden Kinde zwi-
schen die Schenkel gegen dessen Schamtheile ein — und
eine Emissio seminis zu Stande brachte. Durch polizeiärzt-
Ijche Autopsie vom 14. September 1859 ist constatfat, dass
an diesem Tage A. einen bereits das Entzündungsstadium
überlebt, d. h. am 14. September 1859 allerwenigstens acht
bis zehn Tage gedauert habenden, folglich am 4. September
1859 bereits vorhandenen Harnröhrentripper hatte. Es ist
durch die Aussagen des Mädchens constatirt, dass es schon
in den nächsten Tagen nach dem 4. September 1859 Schmerz
beim Uriniren verspürte^ und durch die Aussagen der Mutter,
dass sie schon am 7. September 1859 in der Bettwäsche
des Kindes grüngelbliche Flecken und an ihrer Tochter einen
*'' eigenthfimlichen Gang wahrnahm. Es ist constatirt, dass
dieser Schmerz beim Uriniren und eigenthämliehe Gang auch
noch nach dem 7. September 1859 anhielt. Es ist durch
polizeiärztliche Besichtigung des Mädchens vom 13. Septem-
ber 1859 constatirt, dass an diesem Tage bereits jene Ge-
nilalerkrankung zugegen war, derenhalben das Kind am 18. Sep-
Icuiber 1859 ins Krankenhaus gebracht wurde, und die sich
laut Krankheitsgeschichle als acute Entzündung der Scheide
und Harnröhre herausstellte. Da nicht im Entferntesten Ver-
dachtsgründe vorliegen, dass diese Scheiden- und Härnröli-
ronschleimhautenlzündung auf anderem Wege erworben worden
376 XXm. Ho/mann^ Oeriohtliebe Gutachten
sei, als durch die Tliat des 4. September 1859, und da diese
Thai andererseits auch zur Ueliertragung eines Kranklieiis-
stolTes von den Geschlechlstheilen des A. auf die des Mäd-
chens vollständig genügte ; da ferner der Zusammenhang die-
ser Entzündung mit der That des 4. September 1859 sogar
nachgewiesen ist, so geht unser Gutachten dahin:
es sei nach den bisherigen Erhebungen ge-
wiss, dass A. die B. in der von ihm zuge-
standenen Weise missbraucht habe.
ad IL
Das Kind behauptet, A. habe Gewalt gebraucht , A, l»e-
hauptet, das Kind habe freiwillig zugestimmt. Ob das Eine
oder Andere der Fall gewesen, vermag die ärztliche Wissen-
schall nicht nachzuweisen, weil an den GeschlechtslheiJen
des Mädchens sich keine Spuren vorlinden, die auf das eine
oder das andere Procedere zurückschiiessen lassen. Diese
Frage ist daher eine solche, über welche sich der Richter
eine Ueberzeugung schöpfen kann und darf; wir Aerzte dür-
fen nur eine objective Uebei*zeugung uns aneignen, und eine
solche zu verschaffen ist in concreto unmöglich. Doch sind
wir in der Lage, deni Richter bei Schaffung einer Ueber-
zeugung folgende Behelfe an die Hand zu geben:
Das Mädchen sagt, A. habe es an die Wand gedrückt ^
seine Füsse auseinandergespreitzt und seinen Penis zwischen
seine — des Mädchens — Schenkel eingebracht. Es habe
sich .z\f ar wehren und den A. zurückdrängen wollen, er habe
sich aber nicht abdrängen lassen , vielmehr sie so an die Wand
gedruckt, dass sie ihm nichts mehr habe anhaben können.
Betrachtet man das physische Kraft verhältniss Anfangs der
Dreissiger gegenüber einem 11 jährigen Mädchen, so ist erste-
res so beträchUich, dass wir nicht das Kind der Unwahrheit
zeihen können, vielmehr der Möglichkeit Raum lassen müssen,
dass A. so habe verfahren können, wie er angeblich verfulir.
Unser Gutachten geht dahin:
dass vom physischen Standpunkte auä
nichts im Wege stehe, dass die Begattung
so geschehen, wie das Mädchen behauptet;
über fleiflcbliche Vergehen. 377
aber auch nichls im Wege stehe, dass sie
so gescheh^en, wie A. behauptet.
ad m.
Das Mädchen war iu Folge des atu 4. Septem-
ber geschelieiien Bega ttungsaktes weiiigsens 50
Tage lang krank.
Nach Aussage der Mutter war das Mädchen vor dem
4. September 1859 gesund und wurde stets reinlich gehal-
len. Es ist undenkbar, dass eine ihr Kind reinlich haltende
Mutter nicht sollte bemerkt haben, wenn ihr Kind schon vor
dem 4. October 1859 eine Erkrankung sollte gehabt haben,
die sich nach dem 4. September 1859 einstellte. Es dünkt
uns dadurch ein vollständiger Beweis geliefert, dass das Kind
vor dem 4. September 1859 an den Geschlechtstheilen ge-
sund war.
Schon in den ersten Tagen nach dem 4. September
1859 hatte das Kind Schmerzen beim üriniren und beim Ge-
hen, und bemerkte auch die Mutter den eigenthümlichen Gang
des Kindes; und am 7. September 1859 gelbgröne Flecken
im Bette desselben. Die polizeiärztliche Untersuchung am
13. September 1859 ergab eine starke Röthung der Schamspalte,
die mit einem eiterähnlichen Sekrete bedeckt war, die gros-
sen Schamlippen waren ziemlich weit von einander stehend,
geröthet; entzündlich geschwollen und ihren Rändern entlang
mit gelbgrunlichen Krusten bedeckt. Die Gegend um den
Kitzler ' und die Harnröhrenmöndung war geröthet, und der
ganze Scheideneingang mit dicklichem eiterartigem Secrete
bedeckt. Die Ocularinspection am 18. September 1859 im
Krankenhause endlich ergab Scheiden- und Harnröhrenschleim-
hautentzundung. Durch all Das ist der Zusammenhang dieser
Harnröhren-Scheidenschleimhautentzündung mit der That des
4. September nachgewiesen; und da das Kind am 22. Octo-
ber 1859 aus dem Krankenhause gesund entlassen wurde,
nach der gerichtsärztlichen Untersuchung von^ Anfangs Mo-
vember 1859 den weissen Fluss noch hatte, so entziffert
sich eine Krankheitsdauer von wenigstens 50 Tagen.
378 XXIII. Hofmann, Gerioktliobe OnUehten
ad IV.
A, muss am 4. September 1859 davon gewusst
haben, dass er den Tripper habe.
A, hat schon im Jahre 1858 den Tripper gehabt, und
ist folglich kein Neuling in Tripperangelegenheften. Jeder
Ifarnröhrentripper hat ein entzündliches Stadium, in weJchem
der Schmerz heim Uriniren so lebhaft ist, da.ss dieser Schmen
unmöglich dem Eigenthümer des beginnenden Trippers ent-
gehen kann. Laut polizeilicher Constatirung vom 14. Sep-
tember 18Ö9 war an diesem Tage das entziindliche Stadium
schon vorüber. Dieses Stadium dauert erfahrungsgemäss
7 — 10 und selbst 14 Tage. Angenommen daher selbst, der
Tripper habe aus der allerjöngsten Zeit datirt, so mfisste
jedenfalls der 4. September 1859 in den Zeitraum des Ent-
zundungsstadium fallen, und dann musste der Schmerz beim
Uriniren dem sachkundigen A, sagen, dsss er den Tri|>|ier
bekomme, resp. schon habe. War aber das Entzundungs-
stadium am 4. September 1859 schon vorüber, so musste A,
Kcnntniss haben, denn bei jedem Tripper bleibt ein eitriger
Schleiniausfluss aus der Harnröhre zurück, der dem Besitzer
des Nachtrippers wiederum nicht entgehen kann.
Der Angeschuldigte wurde zu zwei Jahren Gelangoiss
verurtheilt.
Anklage wegen Missbrauchs zum Beischlaf^),
Verhandelt vor dem Kriegsgerichte des k. Regi-
ments NN. . •
Historisches.
X, ein Mann von 40 Jahren, batte Freude an der 9jäh-
rigen AT., dem Kinde armer Ellern gewonnen. Da die Ellern
1) Strafgesetz für das Königreich H&yern Art. 205:
Wer ein Mädchen, welches das zwölfte Jahr noch
nicht zurückgelegt hat, zum Hoisuhlaf missbraucht, . .
ist nach den Bestimmungen über
Nothzucht zu bestrafen.
über fleUcbliche Vergehen. 379
aus der Garnisonsstadt Z. fort2ogen und das aufgeweckte
Kind im Lernen gute Fortschritte machte, überredete X die
Eltern, das Kind in der Stadt zu belassen. Er nahm es'
unter seine Obhut, sorgte für dasselbe, seine Wohnung und
Nahrung. Das Kind war oft stundenlang im Zimmer des X, .
'er half ihm im Lernen nach, spielte ^ wie\das Kind sagt,
Blindekuh, und es schlief, wenn es ermüdet, häufig unter
Tags auf dem Canapee im Zimmer des X Nie, behauptet
das Kind mit aller Bestimmtheit, sei etwas Unsittliches vor*
gefallen. Es soll gleich hier erwähnt werden, dass das Kind im
ersten und zweiten Jahre des Schulbesuchs die Sittennote I,
im dritten und vierten Jahre aber die Sitlcnnote UL erhielt,
„weil es sich als hartnäckige Lilgnerin bewies und unter ver-
„schiedenen Vorwänden die Schule oft längere' Zeit gar nicht
^fbesuchte''. Auch die Mutter des Kindes hat niemals Ver-
dacht geschöpft, und ist fest überzeugt, das zwischen ihrem
Kinde und dem X. niemals etwas Unsittliches vorgefallen sei,
sonst hätte ihr das Kind sicher etwas davon gesagt Beide
Eltern sind «voll des Lobes über den edlen Charakter des X
Im September 1862 trat der O, unvermuthet ins Zim-
mer des X, wie dieser gerade das Kind abküsste. Diese Aus*
sage ist beeidigt. Im Spätherbste 1862 schöpfte der N. Ver-
dacht, dass zwischen dem Kinde und dem X ein unerlaubtes
Verhältniss bestehe. Er passte auf und beobachtete Anfangs
Jänner durch das Schlüsselloch; wie das Kind, die Röcke
bis über den Bauch eroporgestreift , mit entblösstem Baupb
und Schenkeln auf dem Kanapee lag, und auf dem Kinde der
X, mit dem Hinlern sich bewegend. Das Kind Hess unter-
drückte Jammertöne vernehmen, wurde aber von X beschwich-
tigt mit den Worten: „sei nur still, du weisst ja, dass es
„Anfangs immer etwas wehe thul!" Ob X seinen Penis
\ entblüsst habe, weiss N. nicht , denn X. trug, wie alle Sol-
daten, keine Latzhose, sondern eine Schlitzhose. Bald dar-
auf kam das Kind aus dem Zimmer heraus, war zerrauft in
den Haarert, sah verstört aus, seine Kleider waren in Unord-
nung, und ging auf den Abtritt. Nachdem das Kind den Ab-
tritt, einen gewöhnlichen Bauernab tritt, wieder verlassen,
ging N. auf den Abtritt, und sah auf der Höbe des Dungs
ein blutbeschnnilzli's Papier. Er zog es an sich, und die
380 XXIII. Hofmann, Görichtliche Gatachieö
anklebenden Blutspuren waren ganz frisch. Diese Aussage
ißt beeidigt.
X stellt die ganze Sache gleich dem Kinde in Abredr
und bezüchtigt den A^. der Verleumdung.
Die von mir am 24. October 1863 vorgenommene Au-
genscheinseinnahme des Kindes ergab die ausseifen Geschlechts-
theile, grosse und kleine Schamlippen, Schamspalte ganz nor-
mal und frei von allen krankhaften Zuständen. Die die In-
nenfläche der Schamlippen, den Scheidenvorhof und Schei-
deneingang auskleidende Schleimhaut zeigt normale Röüiung.
Kitzler und Harnröhrenmündung ganz normal und gesund.
Der Hymen ist vorhanden und von regelmässiger
Bildung; die Hymenaiöffnung von der Grösse e iner
Erbse, der'sie umgebende Rand von der Dünnheit
eines Postpapiers, halbdurchsichtig, ganz scharf,
nirgends eine Einkerbung wahrnehmbar; der Hy-
men in seiner Totalität ganz unversehrt. Ich be-
merke, dass sich das Kind bei der Augenscheinsaufnahme
aufs Geschämigste geberdete, wie mir kein zweites Kind je
so vorkam. Mehrmals war ich versucht, von der Vornahme
eines Augenscheines ganz abzustehen; die Mutter allein, welche
ihr Kind niit Scheltworten hart aniiess, ermöglichte mir A\r
Ansicbtigwerdung der Geschlechtstheile.
Gutachten.
% Der Refund an den Geschlechtstheilen des Kindes zeigte
vullständigo Unversehrtheit des ganzen Geschlechtslheile;ij>pa-
rates. Dieses Kind ist zweifelsohne und ganz ge-
wiss im ungetrübten Besitze körperlicher^) Jung-
fräuMchkeiL Ein solcher Zustand der Geschlechtstheile
zwingt mit joihm* mathematischen Gewissheit , welche aner-
kennt, da^s 2X2 = 4, zum Rückschlüsse, dass dii'ses
Kind niemals von irgend Jemand, lieisse er, wie
er wolle, zum Beischlaf niissbraucht worden ist.
1) Ich hatte vor einem Kriegsgerichte zu sprechen, in dem
auch geineioo Soldaten als Richter «assen, und musste meine
Ansdrucksweiso der Bildungsstufe und dein Fnssang^vcrniögpii
gemeiner Soldaten anpassen.
über fleiachliche Vergehen. Sgl
Das Gegenthetl ist ärztlich nicht denkbar, gerade so wenig
denkbar, als denkbar ist, das 2 X 2 nicht mehr 4 , sondern
5 wäre.
Ich kann damit mein Gutachten nicht schliessen. Es ist
nämlich Aufgabe ärztlicher Wissenschaft, innerhalb ihrer Gren-
zen alle jene Aufklärungen zu geben; welche der Richter zur
Entscheidung eines zweifelhaften Rechtsfalies bedarf. Von
diesem Standpunkte obliegender Verpflichtung aus wolle ge-
würdigt werden, wenn ich mich über vier Momente aus-
spreche, welche, weil von den Wahrnehmen beeidigt der er-
hobenen Anklage als Unterlage dienen, und welche, weil zu
ihrer Würdigung theilweise ärztliche Kenntnisse gehören, auch
der ärztlichen Besprechung unterstellt werden dürfen, ja so-
gar müssen. Diese vier Punkte sind:
1) der Umstand, dass das aus dem Zimmer des X am
kritischen Tage kommende Kind „erregt, zerrauft, ver-
„stört, mit in Unordnung gebrachten Kleidern'' gewe-
sen sei;
2) dass N. alsbald, nachdem das Kind den Abtritt verlas-
sen, ein Papier aus der Dunggrube zog, an dem „fri-
sches Blut'' klebte;
3) dass derselbe A^ das Kind mit über den Bauch ge-
schlagenen Röcken und entblösslen Schenkeln auf dem
Canapee, den X. aber, [Begattungs-jBewegungen ma-
chend, oben auf liegen sah;
4) dass immer derselbe N. unterdrückte „Jammorlante**
des Kindes hörte, welches der Angeklagte mit den
Worten beschwichtigte: „sei nur still, du weisst ja,
„dass es Anfangs immer etwas weh thut*\
Ueber diese vier Punkte bemerke ich folgendes:
ad 1. Auf die angebliche „Erregtheit" und „Verstorts<Mn'' des
Kindes, das „Zerrauflgewesensein** der Haare und die
„Unordnung der Kleider'' kann ärztlicherseits nicht der
mindeste Wertli gelegt werden, wenn es sich um den
Nachweis geschehenen Beischlafs handelt. An und für
sich schon hängt der Schätzungshöhegrad bei allen die-
sen Erscheinungen von der Anschauungsweise des
' Schätzenden ab, und giebt es keine Grenze, oberhalb
welcher die BeschalTenbeit der Haare „zerrauft'S die
382 XXIII. So/mann, Oeriehtliebe OuUohten
der Kleider „in Unordnung*^ die ganze äussere Hai-
tuDg als ,,Verstört8ein*' bezeiclmet werden soll, nnd
unterhalb welcher Grenze alle diese Eigenschaften
zu vereinen sind. Andererseits haben Kinder aas 100
und 100 Gründen „zerraufte Baare", und „in Unord-
nung befindliche Kleider''. Wenn, wie das Kind sagt,
es mit dem X hin und wieder Blinde-Kuh spielte, so
erklärt sich das „Zerrauftgewesensein'' der Haare, die
„Unordnung der Klcider'% das „Erregtgewesensein^^ satl-
sath; und wenn das Kind, wie vorkommt, stimdenlang
im Zimmer des X schlief, so kann sehr wohl der Fall
gewesen sein, dass jener Zeuge, der seinen Wahrneh-
mungen die bezeichneten graviTlichen Deutungen gibt.
Schlaftrunkenheil mit „Erregtheit'' und „Vcrstörtge we-
sensein" verwechselte; und ein Kind von zehn Jahren,
das ein Mittagsschläfchen gemacht hat, hat auch , »zer-
raufte Haare",
ad 2. Ob der N., wenn er beeidigt, es habe an dem Papier,
das er aus der Dunggrube zog, „frisches Blut^^ ge-
klebt, entweder
a) eine falsche, auf Täuschung beruhende Waliitieh-
mung gemacht; oder ob
b) seine Wahrnehmung richtig war und wirklieb
„frisches Blut" am Papier klebte; oder oh
c) N. möglicher- und denkbarerweise falsch geschwo-
ren hat —
das bleibt ärztlicherseits dahingestellt, und ist nicht Aufgabe
ärztlicher Wissenschaft, in eine Erörterung dieser drei denk-
baren Möglichkeiten einzugehen. Auch im Falle N/s Wahr-
nehmung richtig war und wirklich „frisches Blut" am Pa-
pier liaflele, ist ganz gewiss, dass diese Blutspuren
nichts gemein haben mit der gegen X. erhöbe nen
Anklage. Sie rühren dann von einer anderen zufalligen
Verietzung, die das Kind an sich hatte, her, oder wenn solche
das Kind zu fraglicher Zeit nicht an sich hatte, ist nicht zu
erklären, wie diese Blutspuren an das Papier gekommen.
Jedenfalls rühren sie nicht aus den Geschlechts-
theilen des Kindes her; denn wäre dies der Fall ge-
wesen, so könnten sie nur aus einer Verletzung des Jung-
über fleisohliche Vergehen. 383
fernhäulcbens abgeleitet werden. Da aber die von mir vor-
genommene Untersuchung die vollste Unversehrlbeit dieses
Gebildes nachwies, so lallt jedes Zusammcnhangsverhällniss
zwischen den Geschlechts ibeilen des Kindes und diesen be-
haupteten [vermeintlichen oder wirklichen] Blulspuren weg.
ad 3. Die beeidigte Aussage des ^., dass er gesehen habe,
wie der X. Begaltungsbewegungen machend, aui' df^m
an Schenkeln und Unterleib entblössten Kinde gelegen,
als wahr angenommen, dann liegt hier, das Geschehene
mit ärztlichen Augen betrachtet, nicht „Missbrauch zum
„Beischlafe**, sondern „Missbrauch widernatürlicher Wol-
„lust" vor. Man muss nämlich wohl einen Unterschied
zwischen „Beischlaf" und „widernatürlicher Wollust**
machen, und auch das Strafgesetz macht diesen Un-
terschied, denn es spricht in einer Reihe von Artikeln
vom rechtswidrigen „Beischlafe**, dem es in einem spä*
teren Artikel die „widernatürliche Wollust** gegenüber-
stellt ^), „Beischlaf** ist jene Befriedigung des
1) Strafgesetz für das Königreich Bayern:
Art. 204. Wer eine Frauensperson mit Gewalt zam ausser-
ehelichen Beischlaf missbrancbt oder znr Dnldang desselben
darch Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leben,
nöthigt, soll wegen Notbzucht mit
bestraft werden.
Art. 206. Wer ausser dem Falle der Nothsucht eine blöd-
sinnige oder in anderer Weise geisteskranke Frauensperson zum
ausserehelicben Betscblafe missbraucht, ist mit
zu bestrafen.
• Art. 207. Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Bei-
schlafs durch Erregung oder Benützung eines Irrthums verleitet,
vermöge dessen sie den Beischlaf für einen ehelichen hält,- soll
mit
bestraft werden.
Art. 208. Wenn Eltern oder andere Verwandten in auf-
steigender Linie mit ihren leiblichen Abkömmlingen den 'ßei-
Hchlaf vollziehen, so sollen
bestraft werden. "•
Art. 209. Voll- und halbbürtige Geschwister, welche mit
einander den Beischlaf vollziehen, sind
zu bestrafen.
Art. 210. Der Beischlaf zwischen Schwieger- und Stief-
384 XXTTI. Hofmann, Gerichtliehe Oatachten
Geschlechtstriebes, welche, wenn von zeu-
gungsfähigen Persönlichkeiten geschebend,
die Möglichkeit der GeschlechtsTor tp f Jan-
zung in sich schliesst. Diese Möglichkeit ist aber
eitern und ihren Schwieger» oder Stiefkindern soll
bestraft werden.
Art. 212. Pflegeeltern nnd Vormünder, welche mit ihrea
minderjährigen Pflegebefohlenen , Geistliche , welche mit ihrea
minderjährigen Pfarr- oder Beichtkindern, Lehrer and Erzieher,
welche mit den ihnen zur Ersiehnng oder cum Unterrichte an-
vertrauten minderjährigen Personen den Beischlaf vollsiefaen.
sind
80 bestrafen.
Art. 213. Die an Gefangnissen, an Straf- and poliseilichen
'Verwahrangshänsern oder an Anstalten, welche aar Pfleg'e ond
Unteratütsnng von Hülfsbedürftigen -oder zur Besserung verwakr-
loster Personen bestimmt sind, angestellten oder beschäftigten
Beamten, Aerzte and andere Bediensteten, welche mit einer in
die Anstalt anfgenoramenen Person, desgleichen Beamte, welche
mit einer Person, gegen die sie eine Untersuchung au fuhren
haben, den Beischlaf verüben, sollen mit
bestraft werden.
Art. 214. Wenn die in den Art. 204 — 213 beseiefaneteB
strafbaren Handlungen statt durch natnrge müssen Beischlaf, durch
den Missbrauch einer Person m&nnlichen oder weiblichcD Ge-
schlechts zu widernatürlicher Wollnst verübt werden, so kommen
die in jenen Artikeln enthaltenen Strafbestimmungen zur An-
wendung.
Art. 220. Wenn Eltern oder andere Verwandte in aufstei-
gender Linie, Pflegeeltern, Vormünder, Geistliche, Lehrer oder
Erzieher das VerhHitniss zu ihren Abkömmlingen oder minder-
jährigen Pflegebefohlenen, Pfarr- oder Beichtkindern oder Schü-
lern dazu missbrauchen, die ihnen untergebenen oder anvertrau-
ten Personen einem Anderen zum Zwecke der Befriedigung der
Geschlechtslust durch naturgemässen Beischlaf oder widernatür-
liche Wollust zuzuführen oder zu überlassen,- so soll auf . . .
erkannt werden, womit
Art. 222. Wer eine unbescholtene Person , welche dss
zwölfte, aber noch nicht das 16. Lebensjahr zunickgelegt hat,
zum Beischlafe oder zur Oestattung des Missbrauchs zu wider-
natürlicher Wollust vorführt, ist mit
zu bestrafen.
über fleischliche Vergehen. 365
nur dann gegeben, wenn der Same des Mannes inner-
halb der GeschlecliUlbeile des Weibes abgelagert wird,
und eine hierorüge Ablagerung isl nur dann möglich,
wenn das Zeugungsglied des Mannes wenigstens
bis in den Scheidenvorhof und an den Scheidenein-
gang des Weibes gelangt.
Etwas Anderes als „Beischlaf' ist ,,widen)atörliche ,,WoK
iust^ Auch bier findet eine Befriedigung der Geschlechis-
lust statt, aber keine solche, bei welcher Geschlechlsfort-
pflanzung möglich, und unterscheidet sich „widernatürliche
Wollust*' von „anderen unzuchtigen Handlungen*', von denen
ebenfalls das Strafgesetz spricht ^) dadurch , dass zwar nicht
bei Letzteren, wohl aber bei ersteren — der „widernatür-
lichen Wollust" — Geschlechtstbeile in Frage kommmi, tn
Thätigkeit oder Mitleidenschaft treten. „Widernatürliche
Wollust*' ist jede Befriedigung der Geschlechts-
lust, welche die Möglichkeit der Geschlechtsfort-
pflanzung ausscbliessend, Geschlechtstbeile, sei
es in thätigör oder leidender Weise zur Verwen-
dung bringt.
Hält man, wie man muss, diese zwei Begriffe des „Bei-
schlafs" und der „widernatürlichen Wollust" auseinander und
die bezeichneten Begriffsbestimmungen fest, so kann Ange-
sichts des Ergebnisses des von mir an der kleinen K. vor-
genommenen Augenscheins und Angesichts dessen, was N.
sah, nimmermehr von einem Missbraucbe zum „Beischlafc'*,
1) Strafgesetz für das Königreich ßayerti:
Art. 215. Unsüchtige Handlangen, welche
1) mittels gewaltth&tigen Angriffs, oder
2) an Personen verübt werden, die das zwölfte Lebens-
jahr noch nicht zurückgelegt haben, oder sieb im
Zustande gänzlicher Willenlosigkeit befinden, sollen
bestraft werden.
Art. 216. Eltern oder andere Verwandte in aufsteigender
Linie, welche mit ihren leiblichen Abkömmlingen oder an den-
selben nnziichtige Handlangen yerüben, oder dieselben za sol-
chen verleiten, sollen
bestraft werden.
MouAUflcbr. f. Oeburttk. 1866. Bd. XXVI,, Hfl. 6. 25
XXIII. Htfmann^ Gerichtliolie Gatttchten etc.
sondern auBscbliesslich nur von einem Missbrauche zur „wi-
dernatürlichen" Befriedigung der ,,WoUu^'* die Rede sein.
N. sah die K. mit enlblös«leii Schenkeln und Bauche auf
dem Canapee liegen, sah den X. obenauf liegen, sah ihn Be-
gaUnngsbewegungen n>achen, aber X sein Glied nicht in der
Mutterscheide, sondern zwischen den Schenkeln und an deo
Geschlechtslheilen des Kindes. Eine solche Befriedigung der
Gescldechtslusi ist aber „widernatörlidie WoUusl'S dtfren
Geschehensein, weil keine Spuren hinterlassend, sich der
Ermittelung und Erforschung des Arztes entzieht. Dies ist
die einzig mögliche ErklSrungsweise , welche die beeidigle
Aussage des N. mit dem von mir aufgenommenen Befunde
in Einklang bringen lässt.
ad 49 Ein derartiger Missbrauch verursacht keine Schmerzen.
Es war daher auch für das Kind keine Veranlassmig
gegeben, ,Jammeitone" von sich zu geben. Deroim-
geachtet kann ärztlicherseits nicht behauptet werden,
dass ^.'s Wahrnehmung nach dieser Richtung hin und
die von ihm dem X in den Mund gelegten, das Kind
beschwichtigen sollenden Worte Unwahrheiten sein
mögen. Es lasst sich nur so viel behaupten, dass —
die Wahrheit der beeidigten Aussage des N. voraus-
gesetzt — Angesichts des Ergebnisses der geschehenen
Untersuchung der K., N, Widerslrebungslaute, die das
Kind von sich gab, mit „lannnertönen** ver^^^echselte. Zu
dieskr Deutung dessen, wos N. — stets die Wahrheit
seiner beeidigten Aussage vorausgesetzt — hörte, sehe
ich mich veranlasst, gemäss jenen Wabrnefamnngen,
die ich an dem Kinde bei Gelegenheit der Augeo-
scheinsaufnahme machte. Das Kind geberdete sich näm-
lich derartig geschämig, wie mir in meiner nun zehn-
jährigen gerichtsarztlichen Praxis kein zweites Kind
mehr vorgekommen. Mehrmals war ich versucht, ganz
auf Vornahme eines Augenscheins zu verzichten, und
die Muter allein, welche ihr Kind hart mit Scheltwor-
ten anliess, ermöglichte mir die Besichtigung der Ge-
schlechtstheile.
Es steht dem Sachverständigen nicht zu, eine moralische
UeherzeugUHg zur Geltung zu bringen; dies ist ein aus-
XX IV. Notisen aas Aer Joarnal- Literatur.. x 387
scliliessliches Vorrecht des Ricbteramtes. Nichts aber steht
im Wege, dass der Sachverstandige eine gewonnene mora-
lische Ueberzeugung dem Richter mittheiJe, damit dieser
sie zur Geltung bringe, wenn er dies für angemessen findet.
Von diesem Gesichtspuniite aus will *ich gewürdigt wissen,
wenn ich mir erlaube,^ohem Kriegsgerichte jene moralrscbe
Ueberzeugung milzutbeilen, welche ich mir aus der bei Be-
sichtigung der Geschlecbtstheile kundgegebenen, offenbar ganz
ungekünstelten, natürlichen mädchenhaften Geschämigkeit bil-
dete, d^bin gehend, dass sich mir keine Ueberzeugung ge-
schehenen Mtssbrauches dfeses Kindes zu widernatürlicher Be-
friedigung der Geschlechtslust festsetzen« konnte. Der Grund
der Nicht- Bildung einer Ueberzeugung war, weil einerseits
von Gewaltanwendung nirgends die Rede, anderei*seit# aber
mir nicht aotiehmbar schien und noch immer nicht annehm-
bar scheint, dass ein so hochgradig geschämiges Mädchen
sich so bereitwillig zur unnatürlichen Geschlechtslustbefriedigung
hergegeben haben möge.
Mein Gesdmmtguiachten geht dahin:
1) Der Annahme, dass das Kind zu „widerna-
türlicher Wollust'' missbraucbt worden sein
könne, steht ärztlicherseits nichts im Wege,
2) die Annahme, dass das Kind zum „Beischlaf"
missbraucht worden sei, ist ärztlich nicht
zulässig.
XXIV.
Notizen aus der Journal «Literatur.
Day: Eine Wanderniere giebl die Veranlassung zu
Symptomen der SchwangerschafL
Naoh einigen aUgemelnen Bemerkoof^n Aber beweg-
liche Nieren und deren Verwechelnog entweder mit Faeeal-
masseo im Colon oder nit beweglicher Mili, oder mit Oe«
8chwül»tea des Oinentuin und Mesenteriam erailiit Verf. einen
26 •
390 XXIV. Notiaea ah» der Jouriuil-Literator.
Die MDsi^en Atttoren, die einige« auf diesen Zustand Be-
ittglichee der OeffentlielilKeit iibergeban haben, nind B^^r (1S17\
und BafMhotham (nenerdings). in dem F*alle de« Krateren trat
die Amaurose mit Beginne der Schwangerschaft ein, und Ter-
.schwand nach der Entbindung. Int Falle von Ram^bothMtm ent-
stand die Amaurose ca. sehn Wochen vor der Niederkunft bei
einer im Uebrigen gesunden Frau. Zehn Tage nach der Wieder-
kunft yereohwand die Amaurose allmHIig, nach Einem Monate
kennte die Krande wieder GegenatKnde unterscheiden.
(Transactions of tfae Obstetrical Society of London. Bdin-
burgh Medical Journal. Nr. CXIV. Decbr. 1864.)
Banon: Heber die chirurgische Behandlung toü
Vesi CO -Vaginal- Fi stein.
Nachdem Verf. als die häufigste Ursache dieser Affection
unzweifelhaft die zu lange Kinkeilung des kindlichen Kopfe«, der
durch ZU; starken Druck auf die Symphysis pubis während der
Wehen die Veranlassung zu Mortificationen und Vereiterung des
betreffenden Theiies des Vesico- Vaginal -Septum giebt, und als
seltenere Ursachen die Anwesenheit von Ulcerationen, die dorcb
CoDcretionen oder carcinomatoese Wucherungen entstanden sind.,
und die nach und nach perforiren, oder den fortwährenden Druck
eines Pessars, sowie ▼erbrecherische Versuche, den Abort zn
erregen, angegeben hat, bespricht er kan die heryorragendaten
Symptome, die aber meist nicht sogleich, sondern erst Tage ond
Wochen nach der Entbindung sich einstellen und nnr nach An-
wendung von Instrumenten oder nach der Wendung sogleich mit
dem Eintritte de« Ereignisses eintreten. Sie bestehen besonders
in der Unfähigkeit entweder Einen Tropfen oder nur eine kleine
Quantität Harn zu halten; daher findet sich fortwährendes Harn-
träufeln , das die Vagina und die äusseren Geschlechts theile ez-
coritrt. Diese Symptome waren in allen FHllen zugegen, welche
Verf. unten beifttgfe. Nach einem kurzen geschichtlichen Ueber-
blicke über die verschiedenen Arten und Weisen der Vereinigung
der Fistelränder kommt Verf. auf die von J^saaedy (1837) em-
pfohlene Methode; dieser gebrauchte die gedrehte Drahtnaht,
welche er mit einem durchlöcherten Schrotkorn befestigte; nach-
her haben sich Bozman^ Baker Br^Vin^ Simp9&n auf dieses Ka-
pitel geworfen und es zum gegenwärtigen vollkommenen Stand-
punkte gebracht. In den drei bis vier ersten Fällen, welche
Verf. operirte, hielt er auch BoaMaaa's Operationsweise fest. Der
Patient liegt» auf Händen und Knieen, J9osfita»*s gebogenes Spe-
culum wird eingeführt, dadurch die Vagina ausgedehnt und ds«
Perinäum zurückgeschoben. So gelangt die Fistel in Sicht, je
nach ihrer Lage verschieden. Nun werden sorgsam die Ränder
XXIV. Noftisen auh der JoarnaU Literatur. 391
angtfrischt and «odann diesolbeD acenrat aneinander gebracht,
and »war dureh so viel N&hte, als die Länge der Fistel anlKssi^
macht.
ITür sehr kleine Fisteln, besondere wenn sie hoch oben in
der Vagina j^elegen sind, bat Verf. ein Abweichendes Verfahren
mit einem eigens daan angegebenen Instrnniente, dessen Abbil-
dung er beifügt^ eingeschlagen. Letsteres benteht aus einem ge-
krümmten, festen Stiele oder einer eben solchen Sonde, die mit
vier, hach rnckwiirts vorspringenden Spitzen versehen ist. Man
kann dies leicht in die kleinste Oeffnung einzwängen und beim
Ana^iohen den kUifmk auf jeder Seite anhaken. Mehrfache Ver-
sucht mit derartigen Fisteln wiesen die Brauchbarkeit des In-
strumentes nach. NAch Anlegung der Silber- oder Ki-sendrAht-
nflhte folgte Verf. anfangs dem Plane von Botman, indem er eine
durchlöcherte kleine Platte (mit doppelter Reihe von Löchern,
entsprechend der Zahl der Sntnren) gebrauchte und dieselbe in
die geeignete Stellung brachte, um die Sotnren zusammen-
andrehen. Aber er fknü es für unnöthig und folgte <5»m«*
Rathe, indem er die Silbersuturen geradezu an getrennten Stel-
len verschlang, nachdem er sie in accnrate Lage gebracht hatte.
Die von Sinu empfohlene Lagerung ist die halb nach vorn über-
geneigte, die weniger als die Kniehändeiage ermüdet. Baker-
Breton empfiehlt die Stellung des Steiuschnitts. In beiden letz-
teren lisst sich Chloroform anwenden, in der KniehHndelage
nicht. ^ Nach der Operation mnss der Patient ruhig liegen und
der gebogene oder der gerade Katheter wird in der Blase gelas-
sen, jeden Tag gewechselt, bis zum achten oder neunten Tage,
wo die Saturen entfernt werden können, dann darf der Patient
selbst Harn lassen.
Verf. fügt hierzu noch zehn Fälle, und zwar acht von Ve-
sico- Vaginal-, einen von Utero- Vesical und einen von Recto*
VAgioal-Fisteln. Sie wurden sämmtlich bis auf Einen Fall geheilt;
letzterer würde es durch eine zweite Operation auch geworden
»ein. Einen Fall von Zerreissung des Perinaeura und Redtnm
bei Verschluss der Scheide, die Verf. ebenso behandelte, schliesst
er ebenfalls an. In zwei FHUen liess die erste Operation im
Stiche und mossten in dem einen Falle noch zwei, im anderen
noch drei Operationen unternomroi^n werden, ehe man zum Ziele
gelangte; in den übrigen Fällen führte eine Operation zur Hei-
lung. Die Utero Vesical-Fistel heilte durch Cauterisation; wXre
dies nicht geglückt, so hätte Verf. hier den Verschluss des Ori-
ficiam utüri als Fleilungsoperation nicht versucht. Das Alter der
Operirten stand zwischen 19 und (17 Jahren, dfie meisten Fisteln
waren nach der Entbindung entstnnden. Die Zahl der angewand-
ten Nähte betrug zwischen zwei und sechs. Die Heilung ging
binnen acht bis neun Tagen vor sich.
Die vollataudige RaptUr des Perinaenui wurde in zwei
392 XXIV. Notisen ans dor Joaraal • Literatiir.
Sitiongeii geheilt. In der ersten, in SteinsehniUliigre, wnrdra
die Verschliessnogen der Scheide, die durch feste Lip^am«fite ^
bildet worden, getrennt ond später wurde die enge Va^in« noeli
mit Presssohwamm, dor 'täglich eingelegt wurde, diiatirt. In
der »weiten Sitsung wurde die hintere Vaginalwand mit drei Sil-
be rdrUbten vereinigt.
(The Dnbltn Quarte rly Journal of Medical Scieoc«.
Febr. 1866. No. 77.)
C Braun: lieber künstliche Frühgeburt durch See-
tang (Laminaria digitata).
JS&ch einer kursen kritischen Beleuchtung der bewährtesten
und noch jetst gebräuchlichen Methoden sur Einleitung der künst-
lichen Frühgebnrt (Ethantstich, Anwendung des Press« ch warn ms,
der Tamponade. der aufsteigenden warmen Douche, der intra-
uterinen Injection und Catheterlsation) macht B. im Nachstehen-
den auf die Vorzüge aufmerksam, welche die Anwendung des in
den Cervicalcanal eingeschobenen Seetang (Laminaria digitata)
als Wehen erregendes Mittel bietet. Dieser dringe leicht ein,
sei nicht so porös wie Pressschwamuv, schwelle blos um das
3 — 4 fache an, reise den Hals und den inneren Muttermund nicht
übermässig, verursache keine lästigen Empfindungen, entwickele
keinen Gestank, halte durch seine stetige Volumensverinehrung den
Luftsutritt ab und erbalte sich durch sein Aufquellen sehr leicht
in einer bestimmten Lage.
Verf. legt hierauf vier Beobachtungen vor, welche beweisen
sollen, dass sehr geringe Reise in einer sehr geringen Ausdeh-
nung über dem oberen Muttermunde angebracht, yollkommen
ausreichend sind, um eine künstliche Frühgeburt mit den besten
Kesultaten sn ersielen. im ersten Falle bewirkte das Einlegen
des Seetang durch 15 Stunden nach drei Tagen die Geburt eines
lebenden Kindes. Wochenbett normal; im zweiten erseugte ein
24 stündiges Liegenlassen des Seetang im Cervix Wehen,' durch
welche nach drei Tagen die Frühgeburt beendet wurde. Im drit-
ten Falle hatte das Einlägen eines ähnlich wirkenden Harsgom-
mistäbchens durch 24 Stunden keinen Erfolg; nachdem es nach
drei Tagen zum z^wciten Male durch 30 Stunden angewandt wurde,
war dor gute Erfolg gesichert. Im vierten Falle Anwendung des
Seetang während der Nacht, worauf nach sechs Tagen die Früh-
geburt vor sich ging.
(Wiener med. Presse 1865. Nr. 20. u. 2L)
R, Döbner: Sechzehn Fälle vou künstlich eingelei-
teter Frühgeburt, beobachtet auf der geburishülf-
XXIV. NotisjBii aot der Journal- Lite ratar. $93
liehen Klinik zu Wilrzbarg, mit epiicritischen Bemer-
kungen.
In ▼orlUgepder Arbeit giebt Verf. eine kante Zoeammen-
atellang aänaintlieher Qebarttgeacbicbten der Fälle yon kümit-
licber Frühgeburt, die seit dein Herbst 1860 in der geburtahttlf-
liobt^n AnstaU su Würsburp unter ScanmmVn LeitQng" aosgenibvt
wurden« Die genannte Operation wurde im Gänsen eecbaohn
Mal, und swar drei Mal durcb Beisung der Bruatdrütfenoerren,
sieben Mal durch die ^raitse^sche Methode und ein M*I duroh
lüinströmenlasaea von Kohlensäure in die Vagina attsgefdhrt. In
einem Falle begann man auerst mit Reiaung der Bruatdrüsen-
nerven, und wendete- dann die Colpeuryse, den Pressschwamm
und «uletat die warme Douche an. In eisern sweitea routste,
nachdem das Ein strömenlassen der Kohle osäare in die Vagina,
Uterininjectionen und Tamponade der Vagina ohne Erfolg ge-
hlieben waren^ der Eihautstich gemacht werden. In swei Fällen
wurde der Kihautstiob angewendet, nachdem einmal die Milch-
snuggläser und der Colpeurynter erfolglos gewesen und im swei-
ten Falle MllehsaugglKser, aufsteigende Douche, Klysmen mit
Seeale cornuturo die Geburt nur sehr laugsam eingeleitet hatten.
In einem Falle endlich wurde nach Anwendung der £rau«e*schen
Methode noch die Colpeuryse sur Verstärkung der Wehen in
Gebrauch gesogen.
Nach ausföhrlicheror Beschreibung und Beleuchtung der
einselnen Fälle kommt Verf. weiterhin su dem Resultate, dass
die Krauae'Bche Operationsmethode so siemlich' allen Anforde-
rungen entspreche, welche der Praktiker an eine solche su stel-
len berechtigt sei. Denn\ es biete weder die Ausfährung dieser
Operation nennettswerthe Schwierigkeiten, noch sei bei einiger
Geschicklichkeit ein yorzeitiges Sprengen der Blase zu befürch-
ten; zudem sei sie bequem, durchaus gefahrlos, sicher, und führe
im Vergleich zu anderen Methoden rasch zum Ziele.
Die übrigen Verfahren: Pressschwamra , Douche, Ablösen
der Eihäute vom unteren Uterinsegmente, Reisung der Brust-
drüse, Tampon, Thierblasen, Colpeurynter hält Verf. theils für
unsicher und langsam wirkend, theils für nicht ungefährlich,
schmerzhaft und zeitraubend. — Die JTraufs'sche Methode relebe
übrigens für sich oder mit der Uterininjection verbutiden meist
aus; nur in Ausnahmefällen sei der Eihautstich (und immer nur
bei Indicatio vitalis) nöthig.
Die Prognose, welche das JTrotise'sche Verfahren för die
Wöchnerinnen biete, sei ebenso ein durobaus befriedigendes,
und wenn ein Gleiches hinsichtHeh der Erhaltung des kindliehen
Lehens nicht gesagt werden könne, so treffe dieser Vorwurf doeh
gleichmässig oder selbst in höherem Grade alle anderen Metho-
den der Einleitung der kOnstliehen Frühgeburt.
3S4 XXV. I^HevAtor«
Zfiletofc bespriebt der Verf. die lAdfcutioneii £9r Opemtion.
Als einzig und unbedingt erkennt er die Beckenvereogeniiii^ mit
einer Conjngata von Sy^ — 27^" bei partiell verengten, 3V, — S*//' *>ei
allgemein verengten Becken an ; bei Erstgebüfetideii jedoefa gebe
eine Conjngala über 3V4" keine indication ab, da matt aelbet
bei noch stärkeren Verengerungen nicbt selten die Gebart na*
tflrlich und dnrehaas günstig fHr Mntter und Kind habe ▼•r-
lunfaa sehen.
Alle fibrflgstt, durch Krankheit der Mutter oder des Kinde«
bedingten Indioatlonen aeien nur relative. Das habiiaelle Ab-
sterben der Kinder läset Verf. kaam als' Indication gelten, weil
sehr gb wohn lieh der -Grnnd des Ab Sterbens In CenstiiatfoDsaao-
ftfalien (AnKmie, Syphilia der MnUer und Kinder) liege; ee sei
aber jedenf^lle sweeknnässiger, diese abnormen Zustande irt d%r
ächwangenschaft s« behandeln ^ als auf den nnsioheren Erfolg
der Frühgeburt zu rechnen.
(Würaburger Medioinische Zeitschrift 1865, 6. Band.
I. und II. Heft.
XXV.
Literatur.
Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. Von
Dr. J. Herde, If. Band. Eiiigeweidelehre. 2. Liefe-
rung. Harn- und Geschlechtsorgane. Braun-
schweig, 1864. pag. 278—534.
Mögen auob Manche gegen das rein morphologische l'rin-
cipi welches ffenle hei Abfassung seines Handbuchs der mensch-
lichen Anatorole su Grunde gelegt hat, Einsprach erheben, so
wird deeh Jt^der augestehen aiüsfien, dass das J7saZs*ache Bach
eine FülU des Stoffes enthält und bei vielen Fragen Antwort
giebt, wo andere Bücher im Sfiche lassen. Diener unbe-
streitbare Voreug findet sich auch In dem vorliegenden Ilc^fte,
welches das schwierige Kapitel der Harn- und Geschlechtsorgane
eathült.
Nimmt BiAB hinan, dass eine klare gteichmüssige Verarbei-
tvag des Stoffes ) ealdreii^he ▼^»rsiSgllQhe Durchschuittsaeichniin-
f^en, Bum Theil nach gefrorene« KndaTern »osgeführt, eine kri-
tisjohe Beleuehtung der eins oh lagigen Literatur dieses Heft gana
besonders anszoicbuiMi, so ergiebt sich als Kndurtheü, dae» das
XXV. LiUratun 386
▼orliegeod« Werk in auBg^seicbnetOir Weiso «tne ▼od alU* Gy-
n&kalogen und Oebartsbelfern lange gefohlte Lücke auafüllf, und
deahftib bestens empfohlen werden muss.
bei der Natur solcher Arbeiten liegt die Unmöglichkeit auf
der Hand, den Hauptinhalt im Aussuge mitiutheileD. Das ge<
oaue Durchlesen der eineeinen Kapitel kann Niemandem erspart
werdeii.
Dagegen möchte anf folgende Kapitel besonders aufmerk*
sam gemacht werden, wegen der neuen Befunde sowohl als def
neuen und geistreichen Ansobanungen, die sie enthalten.
Das Kapitel von der Niere, pag. 287 — 320. Hierbei muafl
man freilich im Auge behalten, dass die Histologie durch Schweig*
ger-Stidel wesentliche Berichtigungen erfahren bat»
Die Harnblase, pag- 321 — 334. Die Lehre vom Har»*
blasenTerscblttss ; die Sichtung der Nomenclatnr bei den einael*
nen Theilen der Blase. Die Feststellung der normalen Gestalt
der Harnblase, welche nicht so ohne Weiter«! nach Durchschnit-
ten an gefrorenen Präparaten bestimmt werden darf.
Der Bau, namentlich die Beschaffenheit der Muskulatur der
weibliehen Harnröhre, pag. 465^489.
Der Ovidukt und die Ovarien, pag. 466—489.
Die Perinaealmuskein, pag. 490— 518.
Die ganee Ausstattung des Buches, besonders aber die Ans-
fiihrung der sum Theil farbigen HoUschnitte gehören su den
besten Leistungen der heutigen Technik. B.
Die conibhiirte äussere und innere Wendung von </. Brax-
ton Hicks, M. D. Lehrer der Geburlshulfe und Frauen-
krankheiten und Arzt an Guy*s Hospilal z\\ London etc. ;
aus dem Englischen und mit Zusätzen von Wilhelm L.
Künekey Privatdoceut Kn Göltingen. Gölliitgen 1865.
8<>. p. 86.
Herr K. hat sich ein anerkennenswerthes Verdienst erwor-
ben, dadurch, da»8 er die zwar schon in der Lancet 1860 veröf-
fentlichte und später 18^8 der geburtsbiilflicben Oesellsehaft in
London vorgelegte, den deutschen Faohgenossen bisher aber wohl
weniger bekannte neue Wendungsmethode von Bicka, durch Ueber*
tragUDg ins Deutsche und ergänzende ZusÜtse zur weiteren Kennt-
iiiss nnd L'rüfang gebracht hat.
Hirk»^ Methode gründet sich zunHchst anf die br>kannte
TFt^an(i*sche durch Uussere Handgriffe, dehnt dieselbe aber in
mehrfacher Besiehung wesentlich aus, namentlich dadurch, dass
gleichzeitig mit den äusseren Manipulationen auch von der
Scheide und dem Muttermunde aus mit zwei, höchstens vier Fin-
gern, so dass die Dicke der Hand den Muttermund nicht durch
Sae ^XV. Literatur.
sehreitet, der yorlie^ende Kindestheil In sweckmUset^er Wei.«c
nach oben and sar Seite gesehoben wird, um dem ^00 aaeeee
herabgedrückten Kindestheile vollkommen Plats an machen. Kacfc
gemachter Wendung wird dann der nen eingetretene Kfndestheil
von der innen befindliehen Hand festgehalten and dieser Stand
auch durch weitere Kusse re Manipulationen und Liag^erang der
Gebärenden dauernd gemacht. Hickt macht in dieser Weise alle
Arten von Wendungen , bei Querlagen und Schieflagen auf des
Kopf und dre Ftisse, bei Kopflagen auf die Füsse n. s. w., nnd
Bwar nicht bloss bei noch hochstehendem, gani bewegltcbem vor-
liegendem Theile mit noch vorhandenem Fruchtwasser, sondern
auch nach Abfluss des letsteren, selbst bei tieferem Stande des
Kindes, bei Vorfall des Armes, der Nabelschnur, welche letster«
entweder vorher oder nachher reponirt werden. Ftir alle diese
verschiedenen Fülle werden bestimmte Kegeln ertheilt und die-
selben durch interessante Beispiele erläutert und bestl&tigt. Else
eigenthümliche Methode des VeH.'s bei Flacenta praevia besteht
darin, dass er schon an Anfang oder vor der Geburt, sobald
eine bedenkliebere Blutung stattgefunden hat, das Kind anf die
Füsse wendet, dann die Blase sprengt, den einen Fnss sanft
durch den Muttermund leitet, und nur so viel ansieht, daaa er
als Tampon von innen her dient und nun der Natur die Gebart
überlftsst, nur dass der Fuss immer nach unten gespannt erhalteo
wird. Die Blutung hört dann fast constant auf, die Frau erholt
sich und die weitere Geburt ist wie bei jeder Fnsslage an be-
handeln. Verf. ist fern davon, durch seine Wendungsmethode die
bisher üblichen ersetzen oder beseitigen zu wollen, aber er hebt
folgende positive Vortheile hervor:
1) Wir gewinnen durch dies Verfahren die günstige Gele-
genheit,^ abnorme Lagen, sobald sie erkannt aind , an ver-
bessern;
2) die Befähigung, früh au eytbinden;
H) die Gelegunheit das Kind als Tampon bei Placenta praevia
zu benutzen;
4) die Ausführbarkeit der Wendung zu einer Zeit, wann das
alte Verfahren nicht anwendbar ist;
5) die Gelegenheit, die Wendung auf den Kopf viel leichter
und rascher auszuführen als früher.
Ferner glaubt Verf. folgende Nachtheile zu vermeiden:
1) die Vermehrung des üterusinhaltes um die Hand und viel-
leicht um den Arm, und damit die gesetzte augenblickliche
und die Chance einer nachfolgenden Reizung;
2) den Eintritt von Luft in den Uterus;
3) die Möglichkeit einer Utcrnsrnptnr, da der Druck dem
bei der gewöhnlichen Methode entgegengesetzt ist;
4) viel von dem Schmerz und der Qual des gewöhnlichen
Verfahrens:
XXV. Liter«tnr. 397
6) die Nothirendigkdft der Entblössoiig^ de» Arme» ond viel-
leicht das Ablegen des Rookefl des Operat^ars ;
6) viel voo der Ermüdang and Scbmenbafttgkeit, welche der
Operirende durch den Dmck des Uteras wUhrend der We-
hencontracUon erleidet;
7) die Vermehrung des Collapsus durch die Gegenwart der
Hand in Fällen schwerer Erschöpfung.
Verf. yerhehlt aber aach nicht die Schwierigkeiten, welche
seinem Verfahren entgegentreten können und namentlich s^ch
geltend machen durch Zusammengebeugtsein des Fötus in sich
selbst , durch fette Wehencontraction des Uterus am das Kind,
durch die Action der Baaohmuskeln und das Umherwerfen unru-
higer Oebärenden, durch gftnslicb mangelnde ResistonsfAhigkeit
des Kindes, was besonders bei noch nicht reifen und macerirten
Früchten hervortritt, durch übermässige Ansammlnng von Frucht-
wasser, — indess glaubt er diese Schwierigkeiten durch Chloro-
form» Kühe, Schonung, Gedold, Ablassen des Fruchtwassersi über-
haupt methodisches Operiren fast immer überwinden sa können.
Jedenfalls verdient diese combinirte Wendungsmethode die
eingehendste Prüfung von Seiten der Fachgenossen und all dem
Zwecke empfehlen wir dringend das nähere Stadium der kleinen
Schrift.
£ine empfindliche Lücke in der kursen historischen Ueber-
sicht des Verfassers über die bisher von englischen und fran-
aösischen Aeriten geübten ähnlichen Wendungsmethoden, hat der
Uebersetaer aweckmässig durch Angabe der Leistungen der deut-
schen, welche jedenfalls die bemerkenswertheren sind, ausge-
füllt nnd aosserdem an verschiedenen Stellen sachgemässe Zu-
sätae beigefügt. C.
E. KoeberU, de rovainotomie. Paris, 1855. 8<^. 88 p.
Le m^me, op^ations d'ovariotomie; avec 6 planches lith.
_ Paris, 1865. 152 p.
Beide Broohüren ergänaen sich gegenseitig, indem der
in der ersten nur vorbereitete therapeutische Tbeil in der
aweiten enthalten nnd durch getreue Eraähinng der vom N^rf.
operirten Fälle unmittelbar illustrirt ist« Ein ksraer Abriss der
eigenen Operationen findet sich in dem statistischen Ueberblicke
pag. 46. der ersten Brochüre. Verf. hat das Verdienst, die in
Frankreich in Verruf nnd Verfall gerathene Oophorotomie in sei-
nem Vaterlande wieder in Aufnahme gebracht lu haben. Dies
ist durch die in der kursen Zeit von swei Jahren mit seltenem
Glück ausgeführte Reihe von Bauchschnitten geschehen, von denen
sieben sor Aüsrottong eines Eierstockes, fünf aar Wegnahme
XXV. biterttur.
beider Ovurieti, nnä in einem dieser Fft)>e fiiiBAer<lein de« Utervi
und einefl FibroVdes nm letsteren dienten. ¥on diesen Open-
tiönen worden nenn durch Heilung' (gekrönt.
Verf. ist nicht unbescheiden, wenn er den Erfolg hAnpt-
sachlich auf die Umsicht bei der Operation, dann anf die sor^
fftitige Nuohb^handlnng besieht; mit Recht ist er für seitige Vor-
nahme des RadicAlschnitteA eingenommen, denn anch -wir habee
einen Theil das unglüclclichen Ausganges in djsr eigenen Praxis
auf die durch Umatände zn lang* hinausgeschobene Frist des
definitiven Verfahrens schittbeu müssen. Eingenommen ist Verf.
von der Anwendung des Eisenehlorids als blutstillendes und aaa>
dorrenden Mittels. Die Localitftt, worin Verf. operirt, «prieirt
eigentlich den hygteinischen GrundsKtaen Hohn, denn trotz einer
als höchst ungesund ansusehenden Umgebung Icsm aneh nach
anderen chirurgischen Bingriifen Pyämie bisher mit einer ein-
sigen Ausnahme nichi; vor (II., p. 2.),
RröfThet wird die erste Abhandlung »it einer siemlich ein-
gehenden Geschichte unserer Operation, welche sich an die Bann-
sprüche knüpft, womit die Oophorotomie noch vor Knrsem in
der franansischen Akademie versehen wurde. Die IrrtbAmer in
der Diagnos<v, früher im Verhältnisse von 1 : 10 bekannt, inS^en
swar immer noch häufig sein — die Mehrzahl pflegt darüber
Schweigen an bewahren — sind aber sicher vermeidbarer ge-
worden. Unter den Ans^igen zur Laparotomie venniaat Ree. die
Selbstverdrehung des Stieles der Oeschwulat unter stOrmiaefaen
Erscheinungen. O, Hmmi^.
F, C. Faye^ Beretning om Födselsstiftelsen i Christiania i
Sexaars-Tidsrunimet fra 18Ö8 til 1863.
Der vorliegende Bericht de« geschätzten Verf/a erzHhlt die
VorkommniMe in der nOY^ischen OebXranatalt w&hread des oben
i^9«zeic)]naten ^Sezanniums, und aablietat sich a^wohl an den die
Jahre 1818—1857 umfassenden Bericht an, als er auch auf ein-
zelne Abhandlungen über Rnptura uteri gravidi, Deviation- und
Ptbrome der Gebärmutter und über acute Pnerperalerkrankun-
^en Bezug- nimmt, welche derselbe ins Korak Magazin for Lae-
gevidenskäben vei^lMfentlicht hat.
OpgenwKrtiges Schriftchen, sieben Bogen stark, ist voll von
statistischem Material anr Physiologie des Kindbette« nnd aehliestt
mit dem Engehniss der Untersuehungen an Schwangeren ; es ver^
dient eine Uebertragung loa Deutsche, wäre es a«eh nnr wegen
der gehaltvollen Betrachtnog über das Puerperalfieber (Seite
26—76).
919 Oeburten und 76 gjnftkologiaclie Fälle wurden beban-
delt. Man hatte 655 erste, 211 zweite, eine drUte, »woi vierte
XXV. Literstnr. 999
SelilldehfceHniigcn bei der Geburt, ein erste, einp zweite Ce-
«ichtiiUg^e , 36 Beckenetidlftgeti (19 Prapvii> dnnibtijt, wornntpr
ehk MftI FnsAg'eMirt bervorging*, nod sechs FnasUgen), vier Qner-
Ugen; nevn ZwilKogsgeburten.
Die Zange wirkte um vorliegenden Kopfe 27 Mal; Verf.
laBst sie gern in der Seitenlage der Gebärenden wirken; die
^Leniceps" fand er nnr im Ausgange brancbhar — fragt, warum
ßrfinder nicbt gleicb „Matte'iceps' daran geknüpft babe, weil
es demselben so angelegen gewesen sei, sich unter dem Panier
des nenen Instrumentes im gebnrtshülflichen Wappensaale wie-
dersufinden.
Fünf Mal wurde die Wendung auf einen Fuss ansgefUhrti
darunter ein Mal wegen Beckenenge und Armvorfalls. Künst-
liche Frühgeburten vier wegen enger Becken, meist' cpm-
binirte Verfahren; in einem Beispiele (S. 13.) war Inductions-
electricitXt von entscheidender Wirkung — in 1 mnsste durch
Embryulcie beendet werden (schon anderswo beacbriebeu).; '
Aensaerste Giado von Beokeneoge sind in Norwegen ho'shat
selten; bei mä^sigan Graden spricht sich V«rf., gegenüber vor-
auagegangenen schweren Zangenentbindungen für die Wea-
dung aus.
Oredi^B M]Btho4e der Naohgebnrtaontferniing war in Chri-
stiania noch nicht im Falle versucht zu werden, „sie sei ff^r g^
wohnlich nnnöthfg nnd nainrwidrig, bei Verwachsung tind tiefem
Stande der Placenta aber nicht angeseigt*. Nachblutung kam
nnr sehn Mal vor; in einem Beispiele waren Oompression der
Aorta oberhalb des Abgangs der Aa. spermat. int. nnd Einspritsen
von Eisenchlorid erfolgreich.
Vorfall der Nabelschnur neun , Umschlingung um den Hals
171, Knoten einer. Es folgt die ErzShlung einiger Mortes snbi-
tae. Verf. macht auf die faserstoff reic hon Sputa bron-
chitischer Schwangerer anfmerksam. Weisse Schenkelgeschwulst
fünf, Thrombose 1, Manie sechs (1 mit Eklampsie starb), die
übrigen acht Eklumptischen genasen P Syphilis 13 (mehrere wur-
den de rivatorisch mit Brechweinsteinsalbe behandelt). Damm-
riss fünf, Mastitis 13. — F, lobt den Collodiumverband.
Auffallend ist die Uebersahl geborener Mädchen.
Znr Reinigung der mit Kindbettfieber inficirten Zimmer
versuchte Verf. Ozon, fand aber, dass dies die Krankheit, welche
mit eii^zelnen Diphtheritiden der Genitalien einzuziehen pfTegte,
nur Vorschub leistete. Dagegen wsr Rftnchern mit Schwefcl-
arsen nnd mit dem weniger gefKhrlichen Schwefel allein befrie-
digend. Schwefelraucherungen wurden für unsere Zwecke schon
1776 von Leäke empfohlen (p. 39.). In nördlichen Klimaten reiche
die Lüftung durch einander gegenübe rsteli,ende Fenster oder Thü-
400 ^^^' Litenitar.
reo eines KrankensimmerB ffir gewöhnliclie Zeiten TolUcammca
aus, pnd sei besser als die künstUefaen VeraoaUiltun^en. In
Winter wird ansaerdeni mit Böbren, die oben io den Schornstei-
nen nach aussen führen, gewärmte Lull ans dem Ofen ins Zim-
mer geschafft; auch steht unter jedem Bett ein Kasten mit frisch
geglühter Holskohle, und in jedem Zimmer ein Napf mit
Kreosot. Zum Reinigen der Finger empfiehlt Verf. jnehr als
den Chlorkalk das KaCy oder den Holaessig. Die Vibrionen
im Excrete halten wir mit Verf. für secundär; dagegen ist j^« sa
der geringen Ansah! von Pathologen su rechnen , welche Ge-
müthsbewpgungen als unmittelbare Anlässe cum Paerperalfieber
anerkennen — die Mehrsahl operirt bei Anfstjellnog der Her-
gänge in dieser Krankheit quasi ohne Nervensystem.
Mit den Sulfiten hat Verf. keine sonderlichen Erfahroa-
gen gemacht, obschon er einräumt, dass die Anwendung dersel-
ben einige Zeit vor der Niederkunft beginnen sollte. AU kiih-
lend-antiseptisches Getränk gebraucht er eine Mischung voa
aa HCL und NO5 mit Zackerwasser. Fleissig übt er Einspritsoa'
gen von lauem Wasser nnd von verdünntem Eisenchlorid oder
Holsessig bei übelriechendem Ansflnsse, selbst von Sllbeiiosnng
in die Gebärmutterhdhle; das Pnerperalfieber ist ihm eine stel-
lenweis epidemische Seuche.
Hei nBeeken-Cellolitis'* [Voz barbaral Rec] verwirft er
Simpson* s Probeatioh.
Transfusion wurde einmal ohne Glück aasgefiShrt.
XXVL
Ueber Hypospadie beim Weibe.
Von
Dr. C. L. Heppner in St. Petersburg.
(Mit einer Abbildung.)
Unter den für den Gynäkologen wichtigen Entwickelungs-
anomalien der weiblichen Harn- und Geschlechtsorgane neh-
men die Tersehiedenen Grade der Kloakenbildung einen her-
vorragenden Platz ein, und man könnte sagen, dass, je
geringer die Anomalie, desto grösser das Interesse des prak-
tischen Arztes, weil ja bei den höheren Graden die Lebens-
fähigkeit des Individuums, bei den mittleren dagegen gröss-
leqtheils die Möglichkeit einer ärztlichen Hülfe ausgeschlossen
werden muss. Unter die geringeren Grade der Kloakenbil-
düng beim Weibe (der unvollkommenen Kloake) sind die Fälle
zu rechnen, wo bei vorhandener, mehr oder weniger normal
gebildeter Vagina das Rectum in letztere ausmündet, oder
auch umgekehrt (wie unter anderen in dem durch Louis'
Process 1754 berühmt gewordenen Falle ^)), oder bei nor-
malem Verhalten des Mastdarms eine fehlerhafte Ausmündung
der Harnwege stattfindet. Letztere bietet mehrere Formen
dar: entweder öffnen sich bei fehlender Harnblase die.Ure-
teren direct in die Scheide^) (äusserst selten), oder trotz
1) Oeoffroy St. Hilaire^ Histoire des anomalies de Torgani-
sation. T. I. 1832. pag. 601,
2) Ibid. p. 500.
Monatsffcfar. f. Ocburtsk. 1865. Bd. XXVI., llft 6. 26
402 XXVI. Beppner^ Ueher HypoRpadie beim Weibe.
vorhandener Blase in den Mastdarm {Huxham's *) Fali), od«-
die Urethra mündet, statt in den Vorhof, in die Scheide, odrr
es fehlt endlich die Harnröhre gänzlich oder iheilweise, und
die Blase communicirt durch einen Spalt mit dem Vagmal-
kanal. Die angeborene Communication des Mastdarms und
der Scheide ist häufiger beobachtet und hat sogar ohne Be-
einträchtigung der geschlechtlichen Functionen, ja sogar ohne
Vorwissen des Weibes ^) bestanden, während hingegen fehler-
hafte Ausmündung oder Mangel der Harnröhre grösstenlbeils
an derartige Bildungsfehler der Genitalien geknüpft ist, durch
welche die betroffenen Individuen zum geschlechtlichen Um-
gänge und zur Couception unfähig gemacht sind. Hierher ge-
hören : Verkümmerung oder ganzlichei* Mangel des Uterus und
der Ovarien, Verengerung oder Verwachsung der Scheide, und
nicht selten fehlerhafte (hermapliroditische Form) der äussern
Genitalien. Fälle dieser Art, d. h. Verbildung oder Mangel
der Harnröhre neben Verbildung der Gesciüechtstheile , sind
in der älteren und neueren Literatur^), wenn auch nicht
sehr zahlreich, so doch in genügender Menge verzeichnet, um
den Schluss ziehen zu können, dass dieselben zu den weniger
seltenen Erscheinungen gehören, während dagegen Mangel dir
Harnröhre bei übrigens normalen, die Begattung, Concepiiou
und Geburt nicht beeinträchtigenden Geschlechtsorganen so
spärlich beschrieben ist, dass wir Fälle dieser Art zu den
grössten Seltenheiten zählen dürfen. Dieser Umstand motivirt
daher zur Genüge die Veröffentlichung des nachstehenden^ in
anatomischer und klinischer Beziehung interessanten Falles.
Beobachtung. Alexandra Ä., Frau eines Uralschen Kosa-
kenofficiers, 22 Jahre alt, von mittlerem Wüchse und zartem
aber regelmässigem Körperbau, wurde am 19. Jan. 1864 in
die Klinik der St. Petersburger med. chir. Academie aufge-
1) Ämtnon^ Die angeborenen chir. Krankh. Text S. 41.
2) Leon Le Fort, Des vices de conforinatiou de raterns et
du vagin. Paris 1863. p. 120.
8) Vgl. Forster, MiBsbildungen d. Menschen. 1861. S. 128.
Förster, Pathol. Anat. 2. Anfl. 8. 463. Id. Alldem.
Th. 1866. S. 134.
• Rokitamky, Pathol. Anat. 3. Bd. S. S7H.
Kiwisch, Klinische Vorträge. 2. Bd. 1867. S. HH.
XXV] . HeppneTf lieber Hypospadte beim Weibe 403
nommen. Sie hatte seit ihrer frühesten Jugend an unwill-
kuhrlichem Harnabgang gelitten, war trotzdem vor l^a Jah-
ren in den Ehestand getreten und wurde vor neun Monaten
von einer Tochter entbunden. Die Niederkunft soll eine leichte
und das Wochenbett ein regelmässiges gewesen sein. In Be-
trelT des uiuthmasslichen Ursprungs ihres Uebels giebt Pa-
tientin ein, dass sie, nach Aussage ihrer Eltern, in ihrem
dritten Lebensjahre im Kasanschen Klinicum einer Steinope-
ration unterworfen sein soll, die damals schon bestehende
Ilaruincontinenz soll jedoch durch die erwähnte Operation
weder eine Besserung noch Verschlimmerung erfahren haben.
Das Hebel wurde von ihren Eltern als schlechte Angewohn-
heit ausgelegt und mit Tränken und . sympathetischen Mitteln
erfolglos behandelt.
Wie sonst, so ist auch gegenwartig der Harnverlust kein
beständiger, sondern tritt mit Intervallen ein, und pflegt sich
meist dem Willensimpuls zu unterwerfen. Bei ruhigem Sitzen
oder Liegen mit geschlossenen Schenkeln kann Patientin den
Harn drei bis fünf Stunden lang halten, und entleert ihn dann
meist willkührlich; bei heiligen Bewegungen des Körpers oder
geistigen Aufregungen ist die Harnentleerung eine häufigere
und nicht selten unwillkührliche. Audi pflegt regelmässig
während des nächthchen Schlafes Bettnässen zu erfolgen. Die
Incontinenz soll sich durch die stattgehabte Entbindung etwas
verschlimmert haben, ohne jedoch die Patientin in den ti*au-
rigen Zustand eigentlicher Fistelkranken zu versetzen.
Die Exploration der Genitalien ergicbt Folgendes: Die
Clitoris (Fig. 1. a.), nebst ihrem Präputium und Frenulum
so wie die Nymphen (ö.) sind sehr entwickelt und promi-
niren um ein Bedeutendes aus der Schamspalte. Zieht man
die Wasserlefzen auseinander, so gelangt man auf ein weites
und ebenes Vestibulum. Das Tuberculum ostii urethrae fehlt
am Bande des Scheideneinganges, eben so wenig ist von den
Caruncuiae myrtiformes eine Spur zu entdecken. Statt des
Tuberculum urethrae bemerkt man auf dein halben Wege
von der Clitoris zum Scheideneingange, und zwar etwas links
von der Miltelhnie einen, etwa erbsengrossen, warzenförmigen
Vorsprung (c), der sich nach Aussen in ein schmales Fält-
clieu (d,) forlselzl. Durch beide wird ein ÜJicher, gegon den
404 XX Vf. Heppner, Uelu-r Hypospadie beim Weibe. -
Scheideneingang gerichteler Bündsack (e.) gebildel. Nach
hinten hin zieht sich der Vorsprung ebenfalls in ein leichtes
Fältchen (/.) aus, das parallel der Mittellinie, gegen des
Scheideneingang hinzieht, ohno ihn jedoch zu erreichen. In
gleicher Höhe mit dem erwähnten linksseitigen Vorsprunge und
gleichem Abstände von der Medianlinie markirt sich rechts
eine, in den Scbeideneingang hineinziehende Schleimhaatwnlst
(^.), die sich weniger durch ihre Höhe, als durch ihre pur-
purrothe Farbe auszeichnet. Aehniiche gewuislele rotbe Par-
thieen der Schleimhaut linden sich hin und wieder in der
Nähe der Hittellinie zerstreut. Der zwischen dem warzen-
arligen/Schleimhaulvorsprung linkerseits (c.) und der rotheo
Längswulst rechterseits {g,) liegende Theii des Vorbofs biidel
eine seichte, in die Scheide hineinziehende Rinne (t.). Durch
ein paar leicht geschwungene, von dem Vorsprung zum An-
fang d^r Längswulst ziehende Fältchen (A.) bekommt diese
Furche vorn ihren Abschluss.
Eine Harnröhre lässt sich weder in der Medianlinie, nocli
seitlich von ihr ermitteln. Durch Toucbiren des vorderoi
Umfangs des Scheideneinganges überzeugt man sich, dass dk
Schleimhaut desselben fast unmittelbar auf dem Arcus pubis
aufliegt. Fuhrt man den Finger in die massig weite Scheide.
so lallt ein querer, V2" hinter dem Scheideneingange {k.) ge-
legener Spalt (L) in ihrer vorderen Wand auf, der den Zetge-
fmger bequem in die Höhle der Blase eindringen lässL Der
hintere Rand (m.) des Spaltes ist deutlich ausgesprochen und
fühlt sich härtlich an, ohne gerade callös zu sein, der vordere
Rand ist flach und weich. Nach Einführung des S%ms*6chen
Speculum Nr. 2. sieht man die OefTnung als einen zwei Gen-
timeter langen, leicht bogenförmigen Querspalt, zwei Centi-
meter hinter dem vorderen Rande des Scheideneinganges und
4% Centimeler hinter dem warzenförmigen Vorsprunge (c.)
am Vorhof, liegen, sein vorderer Rand bietet die Charaktere
der Blasenschleimhapt (purpurrothe F^rbe und Schmerzhaft
tigkeit beim Berühren), der hintere die der normalen Schei-
denschleimhaut dar. Die am Vorhofe befindliche seichte Rinne
(i.), einen leichten, gegen die Symphysis concaven Bogen bil-
dtnui, ohne scharfe Grenzo in die vordere Blasenwand über.
XXVI. Heppner, Ueher HypOMpadie beim Weibe. 405
Der Uterus ist so bedeutend nach vorn geneigt, dass sein
Hals direct zur Fovea sacraiis gerichtet ist, während sein
Grund den oberen Theil der hinteren ßlasenwand gegen die
Blasenhöhle einstülpt und letztere gewissermaassen in zwei
Abschnitte tbeilt. Das Perinaeum ist kurz, lässt aber keine
Narbenspuren entdecken.
Die Erkenntniss des wahren Sachverbaltes ist in vorste-
hendem Falle keine ganz leichte. Wenn wir von den ana-
nuiestischen , so häufig irre fuhrenden Angaben abstrahiren,
und uns zunächst daran halten, dass wir es mit. einem Bla*
senspalle nach vorhergegangener Geburt zu thun haben, so
wären wir genöthigt, das Uebel für eine gewöhnliche, mit
Alresie der Harnröhre complicirte Blasenscheidenfislel zu hal-
ten. Mit dieser Diagnose wurde mir in der That die Kranke
zugeschickt und erst ein sorgfaltiges Studium der afficirten
Theile belehrte mich eines Anderen. Der links am Vorhofe
aufsitzende Blindsack täuscht den Anfang einer Harnröhre
vor, doch fehlt, wie erwähnt, gänzlich eine Verdickung des
vorderen Umfanges des Scheideneinganges, in der sich dieser
Kanal früher befunden haben könnte. Selbst bei sehr alten
Atresien der Harnröhre schwindet diese Verdickung nie in
dem JMaasse, dass sie sich nicht als harte Wulst unter dem
Arcus pubis anfühlen liesse. Eben so wenig lässt sich an-
nehmen, dass ein bei der Niederkunft erfolgter und sich bis
auf die Harnröhre erstreckender Riss die erstere in ihrem
^'anzen Verlaufe zerstört haben könnte, ßei Verletzungen
(lieser Art ist überhaupt nur die obere Hälfte, wegen ihrer
Lage hinter dem Arcus pubis, nicht aber der untere, in
VVeichtheiie gebettete Theil der Harnröhre gefährdet. Es
i»liebe noch die Vermutliung übrig, ob nicht etwa dieser al>-
norme Zustand der Genitalien durch eine Operation, etwa
eine Aufschlilzung der ganzen Harnröhre, entstanden sein
könnte, was durch die Anamnese sehr wahrscheinlich gemacht
wird. Patientin giebt aber auch an, dass sie vor der muth-
ukasslichen Steinoperation in derselben Weise an Incontinenz
gelitten habe, wie nachher und dass der Steinschnitl das
L'<»l)el keineswegs verschlimmert habe, ich vermulhe daher.
406 XXVI. Ileppner , lJel)ör Hypospadie beim Weibe.
dass ns sich woh) nur uro die Extraction ein^s Hamconrr^
roents durch den schon vorhandenen Blasenspalt, riiclit alwT
uro eine hlulige Operation gehandelt haben mag. Di«'s<.* Vit-
routhung erhält noch eine wesentliche Stolze durch die Aus-
sage des Herrn Prof. v. Kieter , der uro die Zeit , als Pa-
tientin operirt wurde, Professor der Chirurgie in Kas<ui w.nr.
und sich keiner einzigen eigentlichen Stcinoperatiofi an f*iii<*i]i
so jungen Madchen entsinnen konnte.
Indem wir also die Annahme eines mechanischen Ursprungs
des besprochenen Uehels zurückzuweisen genöthigt sind, biribt
uns nur noch übrig, dasselbe als eine angeborene Mis^bildung
zu defroiren. Die Abwesenheit jeglicher Narbe, sowohl an der
Stelle der fehlenden Urethra, als auch in der Circumferenz
des Blasenspaltes, sowie der Mangel einer Verdickung aio
vorderen Umfange des Scheideneinganges, erlauben den Schloss.
dass die Harnröhre weder gespalten noch atresirl sei, sondern
dass sie sich vielmehr nie geschlossen habe. Die seichle
Grube in der Mittellinie des Vorhofes, die in ihrem hinteren
Theile schon deutlich die Charaktere der Blasenschleimhaut
aufweist, stellt somit die obere Wand der Harnröhre, 6\*'
Schleirahautpa|)ille am Vorhofe, sowie die gegen die Scheide
ziehenden Längswnlste bilden die rudimentären Ränder de>
unverhclllnissmassig' in die Länge gezogenen embryonalen Blä-
senscheidenspaltes. Die halbmondförmige Oeffnung in der Blasr
entspricht dem Oslium vesicale der Urethra (dem früher so-
genannten Blasenhalse) und sein freier Rand enthält wafn--
scheinlich einen Theil der Harnröhrenmuskulatur. Der Zu-
stand ist somit dem beim männlichen Geschlecht ungleich
häufiger beobachteten unteren Harnröhrenspalt (Hypospadie)
gleich zu stellen.
Die Enlwickelungsgeschichte giebt uns genügenden Auf-
schluss über die Entstehung einer Missbildung, wie wir sir
im gegenwärtigen Falle beobachten. Wir recapituliren in
Kürze die hierher gehörigen, bekannten Data der Embryo-
logie ^). hl der zehnten Woche «fer Entwickelung gebt
die Differenzirung des, Anfangs in eine gemeinsame Kloake
1) A. Köllikery Eiitwickelungsgcschichte. 18G1. 8. 441—143.
und 447—468.
XXVI. Heppner^ lieber Uypospadie beim Weibe. 407
ausinundeii(k)ii Darms und Uro-genilalsystems, durch Bildung
d«s Septum recto-vaginale (des Perinäuiii) vor sieb. Die bei-
den, unterhalb der Uruieren mit einander verschmelzenden
^tiZZe9*'s€heu Gänge munden in das zur Harnblase umgewan-
delte unlere Ende des Allantoisstieles. Der unter der Ver-
einigungsstelle liegende, für Harn- und Geschlechtsorgane ge-
meinschartliche Gang, ist der Sinus uro-genitalis. Eine Urethi^a
existirt Anfangs nicht, sondern bildet sich erst in einer spä-
teren Periode dadurch, dass sich bei fortschreitender Ent-
wickelung aller Theile die Blasenöffhung zu einem Kanäle aus-
zieht, wobei ein Herabtreten des liinteren Randes derselben
(der zum Septum urethro-vaginale wird), die Hauptsache bii-
tlet. Das Grössenverhältniss der Blasen- und Scheidenöifnung
im Sinus uro-genitalis ist im Anfange, ein anderes als in spä-
teren Perioden, in so fern als bis zum fünften oder sech-
sten Fötalmonat das Orificium vesicae im Vergleiche zum Ori-
ücimn vaginae sehr grosls ist, und somit der Sinus uro-geni-
talis als eine directe Fortsetzung der Blasenhöhle erscheint
und die Scheide gewissermassen wie einen accessorischen
Gang aufnimmt. Erst allmälig ändert sich dies Verhältniss
in dem Maasse, als sich die Scheide erweitert und sich der
Sinus uro-genitalis als Fortsetzung der Scheide herausbildet,
die am Ende ihrer vorderen Wand die Blasenöffnung auf-
nimmt Der Sinus uro-genitalis verflacht sich beim Weibe
zum Vorhof, die Urethra ruckt unter den Schambogen, und
durch die Ausbildung eines Hymen bekommt der primitive
Sinus uro-genitalis gegen die Scheide hin seinen definitiven
Abschlussr
Halten wir zunächst die Urethra im Auge, so ergeben
sich bei der Verfolgung ihres Entwickelungsganges die auf
Bildungshemmung beruhenden Anomalien derselben von selbst.
Wir werden zwei Kategorien untersclieiden müssen: 1) Per-
sistenz des Sinus uro-genitalis mit Ausbildung der Harnröhre
= hohe Ausuiundung derselben, und 2) Persistenz des Sinus
und directe Communication desselben mit der Blase ohne Bil-
dung , einer Harnröhre == Mangel oder Spaltung derselben.
Die Unterarten für jede Kategorie ergeben sich aus dem Grade
der Ausbildung der Geschlechtsorgane, ob dieselben nämlich
reliiiiv normal oder viliös gesfnltet sind. *
408 XXVI. Beppner, lieber Hypospadie beim Weibe.
I. Persistenz des Sinus uro - genitalis mit
Ausbildung einer Harnröhre. In diesem Falle Gndei
man zwischen Clitoris und Perinäum statt zweier Oeffiiungpn
nur eine , welche in. einen mehr oder weniger langen Kanal
führt, der sich an seinem oberen Ende .in zwei Gäoge aoN
löst, einen vorderen, die Harnröhre, einen hinlereo, die
Scheide. Findet keine anderweitige Anomalie der Geschlechts-
theile statt, so wird der Sinus uro -genitalis als untere Par-
thie und ununterbrochene Fortsetzung der Scheide erschei-
nen, die die Mundung der Harnröhre höher, als es sein inusste,
aufnimmt Das Individuum wird daher für die geschlecbl-
lichen Funktionen befähigt sein. Dies ist der niedrigste Grad
der Verbildung der Harnröhre, in welchem die Genitalien von
der Mitleidenschaft verschont bleiben, ein Umstand, der sich
aus dem Entwickelungsmodus erklären lässt. Wir haben ge-
zeigt, dass die hohe Ausmändung der Urethra eigentlich kein
selbstständiges Uebel ist, sondern dadurch bedingt wird, dass
sich die Scheide nicht hinlänglich entwickelt, um den Sinus
uro- genitalis vor sich her unter den Sdiambogen zu scbieb«»
(naturlich nicht factu sondern effectu), woher sich zu der be-
sprochenen Harnröhrenanomalie meist auch eine Genitalieu-
anomalie, namentlich die der Scheide, zu gesellen pflegt. lu
der That ist es mii' nicht gelungen, in der Literatur, soweit
mir dieselbe zu Gebote stand, auch nur einen authentischen
Fall ausfindig zu machen, in dem an einem erwachsenen
Frauenzimmer, bei sonst normalen Geschleditstheilen , eine
bedeutend hohe Aiismundung der Harnröhre stattgefunden hätte.
Dagegen liesse sich die folgende, nach einem Präpbrate des
Wiener anatomischen Museums von Engd ^) gemachte Be-
schreibung hierher rangiren: Ab einem vier Wochen alten
Kinde findet man die Clitoris sehr entwickelt und mit einer
von den kleinen Schamlippen entblössten Eichel versehen.
An ihrer untern Seite beginnt eine Hautfalte, diese leitet zu
einer, zwischen den grossen Schamlippen verborgenen, kaum
für eine massig dicke Sonde durchgängigen OefTnung, mit
welcher ein zwei Linien langer Kanal beginnt, der sieb so-
fort in zwei Aeste spaltet, einen oberen, die Harnröhre, einen
1) Oestr. Med. Jahrb. N. F. Bd. XXII. III. St.
XXVI. HeppneVi Ueber HypOHpadie beim Weibe. 409
unteren, den Scheidenkanal. Die Harn- und öhrigen Sexual-
organe sind vollkommen normal.
Zu den mit hoher Ausmündung der Urethra sich pro-
pagirenden Anomalien der Genitalien gehören: Hypertrophie
der Clitoris und überhaupt hermaphroditiscbe Form der äusseren
Geschlechtstheile , Verengerung der Scheide, entweder nur an
ihrer Mündung in den Sinns uro - genitalis oder der ganzen
Lfänge nach, vollständige Verwachsung der Scheide, Atrophie
oder Hangel der inneren Geschlechtstheile u. s. w. Diese
Anomalien können entweder vereinzelt oder mit emander ver-
bunden vorkommen. In diese Kategorie gehören die vielfach
beschriebenen und von Manchen fälschlicher Weise geläug-
neten weiblichen Pseudohermaphroditen. Es ist bekannt, wie
oft eine Verwechselung solcher Individuen mit mannlichen Hy-
pospadiaeen vorgekommen ist, und man Jcann den Rath Curs
linga ^) nicht genugsam beherzigen, dass der Arzt in jedem
zweifelhaften Falle dieser Art, die Sonde in den an der Wurzel
des Penis (oder der hypertrophirten Clitoris) befindlichen Spalt
einführen niuss, um zu entscheiden, ob sich der Kanal nicht
in zwei Gänge spaltet, was ein unzweifelhafter Beweis für die
Weiblichkeit der Individuen wäre. Ich muss jedoch hinzu-
fügen, dass, bei Abwesenheit einer Spaltung des Kanals, man
noch nicht zu dem umgekehrten Schluss berechtigt ist, da
möglicher Weise im gegebenen Falle an einem weiblichen
Individuum eine vollständige oder theilweise Obliteration der
Vagina stattgefunden haben kann, worauf ich in Folgendem
zurückkommen werde.
In vielen Fällen hat eine Verwechselung des Geschlechtes
höchstens nur die unangenehmen Folgen, dass dem respec-
tiven Individuum auf eine Zeitlang eine falsche Lebensstel-
lung zuerkannt wird, bis bei der eintretenden Pubertät der
Irrthum dann schliesslich dpch zu Tage kommt. Aber eine
Verkennung des Geschlechtes kann für den Kranken viel,
schlimmere Folgen hdb<m, wenn ein kuhner Operateur es sich
einfallen lässl, den angeborenen Fehler verbessern zu wollen.
So habe ich unter anderen folgenden curiosen Fall verzeichnet
1) Med. Times. Jan. 1852. SehmidVs Jahrb. Band 74.
Seite 195.
410 XXVI. H$ppner^ lieber Hypospadie beim Weibe.
gefunden: Ckigenmüüer ') erkaoni« ein neugebornes Kkii
all dem ein zwei Zoll langes, ioiperforirtes, mit einer ao ikr
unteren Fläche verlaufenden Rinne versehenes Glied und eine
Oefihung an der Wurzel desselben^ bemerkt wurde, als mann-
liehen Hypospadiaeus, und öbernahm es, die defecte Harn-
röhre wieder herzustellen und den in seitliche Hautfaiten ein-
gewachsenen Penis zurecht zu stutzen. In fünf Monaten führlc
er ca. zehn plastische Operationen aus, ohne zu eioem be-
friedigenden Resultate zu gelangen, und wäre, wie er ver-
sidiert, durch Ausdauer und Geschicklichkeit doch ooeh zum
Ziele gelangt, wenn das Kind nicht vor der Zeit an Perilonilis
gestorben wäre. Bei der Section erwies es sieb, dass die
angebliche Harnröhre an ihrem inneren Ende vom mit der
Blase, hinten aber mit einer gut entwickelten Sclidde com-
iuunicirte, und dass auch der Uterus und die Ovarien vor-
handen und vollständig ausgebildet waren.
Eine gute Beschreibung des anatomischen Befundes der
uns beschäftigenden Missbildung lieferte WüUgk^): Eine
im 46. Lebensjahre an Phlegmone femoris verstorbene Tag-
löhnerin, hatte eine 2V4" lange penisartige Clitoris. Her Uro-
genitalkanal war am Eingange von Catheterdicke, er veriief
bogenförmig unter der Schamfuge und theilte sieb IV«'' hinter
seiner Hautöffnung in zwei Gänge, einen vordem, die l" lange
Harnröhre und einen hinteren, die 2" Kf" Tange Scheide,
welche mit einer 4'" im Durchmesser haltenden OefShung be-
gaim, sich in ihrer Mitte bedeutend erweiterte und am Por-
nix wieder enger wurde. Schwache Andeutung der Columnac
rugarum in der eigentlichen Scheide, Uterus, Tuben und Ova-
rien normal.
Nicht immer hat der nach Aussen mündende gemein-
srhaflliche Gang an erwachsenen Personen so geringe Dimen-
sionen, wio in dem vorstehenden Falle, sondern manches Mal
(indet man einen ziemlich weiten, vielleicht durch vorherge-
gangenen for^irten Coitus noch mehr diiatirten Sack, der an
seinem oberen Ende Harnröhre und Scheide, letztere mit einer
verhältnissmässig engen OefTnung aufnimmt. In einem Falle
1) Varge'8 Zeitschr. f. Med., Chir. und Geburtsh. Bd. XIV
1S60. S. IGO.
2) Prager Viertoljahrschr. Bd. 46.. 1855.
XXVI. Heppner, Ueber Hypospndie beim Weibe. 411
dieser Art machte Hvguier ^) Einschnitte in die Vaginahiper-
tur und stellte so ein gleichroässig weites Scheidenrohr her.
— Wenn hei genögemler Wette des gemeinschafllicfaen üa-
nnls die Vagina verengt oder nicht erweiterungsfähig ist, kann
es vorkommen, dass beim Coitns der Penis^ nachdem er den Sinus
uro-genitahs passirt hat, in die eigentliche Harnröhre dringt, und
indem er dieselbe mechanisch aasdehnt, Dysurie hervorbringt.
Kin derartiger Fall wurde von JnmfU^) beobachtet: Bei
einer Frau von 30 Jahren fand sich an Stelle der Urethral-
und Scheidenöffnung nur ein Loch von der Grösse eines Fe-
derkiels. Nach Einfuhrung eines Cdtheters fioss sogleich
Urin ab, und da Jumn4 hinter (?) der Oeffnung Blut be-
merkte, so fohlte er sich bewogen, dieselbe durch einen,
seitlich vom Perinäum ausgehenden Schnitt zu erweitern. Der
eingeführte Finger, sowie die später vorgenommene Ocular-
inspection durchs Spcculum wiesen eine Kloake nach, an
deren vorderer Fläche die Blase durch eine spaltförmige Oeff-
nung coiiimunicirte und an deren Grund sicli der imperfo-
rirte Muttermund befand. Nach jedem Coitus stellte sich auf
eine Zeitlang Incontinentia urinae ein, woraus sich schliessen
lässt, dass der Penis bis in die Blase gedrungen sein muss.
In klinischer Beziehung dürfte folgende Beobachtung ^)
instructiv sein: Ein Fräulein von 21 Jahren iiess sich bei
ihrer 'bevorstehenden Verheirathung von Coste untersuchen.
Statt der Clitoris fand sich eui beinahe vollkommen ausge*^
hildeter imperforirter Penis, und 4'" unter seiner Basis, im
Winkel zweier Ilaulfalten eine Oeffnung vor, durch welche
Harn und Menstrualblut abflössen und die Goste als Harn-
röhrenmündung bezeichnet. Der wahre Sachverhalt scheint*
ihm nicht klar geworden zu sein, weil er, um die Dame für
den Coitus fähig zu machen, die Bildung einer Vagina vom ,
Perinuimj aus vornnhni. Nachdem er etwa einen Zoll weit
in die Tiefe die Weichtheilc gemannt halte, konnte er nicht
weiter vordrini^en, weil der zwischen der (vermeintlichen) Harn-
röhre und dem Masttlarme befiiidlichi* Raum zu eng wurde.
1) L'ünion mdd. T. 8. 1854. S. 208.
2) Gazotto, des höp. Nr. 9ü. 1850. S. 367.
3) JourDAl des coniinissances med. Nov. 1835.
412 XXVI. Heppner, (Jebcr Hypoupadie beim Weihe.
Er spaltete daher die hintere Wand der ersteren, und nach-
dem er mit der JSonde in einen tenninalen Kanal gelang
war, erweiterte er auch letzlere und stellte auf diese Weis^
eine hinlänglich weite Scheide her. Leider ist nicht angege*
ben, wie sich die eigentliche Hamröhrenöffnung zu dem Uro-
genitalkanal verhalten hat, dafür finden wir zum Schluss die.
im höchsten Grade unwahrscheinliche Bemerkung, dass durch
eine adhäsive Entzündung nach und nach die Yemarbung der
Wundränder der Harnröhre, und somit ihre gänzliche Tren-
nung von der neugebildeten Scheide herbeigeführt worden sei.
Obgleich sich Coste in vorstehendem Falle mehr vom
Zufalle und einer gewissen Leichtfertigkeit als von einer klares
Einsicht in den Sachverhalt bei der Wahl seiner Melbode
leiten hess, so kann uns letztere dennoch als ein mehr oder
weniger sicherer Anhaltspunkt für die künflige Behandlung
ähnlicher Fälle dienen. Es Hesse sich in dieser Bezi^ung
folgende Regel aufstellen: Nachdem vorher genau bestiminl
wurde, ob eine Harnröhre vorhanden und oh sie allein im
Stande ist, ohne Betheiligung des Sinus uro-genitahs den Unn
willkürlich zurückzuhalten, ferner ob eine durchgängige, mit
dem Sinus communicirende Scheide anwesend ist, wird die
Spalte des Sinus uro-genitalis gegen das Perinäum hin, ent-
weder auf einer in die Scheide eingeführte Hohlsonde mit einem
Schnitte oder schichtweise vorgenommen. Ein Finger musste
vom Mastdarme aus die Tiefe, bis zu welcher man vorsclu^ei-
ten darf, überwachen.
Wenn man auch in vielen Fällen nicht hoffen darf, ein
mit hoher Ausmündung der Urethra und Verengerung der
Scheide behaftetes Frauenzimmer, durch die vorgeschlagene
blutige Erweiterung der letzteren zur Conception und Geburt
zu befälligen, so dürfte doch meist durch die Operation eine
Möglichkeil der Copuiation erzielt werden. Ja, es kann eine
Schwangerschaft für solche Personen als unliebsame und ge-
fährliche Zugabe der geschlechtlichen Vermischung betrachtet
werden, weil die consistenten Narben der neugebildeten oder
blutig erweiterten Scheide ein schwer zu überwindendes Ge-
hurtshinderniss abgeben. Einen einschlägigen, lethal verlau-
fenden Fall theilt Debrou ^) mil. Immerhin kimn clor Opr-
1) Gazette med. Jan. 1851.
XXV]. Heppner, Ueber Hypospadie beim Weibe. 413
rateur darauf gefasst sein, das» ia einer blutig erweiterten
Scheide, selbst trotz späterer Anwendung unblutigei' dilatiren-
der Mittel, aufs Neue eine Verengerung grösseren oder ge-
ringeren Grades eintritt, wie solches die von Matsonneuve,
Piachaud^ WiUaume, Warbeck^ Rosii u. A. ') gemachten
Erfahrungen zur Genüge beweisen.
Wenn die Verengerung der Scheide, oberhalb ihrer Ver-
einigung mit der Urethra bedeutend ist, so kann es den An-
schein haben, als ob nicht die Harnröhre in die Scheide ein-
munde, sondern umgekehrt, d. h. es existirt ein Verhältniss,
wie es bis zum fünfteix oder sechsten Fötalmonat normal isl.
So hatten z. B. an einem von Engel ^) beschriebenen Prä-
parate die äusseren Genitalien des drei Wochen alten Kindes
hermaphroditische Bildung (penisartige Clitoris, mit einer an
der Basis derselben in einen Schlitz übergehenden Rinne),
die Urethra war zolllang und nahm, neun Linien von der
äusseren Oeifnung entfernt, die mit einer ringföi'niigen gefal-
teten Mündung beginnende, im ganzen Verlaufe enge Scheide
auf. — Die Verengerung der JScheide oberhalb der Urethral-
mündung , kann sich endlich zur vollständigen Verwachsung
steigern. In solchen Fällen beobachtet man einen mehr oder
weniger langen und weiten Blindsack, an dessen vorderer
Wand sich ein in die Blase führender Gang befindet. Natür-
lich ist die Entwickeluug der inneren Geschlechtstlieile grössten-
theils eine vitiöse. Derartige Fälle sind von Arany^), Knight*)
Jagemann ^), Herrmann ^) u. A. mitgetheilt.
Unzweifelhaft gehören in die Kategorie der uns beschäf-
tigenden Missbildung viele Fälle von Ibeilweisem oder gänz-
lichem Mangel der inneren Geschlechtstlieile. Bleiben die
ilfüZZer'schen Genitalstränge solide, wie sie es im Anlange
sind, und erfolgt keine lüntwickelung irgend eines Theiles der-
selben, so erhalten wir den Zustand scheinbar vollständiger
1) L« Fort, 1. c. p. 161 ff.
2) 1. c.
3) Prager Vierteljabrschr. Bd. 42. Nr. 128.
4) New-Orleans, med. and surg. Joarn. Nov. 18R0.
5) Neue Zeitschr. f. Oebartsk. v, Bu»chj d^OutreporU^ von
RitgiTn and von Siebold. Bd. 17. S. 16.
U) Med. Zeituuor Kussl. I.s67. Nr. 14.
414 XXVI. Htppu&r^ lieber Hypoiipadie beim Weibe.
Absenz der inneren GeschlechUurgane. Trotzdem wird
Vereinigung der »Is Rudimente persisUreoden GeniUüsLräiigi'
mit dem unleren Biasenende stattlinden, und somit der ein-
zige, von den äusseren Geschieditstheilen-begiuneDde Gang
in einem solchen Falle nicht als Urethra schlechtweg, soodern
als Sinus uro-genilalis -+- Urethra bezeichnet werden mü&sni.
Der praktische Arzt wird in diesen höheren Graden von
Verbildung des weiblichen Geschleclitsapparates am Besten
ihun, sich passiv zu verhalten. Wenn auch Le Fort l) den
Operations de complaisance , wie er sie nennt, bei denen es
sich nicht um die Erfüllung einer urgirenden lodicatioii, sob-
dem um Herstellung der Copulationsfahigkeit handele, das
Wort redet, so durfte sich schwerlich ein gewissenhafter Arzt
zu dergleichen hergeben, um so weniger, da solche Operationen
nicht selten gefahrliche Folgen nach sich ziehen. So erzählt
8zymanoio8ky'^\ dass zu ihm eine Dame gekommen sei, an
der man weder Scheide, noch Gebärmutter, wohl aber An-
wesenheit eines harten Körpers an der Stelle des linken Eier-
stockes nachweisen konnte. Sie war verheirathet und hatte
wegen Unmöglichkeit den Coitus auszuüben, mehrere Aerzte
consultirl, von denen einer ihr die Harnröhre spaltete and
dadurch eine dauernde Harnincontinenz herbeilührte. Scy-
manowaky suchte den auf Zeigefingerdicke erweiterten Kanal
durch eine plastische Operation zu verkleinern, konnte jedoch
nur eine geringe Besserung des Zustandes erzielen. Als ab-
schreckendes Beispiel durfte ebenfalls folgender, von Dief-
fenbach^) mitgetheilter Fall dienen. Bei einer Dame war
nach einer schweren Niederkunft eine Verschliessung der
Scheide eingetreten. Ein Arzt wollte ihr dieselbe auf blutigem
Wege nieder eröffnen, richtete jedoch seine Schritte zu seiir
nach vorn und spaltete die Blase. Ein anderer Operateur
hielt sich zu sehr nach hinten, und gerieth in den Mastdarm.
Die Masldarmlislel heilte unter Dieffenbach*s Behandlung
rasch, die ßlasenfistel jedoch trug die Unglückliche ihr Le-
benlang.
1) 1. c. p. 144.
2) Prager Vierteljahrschr. Bd. 83. S. 7.
3) Openit. Chir. Bd. 1. 1845. S. 66.S.
XXVI. Heppner, (Jeher HypospHitie beim Weihe. 415
Die von französischen und englischen Chirurgen häufig
vorgenommene Bildung einer Scheide vom P^riiifium aus, ist
wegen Verengung und Verwachsung derselben hi vielen Fäl-
len ohne nachhaltigen Erfolg, manchmal sogar von funestem
Ausgange gewesen, wie solches die Manen der von Maison-
neuve^), Hugier^) und Macfarlane^) operirlen Kranken
hezeiigen können.
IL Persistenz des Sinus uro-genitalis mil
Mangel der Urethra. Dieser Zustand stellt ein Stehen-
bleiben der Genitalien auf der Entwickelungsstufe, wie sie vor
Ausbildung der Urethra existirte, dar. Eine strenge Greir/r
lässt sich zwisdten dieser und der bisher betrachteten Ano-
malie nicht ziehen, eben so wenig als sie sich von einander
gesondert betrachten lassen.
Wie bei der vorhergehenden, so niuss auch bei dieser
fiildungsabweichung die Harnröhre oder vielmehr der sie er-
setzende Blasenspalt, im Zusammenhange mit dem Entwicke-
lungsgrade der Genitalien betrachtet werden. Wir unter-
scheiden somit auch hier zwei in klinischer Bücksicht wich-
tige Formen :
a) Mangel der Urethra bei relativ gut entwickelten Ge-
schlechtsorganen, und b) Mangel der Urethra bei vitiösen
Genitalien. Bei jeder Form kommen wieder folgende, in
diagnostischer Hinsicht heachtenswerthe Varietäten vor:
1) Es fehlt die hintere Wand der Harnröhre (das Septum
urethro-vaginale), dagegen finden sich im Veslibulum Spuren
der vorderen und der seitlichen Wände und die Harnblase
communicirl mit der Scheide durch einen dicht hinler dejn
Arcus pübis befindlicher Spalt (wahre Hypospadie)^).
1) Le Fort, L c. p. 169.
2) Ibidem, p. 153.
8) Lancet, 1S30— 32, t. XXI. p. 625.
4) Ich halte es Dicht für nöthig, die, auch aD Fraaeu beob-
achtete Epispadie in den Kreis meiner Retrachtang zu ziehen,
da sie, ihrer Entwickelnng nach, mit dem Bauch- nnd niancrt-
npnlt (Ecstropbin vesicae) and nicht mit der Kloake im Zusnm-
menhange steht.
416 XXVI. HtppnWy Ueber Hypospadie beim Weibe.
2) Das Vestibulum zeigt keine Aad^uUing des Hamröb-
renrudiments, ifL der Scheide beßodet sieb unweit der Sjm-
physe ein transversaler Spalt.
3) Derselbe Spalt findet sich in grösserer Eatferooig
vam Ostium Taginae.
Was den Symptomencomplex der ersten Varietät beiriA,
so kann die, dieser Abhandlung zu Grunde gelegte Beobaeb-
tund als Vorbild einer solchen Missbildung dienen. Die zweite
Varietät findet ihren Beleg in folgender Beobachtung: iPe<ä')
erzählt von einem erwachsenen Mädchen , bei dem das gaoae
Aeussere der Vulva, die Glitoris, die Nymphen und die gros-
sen Schamlefzen gut gebildet waren, und nur die ganze
Harnröhre und der Blasenhals fehlten. Es ging der Harn (ob
willkürlich?) am Eingang der Scheide durch ein Loch ab,
das so weit war, dass der kleine Finger eindringen konnte.
Sowohl in meiner als in der so eben citirten Peüt'scbitQ
Beobachtung war die Entwickelung der Genitalien eine nor-
male, und man könnte vielleicht beide Fälle als vollständig
analog betrachten, wenn die aphoristische Kurze der Petü-
schen Relation eine ausführliche Parallele zu ziehen erlaubte.
In Betreff der Function der Geschlechtsorgane, pOegt in
den erwähnten niederen Graden des Uretbralmangels keine
ki*ankhaflte Alteration einzutreten, wie das durch meine Beob-
achtung zur Genüge bewiesen wird. Die Harncontinenz Ui
dagegen eine um so mangelhaftere, je grösser und muskel-
ärmer der Blasenspalt ist.
Die von mir aufgestellte dritte Varietät scheint nur im
Zusammenhange mit viliösen Genitalien vorzukommen, wie es
auch mit der ihr analogen hohen Ausmündung der Harnröhre
der *Fall war.
Petit fuhrt neben dem oben cilirlen Falle folgende Be-
obachtung an: Ein Mädchen von vier Jahren hatte weder
Glitoris, noch Nymphen, noch Harnröhre, jedoch eine ziem-
lich weite Scheide. Wegen Mangel der Hattiröhre, oder we-
nigstens des Theils dieses Kanals, in welchem sich der
Sphincter befindet, konnte das Kind den Harn nicht halten.
— Leider lässt uns auch hier die unvollständige Mittheilung
1) Oeavres poth. P.m. p. 122. ScÄmirf^«'»! Jahrb. Bd. 2 1824.
XXVI. iJ&ppner, Ueber Hypospadie beim Weibe. 417
ilher die specielleren anatomischen Verbältnisse dieser höchst
merkwürdigen Genitalienanomalie im Unklaren.
M, Langenbeck ^) beobachtete an einem 19 jährigen
Mädchen, das nie menstruirt war, folgendes Verhalten der
Genitalien: Die Oeffnung der Urethra (?) sland einen Zoll
niedriger als im Normalzustande, der Hymen war halbmond-
förmig und seine Oeffnung so klein, dass man kaum einen
kleinen Katheter durch dieselbe hindurchföhren konnte. Dre
Blasenscheidenwand fehlte gänzlich, und zwar bildeten Ure-
thra und Scheide einen gemeinscjiaftlichen Kanal, in welchen
^ sich die Blase direct öffnete. Langenbeck konnte keine Spur
eines Uterus finden, und nach Spaltung des Hymen floss kein
Menstrualblut ab. Der Urin ging Anfangs unwillkürlich ah,
in der Folge verlor sich jedoch die Incontinenz.
Ist die Difformitäl der äusseren Geschlechtstheile bedeu-
tend, so kann auch hier, bei oberflächhcher Untersuchung,
eine Verwechselung des Geschlechtes stattfinden. So wurde
z. B. ein am 13. Sept. 1843 zu Birnungham geborenes Kind,
das ein l" langes, imperforirtes Glied und unter demselben
eine den Urin ausleerende draeckige Oeffnung aufwies, von
' 8müh^) für einen Knaben erklärt. Nach dem am 30. Oct.
desselben Jahres erfolgten Tode erwies es sich, dass das
Individuum ein Mädchen mit gut entwickelten inneren aber
vitiösen mittleren und äusseren Genitalien war. Der JCanal,
der zur äusseren Oeffnung führte, war nicht die Harnröhre,
sondern die Scheide, die 2 Linien im Durchmesser hatte,
und an ihrer vorderen Wand die Oeffnung der Blase (ohne
Harnröhre) unter stumpfen) Winkel aufnahm.
Couiplicirt sich der Blasenspalt mit einer hochgradigen
Missgestaltung der Genitalien, so ist natürlich* die Ausübung
des Beischlafes, geschweige die Conception und Geburt eine
Unmöglichkeit. In Betreff der Harncontinenz scheinen dage-
1) Le Forty l. c. p. 123. Leider steht mir die Original mit-
theiluDg dieses merkwürdigeo Falles nicht zu Gebote, was ich
um so mehr bedaure, weil das frans^ösische Beferat siemlich on-
klar ist.
2) Journal f. Kinderkr. v. Behrend u. HUdebrand, bd. 11.
1844, S. 227.
Monatsachr. f. Gebartak. 1866. Bd. XXVI.. Uft 6. 27
418 XX Vf. Heppner, lieber HypoBpadie beim Weib«.
gen die mit Verengerung der Scheide bebaflelen Individim
besser gesteil l zu sein, als solche ^ bei denen Mangdl iler
Urethra neben normalen Genitalien Torkomnit, da es nicN
unwahrscheinlich ist, dass der vom Muse. bulbo-caTemosas
umgebene SinOs uro-genitalis zu willkürlichen GoutractioDeo
befähigt ist. Der zweite Petit*S€he Fall widerspricht zwar
dieser Behauptung, allein da bei demselben die Scheide als
eine weite bezeichnet wird, so kann natürlich von einer Harn-
continenz seitens derselben auch nicht "die Rede sein.
Es dürfte für den praktischen Arzt nicht ohne Interesse
sein, auf Zustande der weiblichen Genitalien aufmerksam ge-
macht zu werden, die leicht eine Verwechselung mit dem in
Rede stehenden Uebel zulassen. Abgesehen von den ver-
schiedenen, in späteren Lebensperioden durch Entzündnngefi
u. s. w., erworbenen theil weisen oder vollständigen Verviacb-
sung^i des Sexualrohres gehören hierher die hüiifig beob-
achtete Atresia vaginae 4)yraenali8 und die angeborene oder
in frühester Jugend erworbene (partielle) Verwachsung der
Schamlefzen. Bei letzterer findet man ebenfalls einen schlitz-
förmigen Kanal, der sidi im weiteren Verlaufe in zwei Gänge,
die Harnröhre und Scheide spaltet Gesellt sich zu dieser
Verwachsung der Lefzen noch eine hypertrophirte Clitoris, so
ist die Verwechselung noch leichter möglich. Einen höchst
interessanten Fall letzterer Art tbeilt Le Fort ^) mit Huguier^
der die Kranke behandelte, trennte die verwachsenen kleinen
Schamlippen mit dem Messer, worauf sich das Vestibulam mit
seinen beiden Oeffnungen präsentirte.
Bei der Erörterung der ärztlichen Behandlung des, in
Verbindung mit sonst normalen Genitalien vorkommenden
Mangels der Urethra, ist es nöthig, auf den in meiner Beob-
achtung beschriebenen Fall zurückzukommen. Zunächst wäre
die Frage zu erörtern, ob in dem gegebenen Falle die Bil-
dung einer Harnröhre auf operativem Wege möglicli und
nützlich wäre. Die Herstellung eines Rohres an der Stelle
der bewussten Rinne aus seitlich herbeigezogenen Lappen
dürfte, wenn auch nicht leicht, so doch jedenfalls ausführbar
sein, aber schwerlich^ würd^ der Zustand der Kranken durch
1) 1. c. p. 203.
XXVI. Heppner^ lieber üypospadie beim Weibe. 419
eine Harnröhre, die von Muskelfasern entblösst, keiner will-
körlichen Contraction fähig wäre, verbessert werden. Das-
selbe und noch viel Schlimmeres lässt sich von einer durch
Stich in den Weichlheilen mit nachheriger Vernahung des
Blasenspaltes erhaltenen Harnröhre sagen. Abgesehen von der
durch Verletzung bedeutender Gefässe drohenden Gefahr, würde
eine solche Harnröhre, wenn sie fertig wäre, die Harnincon-
tinenz in ein weit schlimmeres Uebel, die Harnverhaltung vor-
wandeln, da sich, wie bekannt, dergleichen kunstliche Ka-
näle, 11*012 aller Erweiterungsmittel, immer mehr und mehr
verengern. Indem wir also die Bildung einer neuen Harn-
röhre als unpraktisch und gefahrlich von der Hand weisen,
müssen wir noch die Frage aufwerfen, ob nicht durch
Reduction des ßlasenspaltes auf das normale Lumen der Ure-
thra die Harncontinenz verbessert werden könnte. Wenn es
gelänge, eine Oeflnung herzustellen, die in ihrer ganzen Cir-
cumferenz von Muskelfasern umgeben wäre, so Hesse sich
freilich von einem solchen Eingriffe viel erwarten, aber es
entbehrt, wie wir gesehen, die vordere Wand des Spaltes
aller Wahrscheinlichkeit nach einer muskulösen Unterlage.
Ueberdies belehrt uns die Erfahrung an Fisteikranken , dass
lineare Spaltungen, selbst grösseren Calibers, meist den Harn
besser zurückhalten, als kleinere rundliche Oeffnungen. Bei
ersteren können die beiden Lippen des Spaltes sich ziemlich
genau an einander legen, und vermöge des Druckes, unter
dem alle Baucheingeweide stehen, so lange einen Verschluss
der Fistel zu Stande bringen, bis ihr Widerstand durch den
sich ansammelnden Urin überwunden wird. Bei rurnJen Oelf-
nungen, zumal wenn ihre Runder callös sind, ist ein solches
Aneinanderlagern der letzteren nicht möglich, und der Harn
fliessl daher meist contmuirlich ab. Wir würden somit iu
gegenwärtigem Falle riskiren, durch eine Verkleinerung des
Blasenspaltes aus einer verhältnissmässig geringen Infirmität,
der Incontinentia nocturna, eine Incontinentia totalis hervor-
zubringen. Aus diesen Gründen rieth ich meiner Patientin
von einer Operation ab, und empfahl ihr dagegen des Nachts
eine Ban<lage nach Sawostitzki's^) Angabe zu tragen. Die-
1) Die BehaiidlnDg der Harnfistelii beim Weibe. Moskau, 1863.
S. 102. (russisch).
27*
420 XXVf. Heppner, Ueber Hypoapadie beim ^^eibe.
selbe besteht aus einem Baucbgurt und einer, durch
Stahlfeder mit derselben zusammenhängenden olivengrossen
Pelotte, die in die Scheide eingeführt, den hinteren Rand des
Spaltes gegen den Schambogen druckt Ich hatte Gelegen-
heit meine Kranke nach vier Wochen nach Anfertigung der
Bandage zu beobachten, sie gewöhnte sich bald an dieselfop,
und letztere erfüllte ihren Zweck zu allseitiger Befriedignog.
Ich glaube, dass die von mir auseinandergesetzten Grunde
gegen einen operativen EingriiT bei den meisten Fällen weib-
licher Hypospadie gelten dürften, und eine Behandlung wie
oben, auch in anderen vorkommenden Fällen ihre Anwendung
finden kann.
Was die Kur der, in Begleitung missgestalteter Genita-
lien vorkommenden Blasenscheidenspalten betrifft, so könnte
auch bei ihnen, wenn es nötbig wäre, nur eine palliative,
und nur in ausnahmsweisen Fällen eine operativ-radicale Kur
angewendet werden.
Erklärung der Abbildung.
Ansicht der äaBseren Genitalien bei stark anseinandergehaUeBea
Schamlippen.
a. Clitoris.
b. Nymphen. ,
c. Warzenförmiger Vorsprung am Vestibulum.
d. Nach Aussen ziehende Falte.
e. Eingang zu einem flachen Blindsack zwischen c. u. d,
/. Linksseitige, gegen den Scheideneingang gerichtete Falte.
g. Rechtsseitige Schleimhautwulst'
h. Vorderes queres Doppelfältchen,
i. Rinne zwischen den Falten, als Rudiment der vorde-
ren Harnröhrenwand.
k. Scheideneingang.
{. Harnblasenspalt.
m, Hinterer wulstiger Rand desselben.
XXVII. Kün0ke^ Vieraigftte VersammluriK deateeher etc. 421
XXVII
Vierzigste Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte in Hannover im Jahre 1866.
Verhandlungen der Section für Gynäkologie.
Berichtet
Dr. W. KOneke,
Privatdocent In Oöttlngen
Erste Sitzung, am 18. September 2Vs Uhr.
Nach firöffhung der Sitzung durch den Geh. Ober-:Medi-
cinalrath Dr. Kaufmann aus Hannover, werden auf dessen
Vorschlag der Geheime Medicinalrath Prof. Martin aus Berlin
zum Tagesvorsitzenden, Dr. Prael aus Hannover und Küneke
aus Göttingen zu ständigen Schriflfährern gewählt.
Dr. Neugebauer (Warschau) berichtet
über einen Geburtsfall eines doppelköpfigen
Kindes.
Durch zwei andere Aerzte war bei einer jungen jüdi-
schen Erstgebärenden der Kopf bereits mit der Zange ent-
wickelt worden , ohn^ dass durch Zug an demselben die Ex-
Iraction der Frucht hatte gelingen wollen. N. fand den Hals
lang gezogen und den rechten Arm gelöst vor. Bei der sehr
schwierigen Untersuchung zeigte sich an Stelle des linken
Armes rechts hinten ein harter Buckel, der Thorax fest im
Becken, die BaucbOäche nach vom, der Röcken nicht fühlbar,
tüs wurde daher die Diagnose auf eine Missbildung gestellt,
üa die Wendung unmöglich war, so zerquetschte N. mit dem
Kephalothrypter den Thorax, leitete denselben zugleich ein
wenig henab, perforirte ihn mit der Siebold'scben Scbeere,
exenterirte und .forderte nun das Kind auf die Weise zu
Tage, dass, als nach Hervorlrilung des Thorax, ein zweiter
422 XXVIJ. Küneke, Vierzigste VersnminlaniC deutscher
Kopf gefunden wurde, dann weiter der Rumpf und die unle-
ren Extremitäten mit dem stumpfen Haken, der zweite Kupf
und endlich der linke Arm manuell entwickelt wurden.
Das starke weibliche Kind war 19" lang, seine Schul-
tern 7" breit, besass einen rechten, eiaen linkf'ii und eiofD
rudimentären Arm, ein Sternum, doch waren die Wirbelsäuldi
bis zu den letzten Brustwirbeln getrennt. Auf zwei oomialeo
Hrdsen befand sich je ein Kopf, die Gesichter etwas gegeu
einniider gekehrt. Ein Weiteres ist nicht zu berichten, da
die dortigen judischen Gebrauche keine Section gestatten.
Ausser Schmerzen in den hinleren Beck entheilen, Sciiöl-
telfrösten und starken Durchfällen, die mit Cliinin und Mor-
phium behandelt wurden, verlief das Wochenbett gut. In
der folgenden Schwangerschaft ist die Frau an Peritonilis
gestorben.
Nach den Sclmlregeln empfehle man in derlei EnthinduDgs-
frdlen (he Wendung auf üle Fiisse, doch könne auch die ältere
Praxis. der Embryotomie selbst bei normalem Becken, beson-
ders bei stark entwickelter Frucht nöthig werden.
Martin macht auf den Modus der Selbstwenching auf-
merksam, ein Vorgang, welcher nach verkleinertem Kinde der
günstigere sei. Er hält die Verkleinerung des Tiiorax mr
für eine vorbcreilcnde Operation zur Wendung auf die Fösse.
Nach Hohl sind die Mutter da am besten davongekommen,
wo der Rumpf dem zweiten Kopfe voran entwickelt ist, was
dieser Fall bestätigt; doch können auch andere Verfalirungs-
weisen statthaben.
Kristeller hält nach der Gehurt des ersten Kopfes die
Selbstentwickelung für möglich.
Küneke verweist auf eine von Foerster veranlasste Dis-
• sertation des Dr. Heinr. Hill (Anatom. Untersuchung eioer
Doppelmissbildung. Würzburg, 1863.), zu der K. das Ob-
ject an Foerster überlassen hatte. Ein kräftig entwickelter
Rumpf li-ug auf dem Thorax zwei getrennte Hälse mit je
einem normalen Kopfe. Zwischen beiden Hälsen befand sidi
ein konischer, spitz endigiMider Stumpf, der in einen nach
hinten gebogenen mit einem Na^el versehene« Fortsatz iiHsHcf-
Das weibliche Kind war von einem Landchirurgen niit
dem Haken todt entwickelt worden. K. ist der Ansicht, dass
Natsrforacher und Aerstn in Hannover im Jnhre 1865. 423
man das Hinderniss des zweiten Kopfes am einfachsten durch
die Üecapitatioa desselben beseitigen könne. Wogegen von
Neugebauer die Unzugänglichkeit des Halses im vorliegenden
Falle und von Kugdmann die Schwierigkeit der Diagnose
des zweiten Kopfes angeführt werden. Grtisserow erinnert
an den kürzlich in der Schweiz ausgeführten Fall von Deca-
pitation hei Doppelmis&bildung (Monatsschrift für Geburtsk.
Bd. 25., Supplem.). %
Winckel (Rostock) hält es für gewagt, da, wo man
einen Tumor fühlt, die Wendung zu macheu, vorzuziehen sei
die £xenteration. üebrigens sei der tieburtsniecbanismus der-
tU'tiger Fälle noch unbekannt, und man könne daher eine
allgemein gültige Verfahrungsregel nicht aufstellen. —
Geheimer Oberniedicinalrath Kau/mann (Hannover)
spricht
über die Ursachen des epidemischen Puerperal-
fiebers in Gebärnnstalten.
Es bestehen über diesen Gegenstand viele verschiedene
Meinungen, besonders hervorzuheben ist die von Semmel-
weiss urgirte EnistehuugswtMse durch Contagium. Nach Red-
ners Ansicht ist, da die Krankheit meist in Anstalten, selten
in Privatwohnungen entsteht, ein durch die Ausdünstungen
der Wöchnerinnen und Neugeborenen gebildetes Miasma als
Ursache anzunehmen, welches jedoch nicht unter allen Um-
ständeu die Krankheit hervorruft, sondern nur bei bestehen-
der Prädispositton, welche ^ B. durch die Jahreszeiten gege-
ben sein kann. Die Annahme einer septischen Infection da-
gegen ist zu verwerfen. Die einzige Möglichkeit, die Krankheil
zu vermeiden, ist daher die ausgiebigste Ventilation, verbun-
den mit grösster ReiulichkeiL in der unter KJs Leitung
stehenden nach diesen Priiicipien neu erbauten und eingc-
ricliteleii Anstalt sind zwar kurz nach Erölfnung derselben
liujf Krankheits- und Todesialle vorgekommen, was jedoch
als Folge nicht genügender Au»trocknuug des Hauses anzu-
sehen ist. Ausser der künstlichen Ventilation wird noch ein
täglich dreimaliges Oeffnen von Thür und Fenster angewandt,
424 XXVII. Küneke, Viersig^ste Versammlang denUcber
wobei die Wöchnerinnen mit wollenen Decken verfaullt wer-
den. Erkältungen sind dabei kaum zu befürcbCeo, eveoCuHl
leicht zu heilen.
Nach einigen Abschweifungen Kugelmann's auf die Er-
fahrungen der Privatärzte und Anführung eines von ihm be-
obachteten Falles von puerperaler Selbstiufection von einer
Verwundung am Rücken aus, fordert Kaufmann die anwe-
s}ni(len Vorsteher von Anstalten auf, sich über den you ihm
angeregten Gegenstand zu äussern.
Veit (Bonn), Winckel (Rostock), Pemice (Greifswalii),
Martin (Berlin) neigen sich der Ihfectionstheorie ztu
Es wird zugleich vielfach auf die Arbeit von Hirsch ver-
wiesen. Martin berührt die Vibrionentheorie Maij^r^
hofer!s und Mankiewitz (Muhlhausen) hebt die Verwun-
dungen der Genitalien, besonders bei Operationen (Zange) her-
vor. Uebrigens werden die von Kaufmann angegebenen
Verhötungsmassregeln allgemein als zweckmässig und streng
geboten anerkannt.
Zweite Sitzung, am 19. September 11 Uhr.
Vorsitzender: Geh. Obermedicinal-Rath Dr. Kaufmann
(Hannover).
Prof. Winckel (Rostock) hält einen Vortrag:
über die Harnbeschaffenheit bei Schwangeren,
Gebärenden und Wöchnerinnen.
Das Vorgetragene befindet ^ich ausführlich in H^.*s so
eben erschienenem Buche über diesen Gegenstand. —
Sanitätsrath Homeyer (Hannover) trägt vor:
über die Behandlung des Prolapsus uteri.
Wegen der ausserordentlichen und höchst qualvollen Lei-
den, welche der Gebärmutter- und Scheidenvorfall verursacljt.
verdient die, Krankheit ganz besonders die Aunn^rksanikeit
der Aerzte. In früherer Zeit wurde sie mit Pessarieii hehan-
Natnrforseher and Aerate in Hunnover im Jahre 1865. 425
dell, spller schlug Marshai Hott die Excision Hnes Schei-
denstöckes vor, die auch von Dieffenbach, wiewohl ohne
gunstiges Resultat, geübt wurde. Auch die Episiorrhaphie
von Fricke ist ohne Erfolg. Redner ist daher zu dem alten
Mittel der Anwendung des Gluheisens zurückgekehrt, und hat
damit in siebeo Fällen Heilung erzielt. Er empfiehlt daher
dieses Verfahren der Beachtung und Prüfung der Fachge-
nossen. Sein Verfahren besteht in vier kraftigen Längsstri-
chen mit dem weissglühenden Eisen, welche jedoch nur bis
in die Nähe des Muttermundes geführt werden dürfen.
Neugebauer glaubt, dass diese Methode auch in neuerer
Zeit angewandt sei, jedoch Peritonitis hervorgerufen habe. ' Er
hat auf den hypertrophischen Muttermund Kauterisationen ohne
Erfolg gemacht, auch die Episiorrhaphie angewandt, doch ist,
wie KücMer unlängst nachgewiesen, selbst die Verschlies-
sung durch Vereinigung der Schamlippen nicht genügend, N.
fügt deshalb noch die -Anfrischung der hinteren Scheidenwand
mittels eines winkelförmigen Schnittes in dieselbe hinzu. Es
ist fast immer Ruptura perinaei zugegen, besonders Rupt.
fossae navicularis, auch Rupt. fasciae perinaei ohne Läsion
der Haut. Nach Küchler's und Neuffebauer^s Methode ist
die Retention des Uterus sicher. N. verweist in Bezug hier-
auf noch auf das, was er auf der Naturforscherversaromlung
in Königsberg gesagt und in der Wiener Wochenschrift ver-
öffentlicht hat. Von seinen sämmtlichcn Operationen sind
nur eine gänzlich, einige theilweise misslungen.
Martin hebt hervor, dass hier nur von einer Art des
Vorfalls gehandelt werde, während man doch drei Arten und
danach auch die Behandlung unterscheiden müsse. Am häu-
figsten ist die Verlängerung des Mutterhalses um zwei bis
drei Zoll die Ursache, womit sich ein Herabsinken der vor-
deren Scheidenwand Vind Cystocele verbindet. Seltener ist
das Vorkommen ohne jene Verlängerung, aber mit Vorfall
der hinteren Scheidenwand , ohne dass jedoch immer Cysto
cele dabei stattfindet. Den Prolapsiis uteri ohne Scheiden-
veränderung hat er sogar auch bei Kindern gesehen. — Es
muss danach auch die Behandlung verschieden sein. Das
Ferrum candens kann nur Contractionen der Ligg. sacroute-
rina, auch wohl Verkleinerung des Uterus bewirken, doch ist
426 XXVII. Künekey Viersi>Rfe Versmnrolaiig dentoehar
dies Verfahren bei Gystocele wegen zu befQrchtender Cystii»
nicht anwendbar. Der einfach verlängert« ScheidentlieiJ kau
kauterisirt werden, ßei hinterem ScheideovorfaU mass
luii dem Glöheisen ebenfalls vorsichtig sein, da hier oft
Peritonäalfaite mit herabgezogen ist. Die Ausschneidung eine»
Vaginalstrickes ist ihm auf die Dauer nicht von Nutzen ge-
wesen; dios kann auch nur einen untergeordneten Vortheil
gewähren, weil der Uterus nidit allein durch die Vagina, son-
dern auch noch durch andere Gebilde gehalten wird.
Kristeller schliesst sich dem von Martin G^sagieo an.
Nur bei veralteten Vorfallen, wo man das Causalmoment nicht
entfernen kann, darf man zum Glöheisen greifen.
Homeyer hat diese Einwendungen erwartet« Er bat
nur den Vorfall in Folge von Geburten im Auge gehabi und
betont das Factum der Heilungen nach seiner Methode.
Hennecke (Goslar) ist der Ansicht , dass in der Privat-
praxis das empfohlene Mittel schwer anzuwenden sei. Er
sah durch Entzündung in Folge der Einiegung eines grossen
Flugelhysterophors eine soiclie Verengerung der Scheide ent-
stehen, dass nun ein Luftp^^ssarium genügte, ja auch dies
nicht mehr nöthig war.
Kugelmann ist von Ztoavhck^s Hysterophor zurückge-
kommen, wegen der dadurch entstehenden Verletzungen der
Sclieide und der Schwierigkeit dasselbe zu entfernen, weil e$
Ulcerationen , selbst Beckeuexsudate bewirkt, und bei grus-
t{r()ii iJnn.n rissen keinen Halt findet. Er bedient sich der
auch für andere gynäkologische Zwecke von ihm constniirten
excentrischen Gummiringe Nr. 5. Diese sind leiclit einzu-
führen und nützlich wegen der excentrischen Riditung der
Portio vaginalis. Ein fernerer Vorzug ist ihre Weichheit
Durch andere Mittel wird die Scheide zu sehr ausgedehnt
und das Uebel verschlimmert. Ist der gewählte Ring zu
gross, so stellt er sich von selbst schräg.
Neugebauer glaubt, dass die Methode Homeyer' % grosse
Beachtung verdiene. Er spricht den Wunsch aus, über dab
Verballen der Scheide in den von ihm geheilten FäUeo n^hen*
Details zu erfahren. Die von Hennecke erwähnti; Art der
Heilung ist wichtig. Vielleicht bewirkt die Entzüiulimf; «Irr
Scheide auch eine solche anderni* Gebilde, was audi vieJleiclu lici
NRtarforscher und A erste in Hannover im Jahre 1665. 427
der Kauterisation geschieht. In Fällen , wo iniui der Pessa-
riej) bedürfe, empfiehJl er die Sformig gekrümmlen amerika-
nischen aus Hartkautschuk.
Martin: Pessarien »nd nicht zu entbehren, doch wer-
den sie gefahrlich bei partiellem Druck und scharfen Rändern.
£r selbst hat Mastdarm- und Blasenscheidenfisteln dadurch
entstehen sehen, und erinnert sich eines Falles, wo er ein
Pessarium in der Excavatio rectouterina gefunden hat Er
zieht daher die stärkeren Ringe von Kautschuk vor, doch
reichen auch diese, namentlich bei Combination mit Vorfall
der hinteren oder vorderen Scheidenwand nicht aus, weshalb
er damit einen Slützapparat verbindet, dessen Stiel den Ring
in gehöriger Stellung erhält. Die anderen Stützapparate von
Kiloisch, Scanzoni. Roser werden nicht gut vertragen.
Dritte Sitzung, am 21. September 9 Uhr.
Der Antrag des Vorsitzenden [h\ Kristeller (Berlin):
„Die gynäkologische Section der 40. Versammlung
deutscher iNaturforscher und Aerzte stellt es als wissen-
schafllich und nothwendig hin, dass bei allen Mes-
' sungen gynäkologischer Objecte das Meter-
maass angewandt werde, und fonh^rt die ^deutschen
Aerzte auf, sich bei ihren wissenschalllichen Mitthei-
lungen von nun an dieses Maasssysteins zu bedienen,''
wird zum Beschluss erhoben.
Martin hat an seinem portativen in seinem Handatlas
der Gynäkologie bereits abgebildeten Beckenniesser das Cen-
timetermaass neben (h'm Zollmaass angebracht. Dieser Ta-
sterzirkel ist ebensowohl wegen der entsprechenden Biegung
seiner Branchen, als dadurch dass dieselben trotz des damit
verbundenen Maassstabes von einander getrennt in dem ge-
burtshülf liehen Besteck uniergebrachl werden können, dem
praktischen Geburtshelfer zu empfehlen. Die hohe Bedeutung
der äusseren Beckenmessung liegt nicht allein in den abso-
luten dabei aufzuiindenden Maassen, sondern auch in den Ver-
428 XXVI. Küneke, Viersifc<«te Versnmnilong deotscher
hältnissen mehrer Durchmesser zu einander, z. B. der Sp. L
zu den Cr. I. (für Rhachitis), der letzteren zu den Tr. (flr
Osteomalacie), der beiden äusseren schrägen Durchmesser zv
ßeurtheilung der schräg verengten Becken mit oder ohne An-
kylose. In der gynäkologischen Klinik zu Berlin werden seit
Jahren die Beckenmessungen an sämmtlichen Kreissenden mit
diesem Tasterzirkel und die inneren mit den Fingern Torge-
noinmen.
Neagebauer hat diesen Zirkel seit einer Reihe von Jab-
nni angewandt und als zweckmässig erfunden.
Sanitätsrath Dr. Winckd (Gummersbach) zeigt e i n ex
quisit osteomalakisches Becken nebst dem zage-
hörigen Uterus mit geheilter Ruptur vor. Die nähere
Beschreibung des Falles befindet sich in der Mönatsscfarüt far
Geburtshülfe.
Martin legt eine Dissertation über Ruptur der Vagina
mit Vorfall eines Hydrovarium von Adolf Sucro praeside
Luschka vor, von welcher ein Auszug nebst von dem letz-
teren ubergebener Abbildung des Präparates in der JMonats-
schrifl erscheinen wird.
Martin hält sodann den angekündigten Yorlrag:
,,über einige Modificationeii in der Technik der
„geburtshölflichen Wendung auf die Füsse und
„der Ausziehnng des zuletztkommenden Kopfes. **
Obgleich die geburtshülfliche Wendung auf die
Füsse und Ausziehung daran bereits seit Jahrhunderten
geübt und von den tüchtigsten Aerzten ausgebildet ist, glaubt
Martin doch einige Modificalionen der Technik dieser Ope-
rationen, welche sich ihm seit vielen Jahren bewährt haben,
hier zur Sprache bringen zu sollen.
Zuvor empfiehlt M. für die Wendung auf die Füsse
dringend die Chloroformnarkose, obgleich er nicht der
Ansicht ist, dass dabei, so lange jlieselbe in massigem Grade
besteht, die Zusammenziehungen des Uterus selbst abgeändert
werden. Nur der für die Operation oft so binderliche Wi-
Nntarforscher and Aerste in Hannover im Jähre 1866. 429
derstand der Kreissenden durch Hin- und Hei'werfen so wie
durch arges Pressen und^ Drängen werde, abgesehen von der
Aufliebung der immer naclitheiligen Schmerzempfiudung, mit-
tels des massig dargereichten Chloroform beseiligt. In der
Privatpraxis könne der Operateur ohne Bedenken selbst dio
Narkose einleiten, bevor er die Operation beginne, wenn es
gleich sehr erwünscht sein müsse, einen darauf eingeübten
Gehülfen zur Seite zu haben.
Bisher habe man die Ruckenlage der Kreissenden auf
dem Querbette als allgemeine Regel empfohlen. M, hat sich
aber in den letztverflossenen sechszehn Jahren mehr und mehr
von dem Nutzen der Seitenlage überzeugt, welche er 1849
in dem zweiten Hefte seiner Beiträge zur Gynäkologie nacii
einer kleineren Reiiie von Beobachtungen empfohlen hatte.
Für die leichteren Fälle z. B. bei stehenden Wässern — in
welchen freilich viel häufiger, als bis jetzt geschehen, die
äussere Wendung an Stelle dei* inneren vorgenommen werden
sollte — sei die Lagerung der Kreissenden von- geringem
Belange; für die schvHerigeren Fälle dagegen nach abgeflosse-
nem Fruchtwasser und da wo die Füsse gegen die vordere
Uteruswand gerichtet, diese vielleicht wie bei dem Hängebauche
mehr als gewöhnlich über die Schamfuge hervorgedrängt ist,
gewähre die Seitenlagc der Kreissenden dieselben Vortheile,
welche der Knie- und £llbogenlage nachgerühmt würden,
neben dem Vorzuge vor dieser, dass dabei die Chloroform-
narkose Anwendung finde und die Kreissende nicht dermassen
angestrengt werde, wie bei dieser. M. schreibt es der Be-
nutzung der Seiteulage neben der Chloroformnarkose zu, das^
ihm bisher in fast allen Fällen, in welchen er von anderen Aerzten
nach vergeblichen Wenduogsversuchen zur Ausführung der
Embryotomie berufen wurde, dennoch die Wendung auf den
Fuss gelungen sei; nur in einem bereits veröflentlichten
Falle habe er, da die Umstände (hochgradige Beckeneuge, todtes
Kind, dessen ^rm und Schulter viele Stunden fest herabge-
presst waren) die Decapitation mit gutem Erfolge statt der
Wendung ausgeführt. Jf. lässt die Kreissende auf die-
jenige Seite lagern, in welcher das Beckenende
der Frucht resp. die Füsse liegen und geht, indem
er sich hinter den Rücken der Kreissenden stellt und den
430 XXVII. Küneke, Vfersif^ete V^rnammlang denUeber
Fundus uteri mit der der Seite», auf welcher die Frau lif^
homonymen Hand fixirl, mit der lie^eronyinen Hand, also m
der rechten bei linker SeK<*nlagH — und umgekehrt — en
und in der untenliegenden ßeckenhälfre em|)oi% Man vemi«fdp
dadurch die stets peinliche ColJision mit dem Vorberg aai
finde, indem der Uterus mit der Frucht vom Becken eingaiupe
hinwegsinkt, auch bei längst abgeflossenen Fruchtwüsser eine
hinlänglich freie Stelle zum Cmporschiehen der Hand uod
des Armes. Einmal, bei Beckenenge von 3'' Conj. und horlH
gradiger Slrictur in der Gegend des inneren Muttermundes,
wo zwei Aerzte viele vergfebliche Wendungsversuche gemark
hatten und die Cmbryotomie indicirt hielten, sah sich M.
jedoch geniithigt, von dieser Regel abzuweichen und die Fr»
auf diejenige Seite zu lagern, wo der Kopf sich befand, ak-
dann gelang ihm nicht allein die Einführung der Hand, soo-
dern auch die Umdrehung der Frucht mit Rettung der Mutier.
Ma/rtin räth ferjier, in der Regel nur einen Fass
zu • ergreifen , jedoch mit der bestimmten Forderung, dass
dies bei Querlagen der Frucht (zumal wenn das Wasser vor
längerer Zeit abgeflossen ist) der der vorliegenden Seite an-
gehörige sei , da die Umdrehung mittels des der obenliegen-
den Seite angehörigen Fusses in der Kegel durch Entgegen-
stemmen des darunter gelegenen Beines behindert wird. M.
hat es wiederholt gesehen, dass andere Aerzte, welcJie den
nicht entsprechenden Fuss herabgezogen und angeschlungen
hatten, die Wendung trotz des sogenannten doppelten Hand-
grifles nicht vollenden konnten, während ihm nach Her-
9bholen des der vorliegenden Seile angehörigen Fusses die
Umdrehung gelang. Um den entsprechenden Fuss mit Sicher*
heit zu erfassen, empfiehlt ilf., mit der in den Muttemiiind
hinaufgeschohenen Hand an der vorliegenden Seite der Fnichl
emporzugehen, so, dass die Voia stets dem Kinde, das Bor-
sum manus der Uteruswand zugekehrt bleibt. Nicht frölier,
als nachdem man an die entsprechende Hinterbatke der FruclK
mit den Fingerspitzen gelangt ist, gehe man zu dem entspre-
chenden Oberschenkel, gleite daran zum Knie, welches etwas
angezogen und nach aussen gedrückt werden kann, um den
betreifenden Unterschenkel und Fuss herabzuleiten. Durch
ein vorsichtiges Herabziehen des mit vier Fingern gefasslpn
NHtnrfor8ch«r ond Aersie in Hnnnover im Jahre 18G6. 431
Unterschenkels, während man den Daumen gegen die vor*
iiegeode Schulter stemmt, bewirkt man die Umdrehung, welche
von der an der Aussenfläche des Bauches liegenden Hand
uiUerstülzl wird. Einen Nachthei> für das Kind hat M, anch
da, wo seine Schäler und Assistenten in dieser Weise gewen-
det hatten, nicht gesehen; sogar der sogenannte doppelte
Handgriff gelang nacii Anächlingung des entsprechenden einen
Fusses. Dass die Umdrehung des Fruchtkörpers und Her-
ableitung der kindlichen Höften in das miltterliche Becken
da, wo die Wässer längere Zeit abgeflossen waren, mit be-
sonderer Vorsicht vollzogen werden muss, um Quetschungen
des unteren Ulerinabschnittes und dessen Umgebung gegen
den Beckeneingang zu verböten und Blutaustrelungen mit
nachfolgender Abscessbildung zu vern>eiden — dieser Rath
gilt nicht allein für die Wendung auf einen Fuss.
Abgesehen davon, dass die Aufsuchung eines Fusses
unter schwierigen Verhältnissen leichter, d. h. für die Mutter
mit weniger Reizung der Uteruswandung verbunden zu sein
pflegt, als die Ergreifung beider Fösse, ist bei der Wendung
und Ausziehung an einem Fusse die Erhaltung des Kindes
im höheren Grade gosicliert. Ganz vorzüglich wichtig erscheint
aber die Wendung an einem Fusse dann, wenn man die
Wendung wegen ungünstiger Einstellung des Kopfes bei un-
gleich verengten Beckenbälften untei-nimmt, um das Kind zu
retten. Bei erheblicher Ungleichheit der beiden Beckenhälf-
ten, welche am häufigsten bei rhachitischer Beckenenge da-
durch bedingt wird, dass das Promontorium nach der einen
Seite geschoben, auch wohl die entsprechende Pfanne nach
innen gedrängt ist, zeigt die Erfahrung, dass es durchaus
nicht gleichgültig sei, ob das dickere Hinterhaupt mit seinem
grösseren hinteren Querdurchmesser auf der engeren oder
weiteren Beckenhälfte aufsteht; in dem ersleren Falle wird
die Geburt nicht ohne für Mutter und Kind gefährliche Quet-
schungen, odel* auch wohl nur nach Verkleinerung des Schä-
dels vollendet, während bei der Einstellung des Hinlerhauptes
auf der geräumigeren Beckenhälfle die Ausstossung nicht seilen
verhältnissmässig leicht erfolgt, indem der kleinere vordere
Querdurchroesser des Schädels mit seinen leicht eindrückbaren
Endru zwischen den Anfangen der Kronenjiahl (der bitem-
432 XXVII. Küneke, Vierii^sto Versammlong dcntscher
porale Schädeldurchmesser) die enge Canjugata passirt. Eine
beweisende Beobachtung bot M. Frau 8,, welche ein schräg
verengtes Becken mit Ankylose der linken Synchondrose k
Folge von Eiterung des Gelenkes trug und eine dem ept-
sprechende Verkürzung des rechten schrägen Durchmessers,
also eine Raumheschränkung der linken Beckenhälfte zeigte.
Bei ihrer ersten Entbindung, bei welcher sich das Kind id
erster Schädeliage einstellte, waren drei Aerzte mit Rath imd
Zange thätig gewesen und musslen cfidiicli zur Kephalo*
thrypsie greifen, um die Mutter zu befreien; bei der zwetteD
Entbindung stellte sich das Kind wieder in erster SehädeJIagf
ein; dieses Mal gelang es M. durch die Wendung des Kin-
des auf den rechten Fuss und Extraction in der zweilen un-
vollkommenen Beckenendlage Mutter und Kind zu reiten:
bei der dritten Geburt kam das Kind in zweiter SchädelJage
zur Geburt und wurde, nachdem der Kopf tief herabgeröckt
war, mit der Zange leicht entwickelt.
Bei der Wendung auf einen Fuss hat man nun die
Austrittsweise des Rumpfes und des nachfolgenden Kopfes n
seiner Gewalt. Indem man den rechten Fnss herabzieht,
stellt man die zweite unvollkommene Fusslage her, mit Her-
abziehung des linken Fusses die erste, und diesem entspre-
chend erfolgt die Ausstossung resp. Ausziehung des Kindes-
körpers mit dem Rücken nach rechts oder links. Denn bei
der unvollkommenen Fusslage ruckt stets das herabgestreckle
Bein unter den Schambogen, während die volle Höfte, d. h.
das emporgeschlagene Bein in der Kreuzbeinaushöhlung ber-
ai))gedrängt» wird. Dies Gesetz hat man bei der nachfolgen-
den Extraction sorgfältig im Auge zu behalten und deshalb
das ausgestreckte Bein nach vorn, die volle Höfte in die
Kreuzbeinendung zu leiten, und sobald die vorn gelegene
Höfte in den Beckenausgang gelangt ist, . das ausgestreckte
Bein nach vorn rotirend vor der Schamfuge vorsichtig eoH
porzuziehen. So erfolgt die Drehung des Rockens der Frucht
nach der Seite, und der Kopf ruckt mit dem Hinterhaupte in
die entsprechende Beckenhälfle herab.
Hinsichtlich der Ausziehung des zuletzt kom-
menden Kopfes hat Martin nach wiederholter Prüfung
der üblichen Hai^dgrüfe und Methoden die Ueberzeugung ge-^
Natarforscher und Aerste in Hannover im Jahre 1866. 433
wooneo, dass dieselben tbeils in manchen Fällen nicht aus-
reichen, das Kind zu erhalten, theils bedenkliche Nebenwir-
kungen haben können, und dass deshalb ein neuer vielfach
▼OH ihm erprobt gefundener Handgriff der Beachtung em-
pfohlen zu werden verdient. Was den vielgeröhmten soge-
nannten Prager HandgriiT anlangt, so giebt M. zu, dass er
für manche Fälle z. B. bei in die Beckenböhle bereits herab-
gerücktem kleinen Kopfe und weitem Scheidenausgange leicht
und mit Erfolg angewendet werden kann. Unter anderen
Umständen hat dieses Manöver, wie M. aus der Praxis an-
derer vielbeschäftigter Praktiker weiss, theils tiefe Dammrisse
bis zur Zerstörung der Mastdarmscheidewand , theils Ver-
letzmigen der Wirbelsäule des Kindes bis zum Abreissen des
Rumpfes vom Kopfe zur Folge. M. wurde vor Jahren von
einem tüchtigen gewissenharten Geburtshelfer in einer Land-
stadt zu einer Zehentgcbäreuden gerufen, bei welcher der letz-
tere wegen Placenta praevia ein kleines Jebendes Kind ge-
wendet und bis auf den Kopf extrahirt hatte; als der letztere
mittels des vorsichtig ausgeführten Prager Handgriffes zu Tage
getöi*dert werden sollte, zuckten die Glieder des Kindes noch
unter der Hand des Operateurs, der niciit wenig erschrak,
als er mit dem Rumpfe in der Hand emporfuhr, während
der Kopf von dem spastisch zusammengezogenen Muttcrhals
so weit in die Gebärmutterhöhle wieder hinaufgedrängt war,
dass man denselben von der Scheide aus nicht mehr zu er-
i*eiclien vermochte. Bevor M. in den über zwei Stunden
von Jena entfernten Wohnort der Halbentbunden oj) gelangte,
hatten neueingelreicne £xpulsivwehen den Kopf herabgedrängC,
und der Geburtshelfer denselben nebst der Nachgeburt aus
den Geburtswegen entfernL ~ Die Anlegung der Zange an
den zuletzt kommenden Kopf ist oft mit einem sehr nach-
iheiligen Zeitverluste verbunden und die Ausziehung des Kopfes
damit verursacht nicht seilen bedenkliche Einrisse des Mut-
termtffides u. s. w.
Wenn nun auch in der grossen Mehrzahl der Fälle die
Ausziehung des Kopfes mittels des sogenannten S'meSfVschen
Handgriffes zum Ziele führt, so findet man doch in manchen
Fällen einen bedenklichen Aufentlialt, sei es, dass die räum-
lichen Verhaltnisse nicht günstig sind, oder dass ein krampf-
\lon»tsscbr. f. Qebartak 1866. Bil. XXVI., Uft. 6. 28
434 X.XV1I. Küneke^ VierzigHte Verftainnilung- deutscher
hafler Zustand des unteren Gebärmutterabschnitties den Kopt
festhält. Unter diesen Umsländen hat M. durch einen As-
sistenten oder die dahin instniirte Hebanime einen kräf-
tigen Druck auf den Fundus uteri durch den un-
teren Abschnitt der Bauchdecken ausüben lassen, wäh-
rend er selbst mittels zweier neben die Nase an den Oberkiefer
gelegten oder tief in den Mund hineingeschobenen Finger das Ge-
sicht der Frucht herabzog und mit Benutzung zweier Finger der
anderen Hand als Hypomochlion den Kopf um seine Querare
drehte, wobei gleichzeitig nicht selten eine Drehung um die senk-
rechte Axe ausgeführt wurde. Der von M, empfohlene Druck auf
den Mutterkörper und mittelbar auf den Kopf der Frucht darf
jedoch nicht früher zur Anwendung kommen, als die beiden
Arme gelöst sind, kann alsdann aber steigend ohne Nachtheli
ein recht kräftiger werden. In mehreren Fällen von min-
ierer Beckenenge half dieser Druck den Kopf des lebenden
Kindes rasch genug zu Tage (ordern, obschon eine Vertiefung
an den tielreifenden Schädelknocfaen das Hinderniss durch
das hervorragende Promontorium zur Anschauung brachte.
Auch hei diesem Verfahren bewährte sich der bekannte Satz,
dass ein kurzdauernder, wenn auch etwas gewaltigerer Druck
minder nachtbeilig ist, als ein anhaltender: Keine der auf
diese Weise Entbundenen, obgleich deren Zahl in Marttn*s
Privatpraxis wie Klinik und Poliklinik eine beträchtliche war,
zeigte eine bedenkliclie Folge desselben im Wochenbette.
Kaufmann ist mit der Scilenlagerung für die FälJe ein-
verstanden^ in denen sonst die Knieellenhogenlagerung wegen
Hängebauches und stark geneigten Beckens angewendet wird,
um die Hand leichter nach vorn zu bringen; zieht jene aodi
deshalb vor, weil ihm die letztere zuwider und oft nicht aus-
führbar ist. Betreffs der Wahl der Hand bringt K, jedoch
nicht die heleronyme, sondern die homonynie Hand in den
Uterus ein, wobei die Gebärende etwa^ s«*Jiräg im Bette ge-
lagert wird, damit die Vola manus gegen das Kind gerichtet
werden kann. Auch zur Wegnahme der Nachgeburt bringt
K. das Verfahren, wie er es wähi'end seiner Studienzeit in
Edinburgh erlernt, in Anwendung. — Das Ergreifen eines
Fusses ist inj Allgnmeinen sehr vortheilhafl, besonders durch
Abwendung des Druckes von der Nabnlschtmr. Ist aber das
Natarforscber und Aercte in Hannover im Jahre 1866. 435
Fruchtwasser lange abgeflossen, der Uteras cöntrahirt, die
Schulter eingekeilt, so wird die Umdrehung durch das Er-
greifen beider Fösse, so wie durch* den doppelten Handgriff
erleichtert.
Neugebauer bemerkt, dass der CrecZ^'sche HandgrifT
auch von einem Anderen zur Herausbeförderung des nachfol-
genden Kopfes in Vorschlag gebracht sei.
Martin hält die Verbindung der Ausziehung durch in-
nere Handgriffe mit dem äusseren Drucke für noüiwendig.
Gusserow hat gefunden, dass, wenn der Bauch der
Frucht nach vorne, man entweder beide oder den nach oben
liegenden Fuss ergreifen müsse. — In ßetrelT des Präger
Handgriffes habe einmal ein Praktikant den Kopf dergestalt
abgerissen, dass nur die Haut und die Ai*teriae yertebrales
ihn mit dem Rumpfe in Verbindung hielten.
Homeyer dringt bei Seitenlagerung auf eine sehr erhöhte
Lagerung der Kreissenden.
Schwartz wendet ein, dass nach seiner freilich theoretischen
Anseht durch das Ergreifen eines bestimmten Fusses eine
bestimmte Richtung der Ruckenfläche nicht immer zu erzielen
sei , und hält eine Bestätigung des von Martin erwähnten
Gesetzes von Hoffmann [Die unvollkommene Fussgeburt. Ber-*
iiii, 1829. Ref.], wonach die volle Hüfte stets in die Kreuz-
beinaushöhlung und der gestreckte Fuss unter den Scham-
bogen kommt, durch die Erfahrung für wünschenswerth. —
S. verwirft den Prager Handgriff und empfiehlt den allerdings
häufig schwierigen Handgriff der Lachapelle, nämlich die Hand
welche dem Rücken des Kindes entspricht, über die kindliche
Rückenfiäche hin an das Gesicht zu führen.
KristeUer meint, dass das von Martin angegebene Ver-
fahren die Vorbewegung des nachfolgenden Kopfes durch die
Vis a (ergo zu befördern viel für sich l>abe, jedoch in schwie-
rigen Fällen nicht zum Ziele fuhren dürfte. Anders verhält es
sich mit der Nachgeburt, da sich hier der Uterus in subparaly-
tischem Zustande beOndet und die Placenta leichter compri-
mirbar ist, als der Kopf. Da nur noch die circulären Fasern
des unteren Uterinsegments und der Vagina wirken können,
so ist bei Entwickelung des Kopfes der innere Handgriff die
Hauptsache. — Den Präger Handgriff kann er nicht so ganz
28*
43G XXVII. Ktineke, Vier»i(;8!e Versammlang deutscher
verwerfen, nur muss derselbe mit Vorsicht geübt werden. —
Das Ergreifen eines Fusses ist rationell, da durch die sich
bildende sanftere Kegelferin Muttermund und Scheide für die
Durchführung der Schultern und des Kopfes besser vorbereitet
werden. — Die Wahl der Hand bei der SeitenJagerung ist
wichtig, jedoch noch nicht fest bestimmt K. wählt die der
Seite; auf welcher die Frau liegt, gleichnamige Hand. lo
Rücksicht auf die mechanische Beschaffenheit des Gehurls-
kanals und des Kindes ist der Körper des letzteren so zu
ergreifen, dass mit der Curvatur des Kindes auf die Bauch-
flache die Beugeseite der Hand des Operaleurs übereiokommt
— Stimmt Martin in allem Uebrigen bei.
Kaufmann findet den Hauptfehler beim Prager Hand*
griffe darin, dass man nicht den kleinsten Durchmesser des
Kindskopfes durch den Beckenausgang hindurchfuhrt.
Auf Antrag von Ploss (Leipzig) wird bei schon vorge-
rückter Zeit die Debatte geschlossen.
Küneke lehnt es wegen Nichtiiefolgung der Tagesord-
nung ab, seinen angekündigten Vortrag „Ueber die Nä-
geysche Obliquität des Schädels" noch zu halten.
Vierte Sitzung, am 23. September 9 Uhr.
Vorsitzender: Professor Schwartz (Göttingen).
Dr. Prael logt ein Präparat von Inversio uteri
vor. Es stammt vorf einer. Zwanzigjährigen, die, nachdem sie
im November vorigen Jahres geboren, und dann ein halbes
Jahr gedient hatte, plötzhch Blutungen bekam, welche im
städtischen Krankenhause noch vierzehn Tage lang andauerten.
Es wurden hier Repositionsversuche mit einem eierbecherlor-
migen Instrumente gemacht, indem dies zweimal täglich ein-
geführt und gelinde gegen die Geschwulst gedrückt ward. Dies
Verfahren musste dann wegen gasirischer Störungen acht
Tage lang ausgesetzt werden, und nach abermaliger zwei-
tägiger Application traten peritonitische Erscheinungen auf,
unler denen Palienlin starb. Die Section ergab Peritonitis
mit Hockigem Exsudate.
NatarforRcher.nnd Aerzto in Hannover im Jahre 1865. 437
Neugebauer erinnert, dass Nöggerath die Reposition
ausgeführt hat, indem er mit der ganzen Hand eingehend den
Uterus mit vier Fingern umfasste und mit dem Daumen rein-
verlirte (Monatsschrift XX. S. 200.). Er selbst hat unter
tiefer Chlorofonnnarkose die Reposition vergeblich- versucht,
freih'ch ohne wegen Enge der Scheide die ganze Hand ein-
zubringen. Der Nutzen des Chloroforms ist auch a priori
unwahrscheinlich wegen der bestehenden histologischen Ver-
änderungen.
Auf KugelmanvLS, Frage, ob man nicht den einklem-
menden äusseren Muttermund einschneiden könne? entgegnet
N.y dass die Strictur nicht im äusseren Muttermunde, son-
dern im Isthmus uteri liege. Dagegen könne man die eng-
lische Methode, nämlich das Massiren mit der Hand, ver-
suchen. Diese letztere hat Schwartz in einem Falle mit
Erfolg angewandt.
Winckel sen. verweist auf einen Fall von Birnbaum
in Cöln, welcher den invertirten Uterus durch allmäligen Druck
des Daumens zurückgebracht hat (Monatsschr. XX. S. 194).
Kugelmann legt verschiedene von ihm con-
struirte gynäkologische und geburtshulfliche In-
strumente vor, eine Beschreibung und casuistische Moti-
virung derselben hinzufögend.
KristeUer^ sie kritisirend, hält die Vermehrung des ge-
burtshölflich-gynäkologischen Instrumentenapparates för un-
nöthig.
Hierauf hält Prof. Sehioartz folgenden, nachträglich von
ihm selbst aufgezeichneten Vortrag >) aber
die Häufigkeit des engen Beckens.
Es ist dies eine Frage, deren genauere Erörterung be-
kanntlich noch in den Anfängen steht. Gleichwohl ist die-
selbe an sich schon von nicht geringer Bedeutung för den
Geburtshelfer, und gewinnt noch dadurch ein besonderes In-
teresse, dass die verschiedene Antwort, die von Einzelnen
1) Der Vortrag ist auf Wansch den Verfassers wörtlich wie-
(lerge^^ebeD.
438 XXVII. Künekey Vierzigste Versaminlting doat«cher
darauf ertheilt ist, zur Annahme grosser topographischer Dif-
ferenzen führt.
. Selbstverständlicli ist hier abzusehen von den ganz un-
gewöhnlichen Formen der Beckenbeschränkung, *den quer- oder
schrägvfTengten und überhaupt allen den engen Becken, die
bei lebenden überall nur ganz vereinzelt zur Beobachtung ge-
langen. Auch abstrahire ich von den geknickten Becken.
von denen es ja längst bekannt ist, dass sie vorzugsweise in
einzelnen Gegenden vorkommen, während sie in anderen so gut
wie ganz fehlen. Das meiste Augenmerk verdienen ohne Zweifel
die gewöhnlichen Formen der ßeckenverengung, für welche die
Verkürzung der Conj. ver. der allgemein übliche Maassslad» ist —
also zimächst die platten oder geradverengten Becken, mögen
diese nun ausschliesslich oder nur vorzugsweise in der Ein-
gangsconjugata beschränkt sein, und ferner die schlechthin
zu kleinen, allgemein und gleichmässig verengten Becken, deren
Contingent jedoch bekanntlich das bei weitem kleinere ist.
Bei allen diesen Formen nimmt man meist eine Verkür-
zung der Conj, ver. auf 3^1^" als die Durchschnittsgrenze an,
von welcher ab das betreffende Becken als ein enges be>
zeichnet werden müsse. Ob diese Annahme vollkommen
richtig ist, will ich hier dahingestellt sein lassen. Ich für
meine Perspn glaube bislang noch, dass man den Begriff des
engen Beckens weiter fassen muss. Inzwischen fehlt es mir
noch an ausreichendem Material, um den völlig exacten Be-
weis für meine Ansicht führen zu können, und will ich die-
selbe deshalb auch hier nicht weiter verfolgen. Jedenfalls
wird man zugeben müssen, dass die angegebene Grenzbestim-
mung nicht zu weit greift, und formulirt sich demnach die
vorliegende Frage genauer dahin: Wie häufig stösst man in
der geburtshülflichen Praxis auf Becken mit einer Conjugata
von 372" un<^ darunter?
In der Kieler Gebäranstalt fanden Michaelis und Litz-
mann mit nahezu völliger Uebereinstimmung derartige Becken
in Häufigkeit von beiläufig 14 Procent. Dagegen berechnet
Hecker für die Münchener Anstalt die Frequenz dergleichen
ßeckenbeschränkung auf kaum ein Procent. Auch die stati-
stischen Angaben, die wir von anderen deutschen Cntbin-
dungsinstituten über das Vorkommen des engen Beckens be-
X ata r forsch er und Aerate in Hannover im Jahre 1865. 439
sitzen oder aus den Jahresberichten so ungefähr berechnen
können, bleiben weit hinter den Kieler Procentverhältnissen
zurück, und soiJte man hiernach wirklich glauben, dass Schles-
wig-Holstein iu BetrelT der Beckenverengerung eine ganz auf-
fallende Ausnahmsstellung einnehme.
Ich bin nun in der Lage, einer solchen Meinung mit
aller Bestimmtheit entgegentreten und wenigstens den Nach-
weis führen zu können, dass die Kieler Gegend in der be-
regten Beziehung keineswegs aliein steht .Mit Michaelis und
Litzmann bin ich vollkommen überzeugt, dass die vorlie-
gende Frage nur dann mit einiger Zuverlässigkeit gelöst wer-
den kann, wenn eine sorgfaltige Beckenmessung möglichst
regelmässig, d. h. bei einer thunlichst grossen Zahl von
Schwangeren und Gebärenden ohne Unterschied ausgeführt
wird. Nach diesem Grundsatze bin ich in Marburg wie auch
in Göttingen verfahren, und bin dabei zu Resultaten gekom-
men, wie sie sich in der folgenden Tabelle mit dem der
Litzmann' sahen Abhandlung ^) entnommenen Kieler Messungs
ergebnissen zusammengestellt finden.
Tabelle 1.
,
11 Von den gemessenen Personen ,
len
mit
von
ter.
Personen
hatten bei mittlerer Küraung i
wurden
der Conj. diag. um 8'"
eine Conj. rera ron: |
Hli
\
1
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11840—1847
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301
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f 1860— 1868
Marburg
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369
174
I=0,l7oi21=4,l7u
80=16,97^
102 = 20,37^
1M59— 1862
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,463
371
162
l3=0,67J.l6=3,67o
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1.-62 — 1866.
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1) Di
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des Beckens Berlin, 1861.
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440 XWU. Küneke, Viersigste Versaiiiuilong deatseher
NB. Die entbundenen Personen hatten
Geborten — Kinder.
„. , (1095 ?
^''^ jlllö %
Marbuig 519 523
Gültingen 474 482.
Hiernach zeigte sich das enge Becken in Marbui*g wi«
in Göttingen noch häufiger als in Kiel. Wenn die erste
Gruppe von engen Becken, die weniger als 3" (2" 7. 11*^
hielten, an den erstgenannten Orten seltener gefunden wur-
den, so liegt das vielleicht nur in der geringeren Zahl der
Entbundenen und in der kürzeren Beobachtungszeit In der
zweiten Gruppe sind die Procentzablen für alle drei Orte
fast gleich, und wenn ich in der dritten Gruppe das enge
Becken um 5—7 Procent häufiger fand, als Michaelia und
Litzmann, so hat das wohl keinen anderen Grund, als den,
dass ich verhältnissniässig mehr Personen der Messung unter-
warf, als es in Kiel geschehen ist. Gerade in dieser Gruppe
bleibt nämlich ganz gewöhnlich und sehr häufig auch in der
zweiten die Beschränkung des Beckens völlig unerkannt, wenn
nicht die vorgängige Messung den Beweis dafür geliefert haU
Wie leicht ein solches Uebersehen stattfinden kann, das
erhellt deutlich genug aus dem Geburtserfolg bei so massiger
Beckenbeschränkung, und da dieser an sich schon von In-
teresse ist, so will ich auch diesen in tabellarischer lieber-
sieht kundgeben. Ich fasse dabei die von Michaelis ^ Litz-
mann und n)ir gewonnenen Resultate zusammen, theils um
durch grössere Zahlen mehr Sicherheit zu erzielen, theils um
Zeit und Raum zu sparen.
Natarforncher «ad Aarcte in Hannover fm Jahre 1866. 441
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442 XXVII. KUntket ViersiifAte VArnanitalang detttoohiir
Man ersieht in dieser Zusammenstellung in einigcrmassen
exäcter Weise, wie die üblen Wirkimgrn der Beckenverengung
mit dem Grade der Beschränkung abnehmen. Auch zeigt sich,
dass in der letzten Gruppe der Geburtserfolg demjenigen bei
normaler Weite des Beckens schon sehr nahe kommt. Dies
muss als Beweis dafür gelten, w^e leicht eine massige, immer-
hin aber doch beachlenswerthe ßeschi*änkung des Beekeus
ohne Vornahme der Messung übersehen werden kann, und
wird man in der That jede Häufigkeitsherechnung dos engen
Beckens, die sich nicht auf eine regelmässig ausgeübte Becken-
messung stutzt, als völlig unzuverlässig ansehen müssen. Bis
das Gegentheil ausdrücklich erwiesen ist, bleibt dann auch
die Vermuthung gerechtfertigt, dass die gewöhnlichen Formen
des engen Beckens wohl überall in Deutschland in ziemlich
gleicher oder doch nicht in so verschiedener Frequenz vor«
kommen, wie die bisherigen Angaben schJiessen lassen. Fine
solche Vermuthung ist auch schon von Michc^dU ausgespro-
chen worden. Offenbar überrascht durch die der gewöhn-
lichen Annahme widersprechende grosse Zahl von engen Becken,
welche er bei seinen Messungen entdeckte, warf er die Frage
auf, ob nicht Schleswig- Holstein eine besonders nachtheiJige
Ausnahmestellung behaupte. Er verneinte die Frage, weil
eine statistische Nachforschung ihm zeigte , das die Perforation
in der Kieler Gehäranstalt durchaus nicht häufiger nöthig ge-
worden war, als in den übrigen deutschen Gebärbäusem, und
weil er mit Recht annehmen durfte, dass, wo so enge Becken,
welche die Perforation erforderlich machen, in gleicher Frequenz
vorkommen, auch eine gleiche Häufigkeit des engen Beckens
überhaupt statthabe.
Winckel sen. bestätigt für seine Gegend die Häufigkeits-
angaben von Schwartz und zwar nicht bloss für die osteo-
malakischen Becken. Er stellt die Frequenz auf zwölf Pro-
cent fest. — Auch nach Gusser ow ergaben die Messungen
in der Berliner Anstalt ebenfalls die grosse Häufigkeit der
geringeren Verengerungsgrade.
Nainrforaeher uod Aerate in HamiOTer im Jahre 1866. 443
Staatsrath Dr. Woh (Petersburg) spricht
über die Therapie des Uteruskrebses.
W. beobachtete seit zwanilg Jahren in Russland eine
bedeutende Zunahme der Krebskrankheit, wetche die häufigste
von alten Krankheiten in jenem Lande zu sein scheint. Die
Diagnose des Krebses, ein Schandfleck unserer Pathologie,
will er nicht berühren. Auch durch das Mikroskop wird sie
durchaus nicht gesichelt, denn selbst, wo dieses das Näm-
liche zeigt, ist der Verlauf ein höchst verschiedener. — Am
meisten wird der Uterus betroffen und hier haben '/s der
Fälle eine syphilitische Grundlage, meist secundäre und ter-
tiäre Syphilis. Die Diagnose ergab sich ihm ex juvaotibus
et nocentibus. Er habe oft Syphilis behandelt und den Ruhm
der Krebsbeilung davongetragen. W, glaubt, dass wir bald
eine Erklärung des Krebsprocesses von der Wissenschaft er-
halten müssen.
Die Frage, io wie weit nach dem jetzigen Standpunkte
von einer Therapie des Krebses die Rede sein könne, ist
dahin zu beantworten, dass von einer specifischen Behand-
lung zu abstrahiren und nur der allgemeinen Hygieine in Be-
zug auf Luft, Kleidung, Bäder, Nahrung zu genügen ist. In
seinem ausschliesslich für Krebskranke bestimmten Hospital
zu Petersburg stehen 400 Silber - Rubel jährlicb für jedes
Bett zur Verfügung. Nach TT.'s Ansicht giebt es kein inne-
res Heilmittel. Dagegen muss so früh wie möglich jedes
verdächtige Product aus dem Körper entfernt wt^rden, denn
je grösser der traumatische Eingriff durch die Operation um
so schlechter ist die Prognose. Die kl(^in$te Verhärtung ist
selbst mit Entfernung nichtkrebsiger Theile zu exstirpiren.
Dies geschieht bisher entweder mit dem Hesser oder mittels
Kali causticum. Das Messer hat den Vorzug der Eleganz
und Schnelligkeit des Operireus, doch ist die Anwendung des-
selben nur dann zu entschuldigen, wenn die Fälle frisch und
die Patientinnen noch nicht hrruntergekommen sind. Die Nach-
theile desselben sind Blutung, neue Resorptionsquelle durch
Eröffnung von Gefässeii, Erysipelas, Pyämie, während die
Schonung der Haut doch nicht erreicht wird. Nach Entfer-
nung mit dem Messer beobachtet man viele Recidive, weniger
444 XX Vn. KUntke, VUrsi^te VersAinmIaiig deutscher
nach der Aelzung mit Kali causticam. Den besten Erfolg
hal die Galvanocaustik, und bietet so enorme Vortheile, dass
sip die übrigen Mittel in der Krebstlierapie beseitigen muss.
Doch muss' man bei der Anwendung derselben den Hitzegrad
genau reguliren können, damit die Thrombenbiidung gehörig
zustande kommt. Diese hat auch nach der Operation ihre
Vortheile, denn man kann zu jeder Jahreszeit operiren, die
Operirte kann sich sogleich der Luft aussetzen. Oft folgt
gar kein Fieber, der Schmerz wird momentan und auf die
Dauer sistirt, und es kann sofort kräitige Diät eintreten.
Betreffs der Ausfuhrung der Operation ist freilieh der
Apparat theuer, seine Conservirung verlangt zuverlässige Leuten
auch muss man mehrere Apparate besitzen. Die alten Midr-
deldorf'w\iex\ Batterien wendet W. lieber an, als die neuen
französischen, da bei letzteren der Strom, namentlich bei
grossen Operationsobjecten nicht ausreicht Auch darf man
nicht zu viel von der Operationsmethode verlangen. Man
soll mit dem Patienten vorher nicht quacksalbern, namentlich
soll man das Jod vermeiden, da es rasch Collapsus bewirkt
und den Krebs erweicht. Ohne jede andere Localbehandlung
ist früh zu operiren, doch nicht bevor der Patient zwei bis
drei Monate lang gut genährt worden ist.
Neugelauer hat bei häufiger Behandlung des Krebses
nicht ausschliesslich die Galvanocaustik, sondern auch das
Messer angewandt. Betreffs der allgemeinen Indicationen stimmt
er W. völlig bei. Da wo die Krebsgeschwulst mit dem
Messer .umgangen werden kann, zieht er dieses vor, doch
wegen der starken Blutungen nicht bei Uteruskrebs. Die
Galvanocaustik ist noch sehr zu empfehlen wegen der völligen
Schroerzlosigkeil derselben auch bei Fibroiden. Sie bewirkt
nur eine angenehme Wärme. Da wo Schmerz entstand, be-
rährte der Draht gesunde Stellen oder die Leitungen setzten
Brandwunden. Besonders bei krebsiger Degeneration der Port.
vag. ist sie anwendbar. Der Ecraseur hatte hier oft furcht*
bare Blutungen zur Folge. Nur wenn die Basis eines Ran-
kroids etwas dick ist, so tritt, je mehr die Schlinge einschnei-
det, der Uterus zurück, wodurch eine konische Wundfläche
entsteht und kranke Theile sitzen bleiben können. Um dies
;^u verhüten, stösst N, erst starke Nadeln hindurch, welche
Natarforacher und Aorate in Hannoyer im Jahre 1865. 446
aUerdings leider gluliend werden. Blutung ist bei der Gal*
vanocaustik nur beim Operiren in sehr laxem Gewebe (Zunge)
zu furchten.
Dr. Müller (Minden) berichtet über
einen interessanten Geburtsfall.
Bei einer 21jährigen gesunden Erstgebärenden mit ntor-
malem Becken traten die Wehen nahe am rechtzeitigen Schwan-
gerschaftseude ein. Da auch nach verstrichenem Muttermunde
die Wehen trage waren und die Geburt zögerte, so sprengte
M. die Blase. An dem nun tiefer herabtretenden in erster
Stellung befindlichen weichen Schädel fühlte er die Suturen
sehr weit und diagnosticirte daher einen Hydrocephalus. Die
nicht ohne grosse Schwierigkeit angelegte Zange glitt zweimal
ab. Von der Perforation musste wegen des Lebens diM*
Frucht Abstand genommen werden, doch erheischte der Zu-
stand der Mutler etwas zu thun. Jf. extrahirte daher müh-
sam das Kind mit dem Kephalotlirypler, aber ohne den Com-
pressionsapparat wirken zu lassen, wobei ein kleiner Damm-
riss nicht zu vermeiden war. Der starke asphyktische Knabe
ward wieder belebt, doch dauerten die Erscheinungen des
Hirndrucks: langsame Respiration, Blässe des Gesichts, Un-
fähigkeit zu saugen, erschwertes Schlucken, Zusammenschre-
cken, Cri hydrocephalique, noch mehrere Tage an. Aus einer
Druckstelle am Hirtterliaupte sickerte erst blutige, dann klare
Flüssigkeit aus. Das Kind wog 7 V2 Pfund und war 67 Ceu-
timeter lang. Sein Kopf hatte einen Umfang von 42^2 Zen-
timeter, der Querdurchmessep desselben 4^1% , der gerade
ÖV«") der diagonale 6", das Hinterhaupt war in die Länge
gezogen und erinnerte in seiner Form an die, welche Hecker
bei Gesichtslage beobachtete. Diese ist bis jetzt, nach einem
Vierteljahre, ziemlich dieselbe geblieben, der Umfang aber um
1 Centimenter kleiner geworden, die Nähte liegen an einander,
nur die Fontanellen sind noch gross. Das Kind, von einer
Amme gesäugt, ist sonst gesund. Die Mutter überstaad im
Wochenbette eine Metroperitonitis. — Es ist zu bewundern,
dass ein Kind mit Hydrocephalus congenitus bei so starkem
446 XXVIIT. Beek^, Zwei neoe Pille Ton
Druck auf den Kopf, und der noch dazu in sagittaler Rieb-
tUDg stattfand, hat am Leben erhalten werden können. —
Zum Schluss beantragt Prof. Langer (Washington) Er-
fahrungen zu sammeln über den Nutzen eines täglich
mehrmaligen Aufrechtstehens der Wöchnerinnen
um den Abfluss der Lochien zu erleichtern, ein
Verfahren, welches er von den [ndianerinnen erlernt habe,
und wünscht eine Discussion darüber auf der nächstjährigen
Natürforscherversammlung.
XXVIII.
Zwei neue Fälle von Oeburtscomplication durch
üterusfibroide.
Von
€. Hecker.
Zu meinen früheren Beobachtungen ^) über Üterusfibroide
in Verbindung mit Schwangerschaft und Geburt sind in der
letzten Zeit zwei neue hinzugekommen, die ich der Oeffent-
lichkeit übergeben möchte, weil sie in Bezug auf Diagnose
und Behandlung mannigfache Schwierigkeiten darboten, der
eine Fall aber viel Aehnlichkeit bekundet mit einem jüngst
von Breslau^) bekannt gemachten, und sich so von selbst
Anknüpfungspunkte an die dort angestellten Betrachtungen
ergeben.
1. Grosses Fibroid an der hinteren Gebär-
mutterwand bei einer Erstgebärenden, den gan-
1) Klinik der Geburtskande. Band II. Seite 124.
2) Monatsschrift für Geburtskiinde. Band XXV. Supplement-
Heft. S. 12*2.
Q«biirt80oinp]ie«tioD durch (Tterusfibroide. 447
zen Dott^^a^'schen Raum einnehmend. Reposition
mil Gluck ausgeführt, Geburt durch die Zange
beendet, Kind todt Mutter ohne alle Reaction
geblieben.
Im Laufe des April 1845 wurde ich von Herrn Dr.
Poppet gebeten, eine Frau aus seiner Praxis zu untersuchen,
die eine Geschwulst im Douglaa^chen Räume habe und zu
gleicher Zeit zum ersten Male schwanger sei. Man hatte es
mit einer 22jährigen, blühend aussehenden, seit etwa einem
Jahre verheiratheten und einer Wirthschaft vorstehenden Frau
zu thun, die regelmässig menstruirt, Mitte October 1864 ihre
Periode zuletzt gehabt hatte, und seit einiger Zeit über zie-
hende, wehenartige Schmerzen im Unterleibe klagte; bei der
äusseren Untersuclmng überzeugte man sich leicht von dem
Vorhandensein von Gravidität, denn der Grund der Gebär-
mutter ragte einige Finger breit über den Nabel, und die
übrigen positiven Zeichen der Schwangerschaft mit Ausnahme
der Herztöae, die nicht aufgefunden werden konnten, fehlten
nicht. Die innere UntiTsuchung ergab, dass die Vaginalpor*
tion ganz an die Schamfuge herangerückt, und das hintere
Scheidengewölbe durch eine grosse, feste, unbewvgliche, den
ganzen Douglas'schcn Raum ausfüllende Geschwulst herab-
gedrängt war, deren Verhähniss zu den Nachbarorganen man
sehr schwer ermitteln konnte; wegen dieser Schwierigkeit
blieben zonäehst zwei Hypothesen über ihren Sitz zulässig;
entweder sie stand in näherem Zusammenhange mit dem Ute-
rus, und dann mussle sie als ein subperitonfiales Fibroid
desselben angesprochen werden, oder sie ging vom Kreuzbeine
aus, und hatte den Uterus mechanisch nach vorwärts gedrängt.
In ersterem, bei weitem wahrscheinlicherem Falle war selir
auffallend, dass die Frau früher niemals übrr Beschwerden
bei der Menstruation, über Blutungen, Hypersecretionen aus
dem Uterus and andere Symptome geklagt, und dass sie ver^
hältnissmässig so bald nach ihrer Verheirathung concipirt hatte.
Die letztere Hypothese hatte wegen des jugendlichen Alters und
der gesunden Körperbeschaßenheit der Patientin sehr geringe
innere Berechtigung* Nachdem man einige vergebliche Repo-^
sitionsversuche gemacht hatte, und die wehenartigen Schmer*
zen sehr bald durch die subcutane Anwendung von Moi*pbiuin
448 XXVITT. Hacker, Zwei neue FUU Toa
beseitigt worden waren, erwie« &ich die Frau nicht geueigt,
auf den Vorschlag einer baldigen künstlichen Uoterbrecbung
der Schwangerschaft einziigphrn, sond(*rn entzog sich der wei-
teren Behandlung. In der Nacht vom ersten zum zweiten
August traten die ersten von vorn herein sehr scbnierzhaflen
Contractionen des Uterus ein, nachdem schon drei Tage vor-
her das Fruchtwasser abgeflossen war. Am zweiten August
früh acht Uhr war gleich der äussere Anblick des Unterlei-
bes höchst characteristisch : durch die ziemlich dünnen Bauch-
decken konnte man nämlich den Kindeskopf sehr deuüicb
oberhalb der Schamfuge nach vom und etwas nach rechts
als eine grosse pralle Kugel erkennen, und deutU<&h umgrei-
fen; die Herztöne waren in der rechten Muttersette ganz regele
massig zu hören. Innerlich hatte sich in der Beschaffenheit
der Gescliwulst durchaus Nichts geändert: sie füllte, wie
früher, den ganzen hinteren Raum des kleinen Beckens uo-
bewegiich aus , und lioss nach vorn nur etwa so viel Raum,
dass man zwei Finger in die Höhe bringen, und nait ibneo
die an die Schamfuge angeklemmte, ganz iu die Quere ver-
logene, übrigens weiche und dehnbare Vaginalportion, und
durch den geöffneten Cervicalkanal hindiurch ehi ganz kleines
Segment des Kopfes erreichen konnte. Im Verlaufe des
zweiten August dauerten die Wehen in äusserst schmerzhaf-
tem Grade an, und mussteu dufch wiederholte Gaben von
Opium beschwiditigt werden; da auch bis zum Morgen des
dritten keine Aenderung der Sa<*.lilage in irgend einer Ricii-
tung eingetreten war, so musste nun entschieden werden, iu
welcher Weise der Frau zu Hülfe zu kommen sei, deim dass
die Natur hier nichts leisten konnte, davon hatte man bis
dabin Zeit genug gehabt^ sicli zu überzeugen, und überdies
wuchs bei der offenbar dünnen BescbaO'enheil der Gebärmut-
terwände , wie sie durch das deutliche Fühlbarsein des Kin-
deskopfes von aussen her sich documeiitii*le, mit jeder Stunde
die Gefahr^ dass die Musculatur nachgeben, und eine Zerreis-
sung eintreten würde. Dem Kinde einen Austritt aus dem
Uterus zu verschaffen, dafür gab es nur zwei Wege: entweder
man machte einen Versuch, die Geschwulst aus dem kleioe»
Becken herauszuheben, oder man führte den KaiserscliuiU
aus; mit dem ersteren Verfahren waren iuöj^lirh(M'\vfis<* ulic
GeburtBComplication tiurch üierusfibroide. 449
Schwierigkeiten des Falles zu nberwinden, aber es schien bei
der schon wiederholt erprobten festen Einkeilung der Ge-
schwulst wonig Aussicht, auf Erfolg zu eröffnen; inisslang die
Reposition, so fand das letztere seine Stelle^ und konnte
durch dasselbe das immer noch lebenskräftige Kind wahr->
scheinlich lebend extrahirt werden, während die Mutter einem
fast absolut sicheren Tode entgegengeführt wurde, denn wenn
die Prognose für sie bei einem einfachen Kaiserschnitte in)-
mer als eine zweifelhafte gelten muss, um wie viel weniger
Aussicht auf Erhaltung derselben musste ein Fall dar-*
bieten, wo die ' Schliessungsfahigkeit der Gebärmutterwunde
*durch ein grosses, in ihre Substanz eingebettetes Fibroid auf
d#^ Aeusserste beeinträchtigt war. Am dritten August Mor-
gens sieben Uhr wurde die Patientin auf einem Querbette in
tiefe Chloroformnarkose versetzt, und der Versuch gemacht,
mit (ier ganzen rechten Hand in die sehr enge Scheide ein-
zudringen; nach einigen Bemühungen befand sich diese un-
terhalb der Geschwulst, und konnte nun Drängbewegungen
nach oben ausfuhren, die zunächst auf einen enormen Wider-
stand stiessen, aber doch insofern besser auszuführen waren,
als bei früheren Gelegenheiton, weil durch das Chloroform
die Reflexthätigkeit bedeutend herabgesetzt worden war, und
nicht sofort bei den Repositionsvcrsuchen die Gesciiwulst
tiefer in das kleine Becken herabgedrängt wurde, wie man
das früher beobachtet hatte; von der Anwendung einer irgend
stärkeren Gewalt musste natürlich wegen der naheliegenden
Gefahr der Gebärmutterzerreissung Abstand genonmien wer-
den. • Alhnählig schien es nun, als ob der fremde Körper
nicht mehr so innig mit seiner Umgebung zusammenhinge,
sondern sieb etwas lüftete, und es entstand in der Hand
ganz dasselbe Gefühl, wie ich es früher bei der Reposition
einer Ovariencyste ^) , und der eines retrovertirten schwange-
ren Uterus *) aus dem Douglas'^chen Räume gehabt und be-
schrieben habe: plötzlich war die Geschwulst aus dem klei*
1) Verhandlungen der geburtshülflicben Gesellschaft zu Ber-
lin. IX. Jahrgang. Seite 243. 1857; auch Monatsschrift für Ge-
bnrtskunde. Hand VIII. Seite 39^. 1856.
2) Monatsschrift für Gebartskande. Rand XII. Seite 287.
1858.
Mon&tosehr. f. Qeburtak. 1865. Bd. XXVI.. !fft. 6. 29
450 XXVirr. meker, Zwei neue FSlIe von
n«n Becken verschwunden, der Muttermund in die Pährungs-
linie geruckt, und ein grosses Segment des Kopfes aon
Beckeneingange fühlbar, während die früher so hervorgetrie-
bene Stelle des Unterleibes, wo sich der Kopf befunden, jetzt
abgeflacht erschien. Wenn auf diese Weise das bedeutendp
Geburtshinderniss äberraschend scimell beseitigt worden war,
so konnte man jetzt mit viel mehr Ruhe der weiteren En(-
Wickelung des Falles entgegensehen: eine sofortige künstliche
Entbindung durch die Zange wäre bei der sehr dehnbaren
Beschaffenheit des Muttermundes möglich gewesen, aber Mutter
und Kind befanden sich relativ so gut, dass'man den Natur-
kräflen eine bessere Feststellung des Kopfes und eine gros-'
sere Erweiterung des Os uteri zumuthen durfte. Afs Bel^
nach Ablauf von vier Stunden in gewissem Grade erfolgt war«
wurde unter abermaliger Chloroformnarkose ohne besondere
Muhe die Zange angelegt. Die nun folgende Operation war
aber viel mühsamer, als man sich anfangs vorgestellt hatte:
erst nach 25 — 30 schweren Tractionen konnte das Kind enl-
wickelt werden, und hatte dasselbe dabei sein Leben verloren.
Offenbar participirle die Geschwulst an dieser Schwierigkeit
durchaus nicht, sondern letzlere lag in erster Instanz an der
ungünstigen Stellung, in welcher sich der Kopf noch befand,
als er von der Zange erfasst wortlen war, denn er wurde in
erster Vorderscheitellage, also mit dem Gesichte nacli
vorn extrahirt; fernerhin zeigte der Körper des männlichen
Kindes eine Iiedeutende Entwickelung, im Besonderen waren
die Knochen des 37 Centimeter Umfang zeigenden Schädels
sehr hart und unnachgiebig; wahrscheinlicher Weise^hatle
damit übereinstimmend eine IJebertragung stattgefunden, da
der 15. October mit grosser Bestimmtheit als Termin der
letzten Menstruation angegeben wurde, die Patientin mithin
schon gegen den 22. Juli hätte niederkommen sollen; endKch
verdient auch die Enge der Gescblechtsöffnung noch als Hin-
derniss eine Erwähnung , da man sich wegen der Gefährdung des
Dammes, seitliche Incisionen anzuwenden gezwungen Mih.
Nach allen diesen Hindernissen ist es wirklich besonders auf-
fällig, dass das Wochenbett ohne jegliche Störung verlief;
der Puls erhob sich zu keiner Zeit desselben über 72 Schläge
in der Minute, und nach Ablauf von zwölf Tagen konnte rfi«
Gebartocomplieatioii dnroh Üterosfibrotde. 451
Patientin das Bett verlassen. In jüngster Zeit indessen ist
sie wiederholt Gegenstand ärztlicher Behandlung gewesen, weil
jetzt viel mehr Beschwerden in den Vordergrund getreten
sind, als früher je vorhanden waren; die Klagen über ein
bis zum Unerträglichen sich steigerndes Gefühl von Druck
und Schmerz in der Tiefe des Beckens haben, wie die Unter-
suchung ergiebt, ihren Grund in einer durch die in unver-
änderter Lage befindliche Geschwulst bewirkten Senkung der
Gebärmutter und Scheide, welche Zustände anfangs ungenü-
gend durch eine Binde, jetzt durch ein ZtrancX^'sches Hys-
terophor leidlich gebessert worden sind, so dass Patientin wenig-
stens einigermassen ihrem Geschäfte als Wirthin vorstehen kann.
m Has Interesse an dem eben vorgetragenen, an und für
sich merkwürdigen und seltenen Falle hat sich bei mir da-
durch erhöht, dass eine in vielen Beziehungen verwandte Be-
obachtung jüngst von Breslau ^) publicirt worden ist. In
lieiden Fällen handelte es sich, abgesehen von unwichtigen
Differenzen, um ein grosses, als Geburlshinderniss auftreten-
des Uterusfibroid ; in dem einen wurde der Kaiserschnitt ge-
machL und durch diese Operation das Kind gerettet, während
die Mutter zu Grunde ging, in dem anderen wurde die Ge-
schwulst reponirt, und dadurch die Mutter erhalten, während
das Kind starb, ein Ausgang, der übrigens nicht mit Noth-
wendigkeit eintreten musste, vielmehr durch aecessorische
Schwierigkeilen, wie oben angegeben, herbeigeführt war. Wenn
man sich nun fragt, welche Abstraclion aus dieser verschie-
denen Bi'handhmgsweisc gleichactiger Fälle zu machen ist, so
möchte ich glauben, dass jedesmal da, wo es sich um die
Alternative von Reposition und Kaiserschnitt handelt, die erste
Methode unter allen Umständen versucht werden muss, und
jass die zweite immer nur als eine eventuelle in Aussicht
bleiben darf. Man erzielt doch oflenbar mit der Reposition,
wenn sie gelingt, ganz ausgezeichnete Erfolge, und nach dem,
was ich bei dem erzählten Falle erlebt habe, muss ich be-
haupten, dass man niemals mit solcher Sicherheit die Erfolg-
losigkeit der Operation prognosticiren kann, um von vorn
herein von dem Versuche Umgang zu nehmen, und in dem
Kaiserschnitte principiell die allein richtige Behandlungsweise
1) 1. c.
452 XXVIII. Hecker, Zwei neae Fälle von
des Falles zu sehen. Vor und während der Zurückschiebungs*
niaiiipulationen konnte ich mir keine Vorstellung davon machen,
wie eine so grosse und so fest eingekeilte Geschwulst aus
dem kleinen Becken herausgehoben werden sollte, uod
dennoch kam ich unverbältnissuiässig schnell zum Ziele. Ich
kann also mit Breslau nicht übereinstimmen, wenn er Im
der Erörterung, wie sein Fall zu behandeln war, die Repo-
sition gar nicht erwähnt, sondern direct den Kaiserschnitt in
Aussicht nimmt, wenn ich auch zugeben will., dass factfsch
nach den Ergebnissen der Obduction die Geschwulst wegen
ihrer Grösse, der Stelle ihrer Befestigung am Uterus, and
wegen des Vorhandenseins peritonitischer Adhaesionen nicbf
zurückgeschoben werden konnte. Alle diese Umstände waren
ihm zunächst unbekannt und für die Diagnose unzugänglich,
die Sactilage konnte also auch eine andere sein, die Repo-
sition konnte gelingen, und alle die Eventualitäten, die er in
seiner Epikrise ins Auge fasst, dass nämlich nach einer sol-
chen eine Ruptur eingetreten wäre, dass man vielleicht die
Perforation und Keplialotripsic an dem nachfolgenden Kopfe
hätte machen, und wenn diese Operation nicht vollendet wer-
den konnte, nun doch noch zum Kaiserschnitte seine ZuSucht
nehmen müssen, um die Frau nicht unentbunden sterben zu
lassen, haben, wie unser Fall lehrt, keine sicliere Begründung.
Auf der anderen Seite kann man sich darüber nicht täuschen,
dass die Eröfihung der Bauch- und Gebärniutterhöhle hei gros-
sen Fibroiden eine für die Mutter fast mit Sicherheit zum
Tode führende Operation ist. Alle Fälle, die Breslau in
seiner Umschau anführt, es sind deren acht, nahmen einen
lethalen Ausgang, und ich denke, dass man diese Liste noch
ansehnlich vermehren könnte. Wie soll auch eine solche
Uteruswunde heilen? Der mangelhaften Schliessungsfahigkeit
der Gebärmutterwunde habe ich weiter oben schon gedacht,
und füge hier hinzu, dass gewöhnlich, wie es auch bei Breslau
der Fall war, unter dem Fibroid, welches das Geburtsliinder-
niss abgiebt, noch andere, oft in grosser Anzahl das Gebär-
mutterparenchyui durdisetzen , und so irgend eine Garantie
gegen Nachblutungen und eine Aussicht auf Verheilung der
Wundränder in keiner Weise gewonnen werden kann. Be«
denkt man endlich, dass das Wochenbett bei grossen Fibroi-
QaburtscompIicAtion durch Uternsfibroide. 45ä
den aD und für sich leicht einen eigen thuroJichen ungunstigen
Verlauf nimmt, wie der weiter unten mitgethcilte Fall wieder
zeigt, so glaube ich nicht, dass Breslau unter irgend wei-
chen Umständen seine Patientin hätte durchhriitgen können;
ich hatte wenigstens die meinige für vollkommen verloren
erachtet, wenn ich in die Lage gekommen wäre, den Kaiser-
schnitt an ihr machen zu müssen.
2. Grosses interstitielles Ulerusfihroid bei
einer Erstgehärenden. Täuschende A ehnliclikeil
mi t Zwillingsgehurt. Profuse Blutung in der Pla-
centarperiode. Mutter am sechsten Tage des Wo-
chenbettes an Peritonitis gestorben.
Am 18. Juni 1864 liess sich eine 38 jährige Person,
welche seit längerer Zeit die Dienste einer Portierin des Ge-
härhauses versehen hatte, also ziemlich gesund gewesen sein
musste,' als Kreisende aufnehmen. Jier der Betrachtung des
104 Centimeler im Umfange messenden Unterleibes hatte man
das ausgeprägte Bild eines Uterus bicornis; in der Mitte des
Grundes eine ziemlich liefe Einsen kung^ von der sich eine
Furche bis nach der Schamfuge herab erstreckte; die rechte
auf diese Weise abgegrenzte Seite des Uterus erschien nie-
driger und weniger umfangreich, als die linke. In beiden
hatte man das Gefühl eines elastischen, von Kind und Frucht-
wasser herrührenden Widerstandes, beide zogen sich bei jeder
Wehe deutlich zusammen, und da man auch an verschiede-
nen Stellen, nämlich rechts unten und links oben Herztöne
zu hören glaubte^ so zweifelte man nicht an dem Vorhanden-
sciu von Zwillingen. Bei der inneren Untersuchung fand man
den Muttermund thalergross^ die Fruchthlase stehend, und
hinter ihr beide Fasse in erster Position; dass sie sich klein
anfühlten, diente noch mehr zur Bestätigung der Diagnose.
Anamnestisch wurde herausgebracht, dass Patientin zuerst im
16. Jahre ihre Periode bekommen, dann wieder auf ein Jahr
verloren habe, dass letztere von dieser Zeit ab stets unregel-
mässig, in Zwischenräumen von 2 — 3—5 Wochen , jedesmal
aber durch 9 — 11 Tage geflossen sei. In ihrem 31. Jahre
machte sie eine linksseitige Gonarthrocace durch, welche fast
(Mu Jahr andauerte und mit Ankylose endete-, so dass sie
454 XXVIII. Heeker, Zwei neue Fülle tod
später hl bedeuleadem Grade hinkte ; während dteser Krank-
heit hatte die Periode vollkommen sistirt. Als sie wieder-
kehrte, empfand Patientin regelmässig einen Schmerz in der
linken Seite, der sich auf Druck vermehrte, und es fiel ihr
auf, dass der Leih ziemlich gross, hesonders aber die linke
Seile höher sei, als die rechte; im nichtschwangeren Zustande
und vor der Gehurt ist sie niemals untersucht worden. Den
Eintritt der Gravidität glaubte sie in den Anfang December
verli'gen zu müssen; in dieser Zeit sei die Periode zwei Mo-
nate hindurch ausgehliehen, dann aber wiedergekehrt, um
fünf Wochen hintereinander anzudauern; darauf sei sie dann
vollständig ausgebliehen. Die erste Kindsbewegung war genau
am 10. April empfunden worden.
Die Geburt nahm einen raschen Verlauf; nach einer
Dauer der ErölTnungsperiode von Sy^ Stunden sprang die
Fruchtblase, und mit dem Wasser wurde eine grosse pulsi-
rende INabelschnurschliuge vorgeschwemmt; die in Folge des-
sen indicirte Extraction konnte ohne Schwierigkeiten ausge-
führt werden; das Kind, ein Knabe von 1250 Grm. Gewicht
und 38 Centimeter Länge, also dem Ende des 7. Monats ent-
sprechend entwickelt, wurde durch Hautreize aus einem mas-
sig asphyctischen Zustande erweckt, starb aber nach dreissig
Stunden an Lebensschwäche.
Auch nach der Ausstossung des Kindes wurde die An-
nahme von dem Vorhandensein von Zwillingen nicht erschüt-
tert; die innere Untersuchung liefert freilich dafür keine An-
haltspunkte, denn man fühlte hinter einer grossen Menge in
der Scheide befindlichen geronnenen Blutes , weder eine zweite
Fruchtblase noch vorliegende Theile des zweiten Kindes; auch
war, wenn man eine Begründung suchte für die Hypothese
eines gelheillen Uterus, keine Spur von einem zweiten Mut-
termunde aufzufinden, aber wie sollte man sich das Verhalten
des Gebärorgans bei der äusseren Untersuchung anders, aU
durch jene Diagnose erklären ? Die rechte Hälfte desselben war
bedeutend kleiner geworden, wogegen die linke unverändert
durch ihre Grösse, Weichheit und Elasticität der Vermutliung
Raum gab, es müsse in ihr ein Kind enthalten sein; Herz-
töne waren freilich nicht aufzufinden, also früher, als man
sie an verschiedenen Stellen gehört hatte, fortgeleitet wor-
Gebnrtscomplioation dnroh Uternsfibroide. 455
den, aber die genannten Eigenschaften des Uterus iiessen im-
mer den Gedanken an Etwas Anderes wie z. B. an ein Fi-
broid nicht aufkommen. In den nächsten Stunden änderte
sich an der Sachlage nur so Viel, dass in längeren Inter-
vallen ziemlich schmerzhafte Zusanimenziehungen eintraten,
allmählig aber wurde mehr und mehr Blut ausgeschieden, und
man merkte an einem öfter wiederkehrenden Ohnmachtsge-
filhle, und an dem Kleiner- und Frequenterwerden des Pulses
die langsame Ausbildung der Blutleere. Durch diesen Um-
stand wurde eine genaue Untersuchung der Genitalien mit der
ganzen Hand dringend geboten ; dies geschah sieben Stunden
nach der Geburt des Kindes unter Anwendung des Chloro-
forms, und man überzeugte sich, dass die Hand durch einen
normalen Muttermund ui eine vollkommene, von allen Seiten
geschlossene, massig grosse Hohle eindrang, deren Wan-
dungen sich kräftig contrahirten, wodurch die Herausbe-
förderung der nirgends adhärenten Placenta in nicht unbe-
deutendem Grade erschwert wurde; diese war klein, der Na-
belstrang 48 Centiuieter lang, velamentös inserirt. Die Blu-
tung hörte nach der Operation sogleich auf. Hiernach konnte
natürhch an der fnlheren Diagnose nicht mehr festgehalten
werden ; es blieb Nichts übrig, als sich vorzustellen, dass ein
grosses, uilerstitielles, von einer ziemlich dicken Muskelschicht
des Uterus allseitig überkleidetes , sehr saftreiches, vielleicht
selbst im Innern erweichtes Fibroid die Veranlassung zur
Täuschung gegeben hatte.
Das Wochenbett schien anfangs einen günstigen Verlauf
zu nehmen; die Patientin klagte zwar viel über schmerzhafte
Nachwehen, denen objectiv wahrnehmbare Zusammenziehun-
gen der ganzen Uterusmasse entsprachen; aber der Unterleib
war bei Berührung i^chmerzfrei, und das Gefasssystem zeigte
keine Veränderung. Am dritten Tage nahm die Geschwulst
bei spärlicher Lochialabsonderung an Umfang nicht unbe-
trächtlich zu, Erbrechen und Temperatursteigerung bis zu
40,5^ bei einem Pulse von 120 Schlägen deuteten auf Rei-
zungen des Bauchfells hin, obwohl eine eigentliche Schmerzhaf-
tigkeit des Unterleibes auf Druck zu keiner Zeit bemerkt
werden konnte und der Meleorismus vermisst wurde. Die
Aufquelhiug der Geschwulst nahm in de^ nächsten Zeit noch
456 XXVIII. Hecker, Zwei none Fftlle Ton
zu, es stellte sich oftmaliges Erbrechen grüner Flüssigkeit
ein, der Puls wurde unzählbar, die Extremitäten kalt, und so
erfolgte der Tod am 23. Juni Abends acht Uhr, am sechsten
Tage des Wochenbettes, nachdem das Bewusslsein bis eine
halbe Stunde vor demselben völlig ungetrübt geblieben war.
Bei der Eröffnung der Bauchhöhle am 24. Juni halte
man zunächst den Befund einer sehr massigen Peritonitis; die
Exsudation in die Bauchhöhle war quantitativ gering; iiian
sah nirgends Flocken, nirgends VerkJebungen der Organe un-
tereinander, sondern nur eine trübe, röthlich gefärbte Flüs-
sigkeit und leichte Injeclion der Peritonäalgefasse. Nach
Herausnahme der Geschlechtsorgane bot das Fibroid, au wel-
chem der kleine Uterus nur wie ein Appendix befestigt war,
noch immer das Gefühl deutlicher Fiuctuation, so dass man
fast mit Sicherheit auf eine flüssige Beschaffenheit seines hi-
haltes rechnen zu müssen glaubte. Auch dies war eine Täu-
schung ; das Fibroid war in seinem Innern nur sehr gequollen,
saflreich, und drängte sich in Folge dessen aus der umge-
benden Muskelschicht hervor, zeigte aber nirgends eine Spur
von Erweichungsheerden. Im Uebrigen halte dasselbe sehr
bedeutende Dimensionen; es wog mit dem Uterus 2980 Grm?.
seine Länge betrug 23 Centimeter, seine Breite 17 Centime-
ter; ringsum war es von Uterussubstanz umkleidet, die im
Grunde eine Mächtigkeit von fünf Centimeter besass. Der
Uterus selbst und seine Anhänge waren vollkommen frei von
Erkrankung; die Länge seiner Höhle belief sich auf 13 Cen-
timeler bei einer Weite von sieben Centimeter, die des Cer-
vicalkanals war acht Centimeler. Die linke Tube verlief an
der hinteren Fläche der Geschwulst, und verlor sich 17 Cen-
timeter von dem Abhänge der rechten entfernt; ihr Lumen
war durch eine Sonde nicht ^^nz bis zur Eintrittsstelle in
den Ulerus zu verfolgen, während die rechte vollständig w<»g-
sam gefunden wurde. Beide Franzenlrichler und Eierstöcke
waren durch peritonilische Adhäsionen mit der Umgebung
verlölhel; ein gelber Rörper konnte nicht aufgefunden werden.
Die übrigen Organe waren gesund, und alle in massigem
Grade blutleer. Das Blul zeigte sich dünnflüssig.
Die diagnostischen Schwierigkeiten , welche dieser Fall
darbot, waren gewiss nicht unbedeutend. Unter Berücksich-
Oeburtscomplication durch Uterusfibroide. 457
tigUDg der anamnestischen Momente, dass die Periode so un-
regeimässig aufgetreten, und bis zum 38. Jniire niemals
Schwangerschaft eingetreten war, hatte man wohl von vorn
herein auf die Annahme einer Anomalie des Uterus geführt
werden können ; aber die weiche, fast fluctuirende Beschaffen*
heit der Geschwulst, die so wenig mit dem Gefühle von Härte
und Resistenz, welches sonst die Diagnose eines Fibroids an
die Hand giebt, übereinstimmte, verleitete immer wieder zu
einer anderen Ansicht, und machte es möglich, dass deren
Unrichtigkeit erst erkannt wurde , als man schon einige Zeit ver-
gebens auf den vermeintlichen zweiten Zwilling gewartet hatte.
Ebenso wichtig als dieses . diagnostische Qui pro quo scheint
mir aber die Art und Weise zu sein, wie der Fall seinen
lethalen Ablauf genommen hat. Ich habe bei der epikritiscben
Betrachtung meiner früheren Fälle ^) zunächst auf die Blu-
tungen nach Ausstossung des Kindes als auf ein häufig vorkom-
mendes und aus der Schwierigkeit, mit der hier die Zusam-
menziehung des Uterus vor sich geht, leicht erklärliches
Symptom bei Fibroiden hingewiesen; auch diesmal hatte sich
eine solche und zwar in bedeutendem Grade eingestellt. Dann
war es mir aufgefallen, dass die Wöchnerinnen unter ziem-
lich unbestimmten Krankheitserscheinungen, die sich wie ein
Gemisch von Blutleere und Bauchfellentzündung darstellten,
ihren Tod gefunden hatten, wobei unklar blieb, welche Rolle
die Geschwulst spielte; genau so hat sich der vorliegende
Fall entwickelt; sowohl die Blutleere als die peritonitische
Reizung waren für sich allein völlig unzureichend, den Tod
zu erklären, und von einem eigentlich puerperalen Processe
war gar keine Rede, da die InnenOäche des Uterus, so wie
seine Anhänge keine Spur einer solchen zeigten; man muss
also auch hier einen unbekannten Factor zur Erklärung des
Todes in Rechnung setzen, von dem man nur weiss, dass er
zu dem Fibroid in Beziehung steht, dass sich in diesem ein
acuter Quellungsprocess im Wochenbette entwickelt hatte, war
durch die objectiv wahrnehmbare Vergrösserung desselben
während des Lebens, und die ungemein starke Succulenz bei
der Section klar genug bewiesen ; es bleibt aber dunkel, wie
1) 1. c. Seite 131.
458 XXVIII. Hßcker, Zwei nene Fülle ron etc.
di^se Schwellung einen so nachtheiligen Einfluss auf flen Ge-
sammtorganismus hervorbringen konnte, dass der Tod, wie
auch in den früheren Fällen, relativ so schnell erfolgte.
In) Anhange zu den mitgetheilten beiden Geburtsgeschich-
ten möchte ich über den endlichen Ablauf eines Falles be-
richton, der ira zweiten Bande meiner Klinik Seile 124 seine
Stelle gefunden hatte. Es war dort erzahlt wurden, dass
eine 28 jährige Frau, deren Uterus eine Menge enorm gros-
ser subperitonäaler Fibroide trug^ ohne alle Kunsthillfe mit
einem reifen, lebenden Kinde niedergekommen. Dieselbe ist
nun im Laufe dieses Jahres nach langem Siechthum an Dia-
betes mellitus gestorben, und ich hatte Gelegenheit, der Sec-
tion beizuwohnen, so wie das Uteruspräparat für die Samm-
lung der geburl^hülf liehen Klinik zu erwerben. Beim Anblicke
desselben begreift man noch heute nicht, wie hier Schwan-
gerschaft und Geburt haben stattfinden können. Der Uteiiis
wiegt 342 Gramm, hat eine sehr enge, neun Centimeter lange
Höhle, und birgt in seinem Parenchym nicht nur einzelne
kleinere Fibroide, sondern ist von einem grösseren gewisser-
massen gekrönt, das in grösster Circuroferenz 16 Centimeter
messend von einer hie und da verkalkten Schale umgeben
• ist, im Inneren aber eine harte, zähe Beschafienbeit zeigt,
wie man sie an gewöhnlichen Fibroiden zu sehen gewohnt
ist; in den Dovglas'schen Raum ragt ein anderes mit einem
Umfange von 14 Centim. subperitonäal hinein, das von der-
selben Qualität, wie das obere, zur Zeit der Schwangerschaft
die Befürchtung rege gemacht hatte, dass es bei der Geburt
ein ernstliches Hinderniss abgeben würde. Für die Nosoge-
nie des Diabetes mellitus war der Befund einer beträchtlichen
Hypertrophie des Pancreas nicht ohne Bedeutung.
XXTX. Notisen aas der Journal- Lite ratnr. 459
XXIX.
Notizen ans der Journal -Literatur.
Sadler: Tubarschwangerschaft mit einem Corpus
luteum im Eierstocke der anderen Seite.
Die 22 jährige Frau, seit zwei Monaten verheirathet, starb
unter den gewöhnlichen Erscheinungen der inneren Verblutung.
Bei der Section fand man dan kleine Becken und die linke Seite
der Bauchhöhle mit Blut gefüllt, die linke Tuba in der Nähe des
Uterus gerissen, in der Tuba Reste des Chorion, in der Bauch-
höhle den Fötus , im Uterus die Decidua , im linken Ovarium
kein Corpus luteum, dagegen solches schön ausgebildet im rech-'
ten. Es hatte demnach eine Ueberwanderung des Eies statt-
gefunden.
(Oaa. des böpit. Nr. 109, 1866. und Medic. ttmes and
gas. 5. Aug. 18B5.)
Philippart: Fall von Ex trauterin-Scliwangerscbaft.
Die 30 jährige, seit sechs Jahren verhetrathete Frau hatte
noch nicht geboren, und hielt sich seit achteehn Monaten schwan-
ger. Mit dem Tierten Monate stellten sich Beschwerden im Un-
terleibe ein, die bis »um Ende des siebenten Monates anhielten
und den Arzt sa vier Aderlässen yeranlassten. Ende des sie-
benten Monates traten Wehen ein, verloren sich aber bald wie-
der. Nachdem zehn Monate abgelaufen waren and die Geburt
nicht eintrat, unterwarf sich Fat. mehreren Untersuchungen, nach
welchen sunüchst widernprechende Diagnosen abgegeben wurden.
Erst am Ende des achtzehnten Monates (3. December 1864)
stellte Verf. die Diagnose auf Extrauterin Schwangerschaft. Der
Mutterhals war hoch hinter die Schambeine verdrängt, hinter
dem Vaginalgrnnde lag ein Kindeskopf, an dem vom Mastdarme
aus deutlich Fontanellen und Schädelknochen unterschieden wer-
den konnten. — Die vom Verf. vorgeflchlagene Operation wurde
zunächst verweigert, indess am 19. December lebhaft begehrt,
nachdem sich heftige Leibschmerzen und Collapsus eingestellt
hatten. Der Schnitt wurde in den hinteren Vaginalgrund geführt,
wobei Verf. sogleich den Kopf mit anschnitt; dieser war aber so
innig mit der Cyste verbunden, dass er nicht zu lockern war.
460 XXIX. NotiveM aas der Joarnal-Literatar.
Es flo88 nnr einiges Gehirn ab. Die Fraa worde in abeolate
Rabe gebracht, stinkender Ausfluss aus der Scheide stellte sich
ein , dazu Fieber and Schmerzen im Bauche. Am 22. Dec. ^ing-
ein Scheitelknochen ab, am 3. Januar mehrere andere Schädel-
knochen. Indess sanken die Kräfte in bedenklicher Weise and
der Versuch, mehr Fötustheile zu extrahiren, blieb erfolglos.
Am 5. Januar endlich gelang es, mit einer langen 2ange, welche
eigens dazu angefertigt worden war, den Hals des Fötus zu
fassen und den ganzen Fötus vorsichtig herauszuziehen. Das
weibliche Kind schien reif und war in voller Verwesung, die Kin-
geweide und Flacenta kaum als solche zu erkennen, zu einer
breiigen Masse umgeformt. Von jetzt an begann die Hesserang
und bald war vollständige Genesung erfolgt.
(Gaz. des hdpitauz Nr. 107. 1865.)
Baker Brown: Zwölf Fälle von Ovariotomie.
Verf. reiht seinen froheren Ovariotomien zwölf neue Fälle
an , die mehrfaches Interesse erregen. 1) 21. November 1864.
Die Cyste war fächrig, hatte so viele Adhäsionen mit den Nach-
barorganen, dass eine volle Stunde unter der Ablösung derselben
dyrch das vom Verf. empfohlene Gltiheisen verstrich. In der
ersten Zeit nach der Operation trat heftige Peritonis auf, indess
nach einem Monate konnte Fat. das Bett verlassen und genas.
2) 2. Dec. 1864. Dia Cyste wurde seit fünf Jahren bemerkt, be-
stand aus mehreren, mit Blut gefällten Zellen. Zahlreiche Adhä-
sionen mussten getrennt werden. Die Kranke genas ohne we-
sentliche Störung. 3) 28. Deoember 1864. Die Cyste bestand
erst fünf Monate und war ausserordentlich schnell gewachsen,
sie enthielt drei Gallonen Wasser und die soliden Massen wogen
ausserdem sechs Pfund; besonders in der linken Seite fanden
sich zahlreiche Adhäsionen. Die Wunde heilte in einer W^oehe
und Pat. genas. 4) März 1865. Die Cyste war seit 15 Monaten
gefunden und schnell gewachsen, hatte sich nach einer vor sechs
Monaten gemachten Function schnell wieder gefüllt. Feste und
sehr zahlreiche Adhäsionen mussten mit dem Glüheisen getrennt
werden. Auch das zweite Ovarinm wurde krank gefunden und
entfernt. Nach 5 Wochen war Pat. genesen* 5) 16. März 1865.
Die Geschwulst seit 2% Jahr schnell gewachsen. Die Operation
wich nicht von den gewöhnliehen ab, war sogar leichter. 48 Stun-
den nachher begscnn Peritonitis und 90 Stunden nach der Ope-
ration starb die Kranke. Section: Die Därme voll Gas, frische
Essudfition zwischen ihnen. 6) 6. April 1865. Die Getchwnlat
bestand seit 10 Jahren, war aber besonders in den letzten zwei
Jahren gewachfien und hatte erst ganz zuletzt Beschwerden gemacht.
Eine vorläufige Function entleerte 13^4 Pints einer dunkelbrau-
XXIX. Notisen ans der Journal- Literatur. 461
neu, tr&ben FlüsaigkeU. Die Operation war einfach, wenige Ad-
häsionen^ das sweite Ovarinm gleichfalls krank. Ohne alle Stö-
rung erfolgte die Heilang. 7) 11. Mai 1866. Die niehrfächrige
Cyste bestand seit 18 Monaten. Es fanden sich keine Adhäsio-
nen, die ganze Operation wurde in zwölf Minuten ausgeführt
Genesung ohne alle Störung. 8) 8. Juni 1865. Cyste seit 2'/,
^Jahren bemerkt , aber vorher schon Heschwerdon. Pat. hatte,
sich schon vor ewei Jahren sur Operation gemeldet, die damals
aber wegen zweifelhafter Diagnose unterlassen wurde. Spiiti'r
barst eine Cyste und die Flüssigkeit entleerte sich durch den
Darm, aber zwei Monate später füllte sie sich schnell wieder so
stark, wie vorher. Wenig Adhäsionen wurden mit dem Glüh-
eisen getrennt, eben so der Stiel. Genesung ohne Störung.
9) Vielfftchrige Cyste seit sieben Monaten, mit zahlreichen Ad-
häsionen, die mit dem Glüheisen getrennt wurden. Ein grösse-
res Gefäss konnte wegen des versteckten Sitzes zwischen Ute-
rus und Rectum weder gebrannt, noch unterbunden werden. Dn
die Blutung aber Vor Vollendung der Operation atand, wurde die
Bauchwunde ge.schlossen. 27 Stunden nach der Operation er-
folgte der Tod an innerer Verblutung und beginnender Perito-
nitis. Die Quelle der Blutung war jenes nichtverschlossene Ge-
fHss. B. legt einen besonderen Werth darauf, dass das Gefäss
nicht gebrannt worden war, da er aus gebrannten noch niemals
eine Nachblutung gesehen hat. 10) 13. Juli 1865. Vielfächerige
Cyste seit sechs Jahren und schnell gewnchsen. Der Stiel wurde
gebrannt und in die Bauchhöhle gelegt. Genesung ohne Störung.
11) 13. Juli 1865. De/moidcyste mit Inhalt von Knorpel, Harn,
Fett, Stearin, bestand seit sechs Monaten. Operation wie ge-
wöhnlich. In den ersten Tagen leichte Peritonitis, nachher un-
gestörte Heilung. 12) 27. Juli 1865. Vielfftchrige Cyftten beider
Ovarien seit zwei Jahren. Sie wurden beide entfernt, die Stiele
gebrannt. Ungestörte Heilung.
Zum Schlüsse giebt Verf. die Abbildungen der Klammer,
welche er beim Abbrennen des Stieles anwendet und des Brenn-
eisens. Ersteres ist eine Modification von Clay*» Instrument.
(The Lancet 26. Aug. und 2. Sept. 1865.)
Dominico Peruzzi: Fall von Ovario tomie.
Verf. führte zum ersten Male in Italien im Januar 1865 die
Ovariotomie zu Sinigaglia aus. Der Fall war ausgezeichnet
durch ausgebreitete Adhäsionen der Cyste mit den Beckenfas-
cien. Die Operation endete leider unglücklich.
(The Lancet Vol. L Nr. XXIII. 10. Juni 1865.)
462 XXIX. Notiaen ans der Journal -Literatur.
C Hueter: Die Saftcanäle und Lymphgefässe der
menschlichen Eihäute.
Als vorläufige Mittheiinng veröffentlicht Verf. in karxen
SKtzen die Hesiiltate seiner Forschungen über die Saftcanäle and
Lymphgeflisse der menschlichen Eihäute. Nach Imbibition mit
Höllensteinlösung (v. Recklinghausen) zeigte das Aranionepithel
an den Knotenpunkten der BegrSnzungsIinien punkförmige weisse*
Stellen; dieselben sind nach Verf. wahrscheinlich offene Canäle,
die mit einem in der zellenreichen Schleimgewebsschicht awi-
schen Amnion und Chorion befindlichen Cannlsystem in Verbin-
dung stehen. Nach aussen von dieser zellenreichen Schicht folgt
eine zellenärmere, deren Canalsystem mit dem der ersten comma-
nicirt; ebenso lassen sich in der äusseren Schicht des Chorion
und dem Gewebe der Decidua Canalverbindungen zwischen den
Zellenränmen nachweisen. Die Decidua selbst lässt schon mit
anbewaffnetem Auge ein Netz von Lymphgefässen deutlich erken-
nen. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihr rund-
liches Zellenepithel und durch die ampullenartigen Erweiterun-
gen an den Mündungsstellen an den Blutgefässen. Das Lympb-
gefässsystem vermittelt wahrscheinlich den rück wärtsläu6gen Ver-
kehr des Saftcanalsystems und der Zellen im Bindegewebe der
Eihäute mit den Lymphgefässen des Uterus.
(Centralblatt für die medizinischen Wissenschaften
1865. 41.)
W. His: Beohachtungen über den Bau des Säuge-
thiereierstockes.
Neben der Entwickelung des Ovaria! follikelinhaUes ist Verf.
in vorliegender Arbeit bemüht, auch die selbstständigen Vegets*
tionsvorgänge am Stroma, sowie die Bildnngs- and Rückbildongs-
vorgänge an den Gefässen des Eierstockes zur Geltung su brin-
gen. Er stellte seine Beobachtungen am reifen Ovarium der Kuh,
der Katse und am menschlichen Fötuseierstocke an und schickt
diese letzteren — die uns hier besonders interessiren werden
— jenen voraus. Es stimmen übrigens seine Beobachtungen mit
denen von Pßüger^ Bekrön und Qrohi nicht allein darin überein, das«
sie die jüngsten Zustände der Follikelanlage in die äusserste Pe-
ripherie, die reifen in die inneren Lagen des Parenchyms ver-
legen , sondern sie geben auch in den Hauptpunkten die Bestä-
tigung für die FoZen^in - iPjf2%er*sche (nouerdings von Spiegelbirg
unterstützte) Ansicht. — Um den Process der Follikelscbeidang
deutlich zu machen, wendet er seine Aufmerksamkeit aunäehst
der Entwickelung des Stroma zu , dessen Hauptwachsthum er in
den Rayon der Peripherie des Ovarium verlegt. Das Sironaa
wachse also, wie die Follikelanlage von Innen imch Aussen,
XXIX. NotiseD ans 4er JonrnAl- Literatur. 463
mroraus ersichtlich sei, dass die Abschnürung der Follikel in der
genauesten Beziehung zu den Vegetationsvorgängen des Stroma
selbst und zur Neubildung von Gefassen stehe. Sie erfolge näm-
lich dadurch, dass zwischen die Zellen der Eistränge Brücken
von Spindelzellen sich einschieben, welche anfangs dünn, später
breiter' werden und sich vascularisiren. Eine Entscheidung über
die anfänglichen Beziehungen zwischen drüsigein Ovarientheil
nnd zwischen Stoma versucht er auf dem Wege des entwicke-
langsgeschichtlichen Studiums zu gewinnen, und benutzte zu sei-
nen Untersuchungen über diesen Gegenstand im Weingeiste erhärtete
embryonale menschliche Oyarlen aus der 11 — 12 Woche, sowie Vs — ^
BÖlUgeSäugethierembryonen und Hühnchen vom 4 — 10. ßebrütungs-
tag^e. Aus seinen Beobachtungen schliesst er, dass das Paren-
cbym der Sexualdrüsen wirklich aus Wolff^Bchen Canälen ent-
sieht, während die Hülle der früheren Umgränzung eines Theiles
des Wolff^Bchbn Körpers entspreche und das Hilusstroma mit
seinen Gelassen aus einem Malpigkiachen Knäuel entstehe. In
der ersten Anlage gestalte sich das Verhältniss von Knäuel und
Canälen ähnlich wie in den Urnieren selbst. Jener treibe diese
spangenartig vor sich her, und komme nur zunächst in Berüh-
rung mit der einen Wand, welche blasser werde und sich ab-
platte, während die abgekehrte Wand sich stärker entwickele.
Ans letzterer gingen durch Wucherung die Stränge der Eizellen
hervor. Ob die Epithelzellen des Primitivfollikels auch aus ihr
sich bilden, oder ob sie aus den blassen Zellen der 'tieferen
Lage (der anfänglich inneren Canalwand) hervorgel^en, vermag
Verf. zunächst nicht zu entscheiden, doch sei ihm die letztere
Möglichkeit wahrscheinlicher. Was die Abstammung des Urnie-
renganges selbst betrifft, so fand er an allen Durchschnitten von
Embryonen mit noch offenem MednUarrohr neben der MeduUar-
platte eine tiefe Falte wieder, die genau der Stelle, an welcher
man bald nachher den Urnierengang dicht unter der Hornplatte
liegen sieht, entsprach. Verf. steht nicht an, diese Falte für das
Primitivgebilde des Urnierenganges zu halten und sehliesst, ^^ss
die Urnieren und wohl auch die Geschlechtsstränge nicht aus
dem mittleren Keimblatt (Bemale^ Köüiker) entstehen, sondern aus
dem obersten sich abschnüren und zwar zu derselben Zeit, da
der Scblnss des Medullarrohres sich einleitete. — Weiterhin be-
schäftigt den Verf. der Bau des Katzenovariums; Er bespricht
hier ausführlicher die Vertheilung des Hilusstroma, des Parea-
chyms und die Anordnung der Gefässe, sowie die Bildung der
Membrana folliculi interna. — £s folgt eine Betrachtung des
reifen Eierstockes der Kuh und zwar zunächst des Blut- und
Lymphgefässcomplexes. Das gesammte intervasculäro Gewebe
hat nach Verf. eine ganz direete Besiehnng zu den grösseren Ge-
fassen des Hilusstroma: es muss als modificirte Gefässwai^d an-
gesehen werden, und die in ihm enthaltenen reichlichen, kleinen
464 XXIX. Notisen aus ddr Journal -Literatur.
Gefäflse haben die Bedentung von Vr«8 vasornm; da» g-anze Ver-
hRltniss erinnere nn dasjenige der Corpora eavemosa. Die Besie-
hnng des interrascnlaren Gewebes an den GefSssen sei nicht
ohne Belang für die physiologische Dentnng der TJeldiseittirten
Spindelsellen des Stroma. Es liege die Nöthignng, dieselben
als Mnskelzellen nueusehen, sehr nahe; besonders sei hierbei
die nahe Beziehnng hervorznheben, in welcher jene Zellenstränge
sn den Gefösswandnngen stehen. Diese Besiehnng sowie die
strangfÖrmige Zasainmenordnung der Spindeln scheine Verf. von
entscheidenderem Gewichte zu sein, als die Form der einseinen
Zellen. Beachtenswertb erscheint die Beobachtung Aebtf^B^ wo-
nach die Eierstocksspindeln zur Brunstzeit, resp. der Menstruation
sich stärker entwickelten. Diese Beobachtung dränge sam Ver-
gleich mit den Verhältnissen im Uterus, so dass die Ovarium-
mnskulatur wie dort erst durch die die Brunst begleitende Coir-
gestion zur Entwickelung gelange, dann zu Ende der Periode
ihre Wirkung entfalte, welche einestheils zum Platzen eines oder
mehrerer Follikel, anderentheils aber im Vereine mit der Con-
traction der übrigen Gefassmuskulatur auch zum Verschlusse der
orarialen GefHsse und damit zum Abschlüsse der Brunstperiode
und zur eigenen Rückbildung führe. — Verf. geht dann su einer
Beschreibung des Ovarienpnrenchyms über, das er mit Bäck-
sicht auf die Ausbildung der Follikel in rier Zonen eintheilt:
follikellose Zone, Zone der Primitivfoltikel, Zone der Ueber-
gangsbildnng und Zone der yoUständigen Follikel; femer be-
spricht er «die Membrana folliculi und den Bau der Corpora
lutea. Wir gehen hier nur kurz auf die Entstehung der letzteren
ein. Die frühere Ansicht, dass die Corpora lutea nichts weiter
seien, als „in Entfärbung und Organisation begriffene Extrava-
sate {HenleYj widerlegt Verf. zu Gunsten der v. Bär'Bchen An-
sicht YolIstHndig. Das ganze Bild des entwickelten gelben Eo'r-
pers stimme vielmehr in allen Hauptpunkten mit demjenigen der
reifen inneren Follikelhaut überein. Wie dort, habe man hier
ein sehr gefassreiches Gewebe, mit allen Anzeichen einer sehr
lebhaft in ihm thStigen Vegetation; man habe in beicjen den ,
fast gänzlichen Mangel der Interzellnlarsubstanz, und das Ge-
webe werde, die Gefdsse ausgenommen, nur gebildet aus üppig
ernährten Zellen mit reichlichen körnigen, theils fettigen, theils
albuminösen Einlagerungen. Die (Tebereinstimmung des Baues
liefere durchaus eine Bestätigung der v. Bär^sohen Ansicht, dass
das gelbe Parenchym des Corpus luteum nnntittelbar ans der
Membrana folliculi interna hervorgehe. Selbst der Kern des
Corp. lut. entstehe nachweisbar aus den innersten Lagen der
Follikelhaut. — Wie aber ist nun die Rückbildung des gelben
Körpers zu erklären? Verf. findet den Grund im Verhalten der
Gefässe. Dieselben bestehen nämlich aus sehr zahlreichen, sehr
engen Capillaren, deren zuführende Gefässe theils wegen des
XXIX. Notisen aa« der Joarnal- Literatur. 465
▼erhäUnisamlisfligr g^a ringen ~Lnmen»| theiU der vielen Windungen
wegen sehr betrKchtliche Stromwiderstände abgeben. So lange
im Tnrgor der Brunst und OrayiditJit die Orarialgeflisse erwei-
tert sind, wird die Circnlation im gelben Körper nicht gehemmt
sein. Wird dagegen die Zufuhr bei eintretender Oefftss- und
Stromacontraction gemindert, so wird in den engen Capillaron
die Blatbewegnng völlig sistirt, ein Umstand, der sur Atrophie
jener Zellen, die neben den GefJtssen betnahe allein das gelbe
Parenchym des Körpers bilden, fiihrt. Es stagnirt nun auch das
Blnt in den venösen und lymphatischen Oefassen, und sie schlies-
sen sich bei gleichseitiger Schrumpfung des umgebenden Ge-
webes.
Schliesslich spricht Verf. fiber die LymphgefUsse des Eier-
stockes, deren Häufigkeit an die der Blutgefässe im Allgemeinen
gebunden sei. Die Follikel sind nach ihm hauptsächlich nn der
inneren Lage Ihrer Tunica externa von einem reichen Lymphge-
fässnetie umsponnen.
(Archiv für mikroskopische Anatomie. 1866. Band 1.
Heft 3.)
Rob. Lee: lieber die Behandlung der Sterilität.
Verf. ersählt einen Fall von Sterilität bei einer 29 jährigen
Frau, die seit sieben Jahren verheirathet ist. Sie hatte viel
durch Dysmenorrhoe und Hysterie su leiden. Pulvis Doveri, Cam-
pher etc. hatten einigen Nutsen; es seigte sieh kein organischer
Fehler, der die Sterilität erklärt hätte. Nachdem Verf. sehn
Monate lang die Ijeucorrboe su beseitigen und die Constitution
■n heben versucht hatte, nahm er seine Zuflucht sur Dilatation :
mit einiger Schwierigkeit liess sich ein dünnes Bougie einfüh-
ren, aber trotsdem, dass es ohne heftigen Schmerz geschah,
wurde die Kranke sehr nervös, konnte Nachts nicht schlafen,
hatte erschreckende Traume und klagte, dass ein dunkler Schat-
ten über ihrem Geiste hinge. Als die Dilatation ausgeführt wor-
den war, sollte die Kranke aufs Land geschickt werden; anstatt
dies EU thun, consnltirte sie einen anderen Arst, der die Dila-
tation energischer als Verf. mit stärkeren Instrumenten versuchte,
auch schneidende Werkseuge durch Os und Cervix einführte.
Es folgte plötslich eine heftige Manie und ist seitdem die Ver-
nunft nie wieder völlig hergestellt worden; die Sterilität blieb.
Einen ähnlichen Fall von Manie hat Verf. gehört, der in Schott-
land nach der Anwendung eines Hysterotoras oder eines ähn-
lichen Instrumentes sich ereignete. — In der nächsten Nummer
4es Journals erklärt Barne» , dass er die obige Kranke in Be-
handlung genommen habe, aber es sei ihm unmöglich su be-
stimmen, ob' die Manie durch die Dilatation oder Incision her-
Monat8«chr. f. Oebartflk. 1865. B.J XXVI. Hft 6. '^0
466 XXIX. NotUan aas der Joamai* Literatur.
▼orgernfen worden sei oder ob ihre Eotstebaiig gans anabhfisigip
von Beiden war.
(The Lancet No. XXIII. n. XXIV. Vol. I lO. u. 17.
JoDi 1866.)
Bennet: Die chirurgische Behandlung der schmerz-
haften Menstruation.
Verf. theilt im Gegensatse au und im Anschlüsse an Ma-
rion Sim$* Behandlung dieses Zustandes seine eigenen Beob-
achtungen mit, welche sich auf zahlreiche Operationen von Fibroi-
den nnd Polypen des Uterus gründen. So ezstirpirte er s. B. eine
im Uterus einer 42 jährigen Frau sitzende Geschwulst (Fibroid),
nachdem der verengte Canal mittels Pressschwamm dilatirt wor-
den war, mit dem von Htcks modificirten Ecraseur, nachdein er
mit einem Stück Kupferdraht die Geschwulst angezogen hatte.
Fanden sich also Polypen bei schmerzhafter Menstruation vor,
so suchte Vprf. si«^ stets zu entfernen, wenn auch der Canal des
Cervix uteri geknickt war, nnd zwar die wenig zugänglichen
mit Messer oder Histourie, während er für einige grössere und
tiefer sitzende die G^ooe^*sche Canüle gebrauchte. Hierbei hatte
er stets Glück, es trat nie eine Metritis oder Metroperitonitis
ein, und er beobachtete nur stets, die Hlntnng in den engsten
Schranken zu halten, was ihm stets gelang, wei^n er einen ein-
fachen Wattenpfropf (ohne Eisensesquichlorid oder Tannin etc.)
in das Collum oder die Höhlung des Uterus hineinschob, waa
Verf. überhaupt für jede Blutung empfiehlt, mag sie die Folge
obiger Operation oder eines Abortes sein, oder als idiopathische
Haemorrhagie auftreten. (Als einzige Ausnahme hierfür gelten
ihm die letzten Monate der Schwangerschaft.) Hieran anschlies-
send kritisirt Verf. die Meinungen und die Handlungsweise von
SimpsoUf liaker Brown und Marion Sims^ sich vorzüglich an des
Letzteren Aufsatz (Lancet, Vol. I. No. IX. und XXII.) haltend.
£r hält nämlich die Spaltung des Collum uteri für unnöthig, weil
diese Methode auf der einen ISeite als die Folge einer mecha-
nischen Theorie über die Dysmenorrhoe erfunden und aufs Aeos-
serste getrieben worden sei, und weil auf der anderen Seite eine
rationelle Erweiterung des Cervicalcanals ohne Gefahr mit weit
milderen Mitteln erzielt werden könne. Sodann auf Einzelnhei-
ten im Sima^schen Aufsatze übergehend, entgegnet er der im phy-
siologischen Theile desselben aufgestellten Ansicht, dasz bei jeder
schmerzhaften Menstruation ein mechanisches Hinderniss in den
Ausführungsgängen der Uternshöhle zugegen sei — das« es eine
Klasse, von Frauen gäbe, bei denen die Menstruation wegen eine/
physiologischen Empfindlichkeit des Uterus durch alle Lebens-
Stadien hindurch (vor und nach der Ileirath und Niederkunft)
XXIX. Notizen aas der Journal -Literatur. 467
mit starkem Schmers verbanden sei , ohne dass irgend eine
krankhafte Veränderung so Grande läge; Verf. beseichnet diesen
Zustand nur als Disposition sn Uterusleiden, als Schwäche und
Empfindlichkeit des Organs. Im anatomischen Theile finde Verf.
kein Wort über dns Bestehen eines Sphincter am Orific. uteri
internum, der doch die Uterushöhle von der des Collum uteri
trenne und der durch Ereisfasern des Cervicalge wehes gebildet
sei. Derselbe Sphincter soll nach B. seine L^bensth&tigkeit in
hohem Maasse äussern, soll sich in Verbindung mit der Men-
struation und mit Oenlüthsbewegungen Öflfnen und schliessen und
swar während der Menstrnalpausen so stark, dass eine Sonde
eigentlich nicht in das Uterincavum gelangen dürfe. Seine
Lage ist iVi Zoll über dem Orific. externum. Sim9* pathologi-
schen Theil anlangend, finde Verf. als Ursachen der Dysmenor-
rhoe viel häufiger krankhafte Veränderungen, wie chronische
Entsündungen des Cervix oder Corpus uteri als physicalische
Obstruction des Cervix; und ist letstere dann zugegen, so ist
sie eben nur Jils Resultat der Schwellung einer chronisch - ent-
siindeten oder hypertrophirten Schleimhaut ansusehen; aber selbst
bei Anwesenheit von Fibroiden in der vorderen Wand des Ute«
rus fand Verf. das Orific. internum' meist offen und frei — die
Dysmenorrhoe war allein die Folge einer Reisung des Uterus
durch die vorhandene Geschwulst. Endlich su seiner Therapie
bei Dysmenorrhoe vorgehend, schlägt B. vor, die constitutionelle
Form weder innerlich noch chirurgisch su behandeln, wenn sie
gering sei: Heirath und Wochenbetten heilen snweilen den orga-
nischen Zustand des Uterus auf naturgemässe Weise. Ist der
Schmers sehr stark, ho sind gewöhnlich entsündliche ZnstKnde
des Uterus su behandeln; sind diese beseitigt, so ist gewöhnlich
der Cervicalcanal offen; ist er verengt, so reicht die Dilatation
desselben aus.
In einem kursen Resum^ beseichnet Verfasser ^»ms' Ope-
ration als eine furchtbare, die nur von gans unterrichteten und
erfahrenen Männern gehandhabt werden könnte — also für das
allgemeine Wohl unrationell und unnöthtg sei; er vergleicht sie
mit den Operationen der Urethralstrictnr, bei welchem Leiden
man doch wohl nie das Corpus eavernosum nrethrae bis ober
die Stricturstelle hinaus spalten würde!
Metalldilatatoren verwirft Verf. gHnslich und wendet nur
snweilen, nach einer vorausgehenden Incision in die verengte
Stelle, Bougie's an, welche er im Oervicalcanale liegen läset und
später mit dem, von ihm selbst modificirten, «Stm|»4>n*schen Me-
tallstielpessar vertauscht; letsteres und die Bongies iKsst er 24
bis 48 Stunden liegen, entfernt sie dann auf eben so lange, um
sie nach der verflossenen Zeit wieder einsuführen; bei Gegen-
wart entstindlicher Zustände räth er, stets vom Gebrauche des
Pressschwammes absusehen, den er überhaupt nie länger als
30*
468 XXIX. NotlEen ans der Jonraal- Literatur.
Bwaneig^ Standen liefen iHsst. Unter diesen Cautelen erhielt
Verf. dieselben Resultate, wie Andere; es blieb die Hälfte seiner
(40) Patienten steril, wKhrend zwansigf schwanfi^er wurden.
(The Lancet, No. XXV. Vol. I. »4. Juni 1866.)
Johnson: Urinretention fälschlich für Gehurts-
stadium gehalten.
Verf. wurde za einer y^Rreissenden' gerufen, der Matter ▼on
vier Kindern, die im Alter von. 36 Jahren stand; sie sollte so
eben das fünfte gebären; die Untersuchang ergab jedoch, dass
die Blase ungemein angefüllt war, und es wurden neun Rannen
Harn entleert, und darauf schwanden die Symptome der Ge-
burtsthäti^keit.
(Dublin. Med. Press; Edinburgh Medical Journal Nr. 118.
April 1865.)
O, Spiegelberg: Tiefe Blas en-Ulerus-Scheidenfistel;
Zerstörung der hinteren Muttermundslippe;
Eröffnung des Peritonäalsackes und Vorfall
des Darines hei Anfrischung des hinteren Fi-
stelrandes; später quere Ohliteration der
Scheide; Heilung durch einmalige Operation
m it rascher Wiederherstellung völliger Con-
tinenz des Urines.
, In der gynäkologischen Klinik su Königsberg kam folgender
interessanter Fall zur Operation und Heilung. Eine 20j3Shrig-e
Frau, von regelmässigem aber zwerghaftem Wüchse, bekam nn-
mittelbar nach einer im October v. J. mit der Zange vollendeten
schweren Entbindung unwillkürlichen Urinabgang aus der Scheide.
Nach einem angeblich sehr schweren Wochenbette kam Patientin
Ende Januar d. J. nach Königsberg, und wurde hier von zwei
verschiedenen Operateuren der Versuch gemacht, die aufgefun-
dene Uterin-Blasen Scheidenfistel zu schliessen. Bei einer dieser
Operationen wurde bei Anfrischung eines der hinteren Fistel*
rander der Peritonlialsack eröffnet und der Darm fiel vor. Der
gefährliche Unfall ging ohne Schaden vorüber, doch stand man
jetzt von weiteren Eingriffen ab. —
Bei der Aufnahme der Kranken in die gynäkologische KM-
nik am 14. Juni fand sich eine tiefe Blasen-Uterns-Scheidenfistet
mit zerstörter hinterer Utenislippe; gerade am hinteren Rande
der Fistel inserirte der hintere Vaginalgrund. Ueber diesen An»
satz geht bekanntlich das Bauchfell noch etwas herab; im vor-
liegenden Falle gewiss um so tiefer als eine Rectocele und in
XXIX.- Notisen ahr der Jotirnal- Literatur. 469
Folge davon RetroverBio. uteri vorhanden war. Dieser Umstand
verbot jeden Versnch einer directen Vereinig^ang der Fistelrün-
der, weshalb Yert sich ent8chI<rBs, die Fistel indireet durch
Obliteration der Scheide mittels Aufbeilen des restirenden Hla-
senstückes der vorderen Scheidenwand (ca '/|" breit) auf den
oberen Theil der vorgestöVpten Mastdarmscheidenwand zu schlies-
sen. — Am 24. Juni wurde die Operation ausgeführt. Verf.
machte die vordere Scheidenwand dicht unter dem vorderen Fi-
stelrande in der Breite von ca 1" wund, so dass der ganse Harn-
röhrentheil der Vagina stehen blieb. ' Die hintere Scheidenwand
trug er mit Rücksicht auf den Vorfall derselben in grösserer
Auftdehnung und Tiefe ab. Die grösste Schwierigkeit machte
die Anfrischung der Seitentheile der Scheide, wegen der hier
besonders ausgeprägten Schlaffheit und Faltonbildung. Durch
sieben Nähte von feinem, geglühtem Eisendrathe , welche vorn
die ganze Wunde umkreisten , hinten dagegen etwas oberhalb
des unteren Randes zu Tage traten, wurde die Blase auf die
Mastdarmwand gezogen und die Vagina geschlossen. Die drei
mittleren NKhte wurden durch Blase und Mastdarm durchgeführt;
die Vereinigung geschah mittels des einfachen Bruns'schen
Schnnrers. Die ganze Operation dauerte zwei Stunden.
Nach der Operation wurde der Catheter eingeführt und per-
manent liegen gelassen; Reactlon trat nicht ein. Der erste Stuhl
erfolgte auf wiederholte Clystiere erst «am 13. Tage. Die erste
Untersuchung an diesem Tage zeigte 'die Nähte tief in die Scheide
zurückgezogen , aber locker und leicht entfenibar. Die Wunde
war Überali geschlossen, die Narbe fest und stark retrahirt und
Hess keine Flüssigkeit durch. Der Catheter wurde jetzt entfernt.
Am 18. Tage urinirte die Frau wie eine Gesunde und konnte
am 24. Juli entlassen werden. Bei der vorherigen Untersuchung
zeigte sich vollständiger Verschluss der Scheide und normale
Continenz des Urins.
Zum Schlnss giebt Verf. eine kurze Uebersicht der von ihm
operirten Fistelkranken.
(Berliner Klinische Wochenschrift. 1865. 36.)
H. Davis u. O. Lawson: Nierengeschwulst, fälsch-
lich für Ovariengeschwulst gehalten.
Eine 49 jährige Frau, Mutter von drei Kindern, litt an einer
IJuterleil/sgeschwulst, die die Verf. für eine Ovarialcyste hiel-
ten; sie unternahmen die Ovariotomie, fanden aber, dass die
die Oberfläche der Eingeweide bedeckende Geschwulst nicht
uinem Ovariuiu, sondern seltsamerweise einer Niere angehörte,
tJcron Lage so äusserst lingewöhi Heb war. Die Frau starb am dritten
470 XXIX. Notisen auB der Journal- Literatur.
Tage nach der Operation ao allgfeineiaer Peritonitis, wie die
Section nachwies. Uterus nnd Ovarien waren normal.
(Lancet; Edinburgh Journal No. 118. April 1865.)
Sims: Klinische Notizen ober Üterinal-Chirurgie.
Nr. III.: Schmerzhafte Menstruation.
ist die Menstruation bei ihrem Beginne oder während des
Flusses mit viel Schmers yerbunden, so wird nach Verf.'s Mei-
nung stets eine physikalische Bedingung dazu vorhanden seiD,
die meist in einer mechanischen Verstopfung der Ausgangswe^«
der Geschlechtsorgane su suchen ist. Die Obstruciion kann die
Folge einer Entaiindung und begleitenden Turgescena der Cer-
▼ioalschleimhaut sein, wobei der Canal durch die Anschwellnnf^
der Seitenwände gans eng wird; am häufigsten aber ist die
obstruirende Ursache rein anatomissh und mechanisch, entweder
in einem unnatürlich engen oder geknickten Canale, oder durch
die Gegenwart eines Polypen oder Fibroides in der yorderen
oder hinteren Wand des Uterus begründet. Verf. pflegt diese
Zustände in zwei Classen zu theilen, deren eine die schmerx«
haften und deren andere die äusserst schmerzhaften oder djs-
luenorrhoischen Leiden umfasst. Beide sind also nur dem Grade
nach verschieden. Von 260 Jungfrauen litten 129 an schmerz-
haften Menstrualsnständen;' von letzteren waren 100 unter die
leichteren Affectionen, 29 dagegen unter die dysroenorrhoiache
Form zu zHhlen. Als die häufigsten Ursachen wurden aufgefan-
den Versionen, Flexionen tmd Fibroide; in 20 Fällen war die
Lage normal. Von den ersteren 100 Fällen war das Orific. ex-
tern, normal nur in sechs, uunattirlich verengt in 90, anderweit
abnorm in vier; bei letzteren 29 Fällen war das Orific. extern.
niemals normal. In der grossen Mehrzahl fand sich neben der
Enge oder Knickung des Canales ein langer, zugespitzter nnd
verhärteter Cervix. Bei Flexionen wird oft die Vaginalportion
den Cervix ungleich entwickelt gefunden nnd zwar kann bei An-
teflexionen der hintere Theil derselben, vom Orific. ext. bis zur
Insertion des Scheidengewölbes gerechnet, IV4", die vordere
Lippe nur Vs'' messen, bei Retroflexionen aber umgekehrt. Der
Verlauf, die Enge und die Krümmung des Canales zu bestimmen,
ist Sache der Sonde ; denn trotzdem , dass für das Gefühl und
Gesicht das Orific. normal erscheinen kann, findet man doch mit
der Sonde, wie spitzwinklig die Flexion des Uterus ist, so z. B.
bei Fibroiden in der vorderen Wand. Uebergehend zur Be-
handlung dieser Zustände iässt Verf.* einstweilen die Lage-
veränderungen des Uterus aus dem Spiele und berücksichtigt
nur die Verengerungen und Knickungen des Canales. Die The-
rapie dieser Zustände war früher ganz empirisch, und führt Verf.
XXIX. Notiven Ann der JouniKl- Literatur. 471
deshalb einige nnwicbtig^ere innere Mittel hier an, worauf er sn
Simpnon'B Methode, den Canal dnrch InciAionen bq erweitern, und
MHntoBh's Verfahren, den Cnnnl durch BoUgie*8 auszudehnen,
übergeht. Erstere hHlt er für nicht immer erfolgreich, letzteres
i\\T nngewiss und schmerzhaft, abgenehen von den Gefahren, die
es mit sich führen kann, und yon denen Verfasser zwei sehr un-
angenehme Fälle erzühlt (Metroperitonitis). Er warnt deshalb
sehr vor der mechanischen Erweiterung des Collum mittels Bon-
gie*s and faKlt dies Verfahren f&r gefährlicher, als das Collum
zu spalten. Und auf der anderen 8eite kann sich, wenn auch
der CerTicnlcanal durch bilaterale Incisionen ganz geöffnet wor-
den ist, derselbe doch wieder sehr zusammenziehen und der er-
neute oder erhöhte dysnienorrhoische Schmerz würde dann die
Wiederholung dieser Operation erfordern, wobei dann grössere
Sorgfalt auf die Offenerhaltnng^ des Canals zu verwenden sein
wttrde. Dies ist besonders der FhII bei stärkeren Auteflexionen.
Nach Änfahrung eines eioschlagenden Falles geht Verf. näher
auf die Operationsmethode der Spaltung der Portio vaginalis bei
Knickungen über. Eine theoretische Betrachtung hierüber vor-
ausschickend, bemerkt Verf., dass, wenn man nicht die Flexion
des Canals beseitigen könne, man doch das einem leichten Ab»
flusse des Menstrnalblutes entgegenstehende Hindemiss entfernen
könne. Hierzu ist nur nöthig, bei Anteflexionen die hintere
Wand der Cerviealportion vom äusserem Muttermunde in einer
geraden Linie rückwärts bis nahe an die Insertionsstelie der
Vagina zu spalten, so dass der Canal des Cervix in einer gera-
den Linie von der Höhle des Uterus nach dem Ende der Inei-
sionsstelle, anstatt in der pHthoIogischen Krümmung nach dem
Orific. ext., verläuft (es entspricht sodnnn die Direction des Ca-
nals der einer Anteversion anstatt Anteflexion). Auf difse Art
und Weise will Verf. in vielen unverbesserlichen Fällen beste
Erfolge erzielt habeni Die Art der Ausführung ist sehr einfach;
in der Seitenlage wird ein Speculnm eingeführt, die vordere
Lippe des Collum mit einem Haken fixirt und dann mit einer
geraden Scheere die hintere Wand des Cervix gespalten, aber
nur in. Einem Schnitte so weit, als man mit einer Scheere leicht
und ungefährlich eingeben kann. Hierauf wird das stumpf en-
dende Messer (Fig. A.)^ das zu seinem Schafte iu ziemlich star-
kem Winkel gebogen ist und nach rückwärts schneidet, in die
Höhle des Uterus eingebracht und dessen hintere Wand in Einer
Linie durchschnitten, welf^he den Canal gerade macht und dadurch
das mechanische Hindcrniss der F^lexion hebt. Fig. B, versinn-
iicht den ersten Theil der Operation; schliesslich wird mit dem
Instrumente C. ein Wattenpfropf zwischen die WnndrUnder einge-
legt, und dies bildet den Beschluss der Operation; die letztere
hat bewunderungswürdigen Erfolg gehabt und ist nur in den
"ben angeführten Fällen unati wendbar. Verf. beruft sich auf
472 XXTX. Notisen ans d^r Journal • Literatar.
seinen Collegen Emmet, der nach ihm die Operation öfter als
er selbst wiederholte. Bei der Operation der Djramenorrhoe
dürfen wir nicht ans dem Auge verlieren, dasa sie, in dieser
Weise ausgeführt, die Chancen für die Coneeption vermehrt
Denn wenn man die Aerste oft sagen hört, dass eine Schwanger-
schaft die Franen heilen könnte, ho ist sie doch eben nicht leicbt
herbeisuführen, da dem Filintritte des Sperma in den Uterus das-
selbe Hinderniss entgegensteht, wie dem AnsOusse des Blutes
bei der Menstruation. Daher hält Verf. diese Operation nicht
aliein für die richtige Behandlung der Flexion, sondern auch der
daraus hervorgehenden Sterilität.
Schlieslich vertheidigt sich Verf. noch gegen einige Ein-
würfe von Spencer Wells^ welcher im Allgemeinen ebenfalls diese
Operation dem Bougiesysteme von M^Intoeh vorsieht. Wellt
meint näuilioh, es schlügen sich saweilen nach der Operation
die Ränder der Portio vaginalis um und verschwänden allmählig,
indem das Ueberbleibsel des Cervicaleanals oder daa Os ioter-
nnm fast undnrchgängig würde etc. Diese Folgen hat Verf.
noch nie nach seinen Operationen gesehen, und schiebt die
Schuld davon auf die von Welle angewendeten Instrumente (wahr-
scheinlich Simpeon^B einklingiges oder Oreenhalgh^e doppelklin»
giges Uterusmesser). Ferner ficht Welle den Üebrancb des Hot*
terspiegals an, weil ein Assistent genöthigt sei, ihn su halten,
wogegen Verf. sein Verfahren mit der Bemerkung unterstSist,
dass es wohl anständiger für eine Frau sei, wenn neben den
Arste noch eine Hebamme sngegen sei, als wenn ersterer allein
sei; er zieht das Specnlum besonders vor, weil
1) der Arst es sehr leicht bei sich fähren kann;
2) die Art und Weise der Anwendung sehr anstandig sowohl
als auch sohmerslos ist.
(The Lancet, Vol. I. No. IX. und XXII. Härs and
Juni 1866.)
Peüischek: Gleichzeitiger Bestand einer iiitra-
und extrauterinen Schwangerschaft. — Pa-
racesis — Steinkind — Muinification.
Im März 1860 hatte Verf. Gelegenheit eine doppelte, in-
nerhalb und ausserhalb des Fruchthalters bestehende SchwAO-
gerschnft an einer Frau zu beobachten, die er früher an Kurs-
uthmigkeit, Hüsteln, Stechen auf der Brust u. s. w. mit Erfolg
behandelt hatte. Anfangs December steigerten die periodtcch
wiederkehrenden Exacerbationen jener Beschwerden sieb so, dass
die Frau auf*s Neue bei Verf. Hülfe suchte; die üntersachong
zeigte neben einem freien Ascites die Coexistenz einer Schwan-
gerschaft. — Zu derselben in schwerer Geburt befindlichen Frsa .
XX.IX. Notisen ans der Journal -Literatur. 473
am 28. Mai 1861 gerufen, fand Verf. schwache nnd unwirksame
Wehen, die trots dee früh erfolgten BlaBeneprungs den im Ein-
sohneiden befindlichen Kindeskopf nicht weiter förderten. Verf.
sah sich Teranlasst, die Extraction, und als hierauf die Nachge-
burt nicht bald folgen wollte, wegen aufgetretener starker Blu-
tung die künstliche Entfernung der Placenta Yorsunehmen. Dabei
fühlte er mit der linken aussen aufgelegten Hand im linken Hy-
pochoutfrium und oberen Beckenranme derselben Seite eine sweite
lebender Frucht, deren Sita, wie die gleichseitige innere Unter-
suchung ergab, nur extrauterin sein konnte. Verf. schickte
SU einem Collegen, der die Diagnose nicht nur bestfttigte,
sondern sogar sehr lebhafte Bewegungen deutlich wahrnehmen
konnte, die indess schon am Abend desselben Tages ganslich er-
loschen.
Es wurde gemeinsam beschlossen exspectativ sn verfahren.
— Ein Tolles Jahr hindurch yermochte Verf. den fremden Kör-
per als eine Kugel, jedoch in stetiger Abnahme der Diametral-
linie derselben begriffen, durch Palpation wahrzunehmen, bis sich
derselbe endlich ganz dem subjectirem und objectirem Gefühle
entzog. Bei einer am 23. Mai 1868 sur Gontrole erfolgten Vor-
stellung befand sich das lebend geborene Kind und Mutter yoll-
ständig gesund.
(Oesterreiehische Zeitschrift für praktische Heilkunde
1866. Nr. 27.)
Horn: Ein Fall von Herausreissen der Gebärmut-
ter aus dem Schoos einer Neuentb&ndenen.
Eine 39jÄhrige, in 13'/, Jahren acht Mal entbundene Frau
kam zum neunten Male, und zwar auf einem Geburtsstohle, nie-
der. Nach erfolgter Ausstossung der Frucht entfernte die Heb-
amme 10 Minuten spllter die Nachgeburt durch Ziaben an der
Nabelschnur, worauf die Entbundene 6 — 6 Schritte in*8 Bette ge-
führt wurde. Dort bemerkte letztere nach circa einer Stunde,
dass aus ihrem Schooss^ noch etwas herauskomme. Die Heb-
amme untersuchte und fand in der Scheide einen fleischigen,
faserigen Körper, an welchem sie etwas zog nnd hierbei ein fin-
gergrosses Stück entfernte, welches sie weder für geronnenes
Blut noch für ein Stock Nachgeburt hielt. Der auf ihre Voran-
lassung herbeigeholte Kreiswundarzt M. will die Wöchnerin, im
Widerspruche mit der Aiissnge der Helmmiue, Mass, kalt, mit
kaum fühlbarem, sehr freqqentem Pulse angetroffen haben, und
fand eine roth und schwarz aussehende Fleischmasse über 1" aus
den äusseren Schamtheileu hervorragen. Nachdem er vergeblich
versucht hatte, die Masse zurückzubringen, hielt er dieselbe für
«ein i^OewKchs*' oder eine „Fleischmole'', brachte die Wöchnerin
474 XXIX. Notisen ans der Journal -Literatur.
Auf's Qaerbett, g^ing mit der rechten Hand neben der Fleiseb-
masse in die Scheide ein and gelangte zn einer Oeffnnng, welehe
er für den geöffneten Mutteriunnd hielt. Durch diese Oeflnan^
führte er jetst seine Hand ein nnd arbeitete anter -heftigem
Sehreien der Frau circa V^Stund'e im'Sehoosse derselben ; ja, als die
rechte Hand erlahmte, wirkte er ebenso mit der linken weiter.
Nach 20 Minuten forderte er die Hebamme anf, den Fleisch-
kiaropen heranssuziehen, worauf diese auch nach Rnrtfem die
für einen „Fleischpolypen* gehaltene Masse herror brachte.' Gleich .
darauf zeigte Hich eine Darmschlinge vor der Scham, die der
Wundarzt M. zurückbrachte. Im Verlaufe der nKchsten Zinrei
Stunden starb die Wöchnerin. — Die ausgerissene MasKe wurde
spKter vom Wundarzt P, als die Gebärmutter erkannt and in
Spiritus aufbewahrt. Auf eine anonyme Anzeige wurde die Aas-
grabung und Section der Verstorbenen angeordnet, dabei £aod
man den unteren Theil der Vulva gänzlich sammt dem Damme
bis zum Anus aufgerissen; ein Theil des Ileum war bis in lien
oberen Theil der Scheide herabgezogen; die Harnblase hatte an
ihrer hinteren Fläche ein groschengrosses Loch; man konnte
von der Bauchhöhle und dem kleinen Becken aus dureh die
Seheiden&ffnung sehen. Vom Promontorium 1" 'nach abwirta,
nach der Kreuzbeinaushöhlung zu, fand sich das Bauchfell von
der hinteren Wand der Gebärmutter im Scheidengewölbe abge-
rissen. Die vom Wundärzte P. in Spiritus aut bewahrte Gebar-
mutter wog IY4 Pfund, war äusserlich von normalem Aussefaev
und zeigte im Innern kleine Reste des Mutterkuchens; der Mat»
termund war sehr gequetscht. An der hinteren Fläche konnte
man deutlich jirahrnehmea, dass diese von dem Bauchfelle an der
oben beschriebenen Stelle abgerissen war. — Die Obducenten
geben hierauf ihr Gutachten dahin ab, dass das gewaltsame Her-
ausreissen der Gebärmutter mit ihrem Anhange ans ihrer natär-
lichen Verbindung den Tod der Neuentbundenen nothwendig sar
Folge haben musste. Nachdem weiterhin sieben von der Staata-
anwaltscliaft gestellte Fragen über diesen Fall von den Obda-
centen nicht genügend beantwortet waren, so beschloss der Ge-
richtshof auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Superarbitrium
der Königl. Prenss. WisHonschaftlichen Deputation für Medicinal-
wesen einzuholen. Diese gab mit Bezugnahme der an sie gestell-
ten Frage ihr Gutachten dahin ab:
1) Die Ruptur des Scheidengewölbes kann im Torliegenden
Falle nicht darin ihren Grund finden, dass die p. V. (Verstor-
bene) angeblich längere Zeit an Scheiden-Entzündung (wie Wund-
arzt A£. zu seiner Vertheidigung angegeben) gelitten hatte, nnd
daher eine Erweichung des Scheiüengewölbes mit Putrescenz
eingetreten war. 2) Die Ruptur kann auch nicht in dem voraus-
gegangenen Arbeiten der Hebamme G. ihre Erklärung finden.
5) Das losgerissene Stück in der Grosse eines Fingers kamf
XXIX. Notiseo an« der Joarnal- Literatur. 475
nicht eiD Stück yon der Gebärmiitter gewesen eetn. Ob dasselbe
geronnen|B Blnt gewesen, IMsst sieh nicht nachweisen. 4) Der
Kreiswundarzt M, hat bei der von ihm yorgenommenen Unter-
sacbuDg und der von ihm vorgenommenen Manipulation und dem
Heransreissen der von ihm für einen Fleisehpolypen gehaltenen
Oebärmntfer diejenige Aufmerksamkeit und Vorsicht, su der er
vermöge seines Berufs verpflichtet war, aus dem Auge gesetzt.
5) Die Hebamme hat den Anordnungen des von ihr herbeige-
.holten Geburtshelfers im vorliegenden Falle Folge su leisten ge-
habt. 6) Von der Hebamme G. kann eine solche Eenntniss, nach
welcher sie wissen musste, dass der vermeintliche Fleischpolyp
die Gebärmutter war, nicht gefordert werden. 7) Die Ruptur
des Scheidongewölbes ist durch das von der Hebamme G. vor
Ankunft des Wundarstes M. beobachtete Vorfahren nicht erfolgt,
sondern wahrscheinlich in Folge des Herabdrängens der surück-
gebeugten Gebärmutter spontan entstanden; dieselbe wärde an
und für sich den Tod der p. V. herbei geführt haben, es ist aber
allerdings anzunehmen, dass der Tod durch das von 3f. und in
seinem Auftrage von der (?. eingeschlagene Verfahren beschleu-
nigt worden ist.
(Viertaljahresschrift für gerichtl. und üffentlicha Medicin.
Neue Folge. Bd. III. 1. Heft.)
Baumanni Heilung einer spontanen Uterusruptur.
Gerade, als der Arzt T,x\r Kreissenden kam, fohlte diese
einen heftigen Schmerz in der rechten Seite des Leibes, welche
etwas angeschwollen gefühlt wurde. Der Accoucheur will, da
die* linke Schulter vorliegt, die V(^endnng mit der linken Hand
machen und bemerkt dabei einen vier Zoll langen Lnngsriss im
Uterus; um ihd zu vermeiden, macht er nun die Wendung mit
der rechten Hand, cxtrahirt ein todtes Kind, reponirt eine be-
trächtliche Darmschlinge, die in den Uterus gelanoft war, nnd
stopft endlich die Vagina so hoch wie möglich mit Schwämmen
aus. Der Uterus sog sich gut zusammen, wahrend die Patientin
verhältnissroKssig wenig Schmer« fühlte. Die fortgesetzte Be-
handlung bestand in kalten Fomeniatiouen, grossen Dos«n Mor-
phium, lauwarmen Lavements und später in Fomentatlonen mit
heissem Weine. Während in den ersten vier Tagen Alles nach
Wunsch ging, trat am fünften Tage Brechen ein, welches durch
das Auslassen des Morphium gehoben wurde. Nachdem sodann
am sechsten Tage durch wiederholte Lnvoments häufige Stuhl-
entleerungen herbeigeführt worden waren, worauf der Meteoris
mns sehr verringert wurde, besserten sich die Umstände derge-
stalt, dass am Ende der sechsten Woche die Fraa ihren ge-
wöhnlichen Beschäftigungen nachgehen konnte.
(Wuriembcrg. Med. Corresp. - Blatt u. Revue Thrrapeutique.
Edinburgh Medical-Journal No. 118. April 1865.)
476 XXX. Literatur.
XXX.
Literatur.
F. Winckel, Studien über den Stoffwechsel bei der Geburt
und im Wochenbette im Anschiuss an Harnanalysen hd
Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen. Rostock,
1865. 8 0. p. 127.
Nach einem kurzen Ueberblick über die bisherigen Unter-
SQchangen und die Ansichten der neueren Autoren {Danndy Lm-
banaki, Lehmann, A» Becquerel, Hoefle, Boecker^ Mosler^ Litamiann^
HarUy, Gegenlauer, Veit, Iwanoff, Leconte, Brueekej Babotc, Äfeu*-
neTj Kiwiseh, L, Mayer, Langheinrich) über die Urinsecretiou hei
Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen, erläutert der Verf.
im Folgenden Art, Zweck und Bedeutung seiner, von Dr. JVeid-
ner in Rostock ausgeführten, Harnuntersuchungen. Auf den £i-
weiss- und Harnsäuregehalt hat er dabei, in Betracht der nber
diesen Gegenstand angestellten zahlreichen Untersuchungen tob
L. Mayer, Littmann und Vogel, keine Bücksieht genommen, eoa-
dem seine quantitative Untersuchung erstreckte sich sanacfast
nur auf Feststellung der in 24 Stunden entleerten Harnmenge
und des Gehaltes derselben an Harnstoff (nach Liebig), KocbsaU
(nach Mohr)^ Phosphorsäure (nach Oegenbauer und Vogel), Schwe-
felsäure (nach Schnitte), so wie der Menge der trockenen Sub-
stanz, dann der feuerbeständigen Salze und des specifischen Ge-
wichtes. Puls- und Teraperaturstand und sonstige Vorändema-
gen des Allgemeinbefindens, so wie die Nahrung wurden gebührend
berücksichtigt. Verf. ist bestrebt mit seinen Untersuchungen
„eine Lücke auszufüllen: die Physiologie der Harnsecretion in
der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbette durch
zahlreiche brauchbare Analysen zu begründen.'' Die Thätigkeit
der Nieren betheiligte sich nach ihm sehr wesentlich au den
nothwendigen Ausscheidungen im Wochenbette, und es stellt sich
selbst mit einer geringen Erkrankung eine Abnahme der starken
Nierenthätigkeit ein. Dieser Umstand gewährt daher nicht blos
einen neuen Einblick in die Involutiosprocesse des Puerperiums,
sondern auch einen directen Anhaltspunkt für die Therapie und
eruiöglicht, richtige Schlüsse zu ziehen für Aetiologie, Prognose
und Behaudlnn^r 2. B. bei Oedcni Schwangerer, bei Kklaoipsie,
bei bedeutenden peritonäalen Exsudaten. — Die quantitative
XXX. Literatur. 477
Uotersnohnng der Milch and des ScbweiMes im Vergleiche zur
Hamabflondemog bei Wöchnerinnen wurde niciit angestellt, doch
macht Verf. auf die praktische Bedentang dieser Analysen an»
gleich dringlichst aufmerksam.
Es folgen nun die Untersachaagen der Harnsecretiou in
der Schwangerschaft (40 Analysen an vier Personen), deren
Resultat dahin geht, dass die Urinabsonderung boi Scliwangeren
reichlicber als bei Nichtscbwangeren, dagegen die tägliche Aus-
Scheidung des Harnstoffs, Kochsalzes, der SchwefelsUure und
wahrscheinlich lauch die der PbosphorsXure eben so gross ist,
wie bei Nicbtschwaogeren.
Weiterhin ergaben die Untersuchungen über die Urinsecre-
tion a) bei der normalen Geburt (21 Analysen bei fünf Per-
sonen) im Gegensätze zur Schwangerschaft folgende Rösultate:
Die Urinausscheidung ist vermehrt, das specifische Gewicht des
Harns geringer, ebenso die Ausscheidung an Harnstoff, Phosphor
und Schwefelsäure ; dagegen ist die Ausscheidung des Kochsalzes
nicht unbetrHchtlich gesteigert. Die zweite Gebnrtsperiode un-
terscheidet sich von der ersten durch noch stärkere Zunahme
der Urinabsonderung und grössere Ausscheidung von Harnstoff,
Phosphorsäure und Schwefelsäure — vor Allem ist aber auch
hier die Kochsalzausscbeidung merklich vermehrt. Endlich ist di(!
Abgabe von Harnstoff, Kochsalz, Phosphorsäure und Schwefel-
säure auch bei der Geburt je nach der Tageszeit verschieden,
und zeigt im Allgemeinen dieselbe Cnrve wie die Temperatur.
b) Bei den Gcburtsanomalieu (26 Analysen an fünf
Frauen) dürfte bemerkenswerth sein, dass im Allgemeinen mit
Eintritt des Fiebers die Harnabsondernn^ abnahm, während die
Ausscheidung von Harn.stoff stieg; der Gang der Kochsalz-Curve
vorhielt sich d;igegen umgekehrt wie die Curve des Harnstoffs.
Während nämlich die Kochsalzausschetdung auch bei verzöger-
tem Geburtsverlaufe venix^hrt erschien und nur bei stärkerem
Fieber sank, nahm die Ausscheidung des Harnstoffs bei der Ge-
bort nberhaupt ab, stieg aber entsprechend der Temperaturzu-
nahme. Die Entleerung der Phosphorsäure und Schwefelsäure
glich der Hamstoffausscheidung.
Ferner fand Verf. a) bei gesunden Wöchnerinnen (48
Analysen an fünf Frauen) die Harnmenge in den ersten Tagen
des Wochenbettes beträchtlich vermehrt am meisten innerhalb
der ersten 24 Stunden; die Zunahme der Hamsecretion im Puer-
perium noch bedeutend grösser als in der Schwangerschaft (in
24 Stunden 1790 r 2190); den Harn selbst klar, nicht zu Bodensatz
geneigt, von sehr geringem specif. Gewichte , in der Regel hell-
gelb. Die absolute Ausscheidung von Harnstoff, Phosphorsäure
und Schwefelsäure etwas verringert, die des Kochsalzes wenig
oder gar nicht; ein allmäliges mit der Rückbildung der Genita-
lien fortschreitendes Sinken der Harnmenge auf die gewöhnliche
478 XX^- Literatur.
Höhe, ein Steigen ihres fpecif. Gewichtem, den Harn tob gel^r
Farbe, die Anducheidong von Hftrnstoff, PbosphoreKare undSehwe-
feUünre derjenig^er Geinnder gleich. Besonder« hebt Verf. her>
yor, daee die'^Aasscheidnng dos Kochsalses, der PbospbonlEnre
nnd 8chwefelsXnre bei -gesunden Wöchnerinnen dnrchane gleich-
mftssig ist und in bestimmtem Verhältnisse sn einander steht, so
wie dass dieselbe mit der Temperatur der Wöchnerin gleichmSs-
sig steigt und fällt. — Die Erkenntuiss dieser NierentbStigkeit
im Wochenbette hält Verf. für die Therapie von wesentlichen
Nutsen; besonders dürften nach ihm Diaphoretiea und Dinretica
in den ersten Tagen des Wochenbettes als prophylaktische Mittel
eine hohe Bedeutung haben.
b) Bei Erkrankungen im Wochenbette (114Anal7sen
an 11 Kranken) lassen sich folgende auch bei anderen Erkran-
kungen gefundene Sfttse aus den aufgeführten Untersuchungen
bestätigen :
Bei leichten, rein örtlichen fieberhaften Ei^rankangen sinkt
wahrend des Fiebers die Harnmenge merklieh, bleibt aber
immer noch entsprechend der starken Nierenthätigkeit im Wo-
chenbette überhaupt durchschnittlich hoher, als bei Nichtwoch-
nerinnen.
Eine ungewöhnlich starke Abnahme derselben iKaat ia
Allgemeinen eine schwere und länger dauernde Erkrankung progno-
sticiren.
Aus dem specifischen Qewichtc des Harns erkrankter Wöch-
nerinnen, welche swischen 1,010 nnd 1,0H03' schwankt, lüast sich
ein annähernd richtiger Schluss auf den Gehalt an festen Be-
standtheilen, namentlich an Harnstoff sieben. Dasselbe ^It Ton
der fiarn färbe im Puerperium.
Die Ausscheidung des Harnstoffs und der Schwefel-
säure durch den Harn steigt gewöhnlich entsprechend der Tem-
peratur, ihre Steigung überdauert aber das Fastigium derselben
öfter mehrere Tage,
Bei schweren Erkrankungen im Wochenbette, besonders
mit bedeutenden Exsudaten, sinkt die gewöhnlich bei Wöchne-
rinnen reichliche Kochsalz-Ausscheidung sehr bedeu-
tend und steigt erst wieder mit dem Nachläse des Fiebers.
In starken fieberhaften Erkrankungen des Wochenbettes ist
der Gehalt des Harns an Schwefelsäure stets beträchtlich
▼ermehrt.
0. V. Franquey Beiträge zur geburlshitlf liehen Statistik. Se-
parat-Abdruck aus dem 22. Heft der med. Jahrbb. f. d.
Herzogth. Nassau. Wiesbaden, 1865. Hofbuchdr. 8^.
VII. und 321 S.
Diese durch eine Abhandlung in der „Wient^r M«d. Presse*
XXX. Literatur. '• 479
schon theilweise^bekannte Schrift füllt als Fortsetzung früherer
jHhrgHnge eine Lücke in der Uebersicht der hebftrstliohen Lei-
Stangen Deutschlands aus und ist der Nacheiferung werth. Durch
einleitende and Randbemerkungen des Herrn Verf/s su den ein-
selnen Kapiteln hat vorliegende Zusaminenstellung eine doctri-
näre Haltung gewonnen; wie viel Mühe in solcher Arbeit auf-
geht, kann fibrigeuH jeder beartheilen, welcher ähnliche Aus-
säge anfertigt.
Die Revision ist öfters mangelhaft gehandhabt worden ; auch
kommen Lapsus calami wie „Encheyrese'' vor.
Die künstliche Frühgeburt erfreut sich gegenwärtig
in Nassau eines lebhafteren Aufschwunges, erreicht aber lange
noch nicht Sachsen, welches nach Ploaa die grösste Frequens
dieses Verfahrens aufweist. Der Kaiserschnitt war öfter we*
gen Osteomalacie als wegen Rachitis nöthig, daher die grössere
Sterblichkeit der Mütter.
Von den Kindern, welche wegen Ruptura uteri oder wegen
Todes der Gebarenden durch Bauch- oder Gebärmutter^chniit
snr Welt befördert wurden, ist keines zum Leben gekommen.
Risse der Weich th eile, worunter einer (S. 153.) durch MaKt-
darm und Harnröhre sugleich drang, waren verhftitnissmässig
selten, der Ausgang für die Mütter besser als nach anderen Zu-
sammenstellungen. Rei Vorfall eines Armes neben dem Kopfe
ereignete sich ein centraler Dammriss.
Drehungen mit der Zange werden von Verf. stark befür-
wortet; aaoh rKtb er angelegentlich zum Erfassendes sögernden
Steisses mit der Kopfeange , und verwirft den stumpfen Haken.
Die Wendung auf den Kopf ist häufiger als früher unter-
nommen worden, nümlich bei 34 unter 247,570 Kindern, welche in
den Jahren 1843 bis 1859 geboren sind. Wir lesen mit Beifall,
dass Verf. für diese heilbringende Operation plaidirt. Ebenso
sind wir auf seiner Seite, wenn er gegen das gewiss zu häufige
Eingreifen bei Gesichts- und Beckenendlagen eifert. Ein inter-
essantes Zwillingsmonstruni ist S. 30S. beschrieben. Auf die von
uns genannten Kapitel der ^.^schen Aufzählung näher einzugehen,
mangelt uns hier leider der Raum. C. Hennig,
480 '^* Martin in Berlin an G. Veit sn Bonn.
E. Martin in Berlin an Q. Veit zu Bonn.
Im Septemhefl dieser Monatsschrift S. 171 sagt G. Veit,
er habe die Ueberzeugung nicht zu gewinnen vermochl, dass
Calomel in grösseren Dosen bei Wöchnerinnen eine schwere
Affection des Darmcanales zur Folge habe, wie M^artin (Mo-
natsschrift, 25. Band. S. 86) befürchtet. Infi Interesse der
Wahrheit wie der Kranken theile ich, ohne die bekannten
grünen und blutigen Stuhlausleerungen nach Calomei-Gebraiic/i
hervorzuheben, in Folgendem den Grund meiner Befürch-
tung mit.
Vor längerer Zeit starb wenige Stunden nach ihrer Ver-
legung in die gynäkologische Klinik des Charite-Kraukeii/iafi*
ses, welcher Martin vorsteht, eine aus der Stadt vor meh-
reren Tagen zunächst auf eine andere Abtheilung gebrachte
Puerperalßeberkranke, nachdem sie dort grosse Dosen von
Calomel bekommen hatte. Die Section ergab neben Erschei-
nungen der puerperalen Entzündung der Genitalien eine
sehr auffallende sammtartigo Schwellung und
intensive Röthung der ganzen Darmschleimhaul,
welche mit eitrigen Exsudatflocken und ausge-
tretenem Blute bedeckt war. Der Secant v, Reck-
linghausen erklärte diese SchleiniliautalTeclion für eine Wir-
kung des vorausgegangenen Calomelgebrauchs , und sagte
ebenso wie die übrigen Assistenten des pathologischen Insti-
tuts, dass sich dieser Befund an den Leichen aller Wöch-
nerinnen wiederfinde, welche von jener Abtheilung kommen,
wo sie mit grossen Gaben Calomel behandelt wurden» Da Ich
selbst dergleichen Dosen bei Wöchnerinnen nicht verordnet habe,
also au6h derlei Befunde nur zuföllig zu sehen bekam, mochte
ich nur von Befürchtung sprechen.
]BlK8fti]i*
W.ri'.iT^-.rinft f\ir Uehmtode Bd. UTIlfl.l .
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Junen Breit f des Stuhls und <itr Rüeklehnr 22n'
Die Schamierstangm in cef(von ^/SsöUi^rmJtwid
eisen) mji.22m, 22V4vl. 22Wlang. \
Die YerhifvdungssliuujeTv hei i u.k 23 '/Au,. 22 ^Z» ' Uaiß. ^
Die^JüUe lfivnJlmunilauf'end)/0'lang.
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Ü'.car Furstenair, hipzi^.
Kouatssduf. &el)imsi.l865.Bd.IXVI. Eefl3. —
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