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Full text of "Monatsschrift für Geburtskunde und Frauenkrankheiten"

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•    1^ 


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% 


NoDatsschrift 
GEBURTSKÜNDE' 

und 

Frauenkrankheiten. 

Im  Verein  mit  der 
Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin 

Dr.  C'V.  :FrCre4ii 

Hpfrath,  ord.  Prof.  and  Direktor  d«r  EntbWduiig«  -  AniUlt  In  Leipsig  «tc. 

Dr.  C.  Hecker, 

'  Itofmlk ,  ord.  Prof.  and  Dlr«etor  flisr  £)itbindangi  -  Anitolt  in  ^ittnehen,  Bitter  «te. 

Dr.  Bd.  Mutfai, 

Geh.  Katk,  ord.  Prof.  and  Direktor  der  Bntblndni^gs  -Anstalt  in  Berlin,  Bittor  ete. 

Dr.  F.  Ä.>oü  HLitgen, 

Ook.  Bath ,  ord.  Prof.  and  Direotor  der  Entblndnngs  -Anstalt  in  OloMOn, 
Comthar  etc. 


FoifudxwaHiigster  Banil« 

Mit  acht  Tafeln  Abbildungen. 


Berlin,  1865. 

▼erlag  Tom  Avgiuit  Ursehwald, 

68  U.  d.  Linden,  Beke  der  Sehadow-Strasae. 


•)  ')  s 


Inhalt. 


Heft    1. 

Seit« 
I.      Ueber  einen^Epignathofl.  Vou  C.  Üecker,   (Mit  1  Abbild.)       1 

II.      Gebartffbüiniclie  Mittheilongen.  Von  Dr.  J6«^^  inDansig       9 

III.  HeiloDg    einer    BlasenscheidoDfistel     darch    einiunlige 
Aetzung  mit  Höllenstein.    Von  Dr.  Ahegg  in  Danzig  .  .     37 

IV.  Kaiserschnitt  mit  glücklichem  Ausgange  für  Mutter  und 
Kind.  Von  Dr.^n<fer,  Dir.  d.Hebammeninstituts  BU  Trier     43 

V.  Kin  Fall  von  Fibroiden  des  Uterus,  krebsiger  Infiltration 
deraelbeo  nebst  primfirem  Krebs  der  Scheide.  Beobachtet 
von  Dr. Benporath  u. Dv^Liebmafif  prakt.  Aersten  in  Triest  60 
VI.  Abtrennung  eines  fibrösen  Uteruspolypen  bei  einer  Ent- 
bindung mit  der  Zange.  Ans  einer  brieflichen  Mittheiinng 
HD  E.  Martin  Ton  Dr.  R.  Pohl,  prukt.  Arzte  in  Magdeburg  59 
VII.     Hemeralopie   bei   einer  Schwangeren.     Mitgetheilt  von 

Hofrath  Dr.  Spengler  in  Bad -Ems 61 

VIII.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Joulin:  Das  Becken  d.  verschiedenen  Menschenracen     63 
B.  8,  SchuUze:   Ueber  Palpation  normaler  Eierstöcke 

nnd  Diagnose  geringer  Vergrösserungen  derselben  64 
Kidd:  Anwendung  von  Chloroform  in  der  Gebnrtshfllfe  64 
CarmickiUl:  Berichtig,  e.  Gesichtsiage  unter  Chloroform  65 
Kukni  Ein  casuist.Beitr.  s.Lehre  v.  d.Selbstentwiokelong  66 
Sau9§i0r :  Ueber  die  Nachgeburt,  neues  Verfjahrfto,  die- 
selbe SU  entfernea 67 

Ghregoricz:   Ueber   Crede*9   Methode    snr   Entfernung 

der  Nachgeburt 67 

PaUreon:  Bemerkungen  ab.  d.  Vorbeugung d.  Blutungen 
B.  Naohwehen  naeh  d.  KatfemuDg  d.  Placenta  ...     68 


IV  Inhalt. 

Seit« 
HÜdebrandt:  Ueber  Erweiterung^  des  ftnssere'n  Mutter- 

innndes  bei  der  Gebart  durch  Inciaionen     69 

Edwards:   Exstirpationen  des  vorgefallenen  und  nicht 

reponiblen  Uterus     '    69 

Cranyn:    Ein  Fall  Ton  Uterusmptur  ...  * 70 

R»  Dooies:    Ueber    operatire    und    mechanische   Be- 
handlung des  Prolapsus  uteri 70 

FotoUr:  Ein  Fall  y.Verletaung  d.  Vagina  durch  d.  Geburt     71 
Sirau»M:  Fall  von  Abreissnng  des  Kindeskopfes  wKhrend 

der  Geburt 72 

S&ffre:  Emphysem  des  Halses,  Gesichtes  und  der  Brust 

in  Folge  heftiger  Anstrengungen  bei  der  Geburt  .     73 
SqdUr:  UngewShülichiM  Gebartahinderniss  durch  eine 

sehr  grosse  Hjdatidencyste  derLeber ;  Kaiserschnitt     73 
B,  8.  SehuUne:  Verbesserung  des  Phantoms  snr  Uebung 

geburtshulflioher  Operationen     74 

Ludto.  Fürst:  Linksseitige  Tubarsch wangersohaft  mit 

Berstung  des  Frnchtsackes 75 

Schmidt:  Bericht  über  die  geburtshül fliehe  Klinik  und 

Poliklinik  SU Greifswalde.  Voml.  Jan.  bis I.Dec.  1868     76 
IX.     Literatur: 

2^A.H(0rtnann:  Zur  Lehre  vom  Kaiserschnitt.  Bern  1864     77 

Heft    n. 

X.    Verhandlungen  d.  Gesellschaft  fÜrGeburtsfaülfe  in  Berlin : 
Brandt:  Ueber  eine  Hllschlich  für  Steisslage  gehaltene 

Schnlterlage 81 

Martin:  Zur  Therapie  der  puerperalen  Entzündungen 

der  weiblichen  Sexualorgane 82 

GfUMeroto:   Ueber  ein  nach  Ortenhalgld  Apgabe  Ter- 

fertigtes  Instrument  zur  blutigen  Erweiterung  des 

Muttermundes 107 

XI.  Zur  Frage  nach  der  Aetiologie  der  Puerperalprocesse. 
Von  Dr.  CarlMayrhofer^  Assistent  an  der  geburtshülflich- 
gynäkologischen  Klinik  des  Prof.  C,  Braun  in  Wien    .  112 

XII.  Siebeaundviersigster  Jahresbericht  über  die  Ereignisse 
in  dem  Entbindungsinstitute  bei  der  königl.  sKchs. 
Academie  su  Dresden  im  J.  1861.  Von  Prof.  Dr.  ^rstiter, 
konigl.  sSchs.  Geh.  Med.-Rath  ete 136 

XIII.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Simpson:  Ein  Fall  Ton  Extraut« rinsckwangerschaft .  153 
^.;S'.*S€A«/tee(JeBa)i  Eine  Extrauterinsehwangarschaft  154 


• 


Inhalt,  V 

Seite 
AUfr.  OUi  EztranteriiMchwaiigerschaft 164 

A.  N4u§UtdU:    Oraviditas  extraaUrina 156 

MaHkmM  Dunemn:    Complieatioa    tob    Haeroatocele    - 

mit  Eztraaterinsehwangersohaft 156 

(re6er(Lemberg):  Uternsfibrolde  mit  Schwangerschaft  157 

XIV.   Literatur: 

Eng,  Dutoit:  Die  Ovariotomie  in  England,  Deutsch- 
land und  Frankreich.    WSrsbnrg,  Stahel,    1864.    8.  157 

B,  L%8€skka:  Die  Anatomie  des  menschlichen  Beckens. 
(3.  Abtb.  II.  Bandes  der  ,, Anatomie  des  Mensehen'' 
daas.  Verf.)   8.   Mit  62  HoUschn.    Tübingen  1864.  .  158 

Heft   m. 

XV.   Gebnrtahfilfliehe  Studien.    Von  Prof.  Dr.  AM9  VaUnta 
in  Laibaeh. 

1.  Ein  Beitrag    snr  Lehre   Tom    schrüg-verengteo 
Becken.     (Mit  awei  Abbildungen.)     161 

2.  Ueber  den  sogenannten  Positionswechsel  des  Fötus  172 

XVI.  Zwei   Stimlagen.     Von    Dr.   H.   Wldebrandt,    PriTat- 

doeent  in  Königsberg 209 

XVII.  Ein  Fall  Ton  ETentratio  umbilicalis  congenita.     Von 

F.  Hift4r,  Priratdoeent  in  Marburg 230 

XVIII.  Vorläufige  Mittheilung  über  den  Darmgasgehnlt  Neu- 
geborener.    Von  Prof.  Dr.  Breslau  in  Zürich 238 

XIX.  Notiaen  aus  der  Journal -Literatur: 

O.  V.  Franque:  Schwangerschaft  bei  mangelhafter 
Immissio  penis 239 

Heppner:  Complicirte  Fistnla  vesico-vaginalis.  Voll* 
sandige  Heilung 240 

Sommer:    Vollständige     häutige    Verwachsung    der 
grossen  Schamlippen,  beobachtet  bei  swei  Kindern  240 

Heft    IV. 

XX.  Verhandlungen  d.  Gesellschaft  für  Oeburtshiilfe  in  Berlin : 

Winck$l^  Von  der  Einwirkung  des  Chloroforms  auf 
dia  Wehentbftttgkeit     24t 


VI  Inhalt. 

Seit« 

XXI.  Notisen  über  die  während  der  letzten  sieben  Jahre 
in  der  Königsberg^er  Entbindungs- Anstalt  vorgekom- 
menen puerperalen  Erkrankungen.  Von  Dr.  H,  Hilde- 
brandt,  PriTatdooent  in  Königsberg 262 

XXII.  Ueobachtungon  über  das  in  der  Gemeinde  Maur, 
Kanton  Zürich,  herrschende  Puerperalfieber  (Jali  1863 

bis  Sept.  1864.)     Von  0.   Werdmüller,    Arst   in   Uster  293 

XXIII.  Ueber  Coprostasis  im  Wochenbett.  Von  Dr. «/.  Poppel, 
Priratdocent  in  München 306 

XXIV.  Noiiaen  aus  der  Journal  ^Literatur: 

€fueaer<}W,  Ueber  Dysmenorrhoe  aus  mechnnischer 
Ursache Sil 

Oräf,  Die  verschiedenen  Formen  von  Hydrorrhoea 
gravidarnm • 312 

Schnitte  (Jena),  Ueber  Superföcnndation  und  Super- 
fötation 313 

Hillmanny  Ein  FhH  von  Extrauterioschwangerschaft 
bei  einer  Mehrgebärenden,  welche  zuletzt  durch 
Kaiserschnitt  entbunden  worden 314 

Lieven,  Ein  Beitrag  zur  Aetiologle  der  Geschwüre 
der  Vaginalportion 315 

Eekardtf  Fall  von  Eztranterinschwangerschaft,  Ver- 
jauchung des  Fötus  und  Entleerung  eines  Theiles 
derJauche  durch  den  Darm.  Toddurch  Erschöpfung  816 

Oetertag,  Grosses  Steatom  des  Uterus  bei, einer  Ge- 
bärenden   : 817 

Baart  de  la  Faille,  Collapsus  post  partum 318 

XXV.  Literatur: 

T,  Spencer  Wells,  Diseases  of  the  Ovaries 319 

Heft    V. 

XXVI.   Verhandlungen  d.  Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin  : 

KrUteüer,  Ueber  Athmung  der  Kinder  vor  derOeburt  321 
r.  Haeelberg,   Ueber   einen  Fall   von  acuter  Leber- 
atrophie bei  einer  Schwangeren 344 

Kristeller,  Ein  Fall  von  Placenta  praevia 349 

Klehs,  Ein  PrHparat  von  Mastdarnischeidenfistel,  mit 

Zerstörung  der  äussern  Genitalien 354 

Zr.  Mayer,  Kin  Fall  von  Placenta  praevia 356 

Winclcel  sen.,  Ein  höchst  merkwürdiger  Geburtsfall  364 


Inhalt.  V]I 

Seiie 
XXVH.  £ine  Deeapitatiou  nach  Karl  Braunes  Methode,  nebst 
Bemerkungen  zn   den   Ansichten   L.   Lehmann*B   über 
diesen  Gegenstand.     Von  Dr.    Wilh,  Künekß^  Priyat- 
doeent  in  Göttingen 368 

XXVIII.  Ueber  die  Anwendung  des  Collodinins  bei  der  Pe- 
ritonitis der  Wöchnerinnen.  Von  Prof.  i>oAm  in  Marburg. 
(Mit  4  Tafeln.) 382 

XXIX.  Ueber  einen  Fall  von  dnreh  Kälte  bewirktem,  be- 
wnsstlosem  Zustande  während  und  nach  der  Geburt. 
Von  J.  Poppel,  PriTatdocent  in  München 387 

XXX.  Notisen  ans  der  Journal -Literatur: 

Tojflar:  Tod  nach  Zerreissung  des  Uterus,  Umstül- 
pnng  des  Uterus  und  Austreibung  des  Fdtus  durch 

f^ulnissgas 393 

Hervieux:  Ueber  das  Pnerperal-Erysipel 394 

Brmlau:  Zwei  Oyariotomieen 397 

XXXI.    Literatur: 

Saemann:  De  sectione  caesarea  agitur,  tum^uaeritnr, 
num  matris  genus  moriendi  vim  habeat  nt  foetus 
▼el  prospere  Tel  jnfeliciter  sectione  caesarea  in 
lucem  edatur 899 

Heft    VI. 

XXXn.    Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Geburtshfilfe  in 

Berlin     401 

£,  Martin f  Ueber  die  Behandlung  der  Neigungen 
und  Beugungen  des  Uterus  mittels  der  Ton  Hödge 

empfohlenen  Pessarien 403 

Riedel^  Fall  von  Eklampsie  nach  der  Geburt,  mit 
surückbleibendem  eigenthümlichen  Gedächtniss- 
mangel     416 

E,  Roae^    Ueber  Harnverhaltung  beim  Neugebornen. 
(Mit  Abbildungen.) 426 

XXXIII.  Neuer  Fall  von  Spondylolisthesis ;  geringer  Grad 
von  Beckenenge;  künstliche  Einleitung  der  Früh- 
geburt, günstiger  Ausgang  für  Mutter  und  Kind. 
Von  O,  Hartmannt  zweitem  Hebammenlehrer.  .  .  .  465 

XXXnr.    Notisen  aus  der  Journal -Literatur: 

Inglisi    Ueber  die  Vortheile  eines  ausgedehnteren    . 
Gebrauches    der  Wendung   in  Fällen  von  Miss- 
verhältnissen  478 


VTII  Inhalt. 

V.  Scangotii:  Ueber  die  Beilehnn^  der  beiderseitigen 
Erkrankung  der  Eierstocke  sar  Oyariotomie- 
Pirage     474 

Dunean:  Ueber  das  Gewicht  nnd  die  Grösse  des 
nengeborenen  Kindes  im  Vergleiche  znm  Alter 
der  Matter 47.6 

TkafJoiU:  ßemerkenswerther  Fall  von  Exstirpation 
einer  snsammengesetsten  Cyste  (Cystoid)  des 
linken  Eierstocks     477 

K^Uh:  Ein  Fall  von  Ovariotomie 479 

DiUmari  Ein  Fall  von  Ovariotomie  ans  der  Poli- 
klinik von  Middeldorpff  in  Breslau 479 

Orewhalghi  Neues  Seetang  -  Dilatatorium 480 


I. 

üeber  einen  Epignattiue. 

Von 

G.  Becker. 

Mit  einer  AbbildoDg. 

Am  9.  Januar  1864  kam  auf  der  geburlshölflichen  Klinik 
io  Mönchen  eine  Zweitgebärende  zur  Beobachtung,  die  sich 
durch  eine  ungewöhnKch  starke  Ausdehnung  des  Unterleibes 
ausieichnete ,  von  welcher  man  ohne  Schwierigkeit  annehmen 
konnte,  dass  sie  von  einer  überreichlichen  Ansammlung  von 
Frochtwasser  in  der  Gebäroiuiterhähle  herrühre;  der  Umfang 
des  Leibes  betrug  }iS  Ceiitimeler  und  der.  Grund  der  Gebär- 
mutter war  von  (^  Sciiaffifuge  50  Genlimdier  entfernt;  die 
Anwesenheit  von  Ateillingen  ;^qiinte  •  man  mit  Sicherheit  aus- 
scbliessen,  und  la  man  an  verschiedenen  Stellen  des  Unter- 
leibes deutlich  FlMuattpn  wthrnahm,  so  war  die  Diagnose 
auf  Hydroaronios  niciHC'sebwer  zu  stellen,  und  doch  wui*d«* 
man,  als  bei  erweitertem  Muttermunde  das  Vorliegen  eines 
Fnsses  erkannt  und  die  Eihäute  künstlich  gesprengt  worden 
waren,  von  der  colossalen  Menge  des  ström  weise  abfliessenden 
Fruchtwassers  überrascht;  das  Quantum,  welches  aufgefangen 
werden  konnte ,  wog  allein  9  Pfund  Zollgewicht.  Gleich  nach 
der  Ruptur  der  Velamente  trat  der  rechte  Fuss  mit  einer 
äcbwach  pulsirenden  Nabelschnurschlinge  herab;  die  durch 
diese  Complication  bedingte  Extraction  ging  bis  zum  nach- 
folgenden Kopfe  leicht  von  Statten,  die  Herausbeförderung  des 
letzteren  madite  aber  bedeutende  Schwierigkeiten  und  erfolgte 
erst  nach  wiederholter  kräftiger  Anwendung  des  combinirten 
HandgrilTes.  Das  dem  achten  Monate  der  Schwangerschaft 
angebörige,  4%  Pfund  schwere  und  41  Centimeter  lange  Kind 

MMalMefcr.  f.  Oebnrtok.  1865.  Bd.  XZV.,  Hfl.  1.  1 


2  I.     Heeker,  Ueber  einen  Epignathas. 

iDännli€hen  Geschlechts  hatte  kräftigen  Herzschlag,  machte 
auch  einige  Alhemzüge,  starb  aber  nach  einer  halben  Stunde. 
Gleich  nach  der  Geburt  war  an  ihm  eine  eigenthömliche,  mit 
der  Hundhöhle  in  Verbindung  stehende  Geschwulst  aufgefallen, 
.  die  man  beim  ersten  Anblick  fast  geneigt  war,  für  eine  in 
der  Nähe  des  Schädels  befestigte  Placenta  zu  halten;  von 
dieser  Annahme  kam  man  aber  sogleich  zurück,  da  die 
wohlgebildete,  P/i«  Pfund  schwere  Nachgeburt  kurz  darauf 
ganz  leicht  durch  den  Credf&cben  HandgrüT  herausbef&rdert 
worden  war.  Es  erscheint  mir  am  zweckmässigsten,  sogleich 
den  Befund  mitzutheilen,  wie  er  vom  Coilegen  BuM,  der 
sich  der  genaueren  Untersiiebinig  der  Geschwulst  bereitwillig 
unterzogen  hat,  erhoben  worden  ist.  Derselbe  äussert  sich 
folgendermassen : 

Die  mir  zur  Untersuchung  übergebene  Missbildung  zeichnet 
sich  durch  eine  mehr  als  mannsfaustgrosse  Geschwulst  aus, 
welche  dei'selben  bei  zuruckgebogenem  Kopfe  aus  der  weit- 
geöffneten  Hundspalte  herausragt. 

Der  Hund  stellt  beinahe  eine  kreisförmige  Oeffnung  dar, 
deren  Längendurcbmesser,  d.  b.  der  Durclimesser  von  der 
Mitte  der  Oberlippe  bis  zur  Unterlippe  10  Centimeter  und 
deren  ßreiledurchmesser,  d.  h.  der  Durchmesser  von  eiaem 
Hundwinkel  zum  anderen  8Va  Centimeter  beträgt  Es  ver» 
steht  sich-  von  selbst,  dass  die  angegebenen  Hesspuokte, 
namentlich  die  Mundwinkel  in  der  Cui*ve  des  OefToungskreises 
liegen  und  keine  markirten  Vorspränge  oder  Winkel  sind« 

Durch  die  Lippenhaut  hindurch  fühlt  man,  dass  sowohl 
der  knöcherne  Oberkiefer,  als  Unterkiefer  median  nicht  ver- 
einigt sind,  sondern  dass  der  erstere  eine  Spalte  von  3^/4  Centi- 
meter, der  letzlere  aber  von  ^Va  Centimeter  Weite  zeigt 
Die  Spalte  des  Oberkiefers  erstreckt  sich  vom  Processus 
alveolaris  durch  den  ganzen  knöchernen  Gaumen.  Der  Unter- 
kieferknochen ist  sehr  dünn,  bildet  beiderseits  vom  Unterkiefer- 
winkel an  mehr  einen  nach  abwärts  gehenden  Stäche],  der 
linkerseits  vorn  in  Folge  der  Geburt  abgebrochen  ist  In 
diesem  grätenartigen  Stachel  kann  natürlich  von  einer  Zahn- 
bildung keine  Rede  sein. 

Bei  näherer  Untersuchung  der  Ansatzstelle  der  Geschwulst 
ergiebt  sich,  dass  dieselbe  eine  breite  Basis,  die  ganze  rechte 


I.    HnkeTj  Ueber  einea  Epigaathns.  Q 

Hüfte  der  Miuidböble  faeaiiBprucht,  nämlich  sich  yom*  Zahn- 
fortsatze  der  rechtseitigen  Oberkieferböbie  anfangend  Idngs 
ier  rechten  Gaiimenhalfte  bis  auf  den  Rachen  und  den 
ZmigeDräcken  dieser  S^le  (nur  1'/%  Centimeler  von  der 
ZongensjHlze  freüassend)  und  von  der  genannten  Niltellinie  an 
über  die  ganz«  rechte  Wangenhaul  erstreckt 

Sie  hat  sieh  augenacbeinlich  hinter  der  Schleimhaut  der 
Mimdbohle  entwickelt,  ist  deshalb  wohl  zu, einem  grossen 
Tbeile  von  der  mit  emporgehobenen,  theilweise  an  Flflolie 
iBitvei^;rös8erten  Schleimhaut  bedeckt,  namentlich  an  ihren 
Grenzen.  Entfernter  davon  wird  die  Schleimhaut  dünner  und 
endlich  durchbrochen,  so  dass  nur  mehr  etliehe  Sehleimhaut- 
iosebi  und  schliessKch  keine  Spur  mehr  auf  ihrer  OberflSche 
übrig  bleiben,  die  fremde  Bildung  tritt  nackt  zu  Tage.  ' 

Geht  man  näher  auf  das  Gewebe  ein ,  aus  welchem  sich 
die  Geschwulst  entwickeke,  so  erkennt  man,  dass  dasselbe 
gröBstentheik  dem  submucösen  Gewebe  der  Mundhöhhs,  am 
Gaumen  und  Oberkiefer  sicherKcb  auch  zu  einem  Tbeile  dem 
Periost  angehört 

Die  Geschwulst  ist  eine  gefössreicfae ,  knollig -lappige 
Masse,  deren  Tbeile  durch  lockeres,  oft  stielformig  ver- 
üngerU»  Bindegewebe  zusammenhängen.  Die  einzelnen  Knollen 
sind  je  näher  der  Insertion  uro  so  mehr  häutig- cystös,  je 
ealfemter  davon  um  so  mehr  markig  weich  oder  mit  zahl- 
kisen,  kleinen,  harten  Knorpeislnckchen  durchsetzt  Diese 
iLnorpelstnckchen  sind  ohne  bestimmte  Ordnung  eingesprengt, 
ohne  bestinnnte  Form,  in  ihrer  grössten  Länge  höchstens 
2  bis  3  Linien  gross,  zwei-  bis  vierzaekig.  Die  Markmasse 
ist  weich,  weiss,  wie  Markschwamm  oder  erweichtes  GoUm. 
Mikroskopisch  besteht  sie  aus  dichtstehenden,  einkernigen 
Kttgdzeflen,  deren  Wände  die  Kerne  nur  um  Weniges  über- 
inttem^  so  dass  es  den  Anschein  hat,  als  bestände  die  Masse 
nur  aus  Kernen.  Diese  Zellen  sind  offenbai*  von  embryonalen 
Hirnzellen  nicht  zu  unterscheiden  oder  vielmehr  mit  ihnen 
gleichbedeutend. 

So  kann  man  also  sagen,  die  Geschwulst  bestehe 
wesentlich  aus  embryonalem  Hirnmarke  mit  Einlagerungen 
formloser   Knorpelstückchen,   b.eides    durch    lockeres    Binde- 


4  1.     H9ck9r^  U«ber  einen  Epignatbus. 

gewd)«  zosammeDgefögt  und  schliettiich  <ieg«oei4ri  zu  ein- 
fachen Senuncysten. 

Da  die  Gesehwulst  die  MundMhle  so  ziemlich  ausfliUl, 
so  ist  zu  bemerken,  dass  trotzdem  der  Larynx  unverinderl, 
dagegen  die  Rachenschleimhaut  verstrichen  ist  und  nur  auf 
eine,  für  eine  gewöhnliche  Sonde  durchgangige  Oeflfoung  in 
den  Oesophagus  führt.  Das  Verhalten  der  Zunge  ist  schon 
angegeben.  SSmmtliche  übrige  Organe  des  Körpers  rerhalten 
sich  ganz  gehörig  und  ist  noch  besonders  anzuführen,  dass 
das  Gehuti,  seine  Häute  und  die  Schldelhöhle  nicht  im 
Mindesten  eine  Abweichung  erkennen  Uessen. 

Die  Seltenheit  des  Vorkommens  derartiger  GeschwAisle, 
wie  die  eben  beschriebene ,  bedingt  für  ihre  richtige  Deutung 
einige  Schwierigkeiten,  die  aber  doch  mit  Hülfe  der  differentiellen 
Dttgnostik  leicht  überwunden  werden  können.  Der  Gedanke, 
dass  man  es  hier  mit  einer  bösartigen,  carcinomalösefi 
Wucherung  zu  thun  habe,  der  aus  dem  makroskopischen  und 
mikroskopischen  Befunde  sich  ergeben  könnte,  kann  wohl 
nicht  ernstlich  festgehalten  werden ;  zwar  wurde  man  bei  dem 
Einschneiden  der  verschiedenen  knolligen  Partbien  der  Ge- 
sehwulst durch  das  Hervorquellen  eines  Milchsaftes  lebhaft 
an  Markschwamm  erinnert,  womit  auch  die  Beschaffenheit  der 
zelligen  Elemente ,  welche  er  unter  dem  Mikroskope  enthielt, 
übereinstimmte,  indessen  ist  bei  der  enormen  Seltenheit  der 
inirauterinen  Entwickelung  von  Krebs  gewiss  an  das  Vorhanden- 
sein einer  solchen  zu  all^letzt  zu  denken,  wenn  nicht  eciion 
der  ganz  eigenthümliche  Sitz  der  Fi^mdbildung  gegen  eine 
solche  Annahme  spräche.^)  Vielleicht  ist  die  Vorstellung 
näher  liegend ,  dass  die  Geschwulst  in  näherer  Beziehung  2ur 
Schädelbasis  stehe,  eventuell  aus  einer  Wucherung  des  Knorpels 
zwischen  Keil  -  und  Grundbein  hervorgegangen,  sei,  aber  dem 
widerspricht  wieder  ganz  und  gar,  dass  die  Beschaffenheit 
des  Schädels  und  Gehirnes  durchaus  normal  geftmden  worden. 

1)  Vergl.  die  Beschreibung:  nnd  Abbildung  eines  tolohen 
Falles  in  dem  Werke  von  Virekow:  Die  krankhaften  Geschwülste, 
Berlin  1863,  I.  Band,  S.  188.  Hier  ging  die  Geschwulst  nicht 
sowohl  von  der  Schädelbasis  aus,  sondern  hatte  directen  Zu- 
sammenhang mit  dem  Gehirne,  weshalb  sie  auch  vom  Verf.  als 
Hydrencephalocele  palatina  beseichnet  wird. 


Uml  so  warde  man  allinftlig  darauf  gefiAhrC ,  dass  die  Ge- 
schwuiat  üi  die  Reihe  der  Parasilen  gewiesen  werden  mftsse^ 
und  ein  eingehenderes  Studium  der  einschlägigen,  allerdings 
tesersC  sparsamen  Literatur,  die  Hidi  in  dem  Werke  von 
FSrtl^^)  Terzeichnet  findet,  bat  diese  Ansicht  voUkommen 
bestätigt  Es  kommen  beim  Manschen  Geschwfilste  vor,  die, 
WB  so  versebiedener  Beschaffenheit  sie  auch  sonst  sein  m^^en« 
das  Gemeinsame  haben,  dass  sie  an  dem  Gaumen  oder  anderen 
Resten  der  Kiemenbögen  befestigt,  mehr  oder  weniger  weit 
aus  der  Mundhöhle  hervorragen,  und  die  mit  dem  Namen 
Epignathus  bezeichnet  worden  sind;  sie  sind  die  Reale 
nnes  mit  seinem  Bruder  in  frühester  Zeit  verwachsenen  und 
an  ihm  za  Grunde  gegangenen  Zwillings,  und  beissen  desahaH» 
in  Systeme  „parasitischer  Prosopotheraoopegus«^  Ihr  Ent*^ 
stehongsmodus  ist  nach  ScknUee^)  der,  dass  die  nahe  bei 
einander  parallel  gelagerten  Axen  durch  die  zuerst  sich  ent* 
«ickclBden  seitlichen  Gebilde,  die  Kiemenbögen,  in  innige 
Verbindung  nnt  einander  treten,  und  dass,  indem  der  eine 
Embryo  in  der  Eotwickelung  zurückbleibt,  verkümmert,  sein 
Rodiment  an  der  Stelle  der  ersten  Verwachsung,  der  aus 
dm  Kiemenbdgen  sieb  entwickelnden  Gebilde,  hängen  bleibt. 
Auf  diese  Weise  zeigt  sich  die  grösste  Aeholiobkeit  zwischen 
ihnen  und  denjenigen  Geschwülsten  in  der  Steissgegend ,  denen 
man  einen  parasitischen  Charakter  vindiciren  muss:  jene 
befinden  sich  an  dem  oberen  Ende  der  Wirbelsäule,  diese 
an  dem  unteren. 

Halten  wir  die  gegebene  Deutung  für  den  vorliegenden 
Fall  fest,  so  bleibt  immeriiin  auffallend,  dass  die  Geschwulst 
ans  Elenenten  besteht,  die  doch  nur  sehr  entfernt  als  Fötus- 
reste  aiifgefasst  werden  können ,  nämlich  aus  erobryonakm 
Himmark  und  liNrmlosen  Knorpelstflckcfaen.  Denn  4n  dieser 
Beziehung  nnferscheidet  sie  sich  von  der  Mehrzahl  der  in  der 
Literatur  vorfindlichen  analogen  Fälle.  In  der  ältesten  bei 
FörHer  cittrten  Beobachtung  von  Hoffmann^)  konnte  mau 

1)  Die  MiMbüdnog^en  des  Menschen  systematisch  dargestellt, 
Jena  1861 ,  S.  87. 

fi)  Ueber  aDomale  Dnplioit&t  der  Axenorgane,  Ftre&oie's  Archiv, 
I  VIL,  8.  623. 
3)  Bpkam.  n.  c.  1687,  das  II.  Ann.  6,  Obs.  166. 


Q  I.     Hmkm'^  Ue^r  eiMii  Epifsathas. 

einen  hemicraniscbeii  Kopf,  rudimentäres  Gebirn  und  anvoll- 
siändige   Oeflhungen   für  Augen,   Nase,  Hund  und   Ohr  er- 
kennen.    In  dem   von  Kidd^)   beschriebenen   Falle   bestand 
die  lappige,  mit  wohlgebildeter  Haut  Aberzogene  Geschwulsl 
aus    festem,    fibrösem    Gewebe    mit    cystenarligen   Räumen, 
Knorpel   und  Knochenstucken,*  hatte  aber   im  .Inneren   eisen 
deutlichen,  kurzen,  blind  geschlossenen  Darm  mit  Mesenterium 
und   einen  Pinger  oder  eine  Zehe   mit  drei  Phalangen   und 
rudimentärem  Nagel.     In  einem  der  cystenartigen  Räume  fand 
sieh  hirnihnliche  Masse  und  daneben  ein  grosser  platter  Knochen, 
der  etwas  dem  Hinterhauptsbeine  glich.    Auch  bei  Pöhlmawn^ 
enihielt  der  Parasit  deutlich   markirie   Pötusreste:    die   Ge- 
schwulst,   welche   sich    an   der    äusseren   Seite   der   rechten 
EuMtachi'schen  Röhre  einpflanzte,  bestand  aus  vielen,  Chetls 
gestielten,  theils  sessilen  Körpern  von  Erbsen-  bis  Haselnuss- 
grosse  und  glicii  einer  Hydatidenmole ;  ihr  Inhalt  setzte  sieh 
zusammen  aus  Flüssigkeit,   aus  knorpligen  Kei*nen  und  einer 
ziemlichen   Anzahl   freier  Knochensliicke   und  Zähne,  22  an 
der  Zahl.     Die -letzteren  hatten  keiue  Wurzel,  waren  an  Form 
den  Schneidezähnen  ähnlich,   die  meisten  in  einem  Säckclien 
eingeschlossen ,  ohne  Verbindung  mit  den  Knochen.     In  dem 
Werke  .von  CHio ')  dagegen  finden  sich  einige  Fälle ,  wo  von 
deutlich  erkennbaren  Fötustheilen  kaum  noch  die  Rede  war. 
Vor  Allem  möchte  ich  auf  die  Beobachtung  No.  587,  Seite  328 
aufmerksam  machen,  die   „Fetus  humanus  magno  sacromate 
e\  ore  propendente  foedatus"  überschrieben  ist,   denn   diese 
hat  die  allergrösste  Aehnlichkeit  mit  der  von  uns  gemachten. 
Sie  betrifft  einen  wirklichen,  fast  sieben  Monate  allen  wohl- 
gebildeten, aber  schlecht  genährten  Fötus,  aus  dessen  Munde 
eine   vielfach   getheihe,    ungleiche    und    gelappte    Geschwulst 
hervorragt;  sie  besteht  aus  sehr  vielen  Theikii  von  der  ver- 
schiedensten  Form   und  Grösse,  und  die  an  dünnen  Stiden 
aufgehängt    sind,    oder    aufsitzen,    und    verschiedene    kleiiie 
Bläschen   enthalten.      Otto  rechnet*  die    Geschwulst  zu   den 
Cystosarcomen  wegen  ihrer  Zusammensetzung  aus  Zellgewebe, 

1)  Dablin  hospital  Gaselte,  1856,  No.  6. 

2)  Tnmear  cjstique  p^dicnUe ,  Balletiii  de  la  societä  de  m^d. 
de  Gand,  1865,  p.  10. 

3)  Monstrorum  sexcentornm  deseriptio  anatomica,  VratisLlSil. 


I.    fftdber,  Ueber  einen  Epignatbiis.  7 

videB  sehr  iMmefi  GefässeD,  kleiDeii  MenibraDen,  Hydaüden, 
kBoqriigen  uod  knochigen,  meistentheilg  8UiehK|^€n  Tbeüen; 
sie  wmeh  e^eotlich  in  den  Pauces,  aber  da  der  GavmeQ 
auf  der  rechten  Seite  gespalten  ist,  ebenso  in  diesem  und 
in  der  Nase,  dehnt  die  Mundhöhle  gewaltsam  aus,  in  Folge 
dessen  Unter-,  Oberkiefer  und  Oberlippe  stark  nach  aufwärts 
gedrängt  sind;  auf  der  linken  Seite  hängt  die  Lippe  mit  der 
Gesdimilat  msammen,  und  hat  zum  Theil  ihre  Natior  an- 
genommen. Unterkiefer  und  Zunge  sind  nach  fld>wftrl)8  ge- 
bogen. Die  inneren  Tbeile  des  Körpers  folgra  den  GesetaeH 
der  Natur. 

Es  ist  sehr  zu  bedauern  dass  OUo  diesen  Fall  nicht 
abgebildet  hat,  denn  dann  würde  ein  Va*gleich  die  Uebereki- 
stimmoDg  desselben  mit  dem  unsrigen  noch  evidenter  maciien, 
ab  sie  nadi  der  blosen  Beschreibung  erscheint.  Zwei  andere 
bei  Otto  verzeicbaele  ßeobaehtMigen ,  nämlicb  ISo.  586  y,Fetas 
bomanuo  magno  tumore  ex  ore  peudente  deformis'^  und  No.  688 
„Petas  ImmaDus  ingenle  capitis  sarcomate  detorpatus*'  inden 
sicii  in  einer  aus  dem  Jahre  18^  stammenden  Dissertation 
von  G.  H.  DeuttBchberg  ^)  bildlich  dargestellt.  Die  erste 
AbiMldoDg  Ifisst  sogleich  erkennen ,  dass  es  sieh  um  eine  Ge*- 
schwulst  Yon  weit  festerem  {^efäge  handelt,  als  in  miserem 
Falle,  und  es  scheint  fast  fraglich,  ob  sie  wirklich  einen 
paneitischen  Charakter  habe,  werni  nicht  der  übrige  Befund 
and  naoientiieh  wieder  der  Sitz  zu  Gunsten  der  Annahme 
mes  fipignathus  argumentirten;  in  der  Beschreibung  heisst 
es:  bei  einem  6 monatlichen  männliefaen  Fötus  zeigte  sich 
eine  runde,  kindskopfgrosse,  mit  breitem  Stiele  an  der  oberen 
Wand  der  Pauces  befestigte  Geschwulst,  welche  von  einer 
gkidimaesigen,  glänzenden,  unten  sehnigen,  oben  fibrösen 
Tmica  propria  überkleidet  ist;  letztere  et*scheint  an  der 
wderea  Spitze  geborsten,  und  iässt  dort  die  eigentliche 
Substanz  heraiistreten.  Diese  ist  grauröthlich,  elastisch,  be- 
sieht aus  Zellgewebe,  MuskeKasern  und  Geföasen,  und  ist 
hier  nad  da  mit  Lymplie  gefüllt,  sie  gehört  demnach  zu  den 
wreomatöeen  Gystengeschwüisten,  und  ist  den  Fleischpolypen 
■cht  unähnlich,   wenn    sie   nicht*  von    einer  eigenen   Hülle 

l)Da'tBinorfbiianonaaUiacosg«astis.  DiM^rt.  VratisL18S2.  4. 


(j  I.    Heaker^  U»ber  einen  Epi^netiias. 

iimgebeu  wäre.  Die  Mundhöhle  ist  in  Folg«  dessen  bedealmd 
erweitert,  die  Oberlippe  gegen  die  Nase  gedrängjL,  der  waidie 
Gaumen  verkürzt,  und  der  hintere  Theil  der  Gescbwutot  vait 
dem  Gaumensegel  vei*wachsen.  Die  Uvula  fehlt;  auf  jeder  Seite 
der  Choanen  ist  eine  Oefinung  vorhanden,  der  Uifterkiefer 
und  die  Zunge  herabgedrückl  und  verbildet.  Die  übrigen 
Theile  des  Körpers  normal. 

Die  zweite  Abbildung  bei  Deutschberg  zeigt  eine  com- 
plicirtere  Missbildung,  denn  an  dem  Kopfe  des  7 monatlichen 
weiblichen  Fötus  bemerkt  man  zwei  Geschwülste,  die  äusseftlich 
keinen  Zusammenhang  mit  einander  zu  haben  scheinen:  die 
eine  befindet  sich  an  der  linken  Seite  des  Sdiadels,  aimmt 
die  Pars  squamosa  ein,  reicht  nach  hinten  bis  aur  Larobda«» 
naht,  und  dehnt  sich  nach  vorn  über  Stirn  und  Gesicht  aus; 
sie  ist  von  den  allgemeinen  Bedeckungen  öberkleidet,  und 
gleicht  nach  Deutachberg' ^  Ausspruche  einer  Hemia  cerebri; 
dieser  Auffassung  widerspricht  jedoch  der  lohalt  der  Ge* 
schwulst:  in  der  Beschreibung  wird  nanüich  hervorgehoben, 
dass  ihre  Substanz  dem  Markschwamme  gleiche,  weich  and 
elastisch  sei ,  und  in  der  Mitte  eine  dunkeJgelarbte  Flüssigkeil 
enthalte,  in  gleicher  Weise  auch  der  Umstand,  dass  sie,  von 
einer  eigenen  Cyste  umgeben,  ^nirgends  mit  der  GehimhöUe 
communicirt.  Die  andere  hängt  an  dem  linken  Theile  der 
Fauces,  und  hat  den  Unterkiefer  und  die  Zunge  nach  aussen 
hervorgedrängt;  in  der  Mundhöhle  scheint  sie  mit  dex  ersten 
Geschwulst  zusammenzuhängen,  so  dass  sie  gewissermassen  als 
ein  Appendix  zu  derselben  zu  betrachten  ist;  ihr  frei  zu  Tage 
liegender  Theil  wird  von  dem  Verfasser  in  seiner  BeschafiTenheti 
uiit  Darmkanal  verglichen,  und  in  der  That  idsst  die  Ab- 
bildung kaum  einen  Zweifel  übrig,  dass  wirklich  einem 
Parasiten  angehörige  Darmschiingen  aus  der  Mundhöhle  hervor- 
getreten sind,  wie  es  denn 'auch  aus  derselben  höchst  wahr* 
scheinlich  wird,  dass  beide  Geschwülste  zusammengehören 
und  den  epignathen  Zwilling  darstellen. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  mir  erlauben,  für  den  be- 
schriebenen Epignathus  eine  Bemerkung  zu  wiederholen,  wetohe 
ich  bei  Besprechung  eines  Falles  von  Agnathin  ^)  vor  einiger 


1)  Klinik  der  Gebortskonde,  Band  II.,  S.  2)6,  1064. 


IL    Ab«99y  G«bii?teliftllUcli6  Mitth«i|«ogea.  9 

Z«it  ^niacht  babe:  auch  bei  dieser  lili«sbiUung  s$i  gewiss 
»  IwMier  Zeit  die  Möglichkeil  vorhsoiden  gewesen,  dass  Fruclii* 
wasaer  in  den  Verdaiiungskanal  hat  gelangea  köonea,  den« 
die  Oeffhiing  der  S|>eiseröhre  in  die  Mundhöhle  ist  so  klein, 
so  tiefliegend,  und  daliei  der  ganze,  dem  Deglutitionsacte 
Torstebcnde  niuskaföse  Apparat  des  Schlundes  so  defect,  dass 
man  diesen  Weg  der  FVuchlwasseraufnahme  für  fehlend  er- 
achten muss,  und  dennoch  hat  die  Fnicht  ein  Gewicht  von 
iialieau  (unf  Pfand  erreicht,  und  offenbar  in  ihrer  Ernährung 
fhtrchaus  nicht  gelitten;  die  Betrachtungen,  die  ich  dort  über 
die  Bedeutung  des  Fruchtwassers  als  einer  intrauterinen  Er- 
HabraiigsqiieUe  in  negatirein  Sinne  angesteUl  babe,  gelten 
also  auch  in  vollem  Maasse  für  den  Epignathus. 

Erklärung   der   Abbildung. 

a,  a.  a.  Narkschwaronidbnliclie  Masae  der  Geschwulst 

i.  h.  Cysten. 

c.  Der  v«n  der  rechten  Wangenbaut  öberkleideie  Theil 

der  Geschwulst, 

d  OeflTnung  der  Speiseröhre, 

e.  Oeflauiig  des  Kehlkopfes. 

/.  Zunge. 


IL 
Oebartshttlflielie  Mittheilungen. 

Von 

Dr.  A^begg, 

HebAmmenlehrer  zu  Dansig. 

Gestatten  auch  die  Reecdtate  der  geburtsbdiriichen  Privat* 
praiis  keinen  nehtigeB  S^uss  auf  die  Häufigkeit  der  Aoomalien 
im  Verkältiiiss  lum  Normalen,  so  bieten  sie  doch  ehiiges 
httresse  in  Bestig  auf  Abweichungen  vom  Gewötualicheii,  weil 
der  Gehurlshelfer  meist  nur  zu  regelwidrigen  GeburtOB  ga* 
rufen  wird. 


10  It.    Abtffffj  Qebnrttlifilfllehe  BfUtheiloDgen. 

Deshalb  gebe  idi  hier  eine  Uebersicht  meiner  bis- 
herigen gebartshOlflichen  Erlebnisse  und  knöpfe 
daran  einige  Bemerkungen. 

Unter  369  Gebärenden  zählte  ich  133  Erstgebarende, 
72  Zweitgebärende,  53  Dritlgebärende ,  28  Viertgebärende, 
24  Fönflgebärende,  21  Sechslgebärende^  11  Siebentgebftrende, 

6  Acbigebftrende,    8    Neuntgebärende,    6    Zehntgebärende, 
5  Eiftgebärende ,  2  ZwölfUgebärende. 

Davon  waren  15  Zwiliiogsgeburteu,  1  Orillingsgeburt, 
353  einfache  Geburten. 

Geboren  wurden  386  Kinder,  weiche  sich  in  folgenden 
Lagen  zur  Geburt  stellten: 

In  Scheitellagen  245,  davon  19  Zwillinge,  resp.  Drillinge, 
Nabelschnurvorfall  neben  dem  Kopfe  17,  Stirnlagen  2,  Gesichts- 
lagen  8,  Kopflagen  bei  Placenta  praevia  11,  desgl.  bei  un- 
reifen Fröchten  13,  desgl.  bei  Riiptura  uteri  1,  Arm  neben 
dem  Kopfe  2,  davon  1  bei  Zwillingen,  Hand  neben  dem 
Kopfe  3,  davon  1  bei  Zwillingen,  Fuss  neben  dem  Kopfe  1, 
Steisslagen  15,  davon  1  bei  Zwillingen,  Fusslagen  33,  davon 

7  bei  Zwillingen,   Scliulterlagen  35,   davon  4  bei  Zwillingen. 

Ausserdem  wurden  14  unzeitige  Geburten,  wovon  1  mit 
ZwillingsfrOchlen ,  3  Mal  endlich  Traubenmolen  beobachtet. 

Die  DnHiiigsgeburl  betraf  eine  Primipara;  die  drei  Knaben, 
siebenmouatlicli,  stellten  sich  alle  in  Kopflage  zur  Geburl, 
wurden  wegen  ihrer  Kleinheit  sehr  rasch  geboren,  binnen 
einer  Stunde  und  hatten  gesonderte  Placentae, 

Von  den  Zwillingsrnfittern  waren  2  Erstgebärende,  7  Zweit- 
gebärende, 1  Drittgebärende,  2  Pönftgebärende  (1  hatte  vorher 
vier  Mal  abortirt),  2  Sechstgebärende,  1  Siebentgebärende. 

Geboren  wurden  3  Mal  2  lebende  Knaben,  4  Mal 
2  lebende  Mädchen,  3  Mal  1  lebender  Knabe  und  1  lebendes 
Mädchen,  2  Mal  1  lebendes  Mädchen  und  1  todter  Knabe, 
2  Mal  1  lebendes  und  1  todtes  Mädchen,  1  Mal  1  todtes 
Mädclien  und  1  todter  Knabe,  also  im  Ganzen  23  lebende, 
7  todte  Kinder.  Ausserdem  kam  ein  Abortus  im  dritten 
HönaCe  mit  ZwillingsMcbten  und  gesonderten  Placenten  vor 
bei  einer  Erstgebärenden. 


II.    Ah*gf,  OebartahülIHHie  IKUhtitangfla. 


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Placenta. 

Gemeinsame 
Placentae. 

Gemeinsam. 

Getrennte 
Placentae. 

Gemeinsame 
Placentae. 

Oemeinflame 
Placentae. 

Zwei 

Zweites  Kind. 

Mädchen. 

Rücken  hinten, 

Kopf  reohts, 

rechte  Schalter  vor. 

Knaben. 
Fasslage. 

Lebendes  Mädchen. 
Rücken  vorn, 
Kopf  rechts, 

linke  Schalter  vor. 

Knaben. 

Rücken  vorn, 
rechter  Fuss  vor. 

Lebendes  Mädchen. 

Rechter  Arm 

vor  dem  Kopfe. 

Lebender  Knabe. 

Erstes  Kiod. 

Lebende 
Erste  Scheitellage. 

Lebende 
Beide  in 

Todter  Knabe. 
Erste  Scheitellage. 

Lebende 
Erste  Scheltellage. 

Todtes  Mädchen. 
Erste  Scheitellage. 

Lebendes  Mädchen. 

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1.  Natürlich. 

2.  Wendnng 
anf  den 

rechten  Fass. 

Natürlich. 

1.  NatürUch. 

2.  Wendnng 
anf  den 

linken  Fass. 

1.    Zange. 
2.  Extraotion. 

1.  Natürlich. 

2.  Wendung. 

Natarlich. 

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Siebent- 

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Jahre  alt. 
Zweit- 
gebärende, 
24  Jahre  alt. 
gebärende, 
29  Jahre  alt. 
Zweit- 
gebärende, 
27  Jahre  alt. 
Fünft- 
gebärende, 
.36  Jahre  alt. 
Dritt- 

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16  II.    Ah^gy,  0ebartthtllfll6he  BfitflMflmigeB. 

r  1.  Die  Schieflagen  ereigneten  sieb  bei  zwei  Primiparis 
und  33  Multiparis. 

Von  den  17  todten  Kindern  waren  12  Knaben. 

Für  die  Exiraction  des  nachfolgenden  Kopfes  halte  ich 
folgende  Methoden  für  die  besten ,  um  die  hiejr  oft  missliche 
Anlegung  der  Zange  zu  vermeiden. 

Bei  hochstehendem  Kopfe  den  Prag«^r  Handgriff.^) 
Der  Kopf  kann  noch  nicht  unmittelbar  gefasst  werden,  wird 
daher  mittelbar  durch  methodische  Zuge,  von  den  Schultern 
des  Kindes  aus  auf  dessen  Rumpf  ausgeübt,  extrahirt. 

Bei  tiefer  in  der  Beckenhöhle,  erreichbar  stehen- 
dem Kopfe,  empfiehlt  sich  in  schwierigen  Fällen  am  meisten 
das  ohne  Zweifel  bereits  von  vielen  Geburlshelfern  geübte, 
neuerlich  von  Veit^)  angegebene  Verfahren:  abwechselndes 
Anziehen  der  Schultern  und  des  kindlichen  Unterkiefers,  um 
das  Kinn  der  Brust  zu  nahern. 

An  ganz  tief,  nahe  dem  Beckenausgange,  befind- 
lichem Kopfe,  reicht  es  meist  völlig  aus,  ohne  starken 
Zug  eine  Drehung  desselben  um  seinen  Querdurchmesser  aus- 
zufuhren, indem  man  mit  zwei  Fingern  unter  der  Symphyse 
das  Hinterhaupt  etwas  nach  abwärts  und  oben,  mit  einem 
in  den  Mund  eingehakten  Finger  den  Unterkiefer  nach  abwärts 
und  unten  bringt. 

2.     Zur  Zangenoperation. 

Diejenigen  Zangen  halte  ich  für  die  besten,  welche,  wie 
die  Prager,  ausser  einer  guten  Kopf-  und  Beckenkrömmung, 
möglichst  schmale,  besonders  aber  gleich  von  den  Griffen 
aufwärts  niedrige,*)  gefensterte  Löflel  haben,  —  was  die 
Einführung  bei  engem  Beckenausgange  oder  enger  Scham- 
spalte  sehr  erleichtert  — ,  und  welche  leicht  und  fest  im 
Schlosse  schliessen.  Dies  leistet  das  etwas  moditicirle 
8meüi6*&d\e  Schloss,  ohne  dass  es  einer  beweglichen  Axe, 
wie  an  dor  Levret'^hen  und  anderen  französischen  Zangen, 
oder  einer  unbeweglichen,  wie  bei  der  Nägele' sehen j  und 
fitt«cA'scben  bedarf. 


1)  Scannoni,  Gebnrtahülfe,  3.  Auflage,  1S5&,  S.  783. 

2)  Veit,  QreifBwalder  Beitrage,  1863,  Bd.  2,  8.  21,  im  Bericht 
aber  die  VersaiDmlnng  Baltischer  Aerste. 

3)  Spondli,  Unsehüdliche  Kopfsange,  1862,  S.  4  n.  6 


II.    A6e^g,  Oebartshulfliche  MittheilUDgeä.  ]7 

Anch  das  Krtstdler*?,che  ^)  Dynamometer  ist  wohl  för 
die  Praxis  entbehrlich.  Aber  sehr  begründet  war  die  Hin- 
weii:ang  Kristeller's  auf  die  sehr  ungieichmässige  ZugkraH, 
wem  der  Zeigefinger  das  Ohr  der  einen,  der  Mittelfinger 
das  der  anderen  Branche  umfasst.  Oefliers  fiel  mir  früher 
Dach  Entwickelung  des  Kopfes  der  starke  Eindruck  der 
ersteren  Branche  auf,  während  die  letztere  kaum  eine 
Spur  Unterlassen  hatte.  Seitdem  verwende  ich  nach  Martin 
statt  des  Mittelfingers  den  Ringfinger,  dessen  Phalangen  fast 
gleich  lang,  wie  die  des  Zeigefingers  sind,  daher  mit  diesen 
gleichmässig  wirken  können,  während  der  Mittelfinger  zwischen 
den  Löffein  ruht 

Die  ungefensterten  Zangen  nach  Oslander  und 
HoU^)  können  otme  Zweifel,  wie  Martin^)  hervorbebt,  das 
kiod  durch  Druck  gefährden.  Hohles  Gründe  für  seine 
zwar  concaven,  aber  doch  geschlossenen  Löffel  scheinen  mir 
nicht  zutreffend.  Bringt  die  gefensterte  Zange  Eindrücke 
liervor,  so  wird  die  ungefensterte  sicher  keine  geringeren 
machen.  Die  Ursache  dersellien  liegt  auch  gewiss  nicht 
allein  in  der  Zange,  Sondern  im  Mangel  an  Raum,  grossem 
Kopfe  u.  s.  w.  Dass  aber  der  Kopf  auch  innerhalb  der 
gefensterten  Löffel  genug  freien  Spielraum  bat,  um  die 
Drehungen ,  dem  naturlichen  Mechanismus  der  Geburt  gemäss, 
zu  machen,  sehen  wir  häufig  genug. 

Die  Zange  soll  nur  durch  Zug,  nicht  durch  Druck,  wirken. 
Der  einfache  Zug  ist  allen  Rotationen,  OHander'schen  stellenden 
Tractionen  und  Pendelbewegungen  vorzuziehen,  durch  welche 
nur  die  Zugkraft  zertheilt,   die  Mutter  leichter  verletzt  wird. 

Die  Drehungen  des  Kopfes  mittels  der  Zange, 
zur  Verbesserung  seiner  Stellung  im  Becken,  wie  sie  neuerlkh 
wMsder  Scanzoni^*)  Braun ^)  etc.  empfehlen,  scheinen  mir  da, 
wo  sie  möglich  sind,  unnöthig,  da  wo  sie  nötlug  scheinen, 
unmöglich   oder  mindestens   sehr  gewaltsam   und  gefährlich; 


1)  Monatsschrift,  1861,  Bd.  17,  8.  166. 

2)  Bohl,  Gebnrtshülf« ,  2.  Auflage,  S.  808. 

3)  Martin,  Methode  der  Zangenoperation,  Monatsschrift,  Bd.  14, 
1859,  8.  81  ff. 

4)  SeanMonif  Oebortshülfe ,  8.  Anflage ,  1865,  8.  826. 

5)  Braun,  Comp,  der  Gebortshaife,  1864,  8.  892. 
ÜMmtuehr.  f.  O^bnrtsk.  1866.  Bd.  XZ V.,  Hft.  1.  2 


18  II.    Abtgg,  Geburtshülfliehe  MitthefloDg^en. 

wie  denn  auch  Cred^,^)  Martin,^)  HohP)  und  Orenser^) 
entschieden  vor  denselben  warnen. 

In  der  Regel  wendete  ich  die  Zange  erst  an,  wenn  der 
Kopf  längere  Zeit  in  der  Beckenmitte  feststand,  bei  hohem 
Kopfstand«  im  Beckeneingange  nur  dann,  bei  gehörig  er- 
weitertem Muttermunde,  wenn  Anschwellung  der  unteren 
vorderen  Partie  des  Uterus,  durch  Druck  zwischen  Schooss- 
fuge  und  Kindeskopf,  in  höherem  Grade,  oder  andere  dringende 
Zufälle,  wie  Eklampsie,  vorhanden  waren,  welche  ein  frnheres 
Einschretten  forderten. 

Wegen  Wehenschwäche  brauchte  ich  sie  häufig,  wo 
vielleicht  nach  einigen  Stunden  die  Geburt  ohne  Kunsthülfe 
erfolgt  wäre.  Indessen  halte  ich  es  bei  aller  Abneigung  gegen 
unbegründet  voreiliges  Operiren  für  Pflicht,  der  Gebärenden, 
werm  sie  sehr  erschöpft  ist,  die  Wehen thätigk ei t  aufgehört  hat 
oder  doch  sehr  nachHess,  den  qualvollen  Geburtsverlauf  abzu- 
kürzen, sobald  es  ohne  Gefahr  geschehen  kann,  wenn  der 
Längendurchmesser  des  Kopfes  im  geraden  Durchmesser  der 
Beckenmitte  oder  schon  tiefer  steht.  Besonders  bei  Erst- 
gebärenden ist  dies  nützlich,  deren  straffe  Weichtheile  oft 
einen  bedeutenden  Widerstand  dem  Kopfe  entgegenstellen ,  was 
bei  späteren  Geburten  nicht  mehr  der  Fall  ist. 

Viele  der  64  hierher  gehöngen  Primiparae  haben  nadiber, 
od  in  meiner  Gegenwart ,  ohne  Kunsthülfe ,  ganz  regelmässig 
und  glücklich  geboren. 

3.  Hinsichtlich  der  Entfernung  der  Placenta  kann 
ich  nur  meine  bereits  früher^)  ausgesprochene  vollständige 
Beistimniung  zu  Crede*s  Ansicht  und  Verfahren  bestätigen. 
Nur  acht  Mal  war  die  künstliche  liösung  der  Nachgeburt  durch 
die  eingeführte  Hand  nöthig.  Zwei  Mal  wegen  fester  Ver- 
wachsung, vier  Mal  wegen  Atonie,  zwei  Mal  wegen  krampf- 
hafter Stricttir  des  Uterus.  Oft  sah  ich  seitdem  die  Nach- 
geburt, namentlich  bei  Primiparis  und  kräftigen  Wehen,  theils 
unmittelbar  nach  dem  Kinde ,  theils  binnen  15  Minuten  später 

1)  Cred^,  Klin.  Vorträge  über  Ge bnrts hülfe ,  1864,  8.  709. 

2)  Martin  f  a.  a.  O.  S.  83. 
8)  Hohl,  Lehrbuch,  S.  829. 

4)  Gramer,  Nägüe'n  Le.hrb. d. Oebnrtshülfe,  5.  AufL,  1868,  8. 886. 
6)  Monatsschrift,  Bd.  18,  1861,  8.  264. 


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IT.     Ab9gg,  OeburtshHIHiehe  MittheilnngeD.  19 

spoDtan,  sonst  in  Folge  des  CV^c^^'schen  Handgriffes  bis  vor 
die  äosseren  Geschlechtstheile  förmlich  herausspringen.  Niemals 
sah  ich  nach  solcher,  Ton  Manchen  noch  gefürchteten,  schnellen 
Enüeerung  des  Uterus,  —  die  aber  keine  frühere  und  schnellere 
ist,  als  wie  sie  die  Natur  selbst  bei  regelmässigen  Geburten 
oft  rollbringt  — ,  eine  gefährliche  Blutung  entstehe.  Wohl 
aber  erschien  mir  in  einem  Falle  der  Nut2en  dieses  Verfahrens 
recht  evident. 

Im  Mai  1862  hatte  ich  einer  Dame  bei  ihrer  dritten 
Niederkunft  beizustehen,  welche  vor  V/^.  und  3  Jahren 
anderwärts  entbunden  worden  war.  Beide  Male  hatte  sie 
nach  ihrer  Angabe  sehr  viel  Blut  verloren,  war  die  Nach- 
geburt erst  nach  einiger  Zeit  entfernt  worden,  wobei  sie  in 
Ohnmacht  fiel,  und  schlresslich  die  starke  Blntinig  durch 
Ebumschläge  auf  den  Unterleib  und  Liegenlassen  der  ein- 
geführten Han4  durch  längere  Zeit,  von  dem  Arzte  ge$l4IU 
worden.  Die  Reconvalescenz  soll  jedesmal  eine  sehr  langsame 
gewesen  sein.  Jetzt  hatte  sie  überdies  im  April  14  Tage 
lang  an  einer  erschöpfenden  katarrhalischen  Ruhr  mit  täglich 
15— 20  Entleerungen,  gelitten,  während  sie  vor  den  früheren 
Entbindungen  ganz  gesund  gewesen  war.  Diesmal  war  der 
Geburtsverlauf,  wie  früher,  bei  dem  sehr  geräumigen,  wenig 
geneigten  Becken')  ein  sehr  Störmischer.  Morgens  gegen 
3  Uhr  traten  die  ersten,  in  grossen  Intervallen  von  einer 
Stunde  etwa  wiederkehrenden  Wehenbewegungen  ein,  gegen 
12  Uhr  Mittags  aber  die  kräftigsten,  sich  fast  augenblicklich 
folgenden  Wehen.  Die  kleine  Fontanelle  war  links  etwas  nach 
vom,  die  Pfeilnaht  schräg  nach  rechts  und  hinten  zu  fühlen. 
Um  '/4I  Uhr  sprang  die  Blase,  und  die  nächste  Wehe  trieb 
sofort  das  ganze  starke,  lebende  Mädchen,  trotz  dreifacher 
Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals,  aus. 

Nach  deo  Vorgängen  bei  den  früheren  Entbindungen, 
und  der  kürzlich  überstandenen  Ruhr  lag  die  Besörgniss  einer 
pffaeblichen  Metrorrhagie  bei  so  rasclier  Geburt  sehr  nahe, 
leberdies  setzte  die  Wöchnerin  eine  solche  als  sicher  voraus 


1)  Diameter  BandeloeqQii  8''  9"'.  Conjug^.  diag^onalis  nicht 
alMoreicheii,  also  jedenfalls  erheblich  über  4".  .Spin.  II.  11"  6'", 
Crist.  II.  13",  Troebant.  14". 

2* 


20  n.    Abegg,  Oeburtshülfliche  Mittheilnngen. 

und  erwartete  ihr  Emle.  Gerade  deshalb  hielt  ich  es  hier 
für  nöthig,  dem  Uterus  möglichst  bald  die  Mögliclikeit  zur 
genügenden  Verkleinerung  seines  Volumens  zu  gewähren«  ehe 
durch  Iheil weise  Lösung  der  Nachgeburt  und  weiteres  Zögern 
ein  starker  Blutverlust  eintreten  konnte. 

Deshalb  umfasste  ich  nach  einigen  Minuten  den  gut 
coufratrahirten  Muttergrund,  und  beförderte  leicht  die  Placeota 
bis  vor  die  Genitalien.  Die  sofort  nachfolgende  Blutung  war 
allerdings,  wie  zu  erwarten,  etwas  bedeutender,  als  gewöhnlich, 
indessen  conlrahirte  sich  der  Uterus  bald  wieder  genügend. 
TroUdem  dauerte  die  psychische  Depression  der  Wöchneriu 
noch  fort;  der  Gedanke,  dass  sie  sterben  müsse,  verliess 
sie  nicht.  Darum  besr!>ränkte  ich  mich  hier  nicht,  wie  bei 
anderen  Multiparis  auf  Darreichung  einiger  Dosen  Seeale, 
sondern  suchte  die  Lebenskraft,  welche  durch  die  Erinnerung 
aa  die  früheren  Entbindungen  und  die  Anstre^ung  der  eben 
beendeten ,  durch  die  vorangegangene  Krankheit  und  die  jetzt 
erfolgte  Blutung^  gesunken  war,  möglichst  zu  steigern  durch 
einige  Glaser  guten  Rothwein  gleich,  und  taglich  kräftigste 
Fleischbrühe  für  die  fernere  Zeit  des  Wochenbettes.  Diesem 
Verhalten  muss  ich  es  zuschreiben,  dass  der  Uterus  sich 
nicht  nur  rasch  zusammenzog,  sondern  auch  contrahirt  blieb, 
gar  keine  weitere  Blutung  stattfand ,  und  die  Frau  sich  nach 
dieser  dritten  Entbindung,  ungeachtet  der  vorherigen  Krankheit, 
weil  schneller  vollständig  erholte ,  als  nach  den  früheren  beiden. 

Die  Lehre  von  den  Fruchtlagen  ist;  namentlich  seit 
Nägele's  sorgßltiger  Beobachtung  mit  Recht  sehr  vereinfacht 
worden.  Wie  in  der  gesammten  Pathologie  und  Therapie 
die  complicirten  künstlichen  Systeme  von  Krankheiten  und* 
von  Mitteln  einem  früheren  Standpunkte  angehören,  auf  welchem 
jede  irgend  einmal  wahrgenommene  Einzelheit  auch  sofort  als 
eigene  Species  hingestellt  wurde,  so  auch  die  von  den  älteren, 
trefflichen  '  Beobachtern  aufgebauten ,  überaus  zusammen- 
gesetzten Systeme  der  Lagen. 

Hatte  schon  Solayris  de  Renhac ,  *)  der  zuerst  den 
Mechanismus  der  Geburt  richtig  würdigte  und  erkannte,  darin 

1)  Solayres  de  Renhac  ^  Comroentatio  de  partu  viribus  maternis 
absolute,  quam  denno  edidit  E.  C.  J.  de  Siebold,  Berolini  1881. 


II.    Äbegg,  OebnrtBliitlfllfhe  Mittheilangen.  21 

▼ie)  geleistet,  so  brachte  es  sein  SchnJer  J.  L.  Baudelocque  >) 
gar  bis  auf  94  Lagen,  von  denen  wir  aber  heutzutage  bis 
auf  8  berabgekonnnien  sind. 

So  stellen  HoU,^)  Grenser,^)  Martin,^)  Hecker,  ^) 
Brann^)  nur  noch  zwei  Scheitellagen ,  zwei  Gesichtsiagen, 
zwei  Beckenendlagen,  zwei  ScIiuJterlagen  auf,  ohne  den  ver> 
einzelten  Abweichungen  das  Recht  einer  eigenen  Species  ein«- 
zuriumen.  Die  sonst  als  dritte  und  vierte  Lagen  bezeichneten 
gehn,  wie  wir  bei  Beobachtung  einer  Geburt  in  ihrem  ganzen 
Terlanfe  oft  sehen,  ohnehin  meist  während  desselben  in  die 
erste  oder  zweite  über.  Die  Stirnlagen  sind  nur  Uebergangs- 
lagen,  die  sich  unter  günstigen  Umständen  wieder  in  Scheitel- 
lagen umwandeln,  die  Fusslagen  und  die  seltenen  Knielagen 
nur  Unterarten  der  Steisslagen. 

Von  den  245  Scheitellagen  waren  193  erste ,  52  zweite, 
beide  Stirnlageu,  4  Gesichtslagen  erste,  4  dagegen  zweite, 
von  den  Steisslagen  13  erste,  2  zweite,  von  den  Fusslagen 
20  erste,  13  zweite;  von  den  Schulterlagen  endlich  gehörten 
18  der  ersten  Art,  10  davon  der  ersten,  8  der  zweiten 
Unterart,  17  der  zweiten  Art,  9  der  ersten,  8  der  zweiten 
Unterart  an. 

Todtgeboren  wurden  ausser  den  bei  den  Zwillingen,  den 
Ofieralionen  und  Umschlingungen  angegebenen  noch  3  in 
Steisslage,  2  davon  bei  Primiparis,  8  in  Fusslagen  bei 
natürlichem  Geburtsverlaufe. 

Von  den  8  Gesichtsgeburteu  verliefen  3  ohne  Kunslhfilfe, 
2  nach  Anlegung  der  Zange  bei  tiefem  Stande  des  Gesichtes 
*  glücklich. 

Umschlingung  und.  Vorfall   der  Nabelschnur. 

Von  226  rechtzeitigen  Schädelgeburten  ereigneten  sich 
111  bei  Primiparis,  115  bei  Multiparis.  26  Mal  fand  sich 
(Jmschiingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals, 
also  1  :  8,7. 


1)  J,  L.  Baudelocque f  L*art  des  accouehemens,  1781,  Tome  I. 
S)  8.  deren  erwühnte  Lebrbficher. 
3)  MarHn,  AUm,  1862. 


22 


II.    Ahegg,  Qebnrtshfimiobe  Mittheilnngeo, 


Das  Nähere  ergiebl  die  folgende  Uebersichl,   16  Fälle  bei 
Primiparis,  10  bei  Mulüparis. 


Primiparae. 

Multiparae.    -      i>               Summa. 

1, 

i: 

Knaben 

Mädcben 

Knaben 

Mädcben    ; 

Knaben 

MSdcben 

1 

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3 

3 

1 

4 

7 

2     - 

1 

— 

1 

12 

2 

3 

1 

4       1 

4 

Die    Zahl    der    Umschlinguiigen    war   in    den    einzelnen 
Fällen  bei 


Primiparis. 

(fultiparis. 

Summ 

a. 

Knaben 

Mädcben 

Knaben 

Mädcben 

Knaben 

Mädchen 

ja 
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eifaeb 

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Sl-s 

7 

1 

6 

2 

6 

2 

1 

1 

1 
1 

13 

2 

1 

1 

6 

2 

1 

Ferner  kam  bei  einer  Erstgebärenden  und  erster  Steisslage 
des  Kindes  eine  einfache  Umschlingung  und  eine  zwei- 
fache bei  erster  Fusslage  des  Kindes  einer  Sechstgebärenden 
vor.  Beide  Kinder,  Mädchen,  waren  todt.  Mit  Ausnahme 
dieses  letzteren  waren  die  todtgeborenen  Kinder  alle  nur 
ein  Mal  umschlungen,  die  dreifach  und  das  vierfach  um- 
schlungene wurden  lebend  geboren.  Ein  scheintodter,  gleich- 
falls einfach  umschlungener  Knabe  starb,  die  anderen  zwei 
scheintodlen  Kinder  wurden  wiederbelebl.  —  Uuler  369  Ge- 


U.    Abe^,  Qebiirtshülfliobe  Mittheilongen. 


23 


burteD  faod  sich  also  28  Mal  Unosdilingung,  demnach  1  :  13, 
Veü^)  1 : 4,5  und  1  :  5,8- 

Nabelschnurvorfall  beobachtete  ich  unter  369  Ge- 
burten 19  Mal,  davon  ein  Mal  bei  erster  Schulterlage  zweiter 
Art,  des  Kindes  einer  Elftgebärenden.  Die  Geburt  wurde 
durch  die  Wendung  und  nachfolgende  Extraction  des  lebenden 
Midchens  beendet:  ein  Mal  bei  erster  Fusslage  des  Kindes 
einer  Drittgebärenden.  Nachdem  dasselbe  bis  zu  den  Hüften 
geboren  war,  wurde  es  (ebenfalls  ein  lebendes  Mädchen) 
eUrahirt,  da  die  Pulsation  der  Nabelschnur  bereits  sehr 
schwach  war.  Die  übrigen  17  Fälle  fanden  bei  vorliegendem 
Kopfe  statt  und  vertheüten  sich  folgcndermassen ,  5  bei 
Primiparis,  12  bei  Multiparis. 


Pritnipftrae. 

Mukip&rae. 

Summa. 

Kxuibeo 

Mädchen 

Knaben 

MUdchen 

Knaben 

Mftdchen 

labend 

scheintodt 

todt 

1             lebend 
1          echeintodt 
K>              todt 

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3 

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4 

3 

7 

1 

— 

2 

Zwei  von  den  drei  scheintodten  Knaben  wurden  wieder- 
belebt. Auf  19  Geburten  kam  al.so  ein  Vorfall  der  Nabel- 
'sebnur.  Eine  weibliche  Frudit  enier  Erstgebärenden  war 
vor  der  Geburt  abgestorben;  hier  und  bei  einem  lebenden 
KmbeD  einer  Drittgebärenden  gelang  die  Reposition. 

Audi  diese  kleinen  Zahlen  bestätigen,  dass  die  Um* 
ftehÜDgoDg  als  natürliches  Vorbeugemittel  des  Vorfalles  zu 
betraelHen  und  für  das  Kind  weit  weniger  gefälu*lich  ist,  als 
dieser.    Von  den  26  umschlungenen  Kindern  kamen  7  todl, 

1  scheintodtes   starb,   16  kamen   dagegen   lebend  zur  Welt, 

2  wurden   wiederbelebt      Die   todten   Kinder   verhaken   sich 

1)  Veit,  Monatsschrift  f.  Geburtsk.,  1862,  ßd;  19,\HiVA,(S.  290. 


24  II-     Ab4gg,  Gebortahülflicba  Mi ttb«i langen. 

aJsc)  zu  den  icbeudeii  wie  1  :  3,25.  Mit  Hinzurecbouug  der 
zwei  Umschlingungen  bei  Beckenendlagen  blieben  also  von 
28  Kindern  10  lodl,  demnach  immei*  noch  I  :  2,8* 

Dagegen  blieben  bei  den  17  Nabelschnur  vorfallen  «eben 
dem  Kopfe  10  Kinder  todt,  also  schon  1  :  1,7,  zählen  wir 
aber  die  beiden  Vorfalle  bei  Beckenendlagen  mil,  doch 
noch  1  :  1,9. 

Die  letzte  Ursache  des  Nabelschnurvorralles  ist 
die  unvollständige  Umfassung  des  vorliegenden  Kindestheiks 
durch  den  Uterus,  dessen  unterer  Abschnitt  bei  regeJniässiger 
Geburt  den  Kopf  sofort  nach  dem  Blasensprunge  se  fest  um- 
schliesst ,  dass  die  hinter  jenem  befindliche  Wassermenge  nicht 
mehr  abfliessen  kann. 

Der  weitere  Grund  des  unzureichenden  Verschlusses  aber 
ist  vorzugsweise  in  der  fehlerhaften  Lage  und  Haltung  des 
Kindes  zu  suchen ,  welche  wiederum  meistens  auf  fieckenenge 
beruhL  Michaelis^)  wies  dies  überzeugend  nach.  Er  fand 
Nabelschnurvorfall  neben  dem  Kopfe  bei  geräumigem  Becken 
unter  776  Geburten  sieben  Mal,  imter  73  Geburten  bei  engem 
Becken  ebenso  oft.  Dies  giebt  für  erstere  das  Verhällniss 
von  0,9  :  100,  für  letztere  9,5  :  100.  Namentlich  scheint  mir 
hierbei  ungleichmässige  Beckenenge    von  grosser   Bedeutung. 

Begünstigende  Momente,  die  aber  nicht  ein  jedes  für 
sich  allein,  sondern  nur  in  Verbindung  mit  anderen  den 
Vorfall  herbeifuhren  können ,  sind :  zuviel  fnichtwasser,  tiefer 
Sitz  der  Placenta ,  zu  lange  Nabelschnur,  Insertion  der  letzteren 
am  unteren  Rande  der  Placenta.  Alle  diese  Abweidiungen 
habe  ich  einzeln  ofl  beobachtet,  ohne  gleichzeitigen  Nabel- 
schnur Vorfall ,  besonders  den  marginalen  tiefen  Ursprung  des' 
Nabelstranges.  Mit  Recht  hebt  Grenaer^)  hervor,  dass  schon 
jede  normal  lange  Nabelscbnm*  zum  Vorfall  lang  und  schwer 
genug  sei,  und  ferner  Hohl,^)  dass  man  nicht  aur  lange, 
sondern  auch  wirklich  kurze  Nabelschnüre  vorgefallen  findet 

Verhältnissmässig  ist  der  Vorfall  bei  Beckeneodlageii, 
besonders  Fusslagen,   am  häufigsten;  sein  absolut  häufigeres 


1)  Michaelis^  VtiB  enge  Becken,  1851,  S.  183  u.  ff. 

2)  Orenser,  NägeWs  Geburtshülfe,  6.  Anflage,  1863,  S.  625. 

3)  HoU,  Gobtirtabülfe,  2.  AnHage,  1862,  S.  671. 


11.     Ähegg,  Gebvftahfllfliolie  MiUkeilttngeti.  25 

Vorkommen  bei  Kopflagen  isl  in  der  forwiegenden  Frequenz 
iler  ietzleren  begründet  Auf  31  Fusslagen  zählte  ich  1,  auf 
a02  Kopflagen  17  Vorfalle,  also  1  :  1,7.  Ein  richtigeres 
Vfrhikniss  geben  die  Nachweise  grosser  Anstalten.  So  hatte 
tue  Boivin^)  39  Vorfalle  auf  20,357  Geburten,  38  davon 
neben  dem  Kopfe,  also  1 :  521 ,  im  Wiener  GebSrhause  kamen 
anf  6608  Geburten  33  Vorfälle,  wovon  21  bei  Kopflagen, 
also  1 :  200,  Grenser  lählt  1  :  120.  Bei  Mehrgebärenden 
ist  das  £reigfiiss  häufiger,  als  bei  Erstgebarenden,  von  19 
hatte  ich  14  Multiparae ,  5  Primiparae.  Die  Reposition  gelang 
nur  xwei  Mal  bei  nicht  gi^ossem  Vorfalle. 

Was  die  Umschlingung  betinfll,  so  scheint  mir,  wie 
Neugebauer^)  angab,  die  physiologische  von  der  patho- 
logische zu  unterscheiden.  Erstere  beruht  auf  dem  Wachs- 
thum  der  Nabelschnur,  weiches  diese  nöthigt,  sich  schon 
wahrend  der  Schwangerschaft,  dem  kleinen  Räume  der  Uterus- 
höhle entsprechend,  bogenförmig  um  die  Frucht  zu  lagern. 
Drei  Mal  sah  ich  bei  unreifen  Fruchten  im  vierten  und  fünften 
Monate  Umschlingung  um  den  Hals.  Die  pathologische  Um* 
scijlingung,  ohne  Zweifel  viel  seltener,  niag  durch  ungewöhnlich 
starke  Bewegung  der  Frucht  und  der  Mutter,  namentlich  bei 
vielem  Fruchtwasser  entstehen.  Die  auffallende  Länge  der 
Nabelschnur  ist  für  die  Entstehung  einer  Umsclilingung  weit 
wesentlicher,  als  fuf  die  eines  Vorfalles. 

Die  liehinderte  Btutzufuhr  vom  Mutterkuchen  zum  Kinde 
bedingt  sowohl  bei  der  Umschlingung;  wie  bei  dem  Vorfalle 
die  Gefahr  für  dasselbe.  Diese  kami  bei  der  Umschlingung, 
wenn  die  Nabelschnur  dadurch  zu  kurz,  zu  sehr  gespannt 
wird,  durch  deren  ZeiTung  beim  Durchschneiden  des  Kopfes 
noch  erhöbt  werden.  Abreissen  einer  dünnen  Nabelschmir, 
oder  vorseitige  Lösung  der  Placenta  können  dann  durch  den 
Blutverlust  unmittelbar  zum  Scbeintode  oder  Tode  des  Kindes 
beiirageu.  Diese  sehr  seltenen  Ereignisse  kommen  jedoch 
weniger  in  Betracht,  als  die  Verengerung  der  Nabelschnur- 
gefasse  durch  die  Anspannung. 

1)  BoMn,  Memorial  de  l*«rt  des  Aceonchements,  T.  IV.  et  V. 

2)  Nntgebamer,  Morphologie  der  Mabelaehnar,  1858,  S.  48. 


26  n.    Ahe.gg,  Oebnrtalvalfliebe  MittheiloDgreo. 

Die  Hauplgefahr  beruht  aber  bei  Umsohlingung  ^)  und 
bei  Vorfall  auf  dem  Drucke,  welchem  die  Nabelschnur  x wischen 
Kindestheil  und  Becken  ausgesetzt  ist.  Dies  geschieht  aber 
bei  Umschlingung  um  den  Hals  bei  vorliegendem  Kopfe  erst 
dann  besonders,  wenn  dei*  Kopf  in's  Ein-  und  Durch-Schneideii 
konmt;  wo  der  Nabelstrang  zwischen  Hals  und  Scfaooasfiige 
gedruckt  wird.  Beim  Vorfalle  der  Nabelschnur  dagegen  vor  d<mi 
Kopfe  kann  der  Dnick,  wie  meist,  wenn  er  nicht  durch  glück- 
liche Re[)osition  beseitigt  wird ,  von  weit  längerer  Dauer  sein. 

Geräumiges  Becken,  massige  Grösse  der  Frucht,  nacb* 
giebige  mütterliche  Weichtheile,  wie  meistens  bei  Mehr- 
gebärenden ^)  endlich  von  Seiten  der  Nabelschnur  selbst  ge> 
hörige  Umhüllung  der  Blutgefässe  durch  reichliche  Sülze  — 
dies  sind  diejenigen  Momente,  welche  einen  günstigen  Ausgang 
erwarten  lassen.  Die  ersteren  gestatten  einen  rascheren 
Geburtsverlauf,  kürzen  somit  die  Zeit  des  Druckes  ab,  das 
letzte  vermindert  die  Einwirkung  des  Druckes  und  die  Zerrung 
erheblich. 

Die  Bedeutung  dieses  Momentes  scheint  mir  der  folgende 
Fall  klar  zu  erweisen. 

Am  24.  Februar  d.  J.  war  ich  bei  der  Entbindung  der 
Frau  N,  Sie  hat  bereits  einmal  leicht  und  regelmässig  ge- 
boren, ist  gesund,  namentlich  von  gutem  Beckenbau.  Am 
23.  Februar  Abends  traten  die  ersten  Wehen  ein,  am  24.  h.  m. 
4^/4  Uhr,  nachdem  ich  noch  soeben  die* kindlichen  Herztöne 
sehr  deutlich  links,  etwas  abwärts  vom  Nabel  gehört  hatte, 
die  Blase  sprungfertig,  der  Muttermund  gehörig  eröffnet  war. 
ging  das  Fruchtwasser  ab,  und  sofort  kam  der  Kopf  mil 
gefalteter  Haut,  das  Hinterhaupt  der  Symphyse  zugekehrt  zum 
Einschneiden.  Drei  kräftige ,  schnell  folgende  Wehen  reichten 
hin,  um  binnen  5  Minuten  den  Kopf  und  sogleich  auch  das 
ganze  Kind  auszustossen.     Der  reife  Knabe  hatte  eine  einfache 

1)  Veit  B.  ft.  O.,  Ueber  die  Freqaens  der  Nabekcbnnr- 
omschliiigaiig  und  den  Einfluss  derselben  auf  den  Aasgaug;  der 
Gebart  für  das  Kind.     Monatsschrift,  1862,  Bd.  19,  S.  290: 

2)  S.  die  Tabelle.  Von  10  umschlangenen  Kindern  bei  Multi- 
paris  wurden  lebend  geboren  8,  2  scheintodt,  1  davon  wieder- 
belebt, also  9  :  1.  Dagegen  von  16  Kindern  bei  Primiparis 
kamen  7  todt ,  1  scheintodtes  starb ,  also  8:8.     1:1. 


II.     Abeggt  Oeburtfbülfliohfi  MiUbeilvngen.  27 

Dodsehliogaiig  um  den  Hals,  war  scbeiniodt,  und  konnte  trotz 
ungesäumt  angestellter  Belebungsversuche  nicht  erhalten  werden, 
sondern  starb  nach  15  Hinuten.  Die  Nabelschnur  war  gleich 
nach  der  Geburt  fast  pulslos,  überdies  ganz  aulTalleud  dünn, 
ohne  Sülze,  27%",  das  Kind  22V4"  lang.  Die  Placenta, 
an  deren  unterem  Rande  die  Nab^lsclinur  inserirt  war,  folgte 
nach  %  Stunde  spontan.  Da  das  Kind  unmittelbar  vor  dem 
Blasensprunge  noch  unzweifelliaft  lebte,  von  diesem  bis  zur 
rollendeten  Geburt  des  Kindes  kaum  5  Minuten  verflossen, 
der  Druck  auf  die  Nabelschnur  zwischen  Hals  und  Schooss- 
foge  also  nur  von  kurzer  Dauer,  und  bei  dem  geräumigeil 
Becken,  und  der  nicht  ungewöhnlichen  Grösse  des  Kindes 
kaum  sehr  eingreifend  war,  so  ist  die  Ursache  des  Schein- 
todes resp.  Todes  nur  in  der  Dünnheit  der  Nabelschnur,  der 
mangelnden  Sülze  zu  suchen,  so  dass  ^ie  Nabelschnurgefasse 
leicht  comprimirt  werden  konnten,  und  ein  kurzer,  massiger 
Druck  schon  genügte,  um  den  Blutlauf  nachhaltig  sbu  hindern. 

Placenta  praevia  beobachtete  ich  13  Mal,  und  zwar 
stets  bei  Mehrgebärenden,  1  Mal  bei  zweiter  Entbindung,  je 
4  Mal  bei  dntter  und  vierter,  je  1  Mal  bei  fünfter,  siebenter, 
oeuufer  und  zehnter,  und  immer  bei  einfachen  Geburten. 

Zwei  Mal  hatte  der  Mutterkuchen  seinen  Sitz  central 
auf  dem  Muttermunde,  dagegen  11  Mal  seillich  im  untersten 
Abschnitte  der  Gebärmutter. 

Die  Flucht  befand  sich  11  Mal  in  Schädellage,  je  1  Mal 
io  einer  Beckenendlage.  Lebend  geboren  wurden  5  Knaben, 
4  Madchen,  todt  je  2  Knaben  und  Mädchen,  erstelle  9  im 
achten,  von  letzteren  4  im  achten  Schwangerschaftsmonate  1, 
im  siebenten  3.  Von  den  Müttern  starb  1  an  Metroperitonitis, 
12  genasen. 

Ruptura  uteri  im  Grunde  der  Gebärmutter  kam 
2  Mal  vor ;  1  Mal  bei  einer  41  jährigen  Zehntgebärenden,  welche 
an  Carduom  des  Scheidentheiles  mit  verbreiteter  krebsiger 
Infiitralion  des  Uterusparenchyms  litt;  sie  war  im  achten 
Nonate  schwanger,  die  erhebliche  Blutung  veranlasste  die 
Extraclion  des  in  Fusslage  befindlichen  toülen  Knaben,  nach 
dem  bereits  erfolgten  Einriss,  durch  den  der  Kopf  in  die 
Bauchhöhle  getreten  war.     An  der  hinteren  Uleruswand  fand 


28  '1*     Aheggt  Gebnrtshixlfliehe  MittheilnngeD. 

sich   ein   ziemlieli    grosses    Fibroid.      Die    Mutter    starb    an 
Peritonitis. 

Der  zweite  Fall  betraf  eine  35 jährige  Driltgeliärende,  die 
vor  '/a  Jahre,  also  bereits  schwanger,  eine  Peritonitis  über- 
standen hatte.  Nach  12slundiger  Geburtsdaiier  waren  die 
Wehen  schwach  geworden,  die  Lebenszeichen  des  Kindes 
geschwunden.  Nach  vier  Stunden  trat  heftiger  Schöttelfrosl 
ein ,  eine  starke ,  von  lautem  Schrei  der  Gebärenden  begleitete 
Wehe  Irieb  den  Koj)f  des  todten ,  im  Anfange  des  neunten 
Monates  befindlichen  Knaben  in  Schädeliage  aus.  Sofort  konnte 
der  reichliche  Bluterguss  in  die  Unterleibshöhle  conslatirl 
werden.  Die  Frau  starb ,  sogleich  zusammenfallend ,  nach 
wenigen  Minuten  an  innerer  Verblutung. 

Anomalien  der  Eihüllen   und   des  Mutterkuchens. 

Ein  Mal  fanden  sich  reife  Zwillings -Mädchen  einer  Zweit- 
gebärenden, ein  grosses  lebend ,  ein  kleines  todt  in  gemein- 
samem Amnion.  Oslander^)  hatte  einen  ähnlichen  Fall 
bei  dreimonatlichen  Zwillingen,  und  führt  einen  anderen  von 
H,  Oameri  von  1807  an ,  welcher  gleictifalls  2  reife  (lebende) 
Mädchen  in  einem  Amnion  und  Chorion  mit  gemeinsamer 
Placenta  betraf.  Weitere  Fälle  sind  mir  nicht  bekannt.  Das 
gleiche  Gescldecht  beider  Kinder  in  obigen  bestätigt  scheinbar 
die  lächerliche  Ansicht  und  Hotivirung  derselben  von  ViardeL  *) 

Dass  die  beson.dere  Dicke  der  Blase  ein  diagnosti- 
sches Hulfsmittel  für  den  tiefen  Sitz  der  Placenta  im  unteren 
Gebärmutterabschnitte  abgiebt,  kann  ich  aus  den  11  Fällen 
von  Placenta  praevia  lateralis  bestätigen.     In   drei   derselben 

1)  Oslander^  Epigrammata  in  diversas  res  Masei  »ui  anatomici, 
1814,  S.  30. 

2)  Viardel,  ObserTatioDS  siir  la  pratique  des  Accouchenien^, 
Paris  1748,  p.  87: 

a8*ila  0011t  de  divers  sexes,  seront  s^par^s  par  diTeriCN 
membranea,  et  aaront  cbacun  son  d^liTre  k  part:  ce  qai  semble 
aToir  ^t^  fait  par  nne  providence  admirable  de  la  natare,  qui 
semble  Toaloir  inspirer  aax  hommes,  de  le  premier 
moment  de  lenr  conformation,  des  loix  et  des  regles 
ponr  la  ohastet^.* 


II.    Äh€^,  Oebnrtahttlfliolie  MittheilmigeiB.  «09 

waren  keine  Blutungen  vorangegangen.  Die  Lachapelle  ^) 
PTwähnt  dies  Zeichen,  und  ferner  Ameth^^)  der  es  dadurd) 
ganz  oatürlich  erklärt,  dass  die  Blase  sich  hier  nicht,  wie 
sonst,  möglichst  fern  von  der  Placenta,  sondeiMi  in  deren 
Nabe  stellt,  wo  die  Eihäute  die  grösste  Dicke  zeigen. 

Die  ungewöhnlich  dicke,  derbe  Blase  kann  dem  Kinde 
das  Leben  erhalten,  wovon  ich  folgenden  Fall  niiltheile. 

Am  13.  März  1859  wurde  ich  zu  der  38  jährigen  Zehnt- 
gebärenden  W,,  ^/^  Meile  von  hier,  geholt,  welche  seit  12  Stunden 
in  der  Geburtsarheit  sich  befinden  sollte.  Bei  meiner  Ankuntl 
fand  ich  eine  dunkeigraublaue  Blase,  etwa  4"  breit,  2^2"  lang, 
rundlich ,  frei  aus  den  äusseren  Geschlechtstheilen  hervorragen, 
und  innerhalb  derselben  den  sieb  augenscheinlich  bewegenden, 
rechten  Ann  vorgefallen ,  die  rechte  Hand  ufl'nete  und  schloss 
sich  sichtbar,  mit  nach  vorn  gerichteter  Hohlhand.  Der  Mutter* 
round  war  völlig  erweitert,  durch  die  Bauchdecken  ein  harter, 
runder,  dem  Kopfe  entsprechender  Körper  in  der  rechten 
Nutterseite  zu  fühlen,  demnach  die  Schieflage  mit  der  dieser 
Lage  des  Kopfes  correspondirenden  Richtung  des  Rückens 
nach  hinten,  Gesicht  nach  vorn  rechts  anzunehmen.  Ohne 
die  Blase  zu  verletzen,  was  bei  ihrer  Dicke  sich  leicht  ver- 
meiden liess,  ging  ich  mit  der  rechten  Hand  in  der  linken 
Nutterseite  bis  zu  dem  zunächst  erreichbaren  linken  Fusse, 
sprengte  nicht  ohne  Muhe  die  Blase,  wendete  und  extrahirte 
leicht  an  diesem  einen  Fusse  ein  völlig  reifes,  kräftiges,. 
lebendes  Mädchen.  —  Eine  nicht  so  derbe  Blase  wäre  sicher 
längst  gesprungen  gewesen,  ehe  ich  hätte  dazu  gelangen 
können,  die  Wendung,  und  dann  wohl  bei  einem  bereits 
abgestorbenen  Kinde,  zu  machen.  Einen  ähnlichen  Fall  be- 
richtet Leopold,^) 

Drei  Mal  kam  mir  eine  Mola  hydatidosa  vor.  Die  eine 
hatte  ein  Gewicht  von  zwei  Pfund  und  zeigte  die  degenerirten 
Cborionzotten  von  grossester  Kleinheit  bis  zur  Grosse  einer 
grossen  Kirsche  entwickelt,  au  langen,  verästelten,  faden- 
förmigen Stielen  aufgereiht,  und  mit  klarer  Flüssigkeit  erfüllt. 

1)  LachapelUt  Pratiqae  des  Accouchements,  Paria  1821,  T.  II., 
p.  367. 

2)  Ämeth^  Gebartahiilfliche  Praxis,  1861,  S.  163. 

3)  Leopold,    io  dieser  Monatsschrift,    1869,   13.   Bd.,  2.   Ii«ft. 


so  II.    Aheyg,  Oebvrtohülfliche  MiiUiaflmigeti. 

Placentae  soccentoriatae  sah  ich  zwei  Mal.  Der 
MallerkucheD  hatte  mehrere  2 — 3  Zoll  lange  gelappte ,  gleich- 
artige Anhängsel. 

Zehn  MaM)  wai-en  zähe,  gelbweisse,  tbeils  strangförniige« 
tbeils  flach  ausgebreitete  Massen  zu  bemerken,  ohne  Spur 
von  Placentargewebe ,  4  Mal  davon  fand  ich  gleichzeitig  auf 
der  UterinOäche  und  im  Inneren  solcher  Stellen  zahlreiche, 
hirse-  bis  hanf- korngrosse ,  verkreidete  Knötchen.  6  Mal 
waren  letztere  allein  ohne  jene  derben  Stellen  vorhanden ,  vor- 
herrschend auf  der  Ulerinseite  der  Placenta.  Diese  auf  ent- 
zündliche Vorgänge  während  der  Schwangerschaft  hinweisenden 
Veränderungen  waren  aber  nie  so  ausgedehnt,  dass  sie  durch 
Störung  der  Blutzufuhr  das  Leben  der  Frucht  gefährdet  hätten. 
Die  Kinder  waren  sämmtlich  reif,  gut  genährt,  und  wurden, 
bis  auf  zwei,  lebend  geboren.  Die  zwei  todtgeborenen  Knaben 
waren  in  Folge  mehrstündigen  Nabelscbnurvorfalles ,  den  ich 
bereits  kahl  und  pulslos  vorfand,  vor  der  Geburt  abgestorben. 

Der  Nabelstrang  zeigte  sich  drei  Mal  äusserst  dünn, 
fast  ohne  alle  Sulzc,  nicht  selten  mit  varicösen  Erweiterungen 

1)  Der  aasgepnigteste  Fall  war  folgender:  Es  fand  sich  eine 
doppelte  Umschlingung  von  links  nach  rechts  um  den  Hals  eines 
lebenden  starken  Mädchens  etnerPrimipara,  welches  in  erster  Scheitel- 
läge  snr  Geburt  getreten  war.  Die  sehr  dünne  Nabelschnur  war  26". 
das  Kind  19"  lang.  An  der,  wie  gewöhnlich,  durch  das  Orede*nche 
Verfahren  bis vordie  äusseren  Geschlechtstheile  hervorgesprnogeoen 
Placenta  bemerkte  ich  marginale  Insertion  der  Nabelschnur  am 
unteren  Placentarrande  und  ferner  auf  der  Mitte  der  concaven  Seite 
eine  etwa  4'"  dicke,  rundliche,  etwa  l'/t"  breite  und  eben  so  lange, 
gelblichweisse  schwielige  Masse,  derb  anzufühlen,  auf  dem  Durch- 
schnitte von  fester,  gleichmassiger  Consistenz.  Das  Placentargewebe 
war  völlig  darin  geschwunden.  Ferner  war  ausser  drei  kleineren, 
ähnlichen  Stelleu  fast  dfe  halbe  Oberfläche  der  normal  grossen 
iV,  Pfund  schweren  Placenta  auf  der  glatten  Seite  durch  sieben 
wallnussgrosse,  mit  klarer  Flüssigkeit  erfüllte  Blasen  eingenommen, 
welche  als  blasige  Auftreibnngen  des  Amnion  und  Chorfon  auf- 
■ufassen  sind.  8.  Rokitamky^  Bd.  III.,  8.  547.  —  In  grösserer 
Verbreitung  würden  sie  das  Leben  der  Frucht  ohne  Zweifel 
gestört  haben.  Die  Dünne  der  Nabelschnur,  deren  drei  Blut- 
gefässe enger  als  gewöhnlich  waren,  rouss  aber  wohl  auf  jene 
schwieligen  Fettumwandlungen  und  Bindegewebswuchernngen  als 
Cireulationshinderniss  zurückgeführt  wer^^n. 


II.    Ab€f9,  eebvrtsKilllUelM  MittheÜiiDgeii.  .  81 

der  Vene;  ein  Mal  enlbielt  er  zwei  Venen  und  2wei  Arterien, 
ehinal  war  er  ungewöhnlich  dick. 

Velamentöse,  gabelförmige  Insertion  ergab  sich 
ein  Mal,  eine  ungewöhnliche*  Insertionsstelle  15  Mal. 
Diese  war  nämlich  bei  Placenta  praevia  lateralis  ein  Mal 
im  oberen,  ein  Mal  am  unteren  Rande  der  Placenta,  an 
leUferem  ausserdem  2  Mal  mit  gleichzeitigem  Vorfall,  2  Mal 
zugleich  mil  Umschlingung  und  9  Mal  ohne  dieselben  zu  bemerken. 
&  müssen  also  noch  andere  Momente  zur  Entstehung  dieser 
Verhältnisse  mitwirken,  welche  durch  die  relative  Verlängerung 
der  Nabelschnur,  wenn  sie  am  unteren  Theile  der  Placenta 
marginal  entspringt ,  für  sich  allein  noch  nicht  zu  Stande  kommen. 


Von  Missbildungen  der  Frucht  kamen  nur  vor 
zwei  Fälle  von  Folydactylus. 

Ein  neugeborenes  Mädchen  hatte  an  jeder  Hand  einen 
äberzähligen ,  zweigliedrigen  Finger ,  der  aber  nicht  im  Gelenk 
ferbunden,  sondern  nur  durch  die  Haut  an  der  Ulnarseite 
des  kleinen  Fingers  neben  dem  Metacarpal- Phalangen -Gelenk 
dünn  gestielt,  hing.  Beide  Anhangsei  wurden  gleich  entfernt. 
Aa  beiden  Füssen  fand  sich  ebenfalls  eine  überzählige  Zi^he, 
aber  an  dem  Melatarsal- Phalangen -Gelenk  der  grossen  Zehe 
participirend ,  mit  dieser  gemeinsam  durch  die  Haut  befleckt, 
und  mil  einem  gemeinschaftlichen,  der  normalen  Trennungs- 
stelle  entsprechend,  eingekerbten  Nagel  versehen,  während 
die  Knochen  deutlich  getrennt  waren.  Des  Gelenkes  wegen 
unterblieb  die  Exstirpation. 

In  dem  anderen  Falle  war  ein  ähnlicher  kleiner  sechster 
F'mger  ^n  der  linken  Hand ,  den  ich  ebenfalls  gleich  abnahm. 

Syndactylus. 
Bei  einer  Fünftgebärenden  entwickelte  ich  mittels  der  Zange 
den  seil  mehreren  Stunden  fest  eingekeilten  Koj»f  des  Kindes, 
das  kein  Lebenszeichen  mehr  wahrnehmen  liess.  Das  un- 
gewöhnlich grosse,  todte  Mädchen  zeigte  die  sämmttichen  Zehen 
beiner  Kusse  und  die  sämmtlichen  Finger  der  linken  Hand 
nicht  getrennt,  sondern  bis  an  die  Nagelwurzel  häutig  ver- 
bunden, ährdich  der  Schwimmhaut  der  Wasservögel.  Die 
Knochen   der   Phalangen    aber,    sowie   die   Nägel    waren   ab- 


33  If.    Äbegg,  QeburtehGIfKebe  MlUbeilnngeii. 

gesondert.  Die  rechte  Hand  war  in  anderer  Weise  regel- 
widrig gebildet.  Die  entsprechenden  Phalangen  der  drei  mittieren 
Finger  erschienen  nämlich  noch  nicht  geschieden,  sondern 
in  einen  einzigen,  angemessen  starken  Knochen  ver- 
schmolzen, dessen  freies  Ende  von  einem  sehr  grossen  Nagel 
hedeckt  war.  Der  Daumen  und  der  kleine  Pinger  verhielten 
sich  normal.  Dieser  Befund  gehörte  demnach  zu  den  llemmungs- 
bildungen,.  da  der  Keim  fAr  die  Fland  sich  nur  theilweise 
zur  vollständigen  Spaltung  der  Finger  entwickelt  halle.  *) 

Hydrencephalocele. 
Ein  in  Fusslage  zur  Gehurt  eintretender,  starker,  noch 
einige  Stunden  lebender  Knabe  hatte  eine  grosse  Schädelspalte 
aus  der  in  der  Richtung  der  Pfeilnath  eine  mit  Wasser  gefulllp 
Blase  emporstieg,  unter  deren  Druck  die  Entwickelung  des 
Gehirnes  und  des  Schädels  gehemmt  worden  war.  Das  Schädel- 
dach erschien  abgeflacht,  die  Schädelknochen  stark  verkümmert, 
so  dass  der  Kopf  das   Ansehen    eines  Hemtcephaius   daH^it. 

Exomphalos. 

Ein  in  Scheitellage  zur  Geburt  gestelltes ,  reifes  Mädchen 
hatte  den  auffallend  sulzreichen,  dicken  Nabelsirang,  dessen 
velamentöser  Ueberzug  sich  in  eine  durchscheinende,  fast  den 
ganzen  Unterleib  einnehmende  Membran  fortsetzte,  durch 
welche  die  Därme  und  die  Leber  deutlich  sichtbar  waren. 
Erst  nach  drei  Tagen  starh  das  Kind. 

Einen  ähnlichen  Befund  zeigte  in  Fusslage  ein  todt- 
geborenes  Mädchen. 

Zur  ßeckenmessung. 

Die  meisten  Instrumente  zur  ßeckenmessung  datiren  noch 
von  der  Periode,  wo  fast  jede  Erfindung  eines  Apparates  als 
wesentliche  Bereicherung  der  Wissenschaft  galt.  Doch  gieht 
es  auch  ganz  neue,  z.  B.  Szymanowakf^  Somatometer. ^) 
Man   soll    dessen    einen   Arm,   zur   inneren    Messung,   durch 

1)  Rokitansky^  Pathol.  Anatomie,  3.  Auflage,  1.  Bd.,  S.  61. 
Förster,  Pathol.  Anatomie,  3.  Anflage,  S.  30.  Bock,  Pathol. 
Anatomie,  S.  47. 

2)  Prager  Vierteljahrsschrift,  1862    Bd.  4,  S.  8. 


11.     Abtgg^  Gebortshülflicbe  MittheilnngeD.  33 

den  Mastdarm  au  das  Promontorium  fuhren.  In  der  Praxis 
wird  sich  diese  Methode  aber  sehr  schwer  einfuhren  lassen, 
noch  schwerer  als  die  nach  Ziemssen  namentlich  per  rectum 
aDZUsleUendeD  Temperaturmessungen  mittels  des  Thermometers. 
Ueberdies  ist  doch  die  Sicherheit,  dass  man  den  Vorherg 
mit  der  Spitze  des  Instrumentes  wirklich  erreicht  habe,  eine 
sehr  problematische.  Auch  scheinen  mir  die  Grunde  für  dies 
neue  Verfahren,  dass  man  die  Conjugata  vera  bisher  noch 
am  sichersten  aus  der  Conjugata  diagonalis  mit  Abzug  eines 
Zolles  berechne ,  und  dass  man  bei  gutgebautem  Becken  das 
PromoDtorium  Dicht  direct  mit  dem  Pinger  erreichen  könne, 
nicht  zutreffend. 

Die  Wahrheit  des  Ausspruches  von  Michaelis^)  in  seinem 
klassischen  Werke  „dass  man  eine  Conjugata  diagonalis  von 
5*  unter  günstigen  Umständen  wohl  mit  zwei  Fingern  messen 
köone,  jedenfalls  aber  noch  immer  über  4"  hinaus'*,  was  für 
die  Praxis  genfigt,  steht  fest. 

Auch  ergiebt  sich  die  Conjugata  vera  nicht  durch  Abzug 
eines  ganzen  Zolles,  sondern  von  1'"  —  9'"  vom  Maasse  der 
Conjugata  diagonalis. 

Für  die  äussere  Messung  ist  das  einfachste  und 
beste  Werkzeug  ein  hinreichend  grosser,  an  den  Enden  ge- 
knöpfter, mit  einem  Maass  versehener  Tasterzirkel,  wie 
der  £urcAar<2'sche ,  dessen  sich  Michaelis  bediente,  der 
ifarttVsche  oder  ein  ähnlicher. 

Zur  inneren  Messung  brauche  ich  nur  den  Zeigefinger 
allein  oder  nebst  dem  Mitt^finger,  nie  Instrumente,  wie  sie 
r.  Siebold^)  in  seinen  Abbildungen  in  grosser  Vollständigkeit 
darsteDt,  weil  sie  wegen  der  schwierigen  Fixirung  am  Pro- 
montorio  weit  weniger  sichere  Resultaten  geben,  und  der 
Untersuchten  weit  mehr  Schmerzen  machen,  als  der  Finger, 
lief  die  freie  Beweglichkeit  und  das  deutlichste  Gefühl  voraus  hat. 

Zeigt  doch  schon  die  römische  Lucina  als  treffendes 
Symbol  das  Auge  auf  der  Spitze  des  Zeigefingers. 

1)  MickaüU^  Das  enge  Becken,  1851,  S.  127. 

2)  «.  SMoldf  Abbild,  ans  der  Gebnrtshiilfe  and  Beschreibung; 
ntcfa  Maygri0r,  2.  Auflage,  1836. 

MMAtMchr.  f.  Gebartak.  1S66.  Bd.  ZZV.,  Hfl.  1.  3 


34  ^^'     ^^^99i  Gebartshölfliche  Mittheilungen. 

Auch  Michaelis^)  sagt:  ,,iiameiitlich  tbeile  ich  das  Miss- 
irauen  gegen  jede  in&trumentale  Messung  der  inneren 
Beckenräume  in  vollem  Massse.** 

Am  besten  misst  man  mit  beiden  Fingern,  weil  man 
dann  etwa  ^"^  weiter  reicht,   als  mit  dem  Zeigefinger  allein. 

Indem  man  mit  der  Spitze  des  Mittelfingers  das  Pro- 
montorium ^)  fixirt,  drückt  man  die  Radialseite  der  Hand  an 
di(^  Symphyse  an ,  macht  mit  dem  Nagel  des  Zeigefingers  der 
anderen  Hand  am  unteren,  hinteren  Rande  der  Schoosfuge, 
den  man  durch  Uebung  deutlich  fühlen  lernt,  die  Marke  auf 
die  eingeführte  Hand,  zieht  dann  die  Finger  in  unveränderte!* 
Stellung  zurück  und  misst  den  Abstand  der  Marke  von  der 
Spilze  des  Mittelfingers. 

Michaelis  hob  zuerst  nachdrücklich  hervor  und  belegte 
es  durch  genaue  Beobachtungen,  dass  das  enge  Becken 
keineswegs  allein  durch  directe  Behinderung  der' Ge* 
burt  schädlich  einwirke,  sondern  weit  häufiger  durch  den 
nachtheiligen  Einfluss  auf  die  Wehen,  ganz  besonders  aber 
und  am  häufigsten  auf  die  Stellung  des  Kindes. 

Als  enge  Becken  betrachtete  er  solche ,  deren  Conjugata 
diagonalis  nur  3''  3'"  bis  höchstens  4^,  deren  Conjugata  vera 
nur,  2"  5'"  bis  3"  5'",  meist  8'",  sehr  selten  nur  6"*  weniger, 
als  die  Conjugata  diagonalis,  maass.  ^) 

Er  fand  bei  72  genau  beobachteten  Geburten  und  genau 
ermittelter  Beckenenge  3  Gesichts-,  8  Fuss-,  4  Quer-Lagen, 
7  Mal  Vorfall  der  Nabelschnur  neben  dem  Kopfe,  und  zwar 
9,  5V2,  4^2  und  lO*/^  Mal  häufiger,  als  er  sie  bei  regel- 
mässigen Becken  sah,  ausserdem  9  Mal  die  complicirtesten 
Siellungen,  z.  B.  gleichzeitigen  Eintritt  des  Kopfes,  der  Füsse 
und  der  Nabelschnur. 

Nicht  der  höhere  oder  tiefere  Stand  des  Vorberges  zum 
Beckeneingang ,  nicht  die  Neigung  des  Beckens  bestimmt  die 
Difl^erenz  der  Conjugata  vera  von  der  Conjugata  diagonalis; 
sondern  die  Höhe  der  Schoossfuge  und  die  Grösse  des  Winkels, 

1)  A.  a.  O.  S.  99. 

2)  Richtiger  nach  0«ian(2er  Vertebra  eminens;  denn  der  obere 
Hand  des  obersten  Kreuzbeinwirbels  ragt  weiter  in  das  Becken 
hinein,  als  der  unterste  Lendenwirbel.    S.  t?.  Siehold ^  a.  a.  O.  S.  9. 

3)  Mickaelia,  a.  a.  O.  S.  65,  74. 


IL    Ahegg,  Qebirtsbülfllclie  MUtheilnngen.  35 

iten  sie  mit  der  Coojugata  ?era  bildet.  Je  höher  die  Symphyse, 
i«  grösser  der  Winckel,  desto  grosser  ist  der  Unterschied  der 
Cotijugatae  und  umgekehrt  Die  Conjugata  vera  beträgt  in 
der  Regel  bei  starkem  Knochenbau  9'",  bei  sehwachem  7'" 
weniger,  als  die  Conjugata  diagonalis. 

Die  mittlere  Grösse  des  Diameter  Baudeloc^ii  l>eti*ägt 
bei  Lebenden  1"  5'";  der  mittlere  Abzug  zur  Bestimmung  der 
Conjugata  diagonalis  ist  wenigstens  3"  5'",  da  diese  letztere 
im  Allgemeinen  nicht  über  4"  misst.  Doch  sind  erbebliche 
Abweichungen  nicht  selten.  Jedenfalls  ist  aber  der  Baude- 
focg««'sche  Durclimesser  für  die  Erkenntniss  des  engen  Beckens 
wichtig,  sobald  er  unter  7"  misst.  Fast  jedes  zweite  Becken 
solcher  Art  wird  ein  enges  sein.') 

Hat  auch  die  Beckenmessung  fiir  normale  (leburten  keinen 
l»esDnderen  praktischen  Werth,  so  muss  sie  doch  geübt  werden, 
um  die  nötliige  manuelle  Fertigkeit  und  ein  sicheres  Unheil 
ftber  die  vom  Normalen  abweichenden  Verhältnisse  zu  ge- 
winnen; denn,  wo  sie  erforderlich  ist,  hat  sie  entscheidende 
Wichtigkeit,  so  insbesondere  filr  die  Bestimmung,  ob  Kaiser- 
schnitt oder  Perforation  vorzunehmen  sei ,  oder  ob  die  Geburt 
Mf  natürlichem  Wege  ohne  Verkleinerung  der  Frucht,  mittels 
fler  Wendung  oder  der  Zange  beendet  werden  könne. 

Aber  in  solchen  Fällen  steht,  wenn  die  Messung  eben 
prst  bei  oder  ganz  kurz  vor  der  Geburt  möglich  ist,  schon 
mindestens  ein  Leben  auf  dem  Spiele. 

Dagegen  gewährt  die  Messung  ihren  segensreichsten  Nutzen, 
wenn  sie  in  früherer  Schwangerschaftszeit  stattfindet.  Dann 
Lann  sie  zur  Erhaltung  des  sonst  gefährdeten  mütterlichen 
und  kindlichen  Lebens  führen. 

Gewiss  würden  die  unerquicklichen  Fälle  von  Embryo- 
lomie  durch  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt,^  oder  des 
künstlichen  Abortus  sicher  zu  vermeiden  sein,  wenn  man 
(lelegenheit  hätte,  die  Frauen  in  früherer  Zeit  der  Schwanger- 
schaft zu  untersuchen,  und  nicht  erst,  wie  leider  meistens, 
(*r8t  im  Verlaufe  der  Geburt  hinzugerufen   würde. 


])  MiekaelU,  S.  107. 


36  n.     Abegg,  Gebnrtshfilfliehe  MittheniiDgeii. 

Aber  auch  umgekehrt  kann  die  frOhzeilige  Messung  vor 
.unbegrAndeten  Eingiifien  bewahren  und  bedrohte  Leben  er* 
hallen. 

So  wurde  bei  einer  gracilen,  zum  ersten  Male  schwangeren 
Frau  von  schwachem  Knochenbaue,  wegen  angeblich  absolut 
zu  engen  Beckens  nicht  nur  die  künstliche  Frühgeburt  inlendirt, 
sondern  sogar  der  künstliche  Abortus,  als  uniungänglicb  er- 
forderlich. 

Ich  fand  folgende  Maasse: 

Diameter  Baudelocquii     7"  2"', 
Spin.  iL  anter.  supp.     9"  — 

Crist.  il 10"  — 

Troch 11"  3"'. 

Da  die  Messung  im  muthmasslich  zweiten  Monate  der 
Schwangerschaft  stattfand,  konnte  ich  mich  bei  der  inneren 
Exploration  nur  von  der  genügenden  Räumlichkeit  der  Beckeo- 
höhle  im  Allgemeinen  überzeugen,  den  Vorberg  selbst  direcl 
nicht  erreichen,  wegen  des  tiefen  Standes  der  Gebärmutter, 
fand  aber,  dass  die  Gonjugata  diagonalis  jedenfalls  über  3" 
betragen  müsse.  Ziehen  wir  vom  Diam.  Baudel.  3"  5'",  dem 
schwachen  Knochenbau  entsprechend  ab ,  so  ergiebt  sich  für 
die  Gonjugata  diagonalis  3"  9"',  ein  Abzug  von  dieser  von  T" 
aber  für  die  Gonjugata  vera  immer  noch  3"  2"'. 

Nach  diesem  BefuiTde  konnte  ich  nur  von  jedem  weiteren 
Eingreifen  abralhen,  und  erfuhr  denn  in  der  That,  dass  die 
Frau  spater  an  einem  anderen  Orte  von  lebenden  Zwillingen 
glücklich  entbunden  worden  ist.  Aber  auch  ein  einzelnes, 
vielleicht  stärkeres  Kind,  als  jeder  dieser  Zwillinge  war,  hätte 
wohl  bei  diesen  Durchmessern  eines  massig  verengten  Beckens 
lebend  geboren  werden  können,  wofür  z.  B.  die  Beobachtungen 
28  (Conj.  vera  2"  11'"),  29  (Conj.  vera  3  "2'"),  33  (Gonj. 
Vera  2"  10"'),  34  (Conj.  vera  3"  2'"),  39  (Gonj.  vera  3"  2*^, 
44  (Gonj.  Vera  3"  1"')  von  Michaelis'^)  sprechende  Be- 
weise sind. 

Das  engste  Becken,  bei  welchem  ich  die  Geburt  eines 
lebenden  Mädchens  natürlich  erfolgen  sah,  hatte  folgende  Maasse: 

2)  MickaelU,  a    a.  O.  S.  294.  296,  300,  302,  308,  812. 


III.    Ahegg,  Heiliutg  eiii«r  BUteDseheideafiatel  etc.        3? 

Diain.  Baud.  6"  9'" , 
Spio.  il.  .  .  8"  6"', 
Crisl.  il.  .  .  9'-'  6"', 
Troch.  ...  11*  a*", 
Conj.  diag.  .  3"  4", 
*1m  wahrscheinlich  Conj.  vera  .     2"  9". 

Sieben  Mal  konnte  ich  bei  weiten  Becken  die  Conj.  diag. 
Mcht  messen,  die  aber  jedenfalls  über  4"  6'"  betrug;  alle 
ärbea  halten  einen  Diam.  BaudeL  von  mehr  als  8". 


III. 

Heilung  einer  Blasenscheidenfistel  durch  einmalige 
Aetznng  mit  Höllenstein. 

Von 

Dr.  Abegg, 

H6baxDinenlehr«r  sn  Dantig. 

Am  21.  December  1863  wurde  ich  zu  einer  bisher  ge- 
sunden 35jahrigeD  Erstgebärenden  v(^n  kräftigem  Körperbaue 
and  mittlerer  Grösse  gerufen.  Die  bereits  vor  einigen  Wochen 
angestellte  Uotersuehung  hatte  ein  stark  geneigtes  Becken 
und  folgende  Maasse  desselben  ergeben: 

Spinae  ilium  anter.  sup.  8"  9"\ 

Crist  ihum 9"  6'", 

Diameter  Baudeiocquii  .  6"  %"* , 

Conjugata  diagonalis   .  .  3"  3'". 

Das  Maass  der  Conjugata  vera  ist  also  auf  2"  8'"  höchstens 

3'  anzunehmen,   und   das  Becken   zu  den   engen  zu  zählen. 

Die  Scboossfüge  ist  1"  6'"  hoch,   die  Entfernung  der   Tro- 

clnnleren  beträgt  11  Zoll. 

Die  ersten  Wehen  sollen  am  19.  Abends  eingetreten 
sdn ,  das  Fruchtwasser  ging  aber  erst  am  21.  Morgens  9  Uhr 
ab.  Die  Wehen  waren  regelmässig,  kräftig  und  häufig,  jedoiii 
nicht  wirksam  genug ;  denn  sie  hatten  bis  1  Uhr  Mittags  den 
Kopf  noch   nicht  fest  in  den  Beckeneingang  herabgetrieben. 


38  11^*    ^^^99  i  Heilung  einer  BUsenecheidenfistel 

Der  Kopf,  noch  beweglich,  und  jedenfalls  nach  dem  Geföhl 
seines  vorliegenden  Segmentes  nicht  klein,  präsentirte  sich 
in  erster  Scheitellage,  die  kleine  Fontanelle  war,  etwas  nach 
vom  und  links,  erreichbar,  der  vordere  Theil  des  Mutter- 
mundes etwa  fingerdick  angeschwollen  und  sehr  empfindlich. 
Erst  etwas  nach  3  Uhr  Nachmittags  stand  der  Kopf  ziemlich 
fest  gegen  den  Beckeneingang,  mit  ziemlicher  Kopfgeschwulst 
angepresst,  so  dass  die  Zange  angelegt  werden  konnte.  Dies 
geschah  denn  auch  ungesäumt,  da  die  Gebärende  sehr  er- 
schöpft, die  Wehenthätigkeit  schwächer,  die  Fötalherztöne 
nur  noch  undeutlich  zu  vernehmen  waren ,  und  der  Kopf  für 
die  räumlichen  Verhältnisse  dieses  Beckens  entschieden  zu 
gross  war,  als  dass  man  den  weiteren  Geburtsverlauf  der 
Natur  hätte  allein  überlassen  dürfen. 

Die  vorsichtige  Anlegung  der  Zange  bei  genügend  er- 
öffnetem Muttermunde,  und  die  fernere  Entwickelung  des 
todten ,  22  Zoll  langen ,  starken ,  völlig  ausgetragenen  Knaben 
geschah  ohne  besondere  Schwierigkeit.  Trotz  aller  Sorgfalt 
wurde  der  Damm ,  wie  mich  die  Grösse  und  geringe  Nach- 
giebigkeit des  Kopfes ,  sowie  die  starke  Rigidität  der  äusseren 
Geschlechtstbeile  bereits  vorher  be furchten  liess,  in  der  Aus- 
dehnung von  V2  Zoll  eingerissen.  Seitlk^he  Incisionen  halte 
ich  dies  Mal  nicht  gemacht,  weil  sie  in  ähnlichen  Fällen  doch 
den  Dammriss  nicht  verhütet  hatten,  was  auch  Hecker y 
(Geburtshülfe,  Bd.  2,  S.  191)  zugiebt.  Wohl  aber  hatte  ich 
unmittelbar  vor  dem  Durchschneiden  des  Kopfes  die  Zangen- 
löfl'el  behutsam  entfernt,  die  Spannung  etwas  vermindert,  wo- 
durch ich  schon  öfters  wesentlich  zur  Erhaltung  des  Dammes 
beigetrageu  zu  haben  glaube.  Hecker  sagt  sehr  treffend  a.  a.  0. 
„dass  die  Zange  kein  Mittel  ist  um  den  Damm  vor  dem  Ein- 
reissen  zu  bewahren,  das  sieht  man  auch  daraus,  dass  man 
bei  aller  Vorsicht,  die  man  auf  das  Hindurchtreten  des  Kopfes 
verwendet,  mit  und  ohne  Incisionen  keinesweges  immer  dies 
Ereigniss  zu  vermeiden  im  Stande  ist'' 

Der  Kindeskopf  hatte  folgende  Maasse: 
Von  der  Stirn  Wölbung  bis  zur  kleinen  Fontanelle  4"  b*"y 

Querdistanz  der  Tubera  parietalia 3"  4'", 

Diagonaldistanz  von  der  Kinnspitze  bis  zur  kleinen 

Fontanelle b"  2". 


durch   einmalige  Aetzung  mit  HöllensteiD.  39 

Der  Kopf  war  also  niclil  bedeuleiid  grösser,  als  pr 
bei  reifen  Fruchten  zu  sein  pflegt,  sondern  nur  relativ  zu 
gross.  Die  Kopfgeschwulst  befand  sich  auf  dem  hinteren 
Theile  des  rechten  Scheitelbeines.  Am  linken  Scheitelbeine 
irar  zwischen  den  deutlichen  Eindrücken  der  beiden  Zangen- 
löflel  eine  starke  Impression  an  derjenigen  nahe  an  der  Sutura 
corooalis  sinistra  gelegenen  Stelle  wahrzunehmen,  welche  dem 
Promontorio  zugekehrt  gewesen  war,  ein  Beweis  des  in  der 
Beckenenge  erlittenen  Druckes. 

Am  dritten  Tage  nach  der  Entbindung  trat  Metroperitonitis 
puoperalis  ein,  welche  unter  reichlichem  Eiterabflusse ,  und 
mehrfacher  Abstossung  nekrotisirten  Gewebes  einen  günstigen 
Verlauf  nahm. 

Der  Urin  floss  zuerst,  wenn  auch  unter  grossen  Schmerzen 
aul  normalem  Wege,  seit  dem  18.  Tage  aber,  an  welchem 
mehrere  grosse  Fetzen  nekrotischen  Gewebes  abgingen,  be- 
ständig ab.  Die  Entstehung  einer  ßlasenscbeidenfistel  wurde 
dadurch  sehr  wahrscheinlich.  Denn  käme  hier  eine  durch 
Orucklähmung  des  Sphincter  vesicae  bedingte  Incontinentia 
urinae  io  Betracht,  so  würde  sie  schwerlich  erst  nach  18  Tagen, 
sondern  wie  die  weit  öfter  nach  Entbindungen  beobachtete, 
durch  Lähmung  des  Detrusor  vesicae  verursachte  Uetentio 
urinae  bald  nach  der  Geburt  aufgetreten  sein. 

Die  Untersuchung  mittels  des  Speculi  liess  denn  auch 
bei  der  in  Knieellenbogenlage  gelagerten  Patientin  an  der 
vorderen  Wand  der  Scheide  hoch  oben, 
etwa  '/s  Zoll  vom  oberen  Ende  des 
Scheiden theiles  entfernt  einen  hufeisen- 
förmigen, von  dickgewulsteten  Rändern 
umgebenen,  Substanzverlust  von  etwa 
't  Zoll  im  grössten  Durcbmessei^  er- 
kennen. Als  Blasenscheidenfistel  wurde 
diese  Lücke  dadurch  constatirt,  dass  in  derselben  der  durch 
die  Harnröhre  in  die  Blase  eingeführte  Katheter  deutlich 
uomittelbar  mit  dem  Finger  gefühlt,  und  seine  Spitze  gesehen. 
werden  konnte. 

Ich  hatte  die  Absicht,  die  Fistel  mit  dem  Glüheisen  zu  cau- 
terisiren,  auf  den  Vorschlag  meines  Freundes,  Herrn  Dr.  Oehl- 
Schläger,  jedoch,    welcher  die  Güte   hatte,    die  Kranke   mit 


40  m*    ^h§ggt  Heilung  einer  BUsenscheidenBstel 

mir  zu  uiitersuclien ,  wurde  zunäcbsl  versuchsweise  eine  starke 
Aetzung  der  Fistel  selbst  und  ihrer  Umgebung  mit  Argentam 
iiitricum  in  Substanz  vorgenommen. 

Chelius  ^)  hatte  eine  sechskreuzergrosse  Blasenscheiden- 
listel  durch  viermalige  Aetzung  mit  Höllenstein  und  zweimalige 
mit  Glüheisen  bis  zum  Umfange  einer  kleinen  Erbse  ver- 
kleinert. Der  Erfolg  des  Höllensteins  ist  also ,  da  dieser  nicht 
ausschliesslich  angewendet  worden  war,  nicht  zu  ermessen. 
Eine  groschengrosse  Fistel  heilte  Ch.  durch  37  Cauterisationen, 
eine  5  bis  6  Linien  grosse  durch  9  Aetzungen  mit  Höllenstein. 

Simon^)  fand  zweimalige  HöUensteinätzung  erfolglos  bei 
einer  so  kleinen  Fistel  r  dass  nur  ein  sehr  dünner  Katheter 
in  die  Blase  durchdringen  konnte,  und  erreichte  erst  durch 
die  Operation  Heilung,  eine  andere  sehr  kleine  Fistel  heilte 
er  durch  zweimalige,  eine  gleichfalls  äusserst  kleine  durch 
einmalige  Aetzung  mit  Argent.  nitric,  und  ebenso  mehrmals 
kleine,  nach  der  Operation  zurückgebliebene  Fistelreste. 

Demnach  schien  mir  die  Aetzung  mit  diesem  Mittel  nur 
für  ganz  kleine  Fisteln  hinreichend.  Für  den  vorliegenden 
Fall  konnte  ich  bei  dem  Umfange  der  Fistelöffiiung  kein  grosses 
Vertrauen  auf  das  Arg.  nitric.  setzen,  und  glaubte,  dass 
mindestens  die  tiefgreifendere  Einwirkung  des  Glüheisens 
nöthig  werden  würde. 

Aber  das  Ergebniss  dieser  einmaligen  Höllensteinätzung 
war  ein  vollständig  günstiges.  Eine  weitere  Cauterisation  war 
gar  nicht  mehr  erforderlich.  Der  in  den  Fistelrandern  hervor- 
gerufene entzündliche  Process  schloss  die  Fistel  so  gut,  dass 
bereits  am  17.  Januar  gar  kein  Urin  mehr  durch  dieselbe 
abfloss,  obgleich  wegen  der  ungewöhnlichen  Empfindlichkeit 
der  Patientin  nicht  einmal  ein  Katheter  eingelegt  worden  war. 
Am  3.  Februar  wurde  durch  genaue  Untersuchung  die  völlige 
Schliessung  der  Fistel  nachgewiesen.  Nur  war,  wie  gewöhnlich, 
noch  sehr  häufiges  Drängen  zum  Uriniren  vorhanden,  welches 
aber  bis  jetzt,  Mitte  März,  verschwunden  ist.     Der  Urin  geht 


1)  CheUuBy  lieber  die  Heilung  der  BUsenscheidenfiateln  durch 
Cauterisation,  Heidelberg  1844,  S.  23  u.  ff. 

2)  iSimon,  Bericht  über  neun  Fälle  etc.  in  v.  Scanumi^  BeitrKge 
zur  Geburtskunde  und  Oy^nftkologie,  4.  Band,  Wfirsburg  1860, 
S.  178,  177,  184. 


durch  «iamali^fl  AetinDg*  mit  Hdllenstein.  41 

Dir  auf  dem  normalen  Wege  ah  und  kann  bereits  5  bii« 
6  SCnnden  lang  znröckgebalten  wei-den.  Die  Heilung  ist  also 
eine  dauernde. 

Als  die  Ursache  der  starken  Quetschung  und  nach* 
Mgenden  Nekroüsirung  der  vorderen  Partie  des  Muttermundes 
nod  der  hinteren  Blasenwand  ist  hier  offenbar  das  räumKohe 
Wssverhiltniss  des  Kindeskopfes  zu  dem  in  seinem  Eingange 
zo  engen  und  überdies  stark  geneigten  Becken  zu  betrachten. 

Waren  auch  die  Durchmesser  des  Kopfes  nicht  un^ 
gewöhnlich  gross,  so  zeigte  derselbe  doch  kleine  Fontanellen 
und  enge  Näthe,  daher  sehr  geringe  Nachgiebigkeit. 

Zur  Wendung  war  keine  genügende  Indication  vorhanden  ' 
gewesen,  weder  behufs  Lageverbesserung  des  Kindes,  noch 
mr  Geburtsbeschleunigung,  da  das  Kind  in  normaler  Lage 
and  Stellung  eintrat,  der  Kopf,  wenn  auch  langsam,  vorrückte 
and  der  Kräftezustand  der  Frau  im  Ganzen  gut,  eine  äugen- 
UicUicfae  Gefahr  nicht  da  war.  Ueberdies  ist  sehr  zu  be^ 
zweifeln,  ob  das  Ergebniss  für  Mutter  und  Kind  ein  besseres 
gewesen  wäre.  Wenigstens  fuhi*t  Simon  ^)  auch  einen  Fall 
von  Blasenscheidenfistel,  nach  der  Wendung  entstanden,  an; 
för  das  Kind  aber  wären  die  Aussichten  bei  noch  nicht  ge* 
Dügender  Erweiterung  des  bereits  angeschwollenen  Mutter- 
UHUides  und  dem  Missverhältnisse  des  Raumes  schwerlich 
göostiger  gewesen. 

Die  Zange  konnte  jedoch  erst  angelegt  werden ,  als  der 
Kopf  mindestens  an  den  Beckeneingang  fest  angepresst  war, 
wenn  auch,  ohne  in  denselben  einzudringen. 

JedenfaBs  ist  es  nicht  die,  natürlich  als  vorsichtig  voraus* 
gesetzte,  Anwendung  der  Zange  oder  anderer  Instrumente, 
sondern  eine  Combination  anderer  Momente ,  welche  die  Ent- 
stehung der  Blasenscheidenfisteln  bewirkt.  Jeder  beschäftigte 
Martshelfer  wird  Fälle  von  rigorosem,  lange  dauernden 
Zangengebrauche  erlebt  haben,  welche,  besonders  bei  normaler 
Beekenneigung  ohne  allen  Nachtheil  für  die  Gebärende  verliefen. 
Namentlich  begünstigt  die  absolute  oder  relative  Enge  des 
Beckeneinganges   oder  Grosse  des  Kopfes  in  Verbindung  mit 

1)  Simon  in  8ean»oni*B  BeitrSgen  etc.,  Bd.  4,  B.  13. 


42        m*    ^^ggt  Ueilaog  eioer  BlMeDfecb^ideofittel  etc. 

ZU  Starker  Beckenneigung  das  in  Rede  siebende,  üble  £reignis&. 
Auf  letzleres  Moment  mit  seiner  Folge,  Hängebauch,  machte 
Eßfnarch^)  bereits  früher  aufmerksam.  Zur  Bestäüguog 
dient,  dass  wir  bei  stark  geneigten  Becken  und  zögerndem, 
wenn  auch  sonst  nicht  ungünstigem  Geburtsverlaufe  fast  immer 
die  vordere  Muttermundslippe  durch  die  Quetschung  zwischen 
Kopf  und  Symphyse  bedeutend  angeschwollen  finden.  Zwai* 
können  wir  bei  stark  geneigtem,  jedoch  nicht  verengten 
Becken  durch  höhere  Lagerung  der  Kreuzgegead  wohl  dazu 
beitragen,  dass  der  Kopf  besser  in  die  Beckenaxe  eintritt, 
ohne  am  oberen  Rande  der  Symphyse  erheblichen  Widerstand 
zu  linden.  Bei  Verbindung  von  starker  Beckenneigung  mit 
*  Beckenenge  oder  zu  grossem  Kopfe  bleibt  aber  dieser  Versuch 
ohne  Erfolg. 

Eine  fernere,  nicht  zu  unterschätzende  Ursache  lag  in 
Hecker*s  Falle ^)  vor,  nächst  dem  harten,  unnachgiebigen 
Kindesschädel,  nämlich  eine  zu  hohe  Symphyse,  welche  statt 
IV2"  fast  2"  Höhenmaass  hatte,  wodurch  die  Quetschung 
der  Blase  in  grosser  Ausdehnung  sehr  begünstigt  wurde. 

Je  mehre  dieser  Momente  zusammentreffen,  oder  je 
stärker  eines  derselben  prävalirt,  desto  grösser  muss  die 
Gefahr  der  Fistelbildung  seüi. 

Freilich  entstanden  die  meisten  bekannt  gewordenen 
Fisteln  in  solchen  Fällen,  in  welchen  die  Zange  oder  andere 
Instrumente  gebraucht  worden  waren,  so  in  16  Fällen  von 
Habit^^)  so  in  8  Fällen  von  Simon^)  (im  neunten  entstand 
die  Fistel  erst  mehrere  Jahre  nach  der  Entbindung) ,  in  zwei 
der  drei  Fälle  von  Chdius^)  (der  dritte  betraf  Blasenver- 
letzung bei  einer  ISichtschwangeren) ,  in  dem  Falle  von 
Brandes  ^)  — ,  und  in  dem  von  Ulrich  ^)  —  es  wäre  deshalb 


1)  Esmardi,   Ueber  die   Operation   der  BlaseDscheideDfistel. 
Deutsche  Klinik,  1868,  No.  27,  28. 

2)  Heek&r,  Klinik  derGeburtsknnde,  Bd.  2,  Leipzig  1864,  8. 123. 

3)  Habit,  Zeitochr.  der  Gesellschaft  der  Aerste  in  Wien,  1869, 
No.  40,  41,  42, 

4)  Simon,  a.  a.  O. 
6)   Chelitu,  a.  a.  O. 

6)  Branden,  Deutsche  Klinik,  1864,  18.  Februar. 

7)  Ulrich,  Wochenbl.  der  Zeitscbr.  der  k.  k.  Ges.  der  Aerste 
in  Wien,  1863,  No.  60. 


lY.  Bnder^  KaiBersehnftt  mit  glncklicbem  Aosg^afige  ete.       43 

von  loteresse,  aucb  solche  Fälle,  und  ihr  Verhfiltniss  zu 
jenen,  kenoen  zu  lernen,  in  welchen  nach  schweren  Ent- 
HmtiiDgen  ohne  jede  Operation  sich  Fisteln  entwickelten ;  in- 
dessen dürfen  wir  uns  schon  jetzt  mit  Befriedigung  auf  die 
begrtedele  Ansiebt  yon  Autoritäten,  wie  Simon^)  stötzen, 
«elcher  fOr  die  meisten  Fälle  nicht  die  Zange,  sondern  den 
bngandauernden  Druck  auf  die  Gewebe  als  die  Ursache  der 
Fistdn  betrachtet,  worin  ihm  Hecker  vollständig  beistimmt. 
Die  Heihing  der  Fistel  in  meinem  Falle  scheint  mir  sehr 
«esentüeh  durch  ihre  Form  begünstigt  worden  zu  sein,  weil 
die  Entfernung  der  gegenüberliegenden  Ränder  durch  den 
nach  oben  hineinragenden  Zipfel  nur  halb  so  gross  wurde, 
als  sie  ohne  denselben  gewesen  wäre. 


IV. 

KaiBerschnitt  mit  glttcklichem  Ausgange 
fOr  Mutter  und  Kind. 

Von 

Dr.  Ender, 

Dir«ctor  des  HebammeninstUuts  sn  Trier. 

Ä,  D.  aus  B.,  27  Jahre  alt,  Näherin  und  in  sehr 
ärmlichen  Verhältnissen,  meldete  sich  am  7.  März  a.  c.  zur 
Aülhahroe  in  die  hiesige  Gebäranstalt.  Dieses  Mädchen  ist 
3  Pass  3  Zoll  gross  und  ein  Bild  hochgradiger  Rhachitis; 
sie  hat  ein  blasses,  älthches  Gesicht;  der  Unterkiefer  äberragt 
den  Oberkiefer;  sie  geht  mühsam  und  mit  kleinen  Schritten, 
und  sitzt  mitten  unter  den  anderen  hochstämmigen  Schwangeren 
Inf  einer  Fassbank ,  da  sie  den  Stuhl  nicht  bequem  besteigen 
kann,  auch  die  Füsse  dann  den  Boden  lange  nicht  erreichen; 
beide  Oberschenkel  sind  sehr  stark  nach  vorn  verkrtlmmt, 
die  Unterschenkel  in  demselben  Grade  nach  innen ;  die  Knie- 


1}  Simon,  Operation  der  BlasenscheideDfisteln  durch  die  blntigce 
Saht,  Bottock  1862. 


44        l^*   Ender,  Kiiiserschsitt  mit  glüeklichero  Ausgange 

gelenke  vermag  sie  nicht  vollsländig  (etwa  bis  zu  eiDem 
Winkel  von  140^—150^)  zu  strecken;  die  Arme  sind  gleich- 
massig  verkrümnU;  die  Wirbelsäule,  besonders  deren  Lenden- 
theil,  sowie  der  übrige  Rumpf  zeigten  sich  normal.  Die 
wiederholt  vorgenommene  Beckenniessung  ergab  folgende  Re- 
sultate: Conjugata  diagonalis  =  3''  4'",  Conjugata  externa  = 
6  ",  gerader  Durchmesser  der  Beckenweite  =  3  "  6 '",  gerader 
Durchmesser  des  Beckenausganges  =  3 " ,  Abstand  der  Spin, 
ant  super.  =  8^2'^  Abstand  der  Trocliant.  major.  =  10"« 
Beckenumfang  =  30",  Abstand  der  Sitzknorren  =  2"  9'", 
von  der  Spitze  des  Kreuzbeines  zum  unteren  Rande  der 
Schamfuge  =  3''  3''',  linker  Sitzstachel  stark  prominent; 
Abstand  der  linken  Huftkreuzfuge  von  der  Schamfuge  = 
3"  6'",  dieselbe  Entfernung  rechts  =  3"9'",  Schambogen 
eng,  Höhe  der  hinteren  Beckenwand  =  4",  Höhe  der  Scham- 
fuge =1"  4'",  die  ganze  Kreuzbeinaushöblung ,  welche  sehr 
gering  ist,  mit  einem  Finger  bequem  zu  bestreichen;  kein 
Vorbergsglittwinkel ,  kein  auf  Spondylolistliesis  deutendes 
Symptom.  Die  Conjugata  vera  wurde  somit  auf  2"8'''  ge- 
schätzt 

lieber  den  Termin  der  Schwangerschaft  liess  sich  nichts 
mit  aimäbernder  Gewissheit  feststellen;  den  Zeitpunkt  der 
letzten  Regel  wusste  die  i>.  durchaus  niclit  anzugeben,  be- 
hauptete dagegen,  den  Beischlaf  nur  ein  Mal,  und  zwür  bei 
einer  im  Juli  stattfindenden  Dorf  kirchweihe  ausgeübt  zu  haben, 
wonach  die  Regel,  welche  zu  dieser  Zeit  eben  eintreten  sollte, 
ausblieb.  Bei  der  inneren  Untersuchung  fand  sich  der  Scheiden- 
theil noch  ziemlich  lang  und  geschlossen;  ein  sehr  kleinei* 
Abschnitt  des  Kopfes  lag  hoch  oben  auf  dem  rechten  geraden 
Schoossaste  ballottirend  vor,  und  liess  sich  der  Kopf  auch 
von  aussen  leicht  durclifiihlen;  der  Leib  war  sehr  stark  aus- 
gedehnt, vollkommener  Hängebauch;  Gebärmutter  über  dem 
Nabel;  Nabel  etwas  hervorgetreten;  die  Herztöne  wurden 
rechts  neben  dem  Nabel  deutlich  vernommen.  Bei  den  wieder- 
holt vorgenommenen  Untersuchungen  fohlte  ich  mehrere  Male 
Gontractionen  in  der  Gebärmutter. 

Angesichts  dieser  Resultate  der  Untersuchung,  welche 
die  Schwangersdiafl  weit  vorgerückt  erscheinen  liessen,  gab 
ich    in    Uebereinstimmung    mit    dem    zu    Rathe    gezogenen 


fftr  Mutter  und  Kind.  45 

Regierungs-Medicinalratbe  Dr.  Laymann  den  Gedanken  an 
die  Einleitung  der  künstlichen  Frühgeburt  gänzlich  auf,  und 
entschloss  mich  nach  reiflicher  Erwägung  der  Becken  Verhältnisse 
11109  Kaiserschnitt. 

In  der  nächstfolgenden  Zeit  verkürzte  sich  der  Scheiden- 
Iheü  regelmässig,  und  war  am  18.  März  der  äussere  Mutter- 
mund soweit  offen,  dass  die  Fingerspitze  eben  einging;  dei' 
Nabel  trat  mehr  hervor;  der  sehr  kleine  Abschnitt  des  vor- 
Kegenden  Kopfes  vergrösserte  sich  nicht,  blieb  vielmehr  bis 
rar  Geburt  leicht  ballottirend  hoch  oben  auf  dem  rechten 
geradoi  Schoossaste  stehen. 

In  der  Nacht  vom  22. — 23.  März,  also  15  Tage  nach 
der  Aufnahme  in  die  Anstalt,  begann  die  Webentliätigkeit ; 
der  Muttermund  erweiterte  sich  regelmässig  und  hatte  am 
23.  März  Morgens  9  Uhr  bereits  die  Grösse  eines  Zehn- 
groschenstückes  erreicht  Leider  sprang  jetzt  die,  noch  latige 
nicht  sprtngfertige ,  massig  grosse  Blase,  wobei  das  Frucht- 
wasser in  grosser  Menge  abging,  daher  ich  ungesäumt  zur 
Aosfühning  des  Kaiserschnittes  schritt,  nachdem  die  D.  ihre 
GinwiDigung  hierzu  ertheilt  hatte.  Die  Operation  wurde  auf 
dem  Gebärbette  der  Anstalt  vorgenommen.  Von  den  vier 
assistirenden  Collegen  besorgte  einer  die  Ghloroformnarcose ; 
der  zweite  und  dritte,  am  linken  Bettrande  stehend,  Hessen 
die  Finger  ihrer  fest  an  die  Bauchdecken  angedrückten  Hände 
io  bekannter  Weise  in  einander  greifen;  sie  waren  darum 
ersacht,  gleich  nach  Bildung  der  Gebärmutterwunde  deren 
oberen  und  unteren  Winkel  vermittelst  der  eingelegten  Zeige- 
finger zu  den  entsprechenden  Winkeln  der  Bauchwunde  empor- 
zuziehen; der  vierte  Assistent  endlich  übernahm  etwaige 
chirurgische  Hülfsleistungen. 

In  vollkommener  Ghloroformnarcose,  welche  während 
der  ganzen  Operation  andauerte,  machte  ich  nun  den  6  Zoll 
langen  Schnitt  durch  die  Bauchdecken  in  der  Linea  alba, 
nach  dessen  Vollendung  die  Gebärmutter  sich  sogleich  in 
der  Wunde  präsentirte,  und  wobei  leider  eine  Darmschünge 
im  unteren  Wundwinkel  vorfiel,  deren  Reposition  zwar  mit 
Schwierigkeit,  aber  endlich  doch  gelang.  Am  oberen  Wund- 
winkel  drang  ich  dann,  etwa  in  der  Ausdehnung  eines  Zolles, 
ia  die  Gebärmutter  ein,   und    düatirte   bis  auf  5  Zoll.     Jetzt 


4j6       IV.   Ender,  KaiseraehniU  mit  glüoklichem  Aasgange 

trat  aus  der  GebärmuUerwuDde  eine  enorme  Blatuag  ein,  die 
Chloroformirte  röchelte,  ihr  Gesicht  verfiel,  sie  -sah  voUkommeAi 
wie  eine  Horibunda  aus,   der  Puls   war  klein,  häufig,    aber 
regelmässig.    Ungesäumt  ging  ich  in  die  Höhle  der  Gebärmutier 
ein,   ergriff  die  Fasse  des  Kindes  und   entwickelte  sie,    unfl 
an  ihnen  das  gauze  Kind ,    wobei   auch   die  Ausziebung    de» 
Kopfes   keine   Schwierigkeiten    machte.      Die    Blutung    stand 
nunmehr,  die  drohenden  Erscheinungen  wichen,  Puls,  Aus- 
sehen etc.  wurden  besser,   und  da  die  Gebärmutter  sich  gut 
zusammenzog,  schritt   ich   sofort  zur  Lösung  des,   leicht  an 
der  Gebärmutterwand  festhängenden  Mutterkuchens,  und  eut> 
fernte   ihn.     Das  lebende   starke   Kind   wurde,   nachdem    es 
kräftig  geschrieen,   von   der  Oberhebamme  abgenabelt,    und 
dieser   zur   weiteren   Besorgung   übergeben.     Jetzt  folgte  die 
Schliessung  der  Wunde   durch  vier  Knopfnähle   mit  den  be- 
kannten Fadenbändchen,  welche  V«  Zoll  weit  vom  Wuudrande 
entfernt  von   innen   nach   aussen   eingelegt  wurden  und  das 
Bauchfell   mitfassten;   in   ihren   Zwischenräumen    brachte    icJi 
noch  drei  umwundene  Nähte  an;  danach  die  Heftpllastersti*eifen 
Charpie  und  Bauchbinde.     Der  untere  Wundwinkel  blieb  iiui* 
in  der  Ausdehnung  von  etwa  ^^  Zoll  offen,  und   wurde  ein 
Bourdonnet  in  ihn  geschoben.     Die  Mutter ,  welche  efst  nach 
Vollendung  der  Naht  erwachte,   erhielt  Vs  ^^'  Morph,  acet. 
Das  ausgelragene  Mädchen  wiegt  6  Pfund  16  Loth ,  ist  18  Zoll 
lang;  seine  Kopfdurchmesser  sind:  grösster  5",  gerader  4"  2'", 
grosser  querer  3"  6'",   kleiner  querer  2"  9'",  senkrechter 
3"  6'";   MuUerkuchen   1  Pfund    1  Loth,   8",   6";    Nabel- 
schnur 17'';  Einpflanzung  central. 

Am  Nachmittag  und  Abend  des  Operationstages  war  der 
Zustand  des  Mädchens ,  welches  über  sehr  heftige  Nachweben 
klagte,  ein  durchaus  guter;  Puls  92,  Leib  beim  Druck  ganz 
unschmerzhafl ,  kein  Erbrechen ,  kein  Meteorismus.  Das  Kind 
trinkt  vortrefflich  an  der  Mutter.  In  der  nächstfolgenden 
Nacht  schlief  die  Operirte  ziemlich  gut.  Am  anderen  Tage 
(24.  März)  war  der  Allgemeinzustand  sehr  gut.  Puls  100, 
Leib  nicht  aufgetrieben  und  beim  Druck  unschmerzhafl.  Nach- 
wehen noch  anhaltend,  viel  Dufst;  sie  erhielt  Eiswasser 
(warmes  Getränk  wurde  verboten).     Am  Abend  derselbe  gute 


mr  Mnttef  vnd  Kfaid.  47 

Zelaad;  Klystier,  und  da  dies  wirkungsioB  war,  ein  EsslaAel 
(II.  rieini  und  m  der  nächsten  Nacht  ein  zweiter. 

25.  März  Morgens:  Puls  140,  voll  und  krftftig;  Leib 
sehr  wenig  aufgetrieben,  beim  Druck  nur  rechts  über  der 
Sebnoifttge  sehr  schmerzhaft;  kein  Erbrechen;  kein  Stuhl- 
gang. Das  Bourdonnet  wird  aus  dem  unteren  Wundwinkel 
folferat,  da  die  Sonde  nur  durch  die* Bauchdecken,  nicht 
mehr  in  die  Hohle  der  Gebärmutter  gelangt;  Eiswasser  zum 
Getränk;  Umschlage  yon  Eiswasser  rechts  über  der  Scbaam- 
fuge;  dritter  Essldlfel  Oleum  rieini.  Letzteres  wurde  aus- 
gebrochen; im  Uebrigen  blieb  der  Zustand  im  Laufe  des 
Tages  nnd  Abends  unverändert,  Stuhlgang  trat  nicht  ein. 

26.  März  Morgens:  Puls  128;  in  der  Nacht  neun  Stuhl*- 
gioge;  kein  Erbrechen;  bisweilen  Schluchzen;  Leib  nicht 
angetrieben ,  beim  Druck  nur  rechts  unten  über  der  Schaam- 
fuge  schmerzhaft.  Umschläge  von  Eiswasser  auf  diese  Stelle; 
\  3  Natr.  nitric.  6  3  zweistundl.  1  Esslöffel.  Die  Kranke 
vdgert  sich  entschieden,  Eiswasser  weiter  zu  trinken,  und 
verlangt  ebenso  bestimmt  warm<*  Milch,  welchem  Wunsche 
bereitwillig  und  reichlich  nachgekommen  wird.  Am  Abend 
klagte  sie  über  zeitweise  eintretende  Schmerzen  mit  Poltern 
iiD  Leibe  und  Abgange  von  Blähungen. 

27.  März  Morgens  wurde  die  Erneuerung  des  Verbandes 
vorgenommen.  Die  obere  Hälfte  dar  Wunde  zeigt  sich  ge- 
schlossen, ebenso  deren  unterster  Theil.  Unter  ihrer  Mitte 
irt  eine  Steile  zwischen  zwei  Nähten  in  der  Ausdehnung  von 
Hwa  ein  Zoll  offen  gebheben,  aus  welcher  fortwährend  und 
m  reichlicher  Menge  eine  schwarze,  etwas  übelriechende 
Flässigkeit  dringt,  und  aus  welcher  ich  ein  Blutgerinsel  ent- 
fernte. An  dieser  Steile  dringt  die  Sonde  mehrere  Zoll  tief 
HD.  Puls  120,  kräftig;  kein  Erbrechen;  Schluchzen  selten; 
gales  Aussehen.  Letzte  Nacht  und  heule  Morgen  Anfall  von 
liefügem  Leibschmerz  mit  starkem  Poltern  im  Leibe;  zwei 
Mal  \  Gr.  Morph,  acet.  Das  gesunde  Kind  trinkt  vortrefflich 
an  seiner  Mutter,  die  wenig  Milch  in  den  BrAsten  hat,  und 
b«  der  die  Lochien  regehnässig  fliessen.  Sie  geniesst  nur 
warme  Milch  in  reichlicher  Menge,  ausserdem  gar  nichts. 
Im  Laufe  des  Tages  traten  noch  zwei  reichliche  Stähle  ein, 
und  ein,    mit   starkem  Poltern    verbundener   heftiger   Anfall 


48       I^-   End^r,  KaiMraefanlU  mit  glfieklichem  Aosgaoge 

von  Leibsehmeri,  der  nach  Vs  ^>**  Mor^^h.  acet.  ?6Uig  wicb. 
Im  Uebrigen  wurde  keine  Arznei  verabreicht  Der  Ausfluss 
jener  schwarzen  übelriechenden  Flüssigkeit  aus  dem  Ueberresl 
der  Wunde  dauert  an. 

28.  März  Morgens:  In  letzter  Nacht  wieder  ein  Schmerz- 
anfall  mit  starkem  Poltern  im  l^ibe,  nach  >/«  Gr.  Morph,  acet. 
aufhörend;  zwei  breiige  Stühle;  Puls  128;  Leib  nicht  meleo- 
ristisch,  beim  Drucke  überall  schmerzhaft;  kein  Erbrechen: 
häufiges  Schluchzen;  aus  der  betreßenden  Stelle  der  Wunde 
dauerte  dieselbe  schwarze  Absonderung  unaufhörlich  an,  und 
dringt  die  Sonde  dort  noch  ebenso  tief  ein.  Auf  letzteren 
Theil  der  Wunde  wird  ein  in  warmes  Wasser  getauchter  und 
ausgedrückter  Schwamm  gelegt,  und  oft  erneuert.  Im  Laufe 
des  Tages  wieder  ein  Schmerzanfall,  nach  Vs  ^i'*  Morph,  acet. 
verschwindend ,  und  zwei  breiige  Stähle.  Sonst  keine  Medi- 
cation. 

29.  März  Morgens:  In  verflossener  Nacht  ehi  Schmerz- 
anfall,  Vs  Gr.  Morph,  acet.;  zwei  feste,  reichlicbe  Stähle; 
kein  Erbrechen;  Puls' 120;  Leib  unschmerzhaft  beim  Drucke, 
nicht  aufgetrieben.  Keine  Arznei.  Der  auf  dem  Reste  der 
Wunde  liegende  Schwamm  wird  oft  gewechselt. 

30.  März  Morgens:  In  letzter  Nacht  Schmerzanfall  mit 
starkem  Poltern  im  Leibe,  nach  Vs  ^r.  Morph.  aceL  ver- 
schwunden; zwei  ziemlich  feste  Stühle;  Puls  112;  bekommt 
Appetit,  trinkt  Kaifee  mit  Milchbrod,  Mittags  Fleischbrühe,  — 
dieselbe  schwärzliche  Ausscheidung  aus  der  bezeichneten  Stelle 
der  Wunde,  in  welche  die  Sonde  noch  ebenso  tief  eindringt,  — 
zwei  Knopfnähte  und  eine  umschlungene  werden  entfernt,  — 
gar  keine  Medication. 

31 .  März :  Ein  neuer  Schmerzanfall  wich  dem  Morphium,  — 
feste  Stühle,  —  der  noch  offene  Theil  der  Wunde  hat 
eine  trichterförmige,  oben  weite,  nach  unten  sich  verengende 
Gestalt;  am  unteren  Ende  des  Trichters  th-ingt  die  Sonde 
durch  einen  engen  Canal  noch  einen  Zoll  tief  gerade  nach 
innen,/ — Secret  mehr  hellbraun,  weniger  riechend,  —  Ent- 
fernung zweier  Knopfnähte  und  einer  umschlungenen,  —  Leib 
nicht  aufgetrieben  und  ganz  unschmerzhaft,  —  Lochien 
schwächer,  —  Appetit   viel  besser,   geniesst  Wein,  Fleisch- 


f&r  Mntter  und  Kind.  49 

brtfie.  Fleisch,  «d  weiches  Ei,  —  Kind  gesund,  trinkt  an 
seiner  Mutter  und  einer  anderen  Wöchnerin. 

1.  April:  Nachts  Schmerzanfall ,  Vs  Gr.  Morph,  acet; 
zwei  normale  Stöhle;  Puls  108;  kein  Erbrechen,  kein  Meteo- 
rismus;  Appetit  gut,  —  an  der  betreffenden  Steile  dringt  die 
Sonde  noch  ebenso  tief  ein ,  das  Secret  lässt  sich  durch  einen 
Druck  von  rechts  her  entleeren.  —  'Rechts  neben  der 
Linea  alba  liess  sich  schon  während  der  letzten 
Tage  durch  Percussion  und  Umgreifen  eine  harte 
Geschwulst  erkennen,  welche  sich  vom  rechten  ge- 
raden Schoossaste  bis  nahe  an  den  Nabel  erstreckt, 
und  aus  der  sich  das  Secret  entleert,  wahrschein- 
lich ein  circumscripter  Abscess,  der  den  Bauch- 
decken angehört.  —  Keine  Medication^  —  die  letzte 
Insectennadel  wird  entfernt, —  die  ganze  Wunde  ist,  bis  auf 
jenen  Trichter  in  der  Mitte,  fest  geschlossen;  die  Absonderung 
aus  letzterem  nimmt  mehr  die  Beschaflenheil  guten  Eiters  an. 

3.  April:  Gestern  und  vorgestern  dieselben  Schmerzanfalle, 
nach  Morph,  acet.  weichend,  —  mehrere  breiige  Stuhle,  — 
Allgenieinzustand  normal,  —  Puls  normal,  —  aus  dem  Trichter, 
der  vortrefflich  granulirt,  entleert  sieb  reiner  Eiter,  und  die 
Geschwulst  rechts  verkleinert  sich  gleicbmässig;  aus  ihr  kann 
man  durch  Druck  den  Eiter  entleeren. 

Es  dürfte  ermüden,  den  Fortschritt  der  Reconvalescenz 
nach  Tagen  zu  beschreiben.  Bei  gutem  Allgemeinbefinden 
und  normalem  Pulse  kehrten  jene,  stets  mit  Poltern  in  den 
Därmen  verbundenen  Anfälle  von  Leibschmerzen  öfter  wieder, 
erforderten  aber  wegen  ihrer  Kürze  nicht  mehr  die  An- 
wendung des  Morphium,  sondern  wichen  nach  dem  Abgange 
einiger  Blähungen.  Die  Stuhlentleerungen  blieben  ganz  regel- 
mässig ;  im  Durchschnitt  traten  während  24  Stunden  zwei  ein, 
die  entweder  breiig,  oder  ganz  consistent  waren.  Der  Appetit 
warde  kräftig,  der  Schlaf  war  gut  Der  noch  offene  Trichter 
der  Wunde  verkleinerte  sich  durch  vortreffliche  Granulationen; 
die  Sonde  drang  in  dessen  Grunde  allmählig  immer  weniger 
lief  ein,  und  am  21.  April  war  der  Fislelgang  in  seiner  Tiefe 
TöUig  geschlossen;  die  Geschwulst  rechterseits  nahm  hiermit 
gleichen  Schrittes  an  Umfang  ab  und  verschwand  schliesslich 

MonAUachr.  f.  Qebartok.  1886.  Bd.  XXY.,  Hft  1.  ^ 


50         V.     Benporath  n.  Liebnum,  Ein  Fall  yon  Fibroiden 

ganz.  Endlich  hatte  sich  auch  jener  Regt  der  Wunde  nil 
Granulationen  ausgefüllt  und  vernarbte.  —  Das  Kiad,  f&r 
welches  die  Mutter  wenig  Nahrung  hatte ,  gedieh  durch  gleicii- 
zeiliges  Anlegen  an  andere  Wöchnerinnen  vortrefflich. 

Vor  ihrem  Ausscheiden  aus  der  Anstalt  erkrankte  die 
Natter  noch  an  Abscessbildung  am  linken  oheren  Augenlide, 
nach  deren  Beseitigung  diegdhe  mit Jhrem  kräftigen,  gesunden 
Kinde  am  20.  Mai  ij»^;:^ftiimftiUSii^7^!^^|il^  entlassen 

werden  konnte. 


V. 

Ein  Fall  von  Fibroiden  äes  ütervs,  krebsiger 

Infiltration  derselben  nebst  primärem  Krebs 

der  Seheide. 

Beobaofatet 


Dr.  Benporath  und  Dr.  Ltebman, 

praktischen  Aerzten  in  Triest. 

Frau  S.  &.,  48  Jahre  alt,  war  bis  zu  ihrer  Heiralbt 
weiche  in  ihrem  28.  Jahre  erfolgte,  regelmässig  menstniirt. 
Im  Verlauf  der  «ersten  sieben  Jahre  ihrer  Ehe  abortirte  sie 
drei  Mal  hinter  einander,  ohne  dass  sie  eine  Ursache  an« 
zugeben  vermochte.  In  den  letzten  17  Jahren  concipirte 
sie  nicht  mehr;  wohl  aber  litt  sie  sehr  häufig  an  Metrorrhagien, 
weiche  sonst  mit  keinerlei  Beschwerden  verbunden  waren, 
so  dass  sie  sich  nicht  veranlasst  fand,  die  Hülfe  eines  Arzles 
in  Anspruch  zu  nehmen,  was  sie  audi  noch  unteriiess,  als  sie, 
vor  etwa  sieben  oder  acht  Jahren,  eine  Geschwulst  im  Unter- 
leibe bemerkte.  Die  Geschwulst  schmerzte  sie  nicht,  auch 
nicht  bei  Berührung,  verhinderte  sie  nicht  in  der  Verrichtung 
ihrer  häuslichen  Arbeiten,  obwohl  sie  nafch  Angabe  der  Patientin 
durch  zwei  Jahre  allmälig  an  Grösse  zunahm. 


dM  UtmrQft,  krebftiger  IiifilU'iiti«n  derMlben  eto.  51 

Im  Jabre  1859  bekam  Palieuiin  pl&tslich  heftige  Sebmerzen 
m  der  linkeD  Leistengegend,  der  Tumor  wurde  zugleich  gegen 
Berührung  ausserordentlich  empfindlich,  so  dass  sie  durch 
i^uge  Wochen  das  Bett  hüten  musste.  Sie  gebrauchte  da- 
gegen, nach  ärztlicher  Verordnung,  nebst  einigen  inneren 
IGttdn  kalte  Einspritzungen  in  die  Vagina.  —  Die  Patientin 
erholte  sich  und  will  nach  dieser  Zeit,  durch  mehr  als  vier  Jahre, 
pr  oicfats  zu  leiden  gehabt  habep;  selbst  die  Menstruation 
sei  wieder  regelmässig  geworden;  von  einem  Ausflusse  aus 
dea  Gaiitahen  oder  ?on  Metrorrhagien  wurde  Nichts  bemerkt, 
Aach  sei  der  Tumor  nicht  mehr  gewachsen ,  nur  sei  er  gegen 
BernhniDg  etwas  empfindlich  geblieben. 

Vor  ungefähr  einem  Jahre  trat  die  Menopause  ein. 

Im  Sommer  1863  empfand  Patientin  wieder  Schmerzen 
in  der  linken  Leistengegend.  Es  gesellten  sich  später  sehr 
heftige  Kreuzaohmerzen  hinzu,  welche  bis  gegen  den  After 
Im  ausstrahlen  und  jetzt  ihre  Hauptbeschwerde  ausmachen; 
sie  traten  gewöhnlidi  in  den  Nachmittagsstunden  auf  und  dauern 
hiB  spät  in  die  Nacht  hinein;  dagegen  haben  die  Schmerzen 
in  der  linken  Leistengegend  in  der  letzten  Zeit  etwas  nachgelassen. 

Es  zeigte  sieh  ein  spärlicher,  gelber,  dfinnflössiger,  bin 
wd  wieder  mit  Blut  tingirter  Ausfluss  aus  den  Genitalien.  — 
Seit  dersdben  Zeit  klagte  Patientin  auch  über  ein  Ge£QU 
Ton  Schwere  im  Becken. 

Der  Stuhl  ist -angehalten.     Keine  Hambesch werden. 

Am  3.  Februar  1864  wurde  ich  von  meinem  CoUegen 
br.Benporaihj  in  dessen  Behandlung  Patientin  seit  ungefihr 
eiaem  Monate  stand,  zu  einem  Consilium  eingeladen. 

Wir  fanden  die  Kranke  ziemlich  kräftig  gebmit,  noch 
wohl  genährt,  obwohl  sie  angiebt,  in  der  letzten  Zeit  sehr 
ahgemagerl  zu  sein.    Ihre  Gesichtsfarbe  erdfahl. 

Die  Bauchdecken  weich,  schlaff,  unter  dem  Nabel  nacli 
rechts  hin  etwas  hervorgewölbt;  an  dieser  Stelle  fühlt  man 
in  der  Bauchhöhle  eine  rundliche,  gleichmässig  harte,  ziemlich 
glatte  Geschwulst  lieber  den  Schambeinen  hat  sie  einen 
Qoerdorchmesser  von  etwa  3  Zoll  und  reicht  bis  ungefähr 
2*4  Zoll  unter  den  Nabel  hinauf,  sie  ist  nach  rechts  und 
tfhen  deutlicher  zu  umgreifen,  als  nach  links  und  etwas  lie- 
weglich;  bei   stärkerer   Berührung  derselben   klagt   Patientin 

4* 


52         ^-    Benpin'ath  n.  Liebman ,  Ehi  Fall  von  Plbroidcn 

Qber  Schmerzen.  Die  Biiuchdecken  dardber  rerschiebbar. 
lieber  der  Geschwulst  sind  durch  die  Auscultation  keinerlei 
Geräusche  wahrzunehmen. 

Bei  der  Untersuchung  durch  die  Scheide  findet  man  den 
Uterus  tiefstehend,  leicht  nach  vorn  geneigt,  er  ist  un- 
beweglich und  hängt  zweifellos  mit  dem  obheschriebenen 
Tumor  zusammen.  Das  Scheidengewölbe  vollkommen  ver- 
schwunden, wie  zu  Ende  der  ersten  Geburtsperiode.  Der 
Scheidencanal  geht  in  einen  Saum  über,  der  rings  berinn 
eine  harte  Masse  umschreibt  Dieser  Saum  ist  rechts  an 
einer  kurzen  Strecke  sehr  dünnwandig,  etwa  4  Linien  brdl. 
Seine  übrige  Peripherie,  und  zwar  etwa  drei  Viertheiie  der- 
selben, ist  ungleichmässig  hart,  an  einigen  Stellen  (z.  B.  vorn) 
steinhart,  an  anderen  weniger  hart  anzufühlen;  dagegen  aber 
mehr  knollig,  ungleich  dick.  —  Dieser  Saum  umscblieset 
eine  etwas  querovale  Oellhung,  deren  längster  Durchmesfier 
etwa  2  Zoll  misst  und  durch  welche  ein  runder  harter  Körper 
\n  den  Scheidencanal  hineinragt  —  An  allen  Stellen  konnte 
die  Uterussonde  zwischen  diesem  Saume  und  der  harten  Masse 
eingeführt  werden,  ohne  sie  jedoch  mehr  als  einige  Linien 
weit  vorschieben  zu  können.  —  An  der  weichen  Stelle  des 
Saumes  konnte  auch  das  Nagelglied  des  Zeigefingers  zwisdien 
Saum  und  Gesehwulst  geführt  werden. 

Die  Geschwulst  selbst  ist  glatt  und  hart  aniufttblen, 
an  einigen  Stellen  zeigt  sie  eine  sehr  Aach  höckerige  Ober- 
ffSche.  Ganz  nach  links  kann  der  Zeigefinger  zwischen  Saum 
und  Masse  eine  Strecke  weit  (etwa  *//)  hinaufgeführt  werden 
und  befindet  sich  in  einem  engen  Canaie  mit  knolligen  Wänden, 
in  der  Richtung  nach  links  und  oben.  Von  der  ferneren 
Untersuchung  musste  wegen  der  ziemlich  bedeutenden  Blutung, 
welche  die  Berührung  dieser  Massen  hervorrief,  abgestanden 
werden.  —  Auch  die  Sonde  konnte  in  diesem  Canaie  nicht 
weiter  als  der  Finger  geführt  werden.  Der  Tumor  war  gegen 
Berührung  etwas  empfindlich. 

Mit  einem  kleinen  Speculum  wäre  es  nicht  möglich  ge* 
wesen,  den  Uterus  einzustellen;  ein  Speculum  grösseren 
Kalibers  vertrug  die  Kranke  nicht;  aber  selbst  wenn  uns 
die  Enge  der  Scheide  kein  Hinderniss  zur  Einführung  unserer 
grössten    Specula    abgegeben   hatte,    glaube    wir,    dass   die 


4m  ütenuy  kiebsi^ar  Infiltration  d»x8«lb«o  eto^  53 

gcfjqge  Beffegfichkeit  der  Gescbwulsi  die  EinsteUting  derselben 
refhindert  bäUe. 

Die  Uotersochung  durch  den  Masldarm  gab  kein«  weitere 
AurscMösse;  der  Raum  der  Masldarmböble  war  durch  die 
die  vordere  Waod  des  Mastdarmes  hervorbaucheode  Geschwulst 
bedeatend  beengt 

Wir  hielten  uns  berechtigt  diesen  Saum  für  den  noch 
fiiUbareB  Tbeil  des  ad  maximum  dilatirten  Cervix,  die  quer- 
ovale  Oeffnnng  für  die  Mutterroundsöffnung  anzusprechen.  — 
Die  Kurze  der  Scheide  konnte  nicht  sehr  auffallend  sein,  da 
bedeutende  Vergrösserungen  des  Uterus  einen  tiefen  Stand 
desselben  stets  bediogen ,  wenn  keine  Elevation  vorbanden  ist. 

Die  Geschwulst  wai*  gewiss  intrauterin ;  und  zwar  handelte 
t»  sich  entweder  um  einen  einzigen  sehr  grossen  o(ter  um 
«iiieB  mit  Färoiden  der  Gebärmutter  complicirtem  fiibrösem 
Polypen;  oder  um  einen  oder  mehrere  Fibroide  der  Gebäi"- 
«uiter ;  und  im  letzteren  Falle  mussle  g[ewis$  der  dem  Finget* 
zugingficbe  TheiJ  der  Geschwulst  dem  unteren  Segmente  eines 
sttbmucösen  Fibroides  angehören. 

Die  regelmässige  und  voilsländige  Erweiterung  des  Cer- 
vicakanals  sprach  für  einen  Polypen,  ebenso  die  längiicbe 
Fom  der  Geschwulst.  Ge^en  denselben  der  Umstand,  dass 
ein  Polyp,  der  schon  vor  vier  Jahren  eine  solche  Grösse 
crreichl  hatte,  die  Grenzen  des  Muttermundes  schon  über- 
schritten  haben  8oUte>  wiewohl  schon  Kiwisch  bemerkt,  dass, 
wenn  die  Form  und  das  Wachstbum  des  Polypen  den  Durch- 
tritt desselben  durch  den  Muttermund  nicht  begünstigen,  er 
jahrelang  im  Uterus  verweilen,  oder  nur  tbeilweise  in  den 
MHtlernHind  hineinragen  kann*^) 

Leider  halte  die  Entscheidung  der  Frage  über  die  Natur 
des  imraulerioen  Tumor  keine  praktische  Wichtigkeit,  da  dei* 
Ziutand  der  Wände  des  Gervicalcanales  einen  operativen  Eingriff 
centraifidicirte;  und  deshalb  wurde  auch  von  einer  genaueren 
Untersuchung  mit  Sonden  von  verschiedener  Krümmung,  und 
TOB  dem  von  Scanzom^)  angegebenen   Verfahren,  die   Be- 


1)  Klinische  Vorträge,  4.  Auflage,  1.  Band,  S.  479. 
8)  Lehrbueh   der  Krankheiten   der  weiblichen  Sexnalorgane, 
8.  Auflage,  S.  247. 


54         V.    BmporM  n.  //»«6man,  Ein  Fall  toii  Pibreiden 

weglichkeit  des  TumorK  darch  ein  eingesctilagenes  Hackchcu 
zu  ermitteln,  Abstand  genommen. 

Was  die  Erkrankung  der  VaginalfKHTtian  anbelangt,  so 
musste  sie  als  ein  Carcinom  aufgefasst  werden.  Obwohl  wir 
bisher  dem  Medollarkrebs  der  Gebärmutter  stets  nur  als 
diffuse  Infiltration  der  Vaginalportion  begegneten ,  so  bestätigMi 
doch  einige  Autoren  sein  Vorkommen  auch  als  umsdiriebeiie 
Geschwulst.  Zur  Diagnose  des  Krebses  föhrten  uns  aber, 
nebst  der  Ausschliessung  anderer  Erkrankungen,  das  Aussehen 
der  Patientin ,  die  stechenden  Schmerzen  die  nur  seit  einigen 
Monaten  aufgetreten  waren;  und  ?or  allem  die  Beohachtung 
des  weiteren  Verlaufes  der  Krankheit. 

Die  Therapie  war  natörlich  rein  symptomatisch.  Innerlich 
kohlensaures  Eisen ,  einige  leichte  Eccoprotica  u.  s.  w.  Gegen 
die  dann  und  wann  auftretenden  Blutungen  wurden  mit  Erfolg 
Einspritzungen  einer  wenig  concentrirten  Lösung  von  Ghlor- 
eisen  vorgenommen.  Gegen  die  Schmerzen  wurden  yergebens 
die  verschiedensten  Narcotica ,  in  den  verschiedensten  ^Formen 
in  Anwendung  gebracht. 

Bei  einer  am  12.  März  vorgenommenen  abermal^en  Unter- 
suchung schien  die  Infiltration  der  Wände  des  Cervix  etwas 
zugenommen  zu  haben.  Der  Versuch ,  den  Muttermundssaum 
von  der  Geschwulst  abzuheben ,  gelang  nicht  überall  mit  der- 
selben Leichtigkeit  wie  das  erste  Mal,  und  rief,  wie  überhaupt 
die  leiseste  Berührung  sowohl  des  Muttermundes  als  der 
intrauterinen  Geschwulst,  eine  heftige  Blutung  hervor.  Wir 
standen  von  jeder  weiteren  Untersuchung  ab. 

Die  Abmagerung  nahm  ziemlich  rasch  zu.  Reichliche 
Blutungen  folgten  sich  in  Zwischenräumen  von  wenigen  Tagen ; 
mit  denselben  Hessen  aber  die  Sdimerzen  nach,  so  dass 
die  Kranke  die  Linderung  der  Schmerzen  mit  dem  Auftreten 
der  Blutung  in  Causalnexus  brachte,  und  keine  Ein- 
spritzungen mehr  machte;  ja  sogar  die  Blutung  dem  be- 
handelnden Arzte  verheimlichte.  Erst  später  erklärte  sich 
die  schnelle  Abnahme  der  Kräfte  aus  den  verheknlicblen 
Metrorrhagien.  Unter  den  Erscheinungen  von  Anasarca  und 
Ascites  erlag  die  Kranke  am  21.  April  ihren  Leiden. 

Section  40  Stunden  nach  dem  Tode.  Die  Bauchhöhle 
enthält  eine  massige  Menge  gelber  Flüssigkeit;  das  Bauchfell, 


4m  Utas-Qs,  kv«bsiger  Infiltration  daraelben  etc.  55 

m  der  ganzoi  Beckenhöhle  etwas  gelrubt,  bildet  zablreicbe 
StrSDge  und  Pseudoniembranen ,  nach  deren  Ablösung  man 
erst  ein   klares  Bild  der  Lage   der  Genitalien  erhalten  kann. 

Die  GebännuUer  nach  rechts  geneigt,  so  dass  die  linke 
Tuba  (die  später  beschrieben  werden  soll)  die  höchste  Stelle 
anmniint;  die  rechte  Tuba  durch  den  Uteruskörper  verdeckt. 
Der  Uterus  asymmetrisch  vergrössert  und  zwar  die  rechte, 
Mtr  liegende  Hälfte  überragt  die  linke  an  Volumen,  ist 
breiter  und  mehr  abgerundet.  Die  Vagiiialportion  sehr  klein, 
fogt  ganz  nach  links. 

Folgende  sind  die  wichtigsten  Maasse  auf  die  Ursprung* 
Sehe  Lage  der  Gebärmutter  im  Becken  bezogen: 

Von  der  höchsten  Stelle  des  Uteruskörpers  bis  zum 
tiefsten  in  die  Vagina  hineinragenden  Theil  desselben  etwas  ^) 
iüw  4^^ ,  von  der  Uitte  des  Fundus  bis  zum  äusseren  Mutter- 
mund 47«")  Breite  am  Fundus  S^l^'\  Breite  des  Uterus 
1  Zoll  (^rbalb  des  Ansatzes  des  Scheidentheiles  4%'\  die 
Vaginalportion  ist  daumendick  und  4  Linien  lang. 

Die  Gebormutter  enthält  einige  Drachmen  Blut.  Die 
Winde  des  Uterus  bedeutend  verdickt;  sie  messen  auf  dem 
Dorebschnitte  am  Fundus  ö'". 

Unter  der  Abgangsstelle  der  rechten  Tuba  ein  in  die 
ilöhie  der  Gebärmutter  hineinragendes  vollkommen  rundes 
sabmocöses  Fibroid  von  1%"  Durchmesser.  Das  Gewebe 
desselben  gleicbmässig  weiss,  derb,  von  faserigem  Aussehen. 
Nach  unten  von  diesem  Fibroide  befindet  sich  noch  ein  zweites 
Neugehilde«  welches  durch  den  die  vordere  Uleruswand  durch- 
irenoenden  Schnitt  halbirt  wurde ;  seinem  Aussehen  und  seiner 
Lage  nach  ebenfalls  ein  submucöses  Fibroid ,  welches  die  ganze 
Peripherie  der  Gebärmutter  einnimmt  und  nur  die  obere 
HaJAe  des  Gebärmntterkörpers  frei  Ifisst.  Die  Gestalt  desselben 
i<l  sehr  unregelmässig,  besonders  an  der  hinteren  Wand  des 
Cterus;  vom  erscheint  es  auf  dem  Durchschnitte  keilförmig; 
€S  läuft  nämlicfa  oben  in  eine  ganz  dünne  Kante  aus,  welche 
vom  froher  erwähnten  Fibroide  nur  durch  die ,  beide  Gebilde 
aberziehende  Schleimhautduplicatur  getrennt  ist.  Dieses  Fibroid 

1)  Die  Maasse   sind  dem   seit  fünf  Wochen   in  Spiritus  anf- 
bevabrten  Präparate  entnommen. 


56  V.    Btnporalk  n.  Lißbman,  Ein  Fall  too  Fibroid^n 

ragt  weit  weniger  in  die  Höhle  der  Gebärmutter  hinein  als 
daB  obere;  ist  nn  seinem  unterem  Theile  am  dicksten  (1^); 
hier  ist  es  gelblicher  als  oben,  hier  und  da  weicher;  wenn 
man  mit  der  Messerklinge  über  die  SchnittiSSche  fährt,  so 
schabt  man  eine  dicke,  gelbe  Flüssigkeit  ab.  An  diesen 
Stellen  diflerenzirt  sich  das  Neugebilde  viel  weniger  vom 
Ulerusgewebe  als  oben.  Ganz  unten,  am  abhängigsten  Theile 
des  Neugebildes,  ist  eine  Unterscheidung  zwischen  diesem 
und  der  Uteruswand  nicht  mehr  möglich.  Hier  bilden  Uterus- 
wand  und  Fibroid  eine  ganz  gleicbmässige  über  l^j^"  dicke 
weisse  Masse;  an  mehreren  Stellen  eingesprengt  ßndet  man 
weissgelbliche  Knoten,  von  ziemlich  geringer  Consistenz;  an 
anderen  Stellen  eine  Erweichung  des  Gewebes  zu  einer  breiigen 
Masse. 

Die  Vagipalportion  grünlich  missfarbig ,  theils  durch  ein- 
gelagerte Knoten  härter,  tlieils  schon  breiig  erweicht 

Die  mikroskopische  Untersuchung  liess  in  den^  höheren 
Parthien  des  Tumors,  ebenso  wie  in  der  anderen,  früher  er- 
wähnten Geschwulst,  alle  Charaktere  des  Pibroides  erkennen. 
In  den  unteren  Theilen  des  unteren  Fibroides ,  sowie  in  den 
infiltrirten  Wänden  des  Uterus ^  konnte  die  enorme  Wucherung 
von  verschieden  gestalteten ,  mitunter  auch  sehr  grossen  Zellen 
keinen  Zweifel  darüber  obwalten  lassen,  dass  es  sich  um 
einen  MeduUarkrebs  handelte,  welcher  Gebärmutter  und  Fibroid 
ergriffen  hatte.  Au  den  weicheren  und  gelblichen  Stellen 
Hessen  sich  die  gewöhnlichen  regressiven  Metamorphosen  der 
zelligen  Bestandtheile  der  Neugebilde  deutlich  erkennen. 

Die  ganze  Höhle  der  Gebärmutter  ist  im  Verhältnisse 
zur  Vergrösserung  des  Organes  sehr  verkleinert;  sie  besteht 
aus  einem  engen  Ganale,  der  durch  die  beiden  intrauterinen 
Tumoren  nach  links  und  hinten  verschoben  ist,  sich  nach 
unten  im  Cervicalcanale  fortsetzt,  und  ganz  oben  am  linken 
Uterushorne  in  eine  kleine  dreieckige  Höhle  ausläuft.  In 
diese  Höhle  mündet  die  linke  Tuba.  —  Die  Schleimhaot  des 
Uterus  hyperämisch,  verdickt,  mit  einer  geringen  Menge 
Schleim  belegt. 

Die  Scheide  ringsum  mit  Krebsmasse  durchsetzt;  diese 
Infiltration  erreicht  aber  nicht  ihr  Maximum  knapp  am  Utenis, 
sondern  an  einer  ringförmigen  Stelle   ungefähr   ^'^  Zoll  unter 


de«  Utttrvfi,  kr6byiif(6r  Infillmtiort  derselben  ele.  57 

dem  Uterus,  hier  eri-eichten  die  Waode  der  Scheide  ao  einigen 
Stellen  die  Dicke  von  mebr  als  1  Zoll.  Unter  diesem  Ringe  ist 
die  Krebsproduction  wie  abgeschaitten  und  die  Scheide  ist 
normal;  oberiialb  desdelben  nimmt  die  Infiltration  etwas  ab 
in  dem  Haasse,  dass  ein  Theil  der  hinteren  Scbeidenwand  von 
der  Infiltration  fast  ganz  verschont  bleibt;  dagegen  griff  die 
kreMge  Wodierung  vorn  schon  auf  die  Blase  über.  Die 
Blase  selbst  war  durch  Harn  ausgedehnt,  am  Grunde  der* 
selben  mehrere  lileine  Krebsknqten  unter  der  Schleimhaut. 
In  derselben  Weise  ist  das  Rectum  miterkrankL  Im  Binde- 
gewebe der  Beckenhöhle  einzelne  zerstreute  Krebskiioten  von 
verschiedener  Grösse. 

Noch  ist  an  diesem  Befunde  hervorzuheben,  daes  ein 
Hydrops  der  linken  Tuba  bestand.  Das  Uterinoslium  der 
Tuba  war  durchgängig;  sie  war  bedeutend  verlängert,  vielfoch 
geknickt;  besonders  gegen  das  Ahdominaleiide  zu  mit  dicken 
Pseudomembranen  umhüllt  und  an  die  seitliche  Wand  des 
Uterus  angelöthet  Sie  bot  ganz  das  Aussehen  einer  Dünn- 
darmschlioge ,  welche  sich  in  eine  apfelgrosse  Cyste  fortsetzt, 
und  enthielt  klares  Serum.  Das  linke  Ovarium  klein,  zeigte 
noch  deutliche  Spuren  des  letzten  Corpus  luteupi.  Am  oberen 
Rande  des  Eierstockes  eine  längliche  bohnengrosse ,  mit  einer 
klaren  farblosen  Flässigkeit  gefiillte  Follicularcyste.  Rechts 
ist  die  Tuba  ebenfalls  an  ihrem  Abdoniiualende  von  Pseudo- 
membranen ganz  umhüUl;  von  den  Franzeu,  wegen  Ein- 
stülpung derselben ,  Nichts  zu  sehen ;  sie  ist  etwas  verlängert, 
ihre  Wände  sind  verdickt  und  ebenso  wie  die  Schleinüiaut 
derselben  dunkelbraun  pigmentirt.  Der  Canal  liess  sich  von 
der  Gebärmotterhöhle  aus  sondiren  und  enthielt  etwas  flössiges 
Bhil.  Das  rechte  Ovarium  war  klein ,  bot  nichts  Bemerkens- 
werthes. 

Aus  diesem  Befunde  gebt  hervor,  dass  die  krebsig  in- 
filtrirte  Scheide  während  des  Lebens  för  den  erweiterten 
'  Muttermund  gehalten  wurde.  —  Da  einerseits  die  Infiltration 
der  Scbeidenwände  in  der  letzten  Zeit  des  Lebens  zugenommen 
hatte,  und  da  wir  andererseits, »den  wahren  Sachverhalt  nieht 
ahnend,  das  Präparat  nicht  mit  besonderer  Vorsieht  aus  der 
fieckenhöhle  heraushoben,  so  dass  wir  die  Scheide  erst  zu 
Gesicht  bekamen ,  nachdem  wir  sie  schon  könstlkrh  von  ihrer 


56      ^-    Benparath  n.  Liebmany  Ein  Fall  von  Fil>T«i4«ti  etc. 

Umgebimg  getrennt  ^batto» ;  so  kommt  es,  dass  wir  beote 
nicht  in  der  Lage  sind,  die  Verbdltnisse  za  demonstriren, 
in  weleben  sieb  Scheide  und  Uterus  während  des  L^»eiis  m 
einander  befanden.  Es  ist  aber  mehr  als  wahrsdiekdich,  dass 
es  durch  die  fast  ringf5nnige  hifiUration  der  Scheide  zu  einer 
Stenose  des  Scheidenrohrs  gekommen  ist,  wobei  jener  Tlieil 
der  Peripherie  dieses  Ringes,  welcher  noch  meht  kreiMig 
infiltrirt  war ,  klappenförmig  in  das  Lumen  des  Scheidencanals 
hereingezogen  wurde  und  so  für  den  nicht  infiltrirten  Theii 
des  Mutlermundes  gehalten  werden  konnte.  Leider  können 
wir  nicht  angeben,  aus  welchen  Schichten  der  Sch«denwand 
diese  Klappe  bestanden  haben  mag ,  da  wk*  ja  von  der  Klappe 
selbst  nichts  mehr  sehen. 

Die  kleine,  ganz  nach  links  ?ersohobene,  durch  die  ia- 
fiitrirte  Scheide  verdeckte  Yaginalportion  wurde  als  sokhc 
aicbt  erkannt  Der  Raum  zwischen  Uteruswand,  infiltrirter 
Seheide  und  Vaginalportion  machte  uns  den  Eindruck  eines 
Canales  mit  knolligen  Wänden,  dessen  Bedeutung  uns  nie 
klar  war.  Wir  hielten  es  entweder  für  den  Ausdruck  jener 
vielfachen  Lappungen  und  Kerbungen,  wie  sie  an  fibrösen 
Polypen  und  besonders  am  unteren  Theile  derselben  nicbl 
ganz  selten  sind  und  selbst  den  Gervicalcanal  vortäuschen 
können;  oder  dieser  Ganal  konnte  theils  dem  intrauterinen 
Tumor,  theils  den  Wänden  des  Cervix  angehören  und  wäre 
durch  partielle  Zerstörung  von  Krebsknoten  entstanden.  Jeden- 
falls hatte  der  von  den  Canalwänden  engumschlossene  Finger 
kein  so  deutliches  Gefühl,  um  diese  zwei  Zustände  von 
einander  zn  unterscheiden ;  abgesehen  davon ,  dass  die  heftige 
Blutung  eine  wiederholte  Untersuchung  unmöglich  machte. 

Der  scheinbar  längste  Durchmesser  der  Geschwulst  ging 
von  der  höchsten  Stelle  des  in  der  Bauchhöhle  zu  fühlenden 
Tbeiles  dersdben,  zu  dem  in  die  Vagina  hineinragenden  Ab- 
schnitt der  Geschwulst,  somit  konnte  der  Verdacht  einer 
Sciiiefotellung  des  Uterus  in  uns  nicht  rege  werden  und  so 
wurden  auch  keine  Versuche  zu  einer  genaueren  Orientiniug 
gemacht,  welche  möglicherweise  zur  Entdeckung  der  wahren 
Lage  des  Uterus  geMirt  hätten. 

Nebst  diesen  eigenthumlichen  Verhältnissen,  weiche  die 
genaue  Diagnose  des  Falles  unmöglich  gemacht  haben ,  hielten 


VI.   JU/«  AbtreAiiiiii^  «ittM  «br«««i  Ul«r««pol^«n  elc.    09 

«ir  tlengefctn  seiuer  SeUenlifiit  wegen  der  VeröffentliobuBg 
wMig;  da  die  lUglkihkeit  der  Infiltration  nm  Kfebanasse 
ii  das  Gewebe  «nes  Fibroides  nocfa  inHüer  ?on  einigea  AiilercB 
gdiiigBCi  wird  und  ausaerdeni  noob  der  prinäre  Ktebs  der 
Scheide  lu  den  selteneren  pathologiaeben  Befunden  gebort 


VL 

AbtTOmumg  eines  flbrttsen  Uteraspolypen  bei  einer 
Entbindung:  mit  der  Zange. 

Aus  einer  brieflichen  Mittbeilung  an  E,  Martin 


Dr.  Robert  Pobl, 

pr&kti8ch«m  Ante  lo  Magdeburg. 

Am  20.  Februar  1864  ward  icb  zu  Frau  B bier- 

selbst,  einer  24jäbrigen  Erstgebärenden  gerufen;  dieselbe, 
eine  kräftige  Brünette  hatte  im  15.  Jahre  ihre  Menses  be- 
koBoien,  war  immer  regelmässig  roenstruirt  gewesen;  nur 
in  den  leUteu  Jahren  war  eine  ungewöhnliche  Zunahme  des  ab^ 
gefloeaeneo  Menslmalblutes  bemc«*kt.  Während  der  Schwanger* 
Schaft  waren  zeitweise  einige  leichte  Blutungen  aufgetreten. 
Wegen  langer  Dauer  der  Entbindung,  eingetretener  Blutung 
ond  eines  in  der  Scheide  vorhandenen  Körpers,  dessen  Natur 
sie  nicht  begreifen  konnte,  hatte  die  Hebamme  zu  mir  geschickt. 
Beim  Uniersucben  fand  ich  den  Scheideneingang  mit  einer 
mannsfaustgrossen,  dunkelrothen  Geschwulst  angefüllt,  welche 
ich  erst,  nachdem  ich  sie  von  allen  Seiten  mit  dem  Finger 
amgangen  hatte  und  von  den  Vaginalwänden  isolirt  bis  vor 
die  Schamspalte  hervorgezogen  hatte,  als  einen  fibrösen 
Polypen  erkannte. 

Die  Vaginalportion  war  vollständig  verstrichen,  nachgiebig 
ond  fühlte  man  den  Stiel  des  Polypen  vorn  über  den  Kinds- 
kopf in  die  Gebärmutter  verlaufen.  Der  Kindskopf  lag  in 
erster  Hinterhauptslage   bereits  fest  im  Beckeneingangt;,    und 


60      ^'*    ^P^i  Abtrenmng  eiiiM  fikröMB  UteriMpalypeii  etc. 

Dachdem  ich  die  Scheide  von  Blatklumpefi  gerenigt,  legte 
ich  die  Zangenlöflei  an,  was  ohne  besondere  Schwierigkek 
geschah,  indem  der  Polyp  nach  oben  ?on  der  Hebamnie  ge* 
halten  ward.  Die  Eitraction  des  Kindsköpfe»  erfolgte  leicht 
und  als  die  Schultern  des  Kindes  her?ortralen ,  fiel  der  Polyp 
in  den  unterstehenden  Eimer. 

Der  Stiel  war  circa  2  Zoll  von  dem  Polypenkörper  ent- 
fernt abgerissen  und  hatte  an  der  Abrissstelie  die  Dicke  von 
Vs  Zoll.  Diese  Stelle  war  blutunterlaufen,  zackig  und  wie 
ahgerieben.  Der  Polyp  von  ziemlich  derber  Structur,  war  nur 
etwas  zusammengefallen  und  kaum  %  ^  gross,  als  vorher. 
Nachdem  die  Nachgeburt  entfernt  war,  spritzte  ich  die  fJterusn 
höhle»  welche  nicht  mehr  hhitete,  mit  kaltem  Wasser  aus, 
entfernte  die  vorhandenen  Blutgerinsel  und  fühlte  im  Halse 
•des  Uterus  nach  hinten  zu  eine  hüglige  leistenförmige  Er> 
hebung,  auf  welcher  ein  nabelschnurdicker  und  ähnlich  sich 
anfühlender  Körper  (jedenfalls  der  Rest  des  abgerissenen 
Polypenstieles)  sich  hin  und  her  bewegen  Hess;  er  mochte 
noch  die  Länge  von  einem  Zoll  haben. 

Die  Frau  hatte  keine  weitei'e  Blutung  und  verlief  das 
Wochenbett  normal. 

Nach  vier  Wochen  hatte  sie  drei  Tage  lang  eine  geringe 
Mulung,  welche  sich  von  selbst  verlor.  Die  Untersuchung 
per  vaginam  und  mit  der  Uterussonde  ergab  nichts  Abnormes. 

Bis  jetzt  ist  die  Frau  ganz  wohlauf,   das  Kind  gesund. 


Vli.  Spmfler,  Herne palopie  bei  einer  SeberMtgeren^       gl 


VII. 
Hemeralopie  bei  einer  Schwangeren. 

Mitgetheilt 

▼OB 

Hofrath  Dr.  Speogler  in  Bad -Ems. 

UfflsüiDniungen  des  Nei*venleben8 ,  veränderter  Geistes- 
luid  Geniiithszustand ,  schmerzhafte  Empfindungen  aller  Art 
(Zabosehoierz ,  Halsschmerz ,  Kreuzschmerz ,  Kopfschmerz, 
Mastodyoie,  Wadenschmerz  etc.),  Schlaflosigkeit,  Schlafsucht, 
Obreiibrauseu  -  u.  a.  gehören  zu  den  Störungen  im  Nerven- 
sjsleiD,  die  mit  der  Schwangerschaft  häufig  beobachtet  vvei^den. 
Auch  leiden  Schwangere  oft  an  verschiedenen  Sinnesstörungen, 
Schwerhörigkeit,  Gesichlsschwäche ,  verändertem  Geschmacks- 
uad  Geruchssinne  u.  dergl. ,  doch  gehören  im  Allgemeinen 
Gestcbtsslöningen  hei  Schwangeren  zu  den  Seltenhoilen. 
Unter  diesen  Gesichtsstörungen  sind  Doppeltsehen,  Undeullich- 
sehen,  wie  durch  einem  Nebel  sehen  die  Erscheinungtui ,  die 
ooch  am  häufigsten  beobachtet  wurden,  cfr.  Jobert,  sur  divers 
IrMiUes  de  la  vue  propres  ä  certaiues  femmes  grosses.  (Bullet. 
de  Tacad  imper.  de  MM.  Seance  du  7.  Oct.  1816.)  Hemera- 
lopie aber  gehört  zu  den  gi*össten  Seltenheiten,  so  dass 
Cheiius,  Htmly,  Blundell  und  so  die  meisten  Schrifl  steiler 
ihrer  im  Zusammenhange  mit  Schwangerschaft  nicht  erwähnen 
and  Hecker  in  seiner  Klinik  der  Geburtshulfe,  1864,  2.  Band, 
erwähnt  nur  zweier  von  ihm  beobachteten  Fälle.  Ich  erlaube 
mir  daher  einen  Fall  von  Hemeralopie  mitzutheilen ,  den  ich 
dieses  Fröbjahr  beobachtete,  und  von  dem  ich  glaube,  dass 
er  einiges-  Interesse  haben  dürfte. 

Die  Frau  des  O.  J.  in  N bei  Ems ,  26  Jahre  all, 

war  zum  vierten  Male  schwanger,  und  fühlte  sich  in  dieser 
Schwangerschaft,  wie  in  den  drei  anderen  vollständig  wohl. 
Am  12.  April  konnte  sie  Abends  bei  einbrechender  Dämmerung 
plätzüch  nichts  mehr  seilen,  und  diese  Blindheit  dauerte  bis 
de»  aoiler«D  Morgen,  wo  sie  verschwiiaden  war..  Und  so 
mederliolte  sieb  die  Nachtblindheit  fünf  Tage  IdHg.     Da  «las 


C9       VII.   Spm^Ur,  Hamaralopfa  b«i  »hier  Schwangeran. 

Ende  der  Schwangerschaft  herangerückt  war,  so  wurde  weiter 
nichts  angewendet,  in  der  Hotnung,  dass  mit  der  Gehurt  die 
Krankheit  schwinden  werde.  Anschwellung  der  Fusse  und 
Albuminurie  waren  nicht  vorhanden.  Uie  Geburt  trat  zu 
rechter  Zeit  am  17.  Abends  ein;  sie  war  wie  die  früheren 
leicht  und  normal,  um  11  Uhr  ward  ein  gesundes  Kiiäbcheri 
geboren.  Gegen  1  Uhr  schlief  die  Wöchnerin  ein,  und  als 
sie  um  3  Uhr  erwachte,  rief  sie  voll  Freuden  aus,  dass  sie 
wieder  ganz  gut  sehe.  Und  von  der  Zeit  an  blieb  das  Seh- 
vermögen  ungestört.     Das   Wochenbett  verlief  ganz  normal. 

Die  Frau  ist  noch  heute  ganz  gesund ,  wie  sie  es  immer 
war;  sie  wurde  mit  16  Jahren  menstruirt,  und  blieb  e» 
regelmässig.  In  der  Familie  herrschen  keine  Augenleiden,  und 
auch  in  dem  Dorfe  herrschten  keine  solche.  Die  Schwanger- 
schaft verlief  ohne  alle  Störung,  nicht  einmal  Verstopfung 
war  beobachtet  worden.  Die  Familie  ist  nicht  arm ,  und  hat 
eine  ganz  gute  Wohnung.  Die  Frau  ist  nicht  hysterisch, 
sondern  eine  kräftige  Rauersf)-au,  durchaus  nicht  anämisch 
Sie  hat  ein  kleines  Eczem  an  der  inneren  Schenkelfläche,  das 
aber  keine  Veränderung  während  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Wochenbett  zeigte.  Vor  der  letzten  Schwangerschaft  will  sie 
regelmässig  zwischen  den  zwei  Menstruationsperioden  drei 
Tage  an  Fluor  albus  gelitten  haben,  wovon  sich  aber  in  der 
Schwangerschaft  nichts  mehr  gezeigt  hat.  In  dem  Orte  giebt 
es  keine  Epidemien,  und  zur  Zeit  der  Geburt  war  kein  Genius 
morborum  deutlich  ausgesprochen.  Vor  mehreren  Jahren 
beobachtete  ich  zwei  Fälle  von  Hemeralopie  bei  zwei  Jungen 
des  Ortes ,  die  in  einer  benachbarten  Eisengiesserei  arbeiteten, 
und  die  ganz  schnell  mit  Leberthran  geheilt  waren.  (CfV. 
meinen  Artikel  über  die  Wirksamkeit  des  Leberthranes  in 
dieser  Augenaffection  in:  Zehender's  Zeitschr.  1863.)  Dies 
waren  die  einzigen  Fälle ^  sonst. ist  die  Krankheit  im  Orte 
gänzlich  unbekannt. 

Im  Wochenbette  und  während  des  Stillens  wurde  keine 
Spur  irgend  einer  Augenaffection  beobachtet. 

Eine  Ursache  dieser  Hemeralopie  ist  nicht  iic^clizuweisen; 
weder  die  Ueberbiendung  von  9.  Oraefe,  iiodi  Scorbut,  den 
Sehwartz  bei  der  Novaraexpedilioii  als  Ursache  anklagen  au 


YUL     NotiKea  aiu  dar  Jloavpiü-LHera^r.  gg 

glaubt,  konnte  hier  als  Ursache  nachgewiesen  werden. 
frimie  war   nicht    vorhanden;   ebenso    wenig    Albuminttrie; 

fliangefbafle  Nahrung  ist  ebenfalls  nicht  Schuld,  und  so  mnssen 
wir  auf  eine  Erklärung  dieses  seltenen  Pallos  vor  der  Hand 
Terzicbten. 


VIII. 
Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


JouUn:  Das  Becken   der  yerschiedenen  Henschen- 
racen. 

Dea  y«rf.  , Memoire",  welches  derselbe  der  ^Acad^mle 
lap^riale  de  M 4decine  <*  am  14.  Jan i  1864  mitgetheilt  hat,  führte 
sa  falfeBden  Schlüsaen: 

1.  Wicktigey  ebarmkteristiecke  Unterschiede  s wischet Neger- 
aad  Mongolen- Becken  ezistiren  nicht. 

2.  Das  Becken  der  drei  menschlichen  Haaptracen  bietet 
niefat  ganng  charakteristische  Unterschiede,  am  ein  efnselnes 
Szemplar  genan  bestimmen  sn  können. 

3.  W&farend  der  Sehftdel  bei  den  drei  Uaaptracen  (kauka* 
siaeke,  mongolische  und  Keger «Baoe)  charakteristische  Unter- 
schiede bietet,  stimmt  das  Becken  beim  Mongolen  and  Neger 
iberein;  beide  sind  ^om  Kaakasier  verschieden. 

4.  Bei  allen  Menschenracen  ist  der  qaere  Durchmesser  des 
Beekeneinganges  grösser  als  der  gerade. 

5.  Bei  der  Negerin  and  Mongolin  differirt  der  schrKge 
Dnrchmesser  des  Beckeneinganges  vom  queren  am  einige  Milli- 
Beter,  bei  der  Kaakasieriu  am  V/^  Centimeter. 

a.  Die  Hüftbeine  stehen  beim  Mongolen-  und  Neger- Becken 
Biehr  yertical. 

7.  Die  mehr  oder  weniger  verticale  Richtnng  der  Hüftbeine 
itekt  nicht  mit  der  SchKdelform  in  Correspondena ,  wohl  aber 
■it  der  dea  Thorax. 

8.  Bei  dem  Mongolen  und  Neger  sind  die  Fossae  iliacae 
weniger  transparent,  als  beim  Kaakasier. 

9.  Bei  allen  drei  Racen  liegt  der  höchste  Punkt  der  Crista 
Hei  in  der  Mitte  derselben. 

10.    Die  Behaaptong,  dass  beim  Neger -Becken  die  Crista  ilei. 
höheren  Landen  wirbeln  entsprKohe,  ist  anrichtig. 


64  VUI.    Kotisen  aus  der  Jounml- Literatur. 

11.  Das  Neger-  und  Mongolen  «Beckea  bat  eine  govin^cre 
GapacUlit,  als  das  des  Kaakasiers;  es  ist  weniger  tief  and  der 
Areas  pnbis  seigt  einen  um  einige  Grade  grosseren  Winkel« 

12.  Zwischen  Becken  und  Schädel  besteht  keine  Correlation. 
Die  Untersuchungen  sind  an  17  Kegerbecken  und  9  Mong'olen- 

hecken,  nach  genauen  Messungen,  angestellt  worden. 
(Gas.  des  Hdpitaux,  16.  Juni  1864.) 


B.  S.  Schnitze  (Jena):  üeber  Palpation  normaler  Eier- 
stöcke und  Diagnose  geringer  Vergrösserungeii 
derselben. 

Die  Schwierigkeit,  normale  oder  nnr  wenig  vergrösserte 
und  nicht  dislocirte  Bierstöcke  zu  palpiren  wurde  bisher  als  eine 
sehr  grosse,  in  vielen  Fällen  unüberwindliche  angesehen.  Verf. 
hat  indess  gefunden,  dass  durch  eine  sweckmässige  combinirte 
äussere  und  Vaginalnntersuchnng  es  in  den  bei  weitem  hKufigsten 
Fällen  gelingt,  die  Eierstöcke  an  finden,  zu  verschieben,  ihre 
Grösse  und  Oberfläche  zu  bestimmen.  Zur  Untersuchung  da« 
rechten  Bierstockes  wird  am  besten  die  rechte  Hand  für  die 
Vaginal-,  die  linke  Hand  für  die  äussere  Untersuchung  beniitat, 
zur  Untersuchung  des  linken  Eierstockes  umgekehrt.  Der  V^ier- 
stock  liegt  seitlich  vom  Gebärmuttergrunde.  Die  Untersnchnng 
durch  den  Mastdarm  fährt  nicht  so  leicht,  zuweilen  gar  nicht 
zur  Feststellung  der  Diagnose.  Aus  einer  blasen  Schwellung  der 
Ovarialgegend  auf  eine  Entzündung  oder  Geschwulst  des  Ovarium 
zu  schliessen,  ist  jedenfalls  nicht  zu  billigen;  nnr  die  genaue 
Feststellung  der  Eigenthümlichkeit  des  Ovarium  selbst  kann  ent- 
scheiden. 

(Jenaische  Zeitschrift  für  Medicin  und  Nalurwissenschaft, 
Bd.  I.,  H.  8,  1864,  S.  279.) 


Charles  Kidd:    Anwendung   von   Chloroform    in   der 
Geburtshulfe. 

Im  Mai  1863  hatte  Johna  im  Dublin  Quarterly  Journal  einen 
Aufsatz' gegen  die  Anwendung  des  Chloroform  mitgetheilt.  Verf. 
hat  in  Folge  dessen  beabsichtigt,  seinerseits  das  anzuführen,  was 
dafür  spricht,  gestützt  auf  die  günstigen  Resultate,  welche  die 
bedeutendsten  Geburtshelfer  vom  Chloroform  gewonnen  haben 
{Oream,  Murphy^  Tyler  Smitk^  Righy),  Den  Verf.  haben  zur 
Mittheilang  die  günstigen  Gifahrungen  veranlasst,  welche  er 
bei  schmerzhaften  Wehen,  bei  starken,  auf  Reflex  beruhenden 
Convalsionen   etc.   gesehen   hat.      Aus    diesen    Erfahrungen    geht 


¥IiI.    NotisM  •M  4%9  JottrMl- Literatur.  •    05 

btrrer,  4»m  die  Ton  Jclmt  ungeffUirten  itiUistifiehen.MUtheiUiigeii 
darekeoB  nicht  gegen  dai  Chloroform  sprechen ,  wiesiejes  «oUen. 
Eia  Neehtheil,  der  allerdings  nicht  in  läagnen  ist,  besteht  bei 
der  Anwendung  anter  hämorrhagischen  Zuständen  der  GebKrenden. 
Sonst  jedoch  haben  sich  von  verschiedensten  Seiten  günstige 
Erfolge  ergeben,  wie  schon  ans  einer  Debatte  über  diesen  Gegen- 
ttaed  henrorgeht,  welche  in  der  „London  Obstetrical  Society" 
gegen  Ende  1860  stattgefunden  hat.  Ans  dieser  Debatte  war 
oBter  Anderem  ersichtlich,  dass  das  Chloroform  mit  grossem 
Tortbeile  sur  Linderung  der  Wehenschmersen,  sur  Verhütung  von 
CoBvolsionen ,  sur  Erleichterung  der  Genesung  verwandt  werden 
ksan  und  dass  es  bei  seiner  häufigen  Anwendung  (40,000  Fälle 
ia  London)  noch  nicht .  geschadet  hat.  Auch  bei  ezcessiver 
ThXtigkeit,  bei  Kigidititt  des  Os  uteri,  bei  complicirten  und 
schwierigen  Fällen  (besondersWendungen),  bei  Uteruscontractionen 
wihrend  manueller  Losung  der  Placenta,  bei  ficlampsie  ist  das 
Cbloroform  —  den  Aussprüchen  von  Autoritäten  gemäss  —  vortheil- 
ktft.  Besonders  hat  es  sich  bei  der  Wendung,  welche  durch 
Beekenenge  complicirt  war,  erfolgreich  erwiesen. 
(The  Dublin  Quarterly  Journal,  Mai   1864.) 


Camuekad:    Berichtigung  einer  Gesichlslage  unter 
Chloroform. 
(Mitgeth.  in  der  Sitsung  der  Edinb.  Obst.  Soc.  vom  29.  Apr.  1863.) 

C.  fand  bei  einer  Erstgebärenden,  nachdem  die  Eihäute  ge- 
sprengen  waren,  das  Gesicht  vorliegend.  Das  Becken  war  eng, 
du  Steisebein  stark  vorspringend;  bei  der  Trttgheit  der  Weben 
nad  dar  bereits  36  ständigen  Geburtsdauer  drohte  dem  Kinde, 
vialUieht  *uch  der  Mutter,  Gefahr.  Nach  sweimaliger  Anwendung 
voi  Chloroform  konnte  der  Kopf  ohne  Schwierigkeit  über  den 
Read  dea  Beckens  gehoben  und  die  Lage  verbessert  werden, 
veraaf  die  Natur  die  Gehurt  glücklich  beendete.  Durch  den 
Druck  aaf  die  Urethra  war  eine  lange  Urinretention  herbeigeführt 
Verden.  —  ^impmm  hält  diese  Mittheilung  über  Berichtigung  der 
Qssichtslage  für  wichtig,  indem  sie  aufs  Neue  beweist,  dass 
diese  Lage  Verbesserung,  welche  nur  selten  durch  die  Natur  selbst 
tasgefuhrt  wird  und  kiinstlich  wegen  des  Misaverbältnisees  awlschen 
den  Diameter  des  Kopfes  und  der  Beckenhöhle  sehr  schwierig 
ist,  bei  Anwendung  von  Chloroform  meist  bewerkstelligt  werden 
kina,  sobald  der  Kopf  über  den  Beckenrand  gehoben  wird. 
(Edinb.  Med.  Jonrn.,  Sept.  1863.) 


HMwlMekr.f.OebnrtUc.  18S6.  Bd.nV.,Hft.l. 


Kuhn:    Ein    casuistischer    Beilrag   sar   Lehre    to« 
der  Selbstentwiciceiung. 

Bekanntlich  gehört  die  Selbstentwickelong  eines  lebenden 
and  grösseren  Rindes  su  den  grössten  Seltenheiten.  In  den  beiden 
von  K.  von  Anfang  bis  zu  Ende  genau  beobachteten  Fftllen 
gehörte  das  eine  Kind  allerdings  erst  dem  siebenten  Lunar- 
monate  an,  das  andere  jedoch  hatte  ein  Gewicht  von  4  Pfund 
15  Loth  und  eine  Länge  von  17'/,  Zoll  (Österr.  Civilgewicht  und 
Maass).  Es  betraf  dieser  Fall  eine  Zweitgebärende,  bei  welcher 
mit  dem  ßlasensprunge  die  rechte  Hand  vorgefHllen  war  und  bei 
der  Untersuchung  das  Rind  in  der  Schulterlage,  Kopf  recht«, 
Bauch  vorn,  sich  darbot.  Noch  ehe  K,  zur  Wendung,  die  sogleich 
gemacht  werden  sollte,  sich  anschick'te,  drängte  unter  einer 
kräftigen  Wehe  die  Schulter  so  tief  herab,  dass  die  Hand  schwer 
neben  ihr  vorbei  hätte  eindringen  können.  Unter  der  nächsten 
heftigen  Wehe  kamen  Arm  und  Achsel  bis  in  den  Beckenausgang  und 
drängten  den  Damra  hervor;  der  auf  der  rechten  Darmbeinschaufel 
gelagerte  Kopf  rückte  nun  nach  der  Symphyse  zu  und  unter  einer 
neuen  Wehe  trat  die  rechte  Schulter  unter  den  Schambogen,  ja 
sie  drängte  sich  so  weit  vor,  dass  die  rechte  Brustwarze  zwischen 
beiden  Schamlippen  sichtbar  wurde.  Eine  abermalige  Wehe 
brachte  die  rechte  Hälfte  des  Rippenbogens  zu  Tage.  Der  Kopf 
•tand  jetzt  mit  naoh  abwärts  gerichteter  rechter  Seite  hinter  der 
Symphyse;  das  Bekenende  der  Frucht  war  der  linken  HSft- 
kreuzbein-Synchondrose  zugekehrt.  Plötzlich  wälzte  eine  fulmi- 
nante, von  der  Bauchpresse  aufs  stärkste  unterstützte  Wehe  den 
nach  rückwärts  gekehrten  Rücken  abwärts.  Die  geborene  rechte 
Schulter  hob  sich  vom  rechten  Schambogenschenkel,  durch  den 
Schoossbogen  nach  aussen  und  alsdann  von  dem  linken  Scham- 
bogenschenkel nach  aufwärts,  der  Röcken  kehrte  sich  nach  vom, 
die  nach  unten  convex  gewölbte  Wirbelsäule  wurde  in  der  Scham- 
spalte  sichtbar  und  der  Steiss  glitt  mit  hinaufgeschlagenen  Füssen 
den  Damm  herab.  Der  ganze  Vorgang  dauerte  wenige  Secunden. 
Hierauf  wurde  auch  die  linke  Thoraxhälfte,  der  linke  Arm  und  beide 
Füsse  geboren.  Der  Kopf  wurde  mit  dem  modificirten  SmeHie^sehen 
Handgriffe  entwickelt  Das  Kind  wurde  nach  zwei  Minuten  langen 
Belebungsversuchen  zum  rhythmischen  Atfamen  gebracht.  Die 
Beokenmaasse  waren  etwas  über  normal.  Es  war  bereits  eine  Geburt 
ohne  Kunsthülfe  vorhergegangen.  Ursachen  mögen  die  relative 
Grösse  des  Beckens ,  die  Nachgiebigkeit  der  Weichtheile  und  die 
Heftigkeit  der  Wehen  gewesen  sein.  Der  Mechanismus  entsprach 
der  dritten  Form  der  Selbst  wendung  Bimhaum*B  (im  Becken - 
ausgange)  oder  dessen  Rnmpfgeburt,  Buseh^s  drittem  Grad  der  Selbst- 
wendung nach  dem  Blasensprunge,  Duncan^B  Spontaneous  expulsion. 
(Wochenbl.  d.Zeitschr.  d.Ges.d.Aerzte.  Wien  1864,  24u.2ö.) 


¥111.    NoiÜMB  ans  der  Joatp»!  -  LHeMtvr.  67 

8tms9ier  (Trojeß):  lieber  die  Nachgeburt,  neues  Ver*- 
fahren,   dieselbe  zu   entfernen. 

Verf.  beechrelbt  snnächst  die  SltereB  und  beaoBders  de«  in 
•eserer  Zeit  siemiich  allgemein  angewendete  Verfahren  bei  £n^* 
feraimg  der  Hachgebart  nnd  empfiehlt  ^  dann  seine  Modification, 
velehe  er  seit  10  Jahr^  in  der  Praxis  mit  bestem  Erfolge  geüb^ 
h»L  Er  geht  dabei  von  dem  richtigen  Grundsatze  ans,  dass  die 
Maehgebnrt  möglichst  bald  nach  der  Gebnrt  des  Kindes  su  ent- 
feinen  eei^  da  sie  dann  keine  Function  mehr  zu  erfüllen  habe 
und  dnreh  das  Schlieesen  des  Mntterhalses  eine  Reihe  von  zum 
Theil  bedenklichen  Erscheinungen  durch  das  lungere  Verweilen 
des  Fnichtknehens  herbeigeführt  werden  können.  Das  Verfahren 
ist  Folgendes: 

1)  Zwei  bia  drei  Finger  der  rechten  Hand  erfassen  den 
Habelttrang  mit  einem  leinenen  Tuche  in  der  Nähe  der  Qeschlechts- 
tkefle. 

2)  Die  linke  Hand  wird  von  aussen  auf  den  Unterbauch 
l^legt,  wo  sie  leicht  den  Uterus  finden  und  umgreifen  kann,  sie 
fasst  den  Grund  desselben  voll  mit  den  gespreitzten  Fingern, 
driekt  ihn  zusammen  und  nach  nnten,  während  die  rechte  Hand 
ssaft  am  Nabelstrange  zieht.  In  einem  Augenblicke  geht  die 
Nzehgeburt  ab.  Folgt  die  Placenta  nicht  gleich,  so  ist  ein 
itirkerar  Druck  und  Zug  nöthig. 

Das  Verfahren  fuhrt  noeh  schnell  und  leicht  zum  Ziele,  wo 
die  bisher  üblichen  im  Stiche  Hessen. 

So  erfreulieh  es  einerseits  ist,  dass  obiges  rationelle  Ver- 
Mrettf  welches  mit  dem  englischen  und  dem  sogenannten 
Oredi^Bchen  Handgriffe  grosse  Aehnlichkelt  hat,  auch  in  Frankreich 
tmpfohlen  und  hoffentlich  bald  eine  ebenso  allgemeine  Aufnahme 
laden  wird,  wie  das  Cred4*ache  in  Deutschland,  so  bedauerlich 
ist  die  immer  wiederkehrende  Erfahrung,  dass  so  viele  Franzosen 
keine  Kenntniss  von  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  in  anderen 
Lindem  haben,  oder  wenn  sie  sie  haben,  ignoriren. 
(Gas.  des  hdpit.,  1864,  No.  93.) 


Gregoricz:  lieber  Credi's  Methode  zur  Entfernung 
der  Nachgeburt 

Q,  hat  im  GebKrhause  in  Laibach  bei  29  Gebärenden  obige 
Methode  versucht  und  dabei  ungünstige  Erfolge  erzielt,  namentlich 
»o  viele  Schmerzen  erregt,  dass  die  Hälfte  der  Gebärenden  schrien, 
brillUen  und  sich  mit  aller  Kraft  gegen  den  Handgriff  wehrten. , 
Er  läset  es  zweifelhaft,  ob  die  Masse  der  puerperalen  Er- 
krankungen lediglich  dem  damals  herrschenden  Genius  epidemicus 
ibren  Ursprung  verdankte,  oder  ob  die  Placentarentfernung  nicht 

6* 


gg  Vtll.    Votikes  aus  der  Jonrnal-Literatar. 

wesedtliek  svr  eiiortiien  Hfilie  der  M^rtalitätsefffer  beigettayett 
habe,  glaubt  aber  die  Bemerkung  machen  %n  kSanen,  data  ein 
80  energisches  Reiben  und  Comprimtren  des  Uterus  unmöglich 
ohne  nachtheiligen  Einflnss  auf  die  Gebftrmntter  bleiben  kann. 
Kara  Verf.  will  von  der  neuen  Methode  nichts  wissen,  bringt 
eine  Reihe  von  Bedenken,  die  von  anderen  Seiten  schon  ge- 
nügend widerlegt  worden  sind,  abermals  herror  und  wahrt  der 
bisherigen  Methode,  die  Plaeenta  zu  entfernen,  ihr  volles  Recht. 
Diese  Erfahrungen  treten  den  günstigen  Resultaten  der  jetst 
fast  in  ganz  Deutschland  und  Holland  nicht  blos  bei  den  Gebnrta 
heifern,  sondern  nnch  bei  sehr  vielen  Hebammen  eingeführten 
Cr«c{^*8chen  Methode  schroff  entgegen.  Aus  der  ganzen  Dar- 
stellung des  Verfahrens  in  Laibacb  tritt  aber  wohl  jedem  Un- 
befangenen die  Ueberseugung  entgegen,  dass  hier  nicht  die 
Methode  an  sieh,  sondern  nur  die  zu  gewaltsame  Ausführung 
derselben  den  beschriebenen  Sturm  und  panischen  Sehrecken 
unter  den  Gebärenden  hervorgerufen  hat.  Jeder  noch  so  einfache 
Griff  will  eben  gelernt  sein  und  nicht  jede  Hand  ist  weich  und 
sanft  und  zur  GeburtshÜlfe  geschaffen. 

(Allg.  Wiener  medic.  Zeitung,  No.  36,  1864.) 


Paterson:  Bemerkungen  über  die  Vorbeugung  der 
Blutungen  und  Nachwehen  nach  der  Entfernung 
der  Plaeenta. 

Verf.  ist  nach  zahlreicher  Beobachtung  zur  Ueberzeugnng 
gelangt,  dass  nur  Ansammlungen  von  Blut  in  der  Hohle  der 
Gebärmutter  die  Veranlassung  zu  Nachwehen  seien.  Diese  Blat- 
ansammlnngen  bilden  sich  aber  leichter  und  reiehlicher  bei 
ungenügender  Contraction  des  Uterus  oder  bei  Krampf  desselben 
(Sandubrform),  und  finden  sich  häufiger  bei  Mehrgebärenden, 
weshalb  diese  auch  hauptsächlich  über  Nachwehen  zu  klagen 
pflegen. 

Das  einfachste  und  rationellste  Mittel ,  was  sich  stets  erfolg- 
reich erwies,  besteht  in  der  kräftigen  Reibung  des  Utems  von 
den  Banchdecken  aus.  Es  werden  dadurch  Gontractionep  erregt 
und  das  angehäufte  Blut  ausgetrieben.  Erst  nachdem  dies  ge- 
schehen, darf  die  Bauchbinde  angelegt  werden. 

(Edinburgh  medical  Journal,  Juni  1864,  p.  1098.) 


VIII.     Kotisea  mna  der  Jonnial- Literatur.  69 

Hüdebrandt  (io  Königsberg):  Ueber  Erweiterung  des 
ittsserea  Muttermundes  bei  der  Geburt  durch 
iDcisioDen. 

Verf.  empfiehlt  die  Incisionen  des  äusseren  Muttermundes, 
vtAsebt  ▼on  Neuem  snr  h&ndgeren  AusfBhmng  dieser  Opemtion 
aasaregen,  welche  am  rechten  Orte  und  aur  rechten  Zeit  an- 
gewandt, an  das  segensreichsten  für  Mntter  and  Kind  an  reehnen 
aad  iB  gewiaaan  patbologisehen  Zustftnden  da  roh  Icein  anderes 
Mittel  Kaseerer  oder  Innerer  Therapie  sa  ersetaen  ist.  Er  be- 
richtet über  nenn  GebartsfKlIe ,  bei  denen  sieben  Mal  wegen 
ciaer  Ünnaali|^eblgkeit  des  Muttermundes,  welche  den  fibliehen 
erweiebeDdeD  and  krampfstillenden  Mitteln  aufs  hartnftckigste 
trotste,  Einachnitte  gemacht  wurden,  femer  ein  Mal  bei  ekiedd 
•chweren  Fall«  tob  Eelampsie  und  ein  Mal  als  YorbereitoBg  anr 
Eradgliehang  der  Nabeltchnnrreposition. 

▼erf.  widerlegt  die  Besorgnisse  mancher  Oebortshelfer, 
welche  in  deti  Incisionen  eine  Gefahr  erblicken,  wie  namentlich 
die  des  Weite rreisseus  des  Schnittes,  der  excessiren  Blntaag  und 
der  Nerveneracheinangea ,  und  will  die  Incisionen  besonders  bei 
|Mthologischen  Teztarverände rangen  der  Vaginalportion  des  Ute  ras 
aagewendet  wissen. 

(Konigsberger  med.  Jahrbücher,  Bd.  4,  H.  I,  1864,  8.  178«) 


Rdwards:   Exstirpation  des  yorgefailenen  und  nicht 
reponiblen   Uterus. 

Eine  74jfthrige  Frau  litt  seit  20  Jahren  an  Prolapsus  nteri, 
der  in  den  letaten  sieben  Jahren  sich  so  verschlimmert  hatte,  dass 
kein  Apparat  mehr  vertragen  wurde  and  seit  fünf  Jahren  war  die 
Kiaake  nicht  mehr  im  Stande,  den  Vorfall  selbst  au  reponiren, 
soBdem  moaste  daan  stets  den  Arat  holen  lassen.  Durch  eine 
Nachliaalgkeit  der  Kranken  blieb  im  April  1863  der  Vorfall 
40  Standen  lang  ohne  Hnlfe,  es  trat  Scbwellang  and  Einschnürung 
eia»  die  Reposition,  von  mehreren  Aeraten  versucht,  gelang 
aicht,  Brand  trat  hinau  ond  so  schien  die  Exstirpation  das 
«iaaiga  Bettnngsnittel.  Es  wurde  eine  feste  Ligatur  um  den 
StieJ  gelegt  und  spater,  da  der  Geruch  unerträglich  wurde,  nach 
Erneneninip  der  Ligatur,  die  im  Zerfallen  begriffene  Geschwulst 
abgeschnitten.  AnfHnglich  aeigten  sich  zwar  bei  der  Operirten 
einige  bedrohliche  Erscheinungen,  sie  genas  jedoch  volJstKndig 
•ad  verhiltttiaamüsaig  schnell.  E,  erinnert  an  einen  ähnlichen 
von  SmMie  (1757)  beschriebenen  Fall. 

(Archivea  gin^rales  de  M^d.,  Juin  1864,  p.  780,  ans  British 

med.  Jonmal,  6.  Febr.  1864.) 


70  ▼m*    NotlieB  aus  der  Jonnial-Literalar. 

Cronyn:    Ein   Fall   von   Uterusruptur. 

£in6  SOjfthrige  Frau,  welche  bereits  sieben  Mal  geboren 
hatte  nnd  iwar  f&nf  Mal  todto  Kinder  und  eines  davon  unter 
in atrum enteile r  Hülfe,  kam  lum  achten  Male  schwanger  in  C.*s 
Behandlung.  Sie  hatte  seit  48  Stunden  Wehen  gehabt;  swei 
Stunden  vor  ihrer  Aufnahme  war  es  ihr  gewesen,  als  platste 
etwas  in  ihrem  Unterleibe,  Puls  frequent,  schwach.  Grosse 
Prostration.  Fortgeietates  Brechen  von  Kothmaesea.  Mutter- 
mund erweitert.  Kopf  des  Kindes  hoch,  nnbewegUoh.  Fötalpui« 
nicht  wahriunehmen.  Wehen  schwach,  un regelmässig.  Sofort 
wurde  die  Oraniotomie  und  Eztraction  vorgenommen.  Während 
der  Operation  Pulslosigkeit,  CoUaps.  Trott  Anwendung  von 
Stimnlantien  nach  sieben  Stunden  Tod. 

8  e  o  t  i  0  n :  Im  Peritonäum  3  —  4  Quart  sanguinolentes  Serum. 
Auf  dem  Peritonäum  frische  Auflagerungen  und  VerklehuBgee 
desselben  mit  den  Därmen.  Am  Collum  uteri  ein  schräger,  den 
Uterns  von  der  Vagina  fast  ganz  trennender  Riss.  Coigogata 
Vera  drei  Zoll. 

(Dubl.  Quart.  Joum.,  Febr.  1864.) 


Eedfem  Davies:  lieber  operative  und  mechanische 
Behandlung   des  Prolapsus  uteri. 

Verf.  bestätigt  Bak^r  Brown' b  Versicherung,  dass  der  £ffeet 
der  operativen  Behandlung  ein  dauernder  ist  und  dass  die  nach- 
folgenden Geburten  ohne  Verletiungen  oder  neue  Schwierigkeiten 
erfolgen.  Die  Fülle,  in  denen  Verf.  operirt  hat,  waren  der  Art, 
dass  der  Uterus  vollständig  vorgefallen  war  und  swar  in  Folge 
einer  Entbindung.  So  fuhrt  er  von  mehreren  FXllen,  die  er 
während  1860  und  1861  in  Behandlung  gehabt  hat,  einen  an, 
in  welchem  eine  Frau  nach  einer  normalen  Entbindung  einen 
Uterusvorfall  bekommen  hatte,  welcher  nach  sechs  Monaten 
complet  geworden  war.  2>.  machte  swei  elliptische  Inoisionen 
(nach  Ditffenhaeh),  Zwei  Jahre  darauf  erfolgte  eine  etwas  schwere 
Entbindung  ohne  jede  Verletsnng.  Die  Abtragung  der  Schleim- 
haut an  der  seitlichen  und  hinteren  Oberfläche  der  Vagina  er- 
folgte entsprechend  der  Brown^schen  Methode.  Fttr  die  Naht 
sog  Verf.  Silberdraht  vor.  Um  die  p^ristal tischen  Bewegungen 
SU  suspendiren  und  so  die  Prima  intentio  sn  bewirken,  reichte 
Verf.  Opium  (au  gr.J.).  Am  dritten  Tage  gab  er  ein  warmes 
Rlystier  und  statt  des  Opium,  Lac  sulphnris;  wollte  er  noeh 
leichtere  Entleerung  der  Fäcalmassen  bewirken,  so  trennte  er 
den  Sphfttoter  ani  nach  jeder  Seite  subcutan.  Das  ZtoonÄc'sohe 
Pessarium  hat  dem  Verf.  gute  Dienste  geleistet.  Auch  einen 
fast  völligen,  künstlichen  Verschluss  der  Vagina  hat  derselbe  in 


VIII.     Notisea  ams  d«r  JoQnMtl-LiterMtit.  71 

•iMs  TeralteteA    Falle    bei   eioer   d6jäbrigeo    Fraa    mit   gatem 
Erfolg»  angewendet. 

(The  Lancet,   1864,  9.  April.) 


Robert  Fotoler:   Ein  Fall  von  Verletzung  der  Vagina 
durch  die   Geburt. 

Am  88.  8ept.  1862  wurde  F.  so  einer  40jährigen  Gebärenden 
gerefen.  Sie  hatte  vorher  fünf  Kinder,  woranter  Knietet  Zwillinge, 
leicht  geboren.  Die  Hebamme  hatte  einige  Standen  vor  F.*« 
Aaknoft  eine  normale  Kindeslage,  regelmässige  Wehen  nnd  gute 
Erweiterong  des  Muttermundes  gefunden.  Nachdem  die  Blase 
Cesprangen  war,  trat  der  Kopf  regelmässig  herab,  als  sich 
pUtslieh  das  Befinden  der  Kreiseenden  Tersehlimmerte,  die  Weben 
inOortan,  der  Leib  schlaff  wurde,  der  Utems  coUabirte,  Theile 
im  Kiadea  sich  dnrohfBhlen  Hessen  nnd  Brechen  eintrat.  F,  fand 
die  Kranke  bei  seiner  Ankunft  in  den  dürftigsten  Umständen, 
im  Zustande  äuasersten  Collapses.  Keine  Wehen;  coustantes 
Erbreeben  einer  hellbraunen  Flüssigkeit.  Darreichung  von  er- 
«irmte»  Branntwein  mit  Seealepulver;  sofortiges  Ansbreohen 
der  Oabe.  Jede  Berührung  des  Leibes  schmershaft.  Die  An- 
legung der  Zange  war  möglich,  doch  fehlten  die  Wehen  und 
der  Collaps  nahm  an.  Die  Tractionen  waren  fruchtlos,  so  daes 
■ir  die  Perforation  übrig  blieb.  AU  der  Perforator  angelegt 
«erden  sollte,  wich  der  Kopf  plötslich  aurttck;  sofort  ging  F. 
■it  der  operirenden  (linken)  Hand  nach,  wendete  das  Kind  mit 
die  Füa—  nnd  Tollendete  die  Extraction  ohne  Sehwierigkeiten 
in  10  Minuten.  Die  Nachgeburt  folgte  bald.  Das  Kind  war  aus* 
C*^sff«Bi  gross,  todt,  männlichen  Oesofalechtes. 

Die  Reibungen  der  Gebärmutter  machten  auch  jetat  noch 
heftige  Schmersen ,  die  Erscheinungen  von  Collaps  dauerten  fort. 
Das  Erbreeben  wurde  dnreh  Medioation  verringert.  Bald  aber 
kehrte  ee  wieder,  der  Puls  wurde  schwächer,  das  Athmen  wurde 
sshwieriger.    Nach  wenigen  Stunden  Tod. 

Wie  die  Anamnese  ergab,  hatte  die  Patientin  vor  Eintritt 
der  Geburtawehen  einen  Fusstritt  vor  den  Leib  bekommen,  -^ 
eteer  der  vialen  Bohheitsausbrfich  ihres  Mannes,  die  hatte  hierauf 
Vi  Stunde  kraftlos  auf  der  Treppe  gelegen  und  die  Nacht  daselbtt 
verbracht.  Da  der  Mann  jetat  die  BcKuld  des  Todes  seiner  Frau 
de«  Arste  auachrieb ,  drang  dieser  auf  gerichtliche  Uatersuehnng 
des  Falles.  Die  Section  aeigte  in  der  Bauchhöhle  Vt  ^^^  1^1«^ 
velehea  nan  Ins  lu  einer  Ruptur  verfolgen  konnte.  Dieselbe 
bstod  sieh  an  der  Unteren  Wand  der  Tagina  und  awar  an  der 
Verbindungsstelle  awischen  Vagina  und  Portio  vaginalis.  Die 
■ech  am  Calhim  uteri  sitaende  Scheidenportion  war  p«lpds  und 
•eefcTmosirt. 


72  ▼m*    Kotiaen  wols  der  Jenmal- Literatur. 

Id  Aübetraelit,  dass  eine  bedeotende  traumatiacbe  VerletsvB^ 
vorhergegangen  war,  welche  entweder  an  sieh  die  Bnpiar  ▼•!*- 
anlassen  oder  die  Prädisposition  su  einer  solehen  darbieten 
konnte,  dass  ferner  die  bekannten,  durch  Uterusrnptur  meist 
veranlassten  Symptome  schon  vor  der  Ankunft  des  Arates  ein- 
getreten waren ,  wurde  dieser  von  jeder  Sohuld  freigesprochen, 
der  Mann  aber  su  15  Jahren  Deportation  verurtheilt. 
(The  Lancet,  Nov.  14,  18^.) 


Strauss:    Fall    von    Abreissung    des    Rindeskopfes 
während  der  Geburl. 

Tor  mehreren  Jahren  kam  in  Verf.'s  Wirkungskreise  in 
Curiand  auf  einem  entlegenen  Bauernhofe  der  Fall  vor,  daas 
eine  sogenannte  Hebamme  (denn  dort  ist  fast  jedes  alte  Weib 
eine  Hebamme)  einem  mit  den  Füssen  vorangekommenen  lebenden 
Kinde  den  zurfickgebliebenen  Kopf  abgerissen  hatte.  Statt  des 
Arstes  Ankunft  absuwarten,  hatte  sie  ins  wischen  Versuche  gemacht, 
den  Kopf  beranssubringen ,  ihn  aber  nur  umgedreht  und  hoch- 
geschoben  und  dabei  eine  bedenkliche  Blutung  herbeigeführt. 
Verf*  fand  den  Kopt  im  grossen  Becken  um  den  Querdurchmesser 
gedreht,  so  dass  die  Pfeilnaht  nach  unten,  die  kleine  Fontanelle 
naoh  rechts  stand,  das  Foramen  occipitale  nach  oben  gerichtet 
war.  Ausserdem  hingen  vom  Kopfe  ein  Paar  eigenthümliche 
Stränge  herab,  davon  einer  die  Nabelschnur  war,  der  andere 
nach  genauer  Untersuchung  des  geborenen  Rumpfes,  sich  schliess- 
lich als  das  aus  dem  Wirbelcanal  herausgerisaene  Ruckenmark 
in  seinen  H&uten  herausstellte.  Verf.  sog  an  diesem  Strange 
den  Kopf  tiefer  herab  und  konnte  ihn  dann  mit  der  Zange  ent- 
fernen.. Zusammenaiebnngen  der  Gebärmutter  traten  jedoch  trots 
allen  angewendeten  Mitteln  nicht  ein,  die  Mntterblutung  dauerte 
fort  und  die  Wöchnerin  starb  nach  einigen  Stunden. 

In  Folge  dieses  Falles,  bei  welchem  eine  sehr  bedeuten«!« 
Kraft  angewendet  sein  musste  um  eine  derartige  Trennung  des 
Rumpfes  vom  Kopfe  su  bewirken,  machte  Verf.  verschiedene 
Versuche  an  Kindesleiohen,  snnäehst  mit  den  H&nden,  wobei 
er  sieh  öfter  vergeblieh  bemüht  hatte,  den  Kopf  anm  Weiebea 
au  bringen,  dann  mit  angehängten  Gewichten.  Fünf  Leichen 
ausgetragener  Kinder  vofi  6*/«^  7,  77«,  7%,  7  Pfund  Gewicht 
wurden  benutst  und  es  war  eine  Beschwerung  mit  9  Centner 
14  Pfund,  10  Centner  11  Pfund,  10  Centner  4  Pfund,  11  Centner 
14  Pfund  und  7  Centner  15  Pfund  bei  einer  Einwirkung  von 
12,  8,  18,  12  und  6  Minuten  nStblg  um  den  Rumpf  vom  Kopfe 
an  reissen. 

In  der  Mehraahl  der  Fftlle  blieb  das  Rückenmark  in  den 
Häuten  am  Kopfe   hängen   und   die   Zerreissung  der  Wirbelsäule 


Vni.    NDdMn  Ate  der  JoanaULiteraHir.  f8 

•rMffte  larischeB  dem  Atlns  «od  £pi«tropheiia  so,  dass  dar  Pro» 
oosma  odontoidetn  sich  ron  dem  fipistrophene  geloit  hatte  und 
an  seincB  starkem  BRndern  im  Rioge  des  Atlas  anrückgebliebea 
war,  weldier  letstere  umstand  die  Annahme  su  best&tigea  scheint, 
daas  der  Proeeasns  odontoidens  im  embryonalen  Znstande  yiel«- 
mAt  dem  Atlas  als  dem  Epistrophens  angehOre. 

(ArehtY    für   pathol.    Anatomie    nnd  Physiologie  und  für 
Uiaisohe  Mediein,  Bd.  30,  Heft  6  u.  6,  S.  5d9.) 


8oyre:  Emphysem  des  Halses,  Gesichtes  und  der 
Brost  10  Folge  heftiger  Anstrengungen  bei  der 
Geburt. 

Anknöpfend  an  einen  von  Cloquet  1820  yeröfifentlichten  Fall, 
ia  welchem  in  Folge  von  übermSssiger  Anstrengung  bei  der  Gebart 
41s  Traehea  etwas  oberhalb  der  Theilnngsstelle  riss  and  ein  aas» 
gsdekates  Emphysem  fiber  Hals  and  Gesicht  sich  verbreitete, 
velebss  nnr  sehr  allmülig  nach  wiederholten  Haatsebnitten 
visder  verschwand,  theilt  S.  einen  ganz  ähnlichen  sweiten  Fall 
mit  Die  Schwierigkeit  der  Gebart  bestand  hauptsKehlich  in  der 
poisea  Unnachgiebigkeit  des  Muttermondrandes.  Si  wollte  schon 
•iae  Incisioa  in  denselben  machen ,  als  die  Geb&rende  anter  einer 
■sIr  heftigen  Anstrengang  angab,  es  sei  ihr  ein  Gefftss  rechts 
SB  Halse  geplatzt.  Kars  daraaf  schwollen  der  Hals,  son&chst 
Ü9  rechte  Seite  des  Gesichtes,  dann  auch  ein  Theil  der  linken 
Ssite,  nnd  der  obere  Theil  der  Brast  empbysematös  an,  ohne 
indess  erhebliche  Beschwerden  zu  verarsachen.  Die  Gebart 
endete  glöcklich  nnd  das  Emphysem  war  am  siebenten  Tage 
aaeh  der  Geburt  ohne  Medication  wieder  verschwanden. 

In  einer  späteren  Nummer  derselben  Zeitschrift  (No.  iOO) 
er^Dst  Verf.  seine  obige  Mittheilung  darch  ähnliche  von  Depaul 
in  der  Gas.  medicale,  29.  Oct.  1842  veröffentlichte  Beobachtungen. 
Drei  derselben  wurden  von  Menihre^  eine  von  Bland ^  eine  von 
Decadaa  und  eine  von  Depaul  gemacht. 

Verf.  empfiehlt,  der  Krankheit  den  Kamen  „geburtshtilf  liebes 
Enphyeem*  (Emphyseme  obst^trical)  zu  geben. 
(Gas.  des  h6pitaux,  1864,  Nr.  92,  100.) 


Sadkr:  Ungewöhnliches  Geburtshinderniss  durch 
eine  »ehr  grasse  Hydaiideoeyste  der  Leber; 
Raisersehnitt. 

Cine  21  jährige  Primipara,  im  neunten  Monate  schwanger^ 
■oll  schon  seit  ihrer  Kindheit  an  einer  stets  merklichen  Ans- 
dekouig    des    Unterleibes    gelitten    haben.      Am    10.    April    war 


7t  VIII.    Nödaen  ats  dftr  Jommü- Literatur. 

Frochtwaiser  abgeflossen,  am  26.  sah  sie  ^,  inerst  Es  bastaadeu 
haftige  Wehen,  aber  nar  mit  Mühe  könnt«  8.  den  Finger  t«r 
Portio  vaginalis  bringen,  da  vom  Promontorium  her  eine  hatte 
Gaaohwulst  nach  der  Symphysis  pnbis  sich  erstreckte.  Die  Portio 
vaginalis  war  fest  nnd  nicht  yerstriohen,  der  Kopf  des  Kindes 
war  durch  den  Mnttermand  noch  sn  erreichen.  Da  der  Allgemein* 
instand  befriedigend  war,  besohloss  man,  bis  snm  anderen  Tage 
an  wartea,  jetst  aber  trat  Verfall  der  Kräfte  ein,  so  dass  wegeo 
der  Diagnose  einer  festen  Beckengeschwalst  nnd  eines  kleinsten 
Beckendorchmessers  von  nur  iVi"  der  Kaiserschnitt  beschlossen 
nnd  in  gewöhnlicher  Weise  ansgeführt  wnrde.  Es  wurde  ein 
todtes,  reifes  Kind  entwickelt  nnd  von  der  leeren  Uterushohle 
aus  überaengte  man  sich  nochmals  von  der  Verengerung  des 
Beckens.     Die  Frau  starb  am  folgenden  Tage. 

Section:  Beim  Biosiegen  der  Bancbeingeweide  fiel  sofort 
ein  halbdurchsichtiger  runder  Körper  auf,  der  swischen  den 
DXrmen  lag.  Es  war  eine  grosse  Hydatidencyste ,  welche  den 
gansen  oberen  Raum  der  Lebergegend  einnahm  und  bis  ia  das 
Becken  hinab  hinter  den  Uterus  sich  erstreckte.  Durch  den 
anhaltenden  Druck  des  Uterus  hatte  das  häutige  Gebilde  die 
ttnschende  HKrte  eines  Knochens  simulirt,  welche  su  dem  gefShr- 
liehen  Einschreiten  und  dem  Tode  ffihrte.  Bei  der  Erkennung 
der  wahren  Natur  des  Tumor  bei  der  Lebenden  hKtte  man  durch 
einen  Einschnitt  oder  Stich  wahrscheinlich  das  Geburtshindemiaa 
beseitigt. 

(Allgem.  med.  Centralseitung,  1864,  No.  78,  aus  Med.  Times 

and  Gas.,  6.  Aug.  1864.) 


B,  8.  Sehultze:    Verbesserung    des    Phantoms    zur 
Uebung  geburtsbulflicher  Operationen. 

Dieselbe  besteht  im  Wesentlichen  darin,  dass  erstens  ein 
Gummi  da  mm,  bestehend  aus  einer  5  Millimeter  dicken  Platte, 
swischen  dem  oberen  Rande  der  Schamfuge,  dem  Innenrande 
der  Schenkel  und  der  hinteren  Beckenwand  angebracht  ist,  der, 
mit  einer  2  Centimeter  breiten  und  7  Conti meter  hohen  Scham- 
öffiinng  versehen,  den  Lernenden  mehr  als  ein  unelastischer 
lederner  Beckenboden  an  die  Cantelen  bei  Zangenoperatiooen 
gewöhnt. 

Zweitens  hat  S.  eine  Vorrichtung  angebracht,  durch  welche 
das  Phantom  unbeschadet  seiner  Festigkeit  jederaeit  schnell  .in 
die  rechte  oder  linke  Seitenlage  gebracht  werden  kann, 
was  für  die  Uebung  der  Wendung  um  so  aweokmUssiger  ist,  als 
die  operirende  Hand  hierbei  den  Innanraum  des  Phantoms  aieht 
an  yerlassen  braucht. 

(Jen.  Zeitschr.  f.  Medicin  u.  Naturwissenschaft,  I.  Bd.,  1.  H.) 


Vlll.    NoiisMi  ««8  d«r  Joam«!  •  LUeratiir.  75 

lAutw.FürH:  Linksseitige  Tubarschwangersohafi  mit 
BerstUDg  des  Fruchtsackes. 

Am  il.  Mära  1863  kam  eine  35jährige  Tageldhnerin  in  F.^b 
B^handlaog.  Sie  war  seit  swei  Jahren  verehelicht  and  hatte 
Ende  JoH  1862  ohne  Beschwerden  ein  gesundes  Kind  geboren. 
Zwei  Monate  nach  dem  Puerperinm  waren  die  Menses  wieder- 
gekehrt. Nach  Tier  Wochen  stellten  sie  sich  abermals  ein.  Beide 
Male  Dauer  von  fünf  Tagei^.  In  der  ersten  Hälfte  December  186^ 
plStmlich  nnregelmässige  Blutflüsse  aus  den  Genitalien,  bis  Blitte 
Febraar  (neun  Wochen)  andauernd,  dann  drei  Wochen  sistirt 
aeit  Tier  Tagen  (vor  Aufnahme  in*s  Krankenhaus]  mit  Heftigkeit 
wiedergekehrt.  Wfthrend  dieser  Zeit  schwoll  auch  die  hypo- 
gastrische  Gegend  bedeutend,  der  Unterleib  wurde  empfindlich 
Bsd,  wShrend  Anfangs  wehenartige  Contractionen  vorhanden 
waren,  wurden  die  Schmerzen  später  continnirlicb.  Das  All- 
gemeinbefinden Katte  stark  gelitten.  Die  Untersuchung  ergab 
eine  Yorwölbung  in  der  Regio  inguin.  sinistra,  die  dem  Ende  des 
swtiten  Trimesters  der  Schwangerschaft  entsprach.  Die  Be- 
schaffenheit der  Brüste  entsprach  auch  der  Schwangerschaft.  Die 
Palpation  ergab  einen  die  linke  Regio  inguinalis  und  iliaca  aus- 
finenden,  quer  bis  über  den  Nabel  sich  erstreckenden,  von  links 
naeb  rechte  schief  gelagerten  Tumor.  Derselbe  war  links  derb, 
rechts  elastisch,  uneben,  unverschiebbar.  Kindestbeile  und  Stand 
dar  Gebirmntter  nicht  genau  su  ermitteln.  Die  Percussion  über 
dem  Tnmor  ergab  leeren  Schall,  die  Auscultation  liess  ausser 
den  fortgepflansten  mütterlichen  Herstönen  keine  Töne  oder  Ge- 
riosche  wahrnehmen.  Kindesbewegnngen  nicht  wahrgenommen. 
Das  hintere  Seheidengewölbe  von  einem  kindskopfgrosseb,  elasti- 
schen, unbeweglichen,  unebenen  Tumor  herab-,  die  Portio  vagin. 
an  die  Symphyse  gedrüngt.  WuTstnng  und  Lockerung  der  Scheide. 
DIenn  saoh  rechts  und  oben  verschoben,  wie  durch  das  vordere 
Seheidengewölbe  zu  fühlen  war.  Die  Gesohwulst  erwies  sich  al« 
InetnirencU  Am  Hersen  Insnfficienz  der  Aorten-  und  Bicuspidal- 
Uappeo.  «Durch  ausführlich  angegebene  Differentialdiagnose 
«mrdeo  ausgeschlossen:  Ovarienkrankheiten  (cystenartige  De- 
feoeratioiBett,  Dislocatioo  eines  entzündeten  Eierstockes,  hämorrha- 
gische Ergnsse),  interstitielle  Uterusfibroide,  retrofleetirter 
schwangerer  Uterus  und  retrouterinaler  Abscess.  Dagegen  wurden 
als  BiOgUeh  hingestellt:  Haematocele  retronterina  .and  Gravitas 
extranterioa  mit  consecutiver  Berstung  des  Fruchtsackes.  Letztere 
emehiea  aaeb  sorgflUiiger  Erwägung  der  Symptome  wahrsohein- 
tieher.  Die  Therapie  war  natürlich  nur  symptomatisch,  aber 
frttlich  ohne  Erfolg.  Unter  Prostration,  Somnolenz  und  Coma 
gisg  die  Kranke  oacb  40  Standen  zn  Grunde. 

Die  fieetioB  erwies  grosse  Blatarmath  aller  Organe.    Heis- 
beetfttigt.     Der  Uteras   nach    reehts  und  aufwärts  ge- 


76  VIII.    NotlMn  aua  dftr  Joani»l*Uteratar. 

drüfigt  clnrcii  »ine  mtiinakopfgroiiie ,  derbeUitische,  bia  «a  da» 
8  romanam  reicbende  OenchwaUt,  an  deren  ftnsaerster  linker 
Seite  etwa  1  Pfand  coagnlirten  Blates  liegt.  Nach  dessen  Ent- 
fernung seigt  sich  swischen  Uterus,  8  romanum,  rectum  und 
Ligam.  lat.  sinistr.  eine  manuskopfgrosse  Hohle,  mit  Blut  gefQllt, 
links  Ton  den  erwShnten  Därmen,  rechts  tou  derbem,  gelb- 
rÖthlichem  Fasergewebe,  an  dessen  Innenfläche  sich  deutlichea 
Placentargewebe  befindet,  begrenit.  Mit  der  Placenta  ist  ein 
5  Zoll  langer  Embryo  durch  eine  6  Zoll  lange  Nabelschnur  in 
Verbindung.  Die  Placenta  ist  links  oben  (entsprechend  dem  Blut- 
eztravasate)  eingerissen.  Die  linke  Tuba  sieht  sich,  fflr  die 
Sonde  durchgangig,  ein  Stück  iKngs  jenem  Sacke  hin,  worauf 
sie  sich  in  die  Wandung  desselben  verliert.  Ihr  weiterer  Verlauf 
ist  ebensowenig  wie  das  linke  Ovarinm  su  ermitteln.  —  Die 
Diagnose  war  also  vollkommen  bestätigt. 

Nicht  su  fibersehen  ist,  dass  der  Uterus  .zeitweise  an  dem 
ausserhalb  seiner  Höhle  stattfindenden  Processe  participirte,  in- 
dem seine  Gewichts-,  Volumens-  und  TexturverbKltnisse  der 
Schwangerschaftsmetamorphose  entsprechen,  welche  gew5hnlich 
SU  Ende  des  dritten  Monates  vorhanden  ist.  Es  beweist  dies 
aufs  Neue,  dass  der  Uterus  selbst  bei  extrauteriner  Schwanger- 
schaft bis  SU  einer  gewissen  Zeit  (dritter  bis  vierter  Monat)  die 
gewöhnlichen  Schwaogerschaftsveränderungen  erfährt. 

Die  Erkennung  des  Vorhandenseins  und  des  Sitses  einer 
Eztranterinschwangerschaft  ist  während  des  ersten  Trimesters 
unmöglich. 

(Wiener  Med. -Halle,  1864,  No.  9,  10,  13  u.  14.) 


Schmidt:  Bericht  über  die  geburtshülfliche  Klinik 
und  Poliklinik  zu  Greifswalde.  Vom  1.  Januar  bis 
1.  December  1863. 

Aus  dem  ausführlich  mitgetheilten  Berichte  sei  hier  nur 
hervorgehoben,  dass  in  der  angegebenen  Zeit  in  der  Klinik 
94  Geburten  stattfanden,  90  einfache,  3  Zwillinge,  1  Drillinge. 
Operationen  8  Mal:  6  Mal  Zange,  1  Mal  Wendung  auf  den  Fnss, 
1  Mal  desgl.  mit  Extraction,  1  Mal  Extraction  am  Fusse.  89  gesund 
entlassen,  2  noch  in  Behandlung,  1  starb  an  Erschöpfung  durch 
Blutverlust,  1  an  amyloider  Degeneration  von  Leber,  Mils,  Nieren 
und  Darmsotten.    Kinder:   lebend  geboren  93,  todt  geboren  5. 

In  der  Poliklinik  fanden  129  Geburten  statt,  119  recht- 
seitig,  3  Frühgeburten,  6  Abort,  1  Mole.  Unter  erstgenannten 
1  ZwUlingsgeburt.  Operationen  17  Mal:  3  Mal  Lagerung  cur 
BiDstellnng  des  Kopfes,  2  Mal  Extraction,  6  Mal  Wendung  auf 
•l»eD  Fttse  und  Eztraetion,  1  Mal  Wendung  auf  beide  Fasse, 
Extraetion,  Zange,  2  Mal  Reposition  der  Nabelschnnr  und  Zange, 


IX.    LÜMratiir.  97 

SHbI  Zange,  1  Hai  Perforatioti,  Kepbalolhrjpsle ,  Zaage.  Im 
WacihaBWette  kein«  Fraa  ^storbm.  Kinder:  lebeni  geborti  UBf 
«mar  dar  Geburt  gestorben  5. 

üater  Anderem  kam  ein  Fall  Ton  Beokenenge  (ConjAg. 
diafOB.  4"  ^'")  Bor  Beobachtung.  Das  Kind  war  bereits  naeh 
itbnstliidigen  Wehen  abgestorben.  Perforation.  Kephalotribe. 
Weder  diese»  noch  die  Zange  vermochte  den  Kopf  wirksam 
bembsaleiten.  Bei  einem  sweiten  Versuche  mit  dem  Finger 
plaag  es,  den  Kopf  sn  entwickeln. 

Ein  Mal  kam  Placenta  praevia  aar  Beobachtung,  und 
swsj  bei  einer  23jährigen  firstgebSrenden.  Normales  £nde  der 
Sehwaagerschaft.  Erste  Schädellage  mit  links  abgewichenem 
Kepfe.  5.  Jnli  Abends  6  'Uhr  Blntung.  9  Uhr  Diagnose  auf 
PlaceaU  praevia  festgestellt.  Blutung  Nachts  11  Uhr  beträcht- 
licher. Colpeorynter.  Aufhören  der  Wehen.  6.  Jnli  frfih  6V4  Uhr 
Blntnng  sistirt.  5V«  Uhr  Nachmittags  neue  Weben  und  Blutungen. 
Colpenrynter  schlecht  vertragen.  Abends  11  Erweiterung  des 
Hnttermundes.  Bisheriger  Blutverlust  2  Pfund.  Accouchement 
fsrce  beschlossen;  man  gewahrte,  dass  man  eine  Placenta  praevia 
imperfecta  centralis  vor  sich  hatte.  Rechts  vorn  war  dieselbe 
aasitsend.  MU  einem  2  Zoll  breiten  Bande  bedeckte  sie  den 
Matlermund.  Die  Dilatation  war  nicht  völlig  su  bewirken;  des* 
halb  wurde  der  hintere  Theil  der  Placenta  getrennt  und  die  Blase 
gesprengt.  Der  Kopf  trat  tiefer,  die  Blutung  stand.  Am  7.  Juli 
4  Uhr  frfih  Unruhe.  4'/^  Uhr  SchiitteUrost.  Puls  110.  Temperatur 
S9,3*  C,  9  Uhr  Wehen  besser,  Kopf  tiefer,  Muttermund  weiter, 
Lohns  placentae  verschwindend.  11  Uhr  Kopfgeschwulst.  1  Uhr 
Diagnose  auf  Tod  der  Frucht.  2%  Uhr  Nachmittags  völlige 
Dilatation  des  Muttermundes,  Zange,  mit  fünf  Tractionen  Ent- 
Wickelung.  Kind,  dann  ein  Stack  der  Placenta  entfernt,  deren 
grosserer  Theil  mit  den  Eihäuten  im  Uterus  blieb.  V4  Stunde 
darauf,  noch  bevor  diese  geholt  wurde,  Collaps,  Tod. 

(Greifswalder  medic.  Beiträge,  2.  Bd.,  2.  Heft,  Dansig  1864.) 


IX. 
Literatur* 


TkHermann:  Zur  Lehre  vom  Kaiserschnitt.  Bern  1864. 

Dieser  im  Buchhandel  nicht  erschienenen  Schrift  hat  der 
futf.  eine  käme  biographische  Skiaae  seines  am  20.  Juni  1861 
vsntorbenen  Vnters,  des  Dr.  /.  /.  Hermann,  seit  18B6  Professor 


TS  I3L    LUerator. 

dar  G«b«rtibii1f«  in  Bern ,  voranogMebiokt.  Ei  folc^en  die  Oe- 
sabiekten  tob  adht  Kaisarsehnittan ,  too  dasao  drei  in  B^rmmr 
'  OebirhaQBe ,  die  f&nf  anderen  aber  in  der  Privatpraxia  von  yer- 
sahiadenen  Sebwaiser  Aeratan  ausgeführt  und  ap&ter  dem  Verfl. 
nitgetbaUt  aind. 

I.  Am  16.  Attgnst  1861  wurde  der  Kaiserschnitt  t»ii 
Dr.  Hilthrunner  ttnd  Dr.  Zimmerli  sn  Lyssachengrab^en  an  einer 
28jährigen  Erstgebärenden  volltogen.  Das  rachitische  Becken 
hatte  eine  Conjugata  von  ungefähr  2  Zoll  ohne  Verköranng  de« 
Qaerdnrcbmessers.  Die  Wehen  schienen  schon  seit  swai  Tagen 
siemlich  heftig  gewesen  an  sein.  Unter^Cbloroformnarkose  wurde 
der  Schnitt  in  der  Linea  alba  von  1  Zoll  fiber '  der  Symphyse 
bis  einen  fiber  den  Nabel  (7  Zoll  lang)  gemacht  und  das  Kind 
am  Steisse  ausgesogen.  Es  war  todt,  schien  aber  eben  erst 
abgestorben  zn  sein  nnd  bot  alle  Zeichen  der  Reife.  Nach  Ex- 
traction  der  adhärenten  Placenta  erfolgte  eine  heftige  Blutung 
der  Banchwnnde.  Nach  Stillung  derselben  durch  Unterbindung 
wurde,  ohne  das  Peritonäum  an  fassen,  genäht  nnd  in  den  unteren 
Wundwinkel  ein  Sindon  eingelegt.  Unter  grosser  ErsehBpfiing 
starb  die  Patientin  24  Stunden  darauf. 

II.  Dr.  Tieehe  nnd  Dr.  KaUer  machten  am  9.  August  1859 
den  Kaiserschnitt  an  der  19jährigen  E,  H,  in  Tavannes.  Der 
Kopf  lag  vor.  Nach  angeblich  14tägigen  Weben  machte  man 
den  Schnitt  bei  Cbloroformnarkose  von  1  Zoll  unterhalb  des 
Nabels  bis  2  Zoll  über  der  Symphyse.  Das  Kind  war  reif,  aber 
schon  in  Zersetzung  tibergegangen.  Die  Wunde  wurde  genäht, 
jedoch  ein  Canal  offengelassen.  Die  Frau  genas  und  hatte  vier 
Monate  nachher  wieder  Menses. 

III.  Dieselbe  Frau  wurde  im  Februar  1860  wieder  schwanger 
und  am  19.  November  stellten  sich  Wehen  ein.  Am  21.  wurde 
bei  Chloroformnarkose  der  Schnitt  von  etwa  6  Zoll  Länge  linka 
bis  2  Zoll  über  die  Symphyse  geführt.  Das  Kind  lebte.  Die 
Bauchdecken  waren  sehr  schlaff  und  sogen  sich  kaum  sttsammea. 
Am  28.  starb  die  Frau  unter  Schüttelfrost.  Von  frischer  Peri- 
tonitis zeigte  sich  keine  Spur.  Dagegen  war  der  Uterus  an  der 
Stelle  der  früheren  Operation  mit  den  Bauchdecken  verwachsen. 
Das  skeletirte  Becken  zeigte  am  Beckeneingange  einen  geraden 
Durchmesser  von  2  Zoll  4  Linien,  im  queren  4  Zoll  8  Linien,  iu 
jedem  schrägen  4  Zoll  2  Linien. 

IV.  Dr.  Büchler  vollzog  am  19.  Juli  nach  16 stündigen  Weben 
an  einer  32jährigen  Erstgebärenden  in  Steffisburg  den  Kaiaer- 
scbnitt,  indem  die  Banchwnnde  von  1  Zoll  unterm  Nabel  l^ia 
1  Zoll  über  die  Schamfnge  reichte.  Kind  und  Mutter  blieben 
am  Laben. 

Nun  folgen  die  drei  im  Berner  Gebärhause  vollzogenen 
Kaiserschnitte: 


IX.    Litoratttr.  79 

y.  Die  asjikrige  SntgebftrenAe  E.  W.  baito  ela«  ConjofUa 
>«B  S  ZoU  2  Lioien.  Sie  bekam  am  10«  Deeember  1860  Webea 
%a4  wurde  am  14.  tob  J.  J.  Hermann  operirt.  Uoter  Chlorofor^ 
darkoM  wurde  der  Schnitt  tod  etwa  1  ZoU  über  der  Synipbyte 
bis  1  Zoll  Sber  den  Kabel  linke  geführt.  Et  entetand  eine 
flarke  Blatnng.  Bae  Kind  war  todt.  Die  Mutter  etavb  am 
19.  Deeember.  Die  Oedfirme  waren  stark  aufgetrieben  und  ver- 
klebt; das  Peritoneum  stark  injicirt,  theilweise  mit  sehwarsen 
.fiatseben*  bedeckt.  Das  Nets  war  in  einen  KaAuel  geballt, 
daneben  ein  bedeutendes  sanguinolentes  Übelriechendes  Exsudat. 

VI.  Die  S6jilhrige  rachitische  Ä.  L.  fühlte  am  27.  September 
IMI  Wehen.  Die  Conjugata  war  \%  Zoll  lang.  Am  1.  October 
«erde  sie  in  das  Bemer  Gebftrhans  gebracht.  Der  Steiss  war 
TorUegend.  Aus  der  Afteröffhung  hingen  Darmschlingen  (?)  des 
•ekon  abgeeterbenen  Kindes.  Am  2.  wurde  die  Operation  durch 
dta  Schnitt  in  der  Linea  alba  ▼ollsogen.  Der  Tod  erfolgte  am  8. 
in  Felge  Ton  ErschSpfung. 

VII.  Die  27jährige  rachitische  K.  B.,  mit  einer  Conjugata 
rea  1'/,  Zoll,  bekam  am  normalen  Sehwangerschaftsende  am 
&.  Oetober  1868  Wehen.  Am  7.  floss  das  Wasser  ab.  Der  Kopf 
lag  Tor.  Am  15.  October  wurde  sie  in  das  Berner  Gebftrhaus 
safgeoommen,  am  16.  durch  einen  7  Zoll  langen  Schnitt  vom 
Kabel  bis  l'/,  Zoll  über  den  Schoossbeinen  bei  Chloroform- 
aarkese  Ten  einem  lebenden  Kinde  entbunden.  Dasselbe  bekam 
aber  bald  darauf  eine  Nabelschnorblutung  und  starb.  In  die 
Baaekwuttde  der  Mutter  drKngte  sich  das  Nets,  wurde  jedoch 
rspoairt  und  die  Wunde  bis  auf  einen  Wundcanal  sugenäht. 
Patientin  starb  am  19.  October  unter  Meteorismus  und  Fieber. 
Die  Seetion  seigte  Spuren  von  Entafindung  des  Bauchfelles. 

VIII.  Der  Fall  von  Dr.  Jäggi  wird  mit  der  Bemerkung 
eiageleitet,  dass  er  awar  ,, schon  irgendwo  publicirt^  sei,  aber 
,der  Vergessenheit  anheim  gefallen'  su  sein  scheine.  Die  sehr 
interessante  Geburtageschichte  findet  sich  aber  ausführlich  in 
c.  SMoUTb  Journal,  Band  IX.,  1830,  S.  693  mitgetheilt  und 
hieraus  in  O.  Ä,  MickaälUy  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der 
Oeburtshülfe ,  1833,  S.  126,  und  in  C.  Kaiser^  Dies,  de  eventu 
•tctionis  caesariae,  HaTniae  1841,  bei  WiUlinger,  Analekten, 
Band  I.,  Heft  2,  S.  562  im  Ausauge  eswähnt. 

An  diese  Geburtsgeschichten  ist  noch  angereiht  die  einer 
Gsitrotomie  bei  Grariditas  extranterina  tou  Dr.  Qreppin  in 
Dtlemont  mit  unglücklichem  Erfolge;  ferner  die  Geschichte  einer 
dareh  ein  Fibroid  in  der  BeckenhSble  unToUendeten  Geburt  mit 
Raptora  uteri  und  Tod;  drittens  die  Geschichte  der  Geburt  einer 
hfdroeepfaalischen  macerirten  Frucht  bei  2%  Zoll  Conjugata. 
SfHer  wurde  dieselbe  Frau  durch  künstliche  Frühgtburt  ent- 
bssdeo ;  die    29  wöchentliche  Frueht  kam   swar  lebend  anr  Welt, 


80 


IX.     Lftflratiir. 


•larb  aber  Md  dtunnf;  eadUoh  dl«  «iiwr  Weadvftg  bei  27.  Zoll 
CoDJngat«  mit  giücklichem  Ansgang^e  für  Mutter  und  Rind,  und 
der  Tersaob  einer  Weadoag  bei  8  Zoll  Coi^ogata,  bei  welbber 
die  Ifntter  «aentbnnden  starb. 

In  den  angefahrten  Bemerkungen  fiber  die  Lehre  Tom  Katser- 
eahnitte  bespricht  der  Verf.  suertt  den  Kaiserschnitt  an  Todtee, 
den  er  niebt  su  TersHumen  rüth,  sowie  die  SchwangersehafI  über 
die  Mitte  hinaus  gediehen  ist.  Die  Prognose  unterseheidet  er 
nach  den  Krankheiten,  welche  den  Tod  herbeif&hrten  and  stellt 
sie  am  besten  bei  chronischen  Consumptionsk rankheiten,  weniger 
gat  bei  acuten  oder  £ntsfindungs- Krankheiten  und  empfiehlt  be- 
sondere Vorsicht  bei  Blutungen  und  schweren  Krankheiten  des 
Centralnervensystems ,  die  leicht  Scheintod  der  Matter  herbei- 
führen. 

Den  Kaiserschnitt  an  Lebenden  empfiehlt  er  dringend  gegen- 
über den  Entbindnngen  mittels  Kephalothrypsie  und  Perforation. 
Oana  Torsüglich  empfiehlt  er  die  künstliche  Frühgeburt,  vordanmC 
aber  den  künstlichen  Abortus.  Er  hat  aus  mehreren  Autoren 
folgenden  Ueberblick  der  Mortalität  nach  diesen  Operationen  in 
Proeenten  susammengestollt : 


MüUer. 

Kinder 

Mexim. 

Minim. 

Mittel 

Mazim. 

lÜBlttl. 

Mittel 

Kaiserschnitt 

Perforation     

Künstliche  Frühgeburt 
Künstlicher  Abortus    . 

63 
60 

8 

21 

2ö 

0 

43 
43 

4 
20 

89 
100 

73 
100 

27 

ioo 

33 

100 

33 
100 

4S 
100 

K.  M. 


Berlchtigniig. 

Monatsschrift,  Band  XXIV.,  Hefte,  Seite  419,  Zeile  15  von 
unten  steht:  „je  mehr  er  von  oben  betrachtet  wird*^,  dagegen 
soll  es  heissen:  „je  mehr  er  von  oben  betrachtet,  ovoid'. 


' 


X. 
Verhandlungen  der  (Gesellschaft  für  Geburtshttlfe 

In 

Berlin. 

Siuung  am  28.  Juni  1864. 

Hot  Brandt  berichtet 
Aber  eine  fälschlich   für  Steisslage   gehaltene 
Schulterlage; 

Von  einer  Hebamme,  die  vergeblich  versucht  hatte, 
das  Kind  an  dem  vorliegenden  für  Sleiss  gehaltenen  Kindes- 
tiide  zu  entwickeln,  gerufen,  überzeugte  sich  Herr  Brandt 
dorch  genaue  Untersuchung,  dass  die  eigenthumlicbe  Einkeilung 
einer  Schulter  aufs  täuschendste  eine  Steisslage  vorspiegelte. 
Da  er  bei  tieferem  Eingehen  nirgend  einen  Kopf  erreichte, 
Raubte  er  anfänglich  einen  Acephalus  vor  sich  zu  haben  und 
versuchte  deshalb  die  Entwickelung  an  dem  erreichbai*en 
Arme,  stand  aber  wegen  Erfolglosigkeit  dieses  Verfahrens 
daron  ab  und  ging  nun  neben  dem  Rumpfe  zu  den  Füssen, 
wobei  er  sich  auch  von  dem  Vorhandensein  eines  Kopfes 
tteneugte.  Die  Wendung  und  Extraction  des  schon  längst 
tiigestorbenen  Kindes  gelang  sehr  leicht.  Die  Kindesleiche, 
auf  einen  Tisch  gelegt,  hatte  von  selbst  die  früher  fehlerhafte 
charakleristische  Stellung  angenommen ,  und  Herr  Brandt  Hess 
deshalb  zwei  Photographien  derselben  anfertigen,  die  er  der 
Gesellschaft  vorlegte.         -^ 

Zu  ordentlichen  Mitgliedern  wurden   erwählt  die  Herren 
Dr.  Rose.       Dr.  Martin.      Dr.  Koch.       Dr.  Seebeck. 
Stabsarzt  Dr.  Burchardt 


VflMtiMkr.  r.  QmhwUk.  1866.  Bd.  XXV.,  Hft.  «. 


g2  2*    Verhandlnngen  der  OetelUehaft 

Sitzung  am  18.  October  1864. 
Herr  Martin  spricht  über: 

Zur    Therapie    der    puerperalen   Entzündungen 
der   weiblichen   Sexualorgane.  ' 

Nachdem  man  sich  allmälig  über  die  mit  dem  Wochen- 
bette  in  directeni  Zusammenhang  stehenden  Erkrankungen  der 
Genitahen  durch  sorgfaltiges  Studium  der  Symptome  im  Leben, 
wie  durch  fleissiges  Untersueben  der  Leichen  verständigt  hat, 
därfle  auch  die  Therapie  dieser  Krankheiten  an  der  Hand 
der  Erfahrung  eine  Revision  verlangen. 

Die  Pathologie  des  Wochenbettes  zeigt  aber,  dass  es 
sich  bei  den  Erkrankungen  der  Wöcbnerinnen  als  solcher, 
abgesehen  von  zufalligen  mehr  oder  weniger  entzundticben 
Bronchial-  und  Intestinalcatarrhen,  Endocarditiden ,  Pneumonien 
u.  s.  w. ,  um  folgende  drei  Gruppen  von  organisclien  Läsionen 
handelt:  Erstens  um  die  direclen  Folgen  von  Ein- 
rissen und  Quetschungen  mit  Blutaustretungen  in 
die  Gebärmutter-  oder  Scheiden  Wandungen,  oder  in 
das  umliegende  Bindegewebe  mit  mehr  oder  weniger 
erheblicher  Zerstörung  der  ersteren  bis 'zur  Perforation  und 
Ruptur  und  deren  weiteren  Entwickelungen  —  Resorption, 
jauchigten  Zerfall,  Ulceration  oder  Abscessbildung ,  neben 
welchen  häufig  Peritonäal  -  Exsudationen  einhergehen.  Zweitens 
handelt  es  sich  um  catarrhalische  Entzündungen  der 
Scheide,  der  Gebarmutterhöble  und  der  Eileiter 
und  der  Ausbreitung  dieser  Entzündung  auf  das  BauchfelL 
oder  um  deren  nachtheiligen  Einfluss  auf  die  Rückbildung 
des  Uterus  im  Ganzen  und  die  Contraclion  der  Placentarstelle 
insbesondere  (welche  jedoch  auch  mechanisch  durch  inter- 
stitielle Fibroide  oder  feste  partielle  Adhäsion  der  Placenta 
bedingt  sein  kann)  mit  Thrombosis  der  Uterinvenen  und 
deren  weiteren  Schicksalen:  Embolie  oder  Pyämie.  Endlich 
bandelt  es  sich  drittens  um  Entzündungsprocesse  mit 
diphtheritischem  Exsudat  auf  der  Schleimhaut  des 
Geburtscanales  und  trüb-seröser  Infiltration  des  um- 
liegenden Bindegewebes  nebst  Ausbreitung  dieser  Exsudation 
auf   die   Ovarien,    das   Bauchfell    und    die   grossen   drüsigen 


für  Oebartekfllfo  In  Berlin.  %$ 

Oifine  im  Unlarieibe  oder  die  Lungen  unter  bfiiiflg«in  Er- 
giifleosein  der  Lympbgefösse  in  den  Genttalorganen.  Dvese 
^ifMierilischen  Processe  beruhen  nicht  all«iu,  wie  hiufig, 
anf  direcler  Uebertragung  oder  Einwirkung  fauliger  anitndler 
Stoffe,  sondern  können  auch  durch  ein,  unter  Unisl^nden  sofar 
»tf  Nicbtwöchnerinnen  öfoertragbares  und  sich  reproducirendes 
Cantagium  hervorgerufen  werden. 

Dass  die  erwähnten  drei  verschiedenen  EntstelHingswelsen 
puerperaler  Genitalentziindungen  sich  häufig  unter  einander 
cembiiiireD  und  dadurch  ein  buntes,  im  concreten  Falle 
schwer  zu  entwirrendes  Krankbeitsbild  erzeugen  können, 
bedarf  kaum  der  Erwähnung. 

Was  nun  die  Therapie  dieser  entzündlichen  Sexual* 
erkrankttogen  bei  Wöchnerinnen  anlangt,  so  ist  zunächst  der 
Prophylaxis  hier  um  so  mehr  zu  gedenken,  je  bedi-ohlicher 
HHiBche  der  einmal  in  der  Ausbildung  begriflenen  Krank- 
beilai  si^b  gestalten.  ^) 


1)  Der  strengen  Befolgung  derjenigen  prophylactiRchen 
■regeln,  welche  ich  Monatsschrift  fUr  Gebartsknnde,  1864» 
Band  23,  S.  110  angegeben  habe,  glaube  ich  saschreiben  an 
nassen,  dass  während  der  20  Jahre,  in  welchen  ich  die  gebnrts- 
holfliche  Klinik  su  Jena  (von  1838  bis  1858)  geleitet  habe, 
nickt  mehr  als  31  von  2100  Wöchnerinnen  gestorben  sind,  nicht 
gass  as  1,5  Procent.  Beebnet  man  einen  Todesfall  in  Folge  von 
ToHatindiger  Nahrnngsrerweigernng  bei  einer  wahnsinnigen 
Schwangeren,  einen  anderen  durch  hochgradigen  Morbus  Brightii 
wenige  Stunden  nach  der  Geburt,  einen  anderen  in  Folge  multipler 
Markschw&mme  der  Becken-  und  anderer  Knochen  und  einen 
ebenfalls  in  24  Stunden  nach  der  Geburt  in  Folge  eines  grossen 
Ahseeasee  anf  den  MM.  Psoas  und  lliacns  der  linken  Seite  nach 
einem  mehrere  Wochen  vor  der  Geburt  erlittenen  Falle  ein- 
getretenen Todesfall  ab ,  so  bleiben  26  tödtliche  Ausgänge  in  Folge 
▼OD  entsfindlichen  Puerperalprocessen  nbrig  »«=  1,285  Procent.  — 
Die  aus  Koeh'B  Bericht  (Monatsschrift,  Band  21,  Suppl.-Heft, 
l»i)  S.  146  ff.)  sich  ergebenden  abweichenden  Mortalitftts- 
▼trhSItnlnee  flir*  die  Jenaische  Entbindungsanstalt,  welche  in 
aeaeator  Zeit  mehrfach  citirt  worden  sind ,  betreffen  eine  spätere 
Zeit  (1859  bis  1861).  Die  von  mir  erstatteten  Berichte  ttber 
meine  Amisf&hrnng  an  der  erwfihnten  Klinik  finden  sich  theils 
in  B.  Martin,  Beitragen  zur  Gynäkologie,  1.  Heft,  Jena  1848, 
theils  in  dieser  Monatsschrift,  Band  6,  S.  482  bis  457,  theils 
ebendaselbst  Band  12,  1858,  S.  216  bis  239.  —  In  der  gegenwärtig 

•       6* 


84  X.    VerhandlmiceD  der  Oeselltcbaft 

Vorsiclitiges  Abwarten  der  Geburl  und 
besondere  eioe  den  einzelnen  GeburUstörungen  genau  an- 
gepaMte  Behandlung  mit  niöglidisttr  Beschrankung  der,  wem 
unvermeidlich,  auf  das  sorgfältigste  ausgeführten  operativen 
Eingriffe  wird  eben  so  viel  zur  Verhäiung  der  emslereu 
Erkrankungen  der  Wöchnerinnen  beitragen,  als  eine  der 
Individualität  entsprechend  gewählte  diätetische  Pflege 
nach  der  Entbindung,  sowie  die  Fernhaltimg  aller  fauligen 
oder  coütagiöseii  Stoffe  von  den  eutschwängerten  Genitalien, 
wozu  namentlich  auch  die  fleissige  Erneuerung  der  Luft  io 
dem  Woclienzinimer  unerlässlich  erscheint  Während  im  AlK 
gemeinen  die  Diät  der  Wöchnerinnen  in  den  ersten  Tagen 
mit  Bucksiebt  auf  den  mächtigen  Stoffumsatz,  die  wesentlicti 
veränderte  Blutcüxulatiou  in  den  Genitalii^n  und  den  voraus- 
gegangenen Eindruck  auf  das  Nervensystem,  sowie  auf  die 
am  dritten  und  vierten  Tage  nach  der  Geburt  gesteigerte 
Warmeerzeugung  eine  kühlende,  beruhigende,  vorzugsweiae 
aus  Milch  und  Wassersuppe  zusammengestellte  sein,  und  bei 
kräftigen  Frauen,  zumal  solchen,  die  nicht  selbst  nähren, 
auf  neun  und  mehr  Tage  ausgedehnt  werden  mnss,  gelten 
tHr  schwächliche,  überdies  an  kräftige,  reizende  Nahrung 
gewöhnte  oder  durch  starken  Blutverlust  geschwächte  Wöch- 
nerinnen sehr  erhebUche  Ausnahmen.  Diesen  reicht  man 
Ei-  und  Fleischsuppen  u.  s.  w.  nicht  blos  nach  dem  vierten 
Tage,  sondern  bisweilen  auch  schon  in  den  ersten  Stunden 
und  Tagen  nach  der  Entbindung  mit  Vortheil,  um  Erkrankungen 
zu  verhüten. 

Von  nicht  viel  geringerer  Bedeutung  für  die  Gesundheit 
der  Wöchnerinnen  ist,  wie  begreiflich,  die  horizontale  Lage, 
welche  auf  längere  Zeit  nicht  fiüher  verlassen  werden  sollte, 
als   bis   der  Blutabgang  —   dies   wichtige  Zeichen   der  noch 


von  mir  geleiteten  gebtirtshülflicheo  Untyersit&ts  •  Klinik  sn  Berlin 
sind  von  circa  1600  seit  Ostern  1861  rerpflegten  Wöehnerinaen 
nicht  mehr  als  ffinf  denjenigen  diphtberitischen  Affectionen  d«r 
Genitalien  erlegen,  welche  das  epidemische  Pnerperalfieber  bilden. 
Unter  diesen  fünf  ssn  sehr  Terschiedenen  Zeiten  and  ▼ereinselt 
beobachteten  Fiinen  waren  drei  in  Folge  sogenannter  Selbst- 
infection  entstanden,  zwei  wahrscheinlich  durch  Infection  von 
Praktikanten  veranlasst  worden. 


Mr  Gebnrtflhälfe  in  Berlin.  g5 

eingetretenen  Schliessung  der  Wunde  an  der  Piaoentar- 
ileile  —  beendigt  ist;  fr»mer  die  Art  der  Lage:  auf  dem 
Ucken  oder  der  Seite,  welche  letztere  nach  dem  fSnften 
Tage  weoigstens  zeitweilig  nothwendig  erscheint,  uro  Retn^ 
Versionen  und  Flexionen  der  Gebärmutter  möglichst  zu  ver- 
hiten;  femer  die  Vermeidung  von  Anstrengungen,  insbesondere 
dtf  Baiicbpresse,  von  plfitzlichen  Temperaturwechseln  und  ' 
CcHröthserscbfitteningen  u.  s.  w. 

Was  nun  die  Behandlung  der  einmal  eingetretenen 
Erkrankungen  der  entschwängerten  Genitalien  selbst  an* 
langt,  so  ist  zunächst  nicht  zu  übersehen,  dass  leichtere, 
ja  unter  günstigen  Verhältnissen  bei  sonst  gesunden,  kräftigen, 
zonal  torpiden,  abgehärteten  Frauen  sogar  einzelne  schwere, 
iosbeaondere  die  aus  mechanischen  Ursachen  stammenden 
Efkranknngen  ohne  alle  Kunstliulfe,  sogar  bei  unpassender 
irratioDaler  Behandlung  bisweilen  glücklich  ablaufen.  Diese 
Thatsache,  welche  das  Urtheil  über  therapeutische  Maass- 
regefai  in  hohem  Grade'  erschwert,  muss  der  wahrheitsuchende 
Forscher  nie  aus  dem  Auge  verlieren,  wenn  es  gilt,  den 
Nutzen  vorgeschlagener  Behandiongsweisen  festzustellen. 

Die  von  der  gegenwärtigen  Prager  Schule  empfohlenen 
Abführmittel  zur  Verhütung  und  Bekämpfung  puerperaler 
Entzündungen  haben  ihre  volle  Berechtigung  soweit,  als  es 
sich,  wie  gar  nicht  selten,  um  Kothverhaltung  nach  der  Geburt 
handelt  Die  durch  Entleerung  des  Uterus  plötzlich  veränderte 
Lage  und  Spannung  der  Därme,  die  vorübergehende  Parese  ^ 
der  vorher  stark  ausgedehnten  Baucbniuskulatur  und  die 
fcrminderte  Nahrungsaufnahme  sind  neben  der  gewöhnlich 
beobachteten  absoluten  Ruhe  und  horizontalen  Rückenlage 
gewichtige  Momente  die  Ausleerungen  des  Darmcanales  zu 
NStiren,  weshalb  die  Kunst  häufig  einschreiten  muss.  Welche 
Mittel  dazu  gewählt  werden  sollen,  ist  nach  Beschaffenheit 
des  einzelnen  Falles  zu  bestimmen;  ohne  Zweifel  passt  ein 
Mittel  nicht  für  Alle.  —  Ueber  diesen  Zweck  der  Entleerung 
des  gefüllten  Darmes  hinaus  erscheint  der  Gebrauch  der  Abführ- 
mittd  so  wenig  rationell,  wie  der  früher  eifrigst  empfohlene 
voo  Brechmitteln;  auch  hat  die  Erfahrung  bereits  dargethan, 
dass  viele  an  Entzündungen  der  Genitalien  leidende  Wöchneiinnen 
trotz  der  Ptirgantien,  wie  trotz  der  früher  empfohlenen  Brech- 


gg  X.    Verbandlnngen  der  Gsselltchaft 

miilel  »terben.  Ueberdies  bilden  andauernde  Durcbföile,  spontane 
wie  könstlich  erzeugte,  unter  den  hier  in  Betracht  kommaiKiai 
DmstSnden  nicht  selten  eine  sehr  üble,  sogar  durch  eki- 
greifende  Mittel  nicht  einmal  immer  zu  bewütigende  GfNn- 
plication.  Die  Praxis  wird ,  wie  ub^  die  von  Kitvisch  beim 
Puerperalfieber  empfohlenen  Abführmittel  aus  Caloniel  und 
JaJapa  und  die  von  englischen  Autoren  angepriesenen 
Mischungen  von  Grolonöl  mit  Ricinusöl,  ebenso  auch  aber 
die  Sennainfusa  mit  oder  ohne  Magnesia  sulphurica  u.  dergl., 
so  weit  dieselben  nicht  mehr  dem  oben  angedeuteten  be- 
sonderen Zwecke  dienen,  hinweggehen. 

Daran  reiht  sich  der  heroische  Gebrauch  des  Galomel 
an,  dem  man  eine  specifisch  antiphlogistische  Wirkung  na<sh- 
rubmt.  Dieses  Mittel  hat  in  massigen  Dosen  ohne  Zweifel 
seine  berechtigte  Stelle  als  sehr  mildes,  leicht  zu  nehmeiMleB 
Abführmittel  und  wird  als  solches  auch  von  mir  nicht  selten 
bei  Stuhlverstopfung  der  Wöchnerinnen  in  ein-  bis  zwei- 
gränigen  Dosen  bis  zur  Wirkung  mit  grossem  Nutzen  ver- 
ordnet, obschon  bisweilen  zu  sicherer  Wirkung  eine  Dosis 
Oleum  ricini  nachgeschickt  werden  musste.  Dass  die  durch 
Galomel  oder  durch  Unguentum  neapolitanum  hervorgerufene 
Salivation  schwerkranke  Wöchnerinnen  retten  könne,  glaubt 
jetzt  gewiss  kein  Unbefangener  mehr.  Wer  aber  auch  nur 
einmal  die  dunkelrothe  sammetartig  aufgelockerte ,  mit  eiterigen 
Exsudatflocken  oder  mit  ausgetretenem  Blute  bedeckte  Schleim- 
haut des  Darmes  in  der  Leiche  einer  mit  grossen  Dosen 
Galomel  (von  je  gr.  v — x)  behandelten  Puerpera  gesehen  bat, 
wird  zugeben ,  dass  durch  diese  Anwendung  des  Galomel  eine 
schwere  kCinstliche  Erkrankung  zu  der  ursprunglichen  Geiiital- 
krankheit  hinzugefugt  worden  war,  und  dass  die  Kranke, 
welche  die  ursprungliche  nebst  der  kilnstlichen  Krankheit 
äberwindet,  einer  besonders  glücklichen  Gonstitution  sich 
erfreuen  musste. 

Was  die  zur  Goupirung  der  Peritonitis  puerperaruro  so  oft 
verordneten  Mercurial-Einreibungen  anlangt,  so  habe 
ich  dieselben  in  keinem  Falle  von  einem  nachweislichen  Er- 
folge auf  den  glücklichen  Verlauf  der  puerperalen  Entzündungen 
in  den  Sexualorganen  gesehen,  so  oft  und  so  energisch  ich 
dieselben  angewendet  habe,  oder  auch  von  Anderen  anwenden 


ÜT  Gebarisbälfo  in  Berlin.  g7 

iA.  Dm»  neben  dergleichen  Eini^eibiHigeii  ftraake  genesen, 
wt  el»er  eben  so  sicher,  als  das8  \mk  derselben  eine  duvob 
«iBe  schwere  Stomatitis  veraögerte  Reconvalescens  dnrob* 
nrnachen  hatten.  Bei  Vielen  trat  der  Tod  trotz  dei*  Mund- 
afection  ein,  bei  Anderen  kam  es  trotz  der  tigüch  wiedertiolten 
Einreibiuigen  von  Unzen  der  grauen  Salbe  nicht  einmal  za 
der  eranhntea  Salivation. 

GwMliger  schienen  bei  eingetretenem  Exstidate  zur  Re- 
sorption desselben  Aufpioselangen  mit  Jod-  und  iodkali- 
Us«ng  oder  von  Jodtinctur  einzuwirken,  zumal  wem 
dieselben  mit  lauwarmen  oder  kohlen  Wasserumsohligen  be- 
deckt wurden,  oder,  wenn  sie,  wie  insbesondere  die  4uf- 
piBseiimgen  von  Jodtinctnr,  Blasen  erzeugten  und  dann  eben  so 
■ttslich  waren,  wie  dfler  wiederholte  kleine  Vesicantien. 

Allgemeine  Blutentziehungeu  habe  kh  im  Anfange 
■einer  praktischen  und  klinischen  Wirksamkeit  oft  angewendet 
«d  auch  vielfach  von  Anderen  anwenden  gesehen.  Mit  Aus- 
Dahme  einssdner  FäUe  ungewöhnUcher  Spannung  der  Arterien 
«■d  starker  Beklemmung  bei  frisch  eingetretener  Krankheit, 
wo  der  Aderlass  augenblickUcbe  Erleichterung  brachte,  ist 
■ir  kein  Fall  erinneriich,  in  welchem  eine  nachweislich  ernste 
puerperale  Erkrankung  der  inneren  Sexualorgwie  dadurch 
etscbcidend  der  Genesung  entgegengefahrt  .wäre,  im  Gegen- 
theil  sind  mir  mehrere  Ftile  im  Gedächtniss,  in  welchen 
nsdier  Collapsus  folgte. 

Die  örtlichen  Blutentziehungen,  insbesondere  durch 
Blutegel,  habe  ich  hingegen,  zumal  bis  vor  etwa  zehn  Jahren, 
lekr  häufig  und  ausgidiig  in  Anwendung  gezogen ;  gewöhnlich 
winden  10  bis  16  Stück  Blutegel  auf  einmal  auf  die  schmerz- 
hafte Stelle  des  Unterleibes  gesetzt  und  nach  12  Stunden 
bisweilen  vier  bis  sechs  Mal  wiederholt,  bis  die  Empfindlich- 
keit gegen  Druck  schwand.  Im  Allgemeinen  zeigten  sich  da. 
wo  nicht  Thrombosis  oder  Lympbangoitis  im  Spiele  waren, 
die  Resultate  befriedigend;  doch  ist  mir  in  zwei  ungünstig 
endigendeD  Fällen  der  Verdacht  aufgestiegen ,  dass  auch  diese 
Bhieotxieiittngen,  zumal  wenn  die  Nachblutung  sehr  hmge  fort- 
gedauert hatte,  den  Collapsus  beschleunigen  können.  Immerhin 
werden  wir  die  örtlichen  Bluteutziebungen  bei  Behandlung  der 
puerperalen  Entzöndungell  nicht  ganz  entbehi*en  können. 


I 

j 


gg  X.    Verlumdliing6&  d«r  Gdselkchaft 

WesenÜtcb  bMchränkt  wurd«  der  Gebrauch  von  Bhitegcio« 
MÜ  ich  vor  eiwa  10  Jahren  angefongen  habe,  den  scbmerz* 
baftan  Unterleib  der  Wöchnerinnen  mit  kühlen  oder  kalieo 
Wasaerumschlägen  zu  belegen.  Diese  mit  vier-  bis 
secbafach  susanmengelegten  Servietten,  welche  je  nach  der 
höheren  oder  geringeren  Wärmeentwickelung  und  dem  Behagen 
der  Kranken  in  Wasser  von  8 — 24^  E.  getaucht  und  voU- 
slindig  auageningen  waren,  hergestellten  und  wiedenira  nach 
dem  Grade  der  W&rmeentwickelung,  alle  viertel  bis  iwei 
StOBden  gewechselten  Umschläge  wurden  stets  mit  eiaem 
wollenen  Tuche  bedeckt,  und  so  lange,  in  einzelnen  Falien 
sogar  mehrere  Wochen  lang,  fortgesetzt,  als  die  Kranken 
sich  dabei  wohl  befanden.  Gebildete  Frauen  haben  mir  wieder- 
holt die  Wirkung  dieser  temperirten  Umschläge  gerühmt  und 
oft  deren  Anwendung  wieder  verlangt,  wenn  dieselben  aus^ 
gesetzt  waren,  weil  dieselben  zur  Beruhigung  und  insbesondere 
zur  Herstellung  des  für  Wöchnerinnen  so  wichtigen  Schlafee 
beitrugen.  Bei  dem  regelmässigen  Gebrauche  dieser  Wasser* 
umschlage,  wie  sie  seit  10  Jahren  in  den  von  mir  geleiteten 
geburtshülfUchen  und  gynäkologischen  Kliniken  dann  zur  An* 
Wendung  gekommen  sind,  wenn  entzündliche  Erkrankungen 
der  Sezualorgane  auftraten,  habe  ich  gegenüber  den  früher 
behandelten  Fällen  folgrade  besondere  Wahrnehmungen  gemachl: 

1)  Dass  im  Allgemeinen  viel  seltener  und  wenn  doch,  viel 

weniger    beträchtliche    Peritonäalezsudate    zu    Stande 
kommen ; 

2)  dass  der  bei  diesen  Erkrankungen  sehr  häufige,  und  an 

sich   schon  •  gefahrliche   Bieteorisrous,   wo   nicht  ganz 

beseitigt,  doch  auffallend  gemässigt  und  auch  dadurch 

die  Heilung  begünstigt  wurde. 

Einen   deutlichen  Beweis   für  den  Nutzen  dieser  kühlen 

Wasserumschläge   lieferte   mir  unter  vielen  anderen  folgende 

Beobachtung. 

Eine  Kaufmannsirau ,  24  Jahre  alt,  Erstgebärende,  war 
am  23.  März  unter  ärztlichem  Beistande,  aber  ohne  besondere 
Kunsthfilfe  entbunden  und  alsbald  an  einer  Endometritis  er- 
krankt, zu  welcher  sich  Perimetritis  bald  hinzugesellte.  Trotz 
Anwendung  von  Blutegeln,  Calomel  und  Unguentum  neapolitam. 
stieg  das  Fieber  und  unter  den  von  ihrem  Arzte  verordneten 


für  OBboftobiilfo  in  B^riiii.  80 

Cat^ibMiMn  wuchs  der  MeterorMinuB  und  damit  die  Albemnoth 
tewamen,  das«  der  besorgte  fibemaiin  meine  Zuiiebimg 
nriangle;  idi  faod  am  27.  HSrz  Abends  Puls  120,  Temperai4ir 
beträchtKcli  erhöbt,  den  stark  aufgeiriebeuen  Leib  sehr 
«■pfindiich  gegen  Druck,  Stuhl  verstopft  Die  Percusston 
idgle  im  Hypogastrio  Dämpfung,  weiter  oben^  deutiich 
tympanitiachen  Schall.  Die  Scheide  erschien  sehr  heiss,  der 
Mottenamd  offen,  wulstig,  empfindlich;  die  Brüste  massig 
griiik  (Metroperitonilis  puerperaUs).  Statt  der  warmen  Cata- 
pbmen  wurden  allmiiig  immer  kühlere  Umschläge,  ferner 
Eiaspriliiiiigen  mit  lauem  Leinthee  und  innerlich  Nitrum  in 
Emiino  papa?erina  mit  Aqua  laurocerasi  verordnet.  Die 
fslgsndc  Nacht  war  bereits  nach  Abgang  von  vielen  BlähuiH^eB 
rahiger;  die  Schmenen  im  Unterletbe  verminderten  sich,  der 
Dwst  kess  nach,  der  Puls  sank  auf  110.  —  Portsetsung 
der  Therapie.  Als  am  29.  März  nach  einem  heftigen  Aerger 
«ine  neue  Verschlimmerung'  mit  bitterem  Geschmacks,  ver« 
aehrtem  Fieber  eingetreten  war,  liess  Patientin  die  kAhlen 
DflncUage  ohne  Verordnung  weg  und  trank  einen  bittereu 
Thse.  Ich  fand  sie  daher  am  30.  März  von  Neuem  wesentlich 
vcrschliraoiert,  drang  auf  die  Wiederanwendung  der  kiUen 
UmseUäge,  auf  welche  bald  von  Neuem  Nachlass  der  Be« 
schwerden  folgte  und  drei  Tage  später  die  Reconvalesceni 
bo  weit  vorgeschritten  war,  dass  ich  die  weitere  Behandlung 
den  Hausarzte  öberiiess.  Einige  Wochen  später  hat  sich  die 
väUig  Geneeene  mir  in  meiner  Wohnung  vorgestellt 

Die  vielfach  empfohlenen,  auch  von  mir  früher  viel  all- 
gemeiner  als  jetzt  bei  puerperalen  Entzündungen  angewandten 
warmen  Umschläge  (Calaplasmen)  .habe  ich  auf  diejenigen 
Fäle  besdu^änkt,  in  welchen  Abscesse  der  breiten  Mutter- 
u.  s.  w.  gezeitigt  und  zur  Entleerung  gebracht  werden 
Indem  diese  feuchtwarmen  Umschläge  die  Erweiterung 
der  betareffenden  Capillaren,  also  den  Blutreichthum  der  Theüe 
und  somit  die  Exsudation  vermehren,  sind  sie  vollkommen 
geognet,  den  angegebenen  Zweck  zu  erfüllen.  Aus  demselben 
Gnmde  erseheinen  sie  aber  unzweckroässig  im  Beginne  der 
puerperalen  Entzündungen,  und  zwar  um  so  unpassender, 
je  hdher  die  Temperatur  der  Kranken  erlahrungsmässig  bei 
diesen  EotzAndiragen  zu  steigen  pflegt,   so  dass  eine  Hinzu* 


90  X*    Verhatidlan^n  d«r  OeBellschaft 

fügutig  von  Warme  ffir  die  Kranken  nicht  blos  Iftstig,  sondern 
anch  gefiührlich  werden  muss.  Abgesehen  von  den  leider 
nur  zu  häufig,  besonders  bei  Privatkranken  vorkomiaeiiden 
Verbriihungen  der  Bauclifaaut,  abgesehen  femer  von  den  oft 
genug  dadurch  hervorgemfenen  Frieselbiidungen  und  dem 
häufig  geklagten  peinlichen  Hitzegefuhl  der  Kranken  habe  ioli 
in  der  Regel  bei  Anwendung  von  warmen  Cataplasmen  weil 
massenhaftere  Exsudate  in  der  Peritonealhöhle  und  den  immer 
bedenklichen  Meteorismus  hi  stärkster  Ausbildung  gesehen. 
Nach  diesen  häuMg  wiederliolteii ,  aiicli  in  der  consnltaliven 
Praxis  und  in  fi'emden  Hospitälern  gemachten  firfahnnigen 
kann  ich  daher  die  Anwendung  der  warmen  (d.  h.  ober  38®  (7. 
wannen)  Breiumschläge  im  Anfange  der  puerperalen  Eni- 
zAfidungen  und  so  lange  als  die  Vermehrung  der  Exsudalien 
nicht  beabsichtigt  wird,  nicht  befürworten.  Dabei  will  ich, 
um  Missverständnisse  zu  verhüten,  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  die  Cataplasmen  in  grossen  Krankenhäusern,  wie  ich 
in  meiner  gynäkolo^schen  Klinik  des  Cbarite- Krankenhauses 
off  gesehen  habe,  gewohnlich  die  Körpertemperatur  der 
Kranken  nicht  viel  übersteigen,  auch  nur  drei  bis  vier  Mal 
am  Tage  gewechselt  werden,  während  in  der  Privatpraxis  die 
Cataplasmen  sehr  häufig  -die  höheren  Wärmegrade  zeigen  und 
daher  öfter  zumal  bei  der  häufigen  Erneuerung  VerbreRRiing 
veranlassen. 

Sehr  häutig  stellt  sich  die  Aufgabe  der  Therapie  im 
Anfange  der  puerperalen  Entzündung  so,  dass  es  gül,  den 
Zerfall  des  in  die  Gewebe,  besonders  in  das  Bindegewebe, 
um  den  Multerhals  und  die  Scheide  ^ergossenen  Blutes  su 
verhüten,  wie  z.  B.  nach  Quetschungen  bei  langwierigen  Ge- 
burten wegen  Beckenenge,  nach  schweren  geburtshäif liehen 
Operationen  u.  s.  w.  Hier  würde  die  vermehrte  Wärme  den 
Zerfiall,  die  Verjauchung  des  Blutes  befördern,  eine  Wirkung 
der  warmen  Umschläge,  welche  die  Erkrankung  in  sehr  ge- 
fthrlicher  Weise  steigern  muss.  In  diesen  Fällen  vermag 
umgekehrt  die  Kälte  die  jauchige  Zersetzung  des  ausgetretenen 
Bhites  zu  verhüten  und  die  Zertheilung,  Resorption  und  Heilung 
anzubahnen.  Gerade  hier  finden  daher  nach  meiner  Erfahmng 
die  Eisumschläge  ihre  eigentliche  Stelle,  während  dieselben 
bei   diphtheritischen  Processen   und  deren  Folgen,   dem  so- 


för  Gebnrtibilfe  tu  Berlin.  91 

geoaniHen  epideniischeii  oder  contagiöflen  Puerperalfieber  keineD 
HiiekikAeD    Kiitzen    schaffen.     Bei    den    a«f  die   erwfihntoD 
TniMwn  folgende»  Entiäaduiigen  babe  ich  nach  mebrstfiiidiger 
A|iplicattoii    der   Eisblase  auf  den   Unlerieib   die  TemperaluV 
in  der  Scheide  am  1  —  V'J^  C.  fallen  gesehen;  die  KraMkc« 
fftUen  sich  nicht  allein  wobler,  sondern  genasen  andi  hiafig 
dank  Zertheilung  der  Extravasate  in  verhMtnissRilssig  kurzer  Zeü 
Neben   den  erwähnten  Wasserumsefaiägen   rouss  ich  den 
lägKch   xwd   Us   sechs  Mal   wiederholten  Ausspritzungen 
der  Seheide   mit  lauem  Wasser  oder  Leinsamenthee  einen 
eetscMedeaen   Nutzen  bei  der  Behandiung  puerperaler  Eni* 
ztadungen  der  inneren  Genitalien  zusprechen.    Die  AusspfilMig 
des  der  Zersetzung  unterworfenen  Loohialtiisses  erscheint  von 
9^toter  Bedeutung,  wenn  man  erwogt,  dass  die  Zersetzung«* 
predacte  den  nachtheiligsten  EinOuss  auf  die  wunden  Stellen 
an  Hiillennunde    und   in   der   Scheide  ausüben.    Wo  sich 
eine  derartige  Zersetzung,   welche   durch  den  Ahlen  Geruch 
sofort  angedeutet  wird,  einstellt,  müssen  den  Einspritzungen 
Theerwaeser  oder  Liquor  chlori,   oder  eine  Lösung  ?on  Kali 
bypennangan.    beigemischt   werden.     Gilt   es   hingegen  blas 
die  Ueberhautung  der  wunden  Schlehnhautstellen  im  Geburt«- 
cnale  zu   beschleunigen,   so  sind  Zusätze  von  Aqua  plumbt 
hobam,   während   bei   diphtheritischen,   von  ödematösen  An- 
schwellungen umgebenen  Geschwüren   täglich  wiederholte  Be- 
späluogen    mit   einer  Lösung   des  Argenturo   nitricum   oder 
Cupram  sulphuricum,  in  den  späteren  Tagen  des  Wochenbettes 
aber  auch  laue  Sitzbäder  mit  Tannin   oder  Alaun  durch  die 
Erfahmag  erprobt  and. 

Hitiaiebtiich  der  inneren  Medication  bemerke  ich,  ab- 
gesehen  von  dem  oben  Erwähnten,  zunächst,  dass  ich  kein 
Speeificum  des  sogenannten  Puerperalfiebers  kenne. 
Weder  der  Gebrauch  des  Chinins,  welcher  bei  bestimmten 
ZüföUen ,  z.  B.  den  erratischen  Frostanfällen ,  der  Thrombose, 
inabesondere  der  sogenannten  Phlegmaria  alba  dolens  u.  s.  w. 
gele  Dienste  leistet,  noch  die  Anwendung  des  Seeale  comutum 
hat  sieh  mr  als  Verhütungs*  oder  specifisches  Heilmittel  dieser 
Erkrankung  bewährt« 

Bei  dem  Beginne  der  entsändlichen  Processe  habe  ich 
am  hlufigstoi  das  Natrum  nitricum   oder  das  Kali  aceticuni 


92  ^-    Verfa«idl«iig6ii'  der  Gesellschaft 

mit  befriedigeiMieni  Erfolg«  veroittnet,  nacbdem  der  Damicanal, 
wenn  nöüiig,  «ntieerl  war,  in  anderen  Fiilen,  zumal  bei  Durcb- 
Mien:  Acidom  muriatieum  oder  phospboricam.  Die  MgiCaiis 
habe  ieh  ebenso  wie  das  Digilalin  und  das  Extr.  Aconili 
mehrfach  in  Anwendung  gezogen,  jedoch  kaum  einmal  einen 
naehweislicfaen  Nutzen  davon  gesehen.  Das  Opium,  zumal  das 
Exir.  opii  aquos.  that  bei  Aufregung  SngsUicher  Kranken, 
sowie  bei  Erschöpfung  drohenden  Durchfallen  in  der  Regel 
gute  Dienste,  doch  musste  demselben  in  letzterem  Falle 
bisweilen  ein  Decoctum  rad.  Columbo  oder  eine  Solutia 
argen ti  nitrici  substituirt  werden.  Bei  den  AngstanfSilen  und 
4er  Schlaflosigkeit,  welche  den  Frieseleruptionen  vorhergebeD. 
habe  ich  vom  Morphium  aceticum  auch  wobt  im  Wechsel 
mit  Campbor  neben  Acidum  phosphoricum  dann  und  wann 
«nzweifelbaflten  Nutzen  gesehen.  — 

Dass  bei  Abscessbildungen  in  den  breiten  Mutterbändern 
IL  s.  w.  baldige  Eröffnung  mit  dem  Messer  unerläs^ch  ist, 
bedarf  kaum  einer  Ausführung. 

An  diese  Bemerkungen  über  die  Therapie  der  puerperalen 
Genitalentzundungen  mögen  sich  folgende  Krankengeschichten 
theils  als  Belege,  iheils  zur  Ermuthigung  jüngerer  Aerzte 
bei  schweren  Zufällen  anreihen. 

Erster  Fall. 

Geburt  bei  erster  Gesichtslage.  Vergebliche  Operations  versuche 

mehrerer  Aerxte ,  Scheiden-  und  Dammriss.    Kephalothryptie, 

iKtenag  der  Plaoenta  wegen  fester  Verwachsung.  Metriüs, 

Oolpltls.    BlsamscUäge  a.  s.  w:    Genesung. 

Frau  A.  H.y  29  Jahre  alt,  Erstgebärende,  in  der  Kind- 
heit scrophulös,  mit  17  Jahren  regelmässig  in  vterwöchentlichen 
Intervallen  und  mit  achttägiger  Dauer  unter  grossen  Schmerzen 
menstruirt,  zuletzt  am  5.  September  1863;  bemerkte  die 
KindesbewegUHgen  seit  Ende  Januar.  Abgesehen  von  dem 
Gefühle  grosser  Schwäche  und  Hinfälligkeit  war  die  Schwangere 
gesund.  —  Am  22.  Juni  früh  4  Uhr  soll  das  Fruchtwasser 
mit  nachfolgenden  wehenartigen  Schmerzen  abgeflossen  sein. 
Letztere  traten  erst  in  der  folgenden  Nacht  häufiger  auf. 
Am  26.  Juni  Morgens  sollen  von  dem  hinzugerufenen  Arzte 
mehrere  Dosen  Seeale  cornutum  gegeben  sein,  wonach  die 
Wehen    schmerzhafter   wurden.     Abends   9   Uhr   wurde  von 


mv  QebnrttJittUe  in  Uewüa,  ^ 

fkn  wieder  berbeigeholien  Arzte  der  Forceps  appUcirt,  jadocb 
eine  Erfolg.  Nach  heftigen  Wehen  wui*de  am  24.  Juni 
Nergeps  4  Uhr  der  Versuch  mit  der  Zange  von  einem  anderen 
Arzic  wiederholt,  doch  folgte  mehrmaliges  Abgleiten  der  LöffoJ. 
Gegen  8  Uhr  früh  wurde  die  Kreissende  völlig  erschöpft, 
mit  kleinem  kaum  fühlbarem  Pulse  und  tief  verfallenem  Aus« 
aehen  in  die  geburtshülfliche  Klinik  transporlirt  Die  äusseren 
Genitalien  erschienen  angeschwollen,  mehrfach  eingerissen, 
insbesondere  der  Damm,  in  der  hinteren  Scheidenwand  i^schts 
und  links  iwei  l'^ — 2  Zoll  lange  tiefe  Längsrisse.  Das  in 
d«r  Beckenhöhle  eingetretene  Gesicht  des  abgestorbenen  Kindes 
leigt  das  Kinn  nach  rechts  und  hinten  gerichtet,  die  Stirn 
vom  und  hnks.  Die  Beckenmessung  ergab  Sp.  L  =  9^1%^ ^ 
Cr.  L  =  10 V«",  Conj.  ext  =  7  V-  Beide  Diam.  obliq.  =  T'. 
In  entsprechender  Chloroform -Narcose  applidre  ich  an  den  mit 
dem  Gesichte  vorliegenden  Kopf  meinen  Kepbalotbryptor  und 
Ähre  drehend  das  Kinn  unter  den  Schambogen,  worauf  die 
Extractiou  leicht  gelingt.  Da  eine  beträchtliche  Metrorrhagie 
folgte  und  das  Uervordnicken  der  Placenta  aus  dem  regel- 
recht uffifassten  Uterus  nidit  gelang,  musste  die  Hand  ein«* 
geführt  nnd  die  abnorm  fest  an  der  rechten  Seite  der 
Gebärmutter  adhärente  Stelle  des  Mutterkuchens  gelöst  und 
lue  Nachgeburt  entfenit  werden. 

Das  Kind  wiegt  7  Pfund  2  Loth,  ist  13"  resp.  19''  lang, 
gut  ausgebildet ;  die  Scheitelbeine  sind  ausgiebig  zertrümmert. 

Wochenbett .  Den  24.  Juni  Abends  6  Uhr:  Die 
Wöchnerin  sieht  verfallen  aus,  ist  liusserst  erschöpft,  klagt 
über  Schmerz  in  dei*  Unterbauchgegeud  und  an  den  äusseren 
Genitalien;  letztere  sind  beträchtlich  geschwollen.  Das  Abdomen 
ist  bei  Berührung  empfindlich,  der  Mutterkörper  besonders 
oberfaalh  der  Symphyse  und  an  seinen  Seitenrändem  beim 
Dmcke  äusserst  schmerzhaft.  Der  verhaltene  Harn  muss  mit 
de»  Katbeter  oitleert  werden.  Puls  120.  Temperatur  39,5®  C. 
Ordinal.  Natr.  nitric*  3q  in  3  vi  Aq.,  Vaginaliqjectionen  von 
Lmsameothee  mit  Aq.  plumbi;  Eisblase  auf  den  Unterleib. 

25.  Jini.  Morgens:  Schlaf  unrahig,  lebhafter  Schmerz 
io  der  Unterbauchgegend,  erhöht  durch  Versuche,  sich  zu 
kwegen,  ebenso  bei  der  Palpation  besonders  des  rechten 
SeUenrande»    der  Gebärmutter.     Haut  mit  Scbweiss  bedeckt, 


94  ^'    VerkftildliiDKeti  der  OeieHschaft 

ktcM68  Htt«ieln,  Harnblase  stark  gefOltt;  bei  d^n  Hiist^^ndCdssea 
fliegst  Urin  ab;  wiederholte  Anwendung  des  Katheters.  Der 
Iiocfabifluss  ist  äusserst  ilbelriecbend ;  subjeetives  GeflUiI 
ausserster  Ermattung  und  Hinfölligiieit,  Zunge  leicht  belegt, 
Appetit  schlecht.  Puls  130,  Temperatur  40,5 ^  C.  Ordinal,: 
Eisblase  auf  den  Leib,  Vaginalinjectionen  mit  Aq.  Chlori,  inner- 
lich Sohlt.  Nalri  nitrier.  —  Abends:  Puls  140,  Temperafor 
41,5^  0.  Blase  gefilllt,  muss  durch  den  Katheter  entfeerC 
werden,  Haut  feucht. 

26.  Juni.  Morgens:  Kein  Schlaf,  starker  Schweiss  wSbrefHl 
der  Nacht,  Schmerz  in  linker  Weichengegend  äusserst  lebhaft, 
in  den  Knken  Schenkel  ausstrahlend.  Uterus  gut  contrahirl, 
Fnndus  zwei  Finger  breit  unter  dem  Nabel,  bei  Berührung 
noch  sehr  empfindlich,  Lochialfluss  noch  sehr  übelriechend, 
vermehrte  Schwellung  der  äusseren  Genitalien.  Temperatur 
40®  C,  Puls  126.  Injectionen  fortgesetzt,  ebenso  Eisblase 
aufs  Abdomen. —  Abends:  Grosse  Mattigkeit,  Appetitmange], 
Urin  immer  noch  verhalten.    Puls  136,  Temperatur  40,8  ®  C 

27.  luni.  Morgens:  Schlaf  fehlt  trotz  Morph,  acet.  gr.  ^'4. 
Puls  131,  Temperatur  40,5 ^  Haut  feucht,  Aber  Nacht  eiti 
leichter  FrostanM.  BHIste  gespannt,  empfindlich;  Stuhl- 
gang ist  nicht  erfolgt;  Urin  durch  den  Katheter  entleert, 
Appetit  mangelhaft.  Die  in  die  linke  Extremität  ausstrahlenden 
Sehmerzen  noch  äusserst  lebhaft,  Uterus  gegen  Berührung 
besonders  Imksseitig  und  dicht  über  der  Symphyse  sehr 
schmerzhaft.  OrdinaL:  Wegen  des  anhaltenden  Hustens, 
welcher  die  Leibsohmerzen  hervorruft:  Solut.  Ammon.  muriat, 
Clyismen,  Injectionen  und  Eisblase  fortzusetzen.  —  Abends: 
Puls  140,  Temperatur  41®  (7.  Subjective  Klage  über  Reissen 
in  der  linken  UnterextremitSt,  zumal  bei  Bewegungen  der^ 
selben.    Lochialfluss  noch  übelriechend.    Morph,  acet  gr.  1/4. 

28.  Juni.  Unruhiger  Schlaf.  Aussehen  noch  sehr  matt, 
verfallen,  subjeetives  Befinden  jedoch  besser.  Leib  immer 
noch  auf  Druiok  empfindlich,  Aosfiuss  übelriechend.  Schmerzen 
beim  Wechseln  der  Lage  im  Bette,  Haut  feucht.  Puls  134, 
Temperatur  39,5^  0. ;  Stuhlgang  nach  dem  Clysma  dannflüssig; 
Urin  muss  noch  durch  den  Katbeter  entleert  werden.  — 
Abends:  Appetit  mangelt,  der  Husten  ist  verschwunden. 
Puls  130,  Temperatur  40,5. 


lilr  Gabvrtihfilfe  in  Betflki.  M 

99.  Jttiüu  ScMaf  durch  Morphnmi  wihrood  der  kalben 
fbdH  flnick.  Puls  134.  Temperatur  39,6.  UriaentieeruDg 
erfolgt,  die  Amchwellung  der  Genitalieii  hat  elwae 
1,  die  Ruptur,  perin.  beginnt  zu  heilen;  die  Sehmeri«- 
>  der  Uteringegend  ist  noch,  jedoch  massiger  verhanden; 
die  EiBWMehlige  werden  mit  l&öhlen  Wasserfomenlen  ver«- 
üuschl,  die  Injectionen  fortgesetzt.  —  Abends:  Puls  130, 
Tenperatiir  4D^  C.  Appetit  mangelhaft,  Stuhlgang  durch 
Di.  ridni  erzielt  Ziehende  Scbnierzen  auch  in  der  rechtad 
GtiroDität  von  dem  Becken  ausstraMeiid.  Morph,  acet  Ein- 
rdbang  des  Schenkels  mit  Liniment  e  sapon.  terebinlhin., 
EMhUsn  der  EitremiUt  in  Watte. 

30i  Jvoi.  Schlaf  einige  Stunden  während  der  Nacht; 
isWMmeriD  fühlt  sich  wohler.  Leib  noch  mj^ssig  empfind«* 
kh.  Drin  und  Koth  spontan  entleert.  Pols  116,  Temperatur 
39«  C.  —  Abends:  Puls  120,  Temperatur  39,8«  C. 

1.  Juli.  Schlaf  immer  noch  gestört,  daher  Morph,  acet. 
V'^1%:  Gesicbtsausdruck  weniger  verfallen, -Appetit  gut.  Haut 
Bteig  feticbi.  Puls  108.  Temperatur  38Jb^  C.  Bei  Be- 
wgongen,  die  noch  beschwerlich  und  schmerzhafte  Empfindungen 
»GcBchöas  hervorrufen,  fliesst  Urin  ab,  ebenso  heim  Husten, 
blsrleib  kaum  mehr  abnorm  enyfindlich«  Fundus  uteri  noch 
äru  zwei  Finger  breit  ober  der  Symphyse.  Stuhlgang  spontan 
erfolgt.  —  Abends:  Puls  116,  Temperatur  39<>  C.  Die 
kiectioaea  werden  fortgesetzt,  ebenso  die  temperirten  Wasser« 
HHcUige. 

fai  den  folgenden  Tagen  des  Jiili  sinkt  die  Temperatur 
atf  S?^«"— 38«  a,  der  Puls  von  100  bis  auf  82. 

Öl  JoIL  Die  Schmerzhafligkeit  des  Leibes  ist  gewichen, 
dis  Rciasen  in  der  linken  Unterextremität  noch  geblieben, 
cboMo  der  mangelhafte  Schlaf  und  das  Hamträufeln ;  Fundus  uteri 
siebt  mehr  dber  der  Symphyse  fählbar.  Appetit  gut ;  subjectiv 
aouer  dem  oben  erwähnten  Reissai  vMliges  Wohlbefinden. 

10.  inIL  Die  Scheidenriase  sind  in  der  Vemarhung  be* 
gpfai  und  erscheinen  besonders  lioksseitKcli  und  vom  ak 
«aade  hervorragende  Zftge;  der  Dammrias  ist  fost  verheilt. 
b  werden  w^gen  des  noch  vorhandenen  Hamträufelns  und 
Vraiaar  ScUaffheit  der  Vaginalwand  laue  Sitsbider  mit  Bieben- 
nadeaabkocbung  verordnet. 


90  X.    Veriiftodloiigoii  der  GMell«eh»ft 

20.  ittli.  Da»  Hanilrittfeln  hat  sich  verloren,  derAppetiC 
und  Sdilaf  siAd  normal;  die  Wöchnerin  hat  beute  das  Belt 
varlaasen;  das  Geben  ist  aber  nur  möglich,  wenn  sie  sich 
auf  awei  Wärterinnen  stfitzt,  äusserst  sohmersbaft;  sie  beugi 
den  Oberkörper  nach '  vorn  und  stutzt  beim  Geben  die  Htade 
auf  die  Oberschenkel,  das  Sitzen  ist  weniger  schmerzhaft  und 
beschweriich. 

26.  Juli.  Anstatt  der  Sitzbad  er  werden  seit  zwei  Tagen 
InjecUonen  von  SoluL  argent.  nitric.  in  die  Scheide  gemacht; 
das  Gehen  ist  immer  noch  beschweriich,  dabei  aber  subjectives 
Wohlbefinden. 

1.  August.  Die  Risse  in  der  Scheide  und  im  Perinium 
sind  vernarbt,  Urinentleerung  und  Stuhlgang  erfolgen  regel- 
massig; die  Wöchnerin  geht  ohne  Schmerz  und  Beschwerde, 
daher*  gesund  entlassen. 

Zweiter  Fall. 

Wiederholte   vergebliche  Wendungsversnche   zweier  Aermie 

wegen  Querlage  fler  Frucht,  Transport  der  Kreisaenden  in 

die  Oebäraaatalt.    Entbindung  mittels  Wendimg.    Oaa 

im  ütema.    Paraaetritis.    Genesung. 

Friederike  ß.y  37  Jahre  alt,  gross,  mittelmSssig  ge- 
nährt, Fabrikaii)eiterin  in  A.,  hatte  bereits  fünf  Mal  stets 
nach  langer  Geburtsdauer,  wiederholt  unter  Anwendung  der 
Zange  todte  und  einmal  im  achten  Monate  ein  lebendes  Kind 
geboren,  als  sie  im  Mai  1849  sich  von  Neuem  schwanger 
filhlte  (letzte  Regel  Mitte  April).  Am  20.  Januar  1850  sollen 
sich  Wehen  eingestellt  haben  und  das  Fruchtwasser  abgeAossen 
sein,  am  23.  hatte  ein  Arzt  angeblich  wegen  Gesichtslage 
einen  wiederholten  Wendungsversuch  gemacht,  jedoch  nur 
beide  Arme  und  zwar  gebrochen  in  die  Scheide  herabgeftrdert« 
Als  ich  am  Morgen  des  24.  wegen  einer  anderon  Kranken 
in  A.  anwesend  war,  forderte  mich  der  bei  der  erwähnten 
Kreissenden  elienfalis  zugezogene  Physicus  auf,  die  Entbindung 
zu  Qbernehmen.  Ich  Hess  die  bereits  sehr  erschöpfte  Kreissende, 
welche  aber  grosse  Empfindlichkeit  des  I^ibes  klagte  und  m 
der  Nacht  heftig  phantasirt  haben  sollte,  und  bei  welcher 
neben  beiden  Händen  eine  kalte  pulslose  NabdschnurscUinge 
aus  der  Schamspalte  herausging,  in  Betten  auf  einem  ScUitteu 
in  die  Entbindungsanstalt   nach  Jena   transportiren ,    wo   sie 


r 


fQr  GebvrtshUlfe.  in  B«rlin.  97 

on  1  Ohr  Mittag«  anlangte.  Di«  Wehen  hatten  fast  ginilich 
eesairt,  dagegen  waren  wiederliolte  Ohnmächten  und  ein 
FhMta«rall  zugegen  gewesen.  Puls  120,  Haut  trocken,  An- 
sehn  veifaUeD,  Angen  tiefliegend ,  Wangen  lividroth.  Listiger 
SlahldraBg,  da  seit  dem  20.  keine  Ausleerung  erfolgt  war. 
Leib  mter  der  Herzgrube  von  Gas  aufgetrieben ,  sehr  empfind- 
fich,  gestattete  eine  genauere  Betastung  nicht  Der  in  die 
Seheide  eingeführte  Pinger  traf  in  der  rechten  Beckenhälfle 
a«f  die  beiden  Schhlsselbeine.  In  tiefer  ChlorofornAiarkose 
der  auf  der  linken  Seite  liegenden  Kreissenden  fährte  icii  um 
2  Uhr  Nachmittags  die  rechte  Hand  in  die  GebärmutterhöUe 
ein,  aas  welcher  dabei  eine  Menge  stinkenden  Gases  nebst 
einer  blutigen  FIflssigkeit  hervorströmte  und  vollzog  an  beiden 
Pieaen  die  Wendung.  Die  Extraction  des  6  Pfund  12  Loih 
schweren,  12  Zoll  resp.  18  Zoll  langen  Knaben,  an  dessen 
Nnker  Schulter,  Hals  und  llnterkieferhaUte  eine  beträchtliclie 
Geschwulst  die  ursprüngliche  Lage  der  Frucht  documentirte. 
■achte  keine  erhebliche  Schwierigkeit,  obschon  das  Becken 
durdi  das  nach  links  vorspringende  Promontorium  vei'engt 
erschien.  Die  Nachgeburt  fand  sich  sogleich  in  der  Scheide 
■ri  w«rde  entfernt.  Auf  den  noch  immer  tympanitisch  auf- 
gelriebenen  sehr  schmerzhaften  Unterleib  wurden  12  Blutegel 
gelegt  und  kalte  Umschläge  gemacht,  sowie  Vaginalinjectionen 
Mt  einen  Infus,  flor.  Amicae  und"  ein  Klystier  verordnet  — 
Die  Nadit  zum  25.  wenig  Schlaf,  Puls  104.  Leib  zumal 
iber  der  rechten  Weiche  schmerzhaft,  Stuhl  fehlt  noch  immer; 
starker  Neteorismus,  daher  Calomel  gr.  ij,  Bad.  Jalapp.  gr.  vi 
iweistäadlicli.  12  Blutegel  auf  die  schmerzhalte  Stelle,  Schnee- 
itifhligc.  In  der  Nacht  zum  26.  stellte  sich  zwar  einmal 
Bfhredieo  einer  grflnhchen  mit  schwarzen  Fasern  gemischten 
Htfciaigkeit,  ab^  auch  Kothausleerung  ein,  worauf  die  Schmerz* 
hifligkeit  und  Spannung  des  Leibes  nachiiessen.  Puls  120. 
Die  reicMichen  Gas-  und  Kothausleerungen  dauern  noch  am 
27.  fort  In  den  folgenden  Tagen  erregte  ein  unwillkuhrhcher 
iianiiluaa  mit  Brennen  in  den  Genitalien  den  Verdacht,  dass 
«Me  Blaseoscheidenfistd  entstanden  sei,  allein  die  sorgfältige 
Eipioration  ergab  am  2.  Febniar  nur  eine  entzündliche 
AascbweHttDg    der    vorderen    Multermundslippe    und    Blasen* 

aoo«i«4ehr.  f.  0«baruk.  1665.  Bd.  XXV..  Hft.  2.  7 


98  X-     V^rhandliiii^en  der  OeselUchaft 

entzuodung.  IMn  VaginHleinspritziingen  wurde  (laher  BieiwasMr 
zugesetzt  und  vom  20.  Februar  an  laue  Sitzliäder  mit  Kleie- 
AkBud  verordnet.  Allroälig  nimmt  die  Inconiinenz  ab ,  während 
Bicb  eine  ReUroflexio  uteri  ausbildet.  Durch  den  anlialteoden 
Gebrauch  von  Sitzbädern  mit  EichenriDdenabkocbung  und 
dergleichen  Einspritzungen  neben  strengem  Verbot  der  Racken- 
läge  in  der  zweiten  Hallte  des  März  und  im  April  erlangt 
die  B.  ihre  volle  Gesundheit  wieder  und  wird  am  12.  April 
genesen  entlassen. 

Dritter  Fall. 

Bntblndiuig    von    einem    hydrocephalischen    Kinde    mittels 

Punetion.    Blvtaiurtritt  in  das  linke  breite  Itfvttevtend. 

Parameiritis.    Ctonesuig. 

Die  unverehelidite  ZT.,  24  Jahre  alt,  Primipara,  kam 
am  Vormittage  des  25.  Juni  1863  in  die  geburishölfliohe  Klinik 
mit  Wehen.  Unter  rascher  Erweiterung  des  Muttermundes 
ruckte  der  Stoiss,  Rucken  nach  rechts,  im  Becken  herab  und 
kam  Mittags  2  Uhr  zum  Einschneiden,  Herztone  nidbi  zu 
hören.  Als  die  Hüften  und  die  emporgescMagenen  Beine 
geboren  waren,  zeigte  sich  eine  Spina  bifida  der  3  unteren 
Rucken-  und  zwei  oberen  Lendenwirbel.  Da  zugleich  der 
Unterleib  der  Kreissenden  ungewöhnlich  stark  ausgedehnt  Miet», 
wut*de  ein  Hydrooephalus  diagnosticirt,  auch  folgte  der  Kopf 
nach  iiösung  der  Arme  weder  einem  krifligen  Zuge  an  den 
auf  dem  linken  Schambeinast  aufstehenden  Unterkiefer,  nocli 
einem  kräftigen  Drucke  auf  die  Bauchdecken,  welchen  der 
Assistent  ausflbte.  Die  Untersuchung  mit  der  in  der  Kreuzbein- 
aushöhlung eingeführten  ganzen  Hand  ergab  die  enorme  Aus- 
dehnung des  ilberdies  elastischen  Kopfes,  dessen  Eröfliiung 
mit  einen)  iS^^m'schen  scheerenlormigen  Perforatorium  zuv 
Entleerung  von  beiläufig  1  Quart  hellen  Wassers  führte,  worauf 
die  Herabholung  des  Unterkiefers  ?on  dem  linken  liorizontalen 
Schambeinaste  und  die  Extraction  des  Kopfes  keine  ungewöhn- 
lichen Schwierigkeiten  bot.  Das  zu  Tage  geförderte  Mädclien 
machte  noch  einige  Athembewegungen ,  starb  aber  nach  zehn 
Minuten.  Die  Nachgeburt  wurde  durch  den  Druck  auf  deti 
ijebärmutterliörper  leicht  lierausgefördert  und  zeigte  viel  Kalk^ 
concretionen  an  der  Ausseniläche  des  Mutterkuchens.  Ob^ 
schon  der  Uiin  ohne  Beschwerde   gelassen  wurde,   der   Puls 


für  GebnrUbalfe  in  BerÜa.  QQ 

84ScUi8e  machte,  sleWUi  sich  am  26,  eine  nicht  unerhebliche 
Enpindlichkeit  in  der  linken  Weiehengegend  •  sowie  eine  auf 
ein  IbteHravasat  in  dem  untren  breiten  Muiterbande  2u  be- 
liebende Dftmpfung  heraus,  gegen  welche  die  Kisblaae  und 
Einspritsungen  mit  LekUbee  verordnet  wurden.  Am  17«  Morgen» 
Pnb  132,  Temperatur  in  der  Scheide  4U)^  C,  Ol.  rioini; 
9egCB  Äbeml  Puls  124,  Temperatur  dieselbe.  Am  IS.  Morgens 
Pvk  106 ,  Temperatur  4D,4  ^  0. ,  Leib  weniger  empfindlich, 
ein  dftnner  StuU.  Natr.  nitric;  Abends  Puls  124,  Tempe- 
ratflr41,7^  C;  zwei  dünne  SlOhle.  Wassenimschläge,  da 
das  Eis  nicht  mehr  beiiagte.  —  19.  Wenig  Schlaf,  Kopfweh, 
Pds  120,  Temperatur  39,8^  0.,  Leib  weniger  empfindlich. 
Vormittags  ein  FroatanfaU;  drei  Mal  dünner  Stuhl.  Abend« 
Uib  wieder  schmerzhafter.  Puls  132,  Temperatur  40,8 '^  C; 
10  Bbtegel  auf  den  Leib.  20.  Viel  Träume,  wenig  Solilaf, 
LacUen  ubefariecbend ,  zwei  dänne  Stähle.  Abends  Puls  120, 
Temperatur  41y&o  C,  Leib  empfindlicii,  8  Blutegel.  Den  21. 
Sddaf  ruhiger,  ein  Stuhl,  Puls  92,  Temperatur  39,9 ""  C. 
Ahcnda  Pub  116,  Temperatur  41y5^  (7.,  immer  noch  grosse 
Empfindlichkeit  gegen  Druck  ober  der  linken  Weiche.  Acht  Blut- 
ifeL  Hierauf  ungestört  fortschreitende  Besserung  bei  kühlen 
WaaseniBisdilägen  auf  den  Unterleib  und  Vaginaleinsprilziui^en 
mit  Leintbee.  Die  Geschwulst  in  der  linken  Weiche  ver- 
schwunden.    Die  Genesene  wird  am  29.  Juli  entlas^n. 

Vierter  Fall. 

▼fldialtaac  eliioe  PUtcentarTesiea.    Symptome  einer  Lobular- 
pnenmonie.    Entleerong  der  Vomica.    Genesung. 

Frau  £.,  39  Jahre  alt,  magei%  in  der  Kindheit  scrophulos, 
mit  15  Jahren  menstruirt ,  hatte  bereits  drei  Mal  geboren  und 
dabei  jedes  Mal  Störungen  des  Nacbgeburtsgescbäfts  öberstapden. 
Bei  der  vierten  Geburt  (am  21.  Mai  1853),  welche  die  Heb- 
amme allein  abgewartet  hatte,  sollte  die  Nachgeburt  ohne 
Kndemiss  abgegangen  sein,  so  dass  ich  erst  am  siebeuten 
Tage  (27.  Mai)  binzugerufen  wurde,  angeblich  wegen  hart- 
aickiger  Stuhlvorhaltung.  Die  Wöchnerin,  welche  niclu  nährte, 
kbgte  keine  Schmerzen,  eine  geringe  Benonimeulieil  dos 
Kapfes,  Appelitmangel  und  Dnrsl.  Der  Puls  104,  der  Leib 
daas  att^etrieben,  aber  nicht  ächmerzhafl.     Lochien  flössen 

7* 


100  X.    V«rliandlniisrmi  der  Qetellaobaft 

noch  blutig;  die  anwesende  Hebamme  versieherte,  die  Naisb- 
geburt  sei^  volistindig  entfernt.     Oleum  ricini   war  veng^bUcli 
gebraucht ,  daher  wurde  Calomel  gr.  ij  mit  Erfolg,  angewendet. 
Da  am  folgenden  Tage  (28.  Mai)  das  Befinden  uiobt  gebeeeeri. 
ja  ein  Frestanfali  anfgeti^eten  war,   unternahm   ich  eine  Ex* 
ploralion   der   inneren  Genitalien  und   fand  den  Muttenaon- 
geöffnet ,  so  dass  die  Fingerspitze  durch  den  zolllangen  Mutter* 
halskanal  bis  in  die  von  aussen  herabgedrüngte  GebärmuUer^ 
liöble  eingeführt  werden  konnte  und   dort  auf  eine  walinuee* 
grosse     Hervorragung    stiess.      Der    sieh   jetzt    einstellende 
Prostanfhll  wurde  sofort  durch  die  eingeleitete  Chloformnarcose 
si8tu*t  und  hierauf  ein  reichlich  nussgrosses  dichles  Stück  der 
Plaeenta,    welches   fest   an   der   Innenfllche   der  Uteniahöhle 
haftete  mit  zwei  in  der  Uterushöhle  eingesobobenen  Fingern 
entfernt.     Obschon  der  Uterus  sich  gut  contrahirte ,  blieb  eine 
gegen  Druck   empOndüche  Stelle   in  der  rechten  Weiche  mit 
Spannung   der  Bauchdecken   daselbst.     Nitruni,  10  filuiagel, 
VYasserumschläge.     Dennoch   zunehmende  Beschleunigung  ^les 
Pulses,  gesteigerte  Temperatur,  sowie  vom  31.  Mai  an  KunE- 
athmigkeil  und   Hilsteln  auftraten.     Die  Percussion  hess   ia 
der  rechten  Seite  des  Thorax  entsprechend  dem  Winkel  der 
siebenten  und  achten  Rippe  einen  gedümpften  Schall  auffinden, 
woselbst   das   Respirationsgeräusch    fehlte    und    man    musste 
somit   eine  Lobularpneumonie  diagnosticiren ,   obschon   keine 
weiteren  Frostanfdlle  sich  einstellten.    Kali  aceticum  innerlich : 
Stuhl   durch  Oleum  ricini    täglich   ein  Esslöffel  voll   geregelt. 
Milchnahitmg.    Der  Husten  brachte  am  5.  Mai  Mutig  gefSrbte 
Sputa,   was  nach    einigen  Tagen  bei  Gebrauch   von  Emulsio 
papaverina  mit  Aqua  laurocerasi  sich  verlor.     Dennoch  blieb 
ein  stechender  Schmerz  hinten  in  der  ix^chten  BriiatbaKte  und 
die  Pulsfrequenz  steigeile  sich ;  die  Kranke  magerte  merklieh 
ab,    begann    bei    fast    völligem    Appetitmangel    an    profueea 
Schweissen  zu  leiden,  so  dass  der  besorgte  Ehemann  am  21. 
eine   Consultation   mit   meinem   CoUegen  Prof.  Sieb&rt   ver- 
anlasste.   Derselbe  constatirte  die  lobuläre  Pneumonie,  sowie 
die    unzweifelhafte    Hektik.      Die    bereits    vorher    verordnete 
Phosphors&ure   wurde   neben   Molken   weiter  gebraucht.     Im 
Anfang  Jtdi   litt  die   äusserst   herabgekommene   Kranke   von 
der    heissen    Sommer  Witterung    doppelt:    der    treupflegeude 


für  GebnrtBhfilfe  in  HerliiL  101 

trag  di«  Krdnk«  «ni  M<»t*gen  vom  Bett  auf  das  Sopha 
mi  Abends  zurück.  Dabei  glitt  er  am  6.  Juli  einmal  aal, 
die  Kranke  fiel  etwas  unaanfl  auf  ibr  Lager,  bekam  vermehrten 
Hislea«  damit  2  EssUflei  voll  EiterauBWwf  und  genaa  von 
da  aa  in  verhäUnissniSsaig  kurzer  Zeil  bei  Fortgebrauch  der 
JMken,  spater  eines  Chiuadecocts  so  vollständig,  da\i8  sie 
iiacfa  zwei  Jahren  wieder  ein  Wochenbett  glficklicb  bestand  und ' 
aoch  jetzt  noch  einer  befriedigenden  Gesundheit  sfcli  erfreut. 

FQntler  Fall. 

nMackö  Waeh^ebuftMianng.    MetrophloMüs.    C]üorloid«itla 

am  UafcMt  Bvibiia.    Qniigrän  de«  Beokenn^llgewebea  la  d«r 

Insiira  iachiad.  wuijor  deactra.    C^eaeaw^. 

Frau  JT.,  38  Jahre  alt,  hatte  hei  ihren  fKiheren  Em- 
Undvngen  wiederholt  der  köustlichen  iNachgeburtsl6sung  be^ 
darf!:  ebenso  war  bei  der  zehnten  Geburt  die  verhaltene» 
angebGdi  leicht  angewachsene  Nachgeburt  von  ihrem  Geburts*- 
heMer  nit  der  eingefflhrten  Hand  entfernt  worden.  '  In  den 
ersten  sechs  Tagen  des  Wochenbettes  befand  sie  sich  nach 
der  Aassage  des  Geburtshelfers  wie  des  Hausarztes  mit  Aus* 
nähme  von  ScMaflosigkeit  und  leichtem  Kopfschmerz  so  wohl, 
dass  beide  Aerzte  sie  nicht  mehr  regelmassig  besuchteif,  alt 
am  siebenten  Tage  ein  heftiger  FrostanfaH  mit  Irrereden, 
BenoRimenifeit  des  Kopfes  imd  sehr  beschleunigtem  Pulse 
eintrat  Da  die  Krankheit  bis  zum  14.  Tage  sich  nicht  besserte, 
wnrde  ich  am  30.  December  1862  consullirl.  Die  wiederholt 
von  Proatnnfflien  mit  nachfolgender  Hitze  und  Scfaweisd  er- 
schöpfte'Kranke  zeigte  120  Pulsschläge,  klagte  bei  Ennunterung 
■bar  Kopfschmerz,  Appetitmangel,  Durst,  Schlaflosigkeit 
StttU-  and  Urinausleerung  ungestört.  Der  Leib  war  in  der 
rsehten  Weichengegend  bei  Druck  empfindlich;  in  höherem 
Grade  bei  einem  Drucke  mit  dem  Zeigefinger  gegen  die  rechte 
HÜAe  des  Scheidengewölbes,  wo  ich  bei  comhinirter  innern* 
und  äusserer  Eiploration  deutlich  eine  strangartige  Härte 
wahrnahm.  Der  Muttermund  zeigte  sich  noch  geöffnet,  denn 
is  gewulstete  Schleimhaut  des  Mutterhaiscanales  hatte 
m  Ectropiam.  besonders  der  vorderen  Lippe  veranlasst. 
Nissiger  frischer  Blutabgang  mit  nicht  ungewöhnlichem  Ge- 
racfce.    Clunin.  muriaticum  neben  Addum  muriaticum,  Wasser* 


102  X*    Verbandlangen  der  Gesellschaft 

umschlage  auf  das  Hypogastrium,  Scheideneinsprilzmig^i 
Theenvasser.     An  den  folgenden  Tagen  fanden  sich  «rbebliirlie 
Puls-   und    Temperaiurscfawankungen,    unwiUkdhriiebe    Aos- 
leerungen   bei   zunehmender  Betäubung  mit  leichten  Delirien. 
Am  Abend  des  2.  Januar  trat  während  eines  heftigen  Frost- 
anfalfes  plötzlich  em  heftiger  Schmerz  im  rechten  Augapfel 
ein,  welchem  am  folgenden  Morgen  Erblindung  dieses  Aoges 
folgte.     Chorioideitis  mit  starkem  entzündlichen  Oedem    der 
Bindehaut  wurde  durch  den  jetzt  hinzugezogenen  Prof.  v.  Gräfe 
diagnosticirt,  jedoch  kam  es  nicht  zu  der  erwarteten  Ahscess- 
enlleernng    aus   dem    Augapfel.      Nach    diesem    FrostaBML 
welchem  nur  noch  ein  gleicher  am  5.  Jaauar  folgte,  blieb 
der  Puls  182 ,  die  Benommenheit  des  Kopfes  verminderte  sich 
allmäüg    während    des    Fortgebrauches   des    Chinin,   muriat. 
Daneben  Ei ,  Bouillon ,  da  die  Stuhlausleeningeu  reichlich  er- 
folgten.    Urinentleerung  erschwert,   zeitweise  verhalten,   der 
Leib  aber  nicht  empfindlicher  als  bisher.    Am  8.  und  9.  Januar 
klagte  Patientin  über  Schmerzen  in  der  rechten  Hüfte  und 
am  10.  Januar  entdeckte  man  neben  der  Spina  poster.  infer. 
oss.  ilium  dextra,  entsprechend  dem  grossen  Hüflbeineinschnitt 
eine  thalergrosse  gangränöse  Stelle,   unter  welcher  das  fett- 
reiche  Beckenzellgewebe   bis   über   IV4  Zoll  tief  nekrolisirt 
erschien.     Bei  fleissiger   Abspülung    mit   Chloi*kalkauflösung 
und  Verband  mit  Vinum  camphoratum,  Tinctura  M yrrliae  und 
Opii  crocata  stiess  sich  das  nekrotisirle  Zellgewebe  in  grossen 
Massen  aus,   und   wurde  mit  Pincette  und  Scheere  entfernt, 
so  dass  am  12.  Januar  die  im  Beginn  zolltiefe  Geschwürsteile 
bereits  eine   rothe  Granulation  sehen  liess.     Gleichzeitig  fiel 
der  Puls  auf  96.     Am  14.  Januar  klagte  die  Kranke,  welche 
sich   im   Allgemeinen   besser  befand,    Appetit  bekam,    ilber 
Schmerzen   beim   Uriniren.      Der    Urin    erschien    blass    und 
wolkig,  enthielt  jedoch  keine  grössere  Mengen  Eiter,  dagegen 
bemerkte  ich  bei  der  inneren  Exploration,  dass  die  rechte 
Hälfte  des  Scheidengewölbes  empfindlich   resistent  und  etwas 
herabgedrängt  war.     Während  das  gangränöse  Geschwür  im 
rechten  Hfiftbeinloche  sich  vollständig  gereinigt  hatte  und  mit 
gesunden  Granulationen  füllte,  entleerte  sich  bis  zum  30.  Januar 
nach  aussen  •  von  dem  rechten  Augapfel   ein   kleiner  Abscess 
und   die   ödemalöse   Bindehaut   sank  ein.     Der  rege  Appetit 


für  Geburtoliülf«  in  Beviin.  103 

iumI  gesiMide  Schlaf  bei  Auiliöreu  des  Fiebers  baaserteu  bald 
das  AUBaoMsiiibeikiden  und  die  iierabgekoiHBietie  Eriiäfaruug. 
Die  WMmerin  geuas  ToUsiändig  bis  auf  das  veilorene  Sei»«' 
vemögen  des  reehten  Auges,  und  wurde  nach  V'^  Jalireo 
bereits  wieder  glueklieb  entbunden. 

Sechster  Fall. 

▼otaeüige  Gebort  einer  liydropiaehen  Fmdit.    Endonetrfttie 

md  CotpiÜB  diplitlieritica.    BCania  poerperalis. 

Parotitia  duplex.    Geneaung. 

Louise  J3.,  23  Jahre  alt,  als  Kind  gesund,  und  mit 
t6Vt  Jahren  zum  ersten  Male,  alsdann  dreiwöchentlich,  sehr 
stark,  jedes  Mal  acht  Tage  lang  menstruirl,  lilt  im  17.  Jahre 
mr  Monate  lang  an  anhaltaiden  Metrorrhagieen,  wobei  sie 
bettlägerig  war  und  ärztlich  behandelt  werden  niusste.  Danach 
kehrten  die  Menses  in  dreiwödieuüichen  Pausen  regelmässig 
wieder,  und  waren  nicht  mehr  su  stark  wie  fröhei'.  Im  No- 
unber  1859  gebar  sie  in  der  Charite  eine  lodte  sechs- 
mooallicbe  Frucht,  angeblich  unter  Kunsthülfe,  das  Wochen- 
kett  Terlief  aber  normal.  Ira  April  1860  trat  die  Regel 
wieder  ein,  und  kehrte  bis  zum  September  1800  wieder, 
worauf  sie  ?on  Neuem  schwanger  wurde  und  jetzt  an  \  aricen, 
Oedeaien  und  Fluor  albus  litt.  Am  späten  Abend  des  14.  Fe- 
bniar  1861  trat  sie  kreissend  in  die  gehurtsbüJfliche  Klinik 
eil,  nacbdern  die  Wehen  am  Morgen  4  Uhr  begonnen  haben 
soNten.  Kindesbewegungen  sind  seit  drei  Wochen  nicht  mehi* 
gespurt,  dag^en  häufiger  Frost,  fauliger  Geschmack,  riechender 
<licker  AusOuss,  Gefnld  eines  frenjden  Körpers  im  Leibe. 
Att  Morgen  um  6  Uhr  ist  der  Huttermuud  füufgixischenstäck- 
giess,  Fundus  uteri  dicht  über  dem  Nabel,  Hucken  der  Frudil 
ifi  der  rechten  Seite,  Herztöne  nirgends  waiurnebmbar,  die 
Blase  ist  ziemlich  straff  gespannt.  Um  7  Uhr  ist  der  Mutter- 
OMod  rollstäjidig  erweitert,  um  7V>i  Uhi*  wird  die  bis  zum 
Scheidenausgaoge  herabgedrängtc  Fruchtblase  gesprengt,  gleich 
darauf  in  vierter  Schädellage  ein  todtfauler  Knabe  geboren. 
fiewicht  deseelbeu  1  Pfd.  25  Lth.  Länge  üVs"  und  13\^\ 
Kopfdurchmesser:  IV^",  2",  27«",  3%\  2".  Nachgeburt 
l  Pfund  schwer,  Nabelschnur  21''  lang,  hat  einen  wahren 
knoten,  ihre  Sülze  röthlich  infiltrirl.     Die  beiden  erbten  Tage 


104  X.    Verhaadliingea  der  Geselltchaft 

des  \Vocbeobetl«6  verliefen  gut,  e&  wurden  wegen  des  scbon 
früher  vorhandenen  purukiUen  AusOusses  EinspritiHOgen  in 
die  Scheide  gemadit  und  wegen  Verstopfung  innerlich  Calomd 
gr.  1  (4  Dosen)  verabi-eicht.  Am  17.  Februar  (zu  einer  Zeit« 
in  welcher  diphtberitische  Genilalentzuodungen  in  der  Eot- 
bindungsanstalt  mehrfach  stattgefunden  hatten),  ging  der  Puls 
plötzlich  auf  120  Schläge,  die  Haut  wurde  brennend  heiss, 
ohne  dass  eine  erhebliche  Schnierzhaftigkeil  des  Qiiuches 
nachweislich  war.  Die  Lochien  wurden  sehr  iibelriechend, 
die  äusseren  Genitalien  odematös  geschwollen;  Stuhlgang 
regelmässig.  Psychisch  macht  sich  eine  gewisse  Verdrossen- 
heit bemerklich.  Am  nächsten  Tage  bleibt  der  Zustand 
unverändert,  trotz  der  Verabreichuug  von  Nitrum  in  einer 
Solutio  gummosa  und  fleissigen  Einspritzungen  in  die  Sebejde, 
deren  Temperatur  beträchtlich  erhöht  erscheint.  Am  19.  Februar 
ist  die  Zunge  trocken,  dei'  Gesichlsausdruck  stupid,  der  Blick 
irre,  Puls  120  Schläge,  Lochialfluss  sehr  übelriechend.  In 
der  Nacht  treten  Detirien  ein ,  dabei  ist  der  Kopf  heiss  mid 
schmerzhaft,  das  Gesicht  etwas  collabirt. 

Ordination:  Essig  Waschungen  des  Körpers  wegen  der 
erhöhten  Hauttemperatur,  kalte  Umschläge  auf  den  Kopf, 
Cucurbitae  No.  X.  in  den  Nacken;  innerlieh  Acid.  muriat.  in 
Solutio  gummosa. 

Die  DeUrien  halten  auch  am  20.  Februar  an,  die  Kranke 
wähnt  sich  verfolgt  und  verläumdet,  und  weint  häu6g.  In 
ruhigeren  Augenblicken  ist  sie  mürrisch ,  verweigert  Antworten 
und  nimmt  weder  Medtcamente  noch  Nahrung.  Der  Unterleib 
ist  völlig  unempfindlich.  Es  stellen  sich-  häufige  Zuckungen 
im  Gebiete  der  Nervi  faciales  ein ,  vorwiegend  auf  der  linken 
Seite.  Wegen  starker  Anfullung  der  Blase  wird  die  Entleerung 
mit  dem  Katheter  nothwendig :  bei  der  Berührung  der  Geni- 
talien steigern  sich  die  Zuckungen  im  Gesicht,  auch  stellen 
sich  Zuckungen  des  Rumpfes  und  der  Extremitäten  ein.  Am 
Nachmittage  ist  sie  ruhiger,  nimmt  etwas  Nahrung,  versucht 
auch  zu  sprechen  und  weint,  da  sie  sich  nicht  verständKcli 
machen  kann.  Am  Abend  nehmen  die  Krankheitsersclieinungeo 
wieder  zu.  Delirien  wechseln  mit  soporösen  Zuständen,  Haut 
kahl,  Puls  144,  Gesicht  collabirt.     In  diesem  Zustande  wird 


für  Gekarlthilfa  in  B«idü.  105 

m  an  folgenden  Tage  auf  dits  vcm  mir  geleüele  gjnAko- 
logiscfae  Station  der  Charite  IraosferiFt. 

31.  Februar.  Der  typhöse  Zusland  hak  an,  oluie  dass 
Localersclieinuugeu  nachzuweisen  sind. 

23.  Februar.  Seit  gestern  Abend  entwickelt  sich  eine 
doppelseitige  Parotitis;  beide  Parotiden  scliwellen  in  wenig 
Stiuiden  zu  enormer  Grösse  auf,  so  dass  die  Kranke  gana 
entstellt  wird.  Gleichzeitig  bessert  sich  der  übrige  Zustand 
der  Kranken,  namentlich  nehmen  die  Cerebralerscheinungea 
ab.  Grössle  Schwierigkeil  den  Mund  zu  öffnen  und  zu  schlingen. 
8  Blutegel.     Calomel. 

24  Februar.  Cataplasnien,  Klystiere ,  VaginaUnjectionen 
mii  Leiothee  und  Bleiwasser,  wegen  des  übelriechenden 
LocliiaUluases. 

Am  27.  Februar  entleert  sich  der  Abscess  auf  der  einen 
Seite  spontan,  auf  der  andei*en  nach  einem  Einstich,  mit 
bedeutender  Erleichterung  fflr  die  Kranke.  Die  enorme  An* 
schwelhing  der  Wangen  nimmt  schnell  ab. 

Am  4.  März  ist  das  Sensorium  fast  vollkommen  frei, 
Leib  etwas  empfindlich,  AusOuss  aus  der  Scheide  reichlich, 
weniger  abelriechend.     Haut  heiss,  Puls  104  Schläge. 

Fortsetzung  der  hydropathischen  Umschläge  auf  den 
Unterleib.     Innerlich  Acidum  niurial.  mit  Decoct.  Salep. 

Am  7.  März  ist  das  Sensorium  frei ,  Schmerzen  nirgends 
vorhanden. 

Am  1.  April  sind  die  Abscesse  der  Parotiden  vollkommen 
geschlossen,  die  Anschwellung  hat  sich  ganz  verloren.  All- 
gemeinbefinden gut,  so  dass  Patientin  geheilt  entlassen 
werden  kann. 

Herr  L.  Mayer  glaubt,  dass  die  consequente  Röcken- 
lage Veranlassung  nicht  sowohl  zu  Relroflexionen  als  zu 
Retropoattionen  gebe.  Auch  könne  er  ein  vorsichtiges  Binden 
des  Leibes  fnr  nicht  schädlich  halten.  Oertliche  Blut- 
«ntziefaungen  und  Einreibungen  grauer  Quecksilbersalbe  halte 
er  fdr  sehr  wirksam  und  huldige  auch  einer  vorsichtigen 
fluer^n  Darreichung  von  Quecksilber.  Statt  der  stark  und 
uuflgeDebni  rtechenden  Einspritzungen  von  Chlor-  und  Theer- 


106  ^-    VerhaodliiDgea  d«r  Getetlschaft 

wtKMT  iuipfeMe  ei'  die  voilttaudig  gerucMose  stark  desiofieiretaife 
Lösung  von  Kali  liypernianganicuin. 

Herr  C  Mayer  spricht  sich  mit  den  von  Herni  Mariin 
vjüi'gelragenen  Ansichten  vollständig  übercinstinniiend  aus.  Was 
die  Prophylaxe  hotreflc,  so  s<*i  ja  bekannt,  in  welchem  Maasse» 
er  von  jeher  der  oxspectaliven  Methode  hei  Geharten  gehuldigt 
habe,  so  dass  er  nur  im  äussersten  Nothfalle  zu  Operationen 
geschritten  sei.  Auch  er  verbiete  das  Binden  des  Leibes, 
da  er  zu  sehr  überzeugt  sei,  dass  dieses  sowohl  von  der 
Hebamme  als  auch  von  vielen  Wöchnerinnen  lediglich  als  Mittel 
zur  Erreichung  einer  späteren  schlanken  Figur  angesehen 
und  aus  diesem  Grunde  meist  mit  Aufbietung  aller  Kräfte 
vorgenommen  werde.  Dass  auf  diese  Weise  aber  Descensns 
und  Prolapsus  begünstigt  werde,  liege  auf  der  Hand.  Die 
stete  Rückenlage  betrachte  auch  er  als  disponircnd  zur  Retro- 
flexio  und  lasse  sie  deshalb  oft  zeitweise  mit  der  Seitenlage 
vertauschen,  wobei  ihm  der  Stand  des  Uterus  die  nöthigen 
Fingerzeige  gebe,  wie  er  denn  vom  Geburlshelfer  eine  tägliche 
genaue  Exploration  des  Bauches  und  der  Lage  der  Gebär- 
mutter verlange. 

Herr  Pesch  hält  auch  die  zu  starke  Anfüllung  der  Blase 
für  ein  die  Relroversion  bedingendes  Moment  und  vormisst 
die  Anführung  desselben  in  dem  gehallenen  Vortrage. 

Herr  Wegscheider  vertheidigt  das  Binden  des  Leibes. 
Der  Uterus  flcctire  doch  nicht  im  Unlerleibe  gleichwie  in 
einem  Wassersacke,  dass  er  jeder  Einwirkung  von  aussen 
so  bereitwillig  folge.  Er  spreche  aber  aus  seiner  Erfahrung, 
dass  ein  freilich  vennniftiges  Binden  des  Leibes  vielen  Frauen 
eine  grosse  Erleichterung  gewähre  und  namentlich  bei  vor- 
handenem Hängebauche  ganz  unerlässlich  sei. 

Herr  Martin  uinunt  noch  eimual  das  Wort  und  ver- 
theidigt seine  Ansicht,  dass  die  anhaltende  Rückenlage  Retj^o- 
Versionen  und  Retrotlexionen  hervorbringen  könne;  dies  sei 
ihm  sogar  durch  Beobachtungen  ausser  dem  Wochenbette 
bestäügl.  Retroj)osition.  die  Herr  L.  Mayer  angeführt,  sei 
nur  dann  denkbar,  wenn  zugleich  die  Fixirung  des  Mutter- 
halses  im  Fundus  vaginae  gelockert  sei. 


für  GebnrtthUNii  fn  Berlin.  107 

Hfrr  Gttsserow  legt  ein  nadt  OreetA^h*»  (Landon) 
Angabe  verfertigtes  Instrument  zur  bkitigen  Erweiterung  des 
Hnttenuiindes  vor,  in  dessen  yorderem  sondenftrmigen  Ende 
zwei  schneideiide  Klingen  verborgen  sind,  die  durch  einen 
lag  an  einer  Handhabe  hervortreten,  sieb  parallel  der  Achse 
des  Instmmentes  schneidend  fortbewegen  und  2  Zoll  tiefer 
wieder  in  der  Hölle  des  Instrumentes  verschwinden.  iNe 
Coostmclion  ist  sinnreich,  aber  sehr  conifiiicirt  und  der  Preis 
den  entsprechend  sehr  hoch  (circa  7  Pftiiid  St.).  (S.  Nenats- 
sctaifl,  IM.  24,  S.  482.) 


Sitzung  am  3.  November  1864. 

Anknöpfend  an  das  von  Herrn  Ousserow  in  der  letzten 
Sitzung  vorgelegte  Instrument  zur  blutigen  Erweiterung  des 
Muttermundes  legt  Herr  Martin  das  von  ihm  zu  diesem 
Zwecke  angegebene  und  bisher  ausscbliesslicfa  gebrauchte 
lostniment  vor.  ^)  Dasselbe  bildet  einen  sondenförmig  ge- 
bogenen metallenen  Stab,  der  mit  festem  Griffe  versehen 
TOD  diesem  aus  sich  allmälig  verjungend  an  der  Spitze  die 
Dicke  eines  gewöhnlichen  Sondenknopfes  nicht  übersteigt. 
Iflgelahr  einen  Zoll  unterhalb  der  Spitze  treten  durch  Druck 
auf  zwei  in  der  Nähe  des  Griffes  befindliche  vorspringende 
Hebel,  zwei  Alesserklingen  aus  dem  Stabe  hervor  und  kann 
der  Grad  ihres  Hervortrelens  durch  zwei  Stellschrauben  be- 
liebig vorher   regulirt  werden. 

Herr  Martin  knüpft  hieran  folgende  Bemerkungen: 
Die  Stenosen  des  Muttermundes  betreffen  entweder 
den  äusseren  Mutlermund  allein  oder  erstrecken  sich  durch 
Anschwellung  der  Falten  des  Arbor  vitae  bis  zum  inneren 
Nutlemmnde  hin.  Meist  seien  sie  entzündlicher  Natur,  und 
er  halte  sich  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  in  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  Tripperinfection  den  Grund  dieser  Erkrankung 
abgebe.  Dysmennorrhoische  Beschwerden  begleiten  diese  Ver- 
eogening. 

1)  Diese  Abbildung  findet  sieb  in  E.  Martin ^  Handatlas  der 
Gjnäkologie  und  Gebnrtshülfe.    Berlin  1862.    Taf.  68,  Fig.  6,  6a. 


108  X.    VerkaadtaDBeB  der  Getelbchaft 

Bei  der  Untersuchung  mit  den  Specubun  er»cbeilie  der 
äussere  Huliermund  bisu^eUen  bis  auf  Steckiiadelkuopfgrosee 
▼erengi,  so  d«ss  es  einiger  Gewalt  bedürfe,  um  die  Saode 
hindurch  zu  fuhren ;  indess  gelinge  die  Einftihrung  der  Sonde 
geiröfanlich,  da  das  Gewebe  nachgiebig  sei,  und  vorsichtig 
weiter  dringend  gehe  die  Sonde  allmSlig  durch  die  Palteo 
der  Schieioibaut  bis  durch  den  inneren  Muttermund.  Biswetteo 
sei  mit  den  Stenosen  eine  Knidiung  verbunden. 

I«  vielen  Fällen  habe  er  durch  Pressschwaninie  und  durch 
Simpaon'sche  Intraulerinpessarien  aus  Kupfer  und  Snk,  sowie 
später  mittels  Laniinaria-digilata- Stäbchen  die  allmälige  Er- 
weiterung des  Cervicalcanales  erstrebt.  Indess  die  Wirkung 
dieser  Mittel  sei  zu  vorübergehend  gewesen ,  so  dass  er  seit  dem 
Jahre  1848  durch  eine  Mittheilung  von  Philipp  v.  Walthery  dass 
dieThierärzte  im  bayerischen  Hochgebirge  zu  Hebung  der  Sterilität 
bei  Kühen  die  blutige  Erweiterung  des  Mutlermundes  vor- 
nähmen, bewogen,  dieselbe  Operation  bei  Frauen  vorgenommen 
habe.  Zu  dem  Zwecke  führe  er  ein  cylindrisches  Speculum 
ein,  durch  dieses  das  vorher  erwähnte  Instrument,  dessen 
knopfförmige  Erhöhung,  27^  Zoll  von  der  Spitze  entfernt, 
angebe,  wie  weit  die  Spitze  im  Utenis  vorgedrungen  sei. 
Dann  drucke  er  die  beiden  Klingen  hervor  und  durchschneide 
beim  Zurückziehen  die  beiden  Seiten  des  Cervicalcanales  und 
äusseren  Muttermundes,  ohne  die  durch  das  Speculum  ge- 
schützte Scheide  verletzen  zu  können.  Die  Blutung  und 
Reactiou  seien  äusserst  gering.  Nach  der  Operation  lege  er 
täglich  einen  conischen  Pressschwamm  mit  darunter  geschobenem 
Wattelampon  bis  zum  vierten  oder  fünften  Tage,  alsdann  kegel- 
förmige Suppositorien  aus  Oleum  Cacao  in  die  Wunde  des 
Mutterhalses  ein,  welche  später  zu  Beförderung  der  Vernarbung 
mit  Zinksalbe  bestrichen  werden. 

In  eiiizelneu  Fällen  sei  durch  die  Operation  die  früher 
bestehende  Sterilität  gehoben ,  so  z.  B.  bei  einer  Schnei derfrau, 
die  15  Jahre  in  kinderloser  Ehe  gelebt  hatte  und  in  der 
Charite  in  der  beschriebenen  Weise  operirt  wurde.  Die 
Dysmenorrhoe  schwand  vom  Tage  der  Operation  an,  später 
trat  Schwangerschaft  ein,  die  freilich  mit  einem  Abort  im 
vierten  Monate  endigte.  Ein  Jahr  später  indess  wurde  sie 
Mutter  eines  lel)etiden  Knaben. 


für  O^bnrtihiUe  in  Btfün.  109 

Hmt  6tiMMrotr  besierkt,  dttss  die  Grweiieriing  cbt 
Httltcfmondes  eioe  sehr  alte  Operatwii  sei,  dettB  schon 
&ippo€raie9  ratbe  zu  derselben.  Noch  deutlicher  sei  indess 
18  den  Ounirgical  observations  von  Cooke  aus  dem  17.  Jahr*- 
hsadert  die  Operation  beschrieben. 

Heir  C,  Mayer  spricht  sich  gegen  die  beiden  von  den 
Uerreo  OuMserow  und  Martin  vorgelegten  Instrumente  als 
n  compKcirt  und  liostspielig  aus.  Stenosen  des  inneren 
MottermuDdes,  die  nicht  durch  Knickung  bedingt  und  mit 
Hebung  derselben  beseitigt  waren,  entsinne  er  sich  nicht  tii 
seiner  Praxis  beobachtet  zu  haben.  So  blieben  denn  nur 
die  Verengerungen  des  Oriiicium  externum  und  des  Cänalis 
cervicalis  in  Folge  von  Schwellung  des  Arbor  vitae  übrig, 
la  diesen  Fällen  genüge  ihm  seine  zweischneidige  gestielte 
Lanzette ,  die  er  durch  das  Speculum  direct  in  den  Muttermund 
schiebe  und  aus  freier  Hand  nach  verschiedenen  Riclilungen 
schneidend  wirken  lasse.  Wozu  diene  auch  eine  Erweiterung 
eines  Canales,  der  doch  fähig  sein  müsste,  das  Jfar^iVsche 
Instrument,  das  der  Dicke  einer  starken  Sonde  entspreche, 
bindurcbzulassen ;  in  diesem  Falle  sei  die  Verengerung  doch 
j«deolaUs  nur  durch  Schwellung  der  Schleimhaut  bedingt  und 
durch  einfache  Scarificirung  derselben  zu  beheben. 

Die  Diagnose  dieser  Stenosen  betreffend,  so  mache  er  auf 
deg  schon  früher  erwähnten  Unterschied  der  dysmenorrhoischen 
Besdiwerden  aufmerksam.  Es  gebe  zwei  Arten  der  Dysmennorrhoe, 
die  eine  zeige  sich  vor  dem  Eintritte  der  Blutung  und  schwinde 
nach  kürzerer  oder  längerer  Dauer  plötzlich;  diese  liege  im 
Eierstocke  und  sei  vielleicht  durch  die  Congestion  des  Crraaf  sehen 
Follikels  und  die  Berstung  desselben  bedingt.  Die  andere  Art 
aber  trete  mit  der  Blutung  auf  und  beruhe  in  der  schwierigen 
Ausscheidung  des  Blutes  aus  dem  Uterus.  Diese  deute  auf 
Cnwegsamkeit,  freilich  häufig  durcli  Knickung  hervorgebracht. 
Ueber  ein«  Erscheinung  erbitte  er  eine  Beiehning,  da  er 
sich  dieselbe  niebt  erklären  könne.  Bei  einaelnen  Frauen  träten 
m  der  Mute  zwischen  zwei  Menetruatiooen  dysmennorrhoiache 
Schroenen  ein,  die  zwei  bis  drei  Tage  dauern  und  sich  durch 
etwas  stärkere  Blennorrhoe  entscheiden.  Sie  sind  so  regele 
massig,  dass  die  Frauen  sie  ihre  Mitleisclimerzen  nennen. 
Die  Untersuchung  weist  zwar  chronische  Metrilis  und  Knickungen 


110  X*    Verband  lang«»  det  O^iellachaft 

iMch,   doch  audi   nach  Heiluag  dieber  Comfilicatioiwn  bleibe 
diese  Erscheinung  ungeänderU 

Noch  wolle  er  sich  gegen  das  wochenlange  Tragen  der 
Uterinpessarien  aussprechen.  Er  habe  wtederboli  Kranke 
behandelt,  die  von  Simpson  und  anderen  Aerzten  mit  solchen 
Instrumenten  bedacht  und  mit  denselben  zu  ihm  gekommen 
seien.  Die  Folgen,  die  er  daraus  habe  entstehen  sehen, 
könne  er  nicht  schlimm  genug  schildern  und  warne  nur  dringend 
vor  dem  Gebrauche  dieser  Instrumente,  zumal  zur  Zeit  der 
Menstruation. 

Herr  Gusaerow  giebt  zu,  dass  die  Operation  allerdings 
überOussig  sei,  wenn  das  Instrument  von  vornherein  ohne 
Ansloss  in  die  Gebärmutter  eingerührt  werden  könne.  Es 
handle  sich  indess  seiner  Ansicht  nach  nur  um  dauernde 
Erweiterung  eines  verengten  Canales,  der  zuvor  durch  Press- 
schwamm oder  Laminaria  so  weit  erweitert  sei,  um  die 
Einführung  des  Delatationsinstrumenles  zu  gestatten. 

In  Bezug  auf  die  durch  Verengerungen  bedingte  Sterilität 
sei  er  übrigens  nicht  der  Meinung,  dass  die  Verengerung 
als  solche  die  Sterilität  bedinge,  sondern  diese  eher  eine  Folge 
der  dadurch  hervorgerufenen  üysmenorrhoen  und  Schleim- 
ansammlungen seien;  denn  dass  der  männliche  vSame  auch 
die  engsten  Wege  befruchtend  passiren  könne,  sei  aus  vielen 
Fallen  von  unverletztem  Hymen  ersichtlich,  namentlich  aus 
dem  kurzlich  von  Scanzoni  (Allg.  Wiener  Zeitschrift,  1864, 
iNo.  4)  erwähnten  Falle  und  fuge  er  hier  noch  einen  von  ihm 
in  England  beobachteten  Fall  hinzu,  wo  eine  Frau  bei  der 
wegen  ßlasenscbeidenfistel  der  Introitus  vaginae  operativ  ge- 
scblosson  war,  in  Folge  eines  durch  oder  gegen  die  erweiterte 
Urethra  vollzogenen  Beischlafes  schwanger  geworden  sei. 

Herr  Martin  liält  die  vorgängige  Erweiterung  durch 
Pressschwamm  nicht  für  nothwendig  und  ausfilhrl^ar.  Sein 
Instrument  habe  an  der  Spitze  nur  die  gewöhnliche  Sonden- 
starke  und  werde,  wenn  auch  niQhsam,  doch  ohne  vorgangige 
Einlegimg  von  Pressschwämmen  oder  dergleichen  eingefährl. 
Das  dichte  AneinandeHiegen  der  krankhatl  veränderten  Mutter- 
halswände scheine  das  Eindringen  der  Samenfaden  zu  ver- 
hindern.    Die  C\  Afayw'schen  Scarilicationen  durften,  weno 


für  OebnrMhilf«  in  ßftrlin.  Hl 

$i«  die  Tiefe  der   nötliigen  Incisionen   erreichen    sollten,   ge- 
fährlicher sein  als  die  letzteren. 

Herr  KristeUer  spricht  sich  fiir  die  unblutige  Er- 
uieiterung  des  Muttermundes  aus  und  legt  der  Gesellschaft 
äusserst  sauber  gefertigte  Presssclivvänune  von  verschiedenen 
selbst  den  feinsten  Dimensionen  vor,  die  er  durch  den  Banda- 
gislen  Loewy,  neue  Friedrichsstrasso  45,  hat  anfertigen  lassen. 

Herr  L.  Mayer  hält  es  für  nuthig,  die  Stenosen  des 
Oryicalcanales  und  inneren  Muttermundes  in  zwei  Arten  zu 
iheilen.  Alle  bisher  besprochenen  Operationsmethoden  konnten 
nur  dann  von  Erfolg  sein ,  wenn  die  Verengerung  durch 
Schwellung  der  Schleimhaut  bedingt  sei.  Ware  sie  eine  Folge 
von  Schnimpfnng  des  Uteringewebes  und  Narbengebilde,  so 
niochte  das  eine  wie  das  andere  operative  Verfahren  vergeblich, 
ja  geOihrlich  sein. 

Herr  Krieger  folgert  aus  mehreren,  unter  anderen  aus 
dem  von  Hannschke  (chirurgisch  -  operative  Erfahrungen, 
S.  182)  mitgetbeilten  Falle  von  Schwängerung  bei  fast  voU- 
ständigem  Versciduss  der  Genitalien,  wo  die  genaueste  Uüter- 
sochung  nur  eine  nadelknopfgrosse  Oeffoung  erkennen  liess, 
(hss  nicht  die  Verengerung  des  Mutterlialses  an  sich  die 
Befruchtung  verbinde^^  sondern  durch  Ansammlung  der 
Secrele  dem  Eintritt  des  Samens  hinderlich  sei.  Die  Er* 
weilenings versuche  seien  deshalb  wahrscheinlich  nur  dadurch 
wirksam,  dass  sie  die  Entzündung  der  Tlieile  massigen  und 
die  Secretion  besdiränken  und  glaube  er  deshalb,  dass  die 
eiitlacbe  Incision  nach  G,  Mayer  audi  ausreichend  sei. 

Herr  Mantn:  Die  von  Flerrn  KristeUer  vorgezeigten 
Pressschwämme  können  bei  den  hier  in  Rede  stehenden 
Stenosen  des  Muttermundes  wegen  ihrer  Starke  nicht  in 
Betracht  kommen. 


112     XI.    MnfftKof^r,  Zur  Pnt^  »ach  d«r  Aetiolo^e  ete. 


XL 

Zur  Frage  nach  der  Aetiologie  der  Puerperal- 
processe. 

Von 

Dr.  Carl  Mayrhofer, 

AffittoBt  an  d«r  fAburUhaiflteh-gynäkologtscheii  Klinik  des  Prof.  C.  Braun 

in  Wien. 

Der  Gegenstand  der  folgenden  Erörteningen  ist  nur  die 
Aetiologie  jener  Puerperalprocesse,  welche  in  Gebärhäusern 
zuweilen  in  grösserer  Verbreitung  als  sogenannte  Puerperal* 
fieberepidemieen  auftreten  und  welche  man  als  „septische 
Puerperalprocesse''  zu  bezeichnen  pflegt.  Es  wird  heutzutage 
allgemein  vorausgesetzt,  dass  es  eine  besondere,  materielle 
Schädlichkeit  geben  mösse,  durch  deren  Einwirkung  diese 
Erkrankungen  zu  Stande  kommen.  Ich  stellte  mir  nun  die 
Aufgabe,  diesen  schädlichen  Körper  und  den  Ort  des  weib- 
lichen Köi*per8,  den  er  zum  Angiiffspunkte  nimmt,  zu  suchen, 
und,  falls  sich  das  Ziel  nicht  erreichen  liesse,  ihm  wenigstens 
so  nahe  zu  kommen,  als  möglich. 

Es  handelte  sich  nun  darum,  tiir  diese  Arbeit  Ausgangs- 
punkte zu  gewinnen.  Vor  allem  war  es  wichtig,  wenigstens 
eine  beiläufige  Idee  zu  haben,  wonach  man  zuerst  sudieii 
solle,  und  es  war  nun  das  Erste,  sich  umzusehen,  was  von 
der  Aetiologie  anderer,  endemisch  oder  epidemisch  aufliietenden 
Krankbeilen  bekannt  ist.  Von  jeder  derartigen  Erkrankimg 
des  Menschen  wissen  wir  hinsichtlich  der  Aetiologie  Etwas. 
Wir  kennen  Umstände,  welche  dem  Zustandekommen  der 
Erkrankung  forderlich  oder  hinderlich  sind,  wir  wissen,  dass 
einige  solche  Krankheiten  an  bestimmte  Localitäten  geknupfl 
sind,  wir  kennen  Auswurfsslofle,  an  welchen  der  schädliclie 
Körper  hallet,  wir  kennen  zum  Theile  ziemlich  genau  die 
Verbreitungsweise  der  Epidemieen,  wir  wissen  vielleicht  selbst 
Einiges  von  den  physikalischen  Eigenschallen  des  schädliclien 
Körpers  —  namentlich  bei  der  Malaria.  — :  aber  all  dieses 
Wissen  war  filr  mich  nicht  zu  brauchen,  denn,  wenn  man 
die  von  Parasiten  herrührenden  Erki*ankungen   ausnimmt,  so 


XI.    Uaifrhofw^  Zur  Frage  naoh  dar  Aetiologie  etc.      |13 

kcuneD  wir  den  schädlichen  Körper  selbst  nirgends.  Diese 
Erkraokttogen  aber  konnten  nicht  zum  Ausgangspunkte  dienen« 
weil  die  Parasiten,  von  denen  sie  herrühren,  nur  eine  mecha- 
nische Schädlichkeit  zu  sein  scheinen,  während  bei  den  in  Rede 
stehenden  Puerperalprocessen  sich  jeder  gezwungen  fühlt,  der 
fiowirkeoden  Schädlicbkeit  eine  zerlegende  Kraft  zuzuschreiben. 
So  wurde  es  denn  nothwendig,  sich  hei  Erkrankungen  umzu- 
«eben,  welche  andere  Organismen  als  den  menschlichen  in 
grosser  Verbreitung  befallen,  ob  wir  vielleicht  hier  irgendwo 
deo  krankheitserregenden  Körper  selbst  kennen?  Solche  Er- 
krankungen giebt  es  in  der  That  mehrere  bei  Pflanzen  und 
Thieren.  Von  den  ersteren  erwähne  ich  bloss  die  Kartoffel- 
imd  Weinfiiule,  die  beide  von  Pilzen  herrühren;  unter  den 
letzleren  kennt  man  am  längsten  die  Aetiologie  einer  der 
epkiemisch  auftretenden  Krankheiten  der  Seidenrau])en,  nämlich 
«1er  Mttscardine.     Bei  dieser  will  ich  etwas  verweilen. 

Die  Muscardine  tritt  in  südlicheren  Ländern  zuweilen  in 
äofeber  Verbreitung  auf,  dass  die  ganze  Ernte  eines  Seiden- 
zöchters  verloren  gehen  kann.  Es  giebt  keine  Symptome, 
die  erkennen  liessen,  dass  eine  Raupe  von  der  Muscardine 
W&ilen  ist;  erst  kurz  vor  dem  Tode  bort  sie  zn  fressen  auf, 
imd  nur  in  seltenen  Fällen  verändert  sie  ihre  Farbe,  wird 
räthlicb,  oder  zeigt  zerstreute,  röthliche  oder  gelbliche  Flecke. 
.Yacb  dem  Tode  erscheint  an  der  Oberfläche  die  Raupe  ein 
weissMeher  Anfing,  und  ist  die  umgebende  Luft  warm,  feucht 
oml  ruhig,  so  entwickelt  sich  ein  ganzer  Wald  eines  weissen 
Schimmels.  Diese  Schinmielbildung  ist  das  charakteristiBche 
Zeichen,  dass  die  Raupe  an  der  Muscardine  zu  Grande  ge- 
gangen ist,  und  nicht  aus  einer  anderen  Ursache.  Man  wusste, 
dass  diese  Schimmelbildung  nur  an  den  Raupen  eintritt,  ^\e 
n  der  Muscardine  zu  Grunde  gegangen  sind,  und  Basst 
hatte  auch  gezeigt,  dass  man  durch  Uebertragung  dieses 
Scbimmela  aaf  andere,  gesunde  Raupen,  diesen  die  Muscardine 
aniehen  könne.  Aber  man  glaubte,  die  Schimnielbildtmg 
Hode  deshalb  nur  an  den  durch  die  Muscardine  getödteten 
Raupen  statt,  weil  nur  bei  dieser  Erkrankung  eine  solche 
Veränderung  im  Körper  der  Raupen  vor  sich  gehe,  dass  die 
Pilze  den  geeigneten  Boden  zu  ihrer  Entwickeiung  fanden, 
ond  man  glaubte  ferner,  dass  der  ansieckende  KrankheilsstolT 

Monatoaebr  f.Geburtok.  1895.  Bd.  XXY.,  Uft.  2.  B 


114  ^^'    Maifrko/w,  Zar  Fra^e  nach  der 

sich  auch  ao  den  Schimmel  anhäoge,  der  auf  den  todten 
Raupen  wuchert,  und  deshalb,  meinte  man,  könne  man  raü 
diesem  Schimmel  auch  die  Krankheit  öberlragen.  Diese 
Ansicht  findet  m»n  noch  heute  zuweilen  bei  medicintschen 
Autoren.  Erst  jüngst  wurde  von  einem  rerdienstvoUen  Gynä- 
kologen^) die  Seidenraupe  als  ein  Beispiel  angefahrt,  dass 
zuerst  eine  pathologische  Veränderung  in  den  Geweben  und 
Säften  eines  Organismus  vor  sich  gehen  müsse,  damit  Pilie 
in  oder  auf  ihm  wuchern  könnten.  Aber  bei  der  Muscardine 
wenigstens  ist  dieser  Standpunkt  schon  im  Jahre  1837  über- 
wanden worden. 

Im  Jahre  1837  nämlich  zeigte  Bassi,  dem  zu  Ehren 
der  Pilz  den  Namen  „Botrytis  fiassiana''  fuhrt,  dass  der  Pik 
selbst  die  Ursache  der  Krankheit  ist  Er  zeigte,  dass  bei 
den  kranken  Raupen  der  Pilz  unter  der  Haut  wuchert,  und 
dass  er  nur  erst  nach  dem  Tode  an  die  Oberfläche  heraus- 
bricht; —  ferner  dass,  wenn  nadi  dem  Tode  diese  äussere 
Pilz  Wucherung  nicht  eintritt,  iiie  Berührung  zwischen  gesunden 
Raupen  und  der  todten  nicht  ansteckend  ist,  dass  man  aber, 
nachdem  die  todte  Raupe  geöffnet  ist,  durch  Berührung  mit 
ibreth  Coatenlum  andere  Raupen  anstecken  könne.  Ferner 
zeigte  er,  dass  die  ansteckende  Kraft  sich  am  längsien  in 
den  Theilen  der  Raupe  erhält,  in  denen  die  Ptizsporen  am 
zahlreichsten  und  reifsten  sind,  und  dass  zu  einer  Zeit,  ill 
welcher  der  ganze  Körper  der  Raupe  seine  ansleekende 
Kraft  schon  verloren  hat,  man  immer  noch  mit  der  weissen 
Vegetation  an  der  Oberfläche  der  Krankheit*  fortpflanzen  könne; — 
ferner,  dass  die  Sporen  der  Botrytis  Bassiana  selbst  durch 
drei  Jahre  ihre  ansteckende  Kraft* behalten,  —  und  endlich 
dass,  wenn  das  Wetter  für  die  Enlwickelung  der  Püze  ungünstig 
wird ,  man  auch  noch  durch  Inoculation  der  Pilze  die  Raupen 
todten  könne;  aber  dann  erscheint  der  Pilz  nicht  mehr  an 
der  Oberfläche ,  und  bildet  keine  Frucht ,  und  damit  hört  die 
Krankheit  -auf,  contagiös  zu  sein.  Audouin  und  Johanjfs 
zeigten  auch   später,    dass  die   Botrytis  Bassiana    ganz   die 


1)  Ludwig  Mayer ,  üeber  die  pflanslicheD  Parasiten  der  weib- 
lichen Sexaalorgane  etc.  Monatsschrift  für  Gebnrtskande  etc., 
20.  Band,  1.  Heft. 


Aetiologid  der  PnerperalprocesBe.  115 

gteicbe  krankheitserregende  Krad  hat,  sie  möge  auf  Seiden- 
nopen  gewachsen  sein  oder  auf  Moosen,  aufweichen  sie  sich 
ebenfirils  entwickelt 

Man  könnte  nun  sagen :  Wir  sehen,  dass  es  der  Mensch 
sdur  gut  verträgt,  dass  Pilze  auf  ihm  wuchern,  auf  der  Haut 
und  auch  auf  Schleimhäuten;  die  Seidenraupen  aber  werden 
die  Pilzwucherung  deshalb  so  schlecht  vertragen,  weil  sie 
überhaupt  durch  geringfügige  Einflüsse  getödtet  werden:  — 
Tieüeicht  sterben  sie  wegen  einer  localen  Enlzilndung,  die  etwa 
durch  die  Pilzwucherung  veranlasst  wird,  oder  auch  wegen  der 
tbeOweisen  Verstopfung  oder  Zerstörung  der  Tracheen.  Aber 
(fiese  Ansicht  ist  nicht  zulässig,  denn  Bassi  fand  die  wichtige 
Thatsache,  dass  die  Flüssigkeit,  welche  sich  aus  Raupen 
ansdröcken  lässt,  die  an  der  Muscardine  zu  Grunde  gegangen 
sind,  sauer  reagirt;  bei  gesunden  Raupen  aber,  oder  solchen, 
(fie  an  anderen  Krankheiten  zu  Grunde  gegangen  sind,  reagirt 
diese  Flüssigkeit  alkalisch  oder  wenigstens  neutral.  ^) 

Somit  geht  hei  der  Muscardine  factisch  eine  Zerlegung 
in  den  Raupen  ror  sich,  und,  da  der  Pilz  die  Ursache  der 
gsDzen  Eriirankung  ist,  ist  er  auch  die  Ursache  dieser  Zer- 
legung, und  so  ist  es  erlaubt,  sich  zu  fragen,  ob  nicht 
auch  bei  den  Puerperalprocessen  der  Krankheitserreger,  dem 
man  eine  zerlegende  Kraft  zuschreiben  muss,  ein  kleiner 
Organismus  sei. 

Dass  die  Botrytis  Bassiana  eine  Zerlegung  in  den  Raupen 
veranlasse,  kann  uns  heutzutage  auch  gar  nicht  mehr  wunder- 
bar erscheinen.  Wir  sehen  neben  den  Gährungen  eine  Ent- 
«icfceiung  mikroskopischer  Organismen  einhergehen ,  die  man 
lange  als  blosse  Begleiter  der  Gährungen  auflasste,  gerade 
so,  wie  man  die  Botrytis  Bassiana  für  eine  blosse  Begleitungs- 
erscbeinung  der  Muscardine  hielt.  Wir  wissen  aber  jetzt, 
dass  die  Beziehung   zwischen  diesen   mikroskopischen  Orga- 


1)  Biese  Baten  habe  ich  grösstentheils  Henle^a  Handbuch 
<er  rationelleii  Pathologie,  Brannschweig  1858,  2.  Band,  2.  Ab- 
tbeilinpf,  nPftraaUen*,  «ntnommen.  Hinsiohtlieh  einiger  Punkte, 
Maeatlieb  die  früheren  and  von  Ba$»i  bekämpften  Anaiohten 
betreffend,  habe  ich  die  Arbeiten  Basai^a  selbst  nachgesehen. 
^Bagii^  Bei  mal  del  segno,  calcinaccio  o  nioscardino.  See.  ed. 
MiUao  1887.« 

8* 


116  'XI.     Mayrhofer,  Zar  Frage  niieh  der 

nismen  und  den  Gährungen  eine  wesentlich  andere  ist.  Keine 
mikroskopischer  Organismen  veranlassen  Gäbrung  in  dazu 
geeigneten  Substanzen,  und  im  ganzen  Verlaufe  der  Gährung 
wirken  diese  kleinen  Organismen  als  das  wirkliche 
Ferment,  dadurch,  dass  sie  Bestandlheile  des  gährungs- 
fähigen  Körpers  zum  Aufbaue  ihrer  Körper  verwenden.  Man 
kann  auch  heutzutage  nicht-mehr  alle  beliebigen  Zersetzungen, 
welche  in  Flüssigkeiten  vor  sich  gehen,  „Gährungen'*  nennep-, 
sondern  es  ist  fernerhin  nur  mehr  erlaubt,  solche  Zersetzungen 
„Gährungen'*  zu  nennen,  von  denen  sich  aufweisen  lässt,.  dass 
sie  hervorgerufen  und  unterhalten  werden  durch  eine  Eni- 
Wickelung  mikroskopischer  Organismen. 

Aus  dem  Gesagten  geht  nun  hervor,  dass  die  Ferment- 
Wirkung  mikroskopischer  Organismen  die  Veranlassung  zu 
einer  Zerlegung  irgend  welcher  Bestandlheile  eines  grösseren 
Thierkörpers,  und  damit  zu  dessen  Erkrankung,  werden  könne, 
und  thatsächlich  in  einzelnen  Fällen  werde,  womit  aber  nicht 
gesagt  ist,  dass  jede  in  Verbreitung  auftretende,  acute,  fieber- 
hafte Krankheit  durch  mikroskopische  Organismen  veranlasst 
werden  müsse.  Es  lässt  sich  durch  die  Annahme,  dass  ein 
krankheitserregender  Körper  selbst  ein  Organismus  sei,  viel- 
leicht auf  die  einfachste  Weise  erklären,  dass  kleine  Mengen 
eines  solchen  Körpers  eine  grosse  Wirkung  haben  können. 
Die  Chemie  giebt  uns  aber  auch  Beispiele  von  grossen 
Wirkungen ,  veranlasst  durch  kleine  Mengen  nicht  organisirter 
Substanzen.  Chromchlorid  zum  Heispiele  ist  im  Wasser  un- 
löslich; es  genügt  aber  der  Zusatz  einer  minimalen  Menge 
von  Chromchlorür,  die  weniger  als  den  fänft'ausendsten  Theil 
des  angewandten  Chromchlorids  beträgt,  um  eine  vollständige 
Lösung  des  Chromchlorids  im  Wasser  zu  bewerkstelligen.  Es 
wird  aber  nach  dem  Gesagten  immer  nothwendig  bleiben, 
beim  Suchen  nach  einem  Krankheitserreger  von  chemischer 
Wirksamkeit  das  Mikroskop  zu  gebrauchen,  und  es  dürfte 
klug  sein,  zuerst  das  Mikroskop  zur  Hand  zu  nehmen,  und 
erst,  wenn  man  auf  diesem  Wege  nichts  findet,  einen  anderen 
zu  betreten,  denn,  wo  es  sich  um  sehr  kleine  Mengen  eines 
Körpers  handelt,  ist  ein  Untersuchen  mit  dem  Mikroskope 
jedenfalls  viel  leichter,  als  ein  Arbeiten  mit  irgend  welchen 
anderen  Hilfsmitteln. 


Aetiologie  der  Paerperalprocesse.  117 

Zweitens  handelte  es  sich  daruni;  wo  man  den  Krankheits- 
«reger  der  Pu^rperalprocesse  suchen  solle  ?  Jedenfalls  musste 
er  dort  sein,  wo  er  wirkt;  an  den  Kranken  also  war  er  zu 
soeben.  Es  konnte  sich  nur  darum  handeln,  ob  man  im 
•  Blote  suchen  solle,  oder  in  dem  oder  jenem  Organe.  Von 
anatomischer  Seite  wurde  durch  Buhl  nachgewiesen,  dass 
die  erste  locale  Erkrankung  bei  den  Puerperalprocessen  die 
Enmetritis,  manchmal  vielleicht  auch  die  Erkrankung  der 
Scheide  ist.  Nachdem  ich  selbst  Gelegenheit  gehabt,  eine 
grössere  Zahl  puerperaler  Erkrankungen  zu  beobachten,  war 
ich  zur  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die  zu  dieser  Zeit 
gewöhnliche  Ansicht  über  ihre  Entstehungsweise,  nach  welcher 
die  Uteniserkrankung  eine  Localisation  eines  vorausgehenden 
Rebers  wäre,  nicht  die  richtige  sei,  und  ich  wurde  ver- 
anlasst, zu  glauben,  dass  das  Fieber  im  Gegentheile  wegen 
der  Enmetritis  auftrete,  und  diess  bestimmte  mich,  im  Uterus 
m  suchen. 

Ich  führte  zunächst  das  eine  Ende  eines  Jängeren  Glas- 
rofares,  in  welcheni  sich  ein  Stempel  auf  und  ab  bewegen 
liess,  in  den  Uterus  eben  verstorbener  Puerperalkranker,  und 
dnrrb  Zurückziehen  des  Stempels  sog  ich  eine  Portion  des 
flftssig- breiigen  Uterusinhaltes  in  das  Roh]>,  und  in  diesem 
ütenisinhalte  fand  ich  jedes  Mal  Vibrionen. 

Es  war  nun  die  nächste  Frage,  ob  man  es  vernünftiger 
Weise  für  möglich  halten  könne,  dass  diese  die  puerperale 
Erkrankung  veranlasst  hätten,  oder  ob  vielleicht  Gründe  vor- 
lägen, von  vorne  herein  zu  sagen:  diese  sind  das  Gesuchte 
■iebt  Zuerst  aber  ist  nothwendig,  dass  ich  erkläre,  was  ich 
mit  dem  Worte  „Vibrionen*'  meine. 

Ehrenberg  beschreibt  eine  Familie  von  Thierchen,  welchen 
er  den  Namen  Zitterthierchen ,  Vibrioniden  giebt,  und,  er 
beschreibt  in  dieser  Familie  neben  anderen  Thierchen  aucb 
iolcbe ,  die  ihrer  Gestalt  nach  kürzere  oder  längere  Stäbchen 
lind ,  zuweilen  zu  mehreren  nach  ihrer  Längsaxe  an  ^einander 
gereiht,  oder  auch  zu  Schnüren  gereihte  Kügelchen.  Sie 
bew^en  sich  oft  sehr  lebhaft,  die  kürzeren  Stäbchen  ge- 
wöhnlich pendelnd  oder  zitternd.  Je  nachdem  nun  diese 
Gebilde  bei  ihren  Bewegungen  sich  biegen,  oder  starr  bleiben, 


11g  XI.     Mayrkofer,  Zur  Frage  nach  der 

und  Je  nachdem  sie  elwas  längere  oder  kürzere  Längs-  und 
Querdurchmesser  baben,  und  einfach  oder  zu  mehreren  an 
einander  gereiht  sind,  Uieilt  sie  Ehrenberg  in  zwei  Genera, 
in  Vibrionen  (eigenüiche  ZiUerlhierchen),  und  in  Bacterien 
(Gliederstäbchen) ,  und  er  unterscheidet  von  jedem  der  beiden  ( 
Genera  mehrere  Species.  In  Deutschland  hat  man  später 
die  Unterscheidung  zwischen  Vibrio  und  Bacterium  aufgegeben, 
und  gebraucht  jetzt  beide  Worte  als  vollkommen  gleich- 
bedeutend; französische  und  italienische  Autoren  aber  halten 
noch  fortwährend  an  der  Unterscheidung  fest.  Ich  selbst  hatte 
es  immer  mit  Gebilden  zu  thun ,  deren  Querdurchmesser  unter 
0,002,  meistens  noch  unter  0,0008  Millim.  lagen.  Diese 
Gebilde  habe  ich  so  häufig  angesehen,  wie  diess  nur. sehr 
wenige  andere  gethan  haben  dürften,  und  ich  habe  die 
einzehien  Grössen  und  Gestalten  durch  so  viele  Zwischenstufen 
in  einander  übergehen  gesehen ,  dass  ich  mit  dem  Mikroskope 
keine  Grenzen  finden  konnte  zu  einer  Unterscheidung  von 
Arten,  und  deshalb  gebrauche  ich  das  Wort  „Vibrionen*"  ganz 
collectiv. ')  Man  wurde  später  zweifelhaft,  ob  man  recht 
daran  thue,  diese  Gebilde  für  Thierchen  zu  halten,  man 
wollte  sie  aber  auch  nicht  für  pflanzliche  Gebilde  erklären, 
und  so  findet  man  sie  bis  in  die  neueste  Zeit  weder  in 
zoologischen  Werken  abgehandelt ,  noch  in  botanischen.    Eine 

1)  Lösungen,  welche  blos  Zucker,  phosphorsau  res  Natron 
und  phosphorsaures  Ammoniak  enthalten,  werden  durch  Zusati 
einer  Spur  ron  einer  Infusion  faulender,  thierischer  Gewebe  !n 
Gfthrang  yersetst.  Bei  dieser  Gährung  entwickelt  sich  eine  grosae 
Menge  von  Vibrionen,  die  aber  Bttmmtlioh  kleiner  sind  und  kürsero 
Querdurcbmesser  haben,  als  die  Vibrionen,  welche  man  in 
Infusionen  faulender  thierischer  Substansen  su  sehen  pflegt. 
Bei  Infusionen  thierischer  Gewebe  habe'  ich  oftmals  gesehen, 
dass  die  Vibrionen  an  der  OberflXehe  der  Flüssigkeit  beträchtlich, 
etwa  um  die  Hälfte ,  küreere  Querdurehmesser  haben ,  ala  jene 
aaa  der  Tiefe.  Dieae  Tbattaehen  bettimmen  mich  ebanfaUf,  an 
glauben,  dass  auch  die  Längen  der  Qaerdurchipetsar  für  die 
Unterscheidung  von  Arten  nicht  bu  verwenden  sind.  Ich  glaube 
vielmehr,  dass  dieselben  Vibrionen  unter  verschiedenen  Um- 
ständen auch  ihre  Querdurchmesser  ändern;  so,  Je  nach  der 
Flüssigkeit,  in  welcher  sie  leben,  und  auoh,  je  naebdem  sie  eich 
an  der  Obeffiäehe  der  Flüasigkiit  befinden  oder  in  der  Tiefe. 


Aekiolo^e  der  PnerperalprooesM.  X19 

Arbeit  Cokn'n  ^)  wurde  Veranlassang,  da&8  sie  die  BoUnik  auP- 
■alHn.  Diese  gebrauebt  jetzt  gewöhnlieh  das  Wort  „  BaeterJen  ** ; 
man  liest  aber,  dabei  eüigeMainmert,  „Vibrionen*'.  Man 
missle  ▼<«  diesen  Gebilden,  dass  sie  ganz  gewöhnlicb  er- 
.  Schemen ,  wenn  organische  Substanzen  an  der  Luft  eine 
Zersetzung  eingehen,  und  dass  sie  namentlich  überall  zu 
sehen  sind,  wo  Eiweisskörper  bei  freiem  Zutritte  der  Luft 
fsMÜen,  und  deshalb  pflegte*  man  von  ihnen  zu  sagen:  sie 
eradiienen  an  den  schon  abgestorbenen  Substanzen,  und 
hatten  sonach  —  offenbar  —  keine  Bedeutung  ffir  die  Patho* 
logie.  Nun  hat  man  sich  aber  seit  Langem  bestimmt  gefunden, 
die  Fäulniss  neben  die  Gährung  zu  stellen  als  einen  verwandten 
Twgang,  und  deshalb  muss  man  sich  fragen,  ob  diese  kleinen 
Otgamsmen  nicht  eine  ähnliche  Bedeutung  für  die  Fäulniss 
haben,  als  jene  mikroskopischen  Organismen,  welche  die 
GahroDgen  begleiten,  ffir  die  Gährungen  haben?  Wir  wissen, 
dass  man  mit  faulenden  Substanzen  Krankheiten  hervorrufen 
kteae,  weldie  in  die  Kategorie  der  septischen  gehören,  und, 
weü  es  nun  möglich  ist,  dass  diese  kleinen  Organismen  eine 
Bedeutung  fdr  die  Fäulniss  haben,  so  ist  es  von  vorne  herein 
auch  für  möglich  zu  halten,  dass  sie  auch  eine  Bedeutung 
haben  ffir  die  eine  oder  die  andere  von  den  sogenannten 
septischen  Krankheiten.  Zu  diesen  aber  rechnet  man  heutr 
zutage  allgemein  die  Puerperalprocesse,  um  welche  es  sich 
bandelt. 

Ich  will  im  Folgenden  blos  die  Frage  erörtern,  in 
welchem  Zusammenhange  die  Vibrionen  mit  der  septischen 
Enaetritis  und  mit  der  septischen  Erkrankung  der  Vagina 
ständen.  Hiervon  ganz  verschieden,  und  deshalb  zu  trennen 
sind  die  Fragen,  wie  Geßss- Thrombosen  und  Entzündungen, 
die  Peritonitis,  die  schwere  Allgemeinkrankheit  und  so  weiter 
wiederum  mit  der  s^tischen  Erkrankung  des  Genitalrohres 
xosammenhängen. 

Prof.  Sehneider  fand,^)  dass  rohes  Fleisch,  mit  auf- 
gekochtem destülirten   Wasser  aufs   sorgfältigste  gewaschen, 


1)  Cohn,  Nota actaacad.Caes. Leopold. CaroL,  XXIY.,  T.  t,p.  103. 

2)  Sehneider,  Beiträge  aar  näheren  Kenntniss  der  Fäulniss- 
proeeMe.  Wochenblatt  der  Zeitschrift  der  GesellBchaft  der  Aerste 
is  Vfitn,    Nennsehnter  Jahrgang,  No.  43,  Sitaitsgrsbericbt. 


120  ^I-    Mat/rkofer,  Zur  Frage  aaeh  der 

und  sodanii  in  einem, -durcli  koebeiides  Wasser  gereiniglei», 
rait  Quecksilber  und  wenig  Wasser  vollständig  erfoUten  Kottieii 
uuier  Quecksilberverscbluss  bewabrl,  sieb  Monate  lang  an* 
scheinend  unverändert  erhält,  und  keine  Spur  eines  Gases 
entwickelt.  So  wie  man  aber  Sauei^stoff  einfährt,  wird  dieser 
absorbirt,  und  einige  Zeit  darauf  findet  Gasen! Wickelung  statt 
Ist  der  Zutritt  von  Sauerstoff  zur  faulenden  Substanz  unter- 
broclien ,  so  bort  nach  einiger  Zeit  die  Gasentwickelung  auf, 
und  es  bleibt,  je  nach  der  Menge  des  aufgenommenen  Sauer* 
Stoffes,  ein  verschieden  grosser  Theil  der  Substanz  scheinbar 
unverändert.  Lässl  man  nach  längei*eni  Stillstände  neuerdings 
Sauerstoff  zutreten ,  so  könmit  es  abermals  zur  fintwickelung 
von  Fäubiissgasen ,  die  nach  einiger  Zeit  wieder  aufhört. 
Prof.  Schneider  bezeichnet  als  Fäulniss  jene  Veränderungen, 
die  in  Folge  der  Absorption  von  Sauerstoff  eintreten ,  und  sagt: 
es  scheine  nacii  dem  Angeführten,  dass  auch  die  bei  der 
Fäulniss  gegenwirkenden  Substanzen  sich  in  slöchiometrischeai 
Verbältnisse  an  dem  Processe  betheiligen.  Mikroskopische 
Organismen  können  den  Zerfall  der  organischen  Substanz 
beschleunigen ,  haben  aber  nach  den)  Obigen  mit  der  Fäulniss 
selbst  nichts  zu  schaffen.  Was  insbesondere  die  Vibrionen 
anlangt,  so  ist  ihre  Fermentwirkung  ausser  Zweifel.  Wässerige 
Lösungen,  welche  Zucker,  phosphorsaures  Natron  und  phosphor- 
saures Ammoniak  enthalten,  werden  durch  Vibrionen  in  eine 
Gährung  versetzt.  Mit  dieser  Zerlegung  hat  wiederum  der 
Sauerstoff  der  Luft  nichts  zu  schaffen,  denn  dieselbe  geht 
auch  bei  vollkommenem  Abschlüsse  der  Luft  vor  sieb. ')  Jene 
Zersetzung  der  dem  Einflüsse  des  Lebens  entzogenen  thieriscfaen 
Substanzen,  welche  man  gewöbnUch  als  „Fäulniss"  be- 
zeichnet, und  welche,  wie  bekannt,  von  einer  massenhaften 
Entwicklung  von  Vibrionen  begleitet  wird,  ist,  wie  in  vielen 
Fällen  schon  Aussehen  und  Geruch  lehren,  von  der  reinen 
Fäulniss  im  Sinne  Schneider'^  verschieden,  und  muss  des^ 
halb  von  ihr  genau  unterschieden  werden.  Die  von  einer 
Entwickelung  von  Vibrionen  begleitete  Fäulniss  ist  ein  com- 
binirter  Process,  der  gegebenen  Begriffsbestimmung  der 
Worte  „Gährung''  und  „Fäulniss"  nach  bestehend  aus  einer 

1)  S.  Sokneidw  1.  c. 


Aotiologle  der  PnerpermlproeeBse.  12 L 

Paiiloiss  in  Folge  der  Sauersloffeinwirkung  und 
einer  Gabrung  in  FoJge  der  Permenlwirkung  der 
Vibrionen,  welche  Gährung  man  hier  als  »JauKge  Gfihrung'' 
bezeichnen  konnte.  ^) 

fiei  den  in  Rede  stehenden  Fuerpei'Hiproeessen  hat  man 
in  fiössigen  Inhalte  des  Genitalscidauches  und  an  den  Innen^ 
winden  des  Uterus  und  zuweilen  der  Vagina  einen  sehr  ent- 
sffoiedenen  Zerfall  vor  sich,  den  man  von  jeher  als  der 
FSolmss  ausserhalb  lebender  Organismen  verwandt  betrachtete, 
wie  die  Aasdröckc:  „septische  Enmetritis'',  „putride  Lochien ^ 
„Potrescenz  des  Uterus*'  zeigen.  Für  diesen  Zerfall  kann 
der  Saoerstoff  der  Luft  nur  eine  untergeordnete  Bedeutum^ 
haben,  denn  die  Fäulniss  geht  universell  vor  sich,  wo  dem 
EinOasse  des  Lebens  entzogene  Eiweisskörper  mit  der  Lufl 
in  Berührung  kommen,  und  findet  somit  an  den  Lochien 
jedes  Weibes  ohne  alle  Ausnahme  statt.  Hätte  die  Fäulniss 
nebt  eine  mindestens  untergeordnete  Bedeutung,  so  könnte 
es  nicht  zeitweilig  Puerperalfieberepidemieen  geben  und  dann 
wieder  nicht,  und  am  allerwenigsten  eine  Epidemie  an  einer 
der  beiden  grossen,  an  einander  gränzenden  Wiener  Gebär- 
kliniken,  während  die  andere  von  der  Epidemie  völlig  verschont 
Ueibt  Es  ist  sonach  bei  der  septischen  Enmetritis  nicht  die 
Fidniss  das  Wichtige,  sondern  die  faidige  Gährung;  diese 
aber  rührt  öberall  von  Vibrionen  her.^) 

1)  Patteur  sagt  dast  die  Vibrionen  das  Ferment  der  Fänlnias 
•eten.  Scbütse  man  thierische  Gewebe,  z.  B.  Fleisch,  gegen 
die  EiDwirkang  der  Vibrionen,  so  gingen  diese  zwar  eine  Ver- 
Inderang  in  Folge  des  Aufeinanderwirkens  der  eigenen  chemischen 
Bestaodtbeile  ein;  diese  VerSnderung  sei  aber  etwas  anderes, 
als  die  FKnlsisa.  Es  ist  augenseheinlicb ,  dass  PMUur  mit  dein 
Worte  yyFüaloiss"  dea  oben  näher  beleachteten,  combinirtea 
Process  belegt.  Seine,  in  Folge  des^Gegenwirkens  der  eigenen 
Besundtheile  auftretende  Veränderung  aber,  die  er,  wenn  sie 
iD  einem  grosseren  Fleischstücke  vor  sich  geht,  als  eine  „Gangrän* 
beseichnet,  ist  die  reine  FHnlniss  im  Sinne  Schneider^B,  denn 
bei  den  Versuchen  Patieur*»  warde  die  £inwirknng  der  Lnlt 
siebt  eliminirt 

S)  Ich  bemerke  hier  vorlftofig,  dass  der  als  Tjmpanites  uteri 
beseiehDete  Zustand ,  welcher  soweilen  im  Lanfe  schwerer  Ge- 
bvrtea  od^r  nach  solchen  auftritt,  vorwaltend  wenigstens  eine 
rfine  Fftalnitt  des  Uteros  ist. 


122  XI.    Mm^rksfer,  Znr  Fr«^  n«eh  der 

Maa  köDDte  dud  meinen,  die  Locbien  mussten  die  faulige 
GUining  eben  so  regelmässig  eingeben,  als  die  Fäuiniss. 
nachdem  man  doch  sonst  bemerkt,  dass,  werden  niclit  be- 
sondere  Vorsichtsmaassregelii  angewendet,  neben  der  Fäuloiss 
regelmässig  aucb  eine  faulige  Gähning  eintritt.  Eine  mikro- 
skopische Untersuchung  vieler  Locbialsecrete  lehrte  mich  aber, 
dass  zwar  bei  den  septischen  Puerperalprocessen  immer 
Vibrionen  zu  finden  seien,  bei  gesunden  Wöchnerinnen  aber 
nicht  immer,  und  zwar. am  zweiten,  dritten  und  vierten 
Wochenbettstage  nie,  und  späterhin  auch  noch  nidil 
jedes  Mal.  0  Letzteres  ist  nicht  geeignet,  zu  erweisen,  die 
fl^ptische  Enmetritis  rühre  nicht  von  den  Vibrionen  her;  es 
ndthigt  nur  zur  Annahme,  dass  für  gewöhnlich  mit  dem  vierten 
Wochenbettstage  die  Möglichkeit,  an  einem  septischen  Puer- 
peralprocesse  zu  erkranken,  aufgehört  habe.  Zu  dieser  An- 
nahme nöthigen  aber  die  Minischen  Thatsachen  gerade  so, 
denn  die  septischen  Puerperalprocesse  treten  in  der  Regel  in 
den  ersten  vier  Woch«iibettstagen  und  nur  ausnahmsweise 
später  auf.  Es  scheint  mir  nahe  liegend,  zu  denken,  dass 
diese  Thatsache  mit  der  Involution  des  Uterus  in  Zusammen- 
hang st^he. 

Dieses  seltene  Erscheinen  der  Vibrionen  in  den  Lochien 
wird  verständlich,  sobald  man  sich  klar  macht,  in  wekber 
Zeit  der  Geburt  und  des  Wochenbettes  die  vorzügliche  Gelegen- 
heit für  ihr  Eindringen  in  die  Vagina  und  den  Uterus  gegeben 
sei.  Die  bei  der  Fäuiniss  der  Etweisskörper  auftretenden 
Vibrionen  gehen  zu  Grunde,  wenn  die  Flüssigkeit,  in  der 
sie  sich  befinden,  saure  Reaclion  annimmt.  Setzt  man  zum 
Beispiele  einer  in  fauliger  Gährung  befindlichen  Eiweisslösung 
Essigsäure  oder  eine  andere  Säure  zu,  bis  sie  sauer  reagiit,  so 
stellen  die  Vibrionen  ihre  Belegungen  ein ,  und  nach  wenigen 
Tagen  sieht  man  sie  mehr  weniger  deutlich  geschrumpft  am 
Boden  liegen,  und  es  erscheinen  so  lange  keine  neuen  Vibrionen 
in  der  Lösung,  als  sich  diese  sauer  erhält.  Hat  man  die 
Lösung  sehr  wenig  angesäuert,   so   reagirt  sie  nach   einigen 


1)  loh  ▼erweise  hier  auf  eine  Tabelle,  die  in  den  medicinieehen 
Jabrbaehern,  Wien  1863, 1.  Heft  —  Untereaehungen  über  Aetiologia 
der  Poerperalproceste  —  veröffentlicht  iet. 


Aeliologie  der  Paerperalproeanse.  128 

T«gai  wieder  iieulral  in  Folge  der  foi'tgebendeD  Sauerstoff- 
eiowiiiuug  und  davou  abhängigen  Animoniakausscheidung, 
und  nun  eulwickell  sich  eine  ersicbüicb  neue  Generation 
TOD  Vibrionen.  Bei  der  Gäbruiig  der  erw&linten  wässerigen 
LöMittgeD,  weiche  Zucker  und  beslininile  Satze  enthalten,  werden 
Sawen  gebildet,  und  hier  vertragen  die  Vibrionen  die  saure 
Reaction  bis  zu  gewissen  Grenzen;  doch  wird  auch  hier  der 
sdiädlidie  Eiufluss  der  gebildeten  Säuren  benierklich.  ^  Mengt 
■uB  eine  kleine  Menge  einer  solchen  Lösung  oder  ^einei* 
bfusion  faulender  Lhieriscber  Gewebstbeile  mit  Vaginalscbleim, 
so  stellen  die  Vibrionen  sehr  schnell  ihre  Bewegungen  ein, 
ttod  dieser  Stillstand  der  Bewegung  bat  nicht  etwa  eineii 
nechanisehen  Grund  in  der  Zähigheit  des  Schleimes,  denn 
Plossigkeitsströmung  und  Holecularbeweguug  bleiben  vor- 
binden. Man  kann  sonach. nicht  zweifehi,  dass,  solange  der 
Vaginalscbleini  sauer  reagirt,  einige  Vibrionen  oder  deren 
Keune,  welche  in  die  Vagina  gelangt  siiul ,  sich  dort  nicht 
rernebren,  sondern  verloren  gehen  werden.  Dem 
widersprechen  die  Angaben  ober  das  Vorkommen  von  Vibrionen 
in  Scbeidensclileime  nicht. 

Sehr  gewöhnlich  sieht  man  im  Scheidensclileime  kleine, 
stibchenföruiige  Gebilde  von  verschiedenen  Längs  -  und  Quer* 
darchraessem ,  welche  auch  binsicbtlicb  ihrei*  Grösse  voll- 
konunen  den  Vibrionen  gleichen,  welche  bei  der  fauligen 
Gahnu^;  auftreten.  Sie  sind  oft  in  sehr  grosser  Menge  vor- 
handen, so  dass  man  nicht  zweifeln  käkin,  dass  sie  sich  im 
Scheidenschleime  vermehren.  Niemais  zeigen  diese  Gebilde 
dae  selbststandige  Bewegung.  Es  war  nun  wichtig,  darüber 
i»  Klare  zu  kommen,  ob  diese  Gebilde  dieselbe  Ferment- 
virkung  haben,  als  die  betrachteten  Vibrionen,  oder  nicbL 
Ich  machte  nun  zwei  Mal  den  folgenden  Versuch.  Ich  füllte 
eine  wässerige  Lösung  der  bereits  mehrfach  erwähnten  Zu- 
umnensetzung  in  ein  Glaskölbchen ,  das  sorgfältig  verkorkt, 
■id  dann  durch  längere  Zeit  in  kochendem  Wasaer  gehalten 
worde,  um  die  etwa  darin  vorhandenen  Keime  zu  zerstören, 
ich  untersuchte  hierauf  den  Vaginalschleim  mehrerer  in  unserer 
Anstalt  verpfTegter  Schwangerer  auf  diese  Gebilde ,  und  wählte 


1)  8.  bi»rab«r  8ekn§id$r  1.  o. 


124  ^'-     Maffrhofer,  Zur  Fra^e  niich  4er 

Per9olnen  aus ,  bei  denen  sich  die  fraglichen  Gebilde  in  grossei* 
Menge  fanden.  Mit  einem  kleinen,  mittels  einer  Pincetie  ge- 
f^sstem  Plalinschäldien ,  das  durch  Erhitzen  gereinigt  wurde, 
nahm  ich  unmittelbar  nach  dem  Erkalten  vorsichtig  etwas 
Schleim  aus  der  Vagina,  und  warf  darauf  das  Schälchen 
mit  dem  daran  befindlichen  Schleime  in  das  Kölbchen ,  welches 
sofoi*t  wieder  gut  verkorkt  wurde.  Jedes  Mal  beobachtete  icli 
dann  die  Lösung  durch  mehrere  Wochen,  und  diese  blieb 
während  dieser  ganzen  Zeit  vollkommen  klar  und  unveräffdert. 
Der  Zusatz  einer  Spur  von  einer  Infusion  faulig  gährender 
Substanzen  bewirkt  aber  in  einer  solchen  Lösung  jedes  Mal 
eine  Gährung ,  und  schon  nach  einigen  Tagen  wird  die  vorher 
klare  Fässigkeit  weisslich  gelrQbt  von  der  Masse  der  in  ihr 
entwickelten  Vibrionen.  Man  muss  also,  wenn  man  diese  im 
sauren  Vaginalschleime  und  unter  normalen  Verhältnissen  liSufig 
vorkommenden  Stäbchen  vorläufig  „Vibrionen"*  nennt,  sie 
wenigstens  von  den  bei  der  fauligen  Gährung  auf- 
tretenden unterscheiden,  als  mindestens  einer  anderen 
Art  angehörend. 

Die  saure  Reaclion  der  Feuchtigkeit  in  der  Vagina  dauert 
im  Verlaufe  der  Geburt  gewöhnlich  bis  zum  Blasensprunge; 
von  dort  ab  deckt  das  absickernde  alkalische  Fruchtwasser 
fortwährend  den  sauren  Scheidenschleim.  Viel  seltener,  aber 
doch  ziemlich  häufig,  beginnt  die  Flüssigkeit  in  der  Vagina 
noch  vor  dem  Blas^nsprunge  in  Folge  einer  leichten  Blutung 
aus  dem  Uterus  neutral  oder  alkalisch  zu  reagiren:  Gelangt 
jetzt  ein  Vibrio  an  die  Vulva  und  den  Introitns  vagfnae,  so 
wird  er  sich  in  der  dortigen  Flüssigkeit  vermehren;  da  aber 
die  Vibrionen  anfangs  keine  selbstständige  Bewegung  zeigen, ') 
so  werden  sie  in  der  Regel  über  den  Introitus  vagtnae  nicht 
hinaufrücken ,  und  durch  die  von  oben  nachrückende  Flüssig- 
keit und  durch  die  Harnentleerungen  wieder  weggeschwemmt 
werden,  wenn  nicht  einige  mit  einem  in  die  Vagina  ein- 
dringenden Körper  höher  hinauf  geführt  werden.  Dann  können 
sie  wenigstens  Zeit  genug  haben ,  sich  in  der  Flüssigkeit  der 


1)  Schon  iwölf  StnndeD  nach  dem  Ansetien  einer  Infoeioa 
frischer  thierischer  Gewebe  sieht  man  oft  eine  grosse  Menge  von 
Vibrionen  in  der  Flüssigkeit.  In  einer  so  frühen  Zeit  sind  sie 
alle  bewegnngslos. 


AeUoIo^i«  der  Paerperalproo^ssd.  125 

Vagita  Qod  späterhin  des  Uterus  so  zu  verimshreo,  class« 
wenn  auch  ein  Theil  wieder  weggeführt  wird,  eio  anderer 
Theil  inuner  wieder  zurückbleibt  Gewöbnlicb  ist  e&  jedeaTaJk 
der  untersuchende  Finger ,  welcher  die  Vibrionen  höher  hinauf- 
führt  ^)  Selbstverständlich  bleibt  es  möglich,  trotz  der  sauren 
Reaction  des  Vagioalschleimes  keimfSbige  Vibrionen  mit  dem 
ootersucbenden  Finger  in  den  Cervix  zu  bringen  und  dort 
zu  deponiren,  sowie  es  aucli  möglich  ist,  dass  in  einzelnen 
FilleD  die  in  die  Vagina  und  den  Ulerus  eintretende  Luft 
Keime  dorthin  bringe.  Für  gewöhnlich  aber  liegen  am  In- 
troitus  vaginae  die  Scheidewände  so  genau  an  einander,  dass 
die  eintretende  Lufl  die  in  ihr  suspendirten  Körperchen  hier 
^B  den  feuchten  Scheidenwänden  ablagern  umss,  und  nur  als 
fi&trirte  Luft  in  die  höber  gelegenen  Parüeen  der  Scheide  und 
in  den  Uterus  gelangen  kann.  . 

lüermit  treten  zwei  wichtige  klinische  Thatsacheo  in 
Beziebuiig;  Bei  Gelegenbeil  einer  sogenannten  Puerperalfieber- 
epidemie  in  einem  Gebärhause  sind  die  Personen,  welche« 
oacbdem  sie  in  einem  anderen  Hause  oder  auf  der  Strasse 
geboren  haben ,  in  die  Anstalt  aufgenonmien  werden ,  auflallig 
gegen  den  epidemischen  Einflus$  geschützt  Dies  erklärt  sieb 
nach  dem  Vorigen  daraus ,  dass  sie  in  der  Anstalt  niclit  mehr 
iHiiersttcht  werden.  Ferner  isi  bekannt ,  dass  Verzögerungen 
der  Geburt  die  Wahrscheinlichkeit  für  das  Erkranken  vor- 
grossem.  Das  vorbin  Gesagte  aber  verlangt,  dass  diese 
Wirkung  in  der  Regel  nur  den  Geburtsverzögerungen  zukomme, 
wekhe  nach  Aufhören  der  sauren  Reaction  der  Flüssigkeit  in 
der  Vagina,  also  nach  dem  Blasensprunge  oder  bei  Abgang 
foo  Bhit,  eintreten,  wenn  anders  die  Erkrankungen  von  den 
Vibrionen  h<^rühren. 

Es  giebt  nun  wirklich  Thatsachen,  welche  hinsichtlich  der 
scfaädlicbeo  Wirkung  der  Geburtsverzögerungen  zu  dieser  An- 
nahme drängen.  Bei  Beckenverengerungen  bleibt  der  Kindes- 
schädei  nach  dem.  Blaseusprunge  zuweilen  einen  Tag  und 
noch  länger   über  dem  Beckeneingange  stehen.     In  solchen 


1)  Ifach  den  e raten  Wochenbettatagen,  nachdem  die  Strömung 
äer  Lochien  eioe  hinreichend  langaame  geworden,  gelangen  nie 
freiJfch  ob  da   Beihühe  in  die  Scheide. 


126  Xf-.  ^oyrhof0r.  Zur  TxKgt  nach  der 

PftUen  bemerkt  man  nicht  selten ,  dass  das  neben  <lem  Kopfe 
absickernde  Fruchtwasser  eine  jauchige  Beschaffenheit  an- 
nimmt. Damit  tritt  Fieber  auf,  und  der  Uterus  scheint  ganz 
erscliöpfl.  Unter  sokhen  Umständen  diagnosticirt  jedermann, 
es  sei  während  der  Geburt  eine  Enmetritis  aufgetreten.  Es 
hat  hier  nidit,  wie  man  bisher  angenommen  zu  haben  scheint^ 
die  anstrengende  Geburtsarheit  zur  Entzündung  geführt,  und 
das  Fruchtwasser  ist  nicht  stinkend  geworden,  weil  ejn  ent- 
zAiidliches  Exsudationsproduct  in  dasselbe  abgelagert  wurde, 
sondern  das  Fruchtwasser  ist  zu  einer  Jauche  geworden,  weil 
es  durch  Vibrionen  in  faulige  Gährung  versetzt  wurde.  Unter- 
sucht man  solches  Fruchtwasser ,  so  sieht  man  in  demselben 
entweder  Vibrionen,  welche,  weil  sie  sich  wenigstens  tiiei! weise 
selbstständig  bewegen,  leicht  kenntlich  sind,  oder  man  sieht 
eine  grosse  Menge  kleiner  Körperchen,  rundlich,  doch  meist 
etwas  in  die  Länge  gezogen,  und  hie  und  da  bemerkt  man 
auch  schon  ein  wenn  auch  kurzes  doch  deutliches  Stäbchen. 
Diese  Gebilde  zeigen  keine  selbslständige  Bewegung ,  wie  die 
Vibrionen  überhaupt  im  Beginne  der  fauligen  Gährung  noch 
keine  selbststindige  Bewegung  zeigen,  wie  diess  bereits  er- 
wähnt wurde.  Man  kann  aber  in  solchen  Fällen  mit  Sicher- 
heit darauf  rechnen,  am  nächsten  Tage  oder  längstens  am 
zweiten  im  Locliialsecrete  neben  solchen  Körpercben  auch 
Vibrionen  mit  deutlich  selbstständiger  Bewegung  zu  sehen. ') 
Ebenso  kann  man  sehen,  dass  ein  Blutabgang,  wekher  dem 
Blasensprnnge  durch  einen  Tag  und  länger  vorausgeht,  Ver- 
anlassung zu  einem  Puerperalprocesse  wird.  Andererseits 
geschieht  es,  dass  Erstgebärende  wegen  zögei*nder  Eröffnung 
des  Orificinm  uteri  durch  einen  Tag  und  länger  heftige  Wehen 
haben;  springt  aber  die  Fruchtblase  spät,  so  bleiben  sie 
gewöhnlich  gesund,  selbstverständlich  vorausgesetzt,  dass  die 
Gesimdheitsverhältnisse  einer  Anstalt  günstige  sind. 

Dass  in  den  vorigen  Beispielen  die  blosse  Wehenthätigkeit 
för  das  Zustandekommen  der  septischen  Enmetritis  keine 
wesentliche  Bedeutung  bat,  wird  am  deutlichsten  dadurch  er- 


1)  Diese  kleinsten  Vibrionen  mit  noi*  wenig  die  Qnerdnrch- 
metter  fiberwiegenden  L&ngsdQrchfnetsern  halte  ich  f^r  EhrenhBrg^B 
DKnimerungsmonnden  (Monns  creptiscnlnm). 


Aetiolofi^e  der  Plierperalprooesae.  127 

sicbllieh,  dass  es  Fälle  giebt,  in  welchen  die  Enmetrius  schon* 

fer  dem  Emtriite  der  Wehen  beginnt     Ich  kenne  ersl  einen 

einzigeD  solchen   Fall.     Den  2.  Mdrz   1864   wnrde  mit   der 

ProtoeoNnuimner  1724  eine  Schwangere  mit  (hdenx  der  grossen 

Schamlippen  aufgenommen.    Während  der  Zeit  ihres  Hierseins 

war  die  Palsfreqnenz  kaum  jemals,  die  Hauttemperatur  aber 

hiafig  erhobt,   der  Durst  fortwährend  vermehrt,   der  Appetit 

sehr  wenig.     Sie   magerte   sichtlich   ab  dnd  klagte  fast  fort- 

wählend  ober  Schmerzen  in  der  Kreuz  -  und  Geföhl  von  Druck 

in   der  Magengegend.     Die   Hautfarbe  war   auffallend   weiss 

mt  sonst  bei   Morbus  Brightii,    im    mehrmals  untersuchten 

Harne   war  nie  Eiweiss  vorhanden.     Von   den   Schamlippen 

pftaaite    sich    die   ödema(5se  Anschwellung    auf  die   Bauch-  , 

deckee   fort.     Die   Schamlippen   wurden    vier   Mal    hei   sehr 

bedeutender    Anschwellung    scarifidrt,    weil    der    durch    die 

Spanmmg    verursachte    Schmerz    den    Schlaf    raubte.      Der 

Uterus    war    in    der    letzleren    Zeit    stark    ausgedehnt    unti 

«irde  Hydraranios  diagnosticirt.     Den   7.  April   nntf*rsuchte 

ich  bei  dieser  Person   das  SecTet  der  Vagina  und  fand   den 

Scheidenschleim   ersetzt   durch  eine  serdse,   alkalisch 

Flössigkeit  und  in  dieser  zaiilreiche  Vibrionen.    Ich 

sprach  die  Vermutbuag'  aus,   dass   die   faulige   Gährmig  der 

Hteigkeit  im  Geiiilalschlauche  sidi  bis  in  den  Uterus  erstreckt 

md  bereits  eine  Ennietritis  veranlasst  haben  dürfte,  und  hielt 

es  deshalb  fOar  sehr  wahri»cheinlich,  dass  kurz  nach  Vollendung 

der  Geburt  der  Puerperalprocess  deutlich  sichtbar  werden  dilrfte. 

Den  8.  April  war  die  Vaginalportion  noch  einen  halben  Zoll 

lang,  das  Onficium  uteri  extemam  geschlossen,   somit  keine 

Murtstbäligkeit  bemerkbar.    Den  10.  um  lOVa  Uhr  Abends 

gebar  sie  eine  Frucht  im  Gewichte  von  2^^  Wiener  Pftind 

ind  den   11.   um   9  Uhr  Morgens   eine   zweite  im  Gewichte 

fon  37^  Wiener  Pfund.     Die  Friichiwassermenge  war  gross. 

Gegen  Abend   dieses  Tages  (11.  April)  trat  stärkeres  Fieber 

and  Oedem   des  Gesichtes   auf,   den    13.  Diarrhoe,   den  16. 

Gangrän  der  Vagina  und  den  18.  erfolgte  der  Tod.    Die  Seclion^ 

ergab:   Beide  Nieren  erkrankt,   ihr  Gewebe  bleich,   hart  und 

brüchig,  auf  der  Schnittfläche  im  geringen  Grade  mattglänzend. 

Das  Epithel  der  Hamcanälclien  ist  voll  kleiner  Körnchen,  die 

darch  Aelher  entfembar  sind;  solche  Körperclien  findet  man 


128  XL    Moffrho/ert  Zur  Frafr«  nach  der 

ifi  groMer  Zahl  auch  au  dpu  MalpighCsoiien  Kiiäueln.  Die 
iMiienfläche  des  Uterus  im  Zuitande  faocbgradiger  Pu(r««ceiiz, 
die  Uieruswandungen ,  ohne  Zweifel  in  Folge  von  Bindegewebs- 
nenbilduDg,  anIfiUig  hart  und  dein  Messer  ungenvöbnlicheo  Wider- 
sUod  leistend ;  die  Vagina  gangränös.  Ich  glaube ,  dass  in  diese« 
Falle  das  Fieber  während  der  Sdiwangei'scball  von  der  Nieren- 
erkrankung  abhängig  gewesen  sei ,  und  dass  es  in  Folge  der 
NierenerkrankuDg  zu  einer  serösen  Transsudalion  in  die  Vagiiui 
gekonimen  sei,  welche  (wahrscheinlich  erst  gegen  die  leCstip 
Zeit  der  Schwangerschaft)  zur  Enmetritis  und  auch  zur  Meiritis 
l'äbrie,  denn  es  scheint  mir  nicht  walu*scheinlich ,  dass  eine 
so  bedeutende  Neubildung  von  Bindegewebe,  wie  sie  in  dieeeni 
Falle  ohne  Zweifel  vorhanden  war,  in  den  wenigen  Tagen 
nach  der  Geburt  erworben  werden  konnte.  Puerperalprocesse 
traten  zu  jener  Zeit  in  der  Anstalt  nur  sporadisch  und  seilen  auf. 

Dass  Erstgebärende  mit  grösserer  Watirscheinlichkeit  er- 
kranken, als  solche  Frauen,  die  schon  ein  Mai  gebaren, 
liringe  ich  in  Zusammenhang  mit  der  längeren  Geburtsdauer 
bei  Erstgebärenden. 

Meine  AoaiGht  geht  nun  dahin«  dass  die  septische  Enmetrilia 
durch  eine  faulige  Gährung  der  Flüssigkeit  im  Genitairohre 
hervorgerufen  werde.  Diese  Ansicht  wird  streng  erwiesen 
oder  streng  Widerlegt  werden  müssen.  Ist  sie  richtig,  so  muss 
die  saure  ReacUon  der  Flüssigkeit  in  der  Vagina  einen  Sclmu 
bieten  gegen  den  Erreger  der  septischen  Puerperalprocesse, 
und  ob  dieser  Schulz  existire  oder  niclit  kann  durch  die  Er- 
fahrung entschieden  werden.  Man  kann  hierzu  den  Weg  «lei* 
Versuche  einschlagen  und  emiitleln,  ob  sich,  wenn  man  .die 
Flüssigkeit  in  der  Vagina,  nachdem  sie  aufgeliört  hat,  sauer 
zu  reagiren,  wieder  sauer  macht  und  nach  Möglichkeit  sauer 
erhält,  die  septischen  Puerperalprocesse  liintanbalten  lassen. 
Auch  nmssle  man  zu  einer  Statistik  gelangen,  welche  über 
die  Frage  entscheidet,  *  wenn  man  in  einer  grossen  Anzahl 
voü  Fällen  den  Beginn  der  Geburtsthätigkeit,  den  Zeitpunkt 
des  Verachwindens  der  sauren  Reaciion  der  Scheidenflussigkeit, 
die  Zeit  des  Eintrittes  der  Gebärenden  in  das  Kretsszimmer 
und  die  Zeit  der  Beendigung  der  Geburt  notiren  wurde. 

Man  durlle  vielleicht  in  den  früher  angegebenen  Weg 
mehr  Vertrauen   setzen,    und   so   werde  ich  mich  bemühen. 


Aeti#lo^  der  ENieipefalproeeBte«  129 

nach  Xdglicblf«it  daiu  bekulragen,  (fie  Frage  auf 
Wege  %mr  Eatscbeiduag  zu  bringen.  Werden  aber 
die  Eckrankangen  an  unserer  Anstalt  niefat  einmal  sehr 
«esentlicli  sahhreicbttr,  als  sie  sek  mehr  als  eineai  Jahre  siad^ 
niid  ich  erwarte,  dess  dies  nidit  so  leicht  geschehen  werde, 
se  ist  aar  Entscheidung  der  Frage  eine  Versuchsreihe  nöthig, 
wdche  sich  durch  ein  Jahr  und  vielleieht  durch  noch  längere 
Zeit  erstreckt  Die  Ausföhrmg  der  Versuche  hat  übrigens  eine 
praktische  Schwierigkeit,  die  darin  Kegt,  dass  einigerfliasseR 
I«  CAMcentrarle  Liosungen  ^)  das  Gewebe  der  Scheide  und  der 
-PortiO'  vaginriis  schrumpfen  machen  und  hierdurch  die  Geburt 
vertögem,  nach  längerer  Anwendung  auch  Bxooriatiooen 
nmilassen,  während  sehr  ?erdännle  Säuren  darch  das  abr 
lieagende  Fruchtwasser  bald  wieder  getilgt  werden. 

Ich  habe  viele  Versuche  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen 
angesMk,  anfangs  au  dem  Zwecke,  in  die  Entwickelungsweise 
der  Pacrperalprocesse  Licht  zu  bringen  und  später  wegen  ehnger 
interessanter  und  für  die  Pathologie  wichtiger  Fragen,  welche 
sich  bei  diesen  Versuchen  aufdrängten.  Ich  biii  hinsichtkcb 
dieser  Fragen  au  keinem  tortigen  Resultate  gekonunen,  gedenke 
aber,  die  Versoche  in  ^äterer  Zeit  mit  besseren  HülfsflMttefai 
wieder  au&unebmen.  Da  aber  die  acute  septische  AllgemeiiH 
krankheit,  weidie  ich  mittels  infuaionen  faulender  Gewebe 
and  auch  mittels  der  mehrfach  erwälinten  gährenden  Lösungen 
zuweilen,  aber  durchaus  nicht  jedes  Mal  henrorrufcn  konnte, 
ein  vom  septischen  Puerperalprocesse  des  Weibes  ohne  Zweifel 
wesentlich  verschiedener  Krankheitsvorgang  ist,  so  haben  diese 
Versuche  für  die  Frage,  um  welche  es  sich  hier  handelt, 
höchateas  einen  gani  untergeordneten  Werth. 

Die  im  flüssigen  Inhalte  des  Genitah*ofares  bei  Kranken 
oder  nach  dem  vierten  Wochenbettslage  bei  Gesunden  sieht* 
baren  Vibrionen  haben  zumeist  die  Gestalt  kurzer,  isolirter 
Stäbeben  oder  rundlicher,  nur  wenig  in  die  Länge  gezogener 
Körperchea.  Jedes  Mal  habe  ich  nur  einen  verhältnissaiässig 
kleinen  Theii  derselben  in  Bewegung  gesehen.  Im  kurz  nach 
dem  Tode  untersuchten  Blute  Puerperalkranker  habe  ich  nie 
Vibrionen    gesehen;    in    den    peritonäalen   und   pleurilischen 


1)  Ich  verwende  su  diesen  Versachen  ««flsebHecelich  SttkflOdre« 
MonaUsebr.  f.  Gebortak.  1866.  Bd.  XXV.«  Hft.  2.  ^ 


r 
ISO  3^    J^«^^/v*t  SSur  Frag«  ueh  der 

EflLsudatcfei  aber  babe  ich  gana  gewihdidf  GebiUe  gatete, 
die  sehr  wafarscheinlick  is  eioem  genelifiabeft  Zuaacivieoliaiige 
milr  den  sl&bcheiiföriiigMi  Vibnaaea  stehen :  lange,  gegifederle 
oder  ungegliederte  Fäifea  oier  zw  Sduiüreo  gereihte  lugpckhen. 
Dieae  Gebilde  haben  keine,  oder  eine  sdir  gelinge  Feimienlr 
Wirkung,  denn  dureh  den  GeruGbaainn  «entgsleas  .war  eine 
fatiügeGährung  der  betrefiendeD.fix8iidate:mcbt  wahiaiHiehiMa^) 
Nur  ausnahmsweise  &nd  ich  im  pentonSalen  Exsudat»  Vifariom^ 
Ton  der  Gcatalt  kurzer  Stahoben ;  dann  aber  war-  daa.  Knmdai 
jedea  Mal  au  einer  Jauche  geworden.  Alle  drei  gaannolHi 
Gebilde  in  .diesen  Exsudaten. sah  ich  innner  bewegungsioa» 

Ich  evlaube  mir  noch  feigende  Bemerkung^  Wena  nan 
genftthigt  isl,  au  glauben,  dass  die  AübAttfiing  Iralander 
Substanzen  in  einer  Gebäranatak  im  Interesse  der  Gebirenden 
und  Wöchnerinnen  möglicbat  hintananhalten  sei,  so  wird  man 
sieb  gedrängt  fläblen,  sieb  eine  .VorsteUung  zn  bilden^  «e- 
durch  die  faulenden  Substanzen  echlMUch  werden  ?  und  wenn 
«an  ferner  genothigt  ial,  der  fleissigen  Ecnenenrng  der.  Luft 
Wertb  beizumesseti,  ae  wird  man  eich  fragen,  wie  so  die 
eingeschlossene  Luft  in  Folge  der  nie  hintanziifaaUeod«a  2er* 
setBungsiMHieesse  thlensisher  Substanzen,  in  einer  AnataJli  se 
soh&dlich.  werden?  So.  viel  mir  wenigstens  befcannli  ^ewordM 
iat,   liegt  auch  nioht  ein  Schein  einer  Thaftsache  vor,   der 


1)  E^  %r%M  4ip»  i^h  di9r  Mein^pg  JP^^Ofm''^  ia  Bi^siiA«i|g, 
dast  Bthr^nberg^B  BBuihB  yerschiedene  Specie«  der  Vibrionen  «echs 
yerachiedene  Fäulnissfermente  seien.  Ich  halte  die  yerschiedeDeii 
Gestalten  nicht  für  verschiedene  Species,  sondern  glanbe,'  dasi 
sie  verschieden«  EntwickelangssastSnde  hesieichnen*  Es  ist  aber 
sehr  wohl  möglich,  dass  an  vserefthledens  üaiwiekeiiinganMiaaAs 
desi^f^h^n  pflanBlieft#«  Gebildes  eine  yerschiedenA.Ferjiveniwirkang 
gekntipft  ist.  Ich  will  hiermit  nicht  behanpten,  da^s  es  nicht 
▼erschiedene  Species  von  Vibrionen  gebe;  dies  ist  mir  im  Gegen- 
theile  sehr  wahrscheinlich:  ich  glaube  nur,  dass  jede  einselne 
Speeies  ftlle  oder  fest  all»  b«obaeh«eteii  Gestalten  und  auefa'  sehr 
verieliiedeiie  Qrdssen. annehmen  k^inne. 

Di^.  hier  üher  die  Vibrionea  Ge4agte  tri,tt  in  m^hffAf^hftr 
Hinsicht  in  Besiehung  mit:  Hermann  Hoffmann*a  Neuen  Beob- 
achtungen über  Bacterien  mit  Rücksicht  anf  Generatio  spontanea. 
Botanische  Zeitnng  von  MoM  nnd  SehUchtenihal ^  IS63,  8. 804 — 815. 
Ich  verweise  anf  diese  Arbelt,  da  es  hier  nicht  am  Platse  wäre, 
naher  anf  dieselbe  eiasagehen. 


Aetiole^rle  der  Pverperafproeetpe.  181 

kdoiite,  den  PSulnissgasen  zataftKrthen,  dura 
ikj  etwa  durch  die  Lungen  aufgenommen,  eine  septische 
Eftrankung  veranlassen^  könnten.  Dass  bei  d^r  Fäiilfiiss  and 
dir  Migen  Gähnmg  auftretende  flüssige  Zersetzungs- 
prodncte,  Tieneichi  aueh  dann,  wenn  sie  an  irgend  weichem 
Urper  haftend  eingetrocknet  sind,  im  Stande  seien,  Zell- 
geiiebseiitzftndiingen ,  Lymphangioitides  u.  s.  w.  zu  veranlassen, 
ketweifle  idi  durchaus  nicht;  ich  glaube  auch,  dass  die 
aqitisdie  Enmetritis  wesentKch  durch  die  bei  der  fauligen 
Gibrong  gebildeten  flQssigen  Zersetzungsproducte 
fc  oft  so  schweren  Folgezustände  bedhfige;  es  scheint  mir 
aber  nöthig,  sich  vorzustellen,  dass  der  Körper,  welcher  ge- 
«ttniieb  die  Veranlassung  zur  septischen  Enmetrrtis  wird, 
lebon  m  einer  verschwindend  kleinen  Menge  ursprünglich 
riiwirkend  die  Emvietritis  mit  der  oft  folgenden  schweren, 
nweBen  schon  in  wenigen  Tagen  zum  Tode  fHirenden 
mteren  Erkrankimg  veraidassen  könne,  und  so  ist  es 
jefcolklls  am  einfachsten  möglich,  dass  in  die  Vagina 
gelangte  Vibrionen  dieser  schändliche  Körper  seien.  Mit  der 
Anbtafbng  von  Zersetzungsproducten  thierischer  Substanzen 
in  einer  Anstalt  ist  auch  eine  Anhäuf^mg  von  Vibrionen  und 
deren  Keimen  verbnApft,  und  es  ist  klar,  dass,  je  zahlreicher 
ieae  in  einem  Gebärzimmer  vorhanden  sind,  desto  grösser  die 
Wahrscheiniicfakeit  werden  müsse,  dass  auch  schon  während 
ones  ganz  kurzen  Geburtsveriaufes  einer  oder  einige  in 
ie  Vagina  gdangen. 

Der  entwickelten  Ansicht  tber  die  Entstebungsweise  der 
«ytisehen  Puerperalprecesse  steht  eine  ältere  Ansicht  ent* 
gegen,  welche  auch  beute  noch  Anhänger  zählt  Diese  An* 
siebt  lässt  sich  folgendermassen  formnliren.  Sowie  bei  anderen 
acaten  fieberhaften  Krankheiten,  so  ist  es  auch  bei  den 
Pfeerperalprooessen  der  Fall,  dass  zuerst  eine  Bluterkrankung 
dnliitt,  die  sieb  durch  Fieber  bemerklich, macht,  und  nach- 
leiB  die  Allgemeinkrankheit  eine  Zeit  gedauert  hat,  kommt 
et  zu  Localisationen. 

Es  alAtzt  sich  diese  ältere  Ansicht  auf  drei  Punkte: 
Entens  auf  die  Analogie  mit  anderen  acuten  fieberhaften 
KmkbeileD,  sweitans  auf  die  directe  BeobachUing,  dass  bei 
den  Poeiperalprocessen  das  Fieber  der  Localerkrankung  voraus- 

9* 


182  XI.    MaifTh^ütf  Zar  Frage  oaeh  4er 

gebe,  und  eadlicb  driUeos  auf  Beispiele  von  Puerperalpreoisfieoi 
die  zum  Tode  führten,  bevor  die  Allgemeinkrankbeil  Zeit 
haüe^  aieb  tu  hc^lisiren. 

.   Es  mdge  mir  gestattet  seio,  eine  kurze  Kritik  ui  ubea 
an  diesen  drei  Stützen,  auf  deoen  die  insicht  ruht. 

Was  zunächst   die  Analogie  mit  anderen  acuten  lieber'^ 
haften  Krankheiten  anlangt,   so  ist  es  allerdings  sehr  richtig, 
dass  es  solche  Krankheiten  giebt,   bei  denen  das  Fieber  4er 
Localerkra«)kung  durch  eine  ansehnliche  Zeit-  yorau^ebU    EId 
gutes  Beispiel  ist  die  Variola.    Es  ist  nun  sehr  «aturlicb,  da^« 
derartige  Krankheiten  die  Frage  veranlassen  können,  oh  nicfal 
auch    bei    den    Puerperalprocesseo    das    Fieber    der   Local- 
erkrankimg    vorausgehe?     Nun    wird    es   im  WeseniticJien 
darauf  ankommen,  ob  man  dies  bei  den  Puerperalprocessea 
so  findet  oder  nicht.     Ich  selbst  habe  Puerperalprocesse  mit 
Rücksicht  auf  diese  Frage  oftmals  und  genau  beobachtet  uod 
habe   nie    gefunden,    dass    das   Fieber  der   Localerkrankuug 
vorausging.     Allerdings   hatte   ich   behufs  der  Diagnose   der 
Uteruserkrankung  zu  den  alten  Hülfsmitteln  noch  ein  neu^s. ') 
Wenn    es   sich   aber   nicht   beobachten  lässt,    dass   bei   den 
Puerperalprocessen  das  Fieber  der  Localerkrankung  irorau»- 
gehe,   so   f^t   damit   die  eine  Stütze  der  Ansicht  weg,   und 
gerade  die  wichtigste.     Wenn  man  nun,   wie  erwähnt,   nichi 
beobachten  kann,  dass  bei  den  Puerperalprocessen  das  Fieber 
der  Localerkrankung  vorausgehe,   so   lässt  sich  andererseits, 
für  gewöhnlich  wenigstens,    eben  so  wenig  beobachten,  dass 
die  Localerkrankung   dem   Fieber   vorangehe,   sondern   beide 
werden  gleichzeitig  bemerkbar,  und  so  könnte  man  imiDerbio 
meinen,  es  sei  doch  das  Fieber  primär,  und  die  Lojßalisatioo 
erfolge  nur  so  schnell,  dass  sich  die  Zeitdifferenz  der  Be#b* 
achtung  eutzieht.     Es  könnte  diesseinigermaassoi  wahrschein- 
lich gemacht  werden,  wenn  etwas  Aehpliches  bei  Erkrankungen 
zu  beobachten  wäre,  von  denen  man,  mit  Berechtigung  sagen 
kann,   sie   seien   den  in  Rede   stehenden  Puerpendprecessen 
mehr  weniger  analog.     Nun  wird  heutzutage  allgemein  gesagt: 
zwischen  deti  pyämischen  und  septischen  Processen   und  den 

1)  Nätnlieb    die   durch    die  Airvi^Metibeit   von  VibHoneti    lin 
LocbUlsecrete  kenntiichi  faulige  GibntDg. 


Aalioldgfe  der  Pvdrperalproeesiie.  }33 

■I  Rede  stdienderi  Puerperalproc^sen  bestehe  eine  Verwandt* 
srfaafl.  Das  pySroische  und  septische  Freber  aber  betrachtet 
man  als  ein  Resorplionsßeber,  also  als  secundfir.  Mit  anderen 
als  den  pyäniischen  und  septischen  Processen  haben  diese 
Pnerperalprocesse  keine  am  Tage  hegende  Verwandtschaft. 
EnK  solche  mflsste  also  zuerst  aufgewiesen  werden,  denn, 
vas  lisst  sich  aus  der  Analogie  zweier  Processe  deduciren, 
wenn  nHM  Dicht  weiss,  ob  die  Pfocesse  analog  sind? 

Es  bleiben  noch  die  Puerperalprocesse ,  die  so  rasch 
pflSdtet  haben ,  dass  es  zu  keiner  LocaHsation  gekomfnen  ist. 
Hier  kann  man  fragen,  woh6r  man  in  Erfahrung  gebracHt 
bat,  dass  diese  Erkrankungen  Puerperalprocesse  gewesen 
sind?  Die  Sectionen  haben  es  nicht  gelehrt,  derni  bei  den 
SMHMieD  hat  man  eben  nichts  gefanden,  als  eine  acute  Blut- 
Asaohilioii.  So  mtlssen  klinische  Thatsachen  das  Beslinimende 
sein,  und  diese  sind:  dass  die  Erkrankungen,  erstens,  bei 
WMmeribnen  vorgekommen  sind,  und  zweitens,  dass  zngidch 
mit  ihnen  eine  grossere  Zahl  von  Wöchnerinnen  an  notorischen 
Fnerperalprocessen  erkrankte.  Aber  diese  Grunde  sind  nicht 
gcttfigend,  jene  Erkrankungen  fär  Puerperalfieber  zu  erklSt^n. 
Es  ist  diess  ganz  so ,  als  ob  zum  Beispiele  ein  Chemiker 
einen  Vorgang,  den  er  gar  nicht  versteht,  für  eine  Gährung 
erklären  wollte:  erstens,  weil  der  Vorgang  an  einem  gähnings^ 
nUgen  Körper  zu  beobachten  war,  und  zweitens,  weil  zur 
sdben  Zeitperiode  von  anderen  gährangs^higen  Körpern  im 
Uboratorhim  sich  eine  grössere  Zahl  in  einer  notorischen 
Gttrong  befand.  Diese  BeweisRItarung  eines  Chemikers  mochte 
wn  Dicht  loben.  Es  ist  aber  nicht  einzusäen,  weshalb  fAi* 
die  Pathologie  ein  Beweis  gut  genug  sein  sollte,  der  ftkr  eine 
innere  Wissensdiaflt  zu  schlecht  ist. 

Ahs  eigener  Erfahrung  kann  ich  Ober  die  fraglichen  Er- 
krankungen kaum  reden.  Ich  habe  nur  ein  einziges  Mal  eine 
Widmerin  an  einer  acuten,  fieberhaften  Krankheit  sterben 
gesehen,  ohne  dass  eine  Localerkrankung  gefunden  werden 
konnte,  und  in  diesem  Falle  wies  die  Section  auch  nichts 
anderes  nach ,  als  eine  acute  Blutdissolution.  Es  waren  aber 
Grunde  vorhanden ,  zu  vermuthen ,  die  Krankheit  könnte  eine 
sogenannte  Variola  sine  exanthemate  gewesen  sein.  Es  war 
neben  dem   Fieber  continuirlicher    Kreuzschmerz   vorhanden, 


134     XI*    MayrkoftTy  Zor  Frag«  oaeh  der  Aftiologie  etc. 

und  daou  Mi  noch  vor  dem  Tode  ein  diffuses  Ery Üwai  ao 
der  Haut  aufgetreleo;  ein  solches  sieht  man  aber  öfters  bei 
Wöchnerinnen  dem  Yariolaexanthero  vorangehen.  Dass  eine 
variolöse  Erkrankung  lödüich  enden  könne,  ehe  es  zun 
Exanthem  kommt»  kann  nicht  wunderbar  erscheinen,  denn 
hier  geht  eine  schwere  Allgemeinkrankheit  lange  genug  dem 
Exanthem  voraus.  Dass  man  heutzutage,  zierolicli  allgemein 
wenigstens ,  von  Puerperalfiebern  ohne  Localiaalion  nicht  mehr 
redet,  isl  ein  Zeichen,  dass  man  jetzt  ziemlich  allgemein  sich 
nicht  mehr  für  berechtigt  hält,  diese  Erkrankungen  ohne 
Localisation  als  Puerperalfieber  hinzustellen. 

Ich  bin  nun  weit  entfernt,  ntit  dem  vorigen  Beispiele 
etwa  behaupten  zu  wollen,  die  Puerperalfieber  ohne  Locali- 
sation seien  Fälle  von  Variohi  sine  exanthemate  gewesen, 
obwohl  manche  diess  gewesen  sein  mögen.  Ich  Nur  meioan 
Tbeil  glaid>e,  jene  höchst  perniciösen  sogenannten  Puerperal- 
fieber können  alles  Mögliche  gewesen  sein,  nur  Puerperal* 
fieber  sind  sie  gerade  nicht  gewesen,  das  ^isst,  keine  Er- 
krankungen, die  hinsichtlich  der  wesentlichsten  ätiologi«ebeil 
Momente  unter  die  Puerperalfieber  gereiht  werden  könnten. 
Für  die  wesentlichsten  ätiologischen  Momente  aber  muas  ich 
hier  halten:  erstens  den  krankheitserregenden  Körper  und 
zweitens  den  Ort  am  mensdilichen  Körper,  welchen  der 
Krankheitserreger  zum  Angriffspuncte  nimmt.  Andere  werdm 
andere  Ansichten  haben;  das  Eine  wird  aber  Jeder  zugeben 
müssen,  dass  jene  acut  «tödtenden  Krankheiten  der  Wöchnerinnen 
sehr  unklare  Erkrankungen  änd.  Es  wird  aber  immer  ver* 
kehrt  bleiben,  durch  etwas  ganz  Unkhres  etwas  aufklären 
zu  wollen« 

Wenn  nun  diese  Stützen  der  alten  Ansicht  nichts  taiigen, 
so  ist  schwer  zu  sagen,  worauf  sie  sich  eigentlich  stötzt. 

Wien,  den  2.  November  1864 


Xli.   Orüutr,  47.' J«lire«b«ridhl  üb^r  die  BMigsiise  «tö.    135 


XII. 

Siebennndvierzigster  Jahresbericlit 

über  die  Ereignisse  in  dem  Entbindungsinstitute 

bei  der  königl.  Sachs,  chirurgisch -medicinischen 

Academie  zu  Dresden  im  Jahre  186t 

Von 

Professor  Dr.  Clrenser, 

k6iilgl.  aftelli.  Hof^Ath  «to. 

Im  Jahre  1861  fasdra  633  Schwangere,  Gebärende  uod 
WIcbaeriBiMB  io  dem  EmlbindungsiostUtite  Verpflegung,  von 
denen  6  Schwangere  und  14  Wöchnerinnen  vom  Jahre  1860 
iB  Bestand  geblieben  waren  und  613  theiis  als  Schwangere, 
dicib  als  Gebärende  neu  eintraten. 

Geboren  haben  604,  und  zwar  im  Januar  54,  ira 
Febraar  49,  im  März  64,  im  April  68,  im  Mai  57,  im  Jupi  50, 
im  Juli  40,  im  August  56,  im  September  51,  im  Oetober  41, 
im  November  46  und  im  December  48. 

Davon  gebaren  zum  ersten  Male  384,  zum  zweiten 
Hde  199,  zum  dritten  Male  39,  zum  vierten  Hald  14, 
UND  fünften  Male  6,  zum  sechsten  Male  7,  zum  siebenten 
llile  2,  und  tum  achten,  neunten  und  zehnten  Male 
jeEise; 

Von  des  Gebflrendeii  waren  40  verhnraflhet ,  11  ver^ 
«ittwet  oder  geschieden  und  563  Ibdig»  Ihrb  H^imath  Wt 
Bmden  hatten  142,  in  anderen  Ort«n  des  Kdiigfei(ä)e 
Mkmk  S80,  im  Auslande  82.  -^  664  bekannten  eich  zur 
efaogdieeb^liitberifidien,  38  zur  r5miaoh**katholieches,  1  znr 
KfonnirteD  Confession;  1  war  Israelitin.  -^  Bezfigliob  des 
Alters  erwähnen  wir,  dass  4  erst  Hn  «iebenzehnten  Lebena*- 
jrihne  standen,  die  älteste  46  Jahre  ah  war,  die  miMl^n  ein 
AUer  von  21—26  Jahre  ziMlen. 

605  Geburten  Waren  einfache«  9  Mal  würde» Zwillinge 
pkmä*  «-  534  Mal  wurde  die  Gehurt  durch  die  Natsr^ 
krifte  allein  bewirkt;  in  70  Fällen  machten  sich  Operationen 

(,  tnd  zwar  86  Mal  die  Zangennperation,  18  Mal 


136     XU.    tfffww«-,  41.  JMirMbcffMte  «b«r  4ie  KmgBiaM 

die  Wendung,  6  Mal  die  Extraction  an  den  Fassen, 
2  Mal  der  Kaiserscbnitl,  2  Mal  die  kunsilicbe  Er- 
regung der  Frubgeburt  und  10  Mal  Ibeils  die  könst- 
liebe  Wegnabme,  tbols  die  künstltcbe  Lösung  der 
Nachgeburt 

Den    Geburtsmechanismus    anlangend,     so    stellten 
sich  zur  Geburt: 
390  Früchte  in  erster  Scbadellage, 
181      „        „   zweiter        „  (6  Mal  ohne  Drehung), 

5      „        „   erster  Steisslage, 

4      „        „   erster  Fusslage, 
18      „        n    fehlerliafter  Lage 
und   in   15  Fällen  Hess   sich   der  Geburtsmeebanisraus   nicht 
bestimmen,  weil  die  Geburt  schon  vor  Eintritt  in  die  Anstalt 
vor  sich  gegangen  war. 

Die  Zeit  *der  Beendigung  der  Geburt  fand  am 
häufigsten  früh  zwischen  1  und  2  Uhr  und  Nachmittags  zwischen 

5  und  6  Uhr  sUtt 

Die  Geburtsdauer  betrug  in  12  Fällen  nur  2  Stunden, 
am  häufigsten  6  bis  10  Stunden,   in  6  Fällen  über  4  Tage. 

Von  den  Wöclmerinnen  wurden  595  gesund  entlassen, 
2  an  das  Stadtkrankenhaus  und  1  an  die  innere  Klinik  ab- 
gegeben, B  starben  ia  der  Anstalt. 

Geboren  worden  613  Kinder,  davon  waren  334  mtoo- 
liehen  und  278  weiblichen  Geschlechts  und  1  Abortus,  wo 
das  Geschlecht  sich  noch  nicht  bestimoien  liess*  Von  den 
Kindern  waren  reiT  592,  frühzeitig  14,  unaeitig  6.  — 
24    kamen    scheintodt    sur  Welt,    als    19   Knaben    uqd 

6  Mädchen.  Todtgeboren  wurden  41,  wovon  18  mkiiK 
lieben  und  23  weiblichen  Geschlechts ;  davon  waren  unaeitig  6, 
in  Folge  von  zu  starkem  Hii*ndruck  bei  Beckenenge  8,  ia 
Folge  von  Druck  der  Nabelschnur  6,  in  Folge  zu  starke 
Blutverlustes  der  Gebärenden  1,  vor  der  Geburt  abgestorben 
und  theilweise  in  macerirtem  Zustande  20. 

Was  die  Beschaffenheit  der  Nachgeburten  an- 
langt,  so  waren  die  Fniefotkucben  5  Mal  mü  beträcMidMi 
Faserstoff-  und  3  Mal  mit  kalkartigen  Anflagerunge»  verseheo; 
mn  Mal  trug  die  PbeenU  die  deotlieben  Zeichen  der  Plaoenülis 


m  dem  BaHbittdnngfflntlltot«  ete.  an  Dretd««  hn  J.  16S1 .     137 

«  «*.  Der  NabetstTMig  war  106  Mul  central,  485  Mal 
Mnemmcb,  71  Mal  marginal  und  1  Mal  felemental  iitsßrirh 
Drei  Mal  faniieii  sich  mahre  Knoten  in  dem  Nabelatrange. 

Ton  den  9  Zwillingapaaren   waren  4  zwei  Knahen, 
1  iwei  Mädchen,   4  Je  ein   Knabe' und  ^in  Mildchen.     Sf6 
rtdkcD  sich  s«r  Geburt:- 
Die  erste  Frucht  in  erster  Schadellage,  die  zweite  in  fehleiv 

baffler  Lage; 
die  erste  Pmchl  in  erster  Scbideliage,  die  zweite  iu  erster 

Steiaalage; 
die  erste  Frucht  in  Tehlerhafter  Lage,   die  zweite  in  voll- 

konmener  Fusslage; 
die  erste  Fracht  in  erster  Schadellage,  die  zweite  in  voN» 

kommener  Fnssiage; 
die  erste    Frueht   in   erster   Schldellage,    die    zweite   in 

Hehlerfaafter  I^age; 
die  erste  Frucht  in  feUerhafler  Lage,  die  zweite  in  fehler* 

baflter  Lage; 
die  erste    Frucht   in    erster    Schadellage,    die    zweite    in 

fehlerhaller  Lage; 
die  erste  Frucht  in  erster  SchädeUage,  die  zweite  in  erster 

Sdiidellage; 

die  ersle  Frucht  in  feblertiafter  Lage,  die  zweite  in  fehler* 

haftcr  Lage. 

In  fünf  FiHen  war  die  Piacenla   eine  geineinschaMidie, 

«fkrend  jede  Frucht  ihr  Ghorion  und  Amnion  hatte;  in  mr 

Nka  bestanden  getrennte  Plaoenten  mit  nur  leichter  Vieiv 

Uebong  der  Eihäute.  ' 

Anomalien  der  Scbwangersobsit. 

Aborlos  kam  nur  ein  einsig«  Mal  toi*  uod  zwar  merk** 
wirdiger  Weise  bei  der  Kntscbersfirau ,  welche  im  vorigen 
Mre  (s.  unseren  Jahresbericht  vom  Jahre  1860)  trots  eines 
HafscUages  von  ehiem  Pferde  vor  dem  Unterleib  ihre  I^eibes^ 
IMit  aosgetragen  hatte.  BaU  nach  glOeklieh  itterstandeneni 
Wochenbelte  war  die  fVau  wieder  schwanger  geworden  und 
wnpine  im  iwarlea  Schwangerscliaftsmonate ,  »achdem  sie 
OBS  schwere  Wasehwanne  gehoben  hatte,  Bhitahgang.»  so 
«ndchem  steh  nadi  einigen  Tagen  Wehen  gesrllten,  'welob« 


iS%      XII.    Or«iM«r,  47.  Jahratberieht  4ber  «le  Ut^gmia— 

sie  bewogen ,  ilire  ZtAiietat  zur  AnsUit  »i  nfehmei.  tmr  dar 
Ualersuchung  leigte  eich  dar  Eniirye  bereits  in  den  ge- 
öffnetem Mttttermude  uDd  liese  »ich  mit  den  Fingeai  MgM 
aiMeiehen;  derselbe  war  6  Zoll  lang  mit  nedi  ttnbeetiniaAaren 
Ceschlecbtstheilen.  Zwei  Stunden  darauf  wtirde  die  Nach^ 
gebnrt  ausgestossen ,  wovon  die  Placenta  hyperiODiafch  encMcu 
und  einen  apoplectischen  Herd  zeigte« 

Unzeitige  Geburten  kamen  sechs  for.  Der  eine  Fall 
betraf  eine  an  primärer  Syphilis  Leidende,  bei  wakher  im 
sechsten  Schwangerschaftsmonale  zwei  Cauterisationen  mit 
ArgenL  nitric  fiieum  vergenommeh  worden  waren.  Kurz 
darauf  stellten  sich  Weben  ein,  welche  ein  12  Zell  langes 
und  IV«  Pfd.  schweres  Mädchen  austrieben.  Im  Wodienfeell 
folgte  eine  geringe  Perimetritis.  —  Im  zweiten  Falle  schioDen 
Ezceaee  im  Coitus  den  Partus  immalurus  angeregt  zu  haben 
bei  einer  Meretrix.  Die  Frucht,  weiblichen  GesehieehDes ,  w»r 
bereite  maccrirl,  die  Nachgeburt  folgte  schnell  nadi,  desacn- 
ungeachtet  trat  zwei  Stunden  später  eine  starke  Metrorrhagie 
ein,  welche  Entfernung  der  in  der  Geb&rrautterhöhle  an- 
gehäuften Blutgerinsel  und  Einspritzungen  von  rerdänntem 
Essig  nöthig  machte.  —  Im  dritten  Falle  musste  Ausrutschen 
Ton  den  Trottoirs  und  Hinfallen  auf  das  Strassenpflaster  als 
Ursache  angenommen  wecden,  indem  bald  darauf  Dterin- 
contractionen  eingetreten  waren,  die  einen  sehr  lebeosackwacben 
Knaben  austrieben,  welcher  oach  13  Stunden  Start).  4~  In 
den  ihrigen  drei  Fällen  liessen  sich  die  Ursachen  nicht  nadi^ 
wieieen;  in  dem  einen  erschien  der  Fötus  bereits  im  Zuataiftd# 
weit  Torgeschrittener  Maceration. 

Von  den  14  Frühgeburten  erfolgten  zwei  in  Folge 
eines  heftigen  Schreckes.  In  dem  einen  dieser  Fälle  starb 
das  Kind,  ein  Knabe,  am  folgenden  Tage  an  CkmmUionen 
and  die  Sectieo  wies  beirdebtliche  Hirnhyperämie  nach.  Die 
Wöchnerin  flberstand  eine  schwere  Perftenitie.  —  Bei  etiler 
rachitischen  Person,  die  eine  Beckencenjugata  von  nur  2 '^  4^ 
aeigte,  war  die  Frühgeburt  in  Folge  fon  Missbandlungen  imd 
Sehlägen  eingetreten.  Das  WochenbeCC  ferlief  normaL  -*-  In 
ner  Fällen  musste  der  erfolgte  Ted  der  Frucht  ale  <!aiiaai^ 
moment  der  vorzeitigen  Uteindoontraotionte  aigesetmi  werden  < 
Bwei  dieser  Früchte  zeigten  f;5tale  Peritonilis»    In  zw«i  Fäila« 


im  dMi  £atl»ta4aagciii»tlUte  9tc  sn  I)Tes4eD  in  J.  1851. 

htimf)ie  ZwüUngssGbwMigersclMift  uad  fiberuiänaigf)  Auadekiuttg 
des  Uten»  darch  «ioe  safer  grotee  Menge  Fmcbiwasttr»  die 
Frohgebarl. 

Sectio  caesarea  post  oioriem.  Eine  Hausscbwangej-e 
klagte  plötzlich  über  Sctiwiodel  und  Küpfschmerz ,  zu  dem 
sich  Erbrecheo  gesellte.  Bald  darauf  verfiel  sie  in  einen 
sapordsen  Zustand  mit  verengten  Pupillen;  der  Puls  war 
ruhig.  Es  wurden  sofort  Eisfomente  über  den  Kopf,  Essig- 
Uystiere  und  innerlich  einige  Gaben  Caloniel  verordnet  Aber 
schon  nach  einigen  Stunden  trat  völlige  Bewusstlodigkeit  eii>, 
das  Gesiebt  farble  sich,  obwohl  Blutenlziehungen  durch  Schröpf- 
kü|rfe  gemacht  worden  waren ,  cyanotisch ,  es  folgten  Muskel- 
coDtracturen ,  besonders  der  Nackenmuskeln  und  so  starb 
die  Kranke  schon  nach  24  Stunden.  Sofort  nach  ihrem  Tode 
wurde,  obwohl  die  Herztöne  des  Fötus  nicht  mehr  gehört 
worden,  der  Kaiserschnitt  gemacht,  welcher  ein  ausgetragenes, 
todtes  Mädchen  zur  Welt  forderte.  Die  Leichenseclion  der 
Schwangeren  ergab:  dicken,  eitrigen  Beleg  auf  der  Dura  niater 
aad  Arachttotdea,  Hirnhyperämie  und  Lungenödem.  Die  übrigen 
Organe  waren  völlig  normal. 

Anomalien  der  Geburt. 

Enge  Becken  beobachteten  wir  12,  und  zwar  särnmt- 
Meb  rachitische.  Zwei  Mal  war  die  Beckenenge  eine  ab- 
salote  imd  erforderte  den  Kaiserschnitt  (s.  unter  den  geburts- 
hiVlidM»  Operationen).  Die  Maasse  der  Goiqugata  in  dvesen 
Mden  Fällen  beürogen:  2"  1'"  und  2"  3^  —  In  einem 
Falle,  wo  die  Conjugata  2"  V  maass,  bewirkte  die  Natnr 
die  Frihgeburt ,  wobei  durch  Wendung  und  Extraction  ein 
Mädcheu  bereit»  im  Zustande  der  Maceration  zur  Weh  ge« 
Mari  wur^.  In  zwei  Fällen  von  3"  8"^  CoifugaU  leiteten 
wir  die  Frühgeburt  kdnatlich  ein  (fu  geburishulfiiche  Ope*^ 
iHioDen).  —  Bei  radiitiseher  Beckeneng«^  mit  2''  6'"  «od 
2*9*GeDJugaU  erfolgte  die  Geburt  reohtzeitlg  ohne  Kunatr 
Wfe,  nachdem  die  FrAchte,  beide  Maie  weibliehen  6e- 
Khieditea,  io  Folge  von  Druck  der  NnbelsekMr ,  wtlehe  sich 
■cht  rapüiireB  lieaa ,  abgßStorbeD  waren.  Dagegen  «acble 
Mb  ditfZMife  nolbwendig,  ein  Mal  bei  3"  4"^  und  zwei  Mal 
k«  3^  %''  Coiguevta»  w<d>ei  ein  Kind  lebend  und  zwei  todi 


140      ^IK*    Orenter,  47.  JiMirwberfcbt  fiber  4i«  Ereig«ine 

extrahtrt  wurden,  findlieli  wurden  bei  S"  6*^  Conjugata  in 
zwei  Pillen  durch  die  Naturkrälle  aMein  lebende  Kinder 
geboren. 

Hängebauch  fanden  wir  bei  31  Schwangeren  und 
Gebärenden,  und  zwar  mit  Ausnahme  derjenigen,  welche 
rachitisch  -  verengte  Becken  hatten,  nur  bei  solchen,  die  in 
Folge  öfterer  vorausgegangener  Geburten  sehr  schlaffe  Baudi- 
decken  zeigten.  Während  der  Schwangerschaft  wurden  Bauch- 
binden angelegt,  während  der  Geburt  durch  einfaches  Empor- 
halten des  Fundus  uteri  jeder  weiteren  nachthefligen  Einwirkung 
auf  den  Geburt^hergang  vorgebeugt. 

Schiefheit  der  Gebärmutter  höheren  Grades  kam 
drei  Mal  zur  Beobachtung,  davon  zwei  Mal  bei  Erstgebärenden. 
Die  vorbereitenden  Wehen  waren  dann  immer  sehr  schmerz- 
haft und  mussten  wegen  Anschwellung  der  vorderen  Mutter- 
mundslippe in  zwei  Fällen  erweichende  Sitzbäder  genommen 
werden. 

Ausser  dem  eben  beschriebenen  Falle  mussten  er- 
weichende Sitzbäder  noch  von  zwei  anderen  Gebäi^enden  iu 
Gebrauch  gezogen  werden,  das  eine  Mal  wegen  Anschwellung 
der  vorderen  Muttermundslippe,  das  andere  Mal  wegen 
Rigidität  der  Ränder  des  Muttermundes  bei  einer 
36jährigen  Erstgebärenden. 

Struma  rief  bei  einer  ITjähri^^eo  Erstgebärenden  bereits 
in  der  EröfTnungsperiode  grosse  Athemnoth  berv«r,  sa  daas 
nitob  völliger  Erweiterung  des  Muttermunde»  sich  die  Anfeguftg 
der  Zange  nöibig  machte. 

Während  ödematöse  Anscbwellangen  der  Schenkel 
zur  BeobaehtUDg  kamen,  erregte  begondere«  Interesge  eine 
ödematöse  Infiltration  des  Zellgewebes  der  Bauch- 
decken  und  der  Schenkel  bei  einer  Erstgebärenden.  I^r 
Harn  war  eiweisshahig ,  eine  Herzanoroalie  liess  sich  nithx 
nachweisen.  In  der  83.  Sefawangerschaftswocbe  trat,  an- 
geUich  nach  einem  heftigen  Schreck ,  die  Geburt  ein, 
wobei  ein  4  PAmd  schwerer,  16  Zoll  langer  Knabe  in 
macerirteni  Zustande  geboren  wurde,  im  -  Woobeiit>elt  m* 
fingüch  Perimetritis ,  nach  denen  Baseitigting  acuter  Long««!«- 
eaf^rrh  mit  fortwährendem  Fieber.    Nach  16tägiger  Verpflegung 


in  dma  Eiil^iiidiiiigsinsatme  etc.  sa  Dresdas  im  J.  1061.     }41 

wurde  die  Kranke  in  ilie  iiiiiere  Klinik  der ,  ebinirgiscb-* 
nwdiciDisehen  Acadeinie  traosferirl,  wo  sie  vierzehn  Tag« 
später  Marb«  Die  Seclion  ergab  Miliartuberculose  beider 
Langfo, 

Kclampsie  beobacbieteD  wir  bei  einer  2^iährigM, 
därftig  guiährUai  J(rstgebärendei>,  die  an  eicier  reobt^eiMf^il 
Skiiiiose  der  oberen  Ruckenwirbel  massige  Grades,  eülsundien 
io  Polge  von  Muskeißchwäche ,  liu.  Dieselbe  erwaeble  am 
7.  Deceiaber  mit  beftigem  Kopfgcbmerz  und  hatle  mehrniaHges ' 
Erbreche»«  worauf  Abends  10  Uhr  der  ersle  ^damptiiobe 
Anfall  einti'ai,  welchem  bald  mehrere  andere  folgten.  Eiii 
Aderlass  von  nur  6  Unzen ,  eiskalte  Fomentationen  des  Kopfes, 
Sinapismen,  ein  Essigklystier  und  einige  Gaben  C^kuiei 
scbienen  einen  mehrstimdigen  Nachlasa  zu  bewirken;  die 
Webenthätigkeit  war  nur  sehr  schwach  und  der  Muttermund 
eben  erst  der^  Fingerspitze  zogängig.  Als  aber  die  Con^ 
Iractionen  der  Geb&rmuttiT  sieh  vert>tärkten  und  den  Mutter-» 
oMiod  mehr  erweiterten,  wiederholten  skb  die  Anfälle,  sß 
daas  zur  Extraction  des  in  vollkommener  Fussiage  sich  zur 
Gebort  stellenden  Kindes  geschritten  werde»  roussle;  So 
wurde  ein  15"  langer  4Vs  Pfund  schwerer  Knabe  zur  WeH 
gefordert,  welcher  anfänglich  asphyk tisch  doch  bald  sich  er-^ 
holte.  Nichtsdestoweniger  setzten  sich  die  Paroxysmen  voq 
derselben  HefUgkrit  und  mit  soporösem  Zustande  auch  nach 
der  Entbindung  fort,  so  dass  wir  iat  Ganzen  37  AufälU 
beobachteten.  Der  Harn  blieb  stark  eiweissbaltig»  Erst  nach 
dreitägigem  Sopor  kehrte  das  Bewusstsain  zurück  umi  die 
Wöchnerin  konnte  am  28.  November  gesund  entlassen  werden. 
Das  Kind  lebte  nur  24  ^timden  lang  ein  schwaches  Lebeni; 
die  Section  desselben  wieas  Atelectasis  pulmonum  nach. 

Eine  zwölfstandige  Wehenpause  ward  bei  eioai^ 
26 Jährigen  Erstgebärenden  beobachtet ,  welche  auffallend  dünne 
Gfbännutterwände  zeigte.  Nachdem  die  Geburt  bere  its  8 1  Stunden 
gedauert  ond  der  Mutt^imund  erst  die  Grösse  eines  Thaler- 
Stackes  erreicht  hatte,  setzten  die  Weben  von  Abend  7  Uhr 
bid  zum  nächsten  Morgen  vollständig  aus,  worauf,  ohne  dass 
irgend,  etwas  getban  worden  w&re,  um  die  Wehenthätigifeit 
ttaHrageni.  diese  von  4«)bs4  arwacbli;  und  so  kräftig  fortwirkte, 
dass  schon   nach   drei   Stunden    ein   ausgcitriigenes  Mädclien 


142      l^n.    €fr9n$€r,  47.  JftlireBbericfit  über  cfl0  Bref^ffifste 

geboren  mnyle ,  welches  in  geringem  Grade  asphyktisch  docA 
fdlkommen  in*s  Leben  zurückkehrte. 

Metrorrhagien  während  der  Cl^burt  der  Fmcht  er^ 
forderten  vier  Mal  in  der  ErölTnungsperiode  könsüicbes  Sprengen 
der  Eihäule  und  ein  Mal  in  der  Austreibangaperiode  die 
Extraetion  dea  Kindes  mittels  der  Zange.  In  der  Nachgeburta- 
period(e  musste  wegen  starker  Blutnng  z^ei  Mal  die  Plaeenta 
kOnstücb  getrennt  und  weggenonmien  werden. 

Inguinalhernien  in  beiden  S(Biien  compikm^ten  die  Geburt 
ein  Mal  bei  einem  26  jährigen  Dienstmädchen.  Dieselben  wardeii 
mit  den  Fingei*n  zurAckgehalten  und  in  der  Auatreibnnga- 
Periode  die  Zange  angelegt,  wodurch  ein  T'/s  Pfund  schwere« 
Mildchen  extrahirt  wurde. 

Vorfall  der  Nabelschnur  neben  dem  Kopfe  ereignete 
sich  sechs  Mai;  in  zwei  Fällen  bei  stark  racfaitfach-verengtPifi 
Decken  und  erst  wenig  geöffnetem  Muttermunde,  so  dass 
Repositionsfersuche  unterblieben.  In  zwei  Fällen  wurde  zur 
Reposition  der  Nabelschnur  gescfiritfen ,  ein  Mal  mit  v^l- 
kommenem  Erfolge,  so  dass  darauf  ein  lebender  Knabe  ge» 
boren  wurde ,  das  andere  Mal  war  zwar  auch  die  vorgefallenHi 
Nabelsclmur  zurückgebracht  worden,  aHein  os  musate  wegen 
Verzögerung  der  Geburt  in  der  Austreibungsperiode  ifie  Zange 
angelegt  werden,  wodurch  ein  todter  Knabe  zur  Welt  ge- 
fordert wurde.  Endlich  gelang  zwei  Mal  die  Extraetion  lebender 
Kinder  mittels  der  Zange,  ohne  vorausschickten  Versuch, 
die  Nabelscbour  zu  reponiren. 

Damm'rfsse  höheren  Grades  zählten  wir  nenn.  Ver- 
suche, die  Wiedervereinigung  der  Wundränder  darch  einen 
Verband  mit  einer  Auflösung  von  Wasserglas  zu  bewrken, 
misslangen ,  daher  wir  wieder  zum  CoHodhimverband  achritteti, 
wodurch  wenigstens  eine  Iheilweise  Vereinigung  erreicht  ward. 

OabnrtfhulfUoha  Operationan. 

Die    Zangenoperation,    welche   sich   88   Mal   nöthig 
Biachle,  wurde  indicirt: 
9*  Mal  durch  Wehenschwäche, 
9    ,,        „      Kopfgeschwulst, 

4    „       „      Abgang    von    Meconium    bei    torKegendeoi 
Schädel, 


in  ^m  BntbiadiiBgtiiistiliite  etc.  m  I>r«tdwi  kn  J.  1M1.    }4S 

3  IM  durch  Sehwieherwerden  der  Herztöne   der  Pruchl, 

3    „       „       rachitische  Beckenenge, 

2    „       „       Vorfall  der  Nabelschnur, 

1    „       „      Atbemnotb  wegen  einer  betracbüieben  Struma, 

In       n      Inguinalhemien, 

1    „       „      Metrorrhagie, 

5  „  „  Rigidität  des  Dammes, 
lo  allen  FäUen  lag  der  Kopf  vor,  27  Mal  ia  erster 
SchadeUage,  11  Mal  ia  sweiter,  bei  welclier  leiztereu  2  Mal 
die  Drehung  mk  der  kkinea  FontaneUe  von  hinlen  nach  vorn 
■cht  erfolgt  war.  27  Kinder  wurden  vollkommen  lehend, 
4  aspbyktisch  und  7  todt  extrahirl.  Als  Ursache  des  Todes 
war  zu  starke  und  zu  langdauernde  Coropression  des  Gehirns 
aomoehneo.  Mit  Ausnabfne  einer  Wöchnerin,  welche  starb 
(sw  inoDttlieo  dea  Woebeobettes),  wiirdun  alle  .gesynd  tAtlMsen. 
Die  Wendung  wurde  ungewöhnlich  oft,  nämlich  18  Mal 
Dödi%,  und  zwar  allemal  wegen  fehlerhafter  Fruchtlage,  davon 
ä  Mal  bei  Zwillingen.  In  13  Fälleu  kam  dabei  der  doppelte 
Haad^riff  in  AnweBdung*  14  Kinder  harnen  darnach  lebead, 
4  todt  zur  Welt,  wovon  2  im  marrerirtcn  Zut^tande. 

Die  Extraction  an  den  Füssen  kam  6  Mal  zur  Aus- 
ÜhniBg.  Vier  Mal  ging  die  Wendung  voraus.  Indicirt  wurde 
die«  Extraction  ein  Mal  durch  £olampsie  der  Gebärenden, 
3  Hai  dofcb  Wehenscbwfiche,  2  Mal  durch  rachitische  Becken^ 
enge,  m  welchem  letzteren  Falle  die  Kinder  während  der 
Extraction  ihr  Lehen  einbussten.  In  einem  Falle  entstand 
beim  Lteen  des  nach  vom  gelegenen  Armes  eine  Fraotur 
des  Oberarmbeines,  welche  nach  dreiiwöchentUoheai  Verbände 
ToUkonimeii  geheilt  erschieiL 

D^  Kaiserschnitt  worde  an  Lebendm  zwei  Mal  aus* 
geßhrt,  in  folgenden  PSIIen: 

1.  Ernesiine Zimmermann  aas  Franenstein,  Näherin,  32  Jahre 
alt,  erschien  in  der  Anstalt  als  Kreissende  am  22.  Februar  früh 
9  Uhr.  8ie  hatte  bis  in  ihr  fünftes  Lebensjahr  an  Rachitis  ge- 
Kttea  nnd  in  Folge  dessen  eine  KörpergrSsse  von  nnr  50  Zollen, 
tine  nissige  Skoliose  der  oberen  Rückenwirbel,  eine  sehr  starke 
•AttelfSrmige  Einbiegung  in  der  Oegend  des  letsten  Lenden- 
wirbels and  stark  yerkrämmte  Oberschenkel.  Die  Conjugat« 
eztorna  betrag  öV/,  die  Conjagata  diagonalis  2"  8*^.  Der  Unter- 
leib war  stark    überhKngend,    die   Herstöne   der   Frucht   wurden 


144      XU.    OrenMT,  47.  J«brMl>ericlit  über  dU  Breigsiaift 

in  der  linken  Seite  fehSrt;  der  Matterainnd  ertehien  ymn  der 
Grösse  eines  Guldens,  die  Blase  fing  an  sich  sn  stellen  und  als 
▼erliegender  Frnchttheil  Hess  sich  der  Kopf  ballottirend  fühlen. 
Es  wurde  daher,  nachdem  die  Rreissende  darch  Chloroform  rolU 
kommen  anSsthesirt  worden  war,  sogleich  sur  Operation  ge- 
schritten, der  Schnitt  in  der  weitsen  Linie  geführt  und  ohne 
erschwerende. ZwischensofÜlIe  ein  swar  anegetrtgener,  aber  dfirftig 
genKhrter,  nar  6  Pfund  schwerer  und  nur  schwach  aufschreiender 
Knabe  sur  Welt  gefordert  und  sogleich  auch  die  Nachgeburt 
durch  die  Wunde  herausgenommen.  Bei  der  darauf  folgenden 
schnellen  Verkleinernng  des  Uterus  fielen  mehrere  Darmschlingen 
and  ein  Stfiek  Nets  vor,  die  sogleich  repanirt  worden.  Die 
Blutung  war  sehr  gering,  die  Waadränder  wurden  durch  fünf 
KnopfnUhte  und  eine  umschlungene  Naht  rereinigt  und  awischen 
den  Nähten  lange  Heftpflasterstreifen  Tom  Rucken  aus  angelegt; 
in  dem  unteren  Wundwinkel  hielt  ein  Sindon  die  Wunde  otfen. 
Nach  der  Operation  aus  der  Chloroformnaroose  erwacht  erhielt 
die  W5eimeritt  Ve  ^r.  Morph,  aeetie.  and  daraaf  sweletüiidlleb 
noch  einige  yiertelgranige  Dosen.  Der  Unterleib  wurde  sogleich 
eiskalt  fomentirt.  So  erhielt  sich  der  Puls  mehrere  Stunden  lang 
in  der  normalen  Frequens  von  nur  80  Schlägen.  Allein  schon 
Nachmittags  traten  Symptome  ron  Peritonitis  auf,  als  stechendfe 
Sehmerzen  in  der  Oberbaacbgegend^  Anl^itoMen,  Auftreibmig  4«h 
Unterleibes,  und  die  Frequena  des  Pnlees  stieg  aaf  110  Schlagt 
Sie  erhielt  neben  dem  Morphium  Eispillen.  Dessenungeachtet 
kam  es  zum  Würgen  und  Erbrechen,  und  es  entwickelte  sich 
Tympanitis  in  solchem  Grade,  dass  Atheronoth  eintrat.  Riolntis91- 
klystiere  blieben  ohne  allen  Erfolg.  Unter  den  Symptomen,  dea 
aUgemeinen  ColUpsus  starb  die  Kianke  am  24.  Febraar  frilk 
2  Uhr,  nachdem  vier  Stunden  zuTor  ihr  Kind  an  LebensschwAche 
gestorben  war.  Die  Section  ergab  allgemeine  Peritonitis,  geringe 
Compression  des  rechten  unteren  Lungenlappens  und  frische 
endocarditische  Vegetationen  der  Valrula  mitralis.  Die  Con- 
jagata  (interna)  im  Leiohnam  gemessen  betrug  2"  9"'. 

2.  Christiane  Born,  Hospitalitln  aus  Dippoldiswalde ,  35  Jahre 
alt,  meldete  sich  ale  Schwangere  in  der  Anstalt  am  1.  April. 
Sie  ist  nur  40  Zoll  lang,  hat  eine  skoliotische  Verkrümmung  der 
oberen  Rückenwirbel  und  sehr  kurze,  stark  verkrümmte  Ober» 
und  Unterschenkel;  ihr  Gesicht  erscheint  cretinartig,  die  Lippen 
aufgeworfen,  der  Nasenrücken  stark  eingebogen,  der  ganze  Kopf 
unTerhältnissmässig  gross.  Sie  zeigt  sich  so  beschränkten  Geistee, 
dass  sie  über  ihre  Kinderjahre  t  wann  sie  bat  laufen  lernen  u.  s.  w. 
nichts  anzugeben  weiss.  Die  äussere  Conjugata  mfsst  67^",  die 
Diagonalconjugata  2"  1"\  so  dass  das  Maass  der  inneren  Con- 
jugata auf  2''  1 — 2'"  abgeschätzt  wurde.  Da  nun  ihre  Schwanger- 
schaft bereits  bis  zur  38.  Woche  yorgescbritten  war,  blieb  nichta 


!■  dem  Baibrndiiiigsiiistitiite  etc.  ra  Dreadea  im  J.  1861.      145 


« 


aaderM  ibrig^,  als  den  reehtieitiffen  Gebnrtitormin  abinwartes, 
UD  dana  den   Kaiaeraehnitt  an  machen.     Am   18.   April   Abendt 

10  ühr  tiaten  die  ersten  Weben  ein ;  dieselben  verstärlcten  eich 
wihread  der  Nacht,  so  dass  am  14.  April  früh  8  Uhr  der 
Matteimiuid   sich    1"    im   Barchmesser   eröffnet   seigte.      Gegen 

11  Uhr  Vormittags  fing  an  Fruchtwasser  absnaickem,  der  Mutter- 
■lad   seigte    die  Weite    eines    Gnldenstückes    und    die  Weben 
warden   so    kräftig,   dass   man   nicht   länger   mit   der  Operation 
tSgerte.  ^  Aach  hier  wurde   der  Bauchschnitt  in  der  Linea  alba 
femaeht,   ein    sich    henrbrdrSngendes  Stfick  Nets    reponirt   und 
durch  die  Oeffnnng  des  reichlich  4"  weit  aufgeschnittenen  Uterus 
eia  18"  langes,    9  Pfund    schweres  Mädchen    herausgenommen, 
weichet  in  geringem  Grade  asphyktisch  in  kurser  Zeit  laut  anf- 
lekria.    Nachdem   sogleich   darauf  auch   die  Nachgeburt  entfernt 
«ordea  war,  seigte  sich,  dass  der  Uterus  theils  in  seinen  Wund- 
iSsdera,  theils   an   seiner  inneren  Fläche  stark  blutete,  so  dass 
lieh  grosse  Mengen  Blutes  durch  die  Scheide  entleerten.    Da  die 
Motong  auf  Anspritsen  von  kaltem  Wasser  nicht  stand,  mussten 
IS  den  WundrSndem  des  Uterus  swei  Arterien  unterbunden  werden. 
Die  Bsochdeeken  wurden   durch  sechs  Knopfnähte  vereinigt  und 
der  Heftpflaaterverband  angelegt,  worauf  V,  Gr.  Morph,  acetic. 
{•reicht  und  Eisfomente  angewendet  wnrden ,  wie  im  vorigen  Falle. 
Der  Puls  sahlte  140  Schläge  und  war  in  Folge  des  starken  Blut- 
Terlutes  sehr  klein.    Obwohl  Patientin  mit  Appetit  etwas  Fleisch- 
brühe  sn  sich   genommen  hatte,   collabirte  sie  doch  immermehr 
ad  starb   noch    desselben  Tages  Abends  '/«^  ^^^'  —   ^^^  ^^ 
SectioB  Qberraschte   an  der  hinteren  Seite  des  linken  Ligament, 
st  Istam,   unter  der  Tuba  ein  4  Zoll   langer  Einriss   des 
BtQchfelles     mit    starkem    Extravasate    im    subserSsen    Zell- 
feweba,    welches    sich    bis    sur   linken   Niere    erstreckte.     Der 
Kits  drang   von    da    an    durch    die    Uterussubstana    an 
der  oateren  Hälfte  des  linken  Seitenrandes,  war  4"  lang,  verlief 
Kkiig  von   oben    nach    unten    und   sotate  sich  bis  1'//'  in  den 
Scheidengrund   fort     Die  Ränder  des  Bisses  erschienen  schlaff, 
bhtig  suffundirt,    das   Uteringewebe    in    der  Umgebung   schlaff, 
blsiigrau,    5dematös    und   6"'   dick,    während    die   Wände    des 
KSrpers  des  Utems  sehr  derb  und  enorm  entwickelt  waren,  bis 
nr  Dicke  von  17  Pariser  Linien.    Ausserdem  erschien  der  vordere 
nsO  dar  Linea  Innominata  linkerseits,  der  Rissstelle  des  Scheiden- 
gtwSIhes  entsprechend,    sehr  scharfkantig.     Der   Querdiirch- 
■ssier  des  Beckeneinganges  im  Leichnam  gemessen  betrug  4"  1"\ 
die  CoDJugaU  2"  1*^,  —  Besonders  bemerkenswerth  in  diesem 
Filla  ist  demnach,    dass   schon   gegen  die  Mitte  der  Er- 
9ffoangsperiode     eine    Ruptura    uteri     spontan     ent- 
itsoden     war,     wosu     ungleichmässige     Entwickelung 
<sr  üterinwände   verbanden   mit  Erweichung   am   unteren 

.  f.  Oebartok.  1866.  Bd.  XZV.,  Hft.  2.  10 


146      UI"    Qrm§«r,  47.  Jahresbericht  über  die  BreigmiMe 

Segmente  in  Folge  eeroeef  Dsrobfenehtwiig  und  Scbat fkaatif- 
keit  der  ungenannten  Linie  die  Veranlaaeong  gaben. —  Daa 
Kind  befand  rieh  wohl  nnd  wurde  am  17.  April  einer  Amme 
übergeben. 

Die  künstliche  Erregung*  der  FrfihgebarC  fanden 
wir  zwei  Mal  Gelegenheit  in  Anwendung  zu  bringen. 

In  dem  einen  Falle  war  es  eine  28  Jahre  alte  Näherin »  die 
bis  sam  Tiarten  Leben^ahre  rachitisch,  im  23.  Jahre  doreh 
Perforation  nnd  Kephalothrypsie  entbanden  worden  whr.  Zum 
«weiten  Male  schwanger,  snchte  sie  im  Monat  Jali  die  Hülfe 
des  Instituts.  Sie  ist  kleiner  Statur,  ohne  Verkrümmnng  der 
Wirbels&ule,  aber  mit  stark  gebogenen  Ober-  nnd  Untersehenkeln; 
die  Conjagata  externa  misit  ö'/Vt  die  Diagonalis  S"  4'",  eo  dmss 
sich  die  Conjogata  interna  su  2"  8'"  abschätsen  lässt.  In  der 
32.  Schwangerschaftswoche  wurde  am  18.  October  früh  7  Uhr 
nach  der  Co^sn^schen  Methode  die  erste  Wassereinsprifzung 
awischen  Uternswand  und  Eihäute  unternommen.  .  Der  grösete 
Theil  der  eingespritzten  Flüssigkeit  blieb  dabei  snrück  nnd  es 
traten  bald  Wehen  ein,  die  bis  Nachmittags  8  Uhr  anhielten. 
Da  aber  jetst  die  Wehenthätigkeit  fast  gans  aufhörte,  worden 
die  Injectionen  um  4,  7  und  Abends  10  Uhr  wiederholt  und  da- 
durch von  Neuem  Wehenthätigkeit  angeregt.  Am  anderen  Morgen 
setste  diese  aber  wiederum  ganz  aus  und  die  Person  verfiel  In 
einen  tiefen  Schlaf,  welcher  bis  Mittags  anhielt  Da  die  intra- 
uterinen Injectionen  immer  nur  momentane  Contractionen  des 
Uterus  hervorufen  hatten,  wurde  Nachmittags  4  Uhr  ein  Darm- 
bougie  eingelegt,  welches  anfanglich  sehr  kräftige  Wehenthätigkeit 
erregte.  Um  Mitternacht  aber  traten  sehr  heftiger  Kopfschmers, 
Schwindel  nnd  grosses  Angstgefühl  mit  einer  Erregung  des  Pnlsea 
bis  120  Schläge  in  der  Minute  ein  und  die  Kranke  erklärte ,  daas 
ihr  das  Bougie  unerträglich  sei.  Das  Bougie  wurde  deshalb  ent- 
fernt, worauf  die  Gebärende  sich  sehr  erleichtert  fühlte  und 
einige  Stunden  Schlaf  genoss.  Da  aber  ,die  Wehen  wiederum 
ganz  üistirten,  wurde  am  folgenden  Morgen  7  Uhr  ein  anderoe 
Bougie  eingelegt,  das  auch  sofort  wieder  Wehenthätigkeit  erregte« 
Der  Muttermund  hatte  aber  erst  die  Grösse  eines  Nengroschens. 
Den  21.  October  früh  7  Uhr  erschien  das  Bougie  so  erweicht, 
dass  es  mit  einem  anderen  vertauscht  werden  musste.  Wegea 
abermaliger  Erweichung  desselben  wurde  Nachmittags  ein  elastischer 
Katheter  eingelegt,  während  dessen  Einführung  trotz  grösster 
Sorgfalt  die  dünnen  Eihäute  zerrissen,  wobei  mit  dem  Wasser, 
bei  einer  Erweiterung  des  Muttermundes  von  2"  ein  Durchmesser, 
der  rechte  Arm  der  Frucht  und  eine  Nabelschnurschlinge  vorfiel. 
Es  wurde  deshalb  sogleich  die  Wendung  auf  den  rechten  Fnss 
nnd  die  Extraction  vorgenommen,  wobei  die  Entwickelung  des 
Kopfes  etwa  fünf  Minuten  in  Anspruch  nahm.    Das  Neugeborene 


in  dem  EDtbindnngsinstitate  etc.  zu  Dresden  im  J.  1861.     147 

wftr  ein  16  Zoll  langfer,  4  Pftiiid  schwerer  Knabe,  an  welchem 
BelebmgsTersacka  fruchtlos  blieben,  obwohl  noah  schwache  Hera- 
pnlsation  au  bemerken  gewesen  war.  Die  Nachgeburt  erfolgte 
dvrcb  Sasseren  Drack.  Die  Entbundene  war  in  Folge  der  lang- 
dsaernden  Geburt  sehr  angegriffen  und  zeigte  einen  Puls  von 
120  Schlägen.  Das  Fieber  dauerte  auch  in  den  nächsten  Tagen 
fort  imd  Tom  28.  October  an  stellten  sich  grosse  Angst  und 
Hirnajmptome,  als  Delirien,  stierer  Blick  und  8o|M>r  ein,  unter 
welchen  Erscheinungen  die  Kranke  am  31.  October  starb.  —  Die 
Section  ergab:  Stenose  des  Ostium  venös,  cord.  sinistr.  mit  frischer 
Esdoearditis ,  Infarcte  der  Milz  und  Nieren,  partielles  Lungen- 
ödem and  ainsolne  punctirte  Hiunorrh.agien  der  mmaubstanz. 

Der  aweite  Fall  betraf  eine  35  Jahre  alte  Näherin,  die  bis 
itt^i  Tierte  Lebensjahr  an  Rachitis  gelitten  hatte.  Sie  war  kleiner 
Statur,  dürftiger  Ernährung,  hatte  stark  yerkrümmte  Unter- 
fckeakel,  eine  Conjugata  externa  von  6^^,  Conjugata  diagonalis 
TaaS*//,  ao  dass  auch  hier  die  Conjugata  rera  von  2"  8'''— 9"' 
aagesommen  werden  konnte.  Im  Jahre  1867  war  sie  bereits 
■itkels  der  Zange  von  einem  todten  Knaben  untor  grossen 
Schwierigkeiten  entbunden  worden  und  hatte  im  Wochenbette 
eile  Peritonitis  und  Endocolpitis  zu  überstehen  gehabt.  In  der 
33.  Sehwangersehaftswoche  stellte  sie  sich  in  der  Anstalt  ein 
oadaiaa  säumte  daher  nicht,  die  Frühgeburt  künstlich  einzuleiten. 
Za  diesem  Hehnfe  wurde  am  4.  Decerober  nach  der  Cohem'aeh&n 
Methode  die  erste  Injection  gemacht,  welche  in  Zeit  von  einer 
Stoade  bereits  schwache  Contractionen  des  Uterus  erregte.  Die 
Isjeetionen  wurden  dreistündlich  wiederholt  und  riefen  zwar 
käMge  Wehenthättgkeit  hervor,  dessenungeachtet  aber  eröffnete 
■ich  der  Ifnttermnnd  aar  höchst  langaam,  was  in  rigider,  leder* 
artiger  Bescbuffenheit  des  unteren  Uterinsegments  aeiae  Ursache 
httte.  Es  wurden  daher  erweichende  Sitzbäder  von  Leinmehl- 
tbkoehung  mit  Einlegung  des  Baderöhrchens  verordnet.  Das 
Fraehtwasaer  ging  vorzeitig  ab,  und  so  fing  an  dem  in  erster 
SehadelateUaiig  vorliegendsm  Kopfe,  bei  erst  tbalergrossem 
Uatteraunde,  schon  Kopfgeschwalst  sich  au  bilden  an.  Sobald 
daher  die  Erweiterung  des  Muttermundes  die  Zangenanlegung 
itdiess,  wurde  die  Kopfzange  angelegt  und  mit  bedeutendem 
Kfafkaufwaiide  ein  18"  langes,  6V,  Pfund  schweres  Mädchen,  in 
hSehsiem  Grade  der  Asphyxie,  zur  Welt  gefördert.  Belebnngs- 
▼ersuehe  blieben  fruchtlos  und  aus  der  Lange  und  Ausbildung 
dM  Kindes  ergab  sich,  dass  die  Schwangerschuft  schon  viel 
weiter  vorgerückt  war,  als  nach  den  Angaben  der  Person  an- 
Snommeu  werden  konnte.    Das  Wochenbett  verlief  ohne  Störung. 

Nachgeburlsoperationen  machten  sich  in  10  Fällen 
nWdg.  Immer  tvar  es  starke  ßhilung,  welche  dazu  die  In- 
dication   gab,   inden)   wiederholle  Versuche,   die   Nüchgehurl 

10* 


148      ^n.    Orenser,  47.  Jahresbericht  über  die  EreigniMe 

durch  äusseren  Druck  zu  entfernen ,  nicht  zum  Ziele  fiihrten. 
Vier  Mal  fand  sich  dabei  zu  feste  Adhäsion  der  Placenta, 
so  dass  die  kunstliche  Lösung  vorgenommen  werden  musste ; 
die  Placenten  zeigten  in  drei  Fällen  FaserstoflFablagerungen, 
in  einem  Falle  kalkige  Cojicremente.  In  den  übrigen  Fällen 
bedingten  Stricturen  der  Gegend  des  inneren  Muttermundes 
die  Retention  der  Placenta. 

Anomalien  des  Wochenbettes. 

Bauchfellentztindungen  beobachteten  wir  40,  so 
dass  im  Ganzen  B'/a  Procent  der  Wöchnerinnen  daran  er- 
krankten. Von  diesen  40  Fällen  kamen  17  auf  den  Monat 
April.  Am  wenigsten  beiheiligt  waren  der  Monat  August 
mit  zwei  Fällen  und  der  Monat  September  mit  nui*  einem 
Falle.  26  Mal  locaiisirte  sich  die  Entzündung  vorzugsweise 
in  dem  Peritonäalöberzuge  des  Uterus  als  Perimetritis.  In 
6  Fällen  trat  schnell  Exsudat  ein,  von  welchen  3  einen 
lethalen  Ausgang  nahmen.  Bei  der  Section  fanden  wir,  ausser 
der  aligemeinen  Peritonitis,  bei  d^  einen  Lyrophangioitis  uteri, 
bei  der  zweiten  Endometritis,  Salpingitis,  Oophoritis  und 
Compression  des  rechten  unteren  Lungenlappens,  bei  der 
dritten  Endometritis  und  Salpingitis. 

Endometritis  kam  16  Mal  zur  Beobachtung,  davon 
11  Mal  mit  anderen  puerperalen  Erkrankungen  complicirt 
und  nur  5  Mal  ohne  weitere  Complication.  Nur  die  beiden 
oben  erwähnten,  mit  Peritonitis  complicirten  Fälle  endeten 
tödtlich. 

Endocolpitis  wurde  14  Mal  allein  und  7  Mal  mit 
Perimetritis  complicirt  angetroffen.  Die  Therapie  bestand  auch 
diessmal  in  reinigenden  Injectionen,  aromatischen  Bähungen, 
und  wenn  Geschwürsbildung  vorhanden  war,  Bedeckeader 
Geschwürsilächen  mit  Charpie. 

Von  Pleuritis  wurden  zwei  Wöchnerinnen  befallen.  In 
dem  einen  Falle  klagte  die  VTöchnerin  schon  drei  Stunden 
nach  der  Geburt  über  Schmerzen  in  der  linken  Seite  der 
Brust  und  am  folgenden  Tage  liess  sich  deutliches  Reibangs- 
geräusch  zwischen  der  8.  und  12.  Rippe  am  Rücken  und  in 
der  linken  Seite  hören.     Durch  Cataplasmata  emoUientia  und 


in  dem  Entbind angsiüBtitnte  etc.  zn  Dresden  im  J.  1861.     149 

den  innereü  Gebrauch  eines  Infas.  hb.  Digital,  cum  radic. 
Ipecac.  gelang  es  Heilung  zu  erzielen,  so  dass  die  Wöchnerin 
in  der  dritten  Woche  mit  ihrem  Kinde,  welches  sie  stillte, 
entlassen  werden  konnte.  < —  In  dem  anderen  Falle  führte 
die  Pleiuitis  zum  Tode.  Die  BetrefTende  hatte  in  den  ersten 
Tagen  des  Wochenbettes  eine  leichte  Perimetritis  überstanden, 
als  sie  in  der  zweiten  Woche  nach  der  Geburt  von  einem 
Scböttelfrost  und  stechenden  Schmerzen  in  der  linken  Seite 
der  Brust  befallen  wurde.  Schon  am  anderen  Morgen  wies 
die  Percussion  daselbst  von  der  siebenten  Rippe  an  Dämpfung 
nach,  und  trotz  erweichender  Umschläge  und  des  inneren 
Gebrauches  der  Digitalis  stieg  das  Elxsudat  bis  zur  dritten 
Rippe,  so  dass  beträchtliche  Dyspnoe  eintrat  Und  am  sechsten 
Tage  der  Erkrankung  der  Tod  erfolgte.  Bei  der  Section 
leigten  sich  beide  Lappen  der  linken  Lunge  bedeutend  com- 
pnmirt,  besonders  der  untere  völlig  luftleer.  Die  linke  Pleura- 
höhle war  mit  flockig  eitrig -serösem  Exsudat,  27^ — 3  Pfd. 
betragend,  angefüllt  Die  rechte  Lunge  war  vollständig  luft- 
haltig und  die  rechte  Pleurahöhle  leer.  Der  Herzbeutel  er-* 
sehien  weit  ausgedehnt  und  enthielt  ungefähr  10  Unzen  Serum. 
Das  Herz  schlaff,  welk,  äusserlich  ziemhcÜ  fettreich,  Muskulatur 
nur  liniendick,  rechter  Vorhof  etwas  erweitert. 

Harnverhaltung  trat  26  Mal  bei  Wöchnerinnen  ein 
Qod  hielt  in  einem  Falle  bis  zum  zehnten  Tage  des  Wochen« 
heiles  an. 

Bedeutende  Metrorrhagien  im  Wochenbette  kamen 
5  Hai  zur  Beobachtung,  wurden  aber  durch  Injectionen  von 
Oijkrat  nach  mechanischer  Entfernung  der  Blutgerinsel  bald 
beseitigt. 

Profuse  Diarrhoeen  catarrhalischer  Natur  erforderten 
in  vier  Fällen  die  energische  Anwendung  des  Extractum 
Üiehaicum. 

47  Wachoerinnen  litten  an  Excoriaiionen  der  Brust* 
Warzen,  gegen  welche  das  Aufstreicben  der  Benzoetinctur 
mit  fettem  Milcbrahme  wenigstens  soweit  Linderung  ge- 
wahrte, dass  das  Stillen  fortgesetzt  werden  konnte. 

Die  Heilkraft  des  Wochenbettes  bewährte  sich 
auf  ausserordentliche   Weise   bei    einer    Wöchnerin,   welche 


150      ^1^*    Grenzer ^  47.  Jahresbericht  über  die  Ereignieae 

sieben  Monate  lang  au  harLoäokiger  calarrhalißcijer  Heiserkeit 
gelitten  hatte  und  schon  am  fünften  Tage  des  Wochenbette« 
ganz  davon  befreit  wurde. 

Anomalien  der  Keageboreaen. 

Verstorben  sind  in   der   Anstalt  23   Kinder,   da?on: 
3  an  Induratio  telae  cellulosae, 
5  an  Lebensschwäche  in  Folge  ftoihzeiliger  Geburt, 
2  an  serösem  Ergüsse  in  die  Hirnventrikel, 
7  an  Convulsionen  in  Folge  von  HirnhyperSmie, 
1  an  Darmblutung  und 
5  an  hochgradiger  Atelectasis  pulmonum. 

Die  Darmblutung  kam  bei  einem  dreitägigen  Kinde 
vor,  welches  bis  dahin  gehörig  an  der  Brust  der  Mutter  ge- 
trunken und  sich  wohl  befunden  hatte.  Plötzlich  stellten 
sich  blutige  Darmausleerungen  ein,  gegen  welche  der  innere 
Gebrauch  des  Tannin  und  kalte  Klystiere  unwirksam  blieben, 
so  dass  schon  am  folgenden  Tage  unter  den  Symptomen  von 
Erschöpfung  der  Tod  erfolgte.  Bei  der  Section  fanden  wir 
den  Magen  ausgedehnt  mit  halhgeronnenem  Blute  erfüllt; 
seine  Schleimhaut  sehr  hyperämisch  und  fein  injicirt;  im 
Dünndärme  an  sechs  verschiedenen  Stellen  die  Schleimhaut 
stark  injicirt  mit  darüber  befindlichem  starkem  Blutergüsse. 
Im  unteren  Theile  des  Ileum  Blut  mit  Fäcalmassen  gemengt, 
Schleimhaut  hämorrhagisch  erodirl.  Im  Colon  ascendens 
starke  hämorrhagische  Infiltration  mit  Schwellung  des  Ge- 
webes und  blutiger  Infiltration  der  Druden.  Im  Colon  trans- 
versum,  descendens  und  im  Rectum  Schleimhaut  normal, 
stark  anämisch. 

Cephalaematoma  ward  2  Mal  beobachtet.  Die  Re- 
sorption blieb  der  Natur  überlassen. 

Bruch  des  Oberarmbeines  ereignete  sich  in  zwei 
Fällen,  ein  Mal  beim  Herausheben  d«r  Schultern  nach  ge- 
borenem Kopfe,  das  andere  Mal  beim  Lösen  der  neben  dem 
Kopfe  in  die  Höhe  geschlagenen  Arme  des  Kindes.  Nach 
regelrechtem  Verbände  mit  dicken  Pappschienen  war  die 
Heilung  in  drei  Wochen  vollendet. 


in  4€m  JEnthiBaniiipsiastüiit«  ete.  te  Dresden  im  J.  lS6t.     151 

Ophthalmia  neonatorum  kam  bei  36  Kindeiti  vor. 
Wie  froher,  bestand  die  Therapie  in  Eisfomenten  und  Ein- 
streichen des  Argent.  nitric.  (gr.  ij  :  Si)»  ausserdem  bei  gut 
genährten  Kindern  und  stärkerer  Entzündung  der  inneren 
Darreichung  einiger  Gaben  Calomel.  In  zwei  PMlen  machte 
sich  wegen  grosser  Lichtscheu  und  Krampf  der  Augenlider 
die  Anwendung  des  Eitract  Belladon.  (gn  i :  3q  Aq.  destill.) 
oöthig.  Bis  auf  zwei  Fälle,  wo  Hornhauttrübungen  in  grösserem 
Dmfaoge  zurückblieben  ^  verliefen  alle  günstig. 

Von  Bildungsfehlern  wurden  beobachtet: 

1)  Bei  einem  übrigens  wohlgebildeten  und  gutgenShrten 
Knaben  ein  in  der  zweiten  Phalanx  scheinbar  ge- 
spaltener Daumen.  Bei  näherer  Untersuchung  ergab  sich, 
dsss  die  zweite  Phalanx  dieses  Pingers  1m  Knochen  zwei  Mal 
vorhanden,  uM  diese  doppelte  Phalanx  dicht  nebeneinander 
an  die  erste  Phalanx  eingelenkt  war.  Die  obere  Hälfte  und 
die  Nägel  waren  völlig  voneinander  getrennt.  Fixirto  mm 
die  eine  Hälfte,  so  liess  sich  die  andere  selbstständig ^  wenn 
aoch  nicht  vollkommen,  beugen  und  strecken. 

2}  Eine  Phimosis  congenita. 

3)  Hasenscharte  und  unvollkommener  Wolfs* 
rächen,  welcher  letzlere  sich  nur  bis  zur  vorderen  Bälfle 
des  harten  Gaumens  erstreckte. 


Geburtsbülflichen  Unterricht  erhielten  21  Studirende 
und  48  Schülerinnen. 


152     XII-    Oretuert  47.  Jabretbencht  Aber  «He  RreigniM«  etc. 


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iBeatand  am  31.  Dec.  1860. 


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im.    MotiseB  avs  4er  Jovinal- Literatur.  153 

xm. 

Kotisen  aus  der  Journal-Literatur. 


Bimpam:  Ein  Fall  Ton  Extraaterinscbvrangerschaft. 
(Mitgeih.  in  d.  SiUiing  d.  £dinb.  Obstetr.  Soc.  vom  29.  Jnli  1863.) 

Eine  33 jährige  Fr»a,  seit  14  Jahren  verbeirathet,  Motter 
?•■  seehs  Kindern,  am  25.  December  1862  anletst  menttrnirt. 
Bceki Wochen  spSter  heftiger  Sehmen  im  Rucken  und  in  der  rechten 
Sfite  des  Unterleibes.  Solche  Schmeraparozysmen  kehrten  von  Zeit 
m  Zeit  wieder.  Am  86.  April  1868,  knri  nach  einem  solchen,  sah 
tU  &,  £nid  den  Ute  ras  yergrössert  and  konnte  die  Sonde  b" 
«•it  einfahren.  Hinter  dem  CoUam  fühlte  er  eine  fiuotoirende 
Oesekwalst;  bei  der  Aascoltation  des  Abdomen  nahm  man.  die 
HentSne  eines  Fötns  deatlich  wahr.  S,  stellte  die  Diagnoee  auf 
^itraalerinsehwangersehaft  and  pnnctirte  die  Geschwnlst  mit 
•iaesi  gekrümmten  Troicart,  nm  die  Fracht  'dareh  Entleeren 
Im  Aanionwaaaera  inm  Absterben  an  bringen.  £s  entleerte  sich 
•twa  eine  Finte  dnnkler  Flfissigkeit.  Am  Morgen  des.  dritten  Tage« 
Wfttgster  Schmers  im  Leibe,  Pols  140,  klein.  Dreissig  Standen 
Mckher  Tod. 

Die  Autopsie  ergab,  dass  in  der  Banohhöhle  etwas  donkle 
nSssigkeit  enthalten  war.  Der  nntere  Theil  des  Omentam 
•ihirirte  am  Fnndos  nteri.  Das  Peritonänm  neigte  Sparen  frischer 
£atsändang,  besonders  Aber  den  Dünndärmen.  Der  Fötas  lag 
ia  einem  Ton  dem  TergrSsserten' Uterns,  den  breiten  Motter- 
biadera,  der  Beckenwand,  der  Flexara  sigmoidea  des  Colon  and 
4tBi  Mesocolon  gebildeten  Sacke ,  die  Flexara  sigmoidea  adb&rirte 
SB  Fnndns  ateri  and  an  den  Ligamentis  oyarii  and  lag  fast 
heriaontaL  Die  breiten  Matte rbänder  and  die  Flexara  sigmoidea 
waren  stark  aasgedehnt  and  verdickt.  Die  Ovarien  konnten  nicht 
ftinden  i^erden.  Anch^die  Taben  warden  erst  nach  Oeffnang 
isi  üteras  bemerkt.  Sie  waren  beide  so  eng,  dass  sie  nnr  für 
•iae  dicke  Schweinsborste  durchgängig  waren  und  lagen  der  Wand 
des  Sackes  6"  lang  an.  Der  Fötus  schien  sechsmonatlich  und 
wsrli'^  lang.  Er  lag  mit  dem  Steisse  nach  anten,  seine  vordere 
Seite  sar  linken  Seite  der  Matter  gewendet.  Die  Nabelschnur 
«ar  UVt"  lang-  Die  WharUm*8che  Salae  schien  an  fehlen.  Die 
Plaeenta  war  breit  nnd  dfinn  und  sass  auf  der  hinteren  Wand 
dee  Uteras,  dem  linken  breiten  Mntterbaade,  den  WeichtheitoB 
der  Unken  Beckenseite,  der  Flexara  sigmoidea  dee  Coloo  und 
den  oberen  Theile  des  Bectnm.  Die  Plaeenta  aeigte  nnier  dem 
Mitkroekope  Zotten,   war   aber   lockerer  und   schwammiger  als 


104  XIII.    NotiseB  mnt  i«r  Jovmal-LHcrjitar. 

gewöhnlich.  Eine  transparente  Haut  bekleidete  die  innere  Seite 
der  Placenta  und  des  Sackes.  In  ihr  Tersweigten  sich  die 
Umbiliealgefftsse,  bevor  sie  Sn  die  Placenta  eindrangen.  Der 
Uterus  maass  ftusserlich  in  der  LKnge  7",  in  der  Breite  3'//'. 
Die  Wand  war  1"  dick.  £r  .war  blass  fleiscbroth,  zeigte  Tiele 
platte  Maskelfasern.  Das  Innere  des  Uterus  war  mit  einer 
dunkelrothen  Substan«  von  Hirnconsistens  bedeckt,  welche  ans 
Areolargewebe,  kleinen  BlntgefXssgweigen,  amorpher  Masse  und 
Fettmolecülen  bestand. 

(Edinb.  Medic.  Journal,  MftrE  1864.) 


B.  S.  Schuüze  (Jena):    Eine   Extrauterinschwaoger- 
scbaft. 

Eine  S7jährige  Dienstmagd,  welche  schon  ein  Mal  reget- 
mftssig  geboren  hatte,  empfand  bereits  sieben  Wochen  nach  der 
«weiten  Conception  heftige  Schmeraen  im  Unterleibe  mit  Harn- 
beschwerden,  welche  mit  Unterbrechnngen  die  Schwangersehafl 
begleiteten,  besonders  nachdem  sie  im  siebenten  Monate  einen 
Stoss  auf  den  Unterleib  erlitten  and  eine  schwere  Last  getragen 
hatte.  Mit  diesen  Schmerzen  kam  sie  in  *die  Anstalt  und  ergab 
die  Untersuchung  eine  todte  Frucht  und  eine  Abdominal- 
schwangerschaft  etwa  im  achten  Monate.  Unter  niehrfaehen 
fieberhaften  Erscheinungen  nnd  bedeutender  Abnahme  der  Krüfte 
bildete  sich  eine  Durehbrnehsstelle  des  F-^nssaekes  nach  aussen 
und  bald  darauf  nach  der  Urinblase,  aus  welcher  Jane^e  «nd 
einaelne  kleinere  FStusknochen  allmHlig  abgingen ,  wHhrend  Urin 
auch  aus  der  BanchdiVkinng  abfioss.  Nach  Ungerem  Abwarten 
entsehlosB  sich  8.  cur  Erweiterbng  der  Bauchöffnung  und  entfernte 
den  grössten  Theil  der  Knochen,  während  eine  Ansahl  derselben 
snrdck gelassen  werden  musste,  weil  sie  an  fest  eingebettet  waren: 
jedoch  etwas  spttter  konnten  auch  sie  entfernt  werden.  Unter 
sehr  wechselnden,  h&ufig  sehr  bedrohlichen  Erscheinungen  hellte 
sohliesslich  die  Oefflanng  su  und  vollstttndige  Genesung  erfolgte. 

(Jenaische  Zeitschrift  ffir  Mediein   n.  NatnrWissensebnlt, 

1864,  Bd.  ].,  H.  8,  8.  881.) 


Alfr.  Ott:   Extrauterinschwangerschaft 

Die  Mittbeilong  des  Verf.  kann  aU  abermaliger  Beitrag  awr 
Olagaoatik  dieses  TerhlUtnissmäasig  seltenen  kruikhafien  Zustande« 
anfetefann  «erden.  Der  Fall  betraf  eine  86 Jährige  Frau,  welehe 
ter  aoht  Jaliren  ein  Mal  geboren  hatte  and  bis  vor  fünf  Menatea 
regelmftaaig  menstrairt  gewesen  war.  Dann  a'wei  Monate  Ans-> 
bleiben  der  Menses.    Wfihrend  demen  leichte  AnechweUttng  ia 


XIII.     NoiiBeD  AUS  der  Jonrnül-LtterAUr.  |56 

to  rechtMi  In|raioai|^KeDd.  Nftch  dem  sweiteo  Ifotiat«  pfofoae 
11  «trorrbsgie ,  aacb  Antaag^e  des  danaala  behandelnden  Antea^ 
«TbaÜenekainug  daa  bald  daraaf  arfo Igten  Abort*.  Trotndem 
bliab  die  Ansehwelking  in  Glelehen;  Fröste  mit  Hitse  abwechselnd, 
Appeütrerliiat,  steehender  Schmerc,  Breehneigang,  Breeben  tob 
frialldier  Fläsaigkeit  stellten  sich  ein.  Die  Schwellang  nahm  n«. 
Kaebezie»  Oedem  der  unteren  Kxtremitüten  worden  bedeutender. 
Bei  der  Aufnahme  in*B  Krankenhans  fand  sich  der  Unterleib  in 
4sr  rsehten  Untnrbanchgogend  kugelig  vorgewölbt ,  etwas  empfind- 
lich. Ton  der  reehten  Spina  il.  ant.  snp.  nach  dem  Habel  und 
der  Symphyse  erstreckte  sieh  ein  massig  resistenter,  stellenweise 
laeteireader ,  Däropfongston  gebender  Tumor.  In  der  Tiefe  des 
Uiterleibee  Flüaeigkeitsansamrolnng.  Uterus  milssig  Tergrössert, 
Bsch  ?om  nnd  links  verdrängt,  Vaginalportion  etwas  verkürtt 
■od  geschwellt.  Nach^  rechts  und  oben,  von  der  Vagina  aus  ein 
gieiehmissiger ,  etwas  empfindlicher  find  beweglicher  Tumor. 
Die  Diagnose  wnrde  auf  ein  Cystosarcom  des  Ovariums 
fflit  Peritonitis  (nach  Abort)  gestellt.  Unter  Obstipation, 
Meteorismus,  Hydrops,  CoUaps,  später  Erbrechen,  Diarrhoe  und 
Verlast  des  Bewnsstsein  starb  die  Kranke.  Im  Peritonftam  fonden 
•Ich  6  Pfund  eines  schwaralich  •  grauen ,  grob  -krümeligen  Inhaltes. 
Dmm  grosse  Nets  an  die  innere  Bauchwand  angeheftet.  Im  unteren 
Beckenraum  ein  viermonatlicher  Embryo.  In  der  rechten  £z- 
eevatio  retronterina  sitst  die  Plaeenta  theils  am  Uterus,  theils 
aa  dar  in  ihrem  sweiten  Drittel  geborstenen  Tuba.  Uterus 
peweeranaengToss ,  leer.  Hiernach  wurde  als  pathologisch* 
aaatemiashe  Diagnoae  anfgestellt:  Rechtsseitige  Tnbar- 
lebwangeraehaft  mit  Ruptur,  Extravasat  nnd  Pari- 
tenttis. 

(Prager  Med.  Wochenschrift,  1864,  No.  12.) 


Adolph  NeustadÜ:   Graviditas   extrauterina. 

Verf.  wurde  am  28.  Juli  1863  zu  einer  Frau  gerufen ,  welche 
lebon  seit  etwa  vier  Wochen  an  Magenschmeraen  nnd  Erbrechen 
erkrankt  war.  Sie  klagte  bisher  über  Mattigkeit,  Kopfschmers, 
konen  Athem  und  Polymenorrhoe,  Als  Verf.  die  Patientin  sah, 
fand  er  sie  über  starke  Leibschmersen  klagend.  Schon  die  leiseste 
Btrfibrung  der  Magongegend  war  schmershaft,  die  Kranke  war 
Maieh,  fast  wachsgelb,  die  Temperatur  niedrig,  der  Puls  klein. 
Ca  war,  nachdem  die  Frau  Tropfen  genommen  hatte,  .welche 
■ickt  aiher  bekannt  waren,  ein  unwillkürlicher  Stuhl  abgegangen, 
der  ebne  Blut  gewesen  sein  soll  und  auf  den  das  Erb re ehern 
■aekgelaseen  hatte. 

Bisher  war  die  Kranke  vom  Verf.  —  mehr  beilKnig  —  auf 
CardlalgSe   und  Chlorose   behandelt  worden.     Jetzt  lenkte  sieh 


156  XIII.    Notis«n  aas  der  JonroBl- I^ter'ntar. 

die  AufmorkaainkeU  des  Arites  —  bebnfs  FestsleUmg  eiaor 
Dtftgnose  —  auf  die  Annahme  einer  inneren  Blutung.  Ein  per- 
forirendes  Magengeschwür  mit  Arrosion  grösserer  GefKsse  blieb 
wegen  des  Mangels  von  blntigen  Abgängen  sweifelhaft.  Ebenso 
stand  es  mit  der  Annahme  einer  Vergiftung.  Ohne  sieh  mit 
Bestimmtheit  su  entscheiden,  verordnete  N.  Morphium  in  einer 
Oleosa,  um  sunächst  die  Scbmersen  su  mildem.  Als  y.  nach 
knrser  Entfernung  wiederkehrte,  was  Patientin  todt. 

Bei  der  Section  fand  sich  die  Bauchhöhle  von  flnssigera 
Blute  und  Blutcoagulis  erfüllt.  Nach  Entfernung  derselben  fand 
man  am  äusseren,  stumpfen  Ende  des  rechten  Eierstockes  einen 
adhärirenden  fremden  Körper,  dessen  äussere,  gei&ssreiche  Hnlla 
an  einer  viertelguldengrossen  Stelle  durchbrochen  war.  Beim 
Oeffnen  dieses  birnformig^n  Körpers  fand  man  einen  swei  Monate 
alten  Embryo.  Der  Uterus  war  ohne  eine  Spur  von  Schwanger- 
sohaftseeichen.  Die  übrigen  Organe  stark  anämisch. 
(Prager  Med.  Wochenschrift,  1864,  No.  19.) 


MaUhewe   Duncan:    Gomplication    von    Haematocele 
mit   Extrauterin  seil  wanger  Schaft. 
(Mitgeth.  in  der  Med. -Chir.- Society  of  Edinb.,  2.  Dec.  1863.) 

Der  mitgetheilte  Fall  betraf  eine  verheirathete  Frau,  die 
schon  mehrmals  geboren  hatte.  37,  Monate  vor  ihrem  Tode 
hatte  ihre  Menstruation  cessirt,  ein  Monat  vor  demselben  war 
sie  wiedergekehrt.  Gleichseitig  hatte  sich  Frösteln ,  Fiebern  und 
Schmers  in  dem  hinteren,  unteren  Theile  des  Leibes,  besondere 
rechts,  eingestellt.  Bei  ihrer  Aufnahme  in*s  Hospital,  wenige 
Tage  vor  dem  Tode,  war  der  Blutfluss  noch  Torhanden.  Zwei 
Tage  vor  dem  Tode  hatte  der  Schmers  siemlich  nachgelassen, 
selbst  die  Berührung  des  Leibe«  wurde  leichter  ertragen.  Plötslich 
bekam  sie  ausgedehnte  Peritonitis.  Nach  36  Stunden  war  sie 
todt.  —  Die  Diagnose  war  auf  Haematocele  mit  plötsUcher  Ruptur 
in  die  Bauchhöhle  gestellt. 

Die  Autopsie  ergab  Folgendes:  Im  Hypogastrium  das  Gefühl 
Ton  Spannung  und  Völle.  Percnssionston  bis  3"  über  das  Scham- 
bein gedämpft.  Fundus  uteri  nach  vorn  gedrängt.  Cerviz  etwas 
TergrÖssert.  Uterus  hypertrophisch,  seine  Höfale  nicht  verlängert. 
Im  dem  hinteren  Theile  des  Beckens  fühlte  man  Resistens  und 
in  der  Mitte  einen  umschriebenen,  massig  weichen  Tumor.  Die 
Peritonäalböhle  enthielt  eine  Quantität  Blut.  Das  Peritonäuin 
bot  die  Zeichen  acuter  Entzündung  und  frischer  Adhäsionen. 
Rechts  fand  sich  ein  vom  horisontalen  Schambeinaste  sur  Crista  ilei 
reichender,  aus  dem  Peritonäum,  Adhäsionen  und  Dünndärmen 
gebildeter  Sack  vor,  welcher  sieh  auch  nach  links  erstreckte, 
wo  er  sieh  frei  in  die  Peritonäalböhle  öffnete  und  vorn  von  Därmen 


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XIV.    JLUeratur.  157 

'ntit€kt  war.  Der  Saek  enthielt  v  blotiere  Flfleeig^eit.  Beim 
Zerficklegeii  der  Därme  bemerkte  man  eine  mit  einer  Diinndarm- 
•eUiage  Teiidthete  Geechwulet  entsprechend  einer  etwas  platt- 
{edraekten  Orange.  Diese  Geschwulst  war  sobperitonäal  awischen 
in  oberen  Theilen  des  Utems  und  Os  sacrnm  gelagert,  aeigte 
roni  aalen  eine  Bnptar  ond  enthielt  geronnenes  Blnt  und  einen 
ksam  sweimonatlichen,  in  beginnender  Zersetsnng  begriffenen 
Embryo. 

(Edinb.  Med.  Jonm.,  Jan.  1864.) 


Weber  (in  Lemberg):   Uterusfibroide   mit  Schwanger* 
»chaft 

Verf.  theilt  mehrere  derartige  Fälle  mit,  von  denen  der 
•rste  besonders  interessant  ist.  Dae  Fibroid  hatte  sich  schnell 
la  sehr  grossem  Umfange  entwickelt,  so  dass  die  Frau  am  Ende 
ikrer  Schwangerschaft  an  sein  glaubte,  das  Fibroid  hatte  in  der 
Tbst  die  Grösse  des  Ute  ras  kurs  Tor  dier  Geburt.  Die  Schwange  r- 
«ehaft  bestand  jedoch  erst  Tier  Monate  als  heftige  Blntnng  eintrat 
«od  sich  ala  Grund  hiervon  Placenta  praevia  seigte,  nach  deren 
ktastlieher  Entfernung  das  Wochenbett  normal  verlief,  während 
dai  Fibroid  anverändert  blieb.  Im  dritten  Falle  verschwanden 
nekrere  kleine  Fibroide  des  Uterus,  welche  deutlich  durch  die 
BsQchdecken  hindurchzufühlen  gewesen  waren,  unter  dem  In- 
rolotionsprocesse  eines  Puerperalfiebers.  Im  vierten  Falle  konnte 
Verf.  ein  wahrscheinlich  unter  der  durch  die  Wendung  vollendeten 
Gebart  abgestossenes  mannsfaustgrosses  Fibroid  mit  der  Placenta 
entfernen. 

(Wiener  Medicinalhalle,  1864,  43.) 


XIV. 
Literatur. 


Eug.  Dutoit:  Die  Ovariotomie  in  England,  Deutsch- 
land and  Frankreich.  Würzburg,  Stahel.  1864.  8. 
X  und  237  S. 

Veranlasst  durch  den  Aufschwung,  welchen  in  neuerer  Zeit, 
saaieatlich  in  den  Nachbarstaaten  England  und  Frankreich,  die 
behufs  des  ausiurottenden  Eierstockes  unternommene  Laparotomie 
geeommeu  hat^  giebt  Verf.  den  noch  immer  zaghaften  deutschen 


158  ^IV-     Literatur. 

Gynlkologea  ein  tabellariffches  Verseielmifta  derjenli^n  Oopli«ro 
toinaen  tn  die  Hand,  welche  Ton  178t  bis  Ende  Ootaber  des 
,  Jahres  18fö  in  genAnnten  Lündern  ansgefährt  oder  wenigviene 
in  der  Absicht  der  Exstirpation  angefangen  worden  sind.  Zwar 
besitsen  wir  schon  mehrere  derartige  Tabellen,  doch  ist  theilt 
in  den  letzten  sechs  Jahren  keine  tabellarische  Zusammenstellang 
veröffentlicht  worden,  ein  Zeitraum,  welcher  camal  an  gSnstigen 
Fällen  reicher  denn  ein  anderer  ist,  theila  ist  das  Material  nnter 
neuen  Gesichtspunkten  zusammen gefasst  und  nnter  Verwertbung 
der  jüngsten  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete  der  Chirurgie  zu 
Schlnssfolgernngen  benutzt  worden.  Verf.  schloss  einen  grossen 
Theil  der  amerikanischen  Fälle  von  diesem  inductiTen  Vecfabren 
aus  und  zog  nur  die  allerdings  immernoch  zahlreichen  Operationen 
der  wenigen  zuverlässigen  Berichterstatter  unter  den  trans- 
atlantischen Aerzten  in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen. 

Nach  bibliographischer  und  geschichtlicher  Einleitung^,  in 
welcher  die  bertihmte  Discussion  in  der  Pariser  Akademie  benutzt 
ist,  schildert  Verf.  kurz  die  jetzt  gebräochlichsten  Operations- 
methoden nebst  der  wichtigen  Nachbehandlung.  Die  Tabelle 
zerftllt  in  folgende  Unterabtheilungen.  I.  A.  totale,  B.  partielle, 
C.  aufgegebene,  D.  Exstirpationen  anderer  Geschwülste  des 
Genitalapparates,  E.  wegen  falscher  Diagnose  ganz  aufgegebene 
Operationen.  II.  Die  NationalitHten:  Frankreich,  Deutschland, 
England,  Amerika,  übrige  Nationen.  Auffällig  bleibt  immer  das 
auch  an  betr.  Orte  motivirte  Unglück  der  deutschen  Operateure. 
Verf.  dringt  aufbessere  Ventilation  der  Krankenzimmer.  III.  Das 
Resultat:  a)  Genesungen,  ß)  Todesfälle.  Abweichend  von  Clay^ 
welchem  Verf.  in  der  übrigen  Anordnung  wesentlich  gefolgt  ist, 
hat  er  die  chronologische  Reihenfolge  vorgezogen.  Die  Tabelle  Ä. 
ist  eine  kurze  Statistik  in  Betreff  des  Alters,  des  Gesundheits- 
sustandes, der  Dauer  der  Krankheit  und  anderer  wichtiger  Punkte 
beigefügt.  Den  Schluss  bilden  zwei  Zusammenstellungen  über 
die  Dauer  der  Genesungszeit,  über  Zeit  und  Ursache  des  Todes. 
Im  Ganzen  sind  742  Fälle  in  Betracht  gezogen. 

Die  Ausstattung  dieser  fl^iseigcn  Arbeit  ist  nicht  übel. 


ff,  Luschka:  Die  Anatomie  des  menschlichen  Beckens. 
(2,  Abtb,  H.  Bandes  der  „Anatomie  des  Menschen''  desselben 
Verfassers.)  8.  Mit  62  Holzschnitten.  Tübingen  1864. 
X  und  420  S. 

Dieser  äusserlich  höchst  saubor  ausgestattete  und  mit  gehörig 
grossen  Lettern,  also  leserlich  gedruckte  Band  möge  hier  insoweit 
Besprechung  finden,  als  er  sich  über  die  Verhältnisse  des  weib- 
lichen Beckens  und  seiner  Eingeweide  verbreitet. 


XIV.    LHerainr.  160 

Mit  clMmsovf«!  0«]«brMmk«it  «b  Humor  träe^t  Verf.  nicht 
■w  dft«  rein  Andomiaehe,  sondara  aufh  diejenig^en  äXtee  vor« 
«tleha  dem  Palholosfen  nsd  nanentUob  dem  Fraaenariite  praktitehe 
ABkaJtepankte  geben;  überall  wird  aueh  auf  Entwieketnngt» 
feaebiebte,  Teratologie  «od  Gebnrtslefare  gebabrende  Rücksicht 
feiOBoea.  Dia  in  den  Text  geschalteten  HoUschnitte  lassen 
■iebts  sn  wn Sachen  tbrig. 

Bei  Anlaaa  der  Raeeneigenthnmlichkeiten  des  menseh» 
lichea  Beckens ,  anf  deren  anefilhrliohere  Besprechung  Verf.  swar 
ä.  7  TertrSstet,  welche  aber  in  Tarliegendeni  Bande  nicht  an  finden 
Utf  wird  aneb  der  Steatopygen  unter  gewissen  Bewohnerinnen 
Sidafrikas  gedacht  und  dabei  bemerkt,  dass  dieses  besonders 
Bseb  der  ersten  Schwangerschaft  auftretende  colossale  Fettpolster 
allein  die  Vemnstaltnng  der  Hottentottinnen  au  Stande  bringe 
Mi  oh  der  kndehemen  Grundlage  nichts  sn  scheffen  habe.  Die 
BstraehtBSg  der  känstlieh  nachgebildeten  V^nus  hottentotte  jedoch 
lehrt  schon,  dass  der  Lendentheil  der  Wirbelsäule  ungewöhnlieb 
saeb  TÖm  gesebeben  und  der  Bauch  entsprechend  herabgetrieben 
ist  Ree.  naehte  Prof.  Lambl  darauf  auftnerksam,  dass  das 
knScheme  Gerüste  jenes  Weibes  im  Mas^e  du  Jardin  des  Plantes 
ia  Paris  so  aufgestellt  ist,  dass  das  Hecken  desselben  eine 
beginnende  Spondjlolisthese  selgt.  Leider  fehlen  an  diesem 
isteressanten  Skelette  die  Bendapparate.  Lambl  versprach,  die 
Sache  geuaner  untersuchen  su  lassen.  Aus  einer  Stelle  in  den 
ifebives  g^n^ralee  gebt  hervor,  dass  dies  geschehen  iet.  Man 
erwartet  also  weitere  Anfsohlvsse. 

*  Die  von  Verf.  entdeekto  Steissdrüse  ist  im  Allgemeinen 
8.  80,  spSter  noeb  aosfäbrlieher  abgehandelt.  Daran  knüpft 
deb  der  Hin  weis  auf  den  wahrsoheinliofaen  flnsammenhang  der 
Coeeygodynie  mit  Beleidigungen  dieses  Gebildes. 

Das  Wort  „perioenm'*,  für  welches  Vetf,  passender  nack 
Qrmaf  „interfo ramin enm'^  vorschUgt,  wird  etymologisch  eriamtert 
nd  nicht  für  identisch  mit  „Damm«  erklftrt;  Verf.  aerfällt  das 
Mittelietseh  in  die  Regio  uro -genitalis  und  R.  analis*  Ebenso 
wird  die  Uebersetanng  des  Os  sacruin  (i.  e.  latom)  mit  „Heiligenbein** 
tarfiekgewiesen. 

Diiii*r*s  Lnmbosacral Wirbel  ist  nicht  ein  entarteter  oberster 
Kreiswlrbel  (BiaiU),  sondern  stets  unterster  Lendenwirbel  (Bodei- 
iUmnsr). 

KiUam*B  Btaobel,  der  auch  am  männlichen  fieeken  vorkommt, 
ist  weder  pethologisohen  Ursprungs,  noch  höher  entwickeltes 
Toberculum  ileo-pectineum  {Lambl),  sondern  rührt  von  dem 
sisaakauweise  auf  diese  Stelle  concentrirten  Ansatse  der  Sehne 
des  Psoas  minor  her. 

Die  Verhiltnisse  der  Kreusdarmbeinverbindung  als  eines 
Wahren  Gelenkes  wurden  schon  früher  von  E.  Weber  demonstrirt, 
»ie  Reo.  seiner  Zeit  erwähnt  hat. 


160  ^I^-     Literatur. 

Die  Zerrung  des  Lii^sm.  saero-eocejgteum  pociiean  pro- 
fandniD,  als  des  breiten  Endes  der  Dam  ninler  spinalU«  bei 
grewinen  SteiMbeinTerrenknngen  darf  dem  Qynttkolo^n  gegen» 
wärtig  sein. 

8.  381  heisst  es  bei  Gelegenheit  des  Kapitels  der  EierstSeke: 
ff  Nach  den  beim  menschlichen  Geschleohte  gemachten  Erfahrungen 
erscheint  die  Ton  Pflüger  aofgestellte  Ansicht,  dass  der  normale 
Vorgang  der  Oeffnnng  des  Follikels  Überhaupt  ohne  jede  Blntnng 
▼or  sich  gehe,  fUr  dieses  gSnslioh  nnsatreffend." 

Anf  die  Controverse  wegen  der  Beschaffenheit  der  Sehleiro* 
^hant  des  Eileiters  wird  Rec.  ansffihrlicher  in  den  « Ver- 
handlungen der  medicinischen  Gesellschaft  sa  Leipsig'  tnruek- 
kommen  (II.  Band).  Die  Annäherung  des  Abdominalendes  der  Tuba 
an  das  su  empfangende  Oynlum  geschieht  nach  der  Ueberseugung 
des  Tflbinger  Anatomen,  welche  theils  auf  Exclusion,  Iheils  nnf 
Entdeckung  der  Mm.  attrahentes  tubae  et  oyarii  beruht,  durch 
muskniare  Verkiirsnng,  neben  welcher  bei  ^  Ueberwandenuig 
eines  Eies  *  gelegentlich  auch  die  Zwiscbenlagerung  einer  Darm* 
schlinge  in^s  Spiel  kommen  kann.  Ein  lehrreiches  Beispiel  tob 
Ueberwanderung  giebtVerf.  nach  eigener  Anschauung  8.  35t. 

Ueber  den  M.  retractor  uteri  LumUmi*s,  jener  sum  Theil 
selbfltstttndigen  muskulären  Verstärkung  der  Ligam.  reeto  *  uterina 
ist  schon  frfiher  in  diesen  Blättern  berichtet  worden. 

Arteria  uterina  aortica  nennt  Verf.,  sumal  während 
der  Schwangerschaft,  mit  Recht  die  sog.  A.  spermatica  . interna 
(orarica);  S.  376  führt  er  ans,  warum  Compression  der  Aortn 
in  der  letsten  Gebnrtsperiode  rorkommende  Blutungen  kaum  su 
▼erriugem  vermöge  —  nämlich  wegen  der  Anastomosen. 

Bei  den  Nerven  der  Gebärmutter  wird  auf  die  schönen 
Arbeiten  R.  Lee*B  mehr  Rücksicht  genommen ,  als  denselben  selbst 
in  England  lu  Theil  geworden  ist.  Bec,  welcher  L6S*6  Präparate 
gesehen  hat,  stimmt  mit  Verf.  darin  überein,  dass  in  der 
Schwangerschaft  das  Volumen  der  Uterinnerven  haUptaäcblieh 
auf  Rechnung  der  unverhältnissmässig  mächtiger  werdenden  binde- 
gewebigen Htille  snnimmt.  In  der  Uterinsubstans  selbst  konnte 
LuaeKka  Ganglien  bisher  noch  nicht  ausfindig  machen. 

Auch  für  den  Scfaeldenmund  hat  Verf.  einen  Sphincter 
(▼aginae)  dargelegt;  dieser  Muskel  gehört  su  den  willkäriiehen. 
Die  Zergliederung  der  menschlichen  Fascten  war  von  jeher 
eine  Stärke  des  Verfassers,  so  auch  die  der  Beckenbinden; 
anerkennend  wird  eine  Leistung  Linhart^s  anf  diesem  Gebiete 
erwähnt. 

Die  Ton  uns  heryorgehobenen  SKtse  werden  genügen,  den 
Werth  des  Buches  den  Herren  CoUegen  voreutragen. 

C.  Hennf^. 


XV. 
Geburtshttlfliche  Studien. 

Ton 

Prof.  Dr.  Alois  Talenta  in  Laibach. 


L  Gn  Beitr99  zur  Lehre  vom  sehrSfi-verengleii  Becken.^) 

(Vit  Bwei  Abbildon^n.) 

Hit  Bezugnahme  auf  Prof.  Lüzmann's  gediegenen  Aufsatz 
im  vorigen  Aprilhefle  der  Monatsschrift  für  Geburtskunde  und 
Frauenkrankheiten  erachte  ich  es  als  Pflicht,  durch  Ver- 
öffeollichung  der  nachfolgenden  Zeilen  auch  ein  kleines  Scherfl^in 
ZBT  Lehre  yom  schräg -verengten  Becken  beizutragen,  indem 
eioe  jede  diesbezügliche  Mittheilung  meines  unvorgreiflichen 
Crachtens  nur  erwünscht  sein  durfte. 

Bmte  Bfehtchtaag. 

Ein  durch  Luxation  im  rechten  Hfiftgelenke  schräg- 
verengtes  Becken  sammt  hochgradiger  consecutivei* 
Atrophie    der    ganzen     rechten    Beckenhjilfte    Bn<l 
rechten   unteren  Extremität.    Zangenoperation. 
Am  14.  December  1862  trat  eine  gewisse  Katharina  J. 
afs  Binkelj,  eine  27 jährige  Primipara  laut  Protocoll  No.  62 
in  die  AnstaK  ein ,   und   fie)  uns   gleich   bei  ihrem  Kommen 
ok  ihres  stark  hinkenden   Ganges  anf,   als   dessen  Ursache 
sieh  schon  bei   einer   oberflächlichen  Untersuchung  eine  ah- 
oonne  Besehaffenbeit  des  rechten  Hfiftgelenkes  erkennen  Hess. 
Die  alsbald  vorgenommene  genauere  Untersuchung  der  Wirbel- 
te und  des  Beckens  ergab  folgendes  Resultat:   Die  Lenden- 
virbelsärie  war  nach   rechts   stark   scoliotisch;   rechts   sieht 

1)  Vorgetragen  im  Vereine  der  Aertte  «n  Krain. 
ÜOMtnckr.  f.  0«bartak.  1866.  Bd.  ZXV.,  Hfl.  3.  ^ 


162  XV.    VaUnia,  Oebnrtflliulfliehe  Stad»toB. 

und  fühlt  man  ein  auffälliges  Herausragen  des  Troclianter  major, 
derselbe  war  nach  rfirkwärls  4"  b*"  von  der  Spina  ant.  siip. 
oss.  iL  zu  fühlen,  einwärts  vom  Trochanler  war  eine  Grube 
fühlbar  und  ganz  besonders  beim  Gehen  siebtbar.  Beim 
Bewegen  des  rechten '  Fusses  (Beugen  und  Strecken)  war 
deutlich  ein  crepitirendes  Geräusch  im  Hüftgelenke  wahrnehmbar, 
welches  fortwährende  Krachen  auch  die  Schwangere  selbst 
heim  Gehen  stets  zu  fühlen  angiebt.  —  Der  Gang  ^selbst  war 
sehr  beschwerlich  kniebohrend,  der  rechte  Oberschenkel  und 
demgemäss  die  ganze  Extremität  derart  nach  einwärts  gerolll, 
dass  die  Zehen  stets  in  Gefahr  kamen,  l>eim  Gelien  an  den  . 
linken  Fuss  anzustossen  (dies  wahrscheinlich  der  Grund, 
weshalb  sie  sich  bis  in  die  letzte  Zeit  mittels  eines  Hand- 
wägelehens herumNIhren  liess,  denn  weder  beim  Gehen  nod) 
sonst,  wie  beim  Drücken  u.  s.  w.,  gab  sie  eine  Empfindlichkeit 
an).  Bei  gestreckten  Extremitäten  stand  die  rechte  Ferse 
1"  3'*  höher  als  die  linke  und  war  die  rechte  Patella  bei 
1"  6^  hoher  als  die  linke,  dagegen  war  die  linke  Crista 
oss.  ilei  um  1"  höher  als  die  rechte.  —  Endlich  fiel  einem 
beim  ersten  Anblicke  der  immense  unterschied  in  der  Ent- 
wickelung  der  beiden  unteren  Gliedmaassen  auf,  indem  dtP 
ganze  rechte  nahezu  um  die  Hälfte  schwächer  war  als  die  linke. 

Die  geburtshulf liehe  Untersuchung  liess  den  Gebärmutter- 
grund bis  zu  den  rechten  Rippen  reichend  erkennen,  der 
Fötus  hatte  eine  erste*  veniaderliche  Schädellage  inne;  der 
Fornix  vaginae  war  schlecht  entwickelt;  Portio  vagin.  uteri 
Aber  V«  Zoll  lang,  nach  rechts  hinten  liegend,  Orificium  ext. 
für  die  Fingerspitze  offen,  im  Uebrigen  sänimtliche  Weich- 
theile  sehr  weich  und  gut  aufgelockert.  Das  Promontorium 
leicht  erreichbar,  die  Diag.  conjugata  maass  3"  9'\  die 
Linea  terminalis  rcchterseits  geradlinig;  das  Sleiss-Kreuzbein- 
ende  hakenförmig  aufgekrümnU ,  auflallig  stark  nach  rückwärts 
ragend,  so  dass  der  gerade  Durchmesser  des  Beckenausganges 
nicht  mit  den  Fingern  gemessen  werden  konnte ;  ebenso  erwies 
sich  der  Schambogen  als  ein  weiter. 

Die  Ananmese  ergab,  dass  die  ScJiwangere  bis  in's  adite 
Letkensjahr  immer  frisch  und  gesund  gewesen,  damals  soll 
sie  gestürzt  (wie?)  und  hierauf  sehr  lange  Zeit  bettlägerig 
gewesen   sein   und    seitdem   habe   sie   nicht   mehr  frei  gehen 


Xy.    ValmUa,  OeborUhfilfliebe  fiindien.  IQß 

-kfloiieii.    Da  sie  sieh  als  NäbU^rio  ihr  Brod  verdiente,   ward 
sie  roD  Haus  zu  Haus  mittels  eines  Wägelchens  geführt. 

Die  Diagnose  lautete  auf  Schwangerschaft  im  neunten 
Hftnale,  ein  sehräg-Terschobenes  Becken  in  Folge  von  Luxation 
■nd  Atrophie  der  rechten  .unteren  Körperhalfte ;  —  da  sich 
jedoch  der  Grad  der  Verengerung  als  ein  massiger  herausstellte, 
ward  bescblossHi,  den  natörlichen  Eintritt  der  Geburt  abzuwägen. 
SdNB  hier  iduss  erwähnt  werden ,  dass  die  Schwangere  eine 
imgdieuere  Angst  vor  der  Geburt  hatte  und  wiederholt  die 
Aenserung  fallen  Hess,  sie  werde  sicherlich  im  Spitale  sterben. 

Am  L  Januar  1863  um  8  Uhr  fr  Ah  meldete  sich  selbe 
ab  kreissend ,  und  mit  ihrem  Eintritte  in's  Kreisszimmer  er- 
Mgte  der  Blasensprang  und  Abfluss  einer  reichlichen  Menge 
missfarbigen  Fruchtwassers;  die  Weben  waren  so  kräftig, 
dass  der  bei  ihrem  Eintritte  2"  messende  Muttermund  um 
8^/4  Dbr  früh  bereits  schon  verstrichen  war ;  das  Kind  hatte 
fine  zweite  Schädellage  inne;  die  inneren  Geschlechtswege 
wirai  auffällig  heiss  (29,5^  £.)  und  die  Mutter  fieberte  sehr 
heftig,  ihr  Puls  zählte  130  Schläge.  Auf  Befragen  gab  sie  an, 
äich  schon  T^s  vorher  sehr  übel  befunden  zu  haben.  -~  Unter 
so  bewandten  Umständen  schien  es  räthlich,  den  Geburts- 
verlauf  zu  beschleunigen,  es  wurde  daher  um  9  Uhr  5  Minuten 
die  Wiener  Schuizange  an  den  fast  querstehenden  Kopf 
—  die  kleine  Fontanelle  war  nach  rechts  und  etwas  nach  hinten 
nhibar  —  ina  rechten  schrägen  Durchmesser  angelegt  und 
lach  einigen  Tractionen  10  Minuten  später  unter  erfolgreicher 
fahAHenahme  der  Episiotomia  bilateralis  ein  scheintodte« 
lind  extrafant,  welches  alsbald  belebt  wuixle.  Die  25"  lange 
Nabelschnur  war  vielfach  um  Hals,  rechten  Vorderarm,  untere 
Rimpfhälfle  und  linken  Puss  gewickelt,  nicht  pulsirond  und 
bei  ihrer  Durchschneidnng  floss  nicht  ein  Tropfen  Blut  heraus. 
Das  Kind  (Knabe)  war  unreif,  bei  einer  Kopfperipherie  von 
12*6*  maass  der  gerade  Durchmesset*  4"  6'"  und. der  quere 
3*  4',  es  Start»  am  fünften  Tage  nach  der  Geburt  am 
ktenis  maligmis  (Meningitis  purulenta  et  Pieuropneumonia).  — 
Die  Mutter  wurde  alsbald  transferirt  und  erlag  am  zwölften 
Tige  nach  der  Geburt  dem  damals  grassirenden  Puerperal- 
fMier  (EndometriCis  septira,  Salpingitis  sinistra,  Ahscess  in 
d«r  Koken  Niere). 

11* 


164  SV.    Val0Ua,  Gebortshaiflicha  Stoditfo. 

Beschrelbttng  des  skelettirten  Beckens. 

(S.  Flg.  1  u.  2.) 

Gleich  beim  ersteo  Anblicke  fällt  einem  die  ungleiclie 
EnCwickeluiig  der  Knochen  in  den  beiden  BeckenhälGLen  auf;  — 
während  die  Knochen  der  linken  Seite  alle  Zeiehen  nonnafer 
Beschaffenheit  an  sich  tragen,  smd  offenbar  selbe  der  recbiett 
Seite,  wo  die  Luxation  sattgefunden  hat,  atrophisch.  Deckt 
man  6ie  linke  Hälfte  so  zu,  dass  man  nur  die  rechte  Seile 
sieht,  so  glaubt  man  das  Becken  eines  nicht  ausgewacbsenea 
Mädchens  vor  sich  zu  haben,  icli  möchte  Rokitansky'^  Ausdruck 
wiederholen,  so  abgemagert  sind  die  einzefaien  anatomischen 
Theile  des  Hüftbeines,  so  sind  insbesondere  das  Scham-  Hnd 
Sitzbein  verjängt.  —  Das  rechte  Darmbein  hat  eine  verticale 
Riclilung,  senkrecht  steigt  dasselbe  in  die  llölie  und  hat 
keine  Sfönnige  Krümmung,  während  die  linke  Darmbein- 
schaufei  sich  nach  aussen  abflacht  und  S  förmig  gekrümmt  ist« 
Die  Platte  des  redeten  Darmbeines  ist  3'"  unter  der  etwas 
nach  innen  gerollten  Crisla  (Fig.  1,  a)  so  durchscheinend 
dünn,  wie  feines  Papier,  so  zwar,  dass  es  daselbst  beim 
Drucken  wie  Pergament  knittert.  —  Die  Tuberosttas  ileo- 
pubica  dexti*a  ist  zu  einem  fast  4'"  hohen  spitzen  Stachel 
umgewandelt,  während  dieselbe  linkerseits  ganz  abgeflacht  ist 
und  ein  auflallig  breites  Pfaonendach  bildet.  —  Gerade  dort, 
wo  der  Körper  des  Darmbeines  mit  dem  Körper  des  Sitz- 
bemes  verschmilzt,  3"  10'"  ober  dem  rechten  Sitzlmorreu, 
der  stark  nach  aussen  gezogen  ist,  liegt  die  neue  ovale  von 
unten  nach  oben  massig  concave,  im  Höhendurchmess^r  V  2"'^ 
im  Breitendurchmesser  1"  messende  Gelenksfläche  (Fig.  2,  a), 
während  die  vollkonunen  nach  vom  sehende  (von  Fett  und 
Bindegewebe  ausgefüllt  gewesene)  alte  Gelenkspfanne  (Fig.  2,  b)  . 
eine  dreieckige  Gestalt  bat,  \"  h'"  in  der  Breite  und,  1"  3'" 
in  der  Höhe  uiisst  und  um  b"'  seichter  ist,  als  die  linke 
Planne,  welche  eine  ganz  normale  Lage  und  Beschafflepheit 
hat.  —  Das  Kreuzbein,  welches  aus  vier  Wirbeln  besteht,  ist 
vulUg  gerade  gestreckt  und  nimmt  eine  RidUung  von  vorn 
imd  oben  nach  hinten  und  unten  und  ist  am  unteren  Eude 
mit  dem  aus  drei  Stöcken  bestehenden  Sieissbeine  haken- 
förmig aufgekrumml.     Während    die    linke  Hälfte   des  Kieuz- 


XV.     VaUfUa,  OeburUhiilfliche  Studien.  165 

beiBes  normale  Dimensionen  hat,  ist  dessen  rechte  Hälfte 
dem  diesseitigen  Hüftbeine  entsprechend  in  der  Entwickelung 
zurückgeblieben,  ?on  der  Mitte  des  Yorberges  gemessen  hat 
der  rechte  Flügel  2"  2'"  gegenüber*d(5ni  2"  6'"  messenden 
finken.  Das  ganze  Kreuzbein  ist  u/n  seine  verticale  Achse 
derart  gedreht,  dass  das  Promontorium  gegen  die  rechte 
Beckeobäine  sieht,  —  die  Lendenwirbelsaule  bildet  eine 
Scoliose  nach  rechts. 

Der  Zartheit  der  Knochen  entsprechend  ist  auch  die 
rechte  Beckenhälfte  bedeutend  niedriger  als  die  linke;  die 
Linea  terminalis,  in  der  Gegend  der  rechten  Ileo-sacral- 
Symphyse  etwas  geknickt,  ist  dann  derartig  geradlinig  gestreckt, 
dass  die  Mille  der  Schoossfuge  SV«"'  nach  hnks  abweicht, 
neon  man  eine  Senkrechte  von  der  Mitte  des  Yorberges  gegen 
die  vordere  Beckenwand  zieht ;  es  bildet  somit  die  Grenzlinie 
L  e.  der  Beckeneingang  ein  Ovoid,  dessen  spitzes  Ende  in 
den  rechten  Beckenwinkel  fallt. 

Der  Beckeuausgang  ist  aulTällig  weit,  insbesondere  ist 
der  Schambogen  sehr  breit  und  vorzüglich  rechts  fast  flach 
2U  nennen ;  das  Kreuz  -  Steissbeinende  ragt  stark  nach  hinten 
und  beide  Sitzhöcker  sind  nach  aussen  gezogen. 

Ueber  die  Räumlichkeit  der  einzelnen  Beckeugegenden 
giebt  nachfolgendes  Messungsresuitat  den  bündigsten  Aufschluss : 

ZoULin. 
Von  reehten  Sitzknorren  zur  Spina  post.  sup.  ose.  il.  sin.  6  9 
Ton  linken  Siteknorreii  zur  Spina  post.  sup.  oss.  il.  dexl.  6  6 
voA  reebt^B  Sitskaomn  sur  rechten  Spina  po»t.  sup.  ots.  il.  6  5 
vtB  liakea  Bisknorren  cur  Unken  Sfpina  post,  aup.  o««.  il.  6  1 
voa  der  linken  Spin^  ant.  enp.  oss.  iL   bis  zur  reckten 

Spina  post.  sup.  oss.  il.  . 8      9 

▼OD  der  rechten  Spina  ant.  snp.  oss.  il.  bis  zur  linken 

Spina  poft.  lüp.  000.  il 7      9 

TOB  Stsehelfortftftee  des  letnten  Lendenwirbels  bis  znr 

reekten  Spina  ant.  snp.  oss.  iL 6*6 

vom  Stachelfortsatse  des  letzten  Lendenwirbels  bis  zur 

linken  Spina  ant.  snp.  oss.  il 7      4 

ven  Staebelfortsatse  des  vorletzten  Lendenwirbels   bis 

iVi"  ober  Spin.  post.  oss.  iL  sin 1      7 

▼OB  Stachelfortsatse  des  vorletiten  Lendenwirbels    bis 

ly,"  ober  Spina  post.  dext 2      3 

▼OQ  aoteren  Rande  der  Schoossfuge  bis  zur  Spin.  post. 

•Qp.  oss.  iL  dext 5    11 


166  2^-    Vaienia,  GebnrUbGlfliehe  Stadien. 

zon  Ua. 
Tom  ante  reu  Rande  der  Schooisfage  bis  snr  Spina  post. 

sap.  OS8.  il.  sin. 6  — 

Conjogata  externa     6  9 

Distanz  swischen  Spin.  lAt.  snp.  oss.  il 8  9 

n               ,      post     ,         ,     il 3  — 

,             f,         Crietae  oae.  il lO  1 

9              „          Spin.  snp.  ant  «t  post.  dext 6  3 

9  9  »»99»  ■*■ 6  8 

Am  Beckeneingange: 

Conjngata  vera 3  8 

▼om  Verberge  eine  Senkrechte  naeb  vom 3  6 

rechte  schrige  Durchmesser 5  3 

linke           «                  i.              4  10 

Querdarchroesser 5  4 

rechte  Mikrochorde 2  tl 

linke                 „               3  5 

Distant.  tnberc.  ileopab 4  2 

In  der  Beckenhöhle: 

Die  Beckenweite     4  5 

die  Beckenenge 5  — 

Am   Beckenausgange: 

Qaerdarchmesser 4  9 

rechte  Stenochorde 3  9 

linke              n 2  10 

Diagonal -Conjogata    .  .  .  .  ' 3  9 

Höhe  des  Beckens  in  der  Gegend  des  rechten  Tnberc. 

ileo  pnb 3  — 

Höhe   des  Beckens  in   der  Gegend   des   linken  Tnberc. 

ileo  pnb 3  9 

Der  Neigungswinkel  des  Beckens  normal  Der  rechte 
Oberschenkelknochen  ist  im  Vergleiche  zu  dem  linken  oabectt 
um  die  Hälfte  schwächer;  der  Gelenkkopf  bildet  ein  Polygon, 
offenbar  durch  die  Atrophie  derartig  facettirt,  dass  er  völlig 
spitzig  zuläuft  (siehe  Abbildung),  derselbe  hat  an  der  vorderen 
Partie  eine  der  neuen  flachen  Gelenkspfanne  entsprechende 
überknorpelte  Fläche,  sonst  fehlt  überall  der  Knorpelöberzug. 

Schlussbemerkungen. 

Der  Beschreibung  gemäss  haben  wir  es  daher  mit  einem 

schräg -verengten  Becken   zu   thun,   bei    welchem  jedoch   der 

Ausgang   sogar  weiter   als  im   normalen  Becken  ist  und  dies 

trotzdem,  dass  die  kranke  Extremität  nicht  gebraucht  wurde. 


XV.     Valentä,  GebnrUhüiniche  Studien.  167 

Ferner  ist  io  unserem  Falle  von.  Interesse,  dass  ab- 
«eicbeiid  von  der  gewöhnlichen  Form  der  schräg -verengten 
foden,  hier  die  gesunde  Seite  noimal  weit  und  die  kranke 
Seite  verengt  ist  —  Als  Ursache  dieser  Verengerung  kann 
hier  kein  brück  angenommen  werden,  da  die  Patientin  fast 
gar  Riebt  ging,  sondern  selbe  liegt  eimsig  und  allein  in  einer 
hochgradigen  Atrophie  der  Knochen  rechtei^seits ;  — 
dadsrcb  entstanden,  dass  die  rechte  ExtremitM  nicht  nor 
ridil  gebraucht,  sondern  auch  fast  gar  nicht  bewegt  wurde, 
m  Zustand  der  Knochen,  wie  er  nach  Roküamky  ganz 
besaoders  bei  fortbestehender  Luxation  im  HAflgeienke  ein- 
Ifilt;  der  Grad  der  Atrophie  mag  wohl  in  unserem  Falle 
fast  einzig  dastehen. 

Dass  diese  schräge  Verengerung  meines  Beckens  durch 
die  rechtsseitige  Luxation  und  consecutive  Atrophie  bedingt 
worden  sei,  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  schwieriger  ist 
die  Beantwortung  der  Frage,  wie  ist  die  Luxation  entstanden? 
Ist  es  eine  rein  traumatische,  somit  primäre ,  oder  eine  nach 
and  nach  durch  Coxitis  entstandene,  somit  secundäre?  — 
Ich  glaube,  dass  wir  es  hier  mit  einer  ursprdngltchen,  durch 
das  ans  der  Ananmese  herausfindbare  Trauma,  den  Sturz, 
eolstaodenen  Luxation  zu  tbun  haben,  hierfür  spricht  zweifellos 
derftangd  aller  Entzändbngsproducte,  sowohl  im  neuen,  als 
alten  Gelenke«  indem  ja  jedwede  Spür  von  Osteophyten- 
Hdmg  mangelt 

Das  Verbalten  der  Wirbelsäule  stimmt  vollkoimnen  mit 
der  AmiGht  Roküansky'^  ftfoerein,  nömHch,  daas  die  scello- 
tocbe  Abweicbmig  der  Lendenwirbekäule  bei  schiefen  Itecken 
stets  nach  der  engeren  ßeckenhdifte  hin  gerichtet  sei,  ilber- 
banpt  könnte  man  RokUanaky'^  Besdireibuiig  eines  doreh 
Lnaüoi  im  Hüftgelenke  verengten  Beckens  absehrdiben,  und 
laan  hätte  dbmit  die  Beschreibvng  nnsei^es  Beeken»  geliefert, 
nr  ist,  entgegengesetzt  Rokitansky ,  in  unserem  FaHe,  trotz- 
dem dass  die  Extremität  nicht  gebraucht  worden  ist,  der 
Avgang  erweitert. 

Unaer  Becken  verdient  aber  auch  nahezu  den  ffftalen 
.Naniea  Staehelbecken,  da  die  rechte  Tnberositas  ileo-- 
lH«linea  einen  ausgcspi*ochenen  Stadiel  bildet. 


]gg  XV.    VaUnla,  Gebart»hüiriU)i«  Stadien. 

Der  GeburtsTeiiauf  konnte  leider  ,in  iiiiseriHn  Falle, 
beittglich  desGeburUniecbaoismus  bm  Bcbrüg- vereogteti  Becken« 
nicbX»  lebren,  da  man  einen  naturlicben  Auslrill  des  Kisdes 
der  gegebenen  Umstände  halber  nicht  abwarten  konnte  und 
durfte;  übrigens  hatten  die  Durchmesser  dieses  Schädels  sich 
jedem  Durchmesser  des  Beckenetnganges,  der  Beckeaböhle 
und  des  Beckenausganges  ganz  bequem  adaptirt,  und  hatte 
steh  sicherlich  der  SchAdel  mit  seineia  kaum  4"  5'"  messenden 
geraden  Durchmesser  von  selbst  in  den  4"  lO'"  messendeo 
linken  sclu'igen  Durchmessei*  des  Beckeneinganges  gelegt  und 
würde  sich  somit  das  Hinterhaupt  normalraaasig,  wie  inner- 
halb der  Zangenloffel  mich  bei  dem  natärlicheii  Herabräcken 
um  so  mehr  nach  vorn  gedreht  haben,  als  Ja  die  Becken- 
riufulichkeat  von  oben  nach  unten  zunimmt. 

Zweite  Beebachtnng. 
Schräg-verschobenes  Becken  durch  angeborene 
Verkürzung  der  ganzen  linken  unteren  Extremität, 
combinirt  mit  einem  ganilichcn  langel  desWmilen- 
keines  und  der  zweiten  und  dritten  Zehe  und  einer 
Verwachsung   der   vierten  und   fünften  Zehe. 

Natürliche  Gehurt. 
Am  1.  August  1864  meldete  sich  laut  ProtocoU  No.'305 
eine  M.  M.^  34  Jahre  alt,  Primipara,  als  Kreissende.  — 
Die  ganze  Geburt  eines  dem  neunten  Monate  entstehenden 
Mädchens  (Kopfperipherie  U"  6'\  Länge  17",  Gewicht 
3  Pfund  28  Loth)  hatte  15%  Stunden  gedauert,  und  zwar 
nur  eine  halbe  Stunde  nach  dem  filaaensprunge,  weldier  ob 
zäher  Eihäute  känstlioh  in  der  Schamspalte  voUführt  werden 
musste,  war  bereits  der  Durchtritt  des  eine  erste  Schädeilege 
innehabenden  Kindes  erfolgt  Das  Kind  starb  am  24.  Lebens- 
tage  an  Atrophie.  Die  Nutter  litt  an  Morbus  Bdghtii  und 
erst  im  Wochenbette  bei  Anlass  einer  genauen  Untersuchung 
des  Hydrops  -ascites  und  anasarca  kamen  wir  auf  die  im 
Titel  angeführte  Verkürzung  und  anomale  Beschaffenheit  der 
linken  unteren  Extremität  Das  Individuum  war  so  eitel,  dass 
^ie  durchaus  einen  hinkenden  Gang  nicht  zugeben  wellte; 
wir  sahen  selbe  leider  nicht  gehen*    31  Tage  nach  der  Geburt 


XV.     VaUmta,  GsbarUhlUfliobe  3|adion.  1Q9 

starb  selbe,  ohne  dass  Eclamp«ie  bioaugetrelen  wäre,  auf  der 
mcdieinKcben  AbtheUung.  —  Die  Obduction  ergab  einen 
eolossalen  Hydrops  ascites  ex  Morbo  Brigblii. 

•  Nach  der  Obduotioo  liess  ich  mir  bandbreit  über  dein 
Sprun^eleoke  den  Fuss  ampiitiren,  zu  dem  Zwecke  bei 
gelegener  Zeit  mit  Müsse  die  Fusswurzelknochen ,  Muskel- 
ansitze  u»  s.  f.  zu  studiren,  da,  wie  gesagt,  die  vierte  und 
fünfte  Zebe  Terwacbsen  waren  und  die  zweite  und  dritte  Zebe 
Mriten,  hierbei  stiess  ich  auf  eine  AkiomaNe,  welche,  wie 
ich  glaube,  nicht  nur  in  der  mir  zugänglichen  Literatur, 
mndem  Qberhanpt  noch  nicht  vorgekommen  sein  dArfte, 
nämlich  von  der  Fibnla  war  nicht  die  geringste  Spur 
zu  entdecken.  Die  Tibia  hatte  die  gewöhnliche  Form  und 
Gestalt,  war  jedoch  um '2'"  im  Dufcbmesser  stftrker,  als  die 
rechte  Tibia.  Da  wir  ein  Terschmolzensein  der  Tibia  niH 
4er  Fibula  vermptheten,  so  wurde  in  dieser  Riohtiiag  genau 
aod  sorgfältig  nachgeforscht,  jedoch  nicht  der  geringste 
Anhaltspunkt  zu  dieser  Vermutbung  aufgefunden.  —  Leider 
nberbörle  der  Secirdiener  meinen  Auftrag,  den  Stumpf  auf- 
zuliewdiren  und  liess  denselben  beerdigen,  so  dass  ich  fiber 
das  Verhalten  der  Fusswurzelknochen  u.  s.  f.  nichts  mitzutheiieft 
in  der  l^ge  bin;  zum  Glftcke  hatte  ich  noch  den  MaHeolüs 
extemus  aufgesucht,  so  dass  ich  die  Versicherung  abgeben 
kann,  dass  auch  daselbst  von  der  Fibula  nichts  zu  ent- 
decken war. 

Wie  zu  ersehen,  war  das  Auffinden  dieser  interessanten, 
wahrscheinlich  einzig  in  der  Literatur  dastehenden  Bildungs- 
anooialie  ein  reiner  Zufall,  denn  bis  auf  die  Missstallung  des 
Fusses  und  einer  aunalligen,  übrigens  der  ganzen  Extremität 
entsprechenden  Zartheit  waren  Ober-  und  Unterschenkel  völlig 
normal  geformt  und  Hessen  einen  solchen  Mangel  nicht  im 
geringsten  vermutben.  —  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  die 
ganze  linke  Gliedmaasse  stark  nach  aussen  gerollt  war. 

Die  zum  Vergleiche  vorgenommene  Messung  beider  Ex- 
tremitlten  ergab  folgendes  Verhalten;  während  der  Abstand 
von  der  Spina  ant.  sup.  oss.  iiei  bis  zum  oberen  Patellarand 
rechts  16*  3*"  maass,  hatte  derselbe  links  nur  IV  6*^; 
ferner  betrog  das  Maass  von  der  Fossa  poplitea  bis  zum 
Fersenrand  rechts  13"  9^",  dagegen  links  nur  9"  9'";  endlich 


170  ^V.     Valenta,  Gdburtshtilflicbe  Studien. 

war  die  Länge  des  rechten  Pus^es  8"  gegenüber  7*  7**  des 
linken  Fasses,  welcher  letztere  einen  sogenannten  SpÜzfuss 
bildete,  und  wie  aus  den  Schwielen  ersichtlich  war,  trat  die 
Person  mit  den  Zehen  und  den  votieren  Enden  der  Metatarsus- 
knochen  auf. 

Beschreibung  des  skelettirten  Beckens. 

Hier  ist  wieder  die  uogenieine  Zartheit  der  Kfioeben 
linkerseits  gegenüber  jener  der  rechten  Seite  auffällig,  erslere 
sind  um  die  Hälfte  schwacher;  sieht  man  je  eine  Hälfte  des 
Beckens  gesondert  au,  so  glaubt  man  die  Beckenhäiflen  zweier 
in  der  Entwickelung  bedeutend  auseinander  stehender  Indi* 
viduen  vor  sich  zu  babeo. 

Die  Crista  oss.  il.  dextri  ist  nach  aussee  gerollt  und 
derart  aufgetrieben,  dass  sie  1"  2"*  misst,  während  splbe 
links  kaum  6'"  beträgt;  ebenso  ist  die  linke  Darmbeinschaufei 
durchscheinend  dönn.  —  Die  linke  Damibefaiplatte  steigt 
mehr  senkrecht  auf,  als  die  rechte,  dagegen  ist  der  rechte 
Sitzknorren  mehr  nach  aussen  gezogen;  die  Scoliose  der 
Wirbelsäule  sieht  mehr  nach  links  und  ist  das  Promontorium 
auch  linkerseits  merkwürdig  scharfkantig  henrorragend ;  das 
Kreuzbeit)  besteht  aus  fünf,   das  Steissbein  aus  vier  Wirbeln. 

Ueber  die  räumlichen  Verhältnisse  nachfolgende  Maasse: 

ZoU  Lln. 

Vom  rechten  Sitsknorren  sur  Spina  post.  aap.  ose.  il.  dext.  4  10 
vom  Hnkes^  Sitsknorren  snr  Spina  post.  aap.  ose.  il.  sin.  b  2 
▼om  rechten  Sitsknorren  sur  linken  Spina  post.  aap.  osa.  il.  6  — 
vom  linken  Sitsknorren  sur  rechten  Spina  post.  stip.  oas.  il.  6  3 
von   der   linken  Spina  ant.  aap.   bia  snr   rechten  Spina 

poal.  aap.  oaa.  il 7.    !0 

von   der  rechten  Spina  ant.  sup.   bia  aar  linken  Spina 

post  aap.  oaa.  il 7      9 

vom  Stach  elf ortaatae  dea  lotsten  Lendenwirbela  bia  sur 

rechten  Spina  ant.  aap.  oaa.  il 6      9 

vom  Stachelfortaatse  dea  letsten  Lendenwirbela  bis  sur 

linken  Spina  ant.  aap.  oaa-.  il.         6    10 

vom  vorletaten  Lendenwirbel -Slachelfortoatae   bia  V/^' 

ober  Spina  poat.  aap.  osa.  il.  sin 2      8 

vom   vorletsten  Lendenwirbel -Stachelfortaatse  bis  IV," 

ober  Spina  poat.  aap.  dext 2      4,5 

vom  unteren  Rande  der  Schoosafuge  bis  sur  Spina  post. 

aap.  oaa.  il.  dext 6      4 


XY.     VaUnia,  OeborUliülfliehe  Stadion.  171 

ZoU  Lin. 
▼OB  nateren  Rande  der  SchooieAige  bii  inr  Spina  poit. 

rap.  OM.  il.  sin 5  11 

CooJBgaU  externa 7  1 

Distaas  der  Spin.  ant.  enp.  oss.  il 9  — 

,        ,        ,      poit    „       ,       ,      3  S 

a        a    Cristae  oss.  il 9  1 

.        a    Troehanteren  .  .  , 10  9 

,        ,    Spin.  ant.  et  poet.  aap.  dezt 5  8 

w  »  n  »       n        n  n     ""•  ß  H 

Am  Beckeneinji^ange: 

Ceojagita  Tora 4  1 

recbte  tchrmge  Barchmesser  .  • 5  1 

Hake  ,  ,  4  10 

Qoerdarch  moseer 6  1 

reeJito  Milcrochorde 3  8*/, 

Ulke  ,  3  7 

Diftant  tnberc.  ileo-pnb 4  9 

In  der  Beckenhöhte: 

Die  Beekenweite 4  7,5 

tfe  Boekenenge 4  — 

Am  Beekenaaagange: 

QoerdarehrooMor ;    4  7 

rächte  Stenoehorde 3  8 

linke  ^  3  9 

Diagonal  -  Conjugata 4  7 

Dtatana  Tom  Promontorinm  bia  aor  Mitte   der  rechten 

CriaU  oaa.  iL 4  11 

Diitana  Tom  Promontorium    bia  inr  Mitte    der   linken 

CriaU  oaa.  il 4  6 

rächte  Flügel  dos  Krouabeinoa 3  6 

Ulke        9  ,  ,  2  3 

Höhe  dea  Beckena  bei  beiden  Sitzknorren  . 3  6 

Darchmeaaer  dea  rechten  Oberschonkelknocbona   ....     1  — 

,  ,     linken  »  ,  ....  —  9,6 

Der  Neigungswinkel  des  Beckens  nomiaL 

Scblussbemerkungen. 

Für  dieses  Becken  passt  nur  der  Name  schräg«^ 
rerscbohenes  Becken,  denn  die  scbrSge  F<Hrin  des  Beckens 
ist  edaUnt,  dagegen  ist  von  einer  eigentlichen  Verengerung. 
UuDi  eine  Spur  zu  entdecken,  und  ich  möchte  daher  för 
diese  Beckenforro^  entgegengesetzt  dem  gleichmassig  2U  weiten 
Becken  die  Bezeichnung  schräg^verscbobenes  zu  weites 


172  XV.     Valenta,  Oeburtshtilfhohe  Studien. 

Becken  vindiciren,  indem  hiermit  der  Beweis  geliefert  ist, 
dass  nicht  jedes  schräge  Becken  unbedingt  auch  ein  ver- 
engtes sein  müsse.  Bei  diesen  räumlichen  Verhältnissen  wäre 
auch  das  stärkste  ausgetragene  Kind  durch  die  iNaturkrafte 
allein  ausgestossen  worden,  um  so  weniger  konnte  daher  hier 
von  einem  eigentlichen  besonderen  Geburtsmecliani^nius  i.  e. 
der  Nolhwendigkeit,  dass  sich  der  Schädel  hätte  gewissen 
besonderen  Beckendurchmessern  anbequemen  müssen,  die 
Bede  sein,  da  der  Schädel  dieses  frühgeborenen  Kindes  in 
allen  Beckengegenden  mehr  als  genug  Raum  beim  Herah- 
ruckeu  fand. 

Die  Beantwortung  der  Frage,  ob  der  jedenfalls  äussersl 
interessante  Mangel  der  Fibula  zu  der  Verkürzung  und  Afropliie 
der  ganzen  rechten  Extremität  (resp.  Körperhälfle)  wesenllich 
beitrug,  muss  offen  bleiben;  —  unbedingt  soll  in  Hinkunft 
bei  sich  ergebenden  Fällen  von  angeborener  Verkürzung  eiiiei- 
unteren  Extremität  oder  Mangel  einer  oder  mehrerer  Zehen 
stets  auch  nach  dem  Vorhandensein  oder  Nichtvorhandensein 
des  bezüglichen  Wadenbeines  geforscht  werden;  —  nur  so 
wäre  es  möglich,  endgiltig  festzustellen,  ob  dieser  Mangel 
in  unserem  Falle  rein  so  zulallig  war,  wie  er  durch  Zufall 
entdeckt  wurde,  oder  ob  derselbe  mit  dieser  von  Atrophie 
begleiteten  Beckenanomalie  und  Verkürzung  der  Extremität 
in  einem  wesentlichen,  bedingenden  Zusammenhange  stelle. 


n.    Lieber  den  eogenannten  Poeitionswechsej  des  Fötus. 

Vor  Allem  muss  ich  vorausschicken,  dass  ich  öbeiiiaupt 
der  äusseren  Untersuchung  bezüghch  der  Diagnose  der  Kindes- 
lage während  der  Schwangerschaft  mehr  Gewicht  beilege,  als 
der  inneren,  eine  Ansicht,  welche  ich  auchjn  meinem  Lehr- 
buche für  Geburtshülfe  (Porodoslovje  za  babice)  und  in  meinen 
Vorträgen  krfiftiglich  betone.  —  Mein  Freund  und  Lehrer 
Prof.  Spaeth  überliess  mir  als  Assistent  fast  stets  die  Auf- 
nahme resp.  Untert^chung  der  Schwangeren  mit  den  Zuhörern, 
und  in  meiner  derzeitigen  Stellung  untersuche  ich  selbst  alle 
sich  zur  Aufnahme  meldenden  Schwangeren  mit  den  Schülerinnen 
und  dktire  den  jeweiligen  Befund  zu  Protocoll;  —   es  sind 


XV.     Valenia,  Odbnrtahfiiniebe  Studien.  173 

dies  Unslände,  weldM^  ich  deshalb  vorausschicken  zu  müssen 
glaable,  um  gellend  machen  zu  können,  dass  ich,  ohne  als 
unbescheiden  zu  gelten,  zu  dem  Ausspruche  berechtigt  sei, 
mir  dii>  ndthige  Fertigkeit  in  dieser  Richtung  erworben  zu 
liaben.  Die  bezüglichen  Unlersuchungen  wurden  stets  mit 
liesonderer  Zuhulfenahme  der  Auscultation  der  Fötalherztöne 
Torgeiiomiiien,  jedoch  muaste  ich  in  erster  Richtung  die 
Humanitätsröcksichten  vorwalten  lassen,  und  deshalb  wurden 
zumeist  die  Schwangeren  nur  ein  Mal,  nämlich  bei  ihrer 
Aufnahme,  genau  untersucht  und  diese  einmaligen  Unter- 
^uchujigen  bilden  das  Substrat  dieser  Arbeit,  bei  welcher, 
sowie  bei  der  nächstfolgenden  mich  durch  Zusammenstellung 
und  Berechnung  Heir  Assistent  Dr.  Oregofic  und  ganz  be- 
.  äüoders  mein  Freund  Dr.  Gausser  unterstützten,  wofür  ich 
selben  anmit  meinen  Dank  abstatte. 

Ohne  Vorbehalt  kann  ich  übrigens  Hecker  ^  Worte  ge- 
braurben,  dass  auch  ich  hauptsächlich  deshalb  die  Befunde 
in  der  Schwangerschaft  genau  in  die  Protocolle  aufmerken 
liess  und  lasse,  um  für  die  Richtigkeit  der  Diagnose  der 
Fruchüage  bei  der  Geburt  vergleichende  Anhaltspunkte  zu 
gewinnen;  denn  ich  muss  offen  gestehen,  dass  mir  der  so 
liäufig  eintretende  Umstand  auffiel,  dass  die  wahrend  der 
Schwangerschaft  festgestellte  Kindeslage  mit  der  bei  der  Geburt 
\^irkli€b  statthabenden  nicht  zusammentraf.  Ich  glaube  daher 
im  Interesse  unserer  Fachwissenschaft  zu  handeln,  wenn  ich 
offen  und  wahr  das  Resultat  der  während  meiner  hiesigen 
siebenjährigen  Lehrerthäligkeil  in  dieser  Hinsicht  gemachten 
Erfahrungen  darlege;  wobei  ich  unumwunden  ausspreche,  dass 
eben  Htck'er's  Aufsatz  und  Aufforderung  in  seiner  „Klinik 
für  Geburtskunde"  mich  ganz  vorzüglich  hierzu  anregte.  — 
Schliesslich  behalte  ich  mir  vor,  seiner  Zeit  auch  die  jedenfalls 
noch  interessanteren  Resultate  wiederholter  in  dieser  Richtung 
vorgenommener  Untersuchungen  einzelner  Schwangeren  der 
OefTentlichkeit  zu  flbergeben. 

Bevor  ich  auf  den  eigentlichen  Gegenstand  übergehe, 
n«ii8s  ich  noch  im  Vornherein  eines  wichtigen  jechich  unver- 
meidlichen Umstaades  erwähnen.  Es  ist  eine  bekannte  That- 
sache,  daȊ  an  Gebaranstalten  relativ  viel  mehr  Erst*,  als 
Nehrg<ischwSngerte  Hülfe   sucheji,   und  da   bei  letzteren  das 


174  XV.     VaUnta,  Oaburtthüinielie  StQdi«ii. 

Wiefielteinalen  durch  objective  AnRchatifing  nicht  zii  eniirpfli 
ist,  sondern  einzig  und  allein  vom  Zugeständnisse  der  Be- 
treffenilen  abhAngt  und  diese  Zugestandnisse  jedoch  hegreif  lieh 
sehr  hiufig  von  der  Wahrheit  abweichen,  so  dürften  die  an- 
geführten Secundiparae  nicht  laoler  soldte  sein  und  ebenso 
die  übrigen  Multiparae,  dies  ist  allerdings  ein  wichtiger  Uebel- 
stand,  jedoch  ein  Uebelstand,  dem  kein  klinischer  Beobachter 
auszuweichen  vermag. 

I.  Das  Bcobacbtungsmaterial  umfasst  688  Schwangt^re 
(325  Primiparae,  363  Multiparae),  hiervon  zeigte  sich  im 
Ganzen  hei  292  Schwangeren,  d.  i.  42^4  Proceol  ein  so- 
genannter Positionswechsel,  das  heisst,  die  Kindeslage, 
weiche  bei  der  Schwangerschaflsuntersuchung  diagnosticirt 
wurde,  war  bei  der  Geburt  geändert;  dagegen  wurde  die 
nämliche  Kindeslage,  sowohl  in  der  Schwangerschaft  als 
auch  bei  der  Geburt,  bei  396  Schwangeren  beobachtet, 
somit  war  selbe  bei  57»6  Procent  stabil,  es  stellt 
sich  daher  die  Thatsache  heraus,  dass  im  All- 
gemeinen genommen  häufis;er  die  Kindeslagen  stabil 
bleiben. 

Zieht  man  jedoch  die  ganz  erhebliche  Ziffer  von  42,5  Proc. 
veränderter  Lagen  während  der  Schwangerschalt  in  Betracht, 
so  gewinnt  man,  ohne  ei*st  in  die  Details  einzugehen,  auch 
gegentlieilig  die  für  die  Praxis  unangenehme  Ueberzeugung, 
dass  sich  die  Kindeslagen  an  und  für  sich  sehr  häufig  um- 
wandeln, man  daher  ganz  und  gar  nicht  in  dieser  Richtung 
bezüglich  der  Vorhersage  hei  der  Geburt  auf  den  Schwanger- 
schaftsbefund pochen  kann  und  darf,  denn  mit  Hecker 
übereinstimmend  finden  während  der  Schwangerschaft 
sehr  häufig  Umdrehungen  des  Kindes  sowohl  um 
seine  Längen-  oder  Querachse  aliein,  als  auch  um 
seine  Längen-  und  Querachse  zugleich  statt,  und 
zwar  bis  knapp  vor  der  Geburt,  ja  während  der 
Geburt   seihst. 

IL  Was  die  Kinder  (364  Knaben,  324  Mädchen)  an- 
belangt (s.  Tabelle  L),  so  waren  unter  den  292  Kindern, 
bei  welchen  ein  Positionswechsel  beobachtet  wurde, 
162  Knaben   (55,5  Proc.)   und    130  Mädchen   (44,5  Proc), 


XV.     VaUnUi,  0«bartohii]flt«he  Stadien.  I75 

somil  ist  (krselli«^  im  Allgemeinen  bei  Knaben  häufiger 
iHid  scheint  der  alle  aiigenonMnene  Erfabrungssatz  bewaiir- 
Iwitet,  da88  der  männliche  Peius  si€b  lebtiafler  bewege,  ^Is 
(kr  mbUche.  Noch  deutlicher  and  richtiger  tritt  die  «n- 
zweifelhafl  grössere  Häufigkeit  des  Position&wedisels  b«i  den 
Knaben  zu  Tage ,  wenn  man  die  procentuelle  Berechnung  auf 
die  Gesamrotzahl  jedes  Geschlechtes  ausfuhrt,  es  stellt  sich 
flann  bei  den  Knaben  in  55,5  ProC:  kein  und  in  44,5  Proc. 
ein  Positionswechsel  heraus,  dagegen  hei  Mädchen  in  59,9  Proc. 
kfiner  und  in  40,1  Proc.  ein  Positionswechsel.  —  Dass  unter  den 
stabil  gebliebenen  396  Kindern  202  Knaben  (fast  51  Proc.) 
und  194  Mädchen  (fast  49  Proc.)  waren,  somit  um  2  Proc. 
mehr  Knaben  stabil  blieben,  gleiclit  sich  sicherlich  durch  den 
Cmstand  aus,  dass  ja  factisch  mehr  Knaben  als  Mädchen 
geboren  wurden  und  dass,  wie  bekannt,  öl>erhau|)t  mehr 
Knalten  geboren  werden. 

fil.  Bezuglich  des  Positionswechsels  bei  den  Erst-  oder 
Mebrgeschwängerten,  so  hat  sich  bei  den  325  Priiniparis  die 
Kindeslage  122  Mal,  somit  in  37,5  Proc.  geändert,  und  waren 
von  den  betreffenden  Kindern  64  (52,4  Proc.)  männlichen 
und  58  (47,6  Proc.)  weiblichen  Geschlechtsr;  dagegen  er- 
eignete sich  bei  den  363  Multiparis  der  Positionswechsel - 
170  Mal,  somit  bei  46,8  Proc,  und  waren  hiervon  98  Knaben 
(57,6  Proc.)  und  72  Mädchen  (42,4  Proc).  Der  Positions- 
wechsel kommt  daher  bei  Multiparis  häufiger  vor, 
wahrscheinlich  begünstigt  durch  die  grössere  Schlaffheit  der 
Ltenis-  und  Baucbwandung ;  dex  vorhergehende  Satz  be- 
lögbch  des  häufigeren  Positionswechsels  der  Knaben 
Int  jedoch  sowohl  bei  den  Primi-  als  Multiparis 
Geltung;  nur  mit  dem  Zusätze,  dass  derselbe  bei  letzteren 
iibcb  deuüiclier  zu  Tage  tritt. 

IV.  Was  die  stabilen  Kindeslagen  anlangt,  so  wurden 
Hbe  unter  den  325  Erstgeschwängerten  203  Mal  (62,5  Prof.) 
and  unter  den  363  Mehrgeschwängerten  193  Mal  (53,2  Pror.) 
angetroflen,  somit  der  vorhergehende  Satz  abermals  bestätigt, 
dass  die  Stabilität  der  Kindeslage  unzweifelhaft  bei 
den  Primiparis   häufiger   ist. 


176 


XV.     VaUttta,  Oalmrtohfnfliefae  Stadien. 


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1 

i^H   jce^HioiaTHM   1    1    1   1 

1  1  ri""  1  1"  1  1  1: 

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1       |0*|©«|^'*OCt-lfH- 

1    1    l»^;:^*«®'»'   |WiHw 

1    1  «0  MO  9»ei  ^ocoe«  |   | 

1  i^'i^i«!  |«|| 

0         0         0         0         0        0 
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XV.    VaUmiu,  0«bortiliaiflieli«  dtudlM. 


m 


V.  DeD  EinflQss  des  Alters  der  Mutter  ttuf  den 
Positionswechsel  oder  die  Stabilttftt  der  Kindeslage 
bei  Erst-  und  Hehrgeschwingerten  zeigt  nadifoigende 

Tabelle  n. 

Alterslabelle    der   Schwangeren. 

a)  Mit  Positionsweehsel. 


Wierialt 

Jahre 

alt: 

inel. 

40 

i  inel. 

1     ^ 

6». 
schwlogvie? 

16 

inel. 
80 

inel. 
26 

1  inel. 

1     '' 

inel. 
86 

Somma 

I. 

16 

42 

;  49. 

6 

6 

i 
8 

122 

II. 

2 

29 

48 

27 

16 

4 

120 

m. 



8 

14 

10 

10 

2 

89 

IV. 

— 

— 

1 

4 

2 

2 

9 

y. 

— 

— 

,     -_ 

' 

1 

i  ^ 

2 

Summ« 

18 

74 

107 

48 

84 

1 " 

292 

h) 

Mit 

Stabilität   der  Kindtlag 

e. 

L 

29 

:      96    ;      64          9 

4 

1 

208 

U. 

7 

27          68         26 

1     ^^ 

1 

138 

in. 

— 

1        4    '        8         18 

1       6 

6 

41 

IV. 

— 

1      —    '        8          3 

1 

1 

4 

V. 

— 

1     -    .        1,2 

1 

-^ 

VI. 

— 

.      -    ,      -          2 

— 

— 

2 

Snmnia 

86 

1    127    1    184         59 

81 

9 

896 

Aus  diesen  Tabellen  ersieht  man,  dass  die  PMode  vom 
15.  bis  25.^  Jabre  jene  ist,  wo  die  Lage  dej  Kmdes  Ober- 
wiegeod  gleich  geblieben  ist»  während  das  gesainmte  höhere 
Alter  bis  zum  46.  Jahre  einen  häufigeren  Wechsel  derselben  zeigt. 

Betrachtet    man    abgesondert    die    Erst*    und    Mebr- 
gesehwängerten  bei   den  gewechselten  und  den  stabilen  Po- 
sitionen, so  zeigt  sich: 
Mit  Positionswechsel.                Mit  stabiler  Lage. 
A,  Primiparae.                                 Ä.  Primiparae. 
15.  inel.  20.  Jabre  18,1  Prooent 14,8  Procent. 


26. 

84,4 

80. 

40,2 

86. 

4,9 

40. 

4,9 

46. 

2,6 

100,0. 
UMateiekr.  f.Oeb«rUk.  1866.  Bd.  XXY.,  Hfl.  8. 


.  .47,8 
.  .81,6 

.  .    4,4 

.  .    2,0 

.  .0,6 

100,0. 

12 


1718  Xy.    Vaht4a,  Oe^rüliiimclbe  Staate». 

.    .j|IM.PqAitipj«8we.<slifl«l.  HU  tfc^tiiler  Lage. 

:  ß.  ,&{ahipArae.  B.  MulUfMrae. 

16.  inel..  M-  Jah?«     Ifi  Prozent 3,6  Pr#eeDt. 

»     26.       „       18,8         ,  16,1         . 

,     30.       „      34,1         r,  86,8        , 

,      36.       «      34,7         „ .26,9         „ 

,      40.       „       16,6         14,0         . 

^      ^       i>         ^^         >  ZJL  :y n 

100,0.  "  100,0. 

Iva  Detail  aber  findel  man,  dass  obiges  Resultat  durch 
die  ErstgescbwäDgerteD  bewirkt  wurde;  bei  diesen  ist 
entschieden  im  Aller  bis  zum  25.  Jahre  die  Positionsveränderung 
der  Frucht  eine  seltenere«.' —  Bei  den  Mehrgeschwängerten 
ist  dieser  Umstand  nur  im  Alter  vom  15.  bis  20.  Jahre, 
dann  nach  dem  25.  bis  35.  Jahre  klai*  hervortretend ,  während 
in  der  Periode*  vom  20.  bis  25.  Jahre  und  nach  dem  35.  bis 
45.  Jahre  .gerade  das  Gegentheil  der  Fall  ist.  —  Bei  Erst- 
geschwängerten  ist  somit  das  höhere  Alter  der 
Mutter  entschieden  einem  Positionswechsel  in  den 
letzten  Schwangerschaftswochen  günstig;  bei  den 
Mehrgescbwängerten  scheint  das  mutterliche  Alter  niclit  yon 
d«;sem  entscheidenden  Einflüsse  zusein,  qb  wohl  auch  hier  das 
li^here  Alter  eher  dem  Positionswechsel  günstig  war.  Dieses 
Resultat  ist  um  so  interessanter,  als  ja  mit  dem  Alter  sich 
auch  die  Unnacihgiebigkeit  und  Derbheit  der  Geburtsorgane 
iiei  den  Primiparis  steigert  uad  man  eher  meiaen  solUe,  ein 
sUnfferer  Uterus  wäre  dem  Positionswechsel  hindedicb. 

Zum  weiteren  Bieweise  des  Gesagten  und  zur  noch 
klareren  Uebersicht  der  VerhSltnisse  foigt  nachstehend  die 
Zusammenstellung  der  Precenie  mit  Bezug  auf  die  Zahl  der 
von  jedem  Lebenaailer  Unierauchteii^ 

1.     Bei  den  Primiparis  war  unter 

45  Weibern  vom  16.  — 20.  Jahre  bei  36,6  ProcP^tttUnswechBel, 

„  64,4  „  k«in«r« 

138         »  n      21. --26.       „        „  30,4  „  PosiU^nswechsel, 

9  69,6  „  keiner, 

113         „  n      26.  — 30.       „        „  43,4  „  PoBitiontwecbsel, 

.     .  „  66,6  „  keiner^ 

16         ,  „      31.  — 36.       „        „  40,0  „  Po8ia«intwechtel, 

„  60,0  ,  keiner, 


XV.    Valenta,  Geburtshülfliehe  Stodien.  179 

10  Weibern  vom  36.— 40.  Jahre  t>6i  50,0  ^roe.  Potitlöusw^tflit^l, 

y,  40,0      ^     iMiasr, 

4      ,  n     41.-*4&.      n        ,»  76t0      »    PQsili098irffhaftJ, 

„  25,0      „     keiner. 

2.    Bei  den  Multiparis  waren  unter 

9  Weibern  Tom  16.  — 20.  Jahre  bei  22,2  Froc.  Poeitionaweohsel, 

„  77,8  „  keiner, 

6S       ,            ,      21.-*2§.       »        y,  50,8  „  P#»Uion»weelhi«l, 

„  49,2  9  keiner, 

lt8       ,            „      26.— 80.       „        „  46,8  „  Positlonawechsel, 

„  54,7  „  »keiner, 

n       ,            „      31.— 86.       „.       „  46,7  „  Positioniwechsel, 

„  64,3  „  keiner, 

56       ,            ,36.-40.       „       »  60,9  „  Poaltionswecbael, 

„  49,1  „  keiner, 

16       ,            ,      41.— 46.       ,        „  60,0  „  Poiitionawechsel, 

„  60,0  „  keiner. 

Somit  zeigen  auch  diese  in  den  einzelnen  Altersperioden 
iiemhjieten  Verhältnisse,  dass  bei  den  Primiparis  ent- 
schieden höheres  Alter  dem  Positionswechsel 
gönstif..i9t,  so  dass  der  Unterschied  der  vorderslfn  und 
iiochsten  Altersreihe  nahe  sind 

ein  Positionswechsel. zu  zwei  StabiUtät»<aUen  und 
drei  „  „   eine«  SlabHüAtefall. 

Dagegen  ist  der  Alterseinfluss  auch  bei  dieser  Berechnung 
bei  den  Multiparis  g^  nicht  oder  nur  $ehr  unbedeutend  zu 
erkennen. 

VI.  Bezäglich  der  Zahl  der  Schwangerschaften 
gegenäber  der  Veri&nderlichkeit  der  Kindeslage 
giebt  nachstehende  Uebersicht  einen  Einblick. 

Die  Kindeslage  war 

bei  825  Erstgebärenden  stabil  in  62,6.Proc.,  veöto^ert  in  87,6  Proc, 

,  268Zireitgebllrendeii     „  „    5M  m  '  .  ••  »  ^>^  » 

,    80 Drittgebärenden  .  „  „    61,26  „  ..  »  .  »48,76  „ 

,    17  Viertgeb&renden     »  »    47,1  n  •:  »  ^^,9  „ 

,     SFfinftgebftrenden    „  »    66,7  »  *.  »  ^M  f 

,     2  Bechetgebftrenden  »  ,  100,0  n  -       m  »    *"  »» 

Es  mehrt  sich  also  die  Häufigkeitdes  Positions- 
Wechsels  mit  der  Zahl  der  Schwangerschaft  bis  zu 
den  PtoflgescVwängerten;   von  wo  dieses  GeseU  nicht  mehr 

12* 


]gO  XV.    Vdtent0y  GebartshttlAiche  Stadien. 

SU  Tage  tritt.  Es  iat  aber  zu  bemerken ,  dass  bei  den  Ffinfl- 
und  Secbstgeb&renden  die  Zahlen  schon  so  niedere  sind ,  dass 
sie  zur  slatistiBcben  Verwendung  werthlos  erscheinen.  (S.  die 
Alterstabellen  bei  Punkt  V.) 

VIL  Bezüglich  der  Lage  des  Kindes  und  deren 
Einfluss  auf  Veränderung  ist  Folgendes  im  Voraus  xu 
erwägen.    (Siehe  Tabellen  IIL  und  IV.) 

Auf  sammüiche  688  Geburten  kamen 

46,1  Procent  ScbädelUgen  I., 
»7,6          «  ,  II., 

9,8  f,  Beckenendlagen  I., 

h9  n  n  U., 

0,7  „  Gesiohtelagen  J., 

0,4  j,       Stirnlagen, 

6y8  «       Schieflagen, 

4,1  „        Querlagen. 

10Ö,ä 

Bei  den  Primiparis  kamen  auf  325  Gebiirten: 

Erste  Sehadellagen    .  47,4  Procent, 

•weite  ,,  .  89,1  ^ 

e«ite  Beekenendlagen      3,7         „ 
•weite  „  1,9  „ 

erste  Gesichtslagen  .1,2  „ 

•weite  „  .      0,8      ^     . 

Stimlagen     0,9  „ 

Schieflagen 3,7  „ 

Querlagen 1,8         „ 

100,0  Procent. 

Bei  den  Multiparis  waren  bei  363  Geburten: 

Erste  Schftdellagen   .  43,0  Procent, 

•weite            „             .  86,1  „ 

erste  Beckenendlagen  4,4  „ 

«weite             „  1,4  „ 

erste  Qesichtslagen  .  0,8  „ 

•weite             ^            .  1,1  „ 

Stimlagen    ......  0,0  „ 

Schieflagen  .  .  .  .^.  .  7,7  „ 

Querlagen 6,o  , 

100,0  Proeent. 


XT.    Vmimtm,  0«b«ri*haiflichft  etadiwi^ 

s 


181 


4 

e 

1 

^ 

1 

§ 

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176 


XV.     VaUnta,  G^burtibfllflCehe  Studien. 


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XV.    VahiUa,  O^boHtbaifUefa«  Stndlea. 


177 


V.  Den  Binfloss  des  Alters  der  Mutter  auf  den 
Positionswechsel  oder  die  StabilitSi  der  Kindeslage 
bei  Erst-  und  Mehrgeschwingerten  zeigt  nachfolgende 

Tabelle  n. 

Alterstabelle    der   Schwangeren. 

a)   Mit  Positionswechsel. 


Wievielt 

Jahre  alt: 

ioel. 

40 

i  inel. 

Qe- 

sefawingerte  ? 

16 

iocl. 
20 

inel. 
26 

1  inel. 
SO 

i>e1. 

86 

Samms 

I. 

16 

42 

1 

6 

6 

1 

122 

11. 

2 

29 

48 

27 

16 

1       4 

120 

ra. 

3 

14          10 

10 

2 

39 

IV. 

— 

— 

1            4 

2 

1       2 

9 

y. 

— 

— 

,    —            1 

1 

1     — 

2 

Snmma 

18 

74 

107 

48 

84 

11 

292 

b)   Mit   Stabilität   der  Kindslage. 


I. 

29 

96 

64 

9 

4 

1 

208 

11. 

7 

27 

58 

26 

20 

l 

138 

III. 

— 

4    ' 

8 

18 

6 

6 

41 

IV. 

— 

•     —    ■ 

3 

8 

1 

1 

4 

V. 

— 

— 

1 

2 

1 

-^ 

VI. 

— 

—    1 

— 

2 

59 

— 

— 

2 

Summa 

86    . 

127 

184 

81 

9 

396 

Aus  diesen  Tabellen  ersieht  mao,  dass  die  Periode  vom 

15.  bis  2b:  Jahre  jene  ist,  wo  die  Lage  de(  Khndes  Ober- 
wiegend  gleich  geblieben  ist»  wibrend  das  gesanimte  höhere 
Alter  bis  zum  46.  Jahre  einen  häufigeren  Wechsel  derselben  zeigt. 

Betrachtet  man  abgesondert  die  Erst-  und  Mefar- 
geschwängerten  bei  den  gewechselten  «od  den  stabilen  Po- 
sitionen, so  zeigt  sich: 

Mit  Positionswechsel.  Mit  stabiler  Lage. 

A,  Primiparae.  A.  Primiparae. 

16.  inel.  20.  Jahre  13,1  Procent 14,3  Procent 


26. 

34,4 

30. 

40,2 

35. 

4,9 

40. 

4,9 

46. 

2,6 

100,0. 
MoBAUsehr.  f.G^barUk.  1806.  Bd.  XXV.,  Hft  8. 


.  .47,3 
.  .31,6 
.  .  4,4 
.  .  2,0 
.  .0,6 
100,0. 
12 


IgQ        ^     XV.    ValetUa^  aebartsfaül fliehe  Stadien. 

c$6r  Loge  wie  1  :  1,7 ;  im  Torlelzten  MoDale'  bei  138  unter- 
suchl^n  Fällen  wie  1,7  :  1,  und  im  driUleUVen  Monate  hei 
17  untersuchten  Fällen  wie  2,4:  1,  somit  ist  der  Satz  er* 
laubt,  dass  Positionswechsel  desto  häufiger  sind  im 
letzten  Quartale  der  Schwangerschaft,  Je  ent- 
fernter der  Geburtseintritt  ist 

Dieser  Satz  ist  jiedoch  in  unserer  Beobachtung  haupt- 
-«äebUeb  durch  die  Couslanz  der  relativen  Yenuisliruiig  von. 
Positionswechsel  in  den  früheren  Schwangerschaflsperioden 
bei  den  Hehrgeschwängerten  bedingt,  wo  vom  26.  Tage  an 
mit  unbedeutender  Ausnahme  der  Positionswechsel  häufiger 
wird,  je  weiter  die  Untersuchung  von  der  Geburt  entfernt 
ist  •  Bei  den  Priroiparis  ist  der  Unterschied  in  den  jüngeren 
Schwangerschaftsperioden  nicht  so  eclatant;  dagegen  ist  bei  den 
Multiparis  der  Positionswechsel  auch  im  letzten  Schwanger- 
schaftsmonate häufiger  als  bei  den  Primiparis ,  gegenüber  den 
verbliebenen  Lagen. 

Es  verhielt  sich  nämlich  im  letzten  Monate  vor  der 
Geburt 

Positionswechsel  zur  Stabilität  der  Lage 

bei  Primiparis  wie  1  :  2,6,  —  bei  Multiparis  wie  1  :  1,3, 

im  vorletzten  Monate: 
bei  Primiparis  wie  2,3  :  1,  —  bei  Multiparis  wie  1,3  :  1, 

im   drittletzten  Monate:  > 

bei  Primiparis  wie  1,5  :  1,  —  bei  Multiparis  wie  6  :  1. 

Somit  war  bei,  den  Primiparis  die  den  Positionswechsel 
günstigste  Periode  jene  des  vorletzten  Scbwangerschaftsmouates, 
darnach  der  drittletzte  Monat;  während  bei  Multiparis  strenge 
der  Positionswechsel  gradatim  mit  den  vorgerückteren  Schwanger- 
^chaftsmonaten.an  Häufigkeit  abnahm.  —  Im  achten  Monate 
war  der  Positionswechsel  weitaus  am  häufigsten. 

IX.  Bezüglich  des  Verhältnisses  der  einzelnen 
Lagen  gegenüber  der  Schwangerschaftsperiode 
giebt  nachfolgende  Tabelle  (VI.)  Aufschlusiä,  welche  percentuel 
auf  die  Gesaroratzahl  der  in  den  drei  verschiedenen  Beobachtungs- 
Perioden  beobachteten  Primi-   und  Multipai*ae   berechnet  ist 


XV.    ValBmiu,  Gebartohälfliche  Stodien. 


187 


TabeU«  VI. 

Deb^rfiicht  des  Y^rhältDisses  der  einieloen  l(indefi- 

lagen   gegenüber  der  Sohw9ngerschafls|^erioäe. 


Kindealage 

6 

Letster 
Monat 

VarleUter 
Monat. 

Drittletator 
Monat 

bei  der 

Schwänge  fscbafts- 

antersncbnng. 

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i     .g 

l  '1 

d 

4 

Erste             ( 
ScbSdellage 

Zweite 
Sch&dellage      | 

Erste 
Beckenendlage 

Zweite            ( 
Beekenendlaj^e    | 

Qaerlage 

Schieflage 

Erste 
Geiielitslage 

ZweHe           ( 
Gesiebtslage      | 

Stirnlage 

Primip. 
Maltip. 

Primip. 

Maltip. 

Primip. 

Maltip. 

Primip. 

Maltip. 

Primip. 

Mnhip. 

Primip. 

Mnitip. ' 

PHmip. 

MnUip. 

Primip. 
Mnitip. 

Primip. 

7,8 

12,8 

18,8 

14,8 

0,8 

2.4 

0,4 

1,0 

0,4 

6,6 

«.* 

7,4 

0,8 
0,8 

0,8 
1,2 

44,8 
82,4 
2tfi 
28,4 
>,2 

0,8 
0,8 

18,8 
11,6 
18,8 
14,6 

7,8 

11,6 

4,3 

7,8 
6,8 

8,7 
8,7 
2,9 

1,6 

2,9 

14,6 
26,1 
16,9 
17,4 

14,8 
80,0 
14,8 
20,0 
14,8 
10,0 
14,8 

14,8 

IM 

»4,8 

20,0 

Diese  Zusammenstellung  zeigt  den  schon  sub  VII.  auf-* 
gestellten  Satz  jnit  der  Erweiterung,  dass  im  vorletsteA 
Monate  alle  Lagen  weniger  Stabilitit  zeigen  als 
im  letzten;  dass  auch  bei  mehreren  Lagen  dieses  Verbältniiss 
progressiv  steigt  im  drittletzten  Monate;  dass  die  Schieflagen 
unter  allen  die  entschieden  der  Veränderung  günstigsten  sind, 
fc  selbe  gar  keine  Stabilität  zeigen;  dass  nach  ihnen 
die  Qaarlagen  und  dann  die  Bedienendlagen  kommen. 

Bei  den  Primiparis  tritt  der  Unterschied  der  eli«elnea 
SchwangersdiaftAperioden  starker  hervor. 

Dagegen  tritt  der  Unterschied,  so  weit  die  Uotersuehungen 
in  den  verschiedenen  Formen  Beobachtungsmaterial  Heferten-, 
im  drittletzten  Monate  sowohl  bei  den  Primi-  als  Mnltiparis  aiU 
»tSrksten  hervor. 


188  ^^'    ViUtmia,  Oebfirtahalfli4;fi«  Studien. 

X.  Ueber  jene  Momente,  welche  ebenfalls  in 
einigem  Caiisalnexus  mit  dem  Positionswechsel 
stehen  ddrften,  wurden  nachfolgende  hervorgehoben. 

1.  Leerer  Forntx  ▼aginae.  Dieser  wurde  bei  Storni- 
liehen  Primiparis  31  Mal ,  somit  in  9,5  Procent  vorgefunden ; 
29  Mal  war  derselbe  mit  Positionswechsel  in  Verbindung;  er 
kam  somit  bei  den  Stahililätsfallen  ein  Mal  auf  50,7  'Procent, 
bei  jenen  mit  Positionswechsel  bereits  auf  4,2  Geburten.  — 
Bei  den  Mulliparis  ward  er  54  Mal,  d.  i.  in  14,9  Procent 
beobachtet;  er  kam  1  Mal  auf  38,6  Stahilitatsßlle  und  1  Mal 
auf  3,5  Positionswechsel  vor. 

2.  Schlecht  entwickelter  Fornix  vaginae,  d.  h. 
ein  Scheidengewölhe ,  durch  welches  man  nur  beim  Entgegen- 
drücken  von  aussen  den  vorliegenden  Kindestheil  deutlich 
wahrzunehmen  im  Stande  war,  wurde  bei  den  Pnmiparis  im 
Ganzen  135  Mal,  somit  in  41,5  Procent  gefunden  und  kam 
ein  Mal  auf  4,8  Fälle  mit  Stabilität  und  1  Mal  auf  1,3  mit 
Positionswechsel.  —  Bei  den  Mulliparis  war  er  191  Mal, 
d.  i.  in  52,6  Procent  und  kam  1  Mal  auf  3,2  Fälle  mit 
StabilitM  und  1  Mal  auf  1,3  mit  Positionswechsel. 

3.  Ein  schlecht  entwickelter  Fornix  vaginae 
und  Hydramnios  wurde  bei  Primiparis  30  Mal,  d.  i.  in 
9,8  Procent  beobachtet;  je  ein  Fall  auf  22,6  mit  Stabilität 
und  auf  5,8  mit  Positionswechsel.  —  Bei  den  Multiparis  ward 
dies  gefunden  in  30  Fällen.,  d.  i.  in  8,3  Procent;  und  kam 
je  ein  Fall  auf  32,2  Fälle  mit  Stabilität  und  auf  7,1  mit 
Positionswechsel. 

4.  Leerer  Fornix  vaginae  und  Hydramnios  findet 
sich  aufnolin  bei  8  Primiparis,  somit  in  2,5  Procent  und  kommt 
1  Mal  auf  50,7  Fälle  mit  Stabilität  und  1  Mal  auf  30,5  Fälle 
mit  PositioDSwechseL  —  Bei  Multiparis  ward  derselbe  7  Mal 
beobacbtet,  d.  i.  in  2,9  Procent  und  kommt  1  Mal  auf 
24,3  Fälle  mit  Positionswechsel;  dagegen  bei  SiabilitStsfällen 
gar  nkbt  vor. 

5.  Eine  Nabelschnurumschlingung  wurde  bei  den 
Primipiaris  in  70  Fällen,  d.  i.  in  21,5  Procent  und  zwar  je 
1  Mal  auf  13,5  Fälle  mit  Stabilität  und  2,2  Fälle  mit  Positions- 
wechsel beobachtet  —  Bei  Mehrgeschwängerten  kam  selbe 
in   109  Fällen   zur  Beobachtung,   d.  i.   in  30,0  Procent   und 


XV.     VaUnia,  Qebnrtobalfliehe  Stndtea. 

iwar  je  1  Mal  bei  6,9  FiWeti   mit  SUbilitat   und   2,1  Fällen 
yiiil  Posilionswecbsel. 

6.  Eine  auffällig  kurze  Nabelschnur  Gndet  sich 
bei  5  Erstgebärenden  bemerkt,  somit  in  1,5  Procent,  und 
zwar  je  1  Mal  bei  203,0  FäUen  mit  Stabilität  und  30,2  Fällen 
mit  PodtionswechseL  —  Bei  Mehrgebärendeu  kam  dieses  in 
10  Fällen,  somit  in  2,8  Procent  vor,  und  zwar  je  1  Hai 
auf  48,2  Fälle  ohne  und  auf  28,3  Fälle  mit  Positionswechsel. 

7.  Beckenenge  wurde  bei  11  Primiparis  entdeckt, 
d.  i.  in  3,4  Procent,  und  zwar  kam  selbe  je  1  Mal  auf 
50,7  Fälle  ohne  und  17,4  Fälle  mit  Positionswechsel.  — 
Bei  den  Multiparis  wurde  Beckenenge  32  Mal  eruirt,  somit 
in  8,8  Fällen,  und  zwar  kommt  je  eine  auf  27,4  Fälle  mit 
Stabilität  und  auf  7,0  Fälle  mit  Positionswechsel. 

8.  Ein  schiefes  Becken  wurde  nur  bei  2  Primiparis, 
somit  in  0,6  Procent  beobachtet,  und  zwar  nur  mit  PoailioMi- 
Wechsel  combinirt  und  zwar  1  Mal  auf  61,0  Fälle. 

Die  Scala  des  Vorkommens  dieser  einzelnen  Causal- 
momente  überhaupt  ist 

a)   bei   den   Primiparie: 

Sehlecht  entwickelter  Poraiz  vag mit  41,6  Proeemt, 

ElabeUeliiiiimmsohliD^iiiig «  21^6  ^ 

lo«rer  Fornix  vag «  0,6  ,„ 

sehleoht  entwiekelter  Fornix  und  H^dramnios  «  9,8  „ 

Bttekeneni^e     „  8,4  „ 

leerer  Fornix  und  Hydramnios „  2,6  '  „ 

knrse  Nabelschnnr „  1,6-        „        , 

■clnefes  Becken •  „  0,6  „ 

h)  bei  den  Mnlttparia: 

eeUeeht  entwiokeher  Fornix  Tag mit  63,6  Proeent, 

Nabelscbnnrnmschlingnng     „  30,0  „ 

leerer  Fornix  rag ^  14,9  „ 

Beckenenge „  8,8  „ 

•ehlecht  entwiekelter  Fornix  ond  Hjdramnioe  ,  8,3  „ 

leerer  Fornix  and  Hydramnioe „  8,9  „ 

knrse  Nabelschnnr „  2,8  „ 

Es  kommen  also  alle  die  genannten  Momente  mit 
Ausnahme  des  schiefen  Beckens  und  des  „schlechten 
Fornix  und  Hydraronios"*  bei  den  Multiparis  relativ 
häufiger  vor  und  der  Unterschied  macht  sich  am  stärksten 
bei  Beckenenge  und  leerem  Fornix  bemerkbar. 


190  X^*     Valenta,  Oebnrtshttlfliche  Stadien. 

Tabelle  vn. 

Uebersicbt   des  Verhältuisses    der   Causalmoraente 
zum  Positionswechsel. 


Es  kam  ein  Fall  yon 


Bei  Primiparis 
auf  Fälle 


mit 


ohne 


Positions- 
wechsel 


Bei  Maltiparis 
auf  Fille 


mit 


ohne 


Positions- 
wechsel 


leerem  Fornix 

schlechtem  Forniz 

scbleohtem  Forniz  a.H)rdramnioR 
leerem  Forniz  o.  Hjdramnios  . 
Nabrlschnnromschling^nng  .  .  .  . 

KU  koraer  Nabels oh«ur 

B*okenen^6  

schiefem  Becken 


4,2 

1,3 
6,8 
30,6 
2,2 
80,2 
17,4 
61,0 


60,7 
4,8 
22,6 
60,7 
13,6 
208,0 
60,7 


3,6 
1,8 

7,1 
24,3 

2,1 

28,3 

7,0 


38^ 

3,2 

32,2 

6,9 
48,2 
27,4 


Es  ist  somit  der  Einfluss  obiger  Momente 
auf  Positionswechsel  klar  ersichtlich,  und  zwar  am 
starkateD  beim  leeren  Fornii  (hier  ergiebt  sich  das  Ver- 
hältniss  mk  1  Stabilitätsfall  :  nahe  13  Fällen  mit  Positions- 
wechsel sowohl  bei  Primi  -  oder  IMultiparis) ,  gleich  darauf 
folgt  die  Nabelschnuromschlingung  (bei  Primiparis 
1  Stabilität  :  6  Positionswechsel,  bei  Multiparis  1  Stabilität  : 
über  3  Poßitionswechsel) ,  hieran  schtiessen  sich  schlechter 
Fornix  und  Hydramnios  (bei  Primi-  oder  Mukiparis 
1  Stabilität  :  4,5  Poaitionfiwechflel)  und  zu  kurze  Nabel- 
schn*ur  (bei  Primiparis  1  Stabilität :  nahe  7  Positionswechsel). 

Die  abgleitende  Scala   war  nach  dem  relativen  Ver- 
hältnisse zwischen  Stabilität  und  Positionswechsel 
a)  bei  den  Primiparis: 

Schiefes  Becken, 

leerer  Forniz, 

«B  knrse  Kabelsohmir, 

NabelscbattramMbliKgmiig, 

•ehleohter  Forniz  and  Hydramnios, 

schlechter  Forniz, 

Beckenenge, 

leerer  Fornii  nnd  Hydramnios; 


XV.    Valenta,  aeburtahfililicb«  Sta4lM).  191 

b)  bei  den  Multiparis: 
Leerev  Forniz  uad  Hydramnlot, 
leerer  Foroiz, 

sehlechter  Fornix  ond  Hydramnios, 
Beckenenge, 

Nabelschnarnmichlingung, 
Bcblechter  Fomix, 
aa  karse  NabeUehnur. 

Aus  dieser  Betrachtung  der  Causalmonente  wäre  maa  «Iso 
zu  nachfolgeadem  Schlüsse  berechtigt:  es  ist  somit  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  auf  eine  andere  Lage 
des  Kindes  bei  der  Geburt  zu  denken,  sobald  man 
bei  der  Untersuchung  einer  Schwangeren  —  insbesondere  einer 
Mehrgesdiwängerlen  —  einen  leeren  oder  nur  schlecht 
entwicLellen'  Pornix  vaginae  wahrnimmt  und  zwar 
mit  oder  ohne  Hydramnios,  denn  unter  solchen  VerhSUnissen 
bat  sich  der  vorliegende  Kindstheil  noch  nicht  mit  dem 
unteren  Gebärmulterabschnitle  ^urch  den  Beckeneingang  herein- 
gesenkt,  sondern  steht  an  und  für  sich  beweglich  am  Becken- 
eiogange,  uml  ist  somit  keine  besondere  Veranlassung  nöthig, 
auf  dass  schon  ein  Positionswechsel  eintritt  —  CNisselbe 
gilt  noch  mehr  bei  allen  Difformitäten  des  Beckens. 

Da  die  Erkenntoiss  von  Nabelschnurumschlingungen  — * 
(ausser  durch  das  sogenannte  Nabelscbnurgeräusch  [?])  — 
während  der  Schwangerschaft  eben  so  wenig  nach  unseren 
bisherigen  KennlWMen  wie  die  firlUHiiitnifls  ikr  Länge  oder  Kürze 
des  Nabelstranges  möglich  ist,  so  sind  diese  Momente  in  der 
Praiis  in  dieser  Richtung  nicht  zu  verwerlhen.  —  Was  die 
Nabelschnurumschlingungen  anbelangt,  so  sind  selbe  übrigens 
nidner  Ansicht  nach  überhaupt  keine  Causalmomente  weder  für 
die  Stabilität  noch  für  den  Positionswechsel  des  Kindes,  sie 
sind  sicberlich  keine  den  Positionswechsel  bedingende  Momente, 
sondern  werden  selbst  meiner  Meinung  nach  secundär  eben 
durch  den  Positionswechsel  bedingt,  und  die  sich  im  Ver- 
gleiche der  Slabilitätsialle  zu  denen  mit  Positionswechsel  eben 
bei  letaleren  ergebende  bedeutend  grössere  Häufigkeit  von 
Nabelschnununpchliogui^gea  berechtigt  uns  .  daher  zu  der 
interessanten,  auf  Grundlage  meiner  Ansicht  erwiesenen 
Schlussfolgernng :  durch  den  Positionswechsel  werden 
sehr    häufig    Nabelschnurumschlingungen   bewirkt. 


.182  XV.     Valmla,  OeburUhttlfliehe  Stodiea. 

Was  die  zu  kurzen  Nabelscboör«  betrifft,  so  glaube 
ich,  übereinstimmend  mit  dem  Befunde,  das»  dieselben  aus 
leicht  begreiflichen  Gründen  zu  Positionswechsel  Ver- 
anlassung geben,  indem  das  Kind  bei  gewissen  Lagen 
(Umdrehung  um  seine  Längsachse)  ob  der  Kürze  der  Nabel- 
schnur eine  Zerrung  am  Nabelringe  erfahren  muss,  und  daher 
dann  um  wieder  aus  dieser  unangenehmen  Situation  zu  kommeo, 
wähl  biufig  seine  Lage  ändern  mag. 

XL  Hinsichtlich  der  Beziehungen  der  bei  der 
Schwangerschaftsuntersuchung  und  später  bei  der 
Geburt  gefundenen  Lagen  ergaben  sich  (s.  Tab.  IIL  u.  IV.) 
bei   der  Geburt   im  Gegensatze  zu  der  letzten  Untersuchung:* 

a)  naoh  ersten  Sohädellftgen: 
im  letxt«n  Monate   der  Schwangerschaft: 
bei  Primiparis  in  19  Fällen:     2  Mal  erste  Steisslag^e, 

1      „     erste  Gesichtslage, 
16      „     Bweite  SchÜdellage, 
bei  Mnhiparis  in  36  Ficnen:     2      „     erste  Gesichtelage, 

38  „     zweite  Sclüldellage; 
im   Torletiten  Monate: 

bei  Primiparis  in  13  Fällen:  13  Mal  zweite  Schädellage, 
bei  Multiparis  in     8  Fällen:     1      „     erste  Qesichtslage, 

7      f,    zweite  Schädellage; 
im   drittletzten   Monate: 
bei  Maltiparis  einen  Positionswechsel :  1  Mal  zweite  Schädellaga. 

b)  nach  sweiten  ScbAdellagens 

im   letzten   Seh wangerschaftsmonate: 
bei  Primiparis  in  34  Fällen:  S4  Mal  erste  ßchädellagen, 
bei  Multiparis  in  41   Fällen:     1      ,     erste  Gesichtslage, 

1  „     erste  Steisslage, 

39  f,     zweite  Schädellagen ; 
im  Yorletzten   Monate: 

bei  Primiparis  in  18  Fällen:  18  Mal  erste  Schädellagen, 
bei  Maltiparis   in  10  FäUen:  10      „     erste  Schädellagen; 

im    drittletzten   Monate: 
bei  Primiparis  in  8  Fällen:       1  Mal  erste  Steisslage, 

2  „     erste  Schädellage, 
bei  Multiparis  in  1  Falle:         1      „     erste  Sehädelkge. 

c)-  nach  ersten  Beckenendlagen: 
im   letzten   Sehwangerschaftsmonate: 
bei  Primiparis  in  2  Fällen:      1  Mal  erste  Fasslage, 

1      „     erste  Schädellage, 


XY.    ToimUa,  Oeburfeahfilflieho  Studien.  103 

bei  Mvltiparis  in  7  Pillen:      S  Mal  erste  Seliädellege, 

8     »  «weite  SobSdellage, 

1     „  Fasslage; 
im  Torletiten  Monate: 

bei  Priniparie  in  6  FUlen:       1  Mal  erste  Seh&dellage, 

4  ff  sweite  Schftdellage, 
bei  Mnltiparis  in  8  Fttilen:       8     »  erste  Sch&delUge, 

5  ,     sweite  Sob&dellage; 
im  drittletaten  Monate: 

bei  Primiparis  in  2  FiUen:       1  Mal  erste  Scb&delUge, 

1     „    aweite  Scbädellage, 
bei  Mnltiparis  in  1  Falle:         1     „     sweite  Sohädellage. 

d)  nach  «weiten  Beokenendlagen: 
im  letsten  Schwangerschaftsmonate: 
bei  Primiparis  in  1  Falle:        1  Mal  erste  SchHdellage, 
bei  Mnltiparis  in  8  Fällen:      8     „     erste  Sch&dellRge; 

im  Yorletsten  Monate: 
bei  Primiparis  in  8  Füllen:      1  Mal  erste  Sch&dellage, 

1     „     sweite  Schttdellage, 
1     „     erste  Fasslage, 
bei  Mnltiparis  in  1  Falle:         1     «     erste  Sch&dellage; 

im   drittletaten  Monate: 
bei  Primiparis  in  1  Falle:         1  Mal  erste  SehKdellage, 
bei  Mnltiparis   In  1  Falle:         1     «     erste  SchftdeUage^ 

e)  naoh  ersten  Gfreeiohtalagen: 
im  letzten   Schwangerschaftsmonate: 
bei  Primiparis  in  2  F&llen:      2  Mal' erste  Sobftdellage» 
bei  Mnltiparis  in  1  Falle:         1     ^     erste  Sohftdellage; 

im  Torletsten  Monate: 
hei  Prim^arU  in  2  Ftllen:       1  Mal  erste  Sch&dellage, 

1     „     sweite  Seh&dellage; 

f)  nach  Bweiten  Qegiohtslagen: 
im  letsten  Sehwangerschaftsmonate: 
bei  Mnltiparis  in  1  Falle:  1  Mal  erste  Schädellage; 

im  Torletsten  Monate: 
bei  Primiparia  in  1  Falle:        1  Mal  erste  SchSdellage, 
bei  MnlUparis  in  2  FSllen:      1     „     erste  SehHdellage, 

1     ^    sweite  Schftdellage. 

g)  naoh  Stimlagen: 
im  letsten  Sehwangerschaftsmonate: 
bei  Primiparis  In  8  Fällen:     8  Mal  erste. Schädellage. 

MoaUMekr.  f.  Oelrartsk.  1886.  Bd.  ZXV.,  Hfl.  8.  18 


ig|4  XV.    VaUntüf  Gebartokülfliche  Studve«. 

h)  nach  Sohieflagen: 

im  letiten  Schwangerschaftsmonate: 
bei  Primiparis  in  6  Fällen:      3  Mal  erste  Schädellagen, 

1     ,f    Bweite  Schädellage, 
1      „     dritte  SchSdellage, 
1      n     erste  Fasslage, 
bei  Mnltiparis  in  21  Fallen:    16     „     erste  SchädeUage, 

5  n     sweite  Schädellage, 
1    ,     QaerUge; 

im  Torletiten  Monate: 
bei  Primiparis  in  6  Fällen:       3  Mal  erste  Schädellage, 

1  9     sweite  Schädellage, 

2  f,    erste  Steisslage, 
bei  Mnltiparis  in  6  Fällen:  ,     2     „     erste  Schädellage, 

4      „     sweite  Schädellage; 
im  drittletsten  Monate: 
bei  Mnltiparis  in  1  Falle:         1  Mal  aweite  SchädeUage, 

t)  nach  Querlagen: 
im   lotsten  Monate  der  Schwangerschaft: 
bei  Primiparis  in  1  Falle:         1  Mal  erste  Schädellagey 
bei  Mnltiparis  in  16  Fällen:     7     »     erste  SchädeUage, 

6  „     sweite  Schädellage, 
2     „     erste  Steisslage, 

1     „     Fnsslage, 

1  „     Qneriage  (Kopf  rechts, 

dann  links); 
im  vorletsten  Monate: 
bei  Primiparis  in  6  Fällen:      3  Mal  erste  Schädellage, 

2  n    sweite  Schädel  läge, 
bei  Mnltiparit  in  4  Fällen:       2     ,    erste  Sch&dellage, 

1     „     sweite  Schädellage; 
1     „     Qneriage  (wie  oben), 
im  drittletsten  Monate: 
bei  Mnltiparis  in  1  Falle:  1  Mal  sweite  Schädellage. 

Aus  dieser  Detailubersicht  ist  zum  allgemeinen  Ueber- 
blicke  nachfolgende  Tabelle  zusammengestellt 


XV.    VttUnta,  0«lHirt«littlfli«he  Stadito. 


195 


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18  ♦ 


196  XV.    Valenta,  G^bnrtahmfliöbe  Stadieii. 

Aus   dieser  Detail-   und  Gesanimtübersicht  ergeben  sich 
folgende  Wahrnehmungen :  ^ 

1.     Was  die  Schädellagen  anbelangt,   so  wurde 

a)  bei  den  meisten  derselben  einfach  eine 
Drehung  um  die  Längsachse  des  Kindes  beobachtet 
und  somit  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  nur  die  Position 
geändert.  Auch  hier  wurde  der  Umstand  constatirt,  dass 
die  Umwandlung  in  erste  Schadellagen  häufiger 
statthat,  als  umgekehrt,  und  zwar  bei  den  Primiparis  um 
8  Procent,  bei  den  Multiparis  um  3  Procent ^  weicher  Befund 
ganz  und  gar  im  Einklänge  steht  mit  der  constatirten  Hehrzahl 
von  ersten  Schädellagen  überhaupt  bei  der  Geburt. 

b)  Fünf  Mal  fand  eine  Umwandlung  in  Gesichts- 
lagen statt,  und  zwar  in  vier  Fällen  aus  den  Schädellagen 
bei  sonst  gleicher  Position  nur  ein  Wechsel  in  der  Haltung 
des  Rindes,  nämlich  es  entstanden  aus  vier  ersten  Schädel* 
lagen  vier  erste  Gesichtslagen,  und  nur  ein  Mal  ging  mit  der 
Umänderung  in  der  Haltung  zugleich  eine  Umdrehung  um 
seine  Längsachse,  somit  Aenderung  der  Position,  einher.  — 
Dieser  Befund  spricht  für  die  Richtigkeit,  dass  die  Gesichts- 
lagen  aus  den  der  Position  entsprechenden  ^Schädellagen  da-^ 
durch  entstehen ,  dass  sich  das  Hinterhaupt  an  die  Grenzlinie 
anstemmt  und  so  allmälig  das  Kinn  von  der  Brust  entfarnt, 
welche  Entstehungsweise  mir  auch  die  einleuchtendste,  weil 
einfachste,  zu  sein  scheint 

c)  In  vier  Fällen  wurde  aus  Schädellagen  deutlich 
eine  Umwandlung  in  Beckenendlagen  beobachtet, 
somit  die  Zahl  jener  interessanten  diesbezüglichen  Beobachtungen 
Hecker' s  vermehrt  und  zugleich  die  Thatsache,  dass  auch 
die  Entstehung  von  Beckenendlagen  aus  Schädel- 
lagen möglich  sei,  abermals  bestätigt;  man  kann  daher 
niemals  deshalb,  weil  man  bei  der  Schwangerschaflstintersucbung 
eine  Schädellage  gefunden  hat,  unbedingt  auch  bei  der  Geburt 
wieder  auf  eine  Schädellage  rechnen.  ^) 


1)  Hier  rnnsB  ich  bemerken,  dass  mir  leider  Üred4*8:  Ob- 
serYationee  noonnllae  de  foetns  sIta  intergravidi taten.  Progravima 
in  memoriam  E.  G.  Boeii,  Lipsiae  1862,  ob  Ver^riffenseins  der 
Auflage  nicht  sagänglicb  war. 


XV.     VaUnia,  GebtirUhfilfliolif  Studien.  197 

2.  Wm  die  GesichtsUgeA  während  d«r  Schwanger- 
fldiaft  helriift,  so  wurde  aninit  constatirt,  dam  sich  selbe 
Bvr  in  Schädellagen  umwandeln,,  und  zwar  cumeist 
(fi&^Plroc)  in  Schädellagen  derselben  Position,  in  44,6  Proc. 
ward  auch  eine  Drehung  um  die  Längsachse  des  Kindes 
beobachtel.  Es  ist  somit  erwiesen,  dass  einmal  Gesichts-* 
lagen  während  der  Schwangerschaft  häufiger  vor» 
kaomen,  als  bei  der  Geburt,  dass  somit  die  Natur  sehr 
oft  diese  ob  der  regelwidrigen  Haltung  des  Kindes  folgen* 
reidien  Lagen  verbessert,  gesundheitsgemässer  gestaltet 

Die  einfache  Umwandlung  der  Gesichtslagen 
iff  Schädellagen  derselben  Position  kommt  ganz 
besonders  bei  Primiparis  zu  Stande  und  scheint  die 
grtssere  Schlaffheit  der  Uteruswandungen  bei  Multiparis  der 
Umdrehung  des  Kindes  uro  seine  Längsachse  gänsliger  zu  sein. 

3.  Die  drei  während  der  Schwangerschaft  beobachteten 
Stirniagen  bestätigen  den  oben  ausgesprochenen  Satz,  dass 
«eh  eben  ganz  vorzüglich  bei  Primiparis  die  Gesiebtslagen 
in  Sdiädellagen  derselben  Position  umwandeln. 

Der  Umstand,  dass  sich  sämmtliche  beobachtete  erste 
Stirniagen  in  erste  Schädellagen  verwandelten,  berechtigt  uns 
ai  dem  weitergehenden  Ausspruche,  dass  überhaupt  Stirn* 
lagen  einfach  nur  Mittellagen  oder  besser  gesagt 
Debergangsiagen  sind,  dass  nämlich  die  Verbeasenmg 
der  GeskfaVslftgen  in  Schädellagen  allmälig  geschieht,  mdem 
sdbe  zuerst  in  Stirniagen  und  dann  in  Schädeilagen  äbfirgehen^ 
and  dass  die  Stirnlagen  bei  der  Geburt  nur  als  dorch  ver* 
Mhiedene  Umstände  im  Uebergange  in  Schädellagen  gestörte 
Mchtslagen  anzusehen  sind.  —  Nachdem  bei  den  688 
Schwangeren  3  Stirniagen  i.  e.  0,4  Proc.  vorgefimden  wurden, 
nährend  sich  bei  1756  Geburten  auch  nur  3  Stirniagen  i.  e. 
04  Proc.  ergaben,  so  scheinen  jedenfalls  in  der  Schwanger- 
fldiaft  diese  an  und  für  sich  so  seltenen  Lagen  *—  eben  weil 
sie  Debergangsiagen  sind,  bedeutend  häufiger  vorzukommen. 

4  Was  die  beobaditeten  35  Beckenendlagen  betrifft, 
M  gingen  Inervon  3S  i.e.  91^4  Procent  in  Schädellagen 
tter  und  bei  3  i.  e.  8,6  Proc.  verwandelten  sich  die  Steiss- 
htOB  in  Fusslagen.  Unter  den  32  FäUen  fand  22  Mal  i.  e. 
M,7  Procent    vollkommene    Culbute    statt,    es    um* 


198  2^*    VaUnta,  GebnrtibHlflieke  StndUn. 

wandelten  sieb  nSmlich  die  Beckenendlagen  durch  Direbung 
der  Kinder  um  ihre  Querachse  (Stürzen)  in  Scfaäddiagen  der 
entgegengesetzten  Position  und  10  Mal  (31,3  Proc.)  wurde 
unter  Einem  Drehung  uro  die  Quer-  (Cnlbute)  and  Längen- 
achse beobachtet;  es  steht  somit  der  Satz  fest,  dass  «ch 
die  Mehrzahl  der  in  der  Schwangerschaft  Tor- 
kommenden  Beckenendlagen  in  Kopflagen  resp. 
Schadellagen  umwandelt,  und  zwar  gilt  dieses  ganz 
besonders  för  die  Multiparae. 

Was  die  Umwandlung  sdbst  'anbelangt,  so  geschiebt 
selbe  auch  bei  den  Beckenendlagen  entschieden  fu  Gansten 
der  ersten  Schädellagen  somit  wieder  ein  weiterer  Erklärungs- 
grund  der  relativen  Häufigkeit  dieser  Lagen. 

Bei  dieser  Gdegenheit  muss  ich  gestehen,  dass  der 
Ausdruck'„Culbute-Stfirzen^'  einige  Berechtigung 
hat,  indem  ich  glaube,  dass  diese  Umwandlung,  wenn  auch 
nicht  in  allen,  so  doch  in  vielen  Fällen,  besonders  in  solchen 
kurz  Tor  und  während  der  Geburt  rasch  geschieht,  indem 
ich  selbst  einen  Fall  beobachten  konnte,  wo  sich  das  zweite 
ZwiUingskind  so  zu  sagen  unter  meinen  Augen  stOrzte; 
jedenfalls  geschieht  aber  die  zweite  Hälfte  dieser  Umwandlung 
rasch,  wenn  nämlich  der  Kopf  einmal  in  der  horizontalen  liegt 
(Qtteriage)  oder  unter  die  horizontale  (Schieflage)  bereits 
gekommen  ist;  welchen  Vorgang  man  ja  sehr  oft  ganz  gut 
und  leidit  bei  ursprünglichen  Schief-  und  Querlitgen  —  bei 
der  sog.  Selbstwendung  —  beobachten  kann.  Endlich  muss 
ich  schon  deshalb  für  Beibehaltung  des  Ausdruckes  „Culbute^ 
Stürzen**  stimmen,  weil  wohl  kein  anderer  Ausdruck  eben 
diese  Art  von  Umwandlung  deutlicher,  besser  und  bündiger 
bezeichnen  dürfte. 

Hier  (^aube  ich,  wäre  weiters  gerade  der  Ort  zu  er-  . 
klären,  wie  ich  die  Beckeneoidlagen  während  der 
Schwangerschaft  diagnosticire.  Ich  gestehe  es  un- 
umwunden, ein  Gebeimmittel  zu  besitzen,  wodurch  mir  während 
meiner  selbstständigen  klinischen  Thätigkeit  noch  keine  Becken- 
endlage entgangen  ist ,  und  dieses  mein  Geheimmittel  bestellt 
darm,  dass  ich  bei  jeder  Untersuchung  einer  Schwängern  auf 
eine  Beckenendlage  denke  und  in  dieser  Richtung  untersuche; 
ich  lege   zu   diesem  Behufe  meine  Hand  —  gewähn- 


XT.    VaUnia,  Gebiirtsli«lfli^e  Stndien.  199 

lieh  die  rechte  —  flach  auf  den  Gebärmuttergfund 
ond  dricke  dann  die  Fingerspitzen  möglichst  rasch 
—  geichsam  schneHetid  —  gegen  die  Uterushöhle 
ratp.  gegen  den  am  Gntnde  liegenden  Kindeatheil,  —  iifid 
aif  diese  Welse  ist  es  mir  noch  immer  {;ehingen,  den  Schädel 
durch  seine  charakteristische  Härte  und  Ebenheit  am  Grunde 
ivL  erkennen.  Man  mag  sagen,  was  man  will,  bei  der  ge- 
wöiuüichen  Untersuchungsweise,  nämlich  beim  langsamen 
tiefen  Eindrücken  der  Pinger  wird  das  Tastgefühl  elier  ab* 
gesbimpft  und  man  daher  hierdurch  leichter  und  eher  ge- 
täuscht Auf  dieselbe  Weise  suche  ich  übrigens  auch  bei 
Schief*  und  Querlagen  den  Schädel  auf. 

5.  Die  Schief-  und  Querlaged  (erstere40,  letztere 
27  an  der  Zahl)  gingen  fast  sämmtlich  (95,5  Procent) 
durch  die  sogenannte  Selhstwending  in  Längslagen 
äker;  nur  bei  drei  Multiparis  (4,5  Procent)  ereignete  sich 
dieses  nicht  und  zwar  wurde  ein  Mal  eine  Schieflage  zur 
ToUkommenen  Querlage  und  in  zwei  Fällen  drehte  sich  das 
fiergelagerte  Kmd  um  eine  senkrechte  mit  seiner  Querachse 
parallel  gehende  Achse  derart,  dass  der  Kopf  von  der  rechten 
Sdte  in  die  linke  überging,  —  offenbar  der  höchste  Grad 
fM  B^vegüchkdt 

Was  die  Selbstwendung  anbelangt,  so  fingen  durch 
selbe  58  Scbadellagen  (90,6  Procent)  — *  darunter  wieder 
überwiegend  die  erste  Position  —  und  6  Beckenendlagen 
(9,4  Procent)  hervor. 

interessant  ist,  wie  schon  auch  Punkt  VlI.  dargethan, 
das  bei  weitem  häufigere  Vorkommen  der  Schief-  und  Quer- 
lagen bei  den  Hehrgeschwängerten  (73,1  Procent)  gegenüber 
den  Erstgeschwängerten  (26,9  Procent);  ferner,  dass  sich 
bei  letzteren,  entsprechend  der  strafferen  ovalen  Gestaltung 
der  Gebännnttter,  alle,  und  bei  ersleren  fast  alle  Schief- 
imd  Querlagen  in  Längslagen  von  selbst  umwandelten,  somit 
(fiese  Beobachtung  uns  zu  dem  Schlüsse  berechtigt,  dass 
die  sogenannte  Selbstwendung  eine  sehr  häufige 
lageverbessernde  Naturhülfe   sei. 

Nicht  ohne  Interesse  dürfte  nachfolgende  Tabelle'  IX.  über 
Beckenendlagen,  welche  aus  Kopflagen  entstanden  sind,  sein. 


200 


XY.    VoUtUa,  Gebartabnllliebe  Studien. 


Tabelle  IX. 

Deber  BeckenendlageR,  welche  aus  Kopflagen 

hervorgegangen  sind. 


No. 

WicTiah- 

Qeschwllngerte 

and  Alter. 

Termin  and  Befand 

der  ersten 

Üntersachang. 

Termin 

and  Befand 

bei  der 

Gebart. 

BetcbaCen- 

heit 
des  Kindes. 

1. 

Erst- 

Oesobwiingerte. 

20  Jahre. 

IS.M&n.  Erste  Schftdel- 
lage,  HeritSne  links, 
Fomix  missig,  Orif. 
ext.  offen,  Halscanal 

26.Mftral861. 

Eine  erste 

einfache 

Steisslage. 

Mftdchen, 
reif. 

2. 

Erst- 

gescbwftngerte. 

18  Jahre. 

22.0ct.  VerKnderllobe 
erste      ScbKdellage, 
Fornix  schlecht  ent- 
wickelt, Conj.  8Vt". 

4.  Jan.  1868. 

Eine  iweite 

einfache 

Fasslage. 

Knabe, 
reif. 

8. 

Erst- 

geschwttngerte. 

27  Jahre. 

l.Jani.  Erste  Schädel- 
lage, Fomix  massig, 
Heratöne  links,  Ge- 
barte trichter. 

8.  Jani  1869. 

Eine  erete 

einfache 

Steisslage. 

Knabe, 
reif. 

4. 

Dritt- 

gescbwftngerte. 

87  Jahre. 

22.  Jan.    Zweite  Sohft- 
dellage,     Orif.    ext. 
nicht  erreichbar. 

26.  Jan.  1862. 

Erste 

einfache 

Steisslage. 

Knabe, 

reif. 

6. 

Erst- 

geechwängerte. 

42  Jahre. 

20.  April.  Veränderliche 
dchftdellage,  Fornix 
leer. 

16.  Jani.  Schiefläge  in 
Beckenendlage,  Kopf 
rechts  oben,  Fomix 
leer. 

17.  Jttli  1868. 

Erste 

einfache 

SteUelage. 

'^Mädchen, 
reif. 

Xn.  Bezüglich  der  stabilen  Lagen  (s.  Tab.  III. 
und  IV.)  ergaben  sich  bei  der  Geburt  von  de^i  während  der 
Schwangerschaft  gefundenen  Lagen: 

a)  Von  den  ersten  Sch&dellagen 
im  letiten  Monate  der  Sehwangersehaft : 


bei  den  Primiparis  .  .  .  . 

110, 

1,       ,    Maltiparis  .  .  .  . 

98. 

im  Torletaten  Monate: 

bei  den  Primiparis  .  .  .  . 

10. 

„       ,     Maltiparis  .  .  .  . 

18, 

im  drittleislen  Monate: 

bei  den  Primiparis  .  .  . 

«• 

»      »     Maltiparis    .  .  . 

1. 

XY.    ralMla,*eab«rtohQmUhe  Stadien. 


aoi 


b)   Von  den  iweiten  Sob&dellagen 
in  leUteo  SchwangerschaftBoionate: 


bei  den  Primiparis  .  .  . 

.64, 

9       „     Mnitiparis   .  .  . 

.67, 

im  Torletsten  Monate: 

bei  den  Priipiparie  .  .  . 

.11. 

„      f,    Mnltiparis  .  .  . 

.12, 

in  drittletiten  Monate: 

bei  den  Primiparie  .  .  . 

.     2. 

e)  Von  den  ersten  Beckenendlagen 

im  letiten  Monate: 

bei  den  PHmiparis  .  .  . 

.    8. 

i2)  Von  den  iweiten  Gesic 
im  lotsten  Monate: 

ibtslagen 

bei  den  Mnltiparis    .  .  . 

.     1. 

e)  Von  den  Qnerlag 

en 

im  letaten  Monate: 

bei  den  Mnltiparis  .  .  . 

.    1. 

Aus  dieser  Detailöbersicht  ist  die  Tabelle  X.  lusammen- 

gesteni: 

Tabelle  2> 

Allgemeine    suium arische   Zusammenstellung 

der  stabil  gebliebenen 

Lagen. 

Kindeelagon 

Zahl 

wfthrend 

WieTlelt- 

derselben 

der 

Position. 

Oescbwftngerte? 

Lageii 

Schwange  rscbaft. 

bei  der  Geburt. 

/ 

1 

Primipara. 

122 

l 

X. 

Mnltipara. 

112 

Scbädellagen  .  .  } 

2 
*• 

Primipara. 

77 

1 

Mnltipara. 

79 

Geeichtalage    .  .  . 

2. 

Multipara. 

1 

1. 
2. 

Primipara. 
Primipara. 

3 

1 

Qnerlagen 

— 

Mnltipara. 

1 

Wie 


Hieran  lassen  sieb  folgende  Bemerkungen  anknüpfen: 

1.  Was  die  Schädel  lagen  anbelangt,  welcbe 
Punkt  VJL  nachgewiesen  wurde,  an  und  für  sich  die 
stabilsten  Lagen  sind,  so  gehen  bezüglich  der  Stabilität 
auf  weiteres  die  ersten  Scbädellagen  den  zweiten  überhaupt 
im  Ganzen  sowohl  bei  den  Primi  -  als  Hultiparis  vor  —  und 
zwar  erstere  auch  den  letzteren  — ,  dagegen  sind  die  zweiten. 
Scbädellagen  bei  den  Multiparis  etwas  mehr  stabil  als  bei  den 
Primiparis. 

2.  Was  die  übrigen  Lagen  anbelangt,  so  sind  die  Zahlen 
viel  zu  klein,  um  zu  einem  Schlüsse  zu  berechtigen,  nur  mit 


203  XV.    Valenia,  Gebnrtshölfliclie  Studien.    ^ 

Bezugnahme  auf  dieselben  mit  Positionsv<^echsel  (Tab.  VIII.) 
wäre  zu  bemerken ,  dass  bei  den  Primiparis  noch  die  Becken* 
endlagen  relativ  die  meiste  StabiKtät  zeigen. 

K  e  8  a  m  ^.  » 

1.  Im  AUgeweinen  bleiben  die  Kindslagen  häufiger  stabil, 
jedoch  kommen  ah  und  für  sich  Positionswechsel  häufig  genug  vor. 

2.  Aendern  während  der  Schwangerschaft  die  Knaben 
viel  häufiger  ihre  Lage,  als  die  Mädchen,  und  zwar  sowohl 
bei  Erst-  als  Hehrgeschwängerten. 

3.  Kommt  eine  Lageveränderung  des  Fötus  häufiger  bei 
Mehrgeschwängerten  vor,  und  dem^eutsprecbend  bei  den  Erst- 
geschwängerten ebenso  unzweifelhaft  häufiger  die  Stabilität 
der  Kindslage  vor. 

4.  Das  höhere  Lebensalter  ist  dem  Positionswechsel  ge- 
neigter; besonders  bei  Erstgescbwängerten  ist  das  höhere 
Alter  der  Mütter  entschieden  einem  Positionswechsel  iu  den 
letzten  Schwangerschaftswochen  günstig. 

5.  Die  Häufigkeit  des  Positionswechsels  mehrt  sich  mit 
der  Zahl  der  überstandeiien  Schwangerschaften. 

6.  Unter  allen  Lagen  kommt  ein  Positionswechsel  am 
seltensten  bei  Schädellagen,  dagegen  stets  bei  Schieflagen  vor. 

7.  Positionswechsel  sind  desto  häufiger  im  letzten  Quar- 
tale der  Schwangerschaft,  je  entfernter  der  Geburtseintritt 
ist;  —  insbesondere  zeigen  alle  Lagen  ohne  Unterschied  im 
vorletzten  Monate  weniger  Stabilität,  als  im  letzten. 

8.  Das  Vorfinden  eines  leeren  oder  mindest  schlecht 
entwickelten  Fornix  vaginae  mit  oder  ohne  Hydraranios  während 
der  Schwangerschaft  lässt  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  einen 
späteren  Positionswechsel  vermuthen. 

9.  Verengte  Becken  geben  sehr  häufig  zum  Positions- 
wechsel Veranlassung. 

10.  Nabelschnurumschlingungen  sind  Folgen  des  Positions- 
wechsel. 

11.  Eine  zu  kurze  Nabelschnur  scheint  den  Positions- 
wechsel zu  begünstigen. 

12.  Der  Positionswechsel  findet  überhaupt  bei  allen  Lagen 
überwiegend  zu  Gunsten  der  Entstehung  von  ersten  Schädel- 
lagen statt. 

13.  Die  Schädellagen  ändern  zumeist  nur  ihre  Stellung, 
und  zwar  findet  die  Umwandlung  in  Schädellagen  erster  Po- 
sition häufiger  statt. 

14.  Aus  den  Schädellagen  werden  im  Falle  der  Um- 
wandlung fast  immer  Gesichtslagen  derselben  Stellung. 

15.  Aus   Schädellagen   entstehen   auch   Beckenendlagen. 

16.  Die  Gesichtslagen  kommen  häufiger  in  der  Schwanger- 
schaft als  bei  der  Geburt  vor,  selbe  verwandeln  sich  während 


XY.    Faltfüte,  Gebnrtabalfliche  Studien.  303 

der  Schwangerschaft  stets  in  Schädellagen  und  zwar  zumeist 
in  Schädellagen  derselben  Stellung, 

17.  SUmlagen  sind  nur  Uebergangslagen  zwischen  Ge- 
sichts- und  SchSdellagen. 

18.  Die  an  und  für  sich  seltenen  Stirnlagen  kommen, 
eben  weil  sie  Uebergangslagen  sind,  häufiger  während  der 
Schwangerschaft,  als  bei  der  Geburt  vor. 

19.  Die  Beckenendlagen  kommen  an  und  für  sich  auch 
häufiger  während  der  Schwangerschaft,  als  während  der  Geburt  vor. 

20.  Die  Beekenendlagen  verwandeln  sich  fast  stets  durch 
Culbute  (Stürzen)  in  Schädellagen. 

21.  Schieflagen  sind  unbedingt  einem  Positionswechsel 
unterworfen. 

22.  Schief-  und  Querlagen  gehen  meistens  durch  Selbst- 
wendung in  Längsachsen  über. 

23.  Die  Selbstwendung  ist  eine  sehr  häufige  Naturfaülfe. 

24.  Die  Schädellagen  überhaupt,  jedoch  ganz  besonders 
die  ersten  Schädellagen  sind  die  stabilsten  Lagen. 

25.  Ueberhaupt  stellt  sich  bei  jedem  Positionswechsel 
klar  die  Tendenz  zur  naturgemässesten  Geburtslage  —  Schädel- 
lage —  in  der  Hehrzahl  der  Fälle  heraus,  wo  diese  nicht 
erlangt  werden  kann ,  wird  wenigstens  die  demnächst  günstige 
Geburtslage  —  Beckenendlage  —  herbeigeführt. 


Anhang. 

Nachdem  ich  bereits  obigen  Aufsatz  an  die  löbliche  Re- 
daction  dieser  Zeitschrift  eingesendet  hatte,  war  Herr  Prof., 
Cred^  so  freundlich  gewesen,  mir  seine  im  Buchhandlungs- 
wege [nicht  erreichbaren  beiden  Monographien  über  den  Po- 
sitionswechsel des  Fötus  zu  überschicken:  —  ich  sage  es 
unumwunden,  mich  freut  es  jetzt,  dieselben  früher  nicht  gekannt 
zu  haben,  indem  meine  Arbeit  über  diesen  Gegenstand  da- 
durch, dass  selber  unabhängig  und  eigenthümlich  behandelt, 
nebst  anderen  interessanten  Resultaten  ganz  and  gar  Credi*s 
Resultate  bestätigte,  nur  umsomehr  an  Werth  gewonnen 
haben  dürfte.  In  der  That  werden  die  bisher  über  diesen 
Gegenstand  von  vier  verschiedenen  von  einander  unabhängigen 
Seiten  {Credd^  Hecker  ^  Heyer daM  und  mir)  gemachten 
Beobachtungen  einige  irrthümliche  Anschauungen  über  den 
Lagewechsel  des  Fötus  beseitigen. 

Je  mehr  Beweise,  desto  besser  —  dies  der  Grund,  warum 
ich  als  Anhang  ohne  sonstige  Erläuterung  noch  die  Resultate 
der  mir  zur  Verfolgung  stehenden  Fälle  von  an  63  Schwangeren 
wiederholt  vorgenommenen  Untersuchungen  jetzt  veröffentliche ; 
absichtlich  habe  ich  die  Form  der  Cred^scben  Tabellen  bei- 
behalten, weil  ich  diese  Fälle  nur  als  eine  dritte  Serie  seiner 
Beobachtungen  betrachtet  sehen  möchte. 


204 


XV.    VttltiUa,  OebarUhflIfliehe  Stadien. 


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XVI.    SUMn-ündt,  Zwei  StlrDlagen.  200 

XVI. 

Zwei    Stirn  lagen. 

Von 

Dr.  H.  Hildebrandl, 

Privatdocent  in  Königaberg. 

Am  20.  December  1862  wurde  ich  Nachu  zwei  Meilen 
voB  Königsberg  zu  einer  Bauerfrau  gerufefi,  weiche  seit 
12  Sumden  in  den  iebhaftesten  ^ehen  kreisste,  ohne  dass 
di^  Hebamme  einen  Fortgang  der  Geburt  wahmebmen  konnte. 
Die  sehr  rüstige,  kräftige  34jährige  Frau  hatte  bereits  fünf 
Entbindungen  durchaus  leicht  und  glöcklich  bei  regelmässigen 
Kopf  lägen  überstanden,  die  neue  Schwangerschaft  ohne  alle 
Beschwerde  durchgemacht  und  am  19.  December  Mittags  1  Uhr 
nadi  dem  bei  leichten  Wehen  im  Umhergehen  erfolgten  Blasen- 
spninge  das  Bett  aufgesucht.  Danach  waren  die  Wehen 
sebnell  an  Kraft  gewachsen  und  erreichten ,  wie  die  Hebamme 
berichtete,  bald  den  Charakter  schnell  auf  einander  folgender 
Treibwehen,  bei  welchen  jedoch  auf  die,  sonst  so  leichte 
Geburt  des  Kindes  von  Stunde  zu  Stunde  vergeblich  gehofft 
wurde.  Welche  Lage  die  Frucht  zum  Becken  einnahm  ^  war 
der  Hebamme  von  Anfang  an  nicht  möglich  zu  ermitteki 
gewesen.  Die  äussere  Untersuchung  ergab  darüber  auch  keinen 
Aubchluss,  da  die  gegen  Druck  empfindlichen  Wandungen 
des  Uterus  so  sehr  gespannt  und  unnachgiebig  waren,  dass 
nor  gerade  eine  Längslage  der  Frucht  und  zwar  in  der  Mittel* 
faiie  des  Uterus  festgestellt  werden  konnte.  Herzschlag  der 
Fracht  Kess  sich  nirgends  wahrnehmen  und  hatte  die  Frau 
anch  seit  mehreren  Stunden  keine  Bewegungen  derselben  mehr 
wahrgenommen.  Beim  Eingehen  zwischen  den  stark  an- 
geschwollenen Schamlippen  in  die  hdsser  und  mit  dick  serös 
angesdiwollener  Schleimhaut  versehene  Schekle  stiess  der 
Finger  bald  auf  eine  pralle,  glatte  Kindstbeilgeschwulst,  welche 
die  Beckenmitte  einnahm  und  von  so  erheblicher  Dicke  und 
80  bedeutendem  Umfange  war,  dass  es  schwer  hielt,  über 
dieselbe  binaaf  zur  Erforschung  des  Kindstheiles  selbst  zu 
gdangen.    Nur  mit  Mühe  und  unter  lebhaftem  Schmerz  der 

MoaalMelir.  f.O«bart«k.  1866.  Bd.  ZZV.,  Hfl.  8.  14 


aiO  ^VJ.    Mildebrandt,  Zwei  äkirnlagi^ii. 

Kreissenden  erreichte  man  schiiessHch  mit  zwei  Fmgern  der 
Jinken  Hand  an  der  rechten  vorderen  Beckenwand  die  Nasen- 
wurzel und  die  fast  verscbwoiJenen  Nasenlöcher,  Mund  und 
Kinn  nicht.  Hteroach  war  das  Vorliegen  der  Stirn  und  die 
Anwesenheit  der  Kindstheilgeschwulst  auf  dem  rechten  Stirn- 
beine, wahrscheinlich  auch  auf  dem  rechten  Auge  die  noth- 
wendige  Annahme  und  danach  bei  der  constatirten  Erfolg- 
losigkeit der  kräftigen  Wehen  die  Beendigung  der  Geburt  mit 
der  Zange  geboten.  Nachdem  die  Frau  auf  ttin  Querbett 
gebracht  war /legte  ich  die  Zange  im  rechten  schrägen  Durch- 
messer an,  erreichte  einen  festen  Schluss  und  eotwiekelfae 
den  Kopf,  djer  sich  während  der  sehr  kräfligen  von  Wehen 
uAterslötzten  Tractionen  sehr  langsam  mit  der  Zange  in  den 
geraden  Durchmesser  des  Beckenausganges  drehte,  in  folgender 
Weise:  Zuerst  zeigte  sich  zwischen  den  Schamlippen  die 
dunkelblaurothe  Stinigeschwulst  und  das  stark  geschwollene 
rechte  Auge ;  dann  stellte  sich  der  untere  Theil  des  Gesichtes 
an  der  Schambeinfuge  fest  und  es  wälzte  sich  alhnählich  der 
mittlere  Theil  des  Schädels,  dann  das  Hinterhaupt  über  den 
Damm. 

Danach  erst  erschien  unter  dem  Arcus  pubis  Mund  und 
Kinn.  Der  letzte  Act  der  Geburt  verlief  normal  bei  Kräftig- 
kett  des  Uterus.  Das  todte  Kind  männlichen  Geschlechtes 
^<^f  7^/4  Pfund  und  hatte  eine  Länge  von  18  Zoll,  war  also 
nicht   nur  vollständig  ausgetragen,    sondern  besonders  gross. 

fiigenthämlich  aufialiend  war  die  Form  des  bis  zur  Ent- 
stellung lang  gezogenen  und  zusammengedrückten  Kopfes. 
Derselbe  zeigte  sich  in  seinem  vorderen  Theile  besonders 
hoch,  so  dass  der  ganze  Schädel  seine  höchste  Stelle  vom 
Kinn  zur  Stirn  einnahm.  Vom  Kinn  bis  zum  höchsten  Punkte 
der  Stirngeschwulst  war  der  Kopf  ziemlich  platt,  in  seinen 
Flächen  gerade  ansteigend,  während  nach  hinten  zu  die 
Scheitelbeine  ziemlich  steil  abfielen,  so  dass  die  Zuspitzung 
des  Schädels  nicht  wie  bei  den  Hioterfaauptslagen  gegen  den 
hinteren  Theil  des  Schädels,  sondern  gerade  gegen  den  vorderen 
Malthatte.  Das  ziemlich  platte  Gesicht  war  von  bläulicb- 
nother  Färbung,  die  Lippen  stark  geschwöllen,  ihre  Schleim- 
baut dunkelblau,  beinahe  schwarz,  an  der  Oberlippe  eine 
starke  Abschürfung  der  Haut,  der  Alveolarfortsatz  des  Ober- 


XVI.    Hüdebranfit,  Zwei  StirnUgen.  211 

kiefers  eingeknickt.  An  der  plättgedräcktea  Nase  begann 
rMhterseits  nach  dem  Augenwinkel  zu  bereits  die  Kindstheil- 
geschwulst,  welche  sich  über  die  Lidor  des  rechten  etwa« 
TQfgetriebenen  Auges  zur  Stirn  fortsetzte,  wo  sie  die  rechte 
tfäide  vollslnndig  und  noch  über  die  Stirnnaht  hinaus  ein 
kteines  Segment  der  linken  einnahm.  Zog  man  die  ge- 
schwollenen Augenlider  auseinander,  so  sah  man  rings  um 
die  Cornea  eine  dunkelrothe  Biutunterlaufung  der  Conjunctiva 
bolbi.  Das  linke  Stirnbein  war  unter  das  rechte  geschoben, 
beide  Stirnbeine,  sowie  das  Hinterhauptsbein  unter  die 
Scheitelbeine. 

Möge  zunächst  dieser  Fall  als  Anhaltspunkt  zu  einem 
specielleren  Eingehen  auf  die  Eigenthömlichkeiten  der  Stirn- 
lagen dienen: 

Es  war  ein  exquisites  Beispiel  jener  üblen  Lage,  welche 
glöcklicherweise  so  sehr  zu  den  Seltenheiten  zu  rechnen  ist, 
dass  ihr  Vorkommen  unter  ungefähr  2000  Geburtsfallen  nur 
ein  Mai  beobachtet  wird.  So  zählt  Spaeth  unter  14424 
kfioisch  behandelten  Geburten  nur  sieben  bleibende  Stirnlagen, 
also  1  auf  2060;  Hecker  erwähnt  aus  seinem  reichen 
Material  in  der  „Klinik  der  Geburtskunde"'  die  Beobachtung 
nur  eines  Falles;  Hueter  sah  zwei,  Nusser  eine,  v.  Hetty 
aeht  bleibende  Stirnlagen.  Unter  3409  Geburten,  welche 
während  der  letzten  sieben  Jahre  in  den  hiesigen  klinischen 
Anstalten  zur  Beobachtung  kamen,  war  jener  oben  beschriebene 
Fall  der  einzige  von  einer  bleibenden  Stirnlage.  Inwieweit 
ein  zweiter  hierher  gehört,  durfte  später  aus  der  weiter  unten 
2u  gebenden  Beschreibung  desselben  hervorgehen. 

Dieser  Seltenheit  des  Vorkommens  der  genannten  Lage 
ist  es  wohl  zuzuschreiben ,  dass  nur  wenige  Autoren  der- 
selben eingehend  Erwähnung  thun ,  dass  die  meisten  sie  kurz 
unter  den  Gesichtslagen  abhandeln ,  mit  denen  sie  für  gleich- 
bedeotenri  erachtet  werden  soll,  während  meines  Wissens 
Bar  Scanxonif  Hueter^  Nusser ^  Spaeth,  v.  Heäy  und 
wagTiiügA  Hecker  die  Stimlagen  als  eigenthnmliche ,  in  ihrem 
Veriaafe  charakteristische  und  wegen  ihrer  üblen  Prognose 
vicjilige  Kopflagen  einer  eingehenden  Beobachtung  würdigen. 

Naefa  der  ausfahrlichen  Schilderung  des  Geburtsmecha- 
der   Slirnlagen  v.   Helly'f,  stellt   sich   der   Kopf  im 

14* 


212  XVI.    midehrandty  ^w«!  StirnUf^ett. 

Beckeoeingange  stets  mit  der  Pfeilnaht  in  den  Querdurch* 
messer  und  soll  daher  die  Annahme  Hueter*»  und  Buech'% 
von  vier  primären  Stimlagen ,  welche  in  analoger  Weise ,  wie 
die  Hinterhauptslagen  nach  den  schrägen  Dnrchmedsem  ge« 
richtet  seien,  für  unrichtig  zu  erachten  sein. 

Wie  weit  der  eine  oder  der  andere  der  genannten  Autoren 
Recht  hat,  ist  nur  zu  ermitteln,  wenn  man  sich  über  den 
Zeitpunkt  einigt,  von  welchem  an  man  eine  Lage  wirklieh 
zu  den  Stirnlagen  rechnen  darf.  t;.  HeUy  wählt  diesen  Zeit-* 
punkt  erst  nach  erfolgtem  Blasensprunge,  nach  fester  Ein- 
stellung des  Kopfes  in  den  Beckeneingang,  nach  kräftiger 
directer  Einwirkung  der  Uternscontraction  auf  Lage  und 
Haltung  des  Fötus.  —9  Busch  dagegen  und  Hueter  tbeilen 
die  Slirnlagen  ein  je  nach  der  Art,  wie  sie  die  Stellung  des 
Kopfes  vor  seiner  Fixirung  bei  einer  früheren  Untersuchung 
im  Beginn  der  Geburt  gefunden  haben.  So  sehr  viel  präciser 
dieses  Verfahren  auch  zu  sein  scheint,  so  muss  es  doch  dei* 
Auflassung  Helly^s  durchaus  hintangesetzt  werden.  Kann  man 
auch  nicht  leugnen,  dass  es  bei  auftnerksamer  Untersuchung 
wahrend  der  ersten  Stadien  der  Geburt  nicht  selten  gelingt, 
bei  vorliegender  Stirn  das  Gesicht  ein  wenig  mehr  der  einen 
oder  anderen  Synchondrosis  sacroiliaca  oder,  was  sehr  viel 
weniger  oft  vorzukommen  scheint,  dem  einen  oder  anderen 
horizontalen  Schambeinaste  zugeneigt  zu  finden,  so  geben 
diese  Verhaltnisse  doch  noch  nicht  die  Berechtigung ,  zu  dieser ' 
Zeit  schon  von  einer  Stirnlage  zu  sprechen.  —  Bekanntlich 
gehen  die  vorwiegend  meisten  dieser  Lagen,  je  najchdem  die 
Schwere  des  Rumpfes  mehr  auf  den  vorderen  oder  mehr  auf 
den  hinteren  Halbkreis  des  Foramen  occipitale  des  Fötus 
wirkt,  entweder  in  Gesichtslagen  oder  Scheitellagen  Aber. 
Und  zwar  scheint  der  Zeitraum,  in  welchem  diese  die  Lage 
rectificirenden  Drehungen  um  den  Quermesser  des  Kopfes 
erfolgen  können,  ein  ziemlich  umfangreicher  zu  sein,  da  der 
Kopf,  besonders  bei  Complication  mit  Beckenenge  auffallend 
lange  einen  sehr  hohen  Stand  und  grosse  Beweglichkeit  behält 
So  sah  ich  in  einem  Falle,  in  welchem  gleich  beim  Beginne 
der  Wehen  der  Blasensprung  erfolgt  war  und  bei  Anwesenheit 
von  Beckenenge  aus  einer  bestehenden  Schiefläge  der  Frucht 
mit  nach  links  ausgewichenem  Kopfe   allmälig  eine  Stimkige 


XVI.    Hüdebrandt,  Zw«i.Stirn]agan.  21$ 

nit  nach  rechts  und  ein  wenig  nach  hinten  gerichteter  Nasen- 
wurzel entstand,  erst  14  Stunden  nach  Abgang  des  Wassers 
und  6  Stunden  nach  vollständiger  Eröffnung  des  Muttermundes, 
diese  Stimlage  in  Scheileliage  mit  nach  Torn  und  links  ge- 
wandtem Uinterhaupte  ühergehen.  Aus  einer  Sürnlege,  die 
bei  der  Wendung  auf  den  Kopf  wegen  Frucht^hieflage  nach 
links  imbeabsiGhligt  hervorgerufen  war,  trat  erst  6  Stunden 
nach  Ausführung  der  genannten  Operation  das  nach  hinten 
nnd  rechts  gewandte  Hinterhaupt  tiefer  herab,  so  dass  eine 
zweite  Naegde'sche  Scheitellage  entstand,  welche  schnell 
ihren  gewöhnlichen  Mechanismus  durchmachte.  Bei  einer 
GMichtslage  mit  nach  rechts  und  ein  wenig  nach  hinten  ge- 
richtetem Kinne  war  die  Beweglickeit  des  Kopfes  so  gross, 
dass  noch  2  Stunden  nach  dem  bei  vollständiger  Eröffnung 
des  Motterraundes  erfolgten  Blasensprunge  die  Stirn  zur  Vor- 
lageriiDg  kam,  Kinn  und  Mund  dem  untersuchenden  Finger 
Terschwanden ,  als  die  Kreissende  gegen  die  g<|troffene  Au- 
Ordnung  aus  der  rechten  Seitenlage  sich  in  die  Unke  begeben 
hatte,  während  gleich  darauf,  als  wieder  rechte  Seitenlage 
angenommen  war,  das  Gesicht  bis  zum  Kinn  herabtrat.  In 
einem  vierten  Falle,  in  weichem  die  Stirnlage  schon  vor  er- 
folgtem Blasensprunge  erkannt  war,  wurde  die  Nasenwurzel 
nach  Abfluss  des  Fruchtwassers  nach  der  rechten  Synohondr. 
sacroil.,  die  Stirn  vorliegend  gefunden,  die  dann,  unter  all- 
mätig  tieferem  Uerabtreten  des  Kinnes  an  der  hinteren  Becken- 
wand, sich  vorne  erhob,  so  dass  5  Stunden  nach  dem 
Blasensprunge  die  Umwandlung  in  eine  Gesichtslage  mit  nach 
rechts  gerichtetem  Kinn  vollendet  war.  Die  grosse,  lange 
und  bmte  Fläche,  mit  welcher  der  Kopf  bei  Stirnlagen  zur 
Verlagerung  kommt,  erschwert  offenbar  aufs  Aeusserste  seine 
schnelle  Einstellung  und  erhält  ihm  eine  auffallende  Beweglich- 
keit, welche  noch  spät  die  Rectificirung  der  Lage  beim  Ein- 
treten kräftigerer  Wehen  möglich  macht.  —  Diese  Beispiele, 
denen  zahlreiche  aus  der  Literatur  der  Gesichtslagen  angereiht 
werden  könnten,  beweisen,  wie  die  Lage  des  Kopfes,  bei 
welcher  die  Stirn  der  nach  abwärts  gerichtete  Theil  ist,  noch 
lasge  Zeit,  nachdem  eine  genaue  Ermittelung  der  Fruchtlage 
durch  die  Untersuchung  möghch  gewesen,  nämlich  so  lange 
als  eine  wandelbare,   unbestimmte  anzusehen  ist,   als  noch 


814  XVI.    HOdehrandt,  Zwei  StirDlagreo. 

keiDe  Fixirung  auf  dem  Beckeneiogaoge  slaUgefundea  bat,  dads 
also  der  Begion  des  MechaDismus  der  Sürolagen  erst  in  den 
Augenblicke   gerechnet   werden   kann,  in  welchem  der  Kopf 
sich  feststellt.     Letzteres  geschieht  aber  ausnahmslos  in  der 
Art,   dass  die   Stirnnaht   im   Querdurchmesser   des   Beckens 
verläuft,  der  quere  Durchmesser  der  Stirn  milhin  dem  geraden 
Durchmesser  des  Beckens  entspricht;  und  es  findet  somit  das 
analoge   Verhältniss,    wie  bei   den   Gesicbtsiagen    statt,    mit 
welchen  die  Stirnlage  auch  die  Uebereinstinuuuog  zu  haben 
scheint,  dass  vorwiegend  oft  die  Gesichtsfläche  nach  der  rechten 
Hutterseite   gekehrt  ist.      Im   weiteren   Verlaufe   der   Geburt 
dreht   sich    dann    der   Kopf  aus    dem    queren   durch    einen 
schrägen    in   den    geraden    Durchmesser,    so    dass  also    die 
Gesichtsfläche   von   rechts   nach  links   oder  von    links    nach 
rechts,  je  nach  der  primären  Stellung  des  Kopfes,   bis  zur 
Symph.  oss.  pubis  im  Viertelkreise  berumrückt,  während  gleidi- 
zeitig  der  Hinterkopf  in  die  Aushöhlung   des  Kreuzbeines  zu 
liegen  kommL    Bei  dem  Erscheinen  der  Stirn  in  der  SchaoH 
spalte   sind    dann   nothwendig    Nase    und   Oberlippe   an    die 
hintere   Wand  der  Symph.   oss.   pubis  angepresst,  während 
die  Pfeilnaht  dem  senkrechten  Durchmesser,  des  Kreuzbeines 
gerade  gegenüberliegt.    Seine  nächste  Drehung,  um  den  queren 
Durchmesser,  macht  der  Kopf  nun  in  der  Weise  durch,  dass, 
indem   sich  der  Oberkiefer  an   der  Symph.  oss.  pubis  fest* 
stemmt,    der   Schädel,    diesen   Punkt   als   Umdrebungspiinkt 
benutzend,  aus  der  Scbamspalte  hervorrollt  und  zwar  so,  dass 
zunächst  der  vordere  Band  der  Scheitelbeine ,  dann  diese  selbst 
und    schliesslich    das    Hinterhaupt    über  den   Damm   treten. 
Dann   erst  macht  der  Kopf  seine  letzte  Drehung  und  zwar 
in  umgekehrter  Richtung,  wie  eben  vorher,  indem  Oberkieler, 
Mund  und  Kinn  unter  dem  Arcus  pubis  zum  Vorschein  kommen. 
Andere  Drehungen,  als  die  genannten,  welche  den  durchaus 
gewöhnlichen  Mechanismus  der  Stiitilagen  darstellen ,  kommen 
nicht  vor,  und  sind  die  von  Busch  in  seiner  E^ntheilung  der 
Stirnlagen  angegebenen   mit  dem  Gesiebt  nach  hinten  rechts 
und  hinten   links,   welche   eben  so  wie  die   entsprechenden 
Gesichtslagen    die    Geburt    unmöglich    machen    würden,    nie 
beobachtet  worden.    Als  Abweichung   von  dem  gewöhnliolien 
Mechanismus  ist  dagegen  das  nicht  seltene  Ausbleiben  jeder 


XVh    Südehrmnät,  ;&wei  SiirnlagsD.  315 

Drebrag  zu  betraebteu,  wekhes  Hueter  diireh  Ae.  Aavresen- 
beii  eioer  mehr  quer  ovalen  Form  des  Beekens  zu  erklären 
socbi.  Der  Kopf  irilt  dann  mit  seinem  Ikigsten  Durcfamesfier 
quer  bis  auf  deu  Beekeoboden;  das  eine  Sürnbein  stemmt 
sieb  unter  dem  Scboossbogen  an  und  das  Hinterhaupt,  welches 
aber  den  Damm  rollen  sollte,  kommt  an  der  eipen  Scham^ 
lippe^  das  Gesicht,  welches  sonst  unter  dem  Arcus  pid>is 
erscheint,  tritt  an  der  anderen  Schamlippe  hervor. 

Die  Geburt  möge  nun  in  der  einen  oder  anderen  Weise  er* 
folgen,  immer  ist  sie  so  ungemein  erschwert,  dass  die  Gefahr 
für  das  Leben  des  Kindes,  aber  auch  der  Mutter  in  jedem  FaUc 
erheblich  ist.  Vergleicht  man  die  Länge  der  Durchmesser, 
mit  denen  «n  gutgeformter  Kindsschädel  sich  hei  Stimlage 
zum  Beckeneingange  stellt ,  mit  den  Durchmessern  des  letztereil 
an  einem  woblgeformten  weiblidien  Becken ,  so  sieht  man, 
wie  im  Beckeneingange  bei  der  queren  Einstellung  der  Schädel 
nur  gerade  Platz  findet.  Der  schmale  bitemporale  Durch-* 
messer  desselben  steht  zwischen  Promontorium  und  Symph. 
oss.  pub. ,  die  kleinere  Gesichtshälfte  des  Kopfes  liegt  frei  in 
der  einen -wetten  seitlichen  Beckenhälfte,  der  brdteste  qoare 
Durchmesser  des  Kopfes,  der  biparielale,  füllt  gerade  die 
weiteste  Stelle  der  anderen  aus,  während  deijenige  allein  in 
Betracht  zu  ziehende  Längsdurcbmesser  des  Kopfes,'  welcher 
beim  Eintreten  in  den  Beckeneingang  jederseits  an  die  seit-* 
liehen  Beökenwände  herantritt,  vom  freien  Rande  des  Alveolar* 
forCsatzes  des  Oberkiefers  bis  zur  kleinen  Fontanelle  reicht 
and  för  den  queren  Durchmesser  des  Beckeneinganges  nur 
gerade  nicht  zu  lang  ist.  Bei  mittelgrossen  Frftditen  und 
einem  normalweiten  Becken  wird  daher  anfangs  für  die  Geburt 
kaum  ein  Hindemiss  entstehen;  nur  die  grosse  breite  Fläcbe, 
mit  welcher  der  Schädel  sich  vorlagert,  verzögert  die  feste 
Einstellung  desselben  oft  unverhältnissmässig  lange,  Sobald  aber 
der  Schädel  in  tiefere  Stellen  des  Beckens  einrückt,  treten 
Hindernisse  auf,  und  steigern  sich  die  Widerstände  durch  die 
sid)  verkleinernden  Beckenräume  Schritt  für  Schritt  und  finden 
isten  Gtthninationspunkt  im  Beckenausgange,  wo  der  gerade 
Durchmesser  des  Kopfes  für  den  geraden  Beckendurchmesser 
selbst  bei  v(rilständigem  Zuräcktreten  des  Steissbeines  bei 
zu  gross  ist 


216  ^VI.   ffüdehrtmdt,  Zwei  Stimlagen. 

Es  finden  hier  also  im  normrien  Beek«ii  und  bei  norauier 
Kopfbildung  analoge  Verbällnisse  statt,  wie  beim  Durobtreten 
eines  normalen  Scbädels  durcb  ein  allgemein  zu  enges  Becken : 
Widerstände  in  allen  Beckenregionen  und  immer  zunehmende 
Steigerung  derselben  bis  gegen  den  Ausgang  bin.  Es  darf' 
daher  auch«  nicht  überraschen,  dass  hier  wie  dort  an  dem 
Schädel  auffallende  Formveränderungen,  ja  mitunter  tiefgehende 
Verletzungen  stattfinden^  die  nur  dadurch  Modifloationen  er- 
leiden, dass  der  zu  tiefstgelegene  Theil  in  dem  einen  Fall 
das  Hinterhaupt,  in  dem  anderen  die  Stirn  gewesen  ist. 
Jedenfalls  spitzt  sich  der  Schädel  in  der  Richtung  nach  dem 
am  tiefsten  liegenden  Theile  allmälig  mehr  und  mehr  zu,  und 
wir  erhalten  beim  allgemein  zu  engen  Becken  den  gegen  das 
Hinlerhaupt  zu  auf's  Aeusserste  langgezogenen,  in  seinen 
senkrechten  Durchmessern  abgeflachten,  durch  die  nodi  hinzu- 
gekommene Kopfgeschwulst  einem  Doppelkopfe  ähnliche  Form, 
an  der  die  Abplattung  der  Scheitelbeine,  die  ergiebigste  Ver*- 
schiebung  der  gesammten  Kopfknoclien,  die  durchaus  nicht 
selten  vorkommenden  Eindrucke  und  Fracturen  an  den  Stirn- 
beinen die  Hindernisse  kennzeichnen,  denen  der  Schädel  bei 
seinem  Durchtritt  durch  das  Becken  hat  nachgeben  müssen. 
Bei  dem  in  Stünlage  geborenen  Kopfe  finden  wir  ebenfalls 
die  auf  Kosten  der  abgeplatteten  Scheitelbeine  langgezogene 
Form,  nur  mit  der  dem  Kopfe  eine  eigenlfaömlielie  Physiognomie 
zoertheikinden  Zuspitzung  nach  der  Stime  zu,  dieselben  hoch- 
gradigen Verschiebungen  der  Kopfknochen,  ebenfalls  nicht 
selten  Fracturen,  oft  Sugillationen  und  Abschürfungen  der 
am  meisten  dem  Drucke  exponirten  Hautstellen.  Diese  Form* 
Veränderungen  des  Schädels  können  nicht  ausbleiben,  wenn 
nicht,  was  äusserst  selten  und  nur  bei  kleinen  nachgiebigen 
Schädehi  der  Fall  ist,  noch  nachträglicli  eine  Drehung  tM 
im  Becken  zur  Umwandlung  in  eine  Scheitellage  fuhrt.  Sie 
sind  stets,  selbst  bei  kleinen  Früchten  als  Folge  der  Stimlage 
beobachtet,  geben  für  mittelgrosse  Früchte  bei  normalem 
Becken  die  einzige  Möglichkeit  zu  einer  wirklich  erfolgenden 
Geburt,  während  bei  besonders  grossem  Schädel  oder  bei 
verengtem  Becken  auch  dieser  Ausweg  der  Natur  nicht  mdir 
ausreicht  und  die  Geburt  gerade  wie  bei  dem  in  allen  Di- 
mensionen verengten  Becken  nicht  anders  als  nach  voran- 


XVI.    Bildehrtnuit,  Zwet  StirnUp«!».  217 

gesehickler  Zertrumtiierung  des  Schädels  erfo^en  kans.  In 
jedem  FaBe  miiss  bei  der  selir  umfangreichen  Aecomniodatian, 
die  dem  Schadd  zugemttlbel  wird,  durch  den  sowohl  allseitig 
als  auch  an  einzelnen  Steilen  ganz  besonders  stark  erfolgenden 
Druck  auf  das  Gehirn  frJ)bzeitig  Gefahr  för  das  Leben  der 
Frucht  eintreten,  welche  dem  Untersuchenden  sich  zunächst 
und  meist  lange  Zeit  vor  dem  Ende  def  Geburt  durch  das 
Erscheinen  einer  auffallend  grossen  Kopfgeschwulst  ankündigt, 
im  weiteren  Verlaufe  aber  durch  folgende  unausbleibliche  Um- 
stände bedingt  wird:  vornehmlich  durch  den  enormen  Kräfte- 
aufwand  des  Uterus,  dessen  Folge  nothwendig  Behinderung 
in  der  fötalen  Circulation  sein  rtiuss,  ferner  durch  die  an- 
dauernde Streckung  der  vorderen  Parthien  des  Halses,  welche 
hemmend  auf  die  freie  Circulation  in  den  Halsgefassen  wirken 
muss.  Zieht  man  aber  hoch  die  lange  Zeitdauer  der  Geburt 
in  Betracht,  welche  in  den  bis  jetzt  beschriebenen  Fällen 
zwischen  6  Stunden  und  40  Stunden  schwankt  und  deren 
mitunter  grösserer  Theil  dem  Austretungsstadium  mit  seineu 
in  jeder  Wehe  sich  steigernden  Gefahren  angehört ,  so  darf 
es  fiidit  aoffallen,  dass  der  Ausgang  der  Geburt  in  den  meisten 
Fällen  dereelbe  ist,  wie  in  dem  oben  beschriebenen,  dasd 
Dämlieh  die  Kinder  todt  zur  Welt  kommen. 

Unter  20  Beobachtungen  ist  der  Ausgang  fAr  das  Kind: 
11  Mal  mit  dem' Tode;  9  Mal  för  das  Kind  momentan  gluck- 
lidi;  ob  aber  das  Leben  in  den  ersten  Wochen  erhaflten 
geblieben,  ist  aus  den  Geburtsgesehichten   nicht  zu  ersehen. 

Nur  12  von  20  Frachten  kamen  ohne  KunsthOife  zur 
Welt,  mid  unter  ihnen  befanden  sich  manche  frühzeitige,  kleine, 
deren  Gewicht  meist  nicht  über,  oft  unter  6  Pfund  gefanden 
wurde. 

Vier  Fälle  wurden  mit  der  Zange,  vier  Fälle  durch  die 
Perforation  mit  nachfolgender  Anwendung  der  Zange,  respi 
der  Kephalotribe  beendet. 

Hiermit  muss  die  Prognose  fOr  chis  Leben  des  Kindes 
scMeclit  genannt  werden.  Erwägt  man  aber  scbliesshch,  dass 
auch  die  Prognose  für  das  Wodienbett  sich  in  einer  be- 
merkenswerthen  Abhängigkeit  von  der  Länge  der  Dauer,  sowie 
von  der  Schwere  der  Geburt  befindet,  und  dass  bei  Raun»- 
beschränk  ungen,    welche  eine    so    enorme   Coinpression   des 


318  XVI.    midebrandt,  Zwei  StfrnUj^eii. 

SchäcWs  herrorrufen,  wie  oben  beschriebeß ,  nolhwendig  aoob 
eine  dem  entsprechende  Qaetschung  der  üVeichltieile  der 
fieckenhöhle  stattfindet,  so  sind  die  Stirnlagen  wobt  auch  lOr 
die  Mutter  mit  Rocht  an  sieb  als  gefahrbringend  anzusehen. 

Mustert  man  aber  die  Therapie,  welche  allen  diesen 
üblen  Umständen  gegenüber  bei  den  Slirulagen  in  Anwendung 
gezogen  wird,  so  muss  man  in  der  That  bedauern,  wie  wenig 
auf  diesem  Gebiete  bis  jetzt  die  Hülfe  des  Arztes  zur  Er- 
haltung des  Kindeslebens  und  zur  geringeren  Gefährdung  der 
Mutter  geleistet  hat 

Die  Hülfsmitlel,  welche  in  den  oben  citirten  Fällen  von 
den  Berichterstattern  in  Anwendung  gezogen  wurden,  sind 
folgende : 

1.  Regelung  und  künstliche  Verstärkung  der  Wehen  durch 
innere  Mittel. 

2.  Anwendung  der  Zange. 

3.  Anbohrung  des  Schädels, 

4.  Wendung  der  noch  beweglichen  Frucht  auf  einen  Fuss. 
Wie  sehr  auch  Di<^enigen ,  welche  von  einem  frühzeitigen 

Operiren  mit  der  ZaDge  abrathen.  Recht  halten,  wenn  sie 
vor  Allem  dahin  trachten,  eine  gleichmässige  alloiälig  sich 
steigernde  Wehenthätigkeit  zu  erzielen  und  dieselbe  durch 
geeignete  Mittel  unterstützen  und  antreilH*n,  weil  so  der  Kinds* 
köpf  bei  alliuäliger  und  günstigster  Accommodation  am  wenigsten 
verletzt,  die  weiblichen  Geschlechtstheile  am  sichersten  for 
Quetschungen  und  Zerreissungen  geschützt  werden,  so  geht 
tloch  aus  dem  oben  über  die  Zeitdauer  spontan  verlaufender 
Geburten,  über  die  Veränderungen,  welche  der  Sclildel  wahreod 
derselben  erleitlet  und  aus  den  diesen  beiden  Umständen  ent«- 
spriessenden  Folgen  zur  Genüge  hervor,  wie  wenig  in  den 
meisten  Fällen  durch  eine  energisch  wirkende  Wehenkratt  für 
die  Erhallung  des  kindlichen  Lehens  gewonnen  wird.  Es 
wurden  von  20  Fällen  nur  12  durch  die  Kräfte  der  Natur 
beendet,  meist  bei  besonderer  Nachgiebigkeit  kleiner  sehr  ac- 
commodationsfShiger  Schädel;  und  selbst  in  diesen  kam  nicht 
ein  Mal  die  Hälfte  der  Kinder  lebend  zur  Welt.  In  8  FäUeii 
v«B  20  musste  operirl  werden,  4  Mal  mit  der  Zange,  4  Mal 
mit  dein  Perforalorium. 


XVI.    Hüdebratidt,  Zw«i  StlrnUgen.  ^9 

Diese  beidon  Operattonen  aber  können  nur  bI$  ein 
scUecbler  oder  weoigBtens  äusserst  mangelhafter  NoÜibebßU 
aageseben  werden,  wie  dies  für  die  P(»*foratMn  von  aelbai 
erbeUt,  für  die  Zange  aber  näher  erartert  werden  s^:  Die 
Zange  darf  überhaupt  nur  dann  bei  Stirnlagen  in  Anwendung 
kemmen,  wenn  der  Kopf  bereits  bis  zum  Beckenausgaoge 
berabgetretea  ist  Dann  sieht  derselbe  aiemlich  regelmässig 
mit  dem  Gesiebt  nach  Torne  gekehrt,  so  dass  die  Blfitler  an 
seine  Seitentheile  angelegt  werden  können ;  dann  ist  die  Ver- 
seUebufig  der  Knochen,  die  Zuformung  des  ganzen  Schädels 
bereits  in  der  erforderlichen  Weise  erfolgt  und  wenn  man 
vorsichtig  c^erirt  und  den  Modus  des  Zuges  anwendet,  dass 
man  die  Griffe  zunächst  stark  senkt,  bis  der  Oberkiefer  Mfa 
an  der  Syroph.  os.  pub.  feststenunt,  dann  hebt,  bis  das 
Hinterhaupt  geboren  ist,  und  scUiesslidi  wieder  senkt,  bis 
das  Kinn  unter  dem  Arcus  pubis  hervorgekoDMBen  ist,  darf 
man  wenigstens  darauf  reebnen,  der  Mutter  keinenf  Nachlheil 
zHznfögen,  da  bei  langsamem  Operiren  selbst  eine  Beschä« 
digung  des  Perinlums  zu  vermeiden  ist,  wie  ich  bei  der 
Geburt  des  recht  mnfangreicben  Kopfes  in  dem  oben  be- 
sebfiebenen  Palte  gesehen  habe.  Zur  Rettung  des  Kind««* 
lebens  wird  man  aber  damit^  im  Ganzen  nur  selten  etwas 
genntst  haben.  Wo  die  Frudit  bis  aui  den  Beckenboden 
herabgetreten  \  ist,  hat  sie  meist  so  lange  Zeit  unter  dem 
Drucke  der  Beckenwände  und  des  Uterus  gestanden,  dass  ihr 
Leben  meist  schon  vor  Beginn  der  Operation  erloschen  ist 
oder  der  letzte  I^b^sfunken  während  derselben  eriisdit» 
Wenn  trotzdem  in  einem  Falle  von  Eeüy  und  in  einem 
anderen  von  Heeker  durch  die  Zange  ein  lebendes  Kind 
extrahirt  wurde,  so  darf  nicht  unberücksichtigt  bleiben,  dass 
das  Kind ,  welches  Helly  am  Leben  erhielt  nur  5  Pfd.  22  lAh, 
wog,  die  Geburt  in  einem  „weiten  Becken""  erfolgte,  während 
Hecker^s  Fall,  in  welchem  das  6%  Pfund  schwere  Kind 
lief  acheintodt  zur  Welt  kam,  aber  belebt  wurde  und  leben 
blieb,  als  ein  beroerkenswertbes  Unicum  anerkannt  ist.  Die 
Fraa,  bei  welcher  ich  die  Zange,  anlegte,  l»atte  ein  gut* 
geformtes  Becken,  aber  die  7%  Pfund  schwere  Frucht  war 
bereits  mehrere  Stnnden  vor  Beendigung  der  Geburt  ab* 
geslerben. 


230  X^I*    midebrmidt,  Zwei  8tirt)U|res. 

Wollte  man  aber  die  Zange  immer  gleich  in  Anwenduug 
bringen,  sobald  aus  einer  Vei*änderung  des  Het^sschiages 
Besorgnisse  för  die  Erhaltung  des  Kindes  erstehen ,  so  mos«!« 
dies  meist  schon  bei  einem  reeht  hohen  Staude  des  Ko|»res 
gesoheben,  da  die  das  kindliche  Leben  getihrdeoden  Zustände, 
Gebimcompression  und  Girculationssl^irungen,  meist  nicht 
sehr  lange  darauf  eintreten  müssen,  nachdem  der  Kopf  in  dem 
BeckeneingaBge  festgestellt  ist.  Hier  befindet  sioh  der  Kinds*- 
schädig  aber  unter  Bedingungen,  welche  die  Anwendung  der 
Zang«  nicht  nur  zu  den  gewagtesten  UnternehmuBgen  machen, 
sondern  dieselbe  geradezu  contraindieiren.  Solange  der  Kopf 
noch  in  der  oberen  Apertur,  also,  dem  sich  stets  gleich* 
MeS)enden  Mechanismus  gemäss,  mit  der  Stirn-  und  Pfeii*- 
nabt  im  Querdurohmesser  des  Beckens  steht,  würde  die  Zange 
sowohl  durch  Druck  als  auch  durch  Zug  schädlich  wirken. 
Sie  könnte  nur  über  das  Gesiebt  einerseits  und  das  Hinter«- 
baupt  anderseits  angelegt  werden,  würde  also  bei  gering^i 
Diiick  gleiten,  bei  starkem  Druck  das  Gesicht  verletzen.  Man 
wäre  ferner  genöthigt,  mit  sehr  kräftigen  Zügen  zu  operireo, 
könnte  dabei  aber  Quetschungen  und  Durcbfeibufigen  der 
nraUerlichen  Genitalien  kaum  vermeiden.  Das  Kind  jedodi 
würde  nothwendig  fast  regelmässig  sein  Leben  einbüasen, 
weil  die  Zange  jene  Zuformung  des  Schädels,  <Ade  wdche 
die  Geburt  unmöglich  ist,  zu  schnell  und  dahär  nicht  in  so 
schonender,  allmäliger,  gleichmässiger  Weise  herbeifulirt,  als 
dies  bei  dem  sich  selbst  überlassenen  GeburtsTerlaufe  zu 
geschehen  pflegt.  Da  aber  bekanntlich  das  Gehirn  einen  sioh 
gam  allmälig  steigernden  allseitigen  Druck  sehr  viel  eher 
erduldet,  als  einen  plötzlich  stark  eintretenden,  so  leudHet 
ein,  dass  die  Zange  hier  nicht  mehr  ihre  Aufgabe  erfüllt,  ein 
unschädliches  Werkzeug  in  der  Hand  des  Arztes  zu  sein.  — 
Bei  dem  hohen  Stande  der  Stirnlage  sollte  man  daher  nie 
die  Zange  in  Anwendung  ziehen,  sondern  bei  lebendem  Kinde 
abwarten,  bis  der  Kopf  sich  tiefer  und  günstiger  einstellt, 
bei  abgestorbenem  Kinde  perforiren. 

Indem  man  diese  wenig  günstigen  Erfeige  einer  kräftigen 
Wehentbätigkeit  und  die  geringe  Anwendbarkeit  der  Zange 
anerkannte«  glaubte  man  in  der  Wendung  auf  einen  Puss 
das  radicale  Mittel  gefunden  zu  haben,  um  den  meisten  üblen 


XVI.    MüdAr^mdt,  Zwei  Btlrolaig:««.  ggl 

ETefitualttäten  au«  deMi  Wege  2U  gBhen.  Wenn  aber  aiidi 
niobt  geleugnet  mrden  kann,  das«  im  AUgemeinen  dar«k 
Beckenendlagen  nieht  so  viele  Kinder  za  Grunde  geheii  als 
dttpch  die  Missatiinde,  weldhe  die  Stirnlagen  verarsachen,  ao 
ist  in  der  Behandlung  mit  der  Wendung  auf  einen  Fuaa 
dennoob  der  praktisch  verwerthbare  Ausweg  nielit  gefundea 
worden.  Wenn  diese  Operation  als  lebensrettende  auftreten 
soll,  so  muss  sie  bei  stehendem  Wasser  und  vollständig  er^ 
öffhetem  Muttermunde  gemechl  werden.  Wollte  man  dieselbe 
erst  dann  unternehmen,  wenn  man  eine  Zeit  lang  nach  er- 
folgtem Blasenspmnge  vergeblich  die  UmwanAung  der  Stirn^ 
läge  in  eine  Gesichtslage  oder  Hinlerhauptslage  abgewartet 
und  dem  Kopfe  Zeit  zur  Einstellung  in  den  Beekeneii^ang 
gegeben  hat,  so  würde  man  den  Hauptzweck,  den  der  I#ebens<- 
rettung  verfehlen,  oft  auf  unüberwindliche  Hindernisse  s408sea 
Man  müsste  also  sehr  frühzeitig  zu  dersdhen  schreiten ,  wird 
sieb  dann  aber  wohl  von  der  Bedenklichkeit  des  Uniemehmens 
aus  anderen  Gründen  nicht  frei  machen  können.  Hat  man 
die  Diagnose  bei  noch  stehender  Frucbtblase  gestellt  und  hat 
der  Muttermund  die  zur  Durchführung  der  Hand  erforderliche 
Weite,  so  stehen  allerdings  der  Wendung  auf  einen  Fuss 
Schwierigkeiten  nicht  im  Wege.  Ich  selbst  habe  sie  unter 
diesen  Verhilltnissen  in  einem  FaUe  in  der  hiesigen  Klinik  mit 
durchaus  glücklichem  Ausgange  für  Mutter  und  Kind  aus* 
geführt,  danach  aber  den  lebhaften  Zweifiel  gehabt,  den  im 
gleichen  Falle  und  m^r  noch,  wenn  das  Kind  in  Folge  der 
Wendung  abstirbt,  wohl  Jeder  empfinden  würde,  ob  man 
auch  so  irübzeitig  einzugreifen  befugt  gewesen  und  ob  es 
nicht ,  bevor  Mntt^  und  Kind  der  immer  nicht  gleichgültigen 
Operation  der  Wendung  ausgesetzt  wurde,  gewiasenbafter 
gewesen  wäre,  ^ei  der  Veränderlichkeit  der'  Stimlagen  die 
Umwandlung  in  Gesichts-  oder  Scbeitellage  abzuwarten. 

Meistens  aber  verhindern  die  Umstände  bei  der  Geburt, 
dass  man  in  ein  solches  Dilemma  gelangt.  Einestbeils  darf 
die  Diagnose  der  Stimlagen  vor  abgeflossenem  Fruchtwasser 
wegen  des  hohen  Ko|rfstandes  im  Ganzen  zu  den  Selten- 
heiten gezahlt  werden;  anderentheils  aber  findet,  wie  aus  den 
bisher  bescbnebenen  Fällen  hervorgeht,  so  häufig  ein  früh* 
zeitiger  Abgang  des  Fruchtwassers  statt,  dass  die  Verkleinerung 


SS3  ^VI.    Hüdehrundi,  Zwei  Stirnlagea. 

des  Uteras  ond  die  Einstelinng  des  Kopfes  friHier  das  Ein* 
Mir^  der  Hand  verbieten,  als  die  EröAiung  des  Mutlei^- 
mundes  dieselbe  gestattet.  Somit  dArfte  sich  auch  der  Vor- 
schlag 8paeih!%  bei  Contplication  von  Stirnlage  und  uilissig 
varengtem  Becken  stets  die  Wendung  anf  einen  Fuss  auszu-> 
fftbren,  selbst  dann  nicht  als  praktisch  sehr  vern^erCiibiir 
heraussteilen,  wenn  man  mit  Spaeth  die  Ansicht  (heilt,  dass 
der  nachfolgende  Kopf  leichter  durch  ein  verengtes  Becken 
hindurchgehe,  als  der  vorangehende. 

Wenn  ich  nun  gegenüber  diesen  näher  beleuchteten 
Behandlungsmethoden,  deren  geringe  Verwerthbarkeit  und 
«usserst  mangelhafte  Leistungsfähigkeit  allgemein  zugestanden 
werden  muss,  wieder  auf  die  alte  von  französischen  Schrift*- 
stelieni  empfohlene  Methode  der  Stellungsverbesserung  des 
Kopfes  bei  Stirnlagen  zurückkomme  und  dieselbe  nicht  nur 
als  das,  wie  Niemand  leugnen  wird,  rationellste,  sondeni  auch 
als  ein  leicht  ausführbares  und  mit  keinen  Nachtheilen  ver- 
knftpftes  V^fahren  empfehle,  so  weiss  ich  sehr  wohl,  dass 
^ch  mit  dem  einen  zu  beschreibenden  Falle ,  in  welchem  diese 
Behandlungswetse  von  überraschend  gutem  Erfolge  begleitet 
war,  nicht  endgültig  über  einen  so  wichtigen  Punkt  ent- 
scheiden kann  und  weiss  ferner  durchaus,  wie  sehr  ich  dadurch 
in  directen  Widerspruch  mit  den  übHchen  Lehren  der  Hand- 
bücher gerathe,  glaube  aber  neben  den  später  auszuführenden 
theoretischen  Gründen  für  die  Vortrefflichkeit  des  Verfahrens, 
mich  gegenüber  den  meisten  Vertretern  der  jetzt  verbreitelen 
Lehre  in  dem  Vortheil  zu  beßnden,  selbständig  die  Metliode 
geprüft  zu  haben,  die  man,  so  scheint  es,  allgemein,  ohne 
praktisch  selbst  zu  versuchen,  aus  theoretischen  Gründen 
verworfen  haL 

Beschreibung  des  Falles. 

Bei  der  zum  dritten  Male  gebärenden,  wohlgebauten  und 
gesunden  Frau  H.,  vrelche  die  beiden  ersten  Enftindungen 
leicht  und  schnell  überstanden  hatte,  fand  ich  am  23.  März 
1866  Mittags  2  Uhr  eine  Stirnlage  mit  nach  rechts  gerichteter 
Gesichtsfläche,  Vorlagening  des  rechten  Stirnbeines  und  rechten 
Auges,  Verlauf  der  Stimnaht  quer  im  Becken.  Die  Geburt 
hatte  am  Morgen  begonnen  und  bei  kräftigen  Wehen ,  welche 


XVI.   HUdehrMdt,  Zvoi  SaroUgvo.  226 

10  Uhr  Voraiito^s  den  Rbsenaprung  zur  Folge  halten ,  «oeo 
«benso  84sknellen  Verlauf  wie  in  den  vorigea  rer^profilieiL 
Seit  11  Ubr  aber  waren  bei  fehlendem  Vorrücken  des  Koj^les 
die  Weben  ungemein  sehmerzbafl,  schnell  auf  einander  folgend 
und  unregelmäasig  gewollten  und  von  einem  dauernden  Drängen 
begleitet,  weiches  die  Kreissende  auch  in  den  Wehenpaueen 
nicht  ganz  unterdrücken  konnte,  so  dass  sie  im  Zustande 
der  äussersten  Aufregung,  Unruhe  und  Verzagtheit  unn  den 
Ausgang  der  Geburt  war.  —  Der  Uterus  stand  ziemlich  in  der 
Mitte  des  Leibes ,  war  gegen  Bernhrung  empfindlich ,  in  seinen 
Wandttügen  so  gespannt,  dass  ein  deutliches  Durchfoblett  der 
Kindsüieile  nicht  ermöglicht  werden  konnte;  der  Herzschlag 
nur  ganz  scliwacli  an  der  rechten  Multeraeite  etwas  unterlialb 
der  Nabelhöhe  zu  hören  war.  Die  Scheide  war  bereite  recht 
stark  geachwoBen,  heiss,  empfindlich,  der  Muttermund  nicht 
mehr  zu  erreidien ,  an  der  vorliegenden  Stirn  eine  nicht  un* 
erhebliche  Kindstheilgeschwulst.  —  Bei  dem  seit  drei  Stunden 
bestehenden  quaivollen  Zustande  der  Kreissenden,  bei  welchem 
die  Hebamme  vergebUch  durch  dauernde  rechte  Seiteniage 
und  Anwendung  eines  Dunstbades  Linderung  zu  verschafien 
gesucht  hatte,  musste  darauf  Bedacht  genommen  wei*den,  so 
sefaneU  als  möglich  eine  Beendigung  der  Gebui*t  herbeizuführen, 
die  jedoch  mit  der  Wendung  nicht  mehr  zu  erzielen  seui 
koni^te ,  da  der  Kopf  zu  fest  im  Beckeneingange  stand  und 
zu  sehr  von  dem  in  angestrengtester  Tbätigkeit  begriJOTenen 
Uterus  umscldossen  war,  um  auch  nur  das  Einführen  der 
Hand  bis  zu  den  Füssen  möglich  zu  machen.  Die  Zange, 
konnte  bei  der  ungunstigen  queren  Lage  und  dem  hohen 
Stande  des  Kopfes  nur  ein  für  Mutter  .und  Kind  sehr  zweifel- 
haftes, wahrscheinlicli  sehr  übles  Resultat  liefern.  Von  inneren 
Medicamenten  der  einen  oder  anderen  Art  durfte  man  sich 
gar  keine  Hülfe ,  kaum  Linderung  versprechen.  Unter  diesen 
Umständen,  die  übrigens  unmöglich  noch  die  spmitane  Um* 
wandlnng  der  Stimlage  in  eine  Gesiehtslage  erwarten  Uessen, 
ttnlernabm  ich  es,  letztere  künstlich  hervorzurufen.  Nachdem 
lue  Kreissende  auf  dem  Querbette  in  die  rechte  Seitenlage 
gebracht  war,  stemmte  ich  während  einer  Wehe  Zeige*  und 
Mittelfinger  der  rechten  Hand  gegen  die  Stirne  an  und  druckte 
in  der  Richtung  nach  dem  Rücken  der  Frucht  zu  mit  voller 


324  XYI.   HUdehrimdt,  Zwei  Sttmlafen. 

Kraft.  Der  erste  Versuch  missglückte.  Ich  konnle  den  Kopf 
weder  erheben,  noch  eine  Drehung  um  seinen  Quenhireh* 
inesser  troU  der  lebhaften  Wehenthätigkeit  wahrnehmen.  Bei 
einer  Wiederholung  desselben  Verfahrens  aber,  die  gleich  mit 
dem  ersten  Beginn  der  nächsten  Wehe  unternommen  wurde, 
föhke  ich  deutlich  eine  Drehung  des  Kopfes  mit  dem  Gesicht 
nach  abwärts  und  gelang  es  mir  in  der  Wehenpause  bereits^ 
das  tiefer  herabgelretene  Kinn  zu  erreichen.  —  Der  Erfolg, 
sowie  der  Fortgang  der  Geburt  war  überraschend  erfreulich. 
Schon  nach  der  nächsten  Wehe,  welche  durch  ihre  geringe 
Schmerzhaftigkeit  und  längere  Dauer  auf  eine  günstigere 
Umwandlung  der  Uterusthätigkeit  scbliessen  liess,  trat  das 
Kiwi  tiefer  herab  und  etwas  mehr  nach  vorne,  'danach  folgte 
i*ine  reine  schmerzfreie  lange  Wehenpause,  in  welcher  die 
Frau  zum  ersten  Male  nach  mehrständigem  Leiden  sich  ein 
wenig  ertiolen  konnte.  Die  nächsten  Wehen  verfollsländigten 
dann  die  Drehung  des  Kinnes  nach  vorne  und  %  Stunden 
«ach  der  känstiich  hervorgerufeneu  Lageveränderung  worde 
ein  lebendes  Mädchen  von  6  Pfd.  13  Lth.  geboren,  an  dem 
sich  noch  eine  blänliche  Geschwulst  auf  der  rechten  Hälfte  der 
8tim  und  an  den  Lidern  des  rechten  Auges  vorfand.  —  Eine 
auffallende  Abweichung  der  Schädelconfignration  von  der  ^ 
wohnlichen  war  nicht  wahrzunehmen.  Der  kleine  Durchmesser 
des  Kopfes  betrog  3  Zoll,  der  grosse  3Vs  Zoll,  der  g^ade 
Durchmesser  ö  Zoll,  der  diagonale  5  Zoll. 

Ehe  ich  zur  Rechtfertigung  des  Verfahrens  Obergehe ,  scm 
mit  wenigen  Worten  die  einzig  zulässige  Methode  der  Zui^echt* 
siellung  des  Kopfes  beschrieben: 

Nachdem  die  Kr^isseude  auf  ein  Querbeit  und  in  die 
Seitenlage  gebracht  ist,  setzt  man  mit  dem  Beginn  einer  Webe 
zwei  Finger  der  rechten  Hand  gegen  die  Stirne  an  und  druckt 
gegen  dieselbe  in  der  Richtung  nach  dem  Hinterhaupte,  falls 
man  eine  Gesicbtslage  oder  nach  dem  Gesichte  zu ,  falls  man 
eine  Hinterhaoplslage  hervorzurufen  beabsichtigt.  Weiche 
Kopfsiellung  zn  erreichen  man  im  einzelnen  Falle  für  günstiger 
lialten  muss,  kann  nur  die  genaueste  Untersuchung  ergeben, 
bei  weteher  man  vornehmlich  zu  erforschen  hat,  ob  mehr 
dar  vordere  Theil  der  Stirn  mit  Auge  und  Nasenwurzel  odei^ 
mehr  der  hintere  Theil  voriiegt.     Der  angewandte  Druck  muss 


XVI.    HOdOrMidt,  Zwei  Sttmla^en.  Sg5 

kräftig  und  stetig  nach  einer  Riehtuog  erfolgen,  um  der 
andrängenden  Wehenkraft  auf  der  einen  Seite  einen  gleidn 
massigen  und  überwiegend  grösseren  Widerstand  zu  bieten, 
als  auf  der  anderen  SeitQ,  welche  durch  die  Contraction  des 
Uterus  lierabgeMngt'  werden  soll.  ^Es  scheint  aber  auch 
Ton  Wichtigkeit,  dass  man  den  Druck  genau  mit  dem  Beginn 
der  Webe  eintreten  lässt.  Wollte  man  in  der  Mitte  der  Webe 
beginnen,  so  würde  der  Kppf  vielleicbt  nach  einzelnen  Rich^ 
tnngen  hin  schon  zu  fest  eingepresst  sein  und  wird  die 
Stellungsverbesserung  offenbar  desto  eher  und  vollständiger 
gelingen,  je  intensiver  und  je  länger  man  die  Kraft  der  Uterus- 
contraction  durch  den  Rumpf  auf  den  tiefer  berabzudrängenden 
Theil  des  Kopfes  einwirken  lassen  kann. 

Wo  auf  diese  Weise  die  Stellungsverbesserung  nicht  zu 
ermöglichen  ist,  stehe  man  von  weiteren  Versuchen  ab.  Die 
üand  zwischen  Kopf  und  Beckenwand  einzuführen,  um  den 
Scbfldel  über  das  Gesicht  oder  über  das  Hinterhaupt  zu  fossen 
und  dann  einen  oder  den  anderen  Theil  herabzuziehen  und 
zur  Verlagerung  zu  bringen,  darf  nicht  versucht  werden.  Diese 
Methode  wird  zwar  von  GolKns  empföhlen,  der  mit  der 
Hand  über  das  Gesiebt  bis  zuTii  Kinn  eingebt  und  des  letztere 
herabzieht;  es  scheint  dieselbe  ferner  in  der  Berliner  geburts- 
hölflichen  Klinik,  wie  ich  aus  einem  von  OUhauBen^)  be* 
schriebenen  Falle  ersehe,  geübt  zu  werden.  Dennoch  möchte 
ich  mich  gegen  dies  Verfahren  erklären,  da  bei  der  durch 
die  ungünstige  Lage  des  Kopfes  bedingten  Raumbeschränkung 
gar  zu  leicht  entweder  der  Versuch  misslingt  oder  nur  unter 
Anwendung  von  Gewalt  ausführbar  ist  In  dem  einen  Falle 
erhalten  wir  ausser  der  Stirnlage  auch  noch  eine  starke 
Reizung  des  unteren  Gebfirmutterabschnittes  und  unregel- 
mässige Wehen,  in  dem  anderen  Falle  könnte  seB>st  Zer* 
reissung  der  unteren  Parthie  des  Uterus  erfblgen.  —  Ebenso 
sind  aber  auch  die  Versuche  mit  hebelartigen  Instrumenten 
den  Kopf  zurechtzustellen,  zu  unterlassen.  Wenn  der  Hebel 
wegen  seiner  platten,  breiten  Flächen  auch  leichter  zwischen 
Kopf  und  Beckenwand  gleitet,  als  die  Hand,  so  ist  er  doch 


1)  Vergl.  Monstssehrift  f&r  Oebartsktinde,  Bd.  XX.,  8.  287: 
OlrtaitMii ,  Uebar  Dmycbreibangen  und  Roptnren  des  Utemt. 

HoMUtobr.  f.  0«bartsk.  1866.  Bd.  XXY..  Hft.  8.  15 


2d6  XVI.    HOdBhrandt,  Zwei  Stlrnlagea. 

weniger  geeignet,  den  ThetI  des  Kopfes  sicher  zu  fassen,  der 
lierabgezogen  werden  soll.  Er  wird  leichler  gleiten,  daher 
Verietziittgen  verursachen  können  und  doch  in  den  meisten 
Fällen  nicht  zum  Ziele  fähren.  Wenn  ferner  Scanzom,  der 
übrigens  die  Stellung8vd*hesserung  mit  der  ifand  auch  verwirft, 
in  seinem  Lehrbuche  S.  657  angiebt,  dass  es  „zuweilen  gelingt 
durch  einige  Traetionen  mit  der  Zange  einen  oder  den  anderen 
Theil  des  Kopfes  tiefer  herabzubringen  und  so  die  Slim- 
in  eine  eigentliche  Schädel-  oder  Gesichtslage  zu  verwandeln'', 
so  darf  dies  wohl  kaum  för  äusserst  ausnahmsweise  Fälle 
noch  anerkannt  werden.  Denn  da,  wo  der  Kopf  noch  nicht 
vollständig  festgestellt  ist,  also  am  ehesten  dne  rectificirende 
Drehung  zuiässt,  befindet  sich  sein  Längsdnrchmesser  quo* 
im  Becken ,  also  för  eine  Stellungsverbesserung  mit  der  über 
Gesicht  und  Hinterhaupt  liegenden  Zange  unzugänglich.  Hat 
der  Schädel  aber  seine  Rotation  mit  dem  Gesichte  nach  vorne 
gemacht ,  so  dass  man  die  Zange  an  seine  Seitentheile  anlegen 
könnte,  dann  steht  er  bereits  so  fest  eingezwängt,  dass  eine 
künstlich  mit  der  Zange  hervorgerufene  Rotation  nur  unter 
Anwendung  roher  Gewalt  erzwungen  werden  könnte,  bei  der 
die  Mutter  durch  Quetschungen  und  Zerreissung  der  Weich* 
theile,  die  Frucht  durch  Fracturen  des  Obwkiefers  oder. 
Hinterkopfes  leiden  mflsste. 

Den  Zeitpunkt  zu  bestimmen,  wenn  man  am  zweck- 
mässigsten  in  der  oben  beschriebenen  Weise  die  Drehung  des 
Kopfes  herbeizuführen  suchen  muss ,  ist  im  Allgemeinen  nicht 
angängig.  Da  es  aber  meist  zu  geschehen  pflegt,  dass  der 
Kopf  sehr  lange  Zeit  bis  zu  *  einer  festen  Einstellung  in's 
Becken  braucht,  so  darf  man  auch  recht  lange  eine  möglicher^ 
weise  spontan  erfolgende  Umwandlung  in  eine  gunstigere  Lage 
abwarten.  Jedenfalls  muss  man  beginnen,  bevor  der  Kopf 
ganz  fest  steht  und  nicht  eher,  als  bis  kräftige  Wehen  vor- 
handen sind,  ohne  welche  die  Stellungsverbesserung  nicht  zu 
erzielen  ist.  Aus  dem  oben  beschriebenen  Falle  ist  zu  er- 
sehen, wie  noch  nach  Beginn  der  Bildung  einer  Stirngeschwulst 
die  Methode  sich  anwendbar  zeigte.  Und  in  diesem  Ponkte^ 
gerade  hat  die  künstliche  Stellungsverbesserung  ihren  wesent- 
lichsten Vorzug  vor  der  so  vielfach  gerühmten  Wendung  auf 
einen  Fuss.    Man  operirt  erst  dann,  wenn  man  sich  überzeugt 


XVI.    HiUebrandt,  Zwei  StinilBgeo.  227 

hat,  das8  die  Natur  allein  nicht  im  Stande  ist,  die  Unregel- 
mässigkeit zu  beheb 30,  während  die  Wendung,  wenn  man 
auf  glückheben  Erfolg  mit  einiger  Sicherheit  rechnen  will,  zu 
einer  Zeit  unternonimen  werden  muss,  wo  man  der  Naturhülfe 
noch  durchaus  gar  keine  Rechnung  hat  tragen  dürfen.  — 
Länger  abzuwarten,  als  in  meinem  Falle  geschehen  ist,  kann 
nicht  von  Nutzen  sein.  Sobald  der  Kopf  seine  Rotation  nach 
▼orne  begonnen  hat,  befindet  er  sich  mit  seiner  Circumferenz 
im  kleinen  Becken,  und  dann  ist  eine  Drehung  um  seinen 
Querdurchmesser  ohne  Anwendung  von  Gewalt  nicht  mehr 
auszuführen ;  nur  wo  der  eine  oder  andere  Theil  des  Kopfes 
über  den  Rand  des  Beckeneingangsringes  nach  oben  noch 
ausweichen  kann,  darf  man  von  der  künstlichen  Stellungs- 
verbesserung einen  günstigen  Erfolg  erwarten. 

Betrachtet  man  nun  die  Vorwürfe  nälier,  welche  der 
künstlichen  Umwandlung  der  Stirnlagen  in  Gesichts-  oder 
Sdieitellagen  gemacht  werden,  so  lassen  sich  diese  kurz 
dahin  zusammenfassen,  dass  man  das  Unternehmen  als  roh 
und  unnütz  und  in  schwierigen  Fällen  nicht  ausführbar  darstellt 

Der  erste  Vorwurf  muss  gleich  fallen,  sobald  man  die 
Regeln  berücksichtigt,  welche  ich  für  die  Anwendung  der 
Methode  aufgestellt  habe  und  von  den  als  verwerflich  be- 
zeichneten Operationen  mit  der  ganzen  Hand,  mit  Hebeln 
und  mit  der  Zange  abstrahirt  Der  zweite,  welcher  dahin 
butet  ^) ,  dass  „in  Fällen ,  in  denen  die  Stellungsverbesserung 
möglich  sei,  die  Natur  dieselbe  auch  ohne  unser  Zulhun 
'  herbeigeführt  haben  würde  und  daher  jeder  künstliche  Eingriff 
unnütz  sei^'  ermangelt  jedes  unterstützenden  Beweises,  kann 
aber  auch  aus  theoretischen ,  sowie  aus  Gründen  der  prakti- 
schen Erfahrung  nicht  anerkannt  werden.  Wir  wissen,  dass 
bei  holiem  sehr  beweglichem  Stande  des  Kopfes  die  Lage 
der  Kreissenden  auf  der  einen  oder  anderen  Seite,  mithin 
einfach  die  Schwere,  mit  welcher  die  Rumpf  last  der  Frucht 
mehr  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  auf  den  Ring  des 
Foramen  ocdpitale  einwirkt,  die  Stellung  des  Kopfes  günstiger 
umgestalten  kann,  wir  vermuthen  ferner,  dass  im  weiteren 
Fortgange  der  Geburt,  falls  dem  Tiefertreten  des  Schädels 


1)  VergL  8€an§Q9dt  Lehrbuch  der  Qeburtshfilfe. 

16* 


228  ^^I-    HOdebrandty  Zwei  Stirnlagen. 

sich  ungleiche  Widerstände  in  den  beiden  Seiten  des  Beckens 
darbieten,  derjenige  Theil  des  Schädels  durch  die  Uterus* 
contraction  tiefer  herabgedrängt  wird,  welcher  auf  die  geringeren, 
derjenige  zurückbleibt,  welcher  auf  die  grösseren  Hindernisse 
stösst.  Sollte  es  nun  erlaubt  sein,  hieraus  den  Schluss  zu 
ziehen,  dass,  wo  diese  erstere  Kraft  nicht  in  Anwendung 
gebracht  werden  kann  und  wo  die  Widerstände  auf  beiden 
Seiten  gleich  sind,  die  Stirnlage  eine  constanle  bleibt,  so  ist 
nicht  abzusehen,  weshalb  ein  Operationsverfahren,  bei  welchem 
wir  die  ausbleibende  Naturhülfe  ersetzen,  indem  wir,  die 
Vorgänge  der  Natur  nachahmend,  künstlich  einen  kräftigen 
Widerstand  auf  einer  Seite  mit  unserer  Hand  hervorrufen, 
unnütz  genannt  werden  soll.  Da  es  aber  noch  nicht  cnt* 
schieden  ist,  ob  dies  die  einzigen  Verbältnisse  sind,  welche 
die  Aetiologie  der  Constanz  oder  Inconstanz  der  Stirnlagen 
ausmachen,  da  fernei^  aus  verschiedenen  Gründen  die  An- 
wendung der  Seitenlage  oft  ohne  Erfolg  bleiben  kann,  die 
Vorerkenntniss  aber  unmöglich  ist,  ob  dem  Kopfe  durch  das 
Becken  ungleiche  Widerstände  sich  darbieten  werden,  welche 
die  Stellungsverbesserung  zur  Folge  haben,  so  kann  sich  für 
die  praktische  Beurtheilung,  ob  wir  unnütz  operiren  und  der 
Natur  vorgreifen,  nur  der  eine  Grundsatz  ergeben,  dass,  wo 
wir  bis  über  die  Grenze  der  Wahrscheinlichkeit  einer  noch 
erfolgenden  spontanen  Umwandlung  der  Stirnlagen  abgewartet 
haben ,  dann  aber  mit  glücklichem  Erfolge  dieselbe  künsitlich 
herbeiführen,  uns  der  Vorwurf  eines  unnützen  Unternehmens 
nicht  mehr  gemacht  werden  kann.  Bis  zu  dieser  äussersten 
Grenze  des  Abwartens  glaube  ich  aber  in  dem  oben  be- 
schriebenen Falle  gekommen  zu  sein ,  indem  ich  die  Slellungs-  • 
Verbesserung  erst  da  vornahm ,  als  die  Seitenlage  bereits  durch 
lange  Zeit  Vergeblich  in  Anwendung  gezogen  war,  als  Stunden 
hindurch  die  kräftigsten  Wehen  auf  den  Rumpf  der  Frucht 
direct  eingewirkt  hatten,  als  der  Kopf  während  derselben 
bereits  so  stark  gegen  den  harten  Beckenring  angepresst 
worden,  dass  Anschwellung  seiner  weichen  Bedeckungen  ein- 
getreten war.  Sollte  man  aber  trotz  dieser  Verhältnisse  ver- 
muthen,  dass  bei  längerem  Abwarten  doch  die  Hülfe  der 
.Natur  noch  hätte  eintreten  können,  was  ich  durchaus  be- 
zweifle, so  kann  ich  mich  wenigstens  damit  trösten,  auf  eine 


XVI.    Hildebrandtf  Zwei  StirnUgen.  229 

ganz  ungefährliche  Weise  der  Natur  vorgegriffen,  der  Kreis* 
senden  aber  in  wenigHn  AugenbJicken  unsägliche  Schmerzen 
beseitigt  zu  haben;  von  denen  sie  bereits  Stunden  lang 
gequält  war  und  von  denen  sie  ohne  meine  Hälfe  wahr- 
scheinlich doch  noch  lange  nicht  befreit  ^forden  wäre. 

Mit  diesen  Ausfuhrungen  durfte  sich  zugleich  der  letzte 
Punkt,  welcher  gegen  die  künstliche  Stellungsverbesserung 
eingeworfen  zu  werden  pflegt,  dass  nämlich  „in  schwierigen 
Fällen,  in  denen  die  Naturhulfe  ausbleibt,  das  Vertahren  un- 
ausführbar sei'^  mehr  oder  weniger  erledigen.  Wenn  man 
das  Maass  der  Schwierigkeit  eines  Falles  danacii  bemessen 
darf,  wie  viel  gute,  kräftige,  durch  lange  Zeit  in  Wirksam- 
keit gewesene  Wehen  im  Stande  sind,  die  Stellungsver- 
besserung ohne  unser  Einschreiten  hervorzurufen,  was  für 
diese  Beurtheilung  in  der  That  allein  entscheiden  kann,  so 
darf  der  obige  Geburlsfall  wohl  mit  Recht  zu  den  schwierigen 
gezählt  werden.  Sollte  es  aber  bedenklich  erscheinen,  dass 
ich  aus  dem  Resultat  nur  eines  geglückten  Versuches  es 
unternehme,  über  die  Zulässigkeit  oder  Unzulässigkeit  eines 
operativen  Eingriffes  von  so  grosser  Bedeutung  ein  Unheil 
auszusprechen,  so  glaube  ich  daran  erinnern  zu  müssen, 
dass  hei  dem  ungemein  seltenen  Vorkommen  der  Stirnlagen, 
diejenigen  Autoren ,  welche  sich  mit  so  absoluter  Bestimmtheit 
gegen  jeden  Versuch  der  Stellungsverbesserung  durch  die 
Hand  aussprechen,  über  viele  Erfahrungen'  doch  aber  auch 
nicht  zu  verfügen  haben  können.  Bei  Alien  handelt  es  sich 
um  die  geringe  Zahl  von  ein  bis  höchstens  acht,  meistens 
eine  bis  zwei  Beobachtungen,  aus  denen  im  Uebrigen  nicht  zu 
ersehen  ist,  dass  die  Berichterstatter  Stellungsverbesserungen 
selbst  versucht  haben,  und  könnte  man  daher  glauben,  dass 
vorwiegend  theoretische  Gründe  jene  absprechenden  Urtheile 
hervorgerufen  haben.  Wie  viel  aber  von  diesen  zu  halten 
ist,  dürfte  aus  dem  Vorangehenden  zur  Genüge  erhellen,  und 
ich  glaube  daher  mit  dem  nicht  ganz  ungerechtfertigten 
Wunsche  schliessen  zu  dürfen .  dass  man  die  künstliche  Um- 
wandlung der  Stirnlagen  in  Gesichts-  resp.  in  Scheitellagen 
Torurtheilsfrei  von  Neuem  versuchen  möge. 


230    XVII.    Hül9r,  Ein  Fall  von  Eventratio  umbll.  eong^enita« 

XVII. 
Ein  Fall  von  Eventratio  umbilicalis  congenita. 

Von 

Dr.  ¥•  Hftter, 

Prlyatdooent  in  Marburg. 

Unter  die  Nameo,  welche  in  der  medicinischen  Wissenschaft 
sehr  unpassend  gewählt,  aber  trotzdem  so  eingebürgert  sind, 
dass  es  sehr  schwer  gelingen  wird,  dieselben  zu  beseitigen 
und  statt  ihrer  bessere  Bezeichnungen  zu  wählen,  gehört 
gewiss  das  Wort:  angeborener  Nabelbruch,  Nabelschnur- 
brucb,  Hernia  umbilicalis  congenita,  Exomphalus  congenitus, 
Omphalocele  congenita.  Man  hat  diese  Bezeichnung  zu 
einer  Zeit  gewählt,  zu  welcher  man  von  der  Entwickelung 
des  Darmcanals  bei  dem  Embryo  wenig  wussle.  Wenn 
man  bei  einem  neugeborenen  Kind  Darmschlingen  ausser- 
halb des  Nabelringes  fand,  so  lag  nichts  näher,  als  an- 
zunehmen, dass  dieselben  aus  der  Bauchhöhle  durch  den 
Nabelring  durchgetreten  seien,  und  man  gab  diesem  Zustand 
die  Bezeichnung  eines  angeborenen  Nabel-  oder  Nabelschnur- 
bruches.  Seitdem  man  jedoch  weiss,  dass  bei  dem  mensch- 
lichen Embryo  im  Anfang  des  zweiten  Schwangerschaftsmonats 
ein  Stuck  des  Darmcanals  in  Form  einer  Schleife,  deren 
Scheitel  mit  dem  Ductus  omphalo-mesentericus  in  Verbindung 
steht,  in  der  Nabelschnur  liegt  und  dass  dasselbe  erst  im 
Anfang  des  dritten  Schwangerschafismonats  in  die  Bauchhöhle 
zurücktritt,  so  wird  man,  wenn  bei  einem  neugeborenen  Kind 
Darmschlingen  in  der  Nabelschnur  gefunden  werden,  annehmen 
müssen ,  dass  die  Darmschlingen  in  die  Bauchhöhle  nicht 
zurückgetreten  sind,  dass  somit  eine  Hemmungsbildung 
vorliegt,  welche  durchaus  nicht  den  Namen  eines  Bruches 
verdient. 

Es  hat  schon  Oken  (Preisschrift  über  die  Entstehung 
und  Heilung  der  Nabelbrüche,  Landshut  1810)  die  Nabel- 
schnurbräche als  Hemmungsbildungen  bezeichnet  und  Kraemer 
(Henle*&  und  Pfeufer's  Zeitschrift  für  rat.  Med.,  neue  Folge, 
3.  Bd.,  1853,  S.  242)  auf  die  unpassend  gewählte  Bezeichnung 


XVII.  Bmmr,  Ein  FftU  ron  EreBtntio  nmbil.  eoograita.    231 

NebelflchDurbmch  hiDgewiesen.  Weno  es  sieb  darum  handelt, 
eine  bessere  Bezeichauog  zu  wählen,  so  scheint  mir  die  von 
Cruveähter  (Tratte  d*anatomie  pathologique  'generale,  1., 
Paris  1849)  vorgeschlagene,  nämlich  Eventration  ombüicala 
congenitale  als  die  geeignetste. 

Soweit  es  mir  möglich  war,  mich  mit  der  Literatur  über 
die  in  Rede  siehende  Anomalie  bekannt  zu  machen,  so  scheint 
mir  dieselbe  verhältnissmässig  selten  vorzukommen.  Denn 
die  von  G.  A.  Fried  (diss.  de  fö'tu,  intestinis  plane  oudis 
extra  abdomen  propendentibus,  nato,  im  1.  Bd.  des  Sandi- 
lortischen  Thesaurus  Dissertationum  abgedruckt)  bis  zum 
Jahre  1760 gesammelten,  von  Oken  (l.c),  von«/.  Th^SömmertTig 
(Ueber  die  Ursache,  Erkenntniss  und  Behandlung  der  Nabel* 
hrüche.  Frankfurt  a/H.  1811),  von  Thudtchum  (Ulustr. 
med.  Zeitung  li.  4  und  5.  18Ö2)  und  von  Kra^mer  (1.  c.) 
zusammengestellten  Beobachtungen  übersteigen  die  Zahl  von 
130  nicht.  Aus  diesem  Grunde  mag  es  gerechtfertigt  erscheinen, 
dass  ich  mich  zu  der  Publication  der  nachstehenden  Beobachtung 
entschlossen  habe. 

Frau  /S.,  eine  gesunde  JMehrgebäreade,  gebar  am  12.  Juli  1864 
um  7  ^^2  Uhr  Abends  nach  vierstündiger  Geburtsdauer  ein 
Kind  männlichen  Geschlechts  in  Schädelstellung.  Während 
des  Abnabeins  fiel  der  Hebamme  die  ausserordentliche  Dicke 
des  Nahelschtturresles  auf.  Das  Kind,  welches  ich  V«  Stunde 
nach  Beendigung  der  Geburt  sah,  erschien  sehr  gut  entwickelt. 
Der  ganze  Nabelscbnurrest  war  etwas  mehr  als  3"  lang.  Der 
Theil  desselben,  welcher  dem  Nabelring  zunächst  lag,  besass 
den  Umfang  eines  Höhnereies.  An  der  Spitze  dieser  Nabel- 
8chnm*ge8chwulst  hing  noch  ein  etwa  1''  langes  Stuck  der 
Nabelschnur,  welches  die  gewöhnliche  Dicke  besass.  Bei 
Druck,  welchen  ich  mit  meinen  Fingern  auf  die  Nabelschnur- 
geschwulst anbrachte,  zogen  sich  unter  gurrendem  Geräusch 
Intestinalschlingen  in  die  Bauchhöhle  zurück,  wodurch  qine 
bedeutende  Verkleinerung  des  Nabelschnurrestes  zu  Stande 
kam.  Der  Nabelring  erschien  so  weit  offen,  dass  mau  ihn 
gerade  mit  der  Spitze  des  Zeige  tingers  verschhessen  konnte. 
Sobald  ich  den  Druck  mit  meinen  Fingern  nicht  mehr  ein- 
wirken liess,  traten  die  Intestinalschlingen  durch  den  Nabelring 
wieder   in   die  Nabelschnur.     Bei   dem  wiederholten  Zurück- 


XVil.   Hut»,  IMn  PftU  ▼««  £T«ntr«Ho  ombif  cö&geaita. 

drängen  and  Hervortreten  der  Darmschlingen  nahm  ich  deuüich 
wahr,  da$8  die  Nabelschnurgellsse  links  von  diesem  lagen; 
Da  der  Nabelschnurrest  der  Anlegung  eines  zweckmässigen 
Gompre^sivverbandes  sehr  hinderKch  schien,  so  beschloss  ich 
das  Eintrocknen  und  Abfallen  desselben  erst  abzuwarten,  und 
beschränkte  mich  daher  darauf,  die  Intestinalscblingen  völlig 
au  reponiren,  eine  Compresse  von  Leinen  auf  den  Nabelschnur- 
rest zu  legen  und  diese  mit  einer  wohl  angelegten  Nabelbinde 
zu  befestigen. 

Am  13.  Juli  Vormittags  fand  ich  nach  Abnahme  der 
Nabelbinde  und  der  Compresse  die  Intestinalscblingen  wieder 
in  dem  Nabelschnurrest  vor.  Dieser  hatte  ein  welkes  Aus- 
sehen bekommen.  Das  Kind  hatte  an  der  Brust  der  Mutter 
getrunken,  hatte  Harn  und  Kindspech  entleert  und  schien  sich 
vollkommen  wohl,  zu  befinden.  Nach  der  Reposition  der 
Darmschlingen  wurde  der  Verband  wie  Tags  vorher  angelegt. 
Am  14.  und  am  15.  Juli  hatte  ich  nicht  Gelegenheit  das  Kind 
zu  sehen.  Die  Hebamme  hatte  an  diesen  Tagen  den  Verband 
für  den  Nabelschnurrest  in  gewöhnlicher  Weise  angelegt. 

Am  16.  Juli  erfuhr  ich  bei  meinem  Besuch,  dass  das 
Kind  seit  gestern  die  Brust  der  Mutter  verschmäht,  viel  ge* 
wimmert  und  weder  Harn  noch  Meconium  entleert  hatte.  Bd 
dem  Entfernen  der  Kleidungsstucke  verbreitete  sich  ein 
sehr  übler  Geruch.  Nachdem  die  auf  dem  Nabelschnurrest 
liegende  Compresse  abgenommen  war,  bemerkte  ich,  dass  der 
etwa  1"  lange  Theil  des  Nabelschmirrestes ,  welcher  die 
Darmschlingen  nicht  enthielt,  eingetrocknet  war  und  die  ge- 
wöhnliche dunkle  Farbe  hatte.  Dagegen  war  der  Theil  des 
Nabelschnurrestes,  welcher  die  Darmschhngen  enthielt,  an 
seiner  Oberfläche  feucht^  an  einigen  Stellen  gelblich,  an  anderen 
dunkelblau,  sogar  schwarz  und  verbreitete  einen  sehr  starken 
Päulnissgeruch.  Der  Theil  des  Nabelschnurrestes,  welcher 
eingetrocknet  war,  hing  an  einem  sehr  dünnen  Stiel  und  wurde 
abgeschnitten.  Von  dieser  Stelle  aus  wurde  nun  die  Repo- 
sition der  Darmschlingen  sehr  vorsichtig  bewerkstelligt,  und, 
sobald  ein  Stück  der  Nabelschnur  von  den  Darmschlingen 
befreit  war,  wurde  eine  Ligatur  mittelst  eines  sehr  starken 
Fadens  angelegt.  Die  dritte  und  letzte  Ligatur  kam  ganz 
nahe  dem  Nabelring  zu  liegen. 


XVII.  HiUer,  Ein  FwAl  tod  Eventrftüa  anbil.  eongeBÜt.    238 

Am  17.  Juli  Morgens  sah  ich  das  Kind  wieder.  Es 
balle  in  Folge  eines  applicirten  Klyslirs  Meconium  entleert. 
Die  Bemöhttngen  der  Mutter  und  der  Hebamnte,  das  Kind, 
welches  viel  gewimmeri  halte,  2um  Saugen  an  der  Brust  zu 
bringen,  waren  vergeblich  gewesen.  Die  roit  dem  Löffel  dar- 
gereichte Milch  hatte  das  Kind  wieder  erbrochen.  Der  drei 
Mal  unterbundene  Nabelschnurrest  war  eingetrocknet,  verbreitete 
aber  noch  immer  einen  starken  Fäulnissgeruch.  In  der,  Um- 
gebung des  Nabels  sah  man  eine  sehr  starke  GeÜissinjection. 
Noch  an  demselben  Tage  um  1  Uhr  Mittags  starb  das  Kind.  # 

Am  18.  Juli  3  Uhr  Nachmittags  wurde  die  Section  des 
Kindes  vorgenommen.  Die  wohlgenährte  Kindesleiche  zeigte 
keise  Leicbenstarre.  Die  Haut  des  Kindes  war  überall  dunkelblau 
gefärbt.  Der  Leib  war  stark  aufgetrieben.  Um  den  Nabel, 
an  welchem  der  getrocknete  Nabelschnurrest  noch  anhing, 
war  starke  Gefassinjection.  Durch  einen  Einschnitt,  welcher 
von  der  Herzgrube  bis  zu  der  Symphyse  links  von  dem  Nabel 
vorbeigefuhrt  war,  wurde  die  Bauchhöhle  eröffnet.  Es  befand 
sich  an  den  tiefliegenden  Stellen  derselben  etwa  eine  Unze 
gelblichen  Serums.  Sowohl  an  dem  Peritonaeum  parietale  wie 
viscerale  war  eine  sehr  starke  Gefässifijeclion.  Am  stärksten 
war  dieselbe  in  der  Nähe  des  Nabelringes.  In  der  Vena 
umbilicahs  befanden  sich  einige  kleine  Blutcoagula.  In  der 
linken  Arteria  umbilicalis  war  etwas  flussiges  Blut,  in  der 
rechten  Arieria  umbilicalis  steckte  ein  kleines  Blutcoagulum. 
Nirgends  zeigten  sich  Spuren  von  Phlebitis  oder  Arteritis. 
Dem  Nabelringe  lag  unmittelbar  das  Coecuni,  welches  durch 
den  ihm  anhängenden  Processus  vermiformis  deutlich  als 
solches  zu  erkennen  war,  an.  Von  dem  Coecum  an  halte  das 
Colon  ascendens  in  der  Ausdehnung  von  Vi^"  eine  braunrothe 
Färbung.  Die  zu  diesem  Theil  des  Darmcanals  gehörige 
Schleimhaut  war  grau  gefärbt,  und  war  gegen  die  anliegende 
byperamiscbe  Schieimliaut  schaif  abgegrenzt.  Das  zu  dem 
Coecum  und  dem  betreffenden  Stück  des  Colon  ascendens  ge> 
hörige  Mesocolon  ragte  in  den  Nabelring  hinein  und  war 
aus  diesem  durch  Zug  nicht  zu  entfernen,  weshalb  es  gewiss 
schien,  dass  dasselbe  mittels  der  Ligaturen  in  dem  Nabel- 
schnurrest befestigt  war. 


222  2^1-    BiHfhrandt,  Zwet  fiSttfiilagea. 

des  Uteros  nnd*  die  fiiiiöteUoDg  des  Kopfes  frfther  das  Ein* 
fuhren  der  Hand  verbieten,  als  die  Eröflhung  des  Mutler- 
mundes dieselbe  gestattet.  Somit  dArfte  sich  auch  der  ¥or* 
schlag  Spaeth's  bei  Complicatian  von  Stirnlage  und  inässiig 
verengtem  Becken  stets  die  Wendung  anf  einen  Puss  auszu- 
Miren,  selbst  dann  nicht  als  praktisch  selir  verwertfabar 
heraussteUen,  wenn  man  mit  SpcKÜi&ie  Ansicht  theilt,  dass 
df>r  nachfolgende  Kopf  leichter  durch  ein  verengtes  Becken 
hindurchgehe,  als  der  vorangehende. 

Wenn  ich  nun  gegenüber  diesen  näher  beleuchteten 
Behandlungsmethoden ,  deren  geringe  Verwerlhbarkeit  und 
fiusserst  mangelhafte  Leistungsflhigkeit  allgemein  zugestanden 
werden  muss,  wieder  auf  die  alte  von  französischen  SchrifV- 
steilem  empfohlene  Methode  der  Stellungsverbesserung  des 
Kopfes  bei  Stirnlagen  zurückkomme  und  dieselbe  nicht  nur 
als  das,  wie  Niemand  leugnen  wird,  rationellste,  sondeni  auch 
als  ein  leicht  ausfühi^ares  und  mit  keinen  Nachtheilen  ver- 
knUpftes  Verfahren  empfehle,  so  weiss  ich  sehr  wohl,  dass 
ich  mit  dem  einen  zu  beschreibenden  Falle,  in  welchem  diese 
Behandlungswelse  von  Qtverraschend  gutem  Erfolge  begleitet 
war,  nicht  endgültig  über  einen  so  wichtigen  Punkt  ent- 
sclieiden  kann  und  weiss  ferner  durchaus,  wie  sehr  ich  dadurch 
in  dtrecten  Widerspruch  mit  den  äbüchen  Lehren  der  Hand- 
bücher gerathe,  glaube  aber  neben  den  später  auszuftlhrenden 
theoretischen  Gründen  für  die  Vortrefflichkeit  des  Verfahrens, 
mich  gegenüber  den  meisten  Vertretern  der  jetzt  verbreiteten 
Lehre  in  dem  Vortheil  zn  befinden,  selbständig  die  Methode 
geprüft  zu  haben,  die  man,  so  scheint  es,  aligemein,  ohne 
praktisch  selbst  zu  versuchen,  aus  theoretischen  Gründen 
verworfen  hat 

Beschreibung   des  Falles. 

Bei  der  zum  dritten  Male  gebärenden,  wohlgebauten  und 
gesunden  Frau  H.,  welche  die  beiden  ersten  Entbindungen 
leicht  und  schnell  überstanden  hatte,  fand  ich  am  23.  März 
1868  Mittags  2  Uhr  eine  Stirnlage  mit  nach  rechts  gerichteter 
Gesichtsfläche,  Vorlagerung  des  rechten  Stirnbeines  und  rechten 
Auges,  Verlauf  der  Stimnaht  quer  im  Becken.  Die  Geburt 
hatte  am  Morgen  begonnen  und  bei  kräftigen  Wehen ,  weiche 


XVI.    Hildehrondt,  Zvei  StirnUg^o. 

10  Vbr  Yoroikia^s  den  fttasensprung  zur  Folge  hatten ,  eioeo 
ebenso  scknellen  Verlauf  wie  in  den  vorigea  Tef$procliea. 
Sdl  11  Ubr  aber  waren  bei  fehlendeai  Vorrilckea  des  koj^m 
die  Wehen  imgemeio  schmerzhaft ,  schnell  auf  einander  folgend 
imd  unregeimiUsjig  geworden  und  von  einem  dauernden  Drangen 
begieitel,  weiches  die  Kreissende  auch  in  den  Wehenpaoeeo 
nicht  ganz  untardrQcken  konnte,  so  dass  sie  im  Zustande 
der  äassersten  Aufregung,  Unruhe  und  Verzagtheit  um  den 
Ausgang  der  Geburt  war.  —  Der  Uterus  stand  ziemlich  in  der 
Mitte  des  Leibes ,  war  gegen  Beriihrung  empfindlich ,  in  seinen 
Wandungen  so  gespannt,  dass  ein  deutliches  Durchfühlen  der 
Kindalheiie  nicht  ermöglicht  werden  konnte;  der  Herzschlag 
nur  ganz  scliwach  an  der  rechten  Multerseite  etwas  unterhalb 
der  Nabelhöhe  zu  hören  war.  Die  Scheide  war  bereite  recht 
stark  geschwollen,  heiss,  empfindlich,  der  Muttermund  nicht 
mehr  zu  erreichen ,  an  der  vorliegenden  Sürn  eine  nicht  un- 
erhebliche Kindstheilgescbwuist.  —  Bei  dem  seit  drei  Stunden 
bestehenden  qualvollen  Zustande  der  Kreissenden,  bei  weichem 
die  Hebamme  vergebUch  durcli  dauernde  rechte  Seitenlage 
und  Anwendung  eines  Dunsthades  Linderung  zu  verschafien 
gesucht  hatte,  musste  darauf  Bedacht  genommen  werden,  so 
schnell  als  möglich  eine  Beendigung  der  Gebui*t  herbeizufuhren, 
die  jedoch  mit  der  Wendung  nicht  mehr  zu  erzielen  sein 
koni^te,  da  der  Kopf  zu  fest  im  Beckeneingange  stand  und 
zu  sehr  von  dem  in  angestrengtester  Thätigkeit  begriffenen 
Uterus  umschlossen  war,  um  auch  nur  das  Einfuhren  der 
Band  bis  zu  den  Füssen  möglich  zu  machen.  Die  Zange, 
konnte  bei  der  ungünstigen  queren  Lage  und  dem  hohen 
Staude  des  Kopfes  nur  ein  für  Mutter  .und  Kind  sehr  zweifel- 
haftes, wahrscfaeinlidi  sehr  übles  Resultat  liefern.  Von  inneren 
Medieamenten  der  einen  oder  anderen  Art  durfte  man  steh 
gar  keine  Hülfe ,  kaum  Linderung  versprechen.  Unter  diesen 
Umständen,  die  übrigens  unmöglich  noch  die  spmitane  Um* 
Wandlung  der  Stirnlage  in  eine  Geaiehtslage  erwarten  hessen, 
unternahm  ich  es,  letztere  künstlich  hervorzunifen.  Nachdem 
die  Kreissende  auf  dem  Querbette  in  die  rechte  Seitenlage 
gebracht  war,  stemmte  ich  während  einer  Wehe  Zeige-  und 
Mittelfinger  der  rechten  Hand  gegen  die  Stirne  an  und  drockle 
in  der  Richtung  nach  dem  Rücken  der  Frucht  zu  mit  voller 


224  X^I-    HUdehrrnndt,  Zwei  8tirnUg:eii. 

Kraft.  Der  erste  Vereuch  missglfickte.  Ich  koonle  den  Kopf 
weder  erkeben,  noeh  eine  Drehung  um  seinen  Querdureii- 
inesser  trots  der  lebhaften  WehentbäUgkeit  wabrnehmen.  Bei 
einer  Wiederholung  desselben  Verfahrens  aber,  die  gleich  mit 
dem  ersten  Beginn  der  nächsten  Wehe  unternommen  wurde, 
föUte  ich  deutlich  eine  Drehung  des  Kopfes  mit  dem  Gesicht 
nach  abwärts  und  gelang  es  mir  in  der  Wehenpause  bereits, 
das  tiefer  herdbgelretene  Kinn  zu  erreichen.  —  Der  Erfolg, 
sowie  der  Fortgang  der  Geburt  war  überraschend  erfreulich. 
Schon  nach  der  nächsten  Wehe,  welche  durch  ihre  geringe 
Schmerahafligkeit  und  längere  Dauer  auf  eine  günstigere 
Umwandlung  der  Uterusthätigkeit  schliessen  liess,  trat  das 
Kinn  tiefer  herab  und  etwas  mehr  nach  vorne,  clanach  folgte 
f>ine  reine  schmerzfreie  lange  Wehenpause,  in  welcher  die 
Frau  zum  ersten  Mate  nach  mehrstündigem  Leiden  sich  ein 
wenig  erholen  konnte.  Die  nächsten  Wehen  Tervollständigten 
dann  die  Drehung  des  Kinnes  nach  vorne  nnd  ^/4  Stunden 
nach  der  känstlich  hervorgerufenen  Lageveränderung  wurde 
ein  lebendes  Mädchen  von  6  Pfil.  13  Lth.  geboren,  an  dem 
eich  noch  eine  bifinliche  Geschwulst  auf  der  rechten  Hälfte  der 
Stirn  und  an  den  Lidern  des  rechten  Auges  vorfand.  —  Eine 
auffallende  Abweidning  der  Schädelconfignration  von  der  ge- 
wöhnlichen war  nicht  wahrzunehmen.  Der  kleine  Durchmesser 
des  Kopfes  betrug  3  Zoll,  der  grosse  37«  Zoll,  der  g^ade 
Durchmesser  5  Zoll,  der  diagonale  5  Zoll. 

Ehe  ich  zur  Rechtfertigung  des  Verfahrens  öbergehe ,  sei 
mit  wenigen  Worten  die  einzig  zulässige  Methode  der  Zurecht- 
Stellung  des  Kopfes  beschrieben: 

Nachdem  die  Krßissende  auf  ein  QuerbeU  und  in  die 
Seitenlage  gebracht  ist,  setzt  man  mit  dem  Beginn  einer  Webe 
zwei  Finger  der  rechten  Hand  gegen  die  Slirne  an  und  drückt 
gegen  dieselbe  in  der  Richtung  nach  dem  Hinlerhaupte,  falls 
man  eine  Gesicbtslage  oder  nach  dem  Gesichte  zu ,  falls  man 
eine  Hinlerhaoptslage  liervorzurufen  beidisichtigt.  Weiche 
Kopfstellung  zn  erreichen  man  im  einzelnen  Falle  für  günstiger 
iiatten  muss,  kann  nur  die  genaueste  Untersuchung  ergeben, 
bei  weteher  man  vornehmlich  zu  erforschen  hat,  ob  mehr 
der  vordere  Theil  der  Stirn  mit  Auge  und  Nasenwurzel  odei* 
mehr  der  hintere  Theil  vorliegt.     Der  angewandte  Druck  muns 


krilüg  und  stelig  oacfa  einer  Riebtung  erfolgen,  iim  der 
andrängenden  Wehenkraft  auf  der  einen  Seite  einen  gleich« 
niissigen  und  überwiegend  grösseren  Widerstand  zu  bieten, 
als  auf  der  anderen  SeitQ,  welche  durch  die  Contraction  des 
Dtems  herabgedrftngt*  werden  soll.  ^Es  seheint  aber  auch 
▼on  Wichtigkeit,  dass  man  den  Druck  genau  mit  dem  Beginn 
der  Wehe  eintreten  Idsst.  Wollte  man  in  der  Mitte  der  Wehe 
beginnen,  so  würde  der  Kppf  vielleicht  nach  einzelnen  Rieh* 
tnngen  hin  schon  zu  fest  eingepresst  sein  und  wird  die 
Steliungsverbessemng  offenbar  desto  eher  und  vollständiger 
gelingen,  je  intensiver  und  je  länger  man  die  Kraft  der  Uterus-» 
contraetion  durch  den  Rumpf  auf  den  tiefer  herabzudrängenden 
Theil  des  Kopfes  einwirken  lassen  kann. 

Wo  auf  diese  Weise  die  Stellungsverbesserung  nicht  zu 
ennögiichen  ist,  stehe  man  von  weiteren  Versuchen  ab«  Die 
üand  zwischen  Kopf  und  Beckenwand  einzuführen,  um  den 
Schädel  über  das  Gesicht  oder  über  das  Hinterhaupt  zu  fassen 
und  dann  einen  oder  den  anderen  Theil  herabzuziehen  und 
zur  Verlagerung  zu  bringen,  darf  nicht  versucht  werden.  Diese 
Methode  wird  zwar  von  CoUins  empfohlen,  der  mit  der 
Hand  über  das  Gesidit  bis  zutii  Kinneingeiit  und  das  letztere 
herabzieht;  es  scheint  dieselbe  ferner  in  der  Berliner  geburts« 
hülf liehen  Klinik,  wie  ich  aus  einem  von  Ohhausen^)  he^ 
sehriebenen  Falle  ersehe,  geübt  zu  werden.  Dennoch  möchte 
ich  mich  gegen  dies  Verfahren  erklären,  da  Bei  der  durch 
die  ungünstige  Lage  des  Kopfes  bedingten  Raumbeschräukung 
gar  EU  leicht  entweder  iler  Versuch  misslingt  oder  nur  unter 
Anw^dung  von  Gewalt  ausführbar  ist.  In  dem  einen  Falle 
erhalten  wir  ausser  der  Stimlage  auch  noch  eine  starke 
Reizung  des  unteren  Gebärmutterabschnittes  und  unregel> 
massige  Wehen,  in  dem  anderen  Falle  könnte  seSist  Zer- 
reissung  der  unteren  Parthie  des  Uterus  erfolgen.  —  Ebenso 
sind  aber  auch  die  Versuche  mit  hebehirtigen  Instrumenten 
den  Kopf  zurechtzustellen,  zu  unterlassen.  Wenn  der  Hebel 
wegen  semer  platten,  breiten  Flächen  auch  leichter  zwischen 
Kopf  und  Beckenwand  gleitet,  als  die  Hand,  so  ist  er  doch 


1)  Vergl.  Moofttflsohrift  für  Oebtirtsknnde,  Bü.  XX.,  8.  287: 
OUkottM»,  U«bor  Dwrchreibangen  imd  finptnren  des  Uteraf, 

MonftUtehr.f.Oeburtok.  1866.  Bd.ZZY.,  Hft.8.  15 


2B6    XVIII.  BreHoUf  Vorläufige  Mitiheilang  ab. d. D«nDga8ba)t  etc. 

sich  zu  der  Incision  des  Nabelrioges  eatschliessen  lul&seD, 
welche,  um  weder  die  Nabelvene  noch  die  Nabeiarterien  zu 
verletzen,  seitlich  zu  richten  ist. 


XVIIL 

Vorläufige  Mittheilung  über  den  Darmgasgehalt 
Neugeborener. 

Von 

Professor  Dr.  Breslan  in  Zürich. 

Bei  den  vielfachen  Sectionen  neugeborener  Kinder,  welche 
ich  zu  machen  Gelegenheit  hatte ,  ist  mir  Folgendes  aufgefallen  : 

1)  dass  bei  denjenigen  Kindern,  welche  lodt  ge- 
boren wurden,  gleichviel  ob  sie  während  der 
Geburt  zu  Grunde  gingen  oder  ob  sie  lange 
Zeit  zuvor  in  faultodtem  Zustande  im  Uterus 
verweilten  niemals  Gas  in  irgend. einem  Theiie 
des  Darmtractus  angehäuft  war,  weder  im 
Magen,  noch  in  dem  Dünn-  noch  in  dem  Dick- 
darm;   ^ 

2)  dass  demgemäss  der  Darmtractus  todtge- 
borener  Kinder  nie  im  Wasser  schwimmt, 
weder  im  Ganzen  noch  in  einzelnen  Theileu, 
sondern  sofort  zu  Boden  sinkt; 

3)  dass  erst  mit  der  Respiration  die  Gasent- 
wickelung im  Darmtractus  beginnt  und  zwar 
oben,  vom  Hagen  angefangen  nach  abwärts 
vorwärtsschreitend,  zunächst  unabhängig  von 
Mahrungsaufnahme,  dass  also 

4)  wahrscheinlich  das  Verschlucken  von  Luft 
den  ersten  Anstoss  zur  Luft-  resp.  Gas- 
anhäufung  im  Magen  und  so  weiter  abwärts 
giebt; 

ö)  dass  schon  nach  den  ersten  Athemzugen  Gas 
(o^er  Luft)  im  Magen  sich  befinden  kann; 


XIX.  •  NoiiMik  AUf  d«r  JoonMl-Lfteratnr.  3Bß 

6)  dass  in  dem   Maasse   als   die  Re&piralion  eine 
▼ollkommnere   und   länger  dauernde   ist,   au^h 
sämmtlicbe  Darmschlingen  von  Gas  mehr  oder 
weniger   ausgedehnt   werden,   woran  man   sich 
durch    Percassion    an    lebenden    Kindern   und 
durch  die  Untersuchung  an   Leichen  von  früh 
verstorbenen  Kindern  überzeugen  kann. 
Zu  dem  erwähnten  Befunde  bin  ich  ganz  selbststandig 
gekommen  und  habe  bis  jetst  in  den  mir  zugänglichen  Hand- 
büchern und  Schriften  über  Physiologie ,  gerichtliche  Medidn 
und   Kinderkrankheiten   vergeblich  auch    nur  nach  einer  An- 
deutung in  dieser  Beziehung  gesucht     Dass  etwas  so  taglich 
zu  Beobachtendes  bisher  nicht  einer  näheren  Forschung  unter- 
zogen worden  sein  soll,  ist  Hast  unbegreiflich,  allein  es  gdit 
ähnlich   mit  Vielem  so,  was  man  sieht   und  doch  übersieht. 
Kaum  bedarf  es  der  Erwähnung,  dass  das  Nichtvorhandensein 
von  Darmgas  im  ganzen  intrauterinen  Leben  des  'Fötus  und 
das   sucoessive   Entstehen    desselben    im    extrauterinen    mit 
Langenathmung  verbundenen  Leben  von  entschiedener  physio- 
logischer und  medicinisch -forensischer  Bedeutung   ist,   und 
ich   habe   mur  deshalb   erlaubt,    bevor   noch    meine  eigenen 
Untersuchungen  hierüber  abgeschlossen  sind,  einstweilen  eine 
vorläufige  Mittheilung  über  diesen  Gegenstand   zu  publiciren. 
Zürich,  im  Harz  1865. 


XIX. 
Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


0.  ü.  Franque:    Schwangerschaft  bei  mangelhafter 
Immissio  penis. 

Verf.  beobachtete  swei  F&Ue ,  in  denen  nur  in  mangelliafter 
Weite  der  Penis  eingeführt  werden  konnte  und  doch  Scbwanger- 
•ehaft  erfolgte.  Bei  der  einen  Frau  war  wohl  in  Folge  einer 
diphtheritiiicben  Entsfindnng  der  Motterscheide  im  Wochenbette 
eine  sehr  bedentende  ond  mit  harten  nnnaehgiebigen  Rändern 
ond  Strängen   umgebene  Verengerung    der  Scheide  eingetreten, 


240  XIX.    Notiven  «as  d«r  Journal« Literatur. 

in  Folge  deren  der  OoUas  nur  g^&na  nnyoUkommen  ansgefibt 
werden  kopnte.  Im  zweiten  Falle  bestand  ein  dicker,  fast  sehniger 
Hymen  mit  kleiner  Oeffnung.  Beide  Verengerungen  leisteten 
dem  gegenrückenden  Kindeskopfe  solchen  Widerstand,  dass  sie 
mit  dem  Messer  erweitert  werden  mnssten. 

(Wiener  Medicfnalhalle,  1864,  No.  50.) 

Heppner:      Complicirte     Fistnla     Tesico  -  vaginalis. 
Vollständige    Heilung. 

Die  Complication  bestand  in  obigem  Falle  darin »  das«  sa 
gleicher  Zeit  eine  grössere  •Blasenscheiden*  nnd  eine  kleinere 
Harnröhrenscheidenfistel  bestanden  und  zwar  so,  das«  zwischen 
beiden  nur  ein  festes  strangartiges  Narbengewebe  von  6  Millim. 
Breite,  wie  eine  Brücke  zwischengespannt  war.  Es  gelang  nicht 
eine  Verbindung  der  Harnröhre  mit  der  Blase  hinter  dieser  festen 
Briicke  aufsnfinden.  Die  Operation  dieses  schwierigen  Falles 
wurde  so  gemacht,  dass  ohne  Beriicksichtigang  des  erwähnten 
Narbenstranges  der  obere  Rand  der  oberen  Fistel  über  die  kleine 
Fistel  hinweg  an  die  vordere  Peripherie  des  Ostitim  vaginae  an- 
geheilt wurde.  Nach  der  Herausnahme  der  Drühte  zeigte  sich 
anfange  noch  Harntrftnfeln  ans  drei  Stichwunden,  von  denen  zwei 
bald  Terbeilten,  die  dritte  aber  noeh  acht  Monate  lang  allen  Cnr- 
yersuchen  den  hartnäckigsten  Widerstand  leistete,  endlich  aber 
nach  wiederholter  Operation  heilte.  Einige  gute  Abbildungen 
verdeutlichen  die  Eigenthümlichkeiten  des  Pralles. 

(Petersburger  medit!.  Zeitschr.,  1864,  Heft  9  und   10.) 


Zimmer:  Vollständige  häutige  Verwachsung  der 
grossen  Schamlippen,  beobachtet  ,bei  zwei 
Kindern. 

Ein  fünf  Jahre  altes,  sehr  kräftig  gebautes  Mädchen  konnte 
nur  unter  heftigen  Schmerzen  Urin  lassen;  es  machte  dabei  an- 
gestrengte Bewegungen  mit  den  Beinen,  bis  endlich  der  Urin 
in  einem  dünnen  Strahle  am  JUeibe  heraufkam  nnd  dann  zu  beiden 
Seiten  wieder  abfloss.  Es  zeigten  sich  die  beiden  grossen  Scham- 
lippen durch  eine  glatte  Haut  eng  an  einander  gewachsen,  nur  im 
oberen  Winkel  blieb  eine  kleine  Oeffnung,  für  eine  gewöhnliche 
geknöpfte  Sonde  durchgängig.  Die  Membran  war  überall  ly,  Linien 
dick  und  wurde  durch  Spaltung  und  Naht  der  seitlichen  Wunden 
operirt.     Die  Heilung  erfolgte  schnell. 

VierW^ochen  später  wurde  dem  Verf.  ein  zweijähriges  Mädchen 
mit  genau  derselben  Verwachsung  zugeführt  und  in  derselben 
Weise  glücklich  operirt. 

(Beiliner  klinische  Wochenschrift,   1S66,  No.  1.) 


XX.      . 
Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Geburtshülfe 

in 

Berlin. 

Sitzung  am  22.  November  1864. 

Herr  W,  Straassmann  bemerkt  zum  ProtocoUe  dm* 
letzten  Sitzung  dasß  er  in  einem  Falle  von  Haematometra 
in  welchem  er  durch  torcirte  Einführung  der  Sonde  zwar 
etwas  Btutaustritt  veranlassen  korfhte,  wegen  Erfolglosigkeit 
dieser  0|)eration  zur  blutigen  Erweiterung  des  Muttermundes 
geschritten  sei.  Diese  hätte  er  durch  einfache  Incision  be- 
werkstelligt, indess  nur  durch  fortgesetztes  Einführen  von 
Bougies  etc.  die  Wiederverwachsung  verhindern  können. 

-Von  Herrn  Winckel  in  Rostock  ist  folgende  Abhand- 
lung eingegangen. 

Von  der  Einwirkung  de9  Chloroforms  auf  die  Wehenthätigkeit 

Seit  der  Anwendung  des  Chloroforms  in  der  Geburts- 
hülfe ist  die  Literatur  über  den  VVerth  desselben  bereits  so 
stark ~ angeschwollen,  dass  der  Vergeh  diesem  Gegenstande 
noch  neue  Seiten  abzugewinnen  vielleicht  von  Manchem  mit 
Kopfschülteln  aufgenommen  wird.  Obwohl  schon  durch  die 
sehr  ausführliche  und  auf  27  genaue  Beobachtungen  ge- 
stutzte Arbeit  von  6^  L,  Sachs  (in  dcif  Verhandlungen  der 
Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin  von  1847  pag. 
249 — 312  llf.  Band),  eine  Reihe  von  Fragen  in  dieser  Be- 
ziehung erledigt  waren,  versuchte  doch  noch  im  vorigen  Jahre 
Ä.  Johns  (Dublin  quart.  Journ.  1863  Mai'  pag.  353 — 365 
und  mein  Referat  darüber  in  dem  Centralblatt  für  medicin. 
Wissenschaften  I.  pag.  477)  das  Chloroform  als  ein  durchaus 

MoBftUaehr.  f.  Oaburtak.  1886.  Bd.  XXV..  Hft.  4.  16 


242  XX.    Verhandlimgen  der  Gesellschaft 

schädliches  Mittel  für  normale,  wie  für  verzögerte  Geburten 
darzustellen  und  schloss  mit  dem  Wunsche,  dass  es  über- 
haupt nicht  in  der  Geburtshülfe  angewandt  werden  möge. 
So  sind  auch  in  Deutschland  die  Ansichten  über  die 
Wirkungsweise  dieses  Mittels  bei  der  Geburt  immer  noch 
sehr  getheilU'  Der  Grund  hierfür  liegt  zum  Theil  in  der 
Ungenauigkeit  der  mit  dem  Chloroform  angestellten  Unter- 
suchungen, zum  Theil  in  dem  Umstände,  dass  mit  einer  Menge 
rein  subjectiver  „Erfahrungsurtheile",  die  nicht  auf  vor- 
wurfsfreie Beobachtungen  gegründet  sind,  die  Bedeutung 
desselben  entweder  überschätzt  oder  zu  gering  angeschlagen 
wird.  Auch  die  sonst  vorzüglichen  Experimente  von  Sachs 
(1.  c.)  sind  insofern  nicht  vollständig  als  zunächst  trotz  der 
Angabe  auf  pag.  262. 

a.  die  Wehen  nicht  längere  Zeit  und  gleichmässig 

vor  und  nach  der  Anwendung  des  Mittels,  sondern  nur 
während  derselben  i>eobachtet  wurden.  Die  Wehenbe- 
schaffenheit vorher  wurde  nur  im  Allgemeinen  ange- 
deutet, oder  höchstens  die  Pausen  zwischen  den  voran- 
gegangenen Wehen  (cf.  z.  B.  Fall  5.  6.  8.)  angegeben; 
ferner  hat  Sachs 

b,  hauptsächlich  nur  die  Pausen  zwisclien  den  Wehen 

und  wenig  oder  gar  nicht  die  Stadien  der  einzelnen 
Wehen   während   der  Narkose  untersucht,  sondern 
auch  dann  nur  im  Allgemeinen  die  Beschaffenheit 
der  Wehe,  sehr  oft  auch  diese   nicht,  sondern  nur  die 
Dauer  und  manchmal  beide  nicht  notirt. 
Nun  kann  zwar  ein  geübtes  Ohr,  besonders  dann  wenn 
schon  die  Bauchpresse   in  Anwendung  kommt,   aus  der  Re- 
action    der  Kreissenden   die   Stärke  der    Wehen   öfters   er- 
kennen, allein  ihre  Dauer  auch  nur  annähernd  auf  diese  Weise 
zu   bestimmen,  ist  sehr  trügerisch.     Sachs  hat   nicht  ange- 
geben, wie  er  die  Dauer  bestimmt  habe.     Allein  auch  wenn 
er,   was   wahrscheinlich   ist,   durch   Auflegen   der  Hand   auf 
den  Leib   die  Wehen   untersuchte,    so  Hesse  sich  auch  dann 
nur  eine  genaue  Vergleichung  der  Wehen   untereinander   an- 
stellen, wenn  die  einzelnen  Stadien  derselben  besonders  notirt 
wurden.    Gerade  in  dem  Verhältnisse  der  einzelnen 


mr  Gebnrtflhtnfe  in.  Berlin.  243 

Stadien  untereinander  liegt  ja   die  Hauptbedeutung 
einer  jeden  Wehe. 

c.     Auch  ist  noch  nicht  scharf  genug  zwischen  der  Einwirkung 
des   Chloroforms   auf  normale   und    pathologische 
Wehen    unterschieden,  denn  'S.    spricht  nur  von   der 
Anwendung  des  Chlorc^orms  bei  normal  ?erlaufenden 
Geburten.     Freilich    rechnet   er  darunter  auch  solche 
bei    denen    (cf.   Fall    V.)    die    Wehen    un regelmassig 
wiederkehren  nach  1,  2,  3  Minuten   und  ferner  (cf.  Fall 
IX.)  solche  in  denen  die  Wehen  heftig  schmerzend, 
und  doch  sehr  wirksam  ohne  freie  Intermissionen   in- 
einander übergingen,  und  die  Kreissende  in  den  Zwischen- 
räumen nicht  frei  von  Schmerzen  war.'' 
Meiner  Ansicht  nach  müssen  diese  Fälle  von  Anwendung 
des  Chloroforms  bei  Wchenanomalien  sehr  streng  ron  denen 
des  Gebrauchs  bei  normalen  Wehen   gesondert  werden,   die 
Wirkung  wird  jedenfalls  nicht  dieselbe  sein. 

Aus  diesen  Gründen  blieben  die  Resultate  zu  denen 
8.  gelangt  wenigstens  nicht  ganz  unantastbar  und  noch 
genauere  Untersuchungen  nothwendig.  Dabei  liess  sich  zu- 
gleich eine  Frage  mit  untersuchen,  die  bis  jetzt  hier  noch 
nicht  erledigt  und  auch  für  die  Chirurgie  noch  offen  ist  (cf. 
BiUroth:  Wundfieber  und  Nachfieber:  Langenbeck's  Archiv 
Bd.  II  pag.  340.  1862.),  ich  meine  den  Nachweis  über  die 
Einwirkung  der  Narkose  ausser  auf  Puls  und  Re- 
sph*ation  besonders  auf  die  Temperatur.  Gebärende 
eignen  sich  zu  dieser  Untersuchung  sehr  gut,  da  man  ein 
langes  Thermometer  in  der  Scheide  während  der  ersten  und 
selbst  während  der  zweiten  Periode  sogar  Stunden  lang  liegei^ 
lassen  kann  und  da  man  bei  der  Anwendung  des  Chloroforms 
in  normalen  Geburten  nicht  durch  vorzunehmende  Operationen 
in  der  ruhigen  Beobachtung  gestört  wird.  Vor  Mittheilung 
der  eigentlichen  Fälle  muss  ich  noch  einige  Worte  üb^  die 
Art  der  Untersuchung  selbst  sagen: 

Sie  ist  zunächst  in  allen  vier  Beispielen  von  mir  selbst 
ausgeführt  worden,  indem  ich  zur  rechten  Seite  der  auf  dem 
Rücken  oder  auf  der  Seite  liegenden  Kreissenden  sass,  meine 
linke  Hand  unter  der  Decke  und  dem  Hemde  flach  mitten 
auf  die   vordere   Bauchwand   ohne   zu   drücken   auflegte,   so 

16* 


244  '^^*    y^rhiiii^Iiiiigeii  dar  Geaellschaft 

dafis  dieselbe  nur  durck  ibre  Schwere  auf  den  Bauebdecken 
ruhte.  Mit  der  rechten  Hand  hielt  ich  die  Uhr,  deren  Se- 
cufideazeiger  von  meinen  Augen  nur  auf  Momente  in  den 
Pausen  verlassen  wurde,  um  an  dem  in  der  Scheide  liegenden 
Thermometer  die  Tertiperatur  abzulesen.  Während  des 
Verlaufs  jeder  Wehe  wurde  die  Dauei*  der  einzelnen  Stadien 
sofort  einem  Studirenden  dictirt,  während  ein  zweiter  Puls 
und  Respiration  controUirte  und  ein  dritter  nach  meiner 
Vorschrift  chloroformirte.  Auf  diese  Weise  wurden '  Wehen- 
pausen, die  'einzelnen  Wehensladien  und  am  Ende  Jeder  Wehe 
z.  B.  in  Fall  2  Puls,  Respiration  und  Temperatur  sofort 
genau  notirt.  —  Die  Unterscheidung  der  einzelnen  Stadien 
ist,  bei  nicht  zu  fetteu  Bauchdecken,  sehr  leicht  Das 
Stad,  iiicrementi  beginnt  mit  dem  Härterwerden  des  Uterus, 
der  zugleich  sich  mehr  gegen  die  dauchdecken  erhebt;  man 
fiUilt  oft  das  Fortscbreiten,  die  Zunahme  der  Contraction  sehr 
deutlich,  manchmal  ist  es,  als  ob  kleine  Hügel  sieb  unter  der 
Hand  befänden,  indem  einzelne  Muskelzöge  stärker  schon 
hervortreten.  Sehr  gewohnlich  treten  Schmerzen säusserungen 
der  Kreissenden  erst  am  Ende  dieses  Anfangsstudiums  ein. 
Das  Stadium  acmes,  kenntlich  durch  seine  gleicbmässige  Härte 
in  allen  Uterusfasern,  sowie  meist  durch  stärkeres  und  lauteres 
Stöhnen  der  Kreissenden,  geht  dann  in  das  Stad.  decrementi 
über,  wenn  man  wiede-r  mehr  Unebenheiten  au  der  vorderen 
Uteruswand  fühlt  und  mit  den  Fingerspitzen  leicht  die  Uterin'- 
musculatur  eindrucken  kann.  Wiederholt  habe  ich  Studireode 
gleichzeitig  mit  mir  eine  Hand  auf  den  Leib  der  Kreisseuden 
legen  lassen,  um  ihnen  zur  Wahrnelimung  zu  bringen,  wie 
leicht  der  Unterschied  der  Stadien  zu  erkennen  und  wie 
genau  nach  Secunden  die  Dauer  der  einzelnen  bestimmt  werden 
könne.  Auf  einige  interessante  Punkte,  welche ^sich  bei  diesen 
Wehenuntersuchungen  ergeben,  will  ich  in  den  Epikrisen  zu 
den  betreffenden  Fällen  aufmerksam  machen.  —  Vorher  nur 
noch  wenige  Worte  über  die  Berechtigung  zu  solchen  Ver- 
suchen an  kreissenden  Frauen.*  Dieselben  fanden  statt  bei 
zwei  gesunden  Gebärenden  und  bei  zwei  mit  abnormen 
Weben.  Erstere  boten  regelmässige  und  kräftige  Uteruscoo- 
tractionen  ohne  jede  erhöhte  Schmerzhaftigkeit  derselben. 
Wehen  die  schon  so  entwickelt  waren^  dass  man  auch  durch 


far  Oebni'UhaiVe  In  Berlin.  245 

,  die  von  Sachs  bei  Einwirkung  des  Oblorofornis  schon  nach- 
gewiesene geringe  Verzögerung  der  Geburl  a  priori  keinen 
Nactrtbeil  von  dem  Versuch  für  Motter  oder  Kind  erwarten 
konnte.  Bei  letzteren  wurde  das  Chloroform  zunächst  als 
Linderungsmittel  für  die  excessiven  Wehenschmerzen  ange- 
wendet. Die  Narkose  selbst  wurde  nur  so  lief  herbeigeföhrl, 
dass  die  Kreissende  auf  Schmerzen  gar  nicht  mehr  reagirte 
und  nur  so  lange  fortgesetzt  bis  eine  Reihe  von  Wehen  in 
derselben  beobachtet  worden  und  etwa  hinreichend  Zeit  ver- 
strichen waren,  um  während  derselben  selbst  schwierigere 
Operationen  auszuföhreu  (  V4 — ^'«  Stunde).  Während  die  Resul- 
tate bei  den  zwei  ersten  Fällen  völlig  genfigten  und  namentlich 
neben  den  sonst  ausföhrlichen  Beispielen  von  Sachs  weitere 
Experimente  bei  normalen  Wehen  überflüssig  machten,  würde 
ich  die  Untersuchungen  über  die  Einwirkung  des  Chloroforms 
auf  die  verschiedenen  Wehenanomalien  gern  noch  weiter  fort- 
gesetzt haben,  wenn  sich  noch  neue  Fälle  ähnlicher  Art  der 
Beobachtung  geboten  hätten,  obwohl  die  Wirkung  in  beiden 
Fällen  nicht  zur  Portsetzung  aofmunterte. 

1.  Einwirkung     des     Chloroforms     auf    normale 
Wehen. 

I.  c/.  K.  eine  28jährige  Secundipara  kam  nach  durchaus 
normalem  Verlaufe  ihrer  Schwangerschaft  am  23.  Juni  d.  J. 
kreissend  zur  Anstalt.  Sie  war  eine  ziemlich  grosse  kräftig 
gebaute  Brünette  nnt  rothen  Lippen  und  Wangen.  Die  Unter- 
•suchung  ergab  ein  durchaus  gutes  Becken  und  dritte  Schädellage. 
Der  Muttermund  thalergross,*  die  Li])pen  dünn,  Blase  stehend, 
die  Fötalherztöne  rechts  unten  am  Leib  sehr  deutlich  hörbar. 
6%  Uhr  Nachm.  P.  92,  Temp.  d.  Scheide  37,7  f»C. 
Bei  Benutzung  des  Siechbeckens  nach  erhaltenem  Klystiere 
sprang  die  Blase:  der  Kopf  stand  ziemlich  tief,  die  grosse 
Fontanelle  noch  nach  links  und  vorn. 

6  Uhr:  1.  W^e.  Dauer  1  Minute,  Pause  IV2  Minute. 

2.  „  St.  incr.  i5  See,  acm.  40,  decr.  30,  Pause65S. 

3.  „    „    „     10    „       „    46,    „     16,     „    65  „ 

4.  „    „    „    20    „       „    35,    „     25,    „    35  „ 
Die  Baucbpresse      wui*de      noch     nicht     mit     ange^ 

wandt,  der  Wetiensf^hmerz  durcbaus  massig.    Der  Uterus  bei 


246  ^^-    Verhandlnngen  der  G««eUBohaft 

BerQhiTJiig  nicht  schmerzhaft    Der  Kopf  steht  fest  auf  dem  ^ 
Muttermunde. 

5.  Wehe  Stad.  incr.  10  See»,  St.   decrem,  lö  See,   Pause 

65  See. 
Kurze  Anwendung  der  Bauchpresse  während  der  Wehe. 

6.  Wehe  St  incr.  15  See,  St  acm.  60  See.    Während  dieser 

Wehe  ist  der  Muttermund  von  dem  Kopfe  passirt  worden 

imd  der  letztere  fast    an   den  Damm    getreten    unter 

starker  Mithülfe  der  Bauchpresse. 

In  der  folgenden  Wehenpause  wurden  nun  Chloroform* 

Inhalationen   gemacht,    die    Parturiens    lag    schon    seil 

Beginn  der  Beobachtung  auf  der  rechten  Seite.    Nach  3% 

Minuten    war    die    Narkose    vollständig,   die   ganze 

Webenpause  dauerte  jetzt  aber  47«  Minuten. 

7.  Wehe  Stad.  incr.  15  See.,  St.  acm.   25  See.,  Su    decr. 

15  See,  Pause  1  Hin.  50  See.  Sopor.  Keine  Inha* 
lationen  mehr. 

8.  Wehe  Stad.   incr.  15   See.,    St.    acm.  20  See,  St  decr. 

20  See,  Pause  1  Min.  30  See  Die  Bauchpresse 
wurde  gar  nicht  angewandt.     Narkose  vollständig. 

9.  Wehe  Stad.    incr.   5   See,  St.  acm.  20  See,    SU  decr. 
I     16  See,  Pause  1  Minute  15  See,  24  Respirationen  in 

1  Minute.  Beginn  der  Anwendung  der  Bauchpresse. 
neue  Inhalationen  während  der  Wehe. 

10.  Webe  Stad.  incr.  10  See,  St.   acm.   35  See,   St.  decr. 

15  See  Lebhafte  Reaction  der  Parturiens,  deutliche 
Wirkung  der  Bauchpresse  —  neue  Inhalationen  — 
danach  leises  Stöhnen  —  die  Pause  dauert  1  Min. 
50  See 

11.  WeheSt.  incr.  10  See,  St.  acm.  30  See,  St.  decr.  15  See, 

Pause  —  5  See 

12.  Wehe  St.  incr.  10  See,  St.  acm.  10  See,  St.  decr.  10 See, 

Pause  10  See 

13.  Wehe  St.  inCr.  10  See,  St  acm.  40  See,  St.  decr.  15  See 

Sopor.  Pause  1  Min.  35  See  Im  St.  acmes  lebhafte 
Wirkung  der  Bauchpresse;  Part,  erwacht  allmälig,  da  keine 
neuen  Inhalationen  angewandt  werden. 

14.  Wehe  Stad.  incr.  10  See,  St  acm.   25  See,  St  decr. 

15  See,    Pause   1  Min.  5  See    Parturiens  fast  völlig 


$kt  Gebnrtsbülfe  in  Berlia.  247 

erwacht,  IdBSI  die  Bauchpresse  lebhaft  mitwirken,  der 
Ko])f  wölbt  den  Damm  stark. 
15.  Wehe  SUd.  incr.   15  See.   bei  dem  1  Minute  langen 
St  acm.  komoU  der  Kopf  fast  zum  Durchschneiden. 

Die  16.,  17.  und  18.  Wehen  bringen  kurz  aufeinander 
folgend,  15  Minaten  im  Ganzen  nach  dem  Aufhören  der 
Chioroforminhalationen,  den  Kopf  zum  Durchschneiden.  Die 
Stirn  trat  unter  dem  Schambogen  hervor.  Nach  dem  Durch- 
schneiden des  Kopfes  höchst  massiger  Wasserabgang.  Der 
ausgetr.  lebende  Knabe  (6  Pf.  25  L.  20''  lang,  Kopfdurch- 
messet:  3V4 ',  3*/»",  ^V«",  ÖV^")  schrie  sofort.  Die  Placenta 
ward  durch  Druck  nach  5  Minuten  sehr  leicht  entfernt,  der 
Blutverlust  dabei  sehr  unbedeutend  —  der  Uteru^ 
war  und  blieb  gut  conlrahirt  Im  Beginn  des  Versuchs  — 
Abends  6^4  Uhr  betrug  die  Scheidentemperatur  37,45^  C. 
Der  Puls  6 — 7 — 8  Schläge  in  5  Secunden  wahrend  einer 
Webe  —  gleich  nach  Beendigung  der  Geburt  aber  6V4  Uhr 
war  die  Scheiden temperatur :  37,2^C.  Der  Puls  hatte  44  Schlage. 
—  Das  nun  folgende  Wochenbett  war  durchaus  normal: 
Ganz  charakteristisch  dabei  die  Pulsverlangsamung:  am  24/25 
hattePuerpera60— 62.:  am  26.:  64-68.:  am  27/6:  66—68 
Schläge;  am  28/6:  68—66  und  vom  29/6—3/7  stets  nur 
60-r62.  —  Die  Temperatur  schwankte  zwischen  37,2  und 
37,8^  €.;  die  Respiration  zwischen  16  und  20.  Die  Räck* 
bildung  des  Uterus  ging  sehr  gut  von  Statten,  die  Puerpera 
säugte  ihr  Kind  selbst  und  verliess  am  9.  Tage  das  Bett. 
Am  6/7  wurden  Mutter  und  Kind  gesund  entlassen.  — 

Vergleichen  wir  nun  die  sechs  Wehen,  weiche  vor  Beginn 
der  Inhalationen  notirt  wurden,  mit  den  6  während  der  Nar* 
kose,  so  ergeben  sich  folgende  Unterschiede  auf  den 
ersten  BUck: 

1)  Die  Wehenpausen  sind  in  der  Narkose  länger,  als 
ohne  Narkose;  durchschnittlich  betrugen  sie  bei  fünf  Wehen, 
die  in  ununterbrochener  Narkose  beobachtet  wurden:  2  Mi- 
nuten 10  Secunden  und  bei  fünf  Wehen  vor  der  Nar- 
kose nur  1  Mm.  4  See.  Die  grösste  Pause  ward  durch 
den  Bt^ginn  der  Narkose  selbst  bewirkt  —  sie  dauerte  4^4 
Minuten.  Bei  dieser  ist  psychischer  Aifect  wohl  nebeo  dem 
Chloroform  in  Anschlag  zu  bringen. 


248  ^^*     ¥«rhttndlungeii  der  Gesolfochaft 

3)  Auch  die  einzelnen  Wehen  sind  durch  die  Narkose 
verändert,  denn  das  Stadium  acmes  ist  kürzer  geworden, 
alsvorderNarkose.  Es  betrug  während  derselben  durch- 
schnittlich nur  26  Secnndcn  und  vorlier  schon  im  Durchschnitte 
42  Secunden.  Dagegen  blieben  Anfangs-  und  Endstadium  fast 
ganz  unverändeit.  Seht*  interci^sanl  ist  die  Beobachtung,  dass 
der  Grad  der  Narkose  in  geradem  Verhältniss  zur  Daner 
des  Höhestadiums  stand  —  bei  völligem  Sopor  (Wehe  No.  8. 
und  12)  war  die  Acnie  am  kürzesten.  Sobald  aber  der 
Schmerz  wieder  verspürt  wurde,  fing  die  Wirkung  der  Bauch- 
presse an  und  die  Dauer  der  Acnie  war  länger.  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  Verkürzung  des  Höhestadiums  fast 
ausschliesslich  auf  Rechnung  der  aufgehobenen  Anwendung 
der  Bauchpresse  zu  setzen  ist,  da  ja  die  Contraction  des 
Uterus  unter  dem  Drucke  der  stark  contrahirten  Bauchmuskeln 
nothwendig  sehr  verstärkt  werden  muss.  Neue  Inhalationeo 
verlängerten  sofort  wieder  die  Pausen  (Wehe  10 — 11)  und 
verkürzten  das  Stadium  acines  (W.  12). 

3)  Trotzdenl  dass  Parturiens  fast  13  Minuten  in  kaum 
unterbrochener  Narkose  gehalten  wurde,  erreichten  die 
nach  der  Narkose  eintretenden  Wehen  sofort  wieder  die 
frühere  Stärke  und  Dauer. 

4)  Auf  die  Temperatur  hatte  die  Narkose  gar  keinen 
Eihfluss;  der  Fall  von  37, 45  auf  37,2®  war  genau  der  Tages- 
zeit entsprechend.  Auf  das  Kind  und  das  Befinden  im  Wochen- 
bett war  auch  durchaus  kein  Einfluss  zu  constatiren. 

Das  Hauptresultat  war  also,  dass  durch  die  Narkose 
die  Geburt  verzögert  wurde  und  zwar  nicht  blos 
durch  Verlängerung  der  Pausen,  sondern  auch  durch  Ver- 
kürzung der  Höhestadien  der  einzelnen  Wehen. 

U.  S.  K.  eine  grosse,  sehr  kräftige  Drittgebärende  mit 
weitem^  Becken,  zweiter  Scliädellage  des  Kindes,  begann  am 
3/7  gegen  Abend  zu  kreissen.  Die  Untersuchung  begann  in 
d.  ersten  Geb.  Periode  bei  stehender  Blase  und  thalergrossem 
Muttermunde. 

a.     Wehen  vor  der  Narkose. 
Puls     Tptur.^     Ab.  sy,  Uhr      Pause     Stad.  incr.     acines     decrem. 
84    37,96®C.       „      „       „     1.      —  _         30  See.  20  See. 

37,96  „         „      „       „     2.  4%    „         6    „        16      „        6      „ 


filr  Gebartshtilf«  in  B^rttn.  249, 

Puls    Tpfcur.     Ab.  8 Vi  Ubr      Paine     8tad.  incr.    acaies     d^ereip. 

3.  4      Min.     5  See.    40  See.    16   See. 
84     38.05  „         „      .,       „     4.  3        ,.       10    „        30      „      16      „ 

5.  3        „       12    „        35      „     10      ,. 
Paiiuripns  stöhnt  gar  nicht  während  der  Wehe,  häJt  nur  den 

Alheni  an  und  seufzt  hinterher. 

6.  37,  Min.  15  See.  35  See.  10  Sev. 
84  38.0  „    „   „   „  7.  6    „  10  „  45  „  10   „ 
84  38,05 ,   „  8.  3    „  10  ,.  25  „  15   .. 

In  der  6.  Wehenpause  wurden  innerhalh  zwei 
Minuten  35  Kindeshewegungen  —  (Anklopfen  der 
Hacken  au  den  Uterus)  deutlicli  von  mir  gefühlt, 
in  der  ?•  dagegen  nur  6XBewegung  verspürt«  Die 
iferztöne  waren  normal. 

H4    37,95—38,0  ,,      „       „     9.  4     Min.    10  See.     45  See.    15   See. 
10.  3V,    „       10    „        40      „     15      „ 
J.     Wehen  in  der  Narkose. 
Nach    1    Hinute    Pause    wurden    Chloroforminhala- 
lioneii  gemacht  und  dauerte  bei  diesen  die  Pause  noch 
92  37,925<>C.       „      „       „  11.  6     Min.    10  See.     35  See.   10   See. 
Part,  spannt  noch  die  Musiveln,  hört  noch  auf  Anrufen, 
ist  noch  nicht  ganz  narkotisirt. 

12.  8V»Min.  Abortiv. Weher.  10—16  8. 

13.  IV,    .,       15    „        46      „     15        „ 

3V«  Minulen  lang  keine  iDbalattoneo  mehr,  dann,  da  Part. 

sich  regt  von  neuem  Inhalationen 

No.  14.    6  Min.  Pause    10  See.    25  See.    10  See.    P.-Tp.  37,95 

die  vollständige  Narkose  beginnt 

Kq.  15.   5  Min.  Pause    10  See.    35  See.       5  See. 

Schlaf,  ohne  weitere  Inhalationen  in  völliger  Narkose 

No.  16.    6  Min.  Pause    10  See.    45  See.    15  See.  P.  82  Tp.  37,9  R.  24 

wieder  neue  Inhalationen,  da  die  Narkose  nachlässt 

No.  17.  3V,Min.  Pause  10  See.  35  See.    10  See. 

„     18.  3V,  „       „        10     „  25     „      10     „  P.  82  Tp.  37,925  R. 24 

„     19.  3»/,  „      „        10     „  45     „       15     „  P.88Tp.S7,95    R.24 

Diese  Wehe  war  (rotz  der  noch  angewandten  Ghloro* 
fvrminhalalionen  sehr  kräftig,  mit  Nachlass  derselben  wurde 
kein  Chloroform  mehr  angewandt. 

c.     Wehen  in  halber  Narkose. 
No.20.  4i  Min.  Pause    10  See.    45  See.    12''' j 
„    21.    4    „        „       10    „      45    „       15    ( 
„    22.   3V4.,        „       10    ,.      35    „       15    ( ^"*"  ^    '''P    ^'^^^ 
„    23.    3V,„        „  8-10  „      60    „       10    ) 


,250  ^X-    Verhandlangen  der  Oeseüflchaft 

No.  94.   dV4Min.  P.  5—8  See.    26  See.   10 

„     26.    3V4  „      „         6     „      40    „      15 
während  all  dieser  Wehen   stöhnte   Pari,    kaum   und   in   der 
Wehenpause  schlief  sie  fest. 
No.  26.   iVaMin.Pause  15  See.    35  See.    10'" 

„     27.    3%  „       „        10     „       75     „       15 

In  der  Mitte  der  Wehe  erwacht  Parturiens  und  ist  ganz 
wohl. 

d.     Wehen  nach  der  Narkose 
No.  28.  SVgMiu.  P.  5— 10  See.  35  See.    10'" 

„     29.    5     „         „  8     „       35     „       10"' 

„  30.  5  „  „  16  „  50  „  15'"  Pala  88  Tp.  37,9«  C. 
Hier  wurde  Abends  10%  Uhr  der  Versuch  beendet. 
Er  hatte  im  Ganzen  2^4  Stunden  gedauert.  Der  Muttermund 
war  fast  völlig  erweitert.  —  Bald  darauf  sprang  die  Blase  — 
und  kurz  nach  11  Uhr  wurde  ein  lebendes  Mädchen  von 
6V«  Pf.  18  Va"  Länge  geboren  (Kopfdurchmesscr:  3"  S^/^" 
4Y2"  5")-  ^'c  Placenta  wurde  leicht  durch  Druck  entfernt,, 
der  Uterus  blieb  gut  conlrahirt.  Ausser  einer  ungewöhnlichen 
Temperatursleigerung  von  37,4  auf  38,6^,  die  aber  in  we- 
nigen Stunden  wieder  verschwand,  war  auch  hier  der  Verlauf 
des  Wochenbettes  durchaus  ungestört  und  wurde  die 
Wöchnerin  am  18.  Juli  mit  ihrem  Kinde  gesund  entlassen.  — 
a.  In  Beti*efl'  der  Pausen  finden  wir  in  diesem  Versuche 
zunächst,  dass  dieselben  bei  8  Wehen  vor  der  Narkose  durch- 
schnittlich 4,25  Minuten  dauerten,  das  Maximum  war  6  Mi- 
nuten, das  Minimum  3  Hinuten. 

Während  der  Narkose  und  zwar  während  der  In- 
halationen betrug  dagegen  die  durchschnittliche  Dauer  der 
einzelnen  Pausen:  4,7  Minuten,  die  längste  aber  8V2  Minuten, 
die  kürzeste  IV2  Minuten,  die  Pausen  wurden  mithin 
unregelmässiger  und  etwas  länger. 

In  halber  Narkose  d.  h.  in  einem  Zustande,  in  welchem 
die  Ki*eissende  laut  schnarchte  und  nur  bei  kräftigen  Wehen 
ein  massiges  Stöhnen  von  sich  gab  und  dann  auch  die 
Bauchpresse  wohl  anwandte,  betrug  die  Durehschnitts- 
dauer  der  Pausen  3,7  Minuten,  die  kürzeste  3,  die  längste 
4'/2  Minuten  —  es  waren  also  die  Pausen  schon 
wieder  regelmässiger  und  rechnet  man  zu  den  in  diesem 
Zustande  vorgekommenen  noch  die  drei  'bei  völligem  Wohlsein 


mr  Geburtaliülfe  in  Berlin.  261 

der  Partiurieos  beobachteten  Weheo,  so  kommt  eine  diircb«- 
scfanitüiehe  Daoer  von  4,1  Minuten  für  die  Pausen  heraus^ 

b.  In  den  Wehen  selbst  zeigt  sich,  dass  in  dem  Stadium 
incremen  ti  —  vor,  wahrend  und  nach  der  Narkose  keine 
wesentliche  Differenz  zu  linden  war.  (Durchschnitt  vor  der 
Narkose  8,7;  während  d.  N.:  9,1  nachher  9,5  Minuten.) 
Das  Stad.  acmes  hatte  vor  der  Narkose  eine  Durchschnitts- 
dauer von  34  Secunden  (10  Wehen -Maximum  45,  Minimum 
15)  in  der  Narkose  betrug  dasselbe,  mit  Einschluss  der  sogen. 
AborCiv-Wehe  —  durchschiiitüich  32  Secunden  (9  Wehen- 
Maximum  45,  Minii^um  0)  nach  der  Narkose  durdischnittlicb: 
41,8  —  (Wehen-Maximum  75,  Minimum  25).  fislässt  sich 
also  auch  hier  eine  Verkürzung  des  Höhestadiums 
während  der  Narkose  nicht  verkennen  und  muss  man 
bei  der  scheinbar  unbedeutenden  Differenz  mit  den  Wehen 
vorher,  hier  vielmehr  die  Differenz  mit  dem  Höhestadium  der 
Wehen  nach  der  Narkose  vergleichen.  Besonders  ergiebt 
sich  aber  die  Verkürzung  durch  Vergleichung  der  einzelnen 
Wehen  in  der  Narkose  —  sobald  nämlich  die  Narkose  nach- 
liess(\Vehe  13,  16,  19),  war  das  Höhestadium  länger  und 
sowie  neue  Inhalationen  gemacht  worden,  wurde  es  wieder 
kürzer  (Wehe  14  und  17,  18,  in  welchen  es  von  46  auf 
36  auf  25  See.  fiel). 

Das  Stadium  decrementi  betrug  vor  der  Narkose  durch- 
schnittlich 13  See,  während  derselben  10  und'  nach  ihr 
12  See,  doch  ist  auf  dieses  wenig  Gewicht  zu  legen. 

Im  Grunde  genommen  stimmen  also  die  Ergebnisse  dieses 
Versuchs  mit  dem  vorigen  ganz  überein  —  auch  hier  war 
eine  Verlängerung  der  Pausen  und  Verkürzung  in 
den  Höhe  Stadien  der  Wehen  sicher  nachzuweisen,  doch 
war  die  dadurch  bewirkte  Geburtsverzögerung  nur  gering. 

Die  obengenannte  Abortiv- Wehe  kam  nur  ein  Mal  vor 
und  ich  wage  es  nicht,  diese  der  Einwirkung  des  Chloroforms 
zuzuschreiben,  da  ich  ähnliche  auch  bei  sonst  normaler 
Wehenthäügkeit  bisweilen  beobachtet  habe.  — * 

Die  Temperatur  vor  dem  Beginn  der  Narkose  37,95 — 
38,05^  C.  also  während  der  Wehen  allmälig  etwas  steigend, 
in  der  Wehenpause  wieder  sinkend,  war  höher  als  gewöhnlich 
(um  0,6),   ein  unbedeutender  Darmcatarrh  war  die  Ursache. 


252  XX.    Veriiandlungefi  der  Gesellschaft 

Während  der  Narkose  blieb  fa«t  genau  dieselbe  Höhe; 
es^Bchwankte  die  Temperatur  swischeti  37 ,9 n. 37,95" erschien 
also  uui  0,1— 0,15" C.  niedriger  —  allein  auch  nach  der 
Narkose  berrug  sie  noch  37,9''C.  und  bedenkt  man,  dass 
der  Versuch  nach  dem  zweiten  Höhepunkt  (nach  6  Ultr 
Abends)  stattfand  und  dass  die  eigentliche  Narkose  wenigstens 
V2  Stunde  dauerte,  so  ist  dieser  unbedeutende  Abfall  nur 
auf  die  Tageszeit  selbst  zu  schieben  und  nicht  dem  Chloro- 
form zuzurechnen.  Man  muss  vielmehr  annehmen,  dass  die 
Narkose  auf  das  Temperaturverhalten  wahrend 
der  Geburt,  bei  normalen  Wehen  keinen  wesent- 
lichen Einfluss  zeige. 

2)  Einwirkung  des  Chloroforms  auf  abnorme  Wehen. 

1.  JfUie  ti.  eine  23jäbrige  Erstgebärende  mittelgross, 
blond,  von  kräftigem  Körperbauc,  mit  starkem  Panniculus 
adrposus,  hat  in  ihrer  Kindheit  an  ürusenanschw«!llungen  und 
öfter  an  der  Briune  gehtten.  Seit  dem  16.  Jahre  war  sie 
unregelmässig  und  mit  allerhand  Beschweixlen  (Magenkrampf, 
Brustschmerzen,  grosse  Mattigkeit)  menstruirt.  In  der  Schwanger- 
schaft war  sie  bis  auf  einen  starken  Bronchocatarrh  in  der 
letzten  Zeit  ziemlich  gesund.  Die  Untersuchung  ergab  eine 
zweite  Scfaädellage;  die  Scheide  von  normaler  Weite.  Der  Mutter- 
mund sieht  nach  hiuten  und  rechts,  der  äussere  ist  schon 
geöffnet,  der  innere  noch  geschlossen,  man  kann'  mit  dem 
Finger  in  den  Mutterhalskanal  4»indringen.  Massiger  Catan*h 
des  Mutterhalses,  kein  Catarrh  der  Scheide. 

Die  Wehen thätigkeil  begann  am  Abend  des  18.  Juli 
gegen  8 — ^10  Uhr  —  die  Kreissende  meldete  sie  aber  erst 
am  19/7  Morgens  7  Uhr  —  die  Portio  vaginahs  war  beinahe 
verstrichen,  der  Muttermund  wie  ein  Zweigroschensluck  geöff- 
net, die  Blase  gespannt,  der  Kopf  noch  beweglich  (Becken- 
maasse:  Spinae  9"  2"',  Cristae  10"  4"  ConjugaU  exL  7"  4"\ 
beide  schräge  Durchmesser  des  grossen  Beckens  8"  4'"),  die 
Scheidenlemperatur  37,5^  C. 

19/7  Morgens  8  Uhr.  Die  Portio  vaginalis  ganz  ver- 
strichen, die  Multermundsränder  dann,  Blase  straff,  Temp. 
37,7»C. 

8%  Uhr.  Der  Blasensprung  erfolgte  bei  kaum  ^j^*'  im 
Durchmesser  zeigenden  Mutlermunde.     Temp.  37,9^  C. 


für  Oehurtsbülfe  In  Berlin.  253 

Die  bis  dalun  ziemlich  häufigen  Wehen  Hessen  etwas  nach. 

9  Uhr.  Tempv  d.  Scheide  38,05,  in  der  Wehen- 
höhe auf  38,1^  C.  steigend.  Die  Weben  sind  wieder 
häufiger  und  kräftiger,  allein  unregelmässig  in  ihrer  Dauer, 
1,1  Vs — 3  Minuten  anhaltend,  mit  ebenso  unregelmässigen 
Pausen. 

9''4  Uhr.  Die  vordere  Nuttermuudslippe  be- 
ginnt anzuschwellen,  ist  straff  am  Kopf  anliegend. 

10  Uhr.  Mehrmaliges  grünliches  Erbrechen; 
vordere  Muttermundslippe  russeiförmig  gesehwollen.  Temp.  auf 
37^^ C.  gesunken.  Muttermund  2V^"  im  Durchmesser.  Kopf 
noch  querstehend. 

11  Uhr.  Der  Muttermund  völhg  erweitert,  Kopf  noch 
nicht  hindurch  getreten.    Temp.  37,1^  C. 

12  Uhr.  Bei  sehr  rasch  folgenden  kräftigen  Wehen 
keine  Fortschritte  des  Kopfes.  Tp.  36,9— 12 Vs  Uhr.  Bei 
fortgesetzt  rasch  aufeinanderfolgenden  Wehen  •  derselbe  Zu- 
stand, nur  dass  die  Kopfgeschwulst  bedeutend  grösser  geworden 
ist     Herztöne  des  Kindes  124,  Tp.  36,95<^C. 

1  Uhr. 

1)  Stadium  incrementi  5  Secunden,  Stadium  acmes  32,  decre- 

roenti  25  See 

2)  Wehenpause  1  Min.  20  See,  Stad.  incr.  10,  Stad.  ac. 

45,  decr.  15.  Kreissende  laut  schreiend,  ziemlich  stark 
mitpresseod. 

3)  Pause  1^4  Min.,  incr.  10  Sec^  acm.  50  See.,  dec.  20  See. 

Abortivwehe  in  der  folgenden  Minute. 

4)  Pause  35  See,  incr.  5  See,  acm.  60,  decr.  15.    In  der 

wehenfreien  Zeit  starkes  Aufstossen. 

5)  Pause   1  Min.  5  See,   incr.  5  See,  acm.  50,   decr,   15, 

Chloroforminbalationen. 

6)  Pause  1 V2  Min.,  incr.  10  See,  acm.  55,  decr.  15.  Kreissende 

noch  laut  schreiend.  Vpllständige  Narkose  nach  3  Minuten. 

7)  Pause  3  Min.  20  See,  incr.  10  See,  ae  30  See,  decr.  15. 

Tiefer  Sopor.     Keine  Chloroforminbalationen  mehr. 

8)  Pause  1%  Min.,  incr.  10  See,  acm.  60  See,  dec.  15  See. 

Die  Kreissende  stöhnte  ziemlich  lebhaft,  wandte  die 
Bauchpresse  an ,  daher  neue  Chloroforminhalationen 
während  der  Wehe. 


254  XX.    Verhandlnngen  der  Oesellsohaft 

9)  Pause  2  Hin.,  incr.  5  See,  aciii.  35  See.,  decf.  10  See. 

Kreissende  stöhnte  sehr  wenig,  dehnarchte  laut,  Bauch- 
presse fast  gar  nicht  angewandt. 

10)  Pause  '1  Min.,  incr.  15  See,  acm.  85  See.,  deer.  15  See. 

Parturiens  fängt  auf  dcF  Höhe  des  Stadium  acnies  an 
zu  stöhnen  und  trotz  der  Narkose  die  Bauchpresse 
mitwirken  zu  lassen. 

11)  Pause  50  See,  incr.    10  See,   acm.  20,   decr.  15  See 

Beim  Beginn  der  neuen  Pause  wei^den  die  Chloroform- 
inhalationen ausgesetzt.     Pids  56,  Tp.  37,1. 
Nach   dem   Aufhören   der  Ghloroforminhalationen. 

12)  Pause  1^^  Min.,  incr.  15  See,  acm.  85  See,  decr.  25. 

Kreissende  während  der  Wehe  aufgewacht,  stöhnt  leb- 
haft, während  der  Webenpause  schläft  sie. 

13)  Pause  2  Min.  10  See,  incr.  15  See,  acm.  65,  decr.  20. 

Starke  Mitwirkung  der  Bauchpresse. 

14)  Pause  1%  Min.,  incr.  5  See,  acm.  55,  decr.  15  See 

15)  Pause  50  See,  incr.  5  See,  acm.  45,  decr.  15  See 

16)  Pause  30  See,  incr.  10  See,  acm.  45,   decr.  15  See. 

17)  Pause    1    Min.   5   See      Der    Kopf   ist    inzwischen    bis 

zum  Einschneiden  herabgerückt  und  drückt  gegen  den 
.  Damm.     Die  Wehen  sind  ausserordentlich  schmerzhaft, 
Puls    während    der    Wehe    60  Schläge,    Herztöne    des 
Kindes  132,  Tp.  der  Scheide  2  Uhr  Nachmittags  37,1. 
1^/2  Stunden  dauerte  es,   bis  der  Kopf  durchtrat  und 
mussten  seitliche  Einschnitte  dabei  gemacht  werden. 
Die   nicht    unbeträchtliche    Blutung    aus   dem 
Uterus  nölhigle  zum  sofortigen  Entfernen  der  Nachgeburt 
durch  Druck,  stand  jedoch  sehr  bald.    Der  Uterus  blieb  gut 
contrahirt.      Der   reife,   lebende  Knabe    wog   77a  Pfd.,    war 
I8V2"  lang.     (Kopfdurchmesser  31/4,   3»/4,  4^/4,  b%  Zoll). 
.Nachgeburt    normal.     Die   Temperatur    gleich    pos(    partum 
betrug  37,5,   der  Puls   68,   leichter   Frostschauer   trat   nach 
der   Entbindung   auf.     Abends   6    Uhr.    Tp.  37,7,   Puls  70; 
Ischurie.  20/7,  Puls  2,    Tp.  37,8.  Abends.    Puls  72,  Tp. 
37,9.     Rhagaden  beider  Brustwarzen.    Uterus  nicht  empfind* 
lieh.     Wochenfluss  normal.     Betrachten  wir  bei  dieser  Unter- 
suchung zunächst  die  Wehen  bis  zum  Beginn  des  Versuches, 
so  kann  darüber    kein   Zweifel   herrschen,  dass   wir  es  mit 


fnr  Gebnrtshiilfe  in  Berlin.  266 

exquisiten  Krampfweben,  bedingt  durch  zu  frühen  Wasser- 
abOuss  und  abnormer  Rigidität  des  Muttermundes 
zu  thuQ  hatten.  Palur  sprechen  erstlich  die  bedentende 
Temperatursteigerung  von  37,5  auf  38,1)  (li^  grosse  Schmerz- 
baftigkeit  der  Weben,  die  Anschwellung  der  vorderen  Hutter- 
mundslippe  und  die  geringe  Wirkung  der  Uteruscontractionen, 
endlich  auch  der  beträchtliche  Temperaturabft'all  nach  Be- 
seitigung des  Hindernisses,  nach  dem  Durchtreten  des  Kopfes 
durch  den  Muttermund  von  38,1  auf  36,9.  Sehr  bezeicbnend 
für  diese  Wehenanomalie  sind  femer  die  unregelmässigen 
Pausen  und  die  sehr  schwankende  Dauer  des  Stadium  acmes. 

Wie  wirkten  nun  die  Chloroforminhalationen  auf  diese 
Krampfweben,  welche  auch  noch  in  der  2.  Geburtsperiode 
fortbestanden?  Zunächst  die  Wehen  pausen  anlangend,  so 
betrugen  diese  bei  5  Wehen  vorher  durchschnittlich  1,3  Mi- 
nuten (maxim.  1  Min.  20  See,  minim.  35  See)  Während 
der  Narkose  wurde  die  Durchschnittsdauer  von  6  Wehen  zu 
1,79  Minuten  berechnet,  und  nach  dem  Aufhören  der  Chloro- 
forminfaalationen,  nacli  vollständigem  Wiedererwachen  der 
Kreissenden,  betrug  die  Wehenpause  bei  5  Wehen  durchschnitt- 
lich 1,2  Minuten.  Dabei  waren  während  der  Narkose  be- 
sonders die  erste  Pause  mehr  als  doppelt  so  lang 
denn  die  früheren,  übrigens  waren  die  Differenzen  (maxim. 
3^3  ,  minim.  V«)  nocb  grösser  als  vor  und  nach  der  Nar- 
kose. 

Das  Stadium  acmes  zeigte  bei  5  Wehen  vor  der  Nar- 
kose 47,4  See.  Dauer,  während  der  Narkose  bei  6  Wehen 
47,2  und  nach  derselben  59  Secunden  Dauer  durchschnittlich 
(bei  5-  Wehen.) 

Somit  ist  auch  für  diese  Wehenanomalie  erstlich 
eine  Verlängerung  der  Pausen  und  zweitens  eine, 
wenn  auch  unbedeutende  Verkürzung  des  Stad.  acmes  con- 
statirt  worden  und  es  unterscheidet  sich  die  Wirkung  des 
Chloroforms  in  diesem  Falle  in  Nichts  von  den  frühem,  da 
die  Verlängerung  der  Pausen  keineswegs  sehr  beträchtücb 
war  uiid  auch  nach  der  Narkose  das  Stadium  acmes  ziem^ 
heb  kräftig  entwickelt  büeb.  Die  nicht  sehr  beträchtliche 
Blutung  stand  schon  mit  Entfernen  der  Placenta  durch  Druck. 
Es  ist  mithin  durch  die  Chloroformiuhalationen  eigentlich  nur 


256  XX-    Verhandlnngeii  der  GeselUchaft 

der  Schmerz  während  der  Wehen  beseitigt  worden,  eine 
,  regeknässigere  Enlwickelung  der  Wehen  nach  den  einzelnen 
Pausen  ist  auch  hier  nicht  eingetreten..  Man  hätte  dies  er^ 
warten  können,  da  bekanntlich  bei  sehr  schmerzhaften  Wehen 
durch  Bewegungen  des  Kindes  öfter  kurze  Abortt?wehen  ruck*^ 
weise  hervorgerufen  werden  und  mit  Herabsetzung  der  Er- 
regbarkeit eine  grössere  Gleichmässigkeit  in  der  Aufeinander- 
folge der  Wehen  gehofl't  werden  könnte.  Dasselbe  gilt  von 
der  Dauer  und  Intensität  des  Stad.  acroes. 

Das  Tjemperaturverhalten  vor,  während  und  nach  der 
Narkose  war  ebenfalls  dem  im  vorigen  Versuche  völlig  gleich, 
die  Temperatur  schwankte  nur  zwischen  36,9  und  37,1  von 
1 — 1%  Uhr  und  stieg  in  den  folgenden  2  Stunden  nur  bis 
auf  37,5  von  2 — 3  Uhr  20  Min.  Ein  wesentlicher  Ein- 
fluss  war  mithin  nicht  zu  constatiren;  denn  das  Yer^ 
hältniss  in  der  Steigerung  von  1 — 1^/4  Uhr  36,9  auf  37,1 
ist  fast  dasselbe  wie  von  2 — 3  Uhr  an,  um  welche  Zeit  die  Tem- 
|)eratur  37,3  betrug  und  kommt  nur  auf  die  letzten  20  Mi- 
nuten auf  die  äussersie  Anstrengung  während  des  Durchtrittes 
des  Kopfes  eine  Steigerung  von  37,3  auf  37,5.  — 

H.  L.  F.,  22  Jahre,  klein  (140  Cent.)  hat  als  Kind  an  Rachitis 
gelitten,  lernle  erst  mit  dem  vierten  Jahre  laufen,  menstruirt  seit 
dem  16.  Jahre  ohne  Beschwerden,  regelmässig  dreiwöchentlich, 
zuletzt  am  13.  Oct.  63.  Erste  Kindesbewegung  Ostern  64. 
In  der  Schwangerschaft  litt  Gravida  ausser  an  hartnäckiger 
Ohsti*uction  an  einer  intensiven  Colpitis  granulosa 
mit  Endometritis  colli  und  sehr  starkem  Fiuor  albus.  Das 
Becken  ist  grad- verengt,  die  Conjugata  ext  6^2"  1  ^^  ^'^^ 
gonal-Conjugata  4",  die  Enlfernung  der  Spinae  9",  der  Cristae 
9^2«  der  beiden  schrägen  7^V^  d<^i*  Beckenausgang  weit 
Sie  gebrauchte  in  den  letzten  4  Wochen  Injectionen  von 
Cuprum  sulfuricum  (F^ösung)  1  Scrup.  auf  V^  Pfd.,  ohne  dass 
sich  die  Absonderung  wesentlich  vermindert  hätte. 

Wehenanfang  am  Abend  des  11.  Juli  gegen  10  Uhr. 
Alle  10  Min.  auftretend  waren  sie  im  Verlaufe  der  Nacht  nur 
wenig  wirksam.  Am  l'2./7.  Morgens  7  Uhr:  Scheidentfieil  Vs" 
lang,  der  äussere  und  innere  Muttermund  geöflnet,  Kopf  auf  dem 
linken  Darmbein,  kleine  TheJle  links  oben,  Herztöne  rechts, 
Tp.  der  Scheide  37,4.  9  Uhr.     Bei  linker  Seiteulage  ist  der 


ffir  OebnrtiOitUfe  in  Berlin.  267 

K^  aber  den  Beckeneiogaog  getreten,  Wehen  alle  7  bis 
10  Minuten,  wenig  wirkMin,  Tp.  37,4.  10  Uhr.  Der  Mutter- 
mund ffir  2  Finger  durohgängig,  1>.  37,6,  Puls  88.  10  Uhr. 
Die  Wehen  noch  ebenso  selten.  Der  äussere  Mtttter«)un4 
dicbl  weiter,  kleine  Fontanelle  rechts  zu  erreichen,  Tp.  37,5. 
11 — 3  Uhr  Nachmittags.  Wehen  alle  5  Hinuten  auftretend, 
Vaginaiportion  vöUig  yerstrichea,  sonst  Status  idem.  Tp.  87^, 
Pols  84,  5  Uhr,  Weben  wie  vorhin.  Haut  feucht,  Hutter- 
muBdsrdnder  dünn  und  scharf,  Muttermund  P//  im  Durch- 
messer. 7  Uhr.  Kreissende  klagt  über  heftige  Schmerzen 
im  Scboosse  bei  den  Wehen.  Letztere  pausiren  1—2  Hin., 
dauern  ebenfalls  1 — 2  Hinuten,  ohne  dass  die  Erweiterung 
des  Muttermundes  sichtlich  vorgeschrittteo. 

1.  Wehe.     Pause  4  Min.,  Stad.  incr.  20  See,  acm.  26^  decr. 

6  See,  Tp.  37,5,  Puls  86. 

2.  Wehe.    Pause  1  Uinute,  incr.  5  See,  acm.  65,  decr.  15, 

Wehen  ausserordentlich  schmerzhaft. 

3.  Webe.     Pause  2  Hinuten,   ioor.- 25  See,  acm.  fehlt, 

decr.  30  See. 
4  Welie.   Pause  l^'s  Hinuten,  incr.  35  See.,  acm.  75,  decr.  40. 
Die  Kreistsende  schreit  laut   wahrend  der   Weben  und 
während  der  slarken  Acme  einige  Male  besonders  heilig. 

5.  Wehe.    Pause  1^4  Hin.,  incr.  20 — 45,  acm.  85,  decr.  15. 

Tp.  37,5«.  Im  Stadium  incr.  sowohl  als  acmes  5 — ^10 
See.  Unterbrechung. 

6.  Webe.    Pause  1 V^  Hinute»  incr..  5  See,  acm«  55,  decr.  1;&. 

7.  Wehe.    Pause  20  Sec^,   incr.  ö  See,  acm.  55,  decr.  30, 

Tp.  37.9. 

8.  Webe.    Pause  2  Hinuten,  incr.  55  See,  acm.  20  See, 

decr.  15>  Tp.  37,6.  Stadium  acmes  15  See  hmg,  enorm 
stark. 

9.  Webe.   Pause  2  Min.,  incr.  25  See,  acm.  70  See,  deer.  30. 

10.  Webe.    Pause  IV4  Min.,  incr.  20  See,  acm.  110,  decr. 

15  S.  Tp.37,6.  Im  Stad.  acm.  kurze  Nachlässe  Chlo- 
roforminhalationen nach  V<t  Minute  Pause;  Baeh 
IV«  Minuten  leichte  Narkose. 

11.  Webe.    Pause  5Va  Min.,  incr.  5  See,  acm.  35,  decr.  15i 

Parturiens  vöiiig  ruhig,  reagirt  noch  gegen  Kneifen, 
beim  Versuche  den  mit  Chloroform  getränkten  Lappen 

UoBatMohr.  f.QeburUk.  1866.  Bd.  ZXY.,  Ha  4.  17 


258  ^^-    VerhaDdlmigeii  d«r  Gesellschaft 

ZU  entfernen,  giebt  Partoriens  ein  Zeichen,  ihn  noch 
langer  vorzuhalten.    Tp.  37,625. 

12.  Wehe.    Pause  2%  Min.,  incr.  10  See,  acm.  46,  decr.  15. 

13.  Webe.     Pause  IV2  Min.,  incr.  10  See,  acm.  35,   decr. 

20.  Tp.  37,6.  Parturiens  stöhnt  laut  während  des  SCad. 
acmes. 

14.  Wehe.     Pause  ö  Min.,  incr.  15,  acm.  45,  decr.  -20  See. 

P.  reagirte  während  des  Acmestadiunis  ziemlich  leb- 
haft, nach  fortdauernden  Inhalationen  vollständige  Nar- 
kose. 

15.  Wehe.    Pause  5V4  Min.,   incr.  10  See,  acm.  50,  decr. 

10  See.  Tp.  37,61.  Gar  keine  Reaction  der  P.,  mit 
Beginn  der  Wehe  wurden  keine  Chloroform  Inha- 
lationen mehr  angewandt. 

16.  Wehe.    Pause  IVa  Min.,  incr.  10  See,  acm.  45,  decr.  15. 

P.  stöhnte  während  der  Wehe. 

17.  Wehe,    ^ause  %  Min.,  incr.  15,  acm.  40,  decr.  15  See, 

Lebhaftes  Stöhnen  der  P. 

18.  Wehe.     Pause  2V2  Min.,  incr.  20  See,   acm.  65,  decr. 

20  See  P.  laut  stöhnend,  schläft  nach  dem  Aufhören 
der  Wehe  wieder  ein.    Puls  100,  Tp..  37,65. 

19.  Wehe«    Pause  1  Min.  50  See,  incr.  15  See,  acm.  50, 

decr.  15.  Tp.  37,575. 

20.  Wehe.    Pause  2  Min.,  incr.  15  See,  acm.  65,  decr.  15 

See  Tp.  37,55. 

21.  Wehe.     Pause   IV4  Min.,    incr.  10  See,   acm.  80  See, 

decr.  20  See  Tp.  37,55,  Puls  88. 

Hier  wurde  Abends  8^2  l^hr  die  Untersuchung  be- 
endet. 

Der  Muttermund  noch  genau  ebenso  gross  wie  vor  dem 
Versuche.. 

Trotz  der  Anwendung  von  Senfteigen,  Klystieren  und 
Ipecacuanha  besserte  sich  die  Wehenthätigkeit  nicht,  im 
Gegentheil  liessen  die  sehr  häufigen  äusserst  schmerzhaften 
Wehen  bis  Abends  11  Uhr  an  Häufigkeit  nach.  Tp.  37,4, 
Puls  84  Erst  gegen  1  Uhr  Nachts  wurden  dieselben  wieder 
häufiger,  die  Pausen  schwankten  zwischen  1  ^/^  und  2  Minuten. 
Pötalherzlöne  128,  kräftig,  Mutlermund  unverändert.  Von 
nun  an  rasche  Temperatursteigerung.  2  Uhr.  Tp.  37,7,  Puls 


für  Geburtshttlfe  in  Berlin.  259 

96;  3  Uhr.  Tp.  87,75;  4  Dhr.  Tp.  38,6;  5  Uhr.  Tp.  38,6, 
Puls  108;  starke  Brecbbewegungen  iriit  Entleerung  einer 
unbedeutenden  gelbgrunlichen  Flüssigkeit. 

6V4Ühr.  Tp.  38,7,  Puls  120.  7%  Uhr  Tp.  38,95,  der 
Kopf  noch  immer  beweglich  oberhalb  des  Beckeneingangs, 
der  Muttermund  kaum  thalergross,  straff,  unnachgiebig.  8V4Uhr, 
Anwendung  der  Douche,  in  der  Beschaffenheit  des  Mut- 
termundes keine  besondere  Veränderung.  Tp.  38,6.  9V4  Uhr, 
die  Wehen  weniger  bcbmerzhafl,  trotz  wiederholten  Douchen 
der  Muttermund  nicht  weiter  geworden,  daher  2  Incisionen 
in  den  Muttermund,  wobei  leider  die  Blase  sprang  und 
eine  massige  Quantität  Wasser  abging.  Gelinde  Prostschauer 
kurz  hinterher.    Tp.  39,25. 

10 Vi  Uhr.  Tp.  39,05.  ll»/«  übr.  Nach  wiederholter 
Anwendung  der  Douche  Tp.  38,6.  127«  Uhr.  Muttermunds- 
lippen etwas  ödematös,  aus  den  Einschnitten  ist  nur  wenig 
Blul  abgegangen.  Puls  104.  Tp.  38,05.  1%  Uhr.  Tp.  38,1, 
Puls  104.  Die  Wehen  schwach  und  hi  langen  Pausen 
aufeinander  folgend.  Stand  des  Kopfes  und  Muttermundes 
fast  unverändert.  27^  Uhr.  Tp.  38,1  Puls  104,  Application 
von  6  blutigen  Schröpfköpfen  aufs  Kreuz.  S%  Uhr.  38,55, 
P.  108;  die  fötalen  Herztöne  sind  auf  125  in  der  Minute  ge- 
süegen.  4»'«  Uhr.  Tp.  39,3,  P.  144.  Muttermund  2  Zoll 
im  Durchmesser,  vohi  und  links  stark  angeschwollen,  be- 
trächtliche Kopfgeschwulst.  Neue  Anwendung  der  Douche. 
5V«  Uhr.  T\h  39,8,  Puls  136.  Sebr  heftige  Schmerzen,  viel 
Durst,  Herztöne  172  in  der  Minute.  6V2  Uhr.  Tp.  40,2, 
Puls  140.  Neue  Incisionen  in  den  Muttermund,  nochmalige 
Anwendung  der  Douche;  Entleerung  einer  kleinen  Quantität 
Harn  durch  den  Katheter.  7^/4  Uhr.  Tp.  40,2,  Puls  140. 
Herztöne  168.  Wehen  enorm  schmerzhaft.  Die  Kreissende 
klagt  unaufhörlich,  daher  neue  Chloroforminhalationen.  7'/4Uhr 
Abends,  als  bei  dem  hohen  Temperaturgi*ade  der  Gebärenden, 
der  bedeutenden  Frequenz  der  kindlichen  Herztöne  eine  hohe 
Gefahrdung  beider  nicht  zu  verkennen  war,  wurde  bei  noch 
nicht  völlig  verstrichenem  Muttermunde  die  Zange  angelegt  und 
der  Kopf  langsam  durch  den  Muttermund  und  die  Scheide 
hervorgelettet.  Zur  Vermeidung  eines  Dammrisses  waren 
mehrere  kleine  Incisionen   nodiwendig.     Die  Nabelschnur  war 

17* 


260  ^^-    Verbfti|dliiiig«xi  der  Gefelbehaft 

umsehlungen,  die  Schultern  wurden  extrahirt  und  wegen 
starker  Blutung  auch  die  Nachgeburt  sofort  entfernt  Der. 
Uterus  blieb  darauf  contrahirt,  die  Blutung  stand.  Das  ge- 
borene Mädchen  (Gewicht  6  Pfd.  1  Ltb.,  Länge  18'/«  ZoU, 
Diameter  hiparietaUs  3'',  bitempor.  2%,  rectus  4%,  diagonalls 
mqjor  5^4  minor  4  Zoll)  war  stark  asphyk tisch,  wurde  aber 
in  einem  Zeiträume  von  einer  halben  Stunde  wieder  belebt. 
Drei  Stunden  nach  der  Geburt  traten  jedoch  Convulsionen 
ein,  denen  es  in  23  Stunden  erlag.  Bei  der  Seaioa  fand 
sich  unter  und  in  dem  Gewebe  der  Galea  aponeuroüca  links 
neben  der  Stirnnaht  und  neben  der  Pfeilnaht  ein  st^hr  un- 
bedeutender Bluterguss.  Gehirn  blass,  glänzend,  ödematöft. 
In  den  Ventrikeln  massige  Quantität  Serum,  nirgends  Hy- 
perämien und  Extravasate.  Bei  der  EröiTuimg  der  Brusthöhle 
in  der  Unken  Pleurahöhle  etwa  1  Unze  blutiger  Flüssigkeit, 
rechts  etwas  weniger.  Ebenso  im  Cavum  peritonaei,  Binde- 
gewebe in  der  Umgebung  der  Nabelvene  ödematös  infiltrirt. 

Bei  der  Wöchnerin  selbst  sank  die  Scheidentemperatur, 
welche  gleich  nach  der  Geburt  40,2  betrug,  in  den  ersten 
12  Stunden  bis  auf  39,0,  stieg  aber  in  den  zweiten  12  Stun- 
den wieder  zu  der  früheren  Höhe,  indem  sich  eine  phleg- 
monöse Metritis  mit  diffuser  Peritonitis  entwickelte,  welcher 
die  Wöchnerin  schon  am  Abend  des  vierten  Tages  erlag. 

Was  nun  die  hier  beobachtete  Wehenanomalie  angeht, 
so  haben  wir  es  unzweifelhaft  mit  sehr  heftigen  durch 
Endometritis  catarrhalis  bedingten  Krampf  wehen  zu  thun« 
Das  beweisen  ausser  der  ausserordentlichen  SchmerzbaUig^ 
keit  die  höchst  unregeJmässigen  Stadien  der  Acme,  schwanken^ 
zwischen  20  und  110  Secunden,  ferner  die  sehr  unregel- 
mässigen Pausen,  schwankend  zwischen  20  Secunden  und 
4  Minuten  und  endlich  die  mangelhafte  Erweiterung  des  Mut- 
termundes,  welche  gleichzeitig  durch  abnorme  Rigidität 
de  selben  bedingt  war.  Bei  dieser  Wehenauomalie  machte  sich 
die  Wirkung  des  Chloroforms  zunächst  auch  wieder  durch 
Verlängerung  der  Pausen  merklich.  Denn  diese  be- 
trugen in  der  Narkose  durchschnittlich  3,7  Minuten,  während 
sie  vorher  dmxhschnittlich  nur  1,7  Minuten  betrugen.  Die 
zweite  ebenso  sichtliche  Wirkung  war  auf  das  Stadium  acmes, 
indem  die  Dauer  desselben  gleichmässiger  wurde  und 


für  Oebttrtshfllfe  in  Berlin.  261 

Dar  zwisclien  S5  ntid  50  Secundefl  schwankte,  dorchscbnitl- 
Hch  aber  4S  Secunden  betrug,  während  fQr  die  so  höchst 
unregelmässfgen  Höhestadien  vor  der  Chloroforminhalation  ein 
Darchschnittswerth  kaum  angenommen  werden  kann.  Auch 
nach  dem  Aufhören  der  Tnhalationen  blieben  die  Schwankungen 
in  den  Höhestadien  noch  geringer  als  früher,  jedoch  dauerte 
die  Regelmässigkeit  derselben  nicht  lange.  Schon  bei  der 
letzten  Wehe  war  die  Dauer  des  Acmestadiums  wieder  eine 
sehr  hohe.  Die  Temperatur  anlangend,  so  hatte  das  Chloro- 
form auf'diese  kaum  einen  sichtlichen  E!influss.  Denn 
während  sie  vorher  zwischen  37,125  und  37,9  schwankte, 
betrug  sie  während  der  Narkose  37,6  und  nach  Beendigung 
der  Untersuchung  37,55.  Also  weder  eine  Ab-  noch  Zu- 
nahme derselben  liess  sich  Consta tiren. 

Uebrigens  kann  dieser  letzte  Fall  wiederum  beweisen, 
wie  werthvoU  Temperaturuntersuchungen  während  der  Geburt 
sind,  indem  man  durch  dieselben  mit  der  grösslen  Sieberheit 
den  Zeitpunkt  der  Erkrankung  feststellen  kann, 
welche  bei  so  verzögertem  Geburtsverlaufe  in  der  Regel  schon 
während  der  Geburt  selbst  ihren  Anfang  nimmt.  So  konnte 
man  auch  in  diesem  Beispiele  wegen  des  spontan  auftretenden 
heftigen  Erbrechens,  der  höchst  düfusen  intensiven  Leib- 
scbmerzen,  des  starken  Schüttelfrostes  und  der  rasch  steigenden 
Temperatur  an  einer  beginnenden  Metroperitonitis  nicht  zwei- 
feln lind  lässt  sich  der  Anfang  derselben  mit  Sicherheit  auf 
den  13.  JuH,  Nachmittags  vier  Uhr,  feststeilen. 

Zum  Schluss  noch  einen  kurzen  UeberblickT  über  die 
Hauptergebnisse  unsrer  Untersuchungen. 

1)  Die  Chloroformnarkose   verlängert  bei  nor- 
malen und  abnormen  Wehen  die  Wehenpause,  sie  verzögert ' 
mithin  die  Geburt, 

2)  Auch  das  Höhestadium  der  Wehen  wird  durdi 
die Chlorofonhnarkose  nachweislich  abgekürzt,  was  eben- 
sowohl für  normale  wie  fnr  Krampfwehen  gilt 

3)  Die  Wirkungen  des  Chloroforms  sind  bei  normalen 
and  abnormen  Wehen  rasch  vorübergebende  und  winden 
Nachblutungen,  jedoch  nur  unbedeutender  Art,  allein  bei 
den  abnormen  Wehen,  nicht  nach  Chloroforminhalationen  bei 
DormakD  Wehen  gefunden. 


262    XXI.  Hüdehrandt,  Notisen  über  die  wNbrend  der  leisten 

4)  BeiKrampfwehen  beseitigte  das  ChlorofonD  nur 
die  Schmerzhaftigkeit,  ohne  die  Wehenthätigkeit  selb»! 
immer  zu  regeln  (in  Fall  Nr.  4  schien  dies  allerdings  zu  sein). 

5)  Die  Chlorofo-rninarkose  hat  auf  das  Verhalten 
der  Temperatur  weder  bei  normalen  noch  bei  ano* 
malen  Wehen  nachweisbaren  Einfluss.  — 

Rostock,  den  12.  November  1864, 


XXI. 

Notizen  über  die  während  der  letzten  sieben 
Jahre  in  (der  Eönigsberger  Entbindungs-Anstalt 
vorgekommenen  puerperalen  Erkrankungen. 

Von 

Dr.  H.  Hildebrandt, 

Privat-Docent  in  Königsberg. 

Die  Erkrankungen  und  Todesfälle,  welche  sich  unter  den 
Wöchnerinnen  der  Königsberger  Anstalt  während  der  letzten 
sieben  Jahre  ereigneten,  vertheilen  sich  nach  der  Häufigkeit 
ihres  Vorkommens  in  den  einzelnen  Jahren  in  folgender  Weise: 


Im  Jahre  , 

worden  entb., 

erkrankten, 

"in  % 

starben, 

"in  7. 

1858 

352 

54 

15,6  1 

7 

1,9 

1859 

353 

62 

17,0 

11 

3.1 

1860 

353 

46 

11,3 

10 

2,8 

1861 

393 

38 

9,6 

8 

2.2 

1862 

397 

55 

133 

18 

4.5 

1863 

408 

27 

6,6 

6 

1,7 

1864  b.  zum 

253 

5 

1,9  1 

3 

1.2 

15.  Sept. 

j 

Zur  Ergänzung  vorstehender  Tabelle,  au^  welcher  sich 
ein  auffallendes  Verhältniss  zwischen  den  Procentsätzen  der 
Erkrankungen  und  Todesfälle  in  den  ersten  f)iinf  Jahren  gegen 
die  beiden  letzteren  augenscheinlich  ergiebt,  muss  ich  noch 


•»•beji  J«hr«  ia  A^t  KSatgsb.  EaCbindvagt-AMtolt  ttte.   280 

den  Umstand,  welcher  diesen  Contrast  um  Vieles  greller 
liervortreteD  lassl,  besonders  beryorhebeo,  dass  die  sechs 
Todesfalle  des  Jahres  1863  auf  die  Monate  Januar  bis  Mai 
fallen,  während  von  da  an  bis  snm  11.  Mai  1864,  also  im 
Laufe,  eines  vollen  Jahres  keine  der  Wocbneriiinen  an  Puer- 
peralfieber EU  Grunde  gegangen  ist,  die  drei  im  Jahre  64 
erfolgten  Todesfälle  aber,  wie  später  ersichtlich  sein  wird, 
kaum  auf  Rechnung  der  Anstalt  gezahlt  werden  dürfen,  da 
zwei  der  betreffenden  Wöchnerinnen  bereits  dem  Tode  ver^- 
fallen  von  ausw&ru  in  die  Anstali  gebracht  wurden  und  die 
dritte  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  von  einer  der  ersteren 
angesteckt  wurde. 

Unter  diesen  Umständen  dürfte  es  von  Nutzen  sein,  bei 
der  kurzen  ScbiUerung,  welche  von  dea  Formen  der  Er- 
krankungen gemacht  werden  soll>  die  beiden  Zeiträume  vom 
1.  Januar  1858  bis  1.  Mai  1863  und  vom  1.  Mai  1863  bis 
lö.  September  1864  von  einander  zu  trennen  und  jeden  für 
skh  besonders  zu  betrachten. 

Der   erste  Zeitraum    vom    1.  Januar   1858  bis 
1.  Mai  1863. 

In  die  Zahlen  der  obigen  Tabelle  sind  nur  diejenigisn 
specifisch  puerperalen  Erkrankungen  aufgenommen,  welche 
länger  als  24  Stunden  mit  lebhaftem  Fieber  verliefen,  mithin 
eine  Verwechslung  mit  dem  sogenannten  Milchfieber  nicht  gut 
zuliessen.  Eine  besondere  Form  von  Erkrankungen,  welche 
den  Namen  der  von  Hecker  beschriebenen  Febricula  ver^* 
dienten,  wurde  nicht  beobachtet  Die  in  24  Stunden  ver- 
httfenden  fielierhaften  Zustände  ohne  Anwesenheit  localer 
Erscheinungen  hatten  alle,  auch  zur  Zeit  der  Endemie  im 
Jahre  1863,  nur  den  Charakter  der  gewöhnlichen  Reactions* 
fieber  im  WochenbetXe.  Ferner  liessen  sich  die  Fälle,  in 
denen  neben  lebhaftem  Fieber  als  locale  Erscheinung  nur 
Diarrhoe  auftrat,  sämmllidi  anderweitig  besser  erklären,  als 
durch  die  Annahme  eines  pyainischen  Fiebers,  wie  Roser 
wiche  Fälle  aufzufassen  geneigt  ist 

Es  zählen  ferner  in  obiger  Tabelle  nicht  mit  zuiallige 
Erkrankungen,  welchß  zum  Wochenbette  in  keinem  specifisch 


364    XXI.  HütMrani^  Notisen  über  die  wfthread  4« r  !•«•«•• 

causalen  Zusammenbange  stehen,  sondern  sind  dort  nur  die 
Fille  Ton  einfacher  HetroperitonUis,  von  Metroi)hiebiti0  und 
Metroiymphangoitis  verzeichnet. 

Es  wörde  vo»  wenig  Interesse  sein,  hier  das  Bild  der 
einseinen  Formen,  wie  es  sich  in  den  vorwiegend  meisten 
FäUen  zeigte,  ausfuhrlich  darzustellen.  Es  kann  mir  hier  nur 
darauf  ankommen.  Einzelnes  bei  den  Erkrankungen  in  der 
Königsberger  Anstalt  eigentbumlich  vorgekonMnene  und  manche 
Begleiterscheinungen  der  Erkrankungen  hervorzuheben. 

Von  den  oben  angefahrten  drei  Krankheitsformen  kam 
am  hiuligslen  die  Metroperitonilis  vor,  danach  die  Metro- 
iymphangoitis, welche  die  meisten  Opfer  forderte,  dann  die 
Hetrophleiiitis. 

Die  einlache  Metroperitonitis  trat  meist  am  dritten  Tage 
nach  der  Entbindung  auf,  charakterisirte  sich  durch  lebhaftes 
Fieber,  starke  mit  diesem  Fieber  im  VerhllUiiss  stehende 
SchmerzhafUgkeit  des  Unterleibes  und  endete  meistens  inner- 
halb 14  Tagen  mit  vollständiger  Genesung.  Wenige  Fille 
endeten  tödtlich,  in  wenigen  blieben  Exsudate  in  Form  harter 
knolliger  Massen  zurück ,  welche  dann  eine  sehr  langsame 
Reconvalescenz  zur  Folge  hatten.  Als  häufigste  Complication 
der  Metroperitonitis  wurden  Diarrhöen  beobachtet,  welche, 
entzändlicbe  Mitaffectionen  des  Darms,  auf  den  Verlauf  der 
Krankheit  keinen  anderen  Einfluss  übten,  als  dass  sie  die 
Individuen  schwächten,  während  ihnen  eine  den  günstigen 
Ausgang  unterstützende  Einwirkung,  wie  er  von  mancher 
Sfeite  behauptet  wird,  nie  zugesprochen  werden  konnte.  -^ 
Leichte  gastrische  Ersclieinungen  begleiteten  gewöhnlich  die 
Metroperitonitis,  während  Erbrechen  in  den  ersten  Tagen 
der  Erkrankung  nie  vorkam,  auch  in  schweren  Fällen  sich 
selten  ereignete  und  dann  meist  nur  kurze  Zeit  vor  dem 
tödtlichen  Ende.  Zu  den  häuGgen  und  mit  den  lästigsten 
Complicationen  sind  Bronchial-Catarrhe  zu  zählen,  welche 
durchaus  hartnäckig  waren  und  in  Folge  der  Erschütterungen 
des  Unterleibes  beim  Husten  oft  die  Genesung  hinderten  und 
Recidive  hervorriefen.  — 

Die  gewöhnlich  sogenannte  Metroiymphangoitis  mit  ihrem 
Getoige,  der  Peritonitis  und  Pyaemie,  stellte  sich  meist  schon 
früher  im  Wochenbette  ein,  als  die  voi^enannte  Form^  oll 


»i#bMi  Jahre  in  der  Kdoigsb.  RntbindaD^ii- Anstalt  ete.   265 

schon  am  zweiten  Tage.  Mitunter  war  Fieber  und  Schmerz* 
hafUgkeit  des  Unterleibes  wahrend  des  Kreissens  vorhanden 
gewesen  und  es  begann  das  Wochenbett  mit  einem  intensiven 
Schüttelfröste,  nachfolgender  quüiender  Hitze  bei  trockener 
Haut,  Schlaflosigkeit  u.  s.  w.  bei  bald  mehr  bald  weniger 
localen  Beschwerden  im  Unterleibe.  Eine  Anzahl  Fälle,  die 
wir  fär  Metroiymphangoitis  halten  zu  müssen  glaubten  und 
die  in  Genesung  übergingen,  hatten  eine  sehr  verlangsamte 
Reeonvalescene  und  lange  ein  vollständiges  DarniederKegen 
der  Krifte  zur  Folge.  Die  meisten  Fälle  endeten  tödtlich  iti 
schnellem  Verlaufe:-  so  dauerte  in  16  Fällen  von  Lymphan- 
goitis  mit  tätlichem  Ausgange  im  Jahre  1862  die  Krankheit 
bei  neun  Personen  nur  3—5  Tage  und  nur  bei  sieben  wenige 
Tage  länger.  —  Auch  bei  der  Lympbangoitis  bildete  Diarrhoe 
eine  häufige  Complication  und  nahm  besonders  bei  den  übel 
verlaufenden  Fällen  mitunter  eine  jeder  Therapie  trotzende 
Stärke  an.  Sie  wurde  in  den  16  tödtlich  endenden  Fällen 
des  Jahres  1862  6  Mal  beobachtet.  Begleiterscheinungen 
waren  ferner  Hautentzündungen  in  Form  des  Erysipelas  migrans 
und  fixum,  meist  nachweislich  von  kleinen  Verletzungen  der 
Haut  ausgehend,  so  mehrmals  von  Blutegelstichen  an  der 
unteren  Bauchwand,  1  Mal  bei  einer  sehr  unreinlichen  Person 
von  'der  durch  reichliches  Vaginalseoret  schon  während  der 
SefawttngerSchafl  wund  gewesenen  Falte  an  der  rechten 
Schamlippe,  1  Mal  von  einer  kleinen  Brandblase,  welche 
durch  unvorsichtiges  Auflegen  eines  zu  heissen  Cataplasma 
entstanden  war.  —  Häufiger  noch  ereigneten  sich  Gelenkent* 
zundangen,  welche  sich  dui'ch  besonders  grosse  Schmerz*^ 
bafligkeit  charakterisrrlcn  und  durch  die  Art,  wie  sie  jeder 
gegen  sie  eingeleiteten  Therapie  trotzten.  Sie  traten  meist 
erst  am  4 — 6.  Tage  der  Erkrankung  auf  und  endeten  alle 
mit  dem  Tode. 

Die  Metrophlebitis,  welche  sich  in  nur  ganz  vereinzelten 
Fällen  zu  verschiedenen  Zeiten  zeigte  und  an  der  Endemie 
des  Jahres  1862  nicht  Theil  hatte,  trat  nicht  selten  anfangs 
unter  den  Symptomen  der  Metroiymphangoitis  auf:  am  4—  6.  Tage 
aber  regelte  sich  dann  das  Fieber  zu  einzelnen  heftigen  Pa- 
roxysmen  mit  relativ  günstiger  Zwischenzeit  und  der  Verlauf 
wurde  durchaus  zögernd  und  ging,  dim^h  Wochen  sich  hin- 


266    XXL  HildebranM,  Notisen  uhwc  die  während  dar  letsteo 

ziehend,  s^älig  in  GeDesusg  über  oder  endete  io  der  zweiieo, 
dritten,  vierten  Woche  mit  dem  Tode  duixh  Erschöpfung«  — 

In  den  beiden  Jahren  18Ö9  und  1862,  in  welchen  die 
zahlreichsten  und  schwersten  Erkrankungen  unter  den  Wöcb*- 
nerinnen  vorkamen,  traten  noch  einige  Erscheinungen  auf, 
welche  in  ihrer  Extensität  und  Intensität  gleichen  Schritt 
hielten  mit  der  Ausbreitung  des  Puerperalfiebers  und  welche 
mit  den  ungunstigen  Gesundheitszustand  jener  Zeit  kennzeichnen 
helfen:  nämlicli  das  ungemein  häufige  Vorkommen  von  Puer-> 
peralgeschwuren,  das  gleichzeitig  auffallend  verbreitete  Auf- 
treten von  Ophthalmia  neonatorum  und  die  besonders  grosse 
Sterblichkeit  unter  den  Kindern.  Es  ereignete  sich  in  diesen 
beiden  Jahren,  vornehmlich  in  den  Wintermonaten,  wenn 
die  Anstalt  am  meisten  gefüllt  war,  dass  ungefähr  jede  dritte 
Wöchnerin  mit  mehr  odejr  weniger  tief  gehenden  Puerperal- 
geschwüren  behaftet  war.  Durchaus  nicht  jede  derselben 
zeigte  dabei  ein  Allgemeinleiden;  sehr  viele  fieberten  gar 
nicht,  manche  fieberten  leicht  ohne  nachweisbare  Affection 
des  Uterus;  einige  erkrankten  am  2 — 3.  Tage  nach  Auftreten 
der  Geschwüre  an  Meti*operitonitis  u.  s.  w.  Gleichzeitig  gingen 
dann  die  Ophthahnien  der  Kinder  nicht  aus,  und  waren 
mitunter  bei  einem  Bestände  von  20 — 24  Wöchnerinnen 
4 — 6  Kinder  mit  dieser  Krankheit  behaftet.  —  Die  Sterb* 
lichkeit  der  Kinder  war  in  den  beiden  genannten  Jahren  eine 
sehr  erhebliche.  Es  starben  nämlich  von  357  im  Jahre  1859 
geborenen  Kindern  37,  also  über  10  Procent.  Bei  den  im 
Jahre  1862  geborenen  vertheilt  sich  die  Sterblichkeit  auf  die 
verschiedenen  Monate,  gleichen  Schritt  haltend  mit  den  Er- 
krankungen der  Wöchnerinnen,  wie  aus  der  nachstehenden 
TabeUe  ersichtlich. 

Die  höchste  Zahl  der  bald  nach  der  Geburt  verstorbenen 
Kinder,  nämlich  sechs,  kommt  auf  den  Monat  April,  also 
auf  eine  Zeit,  in  der  gerade  auch  die  häufigsten  und  schwersten 
Erkrankungen  der  Wöchnerinnen  beobachtet  wurden.  Du» 
höchste  Zahl  der  vor  und  während  der  Geburt  zu  Grunde 
gegangenen  fallt  auf  den  darauf  folgenden  Monat  Mai.  Der 
Verlauf  der  Erkrankungen  im  April  war  meist  der,  dass  die 
Kinder,  auch  wenn  sie  vollständig  kräftig  zur  Welt  gekommen 
waren,   von  Anfang  an  schlecht   Nahrung  zu  sich  nahmen, 


sieben  Jahre  in  der  Königtl*.  Entbind tinge- Anstalt  etc.   267 

viei  schrien  und  winmerten  und,  albnäHg  mehr  und  mehr 
collabirend,  am  2 — 3.  Tage  Terstarben.  Bei  den  im  Mai 
während  der  Geburt  abgestorbenen  Pnlchten  trat  wieder- 
bolentlich  der  Tod  überraschend  ohne  nachweisbare  Ursache 
ein.  Sie  kamen  asphyktisch  mit  sehr  langsamem  Herzschlage 
zur  Weit,  machten  bei  den  Belebungsversuchen  wohl  auch 
noch  emige  krampfliafe  In^irationen,  starben  aber,  plötzlich 
bleich  und  schlaff  werdend,  fast  regelmässig  ab. 


1862 

Gebarten 

Todesfälle  d.           Kinderste 
Wöchnerinnen  Vor  d.  Geb. 

rblichkeit 
Nach  d.  Geb. 

Januar 

41 

0 

3 

1 

Februar 

37 

0 

1 

2 

März 

42 

1 

2 

3 

April' 
Mai 

38 
31 

3 
3 

0 
1 

6 
8 

Juni 

27 

2 

0 

3 

Juli 

25 

5 

2 

0 

August 

September 

October 

21 

29 

,     38 

.     2 
2 

0 

2 

0 
1 

1 

3    . 
3 

November  !      23 

0 

3 

4 

December 

45 

0 

4 

5 

Der    zweite    Zeitraum,    vom    1. 
15  SepL  1864. 


Mai    1863    bis 


Die  Erkrankungen   dieses  Zeitraumes  lassen   sich  ihrer 
geringen  Anzahl  wegen  einzeln  kuft  in  Folgendem  darstellen: 

28.  Mai  1863:  Str.  regelmässige  erste  Geburt*  Er- 
krankung am  zweiten  Tage  des  Wochenbettes  an  MetropeHto* 
niiis':  acht  Blutegel  in  der  Uterusgegend  und  innerliche 
Darreichung  von :  Liquor  Chlori.  Am  Tage  darauf  Schmerz-  . 
baftigkeit  und  Fieber  um  Vieles  geringer  und  bei  mehrtägiger 
Anwendung  von  Cataplasmen  trat  so  vollständige  Genesung 
ein,  dass  die  Wöchnerin  bereits  am  10.  Juni  mit  ihrem  Kinde 
gesund  entlassen  werden  konnte. 

3.  October   1863:   Lange y    Erstgebärende,  21   Jahre 
alt,  regelmässige  Entbindung  in  12  Stunden;   erkrankie  zwei 


26B    X^^*  SildebrancU^  Motiien  über  die  wXhrend  der  letiten 

Tage  darauf  an  Metroperitonitis:  7  Blutegel  und  Calotnel 
gr.  j  zweistAndiich.  Am  nächsten  Tage  und  bis  zum  7.  October 
nur  noch  regelmässige  warme  Cataplasmen;  am  7.  wegen 
leichter  Diarrhoe  Tr.  Opii.  simpl.  zu  gtt.  v,  dreistfindlicb. 
Am  8.  Genesung,  am  16.  gesund  entlassen. 

9.  December  1863:  Saadler,  Erstgebärende,  22  Jahre 
alt,  am  9.  December  ohne  KunsthAlfe  von  Zwillingen  ent- 
bunden. Am  12.  lebhaftes  Fieber  und  Schroerzhafligkeit  des 
Unterleibes :  eröffnendes  Lavement  und  Auflegen  warmer  trockener 
Umschläge.  Am  13.  wegen  zunehmender  Schmerzhaftigkeit 
des  Hypogastrium :  zehn  Blutegel  und  zur  Behebung  der  recht 
lebhaften  in  der  Nacht  eingetretenen  Diarrhoe  Tr.  Opii.  simpl. 
gtt  V.  zweistündlich.  Am  14.  Schmerzhaftigkeit  und  Fieber 
geringer,  Diarrhoe  beseitigt,  aber  starker  Meteorismus.  Am  15. 
der  Meteorisrous  im  Zunehmen  und  des  Abends  bei  einem 
Pulse  von  130  Schlägen  die  Schmerzhaftigkeit  der  linken 
durch  Percussion  nachweisbar  mit  peritonitischem  Exsudat 
erfüllten  Seite  so  gross,  dass  von  Neuem  fßnf  Blutegel  gesetzt 
werden,  während  des  enorm  gesteigerten  Meteorismus  halber 
kalte  Umschläge  über  den  ganzen  Unterleib  gemacht  werden, 
zur  Nacht  Morph,  acet.  gr.  ^'^  gereicht  wird.  Am  16.  nach 
einer  gut  verbrachten  Nacht  wesentliche  Besserung.  Am  17. 
Beginn  der  Abnahme  des  Meteorismus  bei  Fortsetzung  der 
kalten  Umschläge.  Am  18.,  da  ein  recht  lebhafter  Husten 
eingetreten  ist,  der  kalte  Umschlag  mit  einer  langen  kalt 
angefeuchteten  massig  fest_  umgelegten  Leibbinde  vertauscht. 
Am  19.  der  Leib  bereits  unschmerzhaft,  Fieber  auf  einen 
ganz  geringen  Grad  herabgesunken,  Schlaf  und  Appetit  gut 
und  am  23.  wurde  die  Wöchnerin  bis  auf  einen  kleinen 
Best  von  Exsudat  in  der  linken  Seite  genesen,  nach  Hause 
entlassen. 

14.  Februar  1864:  Henriette  Ä,  Erstgebärende, 
24  Jahre  alt.  Am  14.  Februar  leichte  regelmässige  Geburt. 
•Erkrankt  am  16.  unter  lebhaftem  Fieber  und  erheblicher 
Schmerzhaftigkeit  des  Unterleibes,  wogegen  jedoch  nur  ein 
Clysma  am  Vormittage  und  Ol.  Bicini  iß  am  Nachmittage 
in  Anwendung  gezogen  wurde.  Am  17.  war  Fieber  und 
Schmerzhaftigkeit  behoben  und  trat  auch   kein  Hückfall  auf. 

22.  März  1864:  Wüh.  F,  31  Jahre  all.  Zweitgebärende, 


9Ubcyi  Jabre  in  dar  König»!».  Entbind iings*AiiataU  ete.  269 

kreisste  7Va  Siuuden,  kam  regeloiäsgig  oieder  uod  befand 
sich  während  der  ersten  48  Stunden  wohl,  erkrankte 'am  24. 
-an  einer  leichten  Metroperitonitis;  ClyBina,  Ol.  Ricini  iß, 
dann  Cataplasmen.  Am  2ö.  erhebliche  Besserung,  aber  von 
da  an  dauernd  ein  leichtes  Fieber  und  anhaltende  nicht 
bedeutende  Scbmerzhalligkeit  des  Unterleibes,  weshalb  die 
Kranke  am  5.  April  nach  der  Med.  Klinik  transferirt  wurde, 
wo  sie,  nach  wochenlangem  Krankenlager,  in  welchem  die 
antrüglichsten  Zeichen  der  Pyaemie  auftraten,  vollständig  genas. 

8«  Mai  1864.  Bei  der  kräftigen  Erstgebärenden  Lapehn 
war  auf  dem' l^nde,  eine  Meile  von  Königsberg,  Morgens 
die  Zange  bei  hoch  stehendem  Kopfe  zwei  Mal  vergeblich 
angelegt  worden,  krampfliafte  Wehen  scheinen  die  Ausfuhrung 
der  £xtraction  verhindert  zu  haben.  Nachdem  die  dnrcb 
diese  Versuche  bereits  recht  angegriffene  Person  den  Tag 
ober  mit  Mitteln  behandelt  worden^  welche  den  Krampf  des 
Uterus  beheben  sollten,  während  dieser  Zeit  sich  aber  keine 
so  erhebliche  Besserung  geze^t  hatte,  dass  die  Geburt  be- 
en4jgt  werden  konnte,  wurde  die  kreissende  Abends  spät  in 
einem  durch  die  weite  Fahrt  und  durch  unterwegs  erfolgten 
nicht  unerheblichen  Blutverlust  sehi*  erschöpften  Zustande  in 
die  hiesige  Gebär-Anslalt  gebracht.  Die  bald  darauf  vorge* 
DommeDe  Entbindung  mit  der  Zange  ging  sehr  leicht  von 
Statten,  da  der  tief  herabgeti'etene  Kopf  mit  wenigen  massig 
starken  Tractionen  entwickelt  werden  konnte.  Aus  dem 
Uterus. entleerte  sich  unmittelbar  nach  der  Gebort  der  todten, 
an  einzelnen  Stellen  ihrer  Oberhaut  entblössten  Frucht,  eine 
sehr  übelriechende  blutige  Jauche«  War  der  Zustand  nach 
der  Entbindung  schon  ein  recht  iiUer  wegen  der  bedeutenden 
Anämie  und  Erschöpfung  def  Kräfte,  so  stellte  sich  derselbe 
am  anderen  Morgen  nach  einer  in  der  Nacht  erfolgten,  wenn 
aoch  bald  behobenen  Uterusblutung  noch  ubiei'  heraus  und 
am  Abend,  also  24j§tunden  nach  beendigter  Entbindung  trat 
der  Tod  ein.  Aus  dem  ProtocoUc  der  am  11.  Mai  Nach* 
mittags  5  Uhr  von  Herrn  Prof.  v,  ReckUnghauaen  vorge- 
nommeuen  Section  fühi*e  idi  folgende  Punkte  an: 

Schmutzig  grünliche  Färbung  der  äusseren  Genitalien. 
Sehr  starke  Fäukiiss.  Blutige  Flüssigkeit  in  allen  Körper- 
bohlen.    Beginnendes  Fäulnissemphysem  in  den  Lungen.   Gas* 


270    XXI.  HikMrmUU,  Notlseu  über  die  «r&hrend  der  leUten 

eniwickeluog  in  den  Venen.  Keine  Peritonitis.  Der  obere 
Theil  der  Uterushöbie  zeigt  auf  der  Innenfläche  bluCrotfae, 
etwas  fetzige  Massen.  Ueber  dem  Orificium  internum  sind 
die  Schleimbautreste  grau  gräulich  gefärbt,  mit  kleinen  eitrigen 
Infiltrationen  durchsetzt.  Auch  in  der  Huskelsubstanz  des 
unteren  Uterustheils  finden  sich  kleine  eitrige  Einsprengungen 
und  deutliche  Anfullung  der  Lymphgeßsse  mit  eitriger  Flüssig- 
keit bis  in  die  Ligg.  lata  hinein. 

Am  8.  Mai  1864,  also  an  demselben  Tage,  an  welchem  die 
Entbindung  der  vorgenannten  Lapehn  stattfand,  wurde  Louüe 
Jenebüy  36  Jahre  alt,  schwächlich,  zum  zweiten  Male  schwanger, 
leicht  und  glücklich  entbunden  und  war  am  ersten  und  zweiten 
Tage  des  Wochenbettes  vollständig  wohl,  erkrankte  aber  am 
dritten  unter  Schüttelfrost  mit  nachfolgender  trockener  Hitze 
und  einem  grosse  Schwäche  hinterlassenden  langdauernden 
Schweisse.  Diese  Anfalle  wiederholten  sich  in  der  nächsten 
Zeit  mehrmals,  verschwanden  dann  auf  Darreichung  von  Chinin, 
sulph.  mit  Opium,  kehrten  aber  mit  vermehrter  Heftigkeit 
wieder  und  gaben  bei  der  andauernden  lebhaften  Pulsfrequenz, 
äusserstem  Darniederliegen  der  Kräfte,  fast  vollständiger 
Schlaflosigkeit  und  der  Anwesenheit  erheblicher  Schmerz- 
haftigkeit  des  rechten  Schenkels,  dessen  Vena  saphena  sich 
hart  und  knorrig  und  gegen  Druck  recht  empfindlich  zeigte, 
das  Bild  der  Phlebitis,  an  welcher  die  Kranke  am  26.  Mai, 
also  18  Tage  nach  der  Entbindung  in  vollständigster  Er- 
schöpfung und  Abmagerung  verstarb.  —  Es  verdient  besonders 
hervorgehoben  zu  werden,  dass  diese  Person  während  der 
ersten  beiden  Tage  in  demselben  Zimmer  und  an  derselben 
Stelle  gelegen  hatte,  an  welcher  die  vorgenannte  Lapehn  an 
Lymphangoitis  und  Diphtheritis  verstorben  war  und  erst  am 
Tage  der  Erkrankung  in  ein  nebenan  befindliches  Zimmer 
transferirt  wurde.  — 

Die  am  27.  Mai  5  Uhr  Nachmittags  von  Herrn  Prof. 
V.  Recklinghausen  angestellte  Section  ergab  Folgendes: 

Längs  des  Verlaufs  der  V.  saphena  des  rechten  ödematös 
geschwollenen  Schenkels  finden  sich  mehrere  Abscesse  mit 
dickem  gut  aussehendem  Eiter.  Die  Vene  selbst  ist  eng, 
nur  in  der  Gegend  der  Kniekehle  etwas  weit.  Sie  enthält 
an  den  meisten  Stellen   eine  graue   etwas  bröckliche  throm- 


sieben  Jahre  in  der  Königsb.  ButbindnngB-Anfttalt  etc.   2Tl 

botische  Masse,  an  anderen,  namentlich  den  weiteren  Partien 
einen  röthiichen  Brei.  Ihre  Wand  ist  stark  längsgefaltet,  an 
einzelnen  Stellen  sehr  brüchig.  Die  Einmündungssteile  in  die 
Vena  femoralis  enthält  einen  dunkelrothen  Thrombus;  die. 
V.  fem.  selbst,  ihre  Aeste  sind  frei.  Der  Uterus  gross,  sein 
Cenricalkanal  normal.  An  den  Lymphgefassen  nichts  Abnormes 
Im  Dou^Za^'schen  Räume  starke  Rölhung  und  linden  sich 
hier  vascularisirte  Membranen;  zwischen  denselben  puriforme* 
Plössigkeit. 

Am  11.  Juni  1864  wurde  Abends  11  Uhr  die  32  Jahre 
alte^  kraftige  Zweitgebärende  Entisch  in  äusserst  erschöpftem 
Zustande  aus  einer  Entfernung  von  %  Meilen  in  die  Anstalt 
geschickt.  Aus  ihrem  Berichte  hess  sich  Folgendes  entnehmen : 
Die  Geburt  hatte  vor  36  Stunden  begonnen  und  war  von 
Anfang  an  zögernd  und-  sehr  schmerzhaft,  gewesen.  Zwei 
am  Vormittage  binzugerufene  Aerzte  hatten  mehrmals  ver- 
gebliche Versuche  mit  der  Zange  gemacht,  dieselben  am  Abend 
wtedertiolt  und  dann  die  Person  auf  einem  offenen  Wagen 
zur  Anstalt  geschickt. 

Da  man  hier  den  Kindskopf  in  zweiter  Gesichtslage  schon 
ganz  lief  stehend  fand,  so  wurde  unter  Chloroform  die  Geburt 
eines  todten  8'/«  Pfund  schweren,  22"  langen  Knaben  mit 
der  Zange  unschwer  beendet,  nachdem  die  durch  die  lange 
Fahrt,  Kälte,  Blutverlust,  die  vorangegangenen  Operationsver- 
suche aufs  äusserste  erschöpfte,  beinahe  pulslos  angekommene 
Kreissende  sich  ein  wenig  erholt  halte.  Nach  der  Operation 
trat  etwas  mehr  hübe  und  Wohlbehagen  ein;  der  Puls  blieb 
aber  äusserst  klein  und  schwach,  und  äussersle  Anämie  und 
Erschöpfung  nahmen  von  Stunde  zu  Stunde  zu,  sodass  am 
12.  Abends  sich  Conia  einstellte,  welches  die  Wöchnerin  bis 
Ztt  ihrem  am  13.  Abends  9  Uhr,  also  kaum  48  Stunden  nach 
der  Entbindung  erfolgten  Tode  nicht  mehr  verliess. 

Bei  der  36  Stunden  darauf  von  Herrn  Prof.  t;.  Reck- 
Unghauaen  angestellten  Section  der  äusserst  anämischen 
Leiche  wurde  ein  Riss  an  der  linken  Wand  der  Scheide  und 
Eröffnung  und  Vereiterung  der  linken  Synchon- 
örosis  sacroiliaca  gefunden,  welche  offenbar  dadurch  ent- 
slaoden  war,  dass  die  ersten  Versuche  mit  der  Zange,  welche 
man  aosserhalb  der  KKnik  vorgenommen  hatte  über  das  Maass 


272   2X1.  mid$hrandt,  Notisen  über  die  während  der  letote» 

der  dMsein  Instrumeate  zuiuerkenoeoden  Kraft  for«irt  waren« 
Man  hatte  ein  8%  Pfd.  schweres  mit  dem  Gesichte  vorliegendes 
Kind,  wie  es  scheint  bei  noch  hohem  Stande,  aus  eiaeoi 
^Becken  extrahiren  wollen,  dessen  Conjugata  vera,  wie  an  der 
Leiche  nachgewiesen  wurde,  nur  3 V^'' betrug;  kein  Wunder, 
dass  da  bei  wiederholten  Versuchen  Kind  und  Mutter  zu 
Grunde  gingen. 

Ausser  den  vorstehenden  sind  erwähnenswerthe  Er- 
krankungen- während  des  oben  bezeichneten  Zeitraumes  nicht 
vorgekommen.  Einzelne  Fälle  des  stets  in  24  Stunden  be- 
endeten Milchfiebers  am  dritten  Tage  des  Wochenbettes 
gehörten  nicht  zu  den  Seltenheiten;  puerperale  Gescbwune 
ereigneten  sich  dagegen  nur  sehr  ausnahmsweise  nach  vor- 
angegangenen Operationen  oder  einem  unverhältnissmässig  lange 
dauernden  Austreibungsstadium  während  der  Geburt,  erreicbten 
nur  in  einem  im  August  1864  zur  Beobachtung  kommenden 
Falle  von  Eklampsie  in  den  ödematös  geschwollenen  Scbaro-^ 
lippen  der  an  allgemeinen!  Hydrops  leidenden  Pei*son  eine 
sehr  erhebliche  Ausdehnung  nach  der  Breite  und  Tiefe,  ver- 
heilten aber  auch  hier  oline  üble  Nadiwirkungen  innerhalb 
acht  Tagen  bei  dem  Gebrauche  reinigender  desinficirender 
Injectionen. 

Somit  darf  der  Gesundheitszustand  der  Wöchiieriniieii 
während  der  16  Monate  vom  Mai  1863  bis  September  1864 
nicht  nm*  den  vorangehenden  Jahren  gegenüber,  sondern  auch 
an  sich  wohl  mit  Recht  als  ein  ganz  besonders  erfreulicher 
bezeichne!  werden. 

Von  den  acht  Erkrankungen,  welche  in  dem  genannten 
Zeiträume  vorkamen,  gingen  fünf  in  Genesung  über,  drei 
endeten  mit  dem  Tode.  Aber  zwei  der  letzteren  dürfen  für 
die  Sterblichkeitsstatistik  der  Anstalt  den  Ausschlag  zu  geben 
nicht  geeignet  sein,  da  die  Wöchnerinnen  bereits  dem  Toik 
verfallen  der  Anstalt  übergeben  wurden.  Xlnd  somit  könnte 
man  nur  den  dritten  Fall  als  der  Anstalt  zugehörig  zählen, 
nmss  aber  bei  Beurtheilung  desselben  in  Erwägung  ziehen, 
dass  die  Wöchnerin  vielleicht  der  Erkrankung  entgangen  wäre, 
wenn  sie  nicht  in  der  Nähe  der  Stelle  gelegoi  hätte,  an 
welcher  unmittelbar  vorher  die  eine  vom  Lande  hereiage- 
schickte  Wöchnerin  an  der  bösartigsten  Form  des  Puerperal* 


fieb^B  Jabr«  in  der  Köntgsb.  £«tbindaDg8-AiittaU  ete.  23Q 

fiebe»,  der  Dipfatberitis  und  (iyBoqpbaDgaitU  puarpenriim  ver- 
storbeo  war,  —  / 

Als  ein  besonders  günstiges  Zeichen  von  dein  guten 
Gesundheitszustande  der  Wöchnerinnen  im  Sommer  1863 
und  besonders  im  Sommer  1864  verdient  noch  ausdrucklich 
hervorgehoben  zu  werden ,  dass  bei  sehr  zahlreichen  Wöch- 
nerinnen Pulsverlangsamungen,  meist  bis  auf  40  Schlage  p,  M„ 
beobachtet  wurden,  welche  nach  Blof»  Untersuchungen  (Bul- 
letin de  Taqademie  de  mid.  XXVIII.  Nr.  21)  „in  einem 
Hospitale  einen  ausgezeichneten  Gesundheitszustand  anzeigen/' 

Stellt  man  imn  einen  Vergleich  zwischen  den  beiden 
oben  bezeichneten  Zeiträumen  an,  so  darf  man  zwar  kaum 
die  Gesundheitsverhältnisse  bis  zum  Mai  1863  auffallend 
schlechte  nennen:  Berücksichtigt  mau,  dass  die  Sterblichkeit 
der  Wöchnerinnjßn  in  den  Petersburger  Anstalten  6 — 8 — 9Proc, 
in  München  zu  Zeiten  5  Proc.  betrs^en  hat,  dass  dieselbe 
im  Allgemeinen  selten  unter  3  Proc.  gerechnet,  im.  Mittel 
auf  5 — 6  Proc.  angegeben  werden  darf,  so  ist  der  grössle 
Procentsatz  in  unserer  schlimmsten  Zeit  einer  kleinen  En- 
demie, welcher  4,5  Proc.  an  Verstorbenen  ergiebt,  trotzdem, 
dass  die  Königsberger  Anstalt  an  Grösse  gegen  die  meisten 
übrigen  sehr  zurücksteht,  doch  noch  kein  sehr  hoher.  Den- 
noch muss  der  Gesundheitszustand  der  Wöchnerinnen  in  dem 
zweiten  Zeiträume  vom  Mai  1863  als  ein  so  auffallend  viel 
besserer  angesehen  werden,  dass  man  gezwungen  ist,  diese 
ziemlich  plötzlich  auftretende  erfreuliche  Umwandlung  .nicht 
dem  Zufalle,  sondern  bestimmten  veranlassenden  MomenUn 
zuzuschreiben,  welche  ich  in  dem  nächsten  Abschnitte  über 
die  den  W^öchnerinnen  zu  Theil  gewordene  Behandlung  dar- 
zulegen versuchen  will.  — 

Therapie: 

I.  Prophylaxe :  Als  die  wesentlichsten  Bedingungen,  welche 
in  den  letzten  Jahren  allmälig  gunstigere  und  in  der  neuesten 
Zeit  durchaus  befriedigende  Gesuiidheilsverhältnisse  unter  den 
Wöchnerinnen  der  Anstalt  hervorgerufen  haben,  glaube  ich 
folgende  anfüliren  zu  müssen: 

1.    Ergiebige  Erneuerung  der  Luft. 

MonatMchr.  f .Oeburtak.  1866.  Bd.  XXY.,  Hfl.  4.  1^ 


274  XXI*    HUdebrandif  Notiscn  über  die  während  der  letsten 

2.  Peinlichere  Reinlichkeil  nach  jeder  Richtung  hin. 

3.  Regelmässige,  2 — 3  stundl.  wlederholle  Injectionen 
von  ChlurmischuDgen  bei  allen  mit  krankhaften  Affecüoneu 
(1er  inneren  Genitalien  behafteten  Wöchnerinnen. 

Die  Vorkehrungen,  welche  früher  zur  Verbesserung  der 
Luft  in  der  Königsberger  Anstalt  angewandt  wurden,  bestanden 
in  tägUchen  Raucherungen ,  während  man  auf  ergiebige  Er- 
neuerung der  Luft  nicht  Bedacht  nahm.  Die  Wochenzim- 
mer bekamen  ii'ische  Luft  vom  Hofe  nur  in  der  sehr  kurzen 
Zeit,  in  welcher  beim  Auskehren  der  Fussböden  die  Fenster 
mit  Vorsicht,  zur  Vermeidung  von  Erkältungen  spärlich  ge- 
öffnet wurden,  und  dies  nur  im  Sommer.  Im  Winter  "mussten 
die  vom  Zimmer  aus  zu  heizenden  Oefen,  so  lange  als  das 
Heizungsmaterial  im  Brennen  begriffen  war,  zur  Verbesserung 
der  Luft  beitragen.  Längeres  Offenhalten  der  Fenster  wurde 
gescheut,  weil  man  Erkältungen  der  Wöchnerinnen  und  vor- 
nehmlich der  Kinder  fui*chtete,  bei  denen  man  Trismus  be- 
obachtet hatte,  weim  sie  in  der  Nähe  der  Thüren  oder  der 
Fenster  gelegen  hatten.  Seit  dem  Frühjahre  1863  wurden 
dagegen  bei  geschlossenen  Thüren  frei  die  Fenster  geöffnet 
und  blieben  im  Sommer  oft  den  Tag  über  offen  stehen, 
während  im  Winter  dieselbe  Massregei  für  kürzere  oder 
längere  Zeit  je  nach  der  Witterung,  aber  beinahe  täglich  an- 
gewandt werden  konnte.  Der  günstige  Erfolg  dieser  Neue- 
rung lässt  sich  wohl  mit  Recht  aus  der  bald  nach  ihrer  Ein- 
führung eingetretenen  beträchtlichen  Verminderung  der  Krank- 
heiten entnehmen.  Nachtheilige  Folgen  aber  konnten  bei 
dieser  ursprünglichsten  Form  der  Ventilation  nicht  wahrge- 
nommen werden.  Rheumatische  und  catarrhalische  Affectiouen 
kamen  äusserst  selten  vor  und  waren  dann  nachweisslich  aus 
der  Schwangerschaft  mit  in*s  Wochenbett  hinübergenonunen, 
und  der  gefürchtete  Trismus  neonatorum  hat  sich  seit  2  Jahren 
nur  in  einem  Falle  am  Anfange  des  Jahres  1863  gezeigt. 
Dasselbe  Verfahren  der  Lüftung  wurde  auch  im  Kreisszimmer 
eingeführt,  in  welchem  nur  während  der  letzten  Geburtsstadien 
bei  starker  Transpiration  der  Kreissenden  und  stets  mit  der 
Geburt  des  Kindes  die  Fenster  geschlossen  wurden.  Ausserdem 
ist  statt  eines  kleinen  einfenslrigen  Zimmers,  welches  früher 
als  Kreisszimmer  fungirte   und  in   dem  mitunter  bei  Nieder- 


•Üben  Jahre  ia  der  Königsb.  BntbindnBgs-Anttalt  etc.   275 

kunft  mehrerer  PersoneB  die  Lufl  in  jeder  Weise  unedrdglioh 
worde,  in  der  letztoa  Zeit  ein  dreifienstriger,  nach  dem  Hofe 
gelegene  Saal  fdr  die  Kreissenden  eingericblet  und  benutsit 
worden.  Dass  ausser  diesen  Vorsiehtsmassregeln  das  Augen- 
merk darauf '  gerichtet  wurde,  Auswurfstoffe  upd  alle  Gegen- 
stände, welche  die  Luft  zu  verderben  geeignet  sind,  schnell 
aus  den  Zimmern  zu  entfernen,  bedarf  wohl  kaum  der  Er- 
wähnung. 

Wurde  auf  diese  Weise  der  Möglichkeit  der  Cumulation 
sdiädlicher  Stofle  in  der  Luft  aufs  GrundUchste  vorgebeugt, 
so  hattoi  wir  es  uns  ferner  zur  Aufgabe  gemacht,  zu  ver- 
bdten,  dass  schädliche,  Ansteckung  verursachende  Stoffe  an 
festen  Gegenständen  haftelen  und  mit  den  Wöchnerinnen  in 
Berührung  kamen.  Jede  Wöchnerin  musste  ihre  neue  Bett- 
wäsche und,  wenn  möglich,  auch  einen  neuen  Strohsack  er- 
halten und  wurde  darauf  gesellen,  dass  solche  Wöchnerinnen, 
bei  denen  sehr  reichliche  oder  gar  sehr  übelriechende  Lo- 
chialsecretion  vorhanden  war,  auch  öfter  die  Leibwäsche 
wechselten.  Es  schont  mir  dieser  Punkt  so  sehr  wichtig, 
dass  ich  wänschle,  es  wäre  möglich  gewesen,  jede,  auch  ge- 
sunde Wöchnerin  während  ihres  14  tägigen  Aufenthalts  in 
den  Wochenzimmern  mehrmals  mit  neuer  Leib-  und  Bett- 
wäsche zu  versehen;  nur  ist  nicht  jede  Anstalt,  welche  ver- 
hältnissmässig  viele  Geburten  im  Jahre  als  Lehrmaterial  bieten 
soll,  dem  entsprechend  mit  Mitteln  zu  so  reichlichem  Wäsche- 
Vorrath  versehen.  — 

Die  Reinigung  der  Genitalien  geschah  in  doppelter  und 
zwar,  wie  ich  glaube,  zum  wesentlichsten  Nutzen  fär  die 
Gesundheitszustände  der  Anstalt  beitragender  Weise: 

Zunächst  wurden  zu  diesem  Behufe  nie  Schwämoie  ge- 
braucht, die  aus  den  NutzmiUeln  einer  gehurtshulflichen  An- 
stalt als  die  schlimmsten  Träger  des  Contagium's  ganz  ver- 
bannt werden  sollten;  jede  gesunde  wie  kranke  Wöchnerin 
wurde  zwei  Mal  im  Tage  mit  neuer  Unterlage  versehen;  vor 
dem  Wechsel  wurden  die  Genitalien  mit .  dem  trockenen 
Theile  der  alten  Unterlage  gehörig  gereinigt  und  abgetrocknet. 

AUe  Wöchnerinnen  aber,  die  an  Genitalgeschwuren  oder 
ttbehriecbendem  Woehenfluss  litten,  erhielten  regelmässig  melir- 
mals  im   Tage  Chlor-Einsj>ritzungen.     Es  wurde  mit  einem 

18* 


276    XXI.  HUdehramdt^  Notisen  über  4ia  wKlweiid  d^r  latelMi 

Multerrohre  aus  Hora^  das  jedes  Mal  nach  dem  Gebrauehe 
der  vorsichtigsten  Reiaigung  unierlag,  Liq.  Chlori  und  warmes  , 
Inf.  flor.  Charoon.  Z0  gleidien  Theilen  und  zwar  alle  2 — 3 
Stunden  injicirt  und  damit  tägKch  so  lange  fortgefahren,  bis 
jeder  ftble  Geruch  des  Lochialsecrets,  jede  Spul*  eines  puerperalen 
(ieschwärs  verschwunden  war. 

Der  grosse  Nutzen  dieses  massenhaften  Verbrauchs  m 
Liq.  Chlori  in  der  Anstalt  zeigte  sich  sehr  bald  in  der  Ab- 
nahme der  früher  zu  manchen  Zeiten  fiberaus  zahlreichen 
PflUe  von  Puerperaigeschwüren,  ferner  darin,  dass  bereits  be- 
stehende Geschwüre  bei  diesem  Verfahren  meist  schneller 
heilten,  als  bei  den  früher  angewandten  Touchirungen  mt 
Argent.  nitric.  und  dass  sie  sehr  viel  seltener  eine  Allgemein* 
erkrankung  im  Gefolge  hatten.  Bei  diesem  aagenscheiniichen 
Nutzen  glaube  ich  diese  Injectionen  jedem  andern  Mittel  zur 
Reinigong  der  erkrankten  Genitalien  imd  zur  Verhütung  der 
Weiterverbreitung  von  krankhaften  Secreten  vorziehen  zu 
müssen.  Vor  Allem  sind  sie  um  Vieles  wirksamer,  als  die 
Anwendung  von  Compressen,  welche  mit  desinficirenden  Flüs- 
sigkeiten durchtränkt  aussen  vor  die  Genitalien  gelegt  werden. 
Nachtheilige  Wirkungen  von  den  genannten  Injectionen  habe 
ich  nie  beobachtet.  Mitunter,  wenn  dieselben  am  ersten 
Tage  des  Wochenbettes  gemacht  wurden  und  bei  Wöchnerinnen, 
deren  Genitalien  sehr  lange  dem  Drucke  des  Kindskopfes  oder 
von  Insirumenten  ausgesetzt  waren,  verursachten  sie  bei  den 
ersten  Malen  der  Anwendung  Schmerz.  Reizungen  des  Uterus 
aber,  durch  den  Strahl  der  andringenden  warmen  Flüssigkeit, 
kamen  niemals  vor  und  wurde  vor  Allem  auch  nie  gefunden, 
dass  die  blutigen  Lochienausscheidung^  nach  der  Einspritzung 
sich  profus  vermehrten. 

Ausser  diesen  allgemein  prophylaktischen  Massregeki 
wurden  nachfolgende  angewendet: 

Sobald  eine  Wöchnerin  schwer  erkrankte,  wurde  sie  in 
ein  besonderes  Zimmer  gebracht;  leichter  kranke  Personen 
blieben  an  ihrer  Stelle;  nie  wurden  mehrere  Erkrankte  in 
einem  Zimmer  zusammen  belassen.  Den  Schwangeren  wurde 
zur  Zeit  von  Erkrankungen  das  Betreten  der  Wochenzimmer 
untersagt;  w<Min  dies  auch  nicht  bei  allen  gesclieben  konnte, 
da   die   Verhältnisse    der    Anstalt   es   forderten,    dass    auch 


tleben  Jähre  in  der  Klliiigsb.  Entmin dnngfS-AiiitaU  eto.      277 

Schwangere  mit  zum  BecKeRangspersonale  gezogen  wariken. 
Ferner  wurden  die  Schwangern  so  wie  anch  die  Kreissenden 
ZOT  Zelt  von  Erkrankungen  sehr  wenig  uniersueht,  die  Schäle- 
rinnen  des,  Instituts  aber  zu  Touchir-Uebungen  niemals  heran* 
genommen  gleich  nachdem  sie  von  der  Reinigung  ihrer 
Wöchnerinnen  kamen;  mit  den  Studireaden  wurden  Unter- 
suchungen der  Wöchnerinnen  an  andern  Tagen  vorgenommen^ 
als  Touchir-Uebungen  der  Schwangeren. 

II.  Specielle  Therapie:  Die  Behandiung  der  einzelnen 
PSlle  von  Erkrankungen  ist  in  dem  genannten  Zeiträume  von 
1858 — 1864  allmalig  aus  einer  sehr  eingreifenden,  mit  reich- 
liehen Blutentziehungen  und  kräftigen  innern  Antiphlogisticis 
vorgehenden  eine  sehr  viel  mehr  beobachtende ,  in  spätem 
Stadien  der  Krankheit  oft  gegen  sonst  frühzeitig  nur  robo- 
rirende  geworden  und  letzteres,  wie  es  scheint,  mit  grossem 
Nutzen. 

Im  Beginn  des  Wochenbettes  wurde  zunächst  auf  eine 
möglichst  regelmässige  und  schnelle  Verkleinerung  des  Uleru« 
gehalten,  welche  besonders  zu  Zeiten  häufiger  Erkrankungen 
bd  den  meisten,  auch  anscheinend  gesunden  Wöchnerinnen, 
sehr  zögerte.  Wir  erzielten  energische  Verkleinerung  des 
Uterus  am  ersten  Tage  am  zweckniässigsten  durch  Seeale 
cornutum;  wo  aber  der  Uterus  am  2—4.  Tage  noch  weich 
und  schlafl*  und  gross  blieb  uod  wo  unregelmassige,  sehr 
schmerzhafte  Nachwehen  mit  Abgang  von  Stacken  Blut  statt 
halten,  bewahrte  sich  das  Seeale  cornutum  nie  gut;  es  ver- 
schlimmerte sogar  mitunter  die  SchmerzhafUgkeit  der  Nach- 
wehen, ohne  eine  dauernde  Verkleinerung  des  Uterus  herbei- 
zuführen.  Dagegen  wurde  in  diesen  Fällen  mit  ausgesprochen 
günstigem  Erfolge  der  galvanische  Strom  angewandt,  indem 
die  Elektroden  theils  von  den  fiauchdecken,  theils  von  der 
Vagina  aus  an  den  Uterus  gebracht  wurden.  Die  Contraction 
wird  dadurch  eine  gleichmässige  und  andauernde  und  es  ver- 
schwinden die  schmerzhatten  Nachwehen  meist  schon  nach 
der  ersten  Sitzung.  — 

Die  Briiandlung  der  fiebcM-haft  Erkrankten  wurde  in  den 
ersten  Jahren,  als  ich  als  Assistent  an  die  Anstalt  kam,  gleich 
selv  energisch  begonnen,  in  der  Absicht,  schweren  Zuilllen  vor- 


278  ^^*  mid^brimdl,  Notisen  über  die  wKhreDd  der  letaton 

zubeugan.  Jeder  Fall,  der  mit  einer  Pulsfirequenz  von  100 — 
110  p.  M.,  erhöhter  Haultemperalur,  lebhafter  SchiQerzbaftJg- 
keit  des  Uterus  auftrat,  wurde  einer  streng  antiphlogistischen 
Behandlung  unterworfen;  es  wurden  8—16  Blutegel  an  die 
Bauchdecken  in  der  Ulerusgegend  gesetzt,  worauf  warme 
Cataplasmen  folgten,  während  Calomel  am  ersten  Tage  in 
2 stundigen  Dosen  zu  gr.  i — ii  innerlich  gereicht  wurde; 
die  Blutentziehung  fand  unter  Umständen  eiu>  bis  zweimalige 
Wiederholung.  Ich  fürchte,  dass  damit  recht  oft  mehr  ge- 
schadet, als  genutzt  ist.  Es  haben  die  Resultate  der  Behand- 
lung in  der  letzten  Zeit  gezeigt,  dass  man  mit  den  Mitteln,  welche 
die  Kräfte  der  Patientinnen  herabsetzen,  so  sparsam  wie  mög- 
lich sein  darf  und  sein  muss  und  dass  die  überwiegend  grössere 
Zahl  der  Fälle,  in  welchen  sich  uns  das  Bild  der  MeUrope- 
ritonitis  leichtern  Grades  zeigt,  schneller  und  vor  Allem  ohne 
Zurücklassuttg  einer  das  Wochenbett  in  die  Länge  ziehenden 
Schwäche  genesen,  wenn  man  leichtere  Mittel  in  Anwen- 
dung zieht 

Es  lässt  sich  die  Behandlung  der  Wöchnerinnen,  wie 
sie  in  den  letzten  Jahren  ausgeführt  wurde,  in  Kürze  etwa 
so  schildern. 

Jeder  Wöchnerin,  welche  am  2 — 3.  Tage  eine  auf  100— 
110  Schläge  erhöhte  Pulsfrequenz  zeigte,  wurde  zunächst  ein 
eröffnendes  Lavement  verordnet,  welches,  falls  in  10 — 12  Stun- 
den kein  Nactdass  des  Fiebers  eintrat,  wiederholt  oder  dessen 
Wirkung  durch  Ol.  Ricini  ersetzt  wurde.  Danach  war  in 
vielen  Fällen  bereits  jede  weitere  Medication  unnöthig.  Trat 
neben  den  Fiebererscheinungen  noch  Schhierzhaftigkeit  der 
Uterusgegend  auf,  so  wurden  neben  täglich  dargereichten  er- 
öffnenden Lavements,  warme  Cateplasmen  auf  den  Unterleib 
gelegt  und  eine  knappe  Diät  angeordnet ;  und  auch  die  grössere 
Zahl  dieser  Fälle,  welche  das  Bild  einer  Metroperitonitis  dar- 
boten, gingen  in  wenigen  Tagen  ohne  weitere  Medication  in 
Genesung  über.  —  Es  soll  bei  dieser  reichlichen  Anwen- 
dung von  Abführmitteln  aber  durchaus  nicht  die  abhihrend« 
Methode  als  specifisch  wirksam  beim  Puerperalfieber  em- 
ptohlen  werden ;  es  ist  bereits  oben  erwähnt,  dass  bei  schwereren 
Erkrankungen  Diarrhoeen  eher  einen  nachtheiligen,  als  günstigen 
Einfluss  ausübten. 


•ieben  Jahre  in  der  Könlgsb.  Eotbindno^-Anatolt  atc.      279 

In  den  Fällen  von  schwereren  Erkrankungen,  welche  sich 
gleich  durch  eine  erheblich  gefiteigerte  FrequcTiz  des  Pulses 
und  der  Respiration  kund  gaben,  oder  wo  die  oben  ange- 
führte Behandlung  keine  Besserung  erzielte,  sondern  eine  Zu- 
nahme der  krankliaften  Erscheinungen  stattfand,  ist  auch  ferner 
noch  mit  der  Anwendung  von  Blutegeln  sehr  sparsam  umge- 
gangen und  vor  Allem  nicht  leicht  eine  Wiederholung  der 
Blotentziehung  vorgenommen,  sondern  der  Schmerz  im  Unter- 
leibe durch  lauwarme  Umschläge,  durph  Narcotica,  welche 
besonders  zur  Nacht  in  dreister  Dosis  gereicht  wurden,  ge- 
lindeit.  Zur  Herabsetzung  der  Pulsfrequenz  aber  kamen  mit 
Nutzen  in  Anwendung:  Veratrin,  Digitalis,  Chinin.  Mit  allen 
drei  Mitteln  sind  sehr  oft  die  gewünschten  Erfolge  erzielt; 
jedoch  hat  nicht  selten  plötzlich  auftretende  Nausea  und  Er- 
brechen beim  Gebrauche  des  Veralrins  zum  Abstehen  von 
fernerer  Anwendung  dieses  Mittels  Veranlassung  gegeben. 
Ebenso  wurde  die  Digitalis  oft  vom  Magen  nicht  vertragen, 
und  beschränkten  wir  uns  schliesslich  allein  auf  die  Anwen- 
dung des  Chinins,  welches  zu  gr.  ii — iii  2 — 3  stündlich, 
bei  Anwesenheit  von  Diarrhoen  in  Verbindung  mit  Opium, 
dargereicht  wurde.  —  Mit  Nachlass  der  ersten  stürmischen 
Symptome  zeigten  sich  zur  Erzielung  eines  schnelleren  gun- 
stigeren Ausgangs  der  Krankheit  oft  von  dem  auffälligsten 
Nutzen  lauwarme  Bäder,  in  welchen  die  Kranken  20 — 40  Mi- 
nuten verblieben.  Aeusserst  vortheilhaft  erwies  sich  aber  auch, 
dass  frühzeitig,  sobald  adynamische  Erscheinungen  eintraten, 
auch  trotz  localer  Schmerzhaftigkeit  durch  Darreichung 
kräftigen  spanischen  Weines  die  Kräfte  unterstützt  wurden.  — 

Länger  andauernde  locale  Schmerzhaftigkeit  wich  meis- 
tens allein  der  Anwendung  lauwarmer  Umschläge  in  Form 
der  erwähnten  Cataplasmen,  an  deren  Stelle  danach  Einwick- 
lung  des  Leibes  c^mbinirt  mit  warmen  Wasserumschlägen 
trat.  Bei  hochgradigem  Meteorismus  zeigten  sich  kalte  Um- 
schläge, über  den  ganzen  Unterleib  ausgebreitet,  stets  sehr 
vortheilhaft,  mit  denen  oft,  wo  es  der  Grad  der  Entzündung 
der  Unterleibsorgane  gestattete,  mit  Nutzen  kalte  Lavements 
vo-bunden  wurden.  — 


280  X^I^-  Bildehrcmäit  Notixen  ab«r  die  wStbretid  der  letzten 


Aetiologie. 

Wenn  idi  schliesslich  einige  kurze  Notizen  zur  Aetiologie 
des  Puerperalfiebers  beifuge,  so  geschieht  dies  nur  soweit,  als 
aus  den  oben  erwähnten  Erkrankungsfälleii  sich  Bestätigungen 
för  die  eine  oder  die  andere  der  neuerdings  aufgestellten 
Theorien  entnehmen  lassen.  Hiernach  glaube  ich  deijenigen 
Auffassung  des  Puerperalfiebers  beipflichten  zu  müssen,  welche 
dasselbe  als  eine  Erkrankung  der  Blutraasse  der  Wöchnerinnen, 
entstanden  durch  Infection  mit  zersetzten  animalischen  im 
Genitalkanal  befindlichen  Stoffen  darstellt.  Für  diese  Auffas- 
sung sprach^  dass  bei  den  in  der  Anstalt  angestellten  Sectionen 
ohne  Ausnahme  eine  Erkrankung  der  Innenfläche  des  Geni- 
talkanals gefunden  wurde;  am  häufigsten  jauchiger  Zerfall  der 
innersten  Schichten  des  Uterus,  mitunter  der  Vagina  unter 
Bildung  von  diphlfaeritischen  Geschwuren;  von  hier  ausgebend 
eine  Erkrankung  der  nächstliegenden  Gefasse.  Nächstdem 
zeigte  der  Rrankheitsverlauf  einer  grossen  Beihe  von  Fälien, 
von  denen  einzelne  später  mitgetbeilt  werden  sollen,  wie  der 
locale  Process  im  Genitalkanale  den  ersten  Krankheitsanfang 
bildete  und  wie  nach  demselben  allmälig  sich  die  Symptome 
des  Puerperalfiebers  entwickelten.  Der  diphtheritische  Prozess 
auf  der  Innenfläche  des  Genitilkanals,  der  seine  Entstehung 
den  verschiedensten  Ursachen  verdanken  kann,  so  von  aussen 
beigebrachten  Läsionen,  Quetschungen  der  weichen  Geburts- 
theile  durch  den  Kindskopf,  entzündlichen  Reizungen  durch 
zurückgebliebene  Eitheile,  kann  dem  entsprechend  seinen  An- 
fang an  jeder  Stelle  der  Schleimhaut  des  Uterus  oder  der 
Vagina  nehmen  und  sich  von  dort  aus  weiter  verbreiten.  Der 
klinischen  directen  Beobachtung  aber  am  zugängHchsten  sind 
die  diphtheritischen  Vaginalgeschwüre,  welche  sehr  häufig  den 
Ausgangspunkt  für  das  Puerperalfieber,  den  localen  Heerd 
der  puerperalen  Pyämie  abzugeben  scheinen. 

Dieselben  zeigten  sich  in  der  Anstalt  ungemein  zahlreich 
und  zeigten  sich  auch  in  der  Poliklinik  nicht  selten..  Ihr 
Charakter  war  in  allen  Fällen  der  gleiche :  bei  starker  ent- 
zündlicher Schwellung  der  Schleimhaut  anfangs  livide,  schwärz- 
lich, später  nach  brandiger  Abstossung  mit  speckigem  Grunde 


sieb«»  Jahre  in  der  fClJiiigsb.  Eatbindnng^  Amtnk  etc.    281 

imd  gescbwoHenen  Randern  versehen,  jauchigeg  Secret  ab- 
setsende  Gesebwöre  mit  ansgesprocherier  Neigung  2ur  Ans- 
delmong  nacb  der  Breite  und  Tiefe,  gleichviel  durch  welche 
Veranlassungen  und  ob  dieselben  zur  Zeit  vieler  oder  weniger 
schwerer  Erkrankufkigen  in  der  Anstalt  entstanden  waren.  Die 
Veranlassungen  waren  sehr  häufig  nachweisslicfa  rein  iocale: 
Sie  zeigten  sich  vornehmlich  oft  nach  langwierigen  schweren 
Entbindungen,  bei  denen  die  Schleimhaut  einem  anhaltenden 
Drucke  von  Seiten  des  Kindskopfes  ausgesetzt  war.  Sie  hatten 
ihren  Sitz  je  nach  der  Stelle,  welche  dem  Drucke  and  der 
Zeming  am  längsten  und  intensivsten  ausgesetzt  gewesen. 
Am  häofigsten  kamen  sie  daher  im  Scheideneingange,  seltener 
in  böbern  Partien  der.  Scheide  vor,  Hessen  sich  aber  auch 
mit  dem  Sf)ecidinn  an  der  Innenfläche  des  Cervicalkanales 
nachweisen.  Zahlreich  kamen  dergleichen  ulcerative  Prozesse 
meist  mit  Puerperalfieber  im  Gefolge  zu  Zeiten  vor,  in  denen 
häufig  Unregelmässigkeiten  bei  den  Kreissenden  beobachtet 
waren.  So  entstanden  mehrmals  während  sonst  günstiger 
Gesandheitsverhäknisse  in  der  Anstalt  diese  Erkrankungen  bei 
denjenigen  Wöchnerinnen,  deren  Entbindungen  zu  ExamenS'- 
zwecken  benutzt  worden  und  die  während  des  Kreissens  durch 
zu  häufiges  und  unnütz  genaues  Untersucheif  Unregelmässig- 
keiten der  Wehen  und  somit  auch  Veriangsamung  der  Geburt 
eriitten.  Femer  kamen  zu  Zeiten,  in  denen  häufig  operirt 
werden  musste,  auffallend  mehr  puerpei*ale  Erkrankimgen  als 
sonst  vor.  In  ähnlicher  Weise,  wie  aus  diesen  bei  der  Geburt 
stattfindenden  Sdbädllchkeiten ,  lässt  sich  vielleicht  auch  das 
bekannte  Gesetz  erklären,  dass  Erstgebärende  sehr  viel  häufiger 
am  Puerperalfieber  erkrankten,  als  Mehrgebärende,  welche  im 
Ganzen  weniger  schwere  Niederkünfte  zu  überstehen  haben, 
und  fand  dieses  Gesetz  auch  in  hiesiger  Anstalt  statt:  Unter 
den  Erkrankten  der  kleinen  Endemie  des  Jahres  1862  be- 
fanden sich  zwanzig  Erstgebärende  auf  zwölf  Mehrgebärende, 
von  welchen  letzteren  vier  zum  zweiten  Male,  fünf  zum  dritten, 
zwei  zum  vierten  Male  niedergekommen  waren;  unter  den 
achtzehn  Nerstorbenen  desselben  Jahres  befanden  sich  zwölf 
Erstgebärende,  sechs  Mehrgebärende;  und  zwar  waren  vier 
derselben  zum  zweiten,  zwei  zum  dritten  Male  entbunden. 
Audi  die  Beobachtung,  dass  die  im  Ganzen  schwereren  Knaben- 


282  XXI.    HUdehrandt,  Notiaen  über  die  wKbread  der  letsten 

geburten  häufiger  Puerperalfieber  im  Gefolge  haben,  als  die 
Mädchengeburten,  sehieo  im  Jahre  1862  sieh  zu  bestätigen. 
Von  den  Erkrankten  waren  achtzehn  mit  Knaben,  yierzehn 
mit  Mädchen  niedergekommen;  von  den  Verstorbenen  hatten 
zwölf  Knaben-  und  sechs  Mädchengeburten 'gehabt.  — 

Es  sciiienen  ab,er  nicht  alle  Wöchnerinnen  bei  gleichen 
localen  Sdiädlichkeiten  in  gleichem  Maasse  zu  puerperalen 
jauchigen  Geschwüren  disponirt  zu  sein,  sondern  es  schien 
hiebei  der  Einfluss  der  Constitution  und  die  Resistenzkraft 
des  Individuums  wesentlich  mit  Eintluss  auszuüben.  Bei  schwäch* 
liehen  Frauen,  bei  solchen  die  au  Chlorose  oder  Hydropsie 
während  der  Schwangerschaft  gelitten  hatten  oder  nach  ex- 
cessiven  Blutungen  während  der  Geburt  hochgradig  anämisch 
geworden  waren,  sehr  oft  auch  bei  den  Wöchnerinnen,  welche 
an  Eklampsie  gelitten  hatten,  traten  puerperale  Geschwüre  am 
häufigsten  und  hartnäckigsten  auf. 

Der  allen  Geschwüren  gemeinsame  Character,  ihre  Ent- 
stehung meistens  nach  rein  localen  Schädlichkeiten,  vor  Allem 
aber  der  Umstand,  dass  dieselben  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  Fälle  auf  eine  rein  locale  Behandlung  ohne  alle 
Reaction  heilten,  sprechen  dafür,  dass  man  dieselben  nicht 
als  den  Ausdruck  einer  schon  bestehenden  Allgemeinerkrankung 
anzusehen  hat.  Der  Verlauf  in  einer  andern  Reihe  von  Fällen 
aber,  in  denen  man  nacli  Anwesenlieit  dieser  Geschwüre  all- 
mäiig  eine  Metroperitonitis,  schliesslich  die  Formen  des  schwer- 
sten Puerperalfiebers  zu  sehen  bekam,  drängt  zu  der  Ueber- 
zeugung,  dass  von  diesem  localen  Heerde  aus  sich  der  pyä- 
mische  Prozess  unter  gewissen  Umständen  durch  die  im 
puerperalen  Uterus  zur  Resorption  besonders  befähigten  weitern 
Gefässe  ausbreiten  kann.  Welche  Bedingungen  es  aber  sind, 
die  bei  einer  Anzahl  von  Wöchnerinnen  die  Infection  ver- 
mitteln, während  dieselbe  bei  andern  unterbleibt,  lässt  sich 
nicht  erweisen.  Jedenfalls  sclieint  Form  und  Bösartigkeit  des 
Geschwürs  sowie  die  Beschafienheit  seines  Secrets  von  keinem 
nachweisbaren  Einflüsse  auf  die  Entstehung  einer  Allgeniein- 
erk rankung  zu  sein.  Es  trat  das  Puerperalfieber  nach  kleinen 
nicht  tiefgehenden  diphtherilischeu  Geschwüren  ei)enso  auf, 
wie  nach  weitverbreiteten  mit  grossem  Substanzveriuste  ver- 
bundenen;  und   war  der  Character  der  Geschwüre  in  allen 


mbeo  Jahre  in  der  Rönigsb.  Eotbitidniigs- Anstalt  etc.      288 

Fällen  der  gleiche  oben  beschriebene  und  veränderte  gich 
nicht  nachweisbar  weder  vor  noch  mit  Eintritt  der  Allge- 
roeinerkrankung,  sodass  die  Resorption  ganz  allein  von  dem 
Zustande  der  nächstliegenden  Gelasse  des  Genitalkanals  ab* 
hängig  zu  sein  scheint.  Oass  dieser  Zustand  aber  auch  durch 
allgemeine  das  Gefasssystem  alterirend^  Schädlichkeiten  be- 
einflusst  werde,  welche  die  Gefässe  vielleicht  zur  Resorption 
geeigneter  machen,  ist  mir  in  zwei  Fällen  wahrscheinlich  ge- 
worden. 

Im  November  1863  behandelte  ich  eine  20 Jährige  8chwäc|i- 
liehe  Wöchnerin  an  einer  brandigen  Wunde  des  Dammes.  Die 
Frau  hatte  sehr  lange  gekreisst  und  war  besonders  das  letzte 
Stadium  der  Austreibungsperiode  äusserst  schmerzhaft  und 
wegen  Enge  der  Vagina  und  in  Folge  eines  sehr  breiten 
unnachgiebigen  Dammes  sehr  verzögert  worden.  Die  Hebamme 
hatte  den  letztern,  unt  bei  den  recht  kräftigen  Wehen  ein 
Einreissen  zu  verhüten,  über  zwei  Stunden  mit  starkem  Drucke 
ihrer  angestemmten  Rechten  gestützt,,  wohl  aber  zu  kräfüg 
und  anhaltend :  denn  es  zeigte  sich  am  nächsten  Tage  in  der 
Mitte  der  Raphe  eine  missfarbige  livide  Stelle ,  welche  von 
Stunde  zu  Stunde  an  Umfang  zunahm,  am  dritten  Tage  be- 
reits vom  Sphincter  ani  bis  zu  einem  kleinen  Streifen  vor  der 
hintern  Commissur  der  Schamlippen  sich  ausgebreitet  hatte 
luid  schliesslich  brandig  zeriiel.  Trotz  dieses  üblei)  localen 
Leidens  verUef  das  Wochenbett  in  der  ersten  Zeit  vollständig 
normal,  eine  am  dritten  Tage  etwa  sechszehn  Stunden  dauernde 
erhebhche  Steigerung  der  Pulsfrequenz  abgerechnet.  —  Am 
zehnten  Tage  aber,  an  welchem  am  Damme  bereits  gute  Gra- 
nulationen zum  Vorschein  kamen,  trat  plötzlich  Mittags  ein 
Schüttelfrost  ein,  dem  bald  die. ausgesprochensten  Erschei- 
nungen peritonitischer  Reizung  folgten.  Drei  Tage  darauf 
starb  die  Wöchnerin  luiter  Delirien,  nachdem  die  Peritonitis 
sich  über  den  ganzen  Unterleib  ausgebreitet  hatte.  Die  Section 
wurde  nicht  gestattet,  aber  die  Erscheinungen  waren  so 
Schritt  für  Schritt  als  die  eines  rapid  entwickelten  Puerperal- 
fiebers zu  verfolgen  gewesen,  dass  es  der  Section  zur  Er- 
klärung des  Krankbeitsprozesses  kaum  bedurfte.  Die  Ursache 
aber,  woher  bei  der  anscheinend  gesunden  Wöchnerin  in 
einer  so  späten  Zeit   des  Wochenbettes  plötzlich  die  tödtlich 


284  XXI>    Hildt^randt,  Notizen  über  die  w&farend  der  letiten 

endende  Krankbrit  mit  solcher  Intensität  ausbrach,  konnte 
nicht  ermittelt  werden,  ^enn  man  nicht  dem  Umstände  Geltang 
angedeihen  lassen  will,  dass  die  Wöchnerin  an  jenem  Tage 
durch  den  Tod  ihres  Kindes  in  eine  tiefe  Gemüthsdepression 
versetzt  war.  Wenige  Stunden  nach  dem  Absterben  des 
Rindes  trat  der  erst^  Schüttelfrost  auf.  (Es  erinnert  dieser 
Krankheitsfall  sehr  an  den  von  Buhl  in  der  Monatsschrift 
für  Geburtskunde  B.  XXIll,  Hft.  4,  S.  303  u.  ff.  beschriebenen.) 

Ein  dem  vorsiebenden  sehr  ähnlicher  Fall  ereignete  sich 
im  October  1862.  Eine  Zweitgebärende,  welche  eine  etwas 
verzögerte  Entbindung  durchmachte,  war  in  den  ersten  vier 
Tagen  des  Wochenbettes  üeberfrei  und  vollständig  wohl.  Am 
fünften  Tage  wurde  der  Wochenfluss  übelriechend,  sodass  ich 
eine  Ocular-lnspection  der  Genitalien  vornahm,  bei  welcher 
sich  jederseits  an  der  grossen  Schamlippe  ein  diphtheritisches 
Puerperalgeschwur  voifand.  Chlor-Injectionen  und  aroma- 
tische Umschläge  brachten  den  Prozess  zum  Stillstände,  und 
war  bereits  am  siebenten  Tage  die  Schwellung  des  umgebenden 
Gewebes  wesentlich  geschwunden.  An  diesem  Tage  aber 
fand  ein  Streit  mit  dem  Ehemanne  statt,  der  eine  äusserst 
heftige  Aufregung  zur  Folge  hatte.  Wenige  Stunden  darauf 
zeigte  die  bis  dahin  fieberfreie  Wöchnerin  einen  Puls  von 
140  Schlägen  p.  M.,  sehr  beschleunigte  Respiration  und 
brennend  heisse  Haut,  leichte  Schmerzhafügkeit  des  vorher 
schmerzfi-eien  Uterus,  verfiel  am  darauf  folgenden  Tage  bereits 
in  Delirien  und  verstarb  vier  Tage  später  mit  den  Erscheinungen 
einer  weitverbreiteten  Peritonitis. 

Darf  man  in  diesen  Fällen  die  plötzlich  auftretende  schwere 
Allgemeinerkrankung  als  eine  Folge  der  plötzlichen  Resorption 
eines  schlechten  Eiters  ansehen,  wodurch  am  ehesten  die 
Symptome  und  der  schnell  eintretende  Tod  zu  erklären  wäre, 
so  dürfte  man  wohl  aus  dem  Verlaufe  der  Fälle  die  die  Re- 
sorption vermittelnde  Kraft  darin  zu  suchen  haben,  dass  bei 
Anwesenheit  des  localen  diphtheritiscben  Processes  in  den 
Genitalien  die  plötzliche  Veränderung  der  Blutströmung,  welche 
durch  zufällige  Schädlichkeiten  hervorgerufen  wurde,  eiuen  die 
Resorption  befordernden  Einfluss  auf  die  Gefässe  der  nächsten 
Umgebung  der  kranken  Stelle  ausübte.  — 


•leb«»  Jalir«  ia  der  KSaigHb.  Entbindongf  Anstalt  etc.  285 

Ausserdem  aber,  dass  das  jauchige  Sekret  schlecht 
eiternder  duich  locale  Schfidlichkeiten  hervorgerufener  Wuadeo, 
welches,  wie  unter  den  oben  erwähnten  Umständen  von  den 
Gefaasen  des  Genitalkanals  aufgenommen  wird,  durch  Selbst- 
infection  der  Wöchnerinnen  zum  Puerperalfieber  führt,  wird 
wohl  sehr  häufig  der  inficirende  Stoff  dem  Individuum  von 
aussen  her  zugeführt  und  gelangt  dann  entweder  direct  durch 
die  Gefftsse  der  Vagina  oder  des  Uterus  zur  Resorption  oder 
giebt  erst  auf  der  Schleimhaut  der  letzteren  zu  Ulcerationen 
Veranlassung,  welche  dann  erst  das  zur  Infection  führende 
jauchige  Secret  liefern.  Der  Ursprung  eines  solchen  über- 
tragenen Aosteckungsstoffes  scheint  ein  verschiedener  sein 
zu  können;  Erforderntss  ist  nur,  dass  er  das  Product  zer- 
setzter animalische  Gebilde  ist  Damit  dürfte  auch  der  von 
SemmelweisB  aufgestellten  Theorie  einiges  Recht  eingeräumt 
werden,  doch  nur  in  gewissen  Grenzen.  So  kann  diese  Theorie 
auch  in  der  Königsberger  Anstalt^  wenigstens  für  die  letzteren 
Jahre,  keine  Anwendung  finden,  da  die  Sectionen  früher  nur 
in  AusnahmeiSllen,  in  den  letzten  3  Jahren  nie  von  den 
Aenten  der  Anstalt  gemacht  sind.  Eine  sehr  häufig  wirksame 
Schädlichkeit  darf  man  wohl  aber  mit  Recht  der  directen 
Uebertragung  jauchiger  puerperaler  Secrete  von  Wöchnerin 
zu  Wöchnerin  zuschreiben.  Finden  sich  doch  hiefür  gerade 
kk  Gebäranstalten  so  sehr  zahlreiche  Gelegenheiten.  Vor 
Allem  sind  es  die  Hebammen  und  Wärterinnen,  welche  beim 
Reinigen  mehrerer  Wöchnerinnen  hintereinander  so  sehr  leicht 
iDfectionsetoffe  verbreiten  können.  Aber  auch  Wäsche, 
vornehmlich  Unterlagen,  sodann  Instrumente,  Leibschösseln 
u.  s.  w.  werden  wohl  mit  Recht  allgemein  als  Träger  des 
Contagiums  angesehen.  Es  kann  bei  dieser  Vielfältigkeit  der 
die  Ansteckung  vernuttehiden  Momente  in  einer  Anstalt,  in 
welcher  nicht  die  peinlichste  Reinlichkeit  nach  jeder  Richtung 
beobachtet  wird,  von  einer  Wöchnerin,  bei  weicher  durch 
locale  Schädlichkeiten  brandige  Geschwüre  in  der  Vagina  oder 
in  dem  unteren  Uterusabschnitt  entstanden  sind,  durch  Con- 
tagium  eine  lange  dauernde  Endemie  ausgeben  und  unterhalten 
werden.  —  Allerdings  lässt  sich  der  directe  Nachweis  der- 
artiger Uebertragungen  in  einer  Anstalt  und  Hess  sich  auch 
in  der  hiesigen  nicht  fähren;  auffallig  war  es  mir  aber  immer, 


286  XXI.  Bildebrandt,  Notiren  Über  die  wKhrend  der  lettten 

das8,  wie  oben  bereits  erwabnt  ist,  nicht  selten  zur  Zeit, 
wenn  sich  ein  schwerer  Fall  von  Puerperalfieber  oder  auch 
nur  von  diphlheritischen  Geschwören  der  Genitalien  zeigte, 
sehr  bald  darauf  eine  Reihe  anderer  Wöchnerinnen  ebenfalls 
mit  Puerperalgeschwören  behaltet  war,  denen  dann  mehr  oder 
weniger  oft  Allgemeinerkrankungen  folgten.  Ich  glaubte  hier 
ebenso  an  eine  mehr  oder  weniger  directe  Uebertragung  von 
einer  Wöchnerin  zur  anderen,  wie  bei  den  zu  verschiedenen 
Zeiten  in  der  Anstalt  oft  zahlreich  aufgetretenen  Ophthalmien 
der  Neugeborenen.  Wahrend  Wochen  und  Monate  hindurch 
keine  Ophthalmie  zur  Behandlung  kam,  zeigten  sich  nach 
einem  Falle  häufig  sehr  bald  mehrere  neue,  trotzdem  dass 
die  Wärterinnen,  mit  den  Gefahren  des  Leidens  und  seiner 
Ansteckung  vertraut  gemacht,  zur  äussersten  Vorsicht  und 
Reinlichkeit  ermahnt  vicaren.  Ich  glaube  mich  sogar  der 
Ansicht  derer  anschliessen  zu  müssen,  welche  die  Möglichkeil 
einer  Uebertragung  contagiöser  Stoffe  durch  die  Hebammen 
auch  auf  grössere  Entfernungen  annehmen,  ifie  eine  Reihe 
von  Fällen  der  Art  ehestens  Wegscheider  in  der  Berliner 
Gesellschaft  für  Geburtshulfe  mitgetheilt  hat;  und  glaube  ich 
zwei  hierhin  einschlagende  Beispiele  aus  meiner  Praxis  ebenfalls 
anfOhren  zu  dürfen. 

Frau  G.  erkrankte  am  4.  November  1862,  dem  Ende 
ihrer  zweiten  Schwangerschaft  bereits  nahe,  an  lebhaften 
Schmerzen  im  Unterleibe,  welche  sie  für  Wehen  hielt  und 
daher  eine  Hebamme  zu  sich  berufen  liess.  Da  aber  die 
Eröffnung  des  Muttermundes  sehr  zögerte  und  die  Schmerzen 
an  Heftigkeit  zunahmen,  wünschte  man  meinen  Beistand.  Ich 
fand  die  Frau  lebhaft  fiebernd,  mit  einem  Pulse  von  130  Schlägen 
p.  M.,  heisser  trockener  Haut,  lebhaftem  Durst.  Der  Uterus 
zeigte  sich  in  seinen  Wandungen  nberall  abnorm  schmerzhaft, 
vornehmlich  aber  in  seinem  unteren  Abschnitte.  Die  Vagina 
war  serös  gevvulstet,  heiss,  ziemlich  trocken;  die  beinahe 
verstrichene  Vaginulportion,  deren  Muttermund  das  Einfuhren 
zweier  Finger  gestattete,  bei  Druck  schraerzhail.  Nach  der 
inneren  Untersuchung  fand  ich  meine  Finger  mit  einem 
schwefelgelben,  ziemlich  corisislenten  Eiter  bedeckt. .  Da  der 
letztere  aus  der  mit  sehr  wenig  Secret  versehenen  Vagina 
nicht  rühren  konnte,  unternahm  ich  bald  darauf  eine  zweite 


•Ieb«ii  Jahr«  In  der  RSnlgsb.  Eotbindnnga- Anstalt  etc.  287 

innere  Unteranchung,  f&hrte  zwei  Finger  darch  den  Mutter- 
mand  hindurch  und  bestrich  mit  ihnen  die  Innenwand  des 
Uterus  soweit  ich  reichen  konnte.  Es  gelang  mir  hierdurch 
eine  so  reichliche  Quantität  Eiter  von  der  Innenwand  abzu- 
heben, dass  derselbe  in  mehreren  Tropfen  bis  auf  die  innere 
FIfiche  meiner  Hand  herabfiel  und  so  an  Stellen  haftete,  die 
mit  der  Vagina  nicht  in  Berührung  kamen,  mithin  die  Mög- 
lichkeit einer  Verwechslung  mit  Vaginalsecret  vei'hinderten.  *) 
Der  Verlauf  der  sehr  schmerzhaften  Entbindung  war  ungemein 
langsam,  endete  mit  der  Geburt  eines  lebenden  krSftigen 
Mädchens.  Die  krankhaften  Erscheinungen,  welche  während 
des  Krdssens  beobachtet  waren,  verschwanden  aber  nach  der 
Entbindung  nicht,  sondern  steigerten  sich  in  ihrer  Heftigkeit 
fast  mit  jeder  Stunde,  sodass  am  zweiten  Tage  das  vollständige 
BHd  eines  so  schweren  Puerperalfiebers  vorhanden  war,  wie 
man  es  sonst  nur  in  Anstalten  während  Epidemien  zu  sehen 
bekommt  Die  Wöchnerin  Verstarb  am  fünften  Tage  nach 
der  Entbindung  an  einer  über  den  ganzen  Unterleib  verbreiteten 
Peritonitis,  ihr  Kind  sechs  Tage  später  ebenfalls  an  eitriger 
Peritonitis,  welche  von  einer  Entzündung  der  Nabelgefässe 
ausgegangen  war.  —  In  diesem  Falle,  der  ganz  evident  zum 
Ausgangspunkte  des  später  folgenden  Puerperalfiebers  die  primär 
erkrankte  Uterusinnenfläche  hatte,  konnte  die  Ursache  der 
Erkrankung  nur  darin  gefunden  werden,  dass  die  Hebamme, 
welche  die  Kranke  vor  dem  Ende  der  Schwangerschaft  mehr- 
mals untersucht  hatte,  während  dieser  Zeit  bei  einer  an 
schwerem  Puerperalfieber  erkrankten  Wöchnerin  beschäftigt 
gewesen  war.  Diese  Vermuthung  bestätigte  sich  zu  ziemlicher 
Gewissheit,^als  ich  am  12.  November,  also  wenige  Tage  nach 
dem  eben  beschriebenen  Vorfalle  von  derselben  Hebamme  zu 
einer  unter  genau  denselben  Symptomen  erkrankten  Schwangeren 
gmifen  wurde.    Auch  diese,  welche  von  Anfange  bis  zu  Ende 

*)  Aninerk.  Dieser  Befund  ist  deshalb  so  speciell  oiitgetheilt, 
weil  derselbe  wie  auch  ein  gleicher  in  einem  ähnlich  verlanfeneo 
Falle  von  puerperaler  Erkrankung  während  der  Schwangerschaft, 
dafar  sprechen,  dass  auch  das  während  der  Gravidität  auftretende 
Puerperalfieber  seinen  Ausgangspunkt  von  der  Innenfläehe  des 
Oesitalkanais  nimmt,  was  bekanntlich  von  mancher  Seite  bestritten 
wird. 


288  XXI.  Hild9hr€Mdi,  Noticen  nb«r  die  währe«d'der  Utialton 

der  Geburt  äusserst  scbmerzhafle,  wenig  wirksanie  Weben 
hatte,  fieberte  sehr  lebhaft,  zeigte  verfallene,  sehr  bleieiie 
Gesichtszüge,  einen  kleinen  schwachen,  sehr  beschleunigleii 
Puls,  sehr  beschleunigt«  Respiration,  recht  schmerzhaften  Utems, 
sehr  empfindliche  trockene  Genitalschieimhaut.  Siie  kreisste 
im  Ganzen  13  Stunden,  kam  mit  einem  todten  Knaben  nieder 
und  starb  zwölf  Stunden  später  unter  den  £rsoheinttngen 
einer  allgemeinen  Peritonitis. 

Diese  eben  ausgeftihrten  Beispiele  einer  ContagiositSt 
des  Puerperalfiebers,  welche  auch  auf  grössere  Entfernungen 
wirkt,  sowie  die  oben  erwähnten  einer  Weiterverbreitung  von 
Bett  zu  Bett  trotz  äusserster  Reinlichkeit  und  Vorsiobt  mit 
den  Vermittlem  einer  directen  Uebertragung,  dringen  uns  die 
Ueberzeugung  auf,  dass  wir  es  mit  einer  zwiefachen  Form 
des  Contagiums  zu  thun  haben,  einem  an  festen  Gegenstanden 
haftenden  und  einem  in  der  Luft  suspendirten.  Wenn  auch 
gewiss  sehr  oft  eine  directe  Uebertragung  krankhafter  Genital- 
secrete  in  der  oben  geschilderten  Weise  stattfindet,  so  ist 
man  doch  auch  genöthigt,  die  Wahrscheinlichkeit  einer  Ver- 
mittelang des  Contagiums  durch  die  Luft  anzuerkennen,  in 
welcher  Weise  dies  geschieht,  bleibt  noch  festzustellen:  am 
erklärlichsten  durch  Eiter-  und  Fermentkorperchen,  wie  sie 
von  Panum  und  Paateur  in  der  Luft  und  an  den  Wänden, 
der  Wäsche  u.  s.  w.  in  Krankenzimmern  durch  directe 
Beobachtungen  nachgewiesen  sind. 

Einige  Beobachtungen  aus  der  hiesigen  Anstalt,  weiche 
zur  Annahme  eines  durch  Vermittelung  der  Luft  wirksamen 
Contagiums  nöthigen,  will  ich  kurz  mittheilen: 

Zunächst  war  zu  wiederholten  Malen  auflallig,  dass  von 
den  drei  das  Jahr  über  benutzten  Wochenzimmern,  welche 
in  einer  Reihe  nebeneinander  liegen,  gerade  immer  das  mittelste 
von  den  zahlreichsten  und  schwersten  puerperalen  Erkrankugen 
heimgesucht  wurde,  in  sehr  viel  geringerem  .Grade  die  beiden 
nebenanstehenden,  mit  ihm  durch  ofiene  Thuren  verbundenen, 
und  kann  ich  einen  Grund  für  diesen  Umstand  nur  darin 
finden,  dass  dies  Zimmer  nicht  nur  relativ,  sondem  auch 
absolut  eine  lange  Zeit  hindurch  am  stärksten  belegt  war, 
nämlich  mit  sieben  Betten,  während  in  dem  sehr  viel  grösseren 
ersten  Zimmer  nur  sechs,  in  dem  fast  ebenso  grossen  dritten 


«Üben  Jfthi«  in  d#r  Eöoigtb.  Enibindongt-laaUlt  etc.   289 

Wir  finf  BetteD  sUodeD.  Es  konnteo  »cb  in  diesem  Räume 
also  am  oieiaten  schädliche  EffluvieD  eotwickeln  und  an- 
sammeln  uod  eiae  Ciimulaiion  derselben  um  so  eher  statt- 
finden, da  dies  Zimmer  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden 
Mideren  gelegen  isL  Als  aber  durch  ergiebige  Lüftung  mittels 
Oeffoen  der  Fenster  einem  Stagniren  der  Lufl  in  allen  Zimmern 
f orgebeiigi  war,  trMen  auch  in  diesem  Zimoier  jene  durchaus 
günstigereD  Gesundheitsverliältnisse  unler  den  Wöchnerinnen 
ein,  wie  sie  oben  nachgewiesen  sind.  Dass  jedoch  durch 
diese  Maassregeln  der  Lufterueuerung  nicht  ein  Miasma  d.  'h. 
ako  eiue  specifiscli  chemisch  schädliche  Luft,  sondern  die 
Anhäufiiog  contagioser  Stoffe  in  einer  sonst  nicht  nachweis- 
bar nacbtheilig  wirkenden  Luft  beseitigt  wurde,  glaube  ich 
mit  folgienden  Giüaden  belegen  zu  dürfen; 

1)  Die  puerperalen  Erkrankungen,  welche,  wie  aus  der 
oben  angeführten  Tabelle  hervorgeht,  in  der  hiesigen  Anstalt 
inii  Ausnahme  des  Jahres  1862,  nie  auflaUend  zahlreich 
auftraten,  vertheilten  sich  meistens  ziemlich  gleichmüssig  auf 
die  verschiedenen  Monate,  sodass  wir  von  1857 — 62  niemals 
von  besonders  gut^n  oder  besonders  schlechten  Gesmidheits- 
Verhältnissen  sprechen  liomiten.  Auch  i^aren  die  Formen 
der  Erkrankungen  gewöhnlich  durchaus  gemischt.  Es  wech- 
selten fortwährend  die  einfachen  Metritiden  mit  Lympbangoitis 
und  Phiebitis  ab.  Alle  diese  Momente  sprechen  aber  dagegen, 
dass ,  während  dieser  Jahre  dauernd  ein  Miasma  geherrscht 
habe ;  wogegen  die  fortdauernden  Wirkungen  eines  Contaginms, 
dessen  Veri>reitang  mit  der  Anwendung  ergiebigster  Lufter- 
neuerung aafliorte,  alle  jene  Verhältnisse   wohl  zulassen.   — 

2)  Es  soll  die  Erfahrung,  dass  in  Anstalten  nach  dem* 
Uebersiedeln  aus  den  lange  Zeit  belegten  in  neue  gelüftete 
Zimmer,  schwere  Endemien  sehr  häufig  vollständig  zum  Auf- 
hören gebracht  werden,  vornehmlich  die  Richtigkeit  der 
Annahme  eines  die  Endemie  unterhaltenden  Miasmas  unter- 
stützen. Wie  die  Wirksamkeit  dies^  Maassregel  aber  sehr 
häufig  sich  nur  da  herausstellte,  wo  man  zugleich  mit  der 
Uehemiedelung  die  Aufhabme  der  Schwangeren  und  Kreissenden 
sehr  beschränkte  oder  wo  man  statt  kleinerer  Räume  grössei^e 
eintauschte,  so  zeigte  sich  auch  in  hiesiger  Anstalt  im 
Jahre   1862  ein  solcher  Umzug  nickt  nur  unnütz ,   sondern, 

MonatoMhr.  f.  Oeburuk.  1866.  Bd.  XXY.,  Hft.  4.  19 


290   ^^I*  HÜMrantU,  Notisen  über  4ie  während  der  UteUB 

wie  es  schiaA,  sogar  naoblbeilig.  Als  wir  kn  Jaoi  62  M 
immer  steigender  Frequenz  der  Erkrankungen  aus  den  bis 
<laliin  belegten  drei  Wochenziromern  nach  einem  anderen 
Flügel  mit  drei  von  jenen  ganz  getrennlen  bb  dahin  leeren 
whI  wohlgelAflleten  Zimnera  die  Wöclinerinnen  hi&öbersohafflai, 
hörie  die  Endemie  nicht  nur  niclit  auf,  sondern  stieg  in 
schreokenerregender  Weise :  Während  in  den  verlassenen  Zon- 
aiern  im  MIrz  unter  42  Wöchnerinnen  mir  ein  Tcidesfoll,  im 
April  unter  38  nur  drei,  im  Mai  bei  31  drei  Todesiaile  vorkamen, 
starben  in  den  neu  bezogenen  Räumeji  im  Juni  von  27  Wöcb-. 
neriimen  zwei,  im  Juli  von  25  Wöchnerinnen  f&nf.  Dieaen  u»- 
gunstigen  Erfolg  glaube  ich  nur  dem  Umstände  zuschreiben 
zu  müssen,  dassroan  die  Aufnahme  nicht  wesentlich  genug  hatte 
beschränken  können  und  dass  die  Wöchnerinnen  ^  wenigstens 
in  zwei  der  Zimmer  noch  näber  aneinander  lagen,  als  in  den 
verlassenen.  Die  Zimmel*,  welche  vieUeicht  mit  schidlicher 
Luft  überladen  gewesen,  waren  geröunit,  aber  in  den  neuein- 
getauschten fand  die  Verbreitung  von  Ansleckungsstoflen  dordi 
die  Luft  noch  günstigere  Bedingungen  vor  durch  das  nahe 
Zusammenliegen  der  Wöchnerinnen.  , 

'  3)  Die  oft  gemachte  Erfahnmg,  dass  diejenigen  Personen 
am  eliesten  vom  Puerperalfieber  vor  und  nach  der  Entbindung 
ergriffen  werden,  welche  am  längsten  als  Schwangere  in  ^er 
Anstalt  gewesen,  fand  auch  in  hiesiger  Anstalt  Bestätigung. 
Während  der  Endemie  des  Jatires  62  waren  von  den  Erkrankten 
ungefähr  ^/^  länger  als  einen  Tag,  ^9  ^^^  einen  Tag  vor 
ihrer  Entbindung  in  der  Anstalt.  Von  den  Verstorbenen 
hatten  zehn  längere  Zeit  vor  ihrer  Niederkunft,  acht  als  Kreissende 
Aufnahme  gefunden.  Diese  Erfahrung,  welche  man  wieder- 
bolentlich  zum  Beweise  für  die  Anwesenheit  eines  Miasmas 
benutzt  hat,  könnte  mit  mehr  Recht  als  Stütze  für  das  Con- 
tagium  verwandt  werden,  indem  diejenigen  Personen,  welche 
am  längsten  in  der  Anstalt  sich  aufhalten,  auch  am  häufigsten 
zu  Touchirübungen  benutzt  werden,  mitiun  am  meisten  der 
dii*ecten  Uebertragung  krankhafter  Stoffe  ausgesetzt  sind. 

4)  Auch  die  als  Beweis  für  die  AnvMesenheit  eines  Miasmas 
benutzte  Beobachtung,  dass  zur  Zeit  von  ^demischem  Auf- 
treten des  Puerper^alfiebers  gleiclizeitig  zahlreiche  Erkrankungen 
und  SterbefäUe  unter  den  Kindern  vorkommen,  wie  auch  in  hiesiger 


0l«b«nj  Jafcre  In  iti  Kdnigab.  läitbiiidiin^-ADtteU  ete.     2{91 

Anet^  in  den  Jaliren  1859  u.  1863  (vergl.  d.  Tab.),  kann  eben 
sowohl  und  besser  die  Wirksamkeit  eines  Contagiums  bekräftigen. 
SobaM  wir  das  PnerperaHleber  als  eine  paerperaie  Pyaemie 
auflassen  dürfen,  erklärt  sich's  nicht  schwer,  weshalb  während 
findcmien  von  bereits  während  der  SchwangefScbafl  erkrankten 
hirsonen  todte  oder  lebensschwache  und  bald  yersterhende 
Kinder  geboren  werden.  Wenn  wir  femer  ans  an  die  äber- 
aeagenden  Reobachtungen  Bukl^s  halten,  welche  darthun,  dass 
„dieanf  die  Naugehornen  von  deü  puerperal  erkrankten  Müttern 
übertragene  Infection  in  einer  Bindegewebsinfüträtion  sieh 
äussere,  welche  den  Nabeigefassen  folge,*'  so  ist  die  An- 
steckung von  der  Nabelwunde  aus  die  natfirlicfaste  Erklärung 
fAr  die  Erscheinung,  dass  während  Endemien  auch  Kinder 
gesunder  Wöchnerinnen  durch  die  EinfNIsse  der  Endemie  zu 
Gninde  gehen. 

5)  Schliesslicf)  glaube  ich  folgenden  Fall  anführen  zu 
inttsaen,  welcher  fftr  die  Contagiosität  des  Puerperalfiebers  und 
zwar  durch.  Vermittlung  der  Luft  wesentlich  sprechen  dürfte. 
Im  Winter  1859,  in  dem  sich  zahlreiche  und  schwere  puerperale 
Erkrankungen  ereigneten,  kamen  bei  der  Krankenwärterip  des 
Instituts,  welche  in  dem  ersten  Wocheuzimmer,  jedoch  ziem- 
lich esifernt  von  den  Betten  der  Wöchnerinnen  schlief,  fol- 
gende Erscheinungen  zur  Beobachtung:  dieselbe,  eine  robnsle 
Person,  die  ein  Mal  vor  Jahren  regelmässig  geboren  hatte, 
erkrankte  am  vierzehnten  Februar  während  ihrer  Menstruation 
unter  äusserst  lebhaftem  Fieber  mit  Schmerzen  im  Hypogastrium, 
Urtnbeschwerden  und  äusserst  quälenden  Schmerzen  im  Kreuze. 
Sie  glaubte  diese  Beschwerden  einer  Erkältung  zuschreiben 
zu  müssen,  welche  sie  sich  zwei  Tage  zuvor,  schon  während 
des  Fliessens  der  Menses  zugezogen  haben  wollte,  und  schien 
sich  auch  anfangs  das  Bild  einer  einfachen  Metritis  darzubieten. 
Der  Vejrlauf  stellte  sich  jedoch  anders  heraus.  Nachdem  die 
Person  bei  einem  sich  stets  gleichbleibenden  Fieber  mit  einer 
Pulsfrequenz  von  100 — 120  Schlägen  p.  M.,  bei  einer  jeder 
Therapie  trotzenden  Schmerzbaftigkeit  des  Uterus  und  seiner 
Umgebung  gegen  drei  Wochen  in  der  Entbindungsanstalt 
krank  gelegen  hatte  und  dann  nach  der  Med.  Klinik  hinöber- 
geschafll  war,  entwickelte  sich  dort  allmälig  das  deutlichste 
Bild  der  Pyaemie.    Es  erschien   an  der  rechten  Schulter  ein 

19* 


209     XXJ.  ffiUMfrandtt  Noilitn  über  <tU  w|Ukr«oad«r Utattn  etc. 

Abscess«  wpjcher  nach  Eröffbung  ein«  reicblicbe  NftQge  Muligen 
Eiters  entleerte  und  kam  ein  zweiter  Alicess  auch  nm  aweiten 
Kreuzbeinwirbel  zur  Ausbildung,  nach  dessen  Schliessung  »11- 
mälig  Genesung  eintrat. 

Sowie  der  Verlanf  der  Krankheit,  der  den  behaodelndeii 
Aerzten  anfangs  wesentliche  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der 
Annahme  einer  einfachen  Metritis  verursachte ,  sich  nach^ 
träglich  herausstellte,  darf  wohl  nicht  Anstand  genommen 
werden,  diesen  Fall  der  Art  zu  erklären,  dass  jene  ausserhalb 
des  puerperalen  Zustandes  befindliche  Person  während  ihrer 
Menstruation,  bei  der  die  Uterus-  und  Scheidenschleimhaut 
in  ähnlicher  Weise  zur  Aufnahme  contagiöser  Stoffe  geneJgt 
sein  dürfte,  wie  bei  Wöchnerinnen,  durch  den  EioAuss  der 
zu  jener  Zeit  contagi6sen  Luft  in  der  Anstalt,  an  einer  sich 
alimälig  entwickelnden  von  den  primär  ergriffenen  Genitalien 
ausgehenden  Pyaemie  erkrankte,  somit  denselben  Prozess 
durchmachte,  wie  wir  ihn  hei  der  Febris  puerperalis  zu  sehen 
bekommen«  ^)  — 


1)  ADmerk.  Vergl.  den  Fall  yod  Depaul:  Eine  Hebammen- 
fchalerin  der  Maternite  su  Paria  wurde  beim  Wascben  einer 
an  Paerperalfieber  leidenden  Kranken  unwohl,  erkrankte  am 
Abende  deeeelben  Tago8  mit  einem  Prostanfalle,  dem  alle  Symp- 
tome des  PnerperalBebers  folgten,  nnter  welehen  üie  am  dritten 
Tagfe  yerstarb.  Die  Leiche  seigte  alle  Beweise  der  Virginität. 
(De  la  fi^Tre  puerperale,  üe  sa  natnre  et  de  sou  traitenient, 
Communications  k  Tacad^mie  imperiale  de  m^decine  par  M.  M. 
Quira/td,  Depaul  etc.     Paris  1868). 


X\n.  W0rämMer^  Beobaehtongen  fib.  das  in  d.  Gemeinde  etc.    293 


• 


XXII. 

Beobaöhtcmgen  üb«r  das  in  dw  Gemeinde  ]fa«r, 

Kanton    Ztkrioh,    herrschende    Paerpexalfleber 

(Jon  1868  bis  Sept.  1864.) 

£io  Vortrag  gebalten  im  medicioischen  Kanlonalcongresse  Zürich 


Otto  Werdmüller, 

Arzt  In  Uster. 

t 

Puerperale  Erkrankungen  in  epidemischer  Weise  sind 
ausserhalb  Gebäranstalten  und  auf  dem  Lande  wohl  ziemlioh 
selten  und  MütbeiJungen  solcher  Beobachtungen  um  so  ei*- 
wdDscbter,  als  über  Entwicklung,  Ausbreitung  und  Wesen 
desjenigen  Krankheitsprocesses,  den  wir  mit  dem  CoUeciiv* 
namen  „Puerperalfieber**  bezeichnen,  noch  so  manches  Dunkel 
herrscht.  —  Hiezu  eineii  geringen  Beitrag  zu  liefern,  ist 
Zweck  vorliegender  Hittheilung,  wobei  ich  mich  reio  auf  das 
Thatsächlicbe  beschränke,  und  die  Erscheinungen  so  biete, 
wie  sie  'sich  mir  dargestellt  haben  und  wie  sie  von  mir, 
Ireitieh  vielleicht  in  subjeetiver  Weise,  am  Krankenbett  erfasst 
worden  sind.  — 

Zwischen  dem  berühmtem  Zürichersee  und  dem,  zwar 
weniger  bekannten,  aber  lieblichen,  zwei  Stunden  langen 
Greifensee  erhebt  sich  ein  mehrere  Stunden  langer,  von  Nord- 
ost nach  Westen  verlaufender,  circa  1200'  hoher,  sdimaler 
Bergrücken,  „die  Forch**  genannt,  dessen  nördliche  Seite,  von 
Wald  und  Feld  durchzogen,  von  einzelnen  kleinen  Ortschaften 
und  Höfen  gleichsam  übersäet,  ziemlich  steil  in  die  Niederung 
des  Greifenseettiales  abfällt.  Unmittelbar  am  Fusse  dieses 
Berges,  und  vom  Ufer  des  Sees  sich  an  diesen  aufwärts 
ziehend,  liegt  das  ansehnliche  Pfarrdorf  Maur,  dessen  Ein- 
wohner, ein  gesunder  und  ziemlich  kräftiger  Menschenschlag, 
sich  ausschliesslich  mit  Landwirthschaft  und  Seidenweberei 
beschäftigen,  imd  in  bäurischen  Verhältnissen,  aber  ziemlichem 
Woblsiande  leben.  Die  Gegend  ist  eine  durchaus  fruchtbare 
und  gesunde,   und  namentlich  .wurden,  wenigstens  während 


294      X^il*  WerdmimeTf  Beobacbtimg«a  üb.  dai  in  d.  O^aMivde 

meines  22jährigen  ärztlicben  Wirkens,  daselbst  niemals  Epi- 
demien beobachtet,  was  ich  von  dem  gegenüberliegenden 
recbtseitigen  Ufer  des  Sees  durchaus  nicht  rühmen  kann. 
Un  so  auffattender*  war  mir  in  dieser  vom  grossen  V4)rk«far 
aEiemlich  fern  iiegonden  und  abgegi*<nzten  Ortflcbaft  die  Eof^ 
Wicklung  und  Aoabreitung  einer  puerperaten  Erkrankung,  die 
ich  nach  ihrem  ganzen  Auftreten  als  „Puerperaliieber*'  be- 
zeichnen muss,  und  die  in  ähnlicher  Weise  wohl  nur  in  Ge- 
bäranstalten, vielleicht  auch  in  grossen  Städten,  gewiss  sehr 
selten  auf  dem  Lande  aufzutreten  pfiegL 

Unterm  vierten  Juli  vorigen  Jahres  wurde  ich  zu  Frau 
St  ....,  zu  ob^rst  auf  der  Bergeshöhe  der  Forch  wohnend, 
berufen,  einer  gesunden,  vollsaftigen  Frau  von  42  Jahren, 
Mutler  von  vier  Kindern.  Einige  Tage  früher  0OII  sie  von 
einem  andern  Ärzte  glücklich  durch  die  Wendung  von  einem 
lebenden  Kinde  entbunden  worden  sein.  Die  ersten  Tage  nach 
der  Geburt  war  das  Befinden  ungetrübt;  am  dritten  Tage 
aber  trat  heftiger  ScbüUeitrost  ein,  dem  unerträgliche  Kopf- 
schmerzen und  profuse  Diarrhöen  folgten.  Besonderer  Um* 
stände  wegen  wurde  meine  Hülfe  indess  erst  am  fünften 
Tage  in  Anspruch  genommen.  Ich  fand  die  Kranke  sehr 
•  fiebernd  mit  einem  Pulse  von  120  Schi.,  geröthetem  Gesichte, 
die  Haut  feucht  und  über  dem  ganzen  Körper  einen  starken 
Miliariaausschlag  d.  h.  eine  Frieseleruption  bei  dunkelge- 
rötheter  Haut.  Die  Localuntersuchung  zeigt  den  Unterleib 
hl  der  rechten  Ovariengegend  sehr  schmerzhaft,  den  Uterus 
contrahirt,  oberhalb  der  Symphyse  stehend,  wenig  empfindlich ; 
der  Bauch  ist  tympanitisch ,  Lochienftuss  gering  und  übel- 
riechend. Die  Diarrhöen  waren  10  bis  12  Mal  täglich,  wäs- 
serig —  Zunge  feucht  und  schmierig  bdegt  —  das  Bewusst- 
sein  ungetrübt  bei  sehr  deprimirter  Gemüthsstimmung.  — 
Die  Kranke  theilte  mir  mit,  es  sei  vor  einigen  Wochen  eine 
benachbarte  Person  als  vierzehntägige  Kiiidbetterin  aus  der 
Gebäranstalt  zurückgekehrt,  die  bald  nach  ihrer  Heimkunft 
an  Scbüttelfrost,  Fieber  und  Diarrhoe  erkrankt  und  nach 
wenigen  Tagen  gestorben  sei.  Diese  Person  habe  sie  mehr- 
mals besucht  und  sie  sei  ähei-zeugt,  die  Krankheit  geerbt  zu 
haben.  —  Icti  setzte  damals  keinen  grossen  Werth  auf  diese 
Mittheilung,  glaubte  an  eine  typhöse  Erkrankung,  verordnete 


Il«iip,  KBiftton  Zllriob,  h«mtßli«Bd«  PnerperAlfielk^r  etc.       295 

einige  Caldnueldoeen ,  EmUlsiva  und  CttWpltisroatB.  —  D«n 
fotgeniefli  TVig  scMeiien  die  ]oca)«n  Symptome  etwas  gemildert, 
der  Stuhl  fiicQknter,  der  Leib  weniger  eoipfindlieti ;  der  PuU 
imleB8  immer  120  Schläge;  zuweilen  leise  DcHirien.  —  So 
ging  es  «b  und  zu,  bald  etwas  besser,  bald  etwas  schlimmer 
bis  zum  neunten  Joli,  den  elften  Tag  nach  der  E^lbindtmg. 
Da  trat  plötzlich  ein  neuer  SchQttelfrost  ein,  das  Exanthem 
verschwand  binnen  wenigen  Stunden;  es  kamen  öftere  An* 
Wandlungen  Ton  Ohnmacht,  der  Bauch  trieb  sieh  volnmiilö^ 
auf,  Diarrhöen  erfolgten  unwillkuhrlich.  Bei  rasch  schwindenden 
KrMten  blieb  das  Bewusstsein  ungetrftbt,  und  der  Tod  er- 
folgte, trotz  Campbor  und  Moschus,  in  der  Nacht  vom  elften 
Juli  unter  l^rsclieinungen  allgemeiner  Erschöpfung.  — 

Zweiter  Fall.  Wenige  Tage  später  am  achtzehnten 
JqK  wurde  ich  zur  Schwägerin  obiger  Frau  8t  berufen,  die 
in  halbstündiger  Entfernung  im  Dorfe  Maur  selbst  wohnt.  Ich 
traf  cüne  sehr  kräftige  40 jährige  Primipara,  die  am  sech&zehnten 
Juli  regelmässig  geboren  hatte.  —  Am  zweiten  Tage  nach 
der  Geburt  war  Schfittelfrost  eingetreten;  jetzt  ist  Brust  und 
Bauch  mit  entwickeltem  Scharlachfriesel  bedeckt,  das  Fieber 
lieftig,  Puls  voll,  hart,  vibrirend,  140  Schi.,  Zunge  feucht,  be- 
legt;  der  Unterleib  meteoristisch  aufgetrieben,  schmerzlos, 
Lochienfluss  unterdrückt,  SecreUo  alvi  et  urinae  retardirt.  — 
Ich  verordnete  Calomeldosen,  Emulsio  nitrosa,  Sinapismen.  - 
Am  folgenden  Tage  war  Catheterismus  nölbig.  Bei  öftern 
Delirien  dauern  die  Fieber  fort,  sind  die  Sehweisse  profus.  — 
Unter  abwechselnden  Erscheinungen  stellte  sich  am  siebenten 
Tage  Nasenbluten^  ein,  worauf  alle  Erscheinungen  sich  min- 
derten und  naclr  einigen  Wochen  diese  Frau  als  genesen  be- 
trachtet werden  konnte.  —  Noch  bemerke  ich,  dass  beidb 
Sebwftgerinnen  denselbei]  Geburtsstuhl  benutzten,  und  von 
derselben  Wärterin  gepflegt  wurden. 

Dritter  Fall.  Zu  derselben  Zeit,  am  zwanzigsten  Juli 
erkrankte  die  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  wohnende,  22jäh- 
rige  Primipara,  Frau  Ä  .  .  ,  Seidenweberin,  eine  zarte, 
cblorotisch  aussehende  Person.  Sie  hatte  am  seehszehnten 
Juli  normal  geboren,  war  am  neunzehnten  von  heftigem  Schüt- 
telfröste mit  gleichzeitig  einti*elenden  Delirien  befallen  worden. 
Bei   meiner   Ankunft  war  die  Kranke  am   ganzen  Leihe   mit 


296     ^^11-  W4r4müUer,  Beobiietal«»g«ii  fib.  dtB  ia  d.  Gsmeted« 

Scharlachfriesel  bedeckt,  war  das  Gesiebt  geröthet,  der  Blick 
stecheod,  feurig,  der  Puls  140  ScUage,  klein  und  contrahirt 
Der  Baucb  zeigte  sich  schmerzlos,  aber  lynifamlisch,  Diorese 
sparsam,  Locbiennuss  retardirt;  dagegen  sind  öftere  Diarrhden 
und  Brechneigung  zugegen.  Auffallend  war  eine  beständige 
Unruhe  und  Agilität:  Kranke  wollte  sich  immer  abdecken 
oder  aus  dem  Bette  beraussteigen ,  sprach  continuii^Ueb,  oft 
delirirend,  sagte  mit  Bestimmtheit,  dass.sie  sterben  müsse. 
Ich  verordnete  Nitrum  mit  Camphor,  Hess  aromatische  Fo* 
mentalioneti  auf  den  Unterleib  machen,  Cbamomilleninjediotten 
in  die  Vagina  appliciren  u.  s.  f.  —  alles  umsonst!  Nach  drei 
Tagen  erfolgte  der  Tod  unter  Erscheinungen  allgemeiner  Er* 
Schöpfung.  —  Section:  Der  jugendliche  Körper  ist  wohl* 
genährt  und  mit  starkem  Fettpolster  versehen.  Bei  Eröffnung 
der  Bauchhöhle  entweicht  eine  Menge  übelriechendes  G|is, 
Exsudat  ist  keines  vorhanden ;  das  Peritonaeum  erscheint  un- 
betheiligt,  die  dicken  Gedärme  sind  von  Gas  enorm  igisge- 
dMint;  die  Schleimhaut  des  Rectums  und  absteigenden  Theiles 
des  Dickdarms  ist  catarrhalisch  gerötbel  und  infiltrirt;  Ge- 
schwüre zeigen  sich  keine.  Dtn*  Uterus  steht  zwei  Zoll  oter* 
halb  der  Symphyse,  zeigt  eine  dunkelbläuliche,  livide  Färbung; 
die  Schleimhaut  desselben  ist  aufgelockert,  mit  einer  weiss- 
liehen  Exsudatschicht  durchzogen  und  lässt  sich  mit  dem 
Messer  abschälen.  Die  Schleimhaut  der  Vagina  ist  geröthet 
und  an  der  hintern  Wand  mit  diphtheritischen  zusammen- 
fliesfienden  Geschwüren  bedeckt.  — 

In  der  linken  Brusthöhle  existirt  ein  serös  eitriges 
Exsudat  von  mehreren  Unzen;  die  linke  Lunge  ist  in  ihren 
untern  Partien  hepatisirt  und  zeigt  deutliche  Spuren  localer 
Entzündung.  Der  Herzbeutel  enthält  eitriges  Exsudat, 
das  Endocardium  und  die  innere  Gefassbaut  der  grossen  Ge- 
lasse sind  hyperämisch.  —  Das  Blut  ist  auffallend  schwarfe, 
tbeerartig,  flüssig.  —  Der  Kopf  wurde  nicht  geöffnet.  —  Im 
Leben  hatte  ich  keine  Erscheinungen  beobachtet,  die  auf  be- 
stehende Entzündung  der  Brustorgane  hingewiesen  hätten  d.  h. 
die  Kranke  hatte  weder  Husten,  noch  Stechen,  noch  Athem- 
iH>th  und  ich  hatte  es  daher  unterlassen,  mein  Augenmerk 
auf  die  Brustorgane  zu  richten  und  eine  genaue  Untersuchung 
derselben  vorzunehmen. 


MiiQr,  Kantom  Mtieh,  h^moliftftde  PuerperftMeber  ete.       297 

Vierter,  fünfter  luid  sechster  Fall.  Es  folgten 
ntto  «n  Achtnndzwanzigsten  Augnst,  ferner  am  sechsten 
September  nnd  am  zwölften  September  drei  FäHe,  die  sämmt- 
lieh  mit  befligem  Fieber,  aber  ohne  Frieseieruption  oder 
Localaffection  aufgetreten  waren,  sich  nach  drei  bis  vier 
Tagen  reichliche  Sehweisse  kritisirten  und  sSmmtlicIi,  unter 
zierolicli  exspectativer  Behandlung,  glöcklich  verliefen: 

Siebenter  Fall.  Es  war  nun  einige  Monate  Rohe, 
nnd  leb  glaubte  schon,  das  Puerperalfieber  sei,  Dank  der 
ktllem  Jahreszeit,  verschwunden;  aber  bald  wurde  ich  eines 
Andern  belehrt,  als  ich  am  26.  Deebr.  zu  Frau  Seh  ...  in 
Maur  gerufen  wurde.  Sie  hatte  zum  dritten  Male,  ganz  regel- 
mässig, schon  vor  vierzelm  Tagen  geboren,  hatte  sich  bis 
jetzt  ganz  wohl  befunden,  ward  aber  am  25.  Decbr.  (den 
dreizelmten  Tag  nach  der  Geburt)  von  heftigem  Schilttelfroste 
befalien,  dem  brennende  Hitze,  grosse  Erregtheit  und  Un- 
ruhe, zeitweise  Delirien  folgten.  Ich  traf  Patientin  mit  ge- 
i-ölhetem  Gesichte,  trockner  Zunge,  einer  feuchten,  stark 
schwitzenden  Haut,  einem  harten,  vibrirenden  Pulse  von  180 
Schlägen^  starken  Herzpalpitationen,  Carotidenschnurren.  Bei 
retardirtem  Stuhle  und  sparsamer  Diurese  war  der  Bauch 
massig  meleoristisch,  schmerzlos.  Die  in  diesem  Falle  vorge- 
nommene Temperaturmessung  ergab  in  der  Achselhöhle  80^^^ 
in  der  Vagina  33^.  —  Die  bisher  nicht  glücklichen  Erfolge 
dargereichter  Evacuantien  und  die  sich  mir  immer  mehr  auf- 
€fa*angende  Ueberzeugung,  dass  es  weniger  die  Localerkraskung, 
als  vielmehr  die  etntretretende  Blutdyscraaie  sei,  gegen  die 
ein  therapeutisches  Verfahren  gerichtet  sein  müsse,  bestimmten 
mich  in  diesem  Falle  zur  antidyskrasischen,  tonisirenden  Be- 
handlung, ich  reichte  daher  Aq.  chlorata  inneriieh  sowohl, 
als  zu  Vaginahnjeclionen ;  nebstdem  liess  ich  aromatisch  weinige 
Fomentationen  auf  den  Unterleib  machen.  —  Nach  drei  Tagen 
war  Abnahme  der  Fiebererscheinungen  und  der  Delirien  er- 
siehtiich,  aber  nun  trat  grosse  Schwäche  mit  öftem  Ohnmacht^ 
anwandkuigen  ein;  ich  zögerte  nicht,  Roth  wein  (Bordeaux) 
zu  verordnen  und  zwar  stündlich  löffelweise.  Der  Eifolg  war 
äusserst  befriedigentl,  nach  wenig  Wochen  war  die  Frau  ge- 
nesen. 


298     ^Xll.  ^'«iHfMlU^»  Beob»el(tMi8«i>  illK  dat  iB  d.  Qtaaeiaa« 

Acbler  Fall.  Nidit  so  gfiosiig  war  der  folgoDd«  Fall, 
den  ich  eioen  Monat  spdter,  den  28.  lan.,  air  Bebattdlimg 
bekam*  Es  betraf  dies  Frau  Pfr.  K  .  .  ^  weiche  vor  aclK 
Tagen  ihr  sechstes  Kind  glücklich  geboren  hatte;  Ihr  Bo* 
linden  war  in  den  ersten  fünf  Tagen  ein  durchaus  befHedi-" 
gendes.  Da  trat  amfuDllen  Tage,  den  26.  Jan.,  ScbAttel- 
frost  ein,  der  sieb  auch  am  26.  und  27.  Jan.  wiederiiolte. 
Erst  drei  Tage  spater,  am  28.  Jan.,  wunle  meine  HüUe  ge- 
sucht. Ich  traf  die  Frau  bereits  sehr  sdiwach  und  matt;  der 
Puls  war  löO  Schläge,  schwach  und  blutleer,  das  Bewosst* 
sein  ungetrübt,  die  Gewissheil  des  bevorstefaenden  Todes  un- 
erschutterlich ,  die  Haut  von  einem  klebrigen  Sehweisse  be^ 
deckt;  nur  an  der  Brust  sind  Andeutungen  (ioes  weissen, 
bbssen  Frieselausschlags.  Bei  meteoristisch  ausgedehntem 
Unterleibe  sind  die  Diarrhöen  proftis,  die  Lochien  sparsam  uad 
übelriechend;  die  linke  Ovariengegend  zeigt  sich  gegen  Druck 
empfindlich.  —  Die  grosse  Entkräftung  und  die  bereits  be* 
stehenden  Erscheinungen  der  Blutsepsis  lies&en  keine  Hoffnung 
auf  Genesung  zu;  versuchsweise  gab  ich  Chinin,  am  folgenden 
Tage  Moschus,  verordnete  aromatische  Foraentationen ,  in- 
jecitonen  etc.  —  umsonst!  Die  Kranke  starb  am  30.  Jannar 
bei  vollem  fiewusstsein  und  nachdem  sie  mit  seltener  €ha^ 
rakterstarke  und  hellem  Geiste  ihr  Haus  bestelH  hatte.  Die 
Sßction  wurde  nicht  gestattet 

Begre^icherweise  war  nun  bei  allen  Wöchnerinnen  in 
wdieni  Umkreise  die  Angst  und  Sorge  vorwiegend,  und  manch- 
mal wurde  ich  gerufen,  wo  der  Fieberzustand  wesentlich  der 
ängstlichen  Gemüthsstinmiung  zugeschrieben  werden  musste. 
Drei  leichtere  Fälle  nur  kann  ich  als  Febrioula  puerperalis, 
heftigere  Grade  von  Mikhüeber,  bezeichnen,  zwei  weitere  Fälle 
indess  führe  ich  noch  an,  die  ich  entschieden  als  Puerperal- 
fieber bezeichnen '  muss. 

Neunter  Fall.  Der  eine  Fall  betraf  Frau  J9  .  .,  in 
ÜssikoB,  einem  eine  Viertelstunde  von  Mam*  entfiMrten  Weiler,  kh 
halte  diese  40jährige,  robuste  Primipara  am  sechszehmen  ilanuar 
mittels  einer  schweren  Zangenoperation  von  einem  kräftigen 
Kinde  entbunden.  Die  ersten  vierzelm  Tage  war  das  Befinden 
ganz  befriedige.nd.  Am  dreissigsten  Jan.  musste  ich  wegen 
des   erkrankten  Kindes   in's  Haus,    und    (ragte   zufällig   nach 


IfMur,  Kaftton  Zftrioh,  h^rrttfhead«  .Pii«rp6i%lieb«r  «tc. 

dem  Beftidai  der  Mutter.  Sie  gab  an,  sie  aei  ganE  wohl; 
der  Eheinaftn  ^er  aagte  mir,  daas  sie  oft  verwirrt  sei  und 
Diarrhoe  habe.  Die  n&bere  Besichtigung  zeigte:  Lebhaft  ge* 
rölhetes  Gesicht,  funkelad^  Blick,  trockne,  rissige  Zunge, 
Puls  von  140  Schlägen,  meteoristisch  aufgetriebener,  Schmers* 
]o0er  Unterleih ;  der  Liochienfluss  ist  unterdnlckt,  Vagina  beiss 
und  trocken  mit  einer  Temperatur  von  34^.  —  Es  war  un^ 
zweifelhaft,  daas  auch  hier  PuerperaJüeber  bestelle.  Ich  ver* 
ordnete  Aq.  oxymuriatica  innerlich  und  zu  Injeclionen,  aro-^ 
macisch  weinige  Fomenlationen.  Während  vier  Tage  blieb 
der  Zustand  sich  gleich,  waren  die  Diarrhöen  profus,  Jie 
Delirien  oonünuirlieh;  dann  zeigte  sich  iiber  Brust  und  Bauch 
unter  Steigerung  der  febrilep  Erscheinungen  Scarlatina  ähnliche 
Röthe  mit  Frieseleruption,  worauf  am  sechsten  Tage  die  Fieber- 
Symptome  sich  minderten.  Nun  aber  trat  grosse  Erschdprung 
mit  Obnraachtsanwandlungen  ein,  wogegen  ich  China  mit  Acid. 
phoepbor.  und  Bordeauxwein  verordnete.  Ailmälig  hoben  sich 
die  Kräfte  und  nach  Verlauf  von  mehreren  Wochen  war  die 
Frau  genesen. 

Zehnter  Fall.  Der  folgende  ernstere  Fall  betraf  die 
26  jährige  zarte  Frau  iEf  .  .  .  in  Maur.  Sie4hatte  unterm 
dreissigsten  Januar  glücklich  ihr  zweites  Kind  geboren.  Vor 
dem  Kindbettfieber  hatte  sie  so  grosse  Angst,  dass  ich  am 
Tage  nach  ihrer  Niederkunft  berathen  wurde*  Ich  fand  sie 
unter  den  normalsten  Verhaltnissen  des  Wochenbettes,  be- 
ruhigte sie,  vei*sprach  ihr  aber,  noch  mehrmals  bei  ihr  nach* 
zuMhen.  In  der  Tbat  blieb  die  erste  Wechte  das  Befinden 
nach  Wunsch;  nur  blieb  auch  Furcht  und  Sorge  vor  Erkran- 
kung. In  der  Nacht  vom  achten  auf  neunten  Febr.  brachte 
dci-  Blann  den  Bericht,  die  Frau  sei  so  eben  von  heftigem  Schot- 
telfroste  befallen  worden;  ich  verordnete,  auf  Rechnung  der 
Aengstlichkeit ,  eine  einfache  Oelemulsion.  Am  Morgen  früh 
braf  ich  die  Frau  in  kaltem,  klebrigem  Scbweisse  liegend,  heftig 
Hebernd  mit  einem  Pulse  von  140  Schlägen,  bei  sehr  depri- 
mirter  Gemfithsstimmung.  Der  Bauch  ist  meteoristisch  auf- 
getrieben und  in  der  linken  Ovariengegend  bei  Druck.',  sehr 
schmerzhaft.  Diarrhöen  snid  keine  vorhauden,  im  Gegentbeil 
besteht  seit  zwei  Tagen  Verstopfung.  Der  Lochienfluss  hat 
aufgehört,    die  Scheide   ist  heiss   und  trocken.  —  In  diesem 


^300      ^^U-  WerdmiUUr,  Boobaohtvngen  ttb.  ätks  in  d.  GAiuelttae 

Falle  glaubte  ich  doch  eine  Entzündung  in  der  Orariengegend 
substituiren  zu  mössen,  verordnete  daher  acht  Egel,  Cala* 
plasmata,  Glysma,  innerlich  Aqua  orymuriatica.  -7-  Am  M^ 
genden  Tage  war  zwar  die  Schmerzhafligkeit  geschwun- 
den, aber  der  Meteorismus  bedeutender,  das  Gefühl  der 
Schwäche  vermehrt,  der  Puls  auffallend  klein  bei  1:30  Schi.; 
Stuhl  war  erfolgt.  -~  Durch  die  Erfahrung  belehrt  fiirehte 
ich  den  Schwächezustand,  verordne  daher  Chinin  mit  Va- 
lenanainfus,  topisch  aromatische  Fomente,  Chlorwasserin* 
jectionen  in  '  die  Vagina.  Nach  einigen  Tagen  zeigten  sich 
blasse  Miliarien  über  Bauch  und  Brust.  Damit  hörte  die 
Bangigkeit  auf,  der  Meteorismus  legte  sich;  unter  steigend 
roborirender  Behandlung  ist  die  Kranke  nach  zwei  Wochen 
genesen. 

Es  trat  nun  eine  längere  Pause  ein.  Bis  Ende  Juni 
dieses  Jahres  hatten  mehrere  Frauen  geboren,  ohne  die 
mindeste  Störung  des  Wochenbettes  erlitten  zu  haben.  Jetzt 
traten  wieder  zwei  pernk^öse  Fälle  auf: 

Elfter  Fall.     Am  neunten  Juli  hatte  Frau  Z 

in  Maur,  eine  38 jährige  gesunde  Bäuerin,  ihr  fünftes  Kind 
normal  geboren.  In  der  Nacht  vom  elften  auf  den  zwölften  stellte 
sich  plötzlich  heftiger  Frost  ein.  Idi  traf  am  Morgen  Patientin 
heftig  deltrirend,  ungestüm  um  sich  schlagend,  mit  geröthetem 
Gesichte,  klebrigem  Schweisse,  vollem  Pulse  von  140  Schlägen, 
schmerzlosem,  weichem  Unterleibe,  contrahirtem  Uterus,  nor- 
malem Lochienfluss.  Zuweilen  trat  Brechen  ein.  Ich  ver- 
ordnete in  der  Nacht  eine  Natronsolution ,  kalte  Umschläge 
auf  den  Kopf,  sechs  Egel  an  die  Schläfe.  —  Am  Morgen 
war  die  Kranke  ruhiger;  bei  stark  schwitzender  Haut  stellte 
sich  Miliaria  über  den  ganzen  Körper  ein ;  Unterleib  durchaus 
weich  und  schmerzlos.  Puls  120  Schi.  Bei  retardirtero  Stuhle 
verordne  ich  Glysma,  Oelemulsion  mit  Magnesia  carb.  —  Am 
dreizehnten  liegt  die  Kranke  in  stillen  Delirien,  Puls  fast  un- 
fühlbar,  140  Schi.,  Schweisse  profus,  Friesel  sehr  entwickelt, 
Unterieib  tympanitiscb  aufgetrieben,  aber  schmerzlos,  Lochien- 
lluss^stirt.  Verordnung:  Aq.  chlorata  innerlich,  Chamomillen- 
injecttonen  in  die  Vagina.  —  Derselbe  Zustand  am  vierzehnten, 
der  Puls  so  gesunken,  dass  er  kaum  zu  fühlen  ist.  Unter 
Zeichen    allgemeiner   Erschöpfung    erfolgt   der    Tod   in    der 


MMr,  Kftttion  ZäriDh,  Wrraehende  P«erp«r«Jfi#b«r  «to.      801 

Naelit  auf  den  funftebulen.  Seetion  am  aechsielinUa.  Bei 
Eröffnimg  der  Schädelhöhle  traten  die  Geßstte  der  Meningen 
^hr  gefüllt  und  blutreicb  zu  Tage;  die  Hiriisubstanz  ist  nor- 
mal, ohne  alle  Entzändungssymptome ,  kein  Erguss  in  den 
Höhlen.  —  Brust  höhle:  Die  Lungen  durchaus  gesund, 
Uutöberfiiilt;  Herz  ebenso,  jedoeb  das  Endocardium  und  die 
innere  Gelasstiaut  der  grossen  Gelasse  lebhaft  gerötbet;  das 
Bhit  ist  dunkelschwarz,  schmierig  und  flössig. 

Bei  Eröffnung  der  Bauchhöhle  entweicht  eine  Ueoge 
Gas;  innerhalb  der  Peritonaealhöble  zeigt  sich  bei  leicht  ixt- 
iicirtao)  Peritonaeum  eine  kleine  Menge  röthlich-seröse  Flüs- 
sigkeit. Die  Beschaffenheit  dei*  Gedärme  bietet  nichts  Ab- 
normes. Der  Uterus  sieht  zwei  Zoll  oberhalb  der  Symphyse ; 
er  ist  in  seiner  Substanz  gelockert,  fast  brüchig  erweicht,  die 
Schleiiiibaut  als  sokshe  nicht  zu  erkennen;  die  ganze  Innen- 
fläche bis  in  die  Scheide  hinab  mit  einer  weisslichen  Ex- 
sodalschicht«  Mberzc^en;  die  hintere  Seheidenwand  mit  diph- 
tfaeritischen,  congruirendeo  Geschwüren  bedeckt.  Die  Ovarien 
zeigen  sich  etwas  geschwellt* 

Zwölfter  Fall.  Der  letzte  Fall  stellte  sich  bei  Frau 
L  .  .  .  in  dem  benachbarten  Weiler  Üssikon  ein,  eider 
schwächlichen  Seidenweberin,  Hutler  eines  zweijährigen  Kindes. 
Sie  hatte  am  sechsten  August  normal  geboren,  war  am  achten 
an  Schüttelfrost  erkrankt  Die  Erscheinungen  boten,  ohne 
aiilfallende  Schwäche  und  geringen,  blassen  Miiiariaausschlag 
wenig  Abnormes.  Der  Puls  indess  war  cborakteristisch;  er 
betrug  ISOScbL,  war  dabei  kaum  fühlbar;  der  Bauch  weich, 
schmerzlos,  Locbienfluss  sparsam*  Schon  sm  neunten  war 
Collapsus   vorhaoden,  worauf  in  der  Nacht  der  Tod  folgte. 

Hit  diesen  zwölf  Fällen  ist  der  gegenwärtige  Cyclus 
meiner  Beobachtungen  geschlossen.  Wenn  ich  trotz  dieser 
kleinen  Zahl  von  q^demischer  Verbreitung  geredM  habe,  so 
berechtigt  mich  hiaeu  das  Verhältniss  der  Erkrankungen  au 
der  Zahl  der  Geburten,  indem  in  der  genannten  Zeit  35  Ge- 
borten in  Maur  voiiamen,  wovon  12  Wöchnerinnen  erkrankten 
und  von  diesen  sechs  tödtlich  endeten.  Die  epidemische  Ver- 
breitung wird  ferner  cbarakterisirt  durch  die  längs  dem 
linkseitigen  Ufer  des  Sees  und  dessen  Auafiuss,  idt  Glatt, 
alfanähg  fortschreitende  Ausbreitung   der  Krankheit   über  die 


30g  XXIL   WerdnMUr,  Bto^trhiVLngwt  Ob.  4m  In  d.  Oeaieiiide 

benacUMitieB  OrteGbidten  Pttllaoden  «md  DabefMkrf,  in  welch 
ieUterer  Gemeinde  naaienflicfa ,   Fröbjahr  und   Sommer   hin- 
durch,  sehr  penudöse  Fälle  von  Kindbeit^ber  vorgekoDMUen 
sein   sollen.  —  Ob   nun   speciell   in   Maur  das  weitere  Aul* 
treten,    das   gi^pp<«weise   AufHackern   erloschen    ist,    steht 
dabin.  —  Auffallend    ist   iflHnerhin  die  Art  und   Weise   der 
Entstehung  und   aUmälige  Ausbreitung  über  alle  Ortschaften 
des   linken    Seeufei^s  von    Maur   abwärts,   während    auf  4er 
rechten  Seeseite,  speciell  dem  industriellen  und  Aberfölfcerten 
Usler  kein  einziger  FaU  von  Puerperalfieber  iiiir  bekannt  ge» 
worden   ist.     Es   drängt  sich  daher  zutiiohst  die  Frage  auf, 
was  ist  als  Ursache  der  Entstehung  und  Ausbreitung  su  be- 
zeichnen ?   Sind  es  endemische,  tellurische,  oder  miasmatische 
oder  contagiöse  Agentieii,   welche   die  Entstehung  ond  Aus^ 
breitung  bedingen  ?  —  Da  bis  auf  die  neueste  Zdt  da«  Vor- 
kommen  des  f  uerperalhebers   in  Maur  durchaus  unbekannt 
war,    so  liegt   bei  Mangel    alter  übrigen   Anhaltspunkte   4ie 
Annalime  der  GontagiosiUit  nolie.    Betrachten  wir  en  Resmn^ 
nochmals  den  Verlauf:   Eine  Person  kommt  aus  der  Gebär- 
anstalt,   erkrankt  —  nach   der  Erzählung    uneweifelhafl  — 
an  Puerperalfieber  und  stirbt.     Die  schwangere  Frau  St,  be- 
sucht dieselbe  wiederholt  unmittelbar  vor  ihrer  Niederkunft, 
wird  in  ähnhcber  Weise  befallen  und  stirbt  ebenfalls«    Deren 
SGhwä{ferin  ist  die  folgende;   sie   hat  denselben  Geburtsstuhl 
gebrauobt,   von   derselben  Wärterin   wird  sie   verpflegt.     i>ie 
Hebanmie  besuche    unmittelbar  von   diesen    Frauen,    die   in 
nficbster  Nähe  wohnende   Frau  Ä.^  welche  nun  ebenfalls  hfi- 
ficirt  wird,  und  von  da  aus  folgt  nun  ein  Fall  dem  andern. 
—  Der  Contagiosität   widerspricht  ansciieinend  der  Umstand, 
dass  die  UebammC;  wekhe  in  allen  diesen  FälieB  lungiit  hatte, 
gerade  in  der  schlimmsten  Zeit  unmittelbar  nach  dem  ^I^yde 
der  Frau  Pfr.  K.  ebenfalls  zur  Niederkuoft  kam;  merkiwur* 
4igerweisse  blieb  sie  verschont    Allein  wir  wissen,  dasi  auch 
bei   andern    contegiösen    Krankheiten    W&rCer    oll  verscIiofK 
werden,  überhaupt  die  Empfikiglichkeit   nicht  hei  allen  Indi- 
viduen dieselbe  ist  -^  , 

Interessant  ist  ferner  das  gruppenweise  AuffiJaekem,  naeli- 
dem  Mooate  lang  die  Krankheit  ststirt  hatte.  Dieselbe  Er^ 
scheinung  wtN*de,  meines  Wissens,  auch  in  der  Gebäranstelt 


IfAiir,  K«i»ton  Zürieh,  hArrsdiead«  Poerperalfleber  etc.     ^8 

Zürich  be^baelitet,  ohne  da^  eine  gfenAgend«  Erkttrang  für 
diese  ErBcheinung  tu  finden  w&re.  —  Wie  in  den  Gemeinden 
Filllanden  and  Dökendorf  sich  das  Puerperalfieber  ausgebreitet 
habe«  weiss  ich  »ieht  Doch  liegt  die  Annahme  nahe,  dass 
a«8  dem  ConUginm  sich  das  Miasma  entwickelt  und  als  solches, 
wie  wir  AehnKcbes  von  der  Cholera  gehört  haben,  längs  dem 
Seeufer  und  dem  Laufe  dei*  Glatt  sieh  ausgebreitet  hebe, 
wofür  die  Thatsadie  spricht,  dass  die  untero  Ortschaften  weR 
später,  als  Maur  befallen  wurden. 

Was  nun  die  Erscheinungen  der  beobachteten  Patte  be- 
trifft,  so  sind  sie  sich  alle  ziemlich  itmlich.  Schüttelfrost 
bezeichfKt  immer  den  Anfang;  Calor  mordax,  wesentlich  er- 
liölite  Temperatur,  bedeutende  Pulsf^equent ,  ungewöhnliches 
Sdiwäcbegeföhl  mid  ErgrifTensieifl  des  Sensoi'iuras  fehlt  nie. 
Mit  Ausnahme  eines  günstig  Teriaufenden  PaHes  (Nr.  7),  wo 
die  sensoriellen  Störungen  pravahrten,  war  bei  Allen  Priesel* 
emption  ertülgt  und  zwar  von  dem  blassen,  weissen,  oft  kaum 
bemerkbaren  Prieselausschlag  bis  zum  vollendeten  Soharlach- 
fHefiiel.  Plötzlicher  Rücktritt  des  Exanthems  ging  (Nr.  1  u.  8) 
dem  Tode  voran;  doch  war  auch  schön  entwickeltes  Exan- 
them kein  Kriterium  der  Genesung  (Nr.  3u.  11).  — Diarrfiöen 
waren  fast  in  allen  Pällon  vorhanden ;  je  heftiger  diese,  desto 
■nginstiger  die  Prognose,  indem  Verfall  der  Kräfte  rasch 
folgte.  —  Schmerzgefühl  gegen  Drack,  resp.  Erscheinungen 
bestehender  localer  Endzündungen  waren  nicht  immer  vor- 
banden und  hnisichtlich  der  Prognose  nicht  bestimmend.  ^ 
AufniUend  war  in  zwei  Fällen  eme  fast  gänzliche  Pulslosig- 
keü;  beide  endeten  klhal.  —  Delirien  waren  in  allen  FäUen 
vorbanden,  aber  von  freien  Intervallen  unterbrochen.  Ihre 
Vehemenz  war  nicht  massgebend  und  gerade  m  einigen  der 
tödMicb  eodHiden  Pilllc  erkannten  und  beuitheitten  die  Kran- 
ken ihren  Zustand  .mit  hellem  Geiste  und  bewundemswerther 
Charakterstärke. 

Die  freilich  nur  in  zwei  Fällen  vorgenommene  Section 
zeigte  fibereinsliramend  di£  Innenfläche  des  Uterus  als  Lo- 
caltsatiensheerd  und  bot  die  charakteristischen  Symptome  von 
fintfometritis  diphtheritica.  —  Ebenso  oharakterisiren  sich 
beide  Fälle  durch  eine  flüssig«;,  Üieerartige  BhilbeschafTenheft^ 
entsprechend  einer  frühzeitigen  Zersetzung  der  Blulmasse.  — 


304    XXII.  WärdmOlUr,  Be*b«t-litaBg«ii  Ab.  das  in  d.  Gemeinde 

Nach  diesen,  freUicli  vereiozelten  Sectioosrefmllaten  so- 
wohl, als  deoi  ganzen  Verlaufe  und  den  Symptomen  der  Krank* 
heit  glaube  ich  berechtigt  zu  sein,  in  vorliegenden  Fällen 
allen  ein  wahres  Puerperalfieber,  nicht  einen  blossen  Kind* 
bettfriesel  annehmen  zu  dürfen.  Das  Exanthem  war  blosses 
Symptom,  gerade  wie  manchmal  bei  Typhusepidemien  FrieseU 
eruption  Zeichen  höchst  entwickelter  Krankheit  ist.  —  Ueber 
Definition  und  eigentliches  Wesen  des  Puerperalfiebers  herrscht 
übrigens  bekanntlich  heutzutage  noch  grosse  Meinungever- 
schiederdieit  —  und  während  die  Einen  dasselbe  ftlr  einen 
stets  gleichartigen  Krankheitsprocess,  für  eine  in  sich  ab- 
geschlossene pathologisclie  (Inität  erklären,  behaupten  die 
Andern,  dass  das  Kindbettfieber  unter  den  verschiedensten 
Zustanden  und  Krankheitslocalisationen  sich  ausspreche,  bald 
geschehe  die  Localisation  im  Utei*us,  im  Ovarium,  Peritonaeuai, 
in  den  Venen  u.  s.  1.  Darnach  •  seien  die  Erscheinungen 
durchaus  verschiedene  und  die  verschiedensten  Krankheilen 
haben  nur  gemein  ihre  Tendenz  zur  Adynamie,  zur  Exsudat* 
bildung,  zur  Sepsis,  begründet  in  der  Aehnlichkeit  der  Blut* 
krasis  und  der  Erregtheit  des  Nervensystems.  Darauf  hin 
weisen  nun  freilich  auch  die  neueren  Untersuchungsresultate, 
die  eine  Verminderung  der  Blutkilgelchen ,  ein  frühzeitiges 
Zerfallen  derselben  und  einen  grossen  Reiclithum  an  farblosen 
Blutkügelcben,  vielleicht  Eiterkörperchen,  bestätigen. 

Meine  Erfahrungen  sind  zu  gering,  als  dass  ich  mir  ein 
Urtheil  in  einer  Streitfrage  erlauben  dürfte,  die  nur  die  ge- 
lehrten Fachmänner  entscheiden  können.  -—  Darüber  indess 
bin  ich  unzweifelhaft  und  halte  es  für  practisch  wichtig,  dass 
das  Kindbettfieber,  ähnlich  wie  der  Typhus,  nicht  eine  rein 
locale  Krankheit  ist,  dass  ferner  die  beobachteten  Fälle  in 
ihrem  Verlaufe  grosse  Aehnlichkeit  mit  exantbematischen  Pro- 
cessen hatten,  dass  die  Localisation  erst  im  Verlaufe  statt  fand, 
nicht  immer  ein  und  dieselbe  war,  und  dass  danach  die 
Symptome  sich  wesentlich  roodificirten. 

Dieser  Umstand  war  es  dton  auchr,  der  mich  in  der 
Behandlungsweise  leitete.  Prophylactisch  hatte  ich  das  Mög* 
liebe  zu  Verhütung  der  VVeiterverbreitung  gethan;  ich  hatte 
die  Hebamme  angewiesen,  den  Geburtsstuhl  nicht  mehr  zu 
gebrauchen,    r—   ihre    Person    durch    öfteres    Waschen  mit 


Maar,  Kaolon  Ztiri^h,  herrscha^de  PDerp«ir«]ß«ber  ato.      305 

Chlorwasser  zu  desinficiren ,  nach,  jedem  Besuch  einer  er- 
krankten Frau  die  Kleider  zu  wechseln  u.  s.  f.  —  Ich  hahe 
Ursache  anzunehmen,  dass  diese  Anordnungen  von  der  ge- 
wissenhaften Hehamme  hefolgt  wurden.  —  Bei  allen  Wöch- 
nerinnen, gesunden  und  kranken,  ward  auf  möglichste  Rein- 
Uchkeit  gehalten  und  die  Furcht  vor  Erkrankung  machte  auch 
die  Fahrlässigen  williger,  die  Anordnungen  zu  hefolgen. 

Gestutzt  auf  die  Erfahrungen  erprobter  Geburtshelfer 
hatte  ich  mehrmals  Calomel  versucht;  aber  der  Erfolg  war 
durchaus  nicht  ermunternd.  Ueberhaupt  kann  ich  der 
evacuirenden  Methode  nicht  rechtes  Zutrauen  schenken  und 
konnte  daher  auch  die  Seifferi&fAxe,  Anwendung  von  Laxativen 
nicht  in  Anwendung  ziehen ;  denn  es  ist  gewiss,  dass  Diarrhöen 
ein  schlimmes  Criterium  waren  und  dass  daher  Beförderung 
derselben  den  Verfall  der  Kräfte  zu  befördern  scheint  — 
Mehr  Vertrauen  habe  ich,  wenn  überhaupt  ein  directes  Ver- 
fahren am  Platze  ist,  zur  desinGcirend  umstimmenden  Behand- 
lung; ich  versuchte  daher  Aq.  chlorata,  reichte  dann  aber, 
sobald  Kräfteabnahme  zu  besorgen  war,  Roborantia  -  Ex- 
citantia:  Chinin,  Wein  —  mehrmals  mit  gutem  Erfoig.  — 
Gewiss  muss,  wie  äherall,  individuaüsirt  werden;  so  wenig 
als  jeder  Einzelfall,  ebenso  wenig  kaun  jede  Epidemie,  die 
oft  ganz  verschiedene  Charactere  offenbaren,  auf  eine  und  die- 
selbe Weise  behandelt  werden.  Wer  so  tiefe  Erkrankungen 
nacli  einer  Chablone  kuriren  will,  geräth  auf  Irrwege;  man 
hüte  sich  überhaupt  vor  directem  „Zuvielthun"  und  halte  sich 
stets  an  das  alte,  aber  wahre  Wort :  Medicus  nun  sit  magister, 
sed  minister  naturae! 


Monatsachr.  f.  Qebartsk.  1865.  Bd.  XXV..  Hft.  4.  20 


306      XXm.  Pojn^sl,  Ueber  Coprostaftii  im  tV^ocbettbett, 

xxm. 

üeber  Coprostasis  im  Wochenbett« 

Von 

D.  J.  Pappel, 

Privatdocant ,  HQIfsarzt  an  der   gebnrtflbfllfllehen   Poliklinik  und  prakt.  Arxt 
in  München. 

Der  in  der  Aufschrift  bezeichnete  Zustand  einer  Wöch- 
nerin dürfte  im  Allgemeinen  als  ein  normaler  anzusehen  sein, 
indem  gewiss  in  der  Regel  in  den  letzten  Wochen  der  Schwan- 
gerschaft nicht  nur  in  Folge  mechanischen  Druckes  des 
Uterus  auf  den  Hastdarm,  sondern  auch  in  ("olge  geringerer 
Dannperistaltik  eine  Stagnation  der  Kothmassen  eintritt,  die, 
in  deii  ersten  Tagen  des  Wochenbettes  noch  andauernd,  oft 
künstlich  beseitigt  werden  muss.  Ueber  die  Diätetik  dieser 
fast  Constanten  Obstipation  in  der  Schwangerschaft  und  während 
des  Wochenbettes  enthalten  die  Lehrbücher  weitläufige  Er- 
örterungen, in  deren  Verlauf  wohl  auch  erwähnt  wird,  da^s 
in  seltenen  Fällen  eine  so  hartnäckige  Stuhlverstopfung  im 
Wochenbette  auftreten  könne,  dass  man  mit  den  gewöhn- 
lichen Evacuantien  nicht  zu  Wege  komme,  und  man  genöthigt 
sei,  zu  stärkeren  Laxantien,  selbst  zu  den  Drasticis  überzu- 
gehen. Dies  ist  aber  auch  beinahe  Alles,  was  Über  solche 
länger  andauernde  und  schwerer  zu  beseitigende  Obstipation 
mitgetheilt  wird,  und  meines  Wissens  wird  allenfalls  nur  noch 
auf  die  Gefahren  aufmerksam  gemacht,  die  aus  versäumter 
oder  zu  lange  verschobener  Entleerung  der  stagnirenden 
Kothmassen  erwachsen  könnten.  Eine  eingehendere  Schil- 
derung der  Symptome,  die  dabei  zur  Beobachtung  kommen 
können,  wird  bei  den  Autoren  vermisst.  Auf  Grund  aller- 
dings nur  weniger  aber  dafür  sehr  unzweideutiger  Erfahrungen 
über  den  besprochenen  Gegenstand  möchte  ich  die  Aufmerk- 
samkeit vorzuglich  auf  die  unter  Umstanden  nicht  ganz  auf  der 
Hand  liegende  Diagnose  der  Coprostasis  lenken.  Die  Symp- 
tome, die  eine  erheblichere  Kdthanhäufung  veranlassen  kann, 
sind   nach  den  gleich  näher  zu  erwähnenden  Beobachtungjen 


XXIII.  Fajf^el,  Ueb^i-  Copjrofttuis  im  WooImüImU.      807 

manchoial  s»  störmuebe^  das»  m  "bei  der  vtUem.  mehr^betv- 
tläcbliehen  Betrachtiiog  leicbl  xur  Aouahme  eiaer  viel  sohwereren 
Erkrankung  verleiten. 

Folgende  K^ankeageschicibten   niögeA  imn  Beweis«  fiü* 
diese  Ansiebt  dienen. 

Bei  einer  Erstgebärenden  v«o  26  Jafaran,  die  wfthrend 
der  Schwangerscbaft  inuner  gesund  gewesen  war<»  auch  in 
der  letzten  Zeit  dm*cbaus  nicht  an  auflUiender  Stuhl? erstoptuag 
gelitten  hatte,  tralen  an)  Anfange  des  neunten  Monates  früh* 
zeitige  Wehen  ein.  Die  Eröfitoangaperiode  dauerte  60  Slunden. 
Schon  während  dieser  war  der  Leib  auffallend  empfindlich« 
'aameatlich  oberhalb  der  rechten  Inguinalgegend. :  Gegen 
Ende  derselben  stellte  sich  anhaltendes  Erbrechen  gräner 
Massen  mit  Zanahme  der  Sehmerzen  ein.  Nach  dewWasen- 
aprunge  und  nach  zweistdndiger  Dauer  der  zweiten  Gebnrtfl- 
periode  wurde  ein  lebender  Knabe  von  46  Gt.  Linge  giboren. 
Die  Geburt  erfolgte  am  ersten  Januar  1865«  Abends  acht  Uhr. 
in  der  darauf  folgenden  Naehi  dauerten  das  Erbrechen  und 
die  Scfainerzhafiigkait  des  Unterleibes  an.  Am  zweiten  Ja- ' 
nuar  ergab  eine  genauere  Untersuduuig  grosse  Schmenihailtig- 
keit  naonaitlich  der  Regio  iUaca  dextra,  an  derselben  leeren  Per- 
Cttsaiouston  und  unverkennbar  vermehrte  Resistent,  ohne  daas 
aber  eine  circuiuscripte  Geschwulst  abzugi*eifen  gißwesen  wäre. 
Der  Uterus  war  gut  contrahirt  und  auf  Druck  nicht  empfind- 
Ueh.  Das  Allgemeinbefinden  dagegen  sehr  beiifirubigend : 
Brennende  Hitze  der  Haut,  seht*  freqoenter  Puls,  trockene 
Zange,  eingenommenes  Sensorium,  konnten,  w^nn  man  das 
immer  andauernde  Erbrechen  und  das  schmenhafle  Abdomen 
mit  in  Betracht  zog,  leicht  au  der  Annahme  einen  acuten 
Peritonitis  verleiten.  In  der  Tbat  wurde  der  Zustand  aucti 
von  einen  Prakticanten  der  Poliklinik  in  diesem  Sinne  ge- 
deutet, und  desshalb  Opium  in  grösseren  Dosen  verabneiebt. 
Als  ich  an  demselben  Tage  Abends  die  Patiealid  zum  erstell 
Male  sah,  wer  keine  Veränderung  in  dem  Befinden  eingetreten. 
Ea  wurde  nun  Ricinusöl  verordnet,  aber  sofort  wieder  er- 
brochen; auch  ein  Klystiilr  mit  Rioinusöl  blieb  ohne  Erfolg. 
Des  andern  Morgens  hatten  sich  alle  Ei*scbeinungeu  ver- 
schlimmert ,  das  Erbredien  dauerte  noch  immer  an ,  die 
SchmerzhaftigkeJt  des  ganzen  Abdomen   war  sehr  gross  und 

20* 


308         XXIII.    Poppen,  Uftbar  CoprotlMU  im  Wochenbett. 

der  Puls  auf  Qker  120  SchUge  gestiegen.  Jetzt  wurden  drei 
fAnfgränige  Calomelpul?er  verordnet,  von  denen  das  erste 
auch  wieder  erbrochen  wurde.  Die  zwei  apdem  blieben  und 
bewirkten  gegen  Abend  desselben  Tages  einige  massenhafte, 
aashafl  stinkende  Ausleerungen.  An  diesem  und  den  folgen- 
den 4  Tagen  erfolgten  nun  44  (genau  gezählt)  kothige,  meist 
sehr  copiöse  Stühle,  ohne  dass  ein  weiteres  Mittel  verabreicht 
wurde.  Alle  bisherigen  bedrohlichen  Erscheinungen  minder- 
ten sich  um  so  mehr,  je  mehr  Stühle  erfolgten,  namentlich 
war  ein  successives  Kleinerwerden  der  resistenten  Stelle  in 
der  Regio  iliaca,  dextra  genau  zu  beobachten.  Am  9.  Januar 
waren  Fieber  und  Schmerzen  voUstfindig  verschwunden  und 
relatives  Wohlbefinden  vorhanden. 

Wenn  in  diesem  Falle  die  Diagnose  keiner  Schwierigkeit 
unterlag ,  so  kann  der  folgende  zeigen ,  dass  unter  Umstän- 
den das  Bild  der  Krankheit  so  vollständig  einer  heftigen  puer- 
peralen Erkrankung  gleichen  kann,  dass  eigentlich  erst  der 
Erfolg  der  Therapie  allen  Zweifel  beseitigt. 

Bei  «iner  33jährigen  Zweitgebärenden  stellte  sksh,  nach- 
dem die  Eröffnungsperiode  8  Stunden  gedauert  hatte,  der 
Kopf  in  erster  Vorderscheitellage  zur  Geburt.  Nach  12  stün- 
diger Dauer  der  zweiten  Geburtsperiode  wurde  die  Zange  an- 
gelegt, und  nach  12 — 15  sehr  kräftigen  Tractionen  ein  todter 
ausgetragener  Knabe  entwickelt  Eine  Stunde  vorher  waren 
die  Herztone  noch  regelmässig  zu  hören  gewesen.  Die  Nach- 
geburt folgte  ohne  Kunsthälfe  nach.  Acht  Stunden  nach  der 
Geburt  stellte  sich  angeblich  plötzlich  grosse  Aufjgetriebenheit 
des  Leibes  mit  bedeutender  Schroerzhaftigkett  namentlich  in 
der  Cöcalgegend  ein.  Dazu  gesellte  sich  anhaltendes  Erbre- 
chen, anfangs  schleimiger,  später  grünlicher  Massen.  Von 
dem  Practikanten  wurden  10  Blutegel  an  die  am  meisten 
empfindliche  Stelle  vei*ordneL  Am  Abende  desselben  Tages 
fand  ich  Zunahme  sämmtlicher  beängstigender  Symptome, 
namentlich  des  Meteorisrous,  der  Schmerzhattigkeit  des  Unter- 
leibes und  des  unaufhörlichen  Erbrechens.  Ohne  dass  man 
den  Puls  gefühlt  hätte,  wäre  der  Eindruck,  den  die  Patientin 
bot,  ganz  der  einer  an  der  acutesten  Peritonitis  Erkrankten 
und  dem  Tode  Nahen  gewesen.  Aber  gerade  der  Puls  wider- 
sprach ganz  dem  übrigen  Krankheitsbilde,  denn  er  war  voll, 


XXIII.    PappBl,  Udb«r  CoprostaBiB  im  Wochenbett.     309 

regelmässig  und  macbte  nicht  über  84  Schiäge  in  der  Minute. 
Den  Sitz  des  Schmerzes  im  Abdomen  genauer  zu  beeiimmen, 
war  nicht  mdglicb,  da  die  ganz  ungewöhnliche  Tympanitis 
jedes  nähere  Untersuchen  vereitelte;  doch  war  neben  der 
über  den  ganzen  Unterieib  verbretteten  Schmerzhaftigkeit 
deren  Ueberwiegen  io  der  Cöcalgegend  nicht  zu  verkennen. 
Die  Urinsecretion  zeigte  keine  Anomalie.  Schon  an  diesem 
Abende  wurde  durch  Ausschluss  anderer  Möglichkeiten  die 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose  auf  Coprostasis  gestellt  Denn 
mit  allen  anderen  Annahmen,  also  etwa  mit  der  einer  Coo^ 
tinuitätstrennung  des  Uterus,  an  die  man  bei  dem  so  sichnei- 
len  Auftreten  der  Symptome  nach  einer  schwierigen  Opera- 
tion zuerst  denken  konnte,  oder  mit  der  einer  acuten  Peri^ 
tonitis  aus  anderen  als  traumatischen  Ursachen,  war  der 
YoUständig  normal  beschaffene  Puls  lücht  in  Einklang  zu 
bringen.  Die  Therapie  wurde  an  diesem  ersten  Abende  aitf 
Darreichung  von  Eispillen  und  einer  Brausemischung  beschränk^ 
da  man  bei  Abwesenlieit  einer  dringenden  Indication  unbe- 
sorgt die  Entwickelung  des  Krankheitsbildes  abwarten  konnte. 

Als  jedoch  am  andern  Morgen  keine  Aenderung  einge- 
treten, das  Erbrechen  alle  viertel  oder  halbe  Stunden 
wiedergekehrt  war,  die  Tympanitis  sich  eher  vermehrt  hatte, 
auch  der  Puls  etwas  frequenter  geworden  war  (100  Schläge), 
sah  man  sich,  da  man  noch  immer  an  der  Wahrscheinlich- 
keit einer  Kothanhäufung  im  Cöcum  festhalten  musste,  ver- 
anlasst, 2  funfgränige  Calonielpulver  zu  .  verabreichen.  Diese 
hatten  denn  auch  den  gehöhten  Erfolg.  Im  Laufe  des  Tages 
traten  8  reichliche  kothige  Ausleerungen  ein,  das  Erbrechen 
sistirte  fast  gänzlich,  der  Meteorismus  nahm  ab.  Auch  am 
folgenden  Tage  wurden  wieder  8  Ausleerungen 'gezahlt.  Ohne 
weitere  Verabreichung  eines  Mittels  stellten  sich  noch  in  den 
nächsten  2  Tagen  je  3-4  StuMe  ein,  so  dass  im  Ganzen 
22 — 24  erfolgt  waren.  Am  Morgen  des  sechsten  Tages  war 
Patientin  als  genesen  zu  betrachten. 

Der  nächste  Fall  zeichnete  sich  weniger  durch  die  Schwie- 
rigkeit der  Diagnose,  als  durch  die  grosse  Hartnäckigkeit  der 
Stuhlverstopfung  aus. 

Bei  einer  achtgebärenden  Frau  traten  am  dritten  Tage 
des  Wochenbettes,   nachdem  die  Geburt   ganz   normal  und 


310    XXIIL     Pappel,  Ueber  Ooprostasis  im  Wochenbett. 

sehr  M^blleU  veriaufen  war,  heftige  Schiiier2eD  in  der  G^cal- 
gegendl  auf;  Dieaeib«  war  auf  Druck  sehr  empfindlich,  resH 
Stent  und  bot  leeren  Percuasionston  dar.  Der  Puta  war 
massig  accelerirt,  die  Haut  heiss,  Erbrechf>n  fehlte.  Ricinusöl 
blieb  ohae  Wirkung.  Als  auch  am  fünften  Tage  nodi  kein 
Stuhl  trotz  öfterer  Darreichung  desselben  Mittels  erfolgt  war, 
wurden  3  fünfgränige  Catonielpulver  verabreicht,  aber  auch 
diese  bewirkten  bis  zum  siebenten  Tage  keine  Ausleeningen. 

Die  Symptome  waren  in  dieser  Zeit  i»ich  gleich  geblieben. 
Doch  forderte  eine  stets  zunehmende  Schmerzhaltigkeit  der 
Cöcalgegend  zu  energischeren  Mitteln,  um  Stuhl  zu  erzielen, 
a«f.  Es  wurden  deshalb  am  siebenten  Tage  des  Wochen- 
bettiis vier  Unzen  wä^srige  RheunUinctur  verabreicht.  Aber 
selbst  diese  blieben  erfolglos,  so  dass  man  am  nennten  Tage 
ein  starkes  Sennainfus  als  Klystter  verordnete.  Jetzt  endlich 
traten  in  den  nächsten  z\fei  Tagen  21  reichliche  kothige 
Stöhle  ein,  womit  die  oben  erwähnten  Symptome  allmälig 
schwanden.  Vierzehn  Tage  nach  der  Geburl  wiederholte  sich, 
nur  in  geringerem  Grade  die  Anschoppung  der  Kothmassen, 
doch  war  diesmal  Ricinusöl  im  Stande,  9  ergiebige  Auslee* 
rungen  zu  bewirken. 

Diese  Beobachtungen,  so  wenige  es  auch  sind,  berech- 
tigen gewiss  zur  Aufstellung  der  Goprostatis  als  einer  selbst- 
ständigen Erkrankungsform  im  Wochenbette.  Es  drängt  sich, 
meme  ich,  die  Frage  auf,  warum  dieselbe  erst  hn  Woclien- 
bette  so  plötzlich  die  heftigslen  Symptome  hervorrufen  kann, 
nachdem  sie  doch  auch  schon  Während  der  Schwangerschaft 
bestanden  hat,  ohne  irgend  welche  Beschwerden  bedingt  zu 
haben.  Dass  nach  der  Entleenmg  des  Uterus  und  damit 
nach  Aiiflfebung  des  Druckes  die  durch  diesen  gelähmte 
Darmperistaltik  in  der  Regel  doch  erst  nach  kürzerer  oder 
längerer  Zeit  ihre  frühere  Energie  wieder  erlangt,  ist  be- 
kannt. Aber  man  kann  sich  vielleicht  vorstellen,  dass  bei 
beträchtlicher  Anhäufung  von  Kothmassen  und  durch  diesel- 
ben bewirkter  naturwidriger  Ausdehnung  des  Dickdarms,  sich 
sofort  oder  bald  nachdem  das  mechanische  Hinderniss  der 
Fortbewegung  des  Kothes  durch  die  Geburt  beseitigt  ist,  auch 
der  Darm  seines  voluminösen  Inhaltes  durch  Gontractionen 
zu  entledigen  sucht.    Pa  diese  Bestrebungen  bei  zu  grossem 


XXIII.    Poppelt  IJebei  CoprosUBis  im  Wooheobett.      311 

Widerslande  ▼ergehliobe  sind,  entsteht  bald  eine  entzündlicbe 
Reizung  des  Darmes,  und  damit  beginnen  die  Krankheitser- 
scheinungen. Das  so  heftige  Fieber,  wie  es  im  ersten  FaDe 
beobachtet  wurde,  darf  vielleicbt  auf  Resorption  deletärer 
Stoffe  aus  dem  faulenden  KoUi  zurückgeführt  werden;  denn 
dass  im  Wochenbette,  namenüicli  in  den  ersten  Tagen  ^  eine 
sehr  energische  ResorptionsthStigkeit  im  ganzen  Organisimis 
herrscht,  geht  aus  vielen  Umständen  hervor,  wie  aus  der  so 
raschen  Verkleinerung  des  Uterus,  aus  der  so  schnellen  Ab- 
nabnie  seröser  Infiltrate,  aus  dejn  enormen,  in  den  ersten 
acht  Tagen  stattfindenden  im  Mittel  den  zwölften  ^)  Theil  des 
mntterlidien  Körpers  betragenden  Verluste  des  GesanmU^ 
gewichtet  der  Wöchnerinnen.  Dass  die  beginnende  entsTuid- 
liehe  Reizung  des  Darmes  wenigstens  nicht  im  Anfange  das 
Fieber  bedingt,  beweist  der  zweite  Fall,  wo  mit  den  andern 
heftigen  Erscheinungen  der  Puls  so  auffallend  contrastirte. 

üeber  die  Therapie  ist  nichts  Beraerkenswerthes  zu  er- 
wähnen. Ich  glaube,  dass,  wenn  man  mit  Ricinusöl  und  Ca- 
lomel  nicht  bald  Stuhl  bewirkt,  man  mit  stärkeren  Mitteln, 
Rheum  und  Senna,  nicht  lange  zögern  soll,  ehe  sich  eine 
wirkliche  Entzündung  des  Darmes  einstellt.  Mit  Opium  da- 
gegen wird  man  der  Kranken  wohl  nicht  viel  nutzen  können. 


XXIV. 
Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Qu99erow:  Ueber  Dysmenorrhoe  aus  mechanischer 
Ursache. 

Yerf,  macht  aaf  die  Häufigkeit  der  mechanischen  Ursachen 
bei  schmerzhafter  Tind  anregelmJissigfer  Menstruation  mit  Recht 
aufmerksam  und  gebt  besonders  die  Vereni^ernn^en  des  Cervical- 
canales  durch.  Dieselben  kennen  angeboren  oder  erworben 
sein,  sitzen  am  innern  oder  Knssern  Muttermunde,  erstrecken 
sieh  in  seltenen  Fällen  auf  den  ß;ansen  Canal.     Die  erworbenen 


1)  GoMner,  Ueb«r  die  VerXnderaogen  des  Körpergewielils 
bei  S^ehwaDgeren  etc.  Monatssckr.  f&r  Gabortak.  und  Frauen- 
krankheiten. Bd.  XIX. 


312  XXIV.    Kotlsen  ans  der  Jonrnal*  Literatur. 

Dlod  narbig  nach  GesohwÜren  and  Katarrhen,  fthnlieh  wie  Stric- 
tareA  der  Diännliehen  Harnröhre  nach  Gonorrhöen,  oder  sie  tre* ' 
ten  In  Begleitung  der  chronischen  Metritis  anf,  dareh  Sehwellang 
der  Schleimhant,  oder  mit  Retro-  and  Anteflezionen  des  Uteras. 
Aach  iLrampfhafte  Zusehnnrangen  des  inneren  Muttermandes  kom- 
men Tor  and  deshalb  ist  die  Feststellung  der  Diagnose  nicht 
immer  leicht  and  verlangt  grosse  Oeschieklichkeit  bei  der  Be- 
ntttsong  der  Uternssonde.  Die  Therapie  wird  haaptsXchlioh  me- 
chanisch sein  mfissen,  wie  bei  den  Stricturen  der  Harnröhre. 
Dilatatorien  Terschiedenster  Art  and  Incisionen  sind  die  richti- 
gen Mittel. 

(Berliner  klinische  Wochenschrift  1865.  Nr.  6). 

Ghräf:  Die  verschiedenen  Formen  Yon  Hydrorrhoea 
graTidaram. 

Verf.  theilt  zwei  Beobachtungen  mit  und  knüpft  daran  einige 
epikritische  Bemerkungen. 

Die  erste  Schwangere  hatte  im  Anfange  des  vierten  Mo- 
nates wässerigen  Abgang  nach  einem  vorausgegangenen  Fehl- 
tritte und  anstrengendem  Gange.  Die  Entleerung  erfolgte  stoss- 
weise  unter  leichten  ziehendes  Schmerzen,  das  Abgehende  war 
wasserhell,  klebrig,  stärkte  die  Wäsche  und  roch  wie  Frucht- 
wasser. Unter  ruhigem  Verhalten  minderte  sich  der  Abfluss, 
trat  aber  bei  stärkeren  Bewegungen  immer  wieder  ein  und*die8er 
Zustand  dauerte  volle  11  Wochen.  Jetzt  trat  die  Geburt  ein, 
es  floss  fast  kein  Wasser,  aber  bald  reines  Blut.  Das  Kind 
wurde  in  Steisslage,  noch  vollständig  von  der  Blase  umschlossen, 
geboren,  war  unreif  und  starb  nach  y.  Stunde.  Das  Wochen- 
bett verlief  normal.  Der  Fruchtkuchen  war  klein,  in  den  an 
seinem  Rande  eingerissenen  zarten  Eihäuten  fand  sich  ausser 
diesem  Risse  eine  kreisrunde  Oeffnung,  gegen  3'"  im  Durch- 
messer; ihre  Ränder  erschienen  dem  blossen  Auge  scharf,  unter 
der  Loupe  jedoch  sind  wulstige,  umgekrempelte  Fetzen  zu  sehen, 
welche  sowohl  auf  der  Uterinal-  als  Fötalfläche  die  Oefinung 
wallartig  umsäumen;  sie  ist  6"  vom  Placentarrande,  «V'  vom 
blinden  Ende  des  Eihautsackes  entfernt. 

im  zweiten  Falle  verlor  vom  dritten  Monate  ab  die  Schwan- 
gere eine  theils  chocoladefarbige ,  theils  blutwässerige  Flüssig- 
keit mit  häutigen,  weisslichen  und  röthlichen  Fetzen  gemischt, 
mitunter  allmälig,  dann  wieder  stossweise  unter  wehenartigen 
Schmerzen.  Dies  dauerte  bis  zur  rechtzeitigen  Geburt,  bei  der 
zuerst  ähnliche  Abgänge  stattfanden,  dann  ein  ziemlich  starker 
Bluterguss;  einige  Stunden  darauf  Blasensprung,  Ablauf  vielen 
Fruchtwassers  und  schleunige  Geburt  eines  kräftigen,  lebenden 
Mädchens.  Nachgeburt  normal,  Eihäute  derb,  ohne  zweiten  Riss. 
Wochenbett  günstig. 


XXiy.    Notisen  ans  der  Journal -Literatur.  313 

Verf.  glaubt  hiemaeh,  dass  die  frühsettige  Zerreissung  des 
Eieaekes  häufiger  Torkomme,  als  wenigstens  die  deutschen  Ge- 
burtshelfer gewöhnlich  annehmen,  und  durch  mangelhafte  Unter- 
suchung des  Sackes  übersehen  werde. 

Jedenfalls  ist  die  Hjdrorrhoea  nicht  als  eine  geschlossene 
Krankheitsform  anzusehen,  sondern  nur  als  eine  Erscheinuu};, 
welche  mehreren  auf  rerschiedenen  anatomischen  Grandlagen 
berahenden  Zustanden  gemeinsam  ist.  Dahin  gehören  früheei- 
tige  Lösung  äer  Placenta,  Catarrh  der  Uterindrflsen  und  Torsei- 
tige  Zerreissung  der  Eihäute,  meist  durch  ein  Trauma  herbei- 
geführt. Für  die  Diagnose  ist  die  Beschaffenheit  und  Menge  des 
Ausflusses,  das  gleichseitige  VerhAlten  der  Gebärmutter,  das 
Allgemeinbefinden,  die  Geburt  und  das  Wochenbett  Ton  Wich- 
tigkeit. 

(Jenaische  Zeitschr.  f.  Media,  u.  s.  w.  Bd.  II.,  H.  1,  1865). 


Schnitze  (Jena):  lieber  Superföcundation  und  Super- 
fötation. 

Verf.  fand  in  der  Präparatensammlung  der  Jenaer  Entbin* 
duBgsanstalt  die  Nachgeburt  eines  ansgetragenen  oder  fast  ans- 
getragenen  Kindes,  deren  Band  an  */^  des  Umfanges  Ton  einem 
festen  concentrisch  geschichteten  Fibrinring  umgeben  ist,  wie 
solche  öfter  nach  intrauterin  gebliebenen  Blutungen  im  Umkreise 
der  Phkoenta'  vorkommen  und  entweder  anra  Abortus  führen  oder 
die  Breitenentwickelung  der  Placenta  hindern.  An  der  Stelle, 
wo  der  Fibrinring  den  Band  des  Eies  frei  lässt,  liegt  demselben 
unmittelbar  ein  «weites  Ei  an.  Eine  dünne  Decidnaschiebt  ist 
•wischen  beiden  Chorien  gelagert  und  bei  Zerrung  spannen  sich 
in  ihnep  die  sich  k reusenden  Zotten.  Das  kleinere  £i  länft  langge- 
streckt >am  Bande  des  grösseren,  sein  Chorion  haftet  dem  Amnion 
fest  an  und  ist  letateres  nur  an  einer  kleinen  Stelle  freigelegt. 
An  der  Innenfläche  des  Eies  entspringt  ein  2  Centim.  langer 
Nabelstrang,  welcher  einen  wohlgeformteu,  nnr  im  Spiritus  etwas 
geschrumpften  9 — 10  Millim.  langen  Embryo  tragt,  welcher  siem- 
lieh  genau  der  ß.  Schwangerschaftswoche  entspricht.  Seine  Ober- 
flKehe  ist  Tollkommen  glatt  und  glRnsend  weiss,  die  Haut  nioht 
leicht  yerletsbar  und  die  ganse  Substana  des  Körpers  atemlieh 
fest  elastisch  ansufühlen,  wie  nur  an  einem  gans  frisch  in  den 
Spiritus  gelangten  Embryo  dieses  sarten  Alters.  Der  Kopf  ist 
▼erh&ltnissinftssig  klein  und  ohne  sichtbare  Scheidung  der  ein- 
aelnen  Himblasen,  der  Bauch  gesohlossen,  die  Extremitäten  fioa- 
senförmtg,  ohne  Pingertheilung.  Beide  Eier  sind  fest  und  orga- 
niteb  mit  einander  Terbunden  und  jedenfalls  au  gleieher  Zeit 
geboren. 

Verf.  glaubt  nicht,   dass  hier  eine  Snperfötation   rorliege, 


314  XXIV.    Notisen  ans  der  JoumAl-Iiiteratur^ 

obwohl  der  Unterschied  io  der  Entwickelnng  beider  Eier  (aehein- 
bar  6  Wochen  und  40  Wochen)  ein  ganz  anaaerordentlieher  ist, 
and  swar  hanpt8ächlic|i  deshalb,  weil  die  ChorioDhöhle  das  sechs- 
wöchentlichen  Eies  in  längster  Aasdebnung  über  3''  lang  ist  and 
mit  derselben  Länge  dem  grösseren  Ki  anliegt.  Das  seigt  deut- 
lich, dass  es  an  dem  Wachsthuui  des  grösseren  Eies  längere 
Zeit  bindttcch,  durch  seine  Verbindung  mit  ihm,  sunächst  passiv 
betheiligt  wnrde.  Das  Amnion  ein^s  frischen  ^echswöchentlichen 
Embryo  misst  im  längsten  Durchmesser  etwas  über  r',  liegt 
ancb  dem  Chorion  niemals  fest  nn,  sondern  ist  von  ihm  durch 
einen  Kaum,  welcher  spärliches  embryonales  Bindegewebe  ent- 
hält, getrennt,  im  vorliegenden  Eie  liegt  das  Amnion  dem  Cho- 
rion fest  an  und  hat  also  eine  die  sechswöehentliche  Entwicke- 
lang noch  weit  mehr  als  das  Chorion  und  um  das  Vielfache 
ubertrelFende  Ausdehnung.  Auch  die  Nabelschnur  ist  länger  als 
an  einem  frischen  sechswöchentlichen  Embryo.  Daraus  geht 
hervor,  dass  das  Ei  viel  länger  gewachsen  ist,  als  der  Embryo 
und  letsteren  um  Monate  überlebt  hnt.  Deshalb  kann  es  aaeh 
eben  so  alt  sein,  als  das  grössere  Zwillingsei. 

Wenn  also  auch  im  Allgemeinen  die  Möglichkeit  einer  Super* 
fÖtation  nicht  in  Abrede  gestellt  werden  kann,  so  bleibt  doch 
kein  bisher  beobachteter  Fall  vor  strenger  Kritik  auf  Superfo- 
tation  verdächtig  und  auch  das  oben  beschriebene  Präparat 
(welches  übrigens  durch  eine  gute  Abbildung  veranschaulicht 
ist),  kann  bei  genauer  (Tntersuchnng  den  Verdacht  beseitigen, 
obwohl  kein  Präparat  existirt,  welches  in  so  hohem  Orade  im 
8tande  wäre,  den  Verdacht  su  rechtfertigen. 

In  den  der  Beschreibung  des  Falles  vorausgeschickten  Ans- 
einandersetsungen  über  Superfötation  folgt  Verf.  im  Wesent- 
lichen den  Ansichten  und  Kritiken  KtutmauVs, 

(Jenaisehe  Zeltschr.  f.  Media,  n.  s.  w.  Bd.  II,  H.  U  1865). 


Htümann:  Ein  Fall  von  Extrauterinschwangerschafi 
bei  einer  Mehrgebärenden,  welche  zuletzt  durch 
den  Kaiserschnitt  entbunden   worden. 

Die  durch  den  Kaiserschnitt  durch  Verf.    entbundene   Frau 
(s.  MoBatsschr.  f.  Geburtok.,  )  war  im  Joli  1863  sum  letsten 

Mftle  menstruirt,  nachdem  sie  die  Zeit  von  ihrem  letaten  Wochen- 
bette an  fortschreitender  Osteomalacie  gelitten  hatte.  Im  achten 
Monate  ihrer  jetaigen  Schwangerschaft  glitt  sie  aus  and  seitdem 
traten  die  Erscheinungen  des  Todes  der  Fraeht  6in.  Am 
Itl.  Febniar  aeigten  sich  Wehen  and  Blatabgang.  Di«  innere 
üntersuchnng  war  wegen  äusserster  Verengnag  des  osteoaiala- 
cischen  Beckens  unausführbar,  bei  der  äusseren  Untersttohung 
liesaen  sich   die  Fraehttbeile   so   daatlich   du rehfüh le u ,   dass  H, 


XXIV.    Notlfen  mnä  «Ur  JoaraAl-Literatnr.  315 

«0  eine  UterBuroptvr  und  Austritt  «ler  Pracht  in  die  BnncbhShlp 
deehte,  oder,  well  das  Alt^meinbefinden  gnt  war  nnd  die  Wehen 
fortdftnerten ,  aa  eine  eackförtnige  Ansbochtung  der  an  der 
NarbenateUe  rielleicht  rerdOnnten  OebArmnttorwRnd.  Allmliligr 
lieseen  die  Wehen  nnch  nnd  da  keine  hedenkliehen  Erscheinung^en 
aaftraten,  entfernte  sich  H.  wieder.  Acht  Tag^e  nachher  wurde 
die  Hant  der  Banchdecke  in  der  IleocücAlg^eKend  rosenartig  ent- 
findet  nnd  ödematös  inflhrirt,  es  trat  Fieber  ein,  die  Bauchdeeke 
ezcoriirte,  nnd  aus  dieser  Stelle  trafen  seitweilip  Blntergüsse 
ein.  Am  27.  Februar,  15  Tage  nach  dem  ICintritte  der  ersten 
Wehen  brach  swischen  Nabel  und  Symphyse  ein  Abseess  auf 
ond  entleerte  reichliche  Jauche.  Der  durch  die  Oeflfnung 
eingeführte  Finger  fühlte  deutlich  dicht  hinter  der  Hanchwand 
den  Kindeskörper.  Da  die  Baaehpfesse  den  Fötns  stark  gegen 
die  O^ffnung  drängte,,  erweiterte  /f.  dieselbe  nach  oben. und  unten, 
etwa  6"  lang  und  entwickelte  einen  macerirten  Knaben,  dem  nach 
Tier  Wochen  au  der  Reife  fehlten.  Da  die  Nachgeburt  nicht 
folgte,  wurde  die  Hand  eingeführt  nnd  diese  gelangte  in  einen 
geschlosnenen  Ranin,  der  Torn  und  seitlich  Tom  Bnuchfelle,  hinten 
von  der  schlaffen  rorderen  Uebärmotterwand  umschlossen  war. 
Auf  dieser  rorderen  Wand  sass  die  Plaeenta,  fest  mit  ihr  ▼er- 
wachsen und  Hess  sich  etwas  schwer,  aber  ohne  Blutverlust 
lösen.  Die  EihXute  fehlten  gKnulieh.  ~-  Die  Höhle  wurde  nun 
sauber  gereinigt  und  rerbunden  und  nachdem  die  ersten  Tage 
QOter  bedenklicheren  Erscheinungen  Terflossen  waren,  erfolgte 
dann  die  Schliessung  und  Heilung  überraschend  schnell,  denn 
schon  nenn  Tage  nach  der  Operation  Terliess  die  Kranke  ihr 
Bett  und  sechs  Wochen  nachher  traten  die  Menses  wieder  ein. 
In  der  Banchlinie  blieb  ein  Bauchbrnch  surück,  der  den  grössten 
Theil  der  Eingeweide  enthielt. 

(Berliner  klinische  Wochenschrift,  1864,  No.  48.) 


Luven:  Ein  Beitrag  zur   Aeliologie  der  Geschwüre 
der  Vaginalportion. 

Y^ri.  hat  in  der  Würsburger  Gebäranstalt  100  Schwangera, 
meist  auf  dem  9.  und  10.  Monate,  mehrere  aneh  aus  dem  7.  und  8., 
«>ine  aus  dem  6.  Monate  mit  dem  Speculum  untersucht  und  so 
ausserordentlich  häufig  Erosionen  ond  Ulcerationan  der  ISohleim- 
haut  der  Vaginalportionen  gefunden,  dass  er  dieselben,  -wie  schon 
früher  andere,  besondere  fransdsische  Aerate  es  ausgesprochen 
haben,  fHr  Hagel  in  der  Sehwangerachaft  ansieht.  Die  Vaginal- 
portioB  war  in  seinen  100  Untersuchungen  nur  19  Mal  vollkommen 
normal  (8  Primip«,  11  Multip.)  24  Mal  ^nden  sich  leichte  Ero- 
sionen (18  Pr.»  11  Mult«),  22  Mal  folliculfire  Geschwüre  (7  Fr., 
15  Muh.),  2  Mal  Schleimpolypen  (1  Fr.,  1  Molt.),  30  Mal  papill&re 


316  XXIV.    Votisen  aus  der  JoiurMl-Liteimtnr. 

Oeschwfire  (10  Pr.,  20  Malt.),  3  Mal  HalmeaJcaBiiigMehwfire  (1  Pr., 
2  Molt.).  Aneh  bei  den  Wöehnerümeii  werden  ähaliche  Z«- 
•tilnde  gefunden,  welche  aber  meist  schnell  von  selbst  heilen 
oder  durch  sweckmissige  Mittel  schnell  snr  Heilung  au  brin- 
gen sind.  Verf.  schliesst  daraus,  dass  die  Ulceratlonen  und  Ero- 
sionen der  .Vaginalportion ,  welche  bei  so  yielen  Nichtschwaa- 
geren  geftinden  werden  und  deren  Entstehung  von  den  meisten 
Gynäkologen  der  mehr  oder  weniger  schwierigen,  Yerletsenden 
Geburt  sugeschrleben  wird,  nicht  Ton  der  Geburt  ausgehen,  son- 
dern vielmehr  schon  während  der  Schwangerschaft  sich  ausge- 
bildet haben. 

(Würsburger  media.  Zeitschrift  Bd.  5,  Heft  2.  S.  1864.) 

Eckhardt:  Fall  von  Extrauterinschwangerscbaft, 
Verjauchung  des  Fötus  und  Entleerung  eines 
Theiles  der  Jauche  durch  den  Darm.  Tod  durch 
Erschöpfung. 

Frau  I.  L.  erlitt  Ende  Juni  1859  plötzlich  einen  heftigen 
Krankbeitsanfall  im  Unterleibe,  der  für  Qebärmntterentsfindnng 
gehalten  und  antiphlogistisch  behandelt  wurde.  Bald  darauf  stellte 
sich  heraus,  dass  die  Frau  schwanger  sei  und  da  im  10.  Monate 
die  Frucht  nicht  ^bgiog,  wurde  der  Zustand  für  eine  Schwanger- 
schaft ausserhalb  der  GebUrmutter  erklärt.  Die  Kranke  verhielt 
sich  Ton  jetst  an  sehr  vorsichtig,  die  Menstruation  kehrte  wieder, 
der  Leib  blieb  geschwollen,  der  Znstand  war  aber  bis  zum  Herbste 
1868  erträglich,  wo  sich  ein  typisches  Fieber  einsteilte,  das  zwar 
nach  2  Monaten  wieder  aufborte,  aber  dann  noch  oft  wiederkehrte 
und  die  Kräfte  stark  mitnahm.  Am  28  März  1864  wurde  die 
Kranke  plötzlich  ohnmächtig,  bekam  verfallene  Gesichtszüge  und 
bot  das  Bild  einer  an  einer  heftigen  Peritonitis  Erkrankten  dar. 
Unter  wechselnden  Erscheinungen  nnd  zunehmender  Erschöpfung 
erfolgte  am  15.  Mai  der  Durchbrach  des  verjanchten  Fötus  nach 
dem  Darme,  es  gingen  reichliche  Massen  ab,  aber  die  Kranke 
erlag  am  28.  Mai. 

Bei  der  Section  fand  sich  die  kleine,  matsche  Gebärmutter 
an  der  vorderen  Wand  der  die  Kindeshöhle  einschliessenden 
Kapsel,  die  linke  Tuba  war  nur  Z'*'  vom  Uterus  aus  zu  verfolgen, 
im  weiteren  Verlaufe  mit  der  Kapsel  fest  verwachsen  und  unent- 
wirrbar verschmolzen.  Die  Kapsel  bestand  aus  einem  von  1''  bis 
handbreit  dickem  Gewebe,  welches  gröistentheils  aus  Binde- 
gewebe,  in  welchem  erbsen-  bis  haselnussgrosse  Cysten  einge- 
schlossen waren ,  dann  aber  auch  ans  Fett,  knorpliehen  Massen 
und  Blutgefässen  ausammengesetst  war.  Im  linken  Hypoohondrinm, 
wo  die  Kapsel  die  grÖsste  Dicke  hatte,  konnte  das  Placentar- 
gewebe  an  einaelnen  Stellen  deutlich  nachgewiesen  werden.  Die 
Kapsel  war  im  Ganaen  starr  und  mit  dem  Peritonäum  untrennbar 


XZIV.    Notisen  an«  der  Jonnial- Literatur.  317 

T«rwachf«n,  oar  nach  rechti  selgten  aieb  Psendomenibrmneii  aod 
Adb&8ioB«D  mit  DSrmeD,  nach  hinten  mit  dem  Mesenterinm.  In 
der  Höhle  befand  sich,  mit  Jauche  bedeckt,  der  FStns  mit  nach 
abwirta  gerichtetem  Kopfe  und  nach  Tom  gerichteter  Wirbel- 
tttnle.  Er  iiess  sieb  leicht  heranenehmen  und  bestand  aas  einem 
bis  auf  die  breiten  SchRdelknoohen  und  die  Phalanf^en  der  Finger 
und  Zehen  noch  in  unTersehobeaer  Verbindung  stehendem  Knochen- 
gerüste Ton  16''  Länge,  mit  gleichmftssig  entwickelten,  einem 
reifen  Kinde  sukommenden  Knochen,  welche  nur  hier  und  da 
noch  mit  Weichtheilen  bedeckt  waren,  worunter  vorsüglieh  die 
gana  nurersehrte  harte  Hirnbaut,  ein  3"  langer  Nabelschnurrest 
nad  das  Rudiment  eines  Penis  erwShnenswerth  erscheinen. 
(Allgem.  Wiener  medii.  Zeitung.     1864.     No.  41). 

OHertag:    Grosses    Ste^toio    des   Uterus   bei    einer 
Gebärenden. 

Eine  44  jahrige  Frau  litt  in  ihrer  13.  Sehwange rsehaft  an 
reichlichen  Blutungen,  die  sieh  auch  wXhrend  der  Gebart  wieder- 
holten. Der  Uterus  seigte  sich  sehr  vergrÖssert,  in  swei  Hälften 
gatfaailt,  Kindestheile  konnten  aber  nur  an  einer  Seite  gefBhlt 
werden.  Die  innere  Untersuchung  aeigte  den  Muttermund  aiem- 
Ueh  geöffnet  und  ffihlte  man  auf  demselben  die  ihn  vum  swei 
Drittheile  Terschliessende  Placenta.  Wegen  der  Blutungen  ent- 
sebloss  sieh  Verf.  sur  Wendung  und  Extraetion,  die  swar  schwer 
war,  aber  ein  lebendes  Kind  sur  Welt  brachte.  Beim  Einführen 
der  Hand  wurde  ein  grosses,  die  HXlfte  der  Oebärmatter  aus- 
füllendes Produet  gefühlt,  ähnlich  sweien  mit  einander  verwach- 
senen  Placenten.  Nach  der  Qebnrt  des  Kindes  blieb  der  Umfang 
des  Uterus  uuTerändert,  aber  ein  sweites  Kind  war  nicht  au 
finden.  Wegen  einer  neuen  Blutung  entschloss  sieh  Verf.  jetst 
sur  Lösung  der  Placenta,  wobei  ihm  an  der  linken  hinteren  Seite 
des  Mntternundes  eine  Geschwulst  entgegenkam,  welche  wie  eine 
umgestülpte  von  den  Eihäuten  überdeckte  Placenta  sich  anfühlte, 
den  Ablösungsversuehen  aber  gänslich  widerstand.  Die  Nabel- 
schnnr  stieg  an  der  rechten  Seite  dieser  Geschwulst  in  die  Höhe, 
konnte  aber  bei  der  äusserst  krampfhaften  Spannung  des  Mutter- 
mundes nicht  bis  su  ihrer  Insertion  verfolgt  werden.  Die  Ans- 
treibang  musste  der  Natur  überlassen  werden.  Am  4.  Tage  des 
Wochenbettes  begannen  sehr  übelriechende  Lochien  und  am  6. 
starb  die  Frau  an  Ersehöpfung. 

Die  Section  ergab,,  dass  der  Uterus  vom  linken  Bande  des 
Mattermundes  herauf,  über  den  Fundus  hinweg  und  über  ein 
Drittheil  auf  der  rechten  Seite  hinab  steatomatös  entartet  war, 
am  Fundus  au  einer  Dicke  von  8",  dabei  waren  3^4  Auswüchse 
auf  der  äusseren  Utemsfläche,  faustgross  und  grösser.  Die 
rechte  Seite   des   Uterus    allein  musste    den  Fruehtsack   bilden, 


818  XXiy.    Notis^R  RUfi  der  Journal  -  LUeratur. 

.du  Höhe  d«a  Uterus  betrag  14—15''.  Die  gaoM  innere  FUcbe, 
»n  der  die  seiir  amfangrelohe  Placenta  in  eiaem  aalSsbaren 
faserigen  Zasammenhange  haftete,  war  gräulich  geiUrbt,  die  Ober- 
fl&ebe  der  Placenta  im  jaochigen  Zerfliessen  and  in  die  Masse 
des  Steatoms  Tersohiedene  melanotische  Knoten  eingebettet. 
Das  Gewicht  des  degenerirten  Ute  ras  betrag  etwa  10  Pfd. 

(Zeitschrift    fdr   Wand&rste    and   Gebartshelfer.      1866. 

Heft  1.     S.  S7). 


Baart  de  la  FaiUe:  Collapsus  post  partum. 

Es  werden  13  Fälle  von  Collapa.  poat  partum  susammea- 
gestellt.  Zwei  hatte  Verf.  selbst  beobachtet,  fünf  dessen  Vater, 
swei  Fälle  sind  von  Brc'Sra  bekannt  gemacht  (Tijdschr.  ▼.  Öy- 
naecologie  1847.  I,  p.  60),  einer  von  Niemeyer  (dessen  Zeitschr. 
f.  Gebartsh.  I,  i.  18^8,  p.  168}  endlich  vier  Fälle  von  Eamebo- 
tham  (ObserT.  in  midwifery  1842,  p.  116). 

jßin  Fall  (ron  de  la  FaÜle^  Vater)  betraf  eine  Gebarende, 
alle  iibrigen  Wöchnerinnen,  welche  sämmtlieJi  in  den  ersten 
Standen  nach  der  Gebart  befallen  worden.  Drei  Fälle  endeten 
mit  Genesang,  sehn  Terliofen  tödtlich.  Operatire  Eingriffe  hatten 
in  fünf  FiÜlen  stattgefunden,  nämlich  dreimal  Zangenapplication. 
ein  Mal  Wendung  und  ein  Mal  manuelle  Löffiing  der  Placenta. 
Von  diesen  fSnf  FHllen  verliefen  vier  tädtlich.  Der  Tod  erfolgte 
meistens  einige  Stunden  nach  der  Geburt,  ein  Mal  am  swetten 
nnd  ein  Mal  am  dritten  Tage.  Die  Seetion  wurde  nnr  in  swei 
Fällen  gemacht  und  ergab  das  eine  Mal  keine  irgend  erhebliebe 
Anomalie,  das  andere  Mal  eine  Tympanites  uteri  (Fall  von  l^amt- 
hotkan).  Bei  der  in  der  Gebart  Verstorbenen  aeigte  die  post 
mortem  vorgenommene  Sectio  caesarea  wenigstens  die  Abwesen- 
heit einer  Rnptura  uteri.  Eine  Blntoug  hatte  nur  in  einem  Falle 
stattgefnndea  nnd  war  ohne  augenblickliche  schlimme  Wirkang 
Torübergegangen ,  als  einige  Standen  später  der  Collapsns  auf- 
trat. In  allen  Fällen  wird  erwähnt,  dass  der  Uterus  sich  gut 
eontrahirt  leigte  (mit  Ausnahme  des  Falles  von  tympanitfes  uteri), 
dass  also  auch  eine  innere  Blntong  ansgeschlossea  war.  Betreffs 
der  Erklärung  des  sog.  Collapsas  p.  part.  bespricht  Verf.  su- 
nä6hBt  die  Möglichkeit  des  Lufteintritts  in  die  Utemsvenen, 
nennt  die  von  Simpeon  u.  A.  dafür  angegebenen  Gründe,  kommt 
aber  seUiesslicb  su  dem  Jäesultate,  dass  diese  Hypothese  durch 
keinen  sicheren  anatooiischen  Befund  gestätat  werde,  mithin  su 
verwerfen  sei.  (Den  vom  Ref.  Monatsschr.  f.  Gebk.  Bd.  XXIV, 
n.  360  beschriebenen  Fall  von  Lufteintritt  in  die  Utemsveaen 
konnte  Verf.  noch  nicht  keimen;  ebensowenig  kannte  Ref.  da- 
mals den  hier  besprochenen  Aufsats).  Embolie  der  Aa.  pnlme- 
naleH  als  Ursache  des  gansen  Symptomencoinpleze«  kann  Verf. 
ebenfalls  nicht  gelten  lassen;  noch  weniger  Embolie  der  Gehirn- 


XXV.    Literatur.  319 

arteriell,  da  gerade  Oehirnejmptome  Immer  ▼ermiaet  wei'den; 
auch  eine  Embolie  der  A.  eoronaria  oordie,  die  eine  angemeine 
Seltenheit  ist,  darf  man  nicht  als  Ursache  annehmen;  doch  hat 
der  ganse  Symptomencomplex  bei  Collaps.  post  part.  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  einer  Hersparalyse ,  bei  der  nach  Somherg*»  An- 
gaben anch  die  Zeichen  der  annehmenden  Ileraschwäche  mit  der 
psychischen  Integrität  einen  so  grellen  Contrast  bilden,  gerade  wie 
bei  dem  Collapsns  der  WScbnerinnen.  Vielleicht  führt  eine  Bei- 
snng  des  N.  yagns  die  Hersschw8che  nnd  endlich  Hers-Lähmnng 
herbei,  welche  beim  Collapsns  p.  part  so  deutlich  ist.  Der  Zu- 
sammenhang swischen  dieser  Anomalie  und  dem  Puerperalau- 
stande  bleibt  dabei  unklar;  doch  ist  eine  Wechselwirkung  swi- 
schen Uterus  und  n.  yagus  anch  sonst  ans  der  Pathologie  wahr 
scheinlich,  so  weni«;  derselbe  anatomisch  su  erklären  ist.  0 
(Nederl.  Tijdschr.  t.  Geneesk.  VIII.  Jan.  1864). 

B.  OUhctusen. 

XXV. 
Literatur. 


Diseases  of  ihe  Ovaries.  Their  diagnosis  aud 
treatment  by  7.  Spencer  WeOs.  (Vol.  L)  London  186Ö. 
Mit  dem  letsten  Tage  des  vergangenen  Jahres  ist  ein  Buch 
nnter  die  Presse  gegeben  worden,  welches  nicht  yerfehlen  wird, 
bei  Allen,  die  sich  mit  Pathologie  und  Therapie  der  Oyarlen- 
krankheiten  beschäftigen  das  grSsste  Interesse  su  erwecken. 
Dr.  Sp6neer  Welis  reröffentlicht  in  dem  eben  erschienenen  1.  Bd. 
seiner  „Krankheiten  der  Ovarien*'  die  Resultate  seiner  lliOvario- 
tomien,  welche  er  in  der  verhftltnissmässig  kursen  Zeit  von  nur 
7  Jahren  ansgeflihrt  hat.  Von  der  ersten  Ovariotomie  an,  die 
er  im  Februar  1868  verrichtete,  machte  er  es  sich  sur  strengen 
Pflicht  jeden  Fall,  mochte  er  glücklich  oder  ungiflekliefa  abge- 
laufen sein,  sorgfältig  su  notiren,  au  verfolgen  und  von  Zeit  au 
Zeit  verÖffentiichte  er  grnpponweise  die  von  ihm  vorgenommenen 
Operationen  in  den  gelesensten  englischen  Journalen,  nachdem 
er  die  meisten  Praeparate  der  „pathological  societj'*  in  London 
vorgewiesen  hatte.  In  dem  vorliegenden  Buche  werden  nicht 
blos  sämmtliche  114  vollendete  Ovariotomien  im  Detail  be- 
schrieben, sonderndes  findet  sich  auch  noch  die  Eraählung  von 
sehn  Fällen  unvollständiger,  unvollendet  geblieben erOvariotomieen 
nnd  als  Appendl>r  der  Bericht  aber  fünf  Fälle  von  Exstir- 
patlonen  iibroider  oder  fibrocystischer  Tumoren  des  Uterus  von 
der  Baucbhöhie  aus.  Die  Erfolge  der  kflhnen  Operationen 
Spencer  WelU  werden  am  besten  in  wenigen  Zahlen  ausgedräckt. 
Von  den   114  Patienten,   an   welchen   die   Ovariotomie  vollendet 


320  XXV.     Literatar. 

warde,  sind  76  genesen  und  nur  38  gettorbeUi  Dab  Ver- 
bültnifli  der  Genesenen  sn  den  Gestorbenen  war  also  wie  2  :  i. 
Von  den  Genesenen  starben  nachtrfigUch  4,  1  an  Hemiplegie 
2  Jahre  nach  der  Operation,  und  8  an  Cancer  abdominalis, 
6  Wochen,  4  Monate  und  10  Monate  nach  der  Operation.  Die 
andern  72  sind  gesand  geblieben.  5  haben  seitdem  in  leichter 
und  regelmässiger  Weise  geboren.  Die  sahireichen  Kranken-  and 
Operationsgeschichten  an  lesen,  denen  nicht  selten  die  anatomischen 
Beschreibungen  der  exstirpirten  Tumoren  oder  Sectionsbe richte 
nebst  einigen  Abbildungen  angefügt  sind,  erscheint  swar  monoton 
und  wird  nicht  Jedermannes  Unterhaltung  sein,  aber  in  Yerf.*s 
grosser  Casnistik  findet  sich  eine  solche  Fülle  von  werthyollen  An- 
merkungen und  Bemerkungen  aller  Art,  eine  solche  Mannigfaltigkeit 
der  A^  und  Weise  wie  sich  der  Verf.  au  helfen  snchte  und  sn  helfen 
^verstand,  das«  Jeder  dem  es  wirklich  £rnst  darum  ist,' seine  Kennt- 
nisse über  Ovariotomie  su  bereichern,  das  Buch  nicht  eher  ans 
der  Hand  legen  wird,  bis  er  die  360  Seiten  in  Anspruch  nehmenden 
Beobachtungen  gelesen  hat.  Ein  sehr  ausführliches  Begister 
Über  den  Inhalt  des  1.  Bandes  erleichtert  das  Aufsuchen  der  da 
und  dort  serstreuten  einselnen  Gegenstände  und  giebt  die  Mög- 
licjikeit  sich  yorkommenden  Falls  des  Buches  wie  eines  Lehr--" 
bnches  som  Nachschlagen  und  sur  Einholung  eines  Raths  su  be- 
dienen. In  der  Vorrede  ersählt  der  Verf.  in  nüchterner  Weise  mit 
wolchen  Schwierigkeiten  die  Einführung  der  Ovariotomie  in  England 
verbunden  war,  wie  unglücklich  die  Erfolge  mancher  Operateure 
waren,  welch*  gewichtige  Stimmen  sich  noch  vor  wenigen  Jahren 
dagegen  erhoben ,  und  wie  die  NichtVeröffentlichung  der  Fälle 
von  Seiten  mancher  Operateure  nichts  sur  Förderung  der  Sache 
beitragen  konnte.  Erst  in  neuester  Zeit  kämen  von  allen  Seiten 
Berichte  über  gelungene  Ovariotomien  und  es  sei  jetst  kaum 
möglich  sieh  richtig  vorsustellen,  wie  die  Meinung  über  diese 
Operation  war,  als  er  sie  vor  7  Jahren  sum  erstenmale  ausführte. 
Was  Spencer  Wells  in  dieser  Richtung  der  Gynaekologie  und 
Chirurgie  geleistet  hat,  wird  für  immer  als  eine  Errungenschaft 
sich  forterben;  um  das  su  erreichen  was  uns  jetst  als  Thatsache 
überliefert  ist,  dasu  gehörte  die  aussergewöhnliche  Ausdauer, 
das  unablässige  Streben  nach  Einem  Ziele,  die  GeschiokUchkeit 
und  Kenntniss  eines  Mannes  der  das  Glück  hatte,  in  der  Welt- 
stadt London  über  ein  grosses  Material  su  verfügen,  den  Muth 
alle  Vorurtheile,  die  sich  ihm  gegenüberstellten,  su  bekämpfen, 
und  die  Aufrichtigkeit  Gelungenes  und  Nichtgelungenes  gleich 
treu  SU  berichten. 

In  dem  II.  hoffentlich  bald  erscheinenden  Bande  verspricht 
der  Verf.  die  Schlussfolgerungen  aus  seinen  Operationen  genauer 
auseinandersusetsen.  Wir  sehen  dieser  Fortsetsung  mit  Spannung 
entgegen  und  werden  dieselbe  später  sur  Anseige  bringen. 

Prof.  Breslau  in  Zürich. 


XXVI. 
Verhandlungen  der  Oesellschaft  für  Oeburtshttlfe 


in 

Berlin.« 


Sitzung  am  13.  Deceinber  1864. 

Herr  KristeUer  hält  einen  Vortrag  über  Athmung 
der  Kinder  vor  der  Geburt. 

Vagitus  ist  eine  sehr  seltene  und  von  Virli'ii  noch  be- 
zweifelte Erscheinung.  Einige  der  Fälle,  welche  der  Literatur 
überliefert  sind,  werden  nicht  durch  gute  Zeugen  genügend 
beglaubigt,  andere  sind  gar  mit  so  wunderlichen  Nebenereig- 
nissen ausgestattet,  dass  sie  dadurch  aller  Glaubwürdigkeit 
unwerth  geworden.  Viele  sehr  beschäftigte  Geburtshelfer 
haben  den  Vagitus  niemals  aus  eigener  Erfahrung  kennen 
gelernt.  Daher  kommt  es,  dass  von  guten  Autoritäten  die 
Möglichkeit  des  Vagitus  bezweifelt  und  alle  Fälle  auf  Täu- 
schung der  Beobachter  zurückgeführt  werden.  So  sagt  z.  B. 
Schwarz*),  ein  Mann,  dem  man  über  die  Athmungserschei- 
nungen  der  Kinder  vor  der  Geburt  gewiss  ein  competentes 
Ilrlheil  zugestehen  darf:  „Er  habe  hörbaren  Vagitus  uterinus 
vel  vaginaUs  niemals  wahrgenommen.  Das  Vorkommen 
desselben  bei  Früchten,  die  noch  völlig  innerhalb  der  Ge- 
burlswege stecken,  scheine  ihm  zweifelhaft.  Ohne  Zweifel 
könnten  die  vorzeitigen  Inspirationen  unter  besonderen  Um- 
ständen atmosphärische  Luft  in  die  Lungen  schafi'eii,  bevor 
noch  die  Frucht  zum  Vorschein  gekommen  sei,  aber  es 
dürfte  mehr  als  fraglich  sein,  ob  der  auf  diese  Weise  ge- 
wonnene Luftgehalt  ausreiche,  um  einen  deutlidien  Schrei  zu 


*)    Die    vorseitigen   Atfaembewegungen    toh    Dr.  Heriuann 
Sehware.     Leipiigi  Breitkopf  und  HSrtel.     1858,  pag.  225. 
MonatiDolir.  f.  Oeburtsk.  1806.  Bd.  IILV.,    Hft  5  "^^ 


322  XXVI.    Verbandlnngren  der  Oeflellschtft 

ermöglicben  etc."  Nachdem  ich  nun  einen  Fall  von  Vagitus 
ulerinus  beobachtet  habe,  der  durch  innere  und  äussere  Unw 
stünde  sich  als  ein  vollständig  glaubwürdiger  darstellt,  halte 
ich  es  für  geboten,  ihn  hiermit  der  Literatur  zu  übergeben, 
einmal  der  Thatsache  selbst  wegen,  zweitens  aber  auch  dess- 
wegen,  weil  mir  der  Fall  geeignet  scheint  eine  wichtige  Tages- 
frage näher  zu  beleuchten. 

Frau  Schneider  Schulze  hier,  hinter  der  Gamisonkirche 
No.  2  wohnhaft,  32  Jahre  alt,  ist  seit  dem  zweiundzwanzig- 
sten Jahre  menstruirL  Die  Menses  waren  immer  sehr  schmerz- 
haft, hielten  6 — 8  Tage  an  und  gaben  reichlich  Blut.  Seit 
etwa  3  Jahren  verheirathet,  kommt  sie  jetzt  zum  dritten 
Male  nieder.  Das  erste  Mal  hatte  das  Kind  Schädellage,  das 
zweite  Mal  Querlage.  In  der  Nacht  vom  26.  zum  27.  Januar 
1864  beginnt  die  Frau  zu  kreissen.  Die  Wehen,  anfangs  gut, 
verlieren  sich  allmälig.  Am  27.  Vormittags  zehn  Uhr  werde  ich 
zu  Hülfe  gerufen.  Die  bei  der  Kreissenden  beschäftigte  Heb- 
amme Frau  Döhlert  berichtet  mir,  die  Blase  sei  schon  in 
der  Nacht  gesprungen,  die  Wehen  seien  seit  etwa  vier  Stunden 
vollständig  ausgeblieben^  ein  Arm  liege  vor.  Das  Allgemein- 
befmden  der  Frau  ist  gut,  Temperatur  und  Pulsfrequenz  durch- 
aus nicht  lalmorm.  Die  äussere  llntersuchimg  ergiebt: 
Regelmässig  gebautes  Becken,  schlaffen  Uterus.  Ueber  dem 
horizontalen  Aste  des  rechten  Schambeines  eine  feste  vor- 
springende Kugel,  die  sich  leicht  als  Kindeskopf  erkennen 
lässt,  der  Rücken  des  Kindes  nach  rechts  und  vom^  kleine 
Kindeslheile  niclit  durchzufühlen.  Innere  Untersuchung: 
Die  äusseren  Schamlippen  ofTen  und  weich.  Zwischen  den 
klaffenden  äusseren  sind  die  inneren  Schamlippen  sichtbar, 
welche  sehr  unregelmässige  Formen  darbieten.  An  dem  Ueber- 
gange  von  äusseren  in  innere  Schamlippen,  namentlich  an  der 
oberen  Hälfte  der  inneren,  befinden  sich  etwa  wallnussgrosse 
bläuliche  Geschwülste,  welche  aus  einem  Convolul  varicös 
erweiterter  Venen  bestehen.  Zwischen  den  so  deformirten 
Schamlefzen,  welche  natürlich  keinen  guten  Verschluss  der 
Vagina  abgeben,  ragt  noch  die  udematös  angeschwollene 
Clitoris  hervor.  In  der  weichen,  nicht  heissen  Vagina  sind 
die  Fortsetzungen  der  Varicositäten  zu  fühlen.  Der  Mutter- 
mund ist   schlaflT  und  auf  etwa  2^1^"  Durchmesser  erweitert, 


fnr  Gaburtohulfe  in  Berlin.  323 

in  ibm  der  vorliegende  linke  Arm  zu  fühlen.  Der  Koyf  liegt 
oberhalb  des  Beckencinganges  auf  dem  rechlen  Sclianibeine, 
die  Pfeiloaht  etwa  im  zweiten  schrägen  Durchmesser,  die 
grosse  Fontanelle  ungefähr  in  der  Mitte  der  Beckeneingangs- 
ebene, die  kleine  Fontanelle  etwa  in  der  Gegend  des  rechten 
Tuberculum  ileopectineum.  Stirn  und  Gesicht  leicht  zu  er- 
reichen. Die  Hochlegung  des  vorliegenden  Armes  war  ohne 
grosse  Schwierigkeit  zu  vollbringen.  Um  ein  wiederholtes 
Vorgleiten  des  Armes  sowie  das  Vorfallen  anderer  Kindestheile 
zu  verhüten,  versuchte  icli  mit  meiner  im  Becken  befmdlichen 
Rechten  den  Kindeskopf  in  den  Beckeneingang  hereinzuführen, 
indem  ich  mit  der  Linken  von  den  Bauchdecken  her  auf  den 
Kindeskopf  wirkte.  Diese  Operation  gelang  nicht.  Da  nun  aber 
nicht  blos  zur  Verhütung  eines  wiederholten  Vorfalles^  sondern 
auch  zur  Ermöglichung  des  Geburfsmechanismus  die  Einleitung 
des  Kopfes  in  den  Beckeneingang  durchaus  nöthig  war,  so  suchte 
icii  nach  gemachtem  Querbette  dieses  Ziel  mit  der  Zange  zu 
erreichen.  Wegen  des  hochstehenden  Kopfes  aber  glitt  das 
Instrument  ab.  Als  ich  nuy  die  abgeglittenen  Zahgenbtätter 
wieder  in  die  Höhe  schob,  um  den  Kopf  von  Neuem  zu 
fassen,  ertönte  das  Geschrei  des  noch  ungeborenen  Kindes. 
Sämniüiche  in  4lem  Zimni«;r  Anwesende:  die  Kreissende  und 
deren  Mann,  der  inzwischen  dazu  gekommene  Herr  Stud. 
Mied.  Albert  Michaelia  aus  der  Klinik  des  Herrn  Prof. 
Martin^  wohin  man  vor  mir,  um  Hülfe  zu  erlangen,  geschickt 
hattK,  die.  oben  erwähnte  Gerichtshebamme  Frau  Döhlert, 
klosterstrasse  No.  19  wohnhaft  und  ich  wurden  auf  die  uns 
alle  üLierraschenden  Töne  zu  gleicher  Zeit  aufmerksam.  Ich 
zog  nun  des  Experimentes  wegen  die  Zangenblätter  nach 
gelöstem  Schlosse  wieder  abwärts  und  schob  sie  wie  das 
erste  Mal  fu  die  Höhe,  und  wieder  vernahmen  wir  die  Stimme 
des  Kindes.  Ich  wiederholte  das  Experiment  noch  einigemal, 
und  es  gelang  mir  jedesmal  das  Schreien  hervorzurufen.  Es 
stellte  sich  dieses  Schreien  als  eine  kurze  Reihe  von  5 — 7 
zusammenhängenden  Tönen  dar,  welche  sich  mit  einer  Art 
Moilulalion  durcli  verschiedene  Tonhöhen  hiiidurchbewegte, 
ganz  so  wie  es  Neugeborene  hervorbringen  und  natürlicli  nur 
dadurch  abgedämpft,  dass  die  Töne  aus  einem  umschlossenen 
engen  Räume  hervorklangen.  —  Da  meiner  Meinung  nach  Lufl- 

•  21* 


324  XXVt.     Verhandlungen  der  Oesellschaft 

eintriU  in  den  Uterus  eine  ludieaüon  zur  G^burtsbeschleuniguog 
ergiebt,  so  schritt  ich  zur  Wendung  auf  den  Fuss  mit  daran  sich 
j^chliessender  Manuatextraclion.  Während  ich  zu  diesem  Zwecke 
mit  meiner  rechten  Hand  im  Uterus  operirte,  ertönte  noch 
einigemal  der  Vagitus^  den  wir  im  Ganzen  wohl  8  Mal  gehört 
haben  mögen.  Im  Uterus  fühlte  meine  Hand  deutHch  die 
Respirationshewegungen  des  kindlichen  Thorax,  zugleich  aber 
auch  die  Pulsatlon  der  Nabelschnur.  Die  Pulsschlage  waren 
durchaus  nicht  schwach,  und  der  Zahl  nach  schätzte  ich  sie 
auf  100  in  der  Minute.  Die  Wendung  vollbrachte  sich  leicht, 
ebenso  die  Extraction  bis  auf  die  Lösung  der  Arme.  Diese  madite 
grosse  Schwierigkeiten,  und  sehr  deutlich  w«iren  während  meiner 
Manipulationen  behuts  der  Armlösung  krampfhafte  zuckende 
Bewegimgen  an  dem  Humpfe  des  Kindes  wahrzunehmen. 
Die  Nabelschnur  pulsirte  in  diesem  Stadium  der  Operation 
«schwach  und  nachdem  mir  die  Lösung  der  Arme  und  Ex- 
traction des  Kopfes  gelungen  war,  welche  Operation  vielleicht  ö 
Minuten  gedauert  haben  mag,  war  keine  Pulsation  der  Nabel* 
«schnür  mehr  zu  fühlen.  Das  Nougebome  athmete  nicht,  doch 
vibrirte  das  Herz  noch  schwach.  Die  Abnabelung  fand  sofort 
nach  der  Extraction  statt  Als  Wiederhelebungsmittel  wurden 
Hautreize,  abweclisi^lnd  warmes  Bad  und  Besprengen  mit 
kaltem  Wasser  und  Durchschwenken  durch  die  Luft  ange- 
wandt. Nach  wenigen  Minuten  begann  das  Kind  zu  schreien, 
die  Athmung  entwickelte  skh  ohne  grosse  Rasselgeräusdie 
und  bald  war  das  Kind  in  vollem  Leben.  Die  Placenta  lag, 
nachdem  wir  das  Kind  zum  Athmen  gebracht  hatten,  eine 
Arbeit,  über  welche  etwa  5  —  7  Minuten  vergangen  sein 
mochten,  bereits  in  der  Vagina.  An  der  Placenta  war  nichts 
Unregelmässiges  wahrzunehmen.  Der  Uterus  halte  sich  gut 
zusammengezogen.  Das  Wochenbett  war  ein  sehr  leichtes. 
Das  Kind  blieb  gesund  und  ist  jetzt  viele  Monate  nach  der 
Gehurt  kräftig  und  wohlgenährt. 


Betrachten  wir  nun  zuerst  das  Physiologische  des  Her- 
ganges. Wie  in  den  meisten  bisher  erzählten  Fällen  wurde 
auch  hier  der  Luftzutritt  zu  dem  Kinde  dadurch  ermöglicht, 
dass  hei  geplatzter  Blase  und  vorliegenden  fnspirationsöffnungen 


fdr  GebnrUhülfe  in  Berlin.  325 

Hand  und  Instrument  in  den  Uterus  eingeführt  wurden ;  doch 
ist  hier  noch  der  eine  Umstand  dazugekommen,  dass  durch 
Deformität  der  Schamlefzen  und  des  Scheidenrohrs  der  Luft- 
zutritt noch  mehr  als  anderswo  begünstigt  worden  ist.  l}ie 
so  eingetretene  Luft  ist  nun  von  der  Frucht  im  Uterus  ein- 
und  ausgeatbmet  worden,  denn  nicht  anders  können  wir  uns 
die  oben  geschilderten  Töne  entstanden  denken,  als  dass  Luft 
durch  den  Kehlkopf  des  Kindes  ein-  und  ausgetreten  sei. 
Sollte  von  zweifelsuchtigen  Kritikern  der  Einwand  irgend  einer 
Täuschung  in  der  Beobachtung  erhoben,  und  namentlich  an 
die  Möglichkeit  der  Tonerzeugung  in  den  Därmen  der  Mutter 
erinnert  werden,  so  will  ich  es  doch  ausdrücklich  hervorheben, 
dass  ich  den  ganzen  Fall  mit  grosser  Aufmerksamkeil  be- 
'  obachtety  dass  mich  kein  äusserer  Vorgang,  ja  nicht  einmal 
eine  besondere  Unrulie  der  Kreissenden  gestört  hat,  dass  ich 
jede  der  geschilderten  Thatsachen  durch  Demonstration  an 
Herrn  Studiosus  Michaelis  und  die  Hebamme  constatirle,  und 
dass  ich  namentlich  über  die  Quelle  der  Töne  mir  Sicherheil 
zu  verschaffen  suchte.  Ich  betastete  und  percutirte  den  Leib 
der  Kreissenden  und  fand,  dass  er  durchaus  nicht  mit  Gasen 
gefüllt  sei,  dagegen  vernahm  ich  den  Vagilus  sehr  deutlich 
aus  der  Vagina  heraustöiien,  ja  ich  erinnere  daran,  dass  ich 
den  Schrei  durch  die  Bewegung  des  Instruments  und  später- 
hin der  Hand  beliebig  hervorlockte,  und  dass  ich  endlich  auch 
die  Respirationsbewegungen  des  Kindes,  durch  welche  es  einen 
Schrei  producirte,  sehr  deutlich  fühlte.  Wenn  Schwarz  eb 
bezweifelt  hat,  ob  der  geringe  Luftgehalt  des  Uterus  ausreiche 
um  eine  Stimmproduction  zu  ermöglichen,  so  kann  ich  die- 
sem Zweifel  nicht  beipflichten.  Meiner  Meinung  nach  gehört 
nicht  sowohl  viel  Luft  als  vielmehr  ein  günstiges  Verhallen 
der  Stimmbänder  dazu,  dass  ein  Kindesschrei  hervorgehradil 
werde.  Wir  sehen  es  ja  auch,  dass  Kinder  nach  der  Geburl 
nicht  selten  schon  Töne  von  sich  geben,  bevor  sicli  die  Re- 
spiration in  vollen  Gang  gebracht  hat. 

Es  wird  nun  die  Frage  zu  beantworten  sein,  was  war 
im  vorliegenden  Falle  die  Ursache  für  die  Athnning 
des  Kindes? 

Die  jetzt  herrschende  Theorie  über  die  Entstehung  der 
vorzeitigen  Athmung  verdankt  ihre  Urheberschaft  dem  geist- 


326  XXVI.     Verhandlungen  der  Gesellschaft 

reichen  Formeller  Kr  ahmer.  Diese  Theorie  isl  durch  einen  in 
dieser  Get^ellschal'l  iui  Mai  1853  geballeiien  Vurtrag  unseiTs 
geehrleii  Mitgliedes  Herrn  Hecker  (Beiträge  zur  Lehre  von 
der  Todesart  der  Kinder  \<ährend  der  Gehurt  u.  s.  w.  vide 
Verhandl.  d.  Ges.  f.  Geburtsk.  VlI.  Hft.  p.  145)  erläutert  und 
unterstützt  worden.  Sodann  hat  Herr  Schwarz  in  seinem 
oben  genannten  Buche  die  Theorie  noch  weiter  ausgebaut, 
mit  guten  Gehurtsgeschichten  und  Sectionen  belegt  und  mit 
ebensoviel  eigener  Ueberzcugung  wie  gewinnender  Dialektik 
als  ein  festes  abgerundetes  Ganzes  hingestellt.  Endlich  hat 
uns  vor  nicht  zu  langer  Zeit  unser  verehrtes  Mitglied  Herr 
Boehr  durch  seine  lleissige  Arbeit  ^äh(;r  das  Athmcn  der 
Kinder  vor  der  Geburl"  (Erlangen  1863  Palm  &  Enke) 
die  betrelTende  Frage  wieder  zur  Discussion  gebracht.  Bei 
der  Wichtigkeit  der  Angelegenheit  wird  es  nützlich  sein  noch 
einmal  darauf  zurückzukommen. 

Nacl)  obiger  Theorie  oder  vielmehr  nach  der  Ansicht 
ihres  wärnislen  Vertheidigers,  des  Herrn  Schwarz  dürfen  wir 
die  Ursache  der  vorzeitigen  Athmung  nur  in  einer  Unter- 
brechung des  Placentarverkehrs  suchen.  Ich  habe 
aber  in  meinem  Falle  von  Vagitus  weder  eine  solche  Unter- 
brechung wahrgenommen,  noch  habe  ich  irgend  einen  Umstand 
aufgefunden,  der  die  Ursache  einer  solchen  Unterbrechung 
hätte  abgeben  können.  Die  Nabelschnur  war  nicht  vorgefallen, 
sie  war  nicht  umschlungen,  noch  war  irgend  Etwas  aufzu- 
finden, was  einen  Druck  auf  dieselbe  ausübte.  Als  ich  bei 
der  Wendung  die  Nabelschnur  mit  der  Hand  befühlte,  puisirte 
sie  ca.  100  Mal  in  der  Minute  regelmässig  und  durchaus  nicht 
schwach.  Solche  Qualität  und  Quantität  der  Pulsationen  schon 
als  eine  Unterbrechung  des  Placentarverkehrs  aufzufassen,  wie 
dies  Schwarz  öfter  thut,  halte  ich  für  gezwungen.  Denn 
wenn  auch  in  der  Mehrheit  der  Fälle  die  Zahl  der  fötalen 
Pulsscbläge  eine  höhere  ist,  so  habe  ich  sie  doch  mehrmals 
ca.  100  gefunden  bei  Früchten,  welche  dann  mit  voller  Lebens- 
trische und  untadelhafter  Respiration  geboren  worden  sind. 
Es  war  ferner  keine  Placenta  praevia,  noch  war  eine  Blutung 
während  oder  nach  der  Geburt  vorhanden,  noch  zeigte  end- 
lich das  Aussehen  der  gelösten  Placenta  irgend  etwas,  was 
auf  eine  vorzeitige  Lösung  derselben  hätte  bezogen  werden 


für  QeburUihttlfe  in  Berlin.  327 

könneo.  Die  PJacenta  war  in  ihrem  Baue  normal  und  zeigte 
an  ihren  Flächen  und  zwischen  den  Lappen  nichl  mehr  Blut 
als  dies  gewöhnlich  der  Fall  ist.*)  Girculationsstörungen  im 
Uterus,  wie  sie  durch  stürmische  Weben,  krampfhafte  Cod- 
traclionen  oder  durch  sonstige  Ursachen  erzeugt  werden,  wareu 
aucli  nicht  zu  constatiren.  Dex  Uterus  war  schlalT,  ganz  ohne 
Wehen  und  durchaus  nicht  empfindlich.  Kurz  ich  konnte 
Nichts  auffinden,  was  nur  nach  der  obenbenannten  Theorie 
eine  Ursache  für  die  Athmung  des  Kuides  hätte  abgeben 
können,  und  ich  bin  der  Meinung,  dass  in  meinem  Falle  der  Reiz 
der  atmosphärischen  Luft  und  wahrscheinlich  auch  die  mecha- 
nische Reizung  durch  Zange  und  Hand  die  Frucht  zum  Athmen 
gebracht  hat*  Diese  Meinung  widerspricht  der  ursprünglichen 
Anschauung  Krahmer'a  nicht,  welcher  als  Motiv  einer  inspira- 
torischen Thätigkeit  einerseits  den  Hautreiz  durch  die  kältere 
Atmosphäre,  fraglicherweise  auch  den  Reiz  mechanischer  In- 
sulte bezeichnet  und  in  ersterem  mindestens  die  factische 
Veranlassung  des  ersten  Athemzug'es  nach  der  Geburt  sieht, 
es  aber  anderseits  in  einem  durch  Hemnmng  der  Umblical- 
circulation  unabweisbar  gewordenen  Respirationsbedürfnisse 
sudit.  Nach  Schwarz  und  Boehr  aber  ist  diese  Anschau- 
ung eine  falsche.  Beide  formuliren  die  Theorie  ganz  streng 
dahin:  Jede  Unterbrechung  des  Placei^tarverkehrs 
erzeugt  Athmung  und  es  giebt  nur  eine  einzige  Ur- 
sache für  die  Athmung,  nämlich  die  Unterbrechung 


*)  Wie  yorsichtig  übrigens  selbst  Placenta  praeria  und  Na- 
belschnnruinschliognng  als  Momente  der  Placentarverkehrshem- 
mung  sa  yerwerthcn  sind,  hat  mir  ein  Fall  bewiesen,  den  ich 
zwischen  Vortrag  nnd  Druck  dieser  Zeilen  erlebt  habe,  nnd  anf 
den  ich  später  ausführlicher  zurückkommen  werde.  Hier  will  ich 
nur  Folgendes  mittheilen:  Bei  einer  älteren  Primipara  traten  8 
Wochen  vor  der  Niederkunft  Uterusblutungen  auf.  Die  Placentu 
praevia  bedeckte  den  Muttermund.  Die  Blutung  vermehrte  sich 
in  der  Nähe  des  Schwangerschaftscndes.  Während  der  Geburt 
fanden  starke  Blutungen  statt.  Nach  dem  Durchtritte  des  Kopfe« 
seigte  sich  die  Nabelschnur  sweimal  eng  nnd  straff  um  den  Hals 
umschlungen,  war  nach  keiner  Richtung  zu  lockern  und  mussto 
vor  der  Geburt  des  Rumpfes  durchschnitten  werden.  Das  Kind 
kam  lebend  sur  Welt  nnd  seigte  keine  Spuren  von  vorzeitiger 
Athmung. 


828  XXVI.   VerfaandlnngeD  d«r  GesellBchaft 

des  Placenlarverkehrs.  .  Kin  driües  ist  nach  diesen 
Autoren  iiiiinugJidK  Die  (>rilLigkeil  und  ünfeblbarkeil  dieses 
Satzes  ist  t'iir  die  Wissenscbalt,  für  die  Praxis,  und  iiisoiern 
er  von  der  forensischen  Mcdicin  adoptirt  wird,  auch  lür 
das  bürgerliche  Leben  von  sehr  grosser  Bedeutung,  Grund 
genug,  um  die  Wahrheit  dos  Satzes  auf  das  Sorgfältigste  zu 
prüfen. 

In  der  Sitzung  unserer  Gesellschaft  vom  S).  Juni  1863 
habe  ich  hei  Gelegenheit  des  J3o6Ar'schen  Vortrages  folgende 
Einwendungen  erhoben:  1)  Es  werden  kräftige  lebensfrische 
Kinder  unter  d(^n  normalsten  Verhältnissen  geboren,  welche 
ihre  Athmung  mit  Rasselgeräuschen  beginnen.  2)  Krampf« 
hafte  Bewegungen  der  Frucht  während  der  Geburt  oder  einer 
Operation,  wie  Zucken  des  Kopfes,  des  Kusses  können  nicht 
als  Alliembewegungen  aufgefasst  werden.  3)  üie  Füllung  dei* 
Luftwege  todi geborener  Fruchte  mit  Liquor  amnü  u.  s.  w. 
beweist  nicht  absolut  (vide  Bohr)  die  vorangegangene  Ath- 
mung, diese  Füllung  kann  auch  durch  Hineinpressen  des 
Liquors  in  die  offenen  Luftwege  mittels  der  Zusammenziehungen 
des  Uterus  entstehen.  4)  die  Füllung  der  Lungenblutbabn, 
Anwesenheit  von  capillären  Ecchymosen  ist  auch  kein  sti*enger 
Beweis  für  die  vorangegangene  Athmung,  denn  bei  Hemmung 
des  Placentarkreislaufes  treibt  das  fötale  Herz  mit  vierfach 
grösserer  Wirkung,  insofern  es  erstens  die  halbe  Blutmasse 
zu  stosseii,  und  zweitens  auch  nur  noch  eine  halbe  Bahn  zu 
durchlegeii  hat  —  kein  Wunder  also,  dass  die  mit  solcher 
Kraft  fortbewegte  Blutwelle  sich  neue  Bahnen  aufsucht,  und 
namentlich  solche,  wo  sie  wie  in  den  Lungen  einen  geringen 
Widerstand  fmdet.  Aus  demselben  Grunde  bemerken  wir  ja 
neben  der  Füllung  der  Lungenblutbahn  auch  Blutaustritt  insoiclie 
Organe,  wie  Gehirn,  Nieren  etc.,  auf  welche  die  Schröpf- 
kopfwirkung der  Thoraxerweiterung  nicht  bezogen  werden 
kann. 

Zu  diesen  Einwendungen  füge  ich  nun  noch  die  Er- 
fahrung, welche  aus  einem  Falle  von  Vagitus  hervorgebt,  uäm- 
lich,  dass  Placentarkreislauf  und  Athmung  neben 
einander  besteben  können.  Schwarz  hält  dies  für  ganz 
unmöglich.  Ich  meine  aber,  dass  mehi  Fall  so  wie  andere 
Fälle  von  Vagitus  es  sehr  wahrscheinlich  machen,  dass  solch 


für  GeburiahUlfe  in  BerUn.  329 

Xebeneioanderbestehen  wobl  möglich  sei.  Mit  dem  runden 
Abweisen  .von  ThaUachen,  welche  sicJi  einer  beslimmten 
Theorie  nicht  wülig  fugen  oder  mit  dem  Misscreditiren  der- 
selben durch  Bezeidmungen  wie  „xweiielhafl,  ominös  etc/' 
koronil  mau  der  Wahrheit  nicht  näher.  Sehen  wir  von  den 
der  älteren  Literatur  angehörigen  fabelhaften  Erzählungen  ab, 
so  bat  uns  die  Neuzeit  sehr  glaubwürdige  Fälle  von  Vagitus 
gebracht,  welche  durch  Männer,  wie  Oslander^  L  W,  Schmitt^ 
Wigandj  E.  v,  Siebold  u.  A.  vertreten  werden.  Kunze^ 
(der  Kiodermord,  Leipzig  Veit  &  Comp.  1860,  pag.  99.) 
bat  11  Beobachtungen  zusammengestellt.  Zu  diesen  11  Fällen 
bind  7  Kinder  lebend  geboren.  Da  nun  die  Geburten  bei 
^hnen  meist  langsam  verliefen,  so  ist  doch  wahrscheinlich 
Dicht  anzunehmen,  dass  der  geringe  Luftzutritt,  bei  der  grossen 
Schwierigkeit  in  dem  engen  Räume  des  Uterus  ergiebige  Aihem- 
bewegungen  zu  machen,  ausgerichtet  hätte  das  Sauerstolf- 
beclüifuiss  der  Fruchte  genügend  zu  befriedigen.  Die  Folge 
hätte  sein  müssen,  dass  die  Mehrzahl  der  Fälle  von  Vagitus 
asphyctische  oder  todte  Fruchte  ergeben  hätte.  Wenn  die 
Früchte  aber  trotzdem  leben  geblieben  sind,  so  ist  es  mehr 
als  wahrscheinUch,  dass  neben  der  Luflathmung  auch  Placen- 
tarkreisiauf  stattgefunden  hat,  zumal  uns  in  den  Erzählungen 
nichts  mitgetheiit  wird,  was  eine  Aufhebung  des  Placentar- 
Verkehrs  beweist,  ich  meine  also,  wenn  auch  Placentarkreis- 
lauf  und  Thoraxathmung  zwei  Vorgänge  sind,  welche  in  der 
Mehrheit  der  Fälle  hintereinander  auftreten,  so  ist  es  doch 
nicht  für  unmöglich  zu  erklären,  dass  sie  unter  günstigen 
Bedingungen  auch  nebeneinander  bestehen  können.  Es  ist 
die  Coexistenz  von  Organen  und  Functionen,  welche  in  der 
Entwickelungsgeschichte  gewöhnlich  sich  ablösen,  durchaus 
nicht  etwas»  was  dem  organischen  Leben  so  sehr  widerspräche 
und  was  bei  der  menschlichen  Frucht  als  Ausnahme  vorkommt 
ist  z.  B.  bei  der  Entwickelung  der  ungescbwänzten  Bati*achier  die 
Regel;  hier  giebt  es  einen  Zustand,  wo  zu  gleicher  Zeit  Kiemen 
und  Lungen  existh*en,  obwohl  sie  beide  für  zwei  ganz  verschie- 
dene Lebensbedingungen  und  Lebensperioden  eingerichtet  sind. 
Wenn  aber  Piacentarkreisiauf  und  Thoraxathmung  neben- 
einander bestehen  können,  so  kann  unmöghch  die  Hemumng 
des  Placenlarverkebrs  die  einzige  Ursache  für  die  Athroung 


330  XXVI.    Verhandlungen  der  Gesellschaft 

der  Fötus  sein.  Dieses  geht  uns  auch  daraus  hervor,  dass  wirk- 
liche Hemmung  des  Placenlarverkehrs  nicht  immer  Athem- 
bewegung  hervorruft.  Denn  wäre  dies  der  Fall,  so  mössten 
wir  an  den  Fruchten  während  der  Geburt  häulig  Athembe- 
wegungen  beobachten ;  ja  dies  mfisste  eigentlich  die  Regel 
sein. 

•Jede  Geburt  besieht  aus  einer  Reihe  von  Zusammen- 
ziehungen des  Uterus,  deren  jede  einzelne  den  Placentarver- 
kebr  .  hemmt.  Die  Hemmung  beobachten  wir  ganz  deutlich 
an  der  verminderten  Pulsalion  während  der  Wehe.  Im  Laufe 
der  Geburl  rucken  die  Wehen  immer  näher  aneinander,  ihre 
Hemmungswirkungen  summiren  und  cumulireu  sich,  und  mit 
dem  Auftreten  der  Treibwehen  wird  Häutigkeit  und  Dauer 
derselben  schliesslich  eine  so  gesteigerte,  dass  von  einem 
„das  Athembedürfniss  der  Frucht  befriedigenden  Gasaustausche" 
gewiss  nicht  mehr  die  Rede  sein  kann,  und  doch  machen 
die  Fröchte  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  keine  vorzeitigen 
Athembewegungen. 

Schwarz  verhehlt  sich  die  Wichtigkeit  dieses  Einwurfes 
durchaus  nicht.  An  mehreren  Orten  seines  Buches  pag.  24, 
25,  95  und  213  kommt  er  auf  die  Hemmung  des  Placen- 
tarverkehrs  während  der  Geburt  und  ihre  grosse  Bedeutung 
zu  sprechen,  er  schildert  in  trefienden  Worten  die  grosse 
Wirkung  derselben,  die  zunehmende  Beschränkung  des  bis- 
herigen StofTverkehrs  zwischen  Mutter  und  Frucht,  die  ver- 
vielfältigte Blutstauung  in  den  Körpergefassen  des  Foetus 
u.  s.  w.  Und  wie  erklärt  er  es,  dass  diese  grosse  Hemmung 
des  PJacentarkreislaufs  doch  keine  Athmung  hervornifl? 
Hören  wir  ihn  selbst  In  seinem  Buche  (pag.  118)  sagt 
Schwarz:  „Es  ist  in  dieser  Beziehung  ausschliesslich  zu 
verweisen  auf  den  Grad  und  Modus  der  Circulationshemmung 
durch  die  Geburtswehen.  Ersterer  bleibt  bei  regelmässigem 
Geburtshergange  bis  zum  Austritte'  der  Frucht  stets  inner- 
halb bestimmter  Grenzen,  für  deren  nähere  Bezeichnung  aller- 
dings kein  allgemeüi  gültiger  Ausdruck  zu  finden  ist,  deren 
Ueberschreitungen  aber  glücklicher  Weise  dem  aufmerksamen 
Beobachter  gewöhnlich  erkennbar  werden.  Was  aber  die 
Hauptsache  ist,  die  Art  des  Eingriffes  der  Wehen  in  die 
Uterin-  und  Fötalcu-culation  ist  eine  eigeuthümliche  und  zwar 


für  Geburishülfe  iu  Berlin.  331 

derartige,  dass  eine  mechanische  Alteration  des  Blutiaufes 
erfolgen  kann,  ohne  dass  unter  normalen  Verhältnissen  der 
Gaswechsel  in  demselben  Maassc  unterbrochen  wird.  Die 
Wehe  namUcb  verdrängt  den  Inhalt  der  klap]>enlo6en  Uterin- 
gefasse nothwendig  einestheils  nach  aussen  in  der  Hichtung 
der  mütlerlichen  Körpergcfässe ,  anderutlieils  in  der  Hichtung 
nach  innen  zwischen  die  Zellen  des  Placentarpai*enchyms. 
Letzteres  —  wenigstens  bei  voi*gcschrittener  Entwickelung 
ohne  alle  Gewaltsamkeit  einem  Schwämme  vergleichbar,  dessen 
Poren  mit  mütterlichem  Blute  gelullt  sind,  dessen  Balkeiige* 
röste  aber  die  fötalen  Cappillaren  führt  —  erleidet  in  Folge 
der  Zosammenziehung  des  Uterus  und  der  Ha  um  Verminderung 
seiner  Höhle  eine  Verkleiherung  seiner  Haftlläche,  eine  Zu> 
sammendrängung,  einen  gewissen  Grad  von  Pressung.  Der 
auf  das  Placentarparenchym  ausgeübte  Druck  fördert  zunächst 
die  Aufnahme  der  mütterlichen  Intercellularilussigkcit  von 
Seiten  des  fötalen  Blutes,  zwingt  aber  sodann  bei  seiner  Fortdauer 
und  Steigerung  auch  das  fötale  Blut  zum  Ausweichen  in  der 
Ricblung  gegen  die  Nabelschnur  hin,  hemmt  somit  das  Ein- 
strömen aus  den  Nabelarterien,  beschleunigt  und  vermehrt 
das  Ausströmen  durch  die  Nabelvene.  Besitzt  nun  das  die 
Placenta  tränkonde  Mutterblut  die  genügende  respiratorische 
Qualität,  hat  dasselbe  noch  einen  grossen  Reich thum  an 
Sauerstoff,  so  wird  auch  während  der  Wehe  dem  fötalen 
Organismus  das  erforderliche  Kespirationsmaterial  zugeführt 
und  keine  Athemnoth  erzeugt/*  —  Dies  ist  die  Antwort  aut 
die  so  wichtige  Frage.  Schwarz  antwortet  mit  einer  Hypo- 
these, die  erst  noch  zu  beweisen  wäre  und  die  so  sehr  allen 
hydrostatischen  Gesetzen  eines  geschlossenen  Blutkreislaufes 
widerspricht,  dass  ich  die  ganze  Stelle  als  die  Achillesferse 
seines  Buches  bezeichnen  möchte.  Ich  weiss  nicht,  wie  unter 
den  obwaltenden  anatomischen  unjd  physiologischen  Verhält- 
nissen ein  gehemmtes  Einströmen  aus  den  Nabelarterien  und 
ein  beschleunigtes  und  vermehrtes  Ausströmen  durch  die 
Nabelvene  möglich  sein  sollte.  Die  Nabelschnurgefasse  senken 
sieh  innerhalb  der  Placenta  in  die  geschlossenen  Chorionzotten 
hinein,  gehen  in  jeder  einzelnen  Zotte  und  in  jeder  einzelnen 
Verzweigung  derselben  mittels  einer  geschlossenen  Schleife 
in  einander  Aber,  stehen  durchaus  m  keinem  offenen  Verkehre 


332  XXVI.    VerhandliiDgen  der  GeselUchHfi 

mit  dem  niätlerliclien  Blule,  sondern  es  bilden  die  fötalen 
Gefässe  ein  in  sich  abgeschlossenes  Röhrensysiem  und  es 
ist  gar  nicht  denkbar,  dass  während  der  Dauer  einer  Wehe 
oder  gar  während  der  längeren  Dauer  der  zu  Ende  der  Ge- 
burt sich  an  einander  schiiessendcn  Treib  wehen  in  den  Ar- 
terien eine  langsamere  Blutl>eweguiig  stattlinden  soll  als  in 
der  zurückkehrenden  Vene.  Jede  fötale  Herzcoutraclion 
treibt  eine  Blutwelle  aus  der  Frucht  hinaus  und  wenn  nicht 
die  Nahelschnur  oder  die  Placentarzotlen  zerrissen  sind,  so 
muss  eine  ebenso  grosse  BJutwelle  durch  die  Nabel vene  wieder 
zurückkehren. 

Wenn  nun  die  Schwäche  dieser  Hypothese  anerkannt 
wird,  so  muss  zugegeben  werden,  *  dass  während  der  Geburt 
eine  geraume  Zeit  Henmmng  des  Placenlar Verkehrs  bestehen 
kann,  ohne  dass  diese  Uennnung  Atlimungsbewegungen  der 
Frucht  hervornifi,  und  ich  bin  der  Meinung,  dass  die  Fruchte 
sowohl  während  der  Geburt  als  auch  dicht  nach  derselben 
sich  gar  nicht  selten  in  einem  Zustande  befinden,  wo  die 
Oxygenisirung  ihres  Blutes  eine  gewisse  Zeit  hindurch  ganz 
unterbleibt,  wo  sie  also  weder  durch  die  Placenta  noch  durch 
die  Lungen  athmen,  und  dass  sie  diesen  Zustand,  wie  uns 
viele  Fälle  von  Scheintod  beweisen,  unbeschadet  ihrer  Gesund^  ' 
heit  eine  gewisse  Zeit  lang  ertragen  können. 

Wird  nun  zugegeben,  dass  Hemmung  des  Placentarver- 
kehrs  nicht  nothwendig  Athmung  hervorzurufen  braucht,  und 
dass  vorzeitiges  Athmen  auch  aus  irgend  einem  andern  Grunde 
z.  B.  durch  den  Zutritt  der  atmosphärischen  Luft  oder  durch 
mechanische  Reizung  entstehen  kann,  so  stellt  sich  uns  die 
Frage  auf,  ob  nicht  umgekehrt  eine  intrauterine  Athmung 
die  Ursache  abgeben  kann  für  eine  darauf  folgende  Unter- 
brechung des  Placentarverkehrs.  Denn  mit  der  beginnenden 
Athmung,  mit  der  Eröffnung  des 'kleinen  Kreislaufes,  mit  der 
Verschiebung  des  Botallischen  Ganges ,  mit  dem  Herabtreten 
des  Zwerchfells  und  der  Leber,  mit  der  Knickung  des  Ductus 
Arantii  sind  genug  Momente  gegeben,  welche  den  Placentar- 
verkehr  schwächen  und  unterbrechen  können.  Es  wird  sich 
also  immer  fragen  lassen ,  was  in  irgend  einem  gegebenen 
Falle  das  Primäre  und  Secundäre  gewesen,  ob  zuerst  Athmung 
stattgefunden  und  in  Folge  dessen  Unterbrechung  des  Pkcen* 


für  GebnrtshUlfe  in  Berlin.  333 

tarterkehrs  oder  umgekehrt.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
müssen  auch  die  Leichenöffnungen  der  durch  vorzeitiges  Ath- 
men  zu  Grunde  gegangenen  Rinder  betrachtet  werden.  Die 
Begnlnder  und  Vertheidiger  der  neuen  Hypothese  suchten  die 
Unterbrechung  des  Placentarverkehrs  in  den  Veränderungen 
des  Uterus,  der  Placenta  und  dann  iiur  noch  der  Nabel- 
schnur. Was  sie  an  der  Frucht  verändert  fanden,  deuteten 
sie  stets  als  Folge  der  Unterbrechung  des  Placentarverkehrs. 
Wenn  ich  aber  einen  geschlossenen  Blutkreislauf  habe ,  kann 
ich  mir  da  nicht  in  jedem  Punkte  des  Kreises  eine  Unter- 
brechung denken?  und  gehört  nicht  das  Gefässsystem  der 
Frucht  in  den  Ring,  innerhalb  dessen  der  Placentarverkehr  vor 
sich  geht,  mit  hinein?  Ich  meine  also,  es  läge  darin  nichts 
Unlogisches  noch  Unphysiologisches,  dass  das  Kind  aus  irgend 
einem  Grunde  vorzeitig  athme,  dass  dadurch  gewisse  anatomische 
Veränderungen  in  ihm  entstehen,  und  dass  hieraus  wieder 
eine  Unterbrechung  des  Placentarverkehrs  resultire. 


Betrachten  wir  nun  den  Fall  vom  practisch  ohstetri- 
cischen  Standpunkte  aus.  In  derBerliner  klinischen  Wochen- 
schrift  Jahrgang  I.  No.  9  befindet  sich  ein  Aufsatz  über  d:is 
Rindringen  von  Luft  in  die  Gebärmutter  im  Verlaufe  zögern- 
der Geburten  von  unserm  geehrten  Milgliede  Herrn  /.  Winkel,^ 
Der  Aufsatz  enthält  drei  klinische  Beobcichtungen  aus  der 
hiesigen  Universitäts  -  Entbindungsanstalt  mit  daran  sich 
schliessenden  Bemerkungen  unseres  verehrten  Vorsitzenden 
Hen*n  Martin,  Mit  Recht  wird  in  diesem  Aufsatze  hervor- 
gehoben, dass  dem  Eindringen  von  Luft  in  die  Geburtstheile 
von  den  neueren  Lehrbüchern  nicht  die  gebührende  Auf- 
merksamkeit geschenkt  wird.  Was  die  Folgen  anbetrifft,  so 
berühren  sie  sowohl  die  Mutter  als  die  Frucht.  —  Betreffs 
der  Mutter,  so  ist  es  leicht  ersichtlich,  dass  ein  Zersetzen 
der  Flüssigkeiten  in  den  Geburtstheilen  durch  den  Zutritt  der 
Luft  bewirkt  werden  kann,  dass  namentHch  bei  vorhandenen 
Verhetzungen  solche  zersetzte  organische  Substanz  Anlass 
zur  septischen  Infection  geben,  und  dass  endlich  durch  spätere 
Abschiiessung  das  Uterus  unter  zunehmender  Gasentwickelung 
Physometra    entstehen    kann.     Auf  diese  schädlichen  Polgen 


334  XXVI.    VerbandlnngeB  der  GesflllflchRft 

für  die  Mutter  hat  Herr  Prof.  MaHin  in  jenem  Au&atze 
liinroichend  nurmerksam  gemacht.  —  Betrefls  des  Kindes,  so 
bin  ich  der  Meinung,  dass  Luft,  welche  zur  Frucht  gelangt, 
dieselbe  zu  vorzeitiger  Athmung  reizen  kann.  Da  nun  aber 
die  Luft  weder  in  genügendem  Haasse  zugeführt  wird,  noch 
der  enge  Raum  des  Fruchthälters  ausreichende  Atbmuhgs- 
bewegungen  gestattet,  da  ferner  Zersetzungsgase  einen  sehr  un- 
gesunden Athmungsstoff  bieten  und  auch  durch  Aspiration 
von  nüssigen  Theilen  die  Luftwege  des  Kindes  verstopft  werden 
können,  und  da  ich  endlich  auch  die  Unterbrechung  des 
Placentarverkehrs  in  Folge  iler  voi*zeiligen  Atlimung  für  mög- 
lich halte,  so  erachte  ich  den  Lufteintritt  in  den  Geburls* 
kanal  während  der  Geburt  für  einen  der  Frucht  gefährlidteu 
Umstand,  welcher  wenn  die  oben  angeführte  Folge  auftritt, 
eine  Indication  zur  Geburtsbeschleunigung  abgiebt 

Betrachten  wir  endlich  den  Fall  noch  mit  Rücksicht 
auf  die  forensische  Medicin,  so  schliesst  er  sich  den  schon 
häufig  beobachtelen  Fällen  an.  Die  Blase  war  geplatzt,  es 
hatte  Kunsthülfo  slnttgefunden,  Luft  trat  ein,  das  Kind  ath- 
mete.  In  seiner  thalsachlichen  Entwickelung  ist  natürlich 
der  Fall  nicht  dazu  angelhan,  den  Gegenstand  einer  foren- 
sischen Untersuchung  abzugeben.  Aber  nehmen  wir  an,  er 
hätte  eine  heimlich  Gebärende  beti^offen  und  Kunstliulfe  hätte 
nicht  stattgefunden.  Um  dies  annehmen  zu  können,  liätien 
wir  uns  die  Frage  vorzulegen,  ob  es  möglich  sei,  dass  ein 
solcher  Fall  sich  überhaupt  ohne  Kunsthülfe  abwickele.  Ich 
nehme  keinen  Anstand  die  Frage  zu  bejahen.  Möglicli  war 
es,  dass  die  Wehenthätigkeit  von  selbst  wieder  erwachte, 
dass  der  Arm  sich  reponirte,  dass  der  Kopf  einträte  und  &ie 
Geburt  sich  natürlich  vollendete,  Fälle  der  Art,  dass  die 
Natur  falsche  Lagen  und  falsche  Haltungen  nach  abgestosse- 
nem  Fruchtwasser  noch  corrigire,  sind  zwar  s<5lten,  aber 
kommen  doch  vor.  Ob  das  Kind  hierbei  lebend,  sterliend 
oder  todl  geboren  wird,  hängt  von  den  verschiedensten  Zu- 
fälligkeiten ab.  Eine  andere  Frage  aber  wäre,  ob  auch 
ohne  Einführen  der  Hand  und  Zange  Luftzutritt  und  Athmung 
hätte  st;iltfinden  können.  Ich  meine,  dass  in  diesem  Falle 
die  Bedingungen  für  den  Luftzutritt  auch  ohne  Concurrenz 
der  Knnsthülfe  gegeben  waren.     Die  Blase  war  geplatzt,  dm' 


ffir  Gebnrtohülfe  in  Berlin.  335 

Uterus  schlaff,  der  Muttermund  offen,  der  Beckeneingang 
war  nicht  voUsländig  ausgefüllt,  ein  Arm  lag  vor,  der  Kopf 
<itam)  hoch,  die  Respirationsöffnungen  des  Kindes  waren  zu- 
gängig und  das  Scheidenrohr  schloss  endlich  durch  seine 
eigenthilniliche  Verunstaltung  durchaus  nicht  luftdicht.  Müssen 
wir  uns  also  die  vorgelegten  Fragen  bejahen,  müssen  wir  e^ 
für  nicht  unmöglich  erachten,  dass  bei  einer  heimlichen  Ge- 
burt Luftzutritt  und  vorzeitiges  Athmen  stattfinden  könne,  so 
ermahnt  uns  dies  wieder,  in  der  forensischen  Medicin  das  Zeichen 
des  Luftgehaltes  in  den  Alhmungswegen  einer  gestorbenen 
Frucht  nur  mit  strengster  Kritik  und  urfter  sorgfältigster  Ver- 
gleichung  des  ganzen  uhrigen  Sectionsbefundes  zu  ver- 
werthen. 

Herr  Böehr  entgegnet: 

Unser  geehrtes  Mitglied  Herr  Kristeller  hat  unter  Mit- 
theilung eines  sehr  genau  und  sorgfältig  beobachteten  Falles 
von  Vagilus  uterinus,  —  einer  Beobachtung  welche  den  streng- 
sten Anforderungen  wissenschaftlicher  Kritik  und  Glaub- 
,  Würdigkeit  durchaus  entspricht,  einen  wohlerwogenen  Angriff 
auf  die  Krahmer'sche,  Theorie  und  auf  die  auch  von  mir 
vertretenen  Ansichten  ül)er  die  Folgen  einer  Unterbrechung 
des  Placentarverkehrs  für  das  Kind  gerichtet.  Meinem  Dafür- 
halten nach  ist  die  in  der  Thatsachenfrage  auch  nicht  dem 
mindesten  Zweifel  unterworfene  Boobachtung  Kriatellera 
tlurchaus  nicht  im  Stande,  die  von  Krahmer,  Hecker ^  Schwarz^ 
und  mir  vertretenen  physiologischen  Anschauungen  umzustos- 
sen,  sondern  sie  lasst  sich  mit  ihnen  sehr  wohl  vereinigen. 
Wenn  gleich  Schwarz  in  seiner  Monographie  sich  über  das 
Thatsächliche  des  Vagitus  uterinus  etwas  zweifelhaft  ausspricht, 
so  habe  ich  doch  in  meiner  von  Kristeller  citirten  Schrift 
die  Bedingungen  für  das  Vorkommen  dieser  seltenen  Erschei- 
nung genau  ebenso  formulirt,  wie  sie  in  der  Kristeller^^^vhew 
Beobachtung  wirklich  sich  finden:  Abgeflossensein  der 
Fruchtwässer,  klaffende  Weite  der  Genitulien,  passende  f^age- 
rung  der  kindlichen  Bespirationsöffnungen,  Eingehen  mit  der 
Hand  und  mit  Instrumenten  zu  wiederholten  Malen.  Kristeller 
)»t  vor  dem  Eintritt  des  Vagilus  keinen  Umstand  bei  der 
iieburt  beobachtet,  welcher  als  eine  Unterbrechung  des  Pla- 
rentarkreislaufs  zu  deuten  wäre,  —  er  hat  bei  klaffendem 
Scheidenrohre  das  Kind   mit   der   Fland   und   mit  der  Zange 


336  XXVI.    Verhandlniigeii  der  Qeaellfchaft 

gereizt,  und  darauf  hat  es  jedesmal  geschrien,  (scilicet,  also 
geathmet).  Wenn  ich  ihm  also  auch  ohne  alles  Bedenken 
zugebe,  dass  unter  ganz  bestimmten  und  künstlichen  Aus- 
nahmebedingungen vorzeitige  Reizungen  des  kindlichen 
Organismus  das  Kind  in  solchem  Falle  zu  vx)r zeitigem  Ath- 
men  und  Schreien  bringen  können,  und  wirklich  bringen,  so 
scheint  mir  diese  Thatsacbe  doch  nicht  im  mindesten  dazu 
angelhan,  zu  beweisen,  dass  in  der  ungeheuren  Mehrzahl  aller 
übrigen  Fälle ,  in  denen  solche  exceptionelle  und  gewissermas- 
sen  experimentelle  Bedingungen  fehlen,  eine  .Unterbrechung 
des  Placentarkreislaufs  nicht  die  Ursache  der  vorzeitigen 
Alhemversucbe  des  Kindes  sei.  Die  KtaJimer'&che  Theorie 
hat  das  Merkmal  jeder  guten  physiologischen  Lehre,  eine  ganze 
Reihe  von  sonst  unerklärbaren  Thatsachen  und  Lebensvor- 
gängen in  einheitliche  Deutung  zu  bringen,  und  sie  verträgt 
sich  meiner  Ansiebt  nach  auch  mit  der  Thatsacbe,  dass  es 
einem  genauen  Beobachter  auf  experimentoliem  Wege  (sit  venia 
verbo)  durch  eine  andre  Ursache,  durch  vorzeitige  Reizungen 
gelingt,  dieselbe  Wirkung,  vorzeitiges  Athmen  hervorzubringen, 
und  so  Placenlarkreislauf  und  Lungeuathmung  unter  bestimm- 
ten artificiellen  Bedingungen  ausnahmsweise  nebeneinander 
zu  constatiren.  Die  Unterbrechung  des  kindlichen  Placentar- 
kreislaufs ist  bei  dieser  Geburt  erst  eingetreten,  als  KriHeUer 
nach  der  Wendung  bei  der  Lösung  der  Arme  Schwierigkeiten 
fand,  worüber  5  Minuten  vergingen,  das  Kind  wiederholt  zuckte, 
die  Nabelschnurpulsation  erlosch,  und  das  Geborne  asphyctlsch 
nur  mit  schwachen  Herzschlägen  erst  durch  wiederholte  Haut- 
reizungen zum  Athmen  gebracht  wurde.  Dass  die  ersten 
Athemzuge  des  wieder  zum  Leben  gebrachten  Kindes  ohne 
alle  Rasselgeräusche  einhergingen,  erscheint  nach  meinen 
Anschauungen  gleichfalls  sehr  wohl  erklärlich  —  die  Frucht- 
wässer waren  längst  abgeflossen,  das  vorher  schon  athmende 
und  schreiende  Kind  konnte,  als  es  bei  der  sich  verzögernden 
Lösung  der  Arme  in  asphyctische  Intoxication  gerieth,  daher 
keine  Flüssigkeit  aspiriren,  es  muss  mir  gestattet  sein,  den 
Zustand  des  Kindes  nach  meiner  Terminologie  als  begin- 
nende fötale  Erstickung  zu  bezeichnen,  aus  der  es  dun*.h  die 
Wiederbelebungsversuche  gereitet  wunle. 

Aber   Herr    KriatdUr   fuhrt  jedes  Moment  der  Skepsis 


rar  Gebnrtftliiilfe  in  Berlin.  3^7 

gegen  die  Krahmer'sche  Theorie  ins  Feld,  und  in  dem  Be- 
streben nach  wissenschafUicher  Ermittehmg  der  Wahrheit 
komme  ich  ihm  bereitwilligst  entgegen.  Ich  habe  ihm  bereits 
zugegeben,  dass  vorzeitige  Reize  unter  bestimmten  Bedin- 
gungen vorzeitiges  Athmen  gleichfalls  auslösen  können,  dass 
unter  solchen  Verhältnissen  Placentarkreislauf  und  Lungenath- 
mung  neben  einander  als  Ausnahme  constatirt  wurden,  ohne 
mich  durch  diese  Umstände  von  der  Falschheit  der  Krdh- 
m^'schen  Theorie  zu  überzeugen.  Ich  gebe  ihm  zu,  dass 
die  exceptionelle  (artificielle)  Coexistenz  von  Organen  und 
Functionen,  welche  in  der  Entwicklungsgeschichte  gewöhnlich 
sich  ablösen  (und  nach  Krahmer  in  Causalnexus,  und  phy- 
siologisch nothwendig  sich  ablösen  müssen)  nichts  Gezwun- 
genes hat,  aber  den  anderen  Momenten  der  Skepsis,  dass 
wirkliche  Hemmung  des  Placentarkreislaufs  nicht  immer  Ath- 
mung  hervorriefe,  dass  jede  Gehurt  das  Kind  in  Siickiingsnoth 
versetzen  müsste,  dass  die  vorzeitige  Athembewegungen  die 
Regel  sein  mnssten,  muss  ich  durchaus  entgegentreten. 

Sobald  man  überhaupt  zugiebt,  dass  während  der  Schwan- 
gerschaft die  Decarbonisirung  und  Oxygenisirung  des  Foelal- 
blutes  in  der  Placenta  slattimdet,  dass  der  Foetus  indirect 
mit  der  Mutter  ein-  und  ausathmet,  ist  es  ein  nothwendiger 
Schluss^  dass  jede  Unterbrechung  dieses  indirecten  Aufnahme- 
und  Abscheidungsprocesses  nothwendig  und  immer  eine 
Ueberladung  des  Foetalblutes  mit  Kohlensäure,  und  eine  Ver- 
armung desselben  an  SauerstoiT  zur  Folge  haben  muss.  Die 
Analogie  der  pathologischen  und  pathologisch -anatomischen 
Erscheinungen  des  asphyctischen  Foetus  mit  denen  des  ex- 
trauterin in  Athmungs-  und  Stickungsnoth  versetzten  Men- 
sdien  ist  ja  eben  die  Quelle  von  Krahmera  Theorie.  Nehmen 
wir  also  zunächst  nur  an,  dass  Hemmung  des  Gasaustausclies 
durch  mechanische  Unterbrechung  der  Blutcirculation  noth- 
wendig und  immer  den  von  Volkmahn  als  innere  Athemnoth 
deftnirten  Znstand  der  Organe  setzen  muss,  so  hat  die  von 
KristeUer  bezweifelte^  Auslösung  der  Respirationsbewegungen 
meiner  Ansicht  nach  auch  dann,  wenn  sie  sich  nicht  in  jedem 
Falle  beobachten  und  beweisen  lässt,  die  höchste  Wahrschein- 
lichkeit für  sich.  Einmal  spricht  dafür  die  directe  Beobachtung 
solcher  Respirationsl)ewegungen  der  Foetus  bei  Vivisectionen 

Uonat««ehr.  f.  Gehnrtsk.  1805.  Bd.  ZXV.,  Hft.  6.  22 


338  XXVI.    Verhandlnngen  der  GeBoIUchaft 

trächtiger  Tbiere,  die  directe  Beobachtung  des  Luftschnappens 
bei  lebend  ausgestossenen,  aber  noch  nicht  lebensfähigen  Ab- 
orten, die  Häufigkeit  mit  der  solche  Atliembewegungen  im 
Uterus  direct  gefühlt  sind,  wenn  wegen  Nabelschnurvorfall, 
oder  wegen  eines  andern  dem  Kindesleben  gefahrdrohenden 
Umstandes  die  Wendung  gemacht  wurde.  Herrn  KrtsteUery 
der  die  ^raA^n^r^sche  Theorie  anzweifelt,  kann  ich  allerdings 
nicht  die  Blutfiille  und  Schlagflüssigkeit  der  Respirationsorgane 
als  Resultate  der  Schröpfkopfwirkung  des  instinctiv  inspirt- 
renden  Thorax  zum  Beweismomente  der  dagewesenen  Re- 
spirationsbewegungen vorführen,  denn  dieser  Causalnexus  ist  ja 
eben  der  von  ihm  bestrittene  Punkt,  vielleicht  aber  wird  er 
mir  in  einer  teleologischen  Betrachtungsweise  folgen.  Der 
Bau  der  foelalen  Circulationsorgane  und  des  Respirationssys- 
tems ist  darauf  angelegt,  dass  beide  organischen  Systeme  mit 
wunderbarer  Praecision  und  Harmonie  in  einander  übergreifen, 
dass  der  Moment  des  Umwerfens  der  Blutbahn  aus  dem  foe- 
talen  Kreislauf  in  den  postfoetalen  des  extrauterin  lebenden 
Menschen,  ein  Moment  der  bezeichnet  ist  durch  Inhibition 
des  Stromes  aus  dem  Ductus  venosus  Arantii,  ein  Ablenken 
des  Hauptstromes  von  den  Arleriae  umbilicales,  eine  ausgie- 
bige Fällung  der  Pulmonararterienbahn,  ein  Ablenken  von  der 
Fenestra  ovalis,  dem  Ductus  arteriosus  Botalli,  dass  dieser 
teleologisch  im  anatomischen  Baue  aller  Organe  praeformirte 
AugenbUck,  den  wir  als  Beginn  des  selbstständigen  Lebens 
bezeichnen,  nothwendig  und  immer  einhergeht  mit  der  ersten 
Entfaltung  des  Respirationsapparates,  die  wiederum  nur  aus- 
gelöst werden  kann  durch  die  ersten  inspiratorischen  pum- 
penden Hebungen  des  Thorax.  Dieser  Weg  muss  nothwen- 
dig und  eo  ipso  beschritten  werden  unmittelbar  nach  der 
Geburt,  sobald  also  der  vicariirende  indirecte  placenlare  Gas- 
austausch sein  natürliches  Ende  erreicht,  ist  es  nun  so  ge- 
zwungen und  willkuhrlich,  anzunehmen,  da  alle  Organe  bereits 
auf  diesen  schnellen  Wechsel,  diesen  gewaltigen  Umschwung 
systematisch  praeformirt  sind,  dass  der  grosse  Moment  der 
Inspiration  bei  dem  sauerstofTt)edürfligen  Foetus  früher  ein- 
tritt, sobald  die  vicariirende  Foetalbahn  eine  Hemmung  und 
intensiv  das  Leben  bedrohende  Unterbrechung  erleidet?  Ich 
bestreite  also  Herrn  Kristeller  den  Satz,  dass  wirkliclw  Hem- 


für  GebnrtBholfe  in  Berlin.  339 

uiting  des  Placentarverkehrs  nicht  immer  Athembewegung 
bervorruft,  und  gebe  ihm  nur  zu,  dass  man  diese  Athembe- 
wegungen  nicht  immer  direct  beobachten,  oder  durch  das  Ge- 
fühl empirisch  diagnosliciren  kann,  sondern  sich  häufig  darauf 
beschränken  muss,  sie  durch  einen  Inductions-  und  Vermu- 
thungsschluss ,  —  den  Weg  den  Kr  ahmer  betreten  — 
immerhin  wie  ich  wohl  weiss,  kein  absoluter,  sondern  nur 
ein  hoher  Wahrscheinlichkeitsbeweis  —  der  aber  der  medi- 
cinischen  Logik  in  keiner  Weise  Gewalt  anthut,  —  ex  post 
tx  eflectibus  zu  erschliessen. 

Ueber  die  Zeildauer  der  Aufeinanderfolge  von  wirklicher 
Hemmung  des  Placentarverkehrs  und  dem  Eintritte  vorzeitiger 
Alliembewegungen  will  ich  nur  bemerken  und  Herrn  Krüteller 
concediren,  dass  diese  Zeitdauer  eine  verschiedene  sein  mag 
je  nach  dem  Grade  (einem  wissenschaftlich  ja  nicht  genau 
messbaren  Factor)  der  Hemmung,  und  je  nach  der  Duldung 
und  Reactionsfähigkeit  des  Organismus  gegen  Kohlensäureuber- 
ladung  des  Blutes,  zwei  Momente,  die  ebenfalls  nicht  wissen- 
schafllich  genau  und  gradatim  messbar  sind.  Aus  dieser 
Duldung  gegen  geringe  und  nicht  eclatant  das  Normalmass 
überschreitende  Störungen  des  Gasaustausches  mag  denn  auch 
die  Antwort  rosulliren,  wesshalb  nicht  jede  sturmische  Wehe, 
oder  jeder  Complex  von  heftigen  Treibwehen  gleich  vorzeitige 
Athmenbewegungen  auslöst. 

Den  Angriflen  Kristellers  gegen  Schwarz,  der  Polemik 
gegen  dessen  Hypothese ,  die  er  die  Achillesferse  desselben 
nennt,  kann  ich  daher  auch  iu'der  Hauptsache  nicht  beitre- 
ten. Ich  stimme  Kristeüer  zwar  zu,  wenn  er  nachweist, 
dass  Schwarz'  Deduction  von  einer  Beschleunigung  und  Ver- 
mehrung des  Rückstromes  in  der  Nabelvene  eine  nicht  zu  be- 
weisende physiologische  Hypothese  sei,  und  kann  mir  imv 
denken,  dass  das  Lumen  der  kindlichen  Capillarsrhiingen  in 
den  Placentazotten  sich  schlicssen  kann  unter  einem  über- 
mässig sich  steigernden  Druck  Verhältnisse  von  Seiten  des  sie 
umspülenden  mütterlichen  Blutes,  der  übermässig  gepressle 
Schwamm  drückt  die  Wandungen  seines  Balkengerüstes  zu- 
sammen, und  bewirkt  dadurch  eine  Hemmung  der  Foetalcir- 
culation  in  den  Capillaren  auf  der  Höhe  der  übermässigen 
Wehe,   —  im  übrigen   aber  finde  ich   in  der  citirlen  Stelle 

22* 


340  XXVI.    VerhandlaDgen  der  OeBellschaft 

von  Schwarz  so  viel  klarer  und  überzeugender  physiologi- 
scher Dialeclik,  dass  ich  sie  nicht  absprechend  als  ,, seh  wache 
Hyjiothese**  und  „Achillesferse^*  abgewiesen  sehen  möchte. 
Es  ist  doch  innmerhin  sauerstoffhaltiges  Multerbiut,  welches 
wenn  auch  während  der  Wehe  an  Ort  und  Stelle  fixirt,  die 
Placentazrotten  umspült,  und  mit  Nachlass  der  Wehen  sofort 
durch  neu  dahin  gelangendes  Arterienblut  des  Uterus  er- 
setzt wird.  Dies  erklärt  meiner  Ansicht  nach  hinlänglich, 
wesshaU)  nicht  jede  Geburt  das  Kind  in  Stickungsnoth  ver- 
setzt, und  der  dritte  Einwurf  Kristeller 8^  dass  die  vorzeitigen 
Athembewegungen  die  Regel  sein  mussten,  beantwortet  sich 
dadurch  von  selbst. 

Kristellers  theoretischer  Ausführung,  dass  das  Hem- 
mungsmoment des  foetalen  Kreislaufs  ebensogut  einmal  in  dem 
andern  bisher  wenig  berücksichtigten  Gliede  des  Kreislaufs- 
ringes, nämlich  im  Kinde  selbst  gesucht  werden  könne,  stimme 
ich  der  Theorie  nach  bei.  Hierin  ist  seine  Crilik  aber  mehr 
negativ  als  posiliv,  er  stellt  keine  positiven  Facta  zum  Belege 
dieser  theoretisrben  Möglichkeit  auf.  Er  nimmt  an,  dass  das 
Kind  ,;aus  irgend  einem  Grunde''  vorzeitig  athme,  dass  da- 
durch gewisse  anatomische  Veränderungen  in  ihm  entstehen, 
und  dass  hieraus  wieder  eine  Unterbrechung  des  Placentarver- 
kehrs  resultire.  Welches  sind  diese  „irgend  welche  Gründe?" 
Kristeller  führt  in  seinem  genau  beobachteten  Falle  von  Va- 
gitus  die  Reizungen  mit  Hand  und  Zange  und  Luftzutritt  an. 
Passen  diese  artificiellen  Bedingungen  für  das  ungeheure  Gros 
der  Fälle,  bei  dem  von  ihnen  gar  nicht  die  Rede  ist?  Stürzt 
also  die  Kr  ahmer' sehe  Theorie,  so  bleibt  KristeUer  die  Ant- 
wort schuldig,  welches  sonst  noch  „die  irgend  welchen  Gründe" 
seien,  aus  denen  das  Kind  in  der  ungeheuren  Mehrzahl  der 
Beobachtungen  vorzeitig  geathmot  hat.  Zur  Constatirung  der 
ungemeinen  Seltenheit  des  Vagitus  uterinus,  also  auch  seiner 
producirendon  und  concurrirenden  Bedingungen  erlaube  ich  mir 
gehorsamst  die  Frage  an  die  verehrte  Gesellschaft  für  Geburls- 
hülfe  zu  stellen,  wer  unter  den  hier  anwesenden  zahlreichen 
und  reich  erfahrenen  Geburtsltelfern  den  Vagilus  uterinus 
jemals  beobachtet  hat?  — 

Herr  C,  Mayer  erinnert  sich,  dass  vor  einigen  40  Jah- 
ren  diese    Erscheinung    zweimal    ihm   als    Assistent    an    der 


für  Qebnrtshülfe  in  Berlin.  341 

Siebolctsdtien  EDlbindutigsaiisLall ,  vor^ukomifieu  bei,  eiomal 
wäbreud  einer  Zangenoperalion  uuil  das  zweite  Mal  bei  einer 
Wendung;  äeildeui  habe  er  sie  nie  wieder  wabrgenoinnien. 

Herr  Martin  erklärt,  dass  ilini  dci*  Vagitus  ulerinus  noch 
niemals  zur  Beobaehtung  gekommen  sei. 

Herr  Guaserow  erzählt,  dass  Herr  S.  E.  Dr.  Winkel  in 
Gunnersbach  Vagitus  bei  einem  Falle  von  Gesichtslage  gehört 
habe. 

Boehr:  Wenn  somit  die  ungeheure  Seltenheit  dieser 
Erscheinung  wohl  über  allen  Zweifel  erhaben  ist  (und  wir 
Kristeller  daher  für  seine  exacte  Beobachtung  um  so  dank- 
barer sein  müssen)  —  so.  müssen,  da,  wie  ich  bereits  an 
andern  Orten  wiederholt  hervorgehoben  habe,  in  der  ganzen 
neueren  und  glaubenswürdigen  Literatur  nie  und  nirgends  ein 
Sectiousbefund  über  ein  todtgeborncs  Kind  mit  Vagitus  uie- 
rittus  vorliegt,  die  Schlüsse  füi^  diese  Erscheinung  auf  dem 
Gebiete  der  gerichtlichen  Medicin  mit  um  so  grösserer  Vor- 
sicht gezogen  werden.  So  lange  wir  überhaupt  noch  keine 
Sectionsbefuude  von  vorzeitig  schreienden,  und  dann  unter 
den  Augen  eines  Geburtshelfers  auf  natürliche  Weise  ohne 
Kunsthälfe  todtgebornen  Kindern  kennen,  so  lange  ist  jede 
Speculation  über  etwa  einmal  in  foro  zur  Sprache  kommende 
Fälle  von  Vagitus  und  heimlicher,  natürlicher  Todtgeburl 
eine  rein  theoretische  Möglichkeitenerwägung  ohne  allen  prak- 
tischen Anhalt,  und  die  Annahme  einer  Todtgeburt  mit  Lufl- 
gebalt  eine  aprioristische  Voraussetzung  ohne  jede  praktische 
fclrfabrung.  So  sehr  ich  mit  höchstem  Interesse  die  Mittheilung 
des  seltenen  und  zu  vielen  Erwägungen  Anlass  gebenden 
Falles  vernommen,  so  kann  ich  doch  KriBteUers  Abstrac- 
lionen  aus  demselben  für  die  gerichtliche  Medicin  nicht  bei- 
ätiromen.  Er  stellt  die  Hypothese  auf,  dass  dieser  Vagitus 
bei  einer  heimlich  Gebärenden  auch  ohne  Kunsthülfe,  ohne 
Zange  und  ohne  Manipulationen  hätte  eintreten  können  —  es 
lässt  sich  darüber  streiten,  ob  dies  der  Fall  gewesen  sein 
würde,  jedoch  die  Möglichkeit  zugegeben,  so  lässt  sich  dann 
mit  viel  grosserer  Wahrscheinlichkeit  die  Hypothese  dalün 
erweitern,  dass  dann  das  Kind  auch  wahrscheinlich,  wie  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  von  Vagitus,  lebend  geboren  sein  würde.  Unter 
den  11  Fällen  bei  !£u9i2;e  (der  Kindesmord)  sind  7  lebende  Kinder, 


342  XXVI.    Verhandlnngen  der  Gesellscbaft 

und  unter  den  4  Todlgeburten  3  Cephalotripsien  und  schwere 
Wendungen,  und  die  Seclionen  der  4  Todtgcburlen  fehlen  gänzUch. 

Wir  [iiüssen  daher  noch  heute,  und  so  lange  bis  neues 
und  thatsächliches  Beobachtungsinaterial  mit  Sectionen  vor- 
hegt,  in  der  forensischen  Verwerthung  des  Vagitus  im  wesentlichen 
bei  den  Grundsätzen  stehen  bleiben,  die  das  bekannte  Gutachten 
der  wissenschaftlichen  Deputation  vom  28.  Februar  1816  aufge- 
stellt hat,  welches  seine  Erwägung  in  forensischen  Fällen  nur 
dann  statuirt,  wenn  er  durch  Zeugenaussagen  belegt  werden  kann. 

Im  Uebrigen  kann  ich  nicht  umhin,  zum  Schluss  darauf 
aufmerksam  zu  macheu,  dass  alle  unsere  geburtshulUichen  Be- 
obachtungen und  Schlüsse  zu  ihrer  Verwertliung  auf  dem 
Gebiete  der  gerichtlichen  Medicin  noch  der  Controle  und 
Rectification  durch  reich  erfahrene  Gerichtsärzte  von  Fach 
bedürfen,  denn  in  foro  stellen  sich  die  Schlüsse  und  die  Be- 
weiskraft der  Thatsachen  anders,  als  bei  der  einfachen  ge- 
burtshülflichen  Beobachtung.  So  hat  mein  verehrter  Lehrer 
Casper  in  seinem  neusten  Werke,  den  „Klinischen  Novellen 
zur  gerichtlichen  Medicin**  bei  der  Lehre  vom  Ertrinkungs- 
tode (Seite  547 — 49)  nachgewiesen,  dass  die  von  mir  auf- 
gestellte Ansicht  von  der  absoluten  Beweiskraft  aspirirter  Flüs- 
sigkeiten Meconium  und  Fruchtwasser  in  den  Brondiien  als 
Residuen  verfrühter  Attjemversuche,  —  eine  Ansicht  die  bereits 
in  unserer  Gesellschaft  von  Kristeller,  wenn  gleich  aus  anderen 
Gesichtspunkten  bekämpft  wurde,  auf  forensischem  Gebiete 
,, leider  nicht  stichhaltig  sei/*  Der  Geburtshelfer,  der  die  Un- 
terbrechung des  Placentarkreislaufs  beobachtet,  der  da  weiss, 
dass  die  von  ihm  untersuchte  Kindesleiche  nirgend  anders 
mit  den  specifischen  Massen  in  Berührung  gekommen,  dar^ 
für  sein  Gebiet  den  Befund  in  den  Bronchien  als  durch  Ath- 
men  dahin  gelangt,  betrachten,  aber  für  den  Gerichtsarzt, 
dem  alle  diese  Thatsachen  unbekannt  sind,  würde  der  gleiche 
Schluss,  wie  Cafj^er  ausfuhrt  auf  einer  petitio  principii  beruhen. 
Ich  acceptire  also  dankbar  diese  Widerlegung  und  Rectifica- 
tion von  Seiten  meines  verewigten  Lehrers. 

Herr  Stubenrauch  berichtet  über)  eine  Zwillingsgeburt, 
bei  der  er  um  das  zweite  Kind  zu  fördern  die  Hand  einfüh- 
ren musste  und  hierbei  weder  fühlbare  noch  hörbare  Zeichen 
von  AthmuBg  wahrgenommen  habe. 


für  Gebortobälfe  in  Berlin.  343 

Herr  Gusserow  erwähnt  eipen  in  <l«r  Gaz(itte  des  höpi- 
taiix  (1864.  Nu.  113)  erzäliltea  Fall  von  Vagilus,  der  wäh- 
rend einer  Zangeuoperation  gehört  worden  ist. 

Der  Ansicht  KristellerX  dass  Liquor  amnii  in  den  Ath- 
mangsröhren  des  Kindes  nichts  Ungewöhnliches  sei,  und  dass 
die  Wehenthäligkeit  des  Uterus  den  Liquor  und  die  in  ihm 
suspendirteu  Dinge  also  auch  Meconium  in  die  Luftwege  des 
Kindes  hineintreiben  sollte,  könne  er  sich  nicht  anschliessen. 
Er  meine,  die  Luftwege  des  reifen  Foetus  hätten  noch  gar 
kein  offnes  Lumen  und  Liquor  amnii  mit  Meconium  etc.  könnte 
nur  durch  Aspiration  in  die  Luftwege  eintreten,  da  bei  stehender 
Blase  Kind  u.Fruchstwasser  immer  unter  gleichem  Drucke  stehen, 
also  Fruchtwasser  nicht  in  die  Bronchien  eyigepresst  werden  kann. 

Herr  Martin  verweist  betreffs  des  Lufleintrittes  in  den 
Uterus  auf  die  Berichte  von  Michaelü  und  CoUins  über 
Vagitus.  Aus  dem  Uterus  könne  die  Luft  in  die  Gelasse 
übertreten  und  dieser  Umstand  erzeuge  immer  eine  grosse 
Gefahr.  OUhausen  habe  neulich  einen  plötzlichen  Todes> 
fall  erlebt,  der  dadurch  entstanden  sei,  dass  in  Folge  der 
Uterus  -  Douche  Luft  in  die  Gefasse  eingetreten  sei.  Er 
selbst  habe  mehrere  derartige  Beobachtungen  sowohl  in  Jena 
als  hier  gemacht.  So  sei  vor  nicht  langer  Zeit  eine  Primi- 
para, nachdem  in  der  Stadt  von  -mehreren  Aerzten  bei  ihr 
vergebliche  Zangen-  und  Wendungsversuche  gemacht,  der 
Entbindungsanstalt  übergeben  worden,  an  welcher  durch  'Tas- 
tung und  Percussion  die  Physometra  sehr  deutlich  zu  erken- 
nen war.  Nachdem  der  Kranken  Ruhe  gegönnt  war  und  sie 
ein  Pulvis  Doweri  genommen  hatte,  befand  sie  sich  leidlich 
wohl.  Als  sie  sich  nun,  um  eine  Suppe  zn  gemessen,  aufge- 
setzt und  einige  Löffel  mit  Behagen  genommen  hatte,  schrie 
sie  plötzlich  auf,  bekam  Zuckungen  und  verstarb  in  kürzester 
Zeit.  'Es  wurde  die  Sectio  caesarea  gemacht.  Aus  dem  ge- 
öffneten Uterus  trat  ein  Strom  von  Luft  heraus.  Das  Kind 
war  todt  Dass  auch  Luft  in  die  Gefasse  eingetreten  war, 
konnte  man  aus  der  überaus  schnell  eintretenden  Fäulniss  der 
Leiche  erkennen.  Herr  Martin  verspricht  eine  ausführlichere 
Berichterstattung  über  diesen  Fall. 

Herr  Körte  sagt,  es   sei  zu  verwundern,  dass  bei  der 
Zugängigkeit  des  Gebmaskanales  während  der  Geburt  und  bei 


344  XXVI.    Verhandluiigeii  der  Gesellschaft 

der  Häufigkeit  von  Operationen  die  Zufälle  des  Lufteii^ittes 
nicht  öfter  vorkämen. 

Herr  Martin:  Lufleinthtt  in  den  Geburtskanal  möge 
häufig  genug  vorkommen,  eine  Gefahr  entwickele  sich  aber 
erst  danp  daraus,  wenn  Luft  in  die  Gefässe  übertrete.  Doch 
mögen  wotil  auch  viele  Formen  von  Wehenstörung  im  Luft* 
eintritte  ihren  Ursprung  nehmen. 


Sitzung  am  10.  Januar  1865. 

Herr  v.  Haselberg  berichtet  über  einen  Fall  von 
acuter  Leberatrophie  bei  einer  Schwangeren. 

Der  Fa]],  welchen  ich  mir  Ihnen  milzutheilen  erlaube, 
kam  im  Sommer  vorigen  Jahres  in  der  Entl)indungs-Anstalt 
zur  Beobachtung,  wo  die  Patientin  am  3.  Juli,  Mittags  12 
Uhr,  in  fast  gänzHch  bewustlosem  Zustande  aufgenommen 
wurde.  Leider  ist  der  Fall  nicht  mit  der  wünschenswerthen 
Genauigkeit  beobachtet,  aber  bei  dem  seltenen  Vorkom&ien 
der  Krankheit  bei  Schwangeren  nicht  ohne  Interesse. 

Die  nachträglich  eruirte  Anamnese  ergab  Folgendes: 
Die  Patientin  ist  39  Jahre  alt,  Köchin  in  einer  hiesigen  Restau- 
ration. So  lange  sie  in  ihrer  jetzigen  Stellung  im  Dienste 
gewesen  ist  (seit  einigen  Monaten) ,  ist  sie  immer  vöUig  ge- 
sund gewesen;  Ober  ihre  fillhere  Vergangenheit  wussten  die 
Betreffenden  Nichts,  als  dass  sie  vor  mehreren  Jahren  ein- 
mal entbunden  war.  Seit  einiger  Zeit  hatte  man  Anschwellung 
des  Leibes  an  ilir  bemerkt,  und  sie  wiederholt  auf  Gravidität 
angeredel.  Anfangs  hatte  sie  diesen  Zustand  in  Abrede  ge- 
stellt, später  jedoch  zugegeben, .  ohne  dass  diese  Entdeckung 
auf  ihre  immer  heitere  Gemüthsstimmung  irgend  einen  Ein- 
fluss  ausgeübt  hätte.  Auch  in  diesem  Zustande  befand  sie 
sich  bis  zum  28.  Juni  vollkommen  wohL  An  diesem  Tage 
bemerkte  man  zuerst  an  ihr  eine  leichte  icterische  Färbung, 
welche  allmälich  zunahm  und  sie  veranlasste,  auf  den  Rath 
irgend  emer  Frau  einen  von  dieser  verabfolgten  Thee  zu 
trinken.  Weitere  Störungen  des  Befindens  sollen  gänzlich 
gefehlt  haben,  vielmehr  that  Patientin  bis  zum  2.  Juli  (also 
4  Tage  nach  Ausbruch  der  Gelbsucht)  alle  ihre  Arbeit,,  und 
war  gerade  am  letzten  Tage,  einem  Sonnabend,  sdo*  ver- 


für  Gebnrtshiilfe  In  Berlin.  345 

gnögi  mit  den  übrigen  Mädchen  gewesen.  An  diesem  Tage 
haite^sich  jedoch  Blutbrechen  und  Nasenbluten  einge- 
stellt Ain  folgenden  Morgen  erschien  sie  nicht  zur  gewohn- 
ten Zeit,  und  als  man  sie  suchte,  fand  man  sie  in  halbfee- 
wustloseoi  Zustande,  unangekleidet,  mit  dem  Oberkörper  im 
Bette  liegend,  mit  den  Füssen  auf  der  Erde,  auf  dem  Fuss-* 
boden  einen  5  monatlichen  Fötus  zusammen  mit  seiner  Pia- 
Genta,  im  Bette  und  auf  dem  Boden  eine  ziendich  beträchtliche 
Meoge  Bhit.  Herr  Dr.  Wegscheider,  welcher  hinzugerufen 
wurde,  hatte  die  Gute,  die  Kranke  nach  der  Entbindungs- 
Anstalt  zu  dirigiren. 

Bei  ihrer  Ankunft  um  12  Uhr  Mittags  bot  sie  folgenden 
Status  praesens  dar. 

Patientin  liegt  zusammengesunken  und  kraftlos  im  Halb- 
scUommer,  mit  mattem  schlaffem  Gesichtsausdrucke,  die  Augen- 
lider geschlossen.  Angerufen  klagt  sie  über  Beängstigung^ 
Beklemmung  und  Kopfschmerz;  weitere  Angaben,  sind  nicht 
aus  ihr  herauszubringen.  Bisweilen  erwacht  sie  aus  dem 
Sopoi\  fragt  wie  lange  sie  noch  zu  leben  habe,  bittet  auch 
wälirend  der  Untersuchung,  sie  zu  schonen,  da  es  doch  bald 
mit  ihr  vorbei  sei.  Der  Puls  ist  klein,  und  zeigt  eine  Fre- 
quenz von  über  120  Schlägen. 

Die  Haut,  Conjunctiva  und  Zahnfleisch  sind  ziemlich 
intensiv  gelb  gefSrbt;  der  ganze  Körper,  besonders  die  Ex- 
tremitäten kühl.  Die  Zunge  ist  dick  grau  belegt;  Druck 
auf  die  Lebergegend  so  schmerzhaft,  dass  Patientin 
aus  dem  Schlafe  auffahrt  und  laut  ihren  Schmerz  äussert, 
während  der  ganze  Leib  gar  nicht  empfindlich  ist.  Der  fest 
coutrabirte  Uterus  steht  wenig  über  der  Symphyse.  Bei  der 
Percassion  des  Leibes  erscheint  der  tympanitische  Schall 
nur  durch  eine  sdimale  gedämpfte  Zone  von  dem  Lungenschall 
getrennt,  den  Rippenbogen  überragt  die  Leberdämpfung 
nirgends.  Im  Muttermunde  finden  sich  einige  kleine  Eihaut- 
fetzen,  welche  gleich  entfernt  werden.  Aus  der  Schamspalte 
fliesst  fortwährend  etwas  dünnflüssiges  Blut,  und  zwar  ist 
die  Quelle  dieser  Blutung  die  hintere  Scheidenwand.  Der 
w^ge  mit  dem  Katheter  entleerte  Urin  zeigte  bei  Zusatz 
von  Acid.  nitr.  sehr  deutlich  die  von  Gallenfarb^toff  herrühren- 
den Färbungen,  enthielt  aber  kein  Eiweiss. 


346  XXVI.     Verhandltingen  Aer  Gesellschaft 

Es  wurden  zunächst  wegen  der  Bkilung  kalte  iDJ^ctionen 
gemacht,  und  da  sie  immer  wiederkehrte,  die  Scheide  Jtam- 
ponirt.  Auf  den  Kopf  wurden  kalte,  auf  den  Unterleib  tem* 
perirte  Umschläge  gelegt. 

.Der  Coliapsus  nahm  schnell  zu,  das  Bewustsein  hörte 
völlig  auf,  und  2  Stunden  nach  ihrer  Aufnahme  starb  die 
Patientin. 

Bei  der  am  folgenden  Tage  gemachten  Section  zeigte 
sich  die  icterische  Färbung  über  den  ganzen  Körper  gleich- 
massig  verbreitet  Die  Lungen  in  den  unteren  Lappen  by- 
perämisch,  sonst  nonnal.  Das  Herz  blutleer,  die  Musculatur 
anscheinend  nicht  verändert.  (Die  mikroskopische  Unter- 
suchung ist  leider  versäumt).  Milz  gross,  schlalT,  stark  blut- 
haltig.  In  beiden  Nierenbecken  massig  grosse,  in  der  Rinden- 
und  Marksubstanz  mehrfache  kleine  Bkitextravasate.  Die 
Epithelien  der  Harnkanälchen  fettig  degenerirt.  Magen-  und 
Darmschleimhaut  blass,  sonst  nicht  verändert.  Im  Dickdarme 
sehr  wenig  belle  Paecalmassen.  Die  Leber  ist  klein,  wiegt 
kaum  2  Pfd.,  besonders  sind  der  Höhen-  und  Dickenduroh- 
messer,  weniger  der  Breitendurchmesser  verringert.  Sie  ist 
ausserordentlich  sq^laiT,  auf  der  glatten  Oberfläche  von  blass- 
gelber Farbe.  Die  Gallenblase  enthält  nur  wenig  blassgelfoe, 
stark  schleimhaltige  Galle.  Durchschnitte  der  Leber  zeigen 
ebenfalls  eine  sehr  gleichmässige  blassgelbe  Färbung  mit 
äusserst  kleinen  und  schwer  zu  erkennenden  Acinis. 

Die  Grösse  und  Beschaffenheit  dieser  letzteren  ist  in 
allen  Theilen  des  Organs  gleich.  Die  Gallenwege  sind  leer, 
die  Geßsse  auffallend  bhitarm. 

Die  mikroskopische  Untersuchung,  weiche  am  2;  Tage, 
bei  nicht  wahrnehmbarer  Fäulniss  von  Dr.  Klebs  unter- 
nommen wurde,  ergab  nirgends  deutlich  begrenzte  Leber- 
zellen, sondern  an  deren  Stelle  überall  eine  reichliche  Menge 
meist  sehr  feinkörnigen  Fettes,  das  die  ganze,  an  Bindege- 
webe reiche  Substanz  durchsetzte. 

Die  chemische  Untersuchung  ergab  reichliche  Mengen 
von  Leucin,  kein  Tyrosin. 

Der  Uterus  mit  seinen  Adnexis  bot  nichts  Ungewöhn- 
liches dar. 

Ich  bin  nicht  in  der  Lage,  der  MittheUung  dieses  einzel- 


rar  Gebnrtohülfe  in  Berlin.  347 

ii«n  Falles  neue  Reflexionen  folgen  zu  lassen;  nur  über  die 
Aeliplogie  desselben  möchte  ich  mir  eine  Bemerkung  erlauben. 
Bei  der  grossen  Uebereinsümmung  in  dem  Obductionsbefunde 
bei  acuter  Leberatrophie  und  bei  Pbosphorvergiftung  liegt  es 
nahe,  in  jedem  solchen  Falle  zu  veruiuthen,  dass  eine  Ver- 
giftung zum  Grunde  liege,  zumal  in  neuerer  Zeit  von  Wagner 
(Archiv  d.  Heilkunde  1862)  die  Ansicht  ausgesprochen  wurde, 
dass  mehrere  in  der  Neuzeit  beschriebene  eigenthuniliche 
Krankheitsfälle  auf  Phosphorvergiftmig  beruhen  möchten.  Hier 
giebt  nun  die  anatomische  Untersuchung  allein  gar  keinen 
Anhalt,  denn  alle  die  gefundenen  Erscheinungen,  der  Icterus, 
die  Blutextravasate,  die  Degeneration  von  Leber  und  Nieren« 
bei  Abwesenheit  irgend  welcher  Veränderungen  auf  der  Magen* 
und  Darmschleirahaut  kommen  beiden  Processen  gemeinsam 
zu«  Liebermeüter  fuhrt  in  seinen  Beiträgen  zur  pathologischen 
Anatomie  und  Klinik  der  Leberkrankheiten  an,  dass  sich  nach 
seinen  Zusammenstellungen  und  Untersuchungen  die  voll- 
•  kommene  histologische  Idenlität  der  Veränderangen  der  Leber 
bei  der  Phosphorvergiftung  und  der  primären  nicht  toxischen 
parenchymatösen  Degeneration  ergeben  hat.  Der  einzige 
Unterschied  ist  der,  dass  bei  Phosphorvergiftung  die  Leber 
nie  verkleinert,  kein  so  vollständiger  Zerfall  der  Leberzellen, 
und  nie  Leucm  und  Tyrosin  gefunden  sind.  Herr  Dr.  Klebs 
sprach  sich  zweifelhafl  darüber  aus:  es  fände  bei  der  Ein- 
wirkung von  Phosphor  zwar  eine  sehr  beträchtliche  Aufnahme, 
aber  meist  grosstropilgen  Fettes  in  die  Ijeberzelien,  und  auch ' 
wohl  Zerfall  derselben  statte  aber  keine  so  hochgradige  Zerstörung 
der  secretorischen  Substanz  und  Verkleinerung  des  ganzen  Or* 
gans.  AUa'dmgs  lasse  sich  nicht  ableugnen,  dass  beide  Processe 
eine  grosse  Uebereinstimmung  zeigten,  und  es  wäre  nicht  un- 
möglich, dass  der  vorliegende  Fall  einem  seltner  zur  Section 
kommenden,  ^pät(9*en  Stadium  der  Phosphorvergiltung  angehöre, 
wofür  ihm  noch  besonders  die  verschiedenen  Blutextravasate 
sprächen.  —  Ob  die  Magenschleimhaut  diejenige  Veränderung 
dargeboten  bat,  welche  Virchow  kurzlich  als  constant  hei 
Pbosphorvergiftung  beschrieben  und  als  Gastrodenitis  bezeich- 
net hat,  darauf  ist  damals  freilich  nicht  geachtet,  es  fiel  nur 
ihre  blasse  Farbe  bei  anscheinend  normaler  Beschallenheit  auf. 
Während  also  die  anatomiache  Untersuchung  bis  jetzt 


348  XXVI.    Verhandlungen  der  Gesellechaft 

den  Ursprung  nichl  entscheiden  kann,  iniiBerbia  aber  zugiebl, 
das8  das  Abweichende  in  diesem  Befunde  nur  durch  die  An- 
nahme eines  spateren  Stadiums  der  Krankheit  erklärt  werden 
könne,  glaube  ich,  dass  Anamnese  und  Verlauf  der  Krank- 
heit es  wahrscheinlich  machen,  dass  hier  keine  Pliosphor- 
vergiilung  angenommen  werden  kann.  Zunächst  ist  in  dep 
äusseren  Lebensverhältnissen  der  Patientin  durchaus  keine 
Veranlassung  zu  finden.  Sie  hatte  keine  Angehörigen  hier, 
machte  keii)  Ilehi  daraus,  dass  sie  schon  ein  Kind  .geboren 
hatte,  besass  etwas  Vermögen  und  brauchte  also  weder 
Schande  noch  Nahrungssorgeu  zu  furchten;  und  »ach 
dem  einstimmigen  Urtheil  der  Leute,  welche  sie  kannten, 
waren  ihrem  heiteren  Gemuthe  keine  Selbstmordsgedanken  zu- 
zutrauen. Auch  dem  Thee,  welchen  sie  getrunken  hat,  ist 
keine  Schuld  beizumessen,  da  der  Icterus  schon  vorher  be- 
stand. 

Der  Verlauf  der  Krankheit  war  allerdings  ein  sehr 
schneller.  Sie  war  im  Ganzen  6  Tage  krank,  und  davon  ö 
Tage  nur  ictei*isch,  ohne  sich  irgendwie  schlecht  dabei  zu  be- 
fmden;  die  schweren  Erscheinungen  haben  höchstens  12 
Stunden  gedauert,  bis  sie  zum  Tode  führten.  Aber  gerade 
bei  diesem  rapiden  Verlaufe  sollte  man  nicht  erwarten,  dass 
die  Zerstörungen  in  der  Leber  bereits  eineu  so  hohen  Grad 
hätten  erreichen  können;  wenigstens  ist  eine  so  bedeutende 
Verkleinerung  des  Organs  und  so  vollständiger  Zerfall  der 
Leberzeilen  bei  Vergiftung  nicht  beobaclitet,  während  doch 
viele  Fälle  bis  6  Tage  gedauert  hatten,  bevor  sie  mit  dem 
Tode  endeten. 

Wenn  diese  Annahme  richtig  ist,  dass  es  sich  um  eine 
primäre  nicht  toxische  parenchymatöse  Degeneration  der 
Leber  handelt,  so  spricht  auch  dieser  Fall,  durch  die  weite 
Verbreitung  der  Störungen  in  Leber,  Nieren  und  Geßiss- 
system  für  die  Ansicht  BuhVs,  welcher  auch  Bamberger 
jetzt  beigetreten  ist,  dass  der  Krankheit  nicht  eine  locale 
Affection  der  Leber,  als  vielmehr  eine  schwere  Allgemeiner- 
krankung zu  Grunde  liege. 

Herr  Hirsch  verweist  auf  einen  in  der  Wiener  Medici- 
nalhaUe  1864  No.  7  vom  Wundarzt  MaU  in  DeuUch- Wagram 
veröffentlichten  ganz  analogen  Fall. 


fBr  OeborUhaife  in  Berlin.  349 

Herr  Ulrich  fragt  an,  ob  man  die  Erkrankung  in 
diesen  und  äinlichen  Fällen  in  einen  ursächlichen  Zusammen- 
hang mit  der  Schwangerschaft  bringen  könne,  oder  ob  letalere 
nur  eine  zufallige  Complication  dabei  abgebe?  Er  selbst 
möchte  sich  für  die  letztere  Annahme  erklären,  da  der  Ver- 
lauf der  Krankheit  in  keiner  Weise  von  dem  bei  acuter 
Leberatrophie  häufig  beobachteten  abweiche,  (wie  ihn  z.  B.  noch 
ein  vor  Kurzem  im  St.  Hedwigs  Krankenhause  vorgekommener 
Fall  bei  einem  6  jährigen  Knaben  zeigte),  auch  nicht  abzu- 
sehen sei,  weshalb  bei  dem  so  ausserordentlich  seltenen  Vor- 
kommen der  genannten  Krankheit  in  der  Schwangerschaft 
gerade  in  dieser  ein  ätiologisches  Moment  gesucht  wei^den 
solle. 


Herr  Krtsteller  erzählt  einen  Fall  von  Placenta 
praevia. 

Frau  &  in  Berlin,  Primipara,  etwa  30  Jahre  all,  iiatte 
in  den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft  ab  und  zu  Ge- 
bärmutterblutungen. Der  Arzt  derselben  diagnosticirte  btn^eits 
8  Wochen  vor  der  Niederkunft  Placenta  praevia,  und  fand 
den  Kopf  nicht  vorliegend.  Bei  sorgsamer  Pflege  und  passen- 
den  Hedicamenten  wurden  die  Haemorrhagien  so  viel  wie 
möglich  zurückgehalten,  doch  traten  sie  gegen  Ende  der 
Schwangerschaft  einigemal  sehr  ernst  auf.  Am  18  Dec.  1864 
früh  3  Diu*  begann  die  Frau  zu  kreissen.  Auf  Wunsch  des 
bdian^leinden  Arztes  wurde  ich  um  7  Uhr  dazugerufen.  Die 
Frau  war  ziemlich  gut  bei  Kräften,  doch  sehr  unruhig.  Der 
Uterus  war  durch  die  Bauchdecken  als  ein  fester,  ovaler 
Körper  durchzufühlen.  Die  Kindesherztöne  waren  links  unten 
am  deutlichsten  zu  hören  und  an  Zahl  120  — 130  Mal  in 
der  Minute.  Das  Ostium  vaginae  war  eng,  der  Damm  straff  und 
unelastisch.  In  der  Scheide  lagen  grosse  Massen  geronnenen 
Blutes.  Der  äussere  Muttermund  stand  hinten  oben,  links, 
etwa  1"  geöflhet,  war  an  seinem  Rande  saitenartig  scharf, 
sehr  wenig  ausdehnbar  und  sehr  empfindlich.  Im  Mutter- 
monde war  jene  weiche  Masse  zu  fühlen,  welche  sich  als 
Placenta  praevia  zu  erkennen  giebt.  Die  Placenta  lag  nicht 
genau   central   vor,    sondern    reichte   etwa   noch   einen  Zoll 


350  XXVI.    Veriiandlangen  dar  GeMlUehaft 

weit  über  den  rechten  Rand  des  Muttermundes  hinfiber.  In- 
iiem  ich,  um  die  Piaceota  zu  umgehen,  den  Utenisbalii  mit 
dem  Finger  durchsuchte,  erkannte  ich,  dass  die  Piacenta 
mit  dem  untersten  Uterusabschnitte  nidit  verbunden  war,  son- 
dern sich  erst  etwa  in  der  Gegend  des  inneren  Muttermundes 
fest  inserirte.  Der  Gürtel,  der  zwischen  innerem  und  äusserem 
Mutte|munde  liegt,  war  dünn,  glatt  und  frei  zu  fohlen  und 
verhielt  sich  so,  als  wenn  die  Placenta  nicht  vorläge. 
Ich  glaube  dies  hervorheben  zu  müssen,  da  der  Mutterbals 
bei  Placenta  praevia  gewöhnlich  als  hypertrophisch,  dick 
und  aufgelockert  geschildert  wird,  während  ich  ihn  hier  so 
dünn  und  fest  fand,  wie  er  gewöhnlich  bei  älteren  Primi* 
paris  vorkommt.  Oberhalb  der  Placenta  i  war  der  Schädel 
zu  filhlen,  seine  besondere  Lage  war  nicht  zu  erkennen, 
doch  konnte  man  aus  der  äusseren  Untersuchung  auf  erste 
Schädellage  scliliesseri.  Der  Kopf  war  noch  nicht  in  das 
kleine  Becken  eingetreten.  Die  Wehen  traten  alle  zehn  Mi- 
nuten auf,  der  Uterus  zog  sich  gut  zusammen,  die  Er- 
weiterung des  Muttermundes  machte  aber  keinen  Fortschritt, 
und  ebensowenig  war  ein  Herabtreten  des  Kopfes  zu  be- 
merken. Um  die  hin  und  wieder  stärker  auftretende  Blutung 
zu  hemmen,  wurde  innerlich  Acid.  sulph.  mit  Tinct.  opii  und 
äusserlkh  ein  mit  Luft  gefüllter  Colpeurynter  angewandt. 
Um  1  Uhr  Mittag  hatte  die  Geburt  noch  keinen  besonderen 
Fortgang  genommen.  Die  Blutung  hatte  sich  zwar  sehr  ge- 
mässigt, aber  der  Muttermund  war  nur  ein  wenig  grösser 
geworden,  und  der  Kopf  noch  immer  nicht  ins  kleine  Becken 
eingeti^eten.  Dabei  war  die  Frau  sehr  unruhig,  klagte  über 
unerträgliche  Schmerzen,  wurde  heiss,  trank  viel  und  hastig, 
und  bekam  einen  harten  Puls,  der  auf  HO  stieg.  Unter 
diesen  Umständen  entschloss  ich  mich  zur  Incision  des 
Mutteimundes.  Ich  spaltete  den  Muttermund  nach  rechts 
hin  durch  drei  Einschnitte.  Die  Schnittwunden  bluteten  un- 
bedeulend,  dagegen  hatte  die  Operation  für  den  Mechanismus 
partus  den  besten  Erfolg.  Der  Muttermund  erweiterte  sich 
sofort  nach  der  Operation  auf  etwa  2^^^'*,  nach  einigen 
Wehen  trat  der  Kopf  in  das  kleine  Becken  ein,  die  Blase 
platzte,  es  ergoss  sich  wenig  Fruchtwasser,  die  PIncenIa 
blieb    an   der    linken   Seite   des  Uterus    haften,   die    Blutung 


für  GebnrUhfilfe  in  Beriin.  351 

zeigte  sieb  gar  niclH  mehr,  und  im  Laufe  einer  halben 
Stunde  war  der  Kopf  auf  dem  Beckenboden  angdangt  und  mit 
einem  kleinen  Abschnitte  zwischen  den  Schamlippen  zu  fühlen. 
Nun  aber  begannen  neue  Schwierigkeiten.  Der  feste,  un- 
elastische Damm  dehnte  sich  nicht  aus,  das  Ostium  vaginae 
blieb  ungetalir  2^'  weit  geöffnet  und  so  stand  die  Geburt 
etwa  anderthalb  Stunden.  Hierbei  litt  die  Frau  sehr  und 
klagte  namentlich  über  Schmerzen  im  After.  Der  Sphincter 
wurde  nämlich  in  diesem  Stadium  der  Geburt  auseinander 
gezerrt  imd  in  die  Länge  gezogen,  der  Damm  selbst  ver- 
breiterte sich  sehr  wenig,  und  indem  der  Kopf  durch  die 
Wehen  auf  den  Damm  getrieben  wurde,  und  weder  durch 
das  Ostium  vaginae  genügend  hindurcbtreten  noch  *  auch  die 
Dammmuskeln  genügend  ausdehnen  konnte,  bewirkte  er  jene 
Zerrung  des  Sphincter  ani,  so  dass  die  Schleimhaut  der 
vordem  Wand  des  Rectum  frei  zu  fühlen  war.  Jeden  Augen- 
blick stand  eine  Ruptura  perinaei  zu  furchten,  die  sich  unter 
diesen  Umständen  leicht  bis  ins  Rectum  hinein  erstrecken 
konnte.  Um  diese  grosse  Gefahr  zu  verhüten,  und  auch 
um  den  nun  zur  Unerlräglichkeit  gestiegenen  Leidenszustaiid 
der  Frau  zu  beendigen,  machte  ich  am  Perinaeum  die  analoge 
Operation,  die  ich  oben  am  Muttermunde  gemacht  habe.  Ich 
vollzog  an  der  rechten  Schamlippe  vier  und  an  der  linken, 
welche  mir  schwieriger  zugängig  war,  zwei  Querschnitte,  und 
bald  nach  der  Operation  rollte  der  Kopf  über  den  Damm. 
So  fest  war  der  vorhandene  Vorkopf  in  den  engen  straffen 
Scheidenmund  eingezwängt,  dass  ich  um  die  ersten  Schnitte 
zu  machen.  Mühe  halte  mit  dem  durch  den  Finger  cachirlen 
Messer  zwischen  Kopf  und  Scbamlippe  'einzudringen ,  und 
dass  nach  der  Geburt  die  Kopfgeschwulst  durch  eine  scharfe 
Marke  von  dem  übrigen  Schädel  abgegrenzt  war.  Nach  ge- 
bornem  Kopfe  zeigte  sich  die  Nabelschnur  zweimal  um  den 
Hals  geschlungen,  war  nach  keiner  Seite  zu  lockern  und 
musste  durchschnitten  werden.  Die  weitere  Entwickehing 
des  Kindes  gelang  sehr  schnell,  das  Kind,  ein  Mädchen,  fing 
sofort  nach  der  Gebut  an  zu  schreien,  und  die  Athmung 
kam  ohne  auffallende  Rasselgeräusche  in  guten  Gang.  Nach 
der  Geburt  des  Kindes  ging  ich  an  die  Lösung  der  Nach- 
geburt.    Ich    bemühte    mich    etwa    8    Minuten    lang    nach 


362  XXVI.    Verhandlmigeii  der  Gesellschaft 

CVedAcher  Methode  die  Placenta  herauszudrücken  und  den 
Uterus  zu  verkleinern,  doch  ohne  Erfolg.  Bei  der  starken 
Blutung  indess  und  bei  der  durch  die  langdauernde  und 
schwierige  Enthindung  bedingten  Schwäche  der  Frau  zögerte 
ich  nun  nicht  länger,  sondern  ging  mit  der  Hand  in  den 
Uterus,  fand  denselben  mit  geronnenem  Blute  erfüllt  und  die 
Placenta  mit  der  linken  Seite  des  Uterus  verwachsen,  so 
dass  ich  sie  künstUch  abtrennen  musste. 

Nach  herausgenommener  Plaoenta  zog  sich  der  Uterus 
gut  zusammen  und  die  Blutung  stand  still.  Die  Coagula  in 
den  Genitalien  und  zwischen  den  Schenkeln  der  Frau  mögen 
wohl  an  3  Pfd.  betragen  haben.  Die  Schnittwunden  des 
Muttermundes  und  der  Schamlippen  hatten  sich  sehr  ver- 
kleinert. Ich  beobachtete  die  Frau  noch  eine  Stunde,  gab 
ihr  etwa  eine  halbe  Flasche  Rothwein  zu  trinken,  der  Puls 
hob  sich,  es  bracb  ein  guter  Seh  weiss  aus,  Schlaf  stellte 
sich  ein,  und  es  trat  weiter  keine  Blutung  auf. 

Die  ersten  fünf  Tage  des  Wochenbettes  hatte  die  Frau 
einen  (ieberhaflen  Puls,  schlief  und  schwitzte  dabei  aber 
sehr  viel.  Am  sechsten  Tage  war  die  Frau  fieberfrei  und 
erholte  sieh  von  da  ab  unter  passender  Ernährung  ziemlich 
schnell.  « 

Heute,  mehr  als  3  Wochen  nacli  der  Entbindung,  ist  die 
Frau  ganz  wohl  auf  und  säugt  ihr  Kind,  welches  vortrelfich 
gedeiht. 

Herr  0.  Mayer  findet  es  nicht  gerechtfertigt,  dass  Herr 
Kristeüer  sich  sofort  nach  der  Entbindung  an  die  Herausbeför- 
derung der  Placenta  gemacht  habe  und  nach  5  Minuten  langer 
fruchtloser  Cr ed(f scher  Manipulation  sogleich  zur  operativem 
T.ösung  übergegangen  sei.  Nur  die  dringendste  Lebensgefahr 
rechtfertige  einen  solchen  Eingriff,  denn  er  könne  nicht  oft 
genug  wiederholen,  wie  die  Folgen  künstlicher  Placentalösungen 
häufig  sich  durchs  ganze  Leben  bemerkbar  machten. 

Herr  Wegscheider  erwähnt,  dass  er  kürzlich  in  der 
Nacht  von  einem  Collegen  zu  Hülfe  gerufen,  um  die  Lösung 
einer  Placenta  vorzunehmen,  bei  seiner  Ankunft  2  Stunden  nach ' 
der  Entbindung  dieselbe  bereits  in  der  Scheide  vorgefunden 
habe.  Er  sei  früher  ein  Anhänger  der  activen  Methode  ge- 
wesen, durcJi  C.  Mayer  aber  zur  abwartenden  bekehrt,  könne 


für  Gebnrtohtilfe  In  Berlin.  353 

er  nar  eiiigesleben  dass  er  nie  Gruud  gehellt  habe,  die  Be- 
folgung dieser  Grundsätze  zu  bereuen. 

Herr  KrigteUer  giebt  diese  Einwendungen  im  AUgemeiDen 
zu,  erklärt  aber,  dass  er  in  dem  vorher  erwähnten  Falle 
habe  operiren  müssen,  da  eine  lebensgefährliche  Blutung  ei»* 
getreten  sei. 

Uebrigens  seien  Gewebserkrankungen  der  Gebärmutter 
nach  Placenta  praevia  doch  nicht  lediglich  einem  operativen 
Verfahren  zuzuschi*eiben.  Die  ganze  Auflockerung  der  Vagi- 
nalportion, die  ungleiche  Rückbildung  des  Fundus  und  des 
aufgelockerten  Cornu  uteri  beding«  schon  an  und  für  sich 
Störungen  des  Gleichgewichtes  in  der  Gebärmutter  auch  ohne 
spedelle  Reizung  durch  Manipulationen. 


Sitzung  am  24.  Januar  1865. 

Tagesordnung:     Innere  Angelegenheiten. 

Da   keine  Statutenänderung   beantragt  ist,   so   geht  der 
Vorsitzende  zur  Wahl  neuer  Mitglieder  Ober: 
Es  werden  aufgenommen 
als  ausserordentliche 

Herr  Prof.  Dr.  Hirsch  in  Berün.  « 

Herr  Dr.  Klebs  in  Berlin. 

als   auswärtige 

Herr  Prof.  Dr.  Hermann  in  Bern. 

Herr  Dr.  EasÜake  in  London. 

Herr  Dr.  Robert  Barnes  in  London. 

Herr  Dr.  Edw.   Will.  Murphy  in  London. 

Herr  Prof.  Dr.  Leishman  in  Glasgow. 

H^rr  Prof.  Dr.  Simon  Thomas  in  Leyden,  / 

Herr  Prof.  Dr.  Aloys   Valenta  in  Laibach, 
als  ordentliche 

Herr.  Dr.  Schwahn. 

Herr.  Dr.  Zober. 

Herr.  Dr.  Bömer. 

Herr.  Dr.  Ebell 

Bevor  zur  Neuwahl  der  Beamten  geschritten  wird,  er- 
bittet sich  Herr  Kauffmann  das  Wort. 

Monatofekr.  f.  Gebnrtok.  1M6.  Bd.  XXV.,  Hft.  5.  28 


354  XXVI.    Verhandlungen  der  tieMlLBchaft 

Er  daiilil  der  Geseilschafl  für  das  ihm  bibiier  unverroin^ 
dert  bewiesene  Verlrauen,  bittet  aber  bei  der  Neuwahl  eines 
Secretairs  einen  Andern  zu  diesem  Amte  zu  ernennen,  da  er 
wegen  Ueberhäufung  mit  anderweitigen  BerufsgescbäIXen  nicht 
mehr  im  Stande  sei,  die  Secretariatsgeschäfle  mit  genügender 
Sorgfalt  zu  verwalten. 

Man  schreitet  demnjichst  zur  Wahl. 
Es  wurden  gewählt: 

Herr  0.  Mayer  als  Präsident 

Herr  Martin  als  Vicepräsidenl. 

Herr  Gusaerow  als  JSecretair. 

Herr  Kruteller  als  Vicesecretair. 

Herr  L.  Mayer  als  Kasseufuhrer. 

Sämmtliche  Gewählte   erklärten  die  Wahl  anzunehmen. 


Sitzung  vom  28.  Februar  1865. 

Der  Präsident  zeigt  nach  Eröflnung  der  Silzung  den  Tod 
des  langjährigen  auswärtigen  Mitgliedes  Herrn  ßetschler  zu 
Breslau  an  und  knüpft  daran  einige  Worte  ehrender  Aner- 
kennung der  langjährigen  Thätigkeit  des  Verstorbenen.  Die 
Gesellschaft  erhob  sich  als  Zeichen  ehrenden  Gedächtnisses 
für  den*Todten  von  ihren  Sitzen. 

Herr  Klebs  legt 

Ein  Präparat  von  Mastdarmscheidenfistel, 
mit  Zerstörung  der  äussern  Genitalien  durch 
einfache  nekrotisirende  Geschwüre  bedingt, 
vor. 

Das  betreffende  Präparat  rüfart  von  einer  auf  der  gynä- 
kologischen Abtheilung  des  Herrn  Martin  verstorbenen  Per- 
son her  und  bestand  aus  dem  gesammten  Inhalt  des  kleinen 
Beckens  nebst  den  äussern  Genitalien.  Von  diesen  letztern 
befanden  sich  nur  geringe  Reste  der  kleinen  Schamlippen  in 
der  Nähe  der  Clitoris  in  normalem  Zustande;  ihre  nächste 
Umgebung,  die  vordere  Vaginalwand,  war  intensiv  geröthet 
und  diese  Stelle  war  die  einzige,  wo  die  normale  Schleim- 
haut noch  vorhanden  war.  Die  übrige  Scheide  war  gänzlich 
untergegangen  in  knollige,  eigenthümlich  gelblich  gefärbte 
Massen,  die  durch  andere  Steilen  von  schmutzig  grauer  Farbe 


für  Oebnrtsbülfe  in  Berlin.  355 

in  einzelne  Pai*tieen  getrennt  waren.  Das  Ganze  bot  auf  den 
ersten  Anblick  das  Bild  einer  Carcinoma  tosen  Erkrankung 
der  Genitalien  dar,  doch  bei  genauerer  Betrachtung  ergab 
sich,  dass  es  sich  hier  um  eine  einfache  Nekrotiäirung  des 
normalen  Fettgewebes  handelte.  Jeder  der  einzelnen  oben 
erwähnten  gelblichen  Buckel  gehört  einer  Fetttraube  an,  wäh- 
rend das  dazwischen  liegende  Gewebe  nekrotisirt  ist.  Die 
mikroskopische  Untersuchung  ergiebt  zahlreiche  mit  Fett  ge- 
fnllte  Zellen,  bei  einigen  von  ihnen  ist  der  Fettinhalt  kry- 
stalliniscb,  dazwischen  Detritus  und  keine  Spuren  von  Wu- 
cherungszellen.  Durch  diesen  Nekrotisirungsprozess  ist  die 
ganze  hintere  Scheiden-  und  vordere  Mastdarmwand  voll- 
ständig zerstört.  In  die  so  entstandene  Höhle  ragt  die,  mit 
flachen  Erosionen  der  Muttermundslippen  besetzte  Yaginal- 
portion  tief  hinein.  Der  ganze  Uterus  ist  mit  der  Harnblase 
sehr  tief  heruntergetreten  und  zeigt  keine  anderen  Yerände- 
rungep,  als  die  bei  Prolapsus  gewöhnliche  langgezogene  Form 
der  Vaginalportion.  Die  sehr  bedeutende  Senkung  des  Uterus 
und  nach  hinten  gerichtete  Lagerung  seines  Fundus  ist  in 
diesem  Falle  entschieden  bedingt  durch  die  vollständige  Zer> 
Störung  der  hintern  Scheidenwaiid ,  und  so  beweist  dieser 
Fall  wiederum,  dass  die  wichtigste  Fixining  des  Uterus  durch 
diese  Scheidenwand  gebildet  wird,  während  die  Ligamenta 
lata,  wie  auch  in  diesem  Falle,  leicht  nachgeben. 

Was  die  Entstehung  dieser  .nekrotischen  Zustände  mit 
Abwesenheit  aller  Regeneration  anlangt,  so  fehlen«  in  diesem 
Falle  alle  Anhaltspunkte  für  eine  Erklärung.  Man  könnte  an 
eine  syphilitische  Erkrankung  oder  eine  mechanische  Ver- 
letzung als  den  Ausgangspunkt  denken;  für  die  erstere  Mög- 
lichkeit könnte  der  Befund  an  den  Nieren  sprechen,  deren 
Oberflächen  leicht  vertiefte  narbige  Züge  zeigten,  wie  man  sie 
bei  Syphilis  findet,  dagegen  waren  Leber,  Knocbeir  etc.  ganz 
frei  von  den  Veränderungen  bei  einer  derartigen  Erkrankung. 
Zu  bemerken  dörüe  nodh  die  hochgradige  Kachexie  sein,  die 
der  Leichnam  der  24  Jahre  alten  Person  zeigte.  Ferner  fan- 
den sich  am  rechten  Arme  einige  oberflächliche  nekrotische 
Geschwüre. 

Herr  L.  Mayer  bemerkt  hierzu,  dass  er  seil  Kurzem 
eine  Frau  behandele,  bei  der  ihm  ein  ähnliches  Leiden,  wenn 

23  • 


356  XXVI.    Verhandlungen  der  GeselUchafl 

auch  bei  Weitem  nicht  in  diesem  ausgi^dehnteii  Grade  vor- 
zuliegen sdieine.  Dieselbe  sei  29  Jahre  alt,  sehr  berunter- 
gekommeo,  seit  27«  Jahren  vcrheiratliet,  habe  vor  l^'«  ^^^ 
reo  geborto,  klage  seit  1  Jahr  über  Schmerzen  im  Leibe 
und  den  Genitalien,  über  Tenesmus  und  Stranguric.  Starke 
Leucorrhoe  bestehe  schon  seit  den  Mädchenjahren,  Coitus 
verursache  seit  geraumer  Zeit  Schmerzen.  Es  habe  sich  bei 
der  Untersuchung  ein  tief  gehender  Substanzverlust  an  der 
hintern  Commissur  gefunden,  in  Form  einer  sich  von  Aussen 
nach  Hinten  in  das  Perhiaeum  gegen  das  Rectum  erstrecken- 
den über  walhiussgrossen  Höhle;  die  Oberfläche  derselben 
habe  ein  geschwüriges  Aussehen  von  rother  Färbung  gehabt, 
sei  leicht  zottig  gewesen,  ähnlich  dem  vorliegenden  Präpa- 
rate, aber  nicht  nekrotisireud ,  und  secernire  eine  massige 
seröseitrige  Flüssigkeit.  Wiewohl  aus  der  Anamnese  sich 
für  eine  syphilitische  Basis  keine '  Anhaltspunkte  ergeben 
hätten,  auch  gegenwärtig  keine  weiteren  Symptome  von  Lues 
vorlägen,  denn  unbedeutende  Schwellung  der  Inguinaldrusen 
würde  man  der  entzündlichen  Reizung  zuschreiben  müssen, 
so  habe  er  dessenungeachtet  eine  nominelle  Behandlung  ein- 
geleitet, local  die  Geschwürsfläche  mit  Liquor  Hydrargyr. 
nitric.  behandelt,  innerlich  Sublimat  gegeben. 

Herr  L.  Mayer  verliest  folgenden  Fall  von 
Placenta  praevia. 

Die  32  Jahre  alte  Zjmmermeistersfrau  E.  entstammte 
einer  gesunden  Familie  und  erfireute  sich  bis  zu  ihrem  15. 
Jahre  einer  blühenden  Gesundheit  In  diesem  Jahre  stelken 
sich  chlorotische  Erscheinungen  bei  ihr  eiji,  die  bis  zum  19. 
Jahre  fortdauerten,  während  die  Menses  im  18.  Jahre  un- 
regelmässig,  spärlich  und  stets  von  Schmerzen  im  Os  sacnim 
und  Hypochondrium  begleitet,  eintraten.  Vom  19.  bis  24. 
Jahre  war  sie  wieder  völlig  gesund.  Im  24.  Jahre  fanden 
sich  Husten  mit  Brustbeklemmungen,  copiösem  Auswurfe,  hau* 
figem .starken  Nasenbluten  und  öttefem  Blutspeien,  welches 
sich  auch  in  den  späteren  Jahren,  zuletzt  vor  16  Monaten 
wiederholte,  ein,  während  Nasenbluten  bis  in  die  jüngste  Zeit 
nicht  selten  auftrat  Scheinbar  nach  heftiger  Gemütbsbe- 
wegung  wurde  Frau  E.  in  jeuer  Zeit  zuerst  von  einer  eigeu- 
thümlichen  Motilitätsneurose  befallen,  auf  die  ich  bei  anderer 


fQr  Gelmrtshttlfe  in  Berlin.  367 

Gekgenbeit  austubriicli  zurück  zu  komnien  gedenke.  Es 
mag  hier  die  Millheiluug  gendgen,  dass  dieselbe  von  dieser 
Zeit  an  in  Form  längerer  oder  kürzerer  Anfälle  periodisch 
häufiger  oder  seltener  auftrat  und  meiner  Meinung  nach  am 
liassendsten  als  Reflex lä hm  ung  zu  bezeichnen  sein  möchle. 
Ein  halbes  Jahr  nach  dem  ersten  Auftreten  dieser  Neurose  ver- 
heiralhete  sich  Frau  E,  Drei  Monate  später  abortirte  sie 
ohne  angebbare  Ursache,  gebar  darauf  im  Ganzen  6  lebende 
Kinder«  darunter  einmal  Zwillinge.  Betreffs  der  drei  ersten 
Geburten,  Schwangerschaften  und  Wochenbeilen  ist  nichts 
Besonderes  zu  bemerken.  Dagegen  *fanden  sich  in  der  vor- 
letzten Gravidität  vor  Vl^  Jahren,  elwa  in  der  Mitte  derselben, 
Schmerzen  im  Rückgrathe,  besonders  in  dem  uniern  Driltel, 
weidie  von  liier  über  die  linke  Hüfte  in  das  Hypogastrium 
ausstrahlten,  mit  parelhisdien  Erscheinungen  im  linken  Schen- 
kt*! umhergingen  und  für  Rheumalisnms  gi-hall«*!)  wurden. 
Sie  schwanden  zwar  nach  der  Gehurl  auf  einige  Zeit,  kehrten 
ahm-  bald  wieder,  um  danach  forldauernd  in  mehr  oder  we- 
niger heftigem  Grade  zu  beslehen.  Fünf  Wochen  nach  dieser 
Geburt  stellten  sich  die  Menses  ausserordentUch  profus  ein 
und  blieben  seitdem  immer  auflallend  stark.  Zu  bemerken  ist 
noch  dass  Frau  E,  nie  nährte. 

Ende  April  v.  J.  wurde  sie  zum  sechsten  Male  Gravida. 
Die  Menstruation  trat  in  den  ersten  beiden  Schwangerschafls- 
numaten  wie  gewohnlich  ein,  vom  di*itten  an  blieb  sie  aus. 
Es  fanden  sich  aber  von  diesem  Zeitpunkte  an  bis  zu  Ende 
der  Schwangerschaft  gesteigerte  Schmerzen  im  Rücken  und 
im  Hypogastrium,  verbunden  mit  Tenesmus  und  Slranguiie. 
Jm  fünften  Monate  überraschte  sie  eine  heftige  vierzehn  Tage 
dauernde  Blutung,  ebenso  im  folgenden  Monate  eine  vierund- 
zwanzig Stunden  währende  sehr  profuse  Metrorrhagie.  Bei 
dieser  letzteren  konnte  als  nrsächliclies  Moment  körperliche 
Anstrengung  und  Gemülhsbewegung  durch  Krankheit  und  Tod 
eines  Kindes  angeführt  werden.  Desgleichen  blutete  die  Frau, 
als  sie  das  Unglück  hatte,  zwei  Monate  später,  also  im  achten 
Schwangerschaflsmonate,  ein  zweites  Kind  zu  verlieren,  wie- 
derum acht  Tage  hindurch  stark. 

Diesmal  wurde  Frau  E,  mehr  als  durch  die  ersten 
beiden  Metrorrhagien  angegriflen,  es  stellten  sich  Schwindel, 


358  XXVI.    Verbandlungen  der  Gesellschaft 

Uebelkeilen,  liäuliges  Erbrechen,  ausserdem  von  dieser  Zeit 
an  fast  allabendlich  von  6 — 1  Uhr  Fieberbewegungen,  Frost, 
Hitze,  Durst,  Kopfschmerzen  ein,  die  sie  während  der  beiden 
letzten  Monate  nicht  meljr  verliessen.  Bis  zum  Beginne  der 
Geburtsliiätigkeit  am  30.  Januar  a.  c.  blutete  Frau  E.  Aus- 
gangs des  achten  Monats  zum  vierten  Male  unbedeutend,  da- 
gegen sehr  profus  vierzehn  Tage  vor  der  Geburt  einen  halben 
Tag,  und  endlich  zum  sechsten  Male  zwölf  Tage  später  nur 
eine  halbe  Stunde  aber  sehr  heftig.  Ursachen  für  diese  letzten 
drei  Metrorrhagien  sind  nicht  anzugeben  gewesen. 

Am  30.  Januar  a.  *c.  Mittags  sah  ich  Frau  E,  zum 
ersten  Male.  Ich  fand  sie  im  Bette  liegend,  zwar  bleich, 
mit  anämischen  Lippen,  Zunge  und  Conjunctivae,  aber  keines- 
weges  auffallend  entkräftet.  Sie  beklagte  sich  am  meisten 
über  das  Gebot  ihres  Hausarztes,  das  Bett  nicht  zu  verlassen, 
da  sie  ja  nur  ab  und  zu  ein  eigenes  Ziehen  im  Leibe  mit 
Drang  zum  Uriniren  verspüi*e,  sich  übrigens  ganz  wohl  fühle. 
Der  Puls  war  in  Anbetracht  der  vorausgegangenen  starken 
Bhilungen  kräftig  zu  nennen  96  bis  100.  Die  Untersuchung 
ergab  Herz  und  Lungen  gesund.  Nonnengeräuscb.  Der  l^ib 
sehr  ausgedehnt;  beim  Drucke  empfmdlich.  Gebärmuttergrnnd 
bis  an  die  Bippenbo«,MMi  reichend.  Kindskopf  in  der  linken 
Seite,  in  der  rechten  kleine  Theile.  Folaipuls  unterhalb  des 
Nabels  deutlich.  Bei  der  inneren  Untersuchung  fand  sich 
Folgendes:  Vulva  und  Vagina  waren  schmerzhaft,  ebenso  das 
untere  Uterinsegment.  Die  Vaginalportion  stand  nach  hinten. 
Beide  Muttermuiidslippeu  hingen  schlaff,  nicht  verdickt,  etwa 
einen  Zoll  lang  herab.  Das  Orificium  war  etwa  thalergross 
geöffnet.  Der  untere  Abschnitt  des  Uterus  lag,  prall  und  fesli 
auf  dem  Beckeneingange,  comprimirte  die  Blase,  wie  der 
Katheter  ergab  und  war  beim  Drucke  überall  empfindlich. 
KindesLlieile  konnten  nicht  durchgefühlt  werden.  Von  dem 
Orificium  externuni  aus  gelangte  der  untersuchende  Finger 
in  ein  nach  oben  sich  trichterförmig  erweiterndes  Cavum, 
welches  etwa  P/s  bis  2  Zoll  vom  äusseren  Bande  des  Ori- 
ficium durch  das  tiefgefurchte  schwammige  Gewebe  der  Pla- 
centa,  wie  von  einem  darauf  gelegten  Deckel  abge;^chlossen 
war.  Das  rundliche,  freiliegende  Stück  der  Placenta  halte 
gegen  2  Zoll  im  Durchmesser  und  sass  ringsum  der  Uterus- 


m  Gebnrtuhfiir«  In  Berlin.  859 

Wandung  fest  an.  Eihäute  oder  Placentarrand  waren  nicht 
zu  fQhlen,  so  dass  nicht  zu  eruiren  war,  welchem' CJterin* 
abschnitte  der  nicht  vorliegende  Theil  der  Piacenta  aufsass. 
Wie  schon  mitgetheilt,  fand  die  letzte  Blutung  sturzartig,  eine 
halbe  Stunde  dauernd,  48  Stunden  vor  der  Geburt  statt  Jetzt 
aber  wurde  bei  der  Untersuchung  nur  schleimiges  Secrel  ohne 
Blutbeimischung  in  der  Vagina  gefunden.  In  den  Nach- 
mittagsstunden vermehrte  sich  das  Gefilhi  von  Ziehen  im 
Leibe  und  steigerte  sich  bis  10  Uhr  Abends  drei  Mal  zu  un- 
zweifelhaften Wehen.  Von  10  —  12  Uhr  Nachls  herrschle 
völlige  Ruhe.  Von  12  Uhr  an  aber  begann  eine  ununter- 
brochene Wehentbatigkeit.  Die  Wehen  waren  —  nament- 
lich Anfangs  —  sehr  verschieden  an  Dauer  und  Energie,  zu- 
dem stellten  sie  sich  als  Contraclionen  der  Gebürmulter  dar, 
die  sich  deutlichst  sichtbar  bald  auf  die  eine  bald  auf  die 
andere  Hälfle  des  Uterus  unregelmässig  auf  kleitii*  iuhv  grössere 
Theile  beschränkten,  ohne  dass  dl«*  plötzlichen  und  heftigen 
Schmerzen,  wie  sie  bei  solchen  klonischen,  partiellen  Krampf- 
wehen Rege]  sind,  hervortraten.  Einen  Einfluss  auf  die  Er- 
weiterung des  Muttermundes  hatten  diese  Wehen  nicht.  Denn 
als  ich  gegen  1  Uhr  Nachts  zu  der  Kreissenden  gerufen  wurde, 
fand  ich  die  Beschaffenheit  der  Vaginalportion  noch  gerade 
so  wie  bei  der  Exploration  des  Mittags.  Die  Frau  war  munter, 
ertrug  die  alle  drei  bis  fünf  Minuten  wiederkehrenden  Wehen 
mit  grosser  Ruhe  und  unterhielt  sich  in  den  Wehenpausen  ober 
Gegenstände  aller  Art.  Obgleich  nun  eine  strenge  Indication 
nicht  vorlag,  da  nicht  die  mindeste  Blutung  stattgefunden 
hatte,  so  wurde  dennoch,  einestheils  prophylactisch  Blutungen 
zu  hindern  oder  doch  zu  massigen,  andemtheils  zum  Versuche 
die  Wehentbatigkeit  zu  normiren  eine  Gummiblase  in  die 
Vagina  gelegt  und  mit  kaltem  Wasser  geffiUt.  Dieselbe  ver- 
ursachte anfanglich  heftigen  Stuhlzwang  und  Kreuzschmerzen, 
wurde  aber  alsbald  gut  vertragen  und  halle  wirklich  eine 
Normirnng  der  Wehen  zur  Folge,  insofern  sich  dieselben  nun- 
mehr nur  mit  Ausnahmen,  gleichmässig  über  den  ganzen  Uterus 
erstreckten,  ohne  gerade  an  Häufigkeit,  Dauer  und  Energie 
zuzunehmen.  Die  Kautschuk  blase  blieb  '/«  Stunde  liegen 
und  wurde  alsdann  entfern!,  weil  wieder  heftiger  Drang  auf 
das  Rectum   eintrat.     Nach   Entfernung  derselben  fand  sich 


860  XXVI.    Verhandlangen  d«r  OenelUiehaft 

der  äussere  H|ittermund  |bi8  zu  Zweithalergrösse  erweitert. 
Trotzdem  hatte  sich  kein  Blut  gezeigt.  Wiederum  ly«  Stunde 
lang  wurde  der  weitere  Geburtsfqrtgang  sich  selbst  überlassen. 
Bei  den  in  dieser  Zeit  etwa  alle  10  Minuten  auftretenden 
Wehen  mittlerer  Starke,  drängte  sich  die  Placenta  wenig 
nadi  unten  convex  herab,  die  Muttermundslippen  spannten 
sich  nur  wenig  und  häufig  gingen  kleine  Mengen  Urins  bei 
den  Wehen  unwilikührlich  ab.  Die  zweite  Application  der 
Gummiblase  um  3  Uhr  hatte  wiederum  einen  günstigen  Ein- 
fluss  auf  die  Stärke  und  Häufigkeit  der  Wehen.  Das  Befinden 
der  Kreissenden  war  gut;  der  Puls  IVequent,  aber  die  Haut 
feucht,  ihre  Temperatur  normal.  Um  V46  Uhr  wurde  die 
Blase  wieder  entfernt,  weil  das  Drängen  «luf  das  Rectum  der 
Kreissenden  unerträglich  war.  Das  Orificium  fand  sich  jetzt 
um  ein  Bedeutendes  weiter  gegen  2  Zoll  im  Durchmesser 
eröffhel.  Die  schlafTen  Muttermundslippen  umgränzten  jetzt 
ein  von  der  anfanglichen  Trichter-  in  die  Walzenform  über- 
gegangenes Cavum.  Aber  auch  jetzt  konnte  nirgends  durch 
die  sorgfältigste  Untersuchung  ein  Placentarrand  gefühlt 
werden.  Möglich  nun,  dass  bei  der  Exploration  trotz  gröss- 
ter  Vorsicht  ein  PLicentarstöck  vom  Uterus  getrennt  wurde, 
oder  dass  ein  zufälliges  Zusammentreten  obwaltete  —  plötz- 
lich rieselte  ein  Strom  Blutes  über  die  untersuchende  Hand. 
In  wenig  Augenblicken  halte  die  Frau  gegen  zwei  Quart 
Blut  verloren  und  blutete  unaufliörlich.  Da  die  Muttermunds- 
lippen  schialT  waren,  so  konnte  trotz  der  noch  nicht  genü- 
genden Erweiterung  des  Orificium  an  das  Gelingen  einer 
Extracüon  des  Kindes  ohne  Gefahr  für  die  Mutter  gedacht 
werden.  Die  Kreissende  wurde  daher  schleunigst  auf  ein' 
Querbett  gelagert,  die  Hand  in  des  Orificium  eingeführt,  und 
zwar  wurde  die  linke  Hand  gewählt,  erstens  in  Erwägung 
der  ausgemachten  Thatsache,  dass  die  Placenta  am  häufigsten 
an  dem  rechten  hinleren  Umfange  des  Uterus  festsitzt,  der 
Rand  also  vorn  rechts  zu  vermuthen  war,  ausserdem  weil 
die  Fösse  des  Kindes  in  der  rechten  Seite  lagen.  Es  wurde 
nun  der  Versuch  gemadit,  den  Placentarrand  und  Eihäute 
zu  erreichen,  wobei  zunächst  ein  Placentarstück  von  der 
vorderen  Uteruswandung  getrennt  werden  musste.  Da  aber 
sliess  die  Hand  auf  einen  mehrere  Linien  dicken,  festen  von 


^   für  Oeburtabiilfe  in  Berlin.  361 

der  UteruswanduQg  nicht  loszulöseoden  Wall.  Da  die  Blutung 
in  heftigster  Weise  fortdauerte  und  somit  jeder  Augenblick  der 
Zögerung  die  Gefahr  für  die  Mutter  wachsen  liess,  so  wurde 
ohne  Bedenken  das  Placentargewebe  vor  dieser  Stelle  durch- 
bohrt, die  innere  Membran  mit  Hülfe  einer  Sti'icknadel 
durchbrochen,  der  vordere  Rand  der  Placenta  —  der  sich 
der  Annahme  entsprechend  an  dem  vorderen  rechten  Uterin- 
segmente befand  —  von  der  ei'wähnten  festen  wallarligen 
HervorragUBg,  in  welche  derselbe  überging,  in  hinreichender 
Ausdehnung  getrennt,  ein  Fuss  herahgeholt  und  die  Extrac- 
tion  des  Kindes  langsam  aber  ohne  Unterbrechung  ausgeführL 
Als  der  Steiss  geboren  war,  bemerkte  man  mehrere  kräftige 
Athmungsbewegungen  des  Kindes,  die  sich  bald  darauf  bei 
der  Losung  der  Arme  wiederholten.  Das  Kind  kam  Schein- 
tod! zur  Welt,  wurde  indessen  bald  ins  Leben  zurückgebracht 
und  erfreut  sich  bis  auf  den  beuligen  Tag  bester  Gesundheit, 
Der  quere  Kopfdurchmesser  mass  gegen  3''  der  gerade  kaum 
4".  Während  der  Extraclion  war  die  Blutung  nur  unbe- 
deutend, nach  derselben  stand  sie.  Die  Placenla  fand  sich 
in  der  Vagina  bis  auf  den  hinteren  Theil,  der  noch  festhaflete. 
Der  Uterus  contrahirte  sich,  die  Blutung  stand,  und  so  fand 
sich  nicht  eher  Grund  sie  zu  entfernen,  bis  nach  %  Stunden, 
trotz  fast  beständiger  Frictionen  des  Uterusgrundes,  wieder 
bedeutendere  Blutungen  eintraten.  Es  war  nicht  schwierig 
den  hinteren  Abschnitt  der  Placenta  von  der  Uteruswandung 
zu  trennen.  Die  Hand  stiess  aber  wieder  wie  an  der  vor- 
deren Wandung  auf  einen  ähnlichen  harten,  festen,  nicht  zu 
trennenden  WaU.  Es  blieb  nichts  übrig  als  die  Placenta  von 
diesem  Ringe  abzulösen,  und  denselben  nebst  dem  übrigen 
Theil  der  Eihäute  im  Uterus  zu  belassen.  Es  wurde  ein 
Infusum  secal.  cornut.  gegelien,  ausserdem  der  Uterus  durcli 
beständige  Frictionen  des  Grundes,  die  von  einer  zuverlässigen 
Person  mehrere  Stunden  hindurch  fortgesetzt  wurden,  in  Con- 
traction  erhalten.  Die  Placenta  mass  im  Durchmesser  gegen 
6  Pariser  Zoll.  Der  Abschnitt,  welcher  vorgelegen  hatte, 
grenzte  sich  ziemlich  scharf  ab  und  zeigte  einen  Durchmesser 
von  etwa  2^«  Zoll,  er  war  zerfetzt,  sein  oberer  Rand  nicht 
völlig  erhalten.  Das  Placentarparenchym  war  stark  fettig 
degenerirt.     Der  Ueberzug   der  Fötalfläche   erschien  verdickt. 


362  XXVI.     Verbandlangen  der  GeaellschRft 

Amnion  und  Chorion  waren  an  einzelnen  Stellen  zu  trennen ; 
wo  dies  geschehen  konnte  war  auch  ersteres  verdickt.  Die 
iNaheischnur  war  aufTaliend  dünn,  central  inserirt.  Nach  dem 
Rande  zu  verdickte  sich  das  Chorion  zu  einem  an  einzelnen 
Stellen  his  4  Linien  starken  Wall  von  fester  Consistenz  und 
sehnigem  Aussehen. 

Das  Puerperium  betreffend,  fuge  ich  hinzu,  dass  die 
ßhilung  nach  der  Entfernung  der  Placenta  nur  noch  unbe- 
deutend war  und  die  Wöchnerin  zwar  ausserordentlich  ge- 
schwächt, dennoch  einen  verhältnissmässig  kräftigen  Puls  gegen 
100  Scliläge  hatte.  Nachwehen  und  die  eigenthumlichen 
nervösen  Anfalle,  von  denen  zu  Anfang  dye  Rede  war,  peinig- 
ten sie  in  den  ersten  beiden  Tagen,  im  Uebrigen  verlief  diese 
Zeit  den  Umständen  nach  günstig.  Pieberbewegungen  waren 
nicht  vorhanden,  der  Leib  nicht  schmerzhaft,  Appetit  trotz 
häufigei'  llebelkeiten  rege,  Stuhlgang  erfolgte  durch  Lavemenis. 
Von  den  Eihäuten  ging  aber  vorläufig  keine  Spur  ab.  Man 
fohlte  dieselben  aus  dem  tlialerweit  geöflnelen  Orificium  des 
fest  Contrahirten  Uterus  in  Form  dicker  fjappen  hervorragen. 
Die  Verordnung  bestand  in  Gebrauch  von  Seeale  cornut.  In- 
fus und  dreistündlichen  Injectionen  von  verschlagenem  Wasser 
in  die  Vagina.  Am  dritten  Tage  des  Wochenbettes  stellte 
sich  ein  jauchiger,  sehr  copiöser,  mit  Eihaulfetzen  gemischter 
Abfluss  ein,  der  am  12.  Tage  nhchliess  und  mit  demselben 
leichte  Pieberbewegungen,  die  vom  4.  Tage  an  ohne  Schmerz- 
haftigkeit  des  Leibes,  bei  leidlichem  Appetite,  unbedeutenden 
Kopfschmerzen  zu  bemerken  waren.  Der  Uterus  fand  sich 
an  diesem  Tage  bei  der  inneren  Exploration  wenig  empfind- 
lich, zurückgebildet.  Die  Eihautpartien  waren  aus  dem  Ori- 
Jicium  verschwunden.  Letzteres  wenig  geöffnet.  Am  18.  Tage 
verliess  die  Wöchnerin  auf  einige  Stunden  das  Bett.  Der 
Loehialfluss ,  der  vom  12.  Tage  bis  dahin  schleimig  eitrig 
gewesen  war,  wurde  zwar  wieder  sanguinolent ,  auch  fand 
sich  der  alte  Schmerz  in  der  Regio  iliaca  sinistra,  begleitet 
von  einem  Gefühle  des  Pressens  nach  unten  und  Strangurie, 
indessen  hoben  sich  die  Kräfle  der  Wöcbnerin  schnell  bei 
gutem  Appetit.  Am  23.  Tage  nach  der  Entbindung  stellte 
sich  eine  starke  Blutung  unter  ziendich  lebhaften  Schmerzen 
ein,  die  für  die  Menstruation  angesprochen  wurde.    Sie  dauerte 


mr  Qebartshaife  in  Berlin.  363 

24  Stunden  und  endete  mit  einem  sehr  heftigen  der  be- 
sprochenen nervösen  Anfalle.  Eine  Untersuchung  an  diesem 
Tage  ergab  den  Leib  weich  und  klein,  nirgends  beim  Drucke 
schmerzhaft ;  den  Uterus  nach  rechts  deviirt  retroponirt,  nicht 
frei  beweglich  und  wenig  schmerzhaft,  das  Orißcium  aber 
geschlossen. 

Es  sei  mir  gestattet,  an  diese   Geburtsgeschichte  einige 
ganz  kurze  epikritische  Bemerkungen  anzuknöpfen. 

Der  Symptomencomplex  unseres  Falles  bot  Eigenthüm- 
liebes  durch  das  Hinzutreten  einer  Compiication,  deren  Ein- 
fluss  sich  beim  Geburtsacte  durch  die  Consequenzen ,  welche 
sie  nach  sich  zog,  besonders  bethätigte.  Ich  meine  die  vom 
dritten  Schwangerschaftsmonate  an  datirenden  inflammatori- 
schen Processe  des  Uterus,  die  vom  8.  Monate  an  einen 
fast  acuten  Gliarakler  annahmen,  anßnglich  sich  durch  Rücken- 
schmerzen, Druck  im  Hypogastrium,  Tenesmus,  Strangurie 
kund  Ihaten,  später  mit  Fieberbewegungen  einhergingen.  Die 
Folge  dieser  Vorgänge  waren  Verwachsungen  und  Verdickun- 
gen der  Eihäute  mit  den  Uleruswandungen.  Diese  Verdickun- 
gen hatten  am  Ende  der  Schwangerschaft  einen  so  hohen 
Grad  erreicht,  dass  sie  den  Placentarrand  als  ringförmigen 
bis  4'"  dicken  Wall  umgaben.  Dass  trotzdem  in  der  Gravidiiät 
l.oslösungen  der  vor  dem  Orificium  gelagerten  Placentatheiie 
erfolgen  konnten,  war  aus  den  wiederholten  Hämorrhagien 
ersichtlich,  folgte  auch  daraus,  dass  vor  dem  Eintritte  der 
eigentlichen  Geburtsthätigkeit  bereits  das  Oilficium  extern, 
uteri  weit  geöffnet  war ,  und  ein  umfangreiches  Placentastöck 
ganz  frei  lag.  Der  Uterinabscimitt  unterhalb  der  verwachs 
senen  Eihäute,  d.  i.  der  von  der  Placenta  eingenommene 
Theil,  war  also  jedenfalls  nicht  behindert,  die  in  der  ScHwan- 
gerscliaft  vor  sich  gehende  Entwickelung  und  Erweiterung 
einzugehen,  so  dass  die  gewöhnlichen  Consequenzen  dieser 
letzteren  Vorgänge,  Loslösungen  der  Placenta  und  Blutungen, 
statttinden  konnten. 

Betrachten  wir,  welchen  Einfluss  die  vorliegenden  Ver- 
hältnisse auf  den  Geburtsact  ausübten,  so  erscheinen  sie  in 
zweifacher  Beziehung  von  grossem  Werth.  Erstens  wurden 
wir  die  Schlaffheit  und  Energielosigkeit  des  ganzen  von  der 
Placenta    eingenommenen   Theils    der   Gebärmutter   auf  ihre 


364  XXVT.    Verhandlung:«!!  der  Oesellacbaff 

Rechnung  zu  bringen  haben.  Denn  dass  hier  Störungen  in  der 
Circulalion  und  somit  auch  in  der  Ernährung  in  dem  ohnehin 
durch  inflammatorische  Processe  von  der  Norm  abweicheaden 
Utorusgewebe  gegeben  sein  konnten,  ist  nicht  zu  bestreiten. 
Pflegt  doch  sonst  bei  Placenta  praevia  durch  gesteigerte 
Blutzufuhr  gerade  das  untere  Uterinsegment  besonders  tur- 
gescirend  und  geschwellt  zu  sein.  Zweitens  waren  die  festen 
Eihantverwachsungen  Ursache,  dass  die  kräftigen  und  anliai- 
tenden  Wehen  der  letzten  Stunden  vor  der  Geburt  nur  eine 
äusserst  langsame  Erweiterung  des  Orificiura  herlieizuföhren 
im  Stande  waren.  Es  wurden  somit  Lostrenuungen  der 
PlacHnta  vermieden,  bis  das  Orificium  so  weit  eröfliiet  war, 
dass  die  Extraction  des  Kindes  gescheheu  konnte. 

Im  Puerperio  hätten  die  im  Uterus  zurückbleibenden 
verwac4isenen  Eihäute  Ausgangspunct  gefahrdrohender  Pro- 
cesse werden  können,  indessen  erfolgte  Zerfall  und  Abstos- 
song derselben  in  verbältnissmässig  kurzer  Zeit,  und  so  ging 
Frau  E,  auch  aus  dieser  Gefahr  glücklich  hervor.  — 

Der  Sekretär,  verliest  einen  der  Gesrllschafl  üliersandten 
Aufsatz  des  Herrn  Winckel  sen.  zu  Gummersbacli :  (aus- 
wärtiges Mitglied): 

Ein  h&chst  merkwürdiger  Geburtsfall. 
'  Frau  Lebrecht  Schmidt  zu  Lobscheidt,  37  Jahre  alt, 
eine  sehr  kräftige,  stets  gesund  gewesene  Person,  welche 
schon  dreimal,  aber  immer  schwer,  doch  ohne  Kunsthälfe  ge- 
boren hatte  (es  war  nämlich  jedesmal  wegen  der  langen 
Dauer  des  Geschäfts  ein  Geburlshelfer  herbeigerufen,  aber 
schon  vor  dessen  Ankunft  die  Geburt  beendet  worden),  schickte 
am  6.  Oclober  a.  p.  Nachmittags  um  meinen  Beistand.  Da 
ich  zufällig  abwesend  war  und  erst  gegen  Abend  zurückei*- 
wartet  wurde,  so  lief  der  Bote  zu  dem  'V4  Stunden  von  hier 
entfernt  wohnenden  CoUegen  Wiefei,  den  er  ebenfalls  nicht 
zu  Hause  traf  und  deshalb  hiexher  zuräckkelu*te.  Inzwischen 
heimgekehrt,  begab  ich  mich  sofort  zu  der  Kreissenden^  wo 
icl)  gegen  V28  Uhr  Abends  eintraf.  Ich  fand  die  Gebärende 
in  den  furchtbarsten  Schmerzen,  welche  ihr  keinen  Moment 
Ruhe  gönnten,  in  grosser  Angst  und  Aufregung  im  Bette  sich 
hin  und  her  werfend. 

Die  äusseren  Genitalien  waren  etwas  angeschwollen ;  der 


für  Geburtthillfe  in  Berlin.  365 

Kindskopf  »tand  in  erster  Schädellage  im  Beckeneingange  ein- 
gekeik  and  halte  schon  eine  nicht  unbedeutende  Kopfge- 
schwulst,  er  war  aber  trotz  der  ungeheueren  Anstrengungen 
der  Kreissenden^  völlig  unbeweglich.  Der  Vorberg  war  leicht 
zu  erreichen  und  schätzte  ich  die  Conjugata  vera  auf  3  bis 
^^U".  Das  Fruchtwasser  war  am  Vormittage  abgeflossen. 
Die  anwesende  Hebamme  hatte  3  Klystire  gegeben,  welche 
indess  sogleich  wieder  abgeflossen  waren  und  glaubte  sie  ein 
Hinderniss  beim  Einführen  der  Spritze  wahrgenommen  zu 
haben;  auch  den  Katheter  hatte  dieselbe  vergeblich  einzu- 
führen versuelit. 

Ich  liess  sofort  die  linke  Seitenlage  einnehmen  und  ap- 
plicirte  ohne  die  geringste  Schmerzäusserung  seitens  der 
Kreissenden  die  Zange  mit  grosser  Leichtigkeit.  Beim  Ein-* 
föhren  des  zweiten  Löffels  fioss  etwas  mit  Kindspech  verun- 
reinigtes Fruchtwasser  ab.  Das  Instrument  fasste  gut  und 
der  Kindskopf  folgte  ohne  grossen  Kraftaufwand.  Als  ich 
mit  der  Zange  aus  der  ersten  in  die  zweite  Position  über* 
ging,  schnellte  sich  mit  einemmal,  unter  einem  hörbaren 
Geräusche,  eine  mannsfaustgrosse,  blasenartige  Geschwulst  aus 
der  Oeffnung  des  Anus,  die  ich  anfänglich  för  einen  Prolap- 
sus ani  hielt,  weshalb  ich  die  den  Damm  unterstützende  Heb- 
amme aufforderte,  ihre  Hand  mit  über  dieselbe  zu  legen. 
Nachdem  ich  den  Kopf  leicht  durch  den  Beckenausgang  ge- 
fuhrt hatte,  .fand  sich  die  Nabelschnur  so  fest  um  den  Hals 
geschlungen,  dass  ich  sie  nur  mit  grosser  Mühe  durchschnei- 
den konnte,  wonach  ich  das  Kind,  einen  starken  lebenden 
Knaben,  leicht  und  rasch  entwickelte.  Die  Nachgeburt  wurde 
durch  den  gewöhnliche^  Handgriff  entfernt,  wobei  die  Blutung 
unbedeutend  war. 

Eine  sorgfältige,  freiUch  nur  bei  durRiger  Thranlampe 
mögliche  Untersuchung  der  aus  dem  Anus  hängenden  Ge- 
schwulst, liess  mich  nun  erkennen,  dass  dieselbe  an  einem 
langen,  bis  oben  ins  grosse,  linksseitige  Becken  reichenden, 
sehnigen  Bande  hing.  Ein  geringer  Zug  an  ihr  verursachte 
heftigen  Schmerz  oben  in  der  linken  Seite,  neben  dem  Uterus. 
Sie  war  eine  derbe,  durchsichtige  Blase,  die  in  ihrem  Ge- 
webe die  grösste  Aehnlichkeit  mit  einem  Bruchsacke  hatte, 
ohne  waiimeliinbare  Huskeffaseni,  aber  mit  Gelassen  durch- 


366  XXVI     Verhandlnngoii  der  Oesellschafi 

wobt.  Die  in  clers(*Ibf*n  eiilbalteiie  Flüs;»jgkeit  lies»  sieb  nicht 
aus  ihr  in  den  Mastdarm  drucken  und  eine  Reposition  der 
ganzen  Masse  war  unnooghch.  Auch  durch  die  Scheide 
konnte  ich  den  Strang,  au  den)  die  Geschwulst  befestigt,  wie 
einen  gespannten  Strick  fühlen  und  kam  es  mir  sogar  einen 
Augenblick  vor,  als  käme  er  aus  dem  Muttermunde.  Die 
gleichzeitig  in  die  Scheide  und  den  Aller  eingeführten  Zeige- 
finger konnten  indcss  eine  Communicalion  beider  Theile  nicht 
entdecken,  wie  hoch  ich  sie  auch  hinaufTühren  mochte;  nur 
an  der  vorderen  Wand  des  Rectums  glaubte  ich  eine  Ver- 
letzung der  Schleimhaut  zu  fühlen.  Der  Sphincter  ani  war 
sehr  schlaff  und  gestattete  die  tiefe  Einbringung  des  Fingers. 
Was  war  zu  machen?  Hätte  ich  mich  mit  meinen  CoUegen 
berathen  können,  wurde  ich  mich  wahrscheinlich  entschlossen 
haben,  die  ganze  Masse  durch  eine  Ligatur  und  die  Scheere 
zu  entfernen,  da  mir  aber  die  Natur  derselben  durchaus 
fremd  war,  so  beschloss  ich,  sie  vorläufig  zu  entleeren  und 
punctirte  sie  mit  einer  Insectennadel.  Es  flössen  dadurch 
indess  nu>  wenige  Tropfen  aus,  und  ich  sah  mich  genötbigt, 
eine  grössere  OefTnung  mit  einem  Tenotom  zu  machen,  wor- 
auf wohl  ein  Schoppen  einer  wasserhellen  geruchlosen  Flüs- 
sigkeit entleert  wurde.  Der  coUabirte  Sack,  an  und  für  sich 
nicht  empfindlich,  veranlasste  auch  jetzt  noch  den  oben  an- 
gegebenen Schmerz  im  Becken,  wenn  man  ihn  anzog,  er  liess 
sich  aber  nun  leicht  reponiren  und  nachdem  dies  geschehen, 
fühlte  sich  die  Entbundene  behaglicher  als  vorher.  Am  Damme 
und  Scheideneingange  fand  sich  keine  Spur  einer  Verletzung. 
Einige  Nach  wehen  abgerechnet,  befand  sich  die  Entbundene, 
als  ich  sie  um  10  Uhr  verliess,  sehr  wohl. 

Am  Morgen  des  8.  Octobcr  berichtete  mir  der  p,  Schmidt, 
dass  seine  Frau  in  verwichener  Nacht  von  sehr  heftigen, 
anhaltenden  Leibschmerzen  und  Brechreiz  befallen  worden 
sei.  Urin  habe  sie  mehrmals  entleert,  doch  noch  keinen 
Stuhlgang  gehabt,  wiewohl  sie  das  Bedürfniss  dazu  geäussert, 
auch  habe  sie  beständiges  Aufstossen.  Ich  verordnete  eine 
Emulsio  ricinosa  c.  Extr.  hyoscyami,  stündlich  1  Esslöffel  und 
warme  Wasserumschläge  auf  den  Unterleib.  Als  ich  die  Wöch- 
nerin gegen  2  Uhr  Nachmittags  besuchte,  fand  ich  den  Unter- 
leib  enoim    tympauitisch    aufgetrieben,  sie  halle   mehrmals 


für  GebiirtshUIfe  in  Berlin.  367 

gallichle  Massen  erbrochen,  doch  sollte  der  Leibschmerz  nicht 
mehr  so  intensiv  sein.  Sie  war  sehr  niatl  und  ihr  Gesiebt 
collabirty  die  Stimme  etwas  heiser.  Der  untersuchende  Fin- 
ger fand  im  Mastdarme  einigen  Koth,  aber  nichts  mehr  von 
der  Geschwulst,  doch  glaube  ich  sicher  in  der  vorderen  Wand 
eine  Trennung  in  der  Continuität  der  Schleimhaut  entdeckt 
zu  haben,  wenn  es  mir  auch  jetzt  nicht  möglich  war,  eine 
Communication  zwisclien  Rectum  und  Scheide  ausfindig  zu 
machen.  Die  Untersuchung  beider  war  übrigens  nicht  schmerz- 
haft. Der  Locbialfluss  war  natärlich.  An  dem  in  das  Rec- 
tum geführten  Finger  fanden  sich  keine  Spuren  von  Eiter 
oder  Lochien.  Verordnet  wurde  R.  Calomel.  gr.ij  Exti*.  op. 
aq.  gr.  V4  Sacch.  alb.  Bß.  mfdD.  d.  VL  s.  2stündl.  1  Pulver 
und  Fortgebrauch  der  warmen  Wasserbähungen. 

Am  9.  wurde  mir  die  Nachricht,  dass  sich  Frau  S.  be- 
deutend gebessert,  habe.  Der  Schmerz  sei  fast  ganz  gewichen 
und  der  Leib  sehr  zusammengefallen,  nachdem  einige  dünn- 
flüssige Stuhlentleerungen  erfolgt  und  viele  Blähungen  abge- 
gangen waren.  Den  10.  trat  eine  starke  Diarrhoe  mit  Ab- 
gang vieler  Spulwürmer  ein,  welche  aber  ohne  Anwendung 
von  Arzneien,  dem  Gebrauche  schleimiger  Getränke  wich. 
Den  14.  October  habe  ich  Frau  S,  besucht  und  mich  von 
ihrer  Genesung  überzeugt.  Die  Verdauung  ist  normal,  Schmerz 
und  Meteorismus  sind  spurlos  verschwunden,  die  Lochien 
fliessen  sparsam,  aber  natürlich.  Scheide  und  Uterus  zeigen 
nichts  Widernatürliches.  An  der  Vorderen  Wand  des  Bectums, 
circa  3"  vom  Orificio  ani  entfernt,  constatirte  ich  auch  an 
diesem  Tage  eine  circa  2  Silbergroschen  grosse  Oeffhung  in 
der  Mastdarmwand  und  glaubte  auch  jetzt  noch  durch  die- 
selbe den  Muttermund  fühlen  zu  können,  wenn  gleich  es  mir 
wiederum  nicht  gelang  eine  Verbindung  zwischen  Darm  und 
Scheide  ausfindig  zu  machen.  Frau  S.  versicherte  auch  mit 
aller  Bestimmtheit,  weder  den  Abgang  von  Fäces  noch  Flatus 
per  vaginam  bemerkt  zu  haben.  Auch  in  den  Stuhlgängeji, 
wekbe  auf  meinen  Wunsch  von  dem  sehr  verständigen  Ehe- 
roanne  stets  sehr  genau  besichtigt  worden  sind,  sind  uie  Eiter 
oder  Spuren  von  dem  fremden  Körper  gefunden  worden. 

An  demselben  Tage  habe  ich  folgende  Beckenmaasse  auf- 
genommen. 


368      XXVU.  KUiuke,  Eine  Decapiütion  nach  Karl  Braunes 

Spinae  anl.  sup.  9  Vs'',  CrisUe  10  V4",  Tronchanl.  IIV2", 
Conjug.  B.  6V4''. 

Eine  Ocular-Inspecüon  durch  ein  Speculum  mochte  ich 
noch  nicht  vornehmen,  werde  eine  solclie  später  aber  jeden- 
falls instituiren.    — 

Von  den  anwesenden  Mitgliedern  hat  Niemand  einen 
ähnlichen  Fall  beobachtet  oder  erinnert  sich  in  der  Literatur 
gelesen  zu  haben.  Die  Deutung  jenes  aus  dem  Mastdarm  ge- 
tretenen Tumors  ist  daher  unmöglich. 

Herr  Klebe  äussert  die  Yermuthung,  dass  es  sich  hier 
wohl  wahrscheinlicherweise  um  einen  Mastdarmpolypen  mit 
cystenarliger  Degeneration  von  ganz  ungewöhnlicher  Grösse 
gehandelt  habe. 


XXVIL 


Eine  Decapitation  nach  Karl  Braun's  Methode, 

nebat  Bemerkungen  zu   den  Ansichten  L.  Leh- 

mann's  über  diesen  (Gegenstand. 

Von 

Dr.  WlUi.  Rflneke, 

Prlvatdocent  in  Oöttingren. 

Frau  K.y  Ehefrau  eines  Schneiders  in  Erbsen,  emem 
2  Stunden  von  Göttingen  belegenen  Dorfe,  hatte  am  21.  No- 
vember 1864  um  11  Utir  Abends  Wehen  bekommen  und 
deshalb  zur  Hebamme  geschickt.  Als  diese  aus  ihrem  eine 
halbe  Stunde  entfernten  Dorfe  Morgens  gegen  3  Uhr  her- 
beikam, war  etwa  eine  Stunde  vorher  nach  Aussage  der  Krei- 
senden etwas  Blut  abgegangen.  Bei  der  sogleich  vorgenom- 
menen Untersuchung  will  die,  wiewohl  schon  alte,  doch  höchst 
unkundige  Hebamme  keine  Oeffnung  des  Muttermundes  be- 
merkt haben,  weshalb  sie  ruhiges  Verhalten  und  Abwarten 
anempfahl.  Gegen  7  Uhr  früh  aber  erfolgte  eine  ziemlich 
starke  Blutung,  welche  die  Hebamme  veranlasste,  die  schleu- 
nige Hülfe  des  Dr.  F,^  der  eine  Stunde  entfernt  wohnt,  nach- 
zusuchen. 


Methode,  nebst  Bemerknndfeii  zu  den  Ansiebten  etc.      369 

Dieser  gegen  VjS  Uhr  eintreffend,  fand  die  Kreissende 
sdll  und  nihig  auf  der  linken  Seite  liegen,  die  Schenkel  stark 
an  den  Leib  gezogen.  Auf  ^.*s  Befragen  gab  sie  an,  dass 
in  dieser  Lagerung  sich  die  Blutung  gestillt  habe,  die  gleich 
im  Beginn  einer  sehr  schmerzhaften  Wehe  eingetreten  sei. 
Es  hätten  sich  in  dieser  Lagerung  nachher  hoch  mehrfach 
Wehen  eing<tsteltt,  doch  wären  sie  nicht  so  schmerzhaft  und 
nicht  von  Blutung  begleitet  gewesen.  Nachdem  F.  die  Racken- 
lagerung  angeordnet,  fand  er  den  Muttermund  3  Cm.  im  Durch- 
messer geöffnet  und  von  Placcntarmasse  ausgefulh.  Ein  vor- 
liegender Theil  war  nicht  zu  entdecken,  doch  Hess  die  äussere 
Untersuchung  den  Kopf  als  vorliegenden  Theil  und  die  Pwsse 
in  der  linken  Seite  vermuthen.  Das  Uteringerüusch  fand  sich 
zum  grössten  Theil  in  der  linken  Seite  und  dicht  über  der 
Symphyse.  Nach  vorgenommener  Untersuchung  Hess  F.,  da- 
mit sich  der  Muttermund  erst  möglichst  ausdehnen  solle,  die 
Seitenlagerung  wieder  annehmen,  am  Fussende  des  Bettes  ein 
Querlager  herrichten  uud  blieb  vorläuiig  passiv.  Es  traten 
nun  etwa  viertelstündlich  Wehen  ein  ohne  Schmerz  und  ohne 
Blutung.  Gegen  12  Uhr  aber  bekam  die  Kreissende  eine 
sehr  schmerzhafle  Wehe,  liei  welcher  Blut  abging.  Da  diese 
Blutung  länger  währte,  Hess  F.  die  Gebärende  aufs  Quer- 
lager bringen,  um  die  Geburt  künstlich  zu  beenden.  In  dem 
4  Cm.  weit  geöffneten  Mutlermunde  löste  er  den  links  auf- 
sitzenden kleineren ,  etwa  2 — 3  Cm.  breiten  Theil  der  Placenta 
ohne  grosse  Schwierigkeit  und  ohne  die  starke  Blutimg  er- 
heblich zu  vermehren,  sprengte  sodann  die  Blase  und  suchte 
zu  den  Füssen  zu  gelangen,  doch  contrahirle  sich  der  Uterus 
jetzt  so  fest,  dass  es  trotz  der  grö.ssten  Kraftanstrengung 
ihm  nicht  möglich  war,  mit  der  Hand  weiter  vorzudringen. 
Die  Blutung  stand  während  dieser  Manipulation  und  F,  Hess 
seine  Hand  liegen,  um  bei  Nachlass  der  Contraction  einen 
abermaligen  Versuch  zu  machen.  Allein  dieselbe  dauerte  fort 
und  F.  zog  endlich  seine  Hand,  die  sehr  schmerzhaft  wurde, 
vorsichtig  zurück,  ohne  dass  die  Blutung  sich  erneuert  hätte. 
Er  gab  nun  ''4  Gran  Morphium  und  versuchte  nach  einer 
halben  Stunde,  während  welcher  die  Gebärende  ruhig  und 
ohne  Wehen  gewesen  war,  nochmals  die  Wendung,  woran  -er 
wieder  durch  starke  Contraction  des  Uterus  gehindert  ward. 

Houatsn'ehr.  f.  OebarUk.  1866.  Bd.  ZXV..  Hft.  6.  24 


370     XXVn.  Küntkßy  Bine  Deoapitetion  nach  Karl  Brami'a 

Er  Stand  daher  von  wetteren  Versuchen  vorläufig  ab ,  gab 
nochmals  74  ^^^^^  Morphium  und  sandte  um  meine  Hülfe. 
In  den  ganzen  4  bis  5  Stunden,  ehe  ich  hinzukam,  waren 
weder  Wehen,  noch  Blutung  erfolgt,  und  die  Kreissende  lag 
still  mit  geschlossenen  Augen,  doch  ohne  zu  schlafen  und 
befand  sich  ihrer  Aussage  nach  recht  gut 

Als  ich  um  6  Uhr  Abends  in  der  ärmlichen  Hätte,  in 
der  es  selbst  an  Raum  und  Erleuchtung  gebrach,  eintraf, 
lag  in  der  Mitte  des  breiten  Bettes  still  und  regungslos  die 
Kreissende,  eine  Frau  von  43  Jahren,  welche  4  Kinder,  das 
jüngste  vor  11  Jahren  und  nach  Angabe  der  Hebamme,  ohne 
ungewöhnliche  Schwierigkeit  geboren  hat.  Seit  jener  Zeit 
soll  sie  mit  Ausnahme  eines  „Schleimfiebers"  an  keiner  Krank- 
heit gelitten  haben,  ist  nicht  wieder  schwanger  und  immer 
normal  menstruirt  gewesen.  Ueber  ihre  diesmalige  Schwan- 
gerschaft, in  dor  sie  sich  wohl  befand,  war  sonst  nichU  We- 
sentliches zu  erfahren. 

Die  in  der  Morphiumnarkose  befindliche  Kreissende  gab 
auf  meine  Fragen  präcise  Antworten :  sie  habe  keine  Schmer- 
zen und  es  gehe  ihr  vollkommen  wohl.  Ihre  Gesichtsfarbe 
war  ein  wenig  anämisch,  der  Puls  jedoch  voll  und  kräftig 
und  von  normaler  Frequenz. 

Bei  der  äusseren  Untersuchung  fand  ich  den  Leib  von 
mittlerer  Grösse  und  stark  vorgewglbt.  Der  Uterusgrund  stand 
hoch  in  der  Magengrube,  war  hart  und  fest  contrahirt  und 
etwa  wie  auf  der  Akme  einer  Wehe  so  stark  erigirt,  dass 
die  Percussion  zu  beiden  Seiten  des  Leibes  einen  breiten 
Raum  mit  Darmton  ergab.  Einzelne  Fötalüieile  waren  daher 
nicht  deutlich  dm*chzufuhlen.  Links  oben  schien  ein  grosser, 
etwas  weicher,  rechts  unten  ein  harter  Theil  zu  liegen.  Be- 
wegung wollte  sie  überall,  namentlich  oben  links  wahrge- 
nommen haben.  Nur  eine  einzige  Stelle  der  ganzen  Uterus- 
region war  weich  und  fluctuirend,  nämlich  über  den  Scham- 
beinen, wo  die  etwas  gefüllte  Harnblase  stand.  Herztöne 
waren  nicht  vernehmbar,  Uteringeräuscli  nur  in  der  rechten 
Inguinalgegend  und  bis  in  den  Beckeneingang  zu  verfolgen. 

Bei  der  inneren  Untersuchung  kam  mir  in  der  gut  vor- 
bereiteten Scheide  zunächst  eine  grosse  pulslose  Nabelschnur- 
schlinge,  höher,  doch   unterhalt)  des   Beckeneinganges,   die 


lf«tii»d«,  Bebst  Bomerknagaii  bii  den  Anaichten  »te.     371 

linke  Hand  entgegen,  deren  im  Eilnbogen  flectirter  Arm 
nach  rechts  hin  bis  2ur  Achselgrube  und  Schulterhöhe  zu 
verfolgen  war,  jene  nach  links  und  hinten,  diese  nach  rechts 
und  vorn  gerichtet.  Es  musste  also  der  Kopf  rechts,  der 
Rücken  .nach  vorn  gelagert  sein  (zweite  Hauptart  der  Schiriler- 
lage).  F.  behauptet  bei  seinen  Wendungsversuchen  nichts 
von  diesem  Befunde  bemerkt  zu  haben,  derselbe  müs^e  erst 
später  entstanden  sein.  Alle  die  genannten  Theile  waren 
mit  Placentarsubstanz  umgeben.  Das  Promontorium  sprang 
in  nicht  unbedeutendem  Grade  ins  Becken  vor.  Deber  dem 
Beckeneingange  drang  der  Finger  nur  mit  grosser  Mähe  durch 
den  harten  Ring  des  Muttermundes  bis  zum  Kopfe  vor,  indem 
die  ganze  Frucht  sich  in  hoher  Lage  befand. 

Auf  dem  Querlager  überzeugte  ich  mich  zunächst  von 
der  Unversehrtheil  der  Geburtstheile  und  entleerte  sodann  eine 
massige  Menge  Urins,  worauf  die  Geschwulst  \\\u*v  der  Sym- 
physe verschwand.  Ich  beabsichtigte  nun  die  Querlage  durch 
die  Wendung  auf  den  Fuss  in  die  Längslage  zu  verwandeln, 
allein  der  Muttei*mund  umschioss  über  dem  Beckeneingange 
die  in  ihm  liegende  Schuller  derart  krampfhaft  und  fest,  dass 
selbst  mit  aller  Mühe  kaum  die  vier  Fingerspitzen  hindurch 
zu  bringen  waren,  wobei  derselbe  nicht  die  gei*ingste  Nach- 
giebigkeit bemerken  Hess.  Es  stellten  sich  somit  die  von  F, 
geschilderten  Hindemisse  jetzt  völlig  als  unüberwindlich  her- 
aus. Ein  weiteres  Forciren  der  Wendung  erschien  daher 
ebenso  gefahrlich,  wie  erfolglos,  weshalb  wir  von  der  Aus- 
führung derselben  Abstand  nahmen. 

Es  wäre  nun  vielleicht  indicirt  gewesen,  mit  der  Be- 
handlung des  bestehenden  Tetanus  uteri,  welcher  somit  einer- 
seits die  Entbindung  hinderte,  andererseits  dagegen  der  Blu- 
tung heilsam  entgegenwirkte,  einen  Versuch  zu  machen.  Das 
Morphium,  welches  zu  diesem  Zwecke  von  F,  bereits  gege- 
ben war,  hatte  seine  guten  Wirkungen  im  Uebrigen  gehabt, 
Scbmerzlosigkeit  und  Ruhe  bewirkt,  nur  den  Krampf,  wie 
gewöhnlich  und  begreifüch,  nicht  zu  beseitigen  vermocht.  An 
ein  warmes  Bad  war  unter  den  obwaltenden  liäusiiclien  Ver- 
hältnissen nicht  zu  denken,  Chloroform  nicht  in  genügender 
Quantität  vorhanden.  Allein  auch  abgesehen,  davon ,  konnten 
wir  von   diesen,   sowie  von   den   übrigen   bekannten   Mitteln 

24* 


372     XXVU.  KüMke,  Eine  Oecapitetion  nach  Karl  Brann's 

durchauft  keiaen  Erfolg  erwarten,  so  lange  die  ätiologischen 
Momente  des  tonischen  Krampfes  nicht  beseitigt  waren. 
Mochten  die  nächsten  Ursachen  dieses  Krampfes  in  den  Wen- 
dungsversuchen, in  dem  Blutverluste  und  der  dadurch  hervor- 
gerufenen Gemütbsbevvegung  zu  suchen  sein;  die  «Reizung 
des  Muttermundes  duixh  den  gelösten  Placentarlappen,  die 
Nahelschnur,  den  Arm  und  endlich  die  Querlage  selbst,  be- 
standen fort.  Es  fiel  somit  die  Beseitigung  des  Tetanus  im 
Wesentlichen  mit  der  ohnehin  bestehenden  Indication  zusam- 
men, nämlich  mit  der  Verwandlung  der  Querlage  in  die  Längs- 
lage. Dieser  künstUche  Situswechsel  liess  sich  nun  aber  auf 
die  gewöhnliche  Weise  nicht  ausführen  und  an  Selbstwendung 
oder  Selbstenlwickelung  war  gar  nicht  zu  denken.  Es  blie- 
ben also  zur  Herstellung  der  Längslage  des  todten  Kindes, 
eventuell  tzur  VoUführung  der  Entbindung  nur  zwei  Wege 
offen :  die  Einbryotomie  oder  das  Abwarten  der  Fäulniss  des 
Fötus.  Der  Erfolg  jedoch  der  Eröffnung  von  Brust-  und  Bauch- 
höhle, um  behufs  der  Wendung  zu  den  Füssen  zu  gelangen,  wäre 
bei  dem  krampfhaften  Zustande  der  Gebärmutter,  der  sich 
bei  erneuter  Reizung  und  nach  theilweiser  Entleerung  ilires 
Inhalts  sogar  noch  steigern  konnte,  ein  sehr  zweifelhafter  ge- 
wesen uikI  hätte  ausserdem  mit  dem  Abwarten  der  Fäulniss 
eine  grosse  Geföhrdung  der  Gebärenden  getheilt,-  welche  sich 
durch  die  beschränkte  Räumlichkeit  des  Beckens  nicht  eben 
verminderte. 

Unter  so  kritischen  Verhältnissen  war  ich  glnckhcher- 
weise  in  der  Lage  mittels  Anwendung  der  anderen  Art  der 
Enibryotomie ,  der  Decapitation,  die  Querlage  auf  eine 
leichte  und  gefahrlose  Weise  in  die  Längslage  verwandeln 
und  damit  die  Entbindung  bewerkstelligen  zu  können.  Dies 
geschah  nach  der  Methode  von  K.  Braun  in  Wien,  und 
zwar  in  der  Weise,  wie  ich  sie  in  meiner  Abhandlung  „die 
Decapitation  des  Fölus''  (B,  Schuchardfs  Zeitschrift  für 
praktische  Heilkunde.  Hell  1.  1864)  modificirt  beschrieben 
habe.  —  College  F.  war  mit  meinem  Vorschlage  einverstanden. 

Zur  Ausfuhrung  der  Operation  streckte  ich  mit  meiner 
Redhten  den  vorliegenden  linken  Arm  in  die  Scheide  herab 
und  suchte  durch  kräftige  Traction  an  demselben  den  Hals 
zu  ddmon,  ihn  in  den  Beckencanal  zu  leiten  und  zugänglich 


Methode,  nebst  Bemerkungen  zn  den  Anstchton  sto.      878 

2U  machen.     Allein  die  Strictur  des  äusseren   Muttermundes 
gestattete  nur  in  kaum  nennenswertfaem  Grade  einen  Erfolg 
und  ich  sah  mich  genöthigt,  den  Hals   über  dem  verengten 
BeckeneiDga'nge  aufzusuchen.     Es  war  dabei  nicht  ohne  nam- 
hafte Schwierigkeiten,  besonders  vorn  für  den  Daumen,  mit 
den  Fingern  durch  den  festen  Ring  des  Muttermundes  hin- 
durch und  zum  Halse  vorzudringen,   auf  welchem  Wege  icli 
noch  dazu  durch  die  Nabelschnur,  die  Placenta  und  die  Becken- 
enge  unangenehm  incommodirt  ward.    Endlich  war  der  Hals 
mit   meiner  Linken  umfasst,  jedoch   nur  mit  drei  Fingern, 
dem  Daumen  vorn,  Zeige-  und  Mittelfinger  hinten.    Ich  führte 
nunmehr  den  mit  meiner  Rechten  ergriffenen  Decapitations- 
haken  flach  auf  der  Vola  meines  Unken  Vorderarmes  ein,  in- 
dem F.  den  kindlichen  Arm  stark  abwärts  ziehend  nach  links 
fährte ,  um  mir  Raum   zu   machen.     Als   der   Haken   bis  in 
meine  linke  Hand  vorgedrungen  war,  wollte  es  mir  wegen 
der  beschränkten  Räunilichkeit   der  obem   Apertur  und  der 
Strictur  des  Mulleimundes  anfangs  nicht  gelingen,  denselben 
von  vorn   nach  hinten  über  den  kindlichen  Hals  hinüber  zu 
fiibren,  während  dies  von  hinten  her  leichter  war.     Ich  ver- 
sudite  es  daher  gegen  die  Regel  in  letzterer  Weise.     Aliein 
der  Haken  fand  keinen  Halt,  nmsste  in  horizontaler  Richtung 
angezogen  werden  und  glitt  ab.     Mit  gross^er  Mühe  und  be- 
deutendem Kraftaufwandes  was  ein  mehrmaliges  Ausruhen  der 
Hände  nothwendig  machte,  gelang  endlich  die  Anlegung  des 
Hakens  von  vom  nach  hinten,  so  dass  ich  mit   dem   Zeige- 
Goger  den  Knopf  desselben  berührte.     Indem  ich  nun  in  ver- 
ticaler  Richtung  den  Decapitator  fest  anzog,  fasste   ich  eine 
Partie  Weichtheile  und  drehte  sie  mittels  einiger  Axendre- 
hungen    oder  Rotationen   desselben    in   Supinations- 
bewegung  der  drehenden  rechten  Hand  ab,*  bis  der  Haken 
frei  in  der  linken  Hand  lag.     Dabei  stemmte  ich  beim  jedes- 
maligen Neufassen  des  Hakengriffes  den  nach   unten  befind- 
lichen Arm  des  letzteren  gegen  den  Rücken   meines   linken 
Vorderarmes,  um  das  Zurückschnellen  des   torquirenden  Ha- 
kens zu  verhüten,  ein  Verfahren,  welches  ich  in  meiner  Ab* 
handlung   nicht  ausdrücklich   erwähnt  habe.     Sogleich  nach 
beendigter  ersten,   schritt  ich  zur   zweiten   Torsion.     Ich 
setzte  den  Haken  von  Neuem  in  den   Hals  ein  und  trennte 


374      XXVU.  Küneke,  Eine  Decapitation  tiAch  Karl  Braun*» 

in  der  nämlichen  Weise  eine  zweite  Partie  Weicbtheile.  Schon 
mit  der  dritten  war  unter  knackendem  Geräusche  die  Wirbel- 
säule gebrochen,  ich  wollte  nun  den  Versuch  machen,  den 
Rumpf  vorzubewegen  und  zog  zu  dem  Zwecke  den  Arm 
stärker  an.  Allein  er  gab  nicht  im  Geringsten  nach.  Ich 
löste  daher  mit  zwei  ferneren  Torsionen  auch  die  jenseiti- 
gen Weichtheile,  so  dass  nunmehr  mittels  im  Ganzen  nur 
fünf  Torsionen  der  Kopf  vom  Rumpfe  gänzlich  getrennt  war. 
Da  sich  während  der  ersten  Torsionen  die  Nabelschnur  im 
Haken  fing  und  mit  torquirt  ward,  so  schuiit  ich  sie  durch. 

Di^sc  erste  Abtheiiung  der  Operation  hatte  im  vorlie- 
genden complicirten  Falle  die  ungewöhnlich  lange  Zeitdauer 
von  etwa  oiner  Viertelstunde  erfordert. 

Nachdem  somit  die  Längslage  des  Fötus  bewirkt  worden 
war,  schritt  ich  sofort  zur  Extraction  und  zwar  zunächst 
zu  der  des  Rumpfes.  Dem  sehr  kräftigen  Zuge  am  Arme 
gab  der  vom  umschnürenden  Uterus  zurückgehaltene  Rumpf 
nur  sehr  schwer  und  allmälich  nach  und  schon  waren  die 
Schultern  dem  Beckenausgange  nahe  gerückt,  als  das  Eiln- 
bogengelenk  sich  verlängerte  und  auszureissen  drohte.  Ich 
löste  daher  leicht  den  zweiten  Arm  und  vollendete  so  an 
beiden  die  Extraction  ohne  Mühe.  Der  Körper  war  der  eines 
ausgetragenen,  von  etwas  über  mittlerer  Grösse  etwa  7  Pfd. 
schweren  Kindes.  Der  Amputationsstumpf  des  Halses  zeigte 
keine  Lappen  der  Weicbtheile,  sondern  war  wie  immer  glatt, 
mit  nur  geringem  Hervorragen  der  Halswirbel. 

Hierauf  folgte  die  Extraction  der  Nachgeburt,  deren  nur 
noch  partielle  Adhärenzen  im  Umfange  des  Muttermundes 
ich  löste. 

Nachdem  jetzt  der  Beckencanal  frei  war,  fiel  die  nicht 
unbedeutende  Prominenz  des  Vorberges  erst  recht  auf.  Letz- 
terer war  mit  dem  Zeigefinger  bequem  zu  erreichen.  Die 
Conjug.  diag.  betrug  3"  7'",  woraus  sich  die  vera  des  Ein- 
ganges auf  höchstens  3''  berechnet. 

Hatte  diese  Verengerung  die  Operation  in  ihrem  bishe- 
rigen Gange  bereits  nicht  unerheblich  erschwert  und  ver* 
zögert,  so  setzte  sie  nun  der  Extraction  des  Kopfes 
die  grössten  Schwierigkeiten  entgegen.  Ich  versuchte  dieselbe 
zunächst  nach  dem  Verfahren  von  Dionis  und  Kütan^  indem 


Methode,  netwt  Bemerknngen  su  den  Ansiehten  etc.      375 

ich  Zeige-  und  Mittelfinger  in  den  Mund,  den  Üaumeu  auf 
den  Ualsslumpf  setzte.  Allein  es  brach  der  Unterkiefer  im 
Kinn  und  riss  aus.  Die  Mesnanfsche  Zange  leistete  nichts, 
indem  die  damit  gefassten  Weichtheile,  so  wie  die  eine  H&lfle 
des  ^Unterkiefers  abrissen.  Die  Anlegung  der  N%emeyer*&chea 
Kopfzange  gelang  erst  das  zweite  Mal,  doch  bei  der  Traction 
glitt  sie  ab,  und  bei  einem  dritten  Versuche  fasste  sie  den 
Kopf  wieder  gar  nicht,  denn  er  wich,  ungeachtet  F.  ihn  von 
Aussen  zu  fixiren  suchte,  in  dem  nun  erschlafllen  und  gänz- 
lich wehenlosen  Uterus  stets  nach  oben  und  vom  aus.  Weil 
ich  die  Unmöglichkeit,  ihn  zu  fassen  einsah,  so  hatte  ich  zu 
dem  leicht  abgleitenden  Kephalolrypler  so  wenig  Vertrauen, 
dass  ich  jeden  Versuch  mit  demselben  als  mussig  aufgab. 
Auch  ^.*s  frischen  Kräften  wollte  die  manuelle  Extraction 
nicht  gelingen.  V^ir  standen  daher  von  allen  Extractions- 
versuchen,  auf  welche  so  viel  Zeil  verwandt  zu  haben  ich  fast 
bereute,,  gänzlich  ab  und  iiberliessen  die  Ausstossung  der 
Natur  in  der  Erwartung,  dass  sich,  wie  in  vielen  anderen 
Fällen,  so  auch  hier,  regelmässige  Wehen  einstellen  und  den 
Kopf  gehörig  accomniodirt  denselben  Weg  treiben  wurden, 
welchen  bereits  vier  Köpfe  glücklidi  passül  waren. 

Die  Frau  befand  sich  übrigens  seht*  wohl  und  hatte  sich 
während  der  auch  ohne  Chloroform  schmerzlosen  Operation 
so  folgsam,  verständig  und  ruhig  verhalten,  wie  es  selten  der 
Fall  zu  sein  pflegt.  Auf  das  Längslager  zurückgebracht, 
stellten  sich  bei  ihr  schon,  während  wir  mit  dem  Reinigen 
der  Instrumente  beschäfigtt  waren,  die  Wehen  ein. 

Dr.  F,,  der  bis  zur  Beendigung  der  Geburt  dablieb, 
während  ich,  zufällig  daheim  gleichfalls  engagirt,  mich  nach 
Hause  begab,  berichtete  über  den  weiteren  Verlauf.  Eine 
Stande  lang  kamen  die  Wehen  regelmässig,  nicht  zu  oft  und 
nicht  schmerzhafl,  von  da  ab  fing  die  Kreissende  an  während 
der  Wehe  über  Schmerzen  zu  klagen,  die  so  zunahmen  und 
häufig  wurden  und  fast  ununterbrochen  fortdauerten,  dass 
sie  F.  dringend  bad  sie  davon  zu  erlösen.  F,  brachte  sie 
nun  nochmals  aufs  Qnerlager  und  versuchte  den  Kopf  manuell 
zu  entwickeln,  was  indess  in  der  Rückenlagerung  trotz  der 
verschiedensten  Versuche  nicht  gelang.  In  der  darauf  ange> 
ordneten  KnieeUenbogenlagerung  glückte  es  jedoch  bald  den 


376     XXVII.    Küneke,  Eine  DecHpitatiou  nach  Karl  Braun's 

Kopf  lierau8Ziibefördern,  der  jeUl  so  gestellt  werden  konnte, 
dass  der  Zeigefinger  in  eine  Augentiöiile  und  der  Daumen 
am  harten  Gaumen  Platz  fand.  Es  war  dies  gegen  11  Ulir 
Nachts. 

Die  Wöchnerin  befand  sich  die  folgenden  Tage,  die  in 
Folge  des  Blutverlustes  herbeigeführte  Schwäche  abgerechnet, 
im  Ganzen  wohl  bei  einer  geUnd  abführenden  Behandlung; 
bis  am  10.  Tage  nach  der  Entbindung  eine  starke  BIennon*hoe 
der  Scheide  auftrat,  die  binnen  6  Tagen  durch  in  adstrin- 
girende  Flüssigkeiten  getauchte  Schwämme  ganz  gehoben  war. 
Ihre  Schwäche  dauerte  noch  längere  Zeit  an. 


Bald  nachdem  meine  oben  erwähnte  Abhandlung  über 
die  Decapitation  des  Fötus  erschienen  war,  veröffentlichte 
Professor  L.  Lehmann  zu  Amsterdam,  in  der  Nederlandsch 
Tijdscbrift  voor  Geneeskunde  VIU.  vom  Januar  1864  unter 
dem  Titel :  „Eenige  opmerkingen  tot  de  leer  der  Decapitatie 
of  Detruncatie''  einen  Aufsatz,  welcher  seiner  brieflichen  Mit- 
Iheiiung  zufolge  ein  Auszug  ist  aus  einem  mündlichen  Vor- 
trage, den  er  im  Jahre  vorher  in  einer  dortigen  Versammlung 
von  Aerzten  gehalten  hat!  Da  dies  das  letzte  Wort  ist, 
weiches  in  einer  noch  controversen ,  heute  viele  Geburts- 
helfer in  teressir  enden  Angelegenheit  gesprochen  worden, 
so  sei  es  bei  dieser  Gelegenheit  erlaubt,  die  von  Leh- 
mann ^  (der  meine  Arbeit  nicht  gekannt  zu  haben  scheint), 
vertretenen  Ansichten  kritisch  zu  beleuchten. 

Unter  den  bekannten  indicirenden  Geburtsverhältnissen 
will  er  von  den  drei  Arten  der  Embryo  tomie  der  Ex  en- 
ter ation  kaum  einen  Platz  unter  den  geburtshülflicheu 
Operationen  zugestehen  und  lässt  nur  mit  Widerstreben  die 
ganz  allgemein  als  gültig  anerkannte  Indication  als  einzige 
bestehen:  „wenn  bei  einer  vernachlässigten  Querlage  und 
beim  erkannten  Tode  der  Frucht  die  Wendung  unausführ- 
bar ist  und  die  Geburt  auf  keine  andere  Weise  bewerkstelligt 
werden  kann.''  —  Die  Brachiotomie  verwirft  er  ganz,  da 
man  einsehn  gelernt  habe,  dass  ihr  Zweck,  Platz  zu  schaffen 
und  die  Extraction  des  Kopfes  oder  Rumpfes  zu  erleiclUern 
selten  erreicht  werde. ^  —    Betreffs  der  Decapitation  da- 


Methode,  nebst  Bemerkungen  stu  den  Aniicbten  etc.      377 

gegen  gesteht  er,  dass,  „wo  er  eine  Wahl  unter  den  genann- 
ten Arien  zu  treffen  hätte,  er  unbedingt  der  letzteren  den 
Vorzug  geben  wurde,  weil  die  Weichtheile  gar  zu  leicht  ver- 
letzt werden  können."  Doch  bleibt  es  ihm  (iine  sonderbare 
Erscheinung,  dass  so  viele  Geburtshelfer  von  wohlverdientem 
Namen  so  oft  Gelegenheit  gefunden  haben,  die  Decapitation 
auszuföhren  und  sie  zu  empfehlen,  die  doch  einen  ganz 
niittdalterlichen  Charakter  verrathe.  Er  selbst  habe  sie  noch 
nie  anzuwenden  brauchen,  sondern  sei  stets  mit  der  künst- 
lichen Nachahmung  des  Mechanismus  der  Selbstentwickelung, 
nämlich  mit  der  Wendung  und  Extraction  am  Steisse,  nöthigen- 
falls  mit  Anwendung  des  stumpfen  Hakens  ohne  Nachtheil 
für  die  Mutter  ausgekommen,  ein  Verfahren,  welches  er  ohne 
Neues  zu  geben,  am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  auseinan- 
dersetzt. 

Vor  allen  anderen  Methoden  zur  Decapitation  gicj)t  L. 
derjenigen  von  K.  Braun  mit  dem  'geknöpften  Schlüssel- 
haken den  Vorzug.  Und  doch  äussert  er  nicht  gerade  die 
Uauptvortbeile  derselben.  Das  Instrument,  dass  einige  Aebn- 
lichkeit  mit  jenen  Haken  habe,  mit  welchen  man  die  Stiefel 
anzieht,  sei  ein  höchst  einfaches,  dabei  wohlfeiles  und  brauche 
ausserdem  nicht  oft  reparirt  zu  werden.  L.  hat  zwar  diesen 
Haken  bei  Versuchen  an  Kindsleichen  sehr  geeignet  befunden, 
dennoch  vermag  ich  bei  der  Art  wie  er  sein  Verfahren  da- 
bei beschreibt  einigen  Zweifel  an  -  der  Richtigkeit  dieses  Ur- 
tbeils  nicht  zu  unterdrücken.  Da  diese  Schilderung  desselben 
mit  der  bekannten  von  K,  Braun  und  Anderen  gegebenen 
öbereinstimm},  so  will  ich  sie  hier  nicht  ganz  reproduciren, 
sondern  nur  den  Punct,  auf  den  es  wesentlich  ankommt,  her- 
vorheben und  betrachten. 

Auch  Lehmann  will  mit  dem  über  den  Hals, des  Fötus 
gelegten  Haken  durch  rotirende  Bewegungen  erst  die  Hals- 
wirbel luxiren  und  dann  durch  abwärts  gerichtete  Traction 
die  Weichtheile  zerreissen.  Es  dürfte  aber  diese  Beschrei- 
bung wiederum  zu  dem  nämlichen  Missverständnisse  verleiten, 
dem  so  viele  Geburtshelfer  verfallen  sind,  und  welches  der 
Recipirung  der  Methode  bisher  so  sehr  hinderlich  gewesen 
ist.  Man  muss  nämlich  der  ZeAmann'scheif  Auseinander- 
setzung gemäss  annehmen,    dass  der  Haken    den   Hals 


378      XXVir.     KUnek^,  Eine  DecapitaHon  nach  Karl  Brann^a 

wenigstens  grosslenlheil  umtasse  und  dass  die 
Durchtrenuung  desselben  mit  einem  Male  bewirkt  werde. 
Ich  habe  diesen  Punct  bereits  in  meiner  Aj)handlung  mit 
besonderem  Gewichte  betont -und  hervorgehoben,  dass  der 
Haken  seiner  Construction  nach  zu  einem  Umfassen  des 
Halses  nichts  weniger  als  geeignet  ist  und  dies  höchstens  bei 
sehr  kleinen  oder  faulen  Früchten  möglich  erscheint.  Es 
kann  daher  die  Durchtrennung  des  Halses  ^  auch  nicht  mit 
einem  Male,  sondern  nur  successive  ausgeführt  werden 
und  es  ist  somit  eine  mehrmalige  Anlegung  des  Hakens 
erforderlich.  Bei  jeder  einzelnen  Application  habe  ich  die 
Axendrehung  oder  Rotation  des  Hakens  und  die  Tor- 
sion  desselben  sti*eng  unterschieden,  indem  ich  unter  letzterer 
die  Gesammtheit  der  Rotationen  verstehe,  welche  nolh- 
wendig  sind,  um  die  mit  dem  Haken  gerade  gefasste  Hals- 
partie abzudrehen  und  zu  lösen.  Wie  nun  eine  Torsion 
aus  mehreren  Rotationen  besteht,  so  setzt  sich  die  ganze 
Durch trennung,  die  Amjmtation  des  Kopfes  vom  Rumpfe, 
aus  mehreren  und  zwar  aus  5  bis  7  Torsionen  zusammen. 
In  unserer  oben  beschriebenen  nach  diesem  Verfahren  an 
sich  leicht  und  sicher  bewirkten  Decapitation  genügten  schon 
5  Torsiopen,  obwohl  das  Kind  ober  mittelstark  und  erst 
seit  etwa  einigen  Stunden  abgestorben  war.  Und  die  Schwie- 
rigkeiten und  Verzögerungen,  welche  bei  der  Operation  ent- 
gegenstanden treffen  keineswegs  die  Technik  des  Verfahrens, 
sondern  lediglich  die  Complicationen  dieses  speciellen  Falles, 
welche  nichtsdestoweniger  in  einer  so  glucklichen  Weise  über- 
wunden wurden. 

Obwohl  Lehmann  auch  die  Resultate  der  Statistik 
(nicht  wie  er  angiebt  5  Todesfalle  der  Mütter  von  18,  son- 
dern 4  von  den  damals  bereits  bekannten  28  Beobachtungen) 
für  die  Einfachheit  und  Unschädlichkeit  der  Operation  zu 
sprechen  scheinen,  so  komme  es  ihm  dennoch  vor,  dass  die 
Decapitation  weder  ein  so  einfaches  noch  unschuldiges  Ver- 
fahren sei;  eine  Behauptung,  welche  er  durch  vier  Argu- 
mente zu  stützen  sucht,  die  wir  näher  betrachten  müssen. 

1.  „Soll  die  Ausführung  möglich  werden,  so  muss  der 
Hals  der  Frucht  auf  eine  leichte  Weise  zu  erreichen  sein, 
was  aber  in  den  meisten  Fällen  einer  Scbulterlage,   wobei 


Methode,  nebst  Bemerktingeo  tn  den  Ansichten  etc.      379 

jedenfals  die  Wendung  auf  die  Fasse  als  unmöglich  ange- 
nomnien  werden  muss,  nicht  der  Fall  ist.  Üei*  vorgefallene 
Arm  mit  der  Schulter  und  einem  Theile  des  Rumpfes  sinkt 
in  Folge  der  Zusammenziehungen  der  Gebärmutter  tiefer  in 
das  Becken,  während  der  Kopf  auf  dem  Darmbeine,  der  Lin. 
arcuata  oder  dem  geratlen  Asle  des  Schambeines  liegen  bleibt, 
dergestalt,  dass  der  Hals,  wenn  er  nicht  stark  gestreckt  ist, 
entweder  gar  nicht  oder  kaum  zu  fühlen  ist/*  Diese  An- 
gaben sind  durch  die  Erfahrung  Anderer  bislang  nicht  be- 
stätigt worden.  Insbesondere  kann  ich  meinen  obigen  Fall 
entgegenhalten,  bei  dem  alle  erschwerenden  Momente  sich 
combinirten:  enges  Becken,  Placenta  praevia,  Nabelschnur- 
Vorfall,  hohe  Lage  der  Frucht  und  vor  allen  endlich  die 
Strictur  des  Muttcrnmndes,  welche  letztere  übrigens  schlimm- 
sten Falles  durch  Einschneiden  des  Muttermundes  noch  zu 
überwinden  gewesen  wäre. 

2.  „Das  starke  Herabziehen  des  Halses  mit  der^  Hand 
um  ihn  zu  spannen,  namentlich  mit  dem  Schlusselhaken,  um 
Torsion  der  Halswirbel  mit  Trennung  der  Weichtheile  zu 
Wege  zu  bringen,  muss  leicht  nachtheilig  wirken,  da  der 
Uterus  alsdann  zwischen  den  Kopf  und  das  Becken,  vorzug- 
lich an  der  Stelle  der  Lin.  arc.  oder  des  Ram.  horiz.  oss. 
pub.  gedruckt  wird  und  zerreissen  kann*  Dass  diese  Be- 
merkung nicht  auf  blos  theoretischem  Grunde,  sondern  wirk- 
lich auf  der  Erfahrung  beruht,  das  beweisen  die  vi^n  Fälle 
von  Ruptur  der  Gebärmutter  bei  Querlage,  welche  gewöhn- 
lich spontan  auf  diese  Weise  zustande  kommen.'*  Was 
diesen  bekanntlich  schon  von  Scanzoni  erwähnten  Einwurf 
betriffl,  so  ist  derselbe  einestheils  durch  die  Erfahrung  eben* 
falls  nicht  gerechtfertigt;  anderntheils  .kann  wenigstens  bei 
der  von  mir  beschriebenen  Verfahrungsweise  der  successiven 
Durchtrennung,  wie  ich  bereits  a.  a.  0.  hervorgehoben  habe, 
entschieden  keine  solche  Quetschung  und  Durchreibung  des 
Uterus  stattfinden.  Es  durfte  diese  Gefahr  vielmehr  für  die 
forchlen  Wendungsversuche  oder  fhichtlosen  Anstrengungen 
der  sich  selbst  überlassenen  Naturwirkung,  welche  die  De- 
capitation  heilsamerweise  vermeiden  soll,  gerade  durch  die 
Erfahrung  anerkannt  sein. 

3.  „Ob  die  Torsion  der  Halswirbel  mit  dem  Schlüssel- 


380      XXVII.    Küneke,  Eine  Decapitation  nach  Karl  Braan*8 

hakeil  bei  eiuer  eben  geslorbetieii  Frucht  so  leiclil  zu  be- 
werkstelligen sei,  kann  ich  aus  eigner  Erfahrung  nicht  enl- 
sjcheiden,  sondern  will  blos  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
dieses  Manoeuvre  bei  Versuchen  mit  Kindsleiclien  im  Phan- 
tome ziemlich  viel  Kraftanstrengung  erfordert  und  nicht  die 
Arbeit  eines  Augenblickes  ist*'  Es  ist  mir  nicht  zweifelhaft, 
dass  wie  so  viele  Anderen,  welche  das  Verfahren  dahin 
missverstanden  haben,  dass  der  Hals  mittels  einer  einma- 
ligen Anlegung  des  Ilakens  zu  durchtheilen  sei,  auch 
Lehmann  in  diesem  Punkte  vollkommen  Recht  hat.  Ja  es 
hätte  ihm  bei  so  übermässiger  Kraftanstrengung  obendrein 
recht  gut  passiren  köuiien,  wie  es  Martin  in  Berlin  beim 
Operiren  am  Phantome  und,  wenn  ich  mich  recht  entsinne, 
einem  ungarischen  Arzte  an  der  Lebenden  erging,  dass  der 
Griff  des  Hakens  zerbricht;  was  bei  meinem  wenig  Gewalt 
erfordernden  Verfahren  sich  nicht  wohl  ereignen  dürfte.  Auch 
gebt  aus  Lehmann's  Worten  nicht  deutlich  hervor,  ob  er  an 
Weingeistkindem  oder  frischen  Leichen  operirt  habe,  lieber 
ei*stere  besitze  ich  keine  Erfahrung,  doch  wäre  die  Operation, 
einer  mündlichen  Aeusserung  von  Schwartz  zufolge,  aller- 
dings nicht  möglich.  An  frischen  Kindsleiclien  dagegen  haben 
meine  Schüler  so  gut  wie  ich  den  Zweck  stets  sicher,  leicht 
und  schnell  erreicht. 

4.  „Dass  die  Extraction  des  nachkommenden  Kopfes, 
wenn  ei^.ganz  vom  Rumpfe  getrennt  ist,  nicht  immer  so 
leicht  mit  der  Hand  oder  mit  dem  Haken  vollführt  werden 
kann,  davon  bin  ich  zweimal  Zeuge  gewesen,  und  ich  würde 
vor  allem  schon  dieses  Grundes  wegen  anrathen,  mit  der 
Decapitation  höchst  vorsichtig  zu  sein,  namentlich  sobald  das 
Becken  verengt  ist.'' 

Dieses  Argument,  welches  auch  Hohl  gegen  die  De- 
capitation ganz  besonders  geltend  macht,  aber  doch  nacih 
Erfindung  des  Kephalothryptors  selber  für  ziemlich  hinfällig 
hält,  scheint  nach  Lehmann'^  Erfahrungen,  sowie  durch 
meine  eigene  obige  Beobachtung  nicht  ohne  Berechtigung  zu 
sein.  In  seinen  zwei  Fällen  war  bei  der  Extraction  aus  den 
massig  verengten  Becken  durch  andere  Aerzte  der  Kopf  vom 
Rumpfe  abgerissen.  In  dem  einen  derselben  gelang  es  Leh- 
mann weder  mit  der  Hand,  noch  mit  Instrumenten  verschie- 


Methode,  Debst  Bemerkiingeii  zu  den  Ansichteii  .etc.     381 

denei  Art  den  zurückgebliebenen  Kopf  herauszuholen  und 
die  Frau  starb  24  Stunden  nach  der  Entbindung  n)it  dem 
Kopfe  in  der  Gebärmutter.  Im  anderen  Falle  glückte  es 
ihm  erst  nach  vielen  fruchtlosen  Versuchen  den  durch  den 
Kephalothryptor  gänzlich  zertrümmerten  Kopf  mit  dem  Smellie'- 
schen  Haken  herauszuziehen.  Auch  in  meinem  Falle  gelang 
die  Extraction  des  Kopfes  erst  melu*ere  Stunden  nach  der 
Entbindung  dem  Dr.  F.  und  zwar  in  der  Knieellenbogen- 
lagerung der  Frau,  ein  Auskunftsmiltel,  von  dem  ich  nicht 
weiss ,  oh  es  vor  ihm  zu  diesem  Zweck  Anwendung  gefun- 
den hat.  Vielleicht  auch  war  der  Kopf  durch  die  Wehen  um 
jene  Zeit  bereits  besser  accommodirt  und  fixirt  und  so  die 
Hindurchiührung  durch  das  enge  Becken  erleichtert  Wurde 
doch  in  dem  von  Martin  mit  dem  stumpfspitzen  Haken  van 
Smellie  operirten  Falle  (Mon.  f.  Geb.  Bd.  19.,  S.  250)  bei 
einer  noch  bedeutenderen  Verengerung  des  Beckens  von  3" 
4'"  Conj.  diag.  der  Kopf  einige  Minuten  nach  der  Exti*aclion 
des  Rumpfes  von  den  Wehen  im  Beckeneingange  lixirl  und 
alsdann  mit  den  in  den  Mund  und  den  Halsstumpf  einge- 
setzten Fingern  aus  der  Scheide,  weim  gleich  nicht  ohne 
Muhe  herausgezogen.  Uebrigens  hat  bekanntlich  der  zurück- 
gebliebene  Kopf  in  den  beti^effenden  DecapitationsföUeu  kei- 
nen Nachtheil  für  die  Mutter  bewirkt,  sondern  ist  stets  noch 
durcli  die  Naturthätigkeit  binnen  einigen  Stunden  nach  der 
Entbindung  spontan  ausgestossen  worden.  — 

Es  sind  bis  jetzt  29  nach  der  Methode  von  K.  Braun 
ausgeführte  Decapitationsoperationen  bekannt  geworden.  Da- 
bei starben  5  Mattet*  und  zwai*  dm*ch  Verletzung  in  Folge 
anderweiter  Operationsversuche  2  (K.  Braun)  ^  an  Endo- 
metritis puerperalis  2  (Streng y  K,  5rawn^„  an  anderen 
Complicationen  1  (Ad.  Breiner  in  Ungarn^.  Von  den  29 
Operationen  fallen  26  auf  den  österreiduschen  Kaiserstaat 
und  3  auf  Holland.  Hieran  schliesst  sich  als  30.  mein  so- 
ehm  beschriebener  glücklich  verlaufener  FaU  vom  22.  November 
1864,  zugleich  der  erste  ün  ausserösterreichischen  Deutschland. 

Göttingen,  den  7.  März  1865. 


382   XXVUI.  Dohm,  Deber  die  Anwendung  des  Collodiamt 

XXVIIL 

üeber  die  Anwendung  des  CoUodiums  bei  der 
Peritonitis  der  Wöchnerinnen. 

Von 

Prof.  Dohrn  in  Marburg. 

Im  Jahre  1859  empfab]  der  französische  Arzt  Robert 
de  Latour^  bei  puerperaler  Peritonitis  eine  Bepinselung  des 
Bauches  mit  Collodium  vorzunehmen  ^).  Latour  hatte  in 
einem  Falle  dieser  Krankheit  sich  des  Mittels  bedient  und 
vorzüglichen  Erfolg  davon  gesehen.  Seine  Empfehlung  blieb, 
wie  es  scheint ^  in  Frankreich  unbeachtet,  dagegen  fand  in 
dem  Hebammeninstitute  zu  Petersburg  das  Collodium  noch 
im  selben  Jahre  Anwendung  und  mit  Schluss  des  Jahres 
1860  hatte  Tamoffsky  bereits  99  Falle  aufzuweisen,  in 
welchen  er  sich  des  Mittels  bedient  halte  ^).  Die  gunstigen 
Resultate,  welche  von  Petersburg  aus  berichtet  wurden,  be- 
stimmten auch  mich,  das  Collodium  in  Gebrauch  zu  ziehen, 
und  nach  l'/s jähriger  Anwendung  desselben  steht  mir  eine 
Erfahrung  über  31  damit  behandelte  Fälle  zu  Gebote.  Ist 
diese  Zahl  auch  nicht  der  von  Tarnoffsky  beobachteten  an 
die  Seile  zu  stellen,  so  reicht  sie  doch  hin,  dass  ich  mir  ein 
selbslslandiges  Urlheil  über  die  Wirkung  des  CoUodiums  habe 
bilden  können,  und  ich  darf  die  Aufmerksamkeit  der  Fach- 
genossen auf  dieses  Mittel  lenken,  welches  bisher  in  Deutsch- 
land weniger  Anwendung  gefunden  hat,  als  es  dieselbe  verdient. 

Die  Applicationsweise  ist  einfach.  Von  einem  gut  kle- 
benden Colledium  trägt  man  auf  die  vordere  Abdominalwand 
eine  hinreichend  mächtige  Schicht  auf,  so  dass  bei  der  Ver- 
dunstung eine  zusammenhängende  Decke  gebildet  wird.  Tar- 
noffeky  bestrich  die  ganze  vordere  Abdominalwand  mit  Col- 
lodium, ich  habe  mich  darauf  beschränkt,  die  Gegend  unterhalb 
des  Nabels  damit  zu  bedecken;  das  erwies   sich  in  meinen 

1)  Gazette  ra^dic.  de  Paris.  1869.  Nr.  6. 

2)  8.  Hugenberger,    Bericht    über  das    HebamnieDinstitut  zu 
Petersbarg.     Petersb.  medic.  Zeitschr.  Bd.  2. 


bei  der  Peritonitia  der  Wöcbnerinnen.  383 

Fällen  als  ausreichend,  wobei  ich  indess  bemerken  muss,  dass 
leb  das  Mittel  stets  im  Anfange  der  Erkrankung  angewandt 
habe  und  in  Fällen,  wo  die  Äflection  noch  auf  den  unteren 
Abschnitt  des  Peritonaeums  beschränkt  war.  Ebenfalls  habe 
ich  nicht  für  nöthig  befunden,  vom  Collodiuro  3  Schichten  in 
verschiedener  Richtung  aufzusti^eichen,  wie  Tarnoffsky  em- 
pfiehlt. War  nur  die  hinreichende  Menge  aufgetragen,  so 
war  die  Bestreichung  in  Einer  Richtung  genügend. 

Im  Anfange  wandte  ich  das  Collodium  nur  in  solchen 
Fällen  an,  wo  ich  annehmen  musste,  dass  das  vordere  Pa- 
rietalblatt  des  Peritonaeums  afßcirt  sei.  Später  zog  ich  es 
auch  bei  tieferem  Sitze  der  AlTection  in  Gebrauch.  Die  Wir- 
kung war  hier  nicht  gleich  schlagend,  immerhin  aber  befrie- 
digend genug,  um  auch  bei  solchen  tiefer  sitzenden  Erkran- 
kungen weitere  Versuche  mit  dem  Mittel  zu  recbtfeitigen. 

Unter  den  behandelten  31  Fällen  beobachtete  ich  28  Mal 
eine  gnnstige  Wirkung.  Drei  Mal  blieb  der  Erfolg  aus,  das 
eine  Mal  bei  einer  Kranken,  die  neben  der  Peritonitis  eine 
Phlebitis  der  Beckenvenen  hatte;  das  zweite  Mal  bei  einer 
Patientin,  die  mit  einem  weit  rückwärts  im  Becken,  wahr- 
scheinlich retroperitonaeal  gelegenen  Exsudate  behaftet  war,  wo 
also  Ort  der  Erkrankung  und  Ort  der  Application  weit  von 
einander  lagen;  in  dem  3.  Falle  dagegen  bestand  eine  ein- 
fache Peritonitis  im  vorderen  Abschnitte  des  Bauchfells  und 
es  Hess  sich  hier  die  Erfolglosigkeit  des  Mittels  nicht  weiter 
erklären. 

In  einigen  Fällen  war  die  Wirkung  ganz  überraschend, 
schon  in  den  ersten  Minuten  nach  Vornahme  der  Bestreichung 
erniässigte  sich  das  Schmerzgefühl  und  besserte  sich  damit 
das  Allgemeinbefinden.  Die  Kranken  selbst  verlangten  wieder- 
holt nach  Vornahme  der  Bepinselung,  wenn  sie  einmal  an 
sich  die  günstige  Wirkung  derselben  erprobt  hatten. 

Tamoffaky  giebt  an^  dass  in  den  glücklich  verlaufenen 
Fällen  verminderte  Puls-  und  Athemfrcquenz  schon  in  den 
ersten  24  Stunden  auf  das  Deutlichste  habe  wahrgenommen 
werden  können.  Ich  kann  diese  Angabe  bestätigen.  Physio- 
logisch ist  die  Erscheinung  leicht  zu  deuten,  indem  bei  ge- 
mindertem Schmerzgefühle  die  Athemzüge  tiefer  werden  und 
damit  die  Circulation  freier.     Noch  deutlicher  aber  als  an  diesen 


384    XXVm.  Dohm^  Uelcr  die  Anwendung^  des  Collodiiiins 

Erscheinungen  zeigte  sich  in  den  meisten  Fällen  die  günstige 
NVirkuug  des  Collodiums  an  dem  Verhalten  der  Teroperatm*. 
Als  Beispiele  mögen  folgende  Fälle  dienen: 

L.  Sccundip.  Geburl  am  28.  Februar.  In  den  ersten  Tagen 
des  Wocbeiibelles  ungestörtes  Defindeu,  am  4.  und  5.  Tage 
bei  gesteigerter  Milchsecretion  und  putriden  Lochien  massiges 
Fieber,  darauf  Besserung. 

Am  8.  März  Morgens  ein  heftigei'  halbstündiger  Frost, 
dem  Kopfschmerz,  Hitze  und  starker  Durst  folgt.  Der  Leib 
ist  gespannt,  docii  nicht  aufgetrieben,  Hypogastrium  auf  Druck 
sehr  empfindlich,  Schmerzen  bei  der  Inspiration,  Puls  112, 
Temj)eratur  40,6. 

Bepinselung  des  Hypogastriums  mit  CoUodium  Morgens 
10  V2  Uhr. 

9.  März.  Unmittelbar  nach  Anwendung  des  Collodiums 
haben  sich  gestern  die  Schmerzen  betiächtlich  gemindert.  Es 
ist  imr  noch  ganz  geringe  Emplindhchkeil  mehr  vorhanden, 
das  Allgemeinbefinden  ist  gut,  die  Temperatur  ist  auf  37,8, 
der  Puls  auf  84  gefallen  (s.  Tab.  L)  >). 

S.  Primip.,  am  19.  Jan.  mit  der  Zange  entbunden.  Am 
22,  Morgens  erste  peritonitische  Erscheinungen.  Anhaltende 
Schmerzen  im  Leibe,  Empfindliciikeit  des  Uterus  auf  Druck, 
Ucunentlich  seiner  linken  Kante.  Kein  Meteorismus.  Belegte 
Zunge,  viel  Durst,  Puls  126,  Temper.  40,2.  Anwendung  von 
Collodium  Morgens  10 V4  Uhr,  Am  23.  haben  die  Schmerzen 
nachgelassen  und  ist  die  Empfindlichkeit  auf  Druck  geringer, 
Temper.  auf  38,8  gefallen  (s.  Tab.  U.). 

St.  Primip.  Leicht  verlaufene  Geburt  am  15.  März.  In 
den  ersten  Wochenbettstagen  ungestörtes  Befinden. 

18.  März.  Morgens  heftige  Kopfschmerzen  und  Frösteln. 
Zunge  belegt,  Leib  aufgetrieben,  Wandungen  gespannt  Em- 
pfindlichkeit auf  Druck  an  der  Linea  alba  bis  zum  Nabel  hin- 
auf, Uterus  der  Empfmdüchkeit  wegen  nicht  durchzufühlen. 
Milchsecretion  sehr  gering.     Puls  120,  Temper.  39,4. 


1)  Die  Morg^enteinpernturen  sind  10  Uhr,  die  Abendteutpera- 
tnren  5  TThr  gemessen. 


vr^nr*— e 


r«  —  o  o»  oo «-««^ '••«P« -«  O  «»  X  »-«"»* M  f^  - O  0>  •»- »3  •«•♦"* '*-*0  e»  • '-'O  "^  ^"«^  «****  Ö  *•*•"•'*"•'•* ••"O 


w)  vm  M— e  »  *B»i0«^««i«^r<  M  e, 


bei  der  PeritonitiB  der  WöohBerinoea.  386 

Bepinselung  oüt  CoUodium  Morgen«  10^4  Uhr. 

19.  März.  Der  Leib  ist  weniger  gespannt.  Die  EinpOnd- 
iicbkeit  geringer,  der  Uterus  leicht  durclizufuhlen ,  der  Puls 
auf  90  Schläge,  die  Temperatur  auf  87,4  heruntergegangen. 

Am  20.  wird  die  fiepinselung  wiederholt,  am  21.  sind 
die  peritonitischeu  Erscheinungen  verschwunden  (s.  Tab.  III.). 

R.  1  p.  Geburt  am  19.  November.  Am  20.  Abends  die 
ersten  Zeichen  von  Peritonitis.  Rasch  entstandener  Meteo- 
rismus, anhaltenile  Schmerzen  im  Abdomen,  Empßndlichkeil 
des  Uterus  auf  Druck,  Puls  120,  Temperatur  39,8. 

Bepinselung  mit  Collodium  Abends  5  Uhr. 

21.  November.  Unmittelbar  nach  Anwendung  des  Col- 
lodiums  liessen  die  Schmerzen  nach.  Es  ist  nur  noch  ge- 
ringe Empfmdlichkeit  mehr  vorhanden,  die  Temperatur  auf 
37,7  gefallen.  Abends  wurde  die  Emplindlichkeit  wieder 
starker,  die  Bepinselung  daher  wiederholt.  Der  Erfolg  war 
in  gleicher  Weise  günstig. 

Im  weiteren  Verlaufe  wurde  noch  an  2  Abenden  die 
Wiederanwendung  des  CoUodiums  nothig,  worauf  die  Kranke 
beide  Male  sich  sehr  erleichtert  fühlte  und  das  Fieber  sich 
eruiässigte  (s.  Tab.  IV.). 

In  anderen  Fällen  war  der  Einlluss  des  CoUodiums  auf 
den  Gang  der  Temperatur  weniger  günstig,  in  einzelnen  wenigen 
fand  siel)  bei  der  zunächst  folgenden  Messung  sogar  eine 
Exacerbation  des  Fiebers,  obwohl  sich  das  Allgemeinbefinden 
gleich  nach  der  Application  des  CoUodiums  gebessert  hatte. 

Die  Wirkung  des  CoUodiums  bat  man  sich  auf  vei*schie- 
dene  Weise  gedeutet.  Ijotour  hatte  sich  die  eigenthömliche 
Vorstellung  gebildet,  das  Collodhnn  wirke,  hideni  es  den  Zu- 
tritt der  atmosphärischen  Luft,  namentlich  des  Sauerstoffs, 
von  den  erkrankten  Theilen  abhalte,  eutzüudungswidrtg.  Tivr- 
noffsky  stellte  dieser  Theorie  die  nicht  minder'  gekünstelte 
gegenüber,  die  Coli  odiumdecke  bewirke  einen  Zustand  localer 
Anästhesie,  indem  sie  die  Ausscheidung  der  Kohlensäure  in- 
hibire.  Die  einfacheren  Erkiärungsweisen  verdienen,  wie 
Hugenberger  mit  Recht  andeutet,  diesen  Theorien  gegen- 
über den  Vorzug. 

MouftUsehr.  f.aeburtek.  1866.  Bd.  XXV.,  Hft.  6.  25 


386  XXVIII.  Dch;tn,  Ueber  die  Anwendung  des  Cenodinm  etc. 

Das  GoHodiam  erzeugt  bei  der  Verdonstung  betrichtlicbe 
Kälte  und  bewirkt  eine  Cootraction  der  Baucbdeeken.  Das 
Eine  wie  das  Andere  könnte  seine  günstige  Wirkung  er* 
Uären,  indess  ist  die  Contraction  der  Bauchdecken  von  grös- 
serem Belang,  als  die  Erzeugung  der  Kälte.  Käme  die  letz- 
tere wesentlicb  in  Betracht,  so  müsste  unmittelbar  nach 
Aufslreichen  der  Flüssigkeit  die  schmerzstillende  Wirkung  am 
Deutlichsten  sein  und  bei  zunehmendem  Wärmegefühl  die 
Empfindlichkeit  sich  wieder  heben.  Dies  ist  indess  nicht  der 
Fall,  die  Wirkung  hält  für  gewöhnlich  mindestens  mehrere 
Stunden  vor.  Einige  Kranke  haben  mir  auch  geradezu  an- 
gegeben, die  Kälte  sei  ihnen  unangenehm  gewesen  und  erst, 
als  sich  ein  erhöhtes  Wärmegefiüd  ehigestellt  habe,  sei  der 
Schmerz  geringer  geworden.  Es  ist  sonach  die  Contraction 
der  Baucbdeeken  das  Wesentliche,  damit  werden  die  Gefasse 
der  Abdominalwand  verengt  und  mit  geminderter  Hyperämie 
verringert  sich  die  EmpGndlichkeit  *).  Weiter  mag  in  Be- 
tracht kommen,  dass  die  Respirationsbewegungen  freier  werden, 
indem  die  Colludiiimdecke  die  Excursionen  einzelner  Theile 
der  empfindlichen  Abdominalwand  beschränkt.  In  dieser  Be- 
ziehung darf  man  indess  ^von  dem  Gollodium  nicht  mehr  er- 
warten, als  von  den  üblichen  Katapiasinen  und  temperirten 
Wasserumadilägen ,  während  in  jeder  andern  Rucksicht  das 
CoUodium  weit  den  Vorzug  verdient. 

Den    Fachgenossen    empfehle    ich    angelegentücbst   die 
weitere  Prüfung  des  Mittels. 


1)  Naoh  Hugenberger  haben  solche  Mittel,  die  keine  Con- 
traction der  Bauchdecken  zu  Stande  bringen,  z.  H.  daa  Collodlum 
elasticnm,  auch  keine  günstige  Wirkung.  Ich  habe  einen  Ver- 
such mit  Wafiflerglas  gemacht,  doch  blieb  aller  Effect  ans,  da 
sich  eine  zusainmeiihUngende  Decke  von  hinreichender  Festig- 
keit damit  nicht  herstellen  Hess.. 


XXIX.  Pappel,  Ueber  einen  Fall  Ton  dareh  Killte  etc.    387 

XXIX. 

üeber  einen  Fall  von  durch  Kälte  bewirktem, 

bewusstlosem  Znstande  während  und  nach 

der  Gebnrt. 

.    Von 

Dr.  J.  Poppel, 

Privatdocent,  HHlfsHrzt  an  der  geburtibUiriiohen  Poliklinik  nnd  prakt. 
Arzt  in  MOnohen. 

Wenn  vom  Gebären  ohne  Bewustsein  die  Rede  ist,  so 
musä  man  dabei  fast  immer  —  naturlich  abgesehen  von  der 
Ausstossung  des  Kindes  in  der  Chloroformnarkose  —  an  pa- 
thologische Zustände  der  Mutler  denken,  die  so  offenkundig 
sind,  dass  sie  wohl  nie  Anlass  zu  ernstlichem  Zweifei  geben 
können,  wenn  etwa  wegen  eines  dem  Kinde  zugestossenen 
Schadens  die  gerichtliche  Untersuchung  eingeleitet  wird. 

So  kann  bekanntlich  während  eines  eclaraptischeil  oder 
epileptischen  Anfalles,  vielleicht  während  einer  durch  Blut- 
verlust bedingten  Ohnmacht,  während  eines  apoplektischeh 
Insultes,  möglicherweise  auch  im  höchsten  Grade  der  Trunken- 
heit die  Sensibilität  so  vollständig  aufgehoben  sein,  dass  der 
GeburtSticl  nicht  zum  Bewusstsein  der  Mutter  gelangt.  Oh 
während  eines  tiefen  Schlafes  die  Geburt  erfolgen  könne, 
wird  von  den  meisten  Autoren  bezweifelt,  scheint  aber  doch 
in  der  Möglichkeit  zu  liegen.  Wenigstens  wird  ein  Fall  von 
Dubois  *)  erzählt,  wo  eine  Erstgebärende  den  grössten  Theil 
des  Gebäractes  verschh'ef,  und  als  sie  beim  Erwachen  einen 
starken  Drang  zum  Harnlassen  verspürte,  sich  deshalb  auf- 
richtete, ein  Nachtgeschirr  ergriff  und  in  dieser  aufrechten 
Stellung  das  Kind  gebar. 

Bei  forensischen  Untersuchungen  in  dieser  Hichtung  han- 
delt es  sich  meistens  um  ein  angebliches  Verkennen  der  Wehen- 
ihätigkeit.  Die  Angeschuldigten  schützen  vor,  entweder  ihren 
schwangeren  Zustand  gar  nicht  gekannt,  oder,  wenn  sie  auch 
dieses  zugeben,  nicht  gewusst  zu  haben,  dass  die  Leibschmerzen, 
die  sie  fühlten,  auf  Wehenthätigkeit  beruhten.  Dass  ein  solches 
Verkennen  nicht  nur  bei  Erstgebärenden,  sondern  selbst  bei 


1)  Osz.  des  h6p.  27. 1854,  in  Sehmidt's  Jahrbüchern,  Jahrg.  1854. 

25* 


388       ^XIX*  Popp€l,  Ueber  ofnen  Fall  von  dnrcfa  KXlte 

iMehrgebäreiiden  wirklich  stattfinden  kann;  und  dieselben  z.  B., 
indem  sie  einen  Drang  zum  Stuhlgang  fühlen,  bona  fide  in 
den  Leibstuhl  oder  Abtritt  gebaren  können,  ist  durch  die  un- 
zweideutigsten Erfahrungen  bestätigt. 

Der  zu  erzälilende  Fall  betraff  jedoch  eine  Erstgebärende, 
die  wusste,  dass  sie  im  Gebären  begriffen  sei,  die  aber  von 
dem  Acte  der  Geburt  auch  nicht  die  geringste  Erinnerung 
hatte.  Ob  meine  Ansicht,  dass  dieser  bewusstlose  Zustand 
durch  Kälte  bedingt  gewesen  sei,  die  richtige  ist,  muss  dem 
llrtheil  des  Lesers  überlassen  bleiben. 

Die  19  jährige  F.  will  Mitte  April  1864  die  letzten  Re- 
geln gehabt  haben.  Von  da  an  bUeben  sie  aus,  und  es  stellte 
sich  anhaltender  weisser  FIuss  ein.  Aus  diesem  Grunde,  und 
weil  sie  auch  keine  anderen  Beschwerden  hatte,  wie  sie  im 
Beginne  der  ersten  Schwangerschaft  meist  auftreten^  wollte 
sie  niemals  trotz  der  allmäligen  Ausdehnung  des  Leibes  an 
Schwangerschaft  denken,  obwohl  sie  die  Möglichkeit  derselben  . 
nicht  laugnete.  Auch  von  Kindesbewegungen  will  sie  nichts 
gespürt  haben.  So  kam  nach  ihrer  Aussage,  der  aber  kein 
Gewicht  beigelegt  werden  soll,  der  3.  Januar  1865  heran, 
ohne  dass  sie  wusste,  dass  sie  schwanger  sei.  An  diesem 
Tage  verspürte  sie  öfters  wiederkehrende  Leihschmerzen,  die 
gegen  Abend  so  heftig  wurden,  dass  ihre  Umgebung,  die  an 
ihrer  Schwangerschaft  nicht  zweifelte,  ihr  rieth,  zur  Hebamme 
zu  gehen  und  sich  untersuchen  zu  lassen.  Diese  klärte  sie 
über  ihren  Zustand  auf  und  stellte  ihr  baldige  Niederkunft 
in  Aussicht.  Doch  bestärkte  sie  ihr  Vorhaben,  sofort  nocli 
sich  nach  dem  3  deutsche  Meilen  entfernten  München  zu  ihren 
Filtern  in  einem  Schlitten  fahren  zu  lassen,  indem  sie  bei 
der  guten  Schlittenbahn  noch  zeitig  genug  dort  eintreffen 
könne.  Von  der  grossen  Naivität  und  ünerfahrenheit  des 
Mädchens  kann  ihre  Erkundigung  bei  der  Hebamme  zeugen, 
wie  sie  sich,  wenn  sie  allenfalls  unterwegs  von  der  Geburt 
überrascht  würde,  zu  benehmen  hätte,  ob  sie  ihre  Röcke  auf- 
machen müsse,  denn  sie  glaubte,  dass  das  Kind  durch  den 
Bauch  geboren  würde.  Mag  man  diesem  Glauben  schenken 
oder  nicht,  Thatsache  ist,  dass  sie"  Abends  um  7  Uhr  jn 
einem  einspännigen,  ganz  offenen  Bauernschlitten  blos  mit 
dem   Kutscher   als   Begleiter,    die   Reise   antrat.      In   dieser 


bewirktem  bewasstiosem  Zaatande  während  u.  nach  d.  Geburt.   389 

Nacbi  war  die  heftigste  Kälte,  die  uberliau})t  in  diesem  Winter 
beobachtet  worden  ist,  nämlich  17^  C.  Die  Fahrt  dauerte 
nahezu  3  Stunden.  Von  dieser  weiss  sich  das  Mädchen  des 
ersten  Theils  ganz  gut  zu  erinnern.  Sie  erzählt,  dass  die 
Leibschmerzen  in  regelmässigen  Zwischenräumen  immer  stärker 
wiederkehrten,  und  endlich,  als  sie  ungefähr  noch  eine  Stunde 
von  Mönchen  entfernt  war,  so  heftig  wuixlen,  dass  sie  dem 
vor  ihr  sitzenden  Kutscher  die  Weisung  gab,  in  Mönchen 
gleich  an  das  Gebärhaus  und  nicht  an  die  weiter  entfernte 
Wohnung  ihrer  Eitern  zu  fahren.  Von  da  an  hört  die  Er- 
innerung des  Mädchens  auf.  Der  Kutscher  scheint  das  Ge- 
bärfaaus  nicht  gekannt  zu  haben,  und  fuhr  der  Strasse  zu, 
in  der  er  wusste,  dass  die  Eltern  des  Mädchens  wohnten. 
«Gegen  10  Uhr  Nachts  sah  man  einen  Schlitten  am  Anfang 
dieser  Strasse  mit  grosser  Schnelligkeit  fahren.  Als  er  an 
einer  Gesellschaft  heimkehrender  Wirthshausgäste  vorüber  war, 
bemerkten  diese  einen  Gegenstand  auf  dem  Geleise  Hegen, 
und  fanden  hinzueilend,  ein  nacktes  neugeborenes,  wimmern* 
'  des  Kind  sammt  der  Nachgeburt.  Dasselbe  wurde  sogleich 
einer  in  der  Nähe  wohnenden  Hebamme  übergeben,  die  Leute 
aber,  die  ein  Verbrechen  argwöhnten,  verfolgten  die  Richtung, 
in  der  der  Schlitten  davongeeilt  war.  Mittlerweile  war  der 
Kutscher,  der  nichts  von  dem  Vorgefallenen  gemerkt  hatte, 
zugefahren  in  der  Zuversicht,  seine  Reisegefährtin  wörde  ihm, 
wenn  er  das  Haus  erreicht  hätte,  schon  ein  Zeichen  geben. 
Da  dies  nicht  geschah,  fuhr  er  immer  fort,  bis  er  das  Ende 
der  Strasse,  die  aus  der.  Stadt  hinausföhrte,  und  damit  das 
Ende  der  Stadt  err^cht  hatte;  als  nun  allmälig  alle  mensch- 
lichen Wobnungen  aufhörten,  kam  ihm  doch  der  Gedanke, 
er  müsse  falsch  gefahren  sein,  er  fragte  also  das  Mädchen, 
bekam  aber  keine  AntworL  Erst  nach  langem  Rufen  inid 
Rütteln  schlug  sie  die  Augen  auf,  und  kam  allmälig  zn  sich, 
so  dass  sie  sich  orientiren  konnte  und  den  Kutscher  um- 
kehren hiess.  Als  sie  nun  endhcli  am  Hause  der  Eltern,  das 
etwa  in  der  Hälfte  der  Strasse  lag,  anlangten,  entstand  ein 
wahrer  Volkstumult,  denn  die  Leute,  die  vorhin  das  Kind 
gefunden  und  theilweise  dem  SchUtten  nachgeeilt  waren,  er- 
kannten ihn  sofort  wieder  und  beschimpften  nun  die  angeb- 
liche Kindesmörderin  und  riefen  auch  gleich  die  Polizei  herbei. 


390   XXIX.  Poppet,  lieber  einen  Fall  von  darcb  Killte  etc. 

Die  Mutter  lag  noch  in  halb  erstarrtem  Zustande  im  SdiiiUen 
und  wusste  gar  nicht,  was  dieser  Aiiflaui'  zu  bedeuten  hatte, 
sondern  verlangte  blos  zu  ihren  Eltern  gebracht  zu  werden. 
Von  einigen  mitleidigen  Menschen  wurde  sie  aus  dem  Schlitten 
gehohen  und  in  die  Wohnung  der  Genannten  getragen  und 
so  der  Wutli  des  Volkes  entzogen.  Die  Ehern,  die  von  dem 
schwangeren  Zustande  ihrer  Tochter  keine  Ahnung  hatten, 
wussten  natürlich  weder  was  ihrer  Tochter  begegnet  sei, 
noch  was  der  Tumult  auf  der  Strasse  zu  bedeuten  habe,  bis 
endlich  das  Corpus  delicti,  das  Kiud,  ihnen  gebracht  wurde. 
Jetzt  erst  wurde  dem  Mädchen  klar,  dass  sie  geboren  haben 
müsse,  und  so  koimte  sie  ihren  Eilern  doch  die  nothdürfÜgsle 
Aiiskunft  geben.  Als  diese  das  Kind,  dem  kein  Leid  ge- 
schehen war,  bereitwillig  annahmen,  beruhigte  sich  allmalig 
die  aufgeregte  Menge  und  verlief  sich.  Die  Mutter  bekam 
jetzt  einen  mehrstündigen  heiligen  Schüttelfrost,  konnte  dann 
gegen  Morgen  aber  etwas  schlummern  und  erwachte  am  an- 
dern Tage  zwar  erschöpft,  doch  vollkommen  gesund.  Auch 
im  W^ochenbett  trat  keine  erhebliche  Störung  ein. 

Interessant  ist,  dass  nicht  einmal  das  Schamlippenbänd- 
eben  eingerissen  war.  Das  Kind  war  ein  Mädchen,  das  nicht 
ganz  ausgetragen  zu  sein  schien.  Es  zeigte  keine  Spur  von 
Verletzungen,  und  war  die  ersten  acht  Tage  vollkommen  ge- 
sund. Vierzehn  Tage  alt  starb  es  an  Diarrhöe.  Da  von  der 
Polizei  Anzeige  gemacht  worden  war,  wurden  zwar  vom  Ge- 
i*ichte  Erkundigungen  bei  den  Eltern  und  der  Mutter  erhoben, 
und  auch  ich  wurde  nach  dem  Tode  des  Kindes  gerichtlich 
über  einen  möglichen  Zusammenhang  desselben  mit  der  Ge- 
burt des  Kindes  vernommen,  doch  ist  keine  Anklage  gegen 
die  Mutter  erhoben  worden. 

Dies  ist  die  einfache  Erzählung  des  Vorganges,  wie  er 
theüs  von  der  Mutter  berichtet  wird,  theils  aus  den  Aussagen 
von  Augenzeugen  erhellt. 

Auch  abgesehen  von  den  Behauptungen  der  Mutier, 
glaube  ich,  kann  aus  den  Thatsachen  an  sich  der  Sctiluss 
gezogen  werden,  dass  wirklidi  die  Geburt  in  bewusstlosem 
Zustande  erfolgt  ist  und  dass  also,  selbst  wenn  dass  Kind 
durch  den  Sturz  vom  Schlitten  Schaden   gelitten  hätte,  keine 


bewirJclen  bewnsstlosen  ZtisUnde  während  u.  nach  d.  Gebort  391 

verbrecberiscbe   Absicht  der  Mutter   untergeschoben   werden 
kann. 

Tbatsacbe  ist,  dass  das  Mädchen  bei  ihren  Eltern  ge- 
baren woUiei  dass  sie  also  im  Anfang  umnoglich  daran  dachte, 
dem  Kinde  ein  Leid  zuzufügen.  Thateache  ist  zweitens,  das« 
der  Schlitten,  nachdem  er  eine  Strecke  über  sein  Ziel  bin^ 
ausgefahren  war,  wieder  umkehrte  und  vor  das  Haus  der 
Eltern  des  Mädchens  fulir.  Was  für  ein  Grund  konnte  die-* 
ses  bewegen,  angenommen  es  sei  in  seinem  Schuldbewusstsein 
an  dem  Elternhause  absichtlich  voräbergefabren,  um  vielleicht 
zu  entfliehen,  plötzlich  wieder  umzukehren,  und  sich  der  Ur» 
mendeo  Menge  selbst  auszuliefern.  Thatsaclie  ist  endlich,  dass  sie 
ganz  erstarrt  und  noch  halb  bewusstlos  im  Elternhause  ankam. 

Diese  drei  Momente  genügen,  um  die  Glaubwürdigkeit 
der  Aussagen  der  Mutter  zu  beweisen,  deren  Benehmen  übri- 
gens auch  durchaus  ein  solches  war,  dass  es  den  Eipdruek 
der  Unbefangenheit  und  Schuldlosigkeit  machte. 

Auf  der  andern  Seite  steht  der  Annahme,  dass  durch 
die  intensive  Kälte,  der  die  Gebärende  3  Stunden  lang  in 
einem  offenen  Schlitten  zur  Nachtzeit  ausgesetzt  war,  ein  ge- 
föhl*  und  bewusstloser  Zustand  der  Mutter  bewirkt  worden 
sei.  Nichts  im  Wege,  und  wird  durch  vielfältige  Erfahrungen 
bestätigt,  dass  die  Einwirkung  der  Kälte,  wenn  sie  lange  ge~ 
nug  stattfindet,  constant  nach  vorhergegangener  Müdigkeit 
and  Schläfrigkeit,  Gefühl-  und  Bewusstlosigkeit  erzeugt. 

Allerdings  muss  zugestanden  werden,  dass  noch  andei% 
aber  doch  gezwungene  Erklärungen  des  Vorganges  möglich 
sind.  Man  könnte  annehmen,  dass  das  Mädchen  noch  mit 
Bewusstaein  geboren,  dann  aber  in  ihrem  erstarrten  Zustande 
aus  Erschöpfung  in  Ohnmacht  gefallen  sei.  Jedoch  auch 
diese  Annahme  spräche  gleich  der  ersten  zu  Gunsten  der 
MuUer,  wenn  es  sich  um  die  Anklage  des  Versuchten  Kinds« 
nioi*des  oder  der  Aussetzung  des  Kindes  handelte. 

Man  könnte  femer  ein  Einverstandniss  des  Mädchens 
mit  dem  Kutscher  und  damit  voraussetzen,  dass  letzterer 
absichtlich  so  schnell  davon-  und  über  das  Ziel  hinausge- 
fahren sei,  um  dem  lärmenden  Haufen  zu  entrinnen,  und 
dass»  beide  dann,  als  sie  glaubten,  die  Menge  würde  sich 
verlaufen  haben,  umkehrten.    Dass  sich  der  Kutscher  durch 


392    XXIX.     Popp€l,  lieber  einen  F«II  von  ^reh  KKlteetc. 

das  Geschrei  der  Leute,  die  das  Kind  fanden,  nicht  auf- 
halten licss,  hat  nichts  auffallendes,  denn  bei  der  grossen 
Schnelligkeit,  mit  der  er  fuhr,  war  er,  bis  die  Leute  sich 
von  ihrer  Ueberraschnng  erholt  hatten,  schon  lange  aus  dein 
Bereiche,  dass  er  ihre  Zurufe  verstehen  konnte;  i^nd  ein  lär- 
mendes Schreien  ist  um  diese  ^eit  der  Nacht  in  Mönchen 
und  zumal  in  den  Strassen  der  Vorstadt,  um  die  es  sicli 
handelt,«  etwas  Alltägliches.  Aber  bei  obiger  Voraussetzung 
mflsste  man  auch  die  Verstandeskräfte  beider  Schuldigen  als 
unter  dem  Niveau  der  geringsten  Ansprüche  stehend  an* 
nehmen,  denn  gerade  in  einer  um  diese  Zeit  noch  so  be- 
lebten Strasse  ein  Rind  aussetzen,  das  sie,  wenn  sie  nur  die 
eine  Strasse  entlang  und  zur  Stadt  hinausfuhren,  ganz  unbe- 
merkt aut  alle  mögliche  Weise  beseitigen  konnten,  das  hiesse 
doch  mehr  als  unüberlegt  handeln.  Ueberhaupt  konnte  ja 
die  Mptter,  auch  weun  sie  sich  vielleicht  mit  dem  Kutscher 
verständigt  hätte,  nicht  mehr  an  ein  Verheimlichen  ihrer  Geburt 
denken,  da  ihr  Zustand  an  dem  Orte,  von  dem  sie  schon 
mit  Wehen  weggefahren,  zu  bekannt  war. 

Die  Schuld  der  Mutter  ist  also  mit  Sicherheit  zu  ver- 
neinen. Ob  man  ihr  auch  darin  Glauben  schenken  ddrte, 
dass  sie  von  dem  Akt  der  Geburt  nicht  die  leiseste  Empfin- 
dung gehabt  habe,  oder  ob  die  andere  Möglichkeit  anzuneh- 
men sei,  dass  sie  gleich  nach  der  Geburt  bewusstlos  gewor- 
den, ist  aus  den  Thatsachen  nicht  bestimmt  zu  entscheiden, 
doch  hat  die  erstere  Annahme,  wie  schon  oben  erwähnt, 
durchaus  die  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 

Noch  ein  Bedenken  könnte  geltend  gemacht  werden, 
nämlich  warum  nicht  auch  der  Kutscher  durch  die  Kälte  be- 
wusstlos wurde.  Abgesehen  davon,  dass  das  Gegentheil  be- 
wiesen ist,  und  sein  ganzes  Verhalten  eher  für  eine  gewisse 
GefiQbllosigkeit  iftd  Stumpfheit  spricht,  kann  doch  kein  Ver- 
gleich stattfinden  zwischen  einem  Pferdeknechte  vom  Lande 
und  ein«m  18 jährigen  gebärenden  Mädchen  aus  der  Stadt, 
wenn  von  der  Einwirkung   der  Kälte  auf  Beide  die  Bede  ist. 


XXX.    ^otisen  ans  d«r  Journal- Literatur.  393 

XXX. 

Notizen  aus  der  Journal-Literatur. 

Alfr,  Taylor:  Tod  nach  Zerreissuug  des  Uterus, 
Umslulpung  des  Uterus  und  Austreibung  des 
Fötus  durch  Fäulnissgas. 

Die  Drr.  Bedford,  Eoberls  and  Shaw  Diachten  am  3.  Juni 
1864  die  Seotion  einer  in  ihrer  7.  Gebart  anentbanden  ge- 
storbenen 37jährigen  Frau.  Schon  am  26.  Mai  hatte  sie  Anfl&Ue 
gehabt,  welche  aaf  eine  Koptnr  des  Uterus  hindeuteten.  Sie 
tvar  snnfichst  innerlich  behandelt  worden  und  als  bei  fortschrei- 
tenden gefährlichen  Erscheinungen  der  Geburtshelfer  seine  In- 
strameote  holen  Hess,  starb  die  Frau,  ehe  ein  geburtshülflicher 
Eingriff  stattgefunden  hatte.  Eine  Woche  nach  dem  Tode  wurde 
die  wieder  ausgegrabene  Leiche  secirt.  Sie  war  stark  in  Fänl- 
niss  übergegangen  und  der  Leib  bedeutend  aufgetrieben.  Ein 
ausgetragenes  männliches  Kind  lag  swischen  den  Schenkeln,  mit 
dem  Kopfe  nach  den  Füssen  der  Mutter  hingewendet,  der  Uterus 
war  umgestülpt  und  lag  piit  der  noch  an  ihm  festsitseuden  Pla- 
centa  gleichfalls  swischen  den  Schenkeln.  Der  Nabelstrang  war 
nicht  getrennt.  Bei  Eröffnung  der  Bauchhöhle  entströmte  eine 
grosse  Menge  Gas,  in  ihr  befanden  sich  4  Pint  Blut,  die  Hand 
konnte  von  oben  swischen  Blase  und  Mastdarm  in  eine  tiefe 
Tasche  bis  zwischen  die  Schenkel  vorgeschoben  werden.  Nach 
dem  Rectum  an  fand  sich  ein  Loch  im  Uterus,  6"  lang,  quer 
laufend,  dicht  über  dem  Cervix.  Man  nahm  an,  dass  der  Gebär- 
mutterriss  und  die  starke  Blutung  den  Tod  herbeigeführt  hätten, 
dass  beides  aber  spontan  erfolgt  sei,  da  erst  nach  derselben  die 
Aerste  hiniugekommen  waren.  Es  war  in  diesem  Falle  nur  eine 
einaige  langdauernde  Contraction  beobachtet  worden,  unter  der 
der  Riss  erfolgt  sein  mnsste  und  obgleich  dieser  sehr  gross  war, 
■ehiilpfte  das  Kind  doch  nicht  in  die  Bauchhöhle,  sondern  blieb 
im  Uterus,  da  die  eine  Contraction  den  Kopf  wohl  su  tief  ins 
Becken  gedrängt  hatte. 

Bas  Kind  wurde  ferner  nach  dem  Tode  der  Mutter  nicht 
durch  eine  Uterus  contraction  ausgetrieben ,  denn  der  Uterus 
wurde  schlaff  und  grosg  gefunden,  sondern  sowohl  die-  Geburt 
des'Kisdes,  als  die  Umstülpung  der  schlaffen  Gebärmutter  erfolgte 
durch  den  Druck  des  in  der  Bauchhöhle  entwickelten  Fäulniss- 
gases. Hätte  eine  Uteruscontraction  die  Austreibung  des  Kindes 
bewirkt,  so  würde  dieses  schon  vor  dem  Einlegen  der  Leiche  in 
den  Sarg  gefunden  worden  sein. 

Verf.    führt   noch    mehrere    ältere   Fälle    von    bedeittender 


394  XXX.    Notisen  aus  der  Joarnal- Liter» tnr. 

Gasentwickelang  in  Leichen  an.  (s.  Orfila  M^decine  legale  I.  G56; 
London  med.  gpaz.  1860.  voL  45.  p.  17;  Guy^a  Hospital  Reports. 
Octbr.  1863,  p.  181 ;  Casper'^  Vierteljahrsachrift  f.  öff.  a.  gerichtL 
Med.  XIX,  p.  163,  1861.) 

Quy'n  Hospital  Reports  Vol.  X.,  J864,  p.  268.) 


Hervieux:  Ueber  das  Puerperal-Erysipel. 

Aas  seiner  längeren  Abhandlung  zieht  Verf.  selbst  folgende 
Schlussbetrachtnngen  an: 

1)  Das  Puerperal- Erysipel  kann,  wie  das  gewöhnliche,  in 
▼ersehiedenen  Formen  auftreten,  entweder  als  phlyctenoKdes  oder 
als  phlegmonöses  oder  als  gangränöses  Erysipel.  Von  letsteren 
•beiden  Varietäten  führt  Verf.  je  ein  Beispiel  auf.  Ein  phlegmo- 
nöser Rothlauf  befiel  im  Wochenbette  eine  43jährige  Mehrge- 
bärende nach  der  13.  Niederkunft.  Das  Erysipel  trat  nach 
schweren  Allgemeinerscheinungen  am  6.  Tage  am  linken  Elin- 
bogen  und  am  6.  am  rechten  Fasse  auf.  Der  Tod  erfolgte  am 
9.  Tage  nach  einer  heftigen  Qemtithsbewegnng.  Die  Autopsie 
wies  keine  Spur  von  Peritonitis  und  Phlebitis  nach,  sondern  an 
den  Stellen  des  Erysipels  ausgedehnte,  das  Zellgewebe  in6l< 
trirende  Eiterablage  rangen.  Der  Fall  von  gangränösem  Pnerpe- 
ralerysipel  betraf  eine  S2jiihrige  Mehrgebärende,  die  ohne  Knnst- 
hülfe  und  ohne  Blutung  entbunden  worden  war.  Nachdem  in  der 
folgenden  Nacht  sofort  Fieber  und  Schmersen  eingetreten  waren, 
denen  am  2.  Tage  bald  das  Exanthem  folgte,  entwickelte  sich 
dieses  von  beiden  Hinterbacken  nach  den  Lenden  au  (5.  Tag), 
erreichte  unter  starker  Geschwulst  am  9.  Tage  die  Oberschenkel, 
bis  zum  16.  Tage  die  Füüse,  während  es  auf  den  erstbefaUenen 
Stellen  abbleichte«  Am  19.  Tage  entwickelte  sich  oberhalb  des 
äusseren  Malleolus  des  einen  Fusses  ein  bläulicher,  bald  ins 
Graue  fallender  Fleck,  der  brandig  zerfiel,  aber  sich  schon  am 
31.  Tage  mit  einer  Demarcationslinie  abgränzte  und  darauf  leicht 
abheilte.  Hierauf  trat  anhaltende '  Besserung  bis  zur  Mitte  ^er 
6.  Woche  ein.  Am  39.  Tage  aber  trat  Schuttelfrost  und  heftiges 
Fieber  ein  und  das  Erysipel  erschien  nach  4  Tagen  wieder  und 
zwar  am  linken  Fusse,  der  besonders  in  der  Wadengegend  stark 
anschwoll.  Nach  einigen  Tagen  bildete  sich  ein  beträchtlicher 
Abscess  an  der  l^intem  und  obern  Seite  des  linken  Obersehen- 
kels ans,  der  an  2  verschiedenen  Malen  punctirt  wnrde.  Das 
Erysipel  setzte  sieh  über  den  Unterleib  auf  den  rechten  Fiiss 
fort,  wobei  das  Knie  stark  anschwoll.  Am  61.  Tage  langte  es 
auf  dem  rechten  Fassrücken  an;  auf  dem  Kreuzbeine  hatte  sich 
um  dieselbe  Zeit  ein  Schorf  gebildet.  Der  allgemeine  Zustand 
verschlimmerte  sich  von  Tag  zu  Tag  und  es  trat  anter  typhoiden 
Erscheinungen  am  80.  Tage  der  Tod  ein. 


X'XX.    Notisen  ans  der  Joarnal-LiterAtur.  395 

*2)  Das  Exanthem  kann  alle  Theile  des  Körpers  befallen,  aber 
meist  das  Geflieht,  Gesäss  nnd  die  Extremitäten*,  weil  hier  die 
aeiatan  loeaKdisponiranden  Ursaehen  sich  vorfinden.  Verf.  fKgt 
hier  einen  3.,  sehr  günstig  abgelaufenen  Fall  von  paerperalem 
Gesiehtserysipel  an,  das  sich  nach  einem  Initial  froste  am  8.  Tage 
der  Entbindung  unter  müssigem  Fieber  auf  Nase  und  beiden 
Wangen  xeigte  und  nach  ungefähr  12  Tagen  verschwunden  war. 
Die  WSebnerin  stand  im  38.  Jahre  nnd  war  normal  mit  dem  13. 
Kinde  niedergekommen. 

3)  Puerperal- Erysipel  ist  ebenso  gut  sporadisch,  wie  epide- 
misch, je  nach  disponirenden  nnd  Gelegenheitsursachen. 

4)  Es  IKsst  2  Arten  von  Ursachen  seiner  Entstehung  erken- 
nen: locale  und  allgemeine.  Unter  den  ersteren  führt  Verf.  be- 
sonders alle  oberflftchlichen  Gesehwflre,  Ausschlage  oder  Ver- 
letamgen  an,  sowie  auch  tiefer  liegende,  sufHllig  gegenwartige 
Eiterheerde.  Für  das  Erysipel  des  Gesftsses  nimmt  Verf.  die 
Beisung  der  betreffenden  Theile  durch  reichliche  und  stinkende 
Lochlalsecrete  einerseits  nnd  Verletaungen  oder  Excoriationen 
des  Seheideneinganges  unter  der  Geburt  oder  die  ans  Erythe- 
men oder  Pblyctänen  in  der  Kreusgegend,  die  gern  im  Wochen- 
bette aich  ausbilden,  entstandenen  Ulcerationen  andererseits  als 
Ursachen  an.  Hiervon  hat  er  schon  ein  Beispiel  angeführt,  wel- 
ches eine  26  j^lhrige  Erstgebärende  betrifft.  Nach  sehr  schweren 
Vorboten,  maniakalisohen  Delirien,  Krämpfen,  hohen  Fieber- 
graden n.  s.  w.  erschien  am  6.  Tage  des  Wochenbettes,  von  Ein- 
rissen nnd  Verletsnngen  des  Scheideneinganges  ausgehend,  ein 
Erysipel,  das  binnen  5  langen  von  den  Hinterbacken  auf  die 
Hüften  and  von  da  auf  den  rechten  Oberschenkel  wanderte, 
6  Tage  lang  gleichmässig  stand,  und  darauf  binnen  3  Tagen  mit 
vollständiger  Heilung  der  Fnin  verschwand.  —  Ffir  das  Gesichts- 
eryslpel  sind  als  Ursachen  an  beseichnen ,  Ecseme  oder  impe- 
tiginSse  Ausschläge  auf  der  Nase,  den  Lippen,  Ohren,  oder 
Ophthalmieen ,  Stomatitiden  oder  Pharyngitiden  und  Anginen. 
Verf.  rath  daher,  jede  Angina  im  Woehenbette  streng  au  nehmen 
und  umgekehrt  bei  Gesichtserysipelen  die  Untersuchnng  des 
Gaumens  nie  au  unterlassen.  Ursachen  des  Erysipels  der  Ex« 
tremitäten  sind  eitrige  Phlebitis  oder  Eiteransammlungen  in  die- 
sen Theilen. 

Die  allgemeinen  Ursachen  bestehen  in  der  Anhäufung  von 
Wöchnerinnen  in  Spitälern,  in  der  M()glichkeit  der  Ausbreitung 
durch  Infeotion  oder  vielleicht  Contagion.  Verf.  neigt  sich  nicht 
auf  die  Seite  der  Contagionisten  nnd  nimmt  als  Hauptgrund  gegen 
die  Contagion  den  an,  dass  sich  alle  Erscheinungen  des  epide- 
misehen  Auftretens  des  Erysipels  du  roh  die  Annahme  der  In* 
feetionskrankheit  erklären  lassen,  wogegen  allerdings  jede  Con- 
tagionskrankheit  leiaht  als  durch  Infeotion  entstanden  angesehen 
werden  kann  und  wird.    Dass,   wie  für  die  übrigen  Puerperal- 


396  XXIV.    Notlaen  aas  der  Journal -Literatur. 

erkrankuDgen,  so  auch  fiir  das  Erysipel  der  Einfluss  Aer  Spitäler 
nicht  an  verkennen  sei,  nimmt  Verf.  daraus  ab,  dass  an  derselben 
Zeit,  wo  Phlebitiden,  Peritonitiden ,  Plearittden  oder  gangrä- 
nöse Formen  des  Puerperalfiebers  anftrttten,  auch  Erysipelen 
nicht  ausblieben,  weshalb  er  glaubt,  wohl  mit  Recht,  alle  diese 
Erkrankungen  unter  dem  Namen  des  Puerperalfiebers  susammen- 
fassen  eu  können»  da  ihre  Entstehung  meist  gleichen  and  nur 
der  Sita  der  Affectionen  ▼erschiedenen  Ursachen  entaprüehe. 

5)  Das  Puerperal-Erysipel  wird  von  schweren  Allgemein- 
erscheinungen  eingeleitet,  und  Verf.  warnt  vor  der  falschen 
Diagnose  einer  heftigen  Peritonitis  oder  Uterinalphlebitis  mit 
eitriger  Infeotion,  die  man  nach  dem  Complex  von  Erscheinungen 
leicht  aUBunehmen  geneigt  ist. 

6)  Die  Prognose  ist  verschieden  nach  Form  und  Bits  der 
Affection,  nach  ihren  Complioationen  und  Ursachen.  Die  pMeg« 
monösen  und  gangränösen  Formen  sind  viel  schwerer,  als  die 
erythematösen  und  phlyctänoiden.  Das  Gesichtserysipel  ist  das 
gutartigste  von  allen ;  am  Gesässe  und  den  unteren  Extremitäten 
ist  es  meist  viel  schwerer,  als  im  Gesichte,  selbst  wenn  es  daselbst 
auch  den  Haarboden  mit  befällt. 

7)  Ein  während  der  Schwangerschaft  auftretendes  Erysipel, 
wovon  Verf.  2  Beispiele  anführt,  ist  selten  tödtlich,  aber  es  kann 
die  Veranlassung  aur  Frühgeburt  geben,  welche  in  dem  einen 
der  beiden  Fälle  6  Wochen  vor  rechteeitigem  Ablaufe  der  Schwan- 
gerschaft erfolgte.  Beide  Male  war  das  Gesicht  befallen,  das 
eine  Mal  Ende  des  9.,  im  andern  Falle  Mitte  des  10.  Schwanger- 
schaftsmonates, im  letztern  dehnte  es  sich  über  den  ganxen  be- 
haarten Theil  des  Kopfes  aus.  Vollständige  Heilung  nach  einigen 
Tagen. 

8)  Für  die  Behandlung  ist  die  Hauptregel  die  Causalindi- 
cation,  sowie  die  Ursachen  locale  oder  allgemedne.  Daher  kom* 
men  sowohl  hygieinische  als  wirklich  therapeutische  Maassregeln 
aar  Beachtung.  Zu  Ersteren  gehört  die  Isoiirung  der  Erkrank- 
ten, womöglich  ihre  Entfernung  vom  Orte  der  Erkrankung,  Sorge 
für  Reinlichkeit,  tägliche  Lüftung  und  Räncherungen ,  tagt. 
Erneuerung  etwaiger  Verbände,  Verhütung  von  Anhäufting 
miasmatischer  Stoffe  und  strenge  Absonderung  von  Schwangeren 
und  Lernenden  zur  Vermeidung  der  Verschleppung  der  Krankheit. 
Dia  Therapie  richtet  sich  nach  den  Ursachen  und  werden  die- 
selben nach  allgemeinen  Regeln  behandelt.  Bei  Verletzungen 
des  Einganges  empfiehlt  Verf.  das  Einlegen  von  Charpiebänsch- 
chen,  die  mit  Chlorwasser  getränkt  sind,  bei  Ulcerationen  auf 
dem  Kreuzbeine  Einstreuen  von  Kleie  ins  Bett,  bei  Ansammlungen 
von  Eiter  in  der  Tiefe  die  Eröffnung,  bei  reichliehen  Lochialflüs- 
sen  öftere  Waschungen  der  eryaipelatösen  Stellen. 

(Gazette  m^dieale  de  Paris.  18^-  No.  I.  III.  und  IV.) 


XXX.     Notisen  aus  der  Journal- Literatur.  397 

Breslau:  Zwei  Ovariotomieen. 

Der  eine  der  Fälle  verlief  lethal,  der  andere  sehr  glücklich. 
Im  ersten  Falle  datirte  die  Geschwulst  im  Unterleibe  ans  dem 
ersten  Wochenbette;  die  Frau,  die  im  38.  Lebensjahre  stand,  ist 
im  Gänsen  sweimal  niedergekommen,  hatte  aber  auch  im  sweiten 
Wochenbette  eine  Oophoritis  überstanden.  Es  fand  sich  bei  der 
ersten  Untersuchung  ein  Tumor  des  rechten  Ovarium ,  der  für 
eine  grosse,  uniloculäre,  seröse  Cyste  angesehen  wurde;  seit 
5  Jahren  hatte  sie  an  Grösse  nicht  sugenommen.  Danach  war 
sie  V4  <^<^'  später,  sehr  schnell  auf  eine  enorme  Grösse  ange- 
wachsen, so  dass  der  grösste  Umfang  des  Leibes  112  Ctm.  betrug. 
Es  wurde  die  Function  vorgenommen  und  dabei  nach  Simpsons 
Vorschlage  die  rechte  Seitenlage  auf  dem  Bettrande  eingenom- 
men. Da  nach  8  Monaten  die  Geschwulst  wieder  die  frühere 
Grösse  erreicht  hatte,  so  wurde  die  Radical Operation  gemacht. 
Ks  fanden  sich  starke  Verwachsungen  mit  dem  Netae,  welches 
losgelöst  und  reponirt  wurde.  Nach  provisorischer  Anlegung 
einer  Klammer,  wurde  die  Doppelligatur  (nach  Function  der 
Cyste  und  Kxtraction  der  Geschwulst)  um  den  Stiel  angelegt  und 
ausserdem  noch  eine  starke  Sicherheitsligatur  um  den  ganaen 
Stiel.  Der  Verschluss  der  Wunde  wurde  nach  Angabe  Spenesr 
Wells  mit  6  lanzenförmigen ,  starken,  vergoldeten  Nadeln  und 
swischenliegenden  Knopfnähten  hergestellt.  Nachdem  anfangs 
der  Verlauf  ein  günstiger  schien,  folgte  bald  hochgradige  Tyin- 
panitis,  kurss  darauf  häufiges,  suletst  fast  ununterbrochenes  Kr- 
brechan  und  langandauernder  CoUaps,  und  am  4.  Tage  trat  der 
.Tod  ein,  der  durch  die  Section  in  einer  hochgradigen  Peritoni- 
tis mit  allenthalben  verbreitetem,  eitrig -fibrinösem  Exsudate 
seine  Erklärung  fand.  Vert  sieht  als  deren  Ursache  weniger, 
die  Operation,  als  die  eingetretene  Menstrualperiode  an. 

.  Der  günstig  endende  Fall  betraf  ein  37 jähriges  Mädchen, 
das  vor  Einem  Jahre  geboren  hatte,  und  Yt  <^<^^'  darauf  ohne 
sonstige  Beschwerden  ein  allmäliges  Zunehmen  des  Leibes  be- 
merkte. Seit  6  Wochen  hatte  er  sich  sehr  schnell  bedeutend 
vergrössert,  und  gleichseitig  stellten  sich  Schmerseu  im  Hypo- 
gastrium mit  Urinbeschwerden  ein.  Bei  der  ersten  Untersuchung 
glich  der  Leib  in  Form  und  Grösse  dem  einer  Schwangeren  im 
7.-8.  Monate;  sein  grösster  Umfang  in  der  Höhe  des  Nabels 
betrug  80  Ctm.  Es  war  ein  elastischer  ovoider  Tumor  durch  die 
Üauchdecken  fühlbar,  neben  deutlicher  Fluctuation  an  den  ge- 
dämpften Stellen.  Die  Ezplorativpunction  ergab  eine  albuminöne 
Flüssigkeit.  Wegen  einer  geringen  seitlichen  Dislocation  de» 
Uterus  nach  rechts,  wurde  die  Diagnose  auf  Erkrankung  des 
linken  Ovarium  gestellt.  Durch  Function  wurden  1700  CCm. 
blutig  gefärbter  Flüssigkeit  entleert;  11  Tage  später  trat  Un- 
wohlsein mit  Frösteln  ein  und  es  wurde   in  der  Geschwulst   das 


398  XXX.    Notisen  ans  der  Joaraal-I^iteratur. 

Vorhandensein  von  Luft  entdeckt.  Da  sieh  bei  der  wieder 
11  Tage  spiiter  angestellten  Function  mit  Jodinjeotioo  (die  Ope- 
ration wurde  nnter  Wasser  rorgenommen ,  am  das  Eindringen 
von  Lnft  zn  Termelden  nnd  nm  Gas  aofsnfangen),  in  der  Torher 
entleerten  stinkenden  Flüssigkeit  Tiele  Vibrionen  fanden,  so  ist 
wobl  ansnnehmen,  dass  diese  Luft  durch  die  erste  Function  in 
die  Cjste  gelangt  ist.  Der  Injection  folgten  weder  Jodsymptome, 
noch  Peritonitis,  aber  schon  bald« darauf  nahm  der  Tumor  Ton 
Neuem  su  und  es  währte  nicht  lange,  so  waren  dieselben  Grössen- 
verhXltnisse  und  Auscultationsergebnisse  wie  früher  Torhanden. 
Nachdem  eine  2.  Function  mit  Jodinjection  nichts  genütst  hatte, 
wurde  zur  Exstirpation  geschritten,  weil  über  kurz  oder  lang 
das  Leben  der  Frau  durch  Septicaemie  gefthrdet  gewesen  wäre. 
Hiürcth  führte  in  der  Chloroformnarkose  unter  Assistenz  Bre«<at(*s 
die  Operation  aus.  Bei  Ausführung  der  2'/,''  langen  Inoision 
durch  die  morschen,  infiltrirten  Gewebe  wurde  trotz  grosser  Vor- 
sicht die  Tordere  Cystenwand  ein  wenig  geöffnet,  worauf  ein  be- 
täubendes, sehr  Übel  riechendes  Gas  entströmte;  bei  der  Eztrac- 
tion  des  zusammengefallenen  Sackes  entleerte  sich  riel  putride 
Flüssigkeit.  In  der  Tiefe  fand  sich  kein  derber  Stiel,  sondern 
nur  morscho,  mit  dem  Pinger  losbare  Verbindungen.  Aus  der 
Tiefe  wurden  durch  warme  Injectlonen  mit  verdünntem  Creosot- 
wasser  Jauche  und  gangränöse  Fetzen  entfernt,  die  Bauchwunde 
aber  offen  gelassen,  um  Weg  für  die  abgehenden  Entzündungs- 
producte  zn  behalten.  Aus  der  offenen  Bauchhöhle  gingen  nach 
und  nach  noch  nekrotische  Gewebsfetzen  los,  aber  die  Heilung 
ging  ungestört  ihren  Gang  yorwarts.  Später  entleerte  sich  viel 
Eiter,  besonders  bei  Druck  in  der  Blasengegend.  Die  H5hle 
Bchloss  sich  durch  Granulation  von  hinten,  und  61  Tage  nach 
'der  Operation  wurde  die  Kcconvalesccntin  mit  einer  kaum  8"  (?) 
langen  rothen,  glatten  Narbe  entlassen. 

Ausser  den  3  Ovariotoniieen  des  Verfassers  wurden  bis  jetzt 
noch  2,  je  eine  von  Frof.  Loeher-Zwingli  nnd  Prof.  CloßUa  Im 
Canton  Zürich  ausgeführt,  aber  der  zweite  Fall  des  Verf.'s  ist 
wohl  der  erste,  der  dort  glücklich  auslief. 

(Wiener  mediz.  Fresse  1865.  Nr.  5,  6,  11—18.) 


XXXI.    Literatar.  399 

XXXI. 

Literatur. 


Saemann:  De  seclione  caesarea  agitur,  luin  quae- 
ritur,  num  matris  genus  moriendi  rim  liabeat  ut 
foetos  ?el  prospere  vel  infeliciter  sectione  cae- 
sarea in  lucem   edaturr   (Diss.  inaug.  Rönigsb.  1864.) 

Naebflem  Verf.  nach  einigen  geschichtl.  Bemerkungen  über 
den  Kaiflerscbnitt  an  VerBtorbenen,  der  Versuche,  welche  lk'$8lau 
mit  nicht  ganz  ungünstigem  Erfolge  an  Thieren  über  diesen  Ge- 
genstand gemacht  hat,  gedacht,  kommt  er  bei  der  Frage,  ob  die 
Furcht  vor  dam  Scheintode  der  Mutter  ausreiche,  den  Kaiser- 
schnitt SU  unterlassen,  auf  die  Misslichkeit  des  Unterschiedes 
Ewischen  Tod  und  Scheintod.  £r  spricht  sich  im  ersten  Abschnitte 
der  Abhandlung  dahin  aus,  dass  nur  die  Art  der  Krankheit  eine 
Vermuthung  sulasse,  ob  Scheintod  zugegen  sei;  hierher  rechnet 
er  Hysteria  und  andere  Nervenstörungen,  grosse  Blutverluste 
und  Apoplexia,  wogegen  bei  chronischen  Krankheiten  der  Eintritt 
tüdtiicher  Erscheinungen  als  wirklicher  Tod  diagnosticirt  werden 
dürfte.  Deshalb  hält  Verf.  die  Furcht  vor  Scheintod  der  Mutter 
stets  für  unbegründet,  um  vor  einer  Operation  zurückzuschrecken, 
die  zwar  oft  unnöthiger,  nie  aber  schädlicher  Weise  ausgeführt 
wurde.  Der  2.  Theil  forscht  nach  etwa  vorhandenen  Gründen, 
aus  denen  man  eine  gewisse  Unabhängigkeit  des  Foetus  im  Uterus 
vom  mütterlichen  Leben  abnehmen  könnte.  Den  Nachweis,  wel- 
che Factoren  nach  dem  Ableben  der  Mutter,  abo  bei  Unthfttigkeit 
der  Placenta,  dem  kindlichen  Leben  übrig  bleiben,  der  Physio- 
logie überlassend,  setzt  Verf.  die  Bedingungen  auseinander,  unter 
denen  der  Foetus  weniger,  als  man  für  gewöhnlich  glaube,  von 
der  todten  Mutter  abhängig  sei  und  meint,  daas  Phtbisis,  Typhus 
und  Dysenteria  den  Tod  des  Foetus  weder  immer,  noch  sehr 
schnell  herbeiführten.  Hier  widerspricht  Verf.  entschieden  Nae- 
gele,  welcher  annimmt,  dass  das  Kind  den  Tod  der  Mutter  selten 
in  anderen  Fällen  überlebt,  als  wo  derselbe  durch  zufällige  äus- 
sere Einwirkungen  bedingt  tvird.  Man  darf  nach  Verf.^s  Ansicht 
den  eigenen  Lebenswerth  des  Kindes  nie  zu  gering  anschlagen, 
wenn  der  Arzt  sich  einen  gerechten  Tadel  ersparen  will.  Ob 
aber  der  Kaiserschnitt  auszuführen  oder  das  Kind  auf  dem  natür- 
lichen Wege  zur  Welt  zu  bringen  sei,  müsse  dem  Ermessen  des 
Arztes  nach  der  jedesmaligen  Sachlage  anheimgeatellt  bleiben. 
Absehend  von  den  Fällen,  wo  die  Geburt  schon  im  Gange  ist, 
wirft  Verf.  die  Frage  auf,  ob  die  Todesart  der  Mutter  einen 
Etnfluss  auf  die  glückliche  oder  unglückliche  Eztraction  des  Kin- 
des mittels  des  Kaiserschi^ttes  gehabt  habe  und  hat  zu  diesem 
Zwecke  Tabellen  entworfen,  in  die  er  36  noch  nicht  veröffent- 


400  XXXI.     Literatur. 

lichte  und  andere  32  ans  der  Literatnr  gesammelte,  glaubwürdige 
Fälle  rergleichshalber  aufgenommen  hat.  Aus  ihnen  geht  femer 
hervor,  dass,  wie  Schwangere  meist  seltener  in  acute  Krankheiten 
als  in  andere  verfallen,  sie  ebenso  selten  eher  sterben,  als  bis 
entweder  der  Fötus  geboren,  oder  die  Geburtstbfttigkeit  doch 
sehr  vorgeschritten  ist.  In  diesen  Fällen  wird  also  weniger  cum 
Kaiserschnitte  als  zum  Accouchement  forc^  Indication  sich  dar- 
bieten. In  Fällen  jedoch,  wo  Schwangere  an  acuten  Krankheiten 
(Pnenmonia,  Pleuritis,  Meningitis)  sterben,  ist  die  Sectio  caesa- 
rea SU  beschleunigen.  In  einem  der  Fälle  wurde  die  Operation 
25  Minuten  nach  dem  Tode  der  Mutter  ausgefährt;  das  Kind 
wurde  noch  mit  Hersbewegungen  geboren,  aber  nicht  zum  Ath- 
men  gebracht.  Gehen  auf  der  andern  Seite  Schwangere  an  chro- 
nischen Krankheiten  au  Grunde,  so  tritt  aus  3  Gründen  die 
Nothwendigkeit  der  Operation  viel  eher  ein:  1)  weil  bei  Schwan- 
geren der  Tod  sehr  oft  chronische  Krankheiten  abschliesst  und 
2)  weil  einige  chronische,  die  Lebenskräfte  allmählig  aufaehrende 
Krankheiten  dem  Leben  des  Fötus  einigermaassen  weniger  Ge- 
fahr bringen.  Bei  einer  an  Phthisis  Verstorbenen  wurde  dnrch 
Kaiserschnitt  eine  Stunde  nach  dem  Tode  das  Kind  noch  lebend 
extrahirt.  Nur  bei  Cholera  Ist  alle  Mühe  vergeblich;  es  tritt 
entweder  Abort  ein  oder  doch  Tod  des  Kindes  vor  dem  der 
Mutter  (Boehr,  Heyfelder), 

Die  Todesarten,  welche  die  Mutter  bei  völliger  Gesundheit 
treffen,  geben  die  besten  Prognosen  für  den  Erfolg  der  Operation, 
wenn  der  Fötus  reif  oder  lebensfähig  ist  und  die  letstere  mög- 
lichst schnell  ausgefährt  wird.  Es  tritt  zwar  häufig  Asphyxie  des 
Fötus  ein,  aber  man  bringt  ihn  doch  durchschnittlieh  leicht  ins 
Leben  zurück. 

Schliesslich  geht  Verf.  noch  gegen  Depaul  u.  A.  vor,  die 
meinen,  dass,  wenn  der  Herzschlag  des  Fötus  eine  Minute  lang 
nicht  gehört  worden  sei,  von  der  Sectio  caesarea  abzusehen  sei ; 
der  Fötus  ist  aber  deshalb  nicht  nothwendig  todt,  denn  es  glebt 
viele  Momente,  welche  die  Auscultation  der  Herstöne  verhindern. 
Abgesehen  von  Anasarca,  Ascites  und  Hydramnios  oder  stark 
entwickeltem  Panniculns  adiposus  der  Bauchbedeekungen  der 
Mutter  können  einfache  Lage  Veränderungen  des  Kindes,  die  es 
selbst  zu  Wege  bringt,  denselben  Erfolg  haben  oder  die  Ai- 
phyxie  kann  so  tief  sein,  dass  die  Herztöne  nicht  oder  nur  sehr 
schwach  hörbar  sind,  weshalb  auch  in  diesen  Fällen  die  Sectio 
caesarea  nicht  zu  unterlassen  ist. 


XXXII. 
Verhandlungen  der  Gcnsellschaft  für  Geburtshttlfe 

in 

Berlin. 

Sitzung  am  14  März  1865. 

Herr  Martin  gieU  in  Bezug  auf  das  von  Herrn  Khbs 
in  der  vorigen  Sitzung  vorgelegte  Präparat  folgende  KrankeiH 
geschichte: 

A.  P.  24  Jahre  alt,  war  seit  dem  16.  Lebensjahre  re- 
gelmässig meiistruirt,  hatte  m  April  1857,  Ende  December 
'  1860  und  am  7.  Januar  1863  leicht  geboren,  war  im  aweiten 
Wochenbette  (angeblich  in  Folge  einer  Pleuritis)  krank  gewesen« 
Im  August  1863  soll  der  Stuhlgang  schmerzhaft  geworden 
und  bisweilen  mit  Blut  gemischt  gewesen  sein.  Anfang 
December  1863  kam  sie  auf  die  äussere  Weiberabtheiiung 
des  Charitekrankenhauses  mit  zwei  einander  gegenüberliegenden 
pxcoriirten  thalergrossen  Wundflächen  am  After,  von  welchen 
sich  eine  tiefe  ringförmige  Ulceration  in  den  Mastdarm  hin- 
auf erstreckte.  Das  Geschwür  soll  scharf  abgeschnittene 
Ränder  und  einen  schmierigen  Grund  gezeigt  haben.  Deut- 
liche Zeichen  von  Syphilis  vermochten  die  aufnehmenden 
Aerzte  nicht  aufzufinden.  Bei  Ausspritzung  des  Hastdarms 
mit  Chamillenthee  und  Verband  mit  Kampherwein  reinigte  und 
verkleinerte  sich  zwar  das  äussere  Geschwür,  allein  im  Innern 
kam  eine  Perforation  der  Mastdarmscbeidewand  nicht  zu  Stande. 
Als  die  Kranke  Ende  December  1863  auf  die  gynäkologische 
Rlmik  verlegt  wurde,  fand  man  mit  dem  Finger  unebene  mit 
zahlreichen  Excrescenzen  bedeckte  Geschwüre  am  Mastdärme. 
Die  Commutücation  zwischen  dem  letzteren  und  der  Scheide 
war  so  weitt  dass  man  mehrere  Finger  leicht  hindurchführen 
konnte.  Im  unteren  Theile  des  Rectum  entdeckte  man 
mittels  des  Mastdarmspiegels  ein  rundliches  von  verhärtetem 

Monatüitelir.  f.  Gebnrtok.  1866.  Bd.  XXV.,  Hft.  6.  26 


402  XXXIl.     Verhaodiangeii  der  GeseHschaft 

Bande  umgebenes  Geschwür.    Das  AHgemeinbefimlen  erschien 
nicht  gestört. 

Es  wurde  eine  kleine  Inunctionsnir  von  je  ein  Scni|)el 
Ung.  einer,  tägl.,  sowie  Einspritzungen  von  Ifydrarg.  biclilorat. 
corros.  ^ß  in  Aq.  desL  5vj  1  Esslöffel  in  l'^  Tasse  Wasser 
täglich  2  Mal  verordnet.  Innerlicli  wurde  Decoctum  Hgnor. 
gereicht.  ^ 

Da  sich  nach  15  Einreihungen  Spuren  von  Sahvation 
eingeteilten,  wurden  diesellien  ausgesetzt  und  Kali  cliioricum- 
f.ösung  zum  Gurgeln  empfolden.  Nach  8  Tagen  konnte  die 
Iiiunctionscur  wider  aufgenommen  und  bis  zu  28  Einreibungen 
fortgesetzt  werden. 

Da  sich  jedoch  keine  Besserung  in  dem  Zustande  der  Ge- 
schwüre am  Aller  zeigte,  wurde  am  5.  März  die  Mercuriaicur 
auiVegeben  und  zunächst  bei  reinigenden  Sitzbädern  und  Ein-' 
spritzungen  der  Erfolg  abgewartet  Diarrhöen,  welche  Ende 
März  sicli  einstellten,  forderten  den  Gebrauch  von  Opium. 
Einspritzungen  mit  Argentum  nitricim)  brachten  keine  Ver- 
änderungen im  Zustande  der  sich  vergrössernden,  von  einem 
körnigen  vielgespaltenen  Bande  umgebenen  Geschwüre  zu  Wege. 
Ebensowenig  das  am  1.  Juni  verordnete  Hydrargyrum  oxy- 
datum  rubrum  gr.  V24  täglich  2  Mal,  steigend  bis  gr.  V|2. 
Das  bis  dahin  nicht  gestörte  Allgemeinliefinden  begann  jelzt 
zu  leiden,  die  Kranke  verlor  den  Appetit  und  mageite  ab, 
so  dass  bereits  am  22.  Juni  die  Gur  unterbrochen  werden 
musste.  In  dex  Scheide  ^j^"  über  dem  Eingange  fanden 
sich  zahlreiche  Knoten  zumal  an  der  hinteren  Wand,  weiche 
die  Einführung  des  Fingers  erschwerten.  Ebensolche  Knoten 
fanden  sich  am  After  und  in  demselben.  Dabei  klagte  die 
Kranke  über  lebhafte  Schmerzen  in  den  ergriffenen  Theilen 
aus  welchen  eine  reichliche  Absonderung  staltfand,  so  dass 
neben  Injectionen  von  Tannin  mit  Tlieerwasser  im  Anfang 
August  subcutane  Injectionen  mit  Morphium  verordnet  wurden 
und  vom  Ende  September  an  eine  Salbe  mit  Opium  zur  An- 
wendung kam.  Dabei  griff  die  Verjauchung  rasch  um  sich 
und  bereits  Anfang  October  war  der  Damm  gänzlich  zei'stört. 

Dessenungeachtet  kam  es  erst  spät  zu  unwillkürlichen 
Ausleerungen,  ja  nicht  selten  traten  mehrtägige  Stublver- 
haltungen  ein.    Am  15.  Januar  war  die  Scheidewand  zwischen 


für  Oebnrtahfilfe  io  Berlin.  40S 

Mastdarm  und  Sdieide  hodi  hinauf  zerMöri,  so  dass  die  vordert 
iebhal't  gerölliele  Scheidewand  herabsank  und  in  der  weiten  Ge* 
schwürsöffnung  sichlbar  wurde.  Bei  zunehmendem  Cotiapsus 
unter  heftigen  Sehn^erzen,  welche  häufige  subcutane  Injecii* 
oiien  erheischten,  stellte  sich  am  16.  Februar  ober  Nacht 
eine  schmerzhafte  Anschwellung  der  linken  Seite  des  Halses 
sowie  des  linken  Armes  ein,  welcher  eine  merklich  geringere 
Temperatur  zePgte.  In  der  Geschwulst  am  Halse  fühlte  man 
die  thrembosirte  Vena  jugularis  externa.  Auch  an  der  linken 
Seite  des  Thorax  wurde  eine  dunkelblaue  Schwelliuig  der 
ausgedehnten  Hautveneii  sichlbar.  Endlich  am  2G.  Febiuar 
starb  die  Kranke  marastisch,  nachdem  jene  Anschwellung  sich 
wieder  vermindert  hatte. 

Herr  Martin  fugt  noch  hinzu,  dass  seiner  Ansicht  nach 
die  Natur  der  Erkrankung  weniger  eine  syphilitische  als  eine 
hipöse  zu  sein  scheine. 

Herr  E.  Martin  spricht 
lieber    die    Behandlung    der    Neigungen    und     Beu- 
gungen   des    Uterus    mittels    der    von    Hodge    em- 
pfohlenen Pessarien. 

Die  Behandlung  der  Neigungen  und  Beugungen  der 
Gebärmutter  auf  mechanischem  Wege  ist  seit  Jahren  Gegen- 
stand des  Studiums  der  tüchtigsten  Gynäkologen  gewesen, 
indem  die  Ueberzeugung  jedem  umsiclitigeii  Beobachter  mehr 
und  mehr  sich  aufdrängt,  dass  Gestalt-  und  Lagenfehler  des 
Uterus,  auch  abgesehen  von  Cmnplicationen  z.  B.  Entzün- 
dungen, wesentliche  Gesundheitsstörungen  bedingen  können. 
Die  bekannten  Instrumente  von  Kitvisch,  Kilian  u.  A. 
haben  wegen  der  von  ihrem  Gebrauche  nidit  zu  trennenden 
bedenklichen  Folgen  wenig  Anhänger  gefunden,  die  von 
Valleix  sind  ausserhalb  Frankreich  meines  Wissens  auch 
nur  versuchsweise  gebraucht;  die  drei  verschiedene^  Vor- 
richtungen von  Simpson  sind  wahrscheinlich  theils  wegen 
der  Schwierigkeit  ihrer  Application,  theils  wegen  der  Gefahren, 
welche  mit  deren  Anwendung  unter  nicht  geeigneten  Verhält- 
nissen oder  in  roher,  gewaltsamer  Hand  verbunden  sein 
können,  nur  von  wenigen  Aerzten  acceptirt,  obschon  sie  bei 


404 


XXXIf.     Verhftadlanflron  der  GeaelUchaft 


den  ihnen  enlaprechenden  Verflionen  and  Flexionen  die  evi- 
denteste nnd  voükominenate  Hülfe  gewähren,  Die  in  ihrer 
Wiiiiinig  für  viele  Fiiie  ebenso  sicheren,  als,  wenn  zweck- 
mässig gewählt,  von  Nachtheil  freien  excentrischcn  MiUter- 
kränze,  Pessaires  ä  contraversion,  scheinen  wenig  gebraucht 
zu  werden,  da  sie  ebensowohl  den  ans  anderen  klinischen 
I^hranstalten  zu  mir  kommenden  Aerzten  stets  etwas  Neues 
sind,  als  auch  in  den  gynäkologischen  Schriften  kaum  er- 
wälmt  werden.  Von  minder  sicherem  Erfolge  fand  ich  die 
von   C.  Mayer  empfohlenen   KautscJioükringe,   obschon   ich 


I.     Änteversjo  ui 


1)  Fr.  Gräfin  ©.  W, 
33  J.  steril. 


2)  Fr.  V.  M.  29  J. 
in  9jHlir.  Ehe» 
steril. 

3)  Fr.  V.  W,  31  J. 
steril. 

4)  Fr.  ö.  27  Jiihre 
steril. 


5)  Fr.  V.  R.  24  J. 
steril. 

6)  Fr.  F.  29  Jahre 
steril. 

7)  Fr.  V.  K.  26  J. 
steril. 


Anteversion  mit  geringem  Grade  j  7.8.64 

von  Anteflezion. 


Hochgradige     Anttsflexion,      be- 
weglieh. 


Anteversion,  wogegen  sie  ly,  J. 
lang  einen  Giiininiring  getragen 
hatte. 
Vorwurtsbengung. 


VorwUrtsbeugung. 
Vorwürtsbengnng. 
VorwKrtsbeugung. 


9.11.64. 

29.10. 
24.10. 

24.10. 
17.1. 
18.3. 


If.    Retroversio  und  Flexio   ule 


8)  Fr.  B,  27    Jahre  |  Rüekwärtsneignng     des    IJteras.  |  18.10    Utei 
steril.  I  Hysterie.    Hohe  ^Empfindlichkeit ,  V«''    '^    ''^ 

des  Mutterkörpers.  Krämpfe  beim  , 
Coitns. 


IHr  0«b«rt8bAlle  is  Berltn. 


406 


sie  ebenfaMs  häufig  angewendet  habe.  Grösseres  Aufsehen 
haben  in  neuester  Zeit  die  Ton  Hodge  1860  empfohlenen 
Leverpessaries,  Hebelpessarien ,  gemacht;  eine  sorgfaltige 
Prüfung  ihrer  Wirkung  an  Kranken  scheint  daher  dringend 
geboten.  Mögen  folgende,  auf  eine  Anwendung  dieser  Pessarien 
bei  41,  theils  in  der  gynäkologischen  Klinik,  tbeils  in  metner 
Privatpraxis,  behandelten  Frauen,  beruhenden  Bemerkungen 
beitragen  das  Urlheil  über  diese  Pessarien  zu  fordern! 

Den   Resultaten   meiner   Beobachtungen    sende   ich   eine 
kurze   tabellarische  Uebersicht  der  bebandelten  Fälle   voraus. 


lexio  Uten. 


Snle^en  eines  oTn- 
m  Gnttapercharin- 


Einlegen    einen 
lurt^n  m  mi  rin  - 
ei. 

Ringförmiges 
Hartgammipefi- 

sarinm 
HnfeisenforniigeR 

Pessariuin    ron 
Rartgnmmi     rer- 
inacht  Schmersen. 
lartgaromi  ring. 


Wurde  bin  sn  10.9  getra- 
gen, dann   Tertanacht  mit 

einem  Hartgummi  ring. 
Dieser  aber  nicht  ertragen. 
Fiel  ans,  daher  11.11  ein 
hafeisenformiges  Pessar, 
y.  Hartgummi,  verursacht 
Schmers. 

17.1.  Wegnahme,  weil  der 
Mann  »ich  dadurch  genirt 
fohlte. 

25.10.  Vertauscht  mit  ei- 
nem Ringe  von  Hartgummi. 


Roiset  ab. 


lartgummiring.    <  25.1.     Wohlbefinden. 

i 

ovaler     Ring     von    24.3.     Wird    gut   ertragen 
lartgnromi.  bis  znm  30.3 


26.9.        Kautschuk- 
Ring. 


11.10.  Gnttnpercha- 
hnfeiseti  lag  besser. 
Conception. 


9.11.      Abreise 
Wohlbefinden. 


bei 


Wegnahme     wegen 
Schmersen. 


Ins  meiner  Privat-Praxis. 


lartgummibufei-  Erweitert  sich  spontan,  !  14.12  Ovaler  Gutta- 
ilBpeMarium.  wird  nicht  ertragen.  i  percharing  wird  gut 

i  ertragen.    Wegblei- 

ben    der    Krämpfe. 

Heimreise. 


406 


XXXH.    Verhandlangen  der  OeaeOfichaft 


9)  Fr.  ty.  K.  39  J. 
geb.  3  Mal. 


10)  Fr.  i4.41J.  ßeb. 
9  Mal  zeitige 
Kinder,  5  Abor* 
tue. 

11)  Fr.  E.  32  J.  4 
Mal  geb. 


12)  Fr.  M.  32  Jahre 
steril. 


13)  Fr.  N.  24  J.,  3 
Mal  geb. 


14)  Fr.    V.    S,    geb. 
3  Mal.       . 

15)  Fr.  Ö.  32  Jahre, 
steril. 


16)  Fr.     Gräfin     C. 
29  J.  4  Mal  geb. 

17)  Fr.   K,  40  J.  3 
Mal  geb. 

18)  Fr.  V.    G.  33  J. 
6  Mal  geb. 

19)  Fr.  C.  29  Jahre 
2  Mal  geb. 

0)  Fr.  D.  35  J.  geb. 
lMal,abortirte. 


Zuräckbengung  der  verläDgerlen 

Gebärmutter. 


Zarückbengung  der  verlängerten 
Gebärmutter  mit  heftigen  Hast- 
darrobeschwerden  und  Mutter- 
blatangen. 

ZurückbeagUDg  dea  Uterus  be- 
weglich. 


Zurückbengnng    nach    einer  Me 
tritis. 


Zurückbengnng  des   nm   1"  ver- 
längerten Uterus. 


28.10.  TTter 
1"    sa    lan 


3.10.     üter 
lV,"«a  lan 

12.9. 


15.10. 


27.1. 


Zuriiekbeugung  des  1"  zu  langen  ' 
Uterns. 

I 

Zurückbengnng    dcH    mangelhaft ' 
entwickelten  Uterus. 


I 


RecidiveZurückbeugnng  der  ver- 
längerten Gobärmntter  nach  dem  . 
Wochenbette.  I 

Zurückbeugung    des    um    1"    zu 
langen  Uterns. 

Zurückbengnng  des  verlängerten 
Uterns. 


Zurückbeugung. 


Rnckwärtabeugung    des     um    1" ' 
verlängerten  Uterus. 


10.11 


13.11. 


14.2. 


13.2. 


21. 


23.2. 


2.3. 


fttr  Oeburtsbälfe  in  Berlin. 


407 


P  a  r  tg  D  Ol  m  i  pess«- 
rium  io  Hufciaen- 
foroi. 

Hufeisenförmiffe« 
Peiiar.    aas   Gutta- 
percha. 

Oral  ringförmiges 
Pe<aar.  aas  Hart- 
^BmiDi. 


Ha  rtg  u  ni  niipes- 
Mfiain.  Ovale  Bing- 
form. 


VornrsachtSchmersen,  da- 
her Wegiiahme  2.11. 


Gut  ertragen  lieben  8its- 

bädern    ans    Lohe -Absud 

mit  Alaun  und  Tannin-In- 

jectionen. 

Lag  nicht  fest,  fiel  aus. 


7.1.    Ring  liegt  quer,  aber 
ohne  Nachtheil. 


Hufeisenförmiges 
Pessar,  von  Hart- 
gummi, sich      erweiterte»      daher 
,  Wegnahme  29.1 


Verursacht  heftigeächmer- 
s&en,  well   das    Instrument 


I 


Hufeisenförmiges 
Pessar,  von  Hart- 
gummi. 

Kingforniiges  Pes* 
tarium  von  Hart- 
gummi. 


Hnieisenförmiges 
Pessar,   von'  Gutta- 
percha. 

Hufeisenförmiges 
Pessar,  von  Gutta- 
percha. 

Hufeisenförmiges 
Pessar,  von   Hart- 
gummi.. 

Hufeisenförmiges 
Prasar.  von  Gutta- 
percha. 

Ovaler    Ring     von 
flaxtgammi. 


Genirt  den  Ehemann,   da- 
her 

Fällt  24.1  bei  der  Menstru- 
ation aus. 


4.11.  Hartgummi- 
ring wirkt  günstig. 
Abreise  in  die  Hei- 
matb. 

27.12.  Abreise  mit 
dem  Pessarium  bei 
Wohlbefinden. 

1 3.10.     Einlegen    ei- 
I  nes     neuen    Hart- 
I  g  uln  m  i  ringes    ve  r- 
I  ursacht  Schmersen, 
I  dH^er  Wegnahme. 
7.1.       Menstruation 
fehlt  seit  2  Monaten. 
Abortirt  Ende  Jan. 
Wegnahme  30.3. 
10.2.  Einlogen  eines 
hufeisenförmigen 
Instruinentes       von 
(üuttapercha       wird 
ebenfalls    nicht    er- 
tragen.   Wegnahme 
27.2. 
Wegnahme  14.11. 


Hufeisenförmiges 
Pessar,    von    Hart- 
gummi    verursacht 
Schmersen,     daher 
Wegnahme  -28.1 


Liegt    am     16.3.    gut    bei 

Wohlbefinden.  ' 

I 

I 
Verursacht  Schmereen,  da-  I 

her  Wegnahme. 

Verursacht  nach  d.  Menstr. 
Schmers. 

Gut  14.3. 


Wohlbefinden.     25.3. 


Excentrischer  Ring. 


Wegnahme  15.3. 


408 


XX  IL  II.    VerbftiHll«Bgen  der  Oesellschaft 


21)  Fr.  i?.  29  J.  geb.   Zurückbeaguag. 
1  MaI,  ftbortirte 
3  Mal. 

22)  Fr.  S,  25  Jahre, ,  Zurückbeagiing  des  nm  1"  ver- 
steril*  !  länge rten  Uterus. 


18.3. 


10.3. 


b.  aus  der  gyni* 


23)  Fr.  Schmidt.  29    Zurtickbeiigting    des    V/^"    ver- 


J.,  hat  abortirt 
n.  3.  3.  60.  c. 
lebend.  Knaben 
geb. 
24)  Fr. Fleischhauer, 
44. «r.  geb. 8 Mal. 


25)  Fr.  Opitz.  33  J. 
geb.  mehrere 
Male. 


Fr,Schiihm<u:hef . 
26  J.  geb.  1  Mal. 


längerten  Uterus. 


Zurückbengung    des    nicht    yer> 
l&ngerten  Uteras,   nicht  erodirt. 


ZurUckbeagnng    des    verdickten 
Uterus. 


Zuriickbeugung  des  um   1"  ver- 
längerten Uterus. 


27)  Fr.      Neumann.    Zuriickbeugung  des  1"  zu  langen 
37  J .  geb.  3  Mal.    Uterus. 


28)  Fr.  Vierling.  5^3 
J.  geb.  1  Mal 


29)  Fr.  Trautmann. 
25  J.  geb.  1  Mal, 
abortirte       vor 

■AJ. 


Zurückbeugung  des  um  1"  ver- 
längerten UterUH.  Aetsung  mit 
der  armirten  Sonde  4  Mnl. 

Zurückbeugung  des  1"  verlänger- 
ten Uterus. 


11.10. 


12.10. 


20.9. 


17.9. 


22.10. 


12.11. 


10.12. 


für  Geburtflhülfe  in  Bm-Üd. 


409 


nfaiaenformiges    I  Pat.    befindet   sich    wohl. 

Mar.   Ton   GutU- i  31.3. 

rcha.  I 

infeisenformi^ea      Verursacht  beftigeSchincr- 

ssar.  Ton  Hart- ,  s«n, daher  12.3.  Wegnahme. 

immi.  'I 


alogischen  Klinik. 


ogformiges  ovalea 
«aar.  von  Gutta- 
rcha. 


[afeisenformiges 
issar.    von  Gutta- 
reha. 

BgfÖr  miges  ovale« 
wsariam  fällt  bei 
r  profusen  Men- 
ination   aus    1.10. 


Agforoiiges  ovales 
easar.  von  Gntta- 
ireha. 


iafeisenfÖrmiges 
i88«r.   von  Gntta- 
ireha. 

ingformiges  ovales 
essHr.  von  Gutta- 
trcha. 

ria  fei  sen  fö  rin  i  ge  8 
effsar.   von  Gutta- 
ffcha. 


Die     Kranke     zeigt     sich 
nicht  wieder. 


I8.t0.  Das  Instrument  ist 
ausgefallen.  Einlegung 
eines  neuen. 

8.10.  Einl^gung  eincR 
grösseren  Ringes ;  fällt  aus. 


Fällt    11.10.     beim    Stuhl- 
gang aus.  Wiedereinlegen. 


Daneben     Einspritsungcn 
von    Tannin     und     später 
von  Zinc.  snlj^huricuni. 
Wohlbefinden  bis  2.2.,  wo 
Blutung  eintritt. 


24.12.    wegen    iSchmerssen 
entfernt. 


25.10.  Das-  Instru- 
ment ist  wieder  her- 
ausgefallen. 

13.10.  Hufeisenför 
miges  Pessar.  Da 
die  Flexion  fort  be- 
steht, der  Mutter- 
grnnd  hinter  dem 
Bügel  zu  fühlen  ist. 
Wegnahme  31.12 

12.11.  Nach  dem 
Ansfalle     wird     ein 

hufeisenförmiges 
Pessar,      eingelegt; 
wegen  Schmerz  spä- 
ter entfernt.  Excen- 
trischer  Ring. 
Wohlbefinden.     7.3. 
Uterus  aufrecht,  wie 
die  Sonde  zei^t. 
2.2.  Wegnahme.  Ein- 
spritzung  mit   Ace- 
tum    pyrolignosum. 
Wohlbefinden  2.3. 
Excentr.  Pessar. 


410 


XXXII.     Verhandlungen  der  OeseUsefaaft 


30)  Fr.  Lange.  4H  J. 
geb.  7  Mal. 


31)  Vr.SpkaUki.  '24 
J.,    gfb.  2  Mal. 


32)  Fr.  Thiele.  29  J. 
geb.  4  Mul. 


33)  Fr.  Grit«.  45  J. 


34)  Fr.  We4tphaL'6i) 
J.  geb.  4  Mal. 

36)  Fr.  »Scäm/z.  56  J. 
geb.  3  Mal. 


Ztirückbengung   des  V,"  ▼erlün* 

gerten    Uteriitf;    l^rolnpsas    vag. 

poHterior.     nach   Heilung    einer 

Uterusblasenfistel      durch 

Aetzung. 


Zorückbeugung  des  verlängerten 
Uterus. 


Zuriiokbeugung  des  1"  verlänger- 
ten  Uterus. 


Zarückbeugung  des  V*  verlänger- 
ten und  verdickten  Uterus. 

Zurück beugmig  des   7,'  zu   lan- 
gen Uterus.     Kine  Anschwollung 
des  iScheidentheils  war  beseitigt.  , 
Zurückbeugung  der  unr  Vg"  ver-  , 
lungerten    Gebärmutter. 


1».2 


36)  Fr.  H^'ufer  47J.  ;  Zurtickbeugung  mit  chron.   Ent- 
geb.  H  Mul.  Zündung  des  .Scbeidentheils. 


37)  Fr.  Jederifk.  46 
J.geb.OMalzei- 
tig,   6  Abortu». 

38)  Fr.  Adlfff  46  J. 
geb.  4  Mal.  1 
Abortus.       , 


Zurückbeagnng  des  l*'  zu  langen 
Uterus. 

Zurückbougung  des  Va"zn  langen 
Uterus* 


39)  Fr.     Schumanv.  '  Zurückbeugung    des    freibeweg- 
28  J.  geb.  5  Mal.  I  lieben   Uterus. 

40)  Fr.  RiefUahl.  56']  Zurückbeugung  des  verlängerten 
J.   geb.   6   Mal.  |  Uterus. 

41)  Fr.     Krale.     30  ;  Zurückbougung  des  verlängerten 
J.  alt,  hat  geb. ,  und  verdickten   Uterus. 


18.2. 


4.3. 


für  Gebnrtnhiilfe  in  He  Hin. 


411 


■feisenförmiges 
isar.    Ton  Gutta- 
cha. 


igförraiges  ovales 
Hi«r.  TOD  Gutta- 
rcha. 

afeisenförmiges 
tsar.   Ton  Giitta- 
reha.     Taonin. 


lafeisenformiges 

•aar.   voo  Gotta- 

rcha. 

[nf«iien  förmiges 

)M«r.  Ton   Gatta- 

rcba. 

[■feisenfonnigcfl 

(Mar.   von  Gutta* 

rcha. 

lafeifenföriuiges 

(Mar.  Ton   Gutta- 

ircfaa. 


25.12.    Ausfall  dps  Pes^Hr.  '  Kinspritaimgen  von 

,  l'iq.    plunih.    hydr. 

'  acet. 
I 
17.1.        Retroversio 

besteht.  Wiedorein- 

legen     eines     Hof 

I  eisenpessariam. 

3.1.       Wegnahme   '  wegen  j  11.2.     Wicdereinic- 


I, 


Schmerzen. 


31.12.  Wohlbefinden, 
ras  anfrech  f. 


Ute- 


31.1.  Wohlsein.  Zinc.sulph. 


14.2  liegt  gnt. 


16.2.  Wegnnhme     wegen 
Bin  tan g. 

11.3.  Wohlsein.  Fällt  heim 
Stuhlgang  aus. 

Bleibt  weg. 


I  gen  eines  andern. 
1  16.2.  Fluor  albus. 
'  Wegnahme. 

24.1.  Scheidentheil 
liegt  dicht  am  Bo- 
gen. Wohlsein  bis 
auf  Schwellung  der 

Mastdarmschleim- 
haat. 

18.2.  Wohlsein. 


Wohlbefinden. 


Tannin.  Abführ- 

Thee. 
Hufeisen  förmiges 
^ssariam. 
Hnfeisenförroiges 
essar.   von  Gatta- 
ereha. 


11.3.  Wiedereinlegen  nach- 
dem   d.  Pessar,   herausge- 
!  fallen. 

I 
I 

20.3.     Wohlbefinden. 


23.3.        Wirkung 

digend. 

27.3.     Wohlsein. 


bcfrie- 


20.3. 

Wiedereinle 

gen. 

Wohlbefin 

den. 

4.4 

20.8.  Da  das  Instrn- 
ment  nochmnls  wie- 
der anngcfallen  ist, 
wird  ein  grösseres 
eingelegt.  1.4  Wohl- 
befinden. 


412  XXXU.     VerhandlnngeD  der  GMellscbaft 

1.  Die  Gestalt  der  hier  in  Betracht  kornnienden 
Pessarien  ist  entweder  einem  Hufeisen  ähnlich  oder 
ein  offener  Ring,  -oder  ein  ovaler  geschlossener 
Ring;  bei  der  Mehrzahl  dieser  verschieden  grossen  und 
weiten  Ringe  concurrirt  überdies  eine  Biegung  desselben 
nach  der  Fläche.  Nach-  meinen  Beobachtungen  haben  die 
geschlossenen  Ringe  eine  weniger  sichere  Lage,  als  die  huf- 
eise nförniigen,  obschon  auch  bei  diesen  Verschiebungen  und 
Drehungen  vorkommen;  die  Ilufeisenform  ruft  dagegen  häufiger 
Reizungen  der  Scheidenwand  d.  h.  rothe,  Eiter  absondernde 
Stellen  theils  an  den  Stutzpunkten,  theils,  jedoch  seltener,  auch 
da,  wo  der  Bogen  des  Hufeisen  gelegen  hat,  früher  oder 
später  hervor.  Sehr  wichtig  ers<;heint,  wie  begreiflich,  die 
richtige  Auswahl  der  Grösse  des  Instrumentes,  indem,  zumal 
bei  den  Flexionen  der  Bogen  des  zu  kleinen  Pessarium  in 
die  Beugungsstelle  des  Uterus  sich  hineinlegt  und  dadurch 
den  Fehler  verschlimmern  kann,  wie  ich  gesehen  habe. 

2.  In  BelreiT  dos  Materials,  aus  welchem  diese  Ringe 
oder  Halbringe  gefertigt  werden,  bietet  das  Hartgummi 
(i)ornisirtes  Gummi)  den  Vortheil  der  Zierlichkeit  und  Leich- 
tigkeit I»ei  genügender  Festigkeit;  andrerseits  verursachten 
die,  wenn  schon  abgerundeten  Enden  der  hufeisenförmigen 
Pessarien  von  Hartgummi  nicht  selten  bedenkliche  Schmerzen, 
ja  selbst  Blutungen,  welche  zur  Wegnahme  des  Instrumentes 
drängten.  In  zwei  Fallen  erweiterte  sich  überdies  die  Spannung 
des  Bogens  bei  aus  Hartgummi  gefertigten  Hufeisenpessarien 
imierhalb  der  Scheide  sehr  beträchtlich,  so  dass  die  Weg- 
nahme nothwendig,  aber  zugleich  sehr  mühsam  und  schmerz- 
haft wurde.  Endlich  ist  die  Lage  der  Hartgummipessarien 
weniger  sicher;  dieselben  gleiten  beim  Stuhlgange  oder  zur 
Zeit  der  Menstruation  leicht  aus. 

Die  Guttapercha  hat  sich  mir  als  Material  dieser  Pessarien 
durchschnitthch  besser  bewährt.  Abgesehen  von  der  beque- 
men Anfertigung  aus  einfachen  Ringen  oder  4  —  6"  langen 
4—5'"  dicken  Stangen  von  Guttapercha  und  der  leicht  mög- 
lichen, dem  einzelnen  Falle  entsprechenden  Umgestaltung  nach 
Eintauchen  in  heises  Wasser  liegen  insbesondere  die  huf- 
eisenförmigen  Instrumente   von    Guttapercha    meist    sicherer 


fOr  Gebortshttlfe  in  Berlin.  413 

and  venirsadien  seltener  und  nur  geringere  Beschwerden, 
als  die  aus  Hartgummi  geferliglen. 

3.  Fragen  wir  nach  der  Wirkungsweise  der  so- 
genannten Hebelpessarien,  so  muss  ich  zunächsl  die  liebe U 
Wirkung  bestreiten.  Bei  einem  ein-  wie  zweiarmigen 
Hebel  bedarf  es  eines  SUitzpuuktes  (Hypomochlion)  an  dem 
einen  Ende  oder  innerhalb  der  Länge  des  Instrumentes  und 
einer  Hebelkrafl.  Bei  den  Hodge'&chen  Pessari^n  findet  sich 
zwar  ein  Stützpunkt,  aber  keine  HebelßrafL  Da  nun  die  Be- 
zeichnung Hebelpessarien  eine  iirige  Vorstellung  von  der 
Wirkung  hervorruft  und  zu  falscher  Anwendung  verleiten 
kann,  möchte  es  gefathener  erscheinen,  die  in  Rede  stehen- 
den Instrumente  entweder  nach  ihrem  Autor,  oder  nach  ihrer 
Gestalt  als  ovalringfOrmige  und  hufeisenförmige 
Pessar i«n  zu  bezeichnen. 

Nach  meinen  Beobachtungen  besieht  die  Wirkung  der 
hier  in  Betracht  kommenden  Instrumente  theils  in  einer 
directen  Stützung  des  nach  lünten  oder  vorn  herabgesunke- 
nen Mutterk6rpers,  mag  diese  Stützung  durch  ein  Aufstemmen 
des  einen  Endes  des  Instrumentes  auf  der  Scheiden-  und 
mittelbar  der  Beckenwand  bewirkt  werden,  oder  darauf  be- 
ruhen, dass  der  ganze  Ring  von  der  sich  darum  zusammen- 
ziehenden Scheide  getragen  wiinl,  von  welch  letzterem  Vor- 
gange ich  bei  verhältnissniässig  kleinen  Halbringen  einzelne 
unzweifelhafte  Beweise  gesehen  habe.  Anderentbeils  dürfte 
bei  den  Retroversionen  und  Flexionen  eine  von  dem  das  hintere 
Scheidengewölbe  entpoinlrängenden  Bügel  ausgehende  Reizung 
der  Ligamenta  sacro-uterina,  Musculus  retractor  uteri  (Luschka) 
in  Betracht  kommen.  In  Folge  einer  Contraction  dieses 
Muskels  muss  der  Mutterhals  nach  hinten  gezogen  und  da- 
durch die  Retroversion  gelioben  werden.  In  der  That  fand 
ich  auch  bei  der  Mehrzahl  derartiger  Fälle,  wenn  der  Erfolg 
günstig  war,  den  Scheidentheil  stark  nadi  hinten  gegen  den 
Bügel  des  hufeisenförmigen  Pessariums  angezogen. 

Demgemäss  möchte  ich  behaupten,  dass  der  Nutzen  der 
in  Rede  stehenden  ovalen  geschlossenen  oder  offenen  Ringe 
wesentlich  in  der  Erregung  der  Muskelcontractioii  der  Scheide 
spJbst  und  der  an  dieselbe   und  den   Mutterlials  herantreten- 


414  XXXIJ.     VerbHndlaog«n  der  Geseltschnft 

den  fonlraclilen  Elemente  des  weiblichen  Beckenbodeiis 
(Levator  ani  ii.  s.  w.)  berubU 

Dass  die  Slutziing  des  MiiUergrundes  durch  Aufsleniinen 
des  enlgegengesetzlen  Endes  des  Instiumenles  auf  die 
Scbeidenwandung  oft  bedeuklicb  d.  li.  Schmerz  und  Blulung 
erregend  wirkt,  zeigt  die  Beobachtung  unzweideutig,  denn  bei 
56  Anwendungen  der  genannten  Instrumente  fanden  sich  17 
Fälle  der  Art,  also  30,3  Proc,  welche  die  Entfernung  der 
Instrumente  aus  den  genannten  Umständen  forderten.  Hätte 
man  die  Instrumente  länger  in  der  Scheide  gelassen,  so  wurden 
ohne  Zweifel  bedenkliche  Vcrsch wärungen  entstanden  sein. 

4.  Die  Ilodge^scheu  Fessarien  reihen  sich  hinsichtlich 
ihrer  Wirkung  am  nächsten  den  bereits  erwähnten,  seit  mehr 
als  15  Jahren  von  mir  vielfach  applicirten  excentrischen 
Mutter  kränzen  aus  einem  Wuttering  mit  Kautdchukui>er* 
zug  an^  welche  dadurch,  dass  der  breilere  Tbeil  des  Hinges 
zugleich  beträchtlich  höher  ist,  als  der  sciimälere,  eine  ent- 
sprechende Emijordrängung  derjenigen  Gegend  des  Scheiden- 
gewölbes und  der  darauf  ruhenden  -Gebärmutter  bewirken, 
gegen  welche  diesei'  dickere  Theil  gestellt  ist.  Bei  Anwen- 
dung dieser  Mutterkränze  habe  ich  wiederholt  die  Herstellung 
einer  normalen  Stellung  und  Gestalt  des  Uterus  in  Fällen 
gesehen,  in  welchen  ich  die  Hetroversion  und  Flexion  mittels 
der  Sonde  constatirt  hatte. 

Die  Hodge^^chon  Pessarien  haben  vor  diesen  excentri- 
schen Mutterkränzen  zwar  den  Vorzug,  dass  sie  zierlicher 
und  daher  leichter  einzufilhren  sind,  dagegen  liegen  die  letz- 
teren erfahrungsmässig  sicherer,  gleiten  nicht  so  leicht  aus 
und  verursachen,  wenn  den  Veihältnissen  entsprechend  ge- 
wählt, nicht  einen  so  partiellen,  oft  schmerzhaften  und  be- 
denklichen Druck  auf  die  Scheidenwandungen,  wie  die  in 
Rede  stehenden  Pessarien.  Für  die  Behandlung  von  Ver- 
sionen und  Flexionen  bei  Frauen,  welche  man  nicht  bald 
wiederzusehen  Gelegenheit  hat,  möchte  ich  daher  den  excen- 
trischen Mutterkränzen  den  Vorzug  geben.  HinsichtlicJi  der 
Möglichkeit  der  Cohabitation  und  der  Conception  bieten  beider- 
lei Instrumente  nach  meinen  Beobachtungen  gleiche  Verhält- 
nisse.    Nur   einzelne  Männer   fanden   in   dem  einen,    wie. in 


für  Geburtshülfe  in  Berlin.  415 

dem  anderei)  Instrumente  ein  Hindernisä  des  chelicben  Um- 
ganges.    Einpfangniss  fand  bei  beiden  Statt. 

Die  "Gefabr  der  Incrustaliun  durcli  die  Gebärmutter-  und 
Scbeidensecrete  findet  sich  bei  beiden  Inslitinienlen,  diese 
Incrustation  scheint  von  der  verschiedenen  Qualität  der  Secrete 
bei  verschiedenen  Individuen  abzuhängen  und  erfolgt  daher 
zu  sehr  verschiedenen  Zeiten.  Auch  scheint  die  Qualität  der 
Secrete  im  Laufe  der  Zeiten  zu  wechseln,  so  dass  eine  Frau 
Jahre  lang  ein  Pessarium  ohne  alle  Bescliwerden  trägt,  während 
sie  alsdann  pl6tzUch  von  denjenigen  Ri^zungen  befallen  wird, 
welche  mit  der  Incrustation  verbunden  sind.  Andere  Frauen 
zeigen  bereits  nach  kui'zerer  Zeit  Incrustatioiien  der  von 
ihnen  getragenen  Pessarien. 

5.  Soll  ich  endlich  noch  einige  aus  meinen  Beobachtungen 
sich  ergebende  Regeln  für  den  Gebrauch  der  Hodge'^c\\ti\ 
Pessarien  hinzufugen,  so  möchte  ich  folgende  aufstellen. 

a.  Bei  ii*gendwie  fixirten  Gestalt-  und  Lageveränderungon 
der  Gebärmutter  erscheinen  die  Ringe  wie  hufeisenförmige 
Pessarien  im  Allgemeinen  weniger  geeignet;  sie  finden  hier 
nur  ausnahmsweise  eine  eutsprechendt;  und  bleibende  La- 
gerung. 

b.  Die  Instrumente  müssen  ihrer  Grösse  und  Gestalt 
nach  für  den  individuellen  Fall  sorgfaltig  ausgewählt  werden, 
damit  dieselben  weder  Reizungen  veninlassen  noch  die  ihnen 
angewiesene  Lage  verändern. 

c.  Der  Arzt  muss  die  mit  derartigen  Instrumenten  ver- 
sehenen kranken  in  den  nächstfolgenden  Wochen  überwachen, 
damit  er  die  Instrumente,  sobald  als , Reizungserscheinungen 
sich  zeigen,  entfernen  könne.  — 

Herr  L.  Mayer  bemerkt,  dass  nach  seinen  Erfahrungen 
die  Anwendung  der  Hodge"^\nin  Hebelpessarien  überhaupt 
nur  eine  sehr  beschränkte  sein  könne.  Die  Instrumente  seien 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  zu  gross  um  mit  Leichtigkeit  in 
die  Scheide  eingeführt  werden  zu  können,  sobald  sie  kleiner 
sind,  erfüllen  sie  ihren  Zweck  nicht  oder  gleiten  gar  zur 
Scheide  tieraus.  Bei  Retroflexiouen  scheinen  sie  angemessener 
als  bei  Anteflexionen,  weil  ijn  hinteren  Scheidengewölbe  mehr 
Raum  für  eine  gesicherte  Lage  derselben  sei  als  im  vordem. 
Gleicbwobl  würden  auch  bei  Retroflexionen  diese  Instrumente 


416  XXXIf.     Verlwndtaii^en  der  Gesellschaft 

oft  durch  die  Last  des  Fundus  uteri  aus  der  ricbtigen  Lage 
gebracht  und  dadurch  unwirksam,  hauptsächlich  sei  dies  bei 
den  vorn  offenen,  hufeisenförmigen  Exemplaren  der" Fall,  die 
besonders  leicht  mit  dem  offenen  Ende  gegen  die  Vaginal- 
wandungen druckten.  Er  habe  aus  diesem  Grunde  seit  län- 
gerer Zeit  die  runden  Cautchoucringe  in  Anwendung  ge- 
zogen und  halte  diese  insbesondere  bei  Anteversionen  für 
geeignet.  (Vergl.  Verhandlungen  der  Gesellschaft  vom  24. 
März  1863.  Monatsschrift  ffir  Geburtskunde  Bd.  XXI.  S.  426). 
Dieselben  haben  ihrer  elastischen  Beschaffenheit  wegen  auch 
defi  Vortheil,  dass  sie  leichter  zu  appliciren  sind. 

HeiT  Martin  hat  ebenfalls  die  runden  Gummiringe  häufig 
in  Anwendung  gebracht  und  dieselben  Monate  lang  mit 
günstigem  Erfolge  tragen  lassen,  allein  es  mache  sich  dabei 
öfters  ein  Uebeistand  geltend,  über  den  die  Kranken  bald 
lebhaft  Klage  führten,  nämlich  ein  sehr  stark  übelriechender, 
oft  corrodirender  Fluor  albus.  Aus  diesem  Grunde  hält  er  in 
den  Fällen,  wo  die  Hebel pessarien  ihrem  Zwecke  nicht  ent- 
sprächen die  Anwendung  der  Pessaires  ä  contraversion  für 
geeigneter.  — 

Herr  Riedel  trägt  einen  Fall  vor  von 
Eklampsie  nach  der  Geburt,  mit  zurückbleibendem 
eigenthümlichen  Gedächlnissmangel. 

Frau  K,y  24  J.  alt,  niiltelgross,  regelmässig  gebaut  und 
von  echt  weiblichem  Habitus^  mit  dunklem  Haare  und  blauen 
Augen,  an  Geist  und  Herz  wohlgebildet,  von  phlegmatisch- 
cholerischem Temperamente^  war  als  Kind  nie  schwer  krank, 
als  Mädchen  aber  lange  Zeit  bleichsüchtig  gewesen.  In  ihrer 
vor  etwa  2  Jahren  geschlossenen  glücklichen  Ehe  behielt  sie 
ein  blasses  Aussehen,  abortirte  2  Mal,  zuletzt  gegen  Ende 
August  1863,  hatte  um  Mitte  September  noch  einmal  wieder 
ihre  Periode  Und  bekam  bald  hernach  abnorme  Appetiter- 
regungen, öfters  aufTallende  Uebelkeit,  bisweilen  zur  Morgen- 
zeit Erbrechen,  so  dass,  nachdem  im  folgenden  Monate  auch 
ihre  Menses  nicht  wiedergekehrt  waren,  eine  Schwangerschaft 
nicht  zu  bezweifeln  war.  Letztere  verlief  unter  vorsichtigem 
Verhalten,  namentlich  auch  längerer  Innehaitung  der  Rücken- 
lage während  der  Tageszeit  in  den  ersten  3  Monaten,  unge- 
stört und  bei  dem  mit  zeitweiligen   Unterbrechungen  fortee- 


mr  GebürUhUlfe  in  Berlin.  417 

setzten  Gebrauch  essigsaurer  Eiseniinctur  ward  das  Aussehen 
der  Frau  von  Monat  zu  Monate  ein  gesunderes,  ja  fast  Muhen* 
des.  Wie  mir  spater  erst  mitgetheilt  wurde,  war  indess  im 
letzten  Monate  der  Schwangerschalt  eine  massige  Anschwellung 
beider  Füsse,  namentlich  des  rechten,  wie  auch  der  rechten 
grossen  Schamietze  eingetreten.  £ine  Untersuchung  des  Urins 
auf  Eiweissgehalt  geschah  nicht 

Am  1.  Juli  1864  Morgens  spürte  die  Frau  anfangende 
Geburtswehen  und  liess  die  Hebamme  rufen.  Um  11  Uhr 
Vormittags  sah  ich  die  Kreissende  und  fand  dieselbe  noch 
im  Vorbereitungsstadium  des  Gebäractes :  die  Weich theile  wold 
vorbereitet,  den  Kindskopf  fest  auf  der  oberen  Beckenapertur 
stehend,  den  Muttermund  sehr  hoch  und  nach  hinten  ge- 
wendet, so  dass  ich  mit  eingebendem  Zeigefingefi*  mich  nicht 
genau  von  dem  Grade  seiner  Eröffnung  überzeugen  konnte. 
Bei  meinem  zweiten  Besuche  um  3  Uhr  Nachmittags,  bjs  zu 
welcher  Zeit  die  Wehen  weit  häufiger  und  kräftiger,  aber 
auch  peinlich  schmerzhaft  geworden  waren,  fand  ich  den 
Muttermund  in  der  Mittellinie  des  Beckens,  aber  bei  einer 
kaum  groscbengrossen  OefTnung  das  untere  Uterussegment 
in  stralTer  Spannung  den  Kopf  umschliessend.  Zur  Förd<^rung 
der  weitern  Muttermundsöffnung  verordnete  ich  6  Pulver  aus 
je  Y«  Gr.  Opium  und  ^s  ^r.  Ipecac,  halbstündlich  eins  zu 
nehmen,  liess  die  Hebamme,  welche  ich  nicht  bei  der  Kreis- 
senden antraf,  mit  der  ausdrücklichen  AufTorderung ,  diese 
nicht  wieder  zu  verlassen,  herbeirufen  und  entfernte  mich 
sodann  wieder. 

Als  ich  Abends  7  Uhr  zurückkehrte,  um  von  dem  wei- 
teren Verlaufe  des  Geburtsactes  Kenntniss  zu  nehmen,  war  — 
wie  der  Ehemann  mir  berichtete  —  so  eben  das  Kind,  ein 
lebendes  ziemlich  kräfüges  Mädchen,  geb(»ren,  leider  aber 
ohne  allen  sachverständigen  Beistand  für  die  Kreissende.  Die 
Hebamme  war  —  so  erzählte  man  mir  —  um  etwa  5  Uhr, 
weil  angeblich  der  Muttermund  noch  wenig  geöffnet  sei  und 
ihrer  Versicherung  nach  die  Entbindung  sich  bis  zur  Nacht 
hinziehen  werde,  fortgegangen  und  war  erst  eben  jetzt  kurz 
vor  mir,  als  das.  Kind  bereits  zwischen  den  Schenkeln  der 
Mutter  lag,  wieder  eingetroffen.  Die  junge  unerfahrene  Kreis- 
sende war  daher  mit  ihrem  ebenso   unerfahrenen  Manne  und 

llonAtitiiehr.  f.  Geburuk.  18GA.  Bd.  XXV.,  Hfl.  6.  '«^T 


418  XXXII.    Verhandliintfcn  Avr  OeÄellschaft 

^inor  iinverhoiralhrlen  Schtvosler  walirend  dos  scliwiorigsten 
Tfioiles  <les  GelKlracl**9r  sidi  selbst,  iliroii  Srhrnerzon  und  ihrer 
Angs!  fdierlassen  gewesen.  Nachdem  in  Folge  ohgedachler 
Pidver  Anfangs  mehr  Ruhe  und  Wehennachlass  eingetreten, 
hntfe  die  Kreisseiide  —  nach  Aussage  des  Mannes  —  xwi- 
sclien  5  und  6  Uhr  sehr  lebhafte  und  oft  wiederkehrende 
VVehenschmerzen  bekommen;  um  ß'/^Uhr  halle  sie  in  Schmer- 
zensangst  geschrieen:  ,,es  zerreisse  ihr  etwas  im  Leil)e'', 
worauf  sie  unler  fast  ununterfuocfienem  VVeliendrange ,  meist 
aufrecht  silzeml,  öfters  sich  heftig  hintemiberwerfend,  verblieh, 
Ins  kurz  vor  7  Uhr  das  Kind  mit  einem  Male  aus  den  Ge- 
biirtstheilen  hervorgetrieben  ward.  Unter  Reibungen  des 
rnlerleibcs  und  Zusanimendrflcken  des  Gebarmutlergrundes 
durch  die  Rauchdecken  erfolgte  nunmehr  leicht  auch  der  Aus- 
tritt der  Nachgeburl. 

Eigenthumlich  und  Besorguiss  erregend  erschien  mir 
aber  der  Zustand  t\ev  Entbundenen.  Auf  ihrem  blassen  Anl- 
liiz,  in  ihren  weil  geöfTnelen,  etwas  starr  um  sich  blickenden 
Augen  und  ihren  slinnmen  bewegiuigsiosen  Mienen ,  prägte 
sich  noch  die  erstarrende  Ang^t  aus,  welcher  sie  anlieim  ge- 
fallen war.  Daboi  zitterten  die  Hände ,  die  Temperatur  am 
Kopf  und  übrigen  Korper  war  auffallend  kühl,  die  Haut  ohne 
Scbweiss,  der  Puls  auffallend  ruhig,  ja  etwas  verlangsamt, 
das  Alhmen  unregelhuissig  bald  tief  und  stöhnend,  bald  ober- 
flächlich und  kaiun  bemerkbar.  Auf  meine  Frage:  ob  sie 
Schmerz  habe,  wies  sie  nach  dem  Nacken  und  Hinter- 
kopf; ein  Druck  oben  in  den  Nacken  schien  ebenso  wie 
Rewegimg  den  Schmerz  zu  vermehren.  Die  Schmerzemplin- 
dung  gerade  an  dieser  Stelle  glaubte  ich  der  gezwungenen 
aufrechten  Kopfhaltung  und  dem  öfteren  Hintenfd>erwerferi 
des  Kopfes  während  des  Webendranges  zuschreiben  zu  müssen. 
Das  Bewusstsein  schien  ungetrilbt,  doch  hatten  die  Antworten 
der  Frau  etwas  Zögerndes  unil  Langsames,  als  erforderten  sie 
o'iw  gewisses  mühsames  Besinnen.  Die  Gebärmutter  hatte 
sich  nach  Abgang  der  Nachgeburt  gut  contrahirt,  zeigte  sich 
aber  sowohl  gegen  einen  Druck  durch  die  Bauchdecken,  wie 
l)ei  der  Untersuchung  durch  die  Scheide  ^ehr  empfindlich. 
Der  Damm  war  allerdings   eingerissen ,   doch   erstreckte   sicli 


für  Gebaruhülfe  iji  BerÜD.  41^ 

der  Riss  nicht  über  die  Halfle  der  Mittelfleischbreite  fort  und 
erschien  daher  keiner  Naht  bedürftig. 

Nactidem  ich  die  Cotbundene  durch  Zuspruch  psychisch 
KU  beruhigen  gesucht,  ders«^lben  zur  Förderung  der  fehlenden 
Hauttemperatur  uud  Ausdunstung  neben  einer  warmen  Be- 
deckung «ine  Tasse  warmer  Milch  zum  Getränt^  und  für  das 
eiiigerisaene  Mitiellleisch  einen  Chaniillenthec  -  Umschlag  an- 
enipfablen  hatte,  verhess  ich  dieselbe  einstweilen,  besuchte 
sie  aber  etwa  nach  einer  Stunde  (8V2  ^^^^)  ^^^^^  einmal 
und  fand  sie  dann  zu  meiner  Befriedigung  sehr  viel  ruhiger, 
gleiclimässig  alhmend,  uiciit  melir  zitternd,  mit  gleichniassiger 
Respiration«  gehobetierem  Pulse,  guter  Temperatur,  etwas  feudi- 
ler  Haut,  gut  couti*ahirter  Gebarmutter  und  obwohl  noch 
ober  Nacken  und  Hinterkopf  klagend,  doch  ohne  irgend  ein 
auffalleiuies  Gehirn-  und  Nervensymptom. 

Um  10  Uhr  desselben  Abends,  also  3  Stumleii  nach 
der  Entliindung,  fing  sie  an  irre  oder  doch  unverständlich  zu 
reden,  bekam  Erbrechen  uud  ward  gleich  darauf  von  heftigen 
allgemeinen  Gliederzuckungen  unter  Theiinahme  der  Gesichts- 
niuskeln  befallen,  wobei  Schaum  vor  den  Mund  trat  und  iimcIi 
angeblich  etwa  5  Minuten  langer  Dauer  dieser  Krumpfe  lolgte 
eine  »lii  Schleinirassein  auf  der  Brust  und  lautem  Schnarr 
cheii  verbmidener  Schlaf.  So  ward  mir  berichtet,  als  ich 
herheigerufeu  ^—  wegen  weiter  Enilernung  gegen  11  Ulu* 
erst  —  bei  der  Wöchuerin  eintraf.  Letztere  war  aber  wie- 
der erwaclit,  erkanute  mich,  war  wieder  bei  anscheinend 
vollem  Bewusslsein  und  klagte  auf  Beh*agen,  nur  über  noch 
»ndauernde  Nackenschmerzen,  doch  fiel  es  inii*  auf,  dass  bei 
dem  auch  jetzt  eiwas  zögernden  Sprechen  luehrfach  das  rieh* 
tige  Wort  verfehlt  und  Silben  umgestellt  wurden.  Weil 
übrigens  der  Puls  ruhig  und  regelmässig,  auch  nicht  retardirt, 
der  Kopf  von  guter  Temperatur,  nur  die  Hände  etwas  kühl 
und  die  Haut  nicht  ausdunstend,  der  Unterleib  gut  war,  so 
fand  ich  vorläufig  nicht  Grund  zu  besonderem  ärztlichen  Eiii^ 
sclu'eken,  sondern  iteolMiehtete  die  Kranke  etwa  2  Stunden 
lang  und  ging  dann,  da  inzwischen  Temperatur  und  Auadüu- 
stuttg  der  Haut  befriedigender  geworden  und  keinerlei  be-' 
denkliclies  Kraukheitssyuiptom  wieder  autgetreleii  war,  nach 
HauHe,  i\en  Auftrag  hinterlassend,  mich   sofort   zu   l»enach- 

27* 


^20  XXXII.     Verbau^lnngren  der  Oesellschaft 

riciuigen,  falls  fible  ZofMIe  bei  der  Kranken  sich  wieilerholen 
soitlen.    - 

Dies  ges^Jiah  denn  auch  nur  zu  bald^  denn  schon  gegen 

3  Uhr  Morgens  —  5  Stunden  nach  dem  ersten  Krainpfanfalle 
—  folgte  nach  erneuelem  Einbrechen  ein  zweiter  ganz 
gleicher  Anfall,  jedoch  angeblich  von  etwas  kürzerer  Dauer, 
als  der  erste.  Bei  meiner  Ankunft  war  Patientin  schon*  wie- 
der wach  und  bei  Bewustsein ;  die  Sprache  versagte  ihr  wie 
nach  dem  ersten  Anfalle  bisweilen,  doch  klagte  sie  verstand- 
lieh  genug  auch  jetzt  über  Schmerz  im  Nacken  und  Hinter- 
ko[»f,  dazu  ilber  Benommenheit  des  Kopfes.  Der  Puls  war 
etwas  beschleunigt  und  klein,  die  Hauttemperatur  befriedigend 
und  gleichmässig  vertheilt;  Seh  weiss  aber  fehlte.  Aufge- 
fonlert  entleerte  Pat.  etwas  Urin,  der  mit  f^chialbhit  gc- 
mi^icllt  und  daher  zu  einer  Untersuchung  auf  Eiweiss  nicht 
geeignet  war  (den  Katheter  hatte  ich  aus  Rücksicht  auf  die 
Empfindlichkeit  der  Frau  nicht  anzuwenden  gewagt).  Verordn.: 
10  Blutegel  in  den  Nacken  zu  setzen;  tnnerl.  Opium  zu  74  Gr. 

4  Dos.,  stundl.  1  Pulv.  z.  n. 

Am  nächsten  Vornn'ttage  (2.  Juli)  fand  ich  Pat  in  recht 
befriedigendem  Zustande;  unter  Nachlass  des  Nacken-  und 
Hinterkopfschmerzes  war  zeitweise  ruhiger  Scidaf  dagewesen, 
aus  welchem  sie  mit  klarem  Bewustsein  erwachte,  auch  eine 
mnssige  Ausdunstung  der  gesammlen  Körperoberßäche  und 
ein  ruhiger,  massig  voller  und  weicher  Puls  Hessen  Günstiges 
hofien.  Dennoch  war,  wie  ich  bei  meinem  At>endbesuche 
gegen  7  Uhr  erfuhr,  Nachmittags  3  Uhr  —  also  nach  12sCun- 
diger  *  Zwischenzeit  —  ein  dritter,  nur  wenige  Minuten 
währenA^r  Kramp  fanfall  (diesmal  ohne  vorheriges  Erbre- 
chen) eingetreten  und  —  wie  ich  mich  jetzt  überzeugte  — 
war  danach  das  Bewustsein  etwas  getn^bt  und  die  Sprache 
mangelhaft  geblieben.  Zu  einer  eingreifenderen  Antiphlogose 
konnte  ich  gleichwohl  in  dfir  Temperatur  des  Kopfes,  in  der 
Beschaffenheit  des  Pulses  und  unter  Berücksichtigung  der 
ganzen  Constitution  der  Kranken  keine  Auffordenmg  linden, 
sondern  ich  beschränkte  mich  darauf,  wiederholte  Senfteige 
an  Annen  und  Beinen  und  zum  innerUchen  Gebrauche  wieder 
Opium  KU   Vg  Gr.  (6  Dosim)  stündlich  zu  verordnen. 

Noch  ehe  nach  meinem  Fortgehen  diesen  Verordnungen 


ftir  Geb«rUbttile  ia  Berlin.  421 

s 

Folge  geg«b«u  werden  konnte,  kam  utti  7Va  lihr  —  nach 
4V2Stufifliger  Zwisclienzeil  seil  dem  dritten  —  ein  vierler 
Krampfan  fall,  nach  welchem  auf  kurzen,  schnarchenden 
Schlaf  lebhaftes  Irrereden  lolgte;  später  schlief  Fat  zwar 
verbälUiissmässig  viel,  war  jedoch  im  Schlafe  äusserst  un- 
ruhig und  namentlich  iml  Armen  und  Beinen  fast  furiwälirend 
in  Bewegung.  Als  dann  etwa  7  Stunden  später  (Nachts 
2^2  Uhr)  noch  ein  neuer  Anfall,  der  fünfte,  folgte, 
ward  ich  wieder  herbeigerufen.  Pat.,  bei  meiner  Ankunft 
noch  schlafend,  ölfhele  zwar  alsbald  die  Augen,  war  aber  sehr 
unklarer  Besinnung  und  redete  vollkommen  unverständlich; 
der  Kopf  hatte  eine  erhöhte  Temperatur,  die  Haut  geringe 
Schweisstliäligkeit,  der  Puls  machte  90  Schläge  in  der  Min., 
war  dabei  ziemlich  voll  und  hart  (ö  der  lelztverordneten  Pul- 
ver waren  eingenommen). 

Verordnung:  Eisblase  auf  den  Kopf;  innerl.  Sol.  zinci 
acet.  0ij)  BIV.  c.  Syr.  simpl.  ^j,  slundi.  1  Essl.  v.  z.  n.; 
auch  sollte  zum  näclisten  Morgen  um  10  lihr  ein  warmes 
Bad  für  die  Kranke  in  Bereitschaft  gesetzt  werden. 

Am  folgenden  V(»rmittage  (den  3.  luii)  um  10  Uhr  sah 
ich  mit  Hrn.  (leh.  Sen.-R.  f)r.  Fätseh,  um  dessen  Beirath 
ich  gebeten  hatte,  Pat  wieder.  Nacli  eiue^i  seit  4  Uhr  Mor- 
gens mehrere  Stunden  mit  geringen  Unterbi^chungen  andau- 
ernden ruhigen  Schlaf  war  dieselbe  nunmehr  wach,  die  Glied- 
niassen  halte  sie  nicht  mehr  wie  Abends  zuvor  hin-  und 
hergeworfen ,  im  Blicke  und  Gesichtsaasdrucke  lag  eine  er- 
freuliche, ansclieinend  bewusste  Ruhe;  der  Puls  schlug  75 Mal 
in  der  Min.  und  die  Haut  war  am  ganzen  Körper  warm,  auch 
nicht  eigentlich  schwitzend,  doch  weich  und  ausdünstend, 
der  Kopf  von  normaler  Temperatur.  Pat  erkannte  ihre  Um- 
gebung, untei*schied  sehr  wohl  den  ihr  bisher  unbekannten 
Arzt  von  den  ihr  bekannten  Personen,  sprach  auf  Befragen 
verständlich  und  gab  Aber  ihr  Befinden  Auskunft,  war  jedoch 
nicht  im  Stande,  dem  Geh.-R.  PäUch  die  an  sie  gestellten 
Fragen  über  ihren  Geburts-  und  Hochzeitstag,  so  mühsam 
sie  sich  darauf  zu  besinnen  such^,  zu  beantworten. 

Sie  ward  in  das  zuvor  bestimmte  29^  R.  warme  Bad 
gebracht,  worin  sie  sich  nach  eigener  Aussage  sehr  behaglich 
fühlte,   bekam   nach   demselben   zum   ersüm    Mal   seit    ihrer 


422  XXXII.    VerhAttdliingeD  d^r  GeserHschaft 

Flf^thiridiing  einen  reichlichen,  allgemeini^n  8cliw<»is8,  scMief 
wahrenfl  des  Tages  stundenweise  ruhig  und  —  hNeb  fortan 
von  weiteren  Krampfanl^llen  verschont. 

Der  Lochialflass  war  und  blieb '  spärHch.  Milch- 
secretion  stellte  sich  zwar  am  folgenden  Tage  ein  und 
das  Kind  wardo  an  die  Brnste  gelegt,  tla  indess  die  Milch- 
menge sehr  gering  und  für  das  Kind  nicht  ausreichend  blieb, 
andererseits  die  Mutier  —  zuntal  bei  nunmehrigem  Wund- 
werden der  Warzen  -*-  durch  jedesmaliges  Darreichen  der 
firust  in  bedenklicher  Weise  angegriffen  und  von  Schmens 
erregt  ward,  so  liess  ich  nach  einigen  Tagen  das  Stillen  ganz 
aussetzen  und  das  Kind  durch  Ammen4)nist  ernähren. 

Der  weitere  Verlauf  des  Wochenbettes  war  nun  zunächst 
im  Allgemeinen  befriedigend.  Am  Wenigsten  befriedigte  der 
Nachlscblaf,  welcher  mehrere  Nächte  fast  ganz  feMte  und 
erst  nach  kleinen  Gaben  Morphium,  die  ich  mit  Brausepulver 
mehrere  Abende  hinler  einander  nehmen  liess,  zu  entschie- 
dener Ei*quickung  und  Stärkung  der  Frau,  dauernder  und 
fester  ward.  Eine  Schnicrzempfindung  im  Nacken,  besondere 
beim  Anfrechthallen  des  Ko()fcs,  blieb  noch  einige  Zeil  zu- 
rück. Für  Sluhlcnlleerung  nuisste  theüs  durch  Klystire, 
iheils  dnrch  Ol.  Bicini  gesorgt  werden.  Der  Appetit  war  gut 
und  konnte  bald  ohne  Bedtsnken  durch  Darreichen  stärkender 
Nahrungsmittel,  namentlich  Fleischbrühen,  befriedigt  werden. 
In  psychischer  Beziehung  schien  keine  Störung  zurückge- 
blieben zu  sein  und  als  Geh.  San.-B.  Patsch  einige  Tage 
nach  seinem  ersten  Besuche  der  Wöchnerin  bei  seinem  zweiten 
Besuche  die  früher  gestellten  Fragen  nach  GebiH'ts-  mid  Hoch- 
zeitstag wiederholte,  beantwortete  sie  dieselben  lächelnd  ohne 
Zögern. 

Leider  fand  die  völlige  Wiedergenesung  der  Frau  noch 
eine  unerwartete  und  lange  Verzögerung  durch  eine  in  der 
zweiten  W\)che  nach  der  Entbindung  beginnende  liitksseitige 
Psoitis,  welche  zwar  zum  Glück  nicht  zur  Eitenuig  fihrte, 
aber  doch  trotz  wiederholter  örtlicher  Bluten teiekimg  unM 
mit  grosser  (lonsetfuenz  fortgesetzter  heisser  Breiumschläge 
erst  nach  6  Wochen  so  weit  gewichen  war,  dass  (kmvales- 
centin  das  Lager  verlassen  und  im  Gehen  die  ersten  Ver- 
suche machen  konnte.     Erst  allmälig  gelangte  sie   wieder  zu 


für  Qa^itrtfibäif«  in  Berlin.  423 

eiDero  völlig  ungehinderten  Gebrauclic  de»  linken  Bdnes,  wel^ 
dies  lauge  Zeit  wegen  Contracüon  der  euUQndel  gewe}>ei|(ni 
Scbenkelbeuger  nur  unvollkommener  8treekimg  fähig  und 
de»hcüb  anscheinend  verkürzt  war.  Die  etwa  10  Wochen 
nach  der  Coli)indung  sich  wieder  einsteileudcn  Menses  schie- 
nen durch  Ableitung  den  letzten  Best  jener  MuskolaOecUun 
beseitigt  zu  haben« 

Die  Frau  erfreute  sich  bereits  einige  Zeit  dc3  beMen 
Wohlseins,  als  ich  eines  Tages  bei  gelegentlicher  Erwähnung 
ihres  glucklich  uberstandenen  scbwereu  WocbenbetJieidens 
zu  meiner  Verwunderung  eifubr,  dass  derseüien  ubei'  mit 
ganz  bestimmt  begränzte  Epoche  ihrer  Leidenszeit  alle  uiul 
jede  Erinnerung  durchaus  fehlte;  der  Anfang  di<^ser  Epoche 
war  der  Moment  des  Blasensprunges  aiu  1.  Juli  6^«  lihr 
Abends,  also  ''^  Stunde  vor  der  Geburt  des  Kindes,  etwa 
3'/2  Stunden  vor  dem  ersten  eklamptiscben  Anfalle,  das  Ende 
derselben  fiel  auf  den  Vormittag  des  3.  Juli,  7 — 8  Stunden 
nach  dem  letzten  (5.)  Krampfanfalle,  als  Geh.-U.  Patsch 
gemeinsani  mit  mir  die  Kranke  besuchler  und  letztere  ihr 
Bad  l>ekam.  Sie  erinnerte  sich  $ehr  klar  der  enlsetelicheu 
Angst,  die  sie  empfunden,  als  sie  ohne  einen  sariiverständigen 
Beirath  unter  dem  heftigsten  Wehendrange  plöUlich  das  Ge- 
fuid  hatte:  „es  reisse  ihr  der  Unterleib  auseinander'';  aber 
von  Allem,  was  weiter  an  diesem  Abende  und  überhaupt 
wahrend  der  folgenden  40  Stunden-  mit  iln*  vorgegangen, 
sowohl  von  (ier  Geburt  des  Kindes,  wie  vqu  ihren  andern 
Begeguissen  vor  und  zwisclien  den  Ki^ampfanfallen  hatte  sie, 
wie  sie  versicherte,  durchaus  keine  Spur  von  Auckerijnie- 
rung.  Erst  mit  dem  vom  Geh.-San.-K.  Patsch  mit  ihr  an- 
gestellten und  von  ihj*  schlecht  bestandeneu  Examen  über 
ihren.  Hodizeits-  und  Geburtstag  und  mit  dem  darnach  fol- 
genden Auüenthalt  im  warmen  Bade  begann  die.  unterbrocliene 
Beihe  iliier  Erioiierungeu .  wieder  und  auch  diese  eben  ge-^ 
dachten  Erinnerujtgen  bezeidmete  sie  als  noch  sehr  unklare 
und  dunkle.  Icli  kann  hinzufügen,  dass  auch  bis  jetzt  — 
nacd  einem  Zeiträume  von  8*2  Monaten  seit  der  Entbindung 
—  jene  Lücke  in  der  Erinnermigsreihe  ganz  diesell»e  ge- 
blieben ist.  Die  Aimahme  einer  absichtliehen  Fiction  und 
Täuscbiing  halle  ioh  bei  dei*  Persöiüichkeil,   mn   die   es  sich 


424  XXXIT.     Verhandlungen  der  Oesellschaft 

handelt,  und   bei  dem  Mangel   eines  jeden  M(»tivs  fAr  solche 
Absicht  ganzlich  ausgeschlossen. 

Ein  doppeltes  Interesse  därfle  dieser  Fall  daher  dar- 
bieten: 1.  ein  pathologisches  oder  pathogenetisches 
—  sofern  die  Eklampsie  hier  aller  WahrscbeinKchketi  nach 
der  Wirkung  eines  heftigen  psychischen  Eindruckes  auf  die 
Gehirntliatigkeit  ihre  Entstehung  verdankte  oder  doch  in 
solchem  Eindnick  ihre  Causa  occasionalis  fand;  2  ein  psycho- 
logisches und  forensisches,  sofern  dieser  Fall  beweist, 
dass  der  heftige  psychische  Eindruck  der  Angst,  schon  be- 
vor eine  bestimmt  ausgeprägte  Form  von  Cerehralleiden  zu 
Stande  kommt,  das  Bewustsetn  einer  Kreissenden  in  dem 
Grade  zu  trüben  vermag,  dass  ihr  später  die  Röckerinnerung 
an  den  Vorgang  der  Geburt  und  die  begleitenden  wie  nach- 
folgenden Umstände  durchaus  fehlt. 


Protocoll  der  Sitzung  am  28.  März.    1865. 

Herr  L.  Mayer  erläutert  seine  in  der  vorigen  Sitzung 
ausgesprochenen  Ansichten  über  die  Hodge'schen  Pessarien 
durch  schematische  Abbildungen. 

Herr  O.  Hüter  (als  Gast)  demonstrirt  einen  Fall  von 
Verwachsung  beider  Tuben  miteinander. 

Dass  betreffende  Präparat  stammt  von  einer  64jährigen 
alten  Frau,  die^  wegen  einer  complicirten  Vorderarmfractur 
in  der  Langenbeck* sehen  Klinik  aufgenommen  wurde  und  dort 
an  einer  im  Verlaufe  der  zur  Eiterung  aufgetretenen  Phleg- 
mone und  Osteomyelitis  starb.  Bei  der  Section  fand  sich 
noch  eine  Fissur  der  Schädelbasis  und  apoplectische  Heerde 
im  Gebirne.  Was  die  Genitaheu  anlangt,  so  war  der  Uterus 
retroflectirt  und  in  geringem  Maasse  vergrössert.  Die  Schleim- 
haut der  Scheide  bot  eine  epidermoidale  Beschaffenheit,  wie 
bei  altem  Prolapsus  vaginae,  dar;  auch  fand  sich  in  der 
Scheide  ein  Pessarium.  Bei  der  weitern  fnspection  des  kleinen 
Beckens  zeigte  sich  im  Douglcui'^hen  Baume  ein  freier  Ring 
von  einigen  Linien  Dicke,  dessen  ganz  gleicbmässige  Beschaffen- 
heit besonders  auffallend  war.  Zwischen  ilmi  und  der  hinteren 
Uteruswand   konnte   man   eine  Hand   durchführen.     Bei   ge- 


für  Oe^urtslialfa  io  Berlin.  425 

Daaer  UnlerMichung  ergab  sieb,  das«  4i«ser  Ring  von  «leii 
beidea  T«b«i  gebildet  worde,  die  mit  ihren  AbdominaJoslien 
nach  hinten  geridilet  und  hier  durch  einen  ddnnen,  etwa 
]'"  slarlien  fibrösen  Ring  mit  einander  vereinigt  waren.  Die 
Fimbrien,  der  eigentliche  Morsus  diaboti,  fehlen.  Die  Ovarien 
sind  in  ihrer  noimalen  Lage.  Die  Frage  kafm  entstehen,  ob 
man  es  hier  mit  einer  congenitalen  Missbildung  zu  tbnn 
hrt>e;  dafür  könnte  die  symmetrische  vollkommen  gleich- 
massige  Entwickelung  des  ganzen  Ringes  spix'chen.  Andrer- 
seils finden  sich  allerdings  Abrisse  Strftnge  zwischen  den 
breiten  Mutterbändem  und  der  hintern  Uteruswand,  und 
dörfle  dieser*  Umstand  auf  perimetritische  Vorgänge  hindeu<)fn, 
als  deren  Resultat  jene  Verwachsung  der  Tuben  aufzufassen 
sei,  jedoch  ist  dabei  wiederum  auffiillig,  dass  gar  keine  Dis- 
location  der  Ovarien  stattgeftoden  hat  Ob  die  Frau  ge- 
boren hat,  war  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  ei*mitteln  gewesen. 
Wenn  dies  der  Fall  gewesen,  so  kann  naturlich  jene  Ver- 
wachsimg erst  nach  der  Befruchtung  eingetreten  sein.  Hin- 
zozufingen  ist  noch,  dass  von  der  Mitte  des  Ringes  eine  kleine 
Cyste  f^ei  in  den  X>ottjrZaa'sclien  Raum  hineinhing. 

Herr  Martin  ist  der  Meinung,  dass  es  sich  hn  vorMe- 
genöen  Falle  um  eine  in  Folge  von  Entzöndungen  im  spätern 
Leben,  etwa  nach  einer  Entbindung,  entstandene  Verwachsung 
handle.  Dass  die  Frau  geboren  habe,  daför  spräche  auch  der 
Prolapsus  uteri.  Wenn  jedoch  die  Vereinigung  der  Tuben 
wirklich  eine  congenitale  sei,  so  könne  sie  doch  auch  nur  in 
Folge  einer  fötalen  Entzflndung  entstanden  sein,  denn  anders 
wSr  dieselbe  nicht  zu  erklären. 

Auf  eme  Anfrage  des  Herrn  Kauffmann,  wie  sich  bei 
Prolapsus  uteri  die  Tuben  in  Bezug  auf  ihre  l^gerung  ver- 
hielten, giebt  Herr  Hüter  zu,  dass  dieselbe  dabei  stets  her- 
unlergezerrt  und  mit  ihren  freien  Enden  einander  genUiert 
seien;  dass  dieser  Umstand  zur  Erklärung  der  vorliegenden 
Missbildung  aber  nicht  gut  zu  verwerthen  sei,  da  die  Ovarien 
eben  voIhtSndig  normal  gelagert  sind.  — 

Herr  E.  Ro$e  hielt  einen  Vortrag 

Ueber  Harnverhaltung  beim  Neugebornen. 

Bei  den  widersprechenden  Ansichten,  zu  denen  noch  in 
der  Jftngsten   Zeit  der  angebome  Verschluss  der  Harnröhre 


426  XXXIl.    V«rlwndl«iigen  4»r  GU»Aell8chaft 

^«Ctihri  hat.4  möcbte  es  bei  ihrer  Begpr«ohting  angeniMsen 
hmky  von  eiaeüi  couct-elen  Faiie  auszugehen,  cien  ^u  beob> 
achten  sieb  mir  im  vorigen  Herbsie  eäie  Gel^nbeit  ge- 
boten bat. 

An  (ten  y4>rlipgeiiden  Sachverhalt  wird  sieh  aei  besten 
eine  Betrachtimg  über  die  angeblidie  Unvereinbarkeit  einer 
angeborenen  Harnröbi*enalreßie  mit  der  Etitwickeluiigsge&chiohte, 
sowie  ekle  Würdigung  der  aua  ähniichen  Fällen  abgeleiteton 
Folgerungen  knüpfen. 

Aus  dem  Naobwcis,  unter  weichen  Bedingungen  die  Harn- 
rölarenetresie  die  Lebensfabigkeil  nidjt  auäscbltesBl,  wit>d  sich 
von  öeibet  die  Bedeutung  der  Har«verbaitung .  hei  Neugeboh- 
nen  ergeben. 

Der  Fall  ist  folgender: 

Frau  Diß^ch,  denen  einziges  Kind  dr^i  Jahre  zuvor 
hatte,  mit  der  Zange  geholt  werden  müssen,  jedoch  Aur 
kurze  Zeit  gelebt  hatte,  war  Anfang  MarE  1864  in  ihrem 
37.' Jalu'c  zum  zweiten  Male  schwanger  geworden,  nachdem  ihre 
letzten  Regeln  am  24.  Februar  aufgehört  halten.  Kindsbeweg«ut- 
g(Mi  will  sie  angebUch  bis  211m  23.  September  zwei  Uhr  verepfuU 
haben;  eine  Stunde  danach  sollen  die  ersli!«  Weben  ein- 
gieti*eten  sein,  welche  jedoch  den  Stand  nur  wenig  veränder- 
ten, zuletzt  ganz  aufhörten.  Da  nun  auch  die  Uebafliuiß 
wegen  der  in  der  Mitte  eingesuakenen  Bildung  des  tiebäi^ 
nmtiergrijmdes,  dei'  zin*  Zeitrechnung  onverbaltnissmässigeti 
Aumkhnuiig  des  Leibes  und  der  eigentbumlielien  Beschaflisa- 
heil  der  vorliegenden  Tbeile  Zwillinge  vermutbete,  wurde  ioti 
kurz  nach  Mitternacht  liinzugei'ufen,  und  fand  bei  straffen 
uAd  massig  engen  Geburl swegeii  zwei  Fasse,  derea  ZeJien 
sich  einaudev  zugekehrt  standen,'  vorliegend.  Ging  man  mög- 
lichst tiel'  ein,  so  kannte  man  sich  jedoch  uheneugen,  dass 
beide  untereinander  und  mit  einer  Geschwulst  .zusanunen- 
hingen,  difi  etwa  der  Grosse  eines  hei  der  Gehurl  stark  .auf- 
gelaufenen Scrotums  entsprach,  jedoch  keinen  Penis  halle. 
Vom  Muttermunde  war  nichis  zu  Fühlen,  ebensowenig  von 
Kiniisbewegungen;  auch'  konnte  ich  nirgends  Herztöne  des 
Kindes  bei  wiedeiholler  Untersuchung  walu'nehinen. 

Ich  glauble  es  danach'  mit  einem  todleu,  8iel)enmonal- 
lichen  Fötus  zu  Uiun  zu  haben,    und   sciiob  die  Geburtsver- 


für  6abvl«littife  Ui  Berlin.  427 

zjigerung.  hvd  die  S4tt8slfege  uimI  diis  AUa#  der  Frau^  Uni- 
alMide,  4ie  mir  keineu  weiteren  Eingriff  för  die  Müller  wAn- 
iebenawerth  scbeinen  liessen,  zuimI  dit»  Weben  niilllerweile 
elwas  kräftiger  wurden. 

Afe  sie  jedodi  ohne  den  genugsten  Fortschritt  xu-  erge- 
be» «ack  einigen  Stunden  aufTiorteti,  aog  ich  einen  der  Fäase 
herunter,  wobei  mir  die  Enge  der  TheMe  ee  unopwarioi 
aehwierig  machbe;  liess  ihn,  da  er  mich  durch  sein  Sdhlot»- 
tern  noch  mehr  hinderte,  an  eine  Sclilinge  legen  tind  in.  ^ 
Höhe  halten/ während  ich  den  anderen  herabbolte.  Ich  legtt^ 
darauf  beide  Hände  niogiieh&t  hodi  an  die  Oberschenkei  und 
wftitte  das  Kind  herauseiehen,  sliess  aber  atif  ^ineo  se^  eigen«- 
thöndich  feaien  Widerstand,  wie  ihn  seHist  die  achiversten 
ExtraoCioneo  nach  Wendungen  nicht  bieten,  indem  derKörpei* 
$ieh  auob  nicht  im  Geringsten«  fortbewegte,  ein  Umstand,  ckr 
Cdr  üoiebe  Falle,  glaube  ich,  charakleristiscb  sein  möchtei 

-  Die  Füsse  waren  geechwolien;  als  ich  sie  mir  hei  Licht 
besah,  da  sie  eben  vor  die  Schamlippen  gebracht  werdni 
konnten,  ganz  schwarablau.  Da  wo  die  Scblkige  gelegen 
hatte,  w^ar  das  Fussgelenk  eingerissen,  so  dass  ider  Knöchel 
des  schlotternden  Gelenks  bipraiissah,  ohne  Jedoch  2u  bluten. 
Die  abnorme  Stellung  der  Füsse  früher  erkl^te  ■  sich  jefiil 
durcli  eine  gans  abnorme  Bewegliclikeit  der  seblotfeernden 
Keine. 

Da  mir  so  nun  bei  einem  weiteran  Versudie  der  Ex- 
traelion  nur  eine  Zerfeteung  des  ({rwt)icbt(*ii  Fötus  in  Aus- 
siebt stand,  und  ich  bei  todten  Früditen  nur  sehr  ungern  in  4ie 
€M»bäniMitter  selbst  eingehe,  so  heschloss  ich  fürs  Erste  ruhig 
den  Erweichungsproce^s  weiter  fortsdireiten  zu  lassen,  zumal 
das  AUgemeinbdindefi  der  kräftigen  Frau  nicht  drängte. 

Als  ich  sie  am  andern  Morgen  wieder  besuchte,  hatten- 
skb  denn  auch  ganz  krafiige  Wehen  eingefunden,  ohne  frei- 
lieh viel  zu  fruchten,  da  der  Beckeneingaiig-  nach  wie  vor 
fest  von  dem  Körper  ausgefüllt  war. 

Um  Hn  Uhr  entscfaloss  ich  mich  die  Sache  zu  beenden. 
Zuvor  jedot^  machte  ich  nodi  prolieweise  einen  neuen  Ex- 
tractioni»ve]*such;  der  Widerstand  schien  derselbe,  doch  plöta- 
heh  faMte  ich  eifteii  Kuck,  war  ganz  mit  Wasser  überscböltet 
und  hatte  Frucht  nebst  Placenta  in  Händen. 


428 


XXXII.    VerhandloDg^D  der  Gesellschaft 


Das  Wocbenbetl,  welclies  nach  ^er  er^R  EiUbiiMHing 
sehr  schwer  gewesen  war,  verlief  CroCz  enormer  Anschwel- 
lung fler  Brüste  so  leicht,  dass  mich  dieser  Fall  nur  noeh 
mehr  von  allen  EingrifTen  hei  todlen  Kindern  zurückhalten  wird. 

Doch  was  verui*sacbte  den  Ruck?  Dicht  unter  dem  lin- 
ken Schenkelbogen  war  die  Haut  quer  eingerissen,  eine  Oefftiimg, 
aus  der  noch  immciforl  seröse  Flüssigkeit  ramt.  Legüe  man 
die  Hand  auf  den  unförmlichen  Leih,  so  drang  sie  dort  im 
Strahl  Itervor.  Jetzt  erklärte  sich  auch  das  eigenihAmliehe 
Resultat  der  Untersuchung  mit  dem  Finger! 

Die  Frucht  hatte  keine  Andeutung  eines  Afters  oder 
einer  Ruthe  am  Scrotum.  Die  Stellung  der  Fasse  erklirfe 
sich  durch  das  Schlottern,  indem  durch  die  Erweichung  alle 
Gelenke  gelockert  und  beide  Epiphysen  des  Ohersdienkels, 
(Ue  noch  keinen  Kern  enthielten,  von  den  Diaphysen  ge- 
trennt waren.  Uebrigens  hatten  diese  schon  solche  Stärke, 
dass  mir  ihr  Zerbrechen  nur  schwer  gelang.  Die  Nägel 
waren  eben  angedeutet.  Auch  die  Länge  de^  Kindes  ent- 
sprach etwa  dem  7.  Monate;  noch  jetzt,  wo  Kopf,  Hals  und 
drei  Glieder,  die  gar  nichts  Bemerken swerthes  boten,  fehlen, 
beträgt  die"  Entfernung  vom  1,  Rdckenwirbel  bis  zum  linken 
Hacken  13  Zoll,  wovon  6  auf  das  Bein  kommen. 

Das  Präparat,  das  jetzt  sechs  Monate  in  Spiritus  g«^ 
legen  und  dadurch  zusammengeschrumpft  ist,  wurde  paraHel 
der  Mittellinie  einen  Zoll  davon  entfernt  auf  der  linken  Seite 
aufgeschnitten.  Obgleich  die  Bauchdecken  sehr  eingefaltm, 
fand  sich  doch  in  der  Bauchhöhle  noch  ein  grosser  Tumor, 
der  vorn  mit  der  rechten  Hälfte  der  Bauchdecken  zusammen 
hängt.  Klappt  man  noch  jetzt  die  andere  Seite  nach  links 
zurück,  so  hat  man  einen  viereckigen  Lappen,  dessen  Breite 
von  der  Wirbelsäule  ab  8  Zoll,  dessen  Höhe  7  Zoll  misst. 
Diese  Ifälfte  bedeckte  die  Gedärme,  besonders  den  von  Kinds- 
pech strotzenden  Grimmdarm,  während  die  andere  kaum 
weniger  ausgedehnt  war. 

Es  wurde  darauf  der  Tumor  längs  der  Mitte4Hnie  aufge- 
schnitten. Man  drang  dabei  durch  eine  ^j^"  starke  Muskelschieht 
in  eine  glatte  Höhle,  die  Blase,  die  links  eine  wallnossgrosee, 
rechts  eine  apfelsinengrosse  (der  längste  Durehmesser  ihres 
engen  Eingangs  misst  drei  Zoll)  Tasche  zeigt  und  naoli  obea, 


für  Oebortühäira  in  B«riiii.  429 

WO  sie  bb  xum  Nabel  reidit,  sieh  aiisMrdem  dahinter  in 
eine  glalle  Ausbttobtung  veriängeri,  deren  Einfang  vkh  am 
imtören  Ende  des  Hautnabels  befiadet  und  zwei  Finger  ei»- 
lässl.  Ihre  Länge  betragt  Yon  da  zwei  Zell;  sie  ist  ganz 
und  gar  vom  Bauchfelle  Aberzogen,  war  nach  vom  gekehrt 
und  bildete  den  Inhalt  eines  hreitbasigen  Nabelsebtiurbruches. 
Die  Baucfagesehwulst  ist  von  einer  etwa  eine  Linie  starken 
nicht  durchsichtigen  Decke  bedekt,  von  der  man  leicht  Am<<- 
nion  und  Bauchfell  jederseits  von  einer  zarten  mittlem  Haut 
ahsiehea  kann.  Durch  Zuruckzieinmg  der  Haut  r^n  der  Na* 
bebcbnur  ist  eine  Zweilhalerstöck  grosse  BauebQäche  vom 
Amnion  bedeckt  An  ihrer  oberen  Seite  sitzt  die  Nabel-» 
scbnor  an,  deren  dicke  Vene  sofort  in  der  Bruchdecke  eine 
Biegung  nach  rechts  macht,  deren  A^rt  (die  einzige,  eine  Linie 
im  liebten  etwa  stark,  drei  mal  eo  dann  als  jene)  jedoch 
erst  senkrecht  hinab  über  die  ganze  Bntchdecke  Uuft,  daim 
sieh  auch  nach  reclHs  biegt,  und  endlich  wie  jene  in  die 
Tiefe  dringt,  leicht  auf  der  Rückseite  unter  dem  Banclifell- 
öberaug  der  Blase  sechs  Zoll  lang  zu  verfolgen  bis  zwei  Zoll 
ab  von  der  Aorta,  neben  der  Wirbelsaale,  deren  unmittelbare 
Verlängerung  sie  Ist,  in  der  Art,  dasa  die  Lichtung  und  Rieh» 
tung  der  Aorta  sich  bis  zum  Nabel  nur  unbedeutend  ändert, 
und  seitlich  unbedeutende  Gefäaskimina  sich  zeigen.  Ausser 
dem  FeUen  der  anderen  Arterie  zeigt  die  SchniN*  sonst  nichts 
A«frallendes,  ein  Rest  des  Uracbus  ist  nicht  zu  bemerken, 
wenn  man  nidit  die  obere  Tasche  filr  eine  seitliche  A«s-> 
buebtong  ansehen  will.  Jedenfalls  ist  seine  Mdndung  ge^ 
schlössen. 

Die  Vene  lässt  sich  leicht  durch  das  dicke,  lang  ausge- 
zogene Lig.  tei*es  2^1^  Zoll  vom  Nabel  bis  zum  Eintritt  in 
die  Leber  imd  von  da  diircii  das  Lig.  venosum  bis  zur  Cava 
sondiren. 

Die  Leber  ist  wie  die  Brusteingeweide  nach  oben  ge* 
chrängt,  so  dass  das  Bauchfell  linlcs  davon  direct  auf  di6  un- 
lere Flache  .des  linken  Leberla))pens  übergeht,  von  dem  nur 
'  der  unterste  Thed  der  linken  Oberfläche  links  frei  in  die 
Bauchhöhle  hervorragt,  indem  iNe  ganze  Leber  nur  an  einem 
4"  breit  sich  ansetzenden,  2^'  langen,  schief  nacli  rechts  lau- 
fenden Lig.  Suspensorium  hängt. 


430  XXXII.     VerUnnd langen  der  QescIlHchaft 

Das  KranKbafid  der  Leber  febil.  Ibris  Substanz  ist  von 
«Uen  Seilen  mit  ser()ser  glatter  Decke  aberzogen  atid  Jässl 
skli  weit  vom  ZwerchMi  abziehen,  wobei  sich  das  Lig. 
suspensonum  wie  «*in  Gekrös  anspannt 

Das  Herz  mit  seinem  ufTeoen  För.  ovale,  die  noch  nicht  aus*- 
gedehnten  Limgen,  die  sicii  jedoch  von  der  glaCt  zusanmnen*- 
gelegten  Luftröhre  aus  leicht  aufl)lasen  iiessen,  Magen  und 
Milz  (IV2  Zoll  hoch,  1  Zoll  breit)  iiieten  nichts  fiesond«l*es 
dar;  ebenso  das  sehr  entwickelte  Netz. 

Die  Dtinndälin«  sind  etwas  nach  ünks  durch  den  selbst 
die  rechte  Seite  und  Mille  des  l^ibes  einnelmienden  Harn- 
raum gedrangt.  Das  Colon  ascendens  verschwindet  dadurch, 
indem  der  (4'"  lange)  Wurmfortsatz  sich  ungefähr  m  der 
Mittellinie  des  Körpers  befindet;  ein  Blinddarm  fehlt. 

Siehi  man  sich  jeizl  nach  den  Geschlechtsdrusen  um, 
so  findet  man  auf  der  Rückseite  des  Harnraums,  der  hydro- 
piscben  Blase,  unter  ihrem  Bauchfelluberzuge  einen  Kanal,  der 
ganz  nach  rechts  horizontal  verläuft  und  dok't  in  der  Tiel^ 
oflen  mit  Franzen  endet,  dicht  parallel  einem  halbzoll  langen 
OfV^rium.  Schneidet  man  den  Kanal  naclJ^  links  auf,  so  ef^ 
sli*eckt  er  sicIi  von  jenem  Ovarium  3^/4  Zoll  lang,  ist  An* 
fangs  (Tuba,  %  Zoll  lang)  sehr  eng,  dann  etwas  weiter, 
musculös  und  mit  zarten  QtAerfallen  besetzt  (Uterus);  endlich 
nimmt  er  an  Starke  der  Wandung  und  Lichl^nng  bedeutend 
au,  biegt  dabei  rechtwinklig  in  die  Tiefe  um  (Vagina),  »nd 
eadet  27t  Zoll  später  nahe  einer  kleinen  Oefthung  an  der 
untern  Ruckseite,  der  Blase,  aus  der  man  nach  dem  Auf* 
schneiden  stets  hei  Druck  auf  das  kindspechbeladeBe  Colon 
descendens  Kothflocken  dringen  sab.  Beim  Aufschneiden  die- 
ses Uteinis  ersieht  sich,  dass  er  viel  höhere  Runzeln  enthalt 
und  djis  Colon  in  ihm  mit  einer  engen  Mundtnig  endet,  eih 
Zoll  etwa  unter  der  Biegungsslelle.  S  Romanum  und  Rectum 
fehlen  also.  Jener  Kanal  entspricht  ganz  dem  Uterus  und 
der  ^heide  wegen  der  Stärke  der  Musciilaiiir,  der  I^nge^ 
der  Lidbtung  und  des  Vorhandenseins  der  palmzweigartigen 
Falten,  sowie  der  Culunma  rugarum  untei^iaih  der  Biegungs- 
stelle.  Ein  dem  Ovürium  an  Grösse  ihniicher,  aber  gialtfirer, 
aasi'lieitiend. unentwickelter  Körper  fand  sich  ünks  im  BanclH 
felinberzuge  des  Harnraums;   der   zugehörige    Eiergaüg   hatt^ 


ffir  Gebartnhiilfe  in  Berlin.  431 

diesetbe  Lfiiig«^  von  S^j^  Zoll,  verlief  ji^och  bei  grösserer 
Nähe  in  einer  Spirale  um  iIab  linke  Ovarium.  Beim  Auf* 
schneiden  zeigte  sich)  cinss  er  ntcbl  in  «l«"»  andern  Eiergang 
nulndet,  sondern  in  einen  ganz  gleichen  Körper,  der  neben 
ihm  links  mil  einer  ebenso  feinen  Oefl'nung  endet,  anfangs 
durch  eine  zwei  Linien  starke  Muskelschicht,  unten-  durch 
eine  feine  Hembi*an  getrennt,  die  mir  beim  Somliren  schon 
etwas  eingerissen  ist. 

Wenn  man  den  engen  Anfang  beider  EiergSnge  ffir  die 
l>rt>en,  die  beiden  drei  Zoll  langen  Qnerkanäle  mit  ihren 
Falten  für  die  Geb&rmntter,  die  weiteren  (2"  langen)  paral-^ 
lelen  Rörper  unterhalb  der  Biegungsstellen  mit  den  Colamnis 
mgarum  föi*  Scheiden  Unk,  so  hatten  wir  hier  einen  Uterus 
duplex  und  eine  Vagina  bicornis  duplex.  Ihre  beiden  OelF- 
nungen  sind  parallel,  hatten  das  Ansehen  zweier  Scheideii» 
tfaetle,  und  sahen  einem  wie  die  Oeffnungen  eines  Doppelpistolfl 
entgegen.  Diese  Wandungen  iKitten  einen  feine  Lichtung  im 
Verhältniss  xo  der  Ausweitung  im  ganzen  Verlaufe  der  Scheide. 
Beide  Oeffnungen  munden  nicht  direct  in  jene  kothentleer«<nde 
Uelle  im  Hamraume,  sondern  ebenso  wie  eine  ihnen  gerademul 
fast  unmittelbar  gegenuhei*stehende  doppelt  so  grosse  Oeffnnng 
senkrecht  dazu^  so  dass  sich  dort  vier  Oeßnungen  fast  he^ 
rubren.  Jene  Kothdelle  muss  man  für  das  Orificium  uretlirae 
vesicale  halten,  obgleich  es  an  der  Rückseite  lie*gt;  denn 
sonst  hat  der  Hai*nraum  keine  Oeffnung.  Aus  dem  Inhalt« 
des  Harnraums  wurden  14  3  klarer  Flüssigkeit,  abgesehen 
von  den  Seitentaschen^  aufgefangen;  sie  trübte  sich  mit  Sal- 
petersaure und  enthielt  nur  ganz  wenig  Kothflocken,  die  erst 
siditlich  tjeim  Aufschneiden  eindrangen,  zum  Zeichen,  dass 
trotz  <ier  offn^^n  Communication  mit  dem  prallen  Colon  diir'ili 
den  Druck  des  Ascites  und  der  vollen  Blase  beiderseits  auf 
den  Eiergang  der  Eintritt  des  Kindspechs  in  denselben  <bch 
nicht  mdglich  war;  gerade  wie  feine  überbäutete  Fadenlöcber 
nach  der  Operation  der  Blasenscheidei^stel  voHstdndig  bei 
entsprechendem  Verlaufe  von  dem  angesammelten  Harne  was«- 
serdicbt  eomprimiit  wei*den  können.*) 

*)  Verp^l.  dip  1.3.  Krankengeschichte  und  7.  u.  8.  Figur  in 
meiner  Abhandhing  nher  die  Operation  der  ßlasenscheidenfistel 
Charitvannaleo  'Bd.  XL  pag.  IS.S. 


433  XXXII.     Verbandlun^^n  dar  Oesallsehaft 

Verfolgen  wir  jetzt  die  unterste  der  vier  Oeffnongcsi,  so 
kommen  wir  in  einen  gleichmä8sig  weilen ,  Va  Zoll  langen 
glatten  Kanal,  der  sich  dann  in  einen  eben  so  langen 
Trichter    blind  endeU 

Suchen  wir  jetzt  aussen  nach  einer  Ilaroruhrenoflhung,  so 
zeigt  sich  an  einer  Grube  im  wallnussgrossen  Scroium  zwischen 
zwei  senkrechten  (V4  Zoll  hohen)  Falten  ein  Va  2<>ll  langer 
sehr  enger  Eingang,  der  dort  wieder  blind  endnL  Nachdem 
jetzt  iMside  Ossa  pubis  abgetragen  und  vor  dem  Scbanibogen 
ein  Querschnitt  gemacht,  zeigen  sich  darauf  zwei  sehr  feioe 
Oeflhungen ;  die  vordere  fuhrt  in  einen  spindelförmigen  Kanal, 
der  im  Ganzen  sehr  eng  in  der  rechten  jener  Falten  (Labia  mi- 
nora)  endet,  so  dass  eine  etwa  eine  Linie  dicke  Wand  ihn  dort 
treonl  in  vier  Linien  Ldnge  von  dem  anliegenden  aussen 
oAenea  Kanäle,  an  dessen  innerem  Ende  oben  ein  Stecknadel* 
kopfgrosser  clitorisartiger  Körper  zu  flnden  ist.  Der  blinde 
Kanal  endet  nach  hinten  nach  Länge  von  einem  Zoll  — 
seine  grösste  Breite  ist  etwa  eine  Linie  —  blind  unter  dem 
Schambogen  in  einen  Bindege websfaden  von  der  Dicke  eines 
Zwirnsfadens,  der  Va  ^oU  l^ng  i^^  u^d  ^bn  mit  jener 
blinden  Tricitterspilze  verbindet  Die  Entfernung  vom  Ort- 
ficium  vesicae  bis  zum  blinden  ^nde  in  der  rechten  kleinen 
Schamlippe  beiragt  2%  Zoll. 

Die  INieren  liegen  an  ihrer  SLelle;  die  linke  Va  Zoll 
hoch,  mit  viel  körnigem  Fett  umgeben,  ist  traubenförntig  ge- 
lappt und  kleiner  als  die  rechte,  welche  Va  Zoll  breit  und 
^/4  Zoll  hoch  ist  und  viele  kleine  Kysten  enthalt. 

Die  Ureteren  liegen  ebenso  wie  Eiergänge  und  Nabel- 
arlerie  unter  dem  Baucbfellüberzuge  auf  der  Rückseite  des 
ilarnraumes,  in  dessen  breite  reich  mit  Divertikeln  besetzte 
und  dadurch  llieilweis  sehr  dünnwandige  Seitentaschen  sie 
einmunden.  Der  linke  ist  bei  längerer  Ausdehnung  nar  in 
seHier  unteren  geknickten  Hälfte  dilatirt,  der  rechte  ganz  und 
gar ,  bis  auf  das  oberste  einen  Zoll  lange  Stück.  Da  die 
Bbse'  sieb  mehi*  nach  rechts  den  rechten  Nieren  entge- 
gen ausgedehnt  hat,  ist  der  letztere  fast  alle  Va  Zoll  ge- 
knickt und  wie  in  sich  zusammengeschoben.  Dabei  bilden 
die  Knickungsstellen  nie  Verschlüsse,  sondern  im  Gegentbeil 
durch  Ausweiten  der  convexen  Wand  Taschen.     Die  grosseu 


für  GeburtshSlfe  in  Berlin.  433 

Seitentascheii  des  Harnraumes  möchte  man  danach  für  Er- 
weiterungen ihrer  untersteh  Stücke  halten,  weil  sie  dünn 
und  mit  Divertikeln  hesetzt  einen  Gegensatz  bilden  zu  der 
glall-  und  dickwandigen  Blase,  deren  innere  Wand  ein  mehr 
seröses  Aussehen  hat. 

Das  Bauchfell  zeigt  nirgends  eine  Spur  von  Entzündung ; 
beim  ersten  Aufschneiden  noch  jenes  Serum,  das  durch  eine 
feine  Oeffnung  unten  links  vorn  und  von  da  durch  jene  Haut- 
ruptur am  Schenkelbogen  ausgeflossen  war. 


Werfen  wir  jetzt  einen  Blick  zurück,  so  fehlen  also  bei 
einem  unreifen  Fötus,  dessen  äussere  Geschlechtstheilo  zwar 
den  männlichen,  dessen  innere  jedoch  den  weiblichen  Habitui^ 
tragen,  —  Es  fehlen: 

Arteria  umbilicalis  sinistra, 

Ligamentum  hepatis  coronarium, 

Coecum  und  rectum,  ^ 

alles  Mängel,  die  an  und  für  sich  die  Lebensfähigkeit  nicht 
ausschHessen.  Dafür  findet  sich  eine  schiefe  Scheidewand  in 
der  Harnröhre,  und  ausserhalb  fast  des  Beckens  eine  faden- 
artige  Atrophie  (Ausziehung)  derselben  unter  dem  Scham- 
bogen, Hindernisse  für  die  Harnentleerung,  die  eine  so  un- 
mässige  Ausdehnung  der  Blase,  eine  Blasenwassersucht  zur 
Folge  hatten,  dass  man  sie  sich  jetzt  wie  einen  Handschuh 
anziehen  kann  (Hydrops  vesicae  urinariae). 

In  Folge  davon  ist  der  Harnstrang,  dessen  Nabelmün- 
dung  geschlossen,  zum  Theil  in  die  Blase  aufgegangen,  die 
Ausdehnung  der  Harnleiter  eingetreten.  Wahrscheinlich  ist 
auch  jene  fadenartige  Ausziehung  der  Harnröhre  erst  eine 
Folge  der  Harnslauung,  mit  deren  Zunahme  die  Blase  wie 
alle  Geschwülste  des  kleinen  Beckens  aufstieg.  ^) 

1)  In  dem  ähnlichen  Falle  von  Delphcke  fand  Billard  diesen 
Faden  sich  im  Damm  verlierend.  Da  die  Blase  in  dem  Falle 
sehr  stark  anfgostiegen  war  und  auch  sich  vornüber  gestülpt 
hatte,  so  ist  es  denkbar,  dass  das  VerhKltniss  nnserem  Falle 
ähnlich  gewesen  und  nur  die  fadenartige  Ansziehnng  schliesslich 
durchgerissen  sei. 

Vielleicht  ist  es  in  einigen  der  anderen  Fälle  dieser  Art 
Mon&uachr.  f.  Oeburtok.  1866.  Bd.  XXY.,  Hft.  6.  2^ 


434 


XXX 11.    Verbandlnnij^en  der  Gatellsehaft 


Die  rechte  Niere  ist  cystös  entartet.  Colossaler  Ascites 
war  die  Folge  davon,  oder  besser  von  der  beiden  ursäch- 
lichen Harnverhaltung;  schwerlich  vom  Druck  der  Blase  auf 
die  ja  ganz  weiten  Gefässe,  wie  Depaul  in  einem  ähnlichen 
Falle  behauptete. 

Dieser  Ascites  hat  einerseits  einen  ßlasennabelschnur- 
bruch  zur  Folge  gehabt,  der  in  solchen  Fällen  doch  sicher 
durch  Druck  von  Innen  gegen  den  Processus  peritonaei  um- 
hihcalis,  nicht  durch  Hemmungshildung  entstanden  ist.  An- 
dererseits hat  er  die  Unmöglichkeil  herbeigeführt,  ohne 
ErölFnung  der  Bauchhöhle  aus  dem  mutterlichen  Becken  zu 
kommen.  Vielleicht  hat  er  auch  endlich  durch  die  mecha- 
nische Ausdehnung  die  Geburt  eingeleitet  und  hei  dem  ersten 
leisen  Andrängen  des  Uterus  durch  Störung  der  schon  schwe- 
ren Circulation  das  Absterben  verursacht,  da  wenigstens  sonst 
kein  Grund  dafür  gefunden  ist. 

Ausserdem  fmdel  sich  ein  Uterus  duplex  und  eine  Va- 
gina bicornis  duplex  mit  Einmündung  des  Colon  in  seine 
rechte  Hälfte.  Die  Einstülpung  des  Mastdarms  von  der  äus- 
sern Haut  ist  ganz  ausgeblieben,  während  die  für  die*  Harn- 
röhre ihr  Ziel  verfehlt,  und  so  ein  schmales  Septum  hinter- 
lassen hat,  welches  den  Urquell  aller  Störungen  bildete. 

Lange  Zeit  habe  ich  (wie  es  auch  in  den  meisten  älteren 
ähnlichen  Fällen  geradezu  angegeben  ist  —  ich  habe  deren 
15  gesammelt)  deshalb,  weil  die  untere  und  vordere  Fläche 
der  Blase  glatt  und  eben  sind,  und  die  kleine  Kothdelle  leicht 
zu  übersehen  war,  wirklich  geglaubt,  der  Blase  fehle  die 
Harnröhrenmündung  ganz.  Um  darüber  sicher  zu  sein,  muss 
man,  wie  hier  geschehen,  vorsichtig  den  Schambogen  ent- 
fernen und  vor  ihm  Querschnitte  machen.  Erst  dadurch 
fanden  sich  die  feinen  Harnröhrenlumina.  Da  dies  sonst  nicht 
geschehen,  kann  man  sich  auf  die  Ausdehnung  der  Atresie 
in  den  andern  Fällen  wohl  nicht  stets  verlassen. 


Aus    der    Betrachtung    eines    solchen   Falles    scheint   es 
mir    nun    hervorzugehen,    dass   sich   die   Harnröhre   aus  drei 


ähnlich  (gewesen,  und  es  nur  deshalb  nicht  constatirt,  weil  man 
die  Abtragung  des  ScbainbogeDs  unterlassen  hat. 


fiir  Geburtsliülfe  in  Berlin.  435 

gesonderten  Stücken  entwickelt,  1)  dem  Binsenhais,  2)  einer 
äussern  Einstülpung  der  Haut,  dem  Eichelslück,  und  3)  einer 
inneren  Ausstülpung  aus  dem  hinteren  Ende  des  Darmkanals, 
einem  Scheidenstück,  welches,  gerade  so  wie  die  Allantois 
den  Ansführungsgängen  der  Primordialnieren  entgegenwachst, 
so  jenem  Eichelstück  entgegen  kommt.  Während  es  hei  sei- 
nem Auswachsen  und  Zunehmen  zur  Ahschliessung  vom  Darm- 
ende beitrugt,  nimmt  es  seitlich  hei  der  männlichen  Bildung 
mehr  an  seinem  inneren  Ende,  bei  der  weiblichen  am  vor- 
dersten das  Blasenstück  auf..  Uebrigens  entsteht  es  vielleicht  von 
allen  zuletzt,  da  Jacobson*)  beim  Embryo  von  P'^  Zoll 
zur  Zeit  der  höchsten  Entwickelung  der  Primordialnieren  bei 
cylindrischer  Blase  und  IJrachus  zwar  schon  einen  Kanal  in 
der  Cliloris,  aber  noch  keine  Spur  von  Scheide,  Gebärmutter 
und  Eiergängen  fand. 

Aus  der  Hauteinstülpung  bildet  sich  danach  der  Eichel- 
theil der  männlichen  Harnröhre  oder  der  Vorhof;  aus  der 
letzten  Damiausstülpung  die  übrige  Harnröhre  bis  zum  Uterus 
masculinus  oder  die  Scheide. 

Unser  Fall  würde  dadurch  entstanden  sein,  dass  sich 
^  Eichel-  und  Scheidenstück  verfehlt  haben.  Ganz  etwas  ähn- 
liches fmdet  bei  der  Hypospadie  mittleren  Grades  statt,  wenn 
sich  in  der  Eichel  ein  blinder  Kanal  und  eine  feine  Harn- 
röbrenölTnung  an  der  untern  hintern  Seite  der  Ruthe  findet, 
Fälle,  die  bekannilich  schon  öfters  für  congenilale  Atresien 
des  Penis  gehallen  worden  sind.  Der  Unterschied  ist  nur 
der,  dass  hier  das  Scheidenstück  auf  seinem  Iirweg  die 
äussere  Haut  erreicht  oder  vielmehr  muihmasslich  an  ihrer 
dünnsten  Stelle  durch  die  Harnstauung  gesprengt  hat,  wovon 
es  itt  unserem  Falle  auch  nicht  gar  fern  mehr  wai*. 

Entsteht  die  Hauteinstülpung  gar  nicht,  so  bleibt  die 
Eichel  imperforirt;  wir  haben  dann  einen  Defectus  urethrae 
externus,  wie  in  dem  Fall  von  Brodie.  Fehlt  die  innere 
Ausstülpung,  so  ergiebl  sich  ein  Defectus  urethrae  internus 
wie  in  den  Fällen  von  Delpeche,    Cadsy    Duparque,   Mo- 


•)  Jaeobaon:  Die  Okeniichen-Körper  nnd  die  Primordialnieren, 
Kopenhagen,  18H0.     4. 

28* 


436 


XXXII.    Verhandlungen  der  Gesellschaft 


reau.  Endlich  können,  wie  bei  Portal,  beide  Stucke  Tchien 
(Defectus  urethrae  totalis). 

Ein  Septuni  der  Harnröhre  kann  sich  erhallen,  sowohl 
iladurch,  dass  sich  beide  Stucke  verfehlen,  als  auch  dadurch, 
dass  sie  sich  ungenügend  entwickeln.  In  jenem  Falle  wird 
CS  schief  stehen,  wie  bei  meinem  vorgelegten  Fötus,  in  die- 
sem quer,  wie  in.  den  Fällen  von  Merriman^  Delhorier, 
Depauly  Freund,  Hecker,  Jany. 

Beim  Weibe  wurde  durch  Mangel  der  Hauleinslölpung 
der  Defeclus  vulvae,  durch  Mangel  der  Darmausstölpung  der 
Defectus  vaginae  entstehen,  bei  dem  man  mit  dem  Finger 
im 'Mastdarme  unmittelbar  den  Katheter  in  der  Blase  und 
hoch  oben  den  Uterus  als  ein  festes  Querband  durchfühlt. 

So,  dächte  ich,  liesse  sich  allenfalls  das  Vorkommen 
congenitaler  Harnröhrenatresien  mit  der  Entwickelungs- 
^'eschichte  in  Einklang  bringen! 

Das  Blasenslück  nmss*)  natürlich  stets  einmal  vorhan- 
den gewesen  sein,  sofern  es  überhaupt  zur  Allantoisbildung 
gekommen  ist;  von  solchen  ganz  unlebensfähigen  Missgeburten, 
wie  die  Sirenen,  denen  oft  der  ganze  Harnapparat  fehlt,  sehen 
wir  hier  ab.  Ob  es  aber  später  nicht  noch  beim  Fötus  durch 
pathologische  Verhältnisse  zu  einem  Verschluss  des  Blasen- 
stückes kommen  kann,  möchte  ich  schon  in  Erinnerung  an 
den  Fall  von  Cabrol  nicht  für  ganz  unmöglich  halten,  der 
noch  bei  einem  erwachsenen  Mädchen  mit  weitem  Urachus 
die  angeborene  Atresie  der  Harnröhre  vor  jetzt  über  300  Jahren 
operirte.  Ein  zweiter  Fall  von  angeborenem  Harnröhrenver- 
schlusse  bei  einem  Mädchen,  der  wegen  Harnstauung  tödtlich 
war,  ist  von  Moreau  beobachtet;  ein  dritter  von  Oberteuf  er. 

Jedenfalls  lehrt  unser  Fall  aber  wieder,  zu  welch  bedeu- 
tenden und  verhängnissvollen  Störungen  selbst  ein  so  scbma- 


*)  Selbst  das  ist  nicht  nothwendig,  wenn  die  Embryologen 
Kbcht  haben,  welche  nach  ihren  Beobachtungen  annehmen,  dass  , 
nich  bei  Menschen  die  Anschwellung,  aus  der  sich  der  ürachns 
entwickelt,  Kuerst  in  der  Mitte  aushöhlt,  nicht  sich  vom  Darm- 
kHnal  ans  erweitert,  wofür  die  drei  von  mir  gesammelten  Fälle 
von  Atresia  urethrae  bei  Frauen  deshalb  mehr  sprechen,  weil 
Hie  gut  beobachtet  sind  und  keine  Narbe  eines  pathologischen 
Prosesses  seigten. 


(i\T  Geburtahülfe  in  Berlin. 


437 


]ps  Septum   ffihrl,    wenn   anders  sich  die  Naliir  nicht  einen 
andern  Ausweg  bahnt. 

Depauly  ^)  der  einige  Fälle  der  Art  zusamniengestelll  hat, 
glaubte  damit  als  Neu^aus  der  Hypertrophie  der  Blase,  die 
ihn  an  die  Vessie  ä  colonnes  bei  Prostataklappen  erin- 
nert, die  Harnse-  und  excretion  beim  Fötus  folgern  zu  können. 
«Tavais  etabli,  sagt  er  —  que  Turine  est  excretee  par  les 
contractions  de  la  vessie,  que  la  cavite  de  Tamnios  en  est 
le  reservoir  ultime  etc. 

Wenn  damit  ein  wirkliches  Pissen  wie  beim  Erwach- 
senen gemeint  ist,  so  möchte  sich  dagegen  doch  vieles  ein- 
wenden lassen,  weil  dazu,  abgesehen  von  der  Bauchpresse, 
ein  Sphinkter  gehört,  dessen  Widerstand  zur  Füllung  erfor- 
derlich und  bei  der  Entleerung  zu  überwinden  ist.  So  lange 
also  der  Urachus  offen,  könnte  von  DepauVa  fötalen  Con- 
tractioncn  zur  Entleerung  der  Blase  und  „ihren  oft  erneuten 
Anstrengungen  zur  Entleerung''^)  nicht  die  Rede  sein,  da  nach 
Remak^)  nur  der  Huhnerembryo,  aber  nicht  andere  Thiere, 
auch  nicht  der  iMensch  einen  muskulösen  Nabelsphinkter  be- 
sitzt. Nun  hat  aber  bekanntlich  schon  1823  Jacobson^) 
gezeigt,  dass  die  Nieren  die  ersten  thätigen  Organe  sind, 
und  deshalb  die  Wolf*^c\\e\\  Körper  Primordialnieren  genannt, 
nachdem  er  durch  Erhitzen  mit  Salpetersäure  und  Ammoniak  auf 
dem  Platinblech,  die ' Murexidprobe^  ein  leichtes  Mittel  ange- 
geben, sich  von  der  Anwesenheit  der  Harnsäure  in  der  Al- 
lantoisflüssigkeit  der  Vögel  zu  überzeugen. 


1)  BuHetin  de  TAcad.  II.  21.  Aoüt.  1852.  Gas.  hdbdoouad. 
VJI.  1860.  p.  824. 

2)  Gaz.  h^bdomad.  1860.  873. 

3)  lieber  die  Zusammenziehnng  des  Amnion  von  R.  Remak. 
MüUers  Archiv.  1864    p.  369. 

4)  Loc.  cit.  p.  6;  Deutsches  Archiv  für  Physiologie  v.  Meckel. 
Halle  1823.  Bd.  VIII.  p.  332;  Berzelius  ^  die  Anwendung  des 
Löthrohrs.  Nürnberg,  bei  Schräg.  1828.  p.  270.  Bei  einem  todt- 
gebornen  Fötus  von  acht  Monaten  mit  Verschluss  beider  Harn- 
leiter und  doppelter  Hydronephrose  fand  Prout  in  den  l:-)  Unzen 
Flüssigkeit  in  dem  Nierenbecken  Harnstoff  und  Harnsäure;  nach 
Robert  Lee:  Observations  on  thc  Functions  of  the  foetal  kidney  iti 
The  Laneel  for  1834—35.     Vol.  1.  p.  870.     London. 


438 


XXXII.    VerhaDdlungen  der  Gesellschaft 


Fliesst  nun  also  in  den  ersten  zwei  Monaten  vof  dem 
Nabelverscbluss  der  Harn  ohne  aclive  Biasenlhäligkeit  in  die 
vAlianlois  ab,  so  wird  es  auch  in  der  nächsten  Zeit  kaum  an- 
ders sein,  da  sich  die  Muskeln  fiborhaupterstspäter  bilden  sollen. 

Kranke,  die  nacli  dem  Steinschnitl  Harndrang  behalten 
und  sich  aus  Vorsicht  in  GeseJlschallten  z.  B.  eines  Llrinolrs 
bedienen,  bekommen  erfabrungsgemäss  durch  das  stete  Baden 
des  Penis  im  Harn  leicht  eine  vollständige  Incontinenz;  ein 
Umstand,  der  dem  Fötus  in  seinem  permanenten  Wasserbade 
also  nicht  gerade  zu  seinen  ersten  Blasencontractionen  be- 
bfüflich  sein  wird. 

Ferner  kann  eine  Muskelhypertropbie  wohl  Folge  ver- 
mehrter Arbeit  sein,  wenn,  wie  bei  Pros! ataleiden,  schliess- 
lich der  Harn  noch  einen  Ausweg  fmdet,  und  es  noch  zu 
einer  wirklichen  Contraction  kommen  kann.  Hier  möchte 
sie  aber  bei  Verschluss  des  Urachus  und  ünwegsamkeit  der 
Harnröhre  ganz  undenkbar  sein,  da  sich  der  Harn  doch  nicht 
comprimiren  lasst. 

Betrachtet  man  endlich  die  Blase  in  unserem  Falle  näher, 
so  ninunt  man  wahr,  dass  sie  selbst  und  die  llracbustasche 
ganz  und  gar  glatt  und  dickwandig  sind,  an  den  Stellen  da- 
gegen, wo  in  den  Seitentaschen  Divertikf-l  sind,  treten  die 
Muskeln  nur  durch  die  grosse  Verdünnung  der  Taschen  bal- 
kenartig vor,  so  dass  man  die  Dicke  der  Blasenwand>  wie 
die  Entartung  ihrer  Schleimhaut  dem  Beize  durch  die  mecha- 
nische Ausdehnung  zuschreiben  möchte,  die  Muskelsaulen  aber 
einer  Auseinanderdrängung  der  Fasern  (in  den  Harnleitern), 
vorausgesetzt,  dass  nicht  etwa  gar  die  Muskelbildnng  erst 
nach  vollendeter  Ausdehnung  eintritt.  *) 

Wie  dem  imn  auch  sei,  soviel  geht  aus  solchen  Fällen 
stets  aufs  Neue  hervor,  dass  auch  nach  dem  Nabelverschluss 
der  Fötus  stets  Harn  secernirt  und  fljessen  lässt,*)  wie  schon 
Portal  annahm. 

1)  Die  BetfchaifeDheit  der  Blase  war  in  dem  Falle  von  Depaul 
g^nz  ähnlich.  Auch  er  beschreibt  hernies  de  la  menibrano  mu- 
queuse.     Vergl.  Gas.  hebdoniadaire  1860.  p.  343. 

2)  Portal  sagt  16H6  bei  seinem  Fall:  „Nous  crüiiies,  que  cet 
enfant  qui  n'avait  pu  vider  ses  eaux  par  Tur^thre,  dana  1h  ma^ 
trice   de     su    m^re,    en  ^tait  devenue  bydropique.     Ce  qni  noas 


L 


für  Gebartaliülfe  in  Berlin. 


439 


Findet  der  AusOuss  des  Urins  ein  Hinderniss,  so  stant 
er  sich  so  lange,  bis  seine  Ansammlung  endlich  vorzei- 
tige Uteruscontractionen  herbeiföhrl.  Indem  das  Herz  dabei 
auf  dem  prallen  Tumor  wie  auf  einem  Ambos  aufliegt, 
wird  die  erste  Contraction  wohl  durch  seine  Compression 
stets  ein  Aussetzen  des  Blutumlaufs  zur  Folge  haben.  Unter 
15  sichern  Fällen  der  Art  ist  nur  einmal  der  frühgeborene 
Fötus  lebend  zur  Welt  gekommen,  Dank  einer  Complication, 
nämlich  einem  colosalen  Hydramnios,  ein  Umstand,  der  aber 
wieder  sofort  in  Folge  der  secundären  Atrophie  in  30  Stun- 
den den  Tod  veranlasste;  so  dass  dietor  Ausnahmefall  eigent- 
heb  die  Regel  nur  bestätigt.  So  wurde  also  die  geringste 
Atresie  der  Harnröhre  durch  Harnstauung  stets  den  intrau- 
terinen Tod  des  Fötus  zur  Folge  haben,  wenn  die  Natur 
nicht  noch  manchmal  sich  einen  Ausweg  zur  Vermeidung  der 
Stauung  zu  bilden  im  Stande  wäre. 

Bekommt  ein  Erwachsener  ein  Ilinderniss  in  der  Cxcretion, 
sei  es  durch  Steinverstopfung  Prostataanscbwellung,  Strictureu, 
Wucherungen  im  Blasenhals^  so  entsteht  um  so  leichter,  je  mor- 
scher die  Gewebe  schon  durch  Entzündung  sind,  Urininfiltration, 
im  günstigen  Fall  mit  Bildung  von  Fisteln  am  Damm,  Ober- 
schenkel, Bauch,  Leisten,  ja  bis  zu  den  Lenden  hinauf  habe 
ich  sie  gesehen.  Je  weniger  es  der  Fall,  desto  mehr  staut 
sich  erst  der  Harn  auf,  bildet  Blasentaschen  durch  Auseinander- 
drängen der  Blasenfasern,  bis  er  endlich  durch  Druck  sich 
einen  Ausweg  bahnt,  am  leichtesten  da,  wo  die  Bauchdecken 
am  dünnsten,  also  am  Nabel.  Dass  hierbei  nicht  der  Ura- 
chus  wieder  aufbricht,  lehrt  z.  B.  der  Fall  von  Faivre ',  wo 
sich  zunächst  im  Nabel  eine  Fistel  bildete,  nach  vier  Jahren 
oberhalb    der    Schamfuge    eine    zweite    aufzubrechen    drohte. 


donna  Jien  de  conjecturer,  qae  les  eanx  de  Teufant  faisaiest 
partie  de  ceUes,  que  la  femme  vide  an  tempa  de  raoconohement*^ 
und  fährt  fort:  ,^e  snis  d*antant  plns  confirmc  dana  cettc  con- 
jectnre,  qne  j'ai  vn  en  aoconchant  nne  femme,  dont  l*enfant  ve- 
nait  lea  pieds  devant,  loraque  le  yentre  fut  an  paaaage,  cet  en- 
fant  nrina  par  la  yerge  avec  impötnoaiU  encore,  que  vraiaem- 
blableiiient  il  ne  reapirdt  paa.** 

1)  Jonrnal  de  Mödecine,  de  Chirurgie  et  de  Pbarmacie.  Paria 
1786.  T.  ea  p.  206.  IX.  Obaervation. 


440  XXXII.    VerhaiMllaiiereii  der  Oetellschaft 

lät  doch  ausserdem  schon  bei  der  Geburl  der  Urachus  ein 
weist  zur  Hälfte  fadeudünner  Strang ,  ^)  der  dem  andrängen- 
den Harn  sicher  mehr  Widerstand  leistet,  als  sein  benach« 
hartes  lockeres  Bindegewebe,  sich  schwerlich  wieder  zu  einem 
fingerdicken  Kanal  ausdehnen  kann,  und  schon  im  zweiten 
Jahre  gar  nicht  mehr  mit  dem  Nabel  im  Zusammenhang  steht. 
Man  darf  deshalb  solche  acquirirte  Nabel  fisteln  wohl 
nicht  Urachusfisteln  nennen,  noch  weniger  als  man  beim  Ca* 
put  Medusae  nach  Lebercirrhose  ein  Recht  lial,  ein  Wieder- 
aufbrechen der  Nabelvene  anzunehmen.*'^)  Die  Nabelvene  ist 
doch  wenigstens  noch>  zum  Theil  beim  Erwachsenen  stets 
oifen,  während  mir  beim  Urachus  selbst  solche  Ausnah- 
men   bei     der    Geburt    noch     nicht    vorgekommen^)    sind. 

1)  Wovon  ich  noch  keiue  Ansnahino  gerunden,  obgleich  ich 
schon  lange  darauf  fahnde. 

2)  Sappey,  Bali,  de  TAcad.  24.  p.  943.  1859. 

3)  Rohifiy  M^m.  de  Tacad.  de  m^d.  de  Paris  24.  2.  p.  380. 
1860,  giebt  dasselbe  an.  Ich  habe  noch  nicht  Gelegenheit  ge- 
habt, wie  Luschka y  einen  gewundenen  Lanf  oder  Kystenbildung 
im    Uamstrang    zu    sehen.     (Vergl.    V'irchoio^ti    Archiv   23.  1861.) 

Auch  Hwrtl,  Handbuch  der  topographischen  Anatomie,  Bd.  I. 
p.  701,  Anmerkung,  1860,  spricht  über  die  IJndeutlichkeit  der 
Chorda  umbilicalis  nn  ihrem  oberen  Ende.  Ausser  Luschka  hielten 
sich  schon  Haller^  Noreen^  Walter  sen.  von  der  ÜnrchgSngig- 
keit  des  Harnstranges  bis  zum  Nabel  übersengt,  während  sich 
Arantituff  Wuldschmidt ,  Hebensteity  Hildebrandt  ^  Ruysch^  Rohi'n 
nie  davon  haben  überzeugen  können,  so  dass  »i«;  doch  wohl  sicher 
nicht  regelmässig  da  ist.  Der  Nal)el  ist  die  dünnste,  nachgie- 
bigste Stelle  am  Bauche,  und  deshalb  eine  Pforte  für  Alles,  was 
hinaus  will,  und  zwar  nicht  bloss  für  die  Brüche. 

Sind  doch  selbst  Nabelgeburteu  ganzer  Kinder  constatirt, 
»owohl  bei  Menschen  (Triceen)  als  besonders  bei  Schafen.  Afeckel 
untersuchte  eine  Schaafheerde  zu  Dieskau  bei  Halle,  die  epide- 
misch  ganze  todte  Lämmer  am  Nabol  ansstiess ,  und  fand  eine 
feste  Verwachsung  der  Mntterhälse,  die  man  der  Einwirkung 
eines  und  desselben  Bockes  zuschrieb;  vergl.  Fh,  Fr.  Meckel 
„über  eine  seltene  Geburtsart**.  Journal  für  anat.  Variet.  1805. 
Hallo.  I.  3.  Durchbrüche  von  Flüssigkeiten  ans  der  Bauchhöhle 
Kind  alltäglich.  Schon  Biolan  sagt;  Scitnm  ex  Hippocrate  ab- 
scessum  ventris  eaae  terminum  umbilicniu.  Aquam  hydropico- 
rum  interdum  per  nmbilicum  erumpere  —  (Euchiridiuni  anat.  et 
patbol.     £d.  IV.  p.  103.  1668.  Parisiis). 

Die  Fälle  von  Naturheilung  des  Ascites  durch  Nabelruptur, 


tÜT  Gebnrtshüifo  in  Berlin. 


441 


Der  Nabel  ist  ja  endlich  .auch  for  andere  Flüssigkeiten  iti 
der  Bauchhöhle  zum  Durchbruch  ein  Liebiingsorl,  wie  ich 
es  z.  B.  bei  eitriger  Peritonitis,  seröser  Eierstockswassersuchl 
gesehen  habe,  wo  sich  denn  doch  gar  kein  vorgebildeter 
Kanal  öiTnen  kann.  Nur  die  Seltenheit  der  Nabelharnfisteln 
ist  aufTallend,  jedoch  erklärlich  durch  die  Entfernung  der 
Blase  vom  Nabel  unter  gewöhnlichen  Verhähnissen.  Etwas 
anderes  gilt  beim  Fötus.  Hier  wo  die  Harnröhre  fast  znr 
selben  Zeit  wegsam  wird,  in  der  sich  der  Harnstrang  schliesst 
(Ende  des  zweiten  Monats),  ist  es  denkbar,  dass  sich  die 
Natur,  \scenu  jener  Ausweg  verschlossen  bleibt,  diesen  offen 
balU  Dies  sind  dann  die  wahren  Urachusßsteln ,  die  also 
wohl,  stets  congenital  «sind  und  sich  dadurch  von  den  Nabel- 
blasenfisteln  unterscheiden. 

Schon  aus  dem  16.  Jahrhundert  ist  uns  eine  solche 
Beobachtung  erhalten  von  Cabrol,  einen  zweiten  Fall  habe 
ich    erlebt;   leidet*')   ist  er  dadurch   unvollständig,    dass  ich 


wie  sie  s.  B.  LaurentiuB^  Beniveni^  Fabrieius  SAhen,  sind  die  na- 
türliche Begründnng  der  Operütionsmothode  des  Asciteii  durch 
den  Nabel  (verf^I.  Ghiilel,  Fahrieii  Hildani  ObservHtionum  Cent. 
1,  47;  II,  58,  86;  III,  37;  iV,  42),  wobei  Fahriz  uachweisen  isu 
können  glaubte,  dass  sich  direct  die  itchlechten  Säfte  aus  der 
Leber  durch  die  wieder  durchgängige  Nabelvene  ergössen. 

Selbst  Durchbruch  eines  perforirenden  Magengeschwürs  in 
den  Nabel  scheint  vorzukommen,  wie  wohl  die  Krankengeschichte 
von  Chomel  und  Antruc  allein  verständlich  wird.  (Vergl.  Hist. 
de  Tacad.  roy.  1737.  Observ.  anatomiq.  No.  7.  p.  49.  Paris  1766.) 
Die  Entloernng  von  Leberabscessen  im  Nabel  sah  Morgagni^  eines 
fimpyems  Tulpiui.  Larrey  hat  nach  Harnverhaltung  einen  Harn- 
abscess  im  Nabel  öffnen  müssen,  Portal  endlich  sah  an  der  Leiche 
diese  Harnfistcl  an  der  Seite  des  bindegewebigen  Urachus  ver- 
laufen. (Mem.  de.  Paris  1769.  p.  287.)  Alles  Gründe,  welche 
für  die  Analogie  der  erworbenen  angeblichen  Urachusfisteln  mit 
den  gans  alltäglichen  Harufisteln  sprechen! 

1)  Zumal  in  Hinblick  auf  das  in  der  Entwickelungsgeschichte 
des  Menschen  streitige  Enden  des  LTrachns  und  das  in  diesem 
Falle  nothwendige  Einmünden  des  Urachus  in  einen  Hohlraum 
im  Ei  ausserhalb  des  Fötus.  Vielleicht  berstet  der  Urachus  dicht 
ausserhalb  der  Bauchwandnngen,  wie  in  Heeker^B  Fall  von  Atrc- 
sia  nrethrae  mit  lethaler  Harnstanung  sich  muthmasslich  im  Mnt- 
terleibe  schon  der  Inhalt  der  Bauchhöhle  durch  einen  Riss  er- 
gossen hat;    oder  wie   meist  bei  Defectus  urethrae  ezternus  das 


442  XXXIl.    Verhandlungen  der  GeaeUschait 

nicht  bei  der  Geburt  zugegen  gewesen  bin,  so  dass  ich 
über  die  Eitheile  nictil  Auskunft  geben  kann. 

Das  Kind  wurde  am  Freitag  den  6.  Mai  1864  Abends 
neun  Uhr  geboren  und  Montag  froh  nach  Bethanien  gebracht, 
weil  es  noch  immer  nicht  seine  Windeln  nassgemacht  hatte 
und  seinem  Arzte  der  Katheterismus  nicht  gelungen  war. 

Der  kleine  Penis  war  weder  an  der  Wurzel  aufgetrieben, 
noch  erigirt  Die  Vorhaut  bedeckte  die  Eichel  nur  zur  Hälfte, 
au  der  offenen  Harnröhrenmündung  zeigte  sich  angetrock- 
netes BluL  Um  dieselbe  war  die  innere  Platte  der  Vorhaut 
fest  mit  der  Eichel  verwachsen.  Die  Harnröhre  Uess  sich, 
wie  sonst,  an  der  unteren  Seite  der  Harnröhre  durchfühlen 
und  verfolgen.  Uebrigens  war  das  kräftige  Kind  normal  ge- 
baut, weder  sichtlich  verfallen  noch  sonderlich  unruhig.  Der 
Unterleib  war  nicht  gedämpft,  eine  Ausdehnung  der  Blase 
war  nicht  zu  fühlen. 

Beim  Eingehen  mit  einem  dicken  elastischen  Katheter 
zeigte  sich  etwa  dicht  vor  dem  Schambogen  ein  Hiuderniss, 
das  sich  weder  mit  einem  feinen  geknöpften  Bougie,  noch 
;iiif  andere  Weise,  auch  nicht  in  der  Narcose  durchdringen 
Hess.  Bis  zum  Hindernisse  halte  die  Harnröhre  ihre  normale 
Lichtung. 

Nachdem  dies  Verhalten  zur  Genüge  constatirt,  durch- 
stiess  ich  mit  einiger  Gewalt  mittelst  eines  dicken,  spitzen, 
stählernen  Myrthenblaltes ,  in  Ermangelung  eines  besseren  fn- 
slrumeules  das  Hindeniiss,  dem  Verlauf  der  Harnröhre  fol- 
gend, deren  Biegungen  ich  durch  Anziehen  des  Penis  aufhob. 
Dann  führte  ich  einen  Katheter  ein,  um  die  Oeffnung  aus- 
reichend zu  erweitern.  Harn  floss  nicht  aus,  das  ergiebige  und 
jenseits  des  Flindernisses  leichte  Vordringen  des  Katheters  bürgte 
für  seine  richtige  Lage.  Um  die  Blase  nicht  unnütz  zu  reizen, 
zog  ich  ihn  später  halb  heraus,  und  während  ich  dann  sein 
Ende  befestigte,  um  ihn  zur  Vermeidung  von  HarinGltratioii 
liegen  zu  lassen,    tröpfelte   etwas  klarer  Harn  heraus.     Nach 

innere  Stück  berstet  bei  der  Bildung  dor  gewöhnlichen  Hypo- 
spadie.  Sonst  würde  die  Nabelschnnrunterbindung  in  einem  sol- 
chen Falle  künstlich  eine  Hariistauung  setzen,  was  möglicherweise 
wirklich  in  einigen  der  bestrittenen  Fälle  von  Harnröhrenatresie 
l^eschehen  sein  ma,^  {Herold,  ßbert,  Zbörer^  SabtUier,  Streubel). 


für  GeburtabiUfe  in  Berlin. 


443 


Abireoniing  der  Synechie  raitiels  eines  Skalpelistiels  wunk^ 
die  Blutung  aus  dieser  Wunde  und  der  Harnröhre  durch 
kalte  Umschläge  geslillt. 

Der  Harn  sollte  aller  zwei  Stunden  abgelassen  werden, 
allein  es  kam  nie  etwas,  so  wi^iig  als  bei  der  Operation. 
Es  lief  auch  uichts  neben  dem  Katheter  ab,  denn  die  Windeln 
blieben  ganz  trocken.  Dagegen  wurde  das  Kind  sehr  un- 
ruhig, ling  mehrmals  an  zu  brechen,  der  Leih  schien  jetloch 
nicht  gerade  sehr  schmerzhaft  zu  sein.  Das  Bedenkliche 
schwand  jedoch  bald,  aJs  sich  herausstellte,  dass  die  Nabel- 
binde, die  schon  mehrmals  unbemerkt  nass  geworden  war 
und  hatte  erneut  werden  müssen,  sich  sofort  danach  immet^ 
wieder  von  Innen  durchtränkte.  Demgemäss  verursachte  es 
auch  weiter  keinen  Schaden,  dass  bei  der  Llnru)ie  Nachts 
der  Katheter  heimlich  herausgegiitten  war.  Als  ich  ihn  am 
andern  Morgen  erneuern  wollte,  hatte  ich  die  Freude,  ihn 
beuu  ersten  Eindringen  durch  einen  kräftigen  Harnstrahl  fort- 
schwemmen zu  seheu.  Mit  dem  Katheter  konnte  man  deut-^ 
lieb  die  wulstförmigen  Reste  des  Septum  fühlen,  wie  noch 
lange  Zeit  nachher. 

Nach  genauer  Messung  ergab  sich  seine  Lage  gerade  ein 
Centimeter  oberhalb  der  EichelöfTnung.  Nach  dem  Wider- 
stände bei  der  Durchbohrung  und  dem  nicht  unbedenklichen 
Blutvei'lust  zil  urtbeilen,  möchte  ich  eine  carnöse  Atresie  von 
etwa  einer  Linie  Dicke  annehmen. 

Als  die  Schnur  später  abfiel, ')  sah  man  im  Nabel  einen 
kleinen  schwarzen  Punkt,  muthmasslich  die  ehemalige  ürachus- 
öffnung.  Eine  genauere  Constatiruiig  hütete  ich  mich  vorzu- 
nelimeu,  weil  uaeh  dem  zweiten  Morgen  das  anhaltende  Aus- 
sickern aus  dein  Nabel  aufgehört  hatte,  und  trug,  um  den 
so  günstigen  Heilungsprocess  ja  nicht  zu  stören,  Sorge,  dass 
der  Nabel  so  wenig  als  möglich  berührt  wurde. 

Das  Kind  wurde  bald  entlassen,  weil  ich  eine  Bougies- 
knr  für  unnütz  hielt.  Der  kräftige  Harnstrahl  hätte  nach 
dem  ersten  Tage  wohl  schon  allein  ein  Verwachsen  der  Wülste 
verhindert.  Eine  Narbenverengerung  ist  wohl  in  solchen  an- 
gebornen  Fällen  nicht  zu  befürchten,  da  die  Harnröhre  dies- 


1)  Durch  ein  Veraehen  i«t  sie  mir  entgangen. 


444 


XXXII.    Verhandlungen  der  GeseUschaft 


seiis  und  jenseits  ihre  normale  Lichtung  hat,  und  zum  Un- 
terschied ?on  den  traumatischen,  chemischen,  gonorrhoischen 
Strilituren  Erwachsener  hier  kein  Defect,  eher  zu  viel  vor- 
handen ist 

Jedenfalls  befand  sich  das  Kind,  als  es  mir  die  Eltern 
wegen  eines  Impetigo  im  Herbste  wieder  vorführten,  sonst 
selir  wohl. 


Die  Entschiedenheit,  mit  der  man  in  der  Neuzeit  die 
Möglichkeit  jeder  Harnröhrenatresie  in  Abrede  gestellt,  möge 
die  Weitläufigkeil  dieses  Berichtes  entschuldigen! 

Beacbtensvveirth  scheint  mir  an  diesem  Falle  der  Kraft- 
aufwand zur  Durchdringung  des  Septum,  so  wie  die  reich- 
liehe Blutung  nach  Ueberwindung  des  Hindernisses,  entspre- 
chend dem  Bau  der  Theile. 

Bemerkenswerth  ist  die  schnelle  Verklebung  der  Urachus- 
fistel,  sowie  der  Harn  anderweitig  einen  Abfluss  bat.  Sie  ent- 
spricht ganz  den  Erfahrungen,  die  man  auch  anderweitig 
fiber  Urachusfisteln,  wahre  wie  falsche  gemacht.  Sie  be- 
stätigt durch  die  leichte  und  spontane  Heilung  im  Verlaufe 
i\er  Nabelnarbenbildung,  wie  wenig  der  Harn  der  Heilung 
einer  Wunde  schadet,  und  spricht  dafür,  dass,  wie  ich  ander- 
weilig  ^)  ausgeführt,  das  Haupthinderniss  für  die  Heilung  der 
Blasenscheidenfistel  nicht  in  der  Harnbenetzung ,  auch  nicht 
in  der  Spannung,  sondern  in  der  Nahlzerrung  zu  suchen  sei. 

Indem  somit  in  diesen  Fällen  der  Urachus  wie  ein  Ventil 
offen  bleibt,  verstellt  es  sich  von  selbst,  dass  man  mit  der 
Operation  nicht,  wie  verlangt,  auf  eine  Harnansariimiung  in 
der  Blase  warten  kann ,  da  ja  der  menschliche  Nabel  keinen 
Sphinkter  hat,  der  Harn  also  ständig  abflie>sst. 

Es  ist  das  nicht  die  einzige  Möglichkeit  der  Lebens- 
erhaltung bei  der  Harnröhrenatresie.  In  einem  Falle  von 
Rublach  und  einem  von  Oberteuf  er  war  muthmasslich  die 
Verbindung  der  Blase  mit  dem  Mastdarm  olfen  geblieben 
(eine  Alresia  urethrac  analis!).  In  einem  Falle  von  Blasius 
mündeten  bei  einem  erwachsenen  Manne  mit  Defect  der  ganzen 


1)  „Die  Operation  der  Blasenscht'idenfigtel.     Loc.  cit.  p.  97. 


fQr  Qeburtshülfe  in  Berlin. 


446 


Blase  beide  Haroleiter  vereint  im  Nabel.  Häufig  wird  das 
Scbeidenstuck  bei  voller  Eiitwickeljung  am  Ende  plaUen^ 
und  der  Fötus  kommt  lebend,  aber  als  üypospade,  zur 
Welt. 

Andererseits  giebt  es  Fälle,  wie  den  von  Monro,  bei 
denen  es  trotz  der  Atresie  der  Harnröhre  und  Mangel  eines 
sonstigen  Auswegs  doch  nicht  zur  Harnstauung  in  der  Blase 
kommen  kann,  Fälle,  die  uns  deshalb  interessiren,  weil  sie 
ein  Gegenstück  zu  dem  mitgetheiiten  Bildungsfehler  sind. 
Ich  meine  den  angeborenen  Verschluss  der  Harnleiter ,  ent- 
standen dadurch,  dass  die  Ausfuhrungsgänge  der  Primordial- 
nieren  bei  ihrem  Vordringen  die  ihnen  entgegenkommende 
Allantois  verfehlt  haben. 

Diese  Atresie  der  Harnleiter  ist  naturlich  wegen  der 
consecutiven  doppelseitigen  angeborenen  Hydronephrose  ebenso 
lethal  für  den  Fötus,  wie  die  Blasenharnstauung;  falls  die  Atre* 
sie  nicht  etwa  unvollständig  ist,  wie  bei  Bayerns  Kranken, 
der  im  15.  Jahre  starb,  oder  einseitig,  wie  denn  das  Mäd- 
chen bei  Glass  bis  zum  23.  Jahre  und  das  Kind  bei  BiUard 
bis  zum  zweiten  Monat  lebten. 

Dieselbe  W^irkung  wie  die  Atresie  der  Hanileiter  kaiui 
endHch  auch  der  Defect  beider  Niereu  haben,  wie  in  dem 
Fall  von  Alms,  endlich  auch  die^sonst  zuweilen  allein  vor- 
vorkommende  cystöse  Entartung  derselben,  wenn  sie  ausge- 
dehnt. Nur  ihr  verdankt  die  Frucht  bei  Merriman  und 
zum  Theil  woiil  auch  die  von  Moreau,  die  glückliche  Ent« 
bindung,  indem  dabei  die  Harnstauung  keinen  so  ausser- 
ordentlichen Umfang  erreichen  konnte,  als  in  den  anderen 
Fällen,  andererseits  aber  auch  ihren  sofortigen  Tod  wenige 
Stunden  nach  der  Entbindung. 

Jedenfalls  schliessen  also  auch  diese  Leiden  die  Lebens- 
nihigkeit  aus,  um  so  m^hr,  da  sich  bei  ihnen  ziemlich  regel- 
mässig bedeutende  Ergüsse  in  andere  Organe  (Hydrocepha- 
lus,  Ascites)  finden,  welche  für  das  Ausbleiben  der  Nieren- 
thätigkeit  compeusa  torisch  zu  wirken  scheinen,  und  ganz  ana- 
loge Geburtshindernisse  verursachen.     (Fall  von  Alms.) 

Es  ergiebt  sich  so  aus  diesem  Ueberblicke,  dass  die 
Harnverhaltung  beim  Fötus,  welche  durch  einen  angeborenen 
Verschluss  der  Hai'n^ege   verursacht  wird,    stets  zum  Tode 


44€ 


XXXII.    Verhnndlnngen  der  Oesellschaft 


vor  oder  doch  während  der  Entbindung  föhrt,  und  nur  die 
Fälle  von  angeborener  Alrcsie  ins  Leben  treten,  wolclie  eine 
vontilartige  Vorrichtung  sich  mitbringen,  der  Art,  dass  sie 
»tatt  an  Harnverhaltung  wie  bei  allen  Blasenfisteln  an  stetem 
fiarnabfluss  leiden. 

Dies  mag  der  Grund  sein,  weshalb  überhaupt  eine  Harn- 
verhaltung bei  Neugebornen  so  sehr  seilen  vorkommt,  wenig- 
stens eine  dauernde.  Eine  vonlbergehende  kommt  wohl  häu- 
figer vor,  wenn  auch  sie  nicht  sehr  bekannt  zu  sein  scheint. 
Wenn  ich  mir  aus  der  Erinnerung  einen  Ueberschlag 
machen  darf,  so  möchte  ich  annehmen,  dass  mir  in  Betha- 
nien jährlich  etwa  vier  mal  Neugeborne,  welche  durch  ihre 
Unruhe,  die  Empfindlichkeit  des  Unterleibes,  die  fidilbare  Auf- 
ireibung  der  Blase  ihr  Leiden  verriethen,  gebracht  wurden. 
Auf  Befragen  ergab  sich  oft  erst,  dass  sie  am  dritten  Tage 
noch  keinen  Harn  gelassen.  Sonst  kann  man  in  solchen 
Fällen  die  Ursache  in  angeborener  Phimose ,  *)  Vorhauthyper- 
trophie, abnorme  Lage  ihrer  Oeflhung  durch  sofortige  Behe- 
bung des  Leidens  nach  einem  Einschnitte  nachweisen;  in  die- 
sen musste  der  Grund  ein  anderer  sein.  Katheterisirte  man 
sie,  so  hatte  man  nicht  mehr  Schwierigkeit,  als  der  Wider- 
stand des  kleinen  Geschö|)fes  erwarten  Hess.  Blut  kam  nicht 
und  das  Harnen  ging  später  allein;  nur  eines  Falles  entsinne 
ich  mich,  wo  ich  Chloroform  beim  ersten  Katheterisiren  nöthig 
halte  und  der  Katbeter  am  Abend  noch  einmal  erforderlich 
war.  Die  Kinder  waren  dabei  wohl  und  zeigten  auch  im 
Harn  nichts  Auffallendes.  Alles  das  spricht  für  eine  rein 
iunctionelle  Störung,  die  aHerdings,  da  die  Kinder  schon  so 


1)  Unterlägst  man  diese  Operation,  so  wachsen  mit  dem  Al- 
ter die  Folgen  der  Retention.  Schon  Howahip  hat  1822  einen 
Mann  von  32  Jahren  nicht  bloss  von  seinen  Harnbeschwerden, 
sondern  auch  von  dem  Harngries,  der  ihn  secundär  die  letzten 
15  Jahre  plagte,  dadurch  befreit.  Man  findet  die  Krankenge- 
schichte in  seinem  Treatise  on  the  complaints  that  affect  the  se- 
cretion  and  excretion  of  the  urine  (London  1823),  p.  411.  649. 
Oase  91.  Ich  selbst  habe  erlebt,  dass  ein  comAtöser  Arbeiter, 
den  ein  Arzt  (nicht  sein  erster)  als  am  Typhus  krank  ins  Spital 
geschickt  hatte,  dadurch  von  seiner  colossalen  Betention,  bald 
von  seinem  Coma ,  und  wie  sich  ergab,  von  seinen  angeborenen 
Harnbeschwerden  befreit  wurdö. 


fBr  Gebnrtshtllfe  in  Berlin. 


447 


warme  Bader  bekommen,  aufTallend  ist,  sich  jedoch  wohl 
leicht  mit  den  grossen  Umwälzungen  in  den  ersten  Lebens- 
tagen in  Beziehung  bringen  lässt.  Ein  etwaiges  Vorhanden- 
sein häutiger  Membranen  wäre  dem  Gefühle  sichi^r  nicht  ent- 
gangen und  scheint  mir  ebensowenig  mit  der  Entwickelungs- 
geschichte  vereinbar,  als  die  Existenz  einer  carnösen  Harn- 
röhrenatresie  bei  lebendem  Ncugebornen ,  ohne  angeborenes 
Sicherheitsventil.  Als  solches  ergaben  sich  die  ursprüngliche 
Verbindung  mit  dem  Darm  (eine  Atresia  urethrae  analis),  die 
Hypospadie  bei  Alresie  der  Harnröhre  in  der  Eichel,  ein  Fall, 
bei  dem  noch  jungst  jene  übersehen  worden  ist,  vor  allem 
die  angeborene  Urachusfislel. 

Ohne  ein  Ventil  der  Art,  möchte  ich  den  Schluss  nach 
eigener  und  fremder  Erfahrung  wohl  für  berechtigt  halten, 
kann  die  Harnverhaltung  beim  Neugebornen  stets  nur  func- 
tionel  sein. 


Anhang.     Nachweis  der  Belegstücke. 

I.     Fälle    von  Harnröhrenverschluss  ohne  Harn- 
stauung. 
1.  Cabrol  operirte   im  Jahre  1550  in  Beaucaire  ein  Dienst- 
mädchen, welches  eine  Atresia  urethrae  von  Jugend  auf 
hatte  und  wegen   beständigen  Harnausflusses  aus  einer 
vier  Finger  langen    hahnenkanmiartigen  Wucherung  am 
Nabel  einen  furchtbaren  Geruch  verbreitete,  durch  Per- 
foration und  Ligatur  jener  Wucherung  in  zwölf  Tagen. 
Seine  naive  Mitlheilung  im  Alphabet  anatomique.  Obs.  20, 
findet  sich  wörtlich  abgedruckt  in  Boyer:   Traile  des  mala- 
dies   chinirgicales.   Tome    VII.    p.  540.'    Paris  1821.   und  in 
Richenand's  Nosographie.  T.  IV.  339. 
2.  Blasius :  (Observ.  med.  pars  IV.  Obs.  6.  p.  52.)   Man- 
gel der  Harnblase  bei   einem  Manne.     Beide  Harnleiter 
mündeten  vereint  im  Nabel. 
3)  Alms  {Rudolph€s    schwedische  Annalen   der   Medizin 
und   Naturgeschichte,    Berlin  und  Stralsund  bei  Lange, 
1800.  I.  115.),  Fehlen  des  Penis,  der  Hoden  im  Sacke 
und  der  Nieren. .  Blase  cytindrisch  ohne  Ausgang.    Hy- 


448  XXXII.     Verhandlungpca  der  Oeiiellscbaft 

drocephalus  von  22  Zoll  Unrifang,  machte  die  PuDctbn 
in  Utero  nach  vergeblichem  Versuche  der  Zangenanlegung 
und  Exlraction  nach  Wendung  nöthig.  Serum  in  den 
Pleuren. 

4.  Alex.   Monro  (Description   of  a  human   male  monster 

in    Transact.    of   Ihe    royal    Society   of  Edinb.  T.  IH. 

P.  1.  p.  216)  1794. 
Das  Mittelstfick  der  Harnröhre  fehlt  ein  Zoll  von  der 
Mündung  in  die  Eichel  bis  eine  Linie  von  der  Mündung  in  die 
Blase,  dabei  Atresia  ani  vesicalis  und  offener  Urachus.  (Ausser- 
dem fehlten  Kopf,  Arme,  Herz,  Lungen,  18  Rippen,  Magen 
und  Speiseröhre,  Loher,  Milz,  Netz,  Kniescheiben,  der  Unke 
Hode.  Es  waren  nur  sechs  Wirbel  da,  und  die  Harnleiter 
waren  ohne  Zusammenhang  mit  der  Blase.  Placenta  und 
rothes  Blut  in  den  Gelassen  waren  vorhanden. 

5.  Ein  etwa  1^2  Fuss  langer  Fötus  ohne  äussere  und 
mittlere  Geschlechtstheile ,  ohne  After,  mit  Üefect  am 
linken  Unterschenkel ^  Synechien  der  Augenlider,  11 
Finger  und  Spina  bifida  befmdet  sich  im  Berliner  ana- 
tomischen Museum,  hei  dem  das  pralle  Colon  in  eine 
spindelförmige  Blase  eng  einmündet:  Andererseits  endet 
sie  blind  im  Nabelstrang.  Harnleiter  und  Harnröhre 
fehlen.  Nieren  vorhanden.  In  der  Bauchhöhle  des  alten 
Spirituspräparats  viel  Concretionen. 

6.  Mädchen  von  ungefähr  20  Jahr  mit  Blasenspalte  ohne 
Urethra  aus  der  chirurgischen  Klinik  in  Göttingen,  ab- 
gebildet von  August  Förster,  (Die  Missbildungen  des 
Menschen.  4  1861.  Jena,  Mauke.  Taf.  22.  Fig.  4. 

7.  Otto  (Monstr.  sexcent.  descript.  anatomica.  Vratislav. 
1841.  Taf.  11.) 

Blinde  Höhle  ^  an  Stelle  der  Vulva  bei  einem  acht- 
monatlichen Fötus.  Darm  und  Uterus  didelphy^  mun- 
den in  die  Blase. 

Urachus    offen    am    unteren    Ende  >  eines    enormen 
Nabelschnurbruchs,   an   dem   die   Placenta   unmittelbar 
aufsitzt. 
Dieser  Fall,    so   wie  der  von  mir  beobachtete   Fall    von 
UrachusTistel  bei  noch  bestehender  und  unterbundener  Nabel- 
schnur sprechen  dafür,  dass  schon  im  Uterus  bei  Verschluss 


fiir  Gebartshulfe  in  Berlin. 


449 


der  Harnröhre  der  Harn  unmittelbar  aus  der  NabelöfTnung 
der  ßauchdecken  fliesst,  nicht  etwa  der  Urachus  spater  irgendwo 
in  der  ^Nabelschnur  oder  der  Placenta  enden. 

8.  Ruhlach  {Ru8t\  Magazin  für  die  gesamnite  Heilkunde. 
Bd.  XVHI.  p.  290). 

Abgang  von  Urin   durch  den  After  eines  Neugeborenen. 

9.  Oberteuf  er  (Merkwürdige  Beobachtungen  aus  der  prakt. 

Geburtshult'e    und    den    Weiberkrankheiten    in    Starks 
neues    Archiv    für   Geburtshülfe ,    Frauenzimmer-    und 
Kinderkrankheiten.    Jena  1801.  Bd.  H.  p.  643.  Fall  8,) 
sah  bei  einem  Jungen    mit  ganz   rudimentärem   Penis   selbst 
wie  der  Harn  durcli   den  Mastdarm  entleert  wurde.     Ander- 
weitig Hess  er  keinen  Tropfen. 

Am  17.  Tage  starb  der  Junge  in  vier  Stunden  an  Con- 
Tulsionen. 

10.  Derselbe  wurde  von  seinem  Vater  mit  einer  Dame  be- 
kannt gemacht,  die  42  Jahr  lang  lebte  und  aHen  Harn 
von  Geburt  an^  nur  durch  den  Nabel  entleerte,  vor  dem 
sie  mittels  Bandage  einen  Schwamin  trug. 

Zwei  Jahre  vor  ihrem  Tode  sah  er  die  Fistel  tederkiel- 
dick.  Die  Scheide  und  Menstruation  waren  normal;  es  fehlte 
die  Harnröhre,  (ibid.  Fall  9.) 

11.  und  12.  Meckel.  (Handbuch  der  pathologischen  Ana- 
tomie. Leipzig  1802.  Theil  1.  p.  754.) 

1)  Embryo   ohne    Harnblase,    bei    dem   Harnleiter   und 

Tuben  in  die  Nabelschnur  münden. 

2)  Embryo  mit  Scheide ,  ohne  Harnblase,  niit  Mündung 

unter  dem  Nabel. 
13.  Bonnett  j    Wundarzt   in  Lanteglass  Com  Wallis.   (Beob- 
achtung von  Huxham  u.  Oliver  in  Philosoph.  Iransacl. 
Vol.  32.  forthe  years  1722—23.  No.  379.  p.  408— 18.) 
Atresia   urethrae.     Fungöse    ürachusfistel   hühnoreigross, 
drei  Finger  lang,  oberhalb  des  knorpligen  Schambogens,  ent- 
leert in  zahlreichen  haarfeinen  Strahlen  den  Urin,  wenn  man 
bei   der   Reposition   des    Uterusvorfalles    die   Blase    damit    in 
die  Höhe  staut.     Unter  dem  Bogen  eine  drei  Zoll  lange  klaf- 
fende Scheide,  in  deren  Höhe  man  nach  der  Reposition  eine 
Nastdarmscbeidenfistel  sah,  die  erst  bei  der  Entbindung  ent- 


Monauaobr.  f.Qeburtok.  1865.  Bd.  XXV.,  Hft.  6. 


29 


450  XXXII.    Verhandlungren  4er  Gesellflchaft 

standen  war,  drei  Zoll  oberhalb  des  Afters.  In  der  Selieide 
keine  Andeutung  einer  Urethra  oder  Cliloris. 

Der  Vorfall  war  erst  nach  der  Entbindung  entstanden, 
die  äusserst  schwer  war.  Vordem  hatten  zwei  Oeflhnngen 
existirt,  deren  obere  zwei  Finger  unter  der  Harnfistel  gelegen 
war,  zwei  Finger  olierhalb  der  unleren;  beide  einem  kleinen 
Finger  nicht  zuganglich.  Die  untere  war  blind;  durch  die 
obere  entleerten  sich  die  Regeln  und  der  Coilus  hatte  durch 
dieselbe  stattgefunden. 

Eine  Erweiterung  trat  nicht  bei  der  Geburt  ein,  nur 
klalTte  der  Aflei*  weit.  Zuletzt  trat  Collapsus  und  K-rämpfe 
ein.  Da  machte  Bonnett  einen  Schnitt  diu*ch  den  Damm,  der 
di»^  Vagina  mit  dem  ßlindsack  vereinte,  worauf  die  Extraclion 
leicht. 

Es  gehl  nicht  hervor,  ob  die  Mastdarmfistel  durcli  die 
Geburtsarbeit  oder  das  Messer  entstanden  ist. 

14.  Thomas  Bartholinus  1654.  (Hislor.  anatom.  raiior. 
Cent.  I.  Hist.  65.  Amstelodami  1654.) 

Der  berüchtigte  Kothbreclier  (Vir  sine  pene  et  podire) 
gab  den  Harn  durcli  eine  fungöse  Nabelfistel  von  sich. 

15.  Ruysch  1672.  {Van  Roonhauaen:  Geneeskunstige 
Anmerkingen  1672.  p.  66.) 

erwähnt  eines  Cryplorchen,  bei  dem  üreteres  dilatati  urinas 
non  in  vesicam  (quae  omnino  desiderabatur)  sedad  umbilicum 
duxerunt  und  dasselbe  in  einem  zweiten  Falle,  wo  Blase  und 
Penis  fehlte. 

17.  Cornelius  Stalpaart  van  der  Wiel  (Observ.  rar. 
med.'anat.  chirur.  Cent.  II.  P.  I.  Obs.  32.  Lugd.  Batav. 
1687  p.  327.) 

*/4Jähriger  Junge  mit  imperforirtem  Penis  und  ducaten- 
grosser  Urachusfistel,  angeblich  ohne  Nabelschnur  geboren. 

18.  Nathanael  Highmore.  (Corporis  humani  disquisit. 
anatom.  Hagae  Comit.  1651.  Lib.  1.  Ps.  IV.  Cap.  VII. 
p.  115.) 

Ein  10  jähriges  Kind  in  Oxford,  an  dem  kein  Geschlechts- 
theil,  keine  OetTnung  für  den  Harn  unterschieden  werden 
konnte,  sondern  vor  dem  After  alles  glatt  war,  hatte  dicht 
unter  dem  Nabel  eine  zwei  Finger  breite  Blasenöffnung.  Dar- 
unter schwoll  die  Blasengegend  oft  an,   wonach  es  dann  zur 


für  Qebnrtflhülfe  in  Uerlin. 


451 


Cnlkening  der  Hamansaoimlung  genöüiigt  war  den  Unter- 
leib gegen  einen  vorspringenden  Stein  auszudrucken.  Etw9$ 
Harn  tröpfelle  stets  so  oben  beraus. 

19.  [Andreas    Laurentius.    (Histor.    anat.    corp.    huniani. 
Fol.  160().  Lib.  8.  Quaest.  17.): 

,,(]uni  audirem  recens  in  lucem  edito  male  vinctum  um- 
bilicum  numquam  coaluisse,  exbinrque  semper*nonniliil 
stillasse,  censui  nondum  inaruisse  uracbum  et  nunc, 
illi  perinde  atque  dum  utero  geslaretur  urinam  e  ve- 
sica  in  umbilicum  refluere.**] 

20.  Dictionnaire    raisonne    d*Anatomie    et    de    Pbysiologie. 
Paris  1766. 

Ein  Einsiedler,  dessen  kurzer  Penis  die  cavernösen  Kör- 
per liatte,  vorlur  aus  einer  fungösen  Gescliwulst  am  Nabel 
d(*n  Harn.     Eine  Harm'Obre  feblte  ihm. 

?  [Johannes  Fernelius,    (Patbologia   lib.  VI.    cap.   13.  in 

Opera   medicinalia  Venetiis  apud  Borgominerium   1565. 

4.  p.  381.) 
bericbtet  nacli  Hörensagen  von  einer  Uracbuslistel ,  indem  er 
sicfi  wörtlich  der  oben  von  Laurentius  gebrauchten  Worte  be- 
dient, so  dass  beide  wohl  nur  denselben  Fall  im  Auge  haben, 
ohne  jedoch  ihre  gemeinsame  Quelle  anzugeben.] 

21.  Pitha  (Krankheiten  der,  männlichen  Geschlechtsorgane. 
Erlangen  1864.  p.  82.) 

sah  einmal  „den  offen  gebliebenen  Urachus  die  Stelle  der  im- 

perforirten  Harnröhre  vertreten*'. 
?  [Cheselden  hat  es  vom  Hörensagen ,  dass  ein  Kind  Harn 
aus  <iem  Nabel  verloren,  dem  die  äusseren  Geschlechts- 
Iheile  fehlten.     {Sabatier:    Trait«^    d'anatomie.     Paris. 
2.  Bd.  1781.  Tom.  HI.  p.  473.)] 

22.  Reechus:   Rar.  med.  thesaur.    Faher  ad  Hernandez 
in  histor.  Mexicana.  Romae  1651.  Fol.  p.  546. 

Im  Bamberger  Spital  starb  am  15.  Tage  ein  Kind  ohne 
Blase  (Anus  clausus),  dessen  Clitoris  von  zwei  Tumoren  um- 
geben war  (Tumores  sulTusos),  die  das  prolabirte  Colon  mit 
den  beiden  Harnleitern  darstellte,  wie  Faber  an  der  Leiche 
bei  der  auch  sonst  bemerkenswerthen  Sectiön  fand. 

23.  Dr.  Starr  (Northamptonshire  1844:    Lond.  medic.  Ga- 
zette. Jan.  p.  484.) 

2ü* 


4.")() 


Äldcfien,   dessen   von    Gebui 
Sonde  durcbJiess,   vergeblicl 

t^imri^ftrenverschiuss    mit    Harn 
f^.4(W|«  resicae  urinariae  congenitus). 

ro71  (cf.  La  pratique  des  accouchementi 
.    *«t   .  M  iprmid  iwmbre  d'observations.   Paris  1685 
^.v    ^^r^mkl   von   Depaul  in  Gaz.  hebdomad 

^    uißf  deiue  blinde  Delle  am  UnterJeib;    sonst  keine 
und  äusseren  Genitalien.     Harnröhre   und 


•^        'xa 


ito^t»  euUiäit  einen  Schoppen  klarer  Flüssigkeit,  ist  sehr 
te  ly/)  und  enthält  sanda/üge  Steinchen  in  ihrer 
ML    An  der   Röckseite  mündet   das  pralle  Rectum 
i*u    üKT  (einen  Oeffnung  hinein. 

ttsHiik^iler  normal,  Nieren  gelappt. 

IN  dei-  £nü)induug  einer  seit  drei  Wociien  an  den  Bei- 

.*•«   byOropiscIien  Mehrgebärenden   wurde   dem   Tmoiialiichen 

^oute^  erst  der  Kopf   und  Arm  abgerissen,    dann  nn't  ehiem 

>ctoiWi   Haken    5    Finten    Wasser    aus    der    ßauchfellhöhle 

tHidievrt     VVocJirubett  leicht, 

t  Merriman  1810.    Section  von  Howahip  (cf.  Howship: 
A  pracOcal  Treaüse  on  Symptoms  etc.  of  tlie  most  im- 
porlanl  complaints,  that  affect  Üie  secretion  and  excre- 
üon  of  the  urine.     London  1823.    p.  375.  646.). 
Kicbelstück   V«  Zoll  lang,  Septum  »/^  Zoll  dick. 
Blase    eiUhielt  8    Unzen,   verdickt.     Uretei-en  fingerdick 
liiid  gewunden.     Statt  der  Nieren  Haufen   erbsengrosser  Hy- 
ilaliA^  die  mit  Bhidegewebe  verbunden  sind.     Atresia  ani. 

Dw  inäimlidie  Kind   kam  lebend  im  achten  Monate  zur 
(Wt  slarl»  jilier  denselben  Al>end  noch. 

H,  (?)  I^^imott:  Petersburg  (ibid.  647.  p.  367  nach  mönd- 
Mi^  Mittheilung). 
liii(MNftMniitio  urethrae. 
OtbutM  wsicae  et  uretenim. 
1^  ««i$^gflr«g^ne  Kind  sollte  nach  48  Stunden  (?)  ge- 


für  Geburtobülfe  in  Berlin. 


453 


4.  M.  Brodü  (ibid.  648.  p.  376). 

Die  äussere  Oeffhung  der  Harnröhre  bei  einem  fast  aus- 
getragenen  männlichen  Fötus  soll  gefehlt,  massige  Ausdeh- 
nung der  Blase  und  ^rke  der  Harnleiter  und  Nierenbecken 
die  Folge  gewesen  sein.  Brande  fand  im  Inhalte  keitio 
Harnsäure. 

5.  Delpeche  (Section  von  Bülard,  cf.  B.  Traite  des  nia- 
ladies  des  nouveau*nes.    I.  ediL  p.  436.)  1826. 

Todtgeborenes ,  anscheinend  rechtzeitiges  Kind,  dessen 
Gichßlstuck ' der  Harnröhre  Vs  Zoll  offen  war,  von  dem  blin- 
den Ende  verlor  sich  eine  fadenartige  Fortsetzung  im  Damm. 
Oritic.  urethr.  internum  fehlt.   Cryptorchismus.    Defectus  ani. 

Dilatation  der  Blase,  an  der  oben  hinten  zwisdien  den 
Samenblasen  das  Rectum  blind  endet,  während  die  erweiter- 
ten Harnleiter  vorn  und  seitlich  einmünden,  mit  beiderseitiger 
huhnereigrosser  Hydronephrose.     llrachus  klein,  oblilerirl. 

6.  Moreau  1828.     (Archives  generales  de  medecine.  T.  17. 

p.  299.  1828:  Maladie  de  Tappareil  urinaire  chez  un 
foelus.) 

Ein  Mädciien,  das  drei  Wochen  zu  früh  geboren,  30 
Stunden  nach  der  Entbindung  starb,  zeigte  eine  rothgetüpfelte 
Blase,  die. bis  über  den  Nabel  hinaufging,  Harnleiter  von  der 
Stärke  eines  kleinen  Fingers,  and  cystöse  Entartung  beider 
Nieren.     Dabei  Ascites  (ein  Litre). 

Das  schlanke  Kind  kam  von  selbst,  nachdem  beim  Riss 
der  Eihäute  der  übrigens  gesunden  und  jungen  Mutter,  einer 
Viertgebärenden,  circa  acht  Finten  Fruchtwasser  abgeflossen 
waren. 

7.  Charles  Cade  (The  Lancet.  H.  p.  178.   London  1835. 
Vol.  28.)  in  Derby. 

Harnröhre  bis  zur  Pars  membranacea  olfen.  Zugleich 
Defectus  recti  und  Zurückbleiben  des  rechten  Unterschenkels 
in  der  Entwickelung. 

Dilatation  der  Blase  und  Harnleiter,  Hydronephrose. 

Die  Mutter  wird  nach  mehrtägigem  Kreissen  im  7.  oder 
8.  Monate  nach  Amputation  des  Kopfes  und  beider  Arme 
und  Eröffnung   der  Brusthöhle  durch  Function  entbunden. 

Die  Blase  war  3  bis  4  Linien  dick  und  hielt  2  Quart. 
Kopf  und  Nabelschnur  hatten  vorgelegen. 


454 


XXX II.     Verhandlnngen  der  Ge86ll8chatt 


8.  Duparque    1840.    (Aiinales   d*ol»8l«lric|ue   des  maladies 

des   femmt^s   et   des   enl'arits.     Gas.    hebdotnad.    1860. 
p.  376.) 
Harnröhre  von  aussen  bis  unniiUelbar  an  die  Blase  ofTeti; 
Dilalatian  der  Harnleiter  und  Blase,   die  vom  bis  zum  Nabel 
mit  den  Baucbdecken  verwachsen. 

Hydrone|ihrüsis  duplex.     Uradnis  geschlossen. 
Sehr  schwere  Exlraclion  des  achtmonatlichen  Fötus,  der 
mit  dem  Kopf  allein  kam. 

9.  DelborteVj   Prosector  in  Lnttich.     (Arcliives  de  la  me- 

decine  beige,  mai  1842.  p.  10;  Gaz.  Iiebdomadaire  1860. 
p.  347.) 

Defectus  ani.  Der  Penis  entliält  einen  fünf  Cent  langen 
Kanal,  der  am  Schambogen  blind  endet,  und  durch  ein  schma- 
les Septum  getrennt  ist  vom  innern  Harnröhrenstücke. 

Blase  ausgedehnt,  mit  Trabekeln  bis  1^/2  Cent  dick. 
L)iis  Rectum  mündet  mit  einer  feinen  Ocflnung  hinein.  Rech- 
ter Harnleiter  und  rechtes  Nierenbecken  erweitert.  Linke 
Niere  atroph,  rechte  sehr  vergrösscrt 

Die  Mutler,  eine  Fünft^bärende,  wurde  glücklich  enl- 
bunden  von  diesem  achtmonatlichen  Fötus,  nachdem  seine 
Haut  zerrissen  und  beide  ünterscheDkelknochen  zerbrochen 
waren,  dann  durch  einen  Lanceltstich  in  die  Leiste  sein  Asci- 
tes war  entleert  worden. 

10.  Gaudon  in  Leidanc.  1846.  (Bulletins  de  la  societe 
anatomique.  April  1846.  p.  103.  Gaz.  hebdom.  1860; 
p.  371.) 

Dilatation  der  Blase  bis  zu  zwei  Litre.  Blasenhals  endet 
trichterförmig  frei  ^)  mit  wohlgebildeter  Harnröhre.-  Harnleiter 
erweitert 

Fötus  wurde  schwer  im  7.  Monate  bei  einer  Mehrge- 
barenden durch  Eingehen  mit  der  Hand  entwickelt 

11.  Depatd  in  Paris  1848.  (Gaz.  hebdomad.  VH.  20— 23. 
1860.  p.  324,  342,  371.) 

Eine  penisartige  Vorragung  mit  grosser  Voriiant  (2  Cnt 

laug,  8  Millim.  dick)  ist  perforirt  bis  zur  Pars  membranacea. 

Das  innere    Harnröhrenstück   ist    von   der  Blase  ab  nur 


1)  Frn glich  nach  DepauL 


für  Gebnrtshiilfe  in  Berlin.  455 

1  Cni.  durchgängig,  und  endet  dann  blind.  Scrotuni  fehlt. 
Atresia  ani  vesicalis. 

Die  Mündung-  in  die  ßlase  des  verengerten  Darnicndes 
iäl  SU  eng,  dass  sich  nur  mühsam  Luft  durchblasen,  kein 
Kindspech  durchdrucken  lässt. 

Dilatation  der  Blase,  die  bis  zum  Nabel  mit  der  vordem 
Baiichwand   verwachsen  ist. 

INieren  normal,  Harnleiter  an  beiden  Enden  dilatirt,  mun- 
den oben  in  die  Blase.  Ascites,  Oedeni  der  Bauchdecken. 
Hollen  auf  der  Rückseite  der  Blase.  Vasa  deferentia  enden 
blind  ohne  Samenblasen.  Urachus,  ein  feiner  offener  Kanal, 
endet  blind  im  Zellgewebe. 

Bauchwandungen  durch  Geifern  bis  zu  3  Cnt.  dick  mit 
Eindruck,  in  denen  die  abgeplatteten  Füsse  lagen. 

Die  Mutter  wird  nach  zwei  normalen  Entbindungen  im 
28.  Jahre  davon  im  7.  Monate  entbunden.  Schulterlage. 
Wendung  auf  den  Kopf.  Dann  Abreissen  der  Kopfes  in  Folge 
Zen*eissung  der  Wirbelsäule  zwischen  dem  4.  und  5.  Hals- 
wirbel,  Abreissen  des  einen  Armes. von  der  Hebamme;  des 
anderen,  der  Wirbel,  Rippen,  Herz  und  Lunge  von  einem 
Arzte. 

Wochenbett  ohne  Störung. 

12.  Moreau  (Bull,  de  TAcad.  d.  scienc.  H.  21.  Aoül  1852.) 
in  Paris. 

Das  Eichelstücli  der  Harnröhre  ist  3  Millim.  lang,  eine 
Blasenmündung  fehlt.     Zugleich  Defectus  recti. 

Dilatation  d«r  Blase,  Vergrösserung  der  rechten  Niere 
und  des  rechten  Harnleiters.     Ascites. 

Die  "Mutter  wird  im  7.  Monate  von  dem  ersten  Zwillinge 
mit  der  Zange  entbunden;  dieser  zweite  lasst  sich  nicht  ent- 
wickeln, ehe  nicht  1  Litre  aus  dem  Leibe,  1  aus  der  Blase 
entleert,  wozu  die  ELind  dreimal  eingeführt  wird.  Alter  und 
Belfnden'  der  Wöchnerin  nicht  bemerkt. 

13.  M.  B.  Freund.  1860.  (Klinisclie  Beiträge  zur  Gynae- 
kologie  von  Betachler  u.  Freund.  Breslau,  bei  Morgen- 
slern.    H.  Heft.  p.  240.  1864.) 

Bestireudes  Septuro  2  Cnt.  lang,  davor  der  Penis  4  Cnl. 
lang  durchbohrt     Blaseuslück   3   Millim.  lang.     Penis  1  Cnt. 


4b6  XXXII.    VerbaDdlnaffen  der  OeselUchaft 

von  der  Wurzel  zu  %  seines  Umfangs  2  Millioou  breit  narbig 

eingeschnürt   und   davor  ödematös    und  gewunden.     Cryptor- 

ehismus.     Oedeni  des  Scrolums. 

Dilatation    der  Blase   (157   Cnl.  Fassend),   jedes  Ureters 

(218  und  76  Cnt.). 

Geringer  Ascites.     Hydrops  renum  cysticus. 

Sehr   schwere  Extraclion   bei   einer   3.  gebarenden  Fra« 

von  30  Jahren  im  7.  Monate  der  SchwangerschafL 

14.  Hecker,  1861.  (Klinik  der  Geburiskuiide  von  Hecker 
und  Buhl.     Leipzig,  Engehuann.»  1861.  p.  122. 

Restirendes  Septuui  entfernt  von  der  Blasenmündung  und 
4  Cnt.  von  der  OelFnung  im  Penis.  Cryptorchismus.  Atresia 
aoi  vesicalis.  Nabelschnurbruch.  Vernarbter,  nur  mit  fiauch- 
Tell  bedeckter  Riss  in  den  ßauciidecken. 

Dilatation  der  Blase  ohne  Ascites. 

Die  30jähnge  Multer  endete  diese  ihre  fünfte  Scbwan- 
l^erscbaft  im  Anfange  des  '  achten  MonaU?.  Pulsloser  Nabel- 
scbnurvorfall  neben  dem  Kopfe,  der  nach  Zangenapplicatioo 
abriss.  Leichte  Geburt,  nachdem  ß — 8  Pfund  Wasser  durch 
doppelte  Durchbohrung  der  Bauchdecken  und  der  Blase  ejitleert. 

Die  Wöchnerin  überstand  eine  Reihe  Schüttelfröste. 

15.  Jany,  1862.  (Klinische  Beiträge  zur  Gynaekologie  von 
Betschier,   W.  A.  und  M.  B.  Freund.  IL  p.  244.) 

Eichelstnck  der  Harnröhre  1  Cnt.  lief  durchgängig,  ebenso 
der  Anfang  des  Blasenstücks.     Cryptorcbisnms. 

Dilatation  der  Blase  und  der  Harnleiter  nn't  Ascites,  Hy- 
drops ventriculorum  cerebri,  Oedem  der  Beine,  des  Hoden- 
sacks und  der  Vorhaul. 

Schwere  Extraclion  bei  einer  Drittgebärenden  von  28  Jah- 
ren im  7.  Monate  mit  Zerreissung  der  Nabelschnur. 

Die  Blase  enthielt  115  Cubikcent.  und  Harnstoff  nach 
Lothar  Meyer,  die  Bauchhöhle  900  Cubikcent. 

ML     Fälle  von  angeborener  Atresie  der  Harnleiter. 

1.  Bonet.  (Sepulcrelum.   T.  H.  p.  290.  Lib.  3.  Set.  17.) 
Todgebornes  Kind  mit  Hydronephrosis  dexlra  durch  Atre- 
sie des  rechten  Harnleiters. 

2.  Billard.   (Traite   des   maladies  des  nouveaunes.    Paris, 
p.  934.) 


ffir  Gebarlshürre  in  Kerlin.  457 

■# 

Hydrops  renalis  sioister  durch  fadenaitige  Ausziehung 
und  Atresie  des  linken  Harnleiters.  Hydrops  canalis  spinalis 
et  cerebraJis.     Tod  nach  30  Tagen. 

3.  GloBs,  (Phil.  Transaclions.  V.  44.  u.  482.  p.  337.) 
Tod   eines  23jähr.  Mädchens  an  Hydrops  renalis  d^xler, 

der  scbon  bei  der  Geburl  dagewesen  und  bis  zum  Umfang 
von  30  Galionen  gewacitsen  war.  Die  Mutter  war  in  der 
Schwangerschaft  hydropisch  gewesen,  (cf.  Treatise  of  llie 
mos|  important  complains,  that  affecl  the  secretion  of  urine 
by  Howship.     London-  1823.  59.  p.  33.) 

4.  Bayer,    (Traile  des   maladies  des   reins.    Paris  1841. 
T.  Hl.  p.  495.) 

Tod  eines  Jungen  von  17  Jahren  an  Hydronephrosis  du- 
plex in  Folge  congenitaler  Stenose  des  linken  und  conge- 
nitaler Klappenstrictur  des  rechten  Harnleiters. 

5.  Friederici.   (Monstr.  hum.  rariss.   Lips.   1737.  p.  13.) 
Defectus  ureterum.     Blase  und  Nieren  da. 

rv.    Fälle  von  wahren  Urachusfisteln  (congenitalen), 
bei  denen  über  das  Verhalten  der  Harnröhre  unmittelbar  nach 
der  Geburt  nichts  Besonderes  bemerkt  ist. 

1.  Boyer.    (Traite   des   maladies   chirurgicales.    Tom.  VII. 

541.  1821.  Paris.) 

Bei  einem  steinkranken  Jungen  von  18  Jahren  zeigte 
die  Section  den  Urachus  vier  Querflnger  breit  offen. 

2.  Paget  (Med.  chir.  Transaclions.  V.  33.  u.  44.) 

1)  Ein  Mann  mit  2—  3  Finger  weitem  Urachus  hat  um 
ein  Schamhaar  im  40.  Jahre  einen  Stein  bekommen.  Harn- 
röhre jetzt  wegsam.  Urachus,  von  Geburt  offen,  ist  später 
im  55.  Jahre  operativ  geheilt. 

2)  Kind  mit  bieistiftdicker  Urachusfislel  geheilt. 

3.  Froriep.  (Mein,  de  l'academie  de  medecine.  Paris  1838. 

T.  7.  p.  608.) 
Knabe  von  drei  Wochen  zeigte  einen  20  Sousslück  gros- 
sen offenen  Harnstrang  und  durchgängige  Harnröhre  bei  der 
Section  mit  fnversio  vesicae  per  urachum  congenita.  Der 
Dr.  Gusserou  halte  ihn  erst  einige  Tage  nach  der  Geburt 
bei  gelieiltem  Nabel  gesehen,  wo  das  Loch  100  Sousslück 
gross  gewesen  war. 


458  XXXII.     Verhan'llungen  der  Ge$«llftch«ft      % 

4.  A,  F,örster,   (MissbiJdungen  des  Menschen.  Jwa   1861. 

Taf.  22.  Fig.  8.  ii.  9.  aus  der  Würzbiirgei*  Sanimluiig.) 
Fasl  ausgelragene  Frucht  mit  Aliesia  ani  el  vulvae.    Sehr 
weitem  Urachus. 

5.  Lütre   (Mein,    de   raeadeni.   niyale    de    Sciences   1701. 
Paris  1743.  p.  1)0.) 

theiile  am  6.  April  1701  einen  Fall  mit  von  einem  Fötus, 
der  im  8.  Monate  im  Mutterleihe  gestorJ)en  war  und  drei  Ei- 
häute zeigte,  die  sich  leicht  von  einander  ahsli^eifen,  ja  ab- 
blasen liesseil.  Die  mittelste  (Allantois)  war  dunner  als  das 
Amnion  und  davon  durch  eine  halbe  Unze  einer  gelben  schlei- 
migen Flüssigkeit  getrennt,  die  er  fiir  Reste  des  ersten  Harns 
hielt.  Sie  enthielt  keine  Gefasse  und  erstreckte  sich  um  das 
Ei  bis  zur  IMacenta.  Von  dem  Chorion,  das  gleiche  Dicke 
hatte,  war  sie  nicht  durch  eine  Flüssigkeit  getrennt. 

Später  sali  er  bei  normalen  Früchten  noch  einige  Male 
die  Allantoide. 

Er  kannte  einen  30jährigen  Mann,  der  (fast)  allen  Harn 
«lurch  den  Nabel  entleerte,  seit  der  (ieburl. 

Einen  Knaben  endlich  von  12  Jahren  obducirte  er,  der 
von  Geburt  (fast)  allen  Harn  durch  den  Nabel  entleerte,  und 
einen  Verschluss  des  Rlasenhalses  durch  einen  Fungus  hatte. 

6.  Ph.    V.    Walter,   (Einige   Krankheiten    der   Nieren   und 
Harnblase.    Berlin  1800.) 

Das  getrocknete  Präparat  von  den  Harnwegen  eines  Er- 
wachsenen mit  fingerstarkem  Harnstrange  ist  im  Berliner  ana- 
tomischen Museum  aufgestellt. 

7.  Briaut  (Medical  Times  and  Gaz.  1862.  V.  1.  p.  456.) 
Ein  Knabe  von  acht  Jahren  mit  offenem  Harnstrange. 
Endlich  gehören  hierhin   alle  Fälle  mit  vollständiger  und 

unvollständiger,  einfacher  oder  complicirtcr^  aber  stets  abge- 
rundeter')  Blasenspalte,  die,  wie  sich  denn  alle  üebergänge 
zur  einfachen  mehr  weniger  weiten  Harnstraii|:listel  finden, 
ihre  Existenz  in  der  Regel  einem  Stillstehen  in  der  ersten 
Harnexcretionsperiodc  des  Fötus  (in  Folge  etwelchen  llinder- 

1)  »»L'^T^ct  de  fente  qne  U  poche  nrinairc  dcvnit  prcKcnter 
nVxinte  jnmais,"  «ind  Velpeau^s  Worte  ip  meinem  Rnpport  Hur  un 
eas  d'exstrophie  cong^enitate  de  vesKie  in  Mcinoires  de  PAcRdemie 
royale  de   nirdecine.     Paris.   1B3H.  T.   III.  p.  90. 


für  Oeburtshülfe  in  KorJhi. 


469 


niftses  für  das  Zustaudekomiiien  df;r  spätereii  £xc;r«tioii  inil- 
lels  der  Genitalien)  verdanken  wird,  und  ihrerseits  die  Aus- 
bildung der  Bauchwandung  verhindert.  Dafür  spricht  die  stets 
begleitende  Dilatation  der  Harnleiter  bei  ßlasenspalle.  A\\*i 
Falle  von  ßauchspalte  mit  ßiasetrspalte  sind  niclit  schlechthin  ^ 
Hennnungsbikluiigen ,  sondern  ein  Stillstand  auf  dem  Zustand 
der  ersten  Periode,  da  sich  ^a  die  Blase  nicht  erst  wie  die 
Bauchwandungen  ahschliesst,  sondern  der  Urachus  von  vorn 
herein  an  dieser  Seite  abgeschlossen  ist.  Das  Klafl'en  der 
Spalte  braucht  nicht  erst  durch  ein  Platzen  der  Allantois  ') 
zu  entstehen,  sondern  kann  dadurch  zu  Stande  kommen,  dass 
sich  der  Rest  derselben  mit  der  Nabelschnur  abstösst,  gerade 
wie  dann  bei  persistentem  Ductus  omphalomesentericus  eine 
(oder  durch  Prolaps  auch  zwei)  Kothristeln  im  Nabel  zu 
Stande  kommen,  wobei  ich  wenigstens  einige  Tage  nach  der 
Geburt  keine  Spur,  keinen  Rest  eines  Nabelschnurbruchs 
wahrzunehmen  im  Stande  war,  dnn  mit  der  Ligatur  abgebun> 

1)  Man  würde  dnTin  Narben  von  den  zeitlichen  AasIKofcin 
des  Risfies  »eben  ,  wie  bei  dem  FaU  von  Hecker  eine  Narbe  in 
den  Bauchdecken  zu  »eben  war.  Velpeau  will  sie  zwar  oft  ge- 
sehen haben,  and  gründet  darauf  seine  Theorie  der  ßlasenspalte 
durch  gewaltsame  Zerreissung  des  Fruchtleibes,  die  schon  früher 
von  A.Roose  (de  nativo  vesicae  urinariae  prolapsu.  Göttiog  1793.) 
aufgestellt.  Allein  die  meisten  Beobachter,  die  Erfahrung  spricht 
dagegen.  ' 

Wenn  er  andererseits  gegen  Dnncans  Ansicht,  ,,die  Blasen- 
spalte entstehe  durch  ein  Hinderniss  der  Harnexcretioii**  anführt 
hauptsächlich:  ,,L''ex8trophie  de  vessie  est  presque  toujours  con- 
g<^nitale ,  quoique  pendant  la  vie  intra-utcrine  le  foetus  n*ait 
point  d*urine  k  rendre*^,  so  haben  die  vorhergehenden  Blätter 
hinreichend  die  Nichtigkeit  dieser  Behauptung  erörtert.  FiS  möchte 
demnach  Duncan^s  Ansicht  nicht  so  „unhaltbar  und  bizarre^'  sein, 
als  es    Velpeau  damals  schien. 

Die  Blasenspalte  ist  nur  quantitativ  (abhängig  von  der  Zeit) 
unterschieden  von  der  Harnstrangfistel.  Sie  ist  dushalb  eben- 
sowenig eine  Hemmunrgsbildung,  sondern  ein  Stillstand  in  der 
ersten  Ilarnexcretionsperiode,  eine  Hemmung  der  Rückbildung, 
wenn  man  will,  nichr  der  Anbildung,  da  ja  die  Blase  nicht,  wie 
die  B.MUchdecken,  aus  zwei  Stücken  zusammenwächst,  sondern 
sich  nur  aus  der  Allantois  in  die  Bauchhöhle  zurückzieht.  Von 
der  Dünnbeit  des  Strangs  in  der  Höhe  der  Bauchdecken  und  sei- 
ner Answeitnng  hängt  die  Grösse  der  Oeffoung  nach  Abfallen 
der  Nabelschnur  ab. 


460 


XXXII.    Verhandlangon  der  Gesettsohaft 


den  zu  haben,  die  Hebamme  in  diesem  FaJIe  w^l  fölscMieh 
in  Verdacht  gekommen  isl. 

Darmepalte  und  Blasenspalte  sind  Niebls  aJs  weite  Dot- 
tergang- und  Harnslrangfistehi,  stellen  ein  Andauern  der  ersten 
Ausscheidungsperiode  der  Frifcht  dar,  und  werden  beide  durch 
ein  Hinderniss  verui*saclit,  welches  sich  für  das  Zustandekom- 
men der  endgültigen  Ausscheidungswege  in  After  und  Harn- 
röhre, theils  im  Ausbleiben  der  äusseren  Hauteinstulpongeii 
(Defectus  recti,  ani,  uretbrae),  tiieils  im  Verbleiben  von  Scheide- 
wänden (Alresia)  in  der  Regel  nachweisen  l^sst. 

Die  Existenz  eines  oflenen  Urachus  bei  Harnröbrenatresie 
setzt  entweder  das  Vorhandensein  einer  hohlen  Allan tois  vor- 
aus, wie  sie  nach  Lütre  auch  beim  Menschen  nicht  so  selten 
vorkommen  soll,  oder  einer  Ruptur  des  Urachus  in  die  flöhle 
des  Amnion,  wie  sie  in  meinen  Falle  dicht  an  der  Haut  da- 
gewesen zu  sein  scheint,  da  der  Nabel  bei  fesler  und  unter- 
bundener Nabelschnur  nasste;  in  anderen  Fällen  auch  ferner 
vom  Leibe  des  Embryo  denkbar  ist.  Leider  ist  Lütre  der 
Einzige,  welcher  die  Eitheile  dabei  zu  studiren  Gelegenheit 
halte,  so  inleressanl  die  Frage  auch  für  die  Entwickelungs- 
geschichte  isl. 

V.     Zweifelhafte  Fälle  von  Harnröbrenatresie. 

1.  Sabaiier:  Lehrbuch  für  praktische  Wundärzte.,   Tb.  L 
p.  377. 

2.  Streubel:  in  Schmidts  Jahrbücher  95.  p.  348. 

3.  Heroldt:  in  Joh,  Chr,  Starkes  Archiv  für  die  Geburts- 

hulfe,  Frauenzimmer  u.  neugeborner  Kinderkrankheiten. 
Bd.  HL  St,  L  p.  82.  Jena  1791. 

4.  Ebert:   lieber   angeborene  VerSchliessungen    der  Harn- 

röhre bei  Knaben  in  den  Charileannalen  IL  1851.  183. 
Berlin,  Enslin. 

5.  Zbörer:    in   der   Wiener  medicJnisclien    Wochenscbriil. 

1842.  23. 

6.  Hönerkopf  in  Seehausen  im  Journal  für  Kinderkrank- 

heiten. 1856.  34. 

7.  Rauchfuss:   in  Verhandlungen   der   m<^dicinischon    Ge- 

sellscliaft  in  Petersburg,    in   der  Petersburger  inedictn. 
Zeitschrift.  Bd.  U.  1862.  p.  167. 


für  6«bart8bülfe  in  Berlin. 


461 


S.  MerkwArdige  Beobachtungen  am  der  praktischen  Geburts- 
höJfe  und  den  Weiberkrankheiten  von  Oberteufer,  in 
Starkes  neues  Archiv  filr  GebuilshöJre.  Bd.  fl.  p.  634. 


Erklärung  der  Zeichnungen,  die  in  nnttlrlicher 
Grösse. 

Fig.  I.  stellt  den  von  unten  gesehenen  Fetus  bei  ge- 
spreizten Beinen  dar.  Das  rechte  ist  exarticulirt ,  das  linke 
(p)  etwas  gebogen  in  Folge  der  Lösung  der  unteren  Ober- 
sehenkelepiphyse.  An  seinem  oberen  Ende  nimmt  man  die 
Hautruptur  (Z)  wahr.  ' 

Zwischen  beiden  Beinen  findet  sich  zwar  die  GefSssfalte, 
jedoch  ohne' jede  Andeutung  eines  Afters  oder  einer  After- 
kerbe,  sowie  einer  Ruthe. 

Darüber  nimmt  man  das  wallnussgrosse  Scrotum  wahr, 
welches  auf  seiner  Höhe  in  einer  Vertiefung  die  zwei  ungleich 
grossen  kleinen  Schamlippen  trägt. 

Fig.  H.  giebt  eine  Ansicht  der  Harnwege  von  vorn. 
•     Die  Bauchdecken  und  die  damit  verwachsene  hydropische 
Blase   sind   längs   und   airsserdem   die  linke  Hälfte  der  Blase 
quer  aufgeschnitten  und  auseinandergeklappt. 

In  der  Mitt^  ungefähr  sieht  man  die  apfelsinengrosse 
Tasche,  an  die  hinten  der  rechte  Harnleiter  einmöndet,  mit 
ihren  Divertikeln.  Eine  zweite  wallnussgrosse  findet  sich  links 
oben  als  Endsack  des  linken.  Sonst  sieht  man  überall  die 
glatte  Innenwand  der  dickwandigen  Blase,  die  nur  (bei  e) 
eine  siecknadelkopfgrosse  Kothdelle  zeigte. 

Gerade  oberhalb  derselben  sieht  man  uimiittelbar  den 
Eingang  in  die  beiden  Eiergänge  (Scheiden)  airfgeschnitten 
(f,f)'  Die  feine  Scheidewand  (jr)  ist  nach  rechts  umgelegt, 
und  dadurch  besonders  die  linke  Scheide  aufgeklappt.  Ur- 
sprunglich ging  die  Scheidewand  in  Verbindung  mit  der  Leiste 
zwischen  beiden  Scheiden  (/)  unnnttelbar  bis  zur  Kothdelle 
(e)  und  ist  nur  soweit  .durch  das  Herumzeigen  und  Sondiren 
des  Präparats  aufgerissen. 

Im  Pi*äparat  und  der  Zeichnung  ist  die  untere  Begren- 
zung der  Kothdelle  durch  den  Blasengrund  erhalten  und  die 
Fortsetzung  eines  ^meinschafüichen  Koth-,  Harn-  und  Eier* 


462  XXXII.    Verhundliingeii  der  GeaeUschaft 

ganges  erst  weiter  unten  eröffnet,  wonach  man  sich  denselben 
bald  zu  einem  triciiterförmigen  Ende  (c^)  zuspitzen  sieht 

Die  Fortsetzung  fand  sich  nadi  Abtragung  des  Scham- 
bogens  {h^  h  Querscimitt  der  horizontalen,  i,  t  der  abstei- 
genden Arste  der  Schambeine)  in  einer  Oulenartig^n  Auszie- 
bung  (in  c),  welche  die  Verbindung  mit  einem  Kanal  (a)  im 
Scrotum  herstellt.  Dieser  endet  blind  in  der  rechten  Scham- 
lippe (a?),  wahrend  sich  zwischen  beiden  ein  zweiter  Kanal 
findet  (b);  derselbe  (b)  verläuft  dicht  an  seinei*  Seile  durch 
eine  Scheidewand  von  einer  Linie  Stärke  und  vier  Linien 
Lange  getrennt  und  blind  unter  einem  stecknadelkopfgrossen 
klitoFisartigen  Körper  endend. 

Ausser  den  beiden  weiten  Harnleitertaschen  sieht  man 
rechts  int  Bilde  den  Eingang  in  die  grosse  hornartige  glatte 
Harnstrangtasche,  und  noch  mehr  rechts  aiaen  breitbasigen 
tlialerstuckgrossen  Nabeischnurbruch ,  dessen  Inhalt  ausser 
Ascitesflfissigkeit,  die  Spitze  jenes  mit  Bauchfell,  aber- 
zogenen  Hnrnslranghornes  bildete.  Trotz  dieser  starken  Er- 
weiterung des  Ilarnstranges  und  der  unmittelbaren  Nälie  der 
Blase  am  untern  Ende  des  Nabels  findet  sich  doch  die  üra- 
chusöfl'nnng  im  Nabel  wie  immer  geschlossen. 

Die  einzige  rechte  Nabelarterie,  eine  directe  Fortsetzung 
der  Aorta,  siebt  man  bei  Z,  die  Nabel vene  bei  k  durch- 
schimmern. 

m  ist  der  Längsschnitt  in  der  Blase,  n  der  Querschnitt 
ihrer  linken  Hälfle. 

o  sind  die  Hautschnitte. 

Fig.  Hl.  giebt  eine  Ansicht  der  Harnwege  von  hinten ,  so- 
wie des  Eier-  und  Kothgangs. 

Der  ganze  grosse  Harnraum  ist  vorn  übergestfdpt  und  die 
in  seinem  serösen  Uehcrzuge,  zumal  jetzt,  wo  sie  ganz  colla- 
birt,  schwer  findbaren  Gänge,  soweit  ihre  Lichtung  es  zu- 
liess,  aulgeschnitten. 

So  sieht  man  in  der  Mitte  den  weiten  absteigenden 
Grimmdarm  (d)  mit  enger  Oeffnung.  in  die  rechte  Scheide 
(a)  einmünden. 

Man  siebt  beide  Eiergänge  jeden  mit  seinen  drei  Stöcken, 
Trompete  mit  Franzen  (c),  Gebärmutter  (b)  und  Scheide  (a), 
und  neben  der  rechten  Trompete,  die  sich  nicht  aufschueideo 


ftlr  QebnrtflhUlfe  in  Berlin. 


4fi3 


kässt,  den  Eit^rstock  (t\  der  altein  über  die  FiSche  des  Baiicli- 
felis  eine  Erhebung  bihlete. 

Beide?  Handetter  (/  n.  r)  sind,  soweit  es  ging,  aufge- 
sebnilten  und  fast  bis  zu  den  Nieren  (e)  zu  verfolgen;  stark 
gewunden  und  immer  mehr  sieh  ausbaueliend,  treten  sie 
schliesslich  in  jene  beiden  Seitentaschen  {m'  u.  m"*)  di*s 
Harnraumes  ein,  die  damit  als  die  grössten  Endsäcke  dersel- 
ben erscheinen. 

Die  Aorta  descendeus  (st  (g)  aufgeschnitten;  der  Pfeil 
deutet  den  Uebergang  in  die  rechte  Nabclarterie  an.  Dort  wo  sie 
tief  unter  dem  rechten  HarnliMter  (/)  hindurchgeht,  ist  ein«» 
Sonde  eingeführt;  später  geht  sie  hinter  der  apfelsinengros- 
sen  rechten  Seitentasche  des  Harnraums  (m'),  dem  Endsack 
des  rechten  Harnleiters,  entlang,  kommt  oberhalb  und  hint«;r 
demselben  aussen  von  dem  Urachushorn  (m)  zum  Vorschein, 
um  wie  der  Pfeil  andeutet,  in  einer  OefTnung  oberhalb  des- 
selbefi  die  Bauchwandungen  zu  durchdringen.  (Im  diese  Theile 
deutlich  zu  zeigen,  ist  die  Nierengegend,  die  ganz  hinter  der 
Blase  verborgen  lag,  künstlich  hervorgehoben,  wodurch  die 
untere  Lebernäche  (f)  jetzt  dem  Beschauer  zugekehrt  ist, 
und  Netz  (q)  und  Dünndärme  (v)  ebenso  nach  oben  lagen. 

Zur  Orientirung   mögen   folgende  Bezeichnungen  dienen: 

a.  Scheide. 

b.  Gebärmutter. 

c.  Trompete  mit  Franzen. 

d.  d.  Absteigender  Grimmdaim ,  dessen  Oeffnung  in  die 
reeble  Scheide  so  aufjgeschnitten  ist,  dass  ein  Stuck  davon 
auf  der  Scheidewand  der  beiden  Scheiden  ist  sitzen  geblieben. 
d'.  Quergrimmdarm. 

e.  Nieren. 

ftfff'  Rechter  Harnleiter,  welcher  fünf  Windungen  macht, 
ehe  er  in  die  grosse  Tasche  einmundet. 

9)  9^  9'  D'®  absteigende  und  in  die  eine  Nabelarterie 
übergehende  Aorta. 

h.  Gallenblase. 

%.  Untere  Leberfliche. 

kj  k.  Stärke  vom  Zwerchfell. 

Z.  Nabelvene. 

{'.  Nabelschnur. 


464  XXXn.  Verhandlungen  der  GeselUchafl:  fBr  Oeburtahaife  etc. 

19».  Ausweitung  des  Harnraumes  nach  oben,  welche  mit 
der  Spitze  im  Nabelschnurbruch  lag. 

m*,  Apfelsinengrosse  Seitentasche,  fn  die  der  rechte 
Harnleiter  mündet 

m".  Rückseite  der  Blase. 

m'**.  Kleinere  Seitenlasche,  in  die  der  linke  Harnleiter  mündet. 

n,  n.  Querschnitt  in  die  linke  Hälfte  der  Blase. 

Oy  Oy  0,  0.  Ausdehnung  der  Bauchhaut,  welch«  das  bei 
der  Geburt  abfliessende  Wasser  beherbergte. 

p.  Linker  Unterschenkel. 

j,^,  gr.  Netz. 

Ty  r.  Linker  Harnleiter. 

«.  die  drei  ersten  iRückenwirbel. 

t,  U  Eierstöcke. 

UyUyU^  u.  Rippen. 

V;  V.  Dünndarm. 

Xy  X,  Mündung  der  beiden  Uarnleitei*  /.  u.  r,  m  die 
Seitentaschen  m^  u.  m'\ 


Herr  Hüter  bemerkt  auf  die  Yom  Vortragenden  ausge- 
sprochene Ansicht,  die  sogenannten  erworbenen  Uraclmsfistehi 
seien  keine  solchen,  d.  h.  keine  WiederöfTnung  des  Urachus, 
sondern  einfache  Nabelfisleln,  dass,  abgesehen  von  den  klinischen 
Beobachtungen  eine  derartige  Ausweitung  des  Kanals  sehr 
wohl  denkbar  sei,  da  nach  Luschka^  Untersuchungen  nach- 
gewie^n,  dass  das  Epithel  des  Uracliuskanals  an  vielen  Sldlen 
persistent  sei. 

Herr  Mose  erwidert,  dass  er  seil  einem  Jahre  alle  ihm 
zu  Gebote  gestandenen  Leichen  von  Neugebornen  h\  Ruck- 
sicht auf  die  Persistenz  des  Uracbusc^nals  untersucht,  je- 
doch nie  eine  solche  gefunden  habe.  Er  wolle  zwar  deslialb 
die  Richtigkeit  der  Lu8chka*sehen  Beobachtung  durchaus 
nicht  bezweifeln,  bemerke  jedoch  dass  auch  Robin  niemals 
eine  solche  Persistenz  des  Urachuscanals  gefunden  habe. 
Rolin  beschreibt  sogar,  dass  der  schon  von  der  Geburl  an 
fadendünne  Urachusstiel  sich  im  ersten  Jahre  bereits  von 
Nabel  entferne.  Aus  diesem  Grunde  müsse  er  bis  weitere 
Untersuchungen  und  Beobachtungen   vorlägen   bei  seiner  An- 


XXXIII.  HäfimatM,  Neuer  t«*»!!  von  Spoiidy töfisthesia ;  etc.  465 

sieht   verharren    dass    die    meisten    sogenannten    erworbenen 
Drachusfisteln  einfache  ffabetfisleln  sein. 

Herr  Martin  schliesst  die  Sitxung  indem  er  im  Namen 
dei*  GesetfochafI  dem  einem  Rufe  nach  Bern  folgenden  Mft- 
gliede  Herrn  Lücke  den  Dank  für  seine  rege  Theilnalmie  an 
den  Angelegenheiten  der  Gesellsdiafl  ausspricht. 


XXXIII. 


Neuer  Fall  von  Spondylolisthesis ;  geringer  Grad 
von  Beckenenge;  künstliche  Einleitung  der  Früh- 
geburt; günstiger  Ausgang  für  Mutter  und  Kind* 

Aus  der  Gebäranstalt  zu  Stuttgart  mitgetheilt 


(■•  HartoiaHtt, 

zweitem  Hebftramenlebrer. 

In^den  folgenden  Blättern  will  ich  eine  seltene  Becken- 
anomalie  beschreiben,  und  habe  mich  anfanglich  fast  gescheut, 
ihr  den  obigen  Namen  zu  geben,  da  ich  mir  das  Bfissliche 
einer  solchen  Diagnose,  wenn  sie  nicht  auf  dem  Secirtisclie 
erhärtet  werden  kann,  durchaus  nicht  verhehle ;  trolzdem  aber 
glaube  ich,  geslAlzt  auf  die  anatomischen  Daten,  soweit  die- 
selben zu  eruiren  waren,  dass  der  Fall  kaum  anders  gedeutet 
werden  kann,  und  hoffe  auch,  dass  die  Leser  bei  eingehender 
Prfifiing  derselben  damit  uberenislimmen  werden. 

Im  Februar  1865  meldete  sich  eine  Zweitgeschwängerte 
zur  Aufnahme  in  die  hiesige  Anstalt,  bei  welcher  schon  die 
äussere  Besichtigung  eine  Anomalie  des  Beckens  vermuthen 
liess,  die  auch  durch  eine  vorläufige  innere  Untersuchung  be- 
stStigt  wurde,  indem  die  hintere  Beckenwand  verhältnissmäs- 
sig  leicht  erreicht  werden  konnte.  Schon  bei  dieser  ersten 
Unfersuchung  wurde  hoch  an  der  hinteren  Beckenwand  ein 
als  Hiaca  com.  dextr.  anzusprechendes  Gefass  entdeckt,  wel- 
cher Umstand,  gestützt  auf  den  kürzlich  von  Olshausen  be- 
obachteten Fall  (s.  diese  Monatsschrift  XXlil.  2.  u.  3.) ,   der 

MouftUscbr.  f.  GeburUk.  1805.  Bd.  XXV..  HA.  6.  30 


4Q6      XXXIII.  Hurtmann,  Neuer  Fall  toq  SpondylolUthesi»; 


anfänglich  auf  Rachitis  gestellten  Vermuthungsdiagnose  glaicfa 
eine  andere  Richtung  gab,  und  sie  auf  die  in  Rede  stehende 
Aaoni^ie,  nämlich  die  Spondyioiistliesis  hinleitete,  was  io  der 
Folge  dannr  auch  durch  die  Anamnese  und  genaue  (Juter- 
suchung  bestätigt  wurde. 

Anamnese:  /fo«in6  JT..... •,24jährige  Näherin,  ist 
das  dritte  und  kleinste  von  sechs  gesunden  Geschwistern,  ihr 
Vater  lebt  noch,  ihre  Mutter  sei  vor  fünf  Jahren  am  Typhus 
gestorben.  Nicht  ganz  zwei  Jahre  alt,  habe  sie  ihre  Schwe- 
ster, der  sie  auf  den  Schultern,  die  Beine  über  deren  Brust 
herabhängend,  gesessen  sei  (eine  hier  zu  Lande  unter  den 
Kindern  sehr  übliche  Art,  einander  zu  tragen),  nach  hinten 
hinabfailen  lassen,  wodurch  ehi  schmerzhaftes  Leiden  in  ihrem 
Kreuze  entstanden  sei,  das  sie  auf  eine  ganze  Reihe  von 
Jahren  bettlägerig  machte,  und  dem  sie  selbst  ihre  jetzige 
Kleinheit  und  die  Anomalie  ihres  Ruckgrates  zuschreibt  Etwa 
\onr  faulten  Lebensjahre  an  konnte  sie  sich  aufrecht  halten 
und  etwas  gehen  (oh  sie  vor  dem  Falle  schon  gehen  gekonnt, 
weiss  sie  nicht  anzugeben),  aber  noch  bis  zum  achten  Jahre 
so  schlecht,  dass  sie  täglich  in  die  Schule  geti*agen  werden 
musste.  Den  Oberkörper  habe  sie  damals  immer  stark  nach 
rückwärts  gekrümmt  gehalten,  und  nach  vorn  habe  sie  sich 
gar  nicht  biegen  können,  „so  dass  sie,  um  etwas  vor  ihr  auf 
dem  Boden  Liegendes  aufzuheben,  sich  halb  umke^iren  und 
.seillich  hinabbeugen  musste''  (ihre  eigenen  Worte!).'  Ob  die 
Beine  während  des  langen  Krankenlagers  oder  wenigstens 
Anfangs  gleich  nach  dem  Falle  gelähmt  waren,  weiss  sie 
nicht,  wie  überhaupt  nichts  weiteres  mehr  über  die  damalige 
Aftection  aus  ihr  herauszubringen  ist.  (Eine  an  den  damals  sie 
behandelnden  Arzt  gerichtete  Anfrage  blieb  ebenfalls  erfolglos.) 

Im  Laufe  der  Jahre  haben  sich  die  Haltung  und  die  Ge- 
brauchsfahigkeit  des  Körpers,  sowie  auch  die  Beschwerden 
aliinälig  gebessert,  aber  noch  jetzt  ist  ihr  länger  fortgesetz- 
tes aufrechtes  Stehen  wegen  im  Kreuze  auftretender  Schmer- 
zen unmöglich,  während  sie  das  Gehen  aucli  bei  grösseren 
Touren  viel  leichter  erträgt»  im  Sitzen  dagegen  frei  von  jeder 
Beschwerde  ist,  westialb  sie  auch  den  Bemf  einer  Näherin 
gewählt  hau  Im  Längen wadistlium  blieb  sie  nicht  nur  hinter, 
ihren  Geschwistern  bedeutend  zurück,    sondern  dfisselbe  soU 


geringer  Or»d  tob  BMkenenge ;  kfliwiL  EinleitnBg  ete.   467 


auch  sehr  Qnre^massig  von  Slatlen  gegangen  sein;  ioa  18. 
und  1 9.  Lebensjahr»  wUl  sie  schnellere  Fortsebfif te  in  dem- 
selben nnd  noch  im  leUlverflossencn  Jahre  eine  merkliche 
Zunahme  ihrer  Körperlpnge  (an  ihren  Kleidern)  beobachlet 
haben. 

Im  15.  Lebensjahre  *  traten  ohne  besondere  Beschwerden 
die  Menses  zum  ersten  Male  efai  und  kehrten  ¥on  da  an 
regelmässig  mit  vierwöchenüichen  Pausen  wieder,  bis  2u  ihrer 
(Ersten  Schwangerschaft  im  21.  Jahre.  Die  Gebart  erfoigie 
ilirer  Angabe  nach  in  der  39.  Woche  der  Gravidität,  in  ihrer 
lleimath,  ohne  besondere  Schwierigkeit,  das  Kind  kam  aber; 
mit  deai  Schädel  voraus,  todt  zur  Welt^  obwohl  die  Mutter 
nocli  zwei  Stunden  vor  seiner  Ausstossung  deutliche  Bewe- 
gungen desselben  gefublt  haben  will. 

(Jeher  die  Dauer  der  ganzen  Geburl,  sowie  der  einzel- 
nen Perioden,  über  den  Zeitpunkt  des  Was0erabgangsl,  über 
die  Grösse  des  Kindes  und  über  sonstige  bei  dem  Tode 
desselben  etwa  zu  beschuldigende  Momente  ist  mit  Ausnahme 
der  Angabe ,  dass  die  Nabelbchnur  umscblungt^i  gewesen  sei, 
nichts  Bestininiles  und  Brauchbares  zu  ei*utren,  so  dass,  ab- 
gesehen von  diesem  letzteren,  in  der  grossen  Mehrzahl  der 
Fälle  ja  unschuldigen  Umstände,  nur  die  Anomalie  des  Beckens 
als  einzig  greifbares,  ätiologisches  Moment  bierfär  in  Betracht 
kommen  kann ;  üudere  aUerdings  nicht  bestimmt  ausauschlies- 
sende  Todesursachen  sind  wenigstens  rein  hypothetisch,  loh 
führe  diese  Schlussfolgevung  absichtlicli  hier  an,  weil  sie  später 
bei  dem  einzuschlagenden  Verfahren  niitbesliumend  war. 

Im  Wochenbette  blieb  die  Person  ganz  gesund  und  ver- 
liess  nach  wenigen  Tagen  schon  wieder  das  Bett;  vier  Wo- 
chen spater  traten  die  Menses  wieder  ein,  sollen  aber  in  der 
Folge  regelmässig  nur  14 lägige  Pausen  geiiiaohl  haben,  bis 
sie  im  Sommer  1864  durch  eine  neuerliche  Scbwangerscliafl 
wieder  unterbrochen  wurden.  Den  Zeitpunkt  der  Conceptioti 
weiss  die  Person  nicht  bestimmt  anzugeben,  die  Menses  will 
sie  Anfangß  Juli  zum  letzten  Male  gehabt  und  am  13«  Ooto^ 
her  die  ersten  Kindesbewegungen  gefühlt  haben.  Die  Gravi- 
dität verlief  normal;  mit  Ausnahme  eines  Erysipelas  faciei, 
das  sie  im  September  mehret^  Wochen  ins  Bett  fesselte,  will 
sie  stete  gesuad  geweeen  sein. 

30* 


4(38      XXXni.  Hartmann,  NenerPall  von  Spondylotiitthesiii; 

Status  praesens  den  26.  F«*briiar  1865. 
Kleine  Person,    140  Cent,   hoch,    von  blfthendem  Aus- 
selten, mit  gut  entwickelter  Musculatur,  reichlichem  Fettpol- 
j  ster  und  kräftigem  Knochengerüste;  Thorax  gut  gewölhl,  sein 

\  llnifang  Aber  den  schlalT  herabhängenden  Brüsten  86  €enL; 

^  die    Fingerspitzen    bei    senkrecht  he^abhängendelll  Arm   dem 

1  Bollen  merklich  näher   als  bei  einem  wofdgewachsenen  Men- 

I  sehen,  die  Länge  der  letzteren-:   Schulterhöhe  —  FJngerspitzen 

I  66  Gent.,  Schulterhöhe  ~  Fusssoble  119  Cent.;    Beine  ge- 

J  rade,  lang; 4iilttbeine  gleichstehend,  Crista  —  Fusssoble  89, 

i  Trochaot«r  —  Fusssoble  81  Cent. ;  der  Rippenbogen  beider- 

seits der  Crista  il.  so  genähert,  dass  kaum  ein  Finger  zwi- 
schen beide  eingezwängt  werden  kann.  Der  Gang  ist  nor- 
mal, durchaus  nicht  watschelnd ;  die  Haltung  des  Oberkörpers 
gerade  wie  in  dem  von  Robert  beschriebenen  und  abgebil- 
deten Falle  (s.  diese  Monatsschrift  V,  2.),  indem  das  Rück- 
1,'ral  eine  starke  Lordose  zeigt,  welche  vom  fnnflen  Brust- 
wirbel bis  an  die  Kreuzbeinbasis  sich  erstreckt  und  unten 
t;erade  irber  der  letzteren  am  stärksten  ist;  die  Sehne  dieses. 
Bogens  beträgt  29  Cent.,  die  perpendiculäre  Entfernung  der 
stärksten  Veitiefung  von  jener  6  CenL  Die  einzelnen  Dom- 
l'ortsätze  dieser  Part  hie  des  Röckgrats  sind,  theil  weise  in  Folge 
ilex  starken  Entwicklung  der  Weichthede,  nur  undeutlich  und 
^'anz  unten  g^r  nicht  mehr  zu  unterscheiden,  so  dass  Ober 
ihre  Zahl  und  Beschaffenheit  nichts  bestimmtes  ausgesagt  wer- 
ilen  kann;  dagegen  macht  sich  an  der  Basis  des  Kreuzbeins 
iiin  starker  Dornfortsatz  bemerkfich,  welcher  vielleicht  der 
sitzengebliebene  Dom  des  letzten  Lendenwirltels  ist,  wie  in 
«lern  Falte  von  Breslau  (s.  Monatsschr.  XVIFF,  6.).  Die  Ent- 
fernung dieses  Punktes  von  dem  Anus  beträgt,  mit  dem  Baml 
gemessen,  18  Cent.  An  der  Haut  der  Kreuzgegend  ist  nichts 
von  einer  Narbe,  Einziehung  oder  dergleichen  zu  bemerken. 
Die  Biegung  des  Kreuzbeins  erscheint  normal,  ebenso  die 
Stellung  der  äusseren  Genitalien,  dagegen  nähert  sich  die 
Richtung  der  Symphyse  mehr  als  gewöhnlich  der  Vertical- 
tisie,  so  dass  die  Neigung  des  Beckens  also  etwas  vermnidert 
erscheint. 

Die  ätisseren  Maasse  des  Beckens  sind  folgende:    Spin, 
il.  24,5;  Crist.  il.  27,5;  Trochant.  30;  Peripherie  93;  Conjug. 


g«Ft»ger  Gnui  von  B«tikeiie<i^,  fciln»4l.  KinleiNisg^  etc.     4g9 


Rauflei.  18—20  Cent.,  jß  nach  cleii  liiiiteren  Endpnnkton, 
nämlich  von  d»ni  oben  erwähoieo  Doriit'orlsalze  aus  20,  von 
der  liefslen  Stelle  der  Lordose  au^  18,  und  von  einem  Funkle 
zwischen  diesen  beiden,  etwa  3  GenL  unterlialb  einer  beide 
Uöflbeinkämme  verbindenden  Linie  18,&  Ceat. 

Der  Baucli  ist  selir  stark  uberbangeod,  die  Bauchdeckeii  diino, 
nut  vielen  alten  Striae  vergehen,  der  Nabel  versirieben  itnd 
etwas  hervorgctriebeu ,  nimmt  die  tiefste  Stelle  des  Bauches 
ein ,  die  sich  10  Cent,  unter  dem  obermi  Rande  der  Symphyse 
(bei  aufi^ecbter  Stellung)  befindet  Die  Maasse  des  fiaudif» 
sind  folgende:  Umfong  100,  Symphyse  —  Nabel  13;  Sym- 
physe —  Uterusgruod  33,  Symphyse  —  Proc.  xipboid.  45  Cent, 
(mit  dem  Band  gemessen). 

Bei  der  inneren  Untersuchung  stösst  der  fmgeir  in  der 
Gegend,  wo  das  Prowon toriuni  sein  sollte,  auf  eine  von  oben 
nach  unten  uml  von  rechts  nach  links  convexe  KnoehenflMie, 
deren  näcbstgelegener  Punkt  vom  unteren  Rande  der  Sym- 
pbyse  11  CenL  Entfernt  ist,  und  die  nach  abwärts,  durch  ihr 
Zurückweichen  nach  hinten,  dem  Finger  allroälig  entgeht^ 
Der  untere,  leicht  erreichbare  Theil  des  Kreuissteissbeins  zeigt 
eine  von  jenen  Knochen  ganz  abweichende  Richtung,  indem 
er  einen  Winkel  von  circa  100^^  mit  demselben  bildet.  Bei 
starkem  Empordrängan  des  Fingers  konnte  auch  die  Spitze 
dieses  Winkels  erreicht  werdeji,  und  es  fand  sicli  hierbei, 
dass  beide  Knochen  nicht  einfach  aneinander  stiessen ,  son- 
dern dass  der  obere  den  unteren  wie  ein  vorspringendes 
Dach  überragte,  so  dass  man  die  Fingerfl|)ilze  mehrere  Linien 
lief  unter  denselben  hinabschieben  konnte. 

Weiter  fohlte  man  hoch  obei^  an  der  hinteren  Becken- 
wand ein  kleinfmgerdickes,  der  Radialis  isochron  pulsirendes 
Gelass  von  links  oben  nach  rechts  unten  vorbeiziehen,  das 
für  nichts  anderes  als  die  rechte  Uiaca  comni.  angesprocheti 
werden  konnte;  die  liulie,  mehf  vertical  verlaufende,  war 
schwieriger  zu  erreichen,  einmal  aber  glaubte  ich  sogar  die 
Theilungsstelle  der  Aorta  selbst  gefitfilt  zu  haben.  Es  ist 
dieser  Erfund,  wie  ich  schon  Eingangs  bemerkte,  derjenige, 
der  als  beiweitetn  auSalligsti^r  hauptsächlich  und  in  erster 
Linie  zur  Stellung  der  richtigen  Diagnose  leitend  und  mass- 
gebend war,,  die  allen  angefahrten  Merkmalen  nach  uicht  an- 


470     XXXIII.  HaHm«ftn,  Neuer  Fall  von  8potid3rh>li«ihe«ia; 


rfers  (aiif^n^ konnte,  als:  Durcfi  Spondylolisliies  is  ver- 
engles  Beck«n,  mit  einer  stellvertretenden  Con- 
jugata  von  9 — 9,5  GctiI. 

Die  Vagiualportfou  steht  sehr  hoch  und  hinten,  ist  nocli 
ziemlich  lang,  d^r  nntere  Theil  des  Cervicalcanals  geöffnet, 
der  innere  Moitermund  noch  geschlossen ,  der  f  ornix  leer. 
Die  äussere  Untersucliimg  ergab:  SchieOage  des  Kindes  mit 
dem  Kopfe  nach  rechts  unten,  Röcken  vorn ,  Herztöne  links 
von  der  Mittellinie  und  eine  ziemlich  beträchtliche  Menge 
Fruchtwasser. 

Therapie:  Trotz  des  geringen  Grades  der  Beckenenge 
und  trotz  der  natörlicli  ahgelHuFenen  ersten  Gehurt  (über  die 
ja,  wie  schon  in  der  Ananmese  erwähnt,  etwas  genaueres 
nicht  hatte  ei*uii*t  werden  können),  wikr  es  klar,  dass  die  Ge- 
burt eines  vollkommen  ausgetragenen  und  kräftig  entwickelten 
Kindes  mit  bedenklicher  Gefährdung  für  dieses  selbst  und 
für  die  Nutter  verbunden  sein  würde,  woraus  sich  die  even- 
tuelle Nothwendigkeit  einer  künstlichen,  frühzeitigen  Unter- 
brechung der  Schwangerschaft  von  selbst  ergab.  Nun  waren 
aller  die  Angaben  der  Mutter  in  Betreff  der  Schwangerschafts- 
seit  ganz  widersprechende:  nach  dem  Ausbleiben  der  Menses 
berechnet,  wäre  die  Geburt  Anfangs  April,  nach  dem  Auftre- 
ten der  ersten  Kindsbewegungen  ab«fr  schon  Anfangs  März 
zu  erwarten  gewesen;  der  objective  Befund  ergab  natürlich 
bei  dem  starken  Hängebauche  auch  keine  bestimmten  An- 
haltspunkle,  doch  konnte  mit  Sicherheil  so  viel  behauptet 
werden ,  dass  das  Kind  jetzt  (Ende  Februar)  noch  klein  sei 
und  somit,  wenn  die  Schwtfngerschaft  wirklich  schon  Anfangs 
März  ihr  Ende  erreichen  mürde,  der  Geburt  ein  wesentliches 
Hinderniss  nicht  entgegensetzen  werde,  uud  es  wurde  äomit 
beschlossen:  die  erste  Woche  des  März  vorbeigeben  zu  las- 
sen, dann  aber  die  Gebart,  wenn  sie  bis  dahin  nicht  von 
selbst  eingetreten  sem  würde,  künstlich  einzuleiten. 

Nebenbei  kann  ich  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass 
Herr  Prof.  Br&it  von  Tübingen,  der  einer  an  ihn  ergangenen 
Einladung  zur  Untersuchung  dieses  seltenen  Falles  bereitwil- 
ligst Folge  geleistet  hatte,  sowohl  mit  der  Diagnose  als  d^m 
besoblo&senen  Verfahren  vollkommen  übereinstimmte. 

Geburtsverlauf:    Nachdem    man   während   der   oben' 


geringer  Grad  ron  Bcckenenge ;  künstl.  Einleitang  etc.     47 1 


bezeichneten  Frist  auf  den  spontanen  Eintritt  von  Wehen  ver- 
gebens gewartet  und  eine  am  8.  März  vorgenommene  Unter- 
suchung ergeben  hatte,  dass  der  Umfang  des  Leibes  um  4, 
die  Höbe  des  Uterus  um  2  Gent,  zugenommen  habe,  während 
6er  übrige  Befund  noch  der  gleiche  war,  wurde  nun  zum 
künstlichen  Eingriff  geschritten:  die  Schwangere  erhielt  nun 
am  9.,  11.  und  13.  MSrz  je  ein  wannes  Vollbad,  die  beiden 
letzten  Male  mit  Vaginaldouche  in  demselben,  und  am  13.  Abends 
5  Vhr  wm'de  (nach  der  ursprünglichen  CoA^n'schen  Method«^) 
eine  Injection  in  den  inneren  Mutlermund  gemacht,  die  aber 
grösstentheils  wieder  ablief,  und  gleich  danach  der  Colpeu- 
rynter  eingelegt,  worauf  sich  in  ganz  kurzer  Zeit  deutliche 
Contractionen  des  Uterus  einstellten.  Abends  10  Uhr  wurde 
der  Colpeurynter,  da  er  der  Kreissenden  ein  sehr  lästiges 
Spannen  verursachte,  entfernt  und  dieselbe  schlief  in  der 
Nacht  mehrere  Stunden  ordentlich,  trotz  fortdauernder  Wehen, 
welche  letztere  früh  Morgens  (14.  März)  ohne  neuen  Eingrifl 
stärker  und  häuüger,  und  von  Vormittags  9  Uhr  an  ganz 
regelmässig  und  recht  kräftig  wurden,  so  dass  Mittags  I2V4  Uhr 
der  Mutlennund  vollkommen  olfen  war  und  die  Blase  anfing 
in  die  Vagina  herabgetrieben  zu  werden.  Jetzt  war  auch  zum 
ersten  Male  der  Schädel  des  Kindes  vorliegend  zu  finden, 
und  es  war  diese  Rectification  der  Kindslage  allein  durch 
die  Thätigkeit  des  Uterus,  unterstützt  durch  Rückenlage  mit 
erhöhter  Kreuzgegend  zu  Stande  gekommen. 

Kurz  vor  1  Uhr  Nachmittags  wurde  die  klare,  nur  mit 
Fruchtwasser  gefüllte  Blase  ilber  kindskopfgross  vor  die 
Vulva  herausgetrieben;  die  nächste  Wehe  brachte  den  Kopf 
des  Kindes  zum  Vorschein,  und  trieb  ihn  allmälig  in 
die  Blase  hinein,  so  dass  ihm  schliesslich  die 
Eihäute  ganz  fest  anlagen,  während  das  Wasser, 
das  vorher  die  Blase  gefüllt  hatte,  neben  demsel- 
ben zurückwich.  Im  nächsten  Augenblick  drehte  sich  der 
bereits  ruUkommen  geborene  Kopf  mit  dem  Gesicht  nach  dem 
rechten  Schenkel  der  Mutter,  und  der  Mund  des  Kindes 
machte  deutliche  Bewegimgen,  weshalb  die  Eihäute  jetzt 
künstlich  zerrissen  wurden.  Die  gleich  folgende  Wehe  brachte 
den  übrigen  Körper  des  sogleich  lautaufschreienden  Kindes 
und    eine    beträchtliche    Menge    Fruchtwasser   zu    Tage;    die 


472     XXXXII.  HaHmann,  Neaer  Fftll  TOfi  Spoia«ljrlo^tUiMis ; 

56  Cent  bnge  Nabelschnur  war  di^m^lben  um  die  recble 
Sdiulter  und  zweimal  um  den  recltien  Fus6  lucker  liermu- 
geschluDgen;  10  Miuulen  darauf  wurde  auch  die  Nachgehurt, 
durch  äusseren  Druck  uulerstüUt,  aus  den  Genitalien  au:»- 
gestossen. 

Durch  eine  sofort  mit  der  ganzen  Hand  vorgeaoinroeae 
innere  Exploration  wurde  constatirt,  dass  die  gefühlte  likiCere 
Beckenwand  wirklich  die  ins  kleine  Becken  herabgesunkene 
Lenden  Wirbelsaule  ist;  es  konnten  deutlich  die  Intervertebral- 
sdieiben  zwischen  den  einzelnen  Wirbeln  gefüldt  werden ;  das 
stellvertretende  Proroonloriuni  wird  von  der  unteren  Parthie 
des  zweitletzten  Wirbels  gebildet  und  die  bezügliche  Pseudo- 
diagonalconjugata  wurde  wieder  zu  11  Cent  gefunden.  Die 
beiden  lliacae  und  das  Endstück  der  Aorta  konpien  gaAZ 
deutlich  verfolgt  werden,  und  zwar  befindet  sich  die  Thei- 
lungsstelle  an  dem  oberen  Rande  des  zweitletzten  Wirbels. 
Der  Vorspruiig  der  Lendenwirbel  über  das  Kreuzbein  ist 
nicht  bedeutend  und  verliert  sich  nach  beiden  Seilen  gegen 
den  Raqd  des  Wirbelkörpers  bin  allmählig;  der  ganze  Vor- 
sprung zeigt  einen  ziemlich  scharfen,  nach  unten  convexen 
Rand,  so  dass  er  in  der  Mitte  weiter  herunterhängt  als  zu 
beiden  Seiten.  Die  Höhe  des  letzten  Lendenwirbels  erscheint 
merklich  kleiner  als  die  des  zweitletzten ;  die  Entfernung  des 
Gliltwinkels  vom  unteren  Rande  der  Symphyse  beträgt  13  Cent. 
Die  seitlichen  Tlieile  der  Lendenwirbel,  ebenso  die  hintersten 
Parthien  der  Linea  innominata  und  die  Flügel  des  Kreuz- 
beins  können,  wie  es  scheint,  wegen  starker  Entwickelung 
des  lliopsoas,  nicht  ordentlich  durchgefühlt  werden« 

Das  Wochenbett  vei'lief  ganz  normal :  das  Kind,  weib- 
lichen Geschlechts  (5Va  Pfund  schwer,  45  Cent,  laug,  Kopf- 
umfang 33,3  Cent)  hatte  namentlich  an  seinem  Hautsystenie 
deutliche  Zeichen  der  Unreife,  gedieh  aber  an  de4*  Mutterbrusl 
vortreHlich,  so  dass  es  l>ei  der  Entlassung  am  18.  Tage  um 
74  Pfund  an  Gewicht  und  um  4  Cent  an  Länge  zugenom- 
men hatte. 


In  die  immer  noch  dunkle  Genese  der  Spondylolisthesis 
wirft  dieser  Fall  allerdings  kein  bedeutendes  Liebt,    und  ich 


XXXiy.    Notiseu  aan  dor  Joiirynl- Litocniur. 


473 


unifBrlasse  es  9iicli,  darauf  bezugliche  Bemerkimgen  zu  machiMi, 
Ab  bei  dw  mangelhafleii  Keniitniss,  von  dem  die  Anomalie 
verursacht  habenden  Vorgange  und  hei  dem  Fehlen  einer 
pathologisch  -  anatomischen  Untersuchung  doch  nur  [lypolhe- 
üsches  darüber  vorgebracht  werden  könnte. 

Da^  kürzlich  von  Olshausen  (L  c.)  aufgestellte  a|iho- 
ristisclie  Resam^  über  die  Spondylolisthesis  erieidet  durch 
diesen  neuen  Fall  einige,  nicht  ganz  unwesentliche,  Modi> 
ficationen. 


XXXIV. 
Notdaeu  aus  der  Jonmal»  Literatur. 


Inglis:  lieber  die  Vorlheile  eines  ausgedehnteren 
Gebrauches  der  Wendung  in  Fällen  von  Miss- 
verhallnissen. 

Ans  seinem  früheren  AufsRtxe  über  die  ausgedehntere  Ans- 
fuhrnng  der  Wendung  «ur  Verminderung  der  Fülle  von  Cranio- 
tomie  recapitulirt  Verf.  den  Sats,  dass  er  bei  allen  Kopflagen, 
wo  die  Zange  nicht  passend  erschienen  w:ire,  durch  die  Wen- 
dung sum  Ziele  gelangt  sei,  wenn  nicht  das  MissvcrbUltniss  swi- 
schen  kindlichem  Kopf  und  mütterlichem  Recken  ein  xu  grosses 
ist.  Die  Vortheile  einer  solchen  Anwendung  der  letzteren  sind 
folgende : 

1)  Man  kann  sicli  nur  bei  der  Wendung  eine  genane  Kennt- 
niss  der  relativen  Gxösse  des  Kindes  und  der  Geburtswege  ver- 
schaffen und  sich  dadurch  die  Ausflucht  nehmen,  diese  wichtige 
Operation  unnothiger  Weise  ausgeführt  su  haben,  was  ander- 
weitig ans  Unkenntniss   dieses  Verhältnisses   geschehen  ist. 

2)  In  Fällen,  wo  man  die  Craniotomie  phne  Wendung  für 
erforderlich  hltlt,  gelingt  oft  die  Heendigung  der  Entbindung 
durch  Anlegung  der  Zange  an  den  nachfolgenden  Kopf  mit  bes- 
serem Resultate  für  die  Mutter  und  häufig  oho«  Nachtheil  für 
das  Kind. 

3)  Wogegen  in  den  Fällen,  wo  die  Wendung  uns  nicht  in 
den  Stand  setst,  die  Craniotomie  sn  vermeiden,  seheint  letstere 
nach  vorhergegangener  Wendung  leichter  ausführbar  %n  sein, 
ohne  die  Gefahr  nach  irgend  einer  Seite  hin  su  vergröasern. 
Auf  der  andern  ist  selbst  bei  massiger  Beckenenge  die  Cranio- 
tomie oft  mit  grossen  Schwierigkeiten  verknüpft. 


474 


XXXIV.    Nottsen  aas  der  Journal -Literatur. 


Ans  alle  dem  feigen  der  Verf.,  dasli,  anstatt  die  Gefiahr  der 
CraniotoDiie  su  Terineliren,  die  Wendnng  sie  veroiindert,  da  «e 
uns  in  den  Stand  seist,  die  Zertrünimerung  des  Torangebenden 
Kopfes  sn  verlassen,  durch  welche  leichter  Schaden  sagefiigt  wird, 
als  durch  die  Wendung. 

Verf.  wendete  oft  bei  fehlerhafter  Kinstellnng  der  Frucht 
und  fand,  dass,  wenn  das  Becken  normal  wer,  die  Matter  sich 
besser  erholte,  als  naoh  einer  gewöhnlichen  If^ntbindang,  wenn 
aber  das  Becken  massig  verengt  war,  waren  die  Resultate  durch- 
aus gut.  Ausser  der  Gefshr  der  Erschöpfung  u.  s.  w.  ist  auch 
in  der  Ausföhrung  der  Craniotomie  bei  Kopflage  einige  Gefahr 
vpr  Uterusraptur  vor  der  Entbindung  während  der  Operation 
wohl  in  Frage  su  sieben.  Die  Wendnng  wird  in  solchen  FSllen 
bestimmt  vollendet  sein,  ehe  die  Geburtsthätigkeit  so  weit  vor- 
geschritten ist,  dsss  eine  Uternsrnptnr  wahrscheinlich' werden 
könnte,  und  nach  der  Extraotion  des  Rumpfes  ist  keine  Gefahr 
für  die  des  Kopfes  verhanden.  Deshalb  empfiehlt  Verf.  eifrig 
die  Wendung  in  allen  Fftllen  von  MissverhKltnissen  an  versuchen, 
wenn  dieses  sn  gross  ist,  als  dass  es  die  Entbindung  mit  der 
Zange  gestattete,  ausser  wenn  die  Nothwendigkeit  der  Sectio 
caesarea  deutlich  indicirt  ist.  Mit  voller  Sicherheit  kann  man 
dann  annehmen,  dass  die  weiter  erforderlichen  Operationen  durch 
die  Wendung  und  Kxtraction  des  Rumpfes  nur  erleichtert  -  wer- 
den; aber  nicht  dies  allein,  sondern  auch,  dass  der  Kopf  selbst 
nach  der  Wendung  leichter  extrahirt  werden  kann;  Verf.  rechnet 
auf  den  Vortheil  der  Lageverbesserung  in  Verbindung  mit  der 
erhöhten  Gewalt  der  Adaptation  in  dieser  Lage,  so  dass  man 
eher  noch  lebende  Kinder  in  diesen  FKlIen  su  extrahiren  hoffen 
konnte.  Ist  aber  schliesslich  Craniotomie  nöthig,  so  ist  trots 
den  Verbesserungen  der  Kopfanbohrung  die  Ausführung  der  Wen- 
dung fortwährend  als  Vorbereitung  dasn  eine  grosse  Hülfe  und  ihre 
Vorthcilc  müssen  uns  daher  stets  von  der  äussersten  Wichtigkeit 
in  allen  Fällen  von  Craniotomie  sein. 

(Edinburgh  Medical  Journal:  No.  CXIV.  December  1864.) 


V,  Scanzoni:  Ueber  die  Beziehung  der  beidersei- 
tigen ErkraukuDg  der  Eierstöcke  zur- Ovario- 
tomie-Frage. 

Da  Erkrankungen  beider  Ovarien  keineswegs  sn  den  Selten- 
heiten gehören,  und  sich  entweder  gleichzeitig  oder  snccessiv 
solche  ausbilden  können,  so  hält  es  Verf.  für  sehr  wichtig,  über 
die  Schicksale  der  ein  Mal  Operirten  nachzuforschen,  besonders 
mit  der  Absicht,  sich  ein  ürtheil  darüber  zu  bilden,  welchen  Einflnss 
die  vorgenommene  Ovariotomie,  falls  sie  glücklich  überstanden 
wurde,  auf  die  Thätigkeit  des  anderen  Ovarlnm  ausübe.   Veranlas- 


XX XIV.    N»lis«n  II Vi  der  Joornaf  LittraCur.  476 

SQBg  feu  dieser  Unterenebttog  wurde  ein  FaH  von  Oviirioteiinie,  dch 
Kiwiick  Bwar  mit  Olüek  ausführte,  dem  aber  nach  18  Moftaten 
ecbon  ein  Tnnior  de«  anderen  Ovarinm  nachfolgte,  an  dessen 
Folgen  die  Kranke  14  Jahre  nach  der  Operation  der  ersten 
Oyariengfeschwnlst  starb.  Aas  DuioiVn  Tabelle  über  324  glücklich 
endende  Totalexstirpationen  kranker  Ovarien  kann  Verf.  nur  in 
84  FAHen  etwas  über  das  spUtere  Sobicksal  der  Gebeilten  erfah- 
ren; in  diesen  allerdings  erfolgte  (ausser  in  KiwUcICb  FalU) 
binnen  der  ersten  awei  Jahre  naeh  der  Operation  kein  Rezidiv; 
viele  Frauen  gebaren  spXter  wiederholt  regelmüssig.  Verf.  ent- 
wirf! sodann  über  die  Befunde  bei  99  Fällen  von  Ovarientumören, 
die  während  der  letaten  14  Jabre  in  der  Würsburger  Klinik  aur 
Section  gekommen  waren,  Tabellen,  um  dar»utbun,  ob  von  den 
vorgefnndenen  Erkrankungen  beide  oder  nur  eines  dieser  Organe 
berührt  wurde.  Das  Ergebniss  ist,  dass  48  Mal  nur  ein,  61  Mal 
abor  beide  Ovarien  erkrankt  waren;  und  dieses  ist  es,  worauf 
Verf.  besonders  hinweisen  will,  dass  nämlich  die  Mögliohkeit 
eines  Beoidtvs  naeh  ^lüoklich  überstandener  Ovariotomie  viel 
näher  liegt,  als  gew&hnlich  angenommen  wird,  da  eben  in  mehr 
als  der  Hälfte  der  Fälle  beide  Ovarien  gleichseitig  oder  nach 
einander  erkranken.  Aus  denselben  Tabellen  geht  aber  hervor, 
dass  b«i  62  Kranken,  deren  Alter  unter  60  Jahren  stand,  ai  bei- 
derseitige und  21  einseitige,  dagegen  bei  44  Kranken  über  60 
Jahren  17  beiderseitige  und  27  einseitige  Erkrankuagen  statt 
hatten.  Es  liegt  daher  die  Gefahr  eines  Recidivs  bei  Franen  in 
in  der  seugongsfähigen  Periode  viel  näher  als  nach  der  Menopause. 
Verf.  wundert  sich,  dass  bei  dem  bänfigen  Vorkommen  der  bei- 
derseitigen Erkrankungen  unter  Dutoit^s  324  Fällen  nur  25  sind, 
in  denen  beide  Ovarien  exstirpirt  wurden  (11  glückliche  Fälle), 
welche  Operation  allerdings  in  geraUesu  nmgekehrtem  progno- 
stischem Verhältnisse  zur  Exstirpation  Eines  Ovarium  steht»  da 
von  26  Operirten  14  starben. 

Schliesslich  weist  Verf.  nochmals  darauf  hin,  nicht  der  Aus- 
breitung der  Operation  hinderlich  in  den  Weg  treten  au  wollen, 
sondern  es  läge  nur  in  seiner  Absicht,  die  Operateure,  beson- 
ders die  englischen,  au  veranlassen,  weitere  Berichte  über  die 
späteren  Schicksale  ih^er  Operirten  so  veröffentlichen. 

(Würzburger  Medizinische  Zeitschrift.     Sechster  Band; 
I.  u.  II.  Heft.     1865.) 


Dunean:    lieber   das  Gewicht  und  die  Grösse  des 
neugeborenen  Kindes  im  Vergleiche    zUin   Aller 
der  Mutter. 
Während   Verf.   bei    UntersQchungen    über   den    Eiuflnss   des 

mitterlichen   Alters  auf  deren  Fruchtbarkeit  auf  den  Gedanken 


476  XXXIV.    Nottien  au«  der  Jouraitl-LiierAtiar. 

kam,  die  Lungen-  and  GewielitsYerhaltnUffe  der  aaegvUegenen 
Kinder  yon  Frauen  verschiedenen  Alters  su  veri^ieicben,  benutxle 
er  die  von  2070  Schwangeren  geborenen  2087  Kinder  su  seinen 
Beobacbtnngen. 

In  dem  ersten  Theile  derselben  bestHligt  er  HeiAer'M  ans 
1096  Fällen  genommene  Ansicht,  dass  die  erstgeborenen  Kin- 
der denen  von  Mehrgeb&renden  an  Gewicht  nachstehen,  aus 
206S  Wnj^ngen  (1011  Kinder  von  Krstgeboronen  wogen  durch- 
scbntttHch  7,170  Pfnnd;  1042  K.  Ton  Mehrgeb.  7,277  Pfnnd).  Den 
Schlnss  aber,  welchen  Hecker  ans  dieser  Thatsaehe  sieht,  dass 
nümllch  die  Erstgeburt  als  solche  die  Ursache  davon  sei,  lehnt 
Verf.  ab,  wogegen  er  in  dem  Alter  der  Matter  aar  Zeit  der  be- 
treffenden Geburt  diesen  Umstand  begründet  findet.  Als  Beweis, 
dass  die  Erstgeburt  diesen  Einfluss  nicht  ausüben  kann,  dienen 
ihm  folgende  8iitse:  1)  das  Gewicht  erstgeborener  Kinder  ist 
nicht  stets  gleich,  sondern  ändert  sich  gemäss  dem  Gesetae  vom 
Alter  der  Matter.  Nach  demselben  Gesetae  ändert  sieh  2)  das 
Gewicht  von  Kindern  aller  Matter,  sowohl  Erst-  als  Mehrgebären- 
der. 3)  Die  beigefflgten  statistischen  Tabellen  über  mittlere  Ge- 
wichtsverhältnisse der  Kinder  der  ersten  und  folgenden  Schwan- 
gerschnften  seigen  wedor  ein  Steigen  noch  ein  Fallen  gemSas 
der  Zahl  der  Schwsngerschaft.  Es  sind  die  erstgeborenen  Kin* 
der  swar  meist  die  leichtesten,  aber  dies  ist  im  Alter  der  Matter 
begründet,  da  die  meisten  Erstlinge  von  jungen  Frauen  geboren 
werden. 

Kach  der  hier  einschlagenden  Tabelle  nimmt  während  der 
ersten  drei  Schwangerschaften  xwischon  dem  23*/4.  ii.  27%.  Le- 
bensjahre der  Frauen  das  Gewicht  des  Kindes  von  7  Pfnnd 
3,16  Unzen  auf  7  Pfund  5,597  Unsen  su,  fällt  bei  der  vierten 
Schwangerschaft  bei  einem  Alter  von  30,32  Jahr  (?)  auf  7  Pfund 
8,04  Unsen,  um  sich  bei  der  fQnften  im  80,424.  Jahre  bedeutend 
SU  heben,  und  swar  auf  7  Pfund  7,22  Unsen;  hierauf  ftllt  es  all- 
mählig  langsam  bis  zu  7  Pfnnd  4,991  Unzen  Im  35,56  Jahre. 

Die  sweite  Rubrik-  der  Abhandlung  berücksichtigt  die  Ver- 
schiedenheit de«  Gewichtes  der  neugeborenen  Kinder  gemäss  dem 
Alter  der  Mutter.  Wie  die  Fruchtbarkeit  bis  um  das  25.  Jahr 
zunimmt,  so  werden  auch  die  grÖSften  Kinder  zwischen  dem  25. 
und  29.  Jahre  der  Mutter  geboren;  nach  dieser  Zeit  Qkllt,  aller- 
dings sehr  langsam  die  Gewichtsznhl,  aber  ebenso  huch  vorher, 
so  dass  sich  die  mittleren  Gowichtsverhältnisse  der  während  des 
15.  bis  19.  Jahres,  und  der  zwischen  dem  45.  bis  49.  Jahre  der 
Mutter  geborenen  Kinder  ziemlich  gleichen  (6  Pfund  15,74  Unzen 
bis  6  Pfnnd  14,66  Unzen).  In  den  letzteren  Jahren  (45—49) 
nimmt  natürlich  die  Fruchtbarkeit  rapid  ab  (drei  Fälle),  während 
zwischen  dem  40.  bis  44.  Jahre  noch  38  Fälle  vorkamen. 

Pa  lipoker  über  den  EtnOuss  der  Erstgeburt  auf  die  Länge 


XXXIY.    Nötisen  atiü  der  JoimiAl- Literatur.  477 

der  neugeborenen  Kinder  Beobaehtangen  nicht  HBgeelellt  hat,  ao 
fiigt  sie  Verf.  nach  eig^enen  Mesunngen  an  2068  Kindern  bei; 
1011  ron  diesen  waren  Erstgeborene;  ihre  mittlere  Lunge  betmg 
19,918  Zoll;  bei  1042  Kindern  von  Mehrgebäreoden  19^202  Zoll. 
Die  beigefBgte  Tabelle  seigt  bei  gleiehem  Alter  ein  SlIiDliebes  Stei* 
gen  und  Fallen,  wie  in  den  OewichtsverhUltnisKen  der  Kinder  in 
den  verschiedenen  Schwangerschaften;  von  der  ersten  bis  siir 
dritten  nimmt  die  LKnge  sn  (19,197  bis  19,804  Zoll),  fKlIt  bei  der 
vierten  Schwangerschaft  anf  18,969,  nm  sich  bei  der  fünften  wie- 
der Sil  heben  (19,278)  nud  dann  allmäiig  an  fallen.  Aber  auch 
hier  ist  diese  Verschiedenheit  abhftngig  vom  Alter  der  Mntter. 
Verf.  giebt  an,  dass  anch  die  grössten  LKngenverhHltnisse  (19,866) 
swiscben  das  25.  nnd  29.  Lebensjahr  der  Mntter  fallen,  vorher  aber 
langsamer  ansteigen,  als  sie  nachher  fallen,  so  dass  hier  die  Zeit 
•wischen  dem  15.  bis  19.  Jahre  (mit  19,007  durchschnittliche  Likn- 
gensahl)  nicht  der  awischen  dem  46.  bis  49.  (mit  18,166  Zoll) 
gleteht. 

In  den  awei  Schlnsstabellen  vergleicht  Verf.  sowohl  die 
Gewichts-  als  LRngenverhllltnisse  nicht  allein  mit  dem  Alter  der 
Mntter,  sondern  auch  mit  der  jedesmaligen  Schwangerschaftssahl. 
Bfn  im  50.  Lebensjahre  der  Mntter  geborenes  Kind  wog  6,8  Pfd. 
and  war  21,00  Zoll  lang.  Die  grössten  GewlebU-  nnd  Lungen- 
Mihlen  fallen  anf  die  dritte  Schwangerschaft,  wenn  sie  awischen 
dem  16.  bis  19.  Jahre  erfolgt  war,  nämlich  11,5  Pfnnd  mit  22,6 
Zoll  LXnge. 

(Kdinhnrgh  Medical  Journal  No.  CXIV.  Deeber.  1864.) 


Ikatoitz:  Beinerkpiiswerther  Fall  von  Exstirpalion 
einer  zusammengesetzten  Cyste  (GysloiJ)  des  lin- 
ken Eierstocks. 

Das  29  jährige  Fräulein  H,  K.  litt  schon  seit  ihrem  17.  Le- 
bensjahre an  dysmenorrboiscben  Beachwerden,  die  sich  bis  auni 
21.  sehr  vermehrten,,  an  welcher  Zeit  eine  Geschwulst  in  der' 
linken  Seite  anftrat,  die  sich  bis  ins  28.  Jahr  auffallend  vergrös- 
serte.  Damals  war  man  in  Betreif  der  Diagnose  schwankend 
»wischen  EztrauteringraviditXt  nnd  Hydrovariuni ;  doch  nicht 
Jange;  man  entschied  sich  bald  für  ietateree.  Unter  verschie- 
dener Behandlung,  besonders  mit  Jodkalium  und  dem  Gebrauch 
von  Kreuznacher  Wasser  neben  Jodbäderu  trat  eine  seitweilige 
Besserung  ein,  die  aber  (im  27.  .fahre)  durch  drei  rasch  verlau- 
fende, aber  siemlich  heftige  Peritonitiden  aufgehoben  wurde. 
Von  jetst  ab  nahm  die  Geschwulst  fortwährend  ;bu,  so  dass  noch 
in  demselben  Jahre  der  Umfang  des  Leibes  62"  betrug,  das  All- 
gemeinbefinden sich  mehr  und  mehr  verschlechterte.  Daher  wurde 
jetit    die    erste    Puuction    vorgenommen;    sie    lieferte  58  Pfund 


478  XXXI V.    NoUmii  «q8  der  Jonrnal-Literatar. 

dieker,  seröser,  ehoeoladenfarbigrer  Pläesigkeit.  Kaeh  dreitftgigem 
heftigem  Fieber  begann  sich  die  Cyste  bald  wieder  sn  füllen, 
und  sie  nalim  binnen  13  Monaten  grössere  Dimensionen  ein  als 
vor  der  ersten  Pnnction.  Im  April  ihres  29.  Jahres  wurde  die 
»weite  Punotion  mit  48  Pfund,  am  10.  Jnni  desselben  Jahrea 
(1864)  die  dritte^  mit  46  Pfund  entleerter  Flüssigkeit  ausgeführt. 
Nach  vielen  genauen  Untersuchungen  wird  am  27.  Juni  aur  Ra- 
dical Operation  geschritten.  Der  bis  swei  Zoll  vor  die  Symphyse 
herabgehende,  anfangs  3"  lange,  später  auf  4Vs  2oll  erweiterte 
Einschnitt  Hess  sofort  den  weisslichen  Sack  der  Cyste  sehen; 
bei  der  Punction  floss  Nichts  ans,  weshalb  in  die  Cystenwand 
eine  Incision  von  2"  Länge  gemacht  wurde.  Ks  floss  eine  sehr 
dicke,  mit  vielen  Fibringerinnseln  gemischte  Flüssigkeit  aus  (ca. 
10  Pfund).  Auf  dem  Boden  der  Cyste  erblickte  pian  noch  swei 
Cysten,  jede  von  der  Grösse  eines  Kopfes  eines  nengeboruen 
Kindes.  Sie  wurden  entleert  und  dann  sur  Formation  des  Stum- 
pfes nach  Extraction  der  Cyste  und  Loslösung  sahlseicher,  «her 
dUnner  und  nachgiebiger  Adhäsionen  vorgegangen.  Der  Stiel 
wurde  unterbunden  und  swar  mit  swei  Ligaturen  in  swei  Bün- 
deln, in  welchen  noch  einsein  sieben  Arterien  mit  fünf  Ligaturen 
unterbunden  wurden.  Sttmmtliche  Fftden  wurdon  sum  unteren 
Wundwihkel  herausgeleitet,  die  Beckenhöhle  gereinigt,  und  die 
Wundrftnder  durch  acht  Karlsbader  Nadeln,  die  durch  die  ganse 
Dicke  bis  durchs  Peritonaenm  hindurch  geführt  wurden,  vereinigt. 
Die  Operation  dauerte  50  Minuten  und  wurde  in  vollster  Chloroform- 
narkose  ausgeführt.  Nach  der  Operation  stellte  sich  Urinver- 
haltung ein ;  am  fünften  Tage  ein  Frost  ohne  Fieber,  ohne  Leib- 
schmersen,  Unterleib  ist  wenig  gespannt,  die  Eiterabsonderung 
reichlich.  Am  siebenten  Tage  willkührliches  Harnlassen,  aber 
unter  Schmerzen,  Am  14.  Tage  Ablösen  einer  Ligatur  einer 
Arterie  und  einer  des  Stieles.  Am  23.  Tage  dumpfe,  periodische 
Schmersen  im  Leibe  mit  Abgan«;  von  12  blutigen  Stöhlen  und 
unter  Fieber.  Dies  wurde  schnell  beseitigt  und  die  Heilung  nicht 
wieder  unterbrochen.  Vom  52.  Tage  nach  der  Operation  ab  be- 
gann Patientin  susnnehmen  und  befand  sich  gans  wohl. 

An  der  Innenfläche  der  sehr  verdickten  Cystenwand  fanden 
sich  sahireiche  junge  Cysten,  oft  mehrere  übereinander.  Alle 
Cysten  waren  mit  einer  hellen,  durchsichtig  serffsen  Flüssigkeit 
angefüllt.  Ausser  diesen  Cysten  waren  noch  feste  Geschwülste 
von  verschiedener  Grösse  auf  der  inneren  Oborfläcbe  serstreut. 
Der  Sack  ohne  Flüssigkeit  wog  vier  Pfund. 

(ArchiT  f&r  klinische  Chirurgie  von  Loa^en^seX:.  Band  VI. 
Heft  3.     1865.) 


XXXIV.    NotUen  aub  der  Jouniia^LiterftUr.  479 

K^Uh:  Ein  Fall  von  Ovariotomi«. 

Varf.  berichtet  seinen  21.  Oporatfonsfall.  Die  Oeschwulst  hin^ 
•ehr  innig  mit  dem  Uterns  sasammen,  nnd  es  handelte  sich  daher 
mniichst  dämm,  %xx  erforschen,  ob  die  Verbindnngsmasse  so  kurs 
sei,  dasa  sie  die  OTariotomie  nnthnnlich  oder  fast  tödlich  machte, 
oder  ob  hinreichender  Ranm  vorhanden  w&re  swisrhen  Uterns  und 
Geschwulst,  nm  die  Vollendnng  der  Operation  in  befriedigender  ' 
Weise  an  gestatten.  Nach  Spencer  WelW  Rathe  wurden  mit  den 
gewöhnlichen  Pansen  einige  Functionen  der  Cysten  ausgeführt^ 
worattf  durch  die  neue  Füllung  der  Cyste  sich  die  kurse  Verbin- 
dvngainasse  binnen  fünf  Monaten  betrfichtlich  Terliingerte.  Es 
betrug  nun  der  Umfang  des  Leibes  wieder  d9  Zoll;,  die  Geschwulst 
selbst  bestand  aus  drei  Cysten,  die  einer  halbfesten  Masse  auf- 
sassen;  ein  beträchtlicher  Theil  derselben  ragte  ins  kleine 
Be«ken;  frQher  war  der  Cerrlz  durch  die  kurse  Strangmasse  voll- 
stlndig  fixirt,  jetst  deutlloh  beweglich.  Nach  erneuter  Function 
füllte  sieh  die  Geschwulst  binnen  einer  Woche  atf  fast  dasselbe 
Volumen,  wie  vorher,  wieder  an,  und  es  ward  daher  die  Entfer- 
nung der  Cysten  vorgenommen.  Nach  Blosslegung  der  Oberfläche 
des  Tumor  fand  sich  der  Stiel  hinreichend- lang,  um  das  Ein- 
legen eines  Zeigefingers  unter  seinen  unteren  Kand  zu  gestatten. 
Mehrere  Cysten  wurden  punctirt,  sKmmtltche  Adhäsionen  an  der 
hinteren  Oberfläche  der  («eschwulst  am  Netae,  sowie  eine  feste 
naeh  unten  am  oberen  Theile  des  Colon  wurden  glücklich  ge- 
trennt; im  unteren  Drittel  war  der  dicke,  kurse  und  breite  Stiel 
einen  Zoll  lang,  oben  aber  fast  zwei  Zoll  lang;  er  wurde  durch 
die  Ligaturen  In  fünf  Theile  getheilt,  aber  die  Strangulation  war 
doch  so  nnvollstSttdig,  dass  eine  frische  Blutung  nach  dem  Ab- 
schneiden der  Basis  der  Geschwulst  eintrat.  Die  Operation  wurde 
in  der  gewöhnlichen  Weise  vollendet.  Der  Kranken,  welche  im 
34.  Jahre  ihres  Lebens  stand  und  schon  seit  mehr  als  swei  Jah- 
ren an  ihrer  Krankheit  litt,  wurde  nach  sechs  Wochen  im  Zim- 
mer umheraugeheu  gestattet. 

(Edinburgh  Medical  Journal  Nr.  CXIV.  December  1804.)' 


Dütmar:    Ein  Fall   von  Ovariotomie  aus   der  Poli- 
klinik von  Middeldorpf  \n  Breslau. 

Nachdem  die  27jHhrige  Patientin  seit  drei  Jahren  an  Stuhl- 
drang, Anschwellung  und  Schmershaftigkeit  des  linken  Hypo- 
chondrinm  mit  allmHlig  bed^tender  Zunahme  des  Leibesum- 
fanges, welcher  sur  Zeit  der  Operation  vier  Fuss  zwei  Zoll 
mass,  gelitten  hatte,  wurde  auf  ihren  eigenen  dringenden  Wunsch 
hin  die  Operation,  ohne  dass  eine  Function  vorher  irgend 
einmal  gemacht  worden  wKre,  am  20.  Juni  1864  ausgeführt.    Gin 


480  XXXIV.     Notitten  aas  der  Jonmiil-Literatar. 

4Vb"  langer  Einschnitt  in  der  Line«  alba  lieis  dnreb  den  ^^[^ 
langen  PeritonlkeaUchnitt  den  prall  gefüllten  Tnmor  sehen,  bei 
dessen  Entleernng  mittels  Troikart  keine  Spur  von  Flflseigkeit 
in  die  Bauchhöhle  drang.  Die  abgecapfte  Menge  betrug  6%  scble^ 
Hiscbe  Quart.  Nach  der  Excision  der  Geschwulst,  UnterbindoDg 
des  Stieles  mittels  doppelter  FadenbSndchen  wurde  die  Wunde 
so  vereinigt,  dass  der  Stiel  in  dieselbe  eingenäht  wurde. 

Die  Cyste  ist  uniloculftr  nnd  trägt  nur  an  ihrer  ObarflJlcli» 
eine  massig  tiefe  Einschnürung. 

Der  erste  Tag  nach  der  Operation  verlief  befriedigend;  am 
zweiten  seigte  sich  schon  früh  etwas  Fiebersteigernng,  die  gegen 
Mittag  zunahm  und  von  niehrmaligein  Erbrechen  begleitet  wur. 
Am  dritten  Tage  trat  unter  Collaps,  nachdem  der  Leib  tieh 
etwas  aufgetrieben  hatte,  der  Tod  ein. 

Die  Section  seigte  geringes  Kxandat  in  der  Abdominal* 
höhle;  das  Peritonäum  sah  in  der  Umgebung  der  Wunde  sebie* 
fergrau  und  missfarbig.     Nirgends  Blnterguss  oder  Verletsnng. 

(Wiener  Medicinische  Wochenschrift:  KUnfaebnter  Jahr* 
gang.  1865.  Nr.  34.) 


Oreenhalgh:  Neues  Seetang  Dilatalorium. 

Die  VorsÜge  der  aus  Laminaria  digitata  gefertigten  DiUta- 
torien  gegen  die  aus  Pressschwanim  sind  durch  die  ErCabrang^ 
bereits  hinreichend  festgestellt.  Verf.  empfiehlt  behufs  de«  schnel- 
leren Quellens  des  Tanges,  das  Stäbchen  der  Länge  nach  an 
durchbohren,  damit  die  Feuchtigkeit  auch  von  dem  Hohrcanale  ane 
wirken  kann,  und  es  vor  der  Anwendung  eine  kurae  S^eit  in  heisaea 
Wasser  su  tauchen.  Das  obere  Ende  des  Stäbohens  wird  abge- 
rundet, während  in  das  Bohrloch  des  unteren  Endes  ein  Inttro* 
ment  sum  Festhalten  und  besseren  Einführen  eingeschoben  wir^- 
Nach  der  Anlegung  muss  die  Kranke  ruhig  liegen,  lauwarme  Va- 
ginaldoucben  machen,  und  kann  sich  nach  einer  bestimmten  Zeit 
mittels  des  an  dem  St&bchen  befestigten  Faden«  da«  ötftbchen 
selbst  wieder  hervoriiehen.  Gegen  die  etwa  eintretenden  Schmer- 
zen müssen  beruhigende  Mittel  innerlich  nnd  von  der  Scheide 
und  dem  Mastdarm  aus  in  Form  von  Suppositorien  gegeben 
werden.  (The  Lancet  1865,  8.  AvtII.) 


Druck  von  A.  Th.  Engelbardt  in  Leipxig. 


Monatsschrift 


für 


GEBÜRTSKUNDE 

und 

Frauenkrankheiten. 

Im  Verein  mit  der 
Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin 

heraasgogebon  von 

Dr.  C.  S.  F.  Cred6, 

Hofrath,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindungs  -  Anstalt  in  Leipxii;  etc. 

Dr.  C.  Hecker, 

Hofrath ,  ord.  Prof.  und  Direotor  der  Embindnngs  •  Anstalt  in  München,  Uitter  etc. 

Dr.  Ed.  Martin, 

Qeb.  Ratb,  ord.  Prof.  nnd  Director  der  Kntbindangs  -Anstalt  in  Berlin,  Rittor  ete. 

Dr.  F.  A.  von  Ritgen, 

Oeb.  Ratb,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindung« •  Anstalt  in  Olesien, 
Gomthur  etc. 


Fniifaiidxwaiizigster  Band«     Supplen.-Heft 

Mit  einer  Tafel  Abbildungen. 


Berlin,  1865. 

Verlag  von  Anguat  Hirachwald, 

08  D.  d.  Linden,  Ecke  der  Schadow-Straase. 


Inhalt. 

Supplement-Heft. 

Seite 
I.  U6ber  den  Scheintod  Nea|i:eborener.    Von  Dr.  J.  Pojspel, 
prakt.  Arst  and  Hülfsarst  an  der  geburtshälfl.  Poliklinik 
in  Manchen     1 

II.  Mittheilnngen  über  die  Thätigkeit  nnd  die  Verhandlungen 
der  Gesellschaft  für  Gebnrtshülfe  an  Leipzig  im  sehnten 
Jahre  ihres  Bestehens: 

I.  Jahresbericht,  erstattet  durch  den  d.  Z,  Secretair 
Dr.  EmÜ  Äpoüo  MeisMner 59 

II.  Ruptar  eines  Variz  in  der  ^Scheide  ain  21.  Tage 
nach  der  Gebart.  —  Tod  am  26.  Tage  in  Folge 
der  Verblutung.  Von  Dr.  Friedrich  Wilhelm  Helfer    77 

III.  üeber  die  Vortheile  und  die  Nachtheile  des  Zan- 
gengebrauchs bei  engem  Becken,  verglichen  mit 
denen    der    Wendung    auf    die    Ftisse.     Von  Dr. 

C  Hennig 86 

IV.  Kaiserschnitt  wegen  eines  grossen  Utemsfibroide^. 
Ausgeführt  und  mitgetheilt  von  Prof.  Dr.  Breslau 

in  Zürich.     (Mit  Abbildung,  Fig.  1.) 122 

V.  Doppelmissgeburt,  schwere  Geburt,  Decapitation 
etc.  Untersuchung  der  Kindesleiche.  Von  Dem- 
selben.    (Mit  Abbildung.  Fig.  2.) M7 

VI.  Prolappus  des  hochRchwangeren  Uterns ,  ausge- 
dehnte Ineisionen  in  den  unnachgiebigen  Cervi^c, 
Perforation   des  Kindes  etc.     Von  Demselben    .  .  161 

III.  Zerreissung  der  Gebärmutter,  Mutterscheide  und  Harn- 
blase bei  der  Geburt.  Untersuchung  wegen  fahrlässiger 
Tödtung  durch  begangene  flrstliohe  Kunstfehler.  Von 
Dr.  Hefmann  In  München 167 


IV  Inhalt. 

Seite 
IV.  Ist  Bweckmässig  und  znlässi^  and  ausführbar,  in  Univer- 
sitätsstädten unefaelich  Gebärenden  die  Niederkunft  nur 
in  Gebärhäusern  zu  gestatten,  in  den  Privatwohnungen 
der  Hebammen  aber  sn  verbieten?  Von  Dr.  Hofmtmn 
in  München    .^ 209 

V.  Bericht  über  die  geburtshülflich'an  Leistungen  der  Rhei- 
nischen Provincial- Hebammenanstalt  in  Coeln  in  den 
Jahren  1860—1863.  Von  Dr.  Friedr,  H.  Q,  Birnbaum, 
Director  der  Provinsial-Hebamraenanstalt  in  Cöln    .  .  .  226 

VI.  Notizen  aus  der  JonmaN Literatur: 

Frankenhäuaer :  Die  Nerven  der  weibl.  Geschlechts- 
organe des  Kaninchens 293 

Otto  Spiegelberg :  ÜruBenschlftnohe  im  fötalen  mensch- 
lichen Eierstocke    294 

A,  Breisky:  Ueber  den  Einfluss  der  Kyphose  auf  die 
Beckengestalt     294 

Robert  Barnes:    Ueber  Spondjlolisthesis     295 

Ä{f,  H,  M'Clintöck:  Ein  Fall  von  Wehenmaogel  nebst 
Beobachtungen 296 

Alfr,  H.  M^CfUntock:  Beobachtangen  tib.  Wehenmangcl  297 

A.  8.  Donkin:  Ueber  die  physiologische  Thätigkeit 
des  Uterus  bei  der  Geburt     299 

Mattei:  Ueber  Entzündung  der  Placenta 299 

Berieht  dee  Committee  der  R.  Medical  and  CJUrurgical 
Society  zur  Untersuchung  der  Gebrauchsweisen  und 
der  physiologischen,  therapeotischen  und  toxischen 
Wirkungen  des  Chloroforms 300 

Henry  Bennet:  Behandlung  der  Utejin-^Bchmeraen  dnrch 
hypodermatische  Injectionen  .  .  .  ^ 302 

Edto.  B.  Sinclair:  Ueber  die  Anwendung  des  Chloro- 
forms in  der  Oebnrtehülfe 802 

R.  Olehatuen:  Die  Behandlung  scheintodter  Neugebo- 
rener durch  künstliche  Respiration 303 

0.  Spiegelberg:  Zur  Behandlung  des  Scheintodes  der 
Neugeborenen  (die  Marsball  Hairscbe  Methode)  .  .  305 

(Jkaeeinati  Der  Wasserkopf  des  Foetus  als  Hindernlas 

bei  der  Geburt     306 

R.  Wagner:  Ein  Fall  von  Lithopaedion 308 

G,  Braun:  Die  strangfSrmige  Anfwiokelung  des  Am- 


iiihAit.  y 

* 

Seite 
nioo  am  den  Nabeletrang  des  reifen  Kindei  —  eine 
seltene  Ursache   des  intrauterinen  Todes. ......  309 

O.  SpiegsUterg:   Drei  FKlle  von  Struma  congenita  .  .  810 

Engel:  Ueber  Entstehung  von  Missbildungen  durch 
änseere  Bedingungen 810 

C  B.  Reichert:  Anatomische  Beschreibung  dreier, 
sehr  frühaeitiger  Doppel  •  Embryonen  Ton  Vögeln, 
—  sur  Erlftuterung  der  Entstehung  Ton  Doppel. 
Missgeburten 312 

Breslau  und  Rindfleiaeh:  Geburtsgescbichte  und  Un- 
tersnchung  eines  Falles  von  Foetus  in  foetu  ....  314 

Fonaaagrivee  und  Gcnllerand:  üeber  einen  Acephalus 
Peracephalus 317 

MarUn-Seharlau :  GefKhrliche  Folgen  eines  Falles  in 
den  letzten  Monaten  der  Schwangerschaft 318 

R»  W.  Crighton:  Ein  Fall  von  Uterusrnptur,  mit  glück- 
lichem Erfolge  der  Oastrotomie H19 

J.  Fleury:  Uterus-Haeroorrhagie  nach  der  Entbindung  820 

Ä.  Änderaon:  Ueber  die  Behandlung  der  Nachgeburts- 
Periode     321 

Simon  Thotnae:  Transfusion  an  einer  durch  Blutung 
erschöpften  Wöchnerin 322 

H.  Hildehrand:  Ueber  Erweiterung  des  äussern  Mut- 
termundes bei  der  Geburt  durch  Incisionen     ....  '624 

Valentai   Weitere  Beiträge  sur  Catheterisatio  uteri  .  327 

8.  L.  Hardyi  Ueber  Einleitung  der  Frähgeburt  bei 
excessivem  Erbrechen  Schwangerer 327 

Simon  Thomae:    40  Fälle   von  künstlicher  Frühgeburt  329 

B.  Lion  sen. :  Ueber  den  Kaiserschnitt  an  Sterben- 
den.    Zur  forensischen  Casuistik 332 

Baker- Hroum:  Resultate  von  55  operirten  Blasenschei- 
denfisteln 334 

0,  V.  Franque:  Ueber  plötzliche  TodeafftUe  im  Wochen 
bett 334 

Breslaui  Ueber  Gebiyranstaiten  mit  B^rüeksiehtigung 
des  Zellensystems 335 

Säming^;  Zwei  Falle  von  spontaner  Gat-Entwiekeliing 
aoa  eitrig-janchigen  Exsudaten 337 


TI  Inhalt, 

i 

8«ita 
FUchmr:    Bericht   über    die  wKhrend   des  Zeitraumes 
▼om  1.  October  1862  bis  Ende  MBra   1864  auf  der 
innern   Abtheilnng    des   Professor    Traube    in    der 
Charit^  Yorgekommenen  Poerperal-Erkranknngen   .  889 

Aug,  Theod,  Stamm:  Ueber  die  YeraichtangsmögUch- 
keit  des  epidemischen  Paerperal- Fiebers 348 

GMrg€  Hilli  lieber  Pnerperal-PyÄmie >  .  347 

Wade:  Ueber  Ketronterin-Hämatocele 349 

Caresme:  Haematocele  retronterina  in  Folge  von  Apo- 
plexie des  Oyarinm 349 

Breslau:  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Haematocele  peri- 
uterina 850 

Guetav  Braun:  Ueber  Haematocele  eztraaterina  .  .  .  861 

Baker  Brown:  Ueber  Behandlung  der  RetroTersio, 
Retroflexio  und  Anteflexio  der  Geb&rmntte'r 254 

Bryk:  Zur  Diagnose  der  Atresieen  der  weibliehen  Ge- 
schlechtsorgane  355 

Comil:  Cancroid  des  Collum  uteri,  auf  die  Lymph- 
gefässe  des  Uterus  fortgepflanzt 857 

S.  L.  Hardy:  Grosse  polypöse  Uterus- Geschwulst  bei 
einem  jungen  Mädchen 358 

O.  Braun:  Ueber  die  Verwendung  von  „Hebel  -  Pes- 
sarien**  bei  Behandlung  der  Lageyer&nderungen  des 
nicht  geschwängerten  Uterus 359 

Simpson:  Ueber  pyariotomie  und  die  erste  Punction 
bei  Hydrops  ovar^i     . 362 

Simpson:  Ein  glücklicher  Fall  von  Ovariotomie    .  .  .  363 

Maisonneuve:  Ovariotomie     364 

Rokitansky:  Ueber  Torsion  und  Strangulation  von 
OTarial-Geschwülsten 364 

Wilson  Fox:  Ueber  den  Ursprung,  den  Bau  und  die 
Art  der  Entwickelnng  der  cystischen  Geschwülste 
des  Eierstockes 365 

liussbaum:  Eine  roultiloculäre,  im  gansen  Umfange 
▼erwachsene  Eierstocks -Gbsohwulst  glücklieh  ez- 
stirpirt   .  . 867 

Schmidt:  Eine  OTariotomie  mit  dem  Ansgang  in  roll- 
stündige  Heilung 868 


InhftU.  VII 

i 

8«it« 
T.  Spmtcer  WßUtx  Ein  Fall  Toti  Tumor  fibroey»ticQ8 
uteri 869 

N.  H.  Cohehi  Berieht  über  die  Ovariotomie,  mit  be- 
•onderer  BeriickeichtigiiDg  der  letaten  Jahre  ....  870 

Tk.  KMki  Pftlle  ▼on  Orariotomie 371 

Orvhei  Sarcoma  fibrosnm  cyeticnm  des  ÜDken  Eilei- 
tert.   Ovariotomie.     Vollständige  Geneaviig    ....  371 

StUUngi  lieber  die  Ezstirpation  krankhaft  ▼ergrös- 
«erter  Orarien,  Oyariencyeten 872 

StüUng:    Fortgeeetater  Bericht  über  neue  Fftlle  Ton 
Ezstirpation     krankhaft    vergrösa  erter    Eierstöcke 
(Ovariotomie)  nach  des  Autors  Methode  der  eztra- 
peritonttalen  Unterbindung  und  Einheilnng  des  Ova- 
rialstieles 376 

I%oma9  Keiih:   14  Fälle  von  Oyariotomie 376 

K  Siehnoald:   Die  Colloidentartung  der  Eierstöcke    .  377 

Bre§lau:  Zur  differentiellen  Diagnose  swiscben  Hy- 
dro-Ovarinm  und  Ascitis 378 

Th.  Komer:  Anatomische  und  physiologische  Unter- 
suchungen aber  die  Bewegungsnerven  der  Gebär- 
mutter     879 

L.  Kugelmann:  Gynäoologisebe  Ifittheilnngen  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  die  chronische  Oophoritis    881 

Hecker:  Statistische  Tabelle  über  die  Vorkommnisse 
in  der  Gebär  -  Anstalt  au  München  im  Etatsjahre 
1863—64 382 

F.  Bartschi  Bericht  über  die  Ergebnisse  der  ßpäth'- 
sehen  geburtshülflichen  Klinik  für  Hebammen  im 
Solarjahre  1868 883 

Späth:  Ueber  die  Sanitätsverhältnisse  der  Wöchnerin- 
nen an  der  Gebärklinik  für  Hebammen  in  Wien, 
1863 884 

Breelau:  Bericht  über  die  Ereignisse  in  der  Gebär- 
anstalt lu  Zürich  im  Jahre  1863 886 

George  B.  Brodle:  Statistik  des  Queen  Lying  •  in 
Hospital  SU  London 886 

Edward  Headlam  Oreenhow:  Fall  von  angeborner  Un- 
▼ollkommenheit  der  Brüste,  Gescblechtslheile ,  des 
Brustbeins  und  des  Hersens  bei  einem  22jlUirigen 
Weibe 388 


VIII  iDbalt. 

8«lte 
0.  V.  HatMmrg  {Martin):   £lfter  Beriebt  aas  der  ge- 
bartehülflichen  und  gyn&colog^iachen  Klinik  des  Hrn. 
Geb.  Bath  Martin  in  Berlin 388 

Boecker:  Bericht  über  die  Vorgänge  im  Gebärhanse 
der  königl.  Charit^  an  Berlin  im  Winter- Semester 
1862—63 389 

Pohl:  Beriebt  über  die  Vorgange  im  GebKrbanse 
der  kSnigl.  Cbarit^  an  Berlin  im  Winter -Semester 
1868—64 : 390 

Hartmanni  Jabresbericht  über  die  Ereignisse  in  der 
OebÜranstalt  der  nnter  Direetion  von  Dr.  M,  Hauu- 
tnann  stebenden  königl.  Landes-Hebammenschnle  an 
Stuttgart  im  Verwaltungsjabre  1868 -64     390 

VII.  Literatur: 

Winekel:  EineOrariotomie,  Antrittsprogramro. Rostock, 
1864 392 

E,  Ott:  Die  periuterinen  und  retrovaginaten  Blut- 
ergüsse.    Inang.  Dissert.     Tübingen,  1864  ...*..  393 

Heigh  L.  Hodge:  Prinbiples  and  practice  of  obste- 
trics;  illustr.  with  169  lithograpbiu  Figures  from 
original  Pbotographs  a.  witb  numerons  woodcnts. 
Philadelphia,  1864.     4.    560  S 394 

Hieher:  Kum  versio  in  caput  inter  graviditatem  sit 
adhibenda? 398 

0.  Spiegelberg:  De  cervicis  uteri  in  graviditate  mnta- 
tionibus  earumqne  quoad  diagnosin  aesttmatione. 
Begimonti,  1865  .  .  : 399 


I. 

üeber  den  Scheintod  Neugeborener. 

Von 

Dr.  J.  Poppel, 

prakt  Arst  n&d  Hlllfsanst  an  der  geburtihfllfllchen  Poliklinik  in  Mflnchen. 

Die  Lehre  des  Scheintodes  der  Neugeborenen  hat  in 
neuerer  und  neuester  Zeit  so  grundliche  Bearbeitung  erfahren, 
dass  es  einer  besonderen  Entschuldigung  zu  bedürfen  scheint, 
wenn  dieser  Gegenstand  wiederholt  besprochen  wird.  Die 
Forschungen  von  Kramer,  Hecker,  Schwarz  und  jüngst 
von  Pernice  haben  die  Aetiologie  des  Scheintodes  unter  ganz 
anderen  Gesichtspunkten  aufzufassen  gelehrt,  als  sie  bis  dahin 
gang  und  gäbe  waren.  Und  doch  findet  man  selbst  in  den 
neuesten  Lehrbüchern,  dass  diese  Ansichten  der  genannten 
Autoren  wenn  nicht  bekämpft,  so  doch  nur  mit  gewissen 
Einschränkungen  zugestanden  werden.  Die  Berechtigung  oder 
Nichtberechtigung  dieser  Widersprüche  zu  erörtern,  soll  eines- 
theils  der  Hauptzweck  der  nachfolgenden  Seiten  sein.  Andern- 
theils  schienen  sich  mir  bei  statistischer  Zusammenstellung 
nicht  uninteressante  Daten  zu  ergeben,  die  in  Bezug  auf 
Aetiologie  und  Prognose  einigen  Aufschluss  gewähi*en.  Der 
Güte  meines  verehrten  Lehrers,  Herrn  Hofrath  Hecker j  habe 
ich  das  Material  zu  verdanken,  das  ich  zu  dieser  Zusammen- 
stellung benutzte.  Ich  habe  die  Journale  des  Gebäi^hauses 
und  der  Pohklinik  von  den  letzten  vier  Jahren,  während 
welchen  ich  persönlich  die  meisten  Fälle  beobachtete  oder 
Kenntniss  davon  nahm,  der  Statistik  zu  Grunde  gelegt,  so 
dass  ich  für  möglichst  richtige  Angaben  einstehen  kann. 


UonAtaacbr.  f.  Oebnrtok.  1866.  Bd.  XXVm  8apt>l.Hft. 


2  I*    PoppeZ,  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener. 

Die  Lehrbücher  definiren  den  Scheintod  oder  die  Asphyxie 
als  einen  Zustand  des  neugeborenen  Kindes,  bei  dem  ausser 
dem  Fühl  -  und  Hörbarsein  der  Herzcontracliofien  sonst  .keine 
Lebenszeichen   vorhanden   sind.     Dies   scheint  mir  allerdings 
eine  ganz  richtige  Definition   des  Wortes  Scheintod   zu  sein, 
nicht  aber  eine   solche,    die  alle  Formen  und  Grade   dieses 
Zustandes    bezeichnet;    denn    wenn   die   Autoren   einen   aus- 
dröoldichen  Unterschied  machen  zwischen  'Scheintod,  Lebens- 
schwäche und  Sterbendgeborenwerden,  so  ist  diess  eine  rein 
theoretische  Eintheilung ,   die   in   keiner  Weise  der'  Wirklich- 
keit  entspricht.     Wenn    Lebensschwäche    der    Zustand    sein 
soll,  bei  dem  die  Kinder  ausser  der  Herzthätigkeit  auch  noch 
andere   schwache  Lebenszeichen,    wie   Bewegungen   der   Ex- 
Iremitäten,  einzelne  Athmungsbewegungen  erkennen  lassen,  so 
ist  man  genöthigt,  jedes  scheintodt  geborene  Kind,   wenn  es 
zum  Leben  gebracht  wird,  zuerst  den  Weg  durch  die  Lebens- 
schwäche gehen  zu  lassen;. wozu  aber  dann  eine  eigene  Be- 
nennung für  einen  Zustand,   der  entweder  den  nothwendigen 
Uebergang  vom  Scheintod  zum  Leben   bildet,    oder  wenn  er 
von  Anfang  an  vorhanden,   auf  derselben  Aetiologie  und  pa- 
thologisch anatomischen  Veränderung  beruht.   Deswegen  kann 
die  Lebensschwäche  allerdings   als   ein  Grad  des  Scheintodes 
bezeichnet  werden,  wenn  man  nicht  lieber  nur  frühzeitig  ge- 
borene Kinder  lebensschwach   nennen   will,    die  dann  selber 
wieder  scheintodt  geboren  werden  können.     Ebenso  steht  es 
mit  der  Unterscheidung  des  Sterbendgeborenwerdens  (Scan- 
zonijy  denn  es  kann  dies  blos  ein  Uebergang  vom  Scheintod 
zum  wirklichen  Tod  sein,  für  den  nicht  einmal  irgend  welche 
charakteristischen  Merkmale  angegeben  werden  können;  denn 
so  lange  noch  Herzcontractionen  vorhanden  sind,  ist  Schein- 
tod ,  wenn  diese  aufgehört  haben,  wirklicher  Tod  vorhanden. 
Zudem  kann  man  einem  Kinde,   das  mit  schwachen  Lebens- 
äusserungen geboren  wird,  nie  von  vornherein  ansehen,  dass 
es  nicht  belebt  werden  wird,  im  Gegentheil  wird  ja  mit  Recht 
betont ,    dass  so  lange '  auch  nur   noch  die  leisesten   Herz- 
contractionen   vorhanden,    die   Hoffnung  auf  Belebung   nicht 
aufzugeben   sei.     Als   dem   höchsten   Grade  des   Scheintodes 
mag  dem   Sterbendgeborenwerden    sein   Recht  nicht   streitig 
gemacht  werden. 


I.    Papp&lj  Ueber  den  Seheintod  Neugeborener.  3 

Nach  Allem  glaube  ich,  sollte  man  unter  dem  CoUectiv- 
oamen  Scheintod  alle  die  Zustände  eines  neugeborenen  lebens- 
fähigen Kindes  zusammenfassen,  wo  ausser  Herzcontractionen 
entweder  keine  oder  nur  verringert!  und  seltener  sich  kund- 
gebende Lebensäusserungen  vorhanden  sind. 

Die.  Ursachen  des  Scheintodes  sind,  allgemein  ausge- 
drückt, Girculatipnsstörungen,  und  stimmen  völlig  mit  den 
während  der  Geburt  den  Tod  des  Kindes  bedingenden  über- 
ein. Die  anatomische  Untersuchung  weist  sowohl  bei  wäh- 
rend der  Geburt  gestorbenen,  als  bei  aspbyktisch  geborenen 
Kindern,  die  nicht  wieder  belebt  wurden,  wesentlich  dieselben 
Veränderungen  nach.  Sie  bestehen  bekanntermaassen ,  wenn 
wir  von  Missbildungen  oder  äusseren  Verletzungen  oder  an- 
geborenen Krankheiten  absehen,  in  Blutüberfüllung  der  inne- 
ren Organe ;  namentlich  der  Lungen,  des  Herzens,  des  Ge- 
liirns,  der  Leber  und  des  Darmes,  oft  mit  Ecchymosen  unter 
die  serösen  Häute  und  freien  Blutergüssen  verbunden.  Diese 
Thatsachen  waren  schon  lange  bekannt  und  man  war  nicht 
verlegen,  sie  theils  als  mechanisches  Druckphänomen,  theils 
als  active  und  passive  Hyperämien,  bedingt  durch  Functions- 
störungen  des  Herzens  oder  des  Placentarkreislaufes  zu  er- 
klären. Bei  Blutfulle  und  Extravasaten  in  der  Schädelhöhle 
war  es  keinem  Zweifel  unterworfen ,  dass  sie  den  Tod  oder 
die  Asphyxie  zur  nothwendigen  Folge  hatten.  Der  Befund  in 
den  Lungen  und  am  Herzen  Hess  ohne  Bedenken  die  Er- 
klärung des  Todes  oder  der  Asphyxie  aus  Blutstauungen 
durch  medbanisch  gestörten  Fötalkreislauf  zu. 

Nach  den  historischen  Zusammenstellungen  von  Hecker  ^) 
und  Schwarz^)  war  Kr  ahmer  ^)  der  erste,  der,  nachdem 
nur  vereinzelte  Untersuchungen  und  Beobachtungen  von 
Maj/er^),     Dubois^),     Berard^),     Caseaux'^),      Volk- 

1)  Verhandlnngen  der  Gesellschaft  f.  Gebnrtshülfe  in  Berlin, 
Heft  7,  1863. 

2)  Die  vorseitigen  Athembewegnngen.     Leipsig  1858. 

3)  Handbuch  der  gerichtl.  Medicin.     Halle  1851. 

4)  Salzbarg,  med.-cbirurg.  Zeitnng  1817  n.   Hufeland^B  Jour- 
nal 1824. 

5)  M^moires  de  Tacad.  de  m^d.  de  Paris,  T.  II. 

6)  Cours  de  Physiol.     Paris  1861. 

7)  Trait^  th^or.  et  prat.  de  l'art  des  Acconch.     Paris  1860. 

1* 


4  I-    Poppel,  Ueb^r  den  Scheintod  Neng^eborener« 

mann^),  Vierordt^),  auf  die  richtige  Fährte  geleitet  hatten, 
die  während  der  Geburt  entstehende  Athemnoth  als  eine  der 
Ursachen  des  Scheintodes  und  die  Erstickung  als  nicht  sel- 
tene Todesart  der  Kinder*unter  der  Geburt  bezeichnete.  Er 
stutzte  sich  nämlich  auf  die  Beobachtung,  dass  solche  Ge- 
burtscomplicationen,  die  den  Blutaustausch  zwischen  Mutter 
und  Kind  hemmen,  vorzeitige  Athembewegungen  bewirken, 
deren  Residuen  in  den  Veränderungen  der .  Brustorgane  auf- 
gefunden werden.  Diese  Veränderungen  sind  auf  durch  ver- 
gebliche Athemversuche  erfolgte  Aspiration  des  Blutes  in  den 
Thorax  zurückzuführen.  Die  Athmungsfunction  der  Placenta 
war  bei  Krohmer  aus  anderweitigen  Gründen  geschöpfte  theo- 
retische Voraussetzung.  Hecker  ^)  hat  namentlich  darauf  Ge- 
wicht gelegt,  den  indirecten  Beweis  für  diese  Athmungs- 
function geführt  zu  haben.  Während  Kr  ahmer  so  schloss: 
durch  Unterbrechung  oder  Behinderung  des  Placentarkreis- 
laufes  entsteht  SauerstoiTraangel,  dadurch  werden  Athembewe- 
gungen ausgelöst,  die  aber  bei  Mangel  an  Luft  Aspiration 
von  Blut  in  den  Thorax  und  von  den  umgebenden  Medien  in 
die  Trachea  und  Bronchien  bewirken,  —  schloss  Hecker 
folgendermaassen :  „bei  asphyktischen,  nicht  belebten  oder 
todt  geborenen  Kindern,  bei  denen  nachweislich  während  der 
Geburt  Unterbrechungen  des  Placentarkreislaufes  stattfanden, 
findet  man  constant  diejenigen  pathologisch-anatomischen  Ver- 
änderungen, die  bei  jedem  Erstickungstod  vorkommen;  wenn 
das  Kind  also  in  Folge  von  Störungen  des  Placentarkreis- 
laufes immer  erstickt,  müssen  ihm  durch  das  Blut  der  Pla- 
centa die  Bedingungen  geboten  werden,  die  das  Ersticken 
verhüten,  d.  h.  es  wird  ihm  Sauerstoff  zugeführt  oder  die 
Placenta  ist  Respirationsorgan. 

Hecker  liess  die  Frage  offen,  ob  der  Tod  während  der 
Geburt   oder   der  Scheintod   nach  derselben  ausnahmslos  auf 
Erstickung   beruhe,    ist  aber   doch  geneigt,   auch   Tod    und 
Scheintod  durch   Druck    auf  das   Gehirn  anzunehmen    (I.  c  ' 
Seite  186). 

1)  MülUr'a  Archiv,  1841. 

2)  Wagner's  Handwörtorbnch ,  Bd.  II, 

3)  1.  c. 


I.    Poppel,  Ueber  den  Scheintod  Nea^borener.  5 

Erst  Schwarz^)  hat  diese  Frage  in  bejahendem  Sinne 
entschieden  und  vor  Kurzem  bat  Pemice^)  dieselbe  Ansicht 
vertheidigt,  dass  nämlich  der  apoplektische  Tod  und  Schein- 
tod ganz  zu  streichen  sei.  Zur  näheren  Erörterung  dieses 
Punktes  ist  es  nöthig,  einmal  die  pathologisch  -  anatomischen 
Veränderungen  genauer  zu  besprächen  und  dann  die  ätiolo- 
gischen Momente  in*8  Auge  zu  fassen,  die  erfahrudgsgemäss 
den  Tod  während  der  Geburt  oder  den  Scheintod  nach  der- 
selben bedingen. 

Die  von  Krahmer  zuerst  in  Bezug  auf  ihre  Entstehungs- 
weise näher  gewürdigten  Stauungserscheinungen  der  Brust- 
organe, auf  die  vor  ihm  nur  durch  vereinzelte  Beobachtungen 
von  Ritgen^),  CruveilMer*)  und  Litzmann^)  aufmerksam 
gemacht  wurde,  die  aber  bei  nach  der  Geburt  Erstickten  von 
Bayard^)  und  nach  ihm  von  Guspar'^)  als  regelmässiger 
Befund  angegeben  worden  waren,  6ndet  man  also  constant 
bei  während  der  Geburt  erstickten  oder  durch  Athemnoth 
asphyktisch  gewordenen,  nicht  belebten  Kindern.  Häufig  ge- 
nug, wenn  auch  nicht  immer,  findet  man  ausserdem  noch 
Blutstauungen  im  Gehirne  und  den  Gehirnhäuten,  verbunden 
mit  Blutextravasaten ,  die  ganz  selten  parenchymatös  sind, 
sondern  fast  immer  in  den  Gehirnhäuten  ihren  Sitz  haben* 
Die  Blutstauungen  in  den  Unterleibsorganen,  namentlich  der 
Leber  und  den  Nieren,  die  auch  mit  Ecchymosirungen  ver- 
bunden sein  können,  interessiren  hier  nur  als  Theilerschei- 
nungen  des  Erstickungstodes,  können  aber  als  solche  niemals 
den  Tod  oder  Scheintod  begründen. 

Schwarz  behauptet  nun,  dass  die  Stasen  und  Bluter- 
gösse In  den  cerebrospinalen  Centralorganen  an  und  für  sich 
weder  die  alleinige,  noch  die  mitwirkende  Ursache  des  Todes 
während  der  Gehurt   oder  des  angeborenen  Scheintodes  sein 

1)  1.  c. 

2}  Greifswalder  med.  Beiträge,  Dansig  1863. 

3)  Gemeinsame  deatsche  Zettsebrift  für  Qebartskande,  Bd.  I, 
1827. 

4)  Anat.  pathol.,'  Liv.  XV. 

6)  Deutsche  Klinik,  1852,  Nro.  19. 

6)  Annales  d*Hygi^ne  pnbl.,  1847. 

7)  Geriohtl.  LeichenSfihnngen.    Erst.  Hand,  84. 


Q  i.    Poppel,  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener. 

können,    sondern  dass  Beidem  Immer  SufTocation  zu  Grunde 
liege.    Wenn  Schwarz  zunächst  behauptet,  man  dürfe  gleich- 
artige Erfahrungen  von  der  Wirkung  der  Meningealblutungen 
an  Geborenen   nicht   ohne  Weiteres   auf  ungeborene  Fruchte 
anwenden,  da  ihr  „noch  nicht  volJgereiftes  Hirn-  und  Racken- 
mark   noch   sehr   spärlich  functionirt   und   namentlich   weder 
die   Herzthätigkeit ,    noch    den   Stoffwechsel    beherrscht,''    so 
dürften    dafür   doch   noch   andere   Beweise   verlangt  werden, 
als  die ,   dass  in  .Folge  von  Hydrorhachis  oder  Hydrocephalie 
die  Centralorgane  vernichtet  sein  können,  und  dass  nach  Per- 
foration lebender  Kinder  und  selbst  nach  Abfluss  von  Him- 
masse dieselben  ihr  Leben  noch  stundenlang  fristen  konnten. 
Denn  der  Hirntheil,  um  den  es  sich  zunächst  handelt,  wenn 
von  Beeinflussung  dieses  auf  die  Athmungs-  und  Herzthälig- 
keit,    dieser  zweier   zum   extrauterinen  Leben   absolut  noth- 
wendigen  Factoren,   die  Rede  ist,   die  Medulla  oblongata   ist 
in  den  meisten  Fällen  unverletzt  vorhanden,  selbst  bei  sonst 
vollständigem  Defect  des  Gehirns,    und  wenn  sie  in  seltenen 
Fällen  auch  fehlt,   so  kann  man  höchstens  den  Schluss  dar- 
aus ziehen,  dass  dieses  Organ  zum  intrauterinen  Leben  nicht 
unumgänglich  nothwendig  ist,  nicht  aber  den,  dass,  wenn  es 
normal  vorhanden,   und   es  durch  äussere  Ursachen  insultirt 
wird,    es   anders    functioniren    solle,    als    nach   der   Geburt. 
Ferner  hat  man  doch   auch   bei  Geborenen  nach  Schädelver- 
letzungen   nicht   unbeträchtliche   Hirnmassen    verloren    gehen 
und  dabei  doch  das  Leben  bestehen  gesehen.     Es  kann  also 
die  Erfahrung,   dass  nach  Perforation   und  Abfluss   von  Ge- 
hirnmasse die  Kinder  unter  Umständen  ihr  Leben  noch  stun- 
denlang fristen  konnten,  nicht  als  Beweis  daför  herangezogen 
werden,   dass   die  intrauterine  Function  andersartig  oder  ge- 
ringgradiger von  Statten  gehe.    Aber  selbst  zugestanden,  dass 
diese  Functionen  intrauterin   noch   sehr  spärlich  zur  Geltung 
kommen,   so   wird   man   doch  gerade  in  dem  Zeitabschnitte, 
wo  es  sich  um  Etablirung  der  Respiration  und  des  .Lungen- 
kreislaufes handelt,  deren  Beeinflussung  von  der  Medulla  aus 
dann  wohl  nicht  geleugnet  werden  wird,,  also  gleich  nach  der 
Geburt  berechtigt  sein,  anzunehmen,   dass  durch  den  Druck 
eines   Blutextra vasates    die    durch    das  Athembedürfniss    zur 
Reflexaction  gereizte  Medulla  in  einem  Zustande  vod  Lähmung 


I.    Poppet jV eher  den  Scheintod  Neag^eborener.  ^ 

sich  befinden  könne,  so  dass  die  Athembewegungen  nicht 
oder  nur  mangelhaft  zu  Stande  kommen.  Die  klinischen  Er- 
fahrungen ober  Meningealblutungen  an  Geborenen  sind  über- 
haupt sehr  dürftig.  Denn  abgesehen  von  traumatischen  Er- 
güssen, bei  denen  die  damit  verbundene  Gehirnerschütterung 
in  erster  Linie  zur  Sprache  kommt,  oder  wenigstens  das 
Krankheitsbild  trübt,  und  dem  durch  Pachymeningitis  be- 
dingten Haematoma  dürae  matris,  wo  meningitische  Symptome 
die  Hauptrolle  -  spielen ,  gehören  spontane  Blutungen  in  die 
Meningen  und  namentlich  in  den  Arachnoidealsack  etwa  durch 
Berstung  eines  ateromatösen  Gefasses  zu  den  grössten  Selten- 
heiten, so  dass  man  über  die  Symptomatologie  dieser  Er- 
krankung noch  lange  nicht  im  Klaren  ist,  •-und  nur  so  viel 
weiss,  dass  Hemiplegieen  und  Lähmungserscheinungen  ein- 
zelner Nervenpartieen  seltener,'  dagegen  meist  Sopor  und  Goma, 
Verminderung  der  gesammten  Motilität  und  Sensibilität  Me- 
ningealblutungen begleiten. 

Einen  gewichtigen  anatomischen  Beweis  für  seine  Ansicht 
findet  Schwarz  darin,  dass  «erfahrungsgemäss  Kinder  ganz 
lebensfrisch  geboren  werden  können,  aber  nach  ihrem  früher 
oder  später  erfolgten  Tode  Blutergüsse  in  den  Arachnoideal- 
sack oder  auf  die  Oberfläche  des  Gehirns  zeigen,  die  nach 
ihren  Veränderungen  von  der  Geburt  her  daliren  müssen. 
Solcher  Beobachtungen  führt  Schwarz  zwei  an,  Pemice^), 
der  denselben  Schluss  daraus  zieht,  bringt  ebenfalls  zwei 
eigene  Beobachtungen.  Daran  ist  demnach  gar  nicht  zu  zwei- 
feln, und  ich  könnte  es  durch  drei  ähnliche  Fälle  bestätigen, 
dasi^  solche  meningealc  Blutungen,  die  der  Geburt  ihre  Ent- 
stehung verdanken,  das  Leben  der  Kinder  gleich  nach  der 
Geburt  unter  Umständen  in  keiner  Weise  beeinträchtigen.  Man 
kann  sich  aber  jedenfalls  vorstellen,  dass  in  der  Art  der  Ent- 
stehung der  Extravasate  grosse  Verschiedenheiten  bestehen 
können,  dass  einmal  die  Blutung  sehr  laugsam,  wenn  sie 
capillär,  das  andere  Mal  bei  Zerreissung  eines  grösseren  Ge- 
fasses oder  eines  Sinus  schnell  eintreten  kann,  und  Niemand 
wird  im  speciellen  Fall  den  Beweis  fähren  können,  ob  ein 
später   gefundenes   Extravasat   schon   gleich  bei  der  Geburt 

1)  0.  1. 


g  I.     Poppd,  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener. 

diese  Ausdehnung  gehabt  habe,  man  wird  im  Gegentheile  mit 
demselben  Rechte  behaupten  können,  es  habe  bei  der  Geburt 
erst  angefangen  zu  entstehen  und  es  sei  in  den  ersten  Stun- 
den oder  am  ersten  Tage  nach  der  Geburt  zu  der  gefundenen 
Grösse  herangewachsen. 

Viel  gewichtiger  scheint  mir  die  Thatsache  zu  Gunsten 
der  UnschädJichkeit  der  Blutextravasate,  die  Pernice  anfuhrt, 
zu  sprechen,  dass  tiefe  Impressionen  des  Schädels,  bewirkt 
durch  das  Promontorium,  dann  ohne  allen  Einfluss  auf  die 
Lebensfrische  des  Kindes  sind,  wenn  im  Laufe  der  Geburt 
keine  Veranlassung  zu  Piacenlarkreislaufsslörungen  gegeben 
war.  Man  kann  sich  aber  vielleicht  denken,  dass  diese  Im- 
pressionen  zunächst  blos  auf  die  betreffende  Grosshirnhemi- 
sphäre einen  Druck  ausüben,  dessen  Fortpflanzung  auf  die 
Medulla  aber  das  Tentorium  verhindert,  während  die  Blut.- 
ergüsse  sehr  häufig  sich  unter  dasselbe,  auf  die  Basis  des 
Kleinhirns  und  um  die  MeduUa  herum  senken,  und  so  jeden- 
falls einen  intensiveren,  weil  directeren  Druck  erzeugen,  als 
die  Impressionen. 

Aus  dem  gleichzeitigen  Vorkommen  von  anatomischen 
Erstickungsmerkmalen  und  Blutextra vasaten  in  den  Meningen, 
die  jedenfalls  während  des  Lebens  entstanden  sein  mussten, 
bei  unter  oder  gleich  nach  der  Geburt  gestorbenen  Kindera, 
hat  Schwarz  den  Schluss  gezogen,  dass  der  einfache  mecha- 
nische Druck  der  Extravasate  die  Functionsfahigkeit  der  Me- 
dulla oblongata  wenigstens  nicht  unmittelbar  zerstört,  dass 
also  trotz  dieser  Blutaustritte  die  durch  andere  Ursachen  be- 
dingten Athembewegungen  zu  Stande  kommen  konnten.  Man 
wird  allerdings  selten,  wenn  es  sich  um  Auffinden  einer  Ur- 
sache der  frühzeitigen  Athembewegungen  handelt,  in  Verlegen- 
heit kommen,  aus  irgend  einem  Umstände  bei  der  Geburt 
eine  Störung  des  Placentarkreislaufes  mit  mehr  minder  grös- 
serer Wahrscheinlichkeit  folgern  zu  können,  und  sollten  es 
auch  nur  intensive  Wehen  oder  muthmaasslicher  Druck  auf 
die  Nabelschnur  sein.  Aus  dem  anatomischen  Befund  allein 
wird  sich  nie  mit  Sicherheit  die  Möglichkeit  ausschliessen 
lassen ,  *  dass  die  Blutung  in  die  Gehirnhäute  auch  das  Pri- 
märe gewesen  sei,  und  die  vergeblichen  Athembewegungen 
durch  dieselbe   ausgelöst  worden  seien.    Denn  so  gut  man, 


I.    Poppel,  lieber  den  Scneintod  Neugeborener.  9 

wenn  man  die  AthmungsinsufBcienz  als  constante  Ursache  des 
.Todes  und  Scheintodes  annimmt,  auf  die  Reizung  des  Cen- 
trums der  Athembewegungen  der  MeduUa  oblongata,  durch 
sauerstoffai'mes  Blut  zurückgehen  und  derselben  also  eine 
gleiche  Functionstbäligkeit  zutrauen  muss,  wie  nach  der  Ge* 
burt,  ebenso  darf  man  doch  auch  so  handgreiflichen  Verände- 
rungen, wie  Blutungen  in  die  Gehirnhäute,  theoretisch  wenig* 
stens  einen  ähnlichen  £influss  auf  die  Medulia  vindiciren. 
Auch  dagegen  lässt  sich  theoretisch  gewiss  kein  Einwand  er- 
heben, dass  nach  der  Verschiedenheit  der  Grösse  des  Druckes 
einmal  Athembewegungen  ausgelöst,  das  andere  Mal  von  An- 
fang an  verhindert  werden  können.  Freilich  musste  zur  prak- 
tischen Anwendung  dieser  Annahme  bekannt  sein,  wie  gross 
der  Druck  sein  müsse,  um  solche  Wirkungen  zu  erzielen, 
und  dann,  ob  er  im  speciellen  Falle  diese  Grösse  erreiche. 
Für  eine  solche  mechanische  und  zwar  lähmende  Wirkungs- 
weise eines  Extravasates  auf  das  verlängerte  Mark  spricht 
sich  übrigens  auch  Vtrchow^)  aus;  er  schildert  den  Tod 
eines  Kindes,  das  sterbend  geboren  wurde,  bei  dem  man  bei 
der  Section  Ansammlung  von  zwei  Kaffeelöffel  voll  dunklen 
dickflüssigen  Blutes  auf  der  Oberfläche  und  zwei  andere  an 
der  Basis  des  Gehirnes,  und  viel  blutiges  Serum  in  dem  seit- 
lichen und  dem  vierten  Ventrikel,  sonst  alle  Organe  gesund 
fand,  folgendermaassen :  „Die  ersten  Respirationsbewegungen, 
gleichviel  ob  durch  peripherische  Reizung  sensitiver  Hautnerven 
oder  durch  Reizung  des  verlängerten  Markes  traten  ein,  und 
damit  die  Lungencirculalion ;  allein  die  folgende  periphere 
Reizung,  die  des  Vagus,  kam  nicht  vollständig  in  Gang,  weil 
der  zunehmende  Druck  auf  die  Centralnervenapparate  diese 
immer  mehr  hinderte,  jene  Reizung  aufzunehmen  und  in  neue 
Bewegung  umzusetzen.  Daraus  musste  sehr  schnell  eine  se- 
cundäre  Asphyxie  hervorgehen,  deren  Erfolg  um  so  ungün- 
stiger zu  denken  ist,  als  die  bei  der  Geburt  zerrissenen  Him- 
venen  eine  schnelle  Zunahme  des  Extravasates  im  geraden 
Verhältniss  zur  Asphyxie  wahrscheinlich  machen.  In  diesem 
Cirkel  von  Ursache  und  Wirkung,    wo  die  Extravasation  die 


1)  Verhandlnngen   der   pbys.-med.  Gesellscb.  in  Würsbnrg, 
Bd.  U.,  Nro.  I.  IL  IL,  1861. 


10  I*    ^^PP^f  Uebep  den  Scfaeitttod  Neagebor«iier. 

Asphyxie  uod  diese  wieder  eine  ZuDahme  der  Apoplexie  und 
sofort  bedingt,  musste  das  Leben  schnell  zu  Ende  gehen«'' 
Und  so  kann  man  sich  gewiss  vom  anatomischen  Standpunkte 
jeden  Tod  und  in  Tod  übergegangenen  Scheintod  eines  neu- 
geborenen Kindes  erklären,  wenn  man  bei  der  Seclion  so- 
wohl Apoplexieen  als  Suffooalionsmerkmale  findet  Vom  kli- 
nischen freilich  wird  man  in  sehr'vielen  Fällen  die  Suffocation 
als  das  Primäre,  oder  wenigstens  als  die  hinreichende  Ur- 
sache des  Todes  und  Scheintodes  nachweisen  können.  Darauf 
jedoch  will  ich  erst  später  zurückkommen,  und  gegenwärtig 
die  Frage  Mos  in  anatomischer  Beziehung  betrachteiL 

Schwarz  und  Berniee  betonen,  wie  erwähnt,  ausdrück- 
lich,  dass   man   bei   allen   während   der  Geburt  gestorbenen 
oder  asphyktisch  geborenen,   nicht  belebten  Kindern  die  un- 
zweideutigsten Spuren   energischer  verfrühter  Athemversuche 
finde,  und  suchen  darin  natürlich  einen  Hauptbeweis  für  ihre 
Ansicht     Gegen   das  Factum   lassen   sich  aber  doch  Zweifel 
erheben.    Ich  möchte  zunächst  auf  obigen  Sectionsbefund  bei 
Virchoio   hinweisen,    wo   ausser  der   Anomalie   im   Schädel 
sonst  alle  Organe  gesund  gefunden  wurden,  und  dann  Beob- 
achtung 1)  bei  Schwarz  hier  anführen,  als  obigen  Ausspruch 
gerade  nicht  beweisend.     Wenn   man  bei  einem  Kinde,    das 
nach  einer  schweren  Zangenoperation  bei  engem  Becken  ster* 
bend   geboren   wird,   bei  der  Section  ausser  starker  Füllung 
des  rechten  Vorhofes  mit  Blut  in  den  Circulations  -  und  Re- 
spirationsorganen nichts  Abnormes,  dagegen  Verschiebung  der 
Schädelknochen,  theilweise  Abtrennung  des  Periostes  und  der 
Dura  mater  von  den  Schädelknochen  durch  zwischengelagerte 
mehrere  Linien  dicke  halbgeronnene  Blutextravasate,  sehr  be- 
trächtliche Meningealblutungen    an    der   oberen  und   unteren 
Fläche  des  grossen  und  kleinen  Gehirns,  Hyperämie  der  Ge- 
liirnsubstanz,  Blutfülle  und  einzelne  kleine  Blutungen  der  fei- 
neren Rückenmarksbäule  findet,  so  ist,  anatomisch  betrachtet, 
die  Annahme   eines  vom  Gehimdruck  erzeugten  Scheintodes 
und  Todes  doch  gewiss  mindestens  ebenso  gerechtfertigt,  als 
die    des    suflbcativen   Todes.     An   diesen   Fall   anschliessend 
erlaube  ich  mir   mehrere  Sectionsbefunde  mitzutheilen ,    wie 
sie  in  dem  Sectionsbuche  des  Gebärhauses  aufgezeichnet  smd. 


I.    Poppelt  Ueb«r  den  Sohetntod  Keuj^eborener.  H 

1.  Bei  einer  Zweitgebärenden  mit  eng^em  Becken  (3"  3'") 
wurde  nach  5 stündiger  Daner  der  «weiten  Periode  ein  hochgradig 

.  asphyktischer,  nicht  wieder  belebter  Knabe  dnrch  die  Naturkräfte 
in  zweiter  Scheitellage  geboren.  Sein  Kopfnmfang  betrag  377, 
Ctm.,  seine  Länge  56  Ctm.,  sein  Gewicht  SVi^  Pfd.  Es  war  mit 
dem  Katheter  Lnft  eingeblasen  worden.  Die  Section  ergab  Blnt- 
eztravasate  und  seröse  Infiltration  swischen  Pericraninm  und  Kopf- 
schwarte,  besonders  auf  der  linken  Hälfte  des  Schädels;  das 
Hinterhaupt-,  das  linke  Stirn-  nnd  das  rechte  Seiten wandbein 
an  den  betreffenden  Nähten  unter  das  linke  Seitenwandbein  ge- 
schoben. An  der  Naht  des  rechten  Stirn-  und  Seitenwandbeines 
ist  eine  bedeutende  Impression,  und  es  verläuft  von  hier  aus  in 
das  Stirnbein  eine  2  Gtm.  lange  horisontale  Fissur  in  der  Höhe 
des  Arcus  superciliaris.  Die  Impression  war  schon  äusserlich 
fahlbar.  Die  Bänder  der  eingedrückten  Schädelknochen  haben 
sich  auch  am  Gehirn  abgedrückt  und  gilt  dies  insbesondere  von 
der  Impression  an  der  rechten  Stirnbeinnaht.  Unter  der  4-rach- 
noidea  ist  die  ganze  Gehimoberfläche  mit  Blutest ravasat  bedeckt, 
so  dass  die  weisse  Farbe  des  Gehirnes  nur  an  einzelnen  Win- 
dungen inselförmig  hervortritt;  an  der  Baeis  des  Grosshirns  und 
auf  dem  Tentorium  ist  eine  grosse  Menge  freies  Bluteztravasat, 
ebenso  längs  der  MeduUa  freies  Blut  ergossen.  In  den  Ventri- 
keln ist  etwas  blutiges  Serum,  die  Gehirnsubstanz  selbst  ist  grau- 
röthlich  durch  grossen  Blutreichthum.  Trachea  leer,  beide  Lungen 
vollständig  mit  Lnft  gefüllt  (Einblasen  mit  Katheter)  ohne  Ecchy- 
mosen,  ganz  normal,  .  ebenso  Herz,  Thymus,  Leber;  Nieren 
blutreich. 

2.  Bei  einer  Erstgebärenden  war  die  vorgefallene  Nabel- 
schnur mit  Glück  reponirt  worden;  19  Stunden  später  musste  die 
Zange  angelegt  werden  wegen  Fieberanfregung  der  Mutter  bei 
Stand  des  Kopfes  in  der  Beckenenge  in  zweiter  Scheitellage. 
28  schwere  Tractionen  entwickelten  ein  asphyktisches ,  nicht 
wieder  belebtes  Mädchen.  Section:  Kopfumfang  36  Gtm.;  sehr 
fester  unnachgiebiger  Schädel,  unter  der  Kopfschwarte  viel  blu- 
tiges Serum,  in  der  rechten  Schläfengegend  Bluteztravasat  unter 
dem  Periost.   Meningen  stark  hyperämisch,  Gehirnsabstanz  weich, 

'serös  durchfeuchtet,  auf  dem  Durchschnitte  treten  sehr  viele 
Blutpunkte  hervor.  Auf  dem  Tentorium  cerebelli  nnd  um  die 
Pens  Varoli  herum  viel  freies  Bluteztravasat;  Rückenmark  hyper- 
ämisch ohne  Blutaustritt.  Lungen  durch  künstliche  Respiration 
gut  durch  Luft  ausgedehnt,  so  dass  sie  mit  dem  Herzen  auf  dem 
Wasser  schwimmen,  normal.  Herz  mit  ziemlich  viel  Blntcoa- 
gulis  gefüllt.  Im  Abdomen  blutiges  Serum.  Leber,  Milz,  Nieren 
sehr  blutreich,  Darm  stark  injicirt. 

3.  Ein  ausgetragenes  Mädchen  einer  Drittgebärenden  wurde 
nach  13  stündiger  Geburtsdauer  (2.  Periode  Vi  Stunde)  ohne  be- 


12  !•    P^PP^t  Uabar  den  Seli»iatod  Ntfafcborener. 

kaoDta  Ursache  ««phyktisch  ^^eboren,  durch  Hmatreis  bmld  belebt, 
starb  aber  5  Stonden  nach  der  Gebort  «rieder  nnter  cjanotiseher 
Färbang:  der  Haot  mit  Oedem  nameotlieb  an  Händen  and  Fassen, 
nnd  Paralyse  der  unteren  Extremitäten.  Section:  Unterbaatsell- 
gewebe  am  gansen  Körper  odematos.  Die  Gefasse  der  Pia  mater 
and  des  Gehirns  stark  bintgefnllt,  im  linken  SeitenTentrikel  blu- 
tiges Seram,  im  rechten  scbwarsgeronnenes  Blnt;  ein  6ber  den 
Seh-  and  Streifenhügel  dieser  Seite  hinlaafendes  Gefass  stark 
erweitert  and  geborsten.  Die  Capillaren  des  Pericardinms  and 
die  grossen  Gefösse  stark  blatgefüllt,  Hers  normal;  Dactas  Bo- 
talli  sehr  geranselt. '  Beide  Longen  haben  ein  marmorirtes  Aas- 
sehen darch  aahlreiche  zerstreate  atelectatische  Heerde.  Trachea 
and  Bronchien  leer.  Mils,  Leber  blatreich,  aaf  der  Gallenblase 
einige  Ecchjmoseu.     Nieren  ohne  Hamsäareinfarct. 

4.  Bei  einer  ErstgebSrenden  dauerte  die  ErSffnangsperiode 
3  Tage  anter  seltenen,  oft  stundenlang  aussetsenden ,  aber  sehr 
scbmershaften  Wehen.  Zwei  Stauden  nach  yollkommener  Er- 
weiterung des  Muttermundes  wurde  ein  hochgradig  scheintodter 
Knabe  in  Scheitellage  geboreA,  der  mit  Mühe  mittels  Luftein- 
blasen durch  den  Katheter  belebt  wurde.  Am  sweiten  Tagestarb 
er  unter  oonvnlsiTischen  Erscheinungen.  Section:  Auf  der  Ober- 
fläche des  Gehirns  an  den  yerschiedensten  Stellen  freies  Blut- 
extra vasat,  das  auch  swisohen  den  beiden  Hemisphären  bis  auf 
den  Balken  reicht,  und  nach  rückwärts  auf  das  kleine  Gehirn 
übergreift,  dessen  Oberfläche  ganz  mit  Blut  bedeckt  ist;  ebenso 
die  Basalfläche.  Ferner  findet  sich  in  beiden  Seitenyentrikeln 
ein  freies  Blnteztravasat.  Gehirnsubstanz  fest,  blutreich.  In  den 
Pleurahöhlen  etVas  rothgelbliches  Serum,  beide  Lungen  gut  durch 
Luft  ausgedehnt,  kein  Emphysem  vorhanden,  Schleimhaut  der 
Trachea  blass,  dieselbe  ohne  Inhalt,  auch  die  feineren  Bronchien 
sind  leer.  Im  rechten  Herzen  ein  blasses  Faserstofi^gerinsel. 
Leber,  Milz  normal,  Nieren  blutreich  ohne  Infarkt. 

6.  Bei  einer  Erstgebärenden  wurde  die  Geburt  wegen  Wehen- 
schwäche mit  der  Zange  beendet,  und  ein  hochgradig  asphykti- 
Bcher  Knabe  zu  Tage  gefördert,  der  mit  Mühe  wieder  belebt 
wurde.  Das  Kind  war  immer  wie  betäubt.  Es  wurde  ein  Blut- 
egel hinter  das  Ohr  gesetzt,  der  sehr  lange  nachblutete,  so  dass 
die  Blutung  mittelst  Umschlingung  gestillt  werden  mnsste.  Der 
Sopor  dauerte  an,  am  dritten  Tage  bekam  das  Kind  Tetanns  und 
starb  noch  an  demselben  Tage.  Section:  Auf  der  Oberfläche, 
namentlich  der  linken  Hemisphäre  des  kleinen  Gehirns  blutig- 
seröse  Infiltration,  im  dritten  nnd  yierten  Ventrikel  Blntcoagula 
mit  blutigem  Serum;  Gehirn  sehr  weich  zerfliessend,  in  der 
Rüokenmarkshöble  freies  Blutextrayasat.  Beide  Lungen  voll- 
kompen  mit  Laft  ausgedehnt;  Herz,  Milz,  Leber  normal,  in  den 
Nieren  starker  Hamsäureinfarot. 


I.    Poppil^  üeber  den  Scheintod  Neuf^boreiier.  13 

6.  Ein  Mädchen  einer  Zweitgebftrenden  mit  eng^m  Becken 
(conj.  3")  wnrde  nach  dreistündiger  Dauer  der  zweiten  Gebnrts- 
Periode  in  erster  Scbeitellage  dnrch  die  Natarkräfte  massig 
asphyktisch  geboren,  und  bald  belebt.  Es  zeigte  auf  dem  linken 
Scheitelbeine  eine  deutliche  Promontoriummarke  mit  Excoriation 
der  Weichtheile.  Das  Kind  starb  6  Tage  alt  unter  nicht  näher 
bekannten  Erscheinungen.  Section:  Unter  dem  Pericranium  aus- 
gedehnte Blutextravasate.  Auf  der  Oberfläche  der  linken  Hemi- 
sphäre ist  dickflüssiges,  theils  coagulirtes  Blut  aufgelagert.  Ge- 
hirn blutreich.  Lungen,  Herz,  Leber,  Milz  normal,  in  den  Nie- 
ren Harnsäureinfarct. 

7.  Ein  in  Fusslage  vorliegender  Knabe  einer  Viertgebären- 
den  mit  engem  Becken  (8"  b'")  wurde  hochgradig  asphyktisch 
extrahirt,  aber  wieder  belebt  und  starb  2  Tage  alt  an  Oonvul- 
sionen.  Section:  Weichtheile  des  Schädels  sehr  hyperämisch. 
Bei  Eröffnung  der  Schädelhöhle  fliesst  sehr  viel  Blut  aus;  die 
Gefässe  der  Pia  mater  strotzend  mit  Blut  gefüllt,  ebenso  die 
Sinus.  An  der  Basis  des  Gehirns,  namentlich  auch  um  das 
kleine  Gehirn  herum  sehr  viel  freies  Bluteztravasat,  die  Sub- 
stanz des  Kleinhirns  theilweise  dnrch  Blutextravasat  zertrümmert; 
in  den  Seitenventrikeln  Klumpen  geronnenen  Blutes.  Rücken- 
markshäute sehr  hyperämisch  mit  einigen  Blutanstritten.  Die 
Organe  der  Brust-  und  Bauchhöhle  vollkommen  normal. 

8.  Bei  einer  Zweitgebärendeu  mit  engem  Becken  (conj. 
3'"  3'")  wurde  nach  15 stundiger  Dauer  der  zweiten  Periode  mit- 
tels der  Zange  durch  12  kraftige  Tractionen  ein  hochgradig 
asphyktlsches  Mädchen  in  erster  Scheitellage  entwickelt,  das  mit 
Miihe  wieder  belebt  wurde,  aber  1  Tag  alt  an  Convulsionen  starb. 
Section:  Am  rechten  Scheitelbein  starke  Kopfgeschwulst,  am 
]inken  nahe  an  der  klpineo  Fontanelle  eine  deutlich  sichtbare 
Abflachung;  über  der  Nasenwurzel  eine  Continuitätstrennung  der 
Cutis  mit  jauchigem  Eiter  bedeckt.  (Zangendruck.)  Das  linke 
Scheitelbein  zeigt  eine  mit  der  Sntura  coronalis  parallel  laufende, 
von  der  Pfeilnalit  3  Ctm.  nach  aussen  sich  erstreckende  Fissur. 
Sämmtliche  Nähte  sehr  eng.  Der  linke  Schenkel  der  Sutura 
lambdoidea  vollkommen  durchgerissen.  Das  Gehirn  sehr  weich, 
ödematös,  die  Gefässe  der  Pia  stark  injicirt.  Herz  und  Lungen 
normal,  letztere  mit  künstlichem  Emphysem.  Leber,  Milz  normal, 
Darm  sehr  anämisch,  in  den  Nieren  Harnsäureinfarct. 

In  keinem  der  8  angefahrten  Fälle  hat  die  Section  un- 
zweideutige Zeichen  der  Suffocation  nachgewiesen.  Wenn  man 
ziemlich  häufig  allerdings.  Blutreichthum  der  Leber,  der  Milz, 
.  der  Nieren  gefunden  hat,  so  ist  in  keinem  Falle  von  sub- 
pleuralen  oder  pericardialen  Ecchymosen  oder  von  fremdem 
Inhalte  in  der  Trachea  und  den  Bronchien  die  Rede,  wie  sie 


14  I«    Poppti^  Ueber  den  Scheintod  Neageborener. 

doch  kaum  vennisst  werden,  wenn  aus  der  klinischen  Beob- 
achtung eine  Placentarkreislaufsstorung  angenommen  werden 
musste.  Jedenfalls  sind  die  in  den  Centralnervenorganen 
gefundenen  Läsionen  hervortretender,  al§  die  der  Brustorgane. 
Im  letzten  Falle  8.  sind  zwar  keine  Blutextravasate  in  der 
Schädeiböhle  gefunden  worden,  dagegen  so  bedeutende  Läsio- 
nen des  Schädels,  die  auf  eine  grosse  mechanische  Com- 
pression  desselben  hinweisen,  dass  neben  dem  negativen 
Lungenbefund  auch  hier  ein  Scheintod  vom  Gehirn  aus  nicht 
•gut  von  der  Hand  gewiesen  werden  kann.  Fall  5.  nament- 
lich scheint  mir  unzweideutig  zu  sein,  wo  nach  der  Wieder- 
belebung aus  tiefer  Asphyxie  sich  sogleich  ein  soporöser  Zu- 
stand anschloss,  der  am  3ten  Tage  unter  Convulsionen  zum 
Tode  führte;  als  Ursache  des  Sopors  wird  Niemand  die  bei 
der  Section  gefundenen  Blutextravasate  im  Schädel  bezweifeln, 
warum  sollten  dieselben  unmittelbar  vorher  nicht  auch  der 
Asphyxie  zu  Grunde  gelegen  haben?.  Man  könnte  einwenden, 
dass  dieser  Fall  die  Ausnahme  sei  und  dass  in  der  Begel 
solche  Blutergusse,  wenn  sie  nach  der  Gebort  zum  Tode 
führen,  erst  einige  Tage  nach  der  Geburt  Symptome  des 
Gehirnreizes  oder  des  Gehirndruckes  durch  die  inzwischen 
eingetretene  entzündliche  Schwellung  hervorrufen,  dass  also 
trotz  des  Blutergusses  die  Asphyxie,  wenn  überhaupt  besei- 
tigt, meist  bald  in  einen  lebensfrischen  Zustand  übergeht, 
aber  ich  glaube,  dass  man  diese  Thatsache  einmal  mit  der 
bekannten  Gewöhnung  des  Gehirnes  'an  einen  constanten 
Druck  erklären  kann,  und  dann  damit,  dass,  wenn  der  Druck 
nicht  von  Anfang  an  das  Zustandekommen  des  rythmischen 
Athmens  hindert,  durch  das  allmälig  immer  freier  werdende 
Athmen  und  die  Herstellung  des  Lungenkreislaufes  die  im 
Gehirn  bestehende  Hyperämie  bald  beseitigt  und  so  auch  die 
Quelle  der  Blutung  gestillt  werden  kann,  gerade  im  Gegen- 
satz zu  dem  oben  nach  Virchow  geschilderten  Vorgange,  wenn 
die  Atliemnoth  nicht  im  Stande  ist,  von  der  MeduUa  aus 
Atliembewegungen  auszulösen,  und  darum  eine  Vermehrung 
der  Stauung  im  Gehirne  verursacht.  .  In  Fall  4.,  5.,  6.,  7.,  8. 
mag  die  Einwendung  gestattet  erscheinen,  dass  sich  die  Ver- 
änderungen der  Lungen  und  am  Herzen  in  den  ersten  Lebens- 
tagen   ausgeglichen    haben;     wenn    dies    natürlich    von    der 


I.    Poppü,  üeber  den  Scheintod  Neugeborener.  15 

Hyperämie  der  Fall  ist,  so  glaube  ich  doch  gewiss  nicht  von 
EcchyiDosen  und  fremdem  Inhalt  bi  den  Bronchien,  der  entr 
weder  partielle  Atelectasen  oder  Bronchitis  und  Pneumonie 
zur  Folge  hat. 

Aher  man  miisste,  glaube  ich,  selbst  nicht  auf  den 
Mangel  ausgesprochener  Veränderungen  in  den  Respirations- 
organen ein'  so  grosses  Gewicht  legen,  es  könnte  im  Gegen- 
theil  aulTallend  sein,  wenn  bei  derartigen  Blutaustritten  in 
die  Schädelhöhle,  ihren  lethalen  Einfluss  auf  das  Leben  wäh- 
rend der  Geburt  zugegeben,  nicht  sehr  häufig  während  des 
Absterbens.  Athembewegungen  durch  Reizung  der  Medulla  ob- 
longata  entstünden,  sondern  wenn  der  Tod  ohne  solche  er- 
folgte. Aus  diesem  Gesichtspunkte  könnten  also,  worauf 
schon  früher  hingewiesen  wurde,  nicht  einmal  die  Fälle  von 
Tod  während  der  Geburt  oder  von  Asphyxie  beweisend  sein, 
bei  welchen  die  Section  neben  Apoplexien  der  Schädelhöhle 
auch  deutliche  Suffocationsmerkmale  nachweist.  Natürlich 
bin  ich  weit  entfernt,  so  weit  gehende  Schlussfolgerungen, 
gestützt  auf  den  anatomischen  Befund  in  Wirklichkeil  für  be- 
rechtigt zu  halten,  es  war  nur  die  Absicht,  nachzuweisen, 
dass  aus  ihm  die  Suifocation  für  alle  Fälle  nicht  sichef  be- 
wiesen werden  kann. 

Vielleicht  dürfte  in  den  angeführten  Fällen  mit  keinen 
oder  nur  geringen  Spuren  vorausgegangener  Athemnoth  die 
Annahme  gerechtfertigt  erscheinen,  dass  die  ersten  frühzeiti- 
gen Inspirationen  allerdings  durch  Kohlensäureanhäufung  im 
Blut  bewirkt  worden  seien,  dass  dieselben  aber  durch  den 
zunehmenden  Druck  des  Blutextravasates  in  der  Art,  wie 
oben  in  Virchow's  Deduction  angeführt,  behindert  worden 
seien,  und  dass  deswegen  die  Merkmale  des  Suffocationstodes, 
die  ja  blos  Folgen  fruchtloser  Athembewegungen  sind,  so  ge- 
ringflQgig  seien.  Gegen  diese  Erklärung  wäre  auch  nicht  mehr 
der  oben  anerkannte  Einwurf  stichhaltig,  dass  tiefe  Impres- 
sionen des  Schädeldaches,  wenn  im  Laufe  der  Geburt  keine 
Veranlassung  zu  Placentarkreislaufsstörungen  gegeben  war, 
ohne  Einfluss  auf  die  Lebensfriscbe  des  Kindes  sein  können, 
denn  wir  geben  mit  ihr  zu,  dass  für  eine  gesunde  Medulla 
oblongata  der  Druck  der  Blutextravasate  oder  der  Impres- 
sionen ohne  Einfluss  sei,  sondern  halten  nur  die  Ueberzeugung 


16  I.   Poppel,  üeber  den  Scheintod  Neugeborener. 

fest,  eine  dass  durch  krankhafte  Kohlensäiireanhäufung  im 
Blute  beeinflusste  Medulla  oblongata  auch  durch  die  genann- 
ten mechanischen  Insulte  in  ihrer  Function  gestört  werden 
könne.  *) 

Wenn  wir  bis  jetzt  auf  anatomischem  Wege  zu  dem 
Schlüsse  gelangt  zu  sein  glauben,  dass  die  Blutergüsse  in  der 
Schädeihöhle,  wenn  auch  nicht  die  einzige,  so  doch  die  mit- 
wirkende Ursache  des  Todes  während  und  des  Scheintodes 
nach  der  Geburt  sein  können,  so  kann  uns  vielleicht  auch 
«  das  Experiment  einigen  Aufschluss  geben,  imd  obigen  Satz 
entweder  bestätigen  oder  widerlegen. 

Zu  diesem  Zwecke  stellte  ich  mir  die  Frage,  ob  und 
welchen  Einfiuss  bei  jungen  Kaninchen  kunstliche  Flüssigkeits- 
ansammlungen  im  Arachnoidealsack  ausüben.  Natärlich  kann 
bei  albmenden  Thieren  nicht  die  Frage  entschieden  werden, 
ob  und  welcher  Druck  auf  das  verlängerte  Mark  Athembewe- 
gungen  auslöst,  sondern  blos  die,  ob  und  wie  die  Athem- 
bewegungen  sich  ändern,  resp.  zum  Stillstand  gebracht  werden. 

1)  Das  giebt  ancfa  Schwarz  selbst  zn,  dass  Neugeborene 
trotz  «der  anfanglich  durch  Hautreize  hervorgerufenen,  anschei- 
nend ausreichenden  Athembewegungen  dennoch  bisweilen  nicht 
zum  vollendeten  Athmen  gelangen,  binnen  Kurzem  absterben, 
und  dass  man  dann  bei  der  Section  mehr  weniger  atelektatische 
Lungen  im  Verein  mit  cerebrospinalen  Blutextravasaten  findet, 
obgleich  sich  in  den  LuftcanKlen  kein  mechanisches  Hind^miss 
für  den  Lufteintritt  nachweisen  lässt.  Man  kann  in  diesen  Fällen 
die  Lähmung  der  Athembewegungen  durch  den  Druck  des  Extra- 
vasates als  Ursache  der  Atelektase  doch  sicher  annehmen,  da 
man  ja,  was  Schwarz  für  eine  solche  Behauptung  verlangt,  mangel- 
hafte Ventilationsfahigkeit  des  Thorax  und  Anfüllung  der  Luft- 
wege mit  den  Lufteintritt  ganz  abschliessendem  flüssigem  Inhalte 
ausschliessen  kann;  dass,  wie  Schwärz  meint,  die  vorhandene 
Hyperämie  der  Lungen  den  Aiangel  an  Luftgehalt  der  Lungen- 
zellen erklären  könne,  ist  mir  doch  zweifelhaft.  Man  wird  eben 
in  solchen  Fällen,  in  denen  es  sich  allerdings  immer  nur  um  die 
Erklärung  partieller  Atelektasen  handelt,  weil  die,  wenn  auch 
noch  so  wenig  ausgiebigen  Athembewegungen  doch  einzelnen 
Theilen  der  Lungen  Luft  zugeführt  haben,  sagen  müssen,  dass 
die  Athembewegungen  durch  den  Sauerstoffmangel  des  Blutes  von 
der  Medulla  obl.  aus  zu  Stande  kamen,  dass  aber  dieser  Reiz 
bald  nicht  mehr  genügte,  um  von  ihr  aus,  die  durch  den  Druck 
des  Blutes  gelähmt  wurde,  Athembewegungen  auszulösen. 


I.    Poppet,  üeber  den  Scheintod  Nengeborener.  X7 

Bei  der  Ausführung  der  Experimente,  zu  denen  mir  mein 
Freund  Dr.  Oertd  behülflich  war,  machte  ich  an  jungen 
Kaninchen  in  ein  Scheitelbein  ein  möglichst  kleines  Loch,  um 
die  Canule  einer  fToocTschen  Spritze  durchschieben  zu  kön- 
nen; die  Dura  mater  wurde  dann  mit  Vorsicht  durchstossen 
und  die  Canule,  um  das  Gehirn  nicht  zu  verletzen,  längs  des 
Scheitelbeins  noch  etwas  vorgeschoben.  Sodann  wurde  theils 
Wasser,  theils  Blut  injicirt.  Zunächst  erlauhe  ich  mir  die 
einzelnen  Versuche  kurz  anzuführen. 

Erster  Versuch. 

Aeht  Tage  altes  Kaninchen. 

124  Athemzüge  in  der  Minute. 

Um  5  Uhr  durch  das  linke  Os  parietale  '/,  Cnbik-Centimeter 
Wasser  ziemlich  schnell  eingespritzt.  Einige  Convulsionen,  nach 
denen  die  Respiration  sehr  rasch  steigt,  dann  aber  schnell  bis 
anf  40  in  der  Minute  sinkt.     Soporöser  Zustand. 

6  Uhr  15  Minuten  wieder  Vs  Cubik-Centimeter  Wasser  injicirt. 
Convulsionen  von  kurzer  Dauer,  soporöser  Zustand  dauert  fort. 
Sensibilität  erhalten,  Pupille  reagirt.  ^ 

5  Uhr  80  Minuten  36  Respirationen, 


5 

45 

)* 

36 

5 

50 

n 

28 

6 

— 

>i 

24 

6 

30 

»1 

40 

8 

— 

19 

48 

,,  noch  immer  soporös. 

Tags  darauf  früh  7  Uhr  124  Respirationen,   ganz  munter,   bleibt 
gesund. 

•   Zweiter  Versuch. 

Nenn  Tage  altes  Kaninchen. 

100  Respirationen  in  der  Minute. 

5  Uhr  50  Minuten  V4  Cubik-Centimeter  Wasser  eingespritzt, 
am  linken  Os  parietale  mit  ziemlicher  Gewalt;  kurze  Convulsio- 
nen,  das  Wasser  sickert  wieder  etwas  ans.    56  Athemzöge. 

5  Uhr  55  Minuten  wieder  V4  Cnbik-Centimeter  Wasser  ein- 
gespritzt.    Conyulsionen ,  Harnlassen.    42  Respirationen.    Sopor. 

6  Uhr  wieder  V4  Cubik-Centimeter  Conynisionen,  gleich 
darauf  Respiration  84,  die  aber  bald  wieder  auf  66  sinkt. 

6  Uhr  5  Minuten  wieder  V4  Cubik-Centimeter.  Respiration  44. 

6  Uhr  10  Minuten  wieder  V4  Cnbik-Centimeter.  Convulsionen. 

6  Uhr  15  Minuten  wieder  ^1^  Cnbik-Centimeter.  Das  Wassor 
fliesst  immer  langsam  wieder  aus.     Respiration  42. 

6  Uhr  20  Minuten  wieder  ^/^  Cnbik-Centimeter.    Respiration 
sinkt  bis  anf  28.     Harnlassen. 
Monatosehr.  f.  Oebnrtak.  1866.  Bd.  XXV.,  SappI.Hft.  2 


18  I-    Poppet,  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener. 

6  Uhr  30  Mianten  man»  achten  Mal  V«  O.-Otm.  eingespritst. 
Convnlaionen.    Hers  macht  90  Schlage,  Aufhören  der  Respiration. 

6  Uhr  36  Minuten.     Herz  60.     Keine  Respiration. 

6  Uhr  40  Minuten.  Herz  hört  auf  zu  schlagen.  Section 
Va  Stunde  darauf.  Unter  der  Pia  mater  auf  der  linken  Hemi- 
sphftre  Blutaustritt,  entsprechend  der  Oeffnung  im  Schädel,  keine 
Verletsung  des  Gehirns;  an  der  etwa  krenzergrossen  Stelle  des 
Blutaustrittes  ist  namentlich  die  graue  Substanz,  weniger  die 
weisse  stark  capillftr  injicirt,  in  den  Hirnhöhlen  kein  Blut.  Uro 
die  Medulla  starke  capilläre  Injection  mit  einigen  Eztrayasaten 
unter  die  Pia.  Herz  stark  mit  Blut  gefüllt,  Lunge  normal.  Darm 
stark  injicirt. 

Dritter  Versuch. 

10  Tage  altes  Kaninchen. 

70 — 90  Athemziige  in  der  Minute.     160  Herzcontractionen. 

Um  11  Uhr  45  Minuten  %  C.-Ctm.  geschlagenes  Ochsenblut 
durch  das  linke  Os  parietale  ziemlich  schnell  injicirt.  Kurze 
Convulsionen.     Harnlassen.     Respiration  60.     Herz  148.    Sopor. 

11  Uhr  50  Minuten  wieder  Y,  C.-Ctm.  Blut  injicirt.  Convul- 
sionen.    Respiration  46.     Herz  120. 

11  Uhr  55  Minuten.     Respiration  40. 

12  Uhr  wieder  .^/,  C.-Ctm.  Ochsenblut  injicirt.  Convulsio- 
nen» Aufhören  der  Respiration.     Herz  60,  unregelmässig. 

12  Uhr  5  Minuten  Tod.  Vom  eingespritzten  Blut  waren 
höchstens  einige  Tropfen  wieder  ausgeflossen. 

Section.  Nach  Abnahme  des  Schädeldaches  mit  Schonung 
der  Dura  mater  sieht  man  dieselbe  prall  durch  das  eingespritzte 
Blut  gespannt;  nach  Oefliiung  der  Dura  fliesst  es  ab,  und  zeigt 
sich,  dass  das  Gehirn  ganz  unverletzt  ist.  Das  Blut  hat  sich  im 
Arachnoidealsack  überall  hin  yertheilt,  auch  di^  Hirnhöhlen  waren 
ganz  mit  Blut  angefüllt,  ebenso  das  Kleinhirn  und  das  verlän- 
gerte Mark  ganz  von  Blut  umflossen.  Hirnsubstanz  ganz  normal. 
Rechtes  Herz  stark  durch  Blut  ausgedehnt,  Lungen  normal, 
Darm  injicirt. 

Vierter  Versuch. 

11  Tage  altes  Kaninchen. 

70 — 80  Respirationen  in  der  Minute. 

Um  5  Uhr  40  Minuten  ungefähr  3  C.-Ctm.  Wasser  mit  gros- 
ser Kraft  injicirt,  wovon  natürlich  wieder  ziemlich  viel  abfloss. 
Convulsionen.     Respiration  1^;  ganz  enge  Pupillen,  Sopor. 

6  Uhr  43  Minuten  Respiration.  164  sehr  angestrengtes  Athmen. 

6  Uhr  46  Minuten  wieder  ungefähr  3  C.-Ctm.  Warser  ein- 
gespritzt.    Tetanas,  Aufhören  der  Respiration.     Herz  72. 

5  Uhr  50  Minuten  Tod. 


I.    Popptlf  Ueb«r  den  Scheintod  Kencfeborener.  19 

SectioD.  Gehirn  nirg^ends  yerletzt,  g^anz  ungemein  anä* 
misch  in  allen  Theilen,  an  der  Oberfläche  plattgedrückt,  com- 
primirt;  nirgends  Blutaustritt,  die  Plexus  cborioidei  gana  blut- 
leer. Dickes  Coagulum  im  rechten  Hersen,  HeragefHsse  strotzend 
mit  Blnt  gefüllt,  Lungen  aehr  blutreich  mit  zahlreichen  sub- 
pleuralen  Eochymosen,     Darm  stark  injicirt. 

Fünfter  Versuch. 

13  Tage  altes  Kaninchen  vom  Versuch  Nro.  I. 

70  Respirationen  in  der  Minute. 

Um  12  Uhr  V«  C.-Ctm.  Blut  sehr  langsam  eingespritzt;  keine 
Convulsionen. 

12  Uhr  10  Minuten.     Respiration  40.     Sopor. 

12  Uhr  15  Minuten  wieder  V^  C.-Ctm.  sehr  langsam  einge- 
spritzt.  Es  sind  kaum  einige  Tropfen  ausgeflossen.   Respiration  36. 

12  Uhr  SO  Minuten.  Respiration  60.  Tödtung  mit  Chloroform. 
Section.     Die   Dura  mater    ist   straff  gespannt   durch   das 

eingespritzte  Blut,  das  nach  ihrer  Eröffnung  zum  Tbeil  ausfliesst. 
Gehirn  normal.  Das  Blut  hat  sich  im  ganzen  Arachnoidealsack 
yertheilt,  namentlich  ist  an  der  Basis  sehr  yiel  angesammelt, 
desgleichen  in  den  Ventrikeln.     Herz,  Lungen  hjperSmisch. 

Sechster  Versuch. 

13  Tage  altes  Kaninchen. 
Respiration  70. 

Um  11  Uhr  Va  C.-Ctm.  Blut  sehr  langsam  injieirt;  keine 
Convulsionen.     Respiration  48.     Sopor. 

11  Uhr  15  Minuten  wieder  */,  C.-Ctm.  sehr  langsam  injicirt. 
Keine  Convulsionen.     Respiration  40. 

11  Uhr  46  Minuten.     Respiration  60, 

1  Uhr  50  Minuten.  *^,  C.-Ctm.  sehr  langsam  eingespritzt. 
Respiration  48. 

2  Uhr  30  Minuten.  Respiration  80.  Das  Thier  ist  ganz 
munter.  Abends  ganz  gesund,  frisst  mit  Appetit.  Am  anderen 
Morgen  wurde  es  todt  gefunden. 

Section.  Unter  der  Dura  die  beiden  HemispkXren  mit  eine  r 
dünnen  Blutschicht  bedeckt,  die  Pia  getrübt  und  verdickt,  die 
GehimoberflHcbe  selbst  stark  capillär  injicirt.  An  der  Stelle  des 
Loches  im  Schädel  ist  die  Gehirnsubstanz  verletzt,  und  befindet 
sich  ein  mit  Blnt  gefüllter  Gang,  der  in  den  linken  Ventrikel 
fiihrt,  und  mit  dem  eingespritzten  Blut  angefüllt  ist;  der  rechte 
Ventrikel  ist  ganz  leor.  Gehirnsubstanz  anämisch.  Rings  um 
das  Kleinhirn,  die  Medulla  oblongata  und  tief  in  den  Rücken- 
markecanal  sich  erstreckend  ist  das  eingespritzte  Blnt  ange- 
sammelt,    Hera,  Lunge  normal. 

2* 


20  I*    iVn^t  Udbar  den  ScheiBtod  Keng^boroDen 


Siebenter  Versuch. 

Aeltares  Kaoinchen. 

Retpiration  84. 

6  Uhr  30  Minnten  '/,  C.-Ctm.  Blot  sehr  Ungsam  am  rechten 
Ol  parietale  eingespritst.  Keine  Verandernng  in  der  Respiration. 
Sopor. 

5  Uhr  36  Minuten.  '/,  C.-Ctm.  sehr  langsam.  Respiration 
anfangs  90,  gleich  darauf  60. 

6  Uhr  40  Minuten.     Vc  C.-Ctm.    sehr   langsam    eingespritst. 
Respiration  54  bis  anf  44  sinkend. 

5  Uhr  45  Minuten.  Vs  C.-Ctm.  sehr  langsam  eingespritst. 
Respiration  64. 

5  Uhr  55  Minuten.  Vs  C.-Ctm.  sehr  langsam  eingespritst. 
Respiration  48-  -46. 

Hierauf  wurde  der  Versuch  anterbrochen,  nachdem  also 
2y,  C.-Ctm.  eingespritst  waren ,  yon  denen  höchstens  '/,  C.Ctm. 
wieder  ausgeflossen  war.  Das  Kaninchen  war  soporös,  schleppte 
den  linken  Vorderfoss  etwas  nach,  erholte  sich  aber  bald,  und 
frass  denselben  Abend  mit  Appetit.  Des  anderen  Morgens  fand 
man  es  todt. 

Section.  Unter  der  Dura  über  beiden  HemisphSren  gleich- 
massig  vertheilt  Bluterguss,  Pia  sehr  verdickt  und  getrübt,  Ge- 
hirn selbst  unyerletst,  sehr  stark  an  der  Oberfläche  injicirt; 
Kleinhirn,  Mednlla  oblongata  und  Rückenmark  gans  von  Blut 
umflossen,  doch  entspricht  es  der  Menge  nach  nicht  dem  einge- 
spritsten,  so  dass  gewiss  schon  bedeutende  Resorption  stattge- 
funden hat.  Die  Hirnhöhlen  mit  wenig  serös-blutiger  Flüssigkeit 
gefüllt,  Qehirnsubstanz  anämisch.     Hers,  Lungen  gesund. 

Achter  Versuch. 

16  Tage  altes  Kaninchen. 

100  Respirationen  in  der  Minute. 

6  Uhr  18  Minuten.  7,  C.-Ctm.  Blut  eingespritst,  sehr  lang 
sam.     Respiration  76 — 72. 

6  Uhr  20  Minnten.  Vs  C.-Ctm.  sehr  langsam  eingespritst. 
Respiration  64 — 68.     Sopor. 

6  Uhr  30  Minnten.  V,  C.-Ctm.  sehr  langsam  eingespritst. 
Heftige  Conynisionen.     Respiration  124. 

Der  Versuch  wurde  unterbrochen.  Der  Sopor  dauert  an. 
Unter  Conyulsionen  starb  es  20  Stunden  nach  Beendigung  d^s 
Experimentes. 

Section.  Unter  der  Dura  auf  beiden  Hemisphären,  dann 
rings  um  das  Kleinhirn  und  die  Medulla  oblongata  Bluterguss, 
Pia  mater  sehr  verdickt  und  getrübt.  Graue  Substans  sehr  hyper- 
Kmisch.     Gehimhöblen  leer.     Hers,  Lungeu  normal. 


I.    Poppsl,  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener.  21 

Diese  Versuche  scheinen  mir  zu  beweisen, 

1)  dass  ein  sehr  plötzlicher  und  intensiver  Druck  die 
Athmungsfunction  des  verlängerten  Markes  nur  sehr  kurze 
Zeit  steigert,  indem  die  Respirationen  sich  schnell  bis  aufs 
Doppelte  erhöhen,  dass  dann  aber  schnell  Lähmung  und  Tod 
eintritt.  (Versuch  4.)  Einen  solchen  intensiven  Druck  können, 
wenn  auch  noch  so  rapid  entstehende  Blutextravasate  nicht 
ausüben. 

2)  Ein  sehr  allraälig  zunehmender  Druck  hat  constant 
die  Wirkung,  die  Athembewegungen  zu  verlangsamen.  Das 
Gehirn  und  das  verlängerte  Mark  können  siph  selbst  an  einen 
grossen  Druck,  wenn  er  langsam  entsteht,  bald  accomodiren, 
so  dass  nach  einiger  Zeit  die  Drucksymptome  wenn  nicht 
ganz  verschwinden,  doch  sehr  zurücktreten.  Bei  Versuch  1., 
5.,  6.,  7.  und  8.  wurden  1  C.-Ctm.  Wasser,  und  1,  IV2, 
^Va»  1%  C.-Ctm.  Blut  ohne  directe  Lebensgefahr  vertragen. 
Bei  Erreichung  eines  gewissen  Maximum  des  Druckes  tritt 
jedoch  immer,  auch  wenn  er  langsam  entstanden  ist,  der 
Tod  durch  Lähmung  der  Athembewegungen  ein.  (Versuch  2.,  3.) 
Die  Beeinflussung  der  Herzthätigkeit  durch  die  Ergüsse  wurde 
in  den  Versuchen  nur  in  so  weit  constatirt,  als  in  den  Fällen, 
wo  der  Tod  als  directe  Folge  des  Experimentes  eintrat,  kurz 
vor  dem  Tode  die  Zahl  der  Herzcontractionen  beträchtlich 
sank.  Welcher  Druck  den  natürlich  vorkommenden  Blut- 
ergüssen zukommt,  ist  in  keiner  Weise  zu  bestimmen,  aber 
jedenfalls  entsteht  er  immer  sehr  allmälig,  und  kann  nie  den 
Druck  im  Gefasssystem  überschreiten,  weil  dann  sogleich 
eine  Comprimirung  des  blutenden  Gelasses  eintreten  muss. 

Die  Versuche  bestätigen,  glaube  ich,  demnach  allerdings 
die  Ansicht,  dass  solche  Blutungen  in  dem  Arachnoidealsack 
wohl  kaum  das  Leben  direct  aufheben  können,  so  lange  das 
ergossene  Blut  blos  mechanische  Wirkung  äussert:  Die  hin- 
gegen so  constant  beobachtete  Herabsetzung  der  Athemfrequenz 
zusammen  mit  dem  soporösen  Zustande,  die  ich  mir  so  ent- 
standen  denke,  dass  der  gewöhnliche  normale  Athmungsreiz 
des  Blutes  nicht  genügt,  einen  Athemzug  auszulösen,  der 
erst  dann  zu  Stande  kommt,  wenn  di6  Ueberladung  mit 
Kohlensäure  noch  zugenommen  und  der  Reiz  vermehrt  ist, 
lässt  doch  die  Möglichkeit  nicht  von  der  Hand  weisen,   dass 


22  I-    Poppelt  Ueber  den  Scheintod  Ne  ageboren  er. 

auch  unmittelbar  nach  der  Geburt  ein  soporöser  Zustand,  bei 
dem  es  eines  mehr  als  gewöhnlichen  Reizes  bedarf,  um  eine 
Alhmung  auszulösen],  solchen  Ergüssen  seine  Entstehung  ver- 
dankt. Wie  dann,  wenn  das  Athraen  allmälig  immer  aus- 
giebiger zu  Stande  kommt,  und  der  Lungenkreislauf  immer 
vollständiger  wird,  eine  Aufhebung  dieser  Druckwirkung  durch 
das  Ruckgängigwerden  der  Gehirnhyperämie  stattfinde,  habe 
ich  schon  oben  zu  zeigen  gesucht.  Andererseits  wird,  wenn 
das  Athmen  nicht  in  hinreichender  Weise  eintritt,  wie  ich 
oben  auf  Virchow  gestutzt  anführte,  eine  secundäre  Asphyxie 
entstehen  können,,  die  bald  in  den  Tod  übergeht.  Zum 
Schlüsse  dieser  Betrachtung  kann  ich  die  Ansicht  nicht  ganz 
unterdrücken,  ob  nicht  auch  bedeutende  individuelle  Ver- 
schiedenheiten bestehen,  und  ob  nicht  ein  gleich  grosses  Extra- 
vasat einmal  ohne  allen,  ein  andermal  von  sehr  erheblichem 
Einfluss  sein  könne.  Wenigstens  wird  die  Thatsache  nicht 
bestritten  werden  können,  dass  in  Bezug  auf  Unterbrechung 
des  Placentarkreislaufes  die  Kinder  eine  ganz  ungemein  ver- 
schiedene Resistenz  kraft  besitzen.  Und  ebenso  dürften  sie 
auch  anderen  Schädhchkeilen  einen  sehr  verschiedenen  Wider- 
stand entgegensetzen. 

Nachdem  wir  so  den  suffocativen  und  apoplektischen 
Scheintod  betrachtet  haben  und  uns  nicht  entschliessen  konn- 
ten, letzterem  gänzlich  seine  Berechtigung  abzusprechen,  s^ 
mir  noch  erlaubt,  über  den  in  den  Lehrbüchern  angeführten 
anämischen  Scheintod  kurz  zu  sprechen.  Darüber  sind  alle 
einig,  dass  nur  in  den  seltensten  Fällen  von  Zerreissung  der 
Nabelschnur  oder  eines  Gelasses  derselben,  Tod  oder  Schein- 
tod durch  Verblutung  entstehen  könne.  Aber  auch  hier 
scheint  SuObcationstod  in  Folge  des  Blutverlustes  einzutreten. 
Hecker  ^)  spricht  bezüglich  eines  solchen  Falles  von  Zerreis- 
sung eines  in  den  Eihäuten  verlaufenden  Nabelschnurgefasses, 
bei  dem  das  Kind  todt  geboren  wurde,  und  die  Section  neben 
grosser  Anämie  der  Haut  und  Lippen,  der  Luft-  und  Speise- 
röhre, Hyperämie  des  Gehirns,  des  Darmes,  und  Meconium 
in  den  Bronchien  nachwies,  die  Ansicht  aus,  dass,  da  aus 
dem  Verlauf  der  Geburt  kein  anderer  Umstand  sich   ergab, 

1)  Klinik  der  Oeburtskunde.    Leipxig  1861.    S.  162, 


L    Poppet,  lieber  den  Scheintod  Neugeborener.  23 

der  den  Suffocationstod  hätte  erklären  köBnen,  durch  den 
Blutverlust  zu  Erstickung  führende  Athembewegungen  hervor- 
gerufen worden  seien,  und  dass  also  der  suffocative  Tod 
gewissermaassen  dem  aus  Anämie  zuvorgekommen  sei.  Wenn 
man,  worauf  Femice ^)  aufmerksam  macht",  das  Krankheits- 
bild solcher  Kinder,  welche  nach  der  Geburt  grosse  Blut- 
verluste durch  den  Darm  erleiden,  in's  Auge  fasst,  und  sieht, 
wie  ganz  ungemein  viel  Blut  verloren  gehen  kann^  ehe  der 
Tod  wirklich  blos  durch  Anämie  eintritt,  so  verliert  die  An- 
nahme eines  Scheintodes  als  Folge  des  Blutverlustes  sehr  an 
Wahrscheinlichkeit,  und  man  ist  gewiss  geneigt,  vorstehender 
Erklärung  Hecker's  beizustimmen. 

Grössere  Meinungsverschiedenheiten  bestehen  noch  über 
den  Tod  und  Scheintod  •  bei  Placenta  praevia.  Früher  nahm 
man,  ehe  man  wusste,  dass  das  Placentargefässsystem  der 
Mutter  und  des  Kindes  nirgends  miteinander  communiciren, 
ohne  Zögern  anämischen  Tod  und  Scheintod  an.  Jetzt  leugnet 
man  diesen  vollständig,  weil  aus  dem  geschlossenen  Fötal- 
placentargefässsystem  auch  nach  Loslösung  der  Placenta  kein 
freier  Blutaustritt  stattfinden  könne.  Jüngst  hat  Schulze^) 
dies  durch  den  Umstand  zu  beweisen  gesucht,  dass  angeb- 
lich, wenn  man  eine  eben  frisch  ausgestossene  Placenta  unter 
warmem  Wasser  durch  die  Nabdvene  mit  Milch  kräftig  inji- 
cirt,  nie,  auch  wenn  man  den  Druck  im  kindlichen  Gefäss- 
system  sehr  hoch  steigert,  auf  der  Uteriniläche  der  Placenta 
auch  nur  ein  Tröpfchen  Milch  hervorquillt.  Dies  ist  aller- 
dings /ichtig,  wie  wir  uns  bei  Wiederholung  des  Experimentes 
im  hiesigen  Gebärhause  überzeugten,  bei  Placenten  mit  nor- 
malem Sitz;  hingegen  sahen  wir  bei  zwei  Placenten,  die  als 
Placentae  praeviae  laterales  aufgesessen  und  Blutungen  wäh- 
rend der  Geburt  veranlasst  hatten,  und  durch  den  Cred^*- 
sehen  HandgrilT  entfernt,  auch  bei  der  Hinwegnahme  und 
Zurichtung  für  den  Versuch  mit  der  grössten  Schonung  be- 
handelt worden  waren,  sogleich,  als  sich  der  Stempel  der 
Spritze  in  Bewegung  setzte,  die  Milch  in  feinem  Strahle  her- 
vorquellen  und   zwar  gerade  an  den  Stellen,  die  vorgelegen 


1)  1.  c. 
'2)  Jen.  Zeitsohrift  f.  Hediein,  I.  2.     1864. 


24  ^'    Poppet,  lieber  den  Scheintod  Neogeborener. 

und  sich  frühzeitig  gelöst  halten.  Wie  schon  Holst  ^)  her- 
vorgehoben hat,  ist  die  Lösung  der  Placenta  allerdings  kein 
genügender  Grund,  um  sich  die  Entstehung  solcher  Trennun- 
gen der  fötalen  Gefasswände  zu  erklären,  aber  in  den  meisten 
Fällen  von  Placenta  praevia  treten  Umstände  ein^  die  diese 
bewirken  können.  Bei  dem  Untersuchen  und  Befühlen,  und 
wenn  es  nur  in  einem  etwas  stärkeren  Drucke  1)esteht,  werden 
in  dem  lockeren  und  leichten  Gewebe  leicht  Risse  zu.  Wege 
gebracht,  aus  denen  sich  kindliches  Blut  entleeren  muss. 
Solche  Risse  können  dann  ferner  hervorgerufen  werden  durch 
vielleicht  vorhandene  Adhäsionen  zwischen  Placenta  und  Ge- 
bärmulterwand,  durch  die  Einklemmung  der  Placenta  zwischen 
Kindstheil  und  Beckenwandungen  und  endlich  durch  operative 
Eingrifle.  Man  findet  doch  auch  häufiger  bei  Placenta  praevia 
als  bei  anderen  Störungen  die  Kinder  anämisch  aussehend, 
und  auch  bei  der  Section  sieht  man  Blässe  der  Haut  und 
der  Muskeln  oft  sehr  hervorstechend.  Damit  soll  aber  keines- 
wegs behauptet  werden,  dass  der  Tod  oder  Scheintod  auf 
Anämie  beruhe,  vielmehr  ist  ja  der  sufTocative  Tod  oder 
Scheintod  hier  immer  die  Regel.  Die  Art  des  Zustandekom- 
mens dachte  man  sich  so,  dass  die  gelöste  Placentarstelle  die 
zum  Athmen  taugliche  Fläche  verkleinere,  und  dass  dadurch 
Sauerstoffmangel  eintrete.  Pernice^)  hat  aber  namentlich 
hervorgehoben,  dass  diese  Stelle  doch  oft  zu  klein  sei,  um 
diese  Erklärung  statthaft  zu  finden,  und  glaubt,  dass  durch 
die  auch  im  Uterus  eintretende  Anämie  und  durch  die  Herab- 
setzung der  Propulsivkraft  des  Herzens  der  Mutter  der  Frucht 
nicht  das  zum  Fortsetzen  des  Respirationsgeschäfles  nöthige 
Quantum  sauerstoffhaltigen  Blutes  zugeführt  wird.  Schulze^ 
hat  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  in  den  mechanischen 
Störungen  der  Circulation,  welche  durch  intrauterine  Athem- 
bewegungen  gesetzt  werden,  ein  Moment  liegt,  welches  die 
oft  tiefe  Asphyxie  bei  nicht  sehr  ausgedehnten  Verkürzungen 
der  Respirationstläche  vollständig  zu  erklären  vermag.  Wenn 
nänllich  diese,  wenn  auch  geringe  Verkürzung  nur  eine  plötz- 

1)  Der  vorliegende  Mutterkachen.   Monatsschrift  für  Gebarts- 
knnde,  Bd.  II.     1863.     8.  264. 

2)  1.  c. 

3)  1.  c. 


I.    Popp^lt  Ueber  den  Scheiatod  Neugeborener.  25 

li€lie  ist,  damil  der  Reiz  gross  genug  ist,  die  ersten  Inspi- 
rationen auszulösen,  so  wird  mehr  und  mehr  dem  Blute  des 
rechten  Herzens  die  Bahn  durch  die  Lungen  angewiesen.  Im 
Ductus  BotaUi  und  in  der  absteigenden  Aorta  muss  dadurch 
die  Blutmenge  und  der  Blutdruck  abnehmen,  und  diese  Ab- 
nahme muss  sich  in  den  entferntesten  Gefassgebieten,  in 
denen  der  Placentararterien  am  meisten  geltend  machen:  für 
die  ganze  Placentarcirculation  wird  die  Vis  a  tergo  schwä- 
cher, dieselbe  daher  langsamer  und  quantitativ  geringer.  Später 
wird,  je  mehr  der  Lungenkreislauf  durch  die  fruchtlosen 
Respirationsbewegungen  in  Gang  kommt,  desto  mehr  die 
Füllung  des  linken  Vorhofs  fortan  durch  die  Lungenarterien 
erfolgen,  der  Raum  für  das  Placentar-  und  Körpervenenblut 
wird  mit  zunehmendem  Verschluss  des  Foramen  ovale  auf 
den  rechten  Vorhof  beschränkt,  durch  diese  Ueberfuliung  des 
rechten  Vorhofes  entsteht,  wenn  nun  noch  die  Arbeit  des 
Herzens  geringer  wird,  eine  Stauung  im  gesammten  Körper- 
venengebiet. Am  spätesten  wird  die  Nabelvene  davon  be- 
troffen, weil  das  eingeschaltete  Gebiet  der  Lebercapillaren 
eine  sehr  erhebliche  Blutmenge  aufzunehmen  im  Stande  ist. 
Also  Abnahme  des  Druckes  in  den  Nabelarterien  und  damit 
Verlangsamung  der  Placentarcirculation  und  Zunahme  des 
Druckes  in  den  Nabelvenen  sind  beides  Momente,  die  immer 
mehr  die  Kohlensäureanhäufung  im  fötalen  Blute  steigern  und 
so  lange  neue  Inspirationen  hervorrufen,  als  das  verlängerte 
Mark  noch  auf  den  Reiz  reagirt.  Ich  glaubte  diese  geist- 
reiche Deduction  von  Schulze  fast  wörtlich  hier  wiedergeben 
zu  sollen,  da  sie  in  der  That  nicht  nur  die  Asphyxie  bei 
Placenta  praevia,  sondern  auch  bei  allen  anderen  geringfägi- 
geren  Störungen  des  Placentarkreislaufes,  sobald  sie  im  Stande 
sind,  einzelne  Athembewegungen  hervorzurufen,  auf  sehr 
naturgemässe  Weise  erklärt. 

Diese  letzte  Betrachtung  über  die  Asphyxie  bei  Placenta 
praevia  bildet  den  Uebergang  zu  der  Aetiologie.  Hier  soll 
zum  Anschluss  an  «die  bisherige  Controverse  gezeigt  werden, 
dass  die  klinische  Beobachtung  viel  seltener  Zweifel  an  der 
Suffocation  todter  und  scheintodter  Kinder  aufkommen  lässt. 
Also  abgesehen  von  den  von  selbst  einleuchtenden  Kreislaufs- 
störungen, die  entweder  im  Tode  oder  der  Agone  der  Mutter, 


26  '•    Poppü^  lieber  den  Scheintod  Neugeborener. 

im  Druck  auf  die  Nabelschnur  durch  Umschlingung,  Vorfall, 
bei  ßeckenlagen,  durch  manuelle  und  iDstruroenCelle  Eingriffe, 
in  frühzeitiger  Lösung  der  normal  oder  fehlerhaft  sitzenden 
Placenta,  in  Wehenanomalien  ihren  Grund  haben,  sind  auch 
in  den  Fällen  ohne  Schwierigkeit  Störungen  der  Placentar- 
circulation  anzunehmen,  die  auf  den  ersten  Blick  den  Grund 
des  Scheintodes  in  Compression  des  Schädels,  des  Halses  etc. 
suchen  liessen.  £s  ist  Thatsache,  dass  bei  langer  Einkeilung 
des  Kopfes  in  das  Becken  mit  beträchtliche^  Verschiebung 
der  Nähte,  oder  bei  Zangenoperationen,  oder  bei  engem  Becken 
die  Kinder  häufig  todt  oder  scheintodt  geboren  werden;  aber 
um  eine  Verschiebung  der  Nähte  herbeizufuhren,  müssen  die 
Wehen  sehr  kräftig  oder  anhaltend  sein,  und  ebenso,  uro  den 
Kopf  durch  ein  enges  Becken  zu  pressen,  und  kräftige  und 
häufige  Wehen,  womit  eine  immer  wiederkehrende  Compres- 
sion der  Placentarstelle  nothwendig  verbunden  ist,  stören 
schon  an  und  für  sich  den  Blutaustausch  zwischen  Mutter 
und  Kind.  Zangenoperationen  werden  entweder  unter  den 
angegebenen  Bedingungen  unternommen,  oder  wenn  andere 
aus  dei^  Herztönen  der  Frucht  sicher  zu  erkennende  Kreis- 
laufsstörungen dazu  auffordern,  als  deren  Ursache  sich  später 
vielleicht  Druck  auf  die  Nabelschnur,  vorzeitige  Lösung  der 
Placenta  etc.  ergeben.  Dass  mit  Pemice^)  in  der  Verklei- 
nerung des  Uterus  hinter  dem  Kinde  bei  tiefem  Kopfstande 
auch  eine  solche  an  der  Placentarstelle  sich  geltend  machende 
Kreislaufsstörung  zu  suchen  ist,  scheint  mir  sehr  wahrschein- 
lich. Hecker  ^)  hat  jüngst  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
bei  Zatigenoperationen  die  Kinder  öfters  todt  oder  scheintodt 
geboren  werden,  nicht  nur  wenn  bei  Umschlingung  der  Nabel- 
schnur um  den  Hals  die  Gipfel  der  Zange  mit  dieser  in 
Couflict  kommen  konnten,  sondern  auch  ohne  diese  Compli- 
cation,  wenn  die  Zangenspitzen  durch  ungünstige  Lagerung 
den  Hals  und  namentlich  die  Gegend  der  grossen  Halsgefasse 
comprimirten,  was  sich  aus  den  Druckspuren  deutlich  er- 
kennen liess.  Er  war,  da  ^r  öfters  ein^sehr  schnelles  Ab- 
sterben der   Kinder  beobachtete,   der   durch  directen  Druck 


1)  1.  o. 

8)  Klinik  der  Oebartskonde ,  II.  Bd.  1864.  S.  197. 


I.    Poppelf  Ueb«r  den  Scheintod  Neugeborener.  27 

bewirkten  Aufhebung  der  Blutcirculation  im  Rinde  den  Tod 
zuzuschreiben  geneigt.  Zwei  Sectionen,  die  ich  von  auf  diese 
Art  gestorbenen  Kindern  notirt  finde,  sprechen  zwar  für  den 
Suffocationstod ,  von  dem  aber  nicht  geleugnet  werden  soll, 
dass  er  durch  plötzliche  Unterbrechung  der  Circulation  im 
Gehirn  oder  vielleicht  durch  plötzlich  entstandene  Stauungs* 
hyperämie,  wenn  die  Compression  vorzuglich  die  Vene  betraf, 
von  der  Medulla  oblongata  aus  eingeleitet  worden  sei.  Ein- 
mal fand  man  bei  einem  wegen  Febricitation  der  Mutter  mit 
der  Zange  durch  vier  Tractionen  leicht  entwickelten  Kinde, 
das  nach  einigen  Athemzugen  starb,  Meconium  in  den  Luft- 
wegen und  einige  Ecchymosen  auf  der  Pleura,  Hyperämie 
sämmtlicher  Organe  der  Brust-,  Bauch-  und  Schädelhöhle; 
die  Gefässe  des  Halses  waren  strotzend  mit  Blut  gefüllt,  die 
Haut  aufTallend  anämisch.  Beim  zweiten  Falle,  wo  bei  Vorder- 
scheitellage und  verengtem  Becken  wegen  Edampsie  der 
Mutter,  die  aber  durch  den  einzigen  aufgetretenen  Anfall  noto- 
risch keinen  Einfluss  auf  das  kindliche  Leben  gehabt  hatte, 
ein  todtes  Kind  mit  grosser  Mühe  extrahirt  wurde,  waren  die 
Erstickungsresiducn  weniger  auffallend,  denn  sie  bestanden 
nur  in  Hyperämie  der  Lungen  und  einer  grösseren  Ecchymose 
am  Herzbeutel,  dagegen  fand  sich  in  der  Schädelhöhle  neben 
starker  Hyperämie  freies  Blutextravasat  von  massigem  Um- 
fange auf  den  beiden  Grosshirnhemisphären.  Die  am  Halse 
auf  der  rechten  Seite  sichtbare,  durch  die  Zangenspitze  ver- 
ursachte Haulverletzung  entsprach  nicht  ganz  dem  Verlaufe 
der  grossen  Gefässe,  war  ihm  jedoch  so  nahe,  dass  an  einer 
Compression  nicht  gezweifelt  werden  konnte.  Es  wären  die 
eben  erwähnten  Fälle  aber  doch  wieder  solche,  wo  eine  vom 
Gehirn  aus  bedingte  Asphyxie  nicht  ganz  von  der  Hand  ge- 
wiesen* werden  kann. 

Um  noch  andere  Geburtscomplicationen  anzuführen,  bei 
denen  nicht  von  selbst  der  suffocative  Scheintod  einleuchtet, 
sondern  bei  denen  man  geneigt  sein  könnte,  der  Compression 
des  kindlichen  Körpers  ihn  zuzuschreiben,  so  wird  derselbe 
nicht  selten  beobachtet  bei  langer  Dauer  der  zweiten  Geburts- 
penode. Abgesehen  von  den  Ursachen,  die  derselben  zu 
Grunde  liegen,  wird  nach  Abiluss  des  Fruchtwassers  eines- 
theils  eine  Verkleinerung   und   damit  Compression  der  Pia- 


28  1«    i>FP^f  Uehw  des  ScheiBtad  NeageborcMr. 

cenlareleUe  erzielt,  amlemüieilft  mass  jede  Wehe  als  eio  4em 
Kinde  scbadüclies  Agens  aufgefasst  werden,  das  oft  md  impg 
wiederiioll  sebüesslich  sich  in  seinem  nachtheihgen 
summirL  Dasselbe  gilt  auch  von  dem  erfahningsgemäss 
liehen  Etnfluss  des  frühen  Abflusses  des  Fruchtwassers  vor 
Erweitening  des  Muttermundes.  Dabei  kommt  gewiss 
sehr  wesentlich  in  Betracht,  dass,  während  bei 
Wässern  der  durch  jede  Wehe  auf  die  Piacenta  ansgeable 
Druck,  obwohl  er  ein  ganz  enormer,  nämlich  nach  roeinco 
früher  reröffentlichten  approximativen  Berechnungen ')  durch- 
schnittlich  40  Kilogramm  ist,  doch  dadurch  ohne  Nachlheil 
für  die  Fötaicirculation  der  Piacenta  bleibt,  weil  er  sich 
gleichmässig  auf  eine  Fläche  von  durchschnittlich  176  Quadrat- 
cenümeter  vertheilt,  —  nach  Abfluss  des  Fruchtwassers  die 
Piacenta  bei  jeder.  Webe  zwischen  Uteruswand  und  einzelne 
kindliche  Körpertheile  gedrückt  wird,  wobei  natürlich  ein  oft 
sehr  starker  einseitiger  Drqck  nicht  wird  vermieden  werden 
können,  so  dass  sehr  leicht  eines  oder  mehrere  grössere  von 
und  nach  der  Nabelschnur  laufende  Gefasse  durch  Compres- 
sion  für  das  Blut  undurchgängig  werden  können.  Deshalb 
liegt  die  Vermuthung  nahe,  ob  nicht  überhaupt  diese  Com- 
pression  unter  Umständen  so  ungünstig  ausfallen  könne,  wenn 
z.  B.  ein  fesler  Kindstheil  gerade  auf  die  Einpflanzungsstelle 
der  Nabelschnur  in  die  Piacenta,  wo  auch  die  Sülze  oft  sehr 
spärlich  vorhanden  ist,  angedrückt  wird,  dass  dadurch  man- 
cher Tod  und  Scheintod  sich  erklären  Hesse.  Naturlich  wird 
der  Beweis  dafür  nie  geliefert  werden  können,  jedenfalls  ist 
aber  dort  die  Möglichkeit  eines  Druckes  auf  die  Nabelschnur« 
gefasse  eine  viel  grössere,  als  an  anderen  Stellen. 

Dass  die  Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals 
nicht,  wie  früher  behauptet  wurde,  durch  Druck  auf  die 
Hsilsgefässe  schädlich  auf  das  Kind  wirkt,  sondern  dass,  ehe 
ein  solcher  allenfalls  schädlicher  Druck  zu  Stande  kommen 
kann,  die  Nabelschnur  selbst  schon  durch  den  Gegendruck 
leidet,  bedarf  keines  besonderen  Beweises. 

Bei  Gesichtslagen,  bei  denen  die  Kinder  erfahrungs- 
gemäss  häu6ger  asphyktisch  geboren  werden,  liegt  der  Grund 

1)  MonatSBohrift  für  Oebnrtskunde ,  186S.    Bd.  XXII ,  Hft.  1. 


J.    Poppelf  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener.  29 

Hiebt  im  Dnick  auf  die  Halsffefässe  dorch  die  Streckung  des 
Halses ,  *  sondern  in  dem  grösseren  Wiederstande ,  den  die 
Wehen  zu  überwinden  haben,  weshalb  die  zweite  Geburts- 
periode oft  länger  dauert,  als  bei  Schädelgeburten. 

Der  schädliche  Einfluss  des  Mutlerkornes  endlich  beruht, 
wie  namentlich  Hecker  ^)  bestätigt  bat,  auf  durch  dasselbe 
bewirkte  starrer  Gontraction  des  Uterus ,  somit  auf  Placentar- 
kreislaufsstörungen. 

Ich   gehe  nun  zu   der  Statistik  über.     Derselben  liegen 

6076  Geburten  mit  6183  Kindern  zu  Grunde.     Zu  bemerken 

ist,  dass  alle  Kinder  unter  9  Monaten  ausgeschieden  sind. 

Von  diesen  Kindern  wurden  lebensfrisch  geboren  5569  =  90,2  Proc., 
asphyktisoh  geboren  belebt     .  .  .    809»:   4,9      , 
„  „        nicht  belebt      58=   0,9      „ 

todtgeboren     149=   2,4      „ 

todtfanl  geboren     ..v 98=r  1,6      „ 

Von  367  esphyktisch  geborenen  Kindern  wurden  58  oder  15,8  Proc. 
nicht  belebt. 

Gebarten  lebender  Kinder  kamen  vor 

5467  nnd  zwar  bei  1911  =34,9  Erstgeb.  und  bei 8556 =65,1  Mehrgeb, 
Gebarten  asphyktischer  Kinder  kamen  vor 

362  nnd  zwar  bei  129=:  35,5  Erstgeb.  nnd  bei  238*=:  64,5  Mebrgeb. 
Oebnrten  todter  Kinder  kamen  vor 

149  und  zwar  bei  57  =  88,2  Erstgeb.  nnd  bei  92  =  61,8Mehrgeb. 

Anders  ansgedrtickt  kamen 
bei  Gebarten  lebender  Kinder  auf  100  Hehr-  52  Erstgebärende, 
n  n       asphyktischer  „         „     100      „        55  „ 

,  todter  „        „     100      „        61  „• 

Von  lebenden  Kindern  waren  .  .  .  Knaben     2858  =»  51,2. 

Mädchen  2716  »  48,8. 
Von  asphyktischen  Kindern  waren  Knaben      212  s=r  57,7. 

Mädchen     155  =  42,3. 
Von  todten  Kindern  waren    ....  Knaben        92  «>  61,8. 

Mädchen      57  =  88,2. 
Anders  aasgedrückt  kamen 
anf  100  lebende  Mädchen   .  .  .  106  lebende  Knaben, 
9     100  asphyktische  Mädchen  136  aspbyktische  Knaben, 
„     100  todte  Mädchen    ....  161  todte  Knaben. 

Von  allen  lebensfrisch  and  asphjktisch  geborenen  aber  wieder- 
belebten Kindern  «3  5878  starben  in  den  ersten  acht  Tagen  189 
=  3,2  Procent. 

Von  allen  lebensfrisch  geborenen  Kindern  =  5569  starben  in  den 
acht  Tagen  137  =  2,45  Procent. 

Von  allen  asphyktisch  geborenen  wiederbelebten  Kindern  =  309 
starben  in  den  ersten  acht  Tagen  52  =  16,8  Procent.   ■ 

Unter  den  in  den  ersten  Rcht  Tagen  gestorbenen  Kindern  =sr  189 
waren  116  =  61,3  Knaben,  73  =:  38,7  Mädchen. 


1)  Verhandl.  d.  Gesellsoh.  f.  Gebartsb.,  Heft  5,  S.  54, 


30  I*    Poppelj  Ueber  den  Scheintod  Neugeborener. 

Unter   den  lebensfrisch  geborenen    nnd  in   den   ersten  8  Tagen 

gestorbenen  Rindern  »=  137   waren  88  =  60,5  Knaben,  64  s« 

39,5  Mädchen. 
Unter  den  aspbyktisch  geborenen  wiederbelebten  und  in  den  ersten 

8  Tagen  gestorbenen  Kindern  =»  52  waren  33  =  63,4  Knaben, 

19  —  36,6  Mädchen. 
Anders  ausgedrückt: 
Auf  100  in  den  ersten8  Tagen  g'estorbene  Mädchen  kamen  158  Knaben. 
Auf   100   lebensfrisch   gebo!:ene   und   in   den   ersten   8  Tagen   ge> 

storbene  Mädchen  kamen  153  Knaben. 
Auf  100  asphyktisch  geborene,  belebte  und  in  den  ersten  8  Tagen 

gestorbene  Mädchen  kamen  173  Knaben. 

Daraus  ergiebt  sich  im  AUgemeiuen,  dass  bei  Erst- 
gebärenden die  Kinder  etwas  bäuliger  asphyktisch  und  todt 
geboren  werden ,  als  bei  IMehrgebärenden  ^) ,  dann  dass  über- 
haupt mehr  Knaben  als  Mädchen  scheintodt  und  todt  geboreB 
werden ;  ferner  dass  in  den  ersten  acht  Tagen  fast  7  Mal  mehr 
asphyktisch  geborene  wiederbelebte  Kinder  starben,  als  solche, 
die  lehensfrisch  geboren  wurden,  und  endlich  dass,  wie  über- 
haupt mehr  Knaben  als  Mädchen  in  den  ersten  acht  Tagen 
starben,  dieselben  vorzüglich  dann  überwiegen,  wenn  sie 
asphyktisch  geboren  wurden. 

Sehen  wir.  zu,  ob  und  wie  sich  diese  Verhältnisse  bei 
den  einzelnen  Schädlichkeiten  anders  gestalten,  die  erfalirungs- 
gemäss  Asphyxie  häufig  zur  Folge  haben.  Ich  gebe  zunächst 
das  rein  Thatsächlicbe  in  Tabellen,  wobei  zu  bemerken  ist, 
dass  patürlicb  ein  Fall,  der  mit  ein  oder  mehreren  Compli- 
cationen  verbunden  ist,  in  ein  oder  mehreren  Tabellen  sich 
wiederholt,  dass  z.  B.  wenn  bei  einer  Zangenoperation  Um- 
schlingung vorhanden  war,  dieser  Fall  sowohl  bei  den  Zangen- 
operationen als  bei  der  Umschlingung  angeführt  werden  muss. 

Noch  ist  zu  bemerken ,  dass  bei  den  367  asphyktisch 
geborenen  Kindern  26  Mal ,  und  bei  den  149  todt  geborenen 
12  Mal  keine  Ursache  des  Scheintodes  und  Todes  aufzufinden 
war,  dass  diese  also  aus  der  Statistik  ausgeschieden  wurden. 


1)  Wie  Veit  für  die  ErstgebHrenden  bu  so  ungünstigen  Zahlen 

kam,  kann  ich  nicht  erklären.     In  seinen  Beiträgen  snr  geburts- 

hülflichcn  Statistik  (Monatsscbr.  f.  Geburtsh.,  Bd.  VI.)  giebt  er  an: 

Scheintodt  wurden  geboren  bei  Priniip.  5,15,  bei  Maltip.  1,81  Proc. 

Todt  „  „         „  „       1,46,     „         „      0,63      „ 

Ich  berechne  auf  diese  Weise: 
Scheintodt  wurden  geboren  bei  Priniip.  6,2,  bei  Multip.  6,0  Proc. 
Todt  n  n  n  ,         2,7 ,     „  „        2,3       „ 

Der  einzige  Unterschied  in  beiden  Statistiken  ist  der,  dass 
Veit  nur  mit  Schädel  gebarten  rechnet* 


I.    Pbppelf  lieber  den  »Scheintocl  Neugeborener. 


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o 


Vorfall  der 
labcUchniir 


a 
o 

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8 


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a 

0 

OD 


48 


I.    P^pp^,  ü%bt  dea  Scbatetod  N«ag«WvMi«r. 


Folgende  Tabelle  stellt  alle  bisher  gewonneDen  Zahlen 
ökersicbtiieh  zusammen.  Sie  zeigt,  dass,  wie  schon  a  priori 
zu  erwarten  war,  je  mehr  Kinder  bei  einer  Complication 
asphyküsch  geboren  werden,  im  Allgemeinen  auch  desto  mehr 
nicht  belebt  oder  todt  geboren  werden,  was  jedenfalls  be- 
stätigt, dass  Asphyxie  und  Absterben  während  und  gleich 
nach  der  Geburt  auf  derselben  Aetiologie  beruhen. 

Tabelle  XV. 


Es  wurden  bei 


Asphjktisch  geboren 
belebt 


in 

toto 


nicht 
belebt 


Lebern- 
frisch 

boren 


Todt 
boren 


Aoconehement  forc^e  .  . 

PUcent«  praevia    .... 

Wendung . 

Vorfall  der  Nabelschnur 

Engem  Becken 

Beckenlage 

Sänge 

Lange  Dauer  der  zweiten 
Periode 

Krampfwehen 

Seeale 

Frühem      Abflüsse      des 
Fruchtwassers 

Frfihgeburt 

Ge«ichtslage 

tJmschlingung 


77,7 
63,3 
60,6 
49,9 
44,7 
44,5 
43,1 

87,8 

S6 

21 

20,7 
17,5 
13,7 

10,8 


11,1 

20 

14,1 
9,4 

18,1 
9,1 
M 

6,6 
4,3 
1,7 

2,7 

1,6 


66,6 
48,3 
46,4 
40,6 
81,6 
35,4 
36,7 

82,3 

21,7 
19,8 

16,6 
14,8 
13,7 

9,3 


13,3 
16,9 
21,6 
39,6 
44,6 
44,6 

61,5 
60,g 
77,8 

78,1 
76,4 
82,3 
86,6 


22,3 
23,8 
22,6 
28,4 
16,8 
10,9 
12,2 

10,6 

13,6 

1.7 

6,1 
7,2 
3.9 
2,6 


Zu  dieser  Tabelle  muss  bemerkt  werden,  dass,  obwohl 
sie  das  Thatsächliche  statistisch  nachweist ,  aus  ihr  doch  kein 
sicherer  Schluss  auf  die  mehr  minder  grosse  Gefährlichkeit  der 
einzelnen  Complicationen  gezogen  werden  darf.  Es  sind 
zum  Beispiel  bei  der  Qmschlingung  Fälle  mit  eingerechnet, 
bei  denen  nicht  der  Umschlingung  sondern  etwa  der  Zangen- 
.-Operation  oder  ihrer  Veranlassung  die  Asphyxie  zuzuschreiben 
ist.     Um   einen   reinen   Au2»druck  für  die   Gefahr  bei  einer 


I.    I^ppUt  U«b«r  dett  8eb«ialAa  üeiigttliiijrtsen 


49 


eioselnen .  Complication  zu  erhalten,  muss  man  blos  reine 
Fälle  verwerthen,  wie  ich  in  Tolgender  Tabelle  gethan  habe, 
wo  idi  ^  Weodiifig  bei  Scbulterlage,  Beckenendlage,  einfachi» 
Zangenoperationen,  bei  Wehenscbwäcbe ,  Querstand,  Miss- 
verhältniss  des  kindlichen  Kopfes,  dann  für  frühen . Abfluss 
des  Fruchtwassers,  Frühgeburt,  Gesichtslage  und  Umschlingung 
eine  genügend  grosse  Anzahl  solcher  durch  nichts  complicirten 
Fälle  nachweisen  kann^  um  eine  Procentberechnung  statthaft 
zu  finden.  Die  Procentzahl  für  die  Asphyxie  hält  zwar  die» 
selbe  Ordnung  ein,  wie  in  der  vorigen  Tabelle  XV.,  nur  ist 
sie,  wie  zu  erwarten,  überall  ziemlich  viel  geringer. 

Tabelle  XVL 


Es  wurden  bei 


Aspfayktiscfa  geboren 


in 

toto 


I  nicht 
belebt 


belebt 


Lebens- 
fri&eli 

ge- 
boren 


Todt 
geboren 


Wendung  .  .  . 
BeckenUge  .  . 

Zange  

Früher  Abflnss 
Frühgeburt  .  . 
GesicbtaUge  . 
ümaehliDgnng 


67,1 
36,7 
36,2 
9,8 
8,6 
8,1 
6,4 


11,4 
6,9 
2,9 
0,9 

1,8 

0,4 


46,7 
30,8 
32,8 
8,9 
6,7 
8,1 
6 


14,4 
63,1 
69,8 
88,2 
86,8 
89,2 
98,4 


28,6 
10,2 

2 

6,6 
2,7 
1,1 


Wie  sehr  zwei  Complicationen  zusammen  die  Proceiit- 
zahl  für  die  Asphyxie  und  die  Todtgeburt  verändern  und 
meist  vergrössern,  können  folgende  Beispiele  zeigen.  In  dei* 
Tabelle  XVIi.  ist  nur  die  Complication  der  Frühgeburt  und 
Beckenlage  für  letztere  günstig,  für  erstere  auch  ungünstig, 
und  sonst  gestaltet  sich  eine  zweite  Complication  infHiier  zu 
Ungunsten  der  ersten. 


MoBAUcebr.f  G«barUk.  1S66.  Bd.  XXV.  SappL-Hfl. 


ee 


I.    B^^^y  U«Wr  de»  Sclicliitod  Neugit^rinef. 


Tabelle  XVn. 


Ii8  wurden  bei 


Asphyktiffcb  geboren 


in    ,  nicht  ;  v^i^k» 
toto     belebt  i^****^* 


Lebens- 

frisoh 

geboren 


Todt 
geboren 


Umaehlingang  tllein    .  . 

Früberem  Abflnse  allein 

Umaoblingnng  o.  früberem 
Abfluss 


Umflchlingnng  allein    .  . 

BeckenendUge  allein    .  . 

Umseblingung  u.  Becken- 
endlsge 

Umschlingnng  allein    .  . 

Zange  allein ,  . 

Umseblingung  und  Zange 


Umseblingung  allein  .  .  . 

Frübgeburt  allein   .  .  .  . 

Umschlingung  und  F'rtib- 
geburt 


Zange  allein 

Früherem  Abfluis  allein 

Zange  Und  früherem  Ab- 
flnss 


B^ckenlagc  allein  .  ,  .  . 

FrUbgebnrt  allein  .  .  .  . 

Beckanlage     und    Früh- 
geburt     


5,4    i 
9,8 


0,4 

0,» 


6 
8,9 


15,4    ,       —        15,4 


98,4 
88,2 

69,2 


M 

t,8 

15,4 


6,4 
36,7 

50 


0,4 
6,9 


5 
80,8 


93,6 
53,1 


1 
10,2 


5,5    '    44,6        89,9  11,1 


6,4 
35,2 

66,6 


0,4 

2,9 

11,1 


6,4 
8,5 

35,2 

36,2 
9,8 

58,8 

36,7 
8,6 

13,6 


0,4 

1,8 

11,7 

2,9 
0,9 


6 
82,3 

65,5 

6 
6,7 

28,6 

82,3 

8,9 


11,7    ,    47,4 


6,9 
1,8 


30,8 
6,7 


-    I    18,6 


93,6 
69,8 
27,9 

98,6 

85,8 

68,1 

59,8 
88,2 

36,4 

53,1 

85,8 

77,4 


1 

4,9 

6,5 

1 
6,5 

11,7 


4,9 
2,0 

6,8 

10,2 
6,6 

9 


Wenn  vt'w  die  im  Anlange  gegebenen  allgemeioen  sia- 
tisliscben  Verhältnisse  bei  den  einzelnen  Tabellen  vergleichen, 
so  ergiebt  sich  Tür  die  Thatsache,  dass  bei  Erstgebärenden 
häuGger  als  hei  Mehrgebärenden  die  Kinder  srheintodt  und 
todt  geboren  werden,  bei  einzelnen  Complicationen  kein 
besonderer  Anbaltspunkl. 


1.    F^pf^t  iHhmr  499  &eh&bä\»4'  Il«ag«k#r6iier. 


M 


Dagegen  zeigt  folgen^«  Tabelle,  dass  auch  bei  den  ein- 
zelnen Complicationen  fast  immer  mehr  Knaben  als  Mädchen 
scheintodt  und  todt  geboren  werden. 


Tabelle  XV 111. 


Kmibeii  wardeB  bei 


Lebenafriscb 
geboren 


Äspbyktiscb 
geboren 


Todt 
geboren 


Fräherem  Abflnss   .  .  .  . 

Frühgeburt 

Vorfall  der  Nabelscbnnr 

UmscblingUDg 

Beckenendlsge 

Engenr  Becken 

Lang^Dauer  der  sweiten 
Periode 

Zange  

Wendung 


47,2 

47,8 

50 

62,5 

58,d 

5a,s 

56,4 
63,1 
66,6 


60,7 

46,5 

54 

63,1 

67,6 

70,5 

54,1 
71,6 
58,1 


75 

56,5 

61,9 

60,8 

6M 

88,3 

58,8 
69,5 
68,7 


Die  nächste  Tabelle  zeigt  in  Bezug  a«r  die  anfangs  ei^ 
wähnte  Angabe,  dass  von  aphyklisch  geborenen  Mebte« 
Kindern  in  den  ersten  acht  Tagen  fast  7  Mal  mehr  starben, 
als  von  lebensfrisch  geborenen,  dass  diese  Mortalität  in 
ziemlich  geradem  Verhältnisse  zur  ProcCTitZBM^^i^^SeiiffBBP* 
und  Todtgeburlen  steht,  das  heisst,  dass  je  mehr  Kinder 
bei  einer  bestimmten  Complication  asphyktisch  und  todt  ge- 
boren werden ,  desto  mehr  auch  in  den  ersten  acht  Tagen 
nach  der  Geburt  sterben. 

Solche  Complicationen ,  bei  denen  die  absolute  ZaJI)i_  zur 
Procentberechnung  nicht  gross  genug  erschien ,  habe  ich  dabei 
gar  nicht  berücksichtigt,  und  daher  50  Fälle  als  Minimum 
angenommen. 


4* 


»8 


I.   P«fB)fMl,  U«b«r  dMi  Schaitttod  N#n0*bMrtaer. 


Tabelle 


Es  wurden  bei 

Aspbjktisch 

und 
todt  geboren 

Von  den  lebensfrisch 

Geborenen  u.  aspbyktisch 

geborenen  Belebten 

starben 
in  den  ersten 
acht  Tagen 

wurden 

gesund 

entlaasen 

Wendung 

Vorfall  der  NabeUcbnur 

Beckenlage 

Zange    

Langer  Dauer  der  «weiten 
Periode 

84,5 
78,3 
56,8 
66,8 

48,4 
26,9 
17,6 
18,8 

20 
16,2 
10,9 
7,2 

8,1 
6,2 
6,1 
1,6 

80 
84,8 
89,1 
92,8 

91  d 

Frühem  Abflüsse     .... 

Oesichtilage 

Umschlingung 

Uli 

Um  den  Einfluss  zweier  zusammentreffenden  Gompli- 
cationen  zu  beseitigen ,  habe  ich  nachfolgend  blos  reine  Fälle 
in  obiger  Weise  berechnet,  und  dabei  35  als  Minimum  an- 
genommen. 

Tabelle  XX. 


Es  wurden  bei 


Asphyk  tisch 

und 
todt  geboren 


Von  den  lebensfrisch 

Geborenen  n.  asphyktiscb 

geborenen  Belebten 


starben 
in  den  erstenj 
acht  Tagen       entlassen 


wurden 

ii{      gesund 


Wendung  .... 
Beckenlage  .  .  . 

Zange    

Frühem  Abflüsse 
Gesichtslage  .  . 
Umschlingung    . 


•86,7 
47 
40,2 
11,4 
10,8 
6,5 


16,9 

7,1 
4,2 
4,9 
6,6 
0,8 


84,1 
92,9 
96,8 
96,1 
94,6 
99,2 


I.  -^fpptij  tTeft«r  den  Sdletnto^  Notiftt^oretief.  ^ 

Während  in  TabeH«  XJX.  ein  fliist  regelmässiges  Sinken 
der  Mortalität  mit  dem  Sinken  der  Scheintodt-  und  Tod^ 
geburt  ersichtlicb  ist,  zeigen  sich  in  Tabelle  XX.  allerdings 
beträcbtKche  Schwankungen.  Aber  einmal  ist  die  Zahl  der 
Fälle  eine  ziemlich  geringe,  und  dann  kaim  es  mir  ja  durchaus 
nicht  beikommen,  behaupten  zu  wollen,  die  Gefahr  für  das 
Kind  während  der  Geburt  .sei  das  einzige  Mbment,  das  in 
den  ersten  acht  Tagen  auch  nach  der  Geburt  das  Leben  des 
Kindes  gefährde,  aber  jedenfalls  ist  durch  die  Tabellen  be- 
wiesen, dass  sie  ein  Hauptmoment  ist. 

Auch  in  anderer  Weise  noch  erhellt  diess  daraus,  dass 
je  länger  die  Asphyxie  dauerte  und  je  tiefer  sie  war,  desto 
mehr  Kinder  in  den  ersten  acht  Tagen  starben.  Die  An- 
gaben, die  ich  bei  den  309  der  Statistik  zu  Grunde  liegenden 
asphyktisch  geborenen  und  belebten  Kindern  in  den  Journalen 
notirt  finde  über  die  Dauer  der  Asphyxie,  sind  zwar  mit 
grosser  Vorsicht  aufzunehmen,  da  man  bekanntlich  selten 
bei  Wiederbelebungsversuchen  in  der  Lage  ist ,  die  Zeit  genau 
zu  bemessen,  die  bis  zur  Wiederbelebung  verstrichen  ist; 
demgemäss  finde  ich  ober  die  Dauer  auch  oft  blos  die  Angabe, 
dass  sie  kurz,  massig  lang,  und  sehr  lang,  oder  dass  die 
Asphyxie  gering-  oder  hochgradig  gewesen  sei;  trotzdem  ist 
es  gewiss  nicht  zufällig,  dass  von 

163  nach  kurzer  Zeit  belebten  Kindern  in  den  ersten  acht 

Tagen  19  =  11,6  Procent  starben,  von 
33  nach  massig  langer  Zeit  belebten  Kindern  in  den  ersten 

acht  Tagen  5  =  15,1  Procent  und  von 
113  erst  nach  langer  Zeit  belebten  Kindern  in  den  ersten 

acht  Tagen  28  =  24,7  Procenl  starben. 
Aus  Tabelle  XIX.  war  eraichtlich,  dass  von  allen  bei  einer 
bestimmten  Complication  sowohl  lebensfrisch ,  als  «sphyktisch 
geborenen  und  belebten  Kindern  in  den  ersten  acht  Tagen 
eine  der  Grösse  der  ScheinCodt-  und  Todtgeburten  proportionale 
Ancahl  stirbt. 

Die  nächste  Tabelle  zeigt ,  dass  sowohl  eine  Complication 
an  sich,  auch  wenn  die  Kinder  dabei  lebensfrisch  geboren 
werden,  die  Lebensfl^higkeit  der  Kinder  l>eemträchtigt,  als 
dass  namentlich,  wenn  sie  asphyktisch  geboren  wurden,  die 
MortalitAt  noch  bedeutend  zunimmt. 


M 


I.    P^pp^f  Ueb«r  4«M  8ell«iB«od  V^ngßhof^^t. 


Tabelle  XXI. 


Es  starben 

in  den  ersten  acht  Tagen 

nach 


von 

lebensfrifioh 

geborenen 

Kindern 


von 

aspbyktisoli 

geborenen 

belebten 

Rindern 


Frühgeburt 

Wendnng 

Vorfall  der  Nabelschnur 

Beekenlage 

Frühem  Abflnss 

Oesiohtslage  ...'.... 

Langer  Daner 

Zange  

Umschlingnng 


27,9 
16,6 
12,5 
6,6 
4,1 
4,7 
4,8 
4,7 
1,3 


54,2 
18,7 
16,6 
16,9 
15.1 
14,2 
13,4 
10,8 
6,2 


Zur  VergleichtiDg  dieser  ProcenUahlen  mit  der  Gesauimt- 
mortalitat  ist  nicht  die  im  Anfang  berechnete  von  3,2  Procent 
maassgebend ,  sondern  man  nivss  die  Mortalität  solcher  Kinder 
bei*echnen,  die  ohne  alle  Complication  lebensfrisch  geboren 
wurden ;  auf  diese  Art  ergiebt  sicli ,  daas  von  den  6183  Kindern 
4196  ohne  jede  Anomalie  lebensüisch  geboren  wurden,  und 
dass  von  diesen  48  oder  1,1  Procent  in  den  ersten  acht 
Tagen  starben,  während  von  den  übrigen  1987  Kindern, 
deren  Geburt  durch  eine  oder  mehrere  Anomalien  coroplicii't 
war,  welche  theils  lebensfrisch,  tbeils  asphyktisch  geboren 
wurden,  in  den  ersten  acht  Tagen  141  oder  7,2  Prooent 
starben. 

Ueber  die  Ursache  dieser  ungünstigen  Mortaiiläi  kann  kein 
Zweifel  s«Hi.  Sie  liegt  in  den  anatomischen  Verändeningen, 
4k  «inesiheils  die  Asphyxie  bedingen,  aoderntlieils  dnreh 
dieselbe  bewirkt  werden.  Die  Thatsache,  dass  auch  von 
solchen  Kindern,  die  zwar  lebensfrisch  geboren  wurden,  aber 
während  der  Geburt  irgend  eine  Complication,  die  Scheintod 
zur  Folge  haben  kann,  darboten,  in  den  ersten  acht  Tagen 
eine  gi*d84ere  Anzahl  sterben ,  als  von  Kindern ,  die  bei  ganz 
normalen  Geburten  zur  Welt  konimen,  scheint  zu  beweisen, 
dass  entweder  diese  Complicaiionen  beiin  Kiade  noqfc  innerbiJb 


I.    Pappel,  DftbUf  4m  »chateud  K«iifl^iW^tier.  fift 

des  Uterus  StAniugen  veranlassten ,  welche  sioli  zilar  bei  der 
Geburt  scheinbar  wieder  ausgeglichen,  abei*  doth  der  e\- 
tmiteriiien  Lebensfähigkeit  Eintrag  getban  halten,  oder  dass 
diese  Störungen  die  Disposition  zu  anderen  Erkrankungen 
erhöhten. 

Die  anatomi^ben  Veränderungen ,  die  nach  übei*$tandenef 
Asphyxie  das  Leben  des  Kindes  geföbrdeii,  sind  die  cerebvo- 
spinalen  Blutergusse  und  Erkrankungen  der  Respirationsorgaue, 
namenllicb  Fremdkörperpneumenie  luid  Bronchitis.  Es  wäre 
?on  Interesse  gewesen,  alle  SecUoneu  der  Kinder,  die  m 
den  ersten  acht  Tagen  gestorben  sind,  zusammenzustellen, 
und  ihre  Ergebnisse  fär  asphyktische  und  njcht  asphyktische 
Kinder  zu  vergleichen.  Da  jedoch  weder  im  Gebärbause,  noch 
in  der  Poliklinik  alle  Seclioneo  gemacht  werden ,  in  ersterem 
nicht,  weil  viele  Kinder  zu  den  Operationscursen  verwendet 
werden,  konnte  ich  von  den  189  in  den  ersten  acht  Tagen 
gestorbenen  Kindern  nur  78  genaue  Sectionsbei'icbte  der  VerT 
gleichung  untei'ziehen ,  die  aber  imoierhin  noch  ganz  sicberf 
Anhaltspunkte  gewährt.  27  solche  Sectionen  betreffen  nämlich 
Kinder,    die    asphyktiscli   geboren  und  belebt  worden  waren. 

Unter  diesen  finden  wir  fast  in  zwei   Drilttlieil  der  Fälle 
als   Todesursache   Veränderungen,   die   mit  der   Asphyxie  im 
genauesten  Causalzusammenhange  stehen.     Man  fand  nämlich 
7  Mal  Blutergüsse  im  Geliirn, 

3  Mal  Ecchymosen  der  Brustorgane  mit  Hruuchitis, 

4  Mal  beide  vorhergehende  Veränderungen  gemeinschaftlich, 
3  Mal  Atelectase, 

10  Mal  andere,   weder   das  Gehirn   noch  die  Lungen   be- 
treffende Veränderungen. 

lätter  51  Sectionen  von  lebensfrisch  geborenen,  in  den 
ersten  aebt  Tagen  gestorbenen  Kinder»  fand  man  nur  in  einenl 
Seobstel  der  Fälle  Veränderungen,  die  entweder  bestimmt 
oder  \vahrseheiidich  SlAruiigen  ihre  Entstehung  verdaaktei], 
die  nur  während  der  Geburt  wirksam  sein  kennlen.  Man 
fand  aimlicb 

$  Mal  Blotergüsae  im  Gehirn, 

1  Mal  Bluterguss    im    Gehirn    mit   Ecchymosen    auf   der 
Pleura  und  Bi'onchitis, 


M  I.   Pappel,  Ueber  den  ScheinUd  Nivgeboräner* 

4  Hai  Pneumonie, 
1  Mal  Bronchitis, 
42  Mal  andere,   weder  das   Gehirn   noch  die  Lungen  be-^ 
Ureflbnde  Veränderungen. 

Wenn  Obigem  zu  Folge  die  Aussicht  auf  Erhaltung  des 
Lehens  der  Kinder  eine  geringere  ist,  wenn  sie  asphyktisch 
geboren  wurden ,  und  wenn  sie  um  so  geringer  wird ,  je 
hochgradiger  und  langdauernder  sie  es  sind,  so  darf  doch 
eine  jungst  von  Wegscheider^)  ausgesprochene  Ansicht,  man 
solJe  nämlich  nicht  zu  lange  mit  Belebungsversuchen  sich 
abmOhen ,  da  die  Kinder  im  gunstigsten  Falle  doch  bald  wieder 
sterben ,  nicht  gutgelieissen  werden.  Denn  Niemand  wird  die 
Zeit  bestimmen  können,  von  der  an  Belebungsversuche,  wenn 
sie  auch  mit  augenblicklichem  Erfolge  gekrönt  werden,  ohne 
Aussicht  auf  längere  Erhaltung  des  Lebens  bleiben.  Und 
selbst  dieses  zugegeben ,  möchte  ich  nicht  gerne  auf  die  Be- 
friedigung verzichten,  die  soJche  wenn  auch  Yoröbergehende 
Lebensrettungen  sowohl  dem  Arzte,  als  namentlich  den  An- 
gehörigen gewähren. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  eine  kurze  Wiederholung  der 
bisherigen  Betrachtungen  und  Untersuchungen  öbersichtlich 
gestattet 

1.  Die  anatomische  Untersuchung  weist  in  der  bei 
weitem  grössten  Mehrzahl  der  Fälle  bei  todt-  und  Scheintod t~ 
geborenen  Kindern  die  Merkmale  des  SufTocationstodes  un- 
zweifelhaft nach. 

2.  In  seltenen  Fällen  sind  die  SufTocationsnierkmale 
entweder  fehlend  oder  so  geringgradig ,  dagegen  die  Ver- 
ändei'ungen  in  der  SchädeJhöhle  so  hervortretend,  dass  in 
ihnen ,  wenn  auch  nicht  die  einzige ,  so  doch  die  mitwirkende 
Ursache  des  Todes   und  Scheintodes  gesucht  werden  niuss. 

3.  Wenn  neben  Meningeaiblutungen  unzweideutige  Suffo- 
cationsmerkmale  gefunden  werden,  berecbligt  dieser  Befund 
allein  noch  nicht  zu  dem  Schlüsse,  dass  trotz  ersterer  das 
Leben  bestanden  habe  und  Erstickungstod  eingelreten  sei. 
Man   kann   im  Gegentheil  mit  demselben  Rechte  behaupten. 


1)  MonaUtohrift  für  Geburtvkonde,  1S64,  Jani-He/t. 


i.  P0jpp^^  U«b*r  den  Sclleiliteil  N«vg6bor«ner.  5f 

dass  dei*  Druck  der  CxlruTasate  vonteilige  Atfaemliewegungen 
ausgelöst  habe,  tiaaa  die  Circidationsstöiiingea  in  der  Brust- 
höhle  also  nieht  der  Effect  von  Albeiiiheweguugen  i»t,  die 
von  der  durch  Kohlenaaui'elnfaäülfiiig  im  Blute  gereizten 
Hedolla  oblongata  ausgelöst  worden  sind,  aondeni  von  Atfaem- 
bewegungen,  die  durch  den  Reiz  des  Druckes  auf  das  ver- 
längerte Mark  zu  Stande  kamen. 

4.  Die  Erfahrungen  von  Meningealblulungen  bei  Er- 
wachsenen sind  wegen  ihrer  ganz  verschiedenen  Aetioiogie 
nicht  anwendbar  bei  der  Beurtheilung  der  Wirkung  solcher 
Blutungen  bei  Neugeborenen. 

5.  Experimente  an  Thieren  beweisen,  dass  nur  ein  in 
der  Natur  wohl  nie  vorkommender  sehr  plötzlicher  oder  sehr 
starker  Druck  von  Flüssigkeiten  in  der  Scbadelhöhle  das 
Lehen  direct  aufhebt.  Es  werden  dagegen  ziemlich  beträcht- 
liche Flussigkeitsansamndungen ,  wenn  sie  langsam  zu  Stande 
kommen  und  ein  nicht  näher  bestimmtes  Maxinmm  nicht 
überschreiten,  ohne  directe  Lebensgefahr  vertragen,  haben 
aber  constant  eine  bedeutende  Verlangsamung  der  Respiratioii 
und  soporösen  Zustand  zur  Folge. 

6.  Ans  diesen  Experimenten  scheint  der  Schluss  gerecht- 
fertigt, dass  die  Meningealblutnngen ;  die  bei  Kindern  während 
der  Geburt  entstehen,  niemals  den  Tod  des  Kindes  direct 
durch  den  Druck ,  den  sie  auf  die  Medulla  oblongata  ausüben, 
bedingen.  Sie  «berechtigen  jedoch  zu  der  Annahme,  dass 
durch  sie  das  Zustandekommen  der  regelmassigen  Respiration 
verzögert  werden,  und  ein  kürzer  oder  länger  dauernder 
soporöser  Zustand  hei*vorgebracht  werden  könne. 

-  7.  Die  kKnische  Betrachtung  lässt  in  allen  Fällen  von  Tod 
und  Scheintod  die  Annahme  einer  stattgefundenen  Placentar- 
kreistaufsstörung  und  also  der  Suffokation  zu. 

8.  Bei  Erstgebärenden  werden  die  Kinder  häutiger 
asphyktisch  und  todt  geboren,  als  bei  Mebrgebärenden. 

9.  Es  werden  mehr  Knaben  als  Mädchen  scheintodt 
und  todt  geboren. 

10.  In  den  ersten  acht  Tagen  nach  der  Geburt  sterben 
fast  7  Mal  mehr  asphyktisch  geborene  wiederbelebte  Kinder, 
als  solche,  die  lebensfrisch  geboren  wurden. 


Sg  I.    Poppst  t  U«ber  den  S«h«itttod  Keug^borMiet. 

11.  Es  Sterben  ftberhaujH  mehr  Knabe-R  als  MMcben 
in  den  er^len  acht  Tagen  nach  der  Geburt,  sie  Aberwiegen 
aber  besonders  dann ,  wenn  sie  aspbyk  lisch  geboren  wurden. 

12.  Je  mehr  Kinder  bdl  einer  beetimniten  Geburts* 
comflicatioo ,  die  Asphyxie  und  Tod  zur  Folge  haben  kaiw; 
asphyktisch  geboren  werden,  desto  mehr  werden  von  diesen 
asphyktischen  nicht  bplehl,  und  desto  mehr  werden  auch 
todt  geboren. 

13.  Nicht  nur  im  Allgemeinen,  sondern  bei  jeder  das 
Kind  geßhrdenden  CompJication  werden  mehr  Knaben  ats 
Mädchen  scheintodt  und  todt  geboren. 

14  Je  mehr  Kinder  bei  einer  bi^stimaiten  Complication 
asphyktisch  und  todt  geboren  werden,  desto  mehr  sterben 
auch  in  den  ei*sten  acht  Tagen. 

15.  Die  Mortalität  in  den  ersten  acht  Tagen  steht  in 
geradem  Verhältnisse  zur  Länge  und  Tiefe  der  Asphyxie. 

16.  Eine  Complication,  die  Scheintod  und  Tod  zur 
Folge  haben  kann,  beeinti*ächtigt  schon  an  und  für  sieh, 
auch  wenn  die  Kinder  dabei  lebensfrisch  gel)oren  werden, 
die  Lehensfähigkeit  der  Kindei*  in  den  ersten  acht  Tagen 
nach  der  Geburt.  Die  Mortalität  solcher  Kindei*  übersteigt 
also  immer  die  Mortalität  derer,  die  ohne  alle  Complication 
lebensfriseh  geboren  wurden. 


IJ.   Jr#<MlMr,Mittboil«if«i«bM*ai«TliMiltolt»to.         60 


IL 

Mitttieilungeii  über  die  Thfttigkeit  und  die  Ver* 
bandlimgeii  der  Gesellschaft  für  Oebiiftelift&lfe 

zu  Leipzig 

im    zehnten  Jahre  ihres  ßestehens. 


I.    Jahresbericht, 

erstattet  durch  den  d.  Z.  georetair 

Dr.  Emil  Apollo  Melssiiw. 

Vorgetragen  am  18.  April  1864. 

Die  oberste  Leitung  unserer  Vereineaegeiegenheiteii, 
wekhe-  zunäebst  Herrn  PIosb  iiberUiigeo,  von  diesem  aber 
dankend  aligelelint  worden  war,  befand  sich  in  eben  ver- 
flfiwsenen  Scblussjahre  des  ersten  Deeenniuins  in  den  Hfodeii 
des  Hrnrn  Kirsten^  welchem  als  Vicedirector  Herr  Mennig 
zur  Seite  stand,  während  Herr  Beck  als  Cassira*  gleich  wir 
weiter  fuiigirte.  Der  Kreis  der  ordentlichen  Mitglieder  wurde 
durch  die  Aufnahme  der  Herren  Friecbriek  Adolph  Jädiwrig 
(Dr.  med. ,  Assistenzant  an  der  K6nigl.  Estbindungsscbule  su 
licipzig,  jetzt  in  gleicher  Eigenschaft  an  der  Dresdener  Ann 
sUlt)  und  ObriHian  Wilhelm  Braune  (Dr.  med..  Privat* 
docent  an  der  Unitergität  und  städüschei*  Armenarat  hier) 
erweitert;  —  ingleichen  Termitielst  einhelliger  Wahl  bei  der 
letzten  Zusamnieiikunft  behebt,  zur  Feter  des  zehnjährigen 
Bestehens  unserer  Gesellschaft  am  heutigen  Tage,  wie  tnermil 
gescbiebt,  die  Herren  J.  Th.  Sifnpeim  in  Edinburgh  und 
Fr,  Wüh,  von  Scans^oni  in  Wursburg  als  Ehrenmitglieder^ 
sowie  die  Herren  Alfred  Hegar  in  Darmstadt  md  Otto 
Spiegelberg  in  Freiburg  i.  B.  als  correspondirende  Mitglieder 
unserer  Vereinigung  zu  prodaniiren  und  werden  die  hetreflen* 
den  Diplome  denselben  in  den  nichsten   Tagen  zugesendet 


Als  Geschenke  gingen  dem  Archive  der  Gesellschaft  zu : 
A.  Jacobiy  Dentition  and  its  derangenients,  NeiK-York  1862; 


66  tl-    Mmiumnr,  MiMbeÜMiffMi  Aber  die  TMMitieU 

C.  Hennigy  die  Cysten  ties  inensvhlicben  Eileiters  (Separal- 
nbdruck  aus  Wagner*^  Archiv);  E,  P.  Meiaaner,  Haeinoptyse 
mit  nachfolgender  acut  verlaufender  Tuberkulose  in  Folge 
von  Chlorinh«lationen,  und  H.  Haake,  Exlraction  der  Frucht 
am  Skmmeadt  (aus  Kiichenmeister'^  Zeitsehrifl);  A.  Comlon, 
Handbuch  der  KnochenbrAclir  bei  Kindern,  aus  dem  Fran- 
zösischen von  einem  prnclischen  Arzte;  Oenkschrifl,  der 
Senckenberg^schen  Stiflung  in  Frankfurt  am  Main  zur 
Säcularfeier  18.  August  1863  gewidmet  vom  Offenbacher 
Verein  für  Naturkunde;  E,  W.  Qiintz,  das  ableitende  Ver- 
mögen der  Seelenverrichtungen,  ein  Schutzmittel  gegen  Seelen- 
störungen;  E.  A,  Meissner,  der  Keuchhusten  und  dessen 
Beziehungen  zum  Gehörorgane  im  Besonderen;  Sptegelberg, 
Bericht  über  die  Leistungen  in  der  Geburtshillfe  1862  (aus 
Ganatqtts  Jahresbericht);  Dr.  M.  B.  Freund,  die  Lage- 
entwiekelung  der  fieckenorgane,  insbesondere  de«  weiblichen 
Genitalcanales  und  ihre  Abwege ;  —  nebst  zahlreichen  Inaugural^ 
dtssertationen  und  Programmen  verschiedener  Universitfll«n. 
BeridiCen  über  Mineralquellen ,  Kurorten ,  Hml  -  und  Bade- 
anstalten und  der  Gesellschaflsschiiflen  verschiedener  wissen- 
schaftlicbei*  Corporationen. 

Zur  Ergänzung  des  armoch  fehlenden  Materials  ffir  den 
Lesezirkel  wurde  einestheils  vom  Herrn  Hennig,  anderentbeiis 
vom  Berichterstatter  dargeliehen:  B,  R,  Puckek.  Couimen- 
tatio  de  tumorifous  in  |)elvi  partum  impedientibus ;  Jiiüiet, 
Memoire  par  Tiodisme  constitutione!;  NaegeU-Grenser,  Lehr- 
buch iler  Geburtshülfe,  5.  Aultage,  2.  HiilfLe;  Hecker  4ind 
BMhiy  Klinik  der  Geburtskundn  I.;  Schott,  Wiklbad  Snlzhnmn 
bei  Kempten  in  Bayern ;  Br.  Will,  Brinion,  die  Krankhnten 
des  Magens,  deutsch  von  Dr.  //.  O,  Bauer, 

Die  Vei*Sffnimlung«n  der  Gese]lsc4iaft  im  letztverAosseiien 
Jahi*e  ertolgten  zu  eilf  (den  108.  bis  mit  118.)  wissensihaflt- 
liclien,  am  20.  Afiril,  18.  Mai,  15.  Juni,  20.  JuK,  21.  Sep* 
tember,  26.  October,  16.  November,  21.  December  1863, 
18.  Januar,  lö.  Februar  nnd  21.  März  1864  abgehaltenen 
Sitzungen  und  zu  einer  (der  dritten)  geselligen  Vereinigung 
im  Hotel  de  Prusse  am  15.  Juni  v.  J.  —  Als  Gäste  erfreti*- 
ten  uns  dsrch  ihren  Besuch  die  Herren  (Kollegen  Berger  imd 
Dudeneing  hier. 


Q.  d.V«rhiiii4La.0«ftelk4bAlSliaätaftaMlf6siiI««ll>sif  etc.      6l 


Ab  eiBcn  GJiede  des  ,,Vereifi&  für  gMDeiniciMftiiehe 
ArbeileA  aur  Förderang  der  wicftenacbaflUcfaeii  Huikunde^ 
tag  uns  ia  der  112.  Silzuag  die  Absümmung  Aber  -die  in 
No.  64  des  €orre^>ondm)zblatles  aufgesleUle  Altermtire  eb, 
ob  der  genannte  Verein  wegen  mangelnder  Arbeiisbetkeiligang 
ganz  aufaulösen  sei,  od^  unter  gewissen  vom  Direetorium 
vnrgeseyagenen  Modificaiionen  fortgeführt  werden  solle.  Unser 
Votum  sprach  sich  für  den  letstem  Vorschlag  aus,  der  denn 
auch  seiner  Zeit  zum  ^esebiuss  erhoben  woi*den  und  bereite 
zw*  Aiisfähning  gelangt  ist.  —  Naeti  Beschluss  der  117.  Silsung 
sind  ferner  auch  bereits  einleitende  SchriUe  cur  Anbahnung 
eines  gegenseitigen  Sebrtftenwecbseis  mit  der  Obstetrical  So- 
ctety  SU  London  und  der  zu  Edinburgh  geschehen. 

lieber  die  Verhandlungen  der  Section  tOr  Gynäkologie 
und  Geburtshölfe  zu  Stettin  während  der  im  September  v.  J. 
dort  tagenden  Versammlwig  deutscher  Naturforscher  und  Aerate 
gaben  in  der  113.  Sitzung  die  Herren  Haake  und  PIob^ 
detailMrten  Bericht,  von  dem  die  Grundlagen  aus  der  Feder 
des  Erstgenannten  bereits  in  dei*  Monatsschrift  flQr  Geburts* 
künde,  Bd.  22,  Heft  4  abgedruckt  wurden. 

*  In  der  116.  Sitzung  sprach  Herr  Gredi  Aber  die  Gren^ 
zen  der  Hebammeuthätigkeil  und  das  im  Königreiche 
Snebsen  neuerdings  eingefilhrte  Lehrbuch  von  6Wi«Mr, 
an  dessen  Bearbeitung  der  Redner  selbst  thfttigen  Anthcü  mii 
genommen  halte.  Unter  Hinweis  anf  die  vielfaoben  finlheren 
Fehlgriffe  im  Hebammeuwesen  überhaupt  wurde  hinsicbtlieh 
der  meist  zu  mangelhaften  anatomischen  und  physiologischen 
Kenntnisse  auf  Naegele\  Vorgang,  der  diesem  Uebdstande 
am  gründlichsten  zu  begegnen  gewussl  hat,  auftnerksam  ge- 
macht. Während  in  gar  vielen  Lehrbüchern  der  Hebammen* 
kuast  aus  llterer  Zeit  die  Grenaen  für  die  practische  Thalag* 
keit  derselben  unendlich  weit  gesogen  worden;  eine  ziemlieh 
ausgedehnte,  zum  Theil  selbst  bald  mystische,  bald  eynisobe 
Pbannacopoe  ihr  zur  Verfügung  gestellt  wurde ;  auch  bald  mehr 
buM  weniger  operative  Verfabningsweisen  mit  in  ihr  Berekh 
gesogen  «ad  demgemäss  gelehrt  wurden;  —  gebühre  Jo^g 
besonders  das  Vercteenst,  in  richtiger  Auflassung  der  rechten 
Grenslinien  mit  Konsequenz  die  Thäligkek  der  Hebammen 
auf  das  ihnen  einsig  zukommende  hygimnische  und  prophy* 


laciiadK  Terrani  eiMchrinkeiiil  fesigestaik  au  ImImi,  umi  des- 
sea  Sutidpunia  sei  deiui  auch  in  dem  neuen  Lehrbuoke  fest- 
geballen  worden.  Die  Anwendung  von  Arznetmitleln  durch 
die  HiAmioien  sei  mögiicbst  2u  reduciren;  die  Zukssung 
auch  IHN*  8U  gewissen  Operationen,  selbst  verclausiilirt,  wie 
es  seiner  Zeil  «7.  H.  Schmidi  galfaan,  habe  aber  ihr  Be- 
denkUclies;  zumal  die  vorgingige  Cnlsebeidiing  darAber,  ob 
z.  B,  die  Wendung  im  specielten  FaJle  eine  ictcble  sein  werde, 
oh  nichl  die  Extraction  ihr  werde  foJgen  raitaseD  u.  s.  w., 
durchaus  keine  Jeicbte,  ja  oft  gar  nicht  möglich  sei,  und  wohl 
foat  immer  ganz  von  den  Hebammen  wurde  unterlassen  wer- 
den, wenn  sie  in  der  betrelienden  Operation  ekimal  unler- 
richtet  seien.  Ueberhaupt  Ikige  dann  die  Yersuehong  viel  zu 
nahe^  um  das  Verletzen  der  CompeUina  nichl  baldigst  all- 
gemein an  der  Tagesordnung  zu  linden.  Wie  viel  ünglilck 
die  Eingriffe  von  Hebammen  ferner  bei  Placentarlösaiigen 
herbeigefihrt,  davon  geben  unzählige  (iriminaluntersuchuageD 
mit  den  Obduclionsbenebten  von  Perforation^  Ruptur,  Inver- 
sion und  anderen  Verletzungen  der  inneren  (leschlecfatetlieile 
ein  sprechendes  Zeugniss  ab;  weit  mehr  mögen  gar  nioht 
bekannt  geworden  sein.  Redner  sei  selbst  nicht  abgedbigt 
gewesen,  die  Grenzen  för  die  Wirksamkeit  der  Hebammen 
noch  enger  zu  ziehen,  ihnen  nur  die  Mehrgebarenden  ausu- 
weisen,  wie  deren  ganze  Thäligkeit  unter  die  bleibende 
Controle  voa  Aerzlen  z«  steUen,  zumal  ihnen  meiBt  alle 
liefere  wissensobaltliche  fieföhigung  abgehe.  Oie^dringeod  lU 
wänsohende  Aofbeseerung  des  ganaen  Standes  sei  nur  ersA 
dann  au  gewartigen,  wenn  Franen  aus  gebildeten  Stinden 
das  Gonlingent  der  Scbdhirinnen  stellen.  —  Hmrr  PUs^  for- 
dert im  AnsoMuse  daran  eiueslheils  die  gesetahehe  StatuiTMng 
eiiwr  längeren  Lehrzeit,  um  die  Hebammen «^Sclialerioiien 
gröndlicher  ausgebiMet  ihrem  känftigen  Stande  euzuföhren, 
aaderemheils  die  subsidiäre  linterstftuung  des  Staates  fiür 
die  Lernenden,  wie  namentlich  auch  eine  Auf  besaerung  ihrer 
fiehAhrenlaxe.  Ausaerdem  seiea  die  Verbälloisse  in  den  be- 
völkerten tMdten,  wo  Aopzte  immer  schneller  immI  leichter 
Bur  Hand  seien,  gane  andere  als  m  kleineren  Orien  und  auf 
dem  l^nde,  es  wurden  also  beim  Eing^en  auf  Heran  Crtdf^ 
Preposilianen  dann  für  die  einaelaen   Orte  und  deren  Vnr^ 


Q.  d.y«ili«Mi.d  Gkaeütobaft  f.fiatertehaifam Leipsif  etc.      $$ 

bftIttiiMe  eolweder  immat  mehr  oder  miadtr  modüoirle  fie* 
letigolwngen  «inzulireten  buliefi,  oder  hie  uai  da  besoidwpe 
Att»aliniebestinMWUiigen  sUluirl  werden  luiseett,  was  doci 
iMner  etwas  Misslichee  habe.  —  Herr  Grede  bemerkt  dazu, 
dass  er  bereils  früher  bei  Gelegenbeii  einer  ten  ibm  aii§e- 
hufanten  Hebw»iiienrei|(nn  an  geeigoeier  Stelle  die  BiMwig 
ekie«  Landeshebeaimenronds  vorgeschlagen  habe,  wie  er  x.  B. 
in  Prenssen  existire,  der  durch  Erliebuog  klemiH*  Beiträge 
durch  die  Geietiiohen  bei  Trauungen  und  Taufen  gebüdet, 
die  Aufgabe  habe,  gewisaenhiflen  Hebaomiien,  die  aieb  daroh 
treue  DieAstleifttueg  aiisgeeeichnel,  und  deren  Exiatenx  obue 
ihr  Verschulden«  wie  z.  B.  in  ariaien  Gegenden,  UDgeuflgend 
ftindirt  sei«  iugleicben  varzuglicben  Scbuleriniien  entapreoheode 
UntersIfiUungen,  Prämien  und  Gcatiftcationen  erlbeilen  et 
ktanen. 

In  derselben  Versammlung  gab  Herr  Hemdg  eine  Notis 
über  die  Natur  des  Vorwassers.  Ausgebend  von 
dem  allen  Streite,  ob  dasselbe  aus  dem  Baume  awischea 
Uterus  und  Decidua,  oder  zwischen  der  flecidua  vera  und 
refiexa^  oder  endlich  aus  der  AllantoishöUe  staamie,  bemerkte 
derselbe,  dase  die  Entscheidung  des  Uraprungs  immer  schwer 
«ein  werde,  selbst  weuo  es  gelinge,  die  s^äoHnllieben  ßilbeüe 
uorersehri  zu  etiialu»n.  Bisher  habe  der  Sprecher  sich  iiauaer 
vergeblich  bemüht,  reine  AllantoiaUssigkeii  zur  Uaterauckung 
zu  erhalten;  denn  dass  die  AUantois  nicht  iauner  aeilig,  wie 
man  fpsglaubt,  beim  Measohen  wieder  au  Grunde  gehe,  sei 
jetat  dargetban,  üire  Membranen  exisliren  sidier  noch  in  der 
Nachgeburt  beim  rechtzeitigen  Ende  <ler  SchwaBgersebaft. 
Völlige  Trennung  der  Eihäute  kommen  selten  vor^  doch  gäbe 
es  häufig  Udne  Absaokungen,  Abschnfirungen  und  dei^teben 
zwischen  Ghorion  und  Anuiion,  weldie  nach  Virchow  ScMeim* 
gewebe  enthalten,  die  GreAzen  der  AUantois  seien  allefdings 
nur  schwer  au  erkennen.  Neuerdings  habe  H^  nmi  einaMi 
reines  Vorwasser  erhalten  —  sieber  allerdinge  kein  AUautois* 
waaaer,  wie  die  später  uavei'sehrt  erhaltenen  nicht  getiH»na4en 
Eibänte  ergaben  —  und  zeigte  dies  bei  der  mikroakopiaefaen 
Untersuchung  nur  Schleimkugeln,  aber  keine  Epidermisfloehen 
v«Mi  F4tU8  oder  .WoUfaaare,  wie  beim  Fruchtwasser;  lUe  che- 
mische Prüfung  aber  ergab  alkalische  Reaction,  Chiornatriuni, 


koblensaures  Nalro«,  wenig  scbwefelMures  uimI  pboaphorr 
saufes  Alkali  und  eine  geringe  Menge  von  £iweifl8  luR  einer 
Reaetion  auf  Essigsäure,  wie  sie  dem  verdilnnlen  UtarinsGyeioie^ 
nicht  aber  dem  Pnicbtwaespr  zukommen,  zeigte  dfeo  dttrcfa- 
ans  keine  ÄehnKchheit  mit  Amnioswasser.  Der  Sinredier 
gianbte  daber  an  eine  Identiläl  die||^.  Vorwassers  mit  dem 
Secrete  bei  Hydrorrhoea  gravidarum  und  somit  an  die  Eiistenz 
von  Vorwasser,  wek:be8  nicht  von  den  Einbauten  stamme.  — 
Herr  Hcudce  verweist  in  dieser  Bezidmiig  auf  Hegar"»  Unter- 
suchungen, womach  colossal  entwickelte  Uterin- 
drdsen  die  Ursache  der  Hydrorrhoe  sein  sollten,  zeigte 
auch  in  der  darauffolgenden  (116.)  Sitzung  einige  betreffende 
nikroskopische  Präparate  Hegar's  mit  den  einscblageiKlen 
Bemerkungen  aus  einem  Briefe  desselben  vor.  Gedachte  Prä* 
parate  erwiesen  sich  jedoch  nach  einer  weiteren  Mittheilung 
des  Herrn  Hemng  in  der  117.  Versammlung  bei  den  von 
demselben  in  Gemeinsehafl  mit  den  Herren  Schüppel  und 
Professor  Ernst  Wagn&r  vorgenommenen  genaueren  Unter- 
suchungen als  Arterien. 

In  der  110.  Sitzung  zeigte  Herr  Credi  die  Nacbgebmt 
eines  am  betreffenden  Tage  geborenen  7  monaüicben,  bald 
darauf  verstorbenen  Fötus  weibliclien  Gescbleclites  vor,  welche 
zaUreiche  theils  frische,  Üieils  ältere  Apoplexieen  darbot 
Letztere  hatten  zur  Verödung  und  Verfettung  der  Gefasse, 
sowie  Erwekbnng  des  umliegenden  Gewebes  gefuhrt. 

Von  Herrn  Neugebaner  in  Warschau  empfing  die  €e- 
sdisohaft  einen  Beitrag  zur  Lehre  von  der  Selbstent- 
Wickelung  des  reifen  Kindes  aus  der  Schulterlage. 
Diese  Mitlheilung,  welche  in  der  111.  Sitzung  zur  Vorlesung 
gelangte,  betraf  zwei  Fälle  aus  den  Jahren  1851  und  18ä3, 
als  Verfasser  noch  in  Kalisoh  pra«ticirte,  bei  deren  emero 
er  aber  nur  unmittelbarer  Zeuge  d&r  Gebort  und  zwar  auch 
MUT  des  Schlussactes  derselben  war.  Das  Schriftstöok  seitist, 
in  wekhem  die  entgegenstehenden  Ansichten  von  Carl  Braun 
und  Spätii  zu  widerlegen  gesucht  werden,  ist  in  der  „deutschen 
Klinik''  von  Ooesehen  1864  Nr.  13  p.  127  zur  VerMfent- 
hchuiig  gelangt. 

Ueber  Versio  dpontanea  completa  sprach  HeiT 
Hennig  in   der  117    Versan»mlung    unter  Bezugnahme    a«C 


o.  d.Verhaodl.  d.  Oeseltschaft  f.GeburtshüIfe  zu  Leipzig  etc.       65 

f^eine  frühere  (im  ersten  Jaiirpsberichte  erwähnte)  Miltheilung 
imd  die  Dissertation  des  Herrn  Kreussler  über  diesen  Ge- 
genstand, indem  er  dem  Grunde  und  dem  böchstgelegenen 
Theile  des  Körpers  der  Gebärmutter,  als  den  maskelmäch- 
tigsten,  den  grössten  Antheil  beim  Vorgange  dieser  Lagever- 
ändening  zuschrieb.  Bisher  sei  die  Annahme  noch  nicht 
bestritten  worden,  dass  die  gedachte  vollsHhidige  Umdrehung 
nnr  hei  noch  nicht  eröffnetem  Muttermunde  stattzufinden 
scheine,  doch  neuerdings  von  ihm  das  Gegentheil  beobachtet 
worden.  Dieser  Fall  betraf  eine  37jährige  Mehrgebärende, 
\m  welcher  der  Muttermund  bereits  mehr  als  zur  Hälfte  er- 
weitert, das  Fruchtwasser  längst  abgegangen  war,  und  der 
Kopf  anfangs  im  Eingange  des  kleinen  Beckens  vorgelegen 
haite,  und  findet  seine  Erklärung  in  dem  Umstände,  dass 
nicht  nur  der  Fundus  uteri  sehr  stark  nach  vorn  Aberragle, 
sondern  auch  das  Kind  stark  (fast  unter  rechtem  Winkel) 
im  Rumpfe  gekrümmt  war.  Abnorme  Wehenthäligkeit  und 
active  Bewegungen  des  Kindes  mögen  im  specieNen  Falle  be- 
sonders auch  mit  von  entscheidendem  Einflüsse  gewesen  sein. 
Bei  Ruptura  uteri  gehöre  dieser  denkwürdige  an  sich  seltene 
Vorgang  zu  den  pathognomonischen  Kennzeichen;  bei  vor- 
herigen Schräglagen  Hessen  sich  allerdings  häufig  mannichfache 
Aenderungen  beobachten.  — 

Bereits  in  der  111.  Sitzung  sprach  Herr  -ffenm^- über 
die  Vortheile  gnd  die  Nachtheile  des  Zangenge- 
brauches bei  engem  Becken,  verglichen  mit  denen 
der  Vifendung  auf  die  Filsse.  Dieser  Vortrag  ist  in 
der  Beilage  sub  No.  3  vollständig  wiedergegeben. 

Fnr  die  letzte  (118.)  Versammlung  bildeten  die  Vorlage 
der  wissenschaftlichen  Verhsmdlung  drei  von  Herrn  Breslau 
in  Zörich  eingesendete  denkwürdige  Operationsfälle, 
welche  durch  beiliegende  Originalzeichnungen  der  betreffenden 
pathologischen  Präparate  erläutert  waren,  als  1)  Mittheilung 
über  einen  Kaiserschnitt  wegen  eines  grossen  Utenisfibroi- 
deg;  2)  Doppelmi'ssgeburt,  schwere  Geburl,  Decapitation  etc., 
UDlei*suGhnng  der  Kindesleiche;  3)  Prolapsus  des  hochschwan- 
geren Uterus,  ausgedehnte  Incisionen  in  den  unnachgiebigen 
Cervix,  Perfonilion  des  Kindes  etc.  (Vergl.  die  Beilagen  »nb 
iVo.  4—6.) 

Mouatatchr.  f.  Oeburtsk.  1865.  Bd.  XXV.,  Buppl.-Hft.  6 


6H  II.    MeUaner,  Mittheilangen  Hber  die  Thätigkeit 

I»  der  115.  SiUung  veiias  Herr  Oermann  den  an  ibn 
gericiUete»  Brief  eines  RitleigulsbesiUers  in  der  Gegend  bei 
>Yien,  worin  derselbe  auf  einige  Arzo  ei  mittel  aufmerluaiD 
roacht,  welche  bei  der  Geburlshülfe  der  Thiere  auf  «einer 
dortigen  Oeconomie  seit  Jahren  mit  den  unfehlbarsten  Er- 
folgen angewendet  werden,  und  „daher  auch  bei  Menseben 
vielleicht  mit  ebe4i  solchen  Resultaten  verordnet  werden  könn* 
len.  Heine  MilU&eilungen,"  heissi  es  dort,  „betreffen  die 
Wegschaffung  der  Nachgeburt,  ohne  gewaltsames 
llerausreis«>en  und  ohne  NacbÜietl  für  den  Gesundheitszustand 
des  Viehs,  falls  diesellie  angewachsen  sein  sollte.  Das  An- 
wachsen der  Nacligeburt  kommt  hier  beim  Rindvieh  bei 
40—50  Procent  der  Geburten  vor  und  während  in  früheren 
Jahren  viele  Kühe  dabei  verloren  wurden,  ist  in  den  letalen 
(i  Jahren  keine  Einzige  verloren  gegangen.  Ist  die  Nach- 
gelmrt  angewachsen,  so  wartet  man  24 — 36  Stunden  ab,  ob 
sich  die  Natur  uichl  selbst  hilft,  alsdann  werden  4  JLoUi 
Campher  in  zwei  Maass  warmem  Wasser  gelöst  und  hiervon 
die  Hälfte  nach  obiger  Zeit,  die  andere  Hälfte  zwölf  Stunden 
später  gegeben.  In  den  meisten  Fällen  löst  sich  die  Nach- 
geburt schon  nacl)  6  —  8  Stunden  auf  die  erste  Portion« 
sicher  aber  in  kurzer  Zeit,  sobald  die  zweite  Portion  gegeben 
isL  In  letzterem  Falle,  wenn>  also  die  Nachgeburt  sieb  erst 
nach  48  Stunden  löst,  erscheint  dieselbe  meistentheils  im  au- 
gefaulten Zustande.  Wenn  Campher  angewendet  werden  muss, 
werden  ausserdem  häufig  noch  schleimige  Einspritzungen,,  als: 
Absud  von  Eübischwurzel,  Enzian  und  dergleichen  gegeben. 
Sobald  die  Nachgeburt  abgegangen  ist,  fressen  die  Köbe 
meistentheils  schon  gut,  sollte  dieses  jedocli  nicht  stattfinden, 
der  Appetit  also  noch  uichl  gut  sein,  so  werden  zur  Magen- 
stärkung: gestossener  Calmus  oder  Wachholderbeeren  mit 
Wennutii  mit  Mehl  zu  Pillen  angemacht,  eingegeben  und  die 
Fresslust  stellt  sich  sehr  bakl  darnach  ein.  Bei  Fehlgeburten 
werdi'n  hier  zur  Beruhigung  des  Viehs  gestossene  Angelica- 
Wurzel  mit  Meld  in  Pillenlorm  mit  siclierem  Erfolge  ange- 
waiult.  Diese  Mittel  sind  hier  als  Geheimmittel  von  einem 
alten  Tyroler  Hirten  angekauft,  und,  wie  ich  gefunden,  nicht 
sehr  verbreitet!** 


n.  d.  Verhanci].  d.  Gesellschafi  f. Gebartshülfe  bu  Leipzig  etc.       67 

Eine  in  der  daraufTalgeuden  (1.16.)  Sitzung  durch  Herrn 
Haake  »>i<getheilie  brieOtche  IVoliz  des  Henn  Hegar  beti^af 
die  in  der  letzten  Zeit  mit  gutem  Resultate  von  ihm  in  zwei 
Fällen  ausgeführte  Damnnaht  bei  allem  Dammriss,  Vor- 
fall der  hintern  Scheidenwand  und  Prolapsus  uteri,  worin  der* 
selbe  u.  A.  sagt:  „Man  muss  dabei  nur  die  hintere  Scheide- 
wand recht  hoch  yon  der  Nastdarmwand  abpräpariren.  Gut 
ist  es,  die  pr(^abirte  Scheidenvviilst  in  einem  nach  oben  spitzen 
Winkel  auszuschneiden  und  die  Wundränder  dann  Cur  sicli 
zn  vereinigeu,  so  dass  die  Fäden  der  Schleimhautnaht  in  die 
Vagina  zu  liegen  kommen,  üie  breite  Dauimwunde  wird  für 
sich  durch  weitgreifende  Fäden  vereinigt.  Die  Patientinnen 
sind  stets  sehr  zufriedengestellt  und  man  vermeidet'  den  für 
später  unvermeidHchen  Prolapsus  uteri. 

An  demselben  Abende  stand  ein  kleiner  Vorlrag  des 
Referenten  über  Throrabe^i  der  Schamlippen  im  Wochen- 
bette auf  der  Tagesordnung.  —  Rechtfertigen  an  sich  sc;hon 
seltener  vorkon>mende  Anomalieen  die  Mittheüimg  einzelner 
Fälle,  so  erscheint  dieselbe  doppelt  gQl)olen,  wenn  dieselben 
mit  der  sonst  l>ekannt  gewordenen  (älteren)  CasuisUk  sowohl^ 
als  auch  mit  den  Behauptungen  sonst  anerkannter  Autoritäten 
nieht  vollständig  im  Einklänge  stehen;  —  zumal  letztere  meist 
Ton  dem  nur  lobenswerthen  Streben  beseelt,  lediglich  eigener 
Anschauung  und  eigenen  nüchternen  Beobachtungen  zu  folgen, 
hinsichtlich  dergleichen  seltener  Zufalle  weniger  als  in  anderen 
Capiteln  eine  gewisse  Einseitigkeit  der  Anschauung  vermissen 
lassen.  So  stehen  noch  jetzt  die  Ansichten  der  geschätztesten 
Schriftsteller  über  die  Thromben  der  Schamlippen,  wie  solche 
im  Wochenbette  auftreten,  hinstchilich  der  Aeliologie  wie 
der  Prognose,  unter  sich  wie  mit  der  Casuistik  noch  nicht 
im  vollständigen  Einklänge,  wenngleich  so  viel  festzustehen . 
scheint,  dass  ein  constanter  Zusammenhang  ihres  Auftretens 
mit  zahlreichen  Varicositäten  diesci-  Theile  oder  mit  unge- 
wöhnlich schwierigem  Geburts verlaufe  sich  keiuesweges  nach- 
weisen lässt.  So  auch  in  den  beiden  folgenden  Fällen:  Am 
1.  September  1861  gebar  die  Schubmachergesellen  -  Ehefrau 
Siegel  hier  nach  normalem  Verlaufe  ihrer  ersten  Schwanger- 
schaft ein  mittidgrosses  Mädchen  in  Steisslage.     Der  Cieburts- 


08  n.    Meißner,  Mittheilun^en  über  die  TfaKtigkeit 

verlauf  bot  aü  sich  iiichU  Abnormes  dar,    wobJ  aber   slQrzie 
das  erste  Bett,    tu   dem   die  Gebärende    lag,    während    einer 
leichten  Lageveränderung,  die  ihi*  angeordnet  worden  war,  in 
»ich  zusammen.     Mein  Beistand  beschränkte  sich  darauf,  dass, 
als  der  Steiss  dem  Beckenausgange  nahegerückt  war,  ich  einen 
hakenförmig  gebogenen  Finger  in  die  nach  unten  zu  gelegene 
Hüftbuge  einlegte,  während   der  Wehe  den  Rumpf  leicht  an- 
zog, und  beim  Nachiass  der  Wehen  das  Zurückweichen  des- 
selben zu  verhindern  suchte.     Das  Lösen  der  Arme  und  das 
Entwickeln  des  Kopfes  mit  der  Hand  gelang  den  gewöhnlieheo 
ersten  Handgriffen,   wie   überhaupt  die  ganze   Geburt  leichl 
und  sbhnell  verlaufen  war.  —   Bereits  nach   3  Stunden   war 
unter  lebhaften  Schmerzen  eine  dunkelblaurotiie  Anschwellung 
der   linken    Schamlippe  eingetreten,    die   allmälig   die  Grösse 
einer  'Manuesfaust  erreichte,    und   sich   als   durch  Blutaustritl 
bedingt    kund    gab.     Ich   Hess   Schmucker' j^he   Umschläge, 
später  Blei  Wasser  anwenden.     In  den  beiden  folgenden  Tagen 
musste  <ler  Urin  mit  dem  Catheter  entleert  weixleo,  der  Puls 
stieg  wiederholt  auf  1  ^8  Schläge  in  der  Minute,  fiel  aber  am 
4.   September   unter   Anwendung    eines  Infns.  radic.  ipecac. 
cum  Mucilag.  mimos.,  Aq.  laurocer.  und  Extr.  tliebaic.  auf  100, 
stieg    am    ö.    September    wieder    auf    112.     Nachdem    am 
6.  September  auf  eine  Gabe  Ol.  Ridni  Stuhlgang  und  darauf 
merkliche  Verminderung  des  Allgemeinleidens  eingetreten  war, 
zeigte  sich  am  8.  September  die  Schleimhaut   an  der  Innern 
Fläche  geborsten  und  ich  konnte  das  Coagulum  fast   in   toto 
nach   Erweiterung    der   Schleimhautöffnung    ausschälen;    das 
Gewebe  der  Schamlippe  selbst  zeigte  darauf  eine   von  oben 
nach  unten    zu   verlaufende   kahnförmige   Vertiefung   mit   fast 
glatter  Oberfläche,  die  ich  mehrmals  täglich    mit   Intus.  Ser- 
.pylli  reinigen  Hess,  und  bis  zum  16.  Tage  mit  Zurücklassung 
einer  seichten  rinnenlormigen  Narbe,  welche  in  der  Richtung 
der  Schamlippe    selbst   verlief,    vollständig   geheilt   war.     Am 
9,   September    war    die    Patientin    gegen    meine    Verordnung 
schon  aufgestanden,  was  am    10.  September  abermalige  Re- 
tentio  urinae   zur  Folge    hatte,   weshalb   der   Cathetei*  2  Mal 
eingelegt    werden   musste.      Am    11.   September   nrinirte   sie 
wieder  spontan  und  verliess    alsbald    abermals  das   Bett.   — 


n.  d.  Verhandl.  d. GesetlschHft  f. Gebnrtäliülfe  sii  Leipsigr  etc.*      69 

Eineil  zweiten  Fall  verdauke  ich  der  Mitüieihing  des  Herrn 
Dr.  Ludwig  Schulze  hier.  Der  genaimle  (lollege  hatte  am 
12.  August  1860  die  circa  42  Jahre  alte  Frau  Meyer,  die. 
bereits  öfters  geboren  hatte,  von  langem,  kräftigem  Körper- 
bau und  gesunder  Constitution  war,  gegen  ^1^2  Uhr  Nachts 
massig  schwer  mit  der  Zange  von  einem  Knaben  entbunden 
und  sich  darauf  noch  1'^  Stunden  lang  hei  der  Wöchnerin 
aufgehalten,  ohne  dass  sich  die  geringste  Anomalie  eingestelll 
hatte.  5  Uhr  Morgens  abermals  gerufen ,  fand  er  Patientin 
über  colossale  Schmerzen  klagend,  und  sich  unruhig  hin- 
und  lierwerfend, .  die  Oberschenkel,  sowie  die  äusseren  Ge- 
schiechlstheile  auflallig  varicös,  und  zweifelsohne  nur  durch 
die  Ruptur  eines  Varix  bedingt:  die  rechte  Schamhppe  durch 
eine  beinah«  kindskopfgrosse  bläuliche  Blutgeschwulst  aus- 
gedehnt. Die  Anordnung  von  kalten  Umschlägen  billigte  der 
alsbald  zum  Consilium  binzugerufene  Herr  Crede.  Sechs 
Tage  lang  wurde  zweimal  täglich  calheterisirt.  Nachdem  sich 
eine  1  Zoll  breite,  2  Zoll  lange  brandige  Stelle  auf  dem 
Thrombus  gebildet,  zeigte  sich  dieselbe  am  16.  August  theil* 
weise  matschig  zerfallen,  eine  grosse  Menge  jauchiges  Secrft 
war  bereits  ausgelaufen,  circa  ^/^  Nösel  Rlutcoagula  wurde 
kunstlich  entfernt,  worauf  Fomentationen  aus  einem  Aufgusse 
von  Ruia,  Absynth  und  Serpyllum  aufgeschlagen  wurden,  in 
die  Höhle  legte  man  Charpie  (nach  einigen  Tagen  mit  Aq. 
creosoti  vorher  getränkt)  ein«  Aromatische  Injectionen  wurden 
täghch,  vom  21.  August  bis  8.  September  alier  an  jedem 
zweiten  Tage  vorgenommen,  und  schliesslich  die  Wunde  mit 
Höllenstein  touchirt.  Als  am  26.  October  sich  Patientin  .der 
weitern  Behandlung  entzog,  zeigte  sie  noch  einen  Substanz- 
vertust  von  '/^  Zoll  Länge,  2  Linien  Tiefe  und  nur  geringer 
Absonderung. 

In  der  110.  Versammlung  brachte  Herr  Helfer  seine 
nachstehend  sub  Nr.  2  anhegende  Beobachtung:  Ruptura 
▼aricis  vaginae  am  21.  Tage  nach  der  Geburt  und  Tod 
durch  Verblutung  am  26.  Tage  des  Wochenbettes  zum  Vor- 
trage. 

Die  Transfusion  nach  Blutungen  Neu-Entbun- 
dener  betrefifend,  machte  zunächst  Herr  Hennig  in  der 
108.  Sitzung  auf  die  neuerdings  von  Demme  (in  der  schwei- 


70  II*    Mtiatnety  MittheilnogeD  über  die  Thätigkeit 

zerischen  ZeHsehritt  für  lleilkuiidp,  1.  Bd.  5.  Heft,  S.  437) 
gemachten  Vorschläge  aufmerksam;  —  später  (in  der  116. 
Sitzung)  wurde  aus  einem  Briefe  des  Herrn  Hegar  noch 
Folgendes  uher  diese  Operation  mitgetheilt:  „Vor  Kurzem 
machte  ich  eine  Bluttransfusion  und  zwar  mit  sehr  gutiem 
Resultate.  Der  behandelnde  Arzt  halte  die  Wöchnerin  auf- 
gegeben und  ich  schlug  ihm  die  Transfusion  erst  vor,  als 
er  meine  Frage,  ob  er  die  Patientin  für  verloren  halte,  be- 
jahte. Der  Fall  scheint  mir  auch  deswegen  sehr  für  den 
Nutzen  der  Operation  zu  sprechen,  weil  die  Blutungen  be- 
reits 7  Tage  nach  der  Niederkunft  gedauert  hatten;  denn 
man  beobachtet  ja  oft  Blutungen  bei  und  kurz  nach  der  Ge- 
burt, mit  sehr  hochgradigen  anämischen  Erscheinungen,  von 
denen  sich  die  Kranken  oft  auffallend  rasch  erholen.  Unter 
solchen  Umständen  ist  der  Nutzen  eines  Mittels  immer  ein 
sehr  problematischer.  Dagegen  wird  die  Prognose  bei  Blut- 
ungen, welche  schon  längere  Zeit  anhielten  und  scliliesslidi 
einen  bedeutenden  CoUapsus  hei*beifuhrten,  schon  ungünstiger, 
man  kann  daher  eher  dem  angewandten  Mittel  den  Erfolg 
zuschreiben.  Ich  spritzte  etwa  5  Unzen  Blut  ein ;  der  Eflect 
war  ein  unmittelbarer,  der  Puls  wurde  wieder  fühlbar,  die 
Brustbeklemmung  liess  nach,  die  Extremitäten  wurden  wärmer 
und  die  vorher  schwerbesinnliche  Kranke  kam  mehr  zu  sich. 
Sie  beiludet  sich  seitdem  auf  dem  Wege  der  Genesung,  welche 
freilich  sehr  laugsam  fortschreitet.  —  Uebrigens  konnte  ich 
bei  der  Operation  die  Afar^iVschen  Kanüle  nicht  benutzen; 
dieselbe  war  zu  breit  für  die  Vena  mediana,  obgleich  diese 
von  allen  Venen  des  Ober-  und  Unterarmes  am  meisten  ent- 
wickelt war.  Ich  muss  nach  dem  Resultate  dieser  Transfusion 
nur  bedauern,  dass  ich  nicht  schon  früher  diese  kleine 
Operation  versucht  habe.  Ich  glaube,  dass  die  Transfusion 
noch  eine  grosse  Zukunft  hat«*' 

In  der  109.  Sitzung  hielt  Hen*  Hoss  einen  längeren  Vor- 
trag über  das  Legen,  Tragen  und  Wiegen  der  Kinder 
(bald  nach  der  Geburt  und  in  deren  späteren  Entwickelungs- 
altern)  vom  hygieinischen  und  culturhistorischem  Standpunkte, 
erläuterte  auch  die  betreffiBuden  Gebräuche  der  verschiedenen 
Völkerschaften  durch  gelungene  Federzeichnungen.  Auch 
von  diesem  Abschnitte  seiner  grossem  ethnographiscb-cuUfli^T 


Q.  d.  Vt9rhandl.  d.Oesellschaft  f.Gebnrtuliülfo  ett  Leipzig  «tc.       71 

historischen  Arbeit  über  die  Gebräuche  bei  dei'  Gebut*t  gilt 
hiosiclitlich  der  vom  Autor  vorbebalteneu  Veröfreiitltchiin^* 
das  in  den  letzten  beiden  Jabresbericblen  scboii  Gesagte. 

Die  Verhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  speciellen  Gy- 
näkologie eröffnete  Herr  Hennig  in  der  106.  Versammlung 
unter  Vorzeigung  eines  rudinientairenPessariums,  das  vor 
17  Jahren  der  betreffenden  Patientin  eingesetzt  worden  war. 
Nachdem  diese  bereits  vor  längerer  Zeil  den  Stiel  desselben 
verloren  hatte,  zeigte  sich  der  mit  Kalksalzen  stark  incrustiile, 
unter  Bildung  einer  Scheiden-Mastdarmfistel  im  Becken  fest* 
gesetzte  Rest  desselben  durch  einen  callösen  Ring  der  hin- 
tern Scheidenwand  fest  umschlossen.  Erst  nachdem  dieser 
i-aliöse  Ring  in  der  hinteren  und  einer  seitlichen  Parthie  in- 
cidirt  worden  war,  konnte  der  incrusttrte  Rest  des  Pes- 
sariums,  indessen  auch  nicht  in  toto,  sondern  nur  in  einzelne 
Stficke  zerborsten,  zu  Tage  gefordert  werden. 

Das,'  was  Hen*  Hennig  an  demselben  Abende  von  der 
Möglichkeit  hielt,  *  Flüssigkeiten  durch  den  mensch^ 
liehen  Uterus  und  die  Toba  in  die  Bauchhöhle  zu 
spritzen,  ist  zum  grössten  Theile  in  die  seitdem  erschienene 
Inauguraldissertation  seines  Assistenten  Ernst  Hermann 
Klemm :  Aber  die  Gefahren  der  Uterin-Injectionen,  Leipzig  1863 
Abergegangen. 

In  der  114.  Sitzung  hörten  wir  einen  Voilrag  des  HeiTn 
Kirstfin  ober  die  chronische  Me^rilis  und  deren  lüin- 
fluss  auf  das  Conceptionsvermogen,  wie  auf  den  Ver- 
lauf von  Schwangerschaft,  Geburt,  Wochenbett  und 
Lactation.  Nach  einer  Bemerkung  über  die  tnigerisclien 
HofAiungen,  welche  der  im  Volke  oft  gehörte  Rath,  zu  hei- 
rallieu,  erwecke,  wurden  die  vielfachen  Hindernisse  für  die 
Gonception  auseinandergesetzt  und  für  die  Filie,  wo  diese 
dennoch  überwunden,  der  vielfachen  vermehrten  Schwanger- 
schafUbeschwerden  gedacht,  die  meist  zu  sich  häufig  wiedet*- 
holenden  Aborten  fahren.  Der  Redner  knüpfte  daran  die 
Mittbeilung  einer  eigenen  Beobachtung.  In  dem  betreffenden 
Falle  war  nach  längerer  Behandlung  endlich  Conception  mit 
anniingUch  sehr  vermehrten  Seh wangerschaflsbesch werden  ein- 
getreten^ spdler  aber  habe  ein  normaler  Verlauf  der  Schwanger- 
schaft, der  Geburt   und   des   Wochenbettes   mit  ungestörter 


72  !!•    Memner,  Mittheiliui^n  über  die  Thätigk«ii 

Laclaüoß  PlaU  gegrifleii.  —  Bei  (ier  sidi  aiiadilie&6end«n 
üebaUe  erklärte  acanzon€&  Meiiiujig  (in  seiircr  iiemisteii 
Schriil  übet*  diesen  GegeiisUiM^)  gegenüber  Herr  Crede  die 
meisten  Fälle  von  cbroniseher  Metritis  leichlerea  nnd  mittel- 
scbweren  Grades  für  vollständig  heilbar  und  empAehit  iu 
diesei'  Hinsicht  den  selbst  wiederholten  Gebrancli  des  Ferrum 
candeus,  worauf  er  nicht  selten  und  zwar  auch  wiederholt 
Conceptionen  euiireten  und  normalen  Verlaut'  von  Schwanger* 
Schaft,  Geburl  und  Wochenbett  folgen  sah.  —  fkrr  Hennig 
knüpfte  daran  einige  Bemerkungen  über  die  patiiologische 
Anatomie  der  chronischen  Metritis,  die  li*otz  ilirer  grossen 
Uäuligkeil  nur  äusserst  selten,  d.  h.,  beim  Tode  durch  iniei- 
currirende  Krankheiten  sich  eruiren  lasse.  Denn  bei  Ob* 
duclionen  von  Frauen  aus  den  höheren  Lebensjahren,  wo  das 
Uebel  sich  schon  meist  sehr  gemildert  habe,  lasse  sich  sel- 
ten nur  ein  genaues  Bild  wegen  der  inzwischen  eingetretenen 
Productsmodificationen,  der  betreffenden  Altersveränderungen 
u.  s«  w.  gewinnen.  Meist  werde  auch  zu  viel  Gewicht  auf 
die  Portio  vaginalis  allein  gelegt,  womit  sich  der  practische 
Arzt  aber  nicht  begnügen  dürfe.  Wo  man  Irische  FäHe  zur 
ünlersudiung  bekommen,  habe  sich  das  üebel  durcli  con- 
stante  Vermehrung  des  Bindegewebes  characterisirt,  dessen 
Verfettung^)  meist  der  einzige  Weg  zur  Heilung  sei;  denn 
Eiterdepols  im  Uterus  seien  sehr  selten,  dei*  beobachtete 
Eiierabgang  beruhe  meist  allein  auf  dem  begleitenden  K,a* 
tarrhe.  Die  Schmelzung  der  Bindegewebs*Neubildung  erfolge 
nächst  dem  Ferrum  candens  vorzüglich  leicht  durch  AeU- 
natronlauge,  Nitras  argenti,  Liq.  Beilostii  und  den  (■ebi'auch 
aufsteigender  Doucben  mit  alkalischen  Thermen.  —  Herr 
Beck,  der  auch  nach  Fällen  chronisclier  Metritis,  die  duiM:h 
Retroflexio  uteri  compücirt  waren,  wiederholte  Conceptionen 
und  Geburten  ohne  die  mindesten  Störungen  beobachtet  bat, 
drifigt  auf  zeitweilige  längere  Entfernung  vom  Eheroanoe,  um 
ein  sokb  günstiges  Resultat  zu  ermögUcfaen. 


]}  Diese  Mittbeilnng  des  Herrn  Hennig  erfolgte  am  16.  No- 
▼ember  1863,  also  längere  Zeit  vor  Veröffentlichung  der  Arbeit 
TOD  C  Braun  über  diesen  Ausgang  der  Metritis  chronica  in  der 
Zeitoohrift  der  k.  k.  Gesallscbaft  der  Aersie  in  Wien  (Jahrbücher, 
40.  Jahrgang),  1864,  Heft  1. 


a.  d.  Verhaodl.d.GeselUebaft  r.Geburtehülfe  su  Leipsig  etc.       73 

lu  der  110.  Versaiiinihjiig  berichtete  .Herr  Germann 
über  eitiefi  durcb  die  Sectiua  t»cljlieäsUcli  zur  Aufklärung  ge- 
koniraeuen  Kraitkheitsfall  mit  einer  \m  diibiu  räthselharieu 
Geschwulst  im  üougJas'cheii  Räume.  Die  betreuende 
Patientin,  urspi*uiigliGh  von  Herrn  Dr.  üchloßahauer  hiei*  alleui 
bebandeity  hatte  ober  heftige  KoUk schmerzen  mit  wecbseludeu 
BrechduA'chfölleu  und  vern»eintlichein  GebäriiuiUervorlall  ge- 
klagt. S|>äter  war  wtedeiholtes  Erbrechen  von  darnigasähnlicb 
riecheuden  gelblich  breiigen  Flüssigkeiten  eingetreten  und 
dabei  ein  Tumor  in  der  4Ieocoecalgegend  deutlich  zu  fahlen 
gewesen.  Als  am  26.  Januar  v.  J.  Herr  Oermann  zugezogeu 
worden  war,  fand  derselbe  die  Gebärmutter  lief  in  der  Scheidfs 
deren  Vagwalportion  mehr  nach  rechts  stehend,  den  Grund 
dei*selbeii  nach  hinten  zu  umgeknickt;  links  oben  im  Dougbs!- 
scheu  Beckenraome  eine  quergelagerte  Gescliwuist;  dabei 
Blaseakatarrh,  Kolik  mit  abwechselnder  Stuhlverstojitung  und 
Diarrhoe,  kleinen  freifuenteu  Puls,  unruhigen  kurzen  Schlaf, 
die  Haut  kühl,  trocken,  gelblich  gefärbt  Die  Reposition  der 
geknickten  Gebärmutter  und  der  Geschwulst  in  das  grosse 
Becken  brachte  grosse  Eiieiehterung.  Am  15.  Februar  wie- 
derholte sieb  ein- Anfall  mit  den  genannten  hol'tigeren  Beschwer- 
den, am  16.  ejusdem  wurde  wegen  Widerstrebens  der  Pa« 
tieiitiu  gegen  eine  erneuerte  Reposition  (det;  Uterus  und  der 
Geschwulst)  Jodtinctur  auf  den  Unterleib  eingepinselt,  worauf 
abermals  einige  Besserung  eintrat.  Die  Beckengescbwulst 
bildete  in  der  darauflolgeiiden  Zeit  die  einzige  constaiite  Er- 
scheinung, während  einige  kleinere,  in  der  Magen-  und  Ileo< 
coecalgegeud  be^ierkle  Geschwulste  abwechselnd  auftraten 
und  verschwanden.  Am  9.  April  über  führte  eiue  abennalige 
VerschKmmerung  der  Erscheinmagen  Peritonitis  und  den  schnellen 
Tod  der  erschöpften  Patientin  herbei.  Der  Sectionsbefund 
war  in  dem  wichtigsten  Stücke  mit  zur  Stelle  gebracht  wor- 
den; im  unteren  Theiie  des  Dünndarmes  befanden  sieb  zwei 
grosse  Perforationen,  dm*ch  die  eine  derselben  war  eine  ziem- 
liche Parthie  der  ohern  Dönndarmschlingeu  in  das  Darmlu«««i 
hinein-  und  aus  der  anderen  in  Form  'eines  Beutels  wieder 
herausgetreten.  —  fm  Anschlüsse  daran  berichtete  Herr  Berger 
(als  Gast  anwesend)  über  den  Sectionsbefund  nach  einem 
Falle  von  lleos.    Durch  eine  vor  mindestens  9  Jahren  über* 


74  H.    Meissner,  Mitiheilungen  über  die  Thiitigrk«it 

statNi^iin  pucrpm'cile  Periluiiilis  halle  sich  ein  verütckler  NeU- 
straiig  an  iler  recliien  Seile  des  (Jlerus  angelölhel,  um  weldie 
heiinii  eine  Achsencirehung  der  Darme  erfolgt  war. 

In  der  112.  SiUiing  sprach  der  Bericblcrstatter  uiter 
den  Eeraseur  und  dessen  Anwendung  in  der  gynä- 
kologischen Praxis  im  besonderen.  Ehiem  kurzen  ge* 
schiclitlichen  Abrisse  diesin*  Ei*ftndung  (JhaBsaiffn€^'»  und 
der  Characlerislik  der  verschiedenen  iHodiHcaliönen  din^h 
Liier,  Charriire  und  Maisonneuve  (wobei  die  «tnzeluen 
Inslrumenle  Itieiis  in  naUira,  Iheiis  in  guleii  Abbikkjngeii  vor- 
gezeigt wurden)  folgte  die  An»*tHn8iiderse(znng  der  Motive, 
aus  denen  Iferr  Hadke  \\e\\n  InslrnnKMilrninacher  O.  Hoifin 
bierselbst  die  Anfertigung  eines  Inslrnnienls  neuer  €on- 
struotion  inil  rechlwinklich  gegen  die  Fnhrinigs^iehse  desselben 
wirkender  Ketlenschiinge  veranlassl  hatte,  welches  in  gelungener 
Ausführung  gleichfalls  vorlag.  Bei  der  Wirkung  dieses  Ecra- 
seur*s  roUt  sich  die  Kette  auf  einer  Hölse  des  Pilhrungsstabes 
auf;  gedaclite  Hnise  aber  tritt  dabei  vet*niöge  eines  an  ihrem 
unteren  Bn<le  befindlichen  Gewindes  aHniShIicb  abwärts, 
während  eine  doppelte  federnde  Voirichtung  in  kleine  Längs- 
falze  einspringt  und  so  ein  Erschlaffen  und  Zurücktreten  der 
Kelle  unmOglieh  macht.  Daran  schloss  sich  eine  ausföftniiehe 
Darlegung  der  Vorzuge  des  Excrasements  auf  Grund  der  an 
Thieren  angestellten  Experimente  und  der  zeithertgeu  Er- 
fahrungen bei  Kranken,  sowie  die  kurze  Besprechung  der 
voHiereitenden  Stielbildung  bei  breit  auf-  oder  gar  vielleicht 
in  tier  Tiefe  sitzenden  Geschwülste.  Um  das  unbeabsichtigte 
Einziehen  nicht  selten  lebenswichtiger  Nachbarorgane  in  die 
Kettenschlinge  zu  vermeiden ,  wird  in ,  einzelnen  Fällen  eine 
sorgsame  Prophylaxis  nölhig  (Einstechen  von  Nadeln' unter- 
halb der  Basis  des  durch  die  Operation  zu  entfernenden 
Theils)  —  eine  weitere  Cautele  betrifft  die  ROcksichlnahme 
auf  die  mögliche  und  z.  B.  dem  Berichterstatter  begegnete 
Zeireissung  des  Ketlenhakens  während  der  Operation.  Nächst- 
dem  wurden  im  Allgemeinen  alle  Krankheiten,  speciell  und 
ausführlicher  die  der  weiblichen  Geschlechtstheile '  aufgeführt, 
bei  denen  bisher  der  Excraseur  angewendet  wurde,  und  meist 
mit  bestem  Erfolge  wirkte.  Schliesslich  berichtete  Sclireiber 
dieses  über  5  von  ihm   mit   einem  OAamere'schen  Instni- 


u.  d.  Verhiinüt.  d.  Geselluehaft  f. Geburtohiilfts  in  Leipzig  etc.       75 

in^iite  veiTicbieU;  OperalioiMtii.  1)  Frau  K,^  53  Jahre  alt, 
halle  neun  uial  geboren,  Uli  an  einem  liorch  alle  Hu|Hura 
perinaei  bedinglen  ausgedehnten  Mastdarnischeideubruche  und 
hochgradiger  Hy|)erlrophie  des  nieisl  prolabirteii  (Jterns.  der 
aehiiesslich  gar  kein  Pessariuni  mehr  vertrug  und  zaidreieke 
hyslerieche  Zufälle  (bald  in  ietanischen  Zuständen^  bald  in 
aiihalUsaden  hefligeo  ZuckungiMU  bald  in  selbst  stundenlanger 
IJi»bewegUchkeit  und  Spraeldosigkeil  ]>estehend)  veranlasste, 
wodurch  die  äusserste  Reizbarkeit  und  Scbwäebe  eingetreten 
wai*.  Die  durcli  verschiedene  Familienverhälinisse  verzögerte 
Operation  erfolgte  im  Beisein  des  Herrn  Gr^de  am  14.  No* 
vember  1860;  —  die  Portio  vaginalis  wurde  durch  die  Haken* 
zaoge  vor  die  Schamlippen  herabgezogen  erhalten,  bei  der 
fast  lederartigen  Festigkeit  ihi*es  Gewebes  aber  zersprang  der 
Kelteuhaken,  noch  ehe  der  secliste  Theil  getrennt  war,  trotz 
der  vorsichtigsten  Anwendung  und  die  Operation  musste  durch 
vier  kräftige  Scimitte  mit  der  /SVeftoZct'schen  Polypenscheere 
vuUeiidet  werden.  Die  nur  massige  Blutung  stillte  man  wegea 
der  gro66e4i  Schwäche  der  Patientin  durch  Wattetampons  mit 
Liq.  ferri  sesquichlorati  getränkt,  alsbald  vollständig.  Die 
Heilung  des  Stumpfes  wurde  durch  aromatische  liqectioHen 
unterstützt,  erfolgte  aber  nur  äusserst  langsam;  —  der  Er- 
folg aber  war  ein  sehr  befriedigender,  wenngleich  der  Scliei- 
den-Mastdarmbruch  noch  einzelne  Beschwerden  verursacht; 
leider  conti*aindicirten  die  individuellen  Constitiitioiisveriiäft* 
nisse  die  zu  dessen  Hebung  beal>sichtigle  könslliefae  Damm- 
bildung. Die  mikroscopische  Untersuchung  des  abgetrennten, 
durch  die  Operation  entfernten,  2  Zoll  im  Dickendurcbmesaer 
haltenden  und  %  Zoll  langen  Stücks  der  Portio  vaginalis 
zeigte  hodigradige  Bindegewebshypertrophie  mit  eingebetteten 
Golloidcysten.  2)  Frau  S.,  29 V4  Jahre  alt,  hatte  bemts 
6  Kinder  geboren  und  schon  ein  Jahr  lang  an  heftigen  und 
andauernden  Blutungen  aus  dem  zahlmch  zerklüfteten  carci« 
noroatösen  Uterushalse  gelitten.  Die  Abti*agung  desselben 
geschah  unter  Assistenz  des  Herrn  Kollmann  (Hausarzt) 
am  23.  November  1860  und  zwar,  da  das  morsche  Gewebe 
ein  vollstamiges  Hervorziehen  des  Mutterhalses  nicht  ge- 
stattete: innerhalb  der  Scheide,  und  ohne  dass  die  mindeste 
Blutung  folgte.     Auch  nach  der  in  wenigen  Tagen   erfolgten 


76  !'•    MMsnw^  MittheilUDgen  über  die  TbUtigkeit 

Veinarbuiig  der  Wunde  Irat  keine  Blutung  wieder  ein,  woHi 
aber  ging  Patientin  binnen  Jahresfrist  an  carcinooiatöser  In- 
filtration des  LItei*u8körpers,  des  Magens  und  Darmkanals  zu 
Grunde.  —  Das  enlferntc  Stuck  zeigte  unter  dem  Mikroscop 
geWöhiiliches  Cylindercarcinom.  —  (Der  drille  Fall  betrifft 
einen  alten  Herrn  von  76  Jahren,  L.,  vormaligen  Oeconom, 
bei  welclieni  ein  im  Antrum  Highmori  dexlr.  wurzelndes  und 
die  ganze  betreffende  Gesteh t$^liülfle  auftreibendes  Knoclien- 
carcinoui  durch  die  Alveolen  des  Oberkiefers  nach  der  Mund- 
höhle gewachsen  war.  Bine  so  am  Palahnn  durum  von  iler 
Grösse  einer  ausgewachsenen  Feige  entstandene  Neidiildung. 
welche  bei  continuirlichem  SpeichelausHusse  das  Schliessen 
des  Mundes  unmöglich  machte,  das  Essen  und  Sprechen  aller 
bedeutend  erschwerte,  wurde,  am  19.  August  1861  von  mir 
unter  dem  Beistande  des  Herrn  Beck  entfornl,  ohne  das:» 
Patient  besondere  Schmerzen  oder  die  mindeste  Blutung  er- 
litt. Als  die  unvermeidliche  Regeneration  der  Neubildung 
aui  Gaumen  eintrat,  halte  der  bei  zunehmender  Anschwellung 
des  Gesichts  wahrscheinlich  auch  gleich  massig  fortschreitende 
Druck  nach  innen  zu  vollständiger  Apathie  und  Somnolenz 
des  Kranken  gefühlt,  in  weldiem  Zustande  er  am  15.  September 
sanil  verschied.)  —  4)  Am  2.  September  1863  enllernle 
ich  im  Verein  mit  ^en  Heireu  Th,  Kirsten  und  J.  E,  Kühn 
hier  die  hypertrophische  vordere  Mutter mundslippe  bei  der 
46  Jahre  alten  Frau  K.  (hatte  7Male  geboren),  die  an  viel- 
fachen und  anhaltenden  Beschwerden  des  abwärts  drängendi^n 
Uterus  mit  refleclirten  Magenerscheiiiungen  (Sodbrennen, 
Aufstossen,  Uebelkeit,  Appetitlosigkeit)  litt,  binnen  13  Minu- 
ten ohne  alle  Blutung.  Das  entfernte  Stück  zeigte  mikros- 
kopisch: reine  Hypertrophie.  —  b)  Adelheid  8.  aus  E 

28  Jahre  alt,  hatte  vor  circa  8  Tagen  zum  zweiten  Maie  ge- 
boren und  litt  an  heiligen  Schmerzen  in  der  Gegend  der 
Aftei*effnung,  die  sich  bei  der  Untersuchung  als  durch  eine 
syphilitisch -Condyloma löse  Wucherung  von  der  Grösse  einer 
Pfirsiche  bedingt  auswiesen.  Die  Abtragung  geschah  am 
21.  September  1863  in  wenigen  Minuten  ohne  alle  Blutung, 
jedoch  unter  lauten  Schmerzensäusserungen.  Patientin  reiste 
bald  darauf  ab. 


u.  d.  Varhanil.  d. Oesellschaft  f. Oebmrtoliilfe  tu  Leipsi^  etc.      77 

In  der  117.  Versa vmluog  zeigte  Herr  Hennig  Slücke 
der  Laminaria  digitata  vor  und  rühmte  gleich  Herrn  Plo$9 
die  enorme  Qucllbarkeit  derselben  imd  den  Vorzug,  den  die- 
ses neue  Mittel  zui*  Erweiterung  des  Muttermundes  unbedingt 
vor  dem  Pressschwamme  und  Bougies  habe.  ^ 

Ais  neu  erschienene  Schrift  wurde  vorgelegt :  J.  F.  Edouard 
Lauth.  L'Embryothlasie  et  en  particnlier.  de  la  cepbalotrypsie. 
Strassbourg  1863.  4. 


IL    Kuptur  eines  Varix  in  der  Scheide 

a«  Sl.  Tage  laeh  der  liebirt.  —  TmI  m  M.  Tage  ia  VMg« 
der  VerUvtvflg. 

Von 

Dr.  Friedrich  Wilhelm  Helfer. 

Vorgetragen  am  16.  Juni  1863. 

Meine  Hennen!  ich  habe  die  Ehre,  Ihnen  wohJ  einen 
der  seltonsten  Fälle  der  geburtshölflichen  Praxis  vorzutragen* 
Denn  wenn  in  dem  klinischen  Berichte  der  geburtshülflichen 
Klinik  an  der  Friedrichs-Wilhelms-Universität  zu  Berlin  vom 
Geh.  Rath  Bueeb  aus  den  Jahren  1836—1841  unter  4124  Ge- 
burten 3  Fälle  angefüiirt  werden,  wo  das  Bersten  von  Vari- 
cosiUlten  während  der  Geburt  (in  der  3.  und  4.  Geburts- 
periode) zu  bedeutenden  Blutungen  Anlass  gaben,  ohne  das 
Leben  zu  gefährden,  —  so  werden  in  dem  Bericht  ülier  die 
Ereignisse  in  den  Gebäranstalten  von  Stuttgart,  Milncheji, 
Petersburg,  Dresden,  Christiania,  Halle,  Berlin,  HannovtT  und 
Göttingen,  zusammengestellt  von  Dr.  Sickd  im  88.  Bande 
der  ächmidt'^chen  Jahrbücher  unter  12612  Geburten  2mal 
Berstungen  der  Varices  in  der  Scheide  während  der  Schwanger- 
schaft aus  der  Poliklinik  von  Busch  \  in  der  Klinik  von 
1841 — 47  3mal  erfolgte  Ruptiu'  eines  Varix  in  der  Sdieide 
erwähnt,  was  Blutungen  iu  der  5.  Geburtsperiode  zur  Folge 
hatte  und  die  Anwendung  des  Tampon  und  kalte  Ii^ectiooen 
nöthig  machte;  welchen  Ausgang  diese  Fälle  gehabt  haben, 
ist  nicht  dazu  bemoi^kt.     HoU  erwähnt  in   seinem  Lehrbuch 


78  H-   MeissHBr,  Mittkeilangen  ober  die  Thttiflieit 

der  Gebartshfllfe  einen  Fall,  von  Fr,  B,  Oslander  beob- 
achtet, wo  der  Tod  eine  Viertelstunde  nach  einer  BtiHung 
aos  zwei  zerrissenen  varicösen  GefÜssen  der  Scheide  eintrat 
(Handb.  der  Entbiudungsk.  Btl.  III.  Tübingen  1828,  S.  86.) 
Auch  Seulen  Üieüi  einen  Fall  mit,  wo  in  Folge  der  Zer^ 
retiBiiog  eines  Varix  in  der  linken  grossen  Schamiippe  der 
Tod  kurz  nach  erfolgter  Entbindung  einti*at.  {EL.v.  Siebold^% 
Journal,  ßd.  IX.,  St.  1,  S.  188.)  Nach  einer  anderen  Mit- 
theilung  von  Schott  berstete  eine  varicöse  Geschwulst  der 
i*ecblen  Schamlippe,  der  Kopf  stand  für  die  Zange  zu  hoch 
und  in  8  Minuten  eifolgte  der  Tod.  ( WnrUendierg.  med. 
Correspondenzbl.  1833,  ßd.  Vlll.,  Nr.  38.)  Einen  gificklicher 
btendeften  Fall  beobachtete  WiUke  (Neue  Zeitschrift  für  Ge* 
burtskunde,  ßd.  HI.,  S.  249.)  Profe^^sor  Streng  (Geburts- 
hfilflicher  Bericht  der  Klinik  für  UehauHnen  zu  Prag  vom 
1.  Septbr.  1852—1855)  sali  unter  2i)36  Geburten  6  Fälle 
von  ßerstungen  der  Bluladerknoten  beim  Durchschneiden  des 
Kopfes  mit  bedeutenden  Blutungen,  üer  Sitz  derselben  war 
2mal  am  Vaginalmunde,  3mal  zwischen  Kitzler  und  Harn- 
röhrenmfindun^  und  Imai  an  dem  Schwellkörper  der  Ctiloris. 
In  allen  diesen  Fällen  genügte  die  Compression  zur  StHlung 
des  Blutes.  Joerg  in  seinem  Handbuche  der  speciellen 
Therapie  für  Aerzte  am  Geburtsbettc  S.  186  IT.,  v.  StebolJ, 
Lehrbuch  der  Geburtshilfe  S.  362,  ebenso  Chiari^  Braun 
und  Spaethy  Klinik  der  Geburtshillfe  und  Gynäkologie  S.  222 
sprechen  nur  von  Zerreissungen  während  der  Gebnrtsperioden, 
nirgends  habe  ich  einen  dergleichen  Fall  beschrieben  gefun- 
den, wie  der  nachstehende,  wenn  man  nicht  den  interessan- 
ten Fall  von  Maschka  (Prager  Vierleljahrsschrift  1861,  2.  Bd.) 
in  seinem  Berichte  Aber  die  in  dem  Zeiträume  vom  1.  Juli 
1859  bis  Ende  1860  vorgenonunenen  gerichtsärztliehen  Un- 
terauchungen  mit  dazu  rechnen  könnte:  (6.  123),  „Job.  L., 
ein  24jShrige8,  froher  gesundes  Madchen,  erkrankte  in  dei* 
Nacht  zum  20.  October,  nachdem  sie  am  Abend  eine  dchledite, 
etwas  übel  riechende  Wurst  genossen  haben  soll,  an  heftigen 
Ihtterleibsschmerzen,  zu  denen  sich  Erbrechen  hinzugeseHie. 
Nachdem  difse  Erscheinungen  trotz  angewandter  ärztlicher 
Hülfe  rasch  an  Intensität  zugenommen  hatten,  trat  Gollapsut« 
ein  und  nach  8  Stunden  erfolgte   der  Tod.    Bei   der   wegen 


n.  d.Verbnild].  a.OeseUMhaft  f.Cteburtflhaife  %vl  Leipzig  etc.       79 

Vej^acbt  einer  stattgeftitHienen  VergifliiBg  vorgonomineiien 
ObduotiM  fand  man  den  Körper  woblgenihrt,  die  Hauldecken ' 
und  sflmnsüiciie  sichtbare  Schleimhäute  sehr  Mass  etc.  Im 
Unterleibe,  besonders  iu  dfi^BeckeuhöUe,  befand»!!  sich  gegen 
4  Pfund  geronnenen  Bluies  angesanMueli.  Djp  GebärmuUer 
war  jttogfräuiieb,  jedoch  etwas  grösser,  ihre  Schieimliaut  auf* 
gelockert,  mit  einem  bräunlich -blutigen  Schleim  überzogen, 
Muttertrompete  und  Eierstöcke  vollkommen  normal.  Am  Grund 
der  Gebärmutte»*  gerade  oberhalb  der  Einmündung  der  iiniien 
Tuba  befand  sich  eine  haselnussgrosse,  mit  dünnen  Wandungen 
versehene,  geborstene,  noch  mit  Blutgerinsangen  angefüUle 
H^hle,  welche  mit  einer  erweiterten  Yene  communidrte  und 
xufolge  ihrer  Beschaffenheit  ab  ein  unter  dem  Peritonaeal* 
übera^uge  gelegener  Varix  angesehen  werden  mussie.^' 

Frau  Kunze,  35  Jahre  alt,  hatte  in  ihrer  Jugend  Masern 
und  Keuchhusten,  sowie  im  20.  Jahre  eine  Pleuropneirnionie 
überstanden,  war  sonst  stets  gesund  und  vom  14.  Jahre 
regelnissig  viei'wöcbentlich  mensliuirt  gewesen,  wurde  im 
29.  Jahre  zum  ersten,  drei  Jahre  darauf  zum  zweiten  Male 
schwanger;  diese  Sohwaogei*schaflen  verliefen  ganz  normal, 
sie  hatte  während  dieser  Zeit  keinerlei  Beschwerden,  höchstens 
anfänglich  über  Uebelkeiten  zu  klagen,  Varioositälen  waren 
an  den  Füssen  nicht  zu  sehen ;  beide  Kinder  hatte  sie  9  bis 
12  Monate  gestält.  Im  Jahre  1862  wurde  sie  zam  dritten 
Male  schwanger,  doclj  entwickelten  sich  schon  in  den  ersten 
Monaten  sehr  bedeutende  Yaricositaten,  insbesondere  längs 
der  Yena  saphena  magna  et  parva,  desgleictien  Yena  cruralis, 
Yeiia  podenda  und  Plexus  pudendalis  der  Iroken  Seite,  welche 
sich  nach  und  nach  immer  mehr  vergrosserten,  so  dass  im 
7.  Monate,  in .  welchem  ich  die  Frau  zum  ersten  Male  sah, 
von  den  Genitalien  herab  bis  an  die  Knöchel  'derselben  Seite 
die  Yarices  die  Grösse  von  Tauben-  bis  Gänseeiem  eiTeieht 
Italien;  dass  dadurch  das  Gehen  sehr  beschwerlich  und 
sclunerzhafl  war,  in  der  Nacht  häufig  Wadenkrämpfe  auftraten, 
verslebt  sich  von  selbst.  Im  Uebrigen  war  die  Frau  wohl, 
lialle  guten  •  Appetit  und  Yerdauung,  nur  hin  und  wieder 
Suibiverstopfung,  zur  Hebung  dieser  wandte  sie  St.  Gennain^ 
Üiee  im  Aufguss  an.  Am  25.  April  1863  früh  7  Uhr  traten 
die«  ersten  VYehen  ein.  Mittags   war  der  Mnttermuml  wip  ein 


80  II-    Meiainer,  Mittbeilimefen  über  die  TbUigirait 

ZweithalerstJick  erölftiet,  4  Uhr  s|H*ang  di«  fitaee  und  nach 
*eiaer  halben  Stunde  gel>ar  sie  ein  kräftiges  Mädchen  und 
bald  darauf  wurde  die  Placenia  ohne  irgend  eine  Beihulfe 
von  Seiten  der  Hebamme  mit  geringem  Blutverlust  auage- 
sioaaen.  Das  ^Wochenbett  verlief  normal,  am  8.  Tage  stand 
die  Wöchnerin  auf  und  vom  14.  Tage  an  verrichtete  sie  ihre 
häuslichen  Arbeiten  wie  früher.  Am  lö.  Mai  (also  den  21.  Tag 
nach  der  Niederkunft)  wollte  die  Frau  ihr  Kind  baden  und 
holte,  weil  keine  Dienerin  sogleich  bei  der  Hand  war,  aus 
dem  bei  dem  Hause  vorbeifliessenden  Flusse  selbst  in  zwei 
sogenannten  Wasserkannen  das  Wasser.  Bei  dem  Heraus- 
heben dieser  nicht  ganz  gefällten  Gefasse  aus  dem  Flusse 
wäre  ein  schmerzhaftes  (vefuhl  in  den  (leburtstheilen  und 
sofort  darauf  ein  nicht  unbedeutender  Blutverlust  entstanden, 
sie  habe  sich  niedergelegt,  wäre  aber  nach  einer  Stunde,  nach 
Aufhören  der-Blutung  wieder  an  ihre  Arbeit  gegangen.  Bemerkt 
liätte  sie  während*  des  ganzen  Tages  nur  massigen  BkHabgang 
und  erst  in  der  Nacht,  nachdem  sie  das  Kind  gestiUl  und 
wieder  in  das  Bettchen  gelegt,  wäre  jener  so  bedeutend 
geworden ,  dass  sich  Schwarzwerden  vor  den  Augen ,  Ohren- 
sausen und  Ohnmächten  einstellten.  Jetzt  erst  wurde  ein  in 
demselben  Hause  wohnender  Regimentsarzt  geholt,  der  ihr 
drei  Mal  15  Tropfen  einer  sauren  Flüssigkeit  gegeben,  woi*anf 
sich  die  Blutung  gestillt.  Eine  geburtshülfliche  Untersudiung 
von  dessen  Seite  war  nicht  angestellt  worden.  Ruhiges  Ver- 
balten, horizontale  Lage  im  Bett,  Limonade  und  Bouillonsuppe 
mit  Ei  war  die  Ordination.  Am  17.  Mai  fWlh  7  Uhr  trat 
die  Blutung  mit  grösserer  Heftigkeit  als  früher  auf.  Da  jener 
Reginsenlsarzt  veri*eist  war,  wurde  ich  um  ^/^S  Uhr  frAh 
geholt  und  fand  die  Frau  leicbenblass ,  Gesicht  mit  kaltem 
Schweiss  bedeckt,  in  Ohnmacht  liegend,  Puls  kaum  zu  fühlen, 
leicht  wegzudrücken ;  bei  näherer  Untersuchung  vor  den  Geni- 
talien eine  bedeutende  Quantität  (circa  2  Pfund)  coagtiKrt««» 
Blut  liegend,  aus  der  Vagina  quoll  trotz  der  theilwWsen 
Ausfüllung  mit  Coagnlis  liellrothes  Blut  hervor.  Nach  Ent- 
fernung der  Coagula  konnte  ich  bei  der  geburtsMiiflietiee 
Exploration  deutlich  einen  Riss  in  dem  oberen  hinteren 
Sckeidengewölbe  mehr  nach  links  und  oben  fühlen  und  kam 
mit  dem  untersuchenden  Finger  in  eine  Höhle,   aus   welcher 


o.  d.  Verbandl.  d.  tiesellschaft  f . Gebnrtihttlfe  eti  Leipsi^  etc.      gl 

dre  BJolung  sich  ergoss;  oh  dieselbe  zugleich  mit  aus  der 
GebärmuUer  stammte ,  konnte  durchaus  nicht  mit  Bestimmtheit 
erkannt,  werden.  Die  Coagula  wurden  entfernt,  zwei  Ein- 
spritzungen von  Essig  rail  kaltem  Wasser  gemacht,  sodann 
aber  Wattetampons,  stark  mit  Acidum  tannicum  bestreut,  ein- 
geführt, wodurch  auch  Stillung  der  Blutung  erzielt  wurde. 
Aeusserlich  aber  wurden  Eiswasserübersciüige  (alle  Viertel-, 
stunden  erneuert)  und  innerlich  Analeptica,  Zimmettinctur, 
Wein,  Eiswasser,  Bouillon  mit  Ei,  ein  Decoctum  Seealis 
comuti  5j  auf  Siv  Golatur  mit  Aci^lum  phosphoricum  dilutum 
angewendet  Noch  muss  bemei*kt  werden,  dass  unmhtelbar 
nach  dem  Erwachen  aus  der  Ohnmacht  Uebelkeiten  und  gegen 
IOV2  Ühr  Vormittags  mehrmaliges  galliges  Erbrechen  auftrat, 
weiches  nach  Eispillen  aufhörte.  Während  des  ganzen  Tages 
ging  kein  Tropfen  Blut  ab,  die  Frau  erholte  sich  unter  An-* 
Wendung  jener  Mittel  zusehends ,  die  Erscheinungen  des  Blut- 
verlustes traten  immer  mehr  zurück,  sie  klagte  weder  fdier 
Kopfschmerzen  noch  Schwarzwerden  vor  den  Augen ,  sendeten 
nur  fiber  zeitweilige  Uebelkeiten  und  grossen  Durst ,  weshalb 
audi  mit  dem  Genuss  von  kleinen  Portionen  Eis  fortgefahren 
wurde.  Abends  10  Uhr  war  die  Haut  normal  warm,  mit 
nicht  übermässigem  Schweiss  bedeckt,  der  Puls  ziemlich  voll, 
96  Schläge  in  der  Minute,  Gesicht  nicht  mehr  verfallen,  Augea 
glänzend,  Sensorium  vollständig  klar.  Patientin  klagte  sehr 
Aber  Brennen  in  der  Vagina,  und  Druck  auf  den  Mastdarm, 
gleich  als  ob  sie  zu  Stuhle  gehen  sollte ,  und  verlangte  schon 
jetzt  die  Entfernung  des  Tampons,  was  von  meiner  Seite 
verweigert  wurde.  Urin  war  nicht  abgelassen  worden,  wes- 
halb der  JCatheter  applicirt  und  damit  eine  ziemliche  Quantität 
dunklen  Urins  entleer^  wurde.  Auch  ferneriiin  kam  der 
Katheter  früh  und  Abends  bei  jeder  Urinentleerung  in  An- 
wendung, um  keine  Veranlassung  zum  Wiedereintritt  der 
Blutung  zu  geben.  Während  der  Nacht  hatte  Patientin  (heil- 
weise stundenlang  ruhig  geschlafen,  war  jedoch  auch  im 
Traume  von  schwarzen  Gestalten  gequält  worden.  Der  Durst 
war  gleich  geblieben ,  die  Uebelkeiten  aber  ganz  verschwunden. 
Um  10  Uhr  früh  wurden  die  Tampons  nach  26  stundigem 
Verbleifeen   in  der  Vagina  mit  Leichtigkeit  entfernt,  und   es' 

If6ii«tmclif .  t.  6«bnrtBk.  I88fr.  Bd.  XXV.,  Suppl.Hfl.  6  • 


ti2  II-   Meissner,  Mittheilttngen.  über  die  ThHt^keit 

tloss  ein  tiluüg  jauchig  auss^heiuies  Secrel  obutt  irgeud  einen 
übl«Q  Geruch  ab.  Damit  aber  nun  nicht  etwa  eine  JfHicbige 
Aufsaugung  durcti  die  Gebärmutter  oder  die  verletzte  Veae 
stattfinden  könne,  wurden  von  meiner  Seite  mehrte  In- 
.jectionen,  J)esteheBd  aus  gleichen  Theilen  Weinessig  und 
Eiswasser  mit  der  grössten  Vorsiclit  ausgefObrt,  dabei  floss 
das  blutig  jauchige  Secret  ab  und  bei  der  vierten  Einspritzung 
war  die  abfliesseude  Flüssigkeit  nui*  wenig  ge&rbt.  Patientin 
sab  angegriflen  aus,  klagte  nicht  ober  den  Kopf,  wohl  aber 
über  Appetitlosigkeit  und  grossen  Durst.  Der  Puls  war  sich 
gleich  geblieben  (96  Schlage  in  der  Minute),  Leih  weder  schmerz- 
haft noch  aufgetrieben ,  leicht  zusammendrückbai* ;  AppKcaüon 
des  Katheter;  in  der  Hedication  keine  Aeiiderung.  Einbringen 
von  Eisstuckchen  in  die  Vagina  und  Loijectionen  wurden  ferner- 
rhin  in  der  Zwischenzeil  von  2 — 3  Stunden  von  einer  zu- 
verlässigen, als  Hebamme  gelernten  VVärteiin  nach  meiner 
Anweisung  mit  der  May&r'schexx  Uterusdouche,  angefüllt  mit 
Eis  Wasser,  ausgeführt. 

Bei  der  Abendvisite  fand  ich  Patientin  heiter,  gesprächig, 
sie  hatte  auch  mit  Appetit  einen  Teller  Bouillousuppe  gagessen. 
Der  Durst  ist  immer  noch  gross,  Eiswasser  und  Eis  zur 
Stillung  desselben  gebraucht  und  einige  Male  nur  wurde  über 
ganz  kurz  vorübergehende  Uebelkeiten  geklagt  Puls  ziemlich 
voü,  92  Schläge.  Haut  warm,  mit  Scb weiss  bedeckt;  während 
des  ganzen  Tages  kein  Blut  abgegangen.  Gegen  Abend  war 
Drang  zur  Stuhlentleeruiig  eingetreten ,  etwas  Stuhlgang  wai* 
unfreiwillig  abgegangen,  zwei  masseidiafle  breiige  Stuhlgänge 
erfolgten  auf  die  Application  zweier  Klyslire  von  Essig»  Wasser 
und  Oel.  (Von  Freitag  lö.  bis  Montag  18.  Mai  hatte  die 
Stuhlentleerung  gefehlt.)  Weil  Patientin  über  grosse  Müdig- 
keit und  Unruhe  klagte,  wurde  Extr.  thehaic.  gr.  ij  auf  3iv 
Mohnsamenemulsion ,  zweistündlich  einen  Esslöffel  voll  ver- 
ordnet, jedoch  hatte  selbige  nicht  grossen  Erfolg,  Schlaf  war 
nur  vorübergehend  dagewesen.  —  Gjßgen  3  Uhr  Morgens  am 
,t9.  Mai  war  urplötzUdi  ohne  weitere  Ursache  die  Blutung 
von  Neuem  mit  grosser  Heftigkeit  aufgetreten,  circa  IVs  bis 
2  Pfund  Blut  verloren  gegangen.  Bald  darauf  binzugeholt 
entfernte  kh  die  Coagula,  und  da  die  frühere  Tamponad« 
sowohl  als  die  Colpeurese  nach  Braun  von  der  Frau  auf  das 


u.  d.  Verhandl.  <!.  6«iie1lflchflf|:  f.  GebnrtshUlfe  in  Leipsit^  etc.     g3 

Enischiedensie  verweigert  wurde,  machte  ich  Eins|>ritBungeii 
von  üq.  ferri  seBquiehlorati  und  der  gleichen  Menge  Eis-. 
wasMT,  woranf  die  Blutung  sofort  stand.  EisstAokchen  in 
die  Vagina  und  Eisuberscbläge  über  den  Leib.  Ohnmächten 
und  Scbwarzwerden  vor  den  Augen  war  nicht  eingetreten, 
wdbl  aber  vorübergehendes  Ohrensausen.  Zwei  Stunden  darauf 
war  noch  etwas  Blut  nacbgesickert ,  wesiiaib  jene  starke  Ein- 
itpritzung  wiederholt,  Eis  sowohl  auf  den  Leib  gelegt,  als  in 
die  Scheide  eingebracht  und  dadurch  endlich  die  Blutung 
zum  Stillstand  gebracht  wurde.  —  Am  Dienstag  den  19.  Mai 
ging  es  ohne  Blutung  ruhig  weiter  fort^  nur  Nachmittags 
trat  Gleichgültigkeit  gegen  ihre  Umgebung,  auch  gegen  ihr 
Kindchen  ein,  sie  verweigerte  das  bis  jetzt  sehr  gern  ver« 
richtete  Stillen,  die  abendliehe  Unruhe  steigerte  sich;  Herum» 
werfen  der  Hände,  während  der  Körper  selbst  ruhig  liegen 
blieb.  Puls  104  in  der  Minute.  —  Mittwoch  frilh  (20.  Mai) 
hatte  sich  der  Zustand  nicht  verändert,  die  grosse  Gleich- 
gAlligkeit,  die  vollständige  Verweigerung,  das  Kind  anzidegen, 
die  grosse  Unruhe  mit  den  Händen  waren  geblieben,  ebenso 
der  Durst,  jedoch  war  weder  Ohrensausen,  noch  Schwarz- 
werden vor  den  Augen  vorhanden,  Antworten  gab  sie  richtig, 
Puls  96.  —  Nachmittags  4  Uhr  war  Patientin  heiter,  auf 
meine  Frage,  wie  sie  sich  befinde,  giebt  sie  mir  die  Antwort: 
„es  gebt  gut,  die  Blutung  ist  nicht  wiedergekehrt,  ich  bin 
wieder  ganz  warm.''  Bei  der  Untersuchung  fand  ich  aber 
120  Pulsschläge  in  der  Minute  und  die  Haut  mit  profusem 
Scbweiss  bedeckt,  Appetit  wenig.  —  9  Uhr  Abends  plötzlicher 
Verfall  der  Kräfte,  Ohnmächten;  selten  und  nur  auf  wenige 
Minuten  Wiederkehr  der  Besinnung,  Puls  nicht  mehr  zu 
fohlen,  Haut  kalt  mit  klebrigem  Schweisse  bedeckt.  Gesiebt 
fahl  aussehend.  10%  Uhr  Abends  erfolgte  der  Tod  durch 
SufTocation.  Die  annoch  vorgeschlagene  Transfusion  war  ver- 
weigert worden. 

Die  Sectio n  wurde  bereits  den  21.  Mai  Nachmittags 
4  Uhr  angestellt,  weil  zu  befürchten  war,  dass  wegen  allzu- 
grosser  Hitze  die  Päulniss  öberhandnehmen  und  man  dann 
kein  klares  Bild  Aber  den  vorhanden  gewesenen  Zustand 
erhalten  wurde.  Sie  geschah  im  Beisein  des  oben  angeführten 
Regimentsarztes.  —  Die  Leiche ,  sich  noch  im  Bette  befindend, 

6* 


84  1I>    MeUtner,  Mittheilungen  Ober  die  ThKtigkeit 

war  eil)  gut  geaälirUir  weibiicher  Körper,  voii  wachsgeibeni, 
.bluttleerem  Aussehen.  Am  linken  Fusse  konnte  man  nur  noch 
einzelne  unbedeutende  Erweiterungen  der  Venen,  aber  weder 
Oedero  noch  Emphysem,  noch  grüngelbe  oder  braune  Flecke 
in  der  Gegend  der  äusseren  Schamlippen  oder  des  Dammes  be- 
merken, der  Introitus  ^ginae  war  mit  Blutgerinseln  ver8to|in, 
die  Unterlagen,  auf  denen  die  Leiche  lag,  unbedeutend  mit 
Blutwasser  verunreinigt.  Nach  Eröflhung  der  Brustliöhle  zeigte 
die  vordere  Seite  der  rechten  Lunge,  besonders  im  mittleren 
und  unteren  Lappen  viele  alte  Adhäsionen,  (herzuleiten  von 
jener  vor  15  Jahren  überstandenen  Pleuropneumonie),  die 
oberen  Lappen  beider  Lungen  waren  blutleer,  lufthaltig, 
nirgends  Spuren  von  Tuberkeln;  beide  untere  Lappen  über- 
füllt durch  bypostatische  Blutsenkungen.  Herzbeutel  enthielt 
circa  V^  Essiöffel  Serum,  das  Herz  schlaff  und  welk;  die 
rechte  Herzhälfle,  insbesondere  das  rechte  Atrium  mit  Fett 
bedeckt,  Herzmusculatur  blass,  Herzhöhlen  frei  von  Coagulis. 
Klappen  normal.  Leber  blutarm,  fettreich,  derb;  Milz  matschig, 
von  normaler  Grösse.  Nieren  blass  blutarm.  Gedärme  wenig 
aufgetrieben,  wie  ausgewaschen  aussehend;  desgleichen  Peri- 
tonäum.  In  der  Bauchhöhle  keine  Biutextravasate ,  nirgends 
eine  Spur  von  Peritonitis.  —  Uterus  von  der  Grösse  einer 
Mannsfaust  ^  blutarm.  An  beiden  Ovarien  Varicositäten  von 
der  Starke  eines  Raben-  bis  Gänsefederkiels.  Tuben  ebenfalls 
varicös.  Bei  der  Herausnahme  der  Gebärmutter,  Scheide, 
Blase  und  des  Mastdarmes  aus  der  Höhle  des  kleinen  Beckens 
und  nach  Durchschneidung  der  Ligamenta  uteri  lata  zeigte 
sich  das  ganze  Zellgewebe  (insbesondere  der  linken  Seite) 
unterhalb  der  Excavatio  vesico- uterina  und  recto- uterina, 
sowie  der  Plicae  semilunares  Douglasii  bis  tief  hinter  der 
Vagina  und  dem  Mastdarme  herab,  sowie  die  Vagina  selbst 
mit  Blutgerinseln  in  Form  schwarzer  Krömelchen  (durch  den 
Liquor  ferri  sesquichlorati  entstanden)  ausgefüllt  An  der 
hinteren  Wand  der  Vagina  konnte  mau  zwei  Risse  bemerken, 
die  von  einem  geborstenen  Varix  ausgingen;  der  eine  untere, 
einen  halben  Zoll  lang  und  circa  2^/2  Zoll  von  dem  Introitus 
vaginae  entfernt,  öffnete  sich  nach  der  Scheide;  —  der  zweite, 
circa  einen  halben  Zoll  höher  gelegen,  1  bis  IV2  Zoll  lang, 
erstreckte    sich    nach    der    Fascia   pelvis,    so  dass    bei    der 


XL  d.  Verhandl.  d.  Geiellsohaft  f.  Geburtshürfe  eq  Leipzig  etc.      85 

Untersuchung  mit  dein  Zeigefinger  man  in  eine  Höhle  gelangle, 
wei€he  mit  jenem  oben  näher  beschriebenen  Herde  des  Blut- 
extravasales  ausgefüllt  war.  Die  grossen  Beckenvenen  sowohF 
als  die  der  Gebärmutter  waren  blutleer.  Die  aufgeschnittene 
Gebärmutter  war  in  ihren  Wandungen  circa  vier  Linien  dick, 
bt»ss  und  blutarm;  im  Fundus  der  frühere  Sitz  der  Placenta 
noch  nachweisbar  und  etwas  nach  rechts  ein  Rudiment  der- 
selben, circa  '/^  Zoll  breit  und  einen  Zoll  lang,  sitzen  ge- 
blieben, das  sich  leicht  ausschälen  lässt.  (Das  betreffende 
Präparat  ist  der  Gesellschaft  vorgezeigt  worden.)  Mutterhals 
und  Muttermund  normal. 

Dass  der  vorbeschriebene  Fall  nicht  zu  den  Thromben 
der  Vagina,  Lab.  major.,  Becti  und  Perinaei  zu  rechnen  sei, 
geht  schon  aus  der  Bemerkung  von  C.  Braun  S.  222  hervor : 
Thromben  kommen  häufiger  bei  Erstgebärenden  al§  bei  Mehr- 
gebärenden vor.  Varicositälen  konnten  wir  nie  als  Ursache 
erkennen,  da  wir  an  Individuen,  die  von  einem  Thrombus 
belästigt  wurden,  nie  solche  vorfanden,  während  wir  auch 
bei  den  ausgebreite sten  Varicositäten  um  das  Ostium  vaginae 
keine  Blutgeschwulst  entstehen  sahen.  —  Haematoma  vulvae 
ist  eine  bei  Schwangeren  spontan ,  während  der  Geburt  durch 
Zerreissung  und  Quetschung,  ausserhalb  der  Fortpflanzungs- 
periode nur  selten  auftretende  Blutgeschwulst  der  grossen 
Schamlippen.  Die  Ursachen  des  Entstehens  liegen  stets  in 
mechanischen  Stauungen  der  Circulation  und  in  Zerreissung 
der  Gefasse.  Das  Haematom  kommt  gewöhnlich  in  einer 
Schamlippe  als  faust-  bis  kindskopfgrosse  Geschwulst  vor  und 
besteht  bald  mehr  in  einer  gleichförmigen  Sufl'usion  des  Binde- 
gewebes der  Schamlippe,  bald  mehr  in  einem  umschriebenen, 
eine  Höhle  darstellenden  Extravasate.  Gewöhnlich  dehnt  sich 
das  Haematom  gegen  den  Damm  hin  aus  und  breitet  sich  in 
noch  selteneren  Fällen  über  die  kleine  Beckenwand,  Banch^ 
wand  und  Fossa  iliaca.  —  Unter  9723  Geburten  hat  Braun 
drei  Vaginal-  und  Mittelfleischhaeinatome  und  zwei  Mal  Scheiden- 
thromben ,  Scanzoni  hat  bis  jetzt  ein  Haematom  gänseeigross 
beobachtet. 


gg  II.    Meissner ,  Mittheüangen  über  die  ThÜtigkeii 

III.  lieber  die  Yortheile  und  die  Nacbtheile  des  Zangen- 
gebrauchs  bei  engem  Becken^ 

▼erglickei  vit  ileiiei  der  Wendniig  auf  die  FÜMe. 

Von 

Dr.  C.  Hennlg. 

Vorgetragen  am  20.  Jnli  1868. 

Ganz  in  neue$ler  Zeil  hat  die  Frage,  ob  man  nicht  hei 
gewisser  Beckenenge  mit  der  Wendung  auf  das  Unterende 
der  Frucht  besser  daran  sei  als  mit  der  Zange,  das  Nach- 
denken der  Geburlsärzte  wiedei'  angestiengl.  Davon  zeugt, 
ausser  den  bekannteren ,  in  Deutschland  gepflogenen  Ver- 
handlungen und  der  verdienstlichen  Schrift  von  Franke ,  eine 
?on  Blot^)  ausgegangene  Auflbrderung,  welche  sich  auf  die 
unterdess  gelöste  Preisfrage  der  französischen  Akadenotie  he* 
zieht..  Blot  hält  dafür,  dass  jene  Frage  nur  an  der  Hand 
genau  verwertheter  Thatsachen  beantwortet  werden  könne 
und  veranlasst  seine  Anitsgenossen ,  die  einschlägigen  Fälle 
thunlichst  zu  veröffentlichen.  Er  selbst  geht  mit  einem  für 
die  Wendung  auf  die  Füsse  sprechenden  Beispiele  voran. 
In  Folgendem  sollen  nun  eine  Anzahl  noch  unbekannter  Fälle 
mitgetheilt  werden. 

Ueberflussig  wäre  es,  weiter  auszuführen,  wie  die  Kopf- 
zange, nachdem  sie  fast  50  Jahre  das  Geheimniss  weniger 
Familien  gewesen ,  gleich  nach  ihrer  allgemeineren  Anwendung 
zum  Vortheile  der  Gebärenden  und  einer  ungleich  grösseren 
Anzahl  lebendgeborener  und  lebengebliebener  Kinder  der 
Wendung  den  Rang  abgelaufen  hat.  Bis  auf  Chamberlain 
und  Pajfyn^  dem  zweiten  Erfmder  der  Zange,  besass  man 
ja  zur  Ausziehung  sowohl  des  mit  dem  Kopfe  als  auch  des 
mit  dem  Steisse  vorliegenden  Fötus  fast  kein  anderes  Mittel 
als  die  Anziehung  der  Fusse;  wollte  man  nicht  den  vor- 
liegenden Kopf,  der  sich  mit  der  hlosen  Hand  damals  wii*d 
ebenso  schlecht  haben  fassen  und  ausziehen  lassen  wie  in 
unseren    Tagen,    mit    verletzenden    Werkzeugen    bezwingen, 

1)  ff.  Blot,  Aroh.  g^D.,  Jnin.  1863,  p.  19. 


n.  d.  Vdrhftndl.  d.  OeselUohAffc  f.Oeburtshttlfe  lu  Leipsig  etc.     g7 

SO  rousste  mau  eben  die  Fruchl  aul'  ihr  Steissende  drehen. 
Tausende  von  Geburlsgeschichleii  aus  jener  Zeit  belegen 
diesen  Satz. 

Mit  der  Einfahrung  der  Koptzange  tagte  eine  für  unsere 
Wissenschaft  heiisame  Neuerung;  das  Gluck,  welches  diese» 
Instrument  Ober  so  viele  Famüien  verbrettete,  miisste  fSr 
längere  Zeit  jede  andere  Entbindungsweise  in  den  Schatten 
stellen,  und  wirklich  nailhiien  die  rivilisirten  Völker,  mit 
Ausnahme  Englands,  die  englische  Erfindung  freudig  auf: 
überall  wo  die  natürlichen  Kräfte  unzureichend  erschienen, 
glaubte  man  in  der  Kopföange  das  Heil  zu  linden.  In  letzter 
Zeit  nun  ist  die  auf  richtige  Indicationen  zurückgeführte 
Wendung  auf  das  Beckenende  auch  noch  in  denjenigen  Fällen 
zurfickgewieseii  worden,  wo  die  Zange,  welche  erst  nach 
d«m  Eintritte  des  Kopfes  ins  kleine  Becken  in  ihre 
Rechte  tritt,  den  Kopf  nicht  ohne  Gefahr  für  Kind  und 
Mutter  durch  die  Beckenenge  fuhrt,  und  beswiders  in  den 
«rittelm&ssigen  Graden  der  Verengung 

adhuc  inter  judices  lis  est, 
ob  man  den  vorangehenden  Kopf  mittels  der  Zange  durchs 
zwangen  oder  die  Frucht  auf  ihr  Beckenende  drehen  soll, 
um  sie  trotz  dei*  Gefahr,  welche  der  nachfolgende  Kopf  dem 
Mutlaufe  im  Nabelstrange  bringt,  mit  Benutzung  *  desjenigen 
langen  Hebelarmes  rascher  auszuziehen ,  den  die  Beine  und  der 
ganze  Rumpf  darbieten. 

Geschichtliche  Vorbemerkungen. 

Die  folgenden  Angaben  lehnen  sich  an  PrivatmittheHungen 
meines  Freundes  H.  Ploss  und  an  die  Frai^e'w^t  Mono> 
grapbie.  im  Pentatench  findet  sich  eine  Stelle,  aus  welcher 
hervorgehl ,  dass  die  alten  Juden  eine  falsche  Fruchtlage  sehr 
wohl  kannten.  Bei  Gelegenheit  der  Zwillingsgeburt  der  Thamar 
wird  erzftfalt,  dass  der  eine  Fötus  eine  Hand  'herausragen 
liess  und  wieder  hineinzog,  nachdem  die  Wehmutter  einen 
Faden  darum  gebunden  hatte.  Diese  Frucht  wurde  als  zweite 
geboren.  Auch  alle  Talmud  -  Aerzte  scheinen  die  Selbst- 
entwickelmi'g  der  querliegenden  Frucht  gekannt  zu  haben,  einen 
Vorgang,  weichen  erst  (1786)  D&Mnan  wieder  der  Vergessen- 
heit entrissen  hat. 


98  H-    MeiuMr,  Mittheiloiigen  über  die  Thätigk«it 

Erste   Epoche. 
Die    ersten   indischen    Aerzte    nahmen    vier    falsche 
Stellungen  an: 

1.  Der  Fötus  hat  seine  Hände  vorgestreckt,  Kopf  und 
Fösse  liegen  oben,  und  der  Fötus  verlegt  den  Huttei*rauiri 
wie  ein  Keil  (genannt  „Keil'')  —  wahrscheinlich  Steisslage. 

2.  Hände,  Fasse  und  Kopf  der  Frucht  treten  zugleich 
ein  (genannt  „di^  Klaue*')-  « 

3.  Der  Fötus  liegt  mit  Kopf  und  Händen  zu  gleicher 
Zeit  vor  (hiess  „die  Citrone"). 

4.  Er  stellt  sich  auf  den  Hutiermund ,  wie  ein  Stock 
ihn  verschliessend  („Stock"). 

Sogar  Hippokrates  verschmähte  es  nicht,  ein  ähnliches 
Bild  seinen > Schülern  vorzulegen:  „Wenn  die  Frucht  schräg 
herabrückt,  so  entsteht  daraus  viel  Ungemach,  gerade  sowie 
e^  nicht  angeht,  einen  Olivenkern  schief  aus  einer  enghalsigeo 
Flasche  zu  ziehen." 

Susrutas,  der  grosse  Schüler  des  noch  grösseren 
Charaka,  kritisirte  und  verbesserte,  was  er  an  üeber- 
h^feningen  fand.  Ausgenommen  die  ersten  drei  Kategori<ai, 
welchj^  biß  dahin  zu  den  richtigen  Lagen  gezählt  worden 
waren  und  welche  er  fehlerhaft  für  falsche  ausgab,  und  ab^ 
gerechnet  'die  4.,  welche  bis  jetzt  in  der  Ueb^rsetzung  noch 
dunkel  geblieben,  können  wir  uns  mit  den  übrigen  falst^iien 
Lagen  einverstanden  erklären:  .        ■     ;: 

5.  Der  Fötus  bedeckt  den  Mullermund  mit  seiner  Brust, 
der  Lende  oder  dem  Rücken  und  verharrt  in  dieser  Stellung. 

6.  Es  liegt  ein  Arm  vor,  während  der  Kopf  von  der  Brust 
weggewandt  ist. 

7.  Beide  Arme  liegen  vor  bei  nach  v^rn  gebogenem 
Kopfe. 

8.  Hände ,  Fasse  und  der  Kopf  liegen  neben  der  Mitte 
des  gekrümmten  Körpers  vor.  Ein  solcher  Fötus  biess  in 
der  indischen  Geburtskunde  Foetus.  perturbatus. 

Doch  erschöpfen  diese  Klassen  keineswegs  die  mögbcfaen 
Fälle;  Susrutas  fügt  hinzu,  Kopf,  Schultern  und  Becken 
könnten  durch/ falsche  Einstellung,  aber  auch  durch  über- 
mässigen Umfang  die  Geburt  erschweren  und  die  Hülfe,  der 
Kunst  erheischen. 


a.  d.  VerbADdl.  d.GeselUcbaft  f.Geburtshnlfe  zu  Leipsig  etc.      89 

Das  fuhrl  auf  uoser  Thema,  nämlich  auf  die  ersten 
Anfänge  der  Wendung;.  Wemi  in  Folge  eines  der  ge- 
nannten Hindernisse  die  Frudil  nichl  ausgeslossen  werden 
konnte,  so  sprach  der  Brahmane  ein  Gebet  über  die  Kreissende, 
liess  sie  mit  gebogenem  Kniee  auf  den  Röcken  lagern,  die 
Kreuzgegend  durch  ein  Kissen  erhöht  Nun  führte  der  Arzt 
die  nait  Salbe  aus  Pentoptera  ajuna,  Vrittis  und  gereinigter 
Butter  bestrichene  Hand  ein  und  zog  die  Frucht  aus.  Befand 
sich  der  Kopf  von  der  Brust  abgewandt  (wahrscheinlich  in 
Schulterlage),  so  schob  der  Geburlshelfer  die  Schulter  zur 
i>eite  und  nach  oben,  nälierte  dann  den  Kopf  dem  Mutter- 
munde und  machte  die  Ausziehung.  Wenn  beide  Arme  vor 
dem  Kopfe  ausgefallen  waren,  so  brachte  man  sie  zurück 
und  führte  den  Kopf  nach  unten.  Wir  haben  hier  also  schon 
die  Ausübung  der  Wendung  auf  die  Fasse  und  die  Wendung 
auf  den  Kopf. 

Wir  kommen  zu  den  alten  Griechen.  Wenn  die 
Frucht  eine  falsche  Lage  zu  haben  schien  und  die  Wendung 
auf  den  Kopf  nicht  gelang,  so  band  man  die  Frau  auf  das 
Bett  fest ,  schüttelte  das  letztere,  nachdem  man  es  mit  der 
Frau  erhoben ,  oder  erhölite  das  Bett  nur  an  seinem  unteren 
Ende  und  schüttelte  die  mit  abhangigem  Kopf  festgebundene 
Frau.  War  die  Frucht  todt,  so  war  das  Verfahren  ein  etwas 
ruberes:  war  ein  Glied  des  abgestorbenen  Fötus  vorgefallen, 
so  schnitten  die  Zeitgenossen  des  Hippokrotes  die  herab- 
getretene Exti'emilät  ab  und  wandten  das  Kind  auf  den  Kopf. 

Soranus  von  Ephesus  schliesst  von  einer  „guten  Lage'* 
etwas  zuviel  aus.  Die  Frucht,  sagt  er,  befindet  sich  in  einer 
fehlerhaften  Stellung,  wenn  der  Kopf  sich  nach  der  rechten 
oder  linken  Seite  der  Gebärmutter  hinwendet  oder  wenn  eine 
oder  beide  Hände  vorliegen.  Liegt  ein  Fuss  vor,  während  der 
andere  zurückbleibt ,  oder  stützt  sich  der  Fötus  gedoppelt  auf 
irgend  einen  Theil  des  Fruchthallers ,  so  muss  ihm  eine  andere 
Lage  gegeben  werden.  Uebrigeus  sind  nach  seiner  Ansicht  die 
Schräglagen  weniger  unheilvoll.  Sie  können  sich  unter  drei 
Formen  darstellen:  entweder  liegt  eine  der  beiden  Seiten- 
flächen, oder  der  Bauch  vor.  „Nichtsdestoweniger  ist  die 
Bauchlage  noch  die  günstigere,  denn  solche  kann  von  der 
Hebamme  benutzt  werden  zur  Wendung   auf  den  Kopf  oder 


90  II«    MeUaner^  Mittheilnngen  Über  die  ThHtigkeit 

auf  (li<^  Ffisse.  Die  schJimniste  Lage  isl  die ,  gedoppelte, 
heäoiiders  wenn  sirli  die  Lendenwirbel  einstellen;  ausserdem 
kann  nämlich  der  Fötus  mit  dem  Kopfe  und  den  Schenkeln 
oder  mit  dem  Bauche  eintreten," 

Dabei  giebl  Soranus  sehr  praktische  Vorschläge  zur 
Abwendung  der  durch  derartige  Dystocieen  drohenden  Ge- 
fahren, nur  in  einem  Punkte  verstösst  er  gegen  die  Regeln 
der  Mechanik ,  insofem  er  der  Gebärenden  bei  zweiter  Schräg- 
lage (Kopf  rechts)  den  Rath  giebt,  sich  aul  die  linke  Seite 
7U  legen  und  umgekehrt.  Besser  ist  seine  Verordnung«  wenn 
der  Fötus  in  der  Lende  der  Frau  liegt:  sie  soll  sich  auf  die 
Knie  legen. 

In  mehreren  Fällen  erreichte  luan  den  Zweck  durch 
einen  Handgriff,  welcher  sich  noch  lange  erhalten  Iwt:  man 
verbesserte  die  Lage  dadurch,  dass  man  mittels  der  ein- 
geführten Hand  den  voiliegenden  Theil  des  Fölus  durch  den 
Scheiden theil  hindurch  und  mit  demselben  htnaofscbob.  So 
verfuhr  Soranus,  wenn  der  Kopf  abgewichen  und  von  der 
Gebärmutter  fest  umschnürt  war. 

Zweite   Epoche. 

Dem  Gesagten  nach  war  es  nicht  ein  neues  Verfahren, 
als  Roesßlin  und  Rueff  den  Praktikern  die  W«*ndnng 
auf  die  Füsse  statt  der  Wendung  auf  den  Kopf  vorschlugen, 
um  die  der  letzteren  Methode  gewöhnlich  folgenden  Aus- 
ziebungsversuche  mittels  Haken  und  Zangen  zu  umgehen, 
wie  sie  damals  noch  üblich  waren.  Ja  auch  Celsus  und 
A'etius ,  nach  letzlerem  schon  Phtlumenos  und  die  Aspaata 
hatten  seine  Methode  gekannt  und  geübt. 

Ambros.  Par^  uu6  J.  Guillemeau,  sein  Schüler,  haben 
bei  dem  allen  das  Verdienst,  genanntes  Verfahren  erfolg- 
reicher als  die  schweizer  und  deutschen  Aerzte  der  Vergessen- 
heit entzogen  zu  haben. 

Wir  kommen  jetzt  auf  diejenige  Phase  der  Naturwissen- 
schaften, wo  der  menschliche  Geist,  überdrüssig  d^sen,  was' 
ihm  seit  Htppokrates,  Aristoteles  und  Qtden  so  oft  vor*- 
gesagt  worden  war,  selbst  zu  snehen  anfing  und  sich  dit 
natürlichen  Wege  der .  Entbindung  einprägte.  Von  Vesal  ge* 
läutert,  führte  die  Anatomie  dea   weiblichen  Beckens  auf  die 


a.  d.  Verhandl.  d.  (iesellscbaft  f.  Geburtahöire  za  Leipzig  etc.      91 

Lehre  von  der  Verengung  dieseb  Canales ,  und  AranHus  stoUte 
dazu  die  Grundpfeiier  auf.  Fineau  t'ägle  die  Pathogenie  des 
lachilificlien  Beckens  Jiiuzu,  zu  weicher  die  Bevölkerung  ven 
Paris  das  Material  darbot. 

Dennoch  bedurfte  es  eines  Zeitrauntes  vou  mehr  als  einem 
Jahrhundert,  daoüt  die  Pathologie  des  Beckens  die  Ausbildung 
erreichte,  wie  sie  unter  Deventer  und  de  la  MoUe  stand. 
Bei  allem  Zugestandnisse  dtfr  Schwierigkeit,  das  Becken  einer 
lebenden  Frau  als  verengt  zu  erkeiuien,  bezeichnete  de  la  Motte 
zuerst  den  Beckeneingang  als  das  Haupthinderniss  in  den 
meisten  Fällen,  ihm  zufolge  ist  es  weise  abzuwarten ,  bis 
zu  welchem  Grade  die  Natur  mit  dem  Bestreben  fertig  werde, 
den  Fötussehädel  dem  Engpasse  anzuschmiegen;  in  allen 
zweifelfreien  Fällen  von  Missverhältiiiss  aber  lehrt  und  fuhrt 
er  die  Wendung  auf  die  Fusse  aus,  um  nicht  verletziendea 
Operationen  in  die  Hände  zu  fallen.  Ein  schwacher  Buck&U 
tritt  mit  DenyM  ein.  Er  lässt  die  Wendung  nur  für  die 
einfachen  Fälle  gelten.  Bei  schweren  Geburten  greift  er,  ein 
Benegat  der  menschlicheren  Chirurgie,  wie  vormals  zu  ent- 
hirnenden  Insti*umenten. 

Dritte    Epoche.     Von  der   Erfindung  der  Zange   an. 

Der  ebenso  erfahrene  als  gelehrte  SmeUie  gelangte  bald 
zu  der  Ueberzeugung,  dass  die  metallenen  IJäude  sich  ebenso 
gut  dem  nachfolgenden  wie  dem  vorangebenden  Schädel  an- 
passen würden  und  sah  eine  Menge  Vortheile  von  der  An- 
wendung dieses  heilbringenden  Instrumentes  bei  einer  Anzahl 
von  Geburten  voraus,  deren  Schwierigkeit  in  der  Mechanik 
liegt.  Sein  grosser  Zeitgenosse  Levret  stellte  von  vornherein 
die  Anzeigen  für  Zange  und  Wendung  so  wie  wir  sie  noch 
jetzt  besitzen  und  wie  sie  es  wohl  für  alle  Zeiten  seih  werden : 
„Die  Wendung  kann  nur  in  Frage  kommen,  solange  nicht 
der  Kopf  in  das  enge  Becken  eingekeilt  oder  in  die  Scheide 
eingetreten  ist.'' 

Dieser  Lehrsatz  erfuhr  nun  aber  Abänderungen  schon 
während  er  in  die  Welt  traU  Meenard  entschied  sich  für 
die  Zange  nur  wenn  der  Kopf  nicht  durch  ein  enges  Becken 
treten  konnte ,  zog  jedoch  meist  die  Wendung  vor.  SmeUie 
ist  kein  Freund  der  Wendung;  als  Grund  giebt  er  an,  dass 


92  II     MeUaner,  Mittbeilangeii  über  die  TbKtigkeit 

sicti  der  Kopf  vor  seinem  Eintritte  in  ein  enges  Becken  schlecht 
in  die  passende  Stellung  bringen  lasse,  obgleich  schon  Ould 
und  Levret  gezeigt  hatten,  dass  der  Kopf  den  Querdurch- 
messer  des  Beckeneinganges  zu  behaupten  pflege.  LevreCs 
Verdienst  beruht  besonders  in  der  Verweilhung  des  Maasses 
der  Diagonalconjugata  und  der  fötalen  Kopfdurchniesser,  worauf 
er  den  Mechanismus  der  Scliadellagen  gründete.  Die  Wendung 
auf  einen  Fuss  befürwortete  Fuzos;  Deleurie  spricht  der 
Eröffnung  des  Eies  an  seinem  oberen  Pole  vor  der  Wendung 
das  Wort. 

Di^  von  SmeUie  ausgesprochenen  Grundsätze  wurden 
von  Burton  stark  angefochten,  wofür  die  Wendung  auf  beide 
Fösse  wieder  an  Boden  gewinnt;  Pugh  begnügt  sich  bei 
engem  Becken  mit  der  Zange ,  solange  dieses  Hölfsmitlel  zur 
Herausbeförderung  genüge.  Roederer  schliesst  sich  eng  an 
letztgenannte  Maximen. 

Q,  W.  Stein  spricht  zum  ersten  Male  die  Ueberzeugung 
aus,  der  nachfolgende  Kopf,  weit  entfernt  sich 
leichter  als  der  vorangehende  entwickeln  zulassen, 
bilde  stets  eine  Gegenanzeige  de/  Wendung,  sobald 
Missverhältnisse  eintreten.  Saxtorph  fürchtet  bei  dem 
Versuche ,  die  Frucht  zu  wenden ,  nachdem  der  Schädel  bereits 
in  die  Beckenhöhle  getreten,  ^Zermssung  der  Gebärmutter. 

Vierte   Epoche. 

Der  geburtsärztlichen  Kunst  widerfährt  eine  neueste  Dm* 
wäizmig  mit  dem  Einleiten  der  Frühgeburt.  Dieser 
Schritt ,  nach  welchem  Plenck  ernst  strebte  und  zu  welchem 
Denman  das  Zeichen  gab,  wurde  von  MacatUy  zuerst  getban. 
Ausserdem  gebührt  Denman  das  Verdienst,  die  rachitischen 
Verunstaltungen  von  den  osteomalacischen  getrennt  und  den 
Rath  ertheilt  zu  haben,  dass  man  die  Austreibung  einer  ge- 
wendeten Frucht  zunächst  der  Natur  überlasse.  Joerg  war  es 
vorbehalten,  auf  die  deutliche  Scheidung  der  Wendung  und 
der  Ausziehung  als  zweier  an  sich  verschiedener  Operationen 
zu  dringen. 

In  Frankreich  hatte  man  erst  das  abenteuerliche  Ansinnen 
ßigauli^s  zu  überwinden,  ehe  man  die  Bedenken  beseitigte, 
welche  der  berühmte  Kenner  des  Gebilrtsmechanismus,  Baude- 


u.  d.  Verhandl.  d.Oenellschaft  f.  Gebnrtabülfe  zn  Leipzig  etc.       93 

locque  d.  Ae.  gegen  die  englische  Neuerung,  die  künstliche 
Frilhgeburt,  erhob.  Uebrigens  vi^v  Bauddocque  kein  warmer 
Vertheidiger  der  Wendung  in  engem  Becken ,  überzeugt ,  dass 
auf  ein  dadurch  gerettetes  Kind  mehrere  daran  eingegangene 
kamen.  Bei  alledem  finden  wir  von  ihm  Voreriimerungen  zur 
Wendung  und  Auszieliung  bei  wenig  verengtem  Becken  und 
nachgiebigem  Schädel.  Ohne  Zweifel  hat  schon  damals 
mancher  Hebarzt  zum  Beispiel  bei  unbequemeren  Gesichtslagen 
gewendet 

In  Deutschland  standen  sich  Bper  in  Wien  und  der 
Gottinger  Oslander  schroff  entgegen.  Ersterer,  ein  treuer 
Priester  der  Natur ,  sah  kein  Heil  in  der  Wendung  bei  Miss- 
verhältniss.  Letzterer,  obschon  Virtuos  auf  der  Zange,  war 
nicht  abgeneigt  zu  wenden  voraussichtlich ,  dass  der  noch  über 
dem  kleinen  Becken  weilende  Kopf  eine  Schwierigkeit  finden 
werde ,  ja  sogar  Angesichts  des  in  die  Beckenhöhle  gelangten 
Schädels.  Die  dafür  von  ihm  aufgebrachten  Gründe  sehen 
eher  einer  Nebenabsicht  ähnlich,  den  nüchternen  Boer  ins 
Lächerliche  zu  ziehen.  Dabei  ist  zu  erinnern,  dass  Boer 
nicht  mit  soviel  unregelmässigen  Becken  zu  thun  hatte,  als 
sein  norddeutscher  Gegner. 

Muthig  vertheidigt  wurden  die  wiener  Lehren  von  Schmitt 
und  Joerg.  Der  leipziger  Gynäkolog  gab  zwar  zu,  dass  es 
leichter  fallen  kann,  einen  Schädel  mit  vorausgehender  Basis 
durch  ein  Becken  ohne  Zange  zu  ziehen  als  durch  dasselbe 
Becken  mittels  der  Zange  bei  vorangehendem  Scheitel,  wies 
aber  Osiander^s  Ansicht  in  ungeschminkter  Rede  durch  die 
Thatsache  zurück,  dass  die  Wendung,  unter  welchem  Vor- 
wande  auch  unternonmien ,  bei  gleichen  Verhältnissen  jederzeit 
ungünstigere  Resultate  für  das  kindliche  Leben  liefern  würde, 
als  die  Zange  bei  Schädellage. 

Unterdess  ward  man  auf  den  dem  starken  Geschlechte 
schwer  zugänglichen  Sälen  der  Pariser  Maternile  für  Oslander*» 
Meinung  günstiger  gestimmt.  Die  Vorsteherin  Lachapettey 
.eine  Frau  von  seltenem  Geiste  und  Geschicke,  befand  sich 
mehrmals  bei  massigem,  namentlich  zu  stark  geneigtem  Becken 
besser ,  wenn  sie  nach  der  Wendung  dem  Kopfe  eine  Richtung 
gab,    welche  die   kleineren   Schädeldurchmesser  zur  Geltung 


94  n.    Meisßn&Tt  Mtttheünngen  über  die  ThHti^keit 

brachte.     An  Trefurt  fand  sie  einen  Vertreter  dieser  Rraxis. 
Die  spS^teren  Känstler  besserten  nor'  an  den  Indicationen. 

Fnnrte   Epoche.     Die  Jetztzeit. 
Wir  sind  gewohnt  die  FäJle,    wo   die   Wendung  wegen 
engen' Beckens  in  Frage  kommt,  nacli  folgenden  drei  Factoren 
abzuwägen : 

1)  nach  dem  Maasse  des  verengten  KanaJes, 

2)  nach  dem  Umfange   und    der  Federkraft  der  FruclH, 

3)  nach  den  natürlichen  Triebkräften. 

1.  Die  Mehrzahl  (Busch  ^  J,  Fr,  Oslander  (der  Sohn), 
Küian,  Ed,  v.  Siebold)  lassen  unter  gleichen  Bedingungen 
eine  um  höchstens  l^^Centimeter  verengte  Conjugata  zu*. 
Bosshirt  lobt  die  Wendung  besonders  im  allgemein  ver- 
engten Becken,  Cazeaux,  VelpeaUy  Huber  und  Martin 
im  schrägverengten. 

2.  Man  hat  Anspruch  auf  Rettung  der  lebenden  Frucht, 
wenn  sich  die  Kopfdurchmesser  als  höchstens  mitteigrosse, 
oder  bei  härterem  Schädel ,  als  untermässige  bestimmen  lassen 
und  die  Zange  auf  ihn  noch  wenig  oder  nicht  gewirkt  hat 
Hierher  kann  man  die  Beispiele  rechnen,  wo  der  normal 
grosse  aber  wenig  nachgiebige  oder  der  ungewöhnlich  dicke 
Kopf  des  lebenden  Kindes  ein  regelmässiges  Becken  zu  über- 
winden zögert,  weil  er  sich  unpassend  einstellt  oder  neben 
ihm  eine  oder  die  andere  Gliedmaasse  vorliegen  {Kremser 
Fernice),  Hierher  kann  man  noch  die  Gesichtslagen  mii 
dem  Kinn  nach  hinten  (Crede)  ziehen,  welche  nicht  die 
gewünschte  Drehung  erleiden  und  die  für  die  Zange  ^  un- 
bequemen Stirnlagen  (C.  Braun  ^  Spaeth). 

3.  Hier  sind  die  austreibenden  Kräfte  unzureichend,  die 
Folgen  einer  zu  langdauernden  Geburt  zu  ersparen ,  oder  sie 
hören  ganz  auf.  Auch  eine  Geburt  von  mittlerer  Dauer  wird, 
sobald  sie  zur  schwierigen  geworden,  zu  Gunsten  der  Mutter 
und  des  Kindes  abgekürzt. 

Varianten* 

a)  Die  Einen  scheicten  sti*eng  Wendung  und  Ausziehimg; 
Andere  vermengen  beide  Arten. 

b)  Die  Einen  nehmen  alte  obigen  Sätze  an,  Andere 
wählen  darunter  aus. 


n.  d.Vertiandl-  d.Oete1]8ohaft  f.GeburUhtilfe  sa  Leipsig  etc.      9ß 

c)  Eioig«,  so  Spiegelberg  ^  haben  nur  die  Beendung 
der  Geburt  im  Interesse  der  Mutter  im  Auge ,  z.  B<  um  den 
zu  perforirenden  Schädel  am  Ausweichen  zu  verhindern,  oder 
wenn  fröhei^e  Entbindungen  ergeben  haben,  das«  die  Wabr- 
^einlicbkeit,  das  Kind  zu  erhalten,  eine  sehr  geringe  sein 
luid  die  Gebärende  zuviel  zu  leiden  haben  werde,  wollte  man 
den  Zeitpunkt  abwarten,  wo  Zange  oder  Trepan  am  PlaUie 
sind.  Denen  gegenüber  stellt  sich  die  Majoiität  die  Aufgabe, 
bei  möglichstem  Bestreben  die  Geburt  der  Mutter  zu  erleictUern, 
zunächst  dem  Kinde  die  Folgen  zu  langer  oder  zu  energischer 
Zangentractionen ,  oder  wie  beim  Vorfalle  der  Nabelschnur, 
die  relativ  zu  lange  Geburtsdauer  überhaupt  zu  vermindern. 
Ist  die  Frucht  abgestorben,  so  kann  noch  wunscbenswerlli 
sein,  nach  der  Kephalotrhypsie  die' Extracliob  durch  nach- 
trägficbe  Wcgadung  zu  erleichtern  {Oermann), 

Der  berufene  Vorstand  des  Gebärhauses  zu  Wilrzburg 
hat  mehrere  Grunde  für  die  Wendung,  unter  anderen  die 
von  Simpson  und  HoU  zuerst  hervorgehobene  Beziehung 
zwischen  dem  nachfolgenden  Kindskopfe  und  d&Oh  knöchernen 
Geburtskanale.  Die  Schädelknochen  sollen  sich  daran  besser 
als  am  vorangehenden  Kopfe,  untereinanderschieben,  so  dass 
sich  der  Querdurchmesser  des  Kopfes  regelmassig  um  7  bis 
10  Millimeter  verkürze,  der  lange  entsprechend  zunehme; 
denn ,  sagt  8imp$on ,  der  Kegel  tritt  hier  mit  vorangehender 
Spitze  durch.  Allerdings  ist  der  Durchmesser  von  einem 
ZItzenfortsatze  zum  anderen  am  Schädel  des  Neugeborenen 
geringer  als  der  von  einem  Scbeitelbeinliöcker  zum  anderen, 
und  Franke  hat  aus  eigenen ,  mit  Umsicht  angesteliien  Ver- 
suchen an  Kinderleichen  den  Schluss  gezogen,  dass  sich  beim 
Durchziehen  derselben  durch  das  weibliche  Becken  der  Quer- 
dorcbmesser  durchscbBittlich  um  9  Millimeter  verkürze  für 
den  nachfolgenden  Kopf.  Dieser  Gewinn  wird  von 
Simpson  auf  Rechnung  der  Zusammendrückung  des  Schädel- 
bogen»  von  seinen  Pfeilern  aus ,  von  Radford  u.  A.  zugleich 
auf  Rechnung  der  gefahrloseren  Intercalation  der  Knochen- 
räoder  des  nachfolgenden  Schädels  geschrieben.  Diesen  von 
Capuran^  Cred4  und  in  seirier  Allgemeinheit  auch  von 
Martin  bezweifelten  Lehrsatz  suchen  MichaMs  und  LitZ" 


96  n.   M%i»9ner,  Mtttheiinngen  über  die  TbKtigkeit 

ißann  experimenlell  zu  widerlegen,  Seyfert  betraditel  iliri 
ats  fiberwundenen  Standpunkt. 

Wenn  8eanz<yn%  und  seihe  Anhänger  Recht  hahen,  so 
muss  man  sich  wundern,  dass  die  prophylaktische  Wendung 
and  Ausziehung  an  den  FQssen  lychl  ganz  im  Schwünge  ist, 
ja  man  muss  diel  Praktiker  ermahnen,  diese  Operation  zu 
pflegen  und  findet  Aberle'^  Verhallen  hegreiflich;  dieser  hat 
sieben  Fälle  veröffentlicht,  wo  er  nach  vergeblichen  Zangen-* 
versuchen  bei  engem  .Becken  sAmmlliche  Kinder  durch  ge- 
nannte Methode  gerettet  hat,  nachdem  er  vor  der  Extraction 
den  Nabelstrang  unterbunden. 

Das  Amendement  Cazeaux*,  die  Wendung  auf  Becken 
mit  vorzugsweise  engem  Ausgange  auszudehnen,  ist  nicht 
einmal  von  mechanischer  Seite  zu  halten,  da  hier  der  fiir 
enge  Becken  überhaupt  von  Simpson  gehend  gf'machte  Fall 
wegfallt,  dass  die  flache  Wölbung  des  kindlichen  Scheitels  von 
den  Beckenwänden  zugespitzt  wird.  In  Bezug  auf  das  he- 
regte  Dogma  fand  Simpson,  was  den  Eingang  eines  engen 
Beckens  betrifft,  schon  unter  seinen  Landsleuten  mehr  Wider- 
sacher als  Gläubige.  Demohnerachtet  Jst  anzuerkennen ,  dass 
der  schottische  Koryphäe  die  Perforation,  welche  auf  den 
britischen  Inseln  eine  der  Nachkommenschaft  verderbliche,  an 
Schlendrian  grenzende  Routine  ausmachte,  in  gebührende 
Schranken ,  zunickwies  und  die  Zange  zu  Ehren  brachte. 

Debatte. 

Wenn  heutzutage  eine  Verständigung  über  die  Regela 
angebahnt  wird ,  unter  welchen  man  sich  zur  Wendung  und 
Ausziehung  an  den  Füssen  bei  engem  Becken  enlschliessen 
würde,  so  kann  es  sich  weder,  wie  hei  unseren  Vorfahren, 
um  die  Wendung  handeln  als  eines  Mittels,  sich  der  Frucht 
zu  bemächtigen,  sobald  letztere  nicht  mehr  im  Schoosse  ihrer 
Mutter  weilen  soll  —  denn  die  früheren  Hebärzte  hatten^  eben 
ausserdem  kein  anderes  Mittel  —  noch  um  die  Au«ziehung 
eines  falsch  gelagerten  oder  der  Zange  nicht  zugängKehen  Fötus, 
denn  kein  verständiger  Geburtshelfer  würde  sich  dem  wider- 
setzen. Es  ist  vielmehr  die  Frage,  ob  es  der  Mühe  verlohnt 
und  ilen  betreffenden  Parteien  zuträglich  ist,  eine  mit  dem 
Kopie    vorliegende     Frucht     zu     wenden,     um     sie« 


Q.  d.Verfaandl.  d.  Oesellsehaft  f.  Oeburtolifilfe  %n  Leipsig^  etc.      97 

schneller,  sicherer  und  leichter  för  die  Matter  ins 
Leben  zu  fördern;  wäre  dies  der  Fall,  so  milsste  diese 
Methode  bei  massig  engem  Becken,  als  den  Bedingungen 
„cito,  tuto,  jucunde"*  genügend,  zur  Regel  erhoben  werden. 

I.    Citol 
Trennen  wir  sogleich  Wendung  und  Ausziehung. 

1.  Die  Wendung  ist  eine  ziemlich  kurze  Operation, 
wenn  die  Eiblase  noch  nicht  oder  höchstens  seit  zwei  Stunden 
gesprungen  ist;  unter  letzterem  Umstände  ist  erforderlich, 
dass  der  Fruchtballer,  solange  unsere  Hand  in  seiner  Höhle 
weilt,  wenigstens  ebenso  nachgiebig  und  nnlhatig  verharre 
als  bei  stehenden  Wässern.  Eine  reizbare ,  jeden  Eingriff  mit 
fester  Zusamnienschnörung  des  Cervix  oder  gar  mit  tetanischer 
Wehe  beantwortende  Gebärnuitler  wird  selbst  die  Bemühungen 
eines  umsichtigen  und  geschickten  Arztes  zu  Nichte  machen. 
Jedermann  weiss  übrigens ,  dass  die  Wendung  einer  den  Bauch 
nach  vorn  kehrenden  Frucht  zumal  in  einer  stark  nach  vorn 
geneigten  Gebärmutter  mit  Hindernissen  verknüpft  ist ,  welche 
sich  zu  höher  oben  angeführten  Missstanden  gesellen  und  die 
Dauer  iev  Operation  wider  Erwarten  verlängern  können. 
Zudem  ist  es  unmöglich,  einen  Fötus,  dessen  Schädel  schon 
mit  seinem  grpsssten  Umfange  in  die  Beckenhöhle  getreten 
ist,  schnell,  d.  h.  binnen  weniger  als  fünf  Minuten  auf  die 
FQsse  zu  drehen. 

2.  Die  Ausziehung  eines  abgestorbenen  oder  eines 
perforirten  Fötus,  sei  die  Kephalothrypsie  gefolgt  oder  nicht, 
ist  gewöhnlich  die  Sache  einiger  Minuten,  höchstens  einer 
Viertelstunde  bei  einem  Becken  von  8  Centimeter  Conjugata 
vei*a.  Denn  in  solcher  Sachlage  brauchen  wir  nicht  diejenigen 
Theile  der  Frucht  zu  schonen,  welche  sich  während  ihres 
Lebens  der  Kraflanstrengung  erlaubter  Tractionen  widersetzen. 

Ist  ein  lebender  Fötus  herauszubefördern ,  so  tritt  die 
Frage  uns  an,  ob  die  Erhaltung  des  kindlichen  Lebens  Haupt- 
zweck der  Operation  sei.  Dann  wissen  wir  wohl ,  dass  selbst 
für  einen  reifen  und  kräftigen  Fötus  der  Verlust  von  fünf 
Minuten  meist  verderblich  wird,  wenn  der  Nabelstrang  solange 
zwischen  Brust,  Kopf  und  mülterlicher  Beckenwand  ein- 
geklemmt  bleibt.      Einem    schwächlichen   Fötus   kann   schon 

Mon«t«scbr.  f.  Qeburtak.  1866.  Bd.  XXV.,  Suppl.Hft.  ^ 


98  n.   Mekiner,  IfitÜieilangeii  über  die  Th&tigkeit 

der  im*  Äbloufe  von  zwei  Minuten  gehemmte  Püaceniarkreislauf 
Erstickung  bringen. 

Nun  aber  liegt  es  nicht  immer  in  unserer  Macht  eine 
schleunigere  Wendung  zu  machen.  Schon  hier  begegnen  wir 
einem  Zweifel.  Auf  der  anderen  Seite  hiesse  es  die  Äugen 
dem  Lichte  verscliliessen,  wollen  wir  nicht  zugeben,  die 
Drehung  und  Ausziehung  an  den  Füssen  könne  ein  Kind  aus 
engem  Becken  hei  Gesichts-  oder  Stimlage  oder  i)ei  dritter 
und  vierter  Schädelstellung  (das  Hinterhaupt  nach  hinten) 
treten  lassen;  in  derartigen  Stellungen  ist  die  Natur  ge- 
meinighch  unzureichend  und  wirkt  auch  die  Zange,  wenn  sie 
(Iherhaupt  die  Geburt  beendet,  zu  spat  oder  zum  Schaden 
dei'  betroffenen  Theile.  In  Vorstehendem  gingen  wir  noch 
nicht  auf  alle  Vorkommnisse  ein,  in  denen  die  Kopfzange  auf 
den  nachfolgenden  Schädel  zu  wirken  kommt. 

II.     Tuto! 

Diese  Anforderung  spaltet  sich  von  selbst  in  zwei 
Rubriken: 

1.  Zunächst  muss  die  Entbindung  gewiss  durch 
Wendung  und  Extraction  beendet  werden.*  Denn  die 
Wendung  kann  nur  den  Geburtsact  vorbereiten.  Zugegeben, 
dass  sie  eine  fehlerhafte  Stellung,  wie  eine  Gesichtslage  mit 
der  Stirn  nach  vorn,  bessere,  so  wird  sie  den  Eibewohner 
in  den  Stand  setzen,  sogar  ohne  weiteres  Hinzulhun  der 
Kunst  seine  Pflanzstätte  zu  verlassen.  Es  giebt  aber  Fälle, 
wo  die  Weiterbeförderung  stockt  und  die  Ausschliessimg  auf 
uuerwunschte  Klippen  stösst.  Man  weiss,  wie  oft  man  ge- 
täuscht worden  ist:  man  bleibt  mitten  in  der  Arbeil  stecken 
oder  muss  schliesslich  zur  Zange,  ja  zu  verkleinernden  Werk- 
zeugen greifen.  Die  Parteigänger  der  Wendung  hei  massiger 
Beckenenge  trösten  sich  mit  folgender  Betrachtung:  wenden 
wir  die  Frucht ,  um  sie  besser  in  unserer  Gewalt  zu  haben ; 
denn  Trepan  und  Kopfzerscheller  gleiten  manchmal  am  vor- 
liegenden Kopfe  ah.  Um  diesen  Uebelstand  zu  vermeiden, 
habe  ich  die  Combinalion  des  Hakens  mit  dem  Kephaiothrypter 
vorgeschlagen  und  kurzlich  nn't  Erfolg  vollzogen.  Man  wird 
künftighin  die  Umdrehung  eines  perforirten  Kindes,  ein  stets 
heikliches  Unternehmen,  nicht  nöthig  haben. 


a.  d.  Veriiandl.  d.  Oesellschaft  f.  Oebartshölfe  sn  Leipsig  cftc.      99 

Es  Us8t  mh  an  diesem  Orte  der  Vorschlag  einiger 
Praktiker  einschalten,  die  Frucht  einer  sterbenden 
Gebärenden  zu  wenden,  um  die  Gastrohysterotomie  nach 
dem  Tode  der  GebSrenden  zu  umgehen  und  um  die  schlechte 
Prognose  der  Cäsaren  aufzubessern.  Die  Kinder  Sterbender 
sind  aber  in  der  Regel  an  sich  im  Absterben  begriffen,  und 
man  wird  nie  eher  an  eine  kindrettende  Ausziehung  gehen, 
als  nicht  die  fötalen  Herztöne  anfangen  seltener  oder  überhaupt 
schwächer  zu  werden;  ich  darf  demnach  stark  bezweifeln, 
dass  mit  der  Wendung  mehr  gewonnen  werde  und  gebe  dem 
sofort  nach  erfolgtem  Ableben  der  Schwangeren  anzustellenden 
Kaiserschnitte  als  der  für  das  Kind  schonenderen  Operation 
den  Vorzug,  lasse  jedoch,  da  wir  nur  von  engen  ßecken 
mittleren  Grades  sprechen,  die  Zange  in  ihrem  Rechte,  sobakl 
der  Kopf  der  Frucht  einer  Sterbenden  zangenrecht  steht. 

Es  ist  zu  beklagen,  dass  trotz  der  Studien  HohTs  der 
Wunsch,  bestimmte  Zeichen  des  mechanischen  Verhältnisses 
zwischen  Frucht  und  Geburlswegen,  besonders  die  jedes- 
maligen Umrisse  des  Schädels  zu  gewinnen,  für  die  meisten 
kritischen  Fälle  ein  frommer  bleibt.  Wenn  es  sich  um  1  bis 
2  Centimeter  handelt,  wird  man  fast  immer  den  Verlauf  der 
Geburt  voraussagen  können;  aber  da  tritt  in  ein  wenig  ver- 
engtes Becken,  dessen  Durchmesser  wir  bis  auf  Millimeter 
genau  kennen,  ein  Kopf,  dessen  Umfang  oder  dessen  Härte 
nicht  mit  der  Entwickelung  des  Qbrigen  Kindskörpers  dber- 
einstimmt  und'  sich  durch  die  sehr  massigen  Weichtheile  der 
Frau  kaum  annähernd  hatte  bestimmen  lassen  —  oder  wir 
kommen  erst  dazu,  nachdem  den  vorliegenden  Schädelabschnitt 
eine  weitgediehene  Kopfgeschwulst  verdeckt  hat;  wir  sind  nicht 
im  Stande,  des  Kopfes  Ausbreitung  und  Widerstand  zu  messen: 
da  müssen  wir  eingestehen,  dass  für  die  Mehrzahl  der  Ge- 
burten bei  engem  Becken  unsere  Berechnungskunst  sich  auf  ein 
den  gegebenen  Umständen  angepasstes  Verhalten   beschränkt. 

2.  Das  zweite  Erforderniss  war ,  dass  das  zu  erwartende 
Kind  lebend  geboren  werde,  denn  sonst  würde  sich  die 
Wendung  nicht  der  Muhe  verlohnen  oder  ein  blosser  aben- 
teuerlicher Streich  sein. 

nAudentem  fortuna  juvaf' 
könnte  nur  immerhin  dann  der  Arzt  ausruff'n,  der  das  Gluck 

7* 


100      'II-   Meifmer,  Mittheilaagen  «ber  du  ThUigkeii 

hatte,  auf  vage  Indiden  hin  das  Kkid  zu  drehen  und  lebend, 
oder  auch  lebenslahig  auszuziehen.  Rufen  wir  uns  ins  Ge- 
däcbtniss  den  ersten  Wahlspruch  zurück :  „cito!'*  Wir  kommen 
in  den  Fall,  unter  schwachen  Wehen  oder  ohne  alle  Hölfe 
von  Seiten  der  Natur  zu  arbeiten.  Ausgenommen  nun  die- 
jenigen Beispiele,  wo  wir  uns  eine  oder  die  andere  vorgefallene 
Hand  vor  der  Wendung  mittels  einer  Schlinge  sichern  konnten, 
werden  wir,  von  den  Wehen  im  Stich  gelassen,  die  neben 
dem  Kopfe  hinaufgerathenen  Arme  vor  dem  Schlussacie  zu 
lösen  haben ,  ein  im  engen  Becken  möhsames  Werk ,  welches 
eine  kostbare  Zeit  in  Anspruch  nimmt  und  oft  über  das  Leben 
des  neuen  Bürgers  entscheklet.  Pest  steht,  dass  auch  bei 
verengtem  Becken  die  Schädelgeburten  viel  günstiger  für  das 
Kind  verlaufen  als  die  Unterendgeburten.  Die  Scbäddgeburten 
und  vorzugsweise  die  vorderen  Hinterhauptsgeburten  werden 
die  regelmässigsten  genannt,  weil  sie  sich  am  günstigsten  den 
mechanischen  Beckenverhaltnissen  anschliessen ,  weil  sie  von 
der  Natur  allein  am  schonendsten  beendet  werden  können 
und  weil  sie  die  häufigsten  sind* 

Das  wohige formte  Becken  gestattet  dem  Fötuskopfe, 
dass  er  sich  Schritt  für  Schritt  herabbegebe,  der  nöthigen 
Zusammendruckung  allmählich  unterwerfe  und  unter  demjenigen 
Bedingungen  strecke,  welche  ihn  geschickt  machen,  die  eigent- 
liche Beckenenge  zurückzulegen.  Hier  verlangsamt  sich  das 
Vorschreiten  des  Schädels  einer  reifen  Frucht;  zugleich  ge- 
winnt sie  Zeit,  um  Maassregeln  Genüge  zu  leisten,  welche 
die  Wichtigkeil  der  Procedur  eriieischt.  Die  stärkste  Ver- 
schränkung des  Schädels  findet  kurz  vor  dem  Verlassen  der 
bisherigen  Wohnstätte  statt.  Die  Verlaogsamung  des  Biut- 
laufes  in  den  NabeJ  -  und  Kuchengeiassen  erreicht  einen  hohen, 
doch  nicht  denjenigen  Grad,  welcher  der  Frucht  die  Nöthigung 
auferlege  Athem  zu  holen.  Wenige  Augenblicke  später  tritt 
dieser  Fall  ein,  nämlich  wenn  nach  Austritt  des  Kopfes  der 
zwischen  dem  Unterkörper  der  Frucht  und  den  starren  Becken- 
wänden eingeschobene  Nabelstrang  die  Lichtung  seiner  Geßsse 
ganz  einbüsst  und  der  hinter  der  ausgestossenen  Frucht  sich 
entsprechend  zusammenziehende  Uterus  die  Placentargeßsse 
vollends  todtdrückt  und  aus  ihren  Verbindungen  lösL 


n.  d.  V«r]Huidl.  d.  Oeaellflobaft  f.GcbQrlahfilfe  bq  Leipzig;  etc.    101 

Im  rachitiseben  Beckee,  dem  haufigsien  unter  den 
massig  engen,  verlängert  und  duckt  sich  der  Fötusschädel 
conform  den  knapperen  Beckendurchmessern,  wozu  er  mehr 
Zeit  braucht;  oft  setzen  die  Wehen  stundenlang  aus,  doch 
gehe«  unterdess  am  Schädel,  wenn  auch  ihrer  Langsamkeit 
we^en  unmerkliche,  Veränderungen  vor  sich.  Mit  ihrer  Hülfe 
aber  drängt  unter  neuerwachlen  Wehen  der  Kampf  zur  Ent- 
scheidung und  wird  verhällnissmässig  rasch  oder  durch  wenige 
Zangentractionen  beendet,  vorausgesetzt,  dass  sich  die  Hand 
eines  ungeduldigen  Helfers  nicht  vorwitzig,  nämlich  vor  d«r 
erfolgten  Eindrehung  des  Schädels  in  den  engen  Beckeneingang 
eingemischt  hat  oder  der  Ausgang  höhere  Schwierigkeiten 
bietet.  Meist  jedoch  ist  hei  solchen  Becken  der  Ausgang 
weiter  oder  wenigstens  normal  weit,  und  nur  ein  zu  langes 
Aufstehen  des  Schädels  auf  einer,  gewöhnlich  der  vorderen 
Wand  des  Beckeneinganges  erfordert  nächst  der  passenden 
Lagerung  der  Kreissenden  eine  kräftige  Zangenoperation.  Die 
Kunst  darf  sich  durchaus  erst  dann  einmischen,  wenn  die 
Kreissende  längere  Zeit  diejenige  Stellung  eingenommen  bat, 
welche  den  Scheitel ,  wo  möglich  das  Hinterhaupt  des  Schädels 
ziemlich  genau  in  die  Fübrungslinie  des  Beckeneinganges 
bringt,  oder  wenn  der  Geburtsarzt  die  Ueberzeugung  gewonnen 
hat ,  dass  irgend  ein  Umstand  diese  günstigste  Einst^ung  des 
Kopfes  hindert.  Wie  oft  ist  aber  die  Geburt  unter  solchen 
Umständen  für  der  Kunst  anheimgefallen  erklärt  worden  und 
ist  während  der  Vorbereitungen  zur  Entbindung  odei*^  weil 
der  Arzt  nicht  alsbald  zur  Stelle  sein  konnte,  der  Kopf 
glücklich  ein-  und  durchgetreten!  Man  kann  an  solchen 
Fällen  noch  das  Zuwarten  lernen,  nachdem  man  zehn  und 
mehr  Jahre  activ  gewesen  ist. 

Wie  ganz  anders  geht  es  bei  den  Uuterendlagen  her! 
Da  wird  der  Nabelstrang  periodisch  und  auf  Secunden,  öfter 
aber  anhaltend  im  engen  Becken  vorzeitig  zusammengedrückt. 
Diese  Compresston  geschieht  nämlich  beim  rachitischen  Becken 
bereits  während  des  Eintrittes  des  Kopfes  in  den  BeckeiH 
eingang,  dabei  sind  die  Wehen  von  dieser  Zeit  an  unzu- 
verlässig und  nehmen  in  dem  Grade  ab,  als  der  kindliclie 
Körper  den  Fruchtlialter  verlässt,  hören  wohl  gan^  in  dem 
Momente  auf,  wo  ihre  Mitwirkung  von  höchstem  Belange  wäre. 


102  II*   M€i999ier,  MittheüoDgen  llUr  die  TbHtigkeit 

Daher  sUioinl  eioe  gerechte  Besorgnies,  welche  den 
Geburtshelfer  vor  jeder  üaterendgeburl ,  besonders  aber  bei 
engem  Becken,  befallt,  daher  die  Unruhe  der  Wehfrau,  weiche 
nicht  gleich  einen  Arzt  zur  Stelle  bat,  daher  die  dunkle 
Prognose,  welche  den  Betheiligten  gestellt  wird. 

III.    Jucunde! 

Was  den  Ausgang  für  die  Mutter  betriilt,  so  wird 
er  von  der  Geburtsdauer,  von  etwaigen  vorherigen  Eingriifen 
und  von  dem  Grade  des  Missverhällnisses  abhängen;  die 
Wendung  und  Ausziehung  kurzen  zwar  in  der  Regel  die 
Geburt  zu  Gunsten  der  Kreissenden  ab ,  doch  kommen,  zumal 
bei  zu  grossem  Schädel,  Uebelstände  zu  Tage,  welche  den 
Verlauf  des  Wochenbettes  bestimmen ;  wir  werden  darauf  zurück- 
kommen. 

Wie  unsicher  noch  heut  die  Vorstellungen  vorn  Vorlheile 
der  Wendung  bei  engem  Becken  .sind,  geht  aus  dem  Rathe 
hervor,  welchen  Barnes  bei  der  Discussion  in  Dublin  über 
M* ClifUock>s  ^)  Bericht  gab:  Barnes  will  bei  Beckenenge 
ersten  Grades  die  Zange  versuchen,  wo  diese  nicht  genügt, 
die  Wendung  machen;  beim  zweiten  Grade  sofort  wenden, 
beim  dritten  und  vierten  verkleinernde  Operationen  oder  den 
Kaiserschnitt  anstellen.  Trotz  der  Klarheit,  mit  welcher  die 
Geburtshulfe  ihre  Objecte  übernimmt,  weil  sie  unter  allen 
medicinischen  Disciplinen  mit  den  relativ  gröbsten  Elementen 
aus  der  Mechanik  zu  thun  hat,  ist  doch  der  Gegenbeweis 
im  einzelnen  Falle  für  unseren  gegenwärtigen  Zweck  ebenso 
schwer  zu  führen,  wie  der  Erfolg  des  Chinins  im  Weehsel- 
fiebcr.  Selbst  zugestanden,  dass  der  nachfolgende  Kopf  «ch 
im  engen  Becken  stärker  (aber  auch  unschädlicher?)  ver- 
schmälert als  der  vorangehende,  so  ist  doch  unsere  Erfahrung 
durch  einschlägige  Fälle  noch  so  wenig  bereichert,  dass  wir 
noch  auf  dem  Standpunkte  der  wenn  auch  folgerichtigen 
Hypothese  stehen;  wäre  die  Indiction  sclion  spruchreif,  so 
hätte  ein  Mitglied  der  Dubliner  Gesellschaft  nicht  die  Frage 
unbeantwortet  stehen  lassen  können:  iässt  sich  darthun,  dass 


1)  On  tonraing  in  cases  of  dlBproportion:  the  Lancet,  13.  Sept. 
1862,  p.  285. 


a.  d.  Vcrbandl.  d.  Getellsobaft  f.  G«buf tsbülfe  xu  Leipzig  etc.     105 

die  von  CUntock  durch  die  Wendung  g^relteten  Kinder  nkhl 
auch  mitlels  der  Zange  lebend  entwickeU  worden  wären? 
Was  Wunder ,  dass  Einer  unserer  Gesellschaft  sich  also  ver- 
nehmen Hess:  wir  sind  froh,  wenn  wir  es  nicht  mit  einer 
Unterendlage  zu  Ibun  haben  müssen  —  warum  bei  Scbädel- 
lage  wenden? 

Um  zur  Entscheidung  zu  kommen,  werde  ich  mich  Vwi 
nun  an  nur  an  Thatsachen  halten.  Mit  Vorbedacht  und  nioht 
ohne  Zagen  habe  ich  nochmals  an  die 

Statistik 

ai^pellirt ;  ich  kenne  die  Vorspiegelungen  und  Gefahren  dieser 
jetzt  so  beliebten  Methode ,  dennoch  hoffe  ich  nur  auf  diesem 
Wege  die  Urtheile  meiner  Amtsgeuossen  auf  meine  Seite  zu 
bekommen. 

Um  die  angedeuteten  Klippen  des  zählenden  Verfalu^ens 
zu  umschiffen,  schien  es  mir  erforderUch,  eine  beträchtliche 
Anzahl  von  Beispielen  untereinander  zu  vergleichen;  auf  diese 
Weise,  sagte  ich  mir,  stehe  zu  hoffen,  dass  die  auf  indi- 
viduellen Schwankungen  und  zufälligen  Erlebnissen  berulieuden 
Ungleichheiten  sich  gegenseitig  abschwächen,  wo  nicht  untet* 
der  Masse  verschwinden. 

Durchmustern  wir  erst  einmal  die  den  statistischen  Ver^ 
suchen  in  unserem  Fache  feindseUgen  Potenzen. 

1.  Im  AUgemeiuen  verlaufen  die  Geburten  nicht  ganz 
gleich  bei  verschiedenen  Völkerstämmen.  Es  ist  zur 
Genüge  bekannt,  dass  die  Frauen  der  Naturvolker  in  günstigen 
Khmaten ,  und  sogar  noch  die  wenig  von  der  Cultur  beleckten 
Weiber  strengerer  Himmelsstriche,  wie  die  Chinesinnen  und 
Japanesinnen  fast  ohne  Ausnahme  leicht  und  meist  oline 
Beistand  niederkommen;  einige  thun  es  in  der  Stille  des 
Waldes  ab.  Doch  muss  zur  Steuer  der  Wahrheit  gesagt 
werden,  dass  gewisse  Nationen  trotz  der  niederen  Bildungs* 
stufe  im  Nachtheile  sind;  so  die  BewohneriraieD  der  Gestade 
des  kaspischcn  Meeres,  unter  denen  es  eine  Menge  mit  schlecht 
gebildeten  Becken  giebt;  diese  ausserdem  sdiwäcUicben  und  der 
Geburtsarbeit  wenig  gewachsenen  Fra^ien  sind  ausschliesslich 
unter  den  Händen  ebenso  dummer  als  dreister  Hebammen ,  so 
dass  ein  irgendwie  gefährdeter  Geburtsfall,  ja  schon  eine  Unter* 


104  II.    MeUäfUTy  Mtttkeilangen  «bor  die  Thttigkeil 

eiidlage  bei  massig  vei*englem  Becken   ziemlich   auf  gleichem 
Blatte  wie  das  Todesurtheil  fdr  beide  Betheiligte  steht 

Schliessen  wir  die  auch  aus  anderen  Gründen  unmögliche 
Statistik  von  diesen  Bezirken  aus.  Ich  habe  unter  den  civi« 
lisirten  Völkern  gewählt  und  mich  dabei  erinnert,  dass  die 
verschiedenen  Stämme  und  Classen  verschieden  geneigt  sind 
zu  Beckenfehlem  wie  zu  Störungen  der  Geburtsdynaniik,  woraus 
unter  dem  gleichzeitigen  Einflüsse  gewisser  Wittei*ungsver- 
hältnisse  und  des  ärztlichen  Beistandes  Abweichungen,  z.  B. 
eine  überwiegende  Anzahl  Unterendlagen  in  einzelnen  Monaten 
und  Jahrgängen  hervorgelien. 

2.  Die  Entbindungen  in  ^einer  Gebäranstalt  und  die  von 
einer  beschäftigten  Hebamme  aufgezeichneten  werden  häufiger 
normale  sein.  Der  Privatarzt  und  der  Vorstand  einer  geburts- 
hölflichen  Poliklinik  dagegen  werden  in  der  Regel  zu  schweren, 
oft  verschleppten  oder  schon  von  anderen  ärztlichen  Personen 
angefassten  Fällen  gerufen.  So  verlor  Hohl  auf  seiner 
Station  während  der  Enthindung  von  100  Kindern  mit 
Schädellage  und  ohne  Eingriff  der  Kunst  1,  in  der  Poli- 
klinik in  demselben  Jahre  von  Schädellagen  32,6.  Dazu 
weiss  man ,  dass  selbst  auf  den  stationären  Kliniken  die  Zahl 
der  Ausnahmelalle  je  nach  der  Frequenz  der  Klinik  in  gewissen 
Breiten,  vielleicht  je  nach  den  Grundsätzen  des  Vorstandes, 
wechselt  In  der  Wiener  Gebäranstalt  hat  die  Zahl  der  Ope- 
rationen während  einer  bestimmten  Reihe  von  Jahren  die  Zahl 
4,6  Procent  der  Geburten  nicht  überschritten,  während  sie 
auf  den  ebenso  ausgezeichnet  bestellten  Kliniken  anderer 
deutscher  Städte  auf  12 — 13  Procent  gestiegen  war. 

3.  Die  erste  Geburt  hat  in  Folge  der  durch  sie  ge- 
setzten Veränderungen  mehr  Chancen  als  die  folgenden. 
„Die  Gefahr  der  ersten  Entbindung  übertrifTt  die  der  folgenden 
in  Bezug  auf  das  Kind  fast  um  das  Doppelte"  (Veü).  In 
Churhessen  mu«ste  man  bei  Erstgebärenden  beinahe  dreimal 
so  oft  als  bei  Mehrgebärenden  zur  Zange  greifen. 

Um  daher  die  Ausstellungen,  welche  man  an  einer 
liederlichen  Statistik  machen  darf,  zu  entkräften,  habe  ich 
alle  diejenigen  Fälle  meiner  Berechnung  unterworfen,  welche 
sich  in  den  beiden  letzten  Bänden  der  N.  Zeitschr.  für  Geburts- 
künde  und  in  den  ersten  10  der  Monatsschrift  aufgezeichnet 


n.  d.  Verhandl.  d.  Gesellschiift  f.Gebnrtolifilfe  m  Leipsigf  etc.     106 

findeu.  Sie  sind  vod  60  Dii-ectoren  geburtshnlflicber  Inslitute, 
▼OD  ihren  Assistenten  oder  Hebammen  und  mehreren  pi*akti- 
scben  Geburtshelfern  beobacbtei  worden.  Ich  konnte  demnach 
über  37,970  Pille  verfügen,  die  sieb  von  selbst  in  zwei 
Gruppen  theilen: 

A.  in  ihren  Einzelheiten  genau  bescbriebeDc, 

B.  nur  dbersicbtlich  zusammengesteUte  Beispiele. 

In  der  Gruppe  B.  figuriren  Entbindungen,  von  denen 
nicht  bekannt  worden  ist,  ob  sie  rechtzeitige,  ob  das  Kind 
vor  der  Geburt  gestorben  oder  während  und  vermöge  der- 
selben abgelebt  war,  endlich  ob  es  eine  blosse  Unterend« 
gehurt,  eine  Selbstwendung  oder  Entwickelung,  eine  Wendung 
mit  oder  ohne  darauf  folgende  Ausziehimg  an  den  Fassen 
gewesen. 

Fftr  die  geringste  Anzahl  der  unter  B,  gesammelten 
Fälle  hatte  man  angegeben,  ob  ein  regelmässiges  Becken  im 
Spiele  gewesen  ist  oder  nicht 

In  der  des  Raumes  wegen  hier  nicht  ausgeführten  Tabelle  • 
A.  hatte  ich  nur  rechtzeitige  oder  ein  wenig  äberreife  Ge- 
burten vor  mir.  Trotzdem  zeigte  sie  in  vielen  Punkten  eine 
merkwürdige  Debereinstimmung  mit  der  Tabelle  B,,  namentlich 
die  Resultate  für  das  Kind  bei  normalem  Becken  und  Kopf* 
läge.  Für  zwei  Abscissen  konnte  ich  nur  einige  Beispiele 
auftreiben. 

Ja,  die  Wendung  allein  hat  nur  in  einem  und 
zwar  güustig  abgelaufenen  Falle,  der  nicht  mit  in  die 
Statistik  aufgenommen  worden  ist  und  weil  er  eine  seltene 
Ausnahme  bildet,  erst  später  zur  Sprache  kommen  kann, 
bei  engem  Becken  zur  Ermöglichung  der  Geburt 
genügt. 

Es  wird  erlaubt  seiu,  aus  den  gewonnenen  Zahlen  Schlüsse 
zu  ziehen: 

1.  Das  ungnnstigte  Resultat  ergiebt  sich  für  Kinder, 
welche  bei  engem  Becken  gewendet  und  ausgezogen  worden 
sind:  alle  die  wenigen  Fälle,  wo  nach  Wendung  auf  einen 
oder  auf  beide  FGsse  extrahirt  worden  ist,  endeten  für  das 
Kind  so,  dass  es  während  oder  kurz  nach  der  Operation 
abstart).  Es  befinden  sich  in  dieser  Rubrik  zwei  FSIIe,  welche 
ich  unter  Beisein  von  Praktikanten   der  Poliklinik   beendete. 


10({  II.    Ideiuntr,  Mitlheauiigen  über  die    Thniigkeit 

Die  Beekenenge  der  betreffenden  Frauen  beiträgt  3^4  bis 
3V2  Zoll  für  die  Conj.  vera;  in  beiden  Fällen  bandi^Re  es 
sich  um  ausgelragene ,  wenigetens  normal  dicke,  querliegeude 
Frucbte.  Von  der  einen  war  der  Nabebtrang  schon  seil 
einigen  Stunden  vorgefallen  und  pulsirte  nur  schwach  und 
selten;  die  andere  erlitt  das  Missgeschick,  dass  während  der 
Wendung  die  Frucht  durch  die  Schlinge  des  ungewöhnlich 
langen  Nabelstranges  gesteckt  werden  niusste  und  diese  Schlinge 
sidi  während  der  Extraction  zum  Knoten  schürzte. 

2.  Demnächst  erhalten  wir  die  ungAnstigste  Prognose 
für  Beckenendgeburten  mit  Complication  des  verengten  Beckens. 
Auch  ohne  Einmischung  der  Kunst  starben  alle  hier  ein- 
gezeichneten Geborenen. 

3.  Procente  der  Todtgeboreucn  bei  Wendung  auf  die 
Ffisse  und  Extraction  ohne  IMissverhaltniss  nach  Angaben  der 
meisten  Aerzte,  93,ö  Procent. 

4.  Resultat  der  Wendungen;  die  Angabe,  ob  Au.sziebung 
•folgte,  ist  nicht  durchgeführt,  92  Procent  abgestorbene  kindt^r. 

5.  Wendung  auf  die  Füsse,  der  wahrscheinlich  die 
Extraction  folgte,  90  Proceut 

6.  Sterblichkeil  der  Kinder  bei  Beckenendgeburten  ohne 
IMissveffaällniss  der  interessirten  Theile  und  mit  solchem, 
66,8  Procent 

7.  Resultate  der  Wendungen  und  Extractionen  auf  der 
Endbinduugsanstalt  zu  Berlin,  und  der  übrigen  zusammen- 
genommen, ohne  Missverliältniss,  63,9  Procent. 

8.  Mittle  Mortalität,  gezogen  aus  einer  kleineu  Reihe 
von  Wendungen  auf  Kopf  und  ehügen  mehr  auf  die  Füsse 
mit  Extraction,  46  Procent. 

9.  Ergebniss  der  Ausziehung  an  den  Füssen  bei  engem 
Becken  durch  Busch  und  die  anderen  Geburtshelfer  zusaininen- 
genommen  bei  engem  Becken,  46  Procent. 

10.  Durchschnittszahl  derselben  Operation  ohne  die 
Fälle  von  Busch,  41,7  Procent. 

11.  Durchschnittszahl  der  Wendung  allein,  41,2  Proceut 

12.  Durchschnittszahl  der  Extraction  durch  Busch  und 
die  Uebrigen  ohne  Wendung ,  36  Procent. 

13.  Durchschnittszahl  der  Extraction  ohne  Busch^ 
32,6  Procent 


u.  d. y erb«iidl.  d,  GetelUchnf^  f. GebcurUhiilfe  su  Leipzig  otc.    107 

14.  Einige  Kliiiikeu  warea  so  glöGklicb,  eine  Menge 
von  Zangengebuilcii  ohne  ein  Todlgeborenes  zu  Laken,  und 
selbst  bei  einigennassen  verengten  Becken  bat  mau  daselbst 
nur  mit  dem  Verluste  von  eitlem  Kiude  auf  26  (=  3,8  Pi'oc.) 
operirL  Schädellagen  mit  Uissverbältniss,  darunter  einige 
Zangenextractionen ,  ergaben  im  Ganzen  Todt^snile,  30  Proc. 

15.  l^endung  auf  den  Kopf  meist  bei  geräumigem  Becken, 
27,9  Procent. 

16.  Schädelgeburten  ohne  weitere  Angabe,  bei  engem 
Becken,  23,8  ProcenL 

17.  Wendung  und  Ausziehung  ohne  Angabe  der  Becken- 
Verhältnisse,  21,4  ProcenU 

18.  Rechtzeitige  Schädeilageu  ohne  und  mit  Operation, 
3,7  Procent. 

19.  Schädeilageu  ohne  Angabe  des  Scbwangerschaits- 
terwines,  3,6  Procent. 

20.  Beckenendlageu  bei  regelmässigem  Becken,  2,3  Proc. 

21.  Scliädellagen  reifer,  gesunder  Kinder  bei  regel- 
mässigem Becken,  1,2. 

22.  Wendung  auf  den  Kopf  bei  massiger  Beckeuenge 
und  Zange  (wenige  Beispiele),  kein  Todesfall  bei  den  Geborenen. 

Diese  Stufenleiter  mit  fortschreitender  Verbesserung  der 
Prognose  für  das  Geborene  spricht  für  sich  selbst  und  beweist 
aufs  Neue,  dass  die  Sdiädelgeburten  und  die  Resultate  der 
•  Kopfzange  selbst  bei  verminderter  Gunst  der  Umslände  die 
Aussicht  auf  Lebensrettung  bei  Beckenendlagen,  vor  allen 
aber  bei  Ausziebung  am  Unterende  überragen. 

Die  einzelnen  Ergebnisse  ordnen  sich  in  sechs  Gruppen, 
deren  erste  von  der  folgenden  mehr  absteht  als  irgend  eine 
der  nachberigen  von  ihren  Nachbarn  (1.  u.  2.). 

Die  vierte  Gruppe  ist  die  reichhaltigste  (8. — 11.):  Schädel- 
lagen und  Untercndlagen  sind  hier  mit  starkem  Ueberwiegeii 
der  letzteren  vertreten  und  meist  durch  das  Einschreiten  der 
Kunst  modificirt. 

Die  fünfte  Gruppe  (12.— 17.),  zwar  zahlreicher  an 
Klassen  al)er  ärmer  an  Beispielen  als  die  vorige,  ist  immer 
noch  wenig  gunstig  wegra  des  noch  überwiegenden  Miss- 
verhaitnissea.  Die  letzte  Gruppe  enthält  ein  Element,  welches 
auf  den  ersten  Anblick  Wunder  nelmien  kann  (No.  20);  man 


108  I^    MeUmer,  Mittheilnngron  Aber  die  ThStigkelt 

wird  erwartet  haben,  dass  die  Unterendgeburt,  allerdings  bei 
regelmässigem  Becken,  eine  nicht  so  niedrige  Sterbezifler 
liefern  könne.  Die  Erklärung  liegt  nicht  fem;  wirken  gute 
Wehen  auf  ein  mit  dem  Beckenende  vorangehendes  Kind, 
so  wird,  falls  nicht  unberufene  Ausziebversuche  geschehen, 
der  Kopf  dem  Rumpfe  ungehindert  nachfolgen  und  die  Gebart 
mindestens  ebenso  glflcklich  verlaufen,  als  eine  Schädelgeburl. 
Da  nun  Beckencndlagen  bei  Mehrgebärenden  häufiger  vor- 
kommen als  bei  Erstgebärenden,  so  ist  für  die  Frucht  von 
dem  den  letzteren  zukommenden  verlangsamten  Verlaufe  der 
Austreibeperiode  verhältnissmässig  weniger  in  der  Unterend- 
geburt zu  förchten.  Bleibt  allerdings  der  vorangehende  Kopf 
vor  dem  Einschneiden  stecken,  so  verfällt  die  Entbindung 
meist  der  Kunst,  gehört  also  nicht  mehr  zur  21.  Classe; 
bleibt  er  dagegen  in  Untercndlagen  stecken,  so  steigt  die 
Procentzahl  der  Todesfalle  für  das  Kind  plötzlich  und  un- 
yerhältnissmässig,  vergl.  Classe  6  u.  7.  Auffällig  ist  die 
Uebereinstimmung  der  Prognose  in  den  Qassen  8  und  9,  10 
und  11,  18  und  19. 

Der  Vortheil  der  Schädelgeburt  wird  auch  bei  engem 
Becken  aus  Folgendem  deutlicher  hervorgehen. 

A,    Zur  Rettung  des  Kindes. 

1.    Günstige  Beispiele. 

Ich  beginne  mit  einer  Wendung  auf  den  Kopf. 

1.  Beobachtung.  Mehrgebärende  mit  vielleicht 
rachitischer  Exostose.     Schulterlage.     Zange. 

Johanne  Christiane  Vetter^  eine  kräftige  Bäuerin  von 
41  Jahren ,  wohnhaft  in  R.  bei  Leipzig ,  war  sieben  Mal  Mutter 
geworden.  Die  Geburten  verliefen,  der  Kleinheit  der  Früchte 
wegen ,  leicht  und  glücklich.  Das  achte  Kind ,  dicker  als  die 
vorigen,  stellte  sich,  vier  Jahre  vor  der  gleich  zu  beschreiben- 
den neunten  Entbindung,  mit  dem  Rumpfe  zur  Geburt. 
Fr.  L.  MetBsner  erfuhr  von  der  Kreissenden,  sie  habe  die 
Bewegungen  der  Frucht  bis  zum  Beginn  der  Wehen  gefühh; 
er  selbst  konnte  kein  Lebenszeichen  mehr  nachweisen  und 
vollendete  die  Wendung  auf  die  Füsse  mit  einiger  Schwierig- 
krit;  der  Kopf  wurde  mittels  der  Zange  entwickelt. 


n.  d.  Verhandl.  d.  Gesellschaft  f. GebnrUltillfe  in  Lelpslf  etc.    109 

Die  nächste  Geburt  begann  am  13.  August  1853  Abends; 
im  Anfang  März  hatte  die  Frau  die  ersten  Bewegungen  ge- 
fühlt. Am  14.  früh  9  Uhr  fand  die  H^amme  die  Wässer 
abgeflossen  und  Querlage.  Um  12  Uhr  20  Minuten  Mittags 
kam  ich  mit  dem  poliklinischen  Praktikanten  in  der  ärmlichen 
Wohnung  an  und  fand  den  Schädel  etwas  oberhalb  des  linken 
horizontalen  Schamheinastes,  den  Rucken-  nach  vorn;  in  der 
linken  hypogastrischen  Gegend  der  Mutter  hörte  man  schwache, 
aber  genug  häufige  Herztöne.  Die  Wehen  hatten  seit  mehreren 
Stunden  aufgehört.  Aus  dem  wenig  geöffneten  Muttermunde 
ragte  ein  Arm,  hinter  demselben  und  liöher  oben  fQhlte  ich 
eine  nicht  deutlich  pulsirende  Schlinge  des  Nabelstranges. 
Sofort  liess  ich  ein  Klystier  von  lauem  Wasser  geben  und 
die  Frau  auf  das  Querbett  bringen ,  brachte  den  vorliegenden 
rechten  Arm  hinauf  und  ergriff  mit  der  vollen  Hand  den 
Sctiädel.  Wegen  einer  3,7  Centim.  langen,  gegen  13  Millim. 
hohen  Knochenleiste ,  welche  von  der  Innenfläche  der  Scham- 
fuge nach  hinten  einsprang,  liess  sich  der  Kopf  nur  bis  an 
deo  Beckeneingang  führen. 

Um  4  Uhr  Nachmittags  schlug  der  Puls  der  Gebärenden  88  Mal 
in  der  Minute,  es  begannen  wieder  Wehen,  welche  die  Kreissende 
verarbeitete.  Der  Kindesscbädel  blieb  dennoch  am  bezeichneten 
Platze  stehen  und  zeigte  eine  beträchtliche  Kopfgeschwulst; 
die  Herztöne  waren  noch  regelmässig.  Unter  diesen  Ver- 
hältnissen legte  ich  um  4  Uhr  20  Minuten  die  Zange  au. 
Bei  der  vierten  Traction  rutschte  der  Kopf  in  erster  Scheitel- 
sielluog  ober  das  Hinderniss  herab  und  war  um  Vi^  Uhr 
geboren.  Das  scbeintodte  Mädchen  wurde  bei  noch  stark- 
schlagender Nabelschnur  nach  kaum  viertelstündigem  Belebungs- 
versuche zum  Schreien  gebracht.  Der  Kuchen  folgte  bakl  nach, 
war  an  seiner  Fötalfläcbe  grünlich,  der  IV«  G^Ue  messende 
Nabelslrang  mitten  inserirl ,  und  nach  wenig  Minuten  Reibimg 
zog  sich  die  Gebärmutter  genügend  zusammen.  Die  Mutter 
verliess,  gegen  unser  Gebot,  schon  am  dritten  Tage  das 
Lager  und  stillte  ihr  noch  jetzt  lebendes  Kind. 

In  diesem  Falle  hielt  ich  mich  für  berechtigt,  auf  den 
Kopf  statt  auf  die  Füsse  zu  wenden  und  habe  meine  Wahl 
nicht  bereut.  Denn  1)  war  die  Frucht  bereits  seit  mehreren 
Stunden    wegen   des  abgeflossenen  Wassers  in  Gefahr:   der 


110         n.    MeUaner,  Mittheilnngen  über  die  ThStIgkeit 

Nahel»traiig  neben  dem  vorliegenden  Kindestheile  herabgetreteo 
und  bei  meiner  Ankunfl  fast  pulslos ,  die  Herzthäligkeit  herab- 
gesetzt; die  Wendung  auf  das  Unterende,  wahrscheiniich  scboo 
der  Versuch  dazu  hätte  dem  Fötus  das  Leben  gekostet  (S.  105). 
2)  Selbst  wenn  die  Wendung  gelungen  und  noch  ?or  dem 
Absterben  der  Frucht  ausgeführt  worden  wäre,  so  hätte  noch 
die  ßeckenenge  überschritten  werden  müssen.  In  dem  Augen- 
blicke ,  als  ich  n)it  dem  Rucken  meiner  Hand  den  Vorsprung 
der  vorderen  Beckenwand  entdeckte,  war  mein  Entschluss 
gefasst,  die  Frucht  nicht  auf  einen  Fuss,  sondern  auf  den 
Kopf  zu  wenden,  abgesehen  von  der  leichteren  Ausführbar- 
keit der  letzteren  Operation.  Hatte  doch  der  Schädel  des 
vorherigen ,  weil  grösseren  Kindes  als  der  früheren ,  die  An- 
legung der  Zange  erheischt. 

Um  ein  freieres  Urtheil  über  den  Werth  der  prophy- 
laktischen Wendung  bei  engem  Becken  zu  erhalten,  habe  ich 
aus  Mangel  an  eigenen  Beobachtungen  über  ein  immerhin  seltenes 
Problem  die  n)eisten  Vorsteher  von  Entbindungsanstalten 
Deutschlands  brieflich  ersucht,  mich  mit  Beispielen  aus  eigener 
Beobachtung  zu  versehen.  Diejenigen ,  welche  die  Güte  hatten 
mir  zu  antworten,  werde  ich  redend  einführen;  mehrere 
derselben  haben  mir  dazu  ausdrücklich  Erlaubniss  eriheilt, 
die  übrigen  haben  es  sich  bisher  nid)t  verbeten. 

Als  von  Parteigängern  ausgeführt  habe  idi  die  zu  er- 
zahlenden Beispiele  ebensowenig  als  die  von  Simon-  Thomeui 
zusammengestellten  wegen  schrägverengter  Becken  vorge- 
nommenen Operationen  in  die  frühere  Tabelle  aufgenommen 
(S.  105);  die  M'  CUntock' sehen  Beobachtungen  sind  für  die 
schliessiiche  Betrachtung  der  Ergebnisse  für  Multei*  und  Kind 
mit  verwandt  worden. 

Die  gegebenen  Fälle  ordnen  sich  in  zwei  Abtbeilungen; 
es  ist  nämlich  die  Wendung,  wie  ihre  Alternative,  die  An- 
wendung der  Zange  in  situ,  entweder  ausgeführt  worden 

a)  um  das  Kind  zu  retten,  oder 

b)  um   die    Entbindung   im  Interesse   der  Gebärenden   zu 

beschleunigen. 
In  mehreren  Beispielen  lässt  sich  eine  gemischte  Indication 
vorlu'ingen : 

c)  die  Erhaltung  beider  Wesen  zu  gleicher  Zeit. 


Q.  d.  Verbahdl.  d.  GeseUsobaft  f.  Gebnrtoblilfe  su  Leipzig  etc.    Hl 

Zweite  Beobaehiung.  Erste  Entbindung.  Massig 
▼  erengtes  Becken.  Querlage.  Wendung  auf  einen 
Fuss.     Natürliche  Geburt.     (Sccmzoni.) 

Der  Beckeneingang  dieser  Erstgebärenden  betrug  im 
geraden  Durchmesser  etwa  3^2'^*  ,, Wendung  auf  den  Fuss; 
natürliche  Expulsion  eines  lebenden  starken  Kindes.'' 

Dritte  Beobachtung.  Mehrgebärende,  ziemlich  enges 
und  schiefes,  rachitisches  Becken.  Vorher  schwere 
Entbindung.  Wendung  und  Ausziebung  mit  gluck- 
lichem Erfolge.     (Scanzonu) 

,, Diese  Zweitgebärende  wurde  von  mir  im  Jahre  1851 
auf  der  Würzburger  Klinik  durch  die  Perforation  und  Kephalo- 
thrypsis  entbunden.  'Rachitische  Verkrümmung  der  Wirbel- 
saule (Kypho  -  Scoliose)  und  der  unteren  Extremitäten.  Becken 
selu*  stark  geneigt,  schief  und  verengert:  Conj.  3  —  3^4". 
Bei  der  zweiten  Geburt  Querlage:  Kopf  links,  Rücken  vorn. 
Wendung  auf  den  Fuss  bei  noch  stehender  Blase.  Extraction 
des  Rumpfes  und  Kopfes  sehr  leicht ,  letztere  manuell.  Kind 
lebend." 

Vierte  Beobachtung.  Mehrgebärende,  früher  durch 
Kephalothrypsis  entbunden.  Becken  schrägverengt. 
Wendung  auf  einen  Fuss.  Mutter  und  Kind  er- 
halten.    (Ed.  Martin.) 

Martin  ermöglichte  die  Ausschliessung  dieses  Kindes 
dadurch ,  dass  er  während  der  Wendung  das  Hinterhaupt  als 
den  breiteren  und  Jiärteren  Theil  des  kindlichen  Schädels  in 
die  geräumigere  Beckenhälfte  eintreten  liess,  während  in  der 
vorherigen  Entbindung  der  in  die  kürzere  Hälfte  des  ver- 
unstalteten Beckens  eingetretene  Schädel  nnverkleinert  nicht 
geboren  werden  konnte. 

2.    Ungünstige  Beispiele. 

Fünfte  Beobachtung.  Mehrgebärende.  Ziemlich 
enges  Becken,  dazu  abnorm  grosser  Schädel. 
Zange  ohne  Erfolg.  Metrorrhagie.  Wendung  auf 
einen  Fuss,  Ausziehung,  Zange.  Das  Kind  erscheint 
sterbend;  die  Mutter  erholt  sich.     {Scanzom',) 

„Die  Frau  war  zwei  Mal  schwer  mit  der  Zange  ent- 
bunden   worden     und    schon    36    Stunden    in    der    Gehurt. 


112         II.   MeUmer,  Mittheflangen  über  die  Thttigkeit 

Conjugala  3^4  —  SVs"*  Kopf  Aber  dem  Beckeneingange  fest- 
stf'bend,  auffallend  platt;  grosse  Fontanelle  und  weile  Nähte. 
Die  von  Dr.  Friachmann  zwei  Mal  angelegte  Zange  rutschte 
gleidi  nach  den  ersten  Tractionen  ab.  Dasselbe  begegnete 
mir  zwei  Mal.  Heftige  Metrorrhagie,  Herztöne  des  Kindes 
laut  und  regelmässig;  deshalb  stehe  ich  von  der  Perforation  ab. 
Die  Wendung  auf  den  Fuss  hol  keine  besonderen  Schwierig- 
keiten, ebensowenig  die  Extraction.  Der  Kopf  (hydrocephalisch, 
18"  im  Umfange)  folgte  dem  Zuge  mit  der  Zange  sehr  leicht 
Das  Kind  machte  noch  einige  Respirationsbewegungen.  Die 
Mutter  erkrankte  an  leichter  Endometritis,  genas  aber  und 
hat  später  noch  zwei  Mal  geboren,  beide  Male  ohne  bekannte 
Ursache  frühzeitig.'' 

Sechste  Beobachtung.  Massig  enges  Becken.  Ver- 
gebliche Anwendung  der  Zange.  Wendung  and 
Ausziehung  an  den  Füssen.     Kind  todt     (Rosshirt.) 

„Vor  30  Jahren  wurde  ich  zu  einer  Gebärenden  gerufen, 
weil  dem  vorher  verlangten  Arzte  die  Geburtszange  an  dem 
voranliegenden  Kopfe  des  Kindes  zwei  Mal  abgeglitten  war. 
Der  Kopf  stand  noch  Ober  dem  Beckeneingange,  aber  fest 
Das  Becken  war  verengt,  man  konnte  den  Vorberg  erreictien. 
Ich  besann  mich  nicht  lange,  sondern  wendete  das  Kind  auf 
die  Füsse  und  extrahirte  es.  Das  Herausleiten  des  Kopfes 
machte  einige  Schwierigkeiten,  aber  nicht  bedeutend.  Das 
Kind  war  todf 

3.    Ausgang  ftir  das  Kind  xmbekamit« 

Siebente  Beobachtung.  Massig  enges  Becken.  (Conj. 
gegen  S^J^".)  Zange  ohne  Erfolg.  Ausziehung  des 
auf  die  Fösse  gedrehten  Fötus.  Erfolg  unbekannt 
in  Bezug  auf  das  Leben  Beider.     (Kosshirt.) 

Auch  in  diesem  Falle  hatte  ein  anderer  Arzt  vergebliche 
Zangenversuche  gemacht. 

Achte  Beobachtung.  Massig  enges  Becken.  (SVs'^* 
Erfolglose  Zangenversuche  eines  anderen  Arztes.  Operation 
und  Erfolg  wie  im  siebenten  Falle.     (Derselbe.) 


u.  d.Verb&ndl.  d.  Gesellschaft  f^Oeburtshlilfe  zn  Leipzig  etc.     1]3 

B.     Zunächst  zur  Rettung  der  Mutter.  ' 

1.    Günstige  Beispiele. 

Neunte  Beobachtung.  Fünfte  Niederkunft.  Ziem- 
lich enges  Becken.  Durch  vorliegenden  Kuchen 
bedingte  Blutung.  Wendung  und  Ausziehung  an 
den  Füssen.     Ausgang  ^günstig.     {Hcanzoni.) 

„Eine  Frau ,  welche  vorher  vier  Mal  kleine  Kinder  natür- 
lich zur  Welt  gebracht  halte,  hot  bei  der  fünften  Gehurl 
Placenta  praevia  dar.  Das  Promontorium  sprang  anfTallend  vor, 
die  Conjngata  wurde  annähernd  auf  S^/a — ^^U"  bestimnil. 
Sehr  p;*ofuse  Blutung.  Wendung  auf  denFuss,  Extraction, 
Kopf  manuell  entwickelt.  Kind  lebend;  die  Mutter  blieb  ge- 
sund und  wurde  später  von  mir   mit  der  Zange   entbunden.'* 

Zehnte  Beobachtung.  Bedeutende  B  e  c  k  o  n  e  n  g  e. 
Schädel  noch  hoch  über  dem  Eingange.  ISach  frucht- 
losen Zangen  versuchen  von  Seilen  der  anderen  Aerzte, 
wobei  das  Kind  abstarb,  Perforation.  Wendung.  Die 
Mutter  erholte  sich.     (Spiegelberg.) 

2.    Ungünstige  Beispiele. 

Eilfle  Beobachtung.  Bedeutende  Verengerung.  Der 
Kopf  bleibt  am  Beckeneingange  stehen.  Ein  anderer  Arzt 
hat  die  Zange  versucht,  wobei  das  Kind  das  Leben  einbüsste. 
Perforation,  Wendung.  Tod  der  Mutter.  (Spiegel- 
berg.) 

Zwölfte  Beobachtung.  Erstgebärende.  Sehr  enges 
Becken.  Zange  vergebens.  Perforation,  Kephalo- 
thrypsis  ungenügend.  Metrorrhagie.  Wendung  auf 
den  Fuss  und  Ausziehung.  Tod  der  Mutter  in  Folge 
eines  Gebärmutterrisses.     (Scanzoni.) 

„Auf  der  Würzburger  Klinik  wurde  (lSb\))  die  Conjvgata 
3"  befunden.  45  ständige  Geburtsdauer.  Fruchtlose  Zangen- 
versuche; Perforation.  Der  Kephalothrypter  gleitet  ab.  Pro- 
fuse Uterusblutung.  Die  Wendung  auf  den  Fuss  gelingt  leicht, 
ebenso  die  Extraction;  der  Kopf  folgt  der  Zange  mit  der 
Hand.  Kind  todt;  Mutter  gestorben.  3"  langer  Riss  im 
linken  unteren  Umfange  des  Uterus.'' 

Uonatsaehr.  f.  QebarHk.  18«6.  Bd.  XXV..  Suppl.-Hft.  ^ 


114         n.    MßUtner,  Mtttheilan^eiv  über  die  Thäti^rkeit 

Dies  die  Fälle  meiner  CoUegen.  Werfen  wir  nun  einen 
Blick  auf  die  Fruchte  ihrer  Beslrehungen  und  vergleichen  sie 
mit  den  Ergebnissen  unserer  früheren  Tabelle. 

Im  Ganzen  liefern  die  11  Bericlite  von  Wendung  auf 
das  linierende: 

erhaltene  MAUer         7,  Kinder  4, 
gestorbene    „  2,        »5, 

Schicksal  unbekannt  2,        „       2. 

Zwei  Mütter  starben  nach  der  Entbindung,  die  eine 
sieber  an  den  vor  der  Wendung  angestellten  Enlbindungs- 
versuchen.  Der  Wendung  selbst  kann  man  in  keinem  Bei- 
spiele  den  traurigeu  Ausgang  für  die  Mutter  beimesse^.  Drei 
Kinder  wurden  lodt  geboren ,  eins  sterbend  (WasserkopO  und 
eins  starb  wahrend  der  Entbindung  ab. 

Rechnen  wir  die  Berichte  M'Cltntock*^  hinzu,  welcher 
nur  unter  massigen  Beckenverengungen  operirte/  so  wurden 
genau  so  viel  Kinder  gerettet,  als  verloren  gingen,  während 
mi  günstigsten  Falle  von  11  Müttern  nur  2  erlegen  sind. 
Da  nun  unter  den  in  die  Tabelle  aufgenommenen  engen  Becken 
auch  solche  mit  2  —  2^^"  Conj.  vorkommen,  so  bilden  wir 
die  richtigere  Parallele  mit  derjenigen  kleineren  Zahl,  wo 
unter  mittlen  Verengungen  (3  —  3%")  der  vorliegende  Kopf 
mittels  der  Zange  entwickelt  worden  ist.  Wenn  nun  in  der 
Poliklinik  zu  Leipzig  sowie  in  der  Poliklinik  zu  Halle  von 
100  unter  erwähnten  Umständen  4  mit  der  Zange,  von  den 
oben  zusammengestellten  26  Kindern  13  durch  Wendung 
(und  Extraclion)  entwickelt  todt  ankamen  und  von  9  der- 
selben angegeben  wird,  dass  sie  vor  der  Entbindung  gelebt 
haben,  so  ist  die  Prognose  für  die  Frucht  wahrlich  durch 
die  prophylaktische  Wendung  nicht  gebessert;  ob  sie  es  für 
die  Mutter  ist,  müssen  anderweite  zahlreichere  Beispiele  er- 
weisen. Und  selbst  wenn  wir  unter  Ausschluss  der  irischen 
Beispiele  alle  Zufälligkeiten  ausschliessen  wollen  und  nur 
1  Kind  von  den  11  deutschen  Fällen  als  der  Operation  zum 
Opfer  gefallen  zulassen ,  so  würde  immer  eine  höhere  Procent- 
zahl (9)  als  für  die  Zange  ceteris  paribus  herauskommen. 
Ja  stellen  wir,  um  jede  Parteilichkeit  abzustreifen,  Schädel- 
Geburten  mit  Missverhältiüss ,  seien  sie  durch  die  Zange  be- 
endet  oder   ohne   Kunsthülfe    verlaufen,   den  Resultaten  der 


u.  d.Verhand].  d.  Gesellschaft  f.Geburtshiilfe  zu  Leipzig  etc.    115 

Weildung  bei  massig  engen)  Becken'  nach  Ausschluss  der 
Fälle  gegenüber,  in  denen  das  Kind  vor  der  Operation  schwach 
gewesen  oder  bereits  gestorben  war:  so  sind  mit  Einrecbnung 
der  ATClintock'Bchefi  Fälle  36  Procent  nach  der  Wendung, 
die  Extraction  mochte  folgen  oder  nicht,  30  Procent  laut 
no.  14  unserer  Tabelle  Kinder  daraufgegangen,  es  hat  also 
die  Schädeigeburt  selbst  unter  Vernachlässigung  der  gewöhn- 
lichen Fehlerquellen  einen  geringen  Vorsprung. 

Kann  man  mir  es  demnach  verargen,  wenn  icli  für  die 
grosse  Hasse  der  Vorkommnisse  wenig  Muth  habe,  der  pro- 
phylaktischen Wendung  als  einer  Operation  das  Wurt  zu 
führen ,  weiche  die  Frucht  vor  den  Nachtheilen  einer  längeren 
Geburtsdauer  in  engem  Becken  und  vor  den  Unbilden  der 
Zange  bewahren  soll? 

Mein  Endurtheil  lautet  demnach  folgendermaassen ;  Die 
Wendung  auf  einen  Fuss,  mehr  noch  als  die  auf 
beide  Fusse,  Ausziehu  ng  möge  ihr  folgen  oder  nicht, 
ist  in  der  Hand  eines  umsichtigen  Geburtshelfers  ein  nicht 
abzuweisendes  Auskunftsmittel,  um  bei  gewissen  Graden  von 
Missverhältniss  die  Frucht  zu  retten  und  die  voraussichtlich 
vorzunehmende  oder  bereits  nutzlos  begonnene  Ausziehung 
des  ursprunglich  vorhegenden  Kopfes  zu  ersetzen,  bleibt 
aber  immer  eine  durch  besondere  Umstände  gerechtfertigte 
oder  selbst  gebotene  Operation  der  Ausnahme. 

Da  jedoch  auch  die  Ausnalime  ihre  Regeln  hat  —  denn 
in  der  Natur,  der  wir  doch  nachahmen  wollen ,  giebt  es  nichts 
Gesetzloses  —  so  werden  wir  die  Anzeigen  der  exceptionellen 
Operation  zu  bestätigen  haben. 

Nun  so  wiederholen  wir  nochmals,  dass  Wendung  und 
Zangengebrauch  mit  einander  verwandt,  aber  nicht  peie-mele 
zu  erfassen  sind.  Die  Wendung  bleibt  das  einzig  zulässige 
Expediens,  solange  der  Scheitel  oder  das  Gesicht  des  Fötus 
sich  über  dem  Eingange  des  kleinen  Beckens  befindet!  Jeder 
Versuch,  zu  dieser  Zeit  den  Kopf  mittels  der  Zange  herab- 
zuführen ,  ist  eitel  oder  wird  für  Mutter  und  Kind  gefahrlich, 
wäre  es  auch  nur  um  des  Hindernisses  willen,  welches  der 
Kopf  in  dem  Bestreben  findet,  sich  den  Durchmessern  des 
verengten  Einganges  gerecht  zu  stellen.     Trift  der  Kopf  nicht 

8» 


116  IT.    Mehtner,  Mittheilnngen  über  die  ThKtigkeit 

ein  urtd  isl  weiteres  Zögern  von  Naclitheil,  so  wende  man 
dreist. 

Kann  der  Kopf  nicht  eintreten,  weiJ ,  wie  in  der  dritten 
und  vierten  Gesichtsstellung,  die  kindlichen  Durchmesser  sich 
nicht  den  entsprechenden  mütterlichen  anpassen,  findet  kein 
Uehergang  zur  ersten  oder  zweiten  Stellung  statt  und  liegt 
im  Verzuge  Gefahr,  so  ist  die  Wendung  ein  unschätzbares 
Manöver. 

Ferner  kann  uns  der  Umstand  zur  Wendung  bestimmen, 
dass  frfihere  Entbindungen  hei  derselben  Frau  durch  ver- 
letzende Operationen  beendet  werden  mussten ,  die  Becken- 
Verhältnisse  an  sich  aber  bei  nicht  zu  grossem  noch  zu  hartem 
Schädel  derartige  Operationen  nicht  unbedingt  erheischen: 
so  in  Scanzoni'ii  Beispielen.  M'Clintock  giebt  an,  dass  bei 
froheren  Entbindungen  der  von  ihm  zuletzt  durch  Wendung 
entbundenen  Frauen  nur  2  Kinder  den  Geburtsact  überlebten, 
dagegen  in  Sumnia  16  todt  geboren  wurden.  So  wie  Spiegel' 
berg  bin  auch  ich  Gegner  forcirter  Zangentractionen  am  vor- 
liegenden Kopfe ,  halle  aber  den  Ausspruch  zu  gewagt ,  dass 
man  durch  die  Wendung  die  Perforation,  nicht  aber  die 
Zange  in  gewissen  Fällen  umgehen  solle ,  d.  h.  unter  gewissen 
Verhältnissen  könne  die  Wahl  zwischen  Zange  und  Wendung 
gar  nicht  freistehen ,  sondern  gelinge  es ,  mittels  der  Wendung 
die  Geburt  zu  beenden  und  vielleicht  noch  das  Kind  zu  reiten, 
oder  man  müsse,  wenn  dies  nicht  gelinge ^  die  Zange  gar 
nicht  erst  versuchen,  sondern  gleich  perforiren,  selbst  zu- 
gegeben, dass  „man  durch  Herstellung  einer  Fusslage  den 
leichteren  Durchtritt  des  grössten  Theiles  des  kindlichen 
Körpers  ermögliche  und  somit  <lie  Geburtsdauer  abkürze.*' 

Die  Bedingungen,  unter  welchen  die  Wendung 
auf  das  (Jnterende  einen  günstigen  Erfolg  ver- 
spricht, sind  folgende! 

1)  Von  Seiten  der  Muller  eine  nicht  zu  geschwächte 
Körperbeschalfenheil,  Abwesenheit  von  stärkeren  Blutverlusten, 
grosse  Gemütbsruhe,  massige  Wehen  mit  nicht  zu  kurzen 
Zwisclienräumen ,  ein  weder  zu  reizbarer  noch  entzündeter 
Fruchtträger,  ein  gehörig  breites  und  im  geraden  Durcli- 
messer   höchstens   auf  3^4 — 3"   verengtes  Becken  oder  ein 


u.  d.  Verband],  d.  GesellBchaft  f.  Gebartshiilfe  zu  Leipzig  etc.     117 

asymnielrischei»,  wobei  eine  Seitenhalfle  mehr  Raum  bietet 
als  die  andere.  Gegen  letztere  Jndicalion  ist  von  inehreien 
Seiten  Einspruch  erhoben  worden;  man  habe  es  nicht  sowie 
es  scheinen  mochte  in  der  Gewalt,  den  nachfolgenden  Kinds- 
kopf mittels  des  Rumpfes  so  einzudrehen,  dass  die  dickere 
Partie  des  Schädels  in  die  weitere  Beckenhälflc  einzutreten 
konmie.  Ferner  hat  man  sich  auf  die  Simon- 2'homas'^he 
Zusamiuenstellung  berufen.  Unter  15  Gehurtsfailen  hei  durch 
Leichenöffnung  bestätigten  Beispielen  von  .schragverengtem 
Kecken  waren  11  zeitige,  4  frühzeitige  Gehurten.  Unter 
4  Fällen  von  weitständiger  Kopfstellung  starb  die  Kreissende 
unentbunden  3  Mal,  1  Mal  verschied  sie  24  Stunden  nach 
der  Entbindung.  \ou  den  5  engständigen  Fällen  konnten 
3  mittels  der  Zange,  1  durch  Perforation  beendet  werden, 
1  forderte  den  Kaiserschnitt.  In  den  4  frühzeitigen  Geburten 
lag  1  Mal  der  Kopf  vor ,  und  dieser  koimte  bei  engständigei 
Stellung  mit  der  Zange  entwickelt  werden;  3  Mal  hatte  die 
Frucht  eine  ßeckenendlage ,  und  dabei  drehte  sich  der  Kopf 
immer  so,  dass  die  Pfeiluaht  mit  dem  kürzeren  schrägen  Durch- 
messer zusammenfiel,  und  nur  in  dieser  Stellung  konnte  der 
Kopf  mit  den  Händea  entwickelt  werden.  Auf  diese  Thatsachen 
gestützt,  behauptet  Simon  -  Thomas  ^  dass  die  Geburl  bei 
schrägverengtem  Becken  weniger  schwierig  sein  werde,  wenn 
der  Kindskopf  mit  dem  Hinterhaupte  nach  der  abgeplatteten 
Beckenseite  und  nach  vorn  gekehrt  ist,  als  wenn  er  eine 
andere  Stellung  hat. ' 

Was  zunächst  die  Schädeilagen  bei  obigen  reifen  Ge- 
burten betrifft,  so  sind  die  engständigen  Stellungen  zwar  öfter 
als  die  weitständigen  überhaupt  zur  Ausschhessung  gekommen, 
doch  figuriren  dabei  je  1  Mal  Perforation  und  Kaiserschnitt. 
Und  wenn  bei  nachfolgendem  Kopfe  das  Kind  nur  unter 
engständiger  Schädelstellung  und  zwar  mit  der  Hand  ent- 
wickelt  werden  konnte ,  so  suche  ich  den  Grund  davon  darin, 
dass  die  Schultern  während  des  Durchganges  durcirs  schräg 
verengte  Becken  nur  weilständig  geboren  werden  konnten, 
wobei  der  Kopf  nolhwendigerweise  die  enge  Hälfte  behauplen 
rouflste  und  es  auch  fernerhin  konnte,  sobald  di^  Schultern, 
wie  häufig ,  mehr  Hinderniss  abgeben  als  der  kleinere  Schädel. 


11g  II.    MeUiner,  Mittheilangen  |lber  die  TbXtigkeit 

Der  beste  Beweis  für  die  MartMsche  Theorie  aber  ist  der 
oben  erzählte  Fall  (Beob.  4) ,  welcher  sich  den  froheren  Er- 
fahrungen  Martin'^  ')  anreiht.  Hier  können  nur  Thatsachen 
entscheiden. 

Ein  zu  enger  Beckeneingang  und  das  Trichterbecken 
eignen  sich  nicht  für  die  Ersatz  bieten  sollende  Wendung; 
hier  kann  nur  die  Zange  am  vorangehenden  Schädel  An- 
spräche >auf  Rettung  der  Frucht  machen.  Daher  Termutbe 
ich  auch,  dass  die  Wendung  bei  Mehrgebärenden  öfter  zur 
Befriedigung  ausfällt  als  bei  Erstgebärenden  (vergl.  Beob.  3, 
4,  9  mit  12).  Nur  Beob.  2  macht  eine  in  jeder  Hinsicht 
seltene  Ausnahme. 

2)  Von  Seiten  des  Kindes.  Die  Frucht  darf  nur 
massigen  Umfang  erreicht  haben.  Die  Betastung  des  Bauches 
der  Schwangeren  wird  uns  schon  einigermaassen  versichern, 
ob  ein  sehr  dickes,  festes  Kind  mit  entsprechenden  Schnltern 
und  Kopfe  zu  erwarten  steht;  die  Vaginaluntersuchung  wird 
in  den  meisten  Fällen  die  zur  Bestimmung  der  wichtigsten 
Durchmesser  der  Frucht  fehlenden  Pactoren  ergänzen.  Gegen- 
fiber einem  Becken  mit  Verengung  des  zweiten  Grades  er- 
fordert die  rettende  Wendung  einen  Scliadel  von  geringerem 
als  mittlerem  Umfange  und  Widerstände,  gegenöl)er  einem 
Becken  des  ersten  Grades  einen  gewöhnlich  grossen  und  nicht 
zu  festen  Schädel,  damit  nicht  die  Zange  am  zuletztkomnienden 
Kopfe  mit  zu  heftiger  Gewalt  oder  gar  das  Perforatorium  zu 
wirken  habe.  Ich  brauche  nur  an  die  Vortheile  der  künst* 
liehen  Frühgeburt  zu  erinnern. 

Was  Wasserköpfe  betriflTl,  so  haben  mir  und  Meissner 
d.  V.  mehrere  Erfahrungen  gelehrt,  dass  man  sich  nidit  zu 
sehr  den  manuellen  Extractionsversuchen  —  dem  SmeUie'schen 
Handgriffe  im  oberen,  dem  Prager  oder  Wiener  Handgriffe 
im  unteren  Räume  des  kleinen  Beckens  —  hingeben  darf. 
Beim  hydrocephalischen  Schädel  wird  Simpaon's  Theorie  von 
der  Nachgiebigkeit  des  zuletztkommenden  Kopfes  noch  mehr 
als  beim  gewöhnlichen  aufs  Eis  geführt;  wie  oft  ist  man 
nicht  nahe  daran  gewesen,  den  Kopf  abzureissen  oder  hat 
man    ihn    in   der  That  im  Schoosse  der  Gebärenden  zurück- 

')  Monatsschrift  XV.,  S.  22  und  28. 


u.  d.Verhandl.  d.  Gesellschaft  f.Geburtshülfe  aa  Leipaig  etc.     119 

'  gelassen,  getauscht  durch  die  scheinbar  geringe  Ausdehnung, 
welche  die  Sch&delbasis  im  engen  Becken  dem  nntersuchentien 
Finger  darbietet.  Giebl  der  Kopf  massigen  Tractiunen  nicht 
nach ,  muss  man  an  einem  zuietztkommenden ,  scheuihar  nicht 
zu  festen  Kopfe  zu  oft  Hand  anlegen,  bietet  der  geborene 
Körper  eine  Wirbelspalte  oder  Klumpfösse  dar:  so  sei  man 
auf  einen  enormen  Schädel  gefasst  uml  handle  danach,  um 
wenigstens  die  Mutter  zu  schonen. 

Ich  bin  ilber/eugt,  dass  viele  Piaktiker  sich  besondere 
Vortheile  von  der  Wendung  im  engen  Becken  bei  Fröh^ 
gehurt  vei*sprechen. 

Leider  hat  die  Beobachtung  gezeigt,  dass,  je  ftüherreif 
ein  Kind  zur  Geburl  gelangt,  um  so  misslicher  es  um  sein 
Leben  bei  Unterendlage  steht;  es  wachst  die  schlimme  Pro- 
gnose im  Verhältnisse  der  ungewöhnlichen  Stellungen  schon 
bei  den  Kopfgeburten. 

Im  Allgemeinen  wendet  man  im  engen  Becken  ebeufaJLv 
auf  einen  Fuss,  um  den  Durchtritt  der  oberen  Körperhalfle 
so  weit  thunlich  zu  begünstigen;  doch  halte  man  im  Gedächtniss, 
dass  die  auf  Wendung  folgende  Ausziehung,  obgleich  letztere 
mit  der  vorhergehenden  in  eine  einzige  Operation  verschmolzen 
zu  werden  pflegt,  jedenfalls  eine  Operation  mehr  ist  und  die 
Gebärende  gemeiniglich  mehr  angreift  als  eine  entsprechemle 
Zangenoperation.  Ist  man  also  auf  geringe  Wehen  imd  be- 
deutendes Missverhältniss  gefasst,  so  drehe  mau  sofort  auf 
beide  Fasse,  um  der  Gebärenden  das  Herabholen  des  zweiten 
Fusscs  für  sich  zu  ersparen. 

Wir  sind  zur  dritten  Anzeige  der  Wendung  hei  engem 
Becken  gelangt;  es  ist  das  Mittel,  die  Geburt  zu  be- 
schleunigen.    Diese   Indication   zerfällt   in  zwei  Elemente: 

a)  Ursachen ,  welche  die  Beschleunigung  der  Entbindung 
im  Interesse  der  Mutter  rathsam  machen,  als  da  sind: 
Uterinblutung,  Eklampsie,  Epilepsie,  schwere  Nervenerscbei- 
nungen  Oberhaupt  wie  Kopfschmerz,  tiefe  Ohnmächten ,  ausser- 
ordenflicbe,  durch  Chloroform  oder  Opium  nidit  stillbare 
Schmerzen,  Bauchfellentzündung,  ein    eingeklemmter  Bruch. 

b)  Ursachen,  welche  das  Leben  der  Frucht  bedrohen: 
Zen*eissung  oder  irrepoiiibler  Vorfall  der  Nabelschnur,  plötz- 


120  II*    Meismer,  Mittbeüungen  über  die  ThHtigkeit 

liebe  oder  zunehmeode    Absdiwachung   der  fötaieit  Herztöne:* 
Abftiiss   von    Kifidspecb,    bedenkliche   Steigerung   der   Kopf- 
geschwulst. 

Um  dieser  Anzeige  zu  genügen,  wird  man  öRer  beide 
Fnsse  statt  eines  einzelnen  herabholen,  weil  sich  an  beiden 
Schenkeln  die  Frucht  schneller  ausziehen  lässt ,  als  an  einem. 
Vermag  man  jedoch  zum  zweiten  Schenkel  nicht  zu  gelangen, 
ohne  den  Nabelstrang  anhaltend  zu  drücken  oder  zu  zerren, 
80  begnüge  man  sich  bei  noch  lebendem  und  lebenskräftigem 
FAtns  mit  dem  einen  Fusse  und  vollführe  die  Operation  mit 
dem  Bewusslsein,  di/e  Rettung  des  Kindes  im  Auge  behalten 
zu  haben. 

Die  Prognose  der  zur  Beschleunigung  der  Niederkunft 
unternommenen  Wendungen  und  Extractionen  schwankt  je 
nach  der  Schwierigkeit  der  Sachlage :  Complicationen  wie  die 
in  den  mitgetheilten  Beobachtungen  vorkommenden  lassen  die 
Zahl  der  Todtgeborenen  von  25  auf  46  Procent  steigen ,  indem 
die  vor  der  Geburt  zu  Grunde  gegangenen  Fruchte  bisvVeilen 
um  ein  Drittel  die  Zahl  der  in  dei*  Entbindung  abgestorbenen 
und  der  sterbend  zur  Weli  kommenden  übersteigen.  Auc-fa 
hierin  hat  der  Gebrauch  der  Zange  am  vorliegenden  Kopfe 
bisher  Erfreulicheres  geliefert,  indem  in  unserer  Poliklinik 
die  Procente  der  Todtgeborenen  und  der  in  der  Entbindung 
absterbenden  bei  Beckenenge  zweiten'  Grades  12 ,  bei  Becken- 
enge dritten  Grades  25  betragen.  Dafür  gewinnen  wir  durch 
die  Wendung  (und  Extraction)  bei  Verengung  ersten  und 
zweiten  Grades  ohne  ernste  Complicationen  88,2  Procenl 
lebende  Kinder. 

In  jedem  Falle  ist  es  klug,  die  Prognose  ei*st  gegen  das 
Ende  der  Entbindung  hin  auszusprechen;  denn  nur  zu  häufig 
bleibt  zu  unserem  Verdrusse  der  nachfolgende  Kopf  während 
der  letzten  Minuten  stecken  und  macht. sogar,  wenn  uns  das 
Missverhältniss  des  Ausganges  vorher  entgangen  war,  die 
Rntlnrnung  des  zuletztkommenden  Schädels  zur  Pflicht. 

Von  dieser  Gattung  ist  eine  von  Hohl  erzählt«  Geburts> 
gps<ihirhte;  m^n  hatte  am  vorausgehenden  Schädel  zwei  Mal 
ohne  Erfolg  die  Zange  angelegt ,  entschloss  sich  zur  Wendung 
und   brachte   dieselbe   gut   fertig:    aber    sowohl   die   an   den 


a.  d.  Verband!,  d.  Gesellschaft  f.  Geburtshiilfe  stt  Leipzig  etc.    121 

Füssen   angestellten    AoBziehungsversuctie    als    auch   Zaugen- 
tractionen  schlugen  fehl,  man  tnusste  zum  spitzen  Haken  greifen. 

Die  Gegen  anzeigen  der  genannten  Classen  von  Wendung 
bei  engem  Becken  gruppiren  sich  folgend ermaassen : 

1)  für  immer  ein  zu  stark  verengtes  Becken; 

2)  ein  den  ganzen  Canai  hindurch  verengtes  (zu  tiefes  oder 
allgemein  verengtes  Becken  des  zweiten  und  dritten 
Grades) ; 

3)  das  querverengte  Becken; 

4)  das  Tricbterbecken ,  sowohl  das  aufrechte  als  das  um- 
gekehrte ; 

5)  für  jedes  Becken  die  ausserordentliche  Grösse  öder 
Härte  des  Kindsschädels;  Wasserkopf  mit  zu  hartcfm 
und  breitesn  Schädelgrunde; 

6)  Einkeilung  des  fötalen  Kopfes; 

7)  zu  enge  und  pralle  äussere  Geschlechtstheile ; 

8)  anhallende  Rigidität  de%  Mutlermundes  (Krampfwehen); 

9)  erfolgler  oder  nahe  bevorstehender  Tod  der  Frucht, 
ausser  wo  frühere  Entbindungen  für  die  Mutter  sehr 
angreifend  waren. 

In  einem  solcheii  Falle  habe  ich,  allerdings  nach  längerem 
Abflüsse  des  Fruchtwassers,  den  in  halber  Gesicblslage  zur- 
Geburt  gestellten  Fötus  auf  einen  Fuss  zu  drehen  versucht, 
konnte  Jedoch  theils  wegen  der  Beckenenge  (3"  2"'  ConjOt 
theils  wegen  des  fest  um  die  dicke  Frucht  geschlossenen 
(Jterus  nicht  einmal  zu  dem  nächstliegenden  Fusse  gelangen; 
ein  Arzt  hatte  vor  mir  Wendung  vergeblich  versucht  und 
auch  mit  der  Kopfzange  nichts  ausrichten  können.  Daher 
stelke  ich  den  Schädel  mittels  der  Hand  zurecht,  perforirte, 
stand  bald  von  den  wiederholten  Zangenversuchen  ab ,  machte 
langsam  die  Kephalothrypsis,  und  da  der  mit  Vorsicht  ge- 
handhabte  Kepbalothrypter  abglitt,  setzte  ich  den  stumpf* 
spitzen  Flaken  ins  Schläfenbein,  legte  den.  Kopfzerscheller 
wieder  an  und  vollendete  so  mit  Hülfe  beider  Instrumente 
rasch  die  Ausziehung. 

Zuweilen  macht  sieh  das  Mutterkoni  zum  wirksamen 
Bundesgenossen;  ich  für  meinen  Theil  fürchte  die  Wendung 
im  engen  Becken,  wenn  iöh  ohne  Wehen  arbeiten  soll,  weil 


122  I^-     M«imner,  MittheUnngen  über  die  ThSti^keit 

das  Hinaufschlagen  der  Arme  in  derjenigen  Geburtaepoche 
zu  concurriren  pflegt,  auf  welche  sich  ohnehin  niebrer«  Cr> 
schwernisse  auf  kürzesten  Zeitraum  zusammonztidrängen  |>t1egen. 


IV.  Kaiserschnitt  wegen  eines  grossen  Uterusflbroides. 

Ausgeführt  und  mitgetheilt 
von 

Profes&or  Dr.  Breela«  in  Zürich. 

Vorgetragren  am  21.  März  1864. 
(Mit  Abbildung,  Fig.  1.) 

So  gross  auch  die  Erde  ist  und  so  viele  Millionen  von 
Geburten  es  auch  jährlich  auf  ihr  giebt,  so  gehört  doch  der 
Kaiserschnitt  an  einer  Lebenden  nicht  zu  den  oft  vorkom- 
menden Ereignissen  und  ein  ]e&ev  Fall  kann  aus  diesem  oder 
jenem  Grunde  das  Interesse  des  Geburlshelfers  und  Chirurgen 
in  Anspruch  nehmen.  Dies  zu  thun  wird  auch  derjenige  nicht 
verfehlen,  dessen  Mittheilung  ich  zu  machen  mir  erlaube,  ein 
Fall,  so  eigenthumlich,  so  selten,  so  schwierig,  so  unglücklich 
und  glücklich  wie  er  nur  sein  kann. 

Am  15.  September  1861  wurde  ich  von  Herrn  rDr.  Reiser 
in  Aussersihl  (bei  Zürich)  brieflich  ersucht  mich  zu  einer 
Frau  8,  zu  begeben  um  mich  mit  ihm  über  deren  Zustand 
zu  berathen.  Ich  fand  eine  35jäbrige,  wohl  genährte,  etwas 
anaemisch  aber  keineswegs  kacbektisch  aussehende  Frau  mit 
hellbraunen  Haaren,  die  seit  sieben  Jahren  verheirathet  in 
kinderloser  Ehe  lebend,  schon  seit  geraumer  Zeit  sich  unwohl 
fühlte.  Früher  stets  gesund,  stets  regelmässig  aber  sparsam 
menstruirt  fing  sie  bald  nach  ihrer  Verheiralhung  über  mannich- 
laltige  Unterleibsbeschwerden  zu  klagen  an.  Vorzüglich  waren 
es  Schmerzen  in  der  Kreuz-  und  in  der  hypogastrischen  Ge- 
gend, gewöhnlich  einige  Tage  vor  dem  Erscheinen  der  Menses 
am  heftigsten,  beim  Gehen  und  Stehen  sich  vermehrend,  femer 
ein  häufiger,  nicht  immer  zu  befriedigender  Drang  zum  Urin- 
lassen,  und  nach  und  nach  das  Gefllhl  einer  im  Unterleih«* 
sich  senkenden  Kugel,  wodurch  sich  die  Kranke  belästigt  und 


a.  d.  VerhandU  d.  Gesellscbaft  f.Gebnrtslifilfe  su  Leipzig  etc.     ]23 

bei  i\nw  sonst  grossen  häuslichen  Thätigkeit  vielfach  beein- 
trächtigt fand.  Nie  war  Metrorrhagie,  nie  Fluor  albus  vor- 
handen ;  auch  jetzt  noch  kehrten  die  Menses  wie  früher  vier- 
wöchentlich und  stets  in  geringer  Menge  wieder.  Den  höchsten 
Grad  schienen  die  Beschwerden  vor  ungefähr  einem  halben 
Jahre  erreicht  zu  haben.  Seitdem  Frau  8.  gelernt  hatte,  sich 
selbst  zu  catheterisiren,  seitdem  sie  warme  Sitzbäder  und  In- 
jectionen  und  innerlich  leicht  eröffnende  tonisirende  und 
koblensäurehaltige  Mittel  gebrauchte,  ist  der  Zustand  erträg- 
licher geworden.  Von  Zeil  zu  Zeit  aber  traten  Exacerba- 
tionen ein,  besonders  dann  wenn  feste  Faecalmassen  abgehen 
sollten.  In  den  letzten  Wochen  hatten  sich  über  beide 
Oberschenkel  neuralgische  Schmerzen  verbreitet,  öfters  war 
es  zu  Erbrechen  gekommen,  fortwährende  Obstipation  und 
häufige  Urinretention  gehörten  mit  zu  den  unangenehmsten 
Symptomen.  Bei  der  ausserlichen  Untersuchung  des  schwach 
meteoristisch  aufgetriebenen  Unterleibes  fühlte  ich  in  der  Tiefe 
der  hypogastrischen  Gegend,  einen  gleichmässig  harten,  sphä- 
roiden,  unbeweglichen,  unschmerzhaften  Tumor,  der  aus  der 
Tiefe  des  Beckens  bis  3 — 4  Querfinger  unterhalb  des  Nabel« 
heraufstieg,  von  Damischlingen  bedeckt  war  und  nirgends  un- 
mittelbar an  der  vorderen  Bauchwand  anlag.  Bei  der  Vaginal- 
Untersuchung  stiess  ich,  kaum  mit  dem  Finger  in  die  Scheide 
eingedrungen,  in  geringer  Höhe  auf  die  etwa  1^2  Zoll  l^^S® 
Vaginalportion,  welche  hinter  der  Urethra  lag,  von  einem  grossen 
Tumor  an  die  vordere  Beckenwand  angedruckt.  Mit  der 
Vaginalportion  war  der  Uterus  oder  zunächst  wenigstens  seine 
rordere  Wand  und  seine  Höhle  nach  vorne  gedrängt,  platt- 
gedrückt, die  Höhle  bis  zu  4  Zoll  verlängert,  für  die  Sonde 
in  der  Richtung  nach  links  und  über  die  Sehambeinsymphyse 
hinauf  durchgängig.  Ging  ich  mit  dem  Finger  von  der  hin- 
teren Muttermundslippe  aus  zum  Scheidengewölbe,  so  fand 
ich  einen  auf  diesem  ruhenden,  beinahe  die  ganze  obere 
Hälfte  des  kleinen  Beckens  auslullenden  Tumor,  dessen  Ober- 
fläche ziemlich  platt,  eine  gleichmässige  grosse  Härte  bot. 
Die  Form  des  Tumors  war  ähnlich  der  eines  zur  Geburt  sich 
stellenden  Kindskopfes  und  ich  bin  fest  überzeugt,  dass  man 
ihn  jetzt  me  später  bei  ungenauer  Untersuchung  leicht  fiir 
einen  solchen  hätte   halten   können.  -Fast  unbeweglich   fest- 


124  !'•    M titaner,  Mittheilnngen  über  die  Thatigkeit 

Stehend  lehiile  er  sicli  dicht  an  die  hintere  Wand  des  Uterus 
an,  war  mit  ihr  offenbar  in  ganz  inniger  Verbindung. 

Durch  die  combinirte  (äuteerJiche  und  innerliche  Unter- 
suchung) konnte  festgestellt  werden,  dass  die  von  den  Bauch- 
decken aus  erreichbare  Geschwulst  der  obere  Theil  der  io 
das  Becken  hinabragenden  Geschwulst  und  keine  füi*  sich  be- 
stehende sei  und  es  muss  noch  bemerkt  werden^  dass  durch 
das  Rectum  nicht  weniger  deutlich  wie  durch  die  Scheide 
das  umfangreiche,  untere  halbkugelige  Segment  des  Tumors 
zu  fühlen  war.  Zu  diagnosticiren  war  kaum  etwas  anderes 
als  ein  interstitielles,  von  der  hintei^n  Wand  des  Uierus  aus- 
gehendes,  fast  die  ganze  Excavatio  recto-uterina  ausfüllendem 
Fibroid.  Alles  sprach  für  diese  Diagnose,  dagegen  höchstens 
der  einzige  Umstand,  da^ss  die  Kranke  nie  an  Metrorrhagieen 
gelitten  hatte,  indess  weiss  man,  dass  diese  fehlen  können, 
wenn  die  Fibroide  nicht  gegen  die  Schleimhaut  hin  wachsen 
sondern  sich  in  der  Muscularis  eingebettet  ausbreiten  oder 
gegen  das  Peritonieum  vorrücken.  Nicht  so  leicht  wie  mit 
der  Diagnose  war  es  mit  der  Therapie  ins  Reine  zu  kommen. 
Das  Fibroid  schien  zwar  sehr  langsam  gewachsen  zu  sein, 
hatte  aber  schon  eine  Grösse  erreicht,  die  bei  seinem  Sitze 
nicht  mehr  viel  überschritten  werden  durfte  wenn  nicht  die 
höchste  Gefahr  entstehen  sollte.  Etwas  musste  geschehen, 
die  vorhandenen  Beschwerden  erträglich  zu  machen,  künftige 
zu  verhüten.  Von  einer  totalen  und  radicaien  fixstirpaüon 
konnte  bei  dem  grossen  Umfange  des  Tumors  nicht  die  Rede 
sein,  von  einer  partiellen  Entfernung  etwa  durch  Enucleation 
von  der  Scheide  aus  musste  der  grossen  Gefährlichkeit  halber 
und  da  der  Tumor  kein  aus  mehreren  zusammengesetztes 
sondern  ein  einfaches  zu  sein  schien,  abstrahirt  werden,  eine 
Function  zum  Zwecke  der  Entleerung  flüssigen  Inhalts  konnte 
bei  einem  Fibroide  keinen  oder  einen  nur  ganz  unbedeutenden 
Nutzen  haben,  wenn  man  zufällig  eine  der  mitunter  im 
Innern  solcher  Geschwülste  vorhandenen  mit  schleimiger  Flüssig- 
keit gefüllten  Höhlen  traf.  Durch  eine  medtcinische  Behand- 
lung glaubte  ich  auch  nur  wenig  Erspriessliches  und  dies^ 
nur  auf  Umwegen  leisten  zu  können.  Zuerst  brachte  ich  in 
Vorschlag,  den  Marienbader  Kreuzbrnnnen  trinken  zu  lassen, 
später  wollte  ich  einen  Versuch  mit  der  Heilbroimer  Adelheids- 


u.  d.  Verhandl.  d.  OBsellschaft  f.Gebnrtshülfe  sn  Leipzig  etc.     ]26 

quelle  machen,  wiewohl  mein  Vertrauen  auf  Jod  und  Brom 
bei  Fibroiden  kein  grosses  ist  Das  verordnete  Marienbdder 
Wasser  wurde  nicht  vertragen  und  da  in  den  nächsten  acht 
Tagen  die  Symptome  des  Druckes  neuerdings  eine  Steigerung 
erfuhren,  so  brachte  ich  nun  ein  Verfahren  in  Ausführung, 
welches  mir  unterdessen  in  den  Sinn  gekommen  war. 

Für  die  iFibroide  gibt  es  drei  Arten  eines  natüdichen 
Ueilungsprocesses ;  die  eine  besteht  in  Verfettung  und  Er- 
weichung, die  andere  in  Verkalkung  oder  wirklicher  Ver- 
knöcherung, eine  dritte  Art  die  der  spontanen  Abscedirung 
und  nekroüscheu  Abstossung  des  ganzen  Fibroides  oder  ein- 
zelner Parlhieen  pflegt  meines  Wissens  zwar  hei  submucösen 
Fibroiden,  bei  denjenigen  die  zu  Polypen  wenlen,  vorzukommen, 
aber  nicht  bei  den  in  der  Muscularis  des  Uterus  vollkommen 
eingebetteten,  interstitiellen  Fibroiden. 

Wie  sollte  nun  der  eine  oder  der  andere  dieser  Pracesse 
eingeleitet  werden,  deren-ein  jeder  eine  Wachsthumsbeschränkung, 
eine  Volumen  Verminderung  zur  Folge  hat?  Ich  erinnerte  mich 
irgendwo  ^)  gelesen  zu  haben,  dass  liayer  an  Thieren  denen 
er  öfters  Nadeln  in  die  Ohrknorpel  einstiess,  nach  und  nach 
eine  Verkalkung  und  Verknöcherung  dieser  Tbeile  hervor- 
brachte und  wenn  mich  mein  Gedächtniss  nicht  trügt,  so 
braclite  auch  Bayer  aufgemuntert  durch  die  Resultate  seiner 
Versuche  in  Vorschlag  die  Uterusfibroide  in  gleicher  Weise 
zu  reizen  um  sie  zum  Verkalken  und  Verknöchern  zu  bringen. 
Ist  nun  auch  das  Grundgewebe  eines  Fibroides  ein  anderes 
als  das  eines  Ohr-Faserknorpels,  so  ist  doch  bei  der  histo- 
logischen Verwandtschaft  des  Binde-  und  des  Knorpelgewebes 
für  beide  bekanntlich  die  Metamorphose  zu  vollständigem 
Knochengewebe  oder  die  einfache  Absetzung  vcm  Kalksalzen 
möglieh  und  in  beiden  Geweben  kann  es  zur  fettigen  Degene- 
ration oder  endlich  zur  entzündlichen  Schmelzung  und  Eiter- 
bildung kommen.  Durch  diesen  Gedankengang  entstand  mein 
Entschluss,  durch  Einstechen  von  Nadeln  in  das  grosse  Fibroid 
der  Frau  S,  eine  nutritive  Veränderung  hervorzubringen,  von 
der    ich    freilich    im  Voraus    nicht   wissen    konnte,    welcher 


1)  Wahrscheinlich  in  den  Berichten  der  Soci^t^  de  biologie 
▼on  Paris. 


126         I^-    MeUmer,  Mittheilnn^en  über  di«  ThAtigkeit 

Art  sie  sein  werde.  Durch  das  hinlere  Scheidengewölbe  stiess 
iclj  zuerst  einen  gewöhnlichen  Exploralivlroikar  mitten  in  das 
Parenchyni  des  Fibroides  ein,  die  Möglichkeit  ins  Auge  fassend, 
dass  icli  eine  Höhle  IrefTen  und  den  -Inhalt  entleeren  könne. 
Ausser  ein  paar  Tröpfchen  Blut  floss  aber  nichts  ab.  Hierauf 
machte  ich,  die  Canule  des  Troikars  bei  Seite  lassend,  mit 
der  fixplorativnadel  allein  noch  rasch  hinter'  einander  drei 
oder  vier  Stiche  in  verschiedenen  Richtungen  in  das  Pibroid, 
somit  eine  einfache  Acupunctur  in  der  Absicht  durch  Reizung 
des  Fibroides  sein  Gewebe  zu  einer  regressiven  Degeneration 
zu  bestimmen.  Die  Folgen  dieser  scheinbar  kleinen  Operation 
für  den  Gesammtorganismus  waren  weit  bedeutendere  als  ich 
vermutliet  hatte.  Es  traten  die  Symplonäe  einer  heftigen  Peri- 
metritis mit  ausgedehnter  Betheiligung  des  Peritonäums  auf, 
es  entwickelte  sich  hei  starkem  Fieber  mit  wiederholten 
Schüttelfrösten  ein  pyämischer  Zustand  mit  icterischer  Haut- 
farbung,  und  für  das  Leben  der  Kranken  war  mehrere  Wochen 
hindurch  sehr  zu  furchten,  so  dass  ich  wirklich  bereuen 
inusste,  die  Acupunctur  vorgenomnten  zu  haben.  Erst  als 
theils  durch  die  Slichöfl'nungen  in  die  Scheide  hinein,  theils 
in  das  Rectum  sich  listulöse  Gänge  bildeten,  welche  eine  nicht 
unbedeutende  Menge  von  Eiter  lieferten,  wichen  die  bedenk- 
lichsten allgemeinen  Erscheinungen  und  Friau  S,  erholte  sich 
nach  gnd  nach  Dank  ihrer  zähen  Constitution  so  weit,  dass 
sie  das  Bett  wieder  verlassen  und  ihre  gewohnten  Be- 
schäRigungeu  wieder  aufnehmen  konnte.  Während  der  schweren 
Erkrankung  hatte  ich  Frau  8,  nur  ein  einzigesmal  besucht. 
Sie  hatte  das  Vertrauen  zu  mir  verloren  und  wollte  von  ihrem 
Hausarzte  Herrn  Dt,  Reiser  allein  behandelt  sein. 

Nach  Neujahr  1862  besuchte  sie  mich,  erstaunhch  gut 
aussehend  und  ihre  Freude  darüber  äussernd,  dass  es  ihr 
jetzt  doch  weit  besser  gehe  wie  vor  der  Operation. 

Die  J)ruckheschwerden  waren  vermindert,  sie  selbst  glaubte 
eine  entschiedene  Verkleinerung  ihrer  Geschwulst  zu  bemerken, 
aus  der  immer  noch  bald  mehr  bald  weniger  Eiter  in  Scheide 
und  Mastdarm  abfloss,  und  die  von  Herrn  Dr,  Reiser  vor- 
genommene Untersuchung,  die  mii^  nicht  mehr  gestaltet  wurde, 
bestätigte,  dass  das  Fibroid,  wenn  auch  nicht  viel,  doch  elwas^ 


u.  d.  Verband],  d.  Gefl^Hschaft  f.  Oebnrtshülfe  in  Leipzig  etc.     127 

abgenommen  halte.  Dieses  ^^Etw^is''  war  aber  leider  ge* 
iiugend  um  unsere  Kranke  in  einen  physiologischen  Zusland 
zu  versetzen  der  so  unglücklich  för  sie  enden  sollte. 

Zwei  Jahre  vergingen,  bis  ich  Frau  >S'.  wiedersah.  Es 
war  am  18,  December  1863  als  sie  sich  in  meiner  Spi*ech- 
stunde  bei  mir  einrand.  Schon  bei  ihrem  Eintritt  liel  mir 
ihr  durch  die  Crinoline  nur  unvollkommen  maskirter  grosser 
Umfang  auf,  der  mich  sogleich  zu  der  Frage  veranlasste,  ob 
sie  etwa  guter  Hoffnung  sei.  Sie  erzählte  mir  nun,  dass  sie 
Ende  März  oder  Anfangs  April  zum  letzten  Male  ihre  Regeln 
gehabt  und  von  jener  Zeit  an  sich  schwanger  glaube.  Im 
Anfange  habe  sie  viel  an  Uebelkeit  und  Erbrechen  besonders 
des  Morgens  gelitten,  habe  auch  einen  starken  Druck  m 
Becken  empfunden,  seit  August  aber,  seit  welcher  Zeit  sie 
Kindesbewegungen  fühle,  sei  es  ihr  in  dem  Maasse  als  der 
Unterleib  mehr  nach  aufwärts  an  Umfang  zugenommen,  leichter 
geworden.  Sie  komme  ji^tzt  nur  um  von  mir  Gewissheit  zu 
erlangen,  ob  sie  wirklich  schwanger  sei,  da  ihr  Arzt,  der  sie 
eiuigemale,  zuletzt  vor  ungefähr  drei  Monaten  untersuchte, 
stets  grosse  Zweifel  geäussert  habe.  Seit  zehn  Jahren  ver- 
beirathet  und  im  38«  Jahre  stehend  hatte  sie  gleichwohl  stets 
das  Verlangen  nach  Nachkommenschaft.  Vielleicht  um  dieses 
erfüllt  zu  sehen  hatte  sie  es  vermieden  in  einer  früheren 
Periode  ihrer  Schwangerschaft  deren  künstliche  Unterbrechung 
anzustreben.  Ihr  natürlicher  Verstand  liess  sie  die  Gefahren 
einer  rechtzeitigen  Geburt  wohl  erkennen,  aber  ihr  Muth  und 
eine  gewisse  leichte  Art  das  Leben  so  zu  fassen,  wie  es  eben 
ist,  verdrängten  die  Sorgen  und  Bedenken,  die  eine  jede  zum 
ersten  Male  schwangere  Frau  hat,  die  sie  in  weit  höherem 
Maasse  zu  haben  berechtigt  war.  Sie  war  merkwürdig  ge- 
fasst  und  entschlossen,  was  u.  A.  daraus  hervorgeht,  dass  sie 
sich  in  den  letzten  Wochen  ihren  Leichenanzug  selbst  nähte, 
plättete  und  aufs  Sauberste  zu  recht  richtete.  Meine  Unter-- 
suchung  jetzt  und  mit  grösserer  Exactheit  ein  paar  Tage  später 
in  der  Behausung  der  Frau  S,  angestellt,  ergab  mir  Folgendes:* 
Das  Ausseben  gut,  Fettpolsler  nicht  geschwunden,  Muskeln- 
und  Knochenbau  kräftig,  voller,  regelmässiger  Puls,  Respiration 
etwas  beengt,  Brüste  turgesciren,  beide  Brustwarzenhöfe 
sind   stark  pigmentirt.     Der  Unterleib  bedeutend  ausgedehnt, 


128  I^*    Meissner ^  MUtheilungen  über  die  TbStigkeit 

misst  im  Umfange  102  Ctm.  und  in  der  Höhe  von  der 
Scbambeinsymphyse  bis  zum  Grunde  des  Uterus  42  Cün. 
Die  Linea  alba  ist  schwach  pigmentirt,  der  Nabel  ganz  ver- 
strichen, die  Bauchbaul  ist  lielrächllich  gespannt.  Die  Form 
des  Bauches  ist  eine  ovale,  der  Grund  des  Uterus  lässt  sich 
deutlich  durch  das  Gefühl  und  die  Percussion  l'/^ — 2  Hände 
breit  ober  dem  Nabel  abgrenzen.  Drei  unzweifelhaft  in  der 
Uterinwand  sitzende,  unverschiebbare  knollige  Erhabenheiten, 
2  rechts,  1  links  lassen  sich  mit  den  darüber  gleitenden 
Fingern  von  den  Bauchdecken  aus  erkennen  und  mit  der 
höchsten  Wahrscheinlichkeit  als  Fibroide  bestimmen. 

.Links  oben  fühlte  ich  einen  grösseren  wenig  beweg- 
lichen Kindstheil  (Kopf),  kleinere  konnte  ich  nicht  entdecken. 
Die  Fötalberztöne  hörte  ich  links  das  Erstemal  ganz  deutlich, 
das  zweite  Mal  undeutlich.  Beim  Auflegen  des  Kopfes  zum 
Zwecke  des  Auscultirens  fühlte  ich  öfters  erschütternde, 
stossende  Bewegungen  des  Kindes,  welche  mit  dem  suh- 
jectiven  Gefühle  der  Mutter  übereinstimmten.  Die  Scheiden- 
exploration  ergab  ein  ähnliches  Resultat  wie  das  früher  geschil- 
derte. Die  an  der  vorderen  Beckenwand  anliegende  Vaginal- 
portion  war  noch  einen  guten  ^/^  Zoll  lang,  die  vordere 
Lippe  länger  als  die  hintere.  In  den  äusseren  Muttermund 
konnte  die  Fingerspitze  nur  eine  kleine  Strecke  weit  ein- 
dringen, die  Scheide  war  etwas  rauh.  (Vaginitis  granulosa). 
Kein  Kindestheil  lag  vor,  dafür  aber  das  kindskopfgrosse  von 
der  hinteren  Uterinwand  ausgehende  Fibroid,  unverschieh- 
bar,  last  beinahe  wie  ein  hölzerner  Klotz.  Unmöglich  war 
es  mit  der  Fingerspitze  seitlich  an  der  Linea  innominata  und 
liinten  in  der  Kreuzbeinaushöhlung  einen  Raum  zu  finden,  der 
es  gestattete,  zwischen  Tumor  und  zwischen  Beckenwand  in 
die  Höhe  zu  dringen,  und  an  der  vorderen  Beckenwand  war 
noch  eine  quere  Spalte  übrig,  gerade  genügend  zur  Aufnahme 
der  Weichiheile,  der  Vaginalportion,  des  Blasenhalses  und  der 
Urethra. 

Dass  Frau  S.  schwanger  sei,  dass  ihr  Kind  lebe,  dass 
die  SchwangerschaO,  wenn  auch  nicht  ganz  am  Ende,  so  doch 
dem  Ende  nahe  sei,  war  über  allen  Zweifel  erhaben;  nicht 
aber  so  sicher  festzustellen  war  die  Meinung,  welche  man 
über  die  Bedeutung  des  Tumors  für  die  bevorstehende  Geburt 


Q.  d.Verhandl.  d.  Gesellschaft  f.Gebnrtsbaife  cnLeipsigf  etc.    129 

haben  konnte.  Mochte  man  ihn  immerhin  för  ein  schweres 
Geburtshinderniss  mechanischer  und  dynamischer  Natnr  hallen, 
so  konnte  man  doch  noch  daran  denken  ob  die  Geburl  nicht 
auf  irgend  eine  Weise  auf  natürlichem  Wege  geleitet  werden 
könne,  oder  ob  ^s  absolut  nöthig  werde  die  Sectio  caesarea 
ZQ  machen. 

Nach  reiflicher  Ueberlegung  und  vorheriger  B^ratliung 
mit  Herrn  Professor  Clo'ita  und  Dr.  Reiser  entschied  ich 
mich  dafür,  dass  ich  die  Sectio  caesarea  als  die  einzige 
Möglichkeit  ansah,  Mutter  und  Kind  zu  retten.  Keine 
Alternatiye  schien  mir  gegeben  zusein,  nicht  einmal  die  einer 
gänzlichen  Zerstückelung >  des  Kindes,  denn  bei  einer  Raum- 
beschränkung  so  hoben  Grades  war  voraussichtlich  das 
Einfuhren  von  Hand  und  von  Instrumenten  ein  Ding  der 
Unmöglichkeit.  Mein  Plan  war  also,  wenn  es  anginge,  das 
Ende  der  Eröflnungsperiode  abzuwarten  und  dann  ohne  irgend 
welche  andere  Versuche  und ,  ohne  weiter  zuzuwarten ,  den 
Haiserschnitt  bei  stehender  Blase  zu  unternehmen. 

In  der  Nacht  vom  24/25.  Januar  1864  um  V^l  Uhr 
früh  wurde  ich  zu  Frau  S.  gerufen.  Schon  Tags  zuvor  waren 
vorbereitende  Wehen  vorhanden  gewesen,  um  11  Uhr  Nachts 
waren  sie  mit  grösserer  Heftigkeit  aufgetreten.  Zuerst  war 
die  Hebamme,  dann  Herr  Dr.  Reiser  geholt  worden.  Noch 
bevor  derselbe  kam  (gegen  12  Uhr)  war  die  Blase  gesprungen 
und  viel  Fruchtwasser  abgegangen.  Bei  der  erstmaligen  Unter- 
suchung fand  er  die  Nabelschnur  in  die  Scheide  vorgefallen, 
machte  einige  Reposition s versuche,  stand  aber  davon  ab,  als 
sie  misslangen.  Ich  selbst  fand,  dass  durch  einen  1  Franken- 
stück  grossen  Muttermund  eine  Nabelschnurschlinge,  die  deutlich 
und  ziemlich  lebhaft  pulsirte,  in  die  Scheide  tief  herab- 
getreten war,  der  vordere  Rand  des  Mutlermundes  war  scharf- 
^  randig,  an  die  hinlere  nicht  ganz  vei'strichene  Lippe  lehnte 
sich  unmittelbar  der  bekannte  Tumor  an,  der  nun  auch  vom 
Cervicalcanal  aus,  in  den  ich  mit  der  Fingerspitze  eindringen 
konnte,  deutlich  zu  en*eichen  war.  Hoch  oben  im  Cervical- 
canal  erreichte  ich  die  Zehen  des  linken  Fusses.  Die  Nabel- 
schnur konnte  ich  nur  theilweise  reponiren  und  auch  das 
reponirle  Stuck  wurde  bei  jeder  Wehe  wieder  vorgedrängt. 
Schleim  rah   etwas  Mekonium  gemischt  ging  aus  den  Geni- 

Moa«U80hr.  f.  GebarUk.  1866.  Bd.  XXV.,  Snppl.-Hft.  9 


130         n.   MeiMfier,  MittheUan^<»o  über  die  Thütigkeit 

Ulieu  ab.  Der  Uterus  hatte  eine  geringe  Schiefläge  nach 
rechts,  in  seinem  Grunde  war  der  Kopf  des  Kindes  zu  luhkfh. 
Somit  hallen  wir  es  mit  einer  Fusslage  zu  thun.  Die  Wdien 
waren  sehr  kräftig«  schmerzhaft  und  hatten  sclion  den 
Charakter  der  Treibwehen  angenommen.  Mein  schon  ü'öher 
gefasster  Entschluss  musste  nun  zur  Ausführung  kommen. 
WoJUe  man  nicht  geradezu  eine  für  Muttermund  Kind  ganz 
hoffnungslose  Operation  unternehmen,  so  durfte  nicht  lange 
mehr  gezögert  werden.  Die  ungünstigen  Umstände  des  fröli- 
zeiligen  Wasserabflusses  und  des  NabelschnurvorfaJIes  durften 
nicht  abhalten,  sondern  mussten  zur  möglichsten  Beschleu- 
nigung  anspornen.  Bis  zur  Ankunft,  meiner  Assistenten  der 
Herren  Dr.  Biüeter  und  Moor^  und  bis  alle  Vorbereitungen 
getroffen  waren,  vergingen  noch  zwei  Stunden,  während 
welcher  ich  die  Gebärende  drei  i>otoer'sclie  Pulver  nehmen 
Hess,  um  das  Uebermass  der  Wehen  herabzusetzen,  ehie  bei 
der  Krankhaften  Beschaffenheit  des  Uterus  jeden  Augenblick 
drohende  Ruptur  zu  verhindern  und  den  das  Leben  des  Kindes 
im  höchsten  Grade  gefährdenden  Druck  zu  massigen.  Gegen 
drei  Uhr  konnte  die  Ordre  de  batailie  ertheilt  werden.  Un* 
verändert  war  der  Status  quo  von  zwei  Stunden  früher.  Die 
Gebärende  ertlieilte  mir  die  Erlaubniss  zu  thun  was  ich  für 
uöthig  finde  und  ihr  Mann,  ein  hoher  Fünfziger,  zum  dntten 
Male  schon  verheirathet,  erhob  keine  Einsprüche  gegen  mein 
ihm  schon  früher  mitgetheiltes  Vorhaben, 

Das  Zimmer  war  klein,  die  Beleuchttmg  mangelluift,  an 
Assistenten  hatte  ich  keinen  Ueberfluss.  Herr  Dr.  Reiser 
besorgte  die  Chloroformnarkose,  die  Herren  Moor  und  BiUeter 
standen  der  eine  auf  der  rechten,  der  andere  auf  der  linken 
Seite  der  Gebärenden,  ihr  Mann  hielt  ein  Licht,  die  Hebamme 
halte  Wasser  und  Schwämme  zu  reichen.  Nachdem  der  Uterus 
in  die  Körperacbse  gebracht  und  fixirt  war,  begann  ich  den 
Hautschnitt  in  der  Linea  alba,  Schamberg  und  Nabel  schonend 
und  führte  ihn  (wie  eine  nachträgliche  Messung  ergab) 
16  Ctmtr.  lang.  Dabei  war  eine  querherüberlaufende  grosse 
Hautvene  nicht  zu  schonen.  Noch  vor  Eröffnung  des 
Peritonäums  stillte  ich  die  Blutung  aus  der  durchschnittenen 
Vene  durch  Ansetzen  zweier  Schieberpincetlen.  Aus  der 
geöffneten  Peritonäahöhle  floss  die  gewöhnliche  Menge  sei*öser 


n.  d.  Verfaandl.  d.  Gesellsebnft  f.  Gebnrtshfilfe  ni  Leipzig  etc.    131 

Flüssigkeit.  Auf  der  Oberfliche  des  nim  blos  gelegten  lividen 
Uterus  sahen  wir  ein  paar  kleine  suhperitonäale  Fibroide. 
Der  {Schnitt  durch  den  Uterus  weniger  lang  als  durch  d)e 
Bauchdecken  wurde  möglichst  gerade  und  schnell  geffilirt. 
Die  Blutung  war  einige  Momente  eine  ungeheuere.  Da  das 
Fruchtwasser  abgeflossen,  so  musste  die  Innenflache  des  Uterus 
auch  am  Kinde  anliegen;  desswegen  war  Vorsieht  geboten 
um  bei  Erdflmmg  des  Uterus  nicht  das  Kind  zu  verletzen. 
Kaum  dass  die  vordere  Utertnwand  durchschiikten  war,  so 
drängte  sich  aus  dem  oberen  Wundwinkel  ein  weisslicher, 
etwas  höckeriger  Körper  hervor,  den  ich.  beim  ersten  Anblick 
für  ein  kindliches  Knie  oder  einen  Ellenbogen  hielt.  Bald 
gewahrte  ich  aber  meinen  Irrthum  und  sah  dass  es  ein  un* 
gefabr  welscbnussgrofises  submuoöses  Fibroid  sei. 

Nachdem  ich  die  Uteruswunde  nach  unten  dilatirt  hMi**, 
praseRtirte  sich  der  linke  Schenkel  und  die  linke  Hätte  des 
Kindes.  Meine  beiden  Assistenten  setzten  ihre  Zeigefinger  m 
den  oberen  und  unteren  Wundwinkel  des  Utei*us  um  ihn  an 
die  Bauchwand  heranzuziehen,  trotzdem  drängte  sich  wäln'end 
der  nun  folgenden  Extraction  des  Kindes  von  unten  links  eine 
Dönndarmschlinge  vor,  welche  schwer  zuiiick zuhalten  war. 
Die  Extraction  volHuhrte  ich  beide  Ffisse  ergreifend,  beide 
Arme  lösend  ohne  Mfihe  bis  zum  Kopfe.  Für  diesen  musste 
aber  die  Uterinwunde  noch  etwas  erweitert  werden.  Das 
Kind,  ein  kräftiger,  ganz  reifer  Knabe  war  scfaeiatodt,  schlafl*, 
cjanotisch.  Ich  schnitt  schnell  die  fast  pulslose  Nabelschnur 
ab  und  äbergab  den  jungen  Caesar  der  Hebamme.  Nach 
einigen  Bemähungen  wurde  er  zum  Schreien  und  Bewegen 
gebracht,  und  beflndet  sich  zur  Zeit,  was  ich  gleich  bemerken 
will,  vollkommen  wohl.  Alsbald  erschien  in  der  Schnittwunde 
die  Placenta,  die  ich  sammt  Eihäuten  leicht  entfernte.  So 
weit  war  mm  Alles. noch  gut  gegangen.  Jetzt  aber  begann 
das  Unerwartete,  das  Unregelmässige,  das  Zweifel  Erregende. 
Der  Uterus  seines  ganzen  Inhalts  entledigt^  contrahirte  sirh 
nicht  regelmässig,  sank  nicht  in  das  Becken  hinab,  seine  Schnitt* 
rander  näherten  sich  einander  nicht.  Statt  dessen  war  der 
Uterus  noch  voluminös,  mit  grösseren  und  kleineren  Fibroiden 
darehsetzt,  der  Schnitt  klaffte  weit  von  einander^  die  hintere 
Parthie  des  Uterusgrundes,  an  welcher  die  Placenta  gesessen, 

9* 


132  n.   IMtMtfr,  Mitiheilangen  über  die  Thi&tifkelt 

zeigte  die  Neigung  sich  zu  invertiren,  die  untere  Parthie  der 
hinteren  Uterinwand  war  starr  dem  grössten  der  Fibroide 
abliegend,  das  kleine  oben  erwähnte  Fibroid  wich  nicht  aus 
dem  oberen  Wundwinkel.  Wollte  ich  die  Operation  nicht 
unvollendet  lassen  und  Frau  S.  einem  sichern  und  schnellen 
Tode  preisgeben,  so  musste  ich  den  widersti*ebenden  Uterus 
kunstlich  vereinigen.  Dies  geschah  auch,  nachdem  ich 
mehrere  Minuten  lang  vergebliche  Versuche  mit  Händen  und 
Schwämmen  gemacht  hatte,  den  sich  mehr  und  mehr  um* 
Stulpenden  Uterus  zu  reponiren  und  zur  natürlichen  Reduclion 
zu  bringen.  Vorerst  musste  ich  noch  das  kleine  Fibroid  mit 
den  Fingern  enucleiren,  denn  sonst  wäre  nicht  einmal  eine 
Naht  möglich  gewesen.  Dann  gin^  es  ans  Nähen  der  Uterus- 
wunde. Noch  bevor  ich  den  ersten  durch  die  ganze  Dicke  der 
Uterus-Muscularis  gezogenen  Seidenfaden  auf  der  Peritonäalseite 
des  Uterus  knüpfen  konnte,  trat  Chloroform-Erbrechen  ein, 
das  sich  von  nun  an  öfters  wiederholte.  Wir  hatten  dabei 
alle  Muhe  das  Vorfallen  von  Darraschlingen  und  das  Umstülpen 
des  Uterus  zu  verböten  und  -nebenbei  musste  der  nicht  un- 
erheblichen Blutung  aus  der  Placentarwunde  und  den  Schnitt- 
rändern  durch  Hände  und  Schwämme  Einhalt  geschehen.  Nach 
einem  unvermeidlichen  Aufenthalte  wui*de  im  Nähen  des  Uterus 
weitergefahren  und  seine  Wunde  durch  fünf  Knopfnähte  ge- 
schlossen. Beide  Fadenenden  wurden  kurz  abgeschnitten,  denn 
beide  oder  nur  Eines  nach  aussen  durch  die  Bauchwunde  zu 
leiten,  schien  mir  weniger  rationell,  als  die  Fäden  im  Uterus 
ihrem  Schicksal  zu  öberlassen,  die  Möglichkeit  voraussetzend, 
dass  sie  einheilen  können.  (Ich  habe  mich  schon  früher 
viel  mit  dem  Gedanken  beschäftigt,  wie  man  es  anfange  soll, 
um  eine  Naht  an  den  Uterus,  sei  es  mit  Seidenfaden,  sei  es 
mit  Metalldrahl,  zu  legen,  die  durch  die  Bauchwunde  nach 
aussen  geführt  später  wieder  entfernt  werden  könnte,  aliein 
dieses  Problem  zu  lösen  ist  mir  nocli  nicht  gelungen.)  Nach 
Schliessung  der  Uteruswunde  vereinigte  ich  die  Bauchdecken 
durch  zwölf  Knopfnähte  mit  Seidenföden,  wovon  sechs  das 
Peritonäum  mit  fassten,  die  anderen  sechs  aber  nur  ober- 
Qächlich  die  Wundränder  mit  einander  verbanden.  Um  %4  Uhr 
war  die  ganze  Operation  vollendet.  Die  aus  der  Chloroform- 
narkose erwachte  Operirte  war  nicht  im  Geringsten  collabirt, 


Q.  d.  Verband!,  d.  OeselUchaft  f.  Gebnrtsfaülfe  in  Leipsig  eic.    133 

der  Puls  war  massig  voll,  schlag  circa  80  Mal  in  der 
Minute,  die  EztremitSten  waren  warm,  die  Farbe  der  Lippen 
und  der  Gesichlshaul  war  nichts  weniger  als  anämisch.  Zu- 
nächst wurden  der  Operirten  ein  paar  Löffel  voll  Suppe  mit 
etwas  Wein  gereicht,  dann  erhielt  sie  Vs  stündlich  Vs  &' 
Opium.  Um  zehn  Uhr  war  die  gleich  nach  der  Operation 
vorhanden  gewesene  grosse  Schmerzhaftigkeit  und  Aufregung 
gemindert.  4  gr.  Opium  waren  genommen  worden.  Ein  Ver* 
such  eine  Eisblase  auf  den  Unterleib  zu  legen  wurde  nur 
kurze  Zeit  vertragen.  Erbrechen  war  wiederholt  eingetreten ; 
noch  konnte  es  der  Nachwirkung  des  Chloroform  zugeschrieben 
werden.  EisplUen  und  stündlich  ^1^,  gr.  Opium  verordnet 
Um  vier  Uhr  Nachmittags  war  der  Puls  112,  Schmerzen  ver- 
breiteten sich  über  den  ganzen  meteoristisch  aufgetriebenen 
Unterleib  und  den  Rucken,  Würgen  und  Erbrechen  grunliclien 
Schleimes  sehr  häufig.  Verordnet  wurde  Tr.  op.  simpl.  Sii 
mit  Liq.  anodyn.  miner.  Hoffmanni  5i  halbstündlich  6  —  8 
Tropfen,  femer  ein  einfaches  Clysma.  Um  acht  Uhr  Abends 
war  der  Zustaud  sehr  verschlimmert.  Puls  fast  unzählbar 
und  verschwindend,  kleine  Exti*emita|en  mit  kühlem,  klebrigem 
Schweiss  bedeckt,  Gesichtszüge  entstellt,  grosse  Jactation, 
immerwährendes  Erbrechen,  Verlangen  nach  Schlaf  und  Ruhe. 
Dies  zu  erfüllen  wurde  die  Kranke  in  eine  mehrstündige  leichte 
Chloroformnarkose  versetzt  und  ein  Clysma  mit  40  Tropfen 
Opiunitinctur  gegeben.  So  wurde  auch  ein  der  Unglücklichen 
noch  recht  wohlthätiger  Schlummer  erzielt,  bis  um  ein  Uhr 
früh,  also  22  Stunden  nach  der  Operation,  der  Tod  bei  vollem 
Bewusstsein  erfolgte. 

Die  Section,  im  Anfang  verweigert,  konnte  erst  am 
28.  Januar,  wenige  Stunden  vor  dem  Begräbniss,  gemacht  werden, 
bei  bereits  sehr  vorgerückter  Fäulniss. 

Zwischen  Bauchdecken  und  Uterus  lag  eine  Dünndami- 
schlinge,  wahrscheinlich  dieselbe  die  schon  bei  der  Operation 
sich  vorgedrängt  hatte.  Die  Uterinwunde  war  gut  verschlossen; 
eine  geringe  Menge  blutiger  trüber  Flüssigkeit  war  in  der 
Bauchhöhle.  Naclf  Eröffnung  des  Uterus  brachte  ich  durch 
denselben  von  oben  her  meine  Hand  in  das  Becken.  Nur 
an  der  vorderen  Beckenwand  konnte  ich  vier  Finger  der 
Quere  nach  hinabscbieben,  sonst  nirgends.  •  In  der  Richtung 


134  !'•    Meissner f  Mittheilungen  über  die  Thätigkeii 

des  geraden  Durchmessers  dos  Beckeneinganges  hatten  zwei 
nebeneinandergeiogte  Finger  nicht  mehr  Platz.  Mehrere  dex 
anwesenden  Coliegen  beslätigten  diesen  Befund.  Den  ganzen 
Uterus  sammt  Geschwulst,  die  im  hinteren  Douglasischen 
Räume  verwachsen  war,  und  sich  längs  der  Lendenwirbel  tiel 
ins  kleine  Becken  verfolgen  Hess,  exstirpirlen  wir  nnd  schafften 
ihn  aus  dem  Hause. 

Das  ganze  Präparat  wog  5%  Pfd.  eidgenössischen  Ge- 
wichtes =  2875  Grm.  Rechnet  man  hiervon  für  den  Uterus 
allein  nach  den  Gewichtsbestimniungen  \on  Hecker ')  1000  Grm. 
weg,  so  bleiben  für  sämmtliche  Geschwülste  1875  Grm. 
Die  Länge  vom  Grunde  des  Uterus  bis  zum  äusseren  Mutter- 
munde an  der  hinteren  Wand  gemessen  betrug  10"  2'"  P., 
die  Länge  des  Cervix  allein  4"  P.  Die  Uterinsubstanz  war 
an  verschiedene  Stellen  von  sehr  ungleicher  Dicke,  am  düimsten 
die  hintere  Parlhie,  hinler  welcher  das  gleich  zu  erwähnende 
grosse  Pibroid  lag.  Hier  war  fast  nur  Schleimhaut,  nur  wenig 
Muscularis.  Ausser  einer  unhestinmiten  Anzahl  kleinerer 
und  grösserer  Fibroide,  submucöser,  interstitieller  und  suh- 
peritonäaler  fand  sich  das  schon  wiederholt  angedeutete  grosse 
int4>rstiüelle  Fibroid  eingebettet,  in  der  hinteren,  sehr  ver- 
längerten Wand  des  Cervix,  herabreichend  bis  zur  Scheide, 
nach  aufwärts  bis  etwa  in  die  Mitte  des  Uteruskörpers.  Seine 
grösste  Höhe  betrug  5"  6'"  P. ,  seine  grössle  Tiefe  (in 
sagiltaler  Richtung)  3"  T'\  sein  grössler  horizontaler  Umfang 
33  Ctm.  Es  hatte  eine  nahezu  eiförmige  Gestalt.  Seine'Con* 
sistenz  war  weit  weniger  bedeutend  als  ich  sie  früher  an 
der  Lebenden  wahrgenommen  hatte.  Seröse  Durchtränkung 
und  Fäulniss  mögen  die  Consistenz  verändert  haben.  Kalk- 
oder Knocbenablagerung  fand  sich  nirgends.  Auf  dem  Durch- 
schnitt quölle  seine  Substanz  über  die  Schnittflächen  hervor. 
Eine  grosse,  beinahe  centrale  etwas  langgezogene  Höhle  mit 
fetzigen  Wandungen  und  missfarbigem  Inhalte  fand  sich  in 
seiner  Substanz,  ausserdem  mehrere  kleinere.  Es  schien  nicht 
aus  mehreren  zusammengesetzt  zu  sein^  wenigstens  konnte 
man  keine  deutliche  Abgrenzung  zwischen  dem  Gewebe  wahr- 
nehmen.   Gegen  die  Oberfläche  hin  waren  aber  deutliche  Ein- 


1)  Hecker'»  Klinik  der  GeburtBkunde,  Bd.  I.,  8.  90. 


u.  d.  Verhandl:  d.  GeselUehaft  f. GeburUhülfe  so  Leipsig  etc.    1 35 

kerbungen  zu  sehen,  lieber  Farbe  und  Blnfreiehthuui  nii<l 
die  feinere  histok)gisGhe  Beeohafleiiheii  konnte  der  Paulnisft 
wegen  kein  AufechJuss  erlangt  werden.  Seine  Verbindong 
mit  der  ibn  umgebenden  Uterinsubstans  war  eine  innige ;  eine 
Enncleatien  wilre  nimnicrmehr  gelungen.  Die  beigegebene 
Zeicbming  noch  am  gleichen  Tage  von  Henrn  Höfling  auf- 
genommen, stellt  die  hinlere  Seite  des  Uterus  mit  seinen  de- 
sclimllsten  in  natftriicher  Grösse  dar.  Der  Künstler  hat  sich 
bemdht,  eine  möglichst  getreue  Abbildung  zu  liefern,  und  ich 
glaube,  dass  es  ihm  auch  gehingen  ist.  Das  grosse  Fibroid 
in  verticaler  Richtung  durchschnitten  und  auseinander  geklappt 
(ritt  dem  Beschauer  am  meisten  in  die  Augen.  An  dasselbe 
angrenzend  nach  oben  ist  ein  kleineres,  darQber  sind  niebitsre 
andere  wiedeiinn  grössere,  theils  durchschnitten,  tfaeils  vom 
Peritonlnm  noch  bedeckt  wahrzunehmen.  In  keinem  der  Fi- 
broide,  mit  Ausnahme  des  grossen,  fand  sich  eine  Höhle  imd 
ich  vermutbe,  dass  diese  in  Folge  der  vor  zwei  Jahren  vor- 
genommenen Acupunctur  entstanden  ist.    (S.  die  Abbildung.) 

Am  Sdilusse  meiner  Erzählung  angelangt  werfe  ich  mir 
selbst  die  Frage  auf,  ob  der  Kaiserschnitt  unter  den  gegebenen 
Verhältnissen  indicirt  war,  oder  ob  ein  anderes  Verfahren  mit 
Wahrscheinlichkeit  zu  einem  glücklicheren  Resultate  bitte  fflhren 
können. 

Einen  Irrthum,  einen  Fehler  einzugestehen,  wArde  ich 
kein  Bedenken  tragen,  wenn  ich  mir  jetzt  eines  solchen  he- 
wusst  wSre,  aber  mein  Wissen  und  Gewissen  sagt  mir,  dass 
ich  so  gehandelt  habe,  wie  ich  unter  den  gebotenen  Umständen 
habe  handeln  können. 

Eine  künstliche  Frühgeburt  oder  vielmehr  ein  künstlicher 
Abortus  zu  einer  Zeit,  wo  der  Fötus  noch  nicht  lebensl^htg 
war,  hatte  vielleicht  Frau  S,  retten  können.*)  Später,  ffinf 
Wochen  vor  der  Entbindung  als  ich  zum  Ersten  Male  die 
Schwangere  untersuchte,  hätte  eine  künstliche  Unterbi*ecbong 
der  Schwangerschaft  bei  der  bereits  weit  gediehenen  Ent* 
Wickelung  des  Fötus  kaum  einen  kleinen  Vortbeil  vor  dem 
passiven  Zuwarten   bis  zur  rechtzeitigen   Beendigung  voraus 

1)  Cfr.  die  Fälle  von  kiinstliclier  Frfihgebart  bei  OeschwUlsten 
von  Dr.  Äiikwtll  in  den  (Ttiy's  Hospital  reports,   Vol.  I.,  p.  8(fo. 


136  I'*   MmwMT,  MUtheilungen  über  di«  TbUtigkeii 

gdMibi.  Zudem  glaubte  ich  die  Geburl,  den  Angaben  der 
Frau  8,  gemäss^  auf  die  ich  mich  faal  aliein  aintzen  konnte, 
schon  um  Neigahr  herum  erwarten  zu  dürfen.  Als  nun  die 
Geburt  von  selbst  eingetreten  war,  konnte  man  noch  ver- 
aehiedene  Wege  einschlagen.  Der  eine  war  der,  lange  Zeit 
gar  nichts  zu  thun,  sondern  zuzusehen,  was  die  Wehentbätig- 
keit  zu  leisten  vermöge,  ob  der  Tumor  von  der  hinteren 
Wand  des  Uteras  zurück  in  die  Höhe  gesogen  werde,  ob  er 
von  dem  durchtretenden  Kindeskörper  verdrängt  und  zu- 
sammengedruckt werde.  Versteht  sich,  dass  das  Kind,  dessen 
Nabelschnur  vorgefiiUen,  unfehlbar  dabei  zu  Grunde  gegangen 
wire  und  was  die  Mutter  betrifil,  so  wäre  sie  allen  Chancen 
der  Uterusruptur  primo  loco,  daim  dei*  Erschöpfung,  der  Bhituog 
ete.  schon  während  der  Geburt  ausgesetzt  gewesen.  Ein  zweiter 
Weg  bestand  darin,  Versuche  zu  machen,  den  Tumor  über 
das  kleine  Becken  hinauf  in  die  Höhe  zu  schieben,  dabei  wie 
beim  sogenannten  doppelten  Handgrifl*  den  vorliegenden  Fuss 
zu  ergreifen  und  das  Kind  herabzuziehen,  sobald  sich  der 
Muttermund  eröffnet  oder  nachdem  man  zur  Einsicht  ge- 
kommen wäre,  dass  die  Naturkräfle  das  mechanische  Hindei- 
iHSs  nicht  zu  überwältigen  vermögen.  Dann  wäre  die  Gefabr 
einer  kiosllichen  Ruptur  eine  äusserste  gewesen,  man  hätle 
sich  gefasst  machen  müssen,  die  schwierigste  Perforation, 
Kephalotripsie  am  nachfolgenden  Kopfe  zu  unternehmen,  diese 
Operation  möglicher  We*ise  gar  nicht  vollenden  zu  können  und 
zuletzt  noch,  nur  um  die  Mutter  nicht  unentbundeu  steii>en 
zu  lassen,  den  Kaiserschnitt  zu  machen.  Man  hätte  endlich 
einige  mehr  unschuldige  aber  immerhin  das  Leben  des  Kindes 
tödtende  Operationen,  wie  Extraction  an  den  Füssen^  und 
etwa  noch  die  Zange  probiren  und  dann  zum  Kaiserschnitt 
seine  Zuflucht  nehmen  können.  Nach  dem  Sectionsergebniss 
zu  schtiessen  glaube  ich,  dass  die  Geburt  auf  natürlichem  Wege 
durch  das  Becken  hindurch,  sei  es  als  spontane,  sei  es  als 
operative  unmöglich  war.  Nicht  blos  die  Grösse  des  Tumors 
inusste  ein  unüberwindbares  Hindemiss  abgeben,  sondern  seine 
Lage  vom  Gervix  uteri  aus  über  den  Scheidengrund  und  seine 
Fixirung  durch  alte  Adhäsionen  im  hinteren  Douglasischen 
Räume.  Wie  ii»l  es  denkbar,  dass  er  iiätte  von  seinei*  so  un- 
günstigen Stelle  weichen   können,   und   wenn  nicht,   —   wie 


n.  d. VerlMsdl.  d.  QeselUekiift  L  G^burtobfilfe  «n  Lelpsig  etc.    137 

kau»  «an  giauben,  dasg  er«  IrolB  einer  gewifiseu  Weichheit, 
in  seinem  segillaien  Durchimsser  um  Vj^"  durch  Compreesion 
b&tte  abnehmen  können?  Und  so  viel  bedurfte  es  doch  we- 
nigstens!, um  ein  seJbst  vöUig  zertrümmertes  Kind  hindurch* 
zuleiten.  Gesetzt  aber,  es  wäre  endlich  doch  gelungen,  die 
Entbindung  auf  natMichem  Wege  zu  vollenden,  so  hätte  man 
noch  die  Gefabren  des  Wochenbettes  bei  einem  maltraitirten, 
erschöpften,  kranken  Uterus  v<h*  sich  gehabt,  gewiss  nicht 
minder  gross «  ja  vielleicht  grösser  als  diejenigen ,  welche  ein 
regelrecht  und  ohne  die  störende  Zwischenkunft  unvorbar- 
gesehener  Zufälle  ausgeführter  Kaiserschnitt  der  Wöchnerin 
gebracht  hätte.  Der  schnell  tödtliche  Ausgang  ist  wohl  vor* 
xöglich  dem  langen  Offenstehen  der  Peritonäalhöhle  2U2u- 
Bchreiben,  welches  eine  Peritonitis  de&  acutesten  Grades  nach 
sich  Kog.  Hätte  ich  in  kürzerer  Zeit,  in  20  Minuten  etwa 
statt  in  ^/4  Stunden  die  Operation  beendigen  können,  so 
dürfte  eine  Genesung  nicht  in  das  Bereich  der  Unmöglichkeit 
gehört  haben. 

Die  S^ltei^it  des  Falles  hat  mich  vei^anlasst  eine  Umschau 
in  der  mir  zu  Gebote  siehenden  Literatur  zu  halten ,  welche 
Ansichten  und  Erfahrungen  von  Anderen  ober  die  CompKea* 
tionen  der  Gehurt  etc.  mit  Fibroiden  gesammelt  worden  sind. 
Hei  der  grossen  Zerstreuung  der  Fälle  in  Lehrböcbem  und 
Journalen  ^)  ist  es  mir  zwar  nicht  gelungen  eine  ganz  genaue 
historische  Uebersicbt  geben  zu  können,  aber  es  dürfte  mir 
kaum  eines  der  wichtigsten  Ereignisse  entgangen  sein. 

Des  besseren  Verständnisses  halber  theile  ich  die  von 
mir  aufgefundenen  Fälle  in  verschiedene  Gruppen  ein: 

L     Fälle  ohne   besondere  Störung  bei  der  Geburt 
und  im  Wochenbette  mit    glücklichem  Aus- 
gang für  die  Mutter. 
a)    Ein    Fall    der    Madame    LachapMe    erwähnt    von 
Jacquemier,  ^)    Spontane  Geburt  bei  einer  Frau,  deren  Becken 
durch  einen  kindskopfgrossen  Tumor  beinahe  ausgefüllt  war. 


1)  Mit  möglichster  Benatsang  der  Origioalbeecbreibangen. 

2)  J^JaequemUry  Manuel  dee  aocoacbemenU  etc.,  Paris  1846. 
T.  IL,  p.  174. 


13g  II.    Meumer,  MitUrailungett  fiber  die  Thtfti^H 

^Lb  tumetir  paraissait  renfermee  dans  les  fiarois  idmileft 
et  podterieures  du  col/'  Der  Fötus  war  klein  and  seit 
langer  Zeil  abgestorben,  plattete  sieh 'betin  Dorehgang 
durch  die  enge  Passage  ab.  (Da  nichts  über  den  Tod  der 
Mutter  erwähnt  ist,  so  darf  man  annehmen,  dass  sie  genas.) 

b)  Ein  Fall  von  Simpson.  ^)  Der  Uterus  war  von 
mehreren  Fibroiden  durehsetst,  eines  reichte  bis  zum  Nabel 
und  ein  Tbeil  davon  in  das  Becken.  Rechtseilige,  schwierige 
aber  spontane  Geburt.  Kopf  des  lodten  (?)  Kindes  war  stark 
zusauimengedrdckt  und  abgeplattet.     Mutter  genas. 

c)  BeaUy's  Fall  erwähnt  von  8imp90^^.^)  Grosses 
Fibroid  fAllte  das  Becken  ans.  Man  glaubte  der  Kaiserschnitt 
werde  nothwendig.  Während  der  Geburt  wurde  der  Tumor 
durch  die  Wehen  von  selbst  emporgehoben  und  das  Kind 
(lebend?)  spontan  ausgetrieben.  (Aasgang  bei  der  Mutter 
nicht  erwähnt,  wird  von  mir  als  glucklicher  angenommen.) 

d)  Gin  Fall  von  Hecker. ')  Bei  einer  Schwangeren  fand 
er  enorm  grosse  subperitonäale  zum  Theil  ins  Becken  hinein* 
ragende  Uteiiisfibroide.  Er  f&rchtete  sehr  fAr  die  Geburt. 
Sie  verlief  aber  zur  rechten  Zeit  und  leicht  ohne  alle  Nach- 
tlieile  für  Matter  und  Kind. 

II.     Fälle  ohne  besondere  Störung  bei  der  Geburt, 
aber  mit  unglücklichem  Ausgang  unmittelbar 
nachher  oder  im  Wochenbette. 
a)  Ein  Fall  von  Chaussier,  kurz  mitgelbeilt  von  Boivtn 
und  Duges.^)    Man  fand  bei  einer  Wöchnerin,  die  an  Blutung 
gestorben   war,   ein   grosses   die   hintere  ülerinwand  einneh- 
mendes Fibroid,  welches  den  Uterus  verhinderte  sich  hinläng- 
lich nach  der  Geburt  zusammenzuziehen. 

h)  Ein  Fall  von  Chia/ri.^)  30jährige  Erstgebärende. 
Spontane  aber  schwere  Geburt  eines  todten  Kindes.    Tod  der 


1)  Simpion*B   Obstetric  meinoirs  and   coDtributions,   Vol.  I., 
p.  883. 

>2)  A.  a.  O.  p.  886. 

3)  Hecker'B  Klinik  der  Geburtskande,  Bd.  II.,  S.  124. 

4)  Boivin  et  Dugha^  Trait^  pratiqae  des  maladtes  de  Tat^ras. 
T.  f.,  p.  217.     Bnixelles  1834. 

6)  CHari,   Braun  ond  Spüeih,   Klinik   der  Oebartshttlfe  and 
Gynäkologie,  S.  398. 


u.  d.  Verhandl.  d.  Geselltehaft  f. Gebnrtsli&lfe  in  Leipzig  etc.    189 

Mwtibr  am  zweflen  Tag«  an  EndometriUs  spltacetosa.  In  d^ 
äusseren  Schichten  des  Uterus  drei  faurlgrosse  itugelförniige 
Fibroide  und  viele  kleinere  in  der  hinteren  Wand. 

,c)  Ein-  Fall  von  Sequeroe,  ^)  Langsame  aber  spontane 
Geburt  eines  in  Steisslage  befindlichen  lebenden  (?)  Kindes. 
Nach  der  Geburl  blieb  der  Unterleib  gross  und  nian  ent* 
deckte  eine  Geschwulst  von  Kindskopfgrösse.  Die  Wöchnerin 
starb  und  bei  der  Section  fand  man  eine  im  Ulerushalse  ent- 
wickelte sehr  laage  und  breite  fibröse  Geschwulst,  ausserdem 
mehrere  andere. 

d)  Ein  Fall  von  Simpson.^)  Etwas  schwere  Erstge- 
burt eines  todten  Kindes.  Tod  der  Mutter  5 — 6  Stunden 
später  an  Erschöpfung,  nicht  an  Blutung.  Der  Uterus 
enthielt  nahezu  40  Fibroide»  bis  orangengrosse. 

e)  Ein  Fall  von  Hecker.  ^)  Fnihgeburl,  lebendes  Kind. 
Nachblutiuig.  Tod  der  Mutter  nach  sechs  Stunden.  Man 
fand  ausgedehnte  Lungentuberkulose.  In  der  vorderen  Wand 
des  Uterus  ein  6%  Ctm.  hohes  interstitielles  Fibroid.  Uterus 
mit  Fibroid  wog  145Ü  Grannnes,   war  mangelhaft  contrahirl. 

/)  Ein  anderer  Fall  von  Hecker,*)  Erstgebärende, 
36  Jahre  alt.  Knielage.  Extraction  eines  scheintodten  Kindes, 
das  zum  Leben  kommt.  Enorme  Nachblutung.  Erschöpfung, 
typhöser  Puerperalprocess.  Tod  am  neunten  Tage.  An  dem 
wenig  involvirteu  Uterus  ein  solides  von  den  beiden  Platten 
des  breiten  Mutterbandes  öberkleidcles  Fibroid,  18  Gtm.  lang, 
11  breit  und  dick.  • 

g)  Ein  Fall  von  AT  Glintock.^)  Drillingsgeburt  bei 
einer  36  jährigen  Mehrgebärenden,  ein  todtes  Kind  ausserhalb 
der  Gebäranstalt;  zwei  lebende  in  derselben.  Im  unteren  Theü 
des  Uterus  von  aussen  durch  die  Bauchdeckeu  ein  Tumor 
zu  entdecken.  Massige  Blutung.  "Tod  an  Erschöpfung  drei 
Stunden  nach  der  Geburt.  In  der  vorderen  Wand  des  Uterus 
fand  man  einen  7"  langen  und  2%'*  dicken  fibrösen  Tumor. 

t)  Im  AnssQg  in  der  Oebartsh.  Monatsicbrift ,  Bd.  IV.,  p.  227. 
2)  A.  a.  O.  p.  884. 
8)  A.  a.  O.  p.  128. 
4)  A.  a.  O.  p.  129. 

6)  M*Clintockf  CHnical  memoirt  on  diseases  of  Women, 
Dnblin  1868,  p.  116. 


140  11'    Mma$Mr\  MitllieilvageB  iber  die  Tklitifkeii 

UL     Fälle,   in   welchen  das  die    Geburt  ersehwe- 
rende  Fibroid  reponirt  werden  konnte. 

d)  Ein  Fal!  von  Hoogetoeg. ')  38  jährige  Mehrgebärende. 
Geschwulst  (Fibroid  ?)  prall,  scheinbar  unbeweglich,  fällte  Tast 
die  ganze  Höhlung  des  Kreuzbeins  aus.  Wendungsversuch 
bei  voRkommen  erweitertem  Muttermunde  misslang,  die  Ge- 
schwulst von  der  Scheide  aus  reponirt  Rind  mit  der  Zange 
extrahirt  starb  nach  V«  Stunde.  Uterus  blieb  nach  der  Ge- 
burt gross.  Mehrere  Geschwulste  wahrnehmbar.  Wochenbett 
verlief  langsam,  indess  doch  allmälig  Genesung;  später  noch 
die  grosse  Geschwulst  hinten  zu  fühlen. 

b)  Ein  Fall  von  C.  May  er. ^)  38  jährige  Erstgebärende. 
Grosses  Geburtshinderniss  bedingt  durch  einen  Tumor  im  Becken 
(Fibroid  od.  Sarkom  des  Uterus?)  Fruchtwasser  abgeflossen». 
Nabelschnur  vorgefallen,  welk,  kalt,  puislos.  Kaiserschnitt 
schien  nothwendig;  mit  vieler  Mtihe  gelang  die  Reposition  des 
Tumors.  Extraction  eines  kleinen  todten  Kindes  an  den  Füssen. 
Mutter  genas.  Zwei  Jahre  später  neue  Geburt  eines  todten 
Kindes,  von  C.  Mayer  nicht  beobachtet. 

c)  Anderer  Fall  von  C'.ifay er.')  Mehrgebärende,  29  Jahre 
alt.  Geschwulst  im  Becken  wie  ein  relrovertirter  Uterus  im 
dritten  Monate,  weich,  nach  vom  nur  för  zwei  Finger  Raum. 
Geschwulst  übergehend  in  die  hintere  Lippe.  Kopf  vorliegend. 
Frühzeitiger  Blasensprung.  Versuch,  Geschwulst  hinauf,  Kopf 
hereinzudrücken.  Gelang  unvollkommen.  Einstich  in  die  Ge- 
schwulst. Bräunliche  Flüssigkeit  entleert.  Kopf  nach  und 
nach  in  das  Becken  eingetreten.  Schwere  Zangenoperation 
nach  drei  Tagen.  Kind  todt  Uterus  zog  sich  zusammen. 
Geschwulst  war  verschwunden.  Tod  vierzig  Stunden  nach  der 
Geburt  an  Peritonitis.  Hinter  dem  Uterus  pralle  kindskopf- 
grosse  blasenartige  Geschwulst  fest  verwachsen,  fraglich  ob 
erweichtes  Fibroid? 

d)  Ein  Fall  von  PtUore.*)  39jährige  Mehrgebärende 
in  sehr  erschöpftem  Zustande,  bewegliche  grosse  Geschwulst 

1)  Verband],  der  gebnrtsh.  Gesellschaft  in  Berlin,  H.  4,  8.  46. 

2)  Verhandl.  der  gebartob.  Gesellschaft  in  Berlin,  H.  1,  8. 106. 

3)  A.  a.  O.,  Bd.  IV..  8.  89. 

4)  Gas.  des  hdpitaaz,  1864,  p.  547. 


Q.  d.  Verli«ii4].  d.  Geselisebaft  f.  OeBnrtsbfilfe  ra  Leipsig  «tc.    141 

im  Becken  und  eine  Süssere  am  Uleras.  Reposition  der 
Beckengeschwulst  ohne  SchwimgkeiL  Wendung.  Exlraciio» 
eines  l'auUodten  Kindes.  Tod  der  Müller  am  gleichen  Tage. 
Fibröser  Tumor  der  vorderen  Wand  des  Uterus  angehörig, 
fettig  degenerirt:  30  Ctm.  lang,  24  Ctm.  breit,  l6  Gtm.  dick. 
e)  Ein  Fall  von  Späth,  ^)  Grosser  fibröser  Tumor  fast 
das  ganze  Becken  ausfüllend,  schon  in  der  Schwangerschaft 
gefunden.  Zwölfstündige  Geburtsarbeit  Explorativpunction 
ohne  Erfolg.  Sect.  caes.  in  Aussicht.  Die  Reposition  des 
Tumors  gelang.  Wendung  und  Zange,  lebender  Knabe.  Tod 
der  Mutter  am  dritten  Tage  an  Hetropblebitis  und  Peritonitis. 
Kleinere  und  grössere  Fibroide.  Ein  grosses  kurzgestieltes 
von  der  Mitte  des  Fund,  uteri  ausgebend;  an  der  hinteren 
Fläche  sein  Peritonäaluberzug  geschwärig  zerstört. 

rV.  Fälle,  in  welchen  die  Reposition  nicht  ge- 
lang, gar  nicht  versucht  wurde  oder  nicht 
nöthig  schien,  mit  mehr  oder  minder  schwe- 
ren Operationen  (Kaiserschnitt  ausgenommen). 

d)  Ein  Fall  von  Bezold.^)  Mehrgebärende.  Schiefläge 
des  Kopfes.  Tieflage  der  Place.nta.  Runder  iaustgrosser  Tumor 
an  der  hinteren  Wand  des  Uterus.  Schwere  Wendung.  Todtes 
Kind.  Ruptur  des  Uterus  während  der  Geburt.  ^/^  Stunde 
später  Tod.  Bei  der  Section:  in  der  hinteren  Wand  des 
Uterus  eine  grosse  halbkugelrunde  Geschwulst,  Sarcom?  In 
deren  Nähe  der  Riss  im  Uterus. 

b)  Ein  Fall  von  (f  Outrepont ')  Nach  einer  schweren 
Entbindung  (auf  welche  Weise,  mir  unbekannt)  trat  schnell 
der  Tod  an  Blutung  ein.  Im  Körper  des  Uterus  drei  fibro- 
cartilaginöse  Tumoren,  wovon  der  grösste  W  lang  5"  dick. 
Entvvickelung  des  Uterus  in  den  letzten  Monaten  betraf  fast 
nur  den  Cervix. 


1)  Zeitschrift  der  Gesellechaft  der  Aerste  s«  Wien ,  1860,  Ne.  10, 
o.  Oebartoh.  Monataschrift,  Bd.  XVI.,  S.  8d2. 

2)  El.  f>.  aiebold'9  Journal  fiir  Gebiirtehttlfe,  Bd.  II.,   S.  126. 

3)  Lee,  JS.,  Clinical  reporte  of  ovarian  and  uterina  disease, 
London  1858,  p.  180.  (Originalbesebreibnng  In  Arehiveft  de  M^decine, 
Mai  1880.) 


142         n.    Meiämtr,  MlUheilnageii  über  dieThiliglMU 

c)  Ein  Fall  von  JSOiekleUm,  ^)  Mehrgebirende,  zumsecbstefi 
Mal.  Schon  bei  der  vierten  Geburt  Geechwitki  bemerkbar. 
Bei  der  fönften,  Perforation  und  Abtragung  der  Kopftnochen. 
Bei  der  sechsten  fast  voUstiindige  Ausfüllung  des  Beckens. 
Kaiserschnitt  in  Aussicht,  nicbt  ausgefährt.  Dafür  Perforation, 
dann  Abtrennung  des  vorgefallenen  linken  Arms,  femer  Trennung 
der  Wirbelsäule,  zuletzt  Entfernung  des  zurückgebliebenen 
Kopis,  Tod  zehn  Minuten  nach  vollendeter  Extraction.  Section 
wies  ausgedehnte  Ruptur  des  Uterus  nach. 

d)  Ein  Kall  von  Cazeaux.^)  Mefargebärende.  Frucht^ 
wasser  seit  mehreren  Tagen  abgeflossen.  Die  ganze  Exca- 
vation  des  Kreuzbeins  und  noch  mehr  ausgefüllt  von  einem 
grossen  Tumor,  scheinbar  fluctuirend.  Kopf  vorliegend.  Seit 
vier  Tagen  Fruchtwasser  abgeflossen.  Dubms  und  Banyau 
consultirt.  Beide  punktirteu  im  Ganzen  vier  mal.  Nichts 
entleert.  Dann  Incision  und  Spaltung  des  Tumors.  Ver- 
gebliche Versuche,  die  Zange  anzulegen;  auch  Perforation 
und  Kephalothrypsie  misslingen.  Endlich  die  Wendung.  Tod 
'/«  Stunde  später.  Geschwulst  sass  in  der  vorderen  Lippe. 
Uterus  ganz  un^  seine  Langsaxe  gedreht.  Geschwulst  schien 
ein«  enorme  (fibröse?)     Hypertrophie  des  Collum  zu  sein. 

e)  Ein  Fall  von  Klaproth.  ^)  Mehrgebärende.  Schuller- 
lage. Scliwierige  Wendung.  Todtes  Kind  sechs  Pfd.  schwer. 
Uterus  bh'eb  gross,  hart.  Tod  sechzig  Stunden  nach  der  Ge- 
burt an  Peritonitis  und  Endometritis  septica.  Uterus  war 
durchsetzt  von  16  grösseren  Fibroiden ,  pflaumen-  bis  apfel- 
gross,  wog  mit  Geschwülsten  8  Pfd.  4  Lth.  Die  tief  liegenden 
Fibroide  erweicht,  die  anderen  unverändert. 

/)  Anderer  Fall  von  Klaproth.  "*)  Wie  im  vorigen  Wendung 
mit  lüdlem  Kind.  Wochenbett  verlief  günstig.  Am  Grund 
des  Uterus  mannsfaustgrosses  Fibroid. 


1)  Ärneiht   Ueber  Gebartsbülfe   und  OynMkologie  in   Frank* 
reich.     Wien  etc.,  1868,  8.  349. 

2)  Cazeaux,    Trait^  de   l'art  des  accon Clements,    VI.   4dit., 
Paris  1862,  p.  620. 

3)  GebarUb.  Monatsscfarift,  Bd.  XI.,  B«  86. 

4)  Ibid 


u.  d.  VorkaiidKd.  Gesellaehikft  f.OelmrtsbaHe  sa  Laipsif  etc.  143 

g)  Bin  Fall  von  Hecker ^ ')  Grosse  »iibperiionäale  Uterus** 
ßbroiile«  Geburi  wegen  VVelienaangels  glucklieb  durcb  die 
Zange  beemligt,  lebendes  Kind.  Naohbiulung.  Tod  durch 
Peritonitis  am  seehsteii  Tage«  Uterus  wog  mit  Fibroiden 
1140  Grammes.  Rechtsseitiges  grosses  Fibroid  12  GtM.  iaag, 
9  Gim.  breit,  im  Innern  erweicht. 

i)  Ein  Fall  von  Simpson.^)  Erstgebärende,  10—12 
Jahre  verbeiralheL  Grosser  Tumor,  während  der  Schwanger- 
schaft gewachsen,  füllte  einen  grossen  Theil  des  Beckens 
aus*  Wahrseheinlich  Uterusfihroid.  Wendung.  Todtes  Kind. 
Mutler  genas. 

i)  Ein  Fall  von  Ingleby,^)  Eine  Dame  die  einen  sehr 
bedeulenden  fibrösen  Tumor  am  Uterus  halte,  lieiratbete 
eiwas  spät,  wurde  schwanger  und  hatte  eine  gefährliche  Ent- 
bindung. (Welche?)  Tod  erfolgte  nach  wenigen  Tagen.  Im 
Innern  des  Tumors  eine  Erweichungshöhle,  in  weldier  über 
ein  Quart  purulenler  Flüssigkeit. 

VI.  Fälle  bei  welchen  der  Kaiserschnitt  allein 
a  priori  oder  nach  anderen  vergeblichen 
Operationen  unternommen  wurde. 

a)  Ein  Fall  von  GensouL  ^)  Das  Heiligenbein  von  einem 
Tumor  ausgefüllt,  d^  die  Gonjugata  bis  auf  1"  beschränkte. 
Kaiserschnitt.  Bei  der  Secüon  vierzig  Stunden  nach  der  Ope* 
ration  fand  man  ehie  harte,  bewegliche  Geschwulst  (Fibi^oid?) 
von  den  beiden  Mutterbändem  ausgebend,  vom  Bauchfell  oben, 
von  Scheidenschleimbaut  unten  bedeckt.  Erfolg  für  das  Kind 
ist  mir  unbekannt. 

b)  Ein  Fall  von  Kilian,^)  42jährige  Mehrgebärende. 
Grosser  Tumor  von  aussen  und  innen  zu  fühlen,  oler  wäfirend 


1)  A,  a.  O.^S.  124. 

2)  Ä.  a.  O.  S.  888. 

3)  Klinische  Bemerkattgen  über  fibröse  OeschwültU  de«  Utants 
in  den  Analekten  für  Franenkrankheiten,  Bd.  IV,  $    288. 

4)  Im  Auaang  in  Sokmtdt^s  Jabrbiicbern,  Bd.  86,  S.  60,  aus 
ifewnsr's  Forschungen  des  19.  Jahrhai^derts,  4.  Th.,  8.  177. 

6)  JEUUng^r,  Dtaaart.  observ.  obstetric.  per  13  rnanses  in 
Clinico  Bonnensi  iastitalo  sist.,  Bonn  1844.  Im  Ausaag  in  SchmiäVu 
Jahr.,  Bd.  86. 


144         II-    M^Utnety  MIttiMlIaiigcm  liber  die  Thttifieli 

der  Wehen  tiefer  berabirat.  Troikarslicb ,  keine  Pläragkeit 
entleert,  Blase .  springt,  ein  Bein  bis  zuni  Knie  geboran,  dann 
Kaiserschnitt.  Lebendes  Kind.  Mutter  starb  nach  48  Stunden. 
Uterus  enthielt  kleinere  und  grössere  sareomatöse  (?)  GeschwMste. 
Eines  füllte  das  Becken  aus. 

c)  Ein  Fall  von  Thibault  ^)  Eine  22jährige  Erstge- 
bärende mit  Blattern  behaftet,  kam  ins  Hospital  St.  Antoine. 
Geschwfliste  von  aussen  und  innen  zu  fühlen.  Biplorafiv- 
piinctien  durch  den  Mastdarm  ohne  Besultat.  Drei  Tage  spater 
gute  Wehenthätigkeit.  Blasensprung,  Vorfall  des  Nabelstranges. 
Am  folgenden  Tage  machte  Mcdgaigne  die  Sect.  caes.  Faul- 
todter  sechsnionatlicher  Fötus.  Tod  dei*  Mutler  nach  20  Stunden. 
Zwischen  Scheide  und  Mastdarm  ein  grosses  33  Ontimeter 
im  Umfange  betragendes  Pibroid,  mit  den»  Becken  nicht 
verwachsen. 

d)  Ein  Fall  von  Montgomery.^)  Unebene,  knotige,  bei- 
nahe knorpelharte  Geschwulst  füllte  die  Beckenhöhle  so  aus, 
dass  der  Muttermund  nicht  zu  erreichen  war  und  die  Finger- 
spitze nicht  mehr  zwischen  Geschwulst  und  Scharobein- 
symphyse  vorbeidringen  konnte.  Kaiserschnitt,  Kind  starb 
während  der  Entbindung,  die  Mutter  nach  21  Stunden.  Das 
Pibroid  wog  fast  8  Pfd. 

e)  Ein  Fall  von  Ch.  Waller.  ^)  41  jährige  Person,  seit 
15 Monaten  verheiratiiet,  nach  zweimaligem  Abortus  nun  am  Ende 
der  Schwangerschaft.  Sehr  harter  Tumor  flßlUte  fast  das  ganze 
Becken  aus,  unbeweglich,  scheinbar  mit  dem  Sacrum  ver- 
wachsen. Vorn  an  der  Symphyse  noch  1%"  Baum.  Kaiser- 
schnitt. Husten  und  Erbrechen.  Darmschlingen  fielen  massen- 
haft vor.  Uterus  zog  sich  mangelhaft  zusammen.  Sehnittränder' 
blieben  nach,  aussau  umgewendet  (much  everted)  Kind  lebte. 
Tod  der  Mutter  nach  zwei  Tagen.  Viele  Fibroide  im  Uterus 
ein  grosses  ins  Becken  hinabreichend  von  der  hinteren  .und 
linken  Seite  ausgehend.  (In  der  Originalbeschreibung  eine 
ziemlich  gute  Abbildung  des  Präparates«) 

1)  Archive  g4n6ra\  de  M^deoine,  Jani  1844.     Im  Auszug  in 
Schmidi'B  Jahrb.,  Bd.  86. 

2)  Arneth  a.  a.  O.,  sonst  noch  in  vielen  Büchern  eifirt,  auch 
in  des  berühmten  Verf.  Zeichenlehre  der  Schwangerschaft. 

3)  Med.  Times,  1853,  p.  266;  auch  in  SchmidVa  Jahrb. 


u.  d.y«rli«Bdl.  d.  QMeHsdluift  f.Gsbattoliilfe  raJLtl^si«  etc.    145 

f)  Ein  Fall  tmi  LekmoM.  ^)  Verhwathung  seit  vier- 
zebo  Jahren,  drei  Mal  Abortus,  dain  Schwaiigeraehaft  bis  xum 
Ende«  Grosser  Tumor  sclücin  etwas  beweglich ,  ähnlich  eineüi 
vorliegenden  Kopfe.  Vorne  pchts  die  Port,  vagin.  für  zwei  Finger 
neben  einander  kaum  mfibr  Platz.  Diagnose  hieb  unklar: 
mau  schwankte  zwischen  Osteosarcom  oder  Encboadroui. 
Nach  abgeflossenem  Fruchtwasser  trat  der  Tumor  noch 
tiefer  herab.  Kaiserschnitt.  Kind  in  Beckenendlage  lebend 
entwickelt«  Tod  der  Mutter  nach  57  Stunden.  Innere  Seite 
der  Uteruswunde  schon  verklebt,  äussere  nicht,  klaffte  1V)&"-. 
Hinten  am  Uterus  ein  Fibroid  von  23  Ctm.  Umfang.  Con- 
jugaia  nur  1"  lang«    Viele  andere  Fibroide  ausserdem. 

g)  Eid  Fall  von  Fmge.^)  40jflhrig«  Erslgdblrendt« 
Fruchtwasser  Ooss  ah.  Ein  grosser  Tumor  md  daneben  nach 
ein  kleinerer  (OUten  den  ganzen  liinteren  Beokenraum  aus. 
Man  wartete  zwei  Tage.  Geschwnisle  treten  liefer  herab, 
vorn  nur  noch  1"  flbrig.  Keine  Diagnose  auf  die  Art  der 
Geschwulste.  Explorativpunction  durch  das  Rectum  ohne  Ae- 
sultat.  —  Kaisersohnitt,  Blutung  durdi  CoMipression  der  Aorta 
gemässigt,  Darmvorfall,  Kind  i»  Steisslage,  lebend  extrehirt« 
Nach  der  Operation  Erbreclien  etc.,  Ted  nach  SO  Sünden. 
An  der  hinteren  Wand  des  Uterus  zwei  grosse  Fibroide  «nd 
viele  kleinere. 

h)  Ein  Fall  von  Pillore.*)  46 jährige  Mehrgebirende; 
vorzeitiger  Blasensprung,  mehrtägige  Wehentbätigkeit.  Ge- 
schwulst fMlte  fast  das  ganze  Becken  aus,  war  nicht  zurück- 
zubringen  (irreductible).  Vorne  nur  ein  Raum  von  zwei  Ctm. 
Wehen  lassen  nach.  —  Kaiserschnitt,  lebendes  Kind.'  Tod 
der  Mutter  am  fönften  Tage  des  Wochenbettes.  4yrosses 
Fibroid,  birnförmig  an  der  hinteren  Seheidenwand ,  zwiedwo 
Uterus  und  Rectum,  16  Ctm.  hoch,  10  breit,  9  dick. 


1)  In  AwEag  10  Schmidt' n  Jmhrh.  y  Bd.  86;  iot)riginal  in  der 
holllUid.  Tigdschr.  tot  bevordering  d.  Oene«skiiQSt,  1854. 

2)  Ansfährlich  in  Schmidts  Jahrb.,  Bd.  85.     An«  dem  Nortk 
MagasiD,  Bd.  6. 

8)  Gm.  des  h6piteaz,  1864,  p.  647. 

Monataiebr.  f.  Ooburttk.  186S.  Bd.  XXV..  Sappl.-Hn.  tO 


146  n.   M0i$9m4r,  UHAmiUmgtn  Aber  die  TbStigk^U 

V.     Fälle  in  denen  die  Gjeburt  unvollendet  blieb 
und  der  Tod  eiolraL 

%)  Boivin  und  Dugh. ')  citiren  drei  ältere  Falle  in 
denen  die  Gebui*!  wegen  tibrdser  Tumoren  des  Uterus  nicht 
vollendet  wurde.  Bei  ihnen  heisst  es:  „Voigtel  parle,  d'apres 
ZeUer,  ,d*une  tunieur  dlle  atheromateuse,  qui  pendant  treize 
Jours,  emp^ha*  la  sortie  du  foelus;  eile  adherait  au  col  de 
Tuterus  el  reniplissait  V  excavation  pelvienne.  La  niplure 
de  Tuterus  et  la  morl  de  la  renime  furent  oceasionnees  par 
un  semblable  obstacle  dans  un  cas  rapporte  succinclement 
par  Fabrice  de  Hilden  (cent  1.,  obs.  67).  La  femnie  dont 
nous  avons  Tait  mentiou  plus  haut,  d'apres  Deliaen,  niounit 
amsi  apr^a  un  travail  de  sept  jours,  et  sans  que  la  partu- 
rilMfi  eAifMia'operer,  une  bemorrhagie  enftira  ceOe  malbenreiise 
au  momenl  o6  l'on  allail  operer  k  version.  L'enlaiU  preeenlail 
rüttle  ei  eette  positiau  eüi  inia  obsiade,  peAi*^4re,  k  um 
partuhtion  spontanee,  quand  im^nie  ii  u'y  eM  poiot  eu  de 
liMieür  ä  ruterui/'  — 

b)  Ein  Fall  yon  KivnMch^'^)  kurz  angedeutet  mit  fid- 
geuden  Worten :  „  Aueb  die  Contraotion  der  GebArmuiler  wird 
UModmial  durch  tief  eingebettete  Fibmide  in  der  Art  ge- 
binderl,  dass  Gebarende  unenlbuodeo  gestorben  sind,  wie 
sich  ein  derartiger  Fall  erst  in  diesem  Jahre  in  der  hiesigen 
GebäramUalt  ergab/' 

c)  Ein  Fall  von  R.  Lee:')  „Im  Museum  der  Londoner 
llnifersilat  ist  ein  Tumor  aufbewahrt  so  gross  und  nahezu 
so  hari  wie  ein  Cricket-Ballf  welcher  aus  dem  Leibe 
einer  upentbunden  gestorbenen  Frau  genommen  wurde. 
Der  Tumor  (ein  Fibroid)  lag  unter  dem  Peritooaum  an  der 
UBlMren  und  hinteren  Parthie  des  Uterus,'' 

1)  A.  «.  C.  p.  217. 

2)  KiwUck^  Klinische  Vorti-äge  über  Krankheiten  det  weib- 
lichen Geflchlecht»,  S.  Aufl.,  Prag:  l^^l .  T.  f.,  S.  428. 

3)  A.  a.  O.  p.  180. 


o.  d.yerhandl.  d.  Gesellschaft  f.  Gebartshülfe  sn  Leipzig    etc.     147 

V.  Doppelmtssgebnrt,  schwere  Geburt,  Decapitation  etc. 
Untersuchung  der  Kindesleiche. 

Von  Demselben. 

(Mit  AbbildQD«^,  Fig.  2.) 

Am  8.  Dec.  1863  wurde  mir  von  einem  meiner  fiikheren 
Schüler,  Herrn  Dr.  Bretter  in  Flaach  (Canton  Zürich)  ein 
Doppelmonstrum  nebst  einer  kurzen  Geburlsgeschichte  einge- 
scbikt.  Zii  einer  Mehrgebärenden  Mittags  11  Uhr  gerufen, 
welche  Tor  zwei  Jahren  mit  Hilfe  der  Zange  leicht  entbunden 
worden  war;  vernahm  er,  dass  einige  Stunden  zuvor  ungefthr 
in  der  94.  Woche  der  glücklich  verlaufenen  Schwangerschaft 
das  Fruchtwasser  abgegangen  sei.  Ein  Knie  wurde  als  vor- 
üegemler  Theil  erkannt.  Erst  gegen  Abend  erwachte  die 
Wehenthätigkeit  und  nun  waren  zwei  gleiche  Füsse  (die  rechten) 
vor  die  äusseren  Genitalien  getreten,  welche  auf  das  Vor- 
handensein von  Zwillingen  schKessen  Hessen.  Einige  Tractionen 
das  erste  tieferatehemle  Kind  zu  extrahlren  blieben  erfolglos, 
mdem  der  Kopf  dtirch  das  zweite  Kind  am  Herabrücken 
veiiiindert  zu  werden  schien.  Abends  neun  Uhr  war  die 
Gtebärende  sehr  schwach  und  aufgeregt.  Von  dem  einen 
Kinde  war  die  rechte  Schulter  entwickelt,  der  linke  Arm  aber 
nocb  in  die  Hübe  geschlagen,  die  untersten  Rippen  der  linken 
Seite  gerade  unter  der  Schambein -Symphyse  vorstehend. 
Nach  hinten  und  rechts  hing  ausserdem  der  rechte  Schenket 
des  zweiten  Kindes  aus  der  Schamspalte  hervor,  so  dass  man 
gleich  über  dem  Damm  den  Steiss  des  zweiten  Kindes  fand. 
Die  Nabelschnur  war  pulslos,  die  Kinder,  deren  Zusammen- 
gewaehsensein  richtig  erkannt  wurde,  waren  todt.  Es  wurde 
nun  da*  noch  aufgeschlagene  Unke  Arm  des  ersten  Kindes 
herabgeholt  und  die  betreffende  Schulter  angezogen.  Nun  hielt 
es  der  Operateur  für  angezeigt  den  hinter  der  Symphyse  be-* 
findliehen  Kopf  des  ersten  Kindes  abzutrennen,  was  unter 
dem  Schutze  zweier  Finger  mit  einer  krummen  Scheere  gut 
von  Statten  ging.  Der  abgelöste  Kopf  wich  nach  oben  ab 
und  der  geroeinschflfUiohe  Rumpf  nebst  Kopf  des  zweiten 
Kindes  konnte  jetzt  ohne  Schwierigkeil  extrahirt  werden.    Un- 

10* 


}4S         H.   Mei$$ner,  Ifittlieiliingen  Qber  die  TbXtig^«tt 

mittelbar  daraur  foi^e  der  abgeschnittene  Kopf  mit  der  ein- 
racbi«  PUcenta.  Der  Wtebnerin  ging  es  Tags  danilif  gut 
und  sie  bat.  sieb  den  neuesten  Nacbricbten  zu  Folge  voll- 
ständig eriH^. 

Die  mir  übersendete  Ki«de«ieidie  unterwarf  leb  einer 
genaueren  anatomischen  Zergliederung  und  es  war  mir  be- 
sonders daran  gelegen  eine  Einsicht  Aber  das  Verbalten  der 
inneren  Organe  zu  gewinnen. 

Wie  die  beigelegte  Abbildung  in  ungeftbr  halber  Grfiaae 
zeigt,  liilngen  die  swei  weiblichen  Individuen  an  Brust 
und  Bauch  seitlich  und  vorne  mit  einander  ansaramen, 
und  haben  einen  gemeinscbaftlichen  Nabel,  sind  aber  im 
üebrigen,  was  EUtremititen,  Köpfe  und  HUse,  WirbelsäuleB 
und  Becken  betrifft  voükoromen  von  einander  getrewt  Es 
kömmt  diesem  Doppelmonstrum  der  Name  Thoracopf  gus 
tetrabachius,  tetrapiis  zu.  ^)  Ausser  den*  Weichthoilen  sind  an 
dem  genieinschaftMcben  Rumpfe  auch  noch  die  Rippen  voru 
und  rückwärts  mit  einander  verschmolzen  liod  geben  ia  Ein 
St^rpum  über.  Das  Gewicht  der  ganz  bkilleereq  Leichen  be- 
trug 6^  9  Pfd.  =:=  circa  8440  Grammes.  An  dem  dem  Be«<^iier 
KUgewendetfn  zu  seiner  Rechten  hegenden  Kinde,  also  4ßm 
linken  und  dem  in  der  Gel>urt  als  Erstes  hezeicbnetoQ  war 
der  Kopf  dicht  am  Thorai^  abgetrennt  uiul  der  Schnitt  war 
in  die  Brusthöhle  selbst  eingedi'ungen ,  beide  OberscheBkel 
waren  gebrochen  und  umfangreiche  Bluteitravasfle  ersUreckten 
sich  Aber  die  unteren  Eztremitäten  und  die  Gegend  der 
Genitalien  und  des  Gelasses,  ein  Beweis  daas  bei  deu  Eztractiooa- 
versuchen  dieses  Kind  noch  gelebt  haben  muas.  Dia  Ent^ 
Wickelung  heider  Kinder  war  nahezu  die  gleiche  und  die  Aebn- 
Uchkeit  der  Gesichter  eine  ausserordentliche.  Die  Uinge  des 
Unken  und  des  rechten  Kindes  betrug  44  Ctm.,  die  Kopk- 
maasse  des  linken,  dessen  Schüdel  gequetaclit  und  plattge- 
drückt war  sind:  gerader  Durclunesser:  3%'\  grosaari|uerer 
2^l^'\  diagonaler:  4^/^"  die  des  rechten:  gerader  Divcbmeaser: 
3'/^"  grosser  querer  ^^U*\  diagonaler:  4'\  der  Umfang  des 
linken  Schädels:  29,6  Ctm.,  der  Umfang  des  rechten  Schädels: 


1)  A.  FSrsUr,  DU  MlatbiUaagen  4m  IfeMobeii.    TmI  8.  84 
QDd  Taf.  IV..  VI.  «.  VII. 


a.  d.  Verhandl.  d.  GeielUelnift  f.  Gebvrtohlilfe  SQ  L^ipkig  ete. .  ]49 

31  Ctni.  Durch  die  einfache  und  zteroiich  magere  Nabele 
sehnor  Terliel^n  vier  Gefasse,  die  bei  weiterer  Verfolgung 
durch  den  Nabelring  sieh  als  zwei  Venen  und  zwei  Arterien 
erwiesen.  Zum  Nabel  erstreckten  dich  ausserdem  von  dem 
Grunde  beider  Blasen  her  die  awei  obKt^rirten  Urachi,  se 
dass  Mher  kwei  Allantoiilen  vorhanden  gewesen  sein  müssen. 
Der  Urachus  des  linken  Kindes  lag  unterhalb,  der  des  rechu»n 
oberhalb  der  Nabelarterie.  Die  zwei  NabeJvenen  la^  öber- 
einander  durch  ein  etwas  ÖilematöMs  Hndegewebe  einge- 
hüllt in  der  Medianlinie  des  J)oppelkdrper6  und  drangen,  die 
eine  etwas  liefer,  die  andere  oberflädilicher  in  die  Leber 
ein.  Dieses  Organ  war  das  einaige  in  der  UnterleibshAhle 
fftr  beide  Kinder  gemeinschaftliche,  voluminös,  breit,  in  der 
Mitte  mit  Ehiem  langen  Ligament.  Suspensorium  verseben.  Mag 
»ttch  in  ailerfrAheater  Zeit  eine  doppelte  Leber  vorhanden 
gewesen  sein,  so  Ist  doch  jetzt  im  Parenchym  keine  Spur 
Arüherer  Trennung  oder  späterer  Verwachsung  wahrzunehmen: 
linker  Lappen  der  einen  ist  mit  dem  regten  der  andet^ 
innig  verschmolzen.  Die  Gallenblase  war  einfach.  Alle  an- 
deren Organe  des  Unterleibes  sind  getrennt»  die  .  etnfachen 
einfach,  die  paarigen  paarig  und  so  gut  und  regelmassig  ent- 
wickelt wie  nur  in  irgend  einem  woMgd)ildeten  Kinde.  So 
finden  sich  z.  B.  zwei  Milzen,  die  des  rechten  Kindes  von 
der  Leber  bedeckt,  die  des  linken  im  gemeinschafilichen  linken 
Hypochondrium  einige  Genttm^tres  vom  Knken  Rande  der  Leber 
entfernt,  ferner  zwei  complete  Darmkanäle,  zwei  Gebärmutter, 
vier  Nieren,  vier  Ovarien  etc. 

In  der  Brusthöhle  war  analog  der  gemeinschafilichen 
Leber,  ein  grosses,  breites,  median  gelegenes  Herz.  Das 
Herz  hatte  einen  gemeinschafUicben  weiter  in  der  Mitte  be- 
findlichen linken  Ventrikel,  aus  welchem  zwei  Aorten  ent- 
sprangen. Die  rechten  Ventrikel  zu  beiden  Seiten  des  ge- 
HieinsciMniichen  linken  waren  ganz  von  diesem  wie  von 
einander  getrennt  und  aus  einem  jeden  entsprang  ein  Haupt- 
stamm der  Pulmonalarterie,  je  in  zwei  Aeste  sich  spaltend 
nnd  je  durch  einen  Ductus  Botalli  in  die  Aorten  sich  fortsetzend. 
Der  rechte  Vorhof,  in  welchen  zwei  Venae  cavae  inferiores  und 
superiores  einmündeten,  war  gemeinschaftlich,  wie  aber  der 
linke  Vorhof  war,  ob  Einer,   ob  Zwei,   konnte   ich,   da   er 


IgO         n.   Mti9sner,  Mitlheilungen  über  die  Thätigkail 

in  Folge  der  De€a)iilatu>n  beträchtlich  verieUt  war  nicht  meiir 
sicher  unfersciieiden,  glaube  aber,  dass  er  auch  gemeinschaft- 
lich war.  Sonst  fanden  sich  vier  Lungen,  zwei  Thymus  eU. 
Alles  ganz  so  wie  bei  einfachen  Kindern.  In  Förster'^  Adas 
Fig.  1 — 3,  auf  Taf.  VIL  sind  Abbildungen  gegeben,  welche 
ein  Verhalten  der  Eingeweide  zeigen,  das  dem  unseres  Tho- 
racepagus  in  vieler  Beziehung  ähnlich  isU 

Nur  ein  paar  Worte  der  Kritik  über  das  geburtshilfliche 
Vecfahren  des  Herrn  Dr.  Breuer  will  ich  mir  zum  Schlüsse 
noch  erlauben.  Bei  vorhandener  Beckenendlage  und  nachdem 
das  Vorhandensein  zweier  erwachsener  Kinder  diagoosticirt 
war,  hätte  man  vielleicht  kunstgerechter  gehandelt,  wenn  man 
die  vier  Fösse  gestreckt  und  bis  vor  die  Genitalien  geleitet 
hatte  ohne  zuvor  wie  dies  geschah,  das  nach  vorne  gelegene 
Kind  bis  zum  Halse  zu  entwickeln.  Dann^  hatte  man  einen 
vermehrten  Zug  an  den  Füssen  des  nach  hinten  gelegenen 
Kindes  anwendend  den  gemeinschafUichen  Rumpf  und  den 
Kopf  dieses  (hinteren)  Kindes  extrahiren  und  den  anderen 
vorderen  Kopf  erst  folgen  lassen  können  nachdem  Alles  An- 
dere sonst  schon. geboren  gewesen  wäre.  So  lautet  derRalh 
den  Hohl  ^)  und  den  Buhch  geben  und  es  ist  denkbar,  dass 
es  bei  einer  solchen  Handlungsweise  leichter,  schneller  und 
ohne  Zerstöckelung  abgegangen  wäre,  zumal  die  Kinder  klein 
waren.  Nun  muss  man  aber  freilich  bedenken,  dass  es  sichere 
und  allgemein  anerkannte  Regeln  zur  Entbindung  bei  Doppel- 
rooastris  nicht  giebt  und  dass  jeder  Geburtshelfer  sich  und 
der  Gebärenden  in  solchen  Ausnahmsfällen  zu  helfen  sucht 
wie  er  eben  kann,  daher  bin  ich  auch  weit  entfernt,  irgend 
einen  Vorwurf  meinem  Collegen  machen  zu  wollen.  Nachdem 
einmal  das  erste  Kind  bis  zum  Halse  extrahirt  und  der  Tod 
coBstatirt  war,  war  auch  die  Decapitation  gerechtfertigt  und 
für  die  Mutter  war  unter  den  gegebenen  Umständen  diese 
allerdings  abschreckende  Operation  gewiss  die  einzige  heil- 
bringende. 

1)  Hchlf  Die  Gebarten   misegettülteteri   kranker  und  todter 
Rinder.     Halle  1850.  8.  224. 


a.  d.  VerbanTdl.  i1.  G^gelltehaft  f.  Geharttflitilfo  au  Leipsig  etc.    151 

VI.  Prolapstts  des  hochschwangeren  Uterus,  ausgedehnte 

Incisionen  in  den  unnachgiebigen  Cerrix,  Perforation 

des  Kindes  etc. 

Von    Demselben. 

Maria  -ff.,  43  Jahre  all,  wurde  am  30.  Nov.  1863  von 
ihrem  einige  Stunden  enlfernlen  Wohnorte  gegen  Mittag  in 
die  Gebäranstall  gebracht  Die  Angaben,  welche  sie  uns 
machte,  sind  bei  der  geringen  geistigen  Befähigung  unvoll- 
ständig gewesen  und  es  ist  ihrem  ziemlich  apathischen  Wesen 
zuzuschreiben,  dass  sie  ein  Leiden,  welches  andere  Kranke 
sicher  veranlasst  hätte,  fröhzeitige  ärztliche  Hülfe  zu  suchen, 
so  lange  und  ohne  sich  viel  darum  zu  kfunmern  ertrug.  Vor 
acht  Jahren  gebar  sie  zum  ersten  Mal  ungeRIhr  um  die  SO. 
Woche  ein  todtes  Mädchen  mit  Hfilfe  der  Zange,  wobei  ein 
tiefer  Damm-  und  penetrirender  Aflerriss  entstand,  weswegen 
sie  zu  jener  Zeit  auf  die  chirurg.  Klinik  in  Zürich  aufgenommen 
wurde.  Die  Heilung  scheint  eine  unvollständige  gewesen  zu 
sein,  denn  es  fand  sich  noch  jetzt,  was  ich  gleich  erwähnen 
wiH,  ausser  einem  beinahe  completen  Mangel  des  Dammes 
eine  die  Spitze  eines  kleinen  Fingers  durchlassende  mit  nar- 
bigen Rändern  umgebene  Scheidenmastdarnifistel  ungefähr 
einen  Zoll  über  dem  Scheideneingange.  Die  letzten  Regeln  sollen 
Ende  April  vorhanden  gewesen  sein.  Gleich  mit  dem  Beginn 
der  Schwangerschan  trat  der  Uterus  vor  die  Genitalien,  bis 
zwischen  die  Schenkel  hervor  und  es  soll  bis  ganz  zum  Ende 
der  Schwangerschaft  ein  Vorfall  des  Uterus  oder  wenigstens 
seiner  untersten  Parthie  zwei  Fäuste  gross  (?)  Tortbestandcn 
haben,  der  sich  erst  mit  dem  Beginn  der  Geburt  am  Tage 
vor  der  Aufnahme  von  selbst  bis  in  die  Scliei<fe  zurückge- 
zogen babeo  seil.  Trotzdem  scbeinl  die  Pat  nichts  gegen 
dieses  Uebei  angewendet  zu  haben  und  auch  der  fortwährende 
Abgang  von  Kolh  durch  4ie  Scheide  blieb  von  ihr  unbernck- 
siehUgl.  Kindsbewegungen  wurden  bis  vor  ungefähr  4 — 5 
Tagen  vob  der  Sebwaugereu  eHipfutiden,  seitdem  aber  niciH. 
In  der  Nacht  vom  28/39  Nov.  begann  die  Webentkäligkeit 
mii  heftigen  und  krampftaften  SchmerieB^  ziigleiob  Ooes  des 


15S  n.    MeUiner,  Mittheilniigeii  über  di«  ThXil^kelt 

Fruchtwasser  ab.  Der  zur  Gebarenden  gerufene  Arzt  erkannte 
dit  Scbwierigkeii  de$  Falles  und  ordnete  den  Transport  der 
Gebarenden  in  die  Anstalt  an. 

Status  praesens.  30.  Nov.  Mittags.  ADgemeiner  Zustand 
der  Gebärenden  der  einer  massigen  Erschöpfung.  Puls  90. 
Temp.  normal.  Weben  mit  dem  Charakter  der  Drangweben, 
kehren  in  kurzen  Zwischenräumen  und  mit  Starke  wieder. 
Aeussere  Untersuchung  ergiebt  den  Grund  des  Uterus  eine 
schmale  Hand  über  dem  Nabel.  Uterus  fest  um  das  Rind 
zusammengezogen,  Kindstbeile  von  aussen  nicht  fühlbar,  weder 
Fötaltöne,  noch  Bewegungen  des  Kindes.  Bei  der  Vaginal- 
untersuchung stösst  man  sofort  beim  Eingehen  mit  dem  Finger 
in  die  Scheide^  ßuf  einen  voluminösen  Tumor,  welcher  nichts 
anderes  ist  als  der  bis  zum  Beckenausgang  herabgedi*ängte 
Kindesschädel,  der  aber  nicht  frei  in  dem  Scheidenrohr  liegt, 
sondern  zum  grössten  Theil  überzogen  ist  von  dem  mit  herab- 
gedrängten (unteren  Uterinsegraent,  welches  seinerseits  die 
Scheidenwände,  insbesondere  die  vordere,  vor  sich  her  ge- 
stülpt hat  Bei  Entfaltung  der  äusseren  Genitalien  kann  man 
die  evertirte  vordere  Scheidenwand  sehen  und  weiter  nach 
hinten,  gegen  den  After  zu  fühlt  und  sieht  man  den  circa 
zwei  Francsstück  grossen  Muttermund  und  dahinter  die 
faltige,  mit  Haaren  besetzte,  schlaff  infiltrirte  Kopfschwarte 
des  Kindes.  Die  Circumferenz  des  Muttermundes  ist  ganz 
besonders  an  der  hinteren  Parthie  verdickt,  callös,  einem  alten 
Narbengewebe  vergleichbar  und  wenn  man  versucht  zwischen 
vorliegendem  Schädel  und  Muttermund  die  Fingerspitze  ein- 
zubringen, so  überzeugt  man  sich,  dass  eine  Dehnung  des 
Muttermundes  fast  gar  nicht  bei  seiner  grossen  Resistenz 
gelingt  — 

Kein  Zweifei,  dass  wir  es  mit  einer  durch  chronische 
Entzündung  entstandenen  Induration  des  den  ämeeren  Ein- 
ftftssen  Monate  lang  hindurch  auageeetiten  unleren  Uterin- 
Segmentes  zu  thnn  hatten,  eine  Gewebsverfindennig  so  be- 
deutender Natur,  dass  eine  passive  Erweilerung  durch  die 
WehenChMgkeit,  ein  Nachgeben  und  Dehnen  wie  bei  gewöhn- 
lichen Geburten  kaum  mehr  möglieh  erschien,  zotnal  schon 
seit  ungeflhr  90  Stunden  die  Gebart  in  voUem  Gange  war. 


Q.  d.  y erhanai.  d.  GMftlUeliaft  f.  6«biir«iiUilfc  m  Leipsig^  ete.    15g 

Ich  bes^Mo»»  vorerst  noch  etwas  passiv  mich  au  ver- 
halt«! «nd  m  beobacbteil  ob  sich  der  Muttermund  im  Ver^ 
laufe  einiger  Stuoden  verändero  werde«  Den  heftigen  Weben- 
drang  und  die  willkürliche  Action  der  Bauchmuskeln  lu 
massigen  liess  ich  die  Gebärende  von  7»^  Uhr  Mittags  an  in 
CMoroformnarkose  leichteren  Grades  versetzen  und  verord- 
nete ausserdem  den  Gebrauch  eines  warmen  Sitzbades.  Um 
%S  Uhr  war  der  Zustand  durchaus  unverändert,  obwohl  die 
Wellen  stets  andauerten,  und  es  war  nun  wohl  mit  Sicher- 
heit 2U  bestimmen,  dass  entweder  eine  völlige  Atonie  des  Uterus 
oder  eine  permanent  spastische  Zusammenziehung  oder  eine 
Ruptur  des  unteren  Uterinsegmentes  folgen  mftsse.  Eine 
weitere  Gefahr  drohte  noch  der  Mutter  aus  dem  schon  seit 
wenigstens  zwei  Tagen  erfolgten  Tode  des  Kindes,  welches 
bei  freiem  Luftzutritt  in  Fäulniss  mit  subcutaner  Gasentwickelung 
übergehe  konnte.  Allen  diesen  und  noch  anderen  schlimmen 
Eventualitäten  vorzubeugen  schritt  ich  jetzt  zu  folgenden 
Handlungen : 

1.  Ich  dqirchstach,  nachdem  die  Gebärende  in  Stein- 
schnittslage gebracht  worden  war,  das  Gewebe  des  vorge- 
stülpten Scbeidengewölbes  und  Vaginallheilps  des  Uterus  an 
dem  vorderen  Segmente  des  vom  Muftermunde  gebfldeten 
Kreises  schief  von  oben  vom  nach  unten  rflekwirts  auf  jeder 
SeRe  mit  einer  krummen  Nadel  und  führte  in  der  angegebenen 
Richtung  2  Silberdrähte  durch.  Inwendig  lagen  die  Drähte 
auf  der  Kopfschwarte  auf,  nach  aussen  liess  ich  die  zwei  langen 
Enden  jedes  Drahtes  von  einem  Assistenten  halten  und  an- 
ziehn.  Mit  diesem  vorbereitenden  Akte  des  Durchstechens 
verband  ich  die  Absicht  die  durchgezogenen  Drähte  zu  be- 
nutzen um  nach  den  nun  folgenden  Incisionen  eine  etwa 
starke  Blutung  sogleich  bemeistern  zu  können,  da  ich  an  den 
Drähten  den  durchschnittenen  und  wahrscheinlich  zurAck- 
wekfaenden  Gervix  nach  aussen  riehen  konnte,  ferner  sollten 
die  Drähte  zugleich  als  Nähte  dienen. 

2«  Ich  durchschnitt  in  ihagonaler  Richtung  den  Mutter- 
mund zwischen  den  Slicböffnungen  der  Drähte,  beiderseits 
in  der  Länge  von  6—8'".  Versteht  sich,  dass  hierbei  die 
Drähte  geschont  werden  mussten.  Die  diagonale  Richtung 
wählte  ich  um  vorne  die  Bhise,  seHlicb  die  Uterovaginalarterien 


154         H.    Mtinner,  MittlieiKingeii  «b«r  die  Tbitiglicit 

ZU  schonen.  Die  gemachten  Incisionen,  nadt  welchen  sich  die 
Gircumferenx  des  Mutlerniundes  schon  sehr  belräehflliGlt  er- 
weiterte, genfigten  nicht,  daher  ich  an  dem  hinteren  Segmente 
des  Kreises  ebenfalls  in  schräger  Richtung  dcirch  das  hier 
am  meisten  indurirte  Gewebe  noch  vier  oder  tUnf  Incisionen 
3—4'"  lang  iri  Ausfährung  brachte,  ohne  aber  hier  vorerst 
DHIhte  durchgezogen  zu  haben« 

8.  Ich  perforirte  den  vorliegenden  SchSdel  mit  einem 
scheerenformigen  Instrumente,  die  kleine  fast  auf  dem  Mutter- 
munde aufruhende  Fontanelle  durchbohrend.  Gehirn  eiilfernie 
ich  mit  Finger  und  Spritze.  Bei  einigen  Versuchen  den  ent- 
leerten SchSdel  mit  dem  Kiwi9ck-Leisnig*sche\\  Insirnmenle 
zu  extrahiren  zeigte  sich  immer  noch  eine  grosse  Uimaclf- 
giebigkeit  des  hinteren  Umfanges  des  durchschnittenen  Mutter- 
mundes, wesshalb  ich  noch  zwei  kleine  Incisionen  machte. 

4.  Ich  zog  vorsichtig  theils  mit  der  Stein- MesnarcT- 
sehen  Knocbenzange  die  Schädelknochen  fassend,  theils  mit 
den  Fingern  nachhelfend  den  zusammengefallenen  Schädel  durch 
den  kunstlich  erweiterten  Muttermund  hindurch.  Schnell  folgten 
der  Rumpf  und  die  Placenta  nach. 

Nach  vdiendeter  Extraction  zog  sich  der  UtenM  von  obeta 
gut  zusammen  aber  sein  unteres  Segment  hing  in  viele  Lappen 
getheilt  schlaff  bis  gegen  den  Scheideneingang  herab.  Das 
leichte  Erreichbarsein  des  Gervix  uteri  gab  Veranlassung  die 
geraaclrten  Incisionen  genauer  zu  inspidren,  wobei  sich  ergab, 
dafis  keine  derselben  weder  das  Peritonaeum  noch  eines  der 
umliegenden  Organe  noch  eine  grosse  Arterie  getroffen  hatte. 
Durch  Anziehen  an  die  provisorisch  angelegten  zwei*  Silber- 
drahte  wurde  diese  Untersuchung  bedeutend  erleichtert.  Ein 
Schniil  auf  der  lioken  Seite  des  Certix  war  am  weitesten 
hinaufgedrungen  und  schien  etwas  gerissen,  alle  übrigen  hatten 
glatte  Ränder  wie  sie  eben  Schnittwunden  zuzukommen  pflegen. 
Nachdem  die  mächtige  Blutung  dur<;h  kahes  Wasser  gestillt 
war,  hielt  ich  es  Ar  angemessen,  die  Schnitte  durch  Nähte 
mit  einander  so  gut  wie  möglich  zu  vereimgen.  Dies  geaobah 
durch  acht  Silberdrabtc,  wovon  zwei  die  schon  früher  ange- 
legten. Der  wiedervereinigte  Gervix  hing  iimi  kegelförmig  ia 
die  Scheide,  der  äussere  sehr  unregeimfissige  Mutterauind  liest» 


0.  d.  Verbandl  d. Geseilscbaft  f.  Gebnrtebttlfe  s«  Irtipsie^  etc.    155 

Boeb  einen  Finger  in  den  CervicaleaMl  aindna^ea.  Das  Nähen 
schien  mir  in  doppelter  Hinsicht  gebeCen  1)  nn  eine  Naoh* 
Mttlung  ans  den  vielfechen  SchniUen  lu  verhindern  2)  um 
Gelegenheit  xur  Heihmg  per  primani  rennioneni  zu  geben  und 
einen  bng  dauernden  Eiterungsprocess  mit  üipbteiilis,  Gang«- 
rän,  PMebiiis  etc.  zu  verhiten.  Schliesefich  wurde  noch  der 
inimer  noch  tief  gesenkte  Uterus  von  der  Scheide  aus  in  die 
Höhe  gedrfingt,  ein  Charpielanqion  eingeführt  und  eine  T  Binde 
angelegt    Um  V%4t  Uhr  war  die  ganxe  Operation  vollendet. 

Das  excerebrirte  Kind  männl.  Geschlechts  vier  Pfd.  wiegend, 
46  Ctm.  lang,  unreif,  zeigte  ziemlich  ausgedehnte  Merkmale 
wirklicher  Päulniss,  nicht  der  gewöhnlichen  Maceration  der 
todten  im  Fruchtwasser  verweilenden  Fruchte;  Fäulnissgase 
unter  der  Haut  und  in  den  Körperhöhlen  hatten  sich  aber 
noch  nicht  gebildet. 

Von  der  langen  Geschichte  des  Wochenbettes  will  ich 
nur  weniges  erwähnen.  Eine  schwere,  ernstliche  Erkrankung 
trat  nicht  ein;  nur  eine  massige  linksseitige  Peri-  oder  Para- 
metritis  mit  hartnäckiger  Obstruction  und  zeitweisen  Fieber- 
anfallen verzögerte  die  Reconvalescenz.  DerLochialfluss  war 
reichlich  und  häufig  mit  etwas  Blut  gemischt.  Am  26.  Dec. 
somit  26  Tage  nach  der  Entbindung  entfernte  ich  fünf  oder 
sechs  Drahte,  die  übrigen  waren  fnlher  unbemerkt  abgegangen 
Die  Schnitte  waren  vollständig  geheilt  und  wäre  der  Cervix 
uteri  nicht  verlängert,  die  Scheide  nicht  schlaff  und  vorgestnipt 
gewesen,  so  hätte  man  keinen  Unterschied  zwischen  der  Be- 
schaffenheit der  Genitalien  dieser  und'einer  anderen  Wöchnerin 
in  gleichem  Stadium  gefunden.  Selbst  die  Induration  war 
rast  geschwunden.  Am  8.  Januar  operirte  ich  die  Scheiden- 
mastdarmfistel  in  der  bekannten  Weise  durch  trichterförmiges 
Anfrischen  und  genaues  Vereinigen  mit  drei  Silberdrähten. 
Zwar  gelang  die  Operation  vollkommen,  aber  die  Heilung 
erfolgte  sonderbarer  Weise  nicht  Des  Vorfalles  des  Uterus 
und  vorzäglich  der  vorderen  Scheidenwand  wegen  applicirte 
ich  der  Krankeit  «inen  S^cafM^on^schen  Hysterophor  und  ent- 
lies sie  am  27.  Januar,  ihr  die  Weisung  gebend,  sich  in 
einigen  Wochen  zur  Vornahme  einer  neuen  Fistel-  und  Damm- 
operation wieder  auf  meiner  Klinik  einzufinden. 


15g       II.   il«»MMr,  MitthetlBDcreB  «l>«r  aie  ThMtigfc«it  MC 

Die  vorhMMltiie  Litoralur  Aber  4k  Geburten  bei  VerMI 
des  schwangeren  Utenis  hat  F.  Hüter  mit  groftsem  Heiiae 
geaaimiieit ')  und  hat  in  aaner  werlhvoUen  monogrepMeclMi 
Bearbeitung  dieeea  Gegenstandes  besondere  RAcksicht  aof  die 
Incisioneu  in  den  prolabirten  Uterus*  genommen.  Er  IMirt 
(S.  271)  an,  dass  drei  mal  eine  Incision,  drei  mal  xwei  In- 
cisionen,  fünf  mal  mehrere  Incisiooen  in  den  ihm  bekannt 
gewordenen  Ffillen  ontemoromen  wurden  und  empfiehlt  gant 
besonders  die  multiplen  Incisionen  drrogend.  Weniger  gönsCig 
spricht  er  sich  Aber  das  Nähen  der  Incisionen  aus  und  eut- 
schuldigt  das  Nähen  in  der  Einen  von  ihm  erzählten  Be- 
bachtung nur  dadurch,  dass  er  es  als  eine  Abereilte  Handlung 
hinstellt.  Bei  den  Veränderungen,  welche  während  des 
Wochenbettes  in  dem  Parenchym  des  Uterus  vor  sich  gehen, 
meint  er,  werde  man  niemals  eine  Neigung  der  Uterinwunden, 
per  primam  intentionem  zu  heilen,  erwarten  dArfen. 

Meine  Beobachtung  zeigt  aber,  dass  dieser  Satz  ein  rein 
theoretischer  urtd  irriger  ist,  und  ich  halte,  nach  dem  was  ich 
erfahren  habe  nicht  blos  das  primäre  Anlegen  von  Drähten, 
sondern  auch  das  nachfolgende  Incidiren  und  Nähen  der  In- 
cisionen für  ganz  zweckmässig. 

1)  Gebnrt«h.  Monatsschrift,  Bd.  XVI. 


III.    Bt/wumn,  ZerrAiMoiif  der  Geb&rnatter  etc.        15T 


IIL 

Zerreissung  der  Gebärmutter,  Mutterscheide 
und  Harnblase  bei  der  Oeburt 

Untersuchung  wegen  fabrläBsiger  Tddtung 
durch  begangene  ärztUche  Kun^tfekler. 

Vofi 

Dr.  HoftMimi  in  Mtocliep. 

IUt«risckes. 

IMe  Baueria  A.  von  B.,  k.  LandgeriohU  C,  »aeh  Aim* 
9«g9  ihres  Ebemanne«,  des  Bauern  und  OrUnacbbarn  A.  tu 
b.  an({«blich  4Q  Jahre  alt,  roiillerer  Grösse  und  Stärke,  war 
mit  ihrem  Ehenianne  17  Jahre  verbeirathet  und  im  A%eniein6U 
gesund.  In  dieser  17]ährigen  Ehe  gebar  sie  ihren  fihemanne 
einachlüssig  des  leisten  Kindes,  während  dessen  Geburt  sie 
starb,  elf  Kinder,  aändiob  drei  Knaben  und  acht  Midchen, 
wovon  fi9j»f  Mädchen  noch  leben,  swei  Knaben  und  drei  Näd* 
eben  gesiorinen  sind  und  der  suletzt  geborne  Knabe  todt  zur 
Welt  kam.  Die  früheren  Schwangerschaften  verliefen  ohne 
besondere  Störungen,  die  Geburten  abwechselnd  b«M  leichler 
bald  schwerer,  -^  leichter  besonders  wenn  die  A.  Mädchen, 
«ehwerer  wenn  die  A,  Knaben  gebar,  —  doch  jedes  Mal  mit 
Ausnahme  einar  Geburt,  welche  die  känstliche  Hinwegnahme 
der  Nachgeburt  erheischte,  ohne  KuustbiUe. 

Die  leiste  Schwangerschaft  verlief  mit  mehr  Beschwei*deH 
als  die  früheren  Schwangerschaften  und  beaeichnet  der  Ehe- 
mann diese  Beschwerden  als  in  Kreuaschmerzen,  wemi  die 
Schwangere  eine  Zeitlang  spaim,  und  Beschwerden  beim  Auf- 
stehen nach  langem  Siiaen,  als  in  KopfWeh,  Schlaflosigkeit 
und  Hamdraeg,  ohne  jedoch  den  Harn  anders  als  tropfen« 
weise  lassen  su  können,  als  in  grösserem  Durste  und  ge* 
ringerem  Appetite  bestehend.  Am  Ostermontage  (24.  Mars) 
1845  wurde  der  Chirurg  und  Geburtshelfer  D.  von  E.,  k. 
Landgerichts  C,  zu  der  .Schwangeren  beschieden,  die  damals 


158  in.    ffo/maiMi,  ZerreiMVo;  der  Oebftrmwlter, 

bedeutend  unwohl  war,  welches  Unwohlsein  der  Ehemann 
ais  Erysipeias,  die  Ortshebamme  F-  von  G.,  k.  Landgerichts 

C,  vom  Hörensagen  als  Catarrh,  die  Dienstdime  der  Schwan- 
geren als  Kopf-  und  Zahnweh,  der  Chirurg  und  Geburtshelfer 

D.  aber  als  Seilenstechen  und  Schwerathmigkeit  bezeichnet. 
Der  Chirurg  D,  lies  der  Schwangeren  zur  Ader,  und  zwar 
sieben,  oaeb  späterer  Angabe  acht  Unzen.  Die  Aderlässe 
halten  einen  guten  Erfcdg:  Das  Kranksein  verschwand  und 
die  Schwangere  befand  sich  den  Rest  ihrer  Schwangerschaft  wohl. 

Am  10.  April  1845  gegen  Abend  nach  Angabe  des  Ehe- 
mannes sieben  Uhr  Abends,  naeb  Angabe  der  Dirne  schon  um 
fünf  Uhr  Abends  begann  die  letzte  Geburt  Als  die  Frau 
dies  merkte,  schickte  sie  ihre  Dirne  fort,  die  \^^  Stunde  von 
B.  entfernt  wohnende  Hebamme  F,  von  G.  zu  holen,  welche 
auch  um  sechs  Uhr  Abends  schon  bei  der  Gebirenden  ankam. 
Diese  fand  den  Zastand  der  Gebärenden,  „sebon  noch  recht, 
nur  war  sie  matt^*  und  die  Gebärende  selbst  bestfttigte  ihr 
ihr  Wohlbefindnn.  lhi*en  Puls  taxirte  die  Hebamme  „niehf 
so,  als  wenn  eine  Aderlasse  nothwendig  gewesen  wäre,  dena 
er  schlug  ordentlich.  Bald  war  die  Gebärende  beiss,  bald 
kalt;  ihre  (Tesiohtsfarbe  war  immer  blase;  vom  Durst  sagte 
sie  nichts.  Der  BmicIi  war  gross  und  gespannt  und  ganz 
nach  v«rne  geneigt  wie  es  sich  hall  bei  einer  Geburt  geb^l. 
Der  Muttermund  stand  hoch,  und  war  noch  nicht  so  ausge- 
spannt, dass  der  Kopf  halte  eindringen  können.  Der  Kopf 
lag  ordentlkh  vor,  nur  hatte  das  Kind  eine  Kopf^eschwotst, 
denn  man  griff  alle  Fontanellen*'.  ^)  Bei  Ankunft  der  Hebamme 
wareii  die  Wehen  ^,mdit  viel  stark,  der  Bauch  war  M>eraH 
fest,  und  wenn  die  Wehen  nachgelassen  haben,  hat  auch  seine 
Spannung  nacfagelasaen.''  Dabei  schwitzte  die  Frau  nach  Aus- 
sage des  Ehemannes  „bos'^  Die  letzten  Entleerangen  der 
Urinblase  und  des  Mastdarmes  fanden  nach  Aussage  der 
Hebamme  vor  de»  Blbsensprunge  statt,  der  nach  Aussage 
des  Ehemannes  in  der  Macht  um  neun,  zehn  oder  elf  Uhr, 
nach  Aussage  der  Hebamme  am  Mitternacht  erfolgte.  Nach 
ihrer  späteren  Angabe  fand  aber  ein  eigentlicher  Blasensprang 
gar  nicbt  statt,  sondern,  W4>  die  Gebärende  gegangen  and  ge^ 

1)   ??  Dr..Ä 


MaiUr««li«id«  und  HarBbUse  b&i  d%r  Clebart.  1£9 

sUQd^t  ^i  it9&„  Wa&Aer  imiuer  nursa  weggesieen'  %  wa»  beaenders 
d«r  Fall  gaweson  aais  aoll  bei  der  zweitae  Ualersiicbuug,  die 
die  Hebaiuiue  um  sehn  Uhr  Abends  vorgenommen  haben 
wiU,  Nacfa  dem  iaui  erater  Aussage  um  Mitternacht  eifolgien 
BJasensprMiige  nahm  die  Hebamme  eine  Unleniuchtiiig  vor, 
Sie  fand  den  Mutlcirmund  „sein*",  nach  einer  späteren  Aus- 
sage »,ein  Biscbeo*'  erweitert,  ,,aber  nicht  so,  dasa  es  den 
Anschein  gehabt  hatte,  ,«als  i^ante  die  Frau  das  Kind  ge- 
bären!*, nach  beiden  Aussagen  aber  den  Kindskopf  ,,kaiim  um*s 
Merken  vorgeriUikt'*. 

Nach  dem  Blasensprunge  nahmen  die  Wehen  ab  uwl 
wm^n  immer  schwächer,  die  Gebärende  wurde  sehwach  und 
wollte  oiciu  liegen  können,  kurz,  die  Geburl  stockte,  weil 
nach  Aussage  der  Hebamme  die  Gebärende  die  Wehen  nicht 
mehr  verarbeiten  konnte,  da  diese  „nicht  mehr  anireibeiid 
warep  und  das  Kind  selbst  gross  gewesen  ist."  Ana  -diesen) 
Grunde  verlangte  die  Hebamme  die  Herbeibokmg  «nes  Geburts- 
helfers» als  wdcher  von  der  Gebärenden  der  Chirurg  D.  voo 
E.  bezeicimet  wurde. 

Am  11.  Afril.1845  in  der  Nacht  um  1  oder  IV^UImt 
wurde  der  Knecht  des  Bauern  A.  und  der  Baumanfi  seines 
Nadibacn,  des  Bauern  H.  von  B.,  mit  einem  Fuhrwerke  nach 
dei9  eine  Stunde  von  B.  eo^ernt  liegenden  E.  zum  Chirurgen 
und  Geburtshelfer  X).  geschickt,  wo  sie  auch  nach  des  Letzteren 
Angabe  «pi  1 — 1}I^~2  Uhr  Morgens  eintrafen.  Chirurg  !)• 
richtete  sich  gleich  zurecht,  und  will  auf  dem  Wege  von  E. 
nach  B.  beiläufig  Vs  Stunde  zugebracht  haben,  also  beiläufig 
eine  Stunde,  nach  seinem  Herheirufen  bei  der  Gebärenden  in 
B.  eingetrofi*en  sein.  Ueber  die  Zeit,  wenn  Chirurg  D,  bei 
der  Gebärenden  .eintraf,  schwanken  die  Angaben  zwischen  1  '/.2, 
zwei  und. drei  Uhr  Morgens  yvelche  letztere  Angabe  die  des 
Chirurgen  D.  ist 

In  der  Zwischenzeit,  bis  der  Chirurg  D.  ankam,  war 
die  Gebärende  sehr  unruhig  und  „wusste  nicht  im. Bette  und 
nicht  aufzubleiben.  Wenn  sie  im  Bette  war,  verlangte  sie 
wieder  hinaus*',  ging  unter  Assistenz  ihres  Eheipaones  und 
der  Hebamme  2 — 3  Mal  die  Stube  auf  und  ab,  „und  ver- 
langte dann  wieder  ins  BetL''  Um  diese  Zeil  überzeugte  sich 
die  Hebamme  öfter  vom  Leben  des  Kindes. 


160  II'-    Ho/mttn,  ZerreiuMg  der  OebÜrnvttor, 

Ak  der  Chirurg  D.  m  der  GebireiMkii  ins  Ziiimier  trtl, 
fand  er  sie  nach  seiner  Angabe  x  neben  ihrer  Bettlade  stehen, 
naeh  Angabe  des  Ehemanns  im  Belle,  naoh  denen  der  Ifeb- 
aoime  ausser  dem  Belle.  ^  ,,Sie  jammerte  webmulhig,  dass 
sie  es  vor  Sohmerzen  nicfal  mehr  aushalten  kdnne,  hatte 
Sluhlreiz/'  und  war  nach  Aussage  der  Hebamme  aÜei^dings 
„sehr  mau,  doch  nicht  so,  dass  sie  sich  nicht  mehr  hStle  be- 
wegen ttönnen'',  nach  des  Chirurgeu  i>.  Aussage  aber  „sehr 
aufgeregt  und  um*uhig»  Dabei  war  der  Puls  hart  und  fire- 
quem  mit  Intervallen,  ^)  voll,  abwechselnd  klein:  sie  aihmete 
schwer,  die  Temperatur  des  Körpers  war  heiss  und  es  war 
Schweiss  zugegen,  so  dass  ihr  das  Wasser  herabfloss;  Extre- 
mitäten und  Gesicht  waren  heiss,  doch  wechselte  che  Tem- 
peratur und  war  bald  Frost,  bald  Hitze  zugegen;  eben  so 
Brechreiz/' 

Chirurg  D.  liess  die  Gebarende  zur  Vornahme  der  Unter- 
suchung in  die  gewöhnHohe  Lage  ins  Bett  bringen,  und  nahm 
hierauf  die  Untersuchung,  zuerst  äuseerlich,  danu  innerücfa 
voi\  Nach  späterer  Angabe  will  er  die  Frau  wiibrend  sie 
an  der  Bettlade  stand,  untersucht  haben.-  E>  fakid  bei  der 
Untersuchung  ,«den  Fundos  uteri  hart,  nach  rechts  gerichtet 
und  einen  Hingebaucli;  die  Ausdehnung  des  Bauches  war 
gross,  seine  Belehrung  schmerzhaft.''  Die  abweohaehide 
Barte  und  Weichheit  des  Bauches  liessen  ihn  schUessen  „dass 
kein  Krampfzustand  im  Uterus  zugegen  war."  Sodann  nahm 
Chirurg  B.  die  innerliche  Untersuchung  vor,  wobei  er  „die 
Geschlechtstheile  ganz  zur  Zangenoperation  vorbereitet  und  den 
Muttermund  gehörig  erweitert  fand  um  uüt  dem  Instrumente 
beikommen  zu  können/' 

Ueber  die  Lage  des  Kindes  dnlckt  sich  Chirurg  D.  sehr 
unklar  aus;  so  viel  geht  mit  Gewissheit  aus  seinen  verwor- 
renen Aussagen  hervor,  dass  der  Kopf  mit  seiner  Sdieitel- 
oder  Hinterhauptsfläche  in  der  ersten  Lage  (Pfbilnafat  im 
ersten  schrägen  Durchmesser  und  Hinterhaupt  nach  vonie  und 
links)  vorlag,  was  nach  seiner  Ansicht  an  und  für  sich  schon 
ein  ungünstiges  Ereigniss  war,  „weil  dadurch  die  Wehendiätig- 

1)  ?  ?  Dr.  H. 


Muftertebeide  nnd  Harnblase  beider  Qebart.  161 

keit  gtflieamft  waf/^>')  'Ueber  den  HöheMaitd  des  Kopfes  Bind 
seine  Angaben  noch  vefwirrter,  indem  Innt  erster  Atissnge 
desselben  „der  Köpf  des  Kindes  auf^)  dem  8c}ianibogen  s«fir 
fest  eingekeilt,  eigentlich  aber  auf  dem  grossen  Beckeneingaiige  ^) 
stand/*  nach  einer  späteren  Angabe  schon  „im  Becken^ih^ 
gange/'  und  nach  einer  noch  späteren  „am  Beckeneingange 
eingekeilt  war,'»  welcher  Ausdruck  för  dch  Gbh*urg  D,  gleich- 
bedeutend ist  mit  dem,  „der  Kopf  siehe  noch  hoch.'*  Ebenso 
gibt  Ober  das  Vorhandengewesensein  öder  Nrchtvorhanden- 
gewesensein  ton  Wehen  zur  Zeit  setner  Ankunft  €hhiirg  D. 
widersprechende  Angaben,  denn  nach  der  einen  Aussage  des-- 
selben  waren  abwechseltid  „Härte  und  Weichheit  des  Bauches 
bei  der  fierfthnmg  bemerkbar**  und  ,,nocli  einige  kleinere 
W^hen"  vorbanden,  nach  andei*er  Aussage  hatte  die  Wehen - 
thätigkeit  ganz  „aufgehört  und  war  von  Wehen  nichts  melit* 
wahrzunehmen.**  lieber  das  flehen  des  Kmdes  zu  dieser  Zeit 
des  Gebäractes  will  sich  Chirurg  Z>.  durch  das  Geffihhhab^n 
setner  Bewegungen  überzeugt  haben.  Um  das  Weitere,  wie 
lange  die  Frucht  noch  Lebenszeichen  von  sich  gegeben  habe, 
kümmerte  er  sich  nicht  mehr  „weil  man  spätere  Untersuch- 
ungen' nicht  mehr  tornimmt.***) 

Nach  beendigter  Unlersuchuhg  erklärte  Chirurg  D.  gegen 
die  Bebamme,  „es  sei  eine  grosse  Scheitelgeschwulst '  vor- 
handen,*^ nnd  gegen  den  Ehemann,  „um  diesen  nicht  zu  er- 
schrecken, es  habe  gute  Wege,**  gab  der  Gebärenden  ein  Pulver 
Mutterkorn,  „um  dadurch  die  Wehen  hervorzurufen  nnd  einem 
Bhitfiuss  in  der  ffinften  Geburtsperiode  vorzubeugen.**  Die 
Entleerung  des  Urins  durch  den  Katheter  hielt  er  für  bedenk- 
lich und  unmöglich,  „weil  bei  dem  auf  die  Blase  druckenden 
Kmtlskopfe  leicht  durch  den  Katheter  eine  Verletzung  hätte 
entstehen  können;  was  oft  den  augenblicklichen  Tod  der 
Frau  zur  Folge  habe.**  Es  dftnkte  ihm  aber  auch  deshalb 
die  Katheterapplication  unnothig,  weil  ihm  die  Hebamme  ge- 
sagt hatte,  die  Frau  habe  mehrere  Stuhlgänge  gehabt,  woraus 


1)  II 

Dr.  U 

2)  t? 

Dr.  B. 

3)    M 

Dr.  H, 

MoDattielir.  f.  GcbarUk.  vm.  Bd.  XZV  «Boppl  Hft- 

11 

168  ni.    ffofmaimf  Zerreicanag  der  Gebäriniill#ff, 

tr  auf  eint  gieiobxeiiig  geschehene  UnaeRilaenuig  «diktts» 
Zum  Ueb«r8ufts  soll  ihni  nach  seiner  AuMage  dw  G#häreB4ie 
ii9ch  gesagt  babani  sie  tiabe  beim  Blaseospitinge  lJria.gelas9eii. 

Chirurg  Z>.  liess  sofort  das  Qiierbelt  heiTicblen  md  die 
Frau  darauf  legen,  während  nach  Angabe  der  Dirne  daaselb« 
Siphon  vor  seiner  Ankunft  von  der  Hebanune  hergerichiet  worden 
sein  soll  und  schickte  er  sofort  aur  Anlegung  der  Zange  sich 
an.  Dass  er  zui*  Ermittelung  der  Ursachen  des  Zustande» 
in  dam  er  die  Gebärende  fand  selbige  examinirt,  sowie  aur 
Beseitigung  dieses  Zustaudes  ausser  der  schon  erwähnten 
einen  Dosis  Mutlei*kornes  sonst  etwas  ordinirt  habe,  ist  jair- 
fgwds  aus  den  Acten  ersicbtlicli.  Den  Gnmd  des  aulgeregleo 
Zustandes  der  Gebärenden  suchte  er  vielmehr  in  dem  Mangel 
der  Wehenthäügkeit ')  und  der  sciion  angeblich  geschehenen 
Verarbeitung  der  Weben.  Diese  „Schwäche  gab  ihre  Anzeige 
zur  Zange,  da  Gefahr  auf  Veriug  stand  und  awar  sowohl 
für  die  Mutter,  als  auch  Air  das  Kind,  welches  letzlere  durch 
den  fortwährenden  Druck  erstickt  worden  wäre/'  ^)  Dies 
waren  die  Gründe,  welche  ihn  zur  Anlegung  der  Zange  ver- 
mochten. 

Chirurg  D.  schritt  also  gleich  nach  vorgenommener  ((Inter- 
suchung  und  nachdem  die  Gebärende  auf  das  QuerbeM  ge- 
bracht worden  war,  zum  Auspacken  der  Zange,  was  er  auf 
einer  neben  dem  Bette,  worauf  die  Frau  lag,  stehenden  Truhe 
that.  Uebrigens  will  er  mit  dem  Auspacken  seiner  Instru- 
mente nicht  Aufsehen  erregt  haben,  wie  der  Ehemann,  die 
Hebamme  und  die  Dirne  versichern,  sondern  ruhig  verfahren 
sein*  Die  Frau  aber,  welche  beim  Anblicke  der  Instrumente 
vom  Sterben  zu  reden  anfing,  tröstete  er  nach  eigenem  Ge- 
ständnisse damit;  „dass  dies  nur  aus  Vorsicht  geschehe,  weil 
es  öfters  vorkomme,  dass  man  zu  einer  Person,  die  schon 
oft  ohne  Anstand  geboren  habe,  gerufen  werde,  und  dann 
die  Sache  scblinmi  ausfalle  und  der  Geburtshelfer  um  Zutrauen 
und  Praxis  komme;')  übrigens  solle  sie  nur  den  Muth  Dicht 
verlieren,  es  könne  Jedoch  auch  noch  gut  gehen,  sie  solle 
sich  nur  ruhig  verhalten.''  Auf  dem  Querbette  lag  die  Frau 
mit    erhöhtem   Oberkörper  und   wurde  von   dem  hinter  ihr 

1)  ?  ?  Dr.  E. 


Mntterfreheide  and  HarnbUte  bei  der  Oebnrt.  16S 

recblft  auf  dem  Bette  stehenden  Ehemanne  unter  den  Sclmkeni 
gehalten;  die  Füase  hatte  sie  auf  eine  tor  dem  Bette  stehende 
Bank  oder  einen  niedrigen  Stuhl  gestellt  und  hielt  die 
Hebamme  das  rechte  und  die  Dirne  das  linke  Knie,  wiHrend 
nach  des  Ehemanns  Angaben  die  Assistentinneii  nnjge4cehr( 
placirt  waren.  Zugleich  hielt  die  Hebamme  die  instrenente 
des  Geburtshelfers,  die  Dirne  aber  das  Licht  Chirurg  />. 
sdbst  sass  zwischen  den  von  einander  gespreitzten  Knieen 
der  Gebärenden,  wartete  noch  eine  Zeitlang  die  Wirkung  de» 
gegebenen  Bfutterkornpnlvers  ab,  so  dass  ungefähr  Vs~% 
Stunden  seit  seiner  Ankunft  bei  der  Gebärenden  verflossen 
gewesen  sein  mochten,  bis  er  sich  wirklich  an  die  Operation 
machte. 

Nach  des  Chirurgen  D.  bestimmter  Behauptung  wiN  er 
zuerst  den  linken  Zangenlöffel  eingefftbft  haben,  während  narli 
der  Aussage  der  Hebamme,  der  auch,  in  jedoch  unsicherer 
Aussage  die  Dirne  beipflichtet,  der  rechte* ZangenMff^l  soll 
zuerst  eingeflihrt  worden  sein,  nnd  dann  der  linke.  Chirurg 
Z>.  fasste  den  ZangenlOffel,  „nicht  wie  es  Anlanger  tbun 
müssen,  wie  man  eine  Schreibfeder  hält,  sondern  mit  der 
vollen  Hand,  indem  ihm  eine  Zangenoperation  keine  schwere 
Aufgabe  ist,  deren  er  schon  mehrere  bei  ungfiiistigeren  Ver- 
hältnissen mit  glücklichem  Ausgange  fRr  Mutter  und  Kind^' 
gemacht  haben  wiH.  Der  zuerst  eingeffthrte  Löffel  konnte 
nach  seiner  Angabe  leicht,  nach  der  Hebamme  Aussagen  aber 
schwer  eingeführt  werden;  „doch  gab  die  Gebärende  dabei 
keinen  Laut  von  sich.**  Chirurg  D,  übergab  den  eingelegten 
LöATel  der  Hebamme  zum  halten,  und  schritt  zur  Anlegung 
des  anderen  (nach  seiner  Angabe  des  rechten)  Löflels,  den 
er  gerade  so  hielt  und  einbrachte,  wie  den  ersten  Zangenlöfl««!. 
lieber  das,  was  nun  bei  der  Anlegung  dieses  zweiten  Löffels 
geschehen  sein  soll,  sind  die  Angaben  der  Betheiligten  sehr 
widersprechend.  Nach  des  Geburtshelfers  Angabe  soll,  als 
er  den  zweiten  (nach  seiner  Angabe  rechten)  Zangenlöffel  bis 
zur  Hälfte  eingebracht  hatte  in  die  Mutlerscheide  ^  die  Gebä- 
rende ihm  einen  „Ruker**  entgegengemacht  haben,  „indem 
sie  sich  pärzte  in  der  Art,  dass  er  beinahe  unter  ihr 'hätte 
durchschlüpfen  können,  welche  Bewegung  unisomehr  Kraft 
hatte,  da  ihre  Pässe  nicht  herabhingen,  sondern  in  der  Höbe 

11  ♦ 


164  ni.    Sofinann,  Zorteia^ng  dor  GeMrniiiMer, 

w«re«/'  d.  h.  auf  einer  Biok  oder  dnem  SluUe  «taoden, 
tittd  da  Ar  ,,bei  der  vorliegenden  Einkeüung  des  Kopfes  mit 
deoT  Zangenlöfiel  nach  hinten  an  der  Kreuzdammbeinfuge  ia 
die  H^lie  su  kommen  tracblen  nHisaie,  so  musate  er  dabei'' 
seiner  Beachreibuag  nach  ,,natärlicher  Weise  ohne  sein  Ver- 
scbuMen  aus  der  Ricblung  kommen/'  auf  welcher  Aussage 
Cbimrg  D»  auch  in  der  Folge  stehen  bleibt  und  siets  he» 
baumlet,  die  Gebärende  habe  sich  bei  Anlegung  dieses  zweilien 
Löffels  sehr  unruhig  verhaUej).  Nachdem  das  durch  die  eben 
beschriebene  Bewegung  der  Gebäreoden  momentan  vorbandene 
Hindernis  gehoben,  will  er  die  weitere  Einführung  des  LöfieU 
leicht  2U  Stande  gebracht  haben.  Auf  das  Bestiipntesle 
werden  jedoch  diese  Angaben  des  Chirurgen  von  dem  Ebe- 
wnne,  der  Hebanime  und  der  Dhrne  widersprochen  und  vou 
ihnen  einstimmig  behauptet,  es  habe  die  Geliärende  wedei*  eine 
solche  plötzliche  Bewegung  mit  dem  Hinlern  gemacht,  nod) 
Oberhaupt  sich  um^uhig,  sondern  im  Gegentheile  ruhig  benommen, 
und  nicht  einmal  oder  nur  unbedeutend  gejammert.  IJeberr 
haupt  soll  nach  Aussage  des  Ehemanns  und  der  Dirne  diese 
erstmalige  Zangenanlegtmg  leicht  gewesen  sein  und  auch  nicht 
lange  gedauert  haben,  nur  nach  Aussage  der  Hebamme  ging 
es  schwer.  Irgend  ein  Ausfluss  aus  den  Geschlechtslheileu 
fand  bei  diesem  erstmaligen  Anlegen  der  Zange  nicht  statt. 
Nachdem  die  Zange  angelegt  war,  brachte  sie  dei*  Ge- 
burtshelfer zum  Schlüsse,  was  er  nach  eigener  Bestätigung 
nur  mit  Muhe  thun  konnte.  Nach  seiner  und  der  Hebamme 
Aussage  scbloss  die  Zange  schlecht  und  ergibt  sich  ^wischen 
den  Aussagen  Beider  nur  die  Differenz,  dass  sie  nach  setner 
Aussage  wenn  auch  schlecht,  doch  ganz,  nach  der  der  Hebamme 
aber  gar  nicht  geschlossen  haben  soU.  Er  machte  nun  einen 
Probezug  mit  dem  Instrumente  und  fand,  dass  dasselbe  gut 
lag.  Zugleich  hielt  er  sich  dabei  überzeugt,  dass  eine  Ver- 
letzung der  mntterlirhen  Theüe,  an  deren  Möglichkeit  er  hei 
der  unruhigen  Bewegung,  welche  die  Frau  beim  Einführen 
des  zweiten  Zangenlöffels  nach  seiner  Aussage  gemacht  haben 
soll,  mit  Befürchtung  gedacht  hatte,  nicht  stattgefunden  habe, 
denn  die  Frau  machte  beim  Probezug  kein  Zeichen  des  Schmerzes, 
obgleich  sie  dabei  nach  seiner  Angabe  eine  Bewegung,  ge- 
waltsamer Art    mit    dem   Hintern  gemacht  haben  soll,   was 


Muttoraclieiile  and  HftrnblftM  bei  dtr  GebiiYt.  1^ 

aber  ebenso  beetiniiut  von  den  drei  bei  der  Enfbindong  gegen- 
wftrtig  gewesenen  Zeugen  widersprochen  wird.  Nach  Aussage 
der  Zeugen  soM  der  Chirurg  D,  nun  2 — 3  Mal  fest  mit  der 
Zange  gezogen  haben,  was  er  konnte,  „so  daas  er  schwittte 
nod  ihm  das  Wasser  über  das  Gesicht  herabrann,''  und  dass 
di$r  die  Gebärende  unter  dem  Arme  haltende  Ehemann  „hallen 
inussCe,  was  er  nur  konnte,  denn  das  Weib  wäre  iban  beinafae 
ausgekommen/'  Dieses  krädige  Aniiehen  des  GeburtsbeHers 
s<ril  ungefihr  vier  Vaterunser  lang  gedauert  haben  und  dann 
soll  ihm  nach  Aussage  der  Hebamme  und  der  Dirne  die  Zange 
abgerutscht  sein.  Ganz  verschiedcü  von  diesen  Aussagen  ge^ 
staltet  sich  die  des  Geburtshelfers.  Nach  der  dritten  bis 
vierten  Rotation  der  ersten  Traction  schon  wurde  seiner  Autr- 
«age  nach  der  rechte  Zangenlöflel  aus  dem  Schlosse  gewcNieii 
und  er  will  daher  genöthigt  gewesen  sein,  die  Zange  abiu- 
nehmen  und  verivahrte  sich  feierlich  gegen  ein  Abgeratschtseiu 
der  Zange.  Bei  diesen  vom  Geburtshelfer  gemachten  wenigen 
Rotationen,  die  er  nicht  einmal  mit  Kraft  gemacht  haben 
wiN,  soU  nach  seiner  Angabe  das  Weib  nicht  einmal  geschrieen, 
und  auch  nach  des  Ehemanns  Angaben  nicht  besonders  viel 
SchmerB  getuesert  haben. 

Nachdem  die  Zange  aus  den  Geburtslheilen  entfernt  oder 
abgerutscht  war,  jammerte  die  Gebärende  sehr.  Nach  he* 
stimmler  Angabe  der  Dirne  floss  nichts  als  etwas  Wasser  und  - 
hellen  Blutes  aus  den  Geschleditstheilen  aus;  nach  ebenso  he- 
slimmter  Aussage  des  Geburtshelfers  kam  aber  schon  nach 
der  angeblichen  Herausnahme  des  rechten  Zangenlöffels  Vkit, 
sodass  es  ihm  selbst  auffiel,  „woher  denn  das  Blut  käme/' 
Er  dachte  sich  „von  einem  Einrisse  des  Mnltermundes  wie 
sie  bei  Zangenoperationen  gewöhnlich  seien."  An  allenfalls 
geschehene  Verletzungen  des  Uterus  dachte  er  nicht,  „doch 
kam  ihm  jedenfalls  dieses  Ereigniss  sonderbar  vor.**  Se  er- 
skhreckettd  war  ihm  übrigens  dieser  Blutfluss,  gegen  den  er 
eine  Compresse  zwischen  die  Geschlecbtstheile  gelegt,  und 
Zimmt*  ilbd  Rhatanhiatinktur  ana  partes  aequales  gegeben 
haben  vril,  gerade  nicht,  „aber  doch  bekam  die  Kreissenile 
schon  kleine  Gonvulisionen  und  zeigte  sich  kränklich.*'  Die 
Menge  des  aiigebUch  verlornen  Blutes  schätzt  Chirurg  D.  auf 
angeblich  16  —  20  Unzen. 


Mit  diesen  Angaben  de»  bedenUicben  Scbwifibezuslandes 
der  Frau  nach  dem  ersten  oiisalungeneo  Zangenversiiehe 
stimmen  abgesehen  von  dem  zwetfellianen  Blutflusee  die  Ao* 
gaben  des  Ehemannes  und  der  Hebamme  dberein.  Ueber  den 
aligemeinen  Zustand  der  Gebärenden  zu  dieser  Zeil  weiss 
Chirurg  D.  nichts  anaugeben«  ^da  man,*'  wie  er  sagt,  ^nicbt 
mehr  Zeit  bat  auf  das  Aeuasere  zu  sehen,  >)  weil  das  Innere 
fiescbafUgung  genug  da  giebt.''.  Um  diese  Zeit  oder  schon 
bei  Gelegenheit,  als  der  Geburtshelfer  die  Rotationen  bei  dem 
erstmaligen  Gebrauche  der  Zange  gemacht  halte,  soll  die 
Gebärende  geäussert  haben,  „sie  hätte  ein  Krachen  in  ihrem 
Leibe  verspürt"  Die  Angaben  und  Aussagen  der  bei  der 
Gebnrl  Anwesenden  änd  über  diesen  Punkt  aber  so  wider- 
sprechend, dass  es  nicht  nur  ungewiss  wird,  wann  ein  aolclies 
frag^ches  Krachen  stattgefunden  haben  soll,  sondern  auch, 
ob  überhaupt  nur  diese  Aeusaerung  von  der  Gebäreoden  wirk- 
lich gefallen  ist  oder  nidit.  Selbstgeh^rt  will  Niemand  dieses 
fr^liche  Krachen  haben. 

ids  der  vom  Chirurgen  D.  behauptete  und  beobachtete 
Hntflttss  vorüber  war,  nahm  er  eine  innerliche  UnteraHcfalMig 
vor,  um  sich  von  der  Quelle  der  Blutung  zu  überzeugen.  Er 
fand  dabei  den  Muttermund  gerade  so,  wie  früher  nnd  den 
Kindskopf  ,4ioch  an  derselben  Stelle  wie  fk'üher/'  Ob  er 
aber  bei  dieser  Untersuchung  die  Quelle  der  Hämorrfaagie 
entdeckt  habe  oder  nicbti  darüber  spricht  sich  derselbe  nicht 
aus.  Er  bereitete  sich  viel  mehr,  „weil  denn  doch  die  Geburt 
beendigt  werden  musste,''  zur  nochmaligen  Anlegung  der  Zange 
vor,  bis  zu  dem  Beginne  welcher  vom  Ende  des  ersten  Zangen- 
Versuches  an  gerechnet  ein  Zeitraum  von  drei  Vaterunser  ad 
Vi  Viertelstunde  verflossen  sein  soll. 

Ueber  die  zweite  Zangenlinlegung,  bei  welcher  Chirurg 
J>.  auerst  den  linken  und  dann  den  rechten  ZangenlMTel  ein- 
brachte^ sind  die  Aussagen  der  gegenwärtig  Gewesenen  eben- 
falls unter  einander  ungleich.  Nach  des  Geburtshelfers  Aussage 
war  die  aweitmalige  Anlegung  der  Zange  „nicht  schwer,  aber 
das    Hindemiss*)    mit    dem  rechten  Lüffel  war  wieder  wie 


1)    I !  Dr.  B. 

8)  ??  Dr.  H. 


BlittUMehetile  and  Harnbl«»«  bei  der  Geburt.  f^ 

ArtUher/'  Der  Hrne  dtiikt  4ie  xwMle  Zangenaiilegmig  achwie- 
ri|psr  and  Hnger  dauernd  als  die  ei-sImaKge,  der  Hekeimiie 
aber  IWGiiler.  (Jebrigens  sagen  der  Bbemami  und  Geftnrto^ 
Helfer  fibereinstimmend,  dass  sich  die  GeMreiide  dabei  rnbiger 
verhalten  habe,  aie  das  erste  Mal  und  nttr  die  Hebamme  sagt 
ans  sie  sei  unrtibig  gewesen,  „itnd  babe  dabei  den  unken 
Fttfls  immer  in  cfie  Höhe  getbaii,  bis  man  sie  recht  fest  ge*^ 
halten  babe,  dass  sie  sich  nicht  mehr  rätiren  b#nttte,'  nnd 
dabei  babe  sie  recht  gejammert/'  Aucbiusserte  die  GebAreiidn, 
,»sfe  sei  so^*  (von  der  Zange  ndmiicb)  „geewicitt  worden,*' 
was  der  Gliirurg  D.  als  ein  Erfasstwordensein  der  Sebambaare 
M  der  Schliessung  des  Instrumentes  erklärt.  Naeb  des  Ge- 
burtshelfers erster  Aussage  seMoes  die  Zange  dies  mal  besser, 
ah  das  erste  Mal,  nach  einer  späteren  Aussage  nur  schlecht 
und  mit  Mühe,  nacb  der  Hebamme  Aussage  aber  „ebenso 
wenig,  wie  es  sich  gehört,  wie  das  erste  Mal."  Nach  dem 
Probesug  wiH  der  Geburtshelfer  ebenfalls  wieder  nur  3 — 4 
jedoch  stärkere  Rotationen  mit  dem  Inatrumente  gemacht 
haben,  als  die  Mheren;  „2 — 3  l^ste  Zdge'*  nennen  aber  die 
Ifebamme  und  die  Dirne  diese  Rotationen,  werauf  nach  Beider 
bestimmter  Aussage  die  Zange  wiederholl  abgerutsoht  sein 
soll,  während  nach  des  Geburtshelfers  ebenso  bestiromier  An- 
gabe das  Instrument  von  ihm  soR  abgenommen  worden  sein, 
weil  —  jedoch  ohne  dass  er  es  Jetzt  sehen  ahnte  —  der 
Memeiit  des  8tei1)ens  fär  die  Gebärende  herannahte.  Diese 
wurde  nämlich  schwach  und  bekam  Convulsfonen ,  weshalb 
der  Ehemann  die  Aeusserung  machte,  man  mächte  seine  Frau 
docli  providiren  lassen,  und  diese  Worte  wanen  nach  des 
Geburtshelfers  Aussage  der  Grund,  der  ihn  das«  vermochte, 
die  Zange  abzunehmen.  Doch  hielt  er  de»  Zustand  der  Ge- 
bärenden noch  immer  nicht  für  so  bedenklieh,  sondern  fir 
Schwäche,  welche  Ansichten  er  auch  offsn  adssprach.  Nach- 
dem aber  die  Zange  aus  den  Ges<^deobtstheilen  entferat  war, 
uiid  nm  ehte  prefbae  Metrorrhagie  eintrat,  redete  er  selbst 
zu  den  Geietlicben  zu  holen,  und  verlangte  ddn  k.  Geriohtsarzt 
von  G.  als  Betstand.  Auf  seinen  Befehl  gA  die  Hebamme 
der  Gebärenden  einen  Löffel  voll  Zimmt-  mid  Rhatanhürtttihtttr 
ans  partes  aequales,  denn  die  Blutung  war  so  stark,  dass 
der  Geburtshelfer  selbst  zugiebt,  ^es  babe  wie  bei  einer  Adei^ 


]j^  IXJ.    Ho/mann,  ZarrcHuvDg  d«r  GebÄfmaUar, 

\m^  feDofiseo'/  und  die  Hebamme  sagte,  ««^  bfibe  geflosse«, 
mafi  Jmr  heraus  booiile/'  und  das»  der  am  Kopfe  d^r  &e- 
bäneaden  auf  dem  36tte  slekende  Elienano  „das  Kluscbeln  des 
Blytos  auf  denn  B^dea  hdrta''  Beim  £iii§ebe»  der  Tinktur« 
die  die  Gebarende  nicbt  iiehmmi  wollte,  uod  aucb  aiv  sor 
Hüfk  binunteirbraobte,  biss  diese  auf  den  Löffel,  woraus  die 
H«baiMne  sobloas,  „dass  es  gefehlt  sei^''  wesbalb  sie  auch 
MW  dem  Zimmer  lu  ebeuei'  Erde  hinablief,  um  d«a  Befebi 
zur  sfiUeuoigen  Herbeibolung  eines  Geisüicben  m  geben. 

Wahrend  ihrer  Abwesenheit  s<dl  nach  Angabe  der  Dirne 
4ler  CUnirg  D.  noch  einen  dritten  Versuch  mit  dei*  Zange 
gemacht  haben,  ohne  es  jedoch  zu  einem  wirklichen  Schlinssen 
und  Operiren  mit  dem  lBsti*uttenie  gebracht  zu  haheii^  denn 
der  Ehemann  habe  ihn .  gebeten ,  seine  Fran  ruhig  s4ei*ben 
zu  lassen ,  worauf  er  von  einer  weiteren  Procedur  abgestanden 
sein  soll«  Erst  nun  soll  nach  Aussage  der  Dirne  das  Blut 
80  stark  geflossen  sein,  dass  es  nicht Jnehr  zu  stillen  war, 
seUmt  als  der  Gdmrtshelfer  „einen  Hadern  vorhielt/'  Dieser 
IßauMte  der  Sterbenden  Na{>htba  auf  die  Herzgrube  und  dcBse 
vertattgte  auf  die  linke  Seite,  gel^t  zu  werden,  was  aueh 
geschah.  Sodann  verfiel  sie  in.  ZOgen,  bekam  etUcbe  Coii- 
vulstonen  und  starb  in  den-  Armen  ihres  sie  noch  umfangen 
hakenden  Hannes.  Von  d^  Zeit,  als  nach  dem  zweiien 
Zangenversttche  das  Blut  so  stark  floss,  bis  zum  Tode  der 
Frau  soll  nach  Aussage  der  Hebamme  und  Dirne  ^1^  bis  kaum 
1  Viertelstunde  verflossen  sein;  „3 — A  Vaterunser  lang'*  be* 
stimmt  der  Ehemann  diese  Zeit.  Im  Ganzen  mochte  der 
(seburtshelfer  von  seinem  ersten  Erscheinen  bei  der  Frau 
bis  au  deren  Tode  ^j^ — 1 — IV«  Stunde  verweilt  habeuw 
Laut  beim  k.  Gerichtsarzte  in  C.  abgegebenen  Todtensclieiii 
starb  die  Gebfirende  am  11.  Aprü  1845  um  3,, laut  d^s 
GebmtsheUers  Aussage  um  3^/4,  und  nach  der  Dirne  Angabe 
zwischen  4 — 5  Uhr  Morgens. 

Ak  die  Gebärende  kein  Lebengzeicben  mehr  von  sieh 
gab,  nahm  der.GeburlsheMer  die  äuaserliche  Untersuchung  des 
Leibes  ivor,  den  er  welk  und  weich  fand  und  wobei  «r 
deutlioh  die  Eitremitäten  des  Kindes  durch  die  rB^uehdeeke 
•dufchfBUen  konnte.  An  die  Möghcfakeit  der  Rettung  des 
Kindes  denkend   schritt  e^  nach  kuraer  Zeit  zur  Wendung 


Huit^riohci^e  und  Harnblas«  b«i  der  Gebmi.  169 

und  £xUraetion.  Zur  lYeiKluiig  *  wählte  er*  die  liniie  Hand, 
,^weii  a«cb  der  Ungesehickleele  wi^se,  dass  maa  das»  nur 
iomier  diese  Hand  nebmen  könne.^'  Ueber  cue  Lage*  des 
Kindes,  wie  er  sie  bei  der  Wendung  fand,  drückt  er  sich 
fo^geodermaassen  aus :  „Gesicht  und  Baiichlläche  des  Kindes 
waren  nach  rechts  und  hinten  in  der  Gebäimutter  gekigert, 
Steiee  und  Rückenfla^he,  er&terer  nach  rechts  und  letztere 
nach  Unks  gerichtet;  die  Fasse  befanden  sich  in  der  rechten 
Mutteraeite  nach  hinten.  Der  Koj^f  stand  hoch  im  Becken, 
da  wegen  des  erfolgten  Todes  keine  Uterincoatractionen  zih 
gegen,  waren,  war  die  Wendung  leicht'*,  was  auch  die  Hebanraie 
bestätigt ;  nicht  minder  der  Ehemann.  Ob  die  NabelscbiKir 
A<ftch  pulsirl  habe,  weiss  der  Geburtshelfer  nicht  mehr,  ver- 
DMithet  es  aber  des  starken  Blutverlustes  der  Mutter  halber. 
Einer  späteren  Angabe  nach  soll  sie  nicht  mehr  pulavt  habeit. 
Nach  eigener  und  der  Hebamme  Aussage  bekam  Chirurg  D. 
6en  erslen  (linken)  Fuss  des  Kindes  leicht  in  seine  Hand; 
dann  holte  er  den  anderen  Fuss  herab,  Was  schwerer  ge- 
gangen sein  soll.  Nach  eigener  und  der  Hebamme  Aussage 
bedurfte  es  einer  guten  Viertelstunde,  bis  das  Kind  bis  zum 
Halse  geboren  war.  Weder  der  Geburtshelfer,  noch  die  Heb- 
amme, noch  die  beim  Tode  der  Frau  davongelaufene,  in- 
zwischen aber  wieder  herbeigerufene  Dirne  bemerkten  Lebens- 
zeichen am  Kinde.  Am  e^wierigeten  war  die  Lösung  der 
Anne ,  namentlich  des  linken ,  um  welchen  nach  der  Hebamme 
Aussage  die  Nabelschnur  gewickelt  war,  die  gelöst  wurde, 
wahrend  der  Geburtshelfer  behauptet,  die  Nabelschnur  sei 
um  den  rechten  Arm  gewickelt  gewesen.  Beim  Lösen  brach 
der  linke  Arm  ab. 

Zu  dieser  Zeit  soll  es  gewesen  sein,  wo  nach  des  Geburts- 
helfers Aussage  seine  Assistentinnen  nicht  mehr  Stich  gehalien 
haben,  sondern  davongelaufen  sind,  weshalb  er  zwar  mil 
der  Hand  den  Kopf  zu  entwickeln  suchte,  aber  die  Zange 
nicht  mehr  habe  anlegen  können.  Dieser  Umstand  und  weil 
keine  Bewegungen  des  Kindes  ein  L^ben  desselben  verriethen, 
und  selbet,  wenn  es  noch  vor  der  Wendung  gelebt  hätte, 
bei  der  bisherigen  Dauer  der  Oparation  von  mehr  als  V4  Stunde 
nolhwendigerwaise  hätte  lodi  sein  müssen  —  dies  waren  die 
Gründe,  waium  der  Geburtahelfei*  von  weitereu  Bemühungen 


170  1^'*    Bofmanny  ZerrelMttng  ^tr  GabMristtHer, 

den  Kofif  zu  entwickeln  abstand«  Von  einem  sokilMfii  an- 
geliehen  Daroiilaufen  der  Assistentinnen  enthalten  die  Aeti>n 
nieRts  Näheres,  sondern  die  bestifliniten  Aussagen  des  Hie- 
mannes,  der  Hebamme  und  Dirm;  gehen  dahin,  dass  Chirarg  />. 
die  Entwickelung  des  Kopfes  mit  der  Hand  zwar  versodrt, 
aber  nicht  %n  Stande  gebracht ,  und  im  Beisein  der  bishi^r  bei 
der  Entbindung  gegenwärtig  gewesenen  Personen  unverrichteler 
Dinge  die  Todte  unentbunden  verlassen  habe. 

Chimrg  D.  blieb  noch  kufze  Zeit  im  Hause  ^^  De- 
fnnclin  nnd  machte  sodann  noch  an  demselben  Moiigen  um 
7  Uhr  Selbstansetge  Ober  das  Geschehene  bei  dem  k.  Gericbts- 
arxte  in  G.,  der  in  Anbetracht  des  Umstandes,  dass  derselbe 
schon  mehrere  Maie  seine  BeAignisse  dberschQtlen  bette ,  nnd 
deshalb  gestraft  worden  war,  Anzeige  beim  k.  Landgerichte 
C.  erstattete. 

Bemerkt  wird,  dass  der  Chirurg  D.  an  der  chirurgischen 
Schule  zu  J.  seine  Studien  machte,  und  das  Absohttorium 
mit  der  dritten  Note  „gut*^  erhielt 


Die  am  11.  April  1845  vorgenonimeiie  Obduction  ergab 
folgendes  Resultat: 

A.    Mütterliche  Leiche. 
L    Aeiaeaerllohe  Beelohtigunir. 

Die  Leiche  liegt  unangekleidet  im  Bette,  die  Arme  Aber 
der  Brust  gekreuzt,  die  Ffisse  gleichweit  von  einander  liegend, 
und  zwischen  ihnen  die  auf  dem  Bauche  liegende  laiche  des 
Kindes,  dessen  Kopf  noch  in  den  Gescblechtstbeilen  der 
Mutter  steckt. 

Die  Leiche  ist  mittlerer  Grösse  und  dm*cbaus  sehr  blass. 
namentlich  an  den  Lippen  und  dem  Zahnfleische ,  mager ,  der 
Bauch  selir  aufgetrieben  ^  nicht  trommelsüehüg ,  sondern  ober- 
halb des  Nabels  etwas  weich.  Unterhalb  des  Nabels  die 
Kugelform  etwas  ungleich  and  diese  Gegend  theils  wekh. 
theils  harilich  anznföhlen! 

Nabel  nicht  hertorgetrieben ,  vielmehr  etwas  nnnlig. 

Die  äusseren  Geschlechtstheile  von  dem  aus  ihnen  beraes- 
hingenden  Kindskdrpers  bedeckt,  und  an  den  Oh«r*  «nd 
Unterschenkeln  Spuren  eingetrockneten  Blutes. 


lf«lt#r«eli«Ue  ud  Harnblstft  bei  <ler  €iebart.  171 

Da»  swmdieo  d«il  Schenkelii  der  Mutier  geftegeoe  Kind 
naonUehen  Geachkcbies  vmi  den  FAssen  bis  gegen  den  Beueh 
hinauf  föllig  Mau;  der  dbrige  Kdrper,  d.  b.  der  Rampf  und 
der  BU$,  soweil  dieser  siebibar,  Mass  inid  nur  theilweise 
violett  geßrbL  Die  Vorderflaebe  des  Kindes  dem  Unken 
Muttersebenkei  und  nacb  hinten  zu  genditet,  so  daes  der 
rechte  Arm  des  Kindes  unferbalb  der  mütterlichen  Symphyse, 
der  linke  am  Danme  sieht 

Die  coUabirte  Nabefechnur  läuft  vem  kindlichen  Nabel 
der  linken  Kindsseite  au^  wendet  sich  gegen  den  rechten 
Schenkel  der  Mutter  und  läuft  mitten  am  Röcken  des  Kindes 
in  die  Höbe,  bis  sie  sich  an  ebersten  Rande  des  rechten 
Scbttlturblattes  in  die  GescblMhtstheUe  der  Mutter  Terlint. 

Breiie  des  mutterlicben  Hüftemaasaes  von  einer  Seite 
zur  anderen  U&%'\^) 

•n.    Innerliohe  Boeichtigung. 
a.     Bauchhöhle. 

1)  Nach  Eröffnung  der  Bauchhöhle  zeigt  sich 

2)  die  sehr  stark  ausgedehnte  Gebärmutter  bis  zur 
Magengegend  hinaufreichend  und  an  ihrem  Grunde  vom  grossen 
Netze  bedeckt,  unterhalb  dessen  ein  Theil  der  Gedärme.  Zur 
Seite  und  vorwärts  ist  die  Gebärmutter  von  einer  harnähnlich 
riechenden  gelblichen  Flüssigkeit  umspült. 

3)  Der  Peritonäalüberzug  des  Uterus  an  der  oberen 
Hälfte  des  Organes  viel  derber  und  fester  anliegend,  als  an 
der  unteren  und  namentlich  vorderen  Fläche,  wo  dieser 
Ueberzug  nur  locker  anhaftet  und  mit  gelblicher  Sülze  unter- 
laufen ist,  die  sich  nach  den  Gesetzen  der  Schwere  nach 
der  rechten  Unterbauchgegend  hinabsenkt  Am  unteren  Gebär- 
muttersegmente vielfache  Verbindungen  mit  dem  Peritonäal- 
überzuge  der  Bauchdecken. 

4)  Länge  der  Gebärmutter  vom  Schambeinrande  bis  zur 
Oberbaucbgegend  10'',  ihre  Breite  in  der  Mitlelbaucbgegend  8". 

5)  Am  Körper  der  Gebärmutter  eine  merkliche  Ein- 
schnürung sichtlich,  welche  fast  kreisförmig  um  die  Gebär- 
mutter herumläuft  und  unterhalb  welcher 


1)  Dnreh  die   ganse  Seetion   geht  der  Pariter  IfAMtatab. 

Dr.  B. 


172  '^'*    Siofmunm^  Kerreittttiig  der  GebftrnittUer, 

6)  die  Gebärnmtler  wieder  an  Umfang  suBitniiit  Die 
beiden  Ovarten  und  Tuben  nicbis  (JngewöhnKebes  darbietend. 

7)  Gerade  oberhalb  der  Sobambeinverbindung  ragt  eine, 
eineii  ^zigen  Erguss  enthaltende  floclnircnde,  röttdiebe  Ge- 
schwulst von  der  Grösse  einer  Kindesband  bervoi*,  die  steh 
bei  genauer  Besidiligiuig  als  die  dininwandige  und  zimt  TVil 
mit  Irübem  Barn  gerüllte  Harnbild  dai^stelH ,  deren  Schleim- 
haut  Iheils  weiss,  Ibeils  rötblich  gesprenkelt  isL 

8)  Die  äussere  Farbe  der  dem  Auge  frei  sieh  darbietenden 
Gebäraiutler  durchaus  weisalich,  und 

9)  es  zeigt  sich  deutlich  durch  das  GefOM,  dass  in 
ihrer  Hoble  ausser  dem  Kindskopte  noch  ein  festweieher 
tUr|>er  von  beträcbüicbem  Umfiinge  enthalten  sein  hrass. 

Die  übrigen  Baucheingeweide  Ton  normaler  Besehaffienheit, 
und  in  der  durch  den  schwangeren  Uterus  bedingten  normalen 
Lage;  nur  die  Dünndärme  hier  und  da  mit  der  unteren  Hälfte. 
des  Uterus  durch  eine  lockere,  dünnhäutige  Verbindung  zu- 
sammengewachsen. 

Unter  dem  Bauchfellübefzuge  der  Psoasmuskeln  schimmert 
in  das  lockere  Verbindungszellgewebe  ergossenes  Blut  schwärz- 
lich (hirch;  ein  ähnliches  Aussehen  zeigt  das  untere  und 
hintere  Drittel  des  Bauchfellüberzoges  der  Gebärmutter. 

10)  Am  Einschnitt  in  den  obersten  und  vordersten  Theil 
der  Gebärmutter  zeigen  sieb  die  Gebärmutterwanduugen  an 
dieser  Stelle  7  *"  dick ,  derb  und  von  gesunder  BeschafTenbeiL 
Nach  abwärts  zu  nimmt  die  Gebärmutiersubstanz  immer  mehr 
an  Dicke  zu,  welche  im  Gebärmatterkörper  10'"  hat*,  von 
da  an  aber  gegen  das  untere  GebärmuUersegmenl  wieder 
abnimmt,  so  dass  sie  hier  nur  mehr  4"'  zeigt. 

11)  Innerhalb  der  Eihülleu  und  oberhalb  des  noch  in 
der  Gebänfnutter  befindlichen  Kindskopfes  7 — 8  Unzen  blutiger, 
röthlich  brauner  mit  Coagulis  gemischter  Flüssigkeit. 

12)  Die  Trennung  des  Mutterkuchens  und  der  Eihäute 
von  der  inneren  Gebärmutteroberfläche  überall  leicht  zu  bewerk- 
stelligen, und  letztere,  mit  frischem  Wasser  abgespult,  röthlich 
weiss  und  ungleich  aufgelockert. 

13)  Eine  Verletzung  der  Gebärmutter  an  den  bis  jetzt 
durch  die  Obduction  ersichtlich  gewordenen  zwei  oberen 
Drittijeiien  des  Organes  nicht  wahrzunehmen. 


Mtttl«r»«littfde  nad  Hnntblafl«  bei  dar  Gebttrh  173 

14)  Zar  Besichtigung  iles  unteren  DriUfieiles  der  Gebär^ 
mutier  und  der  Beckenorgane  wurden  die  Weichtheile  des 
Scbamberges  büt  auf  die  Knochen  durcbschnilten  und  rechts 
und  links  von  der  Schambeinverbindung  abpräparirt  und  die 
absteigenden  und  queren  Aeste  der  Schambeine  beiderseits 
durchsägt 

Es  zeigt  sich  nun,  dass  die  obere  (bmtere)  HflKte  des 
Kindskopfes  noch  oberhalb  des  Beckeneinganges  steht,  wSlirend 
die  untere  (vordere)  Kopfhälfte  im  kleinen  Becken  ist.  Der 
behaarte  Theil  des  Kopfes  schaut  in  die  Gebärmutter  hinauf, 
das  Gesicht  gegen  die  linke  Mutterseile  und  etwas  nach  hinten, 
so  dass  das  rechte  Obr  an  der  linken  Synostosis  puboiKaca  steht, 

15)  Nach  Heraus)iebuiig  des  Kmdskopfes,  die  leicht 
bewerkstelligt  werden  konnte,  zeigt  sich 

16)  die  innere  Oberfläche  des  unteren  Drittheiles  der 
Gebärmutter,  das  den  Kopf  umschlossen  hatte,  missfarbig, 
bräunlich  und  aufgelockert,  der  Mutterhals  ganz  vei*striclien, 
und  der  in  die  Mutterscheide  hineinragende  TheU  des  unteren 
Gebärmuttersegmentes  zeigt  mehrere  Einrisse.  Von  der  vor^ 
deren  Muttermuodslippe  ein  unförmliches  wallnussgi*osses 
Rudiment  nach  einwärts  gegen  den  Jj^indskopf  hinaufgedrängt* 

17)  An  der  rechten  Seite  des  unteren  Gebärtmuter- 
Segmentes  ist  dieses  durchbohrt,  und  es  zeigt  sich  ekie  l^',^'* 
lange  falsche  Höhle  zwischen  den  Platten  des  Bauchfelles,  wo 
dieses  von  der  Gebärmutter  zum  Mastdarm  öbergeht  Der 
Eingang  zu  dieser  abnormen  Höhle  ist  länglich  rund  und 
lasst  die  Spitze  des  rechten  Zangenlöffels  Jenes  Instrumentes, 
das  der  Chirurg  D,  bei  der  Entbindung  gebraucht  hatte, 
ohne  Schwierigkeit  hindurch.  Die  Umgebung  dieser  wider- 
natürlichen Oeffnnng  blutgetränkt. 

Ifta)  Die  Mutterschetde  an  der  rechten  Seile  von  ihrer 
normalen  Anh^flung  an  den  Schambeinen  losgetrennt,  und 
ein  ovales  Loch  zeigend,  von  welchem  aus  der  Finger  und 
auch  die  Spitze  des  rechten  ZangenlöfTels  ein  und  1^'  weit 
in  die  Tiefe  nach  rückwärts  ins  Zellgewebe  zwischen  Mutter- 
scheide und  Mastdarm  gelangen  kann. 

b)  Im  Scheidengewölbe  rechterseits  ein  ovaler  Einriss, 
von  welchem  aus  man  zwischen  der  Substanz  und  dem  Bauch- 


174  11^*    Hofmann,  ZerreiMung  dar  OebiirtRiitter, 

fellOberzuge  der  Gebflriuiitter  in  eine  V!^'*  weit  in  die  Höhe 
gehende  Höblung  gelangen  kann. 

19)  Die  HarnMase  an  der  Yorderen  Wand  nach  rechts 
hinauf  auf  ähnliche  Weise,  wie  die  Mutterscheide  durchbohrt, 
die  Oeffttung  oval  und  1V2''  's^i^g  n^t  gerissenen  Rändern. 
Uebrigens  die  Blase  sehr  dünnwandig,  und  an  den  gerissenen 
Wundrändem  keine  Blutanterlaufung. 

20)  Die  Psoasmuskeln  und  das  sie  und  die  grossen 
Geisse  umgebende  Zellgewebe  ausseriialb  der  Höhte  d<'.s 
Bauchfellsackes  stark  Von  fi^i  ergossenem  Blute  unteriaufen, 
welcher  Bluterguss  an  der  Wirbelsäule  bis  zum  Magen  hinauf 
reiche,  übrigens  vorzugsweise  die  rechte  Bauchseite  einnimmt 
und  von  den  in  dieser  Matterseite  sichtbaren  Gebärmutterrissen 
seinen  Anfang  nimmt. 

21)  Mastdarm,  die  äusseren  Geschlechtstheile  und  der 
Damm  unversehrt 

22)  Grosser  Querdurchmesser  des  grossen  Beckens  9^1^'- 
Kleiner  Queiidurchmesser  des  grossen  Beckens  9^2  "•  Gerader 
Durchmesser  des  Beckeneinganges  4V4''*  Rechter  schräger 
Durchmesser  des  Beckeneinganges  4"  10'^'  —  4"  II'". 
Linker  schräger  Durchmef ser  des  Beckeneinganges  5  ".  Quer- 
durchmesser des  Beckeneinganges  4'/^".  Querdurcbmesser 
von  einer  Pfannenwand  zur  anderen  4V4  "•  Gerader  Durch- 
messer des  Beckenausganges  3%".  Querdurchmesser  des 
Beckenausgänges  3^4''*  Gerader  Durchmesser  der  Becken- 
weile 5". 

23)  Die  übrigen  Baucbeinge^eide  normal;  Leber  und 
Nieren  blulreicb,  Milz  matsdi. 

b.  Brusthöhle. 

Lungen  normal,  Herz  welk,  rechte  Herzh<Me  biutleer, 
in  dor  linken  etwas  weniges  seröses  Blut.  Gi'osse  Geftss- 
stämroe  leer  un<i  coUabirt. 

c.  Kopfhöhle. 

Gehirn  mit  seinen  Häuten  ziemlich  blutreich,  und  in 
seinen  Höhlen,  auf  der  Basis  und  zwischen  den  Häuten  geringer 
wässriger  Erguss. 


lloMerMfaeiila  and  HAmMMe  bei  d»r  Oebtirt.  175 

JB.     Kindliche   Leiche. 

1)  Männlichen  Geschlechtes  und  wohlgenährt. 

2)  20 Va"  lang  und  7%  Pfund  Civilgewicht  schwer. 

3)  Kopf  an  der  linken  Seite  von  der  Ohrmuschel  bis 
zur  Mitte  des  Scheitels  einen  achwachen  Eindruck  des  Zangen- 
löffels zeigend. 

4)  Kopfknochen  unter  einander  unbeweglich. 

5)  Kleiner  Kopfquerdurchniesser  4".  Grosser  Kopf- 
querdurchniesser  4".  Stirnhinlerhauptsdurchmesser  4"  10 ''^ 
Kinnbinterhauptsdurchmf^sser  6 ".  Senkrechter  Kopfdurch- 
noesser  S*/«".     Kopfcircunirerenz  14". 

6)  Schulterdurchmesser  4*/jj".    Hfiftendurchmesser  3Yt"- 

7)  Die  Ausbildung  des  Kindes  ist  die  eines  vollkommen 
reifen ,  und  findet  sich  an  demselben  nichts  Bemerkenswerthes 
vor,  als  dass 

8)  der  linke  Oherarmknochen  in  seiner  Mitte  schief 
gebrochen  ist. 

9)  Mutterkuchen  regelmässig  gebildet,  7"  im  Durch- 
messer haltend  und  die  Insertionsstelle  der  21 "  langen  welken 
Nabelschnur  in  der  Mitte  des  Mutterkuchens. 


D»ft  gerichlsarzlliebe  Gutachten  erstreckt  sich  anf  folgejjji« 
Paukte: 

I.     Allgemeine  Kritik   der  Handlungsweise  des  Chirurgen  D. 
seiner  Behandlung  der  Gebärenden. 

Der  k.  Geriditsarzt  hebt  hier  zunächst  hervor: 

1)  Die  in  dem  kurzen  Zritraume  von  '/4  bis  höchstens 
Vj^  Stunden  Schlag  auf  Schlag  sich  folgenden  Operativangriffe, 
die  den  Tod  der  Frau,  die  bei  Ankunft  des  Chirurgen  D. 
noch  keinerlei  bedenkliche  Zußiie  darbot,  sondern  lediglich 
das  BiU  einer  sehnierzlieh  und  ängstlich  aufgeregten,  un- 
geduldigen und  erhitzten  Gebärenden,  noch  bei  Anwesenbeil 
des  Geburtshelfers  zur  Folge  hatten. 

2)  Die  Erschreckung,  die  der  Geburtshelfer  der  Gebarenden 
gleich  bei  seinerAnkunft  du^ch  ostensible  Auskramung  seiner 
Instrumente  und  durch  jene  unüberlegten  Aeusserungen  be- 
reitet   habe,    wodurch    von    vornherein    das    Zutrauen    das 


176  I'I*    Hofmann,  Z«rr«iffirottg  dar  OebHraiQtter, 

Weibes  —  ein  nothwendiges  RequiBii  jeiler  (^rick)ichen  Geburts> 
hülfe  —  habe  verloren  gehen  müssen. 

3)  Die  Uebereilung ,  rait  der  Chirurg  D.  seine  Diagnose 
stellte,  als  von  einer  Einkeilung  des  Kopfes  in  der  Becken- 
höhle oder  im  Beckeneingange  noch  keine  Rede  war,  sooderri 
im  Gegenlheiie  noch  derselbe  im  grossen  Becken  stand.  Diese 
Uebereilung  hatte 

4)  nothwendigerweise  auch  eine  falsche  Behandlung  zur 
Folge,  denn  statt  die  Ursache  des  aufgeregten  und  erhitzten 
Zustandes  der  Gebärenden  zu  erforschen,  und  wie  es  am 
Platze  gewesen  wäre,  den  Fall  medicinisch  zu  behandeln, 
habe  der  Geburtshelfer  zur  Zange  gegriffen,  und  das  bei  einem 
so  hoch  und  nicht  einmal  noch  zangengerecht  stellenden  Kopfe. 

5)  Vor  der  Operation  habe  derselbe  sich  nicht  einmal 
um  den  Zustand  der  Harnblase  bekümmert ,  und  habe  sonach 
in  dreister  Uebereilung  fehlerhaft  zur  Zangenoperation  gegriflen, 
ohne  vorher  die  Urinblase  entleert  zu  haben. 

(3j  Bei  der  Zangeneinführung  selbst  habe  sich  der  Geburts- 
helfer roh  und  ungeschickt  benommen ,  denn  statt  die  Zange 
wie  eine  Sclireibfeder  zu  lialten,  habe  er  sie  in  die  volle 
Hand  genommen,  wodurch  allerdings  bei  einer  plötzlichen 
gewaltsamen  Bewegung  der  Frau  mit  ihrem  Hintern,  wie  der 
Ol^urg  i>.  von  der  Gebfirenden  voi*gebe,  was  aber  nicht 
erwiesen  sei ,  Verletzungen  der  mütterlichen  Theile  hatten  ent- 
stehen können. 

7)  Das  Abgleiten  der  Zange  und  ihr  Auseinandergehen 
im  Schlosse,  wie  die  Aussagen  des  Geburtshelfers  einer-  und 
der  Hebamme  und  Dirne  andererseits  lauteten,  beim  ersten 
Zangenversudie  hätte  der  Geburtshelfer  von  einenri  wieder- 
holten Zangen  versuche  abmahnen  und  ihm  zeigen  sollen,  dass 
der  Kopf  für  die  Application  der  Zange  noch  zu  hoch  stehe. 

8)  Der,  zwar  nur  nach  Aussage  des  Geburtshelfers  nach 
der  ersten  Zangenapplication  eingetretene  Blutfluss,  der  be- 
deatend  genug  gewesen,  hJItte  denselben  noch  dHngender 
abhalten  müssen,  seine  Operationsversnche  fortzusetzen.  Allein 
sein  Operatiofweifer  sei  zu  gross  gew^en,   und  daher   hätte 

9)  nothwendigerweise  der  uiiter  ähnlichen  Verhältnissen, 
wie  der  erste  unternommene  zweife  Zangenwer9uch  ebenfiills 

.misslingen  mfissen. 


Mnfctersoheide  and  Harnblase  bei  der  Gebart  177 

10)  Dass  Chirurg  D,  nach  der  Mutter  Tod  das  Kind 
gewendet  habe,  daran  habe  er  Recht  gettian;  aber  zur 
Vollendung  der  Exlraclion  habe  ihm  die  nötige  Fassungs- 
kraft gefehlt,  und  da  wo  jetzt  die  Zange  indicirt  gewesen 
wäre,  habe  er  sie  nicht  angewendet,  während  zuvor,  wo  sie 
nicht  angezeigt  gewesen,  er  mit  ihrer  Anlegung  nicht  genug 
habe  eilen  können.  Unentbunden  aber  eine  Verstorbene  zu 
▼erlassen,  sei  die  grösste  Schmach,  die  einem  Geburtslielfer 
begegnen  könne. 

11)  Den  dem  Kinde  beigebrachten  Armbruch  entschuldigt 
das  gerichtsärztliche  Gutachten  als  ein  Ereigniss,  das  auch 
schon  ausgezeichneten  Geburtshelfern  begegnet  sei. 

II.     Beurtheilung  der  Verletzungen. 
Der  k.  Gerichtsarzt   bebt  hier  folgende  Punkte  hervor: 

1)  Die  Verletzungen  seien  sämmtlich  an  dem  unleren 
Gebarmutterabschnitte ,  der  Hutterscheide  und  Harnblase  vor- 
gefunden worden. 

2)  Die  Einrisse  des  Muttermundes  und  die  EinwärtSr- 
stölpung  eines  Theiles  der  vorderen  Muttermundslippe  erachtet 
der  k.  Gerichtsarzt  als  Ereignisse,  die  sich  auch  bei  natür- 
lichem Geburts verlaufe  häufig  vorfanden,  und  da  sie  sich  in 
diesem  Falle  auf  den  Müttermund  beschränkten,  und  nicht 
höher  in  die  Gebärmuttersubstanz  hinauf  erstreckten,  für 
geringfügig. 

3)  Die  im  Obductionspro'tocoll  sub  A.  II. ,  A.  .17  be- 
schriebene Verletzung  erachtet  das  gerichlsärztliche  Gut- 
achten für  äusserst  wichtig ,  und  Form  und  Grösse  derselben 
zeigten  deutlich  genug,  dass  sie  nicht  von  selbst  entstanden, 
sondern  eine  mit  der  Zange  bewirkte  Zerreissung  der- Gebär- 
mutter sei. 

4)  Zwei  ebenso  beschalfene  und  rücksichtlich  der  Form 
und  Gestalt  gleiche  Verletzungen  hätten  sich  laut  Obductions- 
protocoll  sub  A  II.,  A.  18  in  der  Mutterscheide  vorgefunden, 
und  stellten  ebenfalls  zwei  gewaltsame,  durch  die  Zange 
gebahnte  falsche  Wege  dar. 

5)  Eine  ganz  ähnliche  Durchbohrung  zeige  die  vordere 
Blasenwand  nach  rechts  bin  (Obduclionsprotocoll  A,  IL,  A.  19). 

Monatuehr.  f.  Oaburtak.  1866.  Bd.  ;KXV.,  Snppl.Hfl.  ^^ 


178  in*    Wofmanny  Zerreissung  d«r  GebXrinntter, 

Pörm  und  Grosse  diesiM-  VVrlelzung  sprSchen  ebenfalls  für 
geschehene  Zerreissung  mit  der  Zange,  und  nur  die  Stelle 
der  Zerreissung  (vordere  Blasenwand)  lasse  hierüber  Zweifel 
zu.  Allein  einem  ungeschickt  eingeführten  und  bereits  auf 
falschem  Wege  befindlichen  Zangenlöffel  sei  auch  die  vordere 
Blasen  wand  erreichbar,  und  in  dif'sem  Falle  um  so  mehr,  da 
die  höchst  wahrscheinlich  Harn  enthalten  habende  Blase  über 
die  Schambeinveii)indung  hinaufgeragt  habe  und  von  der  Gebir- 
mutter  nach  seitwärts  gedrängt  worden  sei. 

6)  Vergleiche  man  Form,  Grösse  und  Ort  dieser  Ver- 
letzungen mit  der  gebrauchten  Zange,  so  könne  kaum  be> 
zweifeil  werden,    dass  sie  mit  dieser  angelegt   worden  seieu. 

7)  Der  in  der  Nähe  dieser  Verletzungeq  unter  dem 
Bauchfell  und  den  Psoasmuskehi  voriindliche  Bluterguss  (Ob- 
ductionsprotocoll  A,  IL,  A.  20)  bekräftige,  dass  diese  Ver- 
letzungen  noch   bei  Leben   der  Frau   zugefügt  worden  seien. 

8)  Betrachte  man  diese  Verletzungen  (1  in  der  Gebär- 
mutter^ 2  in  der  Multerscheide  und  1  in  der  Harnblase)  in 
ihrer  Totalität,  so  gelange  man  zur  *  Uohei'zeugung,  die 
Gebärende  sei  eines  gewaltsamen  Todes,  und  zwar  an  den 
Verletzungen,  die  ihr  vom  Geburtshelfer  durch  un^eitiges, 
rohes  und  ungeschicktes  Operiren  mit  der  Zange  an  der 
Gebärmutter,  der  MuLlerscheide  und  Harnblase  seien  zogefAgt 
forden,  gestorben. 

9)  Das  gerichtsärztliche  Gutachten  erklärt  sorak  ^w  Ver- 
letzungen für  unbedingt  und  nothwendig  tödtiich. 

10)  Laut  Obduclionsprotocoll  sub  A\  IL,  A.  3  seien 
in  der  Leiche  Spuren  eines  abgelaufenen  EntzOndung^processes 
gefunden  worden,  woraus  wahrscheinlich  weinie,  dass  Deftinctin 
während  der  Schwangerschaft  eine  chronische  Bauchfellent- 
zündung durchgemacht  habe.  Allein  es  sei  in  diesem  bereits 
zum  Abschlüsse  gekommenen  Krankheitsprocesse  kein  Einfluss 
auf  den  Tod  einzuräumen. 

11)  Die  fraglichen  Verletzungen  seien  demnach  nichi 
blos  unbedingt  und  nothwendig  tödtlich.  sondera  auch  oif 
mittelbar  tödtlich  gewesen. 


Mntterschelde  und  Harnblase  bei  der  (?ebitrf.  170 

llf.     iTiiputation  zur  Schtiid  d«s  Chtriirgen  1), 

1)  Nach  seinen  Kenntnissen. 

a)  Chirurg  Z>.  sei  an  der  ehemaJs  bestandeneq  chirurgi- 
schen Sctiule  zu  J.  gebildet  und  approbirt  werden,  mithin 
Bader  nach  der  Norm  der  allerhöchsten  Instruction  für 
Chirurgen  vpm  25.  Januar  1823.  Man  könne  sonach  von 
ihm  fordern,  dass  er  mit  den  zur  geburtshillfUchen  Praxis 
nöthigen  Kenntnissen  und  Fertigkeiten  ausgestaltet  sei,  nament- 
Jich  nicht  nur  den  medicinischen  Geburtsbeistand  kunstgemäss 
zu  leisten»  als  auch  die  Zange,  wo  sie  nöthig  sei,  handhaben 
zu  können. 

6)  Chirurg  Z>.  habe  aber  in  dem  voriiegepden  Falle  eine 
inedicinische  Behandlung,  worauf  eigentlich  Alles  angekommen 
wäre,  ganz  ausser  Acht  gelassen,  und  die  Zange  roh  und 
ungeschickt  angewendet,,  und  überhaupt  Unwisseniheit  un(] 
BegrifTswirrung  an  den  Tag  gelegt. 

c)  Auf  solche  Weise  habe  er  für  Mutter  und  Kin4  höctjst 
verderbliche  Kunstfehler  begangen,  welche  er  nach  den  von 
ihm  zu  fordernden  Kenntn^sen  und  Fertigkeiten  allerdings 
hätte  vermeiden  können  und  müssen. 

2)  Nach  den  liesonderen  Umständen  deß  vorliegenden 
Falles. 

Der  k.  Gerichlsarzt  führt  in  dieset*  Beziehung  als  Ent- 
f^ehuldigungsgrftnde  für  den  Geburtshelfer  an: 

d)  Die  nothvvendigerweise  mangelhafte  und  lückenhafte 
Bildung,  d^ie  überhaupt '  den  Zöglingen  einer  diirurgi^cJien 
Schule  zu  Thßil  werden  müsse. 

h)  Die    Schwierigkeit   de«;    speciellen   Geburtsfalles,    die 
geeignet  gewesen  sei ,  auch  den  geübtesten  Geburtshelfer  zur 
'genauesten  Untersuchung   und   umsichtigsten  Behandlung  auf- 
zufordern. 

c)  Die  rasche  Eile,  womit  der  Geburtshelfer  in  eitler 
stürmischen  Aprilnacht  den  Weg  zur  Gebärenden  zurückgelegt 
habe,  beweise,  wie  er  von  dem  Drange  beseelt  gewesen  sei, 
möglichst  bald  zum  Beistand  der  Gebärenden  an  Ort  und 
Stelle  zu  sein,  welchem  Drange  möglichst  rasch  helfen  zu 
wollen,  die  leider  zu  einem  so  traurigen  Ende  geführt  habenden 
Zangenversuche  grossentheils  zuzuschreiben  sefn  düi-flen.      jr; 

12* 


1^  III.    Hofmann  ^  ZerreUsangf  dar  GebUrmnUer, 

d)  Die  angebliche  Unruhe  der  Kreisseoden  bei  dem  ersten 
und  auch  beim  zweiten  Zangenversuche  lässt  das  gericbts- 
ärztliche  Gutachten  als  keinen  Entschuldigungsgrund  für  die 
vielen  Verletzungen  zu,  und  umsoweniger ,  da  Chirurg  D, 
gegen  die  Regel  der  Schule  die  Zange  in  die  volle  Hand  ge- 
fVisst  habe,  statt  sie  wie  eine  Schreibfeder  zu  halten,  wie  es 
Anfanger  thun  müsst'en  —  da  er  gemäss  seiner  Bildungsstufe 
sich  stets  zu  den  Anlangern  rechnen  dürfe. 

e)  Die  Grösse  des  Kindes  entschuldige  die  Schwierigkeit 
und  lange  Dauer  der  Wendung,  den  davon  abhängigen  Tod 
des  Kindes ,  und  die  Schwierigkeit  der  Armlösung  den  Bruch 
des  einen  Oberarmes. 

f)  Endlich  enlschuldigt  der  k.  Gerichlsarzt  den  Geburts- 
helfer, dass  er  unter  der  Einwirkung  all  des  Unglückes,  was 
geschehen  sei,  und  in  Betracht  der  auf  ihm  lastenden  gesetz- 
lichen Verantwortlichkeit  den  Kopf  verloren,  und  es  unterlassen 
habe ,  durch  die  Extraction  des  Kopfes  des  ohnehin  schon 
todten  Kindes  die  Geburt  zu  beendigen. 

3)  Nach  der  allerhöchsten  Instruction  för  die  Chirurgen 
vom  25.  Januar  1823, 'nach  welcher  Chirurg  D,  die  geburts- 
hülf liehe  Praxis  auszuüben  berechtigt  sei,  in  Specie  nach 
§  14  lit.  h  und  §  15  m  *)  und  n  dieser  Instruction. 

1)  §  14.  e)  Krankheiten  und  GebQrtBfttlle,  wobei  ein  Zo- 
samm antreffen  mehrerer  'Znatände  in  der  Art  eintritt,  data  sie 
in  bedeutende  Uebel  übergeben,  und  nur  durch  besondere  richtige 
i^ehandlung  und  durch  gemischte  Kur  behoben  werden  können, 
dürfen  von  den  Chirurgen  nicht  selbstständig  behandelt  werden. 

/)  FKlle,  welche  durch  krankhafte  Anlage,  durch  tu  sartes 
oder  an  hohes  Alter,  durch  Entwicklnngsseitr&ome   des  KSrpers 
oder  Menstruation,   Schwangerschaft,   Geb&ren   leicht  bedeutend 
werden  können,  gehören   nicht  in  der  Chirurgen   aelbstständige - 
Praxis. 

g)  Nur  bei  eigentlichen  chirurgischen  Krankheiten,  wo 
ohnehin  die  Nothhfilfe  eintritt,  steht  den  Chirurgen  grosserer 
Umfang  der  Befngnisse.au. 

h)  DaH  Nämliche  gilt  auch  für  die  Oeburtshfilfe ,  aumal 
hinsichtlich  des  Entbindnngsgeschftftes;  nur  sollen  sie,  wenn  nicht 
Gefahr  auf  Verzug  haftet,  keine  Operationen  selbststRndig  unter- 
nehmen, welche  mit  Lebensgefahr  für  Mutter  oder  Kind  yer« 
bnnden  sind. 

t)  Sie  hab«n   in   diesen  F&llen,    wie    sie    ancb   lur    ersten 


Muttersclieide  und  Harnbinse  bei  der  Geburt.  4gl 

Der  k.  Gerichtsarzt  bebt  hier  die  Widerspruche  dieser 
Instruction  im  AUgemeinen,  und  die  in  den  §§  14  lit.  h 
und  §  15  lit.  m  und  n  enthaltenen  Widerspruche  hervor, 
welche  Instruction  einerseits  den  Chirurgen  Befugnisse  ein^ 
räumen,  die  mit  ihrer  Bildung  im  Widerspruche  ständen, 
andererseits  aber  zu  ihrer  Einschränkung  und  Verhütung  von 
Missbräueben  und  Unglücksfällen  etwas  Unmögliches  voraus« 
setze,  nämlich  dass  jeder  Chirurg  bezeichneter  Norm  und 
Qualität,  wie  sie  die  chirurgische  Schule  in  J.  zu  liefern 
beauftragt  gewesen  sei,  auch  ein  guter  Diagnostiker  und 
Prognostiker  sein  solle;  und  nicht  eiumal  ein  guter  Dia- 
gnostiker und  Prognostiker  könne  immer  von  vorne  herein 
wissen,  ob  ein  Geburtsfall  in  seinem  weiteren  Verlaufe  Lebens- 
gefahr entwickeln  werde  oder  nicht. 


Hülfe  berechtigt  und  verpflichtet  sind,  doch  sugleich  für  die 
Beisiefaung  eines  Arztes  der  weiteren  Behandlung  wegen  zu  sorgen. 

§  15.  m)  Als  Geburtshelfern  ist  ihnen  auf  besonderes  Verlangen 
der  Gebärenden  die  Hülfeleistung  bei  regelmässigen'  Geburten, 
die  Bestimnmng  der  Lebentordnnng  für  die  Kindbetterinnen  und 
Neugeborenen  gestattet,  wobei  sie  sich  jedoch  aller  unnöthigen 
Einmischung  in  die  Geschäfte  der  Hebammen  zur  Vermeidung 
der  Beeinträchtigung  derselben  zu  enthalten  haben. 

Ist  eine  krankhafte  Geburt  an  sich  nicht  für  die  Mutter 
oder  Kinder  lebensgefährlich,  oder  führt  sie  nicht  nothweudig 
zur  Bildung  von  Orgtinisations fehlem  an  Ersterer,  so  steht  ihnen 
dicr  selbstständige  yollführnng  des  Entbindungsgeschäftes,  sonst 
aber  nur  die  Nothhülfe  zu.  In  dem  Falle,  in  dem  zunächst  be- 
deutende Krankheiten  der  Mütter  oder  Kinder  als  Folge  der 
Geburten  zu  befürchten  sind,  haben  sie  für  die  baldmöglichste 
Zuziehung  eines  Arztes  zu  sorgen. 

n)  Insbesondere  dürfen  sie  aber  für  sich  keine  Operation 
unternehmen,  welche  an  sich  für  die  Mutter  oder  ihre  Leibes- 
frucht zu  gefährlich  ist,  noch  weniger  aber  zu  jenen  schreiten, 
mit  denen  ein  hoher  Grad  von  Gefahr  für  Erstere  verbunden  ist, 
wie  zur  Entbirnung  und  zur  Zerstückelung  des  Kindes,  zum  Banch- 
oder  Kaiserschnitte  an  der  lebenden  Mutter.  Die  Vornahme  des 
Schnittes  der  Schambeinfuge  ist  ihnen  durchaus  untersagt. 
Leichtere  Krankheitssustände  der  Gebärenden  und  Wöchnerinnen, 
dann  der  Neugeborenen,  dürfen  sie  behandeln,  haben  aber  bei 
bedeutenden  Zhfällen  vorbehaltlich  der  Nothhülfe  für  ärztliche 
Beiziehung  zu  sorgen. 


Ig2  ^ll*    Eofmann,  Zerrei98UDg  der  OobArmnUer, 

Soviel  sei  ibdessen  zieinlich  jecieiii  Chirurgen  klar,  oder 
iolle  ibra  wenigstens  klar  sein,  da^s  eine.  Zangeuoperatioa  bai 
hoobsleheodem  oder  eingekeiltem  Kopfe  Tür  MuUei:  und  Kiad 
gefährlich  sei.  Da  nun  2ur  Zeil  der  Ankunft  de$  CJnrurgeu  JD. 
bei  der  Gebärenden  nicht  Gefalir  auf  Verzug  gehaflet  liabe« 
so  hätte  derselbe  seiner  luslrucliuu  gemäss  die  Ueiziehung 
eines  zweiten  Gebuitshelfers  verlangen  sojlen.  Der  Gebürtig 
helfer  habe  sonach  seine  Instruction  ubei'Schrilten.  Wolle 
oder  könne  u)«in  diese  Ueberschreitung  auch  damit  eui- 
schuldigen,  derselbe  habe  den  Fall  uiclit  richtig  aufgefasst, 
so  könne  doch  nie  nach  dem  misslungenen  ersten  Zangen- 
versuche  die  zweite  Zangenaperation  entschuldigt  werden. 
Somit  sei  klar,  dass  Chirurg  D,  bei  der  Ausführung  der  so 
unglückHch  abgelaufenen  Zangenoporatiouen  niclit  innerhalb 
der  Grenzen  der  ihm  zustehenden  Wirksamkeit  geliandelt, 
sondern  sich  auf  dem  Gebiete  der  geburlshulflichen  Pfuscherei 
bewegt   und  somit  seiner  Instruction  zuwidergehandelt  habe. 

Unterm  16.  Juli  1^47  stellte  das  k.  Appeliationsgericht 
von  Niederbayern  die  Ausführlichkeit  und  Gruodhchkeit  des 
gerichtsSrztlichen  Gutachtens  anerkennend  auf  Grund  des  vom 
Vertheidiger  des  Chirurgen  D.  gestellten  Antrages  dem  k.  Medi- 
cinalcomite  der  k.  Ludwigs  -  Maximilians  -  l'niversililt  Mfuiciien 
die  Acten  zu,  und  verlangte  eine  auf  die  Beantwortung 
foJgendeer  Fragen  sich  gründende  Revision  des  geriehts- 
ärztlichen  Gutachtens: 

1)  Ob  die  Gebärende  A,  eines  gewaltsamen  Todes  und 
zwar  an  den  im  ObductionsprotocoU  sub  A,  II.,  A.  17,  18, 
19  beschriebenen  Verletzungen  oder  welchen  von  diesen 
gestorben  sei? 

2)  Ob  Gewissheit  oder  nur  Wahrscheinhchkeil  vorhanden 
sei ,  dass  diese  Verletzungen  oder  welche  von  ihnen  von  dem 
Geburtshelfer  nn't  der  Zange  zugefügt  worden  seien? 

3)  Ob  dieselben  nicht  ebensowohl  von  selbst  (spontan) 
durch  Zerroissung  oder  Zerplatzung  in  Folge  krankhaften 
Zustandes  der  Gebärmutter  entstanden  sein  können? 

4)  Ob  die  der  Gebärenden  von  dem  Geburtshelfer 
zugefügten  Verletzungen  nothwendig  töddich  .seien  oder  nur 
zuweilen  den  Tod  zu  bewirken  pflegen? 


Mutter9(*heide  und  Harnblase  bei  der  Gebart.  ]g3 

5)  Ob  dies»eU)eu  ihrer  allgemeinen  NaiMr  nach  den  Tod 
bewirkteu  oder  nur  im  gegenwärtigen  Falle  wegen  ungewöhn* 
lieber  Leibesbescballenbeit  der  Beschädigten  oder  weg^p  zu- 
fälliger äusserer  Umstände  Ursache  des  Todes  gewesen  sind  ? 

6)  Ob  die  Verletzungen  unmittelbar  oder  mittels  einei' 
Zwischenursaclie,  welche  durch  jene  erst  in  Wirksamkeit 
gesetzt  worden,  den  Tod  veruisacht  haben? 

7)  Ob  der  Geburtshelfer  dei*  Gebärenden  die  fraglichen 
Verletzungen  aus  Mangel  oder  Vernachlässigung  der  zu  seiner 
Kunst  gehörenden  gemeinen  Kenntnisse  und  Fertigkeiten  zu- 
gei'ugt  habe? 

8)  Ob  es  möglich  oder  wahrscheinlich  sei,  dass  die 
Verletzungen,  welche  den  Tod  der  Gebärenden  zur  Folge 
g^abt  Ijatlen,  durch  die  Unruhe  und  Bewegungen  derselben 
während  der  Operation  lierbeigefübrt  worden  seien? 

9)  Ob  in  diesem  Falle  jene  Verletzungen  durch  vor- 
sichtiges Einbringen  der  Zangenlöfiel  auf  die  vom  k.  Gericht6- 
arzte  beschriebene  Weise  durch  das  Halten  derselben  wie 
eine  Schreibfi^der  hätten  vermieden  werden  können? 

10)  Ob  der  in  Frage  stehende  Gebm*t$fall  an  sich  als 
ein  für  Mutter  oder  Kind  lebensgefahrlicher  im  Sinne  der  aller- 
höchsten Instruction  für  die  Chirurgen  vom  25.  Januar  182ß 
§  14  lit.  h  und  §  lö  lit.  m  und  n  angesehen  werden  müsse, 
und  ob  hierbei  Gefahr  auf  Verzug  gehaftet  habe? 

Hedicinalcomit^gntachten.  ^) 
I. 
Starb  die  Gebärende  eines  gewaltsamen  Todes  und 
zwar   an  den  im    Obductionsprotocoll  sub  A.  IL 
A.  17,  18,  19  beschriebenen   Verletzungen  oder 
welchen  von  diesen? 
Das  Obductionsprotocoll  bietet  bei  genauer  Sichtung  der 
in    der   Leiche    gefundenen    anatomisch -pathologischen    Ver- 
änderungen   drei    Reihen    solcher    krankhafter    anatomischei 
Zustände  dar,  nämlich: 

1)  Abnorme  Zustände,  welche  als  Besiduen  eines  bereits 
abgelaufenen  Krankheitsprocesses  anzusehen  sind. 

1)  Von  mir  als  Referenten  entworfen ,  upd  in  obij^em  Wort- 
]ftnte  Tom  Collegiani  adoptirt«  Dr.  S. 


184  m*    ßofmantif  Zerreissong  der  Gebftrmiitter, 

Dahin  gehören  die  im  ObducliousprolocoU  sub  A.  IL, 
A.  3  beschriebenen  zahlreichen  Anlötbungen  des  die  Gebär- 
mutter an  ihrem  untersten  Segmente  überziehenden  Banch- 
feiles  an  die  innere  Fläche  der  die  Bauchmuskeln  überziehenden 
Bauchfellplatlc ;  ferner  die  nur  lockere  Verbindung  des  Bauch- 
felles mit  der  Gebärmuttersubslanz  an  der  unteren  Hälfte  dieses 
Oi^anes  mit  den  hier  befindlichen  Unterlaufungen  einer  gelb- 
lichen Sülze;  ferner  die  im  Obductionsprotoeolf  sub  A.  IL, 
A.  9  beschriebenen  Anlöthungen  der  Dünndärme  an  das  untere 
Gebärmuttersegment. 

2)  Abnorme  Zustände  neuer  Art,  die  erst  während  der 
Geburt  entstanden  sind. 

Dahin  gehören: 

a)  Die  im  Obductionsprotocoll  sub  A.  IL,  A.  16  be- 
schriebenen Einrisse  des  Scheidenlheiles  der  Gebärmutter  und 
die  Hinaufdrängung  eines  wallnussgrossen  Stückes  dieses 
Scheidentheiles  an  den  Kindskopf  entlang. 

b)  Ein  sub  A.  IL,  A.  17  des  Obductionsprotocolies 
beschriebener  falscher  Weg  am  Eingang  des  untersten 
GebärmuttersQgmentes  innerhalb  des  Bauchfelles  hinein,  dessen 
Umgebung  mit  Blut  unterlaufen  war,  und  der  sich  als  eine 
Durchstossung  oder  Zerreissung  der  Gebärmutter  an  ihrem 
untersten  Segmente  und  rechts  darstellt. 

c)  Ein  sub  A.  IL;  A.  18a  des  Ohductionspi*otocolles 
besch^ebenes  Loch  der  Mutterscheide,  von  welchem  aus 
dieses  Organ  einen  Zoll  weit  nach  innen  und  rückwärts  und 
rechts  von  seiner  normalen  Anheftung  an  die  vordere  Becken- 
wand losgetrennt  wurde. 

d)  Ein  sub  A.  IL,  A.  185  des  Obductionsprotocolies 
beschriebener  Einriss  rechterseits  in  der  Mutterscheide,  von 
welchem  aus  man  in  einer  Länge  von  V/i  Zoll  in  die  Höhe 
in  eine  Höhle  zwischen  der  Gebärmuttersubstanz  und  dem 
Bauchfelluberzuge  dieses  Organes  gelangte. 

e)  Ein  sub  A.  IL,  A.  20  des  Obductionsprotocolies 
beschriebener^  von  der  ebendaselbst  sub  A.  IL,  A.  17  be- 
schriebenen Verletzung  der  Gobärmutter  anhebender  und 
unterhalb  des  Bauchfelles  längs  der  Wirbelsäule  nach  aufwärts 
bis  zum  Magen  sich  erstreckender,  besonders  die  rechte 
Mutterseite  einnehmender  starker  Bluterguss. 


Mntierscheide  und  Harnblase  bei  der  Geburt.  185 

/)  Eine  sub  A.ll.,  A.  19  des  ObducitoDsprolocolles  be* 
schriebene  DordibabriiDg  der  Harnblage  an  ihnsr  Torderen 
Wand  nach  rechts  und  durch  eine  OelTnung  von  l^s  Zdi 
Lange  in  diesem  Organe  init  zerrissenen,  jedoch  nichl  Uvtig 
unierlaufenen  Wundrändern  gebildet  wurde. 

g)  Ein  sub  A  II.,  A.  2  des  ObduciionsproiocoHes  be- 
schriebener und  die  Gebärmutter  besonders  an  ihrer  hinteren 
Fläche  umspulender  Erguss  einer  harnähnlich  riechenden 
Flüssigkeit  in  die  Höhle  des  Bauchfelles ,  die  unzweifelhaft  als 
wirklicher  Harnerguss  anzusehen  ist. 

3)  Abnorme  Zustande,  die  in  der  eigenthumlichen  Be- 
schaffenheit der  Organe  selbst  begründet  ist. 

Dahin  gehört  die  sub  A.  IL,  A.  17  und  19  des  Ob- 
ductionsprotocoUes   erwähnte  Dünnwandigkeit  der  Harnblase. 

Was  nun  die  gestellte  Frage  betrifft,  an  welchen  dieser 
Verletzungen  und  Krankheitszustände  die  Gebärende  gestorben 
sei,  so  ist  Folgendes  darüber  zu  erwähnen: 

An  den  soeben  sub  No.  1  erwähnten  krankhaften  Zu- 
ständen ist  die  Gebärende  ebensowenig  gestorben,  als  an  der 
sub  No.  3  erwähnten  Dönnwandigkdt  der  Harnblase,^  denn 
diese  bestand  jedenfalls  schon  seit  l^benszeit,  und  die 
sab  No.  1  bezeichneten  anatomisch -krankhaften  Veränderungen 
sind  die  Spuren  eines  bereits  zum  Abschluss  gekommenen, 
getilgten,  und  also  vorübergegangenen  Krankheitsprocesses, 
die,  wäre  die  Frau  am  Leben  geblieben,  allenfalls  vielleicht 
im  Wochenbette  sich  hätten  geltend  machen  können,  denen 
aber  auf  das  stattgefundene  Ereigniss  nicht  der  mindeste  Einflass 
beizumessen  ist.  Es  bleiben  also  nur  noch  die  sub  No.  2 
erwähnten  Verletzungen  mit  ihren  Folgen,  welche  die  €»ebdrende 
getödtet  -  haben  können,  betreffs  welcher  aber  auch  eine 
Sichtung  nothwendig  ist. 

Die  sub  No.  2  a  vorbin  bezeichneten  Einrisse  in  den 
Muttermund  und  die  Scheidenportion  der  Gebärmutter  sind 
weder  durch  die  Substanz  des  Organes  durchdringend,  noch 
sonst  von  Bedeutung  und  kommen  ohne  allen  Nachtheü  bei 
vielen  Geburten  vor,  und  ihnen  kann  sonach  kein  Einfluss 
auf  den  erfolgten  Tod  eingeräumt  werden. 

Anders  ist  es  mit  den  sub  No.  2  lit.  b — g  vorbin  er- 
wähnten krankhaften  Zuständen,  bei  welchen  nicht  Mos  der 


•186  ^I'«    Hoff^tkn^  Zerreiwvn^  der  GebHrmiiUef, 

Mmid  in  der  Leiche,  soiidet*a  vor  Allem  der  EififiiH»s  der 
imglMif  n  Verletzungen  während  des  Leben»  gewürdigt  werden 
iMtea.  Dieser  Einllues  ofPenbarte  sieii  aiber  wHbrend  des 
LelMiia: 

1)  Durch  einen  von  aiteo  bei  der  Entbitiduog  aawesend 
gewesenen,  den  Geburlsbelfer  nicht  ausgeiioDimen,  zugestandenen 
Aluiflttse  nadi  ausseii,  der,  wenn  er  auch  nicht  ao  stark 
wir,  daes  man  behaupten  kann,  die  Frau  sei  an  Verblutung 
gestorben,  doch  jedenfalls  beträchtlich  genug  gewesen  ist, 
um  bei  einer  40  jährigen  Erstgebärenden  ein  fitwicht  in  die 
Whgschale  abzugeben. 

2)  Durch  einen  erst  bei  der  Section  zur  Oirenbarani; 
gekomluenen  Blnterguss  na<Qh  innen  in  die  Baucbh<klile  und 
eineft  Härnenguss  in  den  Bauehfellspck. 

3)  Durch  einen  so  bedeutenden  Eindruck  auf  das  Nerven* 
•System,  dasa  in  dei*  kürzesten  Zeit,  nacbdeui  die  fraglicben 
Verletzungen  geschehen,  die  Gebarende  collabirte,  in  Con- 
vulsionen  verfiel  und  mit  dem  Tode  abging. 

Es  01U8S  60»ach  die  ganze  Frage  entschieden  dahin 
beantwortet  werden,  dass  die  Gebarende  an  den  im 
Obduetionsprotacoll  sub  A,  IL,  A.  17,  18  be- 
aebrtebaäen  Verletzungen  der  Gebärmutter,  Nulter- 
soheide  und  Harnblase  und  den  nothwendig  mit 
ihnen  verbundenen  Folgen  eines  Harnergussea  in 
<iie  Höhle  des  Bauchfellsackes,  eines  Blutergusses 
•acb  innen  in  die  Bauchhöhle  hinein  und  nach 
auBsen,  und  einer  von  dem  Organismus  nicht  zu- 
überwältigen gewesenen  Rückwirkung  dieser  Ver- 
letzungen und  ihrer  nolhwendigen  Foigezustüade 
»uf  das   Nervensystem   gestorben   sei. 

11. 
Ist  Gewissheit  oder  Wahrscheinlichkeit  vorhanden, 
dass  diese    Verletzungen  oder  welche  von  ihnen 
der  Gebärenden  von  dem  Geburtshelfer  mit  der 
Zange  zugefügt  wurden? 
Zur  Beantwortung  dieser  Frage  mus$ 
1)  zunächst     erlogen     werden,     worin    die    Operativ- 
handlongen  des  Geburtshelfers  befitaaden  haben. 


Miiiteeacheide  und  H^riiblft««  b«!  der  Gebpfifc.  Ig7 

All«»  Operjkeii  des  GeburishijUenf  au  der  Gttbärendeo 
reducirl  sich  aber  auf  zwei  Reihen: 

a)  auf  Zaogcnversudie  vor  dßm  Tode  und 

b)  auf  die  Wendung  und  hiilbgescbebene  Extraciion  des 
Hindes  oacb  dem  Tode  der  Frau. 

2)  Es  mä'ssen  die  im  Obductionsprotocoll  sub  A,  IL, 
A.  17  und  18  beschriebenen  VerieCxungen  der  Gebärmutter 
und  Mutterscheide  einerseits  und  die  eben  daselbst  sub  A.  D., 
A.  19  bescbnebene  Verletzung  der  Harnblase  andererseits 
abgesondert  von  einander  ge^örcligt  werden. 

a)  Dass  die  Verletzungen  der  Gebärmutter  und  Mutter- 
scheide, wie  sie  das  ObductionsprotocoU  sub  A,  II.,  A.  17 
und  18  ausführhch  beschreibt,  nicht  nach  den^  der  Mutter 
hei  der  Wendung  und  halbgeschehenen  Extraction  des  Kindes, 
sondern  vor  dem  Tode  mit  der  Zange  zugefügt  worden  sind, 
dafür  spricht: 

cc)  Die  Stelle  der  Verletzungen,  di^  sämmtlith  i^i  der 
rechten  Mutlerscheide  sind,  wo  der  rechte  Zangenlöffel  gelegen 
halte. 

ß)  Die  allen  den  bezeichneten  Verletzungen  gleichmfl^sfgi' 
Form  und  Gestalt,  die  so  ist,  dass  das  obei*ste  End¥  des 
gebrauchten  ZangeelölTols  in  sie  hineinpasst. 

y)  Dk  Multiplicitat  der  Verletzun^'en.  Bei  einer  Wendung 
und  Extraciion  des  Kindes  zerreissl  weder  die  Scheide  an 
mehreren  SM^Hen,  wie  das  ObductionsprotocoU  sub  A-  l{-^ 
A.  18  nachweiset,  noch  auch  zugleich  mit  der  Scheide  die 
Gebärmutter;  sondern  bei  einer  Wendung   zerreisst  eotw^er 

aa)  die  Gebärmu^er  allein,  oder 

ßß)  die  Mutterscheide  aliein;  oder 

yy)  Gehärmuller  und  Multerscheide  reissen  in  mehr  odef 
weniger  horizontaler  Richtung  an  der  Stelle  von  einander  ab, 
wo  beide  Organe  mit  einander  verbunden  sind;  oder  endlich 

öd)  Gebärmutter  upd  Mutterscheide  reissen  zugleich,  aliei' 
nur  in  einem,  in  mehr  oder  weniger  der  LäügeDinasse  des 
weiblichen  Körpers  parallel  gehenden  Risse. 

d)  Die  BeschafTenheal  der  Verletzungen,  di«  alle  drei  s» 
sifld,  da&6  sie  sich  als  deutliche  Durcbslossungen  der  Organe 
mit  dem  obersten   Ende   des  rechten  Zftngeiddffejs  darsteUen, 


l88  '^''     Hofmann^  Zerreissung  der  GebXrmuUer, 

da  sie  alle  falsche  Wege  oder  Canäle  biMen,  (Ke  in  die 
Höhe  gehen. 

Aus  dieser  Erörterung  geht  hervor,  dass  die  im  Oh- 
ductionsprotocoll  sub  A,  IL,  A.  17  und  18  beschriebenen 
Verletzungen  nicht  gelegenheilKch  der  Wendung  und  halb- 
geschehener Extraction  des  Kindes  nach  dem  Tode  der  Nutter, 
sondern  noch  während  des  Lebens,  und  zwar  mit  dei*  Zange 
sind  angelegt  worden. 

b)  Die  im  ObduclionsprolocoU  sub  A,  IL,  A,  19  be- 
schriebene Verletzung  der  Harnblase  betreffend,  so  scheinen 
folgende  Gründe,  nämlich: 

«)  Die  Stelle ,  wo  sich  die  Vcrlelzung  vorfindet  (vordere 
Blasenwand  und  rechts)  und 

ß)  der  Mangel  an  Blulunterlaufuug  an  den  Wundrändern, 
da  bekanntlich  Blutaustritt  aus  Gefässen  fast  nur  während 
des  Lebens  und  in  der  Regel  nicht  nach  dem  Tode  geschieht; 

Dafür  zu  sprechen,  dass  diese  Verletzung  nicht  mit  der 
Zange  bei  Lebzeiten  der  Mutter,  sondern  erst  nach  dem 
Tode  bei  der  Wendung  und  halbgeschehener  Extraction  des 
Kindes,  oder  vielleicht  gar  erst  bei  der  Section  gelegenbeitlich 
der  Durchsägung  der  Schambeine  geschehen  sein  möge, 

gegen  solche  Annahme  sprechen  aber  folgende  Gründe: 
cf)  Die  Blase  war,  da  der  Geburtshelfer  vor  der  Zangen- 
aniegung  den  Katheter  nicht  appiicirte,  wenn  auch  nicht  ganz 
voU  Urin,  da  die  Frau  vor  oder  mit  dem  Blasensprunge 
während  der  Geburt  solchen  gelassen  haben  soll,  doch  gewiss 
auch  nicht  ganz  leer.  Dies  beweiset  das  Obductionsprotocoll 
selbst  .sub  A,  IL  A.  7  und  der  in  die  Bauchhöhle  geschehene 
Hinaustritt  von  Urin  (Obductionsprotocoll  sub  A,  H.  A.  2). 
In  dem,  wenn  auch  nur  halbgefüllten  Zustande  war  aber  die 
Blase  genugsam  ausgedehnt,  um  von  dem  auf  sie  drückenden 
Kindskopte  nach  rechts  hinübergedrängt  und  durch  diesen 
Druck  zugleich  so  dislocirt  zu  werden,  dass  ihre  vordere, 
in  nicht  beschränkter  Lage  der  vorderen  Beckenwand  zu- 
schauende Wand  von  dieser  sich  entfernte  und  seitwärts 
drehte,  wodurch  sie  für  den  Zaiigenlöffel  erreichbar  wurde. 

ß)  Es  ist  zwar  wahr,  dass  jeder  im  Leben  geschehenen 
Verletzung  Blutaustritt  in  die  benachbarten  Theile  folgt,  aUein 


Malteraeheide  and  HarablMe  bei  der  Gebort,  lg9 

die  Blasen wandungisn  sind,  abgesehen  von  den  paar  Haupt- 
gefässeu,  die  sie  durchziehen,  im  Allgemeinen  blutarm,  und 
die  Verletzung  selbst  war  eine  gerissene  Wunde,  bei  welcher 
sich  die  zerrissenen  Gefässe  in  sich  selbst  zurückziehen,  so 
dass  aus  diesen  beiden  Gründen  der  Mangel  eines  Blutergusses 
in  die  nächste  Umgebung  der  Harnblasen  wunde  wohl  erklarli^sb 
und  nicht  auffallend  wird. 

y)  Die  Annahme  eilaer  bei  der  Section  gelegenheitlich 
der  Durchsägung  der  Schaambeine  geschehenen  Zerreiasung 
der  Harnbbse  war  eine  willkürliche,  durch  nichts  zu  he* 
weisende  Behauptung,  denn  weder  erwähnt  dieses  Umstandes 
das  Obductionsprotocoll,  noch  ist  man  bei  der  Umsicht  und 
der'  Genauigkeit,  mit  der  der  k.  Gericbtsarzt  die  Section 
leitete,  zu  einer  solchen  Annahme  berechtigt. 

Aus  diesen  Gründen  wird  es  wahrscheinlich,  dass  die 
Verletzung  der  Harnblase  nicht  nach  dem  Tode  der  Mutier 
überhaupt,  sondern  noch  während  ihres  Lebens  geschehen 
sei.  Diese  Wahrscheinlichkeit  wird  aber  zur  Gewissheil  er- 
hoben, wenn  mau  die  Form  der  Wunde  betrachtet.  Das 
Obductionaprotoeoll  beschreibt  sub  A.  II.  A.  19  die  Wunde 
als  eine  gerissene  und  von  der  Form  wie  die  übrigen  Ver^ 
letzungen  der  Scheide  und  Gebärmutter,  so  dass  kein  Zweifel 
darüber  entstehen  kann,  dass  nicht  auch  diese  Verletzung 
der  Harnblase  mit  der  Zange  angelegt  worden  sei. 

Wir  glauben  somit  die  uns  gestellte  Frage  unbedingt 
dahin  beantworten  zu  müssen,  dass  alle  im  Obductions- 
protocoll sub  A,  H.  A.  17,  18,  19  verzeichneten  Ver- 
letzungen der  Gebärmutter,  Mutterscheide  und 
Harnblase  von  dem  Geburtshelfer  der  Gebärenden 
mit  der  Zange  zugefügt  worden  sind. 

m. 

Können  die  genannten  Verletzungen  nicht  auch  von 

selbst   (spontan)    durch   Zerreissung   oder  Zer- 

platznng    in    Folge    des    krankhaften    Zustandes 

der  Gebärenden  entstanden  sein? 

Zur  Beantwortung  dieser  Frage  wird  es  wiederholt  noth- 

wendig,  die  im  Obductionsprotocoll  sub  ud.  IL  A,  17  und  18 

verzeichneten  Verletzungen   der  Mutterscheide   von  der  eben- 


190  m*    Boßnonn,  Zerreltttitig  d«r  Oebtrmntier, 

dipselbdt  sttb  ^.11.  A.  19  bescbriehenen  Yeiietiiung  4er  ffiarn- 
blase  gesondert  z«  betrachten. 

1)  Dass  dlie  Verletzangen  der  Gehärimrtter  uöd  Mutter- 
scheide  (Ohdiiottonsprotoco]!  sfib  A:  H.  A.  17,  18)  nicht 
spontan  derch  Zer|)1at7.utig  oder  Zerreissting  der  betreffenden 
Theile  entstanden  sind,  daffir  spriolit  Folgendes: 

a)  Zerreissl  eine  Gebärmutter  oder  Miitterscheide  spontan 
während  der  Geburt,  so  sind  diese  Organe  entweder  in  einem 
gesunden  oder  kranken,  in  beiden  FäHcn  in  einem  durch  die 
Section  nachweisbaren  Zustande.  Nirgends  im  Obductions- 
protocol^  ist  bemerkt,  -dass  die  Gebärmatter  oder  Mutter- 
scheide Spuren  eines  kranken  Zustandes  an  sich  getragen 
ballen;  im  Gegentheil  das  ObduetionsprotocoU  beschreibt  suh 
^.  U,  A.  10  die  Gebärmutter  von  normaler  |)icke  und  die 
ebendaselbst  sub  A.  II.  A.  5  und  6  beschriebene  Einschnu- 
rang  des  Organes  in  seiner  Mitte  (am  Körper)  ist  nnr  dem 
(Imstande  zuzuschreiben,  dass  zu  der  Zeit,  als  der  obdocH 
rende  t«.  GerfchCsarzt  während,  der  Section  diese  fragliche 
Einschnüning  wahrnahm,  die  obere  Hilfte  der  Gebärnmitter 
le^,  die  untere  aber  von  dem  noch  theil weise  darin  befind- 
liehen  Kind^  und  Fruchtwasser  angefont  war.  Es  ist  sonach 
unbedhigl  anzufiehmen,  dass  <He  Gebärmutter  und  Matter- 
scheide  der  Gebärenden  gesund  waren.  Eine  gesnnde  Gebär- 
mutter und  Mutta*scheide  zerreisst  aber  bei  der  Geburt  nur 
dann  sj)ontan,  wenn  erstere,  durcli  irgend  ein  mechanisches 
Hindemiss  in  der  Austreibung  der  Frucht  gehemmt,  ihre 
Kraftäusserung  auf  den  höchsten  Grad  entwickelt,  ohne  dieses 
Hinderniss  überwältigen  zu  können.  Dies  war  aber  bei  der 
vorliegenden  Geburt  nidit  der  Fall,  denn 

a)  die  Section  ergab  ein  gegen  die  Grössenverhältnisse 
des  Kindes  entsprechend  geräumiges  ßecken  (Obduetions- 
protocoU sub  A.  II.  A.  22  niul  B.  5  und  6)  und 

ß)  wenn  auch  über  den  Grad  der  WehenthAtigkeit  von 
der  ersten  Zangenanlogung"  die  Aussagen  der  Zeugen  wider- 
sprechend sin^,  so  geht  doch  soviel  mit  Gewissbeit  aus 
diesen  Angaben  hervor,  dass  die  Gebärende  zu  der  eben  er- 
wlihi^e^  Zeit  weit  davon  entfernt  war,  den  vorlihi  bezeich- 
neten hohen  Gi»ad  entwickelter  Wchenihätigkeil  gezeigt  zu 
heben,   wie   er  zur  Hervorbringung  spontaner  Zerreissungen 


MntteraelMiile  Qttü  Haro1>kiM  bei  der  €kbttfl.  tgl 

einer) geMinden  Gebirmutter  und  Miitterscfaeideibei  Gebären- 
den als  notbwiRndig  vorbanden  Toranegesetzt  -werden'  mii»».  • 

b)  Die  Vielfacbheit  der  bei  der  Obductiort  g^fandenen 
Zerreieeungen« 

Es  gut  nämlich  för  spontane  Zerreissungen  der  Geber-* 
niutter  und  Matterschetde  während  der  Geburi  Daesefln^  was 
von  der  Zerreissung  dieser  Organe  bei  der  Wmdung  gelefpen-* 
beillich  der  Beantwortung  der  zweiten  Frage  siib  No.  2  <ju  j 
gesagt  worden  ist. 

c)  Endlich  darr  nicht  ausser  Adit  gelassen  werden,  dass 
^w  in  dei*  Gebärmutter  und  Mutterscheide  anfgefondeneii 
Risse  go^de  die  Grösse  des  obersten  l'beiles  des  gebraocbten 
Zangenidffels  haben. 

Es  wäre  th  der  Tbat  ein  niebt  denkbares  Zusammeki^ 
treffen  von  ZuftUigkeiten ,  dass  eine  geswide  Gebäramile^ 
and  Mntlepscheide  bei  nicht  obwaltenden  mecbanisebe»  fie<» 
burtshindernissen  und  verhäknjssinassig  nicht  starb  entwichet 
ten  Wehentliätigkeit  an  mehreren  Stellen  avgleieh  spontan 
reissen,  und  jeder  dieser  Risse  in  seiner  Fonn,  Gestatt.  und 
Ausdehnung  dem  obersten  Ende  der  gebrauchten  Zanfs  wie 
ein  Ei  dem  andern  gleichen  sollte* 

Wir  glauben  somit  bewiesen  au  haben,  das»  die  im  Ob4 
duetionisprotocoll  sub  A.  IT;  A.  17  und  18  besefariebenen 
Verletiungen  der  Gebärmutter  und  Muttei^scheide  nicht  spbntan 
haben  entstehen  können« 

2)  Die  Verletzung  der  Harnblase  betreffend  (Obduotions^ 
pi'otocoU  A,  IL  A.  19),  so  möchte  es  im  ersten  Augenblicke 
plausibel  erscheinen,  dass  diese  hätte  spontan  entstehen 
können  t  4enii 

a)  das  Ob.ductionsprotocojl  nennt  sub  4*  "-  ^-  '^  ^iP^l  13 

die  Blasenwämle  dünn,  i^nd 

h)  die  Blase   war,    wie   bei  Gelegenheit  der  Beantwortung 

der  zweiten  Frage  sub  %.  b.  a   dargethan   worden  ist, 

gei^i^s.  h?)!)«  wen»  iiicbt  ganz  mit  Urin  g^fftllt,  ; 

Mnd  beide  Umstände  in  Vereinigung  miteinander  o>jtfsen  oQen- 

\m  die.EotiStelkuag  eines. sp^Oit^neili  Risses  in  d«r  Harnt^lase 

begunaligen.    Dagegen  ist  aber  zu  erioi^rn:  Wie  vieile  VV^ber, 

d^re»  Harnblase  diinowandig  und  bei  der  Geburt  inifr  Urin 

gefüllt  ist,  mag  es  geben,  die.  schon  geboren  haben  umü  npcb 


183  III.   Mo/mann  t  Zerreisssng  dar  GebftraiQttor, 

gebären  werden,  ohne  dasä  deswegen  bei  ihnen  die  Harn- 
blase während  der  Geburt  spontan  zerreisst.  Es  gehört  also 
offeid>ar  noch  etwas  Anderes  dazu,  um  eine  dünnwandige, 
mit  Urin  halb  oder  ganz  gefüllte  Blase  zur  spontanen  Zer- 
reissung  zu  bringen,  als  die  Duonwandigkeit  und  die  Drin- 
aafölhmg  der  Blase  allein.  Dieses  Andere  während  der  Geburt 
kann  wieder  nur  eine  energisch  entwickelte  Wehenthatigkeit 
^in,  die  den  Kindskopf  nach  abwärts  gegen  die  Beckenböble 
drängt,  und  die  dünnwandige  und  mit  Urin  gefüllte  Blase  so 
in  die  Enge  treibt,  bis  sie  endlich  berstet.  Eine  solche  starke 
Wehenthatigkeit  war  aber  in  dem  vorliegenden  Falle  nicht 
vorhanden,  und  also  auch  keine  Gelegenheit  zur  spontanen 
Zerreissung  der,  wenn  auch  dünnwandigen  und  mit  Urin  ge- 
füllten Blase  gegeben,  ganz  abgesehen  von  dem  sonderbaren 
Zufalle,  dass  ein  spontaner  Riss  gerade  dem  gebrauchten 
ZangenKffel  und  den  übrigen  Verletzungen  der  Gebärmutier 
und  Hutterscheide  ganz  entsprechende  Form,  Grösse  und 
Gestalt  sollte  erhalten  haben. 

Es  ist  somit  zur  Genfige  bewiesen,  dass  auch  die  Ver- 
letzung der  Harnblase  nicht  von  selbst  entstehen  habe  können 
und  wir  nehmen  daher  auch  keinen  Anstand ,  diese  ganie 
Frage  unbedingt  dahin  zu  beantworten,  dass  die  im  Ob- 
ductionsprotocoll  sub  A.  IL  A.  17,  18  und  19  ver- 
zeichneten Verletzungen  der  Gebärmutter,  Mutter- 
scheide und  Harnblase  ohne  Ausnahme  nicht  spon- 
tan entstanden,  sondern  von  dem  Geburtshelfer 
der  Gebärenden  mit  der  Zange  zugefügt  worden  sind. 

IV. 

Sind  die  der  Gebärenden  von  dem  Geburtshelfer 
zugefügten  Verletzungen  nothwendig  tödtlich 
oder  pflegen   sie  nur  zuweilen  tödtlich  zu  sein? 

und 

V. 

Bewirkten  dieselben  ihrer  allgemeinen  Natur  nach 

den  Tod   oder   sind    sie   nur   im   gegenwärtigen 

Falle  wegen   ungewöhnlicher  Leibesbescbaffen- 

heit  der  Gebärenden  Ursache  desTodes  gewesen? 

•    Wir  glauben,  diese  beiden  Fragen  in  Eine  Antwort  zu^ 

sammenfassen   zu   müssen,    weil  ihr  Sinn   fast  gleichlautend 


Mtttiersoheide  und  Harnblasd  bei  der  Oebuft.  1S0< 

ist,  und  man  nur  b«i  Beantwortung  der  zweiten  Frage  in 
Wiederholung  des  schon  bei  Beantwoilung  der  efsteii  Prt^e 
Gesagten  fallen  wurde. 

Zur  Beantwortung  dieser  beiden  Fragen  wird  es  niobi, 
wie  bei  Beantwortung  der  früheren  Fragen  notbw^ndig ,  die 
Verletzungen  der  Gebärmutter  und  Mutterscheide  einer-  und 
die  der  Harnblase  andererseits  getrennt  zu  betrachten,  sondern 
sie  vielmehr  in  ihrer  Totalität  aufzufassen,  und  zwar  im  Zu- 
sammenhang mit  ihren  unmittelbaren  und  notbwendigen  Folgen. 
Es  kommen  hierbei  folgende  Momente  in  Betracht: 

1)  Die  Wichtigkeit  jeder  Körperverletzung  richtet  sieh 
grossentheils  nach  der  Dignitit  des  verletzten  Organes.  Nun 
ist  aber  zu  keiner  Zeit  des  Lebens  die  Gebärmutter  von  so 
hoher  physiologischer  Bedeutung,  als  gerade  während  des 
Gebäractes,  ja  dieses  Organ  ist  während  dieses  geschlecht- 
lichen Actes  Ton  so  hoher  physiologischer  momentaner  Be- 
deutung, dass  alle  andern  Organe  des  Körpers  in  ihren  An- 
forderungen gegen  dieses  herrschend  gewordene  Organ  augeur 
hlteklicb  zunVcksteben  müssen,  und  dass  es  gleichsam  alle 
übrigen  Organe  und  Systeme  beherrscht.  Es  zeigt  daher  audj 
die  Erfahrung,  dass  jede  Verletzung  der  Gebärmutter  während 
des  Geburtsgescbältes  von  der  allergrössten  Bedeutung  und 
den  inhaltsschwersten  Folgen  ist. 

2)  In  dem  concreten  Falle  haben  wir  es  mit  keiner 
einfechen  und  gutartigen  Verwundung  zu  tbun,  sondeni  die 
Gebärmutterwunde  ist  laut  ObduclionsfMrotocoU  aub  A.  ILA.  17 
und  nach  ihrer  Entstebuig  eine  gertsaene  Wunde,  wetehe 
-bekanntlich  nebst  den  Quetsdiwundea  die  bedenklichste  Wuiid- 
fom  istf  die  die  Qirurgie  kennt. 

3)  Wenn  wohl  zugegeben  wei*den  kann,  dass  in  sehr 
seltenen  Fätten  Zerreissungen  der  Gebärmutter  während  der 
Geburt,  bewirkt  unter  dem  Zusammentreffen  ganz  beaoodei's 
gdnstiger  Uinstände  zur  Heilung  gebracht  worden  isind,  so 
kann  dieser  Umstand  doch  nicht  hier  geltend  gemacht  wei»defi> 
wo  die  mit  der  Zange  bewirkte  Durchstossung  des  unteren 
GebSrmntteriegments  nicht  als  isolirte  Verietaung  daaleht, 
sondern  vergesellschaftet  mit  einer  Bweimatfgen  DorchbeJHtng 
der   Mutterscheide   OOfcductionsptotocoll   sub  A.  II.  A.  18), 

Itonftüithr.f.  UebttrUk:  1865.  B<.  XXV.,  Bttppl.-H«l.  13 


194  II^-    Hofmann,  ZerreUsang  der  OebHrmutter, 

mit  «hier  Z«rreisQUiig  der  Uarublase  (Obductioiisproloeoli  sub 
A.  n.  A.  19)  und  sut  einer  Harnergiessung  in  die  HdUe  des 
Bauchfellsackes  (Obductionsprotocoll  sub  A.  H.  A.  2.),  uod 
endlich  noch  mil  eifiem  Blutextravasate  iu  die  Baucfabölile 
uiUerh«lb  des  Bauchfelles  (Obductionsprotocoll  sub  A II.  A.  20), 
welche  Verletzuiigefi  und  Folgezustande  nicht  isolirt  in  ihrer 
Bedeoltiiig  gewürdigt  werden  können,  sobald  es  sich  um  die 
Frage  der  Möglichkeit  ihrer  Heilung  handelt 

4)  Auf  gleicher  Stufe  der  Bedeutsamkeit  wie  die  Gebär- 
mutterverletzung steht  die  Verletzung  der  Harnblase  mit  dem 
Harnergusse  in  die  Bauchhöhle  (Obductionsprotocoll  sub  A. 
II.  A.  2  und  19),  welche  nach  allen  bieröber  vorKegendeo 
Erfehrungen  zu  denjenigen  Verletzungen  gezahlt  werden  musü, 
die  absolut  tödtlicb  sind. 

5)  Die  im  Obductionsprotocoll  sub  A.  II.  A.  18  be- 
schriebenen Zerreissungen  der  Mutterscbeide  sind  zwar  solche 
Verletzungen,  die  ebenfalls  unter  dem  Zusammentreffen  ganz 
besonders  günstiger  Umstände,  wohin  ganz  besonders  ihr 
Isolirlsein  gezählt  werden  muss,  vielleicht  zur  Heilung  biUea 
gelangen  können;  allein  vereint  mit  den  bereits  erwähnten 
Verletzungen  der  Gebärmutier  und  der  Harnblase  und  mit 
ihren  Folgezuständen  eines  Urin-  und  Blutergusses  in  die 
Bauchhöhle  ist  an  eine  solche  Möglichkeit  nicht  m  denken, 
und  sie  geben  ofienbar  ein  Gewicht  melir  iu  der  Waagschale 
zur  Abwägung  des  tödtlichen  und  nichttödtlicben  Ausganges 
der  zagefugten  Verletzungen. 

6)  Die  schon  bei  Beantwortung  der  ersten  Frage  sub 
iNo.  1  verzeichneten  Befunde  in  der  Leiche  lassen,  wie  scboa 
das  gerichtsärztliche  Gutachten  sub  IL  10  mit  allem  Rechte 
hervorhebt,  auf  einen  früheren,  zur  Zeit  der  Geburt  bereits 
abgelaufenen  Krankheitsprocess  schliessen.  Da  nun  von  eioei* 
besÜinnHfen  Krankheit  der  Verstorbenen  vor  der  loteten 
Schwangerschaft  nirgends  in  den  Aden  die  Rede  ist, 
wM  aber  von  allen  betlieiliglen  Personen  ein  ungeiShr  vier 
Wochen  vor  dem  Ableben  erfolgtes  Ei*kranken  der  Schwan- 
i;tl*0n  erwähnt  wird,  rucksichtlich  dessen  aber  die  Aussagen 
devjefiigen  Personen,  die  darum  wissen  konnten  und  mussten, 
gans  ans  im  Dimkebi  lassen,  so  wird  es  aus  den  in  der 
Leiche    aufgefundenen   Residuen    dieses   Kranklieitsprocesses, 


Mattersoheide  und  Harnblas«  bei  der  Oebttrt.  195 

die  sclion  der  k.  Gerichtearxt  in  seioem  GuUcbton  sub  il.  10  - 
hei*vorhebl,  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese  Krankheit  «m 
vom  Chirurgen  D,  zwar  richtig  behandelte,  aber  doch  Jiiciit 
erkannte  Bauchrellentzünduog  geweses  seL  Wir  atiauDen  bier 
aber  durchaus  mit  der  gericbtsarztiichen  Ansicht  (Gutaebten 
sub  IL  10)  äberein,  dass  den  hierdurch  in  den  Unterleibs- 
Organen  gebildeten  Veränderungen  durchaus  kein  EinAuss  auf 
den  iethalen  Ausgang  der  der  Gebärenden  zugefdgien  Ver« 
letzungen  eingeräumt  werden  dürfe,  denn  der  Tod  erfolgte 
SO  rasch,  dass  die  Spuren  dieses  während  der  Seh  waager«* 
Schaft  zu  Ende  geführten  Krankbeitsprocesses,  die  überhaupt 
erst  vielleicht  im  Wochetd>ette  sich  hätten  geltend  maohett 
können,  momentan  in  gar  keinen  Anschlag  komafien  koanlcii. 
Nach  diesen  Ei*örterungen  sehen  wir  uns  denn  zu  dem 
A'ussprudie  bere<^tigt,  dass  die  inl  Obduclionsprotö^ 
colle  sub  Ä.  II.  A.  17,  18,  19  beschriebenen  Vejr^ 
letzungen  der  Gebärmutter,  Mutterscbeide  und 
Harnblase  mit  ihren  unmittelbaren  Folgeereignissen 
eines  Harn-  und  Blutergusses  in  i\9i  Bauchhöhle 
(Obductionsprotocoll  sob  A,  U.  A.  S,  20)  ihrer  all«- 
gemeinen  Natur  nach  stets  absolut  und  nothwen- 
dig  tödtlich  sind,  so  zwar,  dass  jedes  Weib  von 
jedem  Alter  und  jeder  Körperbeschaffenheit  ohne 
Ausnahme  ihnen  in  kürzester  Zeit  hätte  erliegen 
müssen. 

VI. 

Haben  diese  Verletzungen  unmittelbaV  oder  mittelst 
einer  Zwischenursache,  welche  dur&h  sie  erat 
in  Wirksa^mkeit  gesetzt  worden  ist,'  den  Tod 
verursacht? 

Zur  Beantwortung  dieser  Frage  wird  es  vor  Allem  noth- 
wendig,  den  individuellen  Körper-  und  Gesondheitscustand 
der  Verletzten  zur  Zeit  ihres '  Ablebens  gehörig  ia'a  A4ifiL^ 
zu  fassen. 

.  Nach  Aussage  des  Ehemannes  hatte  die  Ehe  mit  «ler 
Verstorbenen  17  Jahre  gedauert,  und  war  Letztere  40  Jahre 
alt  und  wohl  auch  darfdier,  denn  ein  legaler  TedtUDSchein 
fddt  bei  den  Acten.    Sie  hatte  bereits  früher  lOtKindc»  ge- 

IS* 


196  IIV«    Hoßnann^  Zerr^issting^  der  OebKrmiitter, 

-bordi,  und  war  im  Aitgemeinen  gesund.  Audi  rerKefen  ihre 
MHiere»  Schwangerschaften  und  Geburten  ohne  besondere 
Aosläiide,  mit  Ausnahme  einer  hier  nicht  in  Anschlag  zu 
hmgimdeB  kdnsüichen  Lösung  der  Nachgeburt  bei  der  fönflen 
tieiNiit.  Nur  die  letete  Schwangerschaft  war  mit  mehr  Be* 
sehwerden  und  wirkliehem  Unwohlsein  rerbunden,  wie  wir 
schon  bei  Beantwortung  der  vorigen  Frage  sub  No.  6  dar- 
gelhan  haben. 

Ein  Weib,  welches  innerhalb  einer  17 Jährigen  Ehe  11 
Kinier  gebärt  und  bei  seiner  elften  ScbwangerschafI  bereits 
io  den  Vierzigern  ist,  muss  nothwendigerweise  in  seinem 
Mräfiesustand  lierabgekonimeu  sein.  Dass  dies  bei  der  De- 
fiMKlMi  der  Fall  war,  geht  aus  dem  ganzen  Geburtsverlaufe 
his  zur  erstmaligen  Zangenanleguog  auir  Genüge  hervor.  In 
einem  so  entkräfteten  Individuum,  wie  die  Gebäreade  war, 
musß  ieder  Eingriff  von  Verletzungen^  wie  die  genannten,  in 
seinen  Folgidn  um  so  vernichtender  sein,  als  schon  ein  mit 
jeder  Verletzung  verbundener,  selbst  verhältoissmässig  ge- 
ringer Blutverlust  vom  Organismus  nicht  «rtragen  wird  und 
R^otioo  in  der  Sphäre  des  Nervensystems  ItervorrufL  Alle 
dietSß  Momente  concarriren  im  gegenwärtigen  Falle,  und  vir 
spi^cb^n  .daher  auch  unsere  Ueberzeugung  dahin  aus,  dass 
4ie  angelegten  Verletzungen  unmittelbar  und  ohne 
Einvifirku«!^  eii^er  Zwischeoursache«  die  durch  sie 
erst  in  Wirksamkeit  gesetzt  worden  wäre,  tödtlicb 
waren. 

VII. 

Rat  der  Geburtshelfer  der  Gebärenden  die  frag- 
lichen Verletzungen  aus  Mangel  oder  Vernach- 
lässigung der  zu  seiner  Kunst  gehörenden  ge- 
meinen Kenntnisse  oder  Fertigkeiten  zugefügt? 

Wir  glauben  diese  Frage  so  wie  sie  gestellt  ist,  nicht 
beMitwotten  zu .  kdnnen,*  sondern  eine  Vorfrage  Torausschicken 
zu  müssen,  und  diese  Vorfrage  betrifft  den  Maassstab,  der 
«ir  Ermilleluiig  der  Schuld  des  Chirurgen  i>.  an  den  frag- 
lichen VerleüBungen  angelegt  werden  solk  8oIl  der  Gbirarg 
D.  vor  dem  Forum  der  einzigen  und  alleinigen  Wissen- 
scbaA  oAbt  vor  dem  Forum  der  Wissenschaft  zur  Rechen- 


Mntteracheide  und  Harnblase  bei  der  Gebort.  197 

Schaft  gezogen  werden,  die  er  sich  in  seinen  Lebens-  und 
Slandesverhäitoissen  eigen  machen  kannte?  —  Da«  ist  die 
grosse  Vorfrage,  die  zuerst  getöst  werden  mus«,  ehe  wir  m 
die  Beantwortung  der  Hauptfrage  gehen  können. 

Wir  glauben  das  Letztere,  denn  es  wäre  unbillig,  von 
Jemandem  mehr  zu  fordern,  als  er  wissen  kann.»  Itätjte 
Chirurg  D.  regelrechte  Studien  gemacht  und  die  Medicin  in 
ihrem  ganzen  Umfange  studirt  und  absolvirt,  so  wurden  wir 
keinen  Anstand  nehmen,  von  ihm  die  strengste  Rechenschaft 
zu  fordern,  die  man  nur  immer  zu  foitlern  berechtigt  isL 
Chirurg  D,  hat  aber  nur  an  einer  der  ehemals  bestandeneu 
chirurgischen  Schulen  seine  Studien  gemacht.  Nun  geht  aber 
aus  dem  allerhöchsten  Ediae  über  die  innere  Einrichtung 
der  chirurgischen  Schulen  vom  25.  Jänner  1823  hervor  und 
ist  allseitig  zur  Genüge  bekannt,  dass  es  der  Zweck  dieser 
Schulen  nicht  gewesen  ist,  Aerzte  im  eigentlichen  und  höch- 
sten Sinne  des  Wortes,  sondern  blos  Chirurgen  und  Gei)ur(&- 
helfer  zu  bilden.  Dass  aber  Chirurgie  und  Geburt^hülfe 
nimmermehr  von  der  Medicin  in  der  allumfassendsten  Bedeu- 
tung dieses  Wortes  sich  emancipiren  konnten,  noch  je  können 
werden,  ist  ebenfalls  zur  Genüge  bekannt,  und  gerade  durch 
diese  chirurgischen  Schulen  dargethan,  und  es  war  somi^ 
nothwendig  in  der  Einrichtung  derselben  selbst  gelegen,  dass 
die  aus  ihnen  hervorgehenden  Zöglinge  weder  in  wissen- 
schaftlicher, noch  praktischer  Beziehung  entsprechen  konnten. 
Allein  an  Allem  dem  ist  der  Angeschuldigte  nicht  schuld, 
denn  alle  jene  Kenntnisse  und  Fertigkeiten,  die  er  sich  in 
einer  Anstalt,  welche  es  nicht  auf  ganzes,  sondern  u(ur  tbeil- 
weises  Wissen,  nicht  auf  allumfassende,  sondern  nur  theiU 
weise  Kenntnisse  abgesehen  hatte,  erwerben  konnte,  hatte  er 
sich  erworben,  wie  das  Approbationszeugniss  nachweist»  laii|l 
welchem  er  sich  die  Note  „gut*',  d.  h.  die  dritte  Note  im 
Abeoluiorio  erworben  hatte.  Ob  ihn  Mangel  an  Fähigkeiten 
oder  Fleiss  hinderten,  sich  während  seinei*  Studienzeit  mehr 
Kenntnisse  zu  erwerben,  haben  wir  hier  nicht  zu  unter- 
suchen. Das  Factum  ist  und  bleibt,  dass  die  diirurgische 
Schule  zu  J.  den  Zögling  D.  mit  der  letzten  Note  absolvirte, 
und  dass  die  k.  Staatsregierung  durch  Ertheilung  der  Licentia 
practicandi  nach  Maassgabe  der  allerhöchsten  Instruction  für 


198  m»    Hofmann,  Zerreissung  der  GebKrtimtier, 

Chirurgen  vom  26.  Jftnner  1823  dieses  Absohitoriuin  bono- 
rirte.  Ist  dies  aber  einmal  geschehen,  so  föllt  aueh  nicht 
alle  Schuld  f&r  die  daraus  liervorgehenden  Folgen  auf  den 
Chirurgen  D.  allein,  sondern  auf  die  staatlichen  Einrichtungen. 

Dies  sind  die  Gründe,  warum  wir  glauben»  dass  bei 
Abwlgilng  des  Schuldqnantums  des  Chirurgen  D.  an  die  der 
Gebärenden  zugefügten  Verletzungen  nicht  der  strenge  Maas- 
stab wissenschaftlicher  Aus-  und  Durchbildung,  sondern  der 
einer  ungenügenden  Wissenschaft  angelegt  werden  muss,  als 
welche  nach  den  Studien,  die  er  gemacht  hatte,  Chirurg  ß. 
sich  nicht  mehr  erwerben  konnte.  Dies  halten  wir  für  den 
einzig  wahren  Standpunkt,  von  dem  aus  das  Verfahren  und 
die  Schuld  des  Chirurgen  D,  gewürdigt  werden  muss  und 
zur  Gewinnung  dieses  Standpunktes  hielten  wir  diese  Vor- 
erörterung fQr  nothwendig. 

Auf  welcher  Bildungsstufe  übrigens  Chirurg  2>.  mit  seinen 
geburtsbülflichen  und  medicinischen  Kenntnissen  stehe,  geht 
aus  den  eigenen  Worten  zur  Genüge  hervor.  Seine  Aussagen 
sind  nämlich  der  Art,  dass  sie  zur  Genüge  beurkunden,  der- 
selbe habe  entweder  gar  keine  oder  wenige  Begriffe  und  Vor- 
stellungen von  dem  physiologischen  und  pathologischen  Verlaufe 
einer  Geburt  und  wisse  zwar  die  ihm  eingetrichterten  Schul- 
regeki  so  ziemlich,  ohne  jedoch  das  Judicium  zu  besitzen, 
dieselben  einem  concreten  Falle  anzupassen  —  lauter  Umstände 
welche  die  nothwendigen  Folgen  einer  ungenügenden  und  ein- 
seitigen Bildung  an  einer  chirurgischen  Schule  sind. 

Zur  Conslatirung  der  Schuld  des  Chirurgen  Z>.  müssen 
sein  Handeln  und  der  Erfolg  seines  Handelns  von  einander 
nothwendigerweise  geschieden  werden. 

1)  Die  Handlungsweise  des  Chirurgen  D,  bei  der  Geburt, 
die  einen  so  üblen  Ausgang  nahm,  betreffend,  so  finden  wir 
bloss  einen  Punkt,  worin  er  zu  tadeln  ist,  nämlich,  dass  er 
den  MissgrifT  machte,  mit  der  Zange  die  Gebuit  zu  einer  Zeit 
beendigen  zu  wollen,  wo  die  Möglichkeit  dazu  noch  nicht 
gegeben  war.  Dass  aber  dies  ein  wirklicher  Missgriff  war, 
geht  aus  folgenden  Gründen  hervor. 

a)  Der  Zustand  der  Gebärenden  zur  Zeil,  als  Chirurg  D, 
die  Behandlung  des  Geburlsgeschäftes  in  die  Hand  nahm,  war 
so,  dass  ausschliesslich  btos  von  einer  medicinischen  Behandlung 


Matt«riif*bHde  und  Hambkise  bei  der  Gebart.  199 

des  Falles,  nie  in  Operaltveingrifreii  Heil  zu  erwarten  war. 
2or  Beurtbeihing  eines  solchen  Zustandes  gehören  aber  um- 
fiissendere  medicinisehe  Kemiüiisse  nnd  arnfassendere  geburts^ 
bölflictie  Kenntnisse,  als  sie  Ghirfirg  D.  an  einer  cbirurgischefi 
Schule  erlern&i  konnte.  Mangel  an  Kenntnissen  binderte  ihn 
also,  den  Zustand  der  Gebarenden  in  seiner  ganeen  BedefH-' 
samkeit  auffassen  zu  können.  Die  Richtigkeit  dieser  BebaupUMiig 
geht  auch  ans  dem  Umstände  hervor,  dass  Chirurg  D.  den 
damaligen  Zustand  der  Gehörenden  als  gefährlich  „auf  Verau^ 
fir  IMutter  und  Kind ''  schildert  und  diese  falsche  Beurtbeiliiiig 
des  Falfos  mag  auch  die  Hauptschuld  an  dem  voreiligen  mA 
unzweckmässigen  Gebrauch  der  Zange  getragen  haben. 

b)  Weniger  Entschuldigung  als  bezfiglich  des  Misskennens 
des  Zustandes  der  GebSi*en<len  darf  Chirurg  D.  wegen  seinev 
drmsten  Zangenversuche  in  Anspruch  nehmen.  Der  Kopfstamd 
war,  wie  die  eigenen  Aeusserongen  des  Geburtshelfers  lauteo, 
noch  im  grossen  Becken,  d.  h.  nicht  zangengerecht  und  au« 
dem  Umstände,  dass  sonderbarer  Weise  Hebamme  und  Ge-^ 
burtshelfer  von  einer  Kopfgescfawulst  M>ehi ,  wovon  das  Ob- 
ducttonsprotocoll  nichts  weiss,  wird  die  Annahaie  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  zur  genannten  Zeit  während  der  Geburt 
(nhnlich  vor  der  ersten  Zangenanlegung)  der  Muttermcmd  noch 
gar  nicht  hinreichend  erweitert  gewesen  und  das  untere  Ge- 
bärmuttersegment  noch  über  den  Kopf  gespannt  gewesen  sei, 
was  Hebamme  und  Geburtshelfer  misskannt  und  irriger  Weise 
fnr  eine  Kopfgeschwulst  gehallen  hatten.  Die  Vertfaeiloag  der 
Verletzungen  an  dem  unteren  Gebärmuttersegmente  und  dem 
Grunde  der  Mutterscheide,  sowie  der  Umstand,  dass  der 
Geburtshelfer  bestandig  von  einem,  durch  sonst  nichts  erklär* 
liehen  Hindemisse  bei  Einführung  des  rechten  Zangenlöfiek 
spricht,  bestärken  noch  diese  Vemuithung.  Wenn  freilich 
diese  Annahme  aus  den  Akten  nicht  nachweisbar  ist  und  eben 
deshalb  als  Gravamen  für  den  Angeklagten  nicht  gellend 
gemacht  werden  kann  und  darf,  so  ist  dies  doch  weniger 
mit  dem  Zangengebrauche  der  Fall.  Wann  ein  Kopf  zangen- 
gerecht stehe,  uiusste  Chirurg  D.  von  der  Schule  her  wissen 
und  aus  lOjähriger  Praxis  kennen,  denn  er  ist  nach  eigenem 
Geständnisse  kein  Neuling  mehr  in  der  Geburtshilfe.  Will 
man  aber  auch  die  allerdings  richtige  Behauptung  gelten  ; 


200  Iti-    ^oy^anti,  ZerreimvDg  d«r  Oebftrnvfcter, 

die  B^urtheilong  ob  ein  Kopf  KaiigeRgemsbt  stehe  oder  nkbl, 
sei  im  Allgemeinen  sefawer^  und  Dur  einem  GeuUeo  leicbt, 
se  kann  eine  solche  Entschuldigiing  doeh  nie  auf  die  zweite 
Zangenoperalion  des  Gebarl£Mfei*s  ausgedehnt  werden,  da  er 
zu  dieser  Zeit  bereits  aus  dem  misslungeaen  (^ten  Zangen- 
versuche  entnehmen  konnte,  dass  der  Kopf  nicht  zangengerechi 
stehe,  da  femer  der  das  gewöhnlieiie  Quantum  übersteigende 
BhKflnss  ihn  vorsichtig  machen,  und  der  hohe  Schwächezustand 
der  Frau,  die  schon  anfing,  in  Convuisionen  zu  verfallen,  was  dem 
Gehwrtehelfer  nach  eigenenr  Geständnisse  nidit  entging,  ihn 
von  einem  wiederholten  Zangenversuche  hätte  abmahnen 
müssen. 

c)  Dass  Chirurg  Z>.  bei  der  Zangenapplication  roh  und 
ungeschickt  verfahren  sei,  ist  nirgends  aus  den  Akten  ersicht- 
lioh^  und  eine  willkörliehe  Annahme  des  gericbtsarzUichen 
Gutachtens  (11  6),  die  sich  nach  den  vom  k.  Geriehlsarzte 
in  seinem  Gutachten  entwickelten  Ansichten  etwa  auf  folgende 
Grdnde  stützen  dürfte. 

er)  Dass  der  Geburtshelfer  beim  Einführen  die  Zange  in 
6h  volle  Hand  und  nicht,  wie  der  k.  Gericbtsarzt  in  seinem 
Gutachten  sub  lil.  2.  d.  will,  wie  eine  Schreibfeder  gehalten, 
habe.  Bezuglich  dieses  Punktes  vei*wet8en  wir  auf  die  Beant- 
wortung der  Frage  No.  IX.,  wo  derselbe  seine  volle  Erledigung 
finden  wird. 

ß)  Dass  der  Geburtshelfer  nach  Aussage  des  Ehemannes, 
der  Hebamme  und  der  Dirne  beide  Male  mit  der  Zange  tüchtig 
gezogen  habe.  Abgesehen  davon,  dass  dies  vom  Geburtshelfer 
in  Abrede  gestellt  wird,  so  geht  aus  der  Beschaffenheit  der 
Verletzungen  unzweifelhaft  hervor,  dass  sie  beim  Einführen, 
nicht  beim  Ziehen  mit  der  Zange  angelegt  worden  sind,  denn 
die  Verletzungen  bilden  alle  sammt-  und  sonders  falsche  Wege 
oder  Höhlen,  die  von  ihrer  Anfangsmundung  an  der  Scheide 
und  Gebärmutter  in  die  Höhe  gehen,  und  in  ihrer  Form  dem 
Ende  des  rechten  Zangenlöffels  entsprechen  (Obductionsproto- 
coli  sub  A.  H.  A.  17,  18)  und  sich  ganz  deutlich  als  Durch- 
stossungen  der  genannten  Organe  mit  der  Zange  darstellen. 
Höchstens  kann  die  Verletzung  der  Uterinblase  (Obduetions- 
protocoll  sub  IL  A,  19)  beim  SchKessen  der  Zange  ent- 
standen sein. 


So  viel  ist  gewifi»,  dasa  die  Verleisuogeci  der  Sohisidf 
und  Gelidriouttor  (OixhiclioiispratocoU  sah  A.  IL  A.  17,  18) 
auf  keinen  Fall  eotsUinden  aeieii,  ak  das  InsIruaneDl  ieioe 
Wirkung  als  Zuginstrumant  geltend  raaelile.    Daher  ist  es  «audi 

y)  %dm%  gleicbgikig,  ob  der  Geburtshelfer  jedesoial,  wj# 
er  behauptet,  die  Zange  abgenommen  babe,  oder  ob  diese, 
wie  die  Dirne  und  die  Hebanune  hehauplen,  ahferulschl  sei, 
denn  noch  weniger,  als  beim  Zuge  konnte  die  Zange  beim  Ab- 
rutadten,  selbst  angenomroen,  aber  nicbt  zugegeben,  dass  diea 
der  FaU  gewesen,  die  fraglichen  VerleUungen  dar  GebftnBttttsr 
und  Huttersebeide  (ObduetionsprotocoU  sidi»  A.  IL  A.  17,  IS) 
angelegt  haben. 

S)  Dass  der  Geburtshelfer  vor  Anlegung  der  Zange  den 
Katheter  nicbt  appücirt  bat,  ist  ein  fernerer  Vorwurf,  den  ihm 
das  geriebtsärztlicbe  Gutachten  sub  L  5  aur  Last  legt.  Wir 
glauben  diesen  Vorwurf  zurücklegen  zu  müssen,  denn  einmal 
fürchtete  derselbe  die  mögliche  Verletzung  der  Hararöhret 
was  dner  so  ungeschickten,  wie  seiner  Hand  allerdings  möglieb 
gewesen  wäre,  -und  dann  hielt  er  dessen  Appü^tion  für 
unnotfaig,  weil  er  mit  allem  Rechte  zu  schlieäsen  befugt  war, 
die  Frau  babe  Urin  gelassen,  nachdem  ihn  die  Hebamme 
davon  unterrichtet  hatte,  die  Frau  sei  vor  dem  Blasenspruoge 
zu  Stuhl  gewesen,  und  nachdem  die  Gebärende  ihn  selbst 
versicherte,  sie  habe  Urin  gelassen. 

Wir  glauben  somit  zur  Genüge  die  willkürliche  Annahme 
des  k.  Gerichtsarztes,  als  sei  der  Geburtshelfer  bei  der  Zangen- 
operation roh  und  ungeschickt  verfahren,  widerlegt  zu  haben. 
Dieses  Thema  führt  von  selbst  auf  den  zweiten  Punkt. 

2)  Den  Erfolg  der  Handlungen  des  Geburtshelfers  d.  h. 
die  im  ObductionsprotocoU  sub  A,  H.  A.  17,  18,  10  ver- 
zeichneten Zerreissungen  der  Mutterscheide,  Gebärmutter  und 
Harnblase. 

Dass  die  betrübende  Zangenoperation  diese  Verlelningeii 
erzeugt  habe,  haben  wir  schon  bei  Beantwortung  der  Frage 
No.  H.  dargetban.  Hier  kommt  lediglich  die  Schuld  des  Ge<- 
buitsbeifers  zur  Sprache.  Insofern  derselbe  ohne  Nolh  und 
Anaeige  und  zu  einer  Zeil,  die  Zange  anlegte,  wo  er  sie  nkhl 
hätte   anlegen   sollen   ist   er   allerdings  an   den  geschehenen 


202  111.    Hofmannt  ZerrefMQUg^  d«r  0«l4iniicitl«^; 

V«rletziing«n  Schuld.  Dass  jedo^^h  nidit  Rolfheit  und  Vnge- 
schicklicbkeil  m  der  tediDisch^n  Handhabimg  des  f nstrumeiitMi 
die  fraglioben  Verletzungen  erzeugt  habe,  heben  wir  so  eben 
stib  I.  e.  bewiesen.  Die  Schuld  ist  also  mehr  mittelbar  emem 
Mangel  an  Wissen  und  Jadicinm  über  den  zeilgemäsäe«  Gebrauch, 
als  unmitteibar  einem  Mangel  an  Fertigkeit  in  Handhabung 
des  InstrumoDtes  zuzuschreiben.  Nicht  dem  Chirurgen  D. 
allein,  ndn,  geübten  Gebortshelflern,  ja  renommirten  Gelebrittten 
unserer  Kunst  ist  das  Unglück  schon  geschehen,  mit  der  Zange 
eine  Gebinniitter  und  Muttei'scbeide  durchbohrt  zu  haben  — 
wie  bezüglich  dieser  unserer  Behauptung  wir  eine  üusserst 
namhafte  Zahl  von  Fällen  aus  der  Literatur  anzuführen  ver- 
möchten —  und  Niemand  ist  es  noch  eingefallen,  diese  Ce- 
lebritäten  desswegen  so  strenge?  Verantwortlichkeit  zu  unter* 
werfen,  die  bei  ihnen  doch  sicher  mehr  mit  Fug  and  Recht 
am  Platze  gewesen  wäre,  «als  bei  einem  armen  Landchirurgen 
der  solches  Unheil  mehr  aus  Mangel  an  gehöriger  Durchbildung, 
als  aus  Mangel  an  DexteritSt  angestiftet  hat,  wobei  die  in  der 
nächsten  Frage  zu  erörternde  angebliche  gewaltsame  Bewegung 
der  Gebärenden  mit- dem  Hinteren  im  Momente  der  Einführung 
der  Zange  noch  dazu  ein  wichtiges  EreigiJss  in  der  Wag- 
schale ist. 

Nach  gewissenhafter  Abwägung  aller  die  Schuld  des 
Geburtshelfers  belastender  und  mildernder  Umstände  glauben 
wir  uns  berechtigt,  folgende,  die  Schuld  und  Unschuld  desselben 
bezeichnende  Schlussresuhate  als  Antwort  auf  die  gestellte 
Frage  auszusprechen: 

1)  Der  Chirurg  D,  hat  einen  Mangel  an  den 
gemeinen  Kenntnissen  seinerKunst  verrathen,  dass 
er  die  Zange  an  einem  nicht  zangengerechl  stehen- 
den Kopfe  anlegte.  VITann  ein  Kopf  zangengerecht 
stehe  oder  nicht,  kann  man  von  ihm  zu  wissen 
lordern* 

2)  Chirurg  Z>.  hat  sich  keck  und  dreist  bewiesen, 
dass  er  nach  dem  misslungenen  ersten  Zangenver- 
suche  einen  zweiten  machte,  und  noch  dazu  bei  dem 
ZuBtande,  in  dem  sich  die  Gebärende  nach  dem 
ersten  Zangen  versuche  befand. 


Matte rsebeMe  nnd  Harnblaie  bei  der  Geburt.  203 

3)  Dass  Chirurg  D.  fiberhaupl  den  ganzen  Zu- 
stand der  Gebärenden  niisskannte,  daran  ist  seine 
mangelhafte  Ausbildung  an  einer  chirurgischen 
Schule  Schuld. 

4)  Die  Verletzungen  der  Gebärmutter,  Harriblase 
und  Mutterscheide  (Obductionsprotocoll  sub  A.  11. 
A.  17,  18,  19)  sind  ein  Unglück,  welches  anderen 
Geburtshelfern  auch  schon  begegnet  und  in  dem 
specielien  Falle  keineswegs  einer  Rohheit  und  Un- 
geschicklichkeit in  der  Handhabung  des  Instru- 
mentes, sondern  zumTheil  dem  geschehenen  Miss- 
griffe in  der  Behandlung  zuzuschreiben  ist,  zum 
Theil  aber  auch  dem  Umstände,  der  Gegenstand 
der  nun  zur  Besprechung  kommenden  Frage  ist 

VIIL 

nämlich: 

Ist    es    möglich    oder    wahrscheinlich,    dass    die 
Verletzungen,  welche  den  Tod  der  GebArenden 
zur   Folge  hatten,    durch  die   Unruhe   und    Be- 
wegungen   derselben     während    der    Operation 
herbeigeführt  worden  sind? 
Es    wäre   allerdings    zur  Ermittelung    der   Schuld   oder 
Unschuld   des   Geburtshelfers    von    der   grössten    Wichtigkeit 
gewesen,   genau   zu  ermitteln,  oh  in  der  That  während   der 
erstmaligen  Anlegung  der  Zange  die  Gebärende  eine  kraftvolle 
und   gewaltsame   Bewegung   mit   ihrem    Hinteren   gegen    den 
Geburtshelfer  gemacht  habe,  wie  dieser  behauptet,  oder  nicht, 
wie  mit  derselben  Bestimmtheit  der  Ehemann,  die  Hebamme 
und  die  Dirne  behaupten.    Mit  Gewissheit  lässt  sich  dies  nicht 
mehr  ermitteln,  daher  man  höchstens  Wahrscheinlichkeitsgrunde 
auffinden  kann,   ob  die  Gebärende  sich  so  oder  anders  ver- 
halten habe. 

Wie  bei  Beantwortung  der  Frage  VH.  sub  16  dargethan 
worden  ist,  konnten  die  im  Obductionsprotocoll  sub  A,  II. 
A.  17  und  18  beschriebenen  Verletzungen  der  Gebärmutter 
und  Mutterscheide  nur  bei  Einführung,  und  höchstens  nur 
die  im  Obductionsprotocoll  sub  A,  H.  A.  19  verzeichnete 
Zerreissung  der  Harnblase  allenfalls  beim  Schliessen   des  hi* 


204  m*    Eofmannf  Zerreissuog  der  Oebftrmatier, 

slrvioeole«  entsiauden  sein.  Nan  macht  aber  der  Geburtshelfer 
beständig  die  gewalUanie  Bewegung  der  Gebäreoden  uül  dem 
Hinleni  und  ihre  Unruhe  überhaupl  bei  der  Zao^iapplikaiion 
als  Veranlassung  der  von  ihm  zugefügten  VerleUuogen  g^tend. 
Diese  Vertbeidiguug  ist  so  schlagend  und  so  sachlich  richtig, 
dass  man  nach  der  sonstigen  Bildungsstufe,  die  Chirurg  D. 
nach  den  Acten  beurkundet,  nicht  annehmen  kann,  er  habe 
diese  Vertheidigung  ex  propriis  erfunden,  um  sein  Handeln 
zu  beschönigen,  sondern  eher,  dass  diese  Angabe  wirklicli 
richtig  ist  und  dass  nur  die  übrigen  Zeugen  wie  es  in  solchen 
Fällen  geht,  wo  Alles  den  Kopf  verloren  hat,  bintennach  sich 
nicht  mehr  des  wahren  Sachverhaltes  erinnern  konnten.  Doch 
ist  diese  Ansicht  eine  blosse  Vermulbung,  der  der  sacblidie 
Beweis  allerdings  fehlt,  aber  eine  Vermulhung,  die  viele  Wahr- 
scheinlichkeii  hat. 

Es  sei  übrigens  wie  es  wolle,  Vermuthung  oder  Wirklich- 
keit, dass  die  Gebärende  im  Momente  der  ersten  Zangen- 
anlegung bei  Eünfülining  des  rechten  Löffels  eine  solcke 
gewaltsame  Bewegung  mit  ihrem  Hintern  gemacbi  und  Oberhaupt 
sich  bei  beiden  Zangenappiikationen  unruhig  und  beweglich 
verhalten  habe,  so  ist  so  viel  gewiss  und  ausser  allem  Zweifel, 
dass  durch  solche  Unruhe  und  gewaltsame  Gegenbewegung 
dem  Geburtshelfer  die  Einführung  des  Instrumentes  ausser- 
ordentlich erschwert,  und  sehr  leiclU  Verletzungen  ohne  deb 
Geburtshelfers  Verschulden  mit  der  Zange  augelegt  werden 
konnten.  Haupterforderniss  für  den  Operateur  bei  Anlegung 
der  Zange  ist  Ruhe  der  Gebärenden,  im  gegenlheiligen  Falle 
kann  er  für  eine  Verletzung,  deren  Entstellung  durch  Unruhe 
im  höchaten  Grade  beguDstigi  wird,  nie  verantwortlich  gemacht 
werden.  Dass  also  die  im  Obductionsprotocoll  sub  A.  U. 
A.  17-^-19  verzeichneten  V'^rletzungen  der  Gebärmutier 
Mutterscheide  und  Harnblase  durch  Unruhe  und 
gewaltsames  Widerstreben  der  Gebärenden  ver- 
schuldet wordeu  sein  können,  ist  keinem  Zweifel 
unterworfen,  ja  es  ist  im  höchsten  Grade  wahr- 
scheinlich, dass  die  Gebärende,  wenn  sie  sich 
überhaupt  so  wie  Chirurg  D,  angibt,  gebärdet  haU 
zum  grossen  Theil  ihre  Verletzungen  selbst  ver- 
schuldet bat.    Ob  aber  dieser  Moment  mit  Gewiss- 


1 


Muttei^ebeide  und  HftrnblaBe  bM  der  Gebort.  805 

beit  die  traurigen  Folgen  Teratilaftste,  kann  ans 
dem  Grunde  nicht  mit  Bestimmtheit  behauptet 
werden,  weil  die  Erfahrnng  lehrt,  dass  sowohl  bei 
ruhigem  als  unruhigem  Verbalten  der  GebSrendeu 
Verletzungen  an  den  Geseblechtstheilen  ohne  Ver^ 
schulden  des  Geburtshelfers  sowohl  ?orkommen, 
als  auch  nicht  Torkommen. 

IX. 
Konnten   in    dem  Falle,   als   die   Gebarende  durch 
Uarnh^    die   VerletEuagen    verschuldet   haben 
konnte,  dieselben  durch  Torsichtiges  Einbringen 
der  Zange  auf  die  vom  k.  Gerichtsarzte  snh  111.2 
seines  Gutachtens  angedeutete  Ari  durch  Halten 
des   InstriMoentes    wie  eine   Schreibfeder  ver«- 
mieden  werden? 
Ob  die  Zange  bei  der  Applicatien  wie  eine  SchreiMeder 
gehalten  oder  in  die  volle  Hand  genommen    werden   soll,   ist 
eine  Streitfrage,  die  wohl  in  der  Theorie  nnd  in  geburtshüritcheii 
0])eration8Conrsen   und  Privatissimis ,   wie  sie   die   Studenten 
an  den  Universitäten  fVequentiren,  aufgeworfen  wiixl,  in  Praxi 
aber  von  selbst,   man  möchte  sagen  durch  den  Instinkt  des 
Operatem*s  ihre  Erledigung  findet.     Das  Einftihren    der   wie 
eine  Schrerbfeder  gehaltenen  Zangenlöffel  ist  nflmlich   mir  in 
den  ailersdtensten  FSllen,  wo  nicht  das  geringste  mechaniscftie 
Hinderniss  Kngegen  ist,  möglich,  in  welchen  FSUen  die  Zange, 
man  braucht  ihr  nur  die  richtige  Direction  zu  geben,   von 
sdbst  sieh  an  den  Kopf  anschmiegt,    in  aHen  übrigen  Fällen 
*^  die  leichtesten  Zangenoperationen  abgerechnet  —  wo  nnr 
irgend  die  Einföhruiig  der  Zaqge  etwas  erschwert  ist,  ist  es 
nicht  möglich,  sie,  wenn  man  sie  wie  eine  Schreibfeder  hält, 
anzulegen,  denn  es  fehlt  den  sie  so  fassenden  und  haltenden 
Händen  die  Kraft,  das  entgegenstehende  Hinderniss  zu  fiber- 
winden oder  zu  umgehen.    In  allen  solchen  Fällen  fasst  Jeder 
Gebor tsbelfer,'  ond  wenn  er  aUe  der  Theorie  entnommenen 
Grönde  noch  von  seiner  Studienzeit  her  im  Gedächtnisse  hat, 
warum  er  nicht  so  handeln  soll,  instink tmässig  das  Instrument 
in  -die  voHe  Hand  und  mnf^s  es  so  fassen,   wenn  er  zurecht 
'   kommen  wHI.    Es  ist  nicht  nur  kein  Fehler,  sondern  Vorschrift 


sog  III.    Hefmann  f  ZenreiMang  der  Qebärmntter, 

10  allen  schwierigen  Fällen  die  Zange  in  die  volle  Hand  zo 
fassen  und  so  und  nicht  anders  muss  und  kann  sie  nui'  io 
solchen  Fällen  gehalten  werden. 

Was  den  vorwurligen  Fall  betrifil,  so  haben  wir  bei 
Beantwortung  der  Frage  VIL  sub  16  dargethan,  dass  der  Stand 
des  Kopfes  zur  Zeit  der  Zangenversuche  noch  so  hoch  geweseu 
sei,  dass  der  Kopf  gar  nicht  mit  dem  Instrumente  gefasst 
werden  konnte,  mit  anderen  Worten:  die  Zange  war  noch 
gar  nicht  am\Platze,  als  Chirurg  D,  sie  anwendete.  Wegeu 
des  ausserordentlich  hohen  Kopfstandes  aber  war  und  lausste 
die  Zangenapplicalion  mit  den  grössten  Schwierigkeiteo  ver- 
bunden sein.  Chirurg  D,  hätte  auf  keine  Weise  die  Zange 
anlegen  können,  wenn  er  sie,  wie  der  k.  Gerichtsarzt  sub 
lil.  2  d  seines  Gutachtens .  meint,  wie  eine  Sclireibfeder  ge- 
halten hätte.  Gefehlt  war,  dass  der  Geburtshelfer  überhaupt 
in  diesem  Falle  an  die  Zangenanlegung  dachte ;  naehdem  aber 
dieser  Missgriff  einmal  geschehen  war,  so  war  der  Geburts- 
helfer in  vollem  Rechte  und  handelte  ganz  nach 
den  Regeln  der  Schule,  dass  er  die  Zange  nicht  wie 
.ei.ne  Scbreihfeder  hielt,  sondern  in  die  volle  Hand 
fasste.  Es  kann  daher  auch  eigentlich  keine  Rede 
davon  sein,  ob  durch  Einführen  der  Zange,  wie 
man  eine  Schreibfeder  hält,  die  Verletzungen  der 
Gebärmutter  hätten  vermieden  werden  können  oder 
nicht,  denn  die  Anlegung  der  wie  eine  Schreibfeder 
gehaltenen  Zange  war  bei  dem  vorliegenden  Stande 
des  Kopfes  und  noch  mehr,  wenn  die  Gebärende 
sich  dabei  so  unrohig  gebärdete,  wie  der  Geburts- 
helfer stets  behauptet,  eine  haare  Unmöglichkeit 

X. 

War  der  in  Frage  stehende  Geburtsfall  an  sich 
als  ein  für  Mutter  und  Kind  lebensgefährlicher 
im  Sinne  der  allerhöchsten  k.  Instruction  für 
Chirurgen  vom  25.  Januar  1823  §.  14  lit.  N,  §.  15 
M.  und  N.  anzusehen  und  haftete  dabei  Gefahr 
aut  Verzug?  ' 
In  dem  Augenblicke,  als  Chirurg  D.  die  Leitung  ties  so 

üülficküch  geendeten  Geburtsfalles  übernahm,   war  derselbe 


Mott«r«eheide  ond  HarnblM«  bei  der  Gebavt  3fff 

offeDbar  weder  lebefisgeührüch,  aof^  hf^eie  Gf^afir  aqf  dem 
Verzuge  für  Mutter  oder  Kind,  wohl  aber  )var  e^.e^q  Frii 
und  ein  Augenblick,  der  eine  gereiftere  Erfahrung  ui^d  gnind- 
lichere  Kenntnisse  erforderte,  als  Chirurg  £).  nach  seiner 
Ausbildung  haben  konnte  —  ein  Fall,  der  durch  falsche  Be- 
handlung im  entscheidenden  Momente,  als  Chirurg  D.  dieselbe 
in  seine  Hände  nahm,  ebenso  gewiss  zum  Unheil  fähren  musste, 
—  wie  dies  in  der  That  auch  im  Uebermaasse  eintrat  —  als 
es  möglich  gewesen  wäre,  ihn  durch  richtige  und  umsichtige 
Behandlung  für  Mjutter  und  Kind  glucklich  zu  Ende  zu  führen. 

Hiermit  wäre  eigentlich  die  Antwort  auf  die  gestellte 
Frage  gegeben;  allein  wir  glauben  den  Sinn  dieser  Frage 
anders  auffassen  zu  müssen,  indem  das  k.  Appellatiousgericht 
mit  dieser  Frage  wohl  dahin  abzielt,  ob  Chirurg  D,  im  Sinne 
des  §.  14  lit.  N.  und  §.  15  lit.  M.  N.  der  allerhöchsten 
Instruction  für  Chirurgen  vom  25.  Jänner  1823  seine  Befug- 
nisse überschritten  habe  oder  nicht?  und  in  diesem  Sinne 
werden  wir  jetzt  versuchen,  eine  Antwort  auf  obige  Frage 
zu  geben. 

Wie  schon  das  gerichtsärztliche  Gutachten  sub  HL  3  sich 
ausspricht,  enthält  die  fragliche  allerhöchste  Instruction  an  und 
für  sich  und  die  beiden  citirten  Paragraphen  in  specie  sehr 
unsichere  und  schwankende  Bestimmungen,  deren  Grenze  man 
willkürlich  sehr  weit,  aber  auch  willkürlich  sehr  enge  ziehen 
kann.  Man  mag  aber  auch  die  weiteste  Deutung  dem  Gesetze 
unterschieben  und  die  Handlungsweise  des  Inculpalen  von 
dem  glimpflichsten  und  schonendsten  Standpunkt  aus  be- 
trachten, von  dem  man  will,  so  steht  jedenfalls  soviel  fest, 
dass  keine  Lebensgefahr  für  Mutter  und  Kind  weit  und  breit 
zu  finden  war,  die  ihn  berechtigt  hätte,  auf  jene  zerstörende 
Weise  einzuschreiten,  wie  er  es  that.  Und  wenn  auch  Chirurg 
D.  den  Fall  als  einen  solchen  betrachtete,  in  welchem  Lebens- 
gefahr für  Mutter  oder  Kind  auf  dem  Verzuge  haftete,  so 
hatte  er  um  so  mehr  nach  dem  misslungenen  ersten  Zangen- 
versuche, bei  den  nun  eintretenden  Convnisionen,  dem  Blut- 
flusse  und  dem  Schwächezustand  der  Gebärenden,  was  ihm 
Alles  keineswegs  verborgen  blieb,  in  Anbetracht  seiner  In- 
struction die  Hilfe  eines  graduirten  Geburtshelfers  in  Anspruch 
nehmen  müssen. 


S06  ^T-     Bofinaitn,  Serreistan^  ^er  Geblrttvtt«r. 

E§  ist  also  vom  Standpunkte  de»  Gesetzes  aus  keinem 
Zweifel  unterworfen. 

1)  Dass  der  Fall  weder  an  sich  noch  im  Sinne 
des  §.  14  üt  N.  und  §.  15  lit.  M.  und  N.  der  aller- 
höchsten Instruction  für  Chirurgen  vom  25.  Jänner 
1823  lebensgefährlich  für  Mutter  oder  Kind  war, 
noch  dass  dabei  Gefahr  auf  dem  Verzuge  stand,  als 
der  Chirurg  D.  die  Behandlung  übernahm,  die  ihn 
berechtigt  hätte,  so  forlgesetzt  vernichtend  auf  den 
Organismus  der  Gebärenden  einzuwirken,  wie  er 
es  that;  sondern  dass 

2)  Chirurg  D,  Zeit  und  Muse  genug  gehabt 
hatte,  einen  zweiten  Geburtshelfer  zu  Rathe  zu 
ziehen,  was  er  sogar  nach  dem  misslungenen 
ersten   Zangenversuche   hätte    thun    müssen. 

3)  Wir  stimmen  somit  ganz  mit  dem  am  Ende 
des  gerichtsärztlichen  Gutachtens  enthaltenen 
Ausspruche  uberein,  dass  Chirurg  2).  seine  Befug- 
nisse aberschrilten  und  sich  nicht  mehr  innerhalb 
der  Grenzen  der  ihm  zustehenden  Wirksamkeit 
befunden,  sondern  auf  dem  Boden  geburtshilf- 
licher Pfuscherei  bewegt  habe.     Endlich 

4)  Seine  man^el-  und  lückenhafte  Ausbildung 
ist  bezüglich  der  Ueberscbreitung  seiner  Befug- 
nisse ein  sehr  nothdürftiger  Milderungsgrund 
seiner  Straffälligkeit. 


Der  Chirurg  D,  wurde  zu  19  monatlicher  Gefangnissstrafe 
verurthält. 


lY.  JTo/m««»,  Ist  ■weekoi&fltig  n.  svlitotig  q.  MMfilhrbAr  etc.   809 

IV. 

Ist  zweckmftBsig  und  zulAsBig  und  ausführbari 

in  UniYeiBitätSBtädten  unehelich  Gebärenden  die 

Niederkunft  nur  in  Oebarhftusem  zu  gestatten, 

in  den  Privatwohnungen  der  Hebammen 

aber  zu  verbieten? 

Von 

Dr.  Hoftnann  in  München. 

Die  Veranlassung  zur  Erörterung  dieser  Frage  ist  folgesde: 
Seit  Jahrzehnten  maditen  in  Bayern  die  Hebammen  y<hi 
der  durch  das  Hebammenedict  vom  Jahre  1816  ihnen  einge- 
räumten Befugniss,  unehelich  Schwangere  zur  bevorstehenden 
Enthindung  in  ihren  (der  Hebammen)  Wohnungen  ein  Asyl 
zu  gewähren,  unbeanstandeten  Gebrauch  und  nahmen  mit 
Wissen  der  PoHzeibehörden  unehelich  Sdiwangere  und  unehe- 
lich Gebärende  in  ihre  Wohnungen  auf.  Im  Jahre  1858  gefiel 
es  dem  damaligen  Vorstande  des  Gebärhauses  in  Mönchen, 
Herrn  Professor  Dr.  Anaelm  Martin^  eine  Sl^ugammenanstalt 
in  und  fAr  Mönchen  zu  gründen;  und  setzte  es  eben  dieselbe 
Persönhchkeit  durch,  dass  in  die  von  der  vorgesetzten  Behörde 
genehmigten  Satzungen  dieser  sogenannten  Anstalt  ein  Para- 
graph —  §  5  —  Aufnahme  fand,  der  folgende  Passung  hatte: 
„Den  Hebammen  ist  die  Aufnahme  schwangerer  und  gebärender 
Personen  fernerhin  untersagt  und  kann  diese  Bewilligung  nur 
in  spedellen  Fällen  ausnahmsweise  von  der  k.  Polizeidirection 
aus  Veranlassung  der  UeberföUung  des  Gebärhauses  gegeben 
werden^)  (Polizeianzeiger  für  Mönchen  vom  6.  Juni  1853). 
Alle  Recbmationen   der  Münchner  Hebammenschaft   blieben 


1)  Der  saehanknndige  Leser  möchte  meinen,  ee  lei  im 
Jahre  1863  dem  Herrn  Voritande  dea  Qebärhansee  ein  Bieeen- 
palast  mit  nahem  ichrankenlosem  Gelaese  snr  Aufnahme  der 
Schwangeren  nnd  Gebärenden  sn  Gebot  gestanden.  Znr  Anf- 
kl&mng  diene,  dass  die  Gebäranstalt  damals  sich  in  einem  ein- 
scMassig  des  Erdgeschosses  yierstÖckigen  Hanse  von  13  Fenstern 
Strasseufrontbreite  befand  und  dass  die  Gebftranstalt  nieht  blos 
Monatasehr.  f.  Qebortak.  1866.  Bd.  XXV.,  Sappl •  Hft.  14 


210    l^V.  Bo^mm^  Ist  twe^kmlUiig  a.  nläMig  a.  Aoaflibrbar, 

damals  nicht  blos  erfolglos,  sondern  als  im  Jahre  1858  der 
damalige  Hofrath  und  nmimehrige  Geheimrath  Herr  Dr. 
V.  Scamoni  in  Würzburg  an  des  verstorbenen  Herrn  Ge- 
heimrath Dr.  BuscKs  Stelle  nach  Berlin  einen  Ruf  erhielt, 
erfolgte  ein  gimz  ähnliches  Verbot  auch  für  die  Hebunmen- 
Schaft  der  Stadt  Würzburg  (Aerztliches  Intelligenzbiatt, 
herausgegeben  vom  ständigen  Ausschusse  bayrischer  Aerzte, 
29.  Mai  1858,  S.  270).  Ganz  neuerlich  endlich,  nämlich  im 
Jahre  1862  bei  Gelegenheit  eines  Rufes  nach  Baden-Baden, 
machte  Herr  Geheimrath  und  Professor  Dr.  v.  Scamoni 
sein  Verbleiben  in  bayrischen  Diensten  und  in  der  Würzburger 
Professur  ausdrücklich  nochmals  von  fortdauernder  Aufrecht- 
biitong  dieses  Verbots  abhängig.  So  waren  und  sind  respective 
m  zweien  der  drei  Landesuniversitäten  Bayerns  unehelich 
Schwangere  gezwungen,  entweder  ausserhalb  der  Universitäts- 
stadt niederzukommen,  oder  wenn  sie  in  diesen  Städten  ihre 
Niederkunft  abwarten  wollen  dies  in  emer  eigens  gemiethelen 
Privatwobnung  oder  im  Gebärbause  zu  thun« 

Wenn  im  Nachstehenden  ich  mich  in  einer  Kritik  dieser 
Maassregel  ergehe,  welche  die  k.  bayrische  Staatsregierung 
m  zwei  Landesuniversitäten  durchführte,  so  begründe  ich 
meine  materielle  Befähigung  dazu  damit,  dass  ich  elf  Jahre 
lang  Vorstand  der  geburtsbülflichen  Poliklinik,  der  k.  Uaiver- 
tiUt  Müachen  war  und  bei  einer  Zahl  von  circa  4000  Ge- 
burten jahrelang  Gelegenheit  hatte,  zu  allen  Stunden  des  Tages 
und  der  Nacht  in  den  Wohnungen  der  Hebammen  zu  ver- 
kehren und  die  Verhältnisse  unter  denen  sich  dort  die  in- 
ehelichen  Sehwangeren,  Gebärenden  und  W^bnerinnen  und 
nengebornen  Kinder  befinden,  kennen  zu  lernen.  Ich  werde 
bei  dieser  Kritik  den  Rechtsstandpunkt  der  Frage  für  Bayern 
gegenüber  dem  Hebammenedict  vom  Jahre  1816  gänzlich  bei 
Seite  lassen,  und  mich  blos  auf  den  principiellen  SUmdlpuBkie 
der  allgemeinen  Opportunität  und  Zulässigkeit  einer  solchen 
Maassregel  stellen. 


localen  Charakter  für  die  Haupt*  n&d  Beiide&Mtadt  iBol.  Au  ttod 
Haidhansen  mit  ihren  damaligen  180,000  Einwohnern  hatte,  in 
der  die  Zahl  der  nnehelichen  Gebarten  nahesn  der  der  ehelichefi 
gleichkommt,  sondern  sugleieh  Vereinsanstalt  ffir  Oberba^ero 
war  nnd  noeh  ist,  das  600,000  Seelc^n  a&hU. 


im  UniTertitiltsvtXdieB  aoehelicb  Gebärenden  etc.       211 

Die  Frage  mmi&s  von  einem  vierfachen  Standpiuikte  aus 
betrachtet  werde«: 

1)  Tom  sanitätfipoliieiliclieD; 

2)  Ttun  sitttnpolizeüichen; 

3)  vom  universitätischen; 

4)  von  dem  der  M^lichlbeit  der  Durchführbarkeit  eines 
Prohibitinerhotes. 

Bis  jetit  sind  in  Deutschland  nur  einige  wenige  Hebammen 
(meiiies  Wissens  nur  in  Frankfurt,  Heidelberg  und  Mainz; 
in  süddeutschen  ttl§ttern  finden  sich  wenigstens  nur  bezüglich 
dieser  Städte  einschlägige  Anzeigen)  so  industriös  gewesen, 
elegante  und  comfortable  grössere  Etablissements  zu  errichten, 
wo  Dalben  der  höheren  Stände,  die  sich  in  einem  gewissen 
FaUe  befinden,  Unterkunft  fänden. 

WeUen  Damen  bezeichneter  Lage  und  Categorie  nicht 
sich  in  die  sogenani^n  Zahlabtheilungen  der  Gebärliäuser 
beigeben,  so  ist  ihr  Niederkommen  noch  zur  Stunde  mit  sehr 
belräohtüehen  Kosten  verbunden.  Reichlicher  —  ob  desswegen 
besser,  ist  eine  andere  Frage  *-  ist  gßsorgt  für  die  unehelich 
Schwangeren  der  niederen  Stände:  Die  Dirnen  und  Mägde 
der  kleinen  Städte  und  auf  dem  Plattiande  finden  Unterkunft 
bei  ihren  Eltern,  Geschwistern  und  sonstigen  Verwandten,  im 
ättss^sten  Falle  sogar  selbst  manchmal  bei  den  Bauern,  wo 
sie  dieaen.  Ebenfalls  zum  Theil  bei  Verwandten,  zum  Theil 
ia  den  Gebärtiäusern,  zum  Theil  aber  bei  Hebammen  findet 
das  grosse  Contingent  an  Schwangeren  seinen  Abzug,  das 
die  mittelgrossen  und  grossen  Städte  aus  der  Klasse  der 
Putzarbeiterinnen  und  Nähterinnen,  Stuben-  und  Dienstmädchen, 
Fabrikarbeiterinnen  und  Tagelöhnerinnen  hefern.  Da  es  mit 
der  Zahlungsfähigkeit  aller  dieser  Mädchen  nicht  weit  her  ist, 
so  können  die  Hebammen,  die  solche  Mädchen  aufnehmen, 
auf  Wohnung  und  Wohnungseinrichtung  ebenfalls  nicht  viel 
aufwenden,  weil  das  eventuell  sonst  aufgewendete  Kapital 
rentenlos  bUebe.  Zur  Aufnahme  einer  oder  zweier  Mädchen 
sich  einaurjchten  renUrt  sich  für  die  Hebamme  nicht,  weil 
das  Kapital,  das  die  Hebamme  aufwenden  muss,  zu  gross 
ist, 'als  dass  ein  oder  zwei  Mädchen  die  Zinsen  decken  wurden. 
Die  Hebamme  richtet  sich  daher  zur  Aufnahme  von  drei  und 
vier  Mädchen  ein  und  wenn  sie  es  zu  einer  gewissen  Wolil- 

14* 


212    1^*  He/mannf  Ist  sweokmftBSig  q.  snlistig  q.  antffilirbar, 

babeaheit  gebracht  hat,  zur  Aufnahme  von  fünf  und  sechs. 
Dadurch  entstehen  aber  nicht  blos  sogenannte,  sondern  wirk- 
liche Winkelgebäranstalten,  welche  vom  sanititischen  und 
sanitätspolizeilichen  Staudpunkte  aus  näher  beleuchtet  sein 
wollen. 

ad  1.     Was  zunächst  die  Wohnung  als  solche  betrifil, 
so  findet  man  bei  Hebammen,  die  Mädchen  aufindbnien,  nur 
ganz  ausnahmsweise  eine  freundliche,  heitere,  luftige,  geräumige 
Wohnung  mit  Strassenfronte.     In  einer  besseren  Strasse  för 
ganz  gewöhnlich  nehmen  solche  Hebammen  Rückwärtswohnungen 
in   Hofräuroe   hinein   oder   Wohnungen   in   engen,    winktifsn 
Strassen.     Unter  den  Fenstern  in  dem  dunklen,   dumpfigen 
Hofraum  die  Dfingergrube,   die  Abtrittsgrube,  einen  Viehstall 
zu  finden,  oder  in  dem  Hofraum  den  Betrieb  eines  mephitisebe 
DOnste  verbreitenden  Gewerbes  zu  finden,  z.  B.  eine  Seifen- 
siederei, eine  Schlächterei,  eine  Saitlingbereitungsanstalt,  Räam^ 
lichkeiten  zur  Aufbewahrung  fauliger  Stoffe,  z.  B.  von  Knochen, 
Thierhaaren,  Thierhäuten,   gehört  zu    den  Gewöhnlichkeiten. 
Atich   fensterlose   Kammern   habe   ich    getroffen,    worin   die 
Mädchen  Unterkunft  fanden.    Es  liegt  die  Wahl  solcher  Woh- 
nungen seitens   solcher  Hebammen  in  der  Natur  der  Dinge: 
Die  Mädchen  können  der  Hebamme  nicht  soviel  zahlen,  dass 
diese  sich  eine  theuere  Wohnung  besserer  Qualität  roielhen 
kann;    nur  die  Wohlfeilheit,    nicht  die  Gesundheitsräcksicht, 
ist  der  Maassstab,   nach  dem   die  Hebamme  ihre  Wohnung 
vermiethen  kann,  daher  wird  sie  mit  ihrer  Wahl  zu  den  Woh- 
nungen   bezeichneter    Categorie    und    Oertlichkeit    gedrängt 
Entbehrt  in  Folge  dessen  die  Gesammtwohnung  der  Hebamme 
der   Eigenschaft,    gesundheitsgemäss  zu    sein,    so    emlehnen 
selbstverständlich  jene  Wohnungsgelasse,  welche  den  Mädchen 
angewiesen  werden,   derselben  Eigenschaft     Ganz  aa^nahms- 
weise  nun  habe  ich   in   meiner  früheren  grossen    geburts* 
hilflich  poliklinischen  Praxis  Wohnräume  für  Uneheliche  ge- 
troffen,  welche  den  Anforderungen  der  Sanität  nur  einiger-^ 
maassen  entsprochen  hätten;  för  ganz  gewöhnlich  waren  die 
Räumlichkeiten   der  Art,  dass  sie  nicht  einmal  den  allerbe- 
scheidensten  Ansprüchen  entsprachen,  vielmehr  direct  sanitäts- 
widrig waren.    Welche  Luftbeschaffenheit  an  solchen  Räum- 
lichkeiten herrscht,  kann  man  sich  denken :  schon  durch  ihre 


m  üaiTenitlitMtftdUn  anehelioh  Gebärandan  etc.       218 

Lage  Kblecht  ventilirt  und  durtb  Beimengung  gesundbeits» 
schädlicher  Elemente  eine  yerderbte  Luftbeschaflenheit  be* 
silzend,  werden  solche  enge  und  dumpfe  Gelasse  noch  von 
fier  Mädchen,  darunter  vielleicht  eine  oder  zwei  W(>chnerinnen 
mit  ihren  Kindern  bewohnt,  und  dient  ein  und  deradhe 
ZimmerraAm  zur  Beherbergung  der  Schwangeren,  zum  Gebären, 
zur  Abhaltung  des  Wochenbetts,  zur  Aufnahme  der  Neuge- 
borenen und  auch  noch  zur  Trocknung  der  von  diesen  letzteren 
Teninreinigten  Bett*  und  Leibwäsche. 

Um  nichts  besser  ist  die  Reinlichkeit  bestellt.  Es  bekommt 
z^ßr  jedes  Mädchen  sein  eigenes  Bett  und  frische  Bettwäsche 
beim  Zugang;  allein  mit-  der  Qualität  des  Bettes  und  mit 
dem  Wechsel  der  Bettwäsche  darf  man  es  nicht  allzu  genau 
nehmen.  In  dem  Bette  kann  man  am  Matratzen-  oder  Stroh- 
Mckuberzug  die  unzweideutigsten  Spuren  erkennen,  dass  schon 
mehr  als  eine  Wöchnerin  darauf  gelegen.  Eher  noch  wird 
das  Stroh  in  Slrohsäcken  gewechselt,  weil  dieser  Wechsel 
leichter  zu  bewerkstelligen  ist  und  nicht  viel  kostet;  dass 
aber  der  Bettfederreiniger  über  die  Kopfkissen,  Ober-  und 
Unterbetten,  der  Tapezierer  über  die  Seegras-  und  Wald* 
haarmatratze  kommt,  das  ereignet  sich  alle  zehn  Jahr  einmal, 
weil  es  zu  viel  kostet,  und  weder  die  Daraufliegenden,  noch 
die  Hebamme  das  Bedürfniss  darnach  fühlen.  Dadurch  wird 
aber  offenbar  das  Bett  schon  zu  einem  Reservoir  von  Krank- 
heitastoffen.  Die  Bettwäsche  beurkundet,  dass  ein  allzuhäutiger 
Wechsel  nicht  stattfindet;  als  Unterlagen  der  Wöchnerinnen 
kann  man  modrige,  alte  Hadern  und  Lumpen  finden,  die  ober- 
flächlich gewaschen  werden,  um  einer  anderen  Wöchnerin 
wiederum  zur  Unterlage  zu  dienen.  Der  Bettbeschaffenheit 
correspondirt  die  übrige  Reinlichkeit  des  Zimmers;  errathen 
kann  man  nur,  dass  der  Boden  Niemals  weiss  war,  and  auf 
dem  Fenstergesimsen,  dem  Tische,  im  Tischschubladen  liegen 
Haarkämme,  Zahnbürsten,  Pomadebüchschen,  Scbnörstifle, 
Striekstrümpfe,  Nähnadeln,  Zwirn,  Wolle,  Bändel,  Bindfaden, 
Tascbenkalender,  Taschenspiegel,  Fingerhüte  und  dgl.  in 
patriarchalischer  Eintracht  neben  einander.  Dass  bei  solcher 
Reinlichkeit^pflege  in  Bett  und  Zimmer  auch  noch  andere 
Inwohner  sich  einstellen,   Wanzen,   Läuse,   Flöhe  jeglicher 


214    I^*  JTo/mann,  Ist  sweckmüftigf  q.  siilftflsig  «.  «asIDlirbar, 

Grösse  bis  zum  sogenannten'  Hnsarenfloh,  Russen,  Schwaben, 
MSuse  versteht  sieb  von  selbst 

Wie  es  bei  solcher  Besebaflenheit  der  Verhaltnisse  mit 
der  Gesundheil  der  Zimmerinwohnermnen  stehen  ninss,  iSssl 
sich  leicht  erratben.  '  Der  dble  Einfluss  üussert  sich  nur 
deshalb  in  weniger  augenfalHgem  Grade  bei  den  Mutlem,  weil 
diese  bei  ihrer  grösseren  Körperkrafl  widerstandskrilUgcr  sind, 
tritt  aber  in  vollem  Maasse  bei  den  Neugehomen  vor.  In 
6 — 8  Tagen  sieht  man  das  kräftigste  Neugeborne,  absonderlich 
wenn  es  keine  Mutlerbrust,  wohl  aber  Mehlbrei  und  Schnuller 
bekommt,  verfallen ;  äl)er  Icterus,  Blepharitis  und  Blennorrhoe 
der  Conjuncliva,  Pemphigus,  Intertrigo,  Aphten  Studien  zu  machen, 
sind  solche  Winkelgebäranstalten  die  vorzugsweise  geeigneten 
Orte.  Am  aUerschlimmsten  daran  sind  Wöchnerinnen,  die 
ernstlich  erkranken.  Von  einer  Krankenwart  und  Kranken- 
pflege ist  nur  ausnahmsweise  die  Rede;  die  Hebamme  über- 
lässt  die  Kranke  ihrem  Schicksale,  macht  die  Cataplasmen 
nachlässig,  reicht  ebenso  nachlässig  die  Arznei,  und  trachtet 
im  Falle  ernstlicherer  Erkrankung,  die  Kranke  sobald  als 
möglich  los  zu  werden  und  ins  Gebär-  oder  Krankenhaas  zu 
scbafTen. 

Auch  über  die  Räumlichkeiten  des  Mädchen  zimroers  hinaus, 
erstreckt  sich  dessen  Einfluss.  Die  Emanationen,  wetebe 
die  Wöchnerinnen  und  Neugebomen  in  die  durch  die  Lage 
des  Zimmers  schon  verderbte  Zimmerluft  abgeben,  finden  ihren 
Weg  in  die  Wohnungsräumlichkeiten  der  Familie  der  Hebanmie. 
Gesunde  Kinder  hier  zu  finden  ist  eine  Seltenheit;  ffir  ganz 
gewöhnlich  sind  sie  scrophuiös,  venrathen  schlechte  Blutbe- 
schafTenheit,  schlechte  Ernährung,  und  sind  in  ihrer  physischen 
Entwickelung  hinter  ihren  Jahren  zurück. 

Wenn  aus  allen  diesen  Gründen  die  Sanitätspoliaei  den 
Winkelgebäranstalten  zu  Leibe  ^geht,  so  hat  sie  recht,  denn 
ihre  Unterdrückung  muss  Postulat  der  Sanitätspoltzei  sein. 

ad  2.  Es  ist  mir  öfter  vorgekommen,  dass  idi  unter 
Tages  einen  oder  den  anderen  Liebhaber  im  Mädchenzimmer 
traf;  die  Inwohnerinnen  genirte  seine  Gegenwart  im  Ein-  und 
Auskleiden  nicht  im  Mindesten.  Es  ist  mir  abei:  Auch  vor- 
gekommen, dass  ich,  zur  Nachtzeit  gerufen,  das  ein-  und 


is  UaiversitätMtiidteii  anebeU«li  Oebärendtn  ^tc.       215 

re  Mal  dea  Liebhaber  bei  einem  der  Mädchen  im  Bette 
traf,  so  dass  dessen  Ausschaffuog  unter  Androhung  zwangst 
weiser  Entfernung  durch  die  Genadarmen  der  Beginn  meiner 
heilärKtlichen  Thäligkät  sein  musste.  Dass  ich  mit  der  Hebamme 
in  Folge  dessen  kein  sanfles  Recontre  hatte,  versteht  sich  vmi 
selbst,  und  mieden  solche  Hebammen  dann  ein  Jahr  und  noch 
länger  die  Inanspruchnahme  poliklinischer  Hilfe.  Ich  muas 
jedoch  der  Mönchner  Hebammenschaft  zur  Ehre  nachsagen, 
dass  es  nur  ganz  wenige,  1  —  2  Hebammen  waren,  welche 
*ibre  Wohnungen  gewissermaassen  zum  Betriebe  der  Hurorei 
ho'gaben;  die  weitaus  grösste  Zahl  der  Hebammen  hielt  auf 
Zucht  und  Sitte,  schon  wegen  ihres  persönlidien  Rufes  und 
des  davon  abhangigen  Vertrauens  in  der  Frauenweit.  Dagegen 
kaan  man  nach  ein^  anderen  Seite  hin  eine  in  den  Familien 
aUer  Hebammen,  welche  Mädchen  zum  Entbinden  aufnehmen 
sieb  vorfindliche  Wahrnehmung  machen,  welche  darin  besteht, 
dass  die  heranwachsende  Generation,  die  Kinder  der  Hebamme, 
Knaben  und  Mädchen  von  12 — 14  Jahren,  in  alle  Mysterien 
des  Gebäraktes,  und  folglich  auch  des  Schwangerschaftsvor- 
ganges und  Zeugungsaktes,  eingeweiht  sind.  Nicht  selten 
lassen  die  Hebammen  durch  ihre  Kind«*  den  Arzt,  wenn 
solcher  nöthig  wird,  herbeirufen,  und  für  ganz  gewöhnlich 
kann  man  wahrnehmen,  dass  diese  Kinder  aber  den  augen- 
blicklichen Stand  der  Dinge  so  umfassenden  Bescheid  wissen, 
dass  der  Arzt  ohne  nur  vorerst  im  Hause  gewesen  zu  sein« 
vollständig  informirt  ist  Zu  wundern  ist  dies  freilich  nicht, 
da  ja  Hocbschw.%ngere  immer  unter  den  Augen  solcher  Kinder 
herum  laufen  und  unvermeidlich  ist,  dass  sie  mit  Aug  und 
Ohr  das  Geschäft  der  Mutter  kennen  lernen. 

Auch  die  Sittenpolizei  hat  sonach  kein  Interesse  an  der 
Duldung,  vielmehr  ein  solclies  an  der  Aufbebung  solcher 
Winkelgebaranstalten. 

ad  3.  Das  universitätische  Interesse  an  der  Duldung 
soteher  Winkelgdbäranstalten  wird  sich  v^rsdiieden  gestidten 
je  nach  der  Grösse  des  den  universitätischen  Lehrzwecken  zu 
Gebote  stehenden  Gebärhauses  und  je  nachdem  die  Universität 
eine  geburtshulflicbe  Poliklinik  besitzt  oder  nicht 

Nur  in  dem  einen  Fall,  wenn  die  Universität  keine  ge- 
burtsbulflicfae  Poliklinik  und  eine  kleine  stationäre  Klinik  hat» 


316    I^*  Sofmaun,  Ist  sw#ekiiittMig  n.  Mititotlfr  «•  »willikvbAr, 

iD  der  die  Zahl  der  zum  Lehrzwecke  verwendbareii  diepanUeB 
Schwangeren,  Gebärenden  und  WöchBerinnen  im  MiesTerhalt* 
nisae  steht  mit  der  Frequenz  der  medidnischen  Fakultät  — 
nur  in  diesem  einen  Falle  hat  die  UniTersität  ein  Inlereaae 
an  der  Aufhebung  der  Winkelgebäranstalten.  In  diesem  Falle 
reicht  nämlich  dies  zum  Lehrzwecke  verwendbare  Material 
nicht  aus  und  die  Universität  muss  eine  Vermdining  des  Lehr- 
materials anstreben,  will  sie  nicht  die  Erfahrung  mach», 
dass  die  Frequenz  der  medidnischen  Fakultät  sinkt,  und  zwar 
aus  keinem  andern  Grunde,  als  lediglich  dem,  wdl  es  den* 
Studirenden  an  Lern-,  dem  Lehrer  der  Geburtshülfe  am  Unter- 
richtsmaterial gebricht.  In  diesem  Falle  wird  eine  gegen 
unehelich  Schwangere  ausgesprochene  Gebärortsprohibitivmaasa- 
regel  die  Frequenz  des  Gebärbauses  steigern  machen  und 
das  bisherige  Missverhältniss  zwischen  Unterrichtsmaterial  und 
Klinicistenzahl  ausgleichen.  Es  versteht  sich  ganz  von  selbst, 
dass  Conditio  sine  qua  non  zum  Vollzug  jeder  Prohibittv- 
maassregel  sattsame*  Räumlichkeit  des  der  Universität  zur 
Benutzung  zu  Gebot  stehenden  Gebärhauses  ist,  sodass  dieses 
um  so  viel  mehr  dem  Unterrichte  dienende  Personen  auf* 
nehmen  kann,  als  fürVie  viele  die  Prohibitivmaassregel  Anlass 
geben  wvd.  Ohne  solche  Ranmdisponibilität  des  universitä- 
tischen Gebärhauses  hätte  die  Universität  nicht  das  mindeste 
Interesse  an  einem  gegen  die  Hebammen  in  der  bezeichneten 
Riditung  zu  erlassenden  Interdikte.  Den  bezeichneten  einen 
Fall  ausgenommen  hat  die  Universität  in  allen  anderen  Fällen 
kein  Interesse  an  einem  solchen  Verbote,  das  ihr  im  gelin- 
desten Falle  nichts  nützt,  nn  anderen  Fall  aber  sogar  viel 
schadet.  Hat  nämlich  die  Univ^^ität  eine  den  Unterrichts- 
bedürfnissen ausreichende  stationäre  geburtshulfücbe  Klinik, 
aber  keine  geburtsbüifliche  Poliklinik,  so  ist  sie  bds  dem 
Erlasse  eines  solchen  Verbots  gänzlich  unbetheiligt  und  dieses 
daher  für  sie  interessenlos.  Das  Lehrmaterial  des  Gebärhauses 
deckt  ihre  Unterrichtsbedürfnisse  und  die  durch  Verschluss 
der  Hebammenwohnungen  bewirkte  Rückstauung  der  U/iehe- 
liehen  ins  Gebärhaus  und  dann  auch  in  die  universitätische 
Klinik  ist  für  die  Unterrichtszwecke  eine  Last  Das  Unter- 
richtsmaterial wird  zu  gross,  um  vom  Universitätslehrer  über- 
sehen   und    unterrichtsentsprechend    verw«rthet    zu   werden. 


ia  UaiTertitftUttiidt«n  an«h«lich  OsbärAiMkn  etc.        317 

-weshalb  «uob  errahrungagemäss  die  mitlelgroaaeB  Gebär^ 
aosUheii  der  mittelgrosaen  üiuTerntäUstädte  von  jeher  mehr 
för  die  WisseiMchaft  geleistet  und  Erspriessliches  f&r  die 
YarsorgUDg  des  Publikums  mit  Geburtshelfern  gewirkt  haben, 
als  die  grossen  Gebäranatalten  der  Grossstadte  und  grosse» 
Universitäten  mit  ihren  jälirliehen  Tausenden  von  Geburten« 
Belastet  aber  ein  Prohibitivverbot  die  universitätiscbe  stationäre 
Klinik  bei  Nicbtexistenz  einer  geburtshälflichen  Poliklinik  schon 
in  dem  Unterricht  nicht  förderlicher  Weise,  so  schadet  es 
direct  im  Falle  der  Existenz  einer  geburtshöinichen  Polikliaik 
neben  der  stationären  Klinik;  weil  es  das  Unterrichtsmaterial 
der  ersteren  schwächt  Was  aber  das  geburtshülflich  poli- 
klinische Material  schwächt,  beeinträditigt  direct  den  geburts* 
hölflicken  Lehrzweck.  Die  Poliklinik  ist  es  nämlich,  welche 
ganz  vorzugsweise  bestimmt  ist,  dem  Lernenden  das  Gebären 
unter  häuslichen  Yerbältnisen,  die  anderer  Natur  sind,  als 
die  gebäranstaltlichen  Verhältnisse,  anschaulich  zu  machen 
und  die  PoUklinik  ist  es,  welche  bestimmt  ist,  dem  Lernenden 
der  bisher  am  Gängelbande  der  stationären  Gebärhausklinik 
geführt  wurde,  nach  und  nach  jener  Selbstständigkeit  zuzu« 
fahren,  die  er  binnen  Kurzem  haben  muss,  wenn  er  in  Vertrauen 
engender  Weise  als  Geburtsarzt  dem  gebärenden  PiihUkura 
gegenüber  auftreten  will.  Die  Poliklinik  ist  es  daher,  welche 
den  Udl>ei*gang  aua  der  engen  Zwangsjacke  der  Schule  in  die 
Schule  des  Lebens  zu  vermitteln  berufen  ist.  Diesen  Zweck 
kann  aber  die  PoUklinik  nur  dann  erfüllen,  wenn  sie  ein  der 
Zahl  nach  reichhaltiges,  der  Sache  nach  mannigfaltiges  Unter- 
richtsmaterial hat,  und  j6  reichhaltiger  und  mannigfaltiger  ihr 
Unterrichtsmaterial  ist,  um  so  mehr  wird  die  Poliklinik  ihren 
Beruf  erfüllen.  Sie  kann  sich  daher  auch  schlechterdings 
nicht  beschränken  lassen,  was  zweifellos  bei  jeder  Prohibitiv- 
maassregel  bezeichneter  Art  der  Fall  wäre.  Jede  Universität 
daher,  die  eine  geburtshülfliche  Poliklinik  hat,  muss  zweifels- 
ohne im  Interesse  ihrer  Poliklinik,  d.  h.  im  Interesse  der 
Doctrin  und  der  medicinischen  Facultät  mit  allen  ihr  zu  Gebot 
stehenden  Mitteln  protestiren,  wenn  Sanitätspolizei  und  Sitten- 
polizei die  Winkelgebäranstalten  auflieben  wollen.  Werden 
daher  letzlere  Beide  gegebenen  Falles  schon  an  der  Universität, 
wenn  anders  diese  ihre  Schuldigkeit  thut,  eine  Gegnerin  finden. 


218    IV*  Eo/mmin,  Ist  feweokmJUBig  «.  ssliMlg*  vl  «nafllliffbar, 

tritt  gegen  sie  eine  noch  viel  bedeiHendere,  ja  geradesn  «n^ 
überwindbare  weitere  Gegnerin  in  die  Schranken,  nämlieh 

«d  4.  Die  Undurcbfahrbarkdt  des  Verbotes,  dass  keine 
Hebamme  in  ihre  Wohnung  Schwangere  eiim  Gebären  seil 
aufnehmen  dürfen.  Nach  mehreren  Ricbtongea  stellt  sich 
ein  solches  Verbot  als  unausführbar  dar: 

a)  V^enn  Hebammen  keine  Mädchen  nrehr  in  ihre  Wohuimgen 
aufnehmen  dürfen,  so  werden  sich  diese  keineswegs  alle  be» 
stimmen  lassen,  ins  Gebärhaus  zu  gehen ;  es  werden  sich  ^äm* 
lieh  immer  welche,  wie  die  Erfahrung  in  Münchenlehrte,  bestimmen 
lassen,  sich  Privatwohnungen  zu  miethen  und  in  diesen  dann 
die  Niederkunft  abzuwarten.  Das  ist  aber  gerade  der  Punkt, 
den  die  Sittenpolizei  wohl  ins  Auge  fassen  möge,  demd  welcher 
Art  werden  denn  die  Famiüen  sein,  welche  an  eine  UneheKch- 
Schwangere  behufs  Erwartung  der  Niederkunft  ein  Zimmer 
vermiethen  ?  Und  hat  denn  zu  einem  solchen  ZimroerfHiuleni 
der  Liebhaber  nicht  ungenirteren  Eintritt,  als  in  der  Hebammen- 
wohnung? Als  Zimmerfräulein  erachtet  sich  das  Mädchen  als 
eigene  Herrin,  die  thun  kann  was  ihr  beliebt,  da  sie  zum 
Mietbgeber,  der  in  der  Regel  eine  Frau  oder  Wittwe  ist, 
im  Verhältniss  einer  selbstständigen  Aflermielherin  steht, 
w^che  zu  überwachen  der  Miethgeberin  weniger  Recht,  und 
weniger  Interesse  bat,  als  wenn  die  Hebamme  die  Miethgeberin 
ist  Diese  ist  nämlich  aus  Rücksicht  für  ihre  Praxis  gebunden, 
dafür  zu  sorgen,  dass  ihre  Wohnung  sich  nicht  in  ein  Rordeil 
umwandle,  und  desswegen  überwacht  sie  das  bei  ihr  wohnende 
Mädchen  und  die  Besuche  die  es  empfängt,  weil  sie  selbst 
wieder  vom  Publikum  und  den  übrigen  Hebammen  überwacht 
und  controlirt  wird;  jene  ist  aber  nicht  gebunden  oder 
jedenfalls  in  weit  geringerem  Grade.  Soviel  steht  fest:  je 
mehr  die  Polizeibehörde  das  Qliederkommen  der  Mädchen  bei 
Hebammen  erschwert,  um  so  mehr  treibt  sie  dieselben  in 
Privatwohnungen  und  um  so  mehr  arbeitet  sie  auch  der  Un- 
Sittlichkeit  in  die  Hände. 

b)  Will  das  gegen  die  Hebammen  erlassene  Verbot  Mädchen 
anfiEunehmen,  nicht  blos  auf  dem  Papier  stehen,  sondern  ins 
Leben  treten,  so  steigt  nothwendigerweise  die  Frequenz 
des  Gebärbauses,  weil  nicht  alle  Mädchen  so  bemittelt  sind, 
sich  Privatwohnungen  miethen  zu  können.     Bevor  man  daher 


ia  ünWersitütoHlldtMi  nnehelicb  Oebäx««d«ii  etc.        219 

ein  solches  Verbot  eriässt,  muss  zuerst  ermittelt  sein,  ob  die 
disponiMen  Räoine  der  GebirMistalt  der  zu  erwmrteBden 
stärkeren  Frequenz  gewachsen  sind.  Verabsäumt  man  diese 
vorherige  Feststellung  und  zeigt  ach  nach  erlassenem  Verbole 
dass  die  GebSrbausrdumliehkeiten  fl&r  die  gesteigerte  Frequens 
nicht  ausreichen,  so  kann  man  vorerst  entweder  das  erlassene 
Verbot  nicht  dorcbfubren,  oder  man  dringt  nicht  wenige 
MSdchen  so,  dass  sie  nicht  mehr  wissen,  wo  sie  niederkommen 
sollen,  und  drängt  sie  dem  Hetmlicbgebftren  m  die  Arme. 
Vom  Heimiicbgebären  zum  Kiadesmerde  ist  aber  erfahnings- 
gemäss  nur  ein  sehr  kurzer  Schritt  und  die  Beantwortung  der 
Frage,  ob  es  weise  ist,  den  Mensdien  auf  die  Verbrechensbabn 
zu  drängen,  überlasse  ich  getrost  Anderen,  die  besser  berufen 
sind  dazu,  als  ich.  Ich  bemerke  nur,  dass  meines  Wissens 
die  Potizeigewalt  des  Staates  ihren  grössten  Rohm  darin  suchen 
muss,  Verbreclien  zu  verböten,  nicht  aber  Verbrechen  zu 
veranlassen.  Mit  einem  Worte:  will  man  das  Verbot  aufrecht 
halten,  so  erübrigt  nichts,  als  in  vollkommen  ausreidiender 
Weise  die  Gebärbäuser  der  Universitätsstädte  zu  vergrössem. 
Dies  ist  aber  geradezu  unmöglich,  denn  keine  Universitäts- 
und  städtische  Kasse  wüi-de  so  ?iele  disponible  Kapitalien 
haben  und  auch  aufwenden  wollen,  als  dann  die  Gebärbäuser 
in  Anspruch  nehmen  würden.  Ob  die  Staatskassen  gewält 
sein  werden,  den  Universiläts*  und  gemeindlichen  Kassen 
unter  die  Arme  zu  greifen,  möchte  ich  um  so  eher  bezweifeln, 
da  die  Volksvertretungen  dann  ein  Wort  dabei  mitzureden 
hätten  und  diese  sicher  nicht  geneigt  wären,  zu  einer  Saohe 
Znschuss  zu  geben,  deren  Nutzen  schon  für  die  universitätische 
Zwecke  sehr  problematisch  ist,  die  jedenfalls  zum  Nachtheil 
der  inwohnerschafl  der  Gebärhäuser  umschlagen  würde,  da 
die  Geschichte  aller  Gebärhäuser  lehrt,  dass  die  Mortalitäts- 
ziffier  nicht  in  stetiger  Progression  mit  der  Grösse  des  Gebär- 
hauses steigt,  sondern  in  ungleich  grösserem  Maassstabe. 

c)  Soll  das  Verbot  aufrecht  gehalten  werden,  so  muss 
daf&r  gesorgt  werden,  dass  zu  jeder  Stunde  des  Tages  und 
der  Nacht  Gebärende  auf  Tragbahren  ins  Gebärhaus  ver*- 
schafft  werden  können.  Diese  Vorsorge  muss  deshalb  geschehen^ 
weil  es  nicht  so  selten  sich  ereignet,  dass  Schwangere  unge- 
ahnt von  der  Geburt  überrascht  werden  und  diese  einen  so 


220    I^*  BioßiMUMt  Ist  feweckmiUftigr  a-  «ulüasig  n«  »lulfikrbar, 

rftscheo  Forlgang  oimnit ,  dass  die  Gebaroaden  ohne  inögkdie 
LebeDsgeföhrduDg  für  sich  uad  ihr  Kind  niobiaiehr  su  Fiue 
ins  Gebärhaus  gelangen  können.  Diese  Vorsorge  wird  in  dem 
Maasse  dringlicher,  als  die  üniversimsstadi  grösser  ist,  weil 
dann  die  Entfernungen  ?on  den  äusserstai  Punkten  der  Stadt 
und  Vorstädte  zum  Gebärhause  wachsen.  Wer  soll  denn  die 
Kosten  tragen?  Die  Universität  doch  nicht,  fär  die  ohnedies 
schon  die  gesteigerte  Frequenz  des  Gebärhauses  nicht  zum 
FroBimeu  des  gebortshulflichen  Unterrichts  ist?  Oder  die 
Gemeinde,  die  nicht  das  geringste  Interesse  hat,  persönliche 
Zwecke  des  universitätischen  geburtshölOicben  Lehrers  zu 
unterstützen?  Und  wenn  nun  Vorsorge  nicht  getroffen  wird, 
und  eine  nahewohnende  Hebamme  nimmt,  nicht  weit  sie 
Hebamme  ist,  sondern  aus  allgemeiner  Menschenpflicht  eine 
Gebärende,  die  auf  dem  Wege  ins  Gebärhaus  ist,  es  aber  nicht 
mehr  errekhen  kann,  in  die  Wohnung  auf,  wie  will  man  die 
Hebamme  strafen?  sie,  die  nicht  mehr  gethan,  als  was  ich 
und  Jedermann  nicht  blos  zu  thun  berechtigt,  sondern  nach 
dem  (jebote  der  Nächstenliebe  verpflichtet  ist? 

d)  Es  kann  hier  fugUch  ausser  Acht  gelassen  werden, 
ob  es  Puerperalfieberepidemien  giebt,  oder  ob,  wie  Semmdtoei» 
behauptet,  alle  vermeintlichen  Epidemien  Pseudoepidemien 
sind,  herbeigerufen  durch  Infection  ursprünglich  mit  Leichen«* 
gilt  Die  Thatsache  nur  braucht  festgehalten  zu  werden,  dass 
von  Zeit  zu  Zeit,  gleichgiltig  ex  qua  causa,  Puerperalfieber 
in  epidemieähnlicher  Häufigkeit  in  Gebärhäusem  vorkommen, 
und  die  Thatsache,  dass  das  radikalste  Mittel  zur  Abschneidung 
dieser  Krankheiten  die  Schliessung  der  Anstalt  und  die  Zer*- 
Streuung  ihrer  Inwohnerinnen  ist.  Wie  steht  es  gegenüber 
dieser  Thatsache  mit  dem  qoästionirten  Verbote?  Soll  es  um 
jeden  Preis,  selbst  um  den  sich  mehr  und  mehr  in  dem  Ge- 
bärhause häufender  Sterbefalle  und  auf  die  Gefahr  hin  der 
Versdileppung  der  Krankheit  aus  dem  Gebärhause  in  die  Stadt 
hinaus  aufrecht  gehalten  werden  ?  Die  städtische  Bevölkerung 
wird  sich  dafür  bedanken!  Oder  wenn  Nein,  wohin  sollen 
die  Schwangeren  zum  Entbinden  gehen?  Glaubt  man,  dass 
eine  zeitweilige  Suspension  des  Verbots  vielleicht  helfen  könne? 
Wie  sind  denn  die  Hebammen,  die  bisher  wegen  des  Verbots 
nicht  in  Wohnung,  Meublement  und  Weisazeug  zur  Aufnahme 


lB  UniverdtlltstUdleii  mi«h«Ueh  GabärMideii  ete.       2S1 

SefawaDgerer  eingerichiet  sind,  knall  und  Fall  im  Stande^ 
MMchen  zu  beherbei^en  ?  Und  wenn  nun  aBes  das  nicfat 
geht  und  man  den  Unehelichen  auch  nicht  die  offene  Straaae 
zur  Abwertung  der  Niederkunft  und  Abhsdlung  des  Wochen- 
bettes anweisen  kann,  was  soll  denn  gesdiehen?  Ich  erbitte 
mir  eine  Antwort. 

e)  Ein  solcdies  Verbot  beeinträchtigt  in  völlig  unzuliSBiger 
Weise  die  Freiheit  des  Individuums.  Selbst  im  Falle  der 
NotorietSt  hodigradiger  ^stediungsßihigkeit  einer  Krankheit 
wie  z.  B.  der  Blattern,  übt  die  Behörde  keinen  derartigen* 
Druck  auf  die  Bevölkerung,  dass  sie  ausnahms-  und  rücksichtslos 
jede  Blattemkranken  in  die  Blatternabtheilung  des  Kranken- 
heuses  verweist  AUes  was  die  Behörde  fordert,  fordern  kann, 
aber  auch  fordern  rouss,  ist  Sicherstellung  der  übrigen  Be- 
völkerung gegen  die  Ansteckung ;  erst  wenn  diese  Sicherstellioiig 
unter  den  gegebenen  Veriiältnissen,  in  denen  sich  der  Kranke 
befindet,  nicht  möglich  ist  oder  nicht  geleistet  werden  will, 
übersiedelt  sie  aus  Bucksicht  auf  das  Gemeinwohl  den  Kranken 
in  eine  öffentliche  Anstalt,  um  ihn  isoliren  zu  können..  Diesen 
Fall  ausgenommen  übt  die  Behörde  niemals  einen  moralischen 
oder  physischen  Zwang  gegen  den  Kranken,  überlässt  vielmelu* 
seinem  und  seiner  Angehörigen  Ermessen,  sich,  wo  und  wie 
es  ihnen  am  zweckmftssigsten  dünkt,  eine  ärztliche  Hülfe  zu 
suchen.  Die  Wahl  des  Arztes  ist  auch  so  sehr  Vertrauens^ 
Sache  des  Kranken  und  seiner  Angehörigen,  dass  sich  die 
Nichteinmischung  der  Behörde  ganz  von  selbst  versteht  Freiheit 
der  Person  ittnei*halb  der  gesetzlichen  Schranken  ist  jedem 
Inwohner  eines  constitutionellen  Staates  (und  unsere  deutsehen 
Staaten  sind  nunmehr  alle  ausnahmslos  consUtutionell)  verbürgt 
Wie  reimt  sich  zu  dieser  verbürgten  persönlichen  Freiheit 
die  Uebung  eines  indirecten  auf  Uneheliche  gelegten  Zwangs, 
nur  in  einem  Gebärhause  niederkommen  zu  dürfen?  Wo 
existirt  in  einem  deutschen  Staate  ein  mit  der  Volksvertretung 
vereinbares  Gesetz  derart?  Wie  ist  es  vor  dem  Riditeratuhl 
der  Humanität  veranlwortbar  einen  solchen  Zwang  namentlich 
zu  einer  Zeit  aufrecht  zu  halten,  wo  Puerperalfieber  in  der 
Gebäranstalt  herrschen,  wenn  man  nidit  den  grossen  fimfiuss 
der  Gemithsstimmung  auf  den  Gesundheitszustand  der  Wöch- 
nerin geradezu  läugnen  will,   was  man  zur  Zeit  nicht   kann. 


da  dUB  ^«mwM&i^ew'sche  Theorie   aber  die  Entolehung  das 
Puerperalfiebers  bis  jetzt  noch  Tiei  zu  sehr  Hypothese  and 
▼iel   8U  wenig  thatsaehlig  begründet   ist?    Man   denke   sieb 
in  die  Lage  eines  zwar  unbemittelten,  aber  um  das  moraliscbe 
Wohl  seines  Kindes  ängstlich  besorgten  FamiüedTaUirs,  dem 
das  Unglück  begegnete,  dass  seine  älteste  Tochter  ausserdielich 
schwanger  wurde.     Im  Ha'use  kann  er  sie  nicht  behalten  aas 
Rficksicht  für  zwei  eben  erst  heranwachsende  jüngere  Töchter; 
zu  einer  Hebamme  kann  er  sie  ni^t  einquartieren  wenn  dies 
I  verboten  ist;  zur  nächst  besten  Frau  die  Tochter  in  Wohnung 
zu   bringen,   und    so  gewissermaassen   sein   ohnehin  bereits 
unglückliches   Kind  noch  mehr,   als  bereits  geschehen,  der 
Unsittlichkeit  in  die  Arme  zu  treiben,  nimmt  er  noch  grösseren 
Anstand;  im  Gebärhause  herrscht  gerade  das  Kindbettfieber, 
oder  wenn  auch  nicht,   sein  vaterliches  Gefühl  sträubt  sieb 
gegen  den  Gedanken,  die  Geschleehtstheile  seines  Kindes  z« 
geburtshulflichen    Lehr*   und  Lernzwecken  herzugeben;   — 
wo  soll  dieser  Vater  mit  seiner  wegen  ihres  Fehltrittes  noch 
keineswegs  entsittlicliten  Tochter  bin?  und  wie  will  in  einem 
constitutionellen  Staate  ein  auf  keine  geseUliche  Bestimmung 
weit  und  breit  sich  fussender  moralischer  Zwang  gegen  Vater 
und  Tochter  vor  dem  Gesetze,  welches  dem  Individuum  Freiheit 
der  Person  innerhalb  gesetzlicher  Schranken  verbürgt,  gerecht- 
fertigt werden? 
Endlich 
/)  £in  solches  Verbot,   wenn  urplötzlich  erlassen  und 
durchgeführt,  benaohtheiligt  den  Nabrungstand  der  augenblick- 
Uchen  Hebammenschaft  der  Universitätsstadt  aufs  Empfindlichste 
und   drängt  dieselbe   der  Verarmung  entgegen,   weil   all  das 
Kapital,   welches  die   Hebammen  in   Wohnung,   MeuUeroent 
und  Weisszeug   gesteckt  hat,  urplötzlich  unfructificirlich  ge- 
worden ist.    Würde  die  Behörde  einen  Erlass  des  quästionii*len 
Verbotes  dennoch  für  geboten  erachten,  so  könnte  dies  ^hwt 
Beoachtheiligttttg    der   Hebammenschafl    der   Universitätsstadt 
nur  so  geschehen,  dass  die  lebenden  Hebammen  im  Besitze 
einer  nun  einmal  durch  Verjährung  gewissermaassen  sanctionirlen 
Befugoiss  gelassen,  dagegen  ausgesprochen  wdrde,   dasa  von 
jetzt  an  keiner  neuzugehenden  Hebamme  diese  Befugniss  mehr 
gestattet    würde.     Die    künftighin    zugehenden   Hebaimnen 


iD  üniTeraititMttdtan  «»«iMlfeh  GebftrMid«ii  «to.        223 

wissea  dann,  woran  sie  sind,  und  werden  nicht  ein  unrentir* 
lidies  Kapital  in  Wohnung,  Meubeis  und  Weisweug  anlegen. 
KftBstUch  aber  die  Hebammenschaft  einer  Stadt  yerarmen  zu 
machen,  Hegt  um  so  weniger  Grund  vor,  als,  sehr  wenige 
Ausnahi&eD  abgerechnet,  alle  Hebammen  in  aller  Herren  Ländern 
sich  nicht  eines  Ueberflusses  an  Sobsistenzmitteln  zu  rühmen 
haben. 

So  stellt  sich  nun  von  allen  Seiten  her  die  Undurchföhr- 
barkeit  einer  solchen  Prohibitivmaassregel  zu  vermeintlichen 
Gunsten  der  universitätischen  Gebäranstaiten  zur  Evidenz 
heraus.  Sollte  es  indess  noch  weiterer  Beweise  bedürfen, 
so  lasse  ich  hier  Zahlen  folgen,  welche  beweisen,  dass  gerade 
in  München,  wo  man  die  Inscenirung  dieser  Maassregel  zuerst 
in  Angriff  nahm,  nach  noch  nicht  zehn  Jahren  Niemand  mehr 
an  deren  Aufrechthaltung  denkt  und  sie  factisch  daher  zu 
Grabe  getragen  worden  ist.  Laut  amtlicher  Bekanntmachung 
nämlich  wurden  im  Monate  April  1861  in  München  215 
eh^iche  und  221  uneheliche  Kinder,  und  von  diesen  86 
innerhalb  und  135  ausserhalb  des  Gebärhauses  geboren. 

Der  Stand  der  Sache  wäre  sonach,  dass  Sanitäls-  und 
Sittenpolizei  unbedingt  die  Aufliebung  der  Winkelgebärandtalten 
fordern,  die  Hebammenschaft  deren  Beibehaltung  eifrigst  bevor- 
wertet,  die  Universität  über  die  Erspriesslichkeit  ersterer 
Maassregel  für  ihre  Zwecke  sehr  zweifelhaft  denkt,  die  Praxis 
aber  die  Durchführbarkeit  solcher  Maassregel  nur  mit  Hint- 
ansetzung aller  Rücksichten  bejaht  Die  Sanitätspolizei  würde 
ihre  Aufgabe  verkennen,  wollte  sie  bei  solcher  Sachlage 
dennoch  auf  rückhaltlose  Durchführung  der  Naassregel  noch 
dringen.  Sie  würde  sich  als  das  Erste  im  Staate  hinstellen, 
dem  alles  Uebrige  weichen  müsste;  das  aber  kann  und  darf 
die  Sanitätspolizei  nicht 

Es  giobl  Rücksichten  für  den  Staat  von  utizweifetbafl 
viel  bedeutenderer  Wichtigkeit,  als  die  für  Sanitatspoiizei,  und 
wo  solche. Rflcksichlen  vorwalten,  soM  und  muss  letztere  auf 
das  Unerreichbare  verzichten  und  mit  dem  Erreichbaren  sich 
zufrieden  stellen.  £s  soll  damit  keineswegs  gesagt  werden, 
dasa  der  j  6 1  z  i  g  e  Zustand  der  Winkelgebiranstalten  in  Ewigkeit 


da  jY^  0^^^^  i,ei^t,  werden,   dass  das 

1  ii0  ^^gi0  0^^         sfem  iwn  dies  der  Fall,  wekhes 

'aäÜ^  ^  "^  ^'^    «ff^^  '®''    ^   ^^^    widerstreitendeo 
^^f  Aosg^^J^^ei,  der  Slttenpolwci,  der  EMMmmen- 
j^^^g00p  <*^.      .^^  uad  der  Oppertunität?    Es  fiodel  sich 
get»^  ^-h    esvanki  dort,   wohin   alle   unsere   moderneD 
'  ^         der  ^"^Tßeß:  iV/chtbeeinlrächtiguiig    der    freien 
»  Sta»^^'^       ^^j.  Biiizelnen  roit  parallelgehender  Con- 

Be^^S  oiissbräuchliche  Ausschreitung.     Man 

^^^^       ifer  £io2e]hebamme,   ob   sie  Uneheliche  annehmen 
n  oder  nic^'J  ^^^'^  ^*^  Sanilätspolizei  überwache  in  Wirk- 
.  .|^^,|^  nicht  auf  dem  Papiere  und  blos  dem  Namen   nach 
das  saiiitälische  Wohl,  die  Sittenpolizei  die  sittliche  Aufführung 
eoer  Mädchen,   die  sich   bei  Hebammen  einmieüien.     Thun 
diese    zwei  Factoren    ihre   Schuldigkeit,    so   wird   es   nicht 
fehieOf  dass  die  industriöse  Hebamme  ein  den  Anforderungen 
der  Sanität  und  der  öffentlichen   Sittlichkeit   entsprechendes 
Etablissement  herstellen  wird.    Es  wird  dann  in  sittlicher  und 
physischer  Beziehung  gesorgt  für  Persönlichkeiten  der  Mittel- 
and besseren  Stände,  die  desswegen,  weil  unehelich  in  dem 
bezelclmeten  Falle  noch  nicht  entsittlicht  sind ;  es  ist  gesorgt 
für  den  bedrängten  Familienvater,  der  gegebenen  Falles  seiner 
Tochter  Leib  weder  einer  das  Leben  zerstörenden  Ansteckungs- 
krankheit,  noch  als  Unterrichtsobject  preiszugeben  braucht 
Es  ist  auch  gesorgt  für  die  ihre  Niederkunft  abwarten  wollenden 
Putzmacherinnen ,    Kamnierzofen , '  Bonnen ,    Stubenmädchen ; 
denn  diese  alle  werden,  übt  die  Sanilätspolizei  in  Bezug  auf. 
Wohnung,  Meublement  und  Reinlichkeit  einen  gehörigen  Druck 
*-  gegen   die  Hebamme,    die   paar  Gulden  Preiserhöhung  nicht 
scheuen   und   lieber   um   etliche   Gulden   theuerer  bei   einer 
'         Hebamme,   als   um  etliche  wohlfeiler  im   Gebärhause  nieder- 
kommen.  Geschieht  dies,  so  wird  der  Andrang  zum  Gebärhause 
an  und  für  sich  nicht  so  hoch  ansdiwellen,  wie  er  notiiwendig 
anschwellen  rouss  bei  eioem  exclusiven  Schulzverbot. zu  Gunsten 
des  Gebärhauses.    Jetzt  ist  aber  auch  die  Polizei  wirklich  in 
der  Lage,   die   noch   übrig  bleibenden   eigentikben   Winkel- 
gebäranstalten für  Dienstmägde  und'Taglöhuerinnen  schliesseo 


}jk  ^niv^raitiitflstKdten  uoekelich  Gebär&odeD  ete«       225 

\nen,  wie  dies  Ihun  zu  können  sie  4)ei  einer  scbranken- 
Npfaibitivmaassrege)  eben  wegen  Undurchführbarkeit 
«liebt  in  der  Lage  ist.  Auf  diesem  Wege  aBein 
"^ressen  der  Sanitat  und  öfTentlichen  Sittlichkeit 
^n;  die  Hebainmenschaft  der  Universitätsstädte 
«)g  gewahrt;  den  Fonlerungen  der  Humanität 
s  Interesse  de«  Individuums  möglichst 
üisherigen  Winkelgebäranstalten  schliessen 
.0,  reinlichere  und  zweck  massigere  Anstalten 
ihre  Stelle  und  auf  schonendstem  Wege  ist  die 
.^e  Mitte  gefunden.  Preisgegeben  ist  nur  die  arme  Dienst- 
•iiagd  und  Tagelöhnerin,  die  unvermögend  die  theueren  Kosten 
der  Niederkunft  in  besser  als  jetzt  organisirten  Privatanstalten 
zu  tragen,  gezwungen  ist^  in  der  Gebäraristalt  ihren  Körper 
und  möglicherweise  sogar  ihr  Leben  zu  Markt  zu  tragen. 
Selbst  diese  Klasse  der  weiblichen  GesellschafL  wird 'indessen 
jedenfalls  durch  bessere  Verpflegung  und  Graüsverpflegung 
theilweise  wiedej-  entschädigt,  und  betrefl's  des  restirenden 
Deficits  schlimmer  daran  sein  als  die  wohlhabenderen 
Klassen.  So  liegt  nun  einmal  in  menschlichen  Verhältnissen 
und  ist  göttliche  Anordnung  der  Dinge,  die  der  Mensch  nicht 
abändern  kann,  dass  unter  der  Sonne  nichts  vollkommen,  der 
Arme  überall  stets  schlimmer  daran  ist,  als  der  Wolilbabende 
und  Reiche. 


MoDAtsachr.f.aebumk.  1866.  Bd.XXV..  Snppl.Hn.  15 


226       ^-     Birnbaum,  Bericht  über  die  gebnrtshilfliehen 


Bericht   über   die    geburtshilflichen   Leistungen 

der  Bheinischen  Provinzial-Hebammenanstalt  in 

Goeln  in  den  Jahren  1860—1863. 

Von 

Dr.  Frledr.  H.  6.  Birnbaum, 

Director  der  ProylosUl^HebamnieiiABStaU  tn  05ln. 

Es  wurden  in  diesem  vierjährigen  Zeiträume  entbunden: 

1860  302 

1861  315 
•  •       1862  322 

1863  335 

1274 
Davon  waren: 

Erstgebärende    788        Un^erbeiralhet  1102 

Mehrgebärende  486        Yerheirathet     140 

T274        Verwittwet         32 

Unter  20  Jahren    95        Cöln,  Stadt  861 

20—25      „    '593.       Cöln,  Regierungsbezirk     112 

26—30      „373        Aachen,  „  96 

31—35       „       127        Coblenz,  „  56 

36-40      „        69        Düsseldorf,       „  122 

41—45       „   17        Andre  Bezirke  27 

1274  1274 

Die  Beschäftigimg  vertheilte  sich  den  Prozentsätzen  nach 
auf  die  1102  Unverehelichten  der  Art,  däss  der  grösste  Prozent- 
satz A.  auf  die  Dienstmädchen,  B.  auf  die  Gewerblos^n, 
(7.  auf  die  Näherinnen,  D.  auf  die  Fabrikarbeiterinneu, 
E.  auf  die  Taglöhnerinnen  fiel  und  der  Rest  F.  Putz- 
macherinnen, Händlerinnen,  Ladengehilfinnen,  Schauspielerinnen, 
Lehrerinnen  u.  s.  w.  umfasste  in  folgenden  Verhältnissen: 

A.  Dienstmädchen       60,03^/o 

B.  Gewerblose  12,90% 

C.  Näherinnen  9,24% 

D.  Fabrikarbeiterinnen  6,05% 

E.  Taglöhnerinnen         5,73% 

F.  Verschiedene    __Qfi6% 

100,00 


L6i«iaii§f«ii  d«r  Rhein.  ProT.-HebammeMiBttalt  eU.     227 

*         i 

Die  Geburten  waren: 

EiDfach  Mehrfach 

1860  297  1860  5=1:  60.40  =  l,65«/o 

1861  310  1861  5=1:  63,00  =  1,59% 

1862  316  1862  6  =  1 :  53,66  =  l,83o/o 

1863  331  1863  4=1:83,75  =  1,19% 
1254  20=1:62,70  =  1,59% 

Die  Kinder  waren: 

1860  Knaben  154,  Mädchen  153, 307 

1861  „        141,       „  179, 320 

1862  „        153,         „         175 328 

1863  „        171,         „  166,  unbeslinviit^    .    339 

619,  673,  2.       1294 

Die  Fruchte  unbeslimmten  Geschlechtes  waren 
eine  3 — 4  monatliche,  plattgedröckte  Frucht  in  den  Eihäuten 
eines  starken  Mädchens,  die  auf  den  ersten  Anblit^k  einem 
verkütnnierten  Nebenkuchen  gleichsah,  bis  man  Augenpunkte, 
platte  Scheitelbeine  von  Vs''  Durchmesser  und  verkümmerte 
Glieder  feststeilen  konnte,  und,  ein  ausserhalb  der  Anstalt 
verbi^ierischer  Weise  in  den  Abtritt  geborenes  Kind,  dessen 
Geburt  die  Person  trotz  Gegenwart  einer  Placenta  adnata 
hartnäckig  läugnete. 

Das  Verhältniss  der  Knaben  zu  den  Mädchen  war  demnach : 

1860  =  1 : 1,006 

1861  =  1:1,283 

1862  =  1:1,144 

1863  =  1:0,971 

1 : 1,081  * 
und  das  Normalverhältniss  der  Geschlechter  wurde  demnach 
so  oft  umgekehrt  gestaltet,  dass  es  auch  in  diesem  ganzen 
vieijährigen  Zeiträume  nicht  wieder  hergestellt  wurde,  wa^ 
offenbar  der  grossen  Zahl  der  unehelichen  Geburten  zu  den 
ehelichen  zuzuschreiben  ist. 

Die  Vertheilung  der  Geburten  nach  den  Monaten  ergab: 
Janaar.  Febraar. 

1860  Oeb.  »I  Enb.  14  Mdcb.  19—88       *  Geb.  80  Kab.  16  Mdch.  16—81 

1861  „    29     „       9      „      20—29  „     22     „     10      „      ISt— 22 

1862  „     26     „      9      „      17—26  „    27     „     11      „      16—27 

1863  „     23     „     17      „        6—23    '       „     87     „     20      „      18—89 

110  49  62  111  1   unbestimmt. 

116  66  62  119 

16» 


22^       V.    Birnbaum^  Benoht  über  die  gebartsbUflUheo 


Mäirs. 

Aixril. 

lg60Geb.80Enb.l6Mdch 

.16^81 

Geb.  88  Knb.  13  Mdeb, 

.10—88 

1861     „    86     „     14      », 

12—26 

ti     16     »»       4      „ 

12—16 

1862     „    80     „     18      „ 

14—38 

..     19     ,r       6      n 

14—88 

1868     „     34     ^     20      „ 

14—34 

..     84     „      18      „ 

16-85 

119           67 

56  123 

1  nobestimmt, 

91            41 

52     94 

Mai. 

Jnni. 

1860  0eb.29Enb.  12Mdch, 

.  17—29 

Geb.  20  Knb.  10  Mdch. 

.10—20 

1861     ..     80    .,     10      „ 

21—31 

1»     23     „       9      „ 

14—23 

1862     „     35    „     17      ,, 

18—35 

n     86     „      17      ., 

11—88 

1863     „     35     „     14      ,. 

21—35 

,.     27     .,     12      „ 

1fr— 27 

129            53 

77  130 

96           48 

50     98 

Juli. 

Angnst. 

l8G0Geb.84Knb.  13Mdch 

.12-25 

Geb.  17  Rnb.  10  Mdch 

.    7—17 

1861     „     SD    „     16      „ 

16—81 

„     28    „     16      „ 

18—28 

1668    „     86     „     IH      „ 

18—86 

M     28     „10      .. 

18—28 

1863     „     28    „     12      „ 

16—28 

..     28     „     12      „ 

12—84 

108     „     53      „ 

57  110 

91     „     47      „ 

45     92 

September. 

October. 

1860  Geb.  28  Knb.  14  Mdch.  14—28 

Geb.  26  Knb.  14  Mdch.  12-26 

1861     „     2Ö     ..     16      „ 

9-26 

M     M     «     1»      „ 

18—88 

1862     „     84     H     15      „ 

19—84 

♦1     22     ,»     11      „ 

11-22 

1863     „     30    „     18      „ 

12—30 

„     32     „     17      „ 

15—32 

117  63  54  117 

November. 

1860  Geb.  22  Knb.  11  M'dch.  11—22 

1861  ^     81     „     11      „      12-88 

1862  „     22     „     10      „       12—22 

1863  „     17     „       7      ,.       10—17 
"45 


111 


51   112 


61 

December. 

Geb.  22  Knb.  15  Mdch.    7—22 

„     34     .,     15       „  19-34 

„     33     „16      „  17-33 

„     15     „       4      „  11— 15 

104  50  54  104 


82  89  45     84 

Die  grösste  Zahl  der  Zwillingsgeburten  ßel  demnach  auf 
den  Monat  März  mit  vier,  nämlich  im  Jahre  60  eine,  61  drei, 
dann  auf  den  Februar  mit  drei,  wovon  1860  eine  1863  zwei 
und  April  mit  je  einer  im  Jahre  1860,  1862  und  63.  Ebenso 
brachte  der  Monat  Juni  im  Jahre  1862  zwei  Geburten,  der 
Juli  je  eine  in  den  Jahren  1860  und  61.  Keine  Zwillings- 
geburt  kam  in  diesen  vier  Jahren  bloss  auf  September  und 
December. 

Den  Stunden  und  Tageszeiten  nach,  in  welchen 
die  Geburten  erfolgten,  sind  über  die  Jahrgänge  1862  und  63, 
aUo  über  657  vergleichende  Uebersichten  gemacht«  die  bei 
dem  Wechsel  von  Sonnenauf-  und  Untergang  nach  den  einzelnen 
Monaten  folgendes  ergaben: 


Leiatnngen  der  Rhein.  ProT.-HebammeiiansUlt  etc.     239 

ErBtg^eb.  Hehrgb.  Sma.  Kab.  Mdcfa.  Sma. 

Mitternacht  liy,— 12V.     19  17           36  23  13          36 

12%— 6         104  84  188  78  112  190 

6— 11  Vi           82  48  ISO  68  66  133 

MitUg  117,— 12Vt             18  10            28  19  9         28 

12V,— 6                    93  40  188  65  69  184 

6— llVi                  Ji  _58  14a  71  78  144 

400  267  667  324  341.  666 

EfBtgeb.  Melirgb.  Sma.  Knb.  Ifdch.  8tila. 

Mitternacht      ....     19  17  36  23  18  86 

Nacht 90  76  165         72  95  167 

Sonnenanfgang     ...     17  7  24         12  12  24 

Morgen 82  61  188        62  73  186 

Mittag 18  10  28         19  9  28 

Nachmittag      ....     79  33  112        57  67  114 

Sonnenuntergang      .     .     18  7  26         14  11  26 

Abend ^  _61  184        66  71  186 

4ÖÖ  267  657  324  341  665 

Eretgeb.  Mebrgb.  Sma.  Knb.  Mdch.  Sma. 

Mrgns.  6   bia  Abde.  6      193  98    "^    291  152       143  295 

Abda.  6   bie  Mrgns.  6      207  159  8^  172       198  370 

400  267  667  324       341  605 

Erstgeb.  Mehrgb.  Öina.    Knb.  Mdch.  Suia. 

V,  Sonnenuntg.  b.  Aufg.  196V,      1^1  2977,161       1507,  30l7, 

V,  Sonnenaufg.  b.Untg.  203%      156  369V,  173       190V,  3037, 

4ÖÖ    "     267  667       324       341  666 

Das  Mehr  der  Geburten,  weiche  von  6  Uhr  Abends  bis 
6  Uhr  Morgens  fallen,  denen  gegenüber,  welche  von  6  Uhr 
Morgens  bis  6  Uhr  Abends  fallen,  ist  daiiim  etwas  grösser, 
als  das  Mehr  der  Geburten  von  der  Hälfte  der  auf  Sonnen- 
uiltergang  zur  Hälfte  der  auf  Sonnenaufgang  komineiiden 
gegenüber  den  entgegengesetzteiL     Es  beträgt: 

Kratg.  Mehrg.  Sma.    Knb.  Mdch. '  Sma. 
für  die  von  6  Abends  bis  6 

Morgens  fallenden    ...    14        61         76        20        65         76 
för  die  Hälfte  der  auf  Son- 
nenuntergang kommenden 
bis    cur    Hälfte     der    anf 
Sonnenaufgang     ....     7         66        62        22        40        62 

Bezeichnet  man  die  huI  Stmnenäufgang  und  -Untergang 
fallenden  Geburten  aber  als  Däinmerungsgeburten,  die 
dazwischen  fallenden  als  reine  Nacht-  und  Taggeburten, 
so  komml  folgendes  Verhältniss  heraus: 


330        ^'    Birnbaum,  Berieht  über  die  gebnrtahilflicben 


Erst- 
geb. 

186 

Mehr- 

geb. 

149 

Sma. 
886 

Knb. 
160 

Mdch. 
179 

Sma. 
339 

35 

14 

49 

26 

23 

49 

179 

94 

278 

138 

139 

277 

7 

65 

62 

22 

40 

62 

Nachtgebnrten     .     • 
Dämmrungsgebarten 
Taggebnrten    .     .     . 
Diff.  d.  Nacht-  u.  Taggb. 

Das  Mehr  der  Differenz  beträgt  demnach  für  die  Mehr- 
gebärenden 48^  för  die  Mädchen  18,  während  die  Dämmerungs- 
geburteil bei  Erstgebärenden  um  21,  bei  Knaben  um  3  häußger 
sind  als  bei  Mebrgebäreuden  und  Mädchen. 

Die  Kinder  waren: 


Knb.  Mdch. 

vorzeitig:  1860    13  21 

1861  7  10 

1862  18  26 

1863  _9  _15 

47  72 

■eitig:  1860  141  132 

1861  134  169 

1862^136  149 

1863  162  IM 

672  601 

619  673 


unbestimmt  Sma. 
34 
17 
44 
26 
121 
273 
303 
284 
313 


2 
2 


1173 
1294 


B| 

10 

11 

12 

5 

8 

286  j 
299/ 


•  37  =  1 :  34,97  oder  2,867o 
aller  Kinder. 

36  «^  1  :  35.92  oder  2,787o 

alier  Kinder,  1 :  34,88  oder 

2,86  der  lebend  aar  Geburt 

liommenden. 


Von  diesen  Kindern  wurden  geboren 
Vor  der  Geburt  abgestorben  1860     10 

1861  9 
1862 
1863 

Bei  der  Geburt  absterbend  1860 

1861 
1862 
1863 
Lebend  1860  286 
1861 

1862  815  ( 

1863  320] 

Die  Gesammlzahl  der  Todtgeburten  beträgt  demnach  im 
Verhältnisse  zu  der  Gesammtsumme  d«r  Kinder  1  :  17,72 
oder  5,647o- 

Die  Gewichtverhältnisse  der  Kinder  ergaben,  soweit 
dieselben  ausgetragen  waren  und  die  Bestimmung  nicht  durch 
entschieden  vorgeschrittene  Maceration  oder  Verkleinerungs- 
operationen unsicher  erschien,  wetii  wir  mit  A.  die  Kinder 
bis  zu  6  Prd.  bezeichnen  mit  B.  die^von  6^« — 7  Pfd.  mit  (7. 


1220. 


I^eiatnngen  der  Rhein.  Prov.-Hebammenanstalt  etc.     231 

die  von   7Va  Pfd.  und  darüber,  nach  ZoUge wicht,   folgende 
Verhältnisse  und  Prozentsätze  nach  den  Geschlechtern: 

Knaben. 
A  194  =  11297,  Pfd.  =  34,267o  der  Knaben. 
B  286  «1619%     „    -•41,707o    „ 
C   136==:1084'A     „     ==24,0370     „ 
566       SSSSVj  Pfd. 
M&dchen.  Snmtna. 

A  276  =  168.^  Pfd.  =  46,0ff4  der  MÄdchen.       470  =  2712V,  Pfd. 
B  247  =  1682     „     =  4I,237o     „  ,,  483  =  3301'/,     „ 

C  _76  —    600     „     «  12,697o     „  „  212 «  1684'/,     „ 

699       3866  Pfd.  1166  «  7698'/,  Pfd. 

Im  Mittel  also:  6,78  Pfd.,  6,45  Pfd.,  6,61  Pfd.,  indem 
von  den  Mädchen  11,82^0  mehr  kleine  geboren  wurden,  von 
den  Knaben  11,82%  mehr  von  Mittelgewicht  und  grosse. 
Die  Nachgeburtsgewichte  betrugen: 

A.  B. 

Knb.  Mdoh.  Sma.      Knb.  Mdch.  Sma. 

unter  1  Pfd 38        54        92  8  7        15 

1  Pfd.   b'is   1  Pfd.   6  Lth.  122       J76      297         143       141      284 
1  Pfd.  7  Lth.  bis  16  Lth.    33        42        75  78        92       170 

1  Pfd.  16  Lth.  bi«  27  Lth.      15  6  6  6        12 

2  Pfd jr    JZ    JZ      ^    ^     _? 

194       276       470  236       247       483 
C. 

Knb.  Mdch.  Sma.  Generalanmme. 

unter  1   Pfd 2           1  3  110 

1  Pfd.   bis   1  Pfd.   6  Lth.     34        22  66  687 

1   Pfd.  7  Lth.  bis  16  Lth.     70        38  108  363 

1  Pfd.  16  Lth.  bis  27  Lth.     25         14  39  67 

2  Pfd 6        —  6  7 

2  Pfd.  6  Lth j-       _1  _1  1_ 

136         76       212  1165 

Die  Summe  der  Nachgeburtsgewichte   und  das  Mittel 
betrug  demnach  für  die  einzelnen  Klassen:  ' 

Knaben.  Mittel.  Mädchen. 

A.  194    201  Pfd.  19  Lth.  1  Pfd.  1,18  Lth.  276  804  Pfd.  22  Lth. 

B.  286   284     „     24     „     1      „     6,20     „     «47  294     „     27     „ 
a     136    187      „     14     „      1      „   11,36      „     J*^  ^^     n_  ^_n_ 

666    673  Pfd.  27  Lth.   1  l^fd.  5,72  Lth.  699    703  Pfd.  28  Lth- 

Mittel.  Sninma.  Mittel. 

A.  1  Pfd.  3,12  Lth.  470  606  Pfd.  11  Lth.   1  Pfd.  2,32  Lth. 

B.  1      „     6,82      „      483  679     „     21      „      1      „      6,00      „ 

C.  1      „   11,18      „    ^2  291     „     23     „     1     „    11,29     „ 

1  Pfd.  6,24  Ltb.  1166  1377  Pf d^  26  Lth.  1  Pfd.  6,48  Lth« 


232        V.     Birnbaum,  Bericht  über  die  gebnrtahllflicheo 

Die  NabelscbnAre  maassen: 

Knaben.  MSdoiMn.       8aniina. 


Im 


10—15". 

A. 
14 

B. 
9 

C. 

10 

A.     B. 
30     22 

C. 

4 

89 

16—20". 

86 

95 

51     ] 

136  119 

26 

513 

21—26". 

68 

91 

44 

84     73 

30 

385 

26-^0". 

25 

32 

20 

21     29 

12 

139 

31—35". 

5 

8 

11 

4       3 

3 

34 

36—39". 

1 

0 

0 

1       1 

0 

3 

40". 

0       1 
194  286 

0         0       0 
136     276  247 

1 
76 

2 

1165 

GesammtmaHsse  und 

Mittel 

: 

Knaben. 
A.     4078"— 21,02" 

Mftdohen. 
5451"— 19.76' 

IfD  Gamseo 

'        20,28". 

B.     5059'- 

'—21,43" 

5018 

"—20,31' 

f 

20,86". 

C.     8040" 

-22,35" 

1700 

"—22,87* 

i 

22,86". 

12177'- 

^-21,51" 

12169 

••—20,31' 

' 

20,90". 

Die  Kinder  stellten  sich  zur  Geburt  in  folgenden  Lagen: 

1.  öcheitftlUgen:  Erste  934 

Zweite  260 
Dritte  und  vierte     15 

1209=  1  :      1,07«  93,437o  der  Lajjen. 

2.  Ge8icht8lagen    .     .     .       €  =  1:215,66=«    0,467« 
3:  Unterendlagen  .     .     .     34=1:    88,06=    2,637« 

3.  Schieflagen     ....     10 -=  1  :  129,40=   0,777« 

4.  Unbestimmte  Lagen      35  =  1  :    36,97=    2,717« 

1294  100,00 

I.  Die  Scheitellagen 
boten  bei  1209  Fällen  fest  bestimmbare  Lageverhäitnisse,  die 
aber  bei  der  grossen  Zahlder  mit  Wehen  einti'etenden  Personen 
nur  für  das  Ende  der  Geburt  feststellbar  waren,  und  zwar: 
I :  II :  IIIftIV  =  l  :  0,21 :  0,01=77,25 :  21,51 : 1,24  Proc. 
Von  den  15  Vorderscheitellagen  kamen  zwei  bei 
zweiten  Zwiilingskindern  zur  Beobachtung,  deren  eine  wegen 
Convulsionen  der  Mutter  die  Zange  forderte,  eines,  ein  un- 
zeitiges  Knäbchen  von  P/4  Pfd.  mit  Vorfall  der  Nabelschnur 
rasch  lebend  austrat.  Zwei  Kinder  wurden  früh,  respective 
unzeiti(^  leicht  und  naturlich  so  geboren,  ^ein  Mädchen  von 
vier  Pfd.  und  ein  Knabe  von  2^!^  Pfd.  mit  Armvortall  und 
Anencephalie.  Von  den  übrigen  rechtzeitigen  Geburten  verhefe n 
sechs,  bei  zwei  Erstgebärenden  mit  7  pfundigem  und  6  pfundigem 
Kinde  und  vier  Mehrgebärenden  natörhch  und  thdilweise  leicht, 
während  bei  drei  Erstgebärenden   und   einer  Mehrgebärenden 


L>ei8tnng6ii  der  Rhein.  Prov.'HebamnienaiistHlt  etc.      233 

mit  SVipJ^ndrgem  Kinde  und  Scheiden  Vorfall  die  Zange  er- 
forderlich wurde.  Einmai  musste  zu  Perforation,  Kephalolhrypsie 
und  Wendung  geschritten  werden. 

II.     Die  Gesichlslageo 

wurden  sechs  Mal  beobachtet,  1 :  201,50  oder  bei  0,49  Proc. 
der  bestiunntcn  Kopflagen,  1:215,66  oder  bei  0,46  Pror. 
sänuntiicber  Lagen.  Sie  kamen  bei  vier  lürstgebarBUib^n, 
zwei  Mebrgebärenden  zur  Beobachtung.  SämuMiiche  Kmder 
waren  ausgetragen,  zwei  Knaben  (6*72»  7 ''4  Pfd.)  und  vier 
Madeheu  (6  Pfd.,  7  Pfd.,  8  Pfd.). 

Zweimal  war  dabei  die  Stirn  nach  rechts  gerichtet, 
jedes  Mal  nach  vorn,  und  ein  Mal  erfolgte  hier  der  Uebergang 
in  dritte  Scheitellage,  das  zweite  Mal  ging  trotz  Armvorlage 
und  Nabelschnurumschlingung  das  Kinn  von  Ihiks  hinten  nach 
links  vorn,  kam  auch  nur  nach  raschem  AusU'itle  des  Kopfes 
doppelte  Drehung,  erst  nach  rechts  dann  nach  links  zu  Stande. 

In  den  vier  andern  Fällen,  woiunter  drei  Erstgebärende, 
befand  sich  die  Stirn  in  der  linken  Beckenhälfle,  jedes 
Mal  ursprfinglich  nach  vorn  gerichtet,  und  jedes  Mal  ging 
dabei  das  Kinn  von  rechts  hinten  nach  vorn  über,  bei  der 
Mehrgebärenden  tief  auf  dem  Damm,  aber  rasch  und  leicht, 
bei  den  drei  Erstgebärenden  höher  oben  im  Becken  aber 
mühsam,  schwierig,  nicht  ohne  grosse  Anstrengung.  Einmal, 
bei  6  pfundigem  todten  Mädchen,  fand  sich  später  die  Drehung 
bloss  auf  den  Kopf  beschränkt,  indem  der  Rumpf  mit  nach 
vorn  gekehrtem  Rücken  austrat.  Bei  den  beidtm  anderen 
Kindern  beobachlete  man  neben  starker  Bewegung  der  Zunge 
hei  einem  sehr  deutliche,  starke  Allicud)eweguHgen,  die  in 
einem  'Falle  über  ^/4  Stunde  lang  bemerklich  wurden,  trotz 
deren  aber  das  Kind  gleich  lebend  geboren  wurde.  Das 
andere  Kind  kam  scheintodt  zur  Welt,  nachdem  ihm  durch 
Skarifikationen  des  Mittelfleisches  der  Weg  gebahnt  worden. 
Es  zeigte  auf  der  Mitte  des  Scheitels  eine  viereckige,  blutige 
Haulschürfung,  V2"  in  der  Diagonale  haltend,  und  die  Pfeilnaht 
entlang  einen  2'"  breiten  Blulrunstigkeitsstreifen,  olfenhar  von 
der  Steissbeinspitze,  da  die  Skarifikationen  bei  Vortreten  der 
Stirn  gemacht  worden  waren. 

In  diesem  Falle  fand  sieb  eine  platte,  feste,  dünne  rer- 


234       V.     Birnbaum,  Beriebt  aber  die  gebnrUhilflichep 

dichtete  Masse  3"  vom  Mutterkuchenrande  ab  zwisdien  den 
Eihäuten,  die  man  auf  den  ersten  Blick  für  verödete  Kotyledonen 
eines  .Nebenkuchens  halten  oiusste,  bis  man  an  der  kleineren 
Abtheilung  einen  ganz  plattgedrückten  l"  langen,  y^"  hohen 
Kopf  mit  den  beiden  Augenpunkten  erkannte,  an  dem  grössern 
unregelmässig  geformten  Stücke  den  gleichfalls  platten  Brustkorb 
und  Rumpf  mit  verkümmerten  Armen  und  Beinen. 

III.     Regelwidrige   Armhaltung  bei   Kopflagen. 

Dieselbe  kam  vor:  i4.  als  Arm  Vorfall  neben  dem  Kopfe 
8Malbeidenl274Geburten=l  :  159,25=0,637o=l:löl,90 
der  Kopflagen =0,66  Proc. 

Darunter  waren  drei Zwi  Hin gskinder=l :  13,33=  7,50 
Proc.  und  fünf  einfache  Kinder=  1 :  250,80=0,40 Proc. 
drei  Mal  bei  den  drei  Zwillingsgeburten  war  er  mit  Nabel- 
schnurvorfall  complicirt,  ein  Mal  hei  den  einfachen  Ge- 
burten. 

Ein  Mal,  bei  einem  2y^  Pfd.  schweren  männlichen 
Anencephalus  in  vierter  Scheitelstellung  erfolgte  die  Geburt 
mit  Vorfall  des  rechten  Armes  spontan,  ohne  alle.  Nachhülfe. 

Ein  Mal,  bei  einer  zum  dritten  Male  Gebärenden,  blieb 
der  in  dritter  Scheitellage  vorgefallene  linke  Arm  auf  Beibe- 
haltung der  linken  Seitentage  spontan  zurück  und  erfolgte 
der  Austritt  in  zweiter  Scheitelstellung  sehr  leicht 

Ei  n  Mal,  bei  zweitem  Zwillingskinde,  gelang  die  Reposition 
des  neben  dem  in  zweiter  Scheitelstellung  befindlidien  Kopfe 
unter  den  Schossbogen  vorgetretenen  rechten  Armes  leicht, 
und  ging  dann  die  Geburt  natürlich  voran. 

Beiden  beiden  übrigen  Zwillingskindern  musste  wegen 
Vorfall  des  rechten  Armes. ein  Mal  bei  erster,  ein  Mal  bei 
zweiter  Scheitellage  und  gleichzeitigem  Vorfalle  der 
Nabelschnur  die  Zange  angelegt  werden.  Ein  4^2 pfundiges 
Zwillingsmädchen  kam  mit  schwachen  Lebensspm*cn ,  nicht 
belebbar,  ein  5 pfundiger  Knabe  Scheintod t  wiederbelebbar 
zur  Welt. 

Zwei  Mal  erforderte  die  Beckenenge  Wendung  mit 
nachfolgender  Extraction  und  Anlegung  der  Zange  an  den 
nachfolgenden  Kopf.  In  dem  einen  Falle,  wo  beide  Arme 
neben  dem  Kopfe  vorgefallen  waren,  kam  der  6 pfändige  Knabe 


LeUtoogen  der  Rhein.  Prov.-Hebaminen*ii«t«lt  etc.     236 

wegen  gieicbzeitigen  Nabelschnurvorfalie«  todt  zur  Welt,  in 
dem  anderen  bei  einfachem  Vorfalle  des  linken  Armes  neben 
erster  Scbeitellage,  wies  der  7 '/s  pfundige  todtgeborene  Knabe 
Kreuzbruch  des  einen  Scheitelbeines. 

In  einem  dritten  Falle  von  Beckenenge,  wqbei  der  Kopf 
des  öVspfundigen  Kindes  mit  der  Stirn  an  den  Vorberg 
angelegt  erschien  mit  Vorfall  des  linken  Armes,  mussie  nach 
vergeblichen  kräftigen  Zangenversuchen  die  Zuflucht  zur  Ke* 
pbalothrypsie  genommen  worden. 

B,     Als  einfach  verkehrte  HaUung  der  Arme 

ist  sie  bloss  für  die  657  Geburten  der  Jahre  1862  und  63 
als  Anlage  der  Arme  neben  dem  Kopfe  verzeichnet,  und  kam 
hier  vor  bei  118  Geburten,  1  : 5,57  oder  bei  17,96  Proc. 

In  dieser  Häufigkeit  ihres  Vorkommens  und  in  der 
Wirkungslosigkeit  derselben  bei  einer  grossen  Zahl  von  Geburten 
möchte  sie  als  eine  ganz  unwesentliche  Erscheinung  bezeichnet 
werden  können,  ist  aber  nicht  ohne  Interesse  theils  an  sich, 
theils  dadurch,  dass  sie  in  den  Drehungen  des  Rumpfes  bei 
Unterendlagen  ihr  genaues  Analogon  fmdet  und  zur  Erklärung 
derselben  die  wahren  Motive  ergiebt. 

Bezeichnen  wir  mit  Anlage  des  Aermchens  das  Vorkommen, 
wo  die  Hand  dicht  neben  dem  Kopfe  lijegt,  ohne  erreicht 
werden  zu  können,  und  gleichzeitig  mit  oder  dicht  hinter 
dem  unteren  Theile  desselben  durch  die  Schamspalte  tritt, 
80  sehen  wir,  dass  der  Mechanismus  von  den  feinsten  Nuan* 
cirimgen  der  Haltungsverhältnisse  durchaus  abhängig  erscheint 
und  ein  geringer  Unterschied  des  weiteren  Vorgeschobenseins, 
oder  der  seitlichen  Verschiebung  schon  die  grössten  Unterschiede 
in  der  Wirkung,  in  dem  Einflüsse  auf  die  Geburt  bieten  kann. 
Bei  den  118  hierher  gehörigen  Fällen  kamen  folgende 
Verschiedenheiten  vor:  « 

a.     Einfach  für  sich  kam  sie  vor  69  Mal. 

Sie  blieb  dabei  ohn^  Einfluss  auf  die  Geburt  40  Mal  = 
58,82  dieser  Fälle,  und  zwar  bei: 
35  Erstgebärenden, 
5  Mehrgebärenden, 
18  Knaben  wovon  vier  frühzeitig,  ein  erster  Zwilling, 
22  Mädchen, 


236       V-    Bifnboumt  Bericht  üb«r  die  gebortMillflieheii 

• 
35  ersten  Hinterscheitellagen, 

16  Mal  der  rechte  Arm, 

18     „    der  linke  Arm, 

1     „    tieide  Händchen, 

5  zweiten  Hinterscheitellagen, 

1  Mal  der  linke  Arm, 
4     „    der  rechte  Arm, 

bewirkte  einfach  gehinderte  Drehung  des  Kopfes  im 
Becken  drei  Mal  =4,41  Proc.  jedes  Mai  GeradstcUung  im 
Ausgang  hervorrufend  und  zwei  Mal  die  Geburt  dadurch  sehr 
wesentlich  erschwerend;  worunter  ein  Mal  bei  dem  ersten 
ZwilHngsmädchen. 

1  ErstgebSrende, 

2  Mehrgebärende, 

2  Knaben^  wovon  einer  frühzeitig, 

1  Mädchen,  erster  Zwilling, 

2  erste    Scheitelstellungen,    mit    Anlage    ein.  Mal    des 
rechten,  ein  Mal  des  linken  Händchens, 

1  vierte  Scheilelstellung,  linkes  Händchen, 
üjrschwerte    den    Austritt   des    Kopfes,    Zweimal 

=  2,91  Proc. 

2  Erstgebärende, 
1  Knaben, 

1  Mädchen, 

1  erste,    1    zweite  Scheitelstellung,    beide  Mai   mit  Anlage 
des  rechten  Händchens,  bei  der  zweiten  Scheitelstellung 
Anlegung   der  Zange  fordernd,   und    in   diesem   Falle 
noch  Senkung  der  Nabelschnur  vermittelnd. 
Führte  zu  einfach  verkehrter  Schulterdrehung 
17  Mal  =25,00  Proc. 
13  Erstgebärende, 
4  Mehrgebärende, 

8  Knaben,  wovon  1  frfibzeiCig. 

9  Mädchen, 

13  erste  Scheitellagfin,  wovon  1  aus  der  vielen. 
*    9  Mal  Anlage  des  rechten  Händchens, 

4     „    des  linken, 
4  zweite  Scheiteflagen,  wovon  zwei  aus  der  dritten, 

2  Mal  Anlage  des  rechten,  2  Mal  des  linkfti  Händchens. 


I>«i»taiigen  der  Rhein.  Prov.-Hebammenanstalt  etc.     jl97 

Führte  zu  doppelter  Drehung  der  Schultern 
sechs  Mal  =  8^1  Proc. 

6  Erstgebärende, 

2  Knaben,  deren  einer  scheintodt, 

4  Mädchen, 

5  erste  Scheitellagen, 

3  Mal  Anlage  des  linken  Armes, 

1  Mal  mit  Drehung  nach  rechts  und  dann  nach  links, 
1  „  mit  DrehuQg  nach  links  und  dann  nach  rechts, 
1     „     mit  Drehung  nach  rechts,  dann  nach  oben, 

2  Mal  solche  des  rechten  Armes. 

1  Mal  mit  Drehung  nach  links,  dann  nach  rechts, 

1  „    mit  solcher  nach  rechts,  dann  nach  links, 

1  zweite  Scheitelstellung  mit  Anlage  des  linken  Händchens 
und  Drehung  erst  nach  rechts,  dann  links.  Hier  war 
auch  der  Austritt  sehr  erschwert  und  wurde  der  Knabe 
scheintodt  geboren. 

Bewirkte  sie  Senkung  der  Nabelschnur  1  Mal 
=  1,46  Proa  bei  erster  Scheitellage  mit  linker  Handanlage  und 
32''  Nabelschnur. 

6.  Mit  einfacher  Nabelschnurumschlingung  com- 
plicirt  kam  sie  vor  31  Mal. 

Sie  blieb  in  dieser  Zusammensetzung  wirkungslos  13  Mal 
=  36,1 1  Proc.  dieser  Fälle,  bei 

7  Erstgebärenden,     6  Mehrgebärenden, 
9  Knaben,  4  Mädchen, 

10  ersten  Schertellagen, 

2  Mal  mit  Anlage  des  rechten,  7  Mal  des  linken,  1  Mal 

beider  Hände. 
4    „    mit  einfacher,  2  Mal  mit  doppelter  Halsumschlingung, 
2    „    mit  Umschlingung  um  die  anliegende  Hand, 
1     „    mit  Bok^r  um  beide  Fasse, 

1  „    um  Schulter  und  Rücken, 

3  zweiten  ScheiteUagen, 

2  Mal  oiit  Anlage  des  rechten,  1  Mal  des  Uaken  Händchens, 
1    „   mit  einfacher,  2  Mal  mit  doppelter  Halsumschlingung. 

Einer   dieser   Fälle   hetraf   ein    erstes  Zwiliingskind, 
einer  eine  Frühgeburt. 


238       ▼•    Birnbaum,  Berieht  über  die  gebnrUhilflicben 

Sie   war    mit   einfach    verkehrter   Drehung  der 
Schultern  verbunden  10  Mal  =  27J8  Proc.  dieser  Fälle  bei: 
7  Erst-  3  Mehrgebärenden, 
4  Knaben,  6  Mädchen, 
7  ei*sten  Scheitellagen, 

7  Mal  einfach  um  den  Hals^  1  Mal  um  das  anliegende 

Händchen, 
3  zweiten  Scheitelstelhingen,  jedes  Mal  mit  Anlage  des 
linken  Hündchens  und  einfacher  Hatsnmschlingung. 

Führte  zu  doppelter  SchuUerdrehung  4  Mal 
=  11,11  dieser  Falle. 

1  Erstgebärende,  3'  Mehrgebärende, 

2  Knaben,  2  Mädchen, 

3  erste  Scheitellagen, 

3  Mal  Anlage  des  rechten  Aennchens, 
3     „     einfache  Halsumsclilingung, 
1     „     solche  um  die  rechte  Schulter  und  den  Leib, 
1  vierte    in    erste    übergehende   Gesichtslage,   mit    Anlage 
des  rechten  Händchens  und  Umschlingung  um  den  Hals. 
Sie   führte   zu   regelwidriger   Kopfstellung    beim 
Austritte   1   Mal =2,77  Proc.  bei    einer  Erstgebärenden    mit 
Anlage    des  linken  Händchens  bei  Geradstellung  des  Kopfes 
und  einmaliger  ümschlingung  um  den  Hals  des  Mädchens. 

Sie  führte  zu  gehinderter  Kopfdrehung  mit  ver- 
kehrter Schulterdrehung  1  Mal =2,77  Proc.  bei  einer  Mehr- 
gebärenden  mit  erster  Scheitelslellung  und  Anlage  des  linken 
Händchens  in  Geradstellung  übergehend  bei  Umschlingung  um 
den  Hals  und  umliegenden  Arm  des  Knaben. 

Sie  führte  zu  Senkung  bei  verltehrter  SchuUer- 
drehung 1  Mal  bei  2,77  Proc.  Bei  einer  Erstgebärenden 
mit  Anlage  des  rechten  Händchens  bei  erster  Scheitelsteilung 
und  Umschlingung  dieses  ariliegeaden  Händchtos  bei  einem 
Mädchen. 

Sie  bewirkte  Blutung  und  Scheintod  des  Kindes 
nebst  verkehrter  Schulterdrehung  1  Mal =2,77  Proc.  bei 
einer  ErstgebSrenden  mit  Anlage  des  linken  Händchens  bei 
erster  Scheitelstellung  und  einmaliger  Ümschlingung  um  den 
Hals  des  Mädchens. 


LeUtusgen  der  Rhein.  Prov.-Hebammenanstalt  etc.      239 

c.  Mit  einfacher  Becken  enge  war  sie  complicirt 
10  Mal. 

Sie  biieb  dabei  ohne  alJe  Wirkung  6  Mal  =60,00 Proc. 
dieser  FiUe,  bei 

4  Erstgebärenden,  2  Mehrgebärenden, 
2  Knaben,  4  Mädchen, 

5  ersten  Scheitelsiellungen, 

2  Mal  mit  Anlage  des  rechten,  3  Mal  des  linken  Händchens. 
1  zweiten  Scheitollage  mit   Anlage  des  linken  Händchens. 

Sie  bewirkte  verkehcte  Drehung  1  Mal=10ProG. 
bei  einer  Erstgebärenden  mit  einem  Knaben  und  erster 
Scbeitelstellung  mit  Anlage  des  linken  Händchens. 

Sie  bewirkte  bei  Trichterbecken  nach  unten  bedeutende 
Erschwerung  des  Austrittes  1  Mal  =  10Proc.  bei  einer 
Erstgebärenden  mit  einem  Mädchen  und  zweiter  Scbeitelstellung 
mit  Anlage  des  rechten  Händchens. 

*  Sie  bewirkte  Senkung  und  Umschlingung  2  Mal 
=20,00  Proc.  erstens  bei  einer  Erstgebärenden  mit  todl- 
faulem  Knaben  und  erster  Scbeitelstellung  mit  Anlage  des 
linken  Händchens;  letzteres  bei  einer  Erstgebärenden  mit 
todtgeborenem  Mädchen  bei  erster  Scheilelslellung  mit  Anlage 
des  linken  Händchens. 

d.  Hit  einfachen  Krampfwehen  war  sie  complicirt 
3  Mal  bei  3  Erstgebärenden,  1  Knaben,  2  Mädchen.  Sie 
bheb  im  Uebrigen  wirkungslos  bei  Anlage  des  linken  Händthens 
neben  3  in  2  Scbeitelstellung,  bewirkte  einfach  doppelte 
Drehung  bei  Anlage  des  rechten  Händchens  neben  erster 
Scbeitelstellung,  bewirkte  solche  nach  Zangenanlegung  bei 
Anlage  des  rechten  Händchens  neben  dergleichen. 

e.  Mit  einfacher  Enge  der  Schamspalte  war  sie 
vei*))unden  1  Mal  bei  einer  Erstgebärenden  mit  einem  Knaben 
in  zweiter  Scheitellage,  wo  Anlage  des  rechten  Händchens 
zu  verkehrter  Drehung  führte. 

/.  Mit  Umschlingung  und  Beckenenge  verbunden 
war  sie  4  Mal.  Sie  bewirkte  dabei  1  Mal  verkehrte  Drehung 
allein,  bei  einer  Erstgebärenden  mit  Anlage  des  rechten  Händchens 
bei  erster  Scheitellage  und  einfacher  »Umschlingung  um  den 
Hals  des  Mädchens.  *  Ein  zweites  Mal  war  eine  solche  Er- 
schwerung der  Geburt  dabei  vorausgegangen  bei  Anlage   des 


240       ^*    Birnbaum^  Bericht  libM*  die  ^bartabilflidien 

rechteo  Qändchens  neben  erster  Scheitclstellung,  dass  das 
Mädchen  abstarb. 

Bei  einer  Mebrgebärenden  bewirkte  sie  bei  Anlage  des 
rechten  Händchens  neben  erster  Scheiteilage  und  einmaliger 
Umschlingung  um  den  Hais  des  Knaben  bei  sehr  schwerem 
Austritte  eine  nicht  unbedeutende  Blutung  und  später  doppelte 
Drehung. 

Bei  einer  zweiten  Mehrgebärenden  forderte  zweimalige 
Umschlingung  der  Nahelschnur  um  den  Hals  des  Knaben  mit 
Anlage  beider  Hiindchen  neben  1.  in  4.  Scheitellage  erst  An- 
legung ihr  Zange,  dann  Dnrchschneidung  der  Nabelschnur. 

IV.     Regelwidrigkeiten  bei  der  Schulterdrehung 

kamen  iui  Ganzen  120  Mal  vor  bei  den  657  Geburten  der 
Jahre  1862  und  63,  hei  welche^  sie  genau  verzeichnet  sind, 
1 : 5,48  oder  bei  18,19  Proc.  diesc^r  Geburten.  Sie  äusserten  sich 
A,  Als  Schul  teraustritt  in  d e m s e  1  b e n  Durclunesser, 
wie  der  Kopf  67  Mal,  hei  55,83  Proc.  der  Fälle. 

Es  gehurten  hierher:  47  Erstgebärende,  20  Mehrgebäreude, 

26  Knaben,  41  Mädchen, 

Als  Ursachen  erschienen: 

Einfache  Armanlage  .  .  19=28,36 Proc.  der  Fälle. 
Erste  Scheiteilage  13,1  aus  der  vierten, 
Rechte  Händchen  9  Mal,  linke  4  Mal, 
Zweite  Scheitellage  6,  2  aus  der  dritten, 
Linke  Händchen  3  Mal,  rechte  3  Mal. 

Nabelschnurumschlingung  für  sich  22=32,84 
Proc.  der  Fälle. 

Erste  Scheitellage  18,  1  aus  der  vierten, 
Zweite  Scheitellage  4, 

Umschlingung  einmal  um  den  Hals  14  Mal, 


1» 

zweimal    „      „      „3    „ 

*                                          9» 

dreimal    „      „      „        1     „ 

»> 

zweimal    „      „       „ 

und  um  ein  Bein     1     „ 

»1 

über  die  Schulter  ...  3     „ 

Sehr  ras 

eher  Austritt  2=2,98  Proc.  beide  Male  bei 

rster  Scheitelstellung. 

Leifliimgeii  der  Bhein.  ProY.^Hebammenanstalt  etc.     241 

Kurz.e  der  Nabelschnur  6  Mal=8,95  bei  5  ersten, 

1  zweiten  Scheitelstellung. 

Sehr  langsamer  Austritt  1=1,49 Proc. 
Umschlingung  nebst  Handanlage  8  Mal=ll,94 
Proc 

7  erste,  1  zweite  Scheitellage, 

4  Mal  die  rechte  Hand,  3  Mal  die  linke  bei  erster, 

1     „    die  rechte  Hand  bei  zweiter  Scheitelstellung, 

1  „    um  den  Hals  4 

2  „    um  den  Hals  1 

um  das  anliegende  Händchen  3,  wobei  2  Mal  Senkung. 

Beckenenge  mit  Armanlage  1=^1,49 Proc.  Erste 
Scheitelstellung,  linke  Handanlage. 

Beckenenge  mit  Umschlingung  und  Armanlage 

2  Mal=2,98  Proc.  bei-  2  ersten  Scheitellagen  mit  Anlage  des 
rechten  Händchens. 

Ohne  bestimmt  nachweisbare  Ursache  6=8,95 
Proc.    Alle  bei  erster  ScheiteUage. 

B.    Als  VeUeii  der  irehug  oder  qierer  Aistritt  der  Schul- 
tern: 26  Mal  =21,67  Proc. 

Als  Ursachen  erschienen  bei  den  14  Erst- und  12Mehr- 
gebäreoüen  mit  15  Knaben  11  Mädchen: 

Nabelschnurumschlingung  einfach  für  sich:  7  Mal, 
bei  26,92  Proc.  dieser  Fälle,  4  erste,  3  zweite  Scheitellagen. 
1  Mal  um  den  Hals  6, 

1  „    um  die  Schulter  1. 

Beckenenge  einfach  für  sich:  1  Mal,  bei  3,84 Proc. 
bei  ,erster  ScheiteUage. 

Umschlingung  mit  Beckenenge:  3MaI,beill,52Proc. 
bei  3  ersten  Scheitellagen, 

2  einmaligen,  1  zweimaligen  Halsumschlingung. 
Umschlingung  3  Mal  um  den  Hals  und  eine  Schulter 

mit  Mastdarmscheidenvorfall  1  Mal  bei  3,84 Proc.  bei 
Entwicklung  des  Kopfes  mit  der  Zange  in  vierter  Hinter- 
scheitelstellung. 

Regelwidrige  Kopfstellung  bei  frühzeitigen  Kindern 
2  Mal=7,68Proc.  einer  Geradstellung  des  Kopfes  und  einer 
queren  Schiefsteiluiig  bei  zweiter  tScheitellage. 

Krampfwehen,  Zange  fordernd  1  Mal,  bei  3,84 Proc. 

M onausobr.  f.  Oebortok.  1805.  Bd.  XXY..  SuppL-HA.  16 


242       V.    Birnbaum,  Bericht  über  die  geburtohiUnickeii 

Keine  bestimmte  nachweisbar  llHalfbei42,31Proc. 
bei  8  ersten,  3  zweiten  Scheitelstellungen. 

C.  Als  UebergMg  der  Sdivltem  und  des  Rumpfes  aus 
einem  Durchmesser  des  Begkens  in  den  andern  oder 
mehrfache  Drehung  27  Mal^  bei  22,50 Proc. 

Die  Uebergänge  fanden  statt: 

A.  Aus  der  richtigen  Drehung  in  die  Quer- 
stellung zurück  3  Mal,  bei  11,13  Proc.  bei  3  Erstgebärenden, 
1  Knaben,  2  Mädchen  in  erster  Scheitelstellung.  1  Mal  bei 
Anlage  des  linken  Händchens,  1  Mal  bei  solcher  des  rechten 
mit  (Jmschhngung  der  Nabelschnur  um  den  Hals,  1  Mal  bei 
Beckenenge  mit  Zange. 

B.  Aus  der  verkehrten  Drehung  in  die  Quer- 
stellung zurück  1  Mal,  bei  3,71  Proc.  bei  1  Erstgebärenden 
mit  1  Knaben  in  erster  Scheitellage  mit  Anlage  des  rechten 
Händchens. 

C  In  die  verkehrte  Drehung  nach  querem 
Schulteraustritt  1  Mal,  bei  3,71  Proc.  bei  1  Erstgebärenden 
mit  1  Mädchen  in  erster  Scheitelstelluug,  welche  durch  zwei- 
malige Nabelschnurumschlingung  um  den  Hals  beim  Austritte 
in  Geradstellung  überging. 

D.  Aus  der  richtigen  in  die  verkehrte  Drehung 
7  Mal,  bei  25,92  Proc. 

Bei  5  Erstgebärenden,  2  Mehrgebarenden, 
2  Knaben,  5  Mädchen, 

4  ersten,  2  zweiten  Scheitelstelluugen, 
1  vierten  in  erste  übergehenden  Gesichlslage, 
2  Mal  bei  Aruianlage,   linker  Arm  bei  erster  und  zweiter 
Scheitellage, 
,    1     „    bei  Umschlingung  der  Nabelschnur  3  Mal  um  den  Hals, 
1     „    bei  Anlage  des  rechten  Armes  bei  Gesichtslage  und 

Umschlingung  1  Mal  um  den  Hals, 
1     „    bei  Umschlinguug   um  den  Hals   mit  Krampfwehen, 
1     „    bei  Kürze  der  Nabelschnur, 
1     „    bei  stürmisch  raschem  Verlaufe. 
B.    Aus  der  verkehrten  in  die  richtige  Drehung 
14  Mai,  bei  51,84  Proc. 

bei  9  Erstgebärenden,  5  Mehrgebärenden, 
6  Knaben,  8  Mädchen, 


Leistnngen  der  Rhein.  Proy.-HebammenaDBUlt  ete.      243 

14  ersten  Scheiteilagen,  wovon  1  aus  der  vierten, 
4  Mal  bei  Armanlage,  wovon  3  Mal  des  rechten  Armes, 
3     „    bei  einfacher  Nabelschnurumscl^ingung, 
1     „    bei  Nabelschnurkürze, 
1     „    bei  grosser  Schullerbreite, 

3     „    bei  Anlage  des  rechten  Händchens  und  Umschlingung, 

1  Mal  um  die-  Schulter,  2  Mal  einfach  um  den  Hals, 

1     „    bei   Anlage    des    rechten  Aermchens   und  einfacher 

Halsumschlingung  bei  engem  Becken, 
1     ,.    bei    dreifacher   Halsumschlingung    und    Beckenenge 
mit  Anlegung  der  Zange. 
F.     Aus  der   verkehrten  in  die  richtige  Drehung 
mit  Rückkehr  zur  Querstellung  1  Mal,  bei  3,71  Proc. 
bei  einer  Erstgebarenden  mit  Knaben  in  erster  Scheitelstellung 
ohne  nachweisbare  Ursache. 

Es  geht  aus  dieser  Uebersicht  zur  Genüge  hervor,  wie 
mannigfache  Verhältnisse  auf  den  Geburtsmechanismus  von 
EinQuss  sind,  welche  sich  bei  der  beträchtlichen  Wirkung 
oft  ganz  ausserordentlich  geringer  Verschiedenheiten  in  ganz 
unberechenbarer  Weise  eingreifend  ausweisen.  Dieselben 
Ursachen  aber,  welche  bei  Kopflagen  so  mannigfache  Ver- 
schiedenheiten im  Mechanismus  hervorrufen  können,  bedingen 
bei  ebenfalls  oft  sehr  geringen  Nuancirungen  eben  so  grosse 
Verschiedenheiten  im  Verlaufe. 

V.     Unterendlagen 

kamen  34  Mal  zur  Beobachlung  1 :  38,06  der  Kinder, =2,63 Proc. 

und   zwar  in  folgenden  Verhältnissen  zur  Geburt  kommend: 

todtfaul  4=1:9,25  oder  bei  10,81  Proc.  dieser  Kinder, 

lebend  30=1:41,90  oder  bei  2,39  Proc.  dieser  Kinder, 

Zwillinge:  9=1 : 4,44=22,50 Proc.  der  Zwillinge, 

Einfach  25=1 :  50,16=1,91  Proc.  der  einfachen  Kinder. 

Die  Zahl  der  unzeitigen  Früchte,  welche  vor  Feststellung 

der  Kindeslage  in  der  Schwangerschaft  geboren  wurden,  war 

zu  gering,  um  ein  bestimmtes  Verhältniss  zu  ergeben.    Von 

den  Zwillingen  war  es  der  erste  4  Mal,  der  zweite  3  Mal, 

beide  1  Mal. 

Von  den  30  lebend  zur  Geburt  kommenden  Kindern 
starben  bei  der  Geburt  2=1 :  15=6,66  Proc. 

16* 


244       ^*     Birnbaum,  Bericht  aber  die  g^ebartsbulflicben 

Die  Gebärenden  waren: 
Erstgebärende  17==2,l6Proc.  der  Erstgebärenden, 
Mehr  gebären  de  16=3,29Proc.  der  Mehrgebärenden. 

Die  Kinder  waren:  Kna  ben  14  (1  absterbend,  2  lodtfaul). 
Mädchen  20  (1  absterbend,  2  todtfaul). 

Die  Lagen  waren: 
Reine  Steisslagen  17  (4  Zwillingskinder). 
Steissfusslagim  5  (1  Zwillingskind). 

Fusslagen  13  (4  Zwillingskinder). 

Knieiagen  1 

Der  Stellung  der  Hüften  nach  zeigten  die  Kinder: 
Linke  Hülle  vorn  rechts  9  (zweite  Unterendlage)  3  Steiss- 

2  Steissfuss-  4  P'usslagen. 

Rechte  Hütte  vorn  links  14  (Erste  Unlerendlage)  8  Steiss- 

3  Steissfuss-  2  Fuss-  1  Knielage. 

Rechte  Hüfte  hinten  rechts  6  (dritte  Unterendlage)  3  Steiss- 

1  Steissfuss-  2  Fusslagen. 
Linke  Hüfte  hinten  links  5  (vierte  Unterendlage)  2  Sleisfl^ 
3  Fusslagen. 
Rücken  vorn  zu  Bauch  vorn 

bei  Steisslagen=l  :0,45 
bei  Steissfusslagen  =  l  :0,20 
hei  Fusslagen  =  l  :0,83 
bei  Knielagen=l:0,00 
allgemein  =1 :0,48 
18  dieser  Geburten  verliefen  natürlich,   wovon  2  bei  todt- 
faulen  Kindern,  und  16  forderten  mehr  oder  weniger  bedeutende 
künstliche  Nachhülfe. 
Die  Kunsthülfen  waren: 

a.  Manuelle  Drehung  der  Hüften  1  Mal. 

Fusslage  mit  Nabelschnurvorfall  bei  einer  Erstgebärenden. 
Drehung  der  rechten  Hüfte  von  rechts  vom  nach  links  vom. 
Todtfaules  Mädchen  6%  Pfd. 

b.  Operative  Drehung  mit  Scsrrificationen  1  Mal. 
Steisslage  linke  Hüfle  vorn  links  bei  einer  Erstgebärenden. 

Die  Drehung  nach  vorn  rechts  kam  erst  zu  Stande,  nachdem 
der  Scheideneingang  nach  links  mehrfach  leicht  scarilirt  woi^den. 
Tief  scheintodter  Knabe  6  Pfd. 


Leistangen  der  Rhein.  ProT.-HebaaineiiansUU  etc.     245 

c.     Einfache   Armlösung   mit  manueller  Kopfenl- 
wickelung  7  Mal. 

Sleissfusslage    beim    zweiten    Zwilling.      Erstgebärende.  * 
Mädchen  5  Pfd.  erste  Stdssfusslage,  rechte  Hüfte  vorn  links. 

Steisslage,*  Mehrgebärende.  Mädchen  tief  schein  todt.  7  Pfd. 
Zur  Armlösung  bei  linker  Hüfte  vorn  links  (dritter)  musste 
die  linke  Seite  nach  rechts  hinten  geleitet  werden. 

Steisslage.  Mehrgebärende.  Mädchen,  nicht  wieder  be- 
lebbar, 6^/2  Pfd.  Bei  sehr  langsamem  Gange  der  Geburt  ging 
schon  vor  Austritt  des  Steisses  Kindspech  in  sehr  grossen 
Mengen  ab.  Tiefer  Einsatz  des  Mutterkuchens.  Entwickelung 
des  bis  zur  Brust  geborenen  Kindes  sehr  rasch  und  leicht. 
Erste,  rechte  Hüfte  vorn  links. 

Steisslage.  Mehrgebärende.  Mädchen  von  6  Pfd.  Erste, 
rechte  Hüfte  vom  links. 

Steisslage.  Erstgebärende.  Mädchen  von  5  Pfd.  Die 
enge  Schamspalte  und  der  widerstrebende  Damm  erschwerte 
die  Drehung  und  den  Austritt  bei  Abgang  sehr  vielen  Kinds- 
peches und  Urins.  Vierte  in  erste  übergehend,  rechte  Höfte 
vorn  rechts. 

Steissfusslage.  Mehrgebärende.  Knabe  6V4  Pld.  Ur- 
sprünglich lag  ein  Knie  vor,  welches  sich  hob  bis  zu  Steiss- 
fusslage. Dritte  in  zweite,  linke  Hüfte  vorn  links  nach  rechts 
hinübergehend. 

Steisslage.  Mehrgebärende.  Mädchen  4%  Pfd.  Zweite, 
linke  Hüfte  vom  rechts. 

d.  Einfache  Armlösung  und  Kopfentwickelung 
mit  der  Zange  2  Mai. 

Fusslage.  Erstgebärende.  Allgemein  zu  enges  Becken 
3*/«".  Mädchen  6  Pfd.  Zweite  Fusslage,  linke  Höfte  vorn 
rechts  mit  viermaliger  Umschlingnng  der  Nabelschnur  um  den 
Hals.     Kopf  quer  im  Eingange. 

'  Fusslage.  Mehrgebärende.  Rhachitisches  Becken  2^2". 
Mädchen  5  Pfd.  Vierte  in  erste,  rechte  Hüfte  vorn  rechts 
nach  links.  Künstliche  Frühgehurt.  Der  Kopf  im  Eingange 
quer,  bot  tiefen  Eindruck  an  einem  Scheitelbeine. 

e.  Lösung  der  Beine  und  Arme  mit  Kopfent- 
wickelang  mittels  Zange  1  MaL 


246        ^'     Birnbaum^  Bericht  über  die  gebnrtohülfliehen 

Erslgebärende.  Sehr  enge,  widerstrebende  Schamspalte. 
Mädchen  6  Pfd.  Erste  Steisslage,  rechte  Hüfte  vorn  links. 
Mähsame  Entwickelung  der  Fnsse  fiber  dem  Damm.  Mähsame 
weitere  Entwickelung  des  Kindes,  welches  gedoppelt  so  weh 
vorgetreten  war.  Einmalige  Umsc^Ungung  der  16''igen  Nabel> 
schnür  um  den  Hals. 
/.  Völlige  Extraction  an  den  Füssen  1  Mal. 
Fusslage.  Erstgebärende.  Absterbender  Knabe  6%  Pfd. 
Fusslage  bei  erster  Scheitellage.     Anziehen  der  Fösse. 

Fusslage.  Erstgebärende.  Erster  Zwilling.  Mädchen 
5  Pfd.  Erste  Fusslage,  rechte  Hüfte  vorn  links  mit  Vorfall 
der  Nabelschnur. 

Halbe  Fusslage.  Erstgebärende.  Erster  Zwilling.  Mädchen 
4  Pfd.  Vierte  Steissfusslage,  rechte  Hüfte  vorn  rechts,  wobei 
zuerst  wegen  gehinderter  Drehung  der  rechte  Fuss  herabge- 
leitet werden,  und  als  er  nach  einiger  Zeit  rasch  bleich  und 
schlaff  wurde,  die  Extraction  an  ihm  fortgesetzt  werden 
musste. 

Steisslage.  Mehrgebärende.  Enges  Becken  3  Vs''*  Mädchen 
in  beginnender  Maceration.  6  Pfd.  Erste,  rechte  Hüfte  vorn 
links.  Beim  Eintritte  in  die  Anstalt  Vorfall  der  pulslosen 
Nabelschnur  bei  wenig  geöffnetem  Muttermunde.  Später  bei 
tiefem  Ansätze  des  Mutterkuchens  sehr  starke  Blutung,  die 
zur  Herausziehung  aufforderte.  Der  linke  Arm  folgte  von 
selbst,  der  rechte  musste  in  den  Nacken  hinaufgeschlagen 
mühsam  gelöst  werden. 

Demnach  bei  9  Erstgebärenden  von  17, 
7  Mehrgebärenden  von  16, 
9  Mal  Rücken  nach  vorn  von  23=1  : 2,55 
7     „    Bauch    nach    vorn    von  11=1:1,57 
Als  Complicationen  erschienen: 

Ernstere  Wehenanomalien  2, 

Nabelschnurvorfall  mit  Kopfvorlage  1, 

Nabelschnunorfall  allein  3, 

Nabelschnurumschlingung  um  den  Hals  2, 

Enge  Geschlechtstheile  2, 

Beckenenge  3. 

Die  manuelle  Entwickelung  des  Kopfes  wurde  jedes 

Mal  durch  Anzug  an  den  Schultern  geleistet,  und  führte 


LeistQTigcn  der  Rhein.  ProT.-Hebunimenanstalt  etc.      247 

immer,  wenn  der  Kopf  in  der  Beckenhöhle  stecken  gebheben, 
rasch  und  leicht  zum  Ziele.  Wurde  er  im  Beckeneingange 
zurückgehalten,  so  wurde  zu  seiner  Entwickelung  schleunigst 
von  der  Zarige  Gebrauch  gemacht.  Die  3  Fälle,  welche  hier- 
her gehören,  ergaben  jedes  Mal  zwar  scheintodte  aber  völlig 
wieder  belebte  Kinder. 

Die  Drehung  des  Rumpfes  erfolgte  jedes  Mal  ganz  nach 
Analogie  der  Schulterdrehung  bei  verschiedener  Haltung  der 
Arme,  und  es  ergeben  sich  auch  für  die  regelwidrigen  Drehungen 
ganz  dieselben  Grundlagen  des  Zustandekommens,  wie  für  die 
regelwidrige  Rumpfdrehung  nach  gebornem  Kopfe,  ganz  der 
gleiche  Einfiluss  der  Umschlingungen  der  Nabelschnur  und 
der  Beckenenge  sowie  der  Haltung  der  Beine.  Diese  Drehungen 
crwiiisen  sich  also  auch  abgesehen  davon,  dass  sie  zu  Stande 
kommen,  bevor  der  Kopf  in  das  Becken  tritt,  schon  in  sofern 
von  der  Bewegung  des  Kopfes  durch  das  Becken  völlig  unab- 
hängig, als  bei  solch  regelwidrigen  Verhältnissen  Drehungen 
vorkommen,  wie  der  Kopf  dieselben  im  Becken  gar  nicht 
eingehen  kann. 

Das  Verfahren  war  meistens  bis  zu  dem  Austritte  des 
Brustkorbes  ein  ganz  passives,  aber,  wenn  dieser  nicht  sofort 
nachfolgte,  ein  sehr  entschieden  actives  und  die  Sterblichkeits- 
verhältnisse Hessen  nicht  langes  Zögern  sehr  empfehlenswerth 
erscheinen.     Sie  ergaben: 

allgemein  todte  Kinder  zur  Gesammtzahl 
6:  34=1: 5,67=17,65  Proc. 

davon  vor  Eintritt  der  Geburt  gestorben 

4 :  34=1 :  8,50=11,76  Proc.) 

bei  der  Geburt  absterbend  >  17,64 

2 :  34=1 :  17,00=5,88  Proc.) 
Von  diesen  starb  eines  trotz  sehr  rascher  und  leichter 
Nachhülfe  ^  seitens  der  Kunst  zu  Entwickelung  des  Kopfes 
und  der  Schultern  ab,  eben  weil  diese  Nachhülfe  wegen 
zögernder  Eröffnung  des  Muttermundes  und  späten  Austritts 
des  Steisses,  nachdem  schon  grosse  Mengen  von  Kindspech 
abgegangen  waren,  erst  spät  geleistet  werden  konnte. 


248      V.     Bimhaumt  Berieht  übar  dia  ^ebartahfilflichen 

VI.    Schieflagen. 

Von  den  vorkommenden  10  Schieflagen ,  1 :  129,40 
=0,77  Proc.  der  Lagen,  konnte  nur  eine  der  Natur  uberlaslien 
werden,  während  9  die  Wendung  nothwendig  machten. 

Diese  eine  betraf  eine  im  siebenten  Monate  der  Schwanger- 
schaft befindliche  Erstgebärende,  bei  welcher  aber  die  Frucht 
schon  seit  einem  Monate  abgestorben  war.  Als  Todesursache« 
des  Kindes  wurde  heftiger  Schreck  bei  Feuerlärm  im  Hause 
vor  4 — 6  Wochen  angegeben.  Bei  nach  rechts  vom  ge- 
richtetem Rucken,  links  vorn  stehender  Schulter  mit  Arm- 
vorfall kam  die  £volutio  spontanea  nur  sehr  langsam  und 
mühselig  zu  Stande,  indem  die  Schulter  des  nicht  ganz 
2 pfundigen  Kindes  um  8  Uhr  Abends  zum  Einschneiden  kam, 
das  Durchschneiden  der  Hüften  erst  eine  halbe  Stunde  später 
erfolgte. 

VU.     Zwillingsge  hurten. 

Sie  kamen  vor  20  Mal  bei  1274  Geburten=l  :  63,70 
=  1,57  Proc,  und  zwar: 

bei  11  Erst  gebärenden  =  1,39  Proc.  derselben 
„      9  Mehrgebärenden  =  1,85 Proc. 

2  Knaben  4  Mal.  5^4  und  6  Pfd.,  4'/4  und  5  Pfd., 
4  und  5  Pfd.,  5%  und  1»/«  Pfd. 

2  Mädchen  10  Mal.  5%  und  6»/»  Pfd.,  6%  und  5  Pfd., 
4»/4  und  4V2  PW.,  5V«  und  4»/«  PW.,  5  und  3^/4  Pfd., 
4  und  5  Pfd.,  3»/«  und  3  Pfd.,  2V4  und  2^«  Pfd.,  5V4  und 
6 1/4  Pfd.,    2»/4  und  2%  Pfd. 

Mädchen  Knabe  4  Mal.  ö*/«  und  t%  Pfd.,  5  und  4'/4  Pfd. 
41/4  und  4%  Pfd.,  IV2  und  IV4  Pfd. 

Knabe  Mädchen  1  Mal.     5  Pfd.,  4Vs  Pfd. 

Mädchen  unbestimmt  1  Mal.    6^/2  Pfd.?? 

Das  erste  demnach  bei  denen,  die  beide  lebend  geboren 
wurden,  am  schwersten  7,  das  zweite  am  schwersten  11, 
beide  gleich  1,  der  Knabe  am  schwersten  ,4,  das 
Mädchen  am  schwersten  1. 

Die  Differenz  betrug  bei  lebend  geborenen  Zwillingen: 
0  Pfd.  ...  1  Mal 
V4     „     .  •  .  7     „ 


Leistnngan  der  Rhein.  ProT.-HebammenanBtult  etc.      249 

Vt  Pfd.  .  .  •  4  Mai 

%    „    ...  1     . 

1  4 

2  „       .    .    .    1       „ 

Beide  in  Kopflage  10=s60Proc.  3  Mal  zwei  erste 
Scheitellagen,  1  Mal  I.  occ.  IL  occ.  2  Mal  U.  occ,  I.  occ. 
1  Mal  I.  occ.  IV.  occ.  1  Mal  III.  occ.  I.  occ.  1  Mal  I.  occ. 
Geradstellung,  1  Mal  Geradstellung  I.  occ. 

'Kopflage.  Unterendlage  2=10 Proc.  zwei  erste  Scbeitel- 
lagen  mit  zweiter  Fuss-  und  zweiter  Steisslage. 

ünterendlage.  Kopflage  4=  20  Proc.  zweite  Steisslage, 
zweite  Scheitellage,  dritte  in  zweiter  Steisslage  mit  erster 
und  mit  zweiter  Kopflage.  Erste  Pusslage  mit  zweiter 
Scheitellage. 

Beide  in  Unterendlage  1^=5  Proc.  eine  Steiss-  und  eine 
Steissfusslage. 

Unterendlage.  Schieflage  1=5 Proc.  Fusslage.  Schulterlage. 
"  Schiefläge.      Kopflage    1  .=5  Proc.      Schulterlage    erste 
Scheitellage. 

Gesichtslage  unbestimmt  l=röProc. 
Demnach  Kopflagen  28=70,00  Proc. 
Unterendlagcn    9=22,50    „ 
Schieflagen     2=  5,00    „ 
Uebestimmt     1=  2,50    „ 

Es  waren  unzeitig     4  Zwillingspaare 
frühzeitig     2        „       „ 
zeitig  13        „ 
Zeitig  mit. unzeitigem  Zwilling     1        „       „ 
Die  Nachgeburtsverhältnisse-ergaben: 

Vollständige  TreDDong 6 

27  L.  1  Pfd.  3  Lth.  1  Pfd.  1  Pfd.  1  Pfd.  1  Pfd.  27  L.  27  L. 
15"     14"  16"        16"       20"        19"         26"       26" 

Letsteres  mit  kleiner  plac.  bqco.  19  L.  19  L. 

13"       18" 
TrenDung  der  Matterkachen  bei  Terschmolznen  Eihäuten    2 
22  L.  22  L.     1  Pfd.  3  Lth.  1  Pfd.  3  Lth. 
17''       17"      22"                     22" 
Verwaehenng  und  Venehmelsnng 12 


250       V-     Birnbaum,  Bericht  über  die  ^ebnrtuhälfliclien 

1  Pfd.  21  Lth.  1  Pfd.  24  hth,  2  Pfd.      2  Pfd.  6  Lth.  2  Pfd.  6  Lth. 
16"        16"        20"         21''        17"  16"    16"       16"       17"      16" 
2  Pfd.  7V,  Lth.  2  Pfd.  12  Lth. 
28"       27"             24"          17" 
1  Pfd.  3  Lth.  1  Pfd.  13  Lth.  1  Pfd.  27  Lth.  1  Pfd.  27  Lth.  1  Pfd.  9  Lth. 
14"     17"      20"       20"      20"       28"       16"        14"      19"      19" 
Verkümmening  des  einen  Mntterkuehens 1. 

Nur  bei  z.weien  dieser  Nachgeburten  mit  Verschmelzung 
war  eine  Anastomose  der  beiden  Nabelstränge  nach- 
weisbar. In  einem  Falle  entsprang  der  eine  aus  der  Ecke 
einer  schräg  über  die  ganze  Masse  weglaufenden  stark  'vor- 
springenden Demarkationslinie,  und  schickte  seine  Hauptver- 
zweigungen in  die  kleinere  Portion  hinüber,  einzehie  grosse 
Aeste  in  die  grössere  Portion,  welche  sehr  deutlich  mit 
einzelnen  Aesten  des  am  RaiMle  der  grössten  Parthie  eal- 
springenden  anderen  Nabelstranges  zusammen  kamen.  Ganz 
ähnliche  Verhältnisse  bot  der  zweite  Fall. 

In  einem  Falle  fand  sich  bei  dem  Mutterkuchen  eines 
6^2  pfändigen  Mädchens  am  Rande  eine  Gruppe  verödeter, 
fester,  lederartig  derber  Kotyledonen  in  kleinem  Umfange  und 
etwa  drei  Finger  breit  vom  Rande  ab,  frei  zwischen  ^len 
Eihäuten,  eine  derbe,  feste,  ebenfalls  platte  Stelle,  aus  einer 
kleinen,  regelmässig  länglich  runden  und  einer  grösseren 
unregelmässig  geformten  Partliie  bestehend,  die  sich  bei  ge- 
nauerer Untersuchung  als  eingeschrumpfter  viermonatlicher, 
ganz  plattgedrückter  Embryo  auswies.  An  der  kleinen  Parthie 
erkannte  man  zu  beiden  Seiten  die  Augenpunkte,  auf  der 
scharfen  Kante  Nase  und  Mund,  an  den  grösseren  Rippenbogen, 
ein  Aermchen  und  ein  Beinchen. 

hen  Geburtsverlauf  betreifend,  so  war  er: 
a.     Natürlich  bei  beiden  Kindern  10  Mal. 
Siebent gebärende,  welche  ein  Kind,  Knaben,  in  erster,  einen 

zweiten  in  zweiter  Scheitellage  gebar. 
Erstgebärende,  bei  welcher  ein  Knabe  mit  linker  Handanlage 
neben  erster  Scheitellage,  der  zweite  in  zweiter  Steisslage, 
innerhalb  der  Eihäute  bis  dicht  an  den  Kopf  geboren 
wurde,  beide  rasch  hintereinander. 
Erstgebärende  mit  Uterus  bicornis,  wo  das  erste  Kind  in 
vierter,  in  erste  übergehender,  das  zweite  in  dritter  in 
zweite  übergehender  Scheiteilage  geboren  wurde. 


Leistungen  der  Rhein.  Proy.-HebammenanstAlt  etc.      251 

Erstgebärende,  deren  erstes  Kind,  Mädchen,  mit  Anlage  des 
rechten  Händchens  neben  zweiter  Scheitellage  und  zwei- 
maliger Umschlingung  um  den  Hals  geboren  ward,  das 
zweite  fünf  Stunden  später  in  erster  Scheitelstellung  austrat. 

£rst gebärende,  deren  erstes  Mädchen  in  erster  Scheitelstellung, 
das  zweite  bei  Umschlingung  der  Nabelschnur  in  Gerad- 
stellung unmittelbar  hinter  einander  hervorkam. 

Viertgebärende,  bei  welcher  dem  ersten  bei  Anlage  des 
linken  Händchens  in  GeradsteUung  austretenden  Mädchen 
ein  zweites  ebenfalls  mit  Anlage  des  linken  Händchens 
neben  erster  Scheitelstellung  und  fester  Umschlingung  um 
den  Hals  unter  starker  Blutung  nachfolgte. '  Die  Nabelschnur 
musste  durchschnitten  werden. 

Sechstgebärende,  bei  welcher  die  Blase  des  zweiten  Kindes 
zuerst  sprang  und  bei  Sprengung  der  Blase  des  ersten 
der  Vorfall  der  Nabelschnur  des  zweiten  Kindes  eintrat. 
Die  unreifen,  blosä  Vj^  und  IV4  Pfd.  wiegenden  Kinder, 
Mädchen  und  Knabe  wurden  dicht  hintereinander  lebend 
geboren. 

Zweit  gebärende,  welche  einen  Knaben  und  ein  Mädchen,  beide 
in  erster  Scheitelstellung,  im  Zwischenräume  von  einer 
Stunde  gebar.  Der  erste  Mutterkuchen  liess  sich  bei 
innerer  Blutung  mit  vielen  Blutklumpen  äusserlich  durch- 
drücken, der  zweite  musste  bei  Fortdauer  der  Blutung 
mittels  des  gewöhnlichen  Innern  Handgriffes  herausge- 
nommen werden. 

Erstgebärende,  bei  welcher  der  Kopf  des  ersten  Mädchens 
unter  starker  Blutung  in  Folge  kurzer  (14")  Nabelschnur 
in  vollkommener  Querstellung  durchtrat,  das  zweite  in 
erster  Scheitelstellung  nach  10  Minuten  folgte. 

Zweit  gebärende,  die  beide  Kinder  in  erster  Scheitelstellung 
gebar,  das  zweite  bei  Umschlingung  der  16" igen  Nabel- 
schnur über  den  Röcken  um  den  linken  Arm  in  unver- 
letzten Eihäuten. 

Als  elfter  Fall  schliesst  sich  der  mit  «verkümmertem  vier- 
monatlichem Embryo  an. 

b.    Natürlich  beim  ersten,  künstlich  beim  zweiten 
4  Mal. 

Bei  S leben t gebärender  nach  Geburt  eines  Knaben  in  erster 


252      ^>     Bim^aum^  Bericht  über  die  gebortshülflichen 

Scheitelsteliiuig  Extraction  des  zweitem  an  den  Fassen 
wegen  heftiger  Blutung  bei  festen  Eihäuten  und  Lösung 
des  Mutterkuchens. 

Erstgebärender  mit  Geburt  des  ersten  Kindes  in  reiner  Steiss- 
läge  mit  nach  vorn  gekehrtem  Rücken  sehr  schwere  Losung 
der  Arme  des  zweiten,  welche  durch  rasches  Herabtreteu 
in  Steissfusslage  eingeklemmt  waren.    Beide  Kinder  lebten. 

Erstgebärender  mit  Geburt  des  ersten  Kindes  in  zweiler 
Scheitellage,  Anlegung  der  Zange  an  den  Kopf  des  zweiten 
bei  erster  Scheitellage  wegen  Vorfall  des  rediten  Armes 
und  der  Nabelschnur,  deren  Pulsationen  rasch  abnahmen. 
Dieses  zweite  Kind  konnte  nicht  wiederbelebt  werden. 

Erstgebärender,  bei  welcher  das  erste  Kind  in  dritter,  rasch 
in  zweite  übergehender  Steisslage  durchtrat,  bei  dem 
zweiten  hinter  dem  in  zweiter  Scheitelstellung  befindlichen 
Kopfe  der  Arm  quer  unter  dem  Vorberge  wegging  und 
der  Nabelstr^ng  vorgefallen  war.  Er  folgte  der  Zange 
leicht,  wobei  der  Arm  hinter  ihm  zurückblieb.  Beide 
Knaben  lebten, 
c.     Künstlich  beim  ersten,  natürlich  beim  zweiten 

3  Mal. 

E  r  s  tgebärende,  Extraction  eines  5 pfundigen  lebenden  Mädchens 
bei  erster  Fusslage  mit  Vorfall  der  Nabelschnur  und 
natürliche   Geburt  eines   Knaben  in   zweiter  Scheitellage. 

Drittgebärende,  Wendung  wegen  Schulterlage  mit  Vorfall 
des  linken  Armes  und  der  Nabelschnur  in  der  rechten 
Beckenseite  mit  lebendem  Mädchen  und  natürliche  Geburt 
eines  Knaben  in  zweiter  Fusslage. 

Erstgebärende.  Wendung  des  ersten  Kindes  bei  Schieflage, 
rechte  vorn  rechts  ,  Kopf  über  den  Schoosbeinen  nach 
vom  hinausgeschoben,  Füsse  hinten  bei  der  rechten 
Hüftkreuzfuge  gefolgt  von  einer  natürlichen  Geburt  in 
erster  Scheitellage.  Die  2^/4  pfundigen  Mädchen  lebten. 
Es  hatte  sich  hier  bei  der  grossen  Menge  von  Fruchtwasser 
in  beiden  Blasen  jund  der  Kleinheit  der  unzeitigen  Früchte 
die  Eigenthümlichkeit  ausgebildet,  dass  die  Blase  des 
zu  zweit  geborenen  Kindes  neben  der  anderen 
herabgedrungen  war  und  sich  vor  ihr  ausgebreitet 
hatte,  so  dass  man   an  der  im   Becken  stehenden  Blase 


Leistungen  der  Rhein.  Prov.-Hebammenanstalt  etc.     253 

vorbei  oben  zu  deren  engem  Halse  kam  und  hinter  diesem 
die  zweite  Blase  fühlte.  Das  erste  Kind  war  so  durch 
die  Blase  des  zweiten  ganz  in  die  eine,  rechte  Beckenhälfte 
gedrängt,  und  die  erste  Blase  musste  erst  gesprengt 
werden,  ehe  man  zur  Blase  des  tiefer  liegonden  Kindes 
kommen  konnte.  Nachdem  auch  diese  gesprengt  war, 
Hessen  sich  die  Fusse  von  rechts  und  hinten  leicht  herunter- 
holen und  das  Kind  mit  Uehergang  der  rechten  Hüfte 
nach  links  und  vorn  leicht  exirahiren.  Das  zweite  Kind, 
dessen  Blase  zuerst  gesprengt  worden,  folgte  nach  einer 
Stunde  natürlich. 

d.     Künstlich  bei  beiden  Kindern  2  Mal. 

Bei  einer  Erstgebärenden  £ntwickelung  des  Kopfes  mit  Zange 
bei  dritter  ScheitelJage  des  9^/«  pfundigen  Mädchens  wegen 
Krampfwehen  mit  hysterischem  Delirium  und  beginnenden 
Zuckungen,  des  zweiten  in  erster  Scheitelstellung  ebenfalls 
mit  der  Zange  wegen  Vorfall  der  Nabelscimur.  Beide 
Kinder  lebten. 

Bei  einer  Erstgebärenden  bot  sich  das  erste  Mädchen  in 
Steissfusslage,  rechte  Hufle  rechts  vorn  Anstemmung  des 
Beines  an  den  Schoosbogenschenkel  hinderte  die  Drehung 
und  den  Austritt,  wesshalb  der  rechte  Fuss  herabgestreckt 
wurde.  Da  er  nach  kurzer,  rascher  Anschwellung  mit 
einem  Male  schlaff  und  bleich  wurde  und  die  Eindrücke 
behielt,  ging  ich  sofort  zur  Extraction  des  tief  scheintodten, 
sehr  schwer  wiederbelebten  Kindes  über.  Das  zweite 
Mädchen  trat  durch  Selbsteinleitung  in  erster  Scheitel* 
Stellung  herab,  doch  fiel  der  rechte  Arm  neben  dem 
rechten  Schoosbogenschenkel  bis  zum  EUnbogen  vor. 
Er  liess  sich  leicht  diesen  Schoosbogenschenkel  entlang 
gegen  den  Damm  hin  herunterschieben  und  dann  gänzlich 
zurückbringen.  Das  ö  pfundige  Mädchen  folgte  dann  eben 
so  rasch. 

Als  Complicationen  erschienen 'demnach: 

Uterus  bicomis 1. 

Delirium  hystericum  mit  Eklampsie 1. 

Blutung  bei  festen  Eihäuten 1. 

beim  zweiten  Kinde. 


254       ^*    Birnbaunij  Bericht  über  die  geburtehfilflichen 

Blutung  bei  kurzer  Nabelschnur 1. 

beim' ersten  Kinde. 
Umschlingung  der  Nabelschnur 4. 

1  beim  ersten  Kinde, 

3  beim  zweiten,  einmal  mit  Blutung. 
Einfacher  Armvorfall 1. 

beim  zweiten  Kinde. 
Nabelschnurvorfall 3. 

1  bei  dem  ersten  mit  Fusslage, 

2  bei  dem  zweiten  in  1.  Kopflage. 

Vorfall  von  Arm  mit  Nabelschnur 3.  ' 

1  bei  Schulterlage  des  ersten  Kindes, 

2  bei  Kopflage  des  zweiten. 

Geburt  innerhalb  unverletzter  Eihäute       ....  1. 

Abgang  der  Blase  des  zweiten  vor  der  des  ersten  2. 

Operationen  waren 

Extraction  an  den  Füssen 4. 

2  Mal  beim  ersten,  2  Mal  beim  zweiten. 

Wendung  des  ersten  Kindes       ...     .^    ...  2. 

Zange  an  den  Kopf 3. 

wovon  2  beim  zweiten. 

Reposition  des  Armes 1. 

VIII.     Blasenbildung. 

a.  Der  Abfluss  des  Wassers  vor  vollkommener 
Blasenbildung  und  Eröffnung  des  Mutlermundes  kam  als 
schleichender  Abfluss  122  Mal  vor  auf  die  657  Geburten 
der  zwei  letzten  Jahre  =  1  : 5,39=18,55  Proc. 

und  zwar  bei  76  Erstgebärenden,    54  Knaben, 
46  Mehr  gebärenden,  68  Mädchen, 
118  Kopflagen,     2  Unterendlagen. 
Vor    Eintritt   der   Wehen    47   Mal    V2— 1   Stunde 
9  Mal,   IV2— 5  Stunden   18  Mal,  6—10  Stunden  4  Mal. 
11—15  Stunden   7   Mal,  20—25  Stunden  3  Mal,   30-40 
Stunden  5  Mal,  136  Stunden  1  MaL 

Mit  Eintritt  der  Wehen  56  Mal. 
Nach     „        „         „       19     „ 
Bei  kleinen  (a)  Kindern  62. 
Bei  mittelgrossen  (b)  Kindern  44. 


LoUtoagen  der  Bhein.  Prov.-HdbammenanBtalt  ete.     255 

Bei  grossen  (o)  Kindern  16. 

Das  Vorkommen  traf  häufig  mit  mannigfachen  anderen 
Erscheinungen  zusammen,  doch  ohne  irgend  bedeutenden 
Einfluss  auf  den  Gang  der  Geburl  zu  üben,  indem  dieselbe 
meistens  ganz  leicht  und  regelmässig  verlief  und  die  Er- 
schwerung in  einzelnen  Fällen  blos  von  der  Complication 
abhängig  erschien.     Es  war  complicirt: 

mit  Handanlage  beim  Kopfe    .     15  Hai  erschwerend  1, 

Umschlingung 21     „  ,,  5, 

Engem  Becken 7    „      ,      „  2,  , 

Kürze  der  Nabelschnur  ...      3 

Krampfwehen  « 2 

Krampf  und  Handanlage      .    .       1     „  „  1, 

und  Umschlingung  .    .    .      1     „  „  1, 

Beckenenge  ubd  Umschlingung      4    „  „  2, 

ArmvorfaU 1     „  „  1, 

Handanlage 

Handanl.  und  Umschl. 
Handanlage  und   Umschlingung 

66  16^ 

Die  56  Fälle,  wo  keine  sonstigen  Regelwidrigkeiten  vor- 
kommen, verliefen  olme  jede  Störung  und  die  erschwerten 
Fälle  boten  die  Erschwerung  ganz  in  dem  Verhältnisse  der 
übrigen  Complicationen  dar. 

i.  Zu  grosse  Festigkeit  der  Eihäute,  die  Sprengung 
der  Blase  fordernd,  wurde  bei  diesen  657  Geburten  beobachtet 
bei  123  Geburten,  1:5,34  oder  bei  18,72  Proc,  drei  Mal 
bei  beiden  Zwillingskindeni,  demnach  bei 

Erstgebärenden  87,     Knaben  72, 
Mebrgebärenden  37,   Mädchen  54, 
Kopflagen  119, 
Unterendlagen      6, 
Schieflagen       1, 
Hierbei  war  zu  gleicher  Zeit  für  23  Fälle  wenig  Frucht- 
wasser oder  gehindertes  Herabtreten  des  Fruditwassers  bei 
sehr  tiefem   Kopfstande    zugegen   und   wurde    aus   letzterem 
Grunde  5  Mal  die  Zerreissung  der  Eihäute  bei  noch  wenig  er- 
öffnetem Muttermunde  erforderlich,  indem  2  Mal  nach  45  Stunden, 
1  Mal  nach  64  Stunden,  1  Mal  nach  97  Stunden  und  1  Mal  nach 


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2ö6      V.    Birnbaum,  Bericht  fiber  die  gebartihülfliehen 

mehreren  Tagen  anhaltender  kräftiger  Wehen  weder  die  Blase 
tiefer  herubtrat,  noch  auch  der  Muttermund  sich  erweiterte, 
bis  die  Eihäute  gesprengt  waren  und  nun  die  Wehen  ihre 
volle  Wirksamkeit  entfalten  konnten. 

Die  Kinder  waren  unter  Hittelmaass  62, 

Hittelmaass  44, 
über  Mittelmaass  20. 

Die  Geburten  verliefen  meistens  nach  der  Sprengung 
leicht,  und  regelmässig,  obschon  ein  grosser  Theil  der  Fälle 
mancherlei  anderweite  Complicationen  bot.  Nur  ausnahms- 
weise bedingten  diese  auch  nach  der  Hand  noch  eine  grössere 
Trägheit  und  Beschwerlichkeit  des  Verlaufes.  Solche  Com- 
plicationen waren: 

leicht  Ter-       schwer  ver- 
laufend laufend  Sonme 

Armanlage 13  —  13 

Nabelschnurumschlingung      .23  1  24 

Armanlage  und  Umschlingung    7  18 

Beckenenge 8  6  14 

Solche  mit  Armanlage       .     .     3  —  3 

„      mit  Umschlingung       .1  —  1 

„      mit  beidem  ....     1  —  1 

„      mit  Nabelschnurvorfall     1  —  1 

Krampfwehen 1  7  8 

Eklampsie —  1  1 


58  16  74 

Ohne  Eklampsie     ....    49  —  49 

Die  erforderlichen  Operationen  waren: 
Extraction  an  den  Füssen  2, 

Zange  an  den  nachfolgenden  Kopf, 

Zange 11. 

Die  Schwierigkeiten  waren  demnach  ganz  von  den  Com- 
plicationen abhängig.  Zwei  Fälle  veranlassten  starke  Blutung 
bis  zum  Blasensprengen.  Einmal  rissen  die  Eihäute  hoch 
oben  und  mussten  später  aufs  Neue  gesprengt  werden. 

c.  Grosse  Dehnbarkeit  der  Eihäute  mit  Sprengung 
derselben  katn  im  Ganzen  31  Mal  zur  Beobachtung,  1 :  21,20 
=4,72  Proc. 


LeUtongea  dar  Rhein.  FroT.-Hebftmmattaiittalt  ate.     257 

Sie  betraf:  Erstgebärende  16,     Kopflagen  31, 
Mehrgebärende  15,    Knaben       17, 
Mädcben     14, 
Kinder  unter  Mittelgrosse  9, 
von  Mittelgrösse  16, 
Ober  Mittelgrösse  6. 
Complicationen  waren:     Nabelschnurumschlingung     .  9, 

Annanlage 1, 

Armanlage  und  Umschllngung  2, 

Beckenenge 1. 

Nur  einmal  war  wegen  Umschlingung  und  Krampfwehen 
Anlegung  der  Zange  nöthig.  Alle  übrigen  Fälle  verliefen 
äusserst  leicht  und  günstig. 

d.  Innerhalb  unzerrissener  Eihäute  wurden 
geboren  ein  Zwillingskind  inSteisslage  zum  grössten  Theile, 
ein  anderes  mit  Vortreten  des  Mutterkuchens  bei  complicirter 
Umschlingung  ganz. 

Im  Ganzen  l)oten  also  auf  die  657  Geburten  278  mehr 
oder  weniger  bedeutende  Regelwidrigkeiten  der  Blasenbildung, 
1  :2,36  oder  42,3  Proc. 

IX.    Umschlingung  der  Nabelschnur 

ist  im  Ganzen  277  Mal  verzeichnet,  wovon  82  Mal  auf  die 
617  Geburten  von  1860  und  1861  und  195  Mal  auf  die 
657  Geburten  von  1862  und  63,  in  welchen  Jahren  die 
Aufzeichnungen  erst  ganz  genau  sind,  für  diese  letzteren 
also  1 : 3,37  oder  bei  29,68  Proc.  Die  277  FäUe  ergaben 
folgende  allgemeine  Verhältnisse: 

E r stgebärende  167  ==1 : 4,72,  Mehrgebärende  110=1 : 4,42. 
Knaben  132.  Mädchei»  145. 

A.  Kinder  50  Knaben,   71  Mädchen=  121=43,72 Proc. 

der  Fälle. 

B.  Kinder  53  Knaben,   43  Mädchen  =  96  =  34,65 Proc. 

der  Fälle. 

C.  Kinder   27   Knaben,    19  Mädchen=  46=16,61  Proc. 

der  FäUe. 
Frühzeitig      2  Knaben,    12  Mädchen=  14=  5,12 Proc. 

der  Fälle* 

132  145  277 

MonfttMohr.  f.  aebnrttk.  1886.  Bd.  XXV.,  Bappl  •  Hft.  17 


258      V.    BtrnioM»,  Betioht  aber  dia  geburtshalflulien 

für  die  Verhältnisse  der   UiuscUiBgungen  zu  den   Gewichts- 
categorien  ergiebt  sich  hieraus: 

A.  Kiuder  121 :  470=25,65  Proc.  derselben. 

B.  Kinder    96 : 483=19,88 Proc J  .„  ^^ 

C.  Kinder    27  :  212=11,74  Proc. p^'^*^'*''^- 
Frühzeitig  14: 121  =  17,37  Proc 

Unter  den  Kindern  waren  4  ZwilHngskinder,  wovon 
1  frühzeitig.  Die  Umschlingung  kam  daher  auf  Zwillinge 
=4: 40=1: 10=10  Proc. 

Die  Gewichte  der  frühzeitigen  Kinder  waren: 

2V«  Pfd.,  3  Pfd.,  3^/4  Pfd.,  4  Pfd.,  4  Pfd.,  41/4  Pfd., 
4V2  I^fd.,  4VaPfd.,  4«/aPfd.,  4Vä  Pfd.,  4^«  Pfd.,  4Va  Pfd., 
5  Pfd.,  5  Pfd. 

Die  Lageverhähnisse  der  Kinder  waren: 

Erste  Scheitellagft  218=23,23  Proc.  derselben - 

Zweite        „  46=17,70      „  [22,00  Proc. 

Dritte  und  vierte        2  =  13,33      „ 

Gesichtslage    .     .       2  =  33,34      „ 

ünierendlagen  6  =  17,65      „  ^22,00  Proc. 

Schieflagen     .     ,      3  =  30,00      „ 

277 
oder  für  Kopflagen  im  Allgemeinen  22,23  Proc. 
Unterend-  und  Schieflagen  19,15 Proc. 

Die  Nabelschnurlängen  betrugen: 


15" 
16" 

5 

12) 

5 

Proc,  der  Nabel- 
schnarlängen 

3,85 

Proc.  d.  Um- 
schlingongen 

1,81  ; 

1 

17" 

8/ 

i 

18" 
19" 

I9J 

81 

14,78     . 

29,241 

20" 

17) 

>  7( 

21" 

18) 

22" 

38i 

l 

23" 
24" 

i 

110 

26,44 

39,7x1 

25" 

lA 

) 

70,76  Proc. 


Laistvnge«  der  Rhein.  ProT.-HebammeMiiistalt  etc.     259 

/ 
Proe.  der  Nabel-      Pree«  d.  Um* 
scbnarl&ngen         seblingangen 

26"  14) 

27"  14/ 

28"  löl  61  38,37  22,10j 

29"      71 

30"  ll] 

31"  3]  >  30,60  Proc. 

32"      51 

33»      gf    19  48,72  8,14^ 

34"      2! 

39"      1) 

41"      1       1  50,00  0,36; 

37" 

38" 

Das  Prozentverhältniss  steigt  demnach  stetig  mit  der 
Länge  der  Nabelschnöre  und  ist  blos  fär  die  Umschlingungen 
selbst  mit  derselben  geringer  werdend,  da  die  Zahlen  der 
Aber  Mittelgrösse  kommenden  Nabelschnüre  so  gering  sind. 

Die  Umschlingung  ging: 

Um  den  Hals  allein 229 

1  Mal  188, 

2  „     31, 

3  „       7,  (24",  28",  31",  31",  33",  33",  40",) 

4  „       3,  (29",  30",  30".) 

Um  Hals  und  anliegendes  Händchen  ....  4 
Um  Hals  (2  Mal  2  und  2  Mal  3  um  Hals)  und  Leib  8 
Um  Arm  oder  Schulter 27 

1  Mal  die  16"ige  bei  Schiefläge. 

Um  das  Bein 4 

Um  Hals  und  Bein 3 

1  Mal  um  Hals,  28",  2  Mal  um  Hals  23",  4  Mal 
um  Hals  33". 

Um  den  Leib 2 

1  Mal  mit  Kreuzung  auf  Brust  und  Rücken. 

Die  Umscblingungen  waren  für  sich  allein  vorbanden 
ohne  andere  Complication  215  Mal  und  77,62  Proc.  und  hier 

17* 


26Q       ^'    Bimkmtw^  Bericht  über  die  gebartthäMiohea 

ohne  jeden  nachweisbaren    Einfluss   127  =45,85 Proe. 

45,85    „ 
von  bestimmt  nachweisbarem     „  88=31,77     „ 

31,77    „ 
Die  Wirkungen  waren: 
a.    Hinderung  des  Geburtsmechanismus  ohne  Ge- 
burtsbehinderung 1  =0,36  Proc. 

Vollkommene  Geradstellung  des  Kopfes  im  Becken  bei 
einem  2V2pföndigen  zweiten  ZwUlingsmädcWn.  Nabelschnur- 
länge 20". 

Ä.    Regelwidrige   Lage    der   Frucht  9=3,25 Proc. 
18",  2  Mal  um  den  Hals.    Steisslage  bei  Erstgebärenden. 

Zange  an  den  nachfolgenden  Kopf. 
18",  1     „      „   den    Hals.      Steisslage    bei    Erstgebärenden. 

Unzeitige  Geburt. 
22",  1     „     „   die  Hüften.     Steisslage  bei  Mebrgebarenden. 

Kind  scheintodt. 
18",  1     „     „   den  Hals.     Knielage  bei  Erstgebärenden. 
16",  2    „      „     „      „    Fusslage. 

16",  1     „/     „   den  Arm.     Schieflage  beim  ersten  Zwilling. 
19",  1     „     „   den    Hals.     Schulterlage   mit  Wendung    und 

Scheintod  des  Kindes. 
20",  1     „      „    den  Arm.     Schieflage  beim  ersten  Zwilling. 
29",  4    n     tf   den  Hals.     Fusslage.    Extraction  mit^  Zange 
an  den  Kopf, 
c.     Erschwerter   Kopfauetritt  21=7,58 Proc.     Bei 
einmaliger  Umschlingung  um  den  Hals  Nabelschnurlängen  von 
15",  17",  2X18",  19",  3X20",  4X22",  2x23",  25", 
2  X26",  27,  30".   Bei  zweimaliger  Umschlingung  Nabelschnur- 
langen  von  22"  und  24". 

Natürlich  verliefen  dabei  13  Geburten,  wobei  1  Mal 
gehinderte  Kopfdrehung  mit  Geradstellung  im  Ausgange,  2  Mal 
verkehrte  Drehung  der  Schultern ,  2  Mal  gehinderte  Drehung 
mit  querem  Austritte  zur  Beobachtung  kam.  Zwei  dieser 
Kinder  kamen  scheintodt  zur  Welt,  nachdem  bei  einem  vor 
Austritt  des  Kopfes  gewaltsame  Athembew*egungen  in  der 
Schamspalte  sichtbar  geworden,  und  1  todt  mit  viel  Schleim 
und  Kindspech  in  den  Luftwegen.  Zweimal  machte .  sich  auch 
Auafluss  vielen  Wassers  und  Schleims  aus  dem  Munde  nach 


Leiitang^n  der  Bheia.  ProT.-HebammenanttftU  et«.     261 

gebornem  Kopfe  oder  nach  Geburt  des  ganzen  Kindes  bemerk- 
lieb, ohne  dass  diese  Atbembewegungen  ?orher  beobachtet 
worden  wären,  beide  Mal  bei  gleichlebenden  Kindern. 

Die  Zange  war  erforderlich  8  Mal,  wobei  1  Mal  Gerad* 
Stellung  des  Kopfes  zugegen  war,  1  Mal  verkehrte,  1  Mai 
doppelte  Schulterdrehung  zu  Stande  kam.  Vier  dieser  Kinder 
waren  scheintodU 

Die  Nabelschnurlängen  betrugen  in  allen  diesen  Fällen 
20"  und  darüber,  einmal  30"  und  bei  20"  musste  noch  nach- 
träglich zur  Durchschneidung  des  Nabelstranges  übergegangen 
werden,  um  die  Schultern  entwickeln  zu  können. 

d.  Behinderter  Austritt  der  Schultern  allein 
1=0,36  Proc.  Bei  einer  Erstgebärenden  mit  27  "iger  Nabel- 
schnur die  2  Mal  um  den  Hals,  und  dann  um  den  Rücken 
des  Kindes  geschlungen  war. 

e.  Regelwidrigkeiten  der  Schulterdrehung  als 
Hauplwirkung  88  Mal  ==13,72  Proc.  und  mit  Einschluss  von 
7  anderen  Fällen,  wo  andere  bedeutende  Einwirkungen  vor- 
hergingen, 45  Mals=  16,24  Proc.  Die  38  Fälle  kamen  vor  bei 
Umscblingung  einmal  um   den  Hals  und  Nabels^chnurlängen 

von  15",  2X16",  17",  4X19",  2X20", 
2X21",  4X22",  23",  2X24",  2X27", 
28",  30",  32",  33". 
„  zweimal  um  den  Hals  und  Nabelschnurlängen 

von  23",  25",  26",  30",  30",  32". 
„  dreimal  um  den  Hals  und  Nabelschnurlängen 

von  24"  und  31". 
„  viermal  um  den  Hals  und  Nabelschnurlängen 

von  34". 
„  2  Mal  um  den  Hals,  1  Mal  um  das  Bein 

bei  23". 
„  Um  Schulter  und  Rücken  bei  21". 

Um  die  linke  Schulter  bei  17"  und  18"' 

Die    Regelwidrigkeit    betraf   die    einfach    verkehrte 

Drehung  25  Mal.    Bei  einem  dieser  Fälle  war  bei  zweimaliger 

Umschlingung  um  den  Hals  bei  25"  Scheintod  durch  Strangu* 

lation  zugegen. 

Die  einfach  behinderte  Drehung  mit  querem  Austritte 
6  Mal. 


V.    BimbrnuMf  Beriolit  über  die  crtb'>rt0lt^fl<oh«i^ 

Di6  doppelte  Drehung  7  Mal. 

Unter  diesen, Fällen  war  einmal,  bei  zweimaliger  Dm- 
schlingung  um  den  Hals  und  Verlauf  der  Nabelscbnnr  über 
den  Rficken,  Geradstellung  des  Kopfes  vorausgegangen,  und 
traten  die  Schultern  in  voller  Querstellung  aus,  um  sich  bei 
weiterem  Vorrücken  nach  links  zu  drehen. 

/.     Blutungen    bei    erschwertem    Austritte   des    Kopfes 
7  Mal=2,53  Proc. 

Bei  Umschlingung  1  Mal  um  den  Hals  und  Nabelschnur- 
längen von  19',  20'^  22",  2  Mai  um  den  Hals  und  Nabel- 
schnurlängen von  20'',  1  Mal  um  den  Hals  und  die  rechte 
Schulter  und  Nabelschnur  v(m  19'',  1  Mal  um  die  Schalter 
und  NabelscBnurlängen  von  2X26". 

Es  war  hierbei  die  Zange  erforderlich  4  Mal,  worunter 
1  Mal  mit  schrägem  Schiefstande  des  Kopfes,  einmal  mit  tiefem 
Spheintode,  1  Mal  bei  Abgang  vielen  Kindspeches.  Die  Nabel- 
schnurlängen betrugen  20 ",  22",  26",  26". 

Einmal  wurde  verkehrte  Drehung  beobachtet  bei  19" 
Nabelscbnurlänge ,  1  Mal  die  Durchschneidung  erforderlich 
bei  zweimaliger  Umschlingung  der  20"igen  Nabelscbnur  um 
den  Hals. 

g.     Senkung   und  Vorfall    der  Nabelschnur  6  Mal 
=2,17  Proc.  . 

Zwei  Mal  als  Vorfall  bei  einmaliger  Halsumschlingung 
und  19"iger  Nabelschnur,  wo  das  Mädchen  in  Gesichtslage 
todtgeboren  wurde,  und  bei  28"iger  Nabelschnur. 

Vier  Mal  als  Senkung,  jedes  Mal  unter  dem  Schoossbogen 
von  vorn  her,  jedes  Mal  bei  einmaliger  Umschlingung  um 
den  Hals  und  bei  Nabelschnurlängen  von  22",  25",  25",  28". 
Eines  dieser  Kinder,  wo  tiefer  Ansatz  des  Mutlerkuchens  mit 
Einpflanzung  am  unteren  Rande  vorkam,  wurde  tief  scheintodt 
geboren  mit  Abgang  vielen  Kindspeches  bei  der  Geburt. 

h.     Scheintod  einfach  für  sich  als  einzige  Wirkung 
3=1,08  Proc 

Bei  Umschlingong  einmal  um  den  Hals  und  31",  2  Mal 
um.  den  Hals  und  24",  eihmal  um  die  Schulter  und  28", 
Länge  der  Nabelschnur. 

t.    Tod     des     Kindes     ohne    sonstige    Veranlassung 
1=0,36  Proc. 


Leistungen  der  Rhein.  ProT.-HebammenAnitalt  etc.     263 

Bei  Umscblingung  um  die  Schulter  und  23"  Nabelschnur- 
lange. 

k.    Austritt  in  unverletzten  Eihäuten  l=0,36^/o. 
Bei  am  Racken  und  linken  Arm   des  zweiten  Zwillings 
geschlungener  Nabelschnur  von  16". 

Sie    war    mit    anderen    Zuständen    complicirt, 
fö  Mal  =22,38  Proc,  und  zwar: 
A.     Mit  A  rm  an  läge  neben  dem  Kopfe  36  Hal= 12, 10  Proc. 
Es  fahrte  dieses,  indem  es  18  Mal  wirkungslos  blieb, 
=6,50  Proc. 

CL,  Zu  einfach  behinderter  Kopfdrehung  1  Mal, 
Geradstellung  mit  Anlage  des  linken  Händchens  bei  18". 

b.  Zg  regelwidriger  Schulterdrehung  11  Mal,  und 
zwar :  3,97  Proc.  zu  einfacher  bei  einmaliger  Umschlingung 
um  den  Hals  und  Nabelschnurlängen  von  19",  20",  23",  26", 
26",  29".  Umschlingung  um  Hals  und  anliegendes  Händchen 
und  Nabelschnur  von  24",  zweimaliger  Umschlingung  um 
Schulter  und  Leib  und  Nabelschnurlänge  von  21".  Zu  doppelter 
bei  einmaliger  Umschlingung  um  den  Hals  und  Nabelschnur- 
längen von  22",  24",  25",  hierbei  war  1  Mal  Gesichtslage 
mit  Anlage  der  rechten  Hand. 

c.  Zu  Senkung  der  Nabelschnur  2  Mal,  0,72  Proc, 
bei  einfacher  Umschlingung  um  das  anliegende  Händchen  und 
Nabelschnurlänge  von  24",  beide  Male  mit  verkehrter  Schulter- 
drehung. 

d.  Erschwerter  Kopfaustritt  mit  Anlegung  der 
Zange  1  Mal  =: 0,36 Proc.  bei  einmaliger  Halsumschlingung 
und  17". 

e.  Erschwerter  Kopfaustritt  mit  Blutung  2  Mal 
=0,72  Proc.  Das  eine  Mal,  bei  einmaliger  Halsumsdilingung 
und  17"  war  Durchschneidung  der  Nabelschnur  erforderlich, 
das  zweite  Mal  bei  19"  Nabelschnurlänge  kam  noch  verkehrte 
Drehung  hinzu,  und  zeigte  das  Kind  bei  deutlich  sichtbaren 
Athembewegungen  bei  Durchtritt  des  Kopfes  durch  die 
Schamspalte  und  starker  Strangulationsrinne  am  Halse  tiefen 
Scheintod. 

/.  Der  Tod  ohne  sonstige  Ursache  1  Mal =0,36 Proc. 
bei  Umschlingung  um  eine  Schulter  und  Nabelschnurlänge 
von  22". 


264       ^«    Birnbaum,  Berioht  über  die  gebnrUbnUlielien 

B.  Mit  nach  uoteo  trichterförmigem  Becken  2  Mal 
=0,72  Proc 

Es  blieb  hier  1  Mal  wirkungslos  und  fährte  1  Mai  zu 
Anlegung  der  Zange  bei  einmaliger  Halsumschiingung  und 
Nabelschnurlängen  von  28''  und  23". 

C.  Mit  Trichterbecken  mit  Bandanlage  1  Mal  = 
0,36  Proc.  mit  sehr  erschwertem  Austritte  des  Kopfes  und 
starker  Blutung  bei  Drehung  erst  nach  einer,  dann  nach 
der  anderen  Seite,  dann  nach  oben  und  einmaliger  Hals- 
umschlingung  mit  Nabelschnurlänge  von  18''. 

D.  Mit  Becken  enge  12  Mal=433Proc.  Es  blieb  dies 
ohne  Einfluss  4  Mal=  1,44 Proc.  und  fährte: 

a.  Zu  regelwidriger  Schulterdrehung  3  Mal 
=  1,08  Proc.  jedes  Mal  zu  gehinderter  Drehung  bei  querem 
Schulleraustritte,  2  Mal  bei  einfacher  HalsuroschUngung  und 
19",  21",  einmal  bei  zweifacher  und  27"  Nabelschnurlänge. 

b.  Zu  Vorfall  der  Nabelschnur  und  Senkung  2  Mal 
=0,72  Proc.  Das  erste  bei  UmschUngung  um  Hals  und 
Schulter  und  24",  das  andere  bei  einfacher  Halsumschlinguug 
und  24"  Nabelscbnurlänge. 

c.  Zu  einfacher  Behinderung  des  Kopfaustrittes 
1  Mal  mit  Anlegung  der  Zange  an  den  Kopf  und  verkehrter 
Schulterdrehung  bei  einmaUger  Halsumschlingung  und  Nabel- 
scbnurlänge von  22". 

d.  Zu  behindertem  Kopfaustritte  mit  Blutung 
1  Mal,  bei  einmaliger  HalsumschUngung  und  Nabelschnur  von 
16"  und  Durcbschneidung  bei  Vortritt  der  Schultern. 

6.  Zu  tiefem  Scheintode  1  Mal  bei  einmaUger  Hals- 
umschlingung und  Nabelschnurlänge  von  22"  mit  querem 
Schulterausti^ilte. 

E.  Mit  Beckenenge  mit  Handanlage  5  Mal 
=1,81  Proc. 

Sie  führte  zu 

Regelwidriger  Schulterdrehung  bei  22"  Nabel- 
schnurlänge und  einfacher  Halsumschlingung. 

Gehindertem  Austritte  des  Kopfes  mit  Zangenanlegung 
und  Durchschneidung  der  Nabelschnur  bei  28"  und  ein- 
maliger Halsumschlingung. 

Scheintod  bei  einmaliger  Halsumschlingung  und  22"  Länge. 


Leiatangen  der  Rhein.  ProT.-Hebammenanstalt  etc.     265 

Strangulation  mit  Tod  der  Frucht  bei  einmaliger  Hals- 
umschlingung  und  19"  Länge  mit  veiiiebrter  Schuller- 
drebung. 

Blutung  mit  Absterben  der  Frucht  bei  einmaliger 
Haisumschlingung  und  20"  Länge. 

F.  Mit  Uterus  bipartitus  1  Hal=0,36Proc.  mit  An- 
legung der  Zange  bei  Umschlingung  3  Mal  um  den  Hals, 
1  Mal  um  den  Leib  und  39"  Länge. 

G.  Hit  Prolapsus  recto-vaginalis  1  Mal  bei  vierter 
Scbeitelstellung  mit  dreimaliger  Umschlingung  um  den  Hals, 
einmaliger  um  den  Leib  und  starker  Blutung  bei  Zug  mit  der 
Zange  mit  querem  Schulterauslritle  32"  Nabelschnurlänge. 

H.  Hit  Enge  der  Schamspalte  2  Mal = 0,72 Proc. 
beide  Male  mit  Scarification  des  Dammes,  sonst  bei  zweimaliger 
Haisumschlingung  und  28"  Länge  wirkungslos,  bei  einmaliger 
und  27"  zu  Scheintod  des  Kindes  führend. 

/.  Mit  enger  Schamspalte  und  Handanlage  1  Mal. 
Hier  verursachte  die  Fixirung  des  Armes  mU  weit  vorstehendem 
EUnbogen  durch  Uraschlingung  der  18"igen  Nabelschnur  um 
den  Hals  und  diese  Hand  trotz  der  Scarificalion  einen  Damm- 
riss  bis  zum  After. 

K.  Mit  Eklampsia  parturientium  1  Mal.'  Es  wurde 
hierbei  das  Kind  mit  der  Zange  entwickelt  und  kam  bei  ein- 
maliger Haisumschlingung  mit  vielem  Kindspechabgange  bei 
Nabelscbnurlänge  von  25"  in  tiefem  Scheintode  zur  Welt. 

Die  Umsclilinguug  war  daher: 

mit  Compli- 
fSr  sich  allein  cationen  Summe. 

ohne    allen   Einflusa  ]27»45,86Vo  24»  8,66%  151«54,617o 
▼  on     nachweisba- 
rem Einflüsse  .  .  .     88==31,77„  38=13,72,,  126=  45,49  „ 
216=77,62  „  62=22,38  „  277=100,00  „ 

und  zwar  föhrte  sie  zunächst: 

rahindernder,  hem- 
mender Einwirkung  29=10,47  „        11=  3,97  „  40=  14,44,, 

SU  nachtheiliger 
ohne  bestim'mte 
Hemmung 19=  6,86,,        11=  3,97,,         30=  10,83,, 

SU  bloe  Abwei- 
chungen bedin- 
gender  40=14,44  „        16=  6,78  „  66^20,22,, 

88=81,77  „       38=»13,72  „        126=  45,49  „ 


266       ^<    Bifnbaum^  Bericht  über  die  gebortuhtilflieheB 

Die  dadurch  herbeigeführten  Regelwidrigkeiten,  de- 
reo  oft  mehrere  in  einem  einzelnen  Falle  zusammentrafen,  waren : 

ohne  Com-    mit  Com- 
pHcation.       plication.     Summe. 

Behinderung;    des    Kopf- 

und    Scbnlteraustrittes  29  .              6  36 

Stärkere    Blutung    dabei  2  4                      6 

Regelwidrige    Lage    der 

Fruoht 9  —  9 

Vorfall  und  Senicung    .  .  6  4  10 

Scheintod 12  4  16 

Tod 1  2                      8 

Regelwidrige      Schulter- 
drehung    50  21  71 

Hinderung  d.Kopfdrehng.  5  1                      6    • 

Zerreisflung    des    Mittel- 

fleisches —  1                      1 

114  43  167 

Es  wurde  durch  dieselbe  erforderlich: 

Zange  an  den  vorausge- 
henden Kopf 12  8  20=7,227o 

Extraction  und  Zange  bei 

Unterendlagen —  2  2=<0,72  „ 

Wendung    u.   £xtraction           —  2  2=0,72  „ 

12"  12  24=8,66  „ 

X.     Kürze  der  Nabelschnur 

*wurde  als  Ursache  mehr  oder  weniger  bedeutender  Störungen 
10  Mal  beobachtet,  bei  0,78  Proc.  der  Geburten.  Dieselben 
waren : 

A.  Regelwidrige   Drehung   der   Schultern   5  Mal. 

a.  Als  einfache  verkehrte  Drehung  bei  14",  14",  14",  16" 
Nabelschnurlänge. 

b.  Als  doppelte  Drehung  bei  15"  Nabelschnurlänge. 

B.  Einfach  starke  Blutung  bei  natürlicher  Geburt 
1  Mal.  Frühzeitiges  erstes  Zwillingsmädchen  in  Mitteibecken- 
geburt  austretend.     14"  Nabelschnurlänge. 

C.  Starke  Blutung  bei  Herausziehung  des  Kopfes 
mit  der  Zange  4  Mal.  Einmal  wegen  Krampfwehen  mit 
tiefem  Scheintode  von  vielem  eingeathmeten  Schleime  und 
Blut.  Länge  15".  Einmal  bei  Trichterbecken  nach  unten 
und  starker  Schmerzhaftigkeit  bei  Tractioneir.  Nabelschnur- 
länge  IT'.  Zweimal  bei  Beckenenge,  das  erste  Mal  mit 
querem  Schiefstande  des  Kopfes  und  tiefem  Scheintode  bei- 
Nabelschnurlänge  von  15'',  das  andere  Mal  bei  solcher  von 
16"   unter  Abgang    vielen    Kindspechs   mit   dem   Blute  und 


LeiBtimgeii  der  Rhein.  Prov.-HebammenanstRlt  etc.      267 

doppelter  SchuJterdrehung^  Tiefer  Schekitod  und  später  er- 
folgendes Absterben  des  7  pfundigen  Mädchens  von  Verstopfang 
feiner  Bronchenäste. 

Wir  sehen,  dass  die  absolule  Länge  hier  nicht  entscheidet, 
indem  unter  den  89  Fällen  von  Nabelschnuren  bis  zu  15'' 
nur  7  ernstere  Störungen  oder  Abweichungen  bewirkten,  also 
1  von  12,71  und  unter  den  513  Nabelscbnären  von  16—20'' 
nur  3,  also  1 :  171.  Wir  sehen  aber,  dass  sie  hier  doch 
viel  entschiedener  in  Betracht  kommt,  als  bei  den  Um- 
schlingungen, deren  Einfluss  so  mannigfaltigen  ModiOcationen 
unterliegt 

XI.     Senkung  und  Vorfall. 

Die  Senkung  ist  im  Ganzen  19  Mal  verzeichnet,  worunter 
18  auf  die  657  Geburten  der  beiden  letzten  Jahre,  wo  die 
Verzeichnungen  ganz  detaillirt  sind,  also  1 :  36,50. 

Als  Ursachen  erschienen: 

Umschlingung  einmal  um  den  Hals  bei  Nabelschnur- 
länge von  22",  25",  28",  jedesmal  mit  Vortritt  unter  dem 
Schoossbogen.  Einmal  um  die  Schuller  bei  Nabelschnurlänge 
von  24",  26",  27",  dabei  wegen  Wehenschwäche  starke 
Blutung  bei  Extraction  mit  der  Zange  an  den  vorausgehenden 
Kopf  und  tiefem  Scheintode,  da  die  Nahelschnur  mitgefasst 
worden,  war. 

Einpflanzung  am  unteren  Rande  des  tiefsilzenden 
Mutterkuchens  bei  Nabelschnurlänge  von  24". 

Umschlinguug  mit  Armanlage  bei  Nabelschnurlängen 
von  24"  und  25".  In  ersterem  Falle  ging  die  Umschlingung 
um  das  anliegende  Händchen  und  führte  bei  Senkung  unter 
dem  Schoossbogen  zu  verkehrter  Drehung.  Im  zweiten  Falle, 
bei  Schulterumschlingung,  erfolgte  bei  den  Tractionen  mit 
Zange  starke  Blutung,  da  der  Nabelstrang  mitgefasst  war  und 
Scheintod  des  Kindes. 

Beckenenge  bei  Nabelschnurlänge  von  17"  und  30". 
Im  ersten  Falle  erfolgte  bei  Senkung  unter  dem  Schoossbogen 
doppelte  Drehung.  Im  zweiten  erfolgte  bei  Senkung  über 
den  Damm  nach  Zangenanlegung  Scheintod  des  Kindes. 

Beckenenge  mit  Umschlingung  um  den  Hals  bei 
Nabelschnurlänge  von  20".     Vortritt  unter  Schoossbogen. 


268        V-     Bimbmm,  Berieht  über  die  gebartilifilfliebeD 

Beckenenge  mit  Armaniage  bei  todtfaulem  Kinde, 
Senkung  unter  dem  Scboosabogen  bei  31''. 

Gesichtslage  ohne  sonstigen  Nebenuip^nd  bei  Nabel- 
schnurlänge  von  35". 

Keine  bestimmt  nachweisbare  Ursache  bei  Nabel- 
schnurlänge von  22'',  22",  26",  26',  30".    Einmal  waren 
dabei  Krampfwehen  zugegen,  einmal  frühzeitiges  Kind.    Zweimal 
fand  die  Senkung  über  den  Damm  her  statt,  die  übrigen  Male 
unter  dem  Schoossbogen ,   einmal  mit  Sdieintod  des  Kindes. 
Der  eigentliche  Vorfall  wurde  15  Mal  beobachtet,   bei 
1,18  Proc.  der  Gebärenden,  1,16  Proc.  der  Kinder  und  zwar  bei 
Zwillingskindern  6  :  40=15,00  Proc. 
Einfachen  Geburten  9:1254=  0,72    „ 
Erstgebärenden   8 =1,02 Proc.  davon   Zwillinge   3,    mit 
einfacher  Geburt  5 :  777=0,72  Proc. 
Mehr  gebärende    7  =  1 ,44  Proc.    davon  .  Zwillinge    3 ,   mit 
einfacher  Geburt  4  :  477=8,84  Proc. 
Knaben  7  (3  Zwillinge). 
Mädchen  8  (3  Zwillinge). 

Scheitellagen  9=  0,74 Proc. 
Gesichtslagen  1=50,00    „ 
Unterendlagen  4=11,77     „ 
Schieflagen  1=10,00    „ 
Davon  fielen  auf  die  Zwillingskinder: 
Kopflagen  bei  zweiten  Zwillingskindern  4, 
Unterendlage  beim  ersten  Zwillingskinde  1, 
Schieflage  beim  ersten  Zwillingskinde  1, 

"6 
auf  die  einfachen  Geburten: 

Scheitellagen  5=  0,42  Proc.  derselben 
Gesichtslagen  1=50,00    „        „     ,, 
Unterendlagen  3=12,00     „        ,,     „ 
Von  den  Zwillingsgeburten  und  den  Unterendlagen 
war  schon  die  Rede. 

Bei  der  Gesichtslage  erschien  einmalige  UmsebUngung 
des  29  zölligen  Nabelstranges  bei  Eintritt  in  die  Anstalt  mit 
Wehen  als  Ursache.  Das  6  pfundige  Mädchen  kam  Unit 
zur  Welt 

Bei  den  5  Scheitelstellungen  war  4  Mal  dei*  Vorbil 


LeiitoDgen  der  Eheln.  Prov.-HebammeBanaialt  etc.     269 

der  Nabelschnur  bei  Eintritt  der  Personen  mit  Weben, 
1  Mal  bei  Verbeimlicfaung  der  Wehen  schon  bei  der 
ersten  Untersuchung  vorgefunden. 

1  Mal  war  Ümschlingung  der  28zöUigen  Nabelschnur 
zugegen,  der  Kopf  tief  im  Becken,  der  Muttermund  2  Zoll 
geöflhet,  das  Kind  wurde  bald  danach  todt  geboren. 

4  Mal  war  Beckenenge  bei  Scheitellage  zugegen.  Das 
erste  Mal,  bei  schrägyerengtem  Becken,  hatte  die  Person 
die  Wehen  verheimlicht  und  war  bis  nach  dem  Blasenspmnge 
umhergegangen.  Der  Kopf  stand  unvollkommen  im  Becken, 
der  Nabelstrang  war  pulslos  kalt  Das  6^2  pfundige  Mädchen 
wurde  todt  geboren. 

In  dem  zweiten  Falle  war  neben  der  Beckenenge  noch 
Vorfall  beider  Arme  neben  dem  Kopfe  und  Umschlingung 
der  Nabelschnur  vorhanden.  Die  Person  hatte  bei  Beginn 
der  Wehen  noch  in  der  Fabrik  gearbeitet ,  dann  nach  Abfluss 
der  Wasser  sich  nach  Hause  und  von  da  in  die  Anstalt  be^ 
geben,  wo  sie  mit  Vl^  Zoll  weit  geöffnetem  Muttermunde  und 
grosser,  neben  erster  Scbeitellage  vorgefallener,  pulsloser 
Nabelschnur  eintraf.  Die  vorgefallenen  Arme  hatten  den 
unteren  Abschnitt  spitz  herab-  und  vorgedrängt.  Die  Zurück* 
bringung  der  vorgefallenen  Theile  misslang,  nach  ^4  Stunde 
aber  hatte  sich  in  linker  Seitenlage  der  Muttermund  hin- 
reichend erweitert,  mit  tieferem  Herabdrängen  beider  Arme, 
und  zeigte  der  Nabelstrang  wieder  schwache  Pulsatjonen, 
langsam  aber  sehr  deutlich.  Auch  jetzt  misslangen  die  Re- 
positionsversuche ,  aber  die  Einleitung  des  linken  Fusses  kam 
leicht  zu  Stande  und  ebenso  durch  gelinden  Anzug  desselben 
mit  äusserem  Gegendrucke  die  vollkommene  Drehung  des 
Kindeskörpers.  Der  Steiss  ging  mit  der  linken  Hüfte  nach 
rechts  und  vorn,  die  Arme  blieben  herabgeschlagen  und 
folgten  sehr  leicht  Der  Kopf  wurde  sofort  mit  der  bereit- 
fiegenden  Zange  entwickelt,  der  6 pfundige  Knabe  aber  konnte 
trotz  Spuren  von  Herzschlag  nicht  wiederbelebt  werden. 

Die  dri  tte  Person  trat  bei  schräger  rhachitischer  Becken- 
verengerung von  3^2  Zoll  Conjugata  ebenfalls  mit  Weben 
ein,  mit  Vorliegen  der  pulsloseo  Nabelschnur  in  den  Eihäuten 
bei  1  Zoll  weit  geöfiGaetem  Muttermunde.  Der  Kopf  stand  rechts 
auf  der  vorderen  Beckenwand  auf.     Bei  drei  Querfinger  breit 


270       ^*    Bimb€Mm,  Bericht  über  die  g^ebartshülflicfaen 

geöffnetem  Muttermunde  wurde  die  Blase  gesprengt,  und  ob«- 
schon  mit  dem  Fruchtwasser  viel  Kindspech  fortging,  die 
Reposition  der  Nabelschnur  bewirkt,  welche  in  grossem  Packe 
vorlag.  Die  Wendung  erschien  durch  die  grosse  Unnach- 
giebigkeit  des  Muttermundes  unräthlich.  Der  Kopf  hielt 
nachher  unverrückt  trotz  starker  Wehen  auf  dem  Boden  des 
Beckens  und  musste  mit  der  Zang^  entwickelt  werden.  Bei 
der  zweiten  Scheitellage  erfolgte  die  Drehung  des  Gesichtes 
zwar  zum  linken  Schenkel,  bei  weiterer  Hervorleitung  jedoch 
die  Räckkehr  in  den  Querstand.  Es  war  Sprengung  der 
Nähte  links  für  die  Hinterhauptsnath ,  rechts  für  diese  die 
Krön-  und  Schuppennath  vorhanden.  Das  Kind  hatte  Mund 
und  Bronchen  mit  Schleim  und  Kindspech  gefüllt. 

Der  viecte  Fall  betraf  ebenfalls  eine  mit  Wehen  nach 
Abfluss  des  Wassers  eintretende  Person  mit  im  Eingange  be- 
findlichem, starkverschwoUenem  Kopfe  und  heftiger  krampf- 
hafter Wehenthätigkeit.  Da  die  grosse  vorgefallene  Schlinge 
ganz  vollkommen  puislos  war,  so  wurde  erst  durch  Tra.  cannab. 
und  später  durch  einen  Aderlass  mit  Opium  der  Krampf  be- 
seitigt, sodann  die  Zange  an  den  in  erster  Scheitelstellung 
befindlichen  Kopf  angelegt  und  unter  mühesamer  Zurück- 
haltung der  mit  herabquellenden  vorderen  Scheidenwand  und 
öfterer  Regulirung,  weiterhin  mit  zwei  Einschnitten  in  das 
Mittelfleisch  der  Kopf  langsam  entwickelt.  Die  Schultern 
forderten  auch  noch  grossen  Kraftaufwand.  Der  Körper  des 
Kindes  war  sehr  stark  zusammengepresst ,  der  Rumpf  im 
Kreuze  nach  hinten  übergebogen.     Der  Knabe  wog  8  Pfund. 

Unter  den  15  Fällen  war  5  Mal  Beckenenge  zugegen, 
bei  den  6  Fällen  einfacher  Geburt  mit  Kopflage  4,  während 
bei  4  Kopflagen  Zwillingsgeburten  theilweise  mit  Armvorfall 
kamen. 

Die   Beckenenge  erscheint   demnach  auch   hier  in  ihrer 
ganzen   Bedeutung   für  den   Nabelschnurvorfall,   der  bei  den 
Scheitellagen  einfacher  Geburten  vorkam 
bei  engem  Becken  4  Mal  auf    100  =  1  :      26  =  4,00  Proc, 
bei  regelmässigem  1  Mal  auf  1150  =  1  :  1150  =  0,09  Proc. 

Wir  erkennen  aber  auch  die  mannigfache  Gombination 
der  Ursachen,  weiche  den  Vorfall  bedingen,  bezeichnen  wir 
sie  wie  folgt: 


LeittnngeD  der  Rheio.  Prov.-HebAmneoanttalt  etc.     271 

a)  Aufredite  Körperhaltung  im  vgllen  Gebortsgeschäft 

b)  Gewaltsamer  Wasserabfluss. 

e)  Regelwidrige,  d.  i.  andere,  als  Kopflagen. 

d)  Regelwidrige  Gliederbaltung. 

e)  Umschlingung  der  Nabelschiuir. 

f)  Beckenenge. 

g)  Krampfwehen. 

h)  Tiefe  Einpflanzung  in  den  tiefangehefteten  Mutterkuchen:* 
so  ergeben  sich  für  die  einzelnen  Fälle  folgende  Combinationen : 

abedefgh 
a  b  e  —  —  —  —  — 
a  h  e  —  —  —  —  — 
a       6—        <J      —      —      -      — 

ab  —  —  «  —  —  — 
a        6      —      —      —       /      —      -;- 

a     —         (f       d        e     —      —      — 

tf--      —      -—       /       ff      — 

a—      —      —      —       /       ff      — 

—       &         c      —      —      —      —      — 

--6—        de      —      —      — 

n       9        7        6        6        6        2        Ö 

Dieses  Resultat  der  Häufigkeit  der  Ursachen  stimmt  auch 
ganz  mit  den  in  meinen  früheren  Uebersichten  (geburtsbülfl. 
Skizzen  u.  Honatsschr.  i.  Gebqrtsk.  XVI.  5,  6)  gegebenen 
Resultaten,  soweit  sie  dort  festgestellt  sind,  indem  hier  bei 
den  1274  Geburten  namentlich  auch  blos  ein  Mal  Senkung 
des  Nabelstranges  bei  tiefer  Anheftung  des  Mutterkuchens 
mit  Einpflanzung  im  unteren  Rande  bemerkt  ist ,  bei  ein  Mal 
Vorfall,  dort  bei  2580  Geburten  blos  zwei  Mal  Vorfall. 

Es  weist  aber  auch  ganz  besonders  auf  die  Nacbtheile 
einer  bis  weit  ins  Geburtgeschäft  hinein  fortgeführten  aufrechten 
Haltung  der  Frauen  und  des  plötzlichen,  gewaltsamen  Wasser- 
abflusses hin,  welche  um  so  mehr  hervortreten,  wenn  beide 
zusammenfallen.  Denn  von  den  10  Beobachtungen  mit  Vorfall 
der  Nebelschnur  neben  dem  Kopfe  kamen  5  auf  Personen, 
die  mit  Wehen  eintraten,  1  auf  eine  die  ihre  Wehen  ver- 
heimlicht hatte,  und  die  4  übrigen   auf  Zwillingsschwanger- 


272      V-    ßimbmm^  Beriokt  über  dU  gebnrtsKlUlliclieii 

Schäften.  Bei  einfachen  Geburten ,  die  von  Anfang  an  genaner 
Controlle  unterworfen  und  zu  frühzeitigem  Liegen  gebracht 
werden  konnten,  kam,  mochte  der  Kopf  gleich  vollkommen 
vorliegen  oder  später  erst  zum  Vorliegen  kommeo,  nicht  ein 
einziger  Fall  vor. 

Es  erklärt  dies  auch  das  höchst  ungünstige  Resultat  (ur 
die  Kinder.     Denn  von  diesen  15  Kindern  wurden  geboren: 
•  lebend  6,  sämmtlich  in  Unterendlage  oder  als  Zwillinge ; 

todtabsterbend  7,  worunter  1  ZwiUingskind ; 
todtfaol  2. 

Für  die  10  Vorfalle  neben  dem  Kopfe  also  lebend  blos 
3  Zwillingskinder ,  wovon  eines  unzeitig,  die  beiden  and«*en 
mit  der  Zange  entwickelt 

lieber  die  Sectionsresultate  soü  noch  späterhin  das  Er- 
forderliche nachgetragen  werden. 

XII.    Vorliegen  des  Mutterkuchens. 

Es  wurde  bei  den  1274  Geburten  5  Mal  beobachtet, 
1  :  254,80  =  0,39  Procent  und  zwar  bei 

Erstgebärenden    2  ==  0,25  Procent, 

Mehrgebärenden  3  =  0,62  Procent. 

Die  Vorlage  war  2  Mal  central,  1  Mal  lateral,  2  Mal  marginal. 

Die  marginale  Vorlage  machte  sich  bei  einer  Erst- 
gebärenden erst  zu  Anfang  der  Geburt  geltend  in  immer 
mehr  zunehmender  Blutung,  bis  die  Blase  gesprengt  wurde. 
Die  Geburt  des  6V4  pfundigen  Mädchens  erfolgte  danach  rasch 
in  erster  ScheitelsteUung.  Bei  der  Mehrgebärenden  hatte 
sich  aber  die  Blutung  seit  den  letzten  sechs  Wochen  immer 
zeitweilig  wiederholt,  und  war  im  Beginne  der  Geburt  bei 
krampfhaften  Wehen  solange  stark  andauernd,  bis  bei  An- 
wendung des  Ung.  beilad.  und  Pulvis  Doweri  der  Muttermund 
zwei  Thaler  gross  geöffnet  war  und  die  Blase  gespr^gt  wurde. 
Die  Geburt  des  6  pfundigen  Mädchens  verlief  dann  rasdi  und 
leicht  in  erster  Scheitelstellung. 

Die  laterale  Vorlage  bei  einer  Erstgebärenden  im 
siebenten  Monate  der  Schwangerschaft,  die  nach  starkem 
Blutverluste  in  die  Anstalt  gebracht  wurde ,  forderte  Wendung 
und  Extraction. 

Die  beiden  Fälle  von   Placenta  praevia  centralis  wurden 


Leiatimgen  der  Rhein.  Proy.-Hebamnienaaatalt  etc.     273 

in  dem  Zustande  grösster  Anämie  mil  sehr  fester  Tamponade 
in  die  Anstalt  gebracht.  In  beiden  war  nach  Entfernung 
des  Tampons  der  Mutterkuchen  grösstentbeils  gelöst  gefunden, 
in  beiden  wurde  aber  mit  Rücksicht  auf  den  grossen 
Schwächezustand  zur  Wendung  und  Extraction  geschritten. 
In  dem  einen,  bei  einer  Sechstgebärenden,  lag  die  linke 
Schulter  in  der  linken  Beckenhälfte  vor,  Kopf  über  die  linke  Syn- 
ostosis  puboiiiaca  hinausgeschoben,  Fasse  etwas  über  die» 
vordere  Beckenhälfte.  Mit  Sprengung  der  Blase  hodi  oben 
hinter  dem  Mutterkuchen  gelang  die  Einleitung  der  Fasse 
leicht  Es  ging  aber  ein  mit  vielem  Kindspech  gemischtes 
Fruchtwasser  ab,  und  da  der  Anzug  an  den  Füssen  sehr 
schmerzhaft  wurde,  musste  die  Drehung  des  Kindes  mittels 
einer  Gabe  von  15  Tropfen  Tra  opü  vorbereitet  werden.  Die 
Hüften  traten  bei  weiterem  Anzüge  V4  Stunde  später  so  ein, 
dass  die  rechte  vorn  links,  Rucken  vorn  rechts  zu  stehen 
kam.  Bei  weiterem  Vorrücken  ging  dieselbe  wieder  nach 
rechts  vorn  zurück ,  so  dass  der  Bauch  nach  oben  sah,  und 
Hess  sich  dann  ganz  leicht  die  linke  nach  rechts  vorn  hin- 
überleiten,  so  dass  das  Kind  in  erster  Fusslage  durch  das 
Becken  durch,  in  zweiter  aus  demselben  hervortrat.  Die  Lö- 
sung der  Anne  ging  leicht  vou  Statten.  Ebenso  folgte  der 
Kopf  dem  Anzüge  an  den  Schultern  und  dem  Kinne.  Das 
Kind  blieb  dabei  wachsbleich,  ohne  Spur  von  Anschwellung, 
ohne  Spur  von  Athembewegung  oder  Bewegung  irgend  welcher 
Art.  Der  Mutterkuchen  musste  wegen  fester  Anheftung  an 
der  vorderen  Wand  der  Gebärmuttei*  kunstlich  gelöst  werden. 
El-  war  10"  lang,  in  der  Mitte  6",  an  einem  Ende  3",  am 
anderen  5'*  breit.  Die  Frau  erholte  sich  langsam.  Bei  dem 
Kinde  fanden  sich  zahlreiche  pericraniale  Ecchymosenflecken 
und  an  der  rechten  Seite  Spm*en  subpericranialen  Extravasates, 
ungemeine  Blutüberfailung  der  Pia  mater  und  der  Sinus,  mit 
etwas  ödematöser  Infdtration  der  Hu*nobei*fläclie  und  der  Höhlen, 
Ecchymosenflecken  auf  den  dunkelfarbigen  Lungen,  an  der 
Pleura  diaphragmatica  und  am  Herzen ,  dessen  rechter  Vorhof 
sehr  stark  mit  Blut  überfüllt.  Alle  Organe  der  Unterleibs- 
hölde  sehr  kräftig  entwickelt,  strotzend  von  Blut.  Der  Tod 
war  apoplectisch  suffocatorisch. 

In  dem  anderen,  bei  einer  Drittgebärenden,  war   die 

Uonauiebr.f.  aeburtak.  1866.  Bd.  XXV.  Snppl.-Hft.  18 


274       V.    Bifrnbaum^  Bericht  über  die  gebnrtshülfli^en 

Anämie  ebenfalls  sehr  bedeutend  vorgeschritten,  die  Kreisseode, 
welche  schon  vier  Wochen  vorher  eine  starke  Blutung  über- 
standen, bleich,  pulslos,  zu  Ohnmächten  geneigt  Der  Mutter- 
mund fand  sich  nach  Entfernung  der  ausserhalb  der  Anstalt 
eingelegten  Tampons  fünf  Groschen  gross  erweitert  Mit  Muhe 
gelang  es,  an  dem  hinleren  grösseren  Stucke  vorbei  vier 
Finger  durchzuftlhren ,  mit  keiner  Anstrengung  aber  die  ganze 
'  Hand.  Der  Kopf  wurde  sehr  beweglich  vorliegend  gefunden. 
Doch  gelang  es  leicht,  durch  äusseren  Gegendruck  den 
rechten  Fuss  in  den  Bereich  dieser  Finger  zu 
bringen,  und  mit  einiger  Muhe,  die  Eihäute  am  Rande  des 
mit  vielen  Faserstofl'plaques  durchsetzten  Mutterkuchens  zu 
zerreissen,  um  diesen  Fuss  aus  ihnen,  dem  Mutterkuchen 
und  der  Muttermundsli])pe  frei  zu  machen  und  einzuleiten. 
Nachdem  er  einmal  durchgeleitet  war,  folgte  das  Kind  dem 
Anzüge  rasch  mit  Drehung  dieser  Hüfte  nach  links  und  vom: 
doch  musste  die  linke  Hüfte  rechts  und  hinten  mit  aufge- 
schlagenem Beine  aus  dem  mit  herabgezogenen  Muttermunde 
künstlich  gelost  werden.  Dann  ging  die  weitere  Entwickelung 
und  Lösung  des  linken  Armes  unmittelbar  ganz  leicht,  die 
des  rechten  mit  Drehung  der  Schulter  von  links  vom  nach 
hinten  ebenfalls  rasch  und  gunstig  von  Statten.  Das  4pföndige 
Mädchen  war  todt.  Die  Frau  erholte  sich  zwar  langsam  aber 
vollständig  im  Wochenbette. 

XIII.     Krampfhafte  Wehenthätigkeit 

wurde  als  vorwiegende  Regelwidrigkeit  bei  66  Gebärenden 
beobachtet,  also  1  :  17,79  oder  bei  5,18  Proc,  und  zwar  bei 
Erstgebärenden  57 =7,23  Proc.  Mehrgebärenden  9=1,85  Proc. 

Knaben  33,  Mädchen  33, 

Kinder  bis  6  Pfd.  27=4,57  Proc.  dieser  Kinder  mit  Einschluss 

der  vorzeitigen. 
von6V2und7Pf.  29=6,01  Proc.  dieser  Kinder, 
über  7  Pfd.  10=4.71  Proc.  dieser  Kinder. 
Scheitellagen  64,    Steisslagen  2. 
Als  Compli  cationen  mit  oder  ohne  Causalnexus  erschienen: 


LefstQDgen  der  Hhein.  Prov.-Hebammenftnstalt  etc.     275 

,  Unnacbgiebigkeit  der  Geschlechtsllieile     7, 
Umschlingung  der  Nabelschnur  5, 

Kurze  der  Nabelschnur  2, 

Umschlingung  mit  Uterus  bipartitus         1, 
Beckenenge  12, 

Feste  Eihäute  9, 

llandanlage  1, 

Plethora  9, 

Erkältungen  9, 

Endometritis  4, 

59. 
Manche  dieser  PSlle  forderten  im  weiteren  Verlaufe 
opftFalive  Nachhülfe,  und  werden  unter  dieser  Rubrik  Er- 
wähnung finden.  Nur  wenige  waren  übrigens  von  grösserer 
Hartnäckigkeit,  die  in  Gebrauch  gezogenen  Mittel  waren  immer 
Vaginaldouchen,  warme  Umschlage,  Sinapisnu^n ,  Klysliere, 
Oeieinreibungen,  in  einzelnen  Fällen  allgemeine  Bäder,  Blutegel, 
Schröpfkopfe,  in  einzelnen  Fällen  Aderlass,  und  unter  den 
arzneilichen  Mitteln  Ipecacuanha,  mit  oder  ohne  Borax,  Tra 
Tlifbaica  oder  Pulvis  Doweri,  Tra  cannab.  ind.,  Ung.  Beilad. 
Zuweilen  erwies  sich  Compression  und  Zurückschiebung 
der  Ihrombenartigen  Vordorlippe  als  nützlich  oder  nolhwendig, 
besonders  bei  Einklemmung  im  engen  Becken. 

XIY.    Eclampsia  parturientium. 

wurde  5  Mal  beobachtet,  immer  nur  bei  Erstgebärenden, 
also  1 :  254,80  oder  bei  0,40  Proc.  der  Geburten,  1 :  157,60 
der  Erstgebärenden,  oder  bei  0,64  Proc. 

Alle  Fälle  betrafen  kräftige,  voUsaftige  Personen.  Die 
meisten  waren  mit  nachweisbarer  Albuminurie  verbunden.  Bei 
allen  bildete  der  Aderlass  den  Haupttheil  der  Behandlung  und 
dann  künstliche  Entbindung  mittels  Zange.  Tödtlir.h  endete 
keiner  der  betreffenden  Fälle. 

XV.     Regelwidrigkeiten  der  mütterlichen 
Weichtheile. 

Dieselben  betrafen: 
A,     Die  Gebärmutter  selbst  5  Mal  =0,40 Proc.  und 
zwar: 

18* 


276       V.    Birnbaum,  Berieht  ober  die  gebnrtshilflieheB 

a.  Die  Form,  derselben  2  Ma]=0,16Proc.  Efaimal 
als  Uterus  bicornis  mit  Zwillingen,  1  Mal  als  Uterus 
unicornis  mit  verkümmertem  Nebenborne,  in  welchem  die 
Placenta  befindlich  war.  Hier  wurde  Zangenanlegung  an  den 
Kopf  und  nachträglich  Solutio  placentae  erforderiicfa. 

b.  Rigidität  des  Muttermundes  2  Mal=0,16Proc 
Bei  einer  32jährigen  Erstgebärenden  forderte  sie  zweimalige 
Anwendung  des  Dampfbades,  bei  einer  21  jährigen  blutige 
Erweiterung. 

c.  Vorfall  des  unteren  Abschnittes  1  Mal 
=0,08  Proc.  Die  Frau,  eine  Zweitgebärende,  kreisste  seit 
vollen  zwei  Tagen  mit  anhaltenden  und  heftigen  Wehen  bei 
schleichendem  Abflüsse  des  Wassers.  Der  nebst  der  Scheide 
in  breiter  Wulst  um  ihn  herum  durch  die  Schamspalte  hervor- 
getretene untere  Abschnitt  war  zurückgebracht  worden,  doch 
trieb  ihn  der  Kopf  immer  wieder  hervor.  Die  Erweiterung 
des  Mutlermundes  aber  war  bei  der  heftigen  Thätigkeit  trotz 
10  Gaben  Seeale  cornutum  und  warmer  Umschläge  nidit 
erzielbar  gewesen.  Bei  der  Transferirung  in  die  Anstalt 
fand  ich  die  Scheide  weit  wulstig  vorgetrieben,  den  unteren 
Abschnitt  tief  herausgedrängt,  den  Muttermund  knorplicht  fest, 
narbig,  daumendick,  etwa  2''  geöffnet.  Die  Person  verbreitete 
einen  wahrhaft  aasartigen  Fäulnissgeruch.  Die  Entbindung 
keinen  Augenblick  verschleppend  chloroformirte  ich  sie  sofort, 
und  legte  nun  nicht  ohne  Mühe  eine  kleine,  sehr  schmale 
englische  Zange  (die  Johnson'sche)  an,  und  machte  mit  ihr 
vorsichtige  Tractionen.  Da  aber  der  untere  Abschnitt  mit 
herabkam,  nahm  ich  3 — 4  Incisionen  von  3"'  Tiefe  in  den 
Muttermund  vor  und  schob  ihn  so  unter  Anspannung  mittels 
der  Zange  hinter  den  Kopf  zurück.  Dieser  wurde  zuletzt 
manueU  aus  der  Schamspalte  gelöst.  Die  Schultern*  folgten 
leicht,  aber  hinter  dem  Kinde  eine  über  alle*  Maassen  senkende, 
schwarze,  missfarbige  Brühe.  Die  Umschlingung  der  Nabel- 
schnur um  den  Hals  hatte  nicht  gehindert.  Kind  und  Mutter- 
kuchen befanden  sich  im  äussersten  Grade  der  Fäulniss.  Die 
Mutter  ging  an  Metrophlebitis  septica  mit  brandigem  Erysipel 
in  der  Sacralgegend  zu  Grunde,  hatte  aber  aucli  zugleich  eine 
äusserst  bösartige  Puerperalfleberform ,  die  viele  Opfer  forderte 
eingeschleppt. 


L«iftangren  dtt  Khein.  Prov.-HdbammenanataU  etc.     277 

B.    Die  Mutterscheide  13  Hai. 

a.  Vorfall  derselben  6  Mal=l :  212,33=0,47  Proc. 
Vier  Hai  betraf  dies  die  vordere  Wand,  die  aber  immer 

leicht  zuräckgehalten  werden  konnte,  wenn  gleich  2  Hai  dabei 
allgemeine  Enge  des  Beckens  die  Zange  erforderte.  1  Hai 
war  noch  Anlage  des  rechten  Händchens  nebst  verkehrter 
Schulterdrehung  vorhanden. 

Ein  Hai  war  bei  einer  dreizehnten  Geburt  der  ganze 
Scheidenumfang  vorgetreten,  und  konnte  nur  mit  HQhe  zurück- 
gehalten werden. 

Ein  Hai  war  bei  einer  dritten  Geburt  Prolaps-,  recto 
vaginahs  zugegen.  Das  Kind  blieb  in  dritter  Scheitelstellung 
und  wurde  so  mit  der  Zange  hervorgeleitet.  «Bei  dreimaliger 
Umschlingung  der  Nabelschnur  um  den  Hals  erforderte  die 
Vorleitung  der  Schultern  Richtung  des  Rumpfes  gerade  nach 
aufwärts. 

b.  Gegenwart  des  Hymen  4  Mal=l :  318,50=0,31  Pr. 
Ein  Hai  zerriss  es  von  selbst  bei   der  Geburt,   da   es 

weich  und  niedrig  war.  Das  Schamlippenbändclien  blieb  wohl 
erhalten. 

Ein  Hai  musste  es  wegen  sehniger  Beschaffenheit  in 
unversehrtem  Zustande  eingeschnitten  werden,  um  dem  Kopfe 
den  Austritt  zu  gestatten. 

Ein  Hai  war  es  bei  gleicher  Beschaffenheit  blos  einge- 
kerbt. Der  vordrängende  Kopf  trieb  es  bis  in  die  Hitte  des 
Dammes,  welche  sich  dadurch  in  starker  Spannung  eingezogen 
und  vertieft  auswies.  Der  Kopf  selbst  di*ängte  den  Hinter- 
damm stark  vor,  während  die  Kopfgeschwulst  gegen  Vorder- 
damm und  Schamspalte  vorquoll,  wodurch  die  stramme  Ein- 
ziehung in  der  Mitte  sehr  auffallend  erschien.  Auch  hier 
hoben  mehrere  seichte  Einschnitte  in  das  Hymen  das  Hinder- 
niss  sofort,  musste  aber  der  Damm  später  ebenfalls  noch 
seitüch  eingeschnitten  werden. 

Ein  Mal,  bei  einer  24jährigen  Blondine,  wurde  es  dick, 
fleischig,  sehr  fest,  der  Art  vollkommen  angetroffen,  dass 
erst  nach  2  seitlichen  Einschnitten  mit  der  Scheere  über- 
haupt die  Untersuchung  möglich  wurde,  indem  zuvor  der 
kleine  Finger  nur  mit  der  grössten  Hube  und  nicht  ohne 
die  grössten  Schmerzen   */«"  ^*®f  eingedrungen    war.     Bei 


278       V.     Birnbaum,  BerU^t  über  die  gubartshüllliolieii 

Austritt  des  6Vapfüiidigen  Knaben  inusste  ebenläJls  noch 
durch  seitliche  Incisionen  naciigeiiolfeu  werden. 

Hier  hatte  offenbar  Coucepliu  sine  ulJa  im- 
missione  penis  stattgefunden. 

c.  Der  Scheideneingang  3  Mal  =  1  :  424,33  = 
0,24  Proc. 

Bei  einer  Erstgeliärenden  mussie  der  Uebergang  der 
linken  Häfle  von  links  nach  rechts  durch  Scar^ficalion  des 
Scbeideneinganges  erleichtert  werden,  um  den  Austritt  des 
allen  Wehen  Trotz  bietenden  Steisses  zu  bewirken*.  Diesel- 
ben wurden  im  obern  Umfange  gemacht. 

Bei  ehier  anderen  Erstgebärenden  waren  sie  in  gleicher 
Richtung  erforderlich,  um  den  schief  gestellten  Kopf  zum  Ein- 
schneiden zu  bringen. 

Bei  einer  24 jährigen  Erstgebärenden  spannte  sich  IV«" 
weit  hinter  dem  Frenulum  eine  stramme  Falte  der  Art  vor 
dem  Kopfe  des  blos  5-pfündigcn  Kindes,  dass  sie  auf  das 
Hartnäckigste  immer  an  derselben  Stelle  festlitelt  und  sich 
ebenfalls  erst  nach  mehreren  seichten  Scarificationen  verlor. 
Die  Incision  des  Dammes  konnte  in  allen  diesen  Fällen  nicht 
in  Betracht  kommen,  da  derselbe  gar  nicht  gespannt  war, 
und  die  Versuche,  das  llindemiss  durch  Dehnung  und  Zurück- 
schiebung zu  beseitigen,  blieben  vergeblich. 

C.  Die  äusseren  Geschlcchtstheile  36  Mal  = 
2,83  Proc.  der  Gebärenden,  4,57  Proc.  der  Erstgebärenden. 

Es  wurden  hier  immer  seichte  Einschnitte  in  das 
Mittel  fleisch  gemacht,  bald  zu  beiden  Seiten,  bald  in  der 
Mitte,  und  niemals  der  geringste  Nachtheil  oder  ein  Unver- 
heiltbleiben  der  kleinen  Wunden  beobachtet.  Die  lacisio- 
nen  reihten  sich  unmittelbar  an  die  oben  erwähnten  Sca- 
rificationen an,  indem  sie  bald  durch  dieselben  entbehrlich 
wurden,  wenn  Schief-  oder  Querstellungen  des  Kopfes  so 
sich  regulirten,  bald  sich  unmittelbar  an  dieselben  anschlössen, 
bald  selbstständig  von  ihnen  für  sich  allein  vorgenommen 
wurden.  Niemals  riss  bei  uncomplicirten  Fällen  eine  der 
Incisionen  nach.  Nur  Complicationen  fährten  zuweilen  zu 
solchem  Nachreissen. 

Von  diesen  Fällen  waren  es  23  Mal,  bei  63,89  Proc. 
dieser  Fälle,   vorwiegend  die    Unnachgiebigkeit  4es 


LeUiuagon  dar  Bheio.  Prov.-Heb«miD«aanslalt  eto.     279 

Danmies,  welche  die  Operation  forderte.  7  Mal  war  dabei 
Beschräukung  des  Beckens  zugegen,  meist  mit  dem  Charakter 
des  allgemein  zu  engen  Beckens,  worunter  2  künstliche  Früh- 
geburten mit  Anlegung  der  Zange  an  den  Kopf  bei  der  einen, 
und  2  Zangeuanlegungen  bei  reifen  Kindern.  Einmal  war 
ferner  die  Zange  an  den  Kopf  bei  40 jähriger  Erstgebärender 
mit  regelmässigem  Becken  angelegt  worden.  Einmal  waren 
Scarüicationen  des  Scheidennrandes  vorausgegangen. 

13  Mal  bei  36,11  Proc.  der  Fälle  wirkten  andere 
Complicationen  zum  Festhalten  des  Kopfes  im  Ausgange 
des  Becken  mit,  welche  die  Natur  vor  Beseitigung  des  Hin- 
dernisses Seitens  des  Danunes  gar  nicht,  nach  derselben 
leicht  und  rasch  überwand. 

Dieselben  bestanden  in 

a.  Trichterbecken  nach  abwärts  1  Mal.  Der  Kopf 
blieb  hier  gleich  nach  den  Scariiicationen  auch  ausser  den 
Wehen  in  der  Schamspalle. 

6«  Nabelschnurumschlingung  7  Mal.  Einmal  war 
die  Geburt  bei  doppelter  Umscldingung  um  den  Hals  noch 
krampfliaft  gestört,  bis  nach  Aderlass  und  Pulvis  Doweri 
Besserung  eintrat,  docli  folgte  der  Kopf  erst  unmittelbar  nach 
den  Incisionen.  Der  7  pfundige  Knabe  war  tief  scheintodt. 
Auch  ein  8 pfundiges  Mädchen  wurde  unmittelber  nach  den- 
selben scheintodl  geboren.  Einmal  war  so  bedeutende 
Verkürzung  der  Nabelschnur  zugegen,  dass  das  Kind  nur 
unter  Erhebung  des  Rumpfes  bis  zu  aufrechtem  Sitzen  vortrat. 
Einmal  ging  der  Nabelstrang  4  Mal  um  den  Hals  herum. 

c.  Armanlage  neben  dem  Kopfe  2  Mal,  bei  Anlage 
des  rechten  Händchens  neben  erster  Scheitellage,  einmal  mit 
verkehrter  Schulterdrehung. 

d.  Armanlage  mit  Umschlingung  2  Mal.  Das  eine 
Mal  ging  die  Umschlingung  einfach  um  den  Hals  und  musste, 
da  durch  Anlage  des  rechten  Händchens  die  Drehung  aus 
vierter  in  erste  Scheitelstellung  behindert  wurde,  vorher  noch 
der  vorgedrängle  Hymenrest  durchschnitten  werden. 

Das  zweite  Mal  ging  sie  gleichzeitig  um  den  anliegenden 
Arm  und  hielt  ihn  in  starker  Abduction  unverrückt  fest,  so 


280       V.    Birnbaum,  B«rioht  über  die  gebartthttlfKebea 

dass   der  EHnbogen   trolz   der  Scarification   den   Damm  bis 
zum  Sphinkter  entzweiriss. 
e.    Krampfwehen  1  Mal. 

XVI.     Beckenenge. 

Sie    kam    im    Allgemeinen    114   Mal    vor,     1:11,17 
=8,95  Proc,  und  betraf: 

A.    Me  leckeahUle  104  Mal  =  l :  12,25=8,16  Proc. 
Die  niHi«ren  Verhältnisse  waren: 

Erstgebärende  74,  Mehrgebärende  30. 
Knaben  46,  und  zwar  frühzeitig  3  (4,  4%  4Vs  Pfd.)* 
von  5—6  Pfd.  20  (6  X  6  Pfd.,  2x5V2  Pfd.,  12X6  Pfd.), 
von  6Va  imd  7  Pfd.   15  (5X6»/«  Pfd.,  10  X  7  Pfd^  von 
7Va  Pfd.  und  darüber  8  (4X7V«  Pfd.,  4x8  Pfd.). 

Mädchen  58,  und  zwar  frühzeitig  8  (3x3,  4,  4'/«,  2X 
5,  5VaPW.»  von  5— 6  Pfd.  26  (4X5,  3X5%  19X6 Pfd.). 
von  6V,  und  7  Pfd.  22(10X6'/«,  12x7  Pfd.),  von  77«  Pfd. 
und  darüber  2  (8  und  8'/»  Pfd.). 
Es  verliefen:  natürlich  61  J  p;QßR.>ii  qx 

künsüich43i  =  ^^^'^^  =  ^^'^^*^'3^- 
Die  Beckenformen  waren: 

Mit  natürlichem  Verlaufe 
Allgemein  zu  eng  ...    .  15  (3'',  UXSy.'O* 
Rhachitisch  allgera.  sa  eng    6  (27,'',  3'',  4X3V,'0- 
Einfach  rhachitisch    .     .     .  21  (2  X  3",    3  X  3%",    12  X  S%", 

4X3V4"). 
Rhachitisch  schief.    ...    6  (3",  ÖXSV.'O- 
Nach  oben  trichterförmig  .  13  (37/',  7X3»/,",  öXS»/*")- 

Schr&g  oyal — 

Jnstominor  mit  sechswirbli- 
chem  enormem  KreuEbein  — 
61" 

Mit  Knnsthtilfe. 
Allgemein  zu.  eng  .    .     .  "^ .    8  (sämmtlich  37,"). 
Rhachitisch  ailgem.  su  eng  10  (öX2Vs">  ^>^Vi!*t^">^%'%^V%')' 
Einfach  rhachitisch     ...  13  (1«/^",  2'/,",  3",  2X3 WS  8X3*/,"). 
Rhachitisch  schief .     .     .     .     7  (2%",  6X3V,"). 
Nach  oben  trichterförmig   .    3  (sämmtlich  37,"). 

Schräg  oval 1  (37,"). 

Jnstominor  mit  sechswirbli- 

chem  enormem  Kreagbein     1  (SV/^Q. 
48~" 


Leftitm^M  der  Bheis.  Prov.-HttbftniineiiRaaUU  etc.     281 

Samme. 
Allgemein  Btt  eng  .     .    .     .  23  (3",  22X8VV0- 
Rhaobitisch  allgem.  su  eng  16  (6X2'/,",  2X2V4'',  2X3'',  SV^", 

5X8%"). 
Einfach  rhachitisoh    ...  34  (IV4",  2*/,",  3X3",  ÖXSV^",  20 

X3V,",  4X3V4")- 
Rbacbitiach  schief.  .  .  .  13  (2V4")  3",  11X3'/,"). 
Nach  oben  trichterförmig  .  16  (37^',  10X3V,",  ÖX3V4") 

Schräg  oval .1  (3'/,"). 

Jnstominor  mit  Bechswirbli« 
cbem  anormem  Krenabein     1  (3%"). 
104  " 

Die  allgemeine  Uebersicht,  abgesehen  von  der  Form, 

ergiebt  demnach: 

der  Gebarten  der  Becken 

=  0,07  Proc.         0,96  Proc 

10  =  0,78      „  9,61      „ 

=  0,56      „  6,73      „ 

76  =  5,96      „        73,08      „ 
=  0,78      „  9,61      „ 


1V4"  1( 

[kfinsüich  .1) 

2V,"    7 

6) 

2V4"    3 

3) 

3"        7 

2) 

3V4"    7 

3) 

3Vi"  69 

27) 

3V4"  10 

1) 

104 

43 

8,14  Proc       99,99  Proc, 
Das    Verhältniss    des    Gewichtes    der    Kinder    zu    dem 
natürlichen  und   künstlichen  Verlaufe  der  Geburten   und  der 
Todtgeburten  ergab: 

natürlich  geboren  künstlich  geboren 

A  35.    B.  22.     a  4.  A.  22.    B.  15.     C.  6. 

,  61     ~  43     ~ 

Unter  den  mittels  Kunsthfilfe  geborenen  Kindern  befinden- 
sich  9  mittels  der  künstUcben  Frühgeburt  eingeleitete,  von 
denen  6  nach  Beginn  der  Wehen  ohne  weitere  Kunsthülfe 
zur  Welt  kamen,  1  noch  Extraction  mit  Anlegung  der  Zange 
an  den  nachfolgenden  Kopf  erforderte,  2  Zange  an  den  voraus- 
gehenden Kopf.  Diese  danach  vertheilt,  gestaltet  sich  das  Ver- 
hältniss also: 

natürlich  geboren  kfinstlieh  geboren 

A.  41.    B.  22.    a  4.  A.  16.  B.  15.    C.  6. 

67  '~  37 

Todtgeboren  waren 
als  bei  der  Gebort  absterbend: 


282       V.     Birnbaum,  Bericht  über  dfe  gebnrUtolllKeb«« 


Knftben 

MXdche 

R 

5  A.             3  g.              _ 

3A. 

8  B. 

^8  -4.              8  B. 

^  8  er 

von  57             von  37 

von  10. 

Die  natürlichen  Geburten  waren 

complicirt 

mit: 

Armaniage  neben  dem 

Kopfe     7, 

Krampfwellen     .     .     . 

.    .    5, 

Umschlingung  der  Nabelschnur  14, 

Vorrall  der  Nahelschnui*  .    .    2. 

Die  Kunslhulfen  waren: 

A.  Künstliche  Frühgeburt    9,  also  in 

8,657o  der  Beckenenge. 

B,  Wendung 5,    „   „ 

4,81,,    ,, 

♦» 

C.  Extraction  bei  Uuter- 

endlage     .     .     .     .     2,    „    „ 

'1»9«>»     »t 

«9 

2>.  Anlegung  der  Zange 

an  den  vorausgehen- 

den Kopf      .     ♦     .  21,    „    „ 

20,19,,    „ 

»» 

E.  Perforation  und    Ke- 

phalotripsie  .     .     .     3,    „    „ 

2,89  „    „ 

1» 

F.  Kaiserschnitt    .     .     ,    2,    „    „ 

1,92,,    „ 

f) 

G.  Reposition  der  Nabel- 

schnur      ....     1,    „    „ 

0,96  „    „ 

»» 

43  41,347o. 

A.     Die  künstliche  Frühgeburt  betraf: 
3  Mehrgebärende,  6  Erstgebärende. 
Rhachitisch  allgemein  zu  enge  Becken  7. 

ö  mit  2V2"igen  Becken  2  mit  2V4'igen  Becken. 
4  mit  Einlegung    eines  Bougies,    1    mit  lojectioa   mit 
nachfolgender  Zangenanlegung. 

1  mit  Injectionen,  Bougie  und  nachfolgender  Extraction 
mit  Zange  an  den  nadifolgenden  Kopf. 
Rhachitisch  schiefes  Becken  mit  Lumbarlordose  1, 

von  3V4"  Conjugata.    Einfache  Injeclion. 
Rhachitisch  schiefes  Becken  mit  3V4''  Conj.     .  1, 
Injection  noch  Blasentampon. 
Von  den  Kindern  kamen  zur  Welt: 
lebend,  gesund  enUassen    4  (4^/«  Pfd.  4%  Pfd.  5  Pfd.  3  Pfd. 
bald  sterbend    3  (4  Pfd.  4Va  Pfd.  3  Pfd.) 
todt    2  (5  Pf4.  ÖV«  Pfd.) 


LeitUiogen  d^r  Bbein.  Prov.- H«b«inifteBMi8tftlt  etc.     283 

B.  Die  Wendung  betraf: 

Er8lgebäi*ende,  die  mil  Arnivorfall  bei  Trichterbecken 
?0D  3V2"  eintrat  Zange  an  den  nachfolgenden  Kopf.  Knabe 
7  Pfd.,  lodt, 

Er^gebärende  mil  gleichem  Becken.  Vorfall  der  Nabel- 
schnur und  beider  Arme  neben  dem  Kopfe  beim  Eintritte  in 
die  Anstalt.  Extraction  mit  Zange  ergab  todten  Knaben 
von  6  Pfd. 

Erstgebärende  mit  rhachitischem  Becken  von  SVs"  und 
Schulterlage.     Knabe  8  Pfd.,  todt. 

Erstgebärende  mit  6wirblichem  Kreuzbeine,  erste  Scheitel- 
lage mit  Arnivorfall.  Extraction  mit  Zange  an  den  nach- 
folgenden Kopf  brachte  einen  todten  Knaben  von  1%  Pfd. 

Hehrgebärende  mit  Tricbterbecken  von  S%**  und  Schulter- 
lage mil  Armvorfall.     Mädchen  7  Pfd.,  todt. 

C.  Die  Extraction  bei  Unterendlage  betraf  eine 
Erstgebärende  mit  allgemein  zu  engem  Becken  von  S%" 
Conjugala  und  Fusslagc  Unke  Ilfifte  vorn  rechts.  Durch 
Anlegung  der  Zange  an  den  nachfolgenden  Kopf  wurde  ein 
scheintodtes  belebtes  Mädchen  von  6  Pfd.  geboren,  eine 
Mehrgebärende  mit  kunstlicher  Frühgeburt  und  halber  Fusslage 
rechte  tlüflc  rechts  vorn  nach  hnks  übergehend.  Die  Zange 
brachte  ein  scheintodtes  wieder  belebtes  Mädchen  von  5  Pfd. 

D.  Die  Zange  an  den  vorausgehenden  Kopf 
ergab  7  Mal  todte  Kinder,  2  Mäddicn  von  6^4  und  67«  Pfd. 
5  Knaben  von  b%  Pfd.,  6  Pfd.,  6'!^  Pfd.,  8  Pfd.,  8  Pfd. 

E.  Die  Kephalotripsie  wurde  bei  Pelvis  nana  mit 
infantilem  Charakter  von  3^'  Conjugala  erforderlich  und  mittels 
Wendung  zu  Ekide  geführt    Die  Mutter  starb  nach  14  Tagen. 

Der  zweite  Fall  betraf  eine  riiacbitiscbe  Person  mit 
3Va"igem  Becken ,  die  mit  sehr  hartnäckigem  Rheumatismus 
uteri  seit  mehreren  Tagen  zu  kämpfen  hatte,  und  wo  sich 
in  Folge  dessen  der  neben  dem  Kopfe  vorgefallene  Arm  so 
fest  in  das  Becken  einkeilte,  dass  nur  die  Kephalotripsie  zur 
Entwickelung  des  Kindes  übrig  blieb.    Die  Mutter  genas. 

Bei  dem  dritten  Falle  war  ein  2V2"igcs  rhachitisches 
Becken  vorhanden.  Die  Person  gab  an,  schon  einmal  natürlich 
ein  7  monatliches  Kind  geboren  zu  haben,  und  jetzt  ebenfalls 
sich  im  siebenten  Monate  zu  beflnden.    Beide  Angaben  erwiesen 


284       V-    Bimbrnim^  Beriolit  über  die  gebnrtahalflieheii 

sich  als  von  ihr  gcAissentlich  falsch  gemacht,  indem  das 
unter  enormen  Schwierigkeiten  entwickelte  Kind  sich  als  aus- 
getragen herausstellte,  und  nacli  eingezogenen  späteren  Er- 
kundigungen da^ erste  Kind  kein  sieben-  sondern  ein  sechs- 
monatliches war.  Die  Mutter  starb  nach  48  Stu^flen  an 
einer  Usur  der  hinteren  Gebärmutterwand  bis  auf  den  Peritoiiaeal- 
Überzug  in  der  Gegend  des  Vorberges. 

F.  Der  Kaiserschnitt  kam  zuerst  bei  einer  rhacbi- 
tischen  Zweitgebärenden  mit  2'/4'1gem  Becken  und  bis  auf 
einen  engen  Fistelgang  totaler  Verwachsung  des  Muttermundes 
und  des  Scheidengewulbes  ziu*  Beobachtung.  Das  Kind  wurde 
lebend  extrahirt.     Die  Mutter  starb  an  Sepsis. 

Der  zweite  Fall  betraf  eine  sehr  verwachsene  rhachitische 
Erstgebärende  mit  l'/4"igem  Becken,  die  nach  fünftägigem 
Kreissen  mit  noch  ganz  unverändertem  Mutterhalse  in  die 
Anstalt  gebracht  wurde.  Das  7  pfändige  Mädchen  mid  der 
Mutterkuchen  befanden  sich  im  Zustande  weit  vorgeschrittener 
Fäulniss;  die  Mutter  starb  nach  48  Stunden. 

Die  Beckenformen  anlangend,  so  hebe  ich  zwei 
als  besonderes  Interesse  bietend  hervor,  das  eine  der  Form 
wegen,  das  zweite  der  grossen  Beschränkung  wegen. 

Das  erste  bot  die  Seitenbeckenkuochen  mit  dem  vollen 
Typus  der  Pelvis  nana,  das  Kreuzbein  in  überstarker  Ent- 
Wickelung,  wie  folgende  vergleichenden  Maasse  ergeben: 

Darmschaufelhöhi 3"  5Va'' 

Hüflblattlänge  .* 5"  6'" 

Länge  der  horizontalen  Aeste  der  Schambeine  2''  T" 

Vorderseitenhöhe 3'' 

Krettzbeinhöhe 4"  10'" 

Dieselbe  von  der  Verbindung  des  1.  u.  2.  Kreuz- 
wirbels gemessen 3"  8'" 

Kreuzbeinbreile  oben 4^'  2"' 

Breite  des  5.  Kreuzwirbels 2"  Q%*'' 

Es  ergaben  sich  hieraus,  und  da  das  Kreuzbein  6  Wir- 
bel besass,  deren  unterster  als  Schaltwirbel  seine  Stellung 
zwischen  Kreuz-  und  Steisswirbel  findet  (die  vordere  Fläche 
ist  durch  tiefe  Verbindungsstellen  dem  ersten  Steisswirbel 
sehr  ähnlich,  während  die  beiden  Schenkel  des  letzten  Stachel- 
fortsatzes um   den   untersten  Hiatus  canalis  sacralis  herum 


Leiatang^dn  der  Rhein.  Prov.-Hebamroenanstalt  etc.     285 

auf  die  Hinterfläche  übergehen  und  ihn  so  als  Kreuzwlrbel 
eharakterisiren.  Die  Foranrina  sacralia  dieses  frei  schmal 
überragenden  Wirbels  sind  nichl  geschlossen,  nur  tiefe  % 
Kreis  betragende  Einschnitte)  folgende  näheren  Beckenver- 
liältnisse : 

Abstand  der  Hnftstacheln 8''  IOV2'" 

Abstand  der  Hüflkämme 9"  10"' 

Beckenumfang  in  der  Pfannengegend     .     .  20^'    A**' 

Eigentliche  ConjugaU 3''    Sy»'" 

Dieselbe  vor  der  Verbindung  des  1.  u.  2. 

Rreuzwirbels 3''    8'" 

Abstand  der  Bogenlinien 5" 

Abstand  der  Hüftsclioossverknöcherungen   .    4''    2*" 

Gerade  der  Beckenmitte 3"  W* 

Quere  zwischen  den  Pfannen 4"    3'" 

'  Vorderer  Sitzknorrenabstand 3"    2'/«^'" 

Hinterer  Sitzknorrenabstand 3"  10"' 

Sclioossbogenbreite   zwischen    den    Synost. 

puboischiad.  bei  9'"  Höhe  ....  2" 
Im  Niveau  des  Beckeneinganges  befand  sich  nicht  der 
Vorberg,  sondern  die  Verbindung  des  1.  und  2.  Kreuzwirbels, 
über  welche  Stelle  sich  der  erste  Kreuzwirbel  um  14'"  hin- 
aufschob. Der  6.  Kreuzwirbel  bot  bei  7"'  Höhe  knapp  1" 
grösste  Breite.  Das  Becken  war  demnach  durch  diese  regel- 
widrige Kreuzbeinbildung  in  gerader  Richtung  in  allen  Theilen 
zu  eng,  in  querer  nur  im  Ausgang,  in  allen  übrigen  zu  weit, 
und  der  Beckeneingang  war  in  einen  Zwischenbeckenraum 
von  14'"  hinter^  Höhe  umgewandelt. 

Das  zweite  ist  durch  den  gleichmässigen  und  hohen 
Grad  der  Verengerung  im  Eingange  von  Interesse  bei  übrigens 
rein  rhachitischer  Form  und  stelle  ich  es  hier  mit  dem 
nächst  engen  Becken  zusammen,  bei  welchem  die  Kepha- 
lotripsie  mit  tödlichem  Ausgange  für  die  Mutter  gpmacht 
worden. 


286       Bimbimm,    V.    Bericht  über  die  gebnrtslitilfnelieii 


Aeasaere  Circamferens  um  die  Pfanae 

Abstand  der  Spinae  anteriores  saperiores  von  einander  . 
„          „     cristae  ossiam  iliam  von  einander    .... 
„         „     Spinae  anteriores  saperiores  von  den  posteriol 
Mittlere  Schanfelhöhe  von  der  Bogenlinie  anr  Karamhobe 
Vordere  Schanfelhöhe  von  Spin.  ant.  aap.  za  Syn.  paboiliM 
Abstand  des  Proc.  spin.  vertebr.  lamb.  quint.  v.  d.  Spin.  ant.  nf 
„         „        „        „            „            „  v.ob.Randd.Schootf^ 
»         «        «        «            »)    quartae  „     .  ,i      „         ^ 
»         >»        «        n            >»     terliae     ,,       „      „          „ 
Höhe  des  fünften  Lendenwirbelkörpers 


„     ersten  Krens  wirbeis 


„        „    zweiten  „  

Krensbeinbreite ^ 

Kreuzbeinhöhe 

Schoossfug^enhöhe 

Schoossbogenhöhe 

Vorbergmitte  zum  untern  Runde  der  Scbooesfage      .    .    . 
Verbindung  des  2.  mit  dem  3.  Kreuzwirbel  zu  derselben. 

Beekeneingang. 
Vorbergmitte  zum  obern  Schoossfugenrande      .     . 
,,              zu  Synostosis  puboiliaca     .... 
Seiten  des  Vorberges  zu  derselben  direct  gemessen 
Abstand  der  Bogenlinien  von  einander 

„         „      SynbBtoses  pubo  iliacae  von  einander  . 

„        ,,      Verbindungslinie  der  Synostoses  vom  Vorberf. 

))        ))  ))  })  ))    von  d.  Schoossftif 

Erste  schiefe  Durchmesser  .    * 

Zweite    „  „  i 

Beckenmitte. 

Verbindung  des  1.  und  2.  Kronzwirbels  zur  Scboossfngennutt 
„  „    2.  und  3.  „  „  „ 

„  „    1.  und  2.  Kreuzwirbels  zum  untern  Rande 

„  „    2.  und  3.  „  „  „  „ 

Pfannenabstand 

Beckenenge  und  Beckenausgang. 
Kreuzbeiuspitze  zum  unteren  Schoossfugenrande  . 
Steissbeinspitze     „  „  „ 

Abstand  der  Spinae  ischiadicae  von  einander  .     . 
„  „    Tubera  ischiadica       „  „      vom 

ji  n  n  n  v  n       hinten 

,7  „         „         Synostoses.  poboischiadicae  von  einsd 


Leiitii]if«a  der  Bheia.  Proy.-HebMnnieiMMUH  ete.     287 
A.  B. 

8"  9"' 
rechts  5"  6'",  links  6"  6'" 
„      3"  7'"      „      3"  9'" 
„      2"  6'"      „      2"  4"' 
„      6''  „      6" 

6"  3'" 

6"  9'" 

6"  9"' 


21" 

- 

9'' 

31.1 

9'' 

6'" 

i  5"    6"'  links, 

,  5" 

4"' 

2"  11' 

«4 

3" 

1"' 

2"  11'"      „ 

3" 

1"' 

6"    9'"       „ 

6" 

8"' 

AT 

6'" 

5" 

1"    4"'      ,. 

1" 

3%'" 

1"    3'"       „ 

1" 

9*'* 

10"'       „ 

9'" 

4" 

9"' 

3" 

T" 

1" 

6'" 

1" 

10" 

2" 

2" 

3" 

4"' 

1" 

3'" 

2"    2'-       „ 

2" 

37,'" 

1"    7'"      „ 

1" 

8'" 

ö" 

3'" 

4" 

6'" 
3"' 
1'" 

4" 

8'" 

4" 

6'" 

3" 

1"' 

8" 

1'" 

3" 

3" 

4'" 

4" 

7"' 

3" 

10'" 

3" 

2'" 

4" 

9"' 

4" 

6" 

3"* 

1" 

11'" 

4" 

2'" 

3" 

6"' 

1" 

6"' 

1" 

7'/.'" 

3" 

2' 

9'" 

2" 

6'" 

2"  6- 

•" 

„      2"  3V,' 

2"  3' 

"      , 

,      2"  6'" 

4" 

11"' 

4" 

8*" 

1" 

3'" 

1" 

3«i« 

4" 

4%'" 

4" 

g«jj 

2" 

6%'" 

2" 

10" 

2" 

9'" 

2" 

9"' 

4" 

4'" 

3" 

1%'" 

2" 

6"' 

4" 

3»w 

3" 

8"' 

4" 

*  9'" 

2" 

1'/.'" 

288      V.    Birnbrnm^  Bericht  aber  di«  ^dbartohttillieheii 

A.  Die  Krümmung  des  Kreuzbeines  beginnt  beim  3.  big 
4.  Kreuzwirbel  erst,  und  die  3  obersten  Kreuzwirbel  treten 
von  einer  Seite  zur  andern  convex  hervor. 

B.  Die  Krümmung  des  Kreuzbeines  ist  ebenso.  Die 
Starice  convexe  Wölbung  von  einer  Seite  zur  andern  tritt  am 
stärksten  am  1.  und  3.  Kreuz wirbel  hervor. 

XVII.     Physio-palhologische  Varietäten. 

Die  Einpflanzung  der  Nabelschnur  betreffend,  so 
war  sie  unter  666  in  den  letzten  Jahren  genau  verzeich- 
neten Fällen: 

central         202  =  30,33  Proc. 
excentrisch  360  =  54,05    „ 
marginal        99  =  14,87     „ 
velamentös       5  =    0,75    „ 
666  .  100,00 

Einpflanzung  am  untern  Rande  ist  bei  tiefem 
Sitze  des  Mutterkuchens  6  Mal  notirt,  und  führte 

2  Mal  zu  Senkung  der  Nabelschnur. 

1  Mal  zu  Absterben  der  Frucht  bei  Steisslage. 
blieb  1  Mal  wirkungslos  einfach  für  sich. 

2  Mal  „  durch  Umschlingung. 

Die  velamentöse  Einpflanzung  ging  1  Mal  in  einem 
Strange  3''  weit  durch  die  Eihäute  weg,  sich  Va'^  ^^^^  Rande 
des  Mutterkuchens  theiiend,  1  Mal  ebenso  2"  weit,  1  Hai 
gingen  die  Gefässe  in  weitem  Bogen  um  den  Rand  hemm, 
2  Mal  war  die  Regelwidrigkeit  in  sehr  geringem  Grade  gegeben. 

Gabelförmig  war  die  Einpflanzung  6  Mal. 

Unter  den  Formvarietalen  war  1  Mal  bandartig  breite 
Abplattung,  1  Mal  ein  Zopf  von  1"  Länge,  1  Mal  eine 
Aneurysmabildung,    1  Mal  ein  Sulzknotep  vorhanden. 

Die  Mutterkuchen  boten  folgende  Grössenver- 
hältnisse: 

In  der  grössten  Ausdehnung: 


Leifllaageii  der  Rhein.  Prov.^Hebammenanstalt  etc.       289 


8"    . 

.  .  199) 

9"    .  , 

.    42     250  =.  37,76  Proc. 

10"    . 

•      9) 

6—7"    . 

.403     403  =  60,88  Proc. 

bi"  . 

.  .      2) 

4  frühzeitig  bei  b"    . 

,  .      6|       9=    1,36  Proc. 

1  unzeilig  bei  4^"  . 

.      1) 

-662     100,00. 
Folgende  allgemeinen  Formverbältnisse  nach 
der  Differenz  der  Länge  und  Breite: 

Differens : 
runde  und  rundliche  Form :  0" 

r 
1" 


534  =  80,66  Proc. 


108  =  16,31  Proc. 


zipfligt  und  buchtig: 


280 ; 
44 
260 ' 
11 
2"    .  .    79 1 
2i"  .  .      1 ' 
3"    .  .     131 
4"    .  .      3I 
5"    .  .      1 
8-6"    .  .       1 
8—3"    .  .      1 
7—3"    .  .      1 
6-2"    .  .      3 
5—2"    .  .      2 
5—1"    .  .      2' 
4i— 1"    .  .      2 
4—2"    .  .      2j 
3—  i"  .  .      1 
3-0"    .  .      1 
2i— 1"    .  .      1 
2— li"..      2 
7—3—6"    .  .      1 
Die  Formvarietäten  waren: 
herzförmig  1  Mal; 

nierenformig  2  Mal,  in  2  lappigen  Hfilfien  mit  un- 
gleich eingebogenem  Rande  und  einfach  mit  zwei 
kleinen  Nebenkuchen; 
buchtig  1  Mal; 

MonMisolut.  t.  Geburtak.  18«e.  Bd.  mV.  8appl.-Hft,  19 


20  =  3,03  Proc. 


290        V.  Simbaum,  Berieht  über  die  geburtshüifliolMii 

oben  und  unten  buchlig  1  Mat; 

wellenförinigr  1  Mal  mit  siebenfacher  Einbiegong  des 

Randes; 
zweizipHig  1  Mal,  indem  genau  die  Mitte  bei  8"  und 
7|",  in  der  ganzen  Masse  nur  5 — 7|"  bietenden 
Dimensionen  um  3 — 4''  verlängert  war; 
Trennung  in  2  Theilc  3  Mal,  das  eine  Mal  2  gleiche 
Lappen^  unten  weit  von  einander  getrennt,  oben 
mehr  verschmolzen,  Nabelstrang  zwischen  beiden, 
das  andere  Mal  darch  einen  tiefen,  spitz  zu  einen 
dännen  Verbindungscotyledon  verlaufenden    Ein- 
schnitt getrennt.   Die  grössere  Madse  bot  hier  8'' 
und  6",  die  kleinere  5^'  und  3". 
*        Die  Nebenkuchen  waren  der  Grösse  nach  so  ge- 
theilt: 

5"  4'"  als  doppeller  Mutterkuchen. 
6"  5'" 
;  7"  6'" 
:  V'  5'" 
:  8"  ö'" 
7"  7" 
:  7"  6" 
:  6"  6" 
:  7"  6" 
:  7"  7"  4" 
Von    angeborenen 
kamen  vor: 

Allgemeine  Deformität: 
Mannlicher  Foetus  mit  fehlender  Verknöcherung  des 
Unterkiefers,  Verkümmerung  der  Arme  und  Beine  der  Lange 
nach,  aber  monströser  Ent Wickelung  der  Dicke 'nach,  mit 
6  Fingern  an  jeder  Hand,  6  Zehen  an  jedem  Fusse,  die 
Brusthöhle  sehr  verkämmert,  mit  Verkümmerung  der  Lun- 
gen und  des  Herzens.  Leber  und  Milz  sehr  gross^  Nieren 
aber  ganz  verkümmert^  kleine  platte  Kapseln  ohne  nach- 
weisbare Uretheren.  Darmkanal  im  Mastdarm  kurzkolbig 
endend,  mit  Fehlen  des  untern  Endes  und  des  Anus.  Harn- 
blase langer,  sehr  schmaler,  dünner  Schlauch,  an  dem 
keine  ürelhralöffnung  auch  mit  der  feinsten  Sonde  nach- 


5" 

3'" 

5" 

2" 

4" 

2" 

5" 

H" 

3" 

2" 

3" 

H" 

:7" 

4" 

2^" 

2" 

.?" 

6" 

2" 

1 '" 

:8" 

7" 

2" 

1" 

:6" 

6" 

1 11' 

1" 

:8" 

6" 

4" 

2" 

+  3" 

1 "' 

:8" 

7" 

3" 

2" 

+  3" 

2" 

:8" 

6". 

SS 

bildunsen   der  Frucht 

Lditaiigen  der  Rhein.  Proy.-HebainMenai»talt  etc.      291 

weifliNir,  indem  der  Penis  ebenfalls  vollkommen  feklt.  Der 
Jlodensack  ist  gespalten,  enthält  die  beiden  Hoden  «her 
weder  an  ihm,  noch  am  Leislenringe  ist  eine  Spur  von 
Samenslrang  nachzuweisen.  Im  untern  Ende  der  Falte, 
zwischen  den  beiden  Hodensacköffnungen  ist  eine  kleine, 
ebenfals  durch  keine  Sonde  m  durchdringende  Oeffnung 
als  Andeutung  der  Harnröhre. 

Atrophischer  abgeplatteter  Foelus  von  etwa  vier 
Monaten,  der  in  den  Eihäuten  eines  reifen  kräftigen  Mäd* 
eheas,  2''  weit  vom  Mutterkuchenrande  sich  befand,  und 
auf  den  ersten  Blick  verödeten,  lederartig  gewordenen 
Kotyledonen  glich,  bis  man  eine  kleinere,  etwa  1\^'  hohe 
und  1'^  breite,  länglich  runde  AbtheHuiig  als  plattgedrück- 
ten Kopf  an  den  sehr  deutlichen  Augenpunkten  auf  beiden 
Piachen  erkannte,  eine  grössere,  unregelmässig  geformte, 
etwa  2*'  lange,  1\^^  breite  als  platten  Rumpf,  an  dem  un- 
deutlich Rippenbogen,  ein  kleines  Händchen  nebst  Vorder- 
arm und  ein  verkflmmertes  Pusscken  unterschieden  wer- 
den konnten. 

Regelwidrigkeiten  der  Kopfbildung. 

Craniotabes  exencephalica  in  grossen  Lucken 
auf  beiden  Scheitelbeinen  neben  der  Pfeilnaht  wurde  ein- 
mal in  massigem  Grade  beobachtet. 

Einmal  kam  Cephalaematoma  vor. 

Einmal  Anencephalus  immaturus. 

Einmal  Hasenscharte  mit  Wolfsrachen. 

Einmal  kam  tiefer  Eindruck  an  der  ganzen  linken 
Schläfengegend  von  Defekt  am  Keilbeine  mit  cretin- 
artiger  Bildung  des  Kopfes  vor.  Die  Kopfmaasse  betrugen: 
4''  8'",  4"  1'",  2"  10'",  2"  4'",  3''  2"'  und  24  Stunden 
nach  der  Geburt  4"  9%  4"  2"',  3"  3"',  2"  8'",  3"  4'". 

Regelwidrigkeiten  am  Unterleibe. 

Einehernia  funiculi  umbilicalis  von  der  Grösse 
eines  Gänseeies  bei  enormer  Vergrösserung  der  Leber  und 
Verkümmerung  des  Brustkorbes  enthielt  einen  grossen  Theil 
der  dünnen  Gedärme  und  der  dicken  bis  zur  fiexura  sig- 
moidea. 

Ein  Mädchen  wurde  mit  atresia  ani  geboren,  indem 


292        ^-  Birnbaum,  über  geburtahülfliche  Leistungen. 

der  Masldarm  sich  durch  einen  engen  Kanal  in  den  untern 
Theil  der  vulva  aswischen  frenulum  und  hymen  öffnete. 
Es  hatte  zugleich  zwei  sich  rasch  vergrössernde  herniae 
inguinales  congenitae.  Die  Entleerung  des  Kindspeches 
durch  die  Fistelöffnung  an  der  vulva  erfolgte  gehörig.  Bei 
der  Section  fand  sich  der  Mastdarm  unten  auf  einen  star- 
ken Zoll  von  dem  anus  vulvaris  nach  aufwärts  bis  zn  der 
Dicke  eines  feinen  Rabenfederkieles  verengt,  höher  oben 
erweitert.  Die  wohlgebildete  Scheide  zeigte  einen  ein* 
fachen  Mutterhals.  Von  ihm  aus  .ging  eine  grössere 
Gebärmutter  schräg  nach  rechts  gegen  den  rech- 
ten Bauchring  in  die  Höhe  mit  bedeutender  Verkürzung 
des  sehr  dicken  runden  Mutterbandes  und  der  entsprechen- 
den Tuba.  Der  Eierstock  lag  hier  als  bandartig  plattes 
Körperchen^  wie  immer,  aussen  dicht  neben  dem  Annulua 
abdominalis.  Die  Hernie  dieser  Seite  enthielt. bloss  einige 
Eingeweideschlingen.  Vom  untern  Ende  dieses  convex 
«ach  rechts  gebogenen  Uterus  ging  nach  links  eine 
feine  strangartige  Röhre  schräg  gegen  den 
linken  Annulus  abdominalis  empor,  oben  in  eine  kurze 
blasige  Erweiterung  mit  kurzer  Tuba  endend,  welche  theil- 
weise  neben  dem  länglich  runden,  die  Dicke  einer  kleinen 
Haselnuss  bielenden  Eierstock,  bei  ganz  kurzem  runden 
Mutterbande  in  den  canalis  inguinalis  vorgetreten  war. 
Es  war  darum  linkerseits  eine  vollkommene  hernia 
inguinalis  ovarii  vorhanden,  die  keine  Intestina  enthielt. 

Hissbildungen  der  Glieder. 

Als  solche  kamen  zwei  Mal  überzählige  kleine 
Finger  vor  ohne  ossa  metacarpi,  blos  mit  weichen  Stielen 
einmal  an  einer,  einmal  an  beiden  Händen  anhängend. 

Bei  einer  Person,  die  schon  ein  Kind  mit  Fehlen 
beider  Daumen  geboren  haltte,  fehlte  der  Daumen  an 
der  rechten  Hand  des  Mädchens  vollständig.  Der  Mittel- 
handknochen des  Zeigefingers  verlief  bei  sonst  regel- 
mässiger Bildung  etwas  schräg  nach  aussen,  in  Annäherung 
an  die  Daumenbildung.  Der  Daumen  der  linken  Hand 
zeigte  Verkümmerung  der  Phalangen,  Fehlen  des  Metacarpus 
und  hing  so  als  Anhängsel  neben  dem  Zeigefinger  herab. 


VI.    Notieeh  aus  der  Journal- Literatur.  293 

VI. 
Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Frankenhävser :  Die  Nerven   der  weiblichen  Ge- 
schlechtsorgane  des   Kaninchens. 

Nach  einer  kurzen  geschichtlichen  Darstellung  und  Kritik 
der  hisher  gemachten  wichtigeren  anatomischen  Untersuchungen 
der  üterinnerven,  namentlich  von  Tiedemann  1822,  Ijobstein  1823, 
Kdbert  I^e  1841,  ühxy  und  Stmo-Beck  1845,  Ltmget  1849,  Hirsch- 
feld  und  LeveilU  ia53,  Ktlian  1851,  K(yrner,  Kehrer,  gieht  Verf. 
eine  nähere  Beschreibung  der  Nerven,  welcher  er  einige  Bemer- 
kungen über  die  Gestalt,  Lage  und  Texturyerhältnisse  der  Ge- 
schlechtsorgane beim  Kaninchen  vorausschickt. 

Die  Nerven  der  Geschlechtsorgane  treten  in  3  verschiedenen 
Bahnen  zu  denselben  und  stammen  theils  aus  sympathischen  Ge- 
flechten, theils  aus  dem  Rückenmarke.  A.  Die  sympathischen 
Nerven  kommen  aus  dem  1)  plexus  aorticus,  aus  welchem 
der  Hauptstamm  2"  lang  auf  der  Aorta  weiter  herunterläuft,  und 
an  der  Bifurcation  der  Aorta  sich  in  2  Schenkel ,  plexus  hypo- 
gästrici  genannt,  trennt.  Die  feineren  Zweige  gehen  in  das  Meso- 
metrium,  Mesenterium  und  rectum.  Die  plexus  hypogastrici  um- 
greifen den  Mastdai*m,  gehen  an  der  Seite  desselben  theils  in  das 
ganglion  uterinum  über,  durch  welches  vielfache  Verbindungen 
mit  anderen  Nervenbahnen  vermittelt  werden,  theils  geben  sie 
directe  Zweige  an  die  breiten  Muttorbänder  und  die  Mutterscheide, 
den  Ureter.  Alle  diese  Nerven  liefen  in  der  hinteren  Platte  des 
Mesometrium.  Ein  Verbindungsstrang  läuft  vom  gangHon  zu  den 
aus  dem  dritten  und  vierten  Krenzbeinloch  kommenden  Nerven, 
wird  gewdhnlich  plexus  haemorrhoidalis  genannt  und  giebt  Käden 
zum  Mastdarm.  2)  Der  plexus  spermaticus  konnnt  als  Faden 
aus  dem  ganglion  mesentericum,  läuft  mit  2  Fäden  aus  dem  plexus 
aorticus  die  Art.  sperm.  entlang  zum  Ovarium,  der  Tuba  und  dem 
Gebärmutterhorn.  —  B,  Die  Krenzbeinnerven  der  Geschlechts- 
organe sind  Zweige  des  dritten,  vierten  und  fünften  Kreuzbein- 
nerven, der  unterste  geht  zur  Blase,  die  zwei  oberen  steigen  an' 
der  Seite  des  Mastdarms  und  der  Scheide  in'^die  Höhe,  in  die 
breiten  Mutterbänder  und  mit  den  üterfngefässen  zu  den  Hörnern. 
Neben  diesen  drei  Hauptstämmen  gehen  noch  eine  ganze  Anzahl 
diknnerer  Fäden  mit  unzähligen  Anastomosen,  in  denen  sich  klei- 
nere und  grössere  Ganglien  eingesprengt  finden,  so  das«  sie  ein 
ganzes  Netzwerk  von  Fäden  bilden.  Es  gehen  danach  also  die 
Kreuzbeinnerven  in  den  ganzen  Uteiiis.  Der  Nervus  clitoridis 
entspringt  mit  3  Wurzeln  aus  dem  plexus  ischiadicus,  ans  dem 
dritten  und  vierten  Kreuzbeinloch,  der  nervns  pudendus  ent- 
springt ebenfalls  aus  dem  plexus  ischiadicus. 


294  VI.    Notiien  aas  der  Journal -Literatur. 

2  Tafeln  Abbildungen  erläutern  die  feineren  Verhältnisse  der 
oben  nur  angedeuteten  Nervenbahnen  und  ausserdem  verspricht 
Verf.  für  die  nächste  Zeit  eine  Arbeit,  in  welcher  er  seine  Unter- 
suchungen derselben  Nerven  beim  Weibe  darlegen  wird. 

(Jenaische  Zeitschrift  für  Medizin  u.  s.  w.  Bd.  2,  H  1,  1865) 


Otto  Spiegelherg:  Drüsenschläuche  Infi  fötalen 
menschlichen  Eierstocke. 
Verf.  ist  es  gelungen,  die  von  Pflüger  geschilderten  DrOsen* 
schlauche  im  f&talen  Menschen-  (und  Katzen-)  Eierstocke,  sowie 
die  Entstehung  der  Follikel  durch  Abschnürung  aus  den  Schläu- 
chen durch  directe  Beobachtung  zu  bestätigen.  Die  Frucht,  die 
S.  untersuchte,  gehörte  ungefähr  der  36.  Woche  an  und  war  in 
der  Geburt  abgestorben,  aber  wohlgebildet.  Die  Ovarien  hatten 
das  diesem  Alter  gewöhnliche  bandartige,  leicht  gelappte,  am 
Rande  gezähnelte  Ansehen.  Zahlreiche  Follikelbläschen  mit  Mem- 
bran, Epithelschicht  und  Ei  waren  leicht  zu  erkennen  Nach 
zwölfstündigem  Liegen  in  Opalsäure-Lösuug  (l :  10)  wurden  senk- 
rechte Schnitte  gefertigt,  mit  Glycerin  behandelt  und  auf  dem 
Object- Träger  gelinde  comprimirt.  Hierdurch  wurde  nun  be- 
stätigt, dass,  was  gewöhnlich  als  primäres  Follikelbläschen  er^ 
scheint,  theils  ein  abgeschntrter  Follikel,  theils  ein  Querschnitt 
des  Schlauches  ist,  und  dass  das  primäre  Follikel -Bläschen  mit 
einer  distincten  Membran  ausgestattet  ist.  Die  Drüsen-Schläuche 
sind  wegen  ihrer  schweren  Darstellung  oft  übersehen  worden. 
Sie  scheinen  in  allen  Ebenen  neben  einander  zu  laufen,  mit  ein- 
ander zu  anastomosiren  und  weniger  als  bei  den  meisten  Sänge- 
thieren  vom  Stroma  differenzirt  zu  sein.  Die  Abschnürung  der 
FoUikel  geht  wahrscheinlich  innerhalb  kurzer  Zeit  von  Statten. 
(Vwchaw,  Archiv.  H.  Folge.  Bd.  10.  Heft  3  u.  4.  1864.) 


A.  Brmky:  üeber  den  Einfluss  der  Kyphose 
auf  die  Beckengestalt. 
Unter  Benutzung  der  reichen  Beckensammlung  des  Prager 
pathol.-anatom.  Museums  giebt  Verf.  in  seiner  mit  mathematischer 
Genauigkeit  durchgeführten  Arbeit  ein  umfassendes  Bild  der  dnrch 
Kyphose  bedingten  Yeränderungen  am  Becken..  .Die  Haupter- 
gebnisse seiner  Untersuchungen  in  Kürze  zusammenge£Eis8t  ^d 
folgende.  Das  Becken  erleidet,  wenn  das  Kreuzbein  an  der  Com- 
pensation  einer  Kyphose  der  Wirbelsäule  Theil  nimmt,  eine 
Keigungs-  und  Qestalts-Veränderung.  Letztere  ist  um 
80  beträchtlicher,  je  tiefer  die  Kyphose  gegen  das  Kreuzbein 
faerabrflckt  und  beruht  hauptsächlich  darauf,  dass  das  Kreuzbein 
sich  um  eine  durch  das  Ileosacralgelenk  gehende  horizontale  Axe 
mit  seinem  obem  Ende  nach  hinten,  mit  seinem  untern  nach  vorn 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  295 

bewegt,  w#bei  in  der  Hauptsache  eine  Längsstrecknng  und  lUkck- 
w&rt82iebung  der  Körper  seiner  obem  Wirbel  eintritt.  Zugleich 
werden  die  Hüftbeine  hinten  von  einander  gedrängt  und  rück- 
wärts gezogen,  während  jed«B  derselben  durch  die  Anspannung 
der  ligg.  interfemoralia  eine  Rotation  um  eine  senkrecht  auf  die 
Zagrichtung  dieses  Bandes  durch  das  Hüftgelenk  gehende  Axe 
mit  dem  Effect  erfährt,  dass  die  Entfernung  der  beiden  Hüftbeine 
von  einander  oben  wächst,  unten  vermindert  wird.  Es  wird  durch 
diese  Stellungsveränderung  der  Beckenknochen  die  Trichter- 
form erzeugt  und  zwar  mit  allgemeiner,  meist  ungleichmässiger 
Verengerung  des  Ausganges. 

Vom  Grade  und  Sitze  der  Kyphose,  sowie  von  der  Beschaffen- 
heit des  Beckens  zur  Zeit  der  Entstehung  jener  ist  auch  der 
Grad  der  Gestaltsveränderung  des  Beckens  abhängig.  Ausserdem 
influirt  aber  jedenfalls  die  sitzende  Stellung  auf  die  Beschaffen- 
heit der  Sitzbeine  und  den  Abstand  ihrer  Tubera.  Danach 
bestimmen  sich  zunächst  die  individuellen  Verschiedenheiten  der 
hierher  gehörigen  Beckenformen  und  die  gelegentlichen  Abwei- 
chungen von  diesem  Typus.  Bei  den  gewöhnlichen  längsovalen 
Becken  bei  winklicher  Lumbodorsalkyphose  ist  die  Verengerung 
des  Beckenausganges  häufig  nur  eine  relative  im  Verhältnisse  zu 
den  Durchmessern  des  Eingangs,  während  die  absoluten  Maasse 
dabei  grösser  sein  können,  als  im  normalen  Becken. 

Bei  der  Skoliosis  kyphotica  ist  die  Conjugata  vera  vergrössert, 
der  gerade  Durchmesser  des  Beckenausgangs  verkleinert,  wobei 
jedoch  selten  eine  wesentliche  Verengerung  des  Beckenausganges 
besteht.  •  Ist  die  Skoliosis  kyphotica  rhachitischen  Ursprungs,  so 
entsteht  durch  die  Kyphose  eine  bestimmte  Modification  des 
rhachitischen  Beckens. 

Der  Einfluss  der  Abweichungen  des  kjphot  Beckens  auf  den 
Geburtsmechanismus  richtet  sich  im  speciellen  Falle  natürlich 
nach  der  individuellen  Beschaffenheit  jedes  einzelnen  Beckens; 
im  Allgemeinen  aber  ist  bei  regelmässiger  Beschaffanheit  der 
Wehenthätigkeit  und  des  Geburtsobjectes  eine  leichte  und  rasche 
Geburt  zu  erwarten.  Sind  absolute  Baumbeschränkungen  vor- 
handen, so  nehmen  sie  nach  dem  Beckenausgange  hin  zu  und 
alteriren  in  entsprechender  Weise  den  Geburts\organg. 

Im  Anhang  fügt  Verf.  eine  ergänzende  Beschreibung  der 
von  ihm  benutzten  Präparate  bei. 

(Medicin.  Jahrbücher.  Zeitschrift  der  Gesellschaft  der  Aerzte 
in  Wien.  Jahrgang  1865.  I.Heft) 


Robert  Barnes:  üeber  Spondylolisthesis. 
(Mitgetheilt  in  der  „Obstetrical  Society  of  London".) 
Das  von  B.  mitgetheilte  Memoire  nmfasst  eine  Geschichte  der 
diesen  Gegenstand  betreffenden  Literatur  und  eine  Znsammen- 


296  VI.    Notizen  ans  der  Jonrnal- Literatur. 

stellnng  der  bisher  beschriebenen  Fälle.  Der  erste  wurde  1868 
Ton  Kilian  beschrieben,  welcher  die  Entstehung  dem  Ab-  und 
Vorwilrtsgleiten  des  letzten  Lendenwirbels  ttber  das  Sacmm  zu- 
schrieb. So  rücken  ein  oder  mehrere  Lendenwirbel  in  den  Becken- 
eingang und  verengern  denselben,  so  dass  die  Sectio  caesarea 
hierdurch  nöthig  werden  kann.  Verf.  theilt  einen  Fall  mit, 
bei  welchem  diese  Missbildnng  Ursache  einer  sehr  schweren  Ge- 
burt zu  werden  drohte.  B.  leitete  deshalb  im  8.  Monat  die  Frfth- 
geburt  ein  und  extrahirte  nach  vorgenommener  Wendung  ein 
todtgeborenes  Kind.  Die  Geburt  dauerte  weniger  als  5  Stunden. 
Als  mögliche  Ursachen  dieser  Deformität  wurden  im  Laufe  der 
Discussion  hingestellt:  Rhachitis,  Cartes  und  Erweichung  der 
Zwischenwirbelbänder. 

(The  Lancet  18.  Juni  1864.) 


Alfr.n.MCUntock:  Ein  Fall  von  Wehen-Mangel 
nebst  Beobachtungen. 
Verf.  wurde  vergangenen  Sommer  von  einer  45jährigen, 
kachectischen  Bäuerin,  welche  öfters  geboren  hatte,  und  welche 
seit  einigen  Monaten  Ober  einen  putriden  Ausfluss  aus  der  Vagina 
klagte,  konsultirt.  Sie  hatte  keine  Blutverluste  und  keine  Schmer- 
zen dabei  gehabt,  war  aber  immer  schwächer  und  magerer  ge- 
worden. Bei  der  Untersuchung  fand  Verf.  in  der  hypogastr. 
Gegend  einen  runden,  dem  Uterus  einer  viermonatlich  Schwän- 
gern entsprechenden  Tumor.  Die  innere  Untersuchung  zeigte 
einen  reichlichen  Ausfluss  stark  fötider  Flttssigkett,  die  aus  dem 
verhärteten  und  verdickten  Os  uteri  floss  und  au  Garcinom  den- 
ken Hess.  Beim  Eindringen  in  den  Uterus  erst  mit  der  Sonde, 
dann  mit  dem  Nagelgliede  des  Zeigefingers  gewahrte  man  ver- 
schiedene Knochentheile ,  was  sofortige  genauere  Fragen  nach 
der  Anamnese  zur  Folge  hatte.  Sie  gab  nun  an,  12  lebende 
Kinder  und  dann  ein  ausgetragenes  todtes  Kind  geboren  zu  haben. 
Kurz  nach  der  letztgenannten  Geburt  will  sie  zum  14.  Male 
empfangen  haben.  Bis  zum  7.  Monat  normaler  Schwangerschafts- 
verlauf; um  diese  Zeit  will  sie  das  Absterben  des  Kindes  bemerkt 
haben.  Trotzdem  ging  die  Schwangerschaft  bis  zum  9.  Monate 
weiter,  zu  welcher  Zeit  unter  Wehen  eine  blntig-wässrige  Flüssig- 
keit abging.  Bald  hörten  die  Wehen  wieder  auf  und  die  Schwan- 
gerschaft dauerte  weitere  5  Wochen,  worauf  wieder  zwei  Tage 
lang  heftige  Wehen  eintraten  und  von  einem  „Arzte''  die  Rippe 
eines  FoetuB  aus  der  Vagina  entfernt  wurde,  der  nach  und  nach 
andere  von  Fleisch  entblösste  Knochen  folgten.  Seit  dieser  Zeit 
waren  bis  zur  jetzigen  Untersuchung  Ö2  Wochen  vergangen.  — 
Offenbar  waren  demgemäss  die  wahrgenommenen  Knochen  noch 
Reste  jenes  Foetus;  es  galt  dieselben  zu  entfernen. 

Zu  diesem  Behufe  wurde  zunächst  ein  konisches  Stitck  Press- 


VI.    Notizen  ans  der  Journal  -  Literatur.  297 

schwamm  in  das  Os  uteri  eingeführt;  am  andern  Morgen  wurde 
es  wieder  entfernt  und  warmes,  mit  Natrum  chloricum  gemischtes 
Wasser  injicirt  Während  dessen  inhalirtc  Patientin  Chloroform. 
Mit  einer  langen,  gekrümmten  Pol3'penzange  wurden  auf  diese 
Weise  mehrere  Knochen fragmente  entfernt,  was  sich  in  5  Wochen 
7  Mal  wiederholte.  Dann  unterhlicb  ein  weiteres  Operiren  wegen 
Entzündungserscheinnngen.  Erst  nach  etwa  2  Wochen  wurden 
wieder  mehrmals  Knocheustücke  entfernt,  zuletzt  ein  femnr  und 
ein  hnmerus,  die  offenbar  in  das  Uterus  -  Gewebe  eingebettet  ge- 
wesen waren.  Nach  letzterer  Operation  entstanden  Schmerz, 
Prostration,  Pulsfrequenz,  Fröste,  Brechen,  kopiOsc  Expectoration, 
profuse  Schweisse;  die  Kranke  starb  unter  den  Zeichen  acuter 
Pyämie.  —  Section  wurde  leider  nicht  gemacht.  Der  entfernten 
Knochenstückchen  waren  mehr  als  60  von  allen  Körperregionen. 
Verf.  führt  noch  Fälle  an  von  Montffomery,  Oldham,  Memies, 
Chestan,  CtildweU,  Nehelius,  Voigtel,  Vondorfer  und  Sckuls.  Die 
vom  Verf.  gewonnenen  Schlüsse  sind: 

1)  Re^te  eines  Foetus  müssen  aus  der  Uterinhohle  entfernt 
werden. 

2)  Je  früher  dies  geschieht,  desto  besser  ist  es. 

3)  Wenn  der  Muttermund  nicht  so  weit  ist,  dass  zwei  Finger 
eingeführt  werden  können,  so  mnss  er  mit  Pressschwamm 
erweitert  werden. 

4)  Es  scheint  besser  zu  sein,  wenn  man  in  vielen  Operationen 
jedesmal  nur  geringe  Eingriffe  macht,  als  wenn  man  durch 
die  Stärke  der  Eingriffe  die  Zahl  der  Operationen  zu  ver- 
ringern sucht. 

5)  Beim  Auftreten  akuter  Entzündungssymptome  sistire  man 
die  Operationen. 

6)  Bei  ulcerativen  Processen  in  der  Üterinwand  ist  Vorsicht 
sehr  geboten. 

7)  Bei  Gewöhnung  des  Uterus  an  den  Inhalt  operire  man  nicht. 

(Dubl.  Quart.  Journ.  Febr.  18G4.) 


Al/r,  H,  AViJlintock:  Beobachtungen  über  Wehcn- 
mangel. 

Schon  früher  (Dubl.  Quart.  Journ.  Febr.  1864)  hatte  Verf. 
Einiges  über  diese  Anomalie  mitgetheilt.  In  Folge  dessen  kamen 
ihm  von  manchen  Seiten  schiitzbare  Mittheilungen  zu  und  zwar 

a.  Von  Bürden  (Belfast)  Eine  Schwangere  bekam  heftige 
Wehen  und  von  einem  Arzte  grosse  Dosen  Opium.  Die  Wehen 
hörten  ganz  auf.    Nach  einigen  Wochen  starb  sie. 

h.  Von  Patton  (Tandragec).  Derselbe  thcilte  ihm  ein  Ana- 
logen aus  der  Thierwelt  mit,  welches  er  vom  Verwalter  des  Her- 
zogs von  Manchester  erfahren  hatte,  nämlich  dass  unter  dessen 
Schaf iieerden  vor  8— i)  Jahren  es  durch  Zufall  öfters  vorkam, 


298  ^^*    Notizen  aus  der  Journal -Literatsr. 

dass  Schafe  die  Lämmer,  welche  sie  trugen,  nicht  anastieeaeB, 

sondern  eine  fötide,  bräunliche  Flüssigkeit  verloren. 

c,  Auch  King  (Stanmore)  hatte  mehrmals  bemerkt,  dass  Kühe 
wegen  mangelhafter  Geburtsthätigkeit  nicht  ausstiessen. 

d,  Carson  sen.  (Colerainc)  erzählt  einen  Fall  vom  Jahre  1836. 
Eine  Erstgcschwäugerte,  im  9.  Monate  der  Schwangerschaft  Be- 
findliche, erlitt  während  der  Wehen  ein  Trauma  gegen  den  Unter- 
leib, Die  Wehen  hörten  sofort  auf.  Die  Frucht  schien  abge- 
storben. Zwei  Monate  nachher  starke  Wehen.  Dilatation  des 
Muttermundes  gut.  Abscheulicher  Geruch  aus  der  Vagina.  Nach 
.53  Stunden  Geburt  eines  stark  zersetzten  Foetus.  Zwei  Stunden 
nachher  Tod  der  Wöchnerin  unter  Erschöpfung. 

e,  J.  Brown  (Dundalk).  Eine  30  Jahre  alte  Frau,  die  im 
April  schwanger  geworden  war,  bekam  im  August  nach  dem 
Heben  einer  schweren  Last  plötzlich  Unwohlsein  und  Metrorrha- 
gie; sodann  entstand  ein  fotider  Geruch  aus  der  Vagina.  Im 
November  Entfernung  von  circa  20  Knochens tückcn  Kurz  darauf 
neue  normale  Schwangerschaft. 

f,  Purdon  (Belfast)  erinnert  an  einen  Fall,  wo  eine  Dame  im 
5.  Monate  ihrer  zweiten  Schwangerschaft  zu  abortiren  schien. 
Nach  Wasserabgang  gingen  unter  Schmerzen  zuweilen  Stücken 
Fleisch  von  fotidem  Gerüche  fort.  Nach  12—14  Wochen  ging 
die  Tibia  eines  Foetus,  einige  Monate  nachher  unter  Wehen- 
schmerzen ein  Knochenstack,  mehrere  Monate  hierauf  eine  ganze 
Rippe  ab ;  zuweilen  entleerten  sich  einige  bräunliche  übelriechende 
Massen  —  kurz  es  schien  hier  eine  langsame  Losstossung  statt- 
zufinden. 

g,  Bawsofi  (Kegworth)  veröffentlichte  (Lancet,  Dec»  1838) 
einen  ähnlichen  Fall,  betreffend  eine  27jährige  Frau,  die  sich  im 
4.  Monate  ihrer  fünften  Schwangerschaft  befand.  14  Tage  nach 
einem  Trauma  auf  den  Unterleib:  Wehenschmerzen,  Abgang  von 
Wasser  und  Blut;  später  nach  und  nach  Losstossung  von  Knochen 
und  Eiresten  eines  Foetus. 

Der  Einfluss  des  abgestorbenen  Foetus  auf  die  Bewegung  des 
Uterus  ist  sehr  verschieden.  In  den  ersten  Monaten  schrumpft 
die  Frucht  fester  zusammen,  während  eine  6 — 7monatliche  Frucht 
mehr  erweicht  und  zersetzt  wird;  je  von  dieser  Beschaffenheit 
hängt  es  ab,  ob  der  Uterus  eine  Tendenz  zur  Ausstossung  des 
Inhaltes  gewinnt  oder  nicht.  Doch  wird  auch  dabei  in  Betracht 
kommen,  ob  das  Ei  schon  gesprengt  ist  oder  nicht.  —  Auf  jeden 
Fall  fordern  solche  Vorfälle  zur  Mittheilung  ähnlicher  Fälle  auf. 
(The  Dublin  Quarterly  Journal.   Mai  1864.) 


YL    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  299 

A.  S.  Dankin:  Ueber  die  physiologische  Thä- 
tigkeit  des  Uterus  bei  der  Geburt. 
Yerf.  sucht  die  Frage  zu  erörtern,  ob  der  Uterus  als  Ganzes 
an  der  Wehencontraction  theilnimmt  und  betrachtet  zu  diesem 
Behufe  zunächst  die  bisher  hierflber  existirenden  Hypothesen, 
Wigand  nahm  eine  peristaltische  Bewegung  an,  die  vom  Collum 
zum  Körper  und  Fundus  fortschreitend  alsdann  wieder  zu  jenem 
zarackkehre.  Müller ,  Michaelis,  Bigby,  Churchiüy  Tyler  Smith, 
Farre  u.  A.  haben  dieser  Meinung  sich  angeschlossen.  Murphy 
bestritt  zuerst  Wigand'a  Ansicht  in  so  fem,  als  er  nur  eine  vom 
Fundus  zum  Collum  fortschreitende  peristaltische  Bewegung  an- 
nahm. Braun  versetzt  den  Beginn  der  Contraction  an  die  Tuben- 
mOndung.  Scamani  nimmt  an,  dass  die  Wehe  gleichm&ssig  im 
ganzen  Organ  beginnt.  Chrisiie  (Aberdeen)  meint,  dass  die  Con- 
traction im  Fundns  beginnt  und  sich  in  der  Weise  gegen  das 
Collum  fortpflanzt,  dass,  während  ein  Theil  noch  nicht  erschlafft 
ist,  sich  schon  der  nächstliegende  zu  contrahiren  beginnt.  Der 
Fundus  uteri  ist  nach  ihm  vom  Anfang  bis  Ende  der  Wehe  activ. 
Von  peristaltischer  Bewegung  sieht  Christie  ab.  Im  Allgemeinen 
herrscht  jetzt  die  Ansicht  vor,  die  Contraction  sei  gleichmässig 
auf  alle  Theile  des  Uterus  vertheilt.  Donkin  kommt,  seinen  Be- 
trachtungen gemäss,  zu  folgenden  Schlüssen: 

1)  Während  der  natfirlichen  Geburt  ist  Fundus  und  Körper 
des  Uterus  Sitz  der  Contraction;  nur  im  untern  Uterus -Segment 
fehlt  sie. 

2)  Das  Collum  und  eine  schmale  Zone  des  Körpers  zeigt  bei 
der  Wehe  keine  Contraction,  sondern  nur  passive  Ausdehnung. 

3)  Nach  Ausstossung  der  Frucht  erfolgt  eine  „passive  Con- 
traction" des  Collum,  entsprechend  dem  Vorkommen  bei  anderen 
Sphincteren. 

4)  Die  practische  Beobachtung  bestätigt  ihm  seine  An- 
sicht Ist  z.  B.  die  vordere  Lippe  in  Gestalt  einer  dünnen  Falte 
aber  den  Kopf  geglitten,  so  würde,  wenn  die  portio  vaginalis  uteri 
sich  contrahirte,  jetzt  ein  starkes  Hindemiss  entstehen.  Die  Yer- 
theüong  der  physiologischen  Wirkung  ist  der  Grund,  weshalb 
eine  oberhalb  jener  Cervical-Zone  eingeschnürte  Placenta  bei  nor- 
malen Wehen  nicht  vorkommt,  warum  eine  derartig  aufsitzende 
Placenta  bei  der  Wehe  gelöst  und  jede  Hämorrhagie  bis  zum 
Schluss  der  Wehe  in  Folge  der  völligen  Compression  der  Gef&sse 
unterdrückt  werden  muss. 

(Edinburgh  Medic.  Journal.  Decbr.  1863.) 


Mattet:  Ueber  Entzündung  der  Placenta. 

Gestützt  auf  einige  Beobachtungen ,  in  welchen  der  Tod  des 
Fq^ettts  durch  Verfettung  der  Placenta  eingetreten  war,  und  auf 
den  guten  Erfolg  von  Blutentziehungen  bei  einer  Frau,  welche 


300  ^I-    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

schon  drei  todte  Kinder  und  verfettete  sowie  apoplectische  PU- 
centen  geboren  hatte,  nimmt  Verf.  die  Entsündung  der  Placenta 
als  Ursache  der  Verfettung  an  und  gelangt  zu  folgenden  Schlflssen : 

1)  £s  giebl  eine  acute  Entzündung  der  Placenta  in  Terschie- 
denen  Graden  der  Congestion,  der  Erweichung,  Eiterung  (sehr 
selten),  Verdichtung  (wie  bei  der  Pneumonie). 

3)  Ist  diese  Entzündung  nur  theilweise  und  überlebt  sie  der 
Foettts,  so  werden  die  Blutgefässe  des  kranken  Theiles  undurch- 
gängig, eng  und  verfetten. 

3)  Man  darf  mit  der  Entzündung  der  Placenta  nicht  eine 
theilweise  oder  allgemeine  Verdickung  der  Decidua,  Cysten,  Fibrin- 
gerinsel und  andere  Producte  verwechseln.  Die  Congestion  und 
Blntergiessnng  grenzen  indess  nahe  an  die  Entzündung  an,  ebenso 
hängen  die  Verwachsungen  der  Placenta,  zumal  die  mit  dem 
Foetus,  die  Verkalkungen  ohne  Zweifel  mit  den  Folgen  der  Ent- 
zündung zusammen. 

4)  Die  Entzündungen  der  Placenta,  deren  Erscheinungen 
allerdings  oft  denen  anderer  Krankheiten  des  Foetus,  der  Fmcht- 
anhänge  und  der  Gebärmutter  selbst  gleichen,  sind  indess  an  der 
gebornen  Placenta  leicht  nachzuweisen,  und  da  sie  bei  derselben 
Frau  wiederzukehren  pflegen,  so  kann  man  sie  später  überwachen. 
Bekämpft  man  sin  frühzeitig,  so  ist  ihr  Einfluss  auf  den  Foetus. 
nicht  so  schwer,  wie  man  gewöhnlich  angiebt. 

5)  Treten  sehr  deutliche  Erscheinungen  allgemeiner  Plethora 
oder  Uterincongestionen  auf  und  namentlich  sind  früher  schon 
Entzündungen  an  der  Placenta  beobachtet  worden,  so  müssen 
Ableitungen  nach  der  oberen  Körperhälfte  angewendet  werden. 
Weichen  die  Erscheinungen  nicht  leicht,  so  fürchte  man  wieder- 
holte kleine  Aderlässe  nicht,  namentlich  zu  den  Menstmatiens- 
Zeiten  und  behandle  im  Allgemeinen  boruhif^end  und  entzün- 
dungswidrig. 

(Gaz.  dos  höpitaux.    18G4    No.  98.) 


Bericht  def<  Commiffee  der  R,  Medical  and  (Mmirpicat 
Society    zur    Untersuchung    der    Gebrauchs- 
weisen und  der  physiologischen,  therapeu- 
tischen und  toxischen  Wirkungen  des  Chloro- 
forms. 
Die  Daner  des  animalischen  Lebens  (hauptsächlich  bei  Hun- 
den untersucht)  bei  Chloroform -Narcose  steht  in  umgekehrtem 
Verhältniss  zur  angewandten  Concentration  des  Mittels.    Atmo- 
sphäre mit  1—2  Proc.  führte  ünempfindlichkeit  herbei  und  konnte 
lange  eingcathmet  werden,  ohne  das  Leben  zu  gefährden.    Die 
stärksten  Dosen  (bis  40  Proc.)  brachten,  wenn  durch  Mund  und 
Nase  oingeathmet,  in  ungeföhr  1  —  2  Minuten  den  gleichzeitigen 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  301 

Stillstand  der  Athmung  und  des  Pulses  hervor,  während  das  Herz 
noch  kurze  Zeit  (gegen  5  Minuten)  schlug.  Wenn  die  stärksten 
Dosen  aber  durch  eine  Oeffnung  unter  der  Glottis  inhalirt  wur- 
den, hörte  das  Herz  schon  in  16  Sekunden  auf  zu  schlagen,  wäh- 
rend die  Athmung  in  32  Secunden  aufhörte,  also  fast  augenblick- 
lich. Die  durch  ein  Haemadynamometer  gemessenen  Herzbe- 
wegungen zeigten,  dass  die  Herzthätigkeit  nach  kurzem  Steigen 
allmälich  abnimmt,  jedoch  bei  den  durch  den  Mund  eingeathmeten 
starken  Dosen  wieder  zunimmt,  wenn  Kehlkopfkrämpfe  eintreten 
oder  dazwischen  reine  Luft  zugelassen  wird,  und  zwar  kann  das 
mehrmals  hintereinander  beobachtet  werden,  sogar  noch  kurz  vor 
dem  Tode.  Auf  die  Epiglottis  zeigten  schwache  nhalationen 
5  Proc.  wenig  Einfluss,  concentrirte  Inhalationen  brachten  schnell 
Schlingkrämpfe  hervor;  die  durch  diese  Krämpfe  nach  hinten 
gezogene,  fast  versteckte  Epiglottis  wurde  aber  beim  Eintritt  der 
BetftubuDg  nach  vorn  gezogen  und  blieb  so  steif;  die  Stimm- 
bänder näherten  sich  einander  bei  jedem  Athemzuge;  allmälich 
wurde  die  Epiglottis  vom  Athemzuge  vor  und  zurück  geschlagen. 

Aether  wirkt  viel  weniger  auf  das  Herz  ein.  Wenn  er  con- 
centrirt  durch  die  Trachea  angewendet  wurde,  hörte  die  Athmung 
in  1  Min.  48  See,  der  Puls  in  2  Min.  43  See.  und  der  Herzschlag 
in  3  Min.  57  See.  auf.  Gewöhnlich  tödteten  10—25  Proc.  Aether- 
dftmpfe  in  der  Luft  in  etwa  einer  Stunde,  doch  nicht  immer.  Da 
die  Wirkungen  des  Aethers  und  des  Chloroforms  auf  Respiration 
nnd  Circulation  einander  entgegengesetzt  sind,  haben  Amerikaner 
eine  Mischung  beider  Mittel  vorgeschlagen.  Solche  im  Verhält- 
niss  von  4 : 1  zeigten  sich  schwach ,  von  2 : 1  dagegen  wirksam 
und  praktisch.  Doch  wird  die  Mischung  schnell  durch  verschie- 
denes Gewicht  und  die  raschere  Verdunstung  des  Chloroforms 
▼erändert.  Diesem  Mangel  hilft  Dr.  Harley'a  Mischung  von  1  Theil 
Alkohol,  2  Theilen  Chloroform  und  8  Theilen  Aether  ab.  —  Von 
Apparaten  zum  Chloroformiren  empßehlt  das  Committee  nur 
den  des  Dr.  ülover  und  räth  in  Ermangelung  desselben  ein  kegel- 
förmig gefaltetes  Taschentuch  zu  benutzen.  —  Als  Wiederbe- 
lebungsmittel wird  künstliche  Athmung  von  Mund  zu  Mund 
den  andern  Methoden  vorgezogen.  —  Bei  der  Anwendung  des 
Chloroforms  ist  Zulassung  atmosphärischer  Luft  absolut  geboten. 
Chloroform  soll  immer  langsam  gegeben  und  besonders  nie  plötz- 
lich concentrirt  werden.  3}  Proc.  soll  die  ungefähre  Mischung 
und  4J  Proc.  mit  95}  Proc  Luft  das  Maximum  sein.  Erbrechen 
könne  man  durch  schnelles  Chloroformiren  vermeiden.  Wird  Pat. 
plötzlich  blass  oder  livide,  setzt  der  Puls  aus,  wird  die  Athmung 
plötzlich  schwach  oder  oberflächlich,  so  soll  sofort  das  Anaesthe- 
ticum  angesetzt  werden.  Herz-  oder  Lungenkrankheiten  sollen 
den  Gebrauch  des  Chloroforms  nicht  contraindiciren. 

Es  ist  aus  der  Geburtshülfe  dem  Committee  kein  beglau- 
bigter Todesfall  durch  Chloroform  bekannt.    In  massigem  Grade 


802  ^l-    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

angewendet,  schwächt  es  etwas  normale  Geburtswehen;  nur,  wenn 
es  tiefe  Betäubung  hervorruft,  hebt  es  dieselben  auf.  Es  prae- 
disponirt  nicht  zu  puerperalen  Gonvulsionen  oder  zur  Apoplexie, 
nicht  zu  Krankheiten  im  Wochenbett  und  hat  wohl  keinen  schäd- 
lichen Einfluss  auf  das  Kind.  Dagegen  ist  unentschieden,  ob  es 
zu  vollkommener  Zusammenziehung  des  Uterus  und  zu  Blutungen 
nach  der  Geburt  disponirt.  In  WendungsfUlIen  ist  tiefe  Betäu- 
bung zu  empfehlen,  weniger  bei  instrumentaler  Entbindung,  da 
es  die  Kreisende  schwerer  zu  behandeln,  „less  manageable" 
macht  Im  Ganzen  wird  in  geburtshülflichen  Fällen  Chloroform 
dem  Aether  vorzuziehen  sein. 

Auch  in  der  Gynaecologie  ist  der  Gebrauch  des  Chloroforms 
zu  empfehlen,  besonders  bei  sehr  empfindlichen  Frauen,  bei  sehr 
schmerzhaften   Untersuchungen,    bei   Simulation   und   zur   Be- 
kämpfung hysterischer  Krämpfe. 
(Medice  Chirurg.  Transactions.  Vol.  XL VII.  London  1864.  S.  323.) 


Henri/  Bennet:  Behandlung  der  Üterin-Schmer- 
zen  durch  hypodermatische  Injectionen. 
Durch  die  Artikel  von  Okaries  Hunter  (in  Lancet)  angeregt, 
hat  B.  mit  Erfolg  die  hypodermatische  Iqjection  bei  schmerzhafter 
Dysmenorrhoe  mit  oder  ohne  hysterische  Complicationen,  bei 
Neuralgie  des  Uterus  und  der  Ovarien  und  bei  der  den  Uterus- 
Neuralgieen  sympathischen  Gesichts-Neuralgie  angewendet  Die 
Erleichterung  des  Schmerzes  erfolgte  in  15—30  Minuten,  ohne 
dass  Kopfschmerz,  Appetitverlust  und  Brechen  eingetreten  wären. 
Die  von  ihm  benutzte  Formel  war: 

B,  Morph,  acet.  gr.  ix. 

solve  in  Aqu.  dest.  §  jj. 
entsprechend  dem  Laudanum  liqu.  Sydenham. 

B.  wählte  vorzüglich  die  Praecordialgegend ,  wenn  es  sich 
um  Uterin  -  Neuralgie  oder  allgemeinen  Schmerz  handelte.  Bei 
lokalen  Neuralgieen  wählt  man  zweckmässig  den  nächstgelegenen 
Punkt. 

(Gaz.  des  höpit  1864.  7.  Juli.  No.  79.) 


Edw.  B.  Sinclair:  üeber  die  Anwendung  des 
Chloroforms  in  der  Geburtshülfe. 
An  eine  ziemlich  ausführliche  und  specielle  Erörterung  über 
die  im  Dubliner  Lying-in  Hospital  beobachteten  Fälle  von  An- 
wendung des  Chloroforms  beim  Geburtsacte  schliesst  Verf.  eine 
Kritik  des  daselbst  gewonnenen  statistischen  Materials,  vorzüg- 
lich um  nachzuweisen,  dass  die  von  einigen  Statistikern  hierüber 
aufgestellten  Angaben  ohne  genügende  Kritik  der  einzelnen  Fälle 


VI,    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  303 

zufiammengestelh  und  daher  unrichtig  sind.  Besonders  geht  aus 
seiner  Erörterung,  die  durch  Tabellen  erläutert  ist,  hervor,  dass 
die  ungünstigen  Resultate  der  Ghloroformirung  mehr  auf  Kosten 
der  schweren  und  complicirten  Geburtsfällc  zu  rechnen  sind,  in 
welchen  sie  angewandt  wurde.  Tödtlichen  Effect  oder  wesentliche 
KachtheÜe  der  Narcotisirung  hat  Verf.  trotz  zahlreicher,  selbst 
bei  normalen  Geburten  angestellter  Versuche  nicht  beobachtet 
Dennoch  aber  kann  er  sich  nicht  entschliessen ,  den  auf  solche 
normale  Verhältnisse  auszudehnenden  Gebrauch  des  Chloroforms 
£u  empfehlen,  will  dasselbe  vielmehr  nur  in  Fällen,  wo  eine 
dringendere  Indication  vorliegt,  angewandt  wissen.  Zu  dieser 
Beschränkung  der  Anwendung  veranlasst  ihn  die  in  zwei  Fällen 
gemachte  Erfahrung,  dass  die  Geburtsthätigkeit  zuweilen  dadurch 
bedeutend  abgeschwächt  und  verlangsamt  wird,  und  dass  sogar 
—  vielleicht  auf  der  Basis  einer  Idiosyncrasie  —  leicht  und  plötz- 
lich eine  Lebensgefahr  eintreten  kann,  wenn  nicht  eine  scharfe 
Controle  des  Pulses  ausgeübt  wird. 

Angefügt  sind  Erzählungen  dieser  beiden  Fälle. 

In  Fall  1.  handelte  es  sich  um  eine  zum  dritten  Male  Ge* 
bärende,  welche  bei  den  vorhergegangenen  Geburten  stets  auf 
eigenen  Wunsch  chloroformirt  worden  war,  aber  auch  stets  eine 
schwere,  mit  Blutungen  complicirte  Nachgeburtsperiode  durchge- 
macht hatte.  Verf.  fand  diesmal  den  Kopf  des  Kindes  bereits  so 
weit  herabgedrängt,  dass  er  in  3  oder  4  Wehen  geboren  sein 
konnte.  I)ie  Wehen  waren  kräftig.  Auf  Andringen  der  Patientin, 
der  Arzt  solle  sie  chloroformiren,  gab  dieser  nach ;  hierauf  wurden 
die  Wehen  schwächer  und  unwirksamer  und  nach  einer  Anae- 
sthesie  von  6  Stunden  sah  sich  Verf.  genöthigt,  die  Geburt  mit- 
tels Forceps  zu  vollenden.    Die  Nachblutung  war  beträchtlich. 

Fall  2.  betraf  eine  Erstgebärende,  bei  welcher  sich  vor  Ab- 
lauf der  Schwangerschafts-Dauer  Wehen  eingestellt  hatten  Verf. 
fand  einen  Tmonatlichen ,  sich  in  Fusslage  einstellenden  Foetus. 
Auf  dringende  Bitten  chloroformirte  er  die  Frau ,  worauf  die  bis 
dahin  kräftigen  Wehen  schwach  wurden.  Plötzlich  hörten  Puls 
und  Respiration  auf  und  nur  mit  Mühe  gelang  es  dem  Verf.,  das 
erlöschende  Leben  wieder  anzufachen. 

(Dublin  Quarterly  Journal.   August  1864.) 


R.OUhausen:  Die  Bjehandlung  scheintodter  Neu- 
geborener durch  künstliche  Respiration. 
Von  der  jetzt  allgemein  gewordenen  Ansicht  ausgehend,  dass 
oft  der  Tod  und  meist  der  Scheintod  bei  Kindern  unter  der  Ge- 
burt durch  frähzeitige  Athembewegungen  in  Folge  von  Erstickung 
einträte  (vergl.  H.  Schwartz:  Die  vorzeitigen  Athembewegungen. 
Leipzig  1858)  schliesst  sich  Verf.  innig  der  Meinung  von  F.  Hueter  an 
(Catheterisation  der  Luftröhre  bei  asphyktisch  geborenen  Kindern : 


304  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Monatsschrift  für  Geburtskunde.  1863.  Bd.  XXI.  S.  123),  nämlich 
dass  erst  die  vorhandenen  Flüssigkeiten  stets  mittels  Gatheters 
aus  den  Luftwegen  zu  entfernen  seien,  ehe  Luft  in  dieselben  ein- 
geblasen werden  könne.  So  erst  kann  das  Blut  in  den  Lungen 
arterialisirt  und  durch  dieses  dann  das  Herz  zu  grösserer  Thätig- 
keit  angeregt  werden;  jede  einzelne  richtig  ausgeführte  Inspiration 
beschleunigt  die  Herzthätigkeit  um  10—20  Schläge. 

Dass  es  Gegner  dieser  Methode  giebt,  liegt  nur  an  unrich- 
tiger Ausführung  der  Operation;  so  z.  B.  verwirft  Verf.  das  Ein- 
blasen  von  Mund  zu  Mund;  wie  Haeter,  führt  er  das  Einblasen 
von  Luft  nur  mittels  elastischen  Catheters  von  i"*  im  Durch- 
messer aus,  den  er  1! — 3''  durch  die  Stimmritze  hindurch  fiEÜirt.  Die 
ersten  Inspirationen  massen  etwas  kräftig  gemacht  werden,  bis 
sich  der  Thorax  sichtlich  hebt.  Misslingt  der  Versuch,  so  schiebt 
man  den  Catheter  noch  1  -  2**  tiefer,  um,  Aber  die  Theilungsstelle 
der  Trachea  hinausgelangt,  jede  Lunge  für  sich  aufzublasen. 
Man  macht  ungefähr  8  Inspirationen  in  der  Minute,  jede  Exspi- 
ration geschieht  durch  Heraufdrängung  des  Zwerchfells  und  Com- 
pression  des  Thorax  mittelst  beider  Hände.  Das  zuweilen  ent- 
stehende interstitielle  Emphysem  hält  Verf.  nicht  für  gefährlich, 
wohl  aber  das,  einmal  bei  Experimenten  un  der  Leiche  beobach- 
tete Pneumopericardium.  Den  Einwurf,  dass  die  inspirirte  Luft 
exspirirte  sei,  entkräftet  er  mit  dem  Hinweis,  dass  diese  min- 
destens besser  sei,  als  keine.  Die  nächste  Folge  des  Luftein- 
blasens  ist  Beschleunigung  der  Herzthätigkeit  bis  auf  120  bis 
150  Schläge. 

Er  wendet  diese  Methode  natflrlich  nur  in  den  höhern  und 
höchsten  Graden  der  Asphyxie,  d.  h.  wenn  ausser  dem  Herz- 
schlage kein  Lebenszeichen  wahrgenommen  wird,  an.  Bei  An- 
wesenheit von  Schleim  in  der  Mundhöhle  versäume  man  nie 
zuerst  eine  kräftige  Aspiration  dieser  Massen,  und  setze  hierauf 
die  künstlichen  In-  und  Exspirationen  so  lange  fort,  bis  das  Kind 
ungefähr  vier  selbstständige  Inspirationen  in  der  Minute  macht 
Bis  zum  ersten  spontanen  Athemzuge  vergehen  oft  -l— J  Stunde, 
bis  zur  völligen  Bcschliossung  der  Operation  öfters  1^—2  Stunden. 

Hieran  knüpft  Verf.  die  Erzählung  von 

1)  7  Fällen  mit  vollständigem  Erfolge  nach  sehr  starker 
Asphyxie;  in  dem  einen  Falle  genügte  die  blosse  Aspiration  der 
Schleimmassen  zur  Anregung  spontaner  Inspirationen;  und 

2)  3  Fällen  mit  vorübergehendem  Erfolge.  Die  Kinder  kamen 
zu  sich,  aber  gingen  doch  bald  zu  Grunde,  theils  wegen  Neben- 
stönmgen,  thcils  durch  die  Unzulänglichkeit  der  Operation. 

Der  Verf.  schliesst,  indem  er  noch  einige  Worte  zur  Kritik 
der  Anwendung  der  gewöhnlichen  Wiederbelebungsmittel  hinzu- 
fügt. Das  unentbehrlichste  derselben  ist  das  warme  Bad.  Haut- 
reize und  zuweilen  Aderlass  bei  vermeintlichen  Blutüberfüllungen 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  305 

innerer  Organe  bilKgt  er,  verwirft  aber  Femiceh  elektriBche 
Beisungen  der  Nervi  phrenici. 

(Deutoche  Klinik  1864.  No.  36  ff.) 


0.  Spieyelbei'g :  Zur  Behandlung  des  Scheintodes 
der  Neugeborenen  (die  Marshall  HalTsche 
Methode). 
In  dem  I.  Abschnitte  zollt  Verf.  den  Arbeiten  von  Htteter 
(Catheterisation  der  Luftröhre  bei  asphyktisch  Geborenen ;  Monats- 
selirift  f.  Geburtsk,  XXI.)  und  von  Femice  (Ueber  den  Scheintod 
der  Kinder  und  dessen  Behandlung  durch  elektrische  Reizungen : 
Grcifswalder  Mediz.  Beitrüge.  II.  1.)  die  verdiente  Anerkennung 
in  Betreff  der  Darstellung  des  Wesens  der  Asphyxie ;  mit  Schwartz 
und  Obigen  nimmt  auch  Verf.  an,  dass  die  Asphyxie  meist  durch 
verhinderten  Abfluss  des  mit  Kohlensäiu'c  geschwängerten  Blutes 
während  der  Wehen thätigkcit  herbeigeführt  wird  (Erstickungstod), 
und  so  muss  denn  die  Behandlung  (II.  Abschnitt)  naturlich  in 
Entfernung  der  Kohlensäure -Intoxicatiou  bestehen,  also  in  An- 
regung der  Respiration  in  guter  Luft  nach  Entfernung  der  aspi- 
rirten  Massen  aus  Trachea  und  Bronchien.    Verf.  verwirft  aber 
für  schwerere  Fälle  sowohl  Pemice's  Faradisatiun  der  Nervi  phre- 
nici  (weil  man  den  Apparat  nicht  stets  zur  Hand  hat)  als  auch 
HueUf's  Methode  (weil  das  Einbringen  des  Catheters  sehr  ge- 
schickte Hände  erfordere)  und  berichtet,  dass  er  für  seine  Person 
den  besten  Erfolg  durch  die,  noch  wenig  angewandte  Marshall 
HaWiche  Methode  (die  derselbe  „ready  method"  nennt)  selbst  in 
den  schwersten  Fällen  von  Asphyxie  erreicht  habe.    Man  lagert 
das  asphyktiscbe  Kind  auf  das  Gesicht  und  unterstützt  die  Brust 
mit  einem  Tuche,  den  Kopf  durch  die  untergelegten  Arme  des 
Kindes.    Nach  einigen  Secunden  dreht  man  den  Körper  langsam 
auf  die  Seite  und  etwas  darüber  hinaus  und  dann  schnell  wieder 
auf  das  Gesicht  zurück;  sodann  dreht  man  es  auf  die  entgegen- 
gesetzte Seite  und  dies  so  fort,  ungefähr  15  Mal  in  der  Minute. 
Während  der  Bauchlage  übt  man  zugleich  einen  gelinden  Druck 
mit  Reibungen  längs  der  Wirbelsäule  aus.    Man  beginnt  das  Ver- 
fahren am  besten,  nachdem  man  das  Kind  einige  Augenblicke  in 
ein  warmes  Bad  gesetzt  hat,  für  kurze  Zeit,  um  dann  wieder  mit 
dem  Bade  abzuwechsehi,  worauf  dann  wieder  die  Rotirungen  be- 
ginnen.   Durch  dieses  Verfahren  werden  sowohl  die  adspirirten 
Massen    leicht  entfernt  (aus  dem  Munde  uatürhch   mittels  des 
Fingers),  indem  die  Zunge  in  der  Bauchlage  nach  vorn  fällt  und 
80  die  Epiglottis  vom  Kehlkopfeingange  abgezogen  wird,  als  auch 
dem  Lultzutritte  der  nöthige  Raum  verschafft;  es  hat  den  Verf. 
noch  nie  im  Stich  gelassen,  wenn  noch  irgend  eine  Spur  von 
aipirateriacher  Bewegung  und  Herzschlag  vorhanden  war.  Schliess- 
lich führt  der  Verl  III.  noch  4  Fälle  an,  in  denen  er  mit  Erfolg 

Honatsffchi.  f.  Geburtsk.  1865.  Bd.  XXV.  SuppL-H/t.  20 


306  VI.    Notiten  aus  der  Jonrnal-Litpratur. 

die  Marshall  HalFsche  Methode  anwandte.  Nach  drei  bis  sechs 
Umkehrungen  erfolgte  meist  die  erste  Inspiration  (in  Einem  Falle 
nur  erst  nach  Jstflndigen  Rotirungen).  Sämmtliche  Kinder  waren 
in  hoher  Asphyxie  (III.  Grad  von  Hueter). 

(Würzb.  mediz.  Zeitschrift.  1864.  Bd.  5) 


Ckassinat:  Der  Wasserkopf  des  Foetus  alsHin- 
derniss  beider  Geburt. 
Im  Ganzen  sind  sowohl  in  früheren  als  auch  in  späteren 
Zeiten  Wasserköpfe,  zumal  solche,  welche  ein  gröiseres  Hinder- 
niss  für  die  Geburt  abgeben,  selten  beobachtet  worden.  So  fand 
z.  B.  die  Lachapelle  unter  43,555  G^burtsfällen  nur  15  Wasser- 
köpfe, also  1  :  2904,  und  unter  diesen  mehrere  nur  geringen  Gra- 
des. Verf  hat  eine  grössere  Zahl  hierhergehöriger  F&lle  gesam- 
melt, von  denen  einige  noch  nicht  veröffentlicht  waren,  um  ans 
ihnen  allgemeinere  Regeln  für  die  Geburten  solcher  Wasserköpfe 
zusammeTiznstellen.  Er  theilt  die  Fälle  in  zwei  Klassen:  1)  mit 
Kopflagen,  2)  mit  Steisslagen,  ein  und  trennt  die  natürlich  ver- 
laufenen Geburten  von  den  künstlich  beendeten  In  der  ziemlich 
ausführlichen  anatomischen  Beschreibung  der  Eigenthümlichkeiten 
des  mit  Wasserkopf  behafteten  Kindes  geht  er  auf  die  verschie- 
dene, in  drei  Grade  eingeth eilte  Vergrösserung  des  Schädels,  die 
Beschaffenheit  der  Kopfknochen,  die  Bedeckungen  des  Kopfes,  das 
Gehirn  und  seine  Häute,  so  wie  auf  den  übrigen  Körper  des  Kindes 
ein,  ohne  aber  neue  Gesichtspunkte  hervorzuheben.  Auch  die  Auf- 
zählung der  Zeichen  des  Hydrocephalus  vor  seiner  Geburt  bietet  nur 
Bekanntes.  Er  hebt  hervor,  dass  leider  die  Hydrocephalie  meist 
(unter  28  Fällen  17  Mal)  selbst  von  geübteren  Geburtshelfern  ver- 
kannt worden  ist.  Ueber  die  ursächlichen  Momente  sowohl  seitens 
der  Mutter  als  des  Kindes  besitzen  wir  keinen  irgend  genügen- 
den Anhalt,  wir  können  nur  Yermuthungen  darüber  aufstellen. 
Der  Foetus  stellt  sich  verhältnissmässig  seltener  mit  dem  Kopfe 
zur  Geburt  als  bei  normalen  gesunden  Kindern,  bei  letzteren 
nämlich  19  Mal  in  20  Fällen,  bei  Hydrocephalus  nur  15  Mal  in 
20  Fällen ,  demnach  verhältnissmässig  öfter  in  Steisslagen.  Für 
das  häufigere  Vorkommen  von  Querlagen  fehlen  die  Beobachtun- 
gen. Aus  den  von  ihm  gesammelten  und  beschriebenen  Fällen 
geht  hervor,  dass  bei  21  Schädellagen  7  Mal  eine  natürliche  Ge- 
burt erfolgte,  14  Mal  Kunsthülfe  nöthig  war;  bei  7  Steisdagen 
war  die  Geburt  3  Mal  natürlich,  4  Mal  künstlich.  Bei  den  21  Sch&del- 
lagen  war  12  Mal  die  Eigenthtimlichkeit  des  Kopfes  nicht  erkannt, 
bei  den  7  Steisslagen  war  5  Mal  keine  exacte  Diagnose  gemacht 
worden.  Verf.  geht  nun  die  Zeichen  bei  vorliegendem  Schädel 
und  vorliegendem  Steisse  sehr  ansfährlich  durch,  ohne  wesentlich 
neue  Momente  aufzustellen. 

Auch  die  möglichen  Verwechselungen  des  Wasserkopfes,  ».  B. 
mit  dem  Bauche  des  Foetas,  mit  dem  hochstehenden,  nar  theü- 


yi.    Notizen  »u8  der  Joornsüi-Lijfceraturi'  307 

weise  ins  Becken  getreteneu  normalen  Kopfe,  anderen  Qeschwül*! 
sten  des  Kopfes,  wie  Oedem,  Hirnbrucfa,  Kysten,  Doppelköpfen, 
mit  Molen  werden  erwähnt  und  mit  Itecht  hervorgehoben,  das» 
sie  sämmtlich  bei  genauer  Untersuchung  vermieden  werden  können; 
dasselbe  gilt  von  Verwachsung  des  Muttermundes  oder  der  Scheide, 
Entartungen  des  Collum,  Lageveränderungen  und  Schiefheiten  der 
Gebärmutter,  fibrösen  Geschwülsten  und  Polypen,  Verengungen 
und  Verunstaltungen  des  Beckens  u.  a.  m. 

Die  Prognose  betreifend,  hat  Verf.  125  Fälle  gesammelt  und 
in  vier  Tabellen  geordnet,  um  die  Aussichten  für  die  Erhaltung 
des  Lebens  der  Kinder  zu  bestimmen  In  der  ersten  Tabelle  sind 
17  Fälle  zusammengestellt,  in  denen  der  Hydrocephalus  sich 
zwischen  dem  3.  und  U.  Lebensjahre  (einschliesslich)  entwickelte; 
letzteres  Jahr  ist  das  späteste,  in  welchem  noch  die  Entwickelung 
eines  inneren  chronischen  Wasserkopfes  mit  Vergrösserung  des 
Kopfes  beobachtet  wurde ;  zwei  dieser  Fälle  waren  durch  Puoction, 
die  andern  alle  nicht  behandelt  worden ;  der  Tod  erfolgte  zwischen 
dem  3.  und  50.  Lebensjahre,  fünf  lebten  noch.  Die  zweite  Tafel 
enthält  27  Fälle,  in  denen  zwischen  dem  vierten  Monate  und  Ende 
des  zweiten  Lebensjahres  die  Krankheit  sich  entwickelte;  drei 
Fälle  wurden  durcb  Function,  zwei  mit  Mercur,  die  übrigen  nicht 
behandelt;  die  meisten  starben  vor  dem  5  Lebensjahre,  einige 
erst  später  im  14.,  24.  und  45.  Jahre;  fünf  lebten  noch,  davon 
zwei  durch  Mercur  geheilt.  Die  dritte  Tafel  weist  21  Fälle  auf 
mit  der  Entwickelung  der  Krankheit  in  den  drei  ersten  Lebens- 
monaten; fünf  waren  durch  Pnnction,  zwei  mit  Moxen  behandelt, 
die  andern  gar  nicht ;  die  meisten  starben  im  1.  Jahre,  drei  erst 
später,  vier  lebten  noch,  davon  zwei  durch  Moxen  geheilt.  Sämmt- 
liche  Kranke  obiger  drei  Tafeln  waren  geistig  schwach,  einige 
bis  zum  untersten  Idiotismus,  und  der  Umfang  der  Köpfe  machte 
vielerlei  Beschwerden.  Je  jünger  die  Kinder  beim  Entstehen  der 
Krankheit  waren,  desto  schnrller  entwickelte  sich  letztere  und 
führte  schneller  zum  Tode.  Ein  Kind,  welches  mit' geringem 
Wasserkopfe  geboren  war,  starb  1  Monat  alt,  und  sein  Kopf 
enthielt  24  Pfund  Flüssigkeit  Von  60  Kindern,  die  mit  Wasser- 
kopf geboren  wurden,  kamen  41  todt  zur  Welt  und  nur  sieben 
Mal  war  die  Geburt  spontan  erfolgt  Von  den  19  übrigen  lebend 
mit  Hydrocephalus  geborenen  Rindern,  welche  in  der  vierten 
Tafel  aufgeführt  sind,  starben  15  innerhalb  der  ersten  21  Lebens- 
jahre, vier  lebten  noch,  davon  eins  geheilt.  In  diesen  Fällen 
hatte  der  Wasserkopf  bei  der  Geburt  stets  einen  nur  geringen 
Umfang,  die  Kinder  führten  ein  trauriges  Leben. 

Im  Ganzen  ist  also  die  Hoffnung  auf  die  Lebenserhaltung 
der  Kinder  sehr  gering,  fast  alle  sterben  früh  und  die,  welche 
länger  leben,  führen  kaum  ein  menschliches  Leben.  Die  inneren 
und  äusseren  Behandlungen  nützen  nichts,  die  Function  beschleu- 
nigt meist  das  Ende,  die  wenigen  oben  als  geheilt  aufgeführten  ' 

20* 


308  ^I-    NotiteB  ans  der  Journal -Literatur« 

FÄlle  sind  nicht  weiter  Tcrfolgt  worden.  Alle  Foetas  mit  stäricer 
entwickeltem  Wasserköpfe  wurden  schwer  und  todt  geboren;  die 
Kanst  mnss  dann  eingreifen  und  nicht  zu  spät  uud  nicht  das 
Leben  des  Foetus  schonend,  muss  vielmehr  nur  darauf  bedacht 
sein,  die  Gesundheit  und  das  Leben  der  Mutter  zu  erhalten. 

Der  Einfluss  der  Geburt  des  Wasserkopfes  auf  die  Mutter 
ist  Erschöpfung  der  Kräfte,  Druck  der  Weichtheile  und  Nerven, 
Lähmung  und  Krämpfe  der  Beine,  Ohnmächten,  Quetschungen, 
Biutergiessungen ,  Entzündungen,  Zerreissnugen  des  Uterus,  der 
Scheide,  des  Dammes.  Diese  Gefahren  erlauben  nicht,  an  die 
Schonung  des  Foetus  zu  denken,  sondern  machen  die  mehr  weniger 
eingreifenden  Verfahren  nöthig. 

Die  rationellste  und  ergiebigste  Anzeige  für  das  gebnrtshfilf- 
liehe  Verfahren  ist  die  Perforation  des  Schädels  und  Abzapfen 
des  Wassers.  Dann  kann  die  Natur  allein,  oder  der  Zug  mit 
dem  Finger  oder  stumpfen  Haken,  oder  am  Rumpfe,  wenn  dieser 
schon  geboren  ist,  oder  die  Wendung  auf  die  Füsse  bei  noch 
hochstehendem  Kopfe,  oder  die  Zange  bei  tiefstehendem  Kopfe 
die  Entwickelung  des  Foetus  erleichtern.  Hat  man  vorher  nicht 
perforirt,  so  sollte  mau  niemals  die  Wendung  machen  und  die 
Zange  nur  bei  tiefstehendem  Kopfe  versuchen.  Als  Perforations- 
Instrument  empfiehlt  sich  am  meisten  Smeüie's  Scheere. 

(Gaz.  medicale  de  Paris.  No.  29—63.  1864.) 


jR.    Wagner:  Ein  Fall  von  Lithopaedion. 

Verf.  theilt  den  höchst  interessanten  FaU  mit,  dass  in  der 
Leiche  einer  68  Jahre  alten  Frau,  die  plötzlich  gestorben  war, 
bei  der  Section  ein  Lithopaedion,  besser  Dermatopaedion  gefun- 
den wurde.  Die  Frau  hatte  bis  zu  ihrem  24  Lebensjahre  fünf 
Kinder  geboren  und  glaubte  sich  zum  sechsten  Male  schwauger, 
als  sie  vom  Typhus  befallen  wurde,  während  dessen  die  Kindes- 
beweguDgen  verschwanden;  trotz  29jährigcn  Bestehens  und  Auf- 
enthaltes des  Kindes  im  Mutterleibe  (die  ganze  Geschwulst  wog 
Si  Pfd.  und  war  kindskopfgross)  war  dasselbe  noch  in  allen 
Theilen  fast  ganz  gut  erhalten,  nur  sehr  eng  zusammengekauert. 
Sämmtliche  Theile  zeigten  normale  Structur,  nur  die  Weichtheile 
waren  sehr  eingetrocknet,  einzelne  Knochen  zeigten  starke  Ver- 
kalkungen; die  Kopfhaut  war  an  einzelnen  Stelleu  und  das  eine 
Ohr  ganz  mit  den  Eihäuten  verwachsen.  Letztere  besassen  spär- 
liche, theilweise  feste  Adhäsionen,  besonders  am  untern  Theile. 

Ob  eine  graviditas  abdominalis  primaria  oder  secundaria 
stattgefunden,  lässt  Verf.  dahingestellt.  Die  Grösse  entsprach 
einem  ziemlich  ausgetragenen  Kinde ;  den  vorgeschlagenen  Kaiser- 
schnitt hatte  die  Frau  vor  29  Jahren  nicht  gestattet. 

(Archiv  der  Heilkunde.   1865.   2,  Heft) 


VI.    Notizen  ^ns  der  Journal -Literatur.  309 

G.  Bravn:  Die  strangförmige  Aufwickelung 
des  Amnion  um  den  Nabelstrang  des  reifen 
Kindes  —  eine  seltene  Ursache  des  intrau- 
terinen Todes. 
Bei  der  häufig  voikommenden  logen  Verbindnng  zwischen 
Chorion  und  Amnion  geschieht  es  leicht,  daes  diese  Hftute  ein- 
zeln bersten  nnd  zwar  meist  zuerst  das  Ghorion.  In  seltenen 
Fällen  zerreisst  zuerst  das  Amnion  und  wird  durch  aetive  Be- 
wegungen der  Frucht  zu  einem  strangförmigen  Gebilde  aufgedreht, 
das  durch  Umschlingung  um  den  Nabelstrang  Girculationsstörung 
und  den  Tod  der  reifen  Frucht  bedingen  kann.  Verf.  beobachtete 
einen  solchen  Fall.  Bei  der  Aufnahme  einer  Schwangeren  in  der 
Klinik  fand  man  die  Zeichen  einer  nahebevorstehenden  Geburt, 
die  Frucht  lebend,  in  erster  SchAdellage.  Als  acht  Tage  später 
die  rechtzeitige  Geburt  eintrat,  wurden  die  kindlichen  Herztdne 
nicht  mehr  gehört,  die  Geburt  wurde  leicht  und  schnell  beendet 
Das  gebome  Kind  war  6  Pfund  8  Loth  Wiener  Gewicht  schwer, 
19''  lang  und  hatte  alle  übrigen  Zeichen  der  Keife,  aber  die  Epi- 
dermis löste  sich  bereits  an  mehreren  Stellen  in  dünnen  Fetzen 
ab.  Den  Nabelstrang  bedeckte  von  der  Placenta  her  bis  in  seine 
Mitte  ein  strangförmiges  Gebilde  und  hüllte  ihn  in  Windungen, 
welche  fest  an  seiner  Aussenfläche  anlagen,  ein,  so  dass  an  ein^ 
beiläufig  5"  vom  Nabelringe  entfernten  Stelle  eine  vollständige 
Compression  seiner  Gefässe  herbeigeführt  war.  Chorion  und  Pla- 
centa waren  normal.  Bei  der  Entfaltung  des  strangförmigen  Ge- 
bildes erwies  sich  dasselbe  als  Amnion,  welches,  flächenartig  aus? 
gebreitet,  sich  vollkommen  dem  Chorion  anpassen  liess  und  an 
der  Insertionsstelle  des  Nabelstranges  als  Hülle  desselben  bis  auf 
eine  Entfernung  von  1  Zoll  sich  ablösen  liess.  Auch  das  Mikro- 
skop bestätigte,  dass  die  Haut  das  Amnion  war. 

Dnrch  diese  neue  Beobachtung  wird  ein  älterer  Fall  desselben 
Verf.'s  (Zeitschr.  d.  Gesellsch.  d.  Aerzte  in  Wien.  1854.  6.  192.), 
in  welchem  die  Ligatur  der  Nabelschnur  durch  Amniosstränge 
gefanden  wurde,  unterstützt.  Im  Jahre  1852  wurde  in  der  Klinik 
von  einer  gesunden  Erstgebärenden  ein  reifes,  aber  sehr  mageres 
und  blass  aussehendes  Kind  geboren,  welches  gleich  nach  der 
Geburt  starb.  Bei  der  Section  fand  sich  Atelectase  und  Anaemie, 
an  der  Nabelschnur  aber  bemerkte  man  1  Fuss  weit  vom  Nabel* 
ringe  entfernt  an  einer  3  Linien  breiten  Stelle  ein  Convolut  von 
Knoten  und  Strängen,  die  endlich  in  die  flächenformige  Ausbrei- 
tung des  Amnion  ausliefen.  Von  der  Ligatur  bis  zur  Innenfläche 
der  Placcntii  war  die  Nabelschnnr  von  ihrer  Scheide  entblösst, 
so  dass  man  das  Entstehen  der  durch  Stränge  gebildeten  Ligatur 
durch  theilweises  Abstreifen  des  lose  anhängenden  Amnion  vom 
Nabelstrange  erklären  konnte.  Jeder  Strang  konnte  ausserdem 
mechanisch  entfaltet  und  in  eine  sorOse  Membran  ausgebreitet 


'310  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur» 

werden.  Hier  hatte  das  Convolut  von  Knoten  und  Strängen  eine 
mangelhafte  Ernährung ,  aber  noch  nicht  den  Tod  des  Foetus 
veranlasst 

Dem  Gesagten  zufolge  kann  also  das  Amnion  nicht  nnr  in 
den  frühereren  Schwangerschaftsmonaten  durch  anomale  FaUung 
die  Bildung  und  Weiterentwickelung  einzelner  Foetustheile  ver- 
hindern  oder  Theile  davon  absetzen,  sondern  auch  in  den  späteren 
Monaten  Ligaturen  des  Nabelstranges  mit  Nachtheil  f&r  das  fötale 
Leben  bilden. 

(Oestr.  Zeitsch.  f.  prakt  Heilknnde,  1865.  No.  9.  10.) 


0.   Spiegelberg:    Drei    Fälle    von    Struma    con- 
genita. 

Verf.  weist  aui*  die  von  Hecker  beobachteten  Fälle  von  den 
unter  der  Geburt  von  Kindern  in  Gesichtslage  entstandenen  An- 
sehwellungen  der  Glandula  thyreoidea  hin,  die  jedoch  meist  nur 
ans  der  Kindeslage  hervorgegangen  waren  (den  seltenen  Fall  aus- 
genommen, dasB  gerade  durch  die  Struma  eine  fehlerhafte  Hal- 
tung des  kindlichen  Schädels  in  Gesichislage  erzeugt  wird)  und 
kommt  dann  auf  die  zahlreichen  Fälle  von  wirklichem,  intraute- 
rinem Kröpfe  zu  sprechen.  Den  hier  einschlagenden  froheren 
Beobachtungen  fügt  er  aus  eigener  Anschauung  noch  drei  Fälle 
hinzu. 

In  sämmtlichen  Fällen  waren  die  Mütter,  deren  eine  xum 
zweiten  Male,  die  andere  zum  dritten  und  die  letzte  zum  vierten 
Male  schwanger  war,  mit  starkem  Kröpfe  behaftet  und  aus  den 
engen  Thälern  des  Schwarzwaldes  gcbtlrtig.  Die  Kinder  wurden 
leicht  geboren  und  zeigten  alle  abgegränzte  und  bewegliche  Ge- 
schwülste zwischen  Kion  und  Steruum.  Bei  zwei  Kindern  wurde 
die  Section  angestellt,  eines  wurde  am  10.  Tage  relativ  gesund 
entlassen  und  ist  über  sein  Schicksal  Nichts  bekannt  geworden. 
Das  eine  Kind  starb  ^  Stunde,  das  andere  am  dritten  Tage  nach 
der  Geburt.  Die  I%yreoidea  war  sehr  vergrössert,  das  Gewehe 
war  dicht,  nicht  von  Cysten  durchsetzt,  sehr  blutreich  (einfache 
intrauterine  Hyperplasie).  Stets  hatte  die  vergrösserte  Schild- 
drüse durch  Yerengenmg  des  Larynx  im  einen,  und  der  Trachea 
im  andern  Falle  Respirationshindernisse  bedingt,  die  d&n  Tod 
herbeiführten.  Zusammenhang  mit  Oretinismus  war  nicht  nach- 
zuweisen. 

(Würzburger  mediz.  Zeitschrift.   1864.   Bd.  5 ) 


Engel:  lieber  Entstehung  von   Missbildungen 
durch  äussere  Bedingungen. 
Die  frühere  Ansicht,  dass  die  Bildungsanomalien  das  Ergeb- 
niss  einer  mangelhaften  Entwickelung  des   zum  missgebüdeten 


VI.    Notisen  aufl  der  Journal -liileratur.  3t  1 

TheSe  geh^brigen  Nerren-  «ad  Gefäeaaj^parates  wSren,  vefwirft 
Verf.  Beide  Regelwidrigkeiten  entwickeln  sich  nach  ihm  gleich- 
seitig nebeneinander,  daher  könne  auch  die  eine  die  andere 
nickt  bedingen.  —  Den  Einfluss  der  mecjianiacben  YerhäHnisse 
auf  die  Entwickelung  sieht  er  als  ausgemacht  an,  nur  sei  es  etw«s 
Anderes,  ihnen  eine  zufällige  RoHe  in  gewiasen  Periodeader  Ent- 
wickelung zu  gestatten,  und  etwas  Anderes»  ihnen  eine  üauptrollfB 
in  jeder  Periode  der  Entwickelung  zuzuschreiben.  Schon  sei  man 
durch  die  neuerdings  angestellten  Experimente  den  Bedingungen 
der  normalen  und  anomalen  Entwickelung  n&her  gekommen. 
FreUich  gestatte  die  Zartheit  des  embryonalen  Organismus  es 
nicht,  ohne  Hintenansetzung  der  Lebensfähigkeit  des  zu  unter- 
suchenden Objectes,  Studien  fib6r  die  unmittelbare  Einwirkung 
auf  den  Embryo  zu  machen,  und  so  müsse  man  si^h  TorUiufig 
begnügen,  die  durch  verschiedene  Regelung  der  Tempe^ratur 
und  der  Feuchtigkeit  der  umgebenden  Atmosphäre  hervorge- 
brachten Anomalien  am  Foetuskeime  aufzusuchen. 

^  Die  Veränderungen  in  der  Temperatur  (Erhöhung  und  Er- 
niedrigung unter  das  Normalmass)  fähren  nicht  zu  Monstrositäten. 
Bei  stärkerer  Erhöhung  der  Temperatur  entwickele  sich  der 
Foetus  überhaupt  nicht,  oder  wenn  bereits  entwickelt,  gehe  (Jr 
zu  Grunde.  Bei  Erniedrigung  entstehe  nur  Verzögerung  der  Ent- 
wickelnngsYorgänge  und  schliesslich  Absterben,  aber  keine  Miss- 
bildung. 

Anders  verhalte  es  sich,  wenn  zugleich  die  Feuch- 
tigkeit der  umgebenden  Luft  möglichst  beschränkt 
werde,  dann  beobachte  man  oft  Missbildungen  schon  in  den 
ersten  Tagen  nach  der  Bebrütung.  --  Nach  kurzer  Beschreibung 
des  Apparates  zur  Hervorbringung  dieser  Missbildungen  giebt 
Verf.  eine  nach  ihrer  Zusammengehörigkeit,  bezüglich  der  For- 
men geordnete  Zusammenstellung  der  erzeugten  Missbildungen. 
Aus  den  Resultaten  seiner  Experimente  zieht  er  den  Schluss,  dass 
Veränderungen  der  zur  normalen  Entwickelung  des  Foetuskeiuis 
nothwendigen  Bedingungen:  gleichmässige  Temperatur  und  Feuch- 
tigkeit, keine  Hemmung,  sondern  eine  Anomalie  der 
Formentwickelung  hervorrufen;  aber  nur  mit  Wahrschein- 
lichkeit vermöge  man  Missbildungcn  durch  Variation  der  oben  an- 
gegebenen Verhältnisse  zu  veranlassen,  ohne  die  Art  derselben 
von  vom  herein  bestimmen  zu  können. 

Uebergehend  zu  einer  näheren  Besprechung  der  sogenannten 
drei  Gesetze  der  Missbildungen :  lex  compensationis,  lex  topicorum, 
lex  proprietatia,  reiht  er  au  dieselben,  aof  die  Resultate  seiner 
Untersuchungen  gestützt,  noch  das  Gesetz  des  gleichzeitigen 
Zusammentreffens'',  oder  der  ^Zusammengehörigkeit 
mehrerer  Missbildungen".  Organe  nämlich,  welche  aus  dem- 
selben Keime  hervorgehen,  würden  immer  gleichzeitig  missgebildet 


312  VI.    Notizren  aas  der  Journal -Literatur. 

erscheinen,  wenn  der  beiden  geneinsehaillfche  Kein  irgendwie 
erkranke. 

Schliesslich  erklärt  Verf. ,  dass  wenn  auch  Schwankungen  in 
der  Tempefratur  und  Feuchtigkeit  der  umgebenden  Medien  beim 
Menschen  keine  Rolle  spielten,  doch  Bedingungen  bei  ihm  auf- 
treten, die  man  bei  einschlagenden  Untersuchangen  in  ihrer  Wir- 
kung mit  den  genannten  Einflüssen  in  eine  Parallele  stellen  kann. 
(Wiener  med.  Wochenschrift.   1865.    No.  9,  8  u.  4.) 


C.ß.Ä^iVA^f:  Anatom  i  sehe  Beschreib  ung  drei  er, 
aehr    frühzeitiger   Doppel-Embryonen    von 
Vögeln,  —  zur  Erläuterung  der  Entstehung 
von  Doppel-Miasgeburten. 
Aus  der  Eingangs  seiner  Arbeit  sehr  ausführlich  gegebenen 
anatomischen  Beschreibung  dreier,  sehr  frühzeitiger  Doppel-Em- 
bryone  von  der  Gans  und  dem  Hühnchen  glaubt  Verf.  eine  Ein- 
sicht in  die  Entstehungsgeschichte  sämmtlicher  Doppel -Missge- 
barten  schöpfen  zu  können.    Nach  ihm   lassen  sich  dieselben 
wahrscheinlich  bei  genauerer  Prüfung  in  zwei  Abtheilungen  unter- 
bringen : 

1)  in  solche,  bei  welchen  die  sogenannte  Keimspaltung  in  der 
Längsaxe; 

2)  in  solche,  bei  deren  Genesis  eine  Spaltung  des  Keims  in 
der  Queraze  vorausgesetzt  werden  muss. 

In  manchen  Fällen  könne  es  allerdings  unentschieden  bleiben, 
ob  eine  Quer-  oder  Längsspaltung  des  Keimes  vorausgegangen 
sei,  denn  das  Lageverhältniss  der  betreffenden  Axen  wäre  durch 
die  unregelmässige  Entwickelung  einer  oder  beider  durch  Keim- 
spaltung gegebenen  Anlagen  zu  einander  so  verschiebbar,  dass 
ein  Uebergang  aus  der  einen  Abtbeilung  in  die  andere  wohl  statt- 
finden könne.  Hierbei  leite  ihn  die  Annahme,  dass  Doppel-Miss- 
bildungen  mit  einem  nur  rudimentär  entwickelten  Individuum  aus 
zwei  gleichwerthigen  Anlagen  dadurch  entstanden  seien,  dass  die 
eine  nur  sich  mangelhaft  ausbilde.  Wenn  es  sich  nachweisen 
lasse,  dass  derartige  Doppel  -  Missgeburten  aus  einer  unregel- 
mässigen  Keimspaltuug  mit  Rücksicht  auf  die  Richtung  der  Axen 
und  in  Betreff  der  qualitativen  und  quantitativen  Beschaffenheit 
des  Keimes  hervorgehen  könnten,  dann  würde  man  die  in  Rede 
stehenden  Doppel -Missgeburten  zu  den  regelmässig  angelegten 
rechnen  müssen. 

Nach  dem  Befunde  liessen  sich  folgende  Gesetise  für  die  Bil- 
dungsgeschichte der  Doppel'Missgeburten  aufstellen. 

1)  Jede  Anlage  einer  Doppel  -  Missgeburt  entsteht  an  einem 
befruchteten  Ei,  an  welchem  auffällige  Abweichungen  von  der 
Norm  sich  nicht  nachweisen  lassen. 


VI.    Notizen  ms  der  JouriMl- Literatur.  313 

2)  Der  Bildungsdotter  absolrirt  den  Furehongsprocess  wie 
bei  den  normal  sich  entwickelnden  befruchteten  Eiern,  seine  £nt- 
wickelungsgeschichte  beginnt  in  normaler  Weise  mit  Sonderung 
und  Bildung  der  UmhaUungshaut  Die  Anlage  für  die  Doppel- 
Missgeburt  erfolgt  an  dem  von  der  UmhaUungshaut  ganz  oder 
theilweise  bekleideten  Beste  der  Bildungsdotterzellenmasse ,  ent- 
weder vor  oder  nach  stattgehabter  Sonderung  in  die  ersten  Grund- 
lagen des  Wirbelkörpers  (Gentralsystem ,  Stratum  intermedium, 
Gylinder-Epithel  des  Darmkanals). 

3)  Den  Bildungsdotterzellen  muss  man  mit  Rücksicht  auf  die 
Doppel-Missgeburten  zwei  Eigenschaften  zuschreiben.  Einestheils 
sind  sie  befähigt  einzeln  als  Keim  eines  Individuums  aufzutreten 
und  nach  gesetzlichen  oder  abnormen  Zustanden  diese  Fähigkeit 
ziur  Geltung  zu  bringen;  andemtheils  vermögen  sie  in  Gemein- 
schaft mit  andern  in  den  Bildungsprocess  eines  Organismus  über- 
zugehen, wobei  ein  Theil  der  Zellen  die  erste  Eigenschaft  mehr 
«der  weniger  einbüsst,  ein  anderer  Theil  aber  als  keim&higes 
Material  (Eeimorgan)  bei  ihnen  reservirt  bleibt.  Der  letzte  Fall 
ist  der  normale  in  der  Bildungsgeschichte  einer  Species.  In  den 
Doppel -Missgeburten  dagegen  offenbart  sich  diese  Eigenschaft 
unter  abnormen  Yerh&ltnissün. 

4)  In  Rücksicht  auf  ihre  Genesis  ze^^en  die  für  die  Wirbel- 
ihiere  aufgestellten  beiden  Abtheilungen  von  Doppel-Missgeburten 
folgende  Unterschiede: 

a)  Bei  den  aus  Querspaltung  hervorgehenden  Doppel- 
Missgeburten  muss  die  Anlage  für  beide  Embryonen  in  einer 
Spaltung  der  Bildungsdotterzellenmasse  unmittelbar  nach  der  Bil- 
dung der  Umhüllungshaut  und  vor  Anlegung  der  primitiven  Grund- 
lage des  Wirbelthierorganismus  eingetreten  sein.  Es  beginnt  also 
der  Wirbelthierorganismus  mit  zwei  ursprünglich  gesonder- 
ten Anlagen  sich  zu  entwickeln.  Die  Vereinigung  und  das  Ver- 
wachsen kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  die  Beziehungen  der 
Doppel- Anlagen  zu  der  einheitlichen,  von  nur  einer  Urohül- 
lungshaut  bedeckten  Grundlage  sich  geltend  machen. 

b)  Bei  den  durch  Längsspaltung  bedingten  Doppel-Miss- 
geburten  kann  die  Ansicht  zu  Grunde  gelegt  werden,  dass  der 
normal  entwickelte,  bilateral  gebaute  Wirbelthierorganismus,  so 
zu  sagen,  ein  paariges  Individuum  darstelle,  in  welchem  die  linke 
und  rechte  H&lfte  zweien  Individuen  angehöre,  welche  sich  mit 
Aufoi^eruog  der  fehlenden  Hälften  zu  dem  bilateral  oonstrairten 
Wirbelt hierkörper  vereinigt  haben.  Hierbei  entsteht  die  Doppel- 
Missgeburt  dadurch,  dass  die  auf  die  Vereinigung  bezüglichen 
BildoBgsvorgänge  gestört  und.  eine  selbststftndige  Entwickelung 
und  eine  mehr  oder  weniger  vollständige  Trennung  der  für  den 
bilateralen  Bau  normal  berechneten  Doppel -Anlage  in  weiterem 
Fortgange  der  Entwickelung  zur  Geltung  kommt.  Entwickeln  sich 
so  die  Anlagen  eines  Doppel -!&nhryonen  weiter,  so  treten  mehr 


314  VI.    NotUen  ans  der  Jonroal- Literatur. 

oder  weniger  amföngliche  YerwachBungen  ein,  die  ihrerseits  wie- 
der die  Rückkehr  zar  Norm  anbahnen. 

(Archiv  f.  Anatomie,  Physiologie  u.  wiasenschalU. 
Midizin.  1864.  No.  6.) 


Breslau  und  Rindfleisch:  Geburtsgeschichte  und 
Untersuchung  eines  Falles  von  Foetus  in 
foetu. 
Ein  interessanter  Fall  von  Foetus  in  foetu,  den  B.  in  geburts- 
hülflicher  und  makroskopischer,  R.  in  mikroskopischer  und  tera- 
tologischer  Hinsicht  beschrieben,  ereignete  sich  in  der  Gebäranstidt 
zu  ZQrich.  Am  8.  Februar  1864  fand  daselbst  eine  28j&hrige 
Bäuerin  Aufnahme,  versehen  mit  einem  Schreiben  ihres  Arztes, 
worin  dieser  die  Function  eines  Hydrovarium,  woran  Pattentin 
leide,  empfahl.  Die  Frau  und  ihr  Mann,  mit  dem  sie  seit  xwei 
Jahren  verheirathet  war,  stammten  beide  von  gesunden  Familieii. 
Erstere  hatte  seit  einem  Nervenfieber  und  einer  Pneumonie  keine 
Krankheit  mehr  gehabt^  hatte  vor  1}  Jahren  einen  lebenden,  ge- 
sunden Knaben  geboren  und  denselben  18  Wochen  lang  gestillt 
In  der  15.  Woche  nach  der  Geburt  Wiedereintreten  der  Menses. 
Seit  Ostern  1863  waren  sie  wieder  ausgeblieben.  Seit  der  ersten 
Geburt  will  sie  eine  bewegliche,  grössere  Geschwulst  im  Unter- 
leibe zurückbehalteu  haben,  die  November  1863  zunahm,  and 
zwar  Anfangs  langsam,  nach  Netgahr  1864  aber  rasch.  Die  ge- 
wöhnlichen Folgen  einer  solchen  Geschwulst  (Athemnoth,  Oedem 
der  Beine)  traten  ein.  In  den  letzten  10  Wochen  will  sie  hier 
und  da  Kindesbewegungen  wahrgenommen  haben.  Status:  durch 
die  eaorm  gespannten  Bauchdecken  fühlte  man  einen  nach  oben 
gegen  Epigastrium  und  die  beiden  Hypochondrien  abzugrenzen- 
den, nach  allen  Richtungen  fluctuirenden  Tamor  von  glatter, 
gleichmässiger  Oberfläche,  Umfang  des  Unterleibes  in  der  Nabel- 
gegend 110  Cm.,  Höhe  des  Tumor  von  der  Schaambeinfuge  zum 
Fundus  43  Cm.  Weder  Kindestheile ,  noch  Kindesbewegungen, 
noch  Herztöne,  Scheide  aufgelockert,  warm,  secernirend,  Schei- 
dengewölbe fluctuirend,  herabgedrängt,  Vaginalportion  verstrichen, 
äusserer  und  innerer  Muttermund  für  eine  Fingerspitze  geöffnet. 
Eine  Fruehtblase,  zeitweise  gespannt;  innerhalb  derselben  ein  sein: 
kleiner,  auch  spontan  leicht  beweglicher  Kindestheil,  wahrschein- 
lich ein  Fuss.  Diagnose:  Hydramnios,  und  zwar  entweder  mit 
Zwillingen  oder  mit  einem  verktimmerten  Foetus. oder  mit  einem 
missgebildeten  (etwa  hydrocephalischen)  Foetus.  Eine  periuterine 
Cystengeechwulst  wurde  ausgeschlossen.  Geburt:  Die  Weben 
steigerten  sich  in  der  Nacht  vom  8.  zum  9.  Februar,  frUh  4  Uhr 
Muttermund  völlig  erweitert.  Vortritt  der  Blase,  künstliche  Spren- 
gung derselben«  Man  fühlte  einen  kleinen  Foetus  in  vollkommener 
Fusslage,  der  im  Beckeu-Eingange  mit  den  Uiften  stehen  bheb. 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  315 

Bis  halb  6  Uhr  deutliche  Pulsation  der  Nabelschnur.  Enorm  viel 
Fruchtwasser  war  abgeflossen.  Utenis  -  Gontraction  trotz  Seeale 
ungenügend  Es  wurde  daher  kurz  vor  6  Uhr  früh  die  Extractton 
gemacht,  die  sehr  schwierig  war  «nd  bei  welcher  der  Foetus  fast 
zerriss.  Beide  Arme  gelöst.  Kopf  endlich  durch  eine  Wehe  her- 
ausgetrieben.   Wochenbett  normal. 

Der  Foetus  war  weiblichen  Geschlechts,  1548  Grarames 
schwer,  anscheinend  23  bis  24  Wochen  alt.  Der  Schädel  war 
verhältnissmässig  um  das  Doppelte  zu  gross  und  stellte  eine 
schlotternde  Masse  mit  halbfesten  Wandungen  dar,  annähernd 
zwei  Mannsfanstcn  entsprechend.  Zum  Munde  hing  eine  eigen- 
thflmliche  Geschwulst  herans  von  der  Grösse  einer  Mannsfaust, 
an  einem  kleinfln gerdicken  Stiel  inserirt,  beweglich,  mit  einer 
zarten,  glänzenden  Membran  überzogen,  eine  traubig -unregel- 
mässige Masse  darstellend,  bald  härtere,  bald  elastischere,  bald 
deutlich  iluctuirende  Stellen  darbietend.  Schädel knochen  gering 
entwickelt,  Nähte  und  Fontanellen  weit.  Bei  der  ersten  Incision 
quoll  eine  theils  flüssige  Masse  (Hirn),  theils  bröckelig > halbfeste 
Substanz,  welche  letztere  einer  in  der  Schädelhöhle  be- 
stehenden Geschwulst  angehörte,  herans.  Diese  Geschwulst 
war  kleiner  als  die  oben  erwähnte,  von  ähnlicher  Form,  aber  ge- 
ringerer Consistenz.  Hirn  breiig  zerstört.  Seitenventrikel  be- 
trächtlich erweitert.  Kleinhirn  verkümmert  Vierter  Ventrikel 
hy dropisch  erweitert.  —  Im  Uebrigen  zeigte  der  Foetus  kleine, 
mit  subpleuralen  Ecchymosen  bedeckte  Lungen.  Herz  klein, 
gelblich,  stark  fettig  degenerirt.  Nieren  stark  gelappt,  klein, 
wachsgelb.  Leber  74  Grammes,  Milz  nur  1^  Granmies  wiegend. 
Die  Nachgeburt  wog  1000  Grammes,  war  nahezu  rund  und 
hatte  einen  Durchmesser  von  21  Cm.  Gewebe  blassroth,  ödematös. 
Chorion -Zotten  nicht  hydatidös  entartet.  Zwischen  Amnion  und 
Chorion  eine  Schicht  sulziger  Flüssigkeit;  unter  dem  Chorion 
einige  kleine  apoplektische  Heerde.  Nabelstrang  lateral  inse- 
rirt, 40  Cm.  lang,  mager,  nicht  ödematOs. 

Die  weitere  Untersuchung  der  extra-  und  intra- 
craniellen  Geschwulst  ergab  Folgendes:  der  runde,  in  der 
Mundöifnung  A**'  dicke  Stiel  veijüngt  sich  nach  innen,  ist  am 
Gaumensegel  nur  noch  2'"  dick,  mit  der  Uvula  verlöthet,  aHmälig 
den  Charakter  der  Serosa  verlierend  und  in  die  Rachenschleim- 
haut Obergehend.  Der  Körper  des  Stiels  geht  bis  zur  Basis  cranii, 
ja  durch  diese  hindurch  nach  dem  Boden  der  Schädelhöhle.  Hirn, 
Hirnhäute  und  intracephaler  Tumor  stark  macerirt.  Letzterer 
lag  dem  Boden  der  Schädelhöhle  auf,  mit  einem  bandartigen  Stiel 
in  der  Sella  turcica  befestigt  Der  Himanhang  fehlte.  Der  Ge. 
schwulststiel  verschwand  in  einem  länglich -runden  Loche  am 
Boden  der  Sella,  durch  welches  beide  Geschwülste  communicirten. 
Interessant  war  nun  die  intracephale  Geschwulst  Aeusser- 
lich  stellte  sie  eine  Anhäufung  rundlicher,  roth  und  weiss  gefleck- 


316  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatar. 

ter  Knollen  und  Cysten  dar.  An  einigen  Stellen  ragten  vielge- 
staltige, zungenbeinartige  Gebilde  aus  den  Fugen  zwischen  den 
Knollen  hervor.  Dieselben  waren  an  ihrer  Spitze  zu  einer  drei- 
eckigen Fläche  verbreitert  und»  zeigten  eine  deutliche  Zähnelung. 
An  einer  Stelle  sassen  vier  solche,  anscheinend  verkQmmerte  Ex- 
tremitäten. Beim  Oeffnen  der  Falte,  aus  der  sie  -kamen,  gewahrte 
man  zwei  schwarze  Pünktchen,  die  Augen,  und  darunter  eine 
quere  Vertiefung,  den  Mund  eines  höchst  mangelhaft  entwickelten 
Foetus.  Darunter  sah  man  eine  Anzahl  in  einander  laufender 
Kreise  durch  die  dfinne  Haut  schimmern,  den  Darm  des  Foetus. 
Auch  eine  Nabelschnur  fahrt  von  der  Höhe  über  die  Dannschlin- 
gen nach  links  in  die  dünne  Haut  der  Geschwulst,  welche  als 
Amnion  anzusehen  sein  würde.  £s  ist  also  ein  Foetus  in 
foetu  im  eigentlichsten  Sinne  des  Wortes.  Uebrigens 
zählte  R.  nicht  nur  vier  Extremitäten,  sondern  sieben,  und  auch 
mehr  als  zwei  Augenpunkte,  so  dass  man  sogar  von  mehreren 
Foetus  in  foetu  sprechen  kann,  oder  doch  von  einer  regel- 
losen Neubildung  körperlicher  Organe,  die  von  der 
Hypophyse  ausgeht,  indem  sie  —  unter  Abwesenheit  dieses 
Organes  ^  an  der  Stelle  eingepflanzt  ist,  wo  die  Hypophyse  zu 
liegen  pflegt. 

Was  die  übrige  Geschwulstmasse  betrifft,  so  befanden 
sich  hier  Knorpel-,  Knochen-,  Muskel-,  Nerven-  und  Drüsen-Sub- 
stanz wunderlich  angeordnet  in  fötalem  Bindegewebe-  eingebettet, 
ein  histologisches  Potpourri.  Das  Epithel  der  Mundschleimhaut 
ging  continuirlich  in  ein  pflasterförmiges,  un geschichtetes  Epithel 
der  dünnen  Umhüllungshaut  des  extracephalen  Tumors  über. 
Hier  und  da  regressive  Processe  (Erweichung,  fettige  Dege- 
neration). 

An  diesen  Fall  knüpft  R.  Bemerkungen  über  das  Wesen  und 
die  Deutung  einer  solchen  Erscheinung.  Offenbar  gehört  die 
vorliegende  Missbildung  nicht  unter  die  Missbildungen  per  exces- 
sum,  d.  h.  unter  solche,  die  wesentlich  auf  einer  zu  grossen 
Energie  der  bildenden  oder  der  die  Bildung  anregenden  KJraft  be- 
ruhen, sondern  unter  die  Doppel-Missbildungen,  von  denen  die  eine 
durch  das  Wachsthum  -  der  andern  verkümmert.  Diese  Doppel- 
bildungen beruhen  auf  doppelter  Anlage  des  Fruchthofes  in  einer 
Keimblase.  Diese  Anlage  ist  bei  entstehenden  Doppel -Missbil- 
dungen ^er  Art,  dass  die  beiden  Fruchthöfe  sich  störend  berühren, 
so  z.  B.  in  demselben  Meridian  in  paralleler  Lagerung  n.  s.  w., 
Fälle,  in  denen  meistentheils  Missbildungen  zu  erfolgen  pflegen. 
Die  Endpunkte  der  Embryonen-Axe  sind  nun  Sella  turcica  (Hypo- 
physe) und  Steissbeinspitze  (Steissdrüse).  In  diesen  beiden  End- 
punkten pflegen  die  beiden  Embryonen -Axen  bei  Doppel-Miss- 
bildungen besonders  häufig  zusammenzutrefl'en.  Die  Hypophyse, 
ein  abgeschnürtes  Stück  der  Chorda  dorsalis,  erscheint  beim  Er- 
wachsenen als  Hirnanhang,  indem  sie  durch  einen  bindegewebigen 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  317 

Stiel  mit  dem  Hirn  verbunden  ist.  Es  ist  nutzloses  Keimgewebe, 
ohne  bestimmten  Typus.  Es  ist  ein  Rest  nicht  differenzirter, 
d.  h.  nicht  in  Keimblätter  (Darmdrüsenblatt,  intermediäre  Schicht, 
Hornblatt)  getheilter  Keimhaut.  Die  Hypophyse  ist  der  Central- 
pnnkt  für  die  Kopftheile,  die  Gehimblasen,  die  Gesichts-Fortsätze. 
Während  die  Embryo-Axe  die  Richtung  der  seitlichen  Einwürts- 
krümmung  angiebt,  bezeichnet  die  Hypophyse  den  Punkt,  um  den 
die  vordere  Abwärtskrümmung  erfolgt.  Findet  also  hier  Berüh- 
rung statt,  so  wird  die  Ab-  und  Einwärtskrümmung  der  Kopf- 
hälfte des  einen  Embryo  aufgehalten.  Vielleicht  könnte  dieser 
FalKauch  als  organopoetische  Geschwulstbildung,  wie  sie  an  bei- 
den Arten,  besonders  an  der  Steissdrüse,  zuweilen  Statt  hat, 
gedeutet  werden. 

(Vircfiaw's  Archiv.    IL  Folge.    Bd.  10.   Heft  3  u.  4.   1864.) 

Fonssagrives  und  GaiUerand :  üeber  einen  Acepha- 

lus  Peracepbalus. 
(Mitgetheilt  in  der  Sitzung  der  Academie  des  Sciences  zu  Paris, 
den  18.  April  1864.) 
Das  Präparat  war  den  Herren  F.  und  G.  durch  Barnbanson 
in  Lesneven  (Finist^re)  zugegangen.  Die  Umstände  der  Geburt 
waren  folgende :  Die  Mutter  war  21  Jahre  alt,  hatte  vor  3  Jahren 
zum  ersten  Male  und  zwar  ein  normales  Kind  ohne  Kunsthilfe 
geboren.  Nach  der  Geburt  starke  Metrorrhagie.  Was  die  neueste 
(zweite)  Schwangerschaft  betraf,  so  war  dieselbe  ohne  irgend 
welche  physische  oder  psychische  Störung  verlaufen.  Am  24.  Ja^- 
nuar  1864  wurde  Barbanson  von  der  Hebamme  zu  der  Frau 
gerufen ;  nachdem  vor  einer  Stunde  ein  wohlgebildetes  Mädchen 
geboren  war,  hatten  die  Wehen  fortgedauert  und  bald  nachher 
noch  ein  zweites  weibliches  Kind,  dem  aber  Kopf  und  obere 
Extremitäten  fehlten,  ausgestossen.  Die  Nabelschnur  des  ersten 
Kindes  war  normal,  die  des  zweiten  sehr  dünn.  Beide  Fruchte 
hatten  eine  gemeinschaftliche  Placenta. 

Die  wichtigsten  anatomischen  Eigenschaften  dieser  Monstro- 
sität waren: 

1.   Beide  Lungen  waren  in  eine  verschmolzen,  in  einen  Pleura- 
sack eingeschlossen  und  mit  einem  Rudimente  der  Trachea 
versehen. 
2.-  Die  Thymus-Drüse  war  sehr  gross. 

3.  Drei  Vesicules  cardiaques    mit  einem   Systeme    arterieller 
und  venöser  Gefässc. 

4.  Vollständige  Abwesenheit  der  Leber;   dafür   ein    venöser 
Plexus  hepaticus,  der  von  der  Rena  umbilicalis  stammte. 
Ein  Verdauungskanal,   welcher   theils   in   einem   dünnen, 
kurzen,  theils  in  einem  dickeren  Darm  mit  Coecum  und 
Processus  vermiformis  bestand. 


3 18  ^I*    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

6.  Ein  kleiner  Kopfknochen  -  Tuberkel ,  der  keine  Hirnmasse 
enthielt. 

7.  Ein  Stumpf  von  Rückenmark  und  ein  grosser  Sympathicus, 
beide  von  normaler  Structur. 

8.  Ein  Urogenital -System,  das  sich  auf  nidimentäre  Nieren, 
eine  unvollständige  Vagina,  einen  Uterus  bifidus  beschrankte. 
Tuben  und  Ovarien  fehlten. 

9.  Die  untern  Extremitäten  waren,  ausgenommen  eine  dop- 
pelte Yalgus-Stellung  und  eine  theils  in  Neigung  zu  Ver- 
wachsung, theils  in  Un Vollständigkeit  der  Zehen  bestehende 
Unregelmässigkeit,  normal. 

Bemerkenswerth  war  übrigens  die  vielfach  bei  derartigen 
MissbilduDgen  angezweifelte  P^xistenz  'eines  Diaphragma,  der 
Lunge,  des  Herzens  und  der  Leber. 

(Gaz.  Medicale  de  Paris..  1864.  30.  April.  No.  18.) 


Martin' Schar  lau:  Gfefährliche  Folgen  eines  Fal- 
les in  den  letzten  Monaten  der  Schwanger- 
schaft. 

Ein  von  S.  mitgetheilter  Fall,  betrefifend  ein  21jährige8,  zum 
ersten  Male  geschwängertes  Mädchen,  welches  am  11.  Januar  1863 
in  die  Entbindungs- Anstalt  der  Berliner  Universität  aufgenommen 
worden  und  am  14.  Februar  daselbst  auf  dem  Rücken  die  Treppe 
hinabgestürzt  war,  ist  geeignet,  die  Folgen  einer  solchen  Erschttt- 
tening  bei  Schwangeren  deutlich  zu  machen.  Am  16.  Februar 
traten  die  ersten  Schmerzen  ein,  am  19.  erfolgte  die  Geburt  eines 
lebenden  Kindes.  Im  Verlaufe  des  Wochenbettes  jedoch  stellten 
sich  Schmerzen  in  der  rechten  Seite,  Fieber,  Fröste  und  Durch- 
fälle ein.  Am  9.  März  trat  ausserdem  noch  eine  Pleuritis  auf» 
die  sich  mit  Pneumonie  compliciile  Nach  abwechselnden  Delirien 
und  Collaps-Zu ständen  erfolgte  am  22.  März  unter  zunehmender 
Dyspnoe  der  Tod. 

Was  das  Resultat  der  Section  betrifft,  so  sei  hier  hervorge- 
hoben, dass  das  Colon  ascendens  mit  der  rechten  Niere  verwach- 
sen war;  nach  Trennung  dieser  Verwachsungen  kam  dicker, 
grüner  Eiter  zum  Vorschein.  Das  an  einigen  Stellen  verdQnnte 
Duodenum,  welches  rostfarbenen  Schleim  und  grtlnlich-dicken  Eiter 
enthielt,  zeigte  eine  erbsengrosse  Perforation.  Ausserdem  fanden 
sich  Thrombosen  der  Venae  suprarenales,  Vena  cava,  des  Herzens 
und  der  üterusvenen. 

Die  hier  beobachteten  pathologischen  Zustände  sind  unzwei- 
felhaft zum  Theil  als  Folge  des  nach  jener  Erschtttteruog  einge- 
tretenen Blutergusses  in  das  Bindegewebe  der  rechten  Nieren- 
kapsel anzusehen. 

Beiläufig  erwähnt  werden  noch  drei  von  Martin  beobachtete 


VI,    Notiten  aaa  der  Journal -Literatur.  319 

F&lle  ähnlicher  Art  mit  Abscessbildong  nach  Erschüiteningen  bei 
Schwangeren. 

(Berliner  Klin.  Wochenschr.  1864.  No.  29) 


R.W,  Crighton:  Ein  Fall  von  Uterusruptur,  mit 
glücklichem  Erfolge  der  Gastrotomie. 

Verf.  kam  zu  einer  Gebärenden,  die  der  Agonie  nahe  war. 
Die  Untersuchung  ergab  eine  Zerreissung  der  Gebärmutter,  das 
Kind  Jag  in  der  Bauchhöhle.  Nach  Ueberwindung  Tielfacher 
Schwierigkeiten  wird  die  Erlaubniss  zur  Ausführung  der  Gastro- 
tomie gegeben  und  diese  nach  den  gewöhnlichen  Regeln  ausge- 
führt; das  Kind  wurde  nicht  ganz  leicht  extrahirt,  natürlich  todt; 
ihm  folgte  die  gelöste  Placenta.  Der  Uterus  zeigte  sich  gut  con- 
trahirt,  der  Riss  ging  fast  quer  um  die  Ueberg'angsstelle  des 
Körpers  in  den  Hals  und  war  durch  eine  Schicht  coagulirten 
Blutes  verdeckt.  Die  Ränder  der  Bauchwunde  wurden  mittels 
Acupressurnadeln  einander  genähert,  um  den  Leib  eine  Bandage, 
auf  ihn  ein  Warmwasserüberschlag  gelegt.  Im  Wochenbett  folgte 
eine  ziemlich  hochgradige  Peritonitis,  durch  Icterus  complicirt, 
der  sieh  jedoch  bald  wieder  verlor.  Nachdem  schon  am  dritteu 
Tage  nach  der  Operation  4  Nähte  herausgenommen  worden  waren, 
barst  die  Wunde  bei  einem  Anfalle  von  heftiger  Uebelkeit  mit 
Würgen,  herbeigeführt  durch  verabreichte  Abführmittel,  in  ihrer 
ganzen  Länge  von  einander  und  wurde  von  Neuem  genäht  und 
mit  Hef^flaster  zusammengezogen.  £s  wurden  vorher  schon  ein- 
mal (am  zweiten  Tage)  und  nun  nochmals  (am  fünften  Tage  nach 
der  Operation)  Blutegel  in  die  Lebergegend  gesetzt,  da  dort  ein 
sehr  empfindlicher  Schmerz  gefühlt  wurde. 

Am  7.  Tage  wurden  alle  Nadeln  entfernt  und  ein  widrig 
riechender  Ausfiuss  aus  dem  Peritonaealcavum  durch  einen  nicht 
verheilten  Punkt  der  Banchwunde,  der  sich  schon  zwei  Tage  zu- 
vor gezeigt  hatte,  dauerte  an.  Abwechselnd  traten  noch  ruhelose 
Nächte,  Brechen,  Uebelkeiten  ein,  aber  ging  die  Heilung  gut  vor 
sich;  der  Ausfluss  verwandelte  sich  später  in  gutartigen  Eiter 
and  am  25.  Tage  nach  der  Operation  erfolgte  ein  Durchbruch 
von  £iter  durch  die  Scheide;  es  folgte  hierauf  schnelle  Besse- 
rung ;  ein  geringer  Rückfall  mit  Frost  und  Schmerz  in  der  linken 
Fossa  iliaca  trat  am  34.  Tage  ein;  er  besserte  sich  aber  schnell 
nach  Anwendung  schweisstreibender  Mittel  und  lokaler  Aufpin- 
seiung  von  Jodtinctur.  Dasselbe  mit  geringem  Icterus  zeigte  sich 
wieder  am  55.  Tage.  In  der  nächsten  Woche  stand  Patientin 
täglich  auf  und  2  Monate  später  legte  sie  einen  4^  engl.  Meilen 
weiten  Weg  zu  Fuss  zurück. 

Die  Frau  stand  übrigens  im  28.  Lebeniqjahre  und  war  vorher 
schon  dreimal  mittels  der  Zange  von  zwar  lebenden  Kindern 
entbunden  worden,  die  jedoch  kurze  Zeit  nachher  wegen  der  zu 


320  VI.    Notizen  aus  der  Joainai^Lheratur. 

starken  Gompression  des  Kopfes  gestorben  waren.  Sie  iiatte  den 
Rath  erhalten,  die  künstliche  Frühgeburt  zwischen  dem  7.  ond 
8.  Monat  an  sich  yornehmen  zu  lassen,  hatte  aber  niemals  sich 
willig  fiuden  lassen. 

Verf.  macht  schliesslich  auf  die  besonders  beachtenswerthen 
Puukte  in  diesem  Falle  aufmerksam  und  fahrt  hier  auf: 

^dass  14  Stunden  zwischen  Kiss  des  Uterus  und  Extraction 
des  Kindes  aus  der  Bauchhöhle  verflossen  waren;  dass 
Wiedergenesung  von  einem  acuten  Icterus  unter  diesen 
Umständen  erfolgte," 
und  rühmt  den  guten  Erfolg  der  Anwendung  von  Jodtinctur  be- 
hufs Absorption  von  Entzündungsproducten. 

(Edinburgh  MedicaJ  Journal  No.  CX.  August  1864.) 


J,Flmry:  Üterus-Haemorrhagie  nach  derEat- 
bindung. 
Eine  30jtährige,  wohlgebildete  Frau,  welche  im  Juli  1855  zum 
ersten  Male  von  Zwillingen  entbunden  worden  war,  machte  nach 
dieser  Entbindung  eine  schwere  l'terus-Haemorrhagie  durch.  Im 
Jahre  ia^7  Abort  im  3.  Monate.  Am  2.  April  1860  wurde  F. 
gerufen,  um  wegen  Wehenschwäche  die  Zange  anzulegen.  (Je- 
eignete  Massregeln  verhinderten  bei  dieser  Geburt  eine  heftige 
Blutung.  Am  3.  Juni  1863  abermalige  Niederkunft.  Gegen  10  Uhr 
Abends  war  die  spontane  Ausstossuug  eines  lebenden  Kindes  er- 
folgt. 1  Stunde  nachher  heftiger  Blutverlust,  von  der  Hebamme 
vergeblich  mit  kalten  Compressen  bebandelt  Die  Blutgerinnsel 
wurden  von  der  Hebamme  entfernt.  Bei  F.'s  Ankunft  hatte  die 
Frau  2  Litres  Blut  verloren  und  bot  Zeichen  der  Auämie  dar. 
F.  Hess  2  Grammes  Seeale  cornutum  holen  und  wandte  zunächst 
die  gegen  die  Hämorrhagie  indicirten  Verfahren  an.  Der  Puls 
war  klein  und  frequent.  Plötzlich  verlor  die  Frau  das  Bewusst- 
sein.  •  Kalte  Applicationen  auf  den  Unterleib,  Frictioneu,  Entfer- 
nung der  Gerinnsel  aus  dem  Uterus.  —  Nicht«  hatte  bisher  die 
Hämorrhagie  zum  Stehen  gebracht.  Die  Bauchdecken  waren 
nachgiebig,  der  Uterus  massig  contrahirt;  die  Schläge  der  Aorta 
abdominalis  waren  deutlich  durchzufühlen,  aber  äussert  frequent 
Nach  15  Minuten  anhaltender  Compression  der  Arterie  hatte  die 
Frequenz  etwas  nachgelassen,  die  Respiration  besserte  sich, 
ebenso  das  Aussehen.  Das  Bewusstsein  kehrte  wiedler.  Jetxt 
wurde  das  (mittlei-weile  angekommene)  Seeale  3  Mal  alJe  5  Minu- 
ten gegeben.  Nach  Jsttindiger  Compression  wurde  danlit  aufge-  , 
hört;  tiefe  Inspirationen  wurden  veranlasst.  Die  Secaledosen 
wurden  beschränkt.  Das  Gesicht  röthete  sich  nun  wieder.  Der 
Puls  wurde  günstiger.  Application  eines  Clysma  mit  öOO  ör. 
eines  kräftigen  Weines.    Einnahme  von  Bouillon.    Die  Frau  war 


VI«    Notizen  ans  der  Jonrnal*  Literatur.  821 

«Bf  dem  kflvzeslen  Wege  wieder  hergestellt  und  hat  seit  der 
Conpression  der  Aorta  keine  Blutang  mehr  gehabt 

(Gaz.  des  Uöpit.   1864.   14.  Joli.  No.  82.) 


A.  Afiderson:  üeber  die  Behandlung  der  Nach- 
geburt B-Perio  de. 

(Aus  einem  Aufsatze  „Ueber  Gebärmutterblutiiugen  nach 
der  Entbindung  und  während  des  Wochenbettes^'.) 

Verf.  bemerkt,  dass  das  active  Verfahren  zunächst  zu  berück- 
sichtigen habe,  wie  jeder  Fall,  in  welchem  einige  Stunden  nach 
der  Entbindung  die  Plaeeata  noch  nicht  ausgestossen  ist,  als 
Retention  anzusehen  und  daher  die  Placenta  unter  Berttcksieh- 
tigang  der  Ursachen  entfernt  werden  muss. 

Credit 8  Verfahren,  welches  die  active  und  passive  Wirksam- 
keit vereinigt,  entspricht  nach  des  Verf»  e4genen,  auf  gegen 
400  Fälle  gestützten  Erfahrungen  den  wichtigsten  prophylakti- 
schen und  operativen  Indicationen.  In  manchen  Fällen  jedoch 
konnte  es  nicht  —  wie  Crede  vorschreibe  —  gleich  nach  der  Ent- 
bindung, sondern  erst  einige  Zeit  nachher  angewandt  werden. 
Nach-  des  Verf.  Meinung  ist  Credos  Verfahren  durch  manueUe 
Lösung  der  Placenta  zu  ersetzen: 

1.  Bei  gleich  nach  der  Entbindung  eintretender  so  heftiger 
Blutung,  dass  die  Placenta  nicht  sofort  durch  äussere  Mani- 
pulationen entfernt  werden  kann. 

2.  Wenn  der  Bauch  sehr  empfindlich  und  gespannt  ist,  und 
die  Bauchdecken  sehr  dick  und  ödematös  sind. 

3.  Wenn  eine  Strictur  im  Uterus  vorhanden  ist.  (Mit  Zuge- 
ständniss  von  Ausnahmen.) 

•  4.   Bei  abnormer  Adhäsion  der  Placenta,  besonders  wenn  der 
krankhafte  Process,  welcher  die  Adhäsion  vermittelte,  Tex- 
turveränderungen des  Uterus  mit  entsprechender  Minderung 
seiner  Gontractilität  herbeigeführt  hat.    Einige  Male  habe 
man  so  intime  Verwachsungen  gefunden,  dass  sich  keine 
Gränze  zwischen  Textur  des  Uterus  und  der  Placenta  auf- 
finden Hess  und  selbst  durch  die  pissection  keine  Lösung 
zu  Stande  zu  bringen  war.   Zuweilen  bestehen  diese  abnor- 
men Adhäsionen  in  dicken,  sehnigen  Strängen. 
Der  Vorschrift  Crede's,  die  Manipulation   unmittelbar  nach 
der  Geburt  vorzunehmen,  kann  Verf.  nicht  beistimmen,  indem 
nicht  selten  Schlaffheit  des  Uterus   und  Blutungen   die  Folgen 
einer  übereilten,  selbst  durch  Uterus -Contractionen  vermittelten 
Entfernung  der  Placenta  seien.    Entweder  löst  sich,  in  gewissen 
Fällen,  die  Placenta  nur  partiell  und  muss  wegen  Blutung  manuell 
entfernt  werden,  oder  die  Gebärmutter  behält  noch  lange  die  Ge- 
neigtheit, in  einen  atonischen  Zustand  zu  verfallen. 

£r  hält  es  demnach  für  richtiger,  dass  man  die  Contractionen 

Monatsschr.  f.  Geburtak.  1865.  Bd.  XXV.  Suppl.-H/t.  21 


VI.    Notizen  aus  der  Journal  •Literataf. 


abwartet,  wibrend  man,  wie  White  und  Glarke  Torsehreil^en^  den 
Uterus  mittels  der  über  den  Fandus  gelegten  Haad  flberwaeht, 
welche  den  Uterus  gelinde  zu  Zusammcuztetiungcn  reizt  und  eine 
etwa  eintretende  Blutung  entdeckt.  (Dieses  Verfahren  steht  mit 
dem  Crede's  gar  nicht  in  Widerspruch;  letzteres  ist  überhaupt 
vielfach  in  ausgedehntester  und  unbedingtester  Weise  hingenom- 
men worden,  was  in  Crcd&s  Angaben  durchaus  nicht  Begrftndung 
beanspruchen  durfte,  da  er  gleichfalls  Ausnahmen  für  unvermeid- 
lich hält  Kef.)  Zuweilen  müssen  resistente  Uterin-Placenta-Ge- 
fjUse  und  die  Verlängerungen  der  Decidua,  welche  zwischen  die 
Cotyledonen  dringen,  zerrissen  werden.  Da  dies  bei  der  manuellen 
Lösung  oft  schmerzhaff  ist,  dagegen  oft  durch  die  Natur  selbst, 
wenn  auch  langsamer,  bewirkt  wird,  so  dürften  hier  meist  innere 
Eingriife  zu  unterlassen  sein.  Ist  aber  ein  aetives  Verfahren  in 
solchen  Fällen  angezeigt,  so  empfiehlt  Verf.  die  manuelle  Losung. 
Die  J/q/on'schen  Hiuspritzungen  in  die  V.  umbil.  verdienen  nach 
ihm  bei  Schlaffheit  des  Uterus,  Abwesenh^t  von  Blutung  und 
Contraindicationen  gegen  Cred&s  Verfahren  versucht  zu  w^erden. 
(Med.  Archiv.  Stockhohn.  I.  2.  8.  1  -76.  — 
SekmidVa  Jahrb.  Bd.  12^  1864.  No.  7.) 

Simon  Thomas:  Transfusion  an  einer  durch. Blu- 
tung erschöpften  Wöchnerin. 

Am  2.  März  1863  wurde  S.  Tb.  zu  einer  40  Jahre  alten  Frau, 
welche  mit  ihrem  dreizehnten  Kinde  schvranger  gmg,  wegen  Blu- 
tung gerufen.  Er  fand  den  Muttermund  erst  i(  Zoll  weit  geöff- 
net und  die  Blase  noch  stehend.  Ein  Colpeurynter  wurde  ein- 
gelegt und  Mutterkorn  gegeben.  Nach  8  Standen  wurde  der 
Colpeurynter  entfernt  und  das  Kind  mit  dem  Haupte  voraus 
geboren.  In  der  Placeuta  wurden  Ueberbleibsel  frafaerer  Blu- 
tungen angetroffen,  wie  denn  auch  die  Frau  solche  im  vierten 
und  siebenten  Monate  der  Schwangerschaft  gehabt  hatte.  Das 
Wochenbett  verlief  ungestört. 

Am  24.  Octöber  1864  Abends  9  Uhr  wurde  S.  Th.  zu  der- 
selben Frau  wegen  Blutung  während  der  Geburt  gerufen.  Von 
den  Eihäuten  bedeckt  war  das  vorliegende  Haupt  fühlbar.  Die 
starke  Frau  lag  blass  und  mit  kalten  Extremitäten  im  Bette  und 
hatte  einen  sehr  kleinen  und  schwachen  Puls.  Wiewohl  sie  noch 
keine  Wehen  gefdhlt  hatte,  war  der  Muttermund  etwa  einen  Zoll 
weit  offen.  Ein  Aufguss  von  Mutterkorn  wurde  gegeben  uud  der 
Colpeurynter  eingefflhrt.  Bis  11}  Uhr  hatte  sie  regelmässige 
Wehen;  die  Hautwärme  war  besser  und  der  Pnls  grösser  ge- 
worden. 

Bei  2  Zoll  weitem  Muttermunde  wurde  durch  Wendung  ein 
scheintodter  Knabe  ausgezogen  und  durch  Catheterismns  der 
Luftröhre  zitm  Atbmen  gebfucht.    Der  Mutterkuchen  lag  rechts 


yj.    Notizen  ans  der  Journal -Literatur.  $28 

hinten  und  musste  zum  Theil  abgelöst  werden.  Die  Mutter  hatte 
während  der  künstHchen  Entbindung  und  der  Nachgeburtsperiode 
noch  ziemlich  viel  Blut  verloren.  Um  2  Uhr  Naebts  begann  die 
Wöchnerin  über  Leibweh  zu  klagen.  Der  Puls  war  kaum  fühlbar 
md  die  Gebärmutter  voll  Gerinnsel.  Diese  wurden  entfernt,  die 
Gebärmutter  mit  der  Hand  gedrückt,  kalte  Umschlüge  auf  den 
Leib  gelegt,  ein  paar  Einspritzungen  mit  kaltem  Wasser  gemacht 
und  zur  Abwechselung  Analeptika  und  Branntwein  mit  Eidotter 
gerettht.    Der  Blutfluss  hörte  ganz  auf. 

Des  Morgens  gegen  9  Uhr  fand  S  Th.  die  Wöchnerin  ganz 
erschöpft,  mit  kalten  Händen  und  Füssen,  sehr  bleichen  Lippen 
und  kaum  fühlbarem  Pulse;  t^ie  klagte  über  Beklemmung,  war 
sehr  unruhig  und  sprach  mit  sehr  schwacher  Stimme.  Blutver^ 
lust  war  nicht  mehr  bemerkt  worden,  die  Gebärmatter  gut  zu- 
sammengezogen. Da  öftere  Ohnmächten  eintraten,  bcschloss  S.  Th. 
die  Transfusion  zu  machen  und  holte  den  Troicart  von  Martin 
und  einige  gläserne  Spritzen.  Nachdem  der  Mann  seine  ZustinV' 
mung  gegeben  hatte,  wurde  diesem  ein  Aderlass  gemacht.  Unter- 
dessen schnitt  S.  Th.  am  rechten,  zunächst  gelegenen  Arme  über 
der  Vena  mediana  basilica  eine  Hautfalle  mit  einem  2  Cnu  langen 
Bistouri  durch  und  legte  so  die  Vene  bloss.  Um  den  Troicart 
besser  einführen  zu  können,  machte  er  einen  Schnitt  in  die  Ader, 
aber  das  Collabircu  derselben  verhinderte  gerade  das  Einbringen 
des  Troicarts,  selbst  nachdem  S.  Tb.  den  Daumen  darüber  gelegt 
hatte,  um  das  Instrument  darunter  -in.  die  Vene  zu  schieben. 
Daher  verband  er  den  rechten  Arm  wieder  wie  nach  einem  Ader- 
lässe und  legte  die  gleichnamige  Vene  am  linken  Arme  bloss. 
Sofort  konnte  er  Martinas  Troicart  einführen  und  nach  Zurück- 
ziehung des  Stilets  zeigte  die  Beweglichkeit  des  Köhrchens  nnd 
seine  Anfttllung  mit  Blut,  dass  es  wirklich  in  der  Vene  lag. 
Unterdessen  hatte  aber  der  Mann  wieder  verbunden  werden 
müssen.  Schnell  wurde  ihm  eine  zweite  Ader  geöffbet  und  dos 
Blut  in  einer  Tasse  aufgefangen,  welche  in  ein  Becken  mit  war- 
mem Wasser  gestellt  war.  Mit  dem  Blute  wurde  eine  Spritze 
gefüllt  und,  nachdem  man  sich  überzeugt  hatte,  dass  sie  keine 
Luft  enthielt  und  ein  Läppchen  Eaulschok  um  die  Spritzen  gelegt 
war,  in  die  Ader  ausgeleert.  Unterdessen  ward  eine  zweite  Spritze 
gefüllt  und  mit  ihr  in  derselben  Weise  verfahren,  darauf  die  erst«- 
gebrauchte  wieder  genommen  und  auqh  die  zweite  noch  einmal 
benutzt.  Während  der  Augenblicke,  in  denen  nicht  eingespritzt 
wurde,  schloss  ein  Assistent  die  Röhre  mit  dem  aufgesetzten  Fin- 
ger ab.  Der  Puls  wurde  wieder  fühlbar  und  die  Athmung  merk- 
lich ruhiger.  2  §  Bhit  waren  eingespritzt  worden  als  das  Übrige 
zu  gerinnen  begann.  Der  Arm  wurde  in  gewöhnlicher  Weise 
verbunden.  Die  Operation  hatte  etwa  J  Stunde  gedauert.  Nach- 
her wurde  der  Wöchnerin  rother  Wein  und  Fleischbrühe  gereicht 
Um  2  Uhr  begannen   die  Fasse   warm   zu   werden;   die  Hände 

21* 


324  VI*    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

waren  noch  kühl;  der  Puls  des  rechten  Armes  war  unfahttiar 
geworden,  wurde  aber  wieder  gut,  als  man  den  Verband  an 
demselben  gelockert  hatte.  Von  nun  an  kam  die  Wöchnerin 
mehr  und  mehr  zu  sich. 

Am  Morgen  des  2().  Octobers  klagte  sie  über  Sanseji  und 
Klopfen  im  Kopfe.  Die  Wunden  iu  den  Venen  hatten  sich  schon 
geschlossen,  aber  die  Hautwunden  eiterten  noch  einige  Tage.  Am 
SO.  zeigte  sich  etwas  Milch  in  den  Brüsten  und  das  Kind  wurde 
angelegt. 

Am  10.  Novbr.  war  die  linke  Hautwunde  geheilt,  die  Wunde 
am  rechten  Arm  schwoll  am  18  schmerzhaft  an;  es  mussten 
Blutegel  und  warme  Umschläge  angewandt  werden.  Am  30.  Novbr. 
war  auch  diese  Hautwunde  geheilt. 

Die  Frage,  ob  die  Transfusion  in  diesem  Falle  iudicirt 
gewesen  sei,  beantwortet  S.  Th.  dadurch,  dass  er  augiebt,  die 
Frau  habe  vor  derselben  das  (Josicht  verloren  und  gleich  darauf 
wieder  angefangen  zu  sehen.  Dass  die  Operation  überhaupt  er- 
folgreich sei,  dafür  führt  er  die  Monographie  von  Martin  an,  in 
welcher  57  Fälle  von  meist  erfolgi'cichcr  Transfusion  bei  Wöch- 
nerinnen zusammengestellt  sind.  Auch  erwähnt  er,  dass ,  wie  in 
seinem  Falle,  in  mehreren  von  Martin  citirtcn  2  Unzen  Blut  ge- 
nügt haben,  also  wahrscheinlich  die  Menge  des  Blutes  nicht  den 
Erfolg  bedingt. 

.  Als  Instrumente  hat  er  die  von  Martin  angegebenen  benutzt, 
nur  statt  der  dazu  gehörigen  Spritze,  deren  Stempel  eingetrock- 
net, gebrauchte  er  zwei  kleinere  Glasspritzen,  von  denen  jede  nur 
l  Unze  fasste.  Bei  Ausffihruiig  der  Operation  warnt  er  davor 
die  Vene  vor  dem  Einstechen  des  Troicats  zu  öffnen,  wie  es 
Lehmann  in  Amsterdam  gerathen  habe,  da  sie  dann  zusammenfalle. 

Schliesslich  empfiehlt  er  die  Operation,  welche  er  znerst  in 
den  Niederlanden  ausgeführt  hat,  seinen  Laudsleuten  und  sagt, 
dass  die  Fälle  ihrer  Anwendung  gar  nicht  so  selten  seien.  Er 
selbst  habe  vier  Frauen  an  Blutverlust  sterben  sehen,  bei  denen 
vielleicht  die  Transfusion  Rettung  gebracht  haben  würde.  Drei 
davon  hatten  Placenta  praevia  gehabt  und  stnrben  wenige  Stun- 
den nach  glücklicher  Entbindung;  bei  einer  war  bei  zurückge- 
bliebener Nachgeburt  heftige  Blutung  eingetreten;  sie  starb  vier 
Stunden  nach  leichter  Entfernung  derselben. 

(Nederlandsch  Tijdschrift  vor  Geneeskunde.  Jahrg.  1865.) 

H.  Hildehrmid:  üeber  Erweiterung  des  äussern 

Muttermundes  bei  der   Geburt  durch  Inci- 

sionen. 

Um  von  Neuem  zu  dieser  Operation  anzuregen,  erstattet  Verf. 

Bericht  über  neun  Fälle,  in  welchen  er  das  Orificium  extemnm 

des  gebärenden  Uterus  mit  dem  Messer  erweiterte.     Er  führte 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatar.  326 

die  Operation  7  Mal  wegen  Unnaobgiobigkeit  dOB  Mvttemandes, 
1  Mal  bei  einem  schweren  Falle  von  Eclampsie  und  1  Mal  als 
Vorbereitung  zur  Ermöglichung  der  NabelBobnnrrepoeition  aus. 
Nach  einer  eingehenden  Besprechung  dieser  Fälle  wendet  sich 
Verf*.  zur  Rechtfertigung  seines  Verfahrens,  wobei  er  hauptsäch- 
lich zwei  Punkte  herrorhebt:  l)  War  die  blutige  Eröffhimg  stets 
ohne  Gefahren  fOr  die  Mutter?  ^2)  War  dieselbe  in  allen  FlUlen 
nnumganglich  nothwendig? 

Die  Beleuchtung  der  ersten  Frage  führt  ihn  auf  die  Gefah* 
ren,  um  derenwillen  von  manchen  Seiten  die  Vor- 
nahme der  Operation  widerrathen  wird. 

Man  ffirchte:  1)  Ncrvenerscheinnngen,  hervorge- 
rufen durch  die  Schraorzhaftigkeit  mehrerer  Schnitte 
in  einem  durch  Druck  des  Kindestheils  empfindlichen  und 
gereizten  T heile  bei  Personeu,  welche  durch  langen  Geburts- 
verlauf bereits  zu  nervösen  Zufällen  geneigt  sind.  Diesen  der 
Operation  gemachten  Vorwurf  weist  er  als  irrtbOmlidli  aurfick) 
denn  er  fand  im  Gegentheil,  dass  die  Schnitte  selbst  durchaus 
schmerzlos  waren  und  dass  sogar  mit  dem  Nachlassen  des  Hin- 
dernisses, welches  der  Geburt  durch  den  rigiden  Muttermund 
gesetzt  wurde,  die  Controctionen  sich  mehr  regelten  und  weniger 
Schmerz  verursachten.  —  2)  Widerrathe  man  die  Incisionen  be- 
sonders wegen  der  Möglichkeit  des  Weiterreissens  der 
gepaltenen  Stellen  imd  der  dadurch  gegebenen  Gefahr  eii^ 
Ruptura  coiporis  uteri.  Auch  diese  Gefahr  existirt  nach  der 
Meinung  des  Verf.  nicht,  da  die  kleinen  unbeabsichtigten  Erwei- 
terungen sich  höchstens  bis  in  die  Nähe  des  inneren  Mutter- 
mundes, nie  über  den  Cervicaltheil  hinaus  erstreckten,  ein 
Umstand,  der  besonders  durch  die  Lagerung  der  Muskelfasern 
in  der  Gegend  des  Oriüc.  intern,  anatomie.  bedingt  sei.  — > 
3)  Füichte  man  den  p]intritt  einer  excessiven  Blutung 
während  oder  nach  der  Operation,  weil  die  Schnitte  in  einem 
durch  den  Schwangerschaftsproccss  besonders  blutreichen  Organe 
gemacht  würden  und  zwar  an  einem  Theile  desselben,  der  nicht 
in  gleichem  Maasse  wie  das  C'Orpus  uteri  durch  kräftige  Con- 
tractionen  die  entstehende  Blutung  nach  der  Entbindung  zu  stillen 
im  Stande  sei.  —  Auch  diese  Gefahr  schätzt  Verf.  gering;  denn 
man  operire  meist  in  rigidem,  blutarmen  Gewebe,  und  der  Blut- 
verlust selbst  sei  daher  ganz  unbedeutend.  Wenn  man  aber  auch 
in  einem  durch  abnorme  Blutfülle  veränderten  Muttermunde  die 
Operation  vorzunehmen  gezwungen  sei  und  nach  der  vielleicht 
gewaltsam  beschleunigten  Entbindung  trotz  der  Digitalcompression 
der  blutenden  Luppen  eine  stärkere  Blutung  folge,  so  dürfe  man 
doch  deshalb  bei  einem  für  die  Gebärende  lebensg^ährlichen 
Znstande,  wie  bei  Eclampsie  (Fall  9.  des  Verf.)  jener  Gefahr 
wegen,  deren  Beseitigung  durch  bekannte  blutstillende  Mittel 
mehr  oder  weniger  leicht  ausführbar  sei,   nicht  zaudern,   eine 


326  ^-    Notiz6B  aus  der  Journal- Literatar. 

offenbar  Leben  rettende  Operation  zu  nntemelmien.  -*  Eine  an- 
dere Fra^e  wäre  es,  ob  bei  Placenta  praevia  die  Operation 
ebenso  gefahrlos  und  zuverlässig  sei.  Denn  wenn  ein  Schnitt  in 
dem  in  diesem  Falle  sehr  blutreichen  Gewelie  sicher  eine  Blu- 
tung veranlasse,  so  könne  dieselbe,  selbst  wenn  sie  verhältniss- 
mässig  unbedeutend  sei,  bei  einem  meistens  schon  durch  Blutung 
geschwächten  Individuum  geradezu  lebensgefahrlich  werden,  zu- 
mal man  nie  vorher  berechnen  könne,  wie  viel  Blut  noch  bei  der 
Ablösung  der  Placenta  und  während  der  Wendung  abßiessen 
werde.  —  Diese  Bedenken  werden  übrigens  von  Scamonif  Ritgen^ 
Ed.  V.  Siebold  f  Braun  ^  Holst  und  BeUini  nicht  getheilt.  Diese 
rathen,  wenn  Gefahr  im  Verzuge  sei  und  die  Hand  noch  nicht 
eindringen  könne,  mehrere  seichte  Incieionen  vorzunehmen. 

Die  unter  2)  oben  berührte  Frage :  war  die  blutige  Eröffnung 
des  Muttermundes  in  den  vom  Verf.  beschriebenen  Fällen  unum- 
gänglich nothwendig?  führt  denselben  zunächst  zu  den  Indica- 
tionen  für  die  Vornahme  der  Operation.  Als  solche  nennt  er: 
1.  pathologische  Texturveränderungen  der  Vaginal- 
portion  des  Uterus.  Hauptsächlich  sind  dies  Zähigkeit,  hyper- 
trophische, starre  Beschaffenheit,  krebsige  Degeneration  der  Va|^- 
nalportion.  In  diesen  Fällen  sind  die  Incisionen  ganz  vornehm- 
lich indicirt. 

2.  Lebensgefährliche  Zustände,  welche  die  Opera- 
t^n  als  stellvertretende,  statt  des  unblutigen  Ac- 
couchement  force,  mit  der  Hand  erfordern.  Hierbei 
werden  besonders  Placenta  praevia  und  Eclampsie  hervor- 
gehoben. Erstgenannter  Znstand  wurde  bereits  unter  1)  bespro- 
chen; bei  letzterwähntem  sei  die  blutige  Ei  Weiterung  der  unblu- 
tigen durchaus  vorzuziehen,  weil  sie  vollkommen  schmerzlos  sei, 
mithin  die  bestehende  Nervenerregbarkeit  nicht  steigere,  wie  die 
unblutige. 

Eine  dritte  Indication :  „Anomale  Wehenthätigkeit  der 
Portio  vaginalis  und  dadurch  bedingte  Hinderung  des 
Gebnrtsganges^'  erkennt  Verf.  nicht  als  solche  an.  Ein  Krampf 
am  äusseren  Muttermunde  komme  allein  nicht  vor,  und  wo  sich 
der  Muttermund  krampfhaft  geschlossen  zeige^  sei  dieser  Krampf 
Theilcrscheinung  eines  allgemeinen  krampfhaften  Zustandes  der 
ganzen  Gebärmutter.  Das  Hindemiss  für  das  Vorrücken  der 
Frucht  befinde  sich  also  in  geringcrem  Maasse  an  der  Vaginal- 
portion, in  weit  bedeutenderem  höher  hinauf,  meist  in  der  Gegend 
des  Innern  Muttermundes,  den  zu  incidiren  denn  doch  absolut 
schädlich  sei,  weil  wahrscheinlich  eine  Kuptnra  corporis  uteri 
darauf  folgen  würde. 

In  Ausnahmefällen  empfiehlt  Verf.  endlich  die  Incision  zur 
Vorbereitung  für  die  Vornahme  der  manuellen  Repo- 
sition der  Nabelschnur  auszuführen,  wenn  letztere  Druck- 
erscheinungen  zu  zeigen  beginne,  während  die  Reposition  wegen 


VI.    NotixdM  ftDs.iler  Joocnal-Literattv.  g27 

gering  et  Erweitenaig  des  MdUermawies  weder  miit  der  Hand 
noch  mit  dem  Bepositotium  ansfülurbar  66i.  Näberes  tiftier  die«e 
Indioation  hat  Verf.  bereits  in  dem  Fehruwr-HeU  ]fi64  der  Mo« 
natBSchrift  ffir  Geburtskunde  und  Frauenkrankheiten  uuteo  dem 
Titel:  ^Ueber  Vorfall  der  Nabelsehnar  bei  Kopllagein."  auifokr- 
licher  mitgetheilt. 

(Eönlgsb.  med.  Jahrb.  Bd.  IV.  Hi^ft  1.) 


Fa/^ia;  Weitere  Beiträge  zur  Catheterisati-p 
uteri. 
AnknApilBAd  an  frühere  in  derselben  ZeHsehrifb  1868  n.  1864 
veröffentlichte  Fälle  berichtet  Verf.  Tier  neue  Fälle  (No.  19- fi^, 
in  denen  der  Oatbeter  wegen  Weheasehwäche  in  den  Cterüs  ein- 
gelegt wurde.  Der  erste  Fall  betraf  eine  Fehlgeburt  im  7  Meaat 
mit  Zwillingen ,  Placenia  praevia  lateralis  deztra  und  Wehen* 
schwäche.  Letztere  war  anfangs  durch  den  Kautschttcktampon 
gebessert  worden,  während  der  später  eingelegte  Catheter  wir* 
kmigslos  blieb.  In  dem  scweiten  Falle  wurden  dagegen  die  Weil«n 
sehr  kräftig  und  blieben  ies;  im  dritten  Uieben  sie  nur  so  langem 
als  der  Catheter  lag,  kräftig,  mit  seiner  Entfernung  hteten'  B&e 
jedoeh  wie  abgeschnitten  wieder  auf;  im  vierten  Falle  war  die 
Wirkung  eine  schnelle  und  sehr  günstige. 

(Wiener  Medizinalhalle.  89.  40.  1864.K 


S.  L.llardy:  üeber  Einleitung  der  Frühgeburt 
bei  excessivem  Erbrechen  Schwangerer, 

Verf.  hatte  in  zwei  von  ihm  beobachteten  Fällen  60« 
iegenheit,  die  heftige  Einwirkung  oxecssiven  Erbrechens  auf  die 
Schwangerschaft  zu  beobachten  und  die  Ansicht  bestätigt  zu 
finden,  dass  in  solchen  Fällen,  welche  jeder  Therapie  trotzen, 
die  Frühgeburt,  sei  es  die  natürlicbe  oder  die  kfinstü«fa  eingeleitete, 
das  einaige  Rettungsmittel  für  Mutter  und  Kind  ist. 

1.  Fall.  Am  14.  Febr.  1864  wurde  H.  zu  einer  Dame  ge- 
rufen, die  ihre  Entbindung  um  den  12.  März  erwartet«.  Sie  war 
sehr  zart,  das  einzige  noch  lebende  Glied  einer  an  Auszehrung 
zu  Chrnnde  gegangenen  Familie.  Sie  hatte  mehrere  Kinder  gehabt, 
die,  mit  wenigen  Ausnahmen,  früh  gestorben  waren.  Oeiegentlich 
einer  Spazierfahrt  hatte  die  Dame  heftigen  Spasmus  uteri  be- 
kommen, der  sich  nach  wenigen  Tagen  legte,  aber  einem  von 
Durohfell  begleiteten  Erbrechen  Platz  machte.  Erslerer  wieh 
bald  einer  geeigneten  Behandlung;  letzteres  aber  wurde  so  he^ 
tig,  dass  Patientin  aufs  Aeussersle  ermsböpft  wurde  und  man  ffir 
ihr  Leben  fürchten  musste.  Es  war  für  den  2G.  Febr.  eineOon- 
sultation  angesetzt  worden,  als  an  demselben  Tage  spontan  Wehen 
eintraten,  die  nach  einer  Stunde  mit  Leichtigkeit  ein  weibliches, 


328  VI-    Notizen  ans  dar  Joarnal- Literatur. 

8  Wochen  zu  frflh  geborenes  Kind  imr  Welt  brachten.  Die  ^a« 
centa  folgte  leicht;  der  Uterus  contrahirte  sich  gut,  und  die 
Patientin  erholte  sich  in  günstigster  Weise.  Leider  bekam  sie 
durch  eine  unvorsichtige  Mittheilung  am  sehnten  Tage  einen 
Anfall  von  Puerperal -Manie  und  ging  später  an  einer  sich  ent- 
wickelnden Phthise  za  Grunde. 

2.  Fall.  Im  März  1864  wurde  eine  22jährigj  Frau  in 
Steevens-Hospital  (Dublin)  aufgenommen,  welche  im  ti-^7.  Monate 
ihrer  ersten  Schwangerschaft  stand  und  während  der  letzten 
Monate  an  Verstopfung  und  starkem  Erbrechen  gelitten  hatte. 
Nam'tentlich  das  Letztere  hatte  sie  ungemein  geschwächt  und  war 
▼on  einem  brennenden  Schmerze  im  Epigastrium,  Durst  und  Mat- 
tigkeit begleitet  Das  Erbrodiene  war  eine  dunkele,  mit  Blut 
gemischte  Flüssigkeit  Am  30.  März  wurden  die  Foetal-Herztöne 
schwächer  und  langsamer;  der  Puls  der  Mutter  war  schwach, 
hob  sich  aber  am  folgenden  Tage  wieder,  während  das  allge- 
meine Befinden  sich  verschlimmerte  und  der  Foetuspuls  unhorbar 
geworden  war.  Es  wurde  die  Blase  gesprengt,  der  Kopf  stelke 
sieh  rnid  unter  Mitwirkung  kräftiger  Wehen  wurde  die  Gebart 
kftnsdich  beendet.  In  wenigen  Tagen  Hess  das  Erbrechen  nach 
und  Patientin  erholte  sich  binnen  kurzer  Zeit 

•  Verf.  kann  bei  Gelegenheit  dieser  Mittheüung  nicht  nmliin, 
wiederholt  auf  den  Nexus  zwischen  Magen-  und  Utems-Affectio- 
neu  hinzuweisen.  Dieser  Zusammenhang  ist  bereits  vielfach 
wissenschaftlich  cohstatirt,  und  dennoch  kommen  noch  Fälle  vor, 
wo  Monate,  selbst  Jahre  lang  die  Behandlung  ohne  Erfolg  anf 
ein  Magentibel  gerichtet  ist,  während  der  Krankheit  ein  Gebär- 
mutterleiden zu  Grunde  liegt.  Wird  dies  gehoben,  so  verschwin- 
den auch  die  gastrischen  Symptome  bald,  wie  ein  vom  Verf.  be- 
obachteter Fall  beweist,  wo  er  hartnäckiges  Erbrechen  durch 
Erkennung  und  Operation  eines  Uteras -Polypen  beseitigt  hat 
Bei  Schwangerschaft,  welche  mit  Erbrechen  complicirt  war,  hat 
ein  Zögern  mit  dem  Einleiten  der  Frühgebnrt  auch  nach  den 
Beobachtungen  Anderer  {Murphy,  üfmrckäl)  grossen  Naehtheil 
gebracht  Was  die  Behandlung  betrifft,  so  ist  zunächst  die 
Stellung  der  Patientin  zu  berücksichtigen.  Nach  Beau  soll  sie 
möglichst  aufrecht  sitzen,  nach  H.  horizontal  liegen.  Aeussere 
Application  von  Eis  auf  das  Epigastriom,  innere  Anwendung  von 
Creosot  und  Morphium,  Inhalationen  von  Laudanum  {Simpson) 
haben  mehrfach  gute  Dienste  gethan.  Vor  Allem  aber  ist  es  die 
angemessene,  kräftigende  Diät,  welche  von  Bedeutung  iat  In 
manchen  Fällen  muss  man  selbst  zur  Iivjection  von  Nahrung  in 
das  Rectum  schreiten,  um  <Me  Kräfte  zu  erhalten.  Kalten  Cham- 
pagner und  Moselwein  verträgt  der  Magen  bei  sotehen  Affeetionen 
meistens  gut 

(Dublin  Quarteriy  Journal.  August  1864.) 


VI.    Notizen  am  der  Journal -Literatur.  329 


Simon  Thomas:  40  Fälle  von  künstlicher  Früh- 
geburt. 
Die  ausfübrlielie  tabdlarischc  Uebersicht,  welche  der  Abhand- 
lung vorausgeschickt  ist,  zeigt  unter  Anderem,  dass  16  Mal  das 
Kind  in  erster  Scbädellage  geboren  wurde,  wobei  2  Mal  Hand 
und  Fuss  vorgefallen  waren;  10  Mal  in  zweiter  Schädellage,  dar- 
unter 1  Mal  mit  vorgefallener  Haud ;  5  Mal  in  erster  Fusslage, 
welche  1  Mal  aus  Schädellage  spontan  hervorgegangen  war,  2  Mal 
mit  vorgefaUencm  Nabelstrang;  1  Mal  in  zweiter  FuBslage  und 
1  Mal  in  zweiter  Knielage;  1  Mal  m  erster  und  2  Mal  in  zweiter 
Steisslage,  darunter  1  Mal  mit  vorgefallenem  Nabelstrang;  5  Mal 
in  Schulterlagen,  von  denen  zwei  spontan  aus  ßchädellagen  her- 
vorgegangen waren. 

Unter  den  24  Frauen,  an  denen  S.  Th.  dio  40  künstlichen 
Frühgeburten  herbeigeführt  hat,  haben  sich  1  fünf  Mal,  1  vier 
Mal,  1  drei  Mal,  7  zwei  Mal  und  U  ein  Mal  dieser  Operation 
unterzogen.  14  Fälle  sind  in  der  Klinik,  8  in  der  Poliklinik 
und  18  in  der  Privatpraxis  in  und  um  Leyden  beobachtet  wor- 
den. Die  14  klinischen  Fälle  sind  unter  118G  Entbindungen  von 
1848-1864  im  Nosocomium  academicum,  die  poliklinischen  unter 
2076  wahrend  14  Jahren  heobachtrten  Fälle  vorgekommen.  9  von 
den  klinischen  Fällen  und  5  von  den  poliklinischen  waren  be-: 
sonders  zur  Einleitung  der  Frühgeburt  in  die  Anstalt  geschickt 
worden.  Nach  Abzug  derselben  bleiben  8  Fälle,  in  denen  die 
künstliche  Frühgeburt  bei  3200  Schwangeren  nöthig  gefunden 
wurde.  Aus  diesem  Verhältnisse  1  :  400  macht  S.  Th.  folgenden 
Schlnss:  unter  1000  Entbindungen  hat  man  zu  Leyden  und  in 
Umgebung  Gelegenheit  60  oder  mehr  anzutreifon,  bei  denen  das 
Becken  so  eng  ist,  dass  man  die  Frühgeburt  einleiten  mussi 
Unter  2000  Frauen  trifft  man  hier  120  an,  bei  denen  ein  ausge- 
tragenes Kind  mittlerer  Grösse  nur  schwer  und  langsam  durch 
das  Becken  gehen  kann  und  mindestens  5,  bei  denen  man  wohl 
thnn  wird,  dieser  Schwierigkeit  durch  dicf  künstliche  Frühgeburt 
aavorzukomxnen. 

Unter  den  40  Fällen  kamen  85  bei  19  Mehrgebärenden,  5  bei 
Erstgebllrenden  vor.  An  den  Mehrgebärenden  war  13  Mal  die 
Perforation  oder  Cephalothrypsie  vorher  ausgeftlhrt,  6  Mal  ein 
todtes  Kind  mit  der  Zange  geholt,  1  Mal  ein  lebendes  Kind  mit 
Hülfe  der  Zange  geboren  worden.  Bei  aHen  Erstgebärenden 
hatte  8.  Th.  durch  Messung  festgestellt,  dass  das  Becken  so  eng 
war,  dass  die  Erhaltung  des  Kindes,  wenn  ausgetragen,  unwahr- 
scheinlich oder  unmöglich  erschien,  ja  für  das  Leben  der  Mutter 
gefürchtet  werden  mnsste. 

35  Mal  verlief  das  Wochenbett  gut,  5  Mütter  starben  in  dem- 
selben.   Von  den  Kindern  blieben  27  am  Leben,  13  waren  todt 


880  VI-    NolJ2«n  ans  der  Jo«niftl*Ijiteratiir. 

oder  scfaeintodt  geboren,  diese  starben  bald.    Also  wnrden  Ton 
80  Individuen  G2  oder  77|  Proc.  am  Leben  erhalten. 

In  Bezug  auf  die  Schwan gerschaftsperiode,  in  der  die  FrGh- 
gebnrten  eingeleitet  ivurden,  sind  die  40  Fälle  so  vertheilt: 
in  der  82.  Woche  wnrde  6  Mal, 
n    71    83-      i>  >»       2  Mal, 

n      n     ^*        n  n         2  Mal, 

„     „    35.      „  „      11  Mal, 

j»      n     Ö6«        11  n       ^3  M*^ 

„     „    37*       „  „       6  Mal 

die  FrOhgeburt  herbeigeführt 

18  Mal  wurde  sie  natfirfich  beendigt  und  dabei  11  Kinder 
lobend,  2  todt  geboren; 

11  Mal  die  Zange  wegen  mechanischer  Hindernisse  angelegt 
und  dabei  kamen  10  Kinder  lebend,  1  todt; 

16  Mal  mit  oder  ohne  Wendung  wegen  ungünstiger  Lage 
6  Kinder  lebend,  10  todt  ausgezogen. 

Die  Indication  auf  künstliche  Frühgeburt  stellt  S.  Th.  nicht 
nur  nach  vorhergegangenen  Entbindungen,  sondein  auch  nach 
sorgfältigen  Beckenmessungen.  Ja  er  will  die  Grosse  des  Kindes 
nach  dem  Umfange,  der  Consistenz  und  der  Form  des  Leibes 
schätzen  und  ziemlich  sicher  bestimmen,  ob  das  Kind  gross,  mit- 
telgross oder  klein  ist.  Mit  Kücksicht  auf  diese  Schätzungen  hat 
er  nach  seiner  Erfahrung  die  auf  nebenstehender  Seite  gedruckte 
Tabelle  entworfen. 

Bei  Zwillingen  soll  man  etwa  vier  Wochen  länger  warten, 
wie  ein  Fall  beweist,  bei  welchem  auBgetrageue  Zwillinge  durch 
ein  rhachitisches  Becken  mit  3  Zoll  Conjugata  geboren  wurden, 
während  aUe  andern  ausgetragenen  Kinder  derselben  Frau  bei 
einfacher  Schwangerschaft  das  Leben  verloren  hatten. 

Die  Prognose  der  natürlichen  frOhzeit^^en  Entbiadangen 
aiellt  S.  Th.  für  die  Mütter  eben  so  günstig,  wie  die  der  natür- 
lichen rechtzeitigen,  bei  denen  in  seiner  Klinik  und  Poliklinik 
ein  St^befall  auf  10>  Fälle  kommt  Dagegen  ist  die  Mortalitit 
seiner  künstlichen  Frühgeburten  5  auf  40,  also  12  Proc.  Frei- 
lich sollen  die  in  denselben  Fällen  sonst  nothwendigen  Perfora- 
tionen, Cephalotrypsien  oder  schweren  ZangenentbindungenäOPree. 
Todte  liefern. 

Die  erste  von  S.  Th.  benutzte  Methode  war  die  voo  Lehmann 
angegebene,  ein  Bougie  während  kurser  Zeit  einige  Zoll  tief 
zwischen  die  Eihäute  und  die  Gebärmutterwandong  einzusehiebea 
und  täglich  mit  einem  dickereu  zu  vertauschen,  bis  die  Weben 
kräftig  eintreten.  Beim  ersten  Falle  der  Art  traten  erst  an 
zehnten  Tage  vorbereitende  Wehen  auf  und  selbst  PiUen  tob 
Mutterkorn  und  Aloe  genügten  nicht;  so  dass  die  Zange  noch 
angelegt  werden  musste. 


VI.    Kotizem  «ns  der  Journal -Literatur. 


331 


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332  ^I«    Notizen  au»  der  Journal 'Literatur. 

Deshalb  führte  S.  Th.  die  zweite  Frühgeburt  mit  der  von 
Kiwisch  empfohlenen  Donchc  herbei  und  hatte  in  fünf  Tagen 
16  Douchen  *zu  gelcn.  Im  Wochenbette  starb  die  Mutter  an 
Pyämie.  Im  •  dritten  und  vierten  Falle  kehrte  S.  Th.  zum  Leh- 
wann'schen  Bougie  feurück.  Allein  er  mussle  am  sechsten  oder 
am  fünften  Üage  mjt  der  Douche  nachhelfen.  Bei  dem  fünften 
und  sechsten  .Falle  lagogen  wurde  die  Dumhe  nicht  nöthig,  in- 
dem die  ElihüiitP  rissen.  Die  siebente  Frühgeburt  wurde  im  Jahre 
1855  31  Stuilden  n^ch  einmaliger  Einführung  'des  Bougie  und 
Darreichung  ton  Pilsen  aus  Mutterkorn  und  Aloe  durch  die  Zange 
glücklich  boehdigt,  ändern  allerdings  die  Mutter  für  frühzeitige 
Niederkunft  losondefrs  ompfiinglicb  gewesen  zu  sein  scheint,  da 
nach  der  kütstlicheii  Frühgeburt  1858  in  den  Jahren  1862  und 
1863  die  Wehen  an  dem  bestimmten  Tage  von  selbst  begannen. 
Im  achten  Falle  dajuerte  die  Fintbindung  66  Stunden.  In  den 
übrigen  Fällen  gebntuchte  S,  Th.  die  Krcmse^^che  Methode,  einen 
elastischen  Catheter  oder  Bougie  liegen  zu  lassen.  Doch  drang 
derselbe  in  drei  Fällen  in  die  Eihäute  ein,  zwei  Mal  wurden  die- 
selben mit  einem  Stilet  eröffnet  und  ein  Mal  musste  mit  der  Douche 
nachgeholfen  ,werden. 

Von  32  Kindern,*  deren  Geburt  durch  die  AVaws^sche  Methode 
veranlasst  wip-de,  k«m  eins  nach  6  und  eins  erst  nach  92  Stunden 
zur  Welt.  Wenn  man  diese  beiden  Fälle,  in  deren  erstem  die 
Wehen  schon. vor  Beginn  der  Operation  eingetreten  zu  sein  schei- 
nen, und  in  deren  zweitem  eine  Schulterlage  die  Geburt  hinaus- 
zog, abzieht  j  so  ge9)en  die  andern  ein  Mittel  von  40  Stunden, 
indem  sie  vier  Mal  Jjis  24,  zehn  Mal  24—36,  drei  Mal  36 — 48, 
fünf  Mal  48r-60,  awci  Mal  64  und  ein  Mal  78  Stunden  lang 
dauerten.        •      •      ' 

Von  diesfen  32  Kindern  lebten  25.  Von  den  7  todten  hatten 
3  die  Wendufg  bei  Querlage,  2  die  Ausziehung  bei  Beckenende- 
lage, dabei  einmal  <mit  vorgefallenem  Nabelstrang  erlitten,  die 
2  anderu  hatten  sich  mit  dem  Schädel  eingestellt. 

Von  den  32  durch  die  Krause'üche  Methode  entbundenen 
Frauen  hatteh  25  ein  ganz  uagAstorteA  WoiJienbett;  3  machten 
weniger  bedeutende  Krankheiten  in  demselben  durch;  4  starben, 
eine  an  Pyanie  mit'  lobulärer  Pneumonie ,  eine  an  febris  puer- 
peralis  pyämjjca,  eine  an  Endometritis  und  eine  an  Pyämie  mit 
Peritonitis  uid  metistatischen  Processen.  Uebrigens  war  Sorge 
getragen  worden,  jedesmal  einen  frischen  Catheter  anzuwenden. 
(Nederlaivlsch  Tijdschrift  voor  Genecskunde.    Jahrg.  1865) 


B,  Lion  seA,:  Uober  den  Kaiserschnitt  an  Ster- 
benden!   Zui"  forensischen  Casuistik. 
Unter  der  Devise:  Summum  jus  summa  injuria,  berichtet  Verf. 
über  einen  Fall,  wo  bei  einer  Sterbenden  der  Kaiserschnitt  ge- 


YI.    Notizeoi  aus  der  Joarnal- Literatur.  838 

macht  worde,  um  das  Kind  zu  retten.  Die  Mutter  Aberlebte  die 
Operation  noch  14  Stunden,  erhielt  aber  die  schon  vorher  t6IV 
lorene  Sprache  nicht  wieder ;  das  Kind  war  todt  Der  Operateur 
wurde  angeklagt,  aber  freigosproehea  Verf.  steHt  si<^  selbst 
die  Frage ,  ob  der  Arzt  berechtigt  sei ,  an  einer  Sterbenden  den 
Kaiserschnitt  zu  machen,  oder  ob  er  warten  müsse,  bis  die  Per* 
son  todt  ist  (in  welchem  letzteren  Falle  die  Wahrscheiulicbkeit, 
ein  lebendes  Kind  zu  extrahiren,  fast  gleich  Null  sbi)  und  ob  die 
M^issenschaft  im  Staude  ist,  fiberall  mit  Bestimmtheit  anzugeben, 
ob  und  wann  eine  Kranke  rettungslos  verloren  sei?  Er  weist 
natürlich  auf  die  Schwierigkeit,  sich  über  den  letzteu  Thcil  der 
Frage  zu  vcrgcwisäcru,  hin  (Scheintod,  Yerwechscluug  der  Agonie 
mit  Krisis)  und  führt  einen  Fall  an,  wo  ein  todtes  Mädchen  acht 
Tage  lang  weder  Leichengenich  noch  sonstige  Leicbenveran- 
derungen  zeigte  und  deshalb  erst  nach  dem  achten  Tage  beerdigt 
werden  konnte.  In  diesen  Fällen,  wo  es  sich  natürlich  nicht  um 
absolute  Bcckcnonge  —  2J"  Cpnjugata  uteri  handele,  müsse  der 
Arzt  daher  mit  doppelter  Vorsicht  zu  Werke  gehen,  and  sobald 
nur  noch  irgend  eine  Hoffnung,  eine  entfernte  Möglichkeit,  die 
Mutter  zu  erhalten,  vorhanden  sei,  dürfe  die  Operation  natürlich 
nicht  gemacht  werden,  eben  so  wenig  wie  bei  todtem  Kinde; 
natürlich  kann  aber  ein  Arzt,  der  eine  rettungslos  Verlorene  erst 
sterben  lässt  und  bald  darauf  den  Kaiserschnitt  macht,  nicht  ge- 
tadelt werden ,  weil  es  keine  gesetzliche  Bestimmung  über  das 
Verhalten  des  Arztes  bei  Agonie  von  Schwangeren  gicbt.  Wenn 
aber  ein  Arzt  an  einer,  nach  seiner  besten  Ueberzeugung  ret- 
tungslos Verlorenen  mit  (ihrer  eigenen  und)  der  Angehörigen 
Zustimmung  den  Kaiserschnitt  noch  vor  dem  eingetretenen  Tode 
macht,  und  zwar  mit  ciuigermassen  bestimmter  Aussicht  auf  Er- 
haltung des  kindlichen  Lebens,  so  begeht  er  sicher  kein  Ver- 
brechen und  kann  nicht  bestraft  werden.  Der  Arzt  hat  die 
Operation  natürlich  zu  unterlassen,  wenn  efr  die  Ueberzeugung 
gewonnen  hat,  dass  das  Kind  todt  oder  nicht  lebensfähig  ist. 
Wird  aber  die  Operation  ausgeführt,  so  muss  es  stets  nach  den 
Regeln  der  Kunst  geschehen,  der  Arzt  braucht  sieh  aber  dabej 
nicht  an  die  allgemeinen  Methoden  zu  halten  (im  oben  angeführr 
ten  Falle  hatte  der  Operateur  dem  Längsschnitte  im  Uterus  noch 
einen  Querschnitt  »ugefügt,  um  das  Kind  besser  extrahiren  zi^ 
können). 

Verf.  führt  schliesslich  nocliraals  aus,  dass  er  dem  Arzte  in 
verzweifelten  Krankheitsiällen ,  wenn  die  gehö>rigen  Indicationei^ 
(gänzliche  Hoiffiaungslosigkeit  in  Betreff  der  Mutter  bei  lebendem 
Kinde)  vorhanden  simd ,  stets  das  Recht  zugestehen ,  nicht  ein^ 
Sterbende  zu  tödten,  sondern  nur  an  ihr  eine  lebeAsgefährlichue 
Operation  zu  vollführen,  um  ein  anderes  in  ihr  lebendes  Wesen 
SU  retten,  weil,  wenn  es  nicht  möglich  ist»  Beide  zu  retten, 
wenigstens  dasjenige  beider  Individuen   erhalten  werden  muss, 


884  VL    NotizeB  aus  der  Journal -Literatur. 

wofür  im  concreten  Falle  die  grftsate  Wahrscheinlichkeit  spricbt 
Wenn  die  Kreisende  als  rettungslos  verloren  zu  betrachten  und 
daher  die  Operation  zu  machen  ist,  muss  in  den  ▼erschiedenen 
F&llen  der  Arzt  sie  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen,  nacb 
bester  Ueberzengung  selbst  festotellen ,  eine  Norm  ffir  alle  FaUe 
Iftsst  sieh  bei  der  Verschiedenheit  der  Todesursachen  natürlich 
nicht  angeben. 

(Deutsche  Zeitschrift  fttr  die  Staatsarzneikunde. 
1865.   23.  Band.    1.  Heft) 


Baker -Broicn:  Resultate  von  55  operirten  Bla- 
sen scheiden  fisteln. 

Seit  4^  Jahren  wurden  in  London  Surgical  Home  58  Frauen 
mit  Blasenscheidenfisteln  aufgenommen,  55  wurden  operirt,  bei 
43  trat  Tollständige  Heilung  ein,  1  wurde  sehr  gebessert,  2  star- 
ben, 5  wurden  nicht  geheilt  und  4  blieben  in  Behandlung.  Von 
den  43  Heilungen  erfolgte  dieselbe  bei  24  nach  der  ersten  Ope- 
ration, bei  8  nach  der  zweiten,  bei  5  nach  der  dritten  und  bei 
6  nach  mehr  als  drei  Operationen. 

Aus  den  Angaben  über  die  Dauer  der  Geburten,  durch 
welche  die  Fisteln  herbeigeführt  wurden,  geht  hervor,  dass  die 
Ursache  der  Verletzung  in  der  Verzögerung  der  Geburt,  nicht 
in  der  Anwendung  von  Instrumenten  zu  suchen  ist  und  dass  man 
durch  rechtzeitigen  Gebrauch  von  Instrumenten  die  Entstehung 
von  Fisteln  verhüten  kann. 

(Brit.  med.  Journal  No.  117.  28  Mars  1863; 
Mediz.  chir.  Monatshefte  Juni  1863.    S.  547.) 


0.  V.  Franque:  lieber  plötzliche.  Todesfälle  im 
Wochenbett. 
Dass  zuweilen  plötzliche  Todesfälle  gerade  im  Wechenbette 
eintreten ;  ist  eine  Thatsache.  In  manchen  Fällen  mögen  die* 
selben  durch  profuse  Blutung  bedingt  sein.  Häufiger  aber  ist  es 
das  Bild  acuten  Lungenödems,  unter  dem  die  Frauen  zu  Grunde 
gehen  und  zwar  in  einer  Zeit  von  wenigen  Minuten  bis  2  Stra- 
den.  Unter  Respirationsbeschwerden,  Angstgefühl,  Cyanose,  klei- 
nem fadenförmigem  Puls  und  zuweilen  Schmerzen  in  der  Magen- 
gegend erfolgt  der  Tod.  Selten  erweist  die  Section  nur  Lungen- 
Odem.  Häufiger  findet  sich  eine  Thrombose  der  Lungenarteriea, 
meist  durch  Embolie  veranlasst,  welche  letztere  das  Herz  oder 
die  Venen  der  untern  Extremität,  zum  Ausgangspunkte  hat  IHe 
Thrombose  findet  meist  an  einer  Bifnrcations-Stelle  der  Lungen- 
arterie  Statt,  und  kann  —  besonders  bei  schwacher  BlutstrOmuDf 
und  Anämie  —  complet  sein.  Angefügt  ist  die  Beschreibung  voa 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  335 

3  hierker  gehörigen  Fällen;  die  beiden  ersten  aus  der  Praxis  des 
Verf.,  der  letKte  aus  der  eines  Collegen. 

1.  Fall.  Am  4.  Tage  nach  der  Geburt  ohne  Vorboten  Tod 
binnen  3  —  4  Minuten  unter  Athcmnoth.  —  Mitralklappe  mit 
fibrösen  Vegetationen.  Im  Hauptstamme  der  rechten  A.  pulm. 
ein  dieselbe  complet  erfüllendes,  adhärirendes  Gerinnsel. 

2.  Fall.  Blutung  bei  der  Geburt  Kiüistlichc  Lösung  der 
Placenta.  Tiefe  Ohnmacht.  Rückbleibende  Anämie.  Normales 
Wochenbett.  Am  9.  Tage  Schmerz  in  der  rechten  untern  Extre- 
mität längs  der  Venen.  Acnsserlich  Nichts  nachzuweisen.  Graue 
Salbe,  Opium,  Wärme.  Vollständiges  Verschwinden  der  Schmer- 
zen. Am  16.  Tage  plötzlich  Angstgefühl,  Dyspnoe,  Schmerz  in 
Magengegend.  In  IJ  Stunden  Tod  —  Sectiou:  Lungenödem.  An 
der  ersten  Theilungsstclle  der  A.  pulm  ein  diese  complet  aus- 
fallender Thrombus,  besonders  in  die  rechte  Lunge  fortgesetzt. 
Herz  normal.  Die  grosse  Schenkelvcne  der  rechten  Seite  bis  zur 
Kniekehle  mit  Blutgerinnseln  gefüllt. 

8.  Fall.  Während  der  Schwangerschaft  Erkrankung  der 
Venen  der  lioken  Kniekehle.  Geburt  und  Wochenbett  normal. 
In  der  8.  Woche  nach  der  Geburt  plötzlich  Angst,  Dyspnoe, 
bhmen  1  Stunde  Tod.  —  Section:  Herz  normal.  Lungenödem. 
Hauptstamm  der  rechten  A.  pulm.  durch  einen  Thrombus  com- 
plet ausgefällt.  Von  der  Theilungsstelle  der  untern  Hohlvene  bis 
unterhalb  der  Kniekehle  vollständige  Ausfüllung  mit  Thromben. 
(Wiener  Medicinal- Halle.    1864.  No.  33  u.  84.) 


Breslau:  Ueber  Gebär-Anstalten  mit  Berück- 
sichtigung des  Zellensystcms. 

Nachdem  Verf.  schon  öfters  seine  Befürwortung  dieses  Systems 
ausgesprochen,  kann  er  jetzt  nicht  unterlassen,  dasselbe  nochmalB 
dringend  zur  allseitigen  Einführung  zu  empfehlen,  da  er  in  ihm 
eines  der  Mittel  sieht^  welche  dem  Puerperal  -  Fieber  zu  steuern 
im  Stande  sind  und  daher  jedenfalls  Erwägung  verdienen. 

In  Kiel  ist  bereits  eine  Gebär -Anstalt  nach  dem  Zellen- 
system errichtet ,  in  Göttingen  ^  und  Freiburg  hat  man  die  vor- 
handenen Räume  möglichst  für  diesen  Zweck  eingerichtet,  in 
Freiburg,  vielleicht  auch  in  Zürich  werden  voraussichtlich  solche 
Anstalten  erbaut  —  kurz,  die  Ansicht  beginnt  Boden  zu  gewinnen. 

Dass  Wöchnerinnen  in  selbst  ungünstigen  Privatverhältnissen 
meist  besser  vor  dem  Puerperal-Fieber  geschützt  sind,  als  selbst 
in  guten  Anstalten,  dies  veranlasst  den  Verf.,  darauf  hinzuweisen, 
dass  der  Vortheil  in  der  Privatpraxis  die  Isolirung  von  anderen 
Wöchnermnen  ist.  Hält  er  nun  auch  das  Unterbringen  von  vielen 
^trennten  Wöchnerinnen  unter  einem  Dache  noch  nicht  für  ganz 
hinreichend  zur  VerhUtung  des  Puerperal -Fiebers,  so  ist  damit 


386  ^*    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

doch  das  MdgHcbste  und  etwas  den  Privat- Verhältniasen  Analoges 
geboten.    Y ortheile  des  Zellensystems  sind: 

1)  Schädliche  aus  Effluvicn  entstandene  Stoffe  treffen  nar 
die  eine  Wöchnerin,  ohne  sich  unmittelbar  weiter  verbreiten  zu 
können. 

2)  Infection  durch  directe  Uebertragung  (Coutagion)  findet 
nicht  Statt,  da  jede  Wöchnerin  alles  Nöthige  für  sich  hat 

3)  Ein  Wechsel  im  Belegen  der  Zimmer  kann  regelmassiger 
und  häufiger  geschehn. 

4)  Einzelne  Zimmer  könneu  länger  leer  gelassen  werden,  als 
grosse  Käume. 

5)  Einzelne  Zimmer  können  ohne  Nachtheil  lange  Zeit  hin- 
durch unbenutzt  bleiben. 

6)  Eine  natürliche  Ventilation  (die  Strohmeyer'sche)  kann 
vielleicht  bei  kleinen  Zimmern  genügen. 

7)  Künstliche  Ventilation  ist  bei  kleinen  Zimmern  erfolg- 
reicher. 

8)  Das  Reinigen  und  Reinhalten  der  Zimmer  geschieht  leich- 
ter und  schneller. 

9)  Die  isolirten  Wöchnerinnen  haben  grössere  Ruhe. 

10)  Die  Zellen  können  mit  Vortheil  zum  Qebären  benutzt 
werden. 

Die  Mängel  dieser  Einrichtung  bestehen  in  Folgendem: 

1)  Die  Verpflegung  isolirter  Wöchnerinnen  ist  schwieriger. 
In  dieser  Beziehung  hält  es  B.  für  das  Beste,  das8  mau  jeder 
Wöchnerin  eine  Hebammenschülerin  zutheilt,  die  mit  in  der  Zelle 
schläft.  Ist  dies  nicht  ausführbar,  so  empfiehlt  B.  den  Patrouillen- 
Dienst  der  Wärterinnen,  wie  er  z.  B.  in  Spitälern  geistlicher 
OrdtiB  zuweilen  besteht. 

2)  Die  Zellen  bieten  zu  wenig  Raum  für  klinisdie  Zwecke 
(Demonstriren,  Dociren,  Operiren).  Hier  meint  B.  dürfte  bei 
grosser  Anzahl  von  ELlinicisten  durch  Theik  n  derselben  in  Abthei- 
lungen, durch  Transport  der  Wöchnerin  in  ein  Auditorium  etc. 
zu  helfen  sein. 

3)  Heizung  und  Beleuchtung  sollen  umständlicher  und  kost- 
spieliger sein,  was  B.  läugnet.  Er  führt  Dampf-,  Wasser-  oder 
Luftheizung,  sowie  zweckmässig  angebi'achte  Gasbeleuchtung  als 
Auskunftsmittel  an. 

Nach  alledem  hält  B.  dies  System  wesentlich  für  kleinere 
und  mittlere  Anstalten  aufrecht  und  glaubt  darin  eine  sehr  wich- 
tige hygieinische  Maassregel  gegen  das  Puerperal  -  Fieber  zu 
finden.  Als  Beweis  der  möglichen  erfolgreichen  Verwirklichung 
bietet  er  eine  Schilderung  der  Kieler  Anstalt  (Litzmatin).  Hier 
stehen  das  ganze  Jahr  so  viel  Schülerinnen  zu  Gebote,  wie  Wär- 
terinnen nöthig  sind.  In  jedem  Zimmer  schläft  eine  Wöchnerin 
und  eine  Schülerin.  Ein  Gebärzimmer  existirt  nicht.  Jede 
Schwangere  gebiert  in  ihrer  Zelle.    So  wi^d  der  Umstand,  datt 


VI.    Notizen  aus  der  JoaruRl- Literatur  837 

du8  GebÄrzimtaer  als  miasmatischer  Heerd  für  eine  Puerperaf- 
Endemie  dienen  könnte,  vermieden.  Die  Erfahrungen  in  der 
RotundA  zu  Dublin  und  in  Zürich  sprechen  allerdings  dafür,  dass 
trotz  Abschaffung  eines  Gebärzimmers  doch  starke  Endemieen 
auftreten  können.  Die  Kieler  Anstalt  ist  mit  natürlicher  {Stroh- 
m^y^^scher)  YentilaMon  versehen,  die  durch  die  günstige  Lage 
des  Hauses  begünstigt  wird.  Puerperal -Erkrankungen  sind  bis 
jetzt  (seit  1}  Jahren)  unter  mehreren  Hunderten  von  Geburten 
noch  nicht  vorgekommen. 

Bei  dem  Neubau  eines  Gebärhauses  muss  zunächst  ein  freier 
hochgelegener  Platz  auf  trocknem  Boden  gewählt  werden ,  nicht 
zu  nahe  anderen  Spitälern.  Die  Front  gegen  West  oder  Südwest, 
eingeschlossene  Höfe  sind  zu  vermeiden ,  ein  Mittelbau  mit  zwei 
geraden  oder  einem  rechtwinklich  angesetzten  Flügel  oder  Pavil- 
lons, durch  Corridore  verbunden;  gute  Ventilation,  zweckmässige 
Abtritte,  Räume  für  die  beschmutzte  Wäsche,  Desinfectionskam- 
mer.  In  3  Worten :  Luft,  Raum,  Trennung,  kann  man  die  Postn^ 
late  für  eine  neue  Gebär-Anstalt  zusammenfassen,  und  wenn  dann 
Reinlichkeit  und  Ordnung  regieren,  so  vi-erden  Hunderte  von 
Menschenleben  erhalten  werden. 

(Wiener  mediz.  Wochenschrift.  1864.  No.  33—35.) 


Säainger:  Zwei  Fälle  von  spontaner  Gas-Knt- 
Wickelung  aus  eitrig-jauchigen  Exsudaten. 
Der  erste  Fall  betraf  eine  27jährige  Wöchnerin,  die  nach 
einer  vollständig  normalen  Geburt  an  einem  schweren  Puerperal- 
Processe  erkrankte,  welcher  mit  Schüttelfrösten  begann  nnd  mit 
heftigen  Fiebererscheinungen  einherging.  Nach  einer  auf  reich- 
liche diarrhöische  Entleerungen  eingetretenen  Remission  folgten 
bald  wieder  schwere  Fiebererscheinnngen ;  kurz  darauf  zeigte 
sich  an  der  rechten  Wade  vom  ICnie  bis  zur  Achillessehne  hinab 
schmerzhafte  Schwellung,  bedingt  durch  starre  gleichmässige  In- 
filtration des  Zellgewebes.  Bald  schmolz  dieselbe  und  es  war 
deutlich  Flactnation  über  die  ganze  Wade  zu  bemerken.  Zwei 
Tage  später  fühlte  man  in  der  Umgebung  des  Eitcrheerdes  unter 
der  Hant  Knistern  und  hörte  beim  Eindrücken  an  der  geschwolle- 
nen Wade  deutlich  ein  Schwappen  einer  mit  Luft  gefüllten  Flüs« 
sigkeit:  über  dieser  Stelle  war  der  Percussionston  tvmpanitisch. 
Beim  Eröffnen  des  Abscesses  entwich  unter  Zischen  eine  ansehn- 
liche Menge  eines  nach  faulen  Eiern  riechenden  Gases,  welches 
sich  durch  die  entsprechende  Reaction  auf  ein  in  concentrirt^ 
Bleiessiglösung  getränktes  Filtrirpapier  als  Schwefelwasserstoffgas 
auswies.  Der  hinterher  entleerte  Eiter  war  dünnflüssig,  missfar- 
big, stark  alkalisch  und  weder  mit  Blut,  noch  necroti' 
sehen    Gewebsfetzen    gemengt.      Tod    am    24.    Tage    des 

MonatBschr.  f.  Gebnrtsk.  1865.  Bd.  XXV.  Suppl.-Hft.  22 


388  ^*    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Wochenbettes.  Der  Eiterheerd  fand  sich  bei  der  Section  zwiscbea 
Haut  und  Muskulatur,  der  im  Abscesse  vorhandene  Inhalt  enthielt 
Ammoniak. 

Der  zweite  Fall  betraf  eine  27jährige  Wöchnerin,  welche  ein 
Puerperalfieber  glaoklich  überstanden  hatte.  In  der  Beconvales- 
cenz  zeigten  sich  jedoch  bald  Schmerzen  im  rechten  Hüftgelenk 
und  Fiebererscheinungen,  die  sich  allmälig  steigerten.  Zugleich 
schwoll  die  vordere  äussere  Seite  des  oberu  Drittels  des  Ober- 
schenkels an,  wurde  hart  und  schmerzhaft  An  die  Stelle  der 
Härte  trat  nach  und  nach  deutliche  Fluctuation,  über  welcher 
nach  einigen  Tagen  ein  exquisit-tympanitischer  Percussionston 
und  beim  Eindrücken  deutliches  Schwappen  einer  mit  Luft  ge- 
mengten FiüBsigkeit  zu  hören  war.  Bei  der  Eröffnung  entwich 
eine  ziemliche  Menge  einer  nach  faulen  Eiern  riechenden  und 
schwefelwasserstoffhaltigen  Luft,  worauf  eine  dünnflüssige  braun- 
schwarze, mit  kleinen  necrotischeu  Gewebsfetzen  gemischte  Jauche 
abfloss.  Tod  nach  7  Wochen.  Bei  der  Section  fand  sich  die 
rechte  Pfaonengegend  zerstört,  die  Gelenkbänder  zerfallen,  das 
kaum  haselnussgrosse ,  poröse^  Caput  femoris  durch  die  Pfannen- 
öffnung in  das  kleine  Becken  getreten,  die  umliegende  Muskula* 
tur  in  einen  grossen,  mit  dünnflüssiger,  dunkler  Jauche  und  stin- 
kendem Gase  gefüllten  Abscess  umgewandelt,  so  dass  die  ganze 
Cruralgegend  und  der  Psoas  tympanitisch  resonirten.  Diagnosis 
Coxitis  ichorea  dext.  Abscessus  muscul. 

In  einer  kurzen  Epikrise  führt  Verf.  sodann  mehrere  von 
Bamberger,  Bricf^eteau,  Duchek,  Stokes,  Sarauer,  Friedreick, 
Breslau  j  Dressier  und  Scheiber  beobachtete  Fälle  von  spontaner 
Gasentwickelung  aus  eitrig -jauchigen  Exsudaten  auf  und  stellt 
diesen  Beobachtungen  als  Aualogon  seinen  zuerst  angeführten 
Fall  zur  Seite,  in  welchem  nachgewiesenermaassen  nur  der 
Eiter  als  Quelle  für  die  Gasentwickelung  aufzufinden 
war.  Die  rasche  und  massenhafte  Production  de&  Exsudates  an 
und  für  sich  scheint  ihm  mit  der  Gasentwickelung  in  einem  Zu- 
sammenhango  zu  stehen. 

Der  zweite  vom  Verf.  angeführte  Fall  bietet  zwar  bezüglich 
der  Entstehung  von  Gasen  nichts  Neues,  doch  ist  er  dadurch  von 
Interesse,  dass  die  Gasentwickelung  hierbei  soweit  gedieh,  dass 
eine  grosse  Partie  des  mit  Jauche  gefüllten  obern  Dritttheils  des 
Oberschenkels  deutlich  tympanitisch  resonirte,  und  weil  beim 
Einstich  die  angesammelte  Luft  als  Gasstrom  unter  Zischen  ent* 
wich.  Einen  ähnlichen  Fall  hat  Morrel- Lavallee  in  der  Union 
nMicale  1861.  Tom.  IL  mitgetheilt. 

(Prager  medizin.  Wochenschrift.  1864.  No.  51.) 


VI.    Notizen  au8  der  Journal -Literatur.  389 

Fischer:  Bericht  über  die  während  des  Zeit- 
raumes vom  1.  October  1862  bis  Ende  Mätje 
1864  auf  der  innern  Abtheilung  des  Pro- 
fessor Traube  in  der  Charite  vorgekomme- 
nen Puerperal-Erkrankungen. 

Es  s^hliesBt  sich  dieser  Bericht  dem  froher  von.  Leyden 
(Charite-Annalen  1863,  Bd.  X.  S.  22)  veröffentlichten  an,  indem 
vom  15.  April  bis  1.  Octbr.  16(32  keine  Puerper alkranke  von  Be- 
deutung zur  Beobachtung  kamen.  Verfl's  164  Beobachtungen  sind 
nach  den  Eurzetteln  und  Temperaturmessungen  gemacht,  vie  sie 
auf  der  Trau&e'schen  Abtheilung  angefertigt  wurden,  und  es  gel- 
ten für  diesen  Bericht  die  von  Leyden  über  die  Art  und  Zeit  der 
Tetaperaturmessungeu  gemachten  Vorbemerkungen. 

In  der  obengenannten  Zeit  kamen  in  der  Charite  975  Ent- 
bindungen vor,  davon  164  Puerperal-Erkrankungen,  also  16,82  Proc. 
Die  häufigsten  Erkrankungen  fielen  in  die  Monate  November, 
Deceraber  1862,  Januar  1863,  ferner  von  November  1863  bis  M&re 
1864;  die  meisten  Sterbefälle  in  die  Monate  October,  November, 
December  1862  und  März  1864^  Die  günstigsten  Monate  waren 
vom  Februar  bis  October  1863.  Die  Wintermonate  waren  also 
entschieden  ungünstiger.  In  den  Einrichtungen  der  Charite  ist 
kein  Moment  für  die  Entstehung  der  Krankheit  au&ufinden,  aus 
der  Stadt  kamen  nur  drei  Erkrankte  hinzu;  es  befijel  die  Krank- 
heit eben  so  gut  kräftige,  wie  schwächliche  Personen;  eine  Ver- 
bindung mit  dem  Leichenbause  gab  es  nieht,  laagdauemde  und 
schwere  Geburten  gaben .  eine  bemerkenswerthe  Prädi^ositioii. 
Bei  den  Seetionen  wurde  niemals  •chronische  Lungentuberculose 
gefunden,  dagegen  öfter  Herafehler.  GemütfasalTecte  sind  kaum 
als  Ursache  anzunehmen.  Es  herrschien  in  derselben  Zeit  in 
Berlin  viele  Exantheme,  besonders  Pocken,  ferner  Typben  und 
biliöse  Pneumonien,  dagegen  auf  der  chirurgischen  Station  auf- 
fallend wenig  Pyämien. 

Was- die  Krankheitsformen  betrifft,  so  theilt  sie  Verf.  ein: 
1)  in  die  parenchymatöse  oder  phlegmonöse  Form  {Virehoto), 
gebildet  durch  Fortkriechen  im  Bindegewebe  der  Adnexen  des 
Uterus  auf  die  benachbarten  Organe,  besonders  auf  die  anliegen- 
den serösen  Häute;  2)  in  die  thrombotische  und  ichoröse  Forjqd 
durch  directe  Infection  des  Blutes,  entweder  durch  Zerfall  der 
Thromben  oder  durch  directen  Uebertritt  von  Jauche  in  das  Blut. 
Da  aber  die  Grenze  zwischen  diesen  beiden  Formen  oft*  sehr 
schwer  zu  ziehen  ist,  so  kommt  3)  eine  Mischform  beider  Zu- 
stände vor,  die  von  Bvhl  auch  aufgestellte  Peritonitis  mit  Pjäpii^ 
oder  die  phlegmonös-septhämische  Form,  eine  das  klinische  Bi)d 
des  Puerperalfiebers  vielfach  verwirrende. 

Der  ersten  Form  gehörten  129  Fälle  an,  davon  starben  34, 
während  von   den  35   Septhädoaischfßn  22  starben.     Aus  diea^ 


340  VI-    Notizen  aus  der  Journal  -  Literatur. 

Zahlen  geht  die  H&ufigkeit  und  relative  Gutartigkeit  beider  For- 
men henror. 

Nach  YorauBschickung  von  16  ausführlichen,  der  ersten  Form 
zukommenden  Krankengeschichten  gelangt  Yerf  schliesslich  über 
diese  erste  Form  zu  folgenden  epikritischen  Bemerkungen.« 

1)  Fast  in  allen  FftUen  fanden  sich  Ülcerationen  in  und 
an  den  Geburtstheilen  von  verschiedener  Ausdehnung  .und  Tiefe, 
oft  mit  diphtheritischem  Belag;  die  übelriechende,  alcalische,  dünne, 
eiterähnliche  Absonderung  zeigte  Eiterkörperchen ,  eine  grosse 
Menge  Vibrionen  und  viel  feinkörnigen  Detritus. 

2)  Das  Fieber  begann  fast  constant  mit  Schüttelfrost,  der 
in  5  Fällen  fehlte  und  zwei  Mal  sich  erst  sp&ter  zeigte,  nachdem 
die  Krankheit  schon  locjilisirt  war;  Wiederholung  des  Frostes 
höchst  selten,  vielmehr  traten  neue  Entzündungen  (Pleura,  Peri- 
eardium)  meist  ganzirtent  ein.  Die  Temperatur  war  meist 
sehr  hoch,  im  Mittel  39,5*  C. ,  stieg  in  sehr  bösartigen  Fällen 
bis  auf  42"  C.  —  Meist  febris  continua,  die  Remissionen  fielen 
in  die  Morgenzeit,  selten  in  die  Abendzeit,  entschied  sich  meist 
dnrch  Lysis.  Wenn  sich  die  Krankheit  zum  Besseren  neigte, 
nahm  das  Fieber  den  exquisit  hektischen  Charakter  an,  besonders 
wo  sich  ein  parametri  tisch  er  Abscess  als  Nachkrankheit  ausbil- 
dete. Bildete  sich  nach  der  Hectica  eine  Continua  wieder  aus, 
80  konnte  man  bestimmt  ein  Weiterkricchen  des  Processes,  meist 
eine  beginnende  Pleuritis  annehmen.  Auch  nach  zurückgetretenen 
Localerscheinungen  dauerte  das  Fieber  meist  noch  einige  Zeit 
fort.  Beträchtliches  Absinken  der  Temperatur  bei  unverminder- 
ter, selbst  gesteigerter  Pnlsfrequenz  war  von  schlimmster  Beden- 
tiing,  ein  Vorzeichen  des  Todes.  Sehr  hohe  Pulsfrequenz 
von  Anfang  an  giebt  die  übelste  Prognose,  besonders  bei  Span- 
nung der  Arterie  und  constantem  Steigen. 

3)  Nervöse  Symptome.  Das  Sensorium  war  meist  frei, 
selbst  bei  höchstem  Fieber  und  unter  den  gewaltigsten  Schmer- 
zen, wahrscheinlich  gerade  wegen  letzterer.  Kurz  vor  dem  Tode 
kamen  zuweilen  Delirien,  3  Mal  furibnnde,  vor.  Grosse  Angst 
und  Todesahnungen  quälten  die  Kranken,  im  Verlauf  der  Krank- 
heit wurden  sie  ruhiger,  ja  oft  heiter  im  grellen  Widerspruche 
zum  Gesammtzustande.  Tiefer  Verfall  der  Krftfte  begleitete  die 
schwereren  Formen. 

4)  Localerscheinungen.  Der  Wochenfluss  war  spär- 
lich, fehlte  auch  wohl  ganz,  oder  dtinn,  schmutzig  blutig  roth, 
reicWich  und  Übelriechend.  Reaction  desselben  Öfters  stark 
alcaltsch,  und  enthielt  dann  Vibrionen  in  grosser  Menge.  Ausser 
den  Vibrionen  fanden  sich  c'>nstante  kleine  stäbchenförmige,  sel- 
ten auch  einige  längere,  gabelförmig  gespaltene,  nngegliederte 
Pilze  in  dem  Lochialsecrete.  Man  beobachtet  indessen  dieselben 
pflanzlichen  nnd  thierischen  Parasiten  auch  im  Wochenflusse 
gesunder  Wöchnerinnen.     Die  Milchsecretion  verlischt  all- 


Vt.    Kotizeb  aus  der  Journal  -  Literatur.  $41 

mäiig  bei  längerer  Dauer  der  Eraukheit  Leibschmerz  ist 
das  constanteste  Symptom  dieser  Form,  von  der  Gebärmutter  un4 
ihren  Anhängen  ausgehend  und  mehr  weniger  verbreitet.  £r 
bestand  continuirlich ,  steigerte  sich  aber  in  kolikähnlichen  An- 
föUea  zur  unerträglichsten  Höhe.  Mit  dem  Eintritte  massenhafter 
Exsudation  verschwindet  oft  der  Schmerz.  Ebenso  oonstant  ist 
der  Meteorismus  mit  Verdrängung  der  Leber  zuweilen  bis  jsur 
dritten  und  vierten  Hippe,  femer  Spannung  der  Bauchmus- 
keln, nicht  passiv  sondern  bedingt  durch  abnorme  Gontraction 
derselben,  Erbrechen  und  Durchfälle  In  den  diarrhoischen 
Stühlen  wurden  meist  Blut-  und  Eiterkörperchen  in  grosser  Zahl, 
Vibrionen,  Tripelphosphate  und  viel  feinkörniger  Detritus  beob* 
achtet.  Sehr  häufig  kam  Tenesmus  vesicae  vor,  oder  attch 
bei  Verletzungen  der  Scheide,  Harnträufeln.  Der  Urin  enthielt 
fast  in  allen  schwereren  Fällen  Spuren  von  Eiweiss,  keine  Qallen- 
Carbstoffe. 

5)  Respiration  und  Circulation.  Die  Frequenz  der 
Athmang  stieg  meist  über  40  und  wurde  hauptsächlieh  durch 
den  vehementen  peritonitischen  Schmerz  bedingt.  Tod  tMibt 
anter  den  Zeichen  hochgradiger  Dyspnoe  und  Oyanose,  nnid 
dazu  gewinnt  in  scheinbar  crassem  Widersprüche  die  Arterie 
mehr  und  mehr  an  Spannung  und  Enge,  bedingt  durch  den  Reii 
der  angesammelten  Kohlensäure  auf  das  Herz.  Eitrige  Pieu* 
ritis  wurde  19  Mal,  Pericarditis  4  Mal  beobachtet 

6)  Der  Verlauf  war  in  einzelnen  Fällen  äusserst  acut, 
36  Stunden  war  die  kürzeste  Dauer  der  Krankheit,  gewöhnlich 

.  zog  sie  sich,  wenn  es  zum  Bessern  ging,  durch  Monate  hin.  Die 
mittlere  Dauer  betrug  etwa  14  Tage.  Der  Tod  erfolgte  meist 
unter  den  Symptomen  der  Erstickung.  Die  Prognose  dieser 
Form  ist  nicht  so  ungünstig,  wie  obige  Statistik  zeigt;  sehr 
schlecht  wird  sie  durch  Hinzutreten  von  Pleuritis  und  Pericar- 
ditis, durch  Dyspnoe,  Cyanose,  Spannung  des  engen  Arterien- 
rohres und  steigende  Pulsfrequenz. 

7)  Die  Behandlung  war  hauptsächlich  kräftig  antiphlo- 
gistisch. Wiederholte  örtliche  Blutentziehungen  bis  zur  Erleich- 
terung der  Schmerzen,  warme  Fomente  auf  den  Leib  und  kräf- 
tige Purganzeu  reichten  meist  in  den  leichteren  Fällen  aus.  Es 
wurde  Infus,  senuae  comp,  zweistündlich  ein  Esslöffel  gereicht 
und  die  von  SloU,  Seyferty  Breslau  damit  erzielten  günstigen 
Hesuhate  bestätigt.  Bei  wesentlicherer  Betheiligung  des  Perito- 
näum  eine  energische  Mercurialkur,  zweistündlich  1  Gran  Calomel 
und  )j  ungt  einer,  zweistündlich  abwechselnd  in  die  verschiede- 
nen Körpertheile  eingerieben.  Durchfalle  wurden  als  kein  Con- 
traindicans  gegen  Calomel  betrachtet,  vielmehr  befordert  Trat 
Salivation  und  damit  meist  Be  serung  ein,  so  wurde  wieder  Infus. 
sennae  comp,  gereicht.    Die  meisten  Kranken  waren  sehr  resistent 


342  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

iJegen"  Mercuriat-Einwirltangen  und  vertrugen  grosse  Dosen.  Bei 
hohen  Schmerzen  subcutane  Einspritzungen  ron  Morphium ,  der 
inneriiche  Gebrauch  des  Opium  wirkt  durch  Lähmung  des  Dar- 
mes naehthellig.  Gegen  den  Meteorismns  trockne  Schröpfköpfe, 
Sinapismen,  Terpentlnfomente.  Grosse  Sorgfalt  i^erdienen  die 
Puerperal-Geschwüre,  häufiges  Reinigen,  Verbinden  mit  Campher- 
wein  und  Chlorkalk,  Touchiren  mit  Lapis,  aromatische  Fomente  etc. 
(Annalen  der  Charit^.  1864.  XIL  1.  S.  52.) 


Aug,  Theod.  Stamm:  üeber  die  Vernichtungs- 
möglichkeit des  epidemischen  Puerperal- 
Fiebers. 

In  einem  längeren  Aufsatze  geht  Verf.  auf  die  Aetiologie 
und  Prophylaxe  des  Puerperalfiebers  specieller  ein  und  belegt 
aeke  Ansichten  mit  tabeUarischen  Zusammenstellungen  der  von 
ihm  in  der  Wiener  Gebärklinik  (G.  Braun  und  Späth)  gemachten 
Wahrnehmungen.  Gestatzt  auf  20jährige  ätiologische  Forschun- 
gen über  epidemische  Krankheiten  (Bubonenpest,  Gelbfieber,  Cho- 
lera, Typhus)  ist  Verf.  definitiv  zu  der  Ansicht  gekommen,  dass 
mit  allgemeiner  ^epidemischer  Luftconstitution"  oder  „epidemi- 
schen in  der  Gesammt- Atmosphäre  liegenden  Einlassen" 
Nichts  gesagt  uad  gewonnen  sei.  Was  das  Puerperalfieber  be- 
trifft, welches  Verf.  als  epidemisch ,  nicht  als  endemisch  bezeich- 
net, «weil  es  weit  über  seinen  Entstehungsheerd  verschleppt 
werden  kann  und  andrerseits  Epidemieen  mitunter  einen  ganz 
umschriebenen  Heerd  zeigen,"  so  sucht  Verf.  die  Ursachen  nach 
(ien  bisherigen  Erfahrungen  zusammenzustellen.  Zuvor  aber 
bemerkt  er,  dass  er  mit  Anderen  folgendes  symptomatolo- 
gische  Schema  des  Puerperalfiebers  annimmt:    ■ 

I.  Ohne  bestimmte  Localisation  mit  Symptomen  der  Blutdisso- 
lution  und  Alteration  des  Nervensystems.    (Intensive  Sep- 
ticaemie.) 
IL  Mit  nachweisbarer  Localisation: 
1.   Endometritis 

2.-  Metrophlebitis  und  Metrolymphangoitis.  Was  erstere 
betrifft,  so  stellt  Verf.  den  Satz  auf,  dass  die  üterus- 
venen  nach  der  Geburt  (besonders  bei  ungenügender 
Involution)  als  Saugapparate  wirken  und  die  Erkran- 
kung vermitteln: 

a.  durch  jauchige  Zersetzung  der  Thromben; 
h.  durch  directe  Aufsaugung  jauchiger  Bestandtheile. 
Die  Lymphangoitis  entsteht  durch  Resorption  von 
Eiter  und  Jauche  aus  dem  Uterus  mittels  der  Lymph- 
gef&sse. 
3.   Peritonitis. 


VI.    Notizen  ans  der  Journal -Literatur.  343 

Eine  nnläugbare  Entstehungs-Ursache  bildet 

1.  Die  Infection  mit  zersetzter  animalischer  Materie,  un4 
zwar 

a.  als  Selbstinf ection ; 

6.   als  directe  FingerQbertragung  von  Leichengift; 
c.   als  directe  Fingerübertragung  anderer  animalischer 
Zersetzungsstoffe. 
Nebenbei   kann   die   locab   Uebertragung   noch   durch 
Wäsche,  Instrumente  etc.  vermittelt  werden. 
Nur  die  geringe  Zahl  der  Puerperal -Erkrankungen  ist  auf 
diesem  Wege  zu  erklären.    Vielmehr  ist 

2.  die  Luft  der  Kreias-  und  Wochenzimmer  der  Träger 
der  zersetzten  animalischen  Materie  und  die  Haupt- 
ursache der  Kran kheits Verbreitung. 

Was  fQr  Substanzen  in  der  Luft  suspendirt  sind,  ist  noch 
nicht  nachgewiesen;  vielleicht  sind  es  die  von  Mayrhofer  und 
JClebs  beobachteten  Vibrionen,  die  sich  aus  Keimen,  welche  aus 
der  Luft  in  faulende  thierische  Materie  abgesetzt  werden,  ent- 
wickeln. Die  Wissenschaft  hat  es  noch  zu  ergründen,  worin  die 
Beschaffenheit  derartiger  Zimmerluft  zu  suchen  ist;  jedenfalls 
ist  so  viel  durch  die  Erfahrung  bewiesen,  dass  eine  so  verdorbene 
Luft  viel  zur  Verbreitung  der  Epidemie  beiträgt,  dass  also  nicht 
die  allgemeine,  sondern  die  locale  Luftconstitution  Hauptursache 
der  Epidemie  ist.  Im  Anschlüsse  hieran  stellt  Verf.  den  Satz 
auf,  dass  ein  „an  beschränkter  Oertlichkeit  epidemisches"  Puer- 
peralfieber zunächst  die  Herstellung  einer  reinen  Athmosphäre  in 
dieser  Oertlichkeit  erheischt.  Diese  reine  Luft  ist  aus  der  Um- 
gebung zu  entnehmen,  welche  vom  Puerperalfieber  frei  ist.  Da 
die  Ursachen  des  Puerperalfiebers  in  ganz  localen  Verhältnissen, 
die  der  Mensch  selbst  schafft,  beruhen,  so  kann  man  annehmen, 
dass  er  sich  selbst  das  epidemische  Puerperalfieber  schafft.  Als 
erstes  Mittel,  es  zu  beseitigen,  gilt  dem  Verf.  demgemäss  eine 
gründliche  Ventilation,  und  er  sucht  dies  durch  ausführlich  mit- 
getheilte  Beobachtungen  zu  erweisen,  welche  die  1.  Abtheilang 
der  Wiener  Gebärklinik  (C  Braun)  betreffen  und  in  der  Zeit 
Tom  September  1862  bis  zum  März  1863  angestellt  worden  sind. 

Zum  Beweise,  dass  noch  andere  Erfahrungen  es  bestätigen, 
wie  die  mit  zersetzter  animalischer  Materie  geschwängerte  Luft 
der  Kreiss-  und  Wochenzimmer  das  Puerperalfieber  epidemisch 
macht,  gebt  Verf.  noch  auf  die  Beantwortung  einiger  naheliegen- 
den Fragen  ein.    Er  weist  nämlich  darauf  hin: 

1.  Dass  bei  Gassengeburten  die  Erkrankung  der  Mutter 
geringer  zu  sein  pflegt,  als  bei  den  in  der  Anstalt  Entbundenen. 

2.  Erstgebärende  pflegen  in  höherem  Maasse  vom  Puerperal- 
fieber zu  leiden,  indem: 

a)  Zerreissungen  und  Quetschungen  häufiger  sind*, 

b)  der  Gebärakt  länger  dauert.  * 


344  Vi.    Nutiz^D  MS  der  JimrnAl-Literataf. 

Dieselben  sind  also  den  sckädlichen  Agentieii  ttager  nad 
ialeDsiver  ausgeBetzi. 

3.  Die  durch  die  Natur  oder  durch  KunsthQlfe  beim  Geboits- 
akte  Verletzten  haben  in  höheren)  Grade  vom  Puerperalfieber  xa 
leiden,  indem  durch  die  Wnndstellen,  welche  der  Puerperal- 
xinimerluft  ausgesetzt  sind,  die  Vergiftung  erfolgt. 

4.  Die  Durchschnittssterblichkeit  in  vielen  grossbritanniscbea 
Gcbärhäusern  ist  eine  weit  geringere,  als  die  in  deutschen  Ge- 
bärhäusern.  Dies  schreibt  S.  dem  Umstaude  zu,  dass  in  England 
theils  durch  die  Kaniinheizung  und  durch  das  stete  (selbst  nächt- 
liche) Oeflfnen  der  Fenster,  thoils  durch  zweckmässige  VentOation 
die  animalisirte  Luft  entfernt  wird,  und  bessere  Einrichtungen 
üetf-effs  der  Water  Closets  und  der  Fingerwaschungen  Statt  haben. 

5.  Dass  im  Spätherbst  und  Winter  die  Puerperalfieber- Epi- 
demieen  häufiger  sind  als  in  anderen  Jahres7eiten,  kommt  daher, 
dass  zu  dieser  Zeit  die  Fenster  mehr  als  sonst  geschlossen  gehal- 
ten werden,  also  von  schlechterer  Ventilation. 

Dass  die  mit  animalischen  Zersetzungsstofien  geschwängerte 
Luft  auch  bei  anderen  Krankheiten  einen  verderblichen  Einfluss 
ausübt,  ja,  dass  Krankheitsprocesse  durch  solche  £inwirkuj.g 
erzeugt  werden  können,  glaubt  S.  seinen  Erfahrungen  gemäss 
bestätigen  zu  können.  Er  erwähnt  in  dieser  Beziehung:  Ileo- 
tyiiLus,  Hospital-Fäulniss,  Pest,  Malaria-Fieber  und  cxanthema- 
tischen  Typhus.  Besonders  ist  es  der  Ileotyphus,  der  eclatiint 
durch  den  Genuss  verdorbener  Nahrungsmittel  und  durch  das 
Einathmen  verdorbener  Luft  entstehen  kann.  In  den  hierbei 
entstehenden  Darmgeschwüren  sieht  Verf.  Localisations- Punkte 
der  Krankheit,  also  analog  mit  dem  Puerperalfieber. 

Für  eine  solche  Analogie  spricht  der  Umstand,  dass  Jüecker 
(laut  Bericht  von  1861—1862)  bei  anscheinend  reinen  Puerperal- 
fieber -  Kranken  durch  die  Section  typhöse  Geschwüre  im  Darm- 
kanale  fand.  Femer  erw&hnt  Veif.  in  dieser  Hinsicht  den  üospi- 
talbrand  (nach  ihm  besser  Hospital-Fäulniss),  dessen  Entstehen 
er  einzig  der  zersetzten  animalischen  Materie  zuschreibt,  während 
die  epidemische  Verbreitung  ihren  Grund  in  der  permanenten 
Wirkung  derselben  Ursache  hat.  Von  einem  „Virus  ^'  kann  bei 
der  Gangraena  nosocomiulis  nicht  die  Rede  seiu.  Dass  nur  die 
verdorbene  Luft  die  Ursache  des  Entstehens  und  Weitergieifeus 
ist,  geht  dem  Verf  auch  aus  den  günstigen  Erfolgen  hervor,  die 
Günther  in  Leipzig  mit  seinem  Luft-Pavillon  gemacht  hat.  Auch 
hier  tritt  die  Analogie  mit  dem  Puerperalfieber  hervor;  denn 

1.  Beide  entstehen  durch  schädliche  Einwirkung  zersetzter 
animalischer  Materie. 

2.  Bei  beiden  fieberhaften  Krankheiten  findet  Resorption  fester 
und  flüchtiger  animalischer  Zersetzungsstoffe  Statt,  1  esou- 
ders  durtfh  Wundstellen. 


VI.    Notizen  atis  der  Journat  -  Literaitii'.  545 

3.  Reinlichkeit  imd  gute  Ventilation  können  beide  Krankheiten 
nicht  nur  verhindern,  sondern  sogar  unterdrücken. 

Nach  alledem  kommt  Yerf.  zu  dem  entschieden  ausgesproche- 
nen Satze,  dass  die  Luftverschlechterung  vom  Menschen  selbst 
<mit  oder  ohne  Schuld)  erzeugt  wird.  Dieser  verschlechtert  die 
Luft  unter  gewissen  Verhältnissen.  Er  schafft  daher  auch  die 
durch  Luftverderbniss  erzeugten  und  verbreiteten  Krankheiten. 
Die  Natur  ohne  2uthun  des  Menschen  schafft  keine  von  den 
Krankheiten,  welche  durch  die  Krankenluft,  durch  vom  Kranken 
ausgehende  Emanation  sich  auf  Gesunde  Obertragen  können.  Die 
Natur  ohne  Zutbun  des  Menschen  schafft  keine  einzige  epide- 
mische  Krankheit. 

Das  epidemische  Puerperalfieber  wird  durch  den  Menschen 
erzeugt,  durch  Verunreinigung  der  Hände,  Gebrauchsgegenstände, 
die  Luft  der  Kreiss-  und  Wochenzimmer;  die  Mittheilung  erfolgt 
durch  Resorption  zersetzter  animalischer  Mat«rie;  die  Haupt- 
ursache fOr  die  epidemische  Veilnreitung  ist  die  verderbte  Laft 
der  Kreiss-  und  Wachenzimmer.  Schon  Erkrankte  vemehrea 
die  Luftverderbniss  und  Verbreitung  der  Krankheit  ganz  ausser- 
ordentlich. 

Zur  Vertilgung  müssen  praktische  Massregeln  getroffen  wer* 
den,  wekhe  sich  beziehen  auf:  1)  die  untersuchende  Hand  und 
das  Ungenügende  der  Ghlorwaschungen;  2)  die  Gebrauchsgegen- 
stände; 3)  «die  Notbwendigkeit  der  Absonderung  der  Schwan- 
geren mit  todtfauler  Frucht;  4)  die  Grösse  der  GebäraBstalten ; 

5)  das  Unzweckmässige  der  Einrichtung  von  Wechselanstalten; 

6)  die  Luftreinheit  nach  aussen  und  innen. 

ad  1)  Die  untersuchende  Hand  und  das  Ungenügende-  der 
Chlorwaschungen.  Die  Waschungen  mit  Chlor,  Chamäleon  mine- 
r&le  oder  verdünnter  Salzsäure  haben  sich  nach  vielfachen  Er-' 
fahinngen,  zumal  in  der  Wiener  Gebäranstalt,  als  nicht  genügend 
herausgestellt,  um  eine  Infection  zu  verhüten  Deshalb  ist  dem 
gesammtt^n,  in  einem  Gebärhanse  beschäftigten  Personale  der 
Besuch  von  pathologisch  -  anatomischen  Instituten  und  jede.  Be- 
schäftigung mit  zersetzter  anknalischer  Materie  streng  zu  udter- 
sagen. 

ad  2)  Die  Gebrauchsgegenstände.  Verf.  empfiehlt  statt  des 
Strohes  in  den  Betten  Abfälle  von  Fischbein  oder  Rohr,  weil 
diese  nicht  modein  und  leichter  gereinigt  werden  können,  eiserne 
Bettstellen,  gefirnisste  Fussböden  ohne  alle  Ritzen,  Rollbettstellen, 
um  sie  leichter  und  öfter  umstellen  zu  können,  keine  Schwämme, 
sorgsamst  rein  gehaltene  Instrumente  und  andere  Apparate, 
schnelle  Beseitigung  der  Placenten  und  des  Blutes,  gut  angelegte 
Brunnen,  Dampfw äscherei ,  aber  Trocknen  der  Wäsche  in  freier 
Luft,  Aufbewahren  derselben  in  luftigen  Kammern. 

ad  3)  Die  Noih wendigkeit  der  Absonderung  der  Schwan- 
geren  mit  todtfauler   Frucht   ergiebt  sich  aus  der   Erfahrung, 


346  ^^'    Notizen  aus  der  Journal- Literatur. 

dass  letztere  zuweilen  den  Ausgangspunkt  der  weiteren  Erkran- 
kuDgeu  bildeten. 

ad  4)  Die  Grösse  der  Gebäranstalt.  Nach  den  bisherigen 
Erfahrungen  ist  die  Grösse  der  Anstalt  yon  keiner  Bedeutung, 
indem  in  den  kleineren  Anstalten  eben  so  ungünstige  Besultate 
nachzuweisen  sind,  wie  in  den  grösseren.  Nur  die  Grösse  des 
Belegraumes  fQr  die  einzelne  Wöchnerin ,  die  Möglichkeit  der 
Isolirung,  überhaupt  Lage,  Einrichtungen  sind  massgebend.  Wollte 
man  also  mehrere  kleinere  Anstalten  nebeneinander  oder  an  dem- 
selben Orte  errichten,  so  dass  die. Zahl  der  Jahresgeburten  denen 
einer  grösseren  Anstalt  gleichkommt,  so  wird  dadurch  zwar  die 
Aufsicht  und  Verwaltung  vertheuert,  aber  kein  besseres  Resultat 
für  die  Gesundheit  gewonnen  werden.  Ist  in  einer  grossen  oder 
kleinen  Gebäranstalt  die  Jahressterblichkeit  viel  Ober  1  Procent, 
80  trägt  die  Einrichtung  oder  die  Leitung  die  Schuld. 

ad  5)  Will  man  Wechaelanstalten  einrichten,  so  gesteht  man 
ein,  dass  Gebäranstalten  das  Brutoest  der  Puerperal-Erkrankun- 
gen  sind,  und  dann  ist  es  eine  grössere  Pflicht,  die  Ursachen  za 
erforschen.  Nicht  das  Uebertragen  in  andere  Häuser  und  Abthei- 
lungen steuert  dem  Uebel,  es  besteht  dann  immer  in  der  Anstalt 
selbst  ein  Fehler,  der  beseitigt  werden  muss,  und  da  wir  die 
meisten  Fehler  nachweisen  und  beseitigen  können,  so  sind  Wech- 
selanstalten überflüssig. 

ad  6)  Um  in  einer  Anstalt  die  Luft  reinigen  und  rein  halten 
zu  können,  muss  selbstverständlich  die  Anstalt  von  gesunder  Luft 
umgeben  sein.  Gebäranstalten  müssen  eine  gesunde  freie  Lage 
haben,  ein  sumpfiger,  feuchter  Untergrund  ist  verwerflich,  die 
Nähe  des  Wassers  und  feuchter  Wiesen  ist  zu  vermeiden,  ebenso 
frühere  Begräbnissstätten,  stinkende  Gräben,  Abzugscanäle,  Ana- 
tomien, pathologische  Anatomien,  Knochen brennereien  und  ähn- 
liehe Fabriken.  Gynäkologische  Abtheilungen  dürfen  nicht  mit 
Gebäranstalten  verbunden  werden,  eben  so  wenig  darf  letztere  in 
einem  allgemeinen  Krankenhause  liegen.  Die  Krankenzimmer 
sind  von  den  Gebär-  und  Wochenzimmern  möglichst  zu  trennen, 
ebenso  die  Schwangeren  von  den  Wöchnerinnen.  Mehrere  Stock- 
werke hochgebaute  Hospitäler  und  Gebärhäuser  sind  überall  ver- 
werflich, sie  erschweren  die  Luftreinigung.  In  der  reinen  Luft 
existirt  kein  epidemisches  Puerperalfieber,  deshalb  öffne  man  so 
viel  wie  möglich  im  Sommer  und  auch  im  Winter  die  Fenster, 
reinige  und  streiche  fleissig  die  Zimmer  und  Dielen,  führe  Wech^ 
selzimmer  ein,  wechsele,  wenn  es  Noth  thut,  täglich  die  Zimmer. 
Weder  beim  Oeffnen  der  Fenster,  noch  beim  Wechseln  der  Zim- 
mer kommen  Erkältungen  vor,  die  Deutschen  haben  im  Allge- 
meinen viel  zu  viel  Angst  vor  frischer  Luft,  in  England  kennt 
man  diese  Angst  fast  gar  nicht.  Auch  auf  Abtheilungen  mit 
typhösen  und  durch  die  Krankenluft  mittfaeilungsfähigen  Krank- 
^kiilken,  eben  so  auf  den  chirurgischen  und  syphilitischen  Abthei- 


VI.    Notizen  aus  der  Jonrnal- Literatur.  347 

lungen,  eben  so  bei  den  Tuberkulösen  sollten  Wecbsehimmer  ein- 
geführt werden.  Liegt  eine  Anstalt  zu  ungünstig,  so  muss  sie 
aufgehoben  und  verlegt  werden.  Es  ist  von  nun  an  vollständig 
gerechtfertigt,  Vorsteher  von  Anstalten,  in  denen  die  jährliche 
Durchschnittssterblichkeit  selbst  höher  als  1}  Proc.  ist,  vor  ein 
sachverständiges  Tribunal  zu  laden,  da  sie  der  Menschenvernich- 
tung  durch  Fahrlässigkeit  dringend  verdächtig  sind.  Auf  ein 
künstliches  Ventilationssystem  darf  man  sich  absolut  niemals  ver- 
lassen, wenn  es  auch  Jahre  lang  sich  gut  bewährt  haben  sollte, 
auch  bei  bester  Ventilation  sollte  wenigstens  wöchentlich  zwei- 
maliger Zimmerwechsel  stattfinden. '  Für  je  zwei  benutzte  Zimmer 
sei  immer  ein  Wechselzimmcr  vorhanden,  das  ist  immer  noch 
billiger,  als  die  unzweckmässigen  Wechselanstalten.  —  Für  die 
Form  des  Gebäudes  empfiehlt  sich  die  Längs-  oder  auch  die 
Hufeisenform.  Einen  rings  umschlossenen  Hof  darf  es  nicht 
haben,  muss  vielmehr  nach  allen  Seiten  mit  Garten  umgeben 
sein.  Auf  die  zweckmässige  Eintheilung  der  innern  Räume  ist 
besondere  Sorgfalt  zu  verwenden. 

(Wiener  Medizinalhalle.  1864.  No.  15--46.) 


George  Hill:  Ueber  Puerperal-Pyämie. 

Verf  hält  es  im  Hinblicke  auf  die  unvollständige  Eenntniss 
von  dem  Wesen  des  Puerperalfiebers  und  auf  die  Verwirrung, 
welche  entsteht,  wenn  man  die  verschiedenen  Formen  desselben 
zusammenwirft,  für  gerathen,  diesen  Schwierigkeiten  dadurch  ent- 
gegenzutreten,  dass  man  —  von  zu  frühem  Systematisiren  ab- 
sehend —  sich  zunächst  mit  einer  Präcisirung  der  einzelnen 
Formen  befasst.  Gelingt  es,  die  Symptomencomplexe  derselben 
festzustellen  und  die  ätiologischen  Momente  zu  ergründen,  so  wird 
auch  die  Prophylaxe  und  Therapie  bessere  Resultate  liefern,  als 
dies  bisher  der  Fall  war. 

Verf.  hebt  die  Analogien  zwischen  der  Puerperal-Pyämie  und 
andern  pyämischen  Zuständen  hervor  und  zwar,  dass  in  beiden 
der  allgemeinen  Erkrankung  eine  örtliche  vorangeht,  und  dass 
in  beiden  ein  Zersetzungsproduct  durch'  Resorption  die  Zer- 
setzung der  Säfte  herbeiführt.  Den  Unterschied  zwischen  der 
„chirurgischen  und  puerperalen  Pyämie"  findet  Verf.  darin,  dass 
bei  ersterer  häufiger  als  bei  letzterer  metastatische  Abscesle  vor- 
kommen.   Der  Verlauf  ist  etwa  folgender: 

Nachdem  sich  Patientin  eine  Zeit  lang  nach  der  Geburt  den 
Umständen  entsprechend  wohl  befunden,  tritt  am  8.  bis  8.  Tage 
ein  heftiger  Schüttelfrost,  begleitet  von  Depression  und  Mat- 
tigkeit, auf.  Es  folgt  eine  Pause  von  etwa  24  Stunden,  wobei 
sich  die  Patientin  wieder  wohler  fühlt.  Alsdann  aber  tritt  er- 
neuter Schüttelfiost  auf,  der  sich  nun  noch  häufier  und  länger 


348  VI«    Notizen  aus  der  Journal -Literatur, 

dauersd,  zuweilen  in  regclmä^sigeren  Intervallen  ^  wiederholt« 
Auch  in  den  Intervallen  dauert  nun  das  Zittern  fort  Das  Gesicht 
wird  bleich,  erdfahl.  Das  Aussehen  niedergeschlagen,  das  Auge 
glanzlos.  Während  des  Frostes  ist  das  Gesicht  livid,  der  Mund 
geschlossen.  Die  Haut  ist  zuweilen  etwas  icterisch,  trocken,  heiss, 
ohne  Schweiss.  Die  Zunge  ist  trocken,  in  der  Mitte  dick  weiss 
belegt.  Patientin  klagt  über  grossen  Durst.  Symptome  von 
Gastro-intestinal-Irritation  sind  vorhanden.  Der  Athem  hat  einen 
krankhaften  Geruch.  Der  Darm  ist  meist  relaxirt.  Die  Fäces 
sind  dunkel  und  fotid,  zuweilen  schaumig  (wie  bei  Gährung)  und 
nach  faulen  Fischen  riechend.  Nach  jeder  Ausleerung  hat  Patien- 
tin grosse  Erleichtei  ung.  Der  Urin  ist  reichlicher,  aber  von  nor- 
maler Farbe.  Die  Lochien  sind  oft  fotid  und  sparsam.  Die 
Milchsecretion  ist  unterdrückt;  die  Biüste  werden  schlaff.  Der 
Puls  ist  klein,  beschleunigt,  meist  zwischen  130  und  150.  Die 
Respiration  ist  erschwert,  zuweilen  stark  beschleunigt  (40 — 50), 
zuweilen  tief  seufzend.  Der.  Unterleib  ist  gespannt  und  aufge- 
trieben, auch  Druck  nicht  immer  empfindlich.  Vage  Schmerzen 
,  in  der  Gegend  der  Leber  und  Milz  sind  nicht  selten  Bei  Zu- 
nahme der  Affection  bietet  sich  ein  starker  Husten  dar.  Endlich 
tritt  Stupor  ein;  ohne  besondere  Klagen  entsteht  schnell  ein 
Zustand  von  Schläfrigkeit  und  unter  erhöhtem  Puls  und  ange- 
strengter Kespiration  endet  die  Kranke  mit  den  Zeichen  von 
Erschöpfung. 

Einen  Fall  der  Art  führt  Verf.  an. 

Verf.  findet,  dass  die  obige  Beschreibung  von  „puerperaler 
Pyaemie"  dem  „puerperalen  remittirenden  Fieber"  von  Bttttlers 
entspricht.  Was  die  Frage  nach  der  Natur  jenes  in  die  Circu- 
lation  aufgenommenen  deletären  Agens  betrifft,  so  kann  Verf. 
allerdings  nicht  zugeben,  dass  Eiti rkörperchen  in  den  Kreislauf 
gelangen,  sondern  er  nimmt  an,  dass  dies  nur  mit  einem  Zer- 
setzungsproducte  derselben  der  Fall  ist,  sei  dies  nun  „putrides 
Serum",  oder  seien  es  „zersetzte  Eiter-Elemente",  oder  „desorga- 
nisirte  Fibringerinnsel".  Die  Venen  oder  die  Lymphgefässe  sind 
als  die  Kanäle  anzusehen,  mittels  welcher  die  Zersetzungsproducte 
in  den  Körper  gelangen.  Die  Intensität  der  Eikrankung  hängt 
von  der  Quantität  des  resorbirten  Stoffes  ab.  Die  Dauer  derselben 
ist. selten  geringer  als  drei  Wochen.  Die  Prognose  ist  im  Allge- 
meinen ungünstig.  Besonders  sind  solche  Frauen,  die  eine  schwere, 
durch*  manuelle  oder  inslruraentelle  Eingriffe  complicirte  Geburt 
durchgemacht  oder  eine  bedeutende  Hämorrhagie  dabei  erlitten 
haben,  dieser  Erkranknng  ausgesetzt.  Demnach  sind  in  diesen 
Fällen  besondere  Vorsichtsmassregeln  nöthig.  Die  Behandlung 
der  „  Puerperal -Pyaemie"  hat  von  allen  deprimirenden  Mitteln 
abzusehen;  im  Gegentheil  muss  man  die  Natur  in  ihren  Be- 
strebungen, die  schädlichen  Substanzen  durch  den  Stoffwechsel 
zu  elimiren,  unterstützen.    Gute,  aber  nicht  zu  reizende  Diät, 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  349 

Antiseptica;   blutverbessernde  Mittel  sind  neben  guter  Lüftung 
anzuwenden. 

(Edinb.  Med.  Journ.  März  1864.) 


Wade:  üeber  Retrouterin-Hämatocele. 

Verf.  macht  besonders  darauf  aufmerksam,  da  es  in  Fällen 
von  Haematocele  nach  vorausgegangenen  Uterinschmerzen  eiiie 
Entleerung  von  verändertem  Blute  aus  der  Gebärmutter  vor- 
kommt, ähnlich  dem  Blute,  welches  nach  einer  Perforation  in's 
Rectum  fliesst.  Es  folgt  eine  schnelle  Verkleinerung  der  Ge- 
schwulst, welche .  gleichzeitig  härter  wird.  Solche  Blutung  tritt 
nicht  zur  Menstruationszeit  ein,  und  Farbe  und  Geruch  des  Blu- 
tes gleicht  nicht  dem  des  Menstruationsblutes.  Man  kann  an- 
nehmen, dass  dies  Blut  unmittelbar  aus  der  Cyste  in  den  Uterus 
gelangt,  wahrscheinlich  durch  die  Tuben  hindurch. 

(The  Lancet.  10.  Sept.  1864) 


Caresme:  Haematocele  retrouterina  in  Folge 
von  Apoplexie  des  Ovarium. 

Die  Bulletins  de  la  soci6t6  anatomique  veröffentlichen  einen 
im  Höpital  St.  Antoine,  Abtheilung  GoupiTs,  beobachteten  und 
von  Caresme  berichteten,  durch  die  Ergebnisse  der  Section  inter- 
essanten Fall.  Es  war  zunächst  ein  Bluterguss  im  Ovarium  ein- 
getreten, dann  nach  etwa  sechswöchentlicher  Dauer  desselben 
Zerfressung  des  Ovarium  und  damit  Haematocele  in  den  Perito- 
näalsack  mit  folgender  Entztindung  etwa  4  Tage  vor  dem  Eintritt 
in's  Hospital,  woselbst  am  Abende  des  Eintrittst ages  bereits  der 
Tod  erfolgte.  Die  Erscheinungen  bei  der  Aufnahme  waren  Peri- 
tonitis, Verschiebung  und  Festklemmung  des  Uterus  nach  vom, 
die  hintere  Muttermundslippe  mit  der  hinter  dem  Uterus  liegen- 
den, faustgrossen,  das  Becken  füllenden,  harten,  undeutlich  fluctui- 
renden,  halbkugligen  Geschwulst  verschmolzen.  Aus  dem  Mutter- 
munde floss  Blut. 

Die  Section  ergab  Spuren  der  Peritonitis,  einige  Adhäsionen 
nnd  Entfärbung  der  Eingeweide;  in  der  Beckenhöhle  zwischen 
Uterus  und  Rectum  eine  bedeutende  Geschwulst,  durch  Anlöthun- 
gen  des  Dann-  und  Blinddarmes  geschlossen.  Sie  ist  weich, 
teigig  and  ftlhlt  sich  wie  ein  fester,  in  Fltlssigkeit  eingeschlossener 
K(')rper  an  Beim  Auseinanderlegen  der  Theile  entweichen  aus 
einem  llisse  im  Netze  weiche  schwarze  Blutklumpen  und  weisse 
fibrinöse  Massen  mit  Blutserum  und  Eiter.  Nach  Entfernung  des 
Dünndarmes  und  Netzes  findet  mnn  eine  weite  Höhle  im  Douglas- 
ßchen  Räume,  die  etwa  400  Grammes  Flüssigkeit  enthalten  mochte. 
An  einzelnen  Stellen  haften  graue  Fetzen,  die  sich  leicht  in 
grossen  Stücken  ablögen  lassen.   Die  breiten  Mutlerbftnd^r;  Welche 


360  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

die  Wände  der  Höhle  bilden,  sind  serös  infiltrirt  und  gefässreicb. 
Das  linke  Ovarium  liegt  an  richtiger  Stelle  und  enthält  etwas 
Serum  und  Eiter.  Das  rechte  Ovarium  bildet  eine  kleine,  platte, 
weissUch  gelbe  Geschwulst,  eine  Cyste,  und  ist  mit  strahligen 
Narben  bedeckt.  An  der  vorderen  äusseren  Fläche,  nahe  dem 
oberen  Rande  der  Geschwulst,  liegt  die  Tube,  mit  dem  Ovarium 
verschmolzen.  An  der  hinteren  inneren  Fläche  verbindet  ein 
etwa  1  Ctm.  grosses  Loch  die  kleine  Ovarientyste  mit  der  grossen 
Beckengeschwulst  Die  Ovariencystc  enthält  einen  umfangreichen 
schwarzen  Blutklumpen,  6  Ctm.  lang,  2— 3  Ctm.  dick,  ohne  Höhle 
und  ohne  Spur  eines  Ovulum;  er  ist  (est  und  seine  Basis  von  der 
noch  durchgängigen  Fimbrienö£fnung  der  Tube  umfasst.  Am 
inneren  Ende  der  Tube  liegt  ein  erbsengrosser  Eiterpfropf. 

(Gaz.  des  höpit.  1864.  No.  95.) 

Breüau:  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Haemato- 
cele  periuterina. 
Verf.  berichtet  über  6  von  ihm  beobachtete  Fälle  von  Haema- 
tocele  peri-  oder  retrouterina,  einer  AiFection,  die  2U  den  seltenen 
und  wenig  eruirten  gehört,  und  daher  selbst  von  langjährigen 
anerkannten  Beobachtern  (Scamoni)  hinsichtlich  ihrer  Erkennung 
und  ihres  Vorkommens  stark  in  Zweifel  gezogen  wird.  Dass  B. 
davon  in  Zeit  von  2  Jahren  unter  120  Kranken  6  Fälle  gesehen, 
schreibt  er  dem  häufig  bemerkten  cumulirten  Vorkommen  gewisser 
seltener  Ereignisse  zu.    Die  Fälle  sind: 

1.  Chronische  Beckenzellgewebs-Entzündung,  Complication  mit 
einer  intraperitonäalen  Haematocele.  Heilung,  Geburt  nach 
11  Monaten. 

2.  Extraperitonäale  anteuterine  Haematocele.  Eröffnung  mit 
einem  Troikar.  Putride  Zersetzung  des  Inhalts-  Spontaner 
Durchbruch  in  den  Cervicalcanal.  Symptome  von  Septicämie. 
Langsame  Genesung. 

3.  Haematocele  extraperitonaealis  retrouterina,  retrovaginalis. 
Während  einer  Geburt  entstanden.  •  Troikarstich  und  nach- 
folgend Discision.    Heilung. 

4.  Haematocele  periuterina  subperitonaealis.  Explorativ-Punc- 
tion.    Spontaner  Durchbrüch  in  das  Darmrohr.    Heilung. 

5.  Haematocele  anteuterina  intraperitonaealis.  Keine  Opera- 
tion.   Heilung. 

6.  Haematocele  retrouterina  subperitonaealis,  combinirt  mit 
Bindegewebs  -  Entzündung.    Explorativ  -  Function.    Heilung. 

Angehängt  ist: 

7.  Ein  Fall  von  Parametritis,  der  für  die  differentielle  Diagnoae 
dieser  mit  der  Haematocele  verwandten  Affection  von  In- 
teresse ist. 

Hieratn  knüpft  B.  einige  Bemerkungen.    Er  bezeichaet  als 


VI.    Notizen  aus  der  Journal- Literatur.  351 

die  hier  Torliegende  Aufgabe  der  Gynaecologie ,   nicht  bei  der 
Diagnose  auf  Bluterguss  um  den  Uterus  herum  stehen  z\x  bleiben 
(obwohl  auch  diese  oft  eben  so  schwierig  wie  wichtig  ist),  sondern 
den  Ort,  die  Ausbreitimg  und  die  £ntBtehung8ursache  der  Blutung 
zu  erforschen.    Von  pathologisch  •  anatomischer  Seite  i^t  diesem 
Gegenstande  bisher  noch  wenig  Aufmerksamkeit  gewidmet  wur- 
den.   B.  glaubt  daher  auf  die  genaue  Untersuchung  der  subperi- 
tonäalen  Bcckeoräume  bei  Sectionen  hinweisen  zu  müssen,  da  er 
im  Gegensatz  zu  Voisin  die  sub-  und  extraperitonäale  Hämatocele 
für  häufiger  hält,  als  die  intraperitonäale.    Die  differentiellc 
Diagnose  des  Sitzes  ist  in  4  Punkten  zusammenzufassen: 
a.   Bei  Haem.  subperitonaealis  ist  der  Uterus  nach  dem 
Hypogastriiun  gehoben,  bei  intraperitonaealis  gesenkt» 
(Prost) 
h.   Bei  Haem.  subperitonaealis  ist  die  Geschwulst  durch 
Scheide  und  Rectum  zu  fohlen  oder  steigt  auf  den  Becken- 
boden herab,  bei  intraperitonaelis  ist  die  Geschwulst 
weit  über  dem  Beckeneingange  von  aussen  allein  oder  doch 
besser  als  von  innen  zu  fühlen,  die  Bauchwäude  über  ihr 
sind  verschiebbar,  der  Ton  mehr  oder  weniger  tympanitiscb. 

c.  Bei  Haem.  subperitonaealis  sind  die  Grenzen  diffus  mit 
allmäligem  Uebergang  in  normales  Gewebe,  Uterus  and 
Scheide  in  verschiedener  Richtung  umfassend;  bei  intra- 
peritonaealis sind  die  Grenzen  scharf;  die  Form  ist 
meist  ein  Kugelsegment,  der  Sitz  meist  in  der  Richtung  des 
geraden  Beckendurchmessers. 

d.  Bei  Haem.  subperitonaealis  findet  man  selten  a^der- 
weite  schwere  Symptome,  die  Geschwulst  wächst  langsam 
und  mehr  nach  abwärts;  bei  intraperitonaealis  sind 
starkes  Fieber,  Schmerz,  Erbrechen,  Collaps  vorhanden  und 
die  Geschwulst  wäciist  rasch. 

Die  diiferentielle  Diagnose  von  Bindegewebs- Entzündung 
dürfte  schwierig  sein,  zumal  diese  häufig  mit  der  Haematocele 
combinirt  ist.  Die  Prognose  ist  bei  der  extrapehtonäalen  Form 
günstiger.  Bei  der  Behandlung  ist  der  operative  Eingriff,  wenn 
er  sonst  indicirt  ist,  nicht  zu  scheuen ;  die  Resultate  der  Function 
oder  Incision  sind  nicht  so  ungünstig,  wie  sie  Vomn  darstellt 
(Schweiz.  Zeitschr.  f.  Heilkunde.  H.  Bd.  4.  u.  5.  Heft.) 


Gustav  Bravn:  Ueber  Haematocele  extrauterina. 
Gelegentlich  der  Mittheilung  von  5  Fällen  von  Haematocele, 
welche  Terf.  beobachtet  hat,  spricht  sich  derselbe  über  das  Wesen 
dieser  von  manchen  Seiten  angezweifelten  Affection  aua  Man 
unterscheidet: 

1.  Haematocele  extrauterina  intraperitonaealis  und 

2.  Haematocele  extranterina  extfapeidtonaetis« 


352  ^^'    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

E  stere  zeigt  meist  einen  Erguss  in  den  Dauglas^eehf'n  Raum, 
zuweilen  aber  auch  in  die  Vesico-Uterin-Excavation ;  bei  letzterer 
geschieht  der  Erguss  in  den  subperitonäalen  ZeHstoff  und  das  der 
Mntterb&nder.  Was  die  ätiologischen  Momente  der  erste- 
ren  betrifft,  so  sind  ausser  der  Häraorrhagie  der  Oraaf^Khen 
Follikel  (Menstruation)  noch  erwähnenswerth :  Borstung  von  Venen 
in  den  Ovarien,  Hämorrfaagien  aus  den  Tuben,  Berstung  varicöser 
Venen  der  'Ligamenta  lata,  Berstung  von  Cysten  oder  Säcken  bei 
Extra-Uterin-Schwangerschaffc ,  Ruptur  von  Blutsäcken  des  Eier- 
stockes, Berstung  einzelner  Gefässe  von  Pseudomembranen.  Auch 
können  Krankheiten,  welche  Stauung  bewirken  (Knickungen),  oder 
welche  Hämorrhagien  begünstigen,  die  Ursache  abgeben.  Die 
extraperitonaeale  Haematocele  kommt  besonders  durch 
Zerreissung  venöser  Gefässe,  selbst  durch  Berstung  von  Eileiter 
oder  Uterus  zu  Stande. 

Das  extravasirte  Blut  ist  Anfangs  flüssig,  gerinnt  aber  bi^ld 
nnd  verwandelt  sich  in  schwarzbraune,  theerartige  Massen,  die 
sich  später  theils  resorbiren,  theils  verändern  und  schliesslich  nur 
Pigment  hinterlassen.  Um  den  Erguss  bilden  sich  cystenartige 
Wände  von  organisirtem  Gewebe,  Stränge  und  Adhäsionen.  Die 
Hftmatocele  tritt  meist  zwischen  dem  30.  und  ÖO.  Jahre  auf,  selten 
froher,  meist  bei  Multiparis. 

Die  Symptome  bestehen  Anfangs  in  mehr  oder  weniger 
starken  Schmerzen  in  der  Leisten-  und  Kreuzbeingegend,  zuweilen 
über  eine  untere  Extremität,  zuweilen  über  den  Unterleib  (Peri- 
tonitis?), nicht  selten  während  der  Catamenien  heftiger.  Ferner: 
Erbrechen  grünlich-gelber  Flüssigkeit  während  der  Extravasation. 
Fieber  bei  gleichzeitiger  Peritonitis.  Haut  meist  schwitzend,  blass 
und  kühl.  Bei  directem  oder  indirectem  Druck  auf  die  Blase: 
Harndrang,  Brennen  an  der  Harnröhre.  Ferner  Verstopfung, 
Kopfschmerz,  Ohnmächten,  Menstruationsanomalien  (Metrorrhagie 
oder  pUtzHche  Amenorrhoe). 

Diagnose:  Unterleib  massig  gespannt,  über  der  Symphyse 
etwas  v('rgew(V]bt  Tumor  seitlich  der  Medianlinie,  elastisch,  etwa 
kindskopfgn^ss,  undeutlich  flnctuirend,  deutlich  abzugrenzeiv 
empfindlich,  nicht  beweglich.  Portio  vaginalis  meist  höher  nnd 
seitlich  stehend,  verdickt,  geöffnet,  empfindlich,  Anfangs  beweg- 
lich, später  nicht  mehr;  bei  anteuteriner  Haematocele  steht  der 
Scheidentheil  weniger  nach  vorn  und  nach  der  Seite.  Bei  ante- 
uterinem  Erguss  ist  das  vordere,  bei  retrouterinem  das  hintere 
Scheidengew(')lbe  convex  vorgetrieben.  Bogen  des  Scheidengewöl- 
bes spitzer.  Der  Scheidentheii  ist  nicht  verkürzt  Per  rectum 
fohlt  man  eine  pralle,  oft  elastische,  selten  nach  oben  abzugren- 
zende Geschwulst  Per  speculum  gewahrt  man  die  blaurothe  Fär- 
bung des  Scheidentbeils  und  das  Ausquellen  von  dftnner,  rMh* 
lieber  Flüssigkeit  oder  weisslie h-klarem  Schleim  aus  dem  Orificinm 
exteruum.    Untersuchung  mit  der  Sonde  schwierig,  tchmerzhaft; 


VI     Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  853 

unter  Zubälfeuahme  der  Untersuchung  per  rectum,  des  Catheters 
und  der  äusseren  Falpation  lässt  sich  der  Sitz  des  Extravasats 
noch  genauer  ermitteln.  Der  Uterus  erweist  sich  meist  nicht  ver- 
längert. Man  kann  nochj  um  sich  über  den  Inhalt  des  Tumor 
£U  unterrichten^  die  Akidopeirastik  von  Miädeldorpf  benutzen. 
Für  den  intraperitonäalen  Sitz  spricht:  Rasches  Auftreten 
während  einer  Menstruationsanomalie,  Herabsteigen  einer  vor 
oder  hinter  dem  Uterus  liegenden  Gesehwulst,  Verdrängung  der 
Vaginalportion,  cystöser  Tumor  über  d^r  Symphyse.  Auf  extra- 
peritonäalen  Sitz  deutet:  Ungleiche  Begrenzung  der  Geschwust, 
welche  man  zugleich  vor,  neben  und  hinter  der  Vaginalportion 
fühlt.  Breslau  hält  den  letztgenannten  Sitz  für  häufiger.  Die 
differentielle  Diagnose  hat  in's  Auge  zu  fassen: 

a.  Ovariocele    (eingeklemmte   Ovariencyste   zwischen   Uterus 
und  Rectum). 

b.  Retioflexion  des  schwangern  und  nichtschwangern  Uterus. 

c.  Extra-Uterin-Schwangerschaft,  besonders  im  Dou^^o^schen 
Räume. 

d.  Subperitonaealen  Abscess. 

€.   Intraperitonaeales  Exsudat  oder  Hydrops  ascites. 
Der  Verlauf  zeigt 

entweder  baldige  Resorption, 
oder  langsame  Resorption, 

oder  Oeffnung  der  Haematocele  (nach  Schüttelfrösten)  mit 
Perforation  (in  Uterus,  Harnblase,  Periton&um,  retro- 
peritonäales  Bindegewebe,  Scheide,  Rectum), 
oder  plötzlichen  lethalen  Ausgang  (Anaemie,  Peritonitis). 
Breslau  hält  die  Prognose  bei  extraperitonäalem  Sitze  für 
günstiger. 

Die  Behandlung  ist  zunächst  eine  symtomatische, 
gegen  das  Brechen  und  die  Kreuzschmerzen  gerichtete.  Bei  Zu- 
nahme aller  Erscheinungen  und  drohender  Berstung  der  abge- 
kapselten Geschwulst:  Punction,  nach  Becamier  in  Verbindung 
mit  Incision  und  Compression,  nach  Nelaton  mit  nachfolgender 
Wasser-  und  Jodinjection ,  nach  Nont  mit  nachfolgender  Ein- 
legung einer  Gummisonde,  nach  C.  Braun  mit  Einlegung  eines 
elastischen  Catheters 

Die  Punction  wird  angebracht: 
ff.   oberhalb  der  Symphyse  {Piorry,  Trovsseau); 
h.   durch  das  Rectum; 

c.    durch  die  Vagina  (vom  .Verf.  für  zweckmässiger  gehalten). 
Seyfert  bedient  sich  dabei  eines  geraden,  dicken  Troicart, 
Madurowitz  bei  höher  gelegenem  Tumor  eines  nach  der  Becken- 
axe  gekrümmten. 

Bei  Abwesenheit  gefahrdrohender  Erscheinungen  statt  der 
operativen  nur  medicamentöse  Behandlung,  und  zwar: 

Monatsschr.  f.  Geburtsk.  1865.  Bd.  XXV.  Snppl.-Hft  23 


354  ^I-    Notizen  aus  der  Journal -Literatar. 

bei  acutem  Verlaufe:  Ruhe,  kalte  Umschläge,  Eiswas&erkly- 
stiere,  Mineralsäuren,  Digitalis; 

bei  chronischem  Verlaufe:  Laue  Voll-,  Sitzbäder  und  Irriga- 
tionen, Jodglycerin  zum  Einreiben,  Suppositorien  von 
\  6r.  Jod,  10  Gr.  Jodkali  und  Sj  CacaobuUer  (1  Mal 
täglich),  Priessnitz^sche  und  erweichende  Umschläge, 
Eisen,  reborirende  Diät. 

Die  f)  oben  erwähnten  Fälle  sind: 

1)  Haemat.  extraut,  intraper.  Entstanden  durch  Verkühlung 
zur  Menstruationszeit.  Medicamentöse  Behandlung.  Fast  völlige 
Genesung.    Rückfall.    Nach  7  Monaten  Genesung. 

2)  Desgl.  Veranlasst  durch  Coitus  während  der  Menstruation. 
Heilung  nach  3  Monaten  unter  medicamentöser  Behandlung. 

.'3)  Desgl.  Entstanden  durch  Verkühlung.  Probepunction. 
Heilung  in  14  Tagen. 

4)  Desgl.  Entstanden  durch  Verkühlung.  Heilung  in  drei 
Wochen. 

t))  Desgl.  Entstanden  durch  Erkältung.  Probepunction.  Hei- 
lung in  drei  Wochen. 

(Gestern  Zeitschr.  f.  pract.  Heilk.  Wien.  1864. 
No.  18,  19,  21,  22,  24,  25). 


Bake)'  Brown:  lieber  BchandluDg  der  Retro- 
versio,  Retroflexio  und  Anteflexio  der  Ge- 
bärmutter. 

Nach  einigen  vorausgeschickten  Bemerkungen  über  das  ana- 
tomische Verhalten  obiger  Zustände,  die  nichts  Neues  enthalten, 
geht  Verf.  auf  die  Behandlung  derselben  über  und  besonders  der 
Flexionen.  Die  Erfolge,  welche  er  früher  mit  Simpson's  Auf- 
richtungsapparat zu  erzielen  suchte,  waren  durchaus  ungenügend. 
Der  Zufall  veranlasste  ihn  bei  einer  Kranken,  deren  Uterus  behr 
derb  und  hart  war  und  die  Einführung  der  Sonde  sehr  erschwerte, 
mit  dem  Hysterotom  den  Cervix  zu  erweitern,  und  es  trat  uner- 
wartet sofort  eine  Geraderichtung  und  dauernde  Heilung  ein.  Seit- 
dem batB.  dasselbe  Verfahren  in  zahlreichen  Fällen  mit  demselben 
günstigen  Erfolge  wiederholt.  —  Er  leitet  auch  die  Neigung  zur 
Onanie  von  Gebärmutterflexiouen  ab  und  hat  nach  Beseitigung 
derselben  und  gleichzeitiger  Exstirpation  der  Clitoris  Heilungen 
erzielt. 

(The  Lancet.   1864.    13.  August) 


VI.    Notizen  ans  der  Journal -Literatur.  355 

Bryk:  Zur  Diagjaoäe  der  Atresieen  der  weib- 
licheo  Geschlechtsorgane. 

Verf.  beabsichtigt  sich  auf  jene  Arten  der  Genital  Verwachsung 
zu  beschränken,  bei  denen  die  Unterbrechung  der  Gontinnität  des 
Mnttersefaeidenrohres  durch  Verwachsung  der  Canalwandnngen 
ohne  Betheiligung  anderer  Ursachen  stattgefunden  hat  und  wo 
die  Störung  oder  Sistirung  des  Menstrualflnsses  als  wesentliches 
Kranheitssymptom  zur  Erscheinung  gelangte. 

Der  1.  Fall  betrifft  erworbene,  mehrfache  Stenosen  der  Scheide 
in  Folge  einer  schweren  Geburt;  es  hatten  sich  seit  5  Monaten 
dysmenorrfaoische  Beschwerden  eingestellt,  die  zur  Spaltung  der 
Strieturen  Veranlassung  gaben,  worauf,  wie  im  folgenden  Falle, 
Genesung  eintrat;  in  letzterem  wurde  eine  partielle,  erworbene 
Obliteration  der  Scheide  mit  Bildung  einer  Hämatometra  gefun- 
den; es  wurde  in  die  yerwachsene  Stelle  incidirt  und  das  Men- 
strualblut  entleert. 

Bei  angeborenen  Formen  ist  die  Verwachsung  am  Introitus 
yaginae  meist  sehr  fest,  in  der  Tiefe  aber  locker  und  leicht  mit 
dem  Finger  zerreisslich ,  w&hrend  sie  bei  erworbenen  Formen 
(nach  ulceröser  Colpitis)  in  der  ganzen  Länge  des  auf  diese  Weise 
an  der  Stolle  der  Vagina  gebildeten  Septum  Tesico  -  rectale  aus 
dichter  Narbenmasse  zu  bestehen  pflegt  und  nur  mit  dem  Messer 
getrennt  werden  kann ;  daher  fühlt  man  bei  angeborenen  Formen 
partieller  Scheidenobliteration  bei  Druck  auf  die  Hämatometra 
die  Flttctaation  der  meist  dünnen  Verschlussmembran,  bei  erwor- 
benen Formen  nicht.  Die  genaue  Diagnose  einer  partiellen  Schei- 
denatresie  gelingt  durch  die  vom  Mastdann  (und  dem  vielleicht 
zugänglichen  Scheidenabschnitte)  aus  fühlbare  Fluctuation  der 
Scheidengeschwulst,  deren  Begrenzung  in  der  Höhe  der  Verwach- 
sangsstelle  und  durch  die  Möglichkeit,  die  Geschwulst  bei  Druck 
auf  die  Bauchwand  der  Verwachsung  zu  nähern  und  durch  den 
Nachweis  der  Portio  vaginalis;  letztere  ist  deshalb  yon  practischem 
Werthe,  weil  dadurch  die  Eröffnung  der  Genitalwege  von  Seiten 
der  Scheide  wesentlich  bestimmt  und  der  Gebärmutterstich  durch 
den  Mastdarm  nur  auf  die  Fälle  beschränkt  wird,  wo  durch 
Ckgenwart  von  Darmschlingen  in  der  Nähe  der  Verwachsung 
oder  durch  die  meist  bedeutende  Verdünnung  des  Septum  vesico- 
rectale  die  Gefahr  einer  Verletzung  des  Peritonaeum  in  sichere 
Aussieht  gestellt  wird.  Man  fahlt  die  Portio  vaginalis  aber  nicht, 
wenn  die  Urethra  ein  normales  Kaliber  hat,  bei  hochgradiger 
Hämatometra  und  bei  hochgradigen  seitlichen  Versionen,  wo  sie 
zu  hoch  für  den  Finger  steht  Bei  Lageveränderungen  der  mit  Men- 
strualblut  gefüllten  Gebärmutter  ist  stets  auf  Durchgängigkeit  des 
hinter  der  Verwachsung  gelegenen  Scheidengewölbes  zu  schliessen 
(partielle  Scheidenobliteration);  häufiger  bildet  sich  Anteflexio 
und  seitliche  Flexio  dabei  aus,  selten  Retroff exio;  ist  jedoch  der 

23* 


356  VT.     Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

hinter  der  Verwachsunu  gelegene  Theil  der  Scheide  lang,  so  ent- 
stehen selten  Lageveranderungen,  weil  dann  der  herabsinkende 
Uterus  durch  das  im  obern  Scheidenabschmtte  angesammelte  Men- 
strualblut  nach  allen  Seiten  gleichmässig  fixirt  erhalten  wird. 
Die  wesentlichsten  Criterien  der  totalen  ScheidenverwacbsDng 
bestehen  in  der  ImpermeabilitiU  des  obern,  zunächst  dem  Uterus 
angräuzenden  Theils  des  Kanals,  in  der  Unmöglichkeit  die  H&ma- 
tometra  der  Verschlussstelle  zu  nähern,  im  Mangel  von  fühlbaro* 
Fluctuation  an  derselben,  und  im  gleichzeitigen  Verschluss  des 
Muttermundes  mit  nachfolgendem  Verstreichen  des  Collum  uteri 
durch  die  Hämatoroetra;  man  fühlt  hier  stets  einen  in  die  Blase 
eingeftLhrten  Gatheter  durch  das  Septum  hindurch  mit  dem  in 
den  Mastdarm  eingeführten  Finger  und  hat  in  solchen  Fällen  nie 
Lageveränderungen  des  Uterus  beobachtet. 

Auch  für  die  totale  Verwachsung  fuhrt  Verf.  2  Fälle  an,  in 
beiden  war  sie  erworben;  im  ersteren  hatte  die  Hydrometra  die 
Höhe  von  zwei  Querfingern  über  dem  Nabel  erreicht;  es  wurde 
die  Scheidenbildung  ziemlich  leicht  bewerkstelligt  und  dann  die 
Function  des  Uterus  unternommen,  an  dem  sich  keine  Spur  von 
Vaginalportion  zeigte.  Es  entleerten  sich  i\  Litre  zäher,  mit 
Eiterkörpercheu  vermischter  Flüssigkeit.  Vom  dritten  Tage  ab 
trat  Peritonitis  ein,  und  es  folgte  am  fünften  der  Tod.  Die  Section 
zeigte  die  Innenfläche  des  Uterus  mit  diphtheritischen  Schorfen 
bedeckt,  in  der  einen  Tube  das  Abdominale,  in  der  anderen  das 
Uterinalostium  verwachsen,  übrigens  «ausgebreitetes  peritonäales 
Exsudat  mit  Adhäsionen.  Im  zweiten  Falle,  wo  nach  einer  ulce- 
rösen  Colpitis  im  Wochenbette  eine  totale  Verwachsung  entstan- 
den war,  hatte  sich  Incontinenz  des  Urins  wegen  der  Starrheit 
der  umgebenden  Exsudatmassen  eingestellt.  Durch  wiederholte 
Versuchung  der  Scheidenbildung  wurde  diese  beseitigt,  aber  es 
stellte  sich  in  Folge  einer  sehr  wahrscheinlichen  Atrophia  uteri 
und  Verschluss  des  Ostium  externum  uteri  die  Menstruation  nicht 
ein,  ebenso  fehlten  jeglicjlie  Meustruationsbeschwerden.  —  Sodann 
weist  Verf.  auf  einige  Punkte,  die  von  Einfluss  auf  die  Diagnose 
sein  können,  hin.  Amenorrhoe  allein  giebt  bei  Obllteratiuuen  des 
Genitalrohrs  noch  keinen  sichern  Anhaltspunkt  für  die  Beschaf- 
fenheit der  über  der  Stricturstelle  gelegenen  iunem  Geschlechts- 
organe für  die  Indication  zur  Vornahme  der  Operation.  Es 
kommt  vielmehr  sowohl  auf  die  allgemeinen  [Aller  3—4  Wochen 
wiederkehrende  Molimina  irenstrualia  ohne  Ausscheidung  von 
Blut  nach  aussen,  Urinbeschwerden,  Obstruction,  vicariirende 
Blutungen ,  Hysterie,  Chlorose^  als  auf  die  localen ,  zunächst  das 
Genitalsystem  betreffenden  Folgezustände  an  [eine  aller3-4Wochen 
wachsende  Hämatometra  kennzeichnet  den  functionsfähigen  Uterus; 
die  Folgen  sind  verschieden  je  nach  der  Art  der  Verschlussstelle : 
Geschwulstartige  Formen  am  Scheideneingange  sind  die  häufigsten 
(hymenale  Atresie)  mit  zwei  Unterarten :  Hämatokolpos  meist  mit; 


VL    Notizen  ans  der  Journal  -  Literatur.  357 

aber  aach  ohne  Hämatometra.  In  zweiter  Linie  stehen  die  mem- 
branösen  oder  narbigen  Verschliessungen  an  der  AnsmOndung  des 
Genitalrohrs  ohne  Betheilignng  des  Hymens.]  Man  findet  femer 
bei  Atresieen  entweder  eine  rndimentare  oder  nicht  sehr  von  der 
normalen  Länge  abweichende  Vagina;  erstere  dentet  bei  Gegen- 
wart einer  H&matometra  auf  eine  partielle  oder  totale  Scheiden- 
verwachsung, letztere  aber  auf  eine  am  Orificium  uteri  bestehende 
Atresie. 

Von  Complicationen  der  Atresieen  fahrt  Verf.  als  die  wichtig- 
sten die  Yerwachsungen  eines  Uterus  bicornis  an  Einem  Orificium 
bei  doppelter  Scheide  und  die  Cloakenbildungen  an. 

Als  Ausg&nge  der  Atresieen  findet  sich  sowohl  spontanes 
£inreis8en  der  Verschlussstelle  am  Scheideneingange  oder  am 
Muttermunde  durch  kräftige  Zusammenziehungen  der  Bauchmus- 
keln oder  die  Thätigkeit  der  Uterusmuskulatur,  als  auch  das 
Bersten  einer  Haematosalpinx  oder  der  Haematometra  selbst  — 
Zustände,  die  als  tödtliche  zu  erachten  sind.  Seltener  ist  der 
Eintritt  der  Menopause,  ein  allmäüges  Abnehmen  der  Intensität 
der  Menstrualcoliken,  sowie  der  Uterusanschwellung,  worauf  sich 
ein  relatives  Wohlbefinden  nach  jahrelangen  Leiden  einstellen  kann. 

(Wiener  medizin.  Wochenschr.  1865.  No.  11—13  u.  16—18.) 


Cornil:    Cancroid    des    Collum    uteri,     auf    die 

Lymphgefässe  des  Uterus  fortgepflanzt. 
(Mitgetheilt  in  der  „Soci^te  de  Biologie''  zu  Paris,  Novbr.  1863.) 
Der  Fall  betraf  eine  64jährige,  am  4.  Februar  1863  in  die 
Salp^tri^re  aufgenommene  und  am  8.  November  1863  verstorbene 
Frau.  Dieselbe  hatte  vom  12.  bis  zum  50.  Jahre  ihre  Menstrua- 
tion gehabt,  dann  10  Jahre  lang  stark  an  Asthma  gelitten  und 
im  60.  Jahre  wieder  monatliche  Blutungen  bekommen,  welche  seit 
2  Monaten  fast  ununterbrochen  fortgedauert  hatten.  Die  Person 
war  seit  3  Jahren  abgemagert,  doch  noch  immer  sehr  fett.  Am 
Status  praesens  war  hervorzuheben,  dass  die  Hautfarbe  gelblich 
war.  Die  Inguinal-DrOsen  waren  zahlreich,  hart,  von  Haselnnss- 
Grösse.  Das  Collum  uteri  war  nach  links  gedrängt,  ulcerirt,  mit 
kleinen,  harten  B'ungositäten  besetzt.  Fortwährender  Abgang  von 
einer  rothen  Flüssigkeit,  welche  viele  weisse  und  wenige  rothe, 
guterhaltene  Blutkörperchen,  sowie  viel  wässrige  Flüssigkeit  dar- 
bot. Die  Kranke  klagte  seit  6  Monaten  über  Wadenkrampf  und 
über  Schmerz  in  der  Ilio-Crural-Gegend. 

Die  Autopsie  am  9.  November  1863  ergab  ausser  einem 
Emphysem  und  einer  enormen  Ausdehnung  der  rechten  Niere 
folgende  Anomalie :  Der  Uterus  war  «gross.  Rechts  bildeten  Ova- 
^um  und  Tube  einen  bedeutenden  Tumor;  letztere  war  daumen- 
gross,  um  dns  Ovarium  gerollt  und  enthielt  eine  trübe,  seröse 


358  ^^•.  Notizen  aus  der  Journal- Literatur. 

Flüssigkeit.  Links  war  die  Tube  ebesso  ausgedehnt  und  stand 
mit  der  hinteren,  seitlichen  Fläche  des  Collum  in  Verbindung. 
Das  linke  Ovarium  enthielt  kleine,  mit  heiler  Flüssigkeit  geftülte 
Cysten.  Das  Collum  uteri  war  blass  und  besass  auf  der  Ober- 
fläche blasse  Knötchen  und  gefässreicbe  fransen,  ßeim  Auf- 
schneiden in  der  Uterus -Axe  kam  tropf  weise  eine  dicke,  weisse 
Flüssigkeit  hervor.  Auf  dem  Durchschnitte  baten  sich  kleine, 
gekrümmte  Höhlungen  mit  einer  Flüssigkeit  dar,  welche  Cylinder- 
Epithel-ZeUen  mit  yerlängerten  Kernen  und  Kernkörpereben  ent- 
hielt. Der  Cerrical-Canal  war  obliterirt,  die  Uterushöhle  dilatirt 
Letztere  enthielt  etwa  2  Löffel  gelb-schleim^er  Flüssigkeit,  die 
durchscheinend' war  und  in  deren  Mitte  undurchsichtige,  blasse 
Stellen  von  l—l  Millim.  waren.  Die  Flüssigkeit  enthielt  runde, 
zelUge  Elemente,  welche  stark  mit  Fettkörnchen  erfüllt  waren. 
Die  Höhe  des  Uterus  betrug  9  Cm.,  die  Dicke  der  Wandungen 
IJ  Cm.  Die  Peritouäal-Oberfläche  des  Uteruakörpers  zeigte  viele, 
alisgebuchtete,  vorspringende,  perlschnurartige,  theils  parallele, 
theils  netzförmig  anastomosirende ,  cylindrische  Gefösse  (Lymph- 
gefässe)  unter  der  Serosa.  Sie  hatten  einen  Durchmesser  von 
^^1  Cm.  Bei  einem  Schnitte  durch  die  Uterus  wand  entsprachen 
sie  Oeffnungeu,  aus  denen  sich  eine  dicklich -weisse  Flüssigkeit 
drücken  Hess.  In  dieser  befanden  sich  abermals  cylindrische  und 
abgerundete  Epithelialzellen  mit  granulirtem  Inhalte  und  in 
ziemlich  regelmässiger  Anordnung,  nämlich  radial  um  eine  Axe 
geordnet. 

Jedenfalls  war  hier  eine  auffallende  Epithel  -  Neubildung  in 
den  Lymphgefässen  vorhanden,  welche  als  im  Zusammenhang  mit 
der  Cancroid-Bildung  stehend  anzusehen  war. 

(Gaz.  M6dicale  de  Paris.  1864.  30.  AprU.  No.  18.) 


S.  L,  Hardy:  Grosse  polypöse  Uterus -Ge- 
schwulst bei  einem  jungen  Mädchen. 
Verf.  berichtet  über,  einen  Fall,  den  er  an  einem  17jährigen, 
im  15.  Jahre  zum  ersten  Male  menstruirten  Mädchen  von  kräf- 
tiger Constitution  beobacljtet  hat.  Sie  hatte  vier  Monate  lang 
ununterbrochen  Blut  aus  der  Scheide  verloren  und  nun  in  der- 
selben einen  Tumor  bemerkt,  welcher  zuweilen  heraustrat.  Zu- 
gleich klagte  sie  über  Schmerz  im  Rücken  und  Epigastrium.  Der 
Tumor  hatte  die  Grosse  eines  Kindskopfes.  Er  wurde  umbnn- 
den,  was  sich  nur  schwer  bewerkstelligen  liess,  indem  man  den 
Uterus  dabei  mit  hervorziehen  musste.  Nach  dem  Abschneiden 
geringe  Blutung.  Aetzung  mit  Argent.  nitr ,  Heilung,  aber  nach 
»wei  Monaten  völliges  Kecidiv.  Abermalige  Wiederholung  der 
Operation,  Kurz  nachher  dreitägiger  Blutabgang  und  allmäliger 
Verschluss  des  Orificium  uteri  Von  einem  Tumor  nichts  mehr 
wahrzunehmen.    3  Monate  später  war  der  Tumor  wieder  bedeo- 


Tl.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  359 

tead,  hatte  die  Grösse  einer  nicht  geringen  Placenta  erreicht, 
erschien  dreifach  gelappt  und  reichte  mit  dem  gröBsten  Stücke 
mittels  eines  engen  Halses  znm  Os  uteri  heraus.  Das  zweite 
Stück  entsprang  von  derselben  Wurzel,  das  dritte  von  der  Lippe. 
Die  Geschwulst  hattg,  als  der  Arzt  hinznkam,  12  Stunden  vor  der 
Vagina  gelegen,  blutete  bei  der  Berührung,  liess  sich  aber  ohne 
heftige  Blutung,  nach  Anlegung  von  3  Ligaturen,  mittels  eines 
Schnittes  entfernen.  Die  Eiterung  war  sehr  heftig  und  brachte 
die  ohnehin  schon  geschwächte  Gesundheit  noch  mehr  herunter, 
bis  das  Mädchen  an  Entkräftung  starb.  Section  wurde  nicht 
gestattet. 

Einen  ähnlichen  Fall  hatte  H.  im  Dublin  Quart.  Joum.  (Mai 
1855)  Teröffentlicht  Der  Fall,  welcher  hier  erzählt  worden,  hat 
dadurch  besonderes  Interesse,  dass  die  Patientin  von  einem  so 
jugendlichen  Alter  war,  wie  dies  bisher  noch  nie  beobachtet  wor- 
den ist,  nämlich  9  Jahre  jünger,  als  die  bisher  bekannten  Fälle. 
Auch  der  rapide  Verlauf  binnen  15  Monaten  ist  bemerkenswerth. 
Die  Entfernung  durch  Excision  nach  Unterbindung  ist  entschieden 
der  blossen  Unterbindung  vorzuziehen. 

Die  fötide  Secretion,  welche  sich  in  solchen  Fällen  nicht 
selten  auf  der  Wundfläche  einstellt,  wird  Reinlichkeit  und  anti- 
septische  Behandlung  erfordern.  Gegen  die  Schmerzen  empfiehlt 
H.  den  indischen  Hanf,  gegen  die  Mastdarm-  und  Blasenbeschwer- 
den Injection  von  Chloroform  und  Oel. 

(The  Dublin  Quarterly  Journal.   May,  18<»4.) 


G.  Braun:  üeber  die  Verwendung  von  „Hebel- 
Pessarien''  bei  Behandlung  der  Lageverän- 
derungen des  nicht  geschwängerten  Uterus. 
Die  von  B.  gegebenen  Mittheilungen  beziehen  sich  auf  die 
von  Hodge  empfohlenen  „  Hebel  •Pessarien'\    Man  hat  demnach 
zu  unterscheiden: 

L  Das  offene  Hebel-Pessarium.  Dasselbe  ist  ein  3  bis 
4'"  dicker  Ring,  welcher  ein  2''  bis  2"  W**  langes  und  1  bis  2i" 
breites,  auf  einer  Seite  offenes  Parallelogramm  beschreibt,  dessen 
beide  längere  gekrümmte  Seiten  man  die  „Hörner"  nennt,  wäh- 
rend das  Verbindungsstück  die  „Stange"  heisst.  Dieses  Hebel- 
Pessarium  ist,  je  nach  Bedürfhiss,  in  4  verschiedenen  Num- 
mern anwendbar. 

No.  1.  Einfach  gekrümmt.  Dasselbe  wird  so  angewendet, 
dass  die  Stange  hinter  die  Vaginal-Portion  zu  liegen  kommt, 
während  die  Homer  mit  ihrer  Convexität  nach  der  Kreuz- 
beinhohlung  zu  liegen.  Die  Vaginal-Portion  hängt  alsdann 
frei  in  die  Lichtung  des  Pessarium  hinein.  Die  Hebelwir- 
knng  gestaltet  sich  hier  so,  dass  der  hinter  dem  Scheiden- 
theil gelegene  Thoil  des  Pessarium  als  kürzerer,  der  vor 


360  VI.    Notizen  aii6  der  Jonmal  -  Literatur. 

derselben  gelegene  Theil  desselben  als  längerer  Hebeltim 
und  die  bintere  Scbeidenwand  als  Hypomochlion  anzusehen 
ist.    Drückt  man  die  Hörner  nach  abwärts,  so  hebt  sich 
Körper  und  Grund  des  Uterus  aufwärts. 
No.  2.    Doppelt   gekrümmt.     Fftr   gewisse   Fälle    zweck- 


No.  8.    Einfach,   aber  stärker  gekrümmt;  die  beiden 
Enden  der  Hörn  er  mit  stark  abgerundeten  Knöpfen  ver- 
sehen.    (Besonders  bei  Druck  der  Hörnerenden   auf  die 
Blase  vorzuziehen.) 
No   4.    Desgleichen,  jedoch  mit  stärker  convergiren- 
den  Hörnern.    Diese  Nummer  ist  dann  geeigneter,  wenn 
der  Schambogen  nicht,  mehr  weit  ist  oder  die  Empfindlich- 
keit der  Gewebe  zu  gross  ist 
Beim  Einbringen   und  Entfernen  des  offenen  Hebel -Pessars 
wird  dasselbe  in  den  geraden  Durchmesser  der  Scheide  gebracht. 
Yortheile  sind:  Leichtigkeit  der  Application ;  freier  Messtrual- 
flnss,  Festhalten  des  Uterus  in  normaler  Lage  bei  Gestattung  der 
Beweglichkeit  und  bei  Vermeidung  von  Druck ;  ungestörter  Coitus. 
II.    Der  geschlossene  Hebel.    Dieser  entspricht  im  All- 
gemeinen dem  offenen,  nur  sind  die  beiden  offenen  Hömerenden 
noch   durch   eine   zweite  Stange   verbunden.    Auch  von  diesem 
Hebel  sind  zu  unterscheiden: 
'  No.  1.    Einfach  gekrümmt. 
No.  2.    Doppelt  gekrümmt.    Derselbe  ist  dem  ersteren  in 
mancher  Beziehung  vorzuziehen,  besonders  bei  Empfind- 
lichkeit der  Blase.   Man  hat  an  diesem  Pessar  eine  grössere 
und  eine  kleinere  Krümmung,  welche,  wenn  man  es  von 
der  Seite  betrachtet,  ihm  ein  S-förmiges  Aussehen  ver- 
leihen.   Man  kann  nun  entweder  das  schmälere  Ende  mit 
der   schwächeren  Krümmung   hinter   die  Portio   vaginalis 
bringen,  oder  das  andere.  Hieraus  entspringen  zwei  Mo di- 
ficationen: 

a)  das  schmälere,  schwächer  gekrümmte  Ende  steht  hinter 
der  Vaginal-Portion  mit  der  Convexität  nach  vom,  der 
Concavität  nach  hinten.    Alsdann  ist  das  breitere,  stär- 
ker gekrümmte  Ende  mit  der  Convexität  nach  dem  Mit- 
telfleisch, mit  der  Concavität  nach  der  vorderen  Uterin- 
fläche gerichtet. 
h)  Das  breitere,  stärker  gekrümmte  Ende  steht  hinter  der 
Vaginal-Portion  mit  der  Concavität  nach  vorn,  der  Con- 
vexität nach  hinten.    Alsdann  ist  das  schmälere,  schwä- 
cher gekrümmte  Ende  mit  der  Convexität  nach  der  vor- 
deren Scheidenwand  und  Blase,  mit  der  Concavität  nach 
•dem  Mittelfleisch  gerichtet. 
In  der  letzten  Modification  ist  die  Hebel-Wirkung  besonders 
stark,  stärker  als  die  des  offenen  Hebel-Pessars     Zeigt  also  der 


VI.    Notizen  aus  der  Journal  •  Literatur.  361 

Uterus  bei  Herstellung  seiner  normalen  Lage  grossen  Widerstand^ 
so  wird  der  geschlossene,  doppelt  gekrümmte  Hebel,  Anfangs  in 
der  ersten,  später  in  der  zweiten  Modification  am  zweckmftssigsten 
sein.  Im  Vergleiche  mit  dem  offenen  Hebel  hat  er  den  Vor t heil, 
keinen  Druck  mit  freien  Enden  auszuüben,  aber  den  Nachtheil, 
dass  selbst  das  geschlossene  Ende  zuweilen  auf  Blasenbals  und 
Harnröhre  drückt.    Einbringen  und  Entfernen  sind  leicht 

IIL  Ber  unterbrochene  Ring.  Derselbe  wird  zunächst 
im  geraden  Durchmesser  der  Scheide  eingebracht,  so  dass  letztere 
seitlich  von  der  Harnröhre  liegt.  Alsdann  wird  der  Ring  so  ge- 
steUt,  dass  die  Gonvexität  nach  hinten  zwischen  Portio  vaginalis 
und  hinteres  Scheidengewölbe,  die  Spaltstelle  nach  rom  gegen 
den  Blasenhals  zu  liegt. 

Nach  dieser  Schilderung  geht  B.  ziur  Besprechung  derjenigen 
pathologischen  Zustände  über,  bei  denen  die  Anwendung 
der  Hebel-Pessarien  indicirt  ist.  Es  sind  anzuwenden:  Bei  An- 
teversio  yiteri  der  offene  Hebel  No.  1,  bei  gleichzeitigen  Ulce- 
rationen  am  Scheidentheil  aber  der  unterbrochene  Ring.  Bei 
Anteflexion  der  unterbrochene  Ring,  oder  wenn  er  nicht  ver- 
tragen wird  der  offene  Hebel  bei  enger,  der  geschlossene  No.  2 
bei  weiter  Scheide.  Bei  Senkung  des  Uterus  mit  Gysto- 
oder  Rectocele  der  geschlossene  Hebel  No.  2,  bei  Gystocele 
mit  Modification  a,  bei  Rectocele  mit  Modification  b.  —  Auch  die 
offenen  Hebel  No.  1  und  2  sind  verwendbar.  Bei  unvollstän- 
digem Prolapsus  uteri  der  offene  Hebel  No.  2,  zuweilen  der 
geschlossene  Hebel.  Bei  senilem  Gebärmutter-Vorfall  der 
unterbrochene  Ring,  dicke  Qualität.  Bei  vollständigem  Ge- 
bärmutter-Vorfall der  offene  Hebel.  Bei  Enterocele  vagi- 
nalis der  offene  Hebel.  Bei  Gewichts-Zunahme  des  Uterus 
durch  Bindegewebs-Neubildungcn  beliebige  Hebel-Pessarien. 

Als  Vortheile  der  Hebel-Pessarien  führt  B.  an:  1\  die 
Application  ist  leicht.  2)  Sie  sind  billig.  3)  Sie  sind  dauerhaft 
aus  Hartgummi  gefertigt  und  widerstehen  lange  den  Einflüssen 
der  Socrete.  4)  Die  Reposition  mit  der  Sonde  wird  überflüssig 
5)  Sie  gestatten  Abfluss  der  Secrete  und  des  Menstnialblutes, 
sowie  ungestörte  Anwendungen  von  Iigectionen,  Uterus  -  Douchen 
und  Sitzbädern.  6)  Sie  führen  langsam  aber  sicher  zur  Herstel- 
lung der  normalen  Lage  des  Uterus.  7)  Sie  können  Tag  und 
Nacht  getragen  werden.  8)  Sie  hindern  den  Coitus  nicht.  9)  Sie 
erleichtei-n  die  bei  Flexionen  oft  gestörte  Harnausscheidung.  10)  Sie 
hindern  die  nach  Schwängerung  des  flectirten  Uterus  leicht  statt- 
findenden Störungen. 

Etwaige  Nächtheile  können  sein:  1)  Schlechtes  Material, 
besonders  Zink.  2)  Druck  auf  Nerven;  meist  schnell  vorüber- 
gehend. 3)  Drücken  der  Homer  gegen  die  Weichtheile;  durch 
Knöpfe  an  den  Enden  leicht  zu  vermeiden.  4)  Herauspressen  des 
Hebels  bei  Stuhl-  oder  Harnentleerung;  erfordert  die  Wahl  einer 


36^  VI.    Notizen  aus  der  Journal  -  Literatur. 

grösseren  Nunimer.  5)  Druck  auf  Blase  oder  Rectum ;  erfordert 
sorgfältige  Wahl  Aer  Form  und  Krümmung.  6)  Drehung  in  eine 
senkrechte  Stellung;  kommt  meist  vom  unrichtigen  Einbringen 
und  ist  durch  Wahl  eines  breiteren ,  stärker  gekrümmten  Pessa- 
rium  zu  vermeiden.  7)  Complicationen  der  Lageverändening  mit 
Tumoren  etc.  machen  zuweilen  Schwierigkeiten.  Hier  behalte  man 
Geduld.  Oft  ist  eine  Formverändenmg  des  Pessars  gut;  man 
kann  diese  durch  Bestreichen  mit  Fett  und  durch  Nähern  an 
eine  Weingeistflamme  bewirken. 

Angefügt  sind  Berichte  über  folgende  Fälle: 

1.  Fall.    Retroflexion  des  nicht  geschwängerten  Uterus;  2  Mal 

Abort  vorausgegangen.  Anwendung  des  Hebel -Pessa- 
riums.    Günstiger  Erfolg. 

2.  Fall.    Retroflexion  des  nicht  geschwängerten  Uterus.     Chro- 

nischer Vaginal-Oatarrh.  Anwendung  des  Hebel -Pessa- 
riums.    Günstiger  Erfolg. 

3.  Fall.   Rectocele  vaginalis  mit  Descensus  uteri,  Anwjendung  des 

Hebel-Pessariums.    Günstiger  Erfolg. 

4.  Fall.    Anteflexion  des  nicht  schwangeren  Uterus.    Neuralgie 

der  vorderen  Scheidenwand.  —  Ischuria  spastica.  — 
Anwendung  der  Hebel-Pessarien  nach  früherer  Anwen- 
dung der  Hartgummisonde.  Relatives  Wohlbefinden  der 
Kranken. 

5.  Fall.    Anteflexion   des   nicht  schwangeren  Uterus.     Ischuria 

spastica.    Hebel-Pessarium.    Heilung. 

6.  Fall.    Retroversion  des  nicht  schwangeren  Uterus.   Hebel-Pes- 

sarium.    Günstiger  Erfolg. 

7.  Fall.    Unvollständiger  wirklicher  Vorfall  des  Uterus,  Cystocele 

und  Rectocele  vaginalis.    Hebel- Pessarium.    Bessertm^. 

8.  Fall.    Anteflexion  des  Uterus.     Heftige  Neuralgie  desselben. 

Scheiden-Katarrh.  Anwendung  eines  Hebel-Pessarium. 
Günstiger  Erfolg. 

9.  Fall.    Anteflexion  des  Uterus.    Stenose  dos  Cervical  -  Ganais. 

Kreuzschmerzen  während  und  ausser  der  Menstruations- 
zeit.   Hebel-Pessarium.    Günstiger  Erfolg. 
Der  Verfertiger  der  Hebel  -  Pessarien  ist:   Leiter  in  Wien, 
Aiserstrasse  IG. 

(Wiener  Med.  Wochenschr.  18(>4.  No.  27-31 ) 


Sh)ij>fio/i:    Uober    Ovariotomic    und    die    erste 

Function  bei  Hydrops  ovarii. 

(Mitgeth.  in  der  Sitzung  der  Edinb.  Obstcr.  Soc.  vom  29.  Juli  I66a) 

S.  berichtete   über   einen  Fall,   in   welchem   ein   24jährige8 

unverheirathetes  Frauenzimmer  seit   1   Jahre   an  einem  schnell 

wachsenden  Tumor  litt  und  seitdem  mager  und  anämisch  gewor- 


VI.    Notizen  aus  der  Journal  •  Literatur.  363 

den  war.  Der  Tumor  war  grösser  als  der  im  10.  Monate  schwan- 
gere Uterus.  Am  18.  Juni  1863  Pundion,  Entleerung  von  10  Pfd. 
einer  dunkeln,  röthlichen  Flftssigkeit,  Incision,  Erfassen  des  colla- 
birten  Tumor,  der  noch  in  einer  Cyste  2  Pfd.  Flüssigkeit  enthielt, 
Anlegen  der  Klammer  am  Stiel,  Abschneiden  der  Geschwulst.  Die 
Bänder  der  Abdominal- Wunde  mittels  3  dicker  Nadeln,  die  durch 
die  ganze  Dicke  der  Haut  gestochen  waren,  in  3  umschlungenen 
Nähten  (von  India-Rubber-Faden)  vereinigt.  Dazwischen  wurden 
6  Stahl-Nähte  angebracht.  Die  Nadeln  wurden  am  4.,  die  Suturen 
am  10.,  die  Klammer  mit  dem  mortificirten  Stiele  am  13.  Tage 
entfernt.  Am  19.  Tage  stand  Patientin  auf;  am  29.  wurde  sie 
entlassen. 

Ein  Austupfen  der  Bauchhöhle  wegen  etwaigen  hineinge- 
flossenen Blutes  fand  nicht  Statt.  Die  Klammer  hatte  leider 
an  einer  Stelle  durch  Druck  einen  oberflächlichen  Abscess  ver- 
ursacht. 

Während  der  letzten  9  Monate  hatte  S.  zwei  Fälle  von  Tod 
nach  der  ersten  Punction  gesehen.  Im  ersten  Falle  hatte  schon 
vorher  Entzündung  der  Cyste  stattgefunden,  wodurch  Patientin 
sehr  gelitten  hatte.  Im  jsweiten  Falle  entstand  durch  die  Punction 
bei  einer  gesunden  Frau  Entzündung  der  Cyste.  Die  Punction 
hält  S.  nur  für  ein  Palliativum,  da  die  Fälle,  wo  eine  Wieder- 
fOHung  unterbleibt,  sehr  selten  sind.  Enthält  der  Tumor  viele 
kleine  Cysten  oder  sind  diese  mit  gelatinöser  Masse  gefüllt,  so 
ist  eine  Punction  unnütz.  Die  Procentzahl  der  tödtlich  verlaufen- 
den Punctions- Fälle  ist  von  bedenklicher  Höhe,  wie  statistische 
Angaben  von  Soutfiam,  Lee  und  Kiwisch  darthun. 

(Edinb.  Medic.  Journal.   März  1864.) 


Simpson:    Ein    glücklicher    Fall    von    Ovario- 

tomie. 
(Mitgetheilt  in  der  Medico-chirur.  Soc.  of  Edinb.  v.  3.  Febr.  1864.) 
Patientin  war  eine  Frau,  welche  1  Mal  geboren  hatte.  Sie 
war  bereits  3  Mal  punktirt ;  seitdem  hatte  der  Tumor  wieder  eine 
beträchtliche  Grösse  erlangt.  Das  Aussehen  der  Kranken  war 
sehr  schlecht;  Puls  110—120.  Der  Tumor  zeigte  beim  Einschnitte 
bedeutende  Adhäsionen  mit  dem  Peritonäum.  Die  Cyste  wog  mit 
dem  Inhalte  gegen  30  Pfd  ;  eine  grosse  Cyste  enthielt  gegen 
20  Pfd.  Eiter.  Die  Klammer  wurde  angelegt,  aber  der  Stiel  zog 
sich  plötzlich  zurück.  S.  fasste  ihn,  zog  ihn  ein  wenig  hervor 
und  befestigte  an  ihm  innerhalb  der  Bauchhöhle  eine  Art  von 
Acupressur,  worauf  er  den  vorstehenden  Theil  abschnitt.  Die 
Blutung  stand.  Der  Acupressnr-Apparat  bestand  in  einer  langen 
Nadel,  welche  an  einer  Seite  in  den  Stiel  gestochen  denselben 
2  Mal  durchbohrte  und  um  deren  Enden  ein  derber  Faden  fest 


364  VI.    Notizen  aus  der  Journal  -  Literatur. 

umfichlungen  war,  der  den  Stiel  zusammenschnürte.  Die  Nadel, 
welche  mit  einer  Schutzkappe-  versehen  worden  war,  wurde 
46  Stunden  nachher  entfernt.  Nach  4  Tagen  war  die  Wunde 
ziemlich  geheilt  14  Tage  später  bildete  sich  in  der  Äbdominal- 
Wand  ein  Abscess,  der  sich  öffnete.  Die  Heilung  ging  gut  yon 
Statten. 

Verf.  hält,  was  die  Behandlung  des  Stieles  betrifft,  die  An- 
wendung der  Klammer  für  wenig  günstig.  Vielmehr  glaubt  er, 
dass  es  besser  sei,  wenn  man  denselben  in  die  Bauchhöhle  zurflck- 
briogt  und  zwar  mit  dem  Ligatnrfaden,  dessen  Lossstossung  man 
abwartet  So  günstig  z.  B.  die  desfallsigen  Resultate  von  Tyler 
Smüh  sind,  so  sieht  Verf.  doch  die  Acupressur  vor.  Denn  erstens 
fällt  wegen  ihrer  baldigen  Entfernung  der  Reiz  eines  fremden 
Körpers  weg,  und  zweitens  entsteht  ans  eben  dem  Grunde  keine 
gangränöse  Losstossung. 

(Edinb.  Medic.  Journal.   März  1864.) 


Afawitonneuve :  0  v  a r i  o  t o  m i  e. 

pjin  von  M.  im  H6tel-Dieu  operirter  uniloculärer  Ovarium- 
Tumor  mit  secundären  Cysten  enthielt  in  der  Hauptcyste  lOLitres 
Flüssigkeit  Die  übrige  Masse  wog  2  Kilogrammes. '  Die  Opera- 
tion dauerte  ^  Stunde  und  ging  ohne  Unfall  von  Statten.  Vier 
Tage  schien  die  Heilung  gut  vorzuscbreiten,  als  die  Patientin  am 
5.  Tage  einer  adhäsiven  Peritonitis  erlag. 

(Gaz.  des  Höpit  1864.  9.  Juli.  No.  80.) 


Rokitansky:  Ueber  Torsion  und  Strangulation 
von  Ovarial-Geschwülsten. 
In  der  Sitzung  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien  vom 
27.  Januar  1865  berichtet  R.  über  8  von  ihm  (unter  58  Ovarial- 
Tumoren)  beobachtete  Fälle  von  Drehung.  Er  kommt  nach  Dar- 
legung der  einzelnen  Fälle  zu  den  Schlüssen:  1)  die  Drehung 
und  Strangulation  von  Ovarial- Tumoren  ist  ein  durchaus  nicht 
seltenes  Ereigniss.  2)  Sie  kommt  sowohl  rasch,  als  auch  allmählig 
zu  Stande.  3)  Im  ersten  Falle  wird  sie  häufig  todtlich,  wird  aber 
auch  ei-tragen  und  es  kommen  während  des  Lebens  unzweifelhaft 
spontane  Repositionen  vor.  4)  Die  unerwartete  Fixirung  eines 
bis  dahin  beweglich  gewesenen  Ovaria!  -  Tumors  mit  Erscheinung 
von  Entzündung  desselben  und  von  Peritonitis  lässt  eine  stattge- 
habte Drehung  und  Strangulation  des  Tumors  vermuthen.  Es 
wäre  die  Reposition  zu  versuchen.  5)  Ausserdem,  dass  neben 
Ovarial-Tumoren  überhaupt  Darmincarceration  auftritt,  ist  eine 
solche  im  Besonderen  zuweilen  durch  die  Drehung  des  Ovarial- 
Tumors  selbst  unmittelbar  gegeben.  6)  In  Folge  der  ertragenen 
Drehung  und  Strangulatiou   kommt  es  zuweilen  zur  Involution 


'     VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  365 

und  Verödung  dee  Qyarial- Tumors,  worin  manche  der  Fälle  von 
allmähligem  Ein-  und  Verschwinden  constatirter  Ovarial-Tumoren 
ihre  Erklärung  finden  dürften. 

(Oesterr.  Zeitschr.  f.  pract  Heilk.  1865.  No.  7.) 


Wilson  Fox:  Ueber  den  Ursprung,  den  Bau  und 
die  Art  der  Entwickelung  der  cystischen 
Goschwülste  des  Eiersliockes. 

Nach  einer  ausführlichen  Besprechung  der  Literatur,  beson- 
ders der  deutseben,  über  diesen  Gegenstand -erklärt  sich  W.  Fox 
dafür,  dass  die  einfachen  und  die  multiplen  Cysten  aus  den 
6^aa/^Bcben  Follikeln  entstehen.  Er  hat  bei  der  Section  einer 
42j&hrigen  Frau  in  beiden  Eierstöcken  Cysten  gefunden:  in  dem 
linken  zwei  grosse  von  Faustgrösse  und  eine  Reibe  kleinerer  bis 
herab  zu  0,01''  im  Durchmesser  haltende.  Sie  waren  alle  von 
theilweise  flachem  Epithel  aus  sechseckigen  Zellen,  deren  Kerne 
deutlich  waren,  ausgekleidet.  Die  grossen  glichen  vollkommen 
den  kleineren,  nur  dass  das  Epithel  in  jenen  flacher  war,  wäh* 
rend  die  Wandungen  der  kleineren  ganz  dem  der  6rraa/^8chen 
Follikel  entsprachen.  Der  andere  Eierstock  zeigte  nur  Cysten 
von  der  Grösse  einer  Erbse,  aber  dieselben  hatten  einen  ähn- 
lichen Bau. 

Dann  beschreibt  Fox  die  Cysten,  welche  zwar  im  Stroma  des 
Ovariums  liegen,  aber  in  ihrem  Innern  wieder  Gruppen  von  Cysten 
bergen.  Das  Peritonäum  Ober  Ovarial-Tumoren  kann  vollständig 
„natural^'  oder  durch  Adhäsionen,  zottige  Auswüchse,  sowie  Per- 
forationen von  „warzigen  Gebilden''  verändert  sein.  Ausserdem 
zerfällt  die  äussere  Wand,  deren  Dicke  zwischen  1^2  ^^^  V*  ^^^ 
mehr  schwankt,  in  zwei  Lagen,  eine  äussere  feste  aus  breiten 
Fasern ,  die  dem  Umfang  der  Geschwulst  entlang»  laufen ,  und  in 
eine  innere,  welche  mehr  den  Character  eines  „areolären"  Ge- 
webes trägt  und  weicher  und  zerreisslicher,  fleischiger  und  gefäss- 
reicher  ist,  als  jene.  Die  innere  scheint,  unter  dem  Mikroskop 
geseheuy^  aus  einem  zierlichen  Netzwerk  von  Fasern,  in  welchem 
viel  „verlängerte  Kerne  und  Faserzellen"  liegen,  zu  bestehen. 
Das  Stroma  der  Wand  enthält  zahlreiche  GeH^sse,  und  diese  be- 
halten oft  die  Korkzieherform,  welche  sie  im  Stroma  des  Eier- 
stockes besitzen.  Die  innere  Oberfläche  der  Cyste  trägt  ein 
Epithelium. 

Bei  diesen  gemeinsamen  Eigenschaften  zeigen  die  Cysten 
mannigfache  Verschiedenheiten: 

1)  durch  die  Mannigfaltigkeit  des  Epithelialüberzuges,  welcher 
einfach  oder  mehrfach  oder  auch  ganz  abgestreift,  verfettet  und 
gefärbt  oder  sonst  verändert  sein  kann; 

2)  durch  Veränderungen  der  innern  Lagen  der  Wand,  weiche 
Fox  strichweise  verfettet  und  vrrkreidet  gesehen  hat; 


366  Vi-    Notizen  aus- der  Journal -Literatur. 

3)  durch  warzige  „papillary  or  cauliUower  or  dendritic"  Aus- 
w&chse ; 

4)  u.  5)  durch  zottige  und  drüsige  Auswüchse. 

Die  warzigen  Auswüchse  kommen  nicht  sehr  häufig  vor:  nur 
2  Mal  in  15  Ovarial- Tumoren.  Fox  vergleicht  sie  den  von  Biü- 
roth  an  der  Froschzunge  beschriebenen.  Sie  können  die  Grösse 
einer  Orange  erreichen,  sind  an  der  Spitze  abgerundet,  sehr 
gefässhaltig ;  sie  breiten  sich  leicht  durch  weitere  Verästelungen 
aus.  Wenn  sie  zahlreich  auftreten  und  stark  wachsen,  können 
sie  buchtenartige  Räume  des  Inhalts  zwischen  sich  und  die 
ursprüngliche  Wand  einschliersen  und,  wenn  sie  durch  entzünd- 
liche Beizung  mit  einander  verwachsen,  ganz  isoliren.  Weitere 
Veränderungen  finden  statt  durch  Wachsthum  der  ganzen  Ge- 
schwulst, häufig  auch  durch  Verfettung,  durch  Ablösung  u.  s.  w. 
Der  Inhalt  damit  behafteter  Cysten  glich  immer  in  Consistenz 
und  Aussehen  einer  dicken  Erbsensuppe  ohne  die  Zähigkeit  und 
Scbleimartigkeit  von  Cysten,  in  denen  diese  Bildungen  nicht  vor- 
kommen. Mikroskopisch  zeigte  sich  der  Inhalt  angefüllt  von  freien 
Fettkömern,  Oelkügelchen  und  den  Besten  fettig  entarteter  Epi- 
Üielialzellen.  Granulirte  Zellen  und  Massen  waren  ebenfalls  häufig 
dann^  während  Cholestearincrystalle  fehlten. 

Zottige  und  drüsige  Auswüchse  „villous  &  glandulär  growthB" 
kommen  meist  zusammen  vor.  Sie  bestehen  meist  nur  aus  einer 
Gefäesschlinge  mit  wenig  Bindegewebe  und  einer  oder  mehreren 
Lagen  von  Epithelialzellen.  Sind  sie  vereinzelt,  so  bleiben  sie 
meist  unbedeutend.  Gehäuft  wachsen  sie  oft  sehr  und  geben 
durch  ihre  Ausbildung  Veranlassung  zu  buchtigen  und  drüsigen 
Höhlen,  welche  durch  Verwachsung  der  sie  bildenden  Auswüchse 
ganz  von  der  gemeinschaftlichen  Höhle  abgeschnürt  werden  können. 
So  sollen  nach  Fox  die  secundären  Höhlen  entstehen  und  die  Ver- 
schiedenheit des  Druckes  von  aussen  und  die  Art  der  Verwachsung 
sollen  die  verschiedenen,  bald  in  Stockwerke  getheilten,  bald  dicht 
gehäuften  oder  im  Gewebe  weithin  zerstreuten  Anordnungen  der- 
selben bedingen.  Neue  Auswüchse  in  den  secundären  Cysten 
können  den  Process  wiederholen.  Auch  kann  das  Epithel  sich 
in  verschiedenen  Lagen  anhäufen  oder  ganz  abfallen,  die  Höhle 
ausfüllen  oder  auch  nach  Verfettung  als  Schutt  in  der  Flüssigkeit 
sich  finden  und  derselben  eine  feste  Constistenz  verleihen.  Der 
Inhalt  von  Cysten,  die  mit  solchen  Auswüchsen  versehen  sind, 
ist  sehr  mannigfaltig.  Fox  fand  in  allen  ähnliche  Beactionen, 
wie  die  von  Scherer  dem  Metalbumin  und  Paralbumin  zugeschrie- 
benen. Der  Ansicht  Virchow's^  dass  die  Verflüssigung  des  In- 
kaltes allmählig  eintrete  und  deshalb  die  ältesten  Zellen  den 
flüssigsten  Inhalt  hätten,  tritt  er  nicht  bei. 

Aus  diesen  Beobachtungen  schliesst  Fat-,  dass  man  alle 
Ovarial  -  Cysten  (mit  Ausschluss  der  von  ihm  nicht  untersuchten 
dermoiden)  als  Modificationen  von  Crrao/^schen  Follikeln  ansehen 


VI.    Notizen  aus  der  Journal  -  Literatur.  367 

solle  und  auch  die  niultiplen  durch  Kinschoürung  und  Verviel- 
fältigung ihrer  Höhle  entstehen  lassen  kann.  Eier  hat  er  übrigens 
in  denselben  nicht  gefunden. 

Die  Abhandlung  ist  von  vielen  Zeichnungen  mikroskopischer 
Schnitte  begleitet. 

(Med.-chir.  Transactions.  Vol.  XLVII.  London.  1864.  S.  227.) 


N%i8f<baum:  Eine  multiloculäre,  im  ganzen  Um- 
fange verwachsene  Eierstocks-Geschwulst 
glücklich  exstirpirt. 
Die  Verwachsungen  der  Cyste  waren  in  diesem  Falle  so  be- 
deutend, dass  fast  an  der  Vollendung  der  Operation,  mindestens 
aber  an  dem  glücklichen  Ausgange  gezweifelt  werden  musste. 
Verf.  bediente  sich  zur  Lösung  der  Adhäsionen  eines  eigenthttm- 
lichen  Verfahrens  und  sieht  sich  in  Folge  des  glflcklichen  Aus- 
ganges der  Operation  veranlasst,  zu  häufigeren  Ausfahrungen  der 
Ovariotomie  aufzufordern.  Die  Operation  wurde  in  der  rechten 
Seitenlage  gemacht,  um  die  Bauchhöhle  möglichst  frei  von  Blut 
und  Cysteninhalt  zu  erhalten.  Der  Schnitt  in  der  Linea  alba 
begann  2  Cm.  unterhalb  des  Nabels '  und  war  10  Cm.  lang.  Als 
unter  der  Entleerung  der  Cyste  ein  handgrosses  Stück  des  Sackes 
hervorgezogen  war,  wurde  der  Widerstand  grösser  und  bei  stär- 
kerem Zuge  kamen  innig  verwachsene  Netzdarmstücke  von  allen 
Seiten  mit  zur  Bauchwunde  heraus.  Die  Verwachsungen  des 
Netzes  wurden  mit  dem  Finger,  die  des  Dick-  und  Dünndarmes 
mit  der  Scheere  vorsichtig  getrennt  und  dabei  mehrere  grössere 
Gefässe  unterbunden,  kleinere  torquirt.  Nun  konnte  die  Cyste 
wieder  etwas  weiter  hervorgezogen  werden.  Am  wenigsten  beweg- 
lich war  sie  jetzt  in  der  Blasengegend  und  so  fest  mit  der  Blase 
verbunden,  dass  auch  nicht  die  Spur  einer  Grenze  zwischen  beiden 
sichtbar  war.  Nur  unter  Leitung  des  in  die  Urinblasc  hochge- 
schobenen Catheters  konnte  sehr  langsam  mit  dem  Messer  die 
Abtrennung  einer  beiläufig  vier  Thaler  grossen  Verwachsung  aus- 
geführt werden.  Die  folgende  Blutung  wurde  durch  Torsion  von 
4  Gefässon  gestillt  Während  der  Zeit  war  die  Cyste  fast  ganz 
leer  geworden,  da  die  tiefer  liegenden  Cystenräume  mit  den  höher 
gelegenen  commuuicirten.  Nun  wurde  die  leere  Cyste  mit  vier 
Händen  in  eine  grosse  Falte  gefasst  und  langsam,  aber  mit  grosser 
Kraft  nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  gezogen,  jedoch 
ohne  jeden  Erfolg.  Sic  war  in  ihrem  ganzen  Umfange  mit  einer 
ungeheuren  (juadratflächc  verwachsen,  nicht  strangartig,  sondern 
in  der  Fläche  und  Hess  weder  die  Hand  noch  einen  Finger  gut 
vordringen.  Ehe  N.  jedoch  die  Operation  als  unvollendbar  auf- 
gab,  glaubte  er  noch  folgenden  Eingriff  versuchen  zu  müssen. 
Er  zog  die  Troicartcanule  aus  und  spaltete  die  Troicartwunde  mit 
der  Scheere  nach  oben  und  unten  10  Cm.  lang,  legte  die  Kranke 


368  VI.    Notizen  aus  der  Journal- Literatur. 

für  ein  paar  Minuten  auf  den  Bauch,  worauf  nuch  eine  grosse 
Menge  des  gelatinösen  Inhaltes  abfloss,  der  Bauch  ganz  einsank 
und  die  Därme  weiter  vorfielen.  Nun  ging  er  mit  der  ganzen 
rechten  Hand  in  die  Cyste  ein,  um  deren  Tiefe  zu  untersuchen 
und  von  innen  her  sie  in  Falten  zu  erheben  und  loszureissen. 
Sie  reichte  Yom  Zwerchfell  bis  zum  Mastdarm,  der  Blase  uud  den 
Becken  schaufeln,  war  sogar  mit  den  grossen  Gefässen  verbunden, 
welche  beim  Anziehen  des  Sackes  mit  in  die  Höhe  gezogen  wur- 
den. Nun' wurde  am  Promontorium  eine  Cystenfalte  gemacht  und 
daran  kräftig  gezogen,  sie  gab  nach,  wurde  nun  mit  zwei  Händen 
gefasst  und  langsam  loste  sich  die  invertirte  Cyste  hieibei  aus 
ihren  Verwachsungen  los,  so  dass  sie  endlich  vollständig  mit 
Uterus  und  Tube  aus  der  Bauchwunde  hervorhing.  Das  Ab- 
trennen der  Cyste  und  der  Verband  geschah  ungefähr  in  der  von 
Spencer  Wells  empfohlenen  Weise.  Das  multilocul&re  Cystoid 
wog  im  Ganzen  23 J  Pfd.,  der  Sack  allein  IJ  Pfd.  —  Die  Nach- 
behandlung war  einfach,  die  Genesung  erfolgte  mit  Ausnahme 
einiger  beunruhigender  Erscheiuungen  beim  Abstossen  des  Stum- 
pfes und  der  Ligaturfäden  im  Ganzen  gleichmässig  und  vollständig. 
(Aerztl.  Intelligeuzblatt  baierscher  Aerzte.  1864.  No.  50.) 

Schmidt:  Eine  Ovariotomie  mit  dem  Ausgang 
in  vollständige  Heilung. 

Die  Operation  fand  auf  der  chirur.  Klinik  in  Tübingen  statt. 
Die  Kranke  war  42J  Jahre  alt  und  die  Eierstocksgeschwulst  hatte 
sich  verhältnissmässig  schnell  in  l\  Jahren  zu  einer  bedeutenden 
Ausdehnung  ausgebildet^  so  dass  die  Frau  einer  Hochschwangeren 
glich  und  der  stärkste  Umfang  des  Bauches  in  der  Nabelgegend 
100  Ctm.  betrug.  Nach  vorausgeschickter  Probepunction  wurde 
die  Diagnose  auf  Hydrops  ovarii  gestellt  und  mit  Wahrscheinlich- 
keit nur  eine  grössere  Cyste  mit  nur  geringen  Adhäsionen  an* 
geliommen. 

Am  28.  Juni  wurde  von  Brunn  die  Ovariotomie  gemacht.  Der 
Bauchschnitt  in  der  Linea  alba,  12  Ctm.  lang ;  leichte  Adhäsionen 
wurden  gelöst,  mit  dem  Troicart  von  Spencer  Wells  die  Cyste  ent- 
leert und  so  viel  wie  möglich  hervorgezogen,  dabei  weitere  Adbä* 
sionen  mit  dem  Netze  und  den  Dilnneu  gelöst,  die  grosseren 
Gefässe  unterbunden.  Aus  einer  der  Dünndarmschlingen  sah 
man  einen  schwarzen^  schmalen  fremden  Körper  hervorragen;  er 
erwies  sich  als  eine  Nähnadel  mit  abgebrochenem  Oehre,  durch 
Oxydation  ganz  schwarz  geworden;  die  Nadel  hatte  den  Dann 
doppelt  durchbohrt  und  überdiess  die  Cystenwand  angespiesst,  so 
dass  die  Darmschlinge  dadurch  au  die  Cyste  festgeheftet  war. 
Die  Frau  wusste  über  diese  Nadel  keinen  Aufschluss  zu  geben. 
Der  Stiel  der  Cyste  hatte  die  Dicke  von  zwei  Daumen  und  wurde 
mit  zwei  Drähten  unterbunden,  der  Verband  in  bekannter  Weise 


VI.    Notizen  ans  der  Jonrnal- Literatur.  3g9 

angelegt,  bei  der  Nachbeh&iidlitng  besonders  Kftite,  Opium  uä'A 
Malaga  verwendet  Die  Genesung  ging  ziemlich  gleichmästig  vor 
sich,  am  22.  Tage  nach  der  Operation  verliess  die  Frau  das  Bett. 
Nur  eine  Harnfistel  nach  aussen  blieb  zurfick,  welche  jedoch 
immer  enger  wurde  und  zuletzt  nur  so  wenig  Harn  abfliessen  If'ess, 
da$8  eine  schliessliche  Heilung  aueh  dieser  zu  erwarten  ist. 

(Deutsche  Klinik.  1864.  No.  46,  48,  49.) 


T.  Spencer  Wells:  Ein  Fall  von  Tumor  fibro- 
cysticos  uteri. 
Am  20.  Juni  1864  kam  in  des  Verf.  Behandlung  eine  46rfährige 
unverheirathete  Dame,  welche  sehr  abgemagert  war.  Die  Unter- 
suchung des  Unterleibs  hatte  vor  10  Jahren  die  Existenz  von 
zwei  Tumoren,  von  denen  der  eine  central  und  etwas  Aber  dem 
Nabel,  der  andere  rechts  unterhalb  der  spina  ant.  sup.  usb.  ilei 
zu  fohlen  war,  ergeben.  Diese  beiden  hatten  damals  die  Grosse 
von  Gänseeiern  und  hatten  nur  sehr  langsam  zugenommen  Wäh- 
rend der  letzten  zwei  Monate  waren  sie  rapid  gewachsen.  Das 
Abdomen  war  enorm  ausgedehnt,  halte  .56"  Circumferenz  in  der 
Umbilicallinie ;  die  Verbindungslinie  des  Proc.  xiphoideus  mit  dem 
Nabel  betrug  19,  die  ^ von  der  Schaamfuge  bis  zum  Nabel  16". 
üeber  dem  Nabel  war  die  Haut  ähnlich  wie  bei  einem  Nabel- 
bruche ausgedehnt,  üeber  dem  Nabel  war  frei  in  der  Peritonäal- 
Höhle  flnctuirende  Flüssigkeit  nachzuweisen,  während  man  in  der 
Tiefe  einen  halbsoliden  Tumor  fohlen  konnte.  Unterhalb  des 
Nabels  war  eine  weniger  deutliche  Fluctuation  und  ein  anschei- 
nend adhärirender  Tumor  wahrzunehmen,  von  dem  man  auch, 
per  vaginam  eingehend,  hinter  der  Portio  vaginalis  etwas  fohlen 
konnte.  Veif.  stellte  die  Diagnose  auf  eine  oberhalb  des  Nabels 
frei  in  der  Bauchhöhle  befindliche  Flüssigkeit  und  auf  eine  unter- 
halb des  Nabels  befindliche,  adhärente,  grosse,  multiloculäre  Cyste. 
Es  wurde  nun  unter  Chloroform -Narcose  oberhalb  des  Nabels 
punctirt  uncj  zwar  mit  einem  14"  langen  Troicar.  Ungefähr 
30  Pinten  einer  hellen,  visciden  Flüssigkeit  gingen  ab.  Gleich- 
zeitig bemerkte  man,  dass  keine  Adhäsionen  vorhanden  waren, 
dass  aber  der  Tumor  an  einigen  Stellen  fluctuirte.  Nach  Schliessung 
der  Stichwunde  wurde  unterhalb  des  Nabels  ein  6"  langer  Ein- 
schbitt  gemacht,  worauf  man  zwei,  durch  eine  tiefe  Spate  ge- 
trennte, dem  linken  Ovarium  angehörende  Cysten  bemerkte.  Die 
linksseitige  wurde  punctirt,  worauf  gegen  10  Pinten  blutigen 
Serums  ausfli>ssen;  auch  aus  dem  erstpunctirten  Theile  wurden 
noch  3  Pinten  entleert,  worauf  die  linke  Cyste  removirt  wurde, 
w<'>B  nur  nach  Trennung  mehrerer  Adhäsionen  m«'glich  war.  Der 
rechtsseitige  Tumor  wurde  wegen  seiner  Soliditltt  und  seiner 
Adhäsionen    mit  dem   Colon   transversum    nicht    entfernt.     Die 

Monatsschr.  f.  Geburtsk.  1865.  Bd.  XXV.  SuppL-Hft  24 


370  ^'    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Wunde  wmrde  regelrecht  geschlowen.    Die  Frau  starb  nach  drei 
Stuideii  an  Erscliöpfang. 

Die  UntersuchuBg  des  Tumor  wurde  nach  34  Stunden  durch 
BUdiü  Torgenommen.  Der  Tumor  war  unregelmäseig  oval,  20  Pfd. 
schwer,  18"  lang,  VJf*  breit,  7—8"  dick  Er  bestand  aus  unregel- 
m&Bsig  angeordnetem  Bindegewebe,  das  von  zahlreichen,  versdiie- 
den  grossen,  serosanguinolenten  Inhalt  fahrenden  Cysten  durch- 
setzt war.  Auch  zogen  sich  durch  dasselbe  viele,  beträchtliche 
Blutgefässe.  An  einigen  Stellen  waren  tuberkelartige  Knötchen 
zu  bemerken.  —  Aehnlicher  Structur  war  der  nicht  removirte 
Tumor,  welcher  vom  Fundus  uteri  ausging,  während  das  rechte 
Ovarium  gesund  war.  Dieser  Tumor  war  vielfach  adhärirt,  hatte 
eine  Länge  von  18"  und  eipe  Breite  von  16".  —  Es  zeigt  dieser 
Fall  aufs  Neue  die  Schwierigkeit  der  Diagnose  mancher  Ovarium- 

Geichwflkte. 

(Dublin  Quarterly  Journal.  August  1864.) 

N.  H.  Cohen:  Beriebt  über  die  0  variotomie,  mit 
besonderer   Berücksichtigung   der   letzten 

Jahre. 
Nach  einer  kurzen  geschichtlichen  Darstellung  der  Operation 
der  Ovariotomie  berichtet  Verf.  besonders  die  von  Clay  veröffent- 
lichte Zusammenstellung  und  fügt  noch  einige  von  diesem  ausge- 
lassene und  eine  grosse  Zahl  erst  später  veröffentlichter  Fälle 
hinzu.  So  aus  England  noch  109,  aus  Frankreich  27,  aus  Amerika  5, 
ans  Deutschland  3,  aus  Russland  und  Spanien  je  1  Operation.  Die 
Totalsumme  dieser  neuesten  Fälle  beträgt  mithin  146,  und  ihr 
Reintltat  verhält  sich  wie  folgt: 


genesen 

todt 

England     .    . 

.    .    67 

41 

Frankreich     . 

.    13 

14 

Amerika    .    . 

.      4 

1 

Deutschlaod   .    . 

2 

1 

Bussland    .    . 

1 

— 

Spanien      .    .    . 

.    — 

1 

87 

58 

Verf.  geht  nun  auf  die  Todesursachen,  unter  denen  die  Peri- 
tonitis die  Hauptrolle  spielt,  auf  die  Wichtigkeit  der  Adhäsionen, 
auf  die  Bestimmung  des  Zeitpunktes  der  Krankheit,  in  welcher 
die  Operation  am  besten  zu  machen  ist,  und  auf  die  Ausführung 
der  Operation  selbst  näher  ein.  Er  berichtet  hauptsächlich  die 
von  Spencer  Wells^  Clay  und  Biücer  Brown  empfohlenen  Yer&h- 
rungsweisen,  erwähnt  aber  auch  die  Vorschläge  ven  TyUr  Smith^ 
Stiüing,  Breslau,  Botnety  Demarquai,  KöberU  u.  A.  m. 

{Schmddt'tf  Jahrbücher.  Bd.  124.  No.  12.  1864 ) 


VI.    Notüsen  aus  der  Joarual- Literatur.  871 

Tä.  Keith:   Fälle  vou  0 variotomie. 

yprf.  hat  in  neuerer  Zeit  6  Oväriotomien  gemacht,  nnr  ein 
Mal  war  die  Cyste  einfach,  ftlnf  Kranke  genasen,  eine  starb 
schnell  nach  der  Operation  an  Peritonitis.  Die  Kranken  waren 
zwischen  21  und  68  Jahre  alt,  die  letztgenannte  wohl  die  älteste 
Person,  an  der  bis  jetzt  die  Operation  ausgeführt  wurde«  Sie 
genas.  Bei  der  21jährigen  Kranken  war  der  untere  Theil  der 
Geschwulst  fest  und  deshalb  die  Diagnose  flber  die  Beschaffenheit 
des  Uterus  sehr  schwer.  Bei  der  Operation  zeigte  sich,  dass 
dieser  feste  Theil  die  Beckenhöhle  follte,  die  Kranke  war  sehr 
schwach,  erholte  sich  aber.  Im  Ganzen  hat  K.  14  Mal  die  Ovario- 
tomie  gemacht,  10  Mal  mit  Erfolg. 

(Edinburgh  Medical  Journal.  Juli  1864.  S.  65.) 


Grube:  Sarcoma  fibrosum  cysticum  des  linken 
Eileiters,  Ovariotomie.  Vollständige  Gene- 
sung. 
Nachdem  in  Eussland  erst  Eine  Ovariotomie  vor  zwei  Jahren 
ausgeführt  worden  wai',  unternahm  Verf.  die  zweite  und  berichtet, 
dass  kurz  nach  ihr  noch  eine  dritte,  die  jedoch  am  fünften  Tage 
lethal  endete,  gemacht  wurde.  Aus  der  sehr  gründlichen  Be- 
schreibung des  Krankheitsverlaufes,  der  Operationsgeschichte  und 
der  Nachbehandlung  sind  folgende  Daten  von  grosserem  Interesse. 
Eine  37jährige  Frau  aus  den  höheren  Ständen  litt  nach  voraus- 
gegangener Oophoritis  (im  26.  Jahre)  im  34.  Jahre  an  heftiger 
Peritonitis,  und  es  wurde  dabei  eine  Geschwulst  in  den  unteren 
Theilen  des  Unterleibes  gefunden.  Dieselbe  vergrösserte  sich 
seitdem  allmälig  und  war  von  festem  Gefüge;  um  sie  herum 
sammelte  sich  allmälig  bedeutende  ascitische  Flüssigkeit  an.  Es 
wurde  3  Jahre  später  eine,  vom  linken  Eierstocke  ausgehende, 
feste  Geschwulst,  die  am  Gebärmuttergrunde  und  am  Netze  ad- 
härire,  diagnosticirt  und  zur  Operation  geschritten.  Nachdem 
eine  4  Zoll  lange  Incision  durch*  Bauchdecken  und  Peritonäum 
unterhalb  des  Nabels  bis.  2"  vor  die  Symphyse  herab  gemacht 
worden  war,  wurden  aus  der  punctirten  höckrigen  Geschwulst  zwei 
Umsen  viscider  Flüssigkeit,  aus  der  Bauchhöhle  dagegen  25  Pfd. 
Fltlssigkeit  entleert.  Um  die  erste  Geschwulst  im  Ganzen  zu 
cxtrabiren,  musste  der  Schnitt  noch  fünf  Zoll  nach  aufwärts  ver- 
grössert  werden.  Das  Netz  wurde  zweimal  wegen  dicker  Adhä- 
sionen unterbunden.  Der  lange^  dünne  Stiel  wurde  mit  den  üblichen 
8  Ligaluren  versehen,  die  Wunde  mit  2  starken  goldenen  Lanzen- 
nadeln und  11  Knopf  nähten  (Silber  und  Eisendraht)  geschlossen  \ 
die  Netzligaturen  zum  oberen,  die  des  Stieles  zum  unteren  Wund- 
winkel heraus  geleitet;  ob  letzterer  selbst  in  die  Wunde  eingeheilt 
wurde,  vA  nickt  berichtet.    Nach  der  Operation  trat  oftnutligeB 

24* 


372  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Erbrechen  und  schon  am  .5.  Tage  Decubitus  ein;  am  6.  Tage  wur- 
den 84^nopfnäbte  und  eiue  der  oberen  Ligaturen  entfernt,  nach- 
dem am  2.  und  3-  Tage  das  ganze  Wundgebiet  mit  Collodium 
ricinoBum  überstrichen  war.  Als  Medicamente  wurden  nur  Opiate 
mit  und  ohne  Aq.  laurocerasi  angewandt;  am  9.  Tage  wurde  die 
letzte  untere,  am  15.  Tage  die  letzte  obere  Ligatur  entfernt;  die 
Wunde  war  bis  auf  die  Winkel  vereinigt.  Sehr  frühzeitig  wurde 
stftrkende  und  n&hrende  Diät  gestattet  Am  18.  Tage  verliess  die 
Kranke  das  Bett,  11  Tage  sp&ter  die  Klinik.  Nach  5  Monaten 
hatte  die  Anfangs  bleiche,  cachectische  Person  eine  blähende, 
gesunde  Gesichtsfarbe  wiedererlangt. 

(St.  Petersb.  Mediz.  Zeitschr.  1864.  12.  Heft) 


StiUing:  lieber  die  Bxstirpatiou  krankhaft  ver- 
grösserter  Ovarien.   Ovariencysten. 

Nachdem  Verf.  in  Betreff  der  Geschichte  der  Ovariotoraie  auf 
das  Werk  von  Th.  S  Lee  (Geschwülste  der  Gebärmutter  und  der 
übrigen  weiblichen  Geschlechtstheile)  verwiesen  bat,  kommt  er 
auf  seine  vor  30  Jahren  in  HoUcher's  Hannoverschen  Annalen 
veröffentlichte  Operationsweise  zu  sprechen  und  hebt  aus  dem 
damaligen  Aufsatze  die  betreffende  Stelle  hervor.  ^Nach  ge- 
machter Laparotomie  zieht  man  die  Geschwulst,  wenn  keine  Adhä- 
sionen da  sind,  aus  der  Bauchhöhle  und  trennt  sie,  unter  Zurflck- 
lassung  eines  tellerförmigen,  etwa  faustgrossen  Stückes,  ab.  Die 
Schnittfläche  dieses  Restes,  der  in  den  untern  Wundwinkel  gelegt 
wird,  bleibt  entweder  ausserhalb  der  mit  nahe  aneinandergelegten 
Fadenbändchen  geschlossenen  Bauohwunde  (bei  langem  Stiele), 
oder  man  vereinigt  die  Ränder  des  Geschwulstrestes  auf  beiden 
Seiten  mit  den  Rändern  der  Bauchwunde  (bei  kurzem  Stiele). 
Man  hat  dadurch  die  Blutung  und  Eiterung  zu  extraperitonaalen 
Processen  gemacht."  Nach  einigen  Jahien  wurde  in  England  und 
Frankreich,  später  auch  in  Deutschland  auf  diese  Art  verfahren 
und  durch  diese  Operations  weise  die  frühere  Mortalität  von  50  Proc. 
auf  ein  Minimum  reducirt;  denn  sie  ist  in  der  Regel  von  gün- 
stigem Erfolge  begleitet. 

Verf.  referirt  sodann  über  3  Fälle,  die  er  nach  dieser  Weise 
operirte.  Das  Alter  der  3  Operirten  schwankt  zwischen  28  und 
32  Jahren;  in  allen  3  Fällen  fand  sich  ein  grosses  Cysto-Ovarium 
und  nach  der  Exstirputii^n  vullständige  Heilung,. .obwohl  in  dem 
einen  Falle  starke  Verwachsungen  mit  dem  Netze  zugegen  waren. 

Verf.  knüpft  hieran  einen  Fall,  bei  welchem  Fehler  in  der 
Diagnose  und  Behandlung  vorkamen.  Es  wurde  ein  colossales 
Myoma  des  Uterus  für  eine  Ovariencyste  gehalten,  ezstirpiit 
sammt  Uterus  und  Ovarium  und  die  Kranke  starb  am  3.  Tage 
durch  Nachblutung,  weil  es  Verf.  unterlassen  hatte,  seine  für  das 


VI.    Notizen  ans  der  Journal  -  Literatur.  373 

Ovarinm  gebränchliche  Methode  auch  hier  tinznwenden;  er  hatte 
nftmlich  den  Stiel  der  Geschwulst  nicht  in  die  Wunde  einzuheilen 
rersucht,  weil  die  Geschwulst  dem  blossen  Anschein  nach  eia 
Markschwamm  zu  sein  schien,  von  dem  er  seiner  Bösartigkeit 
wegen  natürlich  Nichts  abrig  lassen  wollte. 

Hieran  schliesst  Verf.  einige  Bemerkungen  an: 

1)  Der  Einschnitt  in  die  Bauchdeckeu  soll  am  passendsten  in 
der  Linea  alba  von  der  Mitte  zwischen  Nabel  und  Symphysis 
pubis  nach  letzterer  abwärts  gehen,  4  bis  6  Zoll  lang  sein.  Vor 
der  Operation  unterlasse  man  nie  die  Entleerung  von  Blase  und 
Mastdarm. 

2)  Entleerung  der  Flüssigkeit  aus  dem  Cysto-Ovarium  mittels 
starken 'Troicars  und  langer  Canule,  nicht  zu  rasch.  Hervorziehen 
der  Geschwulst  mittels  scharfer  Haken  aus  der  Bauchhöhle. 

3)  Verhütung  des  Vorfalls  der  Unterleibs  -  Eingeweide  durch 
einen  Assistenten,  der  beide  Hände  zu  beiden  Seiten  des  Ein- 
schnittes flach  auflegt.  Man  darf  während  der  ganzen  Operation 
ausser  dem  Cysto  -  Ovarium  Nichts  sehen.  Langsame  Extraction 
des  Tumors  nach  Entleerung  der  Cysten. 

4)  Nach  Anlegung  einer  provisorischen  Ligatur  um  die  Basis 
der  Geschwulst,  Abtrennung  derselben  mittels  Messerschnittes. 

5)  Vereinigung  der  Bauchwnnde  durch  sehr  nahe  aneinander 
gelegte  Knopfnähte  mittels  der  Graefe^schen  Fadenbändchen ;  vom 
obern  Wundwinkel  beginnend  auf  jeden  Zoll  3  Nähte,  die  das 
Bauchfell  mitfassen. 

6)  Befestigung  des  Ovariumstit'les  und  hermetischer  Ver- 
schluss der  Bauchwunde  Man  fixirt  den  Stiel  durch  eine  5  bis 
6"  lange  Lanzennadel,  die  man  durch  beide  Theile  der  Banch- 
wandung  und  durch  die  ganze  Dicke  des  Stieles  hindurchstösst, 
und  um  welche  man  sodnnn  Schlangen-  oder  doppelte  8 -Touren 
anlegt.  Man  stiisst  sodann  eine  starke,  mit  zwei  Ligaturen  ver- 
sehene Nadel  durch  die  Stielbasis  in  gleicher  Höhe  mit  der  Bauch- 
wandung und  zieht  die  eine  Ligatur  nach  rechts,  die  andere  nach 
links  zu,  mittels  Graefe'scheT  Ligaturstäbchen. 

7)  Verband  nach  Beendigung  der  Operation.  Die  vereinigten 
Wundränder  werden  mit  dachziegelförmig  sich  deckenden  Heft- 
pflasferstreifen  bedeckt;  unter  die  Enden  der  Lanzennadel  und 
die  Graefe'schen  Ligaturstäbchen  leinene  Compressen  gelegt  und 
letztere  mit  Heftpflasterstreifen  befestigt  Endlich  werden  lange 
und  breite  Heftpflasterstreifen  vom  Rücken  her  um  den  ganzen 
Leib  herum  angelegt,  der  Stumpf  wird  mit  Charpie  und  Heft- 
pflaster bedeckt  und  ein  breites  Handtuch  um  den  Leib  gelegt. 

8)  Nachbehandlung:  Transport  der  Kranken  ins  Bett,  wobei 
Letztere  sich  ganz  passiv  verhalten  muss.  Gute  Lüftung,  ein 
Stärkungsmittel  nach  der  Operation,  sonst  2—3  Tage  lang  Nichts 
als  Zuckerwasser.    Stuhlgang  ist  bis  zum  12  — 14.  Tage  zu  unter- 


374  ^I-    Notizen  ans  der  Journal -Literatur. 

brücken )  wenn  Alles  gut  geht  Abnehmen  des  UriiiB,  wenn  er 
nicht  von  selbst  geht,  nach  8—10  Standen  und  von  da  ab  2—3  Mal 
täglich.  In  den  ersten  3>>-4  Tagen  sieht  man  täglich  2  Msl  nach 
dem  Stumpfe;  sobald  an  ihm  Mortification  zu  bemerken  ist,  wird 
alles  üeber flüssige  Ton  ihm  hinweggenommen,  er  selbst  mit  Eoh- 
lenpulver  bestreut.  Die  Knopfn^hte  sollten  vor  dem  8.  Tage  nie 
weggenommen  werden,  die  grosse  Lanzennadel  nicht  vor  dem 
Ende  der  2.  Woche.  Vom  4  —  5.  Tage  ab  Bouillon,  Milch,  vom 
8—9.  Tage  ab  Thee,  Kaffee;  feste  Nahrung  nicht  vor  dem  Ende 
der  2.  Woche.  Bettlage  bis  Ende  der  4.  Woche.  Vom  2 -3.  Tage 
ab  täglichen  Wechsel  des  Bettes,  aber  stets  passives  Verhalten 
der  Kranken  dabei.  Vor  dem  3.  Tage  kein  Wechsel  der  Leib- 
wäsche. 

9)  Verfahren  bei  Verwachsungen  des  Cysto  -  Ovarium.  Kein 
Eingehen  mit  Fingern  oder  Sonden  nach  Eröffnung  der  Bauch- 
höhle! Die  Adhäsionen  kommen  beim  Abzapfen  des  Inhalts  und 
dem  Anziehen  des  Stieles  von  selbst  zum  Vorschein.  Man  schnei- 
det sie  am  besten  so  nahe  als  möglich  am  Tumor  mittels  flacher 
Messerztige  durch.  Beim  Abreissen,  Durchbrennen  oder  Ecra- 
siren  der  Adhäsionen  folgt  leicht  Eiterung.  Arterien  von  J— 1'" 
Durchmesser  werden  mittels  Gefössdurchschlingung  geschlossen. 
Ueber  diese  im  Jahre  1832  vom  Verf.  erfundene  Methode  des 
Verschlusses  verwundeter  Arterien  siehe  dessen  Schrift  fiber  Oe- 
fftssdurchscblingung.  Marburg  bei  Elwert.  1833.  8.) 

10)  Vier  Gehilfen  sind  zur  Operation  nüthig.  Der  erste  com- 
primirt  die  Wundränder,  zuweilen  vom  zweiten  unterstützt.  Der 
dritte  reicht  die  Instrumente  zu  und  besorgt  die  erste  Blutstillung 
beim  Schnitte  durch  die  Bauchwandung;  der  vierte  sorgt  für  Unter- 
haltung der  Cbloroform-Narcose. 

11)  Einige  Bemerkungen  über  die  Anwendung  der  C/ay'schen 
resp.  Hutchinson'üchen  Klammer.  Der  Nachtheil  dieses  scheeren- 
oder  zangenfbrmigen  Instruments,  mit  dem  Clay  den  Stiel  des 
Cysto-Ovarium  durchquetscht,  ist  der,  dass  es  wegen  seiner  Grösse 
eiuen  grossen  Theü  der  Bauchwunde  dem  Blicke  des  Operateurs 
entzieht  Denselben  Nutzen  ohne  diesen  Nachtheil  besitzen  die 
Graefe's^chen  Ligaturstäbchen,  die  man  allmälig  durch  die  Schraube 
fester  anziehen  kann,  wenn  Nachblutung  eingetreten  ist 

Verf.  schliefst  mit  der  Bemerkung,  dass  er  abeimals  zwei 
Ovariotomieen  nach  seiner  Operationsweise,  die  er  die  „Extra- 
Peritonaeal- Methode''  zu  nennen  vorschlägt,  mit  gutem  Erfolge 
ausgeführt  habe. 

(Zeitschr.  f.  pract.  Heilkunde  u  Medicinalwesen 
von  Dr.  Bernhard  Schuchard,    1865.    Erstes  Heft.) 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur.  375 

SHlling:  Portgesetzter  Beriebt  über  neue  Fälle 
von  Exstirpation   krankht^ft  Vergrösserter 
Eierstöcke  (Ovariotomie)  nach  des  Autors 
Methode   der   extraperitonäalen    Unterbin- 
dung und  Einheilung  des  Ovarialstieles. 
Nachdem  Verf.  in  Schuchard^s  Zeitschrift  für  practische  Heil- 
kunde (1865.  1.  Heft)  die  ersten  drei  Fälle  von  Ovariotomie  ver- 
öffentlicht hat,  f^hrt  er  hier  fort,  Über  dieselben  und  über  neue 
zu  berichten.    Nach  einigen  geschichtlichen  Bemerkungen  revin- 
dicirt  er  sich  selbst  die  Erfindung  der  extraperitonäalen  Methode 
im  Jahre  1837,  weil  man  in  Deutschland  dieselbe  als  die  „eng- 
lische" zu  bezeichnen  beliebe.   Als  Cardinalpunkt  seiner  Methode 
bezeichnet,  er  die  Einklemmung  und  Einheilung  des  Ovariaktieles 
im   untern  Wundwinkel   und   geht   dann   zur  Beschreibung  der 
übrigen  drei  Fälle  vor.   Das  Alter  der  Operirten  war  apweimfll  98, 
einmal. 44  Jahre. 

Die  Operationsmethode  war  in  allen  sechs  Fällen  dieselbe. 
Letztere  d.Fälle  verUefen  sämmtlich  günstig;  es  fanden  sieh  Sehr 
grosse  Cysto-Ovarien^  wovon  zwei  nach  vierjähriger  Dauer.  Der 
eine  Fall  war  24  Tage,  der  andere  4,  der  letzte  B  Wochen  nach 
der  Operation  geheilt.  Dass  die  Reconvalescenz  in  letztem  zwei 
Fällen  eine  so  lange  war,  erklärt  sich  daraus,  dass  nach  der  einen 
Operation  sich  ein  grosser  Abscess  in  der  Stielbasis  gebildet  hatte» 
▼on  hier  war  der  Eiter  nach  der  Blase  durchgebrochen,  ohne  ddsa 
jedoch  Urin  in  die  Bauchhöhle  getreten  war  (Klappenmechani»* , 
mus);  im  andern  Falle  folgte  nach  der  Operation  eine  ziemliche 
Blutung  und,  als  die  Heilung  schon  ganz  gut  vor  sich  zu  gehen 
schien,  noch  eine  Thrombose  mit  Oedem  des  linken  Beines,  durch 
zu  vieles  Umhergehen  veranlasst.  —  In  jedem  Falle  war  natürlich 
vorher  öfters  die  Function,  jedoch  ohne  dauernden  Erfolg,  ver- 
sucht worden;  einmal  entleerten  sich  40  Pfd.  Flüssigkeit;  einmal 
wurde  auch  ohne  Nutzen  eine  Jodinjeetion  mit  4  Unzen  der  reinen 
Tinctur  verursacht. 

Schliesslich  fQgt  Verf.  als  7.  Fall  eine  unglückliche  Operation 
hinzu,  die  er  schon  bei  den  ersten  drei  Fällen  an  angegebener 
Stelle  erzählte ;  er  diagnosticirte  nämlich  eine  Degeneration  ein 6s 
Ovariums  und  bei  der  Operation  fand  sich  ein  Myoma  uteri  als 
colossale  Geschwulst,  die  er  exstirpirte,  jedoch  ohne  den  Stiel, 
wie  sonst,  einzuklemmen,  weil  er  ein  Medullarcarcinom  vor  sich 
zu  haben  glaubte.  In  diesem  Falle  erfolgte  der  Tod  durch  Nach- 
blutung in  die  Bauchhöhle  am  dritten  Tage. 

Als  Ursache  der  öfters  nach  der  Operation  eintretenden  Urin- 
verhaltung  giebt  Verf.  folgenden  Grund  an;  da  er  sie  nie  bei 
langen  und  dünnen  Stielen  fand,  so  erklärt  er  sie  als  nothwen- 
dige  Folge  des  entzändlichen  Oedems  des  Ovarialstieles  und  seiner 
Umgebung,  das  bei  kurzen  und  dicken  Stielen  natürlich  bedeutend 


3T6  ^^".  ^otiz(*n  aii8  der  .Tournal- Literatur 

st&rker  ist.  Erstreckt  sich,  was  hierbei  leichter  ist  als  wenn  der 
Stiel  ein  langer  ist,  die  ödematose  Anschwellung  bis  auf  die 
Blasenwandungen,  so  ist  die  natürliche  Contraction  der  Blase  und 
also  ihre  Functionirung  unmöglich,  ßie  Retention  des  Harns 
giebt  keine  schl^'chte  Prognose,   das  Aufhören   derselben  stete 

eine  gute. 

(Deutsche  Klinik.  1865.  No.  1,  2,  5—8, 10.) 


Thomas  Keif h :  14  Fälle  von  Ovariotomie. 

Nachdem  Verf.  im  Juli  1863  einen  Bericht  über  die  ersteu 
etfolgreichen  Operationsilklle  in  Schottland,  die  seit  Lizars  ein- 
seSoen  uod  nur  theilweisen  Erfolgen  im  Jahre  1825  daselbst  aus- 
geführt wurden,  gelesen,  bat  er  seitdem  selbst  glücklich  uod 
unglflcklich  dieselbe  Operi.tian  ausgeführt  und  referirt  hier  Ober 
vierzehn  derselben.  Er  entfernte  nie  kleine  Geschwülste,  da  die 
AuSdehtauDg  des  Leibes  durch  dieselbe  meist  gegen  42  'Zoll 
(gr(96ster  Umfang,  meist  in  der  Nabelhiihe  gemessen)  betrug, 
speciell  zwischen  38  u.  50  Zoll  schwankte-,  er  weigerte  sich  (und 
zwar  im  Ganzen  9iMal}  die  Operation  zu  unternehmen  stets  dann, 
wenn  das  Allgemeinbefinden  gut  und  die  Krankheit  nur  die  Quelle 
von  Unbequemlichkeiten,  nicht  aber  von  Lebensgefahr  war,  und 
auf  der  andern  Seite  (3  Mal),  wo  die  Krankheit  dem  Ende  schon 
zuführte;  bei  solch  gewissenhafter  Auswahl  der  Fälle  hat  sich 
O^türlich  auch  die  Prognose  der  Operation  wesentlich  gebessert. 
'  Die  Operationsmethode  war  in  allen  Fällen  die  nämliche  und 
zwar  die  von  StüUng  zuerst  ausgeführte.  Die  Länge  der  Inciaion 
betrag  zwischen  2^  und  4  Zoll.  Die  extrahirten  Creschwülste,  die 
meist  multiloculär  oder  httlbfester  Natur  waren,  wogen  zwischen 
36  und  80  Pfd.  (mit  Inhalt,  der  natürlich  vor  der  Extraction  der 
Cysten  Wandungen  durch  Punction  entfernt  worden  war). 

Von  den  Operirten,  deren  Alter  sich  zwischen  16  und  68  Jah- 
ren verhielt,  wurden  10  Fälle  geheilt,  4  gingen  zu  Grunde,  und 
zwar  zwei  38  bis  46  Stunden  nach  der  Operation  in  Folge  von 
starken  Blutverlusten,  während  zwei  am  6.  und  9.  Tage  starben 
(Peritonitis).  In  den  übrigen  10  Fällen  fand  die  Heilung  zwischen 
dem  Ende  der  2  und  6.  Woche  statt,  in  den  letzteren  (2)  Fällen 
waren  stets  Complicationen  hinzugetreten,  die  die  Heilungsdauer 
sehr  verlängert  hatten,  denn  in  dem  einen  Falle  waren  eine 
heftige  Peritonitis  und  Pleuritis  die  Ursachen  gewesen,  dass  das 
ganze  Wundgebiet  von  Neuem  aufbrach  und  er^t  durch  Granu- 
lation ausheilen  nuisste,  und  in  dem  andern  Falle  hatte  sich  noch 
ziemlich  spät  eine  Thrombose  der  Croralis  eingestellt,  die  sich 
sehr  allmälig  erst  wieder  löste. 

Schliesslich  fügt  Verf.  noch  eine  Tabelle  bei ,  die  eine  ge- 
drängte Statistik  aller  vun  ihm  ausgeführten  Ovariotomieen  ent- 


VI.    Notixen  auf  der  Journal -liiteratur.  377 

h&U.  Von  den  20  Fällen  starben  6»  und  U  (70  Proc.)  wurden 
TOÜkommen  geheilt  In  den  ersteren  6  Fällen  erfolgte,  der  Tod 
zwischen  der  23.  Stunde  und  dem  9.  Tage  nach  der  Operation. 
Sämmtliche  Ovariotomieen  wurden  in  der  Zeit  vom  September  18^ 
bis  Juli  1864  ausgeführt. 

(Edinburgh  Medical  Journal.  No.  CX.  u.  CXI 
August  u.  Septbr.  1864.) 


E.  Eichwaid:  Die  Colloidentartung  der  Bier- 
stöcke. 

Den  Kern  dieser  Arbeit  bilden  eine  bedeutende  Anzahl  von 
Fällen  der  Colloidentartung,  welche  Verf.  zu  St.  Petersburg  im 
gynäkol.  Klinikum  des  Prof.  Krassawski  beobachtete. 

An  die  Spitze  seiner  Arbeit  stellt  er  einen  besonderen  Ab- 
schnitt über  die  in  Colloidflüasigkeiten  vorlcbmmenden  Protein- 
substanzen, die  er  in  zwei  distincte  Reihen  gruppirt,  als  deren 
Repräsentanten  er  wieder  das  Mncin  und  das  Albumin  ansieht 

a)  Die  Mucinreihe  ordnet  er,  von  den  weniger  lösUclien 
beginnend,  so: 

1)  Stoff  der  CoUoidkugeln ; 

2)  Mucin; 

3)  CoUoidstoff; 

4)  Schleimpepton. 

Diese  4  Substanzen  unterscheiden  sich  nach  ihm  fast  nur 
durch  die  verschiedene  Leichtigkeit,  mit  der  sie  aus  dem  fest- 
weichen  in  den  flüssigen  Zustand  übergehen.  Während  n&mlich 
der  St  iff  der  CoUoidkugeln  zu  seiner  Lösung  verdünnte  Alcaliea 
verlangt,  löst  sich  das  Mucin  ausserdem  auch  in  alkalischen  Erden 
und  quillt  in  Wasser  ausserordentlich  auf.  Der  CoUoidstoff  ist 
schon  ziemlich  leicht  in  kaltem,  noch  mehr  in  heissem  Wasser 
loslich.  Das  Schleimpepton  löst  sich  sehr  leicht  und  vollständig 
in  Wasser  von  jeder  Temperatur.  —  Ferner  findet  Verf.:  Je  mehr 
Alealien  zur  Löslichkeit  eines  Körpers  nothwendig  waren,  desto 
leichter  wird  er  aus  seiner  Lösung  durch  Säuren  auch  wieder 
ausgeschieden;  nämlich  der  Stoff  der  CoUoidkugeln  und  das  Muo^n 
vollständig,  der  CoUoidstoff  unvollstimdig,  das  Schleimpepton  gar 
nicht  Die  durch  Essigsäure  erhaltenen  Fällungen  sind  in  einem 
üeberschusse  derselben  unlöslich ;  dagegen  lösen  sich  alle  Glieder 
der  Reihe  in  Mineralsäure :  der  Stoff  der  CoUoidkugeln  am  schwer- 
sten, das  Schleimpepton  am  leichtesten. 

Durch  FerrocyancaHum  sind  die  sauren  Lösungen  und  durch 
Tannin  und  neutrale  Metallsalze  die  Stoffe  überhaupt  unfMlbar. 
YoUstilndig  gefällt  werden  dieselben  durch  basisches  Bleisalz. 
Mit  allen  Proteinsubstanzen  gemein  haben  die  Stoffe:  die  FäU- 
barkeit  durch  Alcohol,  MUlon'a  Probe,  Xanthoproteinprobe.  Zwei 
Stoffe  der  Reihe  sind  nachweislich  schwefelfrei. 


378  VI.    Notizen  aus  der  Jouinal- Literatur. 

b)  Die  Albumin  reihe  gruppirt  er  so: 

1)  Albumin  und  Fibrin; 

2)  Paralbumin; 

3)  Metallbumin; 

4)  Albuminpepton  (und  Fibrinpepton). 

Diese  Stoffe  sind  von  denen  der  Mucinreihe  durch  folgende 
Eigenschaften  unterschieden.  Sie  sind  föllbar  durch  Tannin  und 
neutrale  Metallsalze;  die  ersten  3  Glieder  sind  unbedingt  &chwefel- 
baltig  (bei  4.  ist  der  Schwefelgehalt  wenigstens  zweifelhaft).  Be- 
züglich der  Löslichkeit  orgiebt  sich  foIgeDdesVerhältniss:  Albumin 
ist  gleich  dem  Mucin  in  Wasser  unlöslich,  dagegen  geht  es  mit 
Alcaiien  in  Lösung  über,  woraus  es  wieder  durch  Säuren  ■  f&llbar 
ist.  Das  Eiweisspepton  aber  ist  gleich  dem  Schleimpepton  in 
Wasser,  Alealien  und  Säuren  gleich  leicht  und  vollkommen  loa- 
lieh.  Diis  Paralbumin  und  Metallbumin  entsprechen  dem  Colloid- 
stoffe.  Das  Paralbumin  ist  löslicher  als  das  Albumin,  und  die 
Verbindungen  des  ersteren  mit  Mineralsäuren  sind  leichter  lös- 
lich als  die  entsprechenden  Verbindungen  des  letzteren.  Ferner 
BÜid  die  Fällungen  des  Mucins  in  einem  Ueberschusse  conces- 
trirter  Mineralsäure  löslich;  die  Fällungen  des  Paralburains 
dagegen  in  einem  Uebermassc  verdünnter.  Noch  geringer  ist  die 
Fällbarkeit  des  Metallbumins;  es  unterscheidet  sich  dasselbe  vom 
CoUoidstoffe  genau  dadurch,  wodurch  sich  das  Mucin  vom  Albumin 
unterscheidet 

Pepsin  konnte  in  den  Colloidilüssigkeiten  nicht  gefunden 
werden.  Die  Proteinsubstiinzen  der  in  CoUoidmassen  vorkom- 
menden Gewebselemente  konnten  in  die  angegebene  Grup- 
pirung  nicht  aufgenommen  werden,  weil  darüber  fast  noch  nichts 
bekannt  ist. 

im  II.  Abschnitte  seiner  Arbeit  giebt  Verf.  eine  Uebersicht 
des  Beobacbtungsmaterials  und  führt  als  solches  14  sehr  genau 
beobachtete  und  interessante  Fälle  an,  wobei  er  in  jedem  die 
Krankengeschichte,  einen  Bericht  über  die  Obduction,  Über  die 
Untersuchung  der  gefundenen  ColloidflÜssigkeit  und  über  die 
histologischen  Befunde  beifügt. 

(Würzb.  Medicin.  Zeitschr.  Bd.  V.  Heft  4,  5  u.  6.) 


Breakfv:  Zur  differentiellenDiagnose  zwischen 
Hjdro-Ovarium  UDd  Ascitis. 
Verf.  giebt  als  fast  untrügliches  Unterscheidungsmerkmal  an, 
dass  man  sich  in  einem  fraglichen  Falle  zuerst  die  Linie  zwischen 
gedämpftem  und  tympanitischem  Tone  zu  bezeichnen  und  dann 
die  Flnctuation  der  Flüssigkeit  (nicht  Undulation?)  zu  prüfen 
habe;  bei  Ascitis  sei  dieselbe  noch  über  die  Begränzungslinie 
hinaus  deutlich  fühlbar,  während  sie  beim  Hydro-Ovarium  (wegen 
der  gespannten  Peritonäal-Ueberkleiduug)  die  natürlich  gegebenen 


VI     Notizen  aas  der  Jonrnal- Literatur  379 

Gr&nzen  und  somit  auch  die  PercassioBBlinie  nicht  überachreite. 
In  den  beigegebenen  Zeichnungen  fahrt  Verf.  dbrigens  zugleich 
ein  anderes  wichtiges  Kennzeichen  durch,  das  er  nicht  erwähnt; 
bei  Ascitis  ist  die  Begränzungslinie  nach  oben  meist  concav,  bei 
Hydru-Ovarinm  stets  conrex. 

(Wiener  Medizin  Presse.  18öö.  8. 10 ) 

Th,  Körner:  Anatomische  und  physiologische 
Untersuchungen  über  die  Bewegungsner- 
ven der  Gebärmutter. 
Auf  Grund  einer  Reihe  von  61  mit  grosster  Genauigkeit 
angestellten  anatomischen,  mikroskopischen  und  experimentell - 
physiologischen  Beobachtungen  giebt  Yerf  Eingangs  seiner  höchst 
anziehenden  Arbeit  zunächst  eine  ausfflhrlichere  Beschreibung 
über  das  anatomische  Verhalten  der  üterinnerven  beim  Kanin- 
chen und  weiterhin  auch  beim  Menschen.  In  mikroskopisch-anato- 
mischer Beziehung  hebt  er  besonders  hervor,  dass  seine  Beobach- 
tungen, was  das  Verbalten  der  Nervenfasern  im  Uterus  betreffe, 
mit  denen  Kilian*8  (Zeitschr.  f.  rationelle  Medizin  von  Hefde  und 
Pfeuffer.  10.  Bd.  1861.  Heidelberg)  vollkommen  übereinstimmen ; 
was  dagegen  das  Vorbandenseiii  von  Ganglien  im  Gebärorgane 
anlange,  so  könne  er  die  Ansicht  anderer  Forscher,  welche  das- 
selbe leugneten,  uicht  theilen,  denn  er  konnte  bei  seinen  Unter- 
suchungen hierüber  (nach  Behandlung  der  Präparate  besonders 
mit  verdünnter  Holzessigsäure)  sicher  das  Vorhandensein 
von  Ganglien  am  Gebärorgane  constatiren.  Dieselben 
sind  nach  ihm  nach  Grosse,  Inhalt,  Gestalt  und  Begrenzung  sehr 
verschieden,  nur  die  Gegend,  wo  sie  gefunden  wurden,  ist  sowohl 
beim  Kaninchen  als  beim  Menschen  beschränkt  Bei  letzterem 
finden  sich  die  Ganglien  im  obern  Drittel  der  Vagina  in  der  gan- 
zen Länge  des  Cervix  uteri ;  an  der  vorderen  und  hinteren  Wand 
sind  sie  nur  sp&rlich  vertreten,  massenhaft  dagegen  zu  beiden 
Seiten,  da  wo  der  sogenannte  Plexus  pampiniformis  das  Laquear 
vaginae  und  die  Cervicalportion  umgiebt.  In  dieser  Gegend  treten 
auch  beim  Menschen  die  Nerven  an  den  Uterus  heran,  und  es 
sind  hier  einzelne  Ganglien  in  den  oberflächlichsten  Muskel- 
schichten eingebettet;  die  meisten  liegen  jedoch  im  Bindegewebe, 
welches  die  Muskelschicht  in  dieser  Gegend  umgiebt.  Sonst  fand 
Verf  am  menschlichen  Gebärapparate  keine  Ganglien. 

.Weiterhin  wendet  sich  Verf.  zu  dem  physiologischen  Verhalten 
der  Uterinbewegungen  und  bespricht  hier  zunächst  die  sogenann- 
ten spontanen  Contractionen,  die  so  häufig  den  Versuchen 
störend  in  den  Weg  treten.  Bei  der  Frage  nach  dem  Grunde 
dieser  Gontractioiien  stellt  er  eine  Parallele  zwischen  den  ver- 
schiedenen Ansichten  der  Forscher  (Kutan,  Spiegelberg,  Kehrer) 
auf  und  spricht  sich  schliesslich  dahin  aus,  dass  die  spontanen 


380  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Contractionen  Nichts  sind  als  der  Ausdrack  hoher  Keizbarkeit 
des  Uterus,  uncL  dass  die  yerschiedensten  EinflfisBe  ihre  Ent- 
stehung bewirken  können.  Verf.  konnte  an  diesen  Zusammen- 
ziehungen weder  einen  besonderen  Rhythmus  noch  das  Abhängig- 
sein von  der  Integrität  gewisser  Nerven  bemerken,  sondern  fand, 
dass  ihre  Dauer  und  Itensität  lediglich  von  der  Grösse  der  Reiz- 
barkeit und  des  Reizes  abhänge.  Nach  Anwendung  von  Chloro- 
form beobachtete  übrigens  Verf.  stets  ein  starkes  Auftreten  von 
spontanen  Bewegungen  und  sah,  dass  Gravidität  und  grosse  Ent- 
wickelung  des  Uterus,  sowie  St^>rungen  in  der  Circulation  (z.  B. 
jeder  plötzliche  Blutverlust  in  der  Nähe  der  Genitalien)  fast 
immer  Veranlassung  zu  solchen  gab.  —  Was  ferner  die  Stelle, 
wo  die  Contractionen  des  Uterus  überhaupt  beginnen, 
betrifft,  so  hält  sich  Verf.  zur  Zeit  noch  nicht  berechtigt,  darüber 
aus  seinen  Beobachtungen  einen  sichern  Schluss  zu  ziehen. 

Endlich  gelangt  Verf.  zur  Besprechung  der  motorischen 
Nervenbahnen  des  Uterus.  Er  gewinnt  aus  seinen  Versuchen 
folgende  Sätze: 

Elektrische  Reizung  der  zum  Uterus  gehenden  Sacraläste 
hat  jedesmal  Contractionen  desselben  zur  Folge;  es  sind  also 
diese  Aeste  motorische  Nerven  für  den  Uterus 

Elektrische  Reizungen  des*  auf  der  Aorta  herablaufenden 
sympathischen  Zweiges  hat  jedesmal  Uterus -Contractionen  zur 
Folge;  es  ist  dieser  Nerv  also  ein  motorischer  für  den  Nerv. 

Von  jedem  Punkte  des  Rückenmarkes  aus  lassen  sich  durch 
elektrische  Reizungen  bei  Integrität  der  zum  Uterus  führenden 
Nervenbahnen,  Contractionen  desselben  einleiten  und  zwar  um 
so  leichter,  je  mehr  man  sich  dem  mitteren  Theile  des  Rücken- 
markes nähert  Dieser  Ort  ist  zur  Erzeugung  von  Uterus- Con- 
tractionen durch  elektrische  Reizung  der  geeignetste. 

Nach  Durchtrennung  sowohl  der  Kreuzbeinäste  als  auch  des 
sympathischen  Zweiges  lässt  sich  keine  Contraction  des  Uterus 
mehr  durch  elektrische  Reizung  des  Rückenmarkes  auslösen.  Es 
sind  demnach  diese  beiden  Nerven  die  einzigen  motorischen  Lei- 
tungsbahnen vom  Ruckenmarke  zum  Uterus. 

Die  Kreuzbeinnerven  enthalten  direct  motorische  Fasern  für 
den  Uterus  und  sind  auch  nach  Durchschneidung  des  sympa- 
thischen Zweiges  fähig  Cterin-Contractionen  hervorzurufen. 

Der  sympathische  Zweig  enthült  ebenfalls  direct  motorische 
Fasern  für  den  Uterus  und  kann  auch  nach  Durchschneidun^  der 
Sacraläste  Reize  vom  Rückenmark  zum  Uterus  leiten,  resp.  Be- 
wegungen desselben  dadurch  zu  Stande  bringen. 

Die  Sacraläste  für  die  Uterusbewegungen  verlassen  das  Bücken- 
mark etwa  in  der  Gegend  zwischen  3.  und  4.  Lendenwirbel;  die 
Uterusfasern  des  sympathischen  Zweiges  dagegen  in  der  Höhe 
ungefähr  des  letzten  Brustwirbels.    Nach  Durchschueidung  des 


VI.    Notizen  aus  der  Journal- Literatur.  381 

Rückenmarkes  uberhalb  dieser  Stelle  hat  elektrische  Reizung  des 
oberen  Endes  keine  Uterus- Contractionen  mehr  zur  Folge. 

Die  Medulla  oblongata,  das  Cerebellum,  der  Pons  varoli,  die 
Corpora  quadrigemina,  die  Crura  cerebri  ad  pontem,  das  Corpus 
callosum,  der  Thalamus  opticus  und  das  Corpus  striatum  sind 
Punkte,  durch  deren  elektrische  Reizung  sich  Üterus-Contractionen 
hervorrufen  lassen  und  zwar  um  so  leichter,  je  näher  die  gereiz- 
ten Punkte  der  Medulla  oblongata  liegen. 

(Aus  den  Studien  des  physiolog.  Instituts  zu  Breslau.   Heft  III.) 


L.  Kvgehnann:  Gynäcologische  Mittheilungen 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  chro- 
nische Oophoritis. 

Den  Kern  der  vorliegenden  Arbeit  bilden  eine  Reihe  von 
F&llen,  bei  denen  theils  ernstere,  theils  leichtere  Erkrankungen 
der  Sexualspliäre  sich  hauptsächlich  als  Neurosen  darstellten, 
ohne  dass  bei  ihnen  wesentlichere  örtliche  Erscheinungen  sich 
geltend  machten.  Häufig  gebe  die  chlorotische  Blutentmischung 
das  Causalmoment  zu  diesen  chronischen  Neurosen  ab,  denn  sie 
erzeuge  bei  längerem  Bestände  chronische  Erkrankungen  des 
Uterus  und  seiner  Adnexa,  welche  ihrerseits  auch  nach  Heilung 
der  Chlorose  fortbestünden.  In  manchen  Fällen  sei  sogar  die 
primäre  Beseitigung  der  Chlorose  unmöglich,  denn  die  Anwen- 
dung von  Martialien  rufe  eine  Steigerung  der  Localsymtome  her- 
vor. Besonders  sei  dies  der  Fall  bei  der  chronischen  Oophoritis. 
Dieser  Umstand  fordere  in  allen  Fällen  zu  einer  rechtzeitigen 
Exploration  auf.  —  Da  Verf.  in  den  mitgetiieilten  Krankenge- 
schichten öfters  als  Diagnose  die  chronische  Oophoritis  mitauf- . 
fahrt,  so  bleibe  hier  nicht  unerwähnt,  dass  er  die  Diagnose  der- 
selben namentlich  bei  Schlaffheit  der  Bauchdecken  für  nicht 
schwierig  hält;  und  versichert,  er  habe  in  allen  jenen  Fällen. die 
Ovarien  wirklich  -  gefQhlt. 

Gleichzeitig  führt  er  speciell  die  Kennzeichen  der  Oophoritis, 
sowie  ihre  Aetiologie  an.  In  letzterer  Hinsicht  hebt  er  als  die 
häufigste  Ursache  die  Chlorose  und  die  verschiedenen  Lagever- 
änderungen,  besonders  die  Senkung  des  Uterus  hervor.  Zur 
Verhütung  dieser  Uebelstände  urgirt  er  die  rechtzeitige  Behand- 
lung der  Chlorose  in  der  Pubertäts-Entwickelung,  die  Gefahren 
des  zu  frühen  AufsU^hens  im  Wochenbette  und  die  Folgen  der 
nicht  durch  die  Naht  geheilten  Dammrisse,  nacb  Geburten.  Das 
häufige  Vorki'mmen  letzterer  und  die  daraus  resultirenden  Uebel- 
stände lassen  es  ihm  sogar  wünschenswerth  erscheinen,  dass  auch 
die  Hebammen  in  der  Anlogung  der  blutigen  Naht  unterrichtet 
würden. 

Bezüglich  der  Behandlung  der  angegebenen  Krankheitsform«D 


382  ^I-    Notizeu  aus  der  Journal -Literatur. 

▼erweist  er  auf  die  bekannten  Lehrbücher  des  Faches.  Henror- 
zuheben  ist  nur,  dass  Verf.  bei  der  chronischen  Oophoritis  ohne 
Exsudate  den  von  Weil  und  Breslau  wieder  in  die  Praxis  ein- 
geführten, sogenannten  schottischen  Hysteropbor  zur  Fixirung  des 
Uterus  und  Stützung  der  Ovarien  mit  kleinen  Modificationen  fiär 
nützlich  fand.  Bei  vorhandenen  Exsudaten  leiste  ein  kohlen- 
8&urefreies  Soolbad  ganz  entschiedenen  Nutzen.  Bei  Retro-  und 
Lateroversio  lageie  sich  ein  chronisch  entzündetes  Ovarium  bis- 
weilen zwischen  Fundus  uteri  und  Rectum  in  den  Z>oif^7<M'schen 
Raum,  erzeuge  dadurch  heftige  Schmerzen  und  die  Unfähigkeit 
zu  gehen-  Es  trete  sofortige  Erleichterung  ein,  wenn  man  mit 
2  Fingern  das  dislocirte  Ovarium  (falls  es  nicht  angewachsen  ist) 
durch  sanften  und  constanten  Druck  über  das  Niveau  des  Fundus 
uteri  in  das  grosse  Becken,  dann  durch  Druck  gegen  die  Rück- 
seite des  Fundus  uteri  auch  diesen  emporhebt  und  schliesslich 
die  Gradstellung  des  Uterus  dadurch  vollendet,  dass  man  gegen 
die  vordere  Wand  der  Portio  vaginalis  einen  Druck  nach  hinten 
ausübe,  als  wolle  man  den  Uterus  antevertiren. 

Am  Schlüsse  lässt  Verf.  die  obenerwähnten  12  Fälle  ausführ- 
licher folgen. 

(Deutsche  Klinik.  1865.  No.  12  u.  ff.) 


Hecker:  Statistische  Tabelle  über  die  Vorkomm- 
nisse in  der  Gebär-Anstalt  zu  München  im 
Etatsjahre  1863  —  64. 
Es  kamen  769  Geburten  zur  Beobachtung,  darunter  7  Zwil- 
lingsgebuiten,  13  unzeitige,  57  frühzeitige  Es  wurden  409  Knaben 
und  367  Mädchen  geboren.  Kindeslagen  waren :  714  Scheiteüagen 
(8  Mal  3te  und  2  Mal  4te),  6  Gesichtslagen,  29  Beckenendlagen, 
5  Schulterlagen,  22  unbestimmte  Lagen.  Als  Geburtshindemisse 
und  üble  Zufälle  traten  auf  9  Mal  Wehenschwäche,  2  Mal  Krampf- 
wehen, 7  Mal  Beckenfehler,  5  Mal  Blutungen  in  Folge  von  Pia- 
oenta  praevia,  27  Mal  Blutungen  aus  anderen  Ursachen,  4  Mal 
Eclampsie,  29  Mal  Dammrisse,  11  Mal  Vorfall  der  Nabelschnur. 
Operationen  wurden  ausgeführt:  1  künstliche  Frfihgebnrt, 
4  Wendungen  auf  die  Füsse,  19  einfache  Exiractionen  atf  den 
Füssen,  4  Extractionen  nach  der  Wendung,  19  Zangen  an  den 
vorausgehenden  Kopf,  1  Perforation  ^  1  Cephalotrypsie,  3  Kepo- 
sitionen  der  Nabelschnui*,  6  Nachgcbnrtsoperationen.  Von  den 
Entbundenen  erlcrankten  im  Wochenbette  79,  davon  starben  9 
und  wurden  19  trausferirt;  von  diesen  letzteren  starben  5;  im 
Ganzen  also  starben  14  Wöchnerinnen. 

Von  den  Kindern  wurden  31  todtgeburen,  von  diesen  waren 
16  schon  vor,  15  während  der  Geburt  gestorben,  39  andere  starben 
bald  an  Lebensschwäche    63  erkrankten  und  von  ihnen  starben  18. 


VI.    Notizen  aus  der  Jourual- Literatur.  383 

Im  Ganzen  also  wurden  688  Kinder  gesund  entlassen,  88  gingen 
verloren. 

(Aerztl.  Intelligeuzblatt  baierscher  Aerzte.  1864.  No.  44.) 


F.  Baiisch:  Bericht  über  die  Ergebnisse  der 
Späth'schen  geburtshülflichen  Klinik  für 
Hebammen  im  Solarjahre  1863. 

In  3638  Geburten,  deren  216  sogenannte  Gassengeburten 
waren,  wurden  3549  lebende  und  142  todte  Kinder  geboren, 
51  Mal  Zwillinge,  1  Mal  Drillinge;  37  Mal  Abortus,  179  Früh- 
geburten, bei  letzteren  kamen  170  lebende,  31  todt  zur  Welt. 
Bei  den  61  Zwillingsgeburten  stellten  sich  27  Mal  beide  Kinder 
mit  den  Köpfen  zur  Geburt,  16  Mal  das  erste  mit  dem  Kopfe, 
das  zweite  mit  dem  Beckenende,  4  Mal  beide  mit  dem  Steisse, 
die  4  übrigen  in  andern  Variationen.  Die  Drillinge  wurden  lebend 
geboren  in  Schädel-,  Steiss-  und  Fusslage,  hatten  getrennte  Frucht- 
kuchen und  wogen  2  Pfd.  11  Lth.,  1  Pfd.  29  Lth.,  2  Pfd.  20  Lth. 
Das  erste  Kind  wurde  am  9.  Tage  mit  der  Mutter  entlassen,  das 
zweite  starb  am  5.,  das  dritte  am  8  Tuge  nach  der  Geburt 
3.  und  4.  Schädellage  kam  14  Mal,  Stirnlage  1  Mal,  Gesichtslage 
25  Mal  zur  Beobachtung,  1  Prolapsus  uteri,  1  Metrocarcinoroa; 
79  Mal  Wehen  schwäche,  10  urämische  Eclampsien,  welche  einzeln 
kurz  berichtet  werden.  Metrorrhagien  in  der  Eröffnungsperiode 
22  Mal  (5  Mal  bei  Abortus,  5  Mal  bei  tiefem  Sitze  der  Placenta, 
4  Mal  bei  Placenta  praevia,  8  Mal  bei  vorzeitiger  Lösung  des 
Fnichtkuchens),  in  der  Nachgeburtsperiode  15  Mal,  bei  Neuent- 
bundenen 21  Mal  geringen  Grades,  bei  Wöchnerinnen  4  Mal. 

Operationen :  92  Mal  Manuaihtilfe  bei  Beckenendlagen  (20  Mal 
nach  vollfflhrter  Wendung,  74  Kinder  lebend,  18  todt  geboren); 
24  Mal  Wendung  auf  die  Füsse  (19  Kinder  lebend,  5  todt);  5  Mal 
Reposition  der  Nabelschnur  (3  Kinder  lebend,  2  todt);  5  Mal 
Reposition  vorgefallener  Gliedmassen;  66  Mal  Zange  (64  Kinder 
lebend,  2  todt);  7  Mal  Craniotomie  (3  Mütter  gestorben);  15  Mal 
Lösung  der  Placenta;  1  Mal  Sectio  caesarea  post  mortem  (Kind 
todt);  15  Mal  Episiotomie;  12  Mal  Episioraphie. 

Die  Wöchnerinnen  hielten  sich  in  einem  ungewöhnlich  gün- 
stigen Gesundheitszustande.  Von  8630  Entbundenen  erkrankten 
63  an  ausgesprochenen  Puerperalprocessen ,  von  diesen  wurden 
48  geheilt  entlassen,  15  starben,  also  ein  Mortalitätsverhältniss 
von  0,4  Proc.  Ausserdem  kamen  100  leichtere  Affectionen  der 
Wöchnerinnen  vor,  30  Erkrankungen,  die  mit  dem  Wochenbett  in 
keinem  Zusammenhange  standen. 

Die  Neugebooreneii   blieben  gleichfalls  nateist  gesund.     Von 


384  VI.    Notizen  aus  der  Juuroal- Literatur. 

d616  Kindern  starben  164,  die  meisten  in  Folge  von  Frühreife 
oder  Schwächung  während  der  Geburt. 

(Wiener  Spitalszeitung.  1864.  No.  44,  49,  50.) 

Späth:  üeber  die  Sanitäts -V  erhältuisse  der 
Wöchnerinnen  an  der  Gebärklinik  für  Heb- 
ammen in  Wien,  1863. 
(Vorgetragen  in  der  Ges.  d.  Aerzte  daselbst,  den  29.  Jan.  1864.) 
'  Während  des  Jahres  1863  ereigneten  sich  an  den  beiden  Kli- 
niken des  Wiener  Gebärhauses  8456  Entbindungen  und  90  Sterbe- 
fölle,  mithin  war  ein  Mortalitätsverhältniss  von  1,06  Proc,  und 
zwar  kommen  auf  die  Gebärklinik  für  Aerzte  bei  4818  Geburten 
71  Todesfälle  (1,4  Proc),  auf  die  für  Hebammen  bei  3G38  Gebur- 
ten 19  Todesfälle  (0,5  Proc).  Das  Gesundheitsverhältniss  war 
demnach  so  günstig,  dass  es  an  der  ersten  Klinik  in  den  letzten 
3  Decennicn  nur  von  dem  Jahre  1848  (1,2  Proc.)  tibertroffen  wor- 
den ist,  während  die  zweite  Klinik*  noch  nie  ein  günstigeres 
Resultat  gehabt  hat.  Verf.  giebt  nun  in  einigen  Tabellen  eine 
specielle  Üebersicht  ülier  die  Erkrankungen  der  Schwängern  und 
Wöchnerinnen,  aus  der  hervorzuheben  ist,  dass  bei  letzteren 
48  eigentliche  Puerperal -Erkrankungen  (worunter  15  mit  tödt- 
liohem  Ausgange)  beobachtet  worden  sind.  Eingehender  berichtet 
Verf.  über: 

1.  3  Fälle,  in  welchen  die  Mütter  schon  puerperalkrank  und 
Sterbenden  gleich  zur  Entbindung  in  die  Klinik  gebracht 
wurden. 

2.  12  Fälle,  in  welchen  die  Mütter  an  der  Klinik  an  Puer- 
peral -  Processen  erkrankten  und  daselbst  starben.  Unter 
diesen  ist  besonders  zu  bemerken,  dass  bei  einer  Sectios 
ein  Uterus  bicornis  cum  duplicitate  paitis  inferioris  vaginae 
gefunden  wurde,  dessen  linkes  Hom  geboren  hatte  und  nun 
Endometritis  zeigte. 

3.  3  Fälle,  in  welchen  die  Mütter  wegen  anderer  Erkrankun- 
gen in's  Krankenhaus  transferirt  worden  waren,  aber  zu- 
gleich von  einem  Puerperal  -  Processe  ergriffen  daselbst 
erlagen. 

4.  9  Fälle,  in  welchen  die  Wöchnerinnen  anderartigen  Er- 
krankungen erlagen,  ohne  dass  die  Obduction  eine  Puer- 
peral-Erkrankung  nachweisen  konnte. 

Eine  fernere  Tabelle  bringt  eine  üebersicht  der  Morbilität 
und  Mortalität  nach  den  einzelnen  Monaten.  Was  die  Procente 
betrifft,  so  bot  erstere  das  Maximum  von  3,0  im  Februar,  das 
Minimum  von  0,3  im  Mai,  letztere  das  Maximum  von  0,9  im  März, 
das  Maximum  von  0,0  im  Februar,  April  und  December. 


YL    Notizen  aas  der  Journal -Literatur.  365 

Yerf-  war  auch  in  dieBem  Jahre  auf  möglichste  Sorgfalt 
bedacht  gewesen  in  Besng  auf: 

a.  Beschaffung  und  £rhaltung  reiner  Luft.  Gegenüber  den 
primitiven  Einrichtungen,  welche  in  England  bestehen  und  welche 
besonders  auf  fleissiges  Oeffnen  der  Fenster  und  auf  die  Be- 
nutzung grosser  Kamine  gerichtet  sind,  verdient  die  seit  Neujahr 
1864  eingeführte  Braun- Bohfn'uche  Ventilation  den  Vorzug.  Im 
Jahre  1863  Hess  Verf.  jedes  Zimmer  (auch  das  Kreisszimmer)  alle 
6  bis  7  Tage  gründlich  reinigen  und  lüften.  Letzteres  geschah 
selbst  in  den  benutzten  Zimmern  durch  Oeffnen  der  Fenster,  das 
täglich  vorgenommen  wurde.  Alles  Grestank  Verursachende  wurde 
schleunigst  entfernt.  Räncherungen  —  als  Gestank  verdeckend  — 
wurden  vermieden. 

b.  Separirung  der  Kranken  von  den  Gesunden,  mit  streuger 
Anweisung  einer  besonderen  Wärterin  und  besonderer  Utensilien. 

c.  Reinlichkeit  bei  Allem,  was  irgendwie  mit  einer  Kreissen- 
den oder  Wöchnerin  in  Berührung  kommen  konnte.  Hierher 
gehörten:  Sorgfältige  Waschungen  mit  Chlorkalk.  Gewöhnung 
der  Schülerinnen  stets  mit  einer  weissen,  von  jedem  Schmutze 
freien,  bis  an  den  Hals  reichenden  Schürze  zu  erscheinen,  Er- 
setzung der  hölzernen  Leibschüsseln  durch  zinnerne.  Das  Waschen 
der  Genitalien  wurde  ~  aus  Furcht  vor  Infection  —  verboten; 
nur  früh  beim  Wechsel  des  Leintuches  wurden  sie  mit  diesem 
abgewischt. 

(Wiener  Med.  Jahrbücher.  1864.  4.  Heft.) 


Breslau:  Bericht  über  die  Ereignisse  in  der 
Gebliranstalt  zu  Zürich  im  Jahre  1863. 
Uebertragen  vom  verflossenen  Jahre  wurden  9  Wöchnerinnen, 
6  Schwangere,  4  Kranke  und  7  Kinder.  Neu  aufgenommen  wur- 
den 225  Personen,  darunter  50  gynäcologische  Kranke.  Zur  Ge- 
bart kamen  156,  drei  gebaren  Zwillinge.  Von  den  159  Kindern 
wurden  lebend  geboren  68  Knaben  und  76  Mädchen,  reif  waren 
58  Knaben  und  68  Mädchen,  frühreif  waren  12,  unreif  6.  Von 
den  15  Todtgeborenen  waren  5  vor  der  Geburt,  7  während  und 
3  unmittelbar  nach  der  Geburt  gestorben.  Später  starben  noch 
32  Kinder,  16  Knaben  und  14  Mädchen.  Diese  überaus  grosse 
Sterblichkeit  war  eine  Folge  der  herrschenden  Puerperalfieber, 
wodurch  auch  die  Kinder  inficirt  wurden»  Die  Sectionen  dieser 
Kinder  wiesen  nach :  7  Mal  Nabelgefässentzündung,  7  Mal  Septi- 
cämie  und  Pyämie,  6  Mal  Sclercm  der  Haut,  5  Mal  Darmkatarrh 
und  Atrophie,  2  Mal  Peritonitis,  4  Mal  Lebensschwäche  und 
Atelectase  der  Lungen,  1  Mal  Hirndruck.  —  Kindeslagen  wurden 
beobachtet:  146 Schädellagen,  1  Gesichts-,  1  Stirnlage,  lOBecken- 
endlagen.    Von  Operationen  wurden  ausgeführt:   10  Anlegungen 

^M osaissefar.  f.  Geburtak.  1S65.  Bd.  XXV.  Snppl.-Hft.  25 


3^  VL    Notizeu  aus  der  Journal- Literatur. 

der  Zange,  1  Wendung  auf  den  Kupf  durch  äussere  Handgriffe, 
1  Wendung  auf  die  Füsse,  1  Mal  mehrfache  £iBBcfaaeidaDg  des 
sclerosirten  Muttermundes  bei  Prolapsus  und  Perforation  des 
todten  Kindes,  2  Mal  Beposition  der  vorgefallenen  Nabelschnur. 

Aeusserst  ungünstig  war  das  Jahr  1663  für  die  Wöchnerinnen, 
das  Puerperalfieber  herrschte  so  ausgedehnt  und  bösartig,  wie 
niemals  zuvor.  Es  starben  im  Ganzen:  24  Wöchnerinnen,  also 
15,4  Proc,  19  davon,  an  Puerperalfieber ,  also  12,1  Proc  Verf. 
beobachtete  alle  Yorsichtsmassregeln ,  um  die  Krankheit  zu  be- 
schränken, im  Ganzen  aber  ohne  wesentlichen  Erfolg.  Es  fand 
keine  Ueberfüllung  der  Anstalt  statt,  Anwendung  von  Waschun- 
gen der  Wäsche  und  Hände  mit  Liq.  Kali  hypermanganici  und 
Chlorwasser,  häufiger  Wechsel  der  Bettwäsche,  Isolirung  der 
Wöchnerinnen,  Wechsel  des  Gebärzimmers,  Verlegung  aller 
Wöchnerinnen  in  ein  anderes  Spital,  Benovirung  und  Desin- 
fection  aller  Räume  und  Geräthe  der  Anstalt,  der  Abtritte  etc. 

Von  den  50  gynäcologischen  Kranken  starben  5. 

(Jahresbericht  des  Medicinalwesens  des  Gantons  Zürich 
vom  Jahre  1863.) 


George  B,  BroJie:  Statistik  des  Queen  Lying-in 
Hospital  zu  London. 

Vom  Jahre  1828  —  1863  wurden  7736  Schwangere,  darunter 
3611  Unverheirathete  von  7824  Kindern  entbunden.  Im  Ganzen 
sind  von  den  Entbundenen  202  gestorben,  darunter  126  unver- 
heirathete. Das  grosse  Sterblichkeitsverhältniss  von  2,6  Proc 
schreibt  Brodie  dem  Umstände  zu,  dass  das  Queen  Charl.  Lying- 
in  Hospital  auch  Unverheirathete  aufnimmt,  während  andere 
englische  Entbindungshäuser  dies  nicht  thun.  Wird  die  Sterb- 
lichkeit der  Verheiratheten,  zu  denen  noch  10858  vom  Hospital 
aus  zu  Hause  behandelte,  welche  immer  verheirathet  sein  müssen, 
kommen,  zusammmengercchnet,  so  ergiebt  sich  für  sie  eine  Sterb- 
lichkeit von  1,84  Proc,  während  die  Uuverheiratheten  für  sich 
gerechnet,  fast  3,48  Todesfälle  zeigen.  Die  tabellarische  Zusam- 
menstellung der  Sterblichkeit  nach  den  Jahrgängen  ergiebt  für 
die  Jahre  1828  —  1847  eine  Sterblichkeit  von  3,77  —  0  Proc,  für 
die  Jahre  1848  —  1850  während  der  Choleraepidemic  eine  von 
9,32- 5,03  Proc  für  die  Jahre  1851—1858  eine  von  0-1,22  Proc 
und  für  die  Jahre  1859—1863  eine  von  8,12—1,55  Proc 

Mit  dieser  Uebersicht  vergleicht  B.  die  Tabelle  der  Sterblich* 
keit  im  Dublinor  Kotunda- Hospital,  welche  im  Mittel  1,45  Proc 
beträgt ,  sowie  des  Londoner  British  Lying  -  in  Hospital  mit 
0,69  Todesfällen.  Freilich  nehmen  beide  Anstalten  nur  verhei- 
rathete  Frauen  auf.  Uebrigens  ist  auch  das  Qu.  Ch.  Lying-in  Hosp. 
nur  für  erstgebäreude  Unverheirathete  zugäugjüch  und  diese  „ge- 
hören nicht  selten  zu  den  besseren  Klassen  der  Gesellschaft''.   ^ 


VI.    Notizen  aus  der  Journal- Literatur. 


387 


Eine  andere  Tabelle  giebt  die  Art  der  Todesursachen: 


Krankheit. 

Verheirathete. 

önverh. 

Summe. 

Mebrgeb. 

Erstgeb. 

Fifstgeb. 

Puerperalfieber     .... 

17 

24 

82 

123 

Puerperal-Mania  .... 

1 

4 

11 

16 

Phthisis 

3 

4 

11 

18 

Diarrhoe 

— 

4 

10 

Haemorrhagia  post  partum 

2 

1 

5 

Uterusniptur 

1 

1 

3 

Pneumonie 

— 

— 

4 

Pleuritis 

2 

— 

— 

2 

Erysipelas 

— 

1 

2 

Scharlachfieber     .    :    .    . 

— 

2 

Masern 





1 

Herzkrankheit      .... 

1 

^ 

2 

Ruptur  der  Aorta     .    .    . 

1 

— 

— 

1 

Coma  nach  Convulsionen  . 

1 

1 

3 

Apoplexie 

— 

1 

3 

„Shok"  Nervenschlag   .    . 

— 

2 

— 

2 

Erschöpfung 

1 

3 

1 

5 

Summe 

80 

46 

126 

202      . 

Unter  der  Bezeichnung  „Puerperalfieber  müssen  Peritonitis 
und  die  andern  verschiedenen  Varietäten  (various  varieties),  zu: 
denen  diese  Krankheit  so  sehr  geneigt  ist,  einbegriffen  werden". 

Auch  für  die  einzelnen  Jahre  ist  eine  Tabelle  der  Krank- 
heiten gegeben,  aus  der  sich  ergiebt,  dass  am  Puerperalfieber  in 
den  Jahren  1851—1858  am  wenigsten,  nämlich  zusammen  bloss  3, 
und  am  meisten  in  denen  von  1848—1850,  nämlich  zusammen  32^, 
und  in  denen  von  1859  —  1862  zusammen  38  Wöchnerinnen  ge- 
storben sind. 

Folgt  eine  üebersicht  der  an  Puerperalfieber  in  jedem  Monat 
gestorbenen,  aus  der  sich  ergiebt,  dass  im  März  am  meisten, 
Jiämlich  afle  Jahrgänge  zusammengerechnet  20,  und  im  October 
am  wenigsten,  nämlich  zusammen  4  daran  gestorben  sind. 

Die  Mittheilung  schliesst  mit  einer  kurzen  Geschichte  des 
Hospitals,  in  der  hervorgehoben  wird,  dass  man  die  hohe  Sterb- 
lichkeit in  den  Jahren  1848—1850  der  schlechten  Ventilation  und 
Drainage  des  alten  Gebäudes  zuschrieb  und  daher  1856  ein  neues 
bezog.  Dasselbe  besitzt  zwei  Abtheilungen,  die  eine  zur  Auf- 
nahme von  Verheiratheten,  die  andere  von  Ledigen,  in  jeder 
6  Säle  zu  je  3  Betten  mit  wenigstens  1000  Gubikfuss  Raum  für 
jede  Patientin,  ausserdem  iioch  Säle  für  Reconvalescenten.  Das 
Hans  ist  mit  besonderen  Ai)paraten  zur  Ventilation,  zur  Wasser- 
heizung versehen,  der  Boden  ist  besonders  drainirt  und  die  Zim- 
mer werden  fleissig  gereinigt  und  überfimisst. 

(Med.  Chirurg.  Transactions.  Vol.  XLVH.  London,  1864.  S.  1^) 
25* 


388  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

Edward  Headlam  Greenhow:   Fall  von  angeborner 
ünvollkoramenheit  der  Briiste,  Geschlechts- 
theile,  des  Brustbein«  und  des  Herzens  bei 
.einem  22jährigen  Weibe. 
Dieselbe  war  nie  menstruirt  und  hatte  nie  vicariirende  Blutun- 
gen. Von  mittlerer  Grösse,  kindischem  Aussehen,  blühender  Farbe 
hatte  sie  weibliche  Stimme  und  reichliches  Haar.    Die  Gegend 
derBrttste  war  flach,  doch  waren  Warzen  vorhanden,  rothe  linsen- 
förmige  IJ'"  breite  Erhöhungen,   J '"  über  der  Umgebung.    Um 
jede  ein  blasser  rothbrauner,  etwas  vertiefter  Hof,  etwa  J '"  im 
Durchmesser.     Hüften  wenig  gerundet  und  Becken  klein.     Der 
Umfang  desselben  mass  31"  engl,  der  Umfang  um  die  Schultern 
34 j"  engl     Schamhttgel  wenig  vorstehend,    kaum  behaart,  die 
Haut  an    den    Schamtbeilen   sehr   fein.     Clitoris   und  .Nymphen 
normal,  Hymen  und  Vorhof  sehr  gefilssreich.    Die  euge  Scheide 
Hess  2}''  des  Zeigefingers  zu.    Muttermund,  Scheidentheil  und 
Eierstöcke,  sowie  der  Uterus  selbst  waren  von  Scheide  und  Mast- 
darm aus  nicht  bestimmt  wahrzunehmen. 

Im  Brustbein  war  ein  mehrere  Zoll  grosser  und  etwa  J"  tiefer 
Eindruck.  Der  Herzfehler  ist  nicht  genauer  bestimmt  worden; 
er  war  durch  ein  Geräusch  zwischen  systolischem  und  diasto- 
lischem Tone  und  durch  einen  bei  aufrechter  Stellung  unregel- 
mässigen  Puls  characterisirt. 

(Med.  Chiruig.  Transactioris.   Vol.  XLVII. 
London,  1864.   S.  159.) 


0,  V,  Haselherg  (Martin):  Elfter  Bericht  aus  der 
geburtshilflichen  und  gynäcologischen  Kli- 
nik des  Hrn.  Geh.  Rath  Martin  in  Berlin. 

Aus  dem  eingehenden  Bericht  sei  Folgendes  hervorgehoben; 

Im  Winter  -  Semester  1863  —  64  betrug  die  Anzaftil  der  in 
Martinas  geburtshilflicher  und  gynäcologischer  Klinik  und  Poli- 
klinik  behandelten  Fälle  912. 

Es  fanden  Statt:  475  Geburten  und  zwar  in  der  Klinik  213, 
in  der  Poliklinik  312. 

15  Mal  Zwillingsgeburten ,  1  Mal  Drillingsgeburt  (3  lebende 
Kinder,  jedes  in  Steisslage,  in  den  ersten  Tagen  wieder  gestorben). 

Von  466  nach  der  28.  Woche  geborenen  Kindern  (239  Knaben, 
227  l^ädcben)  kamen  17  Knaben  und  22  Mädchen  todt  zur  Welt. 

5  Mal  kam  Abort,  18  Mal  Partus  immaturus,  11  Mal  Partus 
praematnrus  vor.  Beckenenge  war  12  Mal  vorhanden,  worunter 
2  Mal:  2"  9-11'"  (Perforation  und  Cephalotrypsie).  Ferner 
wurden  beobachtet:  8  Schieflagen  (1  Mal  mit  Selbstentwickelung}; 
18  Mal  fehlerhafte  Haltung,  53  Mal  Umschlingung   und  9  Mal 


VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatut*.  389 

Vorfall  der  Nabelschnur ;  4  Mal  Placenta  praevia  (1  Mal  central) ; 
Betentio  placentae  4  Mal;  Eclampsie  3  Mal  (1  Mal  tödtlich). 

Operative  Hülfe  in  88  Fällen,  worunter  Incisionen  in  den 
Muttermund  2,  in  den  Damm  21,  kflostliche  Frühgeburt  mit  Ein- 
legung eines  elastischen  Catheters  2  (1  Mal  mit  3'',  1  Mal  mit 
2''  11'''  (/onjugata),  Wendung  13  (worunter  12  Mal  Extraction), 
Zange  16,  Transfusion  1  Mal  (ohne  Erfolg). 

Die  klinische  Anstalt  blieb  frei  von  Puerperal -Epidemien. 
Von  den  475  Wöchnerinnen  starben  G,  von  den  lebend  gebornen 
Kindern  starben  während  der  ersten  11  Tage  6. 

An  Fällen  von  Erkrankungen  der  weiblichen  Sexualorgane 
ausser  der  Geburt  kamen  437  Fälle  zur  Behandlung,  welche  vom 
Verf.  übersichtlich  zusammengestellt  sind  und  ein  reiches  Unter- 
richts-Material  repräsentiren. 

(Deutsche  Klinik.  Berlin,  1864.  No.  33.) 

Boecker:  Bericht  über  die  Vorgänge  im  Gebär- 
hause der  k.  Charit^  zu  Berlin  im  Winter- 
Semester  1862—63. 

Im  angegebenen  Zeiträume  fanden  320  Geburten  Statt.  Die 
jüngste  Gebärende  war  15,  die  älteste  49  Jahre  alt.  181  waren 
Erst-,  149  Mehrgebärende,  worunter  je  eine  zum  10.  u.  14.  Male 
gebar.  Da  vier  Zwillingsgeburten  beobachtet  wurden,  belief  sich 
die  Zahl  der  Neugebomen  auf  334.  Von  ihnen  waren  297  zeitig, 
37  unzeitig  geboren,  159  waren  Knaben,  169  Mädchen,  6  Mal  war 
das  Geschlecht  unbestimmbar. 

Von  den  Entbindungsvorgängen  interessirt  Folgendes:  Von 
den  334  Kindern  wurden,  12  Strassengeburten  und  6  Aborte 
ohne  bestimmtere  Lage  abgerechnet,  in  erster  Schädellage  218^ 
in  zweiter  Schädellage  81 ,  in  vierter  2 ,  in  Gesichtslage  3 ,  in 
erster  Steisslage  3,  in  zweiter  4,  in  dritter  und  vierter  je  Eines, 
in  erster  und  dritter  Fusslage  je  2,  in  zweiter  Schulterlage  erster 
Unterart  Eines  und  in  Brustlage  3  geboren. 

Von  den  8  Zwillingskindern  kamen  6  lebend,  2  wegen  Eclam- 
psie der  Mutter  todt  zur  Welt  Ausserdem  wurden  noch  2  Fälle 
von  Eclampsie  beobachtet;  in  allen  3  Fällen  erfolgte  der  Tod. 

Von  den  37  frühgeborenen  Kindern  wurden  16  todt  geboren. 
Es  war  24  Mal  die  Anlegung  der  Zange  nöthig  und  zwar  bei 
18  Erst-  und  6  Zweitgebärenden ;  1  Mal  wurde  die  Sectio  caesarea 
nach  dem  Tode  angestellt. 

Unter  den  Wochenbetts  -  Vorgängen  sind  hervorzuheben : 
58  ernstere  Puerperal  -  Erkrankungen ,  wovon  46  Fälle  auf  die 
innere  Station  translocirt. 

Von  den  Neugeborenen,  und  zwar:  159  Knaben,  169  Mäd- 
chen (bei  6  konnte  das  Geschlecht  nicht  bestimmt  werden),  waren 
297  aasgetragen,  37  früh  geboren,   von   letzteren  16  todt  and 


590  VI.    Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 

21  lebend    geboren;   von  den   ersteren   starben  6  während  der 
Geburt. 

(Annalen  des  Charite- Kraukenhauses  zu  Berlin. 
12.  Band.   2.  Heft.    1865.) 


Pohl:  Bericht  über  die  Vorgänge  im  Uebär- 
hause  der  k.  Oharlte  zu  Berlin  im  Winter- 
Semester  1863  —  64. 

Von  369  aufgenommenen  Schwangeren  waren  32  unter  20  Jah- 
ren, 2  über  40  Jahre  alt. 

Es  fanden  Statt:  353  Entbindungen  bei  224  Erstgebärenden, 
129  Mehrgebärenden,  je  eine  gebar  zum  9.  und  10.  Male.  Dar- 
unter befanden  sich  8  Zwillingsgeburten ,  so  dass  im  Ganzen 
193  Knaben,  164  Mädchen,  3  Fleischmolen  und  1  unreife  Frucht 
ohne  bestimmbares  Geschlecht  geboren  wurden. 

Von  Schädellagen  wurden  319  beobachtet,  und  zwar  die  erste 
252,  die  zweite  59,  die  dritte  5,  die  vierte  3  Mal. 

Gesichtslagen  wurden*  3  geboren,  wobei  je  1  Mal  Drehungen 
aus  dritter  und  vierter  in  zweite  und  erste  Lage  zur  Beobach- 
tung kamen. 

Steisslagen  8,  Fusslagen  3  Mal. 

knielagen  2,  Schulterlagen  1  Mal  (I.  1  Unterart).  Am  vor- 
liegenden Kopfe  wurde  die  Zange  2  Mal  angelegt;  der  Kaiser- 
schnitt post  mortem  2  Mal  ausgeführt 

Wegen  Kindbettfieber  translocirt  wurden  78  Wöchnerinnen 
(am  meisten  im  März  1864),  sehr  häufig  fanden  sich  diphtheritische 
Geschwüre  am  Introitus  vaginae  mit  oder  ohne  Allgemein -Er- 
scheinungen von  Septhämie. 

Unter  den  361  Neugeborenen  (incl.  3  Fleischmolen  und  eine 
unreife  Frucht)  waren  193  Knaben,  164  Mädchen,  todt  geboren 
wurden  30  (worunter  Eines  todt  zugebracht  in  Fol^e  von  Strassen- 
goburt) ;  in  den  ersten  14  Tagen  starben  36  Kinder.  Reif  geboren 
Waren  308,  zu  früh  aber  50  (worunter  13  unreif  und  lebensunfähig). 
Das  Befinden  der  Neugeborenen  war  im  Allgemeinen  gut. 

(Annalen  des  Charite  -  Krankenhauses  zu  Berlin. 
12.  Band.   2.  Heft    1865.) 


llarimami:  Jahresbericht  über  die  Ereignisse 
in  der  Gebäranstalt  der  unter  der  Direction 
von  Dr.  M.  Haussmann  stehenden  k.  Landes- 
Hebammenschule  zu  Stuttgart  im  Verwal- 
tungsjahre 1863  —  64. 

I.    Allgemeine  Uebersicht: 
Am  Anfang  des  Jahres  (1.  Juli)  wurden  10  Schwangere  und 
8  Wöchnerinnen  übernommen;   zu  ihnen  hinzu  kamen  bis  Ende 


VI.    Notizen  ans  der  Jotirna)  -  Literatur.  391 

Juni  64.  612  Schwangere',  von  welchen  am  1.  Juli  1864  noch 
18  Schwangere  und  20  Wöchnerinnen  zugegen  waren.  Schwangere 
wurden  12  entlassen.  Es  fanden  497  Gehurten  statt,  worunter  jedoch 
20  nach  schon  vollendeter  Gehurt,  197  während  der  Geburt  und 
280  während  der  Schwangerschaft  anfgenommener  Personen  ein- 
gerechnet sind.  490  Geburten  waren  einfach,  7  Zwillingsgeburten, 
448  wurden  durch  Naturkräfte,  49  operativ  beendet. 

Geboren  wurden  504  Kinder,  und  zwa  r233  männlichen,  271  weib- 
lichen Geschlechts,  davon  waren  unreif  41  Knaben  und  eben  so 
viel  Mädchen.  Von  Lagen  kommen  zur  Beobachtung:  4ö8 Schädel- 
lagen, 4  Gesichtslagen,  22  Beckenendlagen,  8  Querlagen,  17  Gas- 
sengeburten. Gestorben  sind  3  Wöchnerinnon,  33  Knaben  (davon 
17  unreif)  und  22  Mädchen  (davon  13  unreif). 

II.    Besondere  Geburtsfälle: 

Unzeitige  Geburten  fanden  2  statt  (1  Mal  bei  constitutioneller 
Syphilis  nach  Mercurialkur). 

Frühgeburten:  76,  worunter  4  Zwillingsgeburten;  von  den 
«0  frühgeborenen  Kindern  waren  9  todtgeboren  (macerirt),  18  star- 
ben in  den  ersten  48  Stunden,  17  später  und  nur  41  blieben 
erhalten. 

Zwillingsgeburten:  7  (3  am  normalen  Ende  der  Schwanger- 
schaft). Dabei  war  4  Mal  das  Geschlecht  der  Kinder  gleich, 
o  Mal  Knaben,  1  Mal  Mädchen.  Es  starben  6  Zwillingskinder^ 
lauter  unreife. 

Schädellagen  mit  regelwidrigem  Mechanismus:  von  56  Kin- 
dern, die  ursprünglich  in  dritter  und  vierter  Position  sich  ein- 
stellten, wurden  nur  4  in  dritter  und  1  in  vierter  Position  geboren. 

Gesichtslagen :  3  Mal  die  erste,  1  Mal  die  zweite.  Alle  Kin- 
der lebten,  3  wurden  ohne  Kunsthilfe,  1  wegen  Nabelschnurvor- 
falls mit  der  Zange  geboren. 

Beckenendelagen:  22,  worunter  6  Mal  Zwillingskinder  und 
zwar  5  Mal  das  zweite  Kind  betreffend.  Hiervon  waren  11  Steiss- 
lagen,  10  Fusslagen  und  1  unvollkommene  erste  Knielage.  Dabei 
war  4  Mal  vollständige,  7  Mal  theilweise  Manual extraction,  2  Mal 
Zange  am  nachfolgenden  Kopfe  nöthig. 

Querlagen:  3.  Hierbei  wurde  1  Mal  Wendung  bei  noch 
stehender  Blase,  2  Mal  dieselbe  kurz  nach  Abfluss  des  Wassers 
gemacht ;  ferner  2  Mal  sofortige  Extraction  und  1  Mal  die  Zange 
am  nachfolgenden  Kopfe  angelegt  und  dabei  2  lebende,  1  todtea 
Kind  geboren;  eine  Mutter  starb  im  Wochenbett. 

In  Betreff  der  Summe  der  Operationen  ist  zu  erwähnen:  Es 
wnrde  10  Mal  die  Blase  gesprengt,  7  Mal  vorgefallene  Theile 
reponirt,  11  Mal  die  Extraction  an  den  Füssen,  8  Mal  die  Wen- 
dung, 15  Mal  die  Zangenextraction,  1  Mal  Perforation  und  Cepha-' 
lotripsie  (bei  einer  Diagonalis  von  10,6  Ctm.),  2  Mal  die  Episio- 
tomie, 2  Mal  Placentarlösung  ausgeführt. 


392  ^^'    I^tteratnr. 

Der  Verlauf  des  Wochenbettes  war  in  374  F&llen  normal, 
erkrankt  sind  123  (24,75  Proc),  gestorben  3  Wöchnerinnen.  Von 
eigentlichen  Puerperal  -  Erkrankungen  kamen  82  Fälle  vor,  und 
zwarSMal  lethal;  der  eine  Todesfall  betrifft  Pyaemia  puerperaliß, 
der  andere  eine  Peritonitis,  der  dritte  aber  Pneumonie. 

Von  den  488  lebend  geborenen  Kindern  erkrankten  197, 
starben  55.  Von  diesen  197  hatten  164  Muttermilch  erhalten, 
38  waren  künstlich  aufgezogen  worden ;  auf  erstere  kommen  36, 
auf  letztere  19  Todesfälle. 

(Mediz.  Correspondenzblatt  des  Württemb.  ärztl.  Vereins. 
Bd,  XXXIV.  1864.  No.  a5— 39.) 


vu. 

Literatur. 


Winckel:  Eine  Ovariotomie,  Antrittsprogramm. 
Rostock,  1864. 
Verf.  hat  in  Rostock,  wo  vor  ihm  schon  3  Mal  (2  von  Quitten- 
baum, 1  von  Kraul)  mit  glücklichem  Erfolge  die  Ovariotomie 
gemacht  worden  ist,  einen  neuen  glücklichen  Fall  zu  berichten. 
Er  betraf  eine  zusammengesetzte  Cdlloidcyste  eines  Ovarium 
Die  Operation  wurde  nach  der  in  England  iu  neuester  Zeit 
üblichen  Methode  ausgeführt.  Adhäsionen  fanden  sich  nur  mit 
den  Bauchdecken )  der  Stiel  war  dühn,  wurde  im  Ganzen  unter- 
bunden, indessen  nach  Abqnetschung  des  Sackes  entschlüpfte  das 
Ligaturband  und  eine  reichliche  Blutung  aus  den  varicösen  Venen 
des  Stieles  erfolgte,  welche  nur  durch  sorgfältige  Unterbindung 
der  einzelnen  Gefässe  gestillt  werden  konnte.  Das  Verhalten 
der  Operirten  war  ziemlich  gleichmässig  gut,  der  grösste  Theil 
der  Wunde  heilte  durch  erste  Verklebung.  Interessant  und  neu 
sind  des  Verf. 's  genaue  Temperaturmessungen  vor,  während  und 
nach  der  Operation.  Aus  denselben  geht  hervor,  dass  namentlich 
nach  der  Operation  sechs  Tage  lang  Reaction,  sogenanntes  Wund- 
flebrr  bestand,  welches  als  reines,  einfaches  sich  darstellte,  obwohl 
die  Bauchwunde  mindestens  10  Zoll  lang  war,  sehr  starke  Gefasse 
unterbunden  und  verschiedene  Peritonäal  -  Adhäsionen  getrennt 
worden  waren.  Die  Pulsfrequenz  blieb  die  ganze  Zeit  auffallend 
gering.  Es  folgt  aus  der  Temperaturmessung,  dass  die  Ovario- 
tomie an  und  für  sich  nicht  eingreifender  iat,  als  eine  Amputatio 
antibrachii,  hameri  u.  s.  w. 


Vn.    Literatur. 


E,  Ott:   Die   periuterinen  und  retrovaginalen 
Blutergüsse.    Inaug.  Dissert.   Tübingen  1864. 

Mit  Rücksiebt  auf  die  im  Vorausgehenden  angestellten  ana- 
tomischen Erörterungen  theilt  Verf.  die  sogenannten  Haematocelen 
in  intraperitonäale,  suhperitonäale  und  interstitielle 
oder  recto vaginale  ein.  Die  ersteren  entstehen  nach  ihm 
meist  durch  Rückflnss  des  im  Uterus  durch  verschiedene  Hinder- 
nisse zurückgehaltenen  Blute's;  die  subperitonäalen  werden  ver- 
ursacht durch  Zerreissnng  der  zwischen  den  breiten  Mutterbän- 
dem,  oder  zwischen  Vagina  und  Rectum^  oder  vor  dem  Uterus, 
oder  im  ganzen  Umkreise  des  Vaginalschlauches  verlaufenden 
Gefässe,  besonders  der  zahlreiche  Geflechte  bildenden  Venen.  Die 
interstitiellen  endlich  entstehen  durch  Zerreissung  der  im  Septum 
rectovaginale  verlaufenden  GeiUsse.  Die  Annahme  der  letzterwähn- 
ten Art  gründet  sich  auf  ein  zufällig  bei  der  Obduction  einer  am 
Typhus  Verstorbenen  aufgefundenes  und  ausführlich  beschriebenes 
Präparat  eines  im  Septum  rectovaginale  liegenden  grossen  Blut- 
ergusses, neben  welchem  sich  noch  mehrere  kleinere  dergleichen 
vorfanden ;  sowie  auf  einen  ähnlichen  von  J.  W.  Betschier  (Klin. 
Beitr.  zur  Gynäkol.  1862.  1.  Heft.  p.  133.)  beschriebenen  Fall, 
in  welchem  die  Diagnose  einer  Hämatocele  durch  den  Aufbruch 
in  die  Scheide  und  Entleerung  alter,  schwarzer  Blut^oagula  be- 
stätigt wurde. 

Nach  ausführlicher  Erläuteiung  der  genetischen  Momente  der 
Hämatocele  und  einem  kurzen  Ueberblick  Ober  den  pathologisch- 
anatomischen und  histologischen  Befund  bei  derselben  (wobei  er 
übrigens  auf  die  bereits  von  Breslau  y  Braun  u.  A.  gemachten 
Untersuchungen  verweist),  entwickelt  Verf.  ein  in  kurzen  Umrissen 
gezeichnetes  Krankheitsbild  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
bei  der  innern  Untersuchung  hervortretenden  Momente. 

Als  diagnostisches  Hilfsmittel  hebt  er  hierbei  die  durch  Ein- 
fübrung  des  Speculum  erkennbare  blaurothe  Farbe  der  Vaginal- 
portion  hervor,  erwähnt  sodann  kürzlichst  die  Sondirung  der 
Geschwulst  durch  Catheter  und  Uterinsonde  (nach  Braun)  und 
empfiehlt  in  zweifelhaften  Fällen  die  Acidopeirastik  von  MidcM- 
dorpf  (Function  mittels  Probetrocart). 

In  Rücksicht  darauf,  ob  das  Extravasat  extra-  oder  intra- 
peritonäal  sitze ,  bezieht  er  sich  auf  die  von  Breslau  (Schweiz. 
Zeitschr.  fQr  Heilk.  II.  p.  297.  1863.)  gegebenen  Anhaltspunkte 
und  lässt  hierauf  die  hauptsächlichsten  Momente,  welche  bei  der 
Differentialdiagnose  zwischen  Haematocele  einerseits  und  Gravi- 
dilas  extrauterina,  Pelvioperitonitis  und  sogenannter  GellulitiB 
peKiua  andererseits  in  Betracht  kommen,  folgen.  Besonder« 
schwer,  oft  unmöglich  sei  die  Unterscheidung  der  Haematocele 
von  Pelvioperitonitis,  wobei  der  Zusammenhang  der  ersteren  mit 
der  Menstruation  noch  den  meisten  Werth  habe.  Weniger  schwierig 


304  Vit.    Literatur. 

sei  die  Unterscheidung  der  Haeinatocele  von  Graviditas  extra- 
uterina,  denn  es  finde  sich  bei  ihr  eine  langsame  Kntwickelung 
der  Geschwulst  bei  einem  in  den  ersten  Monaten  ungestörten 
Wohlbefinden,  Schwellung  der  Brnste  und  Milchabsonderung,  Ver- 
grösserung  der  erweichten  Yaginalportion  und  Verlängerung  der 
leeren  Gebärmutterhöhle,  endlich  Kindesbewegungen  und  Herz- 
töne, wenn  die  Geschwulst  der  Ruptur  nahe  sei. 

Eben  so  sei  die  sogenannte  CelluUtis  pelvina  leichter  zu 
diagnosticiren,  besonders  wenn  sie  nach  einer  Geburt,  also  nicht 
zur  Zeit  der  Menstruation  und  nicht  unter  stürmischen  Erschei- 
nungen auftrete,  und  wenn  sich  der  Ausgang  in  Vereiterung 
dadurch  kenntlich  mache,  dass  die  Anfangs  harte  Geschwulst 
weich  und  fluctuirend  werde. 

Die  Prognose  sei  bei  extrapentonäalem  Sitze  der  Haema- 
tocele  günstiger  als  bei  intraperitonäalem.  Die  Befürchtungen, 
es  möchte  Sterilität  die  Folge  der  Krankheit  sein,  habe  sich  als 
grundlos  erwiesen.  Nur  wenn  während  der  Schwangerschaft  ent- 
standen, könne  die  H.  ein  Geburtshindemiss  abgeben. 

Das  Heilverfahren  sei  entweder  exspectativ-syniptoma- 
tisch,  oder  chirurgisch-eingreifend,  letzteres  nur  bei  Dringlich- 
keitssymptomen, tiefem  Herabtreten  und  starker  Spannung  der 
fiuctuirenden  Geschwulst.  Die  Function  mache  man  am  besten 
von  der  Vagina  aus. 

Als  Anhang  fügt  Verf.  2  Krankengeschichten  bei. 

1)  Haematocele  intraperitonaealis  retrouterina  mit  Ausgang 
in  den  Tod  nach  Perforation  in  die  Scheide  unter  septicämischen 
Erscheinungen. 

2)  Haematocele  retrouterina  subperitonaealis  mit  Perforation 
in's  Rectum  und  Ausgang  in  Genesung. 


Heiffh   L,   Ho(h/e:    Principles    and    practice    of 

obstetrics;    illnstr.    with    159    lithosrraphic 

Figures   from   original  Photograplis  a.  with 

numerous    woodcuts.      Philadelphia,     1864. 

4.     550  S. 

Die  Wände  des  Beckenkanals  theilt  H.  mittels  zwei  verticaler 

Schnitte,   einen  durch  Symphyse  und  Krenzbeinaxc    und  einen 

ilnrch  die  Spinae  ischii,  in  vier  Theile,  die  er  „inclined  planes'' 

nennt     Dass  die  vorderen  von  den  hinteren  durch  die  Spinae 

ischii  getrennt  werden,  hält  er  f(ü*  sehr  wichtig.    Er  behauptet, 

dass  der  Kopf  bis  an  die  Spinae  ischii  gerade  herabrücke,  und 

dikss  bis  dahin  die  Beckenaxe  eine  gerade  Verlängerung  der  Axe 

des  Eingangs  sei.    Senkrecht  auf  diese  Axe  führt  er  im  kleinen 

Becken  vier   parallele   Schnitte.     Der  erste   ist  die  Fläche  des 

Ewgangs,  der  zweite  geht  durch  das  Ligamentum  arcuatum  und 


VII.    Literatttr.  30ft 

die  Mitte  des  zweiten  Kreuzbeinwirbels ,  der  dritte  darcb  die 
Spinae  ischii,  der  vierte  erstrecke  sich  rings  um  die  Spitze  des 
Steissbeines  als  um  einen  Mittelpunkt.  Diese  Auffassang  der 
Beckenhöfale  als  eines  geraden,  nur  nach  unten  veijüngten  Canals 
macht  er  durch  Photographien  der  Aussenflächen  und  Durch- 
schnitte eines  Gipsausgusses  deutlich. 

Die  Schwangerschaft  bezeichnet  H.  als  einen  Zustand  hoch- 
gradiger Plethora  und  empfiehlt  reichliche  Aderlässe,  wie  sie  von 
seinem  Lehrer  Davees  vielfach  zu  60 — 60  §  angewandt  worden 
seien.'  £r  bekämpft  mit  grossem  Eifer  die  Theorien,  welche 
eclamptische  Convulsionen  aus  Blatarmuth,  Urämie,  Cholämie  oder 
Toxicämie  herleiten,  und  lässt  nur  Plethora  als  Ursache  derselben 
gelten.  Uebrigens  empfiehlt  er  Schwangeren  Fleischnahrung  mit 
starken  Gewürzen.  Daneben  sollen  sie  Milch,  FleischbrOhe  und 
Sappen,  alkoholische  (!)  Getränke,  starken  Kaffee  und  Thee  ge- 
niessen.  Bei  nervöser  Reizbarkeit  Antispasmodica,  besonders  nach 
Meigs  Eisenhutwurzel.  —  Als  Spätgeburt  führt  H.  eine  solche 
Schwangerschaft  von  330  Tagen  aus  seiner  Praxis  und  zwei  Fälle 
von  Detees,  in  welchen  todte  Kinder  26  und  über  29  Monate  lang 
getragen  worden  seien,  an  Umgekehrt  habe  er  eine  Dame  beob- 
achtet, welche  nach  höchstens  169  Tagen  ein  lebendes  und  später 
kräftig  aufgewachsenes  Kind  geboren  habe.  —  Als  Belege  für 
Super foetation  durch  mehrere  rasch  sich  folgende  Beischlafe  er- 
zählt er:  Bei  Philadelphia  wurde  eine  Frau  von  einem  weissen 
und  einem  Mulattenkinde  entbunden;  sie  gab  zu,  bald  nach  der 
Umarmung  eines  Weissen  von  einem  Neger  beschlafen  worden 
zu  sein.  Ein  ähnlicher  Fall  sei  in  Charleston  vorgekommen,  wo 
eine  Frau  eine  halbe  Stunde  später,  nachdem  ihr  Gatte  sie  ver- 
lassen habe,  von  einem  Neger  beschlafen  worden  sei. 

Bei  Darstellung  des  Mechanismus  partiis  legt  H.  grossen 
Werth  darauf,  dass  „Presentation"  nur  auf  den  Theil  angewandt 
werde,  welcher  sich  in  der  Mitte  des  Beckens  und  Scheidekanals 
einstelle,  und  polemisirt  gegen  Naegele,  welcher  den  Ausdruck 
anders  gebraucht,  also  den  Geburtsverlauf  anders  dargestellt  habe. 
H.  behauptet  nämlich,  dass  nicht  ein  Scheitelbein  oder  ein  anderer 
Seitentheil  bei  der  gesundheitsgemässcn  Geburt  die  Presentation 
bilde,  sondern  immer  nur  ein  Punkt  der  Pfeilnaht  oder  ihrer  Ver- 
längerung. Die  Geburt  mit  der  vorderen  Fontanelle,  der  Stirn 
und  dem  Gesichte  voran  schliesst  H.  von  den  natürlichen  Ge- 
burten aus.  Die  Hinterhauptslagcn  „vertex  presentations"  theilt 
er  nach  Baudehcque  in  sechs  Positionen  ein:  left  occipito- ante- 
rior, right  occ.  ant,  occ.  pnbic,  left  occipito  posterior,  right  occ. 
post.,  occ.  sacral.  Die  Position  mit  dem  Hinterhaupt  nach  vorn 
und  rechts  hält  H.  für  nicht  so  selten,  als  es  Naegele  angiebt. 
Auch  die  occ.  pubic  habe  er  mehrmals,  Deweea  3  Mal  beob^htet, 
die  occ.  sacral  Dewees  3,  Meigs  2  Mal.  •  Von  der  rechten  and 
der  linken  orc.  post  giebt  er  zu,  dass  sich,  wie  NuegeU  gefunden 


396  Vit.    Literatur. 

hat,  das  Hinterhaupt  gewfthnlich  nach  vom  drehe,  aher  es  thüe 
dies  nicht  immer.  Der  Geburtshelfer  solle  daher  das  Hinterhaupt 
zeitig  mit  dem  Plnger  und  Hebel  vor  die  Spina  iachii  nach  der 
Symphyse  zu  bringen  suchen. 

Während  H.  die  manualen  Operationen  nur  kurz  bespricht? 
behandelt  er  die  instrumentalen  ausführlicher.  Er  schlägt  vor, 
die  Schlinge  „the  fillet"  nicht  nur  zur  Sicherung  vorgefallener 
Theile,  sondern  auch  zum  selbstständigen  Operiren,  besonders  in 
Steisslagen  zur  Extraction  zu  verwenden.  Dazu  soll  die  Schlinge 
aus  einem  längsgefalteten ,  durch  ein  Bougie  oder  einen  Fisch* 
beinstab  oder  durch  Draht  verstärkten  Bande  bestehen,  welches 
gebogen  und  wohl  beölt  eingeführt  und  dann  von  dem  stützenden 
Stabe  befreit  werden  soll.  Zur  leichteren  Einführung  soll  man 
unter  Umständen  eine  Röhre  mit  federndem  Stifte  darin,  oder 
eine  vergrösserte  Bello&Bche  Röhre  anwenden.  Den  stumpfen 
Haken  stellt  H.  der  Schlinge  nach :  er  sei  zwar  leichter  anzuwen- 
den als  die  Schlinge,  aber  viel  gefährlicher.  Den  Gebrauch  des 
Hebels  findet  er  lange  nicht  ausgedehnt  genug.  Man  soll  ihn 
erstens  zum  Zug,  namentlich  zum  Herabziehen  des  Hinterhauptes, 
dann  als  Hebel  im  engeren  Sinne,  vorzüglich  bei  der  horizontalen 
Drehung  des  Hinterhauptes  anwenden. 

Gegenüber  den  englischen  kurzen  Zangen  empfiehlt  H.  sehr 
die  langen  französichen,  als  deren  Muster  er  die  von  Baudelocque 
anführt.  Zangen,  welche  von  Deutschen  angegeben  sind,  scheint 
er  wenig  zu  kennen  und  zählt  dieselben  den  kurzen  zu.  Nur 
das  Schloss  der  r.  Siebold'schen  Zange,  welches  die  Vortheile  des 
englischen  und  französischen  vereinige,  empfiehlt  er.  Seine  eigene 
Zange  ist  damit  versehen,  sonst  eine  zierlichere  Nachbildung  der 
Baudelocque^schen.  Sie  ist  17  §  schwer,  16"  lang  und  hat  eine 
sehr  starke  Kopfkrümmung,  welche  erst  am  Ende  der  Arme  an- 
gebracht ist.  Die  Fenster  sind  sehr  gross  und  ihre  Ränder  auch 
nach  der  Breite  gekrümmt,  so  dass  die  Arme  zum  Umfassen  eines 
kugelförmigen  Körpers  besonders  geeignet  erscheinen.  Tiefe  Nar- 
cose  soll  bei  dem  Gebrauche  der  Zange  nicht  eingeleitet  werden, 
denn  Anlegung  wie  Ausziehung  dürfe  der  Patientin  nicht  schmerz- 
haft, ja  von  ihr  nicht  bemerkt  (\)  werden. 

Statt  der  verschiedenen  Instrumente  zur  Craniotomie  empfiehlt 
er  zwei  über  das  Blatt  gebogene  Scheeren,  deren  äusseres  Blatt 
verlängert  ist.  An  der  einen  ist  dasselbe  spitz  und  soll  in  den 
Schädel  so  eingestossen  werden^  dass  man  die  Oeffiiung  von  dem 
Einstiche  aus  erweitern  kann.  Dann  soll  man  mit  der  andern, 
deren  längerer  Arm  oben  stumpf  ist,  die  Eröfl'nüng  des  Schädels 
vervoliständigen.  Entschieden  verwirft  H  die  in  England  zum 
Ausziehen  des  geöfi^neten  Kopfes  gebräuchlichen  scharfen  Haken 
^crotchets"  und  empfiehlt  statt  derselben  die  „deutsche  enten- 
schnabelförmige ",  odei'  eine  von  Meigs  angegebene  gel>ogene 
Zange.    Noch  mehr  empfiehlt  er  die  Cephalotribeu ,  von  denen 


Vn.  .Literatur.  397 

er  nur  die  Baudelocqtie^hche  und  die  Braun'sche  kennt,  indem 
die  Cepbaloiripsie  seines  Wisseos  weder  in  Amerika  noch  in 
England  vorgenommen  worden  sein  soll.  £r  selbst  hat  die 
Bäudeloeque^hche  abgeändert  und  sein  Instrument  „compressor 
cranii"  genannt.  Es  wiegt  3}  Pfd.  und  ist  mit  einer  Kopfkrüm- 
mang  versehen,  welche  das  Ausgleiten  des  Kd^fes  verhüten  sulL. 
Die  Arme  werden  durch  eine  4.J "  lauge  Schraube  mit  einer 
Schraubenmutter  in  beweglicher  Nuss  an  dem  einen  Griff,  nach- 
dem der  andere  an  die  lange  Schraube  des  erste u  befestigt  wor- 
den ist,  aneinander  getrieben  Das  Schloss  gleicht  dem  an  seiner 
Zange. 

Den  Kaiserschnitt  soll  man  in  der  ersten  Geburtsperiode 
machen.  H.  erzählt,  dass  Gibson  in  Philadelphia  an  einer 
Patientin,  die  schon  2  Mal  durch  Craniotomie  wegen  zu  engen 
Beckens  entbunden  worden  war,  2  Mul  den  Kaiserschnitt  voll- 
zogen habe 

Stirnlagen  räth  H.  in  Hinterhauptslagen  zu  verwandeln  und 
dazu  den  Hebel  zu  benutzen,  da«  die  Spitzen  der  Zange  leicht 
ttber  den  Kopf  hinausreichen  und  den  Hals,  die  Schultern,  oder 
wie  er  selbst  beobachtet  hat,  die  Nabelschnur  verletzen  und  Blu- 
tungen hervorrufen  könnten.  Bei  todtem  Kinde  bat  er  auch  durch 
den  stumpfen  Haken  Stirnlagen  mit  gutem  £rfolge  in  Gesichts- 
lagen  verwandelt.  Bei  Gesichtslagen ,  besonders  wenn  das  Kinn 
nach  hinten  sieht,  hält  H.  die  Anwendung  der  Schlinge  für  sehr 
nützlich.  Wenn  man  sie  zwischen  Hals  und  Hinterhaupt  gebracht 
habe,'  was  man  mittels  biegsamen  Stabes  oder  fej/oc'schen  Böhr- 
chens  wohl  thun  könne,  habe  man  es  in  der  Gewalt,  das  Hinter- 
haupt herabzuziehen.  Gleichzeitig  soll  man  das  Kinn  hinauf- 
Bchieben.  Viel  käme  dabei  auf  die  Richtung  des  Zuges  an,  der 
immer  in  der  Richtung  des  Diameter  cervicobregmatic.  gemacht 
werden  müsse,  also  bei  dem  Herabrücken  des  Hinterhauptes 
allmälig  mehr  nach  hinten. 

Auch  beim  nachfolgenden  Kopfe  verwirft  H.  die  Anwendung 
der  Zange  und  empfiehlt  nach  fruchtloser  Anwendung  der  Finger 
und  des  Hebels  einen  kurzen  stumpfen  Haken  an  den  Rand  der 
Augenhöhle  („child  still  livingl")  oder  in  die  Nasenhöhle  einzu- 
setzen, während  man  das  Hinterhaupt  in  die  Höhe  schiebt. 

Bei  Querlagen  soll  man  erst  die  äussere  Wendung  auf  den 
Kopf  versuchen  und  vorzüglich  durch  passende  Lagerung  unter« 
stützen.  Wenn  das  Kind  todt  ist,  soll  man  es  am  besten  mit  einem 
in  den  Beckenrand  eingesetzten  Haken  ausziehen. 

Den  fehlerhaften  Becken  widmet  er  nur  wenig  Raum.  Bei 
Nordamerikanerinnen  sollen  die  aus  schlechtem  Lebensunterhalt 
entstehenden  Krankheiten  sehr  selten  sein:  „Malacosteon"  komme 
hauptsächlich  in  England  vor  und  werde  daher  „englische  Krank- 
heit" genannt. 

Gegen  Krampfwehen  empfiehlt  H.  hauptsächlich  Aderlässe» 


398  Vll.    Literatur. 

aber  auch  Narcose.  Statt  des  Chloroforms  räth  er  Aether  zu 
nehmen.  Aether  wirke  zwar  langsamer  und  unangenehmer,  habe 
aber  noch  nie  einen  Todesfall  zur  Folge  gehabt,  obgleich  er  in 
Amerika  regelmässig  angewandt  werde.  Gegen  „puerperale  Cdn- 
vnlsionen''  empfiehlt  er  mehrmaligen  Aderlass,  Narcotica  per 
rectum,  Chloroform  oder  Aether.  Dagegen  räth  er  dabei  von 
künstlicher  Beschlcuaigung  der  Geburt  ab,  besonders  vom  Blasen- 
sprengen und  Ton  der  Wendung.  In  demselben  Capitel  bespricht 
er  auch  Uterusruptur,  die  er  weniger  von  Verletzungen  durch 
Instrumente  oder  von  mechanischen  Geburtshindernissen  ableitet, 
als  von  ungeregelter  Thätigkeit  der  Muskelfasern,  vorzäglich 
nach  dem  Gebrauche  des  Mutterkornes.  In  allen  Fällen  von 
Uterusruptur,  die  er  gesehen^  einen  ausgenommen,  habe  man 
vorher  Mutterkorn  gegeben. 

Carl  MarUfL 


Hieber:   Num  versio  in  caput  inter  gravidita- 
tem  sit  adhibeuda? 
(Dissert.  inaug.  obstetric.  pp.    Regimonti  Pr.  MDCCCLXIY.) 

Nachdem  Verf.  zuerst  fttnf  Fälle  mitgetheilt  hat,  in  deren 
Einem  allein  die  in  der  letzten  Zeit  der  Schwangerschaft  bei 
querliegendem  Kinde  versuchte  Wendung  auf  den  Kopf  durch 
äussere  Handgriffe  von  gewünschtem  Erfolge  begleitet  war,  wäh- 
rend von  den  vier  Obrigen  drei  Kinder  in  Steisslage  und  eines, 
wo  die  Versuche  nicht  geglückt  waren,  dennoch  ohne  UiSe  in 
Kopflage  geboren  wurden,  berichtet  er  über  20  Fälle,  in  denen 
die  Wendung  auf  den  Kopf  erst  während  der  Geburt  eingeleitet 
wurde.  Zwölf  von  diesen  Fällen  Hessen  die  Einleitung  der  Wen- 
dung vor  dem  Blasensprunge  durch  äussere  Handgriffe  zu,  wäh- 
rend die  acht  übrigen  mit  äusseren  und  inneren  Handgriffen 
behandelt  wurden.  In  den  ersteren  wurde  die  Wendung  dadurch 
herbeigeführt,  dass  die  Person  auf  die  Seite  gelagert  wurde,  wo 
sich  der  Kopf  des  Kindes  befand,  und  an  die  Stelle,  wo  der 
letztere  durchgefühlt  wurde,  ein  Kissen  untergelegt  wurde.  Es 
blieb  stets  der  Kopf  über  oder  im  Beckeneingange,  wo  ihn  die 
nächsten  Wehen  fixirten,  nachdem  öfters  zu  ihrer  Unterstützung 
die  Blase  gesprengt  worden  war.  6  Mal  wurde  vollständiger  Er- 
folg erzielt,  6  Mal  jedoch  nur  so  viel,  dass  durch  permanente 
Seitenlage  und  unterliegendes  Kissen  der  Kopf  schliesslich  ein- 
trat; in  den  übrigen  acht  Fällen  wurde  die  Wendung  dadurch 
zu  Stande  gebracht,  dass  in  der  Seitenlage  die  eine  Hand  innei- 
lieh  den  Kopf  einzog,  während  die  andere  äusserlich  den  Steiss 
nach  der  Mittellinie  zuschob.  Der  Ausgang  war  stets  der  ge- 
wünschte. 

Aus  diesen  Fällen  zieht  Verf.  den  Schluss,  dass  es  weit  mehr 
am  Platze  sei,  die  Wendung  auf  den  Kopf  wäkrend  des  Beginnes 


VII.    Literatur.  399 

der  Geburt  vorzunehmen ,  als  jede  andere  Zeit  und  jede  andere 
Operation.  Denn  wenn  auch  die  Wendung  in  der  Schwanger- 
schaft meist  sehr  leicht  ausfahrbar  sei  (mit  Ausnahme  der  Fälle, 
wo  eine  abnorme  Configuration  des  Uterus,  z.  B.  herzförmige 
Gestalt  desselben,  oder  eine  zu  geringe  Menge  Fruchtwassers 
zugegen  ist),  so  sei  doch  der  Erfolg  auf  der  einen  Seite  kein 
constanter^  wie  aus  obigen  Folgen  hervorgeht,  auf  der  anderen 
Seite  aber  auch  oft  unnöthig,  weil,  wie  CreeU  (unter  100  Fällen 
66  Mal)  und  Hecker  bezeugen,  die  Selbstwendung  in  der  letzten 
Zeit  der  Schwangerschaft  oft  einträte.  Verf.  schliesst  sich  daher 
Hecker*8  Vorschlägen  an,  der  nur  das  Liegen  auf  der  betreffen- 
den Seite  und  das  Tragen  einer  eng  anschliessenden  Leibbinde 
mit  zwei,  unter  die  Endtheile  des  kindlichen  Körpers  unter- 
gestopfte Compressen  empfiehlt,  um  so  die  Selbstwendung  zu 
begünstigen. 

Dagegen  bezeichnet  Verf.  als  die  heilsamste  aller  Operationen, 
in  den  Fällen,  wo  die  Selbstwendung  nicht  eintritt,  die  künstliche 
Wendung  auf  den  Kopf  zu  Beginn  der  Geburt,  da  hier  alle 
Unterstützungsmittel  leichter  oder  nur  für  kürzere  Zeit  anzu» 
wenden  seien,  und  für  den  Fall,  dass  sich  der  Kopf  nicht  fixiren 
liesse,  immerhin  noch  das  Sprengen  der  Blase  zu  diesem  Ziele 
führen  könne. 

Nachdem  Verf.  schliesslich  noch  die  dieser  Operationsmethode 
gemachten  Einwürfe  widerlegt,  vergleicht  er  kurz  den  Erfolg 
dieser  Operation  mit  der  Wendung  auf  die  Füsse;  bei  ersterer 
kamefi  alle  Kinder  lebend,  bei  letzterer  gehen  nach  Hecker  ziem- 
lich \  derselben  zu  Grunde.  Die  erstere  gelang  in  sechs  Fällen 
sogar  noch  nach  Reposition  der  Nabelschnur  oder  kleinerer  Theile^ 
die  sonst  bei  Querlagen  gar  nicht  unternommen  werden ;  auch  die 
Prognose  für's  Wochenbett  ist  bei  ersterer  bedeutend  besser,  weil 
der  Uterus  weniger  gereizt  wird. 

(\  Spiegelherg:  De  cevicsis  uteri  in  graviditate 
mutatiuaibus    earuuKjue     quoad    diagnoäin 
aestimatioue.     Kegimouti  1865. 
Verf.  hat  in  dieser  Gelegenheitsschrift  die  von  ihm  auf  der 
Naturforscherversammlung  zu  Giesseu  mitgetheilten  Beobachtun- 
gen über  die  Längenveränderungen ,  welche  der  Mutterhals  in 
der  Schwangei-schaft  erleidet,  näher  auseinander  gesetzt.   Er  hebt 
zunächst  hervor,  dass  man  von  einer  isoliiten  Betrachtung  der 
Vaginalportion  absehen  und  den  Cervix  in  seiner  Totalität  bei 
Beurtheilung  dieser  Frage  berücksichtigen  müsse ;  denn  jene,  die 
eigentlich   nur  eine  Duplicatur  der  Scheidenscbleimhaut   bildet, 
bietet  so  viele  individuelle  Modificatiouen ,    dass  keine  für  alle 
Fälle  gültige  Beschreibung  derselben  zu  geben  ist.    Sic  hat  auch 
allein  zu  der  Lehre  vom  „Verstreichen"  Anlass  gegeben,  indem 


400  VII.    Literatar. 

9ie  sehr  oft  wirklich  kürzer  wird.  Dies  ist  aber  nur  die  Folge 
der  Lockerung  und  Massenzunahme  der  Schleimhaut  des  Schei- 
dengrundes und  des  supervaginnlen  Bindegewebes,  wodurch  der 
Ansatz  jeuer  an  den  Cervix  den  Muttermundslippen  naher  rückt; 
ja  es  kann  vorkommen^  dass  die  Vagina Ischleimfaaut,  ohne  einen 
Winkel  zu  bilden,  dircct  auf  die  Labia  uterina  übergeht,  die  Por- 
tion ganz  verschwunden  erscheint  —  ähulich  wie  die  Brustwarze 
in  Folge  der  Schwellung  und  Erhebung  ihres  Hofes  in  der  zwei- 
ten Schwangerschaft shälfte  verkürzt  erscheint,  ohne  es  wirklich 
zu  sein. 

Die  Länge  des  eigentlichen  ilalses  aber  ist  vom  Scheiden- 
grunde aus  schwer  zu  taxiren,  weil  seine  oberen  Grenzen  durch 
die  Lockerung  verwischt  worden  und  weil  in  den  letzten  Monaten 
das  durch  den  vorliegenden  Kopf  herabge drängte  untere  Uterin- 
segment  den  Hals  nach  hinten  treibt  und  so  dem  untersuchendea 
Finger  unzugänglich  macht.  Wo  dieses  nicht  der  Fall  ist,  wie 
bei  hochstehendem  Kopfe,  bei  Beckenend-  und  Schieflagen,  kann 
mau  sich  oft  auch  von  der  Scheide  aus  von  dem  unverkürzten 
Zustande  des  Halses  überzeugen. 

Sicher  aber  gelingt  dies  nur  durch  Messung  der  Lange  des 
Gervicalkanales,  und  durch  diese  Untersuchungsweise  fand  Verf. 
in  einer  sehr  grossen  Zahl  von  Messungen,  dass  die  L&nge  — 
für  die  er  im  nichtschwangeren  Zustande  durchschnittlich  etwas 
über  i''  P.  (nach  Krause)  annimmt  —  unverändert  bleibt, 
80  lange  nicht  Gontractionen  das  Ei  gegen  den  Canal 
vordrängen  und  so  seine  Wände  auseinander  trmen. 
Je  resistenter  der  untere  Abschnitt  des  Uterus,  je  mehr  gespannt 
er  ist,  desto  früher  wird  der  Canal  kürzer,  und  daraus  erklärt 
sich  das  verschiedene  Verhalten  desselben  bei  Erst-  und  bei 
Mehrgeschwängerten.  Die  Verkürzung  des  C anales  giebt 
also  nicht  über  den  Termin  der  Schwangerschaft,  son- 
dern nur  über  das  Herannahen  der  Geburt  Aufschluss. 
•  Nachdem  Verf.  seine  Untersuchungsweise  an  einer  Zahl  von 
Beispielen  erläutert,  geht  er  auf  die  Frage  von  der  Zeitbe- 
stimmung der  Schwangerschaft  überhaupt  ein,  and 
führt  als  Momente,  welche  diese  zu  beantworten  im  Stande  sind, 
an:  die  Ausdehnung  des  Uterus,  die  Entwickelung  seines  unteren 
Abschnittes  im  Verhältnisse  zu  der  des  Grundes,  die  durch  gleich- 
seitige innere  an4  äussere  Untersuchung  zu  bestimmende  Grösse 
des  Foetus,  den  Grad  der  Lockerung  der  inneren  Genitalien  und 
der  der  Reizempianglichkeit  des  Uterus.  Eine  Anzahl  von  Mes- 
sungen des  Höhenstandes  des  Utcrusgrundes  oberhalb  der  Scham- 
fuge aus  verschiedenen  Schwangerschaftsmonaten  ist  noch  beige- 
fügt; eb  hat  sich  kein  bestimmter  Anhalt  aus  ihnen  ergeben. 


Drnck  von  G.  fieri^tein  in  Berlin,  Behrenstr.  06. 


MofLiiy.ri'j  f  GekroVi.Ti  BiXJiV  Hl"' ' 


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Monatsschrift 

für 

GEBÜRTSKUNDE 

und 

Frauenkrankheiten. 

Im  Verein  mit  der 
Gesellschaft  für  Geburtshülfe  in  Berlin 

herausgegeben  von 

Dr.  C.  S.  F.  Cred6, 

ITofratb,  ord.  Prof.  und  Director  der  EntbindungR- Anstalt  In  L'oip/i^'  etc. 

Dr.  C.  Hecker, 

Uofratb ,  ord.  Prof.  nnd  Director  der  Entbindtings  •  Anntalt  In  München,  Ritter  rtc 

Dr.  Ed.  Martin, 

Of*h.  Rath,  ord.  Prof.  und  Director  der  Entbindtings -Anstalt  in  Berlin.  Ritter  otc. 

Dr.  F.  A.  von  Ritgen, 

nch.  Rath,  ord.  Prof.   und  Director  der  Entbindung« -Anstalt  in  Oie<iscn, 
Corothur  etc. 

Sechsaiidzwanzigster   Band. 

Mit  sschn  Tafeln  Abbildungen. 


Reriin,  1865. 

▼erlag  von  Angnst  Hirschwald, 

'"•->  r.  i\.  IJndon,  Erko  «lor  Srlia<1o«-Stra»<«5r 


Inhalt. 


Heft    I. 

Seite 
I.  Verhandlang^en  der  GeselUehaft  für  Gebartshülfe  io  Berlin       1 

C  Braun:    Ueber  eine  Spritie  la  Injectionen  in  die 
GebSrmntterböhle    1 

Spiegelberg:    Ueber  die  Bildung  und  Bedeatung  des 
gelben  Körpers  im  Eierstocke 7 

E.  Martin:   Zwei  Fälle  von  Darmeinklcmmung  durch 
Exsndatfäden    nach  Wochenbetten;   bei    der  einen 

Kranken  ein  Uterus  bilocnlaris 17 

Klebe :  Vorlegung  eines  Präparats  von  Ovarialcystoiden 

(Adenome) 19 

.    L.  Mayer:  Ueber  Atresia  vaginalis  acquisita 20 

II.  Ueber  ein  cystenartiges  Gebilde  im  Nabelstrange  einer 
Tranbenmole.     Von  Dr.  Oekar  Hahn.    (Mit  Abbildung.)      33 

III.  Beiderseitiges  Cephalhaematoro.    Von  Dr.  Äbegg    ....     43 

IV.  Achtundvierzigster  Jahresbericht  über  die  Ereignisse  in 
dem  Entbindungsinstitute  bei  der  königl.  sHchs.  Acade- 
mte  zu  Dresden  im  J.  1861.  Von  Prof.  Dr.  Oreneer,  königl. 
sUchs.  Geh.  Med.-Rath  etc 51 


IV  Jnhalt. 

SflH 

V.  Notisen  ans  der  Journal -Literatur: 

Ludwig  Füret:  Zar  Therapie  der  chronischen  Metritis  77 

J.  Main    Die  Ansteckung  bei  dem  Kindbettfieber  .  .  8(> 

Marion  Sima:  Blutige  Erweiterung   des  Mutterhalses  80 


Heft    n. 

VI.  Ueber  die  Anwendung  der  Intrauterin- Pessarien.  Von 
Dr.  H.  Hildebrandt t  Privat -Dozenten  in  Königsberg 
in  Preussen 81 

VII.  Hin  Beitrag  zur  mikroskopischen  Anatomie  der  reifen 
menschlichen  Eihüllen.  Von  Prof.  Dohm  in  Marburg. 
(Mit  vier  Tafeln  Abbildungen.) 114 

VIII.  Ueber  die  in  der  geburtshülflichen  Klinik  zu  Bonn^im 
Sommer  1864  und  Winter  1864/65  aufgetretenen  puer- 
peralen Erkrankun^n.  Von  G.  Veit,  (Fortsetzung  folgt.)  127 

IX.  Notiien  aus  der  Journal -Literatur: 

G.  L.  Bonnar:  Kritische  Untersuchungen  über  Super- 
foetation  nebst  Fällen  von  solcher 155 

P.  Müller:  Bericht  über  die  Ereignisse  auf  der  unter 
der  Leitung  des,6eheimraths  Prof.  Dr.  v.  Scamtoui 
stehenden  geburtshülflichen  Klinik  zu  Wurzburg, 
vom  1.  November  1860  bis  81.  Ootober  186S  ....  158 

F.  Müllen  Ein  F^all  von  wiederholter  totaler  Um- 
drehung des  Kindes  um  seine  Querachse  im  letzten 
Schwangerschaftsmonate 160 


Heft   ra. 

X.  Ueber  die  in  der  geburtshülflichen  Klinik  zu  Bonn 
im  Sommer  1864  und  Winter  1864/65  aufgetretenen 
puerperalen  Erkrankungen.  Von  G.  Veit.  (Fortsetzung 
und  Schluss.) ' 161 

XI.  Hin  neuer  Untersuchungsstuhl  für  die  gyuHkologische 
Praxis.  Von  lyr.  Ernst  Mauke,  Arzt  in  Hamburg.  (Mit 
einer  Tafel  Abbildungen.)     208 

XII.  Gerichtliche    Gutachten    über    fleischliche    Vergehen. 

Von  Prof.  Dr.  Hofmann  in  München     213 


Inhalt.  V 

XIII.  Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

0.   Spiegelberg:     Bemerkung^en   über   Hebelpesflarien 

und  Hartgnmmisonden 232 

Grenet;  Ueber  Hjsterocautomie 233 

XIV.  Literatur: 

CcuoUif  Q.y  secondo  assistente  cet.,  prospetto  clinico 
della  regia  scnola  di  ostetricia  in  Milano.  Mil.) 
Borroni,  1866.     VIII.  und   183  S.  8« 233 

Derselbe^  rivista  ostetrica  e  ginecologica.  Mil.,  presso 
la  8ociet&  per  la  pnbbl.  degli  Annuli  Univ.  delle 
Science  cet.  1864.     32  S.  8®.  V 283 

[G.  C<uati:  Rivista  ostretrica  e  ginecologicn.J  ....  240 

Heft    IV. 

XV.  Verhandlungen   der  Gesellschaft  für  Geburtshiilfe   in 

Berlin 241 

Junge:  Fall  von  Graviditas  tnbo-uterina 241 

Bo9e:  Ueber  das  Offenbleiben  des  Blase.  (Mit  Ab- 
bildung.)      244 

Kleba:  Einige  Präparate  von  Haematom  derPlacenta  272 

XVI.  Ein  Fall  von  Uterus  und  Vagina  duplex,  beschrieben 
von  Dr.  Rabe^  Assistensarzt  am  Stadtkrankenhause 
zu  Dresden 275 

XVII.  Mittheilungen  ans  der  geburtiihülfliohen  Klinik  zu  Kö- 
nigsberg in  Prenssen.     Von  Dr.  Carl  Seydel,    erstetu 

Assistenten  der  Klinik     277 

I.  Einige  Fälle  von  Eclampsia  pucrpernlis 277 

II.  Beitrag  zur  Behandlung  des  Scheintodes  der  Neu- 
geborenen. —  Einführen  von  Luft  in  die  Lungen 
eines  todtgebornen  Kindes  durch  die  AfarshaU- 
HalVnoht  Methode 284 

XVlir.  Gerichtliche    Gutachten    über    fleischliche    Vergehen. 

Von  Prof.  Dr.  Hofmann  in  München.     (Fortsetzung.)    289 

XIX.  Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

W.  Döniiz:  Beschreibung  und  ErlHuternng  von  Dop- 
pelmissgeburten      315 

Oreenhalgh:  Ueber  Dysmenorrhoe     318 

Haakei  Zur  Diagnose  der  Nabelsehnurumschlingung  319 
Cohnatein:  Mangel  der  Herztöne  beim  Sitz  der  Pla- 
centa  an  der  vorderen  Uterinwand    ........  319 


VI  Inhfilt. 

Soll-. 
XX.  Lit(.'rntiir:  ' 

A.  Poma,  i  solfiti.    Lettera  tersa  al  Dottor  O.  PolU. 

Mil.  1866 3«0 

G.  Polliy  sag^li  effetti  ottenuti  dal  solfito  di  inagnesia 
Della   febbre  puerperale  cet.     Mil.  1865 S20 


Heft    V. 

XXI.  Verhandlungen   der   Gesellschaft    für   Qeburtahiilfe    in 

Berlin 321 

Boehr:  Ueber  das  Absterben  eines  Zwillings  wäh- 
rend der  Schwangerschaft  bei  Weiterentwickelnng 

des  Anderen 321 

Boehr:  Fall  von  Graviditas  tubaria 334 

Martin:  Ueber  eine  glückliche  Ausstossang  and 
Ausziehnng    eines     ganzen     extrauterinen    Fötus 

durch  die  Bauchdecken 336 

Zober:  Ueber  Nabelblutungen 336 

Martin:  Zwei  Fälle  von  phagedanischem  Geschwär 
am  Muttermunde 342 

XXII.  Ueber  Gewicht  und  Länge   der  neageborenen  Kinder 

im  Yerhältniss  zum  Alter  der  Matter.   Von  C,  Hecker  348 

XXIII.  Gerichtliche  Gutachten  über  fleischliche  Vergehen. 
Von  Prof.  Dr.  Hofmtsnn  in  Münohen.  (Fortsetsun^r 
und  Schluss.) 363 

XXIV.  Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Day:  Eine  Wanderniere  giebt  die  Veranlassung  zu 
Symptomen  der  Schwangerschaft 387 

V.  Weber:  Die  Kephalotripsie  mit  besonderer  Hück- 
sieht  auf  Dr.  Breiskifa  Kephalotribe 388 

Eaatlake:  Ein  Fall  von  Amaurosis,  die  acht  Mal 
nach  den  Entbindungen  beobachtet  wurde    ....  389 

Banon:  Ueber  die  chirurgische  Behandlung  von 
Vesico-Vnginal-Fisteln 390 

(7.  Braun:  Ueber  künstliche  Frühgeburt  durch  See- 
tang (Laminaria  digitata) 392 

R.  Döbner:  Sechzehn  Fälle  von  künstlich  eingelei- 
teter Frühgeburt,  beobachtet  auf  der  geburtshülf- 
liehen  Klinik  zu  Würzbnrg,  mit  epikritischen  Be- 
merkungen   392 


Inhalt.  VII 

Seite 


XXV.  Literatur: 


Handbuch  der  systematischen  Anatomie  des  Men- 
schen. VonDr.iS.ZfsnZs.  11.  Band.  Eing^eweidelehre. 
2.  Liefr.  Harn-  und  Geschlechtsorgane.  Braon- 
schweigr,  1864.     pag.  278—534 394 

Die  corabinirte  änssore  nnd  innere  Wendung  von 
/.  Braxton  Hicka^  M.  D.  Lehrer  der  Geburtshülfe 
u.  Frauenkrankheiten  u.  Arzt  am  Ouy^s  Hospital 
2U  London  etc.;  aus  dem  Englischen  von  Wil- 
helm L.  Küntkty  Priyatdocent  in  Göttingen.  Göt- 
tingen 1865.     8.     p.  86 395 

£.  KoeberU,   de  rovariotomie.     Paris,  1865.     88  p.  397 

Le  m6me,  Operations  d^ovariotomie;  avec  6  plan- 
ches  lith.     Paris,  1865.     152  p 397 

F.  C.  Fayej  Beretning  om  Födselsstiftelsen  i  Chri- 
stiania  i  Sexaars-Tidsrnmmet  fra  1858  til  1863.      398 

Heft    VI. 

XXVI,  lieber  Hypospadie  beim  Weibe.  Von  Dr.  C.  L.  Hepp- 

ner  in  St.  Petersburg.     (Mit  einer  Abbildung.)  .  .  .  401 
XX VII.  Vierzigste  Versamml.  deutscher  Naturf.  u.  Aerste  in 
Hannover  1865.    Verhandl.  d.  Section  f.  Gynäkologie. 

Berichtet  von  Dr.  W.  Küneke 421 

Neugibauer:   Gebnrtsfall  e.  doppelköpfigen  Kindes  421 
Kaufmann:  Ursachen  d.  epid.  Puerperalfiebers  in 

Gebäranstalten 423 

Winckel:  Ueber  die  Harnbeschaffenheit  beiSchwan- 

geren,  Gebärenden  und  Wöchnerinnen     ....  424 
Homeyer:     Behandlung  des  Prolapsns  uteri  ....  424 
Martin:  Modificationen  in  d.  Technik  d.  geburtsh. 
Wendung  a.  d.  Füsse  u.  d.  Ausziehung  d.  zuletzt 

kommenden  Kopfes 428 

Schwartz:  Präparat  von  Inversio  uteri 436 

Sehtoartz:  Ueber  die  Häufigkeit  des  engen  Beckens  437 
Walz:  Ueber  die  Therapie  des  Uteruskrebses  .  .  443 
Müller:  Ueber  einen  interessanten  Geburtsfall  .  .  445 
XXVIII.  Zwei    neue    Fälle    von    Geburtscomplication    durch 

Uterusfibroide.     Von  C.  Hecker 446 

XXIX.  Notizen  aus  der  Journal -Literatur: 

Sadler:   Tubarsch wangerschaft  mit  einem  Corpus 
luteum  im  Kierstockc  der  anderen  »Seite  ....  459 


Vrri  Inhalt. 

Seite 

Philippart:  Fall  von  Extranterin-Schwangerschaft  459 
Baker  Brown:  Zwölf  Fälle  von  Ovariotomie  ...  460 

Dominico  Peruzzi:  Fall  von  Ovariotomie 461 

C,  Hueter:  Die  Saftcaniile  and  Lympfgerdsse  der 

menschlichen  Eihäute .   .  462 

W.  Eis:  Keob.  üb.  d.  Bau  d.  Snngethiereierstockes  4GS 
Rob.  Lee:  üeber  die  Behandlung  der  Sterilität  .  .465 
Bennet:  D.cfair.  ßehandl.  d.schmerzh. Menstruation  466 
Johnson:    Urinretention  fUUchlicb  für  Geburtsstn- 

^ium  gehalten     468 

0 .  Spiegeliberg :  Tiefe  Blaaen-Uterus-Schcidenfistel; 

Zerstörung  der  hinteren  Muttermnndslippe  n.s.w.  468 
H.  Davis  u.  G»  Lawson:  Nierengeschwulst,  fiilsch- 

lich  für  Ovariengeschwulst  gebalten 469 

Simsx  Schmerzhafte  Menstruation     470 

PeUiachek:  Gleichzeitiger  Bestand  einer  intra-  nnd 

extrauterinen  Schwangerschaft  u.  s.  w 472 

Hom:  Ein  Fall  von  Herausreissen  der  Gebärmnt- 

ter  aus  dem  Schoos  einer  Neuentbundenen  .  .  473 
Baumann:  Heilung  einer  spontanen  Uterusruptnr  475 

XXX.  Literatur: 

F,  Winckel:  Studien  üb.  d.  StoflFwechsel'b.d.  Geburt 
u.  im  Wochenbette  im  Anschluas  an  Harnanalysen 
b.  Schwang.»  Gebär,  u.  Wöchoer.    Rostock,  1865.  476 

O,  V.  Frangue:  Beiträge  zur  geburtshülfl.  Statistik. 
Sep.-Abdr.  a.  d.  22.  Hft.  d.  med.  Jahrb.  f.  d.  Her- 
zogthum  Nassau.     Wiesbaden,  1865 478 

E.  Martin  in  Berlin  an  O.  Veit  in  Bonn 480 


I. 


Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Oeburtshttlfe 

in 

Berlin. 


Sitzung  am  11.  April  1865. 

Herr  Fürst  (aus  Franzensbad,  als  Gast  anwesend)  de- 
monstrirt  C,  Braun's  Spritze  zu  Injectionen  in  die 
Gebärmutterhöhle. 

Das  Instrument  ist  zu  Injectionen  ilössiger  Hedicamente 
in  das  Gavum  uteri  bestimmt,  und  ist  der  Pravat*&chen 
subcutanen  Injectionsspritze  nachgebildet;  es  besteht  aus  einem 
21/2  —  3"  langen  Hart  -  Kautschuk  -  Rohre,  welches  nach  Art 
der  Simpaon'schefi  Uterussonde  gekrümmt  ist  und  am  obem 
Ende  eine  bewegliche  Olive  mit  einei*  seitlichen  Oeffnuiig 
zeigt,  ferner  aus  einem  Glascy linder,  der  zur  Aufnahme  von 
zwölf  Tropfen  Flüssigkeit  dient  und  drittens  aus  einem  Ver- 
läugerungsrohre,  in  dessen  Innern  ein  Stempel  läuft,  dessen 
Stempelstange  mit  Granentheilungen  versehen  ist.  Was  die 
Injection  medicamentöser  Flüssigkeiten  in  die  Uterinhöhle  über- 
haupt anlangt,  so  bemerkt  Herr  Fürsty  dass  es  zunächst  kei- 
nem Zweifel  unterliege,  dass  zuweilen  nach  Injectioneii  in  die 
Gebärmutterhöhle  heftige  Schmerzanfalle  im  Unterleibe,  oft  mit 
den  Theilerscheinungen  einer  allgemeinen  oder  localen  Peri- 
tonitis auftreten  können.  -  Die  allgemeine  Ansicht  ist  nun,  dass 
diese  Zufalle  durch  Uebertritt  der  injicirten  Flüssigkeit  aus 
dem  Uterus  durch  die  Tuben  in  die  Bauchhöhle  hervorgerufen 
sind.  Scanzoiu^s  Experimente,  die  Herr  Fürst  öfter  wie- 
derholt,   haben    allerdings    die  Möglichkeit    oder   wenigstens 

MonatMchr.  f.Oftbnrtek.  1886.  Bd.  XXVI..    Hfl  1  1 


2  I.    Verliiindlnngen  der  Gesellschaft 

Häufigkeit  dieses  Vorganges  sehr  unwahrscheinlich  gemacht. 
Bei  zwei  Fällen,  wo  nach  einer  äusserst  vorsichtig  vorgenom- 
menen Einspritzung  der  Art  bei  einer  Lebenden  die  heftigsten 
Schmerzen  auftraten,  überzeugte  sich  Herr  Fürst,  dass  er 
es  beide  Male  nur  mit  vehementen  Uferinalkoliken  d.  h.  Ute- 
ruscontractionen  zu  thun  hatte,  die  dann  auch  nach  warmen 
Umschlägen  und  der  Darreichung  einiger  Tropfen  Opium- 
tinctur  vollständig  verschwanden.  Unter  allen  Umstanden 
scheint  es  bei  einer  mittleren  Emplindlichkcit  oder  Reactious- 
fähigkeit  der  Gebärmutter  hauptsächlich  von  der  Gewalt, 
mit,  der  die  eingespritzte  Flüssigkeit  in  die  üterinhöhle  kommt, 
abzuhängen,  ob  Schmerzanfalle  folgen  oder  nicht.  Ausserdem 
ist  es  nöthig,  vorerst  die  Quantität  der  zu  injicirenden  Flüs- 
sigkeit genau  zu  kennen,  damit  nicht  durch  die  zu  grosse 
Menge  ein  Ueberti'itt  in  die  Bauchhöhle  möglich  werde,  an- 
dererseits aber  auch  die  injicirte  Menge  mit  der  Uterusschleim- 
haut gleichmässig  in  Beruhrimg  zu  bringen.  Simmtlicbe  Be- 
dingungen werden  durch  die  vorgelegte  Spritze  erfüllt,  deren 
TreibkrafL  eine  sehr  geringe  ist,  so  dass  die  Flüssigkeit  nicht 
herausgeschleudert  wird,  sondeVn  nur  seitlich  allmälig  tropfen- 
weise hervorquillt.  Bei  16  derartigen  Injectionen  fand  Herr 
Fürst,  wenn  er  nur  Acid.  pyrolignosum  einspritzte,  gar  keine 
Empfindlichkeit  der  Gebärmutter;  bei  Einspritzung  von  zwölf 
Tropfen  einer  Höllensteinlösung  von  einer  Drachme  Argent. 
nitr.  auf  zwei  Drachmen  Wasser  trat  nur  ein  leichtes  vor- 
übergehendes Ziehen  und  Brennen  ein.  Bei  chronischer  Me- 
tritis  und  Endometritis  erwiesen  sich  diese  Einspritzungen 
vortheilhafter  als  die  directe  Aetzung  der  kranken  Schleim- 
haut mit  dem  Höllensteinstift,  da  die  ätzende  Flüssigkeit  weit 
schneller  mit  der  erkrankten  Schleimhaut  in  Berührung  kommt, 
als  bei  dt^r  Aetzung  mit  dem  Stift,  wobei  sich  stets  ein  Sil- 
heralbuminat  u.  s.  w.  mit  dem  vorhandenen  Schleime  bildet, 
so  dass  die  kranke  Schleimhautoberfläche  nur  in  geringem 
Grade  geätzt  wird.  Es  gelang  Herrn  Fürst  in  allen  seinen 
Fällen,  mit  einer  Ausnahme,  die  profuse  Schleimabsonderung 
mit  zwei  bis  drei  derartigen  Einspritzungen  wenigstens  für  die 
Dauer  der  Beobachtung  vollständig  zu  beseitigen. 

Herr  Martin  bemerkt,    da«s  er  auch,  besonders  frubw, 
derartige  Injectionen  in   die>  Gebärmutterböhle  öfters  g4»macht 


flir  Oebnrtshfilfe  in  Berlin.  8 

bähe;  er  habe  sich  dazu  einer  Messingspritze  mit  einer  ganz 
feinen  Oeffnung  bedient  und  mit  dieser  Lüsun$?en  von  Cnpr. 
snlf,,  Argent.  nitr.  und  Tannin  von  Tersch#l»dener  Stärke  in- 
jicirt.  Wesentlich  scheine  ihm  in  Rücksicht  auf  die  zu  be- 
fürchtenden llterinkoliken  die  Temperatur  der  zu  injicirenden 
Flüssigkeit  zu  sein,  bei  zu  kalten  Injectionen  traten  Jeichl 
Schmerzanfalle  auf.  Bei  hartnäckigen  Blutungen,  die  durch 
Schwellung  der  IJterinschleimhaut  bedingt  gewesen  seinn. 
hätten  ^ derartige  Einspritzungen  durchaus  keinen  dauernden 
Erfolg  gehabt.  Besser  sei  in  solchen  Fallen  öfter  das  Ein- 
legen eines  Höllensteinslifles  gewesen,  der  sich  förmlich  mit 
dem  erkrankten  Gewebe  verfdzte,  so  dass  er  nach  mehr- 
tägigem Liegen  manclmial  nur  durch  Einspritziirtg  mit  Wasser 
zu  entfernen  gewesen  wäre.  Die  vorgelegte  Spritze  sei  be- 
sonders wogen  der  seillich  angebrachten  OelTnung  gewiss  sohr 
zweckmassig,  nur  furclite  er,  dass  gerade  diese  seitliche  OefT- 
nung  leicht  durch  Schleim  sich  verstopfen  könne. 

Herr  C.  Mayer  hat  sich  schon  wiederholt  gegen  der- 
artige Injectionen  in  die  Gebärmutterhöhle  ausgesprochen,  da 
er  selbst  bei  der  vorsichtigsten  Anwendung  derselben  schwere 
Znfalle  danach  habe  eintreten  sehen.  Was  die  Katarrhe  der 
Uterinhöhle  anlangt,  so  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass 
sie  zu  den  hartnäckigsten  üterinleiden  gehören  und  sehr 
häutig  zu  Sterilität  Veranlassung  geben.  Die  Diagnose  dieses 
Leidens  ist  jedoch  fast  unmöglich  unti  berulit  mehr  auf  einer 
Wahrscheinljphkeitsannahnie,  denn  es  ist  schwer  zu  entschei- 
den, ob  der  in  solchen  Fällen  aus  dem  Muttermunde  (piellende 
eitrige  Schleim  aus  der  Gebärmulterhöhle  oder  nur  aus  dem 
Cervicalkanal  stammt.  In  den  meisten  Fällen  durfte  er  niu' 
in  dem  Cervicalkanal  entstehen  und  dann  seien  die  von  Herrn 
Fürst  empfohlenen  Einspritzungen  nicht  nölhig.  Er  habe  in 
solchen  Fällen  die  Einspritzungen  auf  den  Cervicalkanal  be- 
schränkt und  sehr  häuHg  in  Anwendung  gezogen.  Das  dazu 
angewandte  Instmment  sei  ein  einfacher  elastischer  Katheter 
gewesen,  an  den  er  eine  kleine  Glasspritze  angesetzt;  man 
sehe  nun,  wenn  der  Katheter  nur  in  den  Mutterhalskanal  ein- 
geführt sei ,  deutlich  die  Flüssigkeit  sofort  wieder  al.tti«»ssen 
und  so  sei  ein  Eindringen  derselben  in  die  riebärmutlerhöhlf* 
und    weiter   unmöglich,      lim    die    Aetzung  mit    iW  kraiikiMi 


4  I.     VerhaudluD^en  der  Gesellschaft 

Schleimhaut  in  direcle  Berührung  zu  bringen,  habe  er  immer 
eine  Einspritzung  von  lauen>  Wasser  vorausgeschickt.  So 
viel  gebe  er  übrigens  zu,  dass  mit  der  JSraun'schen  Spritze 
die  Gefahr  der  Einspritzungen  in  die  Gebärmutterhöhle  we- 
sentlich gemildert  sei.  Dass  aber  nach  zweimaliger  Aetzung 
Uterinkalarrhe  zum  Stillstand  gekommen,  sei  nach  seinen  Er- 
falu^ungen  überaus  merkwürdig,  auf  jeden  Fall  könne  doch 
die  gfeichzeitig  bestehende  Endometritis  nicht  so  schnell  zur 
Heilung  gebracht  sein. 

Herr  Fürst  entgegnet  hierauf,  dass  natürlich  bei  be- 
stehender chronischer  Endometritis  gewöhnlich  die  Therapie 
gegen  diese  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden  dürfe.  Er 
theilt  als  Beispiel  folgenden  Fall  mit:  Eine  junge  Dame  litt 
seit  5  Jahren  an  einer  chronischen  Wulstung  der  IJterin- 
schleimhaut  mit  erschöpfenden  Menorrhagien  und  profusem 
Schleiujfluss.  Wiederholte  Cauterisationen  mit  Lapis  infer- 
nalis,  Cuprum  sulf..  Stabchen  von  Tannin  etc.  reichten  nebst 
Sitzbädern  und  Vaginalinjectionen  nicht  aus,  diesen  Zustand 
wesentlich  zu  ändern.  Dagegen  genügten  zwei  Injectiouen 
mit  der  oben  beschriebenen  IlöUensteinlösung,  um  die  Schleim- 
absonderuug  zu  sistiren  und  die  Menstruation  normal  zu 
machen. 

Herr  Martin  erzählt  folgenden: 
Aerztlichen  Kunstfehler  bei  einer  Entbindung. 

Eine  39jährige  Frau  hatte  8mal  leicht  geboren  bis  auf 
das  erste  Kind,  das  mittels  der  %nge  entwickelt  werden 
musste.  Die  9.  Geburt  hatte  am  normalen  Ende  der  Schwan- 
gerschaft eines  Abends  begonnen;  nachdem  am  andern  Mor- 
gen das  Wasser  abgeflossen,  der  Muttermund  vollständig  er- 
weitert war,  gab  die  Hebamme  Seeale,  das  sie  von  einer 
andern  Entbindung  mitgenommen  hatte  und  nach  drei  kräf- 
tigen Wehen  wurde  ein  kleines  lebendes  Mädchen  leicht  ge- 
.  boren.  Die  Nachgeburl  wurde  durch  Zug  an  der  Nabelschnur 
entfernt.  Die  Entbundene  wurde  vom  Gebm*tsstuhl  aus  in 
das  Bett  geführt  und  befand  sich  hier  anfänglich  ganz  wohl, 
bis  sich  bald  heftige  Schmerzen  im  Unterleibe  einstellten, 
welche  die  Hebamme  für  Nachwehen  hielt.  Etwa  1  Stunde 
daraut  zeigte  sich  ein  fremder  Körper  aus  ihren  Genitalien 
hprausgetreten.     Nachdem   die  Hebamme  etwa    V4  Stunde  an 


für  Gebortshülfe  in  Berlin.  5 

diesen)  Körper  manipiilirt  hatte,  ohne  dass  die  Wöchnerinn 
lebhafte  Schmerzen  empfand,  wurde  zu  einem  Arzt  geschickt. 
Derselbe  fand  seiner  Aussage  nach  einen  schwarzröthlichen 
nmden  Körper,  etwa  1"  weit  zur  Scheide  herausragend,  in 
der  Scheide  selbst  kam  er  bald  auf  eine  Oeifnung,  die  er  für 
den  Muttermund  hielt.  Er  glaubte  einen  Fleischpolypen  oder 
eine  Fleischmola  vor  sich  zu  haben ,  die  er  auf  Verlangen 
der  Frau,  die  er  übrigens  für  moribund  hielt,  entfernen  wollte. 
Zu  diesem  Zwecke  brachte  er  die  Frau  auf  ein  Querbett  und 
ging  unter  den  heftigsten  Schmerzen  der  Frau  mit  der  rechten 
Hand  in  die  Scheide  ein.  Nachdem  er  ohne  Erfolg  so  eine 
Zeit  lang  manipulirt  hatte,  ging  er  mit  der  andern  Hand  ein. 
Die  •  Frau  empfand  während  der  ganzen  Zeit  die  heftigsten 
Schmerzen  und  blieb  in  einem  anhaltenden  Schreien.  Nach 
%  Stunde  forderte  der  Arzt  die  Hebamme  auf,  an  dem 
Körper  zu  ziehen  und  so  wurde  derselbe  entfernt.  Gleich 
darauf  trat  eine  Darmschlinge  heraus,  die  repojiirt  wurde. 
Der  Arzt  liess  noch  einen  Sandsack  auf  den  Leib  legen  und 
verliess  die  Wöchnerinn,  die  sehr  bald  darauf  verstarb.  Am 
andern  Tage  erkannte  .ein  anderer  Arzt  in  dem  entfernten 
Körper  den  Uterus  mit  seinen  Adnexis,  schnitt  ihn  an  der 
vordem  Wand  auf  und  conservirte  ihn  in  Spiritus.  6  Wochen 
nach  dem  Tode  der  Frau  wurde  in  Folge  einer  anonymen 
Denunciation  die  Leiche  auf  gerichtlichen  Befehl  wieder  aus- 
gegraben und  die  obducirenden  Aerzte  berichteten,  dass  die 
Fäulniss  noch  so  wenig  vorgeschritten  gewesen  wäre,  dass 
mau  die  betreffenden  Verhältnisse  noch  genau  habe  beurtheilen 
können.  Es  habe  sich  weder  ein  Uterus  noch  seine  Adnexa 
gefanden,  dagegen  sei  ein  grosses  Loch  im  Mesenterium  und 
in  der  Harnblase  gewesen.  Die  Scheide  sei  abgerissen  ge- 
wesen. Die  Obducenten  waren  der  Ansicht,  dass  man  es  in 
diesem  Falle  (nit  einem  Prolapsus  uteri  zu  thun  gehabt  hätte. 
Das  Medicinalcolleg  ersah  aus  den  zu  beschreibenden  Ver- 
letzungen an  dem  Uterus,  dass  dies  wohl  nicht  der  Fall  ge- 
wesen sei,  ebenso  spräche  gegen  eine  Inversio  uterf  die  Unter- 
suchung des  zweiten  Arztes  und  das  noch  vorhandene  Prä- 
parat. Man  gab  schliesslich  das  Gutachten  ab,  dass  es  sich 
hier  möglicherweise  um  eine  ßetroversio  uteri  mit  spontaner 
Zerreissung  der  Sclieide  gehandelt  habe,  allenlings  kenne  man 


6  I.     Vorhand  langen  der  Gesellschaft 

liierlTir  keinen  Präcedeiufall.  Ileir  Martin  fand  zunäcb^t  ao 
(lern  der  wisse iiscliaftlicben  Depulaüou  eingesandlen  Präparat 
eine  sterufurnuge  Yerlelzuug  aussen  an  der  hintern  Wand  de;» 
Uterus,  ausserdem  Trennungen  seines  Gewebes  in  Gestalt  voii 
Rissen,  die  in  einer  Länge  und  Tiefe  von  1  —  IV2"  vom 
Fundus  herab  nach  dem  Collum  zu  verliefen  und  zwar  aul 
beiden  Seiten.  Diese  Verletzungen  schienen  mit  den  Nägehi 
gemacht  zu  sein  und  lassen  sich  nur  erklären,  wenn  man 
eine  Retroflexion  des  IJtcfus  amiiinmt,  mit  vorheriger  Durch- 
bohrung des  Scheidengewölbes,  wo  an  der  nach  vorn  gekehr- 
ten hintern  Wand  des  Uterus  rohe  Manipulationen  vorgenoroaien 
waren.  Herr  Martin  fand  nun  zunächst  in  der  Literatur  zwei 
Fälle,  die  hiei*  mit  heranzuziehen  sind;  der  eine  ist  Major  in 
Lausanne  vorgeliommen  und  später  von  Duhois  besdiriebeo. 
Es  handelt  sich  um  eine  Relroilexion  einer  schwangern  Ge- 
bärmutter im  4.  oder  ö.  Schwangerschaflsmonate  mit  voran* 
gegangener  Ruptur  der  Scheidenwand.  Die  Reposition  der 
Gebärmutter  wurde  vorgenommen  und  die  Frau  starb  bald 
danach.  Einen  ähnlichen  Fall  beschreibt  Grenaer^  in  welchem 
die  Frau  ebenfalls  staii).  Diese  Fälle  sind  jedoch  nur  an- 
nähernd hier  zu  verwerthen,  da  sie  die  schwangei*e  Gebar^ 
niutter  betreffen,  allein  ein  ganz  analoger  Fall  ist  im  Jabre 
1838  von  Schnackenberg  in  Cassel  beobachtet.  Es  zeigte 
sich  nach  der  normalen  Entbindung  einer  Mehrgebärenden 
unter  heftigen  Schmerzen  in  der  Scham  eine  Geschwulst  von 
blaurolher  Farbe,  die  Schnackenberg  für  den  retix)l)ectirten 
Uterus  erkannte,  der  aus  einem  fühibaron  Scheideuriss  hei-^ 
ausgetreten  war.  SchnacJcenberg  rej)onirte  den  Uterus  mit 
der  Hand  und  liess  die  Frau  dann  14  Tage  auf  dem  Bauche 
liegen,  in  weicher  Lage  dieselbe  genass,  so  dass  man  noch 
lange  die  Quernarbe  des  ehemaligen  Risses  in  der  Sdieide 
fühlen  konnte.  Herr  Martin  erklärte  demnach  den  oben  an- 
getührten  Fall  in  seinem  von  der  wissenschafllichen  Deputation 
angenommenen  Gutachten  ebenfalls  für  euie  Retroflexio  uteri 
pust  partum  mit  Austritt  des  Fundus  jiach  aussen  durch  einen  ' 
Scheidenriss.  Um  Prolapsus  uteri  könne  es  sich  hier  nicht 
gehandelt  haben,  da  weder  die  Hebamme  noch  der  Arzt  etwas 
von  pjnem  Muttermunde  bemerkt  hallen,  fernei*  sprachen  da- 
gegen die  äusseren  Verletzungen   an  der   hintern  Wand  und 


ffir  Oeburtflhalfd  in  Berlin.  7 

endlich  erschiene  es  unmöglich,  ohne  liistiumente  einen  pro> 
labirten  Uterus  bei  bestehender  Scheidenwand  von  seinen  Ver- 
bindungen zu  trennen.  Gegen  die  Annahme  einer  Inversio 
uteri  spricht  die  Beschaffenheit  des  Präparats,  wo  sich  an 
der  Innenfläche  des  Uterus  auch  noch  Piacentarreste  und 
Blutgerinnsel  fanden. 

Von  den  anwesenden  Mitgliedern  theillen  die  meisten  das 
von  C.  Mayer j  Krieger  und  anderen  geäusserten  Bedenken, 
dads  es  fast  unmöglich  erscheine,  dass  der  Fundus  des  nach 
der  Geburt  retroflectirten  Uterus  die  hintere  Scheidenwand 
perforiren  solle,  ohne  dass  dieselbe  vorher  zerstört  worden 
sei,  etwa  bei  Entfernung  der  Nachgeburt,  Aoför  aber  kein 
Anhaltspunkt  aus  den  Acten  sich  ergeben  hatte,  wie  Herr 
Martin  auf  eine  bezügliche  Anfrage  des  Herrn  Gussero w 
bemerkt. 


Sitzung  am  25.  April  1865.     ^ 

Herr  Spiegelberg  (auswärtiges  Mitglied)   macht  Miithet^ 
krngefi: 
1)  Ueber  die  Bildung  und  Bedeutung  des  gelben 
Körpers  im  Eierstocke. 

Nach  der  Angabe  der  Autoren  beginnt  die  Bildung  des 
Corpus  luteum  nach  dem  Austritte  des  Eies  als  eine  Wuche« 
rUDg  von  den  Zellen  der  Membrana  granulosa  aus ;  nur  Einige 
lassen  auch  die  bindegewebige  Wand  des  Follikels  an  jener 
Theil  nehmen.  Die  gelbe  Farbe  soll  grösstentheils  von  dem 
ergossenen  und  veränderten  Blute  herröbi'en.  Nach  meinen 
UDtei*duchtingen  ist  das  Epithel  des  Follikels  an  der  Bildung 
des  gelben  Körpers  gänzlich  unbetheiUgt.  Dieser  besteht  aus 
grossen,  vielgestaltigen,  dicht  gedrängten  Zellen  mit  grossem 
Kerne;  eine  Membran  fehlt  den  Zellen;  getragen  sind  sie  von 
einem  zarten-  Geräste  eines  aus  länglichen  Zellen  und  Kernen 
bestehenden  Gewebes,  in  welciiem  die  Gefasse  enthalten  sind. 
Alle  diese  Elemenle  stammen  von  der  bindegewebigen  FoUike^ 
wand .  welche  nach  aussen  in  das  OvaHalstroma  ohne  Grenze 
übergeht.  Reste  des  FoUikelepithels  finden  sich,  in  Zeifall 
begriflen,  nur  in  jungen*  gelben  Körpern,  nocli  in  deren  ceu- 


3  !•     Verfaandlnngfen  der  GeselUebaft 

Iraler  Höhle;  sie  hängen  nirgends  mit  der  eigentlichen  Neu- 
bildung zusammen. 

Die  ersten  Anfänge  des  Corp.  lut  zeigen  sich 
aber  schon  lange  vor  der  Ruptur  des  Follikels. 
Schon  bei  Kindern,  und  ich  sah  dies  bei  solchen  aus  dem 
2.  Jahre  schon,  zeigt  die  innerste  Lage  der  Wand  des  Eisackes 
ein  lockereres  Gefuge  als  die  äussere,  von  der  sie  sich  In 
continuo  leicht  abziehen  lässt;  und  sie  unterscheidet  sich  von 
ihr  durch  eine  deutlich  gelbe  Färbung.  Diese  Lage  besteht 
nur  aus  in  reichlicher  Neubildung  begriffenen  Bindegewebs- 
zollen,  welche  von  vielen  weilen  Capiilaren  durchzogen  sind 
imd  fast  jeder  Intercellularsubstanz  entbehren;  ein  Tbeil  der 
Zellen  und  besonders  die  dem  Epithel  nächsten  sind  in  Fett- 
iiietamorpbose  begriffen,  wenigstens  reichlich  mit  Fettkörn- 
eben  gefüllt  Zur  Zeit  der  Pnbertätsentwicklung  wird  diese 
innerste  Wucherungsschicht  an  den  der  Peripherie  des  Organes 
zunächst  gelegenen  Follikeln  mächtiger,  die  Zellen  sind  ge- 
drängter, die  Capiilaren  bilden  enge,  dicht  an  das  Epithel 
heranragende  Schlingen ;  die  fettige  Metamorphose  ist  stärker; 
die  Epithelzellen  selbst  scheinen  in  solcher  begriffen  und  zu 
zerfallen,  sie  liefern  wohl  zum  Theil  die  Follikelflössigkeit 
(Luschka).  —  An  den  zur  Ruptur  bestimmten,  dicht  unter 
der  Serosa  gelegenen  Follikeln,  sistirt  aber  an  der  vom  Ovarial- 
stcoma  nicht  mehr  umfassteu  PaHie  die  Wucherung,  während  die 
Fettmetamorphose  hier  gerade  stark  ist  Indem  durch 
fortschreitende  Wucherung  das  Lumen  des  Follikels 
verkleinert,  die  peripherischen  Partien  durch  re- 
trograde Metamorphose  erweicht  worden,  bricht 
endlich  die  Wand  durch  und  tritt  das  Ei  aus.  —  Der 
Bluterguss  ist  beim  Menschen  wenigstens  sehr  unbedeutend, 
ebenso  bei  der  Kuh ;  beim  Pferde,  dem  Schafe  fehlt  er  ganz, 
beim  Schweine  ist  er  am  stärksten. 

Nach  dem  Bersten  fallt  der  Follikel  zusammen,  seine 
Wand  legt  sich  in  Falten;  die  Bildung  von  Zellen  aus  der- 
selben gebt  aber  jetzt  erst  recht  energisch  vor  sich,  und  die 
Wand,  welche  jetzt  die  bekannten  himähnlichen  Windungen 
'  zeigt,  wird  sehr  stark;  das  Ganze  hat  das  Aussehen  einer 
dichten  Granula lionsschichl.  So  wird  die  Höhle  gefüllt,  nur 
im  Centrum  liegt  in  der  Regel  ein  kleiner  /^luterguss,  welcher 


für  Qebnrtahiilfe  in  Berlio.  9 

die  bekannten  Metanioipbosni  durchmaclit.  —  Die  Zellen  der 
gewucherlen  Wand  gehen  dann  fettig  zu  Grunde,  nur  das  Ge- 
röste  mit  den  grösseren  Gelassen  bleibt.  Durch  diese  fettige 
Metamorphose  wird  die  gelbe  Farbe  bedingt;  wo  sie  an  den 
Zellen  sehr  früh  eintritt,  wo  Neubildung  mit  Zerfall  Hand  in 
Hand  geht  (Mensch  und  Kuh),  ist  der  Körper  immer  gelb; 
wo  sie  spät  eintritt  (Pferd,  SchaO«  hat  er  lange  ein  röthliches 
fleischiges  Aussehen.  AUmälicb  verschwindet  so  diese  Zellen- 
masse,  und  es  bildet  sich  aus  dem  Gerüste  derselben,  dessen 
Gefasse  später  ebenfalls  zum  Tbeil  fettig  zu  Grunde  gehen, 
die  sternförmige  weisse  Narbe,  von  der  noch  lange  Spuren 
bleiben.  Wo  der  Bluterguss  sehr  reichlich  war,  ist  die  Narbe 
noch  lange  dunkel  gefärbt. 

Noch  möchte  ich  einige  Bemerkungen  über  die  mor- 
phologischen  Vorgänge  bei  der  Ovulation  anreihen. 
Man  sagt  gewöhnlich,  diese  sei  durch  das  periodische  Reifen 
eines  Eies  bedingt.  Wenn  wir  aber  aus  einer  Anzahl  von 
peripherisch  gelegenen  Follikeln  die  £ier  betrachten,  so  finden 
wir  keinen  Unterschied  iu  denselben ;  sind  sie  überhaupt  nor- 
mal, so  verhalten  sie  sich  alle  auf  gleiche  Weise.  Wir  haben 
keine  Mittel ,  einem  Ei  anzusehen ,  ob  es  ganz  oder  noch 
nkht  ganz  reif  .sei ;  und  wenn  wir  von  einem  Reifen  der  Eier 
sprechen,  so  ist  das  eine  hypothetische  Annahme.  Was  wir 
aber  bei  jeder  Ovulation  (Menstruation,  Brunst)  beobachten 
können,  ist  das  Reifen  der  Follikel,  und  dieses  besteht 
morphologisch  iu  der  Zunahme  der  schon  vorher  begonneneu 
Wuchenmg  und  fettigen  Metamorphose  der  Foliikelwand.  Ich 
nehme  an,  dass  reife  Eier  im  geschlechtsreifen  Zustande  fort- 
während im  Ovarium  enthalten  sind  und  dass  die  morpholo- 
gischen Veränderungen  in  der  Ovulation  vielmehr  im  Reifen 
eines  oder  mehrerer  Follikel,  d.  h.  in  einer  Vorbereitung  der- 
selben zum  Bersten  bestehen. 

Es  ergiebt  sich  aus  alledem  somit,  dass 

1)  das  Corpus  luteum  durch  eine  Neubildung  von  Zellen 
und  Gefässen  aus  der  innersten  Schicht  der  Foliikelwand  er- 
zeugt wird;  Hand  in  Hand  mit  der  Neubildung  von  Zellen 
geht  deren  fettige  Metamorphose. 

2)  Dieser  Prozess  beginnt  schon  sehr  lange  vor  der 
Pubertät,    steigert   sich    zur  Zeil  derselben,   und   bei  jeder 


10  1.     Verfaandltingen  der  Geselisehaft  - 

M«fisti*uation  und  Brunst  tritt   er   an   einem   »der   niefarereD 
Follikeln  Aberwiegend  hervor. 

3)  Er  ist  das  Mittel,  welches  die  Ruptur  der  Follikel  zu 
Wege  bringt,  und  es  bedarf  zu  deren  Zustandekommen  keiner 
durch  zweifelhafte  muskulöse  Elemente  ^sgeäbten  Vis  a  tergo. 
Zugleich  ist  diese  rasclte  Zunahme  der  Wucherung  der  Fol- 
likelwand  und  dei*  Fettmetamoqihose  der  neugebildeten  Zellen 
die  einzige  Veränderung,  welche  wir  zur  Zeit  der  Ovuiatioo 
an  den  betreffenden  Follikeln  nachweisen  können. 

4)  Nach  der  Berstung  des  Follikels  wuchern  die  zusaui- 
niengefailenen  Wände  desselben  stärker;  am  stärksten  geschieht 
dies,  wenn  Conception  erfolgt  ist,  in  Folge  der  in  der  Schwan- 
gerschaft zuüehmendcn  Blulfülle  und  der  intensiveren  nutri- 
tiven Thätigkeit  im  Stronta  des  Ovarium.  Die  neugebildeten 
Zellenmassen  gehen  aber  bald  fettig  zu  Grunde,  nur  deren 
aus  Gefässen  und  länglichen  Bindegewebszellen  bestehendes 
Gerüste  bleibt  und  bildet  durch  Schrumpfung  die  Folltkelnarbe. 
Ausfährlicher  davon  an  einem  andern  Orte. 

2)  Zur  Aetiülogie  des  Cephaliini  atonia  neonatorum. 

Am  Cephalämatom  der  Neugeborenen  haben  immer  seine 
Entstehung  und  seine  Behandlung  interessirt.  •  lieber  letztere 
gehe  ich  hinweg,  denu  Jeder,  der  eine  Reihe  solcher  FaMe 
gesehen,  weiss,  dass  der  Blaterguss,  wenn  er  nidit  zu  massig 
ist,  ohne  jegliches  Zuthun  völlig  schwindet,  und  dass  ein 
operativer  Eingriff  ihn  in  der  Regel  wohl  schneller  beseitigt, 
dass  aber  auch  hin  und  wieder  ein  übler  Ausgang  darnach 
eintritt. 

Die  Genese  des  Ce]>haläniatQms  dagegen  ist  noch  nicht 
aufgehellt.  Die  Mehrzahl  dei*  Geburtshelfer  Ifindet  sie  in  einem 
mechanischen  Einflüsse.  Inmier  aber  isit  es  aufge/allen,  dass 
der  Blulerguss  sich  auch  nach  relativ  ganz  leichten  Geburten 
findet,  bei  denen  ein  besonderes  Trauma  nicht  nachzuweisen. 
Nun  habe  ich  1)  das  Cephal.  bei  einer  Frühgeburt  von  6  Mo- 
naten, welche  in  utero  vor  dem  Blasensprunge  abstarb,  beider- 
seitig beobacbtet;  2)  dasselbe  zwei  Mal  in  der  Eröffnungs* 
periode  nach  finlj  abgegangenem  Fruditwasser  am  vorliegen- 
den Scheitelbeine  entstehen  fühlen;  3)  es  bei  in  Sleisslage  ge- 
borenen   Kindern   gesehen,    deren   Köpfe   rasch    durchtraten. 


für  Geburtahülfe  in  Berlio.  XI 

iiadtden)  die  Geburl  des  ninnpfps  lauge  gedauert;  4)  iinmer 
liahe  icl)  das  Gepliaiäu)ati>a)  sehr  bald  naah  der  Geburt  enlr 
deckt  und  uicbt  erst  nach  einigen  oder  1  —  2  Tagen,  und 
ich  glaube,  dass  solche  Angaben  aus  niangeihafler  Aufmerk- 
samkeit entspringen.  Halte  ich  nun  mit  diesen,  zum  Theil 
auch  schon  von  Anderen  gemachten  Erfahrungen  die  That- 
süehen  zusammen  —  welche  aus  einer  Durchmusterung  der 
beschriebenen  P'älle,  aus  Schwarzes  Buche  üher  che  vorzei- 
tigen Athembewegungen,  aus  meiner  Beobachtung  sich  ergiebt, 
und  auf  welche  jüngst  JSimon  in  Hörn'»  Vierldjahrsscbrift 
aufmerksam  gemacht  — ,  dass  nämlich  bei  Kimlern,  beson- 
ders bei  denen,  deren  Kreislauf  in  der  Geburt  eine  Störung 
erlitt,  sich  so  häufig  subpericraniale  Extravasate  finden:  so 
schliesse  ich,  dass  die  Kopfbl  utgeschwulsl  der  Neu- 
geborenen als  eine  Theiler  sehe]  nun g  der  durcli 
Störung  des  foetalen  Gasaustausches  und  beson- 
ders d  urch  vorzeitige  A  thembewegungen  bedingten 
Stauungen  und  Extravasate  am  kindlichen  Körper 
auzusehen  ist;  und  dass,  wo  man  Cephaläma  toni 
findet,  man  jene  Störung  aus  der  Geburt  wird  nach- 
weisen können.  Dass  dasselbe  so  gern  an  den  Schädel- 
knochen entsteht,  findet  seinen  Grund  in  dem  Baue  dieser, 
deren  diploeartige  Substanz  locker  vom  Periost  bedeckt  ist, 
in  welche  die  Gefasse  des  letzteren  fast  ohne  jegliche  Scheide 
eintreten,  also  leicht  zerreisslich  sind. 

Bei  dieser  Genese  wird  auch  die  Thatsache  aufgehellt, 
welche  bis  jetzt  nicht  erklärt  ist,  dass  nämlich  das  ergossene 
Blut  immer  flössig  ist  und  nur  hei  massiger  Ansammlung 
wenige  weiche  Gerinnsel  zeigt;  es  ist  eben  Blut,  welches  bei 
drohender  oder  eingetretener  Asphyxie  ergossen  wurde,  also 
bei  einem  Zustande,  der  immer  dünnflüssiges  oder  niclit  ge- 
rinnbares Blut  liefert,  zumal  beim  Foetus,  dessen  Hut  über- 
haupt weniger  leicht  gerinnt  Daher  auch  kommt  es,  da«s 
das  Blut,  öffnet  man  die  Geschwulst  sehr  bald  nach  deren 
Entdeckung,  an  der  Luft  sich  sogleich  rötliet  und  zu  einem 
klumpen  gerinnt.  —  Näheres  werde  ich  später  mittheilen.  — 

Herr  Boehr  erwidert  in  Bezug  auf  die  letzte  Miltheilung: 
gegen  die  aufgestellte  Hypothese  von  der  Entstehung  des 
Cephalanjatoms,  scheine  ihm  der  Umstand  zu  sprechen,  dass 


12  I-     Verhandlangen  der  Gesellschaft 

dasselbe  sehr  häufig  sein  masse,  wenn  es  Theilerscheinung 
(les  gehinderten  Placentarkreislaufes  wäre,  hekanntermassea 
sei  dasselbe  jedoch  eine  ziemlich  seltene  Erscheinung.  Ferner 
müsse  es  nach  der  angeführten  Theorie  ganz  besonders  häufig 
bei  todt-  oder  sterbendgeboronen  Kindern  beobachtet  werden 
und  doch  sei  dies  sehr  selten,  so  selten,  dass  er  unter  all 
den  in  dem  Buche  von  Scktoarz  über  die  vorzeitigen  Athem- 
bewegnngen  angeführten  Sectionsergebnissen  sterbend-  oder 
todtgeborener  Kinder  keinen  derartigen  Fall  sich  zu  erinnern 
wisse ;  die  Erfahrung  lehre  auch,  dass  eben  das  Cephaläroatom 
an  lebenden  Kindern  zur  ärzdichen  Behandlung  komme. 

Herr  Spiegelberg  entgegnete  hierauf,  dass  bei  sterbend- 
uder  todtgeborenen  Kindern  bekannterniassen  subpericranielle 
Blutergüsse  eine  überaus  häufige  Erscheinung  seien,  dass  diese 
sich  niciit  zu  Cephalämalomen,  von  denen  sie  doch  nur  gra- 
duell unterschieden  seien,  entwickelt  haben,  liege  eben  darin, 
dass  die  Kinder  unter  der  Geburt  gestorben  seien. 

Herr  Boehr  ist  der  Ansiqht,  dass  bei  gestörtem  Placen- 
larkreislauf  Blutergüsse  an  der  innern  Schädeloberfläche  häu- 
figer sein,  mussten ,  wie  dies  auch  aus  den  ÄcAtt;ar«'scben 
Sectionsberichten  sich  ergebe,  dass  also  für  das  Zustande- 
kommen der  äussern  Cephaläinalonie  noch  andere  Momente 
massgebend  sein  mussten. 

Herr  Spiegelberg  meint,  dass  gerade  das  Cephalämatoma 
interaum  sehr  selten  sei  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  die 
Dura  mater  dem  kindlichen  Schädel  weit  fester  und  inniger 
anliege,  als  das  äussere  Pericranium. 

Herr  Martin  hat  das  Cephalämatom  fast  immer  da  ge- 
funden, wo  der  Kopf  an  einer  Steile  des  Beckens  länger-  auf- 
gestanden hat,  ferner  häufig  am  hintengelegenen  Scheitelbein, 
wo  die  Wirkungeti  eines  Druckes  der  den  Kopf  getroffen, 
leicht  hervortreten.  Aus  diesen  Gründen  sei  er  der  Meinung, 
dass  eine  geringe  Verschiebung  der  Schädelknochen  aneinander 
genüge ,  um  eine  Gefässzerreissung  unter  dem  Periost  zu  be- 
wirken und  so  entständen  die  Cephalämatome.  Dass  ein  so 
gebildeter,  ursj)rünglich  gewiss  oft  sehr  kleiner  Bluterguss  be- 
deutend wachsen  müsse,  wenn  Stauungen  in  der  Circulalion 
hinzukämen,   sei    selbstverständlich.      Für   seine  Ansicht   von 


für  Oebartshiüfe  in  Berlin.  13 

der  Entstehung  der  Blutkopfgescliwulst  sprächen  auch  die 
Fälle,  wo  dasselbe  bei  Scliädelbrüchen  beobachtet  sei.  In  Be- 
zug auf  die  Tlterapie  dieser  Affection,  so  halle  er  es  nicht 
für  zweckmässig,  die  Heilung  immer  der  Natur  zu  überlassen, 
einmal  sei  dieselbe  auf  diese  Weise  eine  sehr  langsame  und 
dann  blieben  nicht  selten  Difformitäten  des  Schädels  danach 
zurück.  Wenn  die  Eröffnung  der  Blutkopfgeschwulst  bedenk- 
liche Folgen  gehabt  habe,  so  sei  dieselbe  meist  zu  früh  oder 
durch  einen  zu  grossen  Schnitt  unternommen  worden,  er  er- 
öffne alle  Cephaläraatome  am  10.  Tage  durch  einen  kleinen 
Einstich  und  habe  niemals  danach  üble  Folgen  gesehen. 

Zur  Bestätigung  des  von  ihm  Gesagten  theill  Herr  Martin 
folgende  zwei  Fälle  mit: ' 

Bei  einer  kräftigen  Erstgebärenden  mit  gut  entwickeltem 
Becken  (Sp.  U.  9V4"  Cr.  11.  11"  D.  B.  71/4"  D.  obig.  8"), 
begann  am  16.  November  1864  am  normalen  Ende  der 
Schwangerschaft  Morgens  früh  die  WehenthätigkelL  Unter 
regelmässigen  Wehen  war  Abends  9  Uhr  55  Minuten  die 
Blase  gesprungen,  bei  nahezu  vollständig  erweitertem  Mutter* 
munde  und  um  10  Uhr  40  Minuten  erfolgte  die  Geburt  eines 
lebenden  reifen  Knaben  verhältnissmässig  schnell.  Der  Kopf 
des  Kindes  hatte  sich  in  erster  Schädellage  zur  Geburt  ge- 
stellt und  während  des  regelmässigen  Durchtrittes  durch  den 
Beckencanal  war  auf  dem  rectiten  Scheitelbeine  eine  massige 
Kopfigeschwulst  entstanden.  Die  Kopfdurchmesser  waren  fol- 
gende: die  beiden  queren  3  und  SVa"«  die  geraden  4'/« 
und  5". 

Nach  der  Geburt  zeigt  sich  auf  dem  rechten  Scheilel- 
und  Hinterhauptsbeine  eine  massige  Kopfgeschwulst,  die  ani 
ersten  Tage  fast  vollständig  verschwindet  Am  2.  Tage  jedo^ 
bemerkt  man  auf  dem  rechten  Scheitelbeine  eine  etwa  thaler- 
grosse  fluctuirende  mit  den  Nähten  abschliessende  Geschwulst, 
eine  andere  gleicher  Beschaffenheit,  von  etwa  Zehngroschen- 
stück  Grösse  sass  mehr  auf  der  rechten  Hälfte  des  Hinter- 
hauptsbeins. 6  Tage  später  ist  die  Geschwulst  auf  dem 
Scheitelbeine  fast  zu  Gänseeigrösse  augewachsen,  länglich  oval 
gestaltet  (Längsdurchmesser  8  Miliim. ,  Querdurehuiesser 
5  Miliim.),  die  auf  dem  Hinterlmuptsbeine  ist  rundliclier  ge- 
worden (4  Miliim.  im  Durchmesser).     Die  Ränder  sind  iheil- 


14  I.     VfrrhandlnD^en  der  Gesellschaft 

weise  in  einen  schwielig  harten  Wall  umgeändert.  Das  Wachs- 
thuin  scheint  zu  sistiren.  Am  10.  Tage  wurden  durch  zwei 
kleine  Einstiche  mittels  der  Abscesslancette  die  beiden  fluc- 
tuirenden  Geschwölsle  geöffnet  und  aus  der  grossem  2 — 3 
Esslöffei  voll,  aus  der  kleinern  über  1  Esslöffel  voll  sdiwarzen 
flüssigen  Blutes  entleert,  die  SticholTnungen  durch  Heftpflaster 
geschlossen.  Die  Genesung  erfolgte  ohne  alle  Störung  in  den 
nächsten  Tagen. 

II.  Querlag«  (bei  einer  Erstgebärenden)  Kopf  i^echls, 
Baucli  vom.  Wendung.  Extraction  eines  tief  aspliyctischen 
Knaben,  wiederbelebt  durch  Einblasen  von  Luft.  Enges  Becken. 
Ophalämatoni  auf  dem  rechten  Os  temporale. 

Eine  29jährige  gesunde  Erstgebärende  begann  nach  nor- 
mal verlaufener  Schwangerschaft  am  21.  November  1864  zu 
kreisen.  Bei  vollständig  erweitertem  Muttermunde  erkannte 
man  eine  Querlage  des  Kindes  mit  nach  vorn  gerichtetem 
Bauche,  während  der  Kopf  in  der  rechten  Seite  des  Beckens 
lag.  Die  Wendung  auf  den  rechten  Fuss  wurde  in  linker 
Seitenlage  unter  Choloformnarkose  ziemlich  leicht  ausge- 
führt. Die  Extraction  gelang  bis  zu  den  Schultern  leicht.  Der 
rechte  Arm  hatte  sich  jedoch  in  den  Nacken  geschlagen  and 
es  gelang  nicht,  ihn  zu  lösen.  Der  nach  vorn  gelegene 
linke  wird  ziemlich  leicht  gelöst.  Bei  der  etwas  gewaltsamen 
immer  noch  sehr  schwierigen  Lösimg  des  rechten  Armes,  zer- 
brach die  Clavicula  des  Kindes.  Die  Extraction  des  Kopfes 
war  ebenfalls  nur  durch  grosse  Kraflanstrengung  möglich 
Das  Kind,  ein  Knabe,  war  tief  asphyctisch.  Nach  Einblasen 
von  Luft  von  Mund  zu  Mund  und  nach  Einführung  des  Ka- 
theters in  die  Trachea  kamen  einzelne  Inspirationen  zu  Stande 
^1  nach  ^/4Stundigen  fortgesetzten  Wiederhebungsversuchen 
gelang  es,  das  Kind  vollständig  zu  beleben.  Am  2.  Tage 
zeigte  sich  ein  Cephalämatom ,  genau  auf  die  Schnppe  des 
rachten,  also  des  bei  der  Lähmung  nach  hinten  gelegenen 
Schläfenbeines  beschränkt  und  wenig  prall  gefüllt.  Dasselbe 
heilte  in  wenigen  Wochen  durch  Zertheilung.  Der  Ann  des 
Kimles  wurde  in  eine  Mitella  gelegt. 

Die  mütterlichen  ßeckenmaasse  waivn  folgende:  Sp.  ^Vi"- 
Cr.  93/4".  Conj.  ext.  6".  Obl.  d,  7^  2-  s-  Ö"-  l'romon- 
torinm-  nicht  zu  erreichen. 


für  .OebnrUbülfe  io  Berlin.  15 

Herr  Weffscheider  spricht  sich  entschieden  dafür  aus, 
die  €epha)gmalome  der  Natur  zu  überlassen.  Er  habe  in 
einer  Reihe  von  Fällen  die  üblen  Folgen  der  zu  frühen  Er- 
öffnung (d.  h.  am  8.  Tage)  dieser  Geschwulst  zu  beobachten 
Gelegeilheit  gehabt.  An  den  grossen  Anstalten  zu  Prag  und 
Wien  gelte  bekanntlich  auch  der  Grundsatz,  die  Blutge- 
schwülste nicht  zu  erölTnen  und  dies  sei  ja  auch  conform 
deai  Grundsätzen  der  Chirurgie,  wonach  man  der  Luft  nicht 
'  gern  den  Zutritt  zu  Blutergüssen  derart  gestatte.  Im  Uebri- 
gen  sei  die  Heilung  dieser  Geschwulst  allerdings  langsam, 
so  entsinne  er  sich  eines  Falles,  wo  ein  mit  CephalaroüLom 
geborenes  Kind  4  Wochen  alt,  an  einer  Pneumonie  gestorben 
sei,  hier  habe  er  hei  der  Section  noch  eine  ziemUch  reich- 
liche Fibrinsclticht  unter  dem  Periost  gefunden. 

Herr  Spiegelberg  entgegnete  zunächst  den  Anführungen 
des  Herrn  MaHin,  dass  nach  seiner  Ansicht  die  Abtrennung 
des  Periostes  nicht  das  Primäre  für  die  Entstehung  der  iu 
Rede  stehenden  AfTection  sein  könne,  da  bekanntlicii  Cepha- 
lämatonie  oft  nach  den  leichtesten  Geburten  entstünden.  In 
Bezug  auf  die  Behandlung  erwähne  er  nur,  dass  Baum  iu 
Göttingen  ebenfalls  ausschliesslich  exspectativ  dabei  verfalu*e 
und  er  (Spiegelberg)  liabe  nie  einen  Nachtheil  davon  ge- 
sehen, am  wenigsten  könne  die  lange  Dauer  der  Heilung  als 
solcher  aufgefasst  werden.  Bei  kleinen  Einschnitten  läge 
immer  die  Gefahr  der  Wiedernnfüllung  vor,  während  in  zwei 
Fällen  von  Eröifnung  der  Gesell wulst  durch  einen  langen 
Schnitt  er  beide  Male  den  Tod  der  Kinder  durch  Pyaemie  in 
Folge  der  Eiterung  habe  eintreten  sehen. 

Herr  Martin  erwidert,  dass  nach  seiner  Anschauung 
eine  sehr  geringe  Abtrennung  des  Periosts  zur  Entstehung  des 
Cephalämatoms  ausreiche,  dazu  sei  keine  grosse  Gewalt  er- 
forderUch  und  dadurch  auch  das  Auftreten  desselben  bei  leich- 
ten Gehurten  erklärlich. 

Herr  Riedel  spriclit  sich  schliessUch  «ibeafdils  für  die 
exspectative  Behandlung  aus,  die  er  immer  befolgt,  seitdem 
er  einen  unglücklichen  Fall  nach  ErölTnung  eines  Cepha- 
lämatoms gesehen  hat.  Naditheile  hat  er  nie  davon  liemerkt, 
sondern  immer  trat  Heilung  im  Verlaufe  von  4  Wochen  ein. 
Obwohl  er  wiederholt  Kinder  nach  solchen  Heilungen  in  ihren 


16  !•     VerfaandluDgen  der  Gesellschaft 

späteren  Lebensaltern  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt,  habe 
er  nie  die  geringste  Difformität  des  Schädels  auffinden  können. 
Herr  Cohnheim  (als  Gast)  legt 

Ein  Präparat  von  Uterus  bilocularis 
vor    und    giebt    dazu    folgende   Erläuterung:      Das    Präparat 
stammt  von  der  Scction   einer  auf  der  gynäkologischen  Ab- 
tbeilung  des  Herrn  Martin  gestorbenen  Person  (s.  die  nach- 
folgende Krankengeschichte).     Es   fanden   sich    zunächst  bei 
Eröffnung  der  Bauchhöhle  stark  von  Gas  ausgedehnte,  aussen 
lebhaft  geröthete  Dunndarmschlingen,  die  an  einzelnen  Stellen 
durch  feine  Exsudatstränge  mit  der  ebenfalls  lebhaft  gerötbe- 
ten  andern   Bauchwaud   verbunden  waren.     Nach  Aufhebung 
dieser   tynipanilischen  Dänndarmschlingen   stiess  man   in  der 
rechten  Fossa  iliaca  auf  ein   Convolut   sehr   stark  verengter, 
ganz  dunkelblaurother  Dunndarmschlingen.     Ueber  dies  Paket 
hinüber  reicht  eiti    dunkelblaurother    derber  Strang,    von   der 
Dicke  eines  Sackbandes,  welcher  sich  bei  der  Präparation  als 
ein    bindegewebiger    vascularisirter   Adhäsionsstrang    erweist^ 
der    von    dem  Anfangslheil   des  an    der   normalen  Stelle  ge- 
legenen Coecum   nach  einer  Dunndarmschlinge   hinuberreicht, 
deren    natürliche   Entfernung   von   der  Valvula    Bauhini   nicht 
ganz  2  Fuss  beträgt  und  welclie  jetzt  am  Eingange  des  grossen 
Beckens  gelegen  ist.   Die  Länge  des  Adhäsionsstranges  beträgt 
genau    2  Zoll.     Das  Paket   Schlingen    zwischen   der    Valvula 
Bauhini    und   der  eben   erwähnten  Darmschlinge,   an   welche 
sich  der  Adhäsionsstrang  inserirt,   hat  sich  vollkommen  zwi- 
schen letzterem  und  dem  Mesenterium   hineingeschoben  und 
derartig  eingeklemmt,  dass  die  Communication  des  Dannrohres 
an  beiden  Endpunkten,  besonders  aber  im  Verlaufe  des  Dünn- 
darms selbst  aufgehoben  ist.     In  Bezug  auf  den  Uterus,  der 
der  Gesellschaft  denionstrirt  wurde,  ergab  sich  folgender  Be- 
fund :    Der  Uterus   war  nach   links   geneigt  und  vergrössert. 
Der  Fundus  durch   eine   gerade  in    seiner  Mitte    verlaufende 
etwa  V'   tiefe  Furche   in  zwei   gleichmässig  entwickelte  Ab- 
theilungen geschieden.     Die  Scheide  ziemlich  weit  mit  glatter 
Schleimhaut,  die  eine  eigenthümliche  schiefrig-gefleckte  Zeich- 
nung trägt,   die   durch  eine  Pigmentirung  in  der  Subnuicosa 
bedingt  ist     Der  Muttermund  klalTl  ein  wenig,  seine  Lipppen 
sind  hier  und  da  eingerissen  mit  überhänteten  Rändern.    Die 


für  GeburtflhSlfe  in  Berlin.  17 

Höhe  des  Uterus  beträgt  in  der  Mitte  entsprechend  der  Furdie 
2^/4  Zoll,  an  beiden  Seiten  3  Zoll.  Die  Breite  des  Fundus 
3",  seine  Dicke  ^l^'\  Der  Cervicalkanal  ist  etwas  weit  und 
ragt  von)  Orüicium  int.  her  an  seiner  hintern  Wand  ein  %" 
langes,  leicht  bewegUches,  ca.  2  Linien  dickes,  fleischiges  An- 
hängsel in  diu  hinein.  Dieses  bildet  den  Anfangstheil  ehier 
completen  Scheidewand,  die  die  Höhle  des  Uterus  vom  Ori- 
ticiura  int«  bis  zum  Fundus  iu  2  ganz  getrennte  Hälften  theilt 
und  an  der  oben  erwähnten  Furche  sich  inserirt.  Die  Dicke 
dieser  Scheidewand  beträgt  überall  2  Linien.  Von  den  beiden 
Höhlen  ist  die  rechte  etwas  enger,  ihre  Sclileimhaüt  ist  weich, 
aufgewulstet,  leicht  schiefrig,  mit  trübem  Schleime  bedeckt. 
Die  linke  Höhle  dagegen  etwas  weiter,  die  Schleimhaut  noch 
mehr  aufgewulstet,  gelblich  und  findet  sich  hier  an  der  hin- 
tern Wand  eine  ^f^"  hohe,  7«"  breite,  1'"  dicke  Erhebung 
der  Schleimhaut  von  weicher,  wulstiger  Bescliaffenheit  (Pia- 
centarstelle).  In  beiden  Ovarien  findet  sich  kein  deutliches 
wahres  Corpus  luteum,  am  allerwenigsten  im  linken  Ovarium. 
Im  rechten  Ovarium  findet  sich  eine  kleine  erbsengrosse  Cyste 
mit  weissem  talgähnlichen  Inhalte,  der  mit  Haaren  unter- 
mischt ist. 

Im  Anschluss  hieran  erzählt  Herr  Martin  zwei  Fälle 
von  Darmeinklemmung  durch  Exsudatfäden  nach 
Wochenbetten.  Bei  der  einen  Kranken  ein  Uterus 
bilocularis. 

1.  Eine  40  Jahre  alte  Bauersfrau  in  einem  2  Stunden 
von  Jena  entfernten  Dorfe,  welche  bei  ihrer  ersten  Entbin- 
dung am  20.  Februar  1849  den  Beistand  der  geburtshulf- 
liehen  Poliklinik  wegen  einer  Blutung  in  der  Nachgeburls- 
Periode  verlangt  hatte,  war  durch  künstliche  Lösung  der 
links  vorn  adhärenten  Placenta  von  dem  Verblutungstode  ge- 
rettet, erkrankte  aber  im  Wochenbette  an  einer  Perimetritis, 
welche  jedoch  bald  beseitigt  wurde.  Sechs  Wochen  nacl) 
der  Entbindung  (Anfang  April)  trat  ohne  bekannte  Vei'anlas- 
sung  heftiges  Erbrechen  mit  lebhaftem  Schmerze  in  der  rechten 
Weichengegend  auf.  Der  Leib  erschien  in  der  rechten  Seile 
aufgetrieben ;  der  Stuhl  war  verstopft;  von  der  Scheide  aus 
konnte   nichts   Abnormes   ermittelt    werden.     Das  Erbrecht) 

Mouatsschr.  f.  Qebartak.  1866.  Bd.  XXYI.,  Uft  1  2 


lg  I.     Verhandlungen  der  Oesellschaft 

dauerte  trotz  aller  Heilversuche  fort,  giDg  in  Rolhbreehen 
über  und  die  Kranke  starb  am  4.  Tage  der  neuen  Erkran- 
kung, Die  an  dem  folgenden  Tage  angestellte  Section  der 
Bduchböble  ergab  die  Incarceration  mehrerer  Döundarmschlin- 
gen,  welche  dunkelscbwärzlichroth  erschienen  und  eine  feste 
strangartige  Pseudomembran,  welche  vor  der  Vordem  Fläche 
des  Blinddarms  zu  einer  Dünndarmschlinge  verlief,  und  die 
Einschnürung  der  darunter  liervorgescbobenen  Darmschlingen 
bewirkte. 

Der  2.  Fall  betrifit  eben  die  Person,  deren  Seclionser- 
gebniss  Herr  Cohnheim  mitgetheilt  hat.  Die  Patientin  W. 
Buchholz,  24  Jahre  all,  wurde  am  12.  April  d.  J.  auf  die 
gynäkologische  Station  der  Chaiite  aufgenommen.  Die  Ana- 
n)nese  ergab  folgendes :  Pat.  stammt  von  gesunden  Ehern  und 
will  in  ihrer  Kindheit  ebenfalls  stets  gesund  gewesen  sein. 
Menstruirt  wurde  sie  in  ihrem  20.  Jahre  nicht  ganz  rege]- 
^massig,  jedoch  immer  ohne  Beschwerden.  Nach  einer  normal 
▼eHaufenen  Schwangerschaft  wurde  sie  im  März  1863  von 
einem  lebenden  Knaben  leicht  entbunden.  Das  Wochenbett 
verlief  ohne  Störung.  Die  Regel  stellte  sich  6  Wochen  post 
partum  wieder  ein  und  blieb  von  da  ab  regelmässig  bis  Mitte 
Juni  1864,  wo  erneute  Conceptiou  eintrat.  Die  Gravidität 
verlief,  ausser  anhaltender  Obstipation,  ohne  Beschwei*den. 
Die  Entbindung  erfolgte  am  22.  Februar  d.  J.  in  der  Ent- 
bindungsanstalt und  ist  darüber  Folgendes  notirt:  Die  Wehen 
begannen  am  22.  Februar  Morgens  8  Uhr  kräftig  und  regel- 
mässig, der  Blasensprung  erfolgte  107a  Dhr  Vormittags  imd 
gegen  2  Uhr  war  der  Muttermund  vollständig  erweitert.  Der 
Kopf  lag  in  erster  Schädellage  vor.  Der  Leibesumfang  be- 
ti*ägt  90  Cm.  'Die  Gestalt  des  Abdomen  ist  länglich  rund. 
Die  Neigung  des  Fundus  ist  nach  rechts,  sein  Höhenstand 
handbreit  über  dem  Nabel:  eine  dem  Uterus  scheinbai*  an- 
gehörende, doch  durch  eine  deutlich  fühlbare  Einziehung  im 
Fundus  von  ihm  abgegrenzte  kuglige  scheinbar  fluctuirende 
Geschwulst  springt  am  rechten  Seitenrande  des  Uterus  henor 
und  erscheint  mit  demselben  gleidizeitig  verschiebbar,  wäh- 
rend der  Wehe  auch  gleichfalls  zu  erhärten.  Um  2  Ulir 
45  Minuten  j^rfolgte  die  Geburt  eines  lebenden  massig  ent- 
wickelten Knaben  in  1.  Schädellage.     Am   1.  Tage  des  Puer- 


für  GebuTtshiilfc  in  Berlin.  19 

perium  sfellte  sich  in  der  rechten  Regio  iliaca  Schmerzhaflig- 
keit  ein.  Der  Leib  war  etwas  aufgetj-ieben ;  Obstructio  alvi 
bestand  schon  seit  mehreren  Tagen  vor  der  Entbindung.  Die 
Uteringegend  schmerzfrei,  obiger  Befund,  besonders  -  die  Ein- 
ziehung des  Fundus,  springt  deutlicher  hervor.  T.  39,5^. 
P.  108.  Am  3.  Tage  Schüttelfrost,  Zunahme  der  Schmerz- 
haftigkeit  rechterseits.  Nach  Ol.  Ricini  Abgang  harter,  bröck- 
licher  Scybala.  Ord.  Calomel  gr.  i  2stündl.  Dos.  Nr.  V. 
Hirud.  Nr.  VIII.  Am  5.  Tage  nach  mehrmaligen  dünnflüssi- 
gen Ausleerungen  Abnahme  der  Schmerzhafligkeit  und  der 
Aufgetriebenheit  des  Leibes.  Am  4.  März  wird  Pal.  voll- 
kommen genesen  entlassen.  Am  10.  April  ^erkrankte  Pat 
unter  heftigen  Leibschmerzen  mit  Auftreibung  des  Leibes  und 
Hess  sich  auf  die  gynäkologische  Station  der  Charite  aufnehmen. 
Hier  zeigte  sich  das  Abdomen  massig  gespannt,  auf  Druck 
besonders  in  der  Gegend  des  Colon  transversum  äusserst 
schmerzhaft.  Dabei  auch  spontane  Schmerzen  im  Leibe  und 
bedeuteude  Athemnoth.  Die  Untersuchung  ergiebt  die  Brust- 
eingeweide als  normal.  Die  Kranke  giebl  an,  dass  seit  circa 
3  Tagen  Stuhlverstopfung  vorhanden  sei.  Nach  dem  Gebrauch 
von  6  Igränigen  Calomelpulvern  kein  Stuhlgang,  wohl  aber 
mehrmaliges  Erbrechen  grünlich  gelber,  äusserst  faeculenl 
riechender  Massen.  Clysmata  sind  ohne  Erfolg.  Ebenso 
wenig  ei'folgt  am  13.  und  14.  April  nach  dem  Verbrauch  von 
15  Gr.  Calomel,  Clysmata  von  Ricinusöl  etc.  Stuhlgang.  Am 
15.  nach  Anwendung  der  Clysopomps  Abgang  von  einigen 
festen  KolhbaHen.  Forldauerndes  Erbrechen  von  dünnflüssi- 
gen, hellgelben,  kothig  riechenden  Massen.  Schmerzen  die- 
selben. 16.  April  Status  idem,  ebenso  am  17.  und  18. 
Tod  am  19. 


Sitzung  am  9.  Hai  1865. 

Herr  Klebs  legt  ein 

Präparat  von  Ovarialcysloiden  (Adenome) 
vor.     Die  nicht  sehr  grossen  Cysten   nehmen   f)eiderseiU  die 
ganze  Masse   der  Ovarien   ein,    so   dass    fast   kein  normales 


20  ^     Vorhaudlnngen   der  OeselUchaft 

/ 

Ovarialgewebe  aufzufiiideo  war.  Das  Eigenthumlicbe  des  vor- 
liegenden Falles  bestand  darin,  dass  auf  der  lanenfläche  dieser 
Cysten  zahlreiche  warzige  Excrescentien  vorhanden  sind,  die 
der  ganzen  Oberfläche  ein  papilläres  Aussehen  geben.  Wäton 
Fox,  der  diese  Gebilde  neuerdings  genau  untersucht  bat  (Med. 
chir.  Transactions  XXIX.  S.  227—288)  führt  sie  auf  Papillen  zu- 
rück, die  dann  durch  Zusammenwachsen  röhrenförmige  Drusen 
herstellen,  denen  aber  eine  Membrana  propria  fehlt.  Es  siud 
demnach  diese  Geschwulstformen  als  Adenome  der  Ovarien 
zu  bezeichnen.  Wilson  Fox  ist  von  der  drüsigen  StrucUir 
des  fötalen  Eierstocks  soweit  überzeugt,  dass  er  diese  cy- 
stoiden  Geschwülste  des  Ovariums  als  solche  betrachtet,  die 
in  Folge  einer  abnormen  Wiederholung  des  embryonalen  Ent- 
wicklungsprocesses  entstanden  sind,  obwohl  es  ihm  nicht  ge- 
lungen ist,  dieselbe  direct  darauf  zurückzuführen.  Herr  Klebt 
behält  sich  in  Bezug  hierauf  eine  genauere  Untersuchung  des 
vorgelegten  Präparates  vor. 

Herr  L,  Mayer  hält  einen  Vortrag 

lieber  Atresia  vaginalis  acquisita. 

Die  übliche  Trennung  der  Atresien  der  weiblichen  Ge- 
nital-Organe in  angeborene  und  erworbene,  hat  zwar  keine 
erhebliche  practische  Bedeutung,  wird  aber  immerhin  audi 
von  diesem  Standpunkte  als  berechtigt  festgehalten  werden 
können.  Erwägen  wir  die  Momente,  die  für  den  Practiker 
bei  diesen  Atresien  von  Belang  sind,  so  beschränken  sie  sich 
im  Wesentlichen  auf  die  Frage ,  welche  Differenzen  bieten 
beide  Arten  für  Vornahme  und  Prognose  operativer  Eingriffe. 
Dies  ist  in  der  Symptomatologie  der  Verschliessungen  der 
weiblichen  Sexual  -  Organe  begründet,  da  sie  Störungen  er- - 
heblicher  Art  einzig  durch  Retention  des  Menstrualblules  und 
der  Secrete  '  des  Uterus  hervorrufen ,  nur  in  vereinzelten 
Fällen  die  fraglichen  Atresien  spontan  durch  das  Andringen 
der  zurückgehaltenen  Secrete  zerreissen,  wie  es  bei  Atresia 
hymenalis  nicht  ganz  selten  beobachtet  ist,  andernfaUs  aber  die 
künstliche  Eröffnung  nothwendig  wird.  Für  die  operativen 
Eingriffe  nun  ist  es  von  grosser  Wichtigkeit,  welcher  Art  und 
welcher  Ausdehnung  die  Verwachsungen  sind,  und  dann,  wie 
sich  die  Organe  oberhalb  derselben  verhalten.  Lassen  Sie 
uns  nun  von  diesem  Gesichtspunkt  die  erworbenen  und  con- 


für  Gebnrtshülfe  in  Berlin.  21 

genitalen  Atresien  betrachten.  Beide  sind  mit  Ausnahme  der 
Defecte  und  der  Atresia  hymenaea,  welche  letztere  durch  ex- 
cessive  Bildung  entsteht,  auf  Entzundungsprocess  zurückzu- 
fähren,  durch  welche  bei  den  angeborenen  während  des  ganzen 
fötalen  Lebens  offene  Kanäle  geschlossen  werden.  In  den  erst 
in  der  Entwicklung  siebenden  Organen  stellen  sich  sehr  innige 
Verwachsungen  her,  dazu  gesellen  sich  die  bestehenden  Ent- 
zöndungsprocesse  zu  den  anzuführenden  Entwicklungsslörungen 
benachbarter  Organe.  Die  erworbenen  Atresien  dagegen  sind 
Verwachsungen  in  fertigen  Organen,  die  in  den  leichten  Fäl- 
len ohne  grössere  Schwierigkeit  zu  trennende  Verlöthungen 
sein  können.  Es  werden  also  geringere  Innigkeit  der  Ver- 
wachsungen einerseits  und  günstigere  Verhältnisse  für  die 
Beurtheilung  der  oberhalb  der  Atresie  liegenden  Organe  an- 
dererseits den  erworbenen  VerSchliessungen  eine  günstigere 
Stellung  in  practischer  Beziehung  sichern.  Die  Vaginal- Atre- 
sien gestatten  noch  eine  weitere  Eintheilung  verschiedener 
practischer  Bedeutung.  Die  Afresia  hymenaea,  welche  nur 
congenital  vorkommt,  und  wie  schon  erwähnt,  sich  durch  ihre 
Entwicklung  als  excessive  Bildung  von  den  eigentlichen  Va- 
ginal-Atresien  unterscheidet,  ist  vermöge  ihrer  einfachen  ana- 
tomischen Verhältnisse,  die  am  wenigsten  geföhrlichste  aller 
VerSchliessungen  des  Genitalapparates.  Wir  wollen  sie  als 
zu  den  eigentlichen  Vaginal-Atresien  gehörig  nicht  weiter  in 
das  Bereich  unserer  Betrachtung  ziehen. 

Die  Vaginal-Atresien  sind  entweder  vollkommene  oder 
partielle.  Die  partiellen  wiederum  theilen  sich  in. zwei  Arten 
verschieden  practischen  Werthes.  Nämlich  diejenigen,  die 
am  Introitus  ihren  Anfang  nehmen  und  die  Vulva  oberhalb 
frei  lassen,  und  zweitens  die  in  höheren  Partien  der  Vagina 
bestehendien.  Die  ersteren  sind  nach  Angabe  aller  Autoren 
seltener  und  schliessen  sich,  was  ihre  Prognose  betrifil,  den 
hymenalen  Atresien  an.  Der  Ausdruck  Atresia  tncompleta 
möchte  am  besten  ganz  vermieden  werden , '  und  zwar  nicht 
allein  der  in  dieser  Beziehung  liegenden  Contradictio  in  ad- 
jeclo  halber,  sondern  auch  deswegen, .  well  eine  Subsumirung 
der  Stenosen  unter  die  Atresien  ihrer  diiferenten  Symptoma- 
tologie halber  nicht  zu  billigen  sein  möchte.  Das  aber  muss 
zugegeben  werden,  dass  bei   einer  Betrachtung   der  Atresien 


22  I*     Verhandlung«!]  der  QeselUcfaaft 

die  Stenosen  als  unvollkommene  EntwickluugssLadieu  der 
Alresien  berücksichügt  werden  müssen. 

Lassen  Sie  mis  jelzl,  meine  Herreu,  auf  eine  etwas  spe- 
ciellere  Betrachtung  der  erworbenen  Atresien  übergeben. 

Die  ibi*er  Entstehung  zu  Grunde  liegenden  Eutzünduugs- 
processe  mit  Zerstörung  oberflächliclier  oder  tieferer  Gewebs- 
schichten  und  narbiger  Zusammenziehung  haben  ziemlich  zahl- 
reiche ursächliche  Momente.  Als  solche  sind  anzuführen, 
erstens  mechanische  Einflüsse,  unter  diesen  wieder 
Cauterisation,  Trauma  durch  Stoss,  Eindringen  fremder  Körper 
und  Fall.  So  theill  z.  B.  Bouchard  (Bul.  de  Therap.  Juiu 
1853)  emen  Fall  von  Obliteration  der  Vagina  in  Folge  schwe- 
ren Falles  auf  das  Kreuz  n)it.  Schwere  Entbindungen  mit 
instrumentellen  Eingriffen  Ueferu  unter  den  Ursachen  mecha- 
nischer Natur  wohl  das  grösste  Contingent  von  Scheidenver- 
wachsungen. Beispiele  sind  nicht  selten  zu  finden.  Bryk 
beschreibt  in  einer  sehr  beachtenswerthen  Arbeit  (zur  Diagnose 
der  Atresien  der  weiblichen  Gescldechtsorgane,  Wiener  Medic. 
Wochenschrift)  drei  eigen  beobachtete  Fälle  von  erworbenen 
Atresien  und  eine  hochgradige  Stenose.  Unter  den  erstei'eo 
ist  die  eine  nach  schwerer  Geburt  entstanden,  sowie  auch  die 
letzere  auf  eine  gleiche  Ursache  zurückzuführen  ist.  Macon 
Warren  erzählt  einen  Fall,  wo  die  vordere  Wand  der  Vagina 
zerstört,  die  Urinblase  mit  der  hinteren  Scheiden  wand  zu- 
sammengewachsen war^  »und  ein  künstlicher  Weg  zwischen 
hmterer  Vaginalwandung  und  Rectum  gebahnt  wurde. 

Eine  liochgradige  Vaginal-Stenose  nach  schwerer  Ent- 
bindung finden  wir  von  Turnbull  (Med.  Exam.  1851)  mit- 
getheilt. 

Schliesslich  möchte  ich  unter  die  mechanischen  Ursachen 
der  Vaginalverschhessungen  noch  unzweckmässige  Pessarien 
anführen.  Ich  selbst  habe  durch  sie  zwar  nur  Stenosen  ent- 
stehen sehen,  das  Zustandekommen  von  Atresien  ist  mir  afber 
hier  unzweifeihafV,  wenn  icli  erwäge,  wie  liefe  und  umfang- 
reiche Zerstörungen  der  ^Scheid«»,  durch  Pessarien  hervorge- 
rufen, ich  häufig  in  Behandlung  nahm.  Nicht  nur,  dass  die 
Apparate  ohne  Rücksicht,  ob  passend,  oder  nicht,  applicirt 
werden,  sondern  sie  bleiben  auch  Monate  und  Jalire  in  der 
Vagina  liegen.     Besonders  ist  das  Zwanck'sche  Hysterophor 


/  für  Gebartsbülfe  in  Berliu.  23 

geeignel,  ti*olz  seiner  Unübertrefflicbkeit  hei  richtiger  AuswaM 
und  Anwendung  —  liefe  Coritinuitätsstörungeu  zu  veranlassen. 
Es  ist  dabei  auflallend,  unter  wie  verhäitnissmäsiig  wenig  Be- 
schwerden die  Continuitätsstorungen  fortschreiten  können, 
sobald  die  Anlange  der  Exulcerationsprocesse,  die  in  der  Regel 
schmerzhaft  sind,  überstanden  wurden. 

So  kajHt  vor  einiger  Zeit  eine  Frau  in  meine  Behandlung, 
hei  welcher  Monate  langes  Tragen  eines  Zt^rancÄ^'schen  Pes- 
sariums,  ohne  Beschwerden  zu  verursachen,  eine  nicht  unbe- 
deutende Vesicovaginal-Fistel  hervorgebracht  hatte. 

Einen  ähnlichen  Fall  theilt  Stetger  in  der  Würzburger 
Med.  Zeitscbr.  V.  2  u.  3,  S.  129  mit.  Hier  hatte  ein  gleiches 
Instrument  5  Monate  in  der  Vagina  gelegen  und  zwar  — 
horribile  est  dictu  —  ein  zerbrochenes.  Der  eine  Stiel  des 
Hysterophors  war  allmählich  ohne  jegliche  Schmerzempfin- 
duug  in  die  Blase  eingedrungen.  —  Eine  weitere  keineswegs 
seltene  Ursache  für  Obliterationen  der  Vagina  ist  in  chroni- 
scher Colpitis  mit  Zerstörung  oberflächlicher  und  tieferer 
Gewcbsschichten  gegeben.  Auch  hier  handelt  es'  sich  nicht 
um  einfache  Verlöthungeu ,  sondern  es  sind,  was  Eoaer  für 
jede  Atresie  geltend  hervorhebt,  Substanzverluste  und  narbige 
Zusammenziehuugen  Bedingung,  werden  die  Muttermundslippen 
wie  dies  zumeist  der  Fall  ist,  gleichzeitig  Erosionsprocessen 
unterworfen,  so  verlötlien  sie  sich  schon  frühzeitig  mit  den 
Vaginal- Wandungen.  Man  beobachtet  die  ersten  Anfange  der 
durch  chronische  Erosionsprocesse  hervorgerufenen  Verwach- 
sungen der  Scheide  als  ring-  oder  halbmondförmige  Vor- 
sprünge, einzeln  oder  in  grösserer  Zahl  sich  kreuzend  und 
Taschen  bildend.  Im  weiteren  Stadium  erscheint  bereits  die 
Vagina  in  ihrer  Form  verändert,  verkürzt  oder  nach  Oben 
verengert,  ein  Theil  der  Vaginal-Portion,  gewöhnlich  die  hin- 
tere Lippe,  fuidet  sich  wohl  auch  schon  mit  den  Vaginal- 
Wandungen  verwachsen.  Schreiten  die  Erosionsprocesse  nicht 
fort,  so  ist  eine  Stenose  der  Vagina  gegeben,  die  sich  durch 
narbige  Zusammenziehung  bis  zu  einem  bestimmten  Grade 
mehr  verengt,  und  dan)it  ist  der  Process  abgelaufen.  Bestehen 
die  Entzündungsprocesse  mit  Erosionsvorgängen  fort,  so  ver- 
engt sich  die  Vagina  mehr  und  mehr  und  schliesslich  bleibt 
eine  kleine  Oeffirnng   an   irgend   einer  Stelle,   die  dem  Meu- 


24  !•     Verhandiangeo  der  Oesellicbaft 

strualblute  und  dem  Secrete  des  Uterus  Abfluss  gestatlAL  In 
diesem  Stadium  habe  ich  hochgradige  Stenosen  bei  ulceraüver 
Colpitis  bestehen  sehen,  oft  Jahre  lang.  Möglich,  dass  das  An- 
dringen des  Menstrualhlutes  und  der  Uterinsecrete  die  völlige 
Obliteration  hemmt,  oder  Veranlassung  zu  einem  erneuten 
Aufbruch  ist.  Ich  will  aus  einer  ganzen  Reihe  von  Beobach- 
tungen nur  ein  Beispiel  anführen.  Eine  42jährige  Wittwe 
consultirte  mich  im  November  v.  J.  wegen  Dysmenorrhoe, 
Es  fand  sich  die  Vagina  verkürzt,  in  den  unteren  Abschnitten 
normal,  in  den  oberen  narbig  zusammengezogen,  die  hintere 
Lippe  war  in  den  narbigen  Verwachsimgen  aufgegangen,  die 
vordere  sehr  kurz,  Orificiuni  externum  nach  hinten.  Der 
obere  Theil  der  Vagina  erodirt,  blutete  bei  der  Untersuchung. 
Die  Frau  litt  an  einem  hartnäckigen  Catarrh  der  Respirations- 
wege und  Rheumatismus,  auf  welche  Leiden  sich  die  Behand- 
lung in  den  nächsten  Monaten  beschränkte.  Als  sie  Anfang 
März  wieder  explorirt  wurde,  war  auch  die  vordere  Lippe 
in  die  Verwachsung  hineingezogen,  das  Orificium  uteri  war 
verschwunden,  dagegen  fand  sich  ganz  rechts  in  dem  Blind- 
s^cke  eine  kleine  Oeffnung,  durch  die  sich  das  Menslnialblut 
ergoss.  Da  die  Vaginai-Portion  in  der  Beckenenge  stand,  so 
hatte  sich  das  Menstrualblut  einen  Gang  vom  Orificium  uteri  nach 
rechts  offen  gehalten.  Nach  der  Menopause,  wo  ja  ohnehin  eine 
Verengerung  und  Verkürzung  der  Vagina  durch  Atrophie  Regel 
ist,  habe  ich  Obliterationen  häufiger  beobachtet  und  zwar  ohne 
bedeutendere  Erscheinungen.  Dagegen  sind  hochgradige  Ste- 
nosen durch  Colpitis  auch  bei  jüngeren  Individuen  nicht 
selten.  Das  jüngste  Individuum  meiner  Beobachtung  war  eine 
25jährige  Virgo  inlacta.  Wenig  unter  dem  oberen  Drittel  war 
hier  die  Vagina  bedeutend  verengt,  indem  hier  die  hintere 
Wandung  sich  an  dieser  Stelle  in  das  Scheidenlumen  hinein- 
zog. In  dem  Raum  darüber  verliefen  mehrfache  narbige 
Stränge  und  Hervorragungen.  Von  der  Vaginai-Portion  fand 
sich  die  vordere  Lippe  in  einer  Tasche,  die  hintere  war  be- 
reits mit  der  Vaginal-Wandung  verwachsen.  Das  Mädchen 
hatte  mich  wegen  Blutungen  und  Fluor  albus  zu  Rathe  gezogen. 
Die  Ursache  dieser  Symptome,  wie  der  Stenose  waren  Ver- 
schwärungsprocesse  in  der  Portio  vaginalis  und  der  Vagina. 
Unter  den    schon    oben  erwähnten  Bryk'&chen  Atresien 


für  OebnrUhfilfe  in  Berlin.  25 

findet  sich  im  Fall  fif.  eine  lolale  Verwachsung  der  Vagina  mit 
Hydronielra  bei  einem  18jährigen  Mädchen  nach  katarrhal. 
AflTection  des  Mutterrohrs.  Diesen  chronischen  Verschwdrungs- 
(irocesseu  gegenüber,  die  deshalb,  weil  sie  oberflächliche  Ge- 
Wehsschichten  ergmfen,  auch  weniger  energische  Narben-Con- 
tractionen  hervorrufen,  ^sind  als  gewichtigere  Ursachen  für 
Entstehung  voh  Vaginal- Alresien  vor  Allem  die  diphteritischen 
Geschwüre  anzuführen,  wie  sie  beim  Typhus,  bei  der  Cholera 
und  beim  Puerperalfieber  vorkommen.  Sie  haben,  mit  jenen 
verglichen,  einen  acuten  Gharacter,  setzen  in  verhähnissmässig 
kurzer  Zeit  umfangreiche  tiefgehende  Zerstörungen  der  Vagina 
und  bedingen  je  nach  ihrer  Form  und  Ausdehnung  Stenosen, 
oder  Atresien.  So  Iheilt  N4laton  (Gaz.  des  höpit.  Nr.  10. 
25.  Jan.  1853)  eine  Beobachtung  mit,  wo  bei  einer  40jäh- 
ngen  Frau  nach  einem  heftigen  Choleraanfalle  sich  ein  durch 
iNarbengewebe  verschlossener  Blindsack  der  Seheide  fand,  der 
durch  einen  Troicart  geöffnet  werden  musste.  Die  syphilitischen 
Geschwüre  schliessen  sich  den  diphteritischen  hinsichtlich  der 
Energie  der  Narben  -  Contraclion  an,  bei  den  krebsigen  da- 
gegen würde  es  kaum  wegen  der  continuirlichen  Abstossung 
mortilicirten  Krebsgewebes  zur  Verlöthung  kommen.  Stenosen 
durch  krebsige  Infiltration  bis  zum  scheinbaren  Verschluss 
(furch  Aneinanderlagerung  der  infiltrirten  Vaginai-Wandungen 
sind  dagegen  nicht  selten. 

Die  Symptomatologie  der  erworbenen  Atresien  des  Mut- 
terrohrs betreffend,  so  haben  wir  schon  Anfangs  erwähnt, 
dass  sie  sich  in  wenigen  Worten  dahin  zusammenfassen  lässt, 
dass  die  Vaginal- Atresien  an  und  für  sich  nur  dadn  eine  hohe 
Bedeutung  erlangen,  wenn  durch  sie  der  Ahfluss  grösserer 
Quantitäten  von  üterinsecretionen ,  also  vor  Allem  des  Men- 
strualblutes  behindert  wird.  Vor  der  Pubertät  und  nach  der 
Menopause  machen  sie  so  wenig  Beschwerden,  dass  etwaige 
vorhandene  Krankheitssymptome  zumeist  begleitenden  Pro- 
cessen zuzuschreiben  sein  werden.  Aber  auch  während  der 
Geschlechlsreife  können  Vaginal  -  Atresien  ohne  Krankheitser- 
scheinungen bestehen^  wenn  Amenorrhoe  vorhanden  ist.  Ich 
führe  hier  an,  dass  Bryk  in  der  erwähnten  Arbeit  zur  Diagnose 
der  Atresien  der  weiblichen  Geschlechtsorgane  (Wiener  Med. 
Wochenschrift  1865,  Nr.  16)  darauf  aufmerksam  ntacht,  dass 


26  I-     VerhaadloDgren  der  Gesellschaft 

acute  Krankheiten,  wie  Typhus,  Cholera  etc.  die  Atresia  va> 
ginalis  zur  Folge  gehabt  haben,  gleichzeitig  einen  Schwuod 
des  Dterus  mit  Amenorrhoe  bedingen  können.  Er  theill  eine 
derartige  Beobachtung  bei  einer  30jährigen  Frau  mit.  — 
Hinsichtlich  der  Erscheinungen,  die  durch  AbflussbehiDdeniog 
des  Henstrualhiules  und  der  Uterinsecretionen  hervorgerufeo 
werden,  wollen  wir  bemerken,  dass*die  Ruptur  der  Hämato- 
metra  nicht  immer  absolut  lethal  sein  wird.  Es  ist  nämlich 
von  Wichtigkeit,  ob  die  Ruptur  innerhalb  oder  ausserhalb  des 
Cavuni  peritonaei  erfolgL  Im  ersten  Falle  wird  der  Tod 
eintreten,  im  zweiten  alter  kann  sich  eine  Haematometra  bilden, 
.die  nicht  absolut  den  Tod  herbeiführt. 

Die  Therapie  der  Vaginal -Atresie  beschränkt  sich  da, 
wo  diese  überhaupt  Gegenstand  therapeutischer  HaassDahme 
ist,  auf  die  Operation,  durch  welche  eine  Wegsamkeit  der 
Vagina  wieder  hergestellt  wird.  Bekanntlich  sind  die  An- 
sichten, ob  bei  angeborener  Vaginal- Alresie  operative  £in>. 
gri/Te  statthaft,  unter  den  namliaftesten  Autoren  auseinander- 
getiend.  Gewichtige  Autoren,  wie  Dupuytren  und  ChdiuM 
wollen  in  schwierigen  Fällen  die  Unglücklichen  sich  selbst 
überlassen,  Busch,  Scamoni,  Kiwisch  u.  A.  empfehlen  die 
Operation.  Aller  Ansichten  stimmen  aber  darin  überein,  dass 
die  Operation  von  Zufalhgkeiten  abhängig,  leicht  die  traurig- 
sten Folgen  haben  kann.  Nicht  ganz  so  ungünstig  verhalten  sich 
die  erworbenen  Atresien.  Ein  grosser  Theii  derselben  wird 
nur  leichtere  mehr  oder  weniger  ungefährliche  Eingrill'e  noth- 
wendig  machen.  Troicart  und  Bistouri  werden  ausreichen, 
und  nicht  complidrte  Instrumente,  wie  sie  für  Eröffnung  des 
Cervicalcanals  vorgeschlagen  sind,  erfordern. 

Ich  erlaube  mir  hieran  die  genauere  Miltheilung  eines 
Falles  von  Atresia  acquisila  vaginalis  zu  knüpfen,  die  siel) 
nach  Diphteritis  der  Vagina  entwickelte. 

Anfang  October  1858  wurde  ich  zu  einer  28 jährigen 
Schheidersfrau  B,  gerufen,  die  ich  bereits  zwei  Jahre  früher 
an  chronischem  Magencatärrh  behandelt  hatte.  Dieselbe,  seit 
dem  17.  Jahre  regelmässig  menstruirt,  war,  ausser  an  dem 
eben  angegebenen  Leiden,  das  sich  liäufig  wiederholte,  trotz 
anstrengender  Beschäftigung  als  Dienstmädchen  in  einej-  gros- 
sen Wirthscbafl,   nie   krank   gewesen.     1857  wurde  sie  von 


rar  Geburtshülfe  in  Berlin.  27 

eiuem  Typhus  befallen,  der  eineu^fast  dreinionatlicbeii  Auf- 
enthalt in  Betlianien  notliwendig  machte.  Von  dem  Arzt,  der 
sie  damals  in  dieser  Anstalt  behandelte,  erfuhr  ich,  dass  eine 
umfangreiche  Diphteritis  der  Vagina  mit  vorhergebender  Los- 
stossung  grosser  Schleimhautparthien  den  Typhusprocess  be- 
gleitet hatten,  und  dass  sich  danach  bei  angestellter  Unter- 
suchung ein  .  tiefes  circuläres  Geschwur  im  oberen  Drittheil 
der  Vagina  gefunden.  Während  des  Typhus  cessirten  die 
Menses,  und  als  sie  nach  14  Wochen,  nachdem  die  Kranke 
bereits  Bethanien  verlassen,  wieder  erschienen,  waren  sie  von 
liefügen  krankhaften  Schmerzen  begleitet,  dauerten  acht  bis 
neun  Tage,  wahrend  sie  früher  nur  drei  Tage  geflossen  waren ; 
auch  zeigte  das  Blut  jelzt  eine  blasse,  schleimige  Beschaffen- 
heit. Sechs  Mal  traten  sie  mit  Steigerung  der  Schmerzen 
ein,  ohne  dass  Leucorrhoe  oder  sonstige  Erscheinungen  in 
den  Zwischenzeiten  vorhanden  gewesen.  Dann  blieben  sie 
aus.  Da  Frau  B,  sich  inzwischen  verhoirathet  hatte,  glaubte 
sie  Gravida  zu  sein,  wiewohl  die  Immissio  penis  nie  voll- 
konmien,  und  nur  unter  Schmerzen  hatte  vollzogen  werden 
können.  Sie  schob  auch  Schmerzen,  die  sich  vier  Wochen 
nach  der  letzten  Menslruatiou  fanden,  auf  die  vermeintliche 
Schwangerschaft.  Die  Schmerzen  steigerten  sich  indessen, 
nahmen  dabei  einen  intermittirenden  Typus  an,  indem  sie  An^ 
fangs  von  12  Uhr  Mittags  bis  7  Uhr  Abends,  später  von  drei 
bis  vier  Uhr  Nachmittags  bis  neun  und  zehn  Uhr  Abends 
dauerten.  In  den  freien  Zeiten  war  Patientin  matt  aber  ohne 
Beschwerden,  im  Stande  ihre  häuslichen  Beschäftigungen  zu. 
verrichten.  In  den  Schmerzanfallen  selbst  waren  Remissionen, 
aber  kehie  freien  Intervalle  zu  unterscheiden.  In  der  Zeit, 
wo  die  Menstruation  zum  dritten  Male  wiederkehren  sollte, 
erreichten  die  Schmerzen  eine  immense  Höhe.  Ich  fand  die 
Frau  in  zusammengekrummter  Stellung  mit  starrem  Blick, 
kalten  Extremitäten,  kleinem  frequenten  Puls,  wimmernd  vor 
heftigen,  drängenden  Schmerzen  im  Hypogastrium  und  Becken. 
Der  Leib  war  wenig  aufgetrieben;  Percussionsschall  tympa- 
nitisch  nur  oberhalb  der  Symphyse  in  geringer  Ausdehnung 
gedämpft.  Daselbst  fühlte  man  einen  rundlichen,  bewegUcben, 
beim  Druck  scbmerzhaften  Tumor.  An  den  äusseren  Geni- 
talien war  nichts  Abnormes  ^n  bemerken,  Scheidcutemperatur 


28  1*     Verhandlnngen  der  Gesellschaft 

nicht  erhöht;  die  Vagina  kaum  l'^^oU^angi  stra AT  gespannt, 
in  einen  Blindsack  endigend,  dessen  oberer  Theil  sich  leicht 
convex  nach  Unten  wölbte.  Dieser  letztere  Abschnitt  erschien 
ziemlich  deutlich  fluctuirend,  wenn  man  auf  den  erwähnten 
Körper  oberhalb  der  Symphyse  einen  Druck  ausübte.  Von 
Vaginalportion  oder  Orificium  Hess  sich  Nichts  entdecken, 
vielmehr  zeigte  sich  die  ganze  Oberfläche  der  Schleimhaut 
glatt,  aber  in  den  oberen  Parthien  derbe,  fast  bärtlich.  Ein 
klareres  Bild  konnte  durch  Untersuchung  per  vaginam  wegen 
Straffheit  der  letzteren  nicht  gewonnen  werden,  deutlicher 
wurde  es  durch  Exploration  per  rectum.  Man  fQhlte  durch 
die  normal  beschaffenen  Wandungen  des  Mastdarms  einen 
rundlichen  klein  apfelgrossen  fluctuirenden  Tumor  oberhalb 
des  Blindsackes,  nach  Oben  ging  diese  Geschwulst  unmittelbar 
in  den  Körper  ober,  den  man  oberhalb  der  Symphyse 
durch  die  Bauchdecken  fühlte,  und  unzweifelhaft  der  ver- 
grösserte  beim  Druck  schmerzhafte  Uterus  war.  Die  Berück- 
sichtigung der  anamnestischen  Momente  bei  dem  vorliegen- 
den Befunde  sicherte  die  Diagnose,  dass  nämlich  eine  umfang- 
reiche Verwachsung  im  oberen  Drittheil  der  Vagina  einen 
völligen  Verschluss  derselben  herbeigeführt,  dass  sich  das  zu- 
räckgehalteue  Blut  dreier  Menstruationen  in  der  Höhle  des 
Uterus  und  einem  kleinen  nicht  verwachsenen,  sich  dem  un- 
teren Uterinsegment  ansetzenden  Vaginaltheile  angesammelt 
und  unter  Erregung  lebhafter  Schmerzen  bedeutend  ausgedehnt 
hatte.  Es  konnte  kein  Bedenken  haben,  dem  zurückgehal- 
tenen Menstrualblut  auf  künstlichem  Wege  einen  Ausweg  zu 
verschaffen.  Ein  ziemlich  dicker  Troicart  wurde  somit  etwa 
in  der  Mitte  durch  die  sich  herabwölbende  Scheidenwandung 
gestossen,  und  durch  denselben  unter  sofortiger  bedeutender 
Erleichterung  gegen  zwei  Tassen  schwärzlichen,  theerarügen, 
geruchlosen  Blutes  entleert.  Die  Kanäle  blieb  bis  zum  an- 
deren Tage  liegen,  wahrend  welcher  Zeit  nur  noch  geringe 
Quantitäten  Blutes  ähnlicher  Beschaffenheit  abflössen.  Nach 
Entfernung  der  Kanüle  ergab  eine  Untersuchung  mit  der  Sonde 
folgendes:  die  durclibohrte ,  sehnenartige  Wandung  war  drei 
bis  vier  Linien  dick.  Hinter  derselben  lag  eine  Höhle  gegen 
1  Zoll  im  Durchmesser,  von  dieser  aus  gelangte  man  in  einen 
etwa  drei  Zoll  langen,  schmäleren  Kanal,  in  das  Cavum  uteri. 


für  OeUruhülfe  in  Berlin.  29 

MuUerniundsIippen  oder  eine  Gräiize  zwischen  Uterus  und 
Vagina  war  nicht  zu  coustatiren.  Nach  der  Function  traten 
keine  Reactionserscheinungen  ein,  vielmehr  war  Palientin  in 
wenigen  Tagen  wieder  röstig  und  ging  ihren  häuslichen  Be- 
schäftigungen nach.  Jetzf  boten  sich  aber  Schwierigkeiten, 
das  künstlich  gewonnene  Orificiuni  offen  zu  erhalten.  Denn 
eine  Tendenz  zur  narbigen  Zusamnienziehung  halte  schon  in 
wenig  Tagen  später  die  Troicartwunde  fest  gesclilossen.  In- 
cisionen  der  Ränder  des  Foramen,  lange  fortgesetzte  Erweitonni- 
gen  durch  Pressschwänime,  Tragen  von  Bougies  aus  verschie- 
denem Material  waren  nutzlos.  Effect  hatte  erst  das  Tragen 
von  Bougies  nach  voraufgegangenem  wiederholten  Excidiren 
keilförmiger  Stucke.  Dadurch  war  es  endlich  nach  8  monat- 
licher Behandlung  gegluckt,  ein  bleibendes  federkielstarkes 
Foramen  zu  erzielen.  Die  Menses  waren  regelmässig,  schmerzlos, 
im  Mai  und  Juni  weniger  stark  als  sonst,  die  Frau  sah  zwar  ein 
wenig  bleich  aus,  war  dabei  aber  völlig  gesund.  Da  ich  im  Begriff 
stand,  sie  im  Juli  1860  aus  der  Behandlung  zu  entlassen, 
so  unterzog  ich  sie  vorher  noch  einer  Untersuchung  mit  der 
Sonde.  Die  Höhle  oberhalb  der  Oeffnung  fand  sich  zu  einem 
'  engeren  Kanal  zusammengezogen;  zu  meiner  Ueberraschung 
war  die  Sonde  zwei  Zoll  tiefer  als  früher,  aber  leicht  und 
schmerzlos,  in  den  Uterus  gedrungen,  auch  fühlte  ich,  als  ich, 
leider  erst  jetzt,  den  Uterus  durch  die  Bauchdecken  genauer 
paipirle,  eine  Vergrösserung  desselben.  Nach  der  Unter- 
suchung zeigten  sich  Blutspuren.  Ich  hatte  —  und  dies  fühi*e 
ich  zu  meiner  Entschuldigung  au  —  abgesehen  davon,  dass 
nicht  die  mindesten  Erscheinungen  einer  Schwangerschaft  an- 
wesend waren,  eine  Conccption  unter  den  vorliegenden  Ver- 
hältnissen für  unmöglich^  gehalten.  Die  Untersuchungsresultate 
sprachen  aber  für  Gravidität,  und  Abends  wurden  vollends 
alle  Zweifel  gehoben.  Stärkere  Blutungen  und  deutliche 
Wehen 'stellten  sich  ein,  und  mit  ihnen  trat  ein  beweglicher 
Körper  gegen  die  Oeffnung  der  Scheide  herab,  gegen  dessen 
fötale  Natur  nicht  mehr  das  mindeste  Bedenken  obwalten  konnte. 
Ziemlich  kräftige  und  anhaltende  Wehen  dehnten  den  Raum 
oberhalb  der  Oeffnung  wieder  aus.  Den  fast  dreimonatlichen 
Fötus  extrahiren  zu  können,  wurden  an  verschiedenen  Stellen 
mehrere  Linie  tiefe  Incisionen  radial  von  dem  Foramen  aus 


30  ^*     Verhandlungen  der  Gesellschaft 

g^nnacht.  Die  Extraction  glückte  indessen  nicht,  da  die  im- 
rijer  noch  zwei  his  drei  Linien  dicke  Wandung  zu  fest  und 
rigide  war,  um  auch  nur  im  mindesten  nachzugeben.  Tie- 
fere Incisionen  kunnte  ich  als  möglicherweise  Gefahr  bringenil 
vermeiden,  wenn  ich  den  Fötus  zerstftckelle,  was  denn  aucfi 
allerdings  mit  einiger  Schwierigkeit  geschah.  Dieser  künst- 
liche Ahortus  hatte  für  die  Frau  keine  nachtheiligen  Folgen, 
unbedeutende  Schmerzen,  kaum  merkliche  Fiebererscheinungen 
gingen  bald  vorüber.  Den  achten  Tag  war  Frau  B,  wieder 
wohl  auf.  Die  Oetlnung  hatte  jetzt  einen  Durchmesser  von 
vier  his  fünf  Linien ,  die  von  Neuem  gebildete  Höhle  ober- 
halb derselben  wieder  einen  Zoll  Durchmesser.  Die  Wandungen 
dei*selben  fühlten  sich,  mit  dem  Finger  untersucht,  schwielig 
an,  zum  Theil  mit  kleinen  wulstfßrmigen  Hervorragungen 
versehen.  Die  Vaginalportion  war  nicht  zu  constatiren,  da 
die  Höhle  trieb terforn)ig  nach  Oben  zulief,  und  sich  unmil- 
telbar  in  den  Cervicalcanal  fortsetzte.  Der  Gebarmuttergrund 
fiberragte  die  Symphyse  um  2*^  Zoll.  Da  sich  die  Tendenz 
zum  Verheilen  und  Verschluss  der  OelTiHmg  schon  in  den 
nächsten  Tagen  erkennen  liess,  so  wurden  wieder  grössere 
dreieckige  Stücke  der  Scheidewand  excidirt,  und  wiederum 
entsprechende  Bougies  eingelegt,  wodurch  nach  mehrwöchent- 
licher Behandlung  die  Oeflntmg  in  Grösse  eines  Zweigroschen- 
stücks erlialten  wurde. 

Die  Menses  traten  ohne  Schmerzen  vier  Wochen  nach 
dem  Abortus  wieder  ein,  waren  bei  gutem  Wohlbefinden  drei 
Monate  regelmässig  in  Verlauf  und  Typus,  cessirlen  dann  aber 
wieder.  Da  sich  Ziehen  in  den  Brüsten,  Heis^hunger,  Idio- 
syncrasien  einstellten,  auch  der  lltei*us  alsbald  vergrösserl 
erschien,  so  trug  ich  kein  Bedenken,  eine  erneute  Gi*avidität 
anzunehmen.  Zum  zweiten  Maie  wurde  ich  bald  meines 
diagnostischen  Irrtliums  überführt,  als  die  Menses  in  einigen 
Monaten  wiederkehrten  und  regelmässig  blieben.  In  den  fol- 
genden drei  Jahren  salj  ich  die  Frau  nicht.  Ende  des  Jahres 
1863  suchte  ich  sie  aber  auf,  um  mich  von  dem  Verhalten 
im  Pornix  vaginae  zu  überzeugen.  Ich  erfuhr  von  ihr,  dass 
sie  sich  in  den  verflossenen  drei  Jahren  his  auf  zuweilen 
aufgetretenen  Magencatarrh  mit  lästiger  Pyrosis  vollständig 
gesimd  gelTihlt  habe.     Ich  fand  die  Vagina  1  '/.^  Zoll  lang  wie 


für  GebartshUIfe  in  Berlin.  31 

fröber,  die  Oeffnung  aber  wieder  bis  auf  Linsengrösse  znsam- 
inengeschrumpft.  Der  Ulerus  lag  aiiscbeineud  dem  Furanien 
iiaber,  die  Sonde  drang  drei  Zoll  tief  bis  an  den  Fundus 
uteri,  der  oben  die  Symphyse  überragte.  Im  Speeulum  sab 
man  ein  slrablenfßnniges  Narbengewebe  im  Fornix  concen- 
Irisch  nach  der  Oeffnung  verlaufend. 

Ende  Mai  1864  consultirte  mich  Frau  Ä  wieder,  weil 
ihre  Menses  zwei  Monate  ausgeblieben  waren,  auch  Uebelkeiten, 
Schmerzempfindungen  in  den  Brüsten,  Pyrose,  Obslrurli(ui, 
Appetitlosigkeit  sich  eingefunden  hatten.  Eine  Vergrossorung 
des  Uterus  war  nicht  nachweislich.  Dies  Mal  wartete  ich  mit 
der  Stellung  der  Diagnose  bis  im  Juli,  da  keine  Zweif<'l  an 
einer  vorliegenden  Gravidität  mehr  gehegt  werden  konnten. 
Die  äusseren  Genitalien  zeigten  sich  livide  aufgelockert,  der 
weiche  kuglich  ausgedehnte  Uterus  überragte  handbreit  dieS\m- 
physe.  Im  Furnix  vaginae  bemerkte  man  aber  keine  Auf- 
lockerung.    Die  Oeffnung  war  nicht  über  linsengross. 

Anfang  OAober  traten  Kindesbewegungen  auf.  Ende  des- 
selben Monats  reichte  der  Uterusgruiid  1  bis  l'/^Zoll 
über  den  Nabel.  Der  Kindskopf  war  durch  das  Scheiden- 
gewölbe undeutlich  durchzufühlen.  Letztei'es  war  gespannt. 
Das  Foramen  wie  im  Juli.  Der  Rest  der  Gravidität  verlief 
ohne  Störung. 

Leider  war  ich  verhindert,  während  der  Geburt  zugegen 
zu  sein,  freue  mich  aber,  dass  die  geübte  Hand  meines  Freun- 
des Kauffmann  die  meinige.  bei  diesem  interessanten  Ge- 
burtsfalle ersetzte,  und  dass  derselbe  die  Gefälligkeit  haben 
will,  ihn  der  Gesellschaft  mitzutlieilen. 

ATau^mann;  Geburtsverlauf  in  dem  von  L.  Mayer 
geschilderten  Fall  von  Atresia  vaginalia  acqui- 
sita.  In  der  Nacht  vom  30/31.  December  1864  wurde  ich 
für  den  abwesenden  Dr.  L,  Mayer  zu  der  lange  Zeit  von 
ihm  behandelten  Frau  B,  gerufen,  um  die  seit  einigen  Stun- 
den begonnene  Geburt  zu  Ende  zu  leiten.  Aus  den  Milthei- 
lungen  des  mich  rufenden  Mannes  entnahm  ich,  dass  es  sich 
um  eine  Verengerung  der  Scheide  handele,  ohne  indess  den 
Grad  derselben  ermessen  zu  können.  Bei  meiner  Ankunft 
fand  ich  die  Frau  in  starken  schmerzhaften '  Wehen,  und  bei 
der  Untersuchung    den   Kopf  im    Beckeneingange   von    einer 


32      VerbandlungeD  der  GeselUchaft  für  Gebnrtohülfe  etc. 

glatten  Uenibram  slrafT  überzogen,  in  deren  Mitte  eine  kreis- 
runde Oeflhung  von  Zollweile  sich  durch  die  scharfen  Ränder 
deutlich  markirte.  Hätte  icli  nichts  von  einer  Scheidenver- 
eugerung  gewusst,  so  wurde  ich  dies  für  den  unteren  Uterin- 
abschnitt  mit  strafTein  Muttermunde  gehalten  haben.  So  indess, 
zumal  da  die  Hebanmie  behauptete,  dass  dieser  Zustand  tJotz 
kräftiger  Wehen  schon  seit  zwei  Stunden  unverändert  bestehe, 
zögerte  ich  nicht  länger,  sondern  ging  mit  einem  schmalen 
Fistehnesser  durch  die  erwähnte  OeffiTung  und  zwischen  diese 
1 — 2  Linien  starke  Membran  und  den  dicht  dahinter  liegen- 
den Kopf,  und  schnitt  mit  einem  kräftigen  Zuge  1 — Vj^ZoW 
gerade  nach  hinten,  nachdem  ich  mich  vorher  überzeugt  hatte, 
dass  in  dieser  Ausdehnung  die  Haut  dieselbe  Dicke  hatte. 
Unmittelbar  nach  dem  Schnitte  stürzte  das  Fruchtwasser  her- 
vor, und  da  meine  operirende  Hand  zugleich  mit  Koth  erfüllt 
war,  so  fürchtete  ich  schon  in  den  Mastdarm  geratben  zu 
sein,  doch  stellte  sich  gleich  heraus,  dass  diese  Entleertnig 
unwillkürlich  auf  normalem  Wege  erfolgt  warn  Nach  einigen 
Wehen  war  die  Oellnung  um  ungefähr  ein  Zweititalerstück 
gross  geworden,  und  zeigte  wiederum  einen  scharfen  sehnigen 
Rand,  der  den  weiteren  Fortgang  des  Kopfes  hinderte.  Ich 
ging  deshalb  abermals  mit  dem  Messer  ein,  und  kerbte  nun 
fortgesetzt  jede  stärker  vorspringende  Parthie  dieses  Ringes 
durch  seichte  Einschnitte  ein,  so  dass  nach  circa  zwanzig 
applicirten  Einkerbungen,  bei  fortgesetzt  kräftigen  Wehen  die 
Oeifnung  den  Durchmesser  von  3  — 3  Va^  Zoll  hatte.  Von  da 
an  überliess  ich  die  vollständige  Erweiterung  dem  vorrücken- 
den Kopfe,  und  halte  die  Freude,  ungefähr  zwei  Stunden  nach 
meinem  ersten  Eingriffe  ein  lebendes  Kind  zu  Tage  zu  fördern. 
Das  Befinden  der  Wöchnerin  war  gut  und  das  Wochen- 
bett vei'lief  normal.  — 

Herr  Liman  trägt  ein  von  ihm  abgegebenes  Gutachten: 
lieber  einen    Fall    von    zweifelhaftem    Kindesmord    vor, 
dessen    spätere  Veröffentlichung    er  sich   für  einen   anderen 
Ort  vorbehält. 


II.   Hahn,  lieber  ein  cyatenartiges  Gebilde  etc.  33 


Ueber  ein  cyatenartiges  Gebilde  im  Nabelstrange 
einer  Traubenmole. 

(Mit  Abbildaag.) 
Von 

Dr.  Oskar  Hahn, 

Assistent  an  der  gebartshülflich-gjnäkologischen  Klinik  zn  Leipzig. 

Gegenstand  nachfolgender  Betrachtung  ist  ein  vor  circa 
1^2  Jahren  abgegangenes  menschliches  Abortivei  aus  der 
6.  Schwangerschaftswoche,  welches  der  Klinik,  wie  viele  der- 
gleichen, leider  ohne  Angabe  anaronestischer  Momente  aus 
hiesiger  Stadt  überschickt  wurde.  Dasselbe  zeichnet  sich 
durch  eine  so  seltene  Anomalie  aus,^dass  mich  Herr  Hofrath 
Credi  zu  einer  Beschreibung  und  Veröffentlichung  veranlasste, 
um  so  mehr,  da  seine  Eigenthümlichkeit  und  die  Schwierig- 
keit seiner  Erklärung  die  Aufmerksamkeit  manches  gelehrten 
Besuchers  unserer  Anstalt  auf  sich  gezogen  und  zu  den  man- 
nichfachsten  Deutungen  Anlass  gegeben  hatte. 

Es  stellt  sich  erwähntes  Präparat  als  eine  zusammen- 
hängende IJ/2  Unzen  schwere,  in  der  äussern  Form  einem 
Eie  ähnliche  Masse  dar,  die  2%"  (P,  M.)  in  der  F^änge,  2" 
in  ^&t  Breite  und  am  Maximum  ihrer  Dicke  —  da,  wo  die 
Decidua  vera  noch  vorhanden  —  9'",  am  Mininium,  wo  letz- 
tere fehlt,  4'"  raissL 

Die  Wandungen  dieses  Abortiveis,  soweit  sie  sich  noch 
in  unverletztem  Zustande  befinden,  sind  au  ihrer  äusseren 
Fläche  convex  und  werden,  da  noch  an  keiner  Stelle  eine 
SjHir  von  Placenta  zu  bemerken  ist,  tlieils  durch' die  Decidua 
Vera  und  die  dem  Eie  nur  noch  lappenartig  anhängende  De- 
cidua reilexa  gebildet,  Iheüs  ist  an  einigen  Stellen  die  Decidua 
abgerissen,  und  fehlt  hier  ganz,  wo  dann  das  darunterliegende 
durchweg  gut  erhaltene  Chorion  die  Wand  abgiebt.  Letztere 
Membran  ist  allenthalben  massig  verdickt  und   lässl  an  allen 

Mouat38chr.  f.  Geburtsk.  1866.  Bd.  XXVI.,  Hfl.  1.  3 


34  II*     ffahut  Uober  ein  cystenartigea  Gebilde 

Stellen  ihrer  äusseren  Fläche  zahlreiche  und  zwar  an  einigen 
Stellen  his  üher  Zoll  lange  Zotten  wahrnehmen,  deren  liaar- 
dünne  Stiele  stellenweise  Linsen  (siehe  Abbildung)  bis  erbsen- 
grosse,  durchsichtige  Molenbläschen  tragen.  Besonders  aus- 
geprägt ist  diese  anomale  Endigung  der  Chorionzotten  an  den 
Stellen  zu  finden,  wo  jene  in  die  dadurch  stark  Terdickte  De- 
cidua  Vera  eingebettet  liegen  und  es  lassen  sich  dort  Träub- 
eben  und  Büschel  solcher  Zotten  mehr  oder  weniger  leicht 
aus  der  Decidua  herauslösen.  Die  Decidua  vera,  welche  den 
Zusammenbang  der  ganzen  Masse  als.  Basis  vermittelt,  stellt 
sich  als  eine  gegen  5'"  dicke,  ziemlich  feste,  stellenweise  wie 
gelatinös  aussehende  Membran  dar,  an  deren  äusserer  Ober- 
Hache  in  ziemlicher  Häufigkeit  die  anomalen  Eudbläschen  der 
hypertrophirten  Chorionzotten  als  linsengrosse,  runde,  weiss- 
liehe  Erhabenheiten  hervorsprossen.  Unter  das  Mikroskop 
gebriicht,  zeigt  das  Gewebe  der  Decidua  vera  ebenfalls  zahl- 
reiche in  und  durch  sie  hindurchgedrungene  Chorionzotteo, 
dieselben  sind  deutlich  byiiertrophisch ,  ihre  mikroskopisch 
feinen  Seiteusprossen  sibd  durchaus  mit  kolbigen,  dickeren 
Enden  versehen  und  enthalten  massenhafte  Zellen.  Daneben 
liegen  durch  das  Gewebe  der  Decidua  zerstreut  in  einer  ho- 
mogenen, glänzenden  Grundsubstanz  zahlreiche  hier  und  da 
dicht  zusammenliegende,  gegen  ^/soo'"  ^^  Durchmesser  hal- 
tende, runde,  dunkelconturirte  Kerne  mit  reicbhchem  grano- 
lirten  Inhalte.  Au  anderen  Stellen  bemerkt  man  noch  Detritus 
zerfallener  Eiweissgebilde,  dass  der  Schluss  auf  früher  hier 
stattgehabte  kleine  Apoplexien  gerechtfertigt  erscheinen  durfte. 
Zur  Betrachtung  der  concaven^  Seite  der  Einwandung 
übergehend ,  beqnerken  wir  zunächst  das  durch  alle  seine 
Eigenschaften  deutlich  als  solches  charakterisirte  Amnion  (f). 
Diese  Membran,  welche  der  Innenfläche  des  Chorion  fest  an- 
liegt und  dieselbe  bis  auf  einen  kleinen,  sogleich  näher  zu 
besprechenden  Theil  allenthalben  austapeziert,  geht  ano  con- 
ünuo  auf  einen  blindendigenden  Sack  (b)  aber,  weldier  von 
der  Wölbung  der  Seilenwand  und  gegenüber  der  Ansatzstelle 
der  Decidua  vera  in  den  vorbeschriebenen  Eiraum  in  einer 
Ausdehnung  hineinhängt,  dass  er  etwa  reichlich  den  «3.  Theil 
des  letzteren  einnimmt.  An  der  Spitze  dieses  I74''  langen 
und  IVV  breiten,   also   mehr  eiförmigen  Gebildes   und   zwar 


im  Nabatstran^e  einer  Traabenniole.  Sf) 

auf  dessen  äusserer  der  Amnionbdhle  zugekehrten  FlSehe  ist 
der  Embryo  (a)  mit  der  der  Nebelgegend  entsprechenden 
Stelle  seiner  Banchwand  unmittelbar  dem  Amnion  aufgeheftet; 
er  ist  stark  gekriknmt  und  misst  in  dieser  Haltung  3'",  in 
der  vollkommen  extendirten  knapp  4''',  wobei  indess  in  Be- 
tracht 8u  ziehen  ist,  dass  seine  Körperdimensionen  durch  ein 
IVtjäbriges  Aufbewahren  in  Spiritus  allseitig  eingeschrumpft 
und  etwas  kleiner  als  im  natürlichen  Zustande  erscheinen 
müssen.  Bei  näherer  Betrachtung  des  kleinen  Embryo  unter- 
scheidet man  an  seinem  Kopfende  deutlich  die  erste  Anlage 
der  Augen  als  schwarze  Punkte,  weniger  deutlich  die  un- 
förmliche Mundöffnung,  mit  welcher  die  Nasengruben  noch 
im  Zusammenhange  stehen.  Der  Unterkiefer  ist  nur  in 
schwacher  Andeutung  vorhanden.  Dagegen  differenziren  sich 
knospenartig  hervorsprossend ,  die  untern  und  obern  Extre- 
mitäten vom  Rumpfe  und  vom  schmalen  etwas  gekrümmten 
Steissende.  Diesem  noch  nahegelegen  findet  sich  der  schon 
ziemlich  enge  Nabelring,  doch  schliesst  derselbe  die  Rumpf- 
böhle  noch  nicht  vollständig').     , 

Untersucht  man  mit  unbewaffnetem  Auge  die  unmittelbar 
an  der  Insertionsstelle  des  Embryo  liegenden  Theile  des  mehr 
besprochenen  Sackes,  so  ist  man  nicht  im  Stande,  Gefasse 
deutlich  nachzuweisen;  ebensowenig  lässt  sich  ein  zum  Nabel- 
bläschen (m)  fähi*ender  Strang,  der  Rest  des  Ductus  vilello^ 
intestinalis  entdecken,  obgleich  jenes  deutlich  vorhanden  1" 
weit  von  der  Ansatzstelle  des  erwähnten  Sackes  an  die  Innen- 
wand der  Eihöhle  zwisdieu  Choiion  und  Anuiion  als  gelb- 
licher, rundlicher,  platter  Körper  gefunden  wird. 

Das  Eigenthumliche  i\er  sackartigen  Bildung  wird  noch 
dadurch  erhöht,  dass  man  au  ihr  deutlich  eine  doppelte  Wand 
unterscheiden  kann.  Die  äussere  nach  der  Amnionhöhle  und 
dem  Embryo  hingewendete  (b  und  d)  haben  wir  schon  oben 
als  Portsetzung  des  Amnion  bezeichnet;  aber  neben  ihr  be- 
steht noch  eine  innere,  den  Hohlraum   des  Sackes   zunächst 


^)  Eine  Untersuchung  der  inneren  Organe  des  Embryo  war 
leider  nicht  wohl  statthaft,- da  durch  genauere  Präparution  des- 
selben das  ohnehin  sehr  zarte  Präparat  nicht  unbeträchtlich  ge- 
litten haben  würde. 


36  1^-     Eakn^  Ueb^r  ein  cyatenartige«  Gebilde 

unischliessende  dickere  uod  festere  Membran  (e),  welche  dem 
AmDiuii  an  den  dem  Embryo  zunächsl  gelegenen  Stellen  ziem- 
lich fest  anliegt  und  erst  weiler  unten  nach  der  Insertion  des 
Sackes  an  die  Eiwand  tiin  (wo  der  Sack  durch  einen  Längs- 
schnitt künstlich  geöffnet  ist),  sich  vom  Amnion  allmählig 
etwas  entfernt,  sodass  zwischen  beiden  und  der  Seiten  wand 
des  Eies  als  ßasis  ein  dreieckiger  Hohlraum  bleibt,  welcher 
auf  das  deutlichste  ohne  alie  Präparaüon  das  Auseinander- 
weichen der  inneren  Schicht  vom  Amnion  erkennen  lässt 

Verfolgt  man  die  innere  Schicht  bis  zur  Insertion  des 
Sackes  an  die  Seiten  wand,  so  findet  man,  dass  sie  sich  an 
dieser  Stelle  nach  Aussen  umbiegt,  so  aber,  dass  die  Ränder 
der  Umbiegungsstelle  sich  gegenseitig  nicht  berühren,  also 
auch  den  Sack  hier  nicht  verschliessen ,  sondern  ein  ovales, 
etwas  gezacktes  Loch  (c)  frei  lassen,  welches  eine  directe 
Communication  zwischen  der  Höhle  des  Sackes  und  der 
Aussenfläche  des  Eies  herstellt:  denn  auch  die  Decidua  vera 
ist  an  der  jenem  Loche  entsprechenden  Stelle  mit  perforirt, 
und  Spuren  der  dem  Durchbruche  zunächst  hegenden  Gewebs- 
theile  hängen  fetzenaitig  in  das  Lumen  der  Perforationsöff- 
nung hinein. 

Schliesslich  geht  die  innere  Membran  des  beregteu  Sackes 
unter  Bildung  eines  mehr  oder  weniger  deutlich  häutigen 
Ringes  in  die  Biudegewebsschicht  des  Chorion  selbst  über. 

Die  Innenwand  des  sackartigen  Gebildes  erscheint  übri- 
gens nicht  mit  Zotten  besetzt,  sondern  alleuthalben  ganz  glatt 
und  ist  ein  polygonales  Pflasterepithel  daran  deutlich  nach- 
weisbar. Untersucht  man  ihr  Gewebe  mikroskopisch,  ^  sieht 
man  eingebettet  in  vielfach  untereinander  commuuicirendeu 
feinen  Bindegewebsfaserzügeu ,  spärliche  schwach  -  conturirte 
Gefässe  verlaufen,  in  denen  deutliche  Kerne  ei*kannt  werden. 
Diese  Gelasse  theilen  sich  vielfach  dichotomisch  und  lassen 
sich  bis  zur  umbiegungsstelle  dei*  Membran  in  die  ßindege- 
websschicht  des  Cborion  hinein  verfolgen,  wo  sie  untereinander 
netzartig  communiciren.  Was  weiterhin  die  Grösse  dieses 
eigenthömlichen  sackartigen  Gebildes  anlangt,  so  erreicht  es  das 
Maximum  des  Umfangs  von  2",  ca.  Vs'  "nterhalb  der  Inser- 
tionsstelle  des  Embryo,  während  der  Umfang  des  häutigen 
Ringes  am  Eingange  nur  %"  beträgt,    sodass  also  letzterer 


im  Nabelstrange  einer  Traubenmole.  37 

verengt  erscheint,  während  der  innere  Hohlraum  sich  beson- 
ders im  oberen  Drittel  beträchtlich  erweitert. 

Es  bleibt  nur  noch  fibrig,  die  Innenfläche  des  Amnion 
einer  kurzen  Betrachtung  zu  unterziehen.  Die  Amnionhöhle 
niisst  in  der  Länge  2^//',  knapp  in  der  Breite  2",  uöd  zeigt 
an  ihrer  Epithelialseite,  nach  dem  Eiraum  Yorgebuchtet,  zahl- 
reiche bis  haselnussgrosse  hin  und  wieder  dunkelbläulich  ge- 
färbte Einstülpungen  des  Amnion  (k).  Schneidet  man  eine 
solche  ein,  so  fliesst  dabei  ein  bräunlich  gefärbtes,  ziemlich 
dickes,  gelatinöses  Fluidum  aus,  welches  sich  unter  dem 
Mikroskop  als  Detritus  zerfallener  Zellen  und  beim  Kochen 
als  Eiweiss  ausweist.  Unter  der  flussigen  Schicht  folgt  meist 
ein  kleines  bräunlich-gelbes  Faserstoffcoagulum ,  das  mit  der 
unter  ihm  befindlichen  Decidua  vera  ziemUch  fest  verklebt 
erscheint.  Wird  auch  dies  entfernt,  um  einen  freieren  Ein- 
blick in  den  Verlauf  der  häutigen  Umhüllung  dieser  Einstül- 
pungen zu  bekommen,  so  zeigt  sich  bei  allen,  dass  sie  am 
offenen  Ende  ihrer  Basis  einen  grösseren  Umfang  (1)  haben, 
als  weiter  unten  nach  der  blindsackartigen  Endigung  hin. 

Was  endlich  den  Inhalt  sowohl  der  Amnionhöhle,  wie 
des  sackartigen  Gebildes  betrifft,  so  ist  derselbe  schon  vor 
der  Uebersendung  des  Präparates  an  hiesige  Anstalt  abge- 
flossen gewesen. 


Die  Frage,  wie  wir  die  mannichfachen  Abnormitäten  an 
dem  ebenbeschriebenen  Präparate  aufzufassen  haben,  ist  nach 
der  einen  Richtung  hin  bez.  der  Anomalie  der  Chorionzotten 
klar:  wir  haben  es  nach  der  Beschreibung  letzterer  mit  einer 
sogenannten  „Traubenmole'',  Mola  hydatica,  zu  thun  ^).  Schwie- 
riger möchte  die  Natar  der  sackartigen  Bildung  unseres  Prä- 
j)arals  zu  erklären  sein.  Um  diese  Aufgabe  zweckentsprechend 
zu  fördern,  müssen  wir  uns  zunächst  erst  darüber  klar  sein, 
welche  Organe   hierfür   nach   dem  Sitze   der  Anomalie  uber- 


')  Aasführli obere  Notisen  über  die  Literator,  Aetiologie  and 
Histologib  der  Traubenmolen  finden  sich  in  meiner  Inaagural- 
dissertatiou:  „  Ueber  ein  cystenart.  Gebilde  inr  NabeUtrunge 
einer  Trunbenmole".     Leipsig  1864. 


38  II'     Huhn,  Uebfir  ein  cystenartiges  Gebilde 

liiiupl  in  Betracht  koininen.  Einerseits  siiid  dies  alle  normaler- 
weise im  Nabelstrange  gelegenen  Gebilde,  andererseits  Nach- 
barorgane desselben,  die  anomal  in  seine  Amnionscbeide  ge- 
drängt wurden. 

Ausser  der  ^''^Aar^on'selien  Sülze  (ein  weiches  galleri- 
artiges  Bindegewebe)  finden  wir  aber  in .  der  Amnionscbeide 
des  Nabelslrangs  normalerweise  nur  den  Urachus  oder  Stiel 
der  Allantois,  der  in  frühester  Zeit  mit  den  Gefassen  ver- 
sehen ist,  die  später  die  Vasa  umbiiicalia  darstellen;  ferner 
die  Vasa  umbiiicalia  selbst  und  endlich  den  Ductus  vitello- 
intestinalis  mit  den  an  ihm  nur  in  der  frühesten  Zeit  nocb 
vorhandenen  Dottersackgefassen. 

Nun  kann  aber  weder  eine  Anomalie  der  Vasa  umbüicaKa 
nodi  des  Ductus  vitello  -  intestinalis  mit  seinen  Geßssen  die 
vorgefundene  blasige  Bildung  irgend  wie  erklären.  Denn  wollte 
man  auch  annehmen,  dass.  die  Cyste  von  einer  Ausdehnung 
des  Ductus  vitello  intestinalis  herrühre,  so  würde  doch  die 
colossale  Ausdehnung  des  Sackes,  die  ohne  Beihfilfe  des 
ausserhalb  des  Nabelstrangs  zwischen  Amnion  und  Chorioo 
gefundenen  Nabelbläschens  zu  Stande  gekommen  sein  müsste, 
sowie  der  Umstand  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich  er- 
scheinen, dass  sich  im  Innern  des  cystenartigen  Raumes,  nach 
der  bedeutenden  Ausdehnung  desselben  zu  schliessen,  jeden* 
falls  eine  verhältnissmässig  sehr  beträchtliche  Menge  Flüssig- 
keit befunden  hat,  deren  Bildung  im  Rohre  des  Nabelganges 
nicht  zu  erklären  wäre. 

Ebensowenig  können  wir  annehmen,  dass  durch  ein* 
faches  Auseinanderdrängen  des  Schleimgewebes  im  Nabek 
Strange  ein  solcher  Hohlraum  gebildet  worden  sei.  Denn  wie 
käme  —  abgesehen  davon,  dass  einer  solchen  Auffassung  alle 
Analogie  fehlt  —  das  Epithel  und  die  gefundenen  in  der  an^ 
gegebenen  Weise  verlaufenden  Gelasse  in  die  Innenwand  der 
Cyste  und  wie  wäre  überhaupt  das  Entstehen  eines  solchen 
Hohlraums  zu  erklären,  der  nach  seinem  Umfange,  wie  wir 
vorhin  sahen,  eine  beträchtliche  Menge  Flüssigkeit  beherbergt 
haben  muss. 

Es  kann  sonach  von  der  cystenartigen  Ausdehnung  eines 
nurmnlerweise  im  Nabelslrange  gelegenen  Organs,  ausser  der 
Allantois,   wovon   später  gesprochen   werden   soll,   nicht  die 


im  Nabelstrange  einer  Travbenraole.  89 

Rede  seio,  ond  es  würde  sich  nur  rrngen,  ob  dabei  iiichl 
«n  ein  normal  in  den  Nabels  Irang  gedrängtes  Organ  gedacht 
werden  könnte.  Das  Nächste,  was  hierbei  in  Betradit  zu 
ziehen  wäre,  durfte  eine  Einstülpung  des  Chorion  en  niasse 
in  die  Amnionscheide  des  Nabelstrangs  hinein  und  bis  zum 
Embryo  hin  sein.  Ich  muss  offen  gestehen,  dass  diese  An- 
sicht auf  den  ersten  Blick  hin  etwas  Verführerisches  hat, 
zumal  ihr  zalilreiche  Analogien  hi  den  umliegenden  apoplecti* 
sch^  Ergüssen  zwischen  Chorion  und  Decidua  zur  Seite  stehen, 
und  das  am  Grunde  des  Sackes  befindliche,  eine  Communis 
cation  zwischen  Cystenhölile  und  Aussenfläche  des  Eies  ver- 
mittelnde Lftch  auf  diese  Weise  am  natürlichsten  erklärt 
würde,  ohne  dass  es  der  besondern  Annahme  einer  hier 
stattgefundenen  Perforation  bedürfte. 

Indessen  sind  die  gegentheiligen  Gründe  doch  zu  gewich- 
tig, um  bei  dieser  Annahme  stehen  bleiben  zu  können.  Zu- 
nächst wäre  es  zum  Mindesten  auflallend,  dass,  falls  die 
Membran  wirklich  das  Chorion  wäre,  an  der  Innenfläche  des 
Sackes  auch  nicht  eine  Spur  einer  Chorionzotte  sich  nachweiseu 
liesse.  Denn  wollte  man  auch  annehmen,  dass  durch  den 
Di'uck  der  im  Sacke  früher  befindlich  gewesenen  Flüssigkeit 
ein  allniälicber  Schwund  der  Zotten  an  jener  Stelle  herbei- 
geführt worden  sei,  so  dürfte  die  Innenwand  des  cystenartigen 
Gebildes  nidit  so  glatt  und  glänzend,  wie  mit  einer  Epitbel- 
scbicht  überzogen  erscheinen,  wie  es  doch  in  Wirklichkeit  der 
MU  ist,  sondern  seine  Innenfläche  würde  sich  mehr  oder 
weniger  rauh  darstellen  und  wenigstens  Rudera  oder  doch 
mikroskopische  Zotten  nachweisen  lassen.  Statt  dessen  findet 
swh  aber  gleichmässig  über  die  Innenfläche  verbreitet,  eine 
feine  Epithelialschicht  vor,  wie  sie  die  AUantois  z.  B.  an 
ihrer  idnern  Seite  nach  den  Untersuchungen  alier  Forscher 
bemerken  lässt 

Eine  weitere  von  Seiten  des  Enibi^yo  in  die  Amnion- 
scheide des  Nabelslrangs  vorgeschobene  und  dort  cystenartig 
ausgedehnte  Bildung  dürfte  aber  schon  deshalb  nicht  anzu- 
nehmen sein,  weil  gerade  am  Nabeh*ing  von  einer  Communi- 
cationsöfTnung  zwischen  Bauchhöhle  und  Cyste  fast  nichts 
nachweisbar  ist,  wie  es  doch  mehr  oder  weniger  der  Fall 
sein  müsate,  wenn  es  sich  um  einen  Nabelbruch  handelte. 


40  I^     Hahn,  Ueber  ein  oysieoArliges  Oebtlde 

üvr  Weg  des  Auscblusses,  auf  dem  wii*  bisher  nur  nega« 
tive  Resultate  gefunden,  lässt  nur  eine  Auffassung  offen,  welche 
wir  bisjetzt  zu  besprechen  unterliessen,  obgleich  wir  ihr  sliil- 
schweigend  huldigten.  Wir  glauben  nämlich,  dass  die  son- 
derbare Anomalie  nichts  Anderes  sei^  als  ein  Ueberrest  des 
.  ehemaligen  Aliantoissackes,  dessen  Wandungen  hier  aber  nicht 
miteinander  stielartig  verschmolzen  und  atrophirt  sind,  wie 
wir  das  normalerweise  beim  Urachus  linden,  sondern  dessen 
Epithelialblätter  durch  reichlicher  zwischen  ihnen  angesam- 
melte Flüssigkeit  von  einander  getrennt  gehalten  wurden,  so 
dass  der  starkausgedebnte  Rest  der  AUantois  jetzt  eine  Cyste 
vorstellt,  welche  in  der  Amnionscheide  des  Nabelstranges  ein- 
geschlossen liegt.  Die  Möghchkeit  der  Entstehung  einer  Cyste 
auf  dem  angegebenen  Wege  gründet  sich  auf  so  viele  Ana- 
logien ,  in  der  pathol.  Anatomie ,  dass  dem  Gesagten  etwas 
Weiteres  beizufügen  überflüssig  sein  durfte.  Nur  das  wollen 
wir  hier  noch  hervorheben,  dass  wir  die  Rildung  als  eine 
Cyste  im  eigentlicben  Sinne  des  Wortes  betrachten,  d.  h.  als 
eine  Geschwulst,  bestehend  aus  einem  mit  Epithel  ausgeklei- 
deten Balge  oder  Sacke  und  einem  Inhalte,  welcher  Product 
des  erstereu  ist ;  und  zwar  stellen  wir  dieselbe,  was  ihre  Bik 
dongsweise  betrifft,  nach  dem  Vorausgehenden  unter  die  Ru- 
brik derjenigen  Cysten,  welche  durch  Ausdehnung  geschlosse- 
ner physiologischer  Hohlräume  —  hier  der  Allantots  —  ent- 
stehen. 

Ein  wesentlicheres  Bedenken  gegen  diese  unsere  Ai0 
schauung,  glauben  wir  nur  in  dem  Vorhandensein  des  Loches 
an  der  Basis  des  Sackes  gefunden  zu  haben^  zumal  dasselbe, 
wie  wir  Eingangs  diisser  Arbeit  beschrieben,  glatte  Flächen 
zeigt,  und  an  dieser  Stelle  der  bindegewebige  Theil  des  Sackes 
in  den  des  Chorion  uno  continuo  übergeht  Zur  Vertheidi- 
gung  unserer  Ansicht  können  wir  aber  anfuhren,  dass  durch 
unsere  Auffassung  das  Vorhandensein  und  die  Beschaffenheit 
des  Loches  nicht  unerklärt  bleibt. 

Wenn  wir  nämlich  annehmen,  dass  nadi  betrachtiicber 
Füllung  und  Ausdehnung  des  cystenartigen  Restes  der  Allan- 
tots schliesslich  in  Folge  des  zu  stark  gewordenen  Druckes 
des  Inhalts  eine  Perforation  nach  aussen  eingetreten  sei,  so 
spricht   wesentlich   für    diese   Auffassung    der   Befund,    nach 


in  NnbeliitraRge  einer  Traubenmole.  41 

welchem  die  Ränder  des  Loches,  welchit  durch  die  Decidiia 
Vera  an  der  Aussenseile  des  Eies  gebildet  werden,  in  einer 
Weise  zerfezt  sind,  wies  dies  nur  nach  einer  Perforation  der 
FaH  zu  sein  pflegt.  Dass  aber  dieselbe  gerade  an  der  be* 
zeichneten  SteHe  erfolgte,  mag  wohl  durch  die  dort  vorgefiui- 
dene  Dännwandigkeit  des  Eies  am  besten  zu  erklären  sein. 
Dabei  nöthigt  allerdings  der  Umstand,  dass  die  Innenmembran 
der  Cyste  ah  der  Umbiegangsstelle  so  glatt  erscheint,  zur 
weiteren  Annahme,  dass  schon  einige  Zeit  vor  der  Ausstossung 
des  Eies  infolge  des  stetig  zunehmenden  Druckes  besonders 
au  dieser  Stelle  ein  allmälicber  Schwund  der  zwischen  Cho- 
rion  und  Cystenraum  ausgespannten  dünnen  Allautoisplatte  zu 
Stande  kam,  während  die  Perforation  der  ganzen  übrigen 
Eiwand  vielleicht  erst  während  des  Gebiu*tsactcs  erfolgte. 

So  ungewöhnlich  übrigens  der  besprochene  Fall  ist,  so 
stellt  er  doch  nicht  allein  da.  Infolge  einer  Notiz  KöUiker's 
(Entwickelungsgesch.  des  Menschen,  Leipzig  1861,  p.  174), 
worin  derselbe  von  blasigen  Gebilden  im  Nabelstrange,  oder 
dicht  daneben  spricht,  welche  man  als  Reste  der  Epithelial- 
blase  der  AUautois  angeseben  habe,  fand  ich  nach  vielfachem 
Stichen  in  alterer  und  neuerer  Literatur  im  Ganzen  11  solcher 
Fälle  0.  Zwar  war  in  keinem  derselben  eine  so  ausserordent* 
liehe  Ausdehnung  des  beregten  Organs  vorbanden,  wie  an 
unserem  Präparate ^  immerhin  wird  aber  das  Vorhandensein 
von  Analogien  unsere  Auffassung  wahrscheinlicher  machen, 
^le  denn  auch  der  Ausgang  des  Gebildes  vom  Nabel  aus  und 
seine  Lage  in  der  Scheide  des  Amnion,  die  mit  der  des 
Nabelstranges  entschieden  identisch  ist,  mit  unserer  Annabme 
zusammenstimmt. 


^)  V.  Baer,  Entwickelangsgesch.  d.  Thiere,  1837.  Bd.  II.  8. 
276  u.  flf.j  S.  278.  Taf.  VI.  Fig.  9  etc.;  Taf.  VII.  Fig.  14;  Taf.lV. 
Fig.  20.  —  B.  Wagner,  Jcon.  physiol.  1839.  Tab.  VIII.  Fig.  3; 
Umriflsfig,  Tab.  VII.  11;  Erklärnng  S.  24.  —  PoeluU,  Isis  1826 
Hft.  12-  Taf.  12.  Fig.  5.  n.  7.  ä.  ».  «.  —  Alf.  A,  L.  M,  Velpsau, 
Kinbryologie  oo  oyologie  hnroaine.  PK  1.  Fig.  4;  PI.  II.  Fig.  2. 
c.  d.  e.  f.;  Fig.  7.  —  B,  W.  iSeiler,  üeber  d.  Gebftrmntter  «.  das 
Ki  des  Menschen,  S.  24.  Tab.  X.  —  C.  Hennig,  lieber  Nebenbän- 
der und  .Schaf hautstränge  in  der  Eihöhle  des  Menschou.  Virchow, 
Arcb.  für  path.  Anat.,.fid.  &IX.  Uft.  1.  o.  2.  Tab.  IV.  2. 


42  I^*    Jffoibi»,  Ueber  ein  cysteiwrliges  Gebilde  etc. 

Was  endlich  die  Ursache  der  cystenartigen  Aiisdebouiig 
des  Allantois  anlangt,  so  durfte  diese  Frage  nicht  geringere 
Schwierigkeiten  bieten,  als  die  eben  verhandelte.  Doch  ist 
nadi  unserer  Meinung  in  dem  primIren  Vorhandensein  der 
i>chleiinigen  Degeneration  des  Inhalts  der  Chorionxotten  ^), 
welche  weiterhin  zur  Bildung  einer  sogenannten  Traubenmole 
führte,  immer  noch  das  wahrscheinlichste  Moment  für  eine 
ErkUrong  der  bestehenden  Anomalie  zu  suchen. 

Thatsaebe  ist  nämlich,  dass  bei  Bildung  von  Trauben- 
molen fiberbaupt,  deren  Ursprung  von  Virchoto  auf  einen 
entzündlichen  Zustand  der  Uterinwandungeu  zurückgeführt 
wird,  durch  letzteren  Umstand  eine  Reizung  und  so  eine  ge-- 
steigerte  Säftezufuhr  bewirkt  wird,  sodass  sehr  häufig  eine 
ödematöse  Infiltration  der  Nacbbarlheile  entsteht  Ist  nun 
aber  die  Einführung  vdn  Ernährungsflüssigkeit  in  alle  Theile 
des  Eies,  also  auch  nach  dem  Embryo  bin,  wenigstens  in  der 
ersten  Zeit  eine  gesteigerte^  so  wird  es  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  auch  das  Ausfuhrsquantum  jener  entsprechend  sich  ge- 
staltet; sodass  aJso  in  unserem  Falle  die  Allantois  schon  in 
frühester  Zeit  in  den  anomal  gesteigerten  Säfteverkebr  hinein- 
gezogen, ein  diesem  entsprechendes  Quantum  von  Abson- 
derungen von  Seiten  des  Embryo  aufzunehmen  hatte. 

War  aber  einmal  der  Grund  zu  einer  derartigen  Anomalie 
gelegt,  so  bedurfte  es  nur  einer  fortgesetzt  gesteigerten  Ip- 
balation  und  Exhalation,  um  die  vor  uns  liegende  cystenartige 
Ausdehnung  der  Allantois  und  nebenbei  einen  Hydrops  amnii 
—  wie  wenigstens  nach  der  verhältnissm|issig  beträchtlichen 
Ausdehnung  auch  dieser  Höhle  zu  scbliessen  ist  —  entstehen 
zu  lassen. 

Würde  aber  nun  einerseits  durch  die  allmälicbe  vor  sirJi 
gehende  unregelmAssige  Bildung  der  Allantois  eine  Compres- 
sion  der  an  der  Wandung  verlaufenden  Gefasse  und  so  eine 
theilweise  Atrophie  derselben  bewirkt,  so  dass  sie  nicht  recht 
deutlich,  wie  sie  es  für  diese  Zeit  eigentlich  schon  sollten, 
hervortreten,  so  koimte  andererseits  durch  die  allzustarke 
Ausdehnung    der  Cystenwandung  zunächst  die  AIIantoisRchtcht 

0   Virehow,  Die  krttokbaften  GeschwiUate,  Kd.  I.  8.  410. 


III.     Äbsgg,  Beiderseitiges  Cephalbaemstoni.  43 

und  ivftiterbin ,  vielleicht  erst  wäbrend  des  Abortus  eine  Per- 
foration nacb  Aobsen  zu  Stande  kommen. 

SchlieBslich  ist  es  denn  recht  wohl  erkUrlicfa,  dass  der 
durch  die  Entartung  der  Chorionzotten  in  seiner  Emlhrung 
beeinträchtigte  und  durch  den  Druck  des  stetig  wachsenden 
Hydrops  amnii  allmälig  atrophisch  gewordene  Embryo  abstarb 
und  das  Ei  vorzeitig  au^estossen  wurde. 


111. 
Beiderseitiges  Cephalhaematom. 

Von 

Dr.  Ahegg, 

HelMUDinenlabrer  so  Dansig. 

Am  17.  Juni  1864  wurde  im  königl.  Hebammen -Institute 
hier  eine  Mehrgebarende  nacb  zwölfstundiger  Dauer  und  ganz 
regelmässigem  Verlaufe  der  Gehurt,  von  einem  ziemlich  kräftigen 
Knaben  entbunden.  Die  Kindesbewegungen  waren  in  der 
rechten,  die  Herztöne  und  der  Röcken  des  Kindes  in  der 
linken  Mutterseite  wahrgenommen  worden,  und  dasselbe  hatte 
sich,  diesen  Wahrnehmungen  entsprechend,  in  erster  Scheitel- 
lage zur  Geburt  gestellt  Der  Kopf  zeigte  sofort  nacb  der 
Geburt  auf  jedem  Scheitelbeine  eine  deutliche  Anschwellung, 
die  grössere  auf  dem  rechten,  die  kleinere  auf  dem  linken. 
Beide  Geschwöiste  fluctuirten  entschieden  in  ihrem  ganzen 
Umfange,  der  bis  zum  fönilen  Tage  nocii  etwas  zunahm. 
Die  Hautdecke  war  unverändert,  auch  gar  keine  gewöhnliche 
Kopfgeschwulst  vorhanden.  Ohne  sichtlichen  Erfolg  wurden 
kalte  Umschläge  gemacht;  indessen  blieb' der  Knabe  anschei- 
nend gesund  bis  28.  Juni  Abends,  wo  Erbrechen  und  allge- 
meine' Convulsionen  eintraten,  und  bis  zum  T/O.  Morgens,  an 
welchem  der  Tod  eintrat,  öfters  wiederholten.  Noch  an  dem- 
selben Tage  untersuchte  ich  die  Geschwidste  näher. 

Von  beiden  Scheitelbeinen  war  das  Pericranium  in  gros- 


44  ^11*     ^^^99  f  Bctderseiti^fe«  Cephalhaematoin. 

8(n*eni  Umfange  abgelöst,  und  der  Zwischenraum  tbeils  durch 
noch  dünnflüssiges  Blut,  theils,  namentlich  in  der  Nähe  der 
Scheitelbeinsböcker,  durch  dunkelschwarzes,  Iheerartig  aus- 
sehendes Blntgerinnsel  ausgefüllt.  Es  lag  also  ein  doppeltes 
Hämatom  auf  dem  Cranium,  Cephalhaematome  epicraniale,  ror. 

Das  rechtsseitige  bedeckt  fast  das  ganze  Scheitel- 
bein, hat  die  Gestalt  einer  Niere,  deren  Hilus  der  Mitte  der 
Sutura  coronalis  zugewendet,  das  Tuber  parietale  umfasst,  wäh- 
rend der  convexe  Rand  dicht  an  der  Sutura  sagittalis  und 
occipitalis  verläuft.  Der  grosseste  Durchmesser,  von  rechts 
und  hinten  nach  links  und  vorn,  beträgt  acht  Centimeter,  der 
kleinste  vom  Vereinigungspunkte  der  Pfeil-  und  Hinterhaupts- 
Naht,  links  vom  Tuber  parietale  vorbei,  nach  rechts  und  vorn 
sieben  Centimeter.  An  der  unteren  concaven  Fläche  dieses 
Scheitelbeines  ist  die  Dura  niater,  fast  drei  Centimeter  weit, 
durch  einen  ähnlichen  Biulerguss  vom  Knochen  abgelöst. 

Das  kleinere  Hämatom  auf  der  oberen  Hälfte  des 
linken  Scheitelbeins  ist  von  der  Lambda  -  Naht  bis  zur 
Kranznaht  gleichfalls  acht  Centimeter  lang,  dagegen  nur  vier 
Centimeter  breit,  von  der  Mitte  der  Pfeilnaht  bis  fast  an  den 
Scheitelbeinshöcker.  Unter  diesem  Scheitelbeine  befindet  sich 
kein  Extravasat. 

Die  Sinus  des  Gehirns  und  dieses  selbst  waren  blutreich, 
nicht  bloss  durch  Leichen-Hypostase  in  den  am  tiefsten  liegen- 
den Partieen.  — 

Beide  getrocknete  Scheitelbeine  zeigen  den, 
einige  Zeit  bestandenen  Cephalhämatomen  eigenthumlichen, 
knöchernen  Wall,  welcher  die  Peripherie  der  Geschwulst,  die 
Grenze  des  abgelösten  Pericranii  bezeichnet.  Derselbe  ist  am 
stärksten,  etwa  2"'  breit  und  l'/j"*  hoch,  längs  der  Pfeilnaht 
entwickelt.  Die  strahlenförmig  um  die  Tubera  parietalia  an- 
geordneten Gefässcanälchen  sind,  namentlich  im  rechten  Schei- 
telbeine, zahlreicher  als  gewöhnlich,  wodurch  die  Knochen 
siebartig  durchlöchert  erscheinen. 

Als  Todesursache  ist  der  subcraniale  Bluterguss  zu  be- 
trachten. 

Was  die  Entstehung  der  Kopfblutgeschwulst 
betrifft;  so  ist  dieselbe  jedenfalls  hier,  wie  in  den  meisten 
Fällen,   nicht  dem  Druck  allein  zuzuschreiben,  welchen  die 


III,    Äbegg,  Beiduiraeiti^e«  C«phalb«eiDfttom.  45 

Peripherie  des  vorliegenden  Scheitelbeins  beim  EintrUl  in  das 
kleine  Becken  und  beim  Durchgang  durch  dasselbe  w&hrend 
der  Geburt  erütU  .    . 

Denn  bei  zwölfstündiger  Geburtsdauer  und  günstigen 
Grossenverhältnissen  der  Frucht  und  des  Beckenraumes  ist 
schon  an  und  für  sich  ein  ungewöhnlich  starker  Druck  nicht 
anzunehmen,  wofür  auch  der  Mangel  des  Caput  succedaneum 
spricht.  Aber  auch  bei  sehr  langsamem  Geburlsverlaufe  und 
nachweisbarem  Missverhällnisse  des  Kindes  zum  Becken  ent- 
wickelt sicli  zwar  oft  genug  eine  bedeutende ,  gewöhnliche 
Kopfgeschwulst,  doch  selten  ein  wirkliches  Hämatom,  Iih)Iz 
des  langdauernden  und  intensiven  Druckes,  welchem  der  Kupf 
ausgesetzt  war. 

Es  muss  also  noch  eine  andere,  wesentliche  Ur- 
sache geben,  bei  deren  Existenz  schon  ein  geringer 
Druck  genügt,  um  das  Pericranium  von  den  Schädelknochen 
abzulösen  und  die  von  jenem  in  diese  übertretenden  Gefässe 
zu  zerreissen,  somit  ein  Hämatom  hei*vorzubringen. 

Wenig  Extravasat  in  dunner  Schichte  komuU  nach 
Rokitansky  ^)  wohl  bei  allen  Neugeborenen  vor,  und  muss 
als  geringerer  Grad  derselben  Blutung  gelten,  deren  höherer 
das  Hämatom  bildet.  Je  mehr  Gefässe  vorhanden  sind,  desto 
grösser  wird  aucli  die  Möglichkeit  der  Gefäss-Rhexis  und  einer 
bedeutenderen  Blutergiessung  sein. 

,  Im  vorliegenden  Falle  waren  nun  in  der  Tbat  die  Schei* 
telbeine  von  einer  auffallenden  Menge  von  Gefässen 
durchsetzt,  und  dieser  Umstand  scheint  mir  hier  ätiologisch 
^m  wichtigsten  zu  sein,  zumal  das  linke  Scheitelbein  bei 
erster  Scheikelstellung  der  Frucht  unmöglicii  einem  starken 
Drucke  exponirt  war,  und  dennoch  auch  auf  ihm  sich  eine 
solche  Blutgeschwulst  gebildet  hatte. 

Hierzu  tritt  noch  ein  anderes  Verhältniss.  Schon  Müdner  '^) 
sieht  nicht  immer  das  örtlich  einwirkende,  mecJianisclie  Mo- 
ment als  nächste  Endui*sache  an,  sondern  eine  allgemeine  Cir- 
culationshemmung ,  und  weist  auf  die,  namentlich  darch  Engel 
hervorgehobene  Zartheit  der  Ca  pillarge  fasse  bei  Neugeborenen 

1)  RoküanBky,  Path.  Anat.  3.  Aufl.  Wien,  ISöti.  Bd.  2.  8.  1&3. 

2)  Mildner,  Präger  V4J.-8.  1848.  Bd.  18.  S.  60. 


46  UI*    Ahtgg^  Beidcrteitif«»  Cephalhaenifttoiii. 

hin,  welche  eine  weit  grössere  als  bei  Erwachsenen  ist  Nächst 
4ler  Menge  von  Blutgefässen  wird  eine  besondere  Düunwan- 
digkeit  derselben  die  Disposition  zur  Zerreissung  bedeutend 
steigern  mössen. 

Demgemäss  schliessl  auch  Heck^  ^)  schon  aus  der  gros- 
sen Seltenheit  der  CephalhSmatome ,  wenn  auch  deren  Ent- 
stehung gewissermaassen  mit  der  Geburt  zusammenbange,  auf 
eine  besondere  Disposition  zur  Geßsszerreissung  an  den  be- 
troffenen Schädeln.  Burchard*)  hatte  unter  1402  Geburten 
13  Pralle,  demnach  ein  Verbal tniss  von  etwa  1  zu  108. 

Hecker  sah  15  Fälle  unter  3519  Geburten,  also  erst 
einen  auf  250  Kinder,  Böhm  96  unter  21,045  Kinder, 
also  1  :219,  darunter  nur  vier  doppelte,  auf  beiden  Schei- 
telbeinen. Mir  kamen  unter  809  Geburten,  wovon  406  un 
königl.  Hebammen -Institute,  403  in  meinet*  Praxis,  ausser 
obigen  nur  noch  3,  und  zwar  einseitige  Hämatome,  also 
1 :  202,  vor. 

Hinsichtlich  des  Zeitpunctes  der  Entstehung  sagt 
ViTchofc:  „Die  Ablösung  des  Pericranii  geschieht  wälu'end 
der  Geburt  selbst  durch  den  Druck  der  mütterlichen  Theile 
auf  den  Kindeskopf,  die  Blutung  folgt  gewiss  immer  sofort^ 
u.  s.  w.  Den  Umstand,  dass  die  Geschwulst  keineswegs  immer 
sogleich,  sondern  öfters  erst  einige  Stunden  oder  Tage  nacli 
der  Geburt  wahrgenommen  wird,  erklärt  Vii*chow  mir  durch 
die  Fortdauer  der  Blutung.  Die  Blutung  dauert  aber  wohl 
immer  noch  nach  der  Geburt  fort,  was  das  Wachsen  des  Häma- 
toms in  den  nächsten  Tagen  erweist,  und  doch  sind  in  vie- 
len, wie  in  meinen  vier  Fällen,  die  Geschwülste  sofort  nach 
der  Geburt  zu  henuirken  gewesen.  Für  jene  Hämatome  nun, 
die  erst  später  wahrnehmbar  sind ,  scheint  mir  Bednar's  An- 
sicht viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich  zu  haben,  dass  die  Zer- 
reissung der  zarten  Blutgefässe  nicht  sowohl  schon  wäh- 
rend der  Geburt,  durch  den,  oft  gar  niclit  sehr  erheb- 
lichen Druck  selbst,  sondern  erst  durch  die  BlutüberfQllnng 
gleich  nach  derselben  bei  Nachlass  des  Druckes  Statt  finde**. 


1)  Henker^  Klinik  der  GeburUknnde.   2.  Bd.    Leipsig,  1864. 
S.  236. 

2)  Burehardf   De  Tumore  eritnii  reoens  natoram  tangaiqeo 
SymboUe.    VratisUv.  1887.  8.  4.  8.  28. 


m.    Ab€gg,  Beiderseitiges  CephalbMinatoin.  47 

Durch  das  aus  den  zerrissenen  Gefässen  austretende  Bitft 
wird  dann  allmälig  erst  das  Pericranium  vom  Knochen  ab- 
gefioben. 

Die  Behandlung  der  Kopflilutgeschwulst  ist 
noch  heule  eine  sehr  verschiedene.  Gewichtige  Siininien  sind 
für  die  unbedingte  Eröflnung,  so  Seanzoni^),  l[ecker% 
Crede  *),  Bardeleben  *),  während  Andere,  wie  BeUchkr  *), 
Virchow^)j  Vogel^)^  Bednar^),  Weat^),  dieselbe  unt^T- 
lasseu  und  sich  für  ein  rein  exspectatives  Verhalten  aus- 
sprechen. 

Sciutzani  rfith,  wenn  das  Stillsteheu  der  VolumenÄsunahme 
davon  überzeugt,  dass  kein  weiterer  Bluterguss  zu 
furchten  ist,  zur  künstlichen  Entleerung  durch  einen  4  bis 
&"  langen  Lanzettstich.  —  Nun  findet  aber  nach  jeder  Er- 
öffnung eine  theilweise  Erneuerung  der 'Blutung  Statt,  wovon 
ich  mich  ein  Mal  seihst  überzeugte.  Hecker  sagt:  „Eröffnet 
man  die  Wunde  zu  bald  hinterher  wieder  und  lässt  das  Blut 
heraus,  so  kann  man  das  Kind,  weil  immer  wieder  eine 
Ansammlung  stattfindet,  allerdings  in  einiger  Zeit  blut- 
leer macheu;  wartet  man  aber  einige  Tage  und  entleert  dami 
wieder,  so  ist  oft  eine  völlige  Resorption  und  Anlöthung  des 
Pericranium  die  schnelle  Folge.  Aehnlich  sagt  Burchard^ 
S.  22:  „Aliquoties  uonnullis  diebus  post  (incisionem)  denuo 
auctus  et  sanguine  impletus  est  tumor,  quum  incisio  nimis 
mature  peracta  erat/'  Uebrigens  erklärt  sich  auch  Burchard 
für  die  Eröffnung  mit  den  Worten:  „Quam  maxime  exoptatus 

\ 

1)  ^consoni,  Gebarfcshilfe.  3.  And.  Wien,  1866.  8.  1068. 

2)  Hecker,  a.  «.  O.  S.  240. 

3)  CredS,  Klin.  Vorfcräg^e,  S.  326.  Berlin,  1863. 

4>  Hardeleben,  Tidars  Lehrbuch  der  Chi riygie.  3.  Bd.  ä.  104. 
Berlin,  1866. 

6)  Bettehler,  Beitrilge  aar  O3  nilkologte.  I.  8.  liO.  Breslau, 
1968. 

6)  Virehow,  Krankhafte  Geschwülste.  I.  S.  136.  Berlin,  1863. 

7)  Vogel,  Kinderkrankheiten.  2.  Anfl.  Erlangen,  1863.  8.  47. 

8)  Bednar,  Krankheiten  der  Nengeborenen.  II.  8.  177.  Wien, 
1861. 

9)  West,  Kinderkrankheiten,  aber«.  ▼.  Wegner,  2.  Ana.  Berlin, 
1R67.  8.  84. 


48  ^^I*    ^^9f  Beiderseitiges  Cephaliiaematom. 

laustusque  fuit  morbi  decursus,  ubi  tumor  ope  incisiouis 
curabaUir/' 

Credd  öffuele  die  Geschwulst  stets  mit  gfiDstigem  Er- 
folge, nach  Barddeben  hat  die  firöffiiuiig  keiiieriei  üble 
Folgen,  kfirzt  die  Krankheit  wesentlich  ab,  und  ist  iniiiier, 
namentlich,  wenn  die  Geschwulst  nichi  sehr  klein  ist,  in*AD- 
Wendung  zu  ziehen. 

BeUchler  hat  durch  vergleichende  Beobachtung  tou 
doppelseitigem,  aber  verschieden  behandeltem  Cephalämatom 
sicher  nachgewiesen,  dass  der  Anschluss  der  periostealeu 
Knochenschichten  in  gleichen  Zeiträumen  vollständiger  erfolgt? 
ohne  die  Eröffnung,  als  nach  derselben,  und  erklärt  sich  dem- 
zufolge gegen  die  letztere.  Ebenso  hält  VirchoWj  der  diese 
Ansicht  bestätigt,  die  Entleerung  des  Blutes  in  der  Regel  nicht 
für  nöthig,  vielmehr  oft  für  schädlich,  da  die  Blutung  sich 
leicht  erneuert,  und  stellt  als  Regel  auf,  dass  der  natör- 
liehe  Verlauf  dieser  Tumoren  ein  gänstiger  sei. 

Vogel  ist  gegen  Kompression,  Aetzeii,  Schneiden,  Sleclien 
wegen  möglicher  Reizung  der  Kopfschwarti^  und  Berührung 
des  vom  Periost  entblösslen  Knochens  mit  der  atmosphäri- 
schen Luft.  —  Beides  lasst  sich  nun  wohl  durch  einen  klei- 
nen Einstich  vermeiden,  nicht  aber  die  wiederholte,  von 
Vogel  nicht  erwähnte  Blutung,  deren  Grund  in  der  schweren 
Gerinnbarkeit  und  Dunnflüssigkeit  des  Blutes  liegt.  Wie 
Virchow  (S.  134)  angiebt,  ist  dasselbe  beim  Fötus  arm  an 
Faserstoff  und  bei  Cephal^motomen,  die  4  bis  6  Wochen 
bestanden,  stets  noch  flussig. 

Von  Bednar'^  70  der  Natur  uberlasseneu  Fällen  heilten 
67  theils  durch  Resorption,  theils  durch  Verknöcherung  voll- 
konnnen,  ein  Mal  bildete  und  öffnete  ^sich  ein  Abscess,  der 
die  weitere  Nalurheilung  nicht  störte,  ein  Mai  entstand  durch 
Erysipel  der  Kopfhaut  Vereiterung  des  Unterhautzellgewebes, 
und  Caries,  ein  Mal  wurde  eine  bis  zur  rechten  Ohrgegend 
ausgedehnte  Eiteruug  durch  Entleerung  vielen  Eiters  mittels 
eines  Einschnittes  bald  beendet,  und  das  Hämatom  heilte  mit 
Verknöcherung.  In  4  anderen,  bald  eröffneten  Fällen  gescliab 
die  Heilung  binnen  einigen  Tagen  ein  Mal,  erst  nach  elf- 
wöchentlicher Eiterung  ebenfalls  ein  Mal;    die  beiden  anderen 


in.    Ahegg,  Beiderseitiges  Cephalhaematom.  49 

Fälle  verliefen  tödtlich  durch  Vereiterung  der  Weicbtheile  und 
Caries  des  Knochens- 

Bednar  kommt  zu  folgenden  Scfalusssätzen : 

1)  Das  Hämatom  heilt  bei  unverletztem  Pericranio  und 
Fernbleiben  äusserer  Schädlichkeiten  durch  Resorp- 
tion und  Verknöcherung; 

2)  die  Eröffnung  wird  nur  durch  Abscessbildung  an- 
gezeigt; 

3)  die  Eröffnung  des  frischen  Hämatoms  kann  tödüiche 
Blutung  oder  Eiterung  (^wirken. 

West  sieht  ebenfalls  keinen  Grund  zu  Eingriffen,  da  das 
Blut  in  einigen  V^ochen  resorbirl.wird  und  der  Tumor  schwin- 
det. Auch  er  wiJl  die  Eröffnung  nur  bei  Röthung,  Verdün- 
nung und  stärkerer  Schwellung  der  Hautdecken,  also  bei  den 
Zeichen  entstandener  Eiterung,  gestatten. 

In  den  3  mir  ferner  vorgekommenen  Fällen,  in  denen 
das  Hämatom  2  Mal  auf  dem  linken,  1  Mal  auf  dem  rechten 
Scheitelbeine  sass,  machle  ich  ein  Mal  6  Tage  nach  der  Ge- 
burt einen  Einstich.  Die  Geschwulst  heilte,  nach  nochmaliger 
Ansammlung  und  Eröffnung,  binnen  3  Wochen^  also  nur  etwa 
4  Wochen  früher,  als  die  beiden  anderen,  der  Naturheilung 
uberlassenen  Tumoren. 

Eine  solche  Abkürzung  des  Verlaufes  ist  aber  um  so 
UHwesentlicher ,  als  auch  die  langsamere  Naturheilung  weder 
das  Gedeihen  des  Kindes  stört,  noch  etwa  eine  weniger  vuU- 
ständige  ist,  sondern  nach  Betschl&r  und  Virchow  entschie- 
den vollkommener  stattfmdeL  Auch  Burckard  sah  die  natür- 
liche Heilung  in  7  bis  9  Wochen  zu  Stande  kommen. 

Die  Gründe  für  die  natürliche  Heilung  dieser 
Hämatome,  wie  sie  früher  namentlich  Bednar  bestimmt 
aussprach,^  und  nunmehr  besonders  Virchow  und  Betschier 
hervorheben,  scheinen  mir  so  schlagend,  dass  ich  die  Incision 
nur  bei  eingetretener  Eiterung  angezeigt  finde,  wie  bei 
dem  oben  erwähnten  Falle  von  Bednar  und  bei  einem  ähn- 
lichen von  Betschier  ^),  wo  am  21.  Tage  ein  Einschnitt  und 
darauf   binnen    8    Tagen    Heilung    erfolgte.    —    Ungeachtet 

^)  BetachUr,    Annaleo    für   Gebartshülfe    etc.      Breslan    1884, 
2.  Bd.  8.   191. 
MouAUaobr.  f.  Gebartsk.  1866.  Bd.  XXVI..  «ft.  1.  4 


50  HT.    Ahegg,  Beiderseitiges  Cephalbaematom. 

Becker*^ ')  Bemerkungen  scheint  mir  übrigens  die  Eröffnong 
durch  den  Schnitt  höchstens  bei  ungewöhnlich  grossem 
Hämatome  zu  empfehlen,  wo  eine  sehr  umfangreiche  und 
dicke  periosteale  Knochenoeubildung,  und  somit  allerdings 
eine  bedeutendere  Entstellung  der  Form  des  Schädels  zu 
erwarten  steht.  Die  beiden,  ziemlich  grossen  Geschwülste, 
welche  ich  in  ihrem  natürlichen  Verlaufe  nicht  störte,  heilten 
jedenfalls  ohne  nennenswerthe  DifTormitat,  obwohl  die  Knochen- 
auflagerung  ebenso  gut  zu  fühlen  war,  wie  der  Callusring  um 
eine  frisch  vereinigte  Fractur,  weichen  man  doch  an  und  lur 
sich  nicht  als  eine  Entstellung  bezeichnen  kann.  Findet  aber 
in  den  hiernach  die  Eröfihung  fordernden  Fallen  der  Ein* 
schnitt  statt,  so  geschieht  er  sicher  nach  den  von  Bedncar^ 
Scanzoni  und  insbesondere  Hecker  aufgestellten  GrundsäUen 
am  besten,  also  erst  dann,  wenn  die  Geschwulst  niclit  mehr 
wächst,  etwa  nach  6  Tagen,  ferner  mittels  eines  kleinen, 
nur  gerade  zum  Abtiusse  des  Blutes  hinreichenden  Einschnil- 
les;  eine  wiederholte  Oefihung  aber  fmde  nur  nach  einer 
neuen  bedeutenderen  Blutansammluug  und  dann  erst  nach 
8  Tagen  statt. 

Der  Compressivverband,  den  Hecker^)  empfahl, 
auf  welchen  er  aber  später^)  verzichtete,  ist,  wenn  er  nicht 
fest  liegt,  unnütz,  wenn  er  aber  wirklich  einen  stärkeren  Druck 
ausübt,  wohl  leicht  von  schädlichem  Einflüsse,  schien  jedoch 
nach  Burchard  den  Schädel  besser  zu  gestalten.  Die  ans- 
seren,  zur  Steigerung  der  Resorption  angewendeten 
Mittel,  wie  Jod,  scheinen  den  Verlauf  nicht  wesentlich  zn  ver-- 
kürzen,  wie  gleichfalls  Burchard  bereits  bemerkt. 

Danzig,  den  lö.  November  1864. 

1)  Eecker^  a.  a.  O.  S.  239. 

2)  ffeeker,  a.  a.  O.  S.  240. 

3)  Hecker ^    Monatsschr.   für  Gebartskande,   1864,  September 
8.  173. 


IV.     Orenser,  Achfnndvierzigstef  Jahresbericht  etc.        51 

IV. 

Achtundvierzigater  Jahresbericht  über  die  Ereig- 

msM  in  dem  Entbindungsinstitate  bei  der  kttnigL 

Bachs,    chirurgisch-medioimsehen  Akademie    211 

Dresden  im  Jahre  1862. 

Von 

Professor  Dr.  Grenser, 

könlgl.  säehflisQfaer  Geh.  Med.  lUth  etc. 

Im  Jahre  1862  wurden  648  Schwangere,  Gebärende  und 
Wöchnerinnen  verpflegt,  von  denen  7  Schwangere  und  12 
Wöchnerinnen  am  Schlüsse  des  vorigen  Jahres  in  Bestand 
verblieben  waren  und  629  theils  als  Schwangere,  theils  als 
Gebärende  im  Laufe  des  Jahres  neu  eintraten. 

Geboren  haben  613,  und  zwar:  im  Januar  48,  im 
Februar  46,  ,im  März  60,  im  April  43,  im  Mai  50,  im 
Juni  42,  im  Juli  57,  im  August  55,  im  September  58,  im 
October  43,  im  November  40  und  im  December  71.  — 
Hiervon  gebaren  zum  ersten  Male  324,  zum  zweiten 
Male  194,  zum  dritten  Male  59,  zum  vierten  Male  16, 
zum  fAnften  Male  9,  zum  sechsten  Male  6,  zum  sie- 
benten und  achten  Male  je  1,  zum  zehnten  Male  2  tmd 
zum  zwölften  Male  1. 

Von  den  Gebärenden  waren  verheirathet  60,  ver- 
wittwet  4,  ledigen  Standes  549.  Ihre  Heimath  in 
Dresden  hallen  158,  in  andern  Orten  des  Königreichs  Sachsen 
385,  Ausländerinnen  waren  70.  —  Zur  evangelischen  Con- 
fession  bekannten  sich  577,  zur  katholischen  33,  zur  deutsch- 
katholischen 2,  und  1  war  Israelitin. 

Die  jüngste  Gebärende  zählte  17  Jahre,  die  älteste 
41,  die  Mehrzahl  befand  sich  in  dem  Alter  von  23  —  26 
Jahren. 

Gesund  entlassen  wurden  Wöchnerinnen  602,  an  an- 
dere Heilanstalten  abgegeben  6,  (nämlich  2  an  das  Stadt* 
Krankenhaus,  1  an  die  Diakonissenanstalt  und  3  an  die  innere 
Klinik);  5  Wöchnerinnen  starben  und  12  blieben  am  Schlüssle 
des  Jahres  in  Bestand. 

4* 


52  ^^'    Grenser,  Acbtandvierisigster  Jahresbericht 

Einfache  Gehurten  waren  602,  Zwillinge  wurden 
11  Mal  geboren.  —  Durch  die  Naturkräfte  allein  ?o]l- 
endet  wurden  565  Gehurten,  59  Mal  machten  sich  opera- 
tive Eingriffe  nöthig,  als:  35  Mal  die  Zangenoperation, 
7  Mal  die  Wendung,  2  Mal  die  Extraction  des  Kindes  an 
den  Füssen,  5  Mal  die  Perforation,  4  Mal  die  künstliche 
Erregung  der  Frühgeburt  und  6  Mal  die  künstliche  Losung 
und  Wegnahme  der  Nachgeburt. 

Den  Geburtsmechanismus  anlangend,  sosteilten  sich 
die  Früchte  zur  Geburt: 

369  in  erster     Schädellage. 
210  „  zweiter  „ 

11   „  zweiter  „  ohne  Drehung. 

3  f,  erster      Gesichtslage. 

1  „  zweiter  „ 

7  „  erster     Steisslage. 

8  „  erster     voUkommner  Fusslage. 

2  „  zweiter 

7   „  fehlerhafter  Lage. 

In  6  Fallen  blieb  der  Geburtsmechanismus  unbestimmt, 
weil  die  Geburt  ausserhalb  der  Anstalt  erfolgt  war.  Hierzu 
kommt  noch  1  Abortus. 

Kinder  wurden  geboren  624,  nämlich  332  mannhclieii 
und  291  weiblichen  Geschlechts  und  1  Abortus,  wo  das 
Geschlecht  sich  noch  nicht  bestin>men  Hess.  —  Ausge- 
tragen waren  599,  frühzeitig  16,  unzeitig  8  und  1 
Abortus.  Scheintod  t  wurden  geboren  5  Knaben  und  2 
Mädchen;  todtgeboren  44,  nämlich  29  Knaben  und  15 
Mädclien; -davon  5  in  macerirtem  Zustande,  8  unzeitige,  11 
kurz  vor  der  Geburt  verstorben  in  Folge  schädUcher  Ein- 
wirkungen auf  die  Schwangere  z.  B.  heftigen  Schreckes, 
Aergers,  MisshandlungQn ,  eines  Falles  u.  s.  w. ;  5  in  Folge 
hochgradiger  Beckenenge,  so  dass  die  Perforation  gemacht 
werden  musste,  ö  in  Folge  zu  starker  Compression  des  Ge- 
hirns bei  massiger  Beckenenge,  1  in  Folge  der  Wendung 
und  Extraction  an  den  Füssen,  2  in  Folge  von  Eclampsie 
der  Schwangern,  3  wegen  Vorfall  der  Nabelschnur  und  4, 
wo  sich  die  Todesursache  nicht  genau  nachweisen  liess. 

Bei    den    Zwillingsgeburlen    wurden    5   Mal    2   Knaben. 


über  die  Ereignisse  In  deni  Entbindangsinstitute  etc.         53 

6  Mal  je  eiD  Knabo  und  ein  Mädchen  ui'd  rin  Mal  zwei  Mädchen 
geboren.     Davon  waren  8  Zwillingspaare  reif,  3  fnlhzeitig. 

In  Betreff  der  Nachgeburtstheile  bemerken  wir,  dass  die 
Placenta  5  Mal  mit  beträchtlichen  apoplectischen  Herden 
durchsetzt  gefunden  wurde.  Der  Nabelslrang  war  90  Mal 
central,  460  Mal  seitlich  und  73  Mal  marginal  inserirt; 
3  Mal  enthielt  derselbe   wahre  Knoten    und  25  Mal   falsche. 

Anomalien  der  Schwangerschaft. 

Von  eigentlichen  Abortus  kam  nur  einer  zur  Beobach- 
tung, im  dritten  Schwangerschaflsmonate,  bei  einer  Schülerin 
des  Entbindungsinstitutes,  welche  während  der  Stillungsperiodr 
concipirt  hatte.  Nachdem  zwei  Tage  lang  die  gewöhnlichen 
Vorboten  des  Abortus  vorausgegangen  waren,  stellte  sich  eine 
so  heftige  Metrorrhagie  ein,  dass  Ohnmacht  eintrat  und 
lamponirt  werden  musste,  was  mittels  des  Colpeurynters 
geschah.  Darauf  wurde  schon  nach  zwei  Stunden  der  voll- 
ständige Eisack  ausgestossen,  welcher  einen  2"  langen  Em- 
bryo enthielt.     Das  Ei  zeigte  nichts  Krankhaftes. 

Un zeitige  Geburten  beobachteten  wir  8.  Veran- 
lassende Ursachen  waren:  in  einem  Falle  Torsion  der 
Nabelschnur,  die  an  der  Insertionsstelle  in  den  Bauch 
des  Kindes  bis  zu  einem  3'"  dünnen  Strange  zusammenge- 
dreht erschien;  in  2  Fällen  habituelles  Absterben  der 
Leibesfrucht,  indem  die  Früchte  schon  mehrmals  in  vor- 
ausgegangenen Schwangerschaften  zu  derselben  Zeit  abge- 
storben waren;  in  3  Phallen  wurden  heftige  Gemüthsbe- 
wegungen  als  Ursachen  angegeben  und  in  2  Fällen  liess 
sich  über  die  causalen  Momente  nichts  ermitteln.  Die  Früchte 
wurden  sämmtlich  todtgeboren. 

Frühgeburten  zählten  wir  16,  darunter  3  Mal  Zwil- 
linge. Veranlassende  Momente  waren  meist:  körperliche 
Anstrengungen,  Mangel  un  Pflege,  Diätfehler  und  allgemeine 
Körperschwäche.  Die  Eröffnungsperiode  dauerte  in  einem 
Falle  46  Stunden.  Von  den  Kindern  kamen  4  todt  zur  Welt, 
8  starben  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Geburt.  Mit  Aus- 
nahme einer  massigen  Peritonitis  bei  einer  Wöchnerin,  welche 
nach  fünf  Tagen  beseitigt  ward,  kamen  weitere  Erkrankungen 
im  Wochenbette  nicht  vor. 


54  I^*    Greruery  AchtandyiersigBter  Jabreaberieht 

Acute  Zellgcwebsentzundung  mit  aachfolgen- 
der  Abscessbildung  ain  linken  Unterschenkel  bei  eiuer 
Ilocbsdiwangeren  machte  eine  Incision  nöthig.  Drei  Tage 
darauf  trat  die  Geburt  ein,  welche  wegen  Wehenschwäcbe 
mittels  der  Zange  beendet  werden  musste.  Die  Heilung  deb 
Abscesses  erfolgte  erst  in  der  dritten  Woche  nach  der  Geburt 

Eine  im  vierten  Monate  befindliche  Schwangere  über- 
stand glucklich  eine  hochgradige^  rechtseitige  Pneumonie, 
ohne    zu   abortiren,    und  gebar  rechtzeitig  lebende  Zwillinge. 

Emphysem  der  rechten  Lunge  und  Insufficienz 
der  Mitralklappe  verursachte  bei  einei*  35 jährigen,  zum 
dritten  Male  Schwangern  Anfalle  von  beträchtlicher  Dyspnoe. 
Dessenungeachtet  erreichte  die  Schwangerschaft  ihr  normales 
Ende.  Die  Geburt  erfolgte  in  weniger  als  drei  Stunden.  Im 
Wochenbette  bildete  sich  Oedem  der  Fusse  und  jnitlels  der 
physikalischen  Untersuchung  Hess  sich  sehr  bald  eine  An- 
sammlung von  Wasser  in  der  Brust-  und  Bauchhöhle  nach- 
weisen. Der  Gebrauch  der  Digitalis  erregte  zwar  eine  reich- 
liche Diurese,  dessenungeachtet  gelang  es  nicht  die  Wasser- 
ansammlungen m  der  Brust-  und  Bauchhöhle  zu  beseitigen, 
und  die  Kranke  wurde  in  der  dritten  Woche  nach  der  Ge- 
burt der  Diakonissen-Anstalt  überwiesen. 

An  Rheumatismus  acutus  vorzugsweise  der  linken 
Schulter  und  des  linken  Handgelenkes  litt  eine  26jäbrige 
Handarbeiterin,  kleiner  Natur,  dürftiger  Ernährung  und  aus- 
geprägter Anämie.  Sie  fieberte  heftig,  indem  sich  der  Puls 
mehrere  Tage  auf  der  Höhe  von  120 — 130  Schlägen  in  der 
Minute  und  die  HauLtemperatur  auf  31,  4 — 32,  3^R.  erhielt 
Die  Behandlung  bestand  in  Einwickelungen  in  Hanfwerg  und 
der  Darreichung  einer  Emuls.  papaver.  c.  nitro.  Später 
fixirte  sich  der  Rheumatismus  besonders  im  Ellenbogengelenke 
und  im  Kniegelenke  der  linken  Seite.  Die  Geburt  verlief  ganz 
normal,  das  Neugeborne  war  ein  Mädchen  von  8  Pfd.  Ge- 
wicht. Sie  stillte  ihr  Kind.  Nach  einer  Remission  der  rheu- 
matischen Schmerzen  für  einige  Tage  kehrten  aber  diese  im 
Wochenbette  zuräck,  und  da  die  Krankheit  chronisch  wurde, 
ward  die  Wöchnerin  an  die  innere  Klinik  abgegeben,  woselbst 
sie  noch  mehrere  Monate  krank  lag. 


über  lü«  KreignUse  in  dem  Kotblpdangsinntittite  etc.        50 

Anomalien   der  Geburt. 

RachitischeBeckeneDge  als  GeburUhinderuiss  kam 
hei  15  Gebärenden  tot,  ?od  denen  6  zum  ersten  Male,  4 
aum  zweiten  Male,   3  zum  dritten  Male^   1  zum  fönfteii  und 

1  zum  sechsten  Male  entbunden  wurden.  Die  Conjagata  Vera 
betrug  bei  zwei  3"  &"  y  beide  wurden  mit  der  Zange  ent- 
bunden, die  eine  ?on  einem  lebenden  Mädchen,  die  andere, 
bei  welcher  während  der  Geburt  eklamptische  Convulsioneu 
ausbrachen,  von  einem  todten  Knaben.  —  7  zeigten  eine 
Coujugata  von  3"  3-- 4''',  davon  machte  sich  hei  einer  die 
Perforation  nothwendig,  bei  2  die  Zangenoperation,  wobei 
die  Kinder  todt  zur  Welt  gefördert  wurden;  in  3  Fällen 
wurde  die  Frühgeburt  künstlich  erregt,  wobei  wegen  fehler- 
hafter Fruchtlage  sich  die  Wendung  und  Extraaion  an  den 
Füssen  nöthig  madite;  das  Resultat  war  in  einem  Falle  ein 
todter  Knabe,  in  dem  andern  lebende  Kinder.  —  2  Mal 
fanden .  wir  die  Conjugata  vera  3''  2'"  und  entbanden  die  eine 
mittels  der  Perforation ;  die  andere  mittels  der  Zange  voii 
einem  todten  Knaben.  —  Eine  3zollige  Conjugata  erforderte  in 

2  Fällen  die  Perforation,  einmal  mit  nachfolgender  Kephalo- 
tripsie;  ebenso  eine  Conjugata  von  2''  10"'  die  Perforation 
und  Kephalotripsie.  —  Bei  10  dieser  wegen  rachitischer 
Beckenenge  Entbundenen  verlief  das  Wochenbett  ohne  Störung, 
bei  4  traten  leichte  Perimetritis  und  Peritonitis  auf,  in  einem 
Falle  aber  folgte  ein  Retroperitouäalabscess,  welcher  tödtlich 
Aiidete;  (s.  unter  den  Anomalien  des  Wochenbettes). 

Scoliose  an  Gebärenden,  wobei  beide  Male  die  untern 
Brustwirbel  nach  rechts  ausgewichen  waren ;  im  Kmdesalter 
entstanden^  in  Folge  von  Schwäche  der  Rückenmuskelu,  beo- 
bachteten wir  2  Mal,  ohne  einen  uachtheiligen  Einfluss  davon 
auf  den  Geburtshergang  ^u  sehen. 

Hängebauch  höheren  Gradt^s  kam  zweimal,  massigen 
Ttrades  öfters  vor.  Beide  waren  Mehrgebärende  und  hatten 
einen  in  Folge  von  Hydramoios  enorm  ausgedehnten  Leib, 
die  eine  auch  beträchtliches  Oedem  der  Schenkel  und  varicöse 
Anschwellungen.  Bis  zur  Geburt  war  bei  der  iimern  Unter- 
suchung ein  vorliegender  Fruchttheil  nicht  zu  erreichen.  Bei 
beginnender  Geburtsthätigki^il   wurde  der  Fundus  uteri   stark 


56  I^*    Orenterj  AehtUDdvierBigvter  Jabrefibericht 

in  die  Höhe  gehalten  und  dauiil  bis  zum  Blasenspruug«  fori- 
gerahren.  Die  entleerte  Menge  Fruchtwassers  hetrug  mehrere 
Kaunen.  Der  Schädel  trat  nach  dem  Bldsenspruoge  in  erster 
Stellung  schnell  ein  und  durch  das  Becken.  Es  wurde  ein 
kräftiger,  77«  Pl*<^*  schwerer  Knabe  geboren,  welchem  die 
Nachgeburl  bald  nachfolgte.  Das  Wochenbett  verlief  ohne 
alle  Störung.  —  In  dem  zweiten  Falle  compiicirte  sidi  der 
Häugebauch  mit  einem  inveterirteu,  faustgrosseu  Nabelbruch, 
welcher,  nachdem  er  reponirt  worden  war,  durch  umgelegte 
Handtucher  wahrend  der  Geburt  zuröckgehalteu  wurde.  Auch 
in  diesem  Falle  war  die  Menge  des  Fruchtwassers  sehr  be* 
deutend,  nach  dessen  Entleerung  die  Austreibung  eines 
8  Pfd.  schweren  Mädchens  in  erster  Schädellage  schnell  erfolgte. 

Ausser  der  eben  erwähnten  Hernia  umbilicalis  fanden 
wir  bei  zwei  anderen  Gebärenden  Leistenbrüche,  welche 
während  der  Wehen  mit  den  Fingern  zuioickgehalten  wurden 
und  so  zu  Übeln  Zufallen  nicht  Veranlassung  gaben. 

Scheidenvorfälle  kamen  4  Mal  zur  BeobadiUing, 
gaben  aber  ein  Geburtshinderniss  nicht  ab.  Dreimal  betraf 
der  Prolapsus  die  vordere  Scheidenwand,  einmal  die  hintere. 

Hochgradiges  Oedem  der  Schenkel  und  Scham- 
lippen zeigte  eine  20jäl)rige  Erstgebärende,  mittlerer  Stator 
und  von  kräftigem  Knochenbaue.  Der  Harn  enthielt  viel  Eiweiss. 
Nach  38stündiger  Geburtsdauer  wurde  in  2.  Schädellage  ein 
Knabe  von  nur  15''  Länge  und  57^  Pfd.  Schwere  geboren. 
Während  solche  Oedeme  erfahrungsmässig  schon  in  den 
ersten  Tagen  des  Wochenbettes  schwinden,  bheb  dasselbe 
hier  unverändert,  und  in  dem  ausgedehnten  Unterleibe  iiess 
sich  deutlich  Fluctuation  (Hydrops  ascites)  nachweisen. 
Die  Haut  erschien  beiss  und  trocken,  der  Puls  zählte  100 
Schläge,  die  Hauttemperatur  betrug  30,3.  Unter  dem  Ge- 
brauche der  Digitalis  in  Verbindung  mit  Liq.  Kali  acetici« 
wurde  die  Haut  vom  fünften  Tage  an  thätig,  der  Puls  ruhig 
und  die  Diurese  reichlicher.  Der  Eiweissgetialt  des  Harns 
verminderte  sich  von  Tage  zu  Tage,  in  dem  Maasse,  als  die 
Milchsecretion  zunahm,  und  so  konnte  die  Wöchnerin  mit 
ihrem  Säuglinge  schon  nach  10  Tagen  gesund  entlassen  werden. 

Eclampsie  hatten  wir  2  Mal  Gelegenheit  zu  beobachten, 
beide  Fälle  mit  glücklichem  Ausgange:    Der  eine  betraf  eine 


über  die  Ereignisse  in  dem  Entbin dun gsinsti tute  etc.        57 

23jäbiige  Erstgebärende,  welche  am  19.  Apnl  mit  schwachen 
Wehen  in  die  Anstalt  eimrat.  Am  folgenden  Tage  fräb  brach 
der  erste  Anfall  aas,  nach  welchem  aber  das  Bewu^sein 
vollständig  wiederkehrte.  Dje  Erweiterung  des  Muttermundes 
war  bis  zur  Tbalergrösse  gediehen,  der  Schädel  stand  im 
Reckeneingange  in  erster  Siellung.  Der  Harn  enthielt  viel 
Eiweiss.  Patientin  erhielt  zweistündlich  2  Gran  Galomel  ond 
kolileudes  Getränk.  Sy^  Stunden  nach  dem  ersten  trat  ein 
zweiter  Anfall  ein,  weniger  heftig,  als  der  erste.  Die  Wehen 
blieben  schwach.  IV^  Stunde  darauf  kam  ein  dritter,  viel 
inlensiverer  Paroxysmtis  mit  blaurothem  Gesichte,  starrer  Pu- 
pille, starkem  Klopfen  der  Carotiden.  Der  Muttermund  zeigte 
erst  die  Grösse  eines  Zweithalerstuckes.  Es  wurde  jetzt  eine 
Venäsection  von  15  Unzen  vorgenommen,  Eisblasen  auf  den 
Kopf  und  wiederholte  Sinapismen  auf  Waden  nnd  Oberarm 
gelegt.  Das  Bewustsein  blieb  auch  in  den  freien  Zwischen- 
räumen getrübt.  Erst  nach  vier  Stunden  war  die  Erweiterung 
des  Muttermundes  so  weit  gediehen,  dass  sich  die  Zange 
hätte  anlegen  lassen,  und  das  Fruchtwasser  ging  rauschend 
ab,  als  einige  kräftige  Wehen  den  Kopf  zum  Einschneiden 
brachten.  Da  kein  neuer  Anfall  eingetreten,  der  Fötus  aber, 
wie  die  Auscultation  lehrte,  bereits  abgestorben  war,  ober- 
Hessen  wir  die  völlige  Austreibung  der  Frucht  den  Natur- 
kräften.  Sehr  bald  wurde  darauf  ein  8  Pfd.  schwerer,  lodter 
Knabe  in  erster  Schädellage  geboren,  welchem  die  Nachgeburt 
leicht  nachfolgte.  Die  Schwerbesinnlichkeit  der  Patientin 
erhielt  sich  noch  10  Stunden  nach  der  Geburt,  von  dieser 
Zeit  an  erlangte  sie  das  Bewustsein  erst  vollständig  wieder. 
Von  dem  ganzen  Geburtsverlaufe  wusste  sie  nichts.  Die  An- 
fälle kehrten  nicht  wieder.  Der  Puls  blieb  während  der  ersten 
tfinf  Tage  des  Wochenbettes  auf  der  Höhe  von  100  Schlägen 
in  der  Minute,  die  Temperatur  wechselte  zwischen  30,2  und 
31,1*  Die  Wehenfunctionen  traten  regelmässig  ein  und  der 
Eiweissgebalt  des  Harns  war  vom  siebenten  Tage  ad  ganz 
verschwunden.  Jetzt  machte  die  Reconvalescenz  so  rasche 
Fortschritte,  dass  schon  am  10.  Tage  die  Entlassung  erfolgen 
konnte.  —  In  dem  zweiten  Falle  war  es  eine  IRjährige 
Enntgebärende  von  kleiner  Statur  und  guter  Ernährung,  die 
an  Rachitis   gelitten   hatte.     Am    14.  Juni   frfih  erschien   sie 


58  ^^-    Cheuäer,  Achtundviertigcter  Jahr««berieiit 

in  der  Anstalt,  b'iii  Wehen  waren  noch  ndiwacb,  der  Blnilfr* 
UHind  in  der  Grösse  eines  Zehnneugroschensiuckes  geoBiiH, 
der  Kopf  hoch  über  dem  Beckeneingange;  die  Conjugata  v«ra 
Itetrug  372''*  In  der  siebenten  Abendstunde  stellte  sicii 
|dötziich  ein  eklamptisrher  Anfall  ein,  nach  dessen  Beendigung 
ein  Aderlass  von  12  Unzen  gentacht  und  eine  Gabe  Calomel 
von  2  Gran  gereicht  wurde.  Da  der  Muttermund  jetzt  vöUig 
erweitert  gefunden  wurde  und  der  Frucbtkopf  fassbar  für 
die  Zange  stand,  ward  diese  angelegt  und  mit  grossem  Kraft- 
aufwände  ein  9^/2  Pfd.  schwerer,  todter  Knabe  in  zweiter 
Schädellage  ohne  Drehung  entwickelt.  Während  der  Zangen- 
operation traten  2  eklamptische  Anfalle  in  rascher  Folge  eia 
Bewustlos  wurde  die  Entbundene  auf  das  Wocbenlager  gebracht 
wo  nach  1 V2  Stunde  ein  vierter  Paroxysnius  erfolgte.  ^^  gr. 
Morphium  brachte  ihr  einige  Stunden  Schlaf;  am  andern 
Morgen  erst  stellte  sich  das  vollkommene  Bewustsein  wieder 
ein  und  mit  Erstaunen  erfuhr  sie  erst  ihre  schwere  Entbindung. 
Der  Harn  enthielt  nur  wenig  Eiweiss.  In  den  ersten  Tagen 
des  Wochenl>ettes  bestand  etwas  Fieber  mit  einer  Pulsfre- 
quenz von  1 10  Schlägen  in  der  Minute  und  einer  Temperatur 
von  30,3  bis  31,1.  Vom  8.  Tage  des  Wochenbettes  an, 
kehrte  Alles  zur  Norm  zurück  und  der  Harn  zeigte  keine 
Spur  von  Eiweiss  mehr. 

Ein  noch  unversehrtes  Hymen  von  ungewöhnlich 
derber  Beschaffenheit  wurde,  als  der  vorliegende  Schädel  der 
Frucht  am  Beckenausgange  stand,  nach  oben  und  unten 
mittels  des  Bisti)uri  incidirt,  worauf  der  Kopf  sehr  bald  zum 
Ein-  und  Durchschneiden  kam  und  ein  8  Pfd.  schwerer  Knabe 
in  zweiter  Scbädellage  geboren  wurde. 

Rigidität  desMuttermundes  gab  14  Mal  Veranlassung 
zu  schwieriger  und  langsamer  Erweiterung  des  Muttermondes. 
Bis  auf  zwei  waren  es  Erstgebärende.  In  allen  Fällen  reich- 
ten erweichende  Sitzbäder  hin,  das  Geburtshinderniss  zu  heben. 

Metrorrhagien  während  der  Geburt  der  Frucht 
kamen  zweimal  vor.  Einmal  bei  einer  36  jährigen  Erstge- 
bärenden von  dörttiger  Ernährung.  Mehrere  bedeutende  Blut- 
verluste in  ihrer  Wohnung  veranlassten  sie  in  der  Anstalt 
Hölle  zu  suchen.  Die  Blutung  erneuerte  sich  auch  hier,  und 
da  der  Muttermund  nodi  geschlossen  und  der  Kopf  vorliegend 


über  die  Ereigniase  in  dem  Entbiodoogiinstitnte  etc.        59 

gefundeil  wurde,  ward  der  mit  kaltem  Wasser  gefüllte  Col* 
peuryuter  eingelegt.  Nach  viermaliger  Füllung  des  Colpeu> 
ryuters  mit  kaltem  Wasser  stand  die  Blutung  und  konnte  von 
fernerer  Tamponade  abgesehen  werden.  So  blieb  der  Zu* 
stand  bei  ruhiger,  horizontaler  Lage  der  Schwangern  9  Tage, 
Jetzt  stellten  sich  Wehen  und  mit  ihnen  erneuerter  Blutabgang 
ein;  die  Untersuchung  zeigte  am  Innern  Muttermunde  deu 
Rand  der  Placenta.  Die  kräftigen  Wehen  drängten  jedoch 
den  vorliegenden  Schädel  so  rasch  in  den  Mutlermund  und 
in  das  Becken,  dass  nicht  nur  die  Blutung  stand,  sondern 
schnell  auch  das  Kind  geboren  wurde.  Es  war  ein  8  Pfd. 
schweres  lebendes  Mädchen.  Abermals  eintretende  reichliche 
Blutung  machte  die  kunstliche  Lösung  des  Fruchtkuchens 
nöthig,  welche]'  sehr  lang  und  schmal  war  und  in  Folge  dessen 
mit  seine/h  Bande  bis  zum  innern  Mudernmnde  hinabgereicht 
hatte.  —  Der  zweite  Fall  betraf  eine  dürftig  genährte  Mehr- 
gebärende, bei  welcher  schon  dupch  die  äussere  Untersuchung 
fehlerhafte  Fruchtlage  erkannt  wurde.  Beschäftigt  mit  dem 
Drehen  einer  Wäschrolle,  erlitt  sie  plötzlich  eine  Metrorrhagie. 
Da  der  Muttermund  noch  geschlossen  gefunden  wurde,  legten 
wir  den  Colpeurynter  ein.  Sehr  bald  darauf  traten  Wehen 
ein,  die  den  Muttermund  schnell  so  weit  eröffneten,  dass  man 
mit  der  Hand  eingehen  und  die  Wendung  machen  konnte. 
Wegen  fortdauernder  Blutung  liessen  wir  die  Extraction  fol- 
gen, die  leicht  und  schnell  gelang,  aber  ein  bereits  todtes 
Kind  zur  Welt  förderte.  Auch  hier  machte  sich  wegen 
Blutung  die  kunstliche  Wegnahme  der  leicht  adhärenten 
PLncenta  nöthig. 

Vorfall  der  Nabelschnur  kam  7  Mal  vor,  5  Mal 
hei  Mehrgebärenden,  2  Mal  bei  Erstgebärenden.  In  2  Fällen 
wai'  das  Fruchtwasser  schon  vor  Ankunft  der  Gebärenden  in 
der  Anstalt  abgegangen  und  die  Schlinge  der  vorgefallenen 
Nabelschnur  hing  pulslos  zur  Scheide  heraus.  In  einem 
dritten  Falle  ereignete  sich  der  Vorfall  der  Nabelschnur  bei 
einem  so  hohen  Grade  von  Beckenenge,  dass  sich  die  Per- 
foration nötliig  nuichte.  Ebenso  wurde  in  einem  vierten 
Falle,  wo  sogleich  nach  dem  Blasenspruuge  die  vorgefallene 
Nabelschnnr  welk  und  pulslos  erschien,  von  Reposiüousver^ 
suchen  abgesehen.    In  einem  fünften  Falle  wurde  an  dem  iu 


(jO  VL    Crretuer^  Achtundviersigster  Jahresbericht 

2.  SlelJuDg  vorliegt* Ddeii  ScLädel  wegen  Vorfalls  der  Nabel- 
Hcbiiur  zwar  schoell  die  Zange  angelegt,  allein  die  Operation 
erforderte  wegen  Beckenenge  zu  lange  Zeit,  als  dass  das 
Leben  der  Frucht  erhalten  worden  wäre.  So  kamen  in  den 
beschriebenen  fünf  Fällen  die  Kinder  todt  zur  WelL  In  zwei 
Fällen  dagegen  gelang  es  bei  Vorfall  der  Nabelschnur  das 
Leben  der  Kinder  zu  retten,  einmal  durch  schnelle  Extraction 
mittels  der  Zange,  das  andere  Mal  durch  die  Wendung  und 
Extraction  des  Kindes  an  den  Füssen.  —  Als  Ursachen  des 
Voifalls  der  Nabelschnur  ergaben  sich:  mangelhaftes  An- 
schliessen  des  untern  Uterinsegments,. Beckenenge,  fehlerhafte 
Fruchtlage  und  tiefer  Sitz  der  Placenta  mit  marginaler  Inser- 
tion der  Nabelschimr  an  der  tiefsten  Stelle. 

Dammrisse  kamen  bei  15  Gebärenden  vor.  Durch 
Illoses  Zusanmienbinden  der  Schenkel  in  Verbindung  mit 
ruhiger  Lage  erzielten  wir  Heilung  bei  7,  durch  den  gleich- 
zeitigen Collodiumverband  bei  4,  nur  Iheilweise  und  uiivoll- 
konimene  Vereinigung  ebenfalls  bei  4. 

Geburtshulfliche  Operationen. 

Von  den  59  geburtshulflichen  Operationen  waren  35 
Zangen  Operationen: 

18  wegen  Wehenschwäche, 

5  „       Kopfgeschwulst, 

3      „       Vorfall   des  Nabelstranges,   der  niclit  zu 

reponiren  war, 
1       „       fester  Einkeilung  des  Kopfes, 
1       „       Abnahme  der  Frequenz   und  Stärke  der 

Herztöne  der  Frucht, 
1       ,,       bedeutender    ödematöser    Anschwellung 

der  grossen  Schamlippen, 

6  „       Beckenenge. 
Summma  35. 

Dabei  wurden  28  Kinder  lebend,  7  todt  extrabirt,  vuu 
letzteren  2  wegen  Druckes  der  Nabelschnur,  5  wegen  zu  be- 
trächtlicher BecktHienge  und  dadurch  bewirkter  zu  starker 
Kompression  des  Gehirns.  Von  den  mit  der  Zange  entbun- 
denen Wöchnerinnen  starben  2  an  PeriConilis. 


über  die  Ereigniase  in  dem  Entbiadnngsinstitate  etc.      61 

Die  Wendung,  und  zwar  auf  einen  Fuss,  durch  in- 
nere HandgrifTe  wurde  7  mal  ausgeführt.  Zweimai  machte 
sie  sich  ooth wendig  nach  der  kunstlich  eingeleiteten  Früh- 
gehurt  (siehe  unter  künstl.  Frühgeburt).  Dreimal  wurde  sie 
bei  Zwillingen  vorgenommen,  und  zwar  jedesmal  bei  der  zwei- 
ten Zwiliingsfrucht,  während  die  ersten  in  Schädel*  oder  Fuss- 
iage  geboren  waren.  —  Bei  einer  Zweitgebärenden  ergab  die 
Untersuchung,  dass  der  Kopf  der  Frucht  nach  rechts,  der 
Rucken  nach  hinten,  Bauch  und  Füsse  nach  der  vorderen 
Gebärmutterwand  gerichtet  waren.  Da  es  schwer  war,  in  der 
Rückenlage  der  Gebärenden  den  unteren  Fuss  zu  fassen,  wurde 
derselbe  in  die  Seitenlage  gebracht,  wo  es  leicht  gelang  den 
Fuss  zu  ergreifen  und  herabzuleiten.  —  Die  oben,  wo  von 
den  Metrorrhagien  während  der  Geburt  der  Frucht  die  Rede 
war,  erwähnte  Weridung  complicirte  sich  insofern  ungünstig, 
als  beim  Sprengen  der  Blase  eine  Schlinge  der  Nabelschnur 
vorfiel,  an  der  sich  Pulsation  nicht  wahrnehmen  liess.  Die 
Frucht  befand  sich  in  zweiter  Schulterlage,  und  es  gelang 
leicht,  die  Wendung  auszuführen,  welcher  wegen  fortdauern-' 
der  Blutung  sogleich  die  Extraction  folgen  musste.  Das  sie- 
ben Pfund  schwere  Kind,  ein  Mädchen,  war  bereits  todt. 
Die  Perforation  kam  fünf  Mal  zur  Ausführung: 
I.  Eine  36jährige  Näherin,  welche  bis  in  ihr  viertes. 
Lebensjahr  an  Rachitis  gelitten  hatte.  Vor  sechs  Jahren  war 
sie  wegen  Beckenenge  bereits  durch  die  Perforation  entbun- 
den worden.  Am  21.  Januar  kam  sie  als  Kreissende  in  die 
Anstalt;  das  Maass  der  Conjugata  betrug  3"  2^",  die  Oeffnung 
des  Muttermundes  im  Durchmesser  ==  1'^  der  vorliegende 
Schädel  stand  in  querer  Stellung  noch  über  dem  Eingange: 
das  Wasser  war  bereits  abgegangen,  der  Fötalpuls  vernehm- 
bar. Am  andern  Morgen  ging  Kindespech  ab  und  die  Herz- 
töne liessen  sich  nicht  mehr  hören.  Nachdem  Abends  7  Uhr 
der  Mutlermund  die  gehörige  Weite  erlangt  hatte,  wurde  mit- 
tels der  Levref^hen  Scheere  die  Perforation  gemacht,  das 
Gehirn  ausgespritzt,  und  d^arauf  mit  der  Zange  der  Kopf  ent- 
wickelt; ein  Knat»e  von  19"  Länge  uifcl  7\a  Pfund  Gewicht. 
Mit  Ausnahme  einer  geringen  Colpitis  verlief  das  Wochenbett 
günstig,  so  dass  die  Wöchnerin  bereits  am  neunten  Tage  ent- 
lassen werden  konnte. 


62  ^V-     OrenaeTf  Achtnndyierzig^ster  Jahresbericht 

W.  Eine  40i51irige  Erstgebärende,  von  dürftiger  Ernäh- 
rung und  blassem  Aussehen,  bis  in*s  dritte  Lebensjahr  rachitisch, 
suchte  am  3.  M§rz  Abends  in  der  Anstalt  Hülfe.  Die  Messung  der 
Conjngata  ergab  knapp  3",  der  Muttermund  zeigle  eine  Er- 
weiterung von  1"  im  Durchmesser,  der  vorliegende  Schäd#-1 
stand  noch  beweglich  auf  dem  Beckeneingange.  Wegen  schwa- 
cher Wehen  war  der  Muttermund  erst  am  5.  März  früh  acht 
Uhr  völlig  erweitert.  Die  Blase  drängte  sich  bis  zur  Scham* 
spalte  hervor  und  wurde  gesprengt,  wobei  sich  eine  massige 
Menge  mit  Meconium  gemengten  Fruchtwassers  entleerte.  Der 
Muttermund  fiel  hierauf  mit  schlaffen  Rändern  wieder  zusam- 
men. Die  Wehenthatigkeit  hörte  im  Laufe  des  Tages  fast 
ganz  auf,  die  Herztöne  der  Frucht  waren  nicht  mehr  zu  hö- 
ren. Da  von  der  Natur  nichts  mehr  zu^  erwarten  war  und 
der  Kopf  für  Anlegung  der  Zange  noch  zu  hoch  stand,  be- 
stimmte man  sich  für  die  Perforation,  die  ebenfalls  mit  dem 
scheerenförmigen  Perfora toriu in  bewirkt  wurde.  Zur  weiteren 
Compression .  und  Ausziehung  des  Kopfes  wurde  der  Cepha- 
lotribe  von  Scanzoni  angelegt,  der  aber  wiederholt  abglitf, 
so  dass  zuletzt  noch  die  Extraction  mit  dem  Haken  vollen- 
det wurde.  Das  Geborene  war  ein  B'/^  Pfund  schwerer, 
18''  langer  Knabe.  Die  ganze  Operation  dauerte  eine  Stunde. 
Eine  leichte  Peritonitis  und  Colpitis  wurde  glücklich  beseitigt, 
dagegen  stellte  sich  am  neunten  Tage  des  Wochenbettes  ein 
heftiger  Rheumatismus  des  linken  Armes  ein,  der  sich  zuletzt 
im  Handgelenk  flxirte  und  in  der  dritten  Woche  nach  der 
Geburt  eine  Ueberlragung  der  Kranken  an  das  Stadtkranken- 
haus  nöthig  machte. 

Hl.  Eine  28jährige  Dienstniagd  kam  als  Drittgebärende 
in  die  Anstalt.  Wegen  rhachitisch- verengten  Beckens  hatte 
sie  vor  vier  Jahren  eine  schwere  Zangeiioperation  überstan- 
den. Die  zweite  Niederkunft  war  frühzeitig  erfolgt.  Die  äus- 
sere Untersuchung  ergab  einen  sehr  stark  ausgedehnten,  nach 
vorn  überhängenden  Unterleib,  in  der  Gegend  des  Muttermun- 
des waren  kleine  Fruchttheile  zu  fühlen,  der  Fötalpuls  liess 
sich  an  mehreren  Steifen  hören.  Innerlich  fühlte  man  hoch 
oben  den  vorliegenden  Schädel  ballotiren;  der  Muttermund 
zeigte  am  12.  Juni  IVüh  7  Uhr  eine  Erweiterung  von  1''  im 
Durchmesser   und    sehr   derbe  Ränder,    weshalb  Sitzbäder  in 


über  die  Ereignisse  in  dem  Entbinduagsinntttate  eto.      §3 

Anwendung  kamen.  Die  Conjugata  inleraa  roasB  3'^  Erst 
am  13.  Vormittags  10  Uiu*  war  der  Miittermnnd  völlig  er* 
weilert;  bald  darauf  sprang  auch  die  Blase,  wobei  sieb  ein«* 
sebr  grosse  Menge  Fruchtwassers  entleerte.  Der  Muttermund 
Ael  darauf  wieder  zusammen,  der  Schädel  der  Fnjcht  blieb 
in  querer  Stellung  noch  immer  hoch.  Nach  einer  Pause  von 
einer  Stunde  wurden  die  Wehen  häufiger,  ohne  jedoch  den 
Kopf  bis  in  den  Beckeneingang  zu  treiben,  es  bildete  sich 
Kopfgesehwulst,  die  Herztöne  der  Frucht,  die  bis  jetzt  noch 
vernehmbar  gewesen  waren,  wurden  matter  und  waren  von 
Nachmittag  3  Uhr  an  nicht  mehr  zu  hören.  Als  der  Kopf 
jetzt  fassbar  schien,  wurde  die  Naegele'sche  Zange  angelegt; 
da  aber  mehre  kräftige  Traclionen  d^n  Kopf  nicht  von  der 
Stelle  brachten,  wurde  mittels  des  scbeerenförmigen  Perfora- 
toriums  die  Perforation  gemacht  und  darauf  der  Seamonf- 
sehe  Gephalotribe  angelegt.  Versuche,  den  Kopf  mittels  die- 
ses Instrumentes  zu  entwickeln,  misslangen,  daher  abermals 
die  Zange  in  Anwendung  kam,  mit  welcher  ein  20'^  langer, 
8V2  Pfund  schwerer  Knabe  herausgefördert  wurde.  Eine 
reichliche  Blutung  gab  die  Indication  zu  sofortiger  Lösung 
und  Entfernung  der  Nachgeburt.  Das  Wochenbett  verlief 
regelmässig. 

IV.  Am  18.  September  früh  Va^  Uhr  erschien  in  der 
Anstalt  eine  27  jährige  Erstgebärende  zu  Anfsmg  der  Eröff- 
nungsperiode.  Die  Muttermundsränder  fühlten  sich  härtlich 
und  gespannt  an,  daher  trotz  kräftiger  Wehen  die  Erweite- 
rung mir  äusserst  langsam  vor  sich  ging,  weshalb  Sitzbäder 
von  einem  Decoct.  semin.  lini  in  Anwendung  kamen.  Am  fol- 
genden Vormittage  zeigte  der  Mutteimund  erst  die  Grösse  eines 
Zweithalerstuckes,  die  Blase  drängte  sich  hervor,  der  vor- 
liegende Schädel  stand  aber  in  querer  Stellung  noch  hoch 
auf  dem  Beckeneingange.  Die  Messung  der  Conjugata  vera 
ergab  3".  Beim  Blasenspruuge  1  Uhr  Mittags  fiel  eine  Schlinge 
der  Nabelschnur  vor,  die  wir  vergeblich  zu  reponiren  such- 
ten. Abends  6  Uhr  war  der  Muttermund  vollkoumicn  erwei- 
tert, der  Kopf  stand  fest  am  Beckeneingange,  die  Welten  nah- 
men an  Kraft  ab.  Da  über  den  erfolgten  Tod  des  Fötus 
kein  Zweifel  bestand,  wurde  sogleich  mit  der  Kopfscheere  die 
Perforation  vorgenommen  und  nach  Entleerung  der  Hirnmassc 


64  I^-     €lr0n$er,  AohtundviersiKStor  Jahreflbericbt 

dfT  Kopf  RiiUeis  der  Zange  «xtrahirt.  Es  war  ein  Deun 
Pfund  schwerer  Knabe.  Die  Nachgeburt  liess  sich  durch 
Druck  leicht  entfernen.  Die  Wöchnerin  wurde  am  neuolejt 
Tage  gesund  entlassen. 

V.  Am  22.  September  suchte  ein  Dienstmädcbeo  von 
hier,  Erstgebärende,  die  bis  in's  dritte  Lebensjahr  an-Rachitis 
gelitten  hatte,  Hülfe  in  der  Anstalt  Der  Torliegende  Schädel 
stand  hoch  auf  dem  Beckeneingange,  das  Maass  der  Conju- 
gata  betrug  3''  3^'^  Die  Wehen  waren  häufig  und  kräflig, 
so  «lass  Abends  sechs  ühr  der  Muttermund  vollkommen  er- 
weitert war*  Nach  dem  Blasensprunge  fiel  derselbe  aber 
wieder  zusammen  und  die  Wehen  in  der  Nacht  vom  22.  zum 
23.  September  vermochten  den  Schädel  nicht  bis  m  den 
Beckeueingang  zu  treiben.  Nachmittags  nahmen  die  Wehen 
an  Frequenz  und  Stärke  ab  und  die  fötalen  Herztöne  waren 
nicht  mehr  zu  hören.  Um  7  Uhr  wurde  deshalb  sogleich  zur 
Perforation  mittels  des  scheerenförmigen  Perforaloriums  ge- 
schritten. Audi  in  diesem  Falle  konnte  der  Kopf  nach  Ent- 
leerung des  Gehirns  mittels  der  Zange  entwickelt  werden. 
Das  Gewicht  des  Kindes,  eines  Knaben,  betrug  6'^  Pfund. 
Die  Nachgeburt  folgle  nach  einer  Viertelstunde  auf  Druck. 
Am  neunten  Tage  verliess  die  Wöchnerin  gesund  die  Anstalt 

Die  vier  künstlich  erregten  Frühgeburten  be- 
trafen sämmtlich  Mehrgebärende. 

Der  erste  Fall  kau)  im  März  vor  bei  einer  34jährigen 
Bauersfrau ,  welche  das  fünfte  Mal  schwanger  war.  Ihre  erste 
Entbindung  mussle  dprch  die  Perforation  beendet  wei*deu. 
Bei  der  zweiten  Geburt  hatte  die  Frucht  eine  Steisslage  ge- 
habt und  der  zuletzt  konmiende  Kopf  war  unter  grossen 
Schwierigkeiten  mittels  der  Zange  entwickelt  worden.  Die 
dritte  und  vierte  Entbindung  konnte  ebenfalls  nur  durch  Per- 
foration beendet  werden.  Die  Schwangere  wurde  in  der 
33.  Sehwaugerschaftswoche  zur  Einleitung  der  Frühgeburl 
bestellt.  Die  Messung  der  Conjugata  diagonalis  mittels  des 
Zeigefingers  ergab  3''  4''',  so  dass  sich  das  Maass  der  Con- 
jugata  Vera  2''  10'"  annehmen  liess.  Am  27.  März  früh 
8  Uhr  wurden  nach  der  Cohen'&cben  Methode  die  erste  In- 
jection  gemacht  und  die  Injectionen  dreistündlich  wiederholt. 
Nach  drei  intrauterinen  Einspritzungen  fingen  die  Weben  aa 


über  die  Ereignisse  in  dem  EntbinUungsinstitute  etc.      65 

den  Muttermund  zu  öffnen,  dessen  Erweiterung  aber  so  lang- 
sam fortschritt,  dass  erst  am  folgenden  Tage  Mittags  12  Uhr 
der  Muttermund  völlig  erweitert  war.  Um  4  Uhr  Nachmit- 
tags sprang  die  Blase,  wobei  das  in  reichlicher  Menge  ab- 
stürzende Fruchtwasser  den  Nabelstrang  mit  Torspülte  und 
die  eingehende  Hand  hoch  oben  die  erste  Gesichtslage  er- 
kannte. Da  bei  der  Aufgeregtheit  der  Gebärenden  ein  länge- 
res Zuwarten  nicht  räthlich  schien,  die  Nabelschnur  sich  nicht 
zurückbringen  Hess  und  das  Gesicht  noch  zu  hoch  stand^ 
um  die  Zange  anlegen  zu  können,  wurde  schnell  die  Wen- 
dung und  Extraction  an  den  Füssen  vorgenommen  und  ein 
4*/a  Pfund  schweres,  asphyktisches  Mädchen  entwickelt,  wel- 
ches jedoch  alsbald  zu  athmen  begann.  Sogleich  zeigte  sich, 
dass  noch  eine  Frucht  vorhanden  war,  welche  sich  in  erster 
Schulterlage  zur  Geburt  stellte.  Die  abermals  leicht  und 
rasch  ausgeführte  Wendung  mit  nachfolgender  Extraction  för- 
derte einen  ebenfalls  4'/«  Pfund  schweren  Knaben  in  asphyk- 
tischem  Zustande  zur  Welt.  Beide  Kinder  blieben  lebens- 
schwach und  starb  der  Knabe  schon  am  folgenden  Tage,  das 
Mädchen  nach  drei  Tagen.  Die  Entbundene  zeigte  einen  Puls 
von  110  Schlägen  und  eine  Temperatur  von  X  31,  3^  B. 
Dieser  Zustand  hielt  mehre  Tage  an,  auch  trat  Diarrhoe  ein, 
worauf  das  Fieber  ganz  schwand,  so  dass  die  Wöchnerin  am 
12.  Tage  das  Institut  verlassen  konnte. 

Im  zweiten  Pralle  war  es  eine  40jährige  Handarbeiters- 
frau, welche  in  der  sechsten  Schwangerschaft  unsere  Hülfe 
begehrte.  Sie  war  bereits  vier  Mal  durch  die  Perforation 
und  ein  Mal  durch  die  künstliche  Frühgeburt,  aber  ebenfalls 
von  einem  todten  Kinde  entbunden  worden.  Am  19.  Mai, 
als  in  der  Sz,  Scbwangerschaflswoche,  wurde,  nachdem  die 
Conjugata  vera  als  3"  3'"  messend  bestimmt  worden  war, 
die  erste  Inject ion  nach  der  OoAen'schen  Methode  vorgenom- 
men. Nach  der  zweiten  Injection  traten  mehrere ,  länger  an- 
haltende Wehen  ein,  der  Puls  stieg  auf  100.  Zur  Unterhal- 
tung der  Wehen  machten  sich  noch  zwei  Injeclionen  noth- 
wendig.  Abends  "/«S  Uhr  war  der  Muttermund  völlig  erweitert. 
Da  sich  kein  vorliegender  Fruchttheil  fühlen  liess,  führte  man 
die  rechte  Hand  ein  und  constatirte  zweite  Schullerlage.  Die 
Wendung   machte   in   der  Bückenlagc  einige  Schwierigkeiten, 

MoDAUsohr.  f.  Oebartsk.  1866.  B<i.  XXVI.,  Hft.  1.  5 


66  IV.     Grenzer,  Achtnndviersigster  Jahresbericht 

gelang  aber  bald  nach  eiagenommener  Seilenlage.  Die  ziem- 
lich kräftigen  Wehen  trieben  das  Kind  darauf  schuell  bis  zu 
den  Schultern  aus,  die  Arme  -wurden  jetzt  scboeli  herabge- 
schlagen  und  der  Kopf  entwickelt,  dessenangeacbtet  zeigte  das 
Kind,  ein  fünf  Pfund  schwerer  Knabe,  keine  Spur  von  Leben, 
Das  Wochenbett  verlief  ohne  alle  Störung. 

Der  dritte  Fall  betraf  eine  33jährige,  zum  dritten  Male 
gebärende  Webersfrau.  Im  Jatu*e  1859  war  dieselbe  in  un- 
serer Anstalt  mittels  der  Zange  sehr  schwer  von  einem  tod- 
ten  Kinde  entbunden  worden,  wobei  man  eine  Conjugata  von 
3"  3"  gefunden  hatte.  Im  Jahre  1861  hatte  sie  im  vierten 
Monate  abortirt.  In  der  33.  Schwangerschaftswoclie  wurde 
am  2.  Juni  die  erste  intrauterine  Injection  vorgenommen. 
Erst  nach  der  vierten  Injection  Gngen  kräftige  Weben  den 
Muttermund  zu  erweitern  an.  Um  neun  Uhr  Abends  erschien 
derselbe  völlig  erweitert;  die  Blase,  da  sie  bis  zur  Scham- 
Öffnung  herabdrängte,  wurde  gesprengt,  und  bereits  um  zehn 
Uhr  gelaug  es  den  Naturkräflen  ein  fünf  Pfund  schweres 
Mädchen  in  zweiter  Schädellage  lebend  auszutreiben.  Leider 
starb  das  Kind  bereits  in  der  folgenden  Nacht  an  Lebens- 
sehwäche.  Eine  leichte  Perimetritis  in  den  ersten  Tagen 
wurde  bald  beseitigt,  und  so  verliess  die  Wöchnerin  am  neun- 
ten Tage  gesund  die  Anstalt. 

Im  vierten  Falle  meldete  sich  zur  kunstlichen  Fröli- 
geburt  eiue  24jährige,  zum  dritten  Male  schwangere  Hand- 
arbeilersfrau,  die  ihr  erstes  Kind  nicht  völlig  ausgetragen, 
bei  ihrem  zweiten  aber  eine  schwere  Zangenoperation  aus- 
zuhalten gehabt  hatte.  Am  4.  Juli,  wo  sie  sich  in  der 
33.  Schwangerscbaftswoche  befand,  wurde  früh  7  Uhr  das 
Cohen  sehe  Röhrchen  eingeführt,  wobei  leider  die  Eihäute 
verletzt  wurden ,  so  dass  das  Fruchtwasser  sich  entleerte. 
Eine  Messung  der  Conjugata  vera  hatte  3''  3'"  ergeben.  Die 
Frucht  stellte  sich  in  zweiter  Schadellage  zur  Geburt.  Nacli- 
mittags  war  der  Muttermund  völlig  erweitert,  und  es  zeigte 
sich  an  dem  vorUegenden  Schädel  eine  pralle  Geschwulst, 
welche  sich  runder  und  kugeliger  anfühlte,  als  eine  gewöhn- 
lii  he  Kopfgeschwulsl.  Es  wurd<'  jetzt  zur  Anlegung  der  Zange 
geschritten,  und  nach  mehreren  kräftigen  Tractionen  ein  sechs 
Pfund  «rhwerer,    nur  soliwarhes  Leben  zeigender  Knai»e  enl- 


iib«T  di«  Ereigpnisse  in  dem  Entbindungsiustitnte  etc.      67 

wickelt  Der  ScbMel  zeigte  an  der  kleinen  Fontanelle  einen 
prallen  Beutel  von  der  Grösse  eines  Hfihnereies,  ivelcher  mit 
der  Sfhadelbdhle  zusammenhing  und  eine  seröse  Flüssigkeit 
zu  enthalten  schien  (s.  unter  den  Anomalien  der  Neugebo- 
renen). Das  Kind  war  nicht  zum  Saugen  zu  bringen  und 
starb  bereits  nach  zwei  Tagen.  Das  Wochenbett  verlief,  mK 
Ausnahme  einer  sehr  geringen  circuniscripten  Peritonitis,  ohne 
weitere  krankhafte  Erscheinungen, 

Nachgeburtsoperationen  wurden  bei  vier  Erstge- 
bärenden und  zwei  Zweitgebürenden  nöthig.  In  zwei  Fällen 
war  die  Verwachsung  der  Placenta  durch  feste  sehnige 
Stränge  bedingt,  die  bei  der  Lösung  mit  den  Fingern  abge- 
knippen  werden  mussten.  In  den  übrigen  Fällen  war  die 
Placenta  leicht  abschälbar,  Zweimal  musste  die  Nachgeburt 
wegen  sehr  reichlicher  Blutung  sofort  weggenommen  werden. 
In  einem  Falle  folgte  Endometritis  septica  und  Metrophle- 
bitis,  an  welcher  die  Wöchnerin  starb, 

Anomalien  des  Wochenbettes. 

Entzündliche  Affectionen  des  Bauchfelles 
kamen  im  Allgemeinen  bei  67  Wöchnerinnen  vor.  Sie  ver- 
tlieilen  sich  nach  Monaten,  wie  folgt:  im  Januar  4,  im  Fe- 
bruar 8,  im  März  6,  im  April  5,  im  Mai  8,  im  Juni  8,  im 
Juli  5,  im  August  2,  im  September  5,  im  October  4,  im 
November  5  nnd  im  December  7.  Davon  beschränkte  sich 
die  Entzündung  in  dreissig  Fällen  auf  den  Bauchfcllüberzug 
des  Uterus,  in  zehn  Fällen  strahlte  sie  von  da  auf  die  vor- 
dere Bauchwand  über,  und  in  27  war  das  Pcritonäum  in 
grösserer  Ausilehnung  ergriffen.  Bei  diesen  ausgebreiteleren 
Entzündungen  bestand  dann  heftiges  Fieber,  Puls  meist  110 
bis  120  mit  entsprechender  Erhöhung  der  Temperatur  (höchste 
Pulsfrequenz  160,  wo  Genesung  eintrat,  höchste^  Temperatur 
32,4  R. ,  bei  einer  Moribunda  33,4.),  Tympanitis,  grosse 
Schmerzhafttgkeit  und  meist  war  Exsudat  sehr  bald  nachweisbar. 
Von  diesen  schweren  Fällen  verliefen  folgende  drei  lodtlich. 

1.  Eine  35jährige  Näherin  aus  Dresden,  Erstgebärende, 
trat  am  2.  Juli  Nachts  V2I2  Uhr  in  die  Anstalt,  Sie  gab 
an,  in  der  letzten  Zeit  ihrer  Schwangerschaft  viel  geKrankeit, 
besonders   an    häufigen   Diarrhöen   und  öfteren  Frostschniieni 


ßg  IV.     Qren$er,  AcbtandWersi^ster  Jahrefbericht 

gelitten  zu  haben.  Sie  ist  kleiner  Statur,  dörfUg  genibri, 
von  kachectiscbent  Aussehen,  der  Unterleib  massig  gross,  Ge- 
bärmutter eiförmig,  hart  anzufühlen,  Herztone  rechts,  Uteria- 
geräusch sdiwach  hörbar.  Scheide  massig  aufgelockert,  Mul- 
temiuadsränder  zäh,  Muttermund  so  weit  geöffnet,  dass  die 
Fingerspitze  kaum  eindringen  konnte,  Schädel  der  Frucht  in 
zweiter  Stellung  fest  im  Eingange  des  Beckens;  das  Fnichl- 
Wasser  hatte  sich  bereits  abgeschlichen.  Unter  scliwacheo 
Wehen  verging  der  ganze  Tag  und  die  darauf  folgende  Nacht, 
so  dass  erst  am  4.  Juli  Mittags  der  Muttermund  völlig  erwei* 
terl  war.  Die  Kreissende  war  durch  die  lange  Geburtsdauer 
aufgeregt,  hatte  einen  Puls  von  100  Schlägen  und  mehrere 
diarrhoische  Ausleerungen  gehabt.  Da  der  Kopf  zu  langsam 
vorrückte,  wurde  die  Zange  angelegt,  und  ohne  besonderen 
Kraftaufwand  ein  acht  Pfund  schwerer  lebender  Knabe  ent- 
wickelt. Reichliche  Blutung  machte  alsbaldige  Entfernung  der 
Nachgeburt  nöthig,  und  als  auch  darauf  wegen  Atouie  des 
Uterus  die  Blutung  fortdauerte,  wurden  nach  Ausräumung  der 
angesammelten  Blutgerinnsel  aus  der  Gebärmutterhöhle,  einige 
Injectiouen  von  Essig  imd  Wasser  gemacht  und  innerlich 
Tinct.  Cinnamomi  gereicht.  Nach  einigen.  Slundeu  traten  wie- 
der diarrhoische  Ausleerungen  ein,  der  Puls  120,  Temperator 
31,2,  Unterleib  schmerzhaft.  Die  Kranke  erhielt  zweislündlich 
74  Gr.  ExtracL  Ihebaic.  und  Siuapismen.  In  den  folgenden 
Tagen  steigerte  sich  das  Fieber,  der  Unterleib  trieb  sich 
mehr  aid'  und  es  liess  sich  Exsudat  nachweisen,  daher  Cataplasm. 
emoll.  und  das  Unguent.  hydrargyr.  einer,  in  Anwendung 
kamen.  Unter  diesen  Symptomen  starb  die  Kranke  bereits 
am  T.Juli  Nachmittags.  Sectiousbefund;  Lungen  bis  auf 
einiges  Oedem  gesund,  nach  hinten  Leiclienhypostase;  Herz 
schlaff,  im  rechten  Ventrikel  Imbibitionsröthe,  auf  der  Mitral- 
klappe geringe  atlieromatöse  Ablagerungen;  die  Vaivulae  semi- 
lunares  aortae  siebforinig  durchlöchei't.  Im  Abdomen  eine 
massige  Menge  serös -eitrigen  Exsudates,  alle  Baucheingeweide 
mit  eitrigen  Flocken  bedeckt,  Leber  massig  gmss,  eine  Ein- 
schnürung zeigend,  Milz  vergrössert,  matschig.  An  der  Pla- 
cenleustelle  des  Uterus  schwärzliche  Exsudatmassen. 

2.  Eine  19  Jahre  altes  Dienstmädchen,  kleiner  Statur,  guter 
Ernährung,  von  gesundem  Aussehen,  kreisste  am  31.  August. 


aber  dl«  Ereig^nisse  in  dem  Entbindang^einstitate  «tc.       H9 

Sie  hatte  einen  stark  ausgedehnten,  etwas  überhängenden  Un- 
terleib, Herztöne  der  Frucht  rechts,  Schädel  der  Frucht  in 
zweiter  Stellung  noch  hoch  auf  dem  Beckeneingange,  innere 
CoDJugata  3^«",  Scheide  grieslich ,  unteres  Uterinsegnient  zäh, 
Muttermund  im  D.  =  1"  geöffnet,  mit  schwieligen  Rändern, 
Wehen  sehr  schmerzhaft.  Erweichende  Sitzbäder.  Erst  am 
3.  September  Vormittags  10  Uhr  vollkommene  Erweiterung 
des  Muttermundes.  Da  sich  Kopfgeschwulst  gebildet  hatte, 
die  Herztöne  der  Frucht  träger  und  matter  wurden,  die  Ge- 
bärende auch  sehr  erschöpft  war,  wurde  die  Zange  angelegt 
und  ein  Mädchen  extrahirt,  hei  welchem  zwar  das  Herz  noch 
etwas  thätig  war,  welches  aber  trotz  aller  Belebungsversuche 
nicht  zum  Athmen  gebracht  werden  konnte.  Die  Nachgeburt 
wurde  unter  reichlicher  Blutung  mit  der  Hand  entfernt.  Die 
zwei  ersten  Tage  des  Wochenbettes  verliefen  ohne  Störung, 
nur  bestand  Harnverhaltung.  Jetzt  aber  trat  acute  Peritonitis 
mit  raschem  Exsudate  ein,  der  Puls  erreichte  die  Frequenz 
von  löO,  die  Tem])eratur  die  Höhe  von  32,2.  So  starb  die 
Wöchnerin  bereits  am  dritten  Tage  der  Krankheit,  am  fünften 
Tage  des  Wochenbettes.  Die  Section  ergab  eine  Kanne  serös- 
eitriges Exsudat,  die  Serosa  am  Jejunum  und  Ileum  stark  in- 
jicirt,  ebenso  an  den  breiten  Mutterbändern,  Tuben  und  Ova- 
rien, alle  Bancheingeweide  mit  Eiterflocken  bedeckt.  An  der 
inneren  Fläche  des  Uterus  keine  Spur  von  Entzündung. 

3.  Eine  29jährige  Näherin,  welche  bereits  einmal  eine 
normale  Schwangerschaft,  Geburt  und  Wochenbett  durchge- 
macht hatte,  kam  am  29.  September  Abends  acht  Uhr  als 
-Kreissende  an  und  gebar  binnen  einer  Stunde  in  erster  Schä- 
dellage ein  6*/«  Pfufid  schweres,  lebendes  Mädchen,  welchem 
die  Nachgeburt  schnell  folgte.  Die  ersten  drei  Tage  des 
Wochenbettes  verliefen  regelmässig,  als  am  2.  October  sich 
Symptome  von  Peritonitis,  von  der  Gegend  des  rechten  f^igam. 
ut.  latum  ausgehend  zeigten.  Puls  110,  Teniperatur  30,3. 
Am  folgenden  Tage  trat  Pleuritis  der  linken  Seite  hinzu, 
Percussionston  gedämpft  bis  zur  vierten  Rippe.  Die  Milch- 
secretion  versiegte  gänzlich.  Am  siebenten  Tage  früh  Puls 
120,  Temperatur  31,0.  Hinzutretendes  Knisterrasseln  zeigte, 
das  auch  die  Lunge  afticirt  war.  Die  Dämpfung  des  Percus- 
sionstons   linkerseits    erstreckte    sich    jetzt    bis    zur    zweiten 


70  IV.     Gren^er^  Achtundvierzigster  Jahresbericht 

Rippe.  Unter  Steigerung  des  Pukes  bis  156,  der  Tempe- 
ratur bis  zu  32,3*  Zunahme  der  Allieinnotb  und  des  Lungee- 
Ödems  erfolgte  am  13.  October  Mittags  V«12  Uhr  der  Tod. 
Bei  der  Sectiun  fanden  wir  die  linke  Brusthöide  voU  von 
serös-eitrigem  Exsudate,  die  entsprechende  Lunge  am  uateren 
Lappen  comprimirL  Das  Lungengewebe  dasellist  im  Stadhim 
der  eitrigen  Infiltration.  Rechte  Lunge,  ausser  acutem  Oedem, 
gesund.  Leber  gross,  im  rechten  Lappen  eiu  baselnussgrosser, 
hämorrhagischer  Infarct.  Milz  etwas  grösser  als  gewöhnlich« 
Auf  dem  linken,  wie  rechten  Ovarinro,  ebenso  auf  beiden 
Ligam.  lat.  uteri  abgelaufene  Entzündung  mit  Auflagerung 
dicklichen,  gelben  Exsudats. 

Endometritis  kam  im  Ganzen  11  Hai  vor.  Ausser 
zwei  Fällen,  von  denen  sich  der  eine  mit  Peritonitis  (s.  oben), 
der  andere  mit  Metrophlebitis  complicirte,  weiche  beide  tödt- 
lich  endeten,  gingen  alle  in  Genesung  über.  Die  Pulsfrequenz 
betrug  meist  96— 110,  die  Temperatur  30,2  bis  31,1.  Mehr- 
mals fanden  wir  gleichzeitig  Endocolpitis  und  Ulcera  puer- 
peralia.  Reinigende  Injectionen  galten  als  Hauptmittel  der 
Behandlung.     Der  tödtlich  endende  Fall  ist  folgender: 

Die  oben  (siehe  Metrorrhagien  während  der  Gebiu't  der 
Frucht)  erwähnte  36jährige  Erstgebärende,  wo  sich  wegen 
Blutung  die  Colpeurysis  und  in  der  Nachgeburtsperiode  die 
künstliche  Lösung  des  Fruchtkuchens  noth wendig  machten, 
erlitt  am  dritten  Tage  des  Wochenbettes  einen  FieberanraJI 
mit  einer  Pulsfrequenz  von  110  und  Temperaturerhöhung  von  - 
31,2.  Gleichzeitig  stellten  sich  Diarrhoe  und  übelriechende 
Lochien  ein,  während  der  massig  gespannte  Unterleib  schinerztos 
blieb.  Am  sechsten  Tage  Abends  trat  plötzlich  ein  Anfall 
von  Mania  puerperalis  auf,  welcher  ziemlich  eine  Stunde  lang 
anhielt.  Der  Aufall  wiederholte  sich  zwar  nicht,  aber  Puls- 
frequenz und  Temperaturhöhe  steigerten  sich  immermehr,  die 
Zunge  wurde  trocken  und  rolh,  der  Durst  unlöschbar  und 
immer  wieder  zeigten  sich  Diarrhoeeu.  Hinzutretende  öftere 
Frostschauer  wiesen  darauf  hin,  dass  sich  die  Endometritis 
mit  Metrophlebitis  complicirt  habe.  Alle  Mittel,  unter  welchen 
wir  von  der  Zeit  an,  wo  die  Frostschauer  auftraten,  nur  den 
ergiebigen  Gebrauch  des  Chininum  sulfuric.  erwähnen,  blieben 
fruchtlos,  und  so  starb  die  Kranke  am  dreizehnten  Tage  des 


über  die  ßreig^nisse  in  dem  EntbiDdung^sinstitute  etc.       71 

Wochenbettes.  Bei  der  Seclion  fandiMi  wir  unter  der  Galea 
aponearotica,  rechts  über  deni  Supraorbitalrande  einen  klei- 
nen Eiterheer d,  welcher  etwa  einen  Fingerhut  voll  Eiter 
entleerte.  Hirnhäute  und  Hirn  blutarm,  übrigens  norin^y. 
fieide  Luitgen  gesund,  nur  nach  hinten  alte  Verwachsungen. 
Das  Herz  schlaff,  weich,  an  der  Valvula  mitraiis  kleine  Ex- 
crnscenzen,  in  den  Wandungen  der  grossen  Gefössstämme 
Imbibition  mit  Anfangen  atheromatöser  Entartung.  Leber  gross, 
über  deren  Mitte  eine  Einschnürung,  jedenfalls  von  festem 
Schnüren.  Milz  gross,  Gewebe  breiig,  am  unteren  Theile 
des  rechten  Randes  keilförmig  nach  innen  gehende 
Eiterheerde.  Uterus  noch  gross,  schlalT,  an  seiner  inne- 
ren Fläche  mit  schmierigen,  dunkeln  Massen  bedeckt  Auf 
der  Schnittfläche  der  Placentenstelle  quillt  Eiter  aus  den 
Venen  hervor. 

Endocolpitis  fanden  wir  bei  59  Wöchnerinnen,  davon 
41  Mal  mit  gleichzeitiger  Anschwellung  der  Schamlippen,  an 
denen  es  bei  16  zur  puerperalen  Gesc|iwürsbildung  kam.  Sie 
trat  immer  gruppenweise  auf,  so  dass  epidemische  Einflüsse 
nicht  zu  verkennen  waren,  am  stärksten  im  Monate  März  urid 
in  den  letzten  vier  Monaten  des  Jahres. 

Von  Harnverhaltung  im  Wochenbette  zählten  wir  26 
Fälle.  Meist  bestand  sie  nur  zwei  bis  vier  Tage;  zwei  Mal 
machte  sie  bis  zum  siebenten,  ein  Mal  bis  zum  achten  Tage 
des  Wochenbettes  die  Application  des  Katheters  nothwendig. 

Metrorrhagien  kamen  acht  Mai  zur  Behandlung;  davon 
sechs  Mal  in  der  ersten  Stunde  nach  der  Geburt,  zwei  Mal 
dagegen  am  sechsten  und  siebenten  Tage  des  Wochenbettes. 
Wo  ilie  Blutungen  bald  nach  Entfernung  der  Nachgeburt  ein- 
traten, war  Atonie  des  Uterus  die  Ursache,  und  demgemäss 
die  Behandlung.  Von  de\\  später  im  Wochenbette  auftretenden 
Metrorrhagien  betraf  eine  zum  zehnten  Male  Entbundene, 
wo  bei  der  siebenten,  achten  und  neunlcn  Geburt  die  Pla> 
centa  jedesmal  künstlich  durch  den  Arzt  hatte  gelöst  werden 
müssen,  und  dabei  bei  der  neunten  Geburt  eine  Inversio  uteri 
entstanden  war,  welche  nur  unter  grossen  Schwierigkeiten 
und  bedeutender  Blutung  reponirt  worden  war.  Im  October 
gebar  die  Person  in  der  Anstalt  zum  zehnten  Male  ganz 
regelmässig   ein   dürftig  genährtes,   nur  öVa  Pfund  schweres 


72  IV.     Oretuer,  Achtandyieriigster  Jahresbericht 

Mädchen.  Die  Nachgehurt  liess  sich  ^erst  nach  drei  Vierlol 
Stunden  nach  wiederholten  Versuchen  durch  äusseren  Druck 
entfernen.  Die  Placenta  war  klein  mit  faserstofOgen  Exsudaten 
und  tbeilweise  kalkigen  Concrementen  durchsetzt.  Die  Blu- 
tung d^bei  war  zwar  sehr  reichlich,  stand  aber  n-dth  blosen 
Reibungen  der  Gebärmutter  von  Aussen.  Die  Wöchnerin  blieb 
darauf  zwar  anämisch,  befand  sich  aber  bis  zum  siebenten 
Tage  des  Wochenbettes  wohl,  wo  plötzlich  wieder  eine  so 
reichliche  Metrorrhagie  eintrat,  dass  [njectiouen  von  Essig 
und  Wasser  gemacht  und  innerlich  Tinct.  Cinnamom.  mit  Aeid. 
(»hosplior.  dilut.  gereicht  werden  musste.  Kräftige  Kost  brachte 
die  Kräfte  darauf  wieder  so  weit,  dass  die  Wöchnerin  am 
dreizehnten  Tage  des  Wochenbettes  entlassen  werden  konnte.  — 
In  dem  zweiten  Falle  complicirten  sich  die  Blutungen  im  Wochen- 
bette mit  einem  retroperitonäalen  Abscesse,  und  wurde 
der  Fall  deshalb  tödtlich.  Es  war  dies  eine  28  jährige  Näherin, 
von  /  bleicher  cachektischer  Gesiclitsfarbe ,  die  in  den  letzten 
Monaten  der  Schwangerschaft  immer  gekränkelt  und  über 
Schmerz  in  der  Unterbauchgegend  geklagt  hatte,  welcher  sie 
am  Arbeiten  verhinderte.  Sie  erschien  als  Kreissende  am 
1.  Juli  Nachmittags,  das  Wasser  war  bereits  abgegangen,  der 
Unterleib  massig  ausgedehnt,  etwas  überhängend  |  Foetalpuls 
links  hörbar,  Muttermund  im  D.  =  T'  eröffnet,  Schädel  der 
Frucht  in  erster  Stellung  auf  dem  Beckeneingange  noch  be« 
weglich,  Conjugata  vera  Sy^*'.  Als  V2  H  ^^^  Nachts  der 
Muttermund  völlig  erweitert  war,  die  Herztöne  der  Frucht 
schwächer  und  langsamer  wurden,  die  Gebärende  einen  Puls 
von  110  Schlägen  zeigte,  wurde  an  dem  erst  mit  einem 
Segment  im  Beckeneingange  stehenden  Schädel  die  Zange 
versucht,  die  aber  bei  den  Tractionen  zu  gleiten  drohte,  da- 
her man  sie  wieder  abnahm  und  noch  wartete,.  Drei  Stunden 
darauf  trieben  kräftige  Wichen  das  Kind,  ein  sieben  Pfund 
schweres ,  nunmehr  todtes '  Mädchen,  aus.  Die  Nacligeburt 
folgte  bald  darauf  auf  Druck,  die  Blutung  war  massig.  Am 
dritten  Tage  des  Wochenbettes  Symptome  von  Peritonitis  und 
Endometritis.  Am  siebenten  Tage  profuse  Metrorrhagie,  welche 
Injectionen  von  Essig  und  Wasser  nöthig  machte.  Die  Blu- 
tungen wiederholten  sich  in  den  nächsten  Tagen  und  es  stellte 
sich   heftiger  Kreuzschmerz   ein   mit  ziehenden  Schmenen  in 


'    über  die  KreigniKse  in  dem  .Knthindnng^sinatitute  etc.       73 

den  Schenkein,  die  immer  unbeweglicher  wurden.  Puls  klein, 
130,  Temperatur  32,4.  Oefteres  Erbrechen.  Am  dreizehnten 
Tage  erfolgte  der  Tod.  Der  Leichnam  erschien  sehr  abge- 
magert, wachsfarben,  alle  Eingeweide  blutleer,  Milz  vergrös* 
sert,  bauchig.  Hinter  der  Pars  Uimbalis  peritonaei  ein  grosser, 
von  einer  Niere  zur  andern  sich  erstreckender  Sack,  welcher 
beim  Einsiechen  eine  eitrig-jauchige  stinkende,  mit  Blut  ge- 
mengte Masse  entleerte.  Der  Uterus  zeigte  an  der  Placen- 
tenstelle  jauchiges  Exsudat. 

Mania  puerperalis  brach  am  siebenten  Tage  des 
Wochenbettes  bei  einer  24 jährigen  Dienstmagd  nach  völlig 
normalen)  Gehurtsverlaufe  aus.  Der  Puls  hatte  dabei  88  Schläge, 
Symptome  von  Peritonitis  waren  nicht  vorhanden.  Kalte  Fo- 
mentationen  auf  den  Kopf,  Sinapismen,  Morph,  acetic.  Ve  Gr. 
pr.  dosi,  brachten  nur  wenig'Ruhe  und  die  Wöchnerin  musste 
wegen  zu  lauten  Tobens  und  Schreiens,  wodurch  die  dbrigen 
Wöchnerinnen  in  den  Nebenzimmern  sehr  beunruhigt  wurden, 
an  das  Stadtkrankenhaus  abgegeben  werden. 

Kehlkopf-,  Bronchial-  und  Lungenkatarrhe 
kamen  24  vor  und  wurden  in  der  Regel,  selbst  wenn  sie 
ziemlich  inveterirt  waren,  durch  den  Wochenschweiss  und  die 
dem  Wochenbette  eigenthumlichen  Veränderungen  in  den  Or- 
ganen der  Respiration  und  Circulation  in  den  ersten  acht  Tagen 
des  Wochenbettes  geheilt.  Ebenso  wichen  Darmkatarrhe, 
davon  wir  sechs  beobachteten,  im  Wochenbette  sehr  schnell, 
und  nur  in  einem  Falle  unter  Mithülfe  des  Extract.  thebaic. 

Ausser  dem  bereits  angeföhrten  Falle  von  Pleuritis, 
welcher  sich  mit  Peritonitis  complicirte  und  tödtlich  endete, 
beobachteten  wir  noch  drei  andere  leichterer  Art  in  den  ersten 
Tagen  des  Wochenbettes,  deren  Heilung  durch  Cataplasmen 
und  den  Gebrauch  der  Digitalis  bald  gelang. 

Bei  drei  Wöchnerinnen,  die  an  chronischem  Husten  litten, 
entdeckten  wir  Lungentuberculose  in  den  Spitzen  beider 
Lungen,  welche  in  eitrige  Schmelzung  überzugehen  anfing. 
Gegen  den  quälenden  Husten  erhielten  sie  einen  Linctus  mit 
Morphium. 

Gegen  wunde  Brustwarzen  versuchten  wir  das  in 
dem  grossen  Dubliner  Gebärhause  gebräuchliche  Mittel  be- 
stehend   aus:    Borac.  3ii,    Calc.  viv.  3i,   Spirit.   vin.  Sü  und 


74  '^'     Qretuer,  Aehtundvierzig^sier  Jiihre«beriebt 

Aq.  foiitan.  Jiv.  Leinwandlappohen,  in  diese  Flüssigkeit  g^e- 
taucht,  wurden  auf  die  Warzen  gelegt  und  nuch  dem  Ein- 
trocknen erneuert.  Nach  unseren  Erfahrungen  entsprach  aber 
das  Mittel  seinem  Rufe  ebensowenig,  wie  6ie  meisten  übrigen, 
und  wir  kamen  wieder  auf  ttie  von  uns  seit  einer  Reibe  von 
Jahren  mit  Nutzen  gehrauchte  Mischung  von  Borax  mit  Milch- 
rahm  zurück. 

Anomalien  der  Neugeborenen. 

Von  di^n  Neugeborenen  verstarben  in  der  Anstalt  21, 
als  12  Knaben  und  neun  Mädchen,  und  zwar: 

8  an  Lebensschwäche  wegen  Frühzeitigkeit,  davon  drei 
nach  der   künstlichen  Frühgeburt,    inclus.  ein  Zwil- 
lingspaar, 
1  an  Hydrocephalus  externus, 
3  an  Atelectasis  pulmonum, 
1  an  Icterus, 
8  an  Krämpfen  in  Folge  von  Hirnhyperänue. 

sir2i;" 

Von  sonstigen  Erkrankungen  beobachteten  wir  1  Perio- 
stitis, 1  hartnäckige  Ohstructio  alvi,  2  Cephalaematome,  4  Na- 
helentzöndungen,  2  entzündete  Brüstchen,  1  Entzündung  der 
Scl»amlippen,  4  Fälle  von  Mundaphtben,  1  Bruch  des  Ober- 
armbeins, 2  Icterus,  1  Blutung  aus  dem  Mästdarme,  3  Her- 
nien, 3  Pemphigus  und  46  Ophthalmiae  neonatorum. 

Das  Vorkommen  der  Ophthalmia  neonatorum  band  sich 
an  keine  Jahreszeit,  so  dass  einige  Fälle  dieser  Krankheit  in 
jedem  Monate  zur  Beobachtung  kamen.  Ein  Dritttbeil  der  Ge- 
sammtmasse  der  augenkranken  Neugeborenen  waren  solche, 
die  von  Hausschwangern  geboren  worden  waren,  eine  Erfali- 
rung,  die  wir  schon  längst  gemacht  haben.  Es  kamen  näm- 
lich auf  88  von  Hausschwangern  Geborene  15,  auf  524  von 
erst  während  der  Geburt  Eintretenden  31  augenkranke  Kin- 
der. Die  Ursache  hiervon  liegt  wohl  darin,  dass  durch  die 
öfteren  Untersnclmngen  der  Hausscliwangeren  nicht  selten 
Scheidenblennorrlioen  erzeugt  werden,  welche  während  des 
Gehurtsactes  inficirend  auf  die  Augenlider  der  Kinder  wirken. 
Daher  wurde  darauf  gesehen,   dass,    wo   sidi   l»ei  der  Mutter 


aber  die  Bret^niiise  in  dem  Entbindungsineütote  ete.       75 

weisser  Fluss  zeigte,  die  Augen  der,  Neugeborenen  im  ersten 
Bade  mit  besomlerer  Sorgfalt  gereinigt  wurden.  —  Was  die 
Ausgänge  der  Ophthalmia  neonatorum  betrilTt,  so  blieb  nur  in 
oinent  einzigen  Falle  eine  beträchtliche  Trübung  der  Cornea 
auf  beiden- Augen  zurück,  in  zwei  anderen  nur  leichte  Ma- 
culae des  einen  AugevS. 

Von  Missbildungen  kamen  vor: 

1  Klumpfuss, 

1  Teleangiectasie  am  rechten  Obersclienkel  von  der  Grösse 
einer  welschen  Nuss, 

1  Spina  bifida  in  der  Gegend  des  vierten  bis  achten  Brust- 
wirbels; ausserdem  erstreckte  sich  bei  diesem  Kinde  der 
vordere  Winkel  der  grossen  Fontanelle  bis  zur  Nasen- 
wurzel, übrigens  erschien  das  Kind  gut  genährt  und 
saugte  an  der  Mutterbrust; 

1  Hydrocephalus  externus  congenitus  und  gleichzeitig  Atre- 
sia  ani  bei  dem  oben  erwähnten  durch  die  künslliclie 
Frühgeburt  zur  Welt  geförderten,  lebensschwacben  Kna- 
ben. Bei  der  Section  zeigte  sich,  dass  der  huhnereigrosse, 
beuteiförmige  Anhang  von  einer  Fortsetzung  der  Dura 
mater  ausgekleidet  und  mit  Serum  angefüllt  war,  mithin 
einen  Hydrocephalus  externus  darstellte. 


Unterricht  in   der  Geburtshülfe  erhielten  25  Stu- 
dirende  und  54  Schulerinnen. 


76        IV.     Chrenter,  ÄchtundTieriigster  Jahresbericht  etc. 


<            .b  fl           Bchttlerinooii 
1       n-^-v 

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Besondere  Bemerkungen. 

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Bestand  nlt.  Decbr.  1862. 

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Tabella 

oigl.  Sachs. 

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1 

1 

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Zahl  der  Geburten. 

Zahl  der  aufgenommenen 

Schwangeren  und  Ge- 

bftrenden. 

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1 

»•a>s>e«ieeeeQe»«ea>eao  < 
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Bestand  am  81.  Dec.  1861. 

7!Schw»og.  D.  ISWSchner.jSl 

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SS  •  • :  •  iilill. 

V.     Notiaen  aas  der  Jourotil-Literatar.  77 

V. 

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Notizen  aus  der  Journal -Literatur. 


Ludung  Fürst:  Zur  Therapie  der  chronischen  Me- 
tritis. 

Nach  einer  karsen  Würdigung  der  aber  die  Aetiologie  der 
chronischen  Metritis  bestehenden  Ansichten  (Sean^onij  Sey/ert) 
bekennt  sich  Verf.  schliesslich  lu  der  ^raiin'schen  Meinung,  wo- 
nach er  die  beregte  Ute rnsk rankheit  einerseits  von  Blutstaaungen 
nnd  Hyper&mien  in  den  Beckenorganen  herleitet,  andererseits  die 
Ursache  derselben  den  puerperalen  Vorgängen  allein  yindiciren  zn 
können  glaubt.  Dieser  Anschauungsweise  folgend,  nimmt  er  bei 
Aufstellung  der  Causalindicationen  hauptsächlich  darauf  Rücksicht: 

1)  ob  die  krankhaften  Erscheinungen  ursprünglich  aus  einem 
alterirten  Kreislaufe  in  den  Beckengefüssen  und  denjenigen  in- 
nerhalb der  Gebärmutter  hervorgegangen,  oder  ob  2)  die  localen 
Erscheinungen  lediglich  durch  Veränderun^ren  in  dem  Uterus- 
parenchym  bedingt  werden,  die  insbesondere  mit  einem  voraus- 
gegangenen puerperalen  Vorgange   im  Causalverbande  stehen. 

Ad  1.  Da  die  Ursache  der  Blutiiberfiillung  des  Uterus  einer- 
seits in  diesem  selbst  liegen  kann,  andererseits  die  localen 
Cireulationsstörungen  des  Uterus  von  allgemeinen  in  den  be- 
deutenderen Blntbahnen  stattgehabten  Unregelmässigkeiten  (Hera-, 
Lungen-,  Leberkrankbeiten)  herzuleiten  sind,  so  werden  aneh  die 
therapentischen   Maassnahmen   verschiedener  Art  sein  müssen. 

Die  Beseitigung  des  andauernden  Oongestivzustandes  im 
Utems  wurde  bekanntlich  von  jeher,  besonders  durch  Blut  ent- 
sieh ung  am  Scheidentheile,  angestrebt.  Die  Anwendung  der- 
selben hält  Verf.  (natürlich  unter  Beobachtung  der  nÖthigen  Can- 
telen)  im  beregten  Falle  für  durchaus  zweckmässig;  besonders 
nützlich  seien  sie  aber,  wenn  jene  Cireulationsstörungen  bei  chro- 
nischen Metritiden  zur  Zeit  der  katamenialen  Function  in  Er- 
scheinung treten,  weil  die  durch  die  chronische  Metritis  bedingte 
Gewebsveränderung  des  Uterus  das  Zustandekommen  der  Blut- 
gefftsszerreissung  bei  jenem  Acte  erschwere  oder  verhindere,  und 
Amenorrhoe  befördere. 

Wesentliche  Bücksicht  sei  aber  auf  die  durch  Vorm-  und 
Lageveränderungen  (Ante-  nnd  Retroflexionen)  vemrsaehte  Cir- 
oulationsstö rangen  im  Uteras  zu  nehmen.  Diese  wären  nicht 
durch  örtliche  Blutentziehungen  allein  zu  heben,  sondern  hier 
gelte   es   die  ursächlichen  Momente  entweder  zn  beseitigen  oder 


78  ^*     Notisen  aus  der  Journal- Lite ratar.  , 

in  ihrer  Wirkung  weniestcns  sn  paralysiren.  Dazu  empfehle  «iek 
die  Anwendnn)^  des  O.  Braun^sehen  Hebelpessartum«  (Wieaer 
Wochenschrift,  Nr.  27  —  81.  d.  J.  1864);  denn  wenn  man  auch 
durch  dies  Instraiuent  nur  eine  Aufrichtung^  des  geknickten  Or- 
gans während  der  ^elt  seiner  Wirksamkeit  und  keine  dauernde 
Herstellung  der  krankhaften  LageTeränderong  ersiele,  so  könae 
doch  durch  jenen  Vorgang  einmal  die  Veranlassung  su  andaut-m- 
den  collateralen  venösen  Hyperämien  behoben  und  unter  Hin 
flussnabme  einer  entsprechenden  localen  Blut  entsieh  an  g  die  He- 
flection  des  Uterus  auch  bewerkstelligt,  andererseita  aber  aocli 
consecutive  Zufälle  der  Knickung,  wie  Oedem,  Hypertrophie, 
Katurrh  n.  s.   w.  hintangihalten  werden. 

Mit  Uebergehung  der  gewöhnlichen  diätetischen  und  hjrgie- 
niNchcD  Maassnahmen  bei  bestehenden  organischen  Hers-,  Lungen- 
nnd  Leberkrankheiten,  als  ursächliche  Momente  für  die  beregt# 
Circotationsstörung,  würdigt  Verf.  kurz  die  Heilpotensen,  welche 
auf  Kestaurirung  einer  alterirten  Blutbeschaffenheit  (Chlorose, 
Scrophulose)  und  auf  Hebung  der  durch  überstandene  schwere 
Krankheiten  oft  «ehr  beeinträchtigten  Krafteaustände  der  Ge- 
sammtconstitution  Bezug  haben,  und  verweist  schliesslich  in  Be- 
treff der  hier  ebenfalls  in  Betracht  kommenden  Fremdbilduagen 
im  Cavo  uteri  auf  die  operative  Curmethode. 

Ad  2.  Hinsichtlich  der  aus  Involutionsstörungen  dea  puer- 
peralen Uterus  hervorgegangenen  chronischen  Metritis  könne  die 
Medication  nur  insofern  das  Krankheit  machende  Agens  berück- 
sichtigen ,  als  sie  für  die  nächstfolgenden  Wochenbetten  Bestiu»- 
mungen  gebe,  welche  eine  Beförderung  der  fettigen  Degeneration 
der  vermehrten  Uterinelemente  beabsichtigten.  Es  sei  dasu  die 
baldige  Ausatossung  der  Placenta  herbeizuführen  und  danach  die 
Contractionen  des  Uterus  durch  fortgesetztes  Massiren  des  Kua- 
das,  durch  Gaben  von  8ecale  cornutum  und  fleissige  Clysmala 
anzuregen;  aus  demselben  Grunde  auch  den  Müttern  das  Selbst- 
Htillen  ihrer  Kinder  diingend  aus  Herz  su  legen.  Nach  dem  Ver- 
lassen des  Wochenbettes  empfiehlt  Verf.  Vollbäder,  die  jeden 
zweiten  Tag  in  der  Dauer  von  15 — 20  Minuten,  28—80^  B.  warm 
während  der  ganzen  Invohitionszeit  genommen,  durch  Beachlen- 
nigUDg  des  capillären  Blutlaufs  eine  Hebung  des  fitoffwechiM»!« 
und  Beförderung  der  Absonderung  der  jn  den  Utorinwaadungeu 
gesetzten  Detritusmasse  bewirken  sollen.   — 

Geht  aber  nnter  weniger  gunstigen  Bedingungen  der  Rnck- 
bildungsprocess  im  puerperalen  Uterus  nicht  gehörig  von  Statten. 
so  bleiben  die  Uterin  Wandungen  von  jenem  hyperfrophirten  nnd 
theilweise  vermehrten  Bindegewebe  durchsetzt  und  es  folgen  «11* 
iiiälich  alle  die  bekannten  Veränderungen,  welche  die  chronische 
Metritis  kennzeichnen.  Dem  ätiologischen  Momente  nach  8le4it 
aUo    die   angedeutete  Massenvermehrnng   den  Uterus  mit  keiner. 


V.    Notizen  ann  der  Journal- Litaratnr.  79 

wie  immer  ▼ernnlaasten  GrDährnngAaooiiialie  des  Utenisparen- 
chyms  in  vausHlem  Nexus,  sondern  ist  ans  einer  Hypertrophie 
hervorgeganiten ,  die  salbst  erst  dnreb  den  ächwangerschafts- 
prooess  angeregt  wnrda. 

Bei  Krwägung  des  Heilverfahrens  ist  nach  dem  Vorausge- 
gangenen besonders  darauf  sn  denken,  dass  durch  Anregung  und 
Beschleunigung  der  Stoffmetamorphose  die  excedirenden  Elemente 
des  Uterus  zur  Resorption  kommen  und  zwar  a)  durch  AnMtre ben 
verbesserter  allgemeiner  VerhUItniRse,  und  b)  durch  HarttelluKg 
einer  regeren  Blutcirculation.  in  den  UteringefAssen,  durch  An- 
regung der  Uterincontractionen. 

Bei  der  Wahl  der  in  die  letste  Kategorie  gebärenden  Heil- 
agctttien  sind  die  GonsisteniverhXItnisse  des  Uterinparenchyms 
massgebend.  Bei  Starrheit  und  voIlstJindiger  Induration  des  («e* 
wehes  sind  die  warmen  Volt-  und  Sitzbäder  und  die  iRUwarma 
Ut^rindouche  vereint  mit  den  nöthigen  Aetsmitteln  und  Adstrin- 
lyentien  sehr  zweckmKssig.  Die  Anwendung  letzterer,  welche  die 
abnorme  Wulstnng  der  Uterinsehleimhaut  beben  sollen,  Ifisst  nur 
bei  directer  Application  des  Medicaments  auf  den  afficirten  Theil 
einen  Erfolg  erwarten.  Zur  Ausführung  dieser  Manipulation  be- 
diente sich  Verf.  des  CAtarrschen  Porte  -  caustiqne ,  mit  dessen 
Hülfe  er  sowohl  Cnpr.  sulf.,  Aluinen,  Zinc.  sulf.  als  auch  Stäb- 
chen von  Tannin  in  die  innigste  Berührung  mit  der  ktanken 
Uterinsehleimhaut  brachte.  Namhaftere  Schwellungen  mit  pro- 
fusem, tbeilweise  eitrigem  Secrete  bednrftea  des  Lapis,  inf.  in 
Substanz,  dessen  Gebrauch  bei  Beobachtung  der  nöthigen  Can- 
telen  durchaus  gefahrlos  ist. 

Bei  Schlaffheit  und  Auflockerung  des  Uteringewebes  mit 
vorwiegender  Secretion  der  Mucosa  empfiehlt  Verf.  die  Anwen- 
dung des  kalten  Wassers,  die  Injection  flüssiger  A Ätzmittel 
(Nitras  argent.  cryst.  3i  Aq.  destill.  3ii)  mit  der  C,  BraunVchen 
Uterinspritze  und  die  wiederholte  Einführung  dar  Uterinsonde. 

Weitere  die  chronische  Metritis  begleitende  Erscheinun- 
gen: die  am  Orif.  ext.  uteri  sehr  gewöhnlich  vorkommenden 
papillären,  follicnlären,  fungösen  Geschwüre  und  der  Scheiden- 
katarrh verlangen  ebenso  locale  l^ehandlung.  Bei  letzteren  räth 
V^erf.  Tampons  mit  Adstringentien  versehen  in  die  Scheide  ein- 
zubringen, oder  die  C.  Braua*8chen  Suppositorien  au«  Alnmen, 
Zinc.  sulf.  u.  s.  w.  anzuwenden. 

Um  schliesslich  eine  Verbesserung  der  alterirten  Allgemein- 
verhHhnisse  herbeizuführen,  hält  Verf.  neben  der  oombinirten 
Behandlungsweise  und  einem  roborirenden  Verfahren  den  (te- 
brauch  einer  geeigneten  Brunnen-  und  Badecur  durchaus  für  noth- 
wendig,  und  rühmt  in  dieser  Beziehung  das  bewührte  Franzens- 
bad,  wo  fler  reiche  Kohlensänregehalt  der  MineralwUsser  und  <tie 


80  ^*    NotUen  aas  der  Jounuil- Literatur. 

MoorbHder   wesentlich    aar  AnregDOg  des  StoiFireebsela   ond  also 
sur  Resorption  der  nafsaagungsffthigen  Substanaen  beitrage. 

Zar  Bekräftigung  des  Oesagten  führt  er  am  Schlaaae  aelaer 
Arbeit  einzelne  hierher  gehörige  Krankeogesohicfaten  aas  aainea 
Aafaeiehnnngen  aaf. 

(Wiener  Media.  Wochenschrift.  1865.  Nr.  24.  a.  ff.) 


J.  Main   Die  Ansleckung  bei  dem  Kindbettfieber. 

Im  Anschlnss  an  die  schon  früher  von  «Semms^tosüs,  Hirt^ 
Stamm,  Pfeuffer,  Bemhardi  n.  A.  aber  den  septicümischen  Ur- 
sprung des  Kindbettfiebers  mitgetbeilten  Tbatsacben  veröffentlicht 
Verf.  aar  Warnang  für  Aerste  and  Hebammen  einen  Fall,  wo 
die  mit  der  Keinignng  einer  am  Puerperalfieber  erkrankten  Wöch- 
uerin  betraute  Hebamme  wahrscheinlich  durch  Uebnrtragnng 
putriden  Wochenflusses  im  Gänsen  sechs  Neaentbandene  inficirte. 
Ton  denen  nur  eine  gerettet  wurde. 

(Aertcliches  Intelligenablatt  Baiems.  Nr.  19.  1865.) 


Marion   Sims:     Blutige    Erweiterung    des    Mutter- 
haJses. 

Verf.  iSsst  zwar  den  von  Simpson  und  Cfreenhalgh  ange- 
gebenen Instrumenten  zur  blutigen  Erweiterung  des  Mntterbalses 
Gerechtigkeit  wiederfahren,  hKlt  ihre  Anwendung  aber  insofern 
nicht  für  zweckmHssig,  als  die  Schnitte  durch  diese  Instrumente 
im  Finstern,  allein  durch  das  Gefühl  des  Fingers  controlirt,  aas- 
geführt werden.  Er  will  die  Einschnitte  durch  das  Speculum 
machen,  legt  die  Kranke  auf  die  Seite,  fixirt  mit  einem  kleinen 
scharfen  Haken  die  vordere  Muttermundslippe,  und  schneidet  zu- 
nächst mittels  einer  eigens  dazu  gebauten  Scheere  zuerst  nach 
links,  dann  nach  rechts  den  Rand  des  Muttermundes  vollständig 
durch  die  ganze  Partie'  Vaginalis  hindurch,  dann  führt  er  ein 
Messer,  welches  durch  eine  Schraube  nach  zwei  Seiten  in  belie- 
bigein  Winkel  festgestellt  werden  kann,  bis  über  den  Innern 
Muttermund,  und  durchschneidet  auch  diesen  nach  beiden  Seiten. 
Dann  wird  der  aufgeschnittene  Halscanal  mit  einem  in  Glycerin 
getauchten  Wattenpfropf  ausgestopft,  und  dieser  Verbund  öfter 
wiederholt,  bis  zur  Heilung  der  Wunde.  Zuweilen  treten  starke 
Blutungen  ein,  gegen  welche  gute  Styptica  zur  Hand  sein  müs- 
sen. Die  Verengerung  tritt  leicht  wieder  ein,  wenn  nicht  ISn 
gere  Zeit  Dilatatorien  angewendet  werden. 

(The  Lancet  1.  Avril  1866.) 


VI. 
lieber  die  Anwendung  der  Intrauterin -Fessarien. 


Von 


Dr.  H.  Hildebrandt^ 

I*iiT«t*Docenten  in  KOnigtbergr  tn  Pnaffen. 


Es  därfle  wohl  allgemein  anerkannt  sein,  dass  die  meisten 
Flexionen  des  nicht  schwangeren  Uterus  am  geeignetsten  nur 
mit  denjenigen  Mitteln  behandelt  werden,  welche  gegen  die 
die  Flexion  bedingende  oder  begleitende  Texturerkrankung 
des  Uterus  gerichtet  sind. 

Die  Gewebsveränderungen  aber,  welche  wir  mit  dem  un- 
tersuchenden Finger  und  allenfalls  mit  dem  Speculum  an 
unseren  mit  Flexionen  behafteten  Kranken  nachweisen  kön- 
nen^ sind,  die  seltenen  Fälle  von  Neubildungen  bei  Seite  ge* 
lassen,  einerseits  reine  Atonie  des  gesammten  Uterus,  ande- 
rerseits Anschoppung  entweder  des  ganzen  oder  nur  einzel- 
ner Partien  des  Uterus,  und  zwar  bald  im  ersten  Stadium, 
dem  der  Anschwellung  mit  Auflockerung,  bald  im  zweiten, 
dem  der  Anschwellung  und  Induration  des  Gewebes. 

Verlangen  nun  auch  die  Flexionen  vornehmlich,  dass 
man  bei  ihrer  Behandlung  aufs  sorgfaltigste  individualisire, 
da  gewöhnlich  ein  ganzes  Heer  von  pathologischen  Erschei- 
nungen das  Gefolge  der  Texlurerkrankungen  des  Uterus  zu 
bilden  pflegt,  welche  auf  unsere  therapeutischen  Maassregeln 
mehr  oder  weniger  infiuiren,  und  dürfen  wir  daher  nicht 
beanspruchen,,  specielle  Vorschriften  der  Behandlung  ertheilen 
zu  können,   welche  für  alle  Fälle  ausreichen,   so  lassen  sich 

M0Q«t«80br.  f.  (»eburisk.  1S65.  Bd.  XXVI..  Hft.  2.  6 


82  VI.  Hildebrandt,  lieber  die  Anwendang  d.Intranteriii-PestArieB. 

doch,  wenn  man  die  Art  und  den  Grad  jener  Textunrerände- 
rungen  im  Auge  behält,  allgemeine  Grundsatze  der  Behand- 
lung'für  die  eine  oder  die  andere  Gruppe  von  Erkrankungen 
wohl  aufstellen. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Fälle  von  Flexionen,  welche 
mit  reiner  Atonie  der  Wandungen  ohne  sonstige  Verände- 
rungen des  Parenchyms  einhergehen.  Es  sind  sowohl  Ante- 
als  Retroflexionen ,  meistens  bei  an  sich  sehr  schwächlichen 
Personen,  die  wir  am  häufigsten  nach  zu  schnell  aufeinander 
folgenden  Geburten,  besonders  unzeitigen  und  frühzeitigen 
und  mit  copiösen  Blutungen  verknöpften  Geburten  und  unter 
diesen  Verhältnissen  besonders  bei  solchen  Frauen  zu  Stande 
kommen  sehen,  die  in  sehr  jugendlichem  Alter  heiratheten, 
bald  schwanger  wurden,  vielleicht  durch  das  Nährgeschäll  noch 
angestrengt  wurden.  Ich  zähle  unter  45  Fällen  von  Flexionen 
des  Uterus,  die  ich  bis  jetzt  in  Behandlung  gehabt  habe, 
11  von  reiner  Atoilie  des  Uterus,  welche  ich  auf  die  genann- 
ten Ursachen  ziffückfQhren  zu  mössen  glaube.  Es  zeigen 
femer  dieselbe  Art  von  Texturerkrankung  manche  Fälle  von 
Flexionen  des  Uterus,  welche  bei  Virgines  vorkommen.  In 
zwei  Fällen  von  Retroflexion,  welche  ich  neuerdings  bei  Vir- 
gines vorfand,  erschien  der  Uterus  dem  untersuchenden  Fin- 
ger und  beim  Einfuhren  der  Sonde  so  weich  und  nachgiebig, 
wie  ein  schlaffisr  Sack.  In  einem  Falle  war  die  Krankheit 
eingestandener  Maassen,  in  dem  andern  meiner  Udierzeugaag 
nach  durch  Masturbation  entstanden. 

Alle  Flexionen  nun,  welche  mit  einer  solchen  reinen  Er- 
schlaffung des  Gewebes  einhergehen,  verlangen  eine  rein  robo- 
rirende  Behandlung.  Neben  einer  recht  kräftigen,  der  Ver-* 
dauungskraft  des  Magens  angepassten  Diät,  den  Gebrauch 
eisenhaltiger  Mittel:  vornehmlich,  wenn  es  die  äusseren  Ver- 
hältnisse gestatten,  den  Gebrauch  eisenhaltiger  Brunnen  in 
reiner  kräftigender  GebirgslufL  Ausser  den  firunnencuren  sind 
die  verschiedenen  leichteren  Eisenpräparate,  welche  zweck- 
mässig mit  Ergotin  verbunden  werden,  indicirt.  Von  entschie- 
denem Nutzen  ist  fQr  Viele  dieser  Kranken  der  Gebraach 
der  Seebäder.  In  fönf  von  den  vorhererwfthnten  df  Ftilen 
haben  unsere  Ostseebäder  sehr  günstige  Erfolge  gehabt 
Vier   dieser   Frauen,    deren  Leiden   in  Folge  zu  zahbneicher 


VI*  Hiidebramdtf  lieber  die  Anwendtm^  d.  Inträuterln-Pessarien.  g3 

Geburten  und  Aborte  entstanden  war,  kehrten  naöh  einem 
fönfwöcbentlichen  A»fenthal(e  in  unserem  Badeorte  Kranz  voll- 
sUndig  geheib  zoröek.  Sie  fühlten  sich  nicht  nur  kräftiger, 
wohler,  von  den  die  Flexion  begleitenden  nerrösen  und  menstrua- 
len  Beschwerden  befreit,  sondern  es  war  auch  die  Flexion 
selbst  vollständig  gehoben,  der  Uterus  in  seinem  6e- 
wd)e  fester  und  straffer.  Die  fünfte,  eine  der  vorerwähnten 
Virgines,  eine  chlorotisehe  sehr  nervöse  Person,  welche  seit 
dem  Bestehen  einer  sehr  erheblichen  Retroflexion  allmälig 
eine  solche  Unsicherheit  und  Schwäch«  in  den  Schenkeln 
verspürt  hatte,  dass  sie  nie  länger  als  höchstens  eine  Vier- 
telstunde sich  auf  ihren  Füssen  zu  halten  im  Stande  war, 
Hess  ich  im  Sommer  1863  zunächst,  weil  ich  glaubte,  dass  sie 
ihres  hochgradig  chlorolischen  Habitus  wegen  kalte  Bäder 
nicht  vertragen  wurde,  wöchentlich  drei  Bäder  mit  warmem 
Seewasser  nehmen  und  rielli  ihr  aufs  strengste  den  steten 
Aufenthalt  im  Freien  in  der  Nähe  der  See  an.  Sie  kehrte 
nach  sechswöchentlichem  Aufenthalte  in  wesentlich  gebesser- 
tem Zustande  zurück.  Im  Sommer  1864  durfte  sie  bereits 
taglich  ein  kaltes  Seebad  nehmen,  und  stellte  sich  mir  nach 
Gebrauch  von  30  derselben  vollständig  genesen  vor.  — ^  Die 
wenig  aufregenden  Seebäder  an  unserem  Ostseestrande  und 
der  Aufenthalt  daselbst  in  der  erfrischenden,  den  Stoffwechsel 
lebhaft  anregenden,  die  R^production  fördernden  Luft,  habe 
ich  überhaupt  durchaus  vortheilhatt  zur  Behebung  aller  ato^ 
siscben  Zustände  des  Uterus  gefunden,  welche  ohne  entzünd- 
liche Reizungen  verlaufen. 

Für  ein  ebenso  werthvolles  und  besonders  da,  wo  man 
die  kalten  Seebäder  Dicht  in  Anwendung  ziehen  kann,  fast 
unentbehrliches  Mittel  zur  Behebung  der  Atonien  des  Uterus 
ohne  entzündliche  Reizungen  halle  ich  den  vorsichtigen  Ge- 
brauch der  kühlen  Doucbe.  —  Ich  wende  dieselbe  stets  in 
der  Weise  an,  dass  idi  mit  dem  0/ May^'&chen  Apparate 
anfangs  täglich  ein  Mal  durch  fünf  Minuten  ^Vasser  von  25  ^  R. 
i»  die  Geschlechtstheile  gegen  den  Uterus  einpumpen  lasse. 
Ganz  allmälig  lasse  ich  die  Teroperatur  des  Wassers  kälter 
nehmen,  etwa  jeden  zweiten  Tag  um  einen  Grad,  und  so 
kerab  bis  zu  14^  R,,  jedoch  nie  darunter;  bestimme  dann 
allmälig  auch  eine  etwas  längere  Zeitdauer,  jedoch  nie  über 
.     '    .  6* 


84   VI,  Hildebrandt,  Ue  ber  die  Anwendung  d.  Intraoterin-PMMirien. 

zehn  Minuten,  und  laeuse  schliesslich  zwei  Hai  im  Tage 
douchen,  und  zwar  Morgens  im  Bette,  so  dass  die  Kranken 
stets  noch  V2 — ^  Stunde  in  der  Beltwärme  rerbleiben  und 
Abends  kurz  vor  dem  Schlafengehen.  Indem  ich  diese  Vor^ 
sichtsmassregeln  anwandte,  und  indem  ich  ferner  es  nie  wagte, 
die  kühle  Douche  da  zu  verordnen,  wo  entzündliche  Prozesse 
vorhanden  waren,  habe  ich  niemals,  weder  bei  den  einfachen 
Atonien  noch  bei  den  chronischen  atonischen  Anschoppungen 
des  ersten  Stadiums  und  bei  den  mit  ihnen  verbundenen 
Flexionen  und  Versionen  des  Uterus  die  Übeln  Folgen  ge- 
sehen, welche  man  jetzt  von  so  vielen  Seiten  dem  Gebrauche 
der  kalten  Douche  nachSitgt.  Freilich  verträgt  ihre  Anwen- 
dung nicht  jede  Constitution.  Sehr  hochgradig  anämischeD 
chlorotischen  Personen  darf  man  sie  nicht  verordnen,  noch 
weniger  Brustkranken,  und  auf  unvorsichtigen  Gebrauch  kön- 
nen entzündliche  Erscheinungen  aufnieten,  welche  sich  auch 
iiber  den  Uterus  hinaus  erstrecken.  So  sah  ich  mehr- 
mals in  Fällen,  in  welchen  Frauen  gegen  die  Anweisung  das 
Wasser  zu  kühl  genommen  hatten,  ziemlich  hartnäckige  katar- 
rhalische Blasenreizungen  entstehen,  aber  eben  immer  nur  als 
Folge  der  Unvorsichtigkeit  d^  Kranken.  Auch  habe  ich  mich 
überzeugt,  dass  beim  zweiten  Stadium  der  Metritis  chronica, 
bei  der  chronischen  Induration  die  kalte  Douche  durchaus 
contraindicirt  ist.  Für  die  Behebung  der  Zustände  von  rei- 
ner Atonie  aber  möchte  ich  den  örtlichen  Gehrauch  des  kalten 
Wassers  nicht  nur  ein  sehr  wichtiges  Unterstützungsmittel 
für  die  allgemein  roborirende  und  tonisirende  Behandlung 
nennen,  sondern  denselben  als  das  wesentlichste,  das  un- 
schädlichste, einfachste  und  am  schnellsten  wirksame  Mittel 
bezeichnen. 

Eine  sehr  ähnliche  Behandlung,  wie  die  bei  reiner  pri- 
märer Atonie  entstandenen  Flexionen  scheinen  mir  diejenigen 
Fälle  zu  erfordern,  bei  welchen  sich  der  Uterus  im  ersten 
Stadium  der  Anschoppung,  dem  der  Anschwellung  und  Auf- 
lockerung des  Gewebes  befindet.  Wir  bekommen  sie  am 
häufigsten  zu  sehen  nach  vernachlässigten  Aborten  und  bei 
Frauen,  welche  viele  Wochenbetten  nacheinander  durchmach- 
ten und  dabei  sich  sehr  wenig  schonten,  meist  als  Folgen 
mangelbaftc^r    Rückbildung    des    puerperalen    Uterus.  —   Ich 


^  VI.  Hildehrandty  Ueber  die  Anwendang  d.Intranterin-Pdssarien.  g5 

zähle  unter  45  Fallen  Ton  Flexionen  sieben  Retroflexionen 
und  zwei  Anteflexionen,  deren  £ntslebung  ich  diesen  Um- 
ständen, am  häufigsten  vernachlässigten  Aborten  zusehreiben 
musste.  Die  meisten  verliefen  mit  recht  profusen  Blutungen^ 
mitunter  bis  zur  hochgradigsten  mit  hydropischen  Erschei- 
nungen verbundenen  Anaemie;  bei  wenigen  fehlte  die  Blutung, 
bei  aUen  war  die  Schmerzhaftigkeit  bei  Berührung  des  mehr 
vom  oder  hintenubergelegten  Uteruskörpers  mit  dem  touchi- 
renden  Finger  recht  erheblich,  bei  allen  die  nervösen  Erschei- 
nungen, wie  sie  nach^  schnell  entstandenen  Flexionen  aufzu- 
treten pflegen,  mehr  oder  weniger  stark  vorhanden. 

In  allen  diesen  nenn  Fällen  habe  ich  nach  vergeblichem 
Gebrauche  der  Styptica  innerlich  und  äusserlich  in  Form  von 
Injectionen,  nach  vergeblichem  Gebrauche  des  Seeale  cornuti 
und  des  Ergotin  erst  auf  den  Gebrauch  der  kühlen  Doudie 
in  jener  vorherbesehriebenen  Weise  dauernd  günstigen  Erfolg 
eintreten  sehen.  Auf  ihre  Anwendung  erst  hörten  die  pro- 
fusen Blutungen  völlig  auf,  verschwanden  allmälig  die  vielfach 
schmerzhaften  Empfindungen,  kehrte  der  Tonus  des  Uterus- 
gewebes zurück.  Sieben  der  auf  diese  Weise  behandelten 
Frauen  sind  dajpernd  genesen,  ohne  ein  Recidiv  der  Flexion 
zu  erleiden;  mehrere  von  ihnen  haben  wieder  regelmässige 
Geburten  durchgemacht.  Bei  zwei  anderen  stillte  sich  zwar 
die  Blutung  und  gewann  der  Uterus  an  Festigkeit,  die  Flexion 
verschwand  aber  erst  vollständig  nach  mehrwöchentliebem  Auf- 
enthalte an  der  See  und  dem  Gebrauche  kalter  Bäder  daselbst. 

Ausser  der  Zuverlässigkeit  der  Wirkung,  wekhe  ich  nach 
diesen  Erfahrungen  der  kalten  Douche  zuschreiben  zu  müssen 
glaube,  kann  ich  nicht  genug  die  Schnelligkeit  rühmen,  mit 
welcher  sie  die  bestehenden  Beschwerden  behebt.  Es*  ist  in 
den  genannten  Fällen  die  Anwendung  der  kalten  Douche  mei- 
stens nur  drei  bis  sechs  Wochen  erforderlich  gewesen,  um 
alle  krankhaften  Erscheinungen,  welche  in  directem  Zusam- 
menhange mit  der  Flexion  standen,  zu  beheben.  Diese  Er- 
folge können  wir  keiner  anderen  Behandlungsmethode  nach- 
rühmen. 

Der  Bereich  der  Wirksamkeit  der  kalten  Douche  wie 
der  kalten  Seebäder  ist  aber  leider  ein  sehr  beschränkter. 
Die  Fälle   von  Flexionen,   welche  mit  reiner  Atonie  des  Ge- 


gg  VI.  £ftM«&ra9M{<,Ueb«rdi«  Anwendung  d.  iBlravUrin-PeMarien. 

wehes  oder  mit  Anschwellung,  Aufleokerimg  und  EracUaffiing 
desselben  einbergehen,  sind  der  Zahl  nach  gering  dem  gros- 
Heer  von  Flexionen  gegenüber,  bei  denen  wir  den  Uterus  im 
zweiten  Stadium  der  Anschoppung  finden.  Der  untersuchende 
Finger  lässt  uns  das  geknickte  Organ  im  Zustande  beträcht- 
licher Induration  und'VolumensKunahroe  der  Wandungen  fahlen; 
die  Sonde  giebt  uns  Vergrösserung  des  Cavums  an,  häulig 
finden  wir  aber  auch  die  deutlichsten  Zeichen  empfindlicher 
Reiczustande,  Schmerzhaftigkeit^  eitrigen  mit  Blutstreifen  ver- 
niischten  Austluss,  Geschwüre  der  Mutierraundslippen  n. s.w. 

Es  ist  nicht  meine  Absicht,  hier  den  ganzen  Schatz  der 
therapeutischen  Maassregeln  zu  besprechen,  welche  in  diesen 
die  Ausdauer  der  Kranken  und  des  Arztes  auf  die  Piröbe 
stellenden  Fällen,  allmälig  die  Genesung  der  Kranken  herbei- 
fuhren  können :  ich  will  nur  kurz  der  Mittel  Erwähnung  thun, 
welche  mir  am  wirksamsten  erschienen  sind.  Das  zweile  Sta- 
dium der  Anschoppung  verträgt  weder  den  Gebrauch  der  kal- 
ten Seebäder,  poch  der  kalten  Douche.  Auf  die  Anwendung 
des  einen  wie  des  anderen  Mittels  treten  gewöhnlich  Ver- 
schlimmerungen "des  Uebels  ein  durch  lebhafte  Schmersen 
und  selbst  Peritonitiden;  Jedenfalls  nimmt  ^  Anschwelktng 
des  Uterus  zu.  Wo  Besserung  verspürt  wird,  ist  sie  nur 
sdieinbar  und  von  sehr  kui*zer  Dauer. 

Von  den  inneren  Mitteln  kann  man  mit  Ausnahme  der 
Abfuhrmittel  keinem  eine  günstige  Einwirkung  auf  die  Behe- 
bung der  Anschoppung  und  der.  Flexion  zuschreiben:  weder 
dem  Jod,  noch  den  Mercurialien,  noch  dem  Auro- Natrium- 
chloratum,  welches  von  einer  Seite  als  Specificum  gerade 
gegen  diese  Krankheit  gerühmt  ist.  Der  Zufall  hat  es  gefügt, 
dass  ich  in  den  letzten  Jahren  mehrere  Frauen,  die  seit  lange 
an  chronischen  Anschoppungen  des  Uterus  mit  Induration  des 
Gewebes  litten,  wegen  Lues  Mercmial-  und  Jodcuren  durch- 
machen liess :  zwei  haben  eine  Schmiercur  mit  nachfolgendem 
Jodgebrauch,  die  anderen  haben  Pillencuren  (Sublimat  und 
Jodquecksilber)  durchgemacht;  aber  nadi  vollständiger  Besei- 
tigung der  Lues  war  die  Induration  des  Uterus,  der  begM* 
tende  Katarrh  u.  s.  w.  unverändert  geblieben.  Die  meisten 
Fälle  erfordern  zunächst  die  Anwendung  von  Blutegeln,  die 
aber  gerade  bei  den  Flexionen  zweckmässiger  an  die  fiaudi- 


VI.  SUd^brandt,  Ueb«r  die  Anweodang  d.  Intranterin-PeMarien.  g7 

decken  und  nichl  an  den  Uterus  selbsl  gesetzt  werden*  Die 
Blutegel,  welche  bei  Flexionen  an  die  Vaginalporlion  gesetzt 
werden,  führen  oft  entweder  zu  schwache  oder  zu  profuse 
Blutungen  herbei,  so  dass  ihre  Anwendung  entweder  mit  Ap* 
piication  an  den  Bauchdecken  wiederholt  oder  andererseits 
die  durch  ihre  Anwendung  hervorgerufene  Blutung- durch  den 
Tampon  beseitigt  werden  muss. 

Ausser  den  Blutentziebungen  habe  ich  zur  Behebung  der 
Schmerzhaftigkeit  und  Volumensvergrosserung  des  Organs  am 
wirksamsten  gefunden  warme  Sitzbäder  mit  Zusatz  von  Kreuz- 
nacher Mutterlauge  und  Auflegen  von  Compressen ,  welche 
mit  Losungen  der  letzteren  dm*chfeuchtet  wurden.  Von  gfm* 
stigem  Erfolge  zeigten  sich  femer  Iiyectionen  von  Jodlösungen 
in  die  Vagina  und  die  Anwendung  von  Jodglycerin  in  der 
Weise,  wie  es  Bcanzoni  empfiehlt.  Als  nothwendige  und 
nützliche  Beihülfen  wurden  leichte  Abführmittel  und  Injectio- 
nen  lauen  Wassers  mit  der  ifayer'schen  Doucbe  gegen  den 
Uterus  angewandt  Mit  der  allmälig  abnehmenden  Intumescenz 
und  Schmerzhaftigkeit  des  Uterus,  schwanden  bei  dieser  Be- 
handlung in  den  meisten  Fällen  auch  die  Beschwei-den,  welche 
die  Flexion  an  sich  hervorrief:  die  Menstruationsapomalien, 
die  Druckerscheinungen,  welche  der  flectirte  Uterus  gegen 
Blase  oder  Mastdarm  bewirkte,  und  es  verminderte  sich,  die 
Zahl  der  qualenden  nervösen  Leiden.  Die  Zeitdauer,  bis  die- 
ser Grad  von  Heilung  eintritt,  ist  zwar  meist  eine  sehr  lange, 
der  Aufwand  an  Unbequemlichkeiten  und  an  Geldkoeteii  ist 
gross,  aber  die  Kranken  sind  mit  dem  Erfolge  der  Behandlung, 
da  sie  ihre  Leiden  allmälig  schwinden  sehen,  doch  zufrieden, 
und  dann  um  so  mehr,  wenn  im  Verlaufe  oder  in  Folge  der- 
selben lang  ersehnte  Conception  eintritt.  Die  Flexion  an  sicli 
ist  aber  trotz  der  Beseitigung  der  Beschwerden  und  trotz 
der  Behebung  der  Texturerkrankung  der  Waodungen  des 
Uterus  in  den  bei  weitem  meisten  Fällen  nicht  behoben  und 
neue  Schädlichkeiten,  die  den  Uterus  treffen,  auch  mitunter 
nur  geringe  Anlässe,  können  leicht  wieder  Recidive  bis  zur 
Rückkehr  des  alten  Zustandes  hervorrufen. 

Von  26  Fällen  von  Flexionen,  bei  denen  der  Uterus  im 
Beginne  der  Behandlung  sich  im  zweiten  Stadium  der  Anschop^ 
puug  befand,  kann  ich  nur  zwei  von  Retroflexion  aufweisen, 


8g   VI.  midsbrandty  Ueber  die  Anwendongr  d.lBtraQteriD-PMnrieii. 

iu  welchen  mit  der  Anschoppung  auch  zugleich  die  Flexion 
vollständig  behoben  wurde:  ich  darf  aber  nicbC  unerwibnt 
lassen,  dass  während  der  Behandlung  beide  Frauen  schwanger 
wurden  und  ein  regelmässiges  Wochenbett  durdimachteo,  wd* 
ches  auch  das  Seine  zur  Behebung  der  Knickung  geth«i 
haben  mag.  In  allen  äbrigen  Fällen  sowohl  von  Ante-  als 
Retroflexion  wurde  die  Knickung  an  und  für  sich  dardi  die 
gedachte  Behandlung  nicht  beseitigt,  und  es  haben  sich  von 
Zeit  zu  Zeit  Recidive  eingestellt 

Fasst  man  nun  das  Resultat  der  Erfolge  zusamnieD« 
welche  man  bei  Behandlung  der  Flexionen  zu  erzielen  hoffen 
darf,  wenn  man  dem  obigen  Grundsatze  getreu,  nur  die  Me- 
thoden einschliesst,  welche  es  sich  zur  Aufgabe  stellen,  die 
Erkrankung  des  Gewebes  z^  beheben,  so  stellt  sich  dasselbe 
nach  meinen  allerdings  wenig  zahlreichen  Erfahrungen  nicht 
sehr  günstig,  nämlich  so  heraus: 

Nur  die  kalte  Douche  ist  im  Stande,  verhältnissnidssig 
schnell  sowohl  die  krankhaften  Erscheinungen  zu  beheben, 
welche  die  Flexion  begleiten,  als  auch  die  Flexion  selbst  tu 
beseitigen.  Bei  manchen  Kranken  führten  zu  demselben  Ziele 
Seebäder.  Aber  die  Fälle,  für  welche  sich  diese  beiden  Mittel 
eignen,  sind  im  Ganzen  die  sehr  viel  seltneren  und  in  man- 
chen derselben,  bei  welchen  die  Texturerkrankung  des  Uterus 
ihre  Anwendung  wünschen  Hesse,  dürfen  wir  wegen  Constitution 
neiler  Leiden  von  ihnen  nicht  Gebrauch  machen.  Alle  an- 
deren Mittel  wirken  weder  schnell,  noch  sicher,  erföllen  den 
Zweck  nur  halb,  indem  sie  die  Flexion  nicht  beheben,  und. 
sind  für  viele  Kranken  mit  so  grossen  Inconvenienzen  ver- 
bunden ,  dass  sie  nicht  angewandt  werden  können.  — •  Die 
Lücken,  welche  sich  somit  in  der  Therapie  der  Knickungen 
des  Uterus  vorGnden,  sind  noch  imgemein  gross,  mid  die  Aus- 
füllung derselben  wäre  um  so  Wünschenswerther,  da  die 
Flexionen  zu  den  häufigsten  Erkrankungen  des  Uterus,  die 
durch  sie  hervorgerufenen  Leiden  mit  zu  den  quälendsten  ge- 
rechnet werden  müssen.  —  Der  Weg,  auf  welchen  wir  viel- 
leicht dem  erwünschten  Ziele  sehr  viel  näher  kommen,  ist 
die  Anwendung  der  Intrauterin-Pessarien  zur  Aufrichtung  und 
Aofrechterhaltung  des  geknickten  Uterus. 

Welche  Zukunft  dieselben  haben,  wie  weit  wii'  in  ihnen 


Vi.  HUd^h-muUj  Ueber  die Anwendaog  d.  IntraaterSB-Pessarien.  89 

den  Ersatz  finden,  den  wir  noch  in  so  empfindlicher  Weise 
fahlen,  ist  noch  nicht  abzusehen.  Vorläufig  haben  sich  in 
Deutschland  erst  in  neuester  Zeit  wieder  einzelne  Stimmen 
für  die  gQnstige  Wbksamkeit  derselben  erhoben,  nachdem 
ihre  Anwendung  Jahre  lang  fast  allseitig  als  ein  verfehltes, 
zweckwidriges,  in  vielen  Fällen  schädliches  Vorgehen  ver-- 
dämmt  und  allmalig  ad  acta  gelegt  war.  Bei  den  widerstrei- 
tenden Ansichten,  welche  Aber  ihre  Tauglichkeit  zur  Bebe» 
bung  -der  Flexionen  geltend  gemacht  worden  sind,  bei  der 
Empfehlung,  welche  sie  auf  der  einen,  bei  den  vollständigen 
Yerdammungsurlheilen ,  welche  gegen  sie  auf  der  anderen 
Seite  ausgesprochen  wurden,  wie  dies  neuerdings  in.  der  Ber- 
liner Gesellschaft  fiir  Geburtshülfe  geschehen  ist,  können  nur 
viele  Versuche  von  vielen  Fachgenossen  aUmäiig  entscheiden, 
wie  weit  die  Grenzen  dieser  Bdiandluugsmethode  gesteckt 
sind;  nur  eine  grosse  Reihe  genau  mitgetheilter  Kranken- 
geschichten von  Flexionen,  welche  mit  Intrauterin-Pessarien 
behandelt  wurden,  können  über  folgende  wichtige  Punkte  auf- 
klären, die,  aus  dem  Gegensatz  der  Ansichten  unserer  erfah- 
rensten Gynäkologen  zu  urtheilen,  noch  ganz  unentschieden 
dastehen :  wie  weit  das  Intrauterin-Pessarium  zur  augenblick- 
lichen Beseitigung  der  die  Flexion  begleitenden  Beschwerden, 
wie  weit  zur  dauernden  Behebung  der  Knickung  beitragen 
kann,  welche  Nachtheile,  welche  Vortheile  aus  seiAer  Anwen- 
dung hervorgehen;  welche  Fälle  sich  für  seine  Anwendung 
eignen,  welche  nicht. 

Mit  Rücksicht  hierauf  unternehme  ich's,  nachfolgende 
Fälle  von  Flexionen  des  Uterus,  in  welchen  ich  Intrauterin^* 
Pessarien  in  Anwendung  gezogen  habe,  .zu  veröffentlichen. 
Es  smd  deren  vorläufig  nur  wenige,  da  die  Erfahrungen  frü- 
herer Zeiten  zu  aller  Vorsicht  in  der  Auswahl  der  FäUe  und 
in  der  Anwendung  der  Pessarien  aufTorderten,  und  ich  somit 
ans  einem  grösseren  Beobachtungsmaterial  nur  vereinzelte  Fälle 
für  diese  Behandlung  aussuchen  zu  dürfen  glaubte. 

I.   Anteversio  und   Anteflexio  Uteri.    Uteruswan- 
dungen im  ersten  Stadium  der  Anschoppung, 

Frau  8ehL,  24  Jahre  alt,  hatte  ihre  erste  EntUndong 
im  Jahre  1855  durchgemacht,   danach  vier  Wochen  lang  an 


4 

90  VI.  jBtkMroiMU,  üeber  die  Aq wendoagr  d.  Intra«t«rm-P«MBrie», 

einer  Metroperitonkis  krank  gdegen;  die  swefte  im  Jahre 
1857,  ebe  Frühgeburt  im  sechaleo  Monate  der  Schwanger- 
schaft, i^ach  welcher  ebenfalls  eine  Hetroperitonitia,  jedoch  leieh- 
leren  Grades  auftrat.  Später  sind  noch  fönf  regelmässige  Ge- 
burten zu  Stande  gekommen,  worunter  eine  Zwülingsgebort, 
und  zwar  waren  die  dritte  und  vierte  ebenfalls  Ton  Emaün- 
dungen  im  Unterleibe  während  des  WochBnhettes  gefolgt 
Dia  letzte  Entbindung  fand  im  Juli  1862  statt,  rarhef  nor- 
mal, ebenso  die  neun  ersten  Tage  des  Wochenbettes;  danach 
aber  trat  bäuflges  heftiges  Erbrechen  und  Schwindel  ein,  nnd 
Wochen  lang  anhaltendes  allgemeines  UebelbelSnden,  Abnahme 
der  Kräfte,  Mattigkeit,  Olmmachtsgefühl,  bis  die  Kranke  sich 
mir  am  2.  October  1863  mit  folgenden  Beschwerden  yot- 
steBte:  Appetitmangel,  dauernde  Aufgetriebenheit  und  in  An- 
ßUeo  exacerbirende  Scbmerzbaftigkeit  der  epigastrisdien  Ge- 
gend; dabei  unregelmässige  StuhleDÜeerungen  —  dauernde 
Schmerzen  im  Unterleibe,  in  der  Blasengegend,  vomehndicfa 
beim  Geben,  das  ausserdem  wegen  eines  unsieheren  Gefühls 
in  den  Beinen  ersdiwert  war.  Sehr  häufiger  Drang  zum 
Urinlassen,  wobei  kleine  Quantitäten  eines  klaren,  brennenden 
Urins  entleert  wurden.  Dazu  kam  beim  Stuhlgange  ein  ste- 
chender Schmerz  nach  dem  After. 

Die  früher  alle  vier  Wochen  eintretende  fünf  Tage 
dauernde  Menstruation,  ersdiien  seit  dem  Frühjahre  1863 
immer 'nach  Ablauf  von  drei  Wochen  und  dauerte  acht  Tage, 
und  war  gegen  sonst  auffallend  reichlich,  jedoch  seit  Juli 
sehr  bbiss.  In  der  Zwischenzeit  fand  reichlicher  Fluor  albus 
statt.  Das  Aussehen  der  früher  bl^enden  Frau  war  sehr 
chkrotisch. 

Die  Untersuchung  am  2.  October  ergab:  Anteversio  und 
Anleflexio  des  Uterus,  dessen  Wandungen  sich  ziemlich  dick 
aber  weich  und  schlaff  zeigten,  dessen  Höhle  um  %"  v^^n*- 
gert,  dessen  Vaginalportion  fast  ganz  nach  hinten  gerichtet 
war,  während  das  Corpus  das  vordere  Scheidengewölbe  auir 
füllte.  Empfindlichkeit  des  Organs  nicht  erheblich,  nur  beim 
Aufrichtungs versuch  vom  vorderen  Scheidegewölbe  her  vor- 
banden ;  die  Secrete  der  Schleimhaut  sehr  reichlich ,  wässerig, 
scUeiinig.  Die  Schleimhaut  des  Cervicalcanals  gewnlslet,  ober- 
flächlich  uicerirt,    zu   Blutungen  geneigt.     Die  Fl»ion   des 


VI.  ffUdßbrmdi,  Ueb«r  d»e  ▲oweadoiiff  d.liilrwterüi«PMMrian.  9] 

Ulwus  war  sehr  erheblich,  so  daas  ich  nur  mit  einer  aSber* 
nen  Sonde,  die  ich  %''  vwi  Ende  stark  eingeknickt  hatte, 
eindringen  konnte. 

Am  3.,  4,,  5.  nnd  6.  October  wurde  die  Sonde  täglich 
eingelubrt  und  blieb  jedes  Mal  nach  Aufrichtung  des  UterHS 
fflr  eine  Viertelstunde  liegen.  Danach  trat  stets  awar  Bren- 
nen im  Leibe  ein,  aber  für  einige  Stunden  war  mehr  Sicher- 
heit im  Gange  vorhanden,  blieb  der  Urindrang  aus,  fehlte 
das  ScbwindelgefQhl.  Vom  7.  bis  14.  dauerte  die  Menstrua- 
tion, welche  diesmal  weniger  reichlich  war. 

Am  15.  wurde  wieder  die  Sonde  eingelegt,  am  16.  ein 
iSmpaon*sches  Intrauterin-Pessarium.  Dasselbe  liess  idi  bis 
zum  6.  November  mit  kunen  Unterbrechungen  tragen,  nahm 
es  an  jedem  zweiten  Tage  für  kurze  Zeit  heraus,  und  über- 
zeugte mich  dabei  zugleich,  wie  viel  leichter  jedes  Mal  da9 
Einführen  des  Instruments  gelang.  Blutungen,  die  beim  Ein- 
führen und  Herausnehmen  bemerkt  wurden,  schwanden  ge- 
wöhnlich, nachdem  das  Instrument  einige  Stunden  gelegen 
hotte.  Am  6,  November  trat  die  Menstruation  in  gewöhn- 
licher Weise  ein,  und  das  Pessariuni  wurde  ganz  entfernt. 
Nachdem  nun  s<5hon  während  des  anhaltenden  Tragens  des 
Pessariums  die  früheren  Beschwerden  allmälig  sich  mehr  und 
mehr  gelegt  hatten,  stdlte  sich  mir  die  Kranke  am  12.  No- 
vember als  vollständig  genesen  vor.  Sie  hatte  ihre  Kräfte, 
die  Sicherheit  im  Gange  wieder  erlangt,  war  vom  Sdmiene 
im  Unterleibe,  von  Urin-  und  Stuhlbeschwerden  ganz  befreit 
Eine  Untersuchung  liess  die  noch  bestehende  Version  nach 
vom  erkennen,  während  sowohl  mit  dem  touchirenden  Fin- 
ger, als  mit  der  Sonde  einestheils  die  vollständige  Beseitigung 
der  Flexion,  anderentheils  auch  eine  Verkleinerung  der  Höhle 
um  V«''  gegen  früher  nachzuweisen  war.  —  Der  Catarrh  der 
Schleimhaut  war  nicht  vermehrt,  die  Schwellung  im  Cervicat- 
canal  eher  vermindert,  Neigung  zu  Blutungen  nicht  mehr  vor- 
banden. —  Zur  Behebung  der  Version  wurde  ein  Mayer'sAtr 
Gummiring  eingelegt,  die  Vaginaiportion  in  das  Lumen  des- 
selben hineingelogen  und  damit  die  Kranke  sich  selbet  über- 
lassen. 

Im  December  186S  stellte  die  Kranke  sieh  noch  ein 
Mal  vor,  so  kräftig,  wohl  wie  vor  dem  Beginne  ihres  Leidens, 


92  VI.  HUdebrwuUf  Ueber  die  Anwendmig  d.Intraaterin-PeasArieii. 

Die  Version  bestand  noch  fort,  wurde  weiter  dui*ch  den  Gummi- 
ring unterstAtzt,  die  Flexion  aber  war  nicht  wiedergekehrt 
In  diesem  Falle  hatte  also  das  Tragen  des  Intrauterin- 
Pessarium  folgenden  Erfolg  gehabt:  nachtheilige  Erscheinun- 
gen waren  gar  keine  aufgetreten,  die  Blutungen  abgerechnet, 
die  Yielleicht  Verletzungen  beim  Aus-  und  Einfuhren  der  In- 
strumente zuzuschreiben  sind.  Die  Menstruation  wurde  nicht 
wesentlich  und  nicht  dauernd  heeinflusst ;  der  Fluor  albus  ist 
sehr  verringert.  Die  Knickung  wurde  vollständig 
behoben;  ebenso  die  Beschwerden,  welche  aus 
derselben  herzuleiten  waren;  die  Version  blieb 
unverändert.  Die  Länge  der  Höhle  des  Uterus 
ist  während  der  Behandlung  verkleinert. 

II.    Anteversio    und    Anteflexio    Uteri.     Uterus   im 
zweiten  Stadium  der  Anschoppung. 

Helene  P.,  Dienstmädchen,  28  Jahre  alt,  klagte,  dass 
sie  seit  einer  m  ihrem  18.  Jahre,  also  vor  zehn  Jahren  statt- 
gehabten Enthindung  an  äusserst  quälenden  Unterleifosbeschwer- 
den  litte.  Diese  Entbindung  soll  zwei  Tage'  und  zwei  Nächte 
gedauert  und  eine  Entzündung  im  Wochenbette  zur  Folge 
gehabt  haben,  welche  erst  nach  vierwöchentlicber  Dauer  be- 
hoben wurde.  Schon  von  der  Zeit  her,  als  sie  das  Kran- 
kenlager verliess,  datirte  sie  ein  höchst  peinigendes  Gefähi 
im  Unterleibe ,  das  sie  wie  ein  unaufhörliches  Wühlen  in  und 
unter  der  Nabelgegend  beschrieb,  und  von  dem  sie  alle  diese 
Jahre  hindurch  Tag  und  Nacht,  und  zwar  oft  in  dem  Maasse 
heimgesucht  wurde,  dass  sie  Abends  nicht  zum  Einschlafen 
gelangen  konnte  und  Tags  nicht  selten  zu  jeder  Arbeit  un- 
fähig war.  Am  stärksten  aber  trat  das  Uebel  jedes  Mal  zur 
Zeit  der  seit  jener  Entbindung  nur  einen  Tag  andauernden 
und  mit  sehr  heftigen  Rücken^  und  Magenschmerzen  oft  mit 
Erbrechen  einhergehenden  Menstruation  auf.  —  Diese  Be- 
sehwerde und  ein  wechselnd  bald  häufiger,  bald  seltener  auf- 
tretender krankhafter  Drang  zum  Urinlassen  waren  eigentlich 
die  einzigen  Klagen,  mit  denen  die  Patientin,  welche  sonst 
den  Eindruck  einer  rüstigen  gesunden  Person  machte,  am 
8.  October  1863  zu  mir  kam. 


VI.  EUdArmidt,  Ueber  di«  Anwendiuig  d.  Intraiiteriii*PeMari«ii.  9$ 

Die  Beschreibuiig  des  offenbar  im  Wochenbette  entstan- 
denen Leideos,  gegen  welche  bis  dahin  jede  von  anderen 
Aerzten  eingeleitete  Therapie  (u.  A.  Bandwurmcurenl)  erfolglos 
geblieben  war,  forderte  zu  einer  genauen  Untersuchung  der 
Genitalien  auf. 

Bei  der  Palpation  der  Baucbdecken  liess  sich  nichts  Ab* 
normes  wahrnehmen;  bei  der  inneren  Untersuchung  aber  zeigte 
sich  das  ausgesprochene  Bild  einer  Anteflexio  und  Anteversio. 
Uteri.  Die  Vaginalportion  des  recht  hochstehenden  Uterus 
war  stark  nach  hinten  abgewichen,  der  Fundus  uteri  im  yordem 
Scheidengewölbe  schwer  aufliegend  jku  fühlen;  der  ganze  Ute- 
rus iui  Beginne  des  zweiten  Stadium  der  Anschoppung,  von 
prallem,  festem,  wenig  eindruckbarem  Gewebe.  Die  vordere 
Huttermundslippe,  in  ihrer  Breite  und  Länge  verbal tnissmässig 
nicht  erheblich  vergrössert,  hatte  offenbar  durch  die  Com* 
pression  der  Geßisse  an  der  Knickungsstelle,  in  ihrer  Dicke 
bedeutend  zugenommen,  so  dass  der  Cervicalkanal  kein  run» 
des,  sondern  durch  das  Hineinragen  der  geschwollenen  vor- 
deren Wand  ein  halbmondförmiges  Lumen  zeigte.  An  der 
hinteren  Muttermundslippe  befand  sich  ein  kreisrundes  katarrha- 
lisches Geschwür  von  etwa  2'"  Durchmesser.  —  Die  Uterus* 
höhle,  von  welcher  ein  massiges  Quantum  schleimig- eitriger 
Flüssigkeit  ausgeschieden  wurde,  hatte  an  Länge  erheblich 
zugenommen,  indem  die  Simpson' sehe  Sonde  einen  Zoll  tief 
über  das  normale  Maass  eindrang. 

Nachdem  im  October,  November  und  December  1863 
die  verschiedensten  Mittel  angewandt  waren,  um  die  Anschop- 
pung des  Uterus  zu  verringern;  nachdem  eine  zeitweise  Bes- 
serung auf  Blutentziehungen  an  den  Bauchdecken  aufgetreten 
und  ein  Mal  auch  für  eine  Woche  das  Ausbleiben  aller  krank- 
haften Symptome  beobachtet  war,  als  die  Menstruation  statt 
einen  Tag  acht  Tage  geflossen  war,  kam  im  Anfange  des  Ja-> 
nuar  die  Kranke  mit  vermehrten  Klagen  wieder,  und  be- 
schwerte sich  besonders  über  die  unaufhörliche  Unruhe  und 
das  ewige  Wühlen  im  Leibe,  das  ihr  keinen  Augenblick  mehr 
Ruhe  gönne  und  sie  zur  Arbeit  ganz  untüchtig  mache. 

Ich  legte  nun  ein  Simpgon'Bches  Intrauterin-Pessarium 
von  Kupfer  mit  kleinem  rundem  Knopfe  ein,  und  liess  das- 
selbe gleich  andauernd  liegen. 


94  ^«  SüMrmndt,  Uob«r  die  A&wendnn^  d.  Intrantorin-PesMiieB. 

Beschwerden  irgend  welcher  Art  erfolgten  weder  gleidi 
nach  dem  Einlegen  des  Instrumentes,  noch  auch  später.  Die 
Scbleimabsonderung  in  den  Genitalien  nahm  allerdings  anfangs 
SU,  reducirte  sich  aber  später  auf  ein  Minimum.  Auch  flös- 
sen die  Regeln  im  Januar,  Februar  und  März  1864  statiner, 
nftmUch  im  Januar  acht  Tage,  im  Februar  sechs,  im  Man 
fünf  Tage,  sind  danach  aber  auf  dieses  Maass,  welches  sie 
Tor  der  Erkrankung  hatten,  beschränkt  geblieben. 

Der  gunstige  Erfolg  der  Behandlung  trat  schneB  und  in 
sehr  erfreulicher  Weise  ein.  Nachdem  im  Januar  die  Men- 
struation ohne  alle  Scbmerzmi  erschienen  und  durch  acht 
Tage  angehalten  hatte,  meldete  sich  die  Kranke  bald  daraof 
als  von  ihrem  Leiden  befreit  Sowohl  das  lästige  C^effUd  m 
Leibe,  als  auch  der  Drang  zum  Urinlassen  waren  geschwun- 
den, und  Schlaf  und  Gemüthsruhe  waren  wiedergekehrt. 

Ich  liess  das  Pessarium  trotzdem  weiter  tragen  und  ent- 
fernte es  erst  Anlang  April. 

Bei  einer  am  3.  April  Yorgenommenen  Untersucfanng 
zeigte  sich  die  Flexion  beseitigt,  die  Version  gemildert,  die 
Anschwelking  der  vorderen  Muttermnndslippe  verschwundeo,  die 
HöUe  des  Uterus  um  ^j^"  kleiner  gegen  froher;  seine  Wan- 
dungen noch  ein  wenig  geschwellt,  sonst,  wie  es  mir  schien, 
von  normaler  Textur.  Ein  leichter  Catarrh  und  das  Geschwür 
an  der  hinteren  Muttermundslippe  bestanden  noch.  Zur  Behe- 
bung derselben  wurde  die  laue  Uterusdouche  (24^)  verordnet 

Nach  Anwendung  derselben  durch  zwei  Monate,  bis  An- 
fang Juni,  konnte  ich  die  Kranke  als  vollständig  genesen 
aus  der  Behandlung  entlassen.  Der  Catarrh  war  verschwun- 
den, das  Geschwfir  geheilt,  die  Flexion  nicht  wiedergekehrt, 
und  nur  noch  ein  Rest  von  Anteversio  erinnerte  an  das  fro- 
her bestandene  Leiden. 

Der  Erfolg  des  Intrauterin  -  Pessarium  in  diesem  Falle 
läset  sich  mithin  in  Kürze  so  zusammen  fassen: 

Behebung  der  Flexion,  Verringerung  der  Ver- 
sion, Verkleinerung  der  H6hle  des  Uterus,  Besei- 
tigung der  secundären  Beschwerden.  —  Anfangs 
verstärkte,  später  tum  Normalmaass  zurOckkehrende  Men- 
stmatien,  geringer  Fluor  albus. 


yi.  H&d^hrmndi^  üeb«r  die  Anwendangf  d.  loträatorte'-Pef f arien.  95 

nt.  ÄDteversio  und  Anteflexio  Uteri.   Uteruswan- 
dungen  welk,  atoiiisch  nicht  verdickt 

Med.  H,,  eine  sehr  schwächliche  Blondine  mit  hecb<- 
gradiger  lUeidisucht  undJBrutibeschwerden^  wdche  den  Ver- 
dacht herannahender  Tuberculose  erregen,  bat,  jung  verbei«- 
rathet,  inneriialb  vier  Jahren  drei  regeimässige  Gfeburlea 
und  einen  Abort  im  dritten  Monate  und  cfiesen  wibrend 
des  Stillens  des  dritten  Rindes  durchgemacht,  und  jedes  Mal 
in  Wochenbette  an  sehr  profusen  Bbitnngen  gelitten.  Seit 
der  ersten  Entbindung,  welche  sehr  lange  gedauert  und  ein 
fünf  Wochen  langes  Krankenlager  zur  Folge  gehabt  haben 
solL  verspürte  sie  einen  constanten  Selunera  tief  im  Unter«* 
leibe,  Druck  auf  die  Blase,  häufigen  Harndrang  und  Schmere 
beim  Stuhlgange,  welche  Beschwerden  bei  iAr  gewöhniioh 
fünf  Tage  dauernden  Periode  an  Heftigkeit  erbebUch  au« 
nahmen. 

Seit  October  1864  ist  sie  von  diesen  Leiden,  zu  denen 
sich  noch  sehr  heftige  Rückenschmerzen  gesellten,  daumid 
keinigesucbt  worden,  und  Kat  seit  der  Zeit  ihre  Menstmalien 
sehr  unregeimassig  und  beim  Erscheinen  stets  unter  grcMsen 
Schmerzen  gehabt.  Die  unausbleiblichen  Folgen,  Anaemie, 
hysterische  Beschwerden ,  Magenschmerzen  und  Ueblichkeiten, 
Hemicranie,  mitunter  Ohnmächten  waren  bis  zum  15.  Jan^ 
wo  ich  die  Kranke  zum  ersten  Male  sah,  immer  erheblicher 
geworden. 

Ich  fatad  einen  wenig  vergrösserten,  mit  schlaffen,  wel- 
ken Wandungen  versebenen  Uterus  stark  antevertirt  und  so 
stark  nach  vom  flectirt,  dass  ich  mit  der  ^tmpaon'sohen 
Sonde  nicht  durch  Ae  Knickungsstelle  hindurch  gelangen, 
sondern  eine  silberne  Sonde  fast  rechtwinkelig  biegen  musste» 
n»  sie  der  Gestalt  der  Uterushöhle  anzupassen.  Dieseifae 
drang  V/'  über  das  gewöhnliche  Maass  ein,  und  richtete  den 
sehr  schlaffen  nachgiebigen  Uterua,  ohne  dass  der  Kranken 
erhebliche  Schmerzen  verursacht  worden,  volbtandig  aof. 

Bei  der  Behandlung  dieses  Falles  hätte  ich  nun  gern 
einen  Versnch  mK  Anwendung  der  kühlen  Douobe  gemacht^ 
wagte  densdben  aber  nicht  wegen  des  Verdachts  der  Lun- 


96  VI.  ffüdßbrwuUt  Ueber  die  Anweodiing  d.Iatimnterio-PaMviM. 

gentuberculoae.  So  legte  ich  denn  am  8.  Febraar  eio  Intn- 
uterin-Pessarium  aus  Hartgumm]  ein. 

Der  Erfolg  bis  zum  beutigen  Tage  (30.  Harz)  ist  ein 
durchaus  günstiger. 

Gleich  mit  dem  Tage,  an  dem  das  Pessarium  eingelegt 
war,  verschwanden  der  Druck  auf  die  Blase,  der  Urindrang 
und  die  Schmerzen  im  Kreuze.  Das  Ohnmachtsgefühl  und 
die  Hemicranie  sind  nur  noch  sehr  selten,  in  den  letzten 
Tagen  gar  nicht  wiedergekehrt.  Die  Menstruation  ist  am 
5.  März  ohne  allen  Schmerz  wiedergekehrt  und  hat  nur  fünf 
Tage  gedauert. 

Das  Pessarium  ist  noch  nicht  entfernt;  die  Erholung  der 
Kranken  geht  aber  unter  dem  Gebrauche  von  Tr.  Ferri  pomata 
und  kalten  Abreibungen  so  schnell  vor  sich,  dass  ich  hoffe, 
der  weitere  Erfolg  wird  ein  eben  so  günstiger  sein,  wie  der 
Anfang  der  Behandlung  ihn  versprochen  hat,  und  das  Pessa- 
rium wird  bald  entfernt  werden  können.  Die  Flexion  ist  vor- 
laufig sicher  nodi  nicht  behoben,  eben  so  wenig  die  Version. 
Denn  als  ich  am  15.  März  das  Pessarium  fQr  einen  Tag 
entfernte,  fand  ich  am  16.  die  Knickung  fast  in  demselben 
Maasse  vor,  wie  zur  Zeit,  als  die  Kranke  in  meine  Behand- 
lung kam. 

IV.     Retroflexio  und  Retroversio  Uteri.    Uterus  im 
Zustande  reiner  Atonie  und  Schlaffheit 

Fräul.  FL,  27  Jahre  alt,  ist  bis  vor  drei  Jahren  voll- 
ständig gesund  gewesen,  von  blühender  Gesichtsfarbe  und 
rüstiger  Constitution,  hat  ihre  Menstruation  hn  17.  Jahre  be- 
kommen, ohne  Beschwerden,  dieselbe  bis  zum  24.  Jahre  stets 
regelmässig  jeden  28.  Tag  eintreten,  nach  drei  Tagen  schwin- 
den sehen,  und  während  dieser  Zeit  über  kein  Uebelbefinden 
zu  klagen  gehabt 

Seit  dem  24.  Jahre  aber  stellte  sich  ein  allmälig  ao 
Heftigkeit  zunehmender  Schmerz  in  der  linken  unteren  Bauch- 
gegeiKl  ein,  der  sich  oft  über  die  ganze  linke  Seite,  vor- 
nehmlich nach  der  Milzgegend  zu  verbreitete,  und  an  dieser 
Stelle  oft  aufs  äusserste  peinigend  wurde.  Gleichzeitig  em- 
pfand die  Kranke -auch  oft  das   Gefühl   von    Schwere    und 


VI.  HiUkbpmtdty  Ueber  di« Anwuidniig  d.Intraiiteriii-Pe«Mrieii.  97 

Drang  im  Unterleibe,  und  gwar  voraehmlicb  in  der  Zeit  kurz 
vor  Eintritt  der  Regeln,  wo  sie  dann  auch  nicht  selten  die 
Empfindung  hatte,  als  woUe  etwas  zum  Schoosse  hinaus- 
dringen. Erst  im  Laufe  d^s  letzten  Jahres  gesellten  sich 
hierzu  noch  Blasenheschwerden,  welche  in  häufigem  schmerz- 
haften Drange  zum  Uriniren  und  häufiger  schmerzhafter  Ent- 
leerung ideiner  Quantitäten  eines  brennenden  wasserklaren 
Urins  bestanden.  Schmerzen  bei  der  Stuhlenüehrung  hatten 
-nie  stattgefunden,  wie  nach  dieser  Richtung  hin  die  Ver- 
dauung Oberhaupt  stets  regelmässig  gewesen  war. 

Am  wesentlichsten  hatte  im  Verlauf  der  letzten  drei  Jahre 
das  Allgemeinbefinden  gelitten.  Aus  einer  lebensfrohen  und 
frischen  Person .  war  allmälig  eine  von  fortwährenden  Ge- 
mütbsverstimmungen  geplagte  Hysterica  geworden,  welche  von 
den  mannigfachsten  grossen  und  kleineu  nei*v6sen  Leiden  ge- 
plagt wurde.  Am  quälendsten  war  für  die  Kranke  ein  bei 
sonst  tede]loser  Verdauung  auftretendes,  von  anstrengendem 
Würgen  und  Magenschmerzen  begleitetes  Erbrechen,  welches 
Anfangs  nur  am  Tage  des  Eintritts  der  Menstruation,  später 
seibstständig  und  immer  häufiger  erschien,  im  letzten  J^re 
sehr  oft  mit  Blutungen  aus  dem  Magen  begleitet  und  steU 
von  grosser  Erschlaffung,  Gemüthsverstimmung  und  äusser- 
ster  Reizbarkeit  gefolgt  war.  Neben  diesem  häufig ,  mitunter 
an  einem  Tage  mehrmals,  auftretenden  Leiden  waren  sehr 
gewöhnliche  Erscheinungen:  Hemicranie,  Schwindel,  hyste- 
rische Lach-  und  Weinkrämpfe.  Zuweilen  waren  fliegende 
Gelenkschmerzen,  besonders  in  den  Knie-  und  Fussgelenken 
aufgetreten,  und  zum  Theil  aus  diesem  Grunde,  mehr  aber 
noch,  weil  sie  in  den  Schenkeln  eine  gegen  früher  auffai- 
lende  Schwäche  und  Unsicherheit  verspürte,  war  ihr  weiteres 
Gehen  unmöglich  und  durfte  sie  sich  meist  nur  auf  die 
Häualichkeit  beschränken. 

Die  genannten  Beschwerden  waren  alle  in  hohem  Grade 
vorhanden,  als  ich  im  April  vorigen  Jahres  die  Kranke  zum 
ersten  Male  sah  und  untersuchte. 

Ich  fand  ein  unversehrtes  aber  so  schlaffes  Hymen,  dass 
es  mir  gelang,  mit  dem  Zeigefinger  nicht  nur  die  Vaginal- 
portion. Sandern  auch  das  hintere  Scheidengewölbe  genau  zu 
untersuchen.     Die  ziemlich  weiche,    aufgelockerte  und  blut- 

Monataschr.  f.  Q«burtHk.  1865.  Bd.  XXVI.,  Uft.2.  ^ 


98  y^'  Hüdthrandt,  Ueber  die  Anwendon;  d. Intraateria-PeMariea. 

reiche,  wenig  vergrösserte  Vaginalportion  ]ag' eines  lliefls 
der  vorderen  Beckenwand  nSher  als  gew6hnlich,  war  aber 
auch  anderen  Theils  mit  ihrem  onteren  Ende  derselben  mehr 
zugeneigt,  also  im  Zustande  der  Retroversio  Uteri.  Im  hin- 
teren Scheidengewölbe  liess  sich  eine  kuglige  unafangreiche 
Geschwulst  wahrnehmen,  die  ich  für  den  Fundus  Uteri  halten 
musste,  deren  directes  Uebergehen  in  den  Cerricaltheil  aber 
mit  dem  untersuchenden  Finger  nicht  zu  ermitteln  war.  Wohl 
liess  sich  dasselbe  aber  nachweisen,  als  ich  die  schwacbgc- 
krümmte  Simpson'sche  Sonde  in  die  Uterushöhle  mit  der 
ConcavitSt  nach  hinten  eingeffihrt  hatte.  Bei  einem  sehr 
langsamen,  trotzdem  aber  doch  sehr  schmerzhaften  Umdre- 
hen der  Sonde  mit  der  Goncavität  nach  vom,  bei  welchem 
sich  auch  die  Schlaffheit  der  Wände  des  Uteruskörpers  deut- 
lich documentirte,  entschwand  die  Geschwulst  im  ScheideD- 
gewölbe  dem  untersuchenden  Finger  total. 

Die  somit  nachgewiesene  RetroOexio  und  Retroverao 
des  Uterus,  fQr  deren  Entstehung  ich  keine  Gründe  in  d^ 
Anamnese  (vielleicht  Masturbation)  aufzufinden  im  Stande 
war,  glaubte  ich  zum  Angriffspunkte  für  die  Behandlung  des 
complicirten  Falles  nehmen  zu  müssen. 

Nachdem  durch  Wochen  und  Monate  Versuche  mit  der 
kalten  Ulerusdouche ,  mit  kalten  Abreibungen  und  dem  Ge- 
brauch des  Eisens,  mit  kleinen  Blutentziehungon  am  Damme 
und  wiederholentlich  an  die  untere  Bauchwand  gelegten,  noch 
am  meisten  wirksamen  Vesicatoren  gemacht  waren^  ohne  dass 
ein  bleibender  Erfolg  für  die  Genesung  zu  erzielen  war,  legte 
ich  am  26.  October  ein  Intrauterin-Pessarium,  einen  geraden 
Blfenbeinstiel  mit  kleinem  Knopf  aus  Cocosnuss  ein«  und 
liess  dasselbe  bis  zum  12.  Januar  liegen. 

Der  Erfolg  für  das  Allgemeinbefinden  war  ein  durchaus 
günstiger.  Aeusserte  sich  schon  in  der  sehr  verbesserten, 
froheren  und  gleichmässigeren  Stimmung,  dem  Ausbleiben 
der  Anfälle  von  Missmuth,  Verzagtheit,  Gereiztheit  ein  wesent* 
lieber  Fortschritt  zum  Besseren,  so  war  dies  in  noch  viel 
höherem  Grade  der  Fall  durch  das  Zunehmen  der  Kräfte, 
die  wiederkehrende  Sicherheit  des  Ganges,  durch  die  Mög- 
lichkeit, auch  weitere  Wege  zu  Fuss  zurückzotegen.  Die 
Symptome  aber,  welche  die  Kranke  am  meisten  gequält  halten. 


VI.  BUdthrmuU^  Uebef  di«  Aow«ii<lniig  d.  Intrauteria-PeManeD.  90 

das  Erbrechen,  die  hysterischen  Krämpfe,  die  Migräne  schwanden 
allmälig  mehr  und  mehr  und  kamen  in  den  letzten  Wochen 
gar  nicht  melir  vor.  Die  Menstruation  war  jedes  Mal  ohne 
alle  Beschwerden  aufgetreten,  war  aber  häufiger  als  frUher 
wiedergekehrt,  nämlich  die  letzten  Male  in  Zwischenraum  von 
drei  Wochen. 

Am  12.  Januar  entfernte  ich  nun  das  Pessarium.  Der 
Uterus  zeigte  etwas  mehr  Festigkeit,-  die  Flexion  war  nii^l 
mehr  nachzuweisen,  die  Stellung  der  Vaginalportion  normal. 
Ich  wollte  darauf  eine  Probe  anstellen,  ob  die  Heilung  schon 
erfolgt  sei  und  bestellte  die  Kranke  erst  wieder  Aber  acht 
Tage  zu  mir,  erhielt  dann  aber  den  sehr  äbeln  Bericht  dass 
aHe  die  alten  Beschwerden  in  fast  ebenso  heftiger  Weise 
wiedergekehrt  seien,  wie  vordem.  Den  Uterus  fand  ich  wieder 
in  der  froheren  Weise  retrofiectirt  und  retrovertirt.  Ich  legte 
daher  dasselbe  Pessarium  wieder  ein  und  verordnete  nun 
neben  dem  Tragen  desselben  den  Gebrauch  der  kfihlen  Uterus^ 
douche.  Nachdem  die  letztere  den  Februar  hindurch  2  Mal 
täglich  in  Anwendung  gezogen,  das  Pessarium  am  1.  März 
entfernt  worden  ist,  muss«ieh  nun  die  Kranke  für  .genesen 
erachten.  DieiSelbe  hat  sich  mir  jetzt  in  den  letzten  vier 
Wochen  wiederholenüich  vorgestellt,  fühlt  sich  von  allen  ihren 
Beschwerden  frei  und  erholt  sirli  beim  Gebrauch  von  Eisen 
mehr  und  mehr.  Von  der  Flexion  und  Version  des  Uterus 
habe  ich  nichts  mehr  vorfinden  können.  —  Ob  jetzt,  nachdem 
die  krankhaften  Symptome  geschwunden  sind,  die  Heilung 
dauernd  erfolgt  ist,  will  ich  nicht  behaupten,  glaube  fs  aber 
hoffen  zu  dürfen,  da  das  Gewebe  des  Uterus  mehr  Festigkeit,, 
die  ganze  Constitution   wieder  ihre  alte  Frische  erlangt  hat. 

Der  Erfolg  der  Behandlung  in  diesem  Falle  ist  kurz 
also  folgender :  Heilung  der  Version  und  der  Flexion, 
Beseitigung  der  nervösen  Beschwerden,  Hebung 
der  GesammtGonstitution,  dauernde  Heilung  aber 
erst  durch  den  vereinten  Gebrauch  der  Intraute* 
rin  Pessarien  und  der  kühlen  Douche  erzielt.  — 
Nicht  erwünschte  Folge  war  die  häufiger  eintretende  Men- 
struation. 


7* 


100  VhEüdebrümdi^  U^bfMrdiaAawaadnagcLlBirAnteriB-PMttrwB. 

V.    Relroflexio   Uteri«     Uteru«    im  3.    Sladivm   der 
Anschoppung. 

Mad.  Dr.  35  Jahre  alt,  MuUer  von  drei  Kjndem«  ?od 
denen  das  jüngste  4  Jahre  alt  ist,  leidet  an  einer  Relrofie&o 
Uteri  ^  welche  mit  allmilig  sich  steigernden  Beschwerden  seit 
dem  letzten  Wochenbette  zu  bestehen  scheint.  Die  Kranke 
war  seit  dieser  Zeit  in  hohem  Grade  hysterisch  geworden, 
hlt  dauernd  an  einer  sentimental-melaiicholischen  Gemöths- 
stinuBung,  die  mitunter  auf  oft  nur  kleine  Anlasse  sich  so 
sehr  verscbliaimerte,  dass  sie  zu  jeder  häuslichen  Beschäftig* 
uog  unßhig  war,  dass  oftmals  Weinkrimpfe  auftraten,  naeli 
denen  sie  Tage  lang,  wegen  vollständiger  Abgeschlageaheit 
und  Susserster  Ermattung  das  Bett  hüten  musste.  Zu  dieser 
trüben  Stimmung  führte  sie,  wie  sie  glaubte,  vomehmJich  ein 
dauernd  lästiges  wehes. Gefühl  in  der  Hagengegend,  welches 
mitunter  in  einen  äusserst  heftigen  Anfall  von  Magenkrampf 
überging.  Herzklopfen,  Hemikranie,  Clavus,  Schwindel  traten 
nicht  selten  auf,  waren  der  Kranken  aber  immer  nicht  so 
quälend,  wie  die  Magenbeschwerden.  —  Die  Verdauung  war 
trotzdem  durchaus  normal,  die  Kranke  im  Ganzen,  wenn  aocfa 
von  sehr  l)leicher  Gesichtsfarbe,  gut  genährt.  Die  Nenses, 
seit  drei  Jahren  sehr  spärlich,  beim  Eintritte  stets  von  grossen 
Schmerzen  und  allgemeinem  Uebelbefinden  begleitet,  dauerten 
gewöhnlich  drei  Tage.  Der  gegen  Berührung  mit  dem  touchi- 
renden  Finger  sehr  wenig  empfmdliche,  nicht  sehr  ertieblicb 
vergrösserte,  mit  dicken  derben  Wandungen  versehene  Uterus, 
zeigte  eine  sehr  bedeutende  Retroflexion  und  kichte  R^ro- 
Version.  Es  gelang  mir  erst  bei  der  dritten  Untersudimig 
durch  die  sehr  enge  Knickungsstelle  mit  der  Sonde  m  das 
Corpus  Uteri  einzudringen.  Jedes  Mal,  während  des  Sondi- 
rens  fioss  eine  kleine  Quantität  bkitigen  Schleims  aus  dem 
Cervicalkanai  ab;  anch  verursachte  die  Aufrichtung  des  Uterus 
reclit  erhebliche  Schmerzen,  die  aber  verschwanden,  nachdem 
die  Sonde  einige  Minuten  in  dem  aufgerichteten  Uterus  ge- 
legen halte.  -^ 

Ein  am  27.  Septeuftber  1864  eingelegtes  Simps&n'aebe$ 
Intrauterin -Pessarium  rief  anfangs  üble  Zustände  hervor. 
Einige  Stunden  nachdem  es  eingebracht  war,  trat  heftiger 
Harn-  und  Stuhldrang  ein,    welcher  nicht  eher  aufhörte,  als 


VL  Hild^hrmmdi,  U«berdi»Aliw«fichinf  d.Intraiit^riii-PMffttien.  IQl 

bis  Am  P^ssariam  aus  den  GeniUlien  herattsgefaUeii  wat, 
DaDacb  kebrle  der  alte  Zustand  zoruck« 

Am  nächsten  Tage  brachte  ich  das  Pessarium  wieder 
ein.  Die  Folgen  waren  weniger  peinigend,  aber  Schmerzen 
im  Unterieibe  und  Tenesrarus  schwenden  erst  wieder,  als  bei 
einem  Stuhlgange  das  Pessarium  hinausglitt 

In  den  darauf  folgenden  Tagen,  in  denen  das  Pessarium 
immer  wieder  neu  eingebracht  werden  musste,  schwächten 
sich  die  Bescbwerden  allmilig  mehr  und  mehr  ab,  und  am 
3.  October  wagte  ich  es  bereits,  das  Instrument  durch  ein 
darunter  gelegtes  rundes  Kautschuck- Pessarittm  iu  seiner 
Lage  flxirt  zu  erhalten.  Seit  dem  Tage  ist  es  Torldafig  an-- 
haltend  liegen  geblieben  bis  zum  6.  Januar  dieses  Jahres 
und  hatte  während  dieses  Zeitraums  folgende. Veränderungen 
in  dem  Befinden  hervorgerufen:  Die  Menstruation  war'  im 
October  sehr  reichlich  durch  acht  Tage  aufgetreten  und  war 
von  einem  anhaltenden  wässrig-blutigen  Ausflusse  aus  den 
Genitalien  gefolgt,  der  so  reichlicli  war,  dass  Wundsein  der 
Schenkel  ehitrat  Im  Novenber  dauerte  die  Menstruation 
nur  fünf  ^age,  jedoch  ej)enso  reichlich  und  hatte  wieder  eine 
profuse  wässrige  Ausscheidung  zur  Folge.  Seit  dem  De- 
cerober  ist  dieselbe  jedoch  sowohl  an  Quantität  als  Zeitdauer 
gleich  der  Menstruation,  wie  sie  ver  der  Erkrankung  auütu-' 
treten  pflegte:  sie  dauert  4  Tage,  tritt  ohne  alle  Schmerzen 
ein  und  ist  gehörig  dunkel  blutig  geßirbt.  Auch  der.  Ausflugs 
nach  ihrem  Aufhören  ist  nur  noch  in  geringem  Haasse  vor- 
handen. Wesentliche  Besserung  war  im  Allgemeinbefinden 
aufgetreten.  Die  Stimmung  war  fflr  gewöhnlich  eroe  voll- 
ständig normale  and  nur  zeitweilig  nach  Gemäthsbewegungem, 
nach  einem  ermüdenden  Gange,  nach  emcr  schweren  Stahl- 
entleernng  u.  s.  w.  kehrte  för  Stunden  die  alle  Melancholie 
zurAck.  Am  meisten  erfreut  war  aber  die  Kranke  üiber  das 
Fortbleiben  der  Cardialgie^  welche  gleich  in  den  ersten  Tagen 
nach  £infijlhrung  des  Pessariums  verschwunden  war. 

Am  6«  Januar  d.  J.  meldete  sich  die  Kranke  bei  nMr 
wieder  in  AUerem  Zustande  und  klagte  vornehmlich  über 
Schmerzen  tief  im  Unterleibe.  Ich  fand  das  kupferne  Pessa* 
riam^  das  über  3  Monate  im  Uterus  gelegen  hatte,  schadhaft 
geworden,    seinen    Sliel   an    einer   Seite   aus   der   kupfernen 


102  VI.  Bildebrandt,  UeberdieAaweiiAoDgd.IiitrmQtertB«PeM«neii. 

Hohlkugel  gelöst  und  nach  hinten  umgebogeo.  Idi  mosite 
dasselbe  somit  entfernen,  fand  danach  aber  leider  den  UUra 
beinahe  ebenso  stark  geknickt,  wie  im  October  vortier  bei 
der  ersten  Untersuchung. 

Ich  habe  nun  der  Kranken  ein  Pessarium  von  Elfenbeiii 
mit  Cücosknopf  eingelegt,  dasselbe  durch  einen  HolniDg 
unterstutzt  und  lasse  seit  Januar  gleichzeitig  täglieh  ein  waimes 
Sitzbad  mit  Kreuznacher -Mutterlauge  brauchen.  Die  Kranke 
fdfalt  sich  dabei  vollständig  wohl,  die  Anschoppung  des  Uterus 
nimmt  jetzt  auch  deutlich  ab,  aber  wie  weit*  und  wann  Be- 
seitigung der  Flexion  und  der  begleitenden  Beschwerden  andi 
ohne  Zuhfilfenahne  des  Pessariums  eintreten  wir(j|,  ist  noch 
nicht  zu  bestimmen ;  augenblicklich  halte  ich  <fie  dauernde 
Genesung  fär  noch  nicht  eingetreten.  — 

Der  Erfolg  der  Behandlung  ist  also  in  diesem  Falle: 
Vollständige  und  schnelle  Beseitigung  der  die 
Flexion  begleitenden  Leiden.  Anfangs  sehr  ver- 
stärkte, später  zur  Norm  zurückkehrende  Men- 
struation. Nach  der  Menstruation  auftretende  pro- 
fuse wässrige  Secretion  aus  dem  Uterus,  die 
allmälig  verschwindet.  Heilung  nach  6  Monaten 
nicht  erfolgt,  steht  aber  zu  hoffen  unter  der  Beihülfe  des 
Gebrauchs  medicamentöser  Sitzbäder. 

VI.    Retroflexio   Uteri.     Uterus   im   2.   Stadium    der 
Anschoppung  indurirt,  vergrossert. 

Had.  A^.  34  Jahre  alt,  Mutter  von  drei  Kindern,  seil 
fünf  Jahren  an  einer  Hysterie  des  schlimmsten  Grades  leideiid, 
kam  im  November  1863  mit  folgenden  Klagen  in  meine  Be- 
handlung: Seit  ihrem  zweiten  Wochenbette,  in  welchem  sie 
eine  Entzündung  im  Unter  leibe  durchmachte,  fühlte  sie  eine 
erhebliche  Schwere  im  Unterleibe,  Drängen  zum  Scboosse 
hinaus,  heftige  Schmerzen  beim  Stuhlgange,  Kreuzsehmerzeii, 
Druck  und  Schmerzhaftigkeit  in  der  linken  untern  Bauchgegend, 
welche  sich  nicht  selten  bis  unter  die  kurzen  Rippen  linker- 
seits ausbreitet?.  Alle  diese  Beschwerden,  welche  besonders 
zur  Zeit  der  unter  grossen  Schmerzen  und  gegen  früher  bloss 
und  spärlich  auftretenden  Menstruation  in  sehr  eriiöhteoa 
Maasse  auftraten,  erachtete  die  Kranke  aber  nur  gering  gegen 


VI.  H»{il«6raii4{<,Ueb«rdieADweiid«DgdJiitrauteriD-Pe8gari6n.  103 

die  Qualen  der  ?iel£acheD  nervösen  Leiden,  Ton  denen  sie 
nun  die  Reihe  von  Jahren  hindurch  gepeinigt,  ihrer  Um- 
gebung und  sieb  selbsl  zur  Last  war.  Dahin  gehörten  vor 
Allen)  ausser  anhaltender  Uebellaunigkeii  Migräne  und  Clavus, 
Schwindel,  Funkensehen,  unruhiger  Schlaf  bis  zur  Scldaf- 
losigkeity  Unsicherheit  der  Bewegungen,  sowohj  der  Arme,  in 
denen  häufig  anhallendes  Zittern  eintrat,  als  auch  der  Schenkel, 
so  dass  ihr  weiteres  Gehen  unmögUch  war  und  sie  seit  Jahren 
^as  Zimmer  nicht  verlassen  hatte. 

Bei  der  Untersuchung  fand  ich  einen  recht  erhebUch  ver- 
grösserten  Uterus,  dessen  Höhle  um  1"  an  Länge  über  das 
Normal-Maas  hinausging,  dessen  Wandungen  stark  verdickt 
und  indurirt  waren.  Die  Vaginalportion  mit  dem  weitklaffen- 
den  von  oberflächlichen  Ulcerationen  bedeckten  Orificium  ex- 
ternum  war  ein  wenig  nach  vorne  geneigt,  sehr  umfangreich, 
aber  wenig  verlängert,  das  Corpus  Uteri  stark  nach  hinten 
übergenei^t;  die  Knickungsstelle  nicht  sehr  enge,  für  die  Simp- 
«on'sche  Sonde  ziemlich  leicht  passirbar,  mit  welcher  die 
Aufrichtung  des  Organs  ohne  erhebliche  Schmerzen  für  die 
Kranke  bewerkstelligt  werden  konnte.  Die  Secretion  des 
Uterus  schleimig  eitrig,  aber  nicht  sehr  reichlich. 

Die  Versuche,  welche  ich  in  diesem  Falle  zur  Beseitigung 
der  Retroflexion  gemacht  habe  und  .welche  in  Application  von 
Blutegeln  an  die  Vaginalportion,  Anwendung  leichter  Laxanzen, 
Gebrauch  von  Sitzbädern  mit  Kreuznacher  Mutterlauge,  in 
lauen  Vollbädern  und  der  lauen  Uterusdouche  bestanden,  er- 
streckten sich  auf  die  Dauer  eines  vollen  Jahres,  hatten  aber 
sftmmtlich  keinen  irgend  erspriessUchen  und  bleibenden  Er- 
folg, mit  so  anerkenncnswertber  Consequenz  auch  die  Patientin 
den  Verordnungen  Folge  leistete.  — 

Seit  dem  Octpber  v.  J.  liess  ich  nun  ein  Simpson! sehe» 
Intrauterin -Pessarium  tragen  und  zwar  anfangs  nur  während 
der  menstruationsfi'eieu  Zeit,  seit  December  anhaltend.  — 

Der  Erfolg  bis  zum  15.  Februar,  wo  ich  das  Pessarium 
für  einen  Tag  zur  Controlle 'entfernte,  war  folgender:  Die 
früher  mit  grossen  Schmerzen  und  sehr  sparsam  durch  3^4 
Tage  auftretende  Menstruation,  stellte  sich  im  November 
schmerzlos  ein,  dauerte  acht  Tage,  floss  recht  reichlich  und 
war    von    weniger    allgemeinem   Uebelbefinden    begleitet    und 


104  VI.  ffUä€hrandi,Veh^rAieAnwwAmg4.Iwirmwi»rb^^emmriem. 


gefolgt.  Im  December  datierte  sie  nur  Nknf  Tage,  n 
vier,  hat  sich  seitdem  auf  dieseio  Staiidpviikte  erhalCea  und 
war  nremals  mehr  Ton  den  vorerwähnten  Beisehwerdeii  be- 
gleitet. Das  AUganeinbefinden  hatte  sieh  weseHllidi  gebessert 
Die  Stimmung  war  eine  viel  gleichmissigere,  frobere;  At 
MigrSne  nur  sehr  selten,  SchwhidelanftUe  fest  gar  nicht  avl^ 
getreten;  das  nervöse  Zittern  der  Hände  habe  ieh  oidii  mehr 
beobachtet.  Am  erfreulichsten  war  es  aber  der  Kraiiieiif 
üass  sie  mehr  Sicherheit  des  Ganges  erlangt  batle  und  skfc 
soweit  gekräftigt  fOAiMe,  um  ihrer  Wirthscbaft  selbsCsläodig 
vorstehen  zu  können.  —  Beschwerden  bei  der  Defeeeatmi 
fanden  wohl  noch  statt,  auch  kehrte  das  GefiM  von  Schwere 
und  Völle  m  Vnterleibe  und  der  Sebmerz  m  der  liskeD  Seit« 
nochr  mitunter  in  ziemlich  hohem  Grade  wieder.  — 

Bei  der  am  15.  Februar  vorgenommenen  Umepsucbnig 
fbnd  ich  das  Gewebe  des  Uterus  und  ^f  Vagiwiiporiioo 
weniger  indurirt,  leichter  eindröckbar,  das  Secret  des  Cem- 
calcanals  nicht  vermehrt,  die  Flexion  aber  noch  in  demseibeo 
Stadium,  den  Uteruskörper  hart  und  schwer  aufliegend,  die 
Höhle  ebenso  gross  wie  vordem. 

Seit  dieser  Zeit  nun  lasse  ich  die  KrMike  tägUeb  ein  Mel  ein 
warmes  Sitzbad  mit  Kreuznacher  Kutterlange  nehwien,  wibrend 
ich  das  Pessarium  dauernd  im  Uterus  liege»  lasse.  — 

Nach  sechswöchentUcher  Anwendung  dieser  Cur  scbie» 
mir  das  Gewehe  des  Uterus  mehr  zu  normaler  Textur  ao- 
rückgekehrt;  der  Uteroskörper  weicher  zu  sein  und  weniger 
schwer  aufzuliegen',  aber  die  Ftexion  besteht  noch,  die  Bohle 
ist  unvermindert  gross.  Dnrdi  diesen  Erfolg  errouthigl,  hoffe 
ich;  dass  bd  noch  längerer  Anwendung  der  genanBten  Mittel 
und  durch  einen  mehrwöchentlichen  Gebraueb  Ten  Eger* 
Franzenshrunnen  in  der  wärmeren  Jahreszeit  das  erwöaschte 
Ziel  der  .Verkleinerung  des  Uterus  und  der  Bebebung  seiner 
Knickung  wird  erreicht  werden  können,  voridufig^  ist  die 
Kranke  nach  sechsmo'natlicbem  Gebraueb  des  In- 
trauterin-Pessariums  wohl  gebessert  aber  nicht 
geheilt,  der  Erfolg  also  ein  zweifelhafter. 


VI.  .0Jiii0firafldlyU«b«rdi«Anweiidiwgd.>Iotniiit»ri»-PtMarieo.  105 

GesUiltet  ^  Reäie  vorstdiender  Fälle  vorUhifig  auch  heiii 
endgiltiges  Urtheii  znrEoiacbetdung  Aber  alle  die  wichtigen  Fragen, 
welche  Aber  die  Zulässigkeit  and  Wirksamkeit  der  Intrauterin- 
PessarieB  noch  ollen  stehen,  und  können  diese  Fille  tmt- 
nehmlieb  auch  augenbUcklicb  noch  nicht  alle  dazu  dienen^ 
den  Bescheid  abzugeben,  oh  durch  die  eingeschlagene  Behand- 
hing eine  Heilung  der  Flexionen  erzielt  ist,  so  ertbeilen  die- 
seften  dodi  über  einige  der  am  meisten  das  praktische 
Interesse  i»  Ansprach  nehmenden,  streitigen  Punkte  gemigende 
Aoskunft. 

Zunächst  glaube  ich  hervorheben  zu  müsseu,  dass  die 
von  Martin  empfohlene  Hodification  der^  Anwendung  der 
Intrauterin-Pessarien ,  welche  ich  in  den  fünf  zuletzt  be- 
schriebenen Fällen  adoptirt  habe,  durchaus  wesentliche  Vorzüge 
vor  dem  alleren  ursprünglichen  Verfahren  bietet.  Eine  kurze 
Beschreibung  und  ein  Vergleich  der  beiden  Verfahren  wird 
dies  lehren: 

Zum  ersten  Acte  der  Behandlung,  zur  Aufrichtung  des 
geknickten  Uterus,  benutzt  man  am  Besten  zwei  Sonden:  Für 
die  leichteren  Grade  von  Knickungen,  besonders  für  Knick- 
ungen nach  bint^,  reicht  die  wenig  gekrümnue  nicht  bieg- 
same iSimp^on'sche  Sonde  aus;  für  die  stärkeren  aber  und 
besonders  für  die  erheblicheren  Anteflexionen  wende  ich  eine 
silberne  Sonde  an,  wefciie  ich  etwa  ^j^!*  unterhalb  des  Knopfes 
yt  nach  der  Grösse  des  Knickungswinkels  mehr  oder  weniger 
stark  einbiege.  In  manchen  Fällen  ist  dies  in  hohem  Grade 
nothwendig;  so  musste  z.  B.  in  dem  oben  beschriebenen 
Falle  I  iwd  U  die  Sonde  eine  Biegung  bis  zur  Herstellung 
eines  rechten  Winkels  erbatlen.  Aber  trotz  dieser  Aushülfe 
ist  die  Einführung  der  Sonde  nicht  immer  leicht.  Wo  sehr 
hochgradige  Knickungen  des  Uterus  besteben,  bedarf  es  oft 
der  äiissersten  Geduld  und  Ruhe  bei  Handhabung  der  Sonde, 
bis  es  gelingt,  durch  die  Knickungsstelle  hindurch  zu  dringen, 
und  es  vergebt  oft  die  Zeit  einer  halben  Stande  und  drüber, 
es  entsteht  Scbmerzhafligkeit  des  Uterus,  es  zeigen  sich  wohl 
auch  Blutungen  aus  der  katarrhalisch  geschwellten,  mitunter 
auch  wobt  ukerirtea  Schleimhaut  des  Cervicalcanals,  und  man 
gelangt  trotz  vorsichtigster,  sorgsamster  Führung  dodi  nicht 


106  VI.  fi»M<5r«fidt,U«berdUAow«Bdi»igd.Ittiraiite«iii-FesMHn. 

tnm  Ziele.     Was   aber  am   ersten   Tage   nicht   möglieli  ist, 
Ifisst  sich  meist  am  zweiteo  oder  dritten  aosfuhren. 

Ist  die  Sonde  mit  dem  Knopfe  bis  zum  Fuodus  tttoi 
vorgeschoben,  so  lasse  ich  sie  wenige  Minuten  liegen «  richte 
dann  den  Uterus  langsam  auf  und  schiebe  gleich  entweder 
das  Intraulerin*Pessarium  neben  der  Sonde  vor  oder  lege  » 
ein,  während  ich  ihm  durch  Zurückziehen  der  Sonde  PliU 
mache.  Am  meisten  wende  ich  die  /Stmp^on'scheo  Pessarien 
mit  langem  geradem  Stiele  und  kleinem  Knopfe  an^  leite  die- 
selben, mit  Zeige-  und  Mittelfinger  den  Knopf  hallend,  bis 
zum  Muttermunde  vor  und  benutze  entweder  den  Daumen 
derselben  oder  den  Zeigefinger  der  andern  Hand»  um  das 
weitere  VorschieBen  des  Stiels  in  den  Uterus  zu  bewerk- 
stelligen. Wo  der  Uterus  nicht  sehr  hoch  steht  und  die 
Genitalien  nicht  sehr  eng  sind,  reiche  ich  mit  der  Hand  aMn 
ohne  BcihQlfe  von  Instrumenten  aus:  im  andern  Falle  leite 
ich  über  die  im  Uterus  liegende  Sonde  ein  Speculum,  lege 
die  Vaginalportion  frei  und  führe  dann  das  Intrauterin-Pessa- 
rium  mit  einer  langen  Polypenzange  oder  mit  einer  kleineo 
in  eine  Oeffhung  des  Knopfes  gesteckten  Sonde  in  die  Ute- 
rushöhle. 

Dieser  zweite  Act  der  Behandlung  macht  gewöhnUdi  sehr 
geringe  Schwierigkeiten  und  ist  meist  von  keinen  Übeln  Neben- 
umständen  begleitet;  einen  kleinen  Schmerz  ausgenommen, 
der  beim  Eindringen  der  Spitze  des  Pessariums  durch  den 
innern  Muttermund,  wie  beim  Einführen  der  Sonde  durch 
diese  Stelle  entsteht.  — 

Das  einmal  eingebrachte  Pessarium  bleibt  nun  ohne 
Unterbrechung  dauernd  liegen,  auch  während  der  Menstruation 
und  es  wird  den  Kranken  keine  Einschränkung  in  Betreff  der 
körperlichen  Bewegungen  auferlegt.  — 

Nicht  immer  aber  hat  das  Pessarium  gleich  seinen 
sichern  Halt.  Meistens  zwar,  nämlich  bei  sehr  starken  Knick* 
ungen  und  enger  Uterushöhle  bedarf  es  keiner  Unterstützung^ 
ebenso  wenig  bei  Anteflexionen,  welche  mit  erheblichen  Ante* 
Versionen  verbunden  sind,  indem  dann  der  Knopf  gegen  äe 
hintere  Scheidenwand  sich  anlehnt  und  von  ihr  getragen  wird. 
.  In  vielen  Fällen  aber  muss  man  eine  künstliche  Stütze  von 
unten   her   anbnngen,  und   benutze   ich   zu   diesem   Zwecke 


Vi.  HüdsbrmuU,  üeber  die  An w4mdoog d. Intranteriii-PeiBarieii«  107 

entweder  die  schwarzen,  nindeo,  iingestielteri  Gummi-Pessarien 
oder  Hoizringe  oder  die  Mayer'schen  Gummiringe.  Iü  einem 
kürzlich  in  Behandlung  genommenen  Falle  bei  einer  Virgo 
mit  sehr  enger  Vagina,  für  welche  icli  keine  passenden  Stutz- 
Pessarien  ausfindig  machen  konnte,  legte  ich  zur  Befestigung 
eines  bis  zum  Knopfe  eingeführten  IntrauCerin-Pessarium  aus 
Hartgummi  einen  kleinen  GummibaUon  ein,  der  gut  vertragen 
wird.  Die  nach  der  ursprünglichen  Simp9on'^hen  Vorschrift 
gearbeiteten  Pessarien  mit  Bögel  halte  ich  aus  vielen  Gründen 
für  unzweckmäsMg :  sie  sind  sehr  schwer  und  meist  nur 
unter  grossen  Schmerzen  einzuführen  und  herauszunehmen 
und  fixiren  femer  den  Utcirus  nicht  aUein  in  seiner  Haltung, 
sondern  auch  in  seiner  Lage  absolut,  was  dem  physiologischen 
Verhalten  des  gesunden  Uterus  durchaus  nicht  entspridtt.  — 

Die  so  ausgeführte  Art  der  Anwendung  der  Intrauteriu- 
Pessarien  hat  nun  grosse  Vorzüge  vor  dem  altem  Ursprung- 
heben  Verfahren.  Man  glaubte  früher  den  Uterus  zunächst 
für  den  Reiz  der  Pessarien  durch  tägliches  Einführen  der 
Sonde,  welche  man  allmalig  längere  und  längere  Zeit,  doch 
nicht  über  eine  Stunde  liegen  liess,  abhärten  zu  müssen,  dann 
erst  brachte  man  das  Pessarium  in  den  Uterus  und  gestattete 
auch  für  das  Tragen  dieses  nur  allmalig  eine  längere  und 
längere  Dauer.  Aus  einer  so  grossen  Vorsicht  aber  ent- 
springen gerade  die  Nachtheile,  welche  der  ganzen  Behand- 
lungsweise  Widersactier  bereitet  haben.  Entstehen  dadurch 
einerseits  für  die  Frauen  höchst  peinUclie  und  beschämende 
sich  täglich  wiederholende  Situationen,  für  den  Arzt  eine  Ver- 
geudung üieurer  Zeit,  so  ist  auch  andererseits  das  oft  wieder- 
holte Sondiren  und  Aufrichten  des  Utems  und  das  häufige 
Einführen  und  Herausnehmen  des  Pessariums  für  den  Zustand 
des  Uterus  durchaus  nicht  ohne  nachtheilige  Folgen.  Jedes 
Sondiren  eines  stark  geknickten  Uterus  geht  immer  mit  mehr 
oder  weniger  Zerrung  des  Mutterhalses,  mit  Schmerz,  oft  mit 
Blutimgen  einher,  und  wenn  diese  Reizungen  täglich  wiederhol! 
werden,  so  ist  es  wohl  erklärlich,  dass  aus  den  kleinen  Blut- 
ungen allmalig  permanente,  aus  den  leichten  Reizungen  all- 
malig Entzündung  des  Uterus  entstellt,  deren  Grenzen  viel- 
leicht nicht  zu  berechnen  sind. 

Zum  grossen  Tbeil  aus  dem  Umstände,  dass  diese  nach- 


108  VI.  midt^andt,  Ueber  dl«  AttwmidtRig  d.  lotnin teiitt-PeffMkri«.         ' 

eheiligen  Folgen  bei  dem  ursprAngltchen  Yeifihren  sehr  binfli 
vorkommen  mussten,  ist  es  erkiärlich,  weslialb  »an  bei  seiner 
Anwendung  so  wenig  gilnstige  Resultate  erssielte,  so  oft  mr 
Schaden  anrichtete  ond  daher  ohne  Bedauern  von  einer  Be^ 
handlungsweise  Abstand  nahm,  die  ausserdem  noch  nnt  den 
grössten  Unbequemlichkeilen  fSr  den  Arzt  ^le  für  die  Patien- 
tili  verbunden  war. 

Die  Inconvemenzen  der  einen  wie  der  andern  Art  bleflieii 
aber  fort,  sobald  man  an  demselben  Tage,  an  welchem  der 
Uterus  zum  ersten  Haie  mit  der  Sonde  aafgemhtet  wiri 
auch  gleich  das  Intrauterin  Pessarium  einlegt  und  ohne  Unfer- 
brechung  dauernd  tragen  lässt  Es  verliert  dadorch  ^e  Be- 
handlung zunächst  einen  grossen  Theil  der  Pein  und  Y^rielzung  • 
der  Schamhafligkeit  für  die  Kranken,  es  raubt  ferner  dena 
Arzt  sehr  viel  weniger  nutzbare  Zeit,  da  nfnr  in  Zwischenraum 
von  anfangs  einigen  Tagen,  später  von  Wodien  die  Lage  des 
Pessarinms  and  der  Erfolg  desselben  geprüft  su  wertdeii 
braucht,  und  es  setzt  ausserdem  die  Kranken  in  Stand,  uii- 
behindert  ihren  häuslichen  Beschäftigungen  nachzugehen,  ohne 
sich  besonderer  Enfischränkungen  in  Betreff  ihrer  Lebensweise 
aafzuerlegen  ond  ohne  durch  die  tagiichen  zwei  Besuche  des 
Arztes  zum  Einlegen  und  Herausnehmen  des  Pessarräms 
immer  wieder  in  der  unangenehmen  Weise  an  den  FeMer 
erinnert  zn  werden,  den  sie  mit  sich  umbertragen. 

Es  bleiben  aber  auch,  wenn  man  gleich  am  ersten  Tage 
der  beginnenden  Behandlang  das  Pessarium  für  die  Bmier 
einlegt,  meist  die  gefürchteten  Reizzustände  des  Uterus  aus. 
Ich  habe  mich  nicht  nur  in  den  oben  beschriebenen  sechs 
Fällen,  sondern  auch  in  einer  kleinen  Reibe  anderer,  deren 
Behandlung  erst  vor  zn  kurzer  Zeit  begonnen  hat,  um  me 
hier  mit  anzuführen,  überzeugt,  dass  der  Bei«,  weihen  das 
in  den  nicht  entzün^ten  {Jteros  eingelegte  Intrauteriff-Pessa* 
riam  hervorruft  kein  zu  grosser  zu  sein  pflegt  Die  meisten 
Frauen,  die  es  trugen  oder  noch  tragen,  haben  von  demselben 
gar  keine  Unbequemlichkeiten  und  keine  nachtheiligen  Polgea 
za  erleiden:  sie  werden  durch  das  Instrument  weder  v«tt 
Schmerzen  gephgt,  noch  auch  in  ihren  K/^erbewegungea 
beeinträchtigt;  sie  pflegen  sogar  sehr  viel  mehr  Kraft  nnd 
Sicherheit  des  Ganges  zu  erhallen  und   ihren  tüglichen  Be- 


VI.  MildebrmditVe\k%r6i0An¥i»uänng4.lainxL^nu-F^9mTitn,  109 

sdidftiguDgeD  mit  sehr*  vielmehr  Lust  uod  Eoorgie  nachEU- 
gehen ,  da  mb  sieb  gleich  nach  Aufrichluag  des  Uterus  von 
den  lästigsten  Beschwerden  ihres  Leidens  befreit  fühlen.  — 
Nur  in  einem  Fülle  traten  Schmerzen  im  Unterleiber  ein ,  die 
erat  mit  der  Entfernung  des  Pessariums  aufhörten,  aber  auch 
diese  Frau  trägt  Jetzt  dasselbe  Instrument  monatelang  ohne 
alle  Beschwerden.  Die  einzigen  Reizerscheinungen,  welche 
ich  geseboi  habe  und  welche  in  den  meisten  Fällen  einzu- 
treten pflegen,  sind  Verstärkung  der  Menstruation  und  Vef^ 
mehrung  des  schon  vorhandenen  oder  Hervorrulung  eines 
neaen  Fluor  albus.  —  Die  Verstärkung  der  Ittenetruation 
bestand  bald  in  zu  häufiger  Wiederkehr  derselben,  bald  in 
dem  Zunehmen  der  Uenge  des  ausgeschiedenen  Blutes  und 
in  Verlängerung  der  Dauer  des  Fliessens.  Der  Reiz,  den  ^s 
Pessarium  nach  dieser  Richtung  ausübte,  schwächte  sich  aber 
alhnälig  ab,  und  die  Menstruation,  welche  das  erste  Mal  nach 
Einffifarung  des  Pessariums  acht  Ta^e  dauerte,  hielt  das 
nächste  Mal  nur  6 — 6  Tage,  das  dritte  Mal  nur  4  Tage  an 
u«  s.  w.  bis  zur  Rückkehr  auf  das  aJte  Maaa,  welches  vor 
Beginn  der  Krankheit  das  normale  gewesen. war.  —  Profuse, 
schwächende  Blutungen,  welche  zur  Entfernung  des  Pessa- 
riums aufgefordert  hätten,  habe  ich  nicht  beobachtet  und 
glaube  ich,  dass  in  den  obigen  Fällen  die  verstärkte  Blutung 
bei  der  Menstruation  eher  mit  als  ein  Mittel  zur  Anbalmung 
der  Ueihmg,  denn  als  eine  unerwünschte  und  nachtheilige 
Nebenerscheinung  angesehen  werden  darf.  Der  Fall  No.  ^ 
wenigstens  lehrt,  dass  die  quälenden  nervösen  Ersdieinungen, 
welche  die  Flexion  begleiteten  und  welche  für  längere  Zeit 
nach  der  rein  medicamentösen  Behandlung  aufliörten,  als  die 
Menstruation  ein  Mal  sehr-  stark  sich  zeigte,  dauernd  ver- 
schwanden, als  beim  Tragen  des  Intrauterin-Pessariums  die 
Menstruation  in  sehr  vermehi*tem  Maasse  erschien  und  einige 
Male  stärker  als  früher  wiederkehrte. 

Aus  den  Erfahrungen  in  meinen  Fällen  muss  ich  daher 
sebliessen^  dass  man,  da  gerade  das  Erscheinen  der  profusen 
Blutungen  als  eine  häufige  und  sehr  nacbtheilige  Folge  beim 
Tragrn  der  Pessarien  hervorgehoben  wird,  oft  Fälle  für  diese 
Bt^haikdiung  gewählt  hat,  die  sich  für  dieselbe  nicht  eigneten 
oder  dass  man  den  Uterus  zu  stai^k  durch  häufiges  Einfuhreii 


110  VI.  iEra<2«6ra«i<ft,  lieber  4i«  An  Wendung  d.Iatrauterttt-P6Marieii. 

von  Instrumenten  reizte,  vielleicht  aber  auch,  dass  msD  vor 
kleinen  Ausscheidungen  von  Blut  aus  dem  Uterus  f^leich  z« 
sehr  zurückschreckte. 

Auch  die  Befürchtung,  dass  durch  die  Intrauterin-Pessa- 
rien  profuse,  schwächende  und  nicht  zu  behebende  Blennorrhoe 
hervorgerufen  wird,  scheint  mir  nicht  gerechtfertigt:  dieselbe 
ist  in  den  von  mir  behandelten  Fällen  nicht  abzuleugnen; 
trat  ein  Mal  sogar  in  sehr  profuser  Weise  auf;  war  gewöhn- 
lich gegen  fräher  aber  nicht  wesentlich  vermehrt  und  aahm 
meist  den  Verlauf,  dass  mit  Behebung  der  Knickung  und  der 
allgemeinen  krankhaften  Erscheinungen  auch  die  Secretion 
zum  Schwinden  gelangte,  und  geschah  dies  auch  in  dem  FaUe, 
in  dem  sie  Anfangs  so  sehr  reichlich  zum  Vorschein  kam. 
Mithin  habe  ich  in  meinen  Fällen  nachtheilige  absolut  schäd- 
liche Reizerscheinungen  des  Uterus  nicht  zu  beklagen:  ent- 
zündliche Zustände  der  Schleimhaut  oder  gar  des  Uterus 
selbst  und  seines  Peritonäalüberzugs  habe  ich  nicht  beobachtet. 
Es  ist  mir  aber  nicht  zweifelhaft,  das  idi  das  Ausbleiben 
solcher  Übeln  Polgen,  welche  ja,  wie  die  Literatur  nachweist, 
nicht  selten  bis  zum  tödtlichen  Ausgange  vorgekommen  sind, 
nur  dem  Umstände  zu  verdanken  habe,  dass  ich  die  Fälle 
sorgfältig  auswählte,  welche  ich  der  Behandlung  mit  Intra- 
uterin-Pessarien  unterwerfen  wollte.  Ausgeschlossen  habe 
ich  von  derselben  alle  Flexionen,  welche  mit  mehr  oder  we- 
niger entzündlichem  Reize  entweder  nur  der  Schleimhaut 
oder  auch  des  Parenchyms  des  Uterus  einhergingen.  Auch 
nur  ganz  leichte  Entzündungen  vertragen  den  Reiz  des  Pessa- 
riums  nicht.  Es  giebt  Knickungen,  bei  denen  alle  sonstigen 
Erscheinungen ,  welche  auf  einen  entzündlichen  Zustand  des 
Uterus  hinweisen  hönnten,  fehlen,  in  denen  aber  der  touchi- 
rende  Finger  Empfindlichkeit  der  Vaginalporlion  nachweist, 
die  Sonde  schon  bei  ihrer,  Einführung  bis  zum  innern  Mutter- 
munde lebhafte  Schmerzen  verursacht.  Bei  diesen  Knickungen 
ist  der  Behandlung  mit  Intrauterin-Pessarien  erst  eine  anti- 
phlogistische Behandlung  bis  zur  Behebung  jeder  Schmers- 
haftigkeit  voranzuscbicken.  Für  ungeeignet  halte  ich  ferner 
die  Fälle,  welche  von  copiösen  Blutungen  begleitet  sind,  und 
diese  sind  nicht  selten;  vor  allem  die  frischen  FäUe  von 
Knickungen,    meist    mit  mangelhafter  Rückbildung    des    vor 


VI.  lKli06raiui<,U«b«rdU ABw«ndongd.Iiitraiitftria-p6fM^ieii.  HX 

Kurzem  schwanger  gewesenen  Uterus  und  die  meisten  Fälle 
von  Flexionen  mit  Anschoppungen  des  ersten  Stadiums.  Sie 
alle  vertragen  die  Anwendung  der  Intrauterin-Pessarien  nicht, 
sei  es  dass  die  Neigung  zu  Blutungen  sich  nur  durch  das 
Vorhandensein  einer  abnorm  reichen  und  lange  dauernden 
Menstruation,  sei  es  dass  sie  sich  auch  durch  ausser  der 
Henstruationszeit  erscheinende  Haemoirhagien  documentirt.  — 
Fluor  albus  dagegen,  wenn  er  nicht  gerade  einer  acuten 
Entzündung  der  Schleimhaut  der  Vulva  oder  des  Uterus  seine 
Ursache  verdankt  und  Geschwüre  des  Mutterhalses  halte  ich 
nicht  für  Contraindicationen  gegen  die  Anwendung  der  lutra- 
uterin-Pessarien ;  ebenso  wenig  die  Virginitaet. 

Indem  man  so  zwei  grosse  Gruppen  von  Fällen  vorweg 
auszunehmen  genöthigt  ist,  bleibt  nur  eine  verhältnissmässig 
kleine  Zahl  von  Knickungen  des  Uterus  übrig,  welche  die 
genannte  Behandlung  vertragen;  nämlich  diejenigen  von  alter 
Induration  des  Gewehes  mit  secundärer  Blutarmuth  und  spär- 
licher Menstruation  und  Abwesenheit  entzündlicher  Reiz* 
ungen,  und  diejenigen,  welche  mit  einer  primären  Atonie  des 
Gewebes  einhergehen.  — 

Nur  für  diese  Fälle  von  Knickungen  scheint  die  Anwend- 
ung der.Intrauterin-Pessarien  möglich  und  geeignet. 

Wie  wir  uns  aber  die  physiologische  Wirkung  derselben 
vorzustellen  haben,  kann  erst  aus  einer  sehr  viel  grösseren 
Reihe  besonders  solcher  Fälle  entnommen  werden,  welche 
eine  genauere  Beobachtung  zulassen,  als  dies  in  der  Privat- 
praxis möglich  ist. 

Nach  den  Erfolgen,  welche  ich  bis  jetzt  getobt  habe, 
glaube  ich  folgende  Schlüsse  über  die  Wirkungen  der  Pessa- 
rien  ziehen  zu  dürfen: 

1)  Die  nächste  und  meist  augenblicklich  nach  Aufrichtung 
des  Uterus  hervortretende  Wirkung  ist  die  Behebung  der 
Reizerscheinungen,  welche  das  geknickte  Organ  auf  die  Nach- 
barorgane ausgeübt  hatte.  Es  schwinden  bei  der  Anteflexion 
augenblicklich  die  Beschwerden  von  Seiten  der  Blase,  bei  der 
Retroflexion  die  von  Seiten  des  Mastdarms.  Dieser  Erfolg 
ist  regelmässig  gleich  zu  constatiren. 

2)  Die  durch  die  Flexion  des  Uterus  hervorgerufenen 
rein  nervösen  Erscheinungen   werden  d^r  grössern  Zahl  nach 


112  Yl.Hüdäbfw^V%htTaihknm^it6MU^d.lnitAnUiyi*^^BmiHeB. 

durch  dM  Tragt«!  des  Inlraiiterin-Pesnrimm  beseitigt,  manehe 
schoeller,  andere  langsamer.  So  äusserten  meiae  KraokeD 
gewfthnlich,  nachdem  sie  mit  dem  eingefeglen  Pessarivm  um- 
heriugehen  anlBngen,  dass  der  RüdEenschmera,  welcher  bei 
aUen  Knickungen  nicht  aoszuUeibeu  scheint,  sehr  viel 
geringer  sei,  und  dass  sie  mehr  Sicherheit  im  Gange  ver- 
spürten. Die  krankhaften  Erscheinungen  in  den  vom  Uterus 
entferntem  Nervenpartien,  Koliken,  Cardialgien,  Cephaialgien, 
hysterische  Krämpfe  schwanden  dauernd,  aber  nur  sehen 
gleich,  mässigten  sich  jedoch  gewöhnlich  sdion  in  sehr 
kuraer  Zeit. 

3)  Das  Tragen  eines  *  Intrauterin-Pessariums  kann  die 
vollständige  Behebung  der  Flexion  des  Uterus  bewerkstelligen; 
dies  beweisen  aufs  entschiedenste  die  oben  beschriebeiien 
Fälle  I  und  II  und  der  Fall  IV,  in  welchem  letzteren  ausser 
dem  Pessarium  allerdings  auch  die  kalte  Doucfae  in  Anwendinig 
gezogen  wurde.  In  den  Fällen  V  und  VI  spricht  die  l^nge 
Zeitdauer,  nach  welcher  die  Knickung  sich  gleich  wieder 
herstellte,  sobald  das  Pessarium  entfernt  wurde,  dafür,  dass 
durch  dieses  Mittel  allein  nur  palliative  Hälfe,  keine  daaemde 
Heilung  herbeigefälirt  ist,  dass  letztere  jedoch  vielleicht  durch 
gleichzeitige  medicamentöse  Behandlung  zu  erzielen  sein  wird. 

Der  physiologische  Process  aber,  durch  welchen  diese 
definitive  Heilung  in  den  genannten  Fällen  herbeigeführt  wurde, 
ist  wohl  nicht  anders  zu  erklären,  als  einestheils  durch  die 
Anbahnung  der  normalen  Circulation  in  den  durch  die  Knick* 
ung  des  Organs  verengten  Gelassen,  andeititheils  durch  eine 
dem  Reia  des  fremden  Körpers  zuzuschreibende  Congestioo, 
Umsatz  des  alten,  Heranbildung  neuen  normaleren  Gewebes 
in  ähnlicher  Weise,  wie  der  Uterus  beim  Herabtreien  eines 
fibrösen  Polypen  blutreicher,  aber  auch  contractionsfahiger 
vrird,  also  zunimmr  an  höher  entwickeltem  Gewebe  der 
Wandungen.  Man  muss  wohl  annehmen,  dass  in  den  FäHen 
iU  u.  IV,  in  welchen  reine  Atonie  und  ErscUaffung  des  Gewehes 
die  Ursachen  der  Krankheit  abgaben,  durch  die  kdnsdiche 
hervorgerufene  Cengestion  derjenige  Tonus  der  Wände  des 
Uterus  zurückkehrte,  welcher  erforderlich  war,  dem  kdnstlidi 
aufgerichteten  Organ  8i)äter  die  normale  Haltung  auch  selbst- 
ständig  wiederzugeben.     Es  ist  ferner  durch  den   Erfolg  in 


Tl.  J9tU[e&raM{<,  lieber  die  Aüweiidangd.Intraiiteria-Pessarieii.  113 

doi  Fällen  I  und  II  aufs  deutlichBte  die  far  die  Beurtheilung 
des  ganzen  Verfahrens  höchst  wichtige  Thatsache  dargethan, 
dass  durch  das  Tragen  der  Pessarien  ein  sehr  reger  Umsatz  des 
Gewebes  und  zwar  mit  entschiedener  Neigung  zur  Rückkehr 
auf  die  normalen  Verhältnisse  hervorgebracht  wird.  Denn 
nur  auf  diesem  Wege  konnte  die  durch  die  Untersuchung 
mit  der  Sonde  nachgewiesene  Verkleinerung  der  Uterushdhle 
zu  Stande  kommen.  Unberücksichtigt  darf  aber  für  die  Er- 
klärung der  Wirkung  der  Pessarien  nicht  bleiben,  dass  mit 
dem  FortfaU  der  mancherlei  die  Flexion  begleitenden  secun- 
dären  Leiden,  die  ganze  Constitution  sich  bebt,  der  gesammte 
Stoff-Umsatz  und  -  Ansatz  reger  und  normaler  wird  und  hieraus 
auch  ein  günstiger  Einfluss  auf  das  Gewebe  des  Uterus  er- 
wächst. Sobald  man  aber  von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
die  Wirksamkeit  der  Behandlung  mit  Intrauterin-Pcssarien 
betrachtet,  liegt  es  nahe  in  den  Fällen,  in  welchen  auf  den 
alleinigen  Gebrauch  derselben  keine  wirkliche  Heilung,  sondern 
nur  palliative  Hülfe  eintritt,  mit  ihper  Anwendung  zugleich 
auch  die  der  bis  jetzt  zur  Behebung  der  Texturerkrankungen 
des  Uterus  als  wirksam  anerkannten  innern  und  äussern 
Mittel  zu  corabiniren.  Diesen  Weg  habe  icti  eingeschlagen, 
und  dass  er  der  richtige  ist,  um  zu  bessern  Besultaten  zu 
gelangen  und  uns  vielleicht  noch  ein  reiches  weites  Feld 
günstiger  Erfolge  unserer  «tberapeu tischen  Bestrebungen  eröff- 
net, beweist  der  Fall  IV,  in  welchem  auf  Anwendung  der 
Pessarien  allein  keine  Heilung,  nur  palliative  Behebung  der 
Beschwerden  eintrat;  in  welchem  aber  auf  gleichzeitigen  Ge- 
brauch der  kalten  Douche  auch  die  Flexion  selbst  und  mit 
ihr  jedes  Symptom  der  vorhanden  gewesenen  Krankheit 
schwand.  Das  Pessarium  allein  hatte  diesen  Erfolg  nicht 
hervorbringen  können,  ebenso  wenig  die  vorher  allein  ange- 
wandte kalte  Doudie,  aber  beide  combinirt  führten  schnell 
zu  dem  erwünschten  Ziele.  Ob  man  durch  die  Com- 
bination  der  Anwendung  der  Intrauterin-Pessarien  auch  mit 
andern  Mitteln,  als  mit  der  kalten  Douche,  dieselben  günstigen 
Resultate  wird  erzielen  können,  niiiss  die  Zukunft  lehren. 
,Die  beiden  Fälle,  in  denen  ich  in  dieser  Weise  die  Sitzbäder 
mit  Kreuznacher  Mutterlauge  zu  Hülfe  genommen  habe,  scheinen 
dies  zu  versprechen. 

*      Monatssohr.f.  Gebartsk.  1866.  Bd.XXVL,  Hft.2.  8 


114  VII.  Dohrtit  £in  Beitrag  sar  DiikroskopisclieD 

Man  würde  aber  trotz  der  glücklichen  Erfolge,  welche 
die  Anwendung  der  Intrauterin-Pessarien  allein  bereitB  gehe* 
fert  tiat  und  trotz  der  Hoffnungen,  welche  das  combinirte 
Verfahren  zu  erregen  berechtigt  ist,  den  Werth  dieser  Be- 
handlungsweisen  sehr  überschätzen,  wollte  man  sich  der  An- 
sicht hingeben,  dass  man  durch  dieselben  alle  Fälle  von 
Flexionen,  welche  sich  für  dieselbe  zu  eignen  scheinen  auch 
zu  heilen  im  Stande  sei.  Es-  bleibt  noch  immer,  abgesehen 
von  den  Flexionen,  welche  überhaupt  keine  Aufriditung  mehr 
zulassen,  die  ganze  Reihe  von  Fällen  als  unheilbar  und  durch 
Aufrichtung  mit  der  Sonde  und  Tragen  von  Pessarien  höchstens 
palliativer  Abhülfe  zugängig,  in  welchen  das  Gewebe  an  der 
Knickungsstelle  eine  zum  physiologischen  Verhalten  nicht  mehr 
zurückzuführende  Veränderung  erlitten  hat. 

Somit  glaube  ich  mit  vollem  Rechte  darauf  zurückkom- 
men zu  dürfen,  dass  nur  in  der  sehr  viel  kleineren 
Zahl  der  Fälle  von  Flexionen  die  Behandlung  mit 
Intrauterin-Pessarien  ihren  Platz  finden  kann  und 
darf,  dass  sie  in  diesen  aber  die  volle  Anerkennung 
ihrer  nicht  nur  palliativen  sondern  auch  curativen 
Erfolge  verdient.  — 


Vll. 

Ein  Beitrag  zur  mikroskopischen  Anatomie  der 
reifen  menschlichen  Eihttllen. 

Von 

Prof.  Dohrn  in  Marburg. 
(Mit  4  Tafeln  Abbildangeo.) 

Die  Vornahme  einer  mikroskopischen  Untersuchung  der 
reifen  menschlichen  EibüUen  ist  lange  Bedürfniss  gewesen. 
Seit  dem  Erscheinen  der  grösseren  Arbeiten  von  Vdpeau^) 
und  Biachoff^)  hat  dieser  Gegenstand  nur  wenig  Bearbeitung 
gefunden  und  was   die  Neuzeit  in  diesem  .Gebiete  geleistet 

1)  Embryologie  humaine  Paris  1833. 

2)  Beitrüge  zar  Lehre  von  den  EibüUen  des  menschl.  F5tiis. 
Bonn  1834. 


Anatomie  der  reifes  meDeckHohen  Elhfillen.  115 

hat,  findet  sieb  zerstreut  in  der  Literatur,  der  Sammlung  und 
der  wiederholten  Untersuchung  beddi'ftig.  In  keinem  Gebiete 
bat  sich  auch  gleich  sehr  als  in  diesem  gezeigt,  dass  die 
mikroskopischen  Befunde,  um  zu  verbreiteter  Kenntniss  zu 
gelangen,  der  bildlichen  Darstellung  nicht  entbehren  köpnen. 
So  ist  die  ti^efflicbe  Abhandlung  von  Heinrich  Müller  ^)  von 
Vielen  unbeachtet  geblieben  und  doch  brachte  sie  eine  so 
grosse  Menge  neuer  und  woblbegrQndeter  Thatsachen,  wie 
wenige  Arbeiten  der  Neuzeit,  die  sich  mit  vorUegeudem  Gegen- 
stand beschäftigten. 

Bei  den  Untersuchungen,  welche  ich  folgen  lasse,  war 
es  ein  Hauptzweck,  die  verscliiedenen  Schichtungen  im  Eisack 
des  reifen  menschlichen  Fötus  zur  Anschauung  zu  bringen. 
Um  dies  zu  erroögtichen ,  wurde  die  Anfertigung  von  Quer* 
schnitten  nöthig,  und  hierzu  musste,  wo  es  darauf  ankam, 
mehrere  juxtaponirte  Häute  im  Zusammenbang  zu  beobachten, 
eine  Erhärtung  derselben  vorausgehn.  Ich  habe  diese  Er- 
härtung bewirkt  durch  Trocknen  der  über  ein  Objectglas  ge- 
spannten Membranen.  Schon  nach  24  Stunden  ist  die  Trocknung 
bei  gewöhnlicher  Zimmertemperatur  weit  genug  vorgeschritten, 
um  die  Anfertigung  eines  Querschnittes  vonhinreichender  Fein- 
heit zu  gestatten.  Die  gewonnenen  Präparate  wurden  dann  mit 
flössigen  Reagentien  aufgeweicht  uudder  mikroskopischen  Unter- 
suchung unterworfen.  Durch  wiederholte  Vergleichung  mit 
frischen  Präparaten  wurde  der  Befund  controlirt.  — 

Ein  Querschnitt,  den  wir  in  der  Nähe  des  Placentar- 
randes  durch  den  Eisack  fuhren,  durchsetzt  von  innen  nach 
aussen  das  Annuon,  die  Gallertschicht,  das  Chorion,  die  De- 
cidua  reflexa  uihI  die  Decidua  vera.  In  dem  gewonnenen 
Präparat  orientiren  wir  uns  leicht,  der  unschwei*  zu  erkennende 
Saum  der  Amnionzellen  bildet  auf  der  einen  Seite  die  Grenze, 
dann  folgen  helle,  grösstentheils  bindegewebige  Schichten, 
dann  die  dunkler  gefärbten  Zellmassen  des  Chorions  und  der 
Deciduen  (Fig.  1).  Auch  das  kann  uns  leiten,  dass  ein  feiner 
Schnitt  bei  Wasserznsatz  sich  nach  der  Amnionseile  hin  ein- 
zubiegen pflegt,  da  das  Quellungsvermögen  der  innig  in  ein- 


1)  Abhandlung  über  den  Bau   der  Molen.  Habilitationsschrift. 
Wiirabarg  1847. 


8* 


116  yn.  Dojkrn,  Ein  BeUrag  sar   mikroakopUeVen 

ander  greifenden  AnoüQionzeUen  nur  ein  höchst  geringfügiges 
ist  Noch  leichter  wird  die  Orientirung,  wenn  der  Schnitt, 
wie  das  namentlich  Anfangs  oft  geschieht,  von  der  Epithel- 
schicht des  Amnions  einen  zu  breiten  Saum  abtrennte  und 
wir  nun  von  oben  auf  den  umgeschlagenen  Saum  dieser 
Zellschicht  schauen.     (Fig.  2). 

Die  nähere  Untersuchung  der  einzelnen  Gebilde  ergiebt 
folgendes. 

I.     Das  Amnion. 

In  dem  Amnion  finden  sich  zwei  Schichten,  fötalwärts 
eine  Zellschicht,  nach  aussen  eine  Schicht  jungen  Bindege- 
webes (s.  Fig.  6 — 8). 

Die  Zellschicht  besieht  aus  einer  einfachen  Lage  po- 
lygonaler Zellen,  deren  Durchmesser  0,008 — 0,012  mm.  be- 
trägt Dieselben  hängen  fest  an  einander,  eine  jede  coaptirt 
sich  den  Formen  der  Nachbarzellen,  durch  Bepinseln  des 
Präparats  sind  sie  nicht  von  einander  zu  trennen,  nur  durch 
Abschaben  mit  dem  Hesser  lassen  sie  sich  von  einander 
lösen.  Die  Zellmembran  ist  dick,  lässt  aber  mehr  Licht 
durch  als  der  Zellinhalt  In  letzterem  finden  sich  neben 
dem  Kern  Fetttröpfchen  und  Molekularkörnchen,  erst  auf  Zu- 
satz von  Essigsäure  tritt  der  massig  grosse  ovale  Kern 
deutlich  hervor.  Bei  diesem  Verhalten  erscheint  jede  einzelne 
Zelle  dunkel  gefärbt  und  mit  einem  hellen  Saume  umgeben, 
gleichsam  durdi  ein  Interstitiuni  von  den  Nachbarzellen  ab- 
gesetzt s.  Fig.  3  und  4 ').  Benutzt  man  indess  stärkere 
Vergrösserungen,  so  gewahrt  man  in  dem  scheinbaren  Inter- 
stitium  eine  leichte  Streifung,  die  den  Conturen  des  Zelün- 
balts  parallel  läuft.  Eine  Membrana  propria  habe  ich  als 
Unterlage  der  Zellschicht  niclit  auffinden  können. 

Auf  dem  placentaren  Endstacke  der  Nabelschnurscfaeide 
und  dem  Amnionuberzug  der  Placenta  begegnet  man  bisweilen 
Stellen,  wo  die  Zellschicht  gewuchert  ist  und  Prominenzen 
bildet,  die  oft  mit  blossem  Auge  erkennbar  sind.  Diese,  beim 
Menschen  zuerst  von  H.  MiUler  aufgefundenen^)  Bildungen 

1)  Dieses  optische  Verhalten  erklärt  auch  den  Irrtham  tob 
BUehoffy  welcher  (1.  c.)  Fig.  6  u.  6  die  Amnioniellen  als  u 
Häufchen  susammenstebendo  Körnchen  abbildete. 

2j  I.    c.   pag.   48.     Kehrer   ist   im    Irrthura,   wenn   er  glaubt, 


Anatomie  der  reifen  menschlichen  Eihfillen.  117 

sind  ohne  Zweifel  den  Carunkeln  analog,  welche  an  dem 
Amnion  mancher  Thiere  schon  seit  längerer  Zeit  bekannt 
sind.  Sie  zeigen  zuweilen  eine  deutlich  papilläre  Form,  in 
andern  Fällen  findet  man  nur  flache  halbkugelige  Prominenzen 
(Fig.  9  u.  10.)  oder  ganz  unregelroässig  geformte  Erhebungen 
der  Oberfläche. 

In  der  zweiten  Schicht  des  Amnions  finden  wir 
Bindegewebsformen  auf  verschiedenen  Stufen  der  Entwickelung. 
Der  gewöhnlichste  Befund  ist  der  einer  hellen  oder  leicht 
gestreiften  Grundsubstanz  mit  eingelagerten  spindelförmig  aus- 
gezogenen Zellen.  Diese  liegen  reihenweise  neben  einander 
und  setzen  sich  durch  ihre  Endausläufer  in  Verbindung.  Sie 
erreichen  eine  Breite  von  0,008  mm.  und  zeigen  einen  lang- 
gedehnten Kern.  Von  der  Zellschicht  des  Amnions  sind  sie 
durch  einen  schmalen  Saum  lichter  structurloser  Substanz 
getrennt.  Seltener  und  vereinzelt  findet  man  rundlich  oder 
oval  geformte  Zellen.  In  andern  Fällen  ist  die  Intercellu- 
larsubstanz  stark  wellig  gestreift  oder  zeigen  die  eingelagerten 
Zellen  nach  verschiedenen  Seiten  bin  unregelmässig  stern- 
förmige Verästelung.  Bei  verschiedenen  Nachgeburten  stellt 
sich  dieser  Befund  verschieden  heraus,  indess  sind  zum  Theil 
diese  Abweichungen  auch  abhängig  von  der  Stelle  des  Amnions, 
die  man  zur  Untersuchung  wählte.  Je  weiter  nach  der 
Nabelschnurinsertion  hin,  desto  massiger  wird  gewöhnlich  die 
Bindegewebsschicht,  desto  deutlicher  die  Streifung  der  Inter- 
cellularsubstanz,  desto  zahlreicher  die  Anastomosen  der 
Zellen  (cf.  Fig.  7,  8  u.  11.)  und  ohne  scharfe  Grenze  geht 
hier  die  Bindegewebsschicht  des  Amnions  in  das  Gewebe  der 
Wharton*schen  Sülze  über*). 


diese  Gebilde  am  menaehliohen  Amnion  snerst  aufgefunden  zn 
haben  (s,  diese  Zeitscbr.  Bd.  24.  U.  6).  Die  Beschreibung,  weiche 
derselbe  von  ihrer  Form  giebt,  stimmt  mit  dem  von  mir  Gesehe- 
nen überein.  Eine  rothe  Färbung  habe  ich,  gleichwie  Kekrer 
nach  Znsats  von  Jod  und  Schwefelsäure  oder  Eisessig  nicht 
beobaobtet. 

1)  Nach  diesem  Befund  kann  es  nicht  sweifelhaft  «ein,  daes 
das  Amnion  beim  Menschen  als  eine  Fortsetsung  der  ganien  Haut 
und  nicht  allein  als  eine  solche  der  Epidermis  au  betrachten  ist, 
eine  Yermuthung,  auf  weUhe  schon  KoUtker  durch  eigene  Be- 
obachtung, wie  durch  die  Angaben   von  Eeiehert  und  Bemak  ge- 


118  ^I'*  Dohrrij  Ein  Beitrag  cur  mikroakopiseben 

Um  Über  die  äussere  Grenze  des  Amnions  bestimmteren 
Aufschluss  zu  erhalten,  habe  ich  zahlreiche  Querschnitte  durch 
die  Amnionstellen  gemacht,  denen  das  Nabelbläschen  anhaftete 
(s.  Fig.  24  u.  25).  Um  das  Nabelbläschen  herum  musste 
sich  die  Gallertschicht  finden,  fötalwärts  das  Amnion,  von  dem 
nach  aussen  liegenden  Gewebe  dagegen  konnte  nichts  mehr 
dem  Amnion  angehören.  Ich  habe  nun  in  allen  diesen  Fällen 
die  spindelfArroigeh  Elemente  fötalwärts  vom  Nabelbläschen 
liegen  sehen  und  niemals  reichte  die  innere  Contur  des  Nabel- 
bläschens  bis  unmittelbar  an  die  Zellschicht  des  Amnions 
hinan.  Damit  ist,  wenn  noch  irgend  ein  Zweifel  bestehen 
könnte  über  die  Zugehörigkeit  dieser  Gebilde  zum  Amnion, 
derselbe  vollständig  gehoben. 

IL     Die  Gallertschicht. 

Diese  schleimig  gallertige  Masse,  welche  das  Ueberbleibsel 
der  eiweisshaltigen  Flüssigkeit  darstellt,  welche  in  früher  Zeit 
des  Eilebens  in  grösserer  Menge  zwischen  Chorion  und  Am- 
nion angesammelt  ist,  zeigt  beim  Menschen  keine  Organisation 
es  hat  sich  daher  mit  Recht  die  Bezeichnung  „mittlere  Haut*', 
welche  Bischoff  für  dieselbe  vorschlug,  weitere  Verbreitung 
nicht  verschaffen  können.  Ihre  Consistenz  wie  ihre  Mächtig- 
keit variirt  sehr.  Bisweilen  ist  es  möglich,  eine  membran- 
ähnlich zusammenhängende  Masse  derselben  abzuheben,  in 
andern  Fällen  gelingt  es  nur,  Schleimtropfen  aus  ihr  hervor- 
zuziehen. Die  chemische  Prüfung  weist  einen  reichUchen 
Gehalt  an  Mucin  nach.     Bei  Durchschnitten  durch  die  ganze 

führt  wordea  ist.  Bei  diesem  Befände  muss  sich  aber  auch  der 
weiter^  Gedanke  aufdrängen,  dass  an  der  Bildung  der  Whtarton^- 
schen  Sülze  des  Nabelstrangs  eine  Wucherung  der  Bindegewebs- 
schiebt  des  Amnions  (vielleicht  unter  Mitwirkung  des  swisohen 
Amnion  und  Choriou  befindlichen  Qallertschleims)  wesentlichen 
Antheil  hat.  £&  hat  ,Virch<no  in  seiner  Cellularpfthologie  auf 
die  Uebereinstimmung  von  IFAcirton^scher  Sulse  und  Unterhaut- 
zellgewebe hingewiesen.  Wird  es  hiernach  für  das  fötale  Ende 
der  NabeUcbnur  wahrscheinlich,  dass  die  PFAarton*sche  Sulse 
eine  Fortsetzung  des  Unterhautaellgewebes  bildet  und  lassen  sieh 
in  der  weiteren  Ausbreitung  des  Amnions  2  Schichten  auffinden, 
die  wir  als  eine  Fortsetaung  der  Uautgebilde  anerkennen  mfissen, 
so  ergiebt  sioh  als  höchst  wahrsclieinlioh,  dass  von  dem  Amnion- 
bindegewebe  die  Wharlon^Bche  SnUe  gebildet  wird. 


Anatomie  der  reifen  menechlioben  EihüUen.  119 

Wand  des  Eisacks  siebt  man  die  Schicht  als  lichten  Saum, 
welcher  die  Bindegewebslagen  des  Amnions  und  Chorions 
trennt  (s.  Fig.  1,  b). 

Von  Bischoff  sind  in  der  Gallertschicht  Streifen  be- 
obachtet und  Abbildungen  davon  gegeben  worden,  deren 
Detitung  ihm  grosse  Schwierigkeiten  machte.  Die  Beobachtung 
hat  ihre  volle  Richtigkeit  und  ich  kann  nur  auf  die  natur- 
getreue Darstellung  verweisen,  welche  diese  Streifen  in  dem 
Werke  von  Bischoff  gefunden  haben.  Dieselben  sind  indess 
nicht  als  infolge  bestimmter  Organisation  präformirt  aufzu- 
fassen, sondern  vielmehr  der  Ausdruck  der  streifenförmig 
verschiedenen  Consistenz  *  der  Gallertschicht,  in  welcher  je 
nach  dem  verschiedenen  Gehalte  der  einzelnen  Stellen  an 
festen  Materien  eine  mehr  weniger  vollkommene  Gerinnung 
fadenförmig  fortschreitet.  Bei  längerer  mikroskopischer  Beob* 
acbtung  kann  man  ihre  mit  fortschreitender  Wasserver- 
dunstung zunehmende  Vermehrung  und  Ausbreitung  verfolgen. 
Dass  diese  Streifen  nicht  auf  ein»r  Faltenbildimg  beruhen, 
davon  kann  man,  wie  auch  schon  Bischoff  zu  dieser  Ueber- 
zeugung  gelangte,  leicht  den  Nachweis  liefern,  indem  sie 
durch  Dehnung  des  Präparates  nicht  ausgeglichen  werden 
können. 

III.    Das  Chorion. 

In  dem  Chorion  finden  wir  f5talwärts  eine  Bindegewebs- 
schiebt,  die  sich  vor  der  Bindegew«bsschicht  des  Amnions 
durch  ihre  grössere  Mächtigkeit,  sowie  durch  deutlichere 
Streifung  der  Intercellularsubstanz  auszeichnet.  Auch  hier 
finden  wir  langgedehnte  Zellen.  Selten  sind  mehrfache  Ver- 
ästelungen derselben,  wie  in  Fig.  23.  An  einzelnen  Präpa- 
raten fand  ich  anstatt  der  Zellen  Fetttröpfchen  in  die  Binde- 
gewebsfasern  eingelagert. 

Die  zweite,  nach  aussen  gelegene  Schiebt  wird  von 
rundliehen  Zellen  von  0,008—0,01  mm.  Grösse  gebildet,  die 
.in  einem  traben  Inhalte  einen  runden,  meist  central  gelegenen 
Kern  enthalten.  Es  liegen  von  diesen  Zellen  mehrere  Schichten 
4tbereinander,  gewöhnlich  4 — 10.  Je  weiter  nach  aussen 
hin,  desto  langgedehnter  werden  die  Zellen,  wahrscheinlich 
eine  Folge  des  stärkeren  Druckes,  welchen  die  äusserste 
Chorionschicht     von     der     verdrängten    Decidua    reflexa    zu 


120  ^^^-  Dohrn^  Ein  Beitrag  lar  mikroskopischen 

ertragen  hat.  Die  äussere  Begrenzung  der  Zellschielit  ist  wdlig 
uneben,  die  innere  setzt  sich  in  mehr  gerade  gestreckter 
Linie  gegen  die  Bindegewebsschicht  ab. 

IV.    Die  Decidua. 

Von  sämmtlichen  Eihäuten,  die  den  menschlichen  Fötus 
umgeben,  ist  die  Decidua  neuerer  Zeit  am  meisten  untersucht 
worden.  Schon  von  Bischoff  war  in  der  oben  citirten  Ar- 
beit bemerkt  worden,  dass  ein  Deciduaüberzug  an  der  reifen 
Nachgeburt  sich  regelmässig  yorlinde.  Diese  im  Laufe  der 
Zeit  fast  in  Vergessenheit  gerathene  Thatsache  wurde  neuer- 
dings von  Hegar  und  Eigenbrodt  ^)  wieder  in  Erinnernng 
gebracht  und  eine  Beschreibung  der  Deciduastructur  gegeben. 
Insoweit  die  letztere  sich  auf  die  makroskopischen  Verhält- 
nisse bezieht,  kann  ich  mich  den  Angaben  der  beiden  For- 
scher durchaus  anschliessen ,  bezöglich  des  mikroskopischen 
Befundes  dagegen  stimme  ich  nicht  in  allen  Punkten  gleich 
vollständig  mit  ihnen  überein. 

Das  Bild,  welches  uns  ein  Deciduapräparat  unter  dem 
Mikroskop  giebt,  kann  zwar  sehr  variiren,  indess  Ein  Ge- 
webselement  habe  ich,  mochte  es  nun  an  dem  einen  oder 
anderen  Deciduaabschnitte  sich  vorfinden,  doch  bei  keiner 
der  zahlreichen  von  mir  untersuchten  Nachgeburten  vermisst, 
es  ist  das  die  grosse  länglich  geformte  Zelle  mit  grossem 
rundlichem  Kern  und  einem  durch  Fetttröpfchen  und  Hole- 
kularkörnchen  leicht  getrübten  Inhalt.  Diese  Zeliform  muss 
ich  als  das  Hauptgebilde  betrachten,  welches  den  Deciduatheil 
zusammensetzt,  der  auf  das  Chorion  der  reifen  Nachgeburt 
übergeht.  Wir  finden  sie  gewöhnlich  in  der  Decidua  reflexa 
und  Vera  und  in  der  ganzen  Dicke  der  letzteren,  so  weit  sie 
an  den  reifen  Eihäuten  vorhanden  ist.  Die  mittlere  Grösse 
dieser  Zellen  beträgt  0,01  Breiten-  und  0,03  Miüimeter  Lan- 
gendurchmesser.  Ihre  Isolirung  von  einander  gelingt  nicht, 
leicht,  da  sie  durch  ein,  optisch  nicht  wahrnehmbares  Binde* 
mittel  mit  einander  verklebt  sind,    meist  sieht  man  mehrere 


1)  Siehe  diese  Zeitschrift  Bd.  22.,  H.  III.,  vergl.  auch  die 
Arbeiten  von  Hegar  über  die  Placentarretention  und  Monatsschr. 
f.  Qeburtsh.  Bd.  21.  Sappl.-H. 


Anatomie  der  reifen  menschlichen  Elhüllen.  121 

Schichten  derselben  ober  einander  und  die  Conturen  der  tiefer 
liegenden  Zellen  durch  die  oberflächlichen  hindurchscheiuen.  ^ 
Eine  Verästelung  dieser  Zellen  findet  sich  für  gewöhnlich 
nicht  vor,  meist  sind  ihre  Enden  abgerundet.  Auf  dem  gros- 
sen Kern  bemerkt  man  deutlich  das  Kerniiörperchen ,  häufig 
sind  auch  deren  mehrere  vorhanden,  und  nicht  selten  finden 
wir,  besonders  in  der  Nähe  des  Placentarrandes  mehrkernige 
Zellen  vor.  Der  Fett-  und  Körnchengehalt  dieser  Zellen  ist  sehr 
verschieden,  an  einzelnen  Stellen  gewahrt  man  nur  eine 
leichte  Umlagerung  des  Kernes  mit  molekularer  Masse,  an 
anderen  zeigt  sich  eine  gleichmässige  trübe  AnitUlung  des 
Zellinhaltes. 

Zwischen  diesen  Zellgebilden  findet  sich  freies  Fett  und 
auch  einzelne  frei  liegende  Kerne.  Ein  bindegewebiges  Stroma, 
in  dem  die  Zellen  etwa  eingelagert  wären,  lässt  sich  für  ge- 
wöhnlich nicht  nachweisen,  es  ist  das  ein  ungewöhnlicher 
Befund,  und  ich  kann  dem  Ausspruch  von  Hegar  (diese  Zeit- 
schrift Band  21,  Supplh.),  dass  man  besonders  in  den  vor- 
gerückten Stadien  der  Gravidität  in  der  Vera  Schichten  eines 
fibrillären  Bindegewebes  bemerke,  nicht  beitreten.  Am  häu- 
figsten findet  man  G^webselemente,  wie  sie  Fig.  38 — 41 
dargestellt  sind. 

In  der  Reflexa  ist  die  Verfettung  stärker  und  ausgebrei- 
teter als  in  der  Vera,  es  kommen  Fälle  vor,  wo  die  Reflexa 
nur  einen  mit  vielem  Fett  durchsetzten  Detritus  bildet,  wäh- 
rend in  der  Vera  noch  die  gewöhnlichen  Gewebselemente  der 
Decidua  nachweisbar  sind.  Aber  auch  je  nach  der  Entfer- 
nung der  untersuchten  Stelle  vom  Placentarrand  stellt  sich 
der  Grad  der  Verfettung  verschieden  heraus;  je  weiter  vom 
Placentarrand ,  desto  mehr  verfettete  SteUen  sind  vorhan- 
den. An  einzelnen  Nachgeburten  lässt  sich  dies  auf  das 
Deutlichste  erweisen  (vergl.  Fig.  42  und  43,  44  und  45). 
Möglich,  dass  noch  ein  drittes  Moment  auf  den  Grad  der 
Verfettung  von  Einfluss  ist,  die  Entfernung  der  untersuchten 
Deciduastelle  vom  Muttermunde.  Ich  habe  auf  diesen  Punkt 
meine  Untersuchung  nicht  gerichtet. 

Die  Angaben  Hegar^s  und  Eigenbrodfs  über  die  Apo- 
plexieen  der  Decidua  habe  ich  vollständig  bestätigen  können. 
Sowohl  frische  als  alte  Extravasate,   denen  der  Blutfarbstoff 


122  ^II*  Dohm,  Ein  Beitrags  inr  mikroskoptsoken 

schon  entzogen  ist  (Fig.  31),    kommen  häufig   zur   Be<^ 
acbtung. 

Die  Placenta  materna. 

An  der  reifen  Placenta  foetalis  bleibt  bei  ihrer  Ablösung 
vom  Uterus  eine  Schiebt  mätterlicben  Gewebes  haften.  Wurde 
die  Nachgeburt  recht  vorsichtig  herausgenommen,  so  finden 
wir  von  dieser  Schicht  die  Aossenfläche  der  Placenta  foetalis 
vollständig  überdeckt.  Was  zum  mutterlichen,  was  zum  föta- 
len Gewebe  gehört, .  erkennen  wir  gewöhnlich  ohne  Schwie- 
rigkeit schon  am  Farbenunterschied,  die  Lamelle  der  Piae. 
materna  erscheint  weiss  gegen  die  rothen  bluterfüllten  Zot- 
tenmassen der  Plac.  foetalis.  War  dieser  Unterschied  nicht 
gleich  von  Anfang  an  deutlich,  so  tritt  er  hervor,  sobald  wir 
etwas  Wasser  über  die  Aussenfläche  dei*  Placenta  rieseln  bs- 
sen,  und  wir  können  dann  verfolgen,  wie  sich  die  beilere 
Gewebsschicht  über  den  Pla^entarrand  wegspannt  und  in 
die  Decidua  fortsetzt.  0 

Wenn  man  eine  Reihe  von  Nachgeburten  durchmustert, 
so  bemerkt  man  vor  Allem  eine  grosse  Verschiedenheit  in 
der  Dicke  der  Gewebsschicht,  welche  der  Fötalplacenta  an- 
hängt. Von  einem  feinen  durchscheinenden  Bauteilen  bis  zu 
einer  liniendicken  weissen  Lamelle  kommen  alle  Uebergänge 
vor,  und  auch  an  einer  und  derselben  Placenta  verhalten  sich 
verschiedene  Stellen  sehr  ungleich,  einzelne  Cotyledonen  tra- 
gen einen  dünneren,  andere  einen  dickeren  Ueberzug.  Die 
Ursache  hiervon  müssen  wir  in  dem  eigenthümlichen  Bau  der 
mütterlichen  Placenta  suchen.  Wir  wissen,  dass  die  am  weite- 
sten fötalwärts  belegene  Schicht  der  Placenta  materna  ein 
stark  sinuöses,  rareficirtes  Gewebe  darstellt,  dessen  Hohl- 
räume durch  unregelmässige  Oefinungen  mit  einander  com- 
municiren.  Dieser  Bau  lässt  sich  auch  noch  an  dem  Ueberzug 
nachweisen,  welcher  auf  die  Placenta  foetalis  übergeht.  Heben 
wir  eine  Gewebslamelle  desselben  vorsichtig  ab,  so  gewahren 


1)  Das  beute  Untersnchangsobject  sind  sUrk  blaterfälUe 
and  recht  frische  Nachgebarten.  Künstliche  Injection  der  Fö- 
talplacenta mit  stark  gefärbten  Materien  bietet  weniger  Vortheile 
für  die  Untersuchung  der  Grensschicht  als  die  Benutsang  der 
natärlicfaen  Injection. 


Anatomie  der  reifen  menseblichen  Eihtllleo.  123 

wir  Hohlräume  unregelmässiger  Gestalt,  die  von  Septis  durch- 
setzt sind,  je  nach  der  Dicke  des  Ueberzuges  zwei  bis  drei 
und  mehr  über  einander  gelagert.  GefSssschläuche ,  welche 
in  diese  Hohlräume  einmunden,  finden  sich  normaler  Weise 
nicht  ?or,  selbst  zwischen  den  Cotyledonen  nicht,  wo  die 
Plac.  matema  doch  eine  weit  grössere  Mächtigkeit  erreic^L 
Für  gewöhnlich  bleibt  die  Schicht  der  Plac.  materna,  inner- 
halb welcher  sich  noch  eng  geschlossene  Gefässe  vorfinden, 
im  Uterus  haften,  und  es  erfolgt  die  Gewebstrennung  weiter 
fötalwärts  in  dem  sinuösen  Abschnitte  der  Decidua.  ^) 

Schwieriger   als    diese    schon   mit   unbewafihetein  Auge 
erkennbaren  Verhältnisse  ist  die  Frage  nach  der  Verbindungs- 
weise   zwischen   Plac.   foetalis   und  materna   zu  beurtheilen. 
In  kleinerer  Ausdehnung  gelingt  es  fiber  die  Höhe  der  Coty- 
ledonen ,das  Gewebe  der  Plac.  materna  ohne  Verletzung  der 
Zotten  abzuziehen,   und  so  die  Höhlung  eines  Blutraumes  zu 
eröffnen,    in   dessen  Wand   die  Zotten   frei   zu  Tage  liegen, 
weiter  stösst  man  aber  auf  Stellen,    wo  die  Verbindung  der 
beiderseitigen  Gewebe  eine  feste  ist,  uiid  eine  Trennung  ohne 
Zerreissung  nicht  ausgeführt  werden  kann.     Hier  finden  sich 
gefasslose  Filamente,    die   von  der  Plac.   matema  nach  den 
Zottenspitzen  hinüberlaufen,  Fäden,  deren  Vorkommen  Ooodtir 
und  Ecker  früher  beschrieben  haben.   Abgesehen  von  diesen 
filamentösen   Verbindungen,    findet   sich   kein  weiterer  orga- 
nischer Zusammenhang   zwischen  Plac.  foetalis  und  matema« 
Bringt  man  ein  Präparat  unter  das  Mikroskop,    welches  der 
Grenzschicht  der  beiden  Placenten  entnommen  ist,    so  sieht 
man  zwar  die  Zotten  von  den  Zellen  der  Plac.  matema  um- 
lagert, es  handelt  sich  hier  aber,  wie  ein  Druck  auf  das  Deck- 
glas zeigt,    nur  um  eine  Juxtaposition ,   nicht  uqi  eine  Ver- 
klebung oder   Verwachsung,    und   es   kann    keinem   Zweifel 
unterliegen,  dass  an  der  reifen  Placeota  die  Zotten  frei;  ohne 
Ueberzug  in   die  Sinus   der   Placenta  materna  hineintauchen. 
Entnahm  man  das  Präparat  einer  etwas  tieferen  Schicht,  un- 
terhalb  der  äusseren   Oberfläche   aus  dem  Cotyledo,    so  ge- 
wahrt man   keine  Gewebseleniente   der  Plac.  materna   mehr, 

1)  In  den  wenigen  Fällen,  wo  ich  in  der  Placenta  materna 
Gefasietümpfchen  gefunden  habe,  seigte  das  umgebende  Gewebe 
pathologische  Beschaffenheit.  ^ 


124  ^U*  I>ohm,  Eio  Beitrags  snr  mikroskopischen 

sondern  nur  Zottenstämme.  Es  dringt  auf  der  coDYex.eD 
Fläche  des  Cotyledo  das  mütterliche  Gewebe  nur  bis  zwischen 
die  Spitzen  der  Zottenaosläufer,  während  zwischen  den  Coty- 
ledonen  sich  tiefgehende  Septa  der  Plac.  materna  vorfinden. 
Der  weitaus  grösste  Tlieil  des  fötalen  Placentargewebes  dient 
daher  nur  zur  Fortleitung  des  Blutes,  nicht  zum  Stoffaus- 
tausch  mit  der  mütterlichen  Placenta. 

lieber  die  Gewebselemente,  welche  die  Placenta  niatema 
gegen  Ende  der  Schwangerschaft  zusammensetzen,  werden 
von  Hanchen  Anschauungen  gehegt,  deren  Richtigkeit  ich 
nicht  anerkennen  kann.  Nur  von  Wenigen  ist  eine  sorgfälüge 
mikroskopische  Untersuchung  vorgenommen  worden,  gewöhn- 
lich hat  man  sich  mit  der  Annahme  begnügt,  dass  die  Zu- 
sammensetzung die  gleiche  sei,  wie  die  der  Decidua  vera  und 
reflexa.  Auch  Hegar  scheint  seine  Ansicht  über  die  Struetin' 
der  Serotina  gegen  Ende  der  Gravidität  mehr  auf  theoretische 
Deduction  als  auf  Beobachtung  zu  gründen.  Er  meint,  tnan 
sei  vollständig  im  Rechte,  eine  rückgängige  Metamorphose 
derselben  anzunehmen  und  beruft  sich  unter  andern  auch 
auf  Virchow,  welcher  glaubt,  dass  die  Veränderungen  in  der 
Decidua  serotina  einen  ähnlichen  Gang  durchmachen,  wie  in 
der  Deddua  vera.  ^) 

Nun  hätte  aber,  wie  mir  scheint,  schon  das  theoretische 
Räsonnement  zu  anderen  Vorstellungen  führen  können.  Die 
drei  Theile  der  Decidua,  welche  wir  als  Vera,  Reflexa  und 
Serotina  zu  unterscheiden  pflegen,  flnden  sich,  je  näher  die 
Gravidität  dem  Ende  kommt,  unter  desto  verschiedeneren  Er- 
nährungsbedingungen. Die  Vera  hat  dann  nur  wenige  Ge- 
isse, in  der  Reflexa  Hessen  sich  schon  in  der  Mitte  der 
Schwangersphaft  keine  Gefässe  mehr  nachweisen,  dagegen 
stellt  die  Serotina  ein  rareficirtes;  mit  grossen  Bluträumen 
durchsetztes  Gewebe  dar.  Diese  Verschiedenheit  hätte  schon 
darauf  hinweisen  können,  dass  bezüglich  der  rückgängigen 
Metamorphose  die  drei  Deciduaabschnitte  sich  sehr  verschie- 
den verhalten  werden. 

In  der  That  sind  auch  schon  früher  Abweichungen  der 
Zusammensetzung   beobachtet  worden,    indess    blieben    diese 


1]  Placeotarretention  pag.  3. 


Anatomie  der  reifen  menechliehen  EihüUen.  125 

gegenüber  der  einmal  gangbaren  Anschauung,  dass  auch  die 
Decidua  serotina  verfette,  unbeachtet.  Schon  Heinrich  Müller 
wies  darauf  hin,  das8  der  Nachweis  von  Zellen  mit  grossen 
bläschenartigen  Kernen  und  nur  spärlichem  Körnchengehait 
besonders  an  der  Uterinfläche  des  Kuchens  leicht  zu  führen 
sei.  Ausführlicher  hat  sich  Köüiker  über  diese  Zellen  aus- 
gesprochen (Entwickelungsgeschichte  pag.  147). 

Bringt  man  ein  kleines  Stück  von  der  Plac  materna 
einer  reifen  Nachgeburt  unter  das  Mikroskop,  so  bemerkt 
man  Zellen,  die  sich  durch  ihre  Grösse,  den  stark  entwickel- 
ten Kern  und  den  geringen  Gehalt  an  Körnchen  und  Fett- 
tröpfchen  vor  den  übrigen  Deciduazellen  auszeichnen.  Die 
meisten  derselben  sind  einkernig,  darunter  findet  man  aber 
häufig  auch  Zellen,  die  mehr  Kerne,  2,  3,  bis  zu  16  dersel- 
selben  (die  höchste  Zahl,  die  ich  beobachtete)  enthalten: 
Diese  Zellen  erreichen  die  bedeutende  Grösse  von  0,03 — 0,04 
Millimeter,  die  Kerne  eine  Breite  von  0,008,  eine  Länge  von 
0,012  Milhm.  Sie  sind  bisweilen  in  die  Länge  ausgezogen 
oder  mit  Einschnürungen  versehen  (s.  Fig.  48.)  oder  man 
findet  selbst  lange  Schläuche,  die  zahlreiche  Anschwellungen 
und  in  jeder  derselben  einen  Kern  aufweisen  (s.  Fig.  51.), 
daneben  finden  sich  im  Gewebe  freiliegende  Kerne  vor.  Diese 
Gewehseleraente  sind  gewöhnlich  in  eine  structurlose  Grund- 
substanz eingelagert,  seltener  findet  man  ein  bindegewebiges 
Gerüst 

Wo  wir  nun  aber  solche  Gebilde  in  grösserer  Zahl  vor^ 
finden,  da  ist  die  Annahme  nicht  gerechtfertigt,  dass  das  sie 
tragende  Gewebe  einer  rückgängigen  Metamorphose  anheim- 
gefallen  sei,  vielmehr  nöthigt  der  Befund  im  Gegentheil  zu 
dem  Schlüsse,  dass  dies  Gewebe  einem  regen  Stoffwechsel, 
einem  raschen  Wachsthume  unterworfen  ist,  und  der. alten 
Anschauung  gegenüber,  wonach  die  Lockerung  der  Placenta 
materna  auf  einer  Gewebsverfeltung  beruhe,  kommen  wir 
vielmehr  zu  der  Annahme,  dass  es  gerade  die  mit  Vergrösse- 
rung  der  Bluträume  zunehmende  Gewebswucherung  ist;  die 
unter  starkem  Nachschübe  von  Zellen  die  Lockerung  des  Zu- 
sammenhanges herbeiführL 

Die  Frage,  ob  und  wie  weit  die  mehrkernigen  Zellen 
über  den  Placeniarrand  hinausreichen,  ist  schon  von  Köüiker 


126  VII.  Dokm^  Bin  Beitrag  zur  mikroskopischen  Anatomie  etc. 

aufgeworfen  worden.  Ich  habe  bei  mehreren  Nachgeburten 
diese  Gebilde  noch  einen  ZolJ  vom  Placentan*ande  entfernt  in 
der  Decidua  vera  aufgefunden,  freilich  nicht  so  zaMrejcb  und 
nicht  so  gross,  wie  in  der  Plac.  matenia.  In  Präparaten,  die 
mehrte  Zoll  weit  vom  Placentarrande  aus  der  Decidua  her- 
genommen waren,  habe  ich  sie  nicht  mehr  nachweisen  kön- 
nen. Dieser  Befund  steht  mit  der  verschiedeneu  Vascula- 
risation  der  Decidua  in  Zusammenhang. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Fig.  9.  nnd  10.  sind  bei  60  ==,    Fig.  24.  bei  80  =:^   die  übrigen 

Figg.  bei  200— 400facher  Vergrösserung  geseichnet.     Fig.  3.  und 

4.,  9.  n.  10,  ^7^51  nach  frischen  Pr&paraten. 

Fig.  1.  Querschnitt  durch  sämmliche  Eihäute  von  der  Nähe 
des  Placentarrandes,  mit  verdünnter  Essigsäure  be- 
handelt, a)  Amnion,  b)  Gallertschicht,  c)  Chorion, 
d)  Decidua  reflexa,  e)  Decidua  vera. 

Fig.  2.  Quei^schnitt  durch  sämmtllche  Eihäute  von  einer  an- 
deren Nachgeburt.  Zusatz  von  Essigsäure  und  Anilin. 
Der  Rand  des  Amnions  umgeschlagen. 

Fig.  3.  u.  4.    Fölalseite  des  Amnions. 

Fig.  5—8.  Querschnitte  durchs  Amnion,  Fig.  7.  u.  Fig.  8. 
von  der  gleichen  Nachgeburt,  Fig.  7.  3"  von  der 
Nabelstranginsertion,  Fig.  8.  Va"  ^^i^®"  entfernt. 

Fig.  9.  u.  10.    AmnionpapUlen. 

Fig.  11.  Querschnitt  durchs  Anmion,  */«"  ^^'^  ^^  Nabd- 
.    stranginsertion. 

Fig.  12—23.  Querschnitte  durchs  Chorion.  Die  Fig.  13.,  15 
und  22.  zeigen  noch  einen  Theil  der  Decidua  re- 
filexa  mit  dem  Chorion  in  Zusammenhang. 

Fig.  24.  Q'uerschuitt  durch  das  Amnion  und  Nabelbläscfaen. 

Fig.  25.  Eine  Stelle  desselben  bei  stärkerer  Vergrösserung. 

Fig.  26 — 45.  Deciduagewebe.  Fig.  26.  Ein  Querschnitt,  bei 
welchem  die  Zelischicht  des  Chorions,  a.  an  der 
Decidua  refiexa  haften  geblieben  ist  Die  Präparate 
zu  den  Figg.  32 — 37.  sind  der  Decidua  refiexa,  die 
öbrigen  der  Decidua  vera  entnommen.  Die  Präpa- 
rate zu  22.  und  24.  sind  i"  vom  Placentarrand  der 


VIII«  G.  Veit,  U«ber  die  in  der  gebiirtehfilfl.  Klinik  in  Bonn  etc.  127 

Decidua  eDtnommen,  zu  Fig.  43.  und  45.  dagegen 
3''  vom  Placentarrand. 
Flg.  46—61.  Gewebselemenle  der  Decidua  serotina.  Fig.  60. 
ist  von  der  gleichen  Nachgeburl  gezeichnet,  von 
welcher  die  Deciduazellen  Fig.  44.  und  46.  stam- 
men, ebenso  sind  die  Präparate  von  Fig.  51.,  42. 
und  43.  von  Einer  und  derselben  Nachgeburt  Der 
Unterschied  in  der  Verfettung  \9i  deutlich,  wenn  man 
diese  je  3  Einer  und  derselben  Nachgeburt  entnom- 
menen Präparate  mit  einander  vergleicht. 


VIII. 

üeber   die  in   der  geburtshülflichen  Klinik  zu 
Bonn  im  Sommer  1864  und  Winter  1864/65  auf- 
getretenen puerperalen  Erkrankungen. 

Von 

G.  Telt. 

Als  ich  im  April  1864  die  Leitung  der  Klinik  übernahm 
erfuhr  ich,  dass  sich  das  Institut  dauernd  günstiger  Gesund-' 
heitsverhältnisse  zu  erfreuen  gehabt  hatte.  Unter  den  die 
Entstehung  von  Epidemien  verbindernden  Momenten  wurde  mir 
besonders  die  Lage  der  klinischen  Räumlichkäten  hervorgehoben, 
wodurch  die  letzteren  den  starken  Luftströmungen,  welche  sich 
in  Bonn  fast  beständig  bemerkbar  machen,  ausgesetzt  sind. 

In  den  vorhandenen  Jahresberichten  fand  ich  erwähnt, 
dass  auch  bei  den  Wöchnerinnen  acute  Gelenkrheumatismen 
relativ  häufig  aufgetreten  waren;  gleichzeitig  sind  aber  in  den 
sieben  letzten  Jahren  (1851/56, 1859/60  und  1861/62)  bei  einem 
jährlichen  Bestände  von  85 — ^90  Wöchnerinnen  meist  2 — 4, 
nur  ein  Mal  sechs  puerperale  Erkrankungen,  und  nur  in 
einem  Jahre  zwei  mit  lethalem  Ausgange  aufgeführt.  Indem 
Journal  für  das  Solarjahr  1863  sind  zwei  Todesfalle  und 
zwei  günstig  verlaufene  Processe  verzeichnet. 


130  VIII.  G,  Veity  üeber  die  in  der  gebartsliillfl.  Klinik  stt  Bonn 

Ich  habe  diesen  Tumoren  seit  einer  Reihe  von  Jahrea 
meine  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Sie  kommen,  wie  schon 
die  obigen  Zahlen  zeigen,  häufig  vor.  In  den  ersten  Tagen 
der  Erkrankung  ergießt  die  Exploration  der  Beckenorgane 
nichts  weiter  als  eine  mehr  oder  wenige  begrenzte  Empfind- 
lichkeit der  seitlichen  Gebärmuttergegenden.  Bisweilen  ist 
nur  die  eine  Seite  gegen  Druck  empfindlich;  dann  kann  der 
Schmerz  nach  24 — 48  Stunden  hier  verschwunden  sein,  sich 
auf  der  anderen  Seite  fixirt  haben,  und  auf  der  letzteren 
ausschliesslich  von  der  Entwickelung  einer  Schwellung  gefolgt 
sein.  Relativ  selten  sieht  man  doppelseitige  Geschwülste 
entstehen.  Der  Nachweis  einer  diffusen  Resistenz  in 
der  Nachbarschaft  der  Gebärmutter  kann,  wenn  eine  genaue 
Exploration  möglich  ist,  schon  am  zweiten  oder  dritten 
Tage  gelingen;  meist  aber  verstreicht  bis  dahin  ein  länge- 
rer Zeitraum,  und,  bis  sich  eine  kleinere  oder  grössere 
drcumscripte  Härte  unterscheiden  lässt,  nahezu  die  erste 
Woche.  Geschwülste  auf  der  Fossa  iliaca,  welche  sich  in 
das  kleine  Becken  unmerklich  verlieren,  werden  am  spätesten 
greifbar,  weil  sie  nur  von  der  oberen  Seite  her  gesacht 
werden  können.  Ihr  Umfang  ist  sehr  wandelbar.  Die  mit 
der  Gebärmutter  in  grösserer  Ausdehnung  verschmolzenen 
und  nicht  sehr  grossen  Tumoren  bedingen  weder  neuralgische 
Zufälle,  noch  Oedeme;  auch  bei  denjenigen,  welche  bis  an 
den  Scheidengrund  reichen,  nimmt  man  eine  nach  und  nach 
eintretende  oedematöse  Schwellung  oder  Auflockerung  der 
Vaginalwand  meist  nur  dann  wahr,  wenn  es  zur  Abscessbildung 
kommt.  Desgleichen  fehlen  Harn*  und  Stuhl-Beschwerden 
sehr  häufig,  weil  die  Geschwülste  sehr  oft  weder  die  Harn- 
blase noch  das  Rectum  berühren.  Bei  Geschwülsten,  die 
sich  primär  auf  der  oberen  Partie  der  Fossa  iliaca 
entwickelten,  habe  ich  hingegen  gkich  nach  dem  Beginn 
des  Fiebers  die  heftigsten  neuralgischen  Schmerzen  in  der 
Nieren-  und  Lendengegend  der  afncirten  Seite  auftreten  und 
viele  Stunden  lang  andauern  sehen;  derartige  Exsudate  kommen 
selten  vor,  weshalb  ich  dahingestellt  lassen  muss,  ob  das 
beobachtete  Symptom  constant  sei. 

Auch  über  den  extraperiton aalen  Sitz  derjenigen  des  hier 
besprochenen  Schwellungen,  welche  sogenannte  characteristiscbe 


im  Somoier  1864  and  Winter  1864/65  aufgetretenen  etc.  131 

Merkmale  eines  solchen  Verhaltens  nicht  darbieten,  kann  kein 
Zweifel  sein.  In  ihrer  Entwiekelung  und  ihren  Ausgängen 
verhalten  sie  sich,  wie  die  anderen;  und  die  umfangreiche 
,  VersohmelzuDg  vieJer  von  ihnen  mit  dem  Uterus,  sowie  das 
naehmahge  Ausbleiben  einer  BeeiDträchtigung  der  Fruchtbarkeit 
bestätigen  von  der  klinischen  Seite  aus,  was  die  anatomischen 
Forschungen  FtrcAoic^'s  über  den  Sitz  des  Processes  darge- 
tban  haben. 

Die  Entwickeiung  der  Schwelbingen  fallt  fast  immer  in 
die  erste  Woche  des  Pueiperiums.  Die  relativ  spät  eintre- 
tende Möglichkeit,  ihr  Vorhamiensein  nachzuweisen,  uud  vor 
Allem  der  Umstand,  dass  das  erste  Fieber,  wie  auch  bei 
den  oben  aulgezählten  Fällen  wiederholt  bemerkt  wurde,  bis- 
weilen nicht  über  die  erste  Woche  hinaus  anhält,  und  die 
Pulsfrequenz  sich  nicht  bis  auf  100  steigert,  erklären  es, 
dass  man  von  einer  Entstehung  abgesackter  Exsudate  in  der 
2.,  3.  und  4.  Woche  als  von  einem  häufigen  Vorgange  ge- 
sprochen hat  In  den  zahlreichen  FäUen,  in  welchen  ich 
erst  4pät  von  den  Kranken  consultirt  worden  bin,  weil  sich 
diese  nicht  früher  krank  fohlten,  habe  ich  stets  ermitteln 
können,  dass  in  den  ersten  Tagen  des  Wochenbettes  Fieber 
vorhanden  gewesen  war,  und  meist,  dass  Schmerzen  im 
Unterleibe  u.  s.  w.  dabei  nicht  gefehlt  haben.  Die  Unter* 
suchung  ergab  hier  auch  regelmässig,  dass  eine  mehr  oder 
weniger  bedeutende  Geschwulst  schon  vorhanden  war.  Bei 
den  wenigen  Wöchneriuucu,  bei  denen  ich  die  späte  Entsteh- 
ung einer  Scbwelluug  von  Anfange  an  beobachten  konnte, 
handelte  es  sieh  nicht  um  eine  erst  zu  dieser  Zeit  beginnende 
Parametritis ,  sondern  um  die  Recrudescenz  eines  früheren, 
schriflbar  abgelaufenen  oder  in  der  Rückbildung  begriffenen 
Processes  in  Folge  des  Zutrittes  eiuer  neuen  Schädlichkeit., 
Eiu  Beispiel  bietet  der  später  mitzutbeilende  Fall  1. 

Nicht  selten  kommt  es  vor,  dass  gleichzeitig  mit  einer 
neuen  Exacerbation  oder  einer  Rückkehr  des  Fiebers  nicht 
bloss  die  iocaien  Schmerzen  wiederkommen,  sondern  auch 
geringe  Neti*orrhagien  verbunden  sind.  Mitunter  wiederholt 
sieh  dieser  Vorgang  mehrere  Male,  ohne  dass  eine  Abscess 
sieh  bildet 

Der  an   und   für  sich  gunstige   Verlauf  der   gutartigen 

9* 


132  Vm.  G.  Veit,  U^ber  die  \n  der  gebarttlifiM.  Klinik  n  Boui 

Metritis  und  ParainetrJtis  wehrt  zwar,  abgesehen  too  der 
Cauterisation  der  zugänglichen  puerperalen  Wunden,  eine 
eingreifende  Behandlung  ab;  nichtsdestoweniger  ßnde  ich  in 
der  Unmöglichkeit,  zu  Anfange  eine  Prognose  zu  stellen  eine 
Aufforderung,  nicht  einfach  abzuwarten,  ob  sich  eine  Pen- 
ronitis  einstellen  werde  oder  nicht  Erreichen  der  Schmerz 
und  das  Fieber  nicht  eine  beträchtliche  Höhe,  so  beschränke 
ich  micli  ironaer  auf  eine  oder  wiederholte  Gaben  von  milden 
Abföhrmilteln ,  namentlich  von  Ricinusdl,  wo  nicht  subjectives 
Ekelgefühl  Erbrechen  erwarten  lässt.  In  Betreff  der  Wirkung 
dieses  Verfahrens  haben  die  Beobachtungen  in  Bonn  lediglich 
meine  frühere  Erfahrung  bestätigt.  Nach  dem  Eintritte  reich- 
licher Ausleerungen  erfolgt  oft  ein  vorübergehender  Abfall 
des  Fiebers,  und  die  erneuerte  Anregung  der  Darmsecrelion 
bewirkt  neue  Remissionen.  Bisweilen  gelingt  es  erst  durch 
eitle  Reihe  von  Gaben  Diarrhoe  zu  erzeugen;  häufig  aber 
führt  eine  einzige  massige  Dosis  (z.  B.  ein  Esslöffel  voll  Ri- 
cinusölj  6 — 10  flüssige  Stähle  oder  selbst  eine  zweitägige 
Diarrhoe  herbei.  Bedenkliche  Durchfälle  habe  ich  bisher  nie 
nachfolgen  sehen. 

In  denjenigen  Fällen,  in  welchen  gleich  von  vom  herein 
sehr  heilige  Schmerzen  vorhanden  sind,  und  die  Temperatur 
hoch  steigt,  gebe  ich  vom  Beginne  an  Calomel,  und  zwar  zu- 
nächst grössere  Gaben,  um  StuhlentleeiTing  zu  bewirken,  bald 
darauf  aber  kleinere,  1 — 2  Grane  zweistündlich,  fort.  Häufig 
bleibt  der  Process  beschrankt,  und  das  Ausbleiben  einer 
Affection  des  Bauchfells  beweist,  dass  die  Vorsicht  unnörbig 
war.  Andererseits  jedoch  tritt  auch  eine  nachtheilige  Wirkung 
des  Mittels  nicht  liervor,  und  bei  denjenigen  Kranken,  bei  welchen 
sich  demnächst  die  gefurcbtete  Peritonitis  wirklich  «instellt, 
bedarf  es  nachmals  einer  geringeren  Zeit,  um  eine  Affection 
des  Zahnfleisches  hervorzurufen.  Hierin  sehe  ich  einen  we- 
senllichen  Vorlheil.  Erstens  kann  man  niemals  vorhersagen, 
wie  schnell  die  septische  Entzündung  auf  d^  Serosa  sich 
ausbreiten  werde,  und  zweitens  ist  nach  meiner  iJelierzeugUDg 
die  Quecksilberbehandlung  diejenige,  welche,  auch  wenn  äe 
nur  in  der  Minderzahl  der  Fälle  die  Fortsdiritte  der  Perito- 
nitis aufhält,  doch  noch  die  relativ  günstigsten  Erfolge  auf- 
zuweisen   hat.      Dass    das    von    der    perforativen   Peritüoitis 


im  Sommer  1864  iwd  Winter  1864/55  mufgetretenen  etc.  133 

euüehnte  Opium  bei  den  puerperalen  AfTectionen  so  .gut  wie 
nichts  nfttzt»  habe  ich,  wie  viele  Andere,  erfahren.  Dieser 
Erfahrung  steht  gegenüber ,  dass  selbst  Aerzte,  welche,  wie 
ArmHtong^  nur  grosse  Dosen  von  Calomel  und  diese  nur, 
uni  Ausleerungen  zu  bewirken,  gaben,  eine  günstige  Wendung 
def*  Krankheit  beobachteten,  sowie  wider  ihre  Absicht  Spei- 
chelfluss  sich  einstellte.  Um  diesen  wo  möglich  rechtzeitig 
8U  erzielen,  raoss  man  aber,  wie  es  D^aormeaux  in  der 
1829  in  der  Maternite  ausgebrocbenen  Epidemie,  und  Traube 
neuerdings  mit  entschiedenem  Nutzen  thaten,  neben  dem 
Calomel  noch  Ifercurialeinreibungen  anwenden,  und  1 — 2  stünd- 
lich dß — 3ij  Ungt.  einer,  verbrauchen.  Den  Ueberfluss  kann 
man  hinterher  abwischen  lassen.  Unter  den  nachfolgenden 
FSMen*  wird  ein  Beleg  für  den  Nutzen  der  Quecksilberbehand- 
lung gegeben  werden. 

Hier  ist  zuerst  die  Frage  aufzunehmen,  ob  bei  gutartigem 
Verlaufe  der  Parametritis  die  entstandenen  Geschwülste  eine 
besondere  Therapie  beanspruchen,  auch  wenn  es  nicht  zur 
Abscessbildung  kommt.  Ohne  Zweifel  erfolgt  bei  einem  ge* 
eigneten  diätetischen  Verhalten  die  Resorption  nicht  sehr 
umfangreicher  Exsudate  ohne  Zuthun  der  Kunst.  Grössere 
Tumoren  indessen  «können  viele  Wochen  liinclurch  unverändert 
bleiben,  und  verkleinern  sich  bei  dem  Gebrauche  von  Jod 
und  Bädern  oft  aufläUig  rasch.  Von  Ableitungen  auf  die 
Haut  in  der  Nachbarschafl  des  Exsudates  glaube  ich  kaum 
jemals  einen  Erfolg  constatirt  zu  haben;  deshalb  wende  ich 
duch  Jodtinctur  nicht  in  der  Weise  an,  dass  die  IO*anken 
viele  Schmerzen  haben;  die  von  den  Franzosen  noch  immer 
missbrauchten  Vesicantien  sind  bei  uns  ans  der  Praxis  ohne- 
hin ziemhch  verschwunden.  Bestehen  die  Geschwülste  schon 
viele  Wochen,  so  ist  di«;  fortgesetzte  iimere  Anwendung  von 
Jodkalinm  nach  meiner  Erfahrung  von  überraschendem  Nutzen. 
Auch  von  der  heilsamen  Wirkung  der  Sitzbäder  liabe  ich 
mich  überzeugt,  ebenso  aber  auch  davon,  dass  Vollbäder, 
insbesondere  mit  einem  die  Haut  rei /.enden  Zusatz  von 
Mutiierlauge  entschieden  wirksamer  sind,  ganz  abgesdieu  davon, 
dass  sie  sich  noch  für  Kranke  eignen,  welche  in  Sitzbäder 
nicht  gebracht  werden  können.  Frauen  mit  Exsudaten  auf 
der  Fossa  iliaca,   welche   die  Extremität  der  leidenden  Seite 


1 34  VIII.  G.  Veit,  Ueber  die  in  der  gebart9haii.  Klinik  sn  fiofla 

nicht  zu  bewegeo  vermögen,  lasse  ich  in  das  Vollbad  und 
hinaustragen,  sowie, das  Fieber  nachgelasseD  hat.  Ich  kam 
versichern,  dass  ich  die  Resorption  erfolgen  sah,  wo  Ge- 
schwülste der  Fossa  iliaca  allmälig  mehr  und  mehr  von  oben 
nach  dem  Poupart'schea  Bande  hinabröckten,  und  ihren 
Ortswechsel  überdies  dadurch  bezeichneten,  dass  die  von  ihnen 
abhängigen  Neuralgien  von  den  oberen  Zweigen  des  Plexus 
cruralis  auf  die  unteren  übergingen,  wo  ich  daher  fräher 
bereits  einen  Beckenabscess  diagiiosticiren  zu  können  Raubte. 

Die  frühzeitige  Diagnose  der  Abscessbildung  hat  bei 
langsamem  Verlaufe  ilure  Schwierigkeiten.  Gelegentlich  frei- 
lich kommt  es  zur  Senkung  des  Eiters  aus  dem  Becken 
schon  in  den  ersten  Tagen  der  zweiten  Woche  des 
Puerperiums ;  aber  auf  die  Senkung,  beziehungsweise  die  Er- 
hebuni;  des  Abscesses  an  der  vorderen  Bauch  wand  bis  gegen 
den  Nabel  oder  die  Perforation  der  Scheide  u.  s.  w.,  will 
man  mit  Recht  nicht  warten.  König  hat  deshalb  hervorge- 
hoben, dass  man  nach  Gewebslöcken  innerhalb  der  harten 
Wandungen  zu  spähen  habe;  und  ich  meine,  dass  man  gut 
thut,  noch  einen  Schritt  weiter  auf  diesem  Wege  zu  geheu. 
Man  muss  versuchen^  wo  Gewebslücken  noch  nicht  vorhanden 
sind,  die  Wandungen  durch  Druck  mit  dem  Finger  zu  ver- 
dünnen. Bei  den  Drüsenabscessen  der  Mamma  ist  dies  zwar 
leichter  auszufahren,  aber  es  gelingt  auch  bei  den  Beckenge- 
scfawülsten  bisweilen. 

Ich  scfaliesse  an  diese  anspruchslose  Bemerkung  drei  der 
36  bezeichneten  Fälle  an. 

Erster  Fall. 

Nachdem   eine  mehrtägige   geringe  Temperatur- 
Steigerung    vorausgegangen,    aber    wieder    ver- 
schwunden ist,   tritt  am  11.  Tage  heftiges  Fieber 
ein,  und  in  dem  Uterusanhange  entsteht  eine 
Geschwulst. 

Secundipara.  I.Tag.  Nadiwehen.  Morgens:  T. 37,4 <^C.,  P. 96, 

R.24. 
Abends:  T.  38,20C.,P.98, 
R.28. 


im  Sommer  1864  aod  Winter  1866/S6  aafgetreteDen  «to.    135 

2.  Tag.  Kopfschmerz,    Stiche   im  Unterleibe,    Ut«rus  sieht 

eropfindlidi. 
Morgens:  T.  37,8«»  C,  P.  84,  R.  18. 
Abends:    T.  37,8»  C,  P.  84.  R.  24. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  38,5«  C,  P.  100,  R.  24. 

Abends:    T.  39,8«  C,  P.  116,  R.  28.    . 

4.  Tag.  Morgens:  T.  37,8"  C.,P.  96,  R.  20. 

Abends:    T.  38,3*0  C,  p.  loo,  R,  20. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  38,0 <>  C,  P.  102,  R.  22. 

Abends:    T.  39,4 »C^  P.  100,  R.  25.  Ol.  ricin.  S/J. 

6.  Tag.  Morgens:  T.  38,3 "  C,  P.  104,  R.  28.  4  Stuhlaus- 

leerungen. 
Abends:    T.  38,5«  C,  P.  98,  R.  26.  2  Stühle.  Ol. 
ricin.  iß. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  37,9«  C,  P.  84,  R.  18.  3  Stähle, 

Abends:    T.  38,0«  C,  P.  94,  R.  26.  6  Stühle. 

8.  Tag.  Morgens:  T.  38,4«  C,  P,  94,  R.  18.  2  Stühle. 

Abends:    T.  38,2«  C,  P.  84,  R.  22. 

9.  Tag.  Morgens:  T.  38,1«  C,  P.  88,  R.  20. 

Abends:    T.  37,6«  C,  P.  82,  R.  15. 

10.  Tag.  Morgens:  T.  37,9«  C,  P.  90,  R.  28. 

Bei    der  Exploration  in   der  klinischen  Stunde 
erscheint  die  Gebärmutter  anteflectirt,  nirgends  em- 
pfindlich. 
Abends:    T.  37.9«  C,  P.  82,  R.  22. 

Von  7  Uhr  an  bis  zum  anderen  Morgen  Frost 
mit  Zähneklappern  und  Leibschmerzen.    , . 

11.  Tag.  Morgens:  T.  41,4«  C,  P.  132,  R.  37. 

Die  innere  Exploration  zeigt,    dass  die  Gebär- 
mutter empfindlich  ist.     Ol.  ricin.,  iß  drei  Mal. 
Abends:    T.  41.2«  C,  P.  128,  R.  43.    4  Stühle. 
Gebärmutter  gegen  äusseren  Druck  empfindlich. 

12.  Tag.  Morgens:  T.  40,0«  C,  P.  HO,  R.  26.   3  Stühle. 

Abends:     T.  39,4«  C.,  P.  100,  R.  27.   2  Stuhle. 

13.  Tag.  Morgens:  T.  39,3«  C.,  P.  94,  R.  22.    Gebärmutter 

rechts  ßmpfindlich;    in  dem  linken  Anbange  ein 
bei    Druck    schmerzender   Tumor  von  Taubenei- 
grösse. 
Abends:    T.  40,0«  C.,  P.  HO,  R.  16. 


136  VIll.  O.  Veit.  Ueber  die  in  der  geburUhfilfl  KliDik  sn  Boon 

14.  Tag.  Morgens:  T.  40,0«  C,  P.  106,  R.  30. 
Abends:     T.  40,3 <>  C,  P.  108,  R.  29. 

18.  Tag.  Morgens:  T.  39,0*^  C,  P.  112,  R.  30.     Uterus  et- 

was auteflectirt;  links  ?ob  ihm  ein  huhnereigros- 
ser  Tumor,    der  bei  starkem  Drucke  empfiDdlich 
ist,   während   die   rechte  Kante  der  Gebännutler 
stärker  schmerzt. 
Abends:    T.  38,0«  C,  P.  76.  R.  25.    . 

19.  Tag.  Morgens:  T.  37,5 <>C.,  P.  80,  R.  22. 

Abends:  T.  37,0<^  C,  P.  70,  R.  25  u.  s.  w. 
in  diesem  Falle  ist  der  Zusammenhang  der  Entwickelung 
des  Tumors  mit  dem  am  11.  Tage  aufgetretenen  Fieber  un- 
zweifelhail ,  und  ebenso  wenigstens  höchst  wahrscheinlich ,  dass 
die  am  Morgen  des  10.  Tages  statlgefundene  Exploratioa  den 
Ansloss  zu  beiden  gab.  Das  mit  dieser  verbundene  Trauma 
erklärt  die  Folgen  genügend;  an  eine  septische  Infecüoii  in 
so  später  Zeit  zu  denken,  liegt  jedenfalls  ferner. 

Zweiter  FalL 

In^ufficienz    der    Mitralklappe.      Albuminurie. 
Zwillingsgeburt.    Urämie.    Paramelritis.   Metror- 
rhagie  mit   Rildang    eines    adhSrenten,    polypösen 
Gerinnsels  (fibrinösen  oder  Placentarpolypen). 

35jähr.  Primipara  mit  einem  seit  längerer  Zeit  beste- 
henden Broachialkatarrh.  Herzdämpfung  nicht  auffallend  ver- 
grossen,  "aber  der  erste  Ton  durch  ein  schwirrendes  Ge- 
räusch verdeckt,  und  der  zweite  Pulmonalton  deutlich  accen- 
tuirt.  Die.  unteren  Extremitäten  seit  einigen  Wochen  stark 
ödematös  infilu*irt,  ebenso  die  untere  Partie  der  Bauchdeckeo. 
Im  Harne  eine  beträchtliche  Menge  von  Eiweiss,  und  anfangs 
auch  Blut,  welches  nach  mehreren  Tagen  verschwindet.  Die 
äussere  Untersuchung  ergiebt  Zwillingsschwangerschaft,  die 
innere  einen  in  zweiter  Stellung  vorliegenden  Kopf;  da  gleich- 
zeitig über  dem  rechten  geraden  Scharabeinaste  in  kleinem 
Umfange  Herztöne  (138)  und  andere  (146)  in  der  linken 
Seite  höber  zu  hören  sind  u.  s.  w.,  ist  klar,  dass  das  vor- 
angehende Kind  hinter  dem  zweiten,  und  dieses  in  erster 
Kopfstellung   sich  befindet.     Sechs  Tage   nach   ihrer  Recep- 


im  Sommer  1864  und  Winter  1864/B6  ftnfgetreteoeii  etc.    137 

tioo  geht  die  Niederkunft  leicht  innerhalb  sechs  Stunden  vor 

sich.     Darauf  ist  die  Wöchnerin  schlafsüchtig,  und  lässt  Koth 
und  Harn  unter  sich  gehen. 

I.Tag.  Morgens:  T.  38,2.  P.  144.  R.  24, 

Abends:    T.  38,4.  P.  142.  R.  24. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  37,6.  P.  140.  R.  34. 

Abends:    T.  39,1.  P.  162.  R.  30. 

3.  Tag.  Aus  dem  Sopor  aufgerüttelt,    klagt   sie  über  Kopf- 

schmerz.   Im  Harn  noch  sehr  viel  Eiweiss. 
Morgens:  T.  38,6.  P.  134.  R-  26. 
Abends:    T.  39,4.  P.  146.  R.  30. 
4,. Tag.  Morgens:  T.  38,5.  P.  140.  R.  28.      Der   sparsam 
abgesonderte  Harn  enthält  Blut  und  Eiweiss.   Ord. 
Infus,  digital,  c.  Liq.  Kah*  acet. 
Abends:     T.  39,2.  P.  141.  R.  32.  Die  Ränder  des 
Dammrisses  zeigen  einen  weisslichen  Beleg. 
Am  5.  Tage  verschwindet  das  Blut,  am  6.  das  Eiweiss 
aus  dem   Harn;   am  8.  wird  die  Wöchnerin  munterer.     Die 
Temperatur  fallt  dabei  nach  und   nach  auf  37,8,    und  der 
Puls  auf  120;  das  Oedem  der  Extremitäten  nimmt  ab.     Am 
10.  Tage  verliert  sie  etwas  Blut  aus  den  Genitalien;  am  12. 
treten  Schmerzen  im  Abdomen  ein,  es  folgt  ein  zweistündiger 
Frost,    die  linke  Weiche   und   das  vordere  Scheidengewölbe 
sind  sehr  empfindlich,  und  es  ist  starker  Harndrang  vorhanden. 
Abends:  T.  40,^*P.134.  R.  30. 

13.  Tag.  Morgens:  T.  38,3.  P.  126.  R.  30.     Die  Empfind- 

lichkeit und  der  Harndrang  dauern  fort;  in  der 
linken  Nachbarschaft  des  Uterus  nimmt  man  ver" 
mehrte  Resistenz  wahr.  Ol.  ricin.  l^ß,  2  Aus- 
leerungen. 
Abends:  T.  40,4.  P.  134.  R.  30.  Am  Nachmit- 
tage war  wiederholter  Froat  und  darauf  reich- 
licher Blutabgang  eingetreten. 

14.  Tag.  Morgens:  T.  37,9.  P.  112.  R.  30.    In  der  Nacht 

vier  Mal  Diarrhoe.     Der  Schmerz  bei  der  äusse- 
ren Untersuchung  heftig. 
Abends:     T.  40,2.  P.  140.  R.  34.     Am  Nachmit- 
tage wieder  Frost  mit  reichlicher  Blutung. 


.138  ^J^^'  ^'  ^^'^  TJ9her  die  in  der  ffebnrtabaifl.  Klinik  so  Bonn 

16.  Tag.  Morgens:  T.  38,2.  P.  130.  R.  26. 
Abends:    T.  4D,1.  P.  138.  R.  40. 

16.  Tag.  Morgens:  T.  38,2.  P.  130,  R.  24.      Gute    Nachi; 

Empfindlichkeit  sehr  vermindert.  Am  Hitlage  und 
am  Nachmittage  kehrt  die  Metrorrhagie  wieder. 
Abends:  T.  40,2.  P.  134  R.  30.  Schmerzen,  die 
vom  Knie  über  den  Rücken  in  die  rechte  Kopf- 
seite ausstrahlen,  und  mehrere  Tage,  lang  an- 
dauern. 

17.  Tag.  Morgens:  T.  38,6.  P.  134.  R.  36.    Nach  Ol.  ricin. 

3/3  fünf  Mal  Diarrhoe. 
Abends:     T.  39,2.  P.  138.  R.  30. 
22.  Tag.  Morgens:  T.  38,9.  P.  140.  R.  30.       Am    inneren 
Muttermunde   stösst   der   Finger  auf  einen  har- 
ten,   ziemlich    glatten,    unten   walzen- 
förmigen Körper,   welcher  sich  ringsum 
umgehen    lässt,    und    am    Fundus    uteri 
nach  Art  eines   Septum   mit  breiter  Ba- 
sis inserirt.  ' 
Dieses  polypöse  Coagulum  wird  nach  einigen  Tagen  nicht 
ohne   Mühe   abgebröckelt.     Das  Fieber   hielt  noch    bis   zum 
30.  Tage  an,   und   an  der   Stelle   der  früheren  Resistenz  in 
der  linken  Seite  war  ein  am  Uterus  breit  aufsitzender  Tumor 
wahrzunehmen. 

Der  .hier  mitgetheilte  Fall  ist  ein  gujyir  Beleg  für  die 
Richtigkeit  der  von  Klob  ausgesprochenen  Meinung,  dass  ein 
sogenannter  fibrinöser  Polyp  durch  ungewöhnliche  Ausdeh* 
nung  und  Verlängerung  eines  von  den  Venenmündungen  der 
Placentarstelle  ausgehenden  Pfropfes  entstehen  kann. 

Einen  dritten  Fall  von  Parametritis  lasse  ich  vorzugs- 
weise zu  dem  Zwecke  nachfolgen,  um  den  Einfluss  der  künst- 
lichen Abkühlung  der  Körperoberfläche  durch  fortgesetztes 
Einschlagen  derselben  in  nasskalte  Leintücher  auf  das  Fieber, 
auf  welchen  ich  später  anrückkommen  werde,  möglichst  zu 
veraHScbaulicben. 


in  SomBMr  1864  uad  Winter  1864/96  Mifgetretanen  etie.    IgQ 

Dritter  PalL 
Metritis  uod  Parametritis  mit  Entwickelung  einjßs 
Tumors  und  nachfol-gendem,  lange  Zeit  fortdauern- 
dem hectischem  Fieber.    Kaltwasserbehandlung. 

1.  Tag.  Morgens:  T.  38,1.  P.  80.  R.  21. 

Abends:    T.  37,7.  P.  68.  R.  17. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  37,6.  P.  68.  R.  17. 

Abends:  T.  38,8.  P.  90.  R.  19.  Uterus  im  gerin- 
gen Grade  empflndlicb. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  39,9.  P.  118.  R.  21. 

Abends:  T.  40,8.  P.  124.  R.  24.  Dicke  dunkel- 
braune, übolriecbende  Lochien.  Empfindlichkeit 
gegen  Druck,  besonders  stark  an  der  rechten  Ge- 
bärmutterseite. Ordin.  Calomd.  gr.  v.  drei  Mal 
und  Eisblasen  auf  das  Abdomen. 

4.  Tag.  Morgens:  T.  39,6.  P.  112.  R.  23.  Ord.   Calomel. 

gr.  V. 
Abends:     T.  40,7.  P.  118.  R.  25. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  39,7.  P.  108.  R.  27.    Ordin.  Chinin. 

gr.  XV.,  Injectionen. 
Abends:    T.  39,8.  P.  110.  B.  31. 

6.  Tag.  Morgens:  T.  38,9.  P.  92.  R.  25. 

Abends:  T.  40,6.  P.  112.  R.  28.  Die  Empfind- 
lichkeit rechts  hat  zugenommen. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  39,6.  P.  106.  R.  27.     Ordin.  Chinin. 

gr.  viii. 
Abends:    T.  40,3.  P.  102.  R.  26. 

8.  Tag.   Morgens:  T.  41,1.  P.  106.  R.  26.     Ord.  Kaltwas- 
^  Wasserbehandlung.     Nach   15   Einpackungen   fallt 

die  Temperatur  von  40,7  ^  auf  40,6,  und  von 
hier  um  2  Uhr  nach  Anwendung  von  23  Laken, 
welche  in  Wasser  von  10 —  14**  getaucht  sind, 
auf  40,1. 
Abends:  T.  40,4.  P.  110.  R.  28;  nach  19 maliger 
Eiowickelung  (Wasser  von  8  <").  T.39,3.  P.98.  R.25. 

9.  Tag.  Morgens:  T.  37,2.  P.  80.  R.  19. 

Abends:  T.  40,4.  P.  114.  R.  24  und  nach  21  Ein- 
wiekehmgen  von  8<*  T.  39,a  P.  108.  R.  27. 


140  VIU.  &.  y$U,  üeber  di«  in  der  gebartshfllfl.  RUiiik  ni  Bonn 


10.  Tag.  Morgens :  T.  40,0.  P.  110.  R.  28. 

NachiDitt2Uhr 

T.  40,3. 

Abends:    T.  40,0.  P.  118.  R.  29. 

11.  Tag.  Morgens:  T.  39,9.  P.  108.  R.  25. 

Abends:    T.  40,5.  P.  128.  R.  27. 

12.  Tag.  Morgeus:  T.  38,2.  P.  100.  R.  22. 

Abends:    T.  40,4.  P.  124.  R.  26. 

Ordin.  Chinin. 

gr.  X. 
13.  Tag.  Morgens:  T.  38,2.  P.  96.  R.  20. 

Abends:    T.  40,6.  P.  112.  R.  26. 

Rechtsseitiger 

Schmerzen  wegen  kalte  Umschläge. 
14.  Tag.  Morgens:  T.  37,6.  P.  96.  R.  23.  PoUicularkatarrh 
des  Dickdarms.  Die  Auftreibung  des  Leibes  ge- 
stattet nicht,  bis  zu  den  oberen  Grenzen  des  Tu- 
mors vorzudringen,  der,  wie  die  Vaginaluuter- 
suchung  ergiebt,  oberhalb  der  Seheide  und  neben 
dem  Uterus  liegt,  und  vorzugsweise  dessen  rechte 
Seite  begrenzt. 
Abends:    T.  40,6.  P.  116.  R.  28. 

Das  hectische  Fieber  mit  T.  37t4— 38,3  des 
Morgens  und  T.  40,4 — 38,9  des  Abends  dauert 
bis  zum  42.  Tage  fort.  Nadi  dieser  Zeit  ist  noch 
eine  Woche  lang  rechts  ein  harter,  empfindUcher, 
aber  an  Umfang  abnehmender  Tumor  zu  con- 
statiren. 

Die  übrigen  neun  Fälle  betrafen  schwere,  und  mit  Aus- 
nahme von  zweien,  todtlich  verlaufend.e  Erkrankungen.  In  vier 
entwickelte  sich  eine  diffuse  Peritonitis,  find  in  drei 
von  diesen  neben  Peritonitis  auch  Pleuritis. 

Vierter  PalL 
Endometritis  diphtheritica.   Parame Iritis  mit  aus- 
gedehnter  Thrombose   der  Lymphgefässe.     Peri- 
tonitis.  Pleuritis.   Beginaende  metastatische  Ent- 
zündung des  Schultergelenks. 

1.  Tag.  Morgens:  T.  37,7.  P.  60.  R.  15. 

Abends:     T,  37,9.  P.  60.  R.  17. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  37 J.  P.  56.  R.  1&    Danach    Schut- 


im  Sommer  1864  und- Wtster  186^^  anfgetretenep  ete.    14t 

telfrost,  linksseitige   Sehmerzen.  Ord.  Ol.  ridn. 
2  Mal  iß. 

Abends:    T.  39,4  P.  106.  R.  32.  OL  nein.  iß. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  39,4.  P.  106.  R.  32.  Stuhiausleenin- 

g^n   sind  nicht  erfolgt,    um   10  Uhr  tritt  zwei- 
maliges Erbrechen  ein. 
Mittags:  T.  39,6.  P.  124.  R.  34.       Eisumschläge. 

Calomel.   gr.  vi.  und  dann  gr.  ii.  zweistöndlich; 

Ungt.   einer.   3i   zweistöndlich.      Die  erste   Gabe 

des  Calomel  wird  ausgebrochen. 
Abends:     T.  39,5.  P.  136.  R.  25.      Die     Kranke 

bricht  in  der  Nacht  drei  Mal,   und  entleert  dabei 

einen  Spulwarm  mit. 

4.  Tag.  Morgens:  T.  38,9.  P.  124.  R.  28. Nicht unbelrScht- 

lieber  Meleorismus. 
Abends:    T.  39,2.  P.  126.  R.  38. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  38,6.  P.  116.  R.  44.     Einmaliges  Er- 

brechen.    Da  noch  immer  kein  Stuhlgang  erfolgt 
ist,  ein  Clysma,  aber  ohne  Erfolg. 
Abends:     T.  38,9.  P.  124.  R.  34.    Schmerzen    in 
der  linken  Schulter. 

6.  Tag.  Moi^ens:  T.  38,5.  P.  118.  R.  50.  Ein  Clysma  mit 

Zusatz  von  Ol.  terebinth.  Sü  bewirkt   zwei  Aus- 
leerungen. 
Abends:    T.  38,9.  P.  128.  R.  48.  Der  Leib  ist  nur 
links  vom  Uterus  empfindlich. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  39,5.  P.  146.  R.  46.  Seit  zwei  Tagen 

Husten.    In  der  hinteren  unteren  Partie  des  Tho- 
rax ist  links  der  Schall  gedämpft,  die  Dämpfung 
aber  nicht  genau  begränzt;  das  Athmen  bronchial. 
Mittags  2  Uhr:  T.  39,8.  P.  156.  R.  52. 
Abends:    T.  39,7.  P.  156.  R.  44.    Athmen  ange- 
strengt; Rewusstsein  gestört;  Unruhe. 
Am  8.  Tage  früh  6^/2  Uhr  erfolgte  der  Tod. 
Seqtion'):    Zwerchfell  bis  zur  vierten  Rippe  aufwärts 


1)  Die  äectionen  sind  entweder  von  Hrn.  I^rof.  C  0,  Weber 
oder  bei  behinderung  de89elben  von  dem  A^slAtented  de«  patho- 
lo^sebanatomisob«!!  Inttitnto  anageffihrt  wovden. 


142  Vill.  G,  Veit,  Ueb^r  4ie  in  der  ^ebvrUhiU.  KlMk  in  Bona 

.  gedrangt.  Auf  der  recblen  Lunge  ist  der  seröse  Ueberzog 
trübe  und  rauh;  die  oberen  Lappen  trocken  und  hinten,  wie 
der  ganze  untere,  hyper&misdi.  In  der  linken  Pleurahöhle 
ein  ziemlich  reichliches,  tröbes,  flockigee  Ezsadat;  .auch  der 
Ueberzug  der  Lunge  ist  auf  dem  unleren  Ltfppen  und  dem 
Rande  des  oberen  mit  flockigen  Massen  bedeckt  und  der 
untere  Lappen  comprimirt,  luftleer.  Herzüberzug  trübe ;  unter 
demselben  sind  auf  der  hinteren  Seite  beider  Ventrikel  kleine 
Ecohymosen  sichtbar ;  int  rechten  Ventrikel  liegen  zähe,  stark 
mit  den  Muskeln  verfilzte  Gerinnsel,  die  Musculatur  ist  murine, 
blass  und  mit  Eechymoseu  besetzt.  Der  Leberuberzug  ist 
diffus  getrübt  und  hinten  flockig  belegt;  das  Parenchym 
bruchig,  roth  marmorirt.  Milz  gross;  die  Kapsel  trübe  und 
pit  flockigem  Beschläge  versehen;  das  Parenchym  zerOies- 
send  und  von  Ecchymosen  durchsetzL  Das  Bauchfell  zeigt 
besonders  an  den  unteren  Partien  über  dem  Dünndärme  und 
längs  des  Colon  sowie  auf  der  Rückseite  der  Bauchwand 
einen  flockigen,  eiterigen  Beschl^g,  der  nach  dem  kleinen 
Becken  hin  zunimmt  und  auf  dem  gänseeigrossen  Utmiis 
stark  hervortritt.  Die  V.  V.  spermat.  und  die  V.  cava  sind 
mit  flüssigem  Blute,  dem  einzelne  Gerinnsel  beigemengt  er- 
scheinen, gefülUt.  Die  Lympbgefässe  der  linken  Seite  enthal- 
ten vom  Beoken  aufwärts  4hs  zum  Receptaculom  chyli  einen 
gelblichen,  zähen  Eiter;   die  Lymphdrüsen   sind  massig  ver- 

..grössert.  Auch  an  der  rechten  Seite  des  Uterus  ist  diese 
eiterige  AnfüUung.  der  Lympbgefässe  bis  zur  Arter.  iliac. 
comm.  zu  verfolgen«  Auf  der  vorderen  Fläche  der  C^bär- 
matter  schimmert  ein  zum  Umfange  einer  Boteie  erweitertes 
gelbes  Lymphgefass  durch,  das  als  derber  Strang  in  die  Mus- 
cniatur  triU.  .  Beide  Eierstöcke  stark  angesehwollen;  ihre 
Oberfläche  exulcisrirt;  von  diesen  Geschwüren  gelangt  man 
in  rundliche  Höhlen,  welche  links  geräumiger  als  rechts  sind. 
Die  Tuben  mit  flockigem  Eiter  bedeckt.  Die  innere  Ober- 
fläche des  Uterus  ist  mit  eiterig  zerfaUenden  Massen  bedeckt; 
an  der  Placentarstelie  ausserdem  ein  eiteriger  Zerfall  des  Ge- 
webes wahrzunehmen.  Die  Schleimhaut  der  Vaginalpartie  ist 
eiterig  infiltriK  und  theilweise  in  diphtheritische  Fetzen  ab- 
gelöst Zur  Seite  des  Uterus  an  der  Insertion  der  breiten 
Ligamente  ist  eine  diffuse  eiterige  Infiltration  des  Bindegewe- 


im  Sommer  1864  uüd  Winter  1864/65  aafgetreteoen  ete.     143 

bes   vorbanden.    Die   Schleimbaut   des  Magens   und   Ddnn- 
darms  zeigt  eine  fleckige  Hyperimie. 

Im  linken  Schullergelenke  ist  eitriger  Schleim  und  eine 
Aaschwelhing  der  SynoviaUs  zu  bemerken. 

Fünfter  FaU. 

Endometritis.     Parametritis    mit   ausgedehnter 

Thrombose  der  Lymphgefässe.    Peritonitis. 

Pleuritis. 

1<  Tag.  Va  Stunde  nach  der  Niederkunft:  T.  36,8.  P.  70. 
R.  21. 
Abends:    T.  37,9.  P.  76.  R.  28. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  37,6.  P.  76.  R.  19.  Die  Einrisse  der 

Scheide  sehen  gut  aus. 
Abends:    T.  40,0.  P.  104.  R.  20.     Ord.  Calomel, 
gr.  V. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  40,6.  P.  122.  R.  88.  Leib  unten  auch 

bei  der  leisesten  Berährung  schmerzbafl.  Galo- 
mel.  gr.  v. 
Abends:  T.  40,2.  P.  114.  R.  92.  Drei  dünne  Aus- 
leerungen, nach  denen  die  Kranke  nackt  in  <K)r 
Stube  herumgelaufen  ist.  Galomd.  gr.  v  zwei 
Mal,  worauf  bis  zum  andei*en  Morgen  10  StMlle 
erfolgen. 

4.  Tag.  Morgens:  T.  39,7.  P.  110.  R.  30.  Leib  nur  noch 

rechts  empfindlich. 
Abends:    T.  40,4.  P.  110.  R.  44.  Magnes.  suif.S/}. 
Drei  Ausleerungen. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  39,9.  P.  104.  R.  38.  Fünf  StAMe. 

Abends:  T.  40,9.  P.  104.  R.  62.  Naebts fünfzehn 
Stühle,^  Unruhe,  Delirien.  "^ 

6.  Tag.  Morgens:' T.  40,2.  P.  106.  R.  46. 

Abends:  T.  40,8.  P*  120.  R.  52.  Heftige  spontane 
Schmerzen,  besonders  links;  dabei  der  Leib  gegen 
Berührung  äusserst  empBndtiefa  und  meteoriscisch 
aufgetrieben;  in  der  Lage  auf  der  linken  «Seite 
ist  freies  Exsudat  bis  zur  halben  Nabelhöhe  nach- 
weisbar.    Ord.  Eieumscbläge.    Nachts  Delirien. 


144   VUL  Q.  VeU,  Uober  die  in  der  gebortohdlfl.  KUalk  sa  Bonn 

7.  Tag.  Morgens:  T.  39,9.  P.  104.  R.  60.  Zwercbfeil  imt 

aufwärts  gedrängt. 
Abends:    T.  40,2.  P.  108.  R.  60.  Ein  Clysma  mit 
Ol.  terebinth.  Sii  enlfemt  Kotb  und  viele  Flatus. 
Nachts  Delirien. 

8.  Tag.  Morgens:  T.  39»3.  P.  118.  R.  46.    Der  Hetaoris- 

mus  ist  geringer.     Calomel.  gr.  ii  zweistöndlicfa, 
UngL  hydrarg.  ein.  3i  zwei  Mal. 
Abends:     T.  39,8.  P.  144.  R.  50.  Die  Delirien  des 
Nachts  dauern  fort.     Ein  Stuhl. 

9.  Tag.  Morgens:  T.  39,5.  P.  134.  R.  50.    Der  Meteoris- 

.  mus   ist  noch    immer  geringer   als   früher;    das 
Exsudat  nfanmt  zu. 
Abends:     T.  39,8.  P.  158.  R.  58. 
10.  Tag.  Morgens:  T.  39,5.  P.  nicht  zu  füMeii.  R.  48.    Be- 
wusstsein  frei. 

Um  9  Uhr  früh  stirbt  die  Kranke. 

Section:  Hirnhäute  und  Gehirn  blutreich;  an  der  inne- 
ren Oberfläche  der  Dura  mater  eine  dünne  Gallertschicht  mit 
einzeben  punctförmigen  Extravasaten. 

In  der  rechten  Pleurahöhle  ein  Schoppen  trüber,  gelbe 
Flocken  enthaltender  Flüssigkeit;  Costalpleura  hyperämisch 
and  stellenweise  mit  Pseudomembranen  belegt,  ebenso  das 
Lungenfell;  der  untere  Theil  des  unteren  Lappens  compri- 
mirt,  luftleer.  Im  rechten  Herzen  ein  ziemlich  derbes,  gelb- 
liches Gerinnsel. 

In  der  stark  ausgedehnten  Bauchhöhle  eine  ziemliche 
Menge  brauugelber  Flüssigkeit;  Peritonfium  stark  vascularisirt; 
Darmschlingen  durch  dicke,  gelbliche  Pseudomembranen 
verklebt. 

Milz  mit  Pseudomembranen  bedeckt;  Kapset  faltig,  Pulpa 
bveiig.  Lebei*überzug  hyperdmisch.  Das  geronnene  Exsudat 
nimmt  nach  dem  kleinen  Becken,  und  insbesondere  der  vor- 
deren Fläche'  des  Uterus  hin  zu.  Die  innere  Fläche  des 
letzteren  ist  mit  eiterigen,  missfarbigen  Schorfen  bedeckt,  die 
nicht  ganz  oberQächlich  aufsitzen;  die  Placenlarstelle  in  der 
Umgebung  der  kleinen  Thromben  unregelmässig  exulcerirt.  In 
den  äussere^  seitlichen  Schichten  sind  stark  erweiterte,  mit 
ziemlich  dickem  Eiter  gefüllte  Lym.pl^fässe  vorhanden,  welche 


im  Sommer  tM4  and  Winter  1864/B5  anfgatfetenen  etc.  145 

gegen  den  Cervit  hin  weiter  werden,  und  sich  bis  nach  den 
stark  angeschwollenen,  ödeniatösen  Ovarien  bin  erstrecken. 
Retroperilonäaldriisen  grösser  und  weicher  wie  im  normalen 
Zustande.  Auch  in  dem  Peritonäum  viscerale  sieht  man  ge- 
fällte Lymphgeßisse ,  und  der  seröse  Ueberzug  des  Darms 
selbst  ist  byperamisch. 

Sechster  FalL 

Endometritis.     Parametritis.     Peritonitis.     Nach 
dem  Eintritt  von  Salivation  Besserung. 

1/2  Stunde  nach  der  Niederkunft:    T.  37,6.  P.  80.  R.  24. 
Der  gerissene  Damm  wird  genäht. 

1.  Tag.  Morgens:  T.  37,6.  P.  80.  R.  18. 

Abends:     T.  39,4.  P.  114.  R.  34.     In   der  Nacht 
heftige  Kopf  und  Leibschmerzen. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  40,6.  P.  126.  R.  30.    Leib  sehr  em- 

pfindlich. Zwei,  rechts  und  links  von  der  Flarri- 
röhre  gelegene  Schleimhautrisse  sind  dick  gelb 
belegt.  Ord.  Calomel.  zuerst  gr.  v  und  dann 
gr.  ii  zweistündlich;  14  Blutegel  in  beide  Wei- 
chen. Eisblasen. 
Abends:  T.  39,4.  P.  120.  R.  26.  Schmerzhaftig- 
keit  geringer;  zwei  Ausleerungen  sind  erfolgt. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  40,1.  P.  124.  R.  33.  Schmerzen  em- 

pfindet die  Kranke  nur  rechts.   Risse  wie  früher. 
Linke  Scharolefze  angeschwollen,  Ungt.  ein.  3i. 
Abends:     T.  40,7.  P.  144.  R.  30.     Sie    hat    drei 
Stühle  gehabt  und  klagt  über  bedeutende  Sehmer- 
zen und  Unruhe.     Ungt.  ein.  3i.  Contin.  Calomel. 

4.  Tag.  Morgens:  T.  39,6.  P.  126.  R.  30.    Am  Zahnfleisch 

ist   ein   bUulicber  Rand   sichtbar,    weshalb  das 
Quecksilber  ausgesetzt  wird.    Die  Risse  sind  zum 
Theil  gereinigt. 
Abends:     T.  39,9.   P.  132.   R.  32.    Sie   hat  eine 
Ausleerung  gehabt  und  klagt  noch  über  Schmerzen. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  39,6.    P.  122.    R.  34.     Zwei  Stühle. 

Die    wieder    schlechter   aussehenden    Geschwüre 
wurden  mit  Arg.  nitr.  geätzt.     Um  3  Uhr  Nach- 

Monatnachr.  f.  Oeburtuk.  1866.  Bd.  XXVI..  Hft.  2.  10 


146  VIII.  Q.  V$itj  üftb«r  die  In  der  frebnrlsblUi.  KUnik  sa  Bonn 

mittiigs  ein  SchüUdfrost  mit  T.  42,1.  P.  148. 
R.  44.  Der  Unrabe  wegen  Morph,  mur.  gr.  y^, 
und  ausserdem  Chinin,  gr.  x. 
Abends:  T.  39,6.  P.  12&  R.  29.  Eiue  halbe  Stmide 
später  zweiter  Scbdttelfirost  mit  T.  41,7.  P.  164. 
R.  20;  Chinin,  gr.  x.  um  S%  Uhr:  T.  39A 
P.  132.  R.  32.  Heftiges  Ohrensausen.Morph.gr.  »V 

6.  Tag.  Morgens:  T.  37,3.  P.  104.  R.  29.  Schwere  im  Kopf ; 

Puls  aussetzend  und  ungleich. 
Abends:    T.  39,6.  P.  120.  R.  32.    Sie  idagl  noch 
über  Leibschmerzen. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  39,7.  P.  114.  R.  26.  Mittags  dritter 

Frost  mit  T.  41,5  ^ 
Abends:     T.  40,1.  P.  126.  R.  30.   Nach  zwei  Mal 
5  Granen  Chinin  u.  einer  Ausleerung:  Morph,  gr.  ^4. 

8.  Tag.  Morgens:  T.  40,0.  P.  110.  R.  28. 

Abends:     T.  40,5.  P.  122.  R.  30.    In  den  leUten 
24  Stunden  vier  Stuhle.    Morph,  gr.  ^4- 

9.  Tag.  Morgens:  T.  39,0.  P.  120.  R.  28.  Vier  dünne  Aus- 

leerungen. 

Abends:     T.  39,8.  P.  116.  R.  32.   Morph,  gr.  Vi- 

Kein  Schlaf.     £in  Stuhl.  Leibschmerzen. 

10.  Tag.  Morgens:  T.  39,8.  P.  110.  R.  30.     In   der  linken 

Nachbarschaft  der^  Gebärmutter  ein  empfindiicber 
Tumor. 
Abends:  T.  40,1.  P.  112.  R.  28.  Extract.  opii  gr. /3 
SstOndiicb. 

11.  Tag.  Morgens:  T.  30,2.  P.  112.  R.  28.  Eine  Ausleerung. 

Leibsehmerzen. 
Abends:  T.  39,5.  P.  112.  R.  27.     Wegen  drohen- 
den Decubitus  Wasserkissea.    Morph,  gr.  ^.'4  mit 
nachfolgendem  Schlaf. 

12.  Tag.  Morgens:  T.  40,0.  P.  116.  R.  26.  Eine  Ausleerung. 

Abends:     T.  39,6.  P.  114.  R.  26. 
18.  Tag.  Morgens:  T.  38,7.  P.  108.  R.  24.    Die    Schmerzen 
geringer. 

Abends:    T.  38,9.  P.  98.  R.  28.  Z wer  Ausleerungen. 
14.  Tag.  Morgens:  T.  38,3.  P.  108.  R.  32.   Eine  Ausleerung. 


im  Sommer  1604  oad  Winter  1864^  aufgetretenen  eto.    147 

Um  lOVftültf  f  ierter  Prost  mit  T.  41,3.  P-  140. 

R.  46.  Ke  HiUe  fallt  langsam  ab  auf  39,6  <>. 
Abends:  T.  39,8.  P.  HO.  R.  34. 
lo  der  folgenden  Zeit  dauert  die  Diarrhoe,  mit  hectiscbem 
Fieber  verbunden,  fort.  Der  Uterus  steht  hoch  und  ist  na- 
mentlicb  nach  rechts ,  wo  etwas  unterhalb  der  Nabelbohe  ein, 
langsam  an  Umfang  verlierender  Turner  an  seinen  Winkel 
stösst,  fixirt.  Die  nach  links  von  ihm  befindliche  Partie  des 
Unterleibes  gewäbrl  ein  Gefühl,  wie  Emphysem;  druckt  man 
anhallend  auf,  so  entsteht  ein  pldliliches  Gurren  in  den  an- 
gelölheten  Darmschlingen.  Die  der  Kranken  noch  immer 
sehr  lästigen  Kolikschmerzen  verstärken  sich  oft.  Am  25.  Tage 
wird  die  Temperatur  Abends  normal;  auch  Diarrhoe  und 
Schmerz  sind  verschwanden.  Den  Irnks  von  der  Gebärmutter 
früher  gelegenen  Tumor  kann  man  nicht  mehr  wahrnehmen; 
den  intraperitonäal  gelegenen  rechten  «desgleichen  nicht  mehr 
deutlich  füllen;  die  Gebärmutter  ist  aber  noch  wenig  be- 
weglich und  bleibt  in  die  Höhe  gezerrt.  Der  weitei*e  Fort- 
gang der  Reconvalescenz  wird  durch  eine  Mastitis,  welche  am 
26.  Tage  beginnt,  und  mit  vier  Abscedirungen  endjgt,  ver- 
zögert. Acht  Wochen  nach  der  Geburt  steht  die  Gebärmutter 
noch  auffalleod  hoch,  und  erschehit  jetzt  miit  dem  Grunde 
etwas  nach  links  gerichtet. 

Siebenter  Fall. 
Endometritis  mit  Gangrän  der  Schamlefze.  Throm- 
bose der  Lymphgefässe.   Peritonitis.   Pleuritis. 

1.  Tag.  Morgens:  T,  3»,1.  P.  108.  R.  24. 

Abends:     T.  37,9.  P.  80.  R.  16. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  40,7.  P.  128.  R.  24.     Ord.    Calomel. 

gp.  ii  zweistündlich» 
Abends:     T.  40,9.  P.  124.  R.  26.      Acht  Auslee- 
rungen. 

3.  Tag,  Morgens:  T.  40,6.  P.  124.  R.  33.    Vier  Ausleerun- 

gen.    Unterleib  empfindlich   und   rechts  spontan 
schmerzhaft. 
Abends:     T.  41,0.  P.  120.  R.  30.  Nachts  stärkere 
Schmerzen. 

10* 


148  Vl'l-  ^'  ^«^<f  Ueber  die  in  der  gebartshfitö.  Klinik  sa  Bonn 

4.  Tag.  Margen»:  T.  40,6.  P.  116.  R.  34.     Metcorismus. 

Die  Schmerzen  lassen  nach  10  Blutegeln  nach. 
Abends:     T.  39,6.  P.  108.  R.  26. 

5.  Tag.  Morgens :  T.  40,5.  P.  122.  R.  24. 

Abends:     T.  41,0.  P.  122.  R.  38. 

6.  Tag.  Morgens:  T.  40,7.  P.  126.  R.  32.   Das  rechte  La- 

bium  stark  geschwollen,  aber  nicht  ödeinatös,  son- 
dern hart.  Ein  kleiner,  rechts  vom  Frenulam 
gelegener  Riss  missfarbig.  I^cbien  eiterig. 
Abends:  T.  40,8.  P.  1^.  R.  28.  Die  Kranke 
ist  sehr  unruhig,  phantasirt,  Haut  und  Zunge 
trocken. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  39,2.  P.  126.  R.  24.    Chinin,  gr.  x?. 

Abends:  T.  40,7.  P.  134.  R.  51.  Die  Unruhe  so 
gross,  dass  die  Kranke  kaum  im  Bette  zu  halten 
ist.  In  der  Nacht  tobt  sie  und  läuft  in  das  an- 
stossende  Zimmer.  « 

8.  Tag.  Morgens:  T.  40,8.  P.  150.  R.  54.    Nasskalte   Ein- 

wickeluiigen  vermindern  die  T.  auf  40,0,  der 
.  P.  auf  130,  die  R.  auf  44.  Um  3Va  Uhr  aber 
bereits  T.  40,9,  P.  136,  R.  46;  Patientin  alhniet 
schnarchend  und  spricht  viel.  Nach  23  Ein- 
packungen (9-^10")  um  41/2  Uhr:  T.  39,2, 
P.  122,  R.  40.  Während  derselben  wird  die  Kranke 
klarer,  giebt  Zeichten  des  Wohlbehagens  und  ver- 
langt die  Fortsetzung  der  Kur. 
Abends  7%  Uhr:  T.  40,2,  P.  128,  R.  44,  und  nach 

23  Einpackungen: 
T.  39,4,  P.  128,  R.  36.     In    der 
Nacht  grosse  Unruhe  und  De- 
hnen. 

9.  Tag.  Morgens:  T.  42,1.  P.  176.  R.  60.  Piatientin  ist  völ 

lig  ohne  Besinnung  lind  murmelt  ab  und  zu  un- 
verständliche Worte.  Die  Respiration  ist  sehr  an- 
gesti*engt;  dicke  Schweisstropfen  stehen  vor  der 
Stirn;  die  Lippen  sind  dick  belegt.  Puls  kaum 
zu  fühlen,  und  wegen  des  vorhandenen  Sehnen- 
hüpfens nicht  zu  zählen,  wesshalh  er  nach  dem 
Herzchoc   bestimmt   wird.     Um  9  Uhr  wm*de  sie 


»1 

2 

,.      T. 

'> 

3V, 

f,       T, 

»1 

4% 

,f       T, 

ff 

6V4 

f,      T. 

ff 

9 

„      T. 

ff 

10V4 

„       T, 

L  Tag.  Morgens: 

T.  42,1. 

im  Sommer  1864  und  Winter  1864/56  anfge traten en  «tc.    149 

in  22  Laken  von  13^  und  iinmittdbar  darauf  in 
27  von  5^  eingehüllt. 
Uro  11  Va  Ubr:   T.  37,6.  P.  132.  R.  42.    Bei  den 
letzten   Einpackungen   lispelt   sie  Worte,    welche 
ihre  Befriedigung   und   ihren  Wunsch  nach  Fort- 
setzung der  Abkühlung  andeuten. 
Um  12V«  Uhr-  T.  38,2.  P.  136.  R.  42. 
T.  39,8.  P.  144.  R.  44. 

40,4.  P.  148.  R.  46.  Nach  aber- 
maligen 27  Einwickelungen. 
38,3.  P.  130.  R.  44. 
39,8.  P.  140.  R.  46. 
40,2.  P.  154.  R.  50.    Nach  35 
Einwickelungen  (5—10^). 
37,2.  P.  118.  R.  39. 
P.  162.  R.  58.  Befinden  wie  am 
Morgen  des  9.-  Nach  39  Einpackungen  (5—10^). 
Um  9V«  Uhr:  T.  37,9.  P.  144.  R.  50  und  nach  je 

weiteren  70  Minuten 
T.  38,6.  P.  152.  R.  54. 
T.  39,7.  P.  146.  R.  52. 
T.  40,6.  P.  152.  R.  60. 
T.  41,4.  P.  142.  R.  48. 
Um  2Va  Uhr  erfolgt  der  Tod  bei  T.  41,6. 
Section:  Hirnhäute  und  Hirnsubstanz  hyperämisch.    fni 
rechten    Pleurasäcke    zwei   Schoppen    trüber,   eiteriger,    aiK 
grüngelben    Flocken    vermischter    Flüssigkeit;    Lungen-    und 
Costalpleura    in   grosser   Ausdehnung    verklebt;    der   untere 
LuBgcnlappen  in  Folge  von  Gompression  luftleer.     Die  linke 
Lunge  ist  an  ihrem  vorderen  Rande  mit  faserslofBgem  Exsu^ 
date  belegt,   und  dadurch  adherent     Im  rechten  Herzen  ein 
grosses  Fa9erstoffgerinnsel. 

Gedärme  stark  aufgetrieben.  Der  Ueberzug  der  Leber 
etwas  getrübt,  in  ihrem  Gewebe  kleine  gelbliche  Einlagerungen. 
Milz  ziemlich  gross;  Kapsel  faltig;  Pulpa  zerfliessend,  chooo- 
ladenfarben.  Bauchfeit  uach  dem  kleinen  Becken  zu  getrübt, 
hyperämisch,  mit  Ecchymosen  bedeckt.  Rechts  adhärirt  eine 
Dfinndarroschlinge  an  der  das  Lig.  rotund.  einschliessenden 
Falte,  links  die  Flexura  iliaca   1"   weit  fest  an  dem  Uterus, 


150  ^^^^'  ^'  ^m'<i  Udber  die  in  der  ^bortibillfl.  Ktinlk  feil  Bonn 

mit  dem  unten  auch  die  linke  Tobe  verklebt  ist  Die  Gebär> 
mutter  erscheint  schlafT,  die  höckerige  Placenln^stelle  miss- 
faii)ig;  rechts  findet  sich  an  der  Innenfläche  ein  groschen- 
grosses  Geschwür  mit  zackigen  Rändern,  und  weiter  unten 
ein  kleineres,  in  den  äusseren  Schichten  sind  namentlich 
h'nks  erweiterte  und  mit  Eiter  gefüllte  Lyniphgeßsse  for- 
banden;  der  äussere  Theil  der  linken  Tube  ist  ebenfalls 
erweitert  utid  miit  grünlich  gelbem  Eiter  gefüllt;  die  rechte 
Tobe  normal;  die  Eierstöcke  nicht  angeschwollen.  Die  grös- 
seren Beekenvenen  enthalten  dunkles  flüssiges  Blut 

Die  grossen  Schamlefzen  sind  angeschwollen,  die  rechte 
zum  Theil  in  einen  gelblicfaweissen  diphtberitischen  Schorf 
umgewandelt 

Unter  den  letzten  5. schweren  Erkrankungen  befanden 
sich  zwei,  bei  welchen  die  localen  Veränderungen  unbedeutend 
blieben  ond  die  Septicaemie  früh  in  den  Vordergrund  trat 
(F.  9  u.  10),  und  drei,  ici  denen  sich  Thrombosen  der 
Venen  entwickelten.  Einen  ?on  diesen  letzteren  nehme  ich 
hier  vorweg,  weil  nicht  die  Venenthrombose,  sondern  die 
Septicämie,  welche  ans  der  mit  Lymphgefassveränderungen 
verbundenen  Metritis  nesultirte,  und  die  aus  der  Septicämie 
hervorgehenden  fläcbenartigen  Entzündungen  dein  Krankheits- 
verlaufe vorwiegend  das  Gepräge  autdrückten: 

Achter  Fall. 
Metritis.  Thrombose  der  Lymphgefässe.  Throm- 
bose der  rechten  Cruralvene  mit  Zerfall  des 
Pfropfes.  Metastatische  Entzündung  des  linken 
Kniegelenkes  und  des  angrenzenden  interstitiellen 
Bindegewebes,  sowie  des  Bindegewebes  am  rechten 

Vorderarme. 

1.  Tag.  Nachmittags  4  Uhr  (gleich   nach  d«r  Entbindung) 

T.  87,  9.  P.  58.  R.  20. 
Abends;    T.  38,4.  P.  72.  R.  18. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  39,8.  P.  90.  R.  26. 

Abends:    T.  40,2.  P.  100.  R.  24. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  89,4.  P.  110.  R.  22. 

Abends:     T.  40,9.  P.  126.  R.  35.    Schmerzen   aaf 
Druck.  Ol.  ricin.  Wasserumschläge. 


im  Soaun^r  1864  oad  Winler  1864/B6  anfgetreienen  6tc.  151 

4.  Tag.  Morgens:  T.  39,5.  P.  92.  R.  16. 
Abemto:    T.  39,7.  P.  94.  R.  38. 
&  Tag.  Moi^ens:  T.  39,3.  P.  96.  R.  30.     Die  Sutureo  am 
Perinaeum  werden   entferot,    der  Riss  erscheint 
vereinigt.     Dicke,  eiterige  Lochien. 
Ahends:    T.  40,3.  P.  96.  R.  32. 

6.  Tag.  Morgens:  T.  40,2.  P.  96*  R.  20. 

Abends:    T.  40,8.  P.  104  R.  44. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  41,3.  P.  112.  R.  33. 

Abends:    T.  41,2.  P.  114.  R.  34.     . 

8.  Tag.  Moi^ens:  T.  39,7.  P.  110.  R.  50. 

Abends:    T.  40,4.  P.  114.  R.  50. 

9.  Tag.  Morgens:  T.  40,6.  P.  114.  R.  32. 

Abends:    T.  40,4.  P.  112.  R.  50. 
10.  Tag.  Morgens:  T.  40,5.  P.  112.  .R.  52. 

Abends:    T.  40,8.  P.  122.  R.  42.    Das  linke  Rein 

ist  geschwollen   und    sehr   schmerzhaft,   und   die 

Kranke  beginnt  zu  deliriren.    Am   14.  hegt  sie 

TölUg  typhös  da,    bat  Flockenlesen  und  gleitet. 

nach  dem  unteren  Rettende  herab.     Am  15.  fällt 

die  Temperatur  zuerst  wieder  Abends  nnter  40^; 

später  tritt  hinlen   und    links    am  Thorax   eine 

Dämpfung  mit  Knisterrasseln  ein,  und  endlich  ent> 

wickelt  sich  an  dem  rechten  Arme  um  den  $ujn- 

nalor  longus  ein  Abscess,.der  eröffnet  wird.    Mit 

einer  floctuirenden  Geschwulst,  welche  rom  Koken 

Knie  bis  oben  in  die  ^Weiche  reicht,   stirbt  die 

Kranke  am  37.  Tage. 

?ection.    Die  rechte  Lunge  ist  m  ihrem  oberen   und 

mittleren   Lappen  trocken,    in .  dqm  unteren  mäs/ng   feucht, 

durchweg  lufthaltig;  die  linke  unten  luftleer,  aber  von   den 

Bronchien  her  aufzublasen.     Im  rechten  Herzen  ein   grosses, 

festes,  gelbliches  Gerinnsel. 

Leber  ödematös.  Milz  massig  gross,  blass,  weich.  In 
den  Nieren  die  Corticalsubstanz  fettstreifig.  Im  kleinen  Becken 
ein  Sclioppen  braungelber  Flüssigkeit.  «An  der  Portio  vagi- 
nalis des  Uterus  finden  sich  zwei  kleine  Geschwüre«  ein  rechts 
gelegenes,  ziemlich  tiefes,  von  P/a'^'  Breite  und  3'^'  Länge 
und   ein  linkes  oberflächliches;   die  Lymphgefässe   hier   sind 


152  ^IH  ^-  ^^^  Uebor  dU  In  der  gebartolifili.  Klisik  mu  Bom 

mit  gelbem,  rahmigen  oder  käsigen  Eiter  gettUl,  und  lassen 
sich  mit  dieser  VerftndeniDg  durch  das  rectale  Ligam.  zum 
Ovarium  verfolgen,  treten  auch  unter  dem  Ueberzuge  der 
Gebärmutter  selbst  hinten  und  rechts  herror.  Die  Eierstöcke 
ö^ematös.  In  der  V.  ca?a  flüssiges  Blut;  in  der  rechten  V. 
cruralis  ein  derbes,  in  der  Mitte  eiterig  zerflossenes  Gerinnsei, 
welches  sich  von  der  Mitte  des  Schenkels  bis  in  die  V.  Y. 
tibial.  erstreckt;  ebenso  in  der  V.  profunda,  während  die  V. 
saphen.  nicht  verstopft  isL  In  dem  linken  (Hierschenkel  ist 
ein  Abscess  vorhanden,  welcher  unter  den  Extensoren  anf 
dem  Periost  vom  Knie  bis  zum  oberen  Drittel  des  Femor 
reicht,  und  mit  dem  durchbrochenen,  vereiterten  Kniegelenke 
communicirt;  die  anstossenden  Venen  sind  mit  Thromben 
gefüllt  und  verdickt  Auf  dem  rechten  Vorderarme  zwischen 
den  Pronatoren  ist  eine  Abscesshöhle  vorhanden,  welche 
gleichfalls  an  das  Periost  grenzt. 

Neunter  Fall. 
•Diphtheritische  Geschwüre  mit  Septicäroie.   Gene- 
sung. 

1.  Tag.  Mittags   llVa  Uhr  (gleich  nach   der  Niederkunft): 

T.  37,4.  P.  78.  R.  26. 
Abends:    T.  38,6.  P.  92.  R.  20. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  37,3.  P.  76.  R.  23. 

Abends:    T.  37,8.  P.  86.  R.  22. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  37,5.  P.  72.  R.  29. 

Abends:    T.  37,9.  P.  88.  R.  24 

4.  Tag.  Morgens:  T.  37,7.  P.  84.  R.  25. 

Abends:     T.  38,0.  P.  84.  R.  25. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  37,7.  P.  92.  R.  23. 

Abends:     T.  39,4.  P.  100.  R.  34. 

6.  Tag.  Morgens:  T.  40,3.  P.  116.  R.  38. 

Abends:     T.  40,0.  P.  118.  R.  36.    Uterus  links  in. 
geringem  Maasse  empfindlich;  die  Schnittwunden 
der  Labien  sind  in  Geschwöre    verwandelt,    und 
links  von*  der  Harnröhre  ein  drittes  vorhanden. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  38,2.  P.  96.  R.  28.    Die  Empfindlich- 

lichkeit  des  Uterus   hat   abgenommen,   hingegen 
klagt  Pat.  ober  Kopfschmerzen.    Lochien  normal. 


ym  Sooimer  1864  and  Winter  18$^  aofgetrelonea  etc.  153 

Abends:    T.  42,0.  P.  152.  R.  42.      SUrke    Kopf- 
schmerzen.    Calomel.  gr.  v.  drei  Maie. 
S.  Tag.  Morgens:  T.  40,4.  P.  130.  R.  38    nach    15    Aus- 
leerungen.   Chinin,  gr.  iv.  ein  Mal.   Mittags  2  Uhr: 
T.  41^ 

Abends:     T.  40,6.  P.  124.  R.  36.  Ohrensausen. 
9.  Tag.  Morgens:  T.  40,2.  P.  110.  R.  83.    Sensorium  frei; 
Geschwüre  gut  aussehend;  Lochien  leicht  übel- 
riechend. 

Abends:    T.  40,0.  P.  116.  R.  40.     Bluüger   Aus- 
fluss. 

10.  Tag.  Morgens:  T.  40,0.  P.  116.  R.  40.     Lochien  weiss. 

Um  2  Uhr  T.  40,6.   Gesichtstäuschungen.    Chinin, 
gr.  X.  Eisumschläge. 
Abends:     T.  40,3.  P.   120.  R.  46.      Patfentin    ist 
theilnabmlos  und  delirirt. 

11.  Tag.  Morgens:  T.  39,8.  P.  114.  R.  34.     Fat.    liegt   mit 

schnarchendem  Athmen  soporos  da.    Um  2  Uhr: 
T.  41 ,0^     Chinin,  gr.  v.  zweimal. 
Abends:    T.  40,6.  P.  144.  R.  40. 

12.  Tag.  Morgens:  T.  40,7.  P.  152.  R.  41.   Tiefes  Coma  mit 

dunkler  Röthung  des  Gesichts.  Lippen  und  Zunge 
mit  dunkler,  rissiger  Borke  bekgt.  Unwillkür- 
licher Abgang  ?on  Harn  und  Koth..  Die  Milz  ist 
massig  vergrössert,  keine  Roseola  verhanden.  Chi- 
nin, gr.  X.  Um  12  Uhr  T.  40,60.  Sieben  Ein^ 
Packungen  mit  15^,  während  deren  die  Kranke 
Leben  bekommt  und  zu  trinken  verlangt  Darauf: 
T.  38,8«,  aber  schon  um  2  Uhr  wieder  39,8^ 
und  ebenso  um  4t%  Uhr.  läe  wird  wieder  einge- 
wickelt, aber  nur  dreimal,  weil  die  vorhandenen 
Rasselgeräusche  dabei  zunehmen. 
Abends  7  Uhr:  T.  40,8  und  nach  7  Binwickelnngen: 
40,2.  Unruhige  Nacht. 
.13.  Tag.  Morgens:  T.  41,0.  P.  144.  R.  38.  Die  Puerperal- 
. geschwöre  sehen  gut  aus,  die  Lochien  riechen 
nicht  übel.  Stuhlausleerung  ist  seit  24  Stunden 
nicht  erfolgt,  der  unwillkürliche  Harnabgang  dauert 
forL    Nach  9  Einpackungen  39;6«;  ihr  Einfluss 


164  VUI.  Q.  V^Uy  Ueber  die  in  fler  g^lwrtsliaifl.  Klinik  sn  Boa«  etc. 

auf  das  Sensorium  ist  seiir  auflallig.  Um  27,  Uhr 
T.  40,7^,  tind  nach  11  Eiowickeknigen ,  die  ihr 
sehr  wohlgefaliefi,  und  einige  uBventäiidUche  Worte 
entlockten:  39,0^ 
Abends:  T.  39,7.  P.  144.  R.  33.  Nach  15  Eio- 
packuBgen:  T.  38,4. 

14.  Tag,  Morgens:  T.  41,2.  P.  162.  R.  42.    Nach    16   Ein- 

packungen T.  39,1- 

Mittags  2  Uhr:  T.  41,3;  nach  20Einp.  (10—14«) 
T.  39,2.  P.  14a  R.  34,    Chinin,  gr.  v. 

Abends:  T.  39,7.  P.  148.  R.  32;  nach  19  Einp. 
(80)  T.  37,8.  P.  128.  P.  38.  Während  jeder 
künstlichen  Abkühlung  blickt  sie  Yerständig  um- 
her, und  versucht,  Indees^i  ohne  Erfolg,  zu 
sprechen. 

15.  Tag.  Morgens:  T.  40,6.  P.  164  B.  38.     Nach  20.  Einp. 

<8<»)  T.  39,2.  P.  148.  R.  33. 
Nachmittags   2%  Uhr;   T.  40,5.  P.   168.  R.   38. 

Nach    22   Einp.   (8«)  T.  38,8.  P.  154.  R.   33. 

Chinin,  gr.  v. 
Abends:  T.  39,2.  P.  14ä  R.  29.    Die  Kranke   ist 

theiinehmender,   kanii  versUndiich  t»prechen  und 

yerlaligt    zu    essen.     Nach    21    Einp.  T.    38,3. 

P.  136.  R.  31.   Epistaxis  uterina.    Sehr  unruhige 

Nacht« 

16.  Tag.  Morgens:  T.  40,7.  P.  156.  &  44.  INach  21  Einp. 

T.  39,4.  P.  146.  R.  40. 
Nachmittags   2Vs   Uhr:   T.  39,8.  P.  152.  R.  38. 

Nach  20  Einp.  T.  38,9.  P.  132»  R.  34. 
Abends:     T.  38,9.  P.    138.  R.  36.   Chinin,  gr.   v. 

Nach   17  Einp.   T.  37,8.  P.  116.  R.  32.    Noch 

etwas  Metrorrhagie. 

17.  Tag.  Morgens;  T.  41,2.  P.  156.  R.  40.    Nach  10  Einp. 

Schüttelfrost  T.  40,8.  P.  148.  R.  38. 
Nachmittags   2%   Uhr:    T.  4Q,3.   P.   152.  a  40. 

Nach    22    Einp..  ohne     überniädsiges     Frieren. 

T.  39,5.  P.  136.  R.  40.    CWain.  gr.  v. 
Abends:     T.  39,0.  P.  130.  R.  36.  Patientin  spricht 

verstlndlicher,  2eigt  Appetit  und  schläft  gut.    Auf 


rX.    Notisen  ans  der  JonniAl- Literatur.  Ig5 

dein  Kreuzbeine  hat  sie  zwei  troekene»  schwarze 
Schorfe.  Nach  22  Ein  Wickelungen  T.  37,8.  P.  114. 
R.  38.  Wasserkissen. 

18.  Tag.  Morgens:  T.  38,8.  P.  132.  R.  32.     Chinin,    gr.  v. 
Patientin  ist  theilnehmender. 
Abends:    T.  39,8.  P.  124.  R.  44. 

Am  19.  Tage  ist  das  Sensorium  ganz  frei.  Die  Schorfe  des 
Decubitus  stbssen  sich  ab;  das  Fieber  bleibt  ge- 
ring. In  der  Nacht  zum  27.  Tage  ein  geringer 
Frost. 

27.  Tag.  Morgens:  T.  37,9.  P.  104.  R.  24. 

Abends:  T.  41,0.  P.  134.  R.  40.  Die  Inguinal- 
drufien  *  schwellen  rechterseits  an  und  vereitern  in 
der  nächsten  Zeit.  Nach  Entleerung  des  Abscesses 
am  40.  Tage  hört  das  Fieber  wieder  auf. 

50.  Tag.  Morgens:  T.  38,4.  P.  HO.  R.  28. 

Abends:  T.  40,4.  P.  120.  R.  30.  In  der  linken 
Achselhöhle  entwickelt  sich  ein  neuer  Drüsen- 
abscess,  und  bald  darauf  ein  dritter  in  der  rechten 
AxlHa.  Im  Leibe  treten  vorübergehende  Schmerzen, 
desgleichen  beim  Harnlassen  auf,  und  links  vom 
Uterus  fühlt  man  einen  kleinen  Tumor.  Nach 
neunwöchentlicher  Behandlung  kann  die  Kranke  als 
geheilt  entlassen  werden. 

(Forttetaong  folgt.) 


IX. 
Notizen  aus  der  Journal  «^Literatar. 

G.  L.  Bonnar:  Kritische  Untersuchung  über  Super- 
foetation  nebst  Fällen  von  solcher.  (Mitgelheilt 
in  der  Sitzung  der  Obstetrical-Society  zu  Edinburg,  23.  Nov. 
1864.)^ 

Die  Frage  ▼on  der  Mögüebkeit  einer  Snperfötation  ist  noch 
immer  eine  anenteehiedene*  £•  gab  eine  Zeit,  wo  man  diese 
für  onaweifelhaft  hielt,  eine  l'olgen4e,  wo  man  sie  alt  anhaltbar 


164  Vm.  O.  VeU,  Utbtr  die  i«  der  gebttrtolifilil.  KliniJ^ 

«f  das  Sensorhun  ist  sehr  auflä»»/^  ^»  •«"«  *•••••" 

...     </v  rr«  j       -u  i  1    I?:..-,-    '   •'•  »l«  wieder  n 

T.  40,7",  tind  nach  11  Emr  , 

sehr  wohlgefallea,  und  tmfr.    ^crfdtation    gerechnet 

entlockten:  39,0» 

Abends:      T.  39,7.  P.   '  •"  '  »der  Supereonceptioo, 
Packungen:  T.  38       '    Reichem  yerMhiedener  VSter 

14.  Tag.  Morgens:  T.  41,2        ^°  •  k'-«"«"/«  f ""-  — "f  »• 

*  ^  ^  roFBeitigem  Untergange  d  ei 

Packungen  T  ^^^j    ^j^^    andere    lur    Reife     gelangt. 
Mittags  2  U*^     fiitergangene  FStas 

T.  39^  y^^ Sil  ein  abgehen; 
Abends   jt^^Oibart  des  anderen,   selbst  ohne  Fäalni««,  im 
/pr    V^'^fiveileil. 

i'^titio  Vera,  wobei 
iir   ti^^  FÖtue  reif  geboren  wird,    während  der  noch 
^'  tl^^ife  bis    sa   seiner    Reife   and  Gebart    im   Uterus 

lg  r*  ^0iohseitig  ein  reifer  nnd  ein  an  reifer  Fotos  geboren 

werden  f    die  von  wesentlich  ▼erschiedenem  Alter  sind 
nod  deren  letzterer  annehmen  lasst,  dass  er  ohne  den 
Eintritt  der  Gebart  des  andern  sur  Reife  gelangt  wirs. 
urt  berücksichtigt  in   seiner   Mittheilang  nar    die    wahre 
^^(latlon.     Als  solche  führt  er  Fälle  an  Ton: 
^'^tlp0üu  (1796).     Gebart  eines   reifen  Kindes.     Fünf  Monate 
später  eines  sweiten  reifen  Kindes. 
Maton  (1807 — 8).     Gebart  eines  reifen,  nar  nenn  Tage  leben- 
den Kindes.     82  Tage  später  Geburt  eines  sweiten  reifen 
Kindes. 
Desgrangu  (1779—80).    Gebort  eines  siebenmonatlicben  Kin- 
des.    Einen    Monat    nachher    neue   Oonception;    sieben 
Monate  hiernach  Gebart  eines  lebenden  Kindes;  5 V,  Mo- 
nate nach  dieser  abermals  Gebart  eines  aasgetragenen 
Kindes. 
Wäre   eine   neue  Empfängniss  —  so  fährt  er  nach  Schilde- 
rung dieser  Fälle   fort  —   erst  nach  30  Tagen,    von  der  Gebart 
an  gerechnet,    möglich   and  nimmt  man  eine    darohsehnittliehe 
Sehwange rschafts-Dauer  tod  274 — 280  Tagen  an,  so  kann  niemals 
ein  reifes  Kind  früher,    als  am  804—310.  Tage  nach  der  lettten 
Torb ergegangenen  Geburt  sar  Welt  kommen. 

Im  Gegeiksats  hiersu  ist  selbst  ein  Spatium  von  365  Tagen 
nichts  Seltenes.  Als  längere  Schwangerschaften  citirt  Verf.  Bei- 
spiele aus  der  höchsten  englischen  Aristocratie,  indem  jenes 
Spatium  betrug  bei 

swei  Kindern  der  kdnigl.  Familie     ....    858  Tage. 
f,            ,          des  Earl  of  BaUerr^      .     .     .     845       , 
.  „  ebendesselben 840      . 


\1X.    Notiien  ans  der  Joarnal-Literatnr.  157 

KiDdern  des  Rev.  Leggt 885  Tage. 

*^^  ^\   ,  des  Baron  Stowttm      ....    881       „ 

^54,  \         jes  Earl  of  Ännealey  ....     836      „ 

*V        %  des  Earl  of  CarlUU   ....    880      . 

k^^fc  **  der  Marqaess  0/  ^ornHUidy      .    316      ^ 

*^'    tC        ^  '^"  Baron  Clarina 310      „ 

'•-^^  des  Rev.  B 806      , 

'^  ,,  des  Earl  of  Buehingham       .    .    806      ^ 

'^  ocbwestem  des  Earl  of  BevorUff  .     .  ' .    808      9 

^       Kindern  des  ReT.  Dundo«      .    .     .    .    ,    294      „ 
„       Brüdern  Dawton  1  ogo 

,       Brüdern  HiU        ) " 

,  Enkeln  des  Viscount  Sidmontk  ....  288  „ 
„  Geschwistern  des  Earl  of  BUonborough  280  „ 
Die  Fragte,  wie  bald  Aach  der  Gebnrt  eine  neue  Bchwita- 
gernng  Statt  baben  kann,  beantwortet  Verf.  dahin,  dass  hier  der 
Zustand  des  Uterns  (weniger  der  der  Vagina)  maassgebend  sei. 
So  lange  des  Uterns  vergrössert,  der  Mottermand  offen ,  der 
Lochialflnss  vorhanden  ist,  so  lange  ist,  nach  Verf.  Moinong, 
neue  Schwängerung  unmöglich  ;  daher  kann  eine  solch«  beetimmt 
innerhalb  der  ersten  14  Tage  nicht  eintreten. 

Eine  «weite  Frage,  bis  sn  welcher  Zeit  des  Uterhi-Lebeos 
es  für  ein  Kind  möglich  sei,  sich  so  zu  entwickeln,  dass  es  eiihe 
verfrühte  Geburt  wirklich  überlebe,  entscheidet  Yerf.,  sich  Ati- 
deren  anschliessend,  dahin,  dass  210  Tage  die  frühesten  Oe« 
bnrtstermine  sind,  bei  welchen  das  Kind  leben  bleiben  kann, 
also  eine  Art  Mini  mal -Spat  iura. 

Man  müsste  demnach  bei  den  oben  citirten  Beiepielen  stela 
snnächst  14  Tage  von  jenen  dort  angegebenen  Zeiträumen  ab- 
sieben. Das  letstgenannte  Spatium,  280,  wäre  also  auf  266  lu 
rednciren  u.  s.  w.  Es  folgen  noch  als  Beispiele: 
2  Kinder  des  Lord  de  Blaquiere :  273  T. ;  nachAbsug  der  14 :  259  T. 
„       n        n    Rev.  TwisUeton:        262  „        „  »        .    „     288  , 

,,       ,         „     Hon.  Cole  Hamülon:  182  9         „  „        „    „     168  , 

in  wolch  letzterem  Falle  beide  Kinder  leben  blieben  und  sich 
normal  weiter  entwickelten.  Hieraus  würde  «ich  eine  Vermin- 
derung des  Midinal-Spatium  um  42  Tage  ergeben,  wie  aus  dem 
letsten  Beispiele  sich  als  möglich  erweist,  eine  Differenz,  welche 
zu  auffallend  war,  als  dass  nicht  eine  nochmalige'  Untersuchung 
jenes  Minimal  -  Spatium  nöthig  erschienen  wäre,  Ytrf.  stellte 
daher  tabellarisch  eine  Anzahl  von  Frübgeburts-Fällen 
zusammen,  bei  denen  die  Schwangersehaftsdauer  zwischen  210 
und  120  Tage  fiel  und  das  Kind  stets  gelebt  hat,  wobei  freilich 
die  Lebensdauer  eine  sehr  verschiedene  (drei  Minnten  bis  meh- 
rere Jahre)  war.  Diese  Fälle  betrugen  also  sämmtlich  weniger 
als  das  obige  Minimal  -  Spatium  von  210  Tagen ,  und  bewiesen, 
dass  Lebensfähigkeit  schon  früher  möglich  ist.   Nun  stellt  jedoeh 


158  I^«    NotiEen  fta«  der  Jonnial  -  Literafear. 

Verf.  den  Begriff  eineg  lebenden  nnd  lebensfähigen  Kinde« 
so  fest,  dam  er  ein  lebend  geborenes  Kind  erst  dann  lebensfShig 
nennt,  wenn  es  mehr  aU  acht  Tage  alt  wird.  Nor  anf  diese 
nimmt  er  daher  Besag,  w&hrend  er  die  übrigen  in  seiner  Tabelle 
enthaltenen,  sowie  die  ungenügend  besehriebenen  ignorirt.  In- 
dem er  nan  die  alsdann  übrigbleibenden  Fälle  kritisch  beleneh- 
tet,  kommt  er  in  dem  Resaltate,  dass  anch  nicht  alle  ein  gerin- 
geres Mininal-Spatinm  beweisen,  yielmehr  som  Tbeil  anf  irriger 
Berechnnug  der  Schwangerschaftsdaner  oder  onsnlänglicfaer  Beob- 
achtung benfhen,  während  die  gut  berechneten  nnd  constatirten 
Fälle  allerdings  beweisen,  „dass  unter  günstigen  Umstän- 
den schon  ein  180  Tage  alter  Fötus  lebensfähig  sein, 
d.  h.  mehr  Als  acht  Tage  leben  kann". 

Zwei  fernere  Beispiele  Töllig  lebensfähiger  Kinder  sind: 
Zwei  Kinder  des  Baron ^tteX;2aiu2.*  178  Tage,  minus  14  «=159  Tage. 
n  w        »    Lord  Gardon:       127      »  „      14=113     . 

Diese  awei  gans  unzweifelhaften  Fälle,  die  aller Rech- 
nnngs- und  Beobacbtungsfehl er  spotten,  sind  nur  als  Fälle  Ton 
Snperfötation  ansusehen,  die  jeden  Streit  und  Zweifel  su  be- 
seitigen Termögen. 

Hieran  knüpft  Verf.  noch  die  Kritik  einiger  Fälle,  welche 
bisher  in  der  Literatur  als  Fälle  abnorm  langer  Schwangerschafts- 
dnaer  beseichnet  worden  sind,  wobei  das  primäre  Kind  su  früh, 
das  secundäre  su  spät  geboren  sei,  der  Ursprung  beider  aber 
susaromenfalle.  Verf.  weist  nach,  dass  dies  Fälle  von  Super- 
HHalion  sein  mfissdn,  da  sie,  auf  dem  Wege  der  protrahirten 
Schwangerschaftsdauer  erklärt,  fär  diese  Zeiten  ergeben  müssten, 
die  bisher  noch  nicht  wissenschaftlich  erwiesen  sind,  indem  sie 
selbst  die  Ton  Simenon  beobachtete  Schwange rschafsdauer  von 
81»  Tagen  (Edinb.  MontM.  Journ.  July  1853)  noch  überträfen. 

(Edinb.  Med.  Journ.  Jan.  1865.) 


P.  Müller.  Bericht  über  die  Ereignisse  auf  der 
UDler  der  Leitung  des  Geheimraths  Prof.  Dr.  von 
ßeanzoni  stehenden  geturlshilflichea  Klimik  zu 
Würzburg,  rom  1.  November  18Ö0  bis  31.  Ocio- 
ber  1863. 

Nach  Angabe  des  Verf.  wurden  während  der  obengenannten 
18  Jahre  in  die  Anstalt  aufgenommen  4323  Schwangere;  davon 
166  unentbunden  entlassen,  .entbunden  4170,  gestorben  4.  —  Von 
den  WSchnerinnen  Terliessen  gesund  oder  gebessert  die  An- 
stalt 8970;  14S  wurden  krank  in*8  Juliushospital  überbracht;  es 
sterben  65.  —  Von  den  4170  Geburten  waren  4105  einfache, 
65  Zwiilingsgebnrten.  Sonach  wurden  4285  Kinder,  und  zwar 
lebend  geboren  3951,  todt  284.   Von  den  lebend  geborenen  waren 


IX.    Notisea  am  der  Jonniftl-Litdratar.  159 

8879  ■•ilige,  73  nbieUige;  roA  den  Todlfl»eboren«D  20a  seiUg«, 
81  nnieitige.  Von  den  lebendgeborent»  slarben  222  in  der  Aatteli. 
HinslohUiclft  «ler  Kindetiellongen  bei  der  Oebmrt  wur- 
den beobaehlet:  1.  Sob&deltftellimcr  2838  Mal;  11.  BelitdeliPlat- 
lang  1077  Mal.-  J.  Ge«iobt8iiteUiittg  10  Mal.  II.  Oesichtsstellnng 
12  Mal.  Steisslagen  66,  Fnsslagen  62,  Querlagen  54,  unbeBtimmt 
gebliebene  Lagen  122. 

Operationen:  a)  Einleitung  der  künttl.  Frtibge- 
hart  16  Mal.  10  Mal  wegen  Beekemenge  (von  deir  MÜttem 
blieben  geeond  7,  erkrankten  3;  von  den  Kindern  lebend  4,  todt 
6),  1  Mal  wegen  Glottlsödem  (Matter  erleichtert,  Kind  lebend). 
1  Mal  bei  Morbas  Brightii  (Matter  geeand,  Kind  todt),  2  Mal  bei 
Bronchitis  (von  den  Müttern  1  gesand,  1  gestorben,  Kinder  lebend). 
Wegen  habituellen  Absterbens  1  Mal  (Matter  gesand,  Kind  lebend), 
b)  ZangenoperiCtionen  262  (daranter  1  Mal  wegen  Eklampsie, 
Matter  gesand,  Kind  lebend).  Von  den  Müttem  blieben  gesand 
1^3,  erkrankten  41,  starben  18;  Ton  den  Kindern  kamen  lebend 
214,  todt  38.  —  c)  Extractlon  mittels  des  ASrotractors 
5  Mal  (von  den  Müttern  blieben  4  gesand,  1  starb,  alle  Kinder 
kamen  lebend).  —  d)  Extra ction  des  mit  dem  antern 
Kämpfende  yorlieg enden  Kindes  66  Mal.  Die  Extractlon 
des  Kopfes  erfolgte  7  Mal  dnrch  die  Zange,  69  Mal  manaell. 
Von  den  Möttern  blieben  62  gesand,  4  erkrankten;  von  den  Kin- 
dern kamen  46  lebend,  17  todt,  3  macerirt.  —  e)Wendangen 
anf  den  Fass  65  Mal.  11  Mal  Extractlon  des  nachfolgenden 
Kopfes  mit  der  Zange,  32  Mal  manuell.  Von  den  Viittern  blie- 
ben gesand  41,  erkrankten  9,  starben  6;  von  den  Kindern  kamen 
lebend  27,  todt  21,  macerirt  7.  —  f)  Perforation,  Cephalo- 
tripsie  7  Mal  wegen  Beckenenge:  6  Mütter  bliebett  gesand,  2 
starben;  mit  Van  HueveVB  forceps-scie  1  Mal  wegen  Becken- 
enge, Matter  gesond.  —  g)  Placentarlösnngen  23  Mal  bei  4 
Torseitigen  and  19  rechtzeitigen  Geburten.  Von  den  WÜchne- 
rinnen  erkrankten  6,  davon  starben  2,  1  an  Pnerperalfieber,  1  an 
Erschöpfung.  Verfasser  macht  hierbei  die  Bemerkung,  dass  die 
Plaoentarlösangen  in  den  letaten  Jahren  seit  Uebung  des  Cred^*- 
sehen  Handgriffes  bedeutend  abgenommen  haben. 

Stö rangen  des  Wochenbettes.  £s  erkrankten  von  den 
Wöchnerinnen  im  Ganzen  709;  von  den  in  der  Anstalt  behan- 
delten wurden  entlassen:  geheilt  297,  gebessert  138,  ungeheilt 
72.  Es  starben  56.  —  In  das  Juliushospital  wurden  transferirt 
141;  davon  wurden  entlassen:  geheilt  102,  gebessert  14,  angeheilt 
12.  Es  starben  13.  —  An  sogenannten  Puerperalprocessen  er- 
krankten 146  Wöchnerinnen,  von  denen  37  starben.  2  Mal  trat 
das  Puerperalfieber  epidemisch  auf.  Puerperale  Geschwüre  ohne 
gleichseitige  Genitalerkrankung  zeigten  sich  in  9  Fällen;  puer- 
perale Manie  kam  in  3  Fftllen  vor,  1  Fall  endete  tödtlich,  2  mit 


IQO  IX.    Nottften  a»  der  Jornro*!  -  Literatur. 

0eii««aB|r-    —     1    ^*11   '^^^   Eklampsie   Im    Wooheabette.     Oie 
Motter  g^eenndete,  das  Riad  lebte. 

VoA  den  Rindern  erkrankten  788;    davon   worden   geheilt 
36a,  gebeeeert  166,  nioht  geheilt  99.     £e  tUrben  221. 

(Würibarger  medicinische  Zeitaehrift  1966.     Band  VL 
Heft  3  n.  4,  S.  166.) 


P.  MiÜler,  Ein  Fall  von  wiederholter  totaler  Um- 
drehung des  Kindes  um  seine  Querachse  im 
letzten  Schwangerschaftsmonate. 

Anknüpfend  an  die  schon  früher  von  Cred4,  Hecker  n.  A. 
sahireichen  nnd  exact  durchgeführten  Beobachtungen  über  die 
in  den  letsten  Schwangerschaftsmonaten  häufig  Yorkommeeden 
Drehungen  des  Kindes,  veröffentlicht  Verf.  einen  intereaeanten 
Fall,  wo  innerhalb  6  Tagen  eine  6  malige  totale  Umdrehung  das 
Fötus  constatirt  werden  konnte.  Der  ausführlichen  Angabe  der 
jedesmaligen  Untersuchungsbefunde  schliesst  Verf.  eine  Benr- 
theilung  des  ätiologischen  Momentes  dieser  Vorgange  an,  nnd 
will  als  solches  nicht  allein  die  grosse  Oerftumigkeit  des  Uterns- 
cavum  infolge  einer  abnormen  Vermehrung  der  Amniosfliiseigkeit, 
sondern  auch  die  Erschlaffung  der  Uter  in  wände  meist  nach  vor- 
ausgegangenen  Geburten  hingestellt  wissen. .  Infolge  dieser  Er- 
schlaffung der  Uterinwandungen  gehe  nämlich  die  Ovoidform  rer- 
loren,  die  Querdurchmesser  wurden  auf  Kosten  des  Längendurch- 
messers vergrössert,  und  so  accommodire  sieh  das  Gebärorgan 
als  schlaffer  Sack  mehr  der  Lage  des  Kindes,  als  dass  jenes  die 
Lage  des  Fötus  bedinge.  —  Schliesslich  glaubt  er  aus  dem  tob 
ihm  angeführten  Falle  direct  erweisen  au  können,  dass  einerseits 
die  Kindesbewegnngen  im  8.  und  9.  Monate  der  Schwangerschaft 
selbst,  sowie  die  gerade  dadurch  angeregten  intensiven  krampf- 
haften Oontractionen  des  Uterus  wesentlich  auf  den  Lagewechsel 
der  Frucht  influiren. 

(Würsburger  medic.  Zeitschr.  VL  Band.  1865.) 


X. 

Ueber    die   in   der  geburtshülflichen  Klinik  zu 
Bonn  im  Sommer  1864  und  Winter  1864/65  auf- 
getretenen puerperalen  Erkrankungen. 

Von 

G.  Telt. 

(Fortsetzung  und  Schluss.) 


Zehnter  Fall. 
Puerperale  Septicaeinie  mit  rapidem  Verlaufe. 

Die  zum  vierten  Male  schwangere  Frau  halte  einen  so 
stark  ausgedehnten  Uterus,  dass  der  Verdacht  auf  Zwillinge 
nahe  lag.  Derselbe  bestätigte  sich  jedoch  nicht  bei  der  meh- 
rere Male  wiederholten,  genauen  Exploration.  Die  Eihäute 
zerrissen  schon  gleich  nach  dem  Eintritte  der  Wehen,  und 
der  vorzeitige  Abgang  der  grossen  Menge  von  Wasser  hatte 
keinen  störenden  Einfluss  auf  den  Geburtsverlanf.  Die  Tem- 
peratur betrug  gleich  nach  der  Entbindung  37,3;  die  Puls- 
frequenz 76.     Sieben  Stunden  später  am 

1.  Tag.  Morgens :  T.  37,6.  P.  92.     R.  18.     Starke     Nach- 

wehen.    Um  5  Uhr  geringer  Frost. 
Abends:     T.  39,4.  P.  110.  R.  22.     Leib  empPnd- 
lich,  besonders  rechts.     0).  ricin.  iß  zwei  Mai. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  39,1.  P.  108.  R.  22.  Patientin  hat  des 

Nachts  Schmerzen  und  eine  Stuhlen tieerung  ge- 
habt, und  bekommt  nach  Ol.  ricin.  i'i  noch  drei 
Stühle. 

MonaUHcbr.  f.  Geburtsk.  166A.  Bd.  XXVI.,  Hft.  3.  H 


162    X.  Q.  Veit,  Ueber  die  in  der  gebartshülfl.  Klinik  za  Bonn 

Abends:     T.  40,4.  P.  164.  R.  30.  Der  Uterus  liegt 
recbts,   und   fühlt  sieb  steinhart  an;   nur  rechts 
ist  Empfindlichkeit,  daneben  aber  allgemeiner  Ale- 
teorismus  vorhanden.     Die  Labien  sind  von  früher 
her  ödematös;   die  Risse  sehen  gut  aus.    In  der 
folgenden  Nacht  sechs  Stühle. 
3.  Tag.  Morgens:  T.  40,4.  P.  156.  R.  28.    Der  kleine  und 
unregelmassige   Puls   bessert  sich    gegen    Mittag, 
bleibt  aber  eben  so  frequent,   während  die  Tem- 
peratur um  0,5  fallt.     Die  Schmerzhaftigkeit  sitzt 
jetzt  mehr  links.    Ord.  Chinin  mit  Camphor,  Wein. 
Mittags  2  ühr:  T.  40,5.  P.  172.  R.  30. 
Abends  6  ühr:  T.  40,1.  P.  158.  R.  30.  Nach 7 Uhr 
wird   die   Kranke  soporös,   die  Respiration  abge- 
brochen, angestrengt,  die  Pupille  weit.     Der  Me- 
teorismus hat  abgenommen,  der  Puls  verschwin- 
det.    Sie   stirbt  um   9   Uhr,    d.  i.  67  Stunden 
nach  der  Entbindung. 
Section  (38  St.  p.  m.):  Schädelknochen  blutreich;  Dura 
mater  längs  des  Sinus  longitud. ,   der  ein  massiges  Gerinnsel 
enthält,  etwas  verdickt.     Gefässe  der  Hirnoberfläcbe  reichlich 
mit  dunkelem  Blute  gefüllt.    Grosses  Gehirn  hyperämisch  und 
etwas   ödematös;  auch   das   kleine  und   die  Medulla  oblong, 
ziemlich  blutreich.     Die   Venen   und   Sinus  an   der  Schädel- 
basis ziemlich  blutreich. 

Die  Intercostalvenen  und  die  V.  azygos  strotzen  von  dun- 
kelem, flüssigem  Blute,  auf  welchem  viele  Fetttröpfcbeo 
schwimmen.  Die  rechte  Lunge  massig  collabirt,  ziemlich  stark 
hyperämisch  und  massig  ödematös;  Bronchialscbleimhaut  hy- 
perämisch, Bronchien  leer.  In  der  linken  Pleurahöhle  vier 
Unzen  einer  trüben,  gelben  Flüssigkeit;  Pleura  etwas  trübe; 
die  Lunge  selbst  massig  collabirt ;  ihr  oberer  Lappen  trocken, 
der  untere  nur  hinten  in  ganzer  Ausdehnung  hyperämisch. 
Bronchien  wie  rechterseits.  Im  Herzbeutel  eine  geringe  Menge 
röthlichen  Serums;  das  massig  grosse  Herz  zeigt  eine  reich- 
liche Fettläge,  und  enthält  in  seiner  rechten  Hälfte  ein  reich- 
liches, ziemlich  adhärentes  Gerinnsel ;  das  Herzfleisch  ist  derb, 
das  Endocardium  blutig  imbibirt.  Das  linke  Herz  ist  hypc^r- 
trophisch ;  die  an  6er  Spitze  fast  1"  dicke  Musculatur  ist  nn 


im  Spoimer  t864  und  WiDtcr  1865/56  nnfgeireteDen  etc.    163 

einzelnen  Stellen  gelblich  gestreift,  das  Endocardium  trübe 
und  verdickt;  die  Mitralklappe  an  den  Rändern  etwas  knotig. 

Gedärme  stark  meteoristisch  aufgetrieben.  Gegen  das 
kleine  Becken  hin  sieht  man  eine  trübe,  flockige,  gelbe  Flös- 
aigkeit.  Das  subsei*6s6  Bindegewebe  ziemlich  stark  infiltrirt; 
die  Serosa  über  den  Schlingen  des  Ileum  rosig  gelarbt.  Ova- 
rien geschwollen  und  mit  gninlichem  Eiter  bedeckt;  das  sub- 
seröse Bindegewebe  in  der  Umgebung  des  linken  Eierstockes 
mehr  als  rechts  eitrig  infiltrirt.  Scheide  in  die  Länge  ge- 
zogen, hyperämisch ;  an  ihrer  vorderen  Wand  kleine  Ecchy- 
mosen,  von  welchen  einzelne  in  nekrotischem 'Zerfall  begriffen 
sind;  zu  beiden  Seiten  der  Harnrölire  zwei  kleine  auf  Ge- 
websnekrose  beruhende  Defecte.  Die  Uterushöhle  fassl  noch 
zwei  starke  Fäuste  und  ist  mit  blutig-schleimigen  Massen  ge- 
füllt; an  der  Placentarstelle  adhäriren  bliese  etwas  fester;  die 
Mtiskelhaut  normal  grfarbt;  in  den  Venen  keine  verstopfenden 
Gerinnsel  vorhanden ;  auch  die  V.  V.  hypogastr.  und  spennat. 
enthalten  nur  flüssiges  dunkeles  Blut.  Die  Schleimhaut  der 
Tuben  erscheint  glatt,  nicht  entzündet;  das  subseröse  Gewebe 
etwas  ödematös.  In  dem  ödemalös  geschwollenen  rechten 
Ovarium  sieht  man  auf  dem  Durchschnitte  emzelne  Eiterpuncte; 
das  linke  ist  einfach  ödematös.  Die  Lymphgefässe  sind  nicht 
auffallend  gefüllt,  die  retropeiitonäalen  Drüsen  nur  wenig  an- 
geschwollen. Im  Cervix  uteri  ßnden  sich  an  einzelnen  Stellen 
Maschen,  die  mit  einer  geringen  Menge  von  Eiter  gefallt  sind. 

Die  Leber  ist  massig  ödematös ,  und  unter  ihrem  Ueber- 
zuge,  namentlich  an  der  unteren  Fläche  mit  zahlreichen  Ec- 
chymosen  besetzt.  Der  Ueberzug  der  massig  grossen  Milz 
stark  gefaltet  und  leicht  getnibt;  unter  ihm  auf  der  unteren 
Fläche  hyperamisclie  Flecke;  Pulpa  zerfliessend,  chocoiaden- 
farben.  DieCorticalsubstanz  beider  Nieren  zeigt  eine  ausgeprägte 
gelbliche  Streifung.  Im  Magen  eine  chocoladenfarhene  Flüs- 
sigkeit. Die  Schleimhaut  ist  im  Dünndarme  und  an  einzelnen 
Stellen  des  Dickdarms  rosig  geröthet,  und  stellenweise  etwas 
hyperämisch. 


11* 


166     >^    ^-  y^ii.  Ueber  die  in  der  js^ehnrtihülfl.  Klinik  sn  Bonn 


22.  Tag.  Morgens:  T.  38,5.  P.  120.  R.  28. 

Abends:     T.  39,3.  P.  132.  R.  36. 

23.  Tag.  Morgens:  T.  39,1.  P.  130.  R.  29. 

Abends:    T.  38,3.  P.  124.  R.  27. 

24  Tag.  Morgens:  T.  38,9.  P.  138.  R.  24 

Abends:    T.  39,5.  P.  132.  R.  38. 

25.  Tag.  Morgens:  T.  38,9.  P.  132.  R.  32. 

Abends:     T.  39,6.  P.  128.  R.  30. 

26.  Tag.  Morgens:  T.  38.4.  P.  126.  R.  28. 

Abends:     T.  40,0.  P.  140.  R.  24 

27.  Tag.  Morgens:  T.  38,8.  P.  122.  R.  37.    Oedem  der  un- 

teren Extremitäten, 
Abends:     T.  39,4,  P.  144.  R.  34 

28.  Tag.  Morgens:  T.  39,3.  P.  138.  R.  26.    Starkes  Oedem 

der  Füsse.     Der   Urin  sediraentirt  viele  Eilerkör- 
perchen  und  enthält  massige  Mengen  von  Eiweiss. 
'  In  der  rechten  Nierengegend  entschiedener  Schmerz. 

Ueber  der  rechten  Scapula  bronchiales  Exspirium 
und  grossblasige  Rasselgeräusche.    Die  Kranke  hat 
grosse  Neigung  zum  Schlafe. 
Abends:     T.  39,7.  P.  142.  R.  28. 

29.  Tag.  Morgens:  T.  38,9.  P.  140.  R.  35. 

Abends:     T.  37,3.  T.  132.  R.  36. 

30.  Tag.  Murgens:  T.  39,1.  P.  146.  R..36.     Die    Rasselge- 

räusche nehmen  zu. 
Abends  t    T.  40,4.  P.  166.  R.  42. 
Um  Mitternacht  erfolgt  der  Tod. 

Section:  Hirnhaut-  und  Gehirngefasse  blutarm;  Pia 
mater  ödematös,  ebenso  das  grosse  Gehirn. 

Im  Herzbeutel  6  Unzen  klaren  Serums;  Ueberzug  des  Her- 
zens ödematös.  Herz  klein,  rechte  Hälfte  eng,  die  Musculatur 
derb.  Am  linken  Ventrikel  ist  die  Wand  dünn  und  aussen  aus 
einer  mehrere  Linien  dicken  FetÜage  bestehend;  die  Papil- 
larmuskeln  blassgelb,  die  Klappen  gesund.  In  der  rechten 
Pleurahöhle  wenig,  in  der  linken  vier  Unzen  heller  Flüssig- 
keit. Die  Pleura  diaphragm.  zeigt  rechts  eine  massige  Ge- 
fässentvirickelung  und  Pigmenteinlagerungen;  die  PI.  pulmon. 
erscheint  blass,  trübe,  und  lässt  deutliche  Lymphgefässnetze 
durchschimmern.     Rechte  Lunge  ödematös,    hinten  blutreich 


im  Sommer  18ß4 'und  Wintey  1864/65  aufg^etretenen  etc.    167 

und  hinten  und  unten  luftleer;  Bronchien  mit  schaumigem 
Schleime  geföUt,    gerölhet.     Linke  Lunge  ebenso  beschaffen. 

In  der  Peritonäalhöhie  wenig  Flussigiteit.  Leber.uherzug 
triibe,  auf  dem  rechten  Lappen  mit  hyperärnfscben  Flecken 
versehen;  Parenchym  blassgelblich,  brüchig.  Milz  gross;  lieber^ 
zug  faltig;  Pulpa  zerfliessend ,  blasschocoladenfarben ;  Mal- 
pighische  Körperchen  undeutlich.  Magenschleimhaut  stellen- 
weise hyperämisch;  auch  im  Dünndarm  ist  hier  und  da,  im 
Dickdarm  in  grösserer  Ausbreitung  eine  Hyperämie  der  öde*- 
matösen  Zotten  zu  bemerken.  Ovarien  klein.  In  den  Tuben 
erscheint  das  Gewebe  verdickt  und  vascularisirt.  Der  Uterus 
hat  den  Umfang  einer  massigen  Birne;  seine  Wand  ist  Va'^ 
dick,  mürbe;  die  Venen  derselben  sind  zum  Theil  mit  festen, 
zum  Theil  mit  eiterig  zerflossenen  Thromben  gefüllt,  in  ihrer 
Wand  aber  nicht  verändert.  Die  innere  Gebärmutterfläche 
stark  pigmentirt;  die  unregehnässig  rauhe  Placen tarsteile  grün- 
lich schwarz  gelarbt.  In  der  Blase  trüber  Urin.  Die  linke 
Niere  zeigt  höckerige  Hervorragungen,  durch  eiterige  Infarcte, 
welche  bis  in  die  Medullarsubstanz  reichen,  gebildet.  Auch 
in  der  rechten  Niere  Onden  sich  fünf  grössere  und  kleinere, 
zum  Theil  verfettete  Eilerheerde. 

Die  Bietroperitonäaldrüsen  sind  zum  Theil  erheblich  ver- 
grössert.  Die  V.  hypogastr.  dextra  ist  mit  einem  .dicken, 
den  Wandungen  adhärenten,  bis  in  die  V.  cava  reichenden 
Gerinnsel  verstopft.  Die  V.  iliac.  comm.  sinistra  enthält  ein 
frisches,  massiges  Coagulum,  ebenso  die  V.  iliac.  ext.  sin. 
Der  Thrombus  der  rechten  Y.  hypog.  ist  an  der  Ginmün* 
dungsstelle  der  V.  uterin.  am  stärksten  adhärent,  und  im 
Innern  bis  in  die  V.  cava  in  einen  choeoladenfarbenen  Brei 
zerfallen. 

In  diesem  Falle  verlief  der  Process,  wie  meist,  als  reine 
Metrophlebitis  ohne  Complication  mit  Peritonitis.  Der  fol- 
gende hatte  für  uns  deshalb  ein  besonderes  Interesse,  weil 
wir,  wie  die  Section  ergab,  eine  unrichtige  Diagnose  in  so- 
weit gestellt  hatten,  als  wir  eine  am  fünften  Tage  eingetre- 
tene Embolie  der  Lungen  annehmen  zu  müssen  glaubten. 
Während  nämlich  die  im  Anfange  sehr  deutlich  ausgespro- 
cheneu Symptome  der  Peritonitis  nactiliessen,  und  das  Fieber 
vom  Morgen   des  vierten   Tages  an  stetig  fiel,  trat  plötzlich 


168    ^-  ^'  ^^'^  Ueber  die  in  der  gc  hurtshülfli  Klioik  za  Booo 

am  fufifltefi  eine  starke  Dyspnoe  eiu,  ohne  am  Abende  ein 
weiteres  Absinken  der  Temperatur  und  des  Pulses  zu  ver- 
hindern. Das  dann  eintretende  neue  Fieber  entsprach  einer 
oonsecutiyen  Pneumonie  durchaus,  und  die  allerdings  aufTal- 
lende  Tbatsache,  dass  beide  Lungen  afficirt  erschienen,  er- 
klärte sich  durch  die  Voraussetzung  eines  reitenden  Embolus. 
Das  Vorhandensein  eines  phlebitischen  Processes  wurde  am 
achten  Tage  noch  durch  die  Belbeiligung  der  Suralvenen  des 
rechten  Fusses  doculiientirt  und  die  später  lünzukommenden 
Zeichen  einer  Verstopfung  der  Vene  der  linken  unteren  Ex- 
tremität fährten  zu  der  Annahme,  dass  die  Thrombose  in 
den  Beckenvenen  ihren  Ausgangspunct  habe  und,  wie  im 
elften  Falle,  bis  in  die  V.  cava  reiche. 


Zwölfter  ^alL 

Metroperitonitis.      Pleuritis.      Thrombose    beider 

Cruralvenen,  mit  jauchigem  Zerfalle  auf  der 

rechten  Seite. 

.1.  Tag.  Morgens  (4  St.  nach  der  Gehurt):  T.  37,8.  P.  72. 
R.  18.    Einn  Stunde  später  Schüttelfrost. 
Mittags  2  Uhr:  T.  39,3.  P.  112.  R.  21. 
*   Abends:     T.  40,8.  P.  138.  R.  24.     Ol.   ricin.    %ß; 
darauf  ein  Stuhl. 

2.  Tag.  Morgens:  T.  39,9.  P.  130.  R.  22.    Unterleib  links 

kaum,  rechts  massig  empfnullich.     Ein  Stuhl. 
Abends:     T.  40,3.  P.  128.  R.  25. 

3.  Tag.  Morgens:  T.  39,3  P.  110.  R,  26.  Leib  rechts  sehr 

empfindlich  und  massig  aufgetrieben. 
Abends:     T.  40,5.  P.  132.  R.  40.     Rechts    starke 
Schmerzen.     Eine  Ausleerung,  in  der  Nacht  noch 
vier  nach  Ol.  ricin.  ^ß. 

4.  Tag.  Morgens:  T.  39,5.  P.  118.  R.  34. 

Abends:     T.  39,4.  P.  108.  R.  3^.  Leib  sehr  wenig 
empfindlich,  aber  aufgetrieben. 

5.  Tag.  Morgens:  T.  39,0.  P.  100.  R.  38.    Am  Vormit- 

tage tritt  plötzlich  heftige  Dyspnoe  ein. 
Abends:     T.  38,6.  P.  98.  R.  56.  Die  Kranke  klagt 


im  äommer  1864  und  Winter  1864/65  aufgetretenen  etc.   169 

Über    hefli^^o    RückenschDierzeii    besonders    beim 
Atbineii,  doch  ist  nichts  zu  entdecken. 

6.  Tag.  Morgens:   T.  40,0.   P.  110.   R.  66.     Dyspnoe   und 

Schmerzen  dauern  fort.  Hinten  rechts  ist  der 
Schall  kürzer  und  das  Athmungsgeräusch  schwä- 
cher. Nach  einer  Venäsection  von  Bvi  Mittags 
1  Uhr:  T.  40,6.  P.  124.  R.  48. 
Abends:  T.  40,5.  P.  124.  R.  42.  Vorn  auf  der 
Lunge  heller  Schall  und  verschärftes  vesiculäres  Ath« 
men.  Hinten  rechts  vom  6.  Pr.  spin.  an  Däm- 
pfung und  feinblasiges  Rasseln ;  hinten  links  etwas 
tiefer  gleichfalls  Dämpfung  und  Knisterrasseln  mit 
bronchialem  Exspirium.     Sputa  fehlen. 

7.  Tag.  Morgens:  T.  40,5.  P.  120.  R.  40.     Hinten   rechts 

und  links,  rechts  etwas  hoher  hinaufreichend  leerer 
Schall    und  links   feinblasiges  Rasseln   mit  bron- 
chialem Exspirium. 
Abends:     T.  41,3.  P.  124.  R.  42.  Die  Dyspnoe  hat 
sehr  nachgelassen. 

8.  Tag.  Morgens:  T.  40,4.  P.  116.  R.  42.     Schmerzen    an 

der  rechten  Wade,  wo  entzündete  Varices  zu  be- 
merken sind.     Oedem   des  Fusses.     Um  2  Uhr: 
T.  41,6. 
Abends:     T,  40,6.  P.  130.  R.  48.     Geringe   nicht 
blutige  Sputa. 

9.  Tag.  Morgens:  T.  39,1.  P.  116.  R.  50. 

Abends:     T.  40,6.  P.  124.  R.  50.     Den     geringen 
Sputis  ist  etwas  Blut  beigemischt. 

10.  Tag.  Morgens:  T.  38,7.  P.  128.  R.  44.  Am  rechten  Fusse 

findet   sich   auch    oberhalb   des   Malleol.  int.  eine 
entzündete  Partie  Varices,  und  am  linken  schmerzt 
gleichfalls  die  Wade. 
Abends:     T.  40,7.  P.  140.  R.  46.  Nachts  Delirien. 

11.  Tag.  Morgens:  T.  39,1.  P.  130.  R.  42.     Infus,   fol.  di- 

gital. 
Abends:     T.  39,4.  P.  132,  R.  52.   Harnverhaltung. 

12.  Tag.  Morgens:  T.  38,5.  P.  130.  R.  40.     Die     Rasselge- 

räusche   sind    verschwunden,    die  Dämpfung   be- 
steht fort. 


170     X.  G.  Veit,  Ueber  die  in  der  peburtshälfl.  Klinik  zu  Booti 

Abends:     T.  40,3.  P.  148.  R.  52. 

13.  Tag.  Morgf^ns :  T.  40,4.  P.  138.  R.  46. 

Abends:    T.  40,0.  P.  116.  R.  46. 

14.  Tag.  Morgens:  T.  38,4.  P.  90.    R.  38. 

Abends:    T.  39,9.  P.  116.  R.  41. 

15.  Tag.  Morgens:  T.  38,2.  P.  84.  R.  46. 

Abends:     T.  40,1.  P.  150.  R.  46.    Hat  im  Ganzen 
5lß  Fol.  dig.  erbalten. 

16.  Tag.  Morgens:  T.  38,5.  P.  120.  R.  44.  Zum  ersten  Male 

hat  sie  wieder  von  selbst  Harn  gelassen.  '  Sie 
erscheint  freier  und  klagt  niebr  über  die  Füsse, 
deren  ödematöse  Anschwellung  etwas  geringer  her- 
vortritt. Die  hintere  Körperfläche  ist  von  der 
Lendengegend  bis  in  die  Schenkel  gleichmAssig 
dunkel  geröthet;  der  Teint  der  Haut  einigermaasseo 
gelblich. 
Abends:     T.  39,4.  P.  140.  R.  48. 

17.  Tag.  Morgens:  T.  40,8.  P.  124.  R.  52.  Die  Kranke  kann 

nicht  mehr  sprechen  und  nur  schwer  schlingen. 
Abends  7  ühr:  T.  42,4.  P.  184.  R.  52.  Einehalbe 
Stunde  später  tritt  der  Tod  ein. 

Seclion  16  Stunden  p.  rn.  • 

Die  Lungen  sind  wenig  collabirt.  Die  rechte  Pleura- 
höhle enthält  etwas  trübe  flockige  Flüssigkeit;  der  Ueberzug 
der  Lunge  ist  mit  Flecken  bedeckt  und  mit  feinen  Ecchy- 
mosen  besetzt;  .der  untere  Lappen  ödematös  und  nach  hinten 
sehr  blutreich.  Längs  des  unteren  Randes  ist  eine  keilför- 
mig infarcirle  Stelle  vorhanden.  Die  Gef^sse  der  rechten 
Lunge  sind  frei  und  glattwandig,  die  Bronchien  mit  rölli- 
liebem,  schaumigem  Schleime  angefüllt. 

Die  linke  Pleurahöhle  enthält  etwas  mehr  trüber  Flüs- 
sigkeit; besonders  der  Ueberzug  des  unteren  Lappens  ist  mit 
flockigen,  blutig  infiltrirten  Massen  besetzt.  Dieser  Lappen 
erscheint  derb  und  nur  in  seinem  convexen  Theile  luflhafÜg. 
Die  Gefasse  frei. 

Im  Herzbeutel  drei  Unzen  Serum.  Das  Herz  schlaft*; 
das  Endocardium  ecchymosirt. 

Die  Leber  hyperämisch  und  fettreich.  Milz  massig  gross, 
Kapsel  getrübt,  Pulpa  zerfliessend.    Das  Peritonänm  in  seinen 


im  Sommer  1864  und  Winter  lft64/6ö  nuf^retretenen  etc.  171 

ttnteren  Theilen  diffus  geröthet;  einzelne  Sclilingen  des  Dünn- 
darms mit  einander  verklebt  und  mit  einem  dicken,  eiterigen 
Belage  versehen,  der  sich  auch  auf  der  hinteren  Seite  der 
Flexura  iliaca  neben  starker  Hyperämie  vorfindet.  Gebär- 
mutter gänseeigross ,  ihr  seröser  Ueberzug  diffus  geröthet. 
Das  rechte  Ovarium  mit  Eiter  bedeckt  und  wie  die  Tuba 
verklebt;  das  linke  liegt  frei  und  hat  einen  geringeren  Ueber- 
zug von  Eiter.  Auf  der  hinteren  Fläche  des  Uterus,  welche 
durch  eine  gelbe  Pseudomembran  dem  Rectum  adhärirt,  sind 
grosse  hämorrhagische  Erosionen  vorhanden,  die  brandige 
Geschwüre  veranlasst  haben.  In  ähnlicher  Weise  ist  die  mit 
der  Blase  verklebte  vordere  Gebärmutierfläche  hämorrhagisch 
infiltrirt.  Die  Schleimhaut  der  mit  schleimigem  Harne  ge- 
füllten Blase  ist  hyperä misch  und  aufgelockert.  In  der  Ge- 
bärmutterhöhle findet  sich  eine  schaumige,  blutige,  flockige 
Masse,  und  an  der  Placentarstelle  schwarze  Pfropfe.  Das 
Bindegewebe  an  den  Seiten  der  Gebärmutter  erscheint  nor- 
mal. Die  Nieren  hyperämisch,  in  ihrem  Becken  eiteriger 
Harn. 

Die  Musculatur  der  rechten  Wade  ist  ganz  von  buch- 
tigen ,  bis  unter  die  Haut  reichenden  Abscessen  durchsetzt. 
Von  diesen  führt  eine  durch  einen  blutigen,  zähen  Thrombus 
verstopfte  Vene  in  die  Vena  cruralis,  welche  bis  zur  Ein- 
mündung der  V.  profunda  verstopft  und  in  ihrer  Wand  be- 
deutend verdickt  erscheint  Das  Gerinnsel  ist  bis  zur  Mitte 
des  Oberschenkels  eiterig  zerfallen.  Die  V..  cruralis  sinistra 
enthält  ein  auf  der  Abgangsstelle  der  V.  profunda  reitendes, 
bröckeliges  Gerinnsel. 

In  Betreff  der  Behandlung  der  schweren  Puerperalerkran- 
kungen  habe  ich  schon  oben  ausgesprochen,  dass  ich  die 
nächste  Aufgabe  darin  finde,  die  Ausbreitung  der  Peritonitis, 
von  welcher  meist  die  erste  Gefahr  droht,  zu  beschränken, 
und  deshalb  Quecksilber  in  entschiedener  Weise  anwende. 
Weder  in  Bonn  noch  fniher  habe  ich  die  Ueberzeugung  zu 
gewinnen  vermocht,  dass  Caiomel  in  grösseren  Dosen,  wie 
Martin  befürchtet,  bei  Wöchnerinnen  eine  schwere  Affection 
des  Darrokanals  zur  Folge  habe.  Die  in  dem  letzteren  tbei 
Sectionen  so  häufig,  auch  in  Fällen,  in  welchen  Caiomel  nicht 
gegeben  war,  anzutreffenden  flecken  weisen  Hyperämieen  u.  s.  w. 


172     ^-  ^'  Veit,  Ueber  die  in  dtr  geburtshülfl.  Klioik  za  Bodo 

sind,  wie  C.  0,  Weber  gezeigt  hat,  einfache  Folgen  der 
Sopticaemie.  Ich  habe  df^sbalb  nur  zu  bedauern,  dass  das 
Quecksilber  auch  nur  in  der  Minderzahl  der  Fälle  nützt,  und 
insbesondei^e,  dass  sich  die  beabsichtigte  Salivation  nicht 
immer  erieichen  lässt.  Indessen  die  anderen  Heilmethoden 
leisten  noch  weniger. 

Gegen  den  Meteorismus  haben  sich  mir  Eisblasen  und 
Klystiere  mit  Zusatz  von  ^\ß — ii  Oi.  terebinth.  noch  am  mei- 
sten bewälu*t.  Mit  Hülfe  der  letzteren  ist  es  mir  wiederholt 
gelungen,  die  entschiedenste  Erstickungsgefahr  abzuwenden, 
und  wenigstens  den  Tod  um  36 — 48  Stunden  zu  verzögern. 
Von  Klystieren  von  Bleiwasser  kann  ich  die  gleichen  Erfolge 
nicht  rühmen,  und  das  Infus,  fol.  nicotian.,  welches  bisweilen 
den  Darm  bedeutend  entleert,  erscheint  mir  aus  zwei  Grün- 
den  weniger  empfehlensvverth.  Erstens,  lässt  sich  die  Dosis 
nicht  recht  bestimmen;  so  sah  ich  nach  kolossalen  Gaben, 
die  versehentlich  zur  Anwendung  gelangt  waren,  nach  meh- 
reren Unzen  Tabak  pro  clysmate,  keine  Intqxication  eintreten. 
Zweitens  geht  dem  Tabak  die  Qualität  eines  Excit^ns  ab, 
welche  das  Terpentinöl  den  englischen  Aerzten  beim  Puer- 
peralfieber so  werthvoU  gemacht  hat,  u{id  welche,  auch  weno 
man  das  Mittel,  wie  es  von  mir  geschieht,  nie  per  os,  son- 
dern stets  per  anum  einverleibt,  in  wüaschenswerüiem  Maasse 
hervortritt. 

Mit  der  Beschränkung  der  Peritonitis  ist  leider  auch  bei 
dem  gewöhnlichen  Gange  des  Processes  nur  die  eine  Seite 
der  Gefahr  abgewendet;  die  Septicaemie  macht  hier,  wie  in 
denjenigen  Fällen,  wo  sie  sehr  früh  und  von  vorn  herein  in 
den  Vordergrund  tritt,  ihren  besonderen  Verlauf,  und  die  bis- 
herigen Bemühungen,  auf  sie  einzuwirken,  sind  nicht  erfolg- 
reich gewesen.  Ob  durch  Anregung  der  verschiedenen  Kör- 
persecretionen  die  Reinigung  des  Blutes  erheblich  befördert 
werden  kann,  erscheint  mir  noch  sehr  zweifelhaft.  Vielleiclit 
wirken  die  Abführmittel  auch  nach  dieser  Richtung  hin  wobi- 
thätig;  vielleicht  aber  beschränkt  sich  ihr  Nutzen  auf  ein<' 
Verminderung  des  von  der  Septicaemie  abhängigen  Fiebers. 
Sicher  ist  mfr,  dass  ihr  Einiluss  in  letzterer  Beziehung  nocb 
Vieles  zu  wünschen  übrig  lässt.  Auch  von  dem  Chinin  bin 
ich   nicht  sehr  zufriedengestellt  worden;    am  meisten  scheinl 


im  Sommer  1864  nnd  Wintor  1864/65  aufgetretenen  etc.    173 

mir  noch  die  Anwendung  grösserer  Dosen ,  nach  Beginn  der 
Remission  gegeben,  um  die  bevorstehende  Exacerbation  za 
beschränken ,  zu  nützen.  Deshalb  halte  ich  die  Bemühungen 
verschiedener  Aerzte,  Heilmittel,  welche  sicherer  auf  das  Fie- 
ber wirken,  ausfindig  zu  machen,  die  Versuche  mit  Veralrum, 
über  welches  ich  keine  Erfahrungen  gemacht  habe  u.  s.  w., 
für  nicht  unberechtigt.  Aus  diesem  Grunde  möchte  ich  auch 
die  Anwendung  der  Kaltwasserkur  wenigstens  für  die  Fälle, 
in  welchem  die  Seplicaemie  mit  typhösem  Fieber  auftritt,  auf 
Grund  der  oben  mitgeth eilten  Beobachtungen,  empfehlen.  Die 
künstliche  Abkühlung  ist  den  Kranken  entschieden  angenehm, 
befreit  das  Sensorium,  und  bewirkt  bedeutende  Temperatur- 
abfalle.  Mit  Consequenz  durchgeführt,  erspart  sie  den  Kran- 
ken Stoff  und  Kraft  in  hohem  Grade.  Sie  hat  allerdings  die 
Schattenseite,  dass  sie  das  ärztliche  und  Warlepersonal  sehr 
belästigt,  weil  sie  einen  ungemeinen  Zeitaufwand  beansprucht. 
Bei  den  phlebitischen  Processen  habe  ich  mich  stets 
exspectativ  verbalten. 

2.     Aeliologie. 

In  sechs  von  den  genannten  44  Fällen  bedarf  es  zur 
Erklärung  des  Zustandekommens  der  Erkrankung  nicht  der 
Voraussetzung  einer  Infection  von  aussen  her.  In  dem  aus- 
führlich mitgetheilten  zweiten  Falle  handelt  es  sich  ofTensicht- 
lieh  um  eine  sogenannte  Selbstinfectio.n ,  welche  am  zwölften 
Tage  des  Wochenbettes  durch  den  fibrinösen  Polypen  hervor- 
gerufen wurde.  Zwei  andere  Wöchnerinnen  erkrankten  nur 
unter  leichten  und  schnell  vorübergehenden  Erscheinungen 
von  Endometritis,  nachdem  bei  der  einen  eine  spontane  Früh- 
geburt mit  vorausgegangener  mehrtägiger  Blutung  eingetreten, 
und  bei  der  zweiten  durch  Einführung  einer  Laminaria-Sonde 
die  Schwangerschaft  künstlich  unterbrochen  worden  war.  Bei 
der  vierten  hatte  der  Geburtshergang  eine  beträchlliche  Quet- 
schung, besonders  der  vorderen  Muttermundslippe,  weiche 
an  dieser  Stelle  zur  Ablösung  gangränöser  Fetzen,  und  auch 
zu  oberflächlicher  Gangrän  der  Hymen-Reste  führte,  mit  be- 
trächtlicher Temperatursteigerung  inter  partum  und  einem 
geringen  Nachfieber  nach  Ablauf  der  ersten  30  Stunden  des 


j  74    X.  (?.  Veitf  Ueber  die  in  der  gebortshülfl.  Klinik  zu  Bonn 

Woclienbetles  zur  Folge.  Die  fünfte  überstand  bei  einer  Cod- 
jugala.  von  höchstens  S^«"  eine  schwere,  wenn  gleich  das 
Einschreiten  der  Kunst  nicht  erfordernde  Geburt;  und  bei  der 
sechsten  musste  eine  nicht  ganz  leichte  Zangenoperation  aus^ 
geführt  werden. 

Bei  38  Hessen  sich  solche  individuelle  Ursachen  der  Er- 
krankung nicht  ausfindig  machen.  Sie  vertheilen  sich  natur- 
gemäss  in  folgende  Gruppen: 

1)  Nr.  3,  4,  6  und  7  erkrankten  zwischen  dem  vierten 
und  achten  Mai;  woher?  weiss  ich  nicht. 

2)  Bei  Nr.  16^  18  und  19  erfolgte  der  Aasbruch  resp. 
am  5.,  16.  und  17.  Juni,  und  zwar  allem  Anscheine  liach 
zunächst  durch  Verschleppung  von  der  im  zweiten  Falle  oben 
genannten,  spontan  erkrankten  Wöchnerin.  Bei  letzterer  wurde 
die  Bildung  der  fibrinösen  Poly|)en  am  1.  Juni  entdeckt,  und 
am  3.  Juni  die  beginnende  diphtheritische  Verscborfung  des 
Dammrisses  constatirt. 

3)  Am  16.,  19.  und  23.  Juli  erkrankten  die  29.,  31. 
und  34.  Wöchnerin,  und  zwar  die  erste  derselben  (cf.  den 
9.  Fall)  erst  am  fünften  Tage  des  Puerperiums,  folglicii  in 
Folge  einer  erst  während  des  letzteren  eingetretenen  Infection. 
Am  14.  Juni  war  ein  am  Tage  vorher  bei  Nabelschnurvor- 
fall  todtgeborenes  Kind  exenterirt  und  zum  Gebrauche  för 
Phantomübungen  hergerichtet  worden ;  die  am  13.  spät  Abends 
entbundene  Nr.  30.  blieb  gesund.  Auch  eine  am  21.  Juni 
Nachmittags  4%  Uhq  Entbundene  (Nr.  33.)  erkrankte  nicht, 
sondern  erst  wieder  Nr.. 34.,  welche  um  6%  Uhr  durch  die 
Zange  von  einem  und  durch  die  Wendung  von  dem  zweiten  Kinde 
entbunden  wurde,  nachdem  der  Assistent  vorher  —  um  6  Uhr 
—  bei  Nr.  31.  den  Eintritt  übelriechender  Lochien  ermittelt 
hatte. 

4)  Vom  22.  August  bis  zum  10.  September  erkrankten 
sechs  von  zehn  Entbundenen,  drei  unter  ihnen  (cf.  Fall  5, 
7.  und  8.)  tödtlich.  Die  Quelle  für  die  Infection  der  ersten 
war  anscheinend  ein  bereits  in  Zersetzung  begriffenes  Ei,  wei- 
ches der  Assistent  am  21.  August  aus  der  Poliklinik  nach 
Hause  brachte.  Vom  10.  bis  zum  28.  September  kamen 
Entbindungen  nicht  vor,  wodurch  eine  weitei*e  Fortpflanzung 
der  Krankheit  verhindert  wurde. 


im  Sommer  1864  and  Winter  1864/65  aufgetretenen  9tc.  175 

5)  Am  19.  November  erkrankte  Nr.  56.  bald  nach  ihrer 
Entbindung  leicht,  und  am  23.  Nr.  57  (Fall  6.)  schwer. 
Nr.  56.  war  am  17.  November  von  dem  Assistenten  und  von 
einer  Anzahl  Studirender  untersucht  worden.  Als  Nr.  57. 
bereits  dipbtheritische  Geschwüre  hatte,  kam  Nr.  58.  nieder 
und  erkrankte;  ebenso  Nr.  60,  61,  62,  64.  (jun  18.  Decem- 
ber  entbunden). 

6)  Am  4.  Januar  wurde  Nr.  67.  nach  einer  schweren 
Niederkunft  wegen  Beckenverengerung  von  Metritis  befallen. 
Auf  diese  Wöchnerin  habe  ich  bei  meinen  Nachforschungen 
stets  zurückgehen  müssen,  um  die  am  7.  und  9.  Januar  aus- 
gebrochenen Erkrankungen  bei  Nr.  68.  und  70.  zu  erklären. 
Ihnen  schlössen  sich  alsdann  noch  eine  Reihe  anderer,  unter 
ihnen  drei  tödtliche  (Fall  4.,  10.  und  12.)  an.  Die  Neuent- 
bundenen wurden  niemals  in  die  Zimmer,  in  denen  sich  Er- 
krankte befanden,  gelegt,  und  überdies  die  Entbindungen  in 
den  gewöhnlichen  Betten  und  in  den  zur  Abhaltung  -  des 
Wochenbettes  bestimmten  Räumen  gemacht,  so  dass  ich 
eine  Propagation  durch  Vermittelung  der  Luft  ausschliessen 
muss.  Andererseits  bekam  ich  für  die  directe  Inoculation  des 
Giftes  entschiedene  Beweise.  Am  7.  Februar  Abends  9  Uhr 
starb  Nr.  78.  (Fall  10.)  an  Septicaemie.  In  der  darauf  fol- 
genden Nacht  musste  der  Assistent  in  der  Poliklinik  eine  an 
Stenose«  der  Mitralis  und  Verdickung  der  Aortenklappen  mit 
Dilatation  beider  Ventrikel,  und  deshalb  an  grosser  Dyspnoe 
inter  partum  leidende  Frau  in  der  Stadt  entbinden.  Diese 
starb  am  12.  Februar  an  Diphtheritis  uteri  und  eiteriger  Pe- 
ritonitis mit  geringen  Veränderungen  der  Lymphgefasse,  und 
wurde  ihrerseits  die  Quelle  für  die  Infection  von  Nr.  80. 
(Fall  12.),  welche  am  13.  Februar  unmittelbar  nach  ihrer 
Niederkunft  erkrankte.  Sowie  bei  Nr.  78.  bedenkliche  Sym- 
ptome eingetreten  waren,  wurde  angeordnet,  dass  demnächst 
weder  der  Assistent  noch  die  Hebamme  bei  den  neuen  Ent- 
bindungen und  der  weiteren  Wochenbettspflege  sich  bethei- 
ligen, und  die  Practicanten  die  ganze  Fürsorge  übernehmen 
sollten.  Diese  Anordnung  wurde  auch  bei  den  zwei  am  13.  Fe- 
bruar vorgefallenen  Geburten  befolgt,  aber  die  eine  Wöch- 
nerin (Nr.  80.)  erkrankte  trotz  dessen.  Schon  der  Umstand, 
dass  in  diesem  Falle  der  Process  bereits  fünf  Stunden  nach  der 


176     X.  G.  Veit.  Ueber  die  in  der  geburtshölfl.  Klinik  in  Bonn 

nur  zw«i  Stunden  dauernden  Geburt  begann,  weist  auf  eine 
Infection  vor  Beginn  der  Entbindung  hin,  und  in  der  That 
ist  diese  Person  am  11.  Zwecks  ihrer  Reception  von  dem 
Assistenten  untersucht  worden,  d.  i.  an  einem  Tage,  wo  er 
auch  die  in  der  Poliklinik  erkrankte  Wöchnerin  explorirt 
hatte. 

Je  mehr  die  Beweise  für  die  unmittelbare  Infection  ^ch 
häufen,  desto  mehr  empOndet  man  das  Bedürfniss,  genauere 
Aufschlüsse  über  die  Dauer  des  Incubationsstadiums  zu  er- 
halten. 

Zwischen  dem  Eintritte  der  ersten  Erscheinungen  und  der 
ersten  inneren  Exploration  bei  durchgängigem  CervicalkanaJe 
verflossen. 

1  Mal  27  Stunden 

3  „    30—32 

4  „    36-40       „ 
12     „    40-48       „ 

Eine  Wöchnerin,  welche  erst  65  Stunden  nach  Been- 
digung der  Geburt  erkrankte,  war  27  Stunden  vorher  im 
puerperalen  Zustande  untersucht  worden. 

Auch  das  grosse  llebergewicht  derjenigen  Erkrankungen, 
welche  vor  Ablauf  der  ersten  48  Stunden  p.  partum  ihren 
Anfang  nehmen,  und  Alles,  was  uns  über  die  Dauer  des 
latenten  Stadiums  bei  Infection  der  Finger  bekannt  ist,  spre- 
chen dafür,  dass  meist  in  dem  zweiten  vierundzwanzigslön- 
digen  Zeiträume  nach  geschehener  Inocnlation  der  Aushnifh 
erfolge.  Indessen  sind  umfangreiche  Nachforschungen  drin- 
gend wünschenswei'lh. 

Resumire  ich  die  Resultate,  welche  mir  die  Erfahrungen  in 
Bonn  in  ätiologischer  Hinsicht  geliefert  haben,  so  beschrän- 
ken sich  dieselben  im  Wesentlichen  auf  eine  Bestätigung  des- 
sen, was  ich  vor  dieser  Zeit  bereits  als  hinreichend  sipher 
gestellt  annehmen  zu  dürfen  glaubte,  d.  h.  den  Anschlnss 
ganzer  Reihen  von  Erkrankungen  an  einen  spontan  entstan- 
denen puerperalen  Process,  die  Verschleppung  der  Krankheit 
von  einem  Individuum  auf  das  andere,  die  Entwickelung  von 
Puerperalfieber  in  Folge  einer  Berührung  der  Wöchnerinnen 
mit  Händen,  welche  durch  Leichen theile,  die  in  einem  gewis- 
sen Siadium  der  Zerselzmig  begriflTeii  sind,  verunreinigl  win*- 


im  Sommer  1864  und  Winter  1864/65  Aa%etreteneD  eto.     177 

den,  und  endlich  die  hervorragende  Rolle,  welche  bei  der 
Yermittelung  der  Infection  das  in  den  Entbindungsanstalten 
angestellte  Personal  spielt.  Meiner  festen  (leberzeuguug  nach 
wird  auch  die  in  den  letzten  Jahren  in  immer  grössere  Kreise 
eingedrungene  Ansicht ,  dass  das  Puerperalfieber 
nichts  weiter  als  das  Product  einer  septischen 
Infection  ist,  in  kurzer  Zeit  kaum  noch  Gegner  finden; 
da  aber  jetzt  noch  gewichtige  Stimmen  in  ihren  Bemühuagen, 
sie  zu  widerlegen,  fortfahren,  will  ich  mir  gestatten,  die  vor- 
handenen Beweise  für  ihre  Richtigkeit  und  gegen  die  mias- 
matische Genesis  an  dieser  Stelle  zu  prüfen. 

1)  Der  Ausbruch  und  die  Verbreitung  des 
Puerperalfiebers  ist  nicht  von  einer  besonderen 
Luftconstitution  oder  einem  in  der  Atmosphäre 
in  grösserer  Ausdehnung  verbreiteten  schädlichen 
Agens  abhängig.  Nicht  bloss  die  MortalitätsverhAltnisse 
der  verschiedenen  Landern  angehörigen  Entbindnngsanstallen 
entbehren  einer  Uebereinstimmung,  sondern,  wie  Arneth  und 
Semmelweiaa  mit  Zahlen  belegt  haben,  und  zahlreiche  Spe- 
cialberichte ergeben,  auch  in  Gebärhäusern,  welche  in  der- 
selben Stadt  gelegen  sind,  und  in  verschiedenen  Abtheilungen 
desselben  Hospitales  steigt  und  fallt  die  Morbilität  und  Hör* 
talität  zu  verschiedenen  Zeiten.  Von  2J6  Epidemien,  welche 
Hirsch  zusammengestellt  hat,  erlangten  nur  zwölf  eine  Ver* 
breitung  über  grössere  Landschaften;  129  blieben  auf  ein- 
zelne Häuser  oder  einzelne  Abtheilungen  von  Anstalten  be- 
schränkt; 41  andere  drangen  von  den  Gebärhäusern  in  die 
Stadt  ein,  ohne  hier  in  21  Fallen  mehr  als  vereinzelte  Er- 
krankungen zu  bewirken;  34  betrafen  ausschliesslich  die  Pri- 
vatwohnungen einer  einzelnen  Ortschaft. 

Alle  Nachforschungen  nach  einem  ätiologischen  Zusam- 
menhange der  Krankheit  mit  bestimmten  tellurischen  Ver- 
hältnissen haben  nur  die  Unabhängigkeit  von  den  letzteren 
herausgestellt.  In  BetrelT  der  Beziehungen  zur  Witterung  hat 
sich  nur  ein  Einfluss  der  kälteren  Jahreszeit  ergeben,  und 
diesen  kann  man  nur  als  einen  indirecten  auffassen,  seitdem 
Hiraoh  gezeigt  hat,  dass  er  sich  bei  den  Hospitalepidemien 
beträchtlich,  bei  dem  Auftreten  des  Puerperalfiebers  in  Pri- 
vatwohnungen  aber  nur  sehr  wenig  bemerklich  macht. 

HouatMchr.  f.  Oeburtsk.  1865.  Bd.  XXVI.,  H/t.  8.  12 


178    X-  ^'  y^^t  Ueber  die  in  der  greburtshtild.  Klinik  sn  Bonn 

Endlich  haben  die  kritischen  Forschungen  ßirseh*s  zo 
dem  Ergebnisse  gefuhrt,  dass  das  froher  betonte  gleichzeitige 
Vorkommen  von  PuerperalGeber  und  der  Ruhr,  dem  Typhus, 
dem  Scharlach  ein  rein  zufälliges  ist,  und  dass  die  Goinddenz 
mit  Erysipelas  nur  insoweit  Beachtung  verdient,  als  man 
-  unter  diesem  Namen,  wie  es  in  England  üblich  ist,  nicht  das 
einfache  Erysipelas,  sondern  phlegmonöse  und  diphtheritische 
Prozesse  begreift. 

Man  kann  schon  hiemach  einen  miasmatischen  Ursprung 
des  Puerperalfiebers  nur  unter  der  Voraussetzung  annehmen, 
dass  das  Vorbandensein  dieses  Miasma's  sich  auf  einen  sehr 
geringen  Umkreis,  unter  Umständen  auf  einzelne  Räumlich- 
keiten eines  Hauses  beschranke. 

2)  Die  verschiedenen  pathologischen  Processe 
beim  Puerperalfieber  erklären  sich  ausreichend 
durch  die  Annahme  einer  septischen  Infection. 
Die  Mehrzahl  der  zu  einer  Epidemie  gehörigen,  d.  h.  durch 
ein  gemeinsames  genetisches  Band  verbundenen  Erkrankungen 
äussert  sich  in  diphtheritischen  und  phlegmonösen  Affectionen, 
welche  von  den  Geburtsorganen  und  zwar  hier  wieder 
von  Stellen,  welche  durch  den  Verlust  ihrer  schützenden 
Decke  infectionsfahig  geworden  sind,  ihren  Ausgang  nehmen, 
und  zum  Tbeil  gutartig,  d.  i.  ohne  beträchtliche  locale  Ne- 
krose und  weitere  Complicationen  verlaufen,  oder  durch  die 
Portpflanzung  des  Processes  auf  das  Bauchfeil  oder  auch  auf 
die  serösen  Häute  der  Brusthöhle,  durch  Verjauchung  u.  s.  w. 
des  ergriflenen  Bindegewebes  oder  durch  den  Eintritt  von 
Septicämie  mit  deren  weiteren  Folgen  einen  virulenten  Cha- 
racter  bekunden.  So  ist  denn  auch  gewöhnlich  von  einer 
AUgemeinerkraukung,  welche  den  localen  Processen  voraus- 
'  ginge,  nichts  wahrzunehmen ,  und  wenn  das  Fieber  so  häufig 
das  am  frühesten  erscheinende  Krankheitssymptom  ist,  so  darf 
man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  die  ersten  localen  Vor- 
gänge schwer  nachzuweisen  sind ,  und  dass  Fälle,  in  welchen 
vor  dem  Beginne  des  Frostes  oder  der  Temperatursteigerung 
ein  diphtheritischer  Belag  der  puerperalen  Wunden,  Empfind- 
lichkeit des  Uterus  gegen  Druck  oder  andere  locale  Erschei- 
nungen sich  constatiren  lassen,  vorkommen.  Die  Differenzen 
in  der  Zeit,    zu   welcher  in  den  schlimmen  Fällen  die  Svm- 


im  8omm«r  1864  and  Winter  1864/^6  nafg^etr^tenen  «ie.    179 

ptome  der  Septiedmie  auftreten,  bilden  den  >onsländigen^ 
Uebergang  zu  den  am  rapidesten  Terlaiifenden  Erkrankungen, 
welche  mit  Septicämie  beginnen,  ebenso  wie  eine  stufenweise 
Abnahme  der  In-  und  Extensität  der  localen  Veränderangen 
bis  zu  dem  fast  vollständigen  Mangel  derselben  sich  nachwei- 
sen lässt.  Die  schlimmsten  Fälle,  in  denen  ,,die  Krankheit 
nur  im  Blute  verläuft'',  characterisiren  sich  unzweifelhaft  durch 
die  Symptome  der  Septicämie;  bei  peracutem  Verlaufe  findet 
man  dieselben  fleckigen  Hyperämien  und  Hämorrhagien  be- 
sonders der  Lungen,  der  Leber,  der  Nieren,  des  Magens  und 
Darms,  der  in  verschiedenem  Grade  erweichten  Milz,  wie  sir 
in  Folge  der  Injeclion  von  septischen  Flüssigkeiten  autlreten, 
und  namentlich  von  (7.  O.  Weber  hervorgehoben  worden 
sind.  Der  von  uns  mitgetheilte  zehnte  Fall  zeigt  dies  am 
deutlichsten.  Zu  der  Annahnie,  dass  bei  rapidem  Verlaufs 
das  septische  Gift  an  einer  anderen  als  der  gewöhnlichen 
Stelle  in  den  Organismus  eindringe,  zwingt  Nichts ;  man  kann 
eieh  sehr  wohl  vorstellen,  dass  die  Gebärmuttergefässe,  die 
Vasa  lymphatica  oder  die  Venen  oder  beide,  die  Aufnahme 
vermitteln.  In  dem  eben  genannten  zehnten  Falle  weist  einer- 
seits die  bei  Lebzeiten  vorhandene  Empfindlichkeit  der  einen 
Uternsseite,  und  andererseits  die  bei  der  Section  erkennbare 
Veränderung  der  Ovarien  auf  einen  solchen  Zusammenhang 
direct  hin.  Der  Mangel  der  physiologischen  Thrombose  der 
Gebännuttervenen  erscheint  als  Folge  der  auffallend  kräftigen 
Contraction  des  Organs  nach  der  Geburt;  dass  diese  Venen 
giftige  Stoffe  weiter  geführt  haben,  mag  deshalb  zweifelhaft 
bleiben  und  die  Vermittelung  der  Infection  durch  die  Lymph- 
gefässe  plausibler  erscheinen. 

Das  Auftreten  phlebitischer  Processe  bei  epidemischen 
Erkrankungen  erklärt  sich  durch  die  Voraussetzung  eines 
Mtasma's  ebenfalls  nicht  besser;  es  vervollständigt  nur  die 
Analogie,  welche  zwischen  dem  Puerperalfieber  und  der  chi- 
rurgischen Pyämie  besteht. 

3)  Dass  die  Inoculation  septischer  Stoffe  bei 
Kreissenden  und  Wöchnerinnen  sporadisches 
wie  epidemisches  Puerperalfieber  erzeugt,  ist 
nachgewiesen.  Das  vereinzelte  Auftreten  der  Krankheit 
aus  dieser  Veianlassung  bezeugen  schon  die  Fälle  sogenannter 

12* 


180     ^  ^-  ^«^9  Ueber  die  in  der  gebnrtshülfl.  Klinik  in  Bonn 

^  SelbstiufecUoD,  das  epidemisch«  nanientlicb  die  Aetiologie  der 
Epidemien  in  den  Privatwohnungen.  Das  Studium  der  letzteren 
ist  darum  so  wichtig,  weil  man  sich  selbstverständlidi  am 
sichersten  vor  Irrwegen  schützt,  wenn  man  der  Art  imd 
Weise  der  Entstehung  und  der  Verbreitung  der  Krankheit 
dort  nachspürt,  wo  die  Verhältnisse  am  durchsichtigsten  sind. 
Bei  den  Epidemien  in  den  Privatwohnungen  ist 
häufig  constatirt  worden,  dass  sich  die  Krankheit  ausschliess- 
lich oder  nahezu  auf  die  Praxis  einzelner  Geburtshelfer  oder 
Hebammen  beschränkte,  oder  dass  sie  aus  einem  Gebärbaus« 
oder  aus  einer  Privatwohnung  durch  Aerzte,  Hebammen  oder 
Wärterinnen,  welche  mit  Personen,  die  am  Puerperalfieber 
erkrankt  oder  verstorben  waren,  mit  Theilen  von  ihren  Lei- 
chen, oder  mit  der  von  ihnen  verunreinigten  Leib-  oder 
Bettwäsche  in  Berührung  gekommen  waren,  hier-  und  dorthio, 
bisweilen  Meilen  weit  vei*schleppt  wurde.  Bei  Hirsch  Gndet 
sich  eine  Sammlung  derartiger  Mittheilungen  von  Oordon^ 
Kolde,  Douglas  y  Gooch,  Moir  nach  der  Ueberiiefening 
Hamüton%  Simpson^  Ingleby,  Lttzmann,  Levergood, 
EobertoUf  GampbeU^  Warrington ^  West,  Storrs,  ic«, 
Schulten,  Punch,  Ramsbotham^  Armstrong,  Wegscheider, 
Cederschjöld,  Blackmore,  Elkington,  BeaUy,  VoiUemier, 
Schneider,  Speyer,  Zwei  neue,  hierher  gehörige  Thatsachen 
hat  im  vorigen  Jahre  Orisar  referirt;  eine  andere  ist  mir  aus 
Schwerin  bekannt  geworden;   die  Verschleppung  der  Krank- 

'  heit  durch  den  Assistenten  in  die  Poliklinik  und  aus  dieser 
zurück  in  die  Entbindungsanstalt  im  vorigen  Jahre  habe  ich 
oben  berichtet;  und  wenigstens  ein  Fall  eigenhändiger  Ueber- 
traguug  ist  mir  ganz  unzweifelhaHt,  weil  er  mich  sehr  nahe 
angeht.  Freilich  hat  mau  den  Einwand  erhoben,  dass  solche 
Berichte  wenig  beweisen,  weil  sich  die  Richtigkeit  der  Deu- 
tung bezweifeln  lasse,  und  diese  Fälle  noch  zu  vereinzelt  da- 
ständen. Nach  KiwiscVs  Memung  kann  das  vorwiegende 
Vorkommen  des  Kindbettfiebers  in  der  Praxis  eines  Arztes 
oder  einer  Hebamme  darin  seinen  Grund  haben,  dass  ent- 
weder ihr  Entbindungsxerfahren  unzweckmässig  war,  oder 
dass  sie  den  umfangreichsten  Wirkungskreis  hatten,  oder, 
dass  eben  nicht  Alles  Kindbettfieber  war,  was  sie  dalur  aus- 
gaben,   odrr  dass   andere    Geburtshelfer  nur  die  Geburt  zu 


im  Sommer  1864  und  Winter  1864/55  aufgetretenen  etc.  Igl 

leiten  hatten,  und  über  den  Verlauf  des  Wochenbettes  in  Un- 
kenntnhss  blieben.  Indessen  erscheinen  diese  Versuche,  den 
Zusammenhang  anders  zu  deuten,  demjenigen,  welcher  die 
erwähnten  Berichte  mit  Sorgfalt  gelesen  hat,  durchaus  miss- 
lungen,  und  Hirsch  behauptet  mit  Recht,  dass  sich  die  Ge- 
ringfügigkeit der  Zahl  dieser  Beobachtungen  heute  nicht  mehr 
betonen  lässt.  Man  muss  daher  zugeben,  dass  die  Verschlep- 
pung des  Puerperalfiebers  feststeht,  und  dass  derjenige,  wei- 
cher den  miasmatischen  Ursprung  festhalten  ^ill,  daneben  die 
contagiöse  Genesis  anzuerkennen  gezwungen  ist. 

Der  Hypothese  eines  Miasma's  aber  bedarf  es  nicht  ein- 
mal, um  die  Entstehung  des  ersten  Falles  einer  Epidemie  zu 
erklären;  denn  auch  die  Fährte,  welche  dahin  fuhrt,  hat  be- 
reits die  Erfahrung  kennen  gelehrt.  Hutchinson  berichtet, 
dass  gleichzeitig  an  zwei,  zehn  englische  Meilen  von  einander 
entfernten  Orten  zwei  Frauen  tödtlich  am  Puerperalfieber  er- 
krankten, welche  von  zwei  verschiedenen  Aerzten  entbunden 
waren,  nachdem  diese  30 — 40  Stunden  zuvor  an  einem  zwi- 
schen jenen  Orten  gelegenen  Platze  die  jauchende  Fläche 
eines  an  phlegmonösem  Erysipel  leidenden  Menschen 
mit  den  Händen  untersucht  hatten.  In  derselben  Weise  in- 
ficirten  Sleight  und  Elkington  je  eine  Gebärende,  nach  /n- 
gleby'^  Mittheilung  ein  Arzt  nach  einander  zwei,  Clark  des- 
gleichen zwei,  Lloyd  drei  Frauen.  Nach  den  Referaten 
Ingleby^Sy  Lee'^  und  Elkington*^  folgten  in  drei  anderen 
Fällen  zahlreichere  Erkrankungen.  Storrs  wurden  zwischen  ^ 
dem  8.  Januar  und  26.  Februar  unter  24  von  ihm  entbun- 
denen Frauen  acht  vom  Puerperalfieber  ergriffen,  während  er 
ein  gangränöses  Erysipel  behandelte;  da  seinen  Collegen  da- 
mals Puerperalkrankheiten  nicht  vorkamen,  verliess  er  auf 
einige  Zeit  seinen  Wirkungskreis;  indessen  erkrankten  dif 
zwei  Kreissendeu,  welchen  er  am  21.  und  22.  März  Beistand 
geleistet,  wiederum,  weil  er  bei  der  am  Erysipel  leidenden 
Frau  einen  neuen  Abscess  geöffnet  hatte.  Eine  Puerperal- 
fieberepidemie  in  Halifax  hess  sich  auf  eine  gangränöse 
Entzündung  des  Sero  tu  in,  eyie  andere  von  Holmes 
beschriebene,  auf  eine  Gangrän  des  Schenkels,  eine 
dritte  in  Sheffield  auf  einen  p hagedänischen  ßubo,  eine 
vierte  nach  der  Mittheilung  von  Storrs  auf  die  Section  eines 


182     ^'  ^'  y^h  Ueber  die  in  der  gebartshülfl.  Klinik  sa  Bonn 

an  incarcerirter  brandiger  Hernie  VersiorbeDen,  und 
die  Erkrankung  einer  im  Petersburger  Hebaromeninstituie  und 
niuer  zweiten  in  der  Stadt  selbst  Entbundenen  auf  eine  von 
Eüinger  gemachte  Section  zurückführen, 

Dass  sich  in  den  Gebäran stalten,  wo  jede  Kreissende 
mit  vielen  Banden  in  Berührung  tritt,  die  Infection  eines 
Individuums  mit  septischen  Stoffen,  und  die  Verschleppung 
der  Krankheit  von  einer  Person  auf  die  andere  seltener  und 
auch  dann  noch  schwieriger  feststellen  lässt,  liegt  in  der  Na- 
tur der  Sache.  Die  Peststellung  gelingt  um  so  weniger,  je 
mehr  Glauben  das  Miasma«  gefunden  hat,  und  der  Glaube  an 
das  Miasma  erleichtert  das  Gewissen.  Nichts  desto  weniger  liegen 
auch  aus  den  Gebärhäusern  Erfahrungen  vor,  welche  die  in  den 
Privatwohnungen  gemachten  Beobachtungen  bestätigen.  Ein- 
zelne Fälle,  in  welchen  die  Verschleppung  des  Puerperalfiebers 
von  Kranken  auf  Schwangere  oder  Kreissende  durch  die  Heb^ 
ammen  der  Anstalt  erfolgte,  berichten  Lee  aus  dem  Brilish 
Lying-in  Hospital  und  Cederschjöld  aus  dem  Gebärhause  zu 
Stockholm ;  in  der  Entbindungsanstalt  zu  Rostock  constatirte 
Winkel  die  Verbreitung  der  Krankheit  durch  den  im  Insti- 
tute wohnenden  Practicanten,  in  der  geburtshulflichen  Klinik 

zu  Bonn  ich,  wie  erwähnt  wurde,  durch  den  Assistenten.    In 

i 

dem  Gebärhause  zu  New- York  begann  18Ö0  eine  Epidemie 
nach  der  Reception  einer  an  Peritonitis  leidenden,  schon 
moribunden  Frau;  und  der  erste  Fall  von  Puerperalfieber 
betraf  eine  Person,  welche  von  der  Hand  dessen,  der  die 
Section  der  Gestorbenen  kurz  vorher  gemacht  hatte,  entbun- 
den worden  war.  In  einem  kleinen  Institute  Frankreichs  in- 
ficirte ,  wie  Arneih  referirt ,  der  Arzt  nach  einer  ^Section 
zwei  Kreissende.  In  dem  neuen  Gebärhause  zu  Hünchen 
brach  zum  ersten  Male  das  Kindbettfieber  aus,  nachdem  der 
Assistent  eine  Leichenöffnung  gemacht  hatte;  die  von  dem- 
selben Explorirten  erkrankten  zuerst  allein,  nachdem  dann 
im  Januar  und  Februar  der  Gesundheitszustand  günstig  ge- 
wesen war,  wurden  wieder  zwei  Wöchnerinnen  befallen,  welche 
der  Assistent  unmittelbar  nach  der  Section  einer  Kindesleiche 
untersucht  hatte.  Colltns  berichtet,  dass  in  dem  Dubliner 
Gebärhause  zwei  Mal  Epidemien  durch  AufnahVne  einer  Ty- 
phttskranken   hervorgerufen   wurden.     Im  October   1847  un- 


im  Sommer  1804  and  Winter  186^6  aufgetretenen  etQ.    183 

tersucbte  Semmelweias  mit  seinen  Schälern  im  Kreisazimraer 
zunächst  eine  an  Uleruskrebs  Ladende,  und  darauf  die  zwölf 
übrigen  vorhandenen  Gebärenden;  elf  von  den  letzteren  er* 
krankten  tödtlicb.  Wie  Chiari  mittheiit,  so  musste  im  Ja- 
nuar 1853  in  Prag  eine  Erstgebärende  in  Folge  von  Ver- 
dickung und  nachträglicher  Gangränescenz  des  Muttermundes 
mittels  der  Perforation  entbunden  werden,  und  erlag  später 
einer  septischen  Endometritis;  neun  andere  Gebärende,  die 
mit  derselben  im  Kreisssaale  sich  befanden,  erkrankten  und 
starben  mit  Ausnahme  einer  einzigen.  Von  dieser  Zeit  an 
schleppten  sich  die  häufigeren  Erkrankungen  bis  in  den  Monat 
Hai  hin.  Im  October  starb  wieder  eine  mittels  der  Perfora- 
tion Entbundene  an  septischer  Endometritis,  und  diesem  Er- 
eignisse folgten  wieder  zahlreiche  Erkrankungen  bis  zur  Mitte 
des  November.  In  der  durch  gute  Gesundheitsverhältnisse 
ausgezeichneten  Anstalt  zu  Gothenburg  entstand  von  sechs 
Epidemien  eine  aus  traumatischer  Ursache,  und  die  übrigen 
fünf  entwickelten  sich  nach  der  Aufnahme  von  Wöchnerinnen, 
welche  an  acuten  Krankheiten  —  zwei  Mal  Erysipelas  — 
litten.  Auch  in  Bonn  schlössen  sich^  wie  berichtet,  an 
spontane  Erkrankungen  andere  an. 

Die  vorstehenden  Erfahrungen  lehren  sciion,  dass 
4)  die  Annahme  eines  Miasma's  eine  unzurei- 
chendeundaufder  anderen  Seite  unnöthige  Hypo- 
these isL  Die  Richtigkeit  dieses  Ausspruches  tritt  aber  noch 
deutlicher  hervor,  wenn  man  die  anderweitigen  Ergebnisse  der 
bisherigen  Bemühungen,  die  Ursachen  der  epidemischen  Er- 
krankungen der  Wöchnerinnen  zu  ergründen,  kritisch  beleuchtet. 
Diese  sind  entweder  der  Lehre  vom  miasmatischen  Ursprünge 
der  Krankheit  geradezu  ungünstig,  oder  lassen  sich  wenig- 
stens durch  die  Annahme  einer  septischen  Infection  ebenso 
gut  erklären. 

Zunächst  muss  man  sich  darüber  klar  werden ;  dass  die 
Lehre  von  dem  miasmatischen  Ursprünge  durch  den  Nach- 
weis ^  dass  das  Puerperalfieber  nicht  eine  ausschliesslich  bei 
Wöchnerinnen  vorkommende  Krankheit  ist,  eine  wesentliche 
Stütze  verloren  hat.  Strenge  Essenfialisten ,  wie  Litzmann, 
haben  dies  gefühlt,  desshalb  bezweifelten  sie  die  Richtigkeil 
der  Deutung  det*  schon   von  Clarke  und  Boer  zum  Beweise 


184    X-  ^-  V^i,  Ueber  die  in  der  gflliurteb6lfl.  Klinik  sn  Bonn 

des    gelfgenüichen    Befailenwerdens  Schwangerer    angefahrten 
Fälle,  'und  bemühten  sich,  'die  Krankheitserscheinungen  aas 
dem  vorgängigen  Absterben  der  Frucht  abzuleiten.     So  lange 
mau  sich  unter  dem  Puerperalzustande  etwas  ganz  Besonderes 
vorstellte,   mochte  es  allenfalls  gerechtfertigt  erscheinen,    ihn 
als  eine   Quelle   für   eigenthömliche   Effluvien,    als   die  Eni- 
wickeluugsstätte    eines    besonderen    Puerperalmiasma's    anzu- 
sehen.    So  lange  der  Puerperaizustand  als   conditio  sine  qua 
non   der  Wirkung  des   supponirten   Miasma's   gelten   durfte, 
trat  die  Frage  nicht  heran,  warum  dieses  Miasma,  im  C^gen- 
satze  zu  allen  anderen,   vorzugsweise,    wenn  nicht 
ausschliesslich  auf  Menschen   wirkt,    welche  zur 
Aufnahme  septischer  Stoffe  geeignete  Haut-  oder 
Schleimllautstellen  haben.    Heute  ist  diese  Frage  un- 
vermeidlich,  und  führt  noth wendig  zu  der  Analogie,    welche 
zwischen  dem  Puerperalfieber  und  den  virulenten  Phlegmonen, 
die  zu  unbedeutenden  Excoriationen  und  Wunden  der  äusse- 
ren  Haut   hinzukommen,    bestehL     Denn   wir   wissen,    dass 
nicht  bloss  Wöchnerinnen,    sondern   auch  Frauen  vor  ihrer 
Entbindung,  und  überdies  Kinder  ohne  Vermittelung  des  Blu- 
tes ihrer  Mutter,  ja  selbst  noch  andere  Menschen  von  dem 
krankheitserregenden  Agens  getroffen  werden  können.     West 
versichert,    dass  während   der  1813  und  1814    in  Abingdon 
und  Umgegend    herrschenden   Puerperalfieberepidemie  Nicht- 
wöchnerinnen  sehr  häufig  von  der  Rose  befallen  wurden,  dass 
die  Frequenz   und  Intensität   beider  Kranklieiten  gleichmassig 
zu-  und  abnahm,  und  dass  das  Puerperalfieber  nur  an  den- 
jenigen Orten  vorkam,   wo  die  Rose   herrschte,   während  in 
anderen  unmittelbar  in  der  Nachbarschaft  gelegenen  Ortschaf- 
ten  keine  von  beiden  Krankheiten  bemerkbar  wurde.     Fer- 
guson, Sidey  u.  A.  erzählen,  dass  gerade  die  Umgebung  von 
Kindbettfieberkranken,   besonders  dj^s  Wartepersonal,   häufig 
an  der  Rose  erkrankte.    Die  Infection  von  NichtWöchnerinnen 
ist  neuerdings  durch  Pthan-Dufeillay  bestätigt  worden.    Im 
Februar   1861    wurden  im  Höpital  St.  Louis,    um  eine  Epi- 
demie zum  Erlöschen  zu  bringen,  die  Säle  der  Wöchnerinnen 
und  der  Hautkrank.en  ausgetauscht.     Die  transferirten  Wöch- 
nerinnen blieben  gesund,  aber  unter  den  32  umgelegten  Haut- 
kranken  brach    eine   Erysipelasepidemie   aus  und  eine  starb. 


im  Sommer  1864  nnd  Winter  1864/ß5  ftfiffrelreteiien  etc.    185 

Mit  dem  Puerperalfieber  der  Kinder  wurde  recht  eigenttfch 
die  Brücke  erobert,  welche  zu  der  Erkrankung  der  Warte- 
rinnen  und  der  Hautkranken  an  Erysipels  und  schliesslich 
zu  den  phlegmonösen  Processen  und  Lymphangioitiden,  welche 
Aerzte  und  Hebammen  durch  Verunreinigung  ihrer  verwun- 
deten Hände  bei  Verrichtung  von  geburtshülflichen  Dienst- 
leistungen und  Sectionen  sich  zuziehen,  hinfährt.  Jetzt  ist 
kein  Zweifel  mehr  darüber  möglich,  dass  auch  nicht  puer- 
perale, traumatische  Eingriffe  an  Vagina  und  Uterus  eine  dem 
Puerperalfieber  in  jeder  Beziehung  gleichende  Krankheit  er- 
zeugen können,  wovon  Buhl  neuerdings  drei  Beispiele  mit- 
tbeilte.  Ebenso  ist  sicher,  dass  ausserhalb  des  Puerperiums 
die  Infection  spontan  entstandener  Orificialgeschwilre  zu  dem- 
selben Processe  fähren  kann,  wie  H,  Meckel  an  einem  Falle 
von  Uterusfibroid  mit  Exulceratiun  der  Muttern lundsh'ppen  nach- 
gewiesen hat. 

Für  die  Bichtigkeit  der  Infectionstheorie  und« 
gegen  die  miasmatische  Genesis  zeugt  entschie- 
den der  Einfluss,  welchen  der  Zeitpunct  der  Be- 
ception  der  Individuen  in  das  Gebärhaus  im  Ge- 
gensatze zu  der  Gleichgültigkeit  der  constitutio- 
nellen  Verhältnisse  auf  die  Morbilität  ausübt 
Schon  Semmelweiss  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
diejenigen  Pei'sonen,  welche  bereits  entbunden  in  das  Gebär- 
baus kommen,  eine  grosse  Immunität  gegen  das  Puerperal- 
fieber zeigen.  Neuerdings  bat  Spaeth  in  seinem  Berichte  über 
die  1861/^  in  der  Khnik  für  Hebammen  zu  Wien  beobach- 
tete Epidemie  mitgetheilt,  dass  bei  90  während  derselben  vor- 
gekommeneu sogenannten  Gassengeburten  nm*  eine  Puerperal- 
erkrankung  vorkam,  obwohl  die  in  diese  Bubrik  gehörigen 
Personen  mitten  zwischen  die  kranken  Wöchnerinnen  gelegt 
wurden.  Auch  hinsichtlich  derjenigen,  welche  vor  vollendeter 
Entbindung  aufgenommen  werden,  stellt  sich  heraus,  da^s  die 
Morbilität  in  demselben  Maasse,  wie  die  Gelegenheit  zu  einer 
iocalen  Infection  zunimmt.  Dies  ergiebt  a)  der  Vergleich  der 
kreissend  und  der   vor  Beginn  der  Geburtswehen  Becipirten, 

b)  der  Unterschied  zwischen  den  Priteiparen  und  Multiparen, 

c)  der  Einfluss  einer  kürzeren  oder  längeren  Dauer  des  Auf- 
enthaltes der  Schwangeren  vor  ihrer  Entbindung.     Bei  den 


186     X*  ^«  ^«<i  Ueber  die  in  der  gebarUhölfl.  Klinik  sn  B«an 


kreisseod  Aufgeaommenen  ist  die  Zahl  der  Erkran- 
kuDgen  geringer,  weil  sich  der  erste  Abschnitt  ihrer  Eut* 
bindung  der  Exploration  entzieht; 

Strassburg  1856/57  (Levy). 
Von  45  Kreissenden  erkrankten  19  =  42  7o« 
„    47  Schwangeren      „         25  =  53  „ 
München  1859/62  (Hecker), 
Von  1033  Kreissenden  erkrankten  132  =  12,8%, 
^      534  Schwangeren      „  88  =  16,1    „ 

Desgleichen  bei  den  Mehrgebärenden,  weil  durch 
den  schnelleren  Verlauf  der  Geburt  im  Allgemeinen  und  durch 
die  Nichtbeachtung  der  ersten  Periode  ile   für   die  Infection 
am  meisten  geeignete  Zeit  abgekürzt  ist,  oder  verloren  gehe 
In  Wien  erkrankten,  von  491  Primiparen  117  =»  23,8  % 

und  sterben  80  =  16,2  ^ 
„    636  Mulüparen     93  =  14,6  ^ 
und  starben  68  =  10,6  „ 
München     „  „     304  Primiparen    66  =  21,0  „ 

und  starben  15  =    4,9  „ 

„    609  Multiparen     76  =  12,5  „ 

und  starben  17  =    2,2  ,. 

„    232  Primiparen    36  =  15,5  „ 

und  starben  13  =3    5,6  ^ 

„    431  Multiparen     43  =  10,2  „ 

und  starben  20  =    4,6  „ 

Strassburg  „  „      56  Primiparen    33  =  59    „ 

und  starben  10  <==  18     „ 
„      44  Mulüparen     19  =  43    ^ 
und  starben    5  =s  113  » 
Auf  17  Primiparen  kommen  10  Multiparen. 
Vor  Beginn  der  Geburt  kann  eine  Infection  der  Regel 
nach  nur  erfolgen,  wenn  der  innere  Muttermund  durchgängig 
ist,  desshalb  meist  nur  bei  Multiparen;  die  wenigen  Kranken 
in  Bonn ,    bei  welchen   der  Process  gleich  nach  der  Nieder- 
kunft seinen  Anfang  nahm,  gehörten  in  diese  Klasse« 

Die  grösste.Gefahr  liegt  darin,  dass  eine  Per- 
son kurze  Zeit  vof  ihrer  Entbindung  die  Anstalt 
betritt. 

Nach   Braun  waren  im   October  bis  Deoember   1861 


im  Sorainer  1€6/  Qüd  Winter  1864/66  mtfgretreteiieii  etc.  Ig7 

unter  den  in  der  ersten  Wiener  Klinik  Verstorbenen  86  ss 
6ö^/o  einen  Tag  vor  der  Entbindung  und  35  =s=  26% 
1—6  Wocben  vorher  recipirt;  im  Januar  1862  betrug  die 
Sterblichkeit  der  ersten  Klasse  67  7o«  di^  ^^^  zweiten  30  ^o* 

In  München  schwankte  die  Mortalität  bei  einem  2,  3,  4 
oder  mehrwöchentlichen  Aufentlialte  vor  der  Entbindung  zwi- 
schen 11  und  16%,  und  stellte  sich  im  Durchschnitte  zu 
13,6%,  während  bei  einem  1—7  tagigen  Aufenthalte  29,8% 
erkrankten.  Der  Schlüssel  zu  dieser  Thatsache  liegt  sehr 
nahe;  ein  Theil  derjenigen,  welche  kurze  Zeit  vor  ihrer  Ent- 
bindung die  Reception  nachsuchen,  ist  schon  bei  dieser  in 
Folge  der  Eröffnung  des  Orific.  intern,  u.  s.  w.  inficirbar; 
andererseits  gelingt  die  Verheimlichung  des  Beginnes  der  Ge- 
burt um  so  leichter,  je  längere  Zeit  vor  demselben  die  Schwan- 
geren sich  in  der  Anstalt  befinden.  Die  Hypothese,  dass  der 
längere  Aufenthalt  eine  Abstumpfung  gegen  das  vermuthete 
Miasma  zur  Folge  habe  (Hecker)  ^  ist  schon  deshalb  unzu* 
lässig,  weil  sie  die  Voraussetzung  einschliessen  muss,  dass 
diese  Abstumpfung  gerade  immer  in  den  letzten  acht  Tagen 
vor  der  Entbindung  eintrete,  ganz  gleich,  wie  lange  vorher 
der  Aufenthalt  gedauert. 

Durch  die  Infectionstheorie  lassen  sich  die 
Schwankungen,  welche  in  der  Zeit  des  Ausbruches 
der  Krankheit  vorkommen,  sehr  bequem  verständ- 
lich ma  eben.  Die  ersten  Symptome  stellen  sich  sehr  selten  vor 
dem  Beginne  ordentlicher  Geburtswehen ,  häufiger  schon  wäh- 
rend der  Geburt,  gewöhnlich  erst  im  Wochenbette,  und  hier 
am  häu%sten  am  zweiten  oder  dritten  Tage,  selten  wieder 
nach  Ablauf  des  fünften  ein.  Vor  dem  Eintritt  der  Wehen 
ist  nur  die  innere  Oberfläche  der  eigentlichen  Gebärmutter- 
höhle durch  die  Ablösung  der  Decidua  eine  geeignete  Keim* 
Stätte  iür  die  Infection  und  auch  der  unterste  Theil  dersel- 
ben für  den  Finger  entweder  unzugänglich  oder  sckwer 
erreichbar.  In  der  Eröffnungsperiode  wird  nicht  bloss  das 
Orific.  intern,  erweitert,  sondern  oft  gleichzeitig  der  Cervix 
verletzt,  und  der  Durchbruch  des  Kindes  bedingt  sehr  ge- 
wöhnlich neue  kleine  Risse  in  der  Mündung  des  Genital- 
kanaies.  Die  Abnahme  der  Zahl  der  Erkrankungen  jenseits 
des  dritten  Tages   des  Puerperiums  erklärt  sich  wieder  dar-* 


Igg     X.  Q,  Veit  Ueber  die  in  der  gebartsBfiA.  Klinik  lo  Bomt 

aus,  dass  die  YeranlassHDg  zur  Digitalexploration  naeh  Beeo- 
digung  des  Geburtsgescbäftes  mehr  und  mehr  wegfallt  Wo, 
wie  es  in  Bonn  geschah,  der  Assistent  u.  s.  w.  auch  im 
Wochenbette  specieUe  Studien  macht,  bleiben  späte  Infectio* 
nen  nicht  aus.  Hält  man  die  miasmatische  Genesis  fest,  so 
lassen  sich  die  Differenzen  in  der  Zeit  des  Ausbruches  der 
Kraniiheit  nur  unter  Zubülfenahme  neuer,  nicht  zoläsaig^ 
Hypothesen  deuten.  Man  muss  dann  mit  Rücksicht  auf  die 
Seltenheit  der  Erkrankung  Schwangerer  und  älterer  Wöch* 
nerinnen  entweder  die  Beschränkung  des  Miasma's  auf  das 
Gebärzimmer  oder  auf  die  Wochensäle,  oder  die  besondere, 
die  Disposition  erhöhende  Eigenthömlichkeit  des  Puerporal- 
zustandes  im  engeren  Sinne  geltend  machen.  Aber  die  Ei^ 
fahrung  hat  mich  und  Andei*e  gelehrt,  dass  die  Abhallung 
der  Entbindung  ausserhalb  des  Gebärzinimers  wenig  schützt; 
und  dass  die  Schwangeren  in~  kleinen  Anstalten ,  wo  sie  als 
Wochenwärterinnen  benutzt  werden,  nicht  häufiger  erkranken. 
Und  wenn  die  in  der  Entbindung  liegende  Katastrophe  einen 
so  grossen  Einfluss  ausübt,  warum  erkrankt  eiue  Anzahl  von 
Wöchnerinnen,  welche  durch  ihre  Erkrankung  ihre  indiri- 
duelle  Disposition  kundgiebt,  nicht  wie  die  Mehrheit  schon 
in  den  ersten  Tagen,  sondern  später? 

Das  Auftreten  des  Puei-peralfiebers  bei  Kindern  selzl  die 
Anhänger  der  Infectionstheorie  nicht  in  Verlegenheit.  Erfolgt 
der  Tod  schon  während  oder  bald  nach  der  Geburt,  so  inuss 
die  Infection  durch  das  Blut  der  schon  vor  oder  während 
der  Entbindung  inficirten  Mutter  vermittelt  sein.  Erkrankt 
das  Kind  erst  nach  Ablauf  der  ersten  Lebenstage,  so  kann 
man  das  mütterliche  Blut  nicht  als  das  Medium  der  Infec- 
tion betrachten,  mag  das  Kind  einer  kranken  oder  einer  ge- 
sunden Mutter  angehören.  Wenn  man  in  diesen  Fällen  die 
Keimstätte  des  Giftes  in  den  bei  Neugeborenen  nie  fehlenden 
Wufidstellen  sucht,  so  betritt  man  nur  den  Weg,  auf  wel- 
chen die  Aufschlüsse,  welche  Buhl  über  die  Krankheit  ge- 
geben hat,^  hinweisen.  Bei  spät  erfolgendem  Tode  bildet 
regelmässig  die  Nabelwunde,  ausnahmsweise  ein  Gephaläma- 
tom  u.  s.  w.  den  Ausgangspuuct  der  krankhaften  Verände- 
rungen. Mit  diesen  Wundstellen  kommen  sowohl  die  Finger 
der  Nutter  und   des  mit   der  Wartung  betrauten  Personals, 


im  Sommer  1864  und  Winter  1864^65  safgetretenefi  etc.    189 

als  die  bei  der  Pflege  gebrauchten  Utensilien,  als  endlich  die 
—  80  wollen  wir  vorläufig  voraussetzen  —  gelegentlich  mit 
septischen  Stoflen  angeschwängerte  Luft  in  Berührung.  Es 
ist  deshalb  nicht  im  Mindesten,  auffällig ,  dass  Neugeborene 
direct  septisch  inficirt  werden.  Man  muss  sich  vielmehr  nach 
den  Momenten  fragen,  welche  verhindern,  dass  diese  Infection 
nicht  häufiger  ist.  Sie  würde  gewiss  viel  häufiger  vorkom- 
men, wenn  diejenigen  Personen,  welche  vorzugsweise  die  In- 
fection der  Mütter  vermitteln ,  sich  der  Pflege  der  Neugebo-^ 
renen  in  gleichem  Maasse  annähmen.  Die  miasmatische  Ge- 
nesis aber  hat  auf  die  Frage  keine  genügende  Antwort  Sollte 
sich  herausstellen,  was  zur  Zeit  mit  Sicherheit  nicht  behauptet 
werden  kann,  dass  die  späten  Erkrankungen  bei  den  Kindern 
gesunder  Mütter  seltener  sind,  als  bei  denjenigen,  welche  Er- 
krankten zugehören,  so  würde  hiermit  eine  neue  Schwierig- 
keit für  die  Miasmatiker  gegeben  sein. 

Endlich  sprechen  das  vorwiegende  Vorkom- 
men des  Puerperalfiebers  in  Gebäranstalten,  die 
Differenzen,  welche  die  verschiedenen  Hospitäler 
unter  einander  zeigen  und  die  Fluctuationen, 
welche  in  demselben  Hause  zu  verschiedenen  Zei- 
ten vorkommen,  nicht  für  den  miasmatischen  Ur- 
sprung gegen  die  Genesis  durch  septische  In- 
fection. 

Von  vorn  herein  ist  klar,  dass  die  Ursachen,  welche 
gelegentlich  Epidemien  in  Privatwohnungen  zur  Folge  haben, 
in  den  Gebärhäusern  diese  Wirkung  häufiger  und  in  grösse- 
rer Ausdehnung  äussern  müssen.  Denn  einerseits  bedingt 
die  Beschäftigung  des  in  den  Instituten  lehrenden,  lernenden 
und  wartenden  Personals,  dass  dasselbe  mindestens  an  vielen 
Orten  häufiger  mit  septischen,  zur  Infection  der  Kreissenden 
und  Wöchnerinnen  geeigneten  Stoffen  in  Berührung  kommt, 
als  die  ausschliesslich  mit  Privatpraxis  beschäftigten  Aerzte, 
Hebammen  und  Wärterinnen ;  andererseits  hat  jenes  Personal 
in  viel  grösserem  Umfange  die  Gelegenheit,  das  Gift  in  Person 
oder  mittels  seiner  Geräthschaften  zu  fibertragen.  Aus  dem 
vorwiegenden  Vorkommen  des  Kindbettfiebers  in  den  Hospi- 
tälern ist  man  daher  noch  nicht  berechtigt,  zu  schliessen, 
dass  hier   neben  den  erfahrungsgemässen  Ursachen  der  Epi- 


190   ^-  ^'  ^«^'<.  Ueber  die  in  der  gebartsbilS.  Klinik  mn  Bonn 

denüen  in  den  Privatwohnungen  noch  andere  Torbanden 
müssen;    Tielmehr   fordert  ein   solcher  Schluss   noch  beson- 
dere, zwingende  Gründe.     Diese  sind  aber  nicht  vorhanden. 

Wir  wissen,  dass  die  Morfoih'tSts-  und  Mortalitatsverbält- 
nisse  in  grossen  und  in  illeinen  Anstalten  günstig  und  bd- 
gunstig  sein  können,  dass  sie  in  verschiedenen  Instituten  mit 
annähernd  gleicher  Anzahl  von  Gehurten  nicht  gleich  sind, 
und  dass  diese  Unterschiede  sich  nicht  genügend  aus  der 
'grösseren  oder  geringeren  Zweckmässigf(eit  oder  ünaweck- 
mässigkeit  der  Lage,  aus  der  Beschaffenheit  der  Räumlich- 
keiten ,  der  besseren  oder  schlechteren  .Ventilation  u.  s.  w. 
erklären.  Auch  besser  angelegte  und  ausgestattete  Hospitaler 
bleiben  nicht  verschont;  die  neugebauten  Häuser  in  Mnnchen 
und  Hannover  wurden  bald  nach  ihrer  Eröffhung  von  Epide- 
mien heimgesucht. 

Die  Mortalitätsverhältnisse  verschiedener  Ge- 
bärhäuser. 

Epidemien  treten  nicht  bloss  in  denjenigen  Gebäranstal- 
ten auf,  welche  Unterrieb tsz wecken  dienen,  sondern  auch  in 
solchen,  welche  nur  die  Aufgabe  haben,  ein  Asyl  für  Schwan- 
gere zu  sein.  Unter  den  ersteren  werden  nicht  bloss  die 
klinischen  Institute,  sondern  zum  Theü  auch  die  Hebammen- 
lehranstalten  bedeutend  verheert.  Diese  Thatsache  beweist 
aber  nichts  zu  Gunsten  des  Miasma*s.  Es  ist  richtig,  dass 
Schulerinnen  die  Gelegenheit  zu  einer  Verunreinigung  ihrer 
Hände  nur  in  dem  Gebärhause  selbst,  Studireude  auch  noch 
ausserhalb  desselben  finden  können,  und  dass  in  den  dem  Unter- 
richt entzogenen  Anstalten  nur  das  Hauspersonal  die  Infec- 
tion  vermittehi  kann. 

Aus  den  Mortalitätsverhältnissen  für  Wien  und  Paris  ist 
audh  eine  Differenz  in  dieser  Beziehung  ersichtlich. 


Wien. 

Die 

Klinik  für  Aerzte 

haue  1841- 

-1846 

eine 
von 

MorUliUt 

9.92%. 

O 

,,        „   fiebsmtnen  „      1841- 

-1846 

eine 

Mortalitäl 

von 

3,38  V 

im  Sommer  1868  vnd  Winter  1864^6  anfgretretenen  ete.     191 

Die  Klinik  für  Aerzte      hatte  1847—1858  eine  Mortalität 

Ton  3,57  V 
„       „        „    Hebammen  „     1847 — 1858  eine  Mortalität 

?on  3,06  7o- 

Die  Zahlabtheilang  hatte  1839—1848  eine  Mortalität  von 

2,50/0. 

Paris. 

In  DubM  Klinik  starben  1835—1841  und  1844—1848 

4,50/,. 

„    der  Matemite   sterben   1836—1841  und  1844—1848 

3,30/,. 
Indessen  ist  hierbei  zu  erwägen,  dass  in  der  Anstalt 
selbst  die  Gelegenheit  zur  Verunreinigung  der  Hände  so  gross 
sein  kann,  um  den  Einfluss  einer  Einschl^ppung  septischer 
Stoffe  von  aussen  her  bis  nahezu  zum  Verschwinden  ^u  ver- 
ringern, und  dass  die  Ausdehnung,  in  welcher  eine  Ver- 
schleppung von  Person  zu  Person  stattfindet,  wesentlich  von 
der  Art  abhängen  muss,  wie  der  Unterricht  organisirt  ist. 
Betheitigen  sich  die  Schüler  oder  Schülerinnen,  welche  der 
Kreissenden  beistehen,  nicht  in  derselben  Zeit  an  der  Pflege 
der  Erkrankten,  und  wird  die  Exploration  am  Gebärbette  nur 
Einem  oder  Zweien  gestattet,  so  nimmt  die  Gelegenheit  zur 
infection  durch  das  lernende  Personal  ab.  In  der. Gebär- 
anstalt der  Charite  zu  Berlin  zeigt  es  sich,  dass  die  Studiren- 
den  der  Einschleppung  septischer  Stoffe  kaum  verdächtig 
sind,  jedenfalls  dadurch  sehr  wenig  schaden.  Mindestens  in 
den  letzten  Jahren  ist  gerade  in  den  Zeiten  des  Hebammen- 
unterrichls  der  Gesundheitszustand  besonders  ungünstig  ge- 
wesen, und  es  liegt  nahe  daran  zu  denken,  dass  der  Unter- 
schied in  der  Art  und  Weise,  wie  die  Schülerinnen  und  die 
Studirenden  unterwiesen  werden,  dort  nicht  ohne  Einfluss 
bleibt.  In  der  Klinik  last  man  vielleicht,  wie  unter  der  Di* 
rection  J.  JJ.  Sehmidfs,  die  Kreissenden  nur  von  vier  Stu- 
direnden untersuchen;  sicher  haben  die  Studirenden  mit  der 
Wartung  der  erkrankten  Wöchnerinnen  nichts  zu  thun.  In 
der  Hebammenschule  verhalt  sich  dies  anders.  Zudem  ist 
-anzunehmen,  dass  das  bei  dem  Unierrichte  am  Kreissbette  mit- 
wirkende Anstaltspersonal  (Assistenten  und  Hebamme)  den  in 


192    ^*  ^*  ^«^'^  UebM*  die  in  der  gebartohülfl.  Kliaik  sa  Bonn 

grösserem  Umfange  eiuer  Anleitung  bedürftigen  Scfauleriunen 
gegenüber  ibätiger  ist.  Und  es  kommt  an  erster  Stelle  in 
Betracbt,  dass  das  lernende  Personal  sowohl  bei  dem  Aus- 
bruche der  ersten  Erkrankung  als  bei  der  weiteren  Verschleppung 
der  Krankheit  im  Allgemeinen  eine  viel  unbedeutendere  Rolle 
spielt,  als  das  mit  dem  Unterrichte  betraute. 

Diese  Behauptung  ßndet  schon  in  mehreren  früher  an- 
geführten Beispielen   einer    Infection   durch   Assistenten    und 
Hebammen  eine  Stütze;  für  sie  sprechen  indessen  noch  an- 
dere Thatsachen.     So  die  vorübergehende  Abnahme  der  Mor- 
talität in  den  Monaten  December  1846  bis  März  1847  in  der 
Klinik   für   Aerzte   zu   Wien.     In   diesem   Zeiträume   starben 
nur   2,3%  9    während   in   den   übrigen   Monaten   des   Jahres 
1846  steU  über  10%  und  bis  zu  19%,  und  in  den  Win- 
termouaten  der   vorausgegangenen   Jahre  ebenfalls  mehr  als» 
10%  erlegen  waren;  die  Explorationen  der  Studirenden  hatte 
man  nicht  unterdrückt,   vielmehr  nur  die  Zahl  der  TheJlneb- 
mehmc^r  von  42  auf  20  vermindert;  der  Assistent  aber  kam 
damals  nicht  viel  in  die  Todtenkammer.   Als  ^icb  dieses  Ver- 
hältniss  änderte,   stieg  sogleich   die  Mortalität;    sie  erreichte 
im  April  und  Mai  1847  wieder  resp.  18  und  12%.    Femer 
habe  ich  mich  nicht  bloss  in  Bonn  fiberzeugen  müssen,  dass 
sich   der   Gesundheitszustand    in   dem   Maasse   verschlechtert, 
als  der  Eifer  der  Assistenten,  sich  zu  unterrichten  und  Beob- 
achtungen  zu  sammeln,    zunimmt     In  der  Zeit,    in  welcher 
ich  in  Gemeinschaft  mit  Hecker  die  stationäre  Klinik  in  Berlin 
als  Assistent  versah,  stieg  die  Sterblichkeit,  wenn  mich  mdn 
Gedäcbtniss  nicht  trügt,  auf  16%.     In  München  wurde,  wie 
erwähnt;    gleich  nach  der  Eröffnung  des  Hauses  durch  den 
Assistenten  eine  Epidemie  eingeleitet     1862  kamen  dort  ge- 
rade in  den  Osterferien,   wo  nur  wenige  Studirende  sich  bei 
den  Geburten  betbeiligten,  29  Erkrankungen  und  acht  Todes- 
fälle vor;  im  Mai,  Jdni  und  Juli  aber,  wo  die  Zahl  der  Kli- 
nicisten  mehr  als  30  beti-ug,    nur  6  Erk.  und  3  Tod.;   und 
gleich  nach  dem  Schlüsse  der  Klinik  und  dem   Beginne   des 
Hebammenuuterrichts  fünf  tödtliche  Erkrankungen«    Auch  in 
der  neuen  Gebäranstalt  zu  Hannover  brach  bald  nach  ihrer 
Eroffttung  (October   1863)  eme  Epidemie  aus;    das  Institut 
hatte  gleichzeitig  mit  dem  Neubau  einen  Assistenten  erhalten. 


im  Sommer  1864  und  Winter  1864/65  RufgetreUuen  eto.     198 

Die  Gebäranstalt  der  Charite  zu  Berlin  gab  im  Winter 
1859/60,  wo  von  341  Wöchnerinnen  102  (57  lödllich)  er- 
krankten, Gelegenheit  zu  älinlichen  Erfahrungen.  Das  ärzt- 
liche Personal  betheiligte  sich  niemals  manuell  bei  den  Sec^ 
tipaen  der  am  Puer|)eraljQeber  Verstorbenen,  aber  der  Ober- 
arzt und  der  Unterarzt  fungirten  gleichzeitig  als  Assislenien 
auf  der  Abtheilung,  auf  welche  die  erkrankten  Wöchnerinneu 
-verlegt  wurden.  Als  die  Zahl  der  Erkrankungen  zunahm, 
richtete  mau  am  10.  December  in  einem  isolirt  gelegenen 
Gebäude  eine  Filialanstalt  ein,  der  Art,  dass  der  bisherige 
Bestand  an  Schwangeren  und  Wöchnerinneo  auf  der  alten 
Station  verblieb,  während  die  neu  Aufzunehmenden  mit  be- 
sonderer Hebamme  und  eigenem  Wartepersonale  in  der  neuen 
Anstalt  untergebracht  wurden,  und  ein  neues  laveutarium  er- 
hielten. Trotz  dieser  Cautelen  verbreitete  sich  die  Krankheit 
weiter;  die  Assistenzärzte  besorgten  auch  das  Filiale. 

Die  Rolle  des  lehrenden  Personals  bei  der  Verschlep- 
pung des  Puerperalfiebers  ist  daher  auch  nicht  ausser  Acht 
zu  lassen^  wenn  man  die  Grösse  der  DiiTerenz,  welche  in 
der  Tabelle  für  Wien  vor  1847,  und  die  Geringfügigkeit  der- 
selben,  welche  in  der  spateren  Zeit  an  diesem.  Orte  und 
gleichermaassen  in  Paris  hervortritt,  erklären  will.  In  der  Be- 
deutung des  behandelnden  und  pflegenden  Personals  für  die 
Entwickelung  und  Verbreitung  ~  der  Epidemien  finden  die  im 
Vergleich  zu  der  Sterblichkeit  in  den  Pri?atwohuungen  be- 
trächtlichen Todtenlisten  der  Zahlabtheilung  zu  Wien  ihre  Er- 
klärung. Semmelweüs  hat  mit  Recht  auf  die  wissenschaft- 
lichen Leistungen  und  die  sonstige  Stellung  der  dirigirenden 
Aerzte  dieses  Institutes  hingewiesen  und  auch  über  die  Vor- 
gänge in  der  Gebärabiheilung  des  St.  Rochus  -  Spitales  zu 
Pest  Aufschluss  ertheilt.  Auch  diese  dient  nicht  zum  Unter- 
richt, sondern  nur  in  den  Ferien  —  im  August  und  Seplem- 
ber  —  zur  Aufnahme  der  Kreissenden.  Trotz  dessen  herrscJute 
i^i  ihr  alljährlich  das  Puerperalfieber,  so  lange  sie  von  dem 
chirurgischen  Primarärzte  mit  versorgt  wurde '^  und  in  dei\ 
übrigen  Monaten  des  Jahres  einen  Theil  der  chirurgischen 
Station  bildete.  Nachdem  sie  1851  einen  besonderen  Diri- 
genten in  Semmelweisa  erhalten  hatte  ^    kam   das  Kindbett- 

MoDAUKcbr.  f.  Oburtak.  ISOi.  B.l   XXVI.,  Hffc.  3.  IS 


194    ^*  ^-  ^a'<)  Ueber  die  in  cler  geburtshnlfl.  Klinik  sa  Bonn 

fieber   onr   selten    vor,    und   raflle  in  fünf  Jahren  yod  933 
Wöchnerinnen  nicht  mehr  als  8  =  0,85  *^/o  weg. 

Dasselbe  Moment  erklärt  die  ganz  auflallend  gflnstigen 
Gesundheitsverhältnisse  der  Rotunda  -  Anstalt  zu  Dublin  und 
die  schon  ungünstlgei'en  dreier  nur  zu  Asylen  bestiainiten 
Anstalten  London's,  und  ist  auch  bei  der  Nachforschung  nach 
den  Ursachen  der  grösseren  Sterblichkeit  in  der  vierten  Zu- 
fluchtsstätte der  letztgenannten  Stadt  zu  berücksichtigeo. 
Das  Gebärhaus  zu  Dublin  verlor  1827—1846  :  1,1  %. 
„     British  lying-in  Hospital  1827—1846  :  2,1  „ 

„     Queen  Chariotte's  Hospital       1828—1842  :  1,7  „ 
„     City  of  London  Hospital  1827—1846  :  1,2  „ 

„     General  Hospital  1829—1846  :  3,9  •„ 

Im  Rotunda -Hause  werden  die  Kreissenden  von  einem, 
höchstens  zwei  Studirenden  untersucht  und  behandelt;  dies 
geschieht  ohne  belehrende  Controle,  und  nur  bei  zweifelhaf- 
ten oder  abnormen  Verhältnissen  wird  einer  der  Assistenten 
pflichtmässig  hinzugerufen.  In  den  Hospitälern  Loudon's  woh- 
nen der  Geburtshelfer  und  der  Assistent  ausserhalb  der  An- 
stalt, und  werden  bei  den  gewöhnlichen  Geburten  nicht  con- 
sultirt.  In  dem  Queen  Charlotte's  Hospital  giebt  es  weder 
männliche,  noch  weibliche  Eleven  im  Hause ;  im  City  of  Lon- 
don Hospital  sind  zwei  Plätze  für  Hebammenschülerinnen 
vorhanden,  aber  nicht  immer  besetzt;  im  British  lying-in 
Hospital  kann  einem  männlichen  und  einem  weiblichen  Ele- 
ven Aufnahme  gewährt  werden,  ohne  dass  jedoch  diese  Ge- 
legenheit anders  als  ausnahmsweise  benützt  wird.  Im  Ge- 
neral lying-in  Hospital  hingegen  sind  zwei  Plätze  für  house- 
surgeons  vorhanden,  und  in  den  oben  verglichenen  Jahren  ist 
wenigstens  einer  dieser  Plätze  immer  besetzt  gewesen ;  diese 
house-pupils  haben  die  Befugniss,  die  Gebärenden  zu  explo- 
riren,  und  die  Verpflichtung,  täglich  einige  Haie  die  Kranken 
und  auf  Verlangen  auch  die  400 — 500  Gebärenden  in  der 
Stadt,  für  welche  van  der  Anstalt  gesorgt  wird,  zu  besuchen. 

Die  Differenzen   in   den   Mortalitätsverhältnissen 
derselben  Anstalten. 

Von   diesen  Diflerenzen    bat  bekanntlich   ßemmdtoeiMs 
seinen   Ausgangspunot    genommen.     In    dem   Gebärhause    zu 


im  Sommer  1864  and  Winter  1864/66  Aufgetreten en  ete.    196 

Wien  betrug,  wie  derselbe  zeigte,  in  den  Jabreo  1784  bis 
1822  die  Mortalität  durchschnittlich  1,25%  und  wähi*end 
25  Jahre  sogar  unter  1,00%.  Sie  stieg,  als  die  dortige  Schule 
ihre  anatomische  Richtung  nahm  —  wobei  ich  nicht  blos« 
an  die  daraus  resultirende  Zunahme  des  Studiums  an  Leichen 
denke  —  1823  —  1832  auf  5,30%,  und  stellte  sich  nach 
der  Trennung  des  Hauses  in  zwei  Abtbeilungen,  in  welche 
die  Studtrenden  und  Hebammeuschölerinuen  in  gleicher  An- 
zahl vertheilt  wurden,  1833—1840  in  der  ersten  Klinik  auf 
6)06%,  in  der  zweiten  auf  5,58  7o*  Nachdem  nunmelir  die 
*erste  Klinik  ausschliesslich  für  die  Ausbildung  der  Aerzte  und 
die  zweite  für  den  Hebamnienunterricbt  bestimmt  worden 
war,  erreichte  die  Sterblichkeit  1841 — 1846  auf  jener  die 
Höhe  ?on  9,92%,  und  betrug  auf  dieser  nur  3,38%.  Im 
Jahre  1847  bezeichnete  S.  die  Infection  mit  Leichengift  als 
die  Ursache  des  Puerperalfiebers,  und  trat  desshalb  Maasi»- 
regeln,  um  örtliche  Infectionen  möglichst  zu  verhüten;  die 
Folge  war,  dass  1848  nur  1,27  %  in  der  ersten  Klinik  im 
Verhältniss  zu  1,'33%  in  der  zweiten  starben.  Nach  dem 
Abgange  S,'s  aus  der  Assistentenstelle  wirkte ,  wenn  auch  nicht 
die  Ueberzeugung  von  der  Richtigkeit  der  von  3,  bezeich- 
neten Aetiologie,  so  doch  das  Vorhandensein  dieser  Ansicht 
nach.  Die  Sterblichkeit  in  der  ersten  Klinik  beschränkte  sich 
1849  auf  2%,  1850  auf  1,1  %  und  18öl  auf  1,1  %,  in 
der  zweiten  auf  resp.  2,1  und  3  %.  Als  hierauf  der  Schein 
dafür  sprach,  dass  man  die  Ansicht  S.'s  ruhig  ad  acta  legen 
könne,  stieg  die  Sterblichkeit  wieder  in  beiden  Kliniken. 
In  den  letzten  Jahren  hat  sie  abermals  beträchtlich  abgenom- 
men. C,  Braun  sucht  die  Ursache  dieser  Abnahme  in  der 
Verbesserung  der  Ventilation,  in  der  Einführung  des  Böhm'- 
sehen  Heitzungs-  und  Ventilationssystems.  Icli  kann  aber 
dieser  Einrichtung  nicht  die  behauptete  Tragweite  beimessen. 
In  der  zweiten  Klinik  ist  der  i^ö&Tn'sche  Apparat  nur  in  be- 
schränktem Umfange  eingeführt  worden;  ich  suche  daher 
den  Grund  für  die  colossale  Verlängerung  der  Mortalität  in 
dieser  Abtheilung  —  1863  starben  hier  nur  0,5  %  —  viel- 
mehr vorzugsweise  in  den  mit  grosser  Sorgfalt  durchgeführ- 
ten Bemühungen  Bpaeth'»,  locale  Infectionen  zu  verhuteo. 
Zudem  sind,  wie  erwähnt,  wurde,  gerade  auch  in  beiden  Ab- 
is* 


.196    X.  G.  Veüf  lieber  die  in  der  geburtehiilfl.  Klinik  in  Bonn 

theikingen  des  Wiener  Ge1)ärhauses  neuerdings  Thatsachen 
beobachtel  worden,  welche  sich  genügend  nur  durch  die  in- 
feclionslbeorie  erklären  lassen.  Erwäge  ich  endlich  nicht  bloss 
die  sonstigen  Beweise  für  die  Richtigkeit  dieser  Liehre,  soo- 
dem  dabei  auch  noch,  dass  Mayerhof  er  ^  der  Assis  teoi  der 
ei*sten  (Uinik,  nicht  mehr,  wie  Truher,  das  Medium  für  die 
Inoculation  der  Vibrionen  in  der  Luft  sucht,  sondern  inzwi- 
sdien  zu  der  Ueberzeugung  gelangt  ist«  dass  der  unter- 
suchende Finger  gewöhnlich  den  Träger  der  Vibrionen  bildet, 
so  liegt  mii*  eine  Deutung,  welche  auch  in  der  ersten  Klinik 
nicht  bloss  mit  der  Verbesserung  der  Ventilation  rechnet,  un- 
gleich näher. 

In  der  geburtshülflichen  Klinik  zu  Pest  blieb  der  Ge- 
aandheitszustand  der  Wöchnerinnen  längere  Zeit  als  in  Wien 
ein  günstiger,  weil  die  anatomische  Grundlage  später  zur  Gel- 
tung kam. 

In  der  Maternite  zu  Paris  war  die  Mortalität  bereits  in 
den  Jalu*en  1798—1809  so  beträcbüich,  wie  1828—1848, 
nämlich  4  ^/^ ;  die  Lehrerin,  wie  die  Schülerinnen  waren  schon 
in  jener  Zeit  mit  Leicbenoifnungen  und  anatomischen  wie  kli- 
nischen Studien  sehr  eifrig  beschäftigt*  ^ 

In  dem  General  lying-in  Hospital,  dessen  im  Vergleich 
zu  den  anderen  Anstalten  London's  höchst  auffälliger  Sterb- 
lichkeit ich  bereits  gedachte,  fand  sich  das  Kindbettfieber  bald 
nach  seiner  Eröffnung  im  Jahre  1827  ein,  und  die  Epide- 
mien wiederholten  sicli,  so  dass  eine  Schliessung  des  Hauses 
mehrmals  nötlüg  wurde  ^  bis  1842  incl.  Im  Februar  und 
März  1843  kamen  noch  im  Ganzen  zwei  Todesfälle  vor, 
denen  bis.  zu  Ende  1846  kein  neuer  nachfolgte.  Der  sum- 
pfige Baugrund  war  bei  der  Anlage  des  Gebäudes  durch  Aus- 
graben und  zweckmässige  Füllung  beseitigt  worden;  die  von 
Ferguson  als  Quelle  der  schädlichen  EfQuvien  bezeichneten, 
kaum  dreissig  Fuss  von  der  Mauer  entfernten,  offenen  Grä- 
ben, welche  eine  stagnirende  und  in  beständiger  Gasentwicke- 
lung begriffene  Jauche  aus  dem  angränzenden  Armenviertel 
aufnahmen,  wurden  im  October  1838  mit  grossen  Kosten  ge- 
reinigt und  überbaut.  Da  sich  der  Gesundheitszustand  auch 
jetzt  nicht  dauernd  besserte,  liess  Righy  zu  Anfange  1842 
den  iiet<j'schen  Wärme-   und  Ventilationsapparal   anbriog«^. 


Jm  Sommer  18(*4  und  Winter  1864/S6  uafgetreienen  etc.    197 

Ein  Jahr  später  entdeckte  Beid  noch  eine  miasmatische  Quelk» 
in  einer  äbeli*iechenden  Flössigk'eit,  welche  sich  von  dem 
Grunde  des  K^llergewöJbes  da,  wo  der  Feuerheerd  der  Zug- 
schornsteine angebracht  war,  in  Folge  der  Verstopfung  einer 
Abzugsrinne  hin  und  wieder  erhob.  Nach  Beseitigung  dieser 
Quelle  hörten  die  Slerbefalle  auf.  Dieser  Wechsel  in  dem 
Gesundheitsznstande  ist  anschf^inend  ein  eclatanter  Beweis  für 
die  miasmatische  Genesis  des  Kindbettfiebers ;  aber  der  Schein 
trügt  Als  man  nach  der  Ueberbruckung  der  genannten  offe- 
nen Gräben  im  November  1838  die  Anstalt  nach  viermonat- 
lieber  Sperre  wieder  öffnete,  starb  auch  elf  Monate  hmäurch 
keine  Wöchnerin,  und  im  October  1839  ist  die  später  ver* 
dächüg  erschienene  Abzugsrinne  wohl  nicht  schon  verstopft 
worden.  Sie  Jiesse  sich  höchstens  für  die  Sterbefalle  im  No- 
▼ember  bis  December  1842  und  Februar  bis  März  1843 
verantwortlich  machen.  Rigby  leugnet  die  Bedeutung  dieser 
Verstopfung  überhaupt,  weil  er  jede  Spur  einer  Kellerfeuch- 
tigkeit ausser  in  der,  an  der  Seite  des  Gebäudes  liegenden 
Wölbung  vermissle.  Rigby  sieht  in  der  Einrichtung  der  Ven- 
tilation die  erfolgreiche  Maassregel,  und  schreibt  den  späten 
Eintritt  des  Erfolges  dem  Umstände  zu,  dass  das  Dienstper- 
sonal lange  Zeit  sich  nicht  abhalten  liess,  durch  unzeitiges 
Oeffnen  und  Schliesscn  der  Klappen  alle  Ventilation  zu  hin-« 
dem.  Auch  hierin  liegt  nach  meiner  Ueberzeugung  eine  be- 
deutende üeberschälzuog  der  Wirkung  des  i?67'c{'schen  Ap- 
parates. In  dieser  Ueberzeugung  kann  mich  auch  die  Thal- 
sache nicht  wankend  machen,  dass  die  Sterblichkeit  in  der 
Anstalt  1847—1850  nur  0.6%  betrug,  und  von  1851,  wo 
die  Ventilation  wieder  ausser  Tbatigkeit  gesetzt  wurde,  bis 
1855  auf  2,6  %  stieg*  Mir  ist  zwar  bis  jetzt  nidit  bekannt  ge- 
worden, wie  sich  die  Gesundheitsverhältnisse  dort  seit  1856,  wo 
Rigby  den  Ventilaiioiisapparat  abermals  einführen  wollte,  ge- 
staltet haben,  aber  ich  muss  darauf  zurückkommen,  dass  im 
General  lying-in  Hospital  zwei  Plätze  für  junge  Aerzte  mit 
Functionen,  die  in  eifrigen  Händen  gefahrlich  werden,  existiren. 
Die  beständigen  Fluctuationen  in  den  Morbilitäts> 
Verhältnissen. 
Die  Thatsache,  dass  das  Puerperalfieber  auch  in  den 
Hospitälern  seinen  epidemischen  Charakter  bewährt,  kann  an 


198    X-  <^-  ^^t  Uftber  di6  in  der  gebnrtabfllfl.  Klinik  lu  Bon« 


und  für  sich  eben  so  gut  die  Inrectionstbeorie  wie  die  mias- 
matische Genesis  erhärten.  '  Schwierig  erscheint  es  mir,  vom 
erstgenannten  Standpunkte  aus  den  Einfluss  der  Jahreszeiten 
auf  die  Morbilitäts-  und  Mortalitäisyerbältnisse  zu  deuten. 
N^ch  Hir8cV%  Angabe  traten  von  137  Epidemien 
72  im  Winter, 
28Mm  Herbst, 
27  im  Frühling  und 
10  im  Sommer  auf. 
In  dem  Hebammeninstitute  zu  St  Petersburg  erkrankten 
nach* dem   Bericht  Hftgenberger*s  während  der  Jahre  1845 
bis  1849 

im  Winter    von  2106  Wöchnerinnen  19.33  o/o  und  starben 

4,18  „ 

15,09  „  und  starben 
3,41  „ 

14,98  ,,  und  starben 
2,17  „ 

11,77  „  und  staii>en 
2,02  „ 
In  dem  Zeiträume  vom  1.  Januar  1841  bis  incl.  den  letzten 
Februar  1849  schwanlite  in  der  Kh'nik  für  Aerzte  zu  Wien 
die  Mortalität 

durchschnitU. 
Betrag 

9,1 7o 


Frühling  „ 

1934 

Herbst      „ 

2069 

Sommer  „ 

1927 

im  Januar     zwischen  2,2^0  ""<^  20,8  7«  1 


Februar 

März 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

October 

November 

December 


0,7., 
0,0  „ 
0,6  „ 
0.8  „ 
1,1  „ 
0.4,. 
0,0,. 
0,9  „ 
2.3  „ 
2,9  „ 
1,3  „ 


7.1 


6,8 


la  Prag  betrug  1839—1845 

die  Morbilitltt 
im  Januar  bis  März  10,9  **/o 


10,5  „ 


die  Mortalität 
^1*    /o 


im  SomoMr  1«64  «a4  Winter  1864/66  aufgetretenen  etc.    199 
die  MorbilitHt        die  Mortolit»t 

im  April  bis  Juni  8,8  7o  2,2% 

„  Juli  bis  September  4^  „  IJ  „ 

„   October  bis  December     7,7  „  2,6  „ 

Im  General  lying-in  Hospital  zu  London  starben  in  den 
Jahren  1829  bis  1840: 

im  Januar  bis  März  6,6% 

„   April  bis  Juni  6,3  ,, 

„  Juli  bis  September  1,0  „ 
„  October  bis  December  3,3  „ 
Das  Winterhalbjahr  ist  sicher  das  ungesundere,  und  die 
ersten  zwei  Zahlenreihen  ergeben  sogar  ein«  stufenweise  Stei- 
gerung der  Morbilität  vom  Sommer  durch  den  Herbst  und 
den  Frühling  zum  Winter.  Man  kann  diese  Thatsache  ent- 
weder davon  ableiten,  dass  in  der  schlimmen  Jahreszeit  hau* 
figer  Epidemien  ausbrechen,  oder  davon,  dass  die  ausgebro- 
ebenen  Epidemien  alsdann  eine  grössere  Ausdehnung  erlanges. 
Bei  der  ersten  Voraussetzung  wurde  es  sich  darum  handeln, 
Ursachen  ausjßndig  zu  machen,  welche  eine  grössere  Frequenz 
sogenannter  erster  Fälle  zur  Folge  haben;  bei  der  zweiten  zu 
begründen,  dass  eine  Verschleppung  der  Krankheit  auf  An- 
dere weniger  vermeidbar  sei. 

Die  Zunahme  der  „ersten  Fälle*'  könnte  darin  ihren 
Grund  haben,  dass  eine  grössere  Menge  von  Gift  in  die  An- 
stalt von  aussen  eingeschleppt  wird,  oder  darin,  dass  sich  in 
dieser  selbst  Gift  bäujßger  entwickelt.  Semmdweiaa  entschied 
sich  für  die  erste  Alternative,  indem  er  die  Art  der  Be- 
schäftigung des  Assistenten  und  der  Studirenden,  sowie  dep 
grösseren  Eifer  der  letzteren  im  Wintersemester  hervorhob*. 
Auch  ich  halte  die  von  ihm  bezeichneten  Vorgänge  keines- 
wegs für  irrelevant,  aber  doch  gleichzeitig  seinen  Erklärungs- 
vorsuch  schon  deshalb  nicht  für  genügend,  weil  er  nur  für 
die  besonderen  Verhältnisse  Wien*s  (und  vielleicht  auch  Prag's) 
zutreffen  würde.  Septische  Stoffe  werden  auch  nicht  bloss 
durch  das  lehrende  und  lernende  Personal  von  aussen  ein- 
geschleppt, sondern  gelegentlich  ebenso  von  den  Schwangeren 
und  Kreissenden,  wenn  diese  mit  Krankheiten  behaftet  eintre- 
ten, mitgebracht.  An  verschiedenen  Orten  hat  man  auf  die 
Reception   von   Personen,   welche   an  Typhus  u.  s.  w.  litten. 


200    >"•  ^-  V^t,  Ueber  die  in  der  ^cbortabSM.  KKnik  zu  Bonn 

(Ion  Ausbruch  einer  Puerperalfieberepideniie  folgen  sehen, 
und  dif*  Voraussetzung,  dass  solche  Receptionen  in  den  Win- 
tennoiinten  häufiger  erfolgen,  erscheint  nicht  zu  gewagL  Die- 
ser Umstand  mag  insbesondere  da,  wo  man  aus  anderen 
Krankenhäusern  oder  aus  anderen  Abtheilungen  des  Hospitals 
regelmässig  Kranke,  deren  Entbindung  bevorsteht,  in  die  Ge- 
bäranslalt  transferirt,  nicht  ohne  Bedeutung  für  die  Verschlim- 
merung des  Gesundheitszustandes  im  Winter  sein.  So  kann 
derselbe  beispielsweise  in  der  Gebäranstalt  der  Charite  zu 
Berlin,  welche  im  Sommer  zum  klinischen  Unterricht  der 
Studirenden,  im  Winter  zur  Unterweisung  der  Hebammen  be- 
nutz» wird,  und  hn  Winter  einen  ungleich  ungAnstigeren  Ge- 
sundheitszustand aufzuweisen  hat,  mit  in  Rechnung  kommen 
mdssen.  Nagel  erwähnt  unter  den  aus  den  anderen  Ab« 
theiiungen  der  Charite  erhaltenen  Individuen  auch  soldie, 
welche  an  phlegmonösen,  phlebitischen  u.  s.  w.  Processen 
litten,  und  Virchow  bezeugt  das  häufigere  Vorkommen  der 
Phlegmonen  im  Winter.  Die  unter  Cred4*&  Direction  im 
Winter  1852/53  ausgebrocbene  Epidemie  ist  augenscheinlich 
ieingeschleppt  worden;  hier  blieb  die  Anstalt  verschont  bis  in 
die  Mitte  März,  wo  Gebäi*ende  schon  krank  aus  der  Stadt 
und  dem  wegen  einer  Epidemie  geschlossenen  khnischen  In- 
stitute der  Universität  aufgenommen  wurden.  Ueberdies  kann 
es  auch  für  die  Gebäranstalt  der  Charite  nicht  gleichgültig 
sein,  dass  die  Assislenien  im  Winter  (auch  im  Sommer?) 
gleichzeitig  in  der  gleichen  Pynction  auf  der  Abtheilung  fQr 
innere  Kranke,  wohin  zur  Beschränkung  des  Puerperalfiebers 
auch  die  erkrankten  Wöchnerinnen  transferirt  werden,  Be- 
schäftigung finden. 

Die  zweite  Alternative,  dass  sich  in  den  Winter- 
nionaten  in  den  Hospitälern  selbst  häufiger  Gift  entwickelt, 
wurde  von  den  Anhängern  des  miasmatischen  Ursprunges  fest- 
gehalten, und  diese  wiesen  dabei  auf  zwei  Momente  hin,  auf 
den  grösseren  Zudrang  der  Schwangeren  zu  den  Gebäranstal- 
ten und  die  Erschwerung  der  Ventilation. 

Die  Folgen  der  UeberfuUung. 

Es  ist  nicht  selten  beobachtet  worden,  dass  einer  tem- 
porären UeberfGlIung  ganzer  Anstalten  oder  einzelner  Räume 


im  Sommer  1864  und  Winter  1^4/66  «nf getretenen  etc.    201 

in  denselben  der  Ausbruch  des  Puerperalfiebers  auf  dem 
Fusse  nachfolgte.  Auf  der  anderen  Seite  steht  aber  ebenso 
fest,  dass  häufig  Epidemien  auftreten  und  erlöschen,  ohne 
dass  in  jener  Beziehung  eine  ungünstige  oder  günstige  Ver- 
änderung bemerkbar  ist,  und  dass  im  anderen  Falle  in  dem- 
selben Gebärhause  schon  fräher  liäofig  genug  eine  Ueberföl*- 
lung  der  Localitäten  vorkam,  ohne  eine  Epidemie  zu  bedin- 
gen. Ferner  hat  Semmelweiss  hervorgehoben,  dass  die 
zweite  Klinik  zu  Wien  relativ  stärker  besetzt  und  trotz  des- 
sen von  der  Krankheit  weniger,  wie  die  erste,  heimgesucht 
war,  sowie  durch  eine  grosse  Reihe  tabellarischer  Zusammen- 
stellungen nachgewiesen,  dass  der  günstigere  oder  ungun- 
stigere Gesundheitszustand  nicht  mit  dem  geringeren  oder 
beträchtlicheren  Bestände  an  Wöchnerinnen  zusammenfiel 
Endlich  fehlt  das  Moment  der  UeberfüUung  bei  den  Epide- 
mien in  den  Privatwohnungen,  und  Alles,  was  wir  hier  und 
bei  den  Hospitalepidemien  über  den  Ursprung  und  die  Ver- 
breitung der  Krankheit  in  Erfahrung  gebracht  haben,  drängt 
nothwendig  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  iocale  Infection  min- 
desten» der  gewöhnliche  Weg  zur  Eutwickelung  und  Ausdeh- 
nung der  Epidemien  ist.  Das  Zustandekommen  der  Infection 
setzt  freilich  das  Vorbandensein  eines  inficirbaren  Individuums 
voraus,  und  dieses  wird  uns  bei  einer  grossen  Frequenz  der 
Anstalt  sicherer  zur  rechten  Zeit  in  den  Weg  geworfen  werden. 
Damm  lässt  sich  gar  nicht  bezweifeln,  dass  die  Zunahme  der 
Frequenz  in  kleinen  Anstalten  die  Zunahme  der  Zahl  der 
Erkrankungen  begünstigen  nluss  sowohl  dadurch,  d^ss  leichler 
„erste  Fälle''  sich  entwickeln,  als  dadurch,  dass  die  Weiter- 
verbreituug  der  Krankheit  erleichtert  wird.  Soweit  es  sieb 
daher  uro  eine  Deutung  des  Einflusses  der  Jahreszeiten  in 
kleinen  Anstalten  handelt,  muss  die  damit  verbundene  Fluctuation 
der  Frequenz  mit  in  Erwägung  kommen,  ohne  dass  man  dabei 
gezwungen  ist,  die  Entwickelung  eines  Miasma's  in  Folge  dei* 
Anhäufung  von  Wöchnerinnen  zu  statuiren.  In  grösseren 
oder  grossen  Gebärhäusern  ist  immer  Material  in  hinreichen- 
der Menge  vorhanden;  die  Zunahme  desselben  kann  die  ersten 
Fälle  nur  in  so  weit  vermehren,  als  damit  nothwendig  die 
Zahl  der  spontanen  Erkrankungen  wächst,  d.  i.  aber  in  sehr 
wenig    relevantem  Umfange.     Ob    die    Menge  der   Pfleglinge 


202    X-  ^:  y^*j  üeber  di^  in  der  gebnrtahfilfl.  Klinik  sn  Booa 

noch  in   andei^er  Weise  einen  Einfluss  auf  die   SCerbliebkeii 
hat,  sollen  die  folgenden  Zablengruppirungen  zagen. 

1.    Gebärhaus  zu  Wien. 

Zwischen  1785  und   1812  schwankte  die  Zahl  der  Ge- 
burten zwischen  855  und  2346;  Mittel  160a 
Es  starben: 

bei  weniger  als  1600  Geburten  (14  Jahre)  0,8% 
„    mehr       „    1600        „        (14      „  )  0,9  „ 

2.     Rotunda-Hospitai  zu  Dublin. 

Vom  Jahre  1757  bis  1818  süeg  die  Zahl  der  Wöchne- 
rinnen allmälig  auf  3500;  1829  erhielt  die  Anstalt  eine  be- 
deutende Erweiterung,  und  gleichzeitig  fiel  die  Zahl  der  jähr- 
lichen Geburten  auf  2lXX)  und  darunter. 

1758  bis   1829   incl.    betrug  die   MorUhtät   bei 
Zahl  von  . 

460— lOOÖ  Geburten  (23  Jahre)  1,2  7o 


1001—2000        „        (23     „   )  0,9  „ 


hO% 


o 


2001-5000        „        (21      „   )  1,4„    J  • 

3001-3500        „        (  5     „   )  1.3«    i    '     " 
Hod  1830-1849 

bei  weniger  als  2000  Gebarten  (  8  Jahre)  1,9  %  i   t  o  «/ 
„    mehr       „   2000        „         (12      „  )  1.0  „    j   ^'"^    '• 

3.     Coombe  lying-in  Hospital  zu  Dublin. 
Bei  306-427  Geburten  (7  Jahre)  1,27«  Todte. 
„    429-513        .,        (7     ,,   )  1.1  „       ., 

4.  Maternite  zu  Paris  1821—1841  und  1843—1848. 
Bei  2500—3000  Geburten  (11  Jahre)  4,7%  Todte. 

„    3001—3752        „        (  8     .,  )  3.6  „       „ 

5.  Duhaie'  Klinik  für  Aerzte  zu  Paris  1835—1848. 
Bei  242—  596  Gebuiten  (7  Jahre)  5ß%  Todte. 

,.    730-1082        „        (7     „    )  4.1  „ 

6.    Klinik  för  Aerzte  zu  Wien. 
In  den  Jahren  1841  bis  1846  war  die  HortalitSt  in  den 
Sommer- Monaten  (d.   i.  Mai  bis  September)   viel    geringer. 


in  8«mmer  18<(4  und  Winter  t86^^  aiif|^etretea«n  «tc.    208 

und  gieicbieitig  die  Frequenz  der  Aostalt  viel  häufiger  iin« 
beträcbtiich,  als  in  den  Winter-Monaten  (October  bis  April). 
Um  daher  den  Einfluss  des  monatlichen  Bestandes  zu 
ermitteln,  scheide  ich  die  beiden  Jahreszeiten. 

Im  Winter  betrug  die  Mortalität: 

bei  201—250  Wöchnerinnen  (13  Monate)  16,  47o 


„   251-275 

w 

(15 

^> 

)  11,  1  „ 

„   276—300 

« 

(8 

»1 

)  10,«2  „ 

„   301-336 

n 

(9 

♦» 

)  10,76  „ 

im  Sommer: 

bei  201—250 

» 

(14 

f9 

)    8,6., 

„    251^310 

«       " 

(10 

»» 

)    7,  9  ., 

Thatsache  ist  also,  dass  in  denjenigen  Gebär- 
bäusern,  in  welchen  nicht  schon  bei  einer  gerin- 
gen Anfullung  die  Bedingungen  der  Puerperal- 
fieberepidemien  häufig  wiederkehren,  auch  die 
Steigerung  der  Frequenz  keinen  nennenswerthen 
Einfluss  ausübt;  dass  hingegen  unter  entgegen- 
gesetzten Verbältnissen  die  Zunahme  der  Zahl  der 
Wöchnerinnen  zu  einer  Verminderung  der  rela- 
tiven Sterblichkeit  fährt. 

Ein  neuer  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Infections^ 
theorie. 

Das  hypothetische  Miasma  kann  man  sich  entweder  ate 
ein  im  eigentlichen  Sinne  puerperales,  d.  h.  erst  durch  die 
Anhäufung  vieler  Wöchnerinnen  auf  demselben  Räume  ent- 
stehendes denken,  oder  man  kann  seine  Quelle  in  anderen 
EfDuvien  suchen,  welche  die  in  diese  Atmosphäre  versetzten 
Personen  einfach  vorfinden.  Gegen  die  Entwickelung  eines 
Puerperalmiasroa's  sprechen  schon  die  Zahlenreihen  sub.  1. 
bis  3.  Will  man  trotz  dessen  diese  Ansiebt  festhalten,  so 
wird  man  sich  vorstellen,  dass  das  Miasma  an  Intensität  ge- 
weint, je  grösser  die  Ueberföllung  wird,  und  daher  von  der 
Zunahme  der  letzteren  eine  weitere  Vermehrung  der  rela- 
tiven Sterblichkeit  erwarten.  Neigt  man  zu  der  zweiten  der 
möglichen  Auffassungen  von  der  Natur  des  HMiasma's,  so  muss 
man  voraussetzen,  dass  von  dem  Zeitpuncte  an,  wo  das 
Miasma  in  Wirksamkeit  tritt,  die  absolute  wie  die  relative 
Sterblichkeit  im  Vergleich  zu  frfiher  zunehmen,   aber  ebenso 


204    X-  ^-  V^i  Uebar  die  in  der  grebnrtshnlfl.  Klinik  la  Bodii 

auch,  dass  trotz  einer  weiteren  Steigerung  der  Frequenz  die 
relative  Sterblichkeit  demnAchst  die  gleiche  bleiben  werde. 
Nun  zeigen  die  Reihen  sub  4.,  5.  und  6.,  dass  auch,  nach- 
dem der  Gesundheitszustand  der  Wöchnerinnen  bereits  ein 
ungünstiger  geworden  ist,  die  Sterblichkeit  durch  die  Zu- 
nahme der  Anzahl  der  Geburten  in  aufTallender  Weise  beein- 
flusst  und  zwar  vermindert  wird;  ja  die  gleiche  Wirkung 
spricht  sich  auch  in  den  sub  3.  und  sub  2.,  Th.  2,  aufge- 
führten Zahlen  aus. 

Diese  Thatsache  erklärt  sich  durch  die  Infectionstheorie. 
Diese  verlangt,  dass  sich  die  Zahl  der  Erkrankungen  nach 
der  Zahl  der  mit  vei*unreiniglen  Händen  u.  s.  w.  in  Berüh- 
rung kommenden  Schwangeren  und  nöchnerinnen  richte. 
Hit  der  Zunahme  der  Zahl  dieser  letzteren  vermindert  sich 
die  Beachtung,  welche  das  einzelne  Individuum  auf  Seiten 
des  Assistenten,  der  Haushebarome  u.  s.  w.  findet;  mit  der  Stei- 
gerung der  Frequenz  hat  daher  eine  grössere  Anzahl  von 
Schwangeren  das  Glück  unbeachtet  zu  bleiben,  und  die  Folge 
hiervon  ist  die  Abnahme  der  relativen  Morbilität  und  Morta- 
lität. Ein  Beispiel  wird  dies  näher  veranschaulichen.  Neh- 
men wir  an,  dass  der  vierte  Theil  der  Erkrankten  sterbe, 
so  berechnet  sich  die  Zahl  der  Wöchnerinnen,  welclie  in 
den  14  suh  6.  genannten  Sommer -Monaten  erkrankten,  auf 
4  X  282  =  1128  gegen  eine  Gesammtsumme  von  3285 
Wöclioerinnen ;  und  in  den  zehn  anderen  Monaten  zählen 
wir  4  X  265  —  1060  Erkrankungen  auf  3322  Geburten. 
Dort  wurden  von  235  Individuen  80,  hier  106  von  332  all- 
monatlich inficirt,  hier  also  im  Vergleich  zu  dort  sieben  zu 
w^nig.  Diese  sieben  machen  nur  den  14  Theil  der  97  Per- 
sonen aus,  um  welche  sich  die  Frequenz  der  Anstalt  ver- 
mehrt hatte.  Es  bedarf,  um  die  sub  6.  ersichtliche  Abnahme 
der  Mortalität  zu  erklären,  nur  der  Voraussetzung,  dass  sich 
bei  einer  Zunahme  der  Wöchnerinnen  um  ^^/^  die  Fürsoi;ge 
im  Ganzen  um  Vi6  vermindert,  oder  dass  der  fünfte  Theil 
des  Zuwachses  an  Pfleglingen  der  besonderen  Aufmerksamkeit 
derer,  .welche  die  Infection  vermitteln,  entgeht. 

Auch  die  Erfahrungen ,  welche  Hecker  y  ohne  meine  An- 
sicht zu  theilen,  aus  München  milgetbeilt  hat,  beweisen,  dass 
die   Epidemien,  dort  nicht   auf  einer  Ueberfüllung  beruhten. 


im  Sommer  1864  und  Winter  L864/66  aufgetretenen  etc.    205 

}l859/60  Stellte  sich  ein  beträchtlicher  Unterschied  zwischen 
der  zahlenden  und  der  kliuisdien  Ablbeilung  heraus,  indem 
auf  der  ersteren  nur  4,9  ^/y,  auf  der  letzteren  16,3  erkrank- 
ten, während  für  die  Dauer  der  Epidemie  in  der  zahlenden 
Abtheilung  auf  jeden  Saal  60  Wöchnerinnen,  in  der  klinischen 
nur  51  kamen.  1861/62  fielen  auf  der  klinischen  Abtbei- 
lung  nur  474  Geburten  gegen  715  im  Jahre  1859/60  vor, 
und  den  Wöchnerinnen  standen  anstatt,  wie  früher,  vier,  jetzt 
sechs  Säle  zur  Disposition;  die  Morbilität  betrug  14,1^/^, 
die  Mortalität  Sfi%.  An  Zahlenden  waren  439  (gegen  449) 
verpflegt;  von  diesen  erkrankten  11%  und  starben  3,4%. 
Diese  Vorgänge  sind  eben  nur  ein  neuer  Beleg  dafür,  dass 
bei  der  Verbreitung  der  Krankheit  das  den  Unterricht  genies^ 
sende  Personal  relativ  sehr  wenig  in  Betracht  kommt. 

Die  vorstehenden  Erwägungen  werden  \nich  rechtfertigen, 
wenn  ich  die  UeberfuUung  nur  in  kleinen  Anstalten  als  ein 
die  Morbilität  steigerndes  Moment  betrachte.  Ueberdies  zeigt 
schon  die  früher  niitgetheilte  Statistik  aus  dem  Petersburger 
Hebammeninstitute  an  sich,  dass  auch  bei  der  gleichen  An- 
zahl von  Wöchnerinnen  die  Jahreszeit  auf  die  Sterblichkeit 
influirt.  Im  Frühlinge  wurden  ebensoviele  Individuen  ver- 
pflegt, als  im  Sommer,  und  doch  erkrankten  3,3%  mehr; 
im  Winter  die  gleiche  Zahl,  wie  im  Herbst  bei  einem  Mor- 
büitätsverhältniss  von  19,23%  :  14,98%. 

Dass 

die  Ventilation 
bei  der  Erklärung  des  Einflusses  der  Jahreszeiten  von  Wich- 
tigkeit ist,  dafür  spricht  neben  allgemeinen  hygieinischen  Ge- 
sichtspunkten besonders  die  stufenweise  Zunahme  der  Mor- 
bilität vom  Sommer  durch  den  Herbst  und  das  Frühjahr  zum 
Winter.  Ein  solcher  Causalzusammenhang  ist  nicht  wohl 
denkbar,  ohne  dass  man  die  Atmosphäre  als  eines  der  Me- 
dien, durch  welche  die  Verbreitung  des  PuerperalGebers  er- 
folgt, ansieht  Er  nöthigt  indessen  nicht  zur  Annahme  einer 
miasmatischen  Genesis,  d.  h.  er  zwingt  nicht  zu  der  Voraus- 
setzung» dass  die  Atmosphäre  das  einzige  Medium  bildet, 
oder,  dass  die  ungenügende  Lüftung  die  hauptsächlichste  und 
erste  Ursache  des  Ausbniches  von  Erkrankungen  ist.     Diese 


206    X.  (7.  Veit,  Uttber  die  in  der  gebarubttifl.  Rüaik  sa  Boott 

Voraussetzung  wird  schon  widerlegt  durch  die  Erfahrung, 
dass  in  den  veischiedeneii  Wintermonaten  in  Wien  die  Mor- 
talität ungemein  gering  war,  dass  in  der  Charite  zu  Berlin 
im  Winter  1853/54  die  Saiubritätsverbältnisse  bis  zur  Ein- 
scbleppung  der  Krankheit  gut  blieben,  und  1855^6  wenige 
Erkrankungen  vorkamen,  sowie  dass  die  demnäcbstige  Unter- 
bringung der  Anstalt  in  einem  zw^ckmässigeren  Gebäude  keine 
günstigeren,  wohl  aber  schlimmere  Perioden  bedingte,  u.  dergl. 
mehr.  Man  kann  sich  auf  das  Zugeständniss  beschräukeu, 
dass  unter  Umstfinden  die,  sei  es  spontan  oder  durch  lofection. 
Erkrankten  den  sie  umgebenden  Theil  der  Atmosphäre  mit 
septischen  Stoffen  anschwängern  und  dadurch  auf  die  Nach- 
barschaft inficirend  wirken,  wenn  ein  genügender  Luftwechsel 
fehlt.  Für  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  lasst  sich  der  Er- 
folg geltend  macfien,  welchen  die  Lüftung  und  Reinigung  der 
inOcirten  Räume  in  vielen  Epidemien  gehabt  hat,  und  von 
welchem  die  Verbesserung  der  Ventilation  in  der  General 
lying*iu  Hospital  zu  London  und  in  dem  Gebärhause  zu  Wien 
anscheinend  gekrönt  war.  Für  sie  kann  man  Beobachtungen 
heranzielien ,  wie  sie  von  Semmeltoeisa  und  AlthiU  uiitge- 
tbeilt  werden.  Als  im  November  1847  eine  Person  mit  fer- 
jauchender  Caries  des  linken  Kniegelenkes  in  das  Wochen- 
zimmer  aufgenommen  wurde  und  die  Luft  verpestete,  traten 
bei  den  anderen  Wöchnerinnen  Erkrankungen  ein.  Im  Ro- 
tunda- Hospital  starb  am  16.  Juli  1854  in  einem  der  zwei 
in  der  kleineren  Ahlheilung  eines  Saales  stehenden  Betten 
eine  Wöchnerin,  worauf  dieses  Bett  freigelassen,  die  übrigen 
aber  belegt  wurden.  Von  allen  Wöchnerinnen  erkrankte  jetzt 
nur  eine  einzige,  welche  in  dem  an  das  inficirte  zunächst 
anstossenden  Bette  lag.  Am  26.  und  28.  Juli  wurden  in 
diese  beiden  Betten  Wöchnerinnen  gebracht,  und  beide  starben 
am  4.  umi  5.  August,  während  alle  anderen  in  dem  Haupt- 
Iheile  des  Saales  und  den  übrigen  Räumen  des  Hospitals  ge- 
sund blieben.  Die  Verbreitung  der  Krankheit  durch  die  At- 
mosphäre wird  vielleicht  auch  durch  andere  Beobachtungen 
geslülzt,  nach  welchen  das  PuerperalOeber  in  einzelnen  Epi- 
demien auf  einzelne  Säle  einer  Anstalt  beschränkt  blieb. 
Durch  sie  erklären  sich  manche  Fälle  noch,  in  welchen  alle 
BeiiiQliuiigt>n ,    finen    amieren    möglichen   Weg  der   Infection 


im  Somiuer  1864  und  Winter  1864/65  anfpotretenen  etc.    207 

ausfindig  zu  machen,  gescbeilerl  sind,  und  wird  es  am  letcl^ 
testen  begreiflich,  dass  beim  Eintritt  von  Erkrankungen  in 
einem  bis  dahin  gesunden  Räume  auch  Wöchnerinnen,  weiche 
bereits  die  gefährliche  Zeit  des  Puerperiums  zurückgelegt 
haben,  und  ohne  dass  eine  Exploration  erfolgte,  ergriffen 
werden.  Auch  die  Erkrankung  der  Kinder  erklärt  sich  unter 
Umstanden  so  am  bequemsten. 

Wie  gross  der  Einfluss  einer  mangelhaften  Ventilation 
ist,  lässt  sich  zur  Zeit  nicht  angeben.  Ich  bin  möglicher- 
weise geneigt,  die  Verbreitung  der  Krankheit  durch  die  Laft 
zu  unterschätzen,  kann  sie  aber  jedenfalls  nicht  fflr  den 
hauptsächlichsten  Weg  halten.  Den  früher  angegebenen  Grün- 
den will  ich  hier  nur  Folgendes  hinzufügen.  Will  mau  das 
von  ÄihiU  bezeichnete  Factum  als  ejnen  Beweis  für  die 
Verbreitung  durch  die  Luft  heranziehen,  so  lehrt  dasselbe 
gleichzeitig,  dass  nur,  soweit  eine  mangelhafte  Ventilation 
nachweisbar  war,  die  Lufl  inficirend  wirkte.  In  vielen  Epi- 
demien wurde  festgestellt,  dass  in  demselben  Räume,  in  wel- 
chem schwer  Erkrankte  lagen,  andere  Wöchnerinnen  gesund 
blieben,  und  umgekehrt  Individuen,  welche  in  besonderen 
Zimmern  verpflegt  wurden,  erkrankten. 

Die  Untersuchung  des  Einflusses  der  UeberfüUung  und 
der  Ventilation  hat  mich  schon  von  der  Betrachtung  der- 
jenigen Ursachen,  welche  in  der  kälteren  Jahreszeit  eine  grös- 
sere Frequenz  der  „ersten  Fälle"*  bewirken  können,  weg  und 
mitten  in  die  Beantwortung  der  Frage,  warum  die  Verschlep- 
pung der  Krankheit  hier  weniger  vermeidbar  s^i,  geführt. 
Gewiss  kommen  in  letzterer  Beziehung  auch  der  grössere 
Eifer  der  Assistenten  u.  s.  w.,  die  grösseren  Schwierigkeiten, 
auf  welche  die  Sorge  fdr  Erhaltung  der  Reinlichkeit  stösst, 
und  dergleichen  mehr,  in  Rede. 

Nach  meiner  Meinung  sind  es  daher  verschiedene  Fac- 
toren,  welche  bei  der  Erklärung  der  Präponderanz  des  Puer- 
peralfiebers in  der  kälteren  Jahreszeit  Erwägung  finden  müs- 
sen, upd  ich  mache  nicht  den  Anspruch,  sie  erschöpfend  dar- 
gelegt zu  haben.  Sie  werden  in  verschiedenen  Anstalten  in 
verschiedenem  Umfange  zu  dem  traurigen  Ergebnisse  bei- 
tragen. 

Sowie  man  in  dem  Puerperalfieber  niclits  weiter  als  das 


208  ^^-  MoMke,  Bin  nemer  UnteravcHwigastahl 

Resuitat  eiuer  sepUschen  Infection  siebt,  muss  man  deo 
Wunsch  nach  einer  genaueren  Aufklärung  über  die  eigent- 
liche Natur  des  septischen  Giftes  theilen,  und  folgerichtig  den 
hierauf  gerichteten  Bestrebungen  die  volle  Anerkennung  zu 
Theil  werden  lassen.  Zur  Zeit  steht  nur  die  fernen läbnliche 
Wirkung  des  septischen  Giftes  fest,  während  die  Enlschei- 
dung  der  Frage ,  ob  es  sich  dabei  um  chemische  Qualitäten 
handelt,  oder  ob,  wie  Mayerhofer  annimmt,  die  Vibrionen 
die  Infection  vermitteln,  der  Zukunft  vorbehalten  ist  Möge 
uns  die  Verfolgung  der  verschiedenen  Wege,  auf  welchen  die 
Antwort  gesucht  wird,  bald  die  Entscheidung  bringen. 


Die  geneigten  Leser  wollen  entschuldigen,  dass  ich  die 
Gelegenheit  zur  Aufklärung  eines  Missverständnisses  benutze, 
welchem  ich  nicht  bloss  bei  meinem  Freunde  Hecker ^  son- 
dern, wie  ich  aus  ßd.  23.,  Hefl  1.,  pag.  73.  der  Zeitschrift 
ersehe,  auch  bei  Spiegelberg  begegnet  bin.  Ich  habe  in  dem 
kleinen  Aufsatze  in  ßd.  19.  nicht  leugnen  wollen,  dass  Um- 
schiingungen  der  Nabelschnur  auch  schon  vor  Eintritt  der 
Geburtswehen  schädlich  wirken  können  —  an  Beweisen  für 
diese  Thatsache  fehlte  es  nicht  —  vielmehr  nur  der  Ver- 
anlassung entbehrt,  hierauf  einzugehen,  weil  ich  nur  die  Vor- 
gänge bei  dem  Geburtsacte  einer  Besprechung  unterwarf. 


XL 

Ein  neuer  ünterBUchungsstuhl  ftir  die  gynäko- 
logische Praxis. 

Von 

Dr.  Ernst  Mauke, 

Arst  in  Hamburg. 
Mit  einer  Tafel  Abbildungen. 

Bei  der  grossen  Bedeutung,  die  eine  Untersuchung  der 
weiblichen  Genitalien  bei  irgend  welchem  Verdacht  auf  Krank- 
hi9it  derselben   för   eine  rationelle  Einleitung  der  Behandlung 


für  die  ^näkologisebe  PraxU.  209 

bat,  ist  es  in  hohem  Grade  zu  bedaueru,  da&s  dieselbe  so 
oft  auf  Schwierigkeiten  stösst»  die  Seitens  der  Patientionen 
gemacht  werden.  Es  giebt  aber  noch  eine  andere  Schwie- 
rigkeit, die  in  der  Privatpraxis  den  Erfoig  einer  Jocalen  Un- 
tersuchung oft  mehr  weniger  in  Frage  stellt,  und  dieses  hin- 
sichtlich der  passenden  Lagerung  der  Kranken  zur  Inspecüon 
und  eventuell  manuellen  Behandlung  der  Genitalien« 

Den  wesentlichen,  dem  Zweck  der  Sache  entsprechenden 
Bedingungen,  namentlich  gutes  Licht,  freie  Lagerung  der 
Genitalien,  uud  diese  in  der  richtigen  Höhe  entspricht  das 
gewöhnliche  Bett  am  wenigsten;  denn  nur  selten, —  und  immer 
nur  mit  vielen  Umständen  —  lässt  sich  ein  Bett  so  rucken, 
dass  die  Tagesbeleuchtung  filr  die  Inspection  ausreichend  ist; 
andererseits  lässt  sich  eine  kunstliche  Beleuchtung,  die  jener 
Cd)rigens  an  sich  immer  nachstehen  möchte,  immer  nur  mit 
vielen  Schwierigkeiten  anwenden.  Was  aber  femer  die  Lage 
der  Kranken  in  einem  Bette  betrifft,  so  ist  dieselbe  für  eine 
Besichtigung  der  Genitalien  ganz  gewiss  sehr  ungünstig ;  denn, 
auch  wenn  man  ein  Querbett  herstellte,  würde  in  der  gerin- 
gen Höhe  des  Bettes  immer  ein  nicht  unerheblicher  Nach- 
theil fortbestehen. 

Vorrichtungen  durch  zusammengerückte  Stühle  theilen 
hinsichtlich  der  Beleuchtung  dieselben  Nacbtheile  mit  einem 
Bette,  und  sind  ausserdem  für  die  Kranken  im  höchsten 
Grade  unbequem  und  lästig. 

Dem  Zweck  am  meisten  entsprechend  wäre  ein  Tisch 
mit  angerückten.  Stühlen.  —  Dem  Wesen  der  Sache  nach 
sind  in  dieser  Weise  ja  auch  die  Vorrichtungen  der  grös- 
seren Kliniken  und  Spitäler  construirt,  nämlich  hochbeinige 
Tische  mit  oder  ohne  Fussbreller.  —  In  der  Privatpraxis 
aber  möchten  sich  wohl  nur  in  ganz  seltenen  Fällen  Frauen 
des  höheren  Standes  dazu  bereit  erklären,  sich,  sei  es  im 
eigenen,  sei  es  im  Hause  des  Arztes,  auf  einen  Tisch  behufs 
der  Untersuchung  zu  legen.  —  So  kommt  es  denn,  dass  der 
Arzt,  will  er  eine  genaue  und  gründliche  Untersuchung  an- 
stellen, ein  ßedurfniss  nach  einem  eigens  zu  diesem  Zwecke 
construirten  Stuhl  empßnden  muss. 

Wir  glauben  nicht,  dass  man  uns  wird  einwerfen  kön- 
nen, duss  ein  gut  construirtrr  Untersuchungsstuld  wohl  seinen 

MonaUsohr.  f.  Geburtsk.  1866.  Bd.  XXVI.,  Hft.  8.  14 


210         ^I*   ^'  Mmtke,  Bin  neuer  ünUrioehanKsstnhl 

Werth  in  gewissem  Grade  habe,  dagegen  aber  die,  der  Un- 
tersuchung ohnehin  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  yei^ 
mehre,  indem  eine  Frau  sich  dann  am  allerwenigsten  zur 
Untersuchung  entschtiessen  würde. 

Verständige  Frauen,  die  als  solche  auch  leichter  von 
der  Wichtigkeit  der  Untersuchung  zu  überzeugen  und  daher 
für  dieselbe  zu  gewinnen  sind,  werden  sich  gewiss  ohne 
Weiteres  bereit  erklären.  Weniger  einsichtsvolle  Frauen  wür- 
den dagegen  eine  Untersuchung  im  Rette  wohl  vorziehen; 
bleibt  aber  der  behandelnde  Arzt  nur  standhaft,  sich  mit 
der  Zeit  auch  fügen. 

Der  Arzt  kann  durch  Beharrlichkeit  allein  mit  der  Zeit 
das  Vorurtheil  der  Frauen  abschwächen,  dass  sie  gegen  die  Un- 
tersuchung haben  aus  einem  hier  verkehrt  gezeigten  Schamge- 
fühle. Uebrigens  wird  es  vielleicht  den  Frauen  doch  bei  Wei- 
tem unangemessener  sein  und  undecenter  erscheinen,  sich, 
besonders  im  Hause  des  Arztes,  auf  ein  Sopha  oder  gar  einen 
Tisch  zu  legen,  als  auf  den  für  den  bestimmten  Zweck  con- 
struirlen  Untersuchuiigsstuhl ,  der  nur  ihren  Leidensgefähr- 
tinnen gedient  hat  und  dienen  wird. 

Mancher  Praktiker,  der  als  Gerichtsarzt  oder  specieller 
Frauenarzt  seine  Praxis  übt,  hat  sich  wohl  eine  für  seinen 
Zweck  brauchbare  Vorrichtung  anfertigen  lassen,  ohne  aber 
dieselbe  dem  ärztlichen  Publicum  bekannt  zu  machen.  ^]  So 
kommt  es,  dass  bei  dem  übrigens  durchaus  nicht  bestehen- 
den Mangel  an  Maschinerien  und  Apparaten  für  mediciniscbe 
und  chirurgische  Zwecke,  unser  Gegenstand  eine  äusserst 
beschränkte  Vertretung  findet,  ja  dem  Inventarium  eines  Ban- 
dagisten  wohl  meistens  eine  ganz  fremde  und  nicht  gehal- 
tene Waare  ist. 

Dem  praktischen  Arzte  kann  nur  ein  solcher  Stuhl  von 
wirklichem  Werllie  sein,  der  ohne  viele  Umstände  aufzustel- 
len, und  ebenso  leicht  wieder  fortzuschafien  ist,  der  ferner 
ein  möglichst  kleines  Volumen  hat,  und  endlich  hinsichtlich 
des  Kostenaufwandes  eine  billige  Grenze  nicht  übersteigt 

1)  Vor  einif^er  Zeit  veröfiontlichte  Dr.  Baumgärtner  in  Buden- 
Baden  in  der  „deutschen  Klinik"  die  Construction  eines  Unter- 
NUcliungMMtiihles. 


für  die  g^yn^akologische  Praxis.  211 

Diese  Hauplbedingungen  glaobt  Verfasser  durch  seine 
Gonslruction  des  Stuhls  erföilt  zu  haben,  und  die  Ueber- 
Zeugung,  dass  auch  ein  kleiner  Beitrag  für  die  Praxis  dem 
ärzüichen  Publicum  nicht  vorenthalten  werden  muss,  be- 
stimmte ihn  dazu,  die  Veröffentlichung  zu  machen. 


Der  von  mir  construirte  Stuhl  ist  aus  bestem  Schmiede- 
eisen (^/g"  breit,  V/  d»ck)  gefertigt.  ^)  Eiserne  Stangen 
kreuzweise  durch  Schrauben  lind  Muttern  aneinander  gehalten, 
bilden  das  Gerüste  des  Stuhles;  die  so  gebildeten  Beine 
sind  zur  Festigkeit  des  Ganzen  durch  eiserne  Stäbe  verbun- 
den. Unter  die  Fusse  ist  je  ein  Holzsuckel  mittels  Schrauben 
beCestigt.  Um  £tas  Gleichgewicht  des  Stuhls  herzustellen, 
sind  die  Verbindungspunkto  der  kreuzweise  gestellten  Beine 
möglichst  hoch  constiwt  (Fig.  1.  c),  so  dass  die  Füsse 
weit  vor  und  hinter  dem  Sitze  hervorragen.  Der  Punkt  c. 
bildet  ein  Gelenk,  das  ein  vollständiges  Zusammenstellen  der 
Beine  gestattet.  An  die  vorderen  Stuhlbeine  (Fig.  1.  a.  c.  e.) 
sind  die  Fussbretter  (Fig.  1.  h,)  aus  Holz  mit  Leder  überzogen, 
auf  dem  eisernen  Gestelle  (Fig.  1.  m.)  construirt,  durch 
eine  abnehmbare  Schraube  gehalten,  durch  welche  Einrichtung 
sehr  leieht  eine  höhere  und  tiefere  Stellung  der  Fussbretter 
ermöglichst  ist.     (Fig.  1 .  p.) 

'  Die  beiderseitigen  Verbindungsstangen  der  oberen  End- 
punkte der  Beine  (Fig.  1.  d  e.),  in  der  Mitte  durch  ein  Ge- 
lenk (Fig.  1.  /.)  getheilt,  in  dem  Punkte/,  und  c.  durch 
eiserne  Stäbe  mit  denselben  der  anderen  Seite  verbunden, 
bilden  das  Gerüst  des  Sitzes;  auf  dasselbe  ist  das  Sitzpolster 
(^\^*  Holz,  \^l^  hoch  gepolstert,  mit  Leder  überzogen)  ein- 
fach darauf  zu  legen,  indem  eine  Leiste  an  der  unteren  Fläche 
des  Sitzpolsters  am  Punkte  /.  ein  Verrücken  des  Ganzen  un- 
möglich macht.  Das  Polster  ist,  zur  möglichst  freien  Lage- 
rung der  Genitalien  vorn  mit  einem  Ausschnitte  versehen. 
Die  Lehne  des  Stuhls,  aus  einem  eisernen  Rahmen  mit 


1)  Der  Verfertiger  ist  Herr  C  H,  A.  Dannenberg ^  cbirnrg. 
TnstramenteniDHcher  und  Bacdagist  in  llauiburg,  Kaboiseii  70. 
Der  Pfeis  ohtie  Verpackung  ist  18  Thlr. 

14* 


212       ^'*    ^'  Mo/ukt,  Rio  D6oer  UoUr«ue)iiiog>9t°hl  <^^^- 

zwei  Querstangen,  mit  ürafalgeflecbte  gefüllt,  ist  beweglicb  am 
Sitz,  und  kann  ganz  herabgeschlagen  werden  an  die  Fö&sc 
des  Stuhls.  Beim  Gebrauche  wird  die  Lehne  durch  eine  Kette 
(Fig.  1.  L)  die  an  den  Funkien  g,  und  d.  beiderseits  eia- 
gehakt  wird,  an  den  Sitz  in  dem  passenden  Winkd  gehallen, 
welcher  letztere  durch  Verlängern  und  Verkürzen  der  Kette 
(die  um  den  ganzen  Stuhl  herum  läuft)  beliebig  gross  und 
klein  gemacht  werden  kann. 

,  Für  die  vollkommene  Festigkeit  des  Ganzen  ist  es  in- 
dessen am  passendsten,  dass  die  Kette  so  befestigt  wird,  dass 
die  Lehne  in  derselben  Ebene  liegt  mit  den  vorderen  Stuhl- 
beinen ,  was  auch  für  die  bequeme  I^gerung  der  Kranken 
vollständig  hinreicht.  Die  Lehne  ist  übrigens,  um  das  Ganze 
beweglicher  und  leichter  zu  machen,  nicht,  gepolstert;  ein 
Kissen  kann  zur  Bequemlichkeit  der  Kranken  unter  Kopf  und 
Rücken  gesteckt  werden. 

Durch  die  Einrichtung  der  mittels  eines  Schraubenschlüs- 
sels fest  und  lose  zu  stellenden  Scharniergelenke,  ist  nun 
die  Bedingung  des  sehr  leichten  Auf-  und  Wegstellens  des 
Stuhls  entschieden  in  genügender  Weise  erfüllt 

Zur  Zusammenstellung  des  Stuhles  nimmt  man  das  Sitz- 
polster ab,  löst  die  Kette  der  Lehne,  und  lässt  diese  bis  an 
die  Stuhlbeine  nach  hinten  herabschlagen,  und  ergreift  nun, 
nachdem  man  die  Kette  durch  einen  Knoten  etwa  an  eine 
der  eisenien  Stangen  des  Sitzes  geknüpft  hat,  die  vordere 
Verbindungsstange  des  letzteren  (am  Punkte  /.  Fig.  1.)  mit 
der  Hand,  und  bewirkt  durch  ein  einfaches  Emporziehen  der- 
selben, ein  vollständiges  und  haltbares  Zusanmienschlagen  des 
ganzen  Stuhles,  der  dann  ein  Bild  zeigt,  wie  Fig.  2.  es  wie- 
dergiebt,  welches,  wenn  man  noch  die  abnehmbaren  Fuss- 
bretter  und  die  lose  Kette  entfernen  will,  einem  Ofenschirm 
nicht  unähnlich  ist.  —  In  derselben  leichten  Weise  geschieht 
das  Aufklappen  des  Stuhles,  nämlich  durch  einfaches  Entfer- 
nen der  Stuhlbeine  von  einander,  Aufschlagen  der  Lehne, 
Befestigung  derselben  durch  die  Kette  und  Auflegung  des 
Sitzpolslers.  Das  Bild  des  Stuhles  für  den  Gebrauch  zeigt 
Fig.  3. 

Hinsichtlich  des  Aufsleigeus  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
die  Kranken  beim  AoHrelen  am  besten  die  Verbindungsstange 


XU.     Ho/mann,  Gerichtliche  Gatachten  etc.  213 

zwischen  den  vorderen  Beinen  des  Stuhles  (Fig.  1.  am  Punkt 
t.)  benutzen. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  trotz  der  leichten, 
wenn  auch  eisernen,  Construction,  die  Festigkeil  und  Sicher- 
heit des  StuWes  der  Art  ist,  dass  auch  sehr  schwere  und 
corpulente  Personen  sicher  und  ohne  etwas  zu  besorgen,  den 
Stuhl  besteigen  können. 


XIL 
Gerichtliche  Gutachten  über  fleischliche  Vergehen. 

Von 

Prof.  Dr.  Hofmann  in  Mönchen. 


Nachforschung  wegen  behaupteter  Unzucht.    Ge- 
pflogen von  der  königl.  Staatsanwaltschaft  beim 
königl.  Kreis-  und  Stadtgerichte  zu  München 
links   der  Isar. 

Historisches. 
Im  October  1856  will  die  14jährige  A,  geschlechtlich 
missbraucht  worden  sein.  Mehr  als  die  bei  der  königl.  Po- 
lizeibehörde behauptete  Thatsache  des  Missbrauchs  liegt  nicht 
vor,  über  das  Wie  spricht  sich  das  Mädchen  nicht  weiter 
ans,  als  dass  ihr  die  Sache  „nicht  viele  Schmerzen'*  verursacht 
habe,  und  dass  sie  gleich  nachher  Harnbeschwerden  gehabt 
habe  und  noch  immer  —  Januar  1857  —  habe.  Die  von 
mir  im  Januar  1857  vorgenommene  Untersuchung  ergab  ganz 
kindliche  Formen  und  nur  erst  die  schwächste  Andeutung 
geschlechtlicher  Entwickelung.  Es  war  Vaginalblennorrhöe  zu- 
gegen, aber  keine  Spur  einer  Verletzung  der  Geschlechtslheile 
wahrnehmbar;  das  Jungfernhäutchen  war  vorhanden  und  hatte 
eine  äusserst  enge  Oeffnung  und  gewulstete  Ränder. 

Gutachten. 

Es  ist  vollständig  gewiss  und  unzweifelhaft,    dass  dieses 
Mädchen   mit  einem  normal  gebauten   Manne   noch  nie  einen 


214  Xn.     Ho/mann,  Gerichtlielie  QnraehteD 

dpiririigen  Beischlaf  gepflogen,  dass  der  Penis  ganz  und  seibsl 
nur  grOsstentheils  in  die  Scheide  gekommen  wäre.  Biiie 
solche  Annahme  schliesst  die  unversehrte  BeschafleuheiC  der 
noch  kindlichen  Geschiechlstheile  und  die  Enge  der  Hyme- 
nHiölThiing  geradezu  als  unmöghch  aus.  Wenn  dieses  Mäd- 
chen je  einem  Manne  cohabitirt  hat,  so  trat  sicher  nicht  der 
Penis  über  die  vorderste  Spitze  seiner  Eichel  hinaus  in  den 
Scheideneingang  und  die  Hymenalöffnung. 

Die  ursprüngliche  anatomische  Bildung  des  Hymen  ist 
hei  den  verschiedenen  Individuen  eine  höchst  verschiedene. 
Deshalb  muss  auch  ärztlich  völlig  dahingestellt  bleiben,  ob 
die  jetzige  Hymenalbeschaffenheit  die  dem  Mädchen  A,  von 
Haus  aus  zukommende  ist,  oder  ob  eine  schwache  Dilatation 
auf  die  FlymenalölTnung  eingewirkt  habe.  Der  weisse  Fluss 
kann  ebensowohl  Entwickehjngsvorgang  als  Folge  eines  Miss- 
brauchs sein.  Die  angeblich  jetzt  noch  vorhandene  Beschwe- 
rung im  Harnhalten  kann  wiederum  mit  dem  weissen  Fluss 
zusammenhängen,  oder  auch  Folge  eines  Misshrauchs  sein. 
Es  steht  sonach  ärztlicherseits  nichts  im  Wege,  wenn  juristi- 
scherseits  ein  Nachweis  eines  derartigen  Missbrauches  gelie- 
fert werden  kann,  anzunehmen^  dass  die  Penisspitze  oder  ein 
derartiges  Diiatatorium  bis  an  den  Scheideneingang  und  bis 
au  die  Hymenalöffnung  gelangt  sein  könne-,  einen  derartigen 
Mtssbrauch  aber  ärztlicherseits  nachzuweisen  ist  deshalb  un- 
möglich, weil  ein  solcher 'Missbrauch  überhaupt  keine  Spuren 
hinterlässt,  und  ärztlicherseits  der  concrete  Befund  auch  mit 
der  Aimahme  vereinbarlich  ist,  das  überhaupt  gar  kein  Miss- 
brauch geschehen. 

Es  wurde  keine  (Untersuchung  eingeleitet. 


Staatsanwaltschaftliche  Nachforschung  wegen 
unerzwungener  Unzucht. 

Historisches. 
A.,  geboren  am  25.  August  1845,  Pflegetochter  des  B^ 
und  ihre  Freundinnen  6^,  geboren  am  1.  Mai  1843,  und  />., 
geboren  am  23.  October  1839,  sollen  nach  ihrer  Angabe  im 
Frühjahre  1853  vom  B,  auf  folgende  Art  zur  Unzucht  ver- 
führt worden  sein: 


über  fleiachllche  Vergeheo.  215 

B,  &o]l  ihnen,  tlieils  jeder  allein,  Iheäs  je  zweien  und 
allen  dreien  zusamineo  seinen  Penis  gezeigt^  sich  auf  ein 
r  hohes  Schenoelchen  gesetzt,  und  die  Ä.  und  C.  —  denn 
die  Z>.  kam  ihm  immer  aus  —  auf  seinen  Schoss  rilüings 
üher  seine  Oberschenkel  gesetzt  haben.  B.  habe  nun  die 
Röcke  empor-,  und  seinen  Penis  entweder  ungefähr  1"  weit 
in  ihre  Scham  geschoben,  oder  auch  ihr  mit  seiner  Hand  in 
ihrer  Schamspalte  auf-  und  abbewegt  haben.  Dies  habe  den 
Kindern  nicht  nur  keinen  Schmerz  gemacht,  sondern  sehr 
wohl  gethan,  daher  sie  sich  auch  gerne  bereitwillig  fanden. 
So  weit  die  Angabe  der  Kinder. 

Bei  der  gerichtsärztlichen  Besichtigung  wurden  der  Penis 
des  B.  sowie  die  Geschlechtsüieile  der  Kinder  ganz  normal 
getroffen;  die  Hymen  und  deren  Oeffnungen,  dann  die  Scham- 
lippenbändchen  waren  ganz  unversehrt  bei  allen  drei  Mädchen. 
Die  Geschlechtstheile  des  B.  normal. 

Der  königl.  Herr  Staatsanwalt  stellte  mir  die  Frage: 
Ist  es  möglich,  dass  —  ganz  objectiv  betrachtet  — 
ein  mit  normalem  Penis  begabter  kräftiger  Mann  von 
38  Jahren  mit  seinem  erigirten  Penis  zwischen  den 
Schamlippen  von  8 — lOjährigen  mit  normalen  Geschlechts- 
theilen  versehenen  Mädchen  solche  Manipulationen,  wie 
sie  die  Mädchen  vorbringen,  vornehmen  kann,  ohne  dass 
hierdurch  die  grössten  Schmerzen  durch  Auseinander- 
zerren der  grossen  und  kleinen  Schamlippen  entstehen 
müssen  ? 
Ich  gab  folgendes 

Gutachten 
ab: 

Die  mir  gestellte  Frage  muss  unbedingt  bejaht  werden, 
und  es  kann  auch  nicht  ein  einziger  Grund  für  ihre  Ver- 
neinung aufgeführt  werden.  Die  Schamlippen  sind  Weich- 
thoile  und  bq^itzen  eine  grosse  Nachgiebigkeit.  Man  kann 
jeden  Augenblick  den  Versuch  machen  und  einem  8—10 — 12 
jährigen  Mädchen  die  grossen  und  kleinen  Schamlippen  aus- 
tiinanderziehen ,  so  dass  der  Sdieideoeinganginit  den  8chei> 
denklappen  frei  für  das  Gesicht  zu  Tage  liegt,  und  diese 
Manipulation  wird  den  Mädchen  nirht  den  geringsten  Sdimerz 


216  XII.     Ho/mann^  Gerichtliche  Ontacfaten 

machen.  Was  die  Finger  können,  kann  eben  so  gut  die 
Eichel  des  Penis.  Schmerz  wird  in  beiden  Fällen  erst  ent- 
stehen, wenn  der  dickere  Finger  oder  dickere  Penis  nach 
Durchschreitung  des  zwischen  den  Schamiippen  und  vor  dem 
mit  dem  Hymen  geschlossenen  Scheideneingange  liegenden 
Raumes  d.  h.  des  hinler  der  Schamspalle  gelegenen  soge- 
narmten  Scln^denvorhofes  die  engere  Oeffhung  des  Hymen^ 
zu  durchbohren  Irachlet;  und  Finger  und  Penis  können  nicht 
blos  bis  au  das  Hymen  hin,  d.  h.  bis  in  den  Scheiden Torhof 
ohne  alles  Schmerzgelöhl  für  ein  Mädchen  eingeluhrt  werden, 
sondern  es  entsteht  nie  Schmerz  und  kann  keiner  entstehen, 
so  huige  Finger  oder  Penis  nicht  weiter  als  bis  in  den  Schei- 
deneingang und  die  Hymenöffnuug  dringen. 

Im  concreten  Falle  sagen  die  Mädchen,  der  B.  habe  sei- 
nen   Penis  in   ihre  Scham   gethan,    und   eine   derselben  be- 
zeichnet   sogar    die    Länge    des    Nagelgliedes    eines   Fingers, 
d.  h.  ungefähr  1",    als   wie  weit  B,  seinen  Penis  in  die  Ge- 
schlecht stheile    gesteckt    habe.     Schmerz    habe    ihnen    dieses 
nicht  verursacht,  sondern  eher  wohlgethan.   £s  ist  constatirt, 
dass  das  Hymen  der  drei  Mädclien  unversehrt  war,  der  Penis 
des    B.   aber  normal   ist.     Hält  man  ärztlich  diese  Aussagen 
und  diesen  Augenschein  zusammen,  so  ist  als  ganz  gewiss  und 
unzweifelhaft  anzunehmen,  dass  ß.  seinen  Penis  mit  der  vor- 
dersten Spitze  nie  weiter  gebracht  haben  konnte,  als  höch- 
stens bis  an  die  Hymen  hin,   denn  deren  Perforation  könnte 
bei   so  jungen  Mädchen  durch  einen  normalen  und  erigirten 
Penis   eines   Mannes  nimmermehr  geschehen,    ohne  grösstes 
Schmerzgefühl  seitens  so  junger  Mädchen,    und  musste  auch 
der  Augenschein   der  Spuren  einer   geschehenen   Perforation 
gezeigt  haben.     Wenn  von  den  Mädchen  ausgesagt  wird,  sie 
hätten   keinen    Schmerz    verspürt,    sondern  die   Sache   habe 
ihnen  wohlgethan,    so  liegt  hierin  nichts  dem  objectiven  Be- 
funde Widersprechendes:  B.  hat  seinen  Penis  in  die  Scbam- 
spalte  der  Mädchen  gebracht,  und  ihn  zwischm  den  Scham- 
lippen  theils  durch   die  begegnende  Kraft  der  PenismuskeJn, 
theils   durch  seine  Hand  in  Bewegung  gesetzt.     Das  hat  den 
Mädchen   nicht  wehgethan   und    konnte  ihnen  nicht  wehthun, 
sondern   that  ihnen  wohl  und  musste   ihnen  wohlthun,   denn 
die  ^itze  des  Penis  rieb  den  Kitzler.    Tch  finde  in  den  Aus- 


über  fleiscbliche  Vergehen.  217 

sagen  der  Mädchen  ärztlich  nichts  Ungereimtes  sondern  bloss 
Gereimtes. 


Nachforschungen   wegen   behaupteter  No.thzucht. 

Gepflogen    von    der  kgl.   Staatsanwaltschaft   beim 

königl.  Kreis-  und  Stadtgerichte  zu  München. 

Historisches. 

Zum  Zahnärzte  X.,  50  Jahre  alt,  nicht  zum  Besten  be- 
leumundet, jedoch  noch  nie  in  Untersuchung,  kam  die  gut 
beleumundete  A,  zum  Zähneputzen.  Sie  ist  geständig  früher 
ein  Mal  mit  einem  Manne  sich  geschlechtlich  vergangen  zu 
haben.  X  machte  der  A,  beim  Anläuten  an  der  Hausthüre 
selbst  auf,  führte  sie  durch  zwei  unbewohnte  Zimmer  in  ein 
drittes  und  putzte  ihr  die  Zähne,  wobei  die  A.  auf  einem 
mit  hoher  Rucklehne  versehenen  Lelinstuhl  sass.  Nach  dem 
Zähneputzen  erklärte  X,  eine  Gefälligkeit  sei  der  anderen 
werth,  und  langte  der  A,  unter  das  Kleid  an  die  Brust.  Die 
A,  wehrte  und  sträubte  sich,  konnte  aber  bei  ihrer  behaup- 
teten Kränklichkeit  nicht  verhindern,  dass  X.  ihren  Kopf 
gegen  die  Rückwand  des  Lehnstuhles  drückte,  ihre  beiden 
Fasse  über  seine  Schullern  legte  und  so  den  Beischlaf  mit 
ihr  vollzog.  In  welcher  Stellung  sich  X  befand,  kann  die 
ii.,  die  ganz  erschrocken  sein  will,  nicht  angeben.  Das 
aber  weiss  sie  gewiss,  dass  X,  den  Beischlaf  vollkommen 
vollzog. 

Sofort  begab  sich  die  A,  zur  königl.  Polizei  -  Direction 
und  brachte  die  Sache  zur  Anzeige.  Die  2^2  Stunden  nach 
der  behaupteten  That  vorgenommene  polizeiärztliche  Unter- 
suchung ergab  folgendes:  Die  A,  ist  ein  Mädchen  Anfangs 
der  zwanziger  Jahre,  von  kräftiger  Constitution  und  gesundem 
Aussehen.  An  den  Schamhaaren  keine  Spuren  von  Samen- 
feuchtigkeit. Grosse  und  kleine  Schamlippen  normal,  keine 
Samenfeuchtigkeit  an  ihnen.  Schambändchen  unverletzt. 
Schleimhaut  rosig.  Hymen  nicht  mehr  vorhanden,  keine  Spur 
«iner  frischen  Zerstörung.  Scheideneingang  und  Vagina  ziem- 
lich eng,  und  berechtigt  zu  der  Ansicht,  dass  die  Beschä- 
digte fleischlich  noch  wenig  mitgemacht  habe.  Kein  Fluor 
albus,  nichts  Pathologisches  an  den  Geschlechtstbeilen.     Am 


218  Xn.     Hofinann,  Geriehtlielie  GnUchten 

hinteren  Tbeile  des  von  der  Ä.  Tags  vorher  frisch  angezoge- 
nen   Hemdes    in    der   Gegend    des  Afters  ein  3"— 4"  laoger 
und  2"~2V/  breiter  Flecken  von  fast  ovaler  Gestalt,  seinem 
Ausseben  nach  glaublich  von  Samenflüssigkeit  herrührend. 
Die  hönigl.  Staatsbehörde  stellte  die  Frage: 

ob  aus  dem  ärztlichen  Augenscheine  nach  Massgabe 
der  in  Betracht  zu  ziehenden  Zeitverhältnisse  (Zwi- 
schenzeit zwischen  dem  behaupteten  Reate  und  dem 
polizeiarztlichen  Augenscheine)  ein  Schluss  dahin  ge- 
zogen werden  könne,  dass  die  von  der  A.  behauptete 
Notl)zucht  nicht  anzunehmen  sei? 

Gutachtliche  Aeusserung. 

Ich  sehe  nicht  den  entferntesten  Grund,  warum  aus  dem 
polizeiärzllichen  Befunde  nach  Massgabe  der  hier  gegebt^nen 
Zeitverhältnisse  die  von  der  A.  behauptete  Nothzucht  nicht 
sollte  geschehen  sein  können.  A.  ist  geständig,  ein  Mal 
einer  Mannsperson  schon  früher  den  Beischlaf  gestattet  zu 
haben,  und  folglich  konnte  die  ärztliche  Untersuchung  keine 
frische  Zerreissung  des  Hymen  nachweisen.  Ihr  früherer 
sittlicher  Lebenswandel  wird  durch  den  Eindruck  ihrer  Ge- 
schlechtstbeile  auf  den  königl.  Herrn  PoUzeiarzt  verificirt. 
Dass  bei  der  polizeiärztlichen  Untersuchung  an  den  Scliaro- 
lippen  und  Schamhaaren  keine  Samenflussigkeit  haftete,  darf 
nicht  im  Mindesten  aufTalien,  dieselbe  hat  sich  in  der  Zwi- 
schenzeit von  zwei  Stunden  durch  die  Körperbewegungen  am 
Hemde  abgestreift  oder  ist  am  Damme  oder  den  Oberschen- 
keln eingetrocknet.  Auch  muss  keineswegs  selbst  unmittelbar 
post  actum  Samenflüssigkeit  nothwendig  an  den  Schamliaaren 
kleben.  Mit  einem  Worte:  der  polizeiärztliche  Befund  ist 
nicht  im  Geringsten  in  Widerspruch  mit  der  von  der  A.  be- 
haupteten That;  bietet  anderei*seits  aber  auch  keine  Anhalts- 
punkte zur  objectiven  Verificirung  des  angeblich  Geschehenen. 

Uebrigeas  ist  die  behauptete  Nothzucht  noch  keines- 
wegs ganz  klar.  Die  A.  wird  vom  königl.  Herrn  Polizeiarzte  als 
eine  kräftige,  gesund  aussehende  Person  geschildert  Dass 
eine  solche  junge  Person  so  leicht  von  einem  50  jährigen 
Manne  mir  nichts  dir  nichts  in  der  behaupteten  Stellung  gegen 
ihren  Willen  sollte  roissbraucht  worden  sein,  ist  mir  noch  nicht 


übAr  fleiscbliehe  Vf^rgebea.  219 

SO  ganz  klar.  Hat  sie  nicht  geschrien  ?  warum  nicht  ?  Wurde 
sie  so  vom  Schrecken  übermannt,  dass  sie^  indem  sie  ihre 
Fusse  über  X's  Schultern  hatle^  denselben  nicht  zu  Boden 
reissen  oder  doch  wenigstens  durch  Bewegung  des  Hintern 
am  Einbringen  des  Penis  hindern  konnte?  Wenn  Ja,  wodurch 
war  ein  solcher  Schrecken  motivirt?  Hatte  X.  etwa  die 
Thüre  abgeschlossen?  drohte  er  ihr  vielleicht?  wie?  womit? 
IJeberall  all  Das  und  noch  so  Manches  Andere  müsste  eine 
einzuleitende  Untersuchung  Aufschluss  geben. 
Es  wurde  keine  Untersuchung  eingeleitet. 

Untersuchung    wegen    widernatürlicher    Unzucht. 
Geführt  beim  k.  Kreis- U.Stadtgerichte  zu  München. 

Historisches. 

Die  kleine  sechs  Jahre  alte  A,  ist  ein  für 'ihre  Jahre 
geistig  ziemlich  entwickeltes  Kind ;  sie  fasst  den  Sinn  alW 
Fragen  rasch  und  richtig,  ihre  Antworten  sind  prompt  und 
präcis,  und  man  überzeugt  sich  alsbald  bei  einer  Unterredung 
mit  ihr^  dass  sie  für  erlebte  Dinge  ein  treues  Gedächtniss 
bat.  Dieses  Kiud  sagt  aus,  der  B.  habe  es  im  Winter 
1853/54  öfter  an  seine  Wohnung  hingelockt^  es  dann  um 
den  Leib  gegrilTen,  auf  die  Stiege  oder  sonst  au  einen  pas- 
senden Ort  hingestellt,  ihr  die  Böcke  emporgehoben,  und 
dann  mit  den  Fingern  an  ihren  Geschlechtstheilen  gespielt. 
Schmerz  hat  der  B.  dem  Kinde  nach  der  Aussage  dieses  nie 
bereitet;  auch  die  Mutter  bemerkte  an  dem  Kinde  nie  elnas 
Aussergewöbnliches,  oder  dass  es  je  über  Schmerzen  an  den 
Geschlechtstheilen  geklagt  hätte. 

Die  von  mir  am  dritten  April  1854  vorgenommene  Un* 
tersuchung  des  Mädchens  ergab  an  den  grossen  und  kleinen 
Schamlippen,  am  Mittelfleische  und  Scheideneingange  nichts 
Pathologisches.  Frenulum  labiorum  und  Fossa  navicularis 
unversehrt  Schleimhaut  des  Scheideneingangs  normal  und 
gesund.  Hymen  zugegen,  mit  einer  erbsengrossen ,  runden, 
mit  gewulsteten  Bändern  versebenen  Oeflnung. 

Die  Finger  des  B,  sind  eher  dick  als  schlank. 


320  XU*     Hofmann,  Qerxchtlicbe  Gutachten 

Gutachten. 
I. 

Dass  sich  die  angeblichen  Spielereien  des  B, 
mit  seinen  Fingern  an  den  Geschlechtstheilcn 
der  A,  soweit  erstreckten,  dass  derselbe  einen 
seiner  Finger  dem  grössten  Theile  seiner  Lange 
nach  in  die  Scheide  des  Kindes  gebohrt  hatte,  ist 
im  höchsten  Qrade  unwahrscheinlich. 

Es  wird  ärztlicherseits  eingeräumt,  dass  die  Geschlechts- 
theile  eines  Mädchens  vom  Alter  der  A,  wie  überhaupt  die 
Geschlechtslheile  des  Weibes  in  hohem  Grade  nachgiebig  sind 
und  dass  ein  massig  dicker  Mannsfinger  durch  das  Loch  des 
Jungfernhäutchens  eines  solchen  Mädchens,  und  ganz  beson- 
ders, wenn  er  sehr  vorsichtig,  schonend  und  langsam  bohrt, 
allerdings  eindringen  kann,  und  zwar  seiner  ganzen  Länge 
nach;  aber  doch  nur  unter  lebhaftem  Schmerzgefühl  seitens 
des  Mädchens,  und  dürfte  in  der  grössten  Mehrzahl  der  Fälle 
das  Jungfernhäutchen  wenigstens  einer  theilweisen  Zerstörung 
unterliegen.  Im  concreten  Falle  widerspricht  die  kleine  A 
jemals  ein  Schmerzgefühl  gehabt  zu  haben;  /  der  die  Oeff- 
nung  ihres  Jungfernhäutchens  umkreisende  Rand  ist  zwar  ge- 
wulstet  —  was  auch  ursprüngliche  Bildung  sein  kann,  denn 
die  Beschaffenheit  des  Jungfernhäutchens  ist  eine  sehr  ver- 
schiedene —  aber  dasselbe  ist  doch  noch  zugegen,  eine  ge- 
schehene Verletzung  an  ihm  ist  nicht  ersichtlich,  und  die 
Finger  des  B.  gehören  eher  zu  den  dicken  als  zu  den 
schlanken.  Aus  allen  diesen  Gründen  wird  es  im  höchsten 
Grade  unwahrscheinlich,  dass  derselbe  jemals  einen  seiner 
Finger  der  ganzen  Länge  oder  selbst  nur  dem  grössten  Theile 
der  Länge  nach  in  die  Scheide  des  Mädchens  gebohrt  haben 
sollte.    Eine  ganz  andere  Frage  ist,  ob 

n. 

allenfalls  Bohrv ersuche  gemacht  worden  sind  oder  nicht 
—  eine  Frage,  die  gerade  weil  die  ursprüngliche  Bildang 
des  Hymens  und  die  Grösse  seiner  Oeffnung  so  sehr  nach 
den  verschiedenen  Individuen  schwankt,  vom  ärztlichen  Stand- 
punkte  aus  gar  nicht  beantwortbar  ist.     Von  diesem  Stand- 


über  fleischliche  VergeheD.  221 

punkte  aus  kaun  nur  die  Möglichkeit  eingeräumt  werden,  bis 
zu  einem  gewissen  Grade,  ohne  Schmerz  zu  erregen  und 
ohne  der  Integrität  des  Hymen  Eintrag  zu  thnn,  den  Finger 
eines  Mannes  in  die  Oeifnung  eines  Hymen  eines  6  jährigen 
Mädchens  eindringen  zu  maclien,  und  folglich  die  Möglichkeit, 
dass  auch  £.,  ohne  der  kleinen  Ä.  Schmerz  zu  verursachen 
und  ihr  Jungfernhäutchen  zu  verletzen,  allenfalls  mit  der  ober- 
sten Endigung  seines  kleinen  Fingers  .in  die  Oeffnung  des 
Hymen  zu  bohren  vermochte. 

Das  Gutachten  geht  daher  dahin,  dass  ärztlicher- 
seits nicht  ermittelt  werden  könne,  ob  die  be- 
haupteten Spielereien  in  Bohrversuchen  bestan* 
den  haben  mögen. 

Die  Untersuchung  wurde  eingestellt. 

Untersuchung    wegen    Nothzucht.      Geführt    beim 

königl.    Kreis-    und    Stadtgerichte  München   links 

der  Isar. 

Historisches. 

Am  23.  September  1855  Morgens  soll  der  A.  die  B. 
auf  freiem  Felde  angepackt,  überwältigt  und  fleischlich  ge- 
braucht haben,  wobei  nach  Angabe  der  Damnificatin  das  Glied 
ganz  in  ihre  Scheide  gedrungen  sein  soll.  Dje  B.  hatte  sich 
früher  schon  Männern  preisgegeben. 

Die  von  mir  am  27.  September  1855  vorgenommene 
Untersuchung  der  beiden  Persönlichkeiten  ergab  folgendes: 
der  Ä,  ist  ein  20  Jahre  alter  rüstiger  Bursche  mit  normal 
gebildeten  Geschlechtstheilen.  Die  B.  ist  21  Jahre  alt,  wohl- 
gebaut, kräftig;  ihre  Genitalien  deflorirt,  übrigens  ganz  un^ 
versehrt. 

Gutachten. 

1)  Durch  das  Bekenntniss  der  B.,  schon  vor  dem 
23.  September  1855  mehrmals  mit  Maqnspersouen  Umgang 
gehabt  zu  haben,  ist  conslatirt,  dass  der  Zustand  der  De- 
floration, welchen  der  Genitalapparat  bei  der  Augenscheins- 
eiimahme  nachwies,  nicht  von  der  angeblichen  Ueberwältigung 
des  23.  September  1855  herrührt. 


222  ^11-     Hofmonn,  Gerichtliehe  Gutachten 

2)  Damniflcalin  hat  ausser  der  zur  Zeit  noch  im  Be- 
reiche ärztlicher  Unmöglichkeit  liegenden  Beantwortung  der 
Frage  ober  allenfalls  geschehene  Concepiion  aus  diesem  an- 
gf^hlichen  Misshrauche  am  23.  September  1855  keinerlei  phy- 
sischen Nachtheil  geschöpft;  dafür  bürgt  die  bei  der  Unter- 
suchung vorgefundene  Integrität  des  Genitalapparates. 

3)  Vom  A.  kann  gemäss  seines  Alters  und  der  Beschaf- 
fenheit des  Gein'talapparates  die  Möglichkeit,  den  Beischlaf 
mit  einer  Frauensperson  nach  Gebühr  vollziehen  zu  können, 
gar  nicht  beanstandet  werden. 

4)  Ob  am  23.  September  1855  zwischen  den  fragltcheD 
beiden  Personen  geschehen,  und  wenn  ja,  welcher  Art  dieser 
Begattungsakt  war,  —  diese  Frage  ist  in  concreto  für  den 
Arzt  unbeantwortbar,  da  sich  an  beiden  Personen  nach  kei- 
nerlei Richtung  Erscheinungen  vorfinden,  die  das  Eine  oder 
Andere  beurkunden  könnten.  Ich  habe  nur  zu  bemerken, 
dass  das  Verbältniss  körperhcher  Kraft  der  J3.  dem  A,  ge- 
genüber ein  solches  ist,  dass  es  meiner  Ansicht  nach  uner- 
klärlich ist,  wie  der  A.,  wenn  er  anders  die  Widerstands- 
fähigkeit der  B.  nicht  zuvor  durch  moralische  Einwirkungen 
beseitigte ,  gegen  deren  Willen  durch  blosse  Gewaltanwendung 
zum  Zwecke  hätte  kommen  können. 

Die  Untersuchung  wurde  eingestellt. 


Untersuchung   wegen  Unzucht.     Geführt  beim  kö- 

nigl.    Kreis-    und    Stadtgerichte    München    rechts 

der  Isar. 

^  Historisches. 
Im  December  1854  lief  beim  königl.  Kreis-  und  Stadt- 
gerichte München  rechts  der  Isar  die  Anzeige'  ein ,  däss  im 
Juni  1853  ad.  Juni  1854  die  Taglöhnersbuben  A.,  damals 
13  ad.  14  Jahre  alt,  B,,  damals  eben  so  ah,  C.^  damals 
11  bis  12  Jahre  alt,  Z>.,  damals  9—10  Jahre  alt,  und  £., 
damals  10—11  Jahre  alt,  die  damals  10 — 11  Jahre  alte  F, 
fleischlich  gebraucht  hätten.  Das  Mädchen  F.  klagte  dage^ 
gen  den  damals  14 — 15  Jahre  alten  (?.,  den  13 — 14  Jahre 
alten  H,  und  den  E.  der  That  an. 
Der  Augenschein  ergab: 


über  fleiflchlicbe  Vergeben.  223 

die  Gesdilechtstheile  der  —  Ende  des  Jahres  1854  — 
12  Jahre  allen  F.  hatten  ganz  kindliche  Formen,  und 
war  an  den   Schamlippen   und  am   Mittelfleisch  nichts 
Abnormes  wahrnehmbar.     Die  Schleimhant  des  Schei- 
deneingangs  war  gerölhet,    das  Jungfernhäutchen  vor- 
handen  und  unversehrt,    sein  Rand    ganz    scharf  und 
ohne  Einkerbungen.    Auffallend  war*  nur  die  Weite  der 
Hymenöflhung ,    die   grösser  war,    als    man   nach  den 
kindlichen   Formen   des  Individuums  hätten  vermuthen 
sollen. 
Der  Junge  H.,  15  Jahre  alt,  war  bereits  in  die  geschlecht- 
liche Entwickelung    getreten,    der   Schamberg   behaart,    die 
Hoden  gross,  Hodensack  und  Penis  entwickelt.  Die  Geschlechts- 
theile  des  im  16.  Jahre  stehenden  O,  zeigten  ganz  kindliche 
Formen  und  nur  eine  geringe  Vergrösserung  des  Penis  deu- 
tete an,  dass  die  geschlechtliche  Entwickelung  bei  diesem  In- 
dividuum eben  anzufangen  beginne. 

Der  königl.  tierr  Untersuchungsrichter  stellte  mir  die 
Frage,  ob  die  F,  wirklich  fleischlich  gebraucht  wurde,  und 
ob  Knaben  in  dem  in  Frage  stehenden  Alter  schon  die  Ffi- 
higkeil  zum  Beischlafe  besässen. 

Gutachten, 
ad  1. 
Laut  Angabe  des  Mädchens  F.  will  sie  vom  £. ,  zur 
kritischen  Zeit  10 — 11  Jahre  alt,  dem  H.,  zur  kritischen 
Zeit  13 — 14  Jahre  alt,  und  vom  Q.y  zur  kritischen  Zeit  14 
bis  15  Jahre  alt  fleischlich  gebraucht  worden  sein.  £.,  jetzt 
[Jänner  1855]  12  Jahre  alt,  befindet  sich  notorisch  noch  im 
Kindesalter.  Der  Knabe  <?.  war  es  jedenfalls  noch  vor 
Va  Jahre.  Bezüglich  der  geschlechtlichen  Entwickelung  des 
H,  zur  kritischen  Zeit  gestattet  der  jetzige  Zustand  seiner 
Geschtstheile  nicht  den  geringsten  Rückschluss,  ob  er  damals 
schon  in  die  Pubertät  getreten  gewesen.  Ich  glaube  aber 
diese  Frage  dennoch  verneinen  zu  sollen,  da  die  noch  vor- 
handene Integrität  der  Geschlechtstheile  des  Mädchens  die 
,  Möglichkeit ,  dass  je  ein  geschlechtlich  entwickeltes  Individuum 
männlichen  Geschlechts  seinen  Penis  ganz  in  ihrer  Vagina 
gehabt  habe,  geradezu  ausschliessf.     Es  wtlrde  demnach  die 


224  Xn.     Ho/mann,  Gerichtliche  GqtAchten 

gestellte  Frage  lauten:  ist  die  F.  jemals  von  noch  nicht  in 
das  Puhertätsalter  gelrelenen  Knaben  ßeischlich  gebraucht 
worden  ? 

Ich  muss  mir  hierauf  die  Gegenfrage  erlauben:  was  ist 
fleischlicher  Gebrauch? 

Will  darunter  verstanden  \verden«  dass  der  Penis  eines 
dieser  Knaben  gant  in  ihrer  Vagina  je  gewesen,  so  halte  ich 
dies  für  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich.  Die  Dimen- 
sionen eines  kindlichen  Penis  sind  zwar  klein,  aber  die  Weite 
der  Oeffnung  in  dem  Hymen  eines  Kindes  ist  auch  klein. 
Namentlich  der  diese  Oeffnung  umgehende  scharfe  uotl  un- 
gekerbte Rnnd,  wie  er  sich  bei  der  F,  zeigt,  macht  mir 
höchst  unwahrscheinlich,  dass  einer  dieser  Knaben  je  seinen 
Penis  in  der  Vagina  des  Mädchens  gehabt  habe,  weil  dann 
doch  eine  oder  die  andere  Einkerbung  geschehen  wäre,  selbst 
wenn  die  F.  die  Begaftung  zugestanden  hätte.  Mit  Gewiss- 
heit traue  ich  mir  aber  die  gestellte  Frage  deshalb  nicht  zu 
verneinen,  weil  mir  die  Weite  der  Hymenöfffnung  dter  F,  auf- 
fiel, diese  Weite  von  Natur  aus  bei  den  verschiedeneu  Indi- 
vidualitäten eine  höchst  wandelbare  ist  und  ärztlich  nicht 
constatirt  werden  kann,  ob  im  concreten  Falle  die  Weite 
eine  natürliche  oder  künstliche  ist. 

Will  unter  „fleischlichem  Gebrauch''  verstanden  werden, 
dass  diese  Knaben  die  F.  hinlegten  und  ihren  Penis  in  die 
Vagina  zu  bringen  versuchten,  ohne  dass  sie  jedoch  mit 
der  Eichel  weiter  als  bis  an  den  die  Scheidenöffhung  ver* 
schliessenden  Hymen  kamen  —  und  ein  geschlechtlicher  Ge- 
brauch resp.  Misshrauch  ist  dies  offenbar  —  so  kann  ärztlich 
nichts  gegen  einen  solchen  Gebrauch,  richtiger  Missbrauch, 
eingewendet  werden.  Ob  etwas  Derartiges  aber  geschehen 
oder  nicht,  kann  das  Wissen  des  Arztes  nicht  ermitteln.  So 
viel  ist  richtig,  dass  wenn  überhaupt  die  F.  fleischlich  ge- 
braucht d.  h.  missbraucht  wurde,  dieser  Missbrauch  höchst 
wahrscheinlich  nicht  weiter  ging,  als  in  diesem  letzten  Sinne. 

ad  2. 

Heischli^fsfähig  ist  jedes  Individuum,  dessen  Penis  eree- 
tionsfaitig  ist,  wann  es  weiss,  was  es  mit  dem  erigirten  Penis 
zu  tliun  hat.    Dass  bei  Knaben  fraglichen  Alters  bereits  Erec- 


übar  aeitohliebe  Vergeben.  •  325 

tionen  vorkommen,  ist  nicht  dem  ieiseslen  Zweifbi  unterwor- 
fen, denn  sie  kommen  ja  schon  bei  ganz  kleinen  Kindern 
vor.  Wussten  daher  die  Knaben,  wie  sie  ihren  erigirten  Penis 
gebrauchen  sollten,  so  kann  auch  ihre  Beiscblafsfahigheit  nicht 
bezweifelt  werden. 

Die  Untersuchung  wurde  eingestellt. 

Untersuchung    wegen    Nothzucht.      Gefuhrt    beim 

königl.    Kreis-    und   Stadtgericht  München   rechts 

der  Isar. 

Bistori-sches. 

Im  Sommer  1854  gebrauchte  —  so  erzählt  die  jetzt 
[Berbst  1855]  13  ^  und  damals  also  noch  nicht  12  Jahre 
alte  A.  —  der  B.  dieselbe  wiederholt  fleischlich  in  folgender 
Art:  B.  gebrauchte  nie  Gewalt,  sondern  bloss  Ueberredung. 
Das  Mädchen  musste,  während  B,  vor  ihm  stand,  dessen 
entbldssten  und  erigirten  Penis  in  die  Band  nehmen.  B. 
legte  femer  die  A.  wiederholt  auf  das  Bett  und  spielte  dann 
mit  seinen  Fingern  an  ihren  Geschlechtstheilen ,  oder  legte 
sich  auf  das  Mädchen  hinauf  und  versuchte  seinen  Penis  ein- 
zubringen. Schmerz  empfand  die  A.  bei  diesen  Versuchen 
sehr  wenig.  —  So  weit  die  Aussagen  des  Mädchens. 

Die  Genitalien  des  ISjährigen  Kindes  zeigten  kindliche 
Beschaffenheit.  Das  Byihen  war  vorhanden,  seine  Oeffnung 
ungleich  rund,  gezerrt-rund,  von  der  Grösse  einer  sehr  gros- 
sen Erbse.  Die  Ränder  der  Bymenalöffnung  gewulstet,  ge- 
rundet, stellenweise  eingekerbt,  daher  die  ungleiche  Rundung 
der  Oeffnung.  Genitalschleiuihaut  gesund.  Die  Geschlecbts- 
theile  des  B.  normal. 

Gutachten. 

Die  A.  behauptet,  B.  habe  bloss  mit  seinen  Fmgem  an 
ihren  Genitalien  gespielt  und  sieh  auf  sie  hingelegt,  und  zwar 
versucht,  seinen  Penis  in  ihre  Geschlechlstbeüe  zu  bringen, 
aber  nicht  wirklich  einbringen  können.  Im  Allgemeinen  schon 
lassen  solche  Bandlungen,  wie  hier  vorgefallen  sein  sollen, 
keine  Spuren  ander  Missbrauchten  zuröck,  ass  deren  Gegen* 
wart  man  einen  Rückschluss  auf  deinen  Geschehensein  machen 

MoBAUsobr.  f.  QebarUk.  1866.  Bd.  XZYI.,  Hfl.  8.  ^^ 


8316  XII.     Sofmatm^  Gerichtliche  OaUchteo 

könnte,  und  der  Arzt  befindet  sich  daher  ganz  aUgenc« 
schon  nicht  in  der  Lage,  eine  ent8cheideAde  Ansicht  för  oder 
gegen  die  Wahrheit  solcher  Behauptungen  aufstellen  tu  kön- 
nen. Dies  findet  in  erhöhtem  Maaese  in  concreto  statt,  wo 
einerseits  die  Hymenalöffnung  der  kindlichen  Genitalbeschaf* 
fenheit  des  Mädchens  gegenüber  verbaltnissoiässig  weit  und 
und  der  sie  umgebende  Rand  gewulstet  und  stellenweise  ein- 
gekerbt befunden  wurde,  und  ein  solcher  Befund  allerdings 
nicht  der  ganz  gewöhnliche  bei  vollständigster  Integrität  des 
Genitalapparates  in  solchem  Alter  ist ;  andererseits  aber  dem 
gegenüber  auch  wieder  festgehalten  werden  muss,  dass  die 
ursprüngliche  anatomische  Bitdung  des  Hymen,  seiner  Oeff- 
nung  und  des  sie  umgebenden  Randes  itn  Zustande  der  In- 
tegrität eine  höchst  variable  ist.  Es  kann  daher  höchstens 
vom  äretliehen  Standpunkte  aus  <fie  Vermathung  eingeräumt 
werden,  dass  irgend  ein  dilatirendes  Agens  —  sei  es  Finger 
oder  Penis  oder  sonst  ein  Analogon  —  auf  den  Hymen  und 
seine  Oeffnung  bei  fragiichem  Mädcheji  bereits  eingewirkt 
habe,  und  diese  Vermuthung  drängte  sich  auch  mir  bei  der 
Autopsie  auf.  Ich  möchte  jedoch  nicht  haben,  dass  meine 
Vermuthung  so  gedeutet  werden  möchte,  als  wollte  icJi  damit 
sagen ,  es  .  habe  wahrscheinlich  etwas  Derartiges  statt«- 
gefunden.  Zum  Wahrscheintichkeitsgrade  kann  icb  vom  ob- 
jectiVen  Standpunkte  aus  meine  Vermathung  nicht  erhöhen. 
Die  Untersuchung  wurde  eingeftellt. 


Untersuchung     wegen    Nothzucht,     geführt    beim 
königl.  Bezirksgerichte  München  links  der  Isar. 

Historisches. 
Im  October  1857  fing  der  A,  ein  Liebesverhältniss  mit 
der  Kellnerin  B,  an,  21  Jahre  alt,  welche  beeidigt,  zu  da- 
maliger Zeit  noch  Jungfrau  gewesen  zu  sei«,  die  sich  noch 
niemals  mit  einem  Manne  begattet  hatte.  A,  machte  ihr 
wif^erboh  das  Versprechen  der  Ehelichung.  Am  26.  Decero* 
ber  1857  ging  die  B.  mW  dem  A.  spazieren,  und  lud  sie 
Letzterer  ein,  auf  sein  Zimmer  zu  gehen,  welchem  Antrage 
die  B,,  nichts  Böses  ahnend  ^  folgte.  Im  Zimmer  angekom- 
men —  ob  sonst  noch  Jemand  in  der  Wohnung  war,  wei« 


fiber  fleiflchllehe  Vergehen.  227 

dfe  -Q.  nicht  —  drehte  A,  die  Schlösse!  heram,  sperrte  zu, 
zog  den  Schlüsse)  ab  und   steckte  ihn  in  seine  Hosentasche. 

A.  packte  die  B,  um  die  Mitte  des  Körpers,  wie  die  B. 
erzählt,  legte  sie  auf  sein  Bett,  und  wollte  sie  fleischlich  ge- 
brauchen ,  mit  dem  Versprechen  und  der  Aufmunterung,  ihn 
nur  gehen  zu  lassen;  er  mache  nicht  so  viel,  und  wenn  er 
auch  ein  Rind  mache,  so  sei  er  beim  Bezahlen  schon  da; 
es  thue  ihr  nichts,  da  er  sie  ja  doch  heirathe.  Die  B.  wollte 
aber  weder  seinen  Heiralhsversprechungen  Gehör  geben,  noch 
sich  fleischlich  gebrauchen  lassen,  weil  sie  noch  eine  reine 
Jungfrau  war  und  eben  auch  menstruirle.  Sie  sträubte  sich 
mit  aller  Gewalt,  entwischte  auch  dem  A.  zwei  Male  vom 
Bette  herah,  warf  sich  vor  ihm  auf  die  Knie  und  l)al  mit 
aufgehobenen  Händen  um  Schonung.  A  öbermannte  sie  aber 
jedesmal,  warf  sie  wieder  aufs  Bett  und  legte  sich  auf  sie 
hinauf.     Nach  einem  wohl  %  ständigen  Widerstände  war  die 

B.  so  erschöpft,  dass  sie  sich  nicht  mehr  röhren  konnte  und 
sich  wider  ihron  WHIen  ergeben  musste.  Sie  weinte  und 
bat,  aber  Alles  vergebens;  sie  drohte  zu  schreien,  schrie  aber 
nicht.  A.  kam  >mK  seinem  Penis  vollständig  in  die  Scheide 
der  B.,  was  ihr  Schmerz  machte.  Ob  eine  Emissro  seminis 
geschehen,  kann  die  B.  nicht  sagen,  weil  sie  zu  jener  Zeit 
menstruirte,  und  folglich  ohnedies  befeuchtet  war. 

Die  B.  war  in  Folge  dieses  unfreiwilligen  Aktes  acht 
Tage  lang  unwohl  und  fohlte  Schmerzen  und  Ueblichkeilen ; 
sie  hatte  2%  Monate  lang  ihre  Menstruation  nicht  mehr  und 
glaubte  sich  schwanger.  Noch  später  machte  A.  der  B.  An- 
träge, die  sie  aber  jedesmal  zurück  wies.  In  der  Zwischen- 
zeit zerschlug  sich  das  Liebesverhältniss  hud  A,  wurde  Bräu- 
tigam einer  Anderen.  Die  B.  forderte  von  dem  A.  300  Fl. 
Defloralionsenlschädigung,  die  er  nicht  zahlte.  Sie  sagt  selbst, 
sie  würde  keine  Klage  erhoben  haben,  wenn  der  A,  sie  ent- 
schädigt hätte.  Da  dies  nicht  geschah,  brachte  die  B.  die 
Sache  am  1.  August  1858  bei  der  k.  Polizeidlrection  zur 
Anzeige.  Die  vom  königl.  Herrn  Polizeiarzt  am  2.  April  1858 
vorgenommene  Besichtigung  der  B.  ergab  normale  Genita- 
lien; der  königl.  Herr  Polizeiarzt  koipte  einen  massig  dicken 
Mutterspiegel  beqnem  einführen,  und. glaubte  zwar  nicht  mit 
aller  Sicherheit,  aber  doch  mit  Wahrscheinlichkeit  behaupten 

16* 


228  ^'^*     Hofman^n^  GertektUehe  GnUchten 

ZU  können,   dass  die  B.  schon  mehr  als  einmal»  doch  aucfa 
nicht  ungewöhnlich  oft  cohahitirt  haben  möge. 

Es  wurde  strafrechüiche  Untersuchung  eingeleitet 
Vor  Allem  hielt  ich  nicht  aus  ärztlichen  sondern  rich- 
terlichen Rücksichten  nöthig,  Ocularinspection  von  dem  Ge- 
nitalapparate der  B.  zu  nehmen.  Auch  dieser  Nothzuchtsfdl 
spielte  nämlich^  wie  die  meisten  Fälle  derart,  ohne  jegliche 
Zeugen  zwischen  den  zwei  betheiligten  Personen  allein,  und 
war  vorauszusehen,  dass  die  Pointe  der  ganzen  Untersuchung 
die  Frage  sein  werde ,  welchen  Glauben  der  Richter  den  Aus- 
sagen dieser  beiden  Personen  schenken  wolle  und  solle. 
Alles,  was  dazu  beitrug,  den  Glaubwni*digkeitsgrad  dieser 
beiden  Personen  mehr  und  mehr  festzustellen,  musste  vor- 
aussichtlich dem  Richter  willkommen  sein.  Diess  der  Grund, 
warum  ich  zunächst  feststellen  zu  sollen  meinte,  ob  die  Aus- 
sage der  B.y  nur  dieses  eine  Mal  und  sonst  nie  in  diesem 
Leben  cohahitirt  zu  haben,  vom  ärztlichen  Standpunkte  glaub- 
würdig sei  oder  nicht  Ich  musste  diesen  Punkt  um  so  mehr 
ins  Auge  fassen,  da  die  B» 

1)  ihrem  Stande  gemäss  fast  eher  die  Präsumtion  für  nicht 
mehhge  Existenz  ihrer  Jungfrauschaft  zur  kritischen  Zeit 
oder  doch  wenigstens  ihrer  Bereitwilligkeit  für  die  da- 
maligen Anträge  der  B.  für  sich  haben  mochte;  und  da 

2)  der  königl.  Herr  Polizeiarzt  einen  massig  voluminösen 
Mutterspiegel  bequem  einfuhrin  konnte,  und  aus  dem 
Augenschein  im  Widerspruch  mit  den  Angaben  der  B. 
über  nur  einmalige  Cohabitation  mit  Wahrscheinlichkeit 
die  Ueberzeugung  schöpfen  zu  können  meinte,  dass  die 
£.,  wenn  auch  noch  nicht  ungewöhnlich  oft,  doch  be- 
reits mehr  als  ein  Mal  den  Coitus  gepflogen  haben 
möge. 

Dies  die  Gründe,  warum  ich  vorerst  eine  Besichtigung 
des  Genitalapparales  für  nöthig  hielt,  deren  Ergebniss  folgen- 
des war:  die  B.  ist  eine  kleine,  schwächliche  Person.  Ihre 
Geschlechtstheile  waren  ganz  normal.  Der  Hymen  war  voi^ 
banden  und  deutlich  sichtlich.  Nach  unten  und  rechts,  sowie 
nach  unten  und  links  ^ar  je  ein  tief  dringender  Einriss,  so- 
dass dem  ganze  Hymen  dreilappig  war.  Von  einer  Umwaod* 
lung  dieser  drei  Lappen   in  sogenannte  myrtenförmige  Wärt- 


aber  fleischliche  Vergehen.  229 

eben,  wie  sich  nach  oftmaligem  Coitus  der  Hymen  nicht 
selten  umwandelt,  war  gar  keine  Rede,  sondern  waren  diese 
drei  Lappen  ganz  deutlich  sichtbar,  und  jeder  derselben  un- 
versehrt. Die  mit  dem  Scheideneingange  zusammenfallende 
Hymenalöffuung  war  so  eng,  dass  ich  zwar  ohne  besonderen 
Schmerz  zu  erregen,  meinen  kleinen  Finger  bis  zum  dritten 
Gliede,  nicht  aber  meinen  Zeigefinger  einführen  konnte,  und 
glaubte  ich  auf  dieses  Ergebniss  hin  nicht  einmal  einen  Ver- 
such der  Einführung  eines  Hutlerspiegels  machen  zu  dürfen. 

Vorläufiges  Gutachten. 

1)  Die  Angaben  der  B,  sind  psychologisch  glaubwürdig. 
Psychologische  Glaubwürdigkeit  steht  den  Angaben  eines  Zeu- 
gen oder  Angeschuldigten  zur  Seite,  wenn  man  aus  einer 
mit  ihm  geführten  Unterredung  die  Ueberzeugung  schöpft, 
dass  der  Mensch  seiner  geistigen  Sinne  mächtig,  von  keiner 
Seelenstörung  befangen  ist,  und  wenn  seine  Angaben  ausser- 

^    dem  nicht  den  Stempel  des  Ungereimten ,  des  Widersinnigen 
an  sich  tragen.    Alles  das  ist  bei  der  B.  der  Fall. 

2)  Die  Angaben  der  B.  sind  glaubwürdig. 

a)  Ihre  Angabe,  wie  das  Reat  verübt  worden,  enthält  bis 
jetzt  nichts  Unglaubwürdiges.  Dass  die  Kräfte  einer 
kleinen,  schwächlichen,  mit  keinem  grossen  und  nach- 
haltigen Widerstandsvermögen  ausgerüsteten  Person  im 
Kampfe  allgemach  erlahmen,  so  dass  sie  widerstands- 
unfähig wird,  liegt  in  der  Natur  der  Dinge.  Ich  finde 
bis  jetzt  nichtS;  was  sich  ärztlicherseits  gegen  die  Glaub- 
würdigkeit der  B.  über  den  Hergang  der  Dinge  einwen- 
den liesse,  sondern  muss  vielmehr  zugegeben  werden, 
dass  ein  schwächliches  Frauenzimmer  von  einem  kräf- 
tigen Hanne  allerdings  su  genothzüchtigt  werden  könne, 
wie   die  B.  genothzüchtigt  worden  zu  sein  behauptet. 

b)  Gegen  die-  Glaubwürdigkeit  der  Angabe  der  Ä,  nur  ein 
Mal  in  ihrem  Leben  den  Begattungsact  vollzogen  zu 
haben,  lässt  sich  ärztlicherseits  keine  Einwendung  machen. 
Es  weicht  in  dieser  Beziehung  mein  Gulachlen  wesent- 
lich von  dem  des  königl.  Herrn  Polizeiarztes  ab,  der  mit 
Wahrscheinlichkeit  annehmen  zu  dürfen  meint,  dass  die 


230  ^n.     So/mann,  GeriohtHebe  OuUchten     ^ 

B.  bereits    mehr   als    ein  Mal  cobabitirt   haben    möge. 
In  Anbetracht 

a)  der    ausserordentlichen   Verschiedenheit    der   Ge- 
schlechlstheile    nach   blos  einroaligem  wie  mehr- 
maligen) Begattungsakte,  dann 
ß)  der  ausserordentlichen  Lage  des  Scheideneingangs 
und    der   ziemlichen    Integrität    des   Hymens  bei 
der  B. 
würde  ich  nicht  wagen,  nur  im  Vermuthungsgrade,  ge- 
schweige im  Wahrscheinlichkeitsgrade  auszusprechen,  dass 
die  B.  sich  schon  mehr  als  ein  Mal  begattet  habe,    leb 
'  muss  dabei  stehen  bleiben,  das  auf  objectiver  Unteriage 
aus  dem  Zustande  des  Genitalapparales  nichts  Mehrere« 
geschlossen  werden  kann,    als  dass  sich  gegen  die  An- 
gabe   der    B,    über   diesen   Punkt   ärzllicherseils   keine 
Einwendung  erheben  lässt.     Ein  Schluss,    der  mehr  als 
dieses  Negative  enthalt,  und  in  die  Affirmation  übergeht, 
irrt  von   der  objectiven  Basis  ab  und  stellt  sich  auf  das 
Gebiet    der    moralischen   Ueberzeugung ,    das   der    Ant 
nicht  betreten  darf. 


A.,  31  Jahre  ah,  ist  von  kleiner  Statur,  aber  dem 
Aeusseren  nach  zu  urtheilen,  einer  augenblicklichen  und  nach- 
haltigen Kraftentfaltung  fähig.  Er  läugnete  nicht,  die  B.  ge- 
braucht zu  haben,  jedocli  mit  ihrem  Willen,  und  widerspricbt 
jede  Gewaltanwendung.  Sie  sei  auch  nicht  mehr  Jungfrau 
gewesen,  denn  sie  habe  schon  früher  ein  LiebesverhSltoiss 
gehabt.  Letzteres  bewahrheitete  sich  bei  DurcbfTihniDg  der 
Untersuchung. 

Schlussgutachten. 

Für  gewöhnlich  kommen  bei  der  gericlitslrzüichen  Wür- 
digung jedes  Nothzuchtsfalles  die  beiden  Persönlichkeiten  — 
Notbzüchter  und  Genothzöchtigte  —  nach  ihrer  psychischen 
und  physischen  Seite  in  Betracht.  Da  jedoch  im  concreteo 
Falle  die  angeblich  Genothzüchligte  des  psychischen  Elementes 
—  Einwirkung  von  Schrecken,  Angst,  .Ueberraschung  etc.  — 
gar  nicht  erwähnt,    vielmehr   aus  ihren  Angaben  hervorgebt, 


aber  fl«iscblie^e  Vergehen  231 

dass  derartigt  psychische  Momente  gar  nicht  als  Hdbelkräfte 
von  dem  Angeschuldigten  geltead  gemacht,  von  der  B.  als 
angeblich  leidenden  Theile  wahrgenommen  wurden»  bo  spielt 
gegenwärtiger  Nothzuchtsfall  rein  auf  dem  somalischen  Terri- 
torium, und  wirft  sich,  da  Thatzeui^en  nicht  zugegen  waren, 
eiBfach  die  Frage  auf: 

„überwiegt    das    körperliche   Kraflverhältniss    des   A. 

„derart  das   körperliche  Kraflverhältniss  der  J3.,  dass 

„deren   Aussage    Aber   die   vollzogene  Nolhzucht   ob- 

„jectiv  glaubwürdig  erscheint?'^ 
B.  ist  eine  kleine  schwächliche  Person ;  A,  ist  ein  klei- 
ner, aber  dem  Anscheine  nach  einer  nachhalligen  Krafbenl- 
wickelung  fähiger  Mensch.  Die  Intensität  und  Nachhalligkeil 
körperlicher  Kraflentfaltung  aber,  die  man  einem  Menschen 
zutrauen  kann,  ist  etwas  dem  Arbitrium  des  Taxirenden  An- 
heimgestell les,  wofür  es  kein  Maass,  kein  Geweht  giebt,  wo- 
mit eine  Abwägung  geschehen  könnte.  Ich  —  mich  streng 
auf  dem  objecliven  Standpunkte  ballend  —  wage  nun,  wenn 
ich  Körpergrösse  und  Körperkräfligkeil  des  A,  und  der  B, 
gewissenhaft  objecliv  abwäge,  nicht,  zu  behaupten,  dass 
des  Ersteren  Körperkraft  so  überwiegend  über  die  der  B^ 
sei,  dass  ihm  gelingen  könnte,  Letztere  auf  dem  Wege  phy- 
sischer Ermödung,  wie  die  B,  behauptet,  zu  nolhzüch^ 
tigen.  Ich  wage  diese  Behauptung  nicht,  weil  ich  sit^  be- 
weisen müssle,  ich  aber  einen  solchen  Beweis  niemals  zu 
liefern  vermöchte.  Ich  wage  aber  ej)en  so  wenig  zu  behaup- 
ten, dass  die  Annahme  der  B,  unwahr  und  A,  nicht  im 
Stande  sei;  die  B,  auf  dem  Wege  der  physischen  Ennfidung 
zu  nothzuchtigen ;  denn  auch 'diese  Behauptung  müsste  ich 
beweisen ,  was  ich  ebenfalls  nicht  kann.  Hiermit  ,wird  aber 
die  ganze  Frage  dem  Standpunkte  der  Objectivität  entrück!, 
und  auf  den  der  moralischen  Ueberz'eugung  versetzt,  d.  h.  auf 
den  Standpunkt,  dass  es  Sache  des  Richters,  nicht  des  Arztes 
ist,  sich  eine  Ueberzeugung  zu  verschaffen,  ob  er  den  An- 
gaben der  B,  Glauben  schenken  will  oder  nicht  Witl  dies 
der  Richter,  so  kann  er  es  mit  gutem  Gewissen,  denn  die 
Wissenschaft  des  Arztes  wird  ihm  nicht  entgegentraten  und 
ihm  sagen:  Dies  kannst  Du  nicbl  lliun;  dir'  Wissenschaft  des 
Arztes    wird    sich    vielmehr    passiv   verhalten   und  höchstens 


232  XIII-     Notiseii  a«8  4dr  .Tournal-Llterator. 

sagen:  Ich  kann  nicbts  beitnigen,  um  Deine  Ueberteugimf 
zu  stützen.  Will  aber  der  Richler  sich  eine  gegentbeUige 
Ueberzeugung  bilden,  so  kann  er  dies  mit  nicht  minder  gutem 
Gewissen,  denn  die  Wissenschaft  des  Arztes  wird  auch  nach 
dieser  Richtung  bin  ihm  nicht  in  den  Weg  treten,  ihm  viel- 
mehr  die  Hand  bieten  und  ihm  sagen:  auch  ich  kann  keine 
(objectlve)  Ueberzeugung  schöpfen.  *) 
Die  Untersuchung  wurde  eingestellt. 
(Forts etftQDgf  folgt.) 


xin. 

Notizen  ans  der  Journal -Literatur. 


0.  Spiegelberg :  Bemerkungen  über  H^belpessarien 
und  Hartgummisonden. 

Auf  die  Empfehluag  G.  Braun'a  (Wiener  Wocbenschrift 
27—31)  hin  wandte  VeVf.  die  schon  länger  in  England  g^ebrancb- 
ten  Hodge*8thBti  Hebelpessftrien  gegen  Versionen  und  Flexionen 
des  Uterus  an.  Nach  seinen  Erfahrongen  kann  dadurch  eine 
Retroversio  gans,  eine  Anteyersio  theilweise  rectificirt,  eine 
Flexion  aber  nie  aufgehoben  werden.  Die  Uebelpessarien  be- 
wirken nach  ihm  dasselbe,  was  die  Simpson* Bchen  and  Mayer*- 
sehen  Kinge  thnn:  eine  Erhebung,  Sttitsang  und  Flxirung  des 
Ut«ru8.  Dennoch  sieht  Verf.  die  Hebelpessarien  jenen  Ringen 
deshalb  ror,  weil  sie  leichter  su  handhaben  sind,  den  Abflusi 
der  Sekrete,  den  Gebrauch  yon  Injectionen  nicht  hindern,  und 
weil  sie  besser  ertragen  werden. 

Bei  Knickungen  benutzte  Verf.  mit  Vortiieil  die  von  C.  Braun 
empfohlenen  Hartgummisouden  (O.  Braun  im  Wochenblatt  der 
Gen.  für  Aerste  bu  Wien.  1864.  Nr.  16—19.].  Dieielben  stel- 
len die  GebRrmutter  nicht  unyeränderlich  fest,  sondern  erlauben 


1)  Ich  glaube  kaum  erwKhnen  zu  diirf(*n,  dass  dieses  Schlnss> 
gutaohten  nicht  im  Entferntesten  mit  dem  früheren  Gutachten 
im  Widerspruche  stand.  Letsteres  war  am  Anfange  der  Untere 
suchung  abgegeben  und  stötste  sich  blos  auf  die  Persönlichkeit 
der  B,{  das  Schlussgutachten  fusste  aber  auf  beiden  Persönlich- 
keiten. « 


XIV.    Literatur.  283 

derselben  mit  ihnen  nach  vorn,  hinten 'nnd  fleltlieh  anesaweichen. 
Der  Vortbeil,  den  sie  in  dieser  Besiehang  yor  den  Simp»on*' 
sehen  Apparaten  haben,  lieg^  darin,  dass  sie  viel  leiehter  lu 
hantiren  sind  als  diese,  and  dass  eie  weit  weniger  reisen.  Der 
Anlegung^  der  Sonde  wurde  übrigens  immer  die  wiederholte  Auf- 
richtung mit  der  gewöhnliehen  Metallsonde  und  dann  die  Prfi- 
fung  der  Reaction  des  Uterus  auf  dauerndes  Liegen  eines  In- 
strumentes in  ihm  mittels  Laminariasonden  yorausgeschickt. 

Nach  diesen  Vorbereitungen  Iconnte  Verf.  die  Sonde'  immer 
länger,  liegen  lassen  und  daneben  SoheideneinspritBungen  und 
medioamentöse  Stoffe  aur  Unterstutsung  der  Cur  applioiren. 

(Wäraburger  med.  Zeitschrift     VL  Band.     1866.) 

Ghrenet:  Ueber  Bysterocautomie. 

Verf.  empfiehlt  yon  Neuem  die  iimfi«sat*sche  Methode,  die 
Lageabweiehungen  der  Gebärmutter  durch  Brennen  des  Schei- 
dengrundes, und  swar  mittels  des  Glüheiseos  an  behandeln.  Die 
Brandnarbe  bewirkt  eine  krKftige  Znsammensiehung  und  stellt, 
an  der  richtigen  Stelle  ausgeführt,  das  verlorene  Gleichgewicht 
der  falsch  gelagerten  Gebirroutter  wieder  her.  Gefahrep  sind 
nicht  SU  befürchten,  Schmersen  werden  ksum  gemacht,  nur  muss 
stets  das  Eisen  weissglühend  sein. 

Verf.  berichtet  über  swanzlg  nach  der  obigen  Methode  be- 
ll andelte.Fftlle,  elf  Anteversionen,  eine  Betroversion,  eine  Ante- 
lateroyersion,  sechs  Retroflexionen  und  eine  Antefiexion.  Alle 
Flexionen  und  acht  Versionen  wurden  geheilt,  swei  Anteyertlo- 
nen  gebessert,  awei  blieben  unyer&ndert. 

(Gaz.  des  hdpitaux.     Nr.  58—58.     1866«) 


XIV. 
Literatur. 

Casatif  O,,    secondo  assistente  cet.,  prospetto  clinico  della 

regia  scuola  di  ostetricia  io  Milano.    MiL,  Borroni,  1865. 

VlIL  and  183  S.  8». 
Derselbe,    rivista    ostetrica   e  ginecologica.     MiL,   presso  la 

Societä  per  la  pubbl.  degli  Annali  Univ.  delle  Scienze  cet 

1864.    32  S.  80.  V. 

Bei  der  seltenen  Gelegenheit,  aber  italische  GebirbKueer 
Bericht  au  erstatten,  sei  es  erlaubt,  einige  aus  obiger  Jahres- 
übersicht  heryorgehende  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Mai- 
länder Anstalt  yoraussuschicken. 


234  XIV.    Litentnr. 

Wir  bAben  hier  mit.  eiaetn  grdsaereo  lfAt«ri«le  so  tbttm 
insofern  als  sieb  die  Zahl  der  jäfarlicben  Geborten  swiscben  600 
nnd  600  bewegt;  dasn  hat  Verf.  es  sich  sar  Haoptanfgahfi  ge- 
stellt, den  objectiven  Tbatbestand  niöglicbet  trea  wiedersageben, 
so  das«  sein  klinischer  Berieht  werthToUes  Snbstrat  für  Statistik 
nnd  znm  Studium  der  Einseibeobachtungen  enthält  (p.  I.).  Einige 
Notisen  über  die  innere  Einrichtung  des  Instituts  entnehmen  wir 
der  dem  Jahresberichte  yorangest eilten  Einleitung  des  Directon 
d.  Z.  Prof.  Dr.  La9wUL  Sie  erwftbnt  dankend  der  Verbeaaemn- 
gen  und  Neugestaltungen,  welche  das  Ministerium  des  öffenl- 
liehen  Unterrichts  tu  Turin  auf  Vorschlag  des  betr.  Directorinins 
SU  Anfange  des  Schuljahres  1864/66  (im  November)  im  Getriebe 
der  Anstalt  hat  eintreten  lassen. 

Die  Entbindungsanstalt  in  Mailand  ist  nämlich  yorzngsweise 
königliche  Hebaitimenechule.  Das  vollendete  18.  Lebensjahr  be- 
fähigt eine  Aspirantin  snm  Eintritte  in  dieselbe.  Die  übrigen 
Erfordernisse  sind  bei  uns  ähnlich.  Dagegen  besteht  dort  der 
Lehrcursus  aus  einem  theoretischen  Abschnitte  von  fünf  Mo- 
naten, während  welches  die  Schülerinnen  sum  Theil  extern  blei- 
ben, d.  h.  ausserhalb  der  Anstalt  wohnen  nnd  sich  beköetigeD 
könnep,  und  einem  praktischen  von  vier  Monaten,  welcher  alle 
im  Hause  sesshaft  macht.  Zur  praktischen  Fröfong  gehört 
auch  das  Beibringen  je  zweier  Geburtsgeschichten ,  von  der 
Ezaminandin  schriftlich  abzufassen.  Ueber  diese  Fälle  wird  ver- 
handelt, ehe  man  zu  den  Prüfungen  am  Phantome  ver^chreitet. 
Besteht  die  Schülerin,  so  erhält  sie  sofort  da«  Dyplom  nur  freien 
Praxis.  Der  Oberhebamme  ist  in  der  Anstalt  eine  erste  Gehülfit 
beigeordnet  mit  Gehalt.  Die  beiden  Hülfsärste  müssen  von  nun 
an  zugleich  in  die  in  nächster  Mähe  der  Anstalt  befindliche  Woh- 
nung des  Professors  aufgenommen  werden. 

Der  Jahresbericht  des  Dr.  Covai«,  welcher  bereits  über  das 
Jahr  1863  Sechenschaft  abgelegt  hat,  verbreitet  sich  über  die 
Ereignisse  von  1864.  Diejenigen  Wöchnerinnen,  deren  Erkrao- 
ken  ein  längeres  Verweilen  in  der  Entbindungsschule  anznträg- 
lieh  macht,  werden  in  das  allgemeine  Krankenhaus  (Spedale 
Maggiore)  abgeführt;  dsdurch  geht  allerdings  die  üebersicht  der 
Enderfolge  gewisser  Krankheitsformen  verloren. 

Der  Standpunkt  der  Mailänder  Schule,  nlso  anch  nnseref 
Herrn  Verf.'s,  ist  der  des  gemässigten  Fortsehiittes  auf  den  Ge- 
biete der  Geburtskunde;  die  Vorgänge  im  Auslände,  namentlich 
die  deutschen  Leistungen,  finden  eine  den  Italiener  ehrende  Auf- 
nahme. Weniger  erstreckt  sich  diese  Auszeichnung  auf  die 
übrigen  medicinischen  Fächer,  soviel  man  ans  der  durch  vorlie- 
genden Bericht  schimmernde  Physiologie  und  Pathologie  er- 
schliessen  darf  —  auf  eine  uns  unbegreifliche  therapeutische 
Stabilität  kommen  wir  noch  sn  sprechen. 

So    ist   Beckeomessung  stets  mit  grosser  Sorgfalt  aoge- 


XIV.     Literatur.  285 

«teilt  nnd  reg^strirt,  and  fast  re^l massig  da»  Haaas  der  aehräge« 
Dnrchmeifser  des  grossen  Beckens  aufgeeeichnet;  dagegen  ge- 
schieht des  paerpernlen  Osteophytes  weder  am  Schädel  noch  am 
Becken  der  verstorbenen  Wöchnerinnen  ErwHbnnng.  Behufs 
Bestimmung  der  Conjugata  vera  wird  in  Mailand  ohne  Ausnahme 
ein  Absng  von  6'"  von  der  Diagonalis  gemacht.  Zu  welchen 
Irrungen  das  bei  einselnen  rachitisch  verengte  Becken  führt, 
ist  diesseits  bekannt.  Die  Seife  des  Geborenen  bestimmt 
man  dort  bauptsftchlioh  nach  Ckaussier  mit  Hülfe  des  Abstandes 
des  Nabels  vom  Scheitel,  auf  die  ganze  Körperlänge  bezogen. 

Die  Neugeborenen  läset  man  in  der  Regel  von  der  Mutter 
stillen;  hat  letztere  einen  anderen  als  physischen  Abhaltung«* 
grund,  so  kann  sie  sich  durch  ein  Sühnegeld  von  dieser  Ver- 
pflichtung loskanfen.  Die  der  Mutterbrast  entbehrenden  Kinder 
werden  der  in  enger  Verbindung  mit  der  Hebammenschule  ste- 
henden Findelanstalt,  einer  frommen  Stiftung,  übergeben;  dahin 
gehen  auch  Entbundene  aus  der  Schule  als  Ammen  über.  Wo 
es  darauf  ankommt,  die  Milchabsonderung  der  Wöchnerin  su 
unterdrücken,  empffingt  selbe  innerlich  Jodkalium  oder  eine  Hanf- 
samenmilch, oder  es  werden  die  Brüste  mit  Hanföl  bestrichen. 
Bisweilen  nimmt  die  Mutter  ihr  eigenes  Kind  mit  in  die  Findel- 
anstalt oder  führt  ein  ausgesetstea  als  dessen  Amme  aus  jener 
mit  in  ihre  Heimath. 

Auffallend  ist,  wie  früh  bisweilen  Wöchnerinnen  aus  dem 
Oebärhanse  „gesund"  entlassen  werden  mögen  —  allerdings  oft 
auf  ihren  dringenden  Wunsch;  z.  B.  pag.  52: 

Am  30.  Mai  schwere  Extraotion;  es  folgt  „leichte**  Me- 
tritis  (Adeilass,  Purganzen)  —  am  4.  Juni  verliess  sie  die 
Anstalt. 

Ein  ziemliches  Gewicht  legt  Verf.  auf  die  von  Lareher  und 
Duerest  betonte  „Schwangerschafti^hypertrophie"  des  Herzens. 
Leider  fehlen  zur  näheren  Beurtheilung  die  Angaben  der  Dicken- 
durchmesser  beider  Herzkammerwände  bei  den  betreffenden  Per- 
sonen. Verf.  scheint  die  correctlven  Bestimmungen  Gerhardt*B, 
welcher  die  Sypmtome  im  Leben  auf  Verschiebung  des  Herzens 
während  der  letzten  Monate  der  Schwangerschaft  bezieht,  nicht 
zu  kennen. 

Was  das  Alter  der  aufgenommenen  Schwangeren  betrifft, 
so  war  die  jüngste  14,  die  älteste  47  Jahre  alt.  Dabei  finde  ich, 
dass  die  Menstruation  zwar  oft  schon  im  16,,  meist  aber  erst 
im  18.  Jahre  bei  Mailänderinnen,  also  durchschnittlich  später  als 
bei  Stcilianerinnen  zum  ersten  Male  erscheint.  Die  S.  60  er- 
wähnte Kranke,  auf  welche  wir  noch  einmal  zurückkommen,  hatte 
mit  20  Jahren  die  ersten  Regeln;  sie  flössen  von  da  an  stets 
nur  im  Winter  und  setzten  in  den  übrigen  Jahreszeiten  aua. 

Die  Zahl  der  Fehige  bnrten  fällt  in  einer  klinischen 
Anstalt  immer  sehr  klein   ans;    für  den  Nachweis    des    wahren 


236  XIV.    Literatur. 

Verhttltnisflos  eignet  iich  in  diesem  Falle  nur  die  PriTntpraxii. 
Ich  finde  in  meinen  Tabellen  anter  fast  zehn  Geborten  allemal 
einen  Abortus. 

Rachitis  kam  in  diesem  Jahre  anffallend  häufig  nnd  na- 
gleich  öfter  als  im  ▼origen  zur  Beobachtung.  Osteomalaeie 
wurde  nur  bei  Frauen  aas  dem  unfruchtbaren  Theile  der 
Unigebtuig  Mailands  gefunden;  Vorfall  der  Nabelschnur 
war  ungewöhnlich  hSufig. 

Viel  kam  auch  zu  früher  Abfluss  der  Wässer  während 
der  Geburt  ohne  bekannte  Ursache  vor  (pag.  45);  die  pag.  168 
folgende  Bemerkung,  dass  auf  vorzeitigen  Blasensprung  Nach- 
blutung zu  folgen  pflege,  kann  Rec.  bestätigen. 

Verf.  gehört  zu  denen,  welche  die  Ursachen  des  Kind- 
bettfiebers  schon  in  der  Schwangerschaft  snchen;  einen  tödt- 
liehen  Fall  ohne  anatomischen  Befand  sah'  er  bisher  nicht,  auch 
kam  in  diesem  Jahre  die  weisse  ächenkelgeschwulst  nicht  vor. 
8ehr  zurück  ist  man  noch  in  der  Lombardei  mit  der  Deutung 
des  „Frieselfiebers*'  —  ist  doch  der  Frieselausschlag  (Miliaria) 
etnf>  an  sich  unschuldige,  höchstens  durch  Jucken  iMstige  Zu- 
gabe zu  den  verschiedensten  einfachen  und  complicirten  Wochen- 
betten, namentlich  zum  Puerperalprocesse. 

Vom  Chloroform  scheint  selbst  bei  nnregelmässigen  Ge- 
burten, z.  B.  bei  unnachgiebigem  Mutterhaise,  wenig  Gebrauch 
gemacht  worden  zu  sein,  desto  ergiebigerer  von  den  allge- 
meinen Blutentzichnngen.  Zunächst  hält  Verf.  dafür,  dass 
man  die  dammschUtzende  Episiotomie  lediglich  dnrch  Hader  nnd 
Aderlässe  ersetzen  könne  —  allerdings  werden  merkwürdig  wenii; 
Dammrisse  aus  dem  Mailänder  Institute  gemeldet.  An  einer  ein- 
zigen Stelle  mag  den  Verf.  ein  gelinder  Schauer  über  die  Masse 
Blutes  überkommen  sein,  welche  man  seinen  heissblütigen  Lands- 
männinnen entzieht.  An  einem  anderen  Orte  aber  wird  (p  109) 
ganz  trocken  erzählt,  dass  man  einer  schwächlichen  Osteomala- 
eiscben,  zum  neunten  Male  Schwangeren,  in  sechs  Wochen  fünf 
nnd  dann  noch  vier  Venäsectionen  im  Wochenbette  gemaeht 
hat;  die  Kranke  starb  dennoch  erst  am  zehnten  Tage  nach  der 
Entbindnng.  Dies  int  auch  beiüahe  der  einzige  Fall,  wo  Verf. 
nicht  angiebt,  duss  die  Hirnhäpte  ,,injicirt*'  und  das  Mark  ,, Mut- 
punktig"  gefunden  worden. 

Die  durch  passende  Lagerung  der  Schwangeren  und  die 
durch  äussere  Handgriffe  zu  bewerkstelligende  Wendung  sind 
flicht  geübt  worden. 

LovaiVs  Zange,  eine  wie  es  scheint  sehr  lange  mit  starker 
Beckenkrümmung,  wird  den  deutschen  vorgezogen,  insofern  sie 
schon  bei  hoch  [über?]  dem  Ringauge  stehenden  Kopfe  brauchbar 
sei.  Man  legt  sie  dort,  conform  mit  dem  Natnrvorgange,  schon 
in  der  oberen  Apertur  biparietal  an,  wenigstens  glaubt  Verf., 
dass  Prof.    LofxUi  dies  thue,  um  namentlich    bei  engem  Becken 


XIV.    Literatur.  237 

auf  Verringeran^  des  QnerdarehmeRieri  am  kindlichen  Schädel 
hinsawirken.  Das  folgende  Beispiel,  in  welchem  dnrch  dieies 
Verfahren  das  Kind  vielleicht  gerettet,  die  Mntter  aber  beechü- 
digt  wnrda,  aeigt  angleich,  wie  viel  Blutverlust  eine  Italienerin 
verträgt.  —  Man  hatte  in  Zeit  von  fünf  Tagen  sieben  Mal  aar 
Ader  gelassen  und  22  Egel  gesetat;  angleich  erhielt  Fat.  wegen 
Metroperitonitis  Akonit,  Kalomel  und  Hyoscyaujun,  dann  wieder 
wegen  an  argeft  Durchfalles,  Ipecac.  Becken  sehr  eng  und  ver- 
unstaltet; aweite  Schüdellage.  Zange  in  erster  Position;  das 
Kind  kommt  apoplektisch ,  erholt  sich  aber.  Die  Mutter  beh&lt 
eine  Scheidenblasenfistel. 

Nun  au  den  Einaelnheiten  der 

Schwangerschaft. 

629  Schwangere  bilden  das  Material  der  ersten  Abtheilnng  in 
vorliegendem  Prospeete.  Trota  der  Anhäufung  so  Vieler  in  un- 
sureichenden  Bäumen  gab  es  schwere  Puerperalk ranke  wenig. 
Durch  gute  Ventilation  und  Besorgung  der  geringsten  Krank- 
heitsanfUnge  glaubt  man  im  Mailänder  Gebärhause  einer  tieferen 
Erkrankung  vorgebeugt  au  haben.  Eigenthnmlicher  Weise  gab 
CS  in  den  Monaten  Juli  und  Juni,  dann  erst  im  Februar  die 
grösste  Zahl  kranker  Schwangeren.  Anaiehend  ist  die  Thatsache, 
dass  eine  Epileptische  einen  eklamp tischen  Anfall  bekam,  worauf 
Irrereden  folgte. 

Eine  aweite  Tabelle  (p.  6.)  giebt  uns  Aufschluss  über  das 
aus  der  ersten  abgeleitete  Ergebniss  der  aahlreichen  Erkran- 
kungen in  den  heissen  Monaten:  die  grösste  Erkranknngsaiffer 
(24/167)  rubricirt  unter  Hirnfluxion  (»Cephalaea*').  Demnächst 
figuriren:  Uterin fluzion  (vier  mit  Oedem)  16,  Bronchitis  16, 
behandelte  Venerie  und  Syphilis  141  Gastritis  10. 

Genau  unterschieden  werden  die  Fälle  von  Wassersucht 
(einer  mit  Pellagra)  nach  Organen  und  Complicationen;  nicht 
bei  allen  war-  Albuminurie.  Längentuberkulose  ist  neun  Mal, 
Wechselfieber  sechs  Mal,  Hirnschlag,  Pocken  und  Masern  je  ein 
Mal  angemerkt;  ferner  eine  Chorea,  sieben  Eklampsien,  sieben 
Oeteomalacien  (eine  mit  Anasarca),  eine  Erweichung  der  Sym- 
physen, drei  Metrorrhagien,  eine  Mastitis,    awei  Bupturae  uteri. 

Gegen  Hirn-  und  Uterinflnxionen  wurden  mit  Erfolg  Ader- 
lässe in  Anwendung  gezogen.  Hirnapoplexie  in  der  Brücke 
war  der  einaige  Todesfall  Schwangerer  (Auf.  8.  Mon.,  Wendung 
an  der  Sterbenden  voUaogen  befördert  ein  sterbendes  Kind  her- 
aus); die  Jugend  der  Kranken  und  die  erste  Entbindung  sind  bei 
dieser  Kranken  bemerkenswerth;  als  Ursache  des  Hirnschlages 
nimmt  Verf.  die  Schwangerschaftsye ränderung  des  Hersens  an. 
Bec.  fand  obige  Umstände  mit  nachgewiesenem,  in  der  Schwan- 
gerschaft entstandenem  Hersfehler  vereinigt  (Blasen  statt  des 
ersten  Tones  im  linken  Ventrikel;  Kyphoskoliose);  er  musste 
wegin    Ijeckenciige    miltols    Zange    und    Epitiiotouiie    entbinden. 


238  XIV.     LlterÄtTir. 

Jetzt,  sieben  Monate  danach,  hat  »ich  das  Hersgeränsch  and  die 
Accentaation  des  zweiten  Falmonaltons  verloren,  die  Hemiple- 
gie nicht  ganz. 

Von  den  £klamp tischen  hatten  drei  kein  Eiireiss  im 
Harne.  Ein  MaF  half  prohibztiver  Aderlass  oricht;  sonst  war  Bti- 
Rchleantgung  der  Gebart  zagleich  hülfreich.  Keine  starb;  aeehs 
waren  Erstgebärende.  Während  der  Anfälle  beobachtete  man  die 
Neignug,  hockend  anf  der  Seite  au  liegen. 

Gebart. 

Ueber  die  Kindeslngen  and  die  Dauer  der  Gebart  sind 
36 — 87  Tabellen  geführt.  Die-  Ursache  der  Fr  8h  geh  ort  wird 
vorzugsweise  in  die  Placenta  gelegt;  ein  Mal  fand  sie  sich  bei 
Lnes  der  Matter  mit  „Granulationea^  besetzt  und  im  Zottenl&ger 
atrophisch.  Die  h8ttlSgeren  ünterendlagen  bei  Frühgebart  werden 
numerisch  nachgewiesen.  Eine  Wöchnerin  starb  plötslich  in 
Ohnmacht;  auch  hier  hatte  man  tüchtig  Blut  vergossen  (p.  47). 
Unter  den  unregelroHSsigen  und  künstlichen  (1:11)  Geborten 
kommen  besonders  viel  Wendungen  vor.  Am  28.  Juli  trat 
eine  zum  dritten  Male  schwangere  40jährige  "in  die  Anstalt. 
Becken  btark  geneigt,  Cg.  vera  =3  3"  7'".  Letzte  Menstruation 
in  der  zweiten  Häffte  Novembers;  erste  Wehen  am  26.  Augast. 
Den  folgenden  Tag  plötzliche  Steigerung  der  Wehen,  wobei  die 
Kreisaende  aufgeregt  wird  nnd  die  Wehen  gegen  Gebot  ver- 
arbeitet. Das  Hinterhaupt  tritt  in  die  erste  Stellung  herab.  Anf 
Aderlass  folgt  Ruhe;  wenige  Stunden  später  neuer  Sturm,  Fat. 
schreit  heftig.  Am  28.  früh  während  heftigen  Presaena  reiset 
die  Gebärmutter  ohne  Blutfluss.  Wendang  an  den  Pfisten, 
Aussiehung.  Schluchzen,  heftige  Leibsehmersen  nnd  andere  Zei- 
chen der  Unterleibseutzündung  künden  den  am  29.  elf  Uhr  Abends 
erfolgten  Tod  an.  Ein  Becherglas  voll  Blut  in  der  Bauchhöhle, 
plastische  Peritonitis,  wenig  eitriges  Serum.  Reehts  ein  Linga- 
riss  durch  Mutterhals  und  Scheide.  Stelle  der  Kachenanheftang 
im  oberen  hinteren  GebKrmutterkörper.  Uterlngewebe  normal, 
nach  unten  zu  sehr  dünn. 

Drehnngen  mit  der  Zange  sind  üblich;  nie  wird  be- 
richtet, das  sie  mfsslongen  seien  [?]. 

Die  Kraniotomie  geschieht  nach  SmeUie.  Verf.  hSlt  aieli 
p.  79  darüber  auf,  dass  Lauth  von  Kephalothrypsien  in  Italien 
und  England  ganz  schweige,  während  er  nur  ^nmo's  Inatrament 
anführe  und  nicht  die  BizzötVnchB  Modificatio«. 

Um  diese  Lücke  zu  büssen,  wird  angeführt,  dass  schon 
1854  Paatorello  in  Pavia  von  mehreren  Kephalothrjrpsien  spreche, 
die  er  ausorefiihrt,  woran  sich  die  von  Giordano  in  Tarin,  Ptazz« 
!n  pAlermo  (2)  und  Esterle  in  Trient  behandelten  FJlIle  schlies- 
sen.  Die  in  Mailand  übliche  Modifieation  ist  die  Charrikre^DepttuC' 
sehe,    womit    auch    Ghtelmi    (Pavia   1864)    zwei    Mal  operirt  hat.  ' 


XIV.    LUeratnt.  289 

Rahr  leseniwerth  sind  die  vier  Fftlle,  in  deaeo  snr  Kepbalo- 
thiypaie  TerfehrtUen  werden  ma88te^  Zwei  der  Operirten  etftr- 
ben;  bei  einer  batte  man  ZangeBTersnehe  gemaebt,  die  andere 
war  von  Aersten  ausser  den  Spitale  Ms  anf  den  Pötnskopf  ent- 
bunden worden  (Steissiage).  Dabei  war  der  Hals  des  Fracht- 
balters  darobgerieb«n,  und  eine  Darmschlinge  fiel  aar  Lüeke 
herans;  spKter  wurde  der  ausgefallene  Darm  brandig.  Elgen- 
thiimlicb  erseheint  nns  die  ron  der  Hebamme  Tor  der  Operation 
Torgenommene  Nothtanfe. 

Zwei  Kaiserschnitte  an  Lebenden  wegen  reehitiseher 
Beckenenge,  die  Kinder  wurden  erbalten;  im  ersten  Falle  stäraten 
die  Eingeweide  der  Operirteu  hervor,  als  während  des  Anlegens 
der  NKhte  Erbrechen  eintrat:  sofortige  Taxis. 

17  Eiinstltcbe  Frühgeburten,  üeber  die  Anaeigen 
wolle  man  nachlesen:  V.  LazzaH,  N.  60  casi  dl  parto  prematuro 
artifieiale  provocati  per  ristrettesaa  del  baoino  —  Ann.  Univ.  di 
Med.,  fas«  di  maigo  1864.  16  waren  rachitisch,  1  osteo  mala  eis  ch 
▼erengt,  ein  Mal  drängte  Eratickungsgefahr  bei  beginnender 
Beekenerweichnng.  Man  machte  den  Eihautstich.  Beckenen^e 
Bweiten  und  dritten  Grades  waren  in  diesem  Jahre  häufiger, 
in  sechs  Fällen  genügte,  meist  durch  allgemeine  Bäder  untere 
stiitst,  der  elastische  Katheter;  in  fünf  musste  sngleloh  Press- 
schwamm  vorbereiten;  awei  Mal  wurden  Doacben  yorangesohiokt, 
swei  Mal  alle  drei  Methoden  combinirt.  Ein  Mal  wandte  man 
PressBchwamm,  wegen  vorübergehenden  Erfolges  voi  TamtaKs 
Instrument,  dann  noch  den  Katheter  an.  Letzterer  verursachte 
in  drei  Beispielen  den  Blasensprung.  Eine  Operirte  starb  an 
Lofugenhyperämie  und  Blutaersetaung  (Seet.  caes*  post  mortem) 
1  an  Puerperalfieber  am  17.  Tage  (alte  Tuberoulose),  1  an  Kindi- 
bettblutung.  Hier  hatte  man  mit  einem  au  kuraen  Inatrumente 
Cranloclasma  versucht,  musste  aber  wegen  ungenügenden  Erfol- 
ges Wendung  und  Ansziehnng  nachschicken.  Doch  fügt  Verf. 
binnu,  dass  er  jetzt  im  Resitae  des  von  Bame»  verbesserten 
Werkaanges  sei  und  von  guten  Erfolgen,  namentlich  gegenüber 
der  CAtarTschen  Knoohenpineette,  sprechen  könne.  Ein  Mal  vef* 
uraachte  der  Gebrauch  des  Pressschwannues  Zufälle  (17.  Fall). 
Die  meisten  wurden  der  Operation  Ende  des  achten  Sonnen^ 
monats  unterworfen.  * 
288  Knabon,  283  Mädchen  wurden  in  der  Klinik  lebend 
26         „  11  n  n  n     n  n       ^odt  geboren. 

26        „  17  9         starben  in  der  Klinik,  4  an  Sklerom. 

Ophthalmien  sind  wenig  vorgekommen.  Der  offengebliebene 
Botallische  Gang  ninss  mehrmals  als  Todesursache  herhalten, 
während  er  nur  zu  den  Folgen  zSblt. 

Wochenbett. 

Die  Erkrankungen  waren  Ende  Januar  mild,  Februar  schwer 
(.s  f),    nahmen  üid  Juui  allmählich  Hb,    flackerten  im  November 


240  2IV.     Liieratar. 

boi  viel  kalt«in  Regen  nen  aaf  bitt  December,  wo  TrenniiDg  der 
Gesunden  von  den  KrankenMie  Endemie  anf  ihrer  Höhe  erstickt«. 
Zwei  Mal  kamen  mnltiple  Abseesee  tot. 

Thermometrie  scheint  nicht  vorgenoninien  %n  werden. 

Die  Behandlung  mit  echwefligsaurer  Magnesia  gab  sweifel- 
hafte  Resultate  und  viel  Gestank ;  die  Diarrhöen,  durch  das  sekos 
an  der  Lnft  sich  bildende  Sulfat  angeregt,  erleichtern  kaum. 

Es  gab  17  schwere  Nachblutungen,  davon  die  meisten  im 
August  und  September;  gleichseitig  waren  in  der  Stadt  k&ufi^e 
Fehlgeburten.  S.  176  ist  ein  lehrreicher  Fall  von  Bright'»  Krank- 
heit  mit  Thrombose  fast  aller  oberen  Körperadern  ond  nsment- 
lich  der  Pulmopalarterien;  dabei  Dictjitis  ha^morrhagica  mit 
sonderbaren  Phantasmen  im  Leben. 

Die  Schreibart  des  Verf.'s  ist  gewandt,  der  Druck  gut 

[G,  üasati:  Rivista  osletrica  e  ginecoiogica.J 

Die  gynäkologische  Rundschau  desifelben  Herrn  Ver- 
fassers ist  äusser|iuh  weniger  gut  ausgefallen  —  der  Druck  i<t 
SU  klein,  die  Reyision  oft  nachlftssigf  so  ist  p.  16  mal  uterino 
statt  canal  stehen  geblieben.  Die  Zusammenstellung  selbst  Ter- 
dient  Lob.  Es  sind  die  Jahre  1863  und  1864  vertreten,  u.  a 
Klob,  Q.  A.  Braun  t  Qraüy  HewiU,  A,  Gu4rin  und  Piiedk  be- 
«prochen.     Ich  erlaube  mir  nur  wenige  Bemerkungen. 

p.  13.  Verf.  sagt  nichts  dazu,  dass  Qr,  HeunU  das  Msn- 
strualblut  *för  nicht  verschieden  von  gewöhnlichem  Blute  tr- 
klUrt,  nichts,  dass  Scamtovi  die  chronische  Metritis  als  unheilbar 
darstellt.  Haematocele  periuterina  wird  gründlich  beschrieben. 
Gelegentlich  hebt  Verf.  La9%atVfi  Methode  des  Anstreibens  ▼od 
Placentaresten  aumal  nach  Fehlgeburten  mittels  gebrocfaeaer 
Gaben  Mutterkorns  als  probat  hervor.  Das  so  oft  fälachlich  ge- 
brauchte Wort  antro-flexto(-versio)  wird  mit  Recht  getadelt. 

S.  32  lässt  der  Herr  College  mich  die  geburtshfilfliche  6s- 
sellschaft  in  Berlin  (statt  Loipsig)  von  Dysmenorrhoea  villois 
unterhalten.  Dabei  dürfte  denen,  welche  meinen  Aufeats  über 
diesen  Gegenstand  (Monatsschrift  Bd.  24.)  einiger  Beachtung  gs- 
wärdigt  haben,  nicht  unlieb  nu  erfahren  sei,  dass  besagte  Dams 
xvon  mir  am  Termine  von  einem  kräftigen,  noch  jetat  gesundes 
Knaben  mittels  der  Zange  entbunden  word^  ist,  denaelben  gestillt 
und  darauf  nur  ein  Mal,  aber  wieder  unter  Aasstossung 
oines  kleineren  sottigen  Productes,  menatruirt  hat,  jetst 
aber  wieder  in  Hoffnung  ist.  C.  Hennig, 


Druckfehler. 
BftDd  26,  S.   11,  Z.  10  V.  o.  lies:  „liiman"  statt  „Stmon**. 

„       S.  126,  letzte  Z.  lies:  „42  und  ü"  statt  „22  and  24". 
„      Heft   2,  Tafel  8  mUsflen    die  unter  Fig.  25  geseichneten  Bilder  nicht 
(IberGtnfi&der,  «ondern  nebenelnsnder  stehen. 


XV. 
Verhandlungen  der  OeBellschaft  für  Oeburtohfllfe 

In 

.    Berlin. 

Sitzung  vom  23.  Hai  1865. 

Herr  Junge  (als  Gast)  spricht  unter  Vorzeigung  des 
betreffenden  Präparates  über  einen 

Fall  von  Graviditas  tubo-uterina. 

RosaUe  C,  36  Jahre  alt,  will  am  29.  April  er.  Mor- 
gens beim  Aufhängen  von  Wäsche  plötzlich  ohnmächtig  um- 
gefallen sein  und  seitdem  krampfartige  Schmerzen  im  Unter- 
leibe bekommen  haben.  Die  um  10  Ohr  Vormittags  ange- 
stellte Untersuchung  ergiebt  Folgendes: 

Frau  G.j  Frau  eines  Arbeitsmannes,  36  Jahre  alt,  ist 
eine  im  Ganzen  schwächliche ,  anaemische  Frau  von  mittlerer 
Grösse.  Auf  dem  linken  Jochbeine  unbedeutende  Excoriationen. 
Puls  88,  Respirations- Frequenz  18.  Das  Abdomen  massig 
aufgetrieben,  bei  Druck  Aberall  schmerzhaft,  die  rechte  Ileo- 
coecal-Gegend,  wenn  auch  nur  sehr  wenig,  schmerzhafter  als 
die  anderen  Parthien.  Tyropanitische  AufLreibung  des  Colon 
transversum  und  descendens.  Stuhlverstopfung  seit  drei  bis 
vier  Tagen.  Respirations-  und  Circulations  -  Organe  bieten 
nichts  Abnormes  dar,  Sensorium  frei.  —  Die  p.  C  will  Mh^.r 
ganz  gesund  gewesen  sein ,  sie  hat  vor  zehn ,  vier  und  zwei 
Jahren  normal  geboren,  die  Geburten  sind  der  Beschreibung 
nach  in  Schädellage  gewesen,  Wochenbett  etets  gut  verlaufen, 
Kinder  selbst  gestillt.  Das  jüngste  Kind,  jetzt  zwei'  Jahre 
alt,  hat  sie  bis  vor  einem  Jahre  gestillt,  dann  sind  die  Men- 
ses wieder  regelmässig  eingetreten,  bis  Januar,  Ende  Februar 
blieben  sie  fort,  traten  jedoch  Ende  März,  aber  Einen 
Tag,  und  ziemlich  stark,    wieder   ein.     Pat.   will   schon  seil 

Monatisehr.  f.  GebarUk.  1885.  Bd.  XXTI.,  H(t  4.  16 


242  ^^'     Verbandlungim  der  GeseÜBchaft 

längerer  Zeit  an   Trägheit  des    Stuhlganges    gelitten    haben, 
so  dass  sie  oft  vier  Tage  lang  keine  Oeffhung  gehabt. 

Diagnose.  CiOlica  stercoracea  in  Folge  von  Koth-An- 
häufung.     Therapie  Ol.  Ricini. 

Der  31.  April.  Pat.  hatte  im  Laufe  des  vergangenen 
Tages  zwei  Ausleerungen  gehabt,  die  Schmerz hafligkeit  bat 
nicht  ab-,  sondern  zugenommen,  um  10  Uhr  Vormittags  be- 
ginnender Coilapsus,  Puls  klein  72,  Sensorium  benommen, 
bei  lautem  Anrufen  langsame,  träge  Antworten.  Temperator 
der  Extremitäten  kühler  als  die  des  Rumpfes.  Auftreibung 
des  Abdomen  hat  nicht  zugenommen,  jedoch  die  Schmerz- 
haltigkeit,  und  besonders  in  dtT  Regio  ileocoecaiis  dextra 
und  Regio  pubis.  Harnverhaltung  seit  gestern  Morgen,  der 
Catheter  entleert  nur  wenige  Tropfen  eines  dunklen,  dicklichen 
Urins.  In  der  Nacht  hat  sich  e^i  unbedeutender  Biutabgang 
aus  der  Vagina  eingestellt. 

Diagnose.  Acute  Peritonitis  in  Folge  von  Perforation 
des  Processus  vermiformis. 

Da  hei  den  ärmlichen  Verhältnissen  der  Patientin  eine 
Behandlung  in  ihrer  Wohnung  nicht  gut  möglich  war,  so  wurde 
ihre  sofortige  Aufnahme  in  das  kathol.  Krankenhaus  angeord- 
net. Bevor  dieselbe  jedoch  geschieht,  stirbt  die  Frau  unter 
Zunahme  des  CoUapsus. 

Section.  Es  wurde  nur  die  Oeffnung  der  ßauchhöhle 
gestattet. 

Im  Cavo  peritonaei  findet  sich  ein  sehr  bedeutender 
Bluterguss,  circa  vier  bis  fünf  Waschbecken  theiis  geronne- 
nen, tbeils  dickflüssigen,  dunkelen  Blutes.  Die  Goagula  be- 
linden  sich  hauptsächlich  im  kleinen  Becken.  —  Der  Dann 
ist  noch  mit  zahlreichen  Kothmassen  gefüllt,  der  Perttonaeal- 
Ueberzug,  besonders  das  untei^e  Ende  des  Dünndarms,  das 
Coecum  und  Colon  ascendens  stark  gerölbet.  Der  Uterus 
zeigt  sich  vergrösserl,  au  seinem  rechten  oberen  Ende  eine 
kuglige  Geschwulst.  Nach  Herausnahme  des  Uteruß  und  seiner 
Anhänge  zeigt  dieselbe  an  ihrem  hinleren  oberen  Umfange 
mehrere  kleinere  Risse,  die  den  Peritonaeal-Ueberzug  durch- 
dringen; bei  ihrem  Anschneiden  entleeren  sich  circa  serh.< 
bis  acht  Unzen  einer  klaren  serösen  Flüssigkeit  und  zuglrirh 
"^*     •  Fötus. 


für  Gebnrtshülfe  in  Berlin.  243 

Der  Uterus  ist  circa  b"  lang,  sein«;  Wandungen  bedeu- 
tend verdickt  (am  Fundus  circa  '/4")f  ^^^  Cavum  uteri  ver- 
grössert,  seine  Schleimhaut  zeigt  deutliche  Decidua-Bildung^ 
Die  oben  erwähnte  Geschwulst  stellt  ein  Ei  dar,  dessen  Ent- 
wickelungsort  der  Durchtritt  der  Tuba  durch  die  Wand  des  Uterus 
ist;  es  hat  das  Gewebe  des  Uterus  auseinandergedrdngt.  Das 
Ostium  uterirmro  tubae  ist  für  die  Spnde  durchgängig,  ebenso 
das  Ostium  abdominale  bis  zum  Ei.  Die  Ruptur  hat  da  statt- 
gefunden, wo  die  Entwickelung  der  Placenta  vor  sich  gegan- 
gen ist.  Der  Fötus  und  das  Ei  bieten  die  Erscheinungen 
des  dritten  Monates  der  Gravidität  dar. 

Wir  haben  es  demnach  mit  einer  Graviditas  tubo-uterina 
zu  thun,  weiche  durch  Ruptur  die  tödtliche  Verblutung  ver- 
anlasst hat,  welche,  wie  es  gewöhnlich  der  Fall  ist,  im  drit- 
ten Monate  der  Gravidität  eingetreten  ist  — 

.  Herr  Klehs  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Ent- 
wickelung des  Placeutargewebes  in  diesem  Falle  an  der  der 
Bauchhöhle  zugewandten  Seit^  des  Fruchtsackes  stattgefunden 
hat  mit  entsprechender  Verdünnung  der  Wandung.  An  dieser 
Stelle  ist  auch  die  Perforation  entstanden.  Dieses  Verhalten 
ist  für  das  Zustandekommen  der  Perforation  von  Wichtigkeit. 
Analog  wie  unter  normalen  Verhältnissen  die  Decidua  an  der 
Placentarstelle  durch  das  Hineinwachsen  der  Chorionzotten 
gleichsam  aufgezehrt  werde,  so  sei  auch  hier  eine  Verdünnung 
der  Wand  durch  das  activ«  Vordringen  der  Chorionzotten 
entstanden. 

Auf  diese  Weise  ist  nun  auch  überhaupt  die  Ruptur  zu 
Stande  gekommen;  dafür  spricht  vor  allen  Dingen  schon  die 
Form  derselben,  die  ganz  klein  und  von  der  Beschaffenheit 
einer  einfachen  Usur  ist,  wie  sie  nicht  leicht  bei  einfachem 
Platzen  des  Fruchtsackes  entstehen  könnte.  Die  Verdünnung 
der  Wand  und  die  endliche  Zerreissung  derselben  ist  dem- 
nach nicht  durch  die  einfache  Vergrösserung  des  Eies  ent- 
standen, sondern  vorzüglich  durch  das  active  Vordringen  der 
Chorionzotten. 

Das  Corpus  luteum  findet  sich  übrigens  in  dem  Ova- 
rium  derselben  Seite,  auf  welcher  die  Schwangerschaft  stalt- 
gefunden hat. 

16* 


244  ^^'    Verhandlnngen  der  Oesellsehaft 

Herr  Rose  spricht  unter  Vorzeigung  des  Präparates 

Ueber  Jas  Offenbleiben  der  Blase. 

An  meinen  jüngsten  Vortrag  anknüpfend  hatte  icb  mir 
erlauben  wollen,  einige  weitere  Schlussfolgerungen  aus  den 
Betrachtungen,  die  sich  damals  ergaben,  über  die  fötalen 
Störungen  der  Harnexcretion  zu  ziehen. 

Sehr  erwünscht  ist  es  mir  dazu  gewesen,  dass  ich  durch 
die  Güte  unseres  Heirn  Vicepräsidenten  Martin  in  deo  Stand 
gesetzt  bin,  den  Leichnam  eines  Kindes  zu  untersuchen,  den 
ich  mir  sofort  als  Grundlage  ihnen  nebst  Abbildungen  vor- 
zuzeigen erlauben  will,  um  so  mehr,  als  derselbe  einzig  in 
seiner  Art  und  zum  Beweise  meiner  Ansichten  wie  geschaffen 
ist.  Nur  einige  Angaben  über  seine  Lebensgeschichte  mögen 
vorausgehen! 


So  weit  ich  von  der  Hebamme  als  sicher  habe  ermit- 
teln  können,  hat  das  Kind  vom  4 — 9.  April  gelebt  und  ist 
nach  anderthalbtägigen  Krämpfen  gestorben.  Anfangs  nahm 
es  die  Brust  gut,  später  verfiel  es.  Uebrigens  athmete  es 
kräftig,  schrie,  lag  aber  stets  sehr  nass.  Das  Meconium 
wurde  am  Unterleibe  aus  der  stets  nassen  ^  rothen  Fläche, 
welche  durchaus  unbedeckt  war,  ohne  Durchfall  entleert. 

Uebrigens  war  es  das  zwölfte  Kind,  kam  zu  früh  — 
man  rechnete  ihm  erst  7^2  Monate  nach  —  jedoch  verhält- 
nissmässig  schwer  wegen  Krämpfe  und  Wehenschwäche  der 
Mutter  und  zwar  in  sechs  Stunden.  Die  Eihäute  mussten  erst  aus- 
serhalb der  Theile  von  der  Frau  gesprengt  werden,  und  haben 
sich  nach  ihrer  unverständlichen  Schilderung  sehr  auffallend 
verhalten,  abgesehen  von  der  Insertio  velamentosa. 

Was  den  Leichnam  des  Kindes  selbst  betriflH,  so  ist  der 
16 V2  Zoll  lange  Körper,  wie  sie  sehen,  mit  sehr  sparsamen 
Wollhaaren  besetzt. 

Der  Kopf  ist  mit  einen  Zoll  langen  Haaren  reichlich  lie- 
deckt;  die  Länge  der  grossen  Fontanelle  beträgt  einen  ZoU. 
Sein  Umfang  11",  sein  gerader  Durchmesser  3%,  der  querr» 
2%,  der  schräge  4%". 

Die  Knorpel  der  iNase  fühlen  sich  schon  härtlich  an. 


für  Gebnrtshülfe  in  Berlin.  245 

Die  Breite  der  Schultern  beträgt  4%^  die  der  Höften 
SV«  Zoll. 

Die  Fingernägel  erreichen  die  Spitzen  der  Glieder« 

Der  Knocfaenkem  in  der  Oberschenkelepiphyse  ist  eine 
Linie  breit. 

Im  rechten  Scheitelbeine  fühlt  man  von  der  Pfeilnaht 
aus  quer  eine  Depression  verlaufen,  die  vielleicht  post  mor- 
tem beim  Transport  entstanden. 

Die  Nabelschnur,  welche  noch  das  Nabelband  trug,  wird 
gegen  ihren  Ansatz  hin  immer  breiter,  zuletzt  ein  %  Zoll 
breites  Band  ^) ,  und  setzt  sich  mit  der  Breite  quer  an  eine 
mit  Amnion  bedeckte,  1  Zoll  breite,  ^/s"  hohe  glatte  Nabel- 
fläche an.*) 

In  ihrer  linken  Kante  enthält  sie  die  Vene  («),  welche 
aufgeschnitten  fast  Vs  ^^^  breit,  in  ihrer  rechten  die  eine 
Arterie  (a)  mit  sehr  viel  engerer  Lichtung. 

Diese  querovale  Nabelplatte  (3)  bildet  den  obersten  Theil 
einer  runden,  buckeligen,  theilweise  betrockneten,  nur  slrei- 
Jenweise  mit  Epidermis,  sonst  mit  Epithel  bedeckten  Masse, 
die  sich  bis  etwa  V4  Zoll  vor  der  Spitze  des  Steissbeins  er- 
streckt, l*/^"  hoch,  IV«*  breit  ist  und  mehrere  Oeffnungen 
enthält,  die  sonst  am  Unterleibe  des  Kindes  fehlen.  Diese 
ganze  Masse  geht  an  ihrer  Grenze  ziemlich  plötzlich  in  die 
gesunde  Haut  über,  ohne  dass  man  dort  Spuren  einer  Ver- 
dickung, Zacken  oder  sonst  Zeichen  einer  Ruptur  oder  Ent- 
zündung wahrnehmen  könnte,  gerade  wie  an  der  Grenze  jedes 
Nabelschnurbruches. 

Auffallt  zunächst  darin  eine  IVa  Zoll  lange,  ^2  ^^^^ 
hohe  wurstarüge  Bildung  (%'),  die  allerdings  mit  dem  grossen 
Penis  eines  Kindes  einige  Aehnlichkeit  hat.  Sie  erstreckt  sich 
längs  und  etwas  mehr  links,  beiderseits  von  zwei  betrock- 
neten wulstigen  Massen  {w)  begleitet,  welche  man  dann  für 
die  Hälften  eines  Scrotums  hätte  halten  können. 

Die  Untersuchung,  ergiebt,  dass  beide  Scrota  ofiene  um- 
gestülpte Blasen   darstellen,    und   dei*  Penis  einen  After  mit 


1)  Siehe  Fig.  1,  3. 

2)  Von    di Öfter   Beschaffenheit    hat  sich   Herr   Martin  seibat 
bei  Lebzeiten  übereeugt. 


246  XV.    Verhandlungen  der  Oesellsehaft 

Vorfall  und  Umstülpung  zweier  Darmenden.  Man  sieht  näm- 
lich äusserlich  noch  Folgendes: 

Die  rechte  Blasenfiäche,  die  grössere  und  bukligerp, 
^V  hoch  und  Vs"  breit,  setzl  sich  wie  der  ganze  Körper 
rechts  gegen  die  normale,  epidermishedeckte  Bauchhaut  mit 
einem  Graben  ab,  der  am  unteren  £nde  der  Blase  auf  der 
Steissbeinseite  mit  mehreren  Hautwölsten  (h)  besetzt  ist; 
links  wird  sie  von  einem  vier  Linien  breiten  Hautwulst  (x) 
begrenzt,  der  sich  in  der  Mittellinie  hinauf  l'^^  Zoll  erstreckt 
und  zuletzt  nur  sich  nach  links  wendend  zwischen  linker 
Blase  und  dem  penisartigen  Körper  einerseits,  rechter  Blase 
und  Nabelplatte  andererseits  eine  flache,  reichlich  eine  Linie 
breite  Epidermisgrenze  bildet.  Ein  schmalerer  Ast  dieses 
Hautstreifens  bildet  eine  Grenze  zwischen  rechter  Blase  uud 
Nabelplatte. 

Die  linke  Blasenfläclie,  1''  hoch,  ^^*  breit,  scheint  au 
ihrer  rechten  Seite  unmittelbar  in  den  penisartigen  Körper 
überzugehen.  Von  jenem  trennenden  Epidermiswulst  schräg 
nach  links  oben  lauft  über  denselben  wie  ein  Bügel  eine  ge- 
spannte (Dünndarm)  Falte  («),  welche  ihn  in  zwei  Theile 
theilt;  der  obere  Theil,  an  der  Rückseite  breit  aufsitzend, 
endet  fast  einen  Zoll  darüber  oben  in  eine  zusammengelegte 
Mündung  (jr),  die  so  gross  im  Liciiten  wie  der  Dünndarm 
(t)  in  den  sie  führt;  die  eingeführte  Sonde  dringt  durch  zahl- 
reiche Windungen  bis  in  die  Speiseröhre,  und  bringt  gelbe 
Fäces  heraus. 

Der  untere  Theil  ist  kaum  ^/^  Zoll  lang,  frei  und  zwei- 
hörnig;  das  rechte  Hörn  ist  blind,  das  linke  trägt  an  seiner 
unteren  Fläche  den  Eingang  (y)  des  unleren  Dunndam- 
stückes,  dessen  Inhalt  weiss  ist. 

Der  Versuch  durch  Anziehen  von  Innen  zeigt,  dass  sich 
beide  Dünndarmstücke  eine  Strecke  weit  zurückziehen  lassen; 
das  Gekrös  (m)  lässt  sich  nicht  mit  herausziehen,  weil  es 
dort  durch  starke  Vasa  omphalo  -  mosenterica  {h)  mit  den 
Bauchwandungen  verwachsen  ist,  so  dass  keine  Zweifel,  dass 
der  penisartige  Körper  Nichts  als  eine  Dünndarmfistel  ist  mit 
füllhornartiger  doppelter  Ans-  und  Umstülpung  beider  Darm- 
stücke, Fälle,  wie  sie  jeder  Anus  praeternaturalis^  nach 
Brucheinklemmung  oder  Darmverwundung  zeigen  kann. 


für  Qebnrtshülfe  in  Berlin.  247 

Die  rechte  grosse  Blase  (w)  eiUhäll  uiUerhalh  der  Buckel 
in  der  Mittellinie  an  der  Grenze  des  unteren  Drittels  eine 
slecknadelspitzgrosse  (^)  OeiTnung,  die  Mundung  des  rechten 
Harnleiters'),  tiefer  unten  die  stecknadelkopfgrosse  (z),  des 
sonst  viel  voluminöseren  rechten  Eierganges. 

Ihr  glattes  unteres  Drittel  ist  links  zum  Theil  von  dem 
senkrechten  £pidermiswulst  hedeckt,  der  dort  einen  glatten 
4!"  langen  und  hohen  Kanal  enthält,  welcher  unter  der  den 
peuisartigen  Körper  quer  theilenden  Dikindarn^falte  breit  mün- 
det und  im  Innern  keine  ausgeprägte  Structur  erkennen 
lässt. 

£twas  Aehnliches  findet  sich  links,  nur  ist  dit3  mit  Epidermis 
bedeckte  Hautfalte  (x)  siehr  viel  schmäler,  und  deshalb  der 
hier  einen  Zoll  breite,  fast  gleiche  Kanal  sehr  viel  kurzer; 
ausserdem  liegt  hier  dieser  Hautstreif  aussen  von  der  Blase, 
so  dass  er  mit  dem  anderen,  in  den  er  übergeht,  um  linke 
Blase  und  Dünndarm  ein  Oval  beschreibt.  *) 

Der  Eiergang  endet  links  am  unteren  und  inneren  Ende 
der  Blase  (w)  mit  einer  V4  Zoll  langen  Queröffhung  (z)  in 
den  äusseren  Bedeckungen,  wulstförmig  überall  eingefasst, 
ausser  an  seiner  linken  Seite,  hinter  der  der  Kanal  verläuft. 
Der  Harnleiter  mündet  Stecknadel knopfgross  C^)  in  der  Mitte 
des  unteren  Drittels,  das  sehr  faltig  ist,  während  der  obere 
Theü  der  Blase  glatt  ist.  ^) 

Die  Schamheinkörper  stehen  ohne  Bandverbindung  zwei 
Zulle*  weit  auseinander  (s). 

Die  Section  ergiebl,  dass  das  Bückgrat  vollständig  ge- 
schlossen ist,  und  die  blassen  Lungen  vollständig,  vielleicht 
zu  sehr  sich  durch  Athmen  ausgedehnt  haben.  Ausser  dass 
man  alle  Lungenaiveolen  sehr  deutlich  erkennt,  findet  man 
wenigstens  am  rechten  unteren  Lappen  zwischen  den  Läpp- 
chen eine  Luftblase  von  der  halben  Grösse  des  Kleinßnger- 
nageis  an  dem  sonst  ganz    frischen  Leichnam,    welche  nicht 

1)  Hierdurch  ist  die  8oode  auf  Fig.  3.  in  den  innen  aufge- 
schnittenen Harnleiter  geführt. 

2)  Durch  beide  Kanüle  ist  in  Fig.  "2.  eine  gerade  Sonde 
{geführt. 

3)  Die  Sonde  in  Fig.  1.  ist  durch  seine  Oeffnnng  in  den 
aufgeschnittenen  linken   Harnleiter  gebracht. 


248  ^^-    VerhfiBdliingen  der  OoselUcbaft 

wie  FSulnissblasen   ober  das  Niveau  der  Lunge  hervorragt 
Die  Leber  hat  nichts  Ungewöhnliches. 

Der  Magen  (/)  zeigt  Spuren  von  grossem  Netz  (g)  au 
der  grossen  Curvatur;  die  vier  Lig.  colica  fehlen. 

Das  Lig.  duodeno-renale  ist  nur  unbedeutend ,  und  geht 
am  Zwölffingerdarm  gegen  den  hintern  Leberrand  vor  der  €afa 
vorbei,  längs  der  ein  anderes  faltenartiges  fraes  Uganieat 
am  hinleren  Leberrande  {h)  hinablaufL  ^)  Aussen  von  dem- 
selben liegt  ein  fingernagelgrosser  flacher  Körper,  der  ioi 
Durchschnitte  eine  grosse  Höhle  mit  blutiger  Flüssigkeit  ein- 
schliesst  und  der  Nebenniere  (Z)  entspricht 

Zwischen  diesen  drei  Bändern  ist  das  über  federkieldicke 
Wimlow^eche  Loch  zu  sehen.  Die  hineingeführte  Sonde 
liegt  hinter  dem  Magen  olTen  da,  wenn  man  ihn  aufhebt,  wo- 
durch das  Pancreas  (p)  zum  Vorscheine  kommt 

In  Folge  der  Länge  des  Lig.  duodeno-renale  habeu 
sämmtliche  zahlreiche  Darmschlingen  (t)  ein  Gekröse  (m), 
welches  mehr  weniger  lang  ist.  Geht  man  sie  durch,  so 
sieht  man  das  Ende  in  die  obere  Oeffnung  des  äusseren 
Afters  treten,  begleitet  zuletzt  von  einem  zweiten  Dänndarm- 
stück  von  gleichem  Aussehen,  das  in  die  untere  Mündung 
sich  verliert,  während  sein  anderes  finde  umbiegt  und  etwas 
hinabgeht,  um  oberhalb  der  Linea  innominata  blind  zu  enden. 
Alle  drei  Dünndarmstücke  liegen  hinter  einander '  in  einer 
und  derselben  Gegend  der  Gekrösfalte,  welche  zwischen  die 
beiden  vorgefallenen  Darmstücke  mit  nach  aussen  gezo- 
gen ist. 

Die  Gefasse  und  Drüsen  des  Gekröses  befinden  skb 
zwischen  den  beiden  Dünndarmstücken,  welche  sich  nach 
aussen  öffnen.  Das  blinde  liegt  in  einem  Theile  der  senkrechten 
Gekrösplatte,  die  sich  von  da  gefasslos  fort  hinab  erstreckt  im 
Ligamentum  intestinorenale  und  sich  dann  rechts  über  das 
kleine  Becken  (die  rechte  Niere  (r)),  links  über  den  linken 
Uterus  (n)  ausbreitet 

Da  sonst  keine  Darmtheile  vorhanden,  so  besteht  hier 
also  ein  Defeclus  ani,  recti ,  coli,  coeci  et  processus  vermi- 
formis.    Daraus   folgt,    dass   wir   es  mit  einem  angeborenen 

1)  Man  vergl.  Fig.  3. 


für  Gebnrtflhnlfe  In  Berlin.  249 

^'Nabelafter,  durch  d(>n  sich  beide  Dünndarmstncke  fullhorn- 
artig  gestülpt,  zu  tliun  haben. 

Unterhalb  des  Lig.  gastroNenale  findet  sich  die  linke 
Niere  (r)  mit  schönem  Harnsäureinfarkt.  Der  normale  Harn- 
leiter (tt)  geht  dicht  längs  der  Gekrösfalte  2"  hinab,  dann 
hinter  dem  linken  Uterus  (n)  entlang,  umgeht  ihn  dicht  von 
aussen  im  Bauchfelluberzuge  der'  Bauchdecken  aufsteigend,  um 
nach  einem  Verlaufe  von  ungefähr  drei  Zollen  in  der  oberen 
Oeffnung  der  linken  Blase  (w)  zu  enden. 

Vor  ihm  liegt  der  linke  Eiergang  mit  seinen  Abtheilun- 
gen, dem  Verlaufe  der  ungenannten  Linie  sich  anschmiegend, 
dem  ein  gleicher  andererseits  entspricht. 

Unter  der  rechten  Nebenniere  findet  sich  keine  rechte 
Niere.  Dieselbe  liegt  wie  ein  runder  Kuchen  im  kleinen 
Becken,  das  sie  vollständig  ausfüllt,  äusserlich  vom  Bauch- 
felle, darunter  von  ihrer  Kapsel  überzogen.  Der  Hilus  findet 
sich  in  der  Mitte  ihrer  unteren  Fläche.  Indem  nämlich  die 
Aorta  descendens  sich,  ohne  sich  viel  zu  verjüngen,  in  die 
eine  Art.  umbilicalis  dextra  (a)  fortsetzt,  giebt  si^  links  dem 
Promontorium  entsprechend  eine  feine  Art.  iliaca  comm.  sin. 
(0)  ab,  und  dann  eine  viel  stärkere  Arterie,  die  nach  Art 
etwa  der  Art.  sacralis  media  (d))  senkrecht  hinab  geht  und 
in  den  Hilus  renis  eintritt  (drei  Zoll  beträgt  die  Entfernung 
vom  Abgang  der  Renalis  bis  zum  Durchtritt  durch  die  Nabel- 
platte). Nach  unten  geht  aus  dem  Hilus  der  linke  Harnleiter 
hervor  (u),  der  sich  hinter  und  um  den  rechten  Eiergang  in 
den  Bauchdecken  emporwendet  und  in  die  obere  OefTifkung 
der  rechten  Blase  mündet,  nach  einem  Verlaufe  von  etwa 
1%  Zoll  Länge. 

Zu  bemerken  ist  nun  noch  schliesslich,  worauf  ich  Sie 
besonders  zu  achten  bitte,  dass  weder  innerlich  noch  äusser- 
lich eine  Andeutung  von  Entzündungen  (Verklebungen,  Trü- 
bungen am  Bauchfelle)  oder  von  Zerreissuugeu  (weder  frischen 
noch  alten)  oder  endlich  von  Callusmassen  oder  Narben  auf- 
gefunden werden  konnte.  Nirgends  eine  Spur  eines  irrita- 
tiven  Vorganges. 

Es  ergaben  sich  danach  bei  einem  fast  reifen  Kinde, 
welches  einige  Zeit  ausgiebig  geathmet  haben  muss,  mehrere 


250  .  XV.    Verhandlungen  deV  Gesellschaft 

sehr  aufTallende  und  ganz  einzig  dastehende  Eingenthnmlich- 
keiten.  Zunächst  haben  wir  hier  also  eine  ganz  Tollkom- 
mene  getrennte  Duplicitat  dei'  Eier-  und  Harngänge  mit  voll- 
ständiger Trennung  der  beiden  Hälften  durch  eine  Gekrösfalt«, 
in  der  Art ,  dass  die  beiden  rechten  Gänge  gemeiosam  auf 
der  affenen  Blase  mönden,  während  die  linken  ganz  geson- 
dert sind.  Der  linke  Harngang  mundet  in  die  linke  Blase, 
der  Eiergang  darunter  in  der  Haut. 

Beide  Hälften  sind  äusserlich  durch  einen  Epidermiswuist 
sowie  eine  bis  gegen  das  Steissbein  verlaufende  angeborene 
Darmspalte  getrennt,  wogegen  die  zugehörige  Gekrösfalte  innen 
der  Art  den  ganzen  Unterleib  in  zwei  Theile  theilt,  die  rechte 
Niere  den  Grund  des  Beckens  ausfüllt,  dass  das  Zusammen- 
kommen der  zwei  Harn-  und  Eiergänge  unmöglich  ist. 
Dies  mag  die  Ursache  sein,  dass  sich  hier ^  zwei  voliständii; 
gelrennte  Blasen  finden,  welche  beide  wieder  ,, gespalten*'  im 
Sinne  der  Embryologie  d.  b.  offen  sind.  Der  Grund  davon 
wird  bei  dem  Mangel  jedes  irritativen  Vorganges  die  Ausfoi- 
lung  des  kleinen  Reckens  mit  der  Niere  sein,  welche  die  Bil- 
dung einer  (oder  zweier)  Harnröhren  und  damit  das  Zu- 
standekommen der  zweiten  fötalen  Harnexcrelionsperiode  ver- 
hindert hat. 

Die  Darmspalte  ist  sehr  umfangreich,  stellt  jedoch  auch 
Nichts  als  die  Persistenz  des  ursprünglichen  Dottergangps  ') 
(Ductus  omphaloentericus  s.  vilello  -  intestinalis)  mit  Vorfall 
zweier  Darmschlingen  dar.  Das  untere  Darmstuck  ist  auf- 
fallend kurz,  indem  es  sich  gar  nicht  weiter  zum  Dickflarro 
entwickelt  hat.  Ausserdem  findet  sich  auch  hier,  wi«'  so 
oft  bei  der  angeborenen  Darmspalte,  ein  Defecl  des  Mast- 
darms, muthmasslich  auch  in  Folge  der  abnormen  Lage  der 
rechten  Niere. 

Da  sich  nirgends  eine  Spur  von  Verletzung  oder  Ent- 
zündung  zeigt,    kann   die    ganze  Missbildung   nur   auf  einer 


1)  Am  28.  März  1863  wurde  ein  iir  der  Agone  fast  «»chon 
befindliches  Kind  nach  Bethnnien  gebracht,  das  am  24.  Febrnir 
geboren  war,  mit  einer  Dottergangfistel ;  am  andern  Morgen  »tarb 
CS.  Bei  setner  Aufnahme  war  jedes  der  zwei  nrngestnlpten  vor- 
gefallenen aufgerollten  Darmitücke  einen  Puss  lang. 


für  Gebartahülfe  in  Berlin.  •      251 

Störung  der  Entwickelung  heruheo.  Der  Grund  derselben 
mochte  in  der  rechten  Niere  zu  suchen  sein,  welche  durch 
ihre  abnorme  Lage  die  Entstehung  der  After-  und  Harnroh- 
reneinstulpung  an  ihrem  natörJichen  Orte  und  die  Verschmel- 
zung der  Harn-  und  Eiergänge  verhindert  hat.  Die  Folge 
war  einerseits  die  Duplicität  dieser  Bildungen,  andererseits 
die  Persistenz  der  Nahelöflnungen. 

Diese  abnorme  Lage  ist  weder  Folge  eines  ,,Wandern8 
der  Niere"* noch  eines  irritativen  Prozesses,  sondern  eine  in 
Bezug  auf  den  Ort  irrende  Entwickelung,  indem  sich  hier  die 
definitive  Niere  statt  am  olieren  an  dem  unteren  Ende  der 
Urniere  entwickelt  hat. 

Das  Fehlen  der  *  einen  Nabelarterie  ist  ein  ebenso  häu- 
figer als  belangloser  Bildungsfetiler ;  Vrolik  hat  sie  ja  selbst 
bei  einem  sonst  ganz  wohlgehildeten  Kinde  gefunden  ^). 

Die  zwei  senkrecht  durchbohrten  Haut  falten  werden  sich 
dadurch  erklären,  dass  die  seröse  untere  VereinigungshauU 
Eaihke*8  *)  Membrana  reuniens  inferior,  welche  vor  der  Ent- 
wickelung des  Haut-  und  Muskelsysleins  die  Leiheshöhle 
schliesst,  die  Decke  aller  Harnstrangfistein,  offener  Blasen  und 
persistenter  Allantoiden  bilden  wird,  wie  sie  in  die  Scheide 
des  Nabelstranges  übergeht,  und  bei  einigen  Fischen  als  Na- 
belsack sogar  den  ganzen  Doltersack  überzieht;  später  aber 
geht  sie  schon  vor  oder  bei  der  Geburt  in  Folge  der  Atrophie 
ihrer  Gelasse  (Verzweigung  der  Nabelvene)  zu  .Grunde,  da  sie 
ohnedem  die  Entbindung  hindern  würde.  Da  wo  der  Harn- 
druck stärker,  berühren  sich  die  Blasen,  so  das.s  sie.  keine 
solidere  Bildung  dazwischen  zu  Stande  kommen  lassen;  wo 
er  schwächer^  bilden  sich  an  ihr  die  Bauchdecken  (Bauch- 
platten)  wie  gewöhnlich,  also  rund  um  die  offenen  Blasen 
und  hier,  wo  zwei  sind,  auch  dazwischen.  Diese  Zwischen- 
bildung   wird    in   Folge  der  Hinfälligkeit  der  unteren  Verbin- 


1)  Abgebildet  in  Tnbalae  ad  illnstrandum  embryogenesin 
hominis  et  mamroaliam  Buctore  W,  Vrolik.  Am^ttelodami  apud 
Lonilonk.     4.  1«49.  Tab.  20.   Fig.  2. 

2)  Vergl.  Entwickelnngsgescbichte  dir  Natter.  Königsberg, 
bei  Borntrapr^^r.  1839.  4.  §.  29.  p.  60—65.  nnd  Zur  Entwicke- 
Inngsijeschicbte  der  Thiere,  eine  Bemerkung  von  H.  Batkke  in 
Mmier'a  Archiv.   1838.  Hft.  IV.  p.  361. 


252  X^-    VerhHDdlangen  der  Gesellschaft 

duDgshaut  als  eine  Leiste,  und  da,  wo  die  beiden  kugelför- 
migen Blasen  zusammenstiessen  und  sich  so  beruhiteD,  das« 
es  nicht  zu  einer  solideren  Bildung  kommen  konnte,  wie  ein 
Bröckenbogen  stehen  bleiben.  Ich  habe  in  der  Literatur  kei- 
nen Fall  gefunden,  der  durch  eine  ähnliche  Bildung  mdir 
Licht  auf  diese  Eigenthumlichkeit  unseres  Falles  würfe. 

Jedenfalls  macht  dieser  Umstand,  die  abnorme  Lage  der 
Niere,  die  vollständige  Duplicität  der  Harn-  und  Eiergange, 
wodurch  wir  es  hier  mit  einer  doppelten  weiten,  offenen.  Blase 
zu  thun  haben,  diesen  Fall  zu  einem  der  merkwürdigsten 
angeborener  Bildungsstörung. 

Ein  abnormer  Tiefstand  der  Niere  ist  schon  oft  be- 
merkt; Meckd  kannte  ein  Dutzend  Fälle.  Auffallend  isl  hier 
nur  der  hohe  Grad,  indem  sie,  statt  wie  gewöhnlich,  am  Pro- 
montorium zu  liegen,  platt  das  ganze  kleine  Becken  aui^fällt, 
sowie  der  Umstand,  dass  der  Harpleiter  an  ihrer  unteren 
Seite  einmündet,  was  Meckel  an  seinen  zwölf  Fällen  nur  ein- 
mal bei  Eußtach  ')  fand. 

Die  voUsländige  Duplicität  der  Eiergänge  ist  selten,  aber 
schon  der  Fall,  den  jungst  Herr  i^artin  zeigte,  der,  den  ich 
der  Gesellschaft  neulich  vorlegte,  beweisen,  dass  sie  nicht 
so  gar  selten  sein  kann. 

Am  seltensten,  von  manchen  Seiten  sogar  mit  Unrecht 
bestritten,  findet  man  an  den  Theilen  des  Urogenitalapparates 
die  Duplicität  an  der  Blase  ausgesprochen,  weil  dieselbe,  wie 
man  in  der  Regel  annimmt,  sich  für  sich  und  aus  t*inem 
unpaarigen  Organe,  der  AUantois,  entwickelt 

Fälle  jedoch,  wie  der  von  Testa^)^  der  die  Blase  innen 
durch  eine  Scheidewand  vollständig  in  zwei  Theile  gel  heilt 
fand ;  von  Oerardus  Blasius  *),  der  bei  der  Section  eines 
erwachsenen  Mannes  zwei  Blasen  nur  verklebt  und  Selbst 
äusserlich    schon   durch  eine  Rinne  getheilt  sah;    von  Isaac 

1)  Journal  für  anatomische  Varietäten,  feinere  und  ptitho- 
logische  Anatomie  von  PK  F.  Meckel.  Halle,  bei  Trompeus.  8. 
1805.     Abhandlung  über  die  Varietäten  des  Harnsystems. 

2)  Meckel,  path.  Anatomie.     Bd.  I. 

3)  Gerardi  Bltuii,  observationes  medicae  rariores.  Amate- 
lodami  1677.  p.  59.  Obs.  XIX.  « 


für  Gebartshtilfe  in  Berlin.  263 

GixtUer  ^) ,  bei  dessen  15  Tage  alt  gewordenem  Kinde  beide 
Blasen  einen  Finger  breit  durcb  den  Mastdarm  von  einander 
getrennt  lagen ;  von  Sömmertng  ^)  endlich,  der  auch  an  der 
Leiche  eines  Kindes  von  zwei  Monaten  zwei  Blasen  fand  — 
alle    solche    Fälle ')  zeigen ,    dass    selbst    dies    Organ ,    wie 


1)  liaaci  Cattieri,  obseryationes  medioinales  P$iro  BoreUo 
commanicatae  Prancofnrti  1670.  Obs.  20.  p.  86.  in  Petri  BoreUi 
Histor.  et  Observ.  Cent.  IV. 

2}  Vergl.  MeduH^  path.  Anat   Bd.  I. 

8)  FäUchlich  mit  angesogen  wird  ein  Fall,  den  Ttnon  ge- 
nauer nntersncbt  hat  (M^m.  de  Tacad.  des  sciences  de  Paris 
1768.  p.  48.  N.  II.).  Die  Blase  war  durch  eine  Wand  getheilt, 
welche  in  ihrer  Mitte  durchbohrt  war;  bei  genauerer  Beobachtung 
zeigte  sich,  dass  die  grossen  Abtheilnngen  nur  aus  Schleimhant- 
ausstülpnngen  zwischen  die  Maschen  des  fleischigen  Geflechts 
bestanden  und  bei  der  75  Jahre  alten  Frau  durch  die  die  letzten 
drei  Monate  totale  BlasenlKhmung  (Harnverhaltung)  hervorge- 
bracht waren,  wie  sich  nach  Tenon  gar  viele  der  Xlteren  Beob- 
achtungen über  Doppelheit  der  Blase  so  nur  als  scheinbare  zei- 
gen sollen. 

In  der  That  ist  auch  der  Befund  an  der  Leiche  von  Ca- 
aaubonu9  so  zu  deuten,  dessen  Veiiica  duplex  immer  citirt  wird 
und  nur  in  einer  Absacknng  um  einen  grossen  Harnstein  beruhte 
(vergl.  Johannis  Riolani  filii  Anthropographia.  Parisiis.  4.  1626. 
pag.  247.). 

Bauhins  Fall  stellt  eben  so  nur  ein  durchbohrtes  Septum 
dar.  (Vergl.  Johannia  Veslingitj  Sjntagma  auatomicum  illustra- 
tnm  commentario  a  Gerardo  Blaaio  Trajecti  ad  Rhenum.  4.  1696. 
Cap.  V.  p.  81.  in  commentario.) 

Nicht  hergehörig  ist  ferner  der  Fall,  dass  scheinbar  zwei 
Blasen  sich  beide  mit  Harn  fUllten,  aber  nur  in  eine  derselben 
an  der  Leiohe  die  Harnleiter  einmündeten,  wie  es  endlich  Gentrd 
Bliuiu»  an  der  Leiche  einer  Kuh  {Johannit  VeMigü  Syntagma 
p.  81.)  fand. 

Aehnlich  sollte  nach  Biolan  der  viel  citirte  Fall  von  Vol- 
eheru»  Coiter  sein,  was  jedoch,  wie  Ifor^a^i  nachweist,  nur  auf 
einem  durch  Tradition  verschleppten  Versehen  bernht,  indem 
Coiter'»  Mädchen  scheinbar  zwei  Blasen,  in  der  That  (wie  aus 
dem  von  Morgagni  angefahrten  Text  {Morgagni  de  sedib.  et  cans. 
morbor.  Bd.  III.  £p.  42.  art.  .32.)  hervorgeht)  jedoch  nur  eine 
hatte  und  daneben  eine  hydropische  Cyste. 

Ob  dagegen  der  dort  angeführte  Fall  von  MoUneUus  stich- 
halti)^er  ist,    der    ,in  muliere  publice  ostendit  quinqne,   totidem 


254  ^^'    Verh&ndlnngeii  der  Gesellschaft 

alle  änderet^  m  der  Miltellioie  des  Körpers,  paarig  Torkem- 
inen,  sich  für  jeden  Harnleiler  gesondert  ausbUden  kann. 
Eine  Beobachtung  von  Reichert  am  Vogelei  giebt  dafür  wohl 
eine  Erklärung. 

renibns,  sex  autem  ureteribns  praedita,  qnorum  bini  id  majorem 
qaatuor  reliqui  siDgali  in  singulas  minores  vesicas  inserebantar, 
qaae  per  sing^nlares  tnbulos  in  majorem  lotinm  mittebant*'  —  mns« 
ioh  dahin  gestellt  sein  lassen,  da  es  nicht  unmöglich  wäre,  das» 
hier  nur  mehrfache  und  theilweise  sackig  erweiterte  Harnleiter 
die  Missbildnng  ausgemacht,  was  ein  nicht  gerade  seltenes  Vor- 
kommen. 

Während  die  soweit  besprochenen  Fälle  von  Vesica  duplex 
Nichts  als  Blasentaschen,  merkwürdig  ausgeweitete  Blasendiver- 
tikel  darstellen,  findet  sich  in  anderen  F^ällen  die  scheinbare 
Doppelheit  dadurch  hergestellt,  dass  im  Grund  der  Blase  ein 
zweiter  oft  nur  durch  feine  Oeffnung  zusammenhängender  Sack 
sich  befindet,  welcher  gegen  den  Nabel  aufsteigt  und  wie  bei 
den  früher  besprochenen  Fällen  von  Atresia  urethrae  cystica  mnth- 
masslich  Nichts  als  eine  Dilatation  des  Urachus  darstellt.  Dies 
erachtet  Ruytchf  der  diese  Form  zuerst  beschrieben  zu  fanben 
scheint,  für  um  so  wahrscheinlicher,  als  sie  ihm  nur  bei  Tbieren 
(Quadrupeden)  vorgekommen  sei.  Denn  deren  Urachus  sei  ja 
durchgängig,  der  menschliche  Kolid.  —  Genuinam  vesicam  urioa- 
riam  in  corpore  humano  nunquam  reperi  —  (cf.  Ruysck  Obser- 
vationum  anatomicarum  et  chirurgicarum  Centuria.  Amstelodami 
1691.    4.    Observ.    8.    Vesica  ovilla  quasi  in  duas  partes  divisa^j 

Beim  Menschen  freilich  macht  die  Beobachtung  von  Anion 
Portal  diese  Ansicht  fiir  die  Mehrzahl  trotz  der  Lage  zweifelhaft. 
Er  sah  einen  Mann  von  45  Jahren  auf  den  Bauch  fallen,  der  in 
Folge  dessen  sofort  Harnabfluss  aus  dem  Nabel  bekam.  Nach- 
dem er  bald  darauf  gestorben ,  fand  sich  seine  Blase  contrahirt 
uad  sichtlich  schon  lange  erkrankt.  Nach  oben  ging  eine  nnr 
von  der  Sehleimhaut  bekleidete  Tasche ,  die  zwischen  den  Bla- 
senmuskelbündeln  eine  Hernie  bildete,  gegen  den  Nabel  hinauf, 
und  bildete  die  abnorme  Fistel,  welche  in  ihrer  vorderen  FlScbe 
von  dem  sehnigen  Urachus  bedeckt  sich  fand. 

Ganz  ähnlich  ist  der  Kall  eines  Steinkranken  von  Sabalier, 
der  nach  Harnverhaltung  einen  Banchabscess  and  eine  Fistel 
dicht  am  Urachus  bekam.  (Cf.  Trait^  d*anatomie.  Paris.  JI.  Bd. 
1781.  T.  III.  p.  472.) 

So  sieht  man,  dass  die  meisten  Fälle  von  doppelter  Blase, 
wie  die  Fälle  von  erworbenen  Nabelharnfisteln  und  der  soge- 
nannten Lapides  tunicati  auf  demselben  Process  beruhen,  der 
allun  Harnabsoessen  und  Fisteln  zu  Grunde  liegt,  der  Blasen- 
taschenbildung  (Hernia  tunicae  Tesicae  internae  Portal). 


für  Qebartshalfe  in  Berlin.  255 

Ebenso  auffallend  als  die  Doppelbildung  ist  aber  der  Um- 
stand, dass  sich  in  unserem  Falle  überhaupt  eine  Blase  fiiidet, 
da  hier  doch  der  ganze  Dickdarm  fehlt,  und  der  unterste 
Rest  des  Dünndarms  den  Blasen  so  fern  liegt,  als  es  nur 
immer  möglich  ist.  £s  mochte  dieser  Uinsiand  gerade  so 
wie  die  Fälle  von  angeborenem  Blasenverschlusse  in  der  Scheide 
bei  Frauen  (Cabrol,  Huxhanij  Oberteuffer)  dafür  sprechen, 
dass  sich  die  Blase  mehr  am  Darm  bildet  und  höhlt,  als 
durch  eine  Ausstülpung  des  Darms  zu  Stande  kommt,  so 
dass  sie  also  eigentlich  gar  nichts  mit  ihm  zu  thun  hat. 

Nach  Reichert  verwächst  ja  die  Allantois,  noch  ehe  sie 
hohl  ist,  aus  zwei  soliden  Zellenanhäufungea ,  die  dicht  am 
Wolff'^d\e,i\  Körper  hegen  (bei»)  Vogelei)  *). 

Das  Zustandekomnien  der  Umstülpung  beider  Blasen  muss 
man  sich  vorstellen,  wie  bei  einer;  durch  ein  Hinderniss  für 
den  Uebergang  des  Fötus  aus  seiner  ersten  in  seine  zweite 
Harnexcretionsperiode.  Die  abnorme  Lage  der  Niere  verhin- 
derte das  Zustandekonunen  ^er  Harnröhre,  wie  es  das  Zu- 
sammenfliessen  der  Harnwege  unmöglich  gemacht  hat.  In 
Folge  dessen  wurde«  die  Bildung  und  Verwachsung  des  Harn- 
Stranges  durch  die  Stauung  des  Harnes  hi^tenangehalten, 
oder  vielmehr  der  zwei  Urachi,  wie  die  Doppelheit  der 
Blase  sie  nothwendig  gemacht  hätte. 

Wegen  dieser  ausgesprochenen  Duplicität  und  Inversion, 
der  Harnstränge  bis  in  den  Nabel  steht  der  Fall  einzig  bis 
jetzt  da. 

Am  ähnlichsten  und  des  Vergleichs  wegen  von  Interesse 
ist  ein  Fall  von  Petit  ''^),  der,  allerdings  anders  aufgel'asst,  in 
manchen  Stücken  nicht  ausreichend  genug  beschrieben  ist, 
um  entscheiden  zu  können,  ob  es  sich,  wie  es  scheint,  dabei 
auch  um  eine  Inversio  vesicae  duphcis  congenita  gehandelt  hat. 

Es  betri£fl  ein  Zwillingskind,  welches,  rechtzeitig  gekom- 
men, nach  vier  Stunden  starb,  während  der  Genoss  vollstän- 
dig gesund. 

1)  Joh.  Müller,  Physiologie  des  Menschen.   1840.  II.  698. 

2)  D^ecription  d'un  foetus  difforine  in  M^moires  de  Taca- 
demii!  royale  des  sciences.     Annee  1716.  p.  82.  Paris.  4. 


266  X^-    Verhandlnn^eü  der  Oesellsehaft 

Ausser  unbedeutenden  Abnormitäten  (der  linke  Schenkel 
war  grösser  als  der  rechte;  dessen  ersiere  und  zweite  Zehe 
▼erwachsen  war;  die  Nabelvene  verlief  in  einen  Spait  ober- 
halb der  Leber;  der  Hagen  lag  rechts  neben  der  rechten 
Niere;  es  fand  sich  nur  eine  starke  Nabelarterie  — ) 
fehlten  die  Geschlechtsdrüsen;  das  Steissbein  war  nach 
vorn  gewölbt,  so  dass  seine  Spitze  oberhalb  der  Scham- 
fuge  stand  und  keine  Beckenböhlung  vorhanden  war.  An 
der  Spitze  des  Steissbeins  und  der  Schamfuge  war  ein  di- 
torisartiger  Körper,  der  einen  blinden  Kanal  enthielt,  be- 
festigt. Eine  Harnröhren-  oder  Afteröihiung  fehlten  dahinter; 
darüber  jedoch  war  der  Leib  thalergross  bis  zum  Schwert- 
fortsatz offen.  Von  zwei  Afleröffnungen  in  der  Mitte  ging 
die  rechte  in  das '  Magenende  der  prallen  Dünndärme,  die 
linke  in  ein  kurzes  Darmstück  mit  zwei  wurmförmigen  An- 
'hängen  am  Ende  und  etwas  Schleim  im  Innern.  Sonst  ent- 
hielt die  Bauchhöhle  keinen  Darm.  Neben  dieser  Darmspalte 
bemerkte  er  jederseits  noch  einen  Darm  (boyau),  in  den  er 
bei  weiterem  Präpariren  den  Harnleiter  jederseits  endend 
fand.  An  seiner  weitesten  Stelle  hatte  der  linke  24  Linien 
im  Durchmesser.  An  den  Nieren  war  der  linke  zwei  Linien 
dick  auf  eine  Länge  von  vier,  dann  wurde  er  bis  ^4  dönn 
auf  sechs  Linien  Länge.  Der  rechte  war  die  Hälfte  weniger 
dick  und  endete  ebenso  mit  einem  feinen  Kanal. 

Beide  münden  vier  Linien  ab  von  der  Darmspalte,  auf 
ihrer  halben  Höhe.  „Urachus  und  Blase  seien  nicht  vorhan- 
den gewesen.** 

Soweit  man  aus  dieser  unvollkommenen  Beschreibung 
schiiessen  kann,  endeten  zwei  normale  („für  Schweinsborsten 
durchgängige")  Harnleiter  in  zwei  weite  („darmähnliche**) 
Blasen,  die  also  in  diesem  Falle  auch  ziemlich  weit  von  ein- 
ander lagen. 

Die  Ursache  der  Duplicitäl  der.  Hamstrangumsinlpung 
war  hier  ebenso  eine  abnorme  Ausfüllung  des  kleinen  Beckens,  die 
jedoch  nicht  von  einer  Niere,  sondern  vom  heiligen  Beine 
zu  Stande  gebracht  war,  und  die  Atresia  ani  et  uretln*ae 
umbilicalis  veranlasst  hatte. 

Ebenso   bot   vielleicht   folgender   Fall   eine  Aehnliclikeit 


för  Gebnrtghülfe  in  Berlin.  257 

dar,  dessen  Beschreibung  fAttre  ^)  1709  in  der  königl  Aca- 
demie  in  Paris  vortrug. 

Das  Kind  war  bei  kurzer  Nabelschnur  durch  vorzeitige 
Lösung  der  Placenta  zu  Grunde  gegangen.  £s  fand  sich  am 
Os  sacrum  ein  gestielter  Hydrorrhachissack.  Es  fehlte  der  Dick- 
darm, der  Dünndarm  communicirte  mit  dem  Nabel. 

Eine  Nabelarterie  fehlte,  die  Vene  ging  in  die  linke 
Leiste,  von  da  längs  der  Wirbelsäule  mit  Aufnahme  der  Ilia- 
cae  in  den  Truncus  superior  venae  cavae. 

Prostata,  Samenblasen,  Vorhaut,  Scrotum  fehlten,  die 
Testikel  lagen  noch  in  der  Bauchhöhle.  • 

Von  den  Harnleitern,  die  beide  in  einem  Gekröse  lagen, 
war  der  linke  ein  Drittel  grösser  als  der  rechte,  und  mün> 
dele  in  eine  T"  lange,  4"'  breite  Blase,  in  die  auch  der  linke 
Samengang  endete.  Ihr  Hals  mündete  IV2'"  stark  3'"  ober- 
halb des  linken  Schambeins,  das  vom  rechten  2Va  Zoll  klafile. 

Der  rechte  Harnleiter  öiliicte  sich  4!"  oberhalb  des  reclilen 
Schambeins  (lang  IV2'"»  ^^*^^^  ^W")  ""^  nahm  drei  Linien 
von  der  Mündung  den  rechten  Samengang  auf. 

Unter  diesen  Mundungen  fand  sich  der  9"'  lange,  4"' 
dicke  Penis,  dessen  Glans  nicht  durchbohrt  war,  mit  zwei 
Corppra  cavernosa  und  Urethra. 

Daraus,  dass  bei  Einspritzungen  etwas  Vif^asser  in  der 
linken  Blase  blieb,  dasselbe  aus  der  rechten  Oetfnung  gleich 
abOoss,  schloss  er,  dass  links  ein  Sphinkter  sei,  rechts  kei- 
ner, und  glaubte,  dass  links  eine  Blase  sei,  rechts  der  Harn- 
leiter in  die  Bauchdecken  münde.  Dass  dieser  Versuch  nichts 
beweist,  und  blos  von  ungleicher  Capacität,  ungleichem  Drucke 
abhängen  konnte,  liegt  auf  der  Hand;  so  dass  es  immerhin, 
wenn  auch  unsicher,  doch  leicht  möglich  wäre,  dass  hier  ein 
Fall  von  doppelter  Blase  vorlag. 

Dies  sind  die  einzigen  Fälle,  die  ich  in  der  Literatur 
gefunden,  und  die,  soweit  es  aus  der  unzureichenden  Be- 
schreibung zu  entnehmen,  vielleicht  dem  vorliegenden  ähnelten. 

Betrachtet  man   ihn   näher,    so  zeigt  sich,    dass  er  die 


1)  Snr  nn  f^tus  humain  inonstrneux.    M^m.  de  TAcad.  royale 
des  sciences  ann.  1709.     p.  9. 
MonatRflcbr.  f.  Oeburtflk.  1866.  Bd.  XXVI..    Uft  4.  17 


258  ^^*    Verhandlnn^en  der  Gesellschaft 

auch  sonst  schwach  begründet^  Theorie  der  KJoakbildung 
von  Meckel  ^)  und  der  Blasenexstrophie  von  Velpeau  m- 
derlegt« 

Jüngst  habe  ich  ausführlich  erörtert,  wie  die  Hanisecr«- 
tion  schon  in  den  frühesten  Zeiten  bei  der  Fracht  im  Gange 
ist;  wie  der  Harn  die  ersten  Wochen  durch  den  Nabe)  ab- 
fliesst,  bis  die  Harnröhrenbildung  zu  Stande  kommt 

Wir  sahen,  wie  eine  Störung  in  der  Bildung  der  Ham- 
röhrenstücke  entweder  eine  abweichende  Ausmündung  des 
inneren  zur  Folge  hat  (auf  welche  Weise  sich  leicht  die  Bil- 
dung der  gewöhnlichen  Art  von  Hypospadie ,  sowie  der  so 
seltenen  Fdiie  wahrer  Epispadie*^)  erklärt)  oder  eine  tödüiche 
Harnstauung  (Atresia  ur^thrae  cystica),  oder  endlich  ein  Offea- 
bleiben  der  naturlichen  Ventile  nach  sich  zieht  (Persistenz 
der  Nabel-  und  Darmcommunication). 

Die  Persistenz  des  Harnstranges  ergab  sich  als  die  natür- 
lichste Folge  einer  nicht  gerathenen  Harnröhrenbildung.  Die 
Urachusfistel  hat  dabei  eine  sehr  verschiedene  Stärke,  ab- 
hängig muthmasslich  von  der  verschiedenen  Stärke  des  Ham- 
druckes;  bald  haarfein,  nimmt  sie  bald  den  ganzen  Unterleib 


1)  Die  im  Encyclopädischen  Wörterbuch  der  medicinischen 
Wissenschaften  herausgegeben  von  Professoren  der  Berliner  Fa- 
cnltät  (1884.  Bd.  II.  pag.  651.  Art.  Ezstrophie)  selbst  gegen  Jo- 
hanne$  Müller  mit  Energie  aufrecht  erhalten  wurde. 

2)  Der  Defectns  urethrae  externüs  (Imperforation  der  Eichel) 
falls  die  Eichel  überhaupt  nicht  ganz  verkrüppelt  bei  der  Di*- 
location  ihres  Corpus  cavernosum  urothrae  ist,  wie  sie  in  der  be- 
kannten Abbildung  von  Ruysch  zu  sehen  ist,  wird  in  manchen 
der  von  Baum  (Dissertatio  de  urethrae  virilis  fissuris  congenitis 
speciatim  vero  de  epispadia  1822.  Berolini.  4.)  gesammelten  Be- 
obachtungen ausdrücklich  erwähnt  (3,  6,  7,  9  die  Falle  von 
JordenSf  Gianella^  SetdUtus,  Oberteuffer).  Ausserdem  beschreibt 
Breschet  ganz  bestimmt,  dass  die  Eichel  iniperforirt  und  die  Haro- 
röhre  geschlossen  bei  seinem  Falle.  Vergl.  Artikel  Epispadiss 
im  Dictionn.  des  sciences  medicales.  Paris  1816.  T.  12.  Man 
vergleiche  über  diese  Ricfatnngsäbweichnng  der  Harnröhre  liidüre 
Qeoffroy  St.  Hilaire  in  Traitd 'de  Teratologie.  Paris.  Bailli^re. 
1832.  T.  I.  p.  507.  Für  diese  Fälle  ist  der  Name  Episparfi?. 
wenn  man  ihn  wörtlich  nimmt  {ifCLöfccca)) ,  treffender  als  sein  Kr- 
ßnder  glaubt,  jedenfalls  besser  und  richtiger  als  die  verbesec-^ 
Auflage,  Epidiast^matocaulie. 


für  GebnrUhalfe  in  Berlin.  259 

ein,  ein  Zustand,  den  Meckelf  Bla&enspalie  nannte,  und  der 
durch  Complication  mit  Hülfe  der  Bauchpresse  die  bekannten 
Formen  offener  Blase  mit  Umstölpung  (Inversio),  Vorfall 
(Prolapsus)  und  Hernienbildung  durch  die  hintere  Wand  zeigt. 

Selbst  solche  einfache  Fälle  f^s&i  Meckd  unter  den  Be- 
griff der  Cloakbildung  zusammen,  die  ausgebildet  bei  ihm  jede 
offene  Höhle,  in  die  sich  Darm,  Harn  und  Geschlechtswege 
zusammen  oder  zu  zweien  einmünden,  ohne  Unterschied  heisst. 
Er  war  der  Ansicht,  dass  sie  das  Resultat  ursprunglicher 
Bildungsfehler  aller  Organe  sei,  die  sich  nicht  bedingen,  in 
früherer  Zeit  des  Fötus  aber  normal  seien;  eine  Hemmungs- 
bildung der  ganzen  Bauchwande,  die  gerade  wie  der  Darm 
sich  aus  zwei  Platten  entgegenwüchsen. 

Um  diese  Theorie  richtig  zu  würdigen,  kann  man  sich 
kaum  einen  geeigneteren  Fall  als  den  unserigen  denken! 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifei ,  dass  Meckel  in  sei- 
ner Kloakentheorie  zwei  ganz  verschiedene  Dinge  zusammen- 
geworfen, ganz  so  wie  man  durch  einen  oberflächlichen  An- 
blick verführt;  Epi-  und  Hypospadie,  Hermaphroditismus  su- 
perior  und  inferior,  (Breschefs)  Epi-  und  Hypodiaslemato- 
caulie  ')  zusammenzustellen  pflegt,  Krankheiten,  die  man  sich 
wohl  kaum  verschiedener  denken  kann,  sowohl  in  Bezug  auf 
ihre  Entstehung  als  in  Hinsicht  ihrer  Würdigung. 

Jedenfalls  muss  man  unter  Mecket%  Cloaken  diejenigen 
unterscheiden,  welche  auf  einem  Offenbleiben  der  anfänglichen 
Nabelöffnungen, 'Harnstrang  und  Dottergang,  beruhen,  von 
denen,  wo  die  für  den  Menschen  normale  Sonderung  des 
Mastdarms  vom  Urogenitalsinus  unvollständig  bleibt,  wie  es 
z.  B.  bei  den  meisten  Fällen  von  Atresia  ani  vaginalis,  ure- 
thralis,  vesicalis  und  bei  der  Atresia  urethrae  analis,  der 
Fall  ist. 

Nur  diese  haben  ein  Recht  mit  der  Kloakbildung  bei 
Vögeln  verglichen  zu  werden,  wahrend  die  ersten,  schon  ohne 
gemeinsamen,  wenn  auch  noch  so  schwachen  Sphinkter  stets 
zwar  eine  Nachbarschaft,  genau  genommen  jedoch  eine  voll- 
ständige Trennung  der  Darm-  und  Harnwege  zeigen.    Scheinbar 


1)  Dictionn.  de  medecine.     Paris.     T.  VI.     1823.     Art.  De- 
viation von  Breichet. 

17* 


2t>0  >^V.     Verhandinngen  der  Gesellschaft 

ausgenonimen  sind  davon  eirtige  seltene  Fälle,  in  denen  Wi 
Atresia  ani  vesicalis  gleichzeitig  in  Folge  Alresia  urethne 
eine  Persistenz  des  Urachus  vorhanden  ist,  so  dass  dann  der 
Mastdarm  mitten  auf  der  Blase  in  den  Nabel  mündet,  ein 
leicht  erklärlicher  Fall,  weil  dann  eben  die  wahre  KJoakbü- 
dung  sich  mit  der  scheinbaren  auf  Persistenz  der  Nabelwege 
beruhenden  combinirt. 

Es  giebt  allerdings  Fälle,  wo  man  bei  der  äusseren  Be- 
sichtigung allein  schwanken  kann,  mit  welcher  dieser  drei 
Möglichkeiten  man  es  zu  thun  hat,  wenn  ausser  dieser  Miss- 
bildung gleichzeitig  die  äusseren  Geschlechtstheile  sowohl  feh- 
len, als  aucli  die  ganzen  unteren  Bauchdecken  mitsaaiml 
den  Beckenknochen  unvereint  geblieben  sind,  Theile,  die  sonst 
die  persistirenden  Oeflhungen  von  der  Kloake  äusserlich  tren- 
nen. Selbst  dann  kann  man  sich  aber  meist  durch  die  NäJie 
der  Harnstrang-  und  Dottergangfisteln  am  Nabel  orieotiren, 
oft  durch  die  Lage  oberhalb  oder  unterhalb  der  Gesclilecbts- 
öffnung,  wenn  diese  wenigstens  vorhanden  ist.  Nur  muss 
man  dahei  nicht  vergessen,  dass  bei  (Vesica  inversa)  Umstfil- 
pung  der  Blase,  wenn  die  Nabelschnur  abgefallen,-  keine  Na- 
belgrube vorhanden,  sondern  nur  eine  quere  Nabelfalte,  wes- 
halb man  bekanntlich  vor  100  Jahren  sich  noch  einbildeCe, 
solche  Früchte  seien  nabellos  und  führten  den  Beweis,  dass 
man  im  Gebärmutterleibe  sich  nur  vom  Trinken  des  Scbaf- 
Wassers  ernähre  {Desgranges).  *) 

Aufschluss  giebt  dann  schliesslich  nur  die  Section,  weiche 
die  Dotlergangöfinung  mitten  in  den  Dünndarm,  bei  der 
Kloakbildung  das  Mastdarmende  in  die  Blase  oder  Scheide 
sich  öffnend  zeigt,  wie  denn  überhaupt  das  Vorhandensein 
zweier  Darmmundungen  gegen  das  Vorhandensein  der  Kloak- 
bildung spricht. 

Wie  ähnlich  sie  dem  offenen  Nabel  heim  ersten  BMck 
scheinen  kann,  zeigt  der  vorliegende  Fall.  Wie  wehig  Meckd's 
Theorie  hierför  gilt,  sieht  man  klar  an  der  Epidermisfalle, 
die  zwischen  rechter  Blase  und  dem  Darmvorfall  senkrecht 
von  oben  nach  unten  verläuft;  sie  schliesst  jede  Annahme 
(^iner   Hemmungsbildung   durch   Ausbleiben   der   Verwachsung 

1)  Vergl.  A.  Rooae.     §.  2.     ßonn.     pag.  11. 


für  QebQrtshülfe  in  Berlin.  261 

der  von  der  Seite  zusainmeDwachseiKlcii  Buuchdecken  aus, 
wie  denn  auch  in  jedem  anderen  Falle  der  Art  eine  sorg- 
faltige Untersuchung  ebenso  dagegenspricht,  wie  eine  einfache 
UeberJegung.  ^  ' 

Darm  und  Bauchdecken  wachsen  wohl  von  der  Seite 
sich  nähernd  zusammen,  aber  die  Blase  geht  danach  aus  oder 
an  dem  vereinigten  Organe  aus  der  unpaaren  Allanlois  her- 
vor. Wie  kann  eine  Hemmungsbiidung  jenen  Einfluss  haben 
auf  diese,  welche  sich  in  ganz  anderer  Richtung  entwickelt! 

Nur  dann  wäre  man  eine  wirkliche  Blasenspalte  als 
Hemmungsbiidung  anzunehmen  berechtigt,  wenn  man  vom 
Nabe]  ab  den  Darm  bis  zu  seinem  Ende  gespalten  und  jeder 
Spaltfläche  eine  vollständig  gesonderte  Blasenfläche  entspre- 
chen lande,  ein  Fall,  von  dem  mir  kein  Beispiel  bekannt. 
Denn  man  darf  damit  nicht  die  Fälle  von  Blaseninversion  mit 
iNabelafler  verwechseln,  weil  dabei  nur  die  Darmmitte,  der 
Dottergang,  otfen  geblieben  ist  und  die  Oefliiung  der  Blase 
und  der  After  nur  zufällig  (der  Nähe  von  Dottergang  und 
Harnstrang  entsprechend)  aneinander  liegen.  Zufallig,  wie 
dabei  die  Einmündung  des  Nabelafters  in  den  Dünndarm  für 
gewöhnlich,  in  dem  vorliegenden  Falle  ausserdem  der  Ober- 
hautstreif zwischen  Blase  und  Aller  deutlich  zeigt. 

Jeder  Fall,  in  dem  die  ßlase  oberhalb  der  Genitalien 
und  der  Schamfuge  offen  steht,  ist  als  Persistenz  des  mehr 
weniger  weiten  Urachus  zu  deuten;  und  die  Blase  ist  offen, 
nicht  weil  sie  zerrissen  ist  (Htgmore  *),  Duncan,  Velpeau), 
was,  wenn  es  überhaupt  vorkommt  (Velpeau),  die  Ausnahme 
ist,  da  man  in  der  Regel  keine  Spuren  (Risse,  Narben,  Ent- 
zundungsreste)  davon  findet;  sondern  weil  durch  Harnstaunng 
der  Harnstrang  nicht  ausgebildet,  die  Blase  offen  erhalten  ist. 
Sein  Verwachsen  ist  unterblieben,  weil  die  normale  Bildung 
der  Harnröhre  auf  irgend  ein  Hinderniss  gestossen  ist. 

So  geht  der  Ursprung  aller  FäJle  von  Blasen*  und  Darm- 
spalte in  den  ersten  Fötalmonat  zurück,  wo  bei  der  Nähe 
des  Nabels  an  den  Geschlechtstheilen  die  so  ungleiche  Grösse 
der  persistenten  Oeffnungen  erklärlich  wird. 


1)     Anf^eblich    post  partum   in   Folge   der  Ligatur    um    den 
Hamstrang. 


262  ^V.     VerhandlnngeD  der  Geielhchaft 

Für  meine  Ansicht  spricht  dieser  Fall  klar,  aber  auch 
mancher  Umstand  sonst  deutet  bei  ausgesprochenen  Pällra 
die  Wirkung  der  Harnstauung  auf  Harnblase  und  Ham- 
strang  an.  *  • 

Oft  findet  man  nämlich  bei  der  sogenannten  BlasenspalU 
die  Harnleiter  erweitert  [Roose),  gerade  wie  in  den  fräh«r 
von  mir  besprochenen  Fällen  von  Blasenwassersucht  beiiD 
Fötus  sich  oft  die  Wirkung  bis  in  die  Nieren  fortsetzt 

In  keinem  Falle  sind  Urachus  und  Blase  ausserdem  vor- 
handen, wie  Petit  sagt,  natürlich,  weil  beide  eben  in  diese 
Missbildung  aufgegangen. 

Bei  Erwachsenen  fehlt  der  Nabel  oder  wenigstens  die 
Nabeli^undung ,  weil  natürlich  bei  einigermassen  grosser  Oeff- 
nung  des  Harnstranges  die  Nabelschnur  nicht  mehr  cylindrisdi 
sein  konnte.  Dass  bei  Blasenspalte  Erwachsener  stets  höch- 
stens eine  Nabelquerfalte  da  ist,  bei  den  Neugeborenen  die 
Schnur  sich  bandförmig  ansetzt,  zeigt,  dass  ein  Theil  des 
Nabels,  der  Urachus,  in  die  Bildung  aufgegangen. 

Oft  klaffen  die  Schambeine,  die  sich  natürlich  so  wenig 
als  die  Bauchdecken  über  die  ausgeweiterte  Blase  vereinen  kön- 
nen, falls  die  Oeffnung  gross  und  weit  hinabreicbt.  Eine 
kleine  Urachusfistel  am  Nabel  hindert  die  Vereinigung  nator- 
lich  nicht  (cf.  den  früher  von  mir  mitgetheilten  Fall),  wie  denn 
auch  andererseits  ohne  Blasenspalte  natürlich  die  Fuge  o/Tefi 
stehen  kann  (Fälle  von  Walter,  Coates).  Beide  Möglich- 
keiten zeigen  die  Unhaltbarkeit  der  Theorie  von  Roose,  dass 
der  Grund  der  Inversio  vesicae  in  der  Diastase  der  Scham- 
fuge  liege,  mag  man  nun  ihren  Ursprung  in  ein  intrauterines 
Trauma  (Roose)  der  Anamnese  zu  Liebe,  oder  in  eine  Bii- 
dungshemmung  verlegen  {Creve)  *). 

Fälle,  wie  der  hier  vorgelegte,  zeigen,  dass  bei  der  Ent- 
stehung solcher  Missbildungen,  wie  der  Fistula  urachi,  Ectopia 
vesicae,  Epispadie,  Inversio  vesicae,  Fissura  vesicae  mit  oder 
ohn«!  Fissura  intestini,  Fistula  ductus  vitello  intestinalis  ein 
intrauterines  Trauma  überhaupt  nicht  im  Spiele  ist,  wovon 
man  doch  sonst  ausgiebige  Zeichen  wahrzunehmen  im  Stande 

1)  C  CoMpar  Crh)e,  von  den  Krankbeiten  des  weiblicbeo 
Beckens.     Berlin,  bei  Himbnrg.     4.     17^5.    p.  131. 


för  Geburtohtilfe  iii  Berlin.  268 

ist,  wie  die  oben  mitgetheillen  FäJJe  von  Hecker  und  Freunde 
die  Fälle  von  Selbstamputatioii,  coojplicirtef  Fractur  und  ao- 
deren  Wunden  des  Fötus  in  den  ZusanamensteUungeu  von 
Feieiy  Ed.  Martin  und  Ourlt  zeigen.  Wenn  man  in  einigen 
Fällen  Spuren  davon  getroffen  (Velpeau),  so  folgt  jedenfalls 
aus  unserem  Falte,  wie  auch  aus  der  ähnlichen  Mehrzaiil, 
dass  das  Trauma  nicht  noth wendig  zur  Entstehung  ist,  also 
zur  Eriilärung  nicht  ausreichend. 

Damit  fallen  die  Theorien  von  Rooee^  der  den  Ursprung 
von  einer  violenlen  Diaetaee  der  Schamfuge  ^)  herleitete, 
von  Duncan,  der  die  pralle  Blase  zerreissen  liess,  von  Vel- 
peau^  der  überall  nur  eine  intrauterine  Zerreissung  des  Bau- 
ches sah  *). 

Dass  der  HaupteinwUnd  gegen  die  Herleitung  von  der 
Hanistauung,  weil  —  pendant  la  vie  intrauterine  le  fetus 
n'ait  point  d'urine  k  rendre,  wie  Velpeau  1833  sagt,  voll- 
ständig nichtig,  habe  ich  in  meinem  ersten  Vortrage  ausfuhr- 
lich besprochen.  Sab  doch  Portal  selbst  während  der  Ge- 
burt (schon  1685)  den  Fötus  im  vollen  Strahl  pissen.  Da- 
nach ist  es  wohl  keine  ,  völlig  'unerwiesene  und  durchaus  un- 
wahrscbeinhche  Meinung,  dass  der  Harn  des  Fötus  durch 
die  Harnröhre  ausgeführt  werde,  un^  also  durch  Verschlies- 
sung  derselben  angehäuft  werden  müsse'*;  wie  Meckel's  Worte 
sind,  mit  denen  er  Duiican*s  Ansicht  abfertigt,  und  auch  Velpeau 
möchte  sie  bei  Kenntnissnahme  von  den  dort  gesammelten 
und  besprochenen  Fälle  nicht  für  so  „bizarre  und  unhaltbar"' 
erklärt  haben. 

Denn  das  geben  alle  Beobachter  an,  dass,  wenn  eint; 
Harnröhre  vorhanden,  sie  ausnahmslos  undurchgängig  (i^on«  ^), 
Uoose,  Meckel^  Ruysch);    man   kann  demnach   alle  lieber- 


1)  Th.  A.  BooBe^  de  oativo  vesicae  nrinariae  inversae  pro> 
lapsa.     Götting.     4.     1798.     §.  44—47. 

2)  Analof^  erklärte  schon  HeitUr  die  Atresia  ani  vaKinalis 
für  eine  nach  der  Gebart  entstandene  Folge  der  Atresie. 

8)  Euyeh:  Observ.  anat.  ohirurg.  Cent.  1691.  Observ.  23. 
Andrea»  lionn,  ober  eine  seltene  und  widernatürlicbe  BescbaffeD- 
heit  der  Harnblafie  ond  Gebnrtstheile  eines  12  jährigon  Knaben, 
HOS  d<>ui  Holland,  übersetst  von  Arutz.  Strasbt^rg  1782.  )>.  11. 
Boa»e  §.  22. 


264  X^-    Verhhndlnngen  der  Gesellschaft 

gänge  in  der  Grösse  ?on  der  feinsten  UracbosOstel  durdi 
Frortep*s  „angeborene  Inversion  der  Blase  ^)  durch  den 
Uraclius"*  zur  vollen  Blasenspalte  nachweisen,  dieser  Blasen- 
spalte, die,  wie  schon  andere  bemerkt  (AfccAcZ*),  Velpeauy) 
nie  das  Ansehen  einer  Spalte  hat,  sondern  stets  breiter  als 
hoch  ist. 

Hemmungsbildongen  möchten  dann  nur  in  Betracht  kom- 
men, wenn  bei  grosser  Ausdehnung  der  Spalte  auch  böher 
hinauf  über  den  Nabel  (totale  Bauchspalte)  oder  bis  auf  die 
Ruthe  hinab  (Epispadie)  die  Vereinigung  der  Bauchdecken 
ausbleibt,  oder  auch  nur  als  eine  secundäre  und  nicht  nolfa- 
wendige  Folge  der  mechanischen  Trennung,  gerade  wie  die 
so  häufige  Complication  mit  Diastase  der  Schamfuge.  Denn 
auch  hier  zeigt  sich  der  grosse  Unterschied  zwischen  Epi- 
uud  Hypospadie. 

Jene  beruht  auf  Ati^esie  der  Harnröhre,  die  den  Uradiu« 
in  so  früher  Zeit  offen  hält,  dass  es  nicht  Wunder  nehmen 
kann,  wenn  bei  der  Nähe  von  Nabel  und  Schanifuge  seihst 
die  obere  Decke  der  Rüthe  an  ihrer  Wurzel  dadurch  getrennt 
bleibt.  Denn  selten  findet  mau  eine  Epispadie  ohne  Spaltung 
des  Bauchs  bemerkt.  Die  Epispadie  ist  deshalb  eine  Art 
Blasenfistel,  und  mit  all*  ihren  schweren  und  furchtbaren^) 
Folgen  verknöpft 


1)  Mömoires  de  Tacad.  de  inödeoine.  Band  7.  pag*.  608. 
Paris,  1838.* 

2)  M(§moire8  de  Tacad.  royale  de  medecine.  T.  III.  p.  90. 
Paris,  183S. 

.  3)  Handbuch  der  pathologischen  Anatomie.     Leipsig,  1812. 
T.  1.  p.  716. 

4)  „Miseram  hoiuinnni  hoc  malo  affeetoram  conditioneiD, 
qai  perpenderit,  quam  non  solum  ad  nauseam  usque  imroQnditie 
et  sorditate  laborant,  odoremque  urinosum  iuf^atissimnm  fundont, 
vemm  etiam  quoties  vestibus  tangantnr  intolerabilibns  fere  do- 
loribns  concientur  et  cute  femorum  semper  corrosi  adque  exco- 
riati  evadnnt,  sane  mirabitnr,  eiusmodi  malam  tarn  saepe  obser- 
vatum  et  nibiloroinus  per  longnm  temporis  spatium  ad  leniends 
aegrotorum  incomrooda  nihil  factam  fuisse.'*  Wem  fKlIt  bei 
diesen  Worten  Äugutt  Booae^n  nicht  Dieffenbach*8  berühmte  Schil- 
derung der  Leiden  in  Folge  Blasenncheidenfistel  ein  1  (Operat. 
Chirargie  I.  646.) 

Bis  jetBt  habe  ich  noch  Niemanden  gesprochen,    der  eines 


für  Oeburtflhfilfe  in  Berlin.  265 

Die  Hypospadie  beruht  auf  eiuem  Verfehlen  der  zwei 
ursprünglichen  Harnröhrenslncke,  des  innen  sich  ausstülpen- 
den, welches  zum  Unterschiede  von  meinem  Falle  von  Alresia 
urethrae  cystica  die  Haut  erreicht,  und  des  Sasseren ')  sich 
einstölpenden,  welches  oft  gar  nicht  angedeutet  ist. 

Wenn,  wie  meist,  die  Harnröbrenöffnung  an  der  Rück- 
seite des  hängenden  Ruthentheils ,  so  ist  die  Missbildung,  da 
sie  an  sich  überhaupt  weder  mit  Incontinenz  noch  mit  Im- 
potenz ^)  verbunden,  wie  erfahrene  Aerzte  aller  Jahrhunderte 
(Fabricius,  Morgagni,  BoerhaviuSy  Hauer,  Jördens, 
Richerand)  bezeugen,  so  unbedeutend,  dass  die  Leute  oft 
nur  ganz  zufallig  (z.  B.  bei  Cathetern  aus  anderer  Ursache, 
Brucheinklemmungen)  entdeckt  werden;  Gründe,  die  haupt- 
sächlich neben  den  grossen  Gefahren  —  es  sind  Todesfälle 
danach  bekannt  —  und  dem  gewöhnlichen  Missglücken  die 
Operation  der  Hypospadie  nie  recht  hat  aufkommen  lassen. 
Die  abnorme  Mündung  ist  eben  das  Wesentliche  bei  der  Hy- 
pospadie, eine  Folge  des  Defects  des  äusseren  Tbeiles,  nicht 
die  Fissur,  welche  oft  fehlt,  eine  Folge  der  schiefen  Ein- 
mündung oder  oft  nur  (ein  leider  schwer  vermeidbares)  Kunst- 
produkl  ist,  da  ja  in  Folge  der  abnormen  Lage  die  hintere 
(untere)  Wand  der  Harnröhre  dabei  oft  feiner  als  Postpapier. 
Isidor   Oeoffroy  8t    Hilaire's    Bezeichnung    Fissure   ure- 


FftU  von  Epispadia  penis  solius  gesehen,  woraus  man  auf  ihre 
Seltenheit  schlie^sen  kann.  Beim  Phinioflenschnitt  kann  man  sie 
leicht  machen,  wenn  sngleich,  wie  so  oft  Synechie  der  Vorhaut 
besteht. 

1)  Joh.  Müller  nahm  an,  dass  sich  der  Penis  durch  Zusam- 
menwachsen zweier  Falten  von  ihrem  unteren  Winkel  ans  bilde 
und  eine  vorherbestehende  Schleimhautrinne  einen  Centralkanal 
erhalte,  der  bei  der  Hypospadie  yon  ebendort  aus  mit  verwüchse. 
Kennt  die  ganze  Chirurgie  einen  Fall,  wo  ein  Schleimhautkanal 
▼erwächst?  Wem  ist  es  möglich  dabei  zu  erklären,  wie  denn 
dabei  überhaupt  eine  Mündung  entsteht,  woher  dann  oft  das 
blinde  Harn  röhrenstück  in  der  Eichel  sich  erklärt,  das  sich  oft  bei 
Hypospadie  findet,  woher  die  versprengte  Schleimhautrinne  ge- 
kommen? 

2)  Cf.  die  Beschreibung  eines  Präparatps  von  Ruytek^  The- 
saurus anatomicus  III.  Amst.  1703.  N.  6  v  1  u.  N.  22  n  3.  Tab.  8. 
Fig.  1.  explic.  p.  66.  und  Baum  loc.  ctt.  pag.  31. 


XV.    Verhandlangen  der  GeselUchaft 

thrale  inferieure  ist  deshalb  keine  Verbesserung  gegeo  den 
alten  Namen  der  Hypospadie,  den  roao  strikt  als  eine  Ab- 
Ziehung  des  Verlaufes  vom  Normalen  fassen  kann. 

Die  seltenen  Fälle  von  Epispadie  ohne  Blaseniaversion, 
vvelcbe  von  Baum  zusammengestellt  sind,  sind  nur  durch 
die  Seite,  nach  der  das  innere  Harnröhrenstück  abgeirrt,  ver- 
schieden von  dem  früher  von  mir  vorgezeigten  Falle  (Atreiiia 
urethrae  cystica)  und  von  der  Hypospadie. 


Wir  sahen  eben,  dass  allen  Missbildungen  des  Unter- 
leibes von  der  .Harn Strangfistel  bis  zur  Bauchspalte  wesentlich 
gemeinsam  ist 

einmal  eine   unmittelbare  von   der  Nabelquerfalte  ab- 
wärts sich  erstreckende  angeborene  Harnfistel  von  sehr 
verschiedenem  Umfange,  und 
zweitens  ein  Verschluss  der  Ramröhre. 
Wir  fanden   alsdann   oft  dabei   als  secundäre  Störungen 
eine  Diastase  der  Fuge,   eine  Dilatation   der  Harnleiter,    eine 
Spaltung   der   Bauchdecken,    die  daher  nicht  nothwendig  mit 
jenen  Beiden  verknöpft  sind. 

In  Betracht,  dass  in  der  Begel  kein  Zeichen  einer  Ver- 
letzung vorhanden  ist,  suchten  wir  die  Erklärung  in  einer 
Bildungsstörung. 

Da  der  Fötus  zweifellos  von  den  ersten  Wochen  ab  schon 
Harn  secernirt  uud  ausfliessen  lässt ') ,  erst  durch  den  Nabel,  in 


1)  Schon  die  grossen  Anatomen  des  17.  Jahrhunderts  haben 
die  Frage  über  die  Harnexcretion  des  Fötns  durch  den  Nabel 
▼ielfach  besprochen.  Anton  Eberard  in  Middelburg  (ef.  Antonii 
Everardi  Novns  et  genuinus  hominis  brutiqne  animalis  exortoi 
antore  Anthonio  Evsrardi^  Mediobnrgi  1661.  p.  201,  186.)  entschied 
gegen  Aquapendente  ^  Spiegel  ^  Highmore  n.  a.  die  Frage  doreb 
sein  Ansehen  und  bei  der  Unkenntniss  der  hier  besprochenen 
fötalen  und  angeborenen  Missbildungen,  die  fast  ohne  Ausnahme 
erst  seitdem  beobachtet  und  untersucht  sind,  die  Diskurse  eod* 
giltig  dahin,  dass  weder  durch  Nabel  noch  Harnröhre  der  Fotos 
Harn  abgebe,  sondern  nur  reines  Nahrungsmaterial  in  sllen 
drei  EihHuten  sei.  Erstens  sei  sein  Uraohus  solid,  swelteoB 
treffe  man  in  der  Leiche  von  Embryonen  stets  die  Blase  toII 
Harn,  drittens  sei  die  Flüssigkeit,  die  sich  wohl  swisohen  Cho- 
rion  und  Amnion  finde,  nicht  Ton  der  Beschaffenheit  des  Hanu. 


für  Oebartehttlfe  in  Berlin.  267 

die  Allantois,  spater  durch  die  Harnröhre  in  das  Amnion,  so 
muss  da:»  Ausi>leihen  einer  vollständigen  Harnröhrenbiidung 
für  ihn  schwere  Folgen  nach  sich  ziehen. 

Ist  die  Blase  bereits  allseitig  fest  geschlossen,  so  stirbt 
er  an  angeborener  Blasenwassersucht. 

ist  irgendwo  noch  eine  Oeffnung,  so  wird  dieselbe  durch 
den  Druck  des  Harns  offen  erhalten. 

Wii*  sahen  deshalb  den  Grund  der  ganzen  Störung  im 
Nichtgerathen  der  Harnröhrenbildung,  und  erkannten  als  Folge 
entweder  die  Blasenwassersucht  oder  das  Offenbleiben  eines 
der  Ventile. 

In,  Betracht  der  bekannten  Fälle,  welche  alle  Uebergänge 
darstellen,  kann  man  zwischen  Harnstrangfistel  und  Epispa- 
die  nur  einen  quantitativen  Unterschied  annehmen. 

Nichts  ist  verschiedener  als  die  Blasenfistel,  welche  man 
gewöhnlich  Epispadie  oder  Herroaphroditismus  superior  nennt, 
und  die  Harnröhrenmissbildung,  welche  man  ihr  als  Hypospa* 
dfe  oder  Hermaphroditismus  inferior  vergleicht. 

Wie  der  Verschluss  oder  das  Fehlen  der  Harnröhre  ein 
Offenbleiben  des  Harnstrangs,    scheint  der  Verschluss  oder 


schliesslich  müsse  ja  der  Fötns  aas  dem  Harnbad  voller  Exco- 
riationen  kommen.  Diese  vier  Gründe  hat  die  weitere  Erfahrung 
jetst  also  widerlegt. 

Das«  der  Hamstrang  nicht  immer,  in  den  ersten  Fötal- 
monaten niemals  solid ,  lehren  die  wohlconstatirten  Beobachtun- 
gen von  angeborenen  Urachusfisteln.  Die  Ezistens  der  mensch- 
lichen Allantois  ist  von  Graf^  Ruyach,  Roederer,  Haller  gut  be- 
schrieben; ihr  Zusammenbang  mit  der  Blase  aber  erst  durch 
Kenntniss  von  Embryonen  ans  der  dritten  und  vierten  Woche 
beim  Menschen  nachgewiesen  von  J,  F.  Meckel,  Pockelst  CaatB, 
Thomson^  R*  Wagner^  Johannes  Müller^  Domrich  und  Schröder  van 
der  Kolk, 

Der  feweite  Umstand  lehrt  nur,  dass  der  Fötus  nicht  activ 
pisst,  spricht  aber  gerade  für  ein  Uebertröpfeln ,  fthnlich  den 
Fällen  von  Retentiou  mit  Incontinens  bei  Prosta laanschweHungen 
und  Strikturen. 

Den  dritten   Grund   hat  Jacobson   durch  aeine   schöne  Ent- 
deckung widerlegt  und    gegen   die   Ezcorintionen  sehntst  ebenso, 
die   WAssrigkeit  des   kindliehen    Harns   wie   die  Verdünnung  des 
Schafwassers  durch  den  mntterliohen  Antheil,  vor  allem  die  dicke 
Schicht   Vernix   caseosa. 


268  ^^-     Verfaanillongen  der  Oesellschaft 

das  Fehlen  des  Mastdarms  stets  ein  Offenbleiben  seiner  Ven- 
tile, der  Verbindung  mit  der  Blase  oder  des  Dotterganges 
zur  Folge  z^  haben,  wobei  wenigstens  noch  nie  der  Dick- 
darm normal  gefunden  zu  sein  scheint '). 

Sicher  ist  Meckefs  Ansicht,  der  After  fehle  nur,  weil 
der  Mastdarm  sich  dabei  in  andere  Organe  öffne,  falsch,  weil 
ja  Anfangs  bei  jedem  Fötus  der  Dönndarm  mit  dem  Nabel 
und  der  Dickdarm  mit  den  Harn  und  Eiergängen  com- 
municirt 

Es  bleiben  auch  diese  Oeffnungen  nur,  weil  der  nor- 
male Ausweg  nicht  zu  Stande  kommt  ^. 

Das  Wesentliche  aller  Missbildungen  des  Unterleibes  wird 
deshalb  der  Grund  sein,  welcher  die  endgditigen  Auswege 
nicht  zu  Stande  kommen  lässt.  Schliesslich  beruhen  sie  alle 
auf  dem  Missrathen  oder  Nichtgerathen  derselben. 

Wenn  das  aber  .der  wesentliche  Punkt,  so  möchte  ich 
vorschlagen,  all*  den  Namen  Wirrwarr,  in  den  sich  bei  Man- 
chen noch  die  verschiedenen  Bezeichnungen  der  Gynandrie*. 
Hermaphrodisie  und  Androgynie  mischen,  fallen  zu  lassen, 
und  dafür  eine  anatomische  Nomenklatur  anzunehmen,  um 
so  mehr,  als  dieselbe  eben  so  wohl  den  einfachen  Befund 
als  die  für  den  Wundarzt  wesentlichen  Punkte  bezeichnet. 

Missratlien  ist  die  Harnröhrenbildung,  wenn  sich  beide 
Bestandtheile  nicht  treffen,  eine  Abweichung  der  Bilduugs- 
ricbtung,  wie  bei  meinem  Fall  von  schiefem  Septum,  der 
wahren  so  seltenen  Epispadie  und  bei  der  Art  H^-pospndie, 
wo  zugleich  das  äussere  Harnröhrenslück  in  der  Eichel  blind 
endet,  Fälle,  für  die  der  Name  Spadie  wörliich  genommen 
als  eine  Ablenkung  von  der  geraden  Bichtung  nicht  unpas- 
send ist. 


1)  Schon  Meckel  erw&bnt  dabei  (T.  692),  dass  dar  nntere 
Tbeil  des  DarmkaoaU  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  nnent- 
wickelt. 

2)  Noch  im  Jahre  1832  konimt  Iridore  Geoffroff  St,  Hilaire 
in  Folge  setner  geswongenen  Eintheilnng  daso  la  Confosion  fait« 
par  toas  les  antenrs  entre  les  emboachiires  anomales  de  Tin- 
testin  et  les  imperforations  de  Tanns  in  Spesie  BeitUrn  Toran- 
werfen  and  so  den  naheliegenden  Zasamroenhang  sn  Terkennen. 
Tratte  de  Teratologie  I,  615. 


für  Geburtaktilfe  in  Berlin.  269 

Nichlgerathen  ist  sie  beim  Ausbleiben  des  inneren  und 
äusseren  SlAcks  (Defectus  urethrae  internus  et  pxternus)  oder 
bei  ibrer  ungenügenden  Entwickelung ,  wo  dann  ein  queres 
Sepluu)  bleibt  (Atresia). 

Ebenso  unterscheidet  man  die  MissbiJdun^en  des  Mast- 
darms in  Defecte  und  Atresien. 

AUe  Defecte  und   Atresien   theilen   sich  in 
einfache  mit  Stauung  und  • 

in  solche  mit  Ventilen,  die  entweder  im  Nabel  oder 
am  Steissbein,  entweder  auf  Persistenz  der  Nabel- 
gänge oder  der  anfanglichen  Kloakenbildung  beruhen. 

Alle  die  mannigfachen  Abarten  lassen  sich  leicht  bestim- 
men, wenn  man  das  Organ,  zu  dem  das  Ventil  fuhrt,  hinzu- 
fügt, wie  schon  Adrian  van  Fapendorp  vor  fast  hundert 
Jahren  eine  Atresia  ani  vaginalis  und  vesicalis,  Meckel  eine 
Atresia  ani  urethralis  beschrieb,  je  nachdem  das  Mastdarm- 
ende mit  Scheide,  Blase  und  Harnröhre  communicirt  bei  Ver- 
schluss des  gewöhnlichen  Afters. 

Dem  entsprechend  könnte  man  die  angeborene  Dotter- 
gangtistel  und  Darmspalte,  bei  welchen  die  den  Mastdarm  bil- 
dende Hauleinstülpung  unterblieben  ist,  eine  Atresia  .oder 
Defectus  (je  nach  dem  Graue)  recti  umbilicalis  nennen,  und 
analog  Fälle,  wie  den  von  Arnauld,  wo  die  Menses  aus  dem 
Mastdarme  Oossen,  eine  Atresia  vaginae  analis,  oder  die  er- 
wähnten von  Ruhlach y  von  Oberteuffer^  wo  die  Harnröhre 
verschlossen,  der  Harn  durch  den  After  abfloss^  eine  Ati*esia 
urethrae  analis;  die  einfache  Urachusüstel,  die  einfache  Bla- 
senspalte eine  Atresia  urethrae  umbilicalis,  den  Fall  von 
Huxham  und  Olliver  eiii«n  Defectus  urethrae  umbilicalis. 

Der  früher  von  mir  abgebildete  Fall  stellt  einen  Defectus 
recti  vaginalis  mit  Atresia  urethrae  simplex  dar;  der  jetzt 
vorliegende  einen  Defectus  et  recti  et  urethrae  umbilicales 
mit  Vagina  et  Vesica  duplices. 

Der  MeckeT%ch^  Fall  endlich,  der  oberhalb  des  Kitzlers 
und  eines  knorpligen  Bandes  zwischen  der  klaffenden  Scham- 
fuge bei  Fehlen  des  Dick-  und  Mastdarms  sowie  der  Harn- 
röhn»,    die  doppelte  Scheide,  invertirte  Blase  und  Dünndarm 


270  ^^-    Verhattdlnngen  der  Gesellschaft 

unter  dem  Nabel  roüDden,  wäre  ein  Defectus  et  recti  el  ure- 
thrae  iimbilicales  mit  Vagina  duplex.  ^) 

Die  Combinatiön  der  Kloakbildung  mit  Persistenz  clia> 
rakterisirte  sich  als  eine  Atresia  ani  vesicalis  et  urethrae 
umbilicalis. 

Jedenfalls  möchte  für  diese  Nomenklatur  ebenso  die 
Einfachheit  und  Kürze  sprechen,  wie  sie  das  Wesentliche  her- 
aushebt und  sich  des  Dogniatisirens  enthalt.  ^)  Zu  bedauern 
ist  freilich  dabei,  dass  gerade  über  diese  Punkte  ebenso  die 
Embryologen  wie  die  Beschreiber  von  Missbildungen  selten 
mit  hinreichender  Klarheit  in  ihren  Beschreibungen  sich  aus- 
lassen. 


Erklärung  der  Tafel. 
Fig.  2.  stellt  den  Unterleib  des  Kindes  von  vorn  and  unten  dar, 
Fig.  1.  die'  linke,  Fi^.  3.  die  rechte  Banchbftifte. 

Die  Bezeichnung  geht  durch  und  bedeutet: 

a.  Arteria  umbilicalis  dextra. 

b.  „       omphalomeseraica. 

c.  „       femoralis  dextra. 

d.  „.     renalis  media. 

'    e.      ^,       iliaca  communis  sin. 
/.  Untere  Fläche  des  Magens. 
g.  Netz. 
h.  Untere  Fläche  der  Leber. 

t.  Dünndarm ;  i\  i*  vorgefallene  Dünndärme. 
k.  Bauchfell. 

L  Nebenniere. 

1)  Vergl.  die  Abbildungen  1—4.  in  Tafel  I.  von  Ph,  F. 
MeckeVa  Journal  für  anatomische  Varietäten,  feinere  und  pathol. 
Anatomie.     Halle,  1806. 

2)  Der  Name  filasenspalte  beruht  auf  einer  unrichtigen 
Theorie  der  Entstehung.  Der  Name  Ectopia  ist  unrichtig,  weil 
meist  nachweislich  die  Blase  an  ihrem  richtigen  Orte  liegt.  Der 
Name  Inversio  (Prolapsus,  Ezstrophie)  vesicae  congenita  ist  ein 
Widerspruch  in  sich,  indem  die  Umstülpung  und  der  Vorfall 
nicht  angeboren  ist,  sondern  mit  der  ersten  Bethätigung  der 
kindlichen  Bauchpresse  s.  B.  durch  Schreien,  also  bei  Lebaeiten 
zu  Stande  kommt.  Angeboren  ist  nur  das,  dass  die  Blase  am 
Nabel  offengeblieben  ist. 


f^T  O^bartshalfe  in  Berlin.  271 

m.  Gekrös. 
n,  n.  Uterus. 

0.  o.  perstöcke. 
p.  Pancreas. 

q,q.  Oefiniingen  der  vorgefallenen  Dünndärme. 

r,  r.  Nieren. 

«,  8.  Gelenkflächen  der  Sohamfuge. 

t  Bügel  des  Darmvorfalles. 

tt,  tt.  Harnleiter. 

V.  Vena  umbilicalis. 

t&,  tr.  Die  Harnblasen. 

X,  X,  X.  Epidermisfalte. 

y,  y.  Harnleiteröfihungen. 

z.  Oeffnungen  der  Eiergänge. 

1.  Spina  anterior  superior  ossis  ilium  sinistri. 

2.  Hautwfdste  (Labia  majora?  Clitoris?). 

3.  Bandförmige  Nabelschnur. 


Herr  Klebs  hebt  hervor,  dass  die  starke  Ausdehnung 
der  Blase  wohl  im  Stande  sei,  durch  ihren  [h*uck  die  Bauch- 
decken  zum  Schwinden  zu  bringen  und  so  zu  einer  all- 
mäligen  Ruptur  füllen  könne.  Diese  Erklärungsweise  sei  um 
so  weniger  för  alle  Fälle  zurückzuweisen,  als  man  ja  oft  die 
Ränder  der  Blase  deutlich  von  zerrissener,  callös  verdickter 
Beschaffenheit  finde.  Ob  dieser  Vorgang  nun  allerdings  zu 
beiden  Seiten  der  Mittellinie  stattfinden  könne,  sei  bis  jetzl 
nicht  bewiesen,  allein  es  sei  doch  sehr  wohl  denkbar,  da  die 
Mittellinie  eine  festere  Beschaffenheit  habe,  und  so  eine 
Atrophie  durch  Druck  zu  beiden  Seiten  des  festeren  VS'ider- 
standes  wenigstens  möglich  sei. 

Herr  Rose  bemerkt  hierauf,  dass  die  Ränder  der  Blasen, 
als  das  Präparat  frisch  war,  wohl  eine  glatte  Abflachung  ge- 
zeigt haben,  aber  keine  Spur  von  Narben  oder  callösen  Mas- 
sen. Für  diesen  Fall  müsse  er  also  in  Rücksieht  auf  die 
Entstehung  desselben  an  seiner  Ansicht  festhalten.  Es  scheine 
ihm  aber  dies  auch  für  die  Mehrzahl  der  Fälle  die  einzig 
richtige  Erklärungsweise,  da  die  von  Velpeau  gegebene  nur 
für  die  Fälle  zu  benutzen  sei,  wo  eben  deutliche  Spuren 
einer  Ruptur  etc.  vorhanden  seien. 


272  ^V-     VerbandluDgeii  der  GeseUscbnft 

Herr  Kleba  giebt  zu,  dass  für  den  voriiegenden  Fall  die 
Erklärung  Rose*s  viel  Wahrscheinliches  habe,  allein  schwer 
erklärlich  bleibt  dabei  immer,  dass  die  HiUelliDie,  die  die 
beiden  Blasen  von  einander  trennt,  die  Beschaffenheit  der 
Cutis  hat.  Da  die  Baucbplatten  bekanntlich  seitlich  heran- 
wachsen, so  sei  das  Vorhandensein  an  Cutis  in  der  Mittel-* 
linie  nicht  gut  zu  erklären,  ohne  dass  man  einen  vorher  be- 
standenen Bauchverschluss  annehme. 

Herr  Rose  ist  der  Meinung,  dass  die  beiden  AUantoideo 
sich  stellenweise  wie  zwei  Kugeln  berührt  haben  mögen  und 
dass  so  ein  dünner  seröser  Bauchverschluss  vorübergebend  zu 
Stande  gekommen  sei.  Die  Allantpisblätter  seien  dann  bald 
zu  Grunde  gegangen,  nachdem  bei  dem  allseitigen  Zusam- 
menwachsen der  Bauchdecken  in  diesem  ^alle  die  gedachte 
Brücke  sich  in  der  Richtung  von  unten  nach  oben  gebildet  hatte. 

Herr  Martin  hat  das  Kind  im  Leben  gesehen  und  be- 
merkt, dass  die  Blasenflächen  den  Anblick  von  Schleimhaat- 
oberflächen  dargeboten  haben,  die  Mittellinie  dagegen  wie  ein 
Hautstreifen  ausgesehen  habe.  Das  Kind  sei  übrigens  fünf 
Tage  am  Leben  gewesen. 


Herr Itlebs legi  einige  Präparate  vor,  welche  bestimmt 
sind,  die  Geschichte  des  Haematom's  der  Placenta  zu 
erläutern.  Er  fasst  unter  diesem  Namen  die  als  Blutextra- 
vasate,  Blutgerinnungen,  fibröse  oder  scirrhöse  Knoten,  sowie 
die  von  Brächet  und  Rokitansky  als  Hepatisationen  oder 
entzündliche  Veränderungen  beschriebenen  pathologischen  Bil- 
dungen der  Placenta  zusammen,  indem  sich  demonstriren 
lässt,  dass,  wie  schon  Gierse  und  H,  Meckel  annahmen, 
dieselben  sämmtiich  aus  Blutgerinnseln  hervorgehen,  welche 
dieselben  Veränderungen  ihrer  Zusammensetzung  erfahreo, 
wie  die  an  anderen  Orten  ausser-  oder  innerhalb  des  Gefass- 
systems  abgelagerten.  Die  jüngsten  derartigen  Veränderungeo 
scheinen  sich,  wie  dies  auch  Gierse  und  Meckel  annehmen, 
ausschliesslich  in  dem  mütterlichen  Theil  der  Placenta  zu 
finden.  An  einem  vorgelegten  Präparat  eines  schwangeren 
Uterus  aus  dem  vierten  Monate  liess  sich  nachweisen,  dass 
ein    an    der    inneren    Fläche   der    Placenta    maiema  befind- 


lUr  QobvrUhülfe  in  Berlin.  273 

liebes  Haematom,  welches  nur  wenig  in  den  von  den 
Cborionzotten  eingenommenen  Raum  hineinragte,  aus  geron- 
nenem Bkt  besteht,  das  in  präexisteuten  Räumen  abgelagert 
ist,  welche  die  oberflächliche  Schicht  des  mutterlichen  Pia- 
centartheils  einnehmen  und  an  den  unveränderten  Stellen  mit 
einer  farblosen,  an  grossen,  lympboiden  Zellen  reichen  Flüs- 
sigkeit ausgefüllt  werden.  Es  bildeten  diese  Höhlungen 
schmale  der  Oberfläche  parallele  Spalträume,  die  von  dünnen, 
vielfach  untereinander  zusammenhängenden  und  durchbroche- 
nen Scheidewänden  getreqnt  werden,  üie  Substanz  der  letz- 
teren besteht  aus  den  gewöhnlichen  grossen  Deciduazellen, 
die  von  der  Seite  gesehen,  eine  spindelförmige,  von  der  Fläche 
gesehen,  eine  sternförmige  Gestalt  besitzen.  Dünnwandige, 
reichlich  mit  Blut  gefüllte,  enge  Gefasskanäle,  ohne  besondere 
Wandung,  durchziehen  diese  Scheidewände.  Da  das  Präparat 
allein  im  gehärteten  Zustande  untersucht  wurde,  konnte  nicht 
direct  festgestellt  werden,  dass  der  Inhalt  der  erwähnten  Hohl- 
räume ein  flüssiger  war.  Die  ungleichmässige  Vertheilung 
der  zelligen  Elemente,  welche  an  einzelnen  Stelleu  fehlen,  an 
anderen,  dicht  neben  den  ersteren  gelegenen,  in  grossen  Hau- 
fen zusammenliegen,  an  noch  anderen  eine  einfache  der  Wan- 
dung anhaftende  Lage  darstellen,  macht  indess  diese  Annahme 
ziemlich  wahrscheinlich.  In  dem  Hämatom  waren  nun  diese 
Räume  durch  in  denselben  enthaltenes  Blut  stark  ausgedehnt 
und  der  Umstand,  dass  zwischen  den  wohlerhaltenen  Blut- 
körperchen zahlreiche  der  ungewöhnlich  grossen  Lymphzellen 
einzeln  oder  in  Haufen  vorkamen,  Hess  den  Schluss  zu,  dass 
an  diesen  Stellen  eine  Mischung  der  in  den  Räumen  ursprung- 
lich enthaltenen  flüssigen  Substanz  mit  extravasirtem  Blut 
stattgefunden  hat.  Die  Dilatation  der  Hohlräume  durch  das 
Blutextravasat  beweist,  dass  ihr  Inhalt  unter  einem  Drucke 
steht,  der  .erheblich  geringer  als  der  Blutdruck.  Alle  diese 
Umstände  lassen  es  als  wahrscheinlich  erscheinen,  dass  die- 
selben dem  lymphatischen  System  angehören.'  Erst  weitere 
Untersuchungen  frischer  Präparate  können  hierüber  vollstän- 
digen Aufschluss  geben. 

In  zwei  gleichfalls  vorgelegten  Aborten  finden  sich  die 
weiteren  Veränderungen,  welche  das  Haematom  der  Placeuta 
erfahren  kann.     Dasselbe  kann  sich  vergrössern,  indem  auch 

Mon»ii8chr.  f.  Qebnrtsk.  1866.  Bd.  XXVI.,  Hfl.  4.  18 


274    ^^«  Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Oebartshülfe  etc. 

in  den  zwischen  den  Zotten  befindlichen  RSumen  der  Pia- 
centa  villosa  Abscheidungen  geronnenen  Blutes  ehatreten, 
welche  meist  zur  Gompression  des  Eies  fahren.  Hier  mm 
scheint  es  nicht  selten  vorzukommen,  das  cystische,  mit 
klarer  Flüssigkeit  gefällte  Räume  inmitten  des  Haematoms 
vorkommen.  Ein  solcher,  von  Erbsengrösse  fand  sich  in  dem 
einen  Fall,  von  dessen  glatter  Wandung  etwas  hydropiscbe 
Chorionzotten  frei  in  das  Lumen  hineinragten,  in  welcher 
Weise  diese  Bildungen  entstehen,  ist  sehr  schwer  verständ- 
lich; wenn  die  allgemein  angenommene  Ansicht  von  E,  H. 
Weher,  dass  die  Chorionzotten  vom  mütterlichen  Blute  un- 
mittelbar umspult  werden,  eine  richtige  ist.  So  sehr  erheb- 
liche Bedenken  dieses  von  dem  bei  allen  anderen  Säugethie- 
ren  abweichende  Verhältniss  zwischen  mutterlidien  und  fötalen 
Theilen  erregen  musste,  kann  die  Entscheidung  dieser 
Frage  nur  von  weiteren  Untersuchungen  abhängen.  In  Bezug 
auf  diese  aber  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass,  wie 
die  lange  dauernde  Controverse  über  den  angenommenen 
directen  Zusammenhang  zwischen  mütterlichen  und  f5ialen 
Gefassen  beweist,  von  künstlichen  Gefässinjectionen  keine 
sichere  Entscheidung  zu  erwarten  ist.  Besser  dürfte  es  sein, 
einen  schwangeren  Uterus  aus  ^  den  früheren  Monaten  im  Zu- 
sammenhange mit  den  fötalen  Theilen  der  Placenta  zu  er- 
härten. 

Die  weiteren  Umwandlungen  des  Blutes  in  Thromben  and 
Hämatomen  sind  bekannt  genug.  Erwähnung  verdient,  dass 
bei  den  Placentar  -  Hämatomen  stellenweise  eine  vollständige 
Umwandlung  des  Blutes  in  entfärbte  weissliche,  aus  dicht- 
gedrängten eiterähnlichen  Zellen  bestehende  Massen  stattfindet, 
ein  Zustand,  welcher  für  die  Loslösung  des  ganzen  Eies  oder 
einzelner  Theile  desselben  gewiss  von  Bedeutung  ist.  Dass 
hierbei  die  Mischung  der  Blutflüssigkeit  mit  derjenigen  der 
lymphatischen  Räume  des  mtltterlichen  Theiles  von  Wichtig- 
keit ist,  indem  die  letzteren  eine  reichlichere  Menge  von  ent- 
wickelungsfahigen  Zellen  enthalten,  liegt  auf  der  Hand. 

Der  andere  der  vorgelegten  Aborte  stellte  einen  fast 
vollständigen  Abguss  der  Uterinhöhle  dar,  indem  auch  die 
Uterinschleimhaut  selbst  (Decidua  vera)  von  Extravasaten 
durchsetzt  war.     In  der  rundlichen,  zwei  Centim.  im  Durch- 


4 

XVI.  Bab0y  Ein  Fall  tos  Uteras  nod  Vagina  duplex.    275 

medser  ballenden  Eiliöhle  fand  sich  ein  drei  Millimeter  langer 
Fötus,  welcher  innerhalb  einer  weiten,  vom  Amnios  gebildeten 
Blase  lag.  In  der  Wandung  der  letzteren  waren  nur  Rudi- 
mente von  Umbilicalgefässen  zu  entdecken,  dünne  Stränge 
ohne  Lumen;  der  Fötus  mit  seiner  Bauchseite  der  Innen- 
fläche des  Amnios  kurz  angeheftet.  Gegenüber  der  Insertion 
der  Nabelgefässe  in  der  bereits  stark  entwickelten  Placenta, 
fanden  sich  dünne,  vom  Amnios  zur  serösen  Hülle  {Baer) 
hinübergehende  Fäden,  die  Reste  der  ursprüugKchen  Verbin- 
dung beider.  Das  Ei  war  53  Tage  alt,  der  Fötus  in  seiner 
Entwickelung  sehr  bedeutend  zurückgeblieben. 

Herr  Martin  ist  nicht  der  Meinung,  dass  die  mensch- 
liche Placenta  wenig  Blut  enthalte,  sondern  man  könne  im 
Gegentheil  aus  einer  eben  geborenen  Placenta  immer  eine 
grosse  Quantität  Blut  ausdrücken.  Er  giebt  zu,  davss  die 
von  Cruveähier  so  schön  beschriebenen  Hämatome  der  Pla- 
centa in  Bezug  auf  ihre  Entstehung  durchaus  nicht  völlig 
erklärt  sind.  Dass  Herr  Klebs  das  spitze  Ende,  was  man 
bei  Abortiveiern  findet,  für  dasjenige  hält,  was  in  den  inneren 
Muttermund  hineingeragt  hal,  halte  er  für  nicht  richtig;  das 
spitze  Ende  entstehe  vielmehr  an  der  Stelle,  wo  das  Ei  mit 
dem  Uterus  am  innigsten  verbunden  sei.  Es  finden  sich 
nämlich  an  dieser  Eispitze  stets  die  Reste  der  Decidua  adnexa. 


XVL 

Ein  Fall  von  Uterus  und  Vagina  duplex, 

beschrieben  von 

Dr.  Rabe, 

Assistenxarst  am  Stadtkrunkenhause  xu  Dresden. 


In  Kussmaurs  trelTiichem  Werke:  „Der  Mangel,  die 
Verkümmerung  und  Verdopplung  der  Gebarinutter.  Würz- 
bürg  1859.'S  ist  ein  nummernreiches  Verzeichniss  aller  über 
die  obengenannte  Missbildung  veröffentlichten  Fälle  enthalten, 

18* 


276     ^Vl.  Rabe,  Ein  Kall  von  Uterus  aod  Vagina  duplex. 

welchen  ich  zum  Zwecke  der  Vervollständigung  noch  folgen- 
den, kürzlich  von  uns  beobachteten  Fall  anreihe.  ^ 

Magdalena  B,,  eine  zwanzigjährige,  Muhend  aussehende 
Bauernmagd,  wurde  am  24.  Mai  1865  in  die  chirurgische 
Abtheilung  des  Stadtkrankenhauses  zu  Dresden  wegen  unbe- 
deutender Blennorrhoe  des  Uterus  und  leichten  Excoriatio- 
nen  am  Scheideneingange  aufgenommen.  Dieselbe  ist  seit 
ihrem  16.  Jahre  regelmässig,  stets  etwas  reichlich  menstruirt 
Ihre  äusseren  Genitalien  sind  ganz  normal  gebildet;  öas 
Hymen  aber  fehlt.  Bringt  man  ein  mittelweites  Speculum 
in  die  Vagina  ein,  so  stösst  dieses  bereits  nach  circa  einem 
Zoll  Einführung  auf  ein  Hinderniss.  Drückt  man  dasselbe 
nur  massig  an,  so  erblickt  man  in  seinem  Lumen  zwei  seit- 
lich gelegene,  trichterförmige  Gruben,  welche  beide  von  ein- 
ander durch  einen  in  der  Mitte  senkrecht  stehenden  Schleim- 
hautwulst  getrennt  sind.  Bei  einfachem  Auseinanderhalten 
der  Labien  könnte  man  glauben  einen  Prolapsus  parietis  an- 
terioris  vaginae  vor  sich  zu  haben;  das  ist  jedoch  nicht  der 
Fall,  jener  Schleimhautwulst  ist  vielmehr  der  vordere  Rand 
einer  Scheidewand ,  welche  die  Vagina  in  zwei  vollkommen 
gleiche,  neben  einander  befindliche  Theile  theilt.  Man  unter- 
richtet sich  über  die  bestehendt*n  Verhältnisse  am  Gründlich- 
sten durch  gleichzeitiges  Einführen  zweier,  am  Besten  der 
beiden  Zeigefinger:  Beide  Scheidenkanäle  sind  eng,  an  ihrem 
Eingange  mit  einer  hymenähnlichen,  scharfen  Schleimhautfalte 
versehen.  Rechts  so  gut  wie  links  trifft  der  Finger  in  einer 
Entfernung  von  circa  ly^  ^^U  auf  eine  etwas  kleine,  feste 
Portio  vaginalis,  die  zapfenförmig  aus  dem  Laquear  hervor- 
tritt, und  deren  jede  ein  gesondertes,  queres  Orificium  be- 
sitzt Die  rechte  Vaginalportion  ist  wenig  kleiner  als  die 
linke,  nicht  gerade  nach  dem  Scheideneingange,  sondern  etwas 
nach  der  Scheidewand  hin  gerichtet,  die  Grösse  ihres  Orifi- 
ciums  steht  im  Verhältnisse  zu  der  der  Portio  vaginalis.  Die 
vordere  Muttermundslippe  ist  beiderseits  länger  als  die  hin- 
tere. Zwischen  den  untersuchenden  Fingern  fühlt  man  die 
starke  und  feste  Scheidewand  sich  bis  an  das  Ende  des  Ca- 
nals  erstrecken,  nirgends  ist  eine  Connnunication  zwischen 
beiden  Scheidenhälften  aufzufinden.  Die  Simpson'&che  Ute- 
rinsonde lässt   sich   nur  in   das   linke  Ostium  utorinum,    da 


XVII.  StjfdO,  MittlieilangeD  ans  der  gebnrtshülfl.  Klinik  etc.    277 

aber  ohne  Schwierigkeil  einfuhren.  Das  rechte  ergiebt  sich 
aJs  zu  eng,  und  ist  somit  der  Nachweis,  ob  der  Uterus  voll- 
kommen doppelt  vorhanden  oder  einfach,  ob  sein  Körper 
eine  einzige  oder  zwei  getrennte  Höhlen  besitze,  unmöglich. 
Ueber  die  Beschaffenheit  der  Gebärniutteranhänge ,  über  Zahl 
und  Lage  der  Tuben  und  Eiei*stöcke  vermag  die  objecliv^ 
Untersuchung  selbstverständlich  kein  Licht  zu  verbreiten.  Bii- 
dungsfehler  anderer  Organe,  wie  des  Gehirns,  des  Gaumens, 
der  Harnblase  etc.,  welche  neben  der  beschriebenen  Missbil- 
dung nicht  selten  bestehen,  sind  in  unserem  Falle  nicht  vor- 
handen. Ein  richtiger  Collus  hat,  wie  aus  der  Erzählung  des 
Mädchens  hervorzugehen  scheint,  bis  jetzt  noch  nicht  statt- 
gefunden; ein  mit  der  B,  dienender  Knecht  ist  bei  einem 
derartigen  Versuche  höchst  wahrscheinlich  nur  bis  zu  jener 
Scheidewand  gelangt  und  bat  die  am  Introltus  befindlichen 
Excoriationen  verursacht. 


XVIL 

Mittheilungen  aus  der  geburtshttlflichen  Klinik 
zu  Königsberg  in  Preussen. 

Von 

Dr.  Carl  Sejdel, 

erstem  Assistenten  der  Klinik. 


L 

Einige  Fälle  von  Eclampsia  puerperalis. 

Nachstehende  fünf  Fälle  von  Eclampsie,  im  Winterseme- 
ster 64/65  in  der  hiesigen  Klinik  beobachtet,  bieten  eine 
vielleicht  nicht  uninteressante  Illustration  jener  Krankheit 
weshalb^  ich  mir  erlaube,  darüber  kurz  zu  berichten. 

Fall  I.  Nr.  239.  1864.  Amalie  £.,  22jähiigp,  kräf- 
tige Erstgeschwängerte,   hat  vor  vier  Jahren    angeblich     an 


278    XVII.   6>y(2«{,  Mittheilnngen  ans  der  gebartshälflieheD 

Hydrops,  aus  unbekannter  Ursache,  gelitten ;  drei  Monate  Tor 
ihrer  Aufnahme  in  die  Anstalt  hatte  sich  ein  allmälich  wach- 
sendes Oedem  der  unteren  Extremitäten  eingestellt.  Die 
eklamplischen  Anfalle  traten  ohne  deutlich  erkennbare  Wehen 
im  achten  Schwangerschaftsmonate  ein.  In  der  Anstalt  wur- 
den im  Ganzen  zehn  Anfalle,  bei  vollständig  geschwundenem 
Bewusstsein,  beobachtet  Nach  einer  Venaesection  von  %i 
sistirten  dieselben.  Circa  acht  Stunden  später  kehrte  das 
Bewusstsein  wieder.  24  Stunden  nach  den  AnßUen  war  fast 
vollständige  Amaurose  vorhanden ,  der  ophthalmoskopische 
Befund  war  dabei  ein  negativer.  Die  Amaurose  schwand  all- 
mähg  spontan.  Fünf  Tage  später,  unter  Fortbestehen  des 
nicht  unbedeutenden  Oedems,  ward  ein  frühzeitiges  Mädchen 
ohne  jede  Störung  geboren.  Wochenbett  fast  ganz  normal. 
Urin  in  und  bald  nach  den  Anflillen  reich  an  Albumin,  das 
sich  im  Wochenbett  vollständig  verlor. 

Fall  II.  Nr.  293.  1864.  Minna  L,  21jährige  kräf- 
tige Erstgebärende ;  die  Geburt  war  normal  bis  auf  ein  etwas 
lang  dauerndes,  die  Person  sehr  alterirendes  Austreibungs- 
stadium. Puls  110.  Eine  halbe  Stunde  nach  der  Geburt 
trat  unter  grosser  Aufregung  und  Unruhe  ein  eklamptischer 
Anfall  ein:  klonische  Krämpfe,  auf  alle  Rumpf-  und  Extre- 
mitäten-Muskeln sich  erstreckend,  allmälig  in  tonische  über- 
gehend. Nach  dem  Anfalle  langsames,  schnarchendes  Ath- 
men;  das  in  dem  Anfalle  bläulich-bleiche  Gesicht  röthel  sich 
allmälig  wieder;  die  Pupillen  sind  weit,  fast  reactionslos. 
Pids  118 — 120.  Während  des  Anfalles  massige  Metrorrha- 
gie, die  sich  auch  später  wiederholte.  Nach  circa  zwei  Stun- 
den Wiederkehr  des  Bewusstseins  mit  heftigem  Kopfschmerze, 
undeutliches  Sehen  (wie  durch  Nebel),  Schmerz  bei  Bewe- 
gungen des  Auges,  die  Pupillen  verkleinern  sich  allmälig, 
bleiben  aber  noch  lange  träge  reagirend.  Urin,  gleich  nach 
dem  Anfalle  durch  den  Katheter  entleert,  zeigt  sich  bedeutend 
eiweisshaltig. 

Behandlung :  Kalte  Fomentat.  auf  den  Kopf,  kühles  säuer- 
liches Getränk,  Venaesection  für  etwa  folgende  AnfSille  in 
Aussicht  genommen.  Am  dritten  Tage  des  bis  dahin  nor- 
malen Wochenbettes  trat  heftiger  Kopfschmerz  ein,  die  Pu- 
pillen ei^schienen  wieder  weit,  trag,  das  Gesicht  gerothet,  der 


Klinik  in  Königsberg  in  PrensBea.  279 

Kopf  heiss.  Der  Puls  Torher  100—110  süeg  auf  128.  Die 
Zunge  war  an  den  Rändern  roth,  in  der  Mitte  stark  belegt; 
Urin  gegen  die  vorhergehenden  Tage  nicht  verändert.  Ord. : 
acht  Schröpfköpfe  in  den  Nacken,  Eiskappe  auf  den  Kopf, 
zwei  Calomelpulver  ä  gr.  v.  Danach  trat  schnelle  Besserung 
ein,  doch  war  am  folgenden  Tage  der  Eiweissgehalt  des  Harns 
gegen  die  vorhergehenden  bedeutend  vermehrt,  keine  Cylin- 
der.     Das  übrige  Wochenbett  verlief  normal. 

Fall  UI..  Nr.  315.  1864.  H.  £.,  kräftig  gebaute  Erst- 
gebärende war  bewusstios  in  die  Anstalt  gebracht;  nachdem 
ausserhalb  derselben  wiederholte  Krampfanfalle  aufgetreten 
waren.  Befund  bei  der  Aufnahme:  Uterus  fest  contrahirt, 
in  den  Geschlechtstheilen  die  bis  auf  den  Beckenboden  rei- 
chende Fruchtblase.  Blasensprung  bei  den  nächsten  Wehen. 
Kopf  tritt  in  erster  Schädelstellung  auf  den  Beckenboden, 
wird  sehr  bald  in  den  Wehen  sichtbar,  aber  erst  nach  ein 
und  einer  halben  Stunde,  als  die  Zange  eben  angelegt  wer* 
den  sollte,  geboren.  In  dieser  Zeit  traten  drei  Aufalle  ein, 
der  vierte  unmittelbar  nach  der  Geburt  de^  Kindes;  nach 
Ausstossung  der  Placenta  erneute  vier  Anfälle.  Zwei  Stun- 
den post  pari.  Venaesect.  von  Sx ;  fünf  Minuten  später  neuer 
Anfall,  ziemlich  starke  Blutung  aus  der  Venenwunde.  Deglu- 
tition  unmöglich;  subcutane  Morphiuminject.  von  Gr.  ^/s*  Nach 
einer  halben  Stunde  neuer  Anfall;  wiederholte  Injection  von 
Gr.  ^/a.  Seitdem  kein  Anfall  mehr.  Fat  noch  sehr  unruhig, 
Eiskappe  nur  schwer  auf  dem  Kopfe  zu  erhalten,  Puls  in  den 
Anlallen  120,  sinkt  nach  denselben  auf  108.  Pupillen,  frü- 
her weit,  trag,  contrahiren  sich  eng.  (Morphium -Wirkung.) 
Nach  1^/2  Stunde  tiefer,  selten  unterbrochener  Schlaf,  nach 
diesem  stellt  sich  das  Bewusstsein  nach  und  nach  ein.  Puls 
sinkt  stetig,  ist  am  Abend  des  Tages  nach  der  Geburt  71. 
Die  Eiweissmenge,  die  vor  und  gleich  nach  der  Geburt  ^/g  des 
Volumens  des  Urins  betragen  hatte,  nahm  allmäüg  ab.  Am. 
Morgen  des  nächsten  Tages,  nach  gutem  Schlafe,  enorm  hohes 
Fieber,  Schlingbeschwerden,  Erythem  über  den  ganzen  Kör- 
per, besonders  über  den  Rumpf,  Diphtheritis  des  Genitalrohres, 
Sluhlverstopfung,  später,  nach  Calomel,  unstillbare  Diarrhoeeu, 
die  in  Secess.  invoinnl.  übergingen;  Peritonitis;  Delirien,  Tod 
nach   fünf  Tagen.     Der  Eiweissgehalt  des   Urins  verringerte 


280    X^n.  Sepäel,  Mi^theilangen  an«  der  gebartahiliriichen 

sich  in   diesen  Tagen  mehr   und  mehr,    ohne  vollständig  zu 
verschwinden. 

Die  durch  Prof.  v,  Reklinghausen  vorgenommene  Sec- 
tion  ergab  im  Wesentlichen:  Starke  Anaemie  des  Geliimes, 
ohne  Oedem,  sehr  schwach  ausgeprägtes  Anfangsstadium  der 
parenchymatösen  Nephritis  („trübe  Schwellung  der  Epitbe- 
lien'O,  starke  Diphteritis  der  Scheide  und  der  Innenfläche  des 
Uterus,  im  rechten  Lig.  latum  nahe  am  Fund.  ut. ,  geringe 
eitrig-seröse  Infiltration.     (,,Acutes  sero-purulentes  Oedem".) 

Fall  IV.     Nr.  330.  1864.  Auguste  Ä.,  kräftige  Primi- 
para,   wurde  in  voller  Geburtsthäligkeit  Mittags  zwölf  Uhr  in 
die  Anstalt  gebracht.     Es  hatte   seit  einigen  Tagen  Hamvei^ 
haltung  stattgehmden,  die  kunstlich  behoben  werden  inusste. 
Seit  fünf  Stunden  Wehen,  in  dieser  Zeit  vier  bis  fönf  heftige 
Krampfanfalle.  Untersuchung,  wegen  grosser  Unruhe  in  leichter 
Cliloroformnarkose  vorgenommen,   ergiebt:    Harnblase  linker- 
seits als  mannskopfgrosse,   fluctuirende  Geschwulst    bis' ober 
den  Nabel  reichend,    Uterus   eng   um  die  Frucht  contrahirt, 
nach  rechts  gedrängt,  Kopf  in  der  Beckenhöhle  ohne  Eihäute 
in  erster  Schädellage.-    Durch   den   Katheter   werden   ca  drei 
Quart  blassgelben,    fade  riechenden,  vollständig  eiweissfreien 
Urins  entleert.     Einige  Minuten  darauf  Geburt  eines  kräftigen 
Knaben.    Gleich  nach  der  Geburt  heftiger,  eclamptischer  An- 
fall.    Die  kräftig  gebaute  Person   blass,   mit  leichtem  Oedem 
des  Gesichtes  und  der  Oberschenkel.   Ord.:  Eiskappe,  inner- 
lich Morph,  gr.  %,     Danach  ziemlich  schnelle   Aufeinander- 
folge mehrerer  Anfalle:  Venaesect.  von  5x.     Fünf  Uhr  Nach- 
mittags erneute  Anfalle  mit  geringer  Nachblutung  aus  der  Ve- 
nenwunde.    Nach  im  Ganzen  14  in  der  Anstalt  beobachteten 
Anfällen,   Inject  von  gr.  Vs  Morph,  in  die  Bauchhaut  ober- 
halb des  Uterus.     Von  da  an  (11  Uhr  Abends)  Aufliören  der 
Anfllle,  Sinken  des  Pulses,  am  nächsten  Mittage  Wiederkehr 
des    Bewusstseins;     normales    Wochenbett.       Urin    stets   ei- 
weissfrei. 

Fall  V.  Nr.  355.  1864.  Amalie  Z.,  kräftige,  sehr 
wohlgenährte  und  vollsäftige  Primipara,  nach  etwa  24 stundiger 
Eröffnungsperiöde  von  einem  schwächlichen  friihzeitigen  Kinde 
(33 — 34  Stunden)  entbunden.  Vollkommenes  Wohlbefinden 
der  ersten  fünf  Stunden  post  partum ;  Nachts  ein  Uhr  leichter 


Klinik  m  Köni^benr  in  Prengven»  281 

eclampt  Anfall,  dem  aeht  Uhr  Morgens  und  zwölf  Uhr  Mit- 
tags zwei  ziemlich  intensive  folgten.  Nachblutung  aus 
den  Genitalien  in  jedem  Anfalle.  Oberschenkel  und 
Gesicht  leicht  ödematös,  Urin  eiweisshaltig.  Ras  Bild  in  den 
Anfallen  gleich  dem  oben  beschriebenen.  Nach  einer  Venaesect. 
von  Sxii^  Mittags  ein  Uhr,  sofort  erneuter  Anfall  mit  ziemlich 
starker  Blutung  aus  Genitalien  und  Venaesect.  -  Wunde.  Da- 
nach noch  zwei  Anfalle  in  zweistündigen  Intervallen  auftre- 
tend. Sechs  Uhr  Abends  Inject,  von  Morph,  gr.  ^Z^.  Calo- 
mel  und  Eiskappe  waren  nach  dem  ersten  Anfalle  schon  an- 
gewandt. Nach  der  Injectiou  tiefer  Schlaf.  Hit  fast  voll- 
ständig freiem  Sensorium  erwachte  die  Wöchnerin  am  andern 
Tage.  Das  Wochenbett,  etwas  gestört  durch  Bronchialkatarrh, 
verlief  unter  anhaltend  hoher  Pulsfrequenz  und  reichlicher 
Transspiration  im  Uebrigen  normal.  Der  Eiweissgehalt  des  Urins 
am  vierten  Wochenbetttage  geschwunden.  —  Die  neuerdings  von 
Traube  aufgestellte,  von  Rosenstein  besonders  vertretene 
Ansicht  über  die  Pathogenese  der  Eclampsie :  „Erhöbung  des 
Aortendruckes,  Oedem  des  Gehirns,  mit  secundSrer  Anaemie,^* 
ist  für  viele  Fälle,  docti  gewiss  nicht  tur  alle  ausreichend. 
(Vergt.  Monatsschr.  fär  Geburtskunde  1864.  Bd.  23.  pag. 
441.)  Die  von  Hecker  betonte  acute  Ueberladung  des  Blutes 
mit  excrementielien  Stoffen  in  Folge  acuter  Nephritis  hat 
viele  Vertheidiger,  doch  schwinden  ihre  Stutzen  mit  der  Aus- 
dehnung klinischer  Beobachtung  mehr  und  mehr;  denn  der 
Eiweissgehalt  des  Urins  tritt  nicht  allein  ohne  Geburtsthätig- 
keit  bei  Schwangeren,  namentlich  hydrämischen,  nicht  selten 
auf,  sondern  steigert  sich  auch  in  der  Geburtsthätigkeit,  oder 
tritt  oft  zuerst  während  dieser,  langsam  wachsend,  auf,  wo 
in  der  Gravidität  keine  Albuminurie  vorhanden  gewesen.  (Vgl. 
Scanzoni'»  Beiträge  zur  Geburtsk.  und  Gynäkolog.  IL  Bd. 
pag.  40  u.  folg.)  Die  Sectionsergebnisse  ^.ndlich  an  Eclampsie 
Verstorbener  weisen  immer  mehr  die  Unzulänglichkeit  der 
NierenafTection  zur  Erklärung  acuter  Uraemie  nach. 

Ein  Moment,  das  von  älteren  Geburtshelfern  und  den 
Pathologen  der  Neuzeit  (vgl.  Virchow'%  gesammte  Abhandl. 
pag.  778.)  mehr  gewürdigt  und  hervorgehoben  wui*de,  die 
gewaltige,  vielleicht  primäre,  Affection  des  Nervensystems  ist 
in  der  neuern  Zeit  mit  Unrecht  mehr  und  mehr  in  den  Hin- 


282     X^n.  8&ifd6l,  Mittheilan^eB  aos  der  gebartohiUfliehen 

tergrund    geschoben.     Bei  unbefangener   Beobachtung  findet 
man  nach  Professor  Spiegetberg,  namentlich  im  Anfalle  selbst 
einen  Syroptoroencomplex,  der  die  Reizung  einer  ganzen  Ab- 
tbeilung    des   Nervensystems   des    sympathischen    manifestiit 
Aus  den  obenstehenden  Berichten  hebe  ich  als  hierher  gehö- 
rend hervor:    die  weiten,  trägen  Pupillen,   der  Gefasskrampf 
der  Haut,  der;  nicht  ohne  Beihulfe  des  Respirationskrampfes 
freilich,   den  Livor  der  Haut  hervorbringt,  die  Zusammenzie- 
hungen der  Geß|Ssmoskulatur,  die  sich  deutlich  in  der  BUsse 
des  Gesichts  und  dem  nach  den  Anfallen  erscheinenden  coropen- 
sirenden  Turgor  desselben  manifestiren;  schliesslich  die  bedeu- 
tende in  den  Blutungen  sich  kundgebende  Atonie  des  Uterus.  Die 
dem  Anfalle  vorausgehende  und  denselben  ankündigende  Pub- 
beschleunigung  bildet   wohl  das  Anfangsgiied  dieser  Erschei- 
nungen,  dem  durch  Reiz  der  Medulia  oblongata  reflectorisch 
allgemeine    Couvulsionen    zugleich    mit    den    obengenannteii 
Symptomen   folgen   (vielleicht  liegt  dieser  durch  Reizung  des 
Sympathicus   bedingte  Gefasskrampf  auch  einer  momentaoeo 
Anämie  des  Hirnes,  die  sich  in  den  Convulsionen  äussert,  iq 
Grunde).   Dass  diese  Alteration  des  Nervensystems  ihren  Aus- 
gang vom  Uterus  nimmt,  und  mit  dessen  Functionen,  besoih 
ders  der  Wehentbätigkeit  eng  zusammenhängt,  ist  nicht  an- 
walirscheinüch,    wenn  man  die  erhöhte  Reizbarkeit  des  Ner^ 
vensystems,    namentlich   bei  Erstgeschwängerten  und   den  in 
dieser  Zeit  den  ganzen  Organismus  beherrschenden  spezieUeo 
Einfluss   des   uterinen  Nervensystems    berücksichtigt.    Occa- 
sionelle  epidemische  Momente,    die  zu  Eclampsie  besonders 
disponiren,    sind   nicht  nachgewiesen,    erscheinen  aber  nicht 
unwahrscheinlich.     Ob   gerade,    wie   Roienatein    venntitbeC 
Witterungsverhältnisse,    die   die    Hautthätigkeit    beeinflussen, 
wichtig   sind,    da  die  Nierenfunction  alterirt  ist,    und  starke 
Schweisssecretion  (wie  freilich  bei  den  meisten  Wöchnerinnen) 
im    weiteren    Puerperium  beobachtet  wird,   ist  vorläufig  our 
als  Hypothese  zu  betrachten.     Immerhin  bleibt  es  merkwür- 
dig, dass  wir  im  vorigen  Jahre  nach  einem  kalten  regnerij^cheo 
Sommer  und   Herbst  in   wenigen   Monaten  die  relat.  bedeu- 
tende Anzahl  beobachten  konnten,  während  lange  wrher  uo<' 
seitdem   kein    einziger    Fall  in   der  Gebäranstnlt  vorkam.  — 
Wie  dem  Allem  nun  auch  sei,  so  muss  man  Jedenfalls  daran 


Klinik  so  Königsberg  in  Prenasen.  283 

festhalten,  dass  die  jetzt  bestehenden  Theorien  Qber  die  Pa- 
thogenese der  Eclampsie  nicht  ausreichen,  und  dass  wahr- 
scheinlich auch  nicht  ein  und  d^selbe  Grund  für  alle  Fälle 
angenommen  werden  könne;  vielmehr  ist  nur  genaues  Beob- 
achten und  Individualisiren  der  einzelnen  Fälle  im  Stande, 
auf  die  richtige  Spur  zur  Erkenntniss  dieser  noch  räthsel- 
haften  Krankheit  zu  führen. 

Was  die  Behandlung  der  Eclampsie  betrifft,  so  ist  sie 
genügend  bekannt  und  wird,  mit  der  gehörigen  Energie  durch- 
geführt, im  Durchschnitt  gute  Resultate  geben.  Merkwürdig  ' 
ist  der  günstige  Einfluss  der  Venaesection,  und  fühle  ich  mich 
fast  versucht,  die  günstige  Einwirkung  der  Geburt  auf  die 
eclamptischen  Anfalle  zum  Theil  der,  besonders  bei  Erstge- 
bärenden physiologisch  reichen,  Blutung  zuzuschreiben.  Dass 
dieser  Umstand,  wahrscheinlich  eine  Folge  des  physiologisch 
vermehrten  ßlutquantums  in  der  Gravidität  (und  eine  solche 
Vermehrung  muss  man  annehmen  —  Spiegdberg)  der  An- 
nahme vom  erhöhten  Aortendruck  günstig,  ist  unschwer  ein- 
zusehen. Doch  reicht  meist  die  Beseitigung  dieses  Factors 
nicht  aus,  und  wird  das  stürmisch  aufgeregte  Nervensystem 
erst  durch  starke  Gaben  von  Narcoticis  beschwichtigt,  wäh- 
rend diese  ohne  vorangegangene  V.  S.  langsamer  und  weniger 
sicher  zu  wirken  scheinen.  (Vgl.  Hecker^s  Fälle:  October- 
beft  der  Monatsschr.  1864.  pag.  303,  und  die  hier  mitge- 
tlieilten.)  Dass  die  subcutane  Injection  vor  der  inneren  Ein- 
verleibung viele  Vorzüge  hat  und  oft,  wie  oben  erwähnt,  die 
einzig*  mögliche  Applicationsform  ist,  brauche  ich  kaum  her- 
vorzuheben. Die  Rücksicht,  die  man  auf  Beendigung  der  Ge- 
burt zu  nehmen  hat,  muss,  glaube  ich,  einer  anderen  unter- 
geordnet werden :  jede  eingreifende  Manipulation  zu  vermeiden, 
ein  Grundsatz,  der  mit  grossem  Rechte  von  den  älteren  Ge- 
burtshelfern festgehalten  wurde.  Diese  Rücksicht  mag  viel- 
leicht in  dem  einen  der  oben  angeführten  Fälle  zu  etwas  zu 
langem  Temporisiren  verleitet  haben,  doch  glaube  ich,  dass 
viel  leichter  durch  frühes  Operiren ,  als  durch  das  Gegentheil 
geschadet  wird.  Zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  will  ich 
zum  Schluss  aus  dem  Berichte  eines  Dr.  SerUex^  Assistent 
von  Rousset  in  Bordeaux  zehn  Fälle  von  Eclampsie  anfQhren. 
(Vgl.   Gazette   des   Höp.   7.  Janvier   1863.)     Von    den    zehn 


284    XVII.  SBydel,  Mittheilungen  ans  der  gebortsbülf  lieben 

Mattem  starben  sechs,  eine  am  neunten  Tage  an  Metrope- 
riionitis,  die  übrigen  in  den  Anfällen,  die  in  der  Zahl  von 
14—27  schwankten.  Von  den  eilf  Kindern  blieb  nar  eine 
am  Leben;  es  ist  freilich  nicht  gesagt,  ob  die  Kinder  tot, 
in  oder  bald  nach  der  Geburt  starben.  Sieben  Mal  wurd« 
hierbei  die  Zange  angelegt  (vielleicht  recht  früh).  Drei  Mai 
cessirten  die  Anfälle  nach  der  Geburt,  vier  Mal  dauerten  sie 
darüber  hinaus  bis  zum  bald  eintretenden  Tode«  Die  Be- 
handlung bestand  in  Blutentziehungen  durch  Blutegel  am 
Kopfe,  Eiskappe,  Hautreizen.  Innerlich,  wie  Rousset  bei  ailen 
Albuminurosen  verordnet,  Tannin. 

II. 

Beitrag    zur    Behandlung    des     Scheintodes     der 
Neugebornen.  —   Einführen  von  Luft   in   die    Lun- 
gen eines  todtgebornen  Kindes  durch  die 
Marshall  -  Hairsche  Methode. 

Auf  die  Untersuchungen  über  die  Ursache  des  ScbeiD- 
todes  der  Neugeborenen  fussend,  wandte  man  auch  der  Be- 
handlung der  Asphyxie  erneute  Aufmerksamkeit  zu.  Von 
Hueter  wurde  die  Catheterisation  der  Luftröhre  (Monatsschr. 
für  Geburtsk.  XXI.)  von  Pernice  („Ueber  den  Scheintod  der 
Neugebornen  und  dessen  Behandlung  durch  elektr.  Reizungen*'. 
Greifs w.  med.  Beiträge  IL  1.)  die  Faradisation  der  Phrenid 
warm  empfohlen.  Die  Permc^'sche  Methode,  deren  Ausfuhr- 
barkeit  in  der  Privatpraxis  unmöglich  und  selbst  in  Gebar- 
anstalten mindestens  sehr  umständlich,  habe  ich  kaum  Gele- 
genheit gehabt,  zu  erproben,  desto  häufiger  wurde  froher  in 
unserer  Klinik,  nach  dem  Erscheinen  der  Hu^^er'scben  Ar- 
beit, die  Catheterisation  der  LufU*öhre  genau  nach  den  dort 
angegebenen  Vorschriften  ausgeführt.  Die  Zahl  der  Fälle 
weiss  ich  nicht  genau  anzugeben,  doch  war  es  nach  unseren 
damaligen  Erfahrungen  diejenige  Methode,  die  bei  tief  As- 
phyktischen  am  schnellsten  die  Athmung  in  den  Gang  brachte 
und  allen  Anforderungen  zu  genügen  schien.  An  vier  Neu- 
geborenen aber,  die  aus  tiefem  Scheintode  mit  Mübe  mm 
AHmen  und  schwachen  Schreien  gebracht  waren,  stellte  sich 
24 — 36  Stunden   nach   der   Geburt  Trismus  mif  rasch  tödt- 


Klinik  xu  Königsberg^  in  Preassen.  285 

licliero  Ausgang«  ein.  Das  Sectionsergebniss  war  constant; 
an  einzelnen  Steilen  der  Lungen  subpleuraies  Emphysem,  an 
anderen  Atelectase»  deren  Ausdruclc  die,  zu  E^nde  des  Lebens 
auftretenden,  Krämpfe  sind.  Aus  diesen  Befunden  iässt  sich 
ein  gewichtiger  Vorwurf  gegen  die  Hueter'sdw  Metliode  hei^ 
leiten.  Die  gleich  nach  dem  Einführen  des  Katheters  ge- 
machte Aspiration,  wodurch  die  intrauterin  eingeathmeten 
Blut-  und  Schleimmassen  entfernt  werden  sollen,«  reicht  in 
leichteren  Fällen,  wo  sich  diese  Massen  in  der  Trachea  und 
den  Bronchien  erster  Ordnung  befinden,  vollkommen  ans, 
keineswegs  aber  in  den  schwereren  Fällen,  in  denen  man  die 
Massen  selbst  in  den  feineren  und  feinsten  Bronchien  findet. 
Das  der  Aspiration  folgende  Einblasen  von  Luft  ist,  wie  un- 
sere Fälle  zeigen,  trotzdem  dass  neben  dem  dünnen  Katheter 
ein  grosser  Theil  der  Luft  aus  der  Rima  glottidis  rasselnd 
entwich,  stark  genug,  in  einzelnen  wegsamen  Lungenparthien 
subpleurales  Emphysem,  in  anderen,  durch  tieferes  Eintreiben  , 
der  ScIUeimmassen  vollständig  unbehebbare  Atelectase  her- 
vorzubringen. Die  Schwierigkeiten  des  Katheter- Einfuhrens, 
bei  einiger  Uebung  irrelevant,  und  die  dem  notbwendig  öf- 
teren Einführen  des  Katheters  in  den  ersten  Lebeustagen 
wohl  stets  folgende  Heiserkeit  sind  gegen  den  oben  erwähn- 
ten Vorwurfe  unbedeutend.  —  Frei  von  diesem  Vorwurfe, 
wenn  auch  etwas  weniger  schnell  wirkend,  ist  die  von 
Spiegelberg  im  fünften  Bande  der  Würzburger  mediciniscben 
Zeitschrift,  pag.  150  u.  folg.,  empfohlene  MarshaU-HaW^che 
Methode. 

Indem  ich,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  auf  den 
oben  citirten  Aufsatz  verweise,  beschränke  ich  mich  darauf, 
die  Art  und  Weise,  wie  wir  diese  Methode  in  der  hiesigen 
Gebäranstalt,  seit  ca.  einem  Jahre  zur  Anwendung  brachten, 
etwas  genauer  zu  bezeichnen.  Die  asphyctisch  Geborenen 
wurden,  nachdem  Besprengen  mit'  kaltem  Wasser,  Reinigen 
der  Mund-  und  Nasenhöhle  ohne  Erfolg  geblieben,  schnell 
abgenabelt  und  für  einen  Moment  in  ein  heisses  Bad  gebracht.' 
Traten  in  diesem  keine  oder  nur  sehr  selten  die  bekannten 
krampfliaflen  Inspirationen  ein,  so  wurde  das  Neugeborene 
in  ein  Tuch  geschlagen  und  auf  einem  mit  runden  Kanten 
versehenen  Polster  abwechselnd  in  Bauch-  und  Seiteniage  ge- 


286    HyU'  8e9tUl,  MUtfaeiliMireB  aas  der  g»bftehglflirfcf   ^ 


bracht,  wafareod  der  Kopf  von  dem  Polster  etwas 
Hatte  dies  eine  Zeit  lang  staltgeTandeD ,  umI 
zeite  oder  häufigere  Respirationen  eingetreten.  So  wurde  das 
Kind^  nachdem  es  mit  warmen  Tnchem  tnchtig  gcriebea, 
wieder  in's  warme  Bad  zurückgebracht  u.  s.  f.  Während 
der  eben  beschriebenen  Manipulation  sah  man  meist  blutige 
Schleimmassoi  in  beträchtlicher  Menge  ans  Nase  und  Mnad 
aosfliesseo,  die  ersten  Inspirationen  erfolgten  meist  in  der 
Seiteniage  und  wurde  die  Exspiration  durch  gelindes  Zusam- 
mendrucken  der  Hypochondrien  und  Heraufdrängen  des  Zwerch- 
fells unterstützt  —  wie  es  in  dem  Spiegdberg'^cbien  Anf- 
satze  angegeben  ist 

Die  einzelnen  Fälle  anzuführen,  liegt  nicht  im  Zwecke 
dieser  Zeilen,  und  verweise  ich  hierin  auf  den  seiner  Zeit 
erscheinenden  Jahresbericht  der  Klinik.  Es  genüge  die  Be- 
merkung, dass  alle  auf  diese  Weise  behandelten  Asph.  drca 
25  ins  Lehen  gebracht  wurden,  und  nur  eins  unter  ihnen 
circa  in  24  Stunden  an  Atelektase  zu  Grunde  ging.  Eine 
Beobachtung  jedoch,  welche  die  entschiedene  Wirksamkeit  des 
Verfahrens  ins  klarste  Licht  stellt,  will  ich  anführen,  weil  sie 
die  Veranlassung  dieser  Mittheilung  ist. 

L.  £,  Nr.  206.  1865.  1.  para,  18  Jahre  alt,  tritt  den 
17.  VI»  11  N.  in  die  Anstalt,  die  äussere  Untersuchung  ergibt 
nichts  Abnormes,  Foetalpuls  in  der  .Nabelgegend  12,  Mutter- 
mund gröbchenförmig,  Kopf  fest  auf  dem  Becken.  Den  18. 
VL  2  N.  Muttermund  fast  tlialergross ,  Blase  in  demselben 
gespannt,  Fötalpuls  nicht  zu  hören.  Auch  nach  dem 
bald  erfolgenden  Blasensprunge  wurde  der  Fötalpuls  bei  wie- 
derholten Untersuchungen  nicht  vernommen,  so  dass  das  Ab- 
sterben der  Frucht  angenommen  werden  musste.  Dies  be- 
stätigte sich,  denn  7  Uhr  T.  wurde  ein  kräftig  entwickelter 
Knabe,  frisch  aber  ohne  alle  Lebenszeichen,  in  erster  Schä- 
dellage geboren,  dem  die  Nabelschnur  zwei  Mal  fest  um  den 
Hals  geschlungen  war.  Trotzdem  wurden  zwanzig  Minuten 
lang  Belebungsversuche  in  oben  angegebner  Weise  ausgeführt, 
wobei  aus  Mund  und  Nase  ziemlich  viel  dünne,  schleimige, 
grünlich  gefärbte  Flüssigkeit  ausfloss.  LulleinUasen  von  Mund 
zu  Mund,  oder  durch  den  Katheter  wurde  nicht  geübt. 

Die  Section,  sechs  Stunden  post  mortem  angestellt,  er- 


KÜBik  sn  Kö&igptberg  in  Preatseti.  287 

gab:  Leber  blutreich,  an  einzelnen  Stellen,  besonders  am 
rechten  Lappen  stecknadelkopfgrosse  dunkle  Ecchynioseii,  alle 
übrigen  fJnterleibsorgane  blutreich,  Harnblase  reichlich  mit 
hellgelbem  klarem  Urin  gefüllt,  der  sich  leicht  aus  der  Ure- 
thra ausdrücken  lässt.  Beide  Lungen  zeigen  auf  der  Ober- 
fläche neben  grösseren  dunkeln,  compacten,  Partien,  kleinere, 
hellrothe,  lufthaltige.  Sie  schwimmen  vollständig.  Auf 
dem  Durchschnitt  ist  das  Gewebe  fast  überall 
lufthaltig,  es  lässt  sich  aus  allen  Theilen  grünlich  weisse 
Flüssigkeit  ausdrücken.  A^f  der  Pleura  pulmonal,  vereinzelte 
stecknadelkopfgrosse  dunkle  Ecchymoseu.  Im  Herzbeutel  ca. 
3ü  hellgelbe  klare  Flüssigkeit,  au  der  Herzbasis  und  auf  den 
Anfangen  der  grossen  Gefasse,  besonders  der  Aorta,  reichlich 
kleinere  und  grössere  Ecchymoseu. .  Im  Herzen  wenig  dunkles 
flüssiges  Blut     Sonst  Nichts  Bemerkenswerthes. 

Auf  den  ersten  Blick  fallt  die  grosse  Aehnlichkeit  dieses 
Falles  mit  dem  von  Hecker  ( Vvrch.  Areh.  Bd.  XVI.  6.  Heft, 
pag.  536.)  beschriebenen  auf  und  könnte  man  sich  versucht 
fühlen ,  beide  auf  gleiche  Weise ,  nämlich  durch  intrauterine 
Athmung  zu  erklären.  Bei  genauerer  Durchmusterung  der 
Fälle  lassen  sich  jedoch  wesentliche  Untnrschiede  constatiren. 
In  jET.'s  Falle  wurde  öftei*  mit  halber  Hand  untersucht, 
das  untere  Uterinsegnient  lag,  wie  überhaupt  bei  Beckenenge, 
wohl  nicht  fest  dem  Kopfe  an  und  konnte  so  Lufteintritt  ins 
Cav.  uteri,  gestatten,  der  übrigens,  wie  H,  angiebt,  durch  das 
öftere  genauere  Betasten  des  Kopfes  ermöglicht  sein  kann. 
Uebrigens  spricht  der  Befund  —  Emphysem  bei  mangeln- 
den Fäulnisserscheinungen  —  mit  Bestimmtheit  für  Athmen 
in  der  Geburt.  In  unserem  Falle  wurde  selten,  immer  nur 
mit  zwei  Fingern  untersucht,  dann  war  der  Fötalpuls  schon 
vor  dem  Blasen  Sprunge  geschwunden,  und  der  Kopf 
lag  dem  unteren  Ut-Segm.  fest  an  und  rückte  nach  dem 
Blasensprunge  schnell  in  die  Beckenhöhle  beigab.  Von  einem 
Emphysem,  einem  gewaltsamen  Einführen  der  Luft  fand  sich 
in  unserm  Falle  nichts.  Ausserdem  war  die  Wirkung  der 
MivrahoM-HalP^cYiew  Melliode  bezüglich  des  Einfahrens  von 
Luft  deutlich  in  der  rasselnden  In-  und  Exspiration  nachzu- 
weisen, denn  die  in  beträchthcher  Menge  ^ausfliessenden  aspi* 
rirten  Massen  maditen  der  Luft  immer  wieder  genügend  Platz. 


288  ^VII.  Seffdel,  Mittheilongen  au  der  g^bartsb.  Klinik  etc. 

Nach  dem  eben  Gesagten  ist  es  kaum  zweifelfaafl,  diss 
die  Luft  durch  die  Belebungsversuche  in  die  Langen  des 
todlgebomen  Kindes  gebracht  worden,  also  die  Belebungs- 
melbode  auch  bei  der  tiefsten  Asphyxie  im  Stande  ist,  xum 
Leben  genügende  Luft  in  die  Lungen  zu  schaffen.  Wie  gering 
diese  Menge  mitunter  zu  sein  braucht,  beweisen  zwei  Fälle, 
der  eine  von  Hecker  (Virch.  Arch.  Bd.  XVL  pag.  539.), 
der  andere  von  A,  E.  Simon  Thomas  (Nederl.  TAdsdir. 
V.  Geneesk.  VIIL  p.  337.  Junii  1864.)  erzählt,  wo  bei  der 
Section  lebend  geborner,  schreiender  Kinder  nach  sechs  resp. 
siebzebnstündiger  Lebensdauer  vollständige  AteJectase  der  Lun- 
gen nachgewiesen  wurde;  in  wiefern  hierbei  die  Elasticitat 
des  Lungengewebes  betheiligt  ist,  lässt  sich  freilich  nicht 
beurtheilen,  denn  dass  bei  lautem  Schreien  absolut  keine 
Lungenatbmung  existirt  haben  soll,  ist  sehr  schwer  zu  be- 
greifen. 

Zur  richtigen  Würdigung  der  verschiedenen  Metboden  xur 
Belebung  asphyctisch  Geborner  wird  man  sich  den  Zweck 
der  Manipulation  auf  anatomischer  Grundlage  klar  machen 
müssen.  Die  Aufgabe  besteht  darin,  die  aspirirten  Flüssig- 
keiten zu  entfernen  und  Luft  in  die  wenigstens  zum  Theil 
entleerten  Lungen  einzubringen  (vergl.  den  oben  citirten  Auf- 
satz von  Spiegelberg),  Vollkommen  wird  die  Aufgabe  nur 
eifuUt  durch  die  ^ue^er'sche,  übrigens  in  ihren  Elementen 
schon  lange  bekannte,  und  die  MarshaU-HaWsch^  Metltotif. 
Nach  den  berechtigten  Voi*würfen  gegen  die  erster«  wird  man 
unbedingt  der  letzteren  den  Vorzug  einräumen,  und  ist  es 
nur  auflallig,  dass  trotz  der  schon  vor  mehr  als  einem  Jahre 
geschehenen  Empfehlung  durch  einen  Fachmann  in  einem 
der  gelesensten  Journale  von  dieser  Methode  bis  jetzt  so 
wenig  Kenntniss  genommen  zu  sein  scheint. 

Alle  anderen  Mellmden:  von  Pernice,  von  Silvester 
(new  method)  etc.  nehmen  zu  wenig  Rucksicht  auf  Entfer 
nung  der  die  Luftwege  verstopfenden  Massen  und  auf  den 
Verschluss  der  Glottis,  die  bei  Asphyctischen  durcli  die  nach 
hinten  sich  ballende  Zunge  meist  erfolgt.  Beachtenswerlb, 
aber  umständlich  erscheint  der  Vorachlag  von  Panum  (vergl- 
Dr.  0.  Thamhayn  „üeber  Asphyxie  und  Lebensrettung  As- 
phyctischer**.    Schmidts  Jahrb.   B.  106.  Jahrg.  1860.  Nr.  4 


XyiU.    Hofinann,  Geriohtlicbe  Qatacb^tn  etc.         289 

pag.  96.)  niiUels  einer  Saug-  und  Druckpumpe,^  die  dem 
yerscbiedenen  Lungeninbalt  entsprechend  eingericbtel  werden 
mu8»te,  um  Verletzungen  der  Lungen  zu  vermeiden»  die  Alb- 
roung  Aspbyctiscber  in  den  Gang  zu  bringen. 

Auf  den  eben  citirten  längeren  Aufsatz  jerweise  ich  auch 
der  tretflicbei;^  Kritik  wegen,  die  darin  die  einzelnen  Metho-^ 
den,  namentlich  die  Marshall'H€Ur&cbe  der  Sitüestar' $chm 
gegenüber,  erfahren. 


XVIIL 
Gerichtliche  Gutachten  über  fleischliche  Vergehen. 

Von 

Prof.  Dr.  Qofmann  in  Manchen. 
(Forisetsmig.) 


Untersuchung     wegen     Nothzucht,     geführt    beim 
königl.  Bezirksgerichte  München  links  der  Isar. 

Historisches. 
Die  A.  ist  27  Jahre  alt,  gross,  muskelkräftig,  stark, 
knochig.  Sie  will  noch  nie  einem  Manne  fruherhin  mh  hin* 
gegeben  haben  und  ist  in  geschlechtlicher  Beziehung  gut  be- 
leumundet. Eines  Tages  soll  der  jS.,  Anfangs  der  Zwanziger, 
an  Grösse,  nicht  aber,  so  weit  man  dies  aus  dem  Aeusseren 
eines  Menseben  beurtheilen  kann,  an  Körperkraft  das  gewöhn- 
liche Mittelmaass  überschreitend,  in  die  Wohnung  ihres  Dienst- 
berm  gekommen,  dieser  aber  nicht  zu  Hause  gewesen  sein. 
B,  soll  der  A,  unsittliche  Anti*äge  gemacht  haben,  die  sie 
aber  zurückgewiesen  haben  will.  Da  habe  der  B,  sie  mit 
aller  Gewalt  aufs  Canapee  gezogen,  sich  neben  sie  gesetzt 
und  sie  umarmt.  Mit  einem  Male  habe  B.  eine  Schwenkung 
gemacht,  sich  auf  sie  binaufgele^l  und  mit  seinem  Körper 
so  gegen  ihren  Magen  gedrückt,  dass  sie  kaum  habe  athmen 
können.  Darüber,  ob  sie  um  Hülfe  geacbHeen,  kann  die  A, 
kerne  bestimmten  Aufschlüsse  geben;    ein  Mal  will  sie  dies 

Monateiotar.  f.  0«bnrtok.  1865.  Bd.  XXYI.,  Hft  4.  1  ^ 


290  XVni.     Hofmann,  Gerichtliehe  Oatochteni 

jedoch,  weil  Niemand  zu  Hause  gewesen,  erfol^os  gethai 
haben,  das  andere  Mai  weiss  sie  nicht  mehr  recht  genau,  ob 
sie  geschrieen  habe  oder  nicht.  Von  ihren  Armen  meint 
sie,  dass  sie  unter  ihrem  Körper  gelegen,  so  dass  sie 
keinen  Gebrauch  davon  habe  machen  können.  Von  den 
Füssen,  meint  sie,  dass  der  rechte  ober  das  Canapee  herab- 
gehängt, der  linke  aber  auf  dem  Canapee  gelegen  sei.  In 
dieser  Stellung  habe  ihr  B.  die  Röcke  emporgehoben,  ood 
den  Beischlaf  durch  Einbringung  des  Penis  in  ihre  Vagina 
vollständig  gepflogen.  Hemd  und  Strumpfe  seien  nach  den 
Vorfalle  mit  Blut  befleckt  gewesen,  das  aus  ihren  SchamtbeOen 
gekommen.  Nach  fünf  bis  sechs  Tagen  habe  sie  eine  Er- 
krankung an  den  Geschlechtstheilen  wahrgenommen,  gegen 
welche  ärztliche  Hülfe  anzurufen  sie  sich  aufanglich  geschämt 
habe.  Erst  als  diese  Krankheit  Monate  lang  gedauert  habe, 
habe  sie  ärztliche  Hülfe  gesucht  Die  Krankheit  habe  in 
einem  zeitweise  aus  den  Geschlechtstheilen  austretenden 
Schleimflusse  bestanden.  Es  ist  Thatsache,  dass  die  JL  an 
gutartigem  weissen  Flusse  ärztlich  behandelt  wurde. 

Die  fünf  Monate  nach  dem  behaupteten  Reate  von  mir 
vorgenommene  Untersuchung  der  Geschlechtstheile  der  A. 
ergab  gar  nichts  Pathologisches,  als  dass,  wenn  man  wollte, 
die  Röthung  der  Schleimhaut  etwas  intensiver  man  finden 
konnte.  Von  einer  syphilitischen  Ansteckung,  war  gar  keine 
Spur.  Der  Hymen  war  zerrissen  und  gewährte  die  üeber- 
Zeugung,  dass  schon  ein  Dilalatorium  auf  ihn  gewirkt  habe; 
er  war  übrigens  noch  vorhanden  und  schloss  den  Scheiden- 
eingang so  enge,  dass  ich  ohne  Erregung  von  Schmerzgefühl 
das  Nagelglied  meines  kleinen  Fingers  nicht  einbringen  konnte. 
Solche  Beschaffenheit  des  Scbeideneinganges  musste  mich  be- 
stimmen, von  einer  Digital-  und  Ocularuntersnchung  der  inne- 
ren Geschlechtstheile  abzustehen. 

Die  Geschlechtstheile  des  A.  fand  ich  regelmässig  ge- 
bildet und  frei  von  jeglicher  Spur  augeubticklicber  oder  fro- 
herer Syphilis. 

Gutachten. 
I. 

Von  einer  Nothzucht,  verübt  „durch  Drohungen  mil 
„dringender    gegenwärtiger    Gefahr    für    Leib    oder    Leben*' 


über  fleiBohliehe  Vergehen.  291 

ist  nach  Lage  der  Dinge  gar  keine  Rede;  eine  solche  Be» 
baiiptung  stellt  selbst  die  angeblich  Genothzuchtete  gar  ni^t 
auf.  — 

Die  physische  Gewaltanwendung,  welche  behauptet  wird, 
soll  darin  bestanden  haben,  dass  B.  die  A,  stark  auf  den 
Magen  gedruckt  habe,  während  sie  mit  ihrem  Körper  rück- 
lings gelegen  habe ,  angeblich  die  Hände  unterm  Röcken  und 
den  einen  Fuss  auf  dem  Canapee,  den  andereu  aber  vom 
Canapee  herabhängend.  Alles  dies  als  wahr  angenommen, 
kann  vom  rein  physisclien  Standpunkte  aus  um  so  weniger 
eine  Widerslandsunfahigkeit  der  angeblich  Genothzüchteten  an- 
genommen werden,  als  sie  eine  grosse,  starkknochige,  mus- 
kelkräflige  Person,  der  B,  zwar  auch  gross,  aber  ein  Mann 
nur  mittlerer  Körperkräfligkeit  ist.  Bei  solcher  gegenseitigen 
Stellung  der  Kräfte  ist  eine  Nothzucht  so  lange  eine  baare 
Unmöglichkeit,  als  nicht  der  psychische  Factor  mit  in  den 
Kreis  der  ein  solches  Attentat  begünstigenden  Momente  her- 
eingezogen wird.  Nur  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  A. 
durch  das  urplötzliche  Vorgehen  des  B, "  in  der  Art  über- 
rascht —  im  gewöhnlichen  Leben  sagt  man:  verblüfft  — 
wurde,  dass  dadurch  eine  völlige  Willeoslosigkeit  momentan 
erzeugt  wurde,  welche  die  A,  augenblicklich  widerstands- 
unfähig machte  und  sie  in  einen  Zustand  versetzte,  in  dem 
sie  alles  Beliebige  mit  sich  anfangen  liess  —  nur  unter  dieser 
Voraussetzung  und  bei  solchem  Hergange  der  Dinge  kann 
ärztlicherseits  eine  geschehene  Nothzucht  zugegeben  werden. 
Eine  so  momentane  Willenslähmung  hinterlässt  aber  bekannt- 
lich keine  Spuren  ihres  Dagewesenseins;  deshalb  ist  auch 
die  Lösung  der  Frage,  ob  sie  dagewesen  oder  nicht,  der 
objectiven  Beurtheilung  und  auf  das  Gebiet  der  moralischen 
Ueberzeugung  gerückt.  Der  Richter  mag  sich  darüber  eine 
moralische  Ueberzeugung  bilden,  und  er  kann  sich  ohne  An- 
stand eine  solche  den  Angeschuldigten  gravirende  Ueberzeu- 
gung bilden,  denn  die  ärztliche  Wissenschaft  stellt  sich  solcher 
Ueberzeugung  nicht  entgegen,  unterstützt  sie  vielmehr,  denn 
die  Behauptung  der  A,,  nur  ein  Mal  im  Leben,  und  dieses 
eine  Mal  vollständig  sich  begattet  zu  haben,  findet  ohjective 
Unterstützung  durch  den  Befund  an  ihren  Geschlechtstheilen. 
Der  Arzt  kann  und  darf  sich  aber  keine  moralische,  sondern 

19* 


292  XVIII.    Hofmann,  Oenehfliche  Gntaehten 

nur  eine  objective  Ueberzeugung  verschaffen,  und  nach  dieser 
Ric^hlung  hin  geht  mein  Gutachten  daliin,  dass  das  Ge- 
schehensein einer  Nothzucht  nicht  nachgewie- 
sen sei. 

II. 

Der  sogenannte  weisse  Fluss,  der  nach  Bestätigung  des 
behandelnden  Arztes  ein  gutartiger  ist,  kann  mit  der  behaup- 
teten Nothzucht  im  Zusammenhange  stehen,  und  schenkt  man 
den  Angaben  der  A.  über  das  ^rste  Auftreten  dieses  weissen 
Flusses  Glauben,  so  röhrt  er  sogar  sicher  von  dem  incriroi- 
nirten  Begattungsacte  her.  Einen  Nachtheil  an  ihrer  Gesund- 
heit hat  die  A.  nicht  davon  erlitten.  ^) 

Die  Untersuchung  wurde  eingestellL 


Untersuchung    wegen    Nothzucht,      Gefuhrt    beim 
k.  Bezirksgerichte  Mönchen  links  der  Isar. 

Historisches. 
Im  März  1859  erschien  die  ledige,  taubstumme,  22  Jahre 
alte  A.  mit  ihrer  Mutter  bei   dem   k.  Herrn  Untersucbungs- 


1)  Darüber,  ob  diese  Vagiualblenoorrhöe  einen  „Naehtheil 
an  der  Gesnndfaeit*  involvire  oder  nicht,  niosste  sich  das  ge- 
nchtflärstliche  Gutachten  aaasprechen,  denn  da«  8trafge»ets  too 
1813,  nnter  dessen  Herrschaft  der  Fall  sar  Benrtbeilang  kam, 
strafte  das  Beat  starker,  wenn  ein  solcher  Nacbtheil  aarackblieb, 
als  wenn  keiner  snrückblieb.  Dass  ich  die  Frage  ▼emeinte, 
hatte  seinen  Grand  darin,  dass  der  arstliche  Gesandheitsbegriff 
ein  anderer  ist,  als  der  gerichtsiy'stliche.  Nach  Jirstlichen  Be- 
griffen ist  allerdings  eine  Vagina1blennorrh5e  ein  „Naehtbeil  «a 
der  Gesundheit".  Von  dem  gerichtsftritliohen  Begriffe  Ton  Oe- 
Blindheit  ist  aber  das  Pradicat  der  Berafsfähigkeit  schlechter^ 
dings  unsertrennbar ,  ebenso  wie  yon  dem  gerichtsärstlicben 
Krankheits begriffe  daS  Pradicat  der  Berufsanfahigkeit  schlechter- 
dings nicht  getrennt  werden  kann.  Wer  dem  Gesetze  gegenfiber 
„krank''  sein  will,  mnss  „bernfsnnfXhig''  d.  h.  in  allen  nach 
Maassgabe  von  Alter,  Geschlecht,  Bernf  ankommenden  PflicbteB 
nnd  Obliegenheiten  nntanglich  sein.  Da  nun  die  Blennorrhoe 
die  A.  in  Erfüllnng  ihres  Bernfes  einer  Dienstmagd  nicht  einmal 
beschränkte,  geschweige  sie  ganz  und  gar  behinderte,  so  mnsste 
die  Frage  über  das  Zurückgebliebensein  eines  „Kachtheils  ao 
der  Gesundheit''  gerichtsärstlich  vernelat  werden«  Dr.  H. 


ober  OeiMhliofae  Vergehen.  298 

richler  beim  k.  Besirksgericbte  Mäncheu  links  der  bar  und 
gab  durch  Vennittelung  ihrer  Mutter  Folgendes  an: 

Sie  habe  bis  in  den  December  1858  hinein  noch  nie 
mit  einem  Manne  zu  thun  gehabt. 

Vor  oder  um  Weihnachten  1858  habe  der  ledige  B. 
die  A.  in  ihrem  Zimmer  zu  drei  verschiedenen  Zeiträumen 
am  Halse  gepackt,  sie  rücklings  in  eine  Zimmerecke  gednickt, 
mit  Beihulfe  seiner  Hände  und  Fasse  ihre  Füsse  auseinander- 
gedrängt und  ihre  Röcke  in  die  Höhe  geschoben  und  in  ge- 
genseitig stehender  Stellung  zwei  Mal  den  Finger  und  ein 
Mal  sein  Glied  in  ihre  Scham  gesteckt.  Gleich  in  der  ersten 
Zeit  nach  den  angeblichen  Missbräuchen  will  die^  Ä,  sehr 
schmerzhafte  Urinbeschwerden  gehabt  haben,  die  sie  anfäng- 
lich aus  Schamgefühl  verschwiegen  habe,  später  aber  nicht 
mehr  habe  verschweigen  können.  Sie  wandte  sich  Mitte  Fe- 
bruar 1859  an  einen  Arzt,  der  sie  drei  Wochen  lang  an 
entzündlicher  Reizung  der  Genitalschleimhaut  behandelte. 

Der  von  mir  unterm  22.  März  1859  vorgenommene 
Augenschein  ergab :  die  A.  ist  ihrem  Alter  entsprechend  kör- 
perlich entwickelt.  Bei  ungeöffneter  Schamspalte  zeigen  die 
äusseren  Geschlecfatstheile  durchaus  nichts  Aussergfiswöhnliches, 
namentlich  keine  Ueberreste  ehemaliger  Verletzungen.  Zieht 
man  die  Schamspalte  auseinander,  so  zeigt  sich  zuerst  eine 
ganz  geringe  Röthung  der  Schleimhaut  des  Scheideneingangs 
mit  Gefassinjection,  d.  b.  entzündliche  Röthung.  Der  Hymen 
ist  vorbanden,  gelappt,  die  Hymenalränder  gewulstet.  Die 
Hymenalöffnung  ist  so  eng,  dass  schon  der  Versuch  der  Ein- 
führung des  kleinen  Fingers  einer  Mannshand  Schmerz  ver- 
ursacht. Weder  an  den  Brüsten  noch  durch  die  Bauch- 
decken hindurch  ist  eine  Spur  von  Schwangerschaft  wahr- 
nehmbar. 

Der  B,  ist  41  Jahre  alt,  brustleidend,  übrigens  mittel- 
kräitig,  seine  Geschlechtstheile  ganz  normal  gebaut  und  sicht- 
lich nocti  geschlechtskräflig.  Er  widerspricht  die  gegen  ihn 
erhobene  Anschuldigung,  weil  sein  Penis  nicht  mehr  erec- 
tionstähig  sei. 

Ich  war  vom  k.  Herrn  Untersuchungsrichter  zur  Aeus- 
serung  über  das  ganze  Reat  und  namentlich  die  Anwendbar- 


294  XVIU.    Hoßmann,  Oert^htUebe  Gataehten 

keit  des  Art.  188.  Tl.  I.  des  StrafgesetzbHches  *)  veraiibssl, 
welcher  AalTorderung  ich  in  Folgendem  nachkam: 

Gutachten. 

1)  Der  Angeschuldigte  behauptet,  sich  nicht  mehr  be- 
galten  zu  können,  weil  sein  Penis  nicht  mehr  ereclioostähig 
sei.  Kann  man  nun  auch  aus  dem  Alter  und  der  Körper- 
beschaffenheit eines  Mannes  im  Allgemeinen  und  der  nor- 
malen Beschaffenheit  seiner  Genitalien  keinen  absoluten  Rück- 
schluss  auf  seine  Beischlafsfähigkeil  oder  -nichtfahigkeit  inachen, 
so  stQht  doch 

a)  das*  Alter  des  Angeschuldigten, 

b)  seine  noch  krallige  Körperbeschaffenheit, 

c)  die  sichtlich  kräftige  Beschaffenheit  seines  Genitalap- 
paratfts,  welche  nicht  so  ist,  wie  sie  sich  bei  Ge- 
schlechtsschwäche kund  giebt, 

der  Glaubwürdigkeit  seiner  Angabe  über  Begattungsuntucb- 
tigkeit  bewahrheitend  nicht  zur  Seite. 

2)  Der  objective  Befund  an  den  Geschlechtstheilen  der 
A.  gestattet  folgende  Röckschlösse : 

a)  es  ist  ganz  gewiss,  dass  die  A.  noch  sehr  wenig  ge- 
schlechtlich mitgemacht  hat  Die  Annahme  des  Gegen- 
theils  ist  mit  dem  objectiven  Befunde  unvereinbar.  Die 
Behauptung,  nur  drei  Mal  missbraucht  worden  zu  sein, 
ist  ärztlicherseits  als  glaubwürdig  zu  erklären.  Solch 
geringe  Zahl  harmonirt  mit  dem  effectiven  Befunde, 
und  die  Annahme  einer  beträchtlich  grösseren  Zahl  von 
Begaltungsacten  wurde  in  Dysharmonie  mit  dem  objec- 
tiven Befunde  stehen. 

b)  Die  A.  behauptet,  dass  B.  zwei  Mal  mit  seinem  Pin- 
ger und  ein  Mal  mit  seinem  Penis  eingebohrt  habe. 
Die  ärztliche  Wissenschaft  befindet  sich  nicht  in  der 
Lage,  aus  vorgefundenen  ärztlichen  Erscheinungen  einen 


1)  Strafg^esetibach   für  das  Königreich   Bayern   Tom  Jabre 
1818,  Tl.  I.  Art.  188: 

wenn  die  genotbzüchtigte  Person  durch  die 

verübte    Gewalt   oder  durch   den  Beischlaf  selbst  an  ihrer  Ge- 
sundheit irgend  einen  Nachtheil  erlitten,  so  etc.  etc. 


aber  flei«Ql|liche  Vergehen.  295 

Raekschlu5s  auf  den  eingedrungenen  Körpertheii  zu 
machen,  und  muss  ärztlicherseits  eine  ofiene  Frage 
bleiben,  ob  Finger  oder  Penis  einge/lrungen.  Doch  ist 
zu  erwähnen,  dass  der  Finger  eines  Hannes  ein  we- 
niger voluminöser  Körpertheii  ist,  als  der  erigirte  Pe- 
nis. Die  dem  Integritätszustande  sich  mehr  als  dem 
entgegengesetzten  Zustande  annäberde  Hymenbeschaf- 
fenheit steht  der  Glaubwürdigkeit  der  Annahme  über 
zweimalige  Einführung  des  Fingers  eher  zur  Seite,  als 
nicht 

c)  Die  A.  behauptet,  der  B,  habe  sie  am  Halse  gepackt 
und  rücklings  in  eine  Zimmere^ke  gedrängt,  und  mit 
Beihölfe  seiner  Füsse  ihre  Füsse  auseinandergezerrt, 
die  Röcke  emporgeschoben  und  in  gegenseitig  stehen- 
der Stellung  sie  missbraucht.  Die  ärztliche  Wissen- 
schaft kann  auch  in  der  Richtung  keinen  Beweis  lie- 
fern, ob  der  Hissbrauch  in  dieser  oder  jener  Stellung 
geschehen.  Doch  kann  Folgendes  bemerkt  werden:  In 
stehender  Stellung  ist  nur  mit  Hübe  eine  vollständige 
Immissio  penis  möglich;  es  bleibt  die  Immissio  mehr 
weniger  unvollständig,  d.  h.  es  tritt  mehr  oder  weniger 
nur  die  Eichel  mit  der  flachsten  Penispartie  ein.  Die 
Beschaflenheit  des  Hymen  der  A.  spricht  mehr  dafür, 
dass,  wenn  überhaupt  eine  Immissio  penis  geschehen, 
was  zu  bezweifeln  ärzlicherseits  kein  Anhaltepunkt  vor- 
liegt, diese  Immissio  eher  eine  unvollständige  als  voll-, 
ständige  gewesen  sei,  und  spricht  sonach  nach  dieser 
Richtung  der  objective  Befund  eher  für  als  gegen  die 

.  Glaubwürdigkeit  der  Angaben  der  A. 

d)  Die  Hissbräuche  sollen  um  Weihnachten  1858  herum 
geschehen  sein.  Die  ärztliche  Wissenschaft  befindet 
sich  nicht  in  der  Lage,  aus  dem  objectiven  Befund 
einen  anderen  Rückschluss  auf  den  Zeitpunkt,  der  De- 
floration zn  machen,  als  den,  dass  die  Entjungferung 
höchst  wahrscheinlich  nicht  in  den  letzten  24,  wahr- 
scheinlich auch  nicht  in  den  letzten  2x24  Stunden 
von  dem  Tage  der  von  mir  vorgenommenen  Unter- 
suchung [22.  März  1859]  an  rückwärts  gerechnet  ge- 
schehen sei. 


296  XVIII.     Ho/mwmj  Oeriehtlielie  Glitechten 

e)  Die  A.  behauptet,  sie  habe  gleich  nach  den  Attentatoi, 
d.  h.  bereits  zu  Weihnachten  1858  UrinbesdiwerdeD 
gespürt,  aber  aus  Schamhaftigkeit  sich  erst  Mitte  Fe- 
bruar 1869  einem  Arzte  anvertraut,  der  sie  drei  Wochen 
i^oag  an  entsündlicher  Reizung  der  GenitalscMeimbaut 
behandelte.  Objectiv  ist  der  Zusammenhang  zwischen 
dem  dreiwöchigen  Kranksein  Ende  Februar  1859  und 
den  behaupteten  Attentaten  um  Weihnachten  1858 
herum  freilich  nicht  nachgewiesen.   In  Anbetracht  jedoch 

cc)  dass   die  A,  behauptet,    sie  babe  bereits  gleich 
nach    den    behaupteten  Angriffen  Urinbescbwerdeu 
bekommen,  «die  sie  aus  SchamhafLigkeit  so  lange 
▼erschwiegen  habe,  bis  sie  nicht  mehr  gekonDt  habe; 
in  Anbetracht 
ß)  dass   Urinbeschwerden   nach   Notfazucht  eine  sich 
selbst   erklärende   ganz    gewöhnliche    Erscheinung 
sind;  in  Anbetracht 
Y)  dass   Schamhafligkeitgefuhl   als   ein   psytdiologisch 
begründetes  Moment  erachtet  werden  muss,  warum 
die  A.  sich  nicht  eher  einem  Arzte  anvertraute, 
als  bis  sie  die  Noth  zwang  — 
in  Anbetracht  dieser  Gründe  steht  nichts  im  Wege,  den 
Zusammenhang  des  Krankgewesenseins  im  Februar  1859 
mid  März   18Ö9  mit  den  behaupteten  Reaten  als  er- 
wiesen anzunehmen. 

Dass  die  Verzögerung  in  der  Beruftmg  irztlicher 
Hülfe  die  Dauer  der  Krankheit  veriSngerte,  und  diese 
viel  kürzer  gewährt  hätte,  wenn  die  A.  sogleich 
ärztliche  Hülfe  beansprueht  hätte,  ist  ganz  gewiss.  Um 
wie  viel  Zeit  jedoch  die  Krankheitsdaiier  hei  rechtzei- 
tiger Beinifung  eines  Arztes  abgekürzt  worden  wäre 
— '  dies  zu  bestimmen  fehlt  jeder  Anhaltepunkt 

f)  Die  bei  der  Ocularinspection  des  22.  März  18Ö9  vorge- 
fondene  geringradige  Entzündungsrötbe  der  Schlamhaut 
des  Scheideneinganges  kann  ebensogut  Ueberrest  der 
angeblich  in  jüngster  Zeit  dagewesenen  Ertrankung,  als 
auch  möglicherweise  mit  dieser  Erkrankung  in  gar  kei- 
nem Zusammenhange  stehende,  sondern  eine  jener  spon- 
tanen entzündlichen  Reizungen  sein,   wie  sie  so  häufig 


fiber  fl«i9olili«hd  Vergehen.  397 

beini  weibiicben  Gescblechte  ▼orkommen;    üar  die  eine 
wie  für -die  andere  Annabme  Hegen  ärxiboherseiCe  gleicb^ 
viele  Grdnde,    oder  wenn  man  auch  will,    keine  vor* 
schlagenden  Grunde  for. 
Die  Untersuchung  wurde  eingestellt. 


Untersuchung    wegen    Nothzucht,     gef&hrt    beim 
k.  Bezirksgerichte  München  links  der  Isar. 

Historisches. 

Die  ledige  A.,  19  Jahre  alt,  etwas  sohmficUtigen  Körper- 
baues, hat  geständigermaassen  fröherhin  eio  Mal,  nicht  öfter, 
ihrem  Liebhaber  dea  Beischlaf  gestattet 

Von  einem  Balle,  wo  sie  maskirt  war,  Morgens  drei  Uhr 
^allein  aach  Hause  zurückkehrend,  wiU  sie  von  dem  B,  unter 
Beihülfe  zweier  anderen  Männer  gepackt,  und  unter  ZuhaK 
tung  ihres  Mundes  in  die  nächstgelegene  Werkstatt  des  B. 
geschleppt  worden  sein.  Dort  sollen  ihr  die  drei  Männer 
stets  den  Mund  zugehalten,  sie  auf  eine  Bank  gelegt  und 
fleischlidi  der  Reihe  nach  gebraucht  haben.  Die  A.  behauptet 
mit  Bestimmtheit,  sie  sei  widerstandsunfähig  gewesen,  weil 
je  zwei  Männer  sie  immer  gehalten  hätten,  während  der 
dritte  sie  gebraucht  habe.  Von  dem  Ersten,  der  sie  gebraucht 
habe,  behauptet  sie  Samenerguss  gespart  zu  haben,  von  den 
zwei  folgenden  Männern  behauptet  sie  ifiichls  gespürt  zu  haben. 
Nach  dem  dritten  Begattungeacte  sei  sie  so  ersdiöpft  gewe» 
Ben,  dass  sie  eingeschlafen  und  etwa  eine  halbe  Stunde  ge-> 
schlafen  habe.  Aufgewacht  will  sie  von  B.  aus  der  Werk* 
statte  entlassen  worden  sein. 

Der  von  mir  vorgenommene  ärztliche  Befbnd  ergab  sech* 
zehn  Tage  nach  dem  behaupteten  Reate  kerne  Verletznngs- 
spur  an  den  Geschlechtstheilen  und  in  der  Umgegend;  der 
Hymen  zerrissen,  aber  noch  vorhanden,  der  Scheideneingang 
leicht  zugänglich  und  ein  geringgradiger  Schleimabfluss  nebU 
leichtentzündlicher  Reizung  der  Schleimhaut  der  Schamlippen 
und  des  Scheideneinganges  wahrnehmbar.  Die  grossen  Scham* 
Jippen  überragen  die  kleinen,  schliessen  die  Scharospalte  voH- 
ständig,  und  das  Gesammtbild  des  Genitalapparates  ergab  den 
Eindruck,    dass   seine    Besitzerin  denselben   noch   wenig  in 


298  XYIII.    Eojmmin,  Geriehtliebe  GnUchten 

Gebrauch  gezogen  haben  möge.  Die  A.  zeigte  übrigens  ba 
der  Untersuchung  die  grösste  üngenirlheit  und  Gleichgfltig- 
keit;  sie  Hess  sich  die  Röcke  emporheben,  die  Fasse  auseiiH 
anderspreizen,  die  Scbamspalte  öffnen,  als  ob  sie  dergleicfaen 
Dinge  schon  gewohnt  sei. 

Gutachten 
[abgegebeo  gleich  im  Beginne  der  Untersuchnng]. 

Die  Angabe  der  A,  vor  dem  8.  Februar  1859  nur  ein 
Mal  ihrem  Liebhaber  die  Begattung  gestattet,  sohin  überhaupt 
in  ihrem  Leben  mit  Hinzurechnung  der  drei  Zwangsbegal- 
tungen,  die  Gegenstand  ihrer  Behauptungen  sind,  nur  vier 
Mal  sich  begattet  zu  haben,  kann  vom  3tandpunkte  .des  Ge- 
oitalapparaies  nicht  als  geradezu  unglaubwürdig  und  als  mit  dem 
örtlichen  Befwide  in  Widerspruch  stehend  erklärt  werden. 
Doch  muss  die  Möglichkeit,  dass  die  Angabe  über  nur  ein- 
maligen Vollzug  der  Cohabitalion  vor  dem  8.  Februar  1859 
eine  Unwahrheit  enthalte,  ärztlicherseits  eingeräumt  werdea 

Was  die  behauptete  Nothzucht  beürifil,  so  kann  aus  den 
örtlichen  Befunde  diese  Behauptung  weder  als  auf  Wahrheit 
beruhend  bekräftigt,  noch  als  auf  Unwahrheit  ruhend  wider- 
legt werden.  Noch  weniger  kann  natürlich  aus  dem  örtlicbeo 
Befunde  deducirt  werden,  ob  die  Angabe  der  Umstände,  unter 
denen  und  wie  die  behauptete  Nothzucht  geschehen  sein  soll, 
wahr  sei  oder  nicht.  Es  kann  nach  dieser  Richtung  hin  nur 
gesagt  werden,  dass  die  Erfahrung  unbedingt  nachweist,  dass 
drei  Männer  ein  Frauenzimmer  nothzüchtigen  können.  Das 
physische  Uebergewicht  von  drei  Männern  ist  gegeoAber  einer 
jugendlichen  Frauensperson  mittlerer  Körperkraft,  wie  die  J. 
ist,  ein  so  beträchtliches,  dass  von  einem  Widerstände  keine 
Rede  sein  kann.  Wenn  daher  den  Angaben  der  A,  über  die 
näheren  Umstände  dieser  Nothzucht  richterlicherseits  Glaubee 
geschenkt  werden  will,  so  steht  ärztlicherseits  Dem  nichts 
im  Wege. 

Ich  habe  noch  einen  Punkt  zu  berühren,  auf  den  ich 
jedoch  ärztlicherseits  gar  kein  Gewicht  gelegt  wissen  wilL 
weil  auf  diesem  Territorio,  wo  nur  objective  Merkmal«  Gel- 
tung haben,  kein  Gewicht  darauf  gelegt  werden  darf.  Ich 
berühre  ihn  nur  desshalb,   weil  in  fast  allen  Fällen,  und  so 


über  fiMsehlleh«  Vergehen.  299 

auch  in  concreto,  richterlicberseits  ein  unendliches,  ja  sogar 
manchmal  Ausschlag  gebendes  Gewicht  auf  die  ganze  Person- . 
lichkeit  und  die  damit  in  Zusammenhang  stehende  Glaubwür- 
digkeit der  angeblich  Genotbzüchtigten  gelegt  wird,  und 
deshalb  auch  dem  Richter  Alles  willkommen  sein  muss,  was 
irgend  einen  Beitrag  zu  dieser  Persönlichkeit  liefert.  Dies  der 
Grund,  warum  ich  für  den  Richter,  nicht  für  ärzüiclie  Zwecke, 
einen  Punkt  mittbeile,  nämlich  die  Haltung  der  A.  mir  ge- 
gegenüber  vor,  während  und  nach  der  yorgenommenen  Ocu- 
larinspection  ihrer  Geschleclitstheile. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Dinge,  dass  ein  19jä)rige8 
Madchen,  auch  wenn  es  seinem  Liebhaber  den  Beischlaf  schon 
gestattet  hat,  auch  wenn  es  nach  einem  Attentate  auf  seine 
Geschlechtsebre  ?on  der  Notbwendigkeit  einer  Ocularinspeo- 
tion  überzeugt,  auch  wenn  es  sich  dem  Arzte  gegenüber  be* 
findet,  von  dem  es  weiss,  dass  es  sich  freier  benehmen  und 
weniger  geniren  dürfe  —  es  liegt,  sage  ich,  in  der  Natur 
der  Dinge,  dass  ein  so  jugendliches  Mädchen,  wenn  es  nicht 
alle  Scham  bereits  abgestreill  hat,  doch  eiiiigermaassen  Scham- 
gefühl nach  aussen  hin  kundgeben  wird,  wenn  es  den  Antrag 
vernimmt,  sich  in  eine  dem  Schamgefühle  des  Weibes  so  wi-> 
derstrebende  und  nach  Laienansicht  so  unanständige  Stellung 
begeben  soll,  wie  bei  Untersuchungen  auf  geschehene  Noth» 
zueht  gefordert  wird;  wann  es  sich  in  dieser  Stellung  und 
wann  es  sich  nachher  dem  Manne  Gesicht  gegen  Gesiebt 
gegenüber  befindet.  Von  einem  solchen  natürlichen  Scliam- 
geföhl  konnte  ich  bei  der  A,  und  ich  fasste  sie  scharf  in's 
Gesicht,  keine  Spur  entdecken.  Sie  legte  sich  mit  einer  Un* 
genirtheit  und  Gleichgiltigkeit  nieder«  liess  sich  die  Röcke 
emporheben,  die  Füsse  auseinanderspreizen,  die  Schamspalle 
öflTnen,  als  wenn  all  Das  gar  nichts  wäre.  Ich  scbliesse  dar- 
aus als  Gerichtsarzt,  dass  die  A.  jetzt  wenig  Schamgefühl 
hat,  gleichgiltig ,  ob  ihr  Mutter  Natur  von  Haus  aus  nicht 
mehr  Schamgefühl  gegeben,  oder  ob  sie,  was  sie  von  der 
Natur  an  Schamgefühl  hatte,  verloren^  habe.  Mehr  zu  schlies- 
sen  bin  ich  nicht  berechtigt,  denn  jeder  weitere  SchJuss 
könnte  nur  auf  dem  Gebiete  der  moralischen  Ueberzeugung 
geschehen,  das  zu  betreten  mir  nicht  zusteht. 

Die  Untersuchung  wurde  eingestellt. 


800  XVIII.    Hofimann,  GerielitlMe  Gvtachten 

Untersuchung    wegen    Verführung    zur    Unzucbl 

Geführt  beim  kgl.  Bezirksgericht  München  links 

der  Isar. 

Historisches, 

Nach  Aussage  der  14  Jahre  alten,  sehr  geistesbeschriudkten 
A.,  soll  im  November  1862  der  jB.  sie  dadurch  genothzücb- 
tigt  haben,  dass  er  die  Stehende  an  die  Wand  dröckte,  ihr 
einen  Knebel  in  den  Mond  steckte,  die  Hände  hielt,  die  Röcke 
in  die  Höhe  hob  und  seinen  Penis  in  die  Scheide  brachte. 
Dies  that  dem  Mädchen  weh  und  es  sagt  aus,  es  habe  ihr 
der  B.  zwischen  die  Beine  „bnieingepiiBt^'.  Es  will  sich, 
obwohl  merkend,  dass  B,  etwas  Unrechtes  unterneiioie, 
nicht  hid[)e  wehren  können,  weil  es  den  Knebel  im  Hunde 
hatte  und  der  B.  ihr  die  Hände  hielt  Die  A.  behauptet, 
sich  noch  nie  mit  einem  Manne  abgegeben  zu  haben.  Die 
am  16.  März  1868  yon  mir  vorgenommenen  Ocularinspectieo 
ergab:  das  Mädchen  ist  in  Körpergrösse  und  Genitalapparat 
nahezu  mannbar.  Die  BrAste  sind  in  der  Entwickelang  m- 
röckgeblieben,  denn  sie  treten  nur  sehr  wenig  über  das  Ni- 
veau der  Thoraxwand  vor.  Die  Geschlechtstheiie  sind  ganx 
ent^wiekelt,  die  Schleimhaut  der  grossen  und  kleinen  Scham- 
hppen  aber  und  des  Scheideneingangs  mit  dem  Hymen  in 
der  Art  intensiv  entzündlich  gerötbet  und  hei  Berühnuig 
schmerzhaft,  dass  nur  mit  Mühe  der  Hymen  zur  Besichligimg 
gebracht  werden  konnte.  Derselbe  ist  gelappt,  d.  b.  ^oe 
Integrität  beschädigt;  die  Weite  der  Hymenalöffinung  isi  von 
der  Dicke  eines  dicken  Bleistiftes.  Eine  ktestliche  Erweite- 
rung der  Hymenalöffnung  durch  forcirte  Auseinaaderziehung 
der  Schamlippen  ist  bei  dem  durch  die  Entzündung  der  Ge- 
nitalschleimhaut bedingten  lebhaften  Schmerzgefühle  nicbl 
möglich.  Schwangerscbaftserscheinungen  sind  nicht  vorhanden. 

Ich  zog  aus  diesem  Befunde  den  Rflckschluss,  dass  der 
Angabe  der  A.,  vorher  noch  nie  mit  einem  Manne  gesdlecblr 
liehen  Umgang  gehabt  zn  haben,  Unglaubwnrdigkeit  nicht  zur 
Seite  stehe,  und  selbst  die  Annahme  eines  öfter  wiederfaolteo 
Geschlechtsumganges  ausschliesse. 

Es   war   mir   von   der  königl.  Staatsbehörde  die  Frage 


über  fleischliche  Vergehen  801 

gestellt:   ob  die  A.  ein  „uobescholtenea  Mädchen*^  im  Simif 
des  Gesetzes  sei  ?  ^) 

Gutachten. 

Das  christliche  Sittengesetz  gestattet  Befriedigung  der 
Geschlechtslust  nur  innerhalb  der  von  Staat  und  Kirche  ge- 
tragenen Ehe,  und  verpönt  jed welche  aussereheliche  Befrie* 
digung,  sie  mag  geschehen,  wie  immer.  In  Ausfluss  dieses 
christlichen  Sittengesetzes  verlangt  die  gebildete  christliche 
Welt  absonderlich  von  der  unverehelichten  Weibsperson,  dem 
Mädchen,  nicht  blos  Enthaltung  von  jedwelcher  wie  immer 
gearteten  Geschlechtstfaätigkeit,  sonder  auch  Enthaltung  von 
allen  nur  entfernt  auf  Befriedigung  der  Geschlechtslust  ab- 
zielenden Handlungen,  die,  wenn  gleich  in  der  Ehe  gestattet, 
ausser  der  Ehe  jedenfalls  den  Charakter  der  ünzüchtigkeit 
annehmen.  Nur^  ein  so  geartetes  Mädchen  nennt  die  Welt 
„unbescholten*^;  ein  Mädchen  aber,  dass  diesen  Fordernissen 
nicht  nachgekommen,  „bescbolten'%  die  gebildete  und  gesittete 
christliche  Welt  legt,  indem  sie  von  „Unbescholtenheit''  spricht^ 
den  Accent  auf  Enthaltung  von  allen,  auf  Entfaltung  einer 
Geschlechtsthätigkeit  irgendwie,  wenn  auch  nur  entfernt  abzie- 
lenden Handlungen.  In  dem  Begriffe  des  Wortes  „Enthal- 
tung'' liegt  aber  ein  freiwilliges  aus  Bewusstsein  entspringed»- 
des  Fembleiben  von  einer  Sache,  und  ist  ein  unbewusstes 
oder  unfreiwilliges  Sichfemhalten  keine  „Enthaltung'*  mehr 
sondern  eine  erzwungene  oder  instinctive  oder  zufällige  Unter- 
lassung, die  mit  dem,  was  man  „Enthaltung**  nennt,  nichts 
weiter,  als  die  Wirkung,  den  Effect,  nicht  aber  die  Causa 
movens  gemein  hat!  In  Consequenz  dieses  Sprachgebrauches, 
der  eine  tiefliegende  innere  Berechtigung  hat,  sieht  kein  ge- 

1)  Es  war  dai  erste  Mal  seit  der^  Herrschaft  den  »eaeA 
Strafgesetaei,  daas  mir  diese  Frage  gestellt  war,  daher  ich  etwas 
weiter  aasbolen  sa  müssen  glaubte. 

Der  betreffende  Art.  222.  des  Strafgesetzes  lautet: 

Wer  eine  unbescholtene  Person,  welche  das  12.,  aber 
noch  nicht  das  16.  Lebensjahr  zurückgelegt  hat,  zum 
Beischlafe  oder  zur  Gestattung  des  Missbranehes  an 
widernatürlicher  Wollust  verführt,  ist  etc.  eto.  zu  be- 
strafen. 


302  XVIII.     Hofmann,  Qericbtliehe  OnUchten 

biMeter  Mann  ein  Mädchen  dann  für  „bescbolten**  an,  wem 
ohne  seine  freie  und  im  Bewusstsein  der  sittlichen  Uner- 
laubtheit  unzüchtiger  Handlungen  gegebene  Einwilligung  die 
physische  Jungfräulichkeit  Schaden  gelitten,  wohl  aber  dann, 
wenn  dieser  Schaden  Folge  d^r  freien  und  im  Bewusstsein 
der  sittlichen  Unerlaubtheit  unzüchtiger  Handlungen  gege- 
benen Einwilligung  war.  Nicht  daher  auf  der  Existenz  oder 
dem  Verluste  physischer  Jungfräulichkeit,  sondern  vielmehr 
auf  der  Causa  movens  im  Falle  des  Verlustes  liegt  das  Cri- 
terium  der  „ünbescholtenheit"  und  „unbescholten"  ist  ein 
selbst  entjungfertes  Mädchen  dann,  wenn  die  Defloratioo 
bei  wohl  yorhandener  Kenntniss  der  Bedeutsamkeit  der  Ge- 
schlechtshandlungen erzwungen  oder  die  unzuchtigen  Hand- 
lungen- aus  Unkenntniss  ihrer  Unerlaubtbeil  erschlichen  waren. 
Demgemäss  stelle  ich  gerichtsärztlicberseits  folgende  Begriffs- 
bestimmung auf:  „Unbescholten'*  ist  jedes  Mädchen, 
welches  die  sittliche  Unerlaubtheit  unzuchtiger 
Handlungen  kennend,  sich  freiwillig  zu  solchen 
Handlungen  noch  nicht  hergegeben  hat. 

Ist  diese  Begriffsbestimmung  richtig,  so  kann  recht  go( 
„ünbescboltenheit"  mit  dem  Verluste  physischer  Jungfräulich- 
keit einerseits  und  andererseits  mit  der  Existenz  physischer 
Jungfräulichkeit  Hand  in  Hand  gehen.  Ich  nehme  auch  kei- 
nen Anstand,  dies  zu  behaupten,  denn  eine  durch  Zwangs- 
begattung d.  h.  Nothzucht  Deflorirte  ist,  obwohl  und  weil 
deflorirt,  eben  so  wenig  bereits  „bescholten*',  als  ein  im  Be- 
sitze physischer  Jungfräulichkeit  seiendes,  aber  sich  an  belie- 
bigen Körpertheilen  abgreifen  lassendes  Mädchen  deswegea 
weil  und  obwohl  noch  physisch  Jungfrau,  auch  noch  ein 
„unbescholtenes'*  Mädchen  ist. 

Die  Beihälfe  des  Arztes  zur  Feststellung  der  „Beschol- 
tenhfit'*  oder  „Unbescholtenheit*'  ist  eine  sehr  beschränkte. 
Nur  in  dem  einen  Falle,  wenn  aus  der  Körperlichkeit  des  In- 
dividums  eine  wiederholte  Entfaltung  einer  Geschlechts- 
thätigkeit  ersichtlich  ist,  kann  auf  ärztlichem  Vfeg^  die  „Be- 
scholtenheit^*  des  Mädchens  nachgewiesen  werden.  Absolut 
unnachweishar  ist  aber  auf  diesem  Wege  die  „Unbescholten- 
heit**, weil,  wie  entwickelt,  die  physische  Jungfräulichkeit  kein 
absolutes   Criterium    der    „Unbescholtenheit**   ist.      Ebenfalls 


fiber  fleiflcfaliohe  Vergehen. 

ärztlich  onnacbweisbar  ist  die  „Bescholtenheit'*  dann,  wenn 
nur  entfernt  auf  Geschlechtsbefriedigung  abzielende  Handlun* 
gen  die  „Unbescholtenheil'*  verlieren  gemacht  haben.  In 
Folge  dessen  ist  auch  der  Befund  an  den  Gesciüechtstheilen 
der  A.y  obgleich  günstig  der  Annahme  ihrer  ^^Unbescholten* 
heil",  kein  unumstösslicher  Beweis  dafür,  daher  das  Gut- 
achten dahin  (;eht:  es  stehe  der  Annahme,  die  A.  sei 
vor  ihrem  Zusammentreffen  mit  dem£.  ein  unbe- 
scholtenes Mädchen  im  S^nne  des  Art  222.  des 
Strafgesetzes  ärztlicherseits  nichts  im  Wege. 
Die  Untersuchung  wurde  eingestellt 


Anklage  wegen   des  nächsten  Versuchs  zum  Ver- 
brechen   der   unfreiwilligen    unef zwungenen  Un- 
zucht    Verhandelt   vor  dem  k.  Kreis-  und  Stadt- 
gerichte München. 

Historisches. 

iV.,  acht  Jahre  alt,  ein  schwächliches,  ganz  scrofulftses, 
im  körperlichen  Wachsthum  hinter  seinen  Jahren  zurückge- 
bliebenes Mädchen,  kam  im  Monate  Juli  1853  statt  um  vier 
Uhr  erst  um  fünf  und  5Va  Uhr  aus  der  Schule  nach  Hause. 
Die  Mutter  fragte  ihr  Kind  öfter  um  die  Ursache  des  langen 
Ausbleibens,  aber  es  wusste  immer  eine  Ausflucht  Zu  glei- 
cher Zeit  klagte  die  kleine  N.  über  Schmerzen  in  den  Ge- 
scblechtstheilen ,  sie  zwickte  die  Beine  beim  Gehen  zusam- 
men, konnte  den  Urin  nicht  recht  halten.  Eines  Tages  weinte  das 
Kind  absonderlich  über  seine  Schmerzen;  nun  untersuchte 
die  Mutter  das  Kind,  und  fand  seine  äusseren  Geschlechts* 
tbeile  geschwollen,  bei  deren  Berührung  es  laut  vor  Schmer- 
zen weinte.  Die  Mutter  konnte  sich  die  Sache  nicht  erklären, 
glaubte  aber,  das  Kind  habe  sich  wund  gegangen,  obgleich 
sie  von  einem  Wundsein  nichts  merkte. 

Gegen  Ende  August  1853  ging  das  Kind  mit  der  Magd 
auf  der  Strasse,  .als  ihnen  ein  alter  Mann  begegnete.  Das 
Kind  sprang  auf  ihn  zU;  that  mit  ihm  ganz  vertraulich,  und 
auf  seine  Frage,  warum  es  nicht  mehr  zu  ihm  komme,  ant- 
wortete es,  wenn  die  Vacanzschule  wieder  angebe  (d.  h.  nach 
Marii;  Geburt)  werde  es  wieder  kommen.    Dies  fiel  der  Magd 


304  ^^I^*    EofmomM^  QeriehtUcbe  Gatachten 

auf  und  sie  eraählte  es  ihrer  Frau,  weiche  nun  deshalb  in  ihr 
Kind  drang.  Die  ErzäUung,  welche  das  Kind  seiner  MuUiv 
machte,  und  auch  später  in  der  Voruntersuchung  uod  auch 
bei  der  öffentlichen  Gerichtsverhandlung  in  ihren  wesentliche« 
Theilen  gleichlautend  wiederholte,  ist  folgende: 

Auf  dem  Wege  von  der  Schule  nach  Hause  sei  sie  öfter 
dem  X  —  85  iahre  alt  and  seiner  äusseren  Erscheinung 
nach  das  Vorbild  der  Decrepiditat  —  hegegpet,  von  dem  es 
übrigens  bekannt  ist,  dass  zu  iliro  alle  Kinder  des  Stadt- 
theiles  kommen,  weil  er  immer  sehr  liebevoll  gegeo  sie  ist 
X  habe  sie,  die  kleine  iV^.,  unter  dem  Versprechen,  ihr  Obst 
und  Bilder  zu  schenken,  mit  auf  sein  Zimmer  genommen, 
ihr  auch  wirklich  Obst  und  Bilder  geschenkt,  sie  auf  seinen 
Schooss  genommen  .und  geschaukelt.  Dann  habe  er  ihr  unter 
die  Röcke  binaufgelangt ,  habe  ihr  gesagt,  die  Beine  ausein- 
ander zu  thun,  und  habe  sie  an  den  Geschlechtstbeilen  ge- 
kitzelt. Dann  habe  er  sie  auf  den  Boden  gestellt,  habe  ihr 
die  Röcke  aufgehoben,  habe  ans  der  Hose  ein  abscheuliches 
Ding»  das  ausgesehen  habe  wie  ein  Finger,  und  so  hart  wie 
Holz  gewesen  sei,  herausgebracht,  und  habe  ihr  dannit  zwi- 
schen die  Beine  hineingestossea.  Dies  habe  ihr  immer  sehr 
webe  gethan,  besonders  aber  ein  Mal,  wo  X.  ein  Messer^) 
gehabt  habe,  und  habe  sie  daher  geweint  und  geschrien.  X 
habe  ihr  aber  wieder  0b6t  dafür  geschenkt.  ViTelche  Stel- 
lung X  bei  diesen  dem  Kinde  schmerzhaften  Stössen  einge* 
nommen  habe,  darüber  konnte  das  Kind  durchaus  keine  Auf- 
schlüsse mehr  geben.  Alles  dieses  habe  ihr  X  drei  bis 
vier  Mal  getbtfn,  und  schätzt  die  Mutter  den  Zeitraum,  s« 
lange  sie  das  zu  späte  Nacbhausekommen  des  Kiade»  uad 


1)  Diese  in  der  Vornntersuchung  höchst  auffallende  An^abo 
des  Kindes,  der  Ang^eschuldigte  habe  ein  Mal  ans  seiner  Hose 
ein  Messer  hervorgebraefat,  Irlärte  sich  hei  der  öffsiitHclMB  V«f- 
handltittg  dabin  anf,  daaa  späterhin,  als  die  Matter  T«n  ihrem 
Kinde  erfahren,  was  ang^eblich  geschehen  sei,  sie  demselben,  wtf 
sie  fragte,  was  denn  das  für  ein  abscheuliches  Ding  gewesen  sei 
was  der  Herr  aus  der  Hose  gesogen  habe,  um  es  su  schrecken, 
damit  es  sich  nicht  mehr  su  diesem  Herrn  locken  lassen  mScIrte, 
•agte,  das  sei  ein  Messer,  womit  Ihm,  dem  Rinde,  wehgetfaio 
verde. 


aber  flBiflohliche  Vergehen.  gOÖ 

die  oben  sobon  erwlhnten  Symptome  am  Kinde  beobachtete, 
auf  üngeßhr  14  Tage. 

Die  nach  gerichtlicher  Anzeige  in  den  ersten  Tagen  des 
8eptemba*s  1853  vorgenommene  gericbtsärzüiche  Visitation 
des  Kindes  ergab  schlaffe  und  nicht  geschwollene  grosse  und 
kleine  Schamlippen;  Integrität  des  Hymen,  intensive  Röthung 
der  Schleimhaut  des  Scheideneinganges  und  der  Cliloris,  kei* 
nen  pathologischen  Ausfluss  aus  der  Scheide.  Ganz  dasselbe 
Resultat  ergab  die  vier  Monate  später,  nämlich  Anfangs  Jänner 
1864  vorgenommene  Revisitation  der  Geschlechtstheile,  nur  mit 
dem  Unterschiede,  dass  das  Mädchen  über  keine  Schmerzen 
an  diesen  Theilen  mehr  klagte,  und  auch  die  Mutter  schon 
seit  längerer, Zeit  nichts  Ungewöhnliches  mehr  am  Gange  ihres 
Kindes  wahrnahm. 

Die  von  mir  in  der  Voruntersuchung  beantragte  Unter* 
suchung  des  Angeschuldigten  wurde  von  der  königl.  Staats- 
behörde, da  die  Anklage  nur  auf  nächsten  Versuch  gerichtet 
sei,  für  nicht  nothwendig  erachtet. 

Gutachten. 

Ob  ein  nächster  Versuch  oder  ein  Versuch 
überhaupt  zum  Beischlafe  stattgefunden  habe 
oder  nicht,  lässt  sich  in  diesem  Falle  vom  ärzt- 
lichen Standpunkte  aus  nicht  ermitteln. 

Objective  ärztliche  Anhaltspunkte,  dass  ein  Versuoh  zum 
Beischlafe  allenfalls  stattgefunden  hätte,  haben  wir  in  dieseip 
Falle  nur  zwei,  nämlich: 

1)  die  bei  den  beiden  äritlieben  Untersuchungen  sich  her-^ 
ausgestellt  habende  intensive  Röthung  der  den  Schei- 
deneiogang  und  den  Kitzler  überziehenden  Schleim* 
baut,  und 

2)  den  Umstand,  dass  das  Kind  im  Juli  1863,  also  zur 
kritischen  Zdt  über  Schmerzen  an  den  Geschlecht»» 
theilen  klagte,  welche  Theile  von  der  Mutter  auch  ent- 
zündet und  geschwollen  gefunden  wurden,  womit  in 
Zusammenhang  zu  bringen  ist,  dass  das  Kind  beim 
Gehen  die  Beine  öfter  zusammenzwickte  und  den  Harn 
nicht  recht  halten  konnte. 

MonatMobr.  f.  Gebartak.  1865.  Bd.  XXVI..  Hfl.  4.  ^ 


306  Xyill.    Hq/m«««,  a«H«fatU«b6  OAtacbten 

Der  Werlh  dieser  ErscheiiuingeB  todi  dnlikhen  SUnA- 
punkte  ist  folgender: 

ad  !•  Die  iotensive  Rdtbuog  der  SeUeimhaat«  die  den 
Scbekdeneingang  und  den  Kitzler  äberaieht,  wje  sie  sMbald 
nach  dem  Beginne  der  gerichtlichen  (Julersuchiing  eiwa  na 
bis  sechs  Wochen  nach  der  angeachnldigten  Handlung  die  ge- 
richtsärztUche  Untersuchung  heraussteUte,  ist  keineswegs  die 
Folge  einer  von  aussen  her  geschehenen  mechanischen  Beicuni, 
welche  diese  Theäe  etwa  von  dritter  Hand  erlitten  baUen. 
Wenn  dies  der  Fall  wäre,  so  hätte  diese  entTtoUiche  Rötbuiig 
alsbald  wieder  verschwinden  mAsseo;  so  aber  leigte  sich  net 
Monate  später  bei  jener,  die  ich  erst  ganz  kurz  vor  der 
öffentlichen  Gerichtsverbanillung  machte,  ganz  denMlbea  Be- 
fund, wie  vier  Monate  früher.  Diese  entzündliche  Reizung, 
die  der  erstbesohauende  königl.  Gerichtsarzt  und  auch  ich 
vorfand,  muss  sonach  eine  andere  Deutung  erhalten,  und  diese 
Deutung  liegt  sehr  nahe.  Das  Kind  ist  scrophulos.  Bei  der 
Scrophelsucht  kommen  entzündliche  AJectiooen  chronischen 
Verlaufes  in  Schleimhäuten  sehr  häufig  vor,  und  diese  Röthuog, 
von  der  ich  spreche,  muss  sonach  als  das  Symptom  einer 
chronisch  catarrhalischen  Entzündung  gedeutet  werden,  und 
somit  ist  jedenfeUs  gewiss,  dass  sie  nicht  exckrsiv  das  Symploni 
einer  von  aussen  her  auf  diese  Tbeile  eingewirkt  habenden 
mechanischen  Reizung  ist. 

ad  n.  Was  die  Klagen  des  Kindes  über  Schmerzen 
beim  Geben  in  diesen  Tbeilen  und  das  damit  in  Zusammen- 
bang  zu  bringende,  von  der  Mncter  beobachtete  Zusammen- 
zwicken der  Beine  beim  Gehen,  das  gestörte  Yerroögen  den 
Harn  zu  halten,  und  die  Geschwulst  und  Schmerzhaftigkdt 
dieser  Tbeile  betriflfl,  so  steht  fest,  dass  damals  die«e  Theik 
acut  entzündet  gewese»  sein  messen,  was  späterhin  schon 
bei  der  ersten  gerichtsärztlichen  Visitation  nich4  mehr  der  Fall 
war.  Nicht  minder  Thatsache  ist,  dass  eatarrinüsche  chro- 
nische Entzündungen  der  Schleimhaut  des  Scheideneiiiganges 
häufig,  besonders  zur  Som^ierszett ,  durch  die  neebanische 
Heizung,  die  diese  Theile  beim  Gehen  ia  grösserer  Warme 
erleiden,  acut  werden.  Ob  nuu  die  dauMls  im  Mi  186ä  ton  der 
Mutter  am  Kinde  beobachtete  Eiaeerbalion  der  chrenisch- 
catarrbalischen  Affection  das  Ergebnis»  einer  duvch  di»  Som- 


Aber  fl^teliKshe  Verg ehan.  307 

meraieit  und  die  inechMiiBobe  Aiüibung  dmer  Theie  herror- 
gWOfendi,  oder  durch  rM  dritter  Hand  getchchttM«  roecluH- 
Riachtn  Reisung  dieser  Tiicile  sei«  mag  diese  mechatiiaolM 
RMiiBg  im  Kitaein  am  Kitaler,  oder  in  eiden  BeiseUafafer-'  # 
raehe,  oder  iMMin  iMuner  bestanden  haben  —  das  liss4  aicb 
▼om  §ratlicben  Standpadkte  aus  gar  niebi  mehr  ermitteln* 

Ea  ist  somit  d#r  NaAwteta  geliefert,  dasa  id  diesca»  Palle 
kein  objectifes  Zeicben  rorhanden  ist,  aus  dem.  man  edtneh- 
aoen  kftmite,  ob  eia  BeisehMsfensuch  oder  was  sonsi  atatt«- 
gtTiindeB  bebe.  Es  iat  aber  auch  kein  Zdehen  da»  welches 
das  Gegentbeil  beurkunde»  wärde.  Diese  Erage  kann  aosaeb 
f0m  ftratfichen  Standpunkte  aua  fiberhaoj^t  nicht  zur  f^aaung 
gebraobt  «erden» 

Der  Gerichlahof  erliess  ein  freisprecheades  Erkenntniaa« 


Anklage  wegen  des  Verbrechens  widernatürlicher, 
unTreiwilliger  und  unerzwuugener  (Inzucht.    Ver- 
handelt vor  dem  königl.  Kreis-  und  Stadtgericht 
Hünchen  links  der  Isar. 

Historisches. 
Am  1.  Mai  1851  war  der  X,  in  (tmi  fünfsigeni«  ver« 
elieHeht  und  Vater  zweiei*  Mfidebem,  im  WirtbsbaiiM  und 
kam,  seiner  Angabe  nach,  baibberauacht,  am  2#  Mai  1851 
VlQfgm^  IV«  Ubr  nach  Hafiae.  Die  im  NcbeMionner  schia«- 
fende  Magd  F.  hörte  gleich  nach  der  Ankunft  dea  X  in  sei* 
Dem  EinlBier,  Worin  seine  beiden  TMlter,  SL  gebore»  am 
la  November  183B  und  A.  gebbrca  am  26.  Ocfober  1840, 
schfiefeft,  Lfln».  Die  Ma^d  F.  ging  in  die  KAcbe  uird  aah 
doreb  dae  KAcbenfenater  id  da»  Zimmer.  X.  sasa  auf  eirtem 
Stuhle  im  Hemde  odd  schob  seine  aufe  Hemd  eD&Uöeale 
Tochter  8.  zwischen  seinen  Füssen  auf  und  ab,,  settte  zeit** 
weise  ava,  sagte  dem  Kinde  etw^aa  ins  Obr,  küasie  es  iMd 
UiA  (JntaiBbt  mit  ihm,  wofaai  sein  «mt  des  Kiades  Bmni  in 
die  Höhe  geschoben  war.  Vom  Vater  X.  wird*  «in^fianit, 
das»,  als  er  nach  Hanse  kam,  er  seiner  Tochter  &  eine 
Wurst  angeboten  und  darauf  ihr  seinen  Pf«)s  i»  den<  Mund 
gesletlil  habe;,  mit  de»  Worten,  da  bebe  sie  ebne  Wurst,  sie 
solle  aber  nicht  darauf  beiseen.  Am  2.  Mai  1851  sehiekte  X. 

20* 


308  XVIII.    HpfmmM,  Geriehtlieh«  Gutachten 

seine  Toditer  8.  irgend  wohin  und  sagte,  dass  ist  sdiist  m 
den  englischen  Garten  spazieren  gehe.  Die  8.  blieb  aoflU- 
lend  lange  aus  und  wurde  auf  das  Befragen  der  Magd  ver* 
«legen,  bis  sie  endlich  gestand,  mit  dem  Vater  im  engüsohen 
Garten  gewesen  zu  sein;  sie  di>rfle  es  aber  nicht  sagen.  INe- 
ses  Factum  wird  vom  Vater  X,  in  Abrede  gestellt  Die  Magd 
F.  bemerkt  femer,  dass  in  der  Leibwftscbe  des  Töchtercfaens 
A.  Blutspuren  seien,  worauf  sie  die  Mutter  und  den  Veter  aof- 
merksaA)  machte,  weshalb  Letzterer  das  Kind  zuditigte.  Des 
Töchtereben  A.  sagt  aus,  dass  in  einer  Nacht  im  fl««bsie  186Q. 
wibrend  es  im  Bette  des  Vaters  schlief,  dieser  mit  seinem 
Finger  in  seine  Schani  gelangt  habe,  was  ihm  Scfamersen 
verursacht  habe,  so  dass  es  weinte,  und  gleich  darauf  habe 
Papa  ,,mit  seinem  Ding,  womit  man  Wasser  mache**,  gegeo 
des  Mädchens  Sdiam  gestossen,  und  habe  wohl  V«  Stunde 
lang  so  auf  und  ab  gemacht.  Dass  Stossen  dieses  Dinges 
gegen  die  Scham  habe  keine  Schmerzen  verursacht,  wohl  aber 
das  Hineinlangen  mit  dem  Finger,  A.  spurte  acht  Tage  lang 
stechende  Schmerzen  beim  Verrichten  der  Notbdurft,  und  sei 
auch  Blut  aus  der  Scham  geflossen.  Dieser  Blutabgang  habe 
ungefähr  vierzehn  Tage  gedauert,  und  dann  hätten  auch  die 
Schmerzen  aufgehört 

Ein  paar  Monate  später  ging  die  A.  mit  ihrem  Vater  in 
englischen  Gärten  spazieren,  und  da  machte  ihr  der  Veter  die 
Zumuthung,  sie  solle  sich  niedei*legen,  und  er  wolle  den  Pin- 
ger hineinbringen.  A,  ging  nicht  darauf  ein  und  es  liess  der 
Vater  sie  in  Ruhe.  Dieser  Letztere  läugnet  bezuglich  der  A 
Alles.  V«  ^^^^  später  sah  J4.,  wie  in  einer  Nacht  ihre  Schwe- 
ster /8L,  die  mit  dem  Vater  in  Einem  Bette  schiief,  ausstieg, 
und  ihr  der  Vater  dann  ins  Ohr  flüsterte :  „Sag  fein  keinem 
Menschen  etwas  davon*'.  Noch  wiederholt  bemerkte  A,  wie 
ihre  Schwester  8,  und*  der  Vater,  die  fertan  beständig  in 
Einem  Bette  schliefen.  Nachts  mit  einander  plauderten,  wri- 
ches  Verhällniss  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  Norember  1864 
so  fortdauerte. 

Die  körperliche  Untersuchung  des  Vaters  X.  ergab  ganz 
normale  Genitalien. 

Die  am  27.  November  1864  von  mir  vergenommene  kör- 
perliche  Untersuchung  der  8.  zeigte  ganz  kindliche  Genit»* 


Aber  fl^laeUieb«  Vergsli^ii.  .     SOQ 

Imd,  Sebamlippaa  und  Müteifleisch  uoverBehrl»  Sebteknhaut 
des  Scbeideoeinganges  schön  roseni*oth,  ganz  normal^  Hymen 
vorhanden,  deasep  Oeffinung  rundlich,  deren  Rander  abgerun- 
det. Mei|i  kleiner  Finger  konnte  nahezu  die  Hälfte  seines 
NagelgUedes  in  die  Hymenalöffnung  eindringen,  ohne  Schmerz 
2U  verursachen. 

Am  23.  November  1854  sollte  ich  auch  die  Ä.  körper- 
lich uptersuGben,^  fand  aber  die  Schleimhaut  des  Scheidenein- 
ganges  so  lebhaft  gerütbet«  wie  diese  Röthuog  nur  bei  Ent- 
zündungen vorkommt;  auch  schmerzte  die  leiseste  Beröhrung 
das  Mädchen  so  sehr,  dass  Cur  den  Augenblick  die  Unler- 
»uctuing  unmöglich  wurde.  Am  13.  December  1854  waren 
diese  Symptome  verschwunden,  und  die  an  diesem  Tage  vor- 
genommene Untersuchung  stellte  vollständige  Integrität  des 
Genitalapparates  heraus. 

Von  der  k.  Staatsbehörde  wurde  mir  im  Laufe  der  Vor^ 
Untersuchung  eine  Reihe  von  Fragen  vorgelegt,  die  ich  beant- 
wortete, und  welche  auch  meinem  in  öffentlicher  Gerichts- 
verhandlung abgegebenen  Gutachten  als  Grundlage  dienten. 

Gutachten. 

Ich  habe  die  Ehre,  das  von  mir  verlangte  Gutachten  auf 
den  Grund  der  mir  von  verehrlicher  k.  Staatsbehörde  in  der 
Voruntersuchung  vorgelegten  Fragen  abzugeben  wie  folgt: 

Frage  1. 

In  welchem  Zusammenhange  stehen  die  an  den 
Genitalien  der  A.  vorgefundenen  krankhaften  Er> 
scheinungen  mit  einem  vorhergegangenen  Miss- 
brauche des  Mädchens  zur  Unzucht? 

Wenn  irgend  eine  Sache  in  der  ganzen  Welt  missbraucht 
worden  ist,  so  wird  man  diesen  geschehenen  Missbrauch  erst 
dann  erkennen  können,  wenn  sich  an  dieser  Sache  solche 
Spuren  vorfinden,  welche  den  Rückschluss  gestatten,  dass 
hier  einmal  ein  Missbrauch  geschehen  sei.  Wo  sich  solche 
Spuren  nicht  vorfinden,  wird  man  der  Sadie  auch  nicht  an- 
sehen können,  ob  sie  missbraucht  worden  ist  oder  nicht. 
Was  von  Sachen  gilt,  gilt  auch  von  Personen  im  ärztlichen 
Bereiche. 


310  XVIII.    H#/m€mtt,  0«ricMlebt  teUchten 

Wendet  man  dieses  aHgemeine  Aiiotn  auf  den  ooncmn 
Fall  an,  so  ergiebt  sieb  Folgendes: 

1)  Bei  der  ersten  Unterstidiung  am  23.  NoTenfcer  1854 
war  die  Schleimhaut  des  Scheideneinganges  und  der  Ge- 
schlechtstheile  überhaupt  bei  der  A,  in  einem  Zustande,  der 
momentan  die  weitere  Uiltersuchung  verbot.  Ob  die»er  Em- 
zündnngszustand  durch  einen  geschlechtlichen  Missbrauch  des 
MSdchens,  oder  —  was  bei  heranreifenden  MSdcben  nkk 
selten  vorkommt  —  durch  innerhalb  des  Organismus  gelegene 
Ursachen  hervorgerufen  war,  lässt  sich  im  concrelcfi  FaBe 
ärztlich  nicht  ermitteln,  denn  Erscheinungen,  die  in  der  einen 
oder  anderen  Richtung  einen  Schluss  gestatteten,  waren  neben 
den  Entzündungssymptomen  nicht  vorlianden. 

2)  Bei  der  zweiten  Untersuchung  am  13.  December  1854 
zeigte  der  Zustand  der  Geschlechtstheile  vollständige  Integrität 
Daraus  geht  selbstverständlich  hervor,  dass,  wenn  dieses  Mäd- 
chen je  einmal  geschlechtlich  missbraucht  wurde,  dieser  Miss- 
braucb  jedenfalls  ein  solcher  war,  der  keine  Spuren  hinter- 
liess.  Ob  es  aber  überhaupt  geschlechtlich  missbraucht  wurde 
oder  nicht,  lässt  sich  ärztlich  gar  nicht  ermitteln,  denn  es 
gebricht  an  der  allerwesentlichsten  Erforderniss  einer  solchen 
Ermittelung;  an  objectiven  Merkmalen,  die  einen  solchen 
Schluss  gestatten  würden. 

Frage  2. 

Zu  welcher  Zeit  dirfte  der  letzte  Missbraucb 
stattgefunden  haben,  wenn  ein  Causalzusammen- 
hang  zwischen  den  Erscheinungen  an  den  Geni- 
talien der  A.  mit  einem  vorausgegangenen  Hiss- 
brauche besteht. 

Nachdem  die  Frage  1.  dahin  beantwqrtet  wurde,  dass 
es  vom  ärztlichen  Standpunkte  aus  dahingestellt  bleiben  müsse, 
ob  ein  solcher  Missbrauch  geschehen  oder  nicht,  fallt  die 
Beantwortung  dieser  Frage  von  selbst  hinwe;g. 

Frage  3. 
Ist  es  nöglich,    dass  die  an  den  Gescfalechts- 
theilen  der  A»  Torgefuudenen  Erscheinvngen  vofl 
einem  Missbranche  zur  Unzucht  herräbren,    der 
bereits  vor  37«  Jahren  statt  fand? 


«bor  A«i»^liolie  Vergelieii.  311 

NeiD,  wena  imtor  diesen  Erscheiuungea  jener  EnUüi>- 
dbngszustand  der  Genitalschleimhaut  verslanden  ist,  wie  er 
sieh  bei  der  ersten  (Jutersuclning  der  Ä.  M.  heraus- 
stellte. In  diesem  Sinne  ist  die  Frage  mit  alier  Eotschiedea- 
faeit  ZH  verneinen,  denn  ein  solcher  lor  Sy^  Jahren  siattge- 
babier  Missbraucb  könnte  nimmermehr  ä^«  Jahre  lang  seine 
Folgen  in  der  Richtimg  forlerstrecken,  dass  jetzt  noch  dees- 
halb  die  Genitalscbleimfaant  enUftndet  wäre. 

Erstreckt  sich  der  Sinn  der  Frage  in  der  Richtiing  auf 
jene  Ersebetnungen,  die  sich  bei  der  zweiten  Untersuchung 
der  A.  vorfanden,  so  muss  die  Frage  bejaht  werden,  und  ist 
ärztlidierseits  die  Möglichkeit,  dass  dieses  Mädchen  vor  3^« 
Jahren  zur  Unzodit  missbraucht  worden  sein  kann,  zuzugeben. 
Dieser  Missbrauch  war  aber  dann  jedenfalls  ein  solcher,  der 
keine  objectiv  wahrnehmbaren  Folgen  hinterliess,  denn  die 
zweite  Untersuchung  des  Mädchens  ergab  vollständige  Integri* 
tat  des  Genitalapparates. 

Frage  4. 

Ist  aus  diesem  Missbrauche  ein  bleibender 
Nachtheil  für  die  Gesundheit  der  A.  entstanden 
und  welcher? 

Fasst  man  den  Begriff  des  Wortes  Gesundheit  bloss  nach 
der  Richtung  der  körperlichen  Sphäre  auf,  so  ist  kein  Zweifel 
vorhanden,  dass  ein  solcher  Nachtheil  an  der  körperlichen 
Gesundheit  des  Mädchens  nicht  entstanden  ist.  Dafür  bärgt 
mit  zuversichtlicher  Gewissheit  die  noch  vorhandene  Integrität 
ihrer  Genitalien. 

Fasst  man  den  Begriff  des  Wortes  Gesundheit  in  wei- 
terem Sinne,  und  zieht  man  die  ungetrübte  Reinheit  und  un- 
befleckte Unschuld  des  kindlichen  Gemüthes  mit  in  die  Be- 
griffsbestimmung herein,  so  kann  ebenfalls  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  diese  rettungslos  dahin  ist,  und  dieses  Kfnd 
einen  für  sein  ganzes  Leben  nachhaltig  wirkenden  Nachtheil 
an  seiner  moralischen  Integrität  erlitten  hat  Einer  Begrün- 
dung dieser  Behauptung  wird  es  gar  nicht  bedürfen. 

Frage  ö. 
Ist   bei   den  Körperverhältnissen  der  A.  und 
ihres  Vaters  eine  körperliche  Vereinigung  wie  bei 


312  XVIII.    Hofmann,  GeiithtlUlie  Oatachten 

dem   Beischlafie    mit    einer    erwachsenen  Person 
denkbar? 

Ich  muss  mir  hier  die  Gegenfruge  erlauben:  was  heisei 
„körperliche  Vereinigung"? 

Nennt  man  Vereinigung,  wenn  der  Penis  ganz  o^er 
grösstentfaeils  oder  auch  nur  mit  seiner  Spitze,  der  Eichel 
innerhalb  des  im  jungfräulichen  Zustande  durch  den  Hymen 
grösstentheilig  verschlossenen  Scheideneinganges  getk*eten,  so 
muss  die  gestellte  Frage  zweifellos  dahin  beantwortet  werden, 
dass  eine  derartige  Vereinigung  nun  und  niromormebr  statt- 
gefunden hat.  Den  selbstredeoden  Nachweis  hierfür  liefiert 
die  zur  Zeit  noch  bestehende  Integrität  des  Genitaiapparates 
der  A.  Jf.,  .die  eine  physiologische  Unmögliclikeit  wäre,  wenn 
je  eine  derartige  Vereinigung  geschehen  wäre. 

Fasst  man  den  Begriff  des  Wortes  „körperiicbe  Ver- 
einigung" im  weiteren  Sinne  dahin,  dass  man  so  auch  nennen 
will,  wenn  der  Penis  mit  seiner  Eichel  zwischen  die  Scbaroiippen 
und  in  den  Scheideneingang,  aber  nicht  darüber  hinaus  tritt 
—  eine  Auffassungsweise,  der,  im  Vorbeigehen  gesagt,  ich  als 
Arzt  nicht  beipflichten  kann  —  so  muss  die  Möglichkeit  einer 
derartig  geschehener  Vereinigung  eingeräumt  werden,  denn 
eine  solche  Vereinigung  hinterlässt  keine  Spuren  ihres  Ge- 
schehenseins. 

Frage  6. 

^      Sind    die    au    den    Geschlechtstbeilen    der    Ä. 

vorgefundenen  krankhaften  Erscheinungen  muth- 

masslich   durch  Einbringen  anderer  Gegenstände 

z.  B.  eines  Fingers  entstanden? 

Laut  Antwort  auf  Frage  1.  muss  es  eine  völlig  offene 
Frage  bleiben,  ob  die  bei  der  ersten  Visitation  des  Mädchens 
an  den  Geschlechtstbeilen  vorgefundenen  krankhaften  Erschei- 
nungen das  Resultat  irgend  eines  Missbrauches  des  Mädchens 
mit  was  immer  für  einem  Gegenstande,  oder  eines  innerhalb 
der  Grenze  des  Organismus  gelegenen  und  momentan  zum 
Vortritt  gekommenen  Krankheitsprocesses  sind.  Die  logische 
Folgerung  dieser  auf  die  erste  Frage  gegebenen  Antwort  ist, 
dass  ärztlicherseits  keine  Muthmassung  darüber  geäussert  wer- 
den kann,  ob  diese  Erscheinungen  etwa  durch  das  Einbrin- 
gen  eines  Fingers   oder  ähnlichen  Körpers   entstanden  sein 


mögen.  Es  kann  nur  die  MftglicblLeil  eiiiger8u«il  werde«, 
dass  dorch  solche  Manipulationen  der  fragUche  EnUlündüiig«* 
jsQBland  bervorgerufen  gewesen  sein  kanoo 

Frage  7. 

War  bei  dem  normalen  Zustan.d€  der  Ge- 
schlecbtstbeile  der  S.  der  Vollzug  des  Beischlafs 
mit  einer  erwachsenen  Mannsperson,  wie  ibr  eige- 
ner Vater  ist,  mdglicb,  oder  hätten  dadurch  be- 
merkbare krankhafte  Erscheinungen  bei  dem  kind** 
liehen  Alter  des  Mädchens  eintreten  inQssen. 

Bevor  ich  aur  Beantwortung  der  gestellten  Frage  "über* 
gdie,  muss  ich  bemerken,  dass  die  sehr  geehrte  k.  Staats- 
behörde d»i  Zudtaqd  der  Genitalien  der  8.  als  einen  nor* 
malen  betrachtet  —  eine  Anschauungsweise,  die  ärztlicherseits 
nicht  so  unbedingt  liquid  ist  Thataache  ist,  dass  ich  bä 
diesem  Mädchen,  ohne  ihm  Schmerz  zu  verursachen,  das  Na- 
gelglied meines  kleinen  Pingers  fast  bis  zur  Hälfte  durch 
die  Hymenaldfiftiung  einführen  konnte.  Ich  muss  zugestehen, 
dass  in  dem  Augenblicke,  wo  ich  dies  that,  es  mii"  auffiel, 
eine  so  weite  HymenalöfTnung  zu  finden.  Einen  bestimmt 
formulirten  Verdacht  konnte  ich  aber  weder  bei  der  Unter- 
sucbung  schöpfen,  noch  'kann  ich  ihn  jetzt  aussprechen,  wdl 
die  Weite  der  Hymenalöffnung  eine  bei  den  verschiedenen 
Individuen  verschiedene  ist,  und  es  im  ooncreCen  Falle  dahm 
gestellt  bleiben  muss,  ob  der  Zustand  des  Hymen  der  &  M. 
ein  natürlicher*  oder  durch  vorausgegangene  Dilatationsve^^ 
suche  künstlich  massig  erweitert  ist.  Auch  der  die  Hymenal- 
öffnung umgebende  gewulstete  Rand  gewährt  hierüber  keine 
Aufschlüsse,  da  zwar  gewöhnlich  in  so  jungen  Jahren  der  Rand 
scharf  ist,  aber  doch  auch  häufige  Ausnahmen  vorkommen* 

kb  gehe  nun  über  zur  Beantwortung  der  mir  gestellten 
Frage  und  muss  mir  auch  hier  wieder  die  Gegenfrage  er- 
lauben: was  heisst  „Beischlaf"? 

Versteht  man  unter  Beischlaf,  wenn  der  Penis  ganz  oder 
grösstentheilig,  oder  doch  nur  mit  seiner  Eichel  innerhalb  des 
Scheideneinganges  in  die  Vagina  tritt,  so  muss  die  Frage  mit 
Bestimmtheit  dahin  beantwortet  werden,  dass  die  5.  M.  mit 
ihrem  Vater  einen  derartigen  Beischlaf  nicht  durchgemacht 
hat.     Ein  solcher  Beischlaf  hätte  bei  den  kindlichen  Formen 


306  XVni.    Bufmmny  G«rt«1itUQb6  QtUehten 

Der  Werth  dieser  EracKeiwingeD  Tom  antücheii  SCaoA- 
punkte  ist  folgender: 

ad  !,  Die  iiUeasive  Rdtbuog  der  SeUeimhaot»  die  den 
ScheideneingaDg  und  den  Kitzler  aberzieht,  wie  sie  akbald 
nach  dem  Beginne  der  geridbtlkfaen  üttlersuclrang  eiw»  fier 
bis  sechs  Wochen  nach  der  angescbuldlgten  Haodking  die  ge- 
ricfatsärztlicbe  Unlersucbung  heraudstelke,  ist  keineswegs  die 
Folge  einer  von  aussen  her  gescheheyeii  mecbanischen  Rmniig, 
welche  diese  TheUe  etwa  voa  dritter  Hand  erlitten  baICea. 
Wenn  dies  der  Fall  wäre,  so  bitte  diese  eatztadiiche  Rötbuag 
alsbald  wieder  verschwinden  missea;  so  aber  aeigte  sich  fier 
Monate  später  bei  jener,  die  ich  erst  ganz  karx  yot  der 
öffentlichen  Gerichtsverhandlung  machte,  ganz  denselbeo  Be- 
fund, wie  vier  Monate  früher.  Diese  entzündliche  Reizatng, 
die  der  erstbesohauende  königl.  Gerichtoarzt  und  auch  ich 
vorfand,  muss  sonach  eine  andere  Deutung  erbalten,  und  diese 
Deutung  liegt  sehr  nahe.  Das  Kind  ist  sci*ophulö8.  Bei  der 
Scrophelsucht  kommen  entzündliche  Afiectioiien  chronischen 
Verlaufes  in  Schleimhäuten  sehr  häufig  vor,  und  diese  Röthung, 
von  der  ich  spreche,  muss  sonach  als  das  Symptom  einer 
chronisch  catarrhalischen  Entzündung  gedeutet  werden,  und 
somit  ist  jedenfialls  gewiss,  dass  sie  nicht  exchfsiv  das  Symplom 
einer  von  aussen  her  auf  diese  Theile  eingewirkt  habenden 
mechanischen  Reizang  ist. 

ad  II.  Was  die  Klagen  des  Kindes  ftber  Schmerzen 
beim  Geben  in  diesen  Theifen  und  das  damit  in  Zusammen- 
hang zu  bringende,  von  der  Mutter  beobachtete  Zusammen- 
zwicken der  Beine  beim  Gehen,  das  gestörte  Vermögen  den 
Harn  zu  halten,  «ad  die  Geschwulst  und  Schmerzbafligkeit 
dieser  Theile  betrifft,  so  steht  fest,  dass  damals  diese  Theile 
acut  entzündet  gewesen  sein  mAssen,  was  späinrhin  schon 
bei  der  ersten  gerichtsärztlichen  Visitation  nichl  mehr  der  Fall 
war.  Nicht  mkid«*  Thatsacbe  ist,  dass  eatarrkdische  chro- 
nische Entzündungen  der  Schleimhaut  des  Scheidensinganges 
hänig,  besonders  zur  Sombierszeit ,  durch  die  meebaniscbe 
Reizung,  die  diese  Tkeile  beim  Gehen  in  grösserer  Wärme 
erleiden,  acut  werden.  Ob  nun  die  damals  im  Mi  186ä  von  der 
Mutter  am  Kinde  beoiMichlele  Ezaeerbalion  der  chrsnisch- 
catarrhaliscben  Affection  das  Ergebniss  eiaer  dnvch  4m  Som- 


über  .i^MI«be  Vargelieii.  907 

metsiMl  und  die  mcchaniicbe  Rmbung  dteeer  Theie  berror«- 
g»riifencb«  oder  durch  vd»  dritter  Hand  geschehdMHi  roecba^ 
Rtschtn  Reisang  dieser  Tlwile  sei,  mag  diese  mechatiisclM 
RdsiMig  im  Kitaeio  am  Kitsler,  oder  in  einem  Baiseblafftver-'  # 
suele,  oder  mm  Mnmer  bcistandeD  htben  —  des  lisa4  sieb 
▼om  Ik^tlichen  Standpcinkte  aus  gar  nieht  mehr  ermiUelfi. 

E»  ist  somit  d^r  Nsebwero  geliefert,  dasa  kl  diese»  Falfe 
kein  objectms  Zeictien  forhanden  iai«  au»  dem  man  enttieh* 
meo  kAmite,  ob  eia  BeisohM^tersuch  oder  was  sonst  stalt- 
gefmdeA  habe.  Es  ist  aber  aueh  kein  Zricfaea  d»^  welches 
das  eegentheü  beurkunde»  wurde«  Diese  Frage  kann  soaadi 
?om  ftratficben  Standpunkte  au»  fiberbaoj^t  nicht  zur  l^äsung 
gebraobt  werden. 

Der  Gericbtabof  erliess  ein  freisprechendes  Erkenntaiss« 


Anklage  wegen  des  Verbrechens  widernatürlicher, 
unrreiwilliger  und  unerzwuugener  Unzucht.    Ver- 
handelt vor  dem  königi.  Kreis-  und  Stadtgericht 
München  links  der  Isar. 

Historisches. 
Am  1.  Hai  1851  war  der  X,  in  dmi  fünfaigem,  ver* 
elMHehl  und  Vater  zweier  Mädehjsn,  im  Wirlhsbansei  und 
kam,  seiner  Angabe  nach»  balbberauseht,  am  2.  Mai  1851 
Morjgena  IV«  Uhr  nach  Hanse.  Die  im  NebenaimnMr  schla^ 
fenda  Magd  JP.  hörte  gleich  nach  der  Ankunft  des  X  in  sei- 
Dem  finlmer,  worin  s«sne  beiden  TMiter,  S.  gieboren  am 
1».  November  183»  und  A.  gekbren  am  26.  (klober  184d, 
schliefen,  Lfln».  Die  Magd  F.  ging  in  die  Hiebe  und  sah 
dureb  daa  KAckenfenstar  in  dae^  Zimmer.  X,  sasa  auf  eiitem 
Sliihlei  i«  Hemde  und  schob  seine  aufe  Hemd  entUöaale 
Tochter  8.  zwisctaen  seinen  FAssen  duf  und  ab,,  seiate  zeit- 
weise aua,  sagte  dem  Kinde  et>Maa  ins  Ohr,  küasU'  es  und 
trifft  UntMBbt  mit  ihm,  wobei  sei»  undi  des  Kindes  Hemd  in 
die  Höbe  geschoben  war.  Vom  Vater  X.  wird*  ein^raamt, 
das»,  als  er  nach  Raoae  kam,  er  seimr  Tochter  «Sl  eine 
Wurst  angeboten  und  darauf  ihr  seinen  Penis  in  den<  Mund 
gesleck«  habe;,  mit  den  Worten,  da  bebe  sie  me  Wurm,  sie 
solle  aber  nicht  daranf  bnsaen.  Am  2.  Mal  1851  sehiekte  X 

20« 


816  2<X-    Votiaoa  «M  d#f  Jmhmü- Llteramr« 

Ofgan,  deob  4«iateD  swei  an  ihr  befin41iclie  OalUoblaMii  anf  eist 
doi^pelte  Anlage  hin.  Die  Frage,  welobe  Theile  der  eioseln  an- 
gelegten Lebern  hier  mit  einander  verwacbsen  sind,  beantwortet 
Verf.  damit,  dasa  die  beiden  reobten  Leberlappen  ▼eraehmol- 
«en,  «r^il  ein  unpaariger  coniaeher  unterer  Lappen  die 
b-elden  Oallenb lasen  trügt.  Verf.*  glaubl»  daae  die  Lebec», 
welche  araprüngllch  einander  gerade  gegenfiber  lagen,  aick  durch 
eine  Drehung  um  die  transTeraelle  Acbae  (wie  aua  dem  Terbal- 
ten  dea  Sternum  heryorgebt),  notbwendigerweise  in  der  Art  rer- 
achieben  muaaten,  daaa  die  redeten  Lappen  einander  gegenfiber- 
anliegen  kamen  und  nun  yerwachaen  konnten.  Daa  Product  die- 
aea  Vorgangea  war  ein  in  eigenthümlicher  Weiae  ajmmetriach  ge- 
bautea  Doppele rgan,  beelebend  aua  awei  aeitliehen  (uraprünglich 
Unken,  die  natttrlieh  frei  geblieben  waren)  JLeberlaf^en  und 
einem  un paaren  mittleren  (aua  awei  TeraehmoUenen  rechlea 
Leberlappen  gebildeten)  Conua. 

Bei  Verfolg  dea  Entwickelungagangea  derartiger  Misabildan- 
gen  giebt  Verf.  sngleich  ein  Bild  ron  der  Entwickelnng  der  be- 
regten Miaabildnng.  Man  mnaa  aicb,  nach  ihm,  hierfiber  einen 
uraprünglicb  einfachen  Keim  Torateilen,  aua  welch  em  swei 
paarig  aymmetriache  Hälften  henrorgingen,  d.  h.  awei 
Hälften  "einea  Keimea,  deren  jede  ein  IndiTiduum  repraaentiit 
Dieae  Keimapaltung  blieb  indeaa  nnyollat&ndig,  denn  Wirbel-  und 
Hautayatem  haben  aicb  nur  in  beachränktem  Maaaae  (an  Kopf 
und  Schwansenden)  für  jedea  IndiTiduum  iaolirt  ausgebildet 
Mit  Rückaieht  auf  die  embryonalen  Anlagen  im  Torliegendea 
Falle  oonatruirt  aicb  Verf.  acblieaalich  folgendea  Bild: 

Einfache  Umhüllnngahaut,  paarigea  NerTenayetem,  paa- 
rigea   Stratnm   intermedium,   paarige    Anlage    ^ea   J>am- 
epitbela,  bilateral  aymmetriacbeR,  nur  an  Kopf-  und  Sehwana- 
ende  geapaltenea  Wirbel-  und  Hautayatem. 
Der  eweite  Fall  betrifft  eine   weibliehe  Doppelmiaebildang 
Ton  etwa  aieben  Monaten.     Dieselbe   hat  dem  iuaaeren  An^efaea 
nach  die  gr^Btte  Aehnliehkeit  mit  der  eben  beachriebenen :    der 
haupta&chlichate,    ftuaaerlich  wahrnehmbare  Unterschied    bestellt 
eben  nur  darin,    dass   die  Verbindung  der  beiden  IndiTidnen  io 
■weiten  Falle    auch    auf    einen  Theil   dea  Halsea  aieh  eratreekt 
Dagegen  finden  fich  auffalle nderweiae  weaentliche  und  manntcb- 
faltige  ünterachiede   bei   der  Untersuchung  der   inneren  Organe 
beider  IndiTiduen.    .Denn    während    das  erste  Monstrum  alle  in- 
neren Organe,  die  Leber  ausgenommen,  doppelt  und  normst  ge- 
lagert neigte ,    fand   Verf.   beim  sweiten  neben  auffHlligen  Lage- 
TerKndernngen    einselne    Organe    gans    oder    theilweise    in   der 
EInsahl  Tor. 

Eine  eingehendere  Betrachtung  der  einselnen  Organe  resp< 
Systeme  ergiebt  in  der  Hauptsache:  das  Fehlen  einselner  Moa- 
keln  (Omohyoldeus)  und  das  Auftreten  übers&hllger  Mnskelb&i- 


XIX.    Kotisra  ««8  d«r  JowMl-LHeraliir.  817 

^•1  (ibDSolieiDViid  oba«  direkte  Besi^hniig  sii  de»  al«  pMuri^e« 
IndMdtten  aiiflr8teiid«ii  MMbüdimgeii).  Pftraer  du  PvhUD  etaM 
ftfg^nlliaben  MediMtfnniBt  (die  g«fiiiid«DMi  beides  LaftvSbren 
nsd  die  einfache  Speieeröhre  werden  durch  BiBdegewebe  eoiaai* 
men,  and  die  Oeflieee  and  Nerven  innerhalb  des  ThoraxenaaMe 
durch  lockere«  Bindegewebe  in  ihrer  Lage  erhalten).  Weiter* 
hin  die  yollttändige  Trentanng  beider  Brnttbelne  In  eis  T4M'dfffaa 
nnd  hintere«  (,,8temani  h^t^roginee" ,  ^err««).  Verf.  «chliesst 
an«  der  Bildung  de«  Brnstbein«,  dae«  da«  Tordere  and  hintere 
Sternam  der  paarigen  ludividnen  ganx  ver«chiedene  Bedeatang 
haben  mn8«en;  da«  vordere  «teilt  nach  ihm  da«  normale,  da« 
hintere  eip  accesso  ri«chd«  Bra«tbein  vor. 

Während  ferner  bei  der  Entwiekelang  de«  Embrya  hn  Be- 
reiche de«  Thorax  da«  Bestreben  anvevkennbar  ist,  die  DnpU» 
eitftt  aofkageben  ond  in  die  Einheit  vnrfick tak ehren ,  Iknd  Vevf. 
am  Kopfende  eine  TolUtJindige  Verdoppelung  vor.  Erst  im  Be« 
reiche  de«  dritten  Visceralbogens  (Kiembogen«)  sah  er  Sparen, 
welche  anf  einen  Kampf  awischen  DuplieitHt  nnd  bilateraler  Sjm* 
metrie  hinweisen.  Die  Zangenbeine  waren  für  jede«  Individnnm 
getrennt  entwickelt,  während  ein  Theil  der  Mnskeln,  welche  «ich 
an  jene  aD«etaen ,  nach  den  6e«etsen  der  bilateralen  Symmetrie 
angeordnet  erschien. 

Rfl  ergiebt  sieh  daran«,  das«  die  vollkommene  Spaltung 
de«. Kopfe«  bi«  som  dritten  Vi«c«raibogen  reichte.  Am  Schwanv* 
ende  eretreekte  «ich  die«e]be  nnr  bi«  sar  Höhe  de«  Nabel«. 

Zar  primitiven  Anlage  de«  Cylinderepithel«  de« 
Darmkanal«  «ich  wendend,  fand  Verf.  in  Uebereinctimmanfs  mit 
dem  Wirbel«7«teme  hier  vollständige  Spaltung  am  Kopf-  nnd 
Sohwantende.  Erst  in  der  Gegend  des  Darmcanals,  die  «ich 
dnrch  das  Fortbestehen  der  Vasa  omphalo  -  mesentertca  genau 
kennseicfanete ,  hörte  die  Verdoppelung  nuf  und  begann  erst  am 
iussersten  Kopfende  wieder«  beaeiohnet  dnrch  das  Doppeltseia 
dee  Pharynz.  Oesopbagn«,  Magen,  Anfiing  de«  Dfinndarma,  stelle 
ten  al«o  ein  einfache«  Bohr  dar,  doch  «ehiokte  jedee  Individuum 
swei  Nervi  vagi  «um  Oesophago«  nnd  Magen,  und  in  da«  Duo- 
denum mflndeten  von  beiden  Seiten  her  OallengÜnge.  Die«  Ver- 
halten  He««  den  Verf.  auf  da«  Bestimmteste  erkennen,  dass  da« 
Rohr  aus  einer  paarigen  Anlage  entatandea  war  („bilaterale 
Symmetrie  eine«  paarigen  Individnum«^').  -^  Weiterhin  fanden 
«ich,  wa«  die  Adnexe  de«  Darmkaual«  betriflft,  nur  eine  Bauch* 
■peieheldrti«e,  dagegen  awei  Lebern;   die  Gallenblaeen  fehlten. 

Ans  dem  Vorhandeneein  aweier  Lungenpaare,  sowie  and»* 
reffseite  aue  der  Verdoppelung  der  Nieren  und  GFb«ehleoht«werk* 
«enge  konnte  Verf.  ferner  erkennen,  da««  die  Spaltung  der  pri«- 
mftiven  Anlage  de«  Stratum  intermedium  wenigitens  am 
Kepf-  und  Sehwanaende  eine  voUitündige  war.  Da«  gro««e 
qaadretisehn  Hern  trttg  ebenfall«  unsweifelhafta  Spuren  der  Du* 


818^  XIX«    ttotiMi  »V«  4«r  JnurMl-Uteriktot. 

pti«iiftl  A»  «eil.  HttclMl  iiitiMretsMii  M  dftbfli,  4m«  atck  »etaM 
Utatoram  aoeb  eis  kUioe«,  n^^k  setflKr  C«salff««tMii  •»ieelsie- 
deQ  iMnartife»  Organ  auf  der  fittokeeite  de*  FMu  bemetkUck 
iBsekfc«.  Dasselbe  ttelli  aa«h  4er  Anshekl  des  Yerf,.  gewieeer- 
BMMeeB  ttiD  isoliriee,  sa  des  aocessorisekes  HiLUten  gfshorigei 
Hersokr  dar.  Einen  aksHcban  Fall  laad  Bmkmot  Mosatr»  asi- 
naUiim  dspUola.    1826.    Tb.  I.  8.  13-— 16. 

(Arahfy  für  ABatomie  sod  Physiologie  ran  BeUk^^  aad 
du  Bai9'Mt^monL    18d6.    Mr.  U  s.  8.) 


Grreenhaigh:  Ueber  Dysmenorrhoe. 

Von  das  drei  Forauea  dereolben  —  der  raeehasiaoko»,  der 
aongeetiTen  aad  der  neopalgtsekeii  —  kalt  Verf.  BAoh  a«iner  Bf- 
ftüimn^  die  eraU  Isr  die  kHufi^ite.  £inige  Fftlla,  die  er  friber 
as  den  ietaten  awei  Arten  a£hlte  msd  okne  Erfolg  nach  dittaea 
Begefai  behandelte,  betrachtet  er  jetat  al«  soleke,  die  ao  dea, 
Dgrimenorrboe  bedingenden  Affeelioaea  dea  MütteraiaAdea  aad 
Carvix  ateri  gehören.  In  Beang  aof  die  erste  Fonn  hat  Verf. 
es  in  der  Gawohnheit  and  empfiehlt  ee  aar  Naekahasang^  erat 
eisige  ber?^riaigende  Sjrmptome  dnrck  Beilmittei  as  nüldeca, 
ehe  er  zn  operativen  Eingriffen  Torgebt.  Ferner  hält  er  aa  ür 
sehr  wUbtlg^  daran  an  erinsera,  das«  da,  wo  Djsaienorrhoe  lange 
bestanden  hat,  «ft  nickt  mekr  ihre  Ursaeken  die  Indiealien .aar 
Behaadlnngsweise  abgeben,  gleicbriel  ob  CongestioB-  oder  Inda- 
ratSon  dea  Uteriogewebes  oder  Erweitemng  der  ütarinhöifle  zu- 
gage»  waren ;  dies  gilt  beseaders  Yon  der  11  etritis  die  die  Dys- 
menorfho»  i»  Gefolge  bat  Der  Plan,  dea  Verf.  gaw^vhafich  ia 
solofaea  Fälies  eiaaehlägt,  ist  folgender.  Anaeer  dea  ge«M>ks* 
liekes  dIStetisehen  Maaeeregeln  giebt  er  eine  Miachang  Ton  lie- 
blima«,  Obiaio  nm4  Belladonna  in  Pillen,  früh  «sd  Abesds.  itci 
groeaer  lokaler  Empfindlichkeit  verordnet  er  die  AppiieatioB  Taa 
^er  bia  seeks  Blotegela  an  die  Portio  Tagiselis;  bei  garlsgea 
Sekmeraen  8«|»positeriea  von  Atropin  and  Oeeaobotterv  jedes 
Abend  ein  Stöek.  Bei  gveaser  H&rte  des  CoUnm  uteri  ffigt  er 
die  leeale  Aswanidnag  eiaer  Bferoarialsalke  bei.  Die  besten  Er- 
folge sah  V«vf.  Ton  den  Üteroe-Donchen  mit  lanem,  spStet  kal- 
tean  Wasser,  tüglieh  awei  Mal,  in  einsgea  Fklles  wiu-den  beio- 
bigende,  in  andern  adstriagtresde  infecfeionati  f&r  niMalieh  be» 
fünden. 

Zum  Sehliiss  noch  ein  Wort  tber  aterilitat.  Die  Bcfahraag 
h«t  geseigt,  dasa  Frauen  meist  kara  nach  EinSritt  der  Ifenstroa- 
tion,  selten  knfs  ▼orber  schwanger  wesdas;  ansserde«  aber  hat 
Verf,  Fftlle  aogetroifon,  wo  besonders  bei  sobwfichliekes  Fraoea 
der  aia  Morgen  ansgefibte  Cokas  (aaoh  den»  belebenden  EiofliMaa 
der  Nachtrabe)  die  besten  B»felgo  eraielte.  Dagegen  kann  die 
Meastrnation  so  stark  sein,    wie  sie  bei  nittelaiissigsii  Qesnnd- 


XIX.    Notisen  avs  der  Jovraal- Literatur.  319 

heitsTerhKltnisaeii  auftritt,  dass  sie  die  Spermatoteen  Tomichtet. 
In  solehen  Fällen  hat  Verf.  Injectionen  Ton  warmem  WasRer, 
welche  einfaeb  jede  Secretion  beaeitigen ,  oder  den  Oebranoh 
einer  «ehr  schwachen  Lösung  von  Natron-  oder  Ammoniakcar- 
bonaten  in  Milch  oder  in  einer  milden  Flüssigkeit  sehr  nntslich 
erfunden,  besonders  wenn  sie  knrs  vor  dem  Coitus  wiederholt 
wurden. 

(Hdinbargh  Medical  Jonmal.  Nr.  CXIV.  Deeember  1864.) 


Haake:  Zur  Diaguose  der  NabeUchnurumgchliQ* 
gung. 

Bei  der  durch  Nabel8chnanimsohUngon|pea  um.  den  Hals  dem 
Fötus  oft  drehenden  Lebensgefahr  ist  es  sehr  erwünaoht,  schon 
▼or  der  Geburt  des  Kindeskopfes  den  Znstand  erkennen  und  ans 
der  Art  der  Pulsation  der  Nabelschnurarterien  die  Lebenavet* 
hältnisse  des  Fötns  nXher  bestimmen  su  können,  um  in  geeig- 
neten Fällen  sur  aehnelLeren  Extraction  Torsngehen.  Verf.  em- 
pfiehlt deshalb  bei  bereits  tiefstehendem  Kopfe  die  Untersuchung 
durch  den  Mastdarm.  Der  Finger  dringt  leicht  bis  über  den 
Kopf  aum  Halse  des  Fötus  vor  und  fiihlt  die  Nabelschnur  und 
ihren  Puls.  Namentlich  sollen  die  Hebammen  mit  dieser  Unter- 
snchungsweise  vertraut  werden  ond  bei  £rstgebftrendeti  die 
Hülfe  des  Arates  suchen»  bei  Mehrgebarenden  aber  nach  der 
von  e.  Ritgen  aur  Erhaltung  des  Dammes  angegebenen  Me> 
thode  durch  einen  vom  Mastdarme  ans  ai:(f  das  Kinn  der  Frucht 
ansgeübten  Druck  oder  Zug  die  Geburt  des  Kopfes  beschleu- 
nigen. Verf.  glaubt,  dass  durch,  sein  Verfahren  vielen  Kindern 
das  Leben  gerettet  werden  kann. 

(Zeitschr.  f.  Mediain,  Chirurgie  n.  GeburUh.  1866.  Bd.  IV. 
Heft  a.    S.  193.) 


Cohnstein:  Mangel  der  Herztöne  beim  Sitz  der  Pia- 
cenla  an  der  vorderen  Uterinwand. 

y^rf*  konnte  bei  einer  ZwiUingsgeburt,  neben  anderen  aof 
Zwillüigc  hindeutenden  ßrseheinnngen  nur  an  einer  Stelle  Herz- 
töne hören,  ond  fand  b«si  der  später  nöihif  werdenden  kitest- 
liehen  Lösung  des  Placenta  diese  an  der  vollen  vorderen  Wand 
des  Uterus  angeheftet.  Kf  schliesat  hteraua,  dass  in  vielen  FSIlen, 
anoh  einfachen  Geburten ,  wo  überhaupt  die  Heraftöne  gereicht 
oder  nur  sehr  sehwaeh  gehört  wurden,  dieselben  dorcb  <(te  an 
der  vorderen  Uterinwand  aitoende  Plaeenta  verdeeht  wurden, 
eine  Erklärung,  die  bis  jetst  noch  nicht  aufgestellt  und  in  den 
Lehrböchern  vertreten  ist. 

(AUg.  med.  Centralaeitung.    1865.     Nr.  43.) 


320  XX.    Lltoratar. 

XX. 
Literatur. 

A.  Poma,  i  solfiti.     Lettera  terza  al  Dottor  G.  PoUu   Mil. 

1865. 
(?:  PoUi,    suglr  effetti  ottenuti  dal  solfito  di  magoesia  uella 

febbre  puerperale  cet     Mil.  1865. 

IndefD  wir  Sber  Poma's  Sohriftcheii ,  welches  swei  «Dgeb- 
Uche  Heflang^eo  —  eines  Typhoids  und  eines  Kindbettfiebers  — 
durch  schweflig^saQre  Bittererde,  mitthetlt,  als  nnbedeotend  schnell 
hinweggehen,  wenden  wir  unsere  Aofmerksamkeit  dem  PoQTschen 
Pamphlet  an.  Verf.  emendirt'  die  cnm  Theil  von  ihm  bekimpf- 
ten,  sam  Theil  als  nngenägend  erkannten  SKtae,  welche  s.  Z. 
Q.  Ccaati  (Tergl.  unsere  Recension)  aus  den  Beobachtungen  im 
Bfail&nder  Entbindungshanse  gesogen  hatte,  wo  Magnesiasulfit 
eine  Reihe  von  kranken  Wöchnerinnen  yersnchsweise  Terabreicbt 
worden  war. 

Die  Ausstellungen,  welche  Caiati  an  dem  Mittel  gemacht 
hatte,  rersncht  Verf.,  niit  den  Erfolgen  in  La9»atp9  Oebftrklinik 
mehr  als  sufrieden,  durch  folgende  Angaben  «u  schwachen  oder 
au  beseitigen:  „Man  Termeide  während  des  inneren  Oebranches 
der  Snlfite  sKuerliche  Getrftnke,  lasse  dagegen  auf  die  Gabe  der 
schwerlöslichen  schwefligsauren  Magnesia  reichlich  Wasser  naeb- 
trinken,  setse  onterdess  den  Gebrauch  des  Caloroel  und  der  Drs- 
stica  aus  —  das  empfohlene  Sals  soll  ursprünglich  nicht  abfüh- 
ren [doch  Tergl.  C€uaU]\  sur  Säuberung  der  nach  HS.  .riechenden 
Oeftlsse  und  Wäsche  nach  den  Ausleerungen  der  Kranken  wende 
man  grünen  [am  besten  unter  Zusats  Yon  gebranntem  Kalk  Rsc] 
oder  weissen  Vitriol,  Chlorwasser  oder  die  Auflösung  eines  an- 
terschwefligsauren  Salaes  an,  welches  billiger  sei  als  das  von 
OmalH  für  gut  befundene  übermangansaure  Kali.  Latsteres  hatte 
Verf.  übrigens  schon  im  Mars  1888  empfohlen.  Im  übrigen  Bi- 
sovB^ment  begegnen  wir  denselben  ontologisohen  Lieb&ugeleien  mit 
der  „Febris  miliaris **  und  der  Hypothese  von  der  ozydirendeD 
[?]  Wirkung  der  Bataünduiig  wie  bei  CatoH  u.  A. 

Sehlieaslioh  weist  Verf.  auf  8now  Bede  bin,  welcher  (Tbe 
Lanoet,  Apr.  1865)  den  inneren  und  ftusseren  Gebrauch  der  Sal- 
ute der  geburtsh.  Geaallschaft  au  London  empfohlen  habe. 

(7.  Henad^, 


XXI. 
Verhandlungen  der  Oesellschaft  für  Oeburtshttlfe 

in 

Berlin. 


Sitzung  vom  13.  Juni  1865. 

Herr  Boehr  spricht: 
Ueber  das  Absterben  eines  Zwillings  wahrend 
der  Schwangerschaft  bei  Weiterentwickelung 
des  Anderen. 
Es  möge  mir  gestattet  sein,  die  Aufmerksamkeit  der 
geehrten  Gesellschaft  auf  eine  seltene  und  in  physiologischer 
Beziehung  gewiss  merkwürdige  Erscheinung  zu  lenken,  ich 
meine  sicher  nur  höchst  ausnahmsweise  zur  Beobachtung  kom- 
mende Geburten  reifer  oder  nahezu  reifer  Zwillinge,  bei  denen 
das  eine  Kind  lebend  und  meist  immer  völlig  gesund  und 
lebensfrisch,  das  andere  dagegen  todtfaul,  mit  allen  praeg- 
nanten  Symptomen  der  Maceration  zu  Tage  trat.  Es  giebt  wolil 
kaum  eufien  redenderen  Beweis,  bis  zu  welchem  Grade  die 
relative  Selbstständigkeit  des  Intraulerinlebens  der  einzelnen 
Früchte  geht.  Wir  Alle  kennen  die  Erscheinung  der  soge- 
nannten Foetus  papyracei,  w»  neben  einem  lebenden  und  ausge- 
tragenen  Kinde  ein  in  früherer  Schwangerschaftszeit  abgestor- 
bener ZwiUing  von  sehr  verschiedener  Grösse,  meist  zwischen 
zwei  und  zehn  Zoll  schwankend,  eingetrocknet,  plattgedrückt, 
trocken  roumificirt  ausgestossen  wird.  Diese  Fälle,  obgleich 
immerhin  nicht  alltäglich,  äind  noch  ungleic)^  häufiger  als  die 
Erscheinung,  auf  die  ich  heute  Ihre  Aufmerksamkeit  lenken 
möchte,  die  Geburt  eines  lebenden  Kindes  und  einer  macc- 
rirten  Leiche.  Wenn  sich  gleich  der  unbefangenen  Beob- 
achtung die  Frage  aufdrängt,  wie  ist  das  möglich?,  unter 
welchen  Bedingungen  kommt  ein  so  ausnahmsweiser  Vorgang 
zu  Stande?,   so  bedauere  ich  doch  der  AeCiologie  des  son- 

Monatasehr.  f.  Oeburtsk.  1866.  Bd.  XXVI.,  Hfl.  6.  2 1 


322  X^l-    Verhandlungen  der  Gesellschaft 

(lerbaren  Factums  durch  die  heul  zur  Sprache  zu  bringenden 
Fälle  keine  ganz  neuen  und  bereichernden  Daten  hinziifiigeu 
zu  können,  und  muss  das  Bekenntniss  vorausschicken,  in 
einigen  Fällen  sind  Ursachen,  welche  allgemein  anerkannt  den 
Tod  eines  einzelnen  Kindes  oder  von  Zwillingen  im  Uterus 
zu  Wege  bringen  können,  zu  erheben,  in  anderen  Fällen  lisst 
sich  nach  unserer  bisherigen  Kenntniss  die  Ursadie  nicht  mit 
Präcision  feststellen.  Ich  werde  zuerst  das  ihatsächliche  Ma- 
terial anfuhren,  welches  ich  beizubringen  im  Stande  bin. 

1)  Am  5.  Februar  1863  wurde  ich  zu  einer  34jährigen 
Zweitgebärenden,  Frau  M,,  welche  bereits  zwei  Jahre  früher 
ein   gesundes  reifes    Kind   ohne   Kunsthülfe   geboren,    wegen 
Steisslage   gerufen.     Ich  fand  den  Steiss  im  Durchschneiden, 
und  überwachte  die  Entwickelung  eines  reifen,  gesunden,  kräf- 
tigen,   sogleich   schreienden   Knaben.     Sofort    stellte  es  sich 
lieraus,  dass  ein  Zwilling  folgen  würde,  über  dessen  Lage  ich 
nicht    ganz    klar    werden  konnte,    da  der  durch  die  Eihäute 
hoch    und   beweglich    zu   fühlende   Kindestheii    für  de»  Kopf 
zu  weich  erschien.     Von  Herztönen   keine   Spur.     Beim  Bla- 
sensprunge, eine   halbe  Stunde   nach   der  Geburt  des  ersten 
Kindes  floss  grünliches,  auffallend  stinkendes  Fruchtwasser  ab. 
ein  Kopf  mit  beweglichen  Schädelknochen  trat  ein,  und  unter 
zwei  bis  drei  stürmischen  Wehen  wurde  ein  reifer  und  aus- 
getragener aber   völlig  todtfauler  Knabe  geboren.     Der  ganze 
Cadaver  hatte  die  bekannte  schmutzig  rothe  Farbe,  der  Kopf 
war  so  matsch,  dass  sich  seine  wirklichen  Durchmesser  kaum 
mit  Genauigkeit  hätten  messen    lassen.     Die  Epidermis  löste 
sich   an  verschiedenen   Körpersiellen    in  grossen  Fetzen   los. 
Zwei  in  der  Raphe  mit  einander  verwachsene  Placenten  folg- 
ten bald  dem    Crerfe'schen   Handgriffe.    Kein  Unterschied  im 
Parenchym  der  Placenten   des  lebenden  und   todten  Kindes, 
das  Septum  der  Eihäute  war  zweiblättrig,    die  Kinder  hatten 
also   ein  gemeiiTschaftliches   Chorion   und   getrennte    Amnien 
besessen.      An  der  etwas  missfarbig  aussehenden  Nabelschnur 
des  todten  Kindes  war  keine  Abnormität,  keine   Strictur,  kein 
Knoten,  keine  Torsion  zu  entdecken.   Als  ich  bei  der  Mutter 
nach   etwaigen  Veranlassungen   zu  dem  auffallenden  Geburts- 
vorgange  forschte,  erfuhr  ich,   dass   sie  etwa   zehn  Tage  vor 
der  Geburt  in  der  Stube  ausgeglitten,  und  sich  im  Fallen  den 


ffir  Oebartflhülfe  in  Berlin.  323 

Leib  an  einer  Stuhlecke  gestossen,  und  in  den  letzten 
acht  Tagen  mehrmals  Frösteln  und  Unbehagiichkeit  empfun- 
den hätte.  Der  Sclimerz  im  Leibe  bei  diesem  Hinfallen  sei  nichr 
heftig  gewesen  und  bald  vorübergegangen.  Ich  muss  es  da- 
her dahin  gestellt  sein  lassen,  ob  dieser  Fall  die  Ursache  des 
Todes  des  einen  Kindes  gewesen,  obgleich  der.  Grad  der  Todt* 
faulheit  nicht  gegen  eine  zehntägige  Maceration  im  Uterus  zu 
sprechen  schien,  sowie  auch  das  Frösteln,  das  sie  seitdem 
empfunden,  so  zu  deuten  wäre;  meine  Zweifel  an  dieser 
Aeiiologie  des  Vorganges  begründeten  sich  aber  durch  den 
Umstand,  dass  die  Mutter  erst  durch  mehrfaches  Examiniren 
auf  ihr  Hinfallen  als  mögliche  Ursache  gebracht  worden,  der 
Sturz  also  jedenfalls  nicht  sehr  heftig  und  schmerzhaft  ge- 
wesen sein  kann,  sowie  auch  dadurch,  dass  sich  bei  der  Sec- 
tion  des  todtfaulen  Kindes  keinerlei  Verletzung,  keinerlei  Frac- 
tur,  überhaupt  nichts  Bemerkenswerlhes  fand.  Das  Wuchen- 
beit  verlief  normal,  etwas  stinkender  Wuchenfluss  wurde  durch 
CamiUeueinspritzungen  bekämpft,  der  lebende  Zwilling  blieb 
durchaus  gesund. 

2)  Ueber  eine  zweite  Beobachtung  kann  ich  nicht  mit 
gleicher  Ausführlichkeit  berichten,  sie  ist  aber  an  und  für 
sich  bemerkenswerlh.  Von  einer  secundär  syphilitischen  Mut- 
ter, die  nach  ihrer  Aussage  bereits  ein  Jahr  früher  eine  Mer- 
curialkur  durchgemacht  hatte,  aber  zur  Zeit  wieder  Condylomata 
ad  anum  und  papulöses  Exanthem  über  die  Haut  verstreut 
zeigte,  waren  bei  ihrer  dritten  Entbindung  am  24.  September 
1864  zwei  nach  ihrer  Grösse,  und  nach  der  angeblichen 
Schwangcrschafisdauer  achtmonatliche  Zwillinge  sehr  schnell 
geboren  worden,  von  denen  der  eine  entschieden  todtfaul 
war,  das  zweite  Kind  dagegen  die  gewöhnliche  Leichenfarbe 
zeigte,  als  ich  am  folgenden  Tage  «zur  Aussteilung  der  Tod- 
tenschcine  gerufen  wurde.  Dieses  zweitgebonie  Kind  soll 
nach  Aussage  der  Mutter  und  der  Hebamme  etwa  eine  halbe 
Stunde  gelebt  und  gewimmert,  nicht  geschrien  haben.  Beide 
Kinder  waren  höchst  mager,  schwach  und  abgezehrt,  die 
Sectionen  wurden  mir  verweigert.  Die  Placeulen  waren  be- 
reits fortgeworfen,  sollen  aber  nach  Angabe  der  Hebamme 
getrennt  gewesen  sein. 

Der  Mutter  rieth  ich,  sich  nach  Beendigung  des  Wochen- 

21* 


324  XXI.     Verhandlungpen  der  GeseUschaft 

bettes  in   die  Charite   aufnehmen  zu  lassen,    und    habe  sie 
nicht  wieder  gesehen. 

Wenn  gleich  die  Syphilis  der  Mutter  mehr  als  hinrei- 
chende Ursache  für  Todtfaulgeburten,  und  Frühgeburt  höchsl 
elender  und  schwacher  kaum  lebensßhiger  Kinder  ist,  so 
bleibt  es  doch  sonderbar,  dass  hier  der  Tod  des  zweiten 
Kindes  neben  seinem  todtfaulen  Bruder  erst  extrauterin  eine 
halbe  Stunde  nach  der  Geburt  erfolgte.  In  der  für  die  Ca- 
suistik  des  Zugrundegehens  der  Kinder  durch  SyphOis  reich- 
haltigen Monographie  von  Bärensprfing  „die  hereditäre  Sy- 
philis^' finde  ich  kein  strenges  Analogon. 

3)  Eine  dritte  Beobachtung  hat  unser  geehrtes  auswär- 
tiges Mitglied  Herr  Professor  Hecker  in  München  die  Gfitp 
gehabt,  mir  brieflich  mitzulheilen.  Von  einer  Zweitgebärenden, 
die  drei  Jahre  früher  ein  gesundes  Kind  geboren,  wurde  am 
18.  December  1862  nach  fünfstündiger  Geburtsdauer  in  erstpr 
Scheitellage  ein  todtfaules  Mädchen  (S'/g  Pfund  schwer,  41  Cent 
lang)  geboren,  dessen  Abgestorbensein  Hecker  auf  8  — 14 
Tage  schätzte;  nach  einer  Viertelstunde  folgte  ein  lebender 
Knabe  S'/g  Pfund  schwer,  43  Cent,  lang  in  Fusslage.  Die 
Placenlen  waren  miteinander  in  einer  deutlichen  Raphe  ver- 
wachsen, 1^/e  Phmd  schwer,  und  zeigten  keinen  Unterschied 
im  Parcnchym.  Das  Septum  der  Eihäute  war  vierblättrig, 
also  für  jedes  Kind  getrenntes  Chorion  und  Amnion.  Der 
Nabelstrang  der  Todtfaulgebuit  war  faul,  39  Centimeter  lang, 
am  Rande  inserirt,  der  des  lebenden  34  Centimeter  lang,  in 
der  Mitte  inserirend.  Keine  Anomalie  an  dem  todtfaulen 
Kinde,  seinem  Nabelstrange  und  der  Placenta.  Dies  ist  der 
einzige  Fall  dieser  Art,  den  Hecker  beobachtet,  und  hat  er 
für  die  Aetiologie  desselben  keinen  greifbaren  Umstand  auf- 
finden können.  Die  Mutter  war  gesund  bis  auf  starkes  Oedem 
der  unteren  Extremitäten,  ohne  Eiweissgehalt  des  Urins. 

4)  Wenn  in  dem  vorliegenden  Falle  die  Aetiologie  ganz 
dunkel  blieb,  so  ist  eine  andere  Beobachtung,  die  ich  der 
gütigen  mündlichen  Miltheilung  unseres  allgemein  geschätzten 
Coilegen,  des  Syphilidologen  F,  J.  Behrend  verdanke,  gerade 
durch  die  Deutlichkeit  des  causalen  Vorganges,  hier  einer 
violenten  Veranlassung,  merkwürdig.  Behrend  entband  hier 
in   Berlin   vor   vielen  Jahren   die   Frau   eines  Arbeitsmannos, 


für  Qebartahülfe  in  Berlin.  325 

welche  drei  Wochen  vor  ihrer  Entbindung  von  einem  Feld* 
huter  beim  Karloffelbacken  niedergeworfen  und  mit  Fusstrit- 
ten  auf  den  Leib  gröblich  roissbandelt  worden  war.  Sie  war 
besinnungslos  liegen  geblieben,  hatte  heilige  Schmerzen  im 
Leibe  empfunden,  und  seitdem  gekränkelt.  Bei  der  Entbin- 
dung wurde  in  Behrendts  Gegenwart  ohne  Kunsthälfe  in 
Schädellage  zuerst  ein  reifes  nahezu  ausgetragenes  todtfaules 
Kind,  mit  durchrissener  Nabelschnur  geboren.  Der  normpi 
lange,  einmal  um  den  Hals  geschlungene  Funiculus  war  näm- 
lich hart  an  seinem  Placentarande,  und  wie  sich  nachher 
zeigte,  dicht  an  der  Insertionsstelle  der  Placenta  iiotra  uterum 
quer  zerrissen,  wie  die  zackigen  verwelkten  Ränder  der  Riss- 
stelle, und  die  Hissfarbigkeit  des  der  Rissstelle  zunächst  liegen- 
den Strangendes  bewiesen.  Ein  lebendes,  gesundes ,  reifes, 
völlig  ausgetragenes  Zwillingskind  folgte  ebenfalls  in  Schädel- 
lage. Placenta  und  Eihäute  der  Kinder  waren  getrennt.  Die 
Mutter  erkrankte  im  Wochenbette  an  Peritonitis,  genas  aber. 
In  der  Literatur  sclieinen,  obgleich  Geburten  eines  leben- 
den Kindes  und  eines  Foetus  papyraceus  häufiger  mitgetheilt 
sind,  doch  die  heute  von  uns  erörterten  Zwilliugsgeburteu 
mit  einem  macerirten  Kinde  sehr  selten  zu  sein.  Ich  habe 
in  der  Literatur,  soweit  mir  dieselbe  zugänglich  gewesen,  nur 
bei  BrauHy  Chiari  und  Späth  in  deren  „Klinik  für  Geburts- 
hulie  und  Gynäkologie,''  Erlangen  1852,  S.  10,  fünf  Fälle 
gefunden,  über  die  sununarisch  berichtet  wird. 

5)  In  dem  einen  Falle  dieser  Autoren  (Nr.  5.)  sprang  bei 
normal  beendeter  Schwangerschaft  die  Blasß  des  zweitgebor- 
nen  macerirten  Kindes  vor  der  des  ersten  lebenden  und  erst 
während  der  Geburt  abgestorbenen  Kindes,  beides  waren  Kna- 
ben. Ursachen  nicht  ermittelt.  Placenten  verwachsen,  ein 
Clioriou,  zwei  Amnien.  Die  Mutter  erkrankte  und  starb  an 
Metrophlebitis. 

6)  Geburt  im  zehnten  Monate,  von  den  reifen  Kindern 
eins  lebend,  eins  todtfaul.  Der  Fall  war  mit  Hydroammion 
und  Hydrops  ohne  Albuminurie  complicirt.  Die  Gebärmutter 
gewann  dabei  eine  solche  Ausdehnung,  dass  der  Umfang  der 
Mutter  über  die  grösste  Wölbung  des  Uterus  40  Zoll  betj*ug. 

7)  Zwillingsgeburt  im  achten  Monate,  mechanische  Ur- 
sache, da  die  Mutter  ein  paar  Wochen  früher  rücklings  über 


326  XXI.     Verbandlangen  der  Gesellschaft 

eine  Bntte  gefallen  war,  und  seit  dieser  Zeit  eine  unange- 
nehme Schwere  im  Bauche,  zeitweises  Frösteln,  Mattigkeit 
und  Abgeschlagenheit  fühlte. 

8)  Zwillingsgeburt  im  achten  Monate,  keine  Ursache 
ermittelt. 

9')  Zwiliingsgeburt  im  siebenten  Monate  bei  dem  lodlen 
Foetus  Torsion  der  Nabelschnur  als  Ursache  nachgewiesen. 

Werfen  wir  nun  einen  Ruckblick  auf  die  neun  Fälle,  so 
ergiebt  sich,  dass  die  Geburt  eines  macerirten  Zwillings  vier 
Mal  im  zehnten  Monate  der  Schwangerschaft  erfolgte,  ein 
Mal  im  neunten,  drei  Mal  im  achten,  und  ein  Mal  im  sieben- 
ten  Monate.  Drei  Mal  kamen  die  todten  Rinder  voran,  zwei 
Mal  die  lebenden ,  und  vier  Mal  ist  dieser  an  und  für  sich 
auch  nicht  erhebliche  Umstand  nicht  angegeben.  Völlig  ge- 
trennte Placenten  fanden  sich  fünf  Mal,  verwachsene  Pla- 
centen  vier  Mal,  und  unter  diesen  vier  verwachsenen  Pla- 
centen zwei  Mal  getrennte  Eisäcke  mit  zwei  Cfaorien  und 
zwei  Amnien ,  und  zwei  Mal  ein  gemeinschaftliches  Chorion 
mit  zwei  Amnien.  In  diesen  beiden  Fällen  waren  die  Rinder 
gleichgeschlechtlich  (Knaben),  in  dem  Hecker'schen  Falle  ein 
todtes  Mädchen  und  ein  lebender  Knabe,  in  den  übrigen  Fäl- 
len sind  die  Geschlechtsverhältnisse  und  Unterschiede  nicht 
so  genau  angegeben. 

Es  bleibt  uns  jetzt  der  schwierigste  Punkt  unserei*  heu- 
tigen Besprechungen,  die  Untersuchung  der  ätiologischen 
Verhältnisse,  welche  zur  Geburt  eines  macerirten  Zwillings- 
kindes führen  und  führen  können.  Wir  müssen  zu  diesem 
Zwecke  noth wendig  die  ursächlichen  Verhältnisse,  welche  zur 
Bildung  eines  Foetus  papyraceus  der  früheren  Schwanger- 
schaftsmonate bei  Zwillingen  führen,  in  die  Betrachtung  hin- 
einziehen. 

Es  drängt  sich  dabei  zunächst  die  Frage  auf,  ob  nicht 
die  beiden  verschiedenen  Formen  der  Leichenerscheinung  die 
Mumificafion  und  die  Maceration  einfach  durch  den  Unterschied 
im  Alter  der  Früchte  bedingt  seien,  während  die  ursächlichen 
Verhältnisse  des  Fötaltodes  in  beiden  Fällen  die  ganz  gleichen 
seien.  Nur  deii  ersten  Theil  dieser  Frage  müssen  wir  dabin 
bejahen ,  dass  allerdings  ein  Kind ,  wenn  es  sich  bis  zu  den 
letzten  Schwangerschaftsmonaten  entwickelt  hat,  und  nun  aus 


für  Qeburtshülfe  in  Berlin.  327 

irgend  welchem  Grunde  stirbt,  nun  nicht  mehr  mumificireD 
kaoo,  sondern  entweder  sogleich  ausgestossen  wird,  oder  im 
Fruchtwasser  maceriren,  todlfaui  werden  muss.  Der  Haupt- 
grund für  dies  thatsächliche  Verhältniss  ist  wohi  die  bei  dem 
erheblichen  grösseren  Körperumfange,  Gewicht,  Grösse  und 
Masse  de^  reifereu  Kindes  vorhandene  beträchtlich  grössere 
Flüssigkeitsmenge  im  Körper  der  letzteren,  welche  seine  Ein- 
trocknung und  mumienartige  Umwandlung  verbietet. 

Andererseits  glauben  wir  aber  den  Nachweis  fuhren  zu 
können,  dass  die  Todesursachen  der  Foetus  papyracei  im  All- 
gemeinen Andere  sind,  als  diejenigen  der  reiferen  todU'auIen 
Kinder,  und  dass  gerade  in  der  Verschiedenartigkeit* dieser 
Todesursachen,  und  der  Art  ihrer  Einwirkung  auf  die  Frucht, 
eine  wesentliche  Bedingung  zu  suchen  ist,  wesshalb,  immer 
unter  der  Voraussetzung .  des  ungestörten  Fortlebens  des  einen 
Zwiliingskindes  die  jüngeren  Früchte  mumißcirt,  die  älteren 
ntacerirt  neben  der  lebenden  Frucht  geboren  werden.  ' 

Bei  der  häufig  plattgedrückten  Gestalt  der  Foetus  papy-' 
racei  ist  es  eine  weitverbreitete  Ansicht,  dass  ihr  Tod  in 
einem  früheren  Schwangerschaftsraonate  durch  Druck  von 
Seiten  ihres  Zwillingsbruders  wegen  Mangel  an  Raum  im 
Uterus  erfolgt  sei.  Sehr  mit  Recht  führt  dagegen  Hohl  aus, 
dass  das,  was  man  als  Ursache  genommen,  erst  die  Folge 
sei,  und  ist  der  Meinung,  dass,  wenn  der  eine  Foetus  slirbt, 
der  andere  aber  forlwächst,  der  Uterus  sich  nicht  wie  bei 
einer  ZwiUingsschwangerschaft  entwickelt,  und  so  jener  platt- 
gedrückt wird.  Für  diese  Ansicht  spricht  im  Vergleich  zu 
der  Zahl  von  Zwillingen  selbst  Drillingen  der  doch  verhältniss- 
mässigen  Seltenheit  der  Foetus  papyracei,  und  die  Ansicht  ist 
auch  physiologisch  die  natürlichste.  Wegen  Mangels  an  Raum 
stirbt  kein  einzelnes  Kind  —  höchstens  bei  Retroflexio  uteri 
gravid!  im  kleinen  Becken,  aber  abgesehen  von  solchen  Ver- 
hältnissen müsste  man  eine  ganz  abnorme  und  patholo- 
gisch wotd  nicht  vorkommende  Rigidität  der  Uterusfasern  vor- 
aussetzen. Andererseits  sehen  wir,  welcher  colossalon  Aus- 
dehnung der.  Uterus  und  Mutterleib  bei  reifen  ausgetragenen 
Zwillingen  und  Drillingen  fähig  ist. 

Wir  sind  der  Ansicht,  dass  die  Todesursachen  der  Foe- 
tus papyracei  immer  solche  sind,    welche  rein  localer  Natur 


328  ^^'    Verbandlangen  der  Gesellschaft 

iniverhalb  des  Eisackes,  also  im  Rinde  selbst,  oder  in  seiner 
Nabelschnur    liegen,    und    welche  langsam  und  allmälig  das 
Absterben  bewirken.    Diese  beiden  Kriterien  der  rein    loca- 
len  Nalur  und  der  allmäligen  Wirkung  bei  völliger  Integritil 
und  Nichtbetheiligung  des  mütterlichen  Organismus,  sind,  wie 
ich  glaube,  die  alleinigen  und  nothwendigeu  Bedingungen  für 
den  Pi'ocess  der  Verscbrumpfung  und  Eintrocknung.    Nament- 
lich  bat  die  Erfahrung   als   besonders   häufige  Ursache  eine 
allmälige  Kreislaufsunterbrechung  in  der  Nabelschnur  des  be- 
treffenden Fötus  nachgewiesen.     In  allen  Fällen  nämlich,   die 
Hohl  in   seinem  vortrefflichen  Buche:   („Die  Geburt  naissge- 
stalteter,  kranker  und  todter  Kinder,  1850.  S.  114.)  gesam- 
melt —  und  es  sind  dies  23  Fälle  von  Geminos  papyraceos 
—   findet  sich  ausdrücklich  bemerkt,    dass  die  Nabelschnur 
des  kleinen  Fötus  membranös,   oder  dünne,    dünne  und  ge- 
wunden, ohne  alle  Sülze,  kurz  und  mager,  oder  mit  Strictu- 
ren,   Knoten    oder  Torsionen  u.  s.  w.  versehen  gewesen  sei. 
"^In    einem  Falle    war    nur    eine    Nabelarterie    vorhanden,    far 
dreizehn  Fällen  hatte  das  Fruchtalter  der  mumificirten  Frucht 
den  vierten  Monat,  sechs  Mal  den  fünften,  drei  Mal  den  drit- 
ten, und  ein  Mal  den  siebenten  Monat  erreicht.    Dass  gerade 
bei  Zwillingen   die  mumienartige  Eintrocknung  und  nicht  der 
Abortus  erfolgt,  erklärt  sich  dadurch,  dass  der  Tod  in  Folge 
der  allmäligen  Blutent^iehung  ,   und  somit  des  fötalen  Erbal- 
lungsuiatcriales  nur  nach  und  nach  eintritt,  der  Fötus  unter 
solchen   Umständen   vielleicht  noch   einige  Zeit  ein   rerküm- 
merles  und  latentes  Leben  fuhren  mag,  während  die  Placenta 
mit  dem  Uterus  zur  Erhaltung  des  anderen  Zwillings  in  Ver- 
bindung bleibt,   während   die  Vitalität  des  Uterus  dauernd  in 
Anspruch  genommen  wird  durch  das  Wachsen  und  Gedeihen 
des  lebenden   Zwillinges.     Erst    secundär    und  sehr   allmälig 
verödet   und  verfettet   dann   die  Placenta  der   abgestorbenen 
Frucht,    ebenso   wie   sich  ihre  Eihülle  und  ihr  Fruchtwasser 
wahrscheinlich   noch  lange  Zeit  nach  dem  Tode  normal  ver- 
hielten.    Aber  auch,  wenn  sich  bei  einem  Foetus  papyraceus 
die    angegebene    und    häufigste   Beschaffenheit    seiner  Nabel- 
schnur einmal  nicht  findet,   sind  wir  berechtigt,    rein  locale 
Ursachen  im   Fötus   von   allmäliger   Wirkung  zu  snpponiren, 
ohne  freilich  in  einem  solchen  Falle  die  anatomischen  Beweise 


fHr  Oebartohttlfe  in  Berlin. 

fAr  eine  solche  Anschauung  beibringen  zu  können.  Es  kann  dies 
eine  Schwäche  des  Fötus  ^  eine  durch  irgend  weiche  Organ- 
erkrankung bedingte  Lebensschwäche,  Gefasserkrankungen  im 
Kmde  selbst,  wichtige  Kreislaufstörungen  stricluiirender  Natur 
im  Herzen  oder  Nabelarterien  sein.  Wer  aber  will,  selbst 
welcher  pathologische  Anatom  von  Fach  wird  im  Stande  sein; 
an  einer  mumienartigen  eingetrockneten  Leiche,  die  erst  mo- 
natelang nach  dem  Tode  untersucht  werden  kann ,  solche 
Verhältnisse  und  Organerkrankungen  objectiv.  feststellen  T  Hier 
wird,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  Hegt,  noch  lange  oder 
immer  eine  Lücke  der  objecti?en  Forschung  bleiben.  Eine 
theoretische  Betrachtungsweise  aber  müssen  wir  hervorheben, 
weshalb  wir  plötzliche  und  rasch  wirkende  Ursachen,  und 
solche,  die  von  der  Mutter  ausgehen  oder  mit  ihr  im  Zusam- 
menhange stehen,  Ursachen,  denen  wir,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  vorzugsweise  das  Absterben  der  reiferen  maceriren- 
den  Kinder  zuschreiben,  für  die  Bildung  der  Fötus  papyracei 
ausschliessen  zu  dürfen  glauben.  Trifft  in  einem  früheren 
Schwangerschaftsmoiiate  ein  Stoss,  eine  heftige  Verletzung  den 
Leib  einer  Zwillingsmutter,  so  isbbei  der  Kleinheit  des  Ute- 
rus, bei  der  relativ  geringeren  Resistenz  und  Lebensfähigkeit 
der  Früchte,  die  Wahrscheinlichkeit  grösser,  und  die  Erfah- 
rung bestätigt  es,  dass  beide  sterben,  und  beide  abortirt 
weitlen,  als  dass  Einer  stirbt  mfid  der  Andere  fortlebt.  Krank- 
heiten der  Mutter,  namentlich  constitutionelie  Syphilis  wer- 
den den  gleichen  Effect  des  Todes  beider  Kinder  zur  Folge 
haben.  Ja  es  fragt  sich,  ob  nicht  ein  rasch  eintretender 
Fruchttod  auch  in  den  fiühesten  Schwangerschaftsmonaten 
immer  die  feuchte  Maceration,  und  niemals  die  alimälige 
trockene  Verschnimpfung  zu  Wege  bringt  ?  Dass  feuchte  Ma- 
ceration und  Auflösung  schon  in  den  frühesten  Perioden  des 
Fötaliebens  möglich  ist,  beweisen  ja  die  Molenschwanger- 
schaften, in  denen  man  gar  keinen  Fötus  findet,  also  suppo- 
niren  muss,  dass  er  sich  im  Fruchtwasser  macerirt,  aufge- 
löst hat. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Betrachtung  der  Verhältnisse 
in  den  letzten  Monaten  der  Zwillingsschwangerschafl.  Wir 
haben  schon  gesagt,  dass  wir  für  den  Tod  und  die  Macera- 
tion des  reifen  oder   nahezureifen    Zwillings  vorzugsweise  die 


330  XXI.     Verhandlangen  der  OeneUscbaft 

rasch  und  plötslicb  wirkenden  Ursachen,  und  solche,  die  too 
der  Mutter  ausgehen,  oder  mit  ihr  im  ZuBanimenbange  stehen, 
in  Anspruch  nehmen.  In  unseren  oben  hesprochenen  neun 
Fällen  konnten  wir  zwei  Mal  Stdsse  und  Verletzungen  der 
Mutter  nachweisen,  in  einem  Falle,  meiner  zuerst  milgetheil- 
ten  Beobachtung  ist  diese  Veranlassung  zweifelhaft,  aber  wahr- 
scheinlich, ein  Mal  lag  constitutiondle  Syphilis  vor,  ein  Mal 
Hydrops  der  Mutter  mit  Hydroamnion,  drei  Mal  wurde  keine 
Ursache  ermittelt,  und  ein  Mal  fand  sich  noch  bei  einem 
7  monatlichen  Kinde  Torsion  der  Nabelschnur. 

Wenn  der  Uterus  gross  und  umfangreich,  die  Placeuten 
weit  ausgebildet,  die  Resistenz  und  V^iderstandskrafl  der  Kin- 
der bereits  gross  lind  erheblich,  dann  allein  ist  es  erklärlich, 
wie  Stosse  und  Verletzungen  des  Leibes,  die  bei  seinem  gros-' 
sen  Umfange  doch  meist  nur  die  eine  Seite  desselben  trefien 
das  eine  Kind  tddten,  das  andere  leben  lassen.    Bei  Erkran- 
kungen der  Mutter,   namentlich  bei  constitulionellen  Erkran- 
kungen wird  die  Aetiologie   des  einseitigen  Fruchttodes  schon 
viel    schwieriger,    uud   Fälle,    wie   meine   Beobachtung  eines 
syphilitischen  Zwillings,    der  noch  eine   halbe   Stunde  nach 
der  Geburt  lebte,  und  wie  Braun- Chiari  und  8pätK%  Fall 
einer  hydropischen  Mutler,   deren  eines  Kind   gesund   blieb, 
sind  daher  sehr  vereinzelt,  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  beide 
Zwillinge  einer  kranken  Mutter  todtfaul  werden,  ist  viel  grös- 
ser, und  das  Factum  häufiger.     Für  andere  Fälle,  wie  in  deu) 
£ecA;er'schen,  und  in  zwei  Braun-ChiarV^dti&n  uud  SpätK- 
sehen,   wo   die  Mütter  gesund   waren,    müssen  wir  uns  h^ 
schränken,    die  Ursache  nicht  zu  kennen,    und  nicht  finden 
zu  können.     Dahin   aber   müssen  wir  uns  entschieden  aus- 
sprechen,  dass  wir  die  Torsionen  und  Striauren  der  Nabel- 
schnur, die  wir  als  so  häufig  und  vorwiegend  bei  den  FoetUi» 
papyraceis,  und  für  das  allmälige  Absterben  in  den  früheren 
Schwangerschaftsmonaten   besprochen  haben,    fast  in  ^keinem 
Falle  zur  Erklärung  des  Todes  eines  reifen  oder  nahezu  rei- 
ten Zwillings  glauben  verwerthen  zu  können.     Einerseits  sind 
sie  acht  Mal  in  unseren  neun  Fällen  nicht  gefunden  worden, 
nur  eÜ3  Mal  noch  im  siebenten  Monate,    also  niemals  mehr, 
sobald  die  Schwangerschaft  den  achten  Monat  erreicht  hatte, 
und   die   Betrachtung  liegt  andrerseits  nahe,   dass  wenn  der 


fnr  Q^hntiBhmU  in  Berlin.  351 

Funietdus  weit  und  wegsam  genug  war,  um  die  Entwickelung 
bis  zum  achten  Monate  zu  gestatten,  dass  dann  keine  aihnä* 
lige  und  krankhafte  Strictur  und  Verengerung  des  Stranges 
mehr  den  Tod  herbeifEIhren  wird.  HoM  spricht  sich  (1.  c. 
S.  114.)  dahin  aus,  dass  auch  bei  einzelnen  Kindern  mit  pa- 
thologisch verengerter  Nabelschnur  das  Absterben  fast  immer 
schon  in  den  früheren  Schwangerschaftsmonaten  erfolgt  war. 
Er  hat  nach  der  Untersuchung  von  sechzehn  "Pötuspräparaten 
mit  derartigen  Nabelschnuren  gefunden,  dass  von  den  Kin- 
dern mit  magerer  Nabelschnur  sechs  nur  den  dritten,  mit 
gewundener  und  magerer  Nabelschnur  sieben  den  vierten,  eins 
den  fünften  Monat  erreicht  haL  Immerhin  aber  mögen  lieber- 
gangsfälle  existiren  zwischen  der  Mnmification  durch  das  Verhal- 
ten des  Nabelstranges  in  den  früheren  Monaten  und  dem  ander- 
weitigen Todtfaulwerden  des  einen  Kindes  in  den  späteren  Mo- 
naten, wie  die  als  neunter  Fall  von  uns  mitgetheilte  Beob- 
achtung Braun -Chiari  nnd  Späth*»  beweist,  wo  sich  bei 
einem  todtfanlen  Zwillingskinde  im  siebenten  Monate  noch  eine 
Torsion  seiner  Nabelschnur  vorfand.  — 

Herr  Martin  bemerkt,  dass  er  in  Bezug  auf  die  Ver- 
änderungen, die  ein  abgestorbener  Fötus  im  Uterus  durch- 
machen könne,  drei  ganz  scharf  von  einander  zu  trennende 
Gruppen  unterscheide.  Ein  Mal  sind  die  Pnichte  meist  ganz 
wohl  genährt,  haben  aber  ein  bedeutendes  Oedem  der  Haut- 
decken und  der  Nabelschnur.  Dieses  Nabelschnuroedem  hört 
oft  plötzlich  an  der  Insertion  des  Nabels  in  die  Bauchdecken 
auf,  so  dass  hier  dann  eine  scheinbare  Verengerung  vor- 
handen ist,  die  aber  die  Gefasse  der  Nabelschnur  nicht  be- 
trifft. Das  Oedem  werde  meist  gebildet  von  einer  blutig- 
serösen Flüssigkeit,  die  in  das  Unterhautbindegewebe,  beson- 
ders der  Schädeldecken  reichlich  ergossen  ist.  Dieselbe 
Flüssigkeit  findet  sich  in  der  Brust-  und  Banchiiöhle,  dabei 
beobachtet  man  Vergrösserung  der  Milz  ziemlich  constant. 
Diese  Form  könne  man  nicht  als  Fäuiniss  des  Fötus  bezeich- 
nen, es  sei  dabei  keine  Rede  von  einer  Gasentwickelung  oder 
von  einem  Zersetzungsgeruch.  Man  müsse  diese  Vet*änderun- 
gen  als  das  Resultat  einer  Krankheit  des  Fötus  auffassen, 
deren  Wesen  bis  jetzt  noch  nicht  aufgeklärt.  Hierzu  seien 
nicht  die   Fälle   zu   rechnen,    in  deiien  einfaches  Oedem  des 


332  ^^I-    Verbandlangen  lUr  Gesellflchaft 

Fötus  bei  Lebererkrankungeo  z.  B.  vorhandeo  sei.  Zwei  mal 
habe  er  dieselbe  beobachtet  nelnSn  reifen  gesunden  ZwiUing»- 
kindem.  Die  zweite  Gruppe,  die  M.  unterscheidet,  betreffea 
Fruchte,  die  einfach  verschruuipfl  sind,  mit  gerunzelier  Ober- 
haut ohne  alles  Oedem;  diese  bezeichne  er  als  macerirl,  ?oii 
Fäulniss  sei  dabei  auch  nicht  die  Rede.  Endlich  drittens 
komme  nun  wirkliche  Fäulniss  eines  abgestorbenen  FöUis 
vor,  wenn  ebed  die  atmosphärische  Luftzutritt  bei  gesprun- 
gener Blase  gehabt  habe.  Endlich  könne  man  von  allen  die- 
sen Veränderungen  noch  diejenigen  trennen,  die  eine  Mumi- 
lication  eines  Fötus  aus  den  früheren  Monaten  der  Schwan- 
gerschaft betrifft,  wovon  so  zahlreiche  Beispeile  unier  dem 
Namen  der  Fötus  papyracei  bekannt  seien;  doch  gäbe  es  auch 
Fälle  der  Art,  wo  nicht  eine  Gompression  die  Todesursache 
gewesen,  so  habe  er  einen  Fall  beobachtet,  der  in  einer  Dis- 
sertation des  Dr.  Kiaselhausen  beschrieben,  wo  in  der  Nach- 
geburt eines  reifen  lebenden  Mädchens  sich  ein  todter  Fötus 
von  vier  Monaten  gefunden  habe,  der  in  eine  kleine  niereii- 
ähnliche  Masse  geschrumpft  war,  durch  einen  eigenthffnüicbe» 
gallertartigen  Ueberzug  ober  die  Haut,  der  augenscheinlich 
die  Folge  eines  Blutaustrittes  gewesen  sei.  Die  Nabelschniir 
des  Fötus  war  um  den  Hals  geschlungen  und  abgerissea. 
Das  lebende  Mädchen  hatte  an  beiden  Knieen  eigenthumlicfae 
braune  lederartig  comprimirte  Stellen  in  d^  Haut,  die  sich 
später  durch  Eiterung  losstiessen.  Was  den  erwähnten  gH- 
lartartigen  Ueberzug  anlangt^  so  habe  er  einen  anderen  ana- 
logen Fall  beobachtet;  in  welchem  aber  die  Nabelschnur  mcbi ' 
zerrissen  war,  sondern  hier  schien  jener  Ueberzug  das  Pro- 
duct  einer  exsudativen  Hautentzündung  zu  sein. 

Aus  diesen  verschiedenen  Fällen  geht  wohl  genügend 
hervor,  dass  man  nicht  schlechtweg  den  Ausdruck  todtfaui 
für  alle  diese  verschiedenen  Formen  gebrauchen  dürfe,  son- 
dern dass  man  dieselben  streng  von  einander  sondern  müsse. 
Was  das  Verschrumpfen  von  Fötaltheilen  auch  nach  nahezu 
vollständig  erlangter  Reife  betrifft,  $o  beweist  der  von  ihm 
beobachtete  und  ausführlich  beschriebene  Fall  von  Selbst- 
amputation, bei  welchem  der  durdi  äussere  Verletzui^  abge- 
trennte Arm  in  der  Nachgeburt  verschrumpft  angefunden  sei 
(Ueber   Selbstamputation    beim    Fötus.      Beobachtungen  und 


f&r  Gebvrtshfilfe  in  Berlin.  833 

Bemerkungen  von  E.  Martin,  Jena  1850),  dass  eine  solche 
Verschrompfttng  auch  später  nidglich  sei  und  vorkomme. 

Was  nun  noch  schhesslich  die  ursächJichen  Momente  für 
diejenigcD  Fälle  anlangt,  die  er  zuerst  beschrieben  und  die 
er  um  ihre  Eigenthümlichkeit  als  besondere  fötale  Erkran- 
kungen hervorzuheben,  Hydrops  sanguinolentus  genannt  habe, 
so  bemerkt  Herr  Martin,  dass  diese  Erkrankung  wohl  durch 
verschiedene  Ursachen  müsse  entstehen  können.  Bei  ein- 
fachen Fruchten,  die  habituell  so  verändert  geboren  seien, 
habe  er  fast  immer  SyphiUs  des  Vaters  nachweisen  können, 
dagegen  erinnere  er  sich  zweier  Fälle,  wo  so  erkrankte  und 
abgestorbene  Kinder  als  Zwillingskinder  neben  vollständig  ge- 
sunden reifen  Kindern  geboren  seien,  und  da  mösse  man  eine 
syphilitische  Erkrankungsform  entschieden  zurückweisen. 

Herr  Hirsch  erzählt  einen  Fall  aus  seiner  Praxis,  in 
welchem  er  Zwillingsschwangerschaft  diagnosticirte,  weil  der 
vorgefallene  Arm  entschieden  einem  todten  unreifen  Kinde 
angehörte,  die  Ausdehnung  des  Leibes  bei  gleichzeitig  vor- 
handenen Herztönen  für  die  Anwesenheit  eines  zweiten  leben- 
den und  ausgetragenen  Kindes  sprach,  um  so  mehr,  als 
die  Schwangerschaft  volle  zehn  Mondsmonate  bestanden  hatte. 
Zuerst  wurde  dann  auch  eine  lodte  männliche  Frucht  etwa 
aus  dem  Anfange  des  sechsten  Monates  geboren,  die  zweite 
war  ein  vollständig  gesunder  reifer  Knabe.  Die  Placenten 
waren  bei  beiden  Früchten  der  Entwickelung  jedes  einzelnen 
entsprechend.  Als  Todesursache  für  die  erste  Frucht  erwies 
sich  eine  vollständige  Abdrehung  der  Nabelschnur  in  der 
Weise,  dass  die  beiden  Enden  der  Nabelschnur  eine  förm- 
liche Vernarbung,  wenigstens  vollkommen  glatte  Oberflächen 
darboten. 

Herr  Boehr  erwidert  auf  die  Bemerkungen  des  Herrn 
Martin,  dass  er  den  Ausdruck  todtfaul  nur  als  allgemein 
gebräuchlichen  in  Anwendung  gebracht  habe^  ohne  damit  eine 
bestimmte  Veränderung  der  Frucht  bezeichnen  zu  wollen.  Er 
habe  so  todtfaul  synonym  mit  macerirt  gebraucht  und  aus- 
drücklich hervorgehoben  y  dass  dieser  Zustand  gänzlich  von 
dem  der  wirklichen  Fäulniss  zu  trennen  sei.  Diejenigen  Ver- 
änderungen, die  Herr  Martin  als  Hydrops  sanguinolentus 
bezeichnet,  habe  er  nur  ein  Mal  gefunden,  und  zwar  in  dem 


834  XXT.    Verhandlungen  der  Geseilicliftft 

zweiten  von  ihm  angeführten  Falle,  wo  secundäre  Syi^iäa 
der  Mutter  naclige wiesen  sei^  in  allen  anderen  Fäiien  halie 
es  siel)  um  einfoch  macerirte  Früchte  gehandelt. 


Sitzung  vom  27.  Juni  1865. 

Herr   Boehr   erzählt,   unter  Vorlegung  des  betrefleiiden 
Präparates,  folgenden 

Fall  von  Graviditas  tnbaria. 

Bei  einer  kräftigen  24  jährigen  Person  hatten  sich  plötz- 
lich, unter  Schmerzen  im  llnterleibe,  anhaltende,    tiefe  Ohn- 
mächten eingestellt.     Herr  Boehr  fand   die  Kranke   in  einer 
solchen  Ohnmacht  mit  wachsbleichem  Gesichte,  blutleeren  Lip- 
pen, fehlendem  Radialpulse.     Es  gelang  ihm  durch  Analeptica 
die  Person  wieder  zum  Bewusstsein  zu  bringen,  so  dass  sie 
im    Stande    war,    auf  Befragen   klarem  Antworten   zu   geben. 
Eine  Schwangerschaft  läugnete  sie,  dieselbe  wurde  jedoch  von 
dem  Bräutigam  als  möglich  zu^gegeben,    und   zwar  seit  etwa 
sechs  V^ochen.    In  der  unteren  Bauchgegend  Hess  sich  recb- 
terseits  eine  Dämpfung  constatiren,  so  dass  die  Diagnose  auf 
innere  Blutung  ^   in  Folge  von  Berstung  eines  ausserhalb  der 
Gebärmutter  befindlichen  Fruchtsackes,  gestellt  wurde.    Unter 
den  zunehmenden  Erscheinungen  der  Anaemie  starb  die  Per- 
son sehr   bald.     Bei  der   Section  fand   sich  die   Bauchhölde 
mit  grossen  Blutcoagulis  angefüllt,    in  denen  es  nicht  gelang 
den  Fötus   aufzufinden.     Die   rechte   Tuba   war  der  Sitz  der 
Schwangerschaft;  dieselbe  war  durch  den  Eisack,  an  dem  sich 
Zotten    nachweisen    Hessen,    ausgedehnt,    entsprechend    der 
Grösse  eines   etwa   sechswöchentlichen   Eies.     Die    Berstung 
des  Sackes  hatte   am  oberen  Rande  stattgefunden.     Der  Tu- 
benkanal  war   vom  Uterus   aus  bis  zum  Fruchtsack  wegsam, 
hier    schien    keiqe    Verwachsung    zu  bestehen.     Der    Uterus 
war  etwas  vergrössert.     Im  rechten  Ovarium  fand    sich   das 
Corpus  luteum. 


für  Oebartohnlle  in  Berlin.  335 

Herr  Mt^rtin  reihle  hieran  folgenden  Bericht: 

lieber   eine  gluckliche   Ausstossung   und   Auszie- 
hung eines  ganzen  extrauterinen  Fötus  durch  die 
Bauchdecken. 

Frau  8,j  eine  34  Jahre  alte  Kaufmannsfrau,  hatte  vor 
neun  Jahren  leicht  ein  lebendes  Mädchen  geboren  und  später 
sich  einer  ungestörten  Gesundheit  erfreut.  Im  Februar  1861 
blieb  die  Regel  aus  und  es  zeigten  sich  die  gewöhnlichen 
Erscheinungen  der  Schwangerschaft  Während  des  folgenden 
Sommers  bildete  sich  eine  sehr  beträchtliche  ödematöse  An- 
schwellung der  Fasse  aus,  und  im  Octobcr  stellten  sich  We- 
hen ein;  allein  die  Geburt  kam  nicht  zu  Stande.  Ein  hinzuge- 
rufener Geburtshelfer  erkannte  die  Abdominalschwangerschall, 
indem  er  die  Kindestheile  und  deren  Bewegung  deutUch 
hinter  den  Bauchdecken  ftihlte.  Mit  Nachlass  der  Wehen  und 
dem  allmäligen  Aufhören  der  Kindsbewegungen  zeigte  sicli 
eine  lähmungsartige  Schwache  der  Unterextremitäten,  welche 
die  Kranke,  deren  Leib  stark  blieb,  verhinderte,  das  Bett  zu 
verlassen.  Nach  Anwendung  verschiedener  Mittel  gewann  die 
Kranke  im  Sommer  1863  das  Gehvermögen  wie<ler,  so  dass 
sie  in  den  Jahren  1863  und  1864  sogar  grössere  Spazier- 
gänge machen  konnte,  und  sich  wolil  befand.  Im  Winter 
1864  auf  1865  stellten  sich  jedoch  von  Neuem  Schmerzen 
im  Unterleibe  mit  Fieber  em;  die  Kranke  magerte  ab  und 
wurde  so  matt,  dass  sie  im  Bette  liegen  musste,  während 
sich  allmälig  zwei  über  nussgrosse  Geschwulste  im  Bauche 
in  der  Gegend  des  Nabels  hervordrängten.  Am  10.  Januar 
brach  der  obere  Wulst  auf  und '  entleerte  eine  eiterig  jauchige 
Flüssigkeit,  worauf  sich  nach  wenig  Tagen  der  rechte  Fuss 
einer  Frucht  in  der  Oelfnung  zeigte«  Sehr  langsam  >tmd  bei 
fortdauerndem  Fieber  trat  aus  der  im  Laufe  der  folgenden 
Monate  mehr  und  mehr  sich  erweiternden  Oeffnung  unter  ste- 
tem aashafl  stinkendem  Jaucheabfluss  der  andere  Fuss  und 
Steiss  hervor.  Als  ich  die  Kranke  am  10.  Mai  1865  zuerst* 
sah,  fand  ich  den  macerirten  blassweissen  Steiss  des  Kindes 
mit  seiner  linken  Hinterbacke  nebst  dem  linken  Fusse  und 
der  linken  Hand  aus  der  mehr  als  zwei  Zoll  im  Durchmesser 
haltenden  Oeffnung  etwa   1%  Zoll  weit  hervorragend.    Eine 


386  X^'-     Verhandlmi^eii  der  GesdUsehaft 

zweite  kleinere  geschwürige  Oeffifiung  der  Baucbdeeken  fand 
sich  ein  Zoll  unterhalb  der  vorigen;  aus  dieser  war  kein 
Kindestheil  hervorgetreten,  sondern  entleerte  sich  nur  stin- 
kender Eiter.  Obgleich  die  Kranke  sehr  erschöpft  und  von 
der  scheusslich  stinkenden  Absonderung  gequält  war,  konnte 
man  sie  nicht  dazu  bewegen,  einen  Versuch  der  Auaziehun^ 
des  Kindes  machen  zu  lassen.  Endlich  am  ersten  Juni  1866, 
nactidem  die  kleinere  OeiTnung  mit  der  grösseren  verschmol- 
zen und  die  Hufle,  die  Unterextremitaten  und  der  eine  Vor- 
derarm der  Frucht  etwa  fünf  Zoll  weit  aus  den  Bauchdecken 
hervorgedrängt  waren,  gestattete  die  Leidende,  dass  man  doi 
Rumpf  und  Kopf  vorsichtig  aus  der  Bauchöffnung  hervor- 
leitete. Der  bereits  ausgetretene  untere  Tbeil  des  Rumpfes 
wurde  mit  einem  Handtuch  gefasst,  und  die  Auazidiui^  ge- 
lang ohne  alle  Schwierigkeit.  Nur  die  Schädelknochen  waren 
gdöst  und  mussten  einzeln  aus  der  kopfgrossen  schwärz- 
liehen  Höhle,  deren  Wandungen  körnig  erschienen,  herausge- 
hoben werden.  Nachdem  die  Höhle  vollständig  gereinigt  war, 
fällte  man  sie  lose  mit  Baumwolle  und  erneute  den  Verband 
täglich.  Binnen  vier  Wochen  hatte-  sich  die  Höhle  auf  die 
Grösse  einer  WaUnuss  zusammengezogen  und  die  Kranke  ge- 
nas einige  Wochen  später  vollständig.  Die  Frucht,  welch« 
in  der  Sammlung  der  k.  Entbindungsanstalt  aufbewahrt  wird, 
zeigte  die  Verhältnisse  einer  nahezu  ausgetragenen;  die  Haut 
und  die  Muskeln  waren  fettig  umgewandelt  und  die  einzelnen 
Theile  leicht  trennbar. 


Herr  Zober  spricht 

Ueber  Nabelblutungen. 

Der  Fall  von  Nabelblutung,  welchen  ich  vor  einiger  Zeit 
zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  führte  mich  darauf,  nach 
dessen  Vorkommen  bezuglich  der  Häufigkdt  und  der  Art  des 
Auftretens  überhaupt  zu  forschen.  Ich  fand,  dass  die  ZaM 
der  beobachteten  Fälle  nur  euie  verhältnissmässig  kleine  sei. 
Was  ich  bei  jenem  gesehen  habe,  ist  nichts  Neues  oder  be- 
sonders Nittheilenswerthes,  und  deshalb  erlaube  ich  mir  auch 
weniger  des  Falles  selbst  als  des  Gegenstandes  wegen  diesen 


fSr  Gebiirtflhfilfe  in  Berlin.  387 

Vorgang  zu  besprechen,  der  in  seiner  Eigenthömiichkeit  jeden- 
falls eine  Berücksichtigung  verdient  und  fär  dessen  genauere 
Kenntniss  ich  zu  gleicher  Zeit  die  Erfahrung  der  verehrten 
Mitglieder  erhitten  möchte. 

Das  betreffende  Kind,  ein  Knabe,  wurde  am  7.  Mai 
dieses  Jahres  als  jüngeres  Zwillingskind  geboren.  Vorfall  der 
Nabelschnur  und  Querlage  des  älteren  ZwilHngskindes,  daraus 
nothwendig  gewordene  Wendung  machte  die  Entbindung  der 
Mutter  zu  einer  schweren.  Herr  Dr.  Ousserow^  dem  ich 
bei  der  Operation  assistirte,  extrahirte  zuerst  ein  starkes 
aber  todtes  Kind,  gleichfalls  männlichen  Geschlechts,  während 
das  zweite,  in  der  Fusslage  geboren,  auffallend  klein  und 
schwach  entwickelt  war.  Bis  zum  14.  Mai  schien  es  jedoch 
bei  regelmässiger  Functionirnng  aller  Organe  und  bei  aus- 
reichender Nahrung  der  Mutter,  welche  sich  vollkonimeii  wohl 
befand,  verhältnissmässig  gut  zu  gedeihen.  An  dem  genann- 
ten Tage  aber,  also  gerade  eine  Woche  nach  der  Geburf, 
trat  um  11  Uhr  Vormittags  eine  Nabelblutung  ein,  die  von 
der  Mutter  und  der  gerade  anwesenden  Wickelfrau  bemerkt 
wurde.  Um  der  Blutung  Einhalt  zu  thun,  legten  dieselben, 
ohne  die  Nabelcompresse  zu  entfernen,  auf  die  blutdurch* 
tränkte  Nabelbinde  neue  Compressen  aut.  Als  ich  um  drei 
Uhr  Nachmittags  hinzukam,  fand  ich  das  Kind  bereits  sehr 
anämisch;  es  hatte  augenscheinlich  schon  eine  bedeutende 
Quantität  Blut  verloren.  Nach  Entfernung  der  Binden  und^ 
Compressen  sah  ich  das  sehr  helle  Blut  zur  Seite  des  be- 
reits obliterirten  aber  noch  nicht  abgestossenen  Nabelschnur- 
restes  langsam  hervor  träufeln ,  und  zwar,  wie  es  schien,  nur 
von  einer  kleinen  Stelle  ausgehend,  wie  von  einem  bluten* 
den  -Nadelstiche  aus.  Eine  wunde  oder  granulirende  Stelle 
ofler  eine  Oeifnung  vermochte  ich  nicht  zu  entdecken,  indem 
die  Blutung  aus  dem  Nabelgrunde  hervorkam;  Ich  touohirte 
die  Gegend  mit  Argent.  nitric.  Hiernach  stand  die  Bhitung. 
Als  ich  nach  einer  Stunde  wiederkehrte,  hatte  dieselbe  aber- 
mals begonnen.  Ich  legte  nun  einen  kleinen  Charpiebausch 
'  auf,  den  ich  in  Liqu.  ferr.  sesquichlor.  getränkt,  wonach  die 
Blutung  sofort  sistirte.  Ich  hatte  das  Kind  inzwischen  meh- 
rere Male  an  die  Brust  legen  lassen,  wo  es  noch  mit  vollen 
Zügen  trank.   Als  ich  es  gegen  Abend    desselben  Tages  noch^ 

MonatMchr.  f.  Oebnrtsk.  1866.  Bd.  XXYI.,  Hft.  5.  22 


338  ^^1-     Verhandiangen  der  Qeselliehftft 

mala,  besuchte,  war  die  Bluluog  nicht  wieder  etogetreten. 
Um  neun  Uhr  Abends  jedoch  erfolgte  bei  der  überhaupt  ge- 
ringen Lebensfähigkeit  des  Kindes  bereits  der  Tod,  nachdeiB 
kurz  vorher  abermals  die  Blutung  sich  eingestellt  hatte.  Die 
Section  zu  machen  wurde  mir  nicht  gestattet.  Die  Leiche 
bot  äusserlich  keine  erwähnenswerthen  Erscheinungen  dar, 
weder  icterische  Färbung  nocli  Ecchymosen. 

Im  Anschluss  an  diesen  Fall  will  ich  mir  einige  Bemer- 
kungen aus  der  Literatur  über  diesen  Vorgang  erlauben. 

Underwood  ist  der  erste,  welcher  darüber  etwas  ver- 
lauten lässt.  Später  sind  es  besonders  Vüleneuvs,  Eduard 
ßatfj  Dubais,  John  Mardey  u.  a.-m.,  welche  OinphakM'- 
rhagien  z.  Tb.  selbst  beobachtet,  z.  Th.  die  Beobachtuogeo 
Anderer  zusammen  gestellt  haben.  Ich  will  Sie  nicht  mit 
Anführung  und  ausführlicher  Besprechung  vieler  Fälle  von 
diesen  Autoren  ermüden,  sondern  nur  die  wesentlichsten  That- 
Sachen  hervorheben. 

Diese  eigentlichen,  in  den  häufigsten  Fällen  todtlichen 
Nabelbiutungen  sind  vor  Allem  wohl  zu  trennen  von  den  Blu- 
tungen aus  dem  Nabelschnuneste ,  wie  sie  in  Folge  mangel- 
hafter Unterbindung  vorkommen  können,  ferner  auch  von  den 
Blutungen,  welche  auf  zu  frühzeitiger  oder  gewaltsamer  Ab- 
trennung des  Nabelschnurrestes  beruhen,  schliesslich  auch 
von  denen,  wo  die  Bildung  fungöser  Wucherungen  zu  Hämor- 
rhagien  Veranlassung  giebt,  da  diesen  allen  ja  fast  immer  bei 
frühzeitiger  und  zweckentsprechender  Anwendung  von  Mitteta 
Einhalt  zu  thun  ist. 

Unter  10,000  Neugeborenen  soll  nur  ein  -Fall  von  Ooh 
phalorrhagie  vorkommen;  und  zwar  nach  Angäbe  von  Bwr 
chut  nach  Verlauf  von  7,  9,  11  und  selbst  13  Tagen*  von 
Zeitpunkte  der  Geburt  an  gerechnet.  Der  Bemerkung  dieses 
Autors,  dass  das  Eintreten  derselben  immer  erst  nach  dem 
Nabelschnurabfall  stattfindet,  widerspricht  aber  der  von  mir 
beobachtete  Fall,  wo  der  Nabelschnurrest,  wie  ich  bereits 
gesagt  habe,  zwar  obliterirt  aber  doch  noch  nicht  abgefallen 
war.  Häufiger  tritt  allerdings  die  Blutung  nach  als  vor  dem 
Abfall  desselben  ein. 

Von  den  verschiedenen  Ursachen,  durch  welche  diese 
Blutungen    hervorgerufen    werden    sollen,    ist   wohl   die  lO 


für  Qebartshülfe  in  Berlin.  330 

schwache  Gerinnbarkeit  des  Blutes  die  am  meisten 
haltbare  und  zumeist  auch  zutreffende.  Hiermit  im  gewissen 
Causalnexus  stehend,  scheint  der  den  grössten  Tfaeil  der  Na- 
belblutungen begleitende  Icterus  zu  sein,  indem  dieser  einer- 
seits auf  eine  allgemeine  mangelhafte  Ernälirung  schliessen 
lässt,  und  andererseits  es  auch  erwiesen  ist,  dass  Gallen- 
farbstoff ins  Blut  übergetreten  die  Gerinnungsfähigkeit  dieses 
bedeutend  herabsetzt.  Dieser  Icterus,  auf  den  alle  Beobachter 
der  Nabelblutungeu  einen  grossen  Werth  legen,  tritt  aber 
auch  in  anderer  Weise  auf  als  der  gewöhnliche  Icterus  neo- 
natorum. Die  Farbe  der  Cutis  ist  eine  schmutzig-gelbe;  die 
Verdauungsstörungen  sehr  hoch  gradig.  Manley  fuhrt  an,  dass 
Campbdi  unter  den  mit  Gelbsucht  einhergehenden  Fällen 
in  zweien  das  gänzliche  Fehlen  der  Gallenblase  und  der  Gal- 
lenleiter angeti'offen  habe.  Dann  erzählt  derselbe  aus  einer 
Beobachtung  des  Dr.  Bowditch  von  einer  bedeutend  ver- 
grösserten  Leber  von  gelber  Farbe,  die  sehr  welk,  beim 
Durchschnitte  nichts  von  rothen  Pailhien  darbot,  so  dass  die 
ganze  Durch^hnittsfläche  mehr  dem  Inneren  des  Dickdarms 
glich,  wenn  derselbe  mit  gelben  Rothmassen  bedeckt  ist.  Bei 
sorgfaltiger  Entfernung  der  Masse  fing  dieselbe  dennoch  an 
zu  bluten.  Die  Gallenblase  war  hierbei  klein,  zusammen  ge- 
zogen, keine  Galle  enthaltend. 

Dieser  Icterus  wird  also  als  characteristisch  und  bedeu- 
tungsvoll für  das  Eintreten  von  Mabelblutungen  angesehen. 

Unter  der  verhältnissmässig  grossen  Anzahl  von  Fällen, 
die  Eduard  Ray  beobachtet  und  gesammelt  hat,  befindet 
'sich  kein  Fall  von  Nabelblutung  bei  einem  Mädchen,  so  dass 
er  zu  dem  Schluss  kommt,  sie  trete  überhaupt  nur  bei  Kna- 
ben *auf,  eine  Behauptung,  der  auch  Lar^  beitritt  So  sah 
ersterer  von  sechs  Kindern  derselben  Mutter  drei,  welche 
Mädchen  waren,  lebend  und  gesund  bleiben,  während  die 
anderen,  drei  Knaben,  an  Nabelblutung  zu  Grunde  gingen; 
von  diesen  war  einer  bereits  bei  der  Geburt  icterisch,  die 
beiden  übrigen  wurden  es  sehr  bald  nach  derselben.  Diese 
in  Bezug  au  das  Geschlecht  aufgestellte  Regel  erleidet  aber 
Ausnahmen,  da  auch  unter  anderen  Bowditch  einen  Fall  von 
Nabelblutung  bei  einem  Mädchen  beobachtet  hat. 

Die  Umstände,   unter  denen  die  Blutung  überhaupt  auf- 

22* 


340  XXI,    VerhandluDgon  der  Gesellschaft 

tritt,  die  Beschaffenheit  des  Nabels  hierbei,  der  Verlauf,  die 
Begleitungs-  und  Folgeerscheinungen,  die  Stillbarkett  res{t. 
Nicfatstillbarkeit  der  Blutung,  sowie  auch  die  Versdiiedenheit 
des  Sectionsbefundes  lassen  wohl  noch  auf  eine  Verschieden- 
heit des  V^esens  bei  den  beobachteten  Fällen  selber  schliessen. 

Es  können  sowohl  schwächliche  wie  sehr  kräftige  Kin- 
der davon  befallen  werden,  meist  bei  voraurgegangenem  Icte- 
rus, aber  auch  ohne  denselben,  wie  dies  bei  dem  Ton  mir 
gesehenen  Falle  war.  Es  können  dabei  ferner  gewisse  nach- 
weisbare ätiologische  Momente  oder  hereditäre  Dispositionen 
zu  Grunde  liegen:  grosse  Blutverluste  bei  der  Mutter  wäh- 
rend der  Schwangerschaft  oder  kurz  vor  der  Geburt;  dann 
auch  besonders,  wie  schon  ipehrfach  erwähnt,  erbliche  Blut- 
erdiathese. Alle  diese  Bedingungen  können  nun  aber  auch 
fehlen.  — 

Der  Nabel  bietet  dabei  folgende  Verschiedenheiten  dar: 

1)  der  Band  des  Nabels*  ist  von  natürlicher  BeschafTen- 
heit,  die  Vertiefung  des  Fundus  mit  einer  schmutzigen  Masse 
angefüllt,  welche  abgestorbenem  mit  Blut  untermischten  Zell- 
gewebe gleicht; 

2)  in  der  Mitte  des  Nabels  zeigt  sich  ein  ganz  kleines 
Geschwür,  in  der  Form  einer  Geßssmündung ; 

3)  es  ist  weder  eine  Oeffnung  noch  ein  Geschwür  zu 
erkennen;  die  Blutung  quillt  aus  dem  zusammengerunzelten 
Grunde  der  Nabelvertiefung  hervor. 

Abgesehen  von  den  selbstverständlichen  Erscheinungen 
der  Anämie  treten  ein  Mal  fast  zugleich  mit  der  Blutung 
Ecchymosen  und  Petechien  auf  der  Haut  auf,  ein  anderes 
Mal  erst  bei  längerem  Bestehen  derselben,  in  noch  anderen 
Fällen  erst  da,  wo  es  gelungen  ist,  die  Blutung  zum  Stehen 
zu  bringen.  Zuweilen  treten  auch  mit  der  Omphalorrhagic 
zugleich  blutige  Darmentlerungen  auf,  die,  ebenso  wie  die 
Purpura  nach  sislirler  Blutung  den  Tod  herbeiführen  köDDcn. 

Die  Dauer  der  Blutung  ist  eine  ganz  verschiedene:  sie 
kann  nur  Stunden  und  wenige  Tage,  aber  auch  Wochen 
anhalten;  in  einem  Falle  hat  sie  sogar  zweiundvierzig  Tage 
gewährt; 

Das   Blut,   immer  gleichmässig  fortlliessend ,    niemals  in 


flir  Qebartflhülfe  in  Berlio.  341 

einem  arteriellen  Strome,  ist  immer  sehr  hell  und  färbt  die 
Wäsche  roth,  ohne  sie  steif  zu  machen. 

Um  die  Blutung  zu  stillen,  sind  die  verschiedensten 
Mittel  angewendet  worden.  Die  Compression,  die  Styptica, 
seihst  das  Fernim  candeus  geben  nie  einen  sicheren  und 
dauernden  Erfolg.  Dubots  empfiehlt  die  Unterbindung  en 
niasse,  welche  darin  besteht,  dass  man  zwei  sich  im  rechten 
Winkel  kreuzende  Insectennadeln  tief  durch  den  Nabel  sticht 
und  mit  Achtertouren  umwickelt.  Vogel  machte  bei  einem 
Falle  von  Nabeiblutung  hiervon  Gebrauch,  jedoch  ohne  glück- 
lichen Erfolg,  da  nun  das  Blut  aus  den  Nadelstichen  hervor- 
sickerte und  ebenso  wenig  zu  stillen  war.  In  anderen  Fällen 
will  man  duixh  die  genannte  Methode  das  Blutstillen  en'eicht 
haben.  Thomas  Hill  bat  einen  Fall  geheilt,  indem  er  auf 
den  zuvor  einige  Zeit  comprimirleu  und  abgetupften  Nabel 
einen  Brei  .von  Modellirgyps  goss  und  die  später  entstehen- 
den Risse  immer  wieder  mit  frischem  Gypsbrei  ausfüllte.  Der 
Werth  der  Unterbindung  der  Nabelgelasse  ist  noch  sehr  zwei- 
felhaft und  in  manchen  Fällen  gar  nicht  anwendbar,  jeden- 
falls da  zu  verwerfen,  wo  eine  Bluterdyskrasie  zu  Grunde  liegt. 

Mit  dem  Aufhören  der  Blutstillung .  ist  jedoch  keineswegs 
die  Gefahr  beseitigt,  indem  dann  noch  andere  aus  der  Dys- 
krasie  oder  aus  dem  Blutverluste  hervorgehende  Krankheiten 
und  Schwächezustande  gewöhnlich  dem  Leben  ein  Ende 
machen. 

Auch  die  Verschiedenheit  des  Sectionsbefundes  spricht 
noch  ffir  die  Verschiedenartigkeil  der  Krankheit  in  den  ein- 
zelnen Fällen.  In  dem  einen  Falle  fand  man  Nabelvcne  und 
Nabelarterie  mit  vollständigen  Thromben  angefüllt,  in  einem 
anderen  zeigte  sich  eine  aneurysmatische  Beschaffenheit  der 
Nabclgeßsse,  indem  diese  am  Nabel  in  einer  Art  gemeinsamer 
Höhle  endigten,  von  wo  aus  die  Nabelblutung  stall  fand,  was 
in  dem  erstgenannten  Falle  nicht  geschehen. 

Die  Petechien  und  Ecchymosen  der  Haut  werden  bei  der 
Section  auch  vielfach  auf  Pleura  und  Pericardium  gefunden. 

Herr  Martin  erinnert  sich  emes  eigentliümlichen  Falles 
der  Art,  wo  bei  einem  Neugeborenen  die  Nabelschnur  faulig 
wurde  und  das  Kind  am  fünften  Tage  in  Folge  einer  heftigen 
Blutung  aus  dem  fauligen  Nabelgrunde  starb.   Bei  der  Section 


342  X^I-     Verhandliingren  der  Gesellschaft 

fand  sich  nur  eine  Nabelarterie,  die  einen  ungewöhnlichen 
Ursprung  aus  der  A.  sacralis  media  hatte  und  von  ziemlich 
bedeutendem  Lumen  war. 

Herr  Ousserow  erwähnt  eines,  im  letiten  Bande  der 
Verhandlungen  der  geburtshulfiichen  Gesellschaft  zu  London, 
von  Crraüy  Hetoüt  erzählten  Falles.  Ein  Kind,  bei  dem 
eine  Bluterdyskrasie  wahrscheinlich  war,  wurde  am  ersten 
Tage  gelbsüchtig;  am  zweiten  Tage  begann  eine  geringe  Blu- 
tung aus  dem  Nabel,  die  am  dritten  Tage  trotz  der  Ligatur 
en  masse  zum  Tode  führte.  Oraüy  Hetoitt  fngt  hinzu, 
dass,  nach  den  Zusammenstellungen  von  Oandidier^  die  Mor- 
talität in  diesen  Fällen  83%  Procent  betrage.  (TransactioDs 
of  the  obste trical  society  of  London.     Vol.  VL  S.  65.) 

Herr  Eggel  hat  kürzlich  ein  Kind  gesehen,  das  sich, 
kurz  vor  seiner  Ankunft,  an  einer  derartigen  Nabelblutuog 
verblutet  hatte.  Er  konnte  sich  an  der  Leiche  noch  von  dem 
festen  Verschlusse  der  Nabelschnur-Unterbindung  überzeugen. 

Herr  Rose  ist  in  einem  ähnlichen  Falle  durch  eine  ein- 
stündige Compression  der  blutenden  Stelle  mit  styptiscben 
Mitteln  zu  einem  günstigen  Resultate  gekommen. 


Herr  Mctrtin  erzählt  nach  einleitenden  Bemerkungen 
über  die  seltenen  und  meist  mangelhaften  Berichte,  weldie 
die  IJteratur  über  con*odirende  Geschwöre  des  Uterus  bietet, 

zwei  Fälle  von  phagedänischem  Geschwür  am 
Muttermunde. 

1.  Der  erste  Fall  betraf  eine  sehr  zarte  feingebildele 
27  Jahre  alte  Predigersfrau,  welche  längere  Zeit  am  weissen 
Fluss  und  an  Hysterie  gelitten,  nachdem  sie  vor  dem  Eintritte 
der  Menstruation  angeblich  in  Folge  des  zufälligen  Eiodrio- 
gens  eines  Strohhalms  in  die  Vagina  längere  Zeit  gekrän- 
kelt hatte. 

Diese  im  18.  Lehensjahre  aufgetretene  Krankheit  soll 
sich  als  Magenkrampf  mit  Erbrechen  sowie  in  somnam- 
bulen Zuständen,  geäussert  haben,  aber  mit  dem  Eintritte  der 
Menstruation  verschwunden  sein.  Nach  der  Ostern  1850 
erfolgten  Verheirathung   zeigte   sich    eine  so  krankhafta  Em- 


far  Oebnrtshftlfe  in  Berlin.  343 

plindlicbkeit  der  Scbeidenöflhang ;  dass  die  Immission  stets 
eine  unvollstäDdige  geblieben  sein  soU,  wie  der  £bemann  Ter- 
sicherte.  Dennoch  glaabte  das  Ehepaar,  als  am  18.  Juni  nach 
einer  körperlichen  Anstrengung  eine  beträchtliche  Blutang 
aus  den  Genitalien  eintrat,  an  einen  Abortus.  Seit  dieser  Zeit 
blieb,  obschon  die  Frau  sich  ganz  wohl  fohlte,  ein  unange- 
nehm riechender  braunlich  wässriger  Ausfluss  aus  den  Geni- 
talien. Die  Blutung  kehrte  im  September  und  am  20.  No- 
vember wieder,  obschon  die  Menstruation  inzwischen  regel- 
mässig stattgefunden  hatte.  Der  am  24  Nofember  wegen 
der  Blutung  considtirte  Hausarzt  verordnete  ein  lofusum  seealis 
ciHtiuti.  Dennoch  trat  am  27.  November  nach  einer  unbe- 
deutenden Anstrengung  beim  Hinfiberrutschen  aus  einem  Bette 
in  das  danebenstehende  des  Ehemannes  die  Blutung  in  hef- 
tigster Weise  ein.  Deshalb  zum  Concilium  hinzugerufen,  fand 
ich  bei  meinem  Eintreffen  in  dem  fünf  Stunden  von  Jena 
entferntem  Dorfe  am  folgenden  Morgen  um  zwei  Uhr  die 
Kranke  todtenbleich,  kühl,  mit  trockner  Haut  in  häufigem 
Würgen  und  Erbrechen.  Der  Puls  war  sehr  klein,  120. 
Die  Blutung  stand;  die  Kranke  klagte  über  zeitweise  wieder- 
kehrende Kreuzschmerzen.  Bei  der  Exploration  zeigte  sich 
der  Scheideneingang  eng,  der  Scheidentheil  ungewöhnlich  kurz, 
die  Mutterlippen  uneben,  hinter  der  Vagioalportion  war  der 
Motterkörper  wahrnehmbar.  Die  Dterussonde  argab  keine 
erhieblicbe  Verlängerung  und  hob  den  retrovertirten  Mutter- 
körper ohne  Schmerz  «npor.  Da  die  Blutung  stand,  hatte 
die  Therapie  zunächst  die  Aufgabe,  die  ausserordentliche 
Anämie  zu  bekämpfen.  Dies  gelang,  bis  am  2.  December, 
wie  mir  der  Hausarzt  mittheilte,  angeblich  nach  grosser  Auf- 
regung eine  Starrsucht  eintrat,  in  welcher  die  Kranke  zwar 
wahrnehmen,  aber  sich  nicht  bewegen  konnte.  Am  Nach- 
mittage des  dritten  December  hinzugerufen ,  fand  ich  die 
Blässe  der  Haut  und  Lippen  verraelirt,  den  Puls  von  140, 
kaum  wahrnehmbar;  öfteres  Räuspern  von  Scldeim  und  Todes- 
furcht quäken  die  Kranke.  Der  örtliche  Befund  wich  von/ 
dem  früher  citirten  nur  dadurch  ab,  dass  die  Retroversion 
nicht  nachzuweisen  war,  der  Scheidentheil  höher  als  früher 
stand,  und  dass  eine  eigenthümlich  widrig  riechende  bräun- 
liche Flüssigkeit  abgesondert   wurde.     Trotz  aller  Bemübun- 


344  X^I-    V«rb«ndlangeii  der  GMellsohaft 

gen;  die  unkenden  Kräfte  zu  unterslötzen,  sdle  am  5.  De- 
cenaber  früh  Doppelsehen,  arge  Eingenommenheit  des  Kopfes 
und  Zuckungen  der  Extremisten  eingetreten  sein.  Naclh 
dem  völlige  Erblindung  erfolgt  war,  start>  die  Kranke  am 
frülien  Morgen  des  6.  December.  Die  vom  Hausarzt  an- 
gestellte Section  ergab  den  höchsten  Grad  von  Anämie,  sonal 
keine  wesentlichen  anatomischen  Verlnderungen  bis  auf  den 
Uterus,  welcher  dem  nunmehr  verstorbenen  Professor  A,  För- 
ster zur  genaueren  Untersuchung  übergeben  wurde.  An  dem 
inneren  Muttermunde  fand  sich  ein  flach  trichterförmiges  von 
einem  hervorragenden  Rande  nicht  umgebenes  Geschwür,  wel- 
ches einen  Theil  der  vorderen  Wand  des  Mutterhalses  and 
KörpfTs  zerstört  hatte.  Die  Basis  des  Geschwüres  und  die 
schwarzen  pulpösen  Massen  auf  demselben  enCbieileQ  nur  die 
Elemente  des  Uteringewebes  zerfallen  und  zum  Tbeil  m 
amorphe  molekulare  Massen  verwandelt.  Keine  Spur  von 
Carcinom  und  dessen  Elementen  war  zu  entdecken').  Bk 
Mutterlippen  waren  nicht  krankhaft  verändert  und  in  dem 
Multerbakkanale  neben  dem  Geschwüre  konnte  man  die  ge- 
wöhnlichen Palten  des  Arbor  vitae  unverändert  nachweisen. 
Der  Muttergrund  und  die  Aussentläche  boten  keine  VeräBde- 
rangen  dar.  Am  linken  Eiet*stocke  fand  sich  ein  geborstener 
mit  etwas  Blut  angefüllter  ä^'aqiT'scher  FoUikel. 

2.  Am  Abend  des  12.  Mai  1865  wurde  ein  24  Jalffe 
alles  wohlgenährtes  Dienstmädchen  in  sehr  anämiseheni  In- 
Stande  in  die  gynäkologische  Klinik  zu  Berlin  .gebracht,  wel- 
d)es,  obschon  früher  gesund  und  kräftig,  in  seinem  13.  Le- 
benisjalire  eine  Brustfellentzündung  und  im  19.  Jahre  eiae 
Lungenentzündung  überstanden  haben  wollte.  Seit  der  letzt- 
genannten Erkrankung  sollen  immer  Kopfschmerzen  zugegen 
gewesen  sein.  Die  Menstruation  stellte  sich  im  17.  Lebeiis- 
jahfre  ein,  und  kehrte  regelmässig  nach  drei  Wochen  \iMer; 
der  Blutverlust  soll  stets  gering  gewesen  sein  und  nur  zwei 
Tage  gedauert  haben.  Geboren  hat  Patientin  nicht  Naoii' 
dem  sie  Ende  April  1865  ihre  Menstruation  gehabt  hat,  stellu 
sich  am  Morgen  des  3.  Mai,  als  Patientin  aufstand,  piötiticb 

1)  Vergl.  Ä.  Forater'a  Handbach  der  spesiellnii  pttholo- 
gischea  Anatomie.     Leipzig  1854.    S.  S18.* 


für  OAbvrlsfaliUe  in  Berlin.  34^ 

ohne  bekannte  Ursache  eine  Blutung  aus  den  GenUalien  ein, 
welche  mit  wenig  UaterbrecbuBgen  bis  zu  Ihrer  Aufnahme  in 
das  Charitekrankenhaus  andauerte.  Schmerzen  will  Patientin 
nicht  empfunden  haben,  aussei  wenn  ein  grösseres  Gerinnsel 
dmreh  die  Scheidenöffaung  heraustrat. 

Bei  der  Aufnahme  fanden  die  Assistenzärzte  des  Charite- 
krankenhauses  an  der  mit  Fett  reichlich  unterlagerten  Haut 
eine  leicht  icterische  Färbung;  die  Schleimhäute  erschienen 
sehr  blass,  die  Zunge  graugelb  belegt.  Die  Respiration  war 
beschleunigt  und  oberflächlich,  die  Pulsfrequenz  mehr  als 
120.  Der  Thorax  von  normaler  Länge,  breit,  gut  gewölbt, 
die  Intercostalräume  verstrichen.  Die  Percussion  ergiebt  nichts 
Abnormes.  Der  Spilzenstoss  ist  ziemlich  kräftig  im  fünften 
Intercostakaum  in  der  ParasternaUinie  zu  föblen  und  die  Er- 
schütterung des  Thorax  daselbst  zu  sehen.  Bei  der  Auscul- 
tation  ist  der.  erste  Herzton  fast  gar  nicht  zu  boren,  der 
zweite  hingegen  ziemlich  kräftig.  Der  Unterleib  weich,  nicht 
aufgetrieben.  Bei  der  Palpation  klagte  Patientin  geringe 
Schmerzempfindung.  Der  in  meiner  Abwesenheit  fungirende 
Oberarzt  verordnete  Acidi  phosphorici  3i,  Syr.  rub.  Id.  Si« 
zum  Getränke,  Liq.  fern  sesquichlor  5ß  in  Svi,  Aq.  dest. 
zweistündlich  einen  EsslöfTel  voll  und  kalte  Injectionen.  Bei 
der  am  13.  Mai  vorgenommenen  Exploration  fand  sich  die 
Scbekle  mit  geronnenem  Blute  gefüllt.  Nach  Entfernung  des- 
selben durch  den  kalten  Wasserstrahl  erschien  der  Mutler- 
mund gleich  einem  Sechspfennigstöcke  geöffnet,  weich;  die 
Blutung  stand.  Dennoch  wurde  Patientin  unruhig,  warf  sich 
hin  und  her  und  stöhnte  sehr  viel.  Am  14.  Mai  starb  die 
Kranke,  wdche  ich,  anderweit  verhindert,  im  Leben  nkbt 
gesehen  hatte. 

Die  am  15.  Mai  angestellte  Section  ergab  reiches  Fett- 
polster, sehr  blasse  Musculatur,  sehr  blasse  Lungen,  von 
denen  die  linke  adhärent  war;  Schlaffheit  des  Herzens  mit 
fettigen  Degenerationen  der  Papillarmuskeln  im  linken  Ven- 
trikel; Klappen  normal.  Milz  adhärent  klein,  äusserst  blass 
und  schlaff.  Beide  Nieren  gross,  sehr  anämisch.  Leber 
ziemlicli  normal,  aber  sehr  anämisch.  Hai^nblase  stark  von 
Urin  ausgedehnt.  In  der  Scheide  ein  grösseres  längliches 
Coagulum,    Scheiden-   und  Blasenschleimhaut  sehr  blass,    in 


346  ^^^*    Verhandlan^Mi  der  GotelUehftft 

letzterer  zwei  kleine  Venenectasien.  Uterus  schlaff  animisch, 
drei  Zoll  lang,  Mutlerhals  neun  Linien  lang,  schmal,  an  der 
Uebergangsstelle  leicht  eingeschnört  Die  breiteste  SieUe  des 
Uterus  beträgt  2%  Zoll,  die  schmälste  %  Zoll.  Die  Schldm- 
haut  ist  blass  geschwellt  und  an  einigen  Punkten  stärker 
injicirt.  Der  Scbeidentheil  ragt  etwa  V4  Zoll  in  die  Scheide, 
sein  unteres  Ende  wird  von  einem  trichterförmig  sieh  ver- 
tiefenden Geschwüre  eingenommen,  in  dessen  Mitte  der  Cer- 
vicalcanal  einmundet.  Die  Oberfläche  ist  glatt,  von  gelbUcber 
Farbe,  an  mehreren  Stellen  des  Randes  zeigen  sich  offene 
Geffisse,  welche  etwas  Blut  fähren.  Die  Grenze  des  Geschwörs 
gegen  die  Schleimhaut  des  Mutterhalscanals  ist  kaum  nach- 
zuweisen. Im  linken  Ovarium  eine  wallnussgrosse  Cyste  mt 
klarer  Flüssigkeit.     Tubenschleimhaut  blass,   nicht  veränderL 

Herr  Klebe  bemerkt  bei  der  Vorlegung  des  Präparates 
folgendes: 

Trotz  der  grossen   Anämie  der  Uterossubstanz  wie  der 
Schleimhäute  fielen  sogleich  bei  der  Section  zwei  Verände- 
rungen   auf,    einmal    eine    sehr   erhebliche    Schwellung  der 
Schleimhaut  der  Ulerushöhle,    die  ein  etwas  tnibes,    graues 
Aussehen  darbot  und  die  erwähnte  Ulceration,  welche  wie  ein 
schmaler  Ring  die  innere  Kante  der  HuttermundsKppen  ein- 
nahm.    Der  äussere  Rand  setzte  sich  ziemlich  steil  abfallend 
mit  scharfem  Rande  gegen  die  Nachbarschaft  ab,  hier  fanden 
sich  die  von  flüssigem  Blute  gefüllten  und  umgebenen  .Arterien- 
mündnngen  vor.     Im  Allgemeinen  war  das  Geschwür  nur  we- 
nig vertieft,  mit  Ausnahme   einer  Partie  der  hinteren  Lippe, 
von  welcher  der  Substanzverlust  eine  Dicke  von  2 — 3  Milli- 
meter erreicht   haben  mochte.     Gegen  die  innere  Oberfläche 
des  Cervicalcanals  war  keine  deutliche  Grenze  wahrzuDefameo. 
Die  ulceröse  Oberfläche    zeigte    keinen   Eiterbelag,    war  im 
Ganzen  glatt,    beim   Aufgiessen   von  Wasser   wurden  indesB 
dünne  circuläre  Fasern,  die  mit  den  Enden  noch  anhafteten, 
abgehoben.     Die    mikroscopische  Untersuchung  zeigte,   dass 
dieselben   theils   aus   musculüsen,    theils  aus  bindegewebigen 
Theilen  bestanden,  in  denen  ebenso   wie  zwischen  den  noch 
testhaflenden    (^ewebsbestandtheilen    des    Geschwürsgnindes ' 
ziemlich  spärliche  feine  Fettkürnchen   sich   eingelagert   fan- 
den;   nirgends    waren   Zell-    oder    Kernwucherungen    walir- 


für  Oelmrtflhülfe  In  Berlio.  347 

zunehmen.  —  Man  hätte  den  ganzen  Substanzverlust  flkr  einen 
durch  Anätzung  hervorgerufenen  halten  können,  wenn  nicht 
eben  die  Abwesenheit  reactiver  Vorgänge  dies  unwahrschein* 
lieh  gemacht.  Diese  einfache  Art  der  Necrose  erinnert  am 
meisten  an  die  Verhältnisse  des  runden  Magengeschwürs,  wozu 
noch  die  Beziehung  zu  den  Arterien,  die  Eröffnung  derselben 
und  die  daraus  erfolgenden  schwer  stillbaren  Blutungen  kom- 
met). Freilich  bleibt  in  beiden  Fällen  die  eigentliche  Natur 
der  Veränderung  gleich  dunkel. 

Ausserdem  dürfte  noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
die  Schwellung  der  Uterinschleimhaut  den  ganzen  Process  den 
raenstrualen  Vorgängen  annähert,  ja  dass  sogar  nicht  in  Ab- 
rede gestellt  werden  kann,  dass  ein  Theil  der  Hämorrhagie 
von  dieser  Partie  ausgegangen  ist. 

Herr  (7.  Mayer  hat  öfter  derartige  Geschwursformen 
der  Vaginalportion  gesehen.  Alle  Fälle  zeichneten  sich  durch 
enorme  Blutungen  aus.  Die  Form  des  Geschwüres  ist  immer 
sehr  charakteristisch,  indem  dasselbe  strahlenförmig  vom  Mut- 
termunde aus  auf  der  gesunden  Vaginalportion  verläuft.  Diese 
eigentbümliche  Gestalt  ist  auch  der  Grund  für  die  alte  Be- 
zeichnung Ulcus  cristatum.  Auf  den  Mutlermundslippen 
erscheint  die  Geschwürsbildung  nur  oberflächlich,  bei  genauer 
Untersudiung  sieht  man  aber,  dass  dieselbe  trichterförmig  in 
den^Cervicalkanal  hineindringt.  Die  Blutungen  erfolgen  auch 
aus  dem  Cervicalkanal  und  nicht  aus  der  flachen  Zer- 
störung der  Lippen.  Herr  C.  Mayer  hat  diese  Form  immer 
bei  älteren  Individuen  beobachtet.  Ob  Syphilis  dabei  im 
Spiele  war,  ist  nie  mit  Sicherheit  zu  ermitteln  gewesen.  Nie- 
mals haben  die  verschiedensten  Behandlungsweisen  ein  gön- 
stiges  Resultat  gehabt;  die  betreffenden  Kranken  sind  immer 
in  Folge  der  Blutungen  gestorben. 

Herr  L,  Mayer  macht  darauf  aufmerksam,  dass'  man 
diese  Geschwursformen  leicht  mit  oberflächlichen  Cancroiden 
der  Vaginalportion  verwechseln  kann.  Unter  den  wenigen 
ihm  zur  Beobachtung  gekommenen  Fällen  war  einer,  in  dem 
sich  später  ein  Cancroid  entwickelte. 

Herr  C.  Mayer  hat  bef  Cancroiden  immer  sehr  frühzeitig 
Wucherungen  und  die  Auflockerung  des  umgebenden  Uterin' 
gewebes  nachweisen  können,  während  bei  diesen  Geschwüren 


348  ^X'I*  Eeeksr^  Ueber  Gewicht  und  Längte  der 

die  umgebende  Schleimhaut  ganz  glatt  und  normal  bleibe. 
Herr  Mayer  legt  Abbildungen  derartiger  Fälle  vor  und  bebäll 
sich  eine  ausfuhrliche  Besprechung  seiner  bezüglichen  Erfah- 
rungen vor. 


Zu   ordentlichen  Mitgliedern  wurden  gewählt  die  Herren 
DDr. 

V.  ChamissOf 

Scharlau,    • 

Behrendt, 

E,  Münnich, 
sämmtlich  in  Berlin. 


XXII. 

Ueber    Oewicht   und    Länge    der    neugeborenen 
Kinder  im  Verhältniss  zum  Alter  der  Mutter. 

Von 

G.  Becker. 


Die  Tbatsache,  dass  das  Durchschnittsgewicht  der  aus 
der  ersten  Schwangerschaft  entsprungenen  Kinder  ein  gerin- 
geres ist,  als  das  von  solchen,  die  aus  wiederholten  Schwaih 
gerschaften  hervorgegangen,  welcher  ich  bei  mehrfachen  Ge- 
legenheiten, zuletzt  in  einem  im  December  1864  in  der  Mo- 
natsschrift erschienenen  Aufsatze  meine  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt habe,  hat  durch  die  jungst  publicirten  Untersuchungeo 
von  Matthews  Duncan  ^)  eine  neue  und  eigentbumlidic 
Deutung  erfahren.  Die  dort  ausgesprochenen  Ansichten  des- 
selben sind  für  mich  von  um  so  grosserem  Interesse  ge- 
wesen,   als  er  meinen  Namen  vielfach  in  dieselben  verfloch- 


1)    Edinbnrgh    medica]    Jonrnsl.     December  1864.     (8.  Mo- 
natiecbr«  Bd.  26.  8.  475.) 


nengebornen  Kinder  im  Verh3(Itni88  Eam  Alter  der  Mutter.   349 

t«n,  und  auf  diese  Weise  mich  eigentlich  direct  zu  einer 
weiteren  Prüfung  des  Gegenstandes  aufgefordert  hat. 

Der  wesentlich  neue  Gesichtspunkt,  den  Duncan  auf- 
gestellt hat,  lässt  sich  in  wenigen  Worten  dabin  wiedergehen, 
dass  er  behauptet,  die  Gewichtszunahme  der  neugeborenen 
Kinder,  welche  aus  wiederholten  Schwangerschaften  hervor- 
gegangen sind  im  VerhSitniss  zu  denen  Erstgebärender,  hinge 
ganz  und  gar  nicht  mit  dieser  Wiederholung  als  solcher  zu- 
sammen, sondern  sie  sei  direct  und  allein  abhängig  von  dem 
Alter  der  Mutter,  dessen  Zunahme  bis  zu  einem  gewissen 
Höhepunkte,  der  zwischen  dem  25.  und  29.  Jahre  liegen 
soll,  auch  eine  Zunahme  des  Gewichtes  bedinge,  fernerhin 
sucht  er  zu  beweisen,  dass  die  Länge  des  Kindes  eine  dem- 
selben Gesetze  folgende  Zunahme  erfahre.  Ehe  ich  an  die 
Prüfung  dieser  von  Duncan  ausgesprochenen  Ansichten  gehe, 
möchte  ich  nur  meine  Verwunderung  darüber  aussprechen,  dass 
derselbe  hervorhebt,  ich  hätte  diese  Gesichtspunkte  vollkommen 
ausser  Acht  gelassen  (altogether  omitted);  nach  meinem  Da- 
fürhalten kann  man  eine  Betrachtungsweise  nicht  vernachläs- 
sigen, die  man  gar  nicht  kennt:  wenn  ich  die  Bedeutung' der 
Länge  des  Kindes  gegenüber  seinem  Gewichte  hervorgehoben 
habe,  so  steht  damit  das  Verhältniss  derselben  zu  dem  A(ter 
der  Mutter  in  gar  keinem  logischen  Zusammenhange,  und  es 
wäre  in  der  That  sonderbar,  wenn  man  für  die  Nichtverwer- 
thung  von  Anschauungen  verantwortlich  gemacht  werden  sollte, 
die  im  Laufe  der  Zeit  von  irgend  einer  Seite  her  hinzuge- 
kommen sind. 

Mit  der  Untersuchung  des  Gegenstandes  nach  den  von 
Duncan  angegebenen  Richtungen  hin  habe  ich  nun  hn  An- 
fange dieses  Jahres  den  Assistenten  der  Gebäranstalt  Herrn 
Dr.  Noder  betraut,  der  sich  mit  rühmlichem  Fleisse  der 
äusserst  mühsamen  Arbeit  unterzogen,  und  mir  kürzlich  die 
Resultate  derselben  unterbreitet  hat.  Das  Material  ist  allein 
den  Jahren  meiner  Wirksamkeit  an  der  Anstalt  entnommen 
worden,  weil  ich  nur  auf  die  in  dieser  Zeit  gewonnenen  Zah- 
len vertrauen ,  und  für  dieselben  mich  verantwortlich  erklären 
kann;  es  beläuft  sich  auf  die  Höhe  von  4449  Fällen,  eine 
Anzahl,  welche  die  von  Duncan  verwerthete  (2087)  um  ein 
Bedeutendes   übersteigt.     In   welcher  Weise    die    Wiegungen 


350  XXII.  Hsdcm-^  (Jebdr  Gewicht  und  Län^e  der 

und  Messungen  in  der  Gebäranstalt  ausgeführt  worden,  ist  wieder- 
holt Gegenstand  der  Erörteru4ig  gewesen ;  ob  die  in  EdiDburgh 
ausgeführten  dasselbe  Vertrauen  verdienen,  kann  ich  oalöriicb 
nicht  entscheiden,  aber  ich  glaube,  es  wäre  gut  gewesen, 
wenn  Duncan  einige  Angaben  über  den  dort  innegehaltenen 
Wägungs  -  Modus  gemacht  hatte,  um  so  mehr,  als  die  Ge- 
wichtsbestimmungen nach  Pfunden  und  Unzen,  wie  er  sie  in 
seinen  Tabellen  giebt,  dem  allgemeinen  Verständnisse,  wei- 
ches durchaus  das  metrische  System  verlaugl,  unnutze  Schwie- 
rigkeiten bereiten.  Hinzufugen  will  ich  noch,  dass,  wie  früher, 
alle  Zwillingskinder,  todtfalden  und  unter  5  Al.  d.  G.  oder 
2600  Grammes  wiegenden  aus  der  Statistik  ausgeschlosseo 
worden  sind. 

Um  nun  den  Einfiuss  des  Alters  der  Mutter  auf  das  Ge- 
wicht des  Kindes  zu  studiren,  ist  eine  Reihe  von  Tabellen 
angelegt  worden,  die  sich  von  dem  i>tincan*scheD  durch  eine 
grossere  DetaiUirung  unterscheiden..  Es  erschien  nämlich  notfa- 
wendig,  die  Durchschnittsgewichte  der  Kinder  nach  den  von 
Duncan  aufgestellten,  immer  fünf  Jahre  umfassenden  Alters- 
categorien  nicht  nur  durch  die  erste,  zweite,  dritte,  vierte 
u.  s.  w.  Schwangerschaft  zu  verfolgen,  sondern  hierbei  auch 
zuerst  die  Knaben  von  den  Mädchen  zu  trennen,  und  dann 
erst  beide  in  einer  gemeinschaftlichen  Tabelle  zusammenzu- 
fassen. Bei  dieser  Arbeit  kam  man  sehr  bald  zur  Veher- 
Zeugung,  dass  eine  gesonderte  Behandlung  der  Fälle  jenseits 
der  fünften  Schwangerschaft  wegen  Mangels  an  Material  nicht 
thunlich  erschien,  weshalb  diese  mit  den  der  fünften  aoge- 
hörigen  zusammengeworfen  worden  sind.  In  den  Tabelien 
von  Duncan  ist  auch  noch  die  sechste  und  siebente  Schwan- 
gerschaft berücksichtigt,  was  gewiss  nicht  zweckmässig  ge- 
nannt werden  kann.  Die  betreifenden  fünf  Tabellen  lauten 
nun  folgendermassen: 


neugebomen  Kinder  im  VerbäUuis«  zum  AlU^x  der  Mutter.  ^1 


Tabelle  1. 


L  Schwangerschaft. 


Knaben. 

MKdchen. 

Alter 

der 

Motter. 

Totel- 
Gewicbt. 

Dareh- 
Schnitts 
Gewioht. 

Alter 

der 

Mutter. 

Total- 
Gewicht. 

Durch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Jahre 
16—19 
20—24 
25-29 
30—34 
35-39 
40-44 

65 

428 

237 

79 

18 

2 

Gram. 

210131,25 

1384795,75 

766151,60 

249218,75 

57031,26 

7281,25 

Gram. 
3232,788 
3235,674 
3232,706 
3154,665 
3168,402 
3640,626 

Jahre. 
15—19 
20-24 
25-29 
30—34 
35—39 
40—44 

64 

411 

238 

67 

19 

2 

Gram. 

168000 

1287956,66 

741694,26 

184165,26 

60631,25 

7000 

Gram. 
3111,111 
3133,711 
3116,941 
3230,793 
3186,866 
3500 

Alter 

der 

Mutter. 


Total- 
Gewicht. 


Durch- 
schnitts- 
Gewicht. 


Jahre. 
15—19 
20—24 
26—29 
30-34 
35-39 
40—44 


119 
839 
475 
136 
37 
4 


Gram. 

378131,26 

2672761,30 

1607745,76 

433374,00 

117562,26 

14281,25 


Gram. 
3177,673 
3186,639 
3174,201 
3186,573 
3177,364 
3670,818 


Tabelle  2. 


n.  Schwangerschaft 


Knaben. 

Mädchen. 

Alter 

der 

Motter. 

-Si 

Total- 
Ge  wicht. 

Dnrch' 
schnitts- 
Gewieht. 

Alter 

der 

Mutter. 

Total- 
Gewicht. 

Durch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Jahre. 
16—19 
20-24 
26-29 
80—34 
86—39 
40—44 

2 

208 

328 

160 

60 

6 

Qram. 

6812,5 

701600,00 

1117466,00 

546906,76 

162760,00 

19718,76 

Gram. 
3406,26 
3372,596 
3406,206 
8411,917 
8255 
3286,468 

Jahre. 
16—19 
20-24 
26-29 
80—34 
35—39 
40—44 

3 

202 

329 

160 

51 

6 

Gram. 

8126,0 

650843,76 

1067466,65 

490132,26 

167662,50 

18781,26 

Gram. 
2708,333 
3221,800 
3244,646 
3267,648 
3286,639 
3180,208 

352  XXIL    Hteker,  üeber  Gewicht  und  LHoge  dwr 


Alter 

der 

Matter. 

u 

9 

Total- 
Gewicht. 

Durch- 
Bchnitts- 
Gewioht. 

Jahre. 

Oram. 

Oram. 

16—19 

5 

14987,5 

2987,5 

20—24 

410 

1352843,75 

3298,899 

25—29 

657 

2184741,65 

3326,284 

30-34 

310 

1086039,00 

3342,061 

35—39 

101 

330312,50 

3270,420 

40-44 

12 

38500,00 

3208,333 

T«beUe  S. 


in.  Schwangerschaft. 


Knaben.                          1 

Mädchen. 

Alter 

der 

Mutter. 

Tot«l- 
Gewicht. 

Durch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Alter 

der 

Mutter. 

•Si 

69 

Total- 
Gewicht. 

Dureh- 
schnitti- 
Gewicht 

Jahre. 
16—19 
20—24 
26-29 
30-34 
36-89 
40—44 
46-49 

34 
163 
149 

52 
6 

Gram. 

117631,26 
619010,00 
601218,25 
183062,50 
19936,76 

Gram. 

3456,801 
3392,222 
3363,880 
3624,278 
8322,791 

Jahre. 
15—19 
20-24 
25—29 
30-34 
85—89 
40—44 
45—49 

29 

124 

136 

58 

11 

2 

Oram. 

94530,75 
405781,25 
450843^75 
184218,75 

37687,50 
6562,5 

Gram. 

3259,681 
3272,429 
3316,027 
3176,328 
3426,136 
8281,25 

Alter 

der 

Mutter. 

Total- 
Gewicht. 

Durch - 
schnitts- 
Gewieht. 

Jahre. 

Gram. 

Gram. 

20-24 

63 

212062,00 

3366,063 

26—29 

277 

924791,25 

3338^96 

30-34 

285 

952062,00  . 

3340,568 

85-39 

110 

367281,26 

3388,920 

40—44 

17 

57624,25 

3389,661 

46—49 

2 

6562,60 

3281,250 

neageboroen  Kinder  im  Verhältniss  zam  Alter  der  Mutter.  363 


Tabelle  4. 


IV.  Schwangerschaft. 


Knaben. 


Alter 

der 

Matter. 

•Si 

Jahre. 
20—24 

6 

25—29 

55 

30-34 

74 

3Ö-39 

37 

40-44 

12 

45—49 

— 

Total- 
Gewicht. 


Gram. 

17093,75 
183343,75 
255281,25 
180343,75 

39978,75 


Durch- 
schnitts« 
Gewicht. 


Gram. 
3418,75 
3333,522 
3449,746 
3522,804 
3331,562 


Mädchen. 


Alter 

der 

Matter. 


■SS 


3 
46 


Jahro. 
20-24 
25—29 
30-34  I  55 
35—39  41 
40-44  1  10 
45-49       1 


Durch- 


Total - 


Gram. 

9187,5 

146813,00 

175747,50 

136250,00 

31349,75 

2656,25 


Gram. 
3062,5 
3191,586 
3195,409 
3323,170 
3134,975 
2656,25 


Alter 

der 

Matter. 

-sä 

Total- 
Gewieht. 

Doreh- 
Schnitts- 
Gewicht. 

Jahre. 

Gram. 

Gram. 

20—24 

8 

26281,25 

3285,156 

25—29 

101 

330156,75 

3268,878 

30—84 

129 

431028,76 

3341,808 

85—39 

78 

266593,76 

3417^368 

40—44 

22 

71328,50 

3242,204 

45—49 

1 

2656,25 

2656,25 

Tabelle  S.    V.  und  weitere  Schwangerschaft 


Knaben. 

Mädchen. 

Alter 
der 

Matter. 

%m 

Toto]- 
Gewicht. 

Durch- 
schnitts- 
Gewioht. 

Alter  1  «  6 
Mutter., 'S  Pm 

In 

Total- 
Gewicht. 

Durch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Jahre. 

Gram. 

Gram. 

Jahre. 

Gram.               Gram^ 

20—24 

1 

3187.5 

3187,5 

20—24 

— 

—                    — 

25—29 

20 

71312,50 

3565,625 

25-29 

21 

73312,25     8491,059 

30—34 

44 

154031,25  1  3500,742 

30—34 

41 

138187,50;    3370,426 

35—39 

50 

173093,75,  3461,875 

35—39      34  1  113406,25  .    8335,477 

40-44 

18 

61943,75  1  3441,319 

40-44 

18  1     60250,00 1    3347,222 

45-49 

2 

5531,25 

2765,125 

45—49 

2 

6500 

3250 

Monatsiehr.  f.  Gebartsk.  1866.  Bd.  XXVI.,  Hft  6. 


23 


354 


XXII.    Becker,  lieber  Oewieht  nad  LSnga  der 


Alter 

der 

Matter. 

1' 

Total- 
Gewicht. 

Dnrch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Jahre. 

ar*m. 

Oram. 

20-24 

1 

3187,5 

3187,5 

26-29 

41 

144624,75 

3527,432 

30—34 

85 

292218,75 

3320,220 

85—39 

84 

286600,00 

3410,714 

40-44 

36 

122193,76 

3394,270 

46-49 

4 

12031,26 

3007,812 

Eine  Betrachtung  der  gewonnenen  "Zahlen  lehrt,  dass  in 
keiner  der  einzelnen  Schwangerschaften  die  Zunahme  des 
Durchschnittsgewichtes  niit  dem  Alter  der  Mutter  zu  einem 
ganz  reinen  Ausdruck  gelangt  ist,  dass  aber  der  Einfluss  des- 
selben durchaus  nicht  verkannt  werden  kann;  es  scheint 
aber,  dass  die  Zahlen,  mit  denen  operirt  worden  ist,  noch 
nicht  die  nöthige  Grösse  besitzen,  und  dessfaalb  ist  eine  sum- 
marische, sämmtliche  Fälle  umfassende  Tabelle  zusammenge- 
stellt worden;  wir  wollen  nur  noch  bemerken,  dass  in  den 
einzelnen  Tabellen  die  Ansicht  Duncan's  vou  einer  regel- 
mässigen Abnahme  des  Gewichts  nach  dem  29.  Jahre,  wie 
leicht  ersichtlich,  eine  Bestätigung  nicht  gefunden  hat,  woge- 
gen offenbar  neben  dem  Alter  ein  Einfluss  der  Anzahl  der 
Schwangerschaften  als  solcher  auf  das  Gewicht  einhergeht, 
worauf  wir  gleich  zurückkommen  werden. 

Die  alle  Schwangerschaften  umfassende  Tabelle  S4i!l  jetzt 
ihre  Stelle  finden: 


TabeUe  6. 

Alter 

der 

Matter. 

Summe  des 
Gewichts 

aller 
Knaben. 

i4 

1^ 

Durch- 
schnitta- 
Gewicht. 

Jahre. 

Gram. 

Gram. 

15-19 

216943,75 

67 

3237,966 

20—24 

2224108,25 

676 

3290,100 

26—29 

2657273,75 

793 

3350,912 

30—34 

1705666,25 

506 

3370,862 

36-39 

706281,25 

207 

3411,986 

40-44 

148859,25 

44 

3383,164 

45-49 

6631,25 

2 

2766,626 

nengehornen  Kinder  im  VTerhfiltaiss  lum  Alter  der  Mutter.  555 


Alter 

der 

Mutter. 

Summe  des 
Gewichts 

aller 
Mädchen. 

Burch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Jahre. 

Gram. 

Gram. 

16—19 

176126,00 

67 

3089,912 

20-24 

2042617,66 

646 

3166,693 

26-29 

2434966,40 

768 

3212,343 

30—34 

1439066,26 

439 

3278,066 

36—39 

661968,76 

208 

3260,929 

40-44 

166068,60 

47 

3299,329 

46—49 

16718,76 

6 

3143,760 

Alter 

der 

Mutter. 

Summe  des  Gewichts 
aller  Kinder  ohne 

Unterschied 
des  Geschlechts. 

IS 

Durch- 
schnitts- 
Gewicht. 

Jahre. 

Gram. 

Gram. 

16—19 

393068,76 

124 

3169,900 

20—24 

4266626,80 

1321 

3229,846 

26-29 

6092060,16 

1661 

3283,081 

30—34 

3144722,60 

946 

3327,748 

36—39 

1368249,76 

410 

3337,194 

40-44 

303927,76 

91 

3339,866 

46—49 

21260,00 

7 

3036,714 

Die  mitgetheilten  Zahlen  bringen  in  dem  dritten  Theile 
der  Tabelle  die  von  Duncan  gefundene  Thatsache  ganz  rein 
zur  Anschauung,  denn  wir  haben  eine  ganz  regelmässige  Stei^ 
gerung  des  Gewichtes  vor  uns,  und  zwar  nicht,  wie  Duncan 
will,  bis  zum  29.  Jahre,  sondern  weit  über  dieses  hinaus  bis 
zum  44.,  also  bis  an  die  Grenze  des  zeugungsfähigen  Alters, 
eine  Erscheioung,  die  auch  noch  mehr  oder  weniger  deutlich 
bei  den  die  Knaben  und  Mädchen  gesondert  behandelnden 
Theilen  der  Tabelle  hervortritt:  bei  den  Knaben  hört  die 
Steigerung  schon  nach  dem  39.  Jahre  auf,  bei  dem  Mädchen 
sogar  schon  nach  dem  34.,  aber  hier  sind  dennoch  die  Kin- 
der von  40 — 44  Jahre  alten  Muttern  die  schwersten. 

Wenn  wir  somit  die  Ansichten  von  Duncan  von  dem 
Einflüsse  des  Alters  der  Mutter  auf  die  Gewichtszunahme  des 
Kindes  mit  der  Einschränkung  bestätigen  können,  dass  wir 
die  von  ihm  angegebene  Grenze  der  Zunahme  nicht  auflSndcn 

23* 


356 


XXn.    Esther,  Uebor  Gewicht  ond  Lftnge  der 


konnten,  sondern  die  Steigerung  bis  zum  Aufhören  der  Zcu- 
gungsföhigkeit  Oberhaupt  wahrnehmen,  so  müssen  whr  nun 
die  Frage  aufweifen,  ob  das  Alter  a)s  der  alleinige  Factor 
der  Steigerung,  angesehen  werden  muss,  welchen  Standpunkt 
Duncan  vertritt ,  oder  ob  die  Anzahl  der  Schwangerschaflen 
als  solche  nicht  auch  in  Rechnung  zu  ziehen  sei,  wie  ich 
das  bis  jetzt  vertheidigt  habe.  Um  diese  zu  beantworten, 
habe  ich  zunächst  eine  Tabelle  ganz  nach  Art  der  Tabelle  I. 
bei  Duncan  anfertigen  lassen,  in  welcher  das  DurchscbniUs- 
gewicht  der  Kinder  nach  der  Zahl  der  Schwangerschaften, 
und  ohne  Rücksicht  auf  das  Alter  registrirt,  dennoch  aber 
zur  Controle  das  Durchschnittsalter  der  betreffenden  Mutter 
hinzugefugt  worden  ist.  Eine  Trennung  in  Knaben  und  Mäd- 
chen hat  auch  hier  stattgefunden. 


TabeUe  7. 


Nummer 
der  Gebart. 

1.              11. 

i 

III.            IV. 

V  etc. 

Summe. 

Gewicht  de« 
KiDdes  in  Gram. 

8182,512 

8315,635 

3342,688  3327,567 

3413,70 

3279,367 

Alter  der  Mntter 
in  Jahren. 

1 

i     24,367 

27,525 

30,019 

32,120 

35,517 

27,603 

Nummer 
der  Gebart. 

I.        1       II. 

lll. 

IV. 

V  ete. 

Summe. 

Gewicht  dea 
Knaben  in  Gram. 

3226,308  3432,989 

3402,940 

3420,990 

3474,814 

3339,718 

Alter  der  Mutter 
in  Jnhren. 

24,407 

27,507 

29,939 

31,939 

34,525 

27,571 

Nummer 

1 

1 

der  Geburt. 

I. 

II. 

UI. 

IV. 

V  etc.  !  Summe. 

Gewicht  des 

1 

MHdchens  in  Gr. 

3136,0261  3242,780 

3276,734|  3217,974 

8376,344  3215,144 

Alter  der  Mutter 

1 

in  Jahren. 

24,258 

27,543 

30,358 

32,333 

36,672      27,661 

Dass  in  diesen  Zahlen  eine  Steigerung  des  Durdischnitts- 
gewichts  nach  der  Zahl  der  Schwangerschaften  ausgedröckt 
ist,  möchte  doch  wohl  keinem  Zweifel  unterworfen  sein,  wenn 
die  Reihe  auch  in  ihrer  Regelmässigkeit  durch  den  Abfall  in 


nengebornen  Kinder  im  V^rhältnifls  sam  Alter  der  Mutter.  357 


der  vierteo  Scbwaogerschaft  unterbrochen  wird.  Ganz  ebenso 
verhält  sich  die  Reibe  in  der  Tabelle  I.  von  Duncan^  und 
ich  begreife  in  der  That  nicht,  wie  er  zu  dem  Ausspruche, 
kon^t;  dass  hier  weder  Zu-  noch  Abnahme  nach  der  Zahl 
der  Schwangerschaften  hervortrete ;  höchstens  könnte  er  doch 
sagen,  dass  di^  regelmässige  Steigerung  nicht  über  die  dritte 
Schwangerschaft  hinaus  vorfallt,  oder  vielmehr  bei  der  vier- 
ten eine  Unterbrechung  erleidet,  die  sich  bei  der  fünften 
wieder  ausgleicht.  Aber  die  ganze  Tabelle  beweist  insofern 
Nichts,  als  das  Durchschnittsalter,  welches  mit  dem  Durch- 
schnittsgewichte correspondirt,  ganz  derselben  Steigerung  sich 
unterworfen  zeigt,  man  also  inmier  wieder,  wenn  man  will, 
das  Hauptgewicht  auf  das  Alter  legen  kann.  Es  muss  viel- 
mehr untersucht  werden,  wie  sich  die  Durchschnittsgewichte 
in  den  verschiedenen  Schwangerschaften  bei  gleichem  Alter 
der  Mütter  verhalten.  Das  Material  zu  einer  solchen  Ver- 
gleichung  ist  vollständig  in  den  ersten  fünf  Tabellen  enthalten, 
und  bedarf  nur  der  Zusammenstellung.  Duncan  hat  eine 
solche  in  seiner  Tabelle  V.  gegeben. 


Tabelle  8. 

Alter  der 

Erste 

Zweite     |     Dritte 

Vierte 

Fünfte 

Matter. 

Sobw. 

_^ 

3177,673 

Scbw. 

Sebw. 

Scbw. 

Scbw. 

16—19 

2987,5 

— 

— 

— 

20-24 

3186,639 

3298,399 

3366,063 

3286,156 

3187,5 

25—29 

3174,201 

3325,284 

3338,596 

3268,878 

3527,432 

30-34 

8186,673 

3342,661 

3340,568 

3341,308 

3320,220 

35—39 

3177,364 

3270,420 

3338,920 

3417,868 

8410,714 

40-44 

3670,312 

3208,333 

3389,661 

3242,204 

3394,270 

46-49 

— 

— 

3281,260 

2666,26 

8007,812 

Meiner  Ansicht  nach  ist  durch  diese  Tabelle  der  schlagende 
Beweis  geführt,  dass  wir  der  Zahl  der  Schwangerschaften  einen 
mindestens  eben  so  grossen  Einfluss  auf  die  Gewichtszunahme  der 
Kinder  zuerkennen  müssen,  als  dem  Aller  der  Mutter.  In  fast 
allen  Altersstufen,  wo  die  Zahl  der  Fälle  noch  eine  statistische  Be- 
trachtung zulässt,  finden  wir  eine  Steigerung  wenigstens  bis 
zur  dritten  Schwangerschaft,  deuUich  ausgesprochen,  ob  der 
in  der  vierten  Schwangerschaft,  wie  früher,  hervortretende 
Abfall  eine  tiefere  Begründung  hat,    oder   ob  er  her  Anwen- 


358 


XXII.   Hecker,  Ueber  Gewicht  and  Länge  der 


düng  grösserer  Zahlen  verschwinden-  würde,  darüber  lässt  sich 
schwer  Etwas  Sicheres  sagen,  doch  soUle  raan  fast  das  Letz- 
tere vermuthen,  da  in  der  fünften  Schwangerschaft  für  meh- 
rere Altersstufen  die  absolut  höchsten  Durchschnittswerthe 
zum  Vorschein  gekommen  sind.  DieseV  letztere  Umstand,  der 
besonders  für  dies  Alter  36 — 39  und  40—44  frappant  ist, 
kann  wiederum  nicht  dazu  dienen,  der  Ansicht  von  Duncan  yon 
der  Gewichtsabnahme  nach  dem  29.  Jahre  das  Wort  zu  reden: 
^ir  müssen  vielmehr  sagen,  dass,  wo  sich  eine  bedeutende 
Anzahl  Schwangerschaften  mit  relativ  hohem  Alter  combinirt, 
durchschnittlich  sehr  schwere  Kinder  geboren  werden,  und 
hegen  die  Vermuthung,  dass  sich  dies  Verhältniss  bei  grös- 
seren Zahlen  noch  deuthcher  aussprechen  würde. 

Für  die  Länge  des  Kindes  gelten  dieselben  Verhältnisse, 
die  wir  eben  für  das  Gewicht  kennen  gelernt  haben ;  wir  kön- 
nen uns  deshalb  wohl  ohne  weitere  Erläuterung  auf  die  ein- 
fache Mittheilung  der  Tabellen  beschränken. 


TabeUe  9. 


L  Schwangrerschaft 


Knaben.                          { 

Mädchen. 

Alter 

der 

Matter. 

0esammt- 
Länge. 

Durch- 
schnitts- 
Länge. 

Alter 

der 

Matter. 

'S» 

Gesammt- 
Länge. 

Dnrcb- 

schnitts- 

Länge. 

Jahre. 

15-19 

20—24 

26-29 

30—34 

35-39 

40—44 

65 
428 
237 

79 

■5 

Oentlmtr. 

8286,5 

21741,5 

12038,0 

4011,0 

921,0 

103 

Oentimtr. 
60,561 
50,797 
50,793 
50,772 
51,166 
51,5 

Jahre. 
15-- 19 
20-24 
25-29 
30-34 
35-39 
40-44 

64 

411 

238 

57 

19 

2 

Centimtr. 

2700,5 

20550,0 

12040,5 

2885,6 

966,0 

101,0 

Centimtr. 
60,009 
60,001 
60,690 
60,622 
50,842 
50,5 

TabeUe  10. 

15—19 

2  1        103 

eo— 24 

208       10649 

25—29 

328      16789,5 

30-34 

160        8188,0 

«5-89 

60  i      2566,6 

40—44 

6  1        308 

n.  Schwangerschaft. 

48 

50,554 

50,553 

60,405 

60,833 

60,341 


51,5 

15—19 

3 

144 

51,199 

20-24 

202 

10212,0 

51,180 

25—29     329 

16632,0 

51,176 

30—34,  150 

7567,5 

51,330 

36-39       51 

2592,5 

51,333 

40—44 

6 

302,5 

neagAbornen  Kinder  im  Verbftltoiss  siim  Alter  der  Mntter.  359 


Tabelle  11. 


nL  Schwangerschaft. 


Knaben. 

Mädeben. 

Alter 

der 

Mntter. 

ig 

Oeaammt- 
Länge. 

Durch- 

achnitts- 

Länge. 

Alter 

der 

Matter. 

Gesammt- 
LHoge. 

Dnrch- 

echnitts- 

Länge. 

Jahre. 
20-24 
26—29 
30—34 
36—39 
40—44 
46-49 

34 
163 

149 

62 

6 

Centimtr. 
1756,6 
7748,0 
7622,6 
2679,0 
308,0 

Centimtr. 
61,632 
60,640 
51,167 
61,619 
51,333 

Jahre. 
20—24 
26-29 
30-34 
36-39 
40—44 
46-49 

29 

124 

136 

68 

11 

2 

Centimtr. 
1466,6 
6234,0 
6892,6 
2926,0 
663,0 
100 

Centimtr. 
60,568 
60,274 
60,680 
60,448 
61,181 
60,000 

20—24 
26—29 
30—34 
36—39 
40-44 
46—49 


66  ! 
74 
37 
12 


Tabelle  12. 

266 
2806 
3810 
1919 

629 


IV.  Schwangerschaft. 


61,2 

61,018 

61,486 

51,864 

62,416 


20-24 
26—29 
30-84 
36—39 
40—44 
46—49 


3 
46 
66 
41 
10 

1 


149 
2324,6 
2691,0 
2106 

497 
60 


49,666 

60,632 

48,927 

61,366 

49,7 

60 


Tabelle  B. 


V.  und  weitere  Schwangerschaft. 


20-24 

1 

25—29 

20 

30—34 

44 

35-39 

60 

40-44 

18 

46-49 

2 

60 
1033 


2667 
928 
100 


60,0 

61,66 

61,465 

61,34 

51,666 

50 


20—24 
26—29 
30-34 
35—39 
40-44 
45—49 


21 

41 
34 
18 


1046 

48,857 

2068,6 

60,461 

1731 

60,882 

922 

54,222 

103 

61,5 

I.  Schwangerschaft. 


n.  Schwangerschaft. 


Alter 

der 

Matter. 

•SA 

Samine 

der 
Lüngen- 

Darob- 
.  schnitts- 
Länge  des 

M 

werthe. 

Kindes. 

Jahre. 

Centimtr. 

Centimtr. 

15—19 

119 

6987,0 

60,310 

20—24 

839 

42292,0 

60,407 

26-29 

476 

24078,6 

60,691 

30—34 

136 

6896,6 

60,706 

35—39 

37 

1887,0 

51,010 

40—44 

4 

204,0 

61,000 

Alter   ' 
der 
Matter. 

Jahre. 
16—19 
20—24 
26—29 
30--34 
36—39 
40-44 


3  -.* 


6 
410 
657 
310 
101 
12 


Summe 

Darcb- 

der 

schuitts- 

Längeo- 

Längedes 

wertbe. 

Kindes. 

Centimtr. 

Centimtr. 

247 

49,4 

20861,5 

60,881 

33421,6 

60,869 

16755,6 

60,824 

6169,0 

61,079 

610,6 

60,875 

360 


XXII.    Henker ^  Ueber  Gewicht  und  L&nge  der 


m.  Schwangerschaft.         IV.  Schwangrerschaft 


Alter 

der 

Mutter. 

Summe 

der 
Längen- 
werthe. 

Durch- 
schnitta- 
LUngedea 

Kindea. 

Jahre. 

Centtratr. 

Centimtr. 

20-24 

63 

3222,0 

51,142 

25—29 

277 

13982,0 

50,476 

30—34 

285 

14515,0 

50,929. 

3&— 39 

110 

5605,0 

50,954 

40—44 

17 

871 

51,235 

45—49 

2 

100 

50,0 

Alter 
der 


'  (Q 


Samme 

der 
Ungen- 
werthe. 


Dnrch- 

echnitto- 

Lan^e  des 

Kiodea. 


Jahre. 

Centfmir. 

Centimtr. 

20—24 

8 

405 

50,625 

25—29 

101 

5130,6 

60,797 

30-34 

129 

6501,0 

50,395 

35—39 

78 

4025 

51,602 

40-44 

22 

1126 

61,181 

46—49 

1 

50 

60,0 

V.  und  weitere  Schwangerschaft. 


Alter 

der 

Mutter. 

Summe 

der 
Lungen- 
werthe. 

Durch- 

achnitta- 

Länge  dea 

Kindea. 

Jahre. 

Centimtr. 

Centimtr. 

20—24 

1 

50 

50,0 

25—29 

41 

2079 

50,707 

30—34 

85 

4333 

50,976 

35— S9 

84 

4298 

51,166 

40—44 

86 

1850 

51,388 

45—49 

4 

203 

50,75 

Tabelle  14. 


Alter 

der 

Mutter. 


Summe  der  \  ^    . 

Lungen-     ,  "^  ^ 
werthe  aller   S  g 

Knaben.      elS 


Jahre. 

15—19 

20—24 

«5—29 

80—34 

35—39  1 

40-44 

45—49 


Durch- 
achnitta- 
LSlnge. 


Centimtr. 

3389,5 
84452,0 
40414,5 
25896,0 
10652,5 

2276 
100 


67 
676 
793 
506 
207 

44 
1 


Centimtr. 
50,589 
50,964 
50,964 
51,177 
51,458 
51,727 
60,0 


nengebornen  Kinder  im  Verhältniss  suoi  Alter  der  Matter.  361 


Alter 

der 

Mutter. 


Jahre. 

15—19 

20-24 

25-29 

30—34 

35—39 

40—44 

45—49 


Summe  der 
Längen- 

werthe  aller 
Mädchen. 


Centimtr. 

2844,5 
32377,5 
38277,0 
22105,0 
10321,5 

2385,5 
253,0 


•  «•  !  Durch- 
^^  I  schnitts- 
E^        Länge. 


57 

645 
758 
439 
203 
47 
5 


Centimtr. 
49,894 
50,197 
60,497 
50,353 
50,844 
50,755 
50,6 


Alter 

der 

Mutter. 

Summe  der 
Längen- 

werthe  aller 
Kinder. 

Durch- 

schnitts- 

Länge. 

Jahre. 

Centimtr. 

Centimtr. 

15—19 

6234,0 

124 

50,274 

20-24 

66830,5 

1321 

50,598 

25—29 

78690,5 

1551 

50,735 

30-34 

48001,0 

945 

50,793 

35—39 

20974,0 

410 

51,156 

40—44 

4661,6 

91 

51,225 

45—49 

353,0 

7 

50,428 

Aus  der  Tabelle  14  ersehen  wir,  wie  in  ihrem  dritten 
Theile  die  Steigerung  der  Länge  bis  zum  44  Jahre  eine 
vollkommen  gleichmässige  ist,  während  bei  der  Trennung  in 
Knaben  und  Mädchen,  wenigstens  bei  letzteren,  nicht  unbe- 
deutende Schwankungen  vorkommen. 

Tabelle  15  und  16  entsprechen  der  Tabelle  7  und  8, 
und  geben  das  Verhältniss  der .  Länge  des  Kindes  zur  Zahl 
der  Schwangerschaften. 

Tabelle  15. 


Nummer 
der  Geburt. 

Länge  des  l^indes 
in  Centimetrea. 

Alter  der  Mutter 
in  Jahren. 

I. 

50,524 
24,357 

II. 

50,872 
27,525 

IIL 

1 
50,789 

30,019 

IV. 

50,848 
82,120 

V  etc. 
61,047 
35,517 

Summe 
50,740 
27,603 

362 


ZZII.   Hatktr,  lieber  Gewieht  nnd  L&nge  ete. 


% 

i 

Nommer 
der  Qebart. 

I. 

II. 

III. 

iv; 

V  etc. 

SomiM. 

Lfinge  des  Knaben 
in  Centimetres. 

50,786 

51,199 

51,048 

-61,475 

51,417 

51,059 

Alter  der  Mntter 
in  Jahren. 

24,407 

27,507 

29,989 

31,989 

84,525 

27,671 

Nummer 
der  Gebart. 

Lunge  des  Mäd- 
chens in  Centim. 

Alter  der  Matter 
in  Jahren. 


I. 

50,248 
24,258 


IL 

IIL 

IV. 

50,540 

50,506 

50,112 

27,543 

30,358 

32,333 

V  ete.  •  Samne. 
50,608  50,401 
36,672  1    27,661 


TabeUe  K. 


Alter  der 

Erste 

Zweite 

Dritte  \ 

Vierte 

Fnnfke 

Matter. 

Schw. 

Schw. 

Schw. 

Schw. 

etc.  Schw. 

15—19 

60,310 

49,4 

— 

— 

— 

20—24 

60,407 

60,881 

61,142 

60,625 

50,0 

26—29 

60,691 

60,869 

60,476    ' 

60,797 

60,707 

30-34 

60,706 

50,824 

50,929 

60,395 

60,976 

36—39 

51,000 

61,079 

60,964 

61,602 

51,166 

40-44 

61,000 

60,876 

61,235 

61,181 

&1,388 

46—49 

— 

— 

60.0 

60,0 

60,76 

Wir  wollen  gern  zugeben ,  dass  in  der  Tabelle  .  15  und 
16  die  Schwankungen  etwas  grösser  sind,  als  in  der  Tabelle 
7  und  8,  aber  sie  erscheinen  nicht  so  bedeutend,  dass  man 
den  Einiluss  der  Zahl  der  Schwangerscliaflen  auf  die  Längen- 
zunahnie  läugnen  durfte.  In  sämmtlichen  Tabellen  9  — 16 
aber  ist  kein  Verhältniss  zu  Tage  getreten,  was  als  Bestäti- 
gung  der  von  Duncan  angenommenen  Grenze  der  Langen- 
zunähme  mit  dem  29.  Jahre  angesetzt  werden  könnte. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  unsere  Ansicht  in  folgenden 
Sätzen  resumiren: 

1)  Die  Anschauung  von  Maihews  Dufican,  dass  die 
Gewichts-  und  Längenzunahme  des  Kindes  in  directer  Ab- 
hängigkeil sei  von  dem  Aller  der  Mutier,  hat  sich  als  voll- 
kommen richtig  herausgestellt: 


XXni.     ffüfmatm.  Gerichtliche  Gutachten  etc.  363 

2)  Es  hat  sich  dagegen  nicht  bestätigt,  dass  eine  be- 
stimmte Grenze  der  Gewichts-  und  LSngenzunabme  innerhalb 
des  zeugungsfähigen  Alters  des  Weibes  existire;  Tielmehr 
lässt  sich  die  Zunahme  bi&  zum  Aufhören  der  Fruchtbarkeit 
Oberhaupt  verfolgen. 

3)  Das  Alter  ist  nicht,  wie  Dunean  will,  der  einzige 
Factor  der  Zunahme ,  sondern  man  muss  daneben  einen  Ein- 
fluss  auf  dieselbe  von  Seite  der  Zahl  der  Schwangerschaften 
als  solcher  anerkennen. 


xxm. 

Gerichtliche  Outachten  ttber  fleischliche  Vergehen. 

Von 

Prof.  Dr.  Hofknann  in  München. 

(Fortsetzung  and  Schlnss.) 


Anklage  wegen   Nothzucht.     Verhandelt   vor  dem 
k.  Bezirksgerichte  München  links  der  Isar. 

Historisches. 

Ä.  ist  ein  kräftiger,  geschlechtsbefähigter,  in  sittlicher 
Beziehung  nicht  zum  Besten  beleumundeter  Mann  von  32  Jah- 
ren. Er  ist  beschuldigt,  am  12,  April  1860  sein  ganz  gut 
beleumundetes  Dienstmädchen  genothzöchtigt  zu  haben,  nach 
dessen  Aussagen  sich  die  Geschichte  so  verhalten  haben  soll? 

Das  Dienstmädchen  Z,  teg  bereits  im  Bette  und  schlief 
halb  und  halb;  neben  ihr  das  dreijährige  Söhnchen  des  A. 
Sie  hörte  den  Ä.  nicht  ins  Zimmer  treten,  und  erwachte 
erst  durch  ein  schmerzliches  Gefühl.  Erwachend  fand  sie 
den  Ä,  auf  sich  liegen,  und  versuchte  er  ihr  beizuhalten. 
Sie  jammerte  und  versuchte  mit  ihrem  Oberkörper  den  A. 
wegzuschieben  und  sich  seiner  zu  erwehren ;  allein  es  gelang 
nicht.  A.  drängte  seinen  Penis  vollständig  in  ihre  Geschlecht»- 
theile  und  vollzog  den  Beischlaf,   lieber  eine  geschehene  oder 


364  XXIIl.     Hcifnwn,  Gerichtliche  Gutachten 

Dichtg«8chehene  Emissio  seminis  kann  die  Z.  keioen  Auf^ 
schluss  geben,  denn  auf  Befragen  zeigt  sich,  da^s  sie  Doch 
ganz  unbewandert  in  solchen  Sachen  ist  und  nicht  weiss, 
dass  bei  vollständiger  Begattung  eine  Samenergiessung  erfolge* 

Anders  erzählt  Ä.  die  Sache:  Am  5.  April  oder  6.  April 
1860  habe  er  das  Dienstmadehen  im  Zimmer  bei  den  Kin- 
dern getroffen.  Sie  lag  bereits  im  Bette,  war  ganz  entblösst 
und  liess  sich,  ohne  sich  im  Geringsten  dagegen  au&uhalteii, 
ihre. Brüste  und  Schamtheile  berühren.  Am  12.  April  1860 
unter  Tags  griff  A,  der  Z.,  während  sie  gerade  auf  eioem 
niedrigen  Schemmel  sass,  unter  die  Röcke.  Sie  hatte  gerade 
eine  ungeschickte  Stellung,  dass  A.  nicht  beikommen  konnte, 
wohin  er  wollte;  die  Z,  rutschte  daher  mit  ihrem  Hinteren 
freiwillig  bis  an  den  Schemmelrand,  so  dass  nun  A»  sie  voll- 
ständig ausgreifen  konnte.  Abends  legte  sie  sich  im  Beisein 
des  A.  mit  dem  Unterrock  ins  Bett  und  liess  sich  wieder 
von  A.  gutwillig  ausgreifen.  Nun  macht«?  A.  Anstalten  zum 
Vollzug  des  Beischlafes,  liess  aber,  da  die  Z.  über  Schmer- 
zen klagte,  und  weil  ihm  das  noch  so  junge  jungfrauliebe 
Geschöpf  dauerte,  davon  ab,  brachte  seinen  Penis  nicht  ein- 
mal in  die  Vagina  und  hatte  auch  keine  Emissio  seminis. 

Auf  dieser  seiner  Aussage  bleibt  A,  stehen ;  die  Z.  bleibt 
eben  so  fest  auf  der  ihrigen;  und  Jedes  bezeichnet  die  An- 
gaben des  Andern  als  Lügen. 

Am  13.  April  1860  zog  die  Z.  eine  Hebamme  zu  Rathe; 
diese  fand  die  Geschlechtstheile  geschwollen,  -ungewöhnlich 
schleimabsonderud ,  sehr  empfindlich,  den  Hymen  zerrissen. 
Ob  die  vorgefundene  Hymenalzerreissung  frisch  oder  veraltet 
gewesen,  darüber  kann  die  Hebamme  keinen  Aufscbluss  geben. 

Die  am  2.  Mai  1860  von  mir  vorgenommene  Visitation 
der  Z.  ergab  Folgendes: 

Die  Z.  ist  eine  kleine  schwächliche  Person,  an  Körper- 
grösse  hinter  den  Jahren  zurück,  und  macht,  den  Eindruck 
eines  eben  aus  den  Kinderschuhen  in  die  Pubescenz  tretenden 
Mädchens.  Die  Brüste  sind  ziemlich  entwickelt  und  zeigen 
die  pubesdrenden  Mädchen  noch  eigenthümlichen  Erscheinon- 
gen.  Am  Genitalapparate  ist  nichts  Pathologisches  wahr> 
nehmbar;  der  Hymen  zeigte  eine  nicht  mehr  frische  Loogs- 
spaltung.     Der  ganze   übrige  Genitalapparat  machte  in  jeder 


über  fleischliche  Vergehen.  365 

Beziehung  den  Eindruck  der  Jungfräulichkeit,  die  Behaarung 
ist  mittelmässig ,  die  Schamspalte  schliesst  voUständig,  die 
kleinen  Lahien  sind  ganz  von  den  grossen  bedeckt;  der  In- 
troitus  vaginae  ganz  eng,  so  dass  schon  der  Versuch  der. 
Einführung  meines  kleinen  Pingers,  nachdem  ich  denselben 
bis  über  das  NagelgHed  eingebracht  hatte,  Schmerzen  erregte, 
daher  ich  von  einer  in  concreto  auch  ganz  bedeutungslosen 
Erforschung  der  inneren  Geschlecbtstheile  abstand. 

Im  Hemde  der  Z.,  das  sie  zur  kritischen  Zeit  auliatte 
und  noch  ungewaschen  zu  Gerichtshanden  kam,  konnten 
mikroskopisch  zwar  Körperchen  gefunden  werden,  die  den 
Verdacht  von  Spermatozoen  erregten;  mit  Gewtssheit  öder 
auch  nur  Wahrscheinlichkeit  konnte  übrigens  die  Eigenschaft 
dieser  Körperchen  Spermatozoen  zu  sein,  nicht  nachgewiesen 
werden. 

Gutachten. 
1. 
Gegen  die  Aussage  der  Z.,  noch  vor  dem  12.  April 
1860  Jungfrau  gewesen  zu  sein,  steht  ärztlicherseits  nichts 
Unglaubwürdiges.  Die  Veränderungen,  die  der  weibliche  Ge- 
nitalapparat  durch  eine  oder  mehrmalige  Begattung  erleidet, 
sind  nicht  so  prägnant,  dass  es« möglich  wäre,  zu  entschei- 
den, ob  eine  Person  erst  ein  oder  bereits  mehrere  Male  sidi 
begattet  habe.  Die  Möglichkeit,  dass  die  Z.  sich  öfter,  und 
zwar  mit  demselben  Manne  oder  mit  verschiedenen  Männern, 
begattet  haben  könne,  wird  daher  objectiv  eingeräumt,  und 
nur  so  viel  behauptet,  dass  sich  die  Z.  noch  nicht  oft  in 
ihrem  Leben  begattet  habe.  Ebenso  möglich  ist  objectiv 
auch  nur  ein  einmaliger  Begattungsakt,  und  dessbalb  steht 
auch  objectiv  der  Glaubwürdigkeit  der  dahin  gehenden  Aus- 
sage der  Z.  nichts  im  Wege. 


Ob  die  Aussage  der  Z.  wahr  ist  oder  nicht,  dass,  wäh- 
rend sie  im  Schlafe  gelegen,  A.  zu  ihr  ins  Bette  gestiegen, 
und  sie  erst  erwacht  sei,  als  er  aul  ihr  gelegen  —  zur  Er- 
mittelung der  Wahrheit  oder  Unwahrheit  dieser  Aussage  man- 
geln  objectiv  alle   Anhaltspunkte.     Die   Beantwortung   dieser 


366  XXin.     Eofmann,  Gerichtliche  QaUchten 

Frage  stellt  sich  daher  auf  den  Standpunkt  der  tnoraliscben 
Ueberzeugung  oder  Nichtüberzeugung,  den  ich  als  Michtricbler 
nicht  betreten  darf.    Ohne  jegliche  Rücksicht  auf  die   Wstr- 
heit  oder  Unwahrheit  der  concreten   Aussage   kann   ich  na 
ganz  im  Allgemeinen  mittheilen,  dass  es  möglich   ist,    das$ 
ein  Mann  bei  tiefem  Schlafe  des  Weibes  —  und  der  Schlaf 
vor   Mitlernacht   ist   bekanntlich   der  beste  —  in  das  Belle 
eines  Weibes  gelangen  kann,  ohne  dass  dieses  früher  erwa- 
chen würde,  als  bis  der  Mann  obenauf  liegt. 


Die  Z.  will  sich  des  auf  ihr  liegenden  A.  nicht  mehr 
erwehren  können.  Bei  dem  gegenseitigen  Kräfteverhältniss 
der  beiden  Personen  kann  im  Zusammenhalte  mit  der  Ver- 
bluffung  —  dem  Betrolfensein  —  welche  wohl  jedes  noch  so 
jugendliche  physisch  und  moralisch  jungfräuliche  Mädchen 
über  eine  solch  unsittliche  Handlung  des  Mannes  befallen 
wird,  gegen  die  Glaubwürdigkeit  dieser  Aussage  eine  erheb* 
liehe  Einwendung  ärztlicherseits  nicht  erhoben  werden. 


A.  will  seinen  Penis  nicht  in  die  Scheide  gebracht  ha- 
ben. Absolut  möglich  ist,  dass  er  den  Hymen  mit  seinem 
Finger  zerrissen  haben  könne.  Gerichtsärzüich  betracblel, 
scheint  es  gleichgiltig,  ob  A,  mit  seinem  Finger  oder  seinem 
Penis  zerriss,  da  gerlchtsärztlichersejts  Nothzucht  feststeht, 
sobald  die  aussereheliche  Unzucht  seitens  des  Mannes  eine 
physisch  erzwpgene  ist.  Da  übrigens  A.  behauptet,  ?on 
weiterer  Verfolgung  abgestanden  zu  sein,  als  er  Kennlniss 
von  der  Nochjungfräulichkeit  der  Z,  bekommen,  so  wird  es 
ärztlich  sehr  wahrscheinlich,  dass  erst  die  Hindernisse,  die 
sein  Penis  fand,  ihm  diese  Kenntniss  verschafft  haben  mögen, 
und  dann  beweist  die  Längenspalte  des  Hymen,  dass  sein 
Penis  mit  dem  grösseren  Theil  der  Eichel  die  Hymenalöffnurig 
durchschritten,  passirt  haben  müsse.  War  dies  aber  der  Fall, 
so  war  selbstverständlich  eine  Vereinigung  der  Geschlechts- 
theile  geschehen. 


über  fleiflchliche  Vergeben.  367 

5. 
Emissio  semims  will  A.  nicht  gehabt  haben.  Ob  diese 
Aussage  wahr  ist  oder  nicht  —  daräber  kann  sich  die  ärzt- 
liche Wissenschaft  nicht  äussern.  Ich  will  nur  darauf  auf- 
merksam machen,  dass  aus  der  Unmöglichkeit  der  Consta- 
tirung  von  Spermatozoen  im  Hemde  der  Z,  kein  st  rin- 
ge nt  er  Rückschluss  auf  die  Wahrheit  der  Aussage  des  A. 
gezogen  werden  dürfe.  Die  Constatirung  der  Samenfiecken- 
eigenschaft  auf  Leinewand  drei  Wochen  nachher  gehört  zu 
den  schwierigst  löslichen  Aufgaben  der  Wissenschaft  und  der 
Möglichkeit,  dass  in  concreto  Emissio  seminis  geschehen,  muss- 
Raum  gelassen  werden,  auch  wenn  das  Mikroscop  keine  Sper- 
matozoon in  dem  kritischen  Hemde  nachwies. 

6. 
Wie  A.  die  Z.  darstellt,  wäre  dieselbe,  wenn  auch  am 
12^.  April  1860  noch  im  Besitze  physischer  Jungfräulichkeit 
dennoch  bereits  ein  sittlich  verkommenes  Mädchen  gewesen. 
Ob  sie  dies  war  und  ist,  darüber  steht  mir  kein  Urlheil  zu, 
weil  ich  weder  das  Eine  noch  das  Andere  mit  thatsächlichen 
Beweisen  belegen  könnte.  Aber  das  darf  ich  dem  hoben  Ge- 
richtshofe mittheilen,  dass  die  ganze  Hallung  der  Z.  vor, 
während  und  nach  der  von  mir  vorgenommenen  Ocularinspec- 
tion  auf  mich  keineswegs  den  Eindruck  einer  entsittlichten 
Person,  sondern  vielmehr  den  eines  um  den  Verlust  seiner 
physischen  Geschlechtsehre  bekümmerten  Mädchens  gemacht 
hat.  Muss  ich  für  meine  Person  aber  aus  der  Haltung 
der  Z.  mir  unter  vier  Augen  gegenüber  sie  für  ein 
züchtiges  Mädchen  halten,  so  widerspricht  psychologisch  und 
erfahrungsgemäss  einem  so  qualificirten  Mädchen  ein  der- 
artiges Gebahren,  wie  A,  der  Z.  insinuirL 
Mein  Gutachten  geht  dahin: 

es  steht  ärztlicher  und  psych'ologischer- 
seits  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass 
der  Hergang  der  Dinge  so  gewesen,  wie 
ihn  die  Z.  beschreibt. 


A,  wurde  von   der  gegen  ihn  erhobenen  Anklage  frei- 
gesprochen.    Der  Grund  lag  wohl  nur  in  der  Differenz,    die 


368  XXnr.     Ho/mann,  Gericbtliobe  GnUchten 

die  Haltung  der  Z.  in  der  Voruntersuchung  und  bei  der 
öffentlichen  Veriiandlung  zeigte.  In  der  Voruntersuchung  stand 
sie  dem  köuigl.  Herrn  Untersuchungsrichter  und  mir  allein 
gegenüber,  blos  von  ihrer  älteren  verheiratheten  Schwest»* 
begleitet,  die  ihr  zuredete,  ohne  Scheu  Alles  zu  erzählen, 
wie  es  sich  zugeti*agen.  In  der  öffentlichen  Verhandlung  stand 
das  sechzehnjährige  Mädchen  allein,'  hatte  vor  sich  den  Ge- 
richtshof mit  seinem  Zugehör,  hinter  sich  ein,  trotz  be- 
schränkter Oeffentlichkeit  zahlreiches  Publikum«  und  vor  so 
vielen  männlichen  Ohren  sollte  es  nun  Dinge  erzählen,  zu 
deren  unter  solcher  Umgebung  unbefangenen  Mittheilung  notb- 
wendig  Entsittlichung  vorausgesetzt  werden  müsste.  Es  half 
daher  nichts,  dass  sich  der  Herr  Vorsitzende  des  Gerichts- 
hofes alle  Mühe  gab,  des  Mädcliens  Haltung  war  und  blieb 
zurückhaltend.  Der  Z.  gegenüber  trat  der  Angeklagte  mit 
au  jener  Ungenirtheit  und  Sicherheit  auf,  die  er  nach  Erfah- 
nmg,  Alter  und  Geschlecht  vor  der  Z.  voraus  hatte.  So 
musste  es  nothwendigerweise  zu  einer  Freisprechung  kommen. 


Anklage     wegen     Diebstahls.       Verhaudell     beim 
k.  Bezirksgerichte  München  links  der  Isar. 

Historisches. 

Am  21.  Jänner  1857  erschien  vor  der  Behörde  der  junge 
ledige  Maler  A.  mit  der  Anzeige ,  es  sei  ihm  ein  Siegelring 
im  Werthe  von  16  Fl.  bis  18  Fl.  aus  seinem  Zimmer,  wo 
er  auf  der  Commbde  gelegen ,  gestohlen  worden.  Verdacht 
warf  er  auf  ein  junges  Mädchen  B, ,  das  vor  vier  Tagen,  am 
17.  Jänner  1857,  zu  ihm  gekommen  und  sich  ilun  als  Mo- 
dell angeboten  habe.  Er  habe  sie  aber  nicht  dazu  verwertben 
können,  weil  sie  zu  mager  gewesen.  Dieses  Mädchen  müsse 
seinen  Siegelring  gestohlen  haben. 

Die  deshalb  gefänglich  eingezogene  A.  läugnete  den  Dieb- 
stahl nicht  im  Mindesten.  Sie  sei  zu  A.  gekommen,  um  ihm 
ihren  Arm  als  Modell  zum  Abzeichnen  anzubieten,  als  er  sie 
zu  Boden  geworfen,  sich  auf  sie  gelegt  und  sein  Glied  in 
ihre  Geschlechtstheile  zu  bringen  versucht  habe,  was  aber 
bei  ihrer  Unruhe  und  ihrem  Widersträuben  dem  A,  nicht  ge- 
lungen sei.    Doch  sei  der  Samenerguss  ihr  auf  den  Leib  ge- 


über  fleisehliche  Vergehen.  3^9 

scb<^hen.  Dn^sen  habe  A,  mit  einem  Papiere  abgewischt  und 
das  beschmuzte  Papier  in  die  Hand  gedrnckt.  Erbost  über 
diesen  ^  Hohn  habe  sie  sich  über  den  Angriff  auf  ihre  Ge* 
schlecbtsehre  schadlos  halten  wollen,  und  habe  den  auf  der 
Commode  liegenden  Siegelring  als  Entschädigung  mitge- 
nommen. 

Dieser  Angabe  widerspricht  A,  Er  habe  gleich  gemerkt, 
dass  die  B.  des  Bürens  wegen  gekommen  sei.  Nicht  er 
habe  einen  Angriff  auf  die  Geschlechlsehre  gemacht,  sondern 
umgekehrt  habe  sie  B. ,  während  er  ihre  Arme  und  Brust 
untersuchte,  ihm,  der  zufallig  in  Schlafrock  und  Unterhose 
gewesen,  in  die  Unterhose  und  an  seinen  Penis  gelangt,  und 
diesen  an  der  Eichel  gedrückt,  so  dass  Emissio  seminis  er- 
folgt sei.  Allerdings  habe  er  mit  einem  Papier  den  Samen 
von  seiner  Unterhose,  nicht  aber  vom  Leibe  der  B,.  abge- 
wischt und  das  Papier  zum  Fenster  hinausgeworfen,  nicht 
aber  der  B,  in  die  Hand  gegeben. 

Die  B,  bezeichnet  diese  Angabe  des  A,  als  freche  Lö- 
gen und  er.bietet  sich,  zum  Beweisantritt  ihrer  Jungfräulich- 
keit. So  kam  die  Sache  vor  das  ärztliche  Forum  und  war 
ich  veranlasst,  mich  über  die  Glaubwördigkeit  und  Unglaub- 
wurdigkeit  der  beiderseitigen  Angaben  und  über  den  straf- 
rechtlich indicirten  Nothzuch tsversuch  auszuprechen. 

Die  am  30.  Jänner  1857  von  mir  vorgenommene  kör- 
perliche Untersuchung  der  B,  ergab  Folgendes: 

Die  Brüste  sind  massig,  aber  keineswegs  mager;  ganz 
normal,  von  schöner  jugendlicher  halbkugliger  Beschaffenheit; 
die  Warzen  klein,  ins  Hellbrä unliebe  spielend.  Die  Gescblechts- 
Iheile  zeigen  jene  Beschaffenheit,  die  dem  noch  sehr  jugend- 
lichen Alter  von  16  Jahren  und  der  noch  nicht  ganz  vollen- 
deten Pubertätsentwickelung  entspricht.  Spuren  von  Ver- 
letzungen an  den  Schamlippen  und  dem  Mittelfleische,  her- 
rührend von  einem  behaupteten  Nothzuchtsversuch,  sind  nicht 
wahrnehmbar.  Der  Scheideneingang  vom  Hymen  verschlos- 
sen; der  Rand  der  Hymenalöffnung  gewulstet,  mehrfach  ober- 
flächlich eingekerbt,  so  dass  der  ganze  Hymen  eine  lappige 
Beschaffenheit  zeigt.  Die  Hymenalöffnung  äusserst  enge,  sodass 
nicht  einmal  die  Spitze  des  kleinen  Fingers  eindringen  kann. 

MonatMchr.  f.  aoburtHk.  18Ö5.  Bd.  XXVT.,  Hft.  5.  24 


370  XXIII.    Hofmann^  Geriehtliche  Oatachten 

Gutachten. 
Der  an  der  B.   wahrgenommene  Befund  lässt  folgende 
ärztliche  und  psychologische  Rilckschlässe  zu: 

1)  Es  ist  vollständig  gewiss,  dass  dieses  Mädchen  noch 
nie  einen  Begattungsakt  der  Ai*t  gepflogen  hat,  dass  der  nor- 
mal gebildete  Penis  eines  Mannes  ganz  oder  auch  nur  über 
die  Eichel  hinaus  in  die  Vagina  gekommen  wäre.  Eine  solche 
Annahme  lässt  die  sehr  belrächUiche  Enge  der  Hymenalöflhung 
nicht  zu,  und  wenn  die  A.  behauptet,  noch  nie  mit  einem 
Manne  zu  thun  gehabt  zu  haben,  so  steht  ihrer  Behauptung 
der  ärztliche  Befund  insofern  zur  Seite,  wenn  darunter  ein 
Begattungsakt  in  gewöhnlicher  Uebung  und  gewöhnlichem  Sinne 
verstanden  wird. 

2)  Es  steht  dahin,  ob  die  Wulstung  und  Einkerbung 
des  Hymenalrandes  und  die  desshalb  hervortretende  lappige 
Bildung  des  Jungfernhäutchens  Naturbildung,  oder  ob,  was 
wahrscheinlicher,  entweder  ein  absichtliches  Dilatatorium  be- 
reits auf  den  Scheideneingang  gewirkt  habe,  oder  ob  durcli 
Waschen  und  Reinigen  diese  jetzige  Beschaffenheit  des  Hymen 
hervorgerufen  worden.  Alle  drei  MögUchkeiten  sind  vom  ärzt- 
lichen Standpunkte  aus  zulässig;  denn  die  anatomische  Bil- 
dung des  Hymen  ist  ursprünglich  von  Natur  aus  eine  sehr 
variable  und  ebenso  vielgestaltig  sind  die  Nüancirungen  der 
Veränderungen  des  Hymen,  wenn  ein  unabsichtlich  wirkendes 
Dilatatorium,  ein  Waschen,  Reinigen,  oder  ein  absicbtiicfaes 
Dilatatorium,  wie  Penis  oder  Finger,  seinen  Einfluss  geäussert 
hat.  Der  objective  Befund  widei*$pricht  daher  der  Angabe  der 
B.,  mit  einem  Hanne  noch  nie  Umgang  gepflogen  zu  haben, 
nicht,  sondern  bewahrheitet  sie  sogar,  wenn  man  den  Begriff 
des  Geschlechtsumganges  auf  gewöhnliche  und  naturgemässe 
Befriedigung  des  Geschlechtstriebes  fasst. 

3)  Verletzungsspuren  in  der  nächsten  Nähe  der  Ge- 
schlechtstlieile  finden  sich  nicht  vor.  Es  darf  desshalb  juri- 
stischerseits  nicht  der  Rückschluss  gemacht  werden,  dass 
kein  Nothzuchtsversuch  stattgefunden  habe,  denn  innerhalb 
jener  vierzehn  Tage,  die  zwischen  dem  behaupteten  Noth- 
zuchtsversuche  und  dem  gerichtsärztlicheti  Augenschein  inmit- 
ten lagen^  konnten  Quetschungen  der  Weichtheile  ohne  An- 
stand verschwunden  sein.     Die  Einkerbungen  und  lappige  Be- 


über  fleischliche  Vergehen.  371 

schalTenheit  des  Hymen  können  wohl,  müssen  aber  nicht  die 
Ueberbleibsel  dieses  angeblichen  Noihzuohtsversuchs  sein.  Der 
objective  Befund  widerspricht  sonach  den  Angaben  der  B. 
über  versuchte  Nothzucht  nicht,  wetin  er  sie  auch  nicht 
bestätigt. 

4)  Es  steht  unwiderruflich  fest,  dass  die  B.  noch  nicht 
einem  Manne  auf  gewöhnlich  übliche  und  naturgemässe  Weise 
cohabitirt  habe,  was  den  Rückschluss  gestattet,  dass  dieses 
Mädchen  noch  nicht  in  dem  GrMe  moralisch  gesunken,  dass 
man  annehmen  könne,  es  steige  proprio  motu  in  hurerisefaer 
Absicht  einem  Manne  auf  das  Zimmer,  und  werde  ihm  als- 
bald in  die  Unterhose  nach  dem  Penis  langen.  Vom  psycho- 
logischen Standpunkte  aus  verdient  daher  die  Angabe  des 
Mädchens  über  den  Zweck  ihres  Hinkommens  und  was  sich 
dann  ereignet  habe,  offenbar  weitaus  grössere  Glaubwürdig- 
keit, als  die  Angabe  des  A.  über  den  Hergang  der  Dinge; 
abgesehen  davon,  dass  wenn  die  B,  ihre  physische  Jungfräu- 
lichkeit zu  Markte  tragen  und  lossctilagen  wollte,  esinjhrem 
Interesse  lag,  ein  Finanzgeschäft  zu  machen,  sie  dieses  aber 
bei  ihrer  Jugend  offenbar  durch  vorherige  Stipulation  besser 
engagiren  konnte ,  als  durch  blosses  Aufs  -  Zimmer  -  Steigen 
zu  einem  ganz  unbekannten  Manne,  von  dem  sie  voraus  nicht 
wusste,  was  er  hintennach  J)ezahlen  werde. 

5)  A.  sagt,  die  B,  sei  an  Brust  und  Arme  sehr  mager. 
Dies  ist  nur  für  die  Arme  wahr.  Die  Brust  der  B.  ist  aber 
keineswegs  mager,  wenn  auch  nicht  massig;  sondern  besitzt 
vielmehr  jene  in  allen  Details  schöne  und  normale  Beschaf- 
fenheit, wie  sie  nur  der  Jugend  zukommt  und  wie  sie  für 
Modelle  von  Malern  gefordert  werden  muss,  wenn  es  nicht 
im  Zwecke  des  Malers  liegt,  eine  andere,^ als  jungfräuliche 
Kunst  zu  malen. 


Die   B.  wurde  des  Diebstahls  für  schuldig  erachtet  und 
zu  einer  ganz  kurzen  Gefangnissslrafe  verurtheilt. 


24* 


372  XXIII.     Ho/mann,  Geriehtliche  Gntachten 

Anklage    wegen    widernatürlicher   Unzucht.    Ver- 
handelt vor  dem  königl.  Bezirksgerichte  Mäncbeo 
links  der  Isar. 

Historisches.  '^ 

Der  Maurer  A.y  33  Jahre  alt,  hatte  im  Jahre  1858  den 
Tripper,   der   übrigens   vollständig   geheilt  worden  war.    Zu 
wissen,    dass   ein  Tripper   ansteckend  sei,    ist  A,  gesländig. 
Am  4.  Septembei*  1859  nahm   er  das  zehn  Jahre  neun  Mo- 
nate alte   Mädchen   B.  seines  Nachbarn,    nach  Zeugniss  d^r 
Localschulinspection   ein    sittlich    braves,    jrahrheilsliebendes 
Kind,    mit  zur   Kirchweibe   nach   C.     Das  Kind  ging  arglos 
mit.     Nachmittags   vier   Uhr  herum   ging  die    kleine   B.  auf 
den  Abtritt;  A.  ging  ihr  nach,    angeblich  uro  ebenfalls  seine 
Noihdurft  zu  verrichten,  und  schloss  die  Abtrittsthüre  hinter 
sich  zu.     Wie   er   die   kleine   B,  so  dasitzen  sah,    überkam 
ihn   die  Gescblechtslust.     Er   nahm  das  Kind,   drückte  es  in 
beiderseitig  stehender  Stellung  gegen  die  Wand,  schob  dessen 
Röcke  in  die  Höhe,    zwängte  sein  Glied  der  sich  Wehremlen 
und  Widerstrebenden  zwischen  die  Fusse  an  die  Scham,  und 
Hess  nicht  eher   ab,    als  bis  das  Kind,    das  sich  nicht  mehr 
weiter  wehren  konnte,    am  Bauch   und  Schenkeln  ganz  nass 
geworden  war.     A,  behauptet,   das  Kind  habe  freiwillig  ihm 
zu  Gebote  gestanden.     Das  Kind  spielte  den  Abend  über  mit 
anderen  Kindern,  und  beim  Nachhausegehen  Abends  neun  Uhr 
suchte  A,  die  B.  zu  überreden,    ihm   noch   ein  Mal  zu  Ge- 
bote zu  stehen,  was  diese  aber  auf  ganz  schlaue  Art  dadurch 
ablehnte,    dass  sie  ihm  versprach,    am  nächsten  Sonntag  in 
die  Wohnung  kommen  zu  wollen. 

Am  Abend  nach  Hause  gekommen,  sagte  das  Kind  sei- 
nen Eltern  von  dem  Geschehenen  nichts;  doch  merkte  seine 
Mutter  schon  an  den  folgenden  Tagen  einen  eigenthümJichen 
Gang,  und  hatte  die  Kleine  Schmerzen  beim  Uriniren.  Da 
auch  am  7.  September  die  Mutler  gelbgrünliche  Flecken  im 
Bette  des  Kindes  wahrnahm,  die  ihr  adfßelen,  weil  sie  das 
Kind  stets  sehr  reinlich  hielt,  drang  sie  in  das  Kind,  und 
dieses  gestand  nun  das  Geschehene,  worauf  die  Mutter  poli- 
zeiliche Anzeige  machte. 

Die  am  13.  September  1859  vorgenommene  polizeiärzt- 


über  fleiscblicfae  Vergehen.  373 

liebe  UiUersuchung  ergab  folgendes  Resultat:  Das  Kind  ist 
seinem  Alter  entsprechend  körperlich  entwickelt;  der  Genital- 
apparat kindlich,  die  ganze  Schamspalte  stark  geröthet  und 
mit  einem  eiterähnlichen  Secrele  bedeckt;  die  grossen  Scham- 
lippen ziemlich  weit  von  einander  stehend,  stark  geröthet, 
entzündlich  geschwollen,  und  ihren  Rändern  entlang  streifen- 
artig mit  gelbgrunlichen  Krusten  bedeckt.  Die  Umgegend  der 
Harnröhre  und  Clitoris  stark  geröthet,  und  wie  der  ganze 
Scheideneingang  mit  dicklichem  eitrigschleimigem  Secrete  reich- 
lich bedeckt.  Die  Hymenalöffnung  etwas  mehr  als  in  diesem 
Alter  gewöhnlich,  aber  nicht  auffallend  dilatirt;  keine  Ein- 
kerbungen am  Hymenalrande. 

Bei  den  am  14.  September  1859  pohzeiärztlich  unter- 
suchten A,  zeigt  sich  ein  entzilndungsloser  Harnröhrenlripper 
und  normale  Gestallung  des  Penis. 

Am  18.  September  1859  kam  die  kleine  B,  ins  Kran- 
kenhaus zur  ärztlichen  Behandlung.  Die  äussere  Fläche  der 
grossen  Schamlippen  sind  mit  kleinen  gelben  vertrockneten 
Krustchen  bedeckt,  die  auf  der  unversehrten  Epidermis  auf- 
sitzen, und  von  etwaigem  Vaginalsecrete  herrühren.  Beim 
Auseinanderhalten  der  Schamlippen  sieht  man  eitriges  Secret  in)^ 
Scheideneingaiige  lagern.  Dieser,  sowie  die  innere  Fläche  der 
kleinen  Schamlippen  sind  intensiv  geröthet,  etwas  geschwellt; 
ein  Druck  auf  die  letzteren  presst  gelbes  Secret  aus  der 
Scheide,  ein  Druck  auf  die  Harnröhre  gelbes  Secret  aus  der 
Harnröhrenöifnung.  Hymen  stark  gerötliet,  unversehrt.  Bren- 
nender Schmerz  beim  Uriniren,  Gehen  etwas  behindert.  All- 
gemeinbefinden ganz  normal,  stark  ausgeprägter  scrophulöser 
Habitus.  Vierzehn  Tage  lang  fortgesetzte  warme ,  Sitzbäder 
und  Vaginalinjectionen  sowie  Hamröhreneinspritzungen  mit 
einer  Lösung  essigsauren  Bleies  brachten  nur  eine  geringe 
Ahnahme  des  blenorrlioischen  Secretes  tiervor,  das  bei  jeder 
Untersuchung  sich  in  bald  grösserer  bald  geringerer  Menge 
an  der  Schamspalte  zeigte.  Es  wurde  daher  die  Bleilösung 
inil  einer  leichten  Höllensteinlösung  vertauscht,  und  bekam 
das  Kind  kohlensaures  Eisen.  Schon  nach  sieben  Tagen 
zeigte  sich  entschiedene  Abnahme  der  Secrelion,  die  gerö- 
theten  Theile  gewannen  mehr  die  normale  Färbung,  und  nach- 
dem auch  auf  Druck  auf  die  kleinen  Schamlippen  und  Harn- 


374  XXIII.     Ho/mann^  Gerichtliehe  Gutachten 

röhre  hin  sich  keiD  Secret  mehr  zeigte,  wurde  das  Mädclmi 
am  23.  Oclober  1859  geheilt  entlassen. 

Am  7.  November  1859  ergab  die  gerichtsärzlJicije  Ke- 
sicbtigung  des  Kindes  wiederum  Vaginalblenorrboe,  so  dass 
der  königl.  Gerichtsarzt  die  Mutter  des  Kindes  zu  wieder- 
holter ärztlicher  Behandlung  aufforderte. 

In  der  Voruntersuchung  legte  die  königl.  Staatsanwalt- 
schaft am  königl.  Bezirksgerichte  Manchen  links  der  Isar  dem 
königl.  Medicalcomite  an  der  königl.  Ludwigs- Maximiliaus- 
Universität  die  Akten  vor,  und  stellte  folgende  Fragen: 

1)  ist  nach  den  gepflogenen  Erhebungen  anzunehmen,  dass 
der  A,  mit  der  B,  den  Beischlaf  gepflogen  habe? 

2)  Liegen  nach  den  gepflogenen  Erhebungen  ärztlicherseits 
Anhaltspunkte  zur  Annahme  eines  gewaltthätigen  ge- 
schlechllichen  Missbrauches  vor? 

3)  Wie  lange  war  das  Kind  in  Folge  geschlechtlichen  MiV 
brauches  krank? 

4)  Konnte   oder   musste   A.  zur  Zeit  der  That  Kenntniss 

von  seinem  Tripper  haben? 

» 
Medicinalcoroite-Gutachten.  ^) 

ad  L 
Bezüglich  der  an  uns  gestellten  Frage:  „ob  nach  den 
„gepflogenen  Erhebungen  anzunehmen  sei,  dass  A.  mit  der 
„£.  den  Beischlaf  vollzogen ?'*  muss  es  uns,  bevor  wir  eine 
Antwort  geben,  gestattet  sein,  zu  fragen,  was  denn  unter 
„Beischlaf'  verstanden  werden  wolle?  Wird  darunter  eine 
Immissio  penis  in  Vaginani  verstanden,  wie  diese  bei  Erwach- 
senen verschiedenen  Geschlechts  üblich;  so  ist  ein  derartiger 
Begattungsakt  ganz  sicher  nicht  geschehen.  Zeuge  desselben 
ist  die  vollständige  Integrität  des  Hymen  der  B.  und  ihrer 
Geschlechtstheile  überhaupt,  die  bei  einem  11jährigen  Mäd- 
chen geradezu  unmöglich  wäre,  wenn  der  normal  gebaute 
Penis  eines  Mannes  —  und  einen  solchen  hat  A,  —  in  die 
Scheide  dieses  Mädchens  getreten  wäre.  Wird  aber  auch 
Das    ein    Begattungsakt    genannt,    wenn  die  Geschlechstheile 


1}   Von   mir  als   Referenten   entworfen   und  vom  Colleginm 
in  obigem  Wortlante  angenommen.  "^ 


aber  fleischlicbe  Vergfehen.  875 

zweier  Personen  verschiedenen  Geschlechtes  zu  gegenseitiger 
Berührung,  wenn  auch  nicht  vollständiger  Ineinanderschie- 
hung  gelangen,  so  existirt  darüber,  dass  dies  mit  den  Ge- 
schlechtstheilen  des  A,  und  der  B.  geschehen,  kein  Zweifel. 
Dafür  sprechen  folgende  Grunde: 

;  Die  Mutter  sagt,  sie  habe  das  Kind  am  Leibe  und  an 
Weisszeug  $tets  sehr  reinlich  gehalten  und  vor  dem  4.  Sep- 
tember 1859  nie  etwas  Auffalliges  bemerkt.  Dass,  wenn  das 
Kind  vor  dem  4.  September  1859  jene  Erkrankung  gehabt 
hätte,  die  es  nach  dem  4.  September  1859  bekam,  eine  auf- 
merksame, ihr  Kind  reinlich  haltende  Mutter  gar  nichts  sollte 
gemerkt  haben,  ist  nicht  denkbar.  Aus  dem  Nichtsgemerkt- 
haben  der  Mutter  schliessen  wir  rückwärts,  dass  das  Kind 
vor  dem  4.  September  1859  gesund  gewesen.  A.  ist  gestän- 
dig, das  Mädchen  in  der  Art  missbraucht  zu  haben,  dass  er 
in  stehender  Stellung  seinen  Penis  dem  stehenden  Kinde  zwi- 
schen die  Schenkel  gegen  dessen  Schamtheile  ein  —  und 
eine  Emissio  seminis  zu  Stande  brachte.  Durch  polizeiärzt- 
Ijche  Autopsie  vom  14.  September  1859  ist  constatfat,  dass 
an  diesem  Tage  A.  einen  bereits  das  Entzündungsstadium 
überlebt,  d.  h.  am  14.  September  1859  allerwenigstens  acht 
bis  zehn  Tage  gedauert  habenden,  folglich  am  4.  September 
1859  bereits  vorhandenen  Harnröhrentripper  hatte.  Es  ist 
durch  die  Aussagen  des  Mädchens  constatirt,  dass  es  schon 
in  den  nächsten  Tagen  nach  dem  4.  September  1859  Schmerz 
beim  Uriniren  verspürte^  und  durch  die  Aussagen  der  Mutter, 
dass  sie  schon  am  7.  September  1859  in  der  Bettwäsche 
des  Kindes  grüngelbliche  Flecken  und  an  ihrer  Tochter  einen 
*''  eigenthfimlichen  Gang  wahrnahm.  Es  ist  constatirt,  dass 
dieser  Schmerz  beim  Uriniren  und  eigenthämliehe  Gang  auch 
noch  nach  dem  7.  September  1859  anhielt.  Es  ist  durch 
polizeiärztliche  Besichtigung  des  Mädchens  vom  13.  Septem- 
ber 1859  constatirt,  dass  an  diesem  Tage  bereits  jene  Ge- 
nilalerkrankung  zugegen  war,  derenhalben  das  Kind  am  18.  Sep- 
Icuiber  1859  ins  Krankenhaus  gebracht  wurde,  und  die  sich 
laut  Krankheitsgeschichle  als  acute  Entzündung  der  Scheide 
und  Harnröhre  herausstellte.  Da  nicht  im  Entferntesten  Ver- 
dachtsgründe vorliegen,  dass  diese  Scheiden-  und  Härnröli- 
ronschleimhautenlzündung  auf  anderem  Wege  erworben  worden 


376  XXm.     Ho/mann^  Oeriohtliebe  Gutachten 

sei,  als  durch  die  Tliat  des  4.  September  1859,  und  da  diese 
Thai  andererseits  auch  zur  Ueliertragung  eines  Kranklieiis- 
stolTes  von  den  Geschlechlstheilen  des  A.  auf  die  des  Mäd- 
chens vollständig  genügte ;  da  ferner  der  Zusammenhang  die- 
ser Entzündung  mit  der  That  des  4.  September  1859  sogar 
nachgewiesen  ist,  so  geht  unser  Gutachten  dahin: 

es  sei  nach  den  bisherigen  Erhebungen  ge- 
wiss, dass  A.  die  B.  in  der  von  ihm  zuge- 
standenen Weise   missbraucht  habe. 

ad  IL 

Das  Kind  behauptet,  A.  habe  Gewalt  gebraucht ,  A,  l»e- 
hauptet,  das  Kind  habe  freiwillig  zugestimmt.  Ob  das  Eine 
oder  Andere  der  Fall  gewesen,  vermag  die  ärztliche  Wissen- 
schall  nicht  nachzuweisen,  weil  an  den  GeschlechtslheiJen 
des  Mädchens  sich  keine  Spuren  vorlinden,  die  auf  das  eine 
oder  das  andere  Procedere  zurückschiiessen  lassen.  Diese 
Frage  ist  daher  eine  solche,  über  welche  sich  der  Richter 
eine  Ueberzeugung  schöpfen  kann  und  darf;  wir  Aerzte  dür- 
fen nur  eine  objective  Uebei*zeugung  uns  aneignen,  und  eine 
solche  zu  verschaffen  ist  in  concreto  unmöglich.  Doch  sind 
wir  in  der  Lage,  deni  Richter  bei  Schaffung  einer  Ueber- 
zeugung folgende  Behelfe  an  die  Hand  zu  geben: 

Das  Mädchen  sagt,  A.  habe  es  an  die  Wand  gedrückt  ^ 
seine  Füsse  auseinandergespreitzt  und  seinen  Penis  zwischen 
seine  —  des  Mädchens  —  Schenkel  eingebracht.  Es  habe 
sich  .z\f  ar  wehren  und  den  A.  zurückdrängen  wollen,  er  habe 
sich  aber  nicht  abdrängen  lassen ,  vielmehr  sie  so  an  die  Wand 
gedruckt,  dass  sie  ihm  nichts  mehr  habe  anhaben  können. 
Betrachtet  man  das  physische  Kraft verhältniss  Anfangs  der 
Dreissiger  gegenüber  einem  11  jährigen  Mädchen,  so  ist  erste- 
res  so  beträchUich,  dass  wir  nicht  das  Kind  der  Unwahrheit 
zeihen  können,  vielmehr  der  Möglichkeit  Raum  lassen  müssen, 
dass  A.  so  habe  verfahren  können,  wie  er  angeblich  verfulir. 
Unser  Gutachten  geht  dahin: 

dass  vom  physischen  Standpunkte  auä 
nichts  im  Wege  stehe,  dass  die  Begattung 
so  geschehen,   wie  das  Mädchen  behauptet; 


über  fleiflcbliche  Vergehen.  377 

aber  auch   nichls    im   Wege  stehe,    dass  sie 
so  gescheh^en,  wie  A.  behauptet. 

ad  m. 

Das  Mädchen  war  iu  Folge  des  atu  4.  Septem- 
ber geschelieiien  Bega ttungsaktes  weiiigsens  50 
Tage  lang  krank. 

Nach  Aussage  der  Mutter  war  das  Mädchen  vor  dem 
4.  September  1859  gesund  und  wurde  stets  reinlich  gehal- 
len. Es  ist  undenkbar,  dass  eine  ihr  Kind  reinlich  haltende 
Mutter  nicht  sollte  bemerkt  haben,  wenn  ihr  Kind  schon  vor 
dem  4.  October  1859  eine  Erkrankung  sollte  gehabt  haben, 
die  sich  nach  dem  4.  September  1859  einstellte.  Es  dünkt 
uns  dadurch  ein  vollständiger  Beweis  geliefert,  dass  das  Kind 
vor  dem  4.  September  1859  an  den  Geschlechtstheilen  ge- 
sund war. 

Schon  in  den  ersten  Tagen  nach  dem  4.  September 
1859  hatte  das  Kind  Schmerzen  beim  üriniren  und  beim  Ge- 
hen, und  bemerkte  auch  die  Mutter  den  eigenthümlichen  Gang 
des  Kindes;  und  am  7.  September  1859  gelbgröne  Flecken 
im  Bette  desselben.  Die  polizeiärztliche  Untersuchung  am 
13.  September  1859  ergab  eine  starke  Röthung  der  Schamspalte, 
die  mit  einem  eiterähnlichen  Sekrete  bedeckt  war,  die  gros- 
sen Schamlippen  waren  ziemlich  weit  von  einander  stehend, 
geröthet;  entzündlich  geschwollen  und  ihren  Rändern  entlang 
mit  gelbgrunlichen  Krusten  bedeckt.  Die  Gegend  um  den 
Kitzler '  und  die  Harnröhrenmöndung  war  geröthet,  und  der 
ganze  Scheideneingang  mit  dicklichem  eiterartigem  Secrete 
bedeckt.  Die  Ocularinspection  am  18.  September  1859  im 
Krankenhause  endlich  ergab  Scheiden-  und  Harnröhrenschleim- 
hautentzundung.  Durch  all  Das  ist  der  Zusammenhang  dieser 
Harnröhren-Scheidenschleimhautentzündung  mit  der  That  des 
4.  September  nachgewiesen;  und  da  das  Kind  am  22.  Octo- 
ber 1859  aus  dem  Krankenhause  gesund  entlassen  wurde, 
nach  der  gerichtsärztlichen  Untersuchung  von^  Anfangs  Mo- 
vember  1859  den  weissen  Fluss  noch  hatte,  so  entziffert 
sich  eine  Krankheitsdauer  von  wenigstens  50  Tagen. 


378  XXIII.     Hofmann,  Gerioktliobe  OnUehten 

ad  IV. 

A,  muss  am  4.  September  1859  davon  gewusst 
haben,  dass  er  den  Tripper  habe. 

A,   hat  schon  im  Jahre  1858  den  Tripper  gehabt,   und 
ist    folglich    kein  Neuling    in  Tripperangelegenheften.     Jeder 
Ifarnröhrentripper  hat  ein  entzündliches  Stadium,   in   weJchem 
der  Schmerz  heim  Uriniren  so  lebhaft  ist,  da.ss  dieser  Schmen 
unmöglich   dem   Eigenthümer  des  beginnenden  Trippers  ent- 
gehen  kann.     Laut  polizeilicher  Constatirung   vom    14.  Sep- 
tember 18Ö9  war   an  diesem  Tage  das  entziindliche  Stadium 
schon    vorüber.      Dieses    Stadium    dauert    erfahrungsgemäss 
7 — 10  und  selbst  14  Tage.     Angenommen  daher  selbst,  der 
Tripper   habe   aus    der   allerjöngsten    Zeit   datirt,    so  mfisste 
jedenfalls  der  4.  September  1859  in  den  Zeitraum  des  Ent- 
zundungsstadium  fallen,  und  dann  musste  der  Schmerz  beim 
Uriniren  dem   sachkundigen  A,  sagen,    dsss  er  den  Tri|>|ier 
bekomme,   resp.   schon   habe.     War   aber   das  Entzundungs- 
stadium  am  4.  September  1859  schon  vorüber,  so  musste  A, 
Kcnntniss  haben,    denn  bei  jedem  Tripper  bleibt  ein  eitriger 
Schleiniausfluss  aus  der  Harnröhre  zurück,  der  dem  Besitzer 
des  Nachtrippers  wiederum  nicht  entgehen  kann. 


Der   Angeschuldigte   wurde  zu    zwei    Jahren   Gelangoiss 
verurtheilt. 


Anklage     wegen     Missbrauchs     zum     Beischlaf^), 
Verhandelt   vor   dem    Kriegsgerichte   des   k.  Regi- 
ments NN.  .  • 

Historisches. 

X,  ein  Mann  von  40  Jahren,  batte  Freude  an  der  9jäh- 
rigen  AT.,  dem  Kinde  armer  Ellern  gewonnen.    Da  die  Ellern 

1)  Strafgesetz  für  das  Königreich  H&yern      Art.  205: 

Wer   ein    Mädchen,    welches   das   zwölfte  Jahr  noch 
nicht  zurückgelegt  hat,  zum   Hoisuhlaf  missbraucht,     .     . 

ist    nach    den    Bestimmungen    über 

Nothzucht  zu  bestrafen. 


über  fleUcbliche  Vergehen.  379 

aus  der  Garnisonsstadt  Z.  fort2ogen  und  das  aufgeweckte 
Kind  im  Lernen  gute  Fortschritte  machte,  überredete  X  die 
Eltern,  das  Kind  in  der  Stadt  zu  belassen.  Er  nahm  es' 
unter  seine  Obhut,  sorgte  für  dasselbe,  seine  Wohnung  und 
Nahrung.     Das  Kind  war  oft  stundenlang  im  Zimmer  des  X,  . 

'er  half  ihm  im  Lernen  nach,  spielte ^  wie\das  Kind  sagt, 
Blindekuh,  und  es  schlief,  wenn  es  ermüdet,  häufig  unter 
Tags  auf  dem  Canapee  im  Zimmer  des  X  Nie,  behauptet 
das  Kind  mit  aller  Bestimmtheit,  sei  etwas  Unsittliches  vor* 
gefallen.  Es  soll  gleich  hier  erwähnt  werden,  dass  das  Kind  im 
ersten  und  zweiten  Jahre  des  Schulbesuchs  die  Sittennote  I, 
im  dritten  und  vierten  Jahre  aber  die  Sitlcnnote  UL  erhielt, 
„weil  es  sich  als  hartnäckige  Lilgnerin  bewies  und  unter  ver- 
„schiedenen  Vorwänden  die  Schule  oft  längere' Zeit  gar  nicht 
^fbesuchte''.  Auch  die  Mutter  des  Kindes  hat  niemals  Ver- 
dacht geschöpft,  und  ist  fest  überzeugt,  das  zwischen  ihrem 
Kinde  und  dem  X.  niemals  etwas  Unsittliches  vorgefallen  sei, 
sonst  hätte  ihr  das  Kind  sicher  etwas  davon  gesagt  Beide 
Eltern  sind  «voll  des  Lobes  über  den  edlen  Charakter  des  X 
Im  September  1862  trat  der  O,  unvermuthet  ins  Zim- 
mer des  X,  wie  dieser  gerade  das  Kind  abküsste.  Diese  Aus* 
sage  ist  beeidigt.  Im  Spätherbste  1862  schöpfte  der  N.  Ver- 
dacht, dass  zwischen  dem  Kinde  und  dem  X  ein  unerlaubtes 
Verhältniss  bestehe.  Er  passte  auf  und  beobachtete  Anfangs 
Jänner  durch  das  Schlüsselloch;  wie  das  Kind,  die  Röcke 
bis  über  den  Bauch  eroporgestreift ,  mit  entblösstem  Baupb 
und  Schenkeln  auf  dem  Kanapee  lag,  und  auf  dem  Kinde  der 
X,  mit  dem  Hinlern  sich  bewegend.  Das  Kind  Hess  unter- 
drückte Jammertöne  vernehmen,  wurde  aber  von  X  beschwich- 
tigt mit  den  Worten:  „sei  nur  still,  du  weisst  ja,  dass  es 
„Anfangs    immer   etwas    wehe  thul!"     Ob   X   seinen  Penis 

\  entblüsst  habe,  weiss  N.  nicht ,  denn  X.  trug,  wie  alle  Sol- 
daten, keine  Latzhose,  sondern  eine  Schlitzhose.  Bald  dar- 
auf kam  das  Kind  aus  dem  Zimmer  heraus,  war  zerrauft  in 
den  Haarert,  sah  verstört  aus,  seine  Kleider  waren  in  Unord- 
nung, und  ging  auf  den  Abtritt.  Nachdem  das  Kind  den  Ab- 
tritt, einen  gewöhnlichen  Bauernab tritt,  wieder  verlassen, 
ging  N.  auf  den  Abtritt,  und  sah  auf  der  Höbe  des  Dungs 
ein   blutbeschnnilzli's   Papier.     Er   zog   es  an  sich,    und  die 


380  XXIII.    Hofmann,  Görichtliche  Gatachieö 

anklebenden  Blutspuren  waren  ganz  frisch.     Diese  Aussage 
ißt  beeidigt. 

X   stellt   die   ganze  Sache  gleich  dem  Kinde  in  Abredr 
und  bezüchtigt  den  A^.  der  Verleumdung. 

Die  von  mir  am  24.  October  1863  vorgenommene  Au- 
genscheinseinnahme  des  Kindes  ergab  die  ausseifen  Geschlechts- 
theile,  grosse  und  kleine  Schamlippen,  Schamspalte  ganz  nor- 
mal und  frei  von  allen  krankhaften  Zuständen.  Die  die  In- 
nenfläche der  Schamlippen,  den  Scheidenvorhof  und  Schei- 
deneingang auskleidende  Schleimhaut  zeigt  normale  Röüiung. 
Kitzler  und  Harnröhrenmündung  ganz  normal  und  gesund. 
Der  Hymen  ist  vorhanden  und  von  regelmässiger 
Bildung;  die  Hymenaiöffnung  von  der  Grösse  e  iner 
Erbse,  der'sie  umgebende  Rand  von  der  Dünnheit 
eines  Postpapiers,  halbdurchsichtig,  ganz  scharf, 
nirgends  eine  Einkerbung  wahrnehmbar;  der  Hy- 
men in  seiner  Totalität  ganz  unversehrt.  Ich  be- 
merke, dass  sich  das  Kind  bei  der  Augenscheinsaufnahme 
aufs  Geschämigste  geberdete,  wie  mir  kein  zweites  Kind  je 
so  vorkam.  Mehrmals  war  ich  versucht,  von  der  Vornahme 
eines  Augenscheines  ganz  abzustehen;  die  Mutter  allein,  welche 
ihr  Kind  niit  Scheltworten  hart  aniiess,  ermöglichte  mir  A\r 
Ansicbtigwerdung  der  Geschlechtstheile. 

Gutachten. 

%  Der  Refund  an  den  Geschlechtstheilen  des  Kindes  zeigte 
vullständigo  Unversehrtheit  des  ganzen  Geschlechtslheile;ij>pa- 
rates.  Dieses  Kind  ist  zweifelsohne  und  ganz  ge- 
wiss im  ungetrübten  Besitze  körperlicher^)  Jung- 
fräuMchkeiL  Ein  solcher  Zustand  der  Geschlechtstheile 
zwingt  mit  joihm*  mathematischen  Gewissheit ,  welche  aner- 
kennt, da^s  2X2  =  4,  zum  Rückschlüsse,  dass  dii'ses 
Kind  niemals  von  irgend  Jemand,  lieisse  er,  wie 
er  wolle,    zum  Beischlaf  niissbraucht   worden  ist. 


1)  Ich  hatte  vor  einem  Kriegsgerichte  zu  sprechen,  in  dem 
auch  geineioo  Soldaten  als  Richter  «assen,  und  musste  meine 
Ansdrucksweiso  der  Bildungsstufe  und  dein  Fnssang^vcrniögpii 
gemeiner  Soldaten  anpassen. 


über  fleiachliche  Vergehen.  Sgl 

Das  Gegenthetl  ist  ärztlich  nicht  denkbar,  gerade  so  wenig 
denkbar,  als  denkbar  ist,  das  2  X  2  nicht  mehr  4 ,  sondern 
5  wäre. 

Ich  kann  damit  mein  Gutachten  nicht  schliessen.  Es  ist 
nämlich  Aufgabe  ärztlicher  Wissenschaft,  innerhalb  ihrer  Gren- 
zen alle  jene  Aufklärungen  zu  geben;  welche  der  Richter  zur 
Entscheidung  eines  zweifelhaften  Rechtsfalies  bedarf.  Von 
diesem  Standpunkte  obliegender  Verpflichtung  aus  wolle  ge- 
würdigt werden,  wenn  ich  mich  über  vier  Momente  aus- 
spreche, welche,  weil  von  den  Wahrnehmen  beeidigt  der  er- 
hobenen Anklage  als  Unterlage  dienen,  und  welche,  weil  zu 
ihrer  Würdigung  theilweise  ärztliche  Kenntnisse  gehören,  auch 
der  ärztlichen  Besprechung  unterstellt  werden  dürfen,  ja  so- 
gar müssen.     Diese  vier  Punkte  sind: 

1)  der  Umstand,  dass  das  aus  dem  Zimmer  des  X  am 
kritischen  Tage  kommende  Kind  „erregt,  zerrauft,  ver- 
„stört,  mit  in  Unordnung  gebrachten  Kleidern''  gewe- 
sen sei; 

2)  dass  N.  alsbald,  nachdem  das  Kind  den  Abtritt  verlas- 
sen, ein  Papier  aus  der  Dunggrube  zog,  an  dem  „fri- 
sches Blut''  klebte; 

3)  dass  derselbe  A^  das  Kind  mit  über  den  Bauch  ge- 
schlagenen Röcken  und  entblösslen  Schenkeln  auf  dem 
Canapee,  den  X.  aber,  [Begattungs-jBewegungen  ma- 
chend, oben  auf  liegen  sah; 

4)  dass  immer  derselbe  N.  unterdrückte  „Jammorlante** 
des  Kindes  hörte,  welches  der  Angeklagte  mit  den 
Worten  beschwichtigte:  „sei  nur  still,  du  weisst  ja, 
„dass  es  Anfangs  immer  etwas  weh  thut*\ 

Ueber  diese  vier  Punkte  bemerke  ich  folgendes: 
ad  1.  Auf  die  angebliche  „Erregtheit"  und  „Verstorts<Mn''  des 
Kindes,  das  „Zerrauflgewesensein**  der  Haare  und  die 
„Unordnung  der  Kleider''  kann  ärztlicherseits  nicht  der 
mindeste  Wertli  gelegt  werden,  wenn  es  sich  um  den 
Nachweis  geschehenen  Beischlafs  handelt.  An  und  für 
sich  schon  hängt  der  Schätzungshöhegrad  bei  allen  die- 
sen Erscheinungen  von  der  Anschauungsweise  des 
'  Schätzenden  ab,  und  giebt  es  keine  Grenze,  oberhalb 
welcher    die  BeschalTenbeit  der  Haare   „zerrauft'S  die 


382  XXIII.     So/mann,  Oeriehtliebe  OuUohten 

der  Kleider  „in  Unordnung*^  die  ganze  äussere  Hai- 
tuDg  als  ,,Verstört8ein*'  bezeiclmet  werden  soll,  nnd 
unterhalb  welcher  Grenze  alle  diese  Eigenschaften 
zu  vereinen  sind.  Andererseits  haben  Kinder  aas  100 
und  100  Gründen  „zerraufte  Baare",  und  „in  Unord- 
nung befindliche  Kleider''.  Wenn,  wie  das  Kind  sagt, 
es  mit  dem  X  hin  und  wieder  Blinde-Kuh  spielte,  so 
erklärt  sich  das  „Zerrauftgewesensein''  der  Haare,  die 
„Unordnung  der  Klcider'%  das  „Erregtgewesensein^^  satl- 
sath;  und  wenn  das  Kind,  wie  vorkommt,  stimdenlang 
im  Zimmer  des  X  schlief,  so  kann  sehr  wohl  der  Fall 
gewesen  sein,  dass  jener  Zeuge,  der  seinen  Wahrneh- 
mungen die  bezeichneten  graviTlichen  Deutungen  gibt. 
Schlaftrunkenheil  mit  „Erregtheit''  und  „Vcrstörtge we- 
sensein" verwechselte;  und  ein  Kind  von  zehn  Jahren, 
das  ein  Mittagsschläfchen  gemacht  hat,  hat  auch  , »zer- 
raufte Haare", 
ad  2.  Ob  der  N.,  wenn  er  beeidigt,  es  habe  an  dem  Papier, 
das  er  aus  der  Dunggrube  zog,  „frisches  Blut^^  ge- 
klebt, entweder 

a)  eine  falsche,  auf  Täuschung  beruhende  Waliitieh- 
mung  gemacht;  oder  ob 

b)  seine    Wahrnehmung    richtig    war    und    wirklieb 
„frisches  Blut"  am  Papier  klebte;  oder  oh 

c)  N.  möglicher-  und  denkbarerweise  falsch  geschwo- 
ren hat  — 

das  bleibt  ärztlicherseits  dahingestellt,  und  ist  nicht  Aufgabe 
ärztlicher  Wissenschaft,  in  eine  Erörterung  dieser  drei  denk- 
baren Möglichkeiten  einzugehen.  Auch  im  Falle  N/s  Wahr- 
nehmung richtig  war  und  wirklich  „frisches  Blut"  am  Pa- 
pier liaflele,  ist  ganz  gewiss,  dass  diese  Blutspuren 
nichts  gemein  haben  mit  der  gegen  X.  erhöbe  nen 
Anklage.  Sie  rühren  dann  von  einer  anderen  zufalligen 
Verietzung,  die  das  Kind  an  sich  hatte,  her,  oder  wenn  solche 
das  Kind  zu  fraglicher  Zeit  nicht  an  sich  hatte,  ist  nicht  zu 
erklären,  wie  diese  Blutspuren  an  das  Papier  gekommen. 
Jedenfalls  rühren  sie  nicht  aus  den  Geschlechts- 
theilen  des  Kindes  her;  denn  wäre  dies  der  Fall  ge- 
wesen,   so  könnten   sie  nur  aus  einer  Verletzung  des  Jung- 


über  fleisohliche  Vergehen.  383 

fernhäulcbens  abgeleitet  werden.  Da  aber  die  von  mir  vor- 
genommene Untersuchung  die  vollste  Unversehrlbeit  dieses 
Gebildes  nachwies,  so  lallt  jedes  Zusammcnhangsverhällniss 
zwischen  den  Geschlechts ibeilen  des  Kindes  und  diesen  be- 
haupteten [vermeintlichen  oder  wirklichen]  Blulspuren  weg. 

ad  3.  Die  beeidigte  Aussage  des  ^.,  dass  er  gesehen  habe, 
wie  der  X.  Begaltungsbewegungen  machend,  aui'  df^m 
an  Schenkeln  und  Unterleib  entblössten  Kinde  gelegen, 
als  wahr  angenommen,  dann  liegt  hier,  das  Geschehene 
mit  ärztlichen  Augen  betrachtet,  nicht  „Missbrauch  zum 
„Beischlafe**,  sondern  „Missbrauch  widernatürlicher Wol- 
„lust"  vor.  Man  muss  nämlich  wohl  einen  Unterschied 
zwischen  „Beischlaf"  und  „widernatürlicher  Wollust** 
machen,  und  auch  das  Strafgesetz  macht  diesen  Un- 
terschied, denn  es  spricht  in  einer  Reihe  von  Artikeln 
vom  rechtswidrigen  „Beischlafe**,  dem  es  in  einem  spä* 
teren  Artikel  die  „widernatürliche  Wollust**  gegenüber- 
stellt ^),  „Beischlaf**  ist  jene  Befriedigung  des 


1)  Strafgesetz  für  das  Königreich  Bayern: 

Art.  204.  Wer  eine  Frauensperson  mit  Gewalt  zam  ausser- 
ehelichen  Beischlaf  missbrancbt  oder  znr  Dnldang  desselben 
darch   Bedrohung    mit  einer    gegenwärtigen    Gefahr    für    Leben, 

nöthigt,  soll  wegen  Notbzucht  mit 

bestraft  werden. 

Art.  206.  Wer  ausser  dem  Falle  der  Nothsucht  eine  blöd- 
sinnige oder  in  anderer  Weise  geisteskranke  Frauensperson  zum 

ausserehelicben  Betscblafe  missbraucht,  ist  mit 

zu  bestrafen. 

•  Art.  207.  Wer  eine  Frauensperson  zur  Gestattung  des  Bei- 
schlafs durch  Erregung  oder  Benützung  eines  Irrthums  verleitet, 
vermöge  dessen  sie  den  Beischlaf  für  einen  ehelichen  hält,-   soll 

mit 

bestraft  werden. 

Art.  208.  Wenn  Eltern  oder  andere  Verwandten  in  auf- 
steigender Linie    mit   ihren    leiblichen   Abkömmlingen    den  'ßei- 

Hchlaf  vollziehen,  so  sollen 

bestraft  werden.  "• 

Art.  209.     Voll-   und   halbbürtige   Geschwister,    welche  mit 

einander  den  Beischlaf  vollziehen,  sind 

zu  bestrafen. 

Art.  210.     Der    Beischlaf   zwischen    Schwieger-    und    Stief- 


384  XXTTI.     Hofmann,  Gerichtliehe  Oatachten 

Geschlechtstriebes,  welche,  wenn  von  zeu- 
gungsfähigen Persönlichkeiten  geschebend, 
die  Möglichkeit  der  GeschlechtsTor  tp  f  Jan- 
zung  in  sich  schliesst.   Diese  Möglichkeit  ist  aber 


eitern  und  ihren  Schwieger»  oder  Stiefkindern  soll 

bestraft  werden. 

Art.  212.  Pflegeeltern  nnd  Vormünder,  welche  mit  ihrea 
minderjährigen  Pflegebefohlenen ,  Geistliche ,  welche  mit  ihrea 
minderjährigen  Pfarr-  oder  Beichtkindern,  Lehrer  and  Erzieher, 
welche  mit  den  ihnen  zur  Ersiehnng  oder  cum  Unterrichte  an- 
vertrauten    minderjährigen    Personen     den    Beischlaf    vollsiefaen. 

sind 

80  bestrafen. 

Art.  213.  Die  an  Gefangnissen,  an  Straf-  and  poliseilichen 
'Verwahrangshänsern  oder  an  Anstalten,  welche  aar  Pfleg'e  ond 
Unteratütsnng  von  Hülfsbedürftigen  -oder  zur  Besserung  verwakr- 
loster  Personen  bestimmt  sind,  angestellten  oder  beschäftigten 
Beamten,  Aerzte  and  andere  Bediensteten,  welche  mit  einer  in 
die  Anstalt  anfgenoramenen  Person,  desgleichen  Beamte,  welche 
mit   einer   Person,    gegen    die    sie   eine  Untersuchung  au  fuhren 

haben,  den  Beischlaf  verüben,  sollen  mit 

bestraft  werden. 

Art.  214.  Wenn  die  in  den  Art.  204  —  213  beseiefaneteB 
strafbaren  Handlungen  statt  durch  natnrge müssen  Beischlaf,  durch 
den  Missbrauch  einer  Person  m&nnlichen  oder  weiblichcD  Ge- 
schlechts zu  widernatürlicher  Wollnst  verübt  werden,  so  kommen 
die  in  jenen  Artikeln  enthaltenen  Strafbestimmungen  zur  An- 
wendung. 

Art.  220.  Wenn  Eltern  oder  andere  Verwandte  in  aufstei- 
gender Linie,  Pflegeeltern,  Vormünder,  Geistliche,  Lehrer  oder 
Erzieher  das  VerhHitniss  zu  ihren  Abkömmlingen  oder  minder- 
jährigen Pflegebefohlenen,  Pfarr-  oder  Beichtkindern  oder  Schü- 
lern dazu  missbrauchen,  die  ihnen  untergebenen  oder  anvertrau- 
ten Personen  einem  Anderen  zum  Zwecke  der  Befriedigung  der 
Geschlechtslust  durch  naturgemässen  Beischlaf  oder  widernatür- 
liche Wollust  zuzuführen  oder  zu  überlassen,-  so  soll  auf  .  .  . 
erkannt  werden,  womit 

Art.  222.  Wer  eine  unbescholtene  Person ,  welche  dss 
zwölfte,  aber  noch  nicht  das  16.  Lebensjahr  zunickgelegt  hat, 
zum  Beischlafe  oder  zur  Oestattung  des  Missbrauchs  zu  wider- 
natürlicher Wollust  vorführt,  ist  mit 

zu  bestrafen. 


über  fleischliche  Vergehen.  365 

nur  dann  gegeben,  wenn  der  Same  des  Mannes  inner- 
halb der  GeschlecliUlbeile  des  Weibes  abgelagert  wird, 
und   eine  hierorüge   Ablagerung  isl  nur  dann  möglich, 
wenn    das   Zeugungsglied    des   Mannes    wenigstens 
bis   in   den   Scheidenvorhof  und  an  den  Scheidenein- 
gang des  Weibes  gelangt. 
Etwas  Anderes  als  „Beischlaf'  ist  ,,widen)atörliche  ,,WoK 
iust^     Auch  bier  findet  eine  Befriedigung  der  Geschlechis- 
lust  statt,    aber  keine  solche,    bei  welcher  Geschlechlsfort- 
pflanzung    möglich,    und    unterscheidet   sich  „widernatürliche 
Wollust*'   von  „anderen  unzuchtigen  Handlungen*',  von  denen 
ebenfalls  das  Strafgesetz  spricht  ^)  dadurch ,  dass  zwar  nicht 
bei    Letzteren,    wohl  aber  bei  ersteren  —  der  „widernatür- 
lichen Wollust"  —  Geschlechtstbeile  in  Frage  kommmi,    tn 
Thätigkeit  oder  Mitleidenschaft  treten.    „Widernatürliche 
Wollust*'   ist  jede  Befriedigung  der  Geschlechts- 
lust, welche  die  Möglichkeit  der  Geschlechtsfort- 
pflanzung ausscbliessend,  Geschlechtstbeile,  sei 
es  in   thätigör  oder  leidender  Weise  zur  Verwen- 
dung bringt. 

Hält  man,  wie  man  muss,  diese  zwei  Begriffe  des  „Bei- 
schlafs" und  der  „widernatürlichen  Wollust"  auseinander  und 
die  bezeichneten  Begriffsbestimmungen  fest,  so  kann  Ange- 
sichts des  Ergebnisses  des  von  mir  an  der  kleinen  K.  vor- 
genommenen Augenscheins  und  Angesichts  dessen,  was  N. 
sah,    nimmermehr  von  einem  Missbraucbe  zum  „Beischlafc'*, 


1)  Strafgesetz  für  das  Königreich  ßayerti: 
Art.  215.     Unsüchtige  Handlangen,  welche 

1)  mittels  gewaltth&tigen  Angriffs,  oder 

2)  an  Personen  verübt  werden,  die  das  zwölfte  Lebens- 
jahr noch  nicht  zurückgelegt  haben,  oder  sieb  im 
Zustande  gänzlicher  Willenlosigkeit  befinden,  sollen 

bestraft  werden. 
Art.  216.     Eltern   oder  andere  Verwandte   in   aufsteigender 
Linie,   welche    mit  ihren    leiblichen  Abkömmlingen  oder  an  den- 
selben   nnziichtige  Handlangen  yerüben,    oder   dieselben  za  sol- 
chen verleiten,  sollen 

bestraft  werden. 

MouAUflcbr.  f.  Oeburttk.  1866.  Bd.  XXVI,,  Hfl.  6.  25 


XXIII.     Htfmann^  Gerichtliolie  Gatttchten  etc. 

sondern  auBscbliesslich  nur  von  einem  Missbrauche  zur  „wi- 
dernatürlichen" Befriedigung  der  ,,WoUu^'*  die  Rede  sein. 
N.  sah  die  K.  mit  enlblös«leii  Schenkeln  und  Bauche  auf 
dem  Canapee  liegen,  sah  den  X.  obenauf  liegen,  sah  ihn  Be- 
gaUnngsbewegungen  n>achen,  aber  X  sein  Glied  nicht  in  der 
Mutterscheide,  sondern  zwischen  den  Schenkeln  und  an  deo 
Geschlechtslheilen  des  Kindes.  Eine  solche  Befriedigung  der 
Gescldechtslusi  ist  aber  „widernatörlidie  WoUusl'S  dtfren 
Geschehensein,  weil  keine  Spuren  hinterlassend,  sich  der 
Ermittelung  und  Erforschung  des  Arztes  entzieht.  Dies  ist 
die  einzig  mögliche  ErklSrungsweise ,  welche  die  beeidigle 
Aussage  des  N.  mit  dem  von  mir  aufgenommenen  Befunde 
in  Einklang  bringen  lässt. 

ad  49  Ein  derartiger  Missbrauch  verursacht  keine  Schmerzen. 
Es    war   daher  auch  für  das  Kind  keine  Veranlassmig 
gegeben,    ,Jammeitone"    von   sich  zu  geben.     Deroim- 
geachtet  kann  ärztlicherseits   nicht   behauptet  werden, 
dass  ^.'s  Wahrnehmung  nach  dieser  Richtung  hin  und 
die  von  ihm  dem  X  in  den  Mund  gelegten,   das  Kind 
beschwichtigen     sollenden     Worte    Unwahrheiten     sein 
mögen.     Es  lasst  sich  nur  so  viel  behaupten,  dass  — 
die   Wahrheit   der  beeidigten  Aussage  des  N.  voraus- 
gesetzt —  Angesichts  des  Ergebnisses  der  geschehenen 
Untersuchung  der  K.,  N,  Widerslrebungslaute,  die  das 
Kind  von  sich  gab,  mit  „lannnertönen**  ver^^^echselte.   Zu 
dieskr  Deutung  dessen,  wos  N.  —  stets  die  Wahrheit 
seiner  beeidigten  Aussage  vorausgesetzt  —  hörte,  sehe 
ich   mich   veranlasst,    gemäss  jenen  Wabrnefamnngen, 
die  ich    an    dem    Kinde   bei  Gelegenheit    der    Augeo- 
scheinsaufnahme  machte.   Das  Kind  geberdete  sich  näm- 
lich derartig  geschämig,   wie  mir  in  meiner  nun  zehn- 
jährigen   gerichtsarztlichen   Praxis    kein    zweites    Kind 
mehr  vorgekommen.    Mehrmals  war  ich  versucht,  ganz 
auf  Vornahme   eines  Augenscheins  zu  verzichten,    und 
die  Muter  allein,  welche  ihr  Kind  hart  mit  Scheltwor- 
ten  anliess,    ermöglichte  mir  die  Besichtigung  der  Ge- 
schlechtstheile. 
Es  steht  dem  Sachverständigen  nicht  zu,  eine  moralische 
UeherzeugUHg  zur  Geltung  zu  bringen;  dies  ist  ein  aus- 


XX IV.    Notisen  aas  Aer  Joarnal- Literatur..         x  387 

scliliessliches  Vorrecht  des  Ricbteramtes.  Nichts  aber  steht 
im  Wege,  dass  der  Sachverstandige  eine  gewonnene  mora- 
lische Ueberzeugung  dem  Richter  mittheiJe,  damit  dieser 
sie  zur  Geltung  bringe,  wenn  er  dies  für  angemessen  findet. 
Von  diesem  Gesichtspuniite  aus  will  *ich  gewürdigt  wissen, 
wenn  ich  mir  erlaube,^ohem  Kriegsgerichte  jene  moralrscbe 
Ueberzeugung  milzutbeilen,  welche  ich  mir  aus  der  bei  Be- 
sichtigung der  Geschlecbtstheile  kundgegebenen,  offenbar  ganz 
ungekünstelten,  natürlichen  mädchenhaften  Geschämigkeit  bil- 
dete, d^bin  gehend,  dass  sich  mir  keine  Ueberzeugung  ge- 
schehenen Mtssbrauches  dfeses  Kindes  zu  widernatürlicher  Be- 
friedigung der  Geschlechtslust  festsetzen«  konnte.  Der  Grund 
der  Nicht- Bildung  einer  Ueberzeugung  war,  weil  einerseits 
von  Gewaltanwendung  nirgends  die  Rede,  anderei*seit#  aber 
mir  nicht  aotiehmbar  schien  und  noch  immer  nicht  annehm- 
bar scheint,  dass  ein  so  hochgradig  geschämiges  Mädchen 
sich  so  bereitwillig  zur  unnatürlichen  Geschlechtslustbefriedigung 
hergegeben  haben  möge. 

Mein  Gesdmmtguiachten  geht  dahin: 

1)  Der  Annahme,  dass  das  Kind  zu  „widerna- 
türlicher Wollust''  missbraucbt  worden  sein 
könne,  steht  ärztlicherseits  nichts  im  Wege, 

2)  die  Annahme,  dass  das  Kind  zum  „Beischlaf" 
missbraucht  worden  sei,  ist  ärztlich  nicht 
zulässig. 


XXIV. 
Notizen  aus  der  Journal  «Literatur. 


Day:   Eine  Wanderniere  giebl  die  Veranlassung  zu 

Symptomen  der  SchwangerschafL 

Naoh  einigen  aUgemelnen  Bemerkoof^n  Aber  beweg- 
liche Nieren  und  deren  Verwechelnog  entweder  mit  Faeeal- 
masseo  im  Colon  oder  nit  beweglicher  Mili,  oder  mit  Oe« 
8chwül»tea    des   Oinentuin    und   Mesenteriam    erailiit  Verf.   einen 

26  • 


390  XXIV.    Notiaea  ah»  der  Jouriuil-Literator. 

Die  MDsi^en  Atttoren,    die   einige«  auf  diesen  Zustand  Be- 
ittglichee  der  OeffentlielilKeit  iibergeban  haben,  nind  B^^r  (1S17\ 
und  BafMhotham  (nenerdings).     in    dem   F*alle   de«  Krateren   trat 
die   Amaurose    mit   Beginne   der   Schwangerschaft  ein,     und   Ter- 
.schwand   nach   der   Entbindung.     Int  Falle  von  Ram^bothMtm  ent- 
stand  die   Amaurose   ca.   sehn    Wochen  vor   der  Niederkunft  bei 
einer  im  Uebrigen  gesunden  Frau.     Zehn  Tage  nach  der  Wieder- 
kunft yereohwand   die   Amaurose   allmHIig,    nach   Einem    Monate 
kennte  die  Krande  wieder  GegenatKnde  unterscheiden. 

(Transactions  of  tfae  Obstetrical  Society  of  London.    Bdin- 
burgh  Medical  Journal.     Nr.  CXIV.     Decbr.   1864.) 


Banon:    Heber   die    chirurgische    Behandlung    toü 
Vesi  CO -Vaginal- Fi  stein. 

Nachdem   Verf.   als   die    häufigste  Ursache    dieser    Affection 
unzweifelhaft  die  zu  lange  Kinkeilung  des  kindlichen  Kopfe«,  der 
durch    ZU;  starken   Druck   auf  die  Symphysis  pubis  während  der 
Wehen  die  Veranlassung  zu  Mortificationen  und  Vereiterung  des 
betreffenden   Theiies   des  Vesico- Vaginal -Septum  giebt,  und  als 
seltenere  Ursachen  die  Anwesenheit  von  Ulcerationen,  die  dorcb 
CoDcretionen  oder  carcinomatoese  Wucherungen  entstanden   sind., 
und  die  nach  und  nach  perforiren,  oder  den  fortwährenden  Druck 
eines   Pessars,    sowie    ▼erbrecherische    Versuche,    den  Abort  zn 
erregen,  angegeben  hat,    bespricht  er  kan  die  heryorragendaten 
Symptome,  die  aber  meist  nicht  sogleich,  sondern  erst  Tage  ond 
Wochen    nach   der  Entbindung  sich  einstellen  und  nnr  nach  An- 
wendung von  Instrumenten  oder  nach  der  Wendung  sogleich  mit 
dem  Eintritte  de«  Ereignisses  eintreten.    Sie  bestehen  besonders 
in  der  Unfähigkeit  entweder  Einen  Tropfen  oder  nur  eine  kleine 
Quantität  Harn  zu  halten;  daher  findet  sich  fortwährendes  Harn- 
träufeln ,  das  die  Vagina  und  die  äusseren  Geschlechts theile  ez- 
coritrt.     Diese  Symptome  waren  in  allen  FHllen  zugegen,  welche 
Verf.  unten  beifttgfe.     Nach  einem  kurzen  geschichtlichen  Ueber- 
blicke  über  die  verschiedenen  Arten  und  Weisen  der  Vereinigung 
der  Fistelränder  kommt  Verf.  auf   die    von  J^saaedy  (1837)  em- 
pfohlene Methode;    dieser   gebrauchte    die    gedrehte  Drahtnaht, 
welche  er  mit  einem  durchlöcherten  Schrotkorn  befestigte;  nach- 
her haben  sich  Bozman^    Baker  Br^Vin^  Simp9&n   auf  dieses  Ka- 
pitel geworfen  und    es  zum  gegenwärtigen  vollkommenen  Stand- 
punkte  gebracht.     In    den    drei    bis   vier  ersten    Fällen,   welche 
Verf.  operirte,  hielt  er  auch  BoaMaaa's  Operationsweise  fest.  Der 
Patient  liegt»  auf  Händen  und  Knieen,  J9osfita»*s  gebogenes  Spe- 
culum  wird  eingeführt,    dadurch  die  Vagina  ausgedehnt  und  ds« 
Perinäum  zurückgeschoben.     So   gelangt  die  Fistel  in  Sicht,  je 
nach    ihrer   Lage   verschieden.     Nun  werden  sorgsam  die  Ränder 


XXIV.   Noftisen  auh  der  JoarnaU  Literatur.  391 

angtfrischt  and  «odann  diesolbeD  acenrat  aneinander  gebracht, 
and  »war  dureh  so  viel  N&hte,  als  die  Länge  der  Fistel  anlKssi^ 
macht. 

ITür  sehr  kleine  Fisteln,  besondere  wenn  sie  hoch  oben  in 
der  Vagina  j^elegen  sind,  bat  Verf.  ein  Abweichendes  Verfahren 
mit  einem  eigens  daan  angegebenen  Instrnniente,  dessen  Abbil- 
dung er  beifügt^  eingeschlagen.  Letsteres  benteht  aus  einem  ge- 
krümmten, festen  Stiele  oder  einer  eben  solchen  Sonde,  die  mit 
vier,  hach  rnckwiirts  vorspringenden  Spitzen  versehen  ist.  Man 
kann  dies  leicht  in  die  kleinste  Oeffnung  einzwängen  und  beim 
Ana^iohen  den  kUifmk  auf  jeder  Seite  anhaken.  Mehrfache  Ver- 
sucht mit  derartigen  Fisteln  wiesen  die  Brauchbarkeit  des  In- 
strumentes nach.  NAch  Anlegung  der  Silber-  oder  Ki-sendrAht- 
nflhte  folgte  Verf.  anfangs  dem  Plane  von  Botman,  indem  er  eine 
durchlöcherte  kleine  Platte  (mit  doppelter  Reihe  von  Löchern, 
entsprechend  der  Zahl  der  Sntnren)  gebrauchte  und  dieselbe  in 
die  geeignete  Stellung  brachte,  um  die  Sotnren  zusammen- 
andrehen.  Aber  er  fknü  es  für  unnöthig  und  folgte  <5»m«* 
Rathe,  indem  er  die  Silbersuturen  geradezu  an  getrennten  Stel- 
len verschlang,  nachdem  er  sie  in  accnrate  Lage  gebracht  hatte. 
Die  von  Sinu  empfohlene  Lagerung  ist  die  halb  nach  vorn  über- 
geneigte, die  weniger  als  die  Kniehändeiage  ermüdet.  Baker- 
Breton  empfiehlt  die  Stellung  des  Steiuschnitts.  In  beiden  letz- 
teren lisst  sich  Chloroform  anwenden,  in  der  KniehHndelage 
nicht.  ^  Nach  der  Operation  mnss  der  Patient  ruhig  liegen  und 
der  gebogene  oder  der  gerade  Katheter  wird  in  der  Blase  gelas- 
sen, jeden  Tag  gewechselt,  bis  zum  achten  oder  neunten  Tage, 
wo  die  Saturen  entfernt  werden  können,  dann  darf  der  Patient 
selbst   Harn  lassen. 

Verf.  fügt  hierzu  noch  zehn  Fälle,  und  zwar  acht  von  Ve- 
sico- Vaginal-,  einen  von  Utero- Vesical  und  einen  von  Recto* 
VAgioal-Fisteln.  Sie  wurden  sämmtlich  bis  auf  Einen  Fall  geheilt; 
letzterer  würde  es  durch  eine  zweite  Operation  auch  geworden 
»ein.  Einen  Fall  von  Zerreissung  des  Perinaeura  und  Redtnm 
bei  Verschluss  der  Scheide,  die  Verf.  ebenso  behandelte,  schliesst 
er  ebenfalls  an.  In  zwei  FHUen  liess  die  erste  Operation  im 
Stiche  und  mossten  in  dem  einen  Falle  noch  zwei,  im  anderen 
noch  drei  Operationen  unternomroi^n  werden,  ehe  man  zum  Ziele 
gelangte;  in  den  übrigen  Fällen  führte  eine  Operation  zur  Hei- 
lung. Die  Utero  Vesical-Fistel  heilte  durch  Cauterisation;  wXre 
dies  nicht  geglückt,  so  hätte  Verf.  hier  den  Verschluss  des  Ori- 
ficiam  utüri  als  Fleilungsoperation  nicht  versucht.  Das  Alter  der 
Operirten  stand  zwischen  19  und  (17  Jahren,  dfie  meisten  Fisteln 
waren  nach  der  Entbindung  entstnnden.  Die  Zahl  der  angewand- 
ten Nähte  betrug  zwischen  zwei  und  sechs.  Die  Heilung  ging 
binnen  acht  bis  neun  Tagen  vor  sich. 

Die    vollataudige    RaptUr    des    Perinaenui    wurde    in    zwei 


392  XXIV.    Notisen  ans  dor  Joaraal •  Literatiir. 

Sitiongeii  geheilt.  In  der  ersten,  in  SteinsehniUliigre,  wnrdra 
die  Verschliessnogen  der  Scheide,  die  durch  feste  Lip^am«fite  ^ 
bildet  worden,  getrennt  ond  später  wurde  die  enge  Va^in«  noeli 
mit  Presssohwamm,  dor 'täglich  eingelegt  wurde,  diiatirt.  In 
der  »weiten  Sitsung  wurde  die  hintere  Vaginalwand  mit  drei  Sil- 
be rdrUbten  vereinigt. 

(The  Dnbltn  Quarte rly  Journal  of  Medical  Scieoc«. 
Febr.  1866.     No.  77.) 


C  Braun:  lieber  künstliche  Frühgeburt  durch  See- 
tang (Laminaria  digitata). 

JS&ch  einer  kursen  kritischen  Beleuchtung  der  bewährtesten 
und  noch  jetst  gebräuchlichen  Methoden  sur  Einleitung  der  künst- 
lichen Frühgebnrt  (Ethantstich,  Anwendung  des  Press«  ch  warn  ms, 
der  Tamponade.  der  aufsteigenden  warmen  Douche,  der  intra- 
uterinen Injection  und  Catheterlsation)  macht  B.  im  Nachstehen- 
den auf  die  Vorzüge  aufmerksam,  welche  die  Anwendung  des  in 
den  Cervicalcanal  eingeschobenen  Seetang  (Laminaria  digitata) 
als  Wehen  erregendes  Mittel  bietet.  Dieser  dringe  leicht  ein, 
sei  nicht  so  porös  wie  Pressschwamuv,  schwelle  blos  um  das 
3  —  4  fache  an,  reise  den  Hals  und  den  inneren  Muttermund  nicht 
übermässig,  verursache  keine  lästigen  Empfindungen,  entwickele 
keinen  Gestank,  halte  durch  seine  stetige  Volumensverinehrung  den 
Luftsutritt  ab  und  erbalte  sich  durch  sein  Aufquellen  sehr  leicht 
in  einer  bestimmten  Lage. 

Verf.  legt  hierauf  vier  Beobachtungen  vor,  welche  beweisen 
sollen,  dass  sehr  geringe  Reise  in  einer  sehr  geringen  Ausdeh- 
nung über  dem  oberen  Muttermunde  angebracht,  yollkommen 
ausreichend  sind,  um  eine  künstliche  Frühgeburt  mit  den  besten 
Kesultaten  sn  ersielen.  im  ersten  Falle  bewirkte  das  Einlegen 
des  Seetang  durch  15  Stunden  nach  drei  Tagen  die  Geburt  eines 
lebenden  Kindes.  Wochenbett  normal;  im  zweiten  erseugte  ein 
24  stündiges  Liegenlassen  des  Seetang  im  Cervix  Wehen,'  durch 
welche  nach  drei  Tagen  die  Frühgeburt  beendet  wurde.  Im  drit- 
ten Falle  hatte  das  Einlägen  eines  ähnlich  wirkenden  Harsgom- 
mistäbchens  durch  24  Stunden  keinen  Erfolg;  nachdem  es  nach 
drei  Tagen  zum  z^wciten  Male  durch  30  Stunden  angewandt  wurde, 
war  dor  gute  Erfolg  gesichert.  Im  vierten  Falle  Anwendung  des 
Seetang  während  der  Nacht,  worauf  nach  sechs  Tagen  die  Früh- 
geburt vor  sich  ging. 

(Wiener  med.  Presse  1865.    Nr.  20.  u.  2L) 


R,  Döbner:  Sechzehn  Fälle  vou  künstlich  eingelei- 
teter  Frühgeburt,    beobachtet  auf  der  geburishülf- 


XXIV.    NotisjBii  aot  der  Journal- Lite ratar.  $93 

liehen  Klinik  zu  Wilrzbarg,    mit    epiicritischen   Bemer- 
kungen. 

In  ▼orlUgepder  Arbeit  giebt  Verf.  eine  kante  Zoeammen- 
atellang  aänaintlieher  Qebarttgeacbicbten  der  Fälle  yon  kümit- 
licber  Frühgeburt,  die  seit  dein  Herbst  1860  in  der  geburtahttlf- 
liobt^n  AnstaU  su  Würsburp  unter  ScanmmVn  LeitQng"  aosgenibvt 
wurden«  Die  genannte  Operation  wurde  im  Gänsen  eecbaohn 
Mal,  und  swar  drei  Mal  durcb  Beisung  der  Bruatdrütfenoerren, 
sieben  Mal  durch  die  ^raitse^sche  Methode  und  ein  M*I  duroh 
lüinströmenlasaea  von  Kohlensäure  in  die  Vagina  attsgefdhrt.  In 
einem  Falle  begann  man  auerst  mit  Reiaung  der  Bruatdrüsen- 
nerven,  und  wendete- dann  die  Colpeuryse,  den  Pressschwamm 
und  «uletat  die  warme  Douche  an.  In  eisern  sweitea  routste, 
nachdem  das  Ein  strömenlassen  der  Kohle  osäare  in  die  Vagina, 
Uterininjectionen  und  Tamponade  der  Vagina  ohne  Erfolg  ge- 
hlieben waren^  der  Eihautstich  gemacht  werden.  In  swei  Fällen 
wurde  der  Kihautstiob  angewendet,  nachdem  einmal  die  Milch- 
snuggläser  und  der  Colpeurynter  erfolglos  gewesen  und  im  swei- 
ten  Falle  MllehsaugglKser,  aufsteigende  Douche,  Klysmen  mit 
Seeale  cornuturo  die  Geburt  nur  sehr  laugsam  eingeleitet  hatten. 
In  einem  Falle  endlich  wurde  nach  Anwendung  der  £rau«e*schen 
Methode  noch  die  Colpeuryse  sur  Verstärkung  der  Wehen  in 
Gebrauch  gesogen. 

Nach  ausföhrlicheror  Beschreibung  und  Beleuchtung  der 
einselnen  Fälle  kommt  Verf.  weiterhin  su  dem  Resultate,  dass 
die  Krauae'Bche  Operationsmethode  so  siemlich'  allen  Anforde- 
rungen entspreche,  welche  der  Praktiker  an  eine  solche  su  stel- 
len berechtigt  sei.  Denn\  es  biete  weder  die  Ausfährung  dieser 
Operation  nennettswerthe  Schwierigkeiten,  noch  sei  bei  einiger 
Geschicklichkeit  ein  yorzeitiges  Sprengen  der  Blase  zu  befürch- 
ten; zudem  sei  sie  bequem,  durchaus  gefahrlos,  sicher,  und  führe 
im  Vergleich  zu  anderen  Methoden  rasch  zum  Ziele. 

Die  übrigen  Verfahren:  Pressschwamra ,  Douche,  Ablösen 
der  Eihäute  vom  unteren  Uterinsegmente,  Reisung  der  Brust- 
drüse, Tampon,  Thierblasen,  Colpeurynter  hält  Verf.  theils  für 
unsicher  und  langsam  wirkend,  theils  für  nicht  ungefährlich, 
schmerzhaft  und  zeitraubend.  —  Die  JTraufs'sche  Methode  relebe 
übrigens  für  sich  oder  mit  der  Uterininjection  verbutiden  meist 
aus;  nur  in  Ausnahmefällen  sei  der  Eihautstich  (und  immer  nur 
bei  Indicatio  vitalis)  nöthig. 

Die  Prognose,  welche  das  JTrotise'sche  Verfahren  för  die 
Wöchnerinnen  biete,  sei  ebenso  ein  durobaus  befriedigendes, 
und  wenn  ein  Gleiches  hinsichtHeh  der  Erhaltung  des  kindliehen 
Lehens  nicht  gesagt  werden  könne,  so  treffe  dieser  Vorwurf  doeh 
gleichmässig  oder  selbst  in  höherem  Grade  alle  anderen  Metho- 
den der  Einleitung  der  kOnstliehen  Frühgeburt. 


3S4  XXV.     I^HevAtor« 

Zfiletofc  bespriebt  der  Verf.  die  lAdfcutioneii  £9r  Opemtion. 
Als  einzig  und  unbedingt  erkennt  er  die  Beckenvereogeniiii^  mit 
einer  Conjngata  von  Sy^ — 27^"  bei  partiell  verengten,  3V, — S*//'  *>ei 
allgemein  verengten  Becken  an ;  bei  Erstgebüfetideii  jedoefa  gebe 
eine  Conjngala  über  3V4"  keine  indication  ab,  da  matt  aelbet 
bei  noch  stärkeren  Verengerungen  nicbt  selten  die  Gebart  na* 
tflrlich  und  dnrehaas  günstig  fHr  Mntter  und  Kind  habe  ▼•r- 
lunfaa  sehen. 

Alle  fibrflgstt,  durch  Krankheit  der  Mutter  oder  des  Kinde« 
bedingten  Indioatlonen  aeien  nur  relative.  Das  habiiaelle  Ab- 
sterben der  Kinder  läset  Verf.  kaam  als'  Indication  gelten,  weil 
sehr  gb  wohn  lieh  der  -Grnnd  des  Ab  Sterbens  In  CenstiiatfoDsaao- 
ftfalien  (AnKmie,  Syphilia  der  MnUer  und  Kinder)  liege;  ee  sei 
aber  jedenf^lle  sweeknnässiger,  diese  abnormen  Zustande  irt  d%r 
ächwangenschaft  s«  behandeln  ^  als  auf  den  nnsioheren  Erfolg 
der  Frühgeburt  zu  rechnen. 

(Würaburger  Medioinische  Zeitschrift  1865,    6.  Band. 
I.  und  II.  Heft. 


XXV. 
Literatur. 


Handbuch  der  systematischen  Anatomie  des  Menschen.  Von 
Dr.  J.  Herde,  If.  Band.  Eiiigeweidelehre.  2.  Liefe- 
rung. Harn-  und  Geschlechtsorgane.  Braun- 
schweig,  1864.     pag.  278—534. 

Mögen  auob  Manche  gegen  das  rein  morphologische  l'rin- 
cipi  welches  ffenle  hei  Abfassung  seines  Handbuchs  der  mensch- 
lichen Anatorole  su  Grunde  gelegt  hat,  Einsprach  erheben,  so 
wird  deeh  Jt^der  augestehen  aiüsfien,  dass  das  J7saZs*ache  Bach 
eine  FülU  des  Stoffes  enthält  und  bei  vielen  Fragen  Antwort 
giebt,  wo  andere  Bücher  im  Sfiche  lassen.  Diener  unbe- 
streitbare Voreug  findet  sich  auch  In  dem  vorliegenden  Ilc^fte, 
welches  das  schwierige  Kapitel  der  Harn-  und  Geschlechtsorgane 
eathült. 

Nimmt  BiAB  hinan,  dass  eine  klare  gteichmüssige  Verarbei- 
tvag  des  Stoffes )  ealdreii^he  ▼^»rsiSgllQhe  Durchschuittsaeichniin- 
f^en,  Bum  Theil  nach  gefrorene«  KndaTern  »osgeführt,  eine  kri- 
tisjohe  Beleuehtung  der  eins  oh  lagigen  Literatur  dieses  Heft  gana 
besonders  anszoicbuiMi,  so  ergiebt  sich  als  Kndurtheü,  dae»  das 


XXV.     LiUratun  386 

▼orliegeod«  Werk  in  auBg^seicbnetOir  Weiso  «tne  ▼od  alU*  Gy- 
n&kalogen  und  Oebartsbelfern  lange  gefohlte  Lücke  auafüllf,  und 
deahftib  bestens  empfohlen  werden  muss. 

bei  der  Natur  solcher  Arbeiten  liegt  die  Unmöglichkeit  auf 
der  Hand,  den  Hauptinhalt  im  Aussuge  mitiutheileD.  Das  ge< 
oaue  Durchlesen  der  eineeinen  Kapitel  kann  Niemandem  erspart 
werdeii. 

Dagegen  möchte  anf  folgende  Kapitel  besonders  aufmerk* 
sam  gemacht  werden,  wegen  der  neuen  Befunde  sowohl  als  def 
neuen  und  geistreichen  Ansobanungen,  die  sie  enthalten. 

Das  Kapitel  von  der  Niere,  pag.  287 — 320.  Hierbei  muafl 
man  freilich  im  Auge  behalten,  dass  die  Histologie  durch  Schweig* 
ger-Stidel  wesentliche  Berichtigungen  erfahren  bat» 

Die  Harnblase,  pag-  321 — 334.  Die  Lehre  vom  Har»* 
blasenTerscblttss ;  die  Sichtung  der  Nomenclatnr  bei  den  einael* 
nen  Theilen  der  Blase.  Die  Feststellung  der  normalen  Gestalt 
der  Harnblase,  welche  nicht  so  ohne  Weiter«!  nach  Durchschnit- 
ten an  gefrorenen  Präparaten  bestimmt  werden  darf. 

Der  Bau,  namentlich  die  Beschaffenheit  der  Muskulatur  der 
weibliehen  Harnröhre,  pag.  465^489. 

Der  Ovidukt  und  die  Ovarien,  pag.  466—489. 

Die  Perinaealmuskein,  pag.  490— 518. 

Die  ganee  Ausstattung  des  Buches,  besonders  aber  die  Ans- 
fiihrung  der  sum  Theil  farbigen  HoUschnitte  gehören  su  den 
besten  Leistungen  der  heutigen  Technik.  B. 


Die  conibhiirte  äussere  und  innere  Wendung  von  </.  Brax- 
ton  Hicks,  M.  D.  Lehrer  der  Geburlshulfe  und  Frauen- 
krankheiten und  Arzt  an  Guy*s  Hospilal  z\\  London  etc. ; 
aus  dem  Englischen  und  mit  Zusätzen  von  Wilhelm  L. 
Künekey  Privatdoceut  Kn  Göltingen.  Gölliitgen  1865. 
8<>.     p.  86. 

Herr  K.  hat  sich  ein  anerkennenswerthes  Verdienst  erwor- 
ben, dadurch,  da»8  er  die  zwar  schon  in  der  Lancet  1860  veröf- 
fentlichte und  später  18^8  der  geburtsbiilflicben  Oesellsehaft  in 
London  vorgelegte,  den  deutschen  Faohgenossen  bisher  aber  wohl 
weniger  bekannte  neue  Wendungsmethode  von  Bicka,  durch  Ueber* 
tragUDg  ins  Deutsche  und  ergänzende  ZusÜtse  zur  weiteren  Kennt- 
iiiss  nnd  L'rüfang  gebracht  hat. 

Hirk»^  Methode  gründet  sich  zunHchst  anf  die  br>kannte 
TFt^an(i*sche  durch  Uussere  Handgriffe,  dehnt  dieselbe  aber  in 
mehrfacher  Besiehung  wesentlich  aus,  namentlich  dadurch,  dass 
gleichzeitig  mit  den  äusseren  Manipulationen  auch  von  der 
Scheide  und  dem  Muttermunde  aus  mit  zwei,  höchstens  vier  Fin- 
gern, so  dass  die  Dicke  der  Hand  den  Muttermund  nicht  durch 


Sae  ^XV.     Literatur. 

sehreitet,  der  yorlie^ende  Kindestheil  In  sweckmUset^er  Wei.«c 
nach  oben  and  sar  Seite  gesehoben  wird,  um  dem  ^00  aaeeee 
herabgedrückten  Kindestheile  vollkommen  Plats  an  machen.  Kacfc 
gemachter  Wendung  wird  dann  der  nen  eingetretene  Kfndestheil 
von  der  innen  befindliehen  Hand  festgehalten  and  dieser  Stand 
auch  durch  weitere  Kusse re  Manipulationen  und  Liag^erang  der 
Gebärenden  dauernd  gemacht.  Hickt  macht  in  dieser  Weise  alle 
Arten  von  Wendungen ,  bei  Querlagen  und  Schieflagen  auf  des 
Kopf  und  dre  Ftisse,  bei  Kopflagen  auf  die  Füsse  n.  s.  w.,  nnd 
Bwar  nicht  bloss  bei  noch  hochstehendem,  gani  bewegltcbem  vor- 
liegendem Theile  mit  noch  vorhandenem  Fruchtwasser,  sondern 
auch  nach  Abfluss  des  letsteren,  selbst  bei  tieferem  Stande  des 
Kindes,  bei  Vorfall  des  Armes,  der  Nabelschnur,  welche  letster« 
entweder  vorher  oder  nachher  reponirt  werden.  Ftir  alle  diese 
verschiedenen  Fülle  werden  bestimmte  Kegeln  ertheilt  und  die- 
selben durch  interessante  Beispiele  erläutert  und  bestl&tigt.  Else 
eigenthümliche  Methode  des  VeH.'s  bei  Flacenta  praevia  besteht 
darin,  dass  er  schon  an  Anfang  oder  vor  der  Geburt,  sobald 
eine  bedenkliebere  Blutung  stattgefunden  hat,  das  Kind  anf  die 
Füsse  wendet,  dann  die  Blase  sprengt,  den  einen  Fnss  sanft 
durch  den  Muttermund  leitet,  und  nur  so  viel  ansieht,  daaa  er 
als  Tampon  von  innen  her  dient  und  nun  der  Natur  die  Gebart 
überlftsst,  nur  dass  der  Fuss  immer  nach  unten  gespannt  erhalteo 
wird.  Die  Blutung  hört  dann  fast  constant  auf,  die  Frau  erholt 
sich  und  die  weitere  Geburt  ist  wie  bei  jeder  Fnsslage  an  be- 
handeln. Verf.  ist  fern  davon,  durch  seine  Wendungsmethode  die 
bisher  üblichen  ersetzen  oder  beseitigen  zu  wollen,  aber  er  hebt 
folgende  positive  Vortheile  hervor: 

1)  Wir  gewinnen  durch  dies  Verfahren  die  günstige  Gele- 
genheit,^ abnorme  Lagen,  sobald  sie  erkannt  aind ,  an  ver- 
bessern; 

2)  die  Befähigung,  früh  au  eytbinden; 

H)  die  Gelegunheit  das  Kind  als  Tampon  bei  Placenta  praevia 
zu  benutzen; 

4)  die  Ausführbarkeit  der  Wendung  zu  einer  Zeit,  wann  das 
alte  Verfahren  nicht  anwendbar  ist; 

5)  die  Gelegenheit,  die  Wendung  auf  den  Kopf  viel  leichter 
und  rascher  auszuführen  als  früher. 

Ferner  glaubt  Verf.  folgende  Nachtheile  zu  vermeiden: 

1)  die  Vermehrung  des  üterusinhaltes  um  die  Hand  und  viel- 
leicht um  den  Arm,  und  damit  die  gesetzte  augenblickliche 
und  die  Chance  einer  nachfolgenden  Reizung; 

2)  den  Eintritt  von  Luft  in  den  Uterus; 

3)  die  Möglichkeit  einer  Utcrnsrnptnr,  da  der  Druck  dem 
bei  der  gewöhnlichen   Methode  entgegengesetzt  ist; 

4)  viel  von  dem  Schmerz  und  der  Qual  des  gewöhnlichen 
Verfahrens: 


XXV.     Liter«tnr.  397 

6)  die  Nothirendigkdft  der  Entblössoiig^  de»  Arme»  ond  viel- 
leicht das  Ablegen  des  Rookefl  des  Operat^ars ; 

6)  viel  voo  der  Ermüdang  and  Scbmenbafttgkeit,  welche  der 
Operirende  durch  den  Dmck  des  Uteras  wUhrend  der  We- 
hencontracUon  erleidet; 

7)  die  Vermehrung  des  Collapsus  durch  die  Gegenwart  der 
Hand  in  Fällen  schwerer  Erschöpfung. 

Verf.  yerhehlt  aber  aach  nicht  die  Schwierigkeiten,  welche 
seinem  Verfahren  entgegentreten  können  und  namentlich  s^ch 
geltend  machen  durch  Zusammengebeugtsein  des  Fötus  in  sich 
selbst ,  durch  fette  Wehencontraction  des  Uterus  am  das  Kind, 
durch  die  Action  der  Baaohmuskeln  und  das  Umherwerfen  unru- 
higer Oebärenden,  durch  gftnslicb  mangelnde  ResistonsfAhigkeit 
des  Kindes,  was  besonders  bei  noch  nicht  reifen  und  macerirten 
Früchten  hervortritt,  durch  übermässige  Ansammlnng  von  Frucht- 
wasser, —  indess  glaubt  er  diese  Schwierigkeiten  durch  Chloro- 
form»  Kühe,  Schonung,  Gedold,  Ablassen  des  Fruchtwassersi  über- 
haupt methodisches  Operiren  fast  immer  überwinden  sa  können. 

Jedenfalls  verdient  diese  combinirte  Wendungsmethode  die 
eingehendste  Prüfung  von  Seiten  der  Fachgenossen  und  all  dem 
Zwecke  empfehlen  wir  dringend  das  nähere  Stadium  der  kleinen 
Schrift. 

£ine  empfindliche  Lücke  in  der  kursen  historischen  Ueber- 
sicht  des  Verfassers  über  die  bisher  von  englischen  und  fran- 
aösischen  Aeriten  geübten  ähnlichen  Wendungsmethoden,  hat  der 
Uebersetaer  aweckmässig  durch  Angabe  der  Leistungen  der  deut- 
schen, welche  jedenfalls  die  bemerkenswertheren  sind,  ausge- 
füllt nnd  aosserdem  an  verschiedenen  Stellen  sachgemässe  Zu- 
sätae  beigefügt.  C. 


E.  KoeberU,  de  rovainotomie.    Paris,  1855.  8<^.  88  p. 
Le   m^me,   op^ations  d'ovariotomie;    avec  6  planches  lith. 
_  Paris,  1865.     152  p. 

Beide  Broohüren  ergänaen  sich  gegenseitig,  indem  der 
in  der  ersten  nur  vorbereitete  therapeutische  Tbeil  in  der 
aweiten  enthalten  nnd  durch  getreue  Eraähinng  der  vom  N^rf. 
operirten  Fälle  unmittelbar  illustrirt  ist«  Ein  ksraer  Abriss  der 
eigenen  Operationen  findet  sich  in  dem  statistischen  Ueberblicke 
pag.  46.  der  ersten  Brochüre.  Verf.  hat  das  Verdienst,  die  in 
Frankreich  in  Verruf  nnd  Verfall  gerathene  Oophorotomie  in  sei- 
nem Vaterlande  wieder  in  Aufnahme  gebracht  lu  haben.  Dies 
ist  durch  die  in  der  kursen  Zeit  von  swei  Jahren  mit  seltenem 
Glück  ausgeführte  Reihe  von  Bauchschnitten  geschehen,  von  denen 
sieben   sor  Aüsrottong    eines    Eierstockes,    fünf   aar  Wegnahme 


XXV.     biterttur. 

beider  Ovurieti,  nnä  in  einem  dieser  Fft)>e  fiiiBAer<lein  de«  Utervi 
und  einefl  FibroVdes  nm  letsteren  dienten.  ¥on  diesen  Open- 
tiönen  worden  nenn  durch  Heilung'  (gekrönt. 

Verf.  ist  nicht  unbescheiden,  wenn  er  den  Erfolg  hAnpt- 
sachlich  auf  die  Umsicht  bei  der  Operation,  dann  anf  die  sor^ 
fftitige  Nuohb^handlnng  besieht;  mit  Recht  ist  er  für  seitige  Vor- 
nahme des  RadicAlschnitteA  eingenommen,  denn  anch  -wir  habee 
einen  Theil  das  unglüclclichen  Ausganges  in  djsr  eigenen  Praxis 
auf  die  durch  Umatände  zn  lang*  hinausgeschobene  Frist  des 
definitiven  Verfahrens  schittbeu  müssen.  Eingenommen  ist  Verf. 
von  der  Anwendung  des  Eisenehlorids  als  blutstillendes  und  aaa> 
dorrenden  Mittels.  Die  Localitftt,  worin  Verf.  operirt,  «prieirt 
eigentlich  den  hygteinischen  GrundsKtaen  Hohn,  denn  trotz  einer 
als  höchst  ungesund  ansusehenden  Umgebung  Icsm  aneh  nach 
anderen  chirurgischen  Bingriifen  Pyämie  bisher  mit  einer  ein- 
sigen  Ausnahme  nichi;  vor  (II.,  p.  2.), 

RröfThet  wird  die  erste  Abhandlung  »it  einer  siemlich  ein- 
gehenden Geschichte  unserer  Operation,  welche  sich  an  die  Bann- 
sprüche knüpft,  womit  die  Oophorotomie  noch  vor  Knrsem  in 
der  franansischen  Akademie  versehen  wurde.  Die  IrrtbAmer  in 
der  Diagnos<v,  früher  im  Verhältnisse  von  1  :  10  bekannt,  inS^en 
swar  immer  noch  häufig  sein  —  die  Mehrzahl  pflegt  darüber 
Schweigen  an  bewahren  —  sind  aber  sicher  vermeidbarer  ge- 
worden. Unter  den  Ans^igen  zur  Laparotomie  venniaat  Ree.  die 
Selbstverdrehung  des  Stieles  der  Oeschwulat  unter  stOrmiaefaen 
Erscheinungen.  O,  Hmmi^. 


F,  C.  Faye^    Beretning  om   Födselsstiftelsen  i  Christiania  i 

Sexaars-Tidsrunimet  fra  18Ö8  til  1863. 

Der  vorliegende  Bericht  de«  geschätzten  Verf/a  erzHhlt  die 
VorkommniMe  in  der  nOY^ischen  OebXranatalt  w&hread  des  oben 
i^9«zeic)]naten  ^Sezanniums,  und  aablietat  sich  a^wohl  an  den  die 
Jahre  1818—1857  umfassenden  Bericht  an,  als  er  auch  auf  ein- 
zelne Abhandlungen  über  Rnptura  uteri  gravidi,  Deviation- und 
Ptbrome  der  Gebärmutter  und  über  acute  Pnerperalerkrankun- 
^en  Bezug- nimmt,  welche  derselbe  ins  Korak  Magazin  for  Lae- 
gevidenskäben  vei^lMfentlicht  hat. 

OpgenwKrtiges  Schriftchen,  sieben  Bogen  stark,  ist  voll  von 
statistischem  Material  anr  Physiologie  des  Kindbette«  nnd  aehliestt 
mit  dem  Engehniss  der  Untersuehungen  an  Schwangeren ;  es  ver^ 
dient  eine  Uebertragung  loa  Deutsche,  wäre  es  a«eh  nnr  wegen 
der  gehaltvollen  Betrachtnog  über  das  Puerperalfieber  (Seite 
26—76). 

919  Oeburten  und  76  gjnftkologiaclie  Fälle  wurden  beban- 
delt.    Man  hatte  655  erste,  211  zweite,   eine  drUte,  »woi  vierte 


XXV.     Literstnr.  999 

SelilldehfceHniigcn  bei  der  Geburt,  ein  erste,  einp  zweite  Ce- 
«ichtiiUg^e ,  36  Beckenetidlftgeti  (19  Prapvii>  dnnibtijt,  wornntpr 
ehk  MftI  FnsAg'eMirt  bervorging*,  nod  sechs  FnasUgen),  vier  Qner- 
Ugen;  nevn  ZwilKogsgeburten. 

Die  Zange  wirkte  um  vorliegenden  Kopfe  27  Mal;  Verf. 
laBst  sie  gern  in  der  Seitenlage  der  Gebärenden  wirken;  die 
^Leniceps"  fand  er  nnr  im  Ausgange  brancbhar  —  fragt,  warum 
ßrfinder  nicbt  gleicb  „Matte'iceps'  daran  geknüpft  babe,  weil 
es  demselben  so  angelegen  gewesen  sei,  sich  unter  dem  Panier 
des  nenen  Instrumentes  im  gebnrtshülflichen  Wappensaale  wie- 
dersufinden. 

Fünf  Mal  wurde  die  Wendung  auf  einen  Fuss  ansgefUhrti 
darunter  ein  Mal  wegen  Beckenenge  und  Armvorfalls.  Künst- 
liche Frühgeburten  vier  wegen  enger  Becken,  meist' cpm- 
binirte  Verfahren;  in  einem  Beispiele  (S.  13.)  war  Inductions- 
electricitXt  von  entscheidender  Wirkung  —  in  1  mnsste  durch 
Embryulcie  beendet  werden  (schon  anderswo  beacbriebeu).;    ' 

Aensaerste  Giado  von  Beokeneoge  sind  in  Norwegen  ho'shat 
selten;  bei  mä^sigan  Graden  spricht  sich  V«rf.,  gegenüber  vor- 
auagegangenen  schweren  Zangenentbindungen  für  die  Wea- 
dung  aus. 

Oredi^B  M]Btho4e  der  Naohgebnrtaontferniing  war  in  Chri- 
stiania  noch  nicht  im  Falle  versucht  zu  werden,  „sie  sei  ff^r  g^ 
wohnlich  nnnöthfg  nnd  nainrwidrig,  bei  Verwachsung  tind  tiefem 
Stande  der  Placenta  aber  nicht  angeseigt*.  Nachblutung  kam 
nnr  sehn  Mal  vor;  in  einem  Beispiele  waren  Oompression  der 
Aorta  oberhalb  des  Abgangs  der  Aa.  spermat.  int.  nnd  Einspritsen 
von  Eisenchlorid  erfolgreich. 

Vorfall  der  Nabelschnur  neun ,  Umschlingung  um  den  Hals 
171,  Knoten  einer.  Es  folgt  die  ErzShlung  einiger  Mortes  snbi- 
tae.  Verf.  macht  auf  die  faserstoff  reic  hon  Sputa  bron- 
chitischer  Schwangerer  anfmerksam.  Weisse  Schenkelgeschwulst 
fünf,  Thrombose  1,  Manie  sechs  (1  mit  Eklampsie  starb),  die 
übrigen  acht  Eklumptischen  genasen P  Syphilis  13  (mehrere  wur- 
den de  rivatorisch  mit  Brechweinsteinsalbe  behandelt).  Damm- 
riss  fünf,  Mastitis  13.  —  F,  lobt  den  Collodiumverband. 

Auffallend  ist  die  Uebersahl  geborener  Mädchen. 

Znr  Reinigung  der  mit  Kindbettfieber  inficirten  Zimmer 
versuchte  Verf.  Ozon,  fand  aber,  dass  dies  die  Krankheit,  welche 
mit  eii^zelnen  Diphtheritiden  der  Genitalien  einzuziehen  pfTegte, 
nur  Vorschub  leistete.  Dagegen  wsr  Rftnchern  mit  Schwefcl- 
arsen  nnd  mit  dem  weniger  gefKhrlichen  Schwefel  allein  befrie- 
digend. Schwefelraucherungen  wurden  für  unsere  Zwecke  schon 
1776  von  Leäke  empfohlen  (p.  39.).  In  nördlichen  Klimaten  reiche 
die  Lüftung  durch  einander  gegenübe rsteli,ende  Fenster  oder  Thü- 


400  ^^^'     Litenitar. 

reo  eines  KrankensimmerB  ffir  gewöhnliclie  Zeiten  TolUcammca 
aus,  pnd  sei  besser  als  die  künstUefaen  VeraoaUiltun^en.  In 
Winter  wird  ansaerdeni  mit  Böbren,  die  oben  io  den  Schornstei- 
nen nach  aussen  führen,  gewärmte  Lull  ans  dem  Ofen  ins  Zim- 
mer geschafft;  auch  steht  unter  jedem  Bett  ein  Kasten  mit  frisch 
geglühter  Holskohle,  und  in  jedem  Zimmer  ein  Napf  mit 
Kreosot.  Zum  Reinigen  der  Finger  empfiehlt  Verf.  jnehr  als 
den  Chlorkalk  das  KaCy  oder  den  Holaessig.  Die  Vibrionen 
im  Excrete  halten  wir  mit  Verf.  für  secundär;  dagegen  ist  j^«  sa 
der  geringen  Ansah!  von  Pathologen  su  rechnen ,  welche  Ge- 
müthsbewpgungen  als  unmittelbare  Anlässe  cum  Paerperalfieber 
anerkennen  —  die  Mehrsahl  operirt  bei  Anfstjellnog  der  Her- 
gänge in  dieser  Krankheit  quasi  ohne  Nervensystem. 

Mit  den  Sulfiten  hat  Verf.  keine  sonderlichen  Erfahroa- 
gen  gemacht,  obschon  er  einräumt,  dass  die  Anwendung  dersel- 
ben einige  Zeit  vor  der  Niederkunft  beginnen  sollte.  AU  kiih- 
lend-antiseptisches  Getränk  gebraucht  er  eine  Mischung  voa 
aa  HCL  und  NO5  mit  Zackerwasser.  Fleissig  übt  er  Einspritsoa' 
gen  von  lauem  Wasser  nnd  von  verdünntem  Eisenchlorid  oder 
Holsessig  bei  übelriechendem  Ansflnsse,  selbst  von  Sllbeiiosnng 
in  die  Gebärmutterhdhle;  das  Pnerperalfieber  ist  ihm  eine  stel- 
lenweis epidemische  Seuche. 

Hei  nBeeken-Cellolitis'*  [Voz  barbaral  Rec]  verwirft  er 
Simpson* s  Probeatioh. 

Transfusion  wurde  einmal  ohne  Glück  aasgefiShrt. 


XXVL 
Ueber  Hypospadie  beim  Weibe. 

Von 

Dr.  C.  L.  Heppner  in  St.  Petersburg. 

(Mit  einer  Abbildung.) 


Unter  den  für  den  Gynäkologen  wichtigen  Entwickelungs- 
anomalien  der  weiblichen  Harn-  und  Geschlechtsorgane  neh- 
men die  Tersehiedenen  Grade  der  Kloakenbildung  einen  her- 
vorragenden Platz  ein,  und  man  könnte  sagen,  dass,  je 
geringer  die  Anomalie,  desto  grösser  das  Interesse  des  prak- 
tischen Arztes,  weil  ja  bei  den  höheren  Graden  die  Lebens- 
fähigkeit des  Individuums,  bei  den  mittleren  dagegen  gröss- 
leqtheils  die  Möglichkeit  einer  ärztlichen  Hülfe  ausgeschlossen 
werden  muss.  Unter  die  geringeren  Grade  der  Kloakenbil- 
düng  beim  Weibe  (der  unvollkommenen  Kloake)  sind  die  Fälle 
zu  rechnen,  wo  bei  vorhandener,  mehr  oder  weniger  normal 
gebildeter  Vagina  das  Rectum  in  letztere  ausmündet,  oder 
auch  umgekehrt  (wie  unter  anderen  in  dem  durch  Louis' 
Process  1754  berühmt  gewordenen  Falle  ^)),  oder  bei  nor- 
malem Verhalten  des  Mastdarms  eine  fehlerhafte  Ausmündung 
der  Harnwege  stattfindet.  Letztere  bietet  mehrere  Formen 
dar:  entweder  öffnen  sich  bei  fehlender  Harnblase  die.Ure- 
teren   direct   in   die   Scheide^)   (äusserst  selten),    oder  trotz 

1)  Oeoffroy  St.  Hilaire^  Histoire  des  anomalies  de  Torgani- 
sation.  T.  I.  1832.  pag.  601, 

2)  Ibid.  p.  500. 

Monatsffcfar.  f.  Ocburtsk.  1865.  Bd.  XXVI.,  llft  6.  26 


402        XXVI.    Beppner^  Ueher  HypoRpadie   beim  Weibe. 

vorhandener  Blase  in  den  Mastdarm  {Huxham's  *)  Fali),  od«- 
die  Urethra  mündet,  statt  in  den  Vorhof,  in  die  Scheide,  odrr 
es  fehlt  endlich  die  Harnröhre  gänzlich  oder  iheilweise,    und 
die  Blase   communicirt  durch  einen  Spalt  mit   dem   Vagmal- 
kanal.    Die  angeborene  Communication   des  Mastdarms    und 
der  Scheide  ist  häufiger  beobachtet  und  hat  sogar  ohne  Be- 
einträchtigung der  geschlechtlichen  Functionen,  ja  sogar  ohne 
Vorwissen  des  Weibes  ^)  bestanden,  während  hingegen  fehler- 
hafte Ausmündung  oder  Mangel  der  Harnröhre  grösstenlbeils 
an  derartige  Bildungsfehler  der  Genitalien  geknüpft  ist,  durch 
welche  die  betroffenen  Individuen   zum  geschlechtlichen  Um- 
gänge und  zur  Couception  unfähig  gemacht  sind.    Hierher  ge- 
hören :  Verkümmerung  oder  ganzlichei*  Mangel  des  Uterus  und 
der  Ovarien,  Verengerung  oder  Verwachsung  der  Scheide,  und 
nicht  selten  fehlerhafte  (hermapliroditische  Form)  der  äussern 
Genitalien.     Fälle   dieser  Art,    d.  h.  Verbildung  oder  Mangel 
der  Harnröhre  neben  Verbildung  der  Gesciüechtstheile ,    sind 
in   der  älteren   und    neueren   Literatur^),    wenn  auch  nicht 
sehr  zahlreich,  so  doch  in  genügender  Menge  verzeichnet,  um 
den  Schluss  ziehen  zu  können,  dass  dieselben  zu  den  weniger 
seltenen  Erscheinungen  gehören,  während  dagegen  Mangel  dir 
Harnröhre  bei  übrigens  normalen,  die  Begattung,  Concepiiou 
und  Geburt  nicht   beeinträchtigenden   Geschlechtsorganen   so 
spärlich   beschrieben  ist,    dass   wir  Fälle   dieser  Art  zu  den 
grössten  Seltenheiten  zählen  dürfen.    Dieser  Umstand  motivirt 
daher  zur  Genüge  die  Veröffentlichung  des  nachstehenden^  in 
anatomischer    und    klinischer  Beziehung  interessanten  Falles. 
Beobachtung.     Alexandra  Ä.,    Frau  eines  Uralschen  Kosa- 
kenofficiers,  22  Jahre  alt,  von  mittlerem  Wüchse  und  zartem 
aber  regelmässigem  Körperbau,  wurde  am  19.  Jan.  1864  in 
die  Klinik  der  St.  Petersburger  med.  chir.  Academie  aufge- 


1)  Ämtnon^  Die  angeborenen  chir.  Krankh.  Text  S.  41. 

2)  Leon  Le  Fort,  Des  vices  de  conforinatiou  de  raterns  et 
du  vagin.     Paris  1863.  p.  120. 

8)  Vgl.  Forster,  MiBsbildungen  d.  Menschen.  1861.  S.  128. 
Förster,   Pathol.  Anat.  2.  Anfl.  8.  463.     Id.  Alldem. 
Th.  1866.  S.  134. 
•  Rokitamky,  Pathol.   Anat.  3.  Bd.  S.  S7H. 

Kiwisch,  Klinische   Vorträge.  2.  Bd.    1867.  S.  HH. 


XXV] .    HeppneTf  lieber  Hypospadte  beim  Weibe        403 

nommen.  Sie  hatte  seit  ihrer  frühesten  Jugend  an  unwill- 
kuhrlichem  Harnabgang  gelitten,  war  trotzdem  vor  l^a  Jah- 
ren in  den  Ehestand  getreten  und  wurde  vor  neun  Monaten 
von  einer  Tochter  entbunden.  Die  Niederkunft  soll  eine  leichte 
und  das  Wochenbett  ein  regelmässiges  gewesen  sein.  In  Be- 
trelT  des  uiuthmasslichen  Ursprungs  ihres  Uebels  giebt  Pa- 
tientin ein,  dass  sie,  nach  Aussage  ihrer  Eltern,  in  ihrem 
dritten  Lebensjahre  im  Kasanschen  Klinicum  einer  Steinope- 
ration unterworfen  sein  soll,  die  damals  schon  bestehende 
Ilaruincontinenz  soll  jedoch  durch  die  erwähnte  Operation 
weder  eine  Besserung  noch  Verschlimmerung  erfahren  haben. 
Das  Hebel  wurde  von  ihren  Eltern  als  schlechte  Angewohn- 
heit ausgelegt  und  mit  Tränken  und .  sympathetischen  Mitteln 
erfolglos  behandelt. 

Wie  sonst,  so  ist  auch  gegenwartig  der  Harnverlust  kein 
beständiger,  sondern  tritt  mit  Intervallen  ein,  und  pflegt  sich 
meist  dem  Willensimpuls  zu  unterwerfen.  Bei  ruhigem  Sitzen 
oder  Liegen  mit  geschlossenen  Schenkeln  kann  Patientin  den 
Harn  drei  bis  fünf  Stunden  lang  halten,  und  entleert  ihn  dann 
meist  willkührlich;  bei  heiligen  Bewegungen  des  Körpers  oder 
geistigen  Aufregungen  ist  die  Harnentleerung  eine  häufigere 
und  nicht  selten  unwillkührliche.  Audi  pflegt  regelmässig 
während  des  nächthchen  Schlafes  Bettnässen  zu  erfolgen.  Die 
Incontinenz  soll  sich  durch  die  stattgehabte  Entbindung  etwas 
verschlimmert  haben,  ohne  jedoch  die  Patientin  in  den  ti*au- 
rigen  Zustand  eigentlicher  Fistelkranken  zu  versetzen. 

Die  Exploration  der  Genitalien  ergicbt  Folgendes:  Die 
Clitoris  (Fig.  1.  a.),  nebst  ihrem  Präputium  und  Frenulum 
so  wie  die  Nymphen  (ö.)  sind  sehr  entwickelt  und  promi- 
niren  um  ein  Bedeutendes  aus  der  Schamspalte.  Zieht  man 
die  Wasserlefzen  auseinander,  so  gelangt  man  auf  ein  weites 
und  ebenes  Vestibulum.  Das  Tuberculum  ostii  urethrae  fehlt 
am  Bande  des  Scheideneinganges,  eben  so  wenig  ist  von  den 
Caruncuiae  myrtiformes  eine  Spur  zu  entdecken.  Statt  des 
Tuberculum  urethrae  bemerkt  man  auf  dein  halben  Wege 
von  der  Clitoris  zum  Scheideneingange,  und  zwar  etwas  links 
von  der  Miltelhnie  einen,  etwa  erbsengrossen,  warzenförmigen 
Vorsprung  (c),  der  sich  nach  Aussen  in  ein  schmales  Fält- 
clieu  (d,)  forlselzl.     Durch  beide  wird  ein  ÜJicher,  gegon  den 


404        XX Vf.    Heppner,  Uelu-r  Hypospadie  beim  Weibe.  - 

Scheideneingang    gerichteler   Bündsack    (e.)    gebildel.      Nach 
hinten  hin  zieht  sich  der  Vorsprung  ebenfalls  in  ein  leichtes 
Fältchen   (/.)   aus,    das  parallel  der  Mittellinie,    gegen  des 
Scheideneingang  hinzieht,  ohno  ihn  jedoch  zu  erreichen.     In 
gleicher  Höhe  mit  dem  erwähnten  linksseitigen  Vorsprunge  und 
gleichem    Abstände   von    der  Medianlinie  markirt    sich  rechts 
eine,  in  den  Scbeideneingang  hineinziehende  Schleimhaatwnlst 
(^.),  die  sich  weniger  durch  ihre  Höhe,  als  durch  ihre  pur- 
purrothe  Farbe  auszeichnet.    Aehniiche  gewuislele  rotbe  Par- 
thieen    der   Schleimhaut  linden  sich   hin   und    wieder    in  der 
Nähe   der   Hittellinie   zerstreut.     Der  zwischen  dem  warzen- 
arligen/Schleimhaulvorsprung  linkerseits  (c.)  und  der   rotheo 
Längswulst  rechterseits  {g,)  liegende  Theii  des  Vorbofs  biidel 
eine  seichte,  in  die  Scheide  hineinziehende  Rinne  (t.).     Durch 
ein  paar  leicht  geschwungene,   von  dem  Vorsprung  zum  An- 
fang  d^r  Längswulst   ziehende    Fältchen   (A.)  bekommt  diese 
Furche  vorn  ihren  Abschluss. 

Eine  Harnröhre  lässt  sich  weder  in  der  Medianlinie,  nocli 
seitlich  von  ihr  ermitteln.  Durch  Toucbiren  des  vorderoi 
Umfangs  des  Scheideneinganges  überzeugt  man  sich,  dass  dk 
Schleimhaut  desselben  fast  unmittelbar  auf  dem  Arcus  pubis 
aufliegt.  Fuhrt  man  den  Finger  in  die  massig  weite  Scheide. 
so  lallt  ein  querer,  V2"  hinter  dem  Scheideneingange  {k.)  ge- 
legener Spalt  (L)  in  ihrer  vorderen  Wand  auf,  der  den  Zetge- 
fmger  bequem  in  die  Höhle  der  Blase  eindringen  lässL  Der 
hintere  Rand  (m.)  des  Spaltes  ist  deutlich  ausgesprochen  und 
fühlt  sich  härtlich  an,  ohne  gerade  callös  zu  sein,  der  vordere 
Rand  ist  flach  und  weich.  Nach  Einführung  des  S%ms*6chen 
Speculum  Nr.  2.  sieht  man  die  OefTnung  als  einen  zwei  Gen- 
timeter  langen,  leicht  bogenförmigen  Querspalt,  zwei  Centi- 
meter  hinter  dem  vorderen  Rande  des  Scheideneinganges  und 
4%  Centimeler  hinter  dem  warzenförmigen  Vorsprunge  (c.) 
am  Vorhof,  liegen,  sein  vorderer  Rand  bietet  die  Charaktere 
der  Blasenschleimhapt  (purpurrothe  F^rbe  und  Schmerzhaft 
tigkeit  beim  Berühren),  der  hintere  die  der  normalen  Schei- 
denschleimhaut dar.  Die  am  Vorhofe  befindliche  seichte  Rinne 
(i.),  einen  leichten,  gegen  die  Symphysis  concaven  Bogen  bil- 
dtnui,    ohne  scharfe  Grenzo  in  die  vordere  Blasenwand  über. 


XXVI.     Heppner,  Ueher  HypOMpadie  beim  Weibe.        405 

Der  Uterus  ist  so  bedeutend  nach  vorn  geneigt,  dass  sein 
Hals  direct  zur  Fovea  sacraiis  gerichtet  ist,  während  sein 
Grund  den  oberen  Theil  der  hinteren  ßlasenwand  gegen  die 
Blasenhöhle  einstülpt  und  letztere  gewissermaassen  in  zwei 
Abschnitte  tbeilt.  Das  Perinaeum  ist  kurz,  lässt  aber  keine 
Narbenspuren  entdecken. 


Die  Erkenntniss  des  wahren  Sachverbaltes  ist  in  vorste- 
hendem Falle  keine  ganz  leichte.  Wenn  wir  von  den  ana- 
nuiestischen ,  so  häufig  irre  fuhrenden  Angaben  abstrahiren, 
und  uns  zunächst  daran  halten,  dass  wir  es  mit. einem  Bla* 
senspalle  nach  vorhergegangener  Geburt  zu  thun  haben,  so 
wären  wir  genöthigt,  das  Uebel  für  eine  gewöhnliche,  mit 
Alresie  der  Harnröhre  complicirte  Blasenscheidenfislel  zu  hal- 
ten. Mit  dieser  Diagnose  wurde  mir  in  der  That  die  Kranke 
zugeschickt  und  erst  ein  sorgfaltiges  Studium  der  afficirten 
Theile  belehrte  mich  eines  Anderen.  Der  links  am  Vorhofe 
aufsitzende  Blindsack  täuscht  den  Anfang  einer  Harnröhre 
vor,  doch  fehlt,  wie  erwähnt,  gänzlich  eine  Verdickung  des 
vorderen  Umfanges  des  Scheideneinganges,  in  der  sich  dieser 
Kanal  früher  befunden  haben  könnte.  Selbst  bei  sehr  alten 
Atresien  der  Harnröhre  schwindet  diese  Verdickung  nie  in 
dem  JMaasse,  dass  sie  sich  nicht  als  harte  Wulst  unter  dem 
Arcus  pubis  anfühlen  liesse.  Eben  so  wenig  lässt  sich  an- 
nehmen, dass  ein  bei  der  Niederkunft  erfolgter  und  sich  bis 
auf  die  Harnröhre  erstreckender  Riss  die  erstere  in  ihrem 
^'anzen  Verlaufe  zerstört  haben  könnte,  ßei  Verletzungen 
(lieser  Art  ist  überhaupt  nur  die  obere  Hälfte,  wegen  ihrer 
Lage  hinter  dem  Arcus  pubis,  nicht  aber  der  untere,  in 
VVeichtheiie  gebettete  Theil  der  Harnröhre  gefährdet.  Es 
i»liebe  noch  die  Vermutliung  übrig,  ob  nicht  etwa  dieser  al>- 
norme  Zustand  der  Genitalien  durch  eine  Operation,  etwa 
eine  Aufschlilzung  der  ganzen  Harnröhre,  entstanden  sein 
könnte,  was  durch  die  Anamnese  sehr  wahrscheinlich  gemacht 
wird.  Patientin  giebt  aber  auch  an,  dass  sie  vor  der  muth- 
ukasslichen  Steinoperation  in  derselben  Weise  an  Incontinenz 
gelitten  habe,  wie  nachher  und  dass  der  Steinschnitl  das 
L'<»l)el    keineswegs   verschlimmert  habe,     ich  vermulhe  daher. 


406        XXVI.     Ileppner ,  lJel)ör  Hypospadie   beim   Weibe. 

dass  ns  sich  woh)  nur  uro  die  Extraction  ein^s  Hamconrr^ 
roents  durch  den  schon  vorhandenen  Blasenspalt,  riiclit  alwT 
uro  eine  hlulige  Operation  gehandelt  haben  mag.  Di«'s<.*  Vit- 
routhung  erhält  noch  eine  wesentliche  Stolze  durch  die  Aus- 
sage des  Herrn  Prof.  v.  Kieter ,  der  uro  die  Zeit ,  als  Pa- 
tientin operirt  wurde,  Professor  der  Chirurgie  in  Kas<ui  w.nr. 
und  sich  keiner  einzigen  eigentlichen  Stcinoperatiofi  an  f*iii<*i]i 
so  jungen  Madchen  entsinnen  konnte. 

Indem  wir  also  die  Annahme  eines  mechanischen  Ursprungs 
des  besprochenen  Uehels  zurückzuweisen  genöthigt  sind,  biribt 
uns  nur  noch  übrig,  dasselbe  als  eine  angeborene  Mis^bildung 
zu  defroiren.     Die  Abwesenheit  jeglicher  Narbe,  sowohl  an  der 
Stelle  der  fehlenden  Urethra,    als   auch   in  der  Circumferenz 
des   Blasenspaltes,    sowie   der   Mangel   einer   Verdickung   aio 
vorderen  Umfange  des  Scheideneinganges,  erlauben  den  Schloss. 
dass  die  Harnröhre  weder  gespalten  noch  atresirl  sei,   sondern 
dass    sie    sich    vielmehr   nie   geschlossen    habe.     Die    seichle 
Grube  in  der  Mittellinie  des  Vorhofes,   die  in  ihrem  hinteren 
Theile    schon    deutlich    die   Charaktere  der  Blasenschleimhaut 
aufweist,   stellt  somit   die  obere    Wand    der    Harnröhre,     6\*' 
Schleirahautpa|)ille  am  Vorhofe,    sowie  die  gegen  die  Scheide 
ziehenden    Längswnlste   bilden    die   rudimentären  Ränder  de> 
unverhclllnissmassig'  in  die  Länge  gezogenen  embryonalen  Blä- 
senscheidenspaltes.    Die  halbmondförmige  Oeffnung  in  der  Blasr 
entspricht  dem  Oslium  vesicale  der  Urethra  (dem  früher   so- 
genannten   Blasenhalse)    und    sein   freier  Rand    enthält  wafn-- 
scheinlich   einen   Theil    der  Harnröhrenmuskulatur.     Der  Zu- 
stand   ist   somit   dem   beim    männlichen   Geschlecht    ungleich 
häufiger   beobachteten   unteren    Harnröhrenspalt   (Hypospadie) 
gleich  zu  stellen. 

Die  Enlwickelungsgeschichte  giebt  uns  genügenden  Auf- 
schluss  über  die  Entstehung  einer  Missbildung,  wie  wir  sir 
im  gegenwärtigen  Falle  beobachten.  Wir  recapituliren  in 
Kürze  die  hierher  gehörigen,  bekannten  Data  der  Embryo- 
logie ^).  hl  der  zehnten  Woche  «fer  Entwickelung  gebt 
die    Differenzirung   des,   Anfangs  in   eine  gemeinsame  Kloake 


1)  A.  Köllikery  Eiitwickelungsgcschichte.   18G1.   8.  441—143. 
und  447—468. 


XXVI.     Heppner^  lieber  Uypospadie  beim  Weibe.       407 

ausinundeii(k)ii  Darms  und  Uro-genilalsystems,  durch  Bildung 
d«s  Septum  recto-vaginale  (des  Perinäuiii)  vor  sieb.  Die  bei- 
den, unterhalb  der  Uruieren  mit  einander  verschmelzenden 
^tiZZe9*'s€heu  Gänge  munden  in  das  zur  Harnblase  umgewan- 
delte unlere  Ende  des  Allantoisstieles.  Der  unter  der  Ver- 
einigungsstelle liegende,  für  Harn-  und  Geschlechtsorgane  ge- 
meinschartliche  Gang,  ist  der  Sinus  uro-genitalis.  Eine  Urethi^a 
existirt  Anfangs  nicht,  sondern  bildet  sich  erst  in  einer  spä- 
teren Periode  dadurch,  dass  sich  bei  fortschreitender  Ent- 
wickelung  aller  Theile  die  Blasenöffhung  zu  einem  Kanäle  aus- 
zieht, wobei  ein  Herabtreten  des  liinteren  Randes  derselben 
(der  zum  Septum  urethro-vaginale  wird),  die  Hauptsache  bii- 
tlet.  Das  Grössenverhältniss  der  Blasen-  und  Scheidenöifnung 
im  Sinus  uro-genitalis  ist  im  Anfange,  ein  anderes  als  in  spä- 
teren Perioden,  in  so  fern  als  bis  zum  fünften  oder  sech- 
sten Fötalmonat  das  Orificium  vesicae  im  Vergleiche  zum  Ori- 
ücimn  vaginae  sehr  grosls  ist,  und  somit  der  Sinus  uro-geni- 
talis als  eine  directe  Fortsetzung  der  Blasenhöhle  erscheint 
und  die  Scheide  gewissermassen  wie  einen  accessorischen 
Gang  aufnimmt.  Erst  allmälig  ändert  sich  dies  Verhältniss 
in  dem  Maasse,  als  sich  die  Scheide  erweitert  und  sich  der 
Sinus  uro-genitalis  als  Fortsetzung  der  Scheide  herausbildet, 
die  am  Ende  ihrer  vorderen  Wand  die  Blasenöffnung  auf- 
nimmt Der  Sinus  uro-genitalis  verflacht  sich  beim  Weibe 
zum  Vorhof,  die  Urethra  ruckt  unter  den  Schambogen,  und 
durch  die  Ausbildung  eines  Hymen  bekommt  der  primitive 
Sinus  uro-genitalis  gegen  die  Scheide  hin  seinen  definitiven 
Abschlussr 

Halten  wir  zunächst  die  Urethra  im  Auge,  so  ergeben 
sich  bei  der  Verfolgung  ihres  Entwickelungsganges  die  auf 
Bildungshemmung  beruhenden  Anomalien  derselben  von  selbst. 
Wir  werden  zwei  Kategorien  untersclieiden  müssen:  1)  Per- 
sistenz des  Sinus  uro-genitalis  mit  Ausbildung  der  Harnröhre 
=  hohe  Ausuiundung  derselben,  und  2)  Persistenz  des  Sinus 
und  directe  Communication  desselben  mit  der  Blase  ohne  Bil- 
dung ,  einer  Harnröhre  ==  Mangel  oder  Spaltung  derselben. 
Die  Unterarten  für  jede  Kategorie  ergeben  sich  aus  dem  Grade 
der  Ausbildung  der  Geschlechtsorgane,  ob  dieselben  nämlich 
reliiiiv  normal  oder  viliös  gesfnltet  sind.    * 


408       XXVI.    Beppner,  lieber  Hypospadie  beim  Weibe. 

I.  Persistenz  des  Sinus  uro  -  genitalis  mit 
Ausbildung  einer  Harnröhre.  In  diesem  Falle  Gndei 
man  zwischen  Clitoris  und  Perinäum  statt  zweier  Oeffiiungpn 
nur  eine ,  welche  in.  einen  mehr  oder  weniger  langen  Kanal 
führt,  der  sich  an  seinem  oberen  Ende  .in  zwei  Gäoge  aoN 
löst,  einen  vorderen,  die  Harnröhre,  einen  hinlereo,  die 
Scheide.  Findet  keine  anderweitige  Anomalie  der  Geschlechts- 
theile  statt,  so  wird  der  Sinus  uro -genitalis  als  untere  Par- 
thie  und  ununterbrochene  Fortsetzung  der  Scheide  erschei- 
nen, die  die  Mundung  der  Harnröhre  höher,  als  es  sein  inusste, 
aufnimmt  Das  Individuum  wird  daher  für  die  geschlecbl- 
lichen  Funktionen  befähigt  sein.  Dies  ist  der  niedrigste  Grad 
der  Verbildung  der  Harnröhre,  in  welchem  die  Genitalien  von 
der  Mitleidenschaft  verschont  bleiben,  ein  Umstand,  der  sich 
aus  dem  Entwickelungsmodus  erklären  lässt.  Wir  haben  ge- 
zeigt, dass  die  hohe  Ausmändung  der  Urethra  eigentlich  kein 
selbstständiges  Uebel  ist,  sondern  dadurch  bedingt  wird,  dass 
sich  die  Scheide  nicht  hinlänglich  entwickelt,  um  den  Sinus 
uro- genitalis  vor  sich  her  unter  den  Sdiambogen  zu  scbieb«» 
(naturlich  nicht  factu  sondern  effectu),  woher  sich  zu  der  be- 
sprochenen Harnröhrenanomalie  meist  auch  eine  Genitalieu- 
anomalie,  namentlich  die  der  Scheide,  zu  gesellen  pflegt.  lu 
der  That  ist  es  mii'  nicht  gelungen,  in  der  Literatur,  soweit 
mir  dieselbe  zu  Gebote  stand,  auch  nur  einen  authentischen 
Fall  ausfindig  zu  machen,  in  dem  an  einem  erwachsenen 
Frauenzimmer,  bei  sonst  normalen  Geschleditstheilen ,  eine 
bedeutend  hohe  Aiismundung  der  Harnröhre  stattgefunden  hätte. 
Dagegen  liesse  sich  die  folgende,  nach  einem  Präpbrate  des 
Wiener  anatomischen  Museums  von  Engd  ^)  gemachte  Be- 
schreibung hierher  rangiren:  Ab  einem  vier  Wochen  alten 
Kinde  findet  man  die  Clitoris  sehr  entwickelt  und  mit  einer 
von  den  kleinen  Schamlippen  entblössten  Eichel  versehen. 
An  ihrer  untern  Seite  beginnt  eine  Hautfalte,  diese  leitet  zu 
einer,  zwischen  den  grossen  Schamlippen  verborgenen,  kaum 
für  eine  massig  dicke  Sonde  durchgängigen  OefTnung,  mit 
welcher  ein  zwei  Linien  langer  Kanal  beginnt,  der  sieb  so- 
fort in  zwei  Aeste  spaltet,  einen  oberen,  die  Harnröhre,  einen 

1)  Oestr.  Med.  Jahrb.  N.  F.  Bd.  XXII.  III.  St. 


XXVI.    HeppneVi  Ueber  HypOHpadie  beim  Weibe.       409 

unteren,  den  Scheidenkanal.    Die  Harn-  und  öhrigen  Sexual- 
organe sind  vollkommen  normal. 

Zu  den  mit  hoher  Ausmündung  der  Urethra  sich  pro- 
pagirenden  Anomalien  der  Genitalien  gehören:  Hypertrophie 
der  Clitoris  und  überhaupt  hermaphroditiscbe  Form  der  äusseren 
Geschlechtstheile ,  Verengerung  der  Scheide,  entweder  nur  an 
ihrer  Mündung  in  den  Sinns  uro  -  genitalis  oder  der  ganzen 
Lfänge  nach,  vollständige  Verwachsung  der  Scheide,  Atrophie 
oder  Hangel  der  inneren  Geschlechtstheile  u.  s.  w.  Diese 
Anomalien  können  entweder  vereinzelt  oder  mit  emander  ver- 
bunden vorkommen.  In  diese  Kategorie  gehören  die  vielfach 
beschriebenen  und  von  Manchen  fälschlicher  Weise  geläug- 
neten  weiblichen  Pseudohermaphroditen.  Es  ist  bekannt,  wie 
oft  eine  Verwechselung  solcher  Individuen  mit  mannlichen  Hy- 
pospadiaeen  vorgekommen  ist,  und  man  Jcann  den  Rath  Curs 
linga  ^)  nicht  genugsam  beherzigen,  dass  der  Arzt  in  jedem 
zweifelhaften  Falle  dieser  Art,  die  Sonde  in  den  an  der  Wurzel 
des  Penis  (oder  der  hypertrophirten  Clitoris)  befindlichen  Spalt 
einführen  niuss,  um  zu  entscheiden,  ob  sich  der  Kanal  nicht 
in  zwei  Gänge  spaltet,  was  ein  unzweifelhafter  Beweis  für  die 
Weiblichkeit  der  Individuen  wäre.  Ich  muss  jedoch  hinzu- 
fügen, dass,  bei  Abwesenheit  einer  Spaltung  des  Kanals,  man 
noch  nicht  zu  dem  umgekehrten  Schluss  berechtigt  ist,  da 
möglicher  Weise  im  gegebenen  Falle  an  einem  weiblichen 
Individuum  eine  vollständige  oder  theilweise  Obliteration  der 
Vagina  stattgefunden  haben  kann,  worauf  ich  in  Folgendem 
zurückkommen  werde. 

In  vielen  Fällen  hat  eine  Verwechselung  des  Geschlechtes 
höchstens  nur  die  unangenehmen  Folgen,  dass  dem  respec- 
tiven  Individuum  auf  eine  Zeitlang  eine  falsche  Lebensstel- 
lung zuerkannt  wird,  bis  bei  der  eintretenden  Pubertät  der 
Irrthum  dann  schliesslich  dpch  zu  Tage  kommt.  Aber  eine 
Verkennung  des  Geschlechtes  kann  für  den  Kranken  viel, 
schlimmere  Folgen  hdb<m,  wenn  ein  kuhner  Operateur  es  sich 
einfallen  lässl,  den  angeborenen  Fehler  verbessern  zu  wollen. 
So  habe  ich  unter  anderen  folgenden  curiosen  Fall  verzeichnet 

1)  Med.  Times.  Jan.  1852.  SehmidVs  Jahrb.  Band  74. 
Seite  195. 


410       XXVI.     H$ppner^  lieber  Hypospadie   beim  Weibe. 

gefunden:  Ckigenmüüer  ')  erkaoni«  ein  neugebornes  Kkii 
all  dem  ein  zwei  Zoll  langes,  ioiperforirtes,  mit  einer  ao  ikr 
unteren  Fläche  verlaufenden  Rinne  versehenes  Glied  und  eine 
Oefihung  an  der  Wurzel  desselben^  bemerkt  wurde,  als  mann- 
liehen  Hypospadiaeus,  und  öbernahm  es,  die  defecte  Harn- 
röhre wieder  herzustellen  und  den  in  seitliche  Hautfaiten  ein- 
gewachsenen Penis  zurecht  zu  stutzen.  In  fünf  Monaten  führlc 
er  ca.  zehn  plastische  Operationen  aus,  ohne  zu  eioem  be- 
friedigenden Resultate  zu  gelangen,  und  wäre,  wie  er  ver- 
sidiert,  durch  Ausdauer  und  Geschicklichkeit  doch  ooeh  zum 
Ziele  gelangt,  wenn  das  Kind  nicht  vor  der  Zeit  an  Perilonilis 
gestorben  wäre.  Bei  der  Section  erwies  es  sieb,  dass  die 
angebliche  Harnröhre  an  ihrem  inneren  Ende  vom  mit  der 
Blase,  hinten  aber  mit  einer  gut  entwickelten  Sclidde  com- 
iuunicirte,  und  dass  auch  der  Uterus  und  die  Ovarien  vor- 
handen und  vollständig  ausgebildet  waren. 

Eine  gute  Beschreibung  des  anatomischen  Befundes  der 
uns  beschäftigenden  Missbildung  lieferte  WüUgk^):  Eine 
im  46.  Lebensjahre  an  Phlegmone  femoris  verstorbene  Tag- 
löhnerin,  hatte  eine  2V4"  lange  penisartige  Clitoris.  Her  Uro- 
genitalkanal war  am  Eingange  von  Catheterdicke,  er  veriief 
bogenförmig  unter  der  Schamfuge  und  theilte  sieb  IV«''  hinter 
seiner  Hautöffnung  in  zwei  Gänge,  einen  vordem,  die  l"  lange 
Harnröhre  und  einen  hinteren,  die  2"  Kf"  Tange  Scheide, 
welche  mit  einer  4'"  im  Durchmesser  haltenden  OefShung  be- 
gaim,  sich  in  ihrer  Mitte  bedeutend  erweiterte  und  am  Por- 
nix wieder  enger  wurde.  Schwache  Andeutung  der  Columnac 
rugarum  in  der  eigentlichen  Scheide,  Uterus,  Tuben  und  Ova- 
rien normal. 

Nicht  immer  hat  der  nach  Aussen  mündende  gemein- 
srhaflliche  Gang  an  erwachsenen  Personen  so  geringe  Dimen- 
sionen, wio  in  dem  vorstehenden  Falle,  sondern  manches  Mal 
(indet  man  einen  ziemlich  weiten,  vielleicht  durch  vorherge- 
gangenen for^irten  Coitus  noch  mehr  diiatirten  Sack,  der  an 
seinem  oberen  Ende  Harnröhre  und  Scheide,  letztere  mit  einer 
verhältnissmässig   engen   OefTnung  aufnimmt.     In  einem  Falle 


1)  Varge'8  Zeitschr.  f.  Med.,  Chir.  und  Geburtsh.   Bd.  XIV 
1S60.  S.  IGO. 

2)  Prager  Viertoljahrschr.   Bd.  46..  1855. 


XXVI.     Heppner,  Ueber  Hypospndie  beim  Weibe.       411 

dieser  Art  machte  Hvguier  ^)  Einschnitte  in  die  Vaginahiper- 
tur  und  stellte  so  ein  gleichroässig  weites  Scheidenrohr  her. 
—  Wenn  hei  genögemler  Wette  des  gemeinschafllicfaen  üa- 
nnls  die  Vagina  verengt  oder  nicht  erweiterungsfähig  ist,  kann 
es  vorkommen,  dass  beim  Coitns  der  Penis^  nachdem  er  den  Sinus 
uro-genitahs  passirt  hat,  in  die  eigentliche  Harnröhre  dringt,  und 
indem  er  dieselbe  mechanisch  aasdehnt,  Dysurie  hervorbringt. 
Kin  derartiger  Fall  wurde  von  JnmfU^)  beobachtet:  Bei 
einer  Frau  von  30  Jahren  fand  sich  an  Stelle  der  Urethral- 
und  Scheidenöffnung  nur  ein  Loch  von  der  Grösse  eines  Fe- 
derkiels. Nach  Einfuhrung  eines  Cdtheters  fioss  sogleich 
Urin  ab,  und  da  Jumn4  hinter  (?)  der  Oeffnung  Blut  be- 
merkte, so  fohlte  er  sich  bewogen,  dieselbe  durch  einen, 
seitlich  vom  Perinäum  ausgehenden  Schnitt  zu  erweitern.  Der 
eingeführte  Finger,  sowie  die  später  vorgenommene  Ocular- 
inspection  durchs  Spcculum  wiesen  eine  Kloake  nach,  an 
deren  vorderer  Fläche  die  Blase  durch  eine  spaltförmige  Oeff- 
nung coiiimunicirte  und  an  deren  Grund  sicli  der  imperfo- 
rirte  Muttermund  befand.  Nach  jedem  Coitus  stellte  sich  auf 
eine  Zeitlang  Incontinentia  urinae  ein,  woraus  sich  schliessen 
lässt,  dass  der  Penis  bis  in  die  Blase  gedrungen  sein  muss. 

In  klinischer  Beziehung  dürfte  folgende  Beobachtung  ^) 
instructiv  sein:  Ein  Fräulein  von  21  Jahren  iiess  sich  bei 
ihrer  'bevorstehenden  Verheirathung  von  Coste  untersuchen. 
Statt  der  Clitoris  fand  sich  eui  beinahe  vollkommen  ausge*^ 
hildeter  imperforirter  Penis,  und  4'"  unter  seiner  Basis,  im 
Winkel  zweier  Ilaulfalten  eine  Oeffnung  vor,  durch  welche 
Harn  und  Menstrualblut  abflössen  und  die  Goste  als  Harn- 
röhrenmündung  bezeichnet.  Der  wahre  Sachverhalt  scheint* 
ihm  nicht  klar  geworden  zu  sein,  weil  er,  um  die  Dame  für 
den  Coitus  fähig  zu  machen,  die  Bildung  einer  Vagina  vom  , 
Perinuimj  aus  vornnhni.  Nachdem  er  etwa  einen  Zoll  weit 
in  die  Tiefe  die  Weichtheilc  gemannt  halte,  konnte  er  nicht 
weiter  vordrini^en,  weil  der  zwischen  der  (vermeintlichen)  Harn- 
röhre  und    dem   Masttlarme  befiiidlichi*  Raum  zu  eng  wurde. 


1)  L'ünion  mdd.  T.  8.   1854.  S.  208. 

2)  Gazotto,  des  höp.  Nr.  9ü.  1850.  S.  367. 

3)  JourDAl  des  coniinissances  med.  Nov.  1835. 


412       XXVI.    Heppner,  (Jebcr  Hypoupadie  beim  Weihe. 

Er  spaltete  daher  die  hintere  Wand  der  ersteren,  und  nach- 
dem er  mit  der  JSonde  in  einen  tenninalen  Kanal  gelang 
war,  erweiterte  er  auch  letzlere  und  stellte  auf  diese  Weis^ 
eine  hinlänglich  weite  Scheide  her.  Leider  ist  nicht  angege* 
ben,  wie  sich  die  eigentliche  Hamröhrenöffnung  zu  dem  Uro- 
genitalkanal verhalten  hat,  dafür  finden  wir  zum  Schluss  die. 
im  höchsten  Grade  unwahrscheinliche  Bemerkung,  dass  durch 
eine  adhäsive  Entzündung  nach  und  nach  die  Yemarbung  der 
Wundränder  der  Harnröhre,  und  somit  ihre  gänzliche  Tren- 
nung von  der  neugebildeten  Scheide  herbeigeführt  worden  sei. 

Obgleich   sich   Coste  in   vorstehendem  Falle  mehr  vom 
Zufalle  und  einer  gewissen  Leichtfertigkeit  als  von  einer  klares 
Einsicht  in   den   Sachverhalt  bei   der  Wahl   seiner   Melbode 
leiten  hess,  so  kann  uns  letztere  dennoch  als  ein  mehr  oder 
weniger  sicherer   Anhaltspunkt  für  die   künflige   Behandlung 
ähnlicher  Fälle   dienen.     Es   Hesse   sich  in  dieser  Bezi^ung 
folgende  Regel  aufstellen:     Nachdem  vorher  genau  bestiminl 
wurde,    ob   eine   Harnröhre   vorhanden   und  oh  sie  allein  im 
Stande  ist,  ohne  Betheiligung  des  Sinus  uro-genitahs  den  Unn 
willkürlich  zurückzuhalten,   ferner  ob  eine  durchgängige,  mit 
dem  Sinus  communicirende  Scheide   anwesend  ist,    wird  die 
Spalte  des  Sinus  uro-genitalis  gegen  das  Perinäum  hin,  ent- 
weder auf  einer  in  die  Scheide  eingeführte  Hohlsonde  mit  einem 
Schnitte  oder  schichtweise  vorgenommen.    Ein  Finger  musste 
vom  Mastdarme  aus  die  Tiefe,  bis  zu  welcher  man  vorsclu^ei- 
ten  darf,  überwachen. 

Wenn  man  auch  in  vielen  Fällen  nicht  hoffen  darf,  ein 
mit  hoher  Ausmündung  der  Urethra  und  Verengerung  der 
Scheide  behaftetes  Frauenzimmer,  durch  die  vorgeschlagene 
blutige  Erweiterung  der  letzteren  zur  Conception  und  Geburt 
zu  befälligen,  so  dürfte  doch  meist  durch  die  Operation  eine 
Möglichkeil  der  Copuiation  erzielt  werden.  Ja,  es  kann  eine 
Schwangerschaft  für  solche  Personen  als  unliebsame  und  ge- 
fährliche Zugabe  der  geschlechtlichen  Vermischung  betrachtet 
werden,  weil  die  consistenten  Narben  der  neugebildeten  oder 
blutig  erweiterten  Scheide  ein  schwer  zu  überwindendes  Ge- 
hurtshinderniss  abgeben.  Einen  einschlägigen,  lethal  verlau- 
fenden Fall  theilt  Debrou  ^)  mil.     Immerhin  kimn  clor  Opr- 

1)  Gazette  med.  Jan.   1851. 


XXV].    Heppner,  Ueber  Hypospadie  beim  Weibe.       413 

rateur  darauf  gefasst  sein,  das»  ia  einer  blutig  erweiterten 
Scheide,  selbst  trotz  späterer  Anwendung  unblutigei' dilatiren- 
der  Mittel,  aufs  Neue  eine  Verengerung  grösseren  oder  ge- 
ringeren Grades  eintritt,  wie  solches  die  von  Matsonneuve, 
Piachaud^  WiUaume,  Warbeck^  Rosii  u.  A. ')  gemachten 
Erfahrungen  zur  Genüge  beweisen. 

Wenn  die  Verengerung  der  Scheide,  oberhalb  ihrer  Ver- 
einigung mit  der  Urethra  bedeutend  ist,  so  kann  es  den  An- 
schein haben,  als  ob  nicht  die  Harnröhre  in  die  Scheide  ein- 
munde, sondern  umgekehrt,  d.  h.  es  existirt  ein  Verhältniss, 
wie  es  bis  zum  fünfteix  oder  sechsten  Fötalmonat  normal  isl. 
So  hatten  z.  B.  an  einem  von  Engel  ^)  beschriebenen  Prä- 
parate die  äusseren  Genitalien  des  drei  Wochen  alten  Kindes 
hermaphroditische  Bildung  (penisartige  Clitoris,  mit  einer  an 
der  Basis  derselben  in  einen  Schlitz  übergehenden  Rinne), 
die  Urethra  war  zolllang  und  nahm,  neun  Linien  von  der 
äusseren  Oeifnung  entfernt,  die  mit  einer  ringföi'niigen  gefal- 
teten Mündung  beginnende,  im  ganzen  Verlaufe  enge  Scheide 
auf.  —  Die  Verengerung  der  JScheide  oberhalb  der  Urethral- 
mündung ,  kann  sich  endlich  zur  vollständigen  Verwachsung 
steigern.  In  solchen  Fällen  beobachtet  man  einen  mehr  oder 
weniger  langen  und  weiten  Blindsack,  an  dessen  vorderer 
Wand  sich  ein  in  die  Blase  führender  Gang  befindet.  Natür- 
lich ist  die  Entwickeluug  der  inneren  Geschlechtstlieile  grössten- 
theils  eine  vitiöse.  Derartige  Fälle  sind  von  Arany^),  Knight*) 
Jagemann  ^),  Herrmann  ^)  u.  A.  mitgetheilt. 

Unzweifelhaft  gehören  in  die  Kategorie  der  uns  beschäf- 
tigenden Missbildung  viele  Fälle  von  Ibeilweisem  oder  gänz- 
lichem Mangel  der  inneren  Geschlechtstlieile.  Bleiben  die 
ilfüZZer'schen  Genitalstränge  solide,  wie  sie  es  im  Anlange 
sind,  und  erfolgt  keine  lüntwickelung  irgend  eines  Theiles  der- 
selben,   so   erhalten  wir  den  Zustand  scheinbar  vollständiger 


1)  L«  Fort,  1.  c.  p.  161  ff. 

2)  1.  c. 

3)  Prager  Vierteljabrschr.  Bd.  42.  Nr.  128. 

4)  New-Orleans,  med.  and  surg.  Joarn.  Nov.   18R0. 

5)  Neue  Zeitschr.  f.  Oebartsk.  v,  Bu»chj    d^OutreporU^     von 
RitgiTn  and  von  Siebold.  Bd.  17.  S.  16. 

U)  Med.  Zeituuor  Kussl.  I.s67.  Nr.  14. 


414       XXVI.    Htppu&r^  lieber  Hypoiipadie  beim  Weibe. 

Absenz  der  inneren  GeschlechUurgane.     Trotzdem  wird 
Vereinigung    der  »Is  Rudimente  persisUreoden   GeniUüsLräiigi' 
mit  dem  unleren  Biasenende  stattlinden,    und  somit  der  ein- 
zige,   von   den   äusseren  Geschieditstheilen-begiuneDde  Gang 
in  einem  solchen  Falle  nicht  als  Urethra  schlechtweg,  soodern 
als  Sinus  uro-genilalis  -+-  Urethra  bezeichnet  werden  mü&sni. 
Der  praktische  Arzt  wird  in  diesen  höheren  Graden  von 
Verbildung    des    weiblichen  Geschleclitsapparates    am    Besten 
ihun,  sich  passiv  zu  verhalten.     Wenn  auch  Le  Fort  l)  den 
Operations  de  complaisance ,  wie  er  sie  nennt,  bei  denen  es 
sich  nicht  um  die  Erfüllung  einer  urgirenden  lodicatioii,  sob- 
dem    um   Herstellung    der  Copulationsfahigkeit  handele,    das 
Wort  redet,  so  durfte  sich  schwerlich  ein  gewissenhafter  Arzt 
zu  dergleichen  hergeben,  um  so  weniger,  da  solche  Operationen 
nicht  selten  gefahrliche  Folgen  nach  sich  ziehen.     So  erzählt 
8zymanoio8ky'^\  dass  zu  ihm  eine  Dame  gekommen  sei,  an 
der  man  weder  Scheide,  noch  Gebärmutter,    wohl    aber  An- 
wesenheit eines  harten  Körpers  an  der  Stelle  des  linken  Eier- 
stockes nachweisen   konnte.     Sie   war  verheirathet  und  hatte 
wegen  Unmöglichkeit  den  Coitus  auszuüben,    mehrere  Aerzte 
consultirl,    von   denen   einer  ihr  die  Harnröhre  spaltete  and 
dadurch   eine   dauernde   Harnincontinenz   herbeilührte.     Scy- 
manowaky  suchte  den  auf  Zeigefingerdicke  erweiterten  Kanal 
durch  eine  plastische  Operation  zu  verkleinern,  konnte  jedoch 
nur  eine  geringe  Besserung  des  Zustandes  erzielen.     Als  ab- 
schreckendes Beispiel  durfte  ebenfalls  folgender,    von  Dief- 
fenbach^)   mitgetheilter   Fall  dienen.     Bei   einer   Dame   war 
nach    einer    schweren    Niederkunft    eine    Verschliessung    der 
Scheide  eingetreten.     Ein  Arzt  wollte  ihr  dieselbe  auf  blutigem 
Wege  nieder  eröffnen,  richtete  jedoch  seine  Schritte  zu  seiir 
nach   vorn   und    spaltete   die   Blase.     Ein  anderer  Operateur 
hielt  sich  zu  sehr  nach  hinten,  und  gerieth  in  den  Mastdarm. 
Die    Masldarmlislel    heilte    unter    Dieffenbach*s    Behandlung 
rasch,    die   ßlasenfistel  jedoch  trug  die  Unglückliche  ihr  Le- 
benlang. 


1)  1.  c.  p.  144. 

2)  Prager  Vierteljahrschr.  Bd.  83.  S.  7. 

3)  Openit.  Chir.  Bd.  1.   1845.  S.  66.S. 


XXVI.    Heppner,  (Jeher  HypospHitie  beim   Weihe.       415 

Die  von  französischen  und  englischen  Chirurgen  häufig 
vorgenommene  Bildung  einer  Scheide  vom  P^riiifium  aus,  ist 
wegen  Verengung  und  Verwachsung  derselben  hi  vielen  Fäl- 
len ohne  nachhaltigen  Erfolg,  manchmal  sogar  von  funestem 
Ausgange  gewesen,  wie  solches  die  Manen  der  von  Maison- 
neuve^),  Hugier^)  und  Macfarlane^)  operirlen  Kranken 
hezeiigen  können. 

IL  Persistenz  des  Sinus  uro-genitalis  mil 
Mangel  der  Urethra.  Dieser  Zustand  stellt  ein  Stehen- 
bleiben der  Genitalien  auf  der  Entwickelungsstufe,  wie  sie  vor 
Ausbildung  der  Urethra  existirte,  dar.  Eine  strenge  Greir/r 
lässt  sich  zwisdten  dieser  und  der  bisher  betrachteten  Ano- 
malie nicht  ziehen,  eben  so  wenig  als  sie  sich  von  einander 
gesondert  betrachten  lassen. 

Wie  bei  der  vorhergehenden,  so  niuss  auch  bei  dieser 
fiildungsabweichung  die  Harnröhre  oder  vielmehr  der  sie  er- 
setzende Blasenspalt,  im  Zusammenhange  mit  dem  Entwicke- 
lungsgrade  der  Genitalien  betrachtet  werden.  Wir  unter- 
scheiden somit  auch  hier  zwei  in  klinischer  Bücksicht  wich- 
tige Formen : 

a)  Mangel  der  Urethra  bei  relativ  gut  entwickelten  Ge- 
schlechtsorganen, und  b)  Mangel  der  Urethra  bei  vitiösen 
Genitalien.  Bei  jeder  Form  kommen  wieder  folgende,  in 
diagnostischer  Hinsicht  heachtenswerthe  Varietäten  vor: 

1)  Es  fehlt  die  hintere  Wand  der  Harnröhre  (das  Septum 
urethro-vaginale),  dagegen  finden  sich  im  Veslibulum  Spuren 
der  vorderen  und  der  seitlichen  Wände  und  die  Harnblase 
communicirl  mit  der  Scheide  durch  einen  dicht  hinler  dejn 
Arcus  pübis  befindlicher  Spalt  (wahre  Hypospadie)^). 


1)  Le  Fort,  L  c.  p.  169. 

2)  Ibidem,  p.  153. 

8)  Lancet,  1S30— 32,  t.  XXI.  p.  625. 

4)  Ich  halte  es  Dicht  für  nöthig,  die,  auch  aD  Fraaeu  beob- 
achtete Epispadie  in  den  Kreis  meiner  Retrachtang  zu  ziehen, 
da  sie,  ihrer  Entwickelnng  nach,  mit  dem  Bauch-  nnd  niancrt- 
npnlt  (Ecstropbin  vesicae)  and  nicht  mit  der  Kloake  im  Zusnm- 
menhange  steht. 


416       XXVI.    HtppnWy  Ueber  Hypospadie  beim  Weibe. 

2)  Das  Vestibulum  zeigt  keine  Aad^uUing  des  Hamröb- 
renrudiments,  ifL  der  Scheide  beßodet  sieb  unweit  der  Sjm- 
physe  ein  transversaler  Spalt. 

3)  Derselbe  Spalt  findet  sich  in  grösserer  Eatferooig 
vam  Ostium  Taginae. 

Was  den  Symptomencomplex  der  ersten  Varietät  beiriA, 
so  kann  die,  dieser  Abhandlung  zu  Grunde  gelegte  Beobaeb- 
tund  als  Vorbild  einer  solchen  Missbildung  dienen.  Die  zweite 
Varietät  findet  ihren  Beleg  in  folgender  Beobachtung:  iPe<ä') 
erzählt  von  einem  erwachsenen  Mädchen ,  bei  dem  das  gaoae 
Aeussere  der  Vulva,  die  Glitoris,  die  Nymphen  und  die  gros- 
sen Schamlefzen  gut  gebildet  waren,  und  nur  die  ganze 
Harnröhre  und  der  Blasenhals  fehlten.  Es  ging  der  Harn  (ob 
willkürlich?)  am  Eingang  der  Scheide  durch  ein  Loch  ab, 
das  so  weit  war,  dass  der  kleine  Finger  eindringen  konnte. 

Sowohl  in  meiner  als  in  der  so  eben  citirten  Peüt'scbitQ 
Beobachtung  war  die  Entwickelung  der  Genitalien  eine  nor- 
male, und  man  könnte  vielleicht  beide  Fälle  als  vollständig 
analog  betrachten,  wenn  die  aphoristische  Kurze  der  Petü- 
schen  Relation  eine  ausführliche  Parallele  zu  ziehen  erlaubte. 

In  Betreff  der  Function  der  Geschlechtsorgane,  pOegt  in 
den  erwähnten  niederen  Graden  des  Uretbralmangels  keine 
ki*ankhaflte  Alteration  einzutreten,  wie  das  durch  meine  Beob- 
achtung zur  Genüge  bewiesen  wird.  Die  Harncontinenz  Ui 
dagegen  eine  um  so  mangelhaftere,  je  grösser  und  muskel- 
ärmer der  Blasenspalt  ist. 

Die  von  mir  aufgestellte  dritte  Varietät  scheint  nur  im 
Zusammenhange  mit  viliösen  Genitalien  vorzukommen,  wie  es 
auch  mit  der  ihr  analogen  hohen  Ausmündung  der  Harnröhre 
der  *Fall  war. 

Petit  fuhrt  neben  dem  oben  cilirlen  Falle  folgende  Be- 
obachtung an:  Ein  Mädchen  von  vier  Jahren  hatte  weder 
Glitoris,  noch  Nymphen,  noch  Harnröhre,  jedoch  eine  ziem- 
lich weite  Scheide.  Wegen  Mangel  der  Hattiröhre,  oder  we- 
nigstens des  Theils  dieses  Kanals,  in  welchem  sich  der 
Sphincter  befindet,  konnte  das  Kind  den  Harn  nicht  halten. 
—  Leider  lässt  uns  auch  hier  die  unvollständige  Mittheilung 


1)  Oeavres  poth.  P.m.  p.  122.  ScÄmirf^«'»!  Jahrb.  Bd.  2    1824. 


XXVI.    iJ&ppner,  Ueber  Hypospadie  beim  Weibe.       417 

ilher  die  specielleren  anatomischen  Verbältnisse  dieser  höchst 
merkwürdigen  Genitalienanomalie  im  Unklaren. 

M,  Langenbeck  ^)  beobachtete  an  einem  19  jährigen 
Mädchen,  das  nie  menstruirt  war,  folgendes  Verhalten  der 
Genitalien:  Die  Oeffnung  der  Urethra  (?)  sland  einen  Zoll 
niedriger  als  im  Normalzustande,  der  Hymen  war  halbmond- 
förmig und  seine  Oeffnung  so  klein,  dass  man  kaum  einen 
kleinen  Katheter  durch  dieselbe  hindurchföhren  konnte.  Dre 
Blasenscheidenwand  fehlte  gänzlich,  und  zwar  bildeten  Ure- 
thra und  Scheide  einen  gemeinscjiaftlichen  Kanal,  in  welchen 
^  sich  die  Blase  direct  öffnete.  Langenbeck  konnte  keine  Spur 
eines  Uterus  finden,  und  nach  Spaltung  des  Hymen  floss  kein 
Menstrualblut  ab.  Der  Urin  ging  Anfangs  unwillkürlich  ah, 
in  der  Folge  verlor  sich  jedoch  die  Incontinenz. 

Ist  die  Difformitäl  der  äusseren  Geschlechtstheile  bedeu- 
tend, so  kann  auch  hier,  bei  oberflächhcher  Untersuchung, 
eine  Verwechselung  des  Geschlechtes  stattfinden.  So  wurde 
z.  B.  ein  am  13.  Sept.  1843  zu  Birnungham  geborenes  Kind, 
das  ein  l"  langes,  imperforirtes  Glied  und  unter  demselben 
eine  den  Urin  ausleerende  draeckige  Oeffnung  aufwies,  von 
'  8müh^)  für  einen  Knaben  erklärt.  Nach  dem  am  30.  Oct. 
desselben  Jahres  erfolgten  Tode  erwies  es  sich,  dass  das 
Individuum  ein  Mädchen  mit  gut  entwickelten  inneren  aber 
vitiösen  mittleren  und  äusseren  Genitalien  war.  Der  JCanal, 
der  zur  äusseren  Oeffnung  führte,  war  nicht  die  Harnröhre, 
sondern  die  Scheide,  die  2  Linien  im  Durchmesser  hatte, 
und  an  ihrer  vorderen  Wand  die  Oeffnung  der  Blase  (ohne 
Harnröhre)  unter  stumpfen)  Winkel  aufnahm. 

Couiplicirt  sich  der  Blasenspalt  mit  einer  hochgradigen 
Missgestaltung  der  Genitalien,  so  ist  natürlich* die  Ausübung 
des  Beischlafes,  geschweige  die  Conception  und  Geburt  eine 
Unmöglichkeit.     In  Betreff  der  Harncontinenz  scheinen  dage- 


1)  Le  Forty  l.  c.  p.  123.  Leider  steht  mir  die  Original  mit- 
theiluDg  dieses  merkwürdigeo  Falles  nicht  zu  Gebote,  was  ich 
um  so  mehr  bedaure,  weil  das  frans^ösische  Beferat  siemlich  on- 
klar  ist. 

2)  Journal  f.  Kinderkr.  v.  Behrend  u.  HUdebrand,  bd.  11. 
1844,     S.  227. 

Monatsachr.  f.  Gebartak.  1866.  Bd.  XXVI..    Uft  6.  27 


418        XX Vf.    Heppner,  lieber  HypoBpadie  beim  Weib«. 

gen  die  mit  Verengerung  der  Scheide  bebaflelen  Individim 
besser  gesteil l  zu  sein,  als  solche ^  bei  denen  Mangdl  iler 
Urethra  neben  normalen  Genitalien  Torkomnit,  da  es  nicN 
unwahrscheinlich  ist,  dass  der  vom  Muse.  bulbo-caTemosas 
umgebene  SinOs  uro-genitalis  zu  willkürlichen  GoutractioDeo 
befähigt  ist.  Der  zweite  Petit*S€he  Fall  widerspricht  zwar 
dieser  Behauptung,  allein  da  bei  demselben  die  Scheide  als 
eine  weite  bezeichnet  wird,  so  kann  natürlich  von  einer  Harn- 
continenz  seitens  derselben  auch  nicht  "die  Rede  sein. 

Es  dürfte  für  den  praktischen  Arzt  nicht  ohne  Interesse 
sein,  auf  Zustande   der  weiblichen  Genitalien  aufmerksam  ge- 
macht  zu  werden,  die  leicht  eine  Verwechselung  mit  dem  in 
Rede    stehenden   Uebel    zulassen.     Abgesehen   von    den    ver- 
schiedenen,  in  späteren  Lebensperioden  durch  Entzündnngefi 
u.  s.  w.,  erworbenen  theil weisen  oder  vollständigen  Verviacb- 
sung^i  des   Sexualrohres  gehören    hierher   die   hüiifig   beob- 
achtete  Atresia  vaginae  4)yraenali8   und  die  angeborene  oder 
in  frühester   Jugend  erworbene  (partielle)   Verwachsung  der 
Schamlefzen.     Bei  letzterer  findet  man  ebenfalls  einen  schlitz- 
förmigen Kanal,  der  sidi  im  weiteren  Verlaufe  in  zwei  Gänge, 
die  Harnröhre   und   Scheide   spaltet     Gesellt   sich    zu  dieser 
Verwachsung  der  Lefzen  noch  eine  hypertrophirte  Clitoris,  so 
ist  die  Verwechselung  noch  leichter  möglich.     Einen  höchst 
interessanten  Fall  letzterer  Art  tbeilt  Le  Fort  ^)  mit  Huguier^ 
der  die  Kranke  behandelte,  trennte  die  verwachsenen  kleinen 
Schamlippen  mit  dem  Messer,  worauf  sich  das  Vestibulam  mit 
seinen  beiden  Oeffnungen  präsentirte. 

Bei  der  Erörterung  der  ärztlichen  Behandlung  des,  in 
Verbindung  mit  sonst  normalen  Genitalien  vorkommenden 
Mangels  der  Urethra,  ist  es  nöthig,  auf  den  in  meiner  Beob- 
achtung beschriebenen  Fall  zurückzukommen.  Zunächst  wäre 
die  Frage  zu  erörtern,  ob  in  dem  gegebenen  Falle  die  Bil- 
dung einer  Harnröhre  auf  operativem  Wege  möglicli  und 
nützlich  wäre.  Die  Herstellung  eines  Rohres  an  der  Stelle 
der  bewussten  Rinne  aus  seitlich  herbeigezogenen  Lappen 
dürfte,  wenn  auch  nicht  leicht,  so  doch  jedenfalls  ausführbar 
sein,  aber  schwerlich^  würd^  der  Zustand  der  Kranken  durch 

1)  1.  c.  p.  203. 


XXVI.    Heppner^  lieber  üypospadie  beim   Weibe.       419 

eine  Harnröhre,  die  von  Muskelfasern  entblösst,  keiner  will- 
körlichen  Contraction  fähig  wäre,  verbessert  werden.  Das- 
selbe und  noch  viel  Schlimmeres  lässt  sich  von  einer  durch 
Stich  in  den  Weichlheilen  mit  nachheriger  Vernahung  des 
Blasenspaltes  erhaltenen  Harnröhre  sagen.  Abgesehen  von  der 
durch  Verletzung  bedeutender  Gefässe  drohenden  Gefahr,  würde 
eine  solche  Harnröhre,  wenn  sie  fertig  wäre,  die  Harnincon- 
tinenz  in  ein  weit  schlimmeres  Uebel,  die  Harnverhaltung  vor- 
wandeln, da  sich,  wie  bekannt,  dergleichen  kunstliche  Ka- 
näle, 11*012  aller  Erweiterungsmittel,  immer  mehr  und  mehr 
verengern.  Indem  wir  also  die  Bildung  einer  neuen  Harn- 
röhre als  unpraktisch  und  gefahrlich  von  der  Hand  weisen, 
müssen  wir  noch  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  durch 
Reduction  des  ßlasenspaltes  auf  das  normale  Lumen  der  Ure- 
thra die  Harncontinenz  verbessert  werden  könnte.  Wenn  es 
gelänge,  eine  Oeflnung  herzustellen,  die  in  ihrer  ganzen  Cir- 
cumferenz  von  Muskelfasern  umgeben  wäre,  so  Hesse  sich 
freilich  von  einem  solchen  Eingriffe  viel  erwarten,  aber  es 
entbehrt,  wie  wir  gesehen,  die  vordere  Wand  des  Spaltes 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einer  muskulösen  Unterlage. 
Ueberdies  belehrt  uns  die  Erfahrung  an  Fisteikranken ,  dass 
lineare  Spaltungen,  selbst  grösseren  Calibers,  meist  den  Harn 
besser  zurückhalten,  als  kleinere  rundliche  Oeffnungen.  Bei 
ersteren  können  die  beiden  Lippen  des  Spaltes  sich  ziemlich 
genau  an  einander  legen,  und  vermöge  des  Druckes,  unter 
dem  alle  Baucheingeweide  stehen,  so  lange  einen  Verschluss 
der  Fistel  zu  Stande  bringen,  bis  ihr  Widerstand  durch  den 
sich  ansammelnden  Urin  überwunden  wird.  Bei  rurnJen  Oelf- 
nungen,  zumal  wenn  ihre  Runder  callös  sind,  ist  ein  solches 
Aneinanderlagern  der  letzteren  nicht  möglich,  und  der  Harn 
fliessl  daher  meist  contmuirlich  ab.  Wir  würden  somit  iu 
gegenwärtigem  Falle  riskiren,  durch  eine  Verkleinerung  des 
Blasenspaltes  aus  einer  verhältnissmässig  geringen  Infirmität, 
der  Incontinentia  nocturna,  eine  Incontinentia  totalis  hervor- 
zubringen. Aus  diesen  Gründen  rieth  ich  meiner  Patientin 
von  einer  Operation  ab,  und  empfahl  ihr  dagegen  des  Nachts 
eine  Ban<lage  nach  Sawostitzki's^)  Angabe  zu  tragen.     Die- 

1)  Die  BehaiidlnDg  der  Harnfistelii  beim  Weibe.  Moskau,  1863. 
S.  102.  (russisch). 

27* 


420       XXVf.    Heppner,  Ueber  Hypoapadie  beim  ^^eibe. 

selbe  besteht  aus  einem  Baucbgurt  und  einer,  durch 
Stahlfeder  mit  derselben  zusammenhängenden  olivengrossen 
Pelotte,  die  in  die  Scheide  eingeführt,  den  hinteren  Rand  des 
Spaltes  gegen  den  Schambogen  druckt  Ich  hatte  Gelegen- 
heit meine  Kranke  nach  vier  Wochen  nach  Anfertigung  der 
Bandage  zu  beobachten,  sie  gewöhnte  sich  bald  an  dieselfop, 
und   letztere  erfüllte  ihren  Zweck  zu  allseitiger  Befriedignog. 

Ich  glaube,  dass  die  von  mir  auseinandergesetzten  Grunde 
gegen  einen  operativen  EingriiT  bei  den  meisten  Fällen  weib- 
licher Hypospadie  gelten  dürften,  und  eine  Behandlung  wie 
oben,  auch  in  anderen  vorkommenden  Fällen  ihre  Anwendung 
finden  kann. 

Was  die  Kur  der,  in  Begleitung  missgestalteter  Genita- 
lien vorkommenden  Blasenscheidenspalten  betrifft,  so  könnte 
auch  bei  ihnen,  wenn  es  nötbig  wäre,  nur  eine  palliative, 
und  nur  in  ausnahmsweisen  Fällen  eine  operativ-radicale  Kur 
angewendet  werden. 


Erklärung  der  Abbildung. 

Ansicht  der  äaBseren  Genitalien  bei  stark  anseinandergehaUeBea 
Schamlippen. 

a.  Clitoris. 

b.  Nymphen.    , 

c.  Warzenförmiger  Vorsprung  am  Vestibulum. 

d.  Nach  Aussen  ziehende  Falte. 

e.  Eingang  zu  einem  flachen  Blindsack  zwischen  c.  u.  d, 
/.  Linksseitige,  gegen  den  Scheideneingang  gerichtete  Falte. 
g.  Rechtsseitige  Schleimhautwulst' 

h.  Vorderes  queres  Doppelfältchen, 
i.  Rinne  zwischen  den  Falten,  als  Rudiment  der  vorde- 
ren Harnröhrenwand. 
k.  Scheideneingang. 
{.  Harnblasenspalt. 
m,  Hinterer  wulstiger  Rand  desselben. 


XXVII.  Kün0ke^  Vieraigftte  VersammluriK  deateeher  etc.    421 


XXVII 

Vierzigste  Versammlung  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  in  Hannover  im  Jahre  1866. 

Verhandlungen    der    Section    für    Gynäkologie. 
Berichtet 


Dr.  W.  KOneke, 

Privatdocent  In  Oöttlngen 


Erste  Sitzung,  am  18.  September  2Vs  Uhr. 

Nach  firöffhung  der  Sitzung  durch  den  Geh.  Ober-:Medi- 
cinalrath  Dr.  Kaufmann  aus  Hannover,  werden  auf  dessen 
Vorschlag  der  Geheime  Medicinalrath  Prof.  Martin  aus  Berlin 
zum  Tagesvorsitzenden,  Dr.  Prael  aus  Hannover  und  Küneke 
aus  Göttingen  zu  ständigen  Schriflfährern  gewählt. 

Dr.  Neugebauer  (Warschau)  berichtet 

über  einen  Geburtsfall  eines  doppelköpfigen 
Kindes. 

Durch  zwei  andere  Aerzte  war  bei  einer  jungen  jüdi- 
schen Erstgebärenden  der  Kopf  bereits  mit  der  Zange  ent- 
wickelt worden ,  ohn^  dass  durch  Zug  an  demselben  die  Ex- 
Iraction  der  Frucht  hatte  gelingen  wollen.  N.  fand  den  Hals 
lang  gezogen  und  den  rechten  Arm  gelöst  vor.  Bei  der  sehr 
schwierigen  Untersuchung  zeigte  sich  an  Stelle  des  linken 
Armes  rechts  hinten  ein  harter  Buckel,  der  Thorax  fest  im 
Becken,  die  BaucbOäche  nach  vom,  der  Röcken  nicht  fühlbar, 
tüs  wurde  daher  die  Diagnose  auf  eine  Missbildung  gestellt, 
üa  die  Wendung  unmöglich  war,  so  zerquetschte  N.  mit  dem 
Kephalothrypter  den  Thorax,  leitete  denselben  zugleich  ein 
wenig  henab,  perforirte  ihn  mit  der  Siebold'scben  Scbeere, 
exenterirte  und  .forderte  nun  das  Kind  auf  die  Weise  zu 
Tage,  dass,  als  nach  Hervorlrilung  des  Thorax,  ein  zweiter 


422      XXVIJ.    Küneke,  Vierzigste  VersnminlaniC   deutscher 

Kopf  gefunden  wurde,  dann  weiter  der  Rumpf  und  die  unle- 
ren  Extremitäten  mit  dem  stumpfen  Haken,  der  zweite  Kupf 
und  endlich  der  linke  Arm  manuell  entwickelt   wurden. 

Das  starke  weibliche  Kind  war  19"  lang,  seine  Schul- 
tern 7"  breit,  besass  einen  rechten,  eiaen  linkf'ii  und  eiofD 
rudimentären  Arm,  ein  Sternum,  doch  waren  die  Wirbelsäuldi 
bis  zu  den  letzten  Brustwirbeln  getrennt.  Auf  zwei  oomialeo 
Hrdsen  befand  sich  je  ein  Kopf,  die  Gesichter  etwas  gegeu 
einniider  gekehrt.  Ein  Weiteres  ist  nicht  zu  berichten,  da 
die  dortigen  judischen  Gebrauche  keine  Section  gestatten. 

Ausser  Schmerzen  in  den  hinleren  Beck  entheilen,  Sciiöl- 
telfrösten  und  starken  Durchfällen,  die  mit  Cliinin  und  Mor- 
phium behandelt  wurden,  verlief  das  Wochenbett  gut.  In 
der  folgenden  Schwangerschaft  ist  die  Frau  an  Peritonilis 
gestorben. 

Nach  den  Sclmlregeln  empfehle  man  in  derlei  EnthinduDgs- 
frdlen  (he  Wendung  auf  üle  Fiisse,  doch  könne  auch  die  ältere 
Praxis. der  Embryotomie  selbst  bei  normalem  Becken,  beson- 
ders bei  stark  entwickelter  Frucht  nöthig  werden. 

Martin  macht  auf  den  Modus  der  Selbstwenching  auf- 
merksam, ein  Vorgang,  welcher  nach  verkleinertem  Kinde  der 
günstigere  sei.  Er  hält  die  Verkleinerung  des  Tiiorax  mr 
für  eine  vorbcreilcnde  Operation  zur  Wendung  auf  die  Fösse. 
Nach  Hohl  sind  die  Mutter  da  am  besten  davongekommen, 
wo  der  Rumpf  dem  zweiten  Kopfe  voran  entwickelt  ist,  was 
dieser  Fall  bestätigt;  doch  können  auch  andere  Verfalirungs- 
weisen  statthaben. 

Kristeller  hält  nach  der  Gehurt  des  ersten  Kopfes  die 
Selbstentwickelung  für  möglich. 

Küneke  verweist  auf  eine  von  Foerster  veranlasste  Dis- 
•  sertation  des  Dr.  Heinr.  Hill  (Anatom.  Untersuchung  eioer 
Doppelmissbildung.  Würzburg,  1863.),  zu  der  K.  das  Ob- 
ject  an  Foerster  überlassen  hatte.  Ein  kräftig  entwickelter 
Rumpf  li-ug  auf  dem  Thorax  zwei  getrennte  Hälse  mit  je 
einem  normalen  Kopfe.  Zwischen  beiden  Hälsen  befand  sidi 
ein  konischer,  spitz  endigiMider  Stumpf,  der  in  einen  nach 
hinten  gebogenen  mit  einem  Na^el  versehene«  Fortsatz  iiHsHcf- 

Das  weibliche  Kind  war  von  einem  Landchirurgen  niit 
dem  Haken  todt  entwickelt  worden.   K.  ist  der  Ansicht,  dass 


Natsrforacher  und  Aerstn  in  Hannover  im  Jnhre   1865.    423 

man  das  Hinderniss  des  zweiten  Kopfes  am  einfachsten  durch 
die  Üecapitatioa  desselben  beseitigen  könne.  Wogegen  von 
Neugebauer  die  Unzugänglichkeit  des  Halses  im  vorliegenden 
Falle  und  von  Kugdmann  die  Schwierigkeit  der  Diagnose 
des  zweiten  Kopfes  angeführt  werden.  Grtisserow  erinnert 
an  den  kürzlich  in  der  Schweiz  ausgeführten  Fall  von  Deca- 
pitation  hei  Doppelmis&bildung  (Monatsschrift  für  Geburtsk. 
Bd.  25.,  Supplem.).  % 

Winckel  (Rostock)  hält  es  für  gewagt,  da,  wo  man 
einen  Tumor  fühlt,  die  Wendung  zu  macheu,  vorzuziehen  sei 
die  £xenteration.  üebrigens  sei  der  tieburtsniecbanismus  der- 
tU'tiger  Fälle  noch  unbekannt,  und  man  könne  daher  eine 
allgemein  gültige  Verfahrungsregel  nicht  aufstellen.  — 


Geheimer     Oberniedicinalrath    Kau/mann    (Hannover) 
spricht 

über  die    Ursachen   des   epidemischen  Puerperal- 
fiebers in  Gebärnnstalten. 

Es  bestehen  über  diesen  Gegenstand  viele  verschiedene 
Meinungen,  besonders  hervorzuheben  ist  die  von  Semmel- 
weiss  urgirte  EnistehuugswtMse  durch  Contagium.  Nach  Red- 
ners Ansicht  ist,  da  die  Krankheit  meist  in  Anstalten,  selten 
in  Privatwohnungen  entsteht,  ein  durch  die  Ausdünstungen 
der  Wöchnerinnen  und  Neugeborenen  gebildetes  Miasma  als 
Ursache  anzunehmen,  welches  jedoch  nicht  unter  allen  Um- 
ständeu  die  Krankheit  hervorruft,  sondern  nur  bei  bestehen- 
der Prädispositton,  welche  ^  B.  durch  die  Jahreszeiten  gege- 
ben sein  kann.  Die  Annahme  einer  septischen  Infection  da- 
gegen ist  zu  verwerfen.  Die  einzige  Möglichkeit,  die  Krankheil 
zu  vermeiden,  ist  daher  die  ausgiebigste  Ventilation,  verbun- 
den mit  grösster  ReiulichkeiL  in  der  unter  KJs  Leitung 
stehenden  nach  diesen  Priiicipien  neu  erbauten  und  eingc- 
ricliteleii  Anstalt  sind  zwar  kurz  nach  Erölfnung  derselben 
liujf  Krankheits-  und  Todesialle  vorgekommen,  was  jedoch 
als  Folge  nicht  genügender  Au»trocknuug  des  Hauses  anzu- 
sehen ist.  Ausser  der  künstlichen  Ventilation  wird  noch  ein 
täglich  dreimaliges  Oeffnen  von  Thür  und  Fenster  angewandt, 


424      XXVII.  Küneke,  Viersig^ste  Versammlang  denUcber 

wobei  die  Wöchnerinnen  mit  wollenen  Decken  verfaullt  wer- 
den.  Erkältungen  sind  dabei  kaum  zu  befürcbCeo,  eveoCuHl 
leicht  zu  heilen. 

Nach  einigen  Abschweifungen  Kugelmann's  auf  die  Er- 
fahrungen der  Privatärzte  und  Anführung  eines  von  ihm  be- 
obachteten Falles  von  puerperaler  Selbstiufection  von  einer 
Verwundung  am  Rücken  aus,  fordert  Kaufmann  die  anwe- 
s}ni(len  Vorsteher  von  Anstalten  auf,  sich  über  den  you  ihm 
angeregten  Gegenstand  zu  äussern. 

Veit  (Bonn),  Winckel  (Rostock),  Pemice  (Greifswalii), 
Martin  (Berlin)  neigen  sich  der  Ihfectionstheorie  ztu 
Es  wird  zugleich  vielfach  auf  die  Arbeit  von  Hirsch  ver- 
wiesen. Martin  berührt  die  Vibrionentheorie  Maij^r^ 
hofer!s  und  Mankiewitz  (Muhlhausen)  hebt  die  Verwun- 
dungen der  Genitalien,  besonders  bei  Operationen  (Zange)  her- 
vor. Uebrigens  werden  die  von  Kaufmann  angegebenen 
Verhötungsmassregeln  allgemein  als  zweckmässig  und  streng 
geboten  anerkannt. 


Zweite  Sitzung,  am  19.  September  11   Uhr. 

Vorsitzender:  Geh.  Obermedicinal-Rath  Dr.  Kaufmann 
(Hannover). 

Prof.  Winckel  (Rostock)  hält  einen  Vortrag: 

über    die    Harnbeschaffenheit    bei    Schwangeren, 
Gebärenden  und  Wöchnerinnen. 

Das   Vorgetragene   befindet  ^ich  ausführlich  in   H^.*s  so 
eben  erschienenem  Buche  über  diesen  Gegenstand.  — 


Sanitätsrath  Homeyer  (Hannover)  trägt  vor: 

über  die  Behandlung  des  Prolapsus  uteri. 

Wegen  der  ausserordentlichen  und  höchst  qualvollen  Lei- 
den, welche  der  Gebärmutter-  und  Scheidenvorfall  verursacljt. 
verdient  die,  Krankheit  ganz  besonders  die  Aunn^rksanikeit 
der  Aerzte.     In  früherer  Zeit  wurde  sie  mit  Pessarieii  hehan- 


Natnrforseher  and  Aerate  in  Hunnover  im  Jahre  1865.    425 

dell,  spller  schlug  Marshai  Hott  die  Excision  Hnes  Schei- 
denstöckes  vor,  die  auch  von  Dieffenbach,  wiewohl  ohne 
gunstiges  Resultat,  geübt  wurde.  Auch  die  Episiorrhaphie 
von  Fricke  ist  ohne  Erfolg.  Redner  ist  daher  zu  dem  alten 
Mittel  der  Anwendung  des  Gluheisens  zurückgekehrt,  und  hat 
damit  in  siebeo  Fällen  Heilung  erzielt.  Er  empfiehlt  daher 
dieses  Verfahren  der  Beachtung  und  Prüfung  der  Fachge- 
nossen. Sein  Verfahren  besteht  in  vier  kraftigen  Längsstri- 
chen mit  dem  weissglühenden  Eisen,  welche  jedoch  nur  bis 
in  die  Nähe  des  Muttermundes  geführt  werden  dürfen. 

Neugebauer  glaubt,  dass  diese  Methode  auch  in  neuerer 
Zeit  angewandt  sei,  jedoch  Peritonitis  hervorgerufen  habe. '  Er 
hat  auf  den  hypertrophischen  Muttermund  Kauterisationen  ohne 
Erfolg  gemacht,  auch  die  Episiorrhaphie  angewandt,  doch  ist, 
wie  KücMer  unlängst  nachgewiesen,  selbst  die  Verschlies- 
sung  durch  Vereinigung  der  Schamlippen  nicht  genügend,  N. 
fügt  deshalb  noch  die  -Anfrischung  der  hinteren  Scheidenwand 
mittels  eines  winkelförmigen  Schnittes  in  dieselbe  hinzu.  Es 
ist  fast  immer  Ruptura  perinaei  zugegen,  besonders  Rupt. 
fossae  navicularis,  auch  Rupt.  fasciae  perinaei  ohne  Läsion 
der  Haut.  Nach  Küchler's  und  Neuffebauer^s  Methode  ist 
die  Retention  des  Uterus  sicher.  N.  verweist  in  Bezug  hier- 
auf noch  auf  das,  was  er  auf  der  Naturforscherversaromlung 
in  Königsberg  gesagt  und  in  der  Wiener  Wochenschrift  ver- 
öffentlicht hat.  Von  seinen  sämmtlichcn  Operationen  sind 
nur  eine  gänzlich,  einige  theilweise  misslungen. 

Martin  hebt  hervor,  dass  hier  nur  von  einer  Art  des 
Vorfalls  gehandelt  werde,  während  man  doch  drei  Arten  und 
danach  auch  die  Behandlung  unterscheiden  müsse.  Am  häu- 
figsten ist  die  Verlängerung  des  Mutterhalses  um  zwei  bis 
drei  Zoll  die  Ursache,  womit  sich  ein  Herabsinken  der  vor- 
deren Scheidenwand  Vind  Cystocele  verbindet.  Seltener  ist 
das  Vorkommen  ohne  jene  Verlängerung,  aber  mit  Vorfall 
der  hinteren  Scheidenwand ,  ohne  dass  jedoch  immer  Cysto 
cele  dabei  stattfindet.  Den  Prolapsiis  uteri  ohne  Scheiden- 
veränderung hat  er  sogar  auch  bei  Kindern  gesehen.  —  Es 
muss  danach  auch  die  Behandlung  verschieden  sein.  Das 
Ferrum  candens  kann  nur  Contractionen  der  Ligg.  sacroute- 
rina,  auch  wohl  Verkleinerung  des  Uterus  bewirken,  doch  ist 


426      XXVII.  Künekey  Viersi>Rfe  Versmnrolaiig  dentoehar 

dies  Verfahren  bei  Gystocele  wegen  zu  befQrchtender  Cystii» 
nicht  anwendbar.  Der  einfach  verlängert«  ScheidentlieiJ  kau 
kauterisirt  werden,  ßei  hinterem  ScheideovorfaU  mass 
luii  dem  Glöheisen  ebenfalls  vorsichtig  sein,  da  hier  oft 
Peritonäalfaite  mit  herabgezogen  ist.  Die  Ausschneidung  eine» 
Vaginalstrickes  ist  ihm  auf  die  Dauer  nicht  von  Nutzen  ge- 
wesen; dios  kann  auch  nur  einen  untergeordneten  Vortheil 
gewähren,  weil  der  Uterus  nidit  allein  durch  die  Vagina,  son- 
dern auch  noch  durch  andere  Gebilde  gehalten  wird. 

Kristeller  schliesst  sich  dem  von  Martin  G^sagieo  an. 
Nur  bei  veralteten  Vorfallen,  wo  man  das  Causalmoment  nicht 
entfernen  kann,  darf  man  zum  Glöheisen  greifen. 

Homeyer  hat  diese  Einwendungen  erwartet«  Er  bat 
nur  den  Vorfall  in  Folge  von  Geburten  im  Auge  gehabi  und 
betont  das  Factum  der  Heilungen  nach  seiner  Methode. 

Hennecke  (Goslar)  ist  der  Ansicht ,  dass  in  der  Privat- 
praxis  das  empfohlene  Mittel  schwer  anzuwenden  sei.  Er 
sah  durch  Entzündung  in  Folge  der  Einiegung  eines  grossen 
Flugelhysterophors  eine  soiclie  Verengerung  der  Scheide  ent- 
stehen, dass  nun  ein  Luftp^^ssarium  genügte,  ja  auch  dies 
nicht  mehr  nöthig  war. 

Kugelmann  ist  von  Ztoavhck^s  Hysterophor  zurückge- 
kommen, wegen  der  dadurch  entstehenden  Verletzungen  der 
Sclieide  und  der  Schwierigkeit  dasselbe  zu  entfernen,  weil  e$ 
Ulcerationen ,  selbst  Beckeuexsudate  bewirkt,  und  bei  grus- 
t{r()ii  iJnn.n  rissen  keinen  Halt  findet.  Er  bedient  sich  der 
auch  für  andere  gynäkologische  Zwecke  von  ihm  constniirten 
excentrischen  Gummiringe  Nr.  5.  Diese  sind  leiclit  einzu- 
führen und  nützlich  wegen  der  excentrischen  Riditung  der 
Portio  vaginalis.  Ein  fernerer  Vorzug  ist  ihre  Weichheit 
Durch  andere  Mittel  wird  die  Scheide  zu  sehr  ausgedehnt 
und  das  Uebel  verschlimmert.  Ist  der  gewählte  Ring  zu 
gross,  so  stellt  er  sich  von  selbst  schräg. 

Neugebauer  glaubt,  dass  die  Methode  Homeyer' %  grosse 
Beachtung  verdiene.  Er  spricht  den  Wunsch  aus,  über  dab 
Verballen  der  Scheide  in  den  von  ihm  geheilten  FäUeo  n^hen* 
Details  zu  erfahren.  Die  von  Hennecke  erwähnti;  Art  der 
Heilung  ist  wichtig.  Vielleicht  bewirkt  die  Entzüiulimf;  «Irr 
Scheide  auch  eine  solche  anderni*  Gebilde,  was  audi  vieJleiclu  lici 


NRtarforscher  und  A erste  in  Hannover  im  Jahre  1665.    427 

der  Kauterisation  geschieht.  In  Fällen ,  wo  iniui  der  Pessa- 
riej)  bedürfe,  empfiehJl  er  die  Sformig  gekrümmlen  amerika- 
nischen aus  Hartkautschuk. 

Martin:  Pessarien  »nd  nicht  zu  entbehren,  doch  wer- 
den sie  gefahrlich  bei  partiellem  Druck  und  scharfen  Rändern. 
£r  selbst  hat  Mastdarm-  und  Blasenscheidenfisteln  dadurch 
entstehen  sehen,  und  erinnert  sich  eines  Falles,  wo  er  ein 
Pessarium  in  der  Excavatio  rectouterina  gefunden  hat  Er 
zieht  daher  die  stärkeren  Ringe  von  Kautschuk  vor,  doch 
reichen  auch  diese,  namentlich  bei  Combination  mit  Vorfall 
der  hinteren  oder  vorderen  Scheidenwand  nicht  aus,  weshalb 
er  damit  einen  Slützapparat  verbindet,  dessen  Stiel  den  Ring 
in  gehöriger  Stellung  erhält.  Die  anderen  Stützapparate  von 
Kiloisch,  Scanzoni.  Roser  werden  nicht  gut  vertragen. 


Dritte  Sitzung,  am  21.  September  9  Uhr. 
Der  Antrag  des  Vorsitzenden  [h\  Kristeller  (Berlin): 

„Die  gynäkologische  Section  der  40.  Versammlung 
deutscher  iNaturforscher  und  Aerzte  stellt  es  als  wissen- 
schafllich  und  nothwendig  hin,  dass  bei  allen  Mes- 
'  sungen  gynäkologischer  Objecte  das  Meter- 
maass  angewandt  werde,  und  fonh^rt  die  ^deutschen 
Aerzte  auf,  sich  bei  ihren  wissenschalllichen  Mitthei- 
lungen von  nun  an  dieses  Maasssysteins  zu  bedienen,'' 

wird  zum  Beschluss  erhoben. 

Martin  hat  an  seinem  portativen  in  seinem  Handatlas 
der  Gynäkologie  bereits  abgebildeten  Beckenniesser  das  Cen- 
timetermaass  neben  (h'm  Zollmaass  angebracht.  Dieser  Ta- 
sterzirkel  ist  ebensowohl  wegen  der  entsprechenden  Biegung 
seiner  Branchen,  als  dadurch  dass  dieselben  trotz  des  damit 
verbundenen  Maassstabes  von  einander  getrennt  in  dem  ge- 
burtshülf liehen  Besteck  uniergebrachl  werden  können,  dem 
praktischen  Geburtshelfer  zu  empfehlen.  Die  hohe  Bedeutung 
der  äusseren  Beckenmessung  liegt  nicht  allein  in  den  abso- 
luten dabei  aufzuiindenden  Maassen,  sondern  auch  in  den  Ver- 


428      XXVI.  Küneke,  Viersifc<«te  Versnmnilong  deotscher 

hältnissen  mehrer  Durchmesser  zu  einander,  z.  B.  der  Sp.  L 
zu  den  Cr.  I.  (für  Rhachitis),  der  letzteren  zu  den  Tr.  (flr 
Osteomalacie),  der  beiden  äusseren  schrägen  Durchmesser  zv 
ßeurtheilung  der  schräg  verengten  Becken  mit  oder  ohne  An- 
kylose. In  der  gynäkologischen  Klinik  zu  Berlin  werden  seit 
Jahren  die  Beckenmessungen  an  sämmtlichen  Kreissenden  mit 
diesem  Tasterzirkel  und  die  inneren  mit  den  Fingern  Torge- 
noinmen. 

Neagebauer  hat  diesen  Zirkel  seit  einer  Reihe  von  Jab- 
nni  angewandt  und  als  zweckmässig  erfunden. 

Sanitätsrath  Dr.  Winckd  (Gummersbach)  zeigt  e  i  n  ex 
quisit  osteomalakisches  Becken  nebst  dem  zage- 
hörigen  Uterus  mit  geheilter  Ruptur  vor.     Die  nähere 
Beschreibung  des  Falles  befindet  sich  in  der  Mönatsscfarüt  far 
Geburtshülfe. 

Martin  legt  eine  Dissertation  über  Ruptur  der  Vagina 
mit  Vorfall  eines  Hydrovarium  von  Adolf  Sucro  praeside 
Luschka  vor,  von  welcher  ein  Auszug  nebst  von  dem  letz- 
teren ubergebener  Abbildung  des  Präparates  in  der  JMonats- 
schrifl  erscheinen  wird. 


Martin  hält  sodann  den  angekündigten  Yorlrag: 

,,über  einige  Modificationeii  in  der  Technik  der 
„geburtshölflichen  Wendung  auf  die  Füsse  und 
„der  Ausziehnng  des  zuletztkommenden  Kopfes. ** 

Obgleich  die  geburtshülfliche  Wendung  auf  die 
Füsse  und  Ausziehung  daran  bereits  seit  Jahrhunderten 
geübt  und  von  den  tüchtigsten  Aerzten  ausgebildet  ist,  glaubt 
Martin  doch  einige  Modificalionen  der  Technik  dieser  Ope- 
rationen, welche  sich  ihm  seit  vielen  Jahren  bewährt  haben, 
hier  zur  Sprache  bringen  zu  sollen. 

Zuvor  empfiehlt  M.  für  die  Wendung  auf  die  Füsse 
dringend  die  Chloroformnarkose,  obgleich  er  nicht  der 
Ansicht  ist,  dass  dabei,  so  lange  jlieselbe  in  massigem  Grade 
besteht,  die  Zusammenziehungen  des  Uterus  selbst  abgeändert 
werden.     Nur  der  für   die  Operation  oft  so  binderliche  Wi- 


Nntarforscher  and  Aerste  in  Hannover  im  Jähre  1866.    429 

derstand  der  Kreissenden  durch  Hin-  und  Hei'werfen  so  wie 
durch  arges  Pressen  und^  Drängen  werde,  abgesehen  von  der 
Aufliebung  der  immer  naclitheiligen  Schmerzempfiudung,  mit- 
tels des  massig  dargereichten  Chloroform  beseiligt.  In  der 
Privatpraxis  könne  der  Operateur  ohne  Bedenken  selbst  dio 
Narkose  einleiten,  bevor  er  die  Operation  beginne,  wenn  es 
gleich  sehr  erwünscht  sein  müsse,  einen  darauf  eingeübten 
Gehülfen  zur  Seite  zu  haben. 

Bisher  habe  man  die  Ruckenlage  der  Kreissenden  auf 
dem  Querbette  als  allgemeine  Regel  empfohlen.  M,  hat  sich 
aber  in  den  letztverflossenen  sechszehn  Jahren  mehr  und  mehr 
von  dem  Nutzen  der  Seitenlage  überzeugt,  welche  er  1849 
in  dem  zweiten  Hefte  seiner  Beiträge  zur  Gynäkologie  nacii 
einer  kleineren  Reiiie  von  Beobachtungen  empfohlen  hatte. 
Für  die  leichteren  Fälle  z.  B.  bei  stehenden  Wässern  —  in 
welchen  freilich  viel  häufiger,  als  bis  jetzt  geschehen,  die 
äussere  Wendung  an  Stelle  dei*  inneren  vorgenommen  werden 
sollte  —  sei  die  Lagerung  der  Kreissenden  von-  geringem 
Belange;  für  die  schvHerigeren  Fälle  dagegen  nach  abgeflosse- 
nem Fruchtwasser  und  da  wo  die  Füsse  gegen  die  vordere 
Uteruswand  gerichtet,  diese  vielleicht  wie  bei  dem  Hängebauche 
mehr  als  gewöhnlich  über  die  Schamfuge  hervorgedrängt  ist, 
gewähre  die  Seitenlagc  der  Kreissenden  dieselben  Vortheile, 
welche  der  Knie-  und  £llbogenlage  nachgerühmt  würden, 
neben  dem  Vorzuge  vor  dieser,  dass  dabei  die  Chloroform- 
narkose Anwendung  finde  und  die  Kreissende  nicht  dermassen 
angestrengt  werde,  wie  bei  dieser.  M.  schreibt  es  der  Be- 
nutzung der  Seiteulage  neben  der  Chloroformnarkose  zu,  das^ 
ihm  bisher  in  fast  allen  Fällen,  in  welchen  er  von  anderen  Aerzten 
nach  vergeblichen  Wenduogsversuchen  zur  Ausführung  der 
Embryotomie  berufen  wurde,  dennoch  die  Wendung  auf  den 
Fuss  gelungen  sei;  nur  in  einem  bereits  veröflentlichten 
Falle  habe  er,  da  die  Umstände  (hochgradige  Beckeneuge,  todtes 
Kind,  dessen  ^rm  und  Schulter  viele  Stunden  fest  herabge- 
presst  waren)  die  Decapitation  mit  gutem  Erfolge  statt  der 
Wendung  ausgeführt.  Jf.  lässt  die  Kreissende  auf  die- 
jenige Seite  lagern,  in  welcher  das  Beckenende 
der  Frucht  resp.  die  Füsse  liegen  und  geht,  indem 
er  sich   hinter  den  Rücken  der   Kreissenden   stellt  und  den 


430      XXVII.  Küneke,  Vfersif^ete  V^rnammlang  denUeber 

Fundus  uteri  mit  der  der  Seite»,    auf  welcher  die  Frau  lif^ 
homonymen  Hand  fixirl,  mit  der  lie^eronyinen  Hand,   also  m 
der  rechten   bei   linker  SeK<*nlagH  —  und  umgekehrt  —  en 
und  in  der  untenliegenden  ßeckenhälfre  em|)oi%    Man  vemi«fdp 
dadurch   die   stets    peinliche  ColJision    mit  dem  Vorberg  aai 
finde,  indem  der  Uterus  mit  der  Frucht  vom  Becken eingaiupe 
hinwegsinkt,  auch  bei  längst  abgeflossenen  Fruchtwüsser  eine 
hinlänglich    freie    Stelle   zum    Cmporschiehen   der  Hand   uod 
des  Armes.     Einmal,  bei  Beckenenge  von  3''  Conj.  und  horlH 
gradiger   Slrictur  in   der  Gegend  des  inneren  Muttermundes, 
wo  zwei  Aerzte  viele  vergfebliche  Wendungsversuche  gemark 
hatten    und   die   Cmbryotomie   indicirt   hielten,    sah    sich  M. 
jedoch  geniithigt,  von  dieser  Regel  abzuweichen  und  die  Fr» 
auf  diejenige  Seite  zu  lagern,  wo  der  Kopf  sich  befand,  ak- 
dann  gelang  ihm  nicht  allein  die  Einführung  der  Hand,  soo- 
dern  auch  die  Umdrehung  der  Frucht  mit  Rettung  der  Mutier. 
Ma/rtin  räth   ferjier,    in   der   Regel  nur   einen    Fass 
zu  •  ergreifen ,    jedoch   mit  der  bestimmten  Forderung,    dass 
dies  bei  Querlagen  der  Frucht  (zumal  wenn  das  Wasser  vor 
längerer  Zeit  abgeflossen  ist)  der  der  vorliegenden  Seite  an- 
gehörige  sei ,  da  die  Umdrehung  mittels  des  der  obenliegen- 
den  Seite  angehörigen  Fusses  in  der  Kegel  durch  Entgegen- 
stemmen  des  darunter  gelegenen  Beines  behindert  wird.     M. 
hat  es  wiederholt  gesehen,    dass  andere  Aerzte,    welcJie  den 
nicht  entsprechenden  Fuss  herabgezogen  und  angeschlungen 
hatten,  die  Wendung  trotz  des  sogenannten  doppelten  Hand- 
grifles    nicht    vollenden    konnten,    während    ihm    nach  Her- 
9bholen    des   der   vorliegenden  Seile   angehörigen   Fusses  die 
Umdrehung  gelang.    Um  den  entsprechenden  Fuss  mit  Sicher* 
heit  zu  erfassen,  empfiehlt  ilf.,   mit  der  in  den  Muttemiiind 
hinaufgeschohenen  Hand  an  der  vorliegenden  Seite  der  Fnichl 
emporzugehen,  so,  dass  die  Voia  stets  dem  Kinde,  das  Bor- 
sum  manus  der  Uteruswand  zugekehrt  bleibt.     Nicht  frölier, 
als  nachdem  man  an  die  entsprechende  Hinterbatke  der  FruclK 
mit  den  Fingerspitzen  gelangt  ist,  gehe  man  zu  dem  entspre- 
chenden Oberschenkel,  gleite  daran  zum  Knie,  welches  etwas 
angezogen  und  nach  aussen  gedrückt  werden  kann,   um  den 
betreifenden   Unterschenkel    und    Fuss    herabzuleiten.    Durch 
ein    vorsichtiges    Herabziehen   des  mit  vier  Fingern  gefasslpn 


NHtnrfor8ch«r  ond  Aersie  in  Hnnnover  im  Jahre  18G6.    431 

Unterschenkels,  während  man  den  Daumen  gegen  die  vor* 
iiegeode  Schulter  stemmt,  bewirkt  man  die  Umdrehung,  welche 
von  der  an  der  Aussenfläche  des  Bauches  liegenden  Hand 
uiUerstülzl  wird.  Einen  Nachthei>  für  das  Kind  hat  M,  anch 
da,  wo  seine  Schäler  und  Assistenten  in  dieser  Weise  gewen- 
det hatten,  nicht  gesehen;  sogar  der  sogenannte  doppelte 
Handgriff  gelang  nacii  Anächlingung  des  entsprechenden  einen 
Fusses.  Dass  die  Umdrehung  des  Fruchtkörpers  und  Her- 
ableitung der  kindlichen  Höften  in  das  miltterliche  Becken 
da,  wo  die  Wässer  längere  Zeit  abgeflossen  waren,  mit  be- 
sonderer Vorsicht  vollzogen  werden  muss,  um  Quetschungen 
des  unteren  Ulerinabschnittes  und  dessen  Umgebung  gegen 
den  Beckeneingang  zu  verböten  und  Blutaustrelungen  mit 
nachfolgender  Abscessbildung  zu  vern>eiden  —  dieser  Rath 
gilt  nicht  allein  für  die  Wendung  auf  einen  Fuss. 

Abgesehen  davon,  dass  die  Aufsuchung  eines  Fusses 
unter  schwierigen  Verhältnissen  leichter,  d.  h.  für  die  Mutter 
mit  weniger  Reizung  der  Uteruswandung  verbunden  zu  sein 
pflegt,  als  die  Ergreifung  beider  Fösse,  ist  bei  der  Wendung 
und  Ausziehung  an  einem  Fusse  die  Erhaltung  des  Kindes 
im  höheren  Grade  gosicliert.  Ganz  vorzüglich  wichtig  erscheint 
aber  die  Wendung  an  einem  Fusse  dann,  wenn  man  die 
Wendung  wegen  ungünstiger  Einstellung  des  Kopfes  bei  un- 
gleich verengten  Beckenbälften  untei-nimmt,  um  das  Kind  zu 
retten.  Bei  erheblicher  Ungleichheit  der  beiden  Beckenhälf- 
ten, welche  am  häufigsten  bei  rhachitischer  Beckenenge  da- 
durch bedingt  wird,  dass  das  Promontorium  nach  der  einen 
Seite  geschoben,  auch  wohl  die  entsprechende  Pfanne  nach 
innen  gedrängt  ist,  zeigt  die  Erfahrung,  dass  es  durchaus 
nicht  gleichgültig  sei,  ob  das  dickere  Hinterhaupt  mit  seinem 
grösseren  hinteren  Querdurchmesser  auf  der  engeren  oder 
weiteren  Beckenhälfte  aufsteht;  in  dem  ersleren  Falle  wird 
die  Geburt  nicht  ohne  für  Mutter  und  Kind  gefährliche  Quet- 
schungen, odel*  auch  wohl  nur  nach  Verkleinerung  des  Schä- 
dels vollendet,  während  bei  der  Einstellung  des  Hinlerhauptes 
auf  der  geräumigeren  Beckenhälfle  die  Ausstossung  nicht  seilen 
verhältnissmässig  leicht  erfolgt,  indem  der  kleinere  vordere 
Querdurchroesser  des  Schädels  mit  seinen  leicht  eindrückbaren 
Endru   zwischen  den   Anfangen   der   Kronenjiahl  (der  bitem- 


432     XXVII.  Küneke,  Vierii^sto  Versammlong  dcntscher 

porale  Schädeldurchmesser)  die  enge  Canjugata  passirt.    Eine 
beweisende  Beobachtung  bot  M.  Frau  8,,  welche  ein  schräg 
verengtes   Becken   mit   Ankylose   der  linken  Synchondrose  k 
Folge   von   Eiterung  des   Gelenkes   trug  und    eine    dem  ept- 
sprechende  Verkürzung   des  rechten   schrägen  Durchmessers, 
also  eine  Raumheschränkung  der  linken  Beckenhälfte    zeigte. 
Bei  ihrer  ersten  Entbindung,    bei  welcher  sich  das   Kind  id 
erster  Schädeliage  einstellte,  waren  drei  Aerzte  mit  Rath  imd 
Zange   thätig  gewesen    und    musslen    cfidiicli    zur    Kephalo* 
thrypsie  greifen,  um  die  Mutter  zu  befreien;  bei  der  zwetteD 
Entbindung  stellte  sich  das  Kind  wieder  in  erster  SehädeJIagf 
ein;  dieses  Mal  gelang  es  M.  durch  die  Wendung  des  Kin- 
des auf  den  rechten  Fuss  und  Extraction  in  der  zweilen  un- 
vollkommenen   Beckenendlage    Mutter    und   Kind    zu    reiten: 
bei  der  dritten  Geburt  kam  das  Kind  in  zweiter  SchädelJage 
zur  Geburt  und  wurde,   nachdem  der  Kopf  tief  herabgeröckt 
war,  mit  der  Zange  leicht  entwickelt. 

Bei  der  Wendung  auf  einen  Fuss  hat  man  nun  die 
Austrittsweise  des  Rumpfes  und  des  nachfolgenden  Kopfes  n 
seiner  Gewalt.  Indem  man  den  rechten  Fnss  herabzieht, 
stellt  man  die  zweite  unvollkommene  Fusslage  her,  mit  Her- 
abziehung des  linken  Fusses  die  erste,  und  diesem  entspre- 
chend erfolgt  die  Ausstossung  resp.  Ausziehung  des  Kindes- 
körpers mit  dem  Rücken  nach  rechts  oder  links.  Denn  bei 
der  unvollkommenen  Fusslage  ruckt  stets  das  herabgestreckle 
Bein  unter  den  Schambogen,  während  die  volle  Höfte,  d.  h. 
das  emporgeschlagene  Bein  in  der  Kreuzbeinaushöhlung  ber- 
ai))gedrängt»  wird.  Dies  Gesetz  hat  man  bei  der  nachfolgen- 
den Extraction  sorgfältig  im  Auge  zu  behalten  und  deshalb 
das  ausgestreckte  Bein  nach  vorn,  die  volle  Höfte  in  die 
Kreuzbeinendung  zu  leiten,  und  sobald  die  vorn  gelegene 
Höfte  in  den  Beckenausgang  gelangt  ist, .  das  ausgestreckte 
Bein  nach  vorn  rotirend  vor  der  Schamfuge  vorsichtig  eoH 
porzuziehen.  So  erfolgt  die  Drehung  des  Rockens  der  Frucht 
nach  der  Seite,  und  der  Kopf  ruckt  mit  dem  Hinterhaupte  in 
die  entsprechende  Beckenhälfle  herab. 

Hinsichtlich  der  Ausziehung  des  zuletzt  kom- 
menden Kopfes  hat  Martin  nach  wiederholter  Prüfung 
der  üblichen  Hai^dgrüfe  und  Methoden  die  Ueberzeugung  ge-^ 


Natarforscher  und  Aerste  in  Hannover  im  Jahre  1866.   433 

wooneo,   dass  dieselben  tbeils  in  manchen  Fällen  nicht  aus- 
reichen, das  Kind  zu  erhalten,   theils  bedenkliche  Nebenwir- 
kungen haben   können,    und  dass  deshalb  ein  neuer  vielfach 
▼OH   ihm    erprobt   gefundener  Handgriff   der  Beachtung  em- 
pfohlen zu   werden  verdient.     Was  den  vielgeröhmten  soge- 
nannten Prager  HandgriiT  anlangt,  so  giebt  M.  zu,    dass  er 
für  manche  Fälle  z.  B.  bei  in  die  Beckenböhle  bereits  herab- 
gerücktem  kleinen  Kopfe  und  weitem  Scheidenausgange  leicht 
und    mit   Erfolg   angewendet  werden  kann.     Unter    anderen 
Umständen  hat  dieses  Manöver,   wie  M.  aus  der  Praxis  an- 
derer vielbeschäftigter  Praktiker  weiss,  theils  tiefe  Dammrisse 
bis    zur    Zerstörung    der    Mastdarmscheidewand ,    theils  Ver- 
letzmigen  der  Wirbelsäule  des  Kindes  bis  zum  Abreissen  des 
Rumpfes  vom  Kopfe  zur  Folge.     M.   wurde  vor  Jahren  von 
einem  tüchtigen  gewissenharten  Geburtshelfer  in  einer  Land- 
stadt zu  einer  Zehentgcbäreuden  gerufen,  bei  welcher  der  letz- 
tere  wegen   Placenta   praevia   ein    kleines  Jebendes  Kind  ge- 
wendet und  bis  auf  den  Kopf  extrahirt  hatte;  als  der  letztere 
mittels  des  vorsichtig  ausgeführten  Prager  Handgriffes  zu  Tage 
getöi*dert  werden  sollte,  zuckten  die  Glieder  des  Kindes  noch 
unter  der  Hand  des  Operateurs,    der  niciit  wenig  erschrak, 
als   er   mit  dem   Rumpfe  in  der  Hand  emporfuhr,    während 
der  Kopf  von  dem  spastisch  zusammengezogenen  Muttcrhals 
so   weit  in  die  Gebärmutterhöhle  wieder  hinaufgedrängt  war, 
dass  man  denselben  von  der  Scheide  aus  nicht  mehr  zu  er- 
i*eiclien    vermochte.     Bevor    M.  in    den    über   zwei  Stunden 
von  Jena  entfernten  Wohnort   der  Halbentbunden oj)  gelangte, 
hatten  neueingelreicne  £xpulsivwehen  den  Kopf  herabgedrängC, 
und   der  Geburtshelfer    denselben    nebst  der  Nachgeburt  aus 
den  Geburtswegen    entfernL    ~    Die  Anlegung   der  Zange  an 
den   zuletzt  kommenden    Kopf  ist  oft  mit  einem  sehr  nach- 
iheiligen  Zeitverluste  verbunden  und  die  Ausziehung  des  Kopfes 
damit   verursacht  nicht  seilen  bedenkliche  Einrisse  des  Mut- 
termtffides  u.  s.  w. 

Wenn  nun  auch  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  die 
Ausziehung  des  Kopfes  mittels  des  sogenannten  S'meSfVschen 
Handgriffes  zum  Ziele  führt,  so  findet  man  doch  in  manchen 
Fällen  einen  bedenklichen  Aufentlialt,  sei  es,  dass  die  räum- 
lichen Verhaltnisse  nicht  günstig  sind,  oder  dass  ein  krampf- 

\lon»tsscbr.  f.  Qebartak    1866.  Bil.  XXVI.,  Uft.  6.  28 


434    X.XV1I.  Küneke^  VierzigHte  Verftainnilung-  deutscher 

hafler  Zustand   des  unteren  Gebärmutterabschnitties  den  Kopt 
festhält.     Unter   diesen  Umsländen  hat   M.  durch  einen  As- 
sistenten   oder    die    dahin    instniirte  Hebanime   einen    kräf- 
tigen Druck   auf  den  Fundus  uteri  durch  den  un- 
teren Abschnitt  der  Bauchdecken  ausüben  lassen,  wäh- 
rend er  selbst  mittels  zweier  neben  die  Nase  an  den  Oberkiefer 
gelegten  oder  tief  in  den  Mund  hineingeschobenen  Finger  das  Ge- 
sicht der  Frucht  herabzog  und  mit  Benutzung  zweier  Finger  der 
anderen  Hand  als  Hypomochlion  den  Kopf  um  seine  Querare 
drehte,  wobei  gleichzeitig  nicht  selten  eine  Drehung  um  die  senk- 
rechte Axe  ausgeführt  wurde.   Der  von  M,  empfohlene  Druck  auf 
den  Mutterkörper  und  mittelbar  auf  den  Kopf  der  Frucht  darf 
jedoch  nicht  früher  zur  Anwendung  kommen,   als  die  beiden 
Arme  gelöst  sind,  kann  alsdann  aber  steigend  ohne  Nachtheli 
ein   recht   kräftiger   werden.     In   mehreren   Fällen   von  min- 
ierer Beckenenge   half  dieser   Druck  den  Kopf  des  lebenden 
Kindes  rasch  genug  zu  Tage  (ordern,  obschon  eine  Vertiefung 
an   den   tielreifenden    Schädelknocfaen    das  Hinderniss    durch 
das    hervorragende  Promontorium    zur  Anschauung    brachte. 
Auch  hei  diesem  Verfahren  bewährte  sich  der  bekannte  Satz, 
dass  ein  kurzdauernder,  wenn  auch  etwas  gewaltigerer  Druck 
minder  nachtbeilig  ist,    als   ein   anhaltender:    Keine  der  auf 
diese  Weise  Entbundenen,    obgleich  deren  Zahl  in  Marttn*s 
Privatpraxis  wie  Klinik  und  Poliklinik  eine  beträchtliche  war, 
zeigte  eine  bedenkliclie  Folge  desselben  im  Wochenbette. 

Kaufmann  ist  mit  der  Scilenlagerung  für  die  FälJe  ein- 
verstanden^ in  denen  sonst  die  Knieellenhogenlagerung  wegen 
Hängebauches  und  stark  geneigten  Beckens  angewendet  wird, 
um  die  Hand  leichter  nach  vorn  zu  bringen;  zieht  jene  aodi 
deshalb  vor,  weil  ihm  die  letztere  zuwider  und  oft  nicht  aus- 
führbar ist.  Betreffs  der  Wahl  der  Hand  bringt  K,  jedoch 
nicht  die  heleronyme,  sondern  die  homonynie  Hand  in  den 
Uterus  ein,  wobei  die  Gebärende  etwa^  s«*Jiräg  im  Bette  ge- 
lagert wird,  damit  die  Vola  manus  gegen  das  Kind  gerichtet 
werden  kann.  Auch  zur  Wegnahme  der  Nachgeburt  bringt 
K.  das  Verfahren,  wie  er  es  wähi'end  seiner  Studienzeit  in 
Edinburgh  erlernt,  in  Anwendung.  —  Das  Ergreifen  eines 
Fusses  ist  inj  Allgnmeinen  sehr  vortheilhafl,  besonders  durch 
Abwendung  des  Druckes  von  der  Nabnlschtmr.     Ist  aber  das 


Natarforscber  und  Aercte  in  Hannover  im  Jahre  1866.    435 

Fruchtwasser  lange  abgeflossen,  der  Uteras  cöntrahirt,  die 
Schulter  eingekeilt,  so  wird  die  Umdrehung  durch  das  Er- 
greifen beider  Fösse,  so  wie  durch* den  doppelten  Handgriff 
erleichtert. 

Neugebauer  bemerkt,  dass  der  CrecZ^'sche  HandgrifT 
auch  von  einem  Anderen  zur  Herausbeförderung  des  nachfol- 
genden Kopfes  in  Vorschlag  gebracht  sei. 

Martin  hält  die  Verbindung  der  Ausziehung  durch  in- 
nere Handgriffe  mit  dem  äusseren  Drucke  für  noüiwendig. 

Gusserow  hat  gefunden,  dass,  wenn  der  Bauch  der 
Frucht  nach  vorne,  man  entweder  beide  oder  den  nach  oben 
liegenden  Fuss  ergreifen  müsse.  —  In  ßetrelT  des  Präger 
Handgriffes  habe  einmal  ein  Praktikant  den  Kopf  dergestalt 
abgerissen,  dass  nur  die  Haut  und  die  Ai*teriae  yertebrales 
ihn  mit  dem  Rumpfe  in  Verbindung  hielten. 

Homeyer  dringt  bei  Seitenlagerung  auf  eine  sehr  erhöhte 
Lagerung  der  Kreissenden. 

Schwartz  wendet  ein,  dass  nach  seiner  freilich  theoretischen 
Anseht  durch  das  Ergreifen  eines  bestimmten  Fusses  eine 
bestimmte  Richtung  der  Ruckenfläche  nicht  immer  zu  erzielen 
sei ,  und  hält  eine  Bestätigung  des  von  Martin  erwähnten 
Gesetzes  von  Hoffmann  [Die  unvollkommene  Fussgeburt.  Ber-* 
iiii,  1829.  Ref.],  wonach  die  volle  Hüfte  stets  in  die  Kreuz- 
beinaushöhlung und  der  gestreckte  Fuss  unter  den  Scham- 
bogen  kommt,  durch  die  Erfahrung  für  wünschenswerth.  — 
S.  verwirft  den  Prager  Handgriff  und  empfiehlt  den  allerdings 
häufig  schwierigen  Handgriff  der  Lachapelle,  nämlich  die  Hand 
welche  dem  Rücken  des  Kindes  entspricht,  über  die  kindliche 
Rückenfiäche  hin  an  das  Gesicht  zu  führen. 

KristeUer  meint,  dass  das  von  Martin  angegebene  Ver- 
fahren die  Vorbewegung  des  nachfolgenden  Kopfes  durch  die 
Vis  a  (ergo  zu  befördern  viel  für  sich  l>abe,  jedoch  in  schwie- 
rigen Fällen  nicht  zum  Ziele  fuhren  dürfte.  Anders  verhält  es 
sich  mit  der  Nachgeburt,  da  sich  hier  der  Uterus  in  subparaly- 
tischem Zustande  beOndet  und  die  Placenta  leichter  compri- 
mirbar  ist,  als  der  Kopf.  Da  nur  noch  die  circulären  Fasern 
des  unteren  Uterinsegments  und  der  Vagina  wirken  können, 
so  ist  bei  Entwickelung  des  Kopfes  der  innere  Handgriff  die 
Hauptsache.  —  Den  Präger  Handgriff  kann  er  nicht  so  ganz 

28* 


43G    XXVII.  Ktineke,  Vier»i(;8!e  Versammlang  deutscher 

verwerfen,  nur  muss  derselbe  mit  Vorsicht  geübt  werden.  — 
Das  Ergreifen  eines  Fusses  ist  rationell,  da  durch  die  sich 
bildende  sanftere  Kegelferin  Muttermund  und  Scheide  für  die 
Durchführung  der  Schultern  und  des  Kopfes  besser  vorbereitet 
werden.  —  Die  Wahl  der  Hand  bei  der  SeitenJagerung  ist 
wichtig,  jedoch  noch  nicht  fest  bestimmt  K.  wählt  die  der 
Seite;  auf  welcher  die  Frau  liegt,  gleichnamige  Hand.  lo 
Rücksicht  auf  die  mechanische  Beschaffenheit  des  Gehurls- 
kanals und  des  Kindes  ist  der  Körper  des  letzteren  so  zu 
ergreifen,  dass  mit  der  Curvatur  des  Kindes  auf  die  Bauch- 
flache  die  Beugeseite  der  Hand  des  Operaleurs  übereiokommt 
—  Stimmt  Martin  in  allem  Uebrigen  bei. 

Kaufmann  findet  den  Hauptfehler  beim  Prager  Hand* 
griffe  darin,  dass  man  nicht  den  kleinsten  Durchmesser  des 
Kindskopfes  durch  den  Beckenausgang  hindurchfuhrt. 

Auf  Antrag  von  Ploss  (Leipzig)  wird  bei  schon  vorge- 
rückter Zeit  die  Debatte  geschlossen. 

Küneke  lehnt  es  wegen  Nichtiiefolgung  der  Tagesord- 
nung ab,  seinen  angekündigten  Vortrag  „Ueber  die  Nä- 
geysche  Obliquität  des  Schädels"  noch  zu  halten. 


Vierte  Sitzung,  am  23.  September  9  Uhr. 

Vorsitzender:  Professor  Schwartz  (Göttingen). 

Dr.  Prael  logt  ein  Präparat  von  Inversio  uteri 
vor.  Es  stammt  vorf  einer.  Zwanzigjährigen,  die,  nachdem  sie 
im  November  vorigen  Jahres  geboren,  und  dann  ein  halbes 
Jahr  gedient  hatte,  plötzhch  Blutungen  bekam,  welche  im 
städtischen  Krankenhause  noch  vierzehn  Tage  lang  andauerten. 
Es  wurden  hier  Repositionsversuche  mit  einem  eierbecherlor- 
migen  Instrumente  gemacht,  indem  dies  zweimal  täglich  ein- 
geführt und  gelinde  gegen  die  Geschwulst  gedrückt  ward.  Dies 
Verfahren  musste  dann  wegen  gasirischer  Störungen  acht 
Tage  lang  ausgesetzt  werden,  und  nach  abermaliger  zwei- 
tägiger Application  traten  peritonitische  Erscheinungen  auf, 
unler  denen  Palienlin  starb.  Die  Section  ergab  Peritonitis 
mit  Hockigem  Exsudate. 


NatarforRcher.nnd  Aerzto  in  Hannover  im  Jahre  1865.    437 

Neugebauer  erinnert,  dass  Nöggerath  die  Reposition 
ausgeführt  hat,  indem  er  mit  der  ganzen  Hand  eingehend  den 
Uterus  mit  vier  Fingern  umfasste  und  mit  dem  Daumen  rein- 
verlirte  (Monatsschrift  XX.  S.  200.).  Er  selbst  hat  unter 
tiefer  Chlorofonnnarkose  die  Reposition  vergeblich- versucht, 
freih'ch  ohne  wegen  Enge  der  Scheide  die  ganze  Hand  ein- 
zubringen. Der  Nutzen  des  Chloroforms  ist  auch  a  priori 
unwahrscheinlich  wegen  der  bestehenden  histologischen  Ver- 
änderungen. 

Auf  KugelmanvLS,  Frage,  ob  man  nicht  den  einklem- 
menden äusseren  Muttermund  einschneiden  könne?  entgegnet 
N.y  dass  die  Strictur  nicht  im  äusseren  Muttermunde,  son- 
dern im  Isthmus  uteri  liege.  Dagegen  könne  man  die  eng- 
lische Methode,  nämlich  das  Massiren  mit  der  Hand,  ver- 
suchen. Diese  letztere  hat  Schwartz  in  einem  Falle  mit 
Erfolg  angewandt. 

Winckel  sen.  verweist  auf  einen  Fall  von  Birnbaum 
in  Cöln,  welcher  den  invertirten  Uterus  durch  allmäligen  Druck 
des  Daumens  zurückgebracht  hat  (Monatsschr.  XX.  S.  194). 

Kugelmann  legt  verschiedene  von  ihm  con- 
struirte  gynäkologische  und  geburtshulfliche  In- 
strumente vor,  eine  Beschreibung  und  casuistische  Moti- 
virung  derselben  hinzufögend. 

KristeUer^  sie  kritisirend,  hält  die  Vermehrung  des  ge- 
burtshölflich-gynäkologischen  Instrumentenapparates  för  un- 
nöthig. 

Hierauf  hält  Prof.  Sehioartz  folgenden,  nachträglich  von 
ihm  selbst  aufgezeichneten  Vortrag  >)  aber 

die  Häufigkeit  des  engen  Beckens. 

Es  ist  dies  eine  Frage,  deren  genauere  Erörterung  be- 
kanntlich noch  in  den  Anfängen  steht.  Gleichwohl  ist  die- 
selbe an  sich  schon  von  nicht  geringer  Bedeutung  för  den 
Geburtshelfer,  und  gewinnt  noch  dadurch  ein  besonderes  In- 
teresse,  dass  die  verschiedene   Antwort,   die  von   Einzelnen 

1)  Der  Vortrag  ist  auf  Wansch  den  Verfassers  wörtlich  wie- 
(lerge^^ebeD. 


438    XXVII.  Künekey  Vierzigste  Versaminlting  doat«cher 

darauf  ertheilt  ist,  zur  Annahme  grosser  topographischer  Dif- 
ferenzen führt. 

.  Selbstverständlicli  ist  hier  abzusehen  von  den  ganz  un- 
gewöhnlichen Formen  der  Beckenbeschränkung,  *den  quer-  oder 
schrägvfTengten  und  überhaupt  allen  den  engen  Becken,   die 
bei  lebenden  überall  nur  ganz  vereinzelt  zur  Beobachtung  ge- 
langen.    Auch   abstrahire    ich    von    den    geknickten  Becken. 
von  denen  es  ja  längst  bekannt  ist,  dass  sie  vorzugsweise  in 
einzelnen  Gegenden  vorkommen,  während  sie  in  anderen  so  gut 
wie  ganz  fehlen.    Das  meiste  Augenmerk  verdienen  ohne  Zweifel 
die  gewöhnlichen  Formen  der  ßeckenverengung,  für  welche  die 
Verkürzung  der  Conj.  ver.  der  allgemein  übliche  Maassslad»  ist  — 
also  zimächst  die  platten  oder  geradverengten  Becken,  mögen 
diese  nun  ausschliesslich   oder  nur  vorzugsweise  in  der  Ein- 
gangsconjugata  beschränkt  sein,   und   ferner   die   schlechthin 
zu  kleinen,  allgemein  und  gleichmässig  verengten  Becken,  deren 
Contingent  jedoch    bekanntlich   das   bei   weitem  kleinere  ist. 
Bei   allen   diesen  Formen    nimmt    man    meist    eine    Verkür- 
zung der  Conj,  ver.  auf  3^1^"  als  die  Durchschnittsgrenze  an, 
von    welcher    ab    das  betreffende  Becken   als   ein  enges  be> 
zeichnet    werden    müsse.      Ob    diese    Annahme    vollkommen 
richtig   ist,    will   ich    hier   dahingestellt  sein  lassen.     Ich  für 
meine  Perspn  glaube  bislang  noch,  dass  man  den  Begriff  des 
engen  Beckens  weiter  fassen  muss.     Inzwischen  fehlt  es  mir 
noch   an  ausreichendem  Material,    um  den  völlig  exacten  Be- 
weis für  meine  Ansicht  führen  zu  können,  und  will  ich  die- 
selbe   deshalb   auch   hier    nicht   weiter    verfolgen.     Jedenfalls 
wird  man  zugeben  müssen,  dass  die  angegebene  Grenzbestim- 
mung  nicht   zu    weit  greift,    und  formulirt  sich  demnach  die 
vorliegende  Frage  genauer  dahin:    Wie  häufig  stösst  man  in 
der  geburtshülflichen    Praxis   auf  Becken  mit  einer  Conjugata 
von  372"  un<^  darunter? 

In  der  Kieler  Gebäranstalt  fanden  Michaelis  und  Litz- 
mann  mit  nahezu  völliger  Uebereinstimmung  derartige  Becken 
in  Häufigkeit  von  beiläufig  14  Procent.  Dagegen  berechnet 
Hecker  für  die  Münchener  Anstalt  die  Frequenz  dergleichen 
ßeckenbeschränkung  auf  kaum  ein  Procent.  Auch  die  stati- 
stischen Angaben,  die  wir  von  anderen  deutschen  Cntbin- 
dungsinstituten  über  das  Vorkommen  des  engen  Beckens  be- 


X  ata  r  forsch  er  und  Aerate  in  Hannover  im  Jahre  1865.    439 


sitzen  oder  aus  den  Jahresberichten  so  ungefähr  berechnen 
können,  bleiben  weit  hinter  den  Kieler  Procentverhältnissen 
zurück,  und  soiJte  man  hiernach  wirklich  glauben,  dass  Schles- 
wig-Holstein iu  BetrelT  der  Beckenverengerung  eine  ganz  auf- 
fallende Ausnahmsstellung  einnehme. 

Ich  bin  nun  in  der  Lage,  einer  solchen  Meinung  mit 
aller  Bestimmtheit  entgegentreten  und  wenigstens  den  Nach- 
weis führen  zu  können,  dass  die  Kieler  Gegend  in  der  be- 
regten Beziehung  keineswegs  aliein  steht  .Mit  Michaelis  und 
Litzmann  bin  ich  vollkommen  überzeugt,  dass  die  vorlie- 
gende Frage  nur  dann  mit  einiger  Zuverlässigkeit  gelöst  wer- 
den kann,  wenn  eine  sorgfaltige  Beckenmessung  möglichst 
regelmässig,  d.  h.  bei  einer  thunlichst  grossen  Zahl  von 
Schwangeren  und  Gebärenden  ohne  Unterschied  ausgeführt 
wird.  Nach  diesem  Grundsatze  bin  ich  in  Marburg  wie  auch 
in  Göttingen  verfahren,  und  bin  dabei  zu  Resultaten  gekom- 
men, wie  sie  sich  in  der  folgenden  Tabelle  mit  dem  der 
Litzmann' sahen  Abhandlung  ^)  entnommenen  Kieler  Messungs 
ergebnissen  zusammengestellt  finden. 

Tabelle  1. 


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11  Von  den  gemessenen  Personen  , 

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von 
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313 

8=0,87o'30=37o 

93  =  9,37„ 

13l  =  13,17o 

11840—1847 

1 

Kiel  { 

) 

iLitzmann  'lOOO;  61t 

301 

8=0,87j37==»3,7o/> 

104=10,4% 

I49=14,i»7o 

f  1860— 1868 

Marburg 

501 

369 

174 

I=0,l7oi21=4,l7u 

80=16,97^ 

102  =  20,37^ 

1M59— 1862 

1 

1 

6r>ttingen 

,463 

371 

162 

l3=0,67J.l6=3,67o 

82=17,7% 

101  =  t:2,07, 

1.-62  —  1866. 

i 

11     '  "1 

1 

1)  Di 

e  Formen 

des  Beckens      Berlin,  1861. 

^ 

440      XWU.  Küneke,  Viersigste  Versaiiiuilong  deatseher 

NB.     Die  entbundenen  Personen  hatten 
Geborten  —  Kinder. 

„.  ,  (1095  ? 

^''^  jlllö  % 

Marbuig         519  523 

Gültingen       474  482. 

Hiernach  zeigte  sich  das  enge  Becken  in  Marbui*g  wi« 
in  Göttingen  noch  häufiger  als  in  Kiel.  Wenn  die  erste 
Gruppe  von  engen  Becken,  die  weniger  als  3"  (2"  7.  11*^ 
hielten,  an  den  erstgenannten  Orten  seltener  gefunden  wur- 
den, so  liegt  das  vielleicht  nur  in  der  geringeren  Zahl  der 
Entbundenen  und  in  der  kürzeren  Beobachtungszeit  In  der 
zweiten  Gruppe  sind  die  Procentzablen  für  alle  drei  Orte 
fast  gleich,  und  wenn  ich  in  der  dritten  Gruppe  das  enge 
Becken  um  5—7  Procent  häufiger  fand,  als  Michaelia  und 
Litzmann,  so  hat  das  wohl  keinen  anderen  Grund,  als  den, 
dass  ich  verhältnissniässig  mehr  Personen  der  Messung  unter- 
warf, als  es  in  Kiel  geschehen  ist.  Gerade  in  dieser  Gruppe 
bleibt  nämlich  ganz  gewöhnlich  und  sehr  häufig  auch  in  der 
zweiten  die  Beschränkung  des  Beckens  völlig  unerkannt,  wenn 
nicht  die  vorgängige  Messung  den  Beweis  dafür  geliefert  haU 
Wie  leicht  ein  solches  Uebersehen  stattfinden  kann,  das 
erhellt  deutlich  genug  aus  dem  Geburtserfolg  bei  so  massiger 
Beckenbeschränkung,  und  da  dieser  an  sich  schon  von  In- 
teresse ist,  so  will  ich  auch  diesen  in  tabellarischer  lieber- 
sieht  kundgeben.  Ich  fasse  dabei  die  von  Michaelis ^  Litz- 
mann  und  n)ir  gewonnenen  Resultate  zusammen,  theils  um 
durch  grössere  Zahlen  mehr  Sicherheit  zu  erzielen,  theils  um 
Zeit  und  Raum  zu  sparen. 


Natarforncher  «ad  Aarcte  in  Hannover  fm  Jahre  1866.    441 


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442     XXVII.  KUntket  ViersiifAte  VArnanitalang  detttoohiir 

Man  ersieht  in  dieser  Zusammenstellung  in  einigcrmassen 
exäcter  Weise,  wie  die  üblen  Wirkimgrn  der  Beckenverengung 
mit  dem  Grade  der  Beschränkung  abnehmen.  Auch  zeigt  sich, 
dass  in  der  letzten  Gruppe  der  Geburtserfolg  demjenigen  bei 
normaler  Weite  des  Beckens  schon  sehr  nahe  kommt.  Dies 
muss  als  Beweis  dafür  gelten,  w^e  leicht  eine  massige,  immer- 
hin aber  doch  beachlenswerthe  ßeschi*änkung  des  Beekeus 
ohne  Vornahme  der  Messung  übersehen  werden  kann,  und 
wird  man  in  der  That  jede  Häufigkeitsherechnung  dos  engen 
Beckens,  die  sich  nicht  auf  eine  regelmässig  ausgeübte  Becken- 
messung  stutzt,  als  völlig  unzuverlässig  ansehen  müssen.  Bis 
das  Gegentheil  ausdrücklich  erwiesen  ist,  bleibt  dann  auch 
die  Vermuthung  gerechtfertigt,  dass  die  gewöhnlichen  Formen 
des  engen  Beckens  wohl  überall  in  Deutschland  in  ziemlich 
gleicher  oder  doch  nicht  in  so  verschiedener  Frequenz  vor« 
kommen,  wie  die  bisherigen  Angaben  schJiessen  lassen.  Fine 
solche  Vermuthung  ist  auch  schon  von  Michc^dU  ausgespro- 
chen worden.  Offenbar  überrascht  durch  die  der  gewöhn- 
lichen Annahme  widersprechende  grosse  Zahl  von  engen  Becken, 
welche  er  bei  seinen  Messungen  entdeckte,  warf  er  die  Frage 
auf,  ob  nicht  Schleswig- Holstein  eine  besonders  nachtheiJige 
Ausnahmestellung  behaupte.  Er  verneinte  die  Frage,  weil 
eine  statistische  Nachforschung  ihm  zeigte ,  das  die  Perforation 
in  der  Kieler  Gehäranstalt  durchaus  nicht  häufiger  nöthig  ge- 
worden war,  als  in  den  übrigen  deutschen  Gebärbäusem,  und 
weil  er  mit  Recht  annehmen  durfte,  dass,  wo  so  enge  Becken, 
welche  die  Perforation  erforderlich  machen,  in  gleicher  Frequenz 
vorkommen,  auch  eine  gleiche  Häufigkeit  des  engen  Beckens 
überhaupt  statthabe. 

Winckel  sen.  bestätigt  für  seine  Gegend  die  Häufigkeits- 
angaben von  Schwartz  und  zwar  nicht  bloss  für  die  osteo- 
malakischen  Becken.  Er  stellt  die  Frequenz  auf  zwölf  Pro- 
cent fest.  —  Auch  nach  Gusser ow  ergaben  die  Messungen 
in  der  Berliner  Anstalt  ebenfalls  die  grosse  Häufigkeit  der 
geringeren  Verengerungsgrade. 


Nainrforaeher  uod  Aerate  in  HamiOTer  im  Jahre  1866.  443 

Staatsrath  Dr.   Woh  (Petersburg)  spricht 
über  die  Therapie  des  Uteruskrebses. 

W.  beobachtete  seit  zwanilg  Jahren  in  Russland  eine 
bedeutende  Zunahme  der  Krebskrankheit,  wetche  die  häufigste 
von  alten  Krankheiten  in  jenem  Lande  zu  sein  scheint.  Die 
Diagnose  des  Krebses,  ein  Schandfleck  unserer  Pathologie, 
will  er  nicht  berühren.  Auch  durch  das  Mikroskop  wird  sie 
durchaus  nicht  gesichelt,  denn  selbst,  wo  dieses  das  Näm- 
liche zeigt,  ist  der  Verlauf  ein  höchst  verschiedener.  —  Am 
meisten  wird  der  Uterus  betroffen  und  hier  haben  '/s  der 
Fälle  eine  syphilitische  Grundlage,  meist  secundäre  und  ter- 
tiäre Syphilis.  Die  Diagnose  ergab  sich  ihm  ex  juvaotibus 
et  nocentibus.  Er  habe  oft  Syphilis  behandelt  und  den  Ruhm 
der  Krebsbeilung  davongetragen.  W,  glaubt,  dass  wir  bald 
eine  Erklärung  des  Krebsprocesses  von  der  Wissenschaft  er- 
halten müssen. 

Die  Frage,  io  wie  weit  nach  dem  jetzigen  Standpunkte 
von  einer  Therapie  des  Krebses  die  Rede  sein  könne,  ist 
dahin  zu  beantworten,  dass  von  einer  specifischen  Behand- 
lung zu  abstrahiren  und  nur  der  allgemeinen  Hygieine  in  Be- 
zug auf  Luft,  Kleidung,  Bäder,  Nahrung  zu  genügen  ist.  In 
seinem  ausschliesslich  für  Krebskranke  bestimmten  Hospital 
zu  Petersburg  stehen  400  Silber  -  Rubel  jährlicb  für  jedes 
Bett  zur  Verfügung.  Nach  TT.'s  Ansicht  giebt  es  kein  inne- 
res Heilmittel.  Dagegen  muss  so  früh  wie  möglich  jedes 
verdächtige  Product  aus  dem  Körper  entfernt  wt^rden,  denn 
je  grösser  der  traumatische  Eingriff  durch  die  Operation  um 
so  schlechter  ist  die  Prognose.  Die  kl(^in$te  Verhärtung  ist 
selbst  mit  Entfernung  nichtkrebsiger  Theile  zu  exstirpiren. 
Dies  geschieht  bisher  entweder  mit  dem  Hesser  oder  mittels 
Kali  causticum.  Das  Messer  hat  den  Vorzug  der  Eleganz 
und  Schnelligkeit  des  Operireus,  doch  ist  die  Anwendung  des- 
selben nur  dann  zu  entschuldigen,  wenn  die  Fälle  frisch  und 
die  Patientinnen  noch  nicht  hrruntergekommen  sind.  Die  Nach- 
theile desselben  sind  Blutung,  neue  Resorptionsquelle  durch 
Eröffnung  von  Gefässeii,  Erysipelas,  Pyämie,  während  die 
Schonung  der  Haut  doch  nicht  erreicht  wird.  Nach  Entfer- 
nung mit  dem  Messer  beobachtet  man  viele  Recidive,  weniger 


444     XX Vn.  KUntke,  VUrsi^te  VersAinmIaiig  deutscher 

nach  der  Aelzung  mit  Kali  causticam.  Den  besten  Erfolg 
hal  die  Galvanocaustik,  und  bietet  so  enorme  Vortheile,  dass 
sip  die  übrigen  Mittel  in  der  Krebstlierapie  beseitigen  muss. 
Doch  muss'  man  bei  der  Anwendung  derselben  den  Hitzegrad 
genau  reguliren  können,  damit  die  Thrombenbiidung  gehörig 
zustande  kommt.  Diese  hat  auch  nach  der  Operation  ihre 
Vortheile,  denn  man  kann  zu  jeder  Jahreszeit  operiren,  die 
Operirte  kann  sich  sogleich  der  Luft  aussetzen.  Oft  folgt 
gar  kein  Fieber,  der  Schmerz  wird  momentan  und  auf  die 
Dauer  sistirt,  und  es  kann  sofort  kräitige  Diät  eintreten. 

Betreffs  der  Ausfuhrung  der  Operation  ist  freilieh  der 
Apparat  theuer,  seine  Conservirung  verlangt  zuverlässige  Leuten 
auch  muss  man  mehrere  Apparate  besitzen.  Die  alten  Midr- 
deldorf'w\iex\  Batterien  wendet  W.  lieber  an,  als  die  neuen 
französischen,  da  bei  letzteren  der  Strom,  namentlich  bei 
grossen  Operationsobjecten  nicht  ausreicht  Auch  darf  man 
nicht  zu  viel  von  der  Operationsmethode  verlangen.  Man 
soll  mit  dem  Patienten  vorher  nicht  quacksalbern,  namentlich 
soll  man  das  Jod  vermeiden,  da  es  rasch  Collapsus  bewirkt 
und  den  Krebs  erweicht.  Ohne  jede  andere  Localbehandlung 
ist  früh  zu  operiren,  doch  nicht  bevor  der  Patient  zwei  bis 
drei  Monate  lang  gut  genährt  worden  ist. 

Neugelauer  hat  bei  häufiger  Behandlung  des  Krebses 
nicht  ausschliesslich  die  Galvanocaustik,  sondern  auch  das 
Messer  angewandt.  Betreffs  der  allgemeinen  Indicationen  stimmt 
er  W.  völlig  bei.  Da  wo  die  Krebsgeschwulst  mit  dem 
Messer  .umgangen  werden  kann,  zieht  er  dieses  vor,  doch 
wegen  der  starken  Blutungen  nicht  bei  Uteruskrebs.  Die 
Galvanocaustik  ist  noch  sehr  zu  empfehlen  wegen  der  völligen 
Schroerzlosigkeil  derselben  auch  bei  Fibroiden.  Sie  bewirkt 
nur  eine  angenehme  Wärme.  Da  wo  Schmerz  entstand,  be- 
rährte  der  Draht  gesunde  Stellen  oder  die  Leitungen  setzten 
Brandwunden.  Besonders  bei  krebsiger  Degeneration  der  Port. 
vag.  ist  sie  anwendbar.  Der  Ecraseur  hatte  hier  oft  furcht* 
bare  Blutungen  zur  Folge.  Nur  wenn  die  Basis  eines  Ran- 
kroids  etwas  dick  ist,  so  tritt,  je  mehr  die  Schlinge  einschnei- 
det, der  Uterus  zurück,  wodurch  eine  konische  Wundfläche 
entsteht  und  kranke  Theile  sitzen  bleiben  können.  Um  dies 
;^u  verhüten,   stösst  N,  erst  starke  Nadeln  hindurch,    welche 


Natarforacher  und  Aorate  in  Hannoyer  im  Jahre  1865.  446 

aUerdings  leider  gluliend  werden.  Blutung  ist  bei  der  Gal* 
vanocaustik  nur  beim  Operiren  in  sehr  laxem  Gewebe  (Zunge) 
zu  furchten. 


Dr.  Müller  (Minden)  berichtet  über 

einen  interessanten  Geburtsfall. 

Bei  einer  21jährigen  gesunden  Erstgebärenden  mit  ntor- 
malem  Becken  traten  die  Wehen  nahe  am  rechtzeitigen  Schwan- 
gerschaftseude  ein.  Da  auch  nach  verstrichenem  Muttermunde 
die  Wehen  trage  waren  und  die  Geburt  zögerte,  so  sprengte 
M.  die  Blase.  An  dem  nun  tiefer  herabtretenden  in  erster 
Stellung  befindlichen  weichen  Schädel  fühlte  er  die  Suturen 
sehr  weit  und  diagnosticirte  daher  einen  Hydrocephalus.  Die 
nicht  ohne  grosse  Schwierigkeit  angelegte  Zange  glitt  zweimal 
ab.  Von  der  Perforation  musste  wegen  des  Lebens  diM* 
Frucht  Abstand  genommen  werden,  doch  erheischte  der  Zu- 
stand der  Mutler  etwas  zu  thun.  Jf.  extrahirte  daher  müh- 
sam das  Kind  mit  dem  Kephalotlirypler,  aber  ohne  den  Com- 
pressionsapparat  wirken  zu  lassen,  wobei  ein  kleiner  Damm- 
riss  nicht  zu  vermeiden  war.  Der  starke  asphyktische  Knabe 
ward  wieder  belebt,  doch  dauerten  die  Erscheinungen  des 
Hirndrucks:  langsame  Respiration,  Blässe  des  Gesichts,  Un- 
fähigkeit zu  saugen,  erschwertes  Schlucken,  Zusammenschre- 
cken, Cri  hydrocephalique,  noch  mehrere  Tage  an.  Aus  einer 
Druckstelle  am  Hirtterliaupte  sickerte  erst  blutige,  dann  klare 
Flüssigkeit  aus.  Das  Kind  wog  7  V2  Pfund  und  war  67  Ceu- 
timeter  lang.  Sein  Kopf  hatte  einen  Umfang  von  42^2  Zen- 
timeter, der  Querdurchmessep  desselben  4^1%  ,  der  gerade 
ÖV«")  der  diagonale  6",  das  Hinterhaupt  war  in  die  Länge 
gezogen  und  erinnerte  in  seiner  Form  an  die,  welche  Hecker 
bei  Gesichtslage  beobachtete.  Diese  ist  bis  jetzt,  nach  einem 
Vierteljahre,  ziemlich  dieselbe  geblieben,  der  Umfang  aber  um 
1  Centimenter  kleiner  geworden,  die  Nähte  liegen  an  einander, 
nur  die  Fontanellen  sind  noch  gross.  Das  Kind,  von  einer 
Amme  gesäugt,  ist  sonst  gesund.  Die  Mutter  überstaad  im 
Wochenbette  eine  Metroperitonitis.  —  Es  ist  zu  bewundern, 
dass  ein  Kind    mit  Hydrocephalus  congenitus  bei  so  starkem 


446  XXVIIT.    Beek^,  Zwei  neoe  Pille  Ton 

Druck  auf  den  Kopf,    und  der  noch  dazu  in  sagittaler  Rieb- 
tUDg  stattfand,  hat  am  Leben  erhalten  werden  können.   — 


Zum  Schluss  beantragt  Prof.  Langer  (Washington)  Er- 
fahrungen zu  sammeln  über  den  Nutzen  eines  täglich 
mehrmaligen  Aufrechtstehens  der  Wöchnerinnen 
um  den  Abfluss  der  Lochien  zu  erleichtern,  ein 
Verfahren,  welches  er  von  den  [ndianerinnen  erlernt  habe, 
und  wünscht  eine  Discussion  darüber  auf  der  nächstjährigen 
Natürforscherversammlung. 


XXVIII. 


Zwei  neue  Fälle  von  Oeburtscomplication  durch 
üterusfibroide. 


Von 

€.  Hecker. 


Zu  meinen  früheren  Beobachtungen  ^)  über  Üterusfibroide 
in  Verbindung  mit  Schwangerschaft  und  Geburt  sind  in  der 
letzten  Zeit  zwei  neue  hinzugekommen,  die  ich  der  Oeffent- 
lichkeit  übergeben  möchte,  weil  sie  in  Bezug  auf  Diagnose 
und  Behandlung  mannigfache  Schwierigkeiten  darboten,  der 
eine  Fall  aber  viel  Aehnlichkeit  bekundet  mit  einem  jüngst 
von  Breslau^)  bekannt  gemachten,  und  sich  so  von  selbst 
Anknüpfungspunkte  an  die  dort  angestellten  Betrachtungen 
ergeben. 

1.  Grosses  Fibroid  an  der  hinteren  Gebär- 
mutterwand bei   einer  Erstgebärenden,  den    gan- 


1)  Klinik  der  Geburtskande.     Band  II.     Seite  124. 

2)  Monatsschrift  für  Geburtskiinde.  Band  XXV.  Supplement- 
Heft.  S.  12*2. 


Q«biirt80oinp]ie«tioD  durch  (Tterusfibroide.  447 

zen  Dott^^a^'schen  Raum  einnehmend.  Reposition 
mil  Gluck  ausgeführt,  Geburt  durch  die  Zange 
beendet,  Kind  todt  Mutter  ohne  alle  Reaction 
geblieben. 

Im  Laufe  des  April  1845  wurde  ich  von  Herrn  Dr. 
Poppet  gebeten,  eine  Frau  aus  seiner  Praxis  zu  untersuchen, 
die  eine  Geschwulst  im  Douglaa^chen  Räume  habe  und  zu 
gleicher  Zeit  zum  ersten  Male  schwanger  sei.  Man  hatte  es 
mit  einer  22jährigen,  blühend  aussehenden,  seit  etwa  einem 
Jahre  verheiratheten  und  einer  Wirthschaft  vorstehenden  Frau 
zu  thun,  die  regelmässig  menstruirt,  Mitte  October  1864  ihre 
Periode  zuletzt  gehabt  hatte,  und  seit  einiger  Zeit  über  zie- 
hende, wehenartige  Schmerzen  im  Unterleibe  klagte;  bei  der 
äusseren  Untersuclmng  überzeugte  man  sich  leicht  von  dem 
Vorhandensein  von  Gravidität,  denn  der  Grund  der  Gebär- 
mutter ragte  einige  Finger  breit  über  den  Nabel,  und  die 
übrigen  positiven  Zeichen  der  Schwangerschaft  mit  Ausnahme 
der  Herztöae,  die  nicht  aufgefunden  werden  konnten,  fehlten 
nicht.  Die  innere  UntiTsuchung  ergab,  dass  die  Vaginalpor* 
tion  ganz  an  die  Schamfuge  herangerückt,  und  das  hintere 
Scheidengewölbe  durch  eine  grosse,  feste,  unbewvgliche,  den 
ganzen  Douglas'schcn  Raum  ausfüllende  Geschwulst  herab- 
gedrängt war,  deren  Verhähniss  zu  den  Nachbarorganen  man 
sehr  schwer  ermitteln  konnte;  wegen  dieser  Schwierigkeit 
blieben  zonäehst  zwei  Hypothesen  über  ihren  Sitz  zulässig; 
entweder  sie  stand  in  näherem  Zusammenhange  mit  dem  Ute- 
rus, und  dann  mussle  sie  als  ein  subperitonfiales  Fibroid 
desselben  angesprochen  werden,  oder  sie  ging  vom  Kreuzbeine 
aus,  und  hatte  den  Uterus  mechanisch  nach  vorwärts  gedrängt. 
In  ersterem,  bei  weitem  wahrscheinlicherem  Falle  war  selir 
auffallend,  dass  die  Frau  früher  niemals  übrr  Beschwerden 
bei  der  Menstruation,  über  Blutungen,  Hypersecretionen  aus 
dem  Uterus  and  andere  Symptome  geklagt,  und  dass  sie  ver^ 
hältnissmässig  so  bald  nach  ihrer  Verheirathung  concipirt  hatte. 
Die  letztere  Hypothese  hatte  wegen  des  jugendlichen  Alters  und 
der  gesunden  Körperbeschaßenheit  der  Patientin  sehr  geringe 
innere  Berechtigung*  Nachdem  man  einige  vergebliche  Repo-^ 
sitionsversuche  gemacht  hatte,  und  die  wehenartigen  Schmer* 
zen  sehr  bald  durch  die  subcutane  Anwendung  von  Moi*pbiuin 


448  XXVITT.    Hacker,  Zwei  neue  FUU  Toa 

beseitigt  worden  waren,   erwie«  &ich  die  Frau  nicht  geueigt, 
auf  den  Vorschlag  einer   baldigen  künstlichen  Uoterbrecbung 
der  Schwangerschaft  einziigphrn,  sond(*rn  entzog  sich  der  wei- 
teren  Behandlung.     In   der   Nacht  vom   ersten  zum    zweiten 
August  traten  die  ersten  von  vorn  herein  sehr  scbnierzhaflen 
Contractionen  des  Uterus  ein,  nachdem  schon  drei  Tage  vor- 
her das  Fruchtwasser  abgeflossen   war.     Am   zweiten  August 
früh   acht  Uhr   war  gleich  der  äussere  Anblick  des  Unterlei- 
bes höchst  characteristisch :  durch  die  ziemlich  dünnen  Bauch- 
decken konnte  man   nämlich    den   Kindeskopf   sehr    deuüicb 
oberhalb   der   Schamfuge  nach   vom   und  etwas   nach  rechts 
als  eine  grosse  pralle  Kugel  erkennen,  und  deutU<&h  umgrei- 
fen; die  Herztöne  waren  in  der  rechten  Muttersette  ganz  regele 
massig  zu  hören.     Innerlich  hatte  sich  in  der  Beschaffenheit 
der  Gescliwulst  durchaus    Nichts   geändert:    sie    füllte,   wie 
früher,    den  ganzen  hinteren  Raum  des  kleinen  Beckens  uo- 
bewegiich  aus ,    und  lioss  nach  vorn  nur  etwa  so  viel  Raum, 
dass  man   zwei  Finger  in  die  Höhe  bringen,    und   nait  ibneo 
die  an  die  Schamfuge  angeklemmte,   ganz  iu  die  Quere  ver- 
logene,   übrigens  weiche  und  dehnbare  Vaginalportion,    und 
durch  den  geöffneten  Cervicalkanal  hindiurch  ehi  ganz  kleines 
Segment   des    Kopfes   erreichen    konnte.      Im    Verlaufe   des 
zweiten  August  dauerten  die  Wehen  in  äusserst  schmerzhaf- 
tem  Grade   an,    und   mussteu  dufch  wiederholte  Gaben  von 
Opium  beschwiditigt    werden;  da  auch  bis  zum  Morgen  des 
dritten    keine  Aenderung    der  Sa<*.lilage  in  irgend  einer  Ricii- 
tung  eingetreten  war,  so  musste  nun  entschieden  werden,  iu 
welcher  Weise  der  Frau  zu  Hülfe  zu  kommen  sei,  deim  dass 
die  Natur   hier   nichts  leisten  konnte,    davon  hatte  man  bis 
dabin  Zeit  genug  gehabt^    sicli  zu  überzeugen,    und  überdies 
wuchs  bei  der  offenbar  dünnen  BescbaO'enheil  der  Gebärmut- 
terwände ,    wie   sie  durch  das  deutliche  Fühlbarsein  des  Kin- 
deskopfes von  aussen  her  sich  documeiitii*le,  mit  jeder  Stunde 
die  Gefahr^  dass  die  Musculatur  nachgeben,  und  eine  Zerreis- 
sung    eintreten    würde.     Dem   Kinde  einen  Austritt  aus  dem 
Uterus  zu  verschaffen,  dafür  gab  es  nur  zwei  Wege:  entweder 
man  machte  einen  Versuch,  die  Geschwulst  aus  dem  kleioe» 
Becken    herauszuheben,    oder    man    führte  den  KaiserscliuiU 
aus;   mit  dem  ersteren  Verfahren  waren  iuöj^lirh(M'\vfis<*  ulic 


GeburtBComplication  tiurch  üierusfibroide.  449 

Schwierigkeiten  des  Falles  zu  nberwinden,  aber  es  schien  bei 
der  schon  wiederholt  erprobten  festen  Einkeilung  der  Ge- 
schwulst wonig  Aussicht,  auf  Erfolg  zu  eröffnen;  inisslang  die 
Reposition,  so  fand  das  letztere  seine  Stelle^  und  konnte 
durch  dasselbe  das  immer  noch  lebenskräftige  Kind  wahr-> 
scheinlich  lebend  extrahirt  werden,  während  die  Mutter  einem 
fast  absolut  sicheren  Tode  entgegengeführt  wurde,  denn  wenn 
die  Prognose  für  sie  bei  einem  einfachen  Kaiserschnitte  in)- 
mer  als  eine  zweifelhafte  gelten  muss,  um  wie  viel  weniger 
Aussicht  auf  Erhaltung  derselben  musste  ein  Fall  dar-* 
bieten,  wo  die '  Schliessungsfahigkeit  der  Gebärmutterwunde 
*durch  ein  grosses,  in  ihre  Substanz  eingebettetes  Fibroid  auf 
d#^  Aeusserste  beeinträchtigt  war.  Am  dritten  August  Mor- 
gens sieben  Uhr  wurde  die  Patientin  auf  einem  Querbette  in 
tiefe  Chloroformnarkose  versetzt,  und  der  Versuch  gemacht, 
mit  (ier  ganzen  rechten  Hand  in  die  sehr  enge  Scheide  ein- 
zudringen; nach  einigen  Bemühungen  befand  sich  diese  un- 
terhalb der  Geschwulst,  und  konnte  nun  Drängbewegungen 
nach  oben  ausfuhren,  die  zunächst  auf  einen  enormen  Wider- 
stand stiessen,  aber  doch  insofern  besser  auszuführen  waren, 
als  bei  früheren  Gelegenheiton,  weil  durch  das  Chloroform 
die  Reflexthätigkeit  bedeutend  herabgesetzt  worden  war,  und 
nicht  sofort  bei  den  Repositionsvcrsuchen  die  Gesciiwulst 
tiefer  in  das  kleine  Becken  herabgedrängt  wurde,  wie  man 
das  früher  beobachtet  hatte;  von  der  Anwendung  einer  irgend 
stärkeren  Gewalt  musste  natürlich  wegen  der  naheliegenden 
Gefahr  der  Gebärmutterzerreissung  Abstand  genonmien  wer- 
den. •  Alhnählig  schien  es  nun,  als  ob  der  fremde  Körper 
nicht  mehr  so  innig  mit  seiner  Umgebung  zusammenhinge, 
sondern  sieb  etwas  lüftete,  und  es  entstand  in  der  Hand 
ganz  dasselbe  Gefühl,  wie  ich  es  früher  bei  der  Reposition 
einer  Ovariencyste  ^) ,  und  der  eines  retrovertirten  schwange- 
ren Uterus  *)  aus  dem  Douglas'^chen  Räume  gehabt  und  be- 
schrieben habe:   plötzlich  war  die  Geschwulst  aus  dem  klei* 

1)  Verhandlungen  der  geburtshülflicben  Gesellschaft  zu  Ber- 
lin. IX.  Jahrgang.  Seite  243.  1857;  auch  Monatsschrift  für  Ge- 
bnrtskunde.     Hand  VIII.     Seite  39^.     1856. 

2)  Monatsschrift  für  Gebartskande.  Rand  XII.  Seite  287. 
1858. 

Mon&tosehr.  f.  Qeburtak.  1865.  Bd.  XXVI..  !fft.  6.  29 


450  XXVirr.    meker,  Zwei  neue  FSlIe  von 

n«n  Becken  verschwunden,  der  Muttermund  in  die  Pährungs- 
linie    geruckt,    und    ein    grosses    Segment    des    Kopfes    aon 
Beckeneingange  fühlbar,  während  die  früher  so  hervorgetrie- 
bene Stelle  des  Unterleibes,  wo  sich  der  Kopf  befunden,  jetzt 
abgeflacht  erschien.     Wenn   auf  diese  Weise  das  bedeutendp 
Geburtshinderniss  äberraschend  scimell  beseitigt  worden  war, 
so  konnte  man  jetzt   mit   viel  mehr  Ruhe  der  weiteren  En(- 
Wickelung  des  Falles  entgegensehen:  eine  sofortige  künstliche 
Entbindung    durch    die  Zange  wäre   bei  der  sehr    dehnbaren 
Beschaffenheit  des  Muttermundes  möglich  gewesen,  aber  Mutter 
und  Kind  befanden  sich  relativ  so  gut,  dass'man  den  Natur- 
kräflen   eine   bessere  Feststellung  des  Kopfes  und  eine  gros-' 
sere  Erweiterung  des  Os  uteri  zumuthen  durfte.     Afs  Bel^ 
nach  Ablauf  von  vier  Stunden  in  gewissem  Grade  erfolgt  war« 
wurde   unter  abermaliger  Chloroformnarkose   ohne  besondere 
Muhe    die   Zange    angelegt.     Die  nun  folgende  Operation  war 
aber  viel  mühsamer,    als   man  sich  anfangs  vorgestellt  hatte: 
erst  nach  25 — 30  schweren  Tractionen  konnte  das  Kind  enl- 
wickelt  werden,  und  hatte  dasselbe  dabei  sein  Leben  verloren. 
Offenbar  participirle  die  Geschwulst  an   dieser  Schwierigkeit 
durchaus  nicht,  sondern  letzlere  lag  in  erster  Instanz  an  der 
ungünstigen  Stellung,  in  welcher  sich  der  Kopf  noch  befand, 
als  er  von  der  Zange  erfasst  wortlen  war,  denn  er  wurde  in 
erster  Vorderscheitellage,  also  mit  dem  Gesichte  nacli 
vorn   extrahirt;    fernerhin   zeigte  der  Körper  des  männlichen 
Kindes  eine  Iiedeutende  Entwickelung,   im  Besonderen  waren 
die  Knochen   des  37   Centimeter  Umfang  zeigenden  Schädels 
sehr    hart  und    unnachgiebig;    wahrscheinlicher    Weise^hatle 
damit  übereinstimmend  eine  IJebertragung  stattgefunden,   da 
der  15.  October    mit    grosser   Bestimmtheit   als  Termin  der 
letzten  Menstruation  angegeben   wurde,    die  Patientin  mithin 
schon  gegen  den  22.  Juli  hätte  niederkommen  sollen;  endKch 
verdient  auch  die  Enge  der  Gescblechtsöffnung  noch  als  Hin- 
derniss  eine  Erwähnung ,  da  man  sich  wegen  der  Gefährdung  des 
Dammes,    seitliche    Incisionen    anzuwenden   gezwungen   Mih. 
Nach  allen  diesen  Hindernissen  ist  es  wirklich  besonders  auf- 
fällig,   dass    das    Wochenbett   ohne  jegliche  Störung  verlief; 
der  Puls  erhob  sich  zu  keiner  Zeit  desselben  über  72  Schläge 
in  der  Minute,  und  nach  Ablauf  von  zwölf  Tagen  konnte  rfi« 


Gebartocomplieatioii  dnroh  Üterosfibrotde.  451 

Patientin   das   Bett  verlassen.     In  jüngster  Zeit  indessen  ist 
sie  wiederholt  Gegenstand  ärztlicher  Behandlung  gewesen,  weil 
jetzt   viel  mehr   Beschwerden   in    den  Vordergrund    getreten 
sind,    als  früher  je  vorhanden  waren;    die  Klagen  über  ein 
bis    zum  Unerträglichen   sich   steigerndes  Gefühl   von   Druck 
und  Schmerz  in  der  Tiefe  des  Beckens  haben,  wie  die  Unter- 
suchung  ergiebt,    ihren  Grund  in  einer  durch  die  in  unver- 
änderter Lage  befindliche  Geschwulst  bewirkten  Senkung  der 
Gebärmutter  und  Scheide,  welche  Zustände  anfangs  ungenü- 
gend durch  eine  Binde,   jetzt  durch  ein  ZtrancX^'sches   Hys- 
terophor  leidlich  gebessert  worden  sind,  so  dass  Patientin  wenig- 
stens einigermassen  ihrem  Geschäfte  als  Wirthin  vorstehen  kann. 
m    Has  Interesse  an   dem  eben  vorgetragenen,    an  und  für 
sich   merkwürdigen  und   seltenen  Falle  hat  sich  bei  mir  da- 
durch erhöht,  dass  eine  in  vielen  Beziehungen  verwandte  Be- 
obachtung  jüngst    von    Breslau  ^)    publicirt  worden  ist.     In 
lieiden  Fällen   handelte   es  sich,    abgesehen  von  unwichtigen 
Differenzen,  um  ein  grosses,  als  Geburlshinderniss  auftreten- 
des Uterusfibroid ;  in  dem  einen  wurde  der  Kaiserschnitt  ge- 
machL  und  durch  diese  Operation  das  Kind  gerettet,  während 
die  Mutter  zu  Grunde  ging,   in  dem  anderen  wurde  die  Ge- 
schwulst reponirt,  und  dadurch  die  Mutter  erhalten,  während 
das  Kind  starb,   ein  Ausgang,  der  übrigens  nicht  mit  Noth- 
wendigkeit   eintreten   musste,    vielmehr    durch  aecessorische 
Schwierigkeilen,  wie  oben  angegeben,  herbeigeführt  war.  Wenn 
man  sich  nun  fragt,  welche  Abstraclion  aus  dieser  verschie- 
denen Bi'handhmgsweisc  gleichactiger  Fälle  zu  machen  ist,  so 
möchte  ich  glauben,    dass  jedesmal  da,    wo  es  sich  um  die 
Alternative  von  Reposition  und  Kaiserschnitt  handelt,  die  erste 
Methode  unter  allen  Umständen  versucht  werden  muss,    und 
jass  die  zweite   immer   nur   als    eine  eventuelle  in  Aussicht 
bleiben   darf.     Man  erzielt  doch  oflenbar  mit  der  Reposition, 
wenn  sie  gelingt,  ganz  ausgezeichnete  Erfolge,  und  nach  dem, 
was  ich  bei  dem  erzählten  Falle   erlebt  habe,    muss  ich  be- 
haupten, dass  man  niemals  mit  solcher  Sicherheit  die  Erfolg- 
losigkeit der  Operation   prognosticiren   kann,    um    von  vorn 
herein  von  dem  Versuche  Umgang  zu  nehmen,    und  in  dem 
Kaiserschnitte  principiell   die  allein  richtige  Behandlungsweise 
1)  1.  c. 


452  XXVIII.    Hecker,  Zwei  neae  Fälle  von 

des  Falles  zu  sehen.    Vor  und  während  der  Zurückschiebungs* 
niaiiipulationen  konnte  ich  mir  keine  Vorstellung  davon  machen, 
wie  eine   so   grosse  und   so  fest  eingekeilte  Geschwulst  aus 
dem    kleinen    Becken    herausgehoben    werden    sollte,      uod 
dennoch  kam  ich  unverbältnissuiässig  schnell  zum  Ziele.    Ich 
kann  also  mit  Breslau   nicht   übereinstimmen,    wenn  er  Im 
der  Erörterung,    wie  sein  Fall  zu  behandeln  war,  die  Repo- 
sition gar  nicht  erwähnt,  sondern  direct  den  Kaiserschnitt  in 
Aussicht  nimmt,   wenn  ich  auch  zugeben  will.,    dass  factfsch 
nach  den  Ergebnissen   der  Obduction  die  Geschwulst  wegen 
ihrer  Grösse,    der  Stelle    ihrer  Befestigung  am  Uterus,    and 
wegen  des  Vorhandenseins  peritonitischer  Adhaesionen  nicbf 
zurückgeschoben  werden  konnte.     Alle  diese  Umstände  waren 
ihm   zunächst  unbekannt  und  für  die  Diagnose  unzugänglich, 
die  Sactilage   konnte   also   auch  eine  andere  sein,  die  Repo- 
sition konnte  gelingen,  und  alle  die  Eventualitäten,  die  er  in 
seiner  Epikrise  ins  Auge  fasst,  dass  nämlich  nach  einer  sol- 
chen  eine   Ruptur  eingetreten  wäre,   dass  man  vielleicht  die 
Perforation   und   Keplialotripsic  an  dem  nachfolgenden  Kopfe 
hätte  machen,  und  wenn  diese  Operation  nicht  vollendet  wer- 
den konnte,  nun  doch  noch  zum  Kaiserschnitte  seine  ZuSucht 
nehmen  müssen,  um  die  Frau  nicht  unentbunden  sterben  zu 
lassen,  haben,  wie  unser  Fall  lehrt,  keine  sicliere  Begründung. 
Auf  der  anderen  Seite  kann  man  sich  darüber  nicht  täuschen, 
dass  die  Eröfihung  der  Bauch-  und  Gebärniutterhöhle  hei  gros- 
sen  Fibroiden   eine   für   die   Mutter  fast   mit  Sicherheit  zum 
Tode  führende   Operation    ist.     Alle   Fälle,    die  Breslau   in 
seiner  Umschau  anführt,    es  sind  deren  acht,    nahmen  einen 
lethalen  Ausgang,  und  ich  denke,  dass  man  diese  Liste  noch 
ansehnlich    vermehren    könnte.     Wie   soll   auch   eine    solche 
Uteruswunde  heilen?     Der  mangelhaften  Schliessungsfahigkeit 
der  Gebärmutterwunde   habe  ich  weiter  oben  schon  gedacht, 
und  füge  hier  hinzu,  dass  gewöhnlich,  wie  es  auch  bei  Breslau 
der  Fall  war,  unter  dem  Fibroid,  welches  das  Geburtsliinder- 
niss  abgiebt,  noch  andere,  oft  in  grosser  Anzahl  das  Gebär- 
mutterparenchyui   durdisetzen ,    und   so  irgend   eine  Garantie 
gegen    Nachblutungen   und   eine    Aussicht  auf  Verheilung   der 
Wundränder  in   keiner  Weise   gewonnen   werden  kann.     Be« 
denkt  man  endlich,  dass  das  Wochenbett  bei  grossen  Fibroi- 


QaburtscompIicAtion  durch  Uternsfibroide.  45ä 

den  aD  und  für  sich  leicht  einen  eigen thuroJichen  ungunstigen 
Verlauf  nimmt,  wie  der  weiter  unten  mitgethcilte  Fall  wieder 
zeigt,  so  glaube  ich  nicht,  dass  Breslau  unter  irgend  wei- 
chen Umständen  seine  Patientin  hätte  durchhriitgen  können; 
ich  hatte  wenigstens  die  meinige  für  vollkommen  verloren 
erachtet,  wenn  ich  in  die  Lage  gekommen  wäre,  den  Kaiser- 
schnitt an  ihr  machen  zu  müssen. 

2.  Grosses  interstitielles  Ulerusfihroid  bei 
einer  Erstgehärenden.  Täuschende  A  ehnliclikeil 
mi  t  Zwillingsgehurt.  Profuse  Blutung  in  der  Pla- 
centarperiode.  Mutter  am  sechsten  Tage  des  Wo- 
chenbettes an  Peritonitis  gestorben. 

Am  18.  Juni  1864  liess  sich  eine  38  jährige  Person, 
welche  seit  längerer  Zeit  die  Dienste  einer  Portierin  des  Ge- 
härhauses  versehen  hatte,  also  ziemlich  gesund  gewesen  sein 
musste,'  als  Kreisende  aufnehmen.  Jier  der  Betrachtung  des 
104  Centimeler  im  Umfange  messenden  Unterleibes  hatte  man 
das  ausgeprägte  Bild  eines  Uterus  bicornis;  in  der  Mitte  des 
Grundes  eine  ziemlich  liefe  Einsen kung^  von  der  sich  eine 
Furche  bis  nach  der  Schamfuge  herab  erstreckte;  die  rechte 
auf  diese  Weise  abgegrenzte  Seite  des  Uterus  erschien  nie- 
driger und  weniger  umfangreich,  als  die  linke.  In  beiden 
hatte  man  das  Gefühl  eines  elastischen,  von  Kind  und  Frucht- 
wasser herrührenden  Widerstandes,  beide  zogen  sich  bei  jeder 
Wehe  deutlich  zusammen,  und  da  man  auch  an  verschiede- 
nen Stellen,  nämlich  rechts  unten  und  links  oben  Herztöne 
zu  hören  glaubte^  so  zweifelte  man  nicht  an  dem  Vorhanden- 
sciu  von  Zwillingen.  Bei  der  inneren  Untersuchung  fand  man 
den  Muttermund  thalergross^  die  Fruchthlase  stehend,  und 
hinter  ihr  beide  Fasse  in  erster  Position;  dass  sie  sich  klein 
anfühlten,  diente  noch  mehr  zur  Bestätigung  der  Diagnose. 
Anamnestisch  wurde  herausgebracht,  dass  Patientin  zuerst  im 
16.  Jahre  ihre  Periode  bekommen,  dann  wieder  auf  ein  Jahr 
verloren  habe,  dass  letztere  von  dieser  Zeit  ab  stets  unregel- 
mässig, in  Zwischenräumen  von  2 — 3—5  Wochen ,  jedesmal 
aber  durch  9 — 11  Tage  geflossen  sei.  In  ihrem  31.  Jahre 
machte  sie  eine  linksseitige  Gonarthrocace  durch,  welche  fast 
(Mu    Jahr   andauerte   und   mit    Ankylose   endete-,    so  dass  sie 


454  XXVIII.    Heeker,  Zwei  neue  Fülle  tod 

später  hl  bedeuleadem  Grade  hinkte ;  während  dteser  Krank- 
heit hatte   die   Periode  vollkommen   sistirt.     Als  sie  wieder- 
kehrte,  empfand  Patientin  regelmässig  einen  Schmerz  in  der 
linken  Seite,  der  sich  auf  Druck  vermehrte,    und  es  fiel  ihr 
auf,  dass  der  Leih  ziemlich  gross,    hesonders  aber  die  linke 
Seile  höher  sei,  als  die  rechte;  im  nichtschwangeren  Zustande 
und  vor  der  Gehurt  ist  sie  niemals  untersucht  worden.     Den 
Eintritt  der   Gravidität   glaubte   sie   in  den  Anfang  December 
verli'gen  zu  müssen;  in  dieser  Zeit  sei  die  Periode  zwei  Mo- 
nate hindurch   ausgehliehen,    dann  aber   wiedergekehrt,    um 
fünf  Wochen  hintereinander  anzudauern;   darauf  sei  sie  dann 
vollständig  ausgebliehen.   Die  erste  Kindsbewegung  war  genau 
am  10.  April  empfunden  worden. 

Die  Geburt  nahm  einen  raschen  Verlauf;  nach  einer 
Dauer  der  ErölTnungsperiode  von  Sy^  Stunden  sprang  die 
Fruchtblase,  und  mit  dem  Wasser  wurde  eine  grosse  pulsi- 
rende  INabelschnurschliuge  vorgeschwemmt;  die  in  Folge  des- 
sen indicirte  Extraction  konnte  ohne  Schwierigkeiten  ausge- 
führt werden;  das  Kind,  ein  Knabe  von  1250  Grm.  Gewicht 
und  38  Centimeter  Länge,  also  dem  Ende  des  7.  Monats  ent- 
sprechend entwickelt,  wurde  durch  Hautreize  aus  einem  mas- 
sig asphyctischen  Zustande  erweckt,  starb  aber  nach  dreissig 
Stunden  an  Lebensschwäche. 

Auch  nach  der  Ausstossung  des  Kindes  wurde  die  An- 
nahme von  dem  Vorhandensein  von  Zwillingen  nicht  erschüt- 
tert; die  innere  Untersuchung  liefert  freilich  dafür  keine  An- 
haltspunkte, denn  man  fühlte  hinter  einer  grossen  Menge  in 
der  Scheide  befindlichen  geronnenen  Blutes ,  weder  eine  zweite 
Fruchtblase  noch  vorliegende  Theile  des  zweiten  Kindes;  auch 
war,  wenn  man  eine  Begründung  suchte  für  die  Hypothese 
eines  gelheillen  Uterus,  keine  Spur  von  einem  zweiten  Mut- 
termunde aufzufinden,  aber  wie  sollte  man  sich  das  Verhalten 
des  Gebärorgans  bei  der  äusseren  Untersuchung  anders,  aU 
durch  jene  Diagnose  erklären  ?  Die  rechte  Hälfte  desselben  war 
bedeutend  kleiner  geworden,  wogegen  die  linke  unverändert 
durch  ihre  Grösse,  Weichheit  und  Elasticität  der  Vermutliung 
Raum  gab,  es  müsse  in  ihr  ein  Kind  enthalten  sein;  Herz- 
töne waren  freilich  nicht  aufzufinden,  also  früher,  als  man 
sie  an  verschiedenen  Stellen  gehört  hatte,    fortgeleitet  wor- 


Gebnrtscomplioation  dnroh  Uternsfibroide.  455 

den,  aber  die  genannten  Eigenschaften  des  Uterus  iiessen  im- 
mer den  Gedanken  an  Etwas  Anderes  wie  z.  B.  an  ein  Fi- 
broid  nicht  aufkommen.  In  den  nächsten  Stunden  änderte 
sich  an  der  Sachlage  nur  so  Viel,  dass  in  längeren  Inter- 
vallen ziemlich  schmerzhafte  Zusanimenziehungen  eintraten, 
allmählig  aber  wurde  mehr  und  mehr  Blut  ausgeschieden,  und 
man  merkte  an  einem  öfter  wiederkehrenden  Ohnmachtsge- 
filhle,  und  an  dem  Kleiner-  und  Frequenterwerden  des  Pulses 
die  langsame  Ausbildung  der  Blutleere.  Durch  diesen  Um- 
stand wurde  eine  genaue  Untersuchung  der  Genitalien  mit  der 
ganzen  Hand  dringend  geboten ;  dies  geschah  sieben  Stunden 
nach  der  Geburt  des  Kindes  unter  Anwendung  des  Chloro- 
forms, und  man  überzeugte  sich,  dass  die  Hand  durch  einen 
normalen  Muttermund  ui  eine  vollkommene,  von  allen  Seiten 
geschlossene,  massig  grosse  Hohle  eindrang,  deren  Wan- 
dungen sich  kräftig  contrahirten,  wodurch  die  Herausbe- 
förderung der  nirgends  adhärenten  Placenta  in  nicht  unbe- 
deutendem Grade  erschwert  wurde;  diese  war  klein,  der  Na- 
belstrang 48  Centiuieter  lang,  velamentös  inserirt.  Die  Blu- 
tung hörte  nach  der  Operation  sogleich  auf.  Hiernach  konnte 
natürhch  an  der  fnlheren  Diagnose  nicht  mehr  festgehalten 
werden ;  es  blieb  Nichts  übrig,  als  sich  vorzustellen,  dass  ein 
grosses,  uilerstitielles,  von  einer  ziemlich  dicken  Muskelschicht 
des  Uterus  allseitig  überkleidetes ,  sehr  saftreiches,  vielleicht 
selbst  im  Innern  erweichtes  Fibroid  die  Veranlassung  zur 
Täuschung  gegeben  hatte. 

Das  Wochenbett  schien  anfangs  einen  günstigen  Verlauf 
zu  nehmen;  die  Patientin  klagte  zwar  viel  über  schmerzhafte 
Nachwehen,  denen  objectiv  wahrnehmbare  Zusammenziehun- 
gen der  ganzen  Uterusmasse  entsprachen;  aber  der  Unterleib 
war  bei  Berührung  i^chmerzfrei,  und  das  Gefasssystem  zeigte 
keine  Veränderung.  Am  dritten  Tage  nahm  die  Geschwulst 
bei  spärlicher  Lochialabsonderung  an  Umfang  nicht  unbe- 
trächtlich zu,  Erbrechen  und  Temperatursteigerung  bis  zu 
40,5^  bei  einem  Pulse  von  120  Schlägen  deuteten  auf  Rei- 
zungen des  Bauchfells  hin,  obwohl  eine  eigentliche  Schmerzhaf- 
tigkeit  des  Unterleibes  auf  Druck  zu  keiner  Zeit  bemerkt 
werden  konnte  und  der  Meleorismus  vermisst  wurde.  Die 
Aufquelhiug  der  Geschwulst  nahm  in  de^  nächsten  Zeit  noch 


456  XXVIII.    Hecker,  Zwei  none  Fftlle  Ton 

zu,  es  stellte  sich  oftmaliges  Erbrechen  grüner  Flüssigkeit 
ein,  der  Puls  wurde  unzählbar,  die  Extremitäten  kalt,  und  so 
erfolgte  der  Tod  am  23.  Juni  Abends  acht  Uhr,  am  sechsten 
Tage  des  Wochenbettes,  nachdem  das  Bewusslsein  bis  eine 
halbe  Stunde   vor   demselben    völlig  ungetrübt  geblieben   war. 

Bei  der  Eröffnung  der  Bauchhöhle  am  24.  Juni  halte 
man  zunächst  den  Befund  einer  sehr  massigen  Peritonitis;  die 
Exsudation  in  die  Bauchhöhle  war  quantitativ  gering;  iiian 
sah  nirgends  Flocken,  nirgends  VerkJebungen  der  Organe  un- 
tereinander, sondern  nur  eine  trübe,  röthlich  gefärbte  Flüs- 
sigkeit und  leichte  Injeclion  der  Peritonäalgefasse.  Nach 
Herausnahme  der  Geschlechtsorgane  bot  das  Fibroid,  au  wel- 
chem  der  kleine  Uterus  nur  wie  ein  Appendix  befestigt  war, 
noch  immer  das  Gefühl  deutlicher  Fiuctuation,  so  dass  man 
fast  mit  Sicherheit  auf  eine  flüssige  Beschaffenheit  seines  hi- 
haltes  rechnen  zu  müssen  glaubte.  Auch  dies  war  eine  Täu- 
schung ;  das  Fibroid  war  in  seinem  Innern  nur  sehr  gequollen, 
saflreich,  und  drängte  sich  in  Folge  dessen  aus  der  umge- 
benden Muskelschicht  hervor,  zeigte  aber  nirgends  eine  Spur 
von  Erweichungsheerden.  Im  Uebrigen  halte  dasselbe  sehr 
bedeutende  Dimensionen;  es  wog  mit  dem  Uterus  2980  Grm?. 
seine  Länge  betrug  23  Centimeter,  seine  Breite  17  Centime- 
ter;  ringsum  war  es  von  Uterussubstanz  umkleidet,  die  im 
Grunde  eine  Mächtigkeit  von  fünf  Centimeter  besass.  Der 
Uterus  selbst  und  seine  Anhänge  waren  vollkommen  frei  von 
Erkrankung;  die  Länge  seiner  Höhle  belief  sich  auf  13  Cen- 
timeler bei  einer  Weite  von  sieben  Centimeter,  die  des  Cer- 
vicalkanals  war  acht  Centimeler.  Die  linke  Tube  verlief  an 
der  hinteren  Fläche  der  Geschwulst,  und  verlor  sich  17  Cen- 
timeter von  dem  Abhänge  der  rechten  entfernt;  ihr  Lumen 
war  durch  eine  Sonde  nicht  ^^nz  bis  zur  Eintrittsstelle  in 
den  Ulerus  zu  verfolgen,  während  die  rechte  vollständig  w<»g- 
sam  gefunden  wurde.  Beide  Franzenlrichler  und  Eierstöcke 
waren  durch  peritonilische  Adhäsionen  mit  der  Umgebung 
verlölhel;  ein  gelber  Rörper  konnte  nicht  aufgefunden  werden. 

Die  übrigen  Organe  waren  gesund,  und  alle  in  massigem 
Grade  blutleer.     Das  Blul  zeigte  sich  dünnflüssig. 

Die    diagnostischen  Schwierigkeiten ,    welche  dieser  Fall 
darbot,  waren  gewiss  nicht  unbedeutend.     Unter  Berücksich- 


Oeburtscomplication  durch  Uterusfibroide.  457 

tigUDg  der  anamnestischen  Momente,  dass  die  Periode  so  un- 
regeimässig  aufgetreten,  und  bis  zum  38.  Jniire  niemals 
Schwangerschaft  eingetreten  war,  hatte  man  wohl  von  vorn 
herein  auf  die  Annahme  einer  Anomalie  des  Uterus  geführt 
werden  können ;  aber  die  weiche,  fast  fluctuirende  Beschaffen* 
heit  der  Geschwulst,  die  so  wenig  mit  dem  Gefühle  von  Härte 
und  Resistenz,  welches  sonst  die  Diagnose  eines  Fibroids  an 
die  Hand  giebt,  übereinstimmte,  verleitete  immer  wieder  zu 
einer  anderen  Ansicht,  und  machte  es  möglich,  dass  deren 
Unrichtigkeit  erst  erkannt  wurde ,  als  man  schon  einige  Zeit  ver- 
gebens auf  den  vermeintlichen  zweiten  Zwilling  gewartet  hatte. 
Ebenso  wichtig  als  dieses .  diagnostische  Qui  pro  quo  scheint 
mir  aber  die  Art  und  Weise  zu  sein,  wie  der  Fall  seinen 
lethalen  Ablauf  genommen  hat.  Ich  habe  bei  der  epikritiscben 
Betrachtung  meiner  früheren  Fälle  ^)  zunächst  auf  die  Blu- 
tungen nach  Ausstossung  des  Kindes  als  auf  ein  häufig  vorkom- 
mendes und  aus  der  Schwierigkeit,  mit  der  hier  die  Zusam- 
menziehung des  Uterus  vor  sich  geht,  leicht  erklärliches 
Symptom  bei  Fibroiden  hingewiesen;  auch  diesmal  hatte  sich 
eine  solche  und  zwar  in  bedeutendem  Grade  eingestellt.  Dann 
war  es  mir  aufgefallen,  dass  die  Wöchnerinnen  unter  ziem- 
lich unbestimmten  Krankheitserscheinungen,  die  sich  wie  ein 
Gemisch  von  Blutleere  und  Bauchfellentzündung  darstellten, 
ihren  Tod  gefunden  hatten,  wobei  unklar  blieb,  welche  Rolle 
die  Geschwulst  spielte;  genau  so  hat  sich  der  vorliegende 
Fall  entwickelt;  sowohl  die  Blutleere  als  die  peritonitische 
Reizung  waren  für  sich  allein  völlig  unzureichend,  den  Tod 
zu  erklären,  und  von  einem  eigentlich  puerperalen  Processe 
war  gar  keine  Rede,  da  die  InnenOäche  des  Uterus,  so  wie 
seine  Anhänge  keine  Spur  einer  solchen  zeigten;  man  muss 
also  auch  hier  einen  unbekannten  Factor  zur  Erklärung  des 
Todes  in  Rechnung  setzen,  von  dem  man  nur  weiss,  dass  er 
zu  dem  Fibroid  in  Beziehung  steht,  dass  sich  in  diesem  ein 
acuter  Quellungsprocess  im  Wochenbette  entwickelt  hatte,  war 
durch  die  objectiv  wahrnehmbare  Vergrösserung  desselben 
während  des  Lebens,  und  die  ungemein  starke  Succulenz  bei 
der  Section  klar  genug  bewiesen ;  es  bleibt  aber  dunkel,  wie 

1)  1.  c.  Seite   131. 


458  XXVIII.    Hßcker,  Zwei  nene  Fülle  ron  etc. 

di^se  Schwellung  einen  so  nachtheiligen  Einfluss  auf  flen  Ge- 
sammtorganismus  hervorbringen  konnte,  dass  der  Tod,  wie 
auch  in  den  früheren  Fällen,  relativ  so  schnell  erfolgte. 

In)  Anhange  zu  den  mitgetheilten  beiden  Geburtsgeschich- 
ten möchte  ich  über  den  endlichen  Ablauf  eines  Falles  be- 
richton,  der  ira  zweiten  Bande  meiner  Klinik  Seile  124  seine 
Stelle  gefunden  hatte.  Es  war  dort  erzahlt  wurden,  dass 
eine  28 jährige  Frau,  deren  Uterus  eine  Menge  enorm  gros- 
ser subperitonäaler  Fibroide  trug^  ohne  alle  Kunsthillfe  mit 
einem  reifen,  lebenden  Kinde  niedergekommen.  Dieselbe  ist 
nun  im  Laufe  dieses  Jahres  nach  langem  Siechthum  an  Dia- 
betes mellitus  gestorben,  und  ich  hatte  Gelegenheit,  der  Sec- 
tion  beizuwohnen,  so  wie  das  Uteruspräparat  für  die  Samm- 
lung der  geburl^hülf liehen  Klinik  zu  erwerben.  Beim  Anblicke 
desselben  begreift  man  noch  heute  nicht,  wie  hier  Schwan- 
gerschaft und  Geburt  haben  stattfinden  können.  Der  Uteiiis 
wiegt  342  Gramm,  hat  eine  sehr  enge,  neun  Centimeter  lange 
Höhle,  und  birgt  in  seinem  Parenchym  nicht  nur  einzelne 
kleinere  Fibroide,  sondern  ist  von  einem  grösseren  gewisser- 
massen  gekrönt,  das  in  grösster  Circuroferenz  16  Centimeter 
messend  von  einer  hie  und  da  verkalkten  Schale  umgeben 
•  ist,  im  Inneren  aber  eine  harte,  zähe  Beschafienbeit  zeigt, 
wie  man  sie  an  gewöhnlichen  Fibroiden  zu  sehen  gewohnt 
ist;  in  den  Dovglas'schen  Raum  ragt  ein  anderes  mit  einem 
Umfange  von  14  Centim.  subperitonäal  hinein,  das  von  der- 
selben Qualität,  wie  das  obere,  zur  Zeit  der  Schwangerschaft 
die  Befürchtung  rege  gemacht  hatte,  dass  es  bei  der  Geburt 
ein  ernstliches  Hinderniss  abgeben  würde.  Für  die  Nosoge- 
nie  des  Diabetes  mellitus  war  der  Befund  einer  beträchtlichen 
Hypertrophie  des  Pancreas  nicht  ohne  Bedeutung. 


XXTX.    Notisen  aas  der  Journal- Lite ratnr.  459 


XXIX. 
Notizen  ans  der  Journal -Literatur. 


Sadler:   Tubarschwangerschaft  mit  einem  Corpus 
luteum  im  Eierstocke  der  anderen  Seite. 

Die  22 jährige  Frau,  seit  zwei  Monaten  verheirathet,  starb 
unter  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  der  inneren  Verblutung. 
Bei  der  Section  fand  man  dan  kleine  Becken  und  die  linke  Seite 
der  Bauchhöhle  mit  Blut  gefüllt,  die  linke  Tuba  in  der  Nähe  des 
Uterus  gerissen,  in  der  Tuba  Reste  des  Chorion,  in  der  Bauch- 
höhle den  Fötus ,  im  Uterus  die  Decidua ,  im  linken  Ovarium 
kein  Corpus  luteum,  dagegen  solches  schön  ausgebildet  im  rech-' 
ten.  Es  hatte  demnach  eine  Ueberwanderung  des  Eies  statt- 
gefunden. 

(Oaa.   des    böpit.  Nr.  109,  1866.    und   Medic.  ttmes  and 
gas.  5.  Aug.  18B5.) 


Philippart:  Fall  von  Ex trauterin-Scliwangerscbaft. 

Die  30  jährige,  seit  sechs  Jahren  verhetrathete  Frau  hatte 
noch  nicht  geboren,  und  hielt  sich  seit  achteehn  Monaten  schwan- 
ger. Mit  dem  Tierten  Monate  stellten  sich  Beschwerden  im  Un- 
terleibe ein,  die  bis  »um  Ende  des  siebenten  Monates  anhielten 
und  den  Arzt  sa  vier  Aderlässen  yeranlassten.  Ende  des  sie- 
benten Monates  traten  Wehen  ein,  verloren  sich  aber  bald  wie- 
der. Nachdem  zehn  Monate  abgelaufen  waren  and  die  Geburt 
nicht  eintrat,  unterwarf  sich  Fat.  mehreren  Untersuchungen,  nach 
welchen  sunüchst  widernprechende  Diagnosen  abgegeben  wurden. 
Erst  am  Ende  des  achtzehnten  Monates  (3.  December  1864) 
stellte  Verf.  die  Diagnose  auf  Extrauterin  Schwangerschaft.  Der 
Mutterhals  war  hoch  hinter  die  Schambeine  verdrängt,  hinter 
dem  Vaginalgrnnde  lag  ein  Kindeskopf,  an  dem  vom  Mastdarme 
aus  deutlich  Fontanellen  und  Schädelknochen  unterschieden  wer- 
den konnten.  —  Die  vom  Verf.  vorgeflchlagene  Operation  wurde 
zunächst  verweigert,  indess  am  19.  December  lebhaft  begehrt, 
nachdem  sich  heftige  Leibschmerzen  und  Collapsus  eingestellt 
hatten.  Der  Schnitt  wurde  in  den  hinteren  Vaginalgrund  geführt, 
wobei  Verf.  sogleich  den  Kopf  mit  anschnitt;  dieser  war  aber  so 
innig  mit  der  Cyste  verbunden,    dass    er   nicht   zu   lockern  war. 


460  XXIX.     NotiveM  aas  der  Joarnal-Literatar. 

Es  flo88  nnr  einiges  Gehirn  ab.  Die  Fraa  worde  in  abeolate 
Rabe  gebracht,  stinkender  Ausfluss  aus  der  Scheide  stellte  sich 
ein ,  dazu  Fieber  and  Schmerzen  im  Bauche.  Am  22.  Dec.  ^ing- 
ein  Scheitelknochen  ab,  am  3.  Januar  mehrere  andere  Schädel- 
knochen.  Indess  sanken  die  Kräfte  in  bedenklicher  Weise  and 
der  Versuch,  mehr  Fötustheile  zu  extrahiren,  blieb  erfolglos. 
Am  5.  Januar  endlich  gelang  es,  mit  einer  langen  2ange,  welche 
eigens  dazu  angefertigt  worden  war,  den  Hals  des  Fötus  zu 
fassen  und  den  ganzen  Fötus  vorsichtig  herauszuziehen.  Das 
weibliche  Kind  schien  reif  und  war  in  voller  Verwesung,  die  Kin- 
geweide  und  Flacenta  kaum  als  solche  zu  erkennen,  zu  einer 
breiigen  Masse  umgeformt.  Von  jetzt  an  begann  die  Hesserang 
und  bald  war  vollständige  Genesung  erfolgt. 

(Gaz.  des  hdpitauz  Nr.  107.  1865.) 


Baker  Brown:  Zwölf  Fälle  von  Ovariotomie. 

Verf.  reiht  seinen  froheren  Ovariotomien  zwölf  neue  Fälle 
an ,  die  mehrfaches  Interesse  erregen.  1)  21.  November  1864. 
Die  Cyste  war  fächrig,  hatte  so  viele  Adhäsionen  mit  den  Nach- 
barorganen, dass  eine  volle  Stunde  unter  der  Ablösung  derselben 
dyrch  das  vom  Verf.  empfohlene  Gltiheisen  verstrich.  In  der 
ersten  Zeit  nach  der  Operation  trat  heftige  Peritonis  auf,  indess 
nach  einem  Monate  konnte  Fat.  das  Bett  verlassen  und  genas. 
2)  2.  Dec.  1864.  Dia  Cyste  wurde  seit  fünf  Jahren  bemerkt,  be- 
stand aus  mehreren,  mit  Blut  gefällten  Zellen.  Zahlreiche  Adhä- 
sionen mussten  getrennt  werden.  Die  Kranke  genas  ohne  we- 
sentliche Störung.  3)  28.  Deoember  1864.  Die  Cyste  bestand 
erst  fünf  Monate  und  war  ausserordentlich  schnell  gewachsen, 
sie  enthielt  drei  Gallonen  Wasser  und  die  soliden  Massen  wogen 
ausserdem  sechs  Pfund;  besonders  in  der  linken  Seite  fanden 
sich  zahlreiche  Adhäsionen.  Die  Wunde  heilte  in  einer  W^oehe 
und  Pat.  genas.  4)  März  1865.  Die  Cyste  war  seit  15  Monaten 
gefunden  und  schnell  gewachsen,  hatte  sich  nach  einer  vor  sechs 
Monaten  gemachten  Function  schnell  wieder  gefüllt.  Feste  und 
sehr  zahlreiche  Adhäsionen  mussten  mit  dem  Glüheisen  getrennt 
werden.  Auch  das  zweite  Ovarinm  wurde  krank  gefunden  und 
entfernt.  Nach  5  Wochen  war  Pat.  genesen*  5)  16.  März  1865. 
Die  Geschwulst  seit  2%  Jahr  schnell  gewachsen.  Die  Operation 
wich  nicht  von  den  gewöhnliehen  ab,  war  sogar  leichter.  48  Stun- 
den nachher  begscnn  Peritonitis  und  90  Stunden  nach  der  Ope- 
ration starb  die  Kranke.  Section:  Die  Därme  voll  Gas,  frische 
Essudfition  zwischen  ihnen.  6)  6.  April  1865.  Die  Getchwnlat 
bestand  seit  10  Jahren,  war  aber  besonders  in  den  letzten  zwei 
Jahren  gewachfien  und  hatte  erst  ganz  zuletzt  Beschwerden  gemacht. 
Eine  vorläufige  Function  entleerte  13^4  Pints  einer  dunkelbrau- 


XXIX.    Notisen  ans  der  Journal- Literatur.  461 

neu,  tr&ben  FlüsaigkeU.  Die  Operation  war  einfach,  wenige  Ad- 
häsionen^ das  sweite  Ovarinm  gleichfalls  krank.  Ohne  alle  Stö- 
rung erfolgte  die  Heilang.  7)  11.  Mai  1866.  Die  niehrfächrige 
Cyste  bestand  seit  18  Monaten.  Es  fanden  sich  keine  Adhäsio- 
nen, die  ganze  Operation  wurde  in  zwölf  Minuten  ausgeführt 
Genesung  ohne  alle  Störung.  8)  8.  Juni  1865.  Cyste  seit  2'/, 
^Jahren  bemerkt ,  aber  vorher  schon  Heschwerdon.  Pat.  hatte, 
sich  schon  vor  ewei  Jahren  sur  Operation  gemeldet,  die  damals 
aber  wegen  zweifelhafter  Diagnose  unterlassen  wurde.  Spiiti'r 
barst  eine  Cyste  und  die  Flüssigkeit  entleerte  sich  durch  den 
Darm,  aber  zwei  Monate  später  füllte  sie  sich  schnell  wieder  so 
stark,  wie  vorher.  Wenig  Adhäsionen  wurden  mit  dem  Glüh- 
eisen getrennt,  eben  so  der  Stiel.  Genesung  ohne  Störung. 
9)  Vielfftchrige  Cyste  seit  sieben  Monaten,  mit  zahlreichen  Ad- 
häsionen, die  mit  dem  Glüheisen  getrennt  wurden.  Ein  grösse- 
res Gefäss  konnte  wegen  des  versteckten  Sitzes  zwischen  Ute- 
rus und  Rectum  weder  gebrannt,  noch  unterbunden  werden.  Dn 
die  Blutung  aber  Vor  Vollendung  der  Operation  atand,  wurde  die 
Bauchwunde  ge.schlossen.  27  Stunden  nach  der  Operation  er- 
folgte der  Tod  an  innerer  Verblutung  und  beginnender  Perito- 
nitis. Die  Quelle  der  Blutung  war  jenes  nichtverschlossene  Ge- 
fHss.  B.  legt  einen  besonderen  Werth  darauf,  dass  das  Gefäss 
nicht  gebrannt  worden  war,  da  er  aus  gebrannten  noch  niemals 
eine  Nachblutung  gesehen  hat.  10)  13.  Juli  1865.  Vielfächerige 
Cyste  seit  sechs  Jahren  und  schnell  gewnchsen.  Der  Stiel  wurde 
gebrannt  und  in  die  Bauchhöhle  gelegt.  Genesung  ohne  Störung. 
11)  13.  Juli  1865.  De/moidcyste  mit  Inhalt  von  Knorpel,  Harn, 
Fett,  Stearin,  bestand  seit  sechs  Monaten.  Operation  wie  ge- 
wöhnlich. In  den  ersten  Tagen  leichte  Peritonitis,  nachher  un- 
gestörte Heilung.  12)  27.  Juli  1865.  Vielfftchrige  Cyftten  beider 
Ovarien  seit  zwei  Jahren.  Sie  wurden  beide  entfernt,  die  Stiele 
gebrannt.     Ungestörte  Heilung. 

Zum  Schlüsse   giebt    Verf.   die   Abbildungen   der   Klammer, 
welche  er  beim  Abbrennen  des  Stieles  anwendet  und  des  Brenn- 
eisens.    Ersteres  ist  eine  Modification  von  Clay*»  Instrument. 
(The  Lancet  26.  Aug.  und  2.  Sept.  1865.) 


Dominico  Peruzzi:   Fall  von  Ovario tomie. 

Verf.  führte  zum  ersten  Male  in  Italien  im  Januar  1865  die 
Ovariotomie  zu  Sinigaglia  aus.  Der  Fall  war  ausgezeichnet 
durch  ausgebreitete  Adhäsionen  der  Cyste  mit  den  Beckenfas- 
cien.     Die  Operation  endete  leider  unglücklich. 

(The  Lancet  Vol.  L  Nr.  XXIII.  10.  Juni  1865.) 


462  XXIX.    Notiaen  ans  der  Journal -Literatur. 

C  Hueter:  Die  Saftcanäle   und  Lymphgefässe   der 
menschlichen  Eihäute. 

Als  vorläufige  Mittheiinng  veröffentlicht  Verf.  in  karxen 
SKtzen  die  Hesiiltate  seiner  Forschungen  über  die  Saftcanäle  and 
Lymphgeflisse  der  menschlichen  Eihäute.  Nach  Imbibition  mit 
Höllensteinlösung  (v.  Recklinghausen)  zeigte  das  Aranionepithel 
an  den  Knotenpunkten  der  BegrSnzungsIinien  punkförmige  weisse* 
Stellen;  dieselben  sind  nach  Verf.  wahrscheinlich  offene  Canäle, 
die  mit  einem  in  der  zellenreichen  Schleimgewebsschicht  awi- 
schen  Amnion  und  Chorion  befindlichen  Cannlsystem  in  Verbin- 
dung stehen.  Nach  aussen  von  dieser  zellenreichen  Schicht  folgt 
eine  zellenärmere,  deren  Canalsystem  mit  dem  der  ersten  comma- 
nicirt;  ebenso  lassen  sich  in  der  äusseren  Schicht  des  Chorion 
und  dem  Gewebe  der  Decidua  Canalverbindungen  zwischen  den 
Zellenränmen  nachweisen.  Die  Decidua  selbst  lässt  schon  mit 
anbewaffnetem  Auge  ein  Netz  von  Lymphgefässen  deutlich  erken- 
nen. Diese  unterscheiden  sich  im  Wesentlichen  durch  ihr  rund- 
liches Zellenepithel  und  durch  die  ampullenartigen  Erweiterun- 
gen an  den  Mündungsstellen  an  den  Blutgefässen.  Das  Lympb- 
gefässsystem  vermittelt  wahrscheinlich  den  rück wärtsläu6gen  Ver- 
kehr des  Saftcanalsystems  und  der  Zellen  im  Bindegewebe  der 
Eihäute  mit  den  Lymphgefässen  des  Uterus. 

(Centralblatt  für  die  medizinischen  Wissenschaften 
1865.     41.) 


W.  His:    Beohachtungen  über  den  Bau  des  Säuge- 

thiereierstockes. 

Neben  der  Entwickelung  des  Ovaria! follikelinhaUes  ist  Verf. 
in  vorliegender  Arbeit  bemüht,  auch  die  selbstständigen  Vegets* 
tionsvorgänge  am  Stroma,  sowie  die  Bildnngs-  and  Rückbildongs- 
vorgänge  an  den  Gefässen  des  Eierstockes  zur  Geltung  su  brin- 
gen. Er  stellte  seine  Beobachtungen  am  reifen  Ovarium  der  Kuh, 
der  Katse  und  am  menschlichen  Fötuseierstocke  an  und  schickt 
diese  letzteren  —  die  uns  hier  besonders  interessiren  werden 
—  jenen  voraus.  Es  stimmen  übrigens  seine  Beobachtungen  mit 
denen  von  Pßüger^  Bekrön  und  Qrohi  nicht  allein  darin  überein,  das« 
sie  die  jüngsten  Zustände  der  Follikelanlage  in  die  äusserste  Pe- 
ripherie, die  reifen  in  die  inneren  Lagen  des  Parenchyms  ver- 
legen ,  sondern  sie  geben  auch  in  den  Hauptpunkten  die  Bestä- 
tigung für  die  FoZen^in - iPjf2%er*sche  (nouerdings  von  Spiegelbirg 
unterstützte)  Ansicht.  —  Um  den  Process  der  Follikelscbeidang 
deutlich  zu  machen,  wendet  er  seine  Aufmerksamkeit  aunäehst 
der  Entwickelung  des  Stroma  zu ,  dessen  Hauptwachsthum  er  in 
den  Rayon  der  Peripherie  des  Ovarium  verlegt.  Das  Sironaa 
wachse    also,     wie    die  Follikelanlage   von   Innen   imch    Aussen, 


XXIX.    NotiseD  ans  4er  JonrnAl- Literatur.  463 

mroraus  ersichtlich  sei,  dass  die  Abschnürung  der  Follikel  in  der 
genauesten  Beziehung  zu  den  Vegetationsvorgängen  des  Stroma 
selbst  und  zur  Neubildung  von  Gefassen  stehe.     Sie  erfolge  näm- 
lich   dadurch,    dass   zwischen   die  Zellen   der  Eistränge  Brücken 
von   Spindelzellen  sich  einschieben,  welche  anfangs  dünn,  später 
breiter'  werden  und  sich  vascularisiren.     Eine  Entscheidung  über 
die     anfänglichen  Beziehungen   zwischen    drüsigein    Ovarientheil 
nnd    zwischen   Stoma  versucht    er   auf  dem  Wege  des  entwicke- 
langsgeschichtlichen  Studiums  zu  gewinnen,  und  benutzte  zu  sei- 
nen Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  im  Weingeiste  erhärtete 
embryonale  menschliche  Oyarlen  aus  der  11 — 12  Woche, sowie  Vs — ^ 
BÖlUgeSäugethierembryonen  und  Hühnchen  vom  4 — 10.  ßebrütungs- 
tag^e.     Aus  seinen    Beobachtungen   schliesst  er,    dass  das  Paren- 
cbym   der   Sexualdrüsen   wirklich  aus    Wolff^Bchen   Canälen  ent- 
sieht, während  die  Hülle  der  früheren  Umgränzung  eines  Theiles 
des    Wolff^Bchbn   Körpers   entspreche    und    das    Hilusstroma   mit 
seinen  Gelassen    aus    einem  Malpigkiachen   Knäuel  entstehe.     In 
der  ersten  Anlage    gestalte   sich  das  Verhältniss  von  Knäuel  und 
Canälen  ähnlich  wie  in  den  Urnieren  selbst.     Jener  treibe  diese 
spangenartig   vor   sich  her,    und  komme  nur  zunächst  in  Berüh- 
rung mit  der  einen  Wand,    welche   blasser  werde   und   sich   ab- 
platte,   während   die    abgekehrte   Wand   sich    stärker  entwickele. 
Ans  letzterer  gingen  durch  Wucherung  die  Stränge  der  Eizellen 
hervor.     Ob  die  Epithelzellen   des  Primitivfollikels  auch  aus  ihr 
sich    bilden,    oder    ob    sie   aus   den   blassen   Zellen  der 'tieferen 
Lage  (der  anfänglich   inneren  Canalwand)  hervorgel^en,   vermag 
Verf.  zunächst  nicht  zu    entscheiden,    doch  sei  ihm  die  letztere 
Möglichkeit  wahrscheinlicher.     Was  die  Abstammung  des  Urnie- 
renganges  selbst  betrifft,  so  fand  er  an  allen  Durchschnitten  von 
Embryonen  mit  noch  offenem  MednUarrohr  neben  der  MeduUar- 
platte  eine  tiefe  Falte  wieder,  die  genau  der  Stelle,  an  welcher 
man  bald  nachher  den  Urnierengang  dicht  unter  der  Hornplatte 
liegen  sieht,  entsprach.     Verf.  steht  nicht  an,  diese  Falte  für  das 
Primitivgebilde  des  Urnierenganges  zu  halten  und  sehliesst,  ^^ss 
die  Urnieren   und   wohl   auch   die   Geschlechtsstränge    nicht    aus 
dem  mittleren  Keimblatt  (Bemale^  Köüiker)  entstehen,  sondern  aus 
dem  obersten  sich  abschnüren   und   zwar  zu  derselben   Zeit,    da 
der  Scblnss  des  Medullarrohres  sich  einleitete.  —  Weiterhin  be- 
schäftigt den   Verf.   der  Bau  des  Katzenovariums;    Er  bespricht 
hier  ausführlicher  die  Vertheilung  des  Hilusstroma,    des  Parea- 
chyms  und  die  Anordnung  der  Gefässe,    sowie  die  Bildung  der 
Membrana    folliculi    interna.    —    £s   folgt  eine   Betrachtung  des 
reifen   Eierstockes  der  Kuh   und  zwar  zunächst  des  Blut-  und 
Lymphgefässcomplexes.     Das    gesammte    intervasculäro    Gewebe 
hat  nach  Verf.  eine  ganz  direete  Besiehnng  zu  den  grösseren  Ge- 
fassen  des  Hilusstroma:   es  muss  als  modificirte  Gefässwai^d  an- 
gesehen werden,  und  die  in  ihm  enthaltenen  reichlichen,  kleinen 


464  XXIX.    Notisen  aus  ddr  Journal -Literatur. 

Gefäflse  haben  die  Bedentung  von  Vr«8  vasornm;  da»  g-anze  Ver- 
hRltniss  erinnere  nn  dasjenige  der  Corpora  eavemosa.  Die  Besie- 
hnng    des    interrascnlaren    Gewebes    an    den    GefSssen    sei  nicht 
ohne  Belang  für  die   physiologische  Dentnng  der  TJeldiseittirten 
Spindelsellen    des    Stroma.      Es    liege   die  Nöthignng,     dieselben 
als  Mnskelzellen  nueusehen,    sehr   nahe;    besonders    sei    hierbei 
die  nahe  Beziehnng  hervorznheben,  in  welcher  jene  Zellenstränge 
sn    den    Gefösswandnngen    stehen.     Diese    Besiehnng    sowie    die 
strangfÖrmige  Zasainmenordnung  der  Spindeln  scheine  Verf.  von 
entscheidenderem   Gewichte  zu  sein,  als  die  Form  der  einseinen 
Zellen.     Beachtenswertb  erscheint  die  Beobachtung  Aebtf^B^    wo- 
nach die  Eierstocksspindeln  zur  Brunstzeit,  resp.  der  Menstruation 
sich  stärker  entwickelten.     Diese  Beobachtung  dränge  sam   Ver- 
gleich   mit   den   Verhältnissen    im   Uterus,    so  dass  die  Ovarium- 
mnskulatur  wie  dort  erst  durch  die  die  Brunst  begleitende  Coir- 
gestion   zur  Entwickelung  gelange,    dann   zu  Ende   der  Periode 
ihre  Wirkung  entfalte,  welche  einestheils  zum  Platzen  eines  oder 
mehrerer  Follikel,   anderentheils  aber  im  Vereine    mit  der  Con- 
traction  der  übrigen  Gefassmuskulatur  auch  zum  Verschlusse  der 
orarialen   GefHsse  und  damit   zum  Abschlüsse  der  Brunstperiode 
und  zur  eigenen  Rückbildung  führe.  —  Verf.  geht  dann  su  einer 
Beschreibung   des    Ovarienpnrenchyms   über,    das    er    mit   Bäck- 
sicht auf  die   Ausbildung   der    Follikel   in   rier  Zonen  eintheilt: 
follikellose  Zone,    Zone   der   Primitivfoltikel,    Zone   der  Ueber- 
gangsbildnng    und    Zone    der   yoUständigen   Follikel;    femer  be- 
spricht   er  «die    Membrana    folliculi    und    den    Bau  der  Corpora 
lutea.     Wir  gehen  hier  nur  kurz  auf  die  Entstehung  der  letzteren 
ein.     Die  frühere  Ansicht,    dass  die  Corpora  lutea  nichts  weiter 
seien,    als  „in  Entfärbung  und  Organisation  begriffene  Extrava- 
sate {HenleYj  widerlegt  Verf.    zu  Gunsten  der  v.  Bär'Bchen  An- 
sicht YolIstHndig.     Das  ganze  Bild  des  entwickelten  gelben  Eo'r- 
pers  stimme  vielmehr  in  allen  Hauptpunkten  mit  demjenigen  der 
reifen  inneren  Follikelhaut   überein.     Wie  dort,    habe  man  hier 
ein  sehr  gefassreiches  Gewebe,    mit  allen  Anzeichen  einer  sehr 
lebhaft  in    ihm   thStigen  Vegetation;    man    habe    in    beicjen   den  , 
fast   gänzlichen   Mangel   der  Interzellnlarsubstanz,    und   das  Ge- 
webe werde,  die  Gefdsse  ausgenommen,    nur  gebildet  aus  üppig 
ernährten  Zellen  mit  reichlichen  körnigen,   theils  fettigen,  theils 
albuminösen    Einlagerungen.     Die   (Tebereinstimmung  des  Baues 
liefere  durchaus  eine  Bestätigung  der  v.  Bär^sohen  Ansicht,  dass 
das   gelbe   Parenchym    des   Corpus   luteum   nnntittelbar    ans    der 
Membrana    folliculi    interna    hervorgehe.     Selbst    der   Kern    des 
Corp.  lut.    entstehe    nachweisbar    aus    den    innersten   Lagen   der 
Follikelhaut.  —  Wie   aber   ist  nun   die  Rückbildung  des  gelben 
Körpers  zu  erklären?     Verf.  findet   den  Grund  im  Verhalten  der 
Gefässe.     Dieselben  bestehen  nämlich  aus  sehr  zahlreichen,  sehr 
engen   Capillaren,    deren   zuführende   Gefässe    theils    wegen  des 


XXIX.    Notisen  aa«  der  Joarnal- Literatur.  465 

▼erhäUnisamlisfligr  g^a ringen  ~Lnmen»|  theiU  der  vielen  Windungen 
wegen  sehr  betrKchtliche  Stromwiderstände  abgeben.  So  lange 
im  Tnrgor  der  Brunst  und  OrayiditJit  die  Orarialgeflisse  erwei- 
tert sind,  wird  die  Circnlation  im  gelben  Körper  nicht  gehemmt 
sein.  Wird  dagegen  die  Zufuhr  bei  eintretender  Oefftss-  und 
Stromacontraction  gemindert,  so  wird  in  den  engen  Capillaron 
die  Blatbewegnng  völlig  sistirt,  ein  Umstand,  der  sur  Atrophie 
jener  Zellen,  die  neben  den  GefJtssen  betnahe  allein  das  gelbe 
Parenchym  des  Körpers  bilden,  fiihrt.  Es  stagnirt  nun  auch  das 
Blnt  in  den  venösen  und  lymphatischen  Oefassen,  und  sie  schlies- 
sen  sich  bei  gleichseitiger  Schrumpfung  des  umgebenden  Ge- 
webes. 

Schliesslich  spricht  Verf.  fiber  die  LymphgefUsse  des  Eier- 
stockes, deren  Häufigkeit  an  die  der  Blutgefässe  im  Allgemeinen 
gebunden  sei.  Die  Follikel  sind  nach  ihm  hauptsächlich  nn  der 
inneren  Lage  Ihrer  Tunica  externa  von  einem  reichen  Lymphge- 
fässnetie  umsponnen. 

(Archiv   für   mikroskopische  Anatomie.     1866.     Band  1. 
Heft  3.) 


Rob.  Lee:   lieber  die  Behandlung  der  Sterilität. 

Verf.  ersählt  einen  Fall  von  Sterilität  bei  einer  29  jährigen 
Frau,  die  seit  sieben  Jahren  verheirathet  ist.  Sie  hatte  viel 
durch  Dysmenorrhoe  und  Hysterie  su  leiden.  Pulvis  Doveri,  Cam- 
pher etc.  hatten  einigen  Nutsen;  es  seigte  sieh  kein  organischer 
Fehler,  der  die  Sterilität  erklärt  hätte.  Nachdem  Verf.  sehn 
Monate  lang  die  Ijeucorrboe  su  beseitigen  und  die  Constitution 
■n  heben  versucht  hatte,  nahm  er  seine  Zuflucht  sur  Dilatation : 
mit  einiger  Schwierigkeit  liess  sich  ein  dünnes  Bougie  einfüh- 
ren, aber  trotsdem,  dass  es  ohne  heftigen  Schmerz  geschah, 
wurde  die  Kranke  sehr  nervös,  konnte  Nachts  nicht  schlafen, 
hatte  erschreckende  Traume  und  klagte,  dass  ein  dunkler  Schat- 
ten über  ihrem  Geiste  hinge.  Als  die  Dilatation  ausgeführt  wor- 
den war,  sollte  die  Kranke  aufs  Land  geschickt  werden;  anstatt 
dies  EU  thun,  consnltirte  sie  einen  anderen  Arst,  der  die  Dila- 
tation energischer  als  Verf.  mit  stärkeren  Instrumenten  versuchte, 
auch  schneidende  Werkseuge  durch  Os  und  Cervix  einführte. 
Es  folgte  plötslich  eine  heftige  Manie  und  ist  seitdem  die  Ver- 
nunft nie  wieder  völlig  hergestellt  worden;  die  Sterilität  blieb. 
Einen  ähnlichen  Fall  von  Manie  hat  Verf.  gehört,  der  in  Schott- 
land nach  der  Anwendung  eines  Hysterotoras  oder  eines  ähn- 
lichen Instrumentes  sich  ereignete.  —  In  der  nächsten  Nummer 
4es  Journals  erklärt  Barne» ,  dass  er  die  obige  Kranke  in  Be- 
handlung genommen  habe,  aber  es  sei  ihm  unmöglich  su  be- 
stimmen, ob'  die  Manie  durch  die  Dilatation  oder  Incision  her- 
Monat8«chr.  f.  Oebartflk.  1865.  B.J    XXVI.  Hft  6.  '^0 


466  XXIX.    NotUan  aas  der  Joamai* Literatur. 

▼orgernfen  worden  sei  oder  ob  ihre  Eotstebaiig  gans  anabhfisigip 
von  Beiden  war. 

(The  Lancet  No.  XXIII.  n.  XXIV.     Vol.  I      lO.  u.   17. 
JoDi  1866.) 


Bennet:  Die  chirurgische  Behandlung  der  schmerz- 
haften Menstruation. 

Verf.   theilt  im   Gegensatse   au  und   im   Anschlüsse    an  Ma- 
rion Sim$*    Behandlung    dieses    Zustandes    seine    eigenen    Beob- 
achtungen mit,  welche  sich  auf  zahlreiche  Operationen  von  Fibroi- 
den  nnd  Polypen  des  Uterus  gründen.    So  ezstirpirte  er  s.  B.  eine 
im  Uterus  einer  42  jährigen  Frau  sitzende  Geschwulst  (Fibroid), 
nachdem  der  verengte  Canal  mittels  Pressschwamm  dilatirt  wor- 
den war,  mit  dem  von  Htcks  modificirten  Ecraseur,   nachdein  er 
mit   einem    Stück   Kupferdraht   die    Geschwulst   angezogen  hatte. 
Fanden   sich   also    Polypen    bei  schmerzhafter  Menstruation  vor, 
so  suchte  Vprf.  si«^  stets  zu  entfernen,  wenn  auch  der  Canal  des 
Cervix    uteri    geknickt   war,     nnd  zwar  die    wenig    zugänglichen 
mit  Messer  oder  Histourie,  während    er  für  einige    grössere  und 
tiefer  sitzende  die  G^ooe^*sche  Canüle  gebrauchte.     Hierbei  hatte 
er  stets  Glück,    es    trat   nie  eine  Metritis   oder  Metroperitonitis 
ein,    und    er   beobachtete  nur  stets,   die   Hlntnng  in  den  engsten 
Schranken  zu  halten,  was  ihm  stets  gelang,    wei^n  er  einen  ein- 
fachen Wattenpfropf  (ohne  Eisensesquichlorid  oder  Tannin  etc.) 
in  das    Collum   oder   die  Höhlung  des  Uterus  hineinschob,    waa 
Verf.  überhaupt   für  jede  Blutung  empfiehlt,    mag  sie  die  Folge 
obiger  Operation  oder  eines  Abortes  sein,  oder  als  idiopathische 
Haemorrhagie   auftreten.     (Als    einzige  Ausnahme   hierfür  gelten 
ihm  die  letzten  Monate  der  Schwangerschaft.)    Hieran  anschlies- 
send kritisirt  Verf.  die   Meinungen   und   die  Handlungsweise  von 
SimpsoUf  liaker  Brown  und  Marion  Sims^  sich  vorzüglich   an  des 
Letzteren  Aufsatz  (Lancet,    Vol.  I.  No.  IX.  und  XXII.)  haltend. 
£r  hält  nämlich  die  Spaltung  des  Collum  uteri  für  unnöthig,  weil 
diese   Methode   auf  der  einen  ISeite   als  die  Folge  einer  mecha- 
nischen Theorie  über  die  Dysmenorrhoe  erfunden  und  aufs  Aeos- 
serste  getrieben  worden  sei,  und  weil  auf  der  anderen  Seite  eine 
rationelle  Erweiterung  des  Cervicalcanals  ohne  Gefahr  mit  weit 
milderen  Mitteln   erzielt  werden  könne.     Sodann  auf  Einzelnhei- 
ten im  Sima^schen  Aufsatze  übergehend,  entgegnet  er  der  im  phy- 
siologischen Theile  desselben  aufgestellten  Ansicht,  dasz  bei  jeder 
schmerzhaften  Menstruation  ein  mechanisches  Hinderniss  in  den 
Ausführungsgängen  der  Uternshöhle  zugegen  sei  —  das«  es  eine 
Klasse,  von  Frauen  gäbe,  bei  denen  die  Menstruation  wegen  eine/ 
physiologischen   Empfindlichkeit    des   Uterus   durch  alle  Lebens- 
Stadien   hindurch   (vor   und   nach    der   Ileirath    und  Niederkunft) 


XXIX.     Notizen  aas  der  Journal -Literatur.  467 

mit  starkem  Schmers  verbanden  sei ,  ohne  dass  irgend  eine 
krankhafte  Veränderung  so  Grande  läge;  Verf.  beseichnet  diesen 
Zustand  nur  als  Disposition  sn  Uterusleiden,  als  Schwäche  und 
Empfindlichkeit  des  Organs.  Im  anatomischen  Theile  finde  Verf. 
kein  Wort  über  dns  Bestehen  eines  Sphincter  am  Orific.  uteri 
internum,  der  doch  die  Uterushöhle  von  der  des  Collum  uteri 
trenne  und  der  durch  Ereisfasern  des  Cervicalge wehes  gebildet 
sei.  Derselbe  Sphincter  soll  nach  B.  seine  L^bensth&tigkeit  in 
hohem  Maasse  äussern,  soll  sich  in  Verbindung  mit  der  Men- 
struation und  mit  Oenlüthsbewegungen  Öflfnen  und  schliessen  und 
swar  während  der  Menstrnalpausen  so  stark,  dass  eine  Sonde 
eigentlich  nicht  in  das  Uterincavum  gelangen  dürfe.  Seine 
Lage  ist  iVi  Zoll  über  dem  Orific.  externum.  Sim9*  pathologi- 
schen Theil  anlangend,  finde  Verf.  als  Ursachen  der  Dysmenor- 
rhoe viel  häufiger  krankhafte  Veränderungen,  wie  chronische 
Entsündungen  des  Cervix  oder  Corpus  uteri  als  physicalische 
Obstruction  des  Cervix;  und  ist  letstere  dann  zugegen,  so  ist 
sie  eben  nur  Jils  Resultat  der  Schwellung  einer  chronisch  -  ent- 
siindeten  oder  hypertrophirten  Schleimhaut  ansusehen;  aber  selbst 
bei  Anwesenheit  von  Fibroiden  in  der  vorderen  Wand  des  Ute« 
rus  fand  Verf.  das  Orific.  internum' meist  offen  und  frei  —  die 
Dysmenorrhoe  war  allein  die  Folge  einer  Reisung  des  Uterus 
durch  die  vorhandene  Geschwulst.  Endlich  su  seiner  Therapie 
bei  Dysmenorrhoe  vorgehend,  schlägt  B.  vor,  die  constitutionelle 
Form  weder  innerlich  noch  chirurgisch  su  behandeln,  wenn  sie 
gering  sei:  Heirath  und  Wochenbetten  heilen  snweilen  den  orga- 
nischen Zustand  des  Uterus  auf  naturgemässe  Weise.  Ist  der 
Schmers  sehr  stark,  ho  sind  gewöhnlich  entsündliche  ZnstKnde 
des  Uterus  su  behandeln;  sind  diese  beseitigt,  so  ist  gewöhnlich 
der  Cervicalcanal  offen;  ist  er  verengt,  so  reicht  die  Dilatation 
desselben  aus. 

In  einem  kursen  Resum^  beseichnet  Verfasser  ^»ms'  Ope- 
ration als  eine  furchtbare,  die  nur  von  gans  unterrichteten  und 
erfahrenen  Männern  gehandhabt  werden  könnte  —  also  für  das 
allgemeine  Wohl  unrationell  und  unnöthtg  sei;  er  vergleicht  sie 
mit  den  Operationen  der  Urethralstrictnr,  bei  welchem  Leiden 
man  doch  wohl  nie  das  Corpus  eavernosum  nrethrae  bis  ober 
die  Stricturstelle  hinaus  spalten  würde! 

Metalldilatatoren  verwirft  Verf.  gHnslich  und  wendet  nur 
snweilen,  nach  einer  vorausgehenden  Incision  in  die  verengte 
Stelle,  Bougie's  an,  welche  er  im  Oervicalcanale  liegen  läset  und 
später  mit  dem,  von  ihm  selbst  modificirten,  «Stm|»4>n*schen  Me- 
tallstielpessar  vertauscht;  letsteres  und  die  Bongies  iKsst  er  24 
bis  48  Stunden  liegen,  entfernt  sie  dann  auf  eben  so  lange,  um 
sie  nach  der  verflossenen  Zeit  wieder  einsuführen;  bei  Gegen- 
wart entstindlicher  Zustände  räth  er,  stets  vom  Gebrauche  des 
Pressschwammes    absusehen,    den    er    überhaupt    nie    länger  als 

30* 


468  XXIX.    NotlEen  ans  der  Jonraal- Literatur. 

Bwaneig^    Standen    liefen    iHsst.     Unter    diesen    Cautelen    erhielt 
Verf.  dieselben  Resultate,  wie  Andere;  es  blieb  die  Hälfte  seiner 
(40)  Patienten  steril,  wKhrend  zwansigf  schwanfi^er  wurden. 
(The  Lancet,  No.  XXV.  Vol.  I.  »4.  Juni  1866.) 

Johnson:    Urinretention    fälschlich    für    Gehurts- 

stadium  gehalten. 

Verf.  wurde  za  einer  y^Rreissenden'  gerufen,  der  Matter  ▼on 
vier  Kindern,  die  im  Alter  von.  36  Jahren  stand;  sie  sollte  so 
eben  das  fünfte  gebären;  die  Untersuchang  ergab  jedoch,  dass 
die  Blase  ungemein  angefüllt  war,  und  es  wurden  neun  Rannen 
Harn  entleert,  und  darauf  schwanden  die  Symptome  der  Ge- 
burtsthäti^keit. 

(Dublin.  Med.  Press;  Edinburgh  Medical  Journal  Nr.  118. 
April  1865.) 

O,  Spiegelberg:  Tiefe  Blas en-Ulerus-Scheidenfistel; 
Zerstörung  der  hinteren  Muttermundslippe; 
Eröffnung  des  Peritonäalsackes  und  Vorfall 
des  Darines  hei  Anfrischung  des  hinteren  Fi- 
stelrandes; später  quere  Ohliteration  der 
Scheide;  Heilung  durch  einmalige  Operation 
m  it  rascher  Wiederherstellung  völliger  Con- 
tinenz  des  Urines. 

,  In  der  gynäkologischen  Klinik  su  Königsberg  kam  folgender 
interessanter  Fall  zur  Operation  und  Heilung.  Eine  20j3Shrig-e 
Frau,  von  regelmässigem  aber  zwerghaftem  Wüchse,  bekam  nn- 
mittelbar  nach  einer  im  October  v.  J.  mit  der  Zange  vollendeten 
schweren  Entbindung  unwillkürlichen  Urinabgang  aus  der  Scheide. 
Nach  einem  angeblich  sehr  schweren  Wochenbette  kam  Patientin 
Ende  Januar  d.  J.  nach  Königsberg,  und  wurde  hier  von  zwei 
verschiedenen  Operateuren  der  Versuch  gemacht,  die  aufgefun- 
dene Uterin-Blasen  Scheidenfistel  zu  schliessen.  Bei  einer  dieser 
Operationen  wurde  bei  Anfrischung  eines  der  hinteren  Fistel* 
rander  der  Peritonlialsack  eröffnet  und  der  Darm  fiel  vor.  Der 
gefährliche  Unfall  ging  ohne  Schaden  vorüber,  doch  stand  man 
jetzt  von  weiteren  Eingriffen  ab.  — 

Bei  der  Aufnahme  der  Kranken  in  die  gynäkologische  KM- 
nik  am  14.  Juni  fand  sich  eine  tiefe  Blasen-Uterns-Scheidenfistet 
mit  zerstörter  hinterer  Utenislippe;  gerade  am  hinteren  Rande 
der  Fistel  inserirte  der  hintere  Vaginalgrund.  Ueber  diesen  An» 
satz  geht  bekanntlich  das  Bauchfell  noch  etwas  herab;  im  vor- 
liegenden  Falle    gewiss   um   so   tiefer  als  eine  Rectocele  und  in 


XXIX.-  Notisen  ahr  der  Jotirnal- Literatur.  469 

Folge  davon  RetroverBio.  uteri  vorhanden  war.  Dieser  Umstand 
verbot  jeden  Versnch  einer  directen  Vereinig^ang  der  Fistelrün- 
der,  weshalb  Yert  sich  ent8chI<rBs,  die  Fistel  indireet  durch 
Obliteration  der  Scheide  mittels  Aufbeilen  des  restirenden  Hla- 
senstückes  der  vorderen  Scheidenwand  (ca  '/|"  breit)  auf  den 
oberen  Theil  der  vorgestöVpten  Mastdarmscheidenwand  zu  schlies- 
sen.  —  Am  24.  Juni  wurde  die  Operation  ausgeführt.  Verf. 
machte  die  vordere  Scheidenwand  dicht  unter  dem  vorderen  Fi- 
stelrande in  der  Breite  von  ca  1"  wund,  so  dass  der  ganse  Harn- 
röhrentheil  der  Vagina  stehen  blieb.  '  Die  hintere  Scheidenwand 
trug  er  mit  Rücksicht  auf  den  Vorfall  derselben  in  grösserer 
Auftdehnung  und  Tiefe  ab.  Die  grösste  Schwierigkeit  machte 
die  Anfrischung  der  Seitentheile  der  Scheide,  wegen  der  hier 
besonders  ausgeprägten  Schlaffheit  und  Faltonbildung.  Durch 
sieben  Nähte  von  feinem,  geglühtem  Eisendrathe ,  welche  vorn 
die  ganze  Wunde  umkreisten ,  hinten  dagegen  etwas  oberhalb 
des  unteren  Randes  zu  Tage  traten,  wurde  die  Blase  auf  die 
Mastdarmwand  gezogen  und  die  Vagina  geschlossen.  Die  drei 
mittleren  NKhte  wurden  durch  Blase  und  Mastdarm  durchgeführt; 
die  Vereinigung  geschah  mittels  des  einfachen  Bruns'schen 
Schnnrers.     Die  ganze  Operation  dauerte  zwei  Stunden. 

Nach  der  Operation  wurde  der  Catheter  eingeführt  und  per- 
manent liegen  gelassen;  Reactlon  trat  nicht  ein.  Der  erste  Stuhl 
erfolgte  auf  wiederholte  Clystiere  erst  «am  13.  Tage.  Die  erste 
Untersuchung  an  diesem  Tage  zeigte 'die  Nähte  tief  in  die  Scheide 
zurückgezogen ,  aber  locker  und  leicht  entfenibar.  Die  Wunde 
war  Überali  geschlossen,  die  Narbe  fest  und  stark  retrahirt  und 
Hess  keine  Flüssigkeit  durch.    Der  Catheter  wurde  jetzt  entfernt. 

Am  18.  Tage  urinirte  die  Frau  wie  eine  Gesunde  und  konnte 
am  24.  Juli  entlassen  werden.  Bei  der  vorherigen  Untersuchung 
zeigte  sich  vollständiger  Verschluss  der  Scheide  und  normale 
Continenz  des  Urins. 

Zum  Schlnss  giebt  Verf.  eine  kurze  Uebersicht  der  von  ihm 
operirten  Fistelkranken. 

(Berliner  Klinische  Wochenschrift.     1865.     36.) 


H.  Davis  u.  O.  Lawson:  Nierengeschwulst,  fälsch- 
lich für  Ovariengeschwulst  gehalten. 

Eine  49  jährige  Frau,  Mutter  von  drei  Kindern,  litt  an  einer 
IJuterleil/sgeschwulst,  die  die  Verf.  für  eine  Ovarialcyste  hiel- 
ten; sie  unternahmen  die  Ovariotomie,  fanden  aber,  dass  die 
die  Oberfläche  der  Eingeweide  bedeckende  Geschwulst  nicht 
uinem  Ovariuiu,  sondern  seltsamerweise  einer  Niere  angehörte, 
tJcron  Lage  so  äusserst  lingewöhi  Heb  war.  Die  Frau  starb  am  dritten 


470  XXIX.     Notisen  auB  der  Journal- Literatur. 

Tage    nach    der  Operation    ao    allgfeineiaer  Peritonitis,     wie    die 
Section  nachwies.     Uterus  nnd  Ovarien  waren  normal. 

(Lancet;  Edinburgh  Journal  No.  118.     April  1865.) 


Sims:    Klinische  Notizen  ober  Üterinal-Chirurgie. 
Nr.  III.:  Schmerzhafte  Menstruation. 

ist  die  Menstruation  bei  ihrem  Beginne  oder  während  des 
Flusses  mit  viel  Schmers  yerbunden,  so  wird  nach  Verf.'s  Mei- 
nung stets  eine  physikalische  Bedingung  dazu  vorhanden  seiD, 
die  meist  in  einer  mechanischen  Verstopfung  der  Ausgangswe^« 
der  Geschlechtsorgane  su  suchen  ist.  Die  Obstruciion  kann  die 
Folge  einer  Entaiindung  und  begleitenden  Turgescena  der  Cer- 
▼ioalschleimhaut  sein,  wobei  der  Canal  durch  die  Anschwellnnf^ 
der  Seitenwände  gans  eng  wird;  am  häufigsten  aber  ist  die 
obstruirende  Ursache  rein  anatomissh  und  mechanisch,  entweder 
in  einem  unnatürlich  engen  oder  geknickten  Canale,  oder  durch 
die  Gegenwart  eines  Polypen  oder  Fibroides  in  der  yorderen 
oder  hinteren  Wand  des  Uterus  begründet.  Verf.  pflegt  diese 
Zustände  in  zwei  Classen  zu  theilen,  deren  eine  die  schmerx« 
haften  und  deren  andere  die  äusserst  schmerzhaften  oder  djs- 
luenorrhoischen  Leiden  umfasst.  Beide  sind  also  nur  dem  Grade 
nach  verschieden.  Von  260  Jungfrauen  litten  129  an  schmerz- 
haften Menstrualsnständen;'  von  letzteren  waren  100  unter  die 
leichteren  Affectionen,  29  dagegen  unter  die  dysroenorrhoiache 
Form  zu  zHhlen.  Als  die  häufigsten  Ursachen  wurden  aufgefan- 
den  Versionen,  Flexionen  tmd  Fibroide;  in  20  Fällen  war  die 
Lage  normal.  Von  den  ersteren  100  Fällen  war  das  Orific.  ex- 
tern, normal  nur  in  sechs,  uunattirlich  verengt  in  90,  anderweit 
abnorm  in  vier;  bei  letzteren  29  Fällen  war  das  Orific.  extern. 
niemals  normal.  In  der  grossen  Mehrzahl  fand  sich  neben  der 
Enge  oder  Knickung  des  Canales  ein  langer,  zugespitzter  nnd 
verhärteter  Cervix.  Bei  Flexionen  wird  oft  die  Vaginalportion 
den  Cervix  ungleich  entwickelt  gefunden  nnd  zwar  kann  bei  An- 
teflexionen  der  hintere  Theil  derselben,  vom  Orific.  ext.  bis  zur 
Insertion  des  Scheidengewölbes  gerechnet,  IV4",  die  vordere 
Lippe  nur  Vs''  messen,  bei  Retroflexionen  aber  umgekehrt.  Der 
Verlauf,  die  Enge  und  die  Krümmung  des  Canales  zu  bestimmen, 
ist  Sache  der  Sonde ;  denn  trotzdem ,  dass  für  das  Gefühl  und 
Gesicht  das  Orific.  normal  erscheinen  kann,  findet  man  doch  mit 
der  Sonde,  wie  spitzwinklig  die  Flexion  des  Uterus  ist,  so  z.  B. 
bei  Fibroiden  in  der  vorderen  Wand.  Uebergehend  zur  Be- 
handlung dieser  Zustände  iässt  Verf.*  einstweilen  die  Lage- 
veränderungen des  Uterus  aus  dem  Spiele  und  berücksichtigt 
nur  die  Verengerungen  und  Knickungen  des  Canales.  Die  The- 
rapie dieser  Zustände  war  früher  ganz  empirisch,  und  führt  Verf. 


XXIX.     Notiven  Ann  der  JouniKl- Literatur.  471 

deshalb  einige  nnwicbtig^ere  innere  Mittel  hier  an,  worauf  er  sn 
Simpnon'B  Methode,  den  Canal  dnrch  InciAionen  bq  erweitern,  und 
MHntoBh's  Verfahren,  den  Cnnnl  durch  BoUgie*8  auszudehnen, 
übergeht.  Erstere  hHlt  er  für  nicht  immer  erfolgreich,  letzteres 
i\\T  nngewiss  und  schmerzhaft,  abgenehen  von  den  Gefahren,  die 
es  mit  sich  führen  kann,  und  yon  denen  Verfasser  zwei  sehr  un- 
angenehme Fälle  erzühlt  (Metroperitonitis).  Er  warnt  deshalb 
sehr  vor  der  mechanischen  Erweiterung  des  Collum  mittels  Bon- 
gie*s  and  faKlt  dies  Verfahren  f&r  gefährlicher,  als  das  Collum 
zu  spalten.  Und  auf  der  anderen  8eite  kann  sich,  wenn  auch 
der  CerTicnlcanal  durch  bilaterale  Incisionen  ganz  geöffnet  wor- 
den ist,  derselbe  doch  wieder  sehr  zusammenziehen  und  der  er- 
neute oder  erhöhte  dysnienorrhoische  Schmerz  würde  dann  die 
Wiederholung  dieser  Operation  erfordern,  wobei  dann  grössere 
Sorgfalt  auf  die  Offenerhaltnng^  des  Canals  zu  verwenden  sein 
wttrde.  Dies  ist  besonders  der  FhII  bei  stärkeren  Auteflexionen. 
Nach  Änfahrung  eines  eioschlagenden  Falles  geht  Verf.  näher 
auf  die  Operationsmethode  der  Spaltung  der  Portio  vaginalis  bei 
Knickungen  über.  Eine  theoretische  Betrachtung  hierüber  vor- 
ausschickend, bemerkt  Verf.,  dass,  wenn  man  nicht  die  Flexion 
des  Canals  beseitigen  könne,  man  doch  das  einem  leichten  Ab» 
flusse  des  Menstrnalblutes  entgegenstehende  Hindemiss  entfernen 
könne.  Hierzu  ist  nur  nöthig,  bei  Anteflexionen  die  hintere 
Wand  der  Cerviealportion  vom  äusserem  Muttermunde  in  einer 
geraden  Linie  rückwärts  bis  nahe  an  die  Insertionsstelie  der 
Vagina  zu  spalten,  so  dass  der  Canal  des  Cervix  in  einer  gera- 
den Linie  von  der  Höhle  des  Uterus  nach  dem  Ende  der  Inei- 
sionsstelle,  anstatt  in  der  pHthoIogischen  Krümmung  nach  dem 
Orific.  ext.,  verläuft  (es  entspricht  sodnnn  die  Direction  des  Ca- 
nals der  einer  Anteversion  anstatt  Anteflexion).  Auf  difse  Art 
und  Weise  will  Verf.  in  vielen  unverbesserlichen  Fällen  beste 
Erfolge  erzielt  habeni  Die  Art  der  Ausführung  ist  sehr  einfach; 
in  der  Seitenlage  wird  ein  Speculnm  eingeführt,  die  vordere 
Lippe  des  Collum  mit  einem  Haken  fixirt  und  dann  mit  einer 
geraden  Scheere  die  hintere  Wand  des  Cervix  gespalten,  aber 
nur  in. Einem  Schnitte  so  weit,  als  man  mit  einer  Scheere  leicht 
und  ungefährlich  eingeben  kann.  Hierauf  wird  das  stumpf  en- 
dende Messer  (Fig.  A.)^  das  zu  seinem  Schafte  iu  ziemlich  star- 
kem Winkel  gebogen  ist  und  nach  rückwärts  schneidet,  in  die 
Höhle  des  Uterus  eingebracht  und  dessen  hintere  Wand  in  Einer 
Linie  durchschnitten,  welf^he  den  Canal  gerade  macht  und  dadurch 
das  mechanische  Hindcrniss  der  F^lexion  hebt.  Fig.  B,  versinn- 
iicht  den  ersten  Theil  der  Operation;  schliesslich  wird  mit  dem 
Instrumente  C.  ein  Wattenpfropf  zwischen  die  WnndrUnder  einge- 
legt, und  dies  bildet  den  Beschluss  der  Operation;  die  letztere 
hat  bewunderungswürdigen  Erfolg  gehabt  und  ist  nur  in  den 
"ben    angeführten    Fällen    unati wendbar.     Verf.    beruft    sich    auf 


472  XXTX.     Notisen  ans  d^r  Journal  •  Literatar. 

seinen  Collegen  Emmet,  der  nach  ihm  die  Operation  öfter  als 
er  selbst  wiederholte.  Bei  der  Operation  der  Djramenorrhoe 
dürfen  wir  nicht  ans  dem  Auge  verlieren,  dasa  sie,  in  dieser 
Weise  ausgeführt,  die  Chancen  für  die  Coneeption  vermehrt 
Denn  wenn  man  die  Aerste  oft  sagen  hört,  dass  eine  Schwanger- 
schaft die  Franen  heilen  könnte,  ho  ist  sie  doch  eben  nicht  leicbt 
herbeisuführen,  da  dem  Filintritte  des  Sperma  in  den  Uterus  das- 
selbe Hinderniss  entgegensteht,  wie  dem  AnsOusse  des  Blutes 
bei  der  Menstruation.  Daher  hält  Verf.  diese  Operation  nicht 
aliein  für  die  richtige  Behandlung  der  Flexion,  sondern  auch  der 
daraus  hervorgehenden  Sterilität. 

Schlieslich  vertheidigt  sich  Verf.  noch  gegen  einige  Ein- 
würfe von  Spencer  Wells^  welcher  im  Allgemeinen  ebenfalls  diese 
Operation  dem  Bougiesysteme  von  M^Intoeh  vorsieht.  Wellt 
meint  näuilioh,  es  schlügen  sich  saweilen  nach  der  Operation 
die  Ränder  der  Portio  vaginalis  um  und  verschwänden  allmählig, 
indem  das  Ueberbleibsel  des  Cervicaleanals  oder  daa  Os  ioter- 
nnm  fast  undnrchgängig  würde  etc.  Diese  Folgen  hat  Verf. 
noch  nie  nach  seinen  Operationen  gesehen,  und  schiebt  die 
Schuld  davon  auf  die  von  Welle  angewendeten  Instrumente  (wahr- 
scheinlich Simpeon^B  einklingiges  oder  Oreenhalgh^e  doppelklin» 
giges  Uterusmesser).  Ferner  ficht  Welle  den  Üebrancb  des  Hot* 
terspiegals  an,  weil  ein  Assistent  genöthigt  sei,  ihn  su  halten, 
wogegen  Verf.  sein  Verfahren  mit  der  Bemerkung  unterstSist, 
dass  es  wohl  anständiger  für  eine  Frau  sei,  wenn  neben  den 
Arste  noch  eine  Hebamme  sngegen  sei,  als  wenn  ersterer  allein 
sei;  er  zieht  das  Specnlum  besonders  vor,  weil 

1)  der  Arst  es  sehr  leicht  bei  sich  fähren  kann; 

2)  die  Art  und  Weise  der  Anwendung  sehr  anstandig  sowohl 
als  auch  sohmerslos  ist. 

(The  Lancet,  Vol.  I.  No.  IX.  und  XXII.  Härs  and 
Juni  1866.) 


Peüischek:    Gleichzeitiger    Bestand    einer    iiitra- 
und    extrauterinen    Schwangerschaft.  —   Pa- 
racesis  —  Steinkind  —  Muinification. 
Im   März   1860  hatte  Verf.  Gelegenheit   eine   doppelte,    in- 
nerhalb  und   ausserhalb   des   Fruchthalters    bestehende    SchwAO- 
gerschnft  an  einer  Frau  zu  beobachten,    die  er  früher  an  Kurs- 
uthmigkeit,   Hüsteln,   Stechen   auf  der  Brust  u.  s.  w.  mit  Erfolg 
behandelt  hatte.     Anfangs   December   steigerten    die    periodtcch 
wiederkehrenden  Exacerbationen  jener  Beschwerden  sieb  so,  dass 
die  Frau  auf*s  Neue  bei  Verf.   Hülfe   suchte;    die   üntersachong 
zeigte  neben  einem  freien  Ascites  die  Coexistenz  einer  Schwan- 
gerschaft. —  Zu  derselben  in  schwerer  Geburt  befindlichen  Frsa . 


XX.IX.     Notisen  ans  der  Journal -Literatur.  473 

am  28.  Mai  1861  gerufen,  fand  Verf.  schwache  nnd  unwirksame 
Wehen,  die  trots  dee  früh  erfolgten  BlaBeneprungs  den  im  Ein- 
sohneiden befindlichen  Kindeskopf  nicht  weiter  förderten.  Verf. 
sah  sich  Teranlasst,  die  Extraction,  und  als  hierauf  die  Nachge- 
burt nicht  bald  folgen  wollte,  wegen  aufgetretener  starker  Blu- 
tung die  künstliche  Entfernung  der  Placenta  Yorsunehmen.  Dabei 
fühlte  er  mit  der  linken  aussen  aufgelegten  Hand  im  linken  Hy- 
pochoutfrium  und  oberen  Beckenranme  derselben  Seite  eine  sweite 
lebender  Frucht,  deren  Sita,  wie  die  gleichseitige  innere  Unter- 
suchung ergab,  nur  extrauterin  sein  konnte.  Verf.  schickte 
SU  einem  Collegen,  der  die  Diagnose  nicht  nur  bestfttigte, 
sondern  sogar  sehr  lebhafte  Bewegungen  deutlich  wahrnehmen 
konnte,  die  indess  schon  am  Abend  desselben  Tages  ganslich  er- 
loschen. 

Es  wurde  gemeinsam  beschlossen  exspectativ  sn  verfahren. 
—  Ein  Tolles  Jahr  hindurch  yermochte  Verf.  den  fremden  Kör- 
per als  eine  Kugel,  jedoch  in  stetiger  Abnahme  der  Diametral- 
linie derselben  begriffen,  durch  Palpation  wahrzunehmen,  bis  sich 
derselbe  endlich  ganz  dem  subjectirem  und  objectirem  Gefühle 
entzog.  Bei  einer  am  23.  Mai  1868  sur  Gontrole  erfolgten  Vor- 
stellung befand  sich  das  lebend  geborene  Kind  und  Mutter  yoll- 
ständig  gesund. 

(Oesterreiehische  Zeitschrift  für  praktische  Heilkunde 
1866.     Nr.  27.) 


Horn:  Ein  Fall  von  Herausreissen  der  Gebärmut- 
ter aus   dem  Schoos  einer  Neuentb&ndenen. 

Eine  39jÄhrige,  in  13'/,  Jahren  acht  Mal  entbundene  Frau 
kam  zum  neunten  Male,  und  zwar  auf  einem  Geburtsstohle,  nie- 
der. Nach  erfolgter  Ausstossung  der  Frucht  entfernte  die  Heb- 
amme 10  Minuten  spllter  die  Nachgeburt  durch  Ziaben  an  der 
Nabelschnur,  worauf  die  Entbundene  6 — 6  Schritte  in*8  Bette  ge- 
führt wurde.  Dort  bemerkte  letztere  nach  circa  einer  Stunde, 
dass  aus  ihrem  Schooss^  noch  etwas  herauskomme.  Die  Heb- 
amme untersuchte  und  fand  in  der  Scheide  einen  fleischigen, 
faserigen  Körper,  an  welchem  sie  etwas  zog  nnd  hierbei  ein  fin- 
gergrosses  Stück  entfernte,  welches  sie  weder  für  geronnenes 
Blut  noch  für  ein  Stock  Nachgeburt  hielt.  Der  auf  ihre  Voran- 
lassung  herbeigeholte  Kreiswundarzt  M.  will  die  Wöchnerin,  im 
Widerspruche  mit  der  Aiissnge  der  Helmmiue,  Mass,  kalt,  mit 
kaum  fühlbarem,  sehr  freqqentem  Pulse  angetroffen  haben,  und 
fand  eine  roth  und  schwarz  aussehende  Fleischmasse  über  1"  aus 
den  äusseren  Schamtheileu  hervorragen.  Nachdem  er  vergeblich 
versucht  hatte,  die  Masse  zurückzubringen,  hielt  er  dieselbe  für 
«ein  i^OewKchs*'  oder  eine  „Fleischmole'',  brachte  die  Wöchnerin 


474  XXIX.     Notisen  ans  der  Journal -Literatur. 

Auf's  Qaerbett,    g^ing  mit  der  rechten  Hand  neben  der  Fleiseb- 
masse  in  die  Scheide  ein  and  gelangte  zn  einer  Oeffnnng,  welehe 
er  für  den   geöffneten  Mutteriunnd   hielt.     Durch  diese  Oeflnan^ 
führte    er  jetst    seine    Hand    ein    nnd  arbeitete    anter  -heftigem 
Sehreien  der  Frau  circa  V^Stund'e  im'Sehoosse  derselben ;  ja,  als  die 
rechte  Hand  erlahmte,    wirkte   er  ebenso  mit  der  linken   weiter. 
Nach   20  Minuten   forderte   er  die   Hebamme    anf,    den    Fleisch- 
kiaropen   heranssuziehen,    worauf  diese  auch    nach   Rnrtfem    die 
für  einen  „Fleischpolypen*  gehaltene  Masse  herror brachte.'  Gleich  . 
darauf  zeigte   Hich   eine   Darmschlinge   vor   der   Scham,    die    der 
Wundarzt    M.    zurückbrachte.     Im    Verlaufe    der    nKchsten    Zinrei 
Stunden  starb  die  Wöchnerin.  —  Die  ausgerissene  MasKe   wurde 
spKter   vom    Wundarzt   P,   als    die  Gebärmutter  erkannt    and   in 
Spiritus  aufbewahrt.     Auf  eine  anonyme  Anzeige  wurde  die  Aas- 
grabung und  Section  der  Verstorbenen  angeordnet,    dabei  £aod 
man  den  unteren  Theil  der  Vulva  gänzlich  sammt  dem  Damme 
bis  zum  Anus  aufgerissen;    ein  Theil  des   Ileum  war  bis  in  lien 
oberen  Theil  der  Scheide  herabgezogen;  die  Harnblase  hatte  an 
ihrer  hinteren   Fläche   ein    groschengrosses  Loch;    man    konnte 
von    der   Bauchhöhle    und    dem    kleinen    Becken    aus    dureh  die 
Seheiden&ffnung   sehen.     Vom    Promontorium    1"  'nach    abwirta, 
nach  der  Kreuzbeinaushöhlung  zu,    fand   sich   das  Bauchfell  von 
der  hinteren  Wand   der  Gebärmutter  im   Scheidengewölbe  abge- 
rissen.    Die   vom   Wundärzte    P.  in  Spiritus  aut bewahrte  Gebar- 
mutter wog  IY4  Pfund,    war  äusserlich   von  normalem  Aussefaev 
und  zeigte  im  Innern  kleine  Reste  des  Mutterkuchens;  der  Mat» 
termund   war  sehr  gequetscht.     An   der   hinteren    Fläche  konnte 
man  deutlich jirahrnehmea,  dass  diese  von  dem  Bauchfelle  an  der 
oben   beschriebenen   Stelle   abgerissen   war.   —   Die    Obducenten 
geben  hierauf  ihr  Gutachten  dahin  ab,  dass  das  gewaltsame  Her- 
ausreissen  der  Gebärmutter  mit  ihrem  Anhange  ans  ihrer  natär- 
lichen  Verbindung  den  Tod  der  Neuentbundenen  nothwendig  sar 
Folge  haben  musste.     Nachdem  weiterhin  sieben  von  der  Staata- 
anwaltscliaft    gestellte  Fragen    über   diesen  Fall  von  den  Obda- 
centen  nicht  genügend  beantwortet  waren,  so  beschloss  der  Ge- 
richtshof auf  Antrag  der  Staatsanwaltschaft   ein  Superarbitrium 
der  Königl.  Prenss.  WisHonschaftlichen  Deputation  für  Medicinal- 
wesen  einzuholen.     Diese  gab  mit  Bezugnahme  der  an  sie  gestell- 
ten Frage  ihr  Gutachten  dahin  ab: 

1)  Die  Ruptur  des  Scheidengewölbes  kann  im  Torliegenden 
Falle  nicht  darin  ihren  Grund  finden,  dass  die  p.  V.  (Verstor- 
bene) angeblich  längere  Zeit  an  Scheiden-Entzündung  (wie  Wund- 
arzt A£.  zu  seiner  Vertheidigung  angegeben)  gelitten  hatte,  nnd 
daher  eine  Erweichung  des  Scheiüengewölbes  mit  Putrescenz 
eingetreten  war.  2)  Die  Ruptur  kann  auch  nicht  in  dem  voraus- 
gegangenen Arbeiten  der  Hebamme  G.  ihre  Erklärung  finden. 
5)  Das    losgerissene    Stück    in    der  Grosse    eines    Fingers    kamf 


XXIX.     Notiseo  an«  der  Joarnal- Literatur.  475 

nicht  eiD  Stück  yon  der  Gebärmiitter  gewesen  eetn.  Ob  dasselbe 
geronnen|B  Blnt  gewesen,  IMsst  sieh  nicht  nachweisen.  4)  Der 
Kreiswundarzt  M,  hat  bei  der  von  ihm  yorgenommenen  Unter- 
sacbuDg  und  der  von  ihm  vorgenommenen  Manipulation  und  dem 
Heransreissen  der  von  ihm  für  einen  Fleisehpolypen  gehaltenen 
Oebärmntfer  diejenige  Aufmerksamkeit  und  Vorsicht,  su  der  er 
vermöge  seines  Berufs  verpflichtet  war,  aus  dem  Auge  gesetzt. 
5)  Die  Hebamme  hat  den  Anordnungen  des  von  ihr  herbeige- 
.holten  Geburtshelfers  im  vorliegenden  Falle  Folge  su  leisten  ge- 
habt. 6)  Von  der  Hebamme  G.  kann  eine  solche  Eenntniss,  nach 
welcher  sie  wissen  musste,  dass  der  vermeintliche  Fleischpolyp 
die  Gebärmutter  war,  nicht  gefordert  werden.  7)  Die  Ruptur 
des  Scheidongewölbes  ist  durch  das  von  der  Hebamme  G.  vor 
Ankunft  des  Wundarstes  M.  beobachtete  Vorfahren  nicht  erfolgt, 
sondern  wahrscheinlich  in  Folge  des  Herabdrängens  der  surück- 
gebeugten  Gebärmutter  spontan  entstanden;  dieselbe  wärde  an 
und  für  sich  den  Tod  der  p.  V.  herbei  geführt  haben,  es  ist  aber 
allerdings  anzunehmen,  dass  der  Tod  durch  das  von  3f.  und  in 
seinem  Auftrage  von  der  (?.  eingeschlagene  Verfahren  beschleu- 
nigt worden  ist. 

(Viertaljahresschrift  für  gerichtl.  und  üffentlicha  Medicin. 
Neue  Folge.    Bd.  III.     1.  Heft.) 


Baumanni  Heilung  einer  spontanen  Uterusruptur. 

Gerade,  als  der  Arzt  T,x\r  Kreissenden  kam,  fohlte  diese 
einen  heftigen  Schmerz  in  der  rechten  Seite  des  Leibes,  welche 
etwas  angeschwollen  gefühlt  wurde.  Der  Accoucheur  will,  da 
die*  linke  Schulter  vorliegt,  die  V(^endnng  mit  der  linken  Hand 
machen  und  bemerkt  dabei  einen  vier  Zoll  langen  Lnngsriss  im 
Uterus;  um  ihd  zu  vermeiden,  macht  er  nun  die  Wendung  mit 
der  rechten  Hand,  cxtrahirt  ein  todtes  Kind,  reponirt  eine  be- 
trächtliche Darmschlinge,  die  in  den  Uterus  gelanoft  war,  nnd 
stopft  endlich  die  Vagina  so  hoch  wie  möglich  mit  Schwämmen 
aus.  Der  Uterus  sog  sich  gut  zusammen,  wahrend  die  Patientin 
verhältnissroKssig  wenig  Schmer«  fühlte.  Die  fortgesetzte  Be- 
handlung bestand  in  kalten  Fomeniatiouen,  grossen  Dos«n  Mor- 
phium, lauwarmen  Lavements  und  später  in  Fomentatlonen  mit 
heissem  Weine.  Während  in  den  ersten  vier  Tagen  Alles  nach 
Wunsch  ging,  trat  am  fünften  Tage  Brechen  ein,  welches  durch 
das  Auslassen  des  Morphium  gehoben  wurde.  Nachdem  sodann 
am  sechsten  Tage  durch  wiederholte  Lnvoments  häufige  Stuhl- 
entleerungen  herbeigeführt  worden  waren,  worauf  der  Meteoris 
mns  sehr  verringert  wurde,  besserten  sich  die  Umstände  derge- 
stalt, dass  am  Ende  der  sechsten  Woche  die  Fraa  ihren  ge- 
wöhnlichen Beschäftigungen  nachgehen  konnte. 

(Wuriembcrg.  Med.   Corresp.  -  Blatt  u.  Revue  Thrrapeutique. 
Edinburgh  Medical-Journal  No.  118.    April  1865.) 


476  XXX.    Literatur. 


XXX. 
Literatur. 


F.  Winckel,  Studien  über  den  Stoffwechsel  bei  der  Geburt 
und  im  Wochenbette  im  Anschiuss  an  Harnanalysen  hd 
Schwangeren,  Gebärenden  und  Wöchnerinnen.  Rostock, 
1865.     8  0.    p.  127. 

Nach  einem   kurzen  Ueberblick  über  die  bisherigen  Unter- 
SQchangen  und  die  Ansichten  der  neueren  Autoren  {Danndy    Lm- 
banaki,  Lehmann,  A»  Becquerel,  Hoefle,  Boecker^  Mosler^  Litamiann^ 
HarUy,  Gegenlauer,  Veit,  Iwanoff,  Leconte,  Brueekej  Babotc,  Äfeu*- 
neTj  Kiwiseh,  L,  Mayer,  Langheinrich)  über  die  Urinsecretiou  hei 
Schwangeren,  Gebärenden  und  Wöchnerinnen,  erläutert  der  Verf. 
im  Folgenden  Art,  Zweck  und  Bedeutung  seiner,    von  Dr.    JVeid- 
ner  in  Rostock  ausgeführten,  Harnuntersuchungen.     Auf  den  £i- 
weiss-  und  Harnsäuregehalt  hat  er  dabei,    in  Betracht  der  nber 
diesen  Gegenstand  angestellten  zahlreichen  Untersuchungen  tob 
L.  Mayer,  Littmann  und  Vogel,  keine  Bücksieht  genommen,  eoa- 
dem    seine    quantitative  Untersuchung    erstreckte   sich   sanacfast 
nur  auf  Feststellung  der  in  24   Stunden  entleerten   Harnmenge 
und  des  Gehaltes  derselben  an  Harnstoff  (nach  Liebig),  KocbsaU 
(nach  Mohr)^  Phosphorsäure  (nach  Oegenbauer  und  Vogel),  Schwe- 
felsäure  (nach  Schnitte),    so    wie   der  Menge  der  trockenen  Sub- 
stanz, dann  der  feuerbeständigen  Salze  und  des  specifischen  Ge- 
wichtes.    Puls-   und  Teraperaturstand   und  sonstige  Vorändema- 
gen  des  Allgemeinbefindens,  so  wie  die  Nahrung  wurden  gebührend 
berücksichtigt.     Verf.    ist    bestrebt    mit    seinen    Untersuchungen 
„eine  Lücke  auszufüllen:    die  Physiologie   der   Harnsecretion  in 
der  Schwangerschaft,  bei  der  Geburt  und  im  Wochenbette  durch 
zahlreiche  brauchbare  Analysen   zu  begründen.''     Die  Thätigkeit 
der  Nieren    betheiligte  sich   nach   ihm  sehr    wesentlich    au   den 
nothwendigen  Ausscheidungen  im  Wochenbette,  und  es  stellt  sich 
selbst  mit  einer  geringen  Erkrankung  eine  Abnahme  der  starken 
Nierenthätigkeit  ein.     Dieser  Umstand  gewährt  daher  nicht  blos 
einen  neuen  Einblick  in  die  Involutiosprocesse  des  Puerperiums, 
sondern  auch  einen  directen  Anhaltspunkt  für  die  Therapie  und 
eruiöglicht,    richtige  Schlüsse  zu  ziehen  für  Aetiologie,  Prognose 
und  Behaudlnn^r  2.  B.    bei  Oedcni   Schwangerer,    bei  Kklaoipsie, 
bei    bedeutenden    peritonäalen    Exsudaten.    —    Die    quantitative 


XXX.     Literatur.  477 

Uotersnohnng  der  Milch  and  des  ScbweiMes  im  Vergleiche  zur 
Hamabflondemog  bei  Wöchnerinnen  wurde  niciit  angestellt,  doch 
macht  Verf.  auf  die  praktische  Bedentang  dieser  Analysen  an» 
gleich   dringlichst  aufmerksam. 

Es  folgen  nun  die  Untersachaagen  der  Harnsecretiou  in 
der  Schwangerschaft  (40  Analysen  an  vier  Personen),  deren 
Resultat  dahin  geht,  dass  die  Urinabsonderung  boi  Scliwangeren 
reichlicber  als  bei  Nichtscbwangeren,  dagegen  die  tägliche  Aus- 
Scheidung  des  Harnstoffs,  Kochsalzes,  der  SchwefelsUure  und 
wahrscheinlich  lauch  die  der  PbosphorsXure  eben  so  gross  ist, 
wie  bei  Nicbtschwaogeren. 

Weiterhin  ergaben  die  Untersuchungen  über  die  Urinsecre- 
tion  a)  bei  der  normalen  Geburt  (21  Analysen  bei  fünf  Per- 
sonen) im  Gegensätze  zur  Schwangerschaft  folgende  Rösultate: 
Die  Urinausscheidung  ist  vermehrt,  das  specifische  Gewicht  des 
Harns  geringer,  ebenso  die  Ausscheidung  an  Harnstoff,  Phosphor 
und  Schwefelsäure ;  dagegen  ist  die  Ausscheidung  des  Kochsalzes 
nicht  unbetrHchtlich  gesteigert.  Die  zweite  Gebnrtsperiode  un- 
terscheidet sich  von  der  ersten  durch  noch  stärkere  Zunahme 
der  Urinabsonderung  und  grössere  Ausscheidung  von  Harnstoff, 
Phosphorsäure  und  Schwefelsäure  —  vor  Allem  ist  aber  auch 
hier  die  Kochsalzausscbeidung  merklich  vermehrt.  Endlich  ist  di(! 
Abgabe  von  Harnstoff,  Kochsalz,  Phosphorsäure  und  Schwefel- 
säure auch  bei  der  Geburt  je  nach  der  Tageszeit  verschieden, 
und  zeigt  im  Allgemeinen  dieselbe  Cnrve   wie   die  Temperatur. 

b)  Bei  den  Gcburtsanomalieu  (26  Analysen  an  fünf 
Frauen)  dürfte  bemerkenswerth  sein,  dass  im  Allgemeinen  mit 
Eintritt  des  Fiebers  die  Harnabsondernn^  abnahm,  während  die 
Ausscheidung  von  Harn.stoff  stieg;  der  Gang  der  Kochsalz-Curve 
vorhielt  sich  d;igegen  umgekehrt  wie  die  Curve  des  Harnstoffs. 
Während  nämlich  die  Kochsalzausschetdung  auch  bei  verzöger- 
tem Geburtsverlaufe  venix^hrt  erschien  und  nur  bei  stärkerem 
Fieber  sank,  nahm  die  Ausscheidung  des  Harnstoffs  bei  der  Ge- 
bort nberhaupt  ab,  stieg  aber  entsprechend  der  Temperaturzu- 
nahme.  Die  Entleerung  der  Phosphorsäure  und  Schwefelsäure 
glich  der  Hamstoffausscheidung. 

Ferner  fand  Verf.  a)  bei  gesunden  Wöchnerinnen  (48 
Analysen  an  fünf  Frauen)  die  Harnmenge  in  den  ersten  Tagen 
des  Wochenbettes  beträchtlich  vermehrt  am  meisten  innerhalb 
der  ersten  24  Stunden;  die  Zunahme  der  Hamsecretion  im  Puer- 
perium noch  bedeutend  grösser  als  in  der  Schwangerschaft  (in 
24  Stunden  1790  r  2190);  den  Harn  selbst  klar,  nicht  zu  Bodensatz 
geneigt,  von  sehr  geringem  specif.  Gewichte ,  in  der  Regel  hell- 
gelb. Die  absolute  Ausscheidung  von  Harnstoff,  Phosphorsäure 
und  Schwefelsäure  etwas  verringert,  die  des  Kochsalzes  wenig 
oder  gar  nicht;  ein  allmäliges  mit  der  Rückbildung  der  Genita- 
lien fortschreitendes  Sinken  der  Harnmenge  auf  die  gewöhnliche 


478  XX^-     Literatur. 

Höhe,  ein  Steigen  ihres  fpecif.  Gewichtem,  den  Harn  tob  gel^r 
Farbe,  die  Anducheidong  von  Hftrnstoff,  PbosphoreKare  undSehwe- 
feUünre  derjenig^er  Geinnder  gleich.  Besonder«  hebt  Verf.  her> 
yor,  daee  die'^Aasscheidnng  dos  Kochsalses,  der  PbospbonlEnre 
nnd  8chwefelsXnre  bei  -gesunden  Wöchnerinnen  dnrchane  gleich- 
mftssig  ist  und  in  bestimmtem  Verhältnisse  sn  einander  steht,  so 
wie  dass  dieselbe  mit  der  Temperatur  der  Wöchnerin  gleichmSs- 
sig  steigt  und  fällt.  —  Die  Erkenntuiss  dieser  NierentbStigkeit 
im  Wochenbette  hält  Verf.  für  die  Therapie  von  wesentlichen 
Nutsen;  besonders  dürften  nach  ihm  Diaphoretiea  und  Dinretica 
in  den  ersten  Tagen  des  Wochenbettes  als  prophylaktische  Mittel 
eine  hohe  Bedeutung  haben. 

b)  Bei  Erkrankungen  im  Wochenbette  (114Anal7sen 
an  11  Kranken)  lassen  sich  folgende  auch  bei  anderen  Erkran- 
kungen gefundene  Sfttse  aus  den  aufgeführten  Untersuchungen 
bestätigen : 

Bei  leichten,  rein  örtlichen  fieberhaften  Ei^rankangen  sinkt 
wahrend  des  Fiebers  die  Harnmenge  merklieh,  bleibt  aber 
immer  noch  entsprechend  der  starken  Nierenthätigkeit  im  Wo- 
chenbette überhaupt  durchschnittlich  hoher,  als  bei  Nichtwoch- 
nerinnen. 

Eine  ungewöhnlich  starke  Abnahme  derselben  iKaat  ia 
Allgemeinen  eine  schwere  und  länger  dauernde  Erkrankung  progno- 
sticiren. 

Aus  dem  specifischen  Qewichtc  des  Harns  erkrankter  Wöch- 
nerinnen, welche  swischen  1,010  nnd  1,0H03'  schwankt,  lüast  sich 
ein  annähernd  richtiger  Schluss  auf  den  Gehalt  an  festen  Be- 
standtheilen,  namentlich  an  Harnstoff  sieben.  Dasselbe  ^It  Ton 
der  fiarn färbe  im  Puerperium. 

Die  Ausscheidung  des  Harnstoffs  und  der  Schwefel- 
säure durch  den  Harn  steigt  gewöhnlich  entsprechend  der  Tem- 
peratur, ihre  Steigung  überdauert  aber  das  Fastigium  derselben 
öfter  mehrere  Tage, 

Bei  schweren  Erkrankungen  im  Wochenbette,  besonders 
mit  bedeutenden  Exsudaten,  sinkt  die  gewöhnlich  bei  Wöchne- 
rinnen reichliche  Kochsalz-Ausscheidung  sehr  bedeu- 
tend und  steigt  erst  wieder  mit  dem  Nachläse  des  Fiebers. 

In  starken  fieberhaften  Erkrankungen  des  Wochenbettes  ist 
der  Gehalt  des  Harns  an  Schwefelsäure  stets  beträchtlich 
▼ermehrt. 

0.  V.  Franquey  Beiträge  zur  geburlshitlf liehen  Statistik.  Se- 
parat-Abdruck  aus  dem  22.  Heft  der  med.  Jahrbb.  f.  d. 
Herzogth.  Nassau.  Wiesbaden,  1865.  Hofbuchdr.  8^. 
VII.  und  321  S. 

Diese  durch  eine  Abhandlung  in  der  „Wient^r  M«d.  Presse* 


XXX.     Literatur.  '•  479 

schon  theilweise^bekannte  Schrift  füllt  als  Fortsetzung  früherer 
jHhrgHnge  eine  Lücke  in  der  Uebersicht  der  hebftrstliohen  Lei- 
Stangen  Deutschlands  aus  und  ist  der  Nacheiferung  werth.  Durch 
einleitende  and  Randbemerkungen  des  Herrn  Verf/s  su  den  ein- 
selnen  Kapiteln  hat  vorliegende  Zusaminenstellung  eine  doctri- 
näre  Haltung  gewonnen;  wie  viel  Mühe  in  solcher  Arbeit  auf- 
geht, kann  fibrigeuH  jeder  beartheilen,  welcher  ähnliche  Aus- 
säge anfertigt. 

Die  Revision  ist  öfters  mangelhaft  gehandhabt  worden  ;  auch 
kommen  Lapsus  calami  wie  „Encheyrese''  vor. 

Die  künstliche  Frühgeburt  erfreut  sich  gegenwärtig 
in  Nassau  eines  lebhafteren  Aufschwunges,  erreicht  aber  lange 
noch  nicht  Sachsen,  welches  nach  Ploaa  die  grösste  Frequens 
dieses  Verfahrens  aufweist.  Der  Kaiserschnitt  war  öfter  we* 
gen  Osteomalacie  als  wegen  Rachitis  nöthig,  daher  die  grössere 
Sterblichkeit  der  Mütter. 

Von  den  Kindern,  welche  wegen  Ruptura  uteri  oder  wegen 
Todes  der  Gebarenden  durch  Bauch-  oder  Gebärmutter^chniit 
snr  Welt  befördert  wurden,  ist  keines  zum  Leben  gekommen. 
Risse  der  Weich  th  eile,  worunter  einer  (S.  153.)  durch  MaKt- 
darm  und  Harnröhre  sugleich  drang,  waren  verhftitnissmässig 
selten,  der  Ausgang  für  die  Mütter  besser  als  nach  anderen  Zu- 
sammenstellungen. Rei  Vorfall  eines  Armes  neben  dem  Kopfe 
ereignete  sich  ein  centraler  Dammriss. 

Drehungen  mit  der  Zange  werden  von  Verf.  stark  befür- 
wortet; aaoh  rKtb  er  angelegentlich  zum  Erfassendes  sögernden 
Steisses  mit  der  Kopfeange ,  und  verwirft  den  stumpfen  Haken. 
Die  Wendung  auf  den  Kopf  ist  häufiger  als  früher  unter- 
nommen worden,  nümlich  bei  34  unter  247,570  Kindern,  welche  in 
den  Jahren  1843  bis  1859  geboren  sind.  Wir  lesen  mit  Beifall, 
dass  Verf.  für  diese  heilbringende  Operation  plaidirt.  Ebenso 
sind  wir  auf  seiner  Seite,  wenn  er  gegen  das  gewiss  zu  häufige 
Eingreifen  bei  Gesichts-  und  Beckenendlagen  eifert.  Ein  inter- 
essantes  Zwillingsmonstruni  ist  S.  30S.  beschrieben.  Auf  die  von 
uns  genannten  Kapitel  der  ^.^schen  Aufzählung  näher  einzugehen, 
mangelt  uns  hier  leider  der  Raum.  C.  Hennig, 


480  '^*  Martin  in  Berlin  an  G.   Veit  sn  Bonn. 


E.  Martin  in  Berlin  an  Q.  Veit  zu  Bonn. 

Im  Septemhefl  dieser  Monatsschrift  S.  171  sagt  G.  Veit, 
er  habe  die  Ueberzeugung  nicht  zu  gewinnen  vermochl,  dass 
Calomel  in  grösseren  Dosen  bei  Wöchnerinnen  eine  schwere 
Affection  des  Darmcanales  zur  Folge  habe,  wie  M^artin  (Mo- 
natsschrift, 25.  Band.  S.  86)  befürchtet.  Infi  Interesse  der 
Wahrheit  wie  der  Kranken  theile  ich,  ohne  die  bekannten 
grünen  und  blutigen  Stuhlausleerungen  nach  Calomei-Gebraiic/i 
hervorzuheben,  in  Folgendem  den  Grund  meiner  Befürch- 
tung mit. 

Vor  längerer  Zeit  starb  wenige  Stunden  nach   ihrer  Ver- 
legung in  die  gynäkologische  Klinik  des  Charite-Kraukeii/iafi* 
ses,  welcher  Martin  vorsteht,  eine  aus  der  Stadt  vor  meh- 
reren Tagen  zunächst  auf  eine   andere  Abtheilung  gebrachte 
Puerperalßeberkranke,    nachdem  sie  dort  grosse  Dosen  von 
Calomel  bekommen  hatte.     Die  Section  ergab  neben  Erschei- 
nungen   der    puerperalen    Entzündung    der    Genitalien    eine 
sehr    auffallende     sammtartigo    Schwellung    und 
intensive  Röthung  der  ganzen  Darmschleimhaul, 
welche   mit   eitrigen   Exsudatflocken  und  ausge- 
tretenem   Blute    bedeckt    war.     Der  Secant    v,  Reck- 
linghausen erklärte   diese  SchleiniliautalTeclion  für  eine  Wir- 
kung   des    vorausgegangenen    Calomelgebrauchs ,    und    sagte 
ebenso  wie  die  übrigen  Assistenten  des  pathologischen  Insti- 
tuts,   dass   sich  dieser  Befund   an  den  Leichen  aller  Wöch- 
nerinnen wiederfinde,   welche  von  jener  Abtheilung  kommen, 
wo  sie  mit  grossen  Gaben  Calomel  behandelt  wurden»    Da  Ich 
selbst  dergleichen  Dosen  bei  Wöchnerinnen  nicht  verordnet  habe, 
also  au6h  derlei  Befunde  nur  zuföllig  zu  sehen  bekam,  mochte 
ich  nur  von  Befürchtung  sprechen. 

]BlK8fti]i* 


W.ri'.iT^-.rinft  f\ir Uehmtode Bd. UTIlfl.l . 


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Mo!..:V':.chr.li  lur  Gebiirtsk^jnde  Bd  XaYI  tift  i 


Os.jj  Furi'.^iiii  Int'aj 


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Tig.l. 


LÖJige  oon  a~c  3J^^/4f"  (englisches MaafiJ. 

,  b-  c  3S^/2  " 
,    c^d/m" 

,  f-  g  J2<2  ' 
,  f^e  8Vs' 
,    a-iu.b^k  /23U' 

Junen  Breit f  des  Stuhls  und  <itr  Rüeklehnr  22n' 
Die  Schamierstangm  in  cef(von  ^/SsöUi^rmJtwid 
eisen) mji.22m,  22V4vl. 22Wlang.  \ 

Die  YerhifvdungssliuujeTv  hei  i  u.k  23 '/Au,. 22 ^Z» ' Uaiß.  ^ 
Die^JüUe  lfivnJlmunilauf'end)/0'lang. 


J 


Ü'.car  Furstenair,  hipzi^. 


Kouatssduf.  &el)imsi.l865.Bd.IXVI.  Eefl3.        — 


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