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Full text of "Monatsschrift für Ohrenheilkunde sowie für Kehlkopf-, Nasen-, Rachenkrankheiten 42.1908 Iowa"

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Monatsschrift 

t'fir 

Ohrenheilkunde 

sowie für > - ' \ 1 , : \ : 

Kehlkopf-, Nasen-, Rachenkrankheiten 

Organ der Oesterrelchlschen otoi ogisehen Oesellschart 
und der Münchener laryngo- otologlschen Gesellschaft 

Begründet von GRUBER, RÜDINGER, von SCHRÖTTER, VOLTOLINI, WEBER-LIEL 

Unter Mitwirkung von 

Dozent Dr. E. BAUMGARTEN (Budapest), Prof. Dr. A. BING (Wien), Privatdozent I)r. G. BRÜHL 
(Berlin), Prof. Dr. GOMPERZ (Wien), Dr. HEINZE (Leipzig), Prof. I)r. HEYMANN (Berlin), 
Prot Dr. HOPMANN (Cüln), Dr. KELLER (Cöln), Prof. Dr. KIRCHNER (Würzburg), Dr. LAW (London), 
Prof. Dr. LICHTENBERG (Budapest), Dr. LUBLINSKI (Berlin), Prof. Dr. ONODI (Budapest), 
Prof. Dr. PAULSEN (Kiel), Dr. A. SCHAPRINGER (New York), Dr. J. SENDZIAK (Warschau), 
Dr. E. STEPANO W (Moskau), Prof. Dr. STRÜBING (Greifswald), Dr. WEIL (Stuttgart), Dr. ZIEM (Danzig) 

sowie von 

Dozent Dr. G. ALEXANDER (Wien), Dozent Dr. F. ALT (Wien), Prof. Dr. H. BURGER (Amsterdam), 
Dr. H. FREY (Wien), Prof. Dr. M. GROSSMANN (Wien), Dozent Dr. V. HAMMERSCHLAG (Wien), 
Dr. J. KATZENSTEIN (Berlin), Prof. Dr. H. NEUMAYER (München), Prof. Dr. P. PIENIAZEK (Krakau), 
Dozent Dr. L. RETHI (Wien), Prof Dr. A. ROSENBERG (Berlin), Prof. Dr. A. SCHÖNEMANN (Bern), 

Dr. A. TROST (Hamburg) 

herausgegeben von 

Prof. Dr. E. ZUCKERKANDL Prof. Dr. V. URBANTSCHITSCH 

Wien 

Prof. Dr. A. JURASZ 

Heidelberg 


Wien 


XLIl. Jahrgang 



Berlin 1908 

VERLAG VON OSCAR COBLENTZ c 

W. 30, Maaßenstraße 13 


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Haupt-Register des XLII. Jahrganges. 


Verzeichnis der Originalarbeiten. 


Alexander: lieber die schulärzt¬ 
liche Untersuchung 1 tle.s Gehör¬ 
nt ganes 80. 

— und M ackenzie: Funktions- 
IM'üfungen des Gehörorganes an 
Taubstummen 281. 

Alt: Ein Beitrag zur Anatomie der 
angeborenen Form der Taub¬ 
stummheit 2. 

— Das Mikro-Telephon als Hör¬ 
apparat 42. 

— Die operative Behandlung der 
otogenen Fazialislähmung 285. 

A mberg: Eint» modifizierte Spie¬ 
le gelzange 40. 

>* Brirdny: Die Untersuchung der 
optischen und vestibulären reflek¬ 
torischen Augenbewegungen in 
einem Falle von einseitiger Blick- 
v lä Innung 109. 

Bleyl: Feber die Entstehung der 
Nasendeformität durch Polypen¬ 
bildung 551. 

Böhm: Feber Sprachstörungen und 
.v» deren Ursachen 335. 

v. Bol e w s k i: Zwei Fälle von 
V otogenem linksseitigen Schläfen- 
abszeß 11. 

Burger: Die Bedeutung der Rönt- 
genstrahlen in der Rhino-Laryn- 
gologie 100. 

Cohn: Eine eitergefüllte Knochen- 
zyste der unteren Nnsenmuschel 20. 


F i s c li e r und M ö 11er: Beiträge 
zur Kenntnis des Mechanismus der 
Brust- und Falsettstimme 411. 

Fla tau: Neuere Beobachtungen 
über die Phonasthenie 299. 

Frey: Zur Frage der sogen, rezi¬ 
divierenden Mastoiditis 521. 

G a 1 e b s k y: Feber die Anwendung 
der Bronchoskopie in zwei Fällen 
von Asthma bronchiale 359. 

Ilalasz: Papillom der Fvula 300. 

— Fall eines objektiv hörbaren, 
entotisehen Ohrengeräusches 408. 

II a in m e r s c h lag: lieber die 

Notwendigkeit der Einführung 
einer präziseren Nomenklatur für 
die verschiedenen Formen der 
Taubstummheit 584. 

Häusel m a n n : Hyperplasie der 
Rachenmandel 79. 

H e c h t: Die klinische Verwertung 
patholog.-histolog. Diagnosen 030. 

Heiinig: Der Einfluß der deut¬ 
schen Meere (Ost- und Nordsee) 
auf die Tuberkulose der oberen 
Luftwege 345. 

J a n s e n: Extraduralabszeß mit 

Sprachstörungen beim Erwach¬ 
senen 304. 

— Zur Nachbehandlung der Radikal¬ 
operation des Mittelohres 400. 

J ü r g e n s: Sinus sigrnoideus der 
7—11jährigen 377. 


7807 


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4 


Kanasugi: Beiträge zu den intra¬ 
kraniellen otogenen Erkrankungen 
238. 

Kuttner: Unterbrechungshand¬ 

griff für den Nebulorapparat 41. 

Lamann: Zum ferneren Ausbau 
meiner Theorie des oberen Schutz¬ 
vorrichtungssystems 74 538. 

Leuwer: Ein Vorschlag zur The¬ 
rapie der Nasenflügelinsufhzienz 
424. 

Liebermann und R e v e s z: 
Ueber Orthosymphonie 559. 

Löwe: Zur Aufdeckung der Regio 
respiratoria 516. 

Mack enzie: Zur klinischen Dia¬ 
gnostik des Mittelohrcholesteatoms 
155. 

Mayer: Ueber histologische Ver¬ 
änderungen der Nasenschleimhaut 
bei Leukämie und über die Ent¬ 
stehung des Nasenblutens bei die¬ 
ser Erkrankung 259. 

Menzel: Zur Fensterresektion der 
verkrümmten Nasenscheidewand 
295. 

— Nachträgliche Bemerkung zu 
meinem im Septemberheft enthal¬ 
tenen Aufsatz über die submuköse 
Fensterresektion d. Nasenscheide¬ 
wand 639. 

Ottersbach: Ein Fall von Dia¬ 
phragma laryngis 628. 

Pike: Untersuchungen über das 
Verhalten des Vestibularapparates 
bei nicht eitrigen Erkrankungen 
des Ohres 212. 

Rethi: Einiges über die Schwie¬ 
rigkeiten der laryngoskopischen 
Untersuchung bei Hyperästhesie 
der Rachengebilde 174. 

— Einiges über die Pendelzuckung 
365. 


Rh ose: Ueber die Beziehungen 
zwischen Sprachgehör und Hör¬ 
dauer für Stimmgabeltöne und die 
Verwertung derselben bei der Be¬ 
urteilung von Simulation und 
Aggravation 447. 

R u p r e c h t: Zur Pneumokokken- 
invasion des Halses 558. 

R u 11 i n : Zur tamponlosen Nach¬ 
behandlung mit Bemerkungen über 
die Ausheilung nach der Radikal¬ 
operation 113. . 

Sack: Ein Fall von Kleinhirn¬ 
abszeß 360. 

— Einige Bemerkungen zum Aufsatz 
des Herrn F. Semon: Noch einmal 
zur Frage der Pneumokokken¬ 
invasion des Halses 556. 

Semon: Noch einmal zur Frage 
der Pneumokokkeninvasion des 
Halses 323. 

Sendziak: Ueber die sogenann¬ 
ten adenoiden Vegetationen im 
Nasen-Rarhenraume auf (»rund 
von mehr als 1000 ausgeführten 
Operationen 32. 

— Die Frage der Radikalbehandlung 
des Kehlkopfkrebses in den letz¬ 
ten 50 Jahren (1858—1908) 179. 

S e y f f a r t h: Eine neue Nasen¬ 
zange zur Erweiterung der Kiefer¬ 
höhlenöffnung im mittleren Nasen¬ 
gange 177. 

Theimer: Ueber die Methode der 
Venenausschaltung bei otitisrher 
Sinusthrombose und Pyämie 527. 

Ziffer: Ueber die Veränderungen 
des Gehörorgans im vorgeschritte¬ 
nen Alter 63. 

Z i t o w i t s c h : Ueber die Behand¬ 
lung der Otosklero.se mit dem 
faradischen Strom 597. 


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Sach-Register. 


A 

Abszeß: des Großhirns, otitischer 144; 
des Hirns, Fall von otogenem 144; 
retropharyngealer 104; an der 
Schädelbasis 100; des linken 
Schläfenlappens, zwei Fälle von 
otogenem linksseitigen 11. 

• Acusticus: akute toxische und infek¬ 
tiöse Neuritis des 191; Tumoren 
des: und über die Möglichkeit 
ihrer Diagnose auf Grund der bis¬ 
herigen Kasuistik 99, Operations¬ 
methode zur Entfernung von 658. 

Adenoide Vegetationen: über die so¬ 
genannten — im Nasenrachenräume 
auf Grund von mehr als 1000 aus¬ 
geführten Operationen .42; zur 
Operation der 105. 

Adenoide Wucherungen 97. 

ALpin: Erfahrungen über die Ver¬ 
wendbarkeit des — in der Ohren¬ 
heilkunde 691; in der Rhino-Pha- 
ryngologie 58. 

Anästhesie, lokale bei Nasenopera¬ 
tionen 428. 

Aneurysma der linken Arteria ver- 
tebralis 100. 

Angina: Schwindel mit Nystagmus 
130; Vincenti 105. 

Antithyreoidin Moebius, Beitrag zur 
Behandlung des Morbus Basedowii 
mit 106. 

Argyrie der Nasenschleimhaut 134. 

Arsenik zur Verhütung der Papillom¬ 
rezidive 279. 

Arteria vertebralis, Aneurysma der 
linken 100. 


Arterien, Rankenangiom der 129. 

Asthma bronchiale: 104, 201; Bron¬ 
choskopie in 2 Fällen von 359. 

Atlanto-Ökzipitalgelenke, eitrige Er¬ 
krankung der 100. 

Atresia auris congenita mit subperi¬ 
ostalem Abszeß und Mastoiditis 339. 

Atresie, chirurgische Behandlung der 
kongenitalen 191. 

Atticitis chronica beiderseits 97. 

Attikotomie 56. 

Aufmeißelung: des Processus mastoi- 
deus nach Schwartze 369; des 
Warzenfortsatzes und primäre Hei¬ 
lung 187. 

Augen* und Nasenkrankheiteu, Be¬ 
ziehungen zwischen 199. 

Augenbewegungen, optische u. vesti¬ 
buläre reflektorische bei einseitiger 
Blicklähmung 109. 

Augenleiden, Nebenhöhlenleiden und 
Aetiologie der sekundären 184. 


B 

Bacterium: coli und Bacterium lactis 
aerogenes als Ursache von Mastoi¬ 
ditis und Epiduralabszeß 442; lactis 
aerogenes und Bacterium coli als 
Ursache von Mastoiditis und Epi¬ 
duralabszeß 442. 

Basedowsche Krankheit, Serum-Be¬ 
handlung derselben 149. 

Basisfraktur, anatomischer Befund 
des Gehörorgans nach 144. 

Beleuchtungs-Prinzipien endoskopi¬ 
scher Rohre 433. 


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Biersche Stauungshyperämie: ein¬ 
facher praktischer Apparat für die 
279; als Heilmittel bei Erkrankun¬ 
gen der oberen Luftwege 58; bei 
akuten Mittelohreiterungen 307. 

Bifurkation der Trachea 270. 

Bindehautentzündungen nasalen Ur¬ 
sprungs 102. 

Blicklähmung, optische u. vestibuläre 
reflektorische Augenbewegungen 
bei einseitiger 100. 

Blitzschlag, 2 Fiillo von 313. 

Blutegel in der Trachea. Extraktion 
durch d. direkte Bronchoskopie 150. 

Blutleiter, otitische Erkrankungen 
der (Körner) 274. 

Botey-Killiansche Operation 101. 

Bronchien, mit der Killianschen 
Tracheo-Bronchoskopio diagnosti¬ 
zierte Erkrankungen der 277. 

Bronchoskopie in 2Fällen von Asthma 
bronchiale 359: Extraktion eines 
Blutegels aus der Trachea durch 
die direkte 150; Entfernung von 
Fremdkörpern aus den unteren 
Luftwegen mit Hilfe der 58; wegen 
eines Fremdkörpers im Bronchus, 
Heilung 370; und Oesophagoskopie, 
Instrumentarium für die 271. 

Bronchus. Fremdkörper in demsel¬ 
ben, Bronchoskopie, Heilung 376: 
Tannensamen im rechten, keine 
Einkeilung, einfache Tracheotomie 
150. 

Brustorgane, -Verlagerung der Luft¬ 
röhre und des Kehlkopfes infolge 
von gewissen Veränderungen der 
201 . 

Bruststimme, Beiträge zur Kenntnis 
des Mechanismus derselben und 
Falsettstimme 411. 

Bulbus, Erscheinungen von seiten des 
— und der Orbita bei Erkrankun¬ 
gen der Keilbeinhöhlen 101. 

c 

Cholesteatom: 129, 502, G05: des 
Mittelohrs, klinische Diagnostik 
desselben 155; der rechten Seite 97. 

Corpus alienum c-avi oris 134. 

D 

Dekanulement, durch Diaphragma 
der Trachea erschwertes 321. 


Desaultsche Operation des Kiefer- 
hölilenempyems 376. 

Diabetes mellitus, Nasen-, Hals-, Kehl¬ 
kopf- und Ohren-Störmungen im 
Verlauf von Diabetes mellitus 102. 

Diaphragma: laryngis: 312, Fall 
von 628; der Trachea nach Diph¬ 
therie und erschwertes Dekanüle- 
ment 321. 

Dichtbestimmungsmethode von Ham- 
mersclilng, Steigerung des spezi¬ 
fischen Gewichtes des Ohreneiters 
bei Otitis media suppurativa acuta 
als Indikation für die Eröffnung des 
Processus mastoideus und über die 
mit der — verbundenen Fehler 55. 

Diphtherie: Diaphragma der Trachea 
nach derselben und erschwertes 
Dekanulement 321; Entstehung und 
Verhütung chronischer 106; der 
Trachea mit mehrfacher Neubil¬ 
dung von Pseudomembranen 277. 

Diplakusis: 96, 645; echotic-a 645. 

Divertikelbildung, doppelseitige des 
Kehlkopfes 430. 

Doppelthöreu 645. 

Durchbruchsabszossc am Halse, aus¬ 
gehend vom Ohr 319. 

E 

Eiterung, Uebergnug aus dem Mittel¬ 
ohr durch das Scluieckenfenster in 
das Labyrinth 277. 

Elektromagnet zur Entfernung von 
Fremdkörpern aus dem Ohr 319. 

Empyem der Kieferhöhle: Erfolg der 
Desaul tschen Operation wegen 376; 
verursacht durch Fremdkörper in 
der Nasenhöhle 147; bisherige Er¬ 
fahrungen mit einer Modifikation 
der Friedrichschen Operation des 
chronischen 445. 

Eudolaryngoskopie mittels zweier 
Kehlkopfspiegel 694. 

Epiduralabszeß, Bacteriuin coli und 
Bactcrium lactis als Ursache von 
Mastoiditis und 442. 

Epiglottisamputation bei Kehlkopf¬ 
tuberkulose 269. 

Erblindungen, durch Nasencrkran- 
kungen bedingte kontralaterale Soli-" 
Störungen und 196. 

Ertaubung im Verlaufe von akuter 
Osteomyelitis und von septischen 
Prozessen im allgemeinen 57. 


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7 


Erythema nodosum 312. 

Exostose, von der unteren Peripherie 
des Anuulus ausgehende 656. 

Extraduralabszeß mit Sprachstörun¬ 
gen beim Erwachsenen 804. 

F 

Faoialislühmung: operative Behand¬ 
lung der otogenen 285; traumatisch¬ 
chirurgische 692. 

Facialisparalyse 427. 

Falschhören, musikalisches 96. 

Falsettstimme, Beiträge zur Kenntnis 
der Brust- und 411. 

Faradischer Strom zur Behandlung 
der Otosklerose 597. 

Felsenbeine, Beitrag zur Kenntnis 
der 191. 

Fensterroseküon: der Nasenscheide¬ 
wand, Bemerkungen zum Aufsatz 
über die submuköse 639; der ver¬ 
krümmten Nasenscheidewand 295. 

Fistel des Labyrinths 569. 

Fontanelle des mittleren Nasenganges, 
häutige Bestandteile der 198. 

Fractura ossis temporis 675. 

Fremdkörper: in einem Bronchus, 
Bronchoskopie, Heilung 376; Ent¬ 
fernung aus den unteren Luftwegen 
mit Hilfe der Bronchoskopie 58; in 
der Nase als Folge von Trauma 444; 
im Ohr, Entfernung durch den 
Elektromagneten 319; in der Speise¬ 
röhre 200; in den tieferen Luft¬ 
wegen 200; in der rechten Tuba 
Estachii 100. 

Friedrichsche Operation des chroni¬ 
schen Kieferhöhlenempyems, bis¬ 
herige Erfahrungen mit einer Modi¬ 
fikation der 446. 

Frontalgyrus des Gehirns, Sarkom im 
rechten mittleren 271. 

Fulguration in der Laryngologie 678. 

Funktionsprüfung des Gehörorgans 
an Taubstummen 281. 

G 

Galvanokaustische Behandl. zweier 
Fälle von Lupus laryngis 427. 

Gaumensegel-Insuffizienz, chiiurg. 
Behandlung der 148 

Gehirn: mit Sarkom im rechten mitt¬ 
leren Frontalgyrus 271; eines Fal¬ 
les von Schläfenlappenabszeß 661. 


Gehör: Funktionsprüfung dosseiben 
an Taubstummen 281; und Labv- 
rintheiterung (Herzog) 272. 

Gehörerscheinnngen, subjektive echo¬ 
artige 645. 

Gehörgang: Konkremcntbildung im 
äußeren 690; u. Ohrmuschel, akut¬ 
eitrige Mastoiditis bei angeborenem 
Defekt derselben 191; Zerreißung 
desselben 310. 

Gehörorgan: anatomischer Befund 
nach Basisfraktur am 144 ; Erkran¬ 
kungen desselben bei allgemeiner 
progressiver Paralyse 100; schul¬ 
ärztliche Untersuchung desselben 
80: Veränderungen des — im vor¬ 
geschrittenen Alter 63. 

GernchVerwandschaft 424. 

Gesichtsschutzmaske nach Angabe 
des Zahnarztes Otto Eichentopf 106. 

Großhirnabszeß, Therapie des otiti- 
sehen 144. 

H 

Haarzunge, schwarze 20(1 

Hals-,: Nasen-, Kehlkopf- u. Ohren¬ 
störungen im Verlauf von Diabetes 
mellitus 102; vom Ohr ausgehende 
Durchbruchs- u. Sonkungsabszesse 
am 319; Pneumokokken-Invasion 
desselben 323, 556, 558. 

Halskomplikationen, Phlegmon lig- 
liieux mit 428. 

Halsverletzungen, zum Kapitel der 
446. 

Hammergriff, Fall von ausgeheilter 
Fraktur desselben 416. 

Hammerschlagsche Dichtbestim- 
mungstheorie, Steigerung des spe¬ 
zifischen Gewichtes d. Ohreneiters 
hei Otitis media suppurativa acuta 
als Indikation für die Eröffnung 
des Processus mastoideus und über 
die mit derselben verbundenen Feh¬ 
ler 55. 

Heißluftkauterisation und Kalomel- 
Jodbehandlung her Schleimhaut¬ 
tuberkulose 104. 

Helmholtzsches Verfahren gegen Heu¬ 
fieber, modifiziertes 146. 

Heufieber: Modifikation des Helm- 
holtzschen Verfahrens gegen 146; 
Beitrag zur Kasuistik desselben 320; 
zur Lehre vom 444; Therapie des¬ 
selben 197. 


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— 8 — 


Heuselmupfenbehandlnng nach eige¬ 
nen Erfahrungen 375. 

Hirn, otitische Erkrankungen des¬ 
selben (Körner) 274. 

Hirnabszesse: Differential- Diagnose 
ethischer und metastatischer 442. 
drei otogene 9(); Fall von otogenem 
144; nach otitischer Sinnsthroni- 
bose, Todesfälle infolge von 100. 

Hirnhäute, otitische Erkrankungen 
der (Körner) 274. 

Hörapparat, Mikro-Telefon als 42. 

Hördauer, Beziehungen zwischen 
Sprachgehör und — für Stimm- 
gabcltöne und die Verwertung der¬ 
selben bei der Beurteilung von 
Simulation und Aggravation 447. 

Hörnerv-Atrophic und degenerative 
Neuritis 14‘!. 

Hörprüfung, Simulation hei der 6{K). 

Hvperämio nach Bier als Heilmittel 
bei Erkrankungen der oberen Luft¬ 
wege 68. 

Hyperästhesie der Bachengebilde, 
Schwierigkeiten der Laryngoskopie 
bei 175. 

Hyperplasie der Bachenmandel 79. 

Histologie und Pathogenese der 
Bachenmandel 375. 

Hypopharynx. Karzinom 67s. 


I 

Inhalationsmethodon und Inhalations¬ 
apparate, neue 321. 

Intrakranielle: Komplikationen bei 
Stirnhöhlenerkrankungen 309: oto¬ 
gene Erkrankungen, Beiträge zu 
den 238. 

Intubation und sekundäre Tracheo¬ 
tomie, Verhütung der Kehlkopf¬ 
stenosen nach 150. 


J 

Jodkali bei Tuberkulose der oberen 
Luftwege 200. 


K 

Kalomel-Jodbehandlung und Heiß- 
luftkauterisntion bei Schleimhaut- 
tuberkulöse 104. 


Karzinom: des Hypopharynx 67s : 
des Kehlkopfes: totale Abtra¬ 
gung 107, Frühdiagnose und Be¬ 
handlung 152; der Schädelbasis 671. 

Kasuistische Mitteilungen aus der 
Privatkliuik 582. 

Katarrh der oberen Luftwege. Be¬ 
handlung demselben 322. 

Kehle, neuer Apparat zur vibrieren¬ 
den Massierung der 694. 

Kehlkopf: totale Abtragung in einem 
Falle von Karzinom 107; mit doppel¬ 
seitiger Divertikelbildung 430; leu¬ 
kämische Affektion desselben 437; 
Nasen-, Hals- und Ohrenstörungen 
im Verlauf von Diabetes mellitus 
102: der Sänger, Ventrikel form des¬ 
selben 202; tuberkulöse Neubildung 
im 673: Verlagerung desselben in¬ 
folge von Veränderungen der Brust¬ 
organe 201: ungewöhnlich lang¬ 
gestielte Zyste des 672. 

Kehlkopfkrebs: Frühdiagnose und 
Behandlung 152; Radikalhohand- 
lung in den letzten 50 Jahren 
(1858—1908) 179. 

Kehlkopfmuskeln, wechselseitige 
funktionelle Beziehungen unter¬ 
einander 279. 

Kehlkopfpapillome bei kleinen Kin¬ 
dern, Knkotomie gegen subglot¬ 
tische 279. 

Kehlkopfspiegel 133. 

Kehlkopf - Stenosen, Verhütung der 
nach Intubation und sekundärer 
Tracheotomie sich einstellenden 150. 

Kehlkopftuberkulose: Epiglottisam¬ 
putation bei 269; hei Kindern 107; 
Schweigetherapie bei der278; thera¬ 
peutischer Wert der Stimmruhe 
bei der Anstaltsbehandlung der 151. 

Kcilbeinttüge 1 ., von demselben aus¬ 
gehender maligner Tumor 309. 

Keil heinhöhle, Erscheinungen von 
seiten des Bulbus und der Orbita 
bei Erkrankungen der 101. 

Kieferhöhle: Nachbehandlung der auf- 
gemcißelten 692; bisherige Erfah¬ 
rungen mit einer Modifikation der 
Friedrichsehen Operation des chro¬ 
nischen Empyems der 445; eigen¬ 
artige Schußverletzung der 103; 
tumorartige Tuberkulose der Nase 
und 436; Veränderung der Killian- 
schenKanäle für Spülung derselben 
vom mittleren Nasengange aus 693. 


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9 


Kieferhölilenempvem: Erfolge der 
Desaultschen Operation 376: ver¬ 
ursacht durch Fremdköi-per in der 
Nasenhöhle 147. 

KieferhöhlenötTnung im mittleren 
Nasengange, Erweiterung durch 
eine neue Xasenzange 177. 

Killiansche Tracheo - Bronchoskopie 
bei Erkrankung der Luftröhre und 
der Bronchien 27? 

Killiansche Kanüle für Spülung der 
Kieferhöhle vom mittleren Nasen¬ 
gange aus, Veränderung derselben 
093. 

Kinder: Kehlkonftuberkuloso der 1()7: 
Opiumbehandlung der Larynxste- 
nose bei 107. 

Kleinhirnabszeß: ein Fall von 300: 
und Meningitis der hinteren Schädel¬ 
grube, Differentialdiagnose von 504; 
und Sinusthrombose, atypischer Fall 
von 318. 

Kleinhirnbrückenwinkeltumor m. Aus¬ 
fluß von Liquor cerebrospinalis aus 
der Nase 438. 

Klimatische Behandlung der Tuber¬ 
kulose der oberen Luftwege 375. 

Knochencyste, eine eitergefüllte der 
unteren Nasenmuschel 26. 

Konkrementbildung im äußeren Ge¬ 
hörgang 090. 

Kopferschütterungen: Hörfähigkeit 
für die Sprache nach 190; Beteili¬ 
gung des inneren Ohres 190. 

Kopfschmerz: nasaler und nasale 
Neurasthenie 374; nach Otorrhoo 
561. 

Krampfanfälle, akustische und optisch 
motorische Folgeerscheinungen von 
579. 

Krikotomie gegen subglottische Kehl¬ 
kopfpapillome bei kleinen Kindern 
279. 

Kuhusche Tubage 093. 


L 

Labyrinth: Operation 120; Uebergang 
der Eiterung durch das Schnecken¬ 
fenster in das 277. 

Labyrint.heiterung u. Gehör (Herzog) 
272; Meningitis durch dieselbe her¬ 
vorgerufen 370. 

Labyrintherscheinungen während der 
Ohroperation 443. 


Labyrinthfistol 509: bei rechtsseitigem 
Schläfenlappenabszeß 318. 

Labyrinthitis serosa, traumatische 410. 

Labvrinthreflexe, Bestimmung mit¬ 
tels eines Kotierungsapparates 431. 

Lähmung des Fazialis: operative Be¬ 
handlung der otogenen 285; trau¬ 
matisch-chirurgische 692. 

Laryngitis membrano-ulcerosa fusi- 
bacillaris 440. 

Laryngologio: Alypin in der 58; Ful- 
guration in der 078: Bedeutung 
der Röntgenstrahlou in der 100; 
Köntgenstrahlen im Dienste der 432. 

Larvngologische: Universitätsschrif- 
ten-Literatur, die an den franzö- 
sichen und schweizer Universitäten 
im Universitatsjahr 1900/07 er¬ 
schienen ist 130; Verb an dl n 11 - 
gen: auf den Sitzungen des Lodzer 
ärztlichen Vereius 60, auf den 
Sitzungen des Warschauer ärzt¬ 
lichen Vereins 59. 

Laryngoskopie. Schwierigkeiten der¬ 
selben bei Hyperästhesie d. Kachen- 
gebilde 174. 

Larynx: Diaphragma desselben 312; 
neue Fragestellung zur Symptoma¬ 
tologie der Sensibilitätsstörungen 
im 202. 

Lary nxstenose im Kindesalter, Opium¬ 
behandlung 107. 

Lehrbuch der Ohrenheilkunde (Boen- 
ninghaus) 441. 

Leukämie, liistologische Veränderun¬ 
gen der Nasenschleimhaut und Ent¬ 
stehung des Nasenblutens bei 259. 

Leukämische AtVektionen des Kehl¬ 
kopfes 437. 

Lippen- und Mundwasserekzeme 103. 

Liquor cerebrospiualis, Kleinhirn¬ 
brückenwirbeltumor mit Ausfluß 
von — aus der Nase 438. 

Luetische Erkrankungen der Parotis 
094. 

Luftröhre, Verlagerung derselben in¬ 
folge von Veränderungen der Brust¬ 
organe 201. 

Luftröhrenerkrankungen, diagnosti¬ 
ziert mit der Killianschen Trachco- 
Bronchoskopie 277. 

Luftwege: Behandlung des akuten 
Katarrhs der oberen 322: Einfluß 
der 09t- und Nordsee auf die Tu¬ 
berkulose der oberen 345; Fremd¬ 
körper in den tieferen 200; Ent- 


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10 


fernuug von Fremdkörpern aus den 
unteren — mit Hilfe der 58; Hyper¬ 
ämie nach Bier als Heilmittel bei 
Erkrankungen der oberen 58; Jod¬ 
kali bei Tuberkulose d. oberen 200; 
klimatische Behandlung der Tuber¬ 
kulose der oberen 375; Schleim¬ 
hau tlupus der oberen 105; Stau- und 
Saughyperämie in den oberen 275, 
Lupus: laryngis, 2 Fälle von 427; 
der Nase, durch X-Strahlen geheilt 
374; der Schleimhaut der oberen 
Luftwege 105. 


M 

Maudeltuberkulose, primäre 684. 

Massierung der Kehle, neuer Apparat 
zur vibrierenden 094. 

Mastoidaufmeißelung, doppelseitige 
einfache 271. 

Mastoiditis: und Atresia auris con¬ 
genita mit subperiostalem Abszeß 
369; liacterium coli und Bacterium 
lactis nerogenes als Ursache der¬ 
selben und Epiduralabszeß 442: 
bei angeborenem Belekt der Ohr¬ 
muschel und des äußeren Gehör¬ 
ganges, akuteitrige 190; rezidivie¬ 
rende 44, 443. 521. 

Meatus: Atresie desselben u. eitrige 
Mittelohrentzündung 310; audi- 
torius internus, Verhalten des nor¬ 
malen N. coehlcaris im 373. 

Menieresche Krankheit, Behandlung 
derselben 422. 

Meningitis: Fall von eitriger 415; 
durch akuto Labyrintheiterung her¬ 
vorgerufen 370; der hinteren Schä¬ 
delgrube und Kleinhirnabszeß 5G4; 
serosa 418. 

Meningo-Encephalitis serosa, Kasui¬ 
stik 144. 

Meningokokken, Untersuchungen der 
Nasen rachenhöhle gesunder Men¬ 
schen auf 580. 

Mikro-Telephon als Hörapparat 42. 

Mittelohr: Ausbreitung des Schleim¬ 
hautepithels auf die Wundflächen 
nach Operationen am 579; Nach¬ 
behandlung der Radikaloperation 
desselben 401; tuberkulöse Erkran¬ 
kung desselben 568; L T ebergang der 
Eiterung durch das Schnecken¬ 
fenster ins Labyrinth 277. 


Mittelohrcholesteatom, klinische Dia¬ 
gnostik desselben 155. 

Mi tt el oh r ei t e r u n g: R adi k al o p er a t i o 1 1 
604; Stauungshyperämie nach Bier 
bei akuter 317. 

Mittelohrentzündung: völlige Atresie 
des Meatus und eitrige 310; Sinus¬ 
thrombose bei ausgelieilter akuter 
143; Streptococcus mucosus als 
Erregei der 145. 

Monochord zur Bestimmung der obe¬ 
ren Hörgrenze nach Prof. Schulze 
642. 

Morbus Basedowii, Beitrag zur Be¬ 
handlung desselben mit Antithyre- 
oidin Moebius 106. 

Mund der Speiseröhre 278. 

Mundwasserekzeme 103. 

Musikalisches Falschhören 96. 

Muskelatrophie mit bulhären Sym¬ 
ptomen, subakute Spinale 309. 

Musculus cricotliyreoideus, Paralyse 
des 148. 


Nase*: Chirurgie der malignen Tu¬ 
moren der malignen Tumoren der 
193; Fremdkörper in derselben als 
Folgo von Trauma 444; Kleinhirn- 
bnickenwirbeltumor mit Ausfluß 
von Liquor cerebrospinalis aus der 
438; ein Fall von Lupus derselben 
durch X-Strahlen geheilt 374: ent- 
ziindl. Nebenhöhlenerkrankungen 
derselben im Röntgenbild (Kuttner) 
316; hochgradige Stenose derselben 
691; tumorartige Tuberkulose der 
Kieferhöhle und Nase 436; ma¬ 
ligner Tumor der linken 671. 

Nasen- und Augenkrankhoiten, Be¬ 
ziehungen zwischen 199. 

Nasen-, Hals-. Kehlkopf- und Ohren¬ 
störungen im Verlauf von Diabetes 
mellitus 102. 

Nasenbluten, Entstehung desselben 
bei Leukämie 259. 

Nasendeformität, Entstehung der¬ 
selben durch Polypenbildung 551. 

Nasenerkrankungen: und dadurch be¬ 
dingte kontralaterale Sehstörnngen 
und Erblindungen 196; malarisclie 
192; Sondernumnscher Apparat zur 
Diagnose und Therapie der 147. 

Nasenflügelinsuffizienz, therapeuti¬ 
scher Vorschlag für die 124. 


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11 


Nasengang: Erweiterung der Kiefer¬ 
höhlenöffnung im mittleren 177; dio 
häutigen Bestandteile der sog. 
Fontanelle des mittleren 198. 

Nasenhöhle, Fremdkörper in der¬ 
selben als Ursache von Kiefer¬ 
höhlenempyemen 147. 

Nasenmuschel, eine eitergefüllte 
Knochencyste der unteren 26. 

Nasennebenhöhlen: Entzündungen der 
58: Komplikationen der Erkrankung 
der 681; Erkrankung derselben bei 
Scharlach 679. 

Naseiioperation: lokale Anästhesie bei 
428. zur Verbesserung der Technik 
bei derselben und Ohroperation 648. 

Nasenrachenerkrankungen,malarische 
192 

Nasenrachenhöhle, Untersuchungen 
derselben gesunder Menschen auf 
Meningokokken 580. 

Nasenrachenraum: merkwürdige Ano¬ 
malie 439; echtes Papillom des¬ 
selben 691; über die sogenannten 
adenoiden Vegetationen in dem¬ 
selben auf Grund von mehr als 
1000 ausgeführten Operationen 32. 

Nasenrachentumoren 439. 

Nasensauger, neuer 199. 

Nasenscheidewand: Bemerkmigen 

zum Aufsatz über die submuköse 
Fensterresektion der 639; Fenster¬ 
resektion der verkrümmten 295; 
Radikaloperation wegen Sarkom 
435; syphilitischer Primäraffekt 684. 

Nasenschleimhaut: Argyrio der 133; 
Beitrag zur Lehre von der pri¬ 
mären Tuberkulose (Lupus) der 445; 
histologische Veränderungen der¬ 
selben bei Leukämie 259. 

Nasentamponadc: bei Ozäna 145; 
schichtweise 692. 

Nasentumoren, Chirurgie der malig¬ 
nen 193. 

Nasen zahn 199. 

Nasenzange, neue zur Erweiterung 
der Kieferhöhlenöffnung im mitt¬ 
leren Nasengange 177. 

Nebenhöhlen der Nase: Entzündun¬ 
gen der 58; Pathologie der 184. 

Nebenhöhlenerkrankungon der Nase 
im Röntgenbilde (Kuttner) 316. 

Nehenhöhlengeschwülste, Pathologie 
und Therap'e der malignen 437. 

Nebenhöhlenleiden u. Aotiologie der 
sekundären Augenleiden 184. 


N ebu 1 or-A pparat, U n terbre ch u ngs- 
haudgriff für den 41. 

Nervus coclilearis: Verhalten des nor¬ 
malen im Meatus auditorius inter¬ 
nus 373; Verlauf der peripheren 
Fasern im Tunnelraum 580. 

Neubildungen des äußeren Ohres 
Beiträge zur Kasuistik und patho¬ 
logischen Anatomie der 442. 

Neurasthenie, nasale — und nasaler 
Kopfschmerz 374. 

Neuritis: degenerative und Atrophie 
des Hörnerven 143: des Nervus 
acusticus, akute toxische und in¬ 
fektiöse 191. 

Nystagmus: 667; bei Schwindel im 
Anschluß an Angina 130. 


O 

Oberkieferhöhle, Orbitalabszeß durch 
Eiterung im Siebbein und in der 
427. 

Odorimeter 135. 

Oesophaguspolyp 677. 

Oesophagoskopie und Bronchoskopie. 
Instrumentarium für 271. 

Ohr: Beteiligung bei Kopferschütte¬ 
rungen 190; Durchbruchs- und Sen- 
kungsabszesse am Halse, ausgehend 
vom 319; Fremdkörperentfernung 
mit dem Elektromagneten aus dem 
319; Beiträge zur Kasuistik und 
pathologischen Auatomie der Neu¬ 
bildungen des äußeren 442; Sarkom 
des mittleren 56; Stau- und Saug¬ 
therapie im 275; Verhalten des 
Vostibularapparates bei nicht eitri¬ 
gen Erkrankungen desselben 212: 
zerbrochenes Projektil im 562. 

Ohrelektrode, eiue neue 372. 

Ohreneiter, über die Steigerung des 
spezifischen Gewichtes desselben 
bei Otitis media suppurativa acuta 
als Indikation für die Eröffnung" 
des Processus mastoideus und über 
die mit der Hammerschlagschen 
Dichtbestimmungs - Methode ver¬ 
bundenen Fehler 55. 

Ohrenerkrankungen, malarische 192. 

Ohrenheilkunde: Erfahrungen über 
die Verwendbarkeit des Alypins in 
dor 691; Lehrbuch derselben für 
Aerzte und Studierende 519. 


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12 


Ohrenkvankheiten, Rhino-Chirurgie 
der 103. 

•Ohren-, Nasen-, Kehlkopf-und Hals¬ 
störungen im Verlauf von Diab(*tes 
mellitus 102. 

Ohrensausen, Schwindel u. Fazialis- 
paralyso 427. 

Ohrgeräusch, Fall eines objektiv hör¬ 
baren entotisclien 403. 

•Ohrmuschel: Abreißung derselben u. 
Zerreißuug des Gehörgangs 310; 
Bedeutung derselben für die Fest¬ 
stellung der Identität 97; u. äußerer 
Gehörgang, akut-eitrige Mastoiditis 
bei angeborenem Defekt derselben 
190; bei Schwachsinnigen 98. 

•Ohroperation, Labyrintherscheinun¬ 
gen während der 443; zur Ver¬ 
besserung der Technik derselben 
648; 

Ohrschwindel, zwei Fälle desselben 
durch Operation geheilt 97. 

•Okulomotorius- und Kckurrens-Läh- 
mungen, Analogien im klinischen 
Verlaufe der 434. 

Olfaktometer 135. 

Operation von Botev-Killian 101. 

•Operationsstuhl für das Sprechzimmer 
des Oto-Laryngologen 439. 

Opiumbohandlung der Larynxstenose 
im Kindesalter 107. 

•Optikusatrophie und Ausfallserschei¬ 
nungen im motorischen und sen¬ 
siblen Trigeminus wegen malignen 
Tumors 3U9. 

'Orbita, Erscheinungen von seiten des 
Bulbus und der — bei Erkrankun¬ 
gen der Keilbeinhöhlen 101. 

Orbitalabszeß durch Eiterung im 
Siebbein und in der Oberkiefer¬ 
höhle 427. 

Orthosymphonie, Ueber 559. 

Ost- und Nordsee, Einfluß derselben 
auf die Tuberkulose der oberen 
Luftwege 3 »5. 

Osteomyelitis: Ertaubung im Verlaufe 
derselben und von septischen Pro¬ 
zessen im allgemeinen 57; der 
flachen Schädelknochen 130, 689. 

•Otitis media suppurativa; 97; Stei¬ 
gerung des spezifischen Gewichtes 
des Ohreneiters bei derselben als 
Indikation für die Eröffnung des 
Piocessus mastoideus und über die 
mit der Hammerschlagschen Dicht¬ 


bestimmungsmethode verbundenen 
Fehler 55. 

Otitische Erkrankungen des Hirns, 
der Hirnhäute und der Blutleitcr 
(Körner) 274. 

Otogene: Erkrankungen, Beiträge zu 
den intrakraniellen 238; Senkungs¬ 
abszesse und subokzipitale Ent¬ 
zündungen 99. 

Otogener Hirnabszeß, ein Fall von 144. 

Otologic: Röntgenstrahlen im Dienste 
der 432; Verwertbarkeit der rönt¬ 
genologischen Untersuchungs-Me¬ 
thode für die 417. 

Oto larvngologisclie Eindrücke aus 
Amerika 673. 

Otologische üniversitätsschriften-Li- 
teratur, die an den französischen 
und schweizer Universitäten im 
Universitätsjahr 1906/07 erschienen 
ist 136. 

Oto-, rhino-, larvngologisclie (etc.) 
Uli i versitä tsschriften-L i te rati i r, d i e 
vom 15. August 1905 his zum 
15. August 1906 erschienen ist 48. 

Otorrlioe, Kopfschmerzen nach 561. 

Otoskleiose: 419; Behandlung der¬ 
selben mit dem faradischen Strom 
597. 

Ozänji: Entwickelung der Lehre von 
der 197; Kontagium der 198; Nasen- 
tampouade bei 145; Paraffin-Tnjek- 
tionstherapie bei 146, submuköse 
Paraffin-Injektionen bei 197; Rlmb- 
ditiden im Magen bei 444. 

P 

Papillome: echte des Nasenrachen¬ 
raumes 691: im Kehlkopfe, mul¬ 
tiple 134; der Uvula 306; Verhütung 
der Rezidive durch innerliche 
Arsenikgaben 279. 

Paraffininjektionen: nach Hahn zur 
Korrektur der Sattelnasen 581; 
özäna 146, 197. 

Paralabyrinthitis, nach der Operation 
ausgeheilte 660. 

Paralyse: Erkrankung des Gehör¬ 
organs bei allgemeiner progressiver 
ICO; des Musculus cricothvreoideus 
148. 

Parotis, luetische Erkrankung der 694. 

Pathologisch - histologische Diagno¬ 
sen, klinische Verwertung der 630. 

Paukenhöhle, große Polypen in der 97. 


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13 


Paukenhöhleneiterungen, Einfluß der 
vom Gehörgange aus durch Saug- 
wirkunghervorgerufenenStauungs- 
byperämie auf 276. 

Pendelzuckung, einiges über die 305. 

Pharyngolo^ie, Alypin in der 58. 

Phlegmon lignieux mit Halskompli¬ 
kationen 428. 

Phonasthenie, neue Beobachtungen 
über 299. 

Physiologie des Menschen, Handbuch 
(ter (Nagel) 310. 

Plastische Versuche, Mitteilungen 
über 88. 

Pneumokokkeninvasion des Halses 
323, 556. 

Polypen: Entstehung der Nasen- 
deformitat durch Bildung von 551: 
große, in der Paukenhöhle 97: des 
Oesophagus 677. 

Polvpuscongenitus cavitatis pharvngis 
134. 

Postikusparese links und Rekurrens¬ 
lähmung rechts 309. 

Processus mastoideus: nach der Auf¬ 
meißelung nach Schwavtze 369; 
Steigerung des spezifischen Ge¬ 
wichtes des Ohreneiters bei Otitis 
media suppurativa acuta als Indi¬ 
kation für die Eröffnung desselben 
und über die mit der Hammer- 
schlagschen Dichtbestimmungsme¬ 
thode verbundenen Fehler 55. 

Pseudomembranen, mehrfache Neu¬ 
bildung bei Trachealdiphtherie 277. 

Prämie. Entstehung und Behandlung 
der otogenen 145; geheilte 43; 
Methode der Yenenausschaltung 
bei otitischer Sinusthrombose und 
527. 

R 

Rachenerkrankungen, malarische 192. 

Rachengebilde, Schwierigkeiten der 
Laryngoskopie bei Hyperästhesie 
der 174. 

Rachenmandel: Hyperplasie der 97, 
375; Involution der normalen und 
bvperplastischen 445. 

Rachenreflex, über den 100. 

Radikaloperation: und Labyrinthope¬ 
ration 120; tamponlose Nachehand- 
lung und Ausheilung nach der 113. 

Ramus cochlearus. isolierte Erkran¬ 
kung des 002. 


Rankenangiom, arterielles 129. 

Regio respiratoi ia, Aufdeckung 546. 

Rekurrensfrage 149. 

Rekurrensparalyse: und Okulomoto- 
riusparalyse, Analogien im Verlaufe 
der 434: rechts und Postikusparese 
links 309. 

Resonanzböden, kontinuierliche Ton¬ 
reihe aus Resonatoren mit 56. 

Resonatoren, kontinuierliche Ton¬ 
reihe aus denselben mit Kesonanz- 
böden 56. 

Rhabditiden im Magen einer Oziina- 
kranken 444. 

Rhinochirurgie der OhreDkrankbeiten 
103 

Hhino-Laryngologie. Bedeutung der 
Röntgenstrahlen in der 100. 

Hhino-larvngologisohe Daten 1905 — 
1900 199. 

Rhiuologie: Alypin in der 58: Rönt¬ 
genstrahlen im Dienste der 432. 

Rhinologische Universitätsschriften- 
Literatur, die an den französischen 
und schweizer Universitäten im 
Uuiversitätsjahr l‘.K)6 / 07 erschienen 
ist 136. 

Riechsinn, abweichender 432. 

Röntgenstrahlen: im Dienste der Oto- 
Rhino-Laryngologie 432; ihre Be¬ 
deutung in der Rhino-larvngologie 
166. 

Röntgenuntersuchung in der Otologie 
417. 

Rotierungsapparat zur Bestimmung 
der Labyrinthreflexe 431. 

Rundzellensarkom, retikuläres 270. 

s 

Sänger, Ventrikelform des Kehlkopfes 
der 202. 

Sarkom: im rechten mittlerenFrontal- 
gyrus des Gehirns 271; der Nasen- 
scheidewand, Radikal - Operation 
wegen 435: des mittleren Öhres 56; 
retikuläres 270. 

Sarcoma auris mediae 131. 

Sattelnasen, Korrektur derselben 
durch Paraffininjektionen nach 
Hahn 581. 

Saugapparat von Soudermann zur 
Diagnose und Therapie der Nasen¬ 
erkrankungen 147. 

Saug- und Stauhyperämie in Ohr und 
oberen Luftwegen 275. 


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14 


Schädelbasis, Karzinom der 671. 

Sehüdelbasisfraktur, Diagnose der 93. 

Schädelknochen, Osteomyelitis der 
Hachen 130, 689. 

Scharlach: Eiterung nach 503: Er¬ 
krankung der Nasennebenhöhlen 
079. 

Schläfenbein: mit Brüchen 318; osteo¬ 
myelitische Erkrankungen des¬ 
selben 318. 

Schläfenlappenabszeß: geheilter 127: 
im Gehirn 001; mit. Labyrinthfistel, 
kombinierter rechtsseitiger 318: 
zwei Fälle von otogenem links¬ 
seitigen 11. 

Schleimhaut der Nase, Argyrie 133. 

Schleimhautepithel, Ausbreitung des¬ 
selben auf die Wundtiächen nach 
Operationen am Mittelohr 579. 

Schleimhautlupus der oberen Luft¬ 
wege 105. 

Schleimhauttuherkulose, Behandlung 
derselben (Heißluftkauterisation u. 
Kalomol-Jodbehandlung) 104. 

Schneckenfenster: Bedeutung für den 
Uebergang der Eiterung aus dein 
Mittelohr ins Labyrinth 277; der 
Wirbeltiere 671. 

Schulärztliche Untersuchung des Ge¬ 
hörorgans 80. 

Schußverletzung der Kieferhöhle, 
eigenartige 103. 

Schu tz vorn* ch tu ngssv stem, fernerer 
Ausbau der Larnannschcn Theorie 
des oberen 74, 538. 

Schwachsinnige, Ohrmuschel bei 08. 

Schweigetherapie bei der Kehlkopf¬ 
tuberkulose 278. ' 

Schwerhörigkeit, Erkenntnis und Be¬ 
handlung der chronischen progres¬ 
siven (Lucae) 644. 

Schwindel mit Nystagmus im An¬ 
schluß an Angina 130. 

S c h w i u g u n g s v o r g a n g, Untersuchun¬ 
gen über denselben am Stiele tö¬ 
nender Stimmgabeln 56. 

Sehstörungen und Erblindungen, kon- 
tralatenle, bedingt durch Nasen¬ 
erkrankungen 196. 

Senkungsabszesse: am Halse, aus¬ 
gehend vom Ohr 319; otogene und 
subokzipitale Entzündungen 99. 

Sensibilitäts-Störungen im Larviix, 
neue Fragestellung zur Sympto¬ 
matologie fler 202. 

Septumresektion, submuköse 682. 


Sequestration der ganzen Pyramide 
663. 

Serumbchaudlung der Basedowschen 
Krankheit 149. 

Siebbein, Orbitalabszeß durch Eite¬ 
rung in demselben und in der Ober¬ 
kieferhöhle 427. 

Siebbeinzelleiterung 689. 

Simulation: Beziehungen zwischen 
Sprachgehör und Hördauer für 
Stimmgabeltöne und die Verwer¬ 
tung derselben bei der Beurteilung 
von — und Aggravation 448; bei 
der Hörprüfung 690. 

Sinus: petrosus superior, Fall von 
Thrombose des 145; sigmodeus: 
Defekt des 641, der 7—11 jährigen 
379: trausversus, über den anato¬ 
mischen Sitz desselben und seine 
Bedeutung in der Chirurgie des 
Warzenfortsatzes 55. 

Sinusitis, Nachbehandlung der auf¬ 
gemeißelten Kieferhöhle bei chro¬ 
nischer 692. 

Sinusphlebitis, otogene eitrige mit 
fieberfreiem Verlauf 192. 

SinusthroTubose- und Bulbusthrom- 
bose 416: Fall von 426; geheilte 
416; u. Kleinhirnabszeß, atypischer 
Fall von 318; bei ausgolieilter aku¬ 
ter Mittelohrentzündung 143; ob¬ 
turierende 666; Todesfälle infolge 
von Hirnabszeß nach ethischer 100; 
Methode der Yeneuausschaltung bei 
derselben und Pyümie 527; wand- 
ständige 564. 

Sklerom, Verbreitung in Steiermark 

151. 

Sondermaunscher Saugapparat zur 
Diagnose und Therapie der Nasen¬ 
erkrankungen 147. 

Speiseröhre : Fremdkörper in der 200; 
Mund der 278. 

Sprache, Hörfähigkeit für dieselbe 
nach Kopferschütterungen 190. 

Sprachgehör u. Hördauer für Stimm¬ 
gabeltöne und die Verwertung der¬ 
selben bei der Beurteilung von 
Simulation und Aggravation 447. 

Sprachstörungen: bei Extradural-Ab¬ 
szeß <les Erwachsenen 304; und 
deren Ursache 30s, 335. 

Sprechunterricht für Stotterer 425. 

Stau- und Saughyperämie in Ohr und 
oberen Luftwegen 275. 

Stauungshyperämie: nach Bier be 


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15 


nkuten Mittelohreiterungen 317; 
Einfluß d. durch Saugwirkung her¬ 
vorgerufenen auf Paukenhöhlen- 
eiterungen 276. 

Stenose: des Kehlkopfes, Verhütung 
der nach Intubation und sekun¬ 
därer Tracheotomie sich einstellen- 
den 150; der Nase beim Uebergang 
zwischen Vestibulum und der 
eigentlichen Nasenkavität 691. 

Stimmgabeln: obertoufreie ohne Be¬ 
lastung 319; Schwingungsart der 
192; Untersuchungen über den 
Schwingungsvorgang am Stiele 
lönender 56. 

Stimmgabeltönc, Beziehungen zwi¬ 
schen Sprachgehör und Hördauer 
für dieselben und die Verwertung 
derselben bei der Beurteilung von 
Simulanten und Aggravation 447. 

Stimmruhe bei der Anstaltsbehand¬ 
lung der Kehlkopftuberkulose 151. 

■Stirnhöhlenentzündungen, Kompli¬ 
kation 685; Stirnhöhlenerkrankun¬ 
gen. intrakranielle Komplikationen 
bei 309. 

Stotterer, Sprechuuterricht für 425. 

Streptococcus: als Erreger der akuten 
Otitis media 145; nach May gefärbte 
Präparate von 312, 

Stria vascularis, Herkunft der Zellen 
in der tieferen Schicht der 192. 

Subokzipitale Entzündungen, otogene 
Senkungsabszesse und 99. 

T 

Tamponlose Nachbehandlung und 
Ausheilung nach der Radikal- 
operation 113 

Taubblinde: Unterricht 669: Unter¬ 
suchungsergebnisse 668. 

Taubheit, neue Methode zum Nach¬ 
weis der einseitigen 657. 

Taubstumme: ärztliche Fürsorge für 
dieselben und Vorschläge zur Re- 
organisation des Taubstummen¬ 
bildungswesens 646; Funktions¬ 
prüfung des Gehörs an 281. 

Taubstummheit: Beitrag zur Ana¬ 
tomie der angeborenen Form der 2; 
Histologie der erworbenen 318: 
Gleichgewichtsstörungen bei der¬ 
selben 651; Notwendigkeit der Ein¬ 
führung einer präziseren Nomen¬ 
klatur für die Formen der 583. 


Taubstummenanstalten und Schulen 
in Preußen am 1. Januar 1907 95. 

Therapeutische Mitteilungen 581. 

Thrombose des Sinus; bei ausgeheil¬ 
ter akuter Mittelohr-Entzündung 
143: petrosns superior, Fall von 145. 

Thrombus, konservative Behandlung 
56. 

Thyreotomie bei tuberkulöser Neu¬ 
bildung im Kehlkopfe 673 

Tonreihe, kontinuierliche aus Keso- 
natoren und Resonanzböden 56. 

Tonsillenabszeß, Therapie desselben 
322. 

Totalaufmeißelung, tamponlose Nach¬ 
behandlung 91. 

Trachea: mit Bifurkation 270: Blut¬ 
egel in der Extraktion durch direkte 
Bronchoskopie 150. 

Trachealdiaphragma nach Diphtherie 
und erschwertes Dekanulement 321. 

Tiachealdyphtherie mir mehrfacher 
Neubildung von Pseudomembranen 

277. 

Trachealstenose durch Abscessus re¬ 
tropharyngeal is 104. 
Tracheo-ßronchoskopie 277. 

Tracheotomie: und Intubation, Ver¬ 
hütung der Kehlkopfstenosen nach 
150: zur Extraktion eines Tannen¬ 
samens im rechten Bronchus 150. 

Tränenkanal. Behandlung einiger 
Alfektionen desselben mit Drainage 
mittels eines Seidonfadens 429. 

Trigeminus, Ausfallserscheinungen 
im motorischen und sensiblen — 
wegen malignen Tumors 309. 

Trommelfell, Experimente über die 
Resistenzfähigkeit desselben 144. 

Tuba Estachii: Fremdkörper in der 
100; pathologische Histologie 577. 

Tuberkulose: des Kehl köpf es: Epi¬ 
glottisamputation bei 269, bei Kin¬ 
dern 107, Schweigetherapie bei der 

278, Srimmruhe bei der Anstalts¬ 
behandlung der 151; der oberen 
Luftwege: klimatische Behand¬ 
lung der 375, Jodkali bei 200, Ein¬ 
fluß der Ost- und Nordsee auf die 
345; der Nasenschleimhaut, Beitrag 
zur Lehre der primären 445; der 
Schleimhäute, Heißluftkanterisation 
und Kalomel-Jodbchandlung 104; 
tumorartige der Nase und der Kiefer¬ 
höhle 436. 

Tumoren: des Akustikus und über 


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1 <> 


Möglichkeit ihrer Diagnose auf 
Grund der bisherigen Kasuistik 99: 
vom Keilbeintüigei ausgehender 
maligner 309; malignus septi nasi 
133: der linken Nase 67]; des Nasen¬ 
rachenraums 439. 

u 

Universal-Kesouator, dreiteiliger 89. 

Untörsuchuugsstuhl für das Sprech¬ 
zimmer des Ofco-Laryngologen 439. 

Untersuchungszimmer, Einrichtung 
eines geräuschlosen 319. 

Uvula, Papillom der 306. 

V 

Venen-Ausschaltung bei otitischer 
Sinusthrorabose uud Pyämie 527. 

V r ontrikelform beim Sängerkelilkopf 

202 . 

Vestibularapparat: Verhalten dessel¬ 
ben bei nicht eitrigen Erkrankun¬ 
gen des Ohres 212; zur funk¬ 


tionellen Prüfung desselben 647; 
eigentümliche Reaktion desselben 
662. 

w 

Warzenfortsatz: primäre Heilung bei 
einfacher Aufmeißelung desselben 
187; über den anatomischen Sitz 
des Sintis transversus und seine 
Bedeutung in der Chirurgie des 55. 

Wirbeltiere, Schneck enfeuster der 
671. 

X 

X-Strahlen bei einem Falle von Lupus 
der Nase 374. 

z 

Zange, neue für endolaryngeale Ein¬ 
grifte 108. 

Zyste des Kehlkopfes, ungewöhnlich 
langgestielte 672. 


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Namen-Register. 


Alapi 58. 

Alexander 80. 191, 283. 
319. 

Alt 2, 42, 144, 285, (504. 
Ambern 40. 

Avellis 202, 375. 

Baginsky 152. 

Bärdny 109, 126, 416. 

562, 563, 569, 578, 657, 
658, 667. 

Barth 85, 96. 

Bauniann 106. 

Baum garten 58. 

Bentzen 131. 

Berliner 197. 

Beyer 671. 

Blau 144. 146. 

Blegvad 673. 

Bleyl 551. 

Boenninghaus 318, 441. 
Boesser 146. 

Böhm 308, 335. 
v. Bolewski 11. 

Bondy 666. 

Börger 445. 

Botella 56. 

Botey 101, 148, 150. 
Braat 428. 

Bradt 446. 

Breitung 106. 

Brühl 668. 

Brünings 433, 682. 
Bulling 321. 

Burger 166, 426, 432. 
Biirkner 691. 

Cisneros 107. 

Claus 671, 694. 

Cohn 26. 


C'onias u. Prio 374. 
Compaired 97. 376. 
Cursehmann 201. 

Denker 193. 

Dick 693. 

Dintenfaß 418. 
Dobrowolski 59, 107. 
Donogany 105. 

Dölger 690. 

Edelmann 56 319. 
Eichhorn 678. 
v. Eicken 681. 
Engelhardt 99. 

Fein 445. 

Fiedler 641. 

Fischer 411. 

Flatan 299. 

Fletsch er 648. 

Frankel 197. 

Frese 444. 

Freudenthal 375. 

Frey 523, 562, 660. 

Galebsky 359. 
Galewsky 103. 

(»erber 685. 

Gawrilow 192. 

Goris 435, 684. 
Grabower 149. 
Gramstrup 135. 

Grijns 442. 

Großkopf 693. 
Großmann 279. 
Grünberg 200. 
Grünwald 106. 

Guyot 436. 


Haidsz 306, 408. 

Haid 55, 188, 271, 360.' 
675, 677. 

Hammerschlag 583. 651. 
Hart mann 374. 

Haug 310, 442. 
liäuselmann 79. 

Hecht 107, 313, 630. 
Hegener 191. 

Heinze 106. 

Hennig 345. 

Herschel 373. 

Herzfeld 647. 

Herzog 272, 277. 
Heymann 444. 
v. d. Hoeven-Leonhard‘, 
432. 

Hoffmann 309, 312. 
Holländer 104. 

Honneth 147. 

Huber 86. 

Imhofer 97, 98. 

Deiner 97, 317. 

Jacobsohn 692. 

Jansen 304, 400. 

Jurasz 439. 

Jürgens 377. 

Kan 429. 

Kanasugi 239. 

Kander 438. 

Karrer 86. 

Katz 671. 

Keimer 689. 

Killian 200, 278. 679.. 
Kishi 580. 

Klein 672. 

Koellreutter 199, 376.. 


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18 


Köhler 089. 

Konietsho 318. 

Körner 274, 279, 4H4, (>78. 
Kram in 145. 

Krebs 147. 

Kretschmer 092. 

Kuile 094. 

Kiistner 99. 

Kutscher 580. 

Kuttner 41, 310. 

La man n 74, 538. 

La iure 144, 039. 

Lehller 319, 417, 50(i. 

003. 

Leimoyez 198. 

Leu wer 124, 199. 

Levy LH). 

Liehermanu 559. 

Limit 375. 

Lingg 313. 

Loeh 48. 130. 

Löwe 510. 

Lublinski 278. 

Lm-al 044. 

Mackenzie 155, 283. 

Ma nasse 437. 

Mann 277. 

Mayer 100, 149, 151, 259. 
277. 

von Mens 427. 

Menzel 295, 039. 

Meyer 437. 

Möller 209, 411. 

Muck 191. 270, 280. 
Mulder 431. 

Mygind 148. 187, 271. 

Nagel 310. 

Na«:er 318. 439. 
v. Navratil 197, 199. 
Neutrass 084. 

Neumann 129. 

Neumayer 309. 

Oberndürffer 442. 


()ber>tciner 373. 

Oertel 88. 

Oku new 200. 

Onodi 190, 198. 

Ostmann 040. 

Ottersbach 028. 

Panse 318. 443. 

Pasch 444. 

Passo w 88. 

Paunz 58. 

Perlis öl. 

Pevser 43, 93. 

Pick 579. 

Pieniazek 00, 104. 

PifTe 100. 

Pike 213. 

Politzer 419, 519. 

Polyak 58, 103. 

Portela 144. 

Quix 192. 

v. Ranke 150. 

Reiche 440. 

Reinking 579. 

Heiss 581. 

Rethi 174, 305. 

Revesz 559. 

Rliese 190, 447. 

Riemanii 009. 

Riester 318. 

Rodero 102. 
van Rossein 431. 

Rueda 55. 

Ruprecht 558, 092. 

Ruttin 113, 127. 415.410, 
504, 577. 001. 

Sack 300. 550. 

Sawinski 59. 

Schaefer 89, 439. 042. 
Schilperort 428. 

Schmidt 091. 
Sclnniegelow 184, 199, 

270. 073. 

Schönemann 582. 


Schröder 101. 192. 

Sc hüller 417. 

Schwarz 500. 

Sehwidops 090. 

Seifert 322. 

Semem 151 323. 

Senator 105. 

Seudziak 32. 102. 179. 
Serebrjakoff 445. 
Seyffarth 177. 
Shambaugh 192. 
Siebenmann 57. 
Sokolowski 59. 

Sommer 322. 
Sondermann 145. 
Sonntag 91. 

Stacke 103. 

Strohe 321. 

Ströbing 104. 201. 
Sturmann 070. 

Tapia 150. 

Theimer 527. 

Tome 091. 
v. Tövölgyi 094. 

Urbantschitsch 501, 508, 
045. 050. 004. 

Vargas 108. 

Yolisen 275. 

Voll 50, 100, 143. 

Wagner 87, 070. 

Weise 95. 

Weleminsky 581. 
Wiehern u. Lüning 201. 
Wittmaack 143, 145. 
Wretowski 320. 

Wolff 44, 88. 443. 041. 

Zalewski 144. 

Ziffer 03. 

Zit-owitsch 597. 
Zwaardemaker 319, 424, 
432; 

Zwillinger 105. 


priuk \on Carl M a rscli in* r, H« rlin SW. 


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Moritz Schmidt 

gestorben 9. Dezember 1907. 

Adalbert von Tobold 

gestorben 22. Dezember 1907. 

Der Ausgang des Jahres 1907 hat der Laryngologie rasch 
hintereinander zwei schwere Verluste durch das Ilinseheiden von 
Moritz S c li m i d t und Adalbert von Tobold ge¬ 
bracht. 

Schmidt, ursprünglich als praktischer Arzt in seiner 
Vaterstadt Frankfurt a. M. tätig, widmete sich seit der Mitte der 
70 er Jahre der laryngologischen Spezialdisziplin, in welcher er 
als vielgesuchter Konsiliarius reiche therapeutische Erfolge an 
hohen und allerhöchsten Patienten errang. In publizistischer 
Richtung ist wohl sein Buch ,,Krankheiten der oberen Luftwege“ 
als das wichtigste Werk zu nennen, das auch im Auslande viel¬ 
fache Anerkennung gefunden hat. 

Weniger glänzend vielleicht nach außen hin gestaltete sich 
die Wirksamkeit von Adalbert von Tobold, dem jedoch 
das Verdienst gebührt, als einer der ersten die Bedeutung der in 
den 60 er Jahren emporstrebenden Laryngologie erkannt und 
dieselbe in theoretischer und praktischer Richtung wertvoll ge¬ 
fördert zu haben. Auch von ihm stammt ein „Lehrbuch der 
Laryngoskopie“, das in keiner Fachbibliothek fehlen wird. 

In beiden Männern betrauert unsere Spezialdisziplin werk¬ 
tätige Förderer ihres Entwicklungsganges. 



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Aus dem anatomischen Institute des Hofrates Prof. Zuckerkand 1 und dem 
neurologischen Institute des Hofrates Prof. Obersteiner in Wien. 


Ein Beitrag zur Anatomie der angeborenen Form 
der Taubstummheit. 

Von 

Dozenten Dr. Ferdinand Alt in Wien. 

Auf der 13. Versammlung der Deutschen otologischen (Jeseilschaft 
in Berlin 19U4 erstattete Sieben mann (1) ein lieferet, über die 
Anatomie der angeborenen Taubstummheit und berichtete, daß im gan- 
zen 17 Sektionen von Gehörorganen mit angeborener Taubheit bekannt 
seien, bei denen das Ergebnis des Labyrinthbefundes ein positives war. 
Davon waren nur 10 Sektionen in vollkommener Weise ausgeführt. 
Seither sind noch zwei einschlägige Fälle von II a b e r m a n n (2) und 
Alex a n d e r (3) veröffentlicht worden. 

Sieben mann teilte die Fälle in zwei II au ptgruppen ein, 
erstens Fälle mit Aplasie des ganzen Labyrinthes und zweitens Fälle 
mit Vorhandensein des ganzen knöchernen und häutigen Labyrinthes, 
aber mit Epitheldegeneration einzelner Abschnitte des endolymphati¬ 
schen Baumes. 

Aus der ersten llauptgruppe ist nur ein einziger Fall von M i e li e 1 
bekannt. Die zweite Gruppe teilt Sieben mann wieder in zwei 
Abteilungen, die erste, bei welcher die Epithelmetaplasie sich bloß auf 
der Membrana basilaris vorfindet (Fälle von Kat/, und Sieben¬ 
mal! n) und die zweite, bei der eine ausgedehnte Epithelmetaplasie, 
'fehlende oder mangelhafte Entwicklung des Sinnesepithels, kombiniert 
mit Ektasie und Kollaps der häutigen Labyrinthwand der Pars inferior 
beobachtet wurde. Hierher gehören Fälle von (’ a r I o M o n d i n i, 
M & k e p ra n g -I bs e n . Scheibe, S i e henm ann-O ppi- 


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3 


k o f e r , S i e b e n m a n n , 1\ atz, Nager. Alexander, Ha¬ 
be r ni a n n , Steinbrügge und Panse. 

In die letztgenannte Gruppe gehört auch ein von mir beobachteter 
Fall von Taubstummheit, über dessen Gehörorgane und Gehirn ich im 
folgenden berichte. Die Präparate, welche ich Herrn Prof. P a 1 t a u f 
verdanke, stammen von einem 33 jährigen Tischlergehilfen K. J.. der 
wegen Lungentuberkulose zu wiederholten Malen in der ITT. medizini¬ 
schen Abteilung des Krankenhauses Rudolfstiftung Aufnahme fand 
und daselbst am 18. März 1907 starb. Er war taubstumm, nach seinen 
und der Angehörigen Angaben von Geburt aus. Eine Schwester ist 
gleichfalls taubstumm, ein jüngerer Bruder hochgradig schwerhörig. 

Die Untersuchung des Gehörorgans ergab eine beiderseitige kom¬ 
plette Taubheit für Sprache, Töne und Geräusche bei normalem Trom- 
mclfellbefund. Die Luftleitung für Stimmgabeln verschiedener Ton¬ 
höhe war aufgehoben, ebenso die Knochenleitung. Der Kranke hatte 
nur eine taktile Empfindung bei stark angeschlagenen tiefen Stimm¬ 
gabeln. 

Der Obduktionsbefund lautete: Tuberculosis chronica pulmonis 
utriusque cum eavernis in lobo medio, quaruin una perforata est in 
oavuni pleurae dextrae subsequente Pyopneumothorace. Pneumonia 
caseosa lobi inferios pulmonis sinistri. Degeneratio parenchymatosa 
et adiposa viseerurn. 

Die mikroskopische Untersuchung des Zentralnervensystems habe 
ich im neurologischen Institut des Herrn llofrates Prof. Ober¬ 
st ein er, die der Gehörorgane im anatomischen Institut des Herrn 
Hofrates Prof. Z u c k e r k a n d 1 vorgenommen. 

Bei der makroskopische n Untersuchung wurde an den Fel¬ 
senbeinen keinerlei pathologische Veränderung nachgewiesen. Gehör¬ 
gänge und Trommelfell beiderseits normal. Die Paukenhöhlen blieben 
uneröffnet, da Serienschnitte durch das ganze Gehörorgan beabsichtigt 
waren. Die Veränderungen des Mittelohres werden demnach im mikro¬ 
skopischen Befunde besprochen. 

I) ie Fixierung erfolgte in 10 proz. Formol, die Entkalkung in 
5 proz. Salpetersäure, sodann wurden die Präparate in 5 proz. Alaun- 
lösung eingelegt, in fließendem Wasser ausgewaschen und in Zelloidin 
eingebettet. Die Färbung der Schnittserie erfolgte auf dem Objekt¬ 
träger teils mit Ilärnalaun-Eosin vermittelst der Fließpapiermethode 
nach T andler, teils nach W e i g e r t - P a 1 , zur Darstellung der 
Markscheiden. 

Die Schnittrichtung war in beiden Fällen annähernd horizontal 
durch die Schneckenachse gelegt. 


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4 


Mikroskopischer Befund des linken Gehörorgans. 

Gehörknöchelchen und Schleimhaut der Paukenhöhle annähernd 
normal. Das ovale Fenster ist verschmälert, die Stapesplatte erscheint 
gegen das Labyrinth vorgebaucht. Im Stapesring finden sich spärliche 
bindegewebige Stränge, welche vereinzelte, tiefschwarz pigmentierte 
Körnerzellen enthalten. In dem Stapesring ist ein P a c i n i sc-hes Kör¬ 
perchen ein gelagert. 

In der Fossula fenestrae rotundae sind einzelne bindegewebige 
Stränge vorhanden. Der Canalis facialis ist gegen den Stapes zu auf 
ein Viertel des Umfanges dehiszent. 

Der Sakkulus ist fast durchwegs ganz kollabiert, die laterale Wand 
an die mediale angelötet, das Sakkulusepitkel geschwunden. Nur an 
deri Bändern der Macula saeculi finden sich noch Reste des Lumens. Im 
Utrikulus ist von einer Otolithenmenibran nichts zu sehen, das Epithel 
ist mehrreihig, aber ohne Differenzierung von Sinneszellen. 

.Die Ampullen sind atrophisch, besonders die Crista ampullaris Su¬ 
perior stark verschmälert. Im Bereiche der Ampulla posterior auf der 
stark verschmälerten Krista eine sehr reduzierte Kupula aufsitzend, die 
wie ein von spaltförmigen Lücken durchsetztes Gerinnsel aussieht. Das 
Epithel ganz niedrig, größtenteils einschichtig, birgt stellenweise mit. 
Eosin rot gefärbte hyaline Einschlüsse. Auch in der medialen Wand des 
Utriculus sind stellenweise ähnliche Einschlüsse sowie schwarze Pig¬ 
mentzellen vorhanden. Die Ampulla lateralis zeigt nur ganz unbedeu¬ 
tende Reste einer Kupula in Form von streifigen Auflagerungen auf 
dem einschichtigen Epithel. Das Bindegewebe der Krista ist von zahl¬ 
reichen Lücken durchsetzt und enthält nur spärliche Nervenfasern. Die 
Basilarmembran des Bogengangepithels zeigt reichlich hyaline Wuche¬ 
rungen, welche in das Lumen des Bogenganges vorspringen. 

Mikroskopischer Befund der linken Schnecke. 

Die Zahl der Windungen ist normal. Die Schneckenachse ist nur 
im Bereiche der Basalwindung knöchern, im Bereiche der 2. Windung 
ist eine bindegewebige Schneckenachse vorhanden, in der einzelne 
Knochenblättchen liegen, die teils eine Lamina spiralis darstellen, teils 
die Scheidewand zwischen 2. und 3. Windung bilden helfen. Im Be¬ 
reiche der 3. Windung fehlt eine Spindel, ebenso wie der Hamulus, und 
das sehr weite Ilelikotrema umfaßt die Scala vestibuli eines Teiles der 
2. und 3. Windung, sowie die Scala tympani der letzten Windung. Das 
Ligamentum spirale ist in der Basalwindung gut entwickelt, in den 
übrigen Windungen atrophisch. Die Lamina spiralis membranacea ist 
dinchwegs erhalten. Ein Lumen des Ductus eochlearis ist nur an ein- 


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zcluen Stellen zu sehen. In der Regel ist die nicht besonders differen¬ 
zierbare R e i s s n e r sehe Membran durchwegs mit der gegenüber¬ 
liegenden Wand des Schneckenkanales verwachsen. Crista spiralis, Sul¬ 
cus spiralis externus und internus sowie die Epithelzellen des Ductus 
cochlearis sind nicht nachweisbar. Statt dessen finden sich teils dunkel¬ 
körnig pigmentierte, teils hyaline, mit Eosin lebhaft und gleichmäßig 
färbbare, mit Jod gebräunte, nach G i e s o n lebhaft rote Schollen, die 
zwischen bindegewebig aussehenden Zellen gelegen sind. Größere und 
kleinere Lücken zwischen diesen Zellen stellen wahrscheinlich die Reste 
des Canalis cochlearis dar. Größere offene Strecken desselben finden 
^ich in allen Windungen, sind aber dann wieder von Partien unter¬ 
brochen, an welchen die Zellen ganz dicht beisammen liegen. Das Gang¬ 
lion spirale ist auffallend zellarm, mit weiten Zwischenräumen zwischen 
-den Zellen. Zwischen den Knochenbülkehen der Spindel weite Räume, 
die wahrscheinlich Lymphgefäße darstellen. Im Traetus spiralis fora- 
.minulentus sind Nervenfasern nachzuweisen, wenn auch an Zahl redu¬ 
ziert. In der Schneckenspindel sind sie schon sehr spärlich. Auf¬ 
fallend sind die Veränderungen an der Schnecken¬ 
achse, das Zusammenfließen der Skalen der 
obersten Windungen, dann die reichliche Aus¬ 
bildung von Hyalinkörpern und von pig m ent¬ 
führenden Schollen im ganzen Bereiche des 
Ductus cochlearis, nicht nur in der Gegend der 
‘Papilla hasilaris, sondern auch im Bereiche 
der Stria vascularis. 

..... \“ ‘ ^ 

'Mikroskopischer Befund der Nervi c o c li 1 e a e und 
des Zentralnervensystems. 

Das Ganglion spirale zeigt Veränderungen nach zwei verschiedenen 
Richtungen. Die erste Veränderung betrifft die Nervenfasern, und 
zwar sind diejenigen, welche vom Corti sehen Organe stammen, am 
Weigert-Präparate nicht zu sehen, während die Eibrae efferentes, welche 
das Gangliou verlassen, ein überaus dürftiges und feinfaseriges Netz um 
die Zellen bilden. Auffallend ist ferner, daß die Zellen selbst ver- 
selunäehtigt und an Zahl gering sind, und daß keine Vermehrung des 
Zwischengewebes entsprechend der Veränderung und Verschmächti- 
gung der Zellen auf getreten ist. Viel eher kann man auch eine Ver- 
schnüichtigung des Zwischepgewcbes nach weisen, dessen Maschen sehr 
weit sind, ähnlich einem myxomatösen Gewebe. Der Nervus cochlearis 
zeigt am Weigertpräparate eine Verschmächtigung der Fasern mit un¬ 
regelmäßigen Markscheiden, als ob die S c h m i d - L a u t ermann- 


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sollen Einkerbungen in etwas verstärkten* Weise bewert reten wollten. 
Diese Veränderung zeigt der Nerv bis zu seinem Eintritt in das ventrale 
Coehlearisganglion. Hier ist noeh eine Besonderheit hervorzuheben. 
Der Keeessus lateralis ist wesentlich verdünnt und stellt im innigsten 
Zusammenhang mit dem Koehlearis. Vergleiche mit normalen Präpa¬ 
raten dieser Art ergaben, daß wohl der Koehlearis fast immer Be¬ 
ziehungen zum Keeessus lateralis besitzt, jedoch nicht so innige Vor- 



Eig. 1. 


klebungen wie in dem vorliegenden Falle, wo auch der Plexus ehorioi- 
deus mit einbezogen erscheint. Allerdings ist nicht zu erweisen, daß 
von dieser Verwac hsungsstelle aus eine Degeneration erfolgt sei. Die 
Nervenfasern sind vor und nach der Verklebung gleich dünn und ent¬ 
sprechend der Verdünnung zeigt sich eine deutliche Vermehrung des 
interstitiellen Bindegewebes (S c h w a n n sehe Scheide). 

Der ventrale Akustikusskern zeigt deutlich die von (’ a j a 1 be¬ 
schriebenen zwei Abteilungen und das Fasernetz in diesen läßt absolut 


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7 


keine Defekte erkennen. Das gleiche gilt für die Fasern, die dem 
Tuberculum acusticum zustreben, auch die Zellen sind zahlreich und 
keineswegs auffallend verkleinert. Die sekundären Dahnen Corpus 
trapezoides und Striae acusticae sind gut entwickelt und lassen gegen¬ 
über den anderen Fasern des Uirnstammes eine irgendwie bemerkens¬ 
werte Veränderung nicht erkennen. Es ist selbstverständlich, daß 
nach diesen Befunden die "Untersuchung der hinteren Vierhügel, des 



Fig. 2. 


Genieulatum mediale und der Rinde des Temporallappens, insbesonders 
des Gvrus transversus (II esc hei) keinerlei Veränderung zeigte. 

Die Fntersuchung erfolgte nicht nur mittels Faser-, sondern auch 
Zellfärbung. 

Dieser Nervenbefund erweist sich demnach als rein sekundärer 
Natur. Es geht kaum an, die leichte Verwachsung des Koehlearis mit 
dem Recessus lateralis in irgend eine Beziehung mit diesen sekundären 
Veränderungen zu bringen, weit eher ist es möglich, dieselbe als Folge 
der schweren Entartung des C o r t i sehen Organes aufzufassen, die 
zunächst zur Atrophie der zuleitenden Fasern des Ganglion spirale 


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8 


führte und dadurch bedingter Atrophie des Ganglion selbst, ferner zu 
einer Atrophie im zweiten Neuron. Im dritten Neuron, wo sicherlich 
auch Veränderungen geringen Grades vorhanden sein dürften, ist eine 
meßbare Atrophie nicht nachzuweisen. 

Das rechte Gehörorgan zeigt nur geringe Verschieden- 
beiten gegenüber dem linken, und zwar: Die Ampullen besitzen über¬ 
haupt keine Kupula, sind verschmälert, mit sehr niedrigem, anschei¬ 
nend einschichtigem Epithel und spärlichen Nervenfasern. Ramus 
saeeuli des Nerven, sowie die übrigen Vestibularnerven auffallend 



Fig. 3. 

verschmälert. Das Knochengewebe der Schneckenspindel stark rare- 
fiziert. namentlich im Bereiche der 2. und 3. Windung fast fehlend. 
Die Scalae vestibuli der zweiten Windung sind durch einen quer¬ 
verlaufenden -Kanal in der Schneckenachsc in Verbindung gesetzt. 
Zwischen den Knochenbälkehen das Ganglion spirale mit deutlich ver¬ 
minderter Anzahl von Zellen, sowie zahlreiche weite Räume, wahr¬ 
scheinlich Lymphgefäße. Die Lamina spiralis ossea in der Basal¬ 
windung deutlich sichtbar, in der 2. und 3. Windung fehlend. Die 
Lamina spiralis membranacea ist in einem Teile der 2. Windung vom 


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9 


Ligamentum spirale losgetrennt. Dieser Befund scheint nicht ein 
Artefakt, sondern ein schon intra vitam bestandenes Verhalten zu sein. 
Das Ligamentum spirale selbst ist in der Basalwindung ungefähr 
normal, weiterhin aber stark an Breite reduziert und atrophisch. Eine 
Crista spiralis ist im allgemeinen nicht nachweisbar. Ebenso fehlt ein 
eigentlicher Ductus cochlearis; an dessen Stelle sowie anstelle der 
Papilla basilaris findet sich gewuchertes Bindegewebe, teilweise mit 



Eig. 4. 


weiten Jdicken zwischen den Zellen sowie mit großen rundlichen 
Körpern, die sich mit Eosin lebhaft rot, mit Hämatoxylin nach \Y e i - 
gert-Pal tiefschwarz färben und wahrscheilieh aus hyalin degene¬ 
rierten Epithelzellen hervorgegangen sind. Nur stellenweise sind, wie 
in Fig. 4, Reste der Crista spiralis, des Ductus cochlearis und der 
Epithelzellen des C o r t i sehen Organes zu finden. Diese Körper 
finden sich nicht nur auf der Region der Papilla basilaris. sondern 
auch auf der Stria vascularis bis gegen den oberen Rand des Liga¬ 
mentum spirale. Die Lücken zwischen den Zellen im Bereiche des 
C o r t i sehen Organs sind vielleicht als Reste des Lumens des Ductus 
cochlearis aufzufassen. 


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10 


Die Unterschiede zwischen beiden Gehörorganen bestehen somit 
im vollständigen Fehlen der (links atrophischen) Cupulae auf der 
rechten Seite, sowie im Bau der Schnecke, deren Achse zwar rechts 
auch atrophisch ist, links aber besonders stark reduziert ist, da sie im 
Bereiche der 2. Windung nur bindegewebig ist, und in der 3. Windung 
gänzlich fehlt. 

Zusammenfassend läJ3t sich sagen, daß das Mittelohr im wesent¬ 
lichen normal, das Labyrinth in typischer Weise angelegt ist. Die 
nervösen Endstellen sind aber nur unvollkommen zur Ausbildung ge¬ 
langt und haben noch nachträglich eine weitgehende Atrophie durch¬ 
gemacht. die im vestibulären Abschnitt den größten Teil, in der 
Kochlea das gesamte Sinnesepithel betrifft und hier sogar zum Uollaps 
des häutigen Labyrinths (des Ductus coehlearis) geführt hat. 

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß die Nerven selbst im 
Bereiche des inneren Gehörganges viel weniger atrophisch erscheinen 
als in den einzelnen Nervenkanälen und an den Sinnesepithelien. Für 
eine Entzündung findet sich durchaus kein Anhaltspunkt, es ist nirgends 
Narbengewebe oder vermehrtes Bindegewebe vorhanden. Der peri- 
lymphatische Raum ist durchwegs frei oder in normalem Ausmaße von 
den schmalen Bindegewebsstäugen, die zur Suspension des häutigen 
Labyrinthes dienen, durchzogen. Der einzige Befund, der auf even¬ 
tuelle Entzündungserscheinungen hindeuten könnte, besteht in den 
bindegewebigen Strängen innerhalb des Stapesringes und der Fossula 
fenestrae rot. auf der linken Seite, doch ist nicht ausgeschlossen, daß 
es sich um stehengebliebene Brücken des embryonalen Schleim¬ 
hau tpolsters handelt. 

Literatur. 

1. Siebenmann: Anatomie der angeborenen Form der Taub¬ 
stummheit. Verhandlungen der deutschen otol. Gesellscli. 1904. 

2. II abermann: lieber Ohrenerkrankung infolge von Kreti¬ 
nismus. Ibidem. 

3. Alexander: Anatomie der Taubstummheit, 1905. 

Erklärung: der Abbildungen. 

Figur 1. Annähernd axialer Schnitt durch die linke Schnecke. 

g. s. Ganglion spirale, i. innerer Gehörgang, a. Achse der ersten 
Wind ung. h. Helicotrerna, s. s. Spitzenwindung, fa Figur 3, d. c. Ductus 
coehlearis. 

Figur 2. Schnitt durch die rechte Schnecke, horinzontal durch die 
Schnecken achse. 

g. s. Ganglion spirale, i. innerer Gehörgang, f* Figur 4, 1. m. Lücke 
in der Lamina basilaris, 1. a. Loch in der Spindel, s. s. Spitzenwindung. 

Figur 3. p. Pigment, d. c. Ductus coehlearis, s. v. Stria vascularis. 

Figur 4. s. v. Stria vascularis, h. hyaline Kugeln, b. Bindegcwebs- 
wucherung. d. c. Ductus coehlearis. 


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Zwei Fälle von otogenem linksseitigen Schläfenlappen¬ 
abszess. 

I. Operation; Tod nach 18 Tagen. II. Operation; Heilung. 

Von 

Dr. T. von Bolewski, Ohrenarzt in Posen. 

Heide Fälle sind von mir in dem Krankenhause der Barmherzigen 
Schwestern in Posen operiert worden. Beide sind mir, wie viele 
andere Ohrenkranke der Anstalt, von dem Leiter der chirurgischen 
Abteilung, Herrn San.-Rat Dr. Z i e 1 e w i c z zur Behandlung über¬ 
wiesen worden, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen aufrichtigen 
Dank ausspreche. 

I. 

K. U., 26 Jahre alt. Dienstmagd. Aufgenommen am 16. IV. 1901. 
Von den Angehörigen der Kranken wurde angegeben, daß linksseitige 
Ohreneiterung seit etwa 7 Jahren bestanden habe: 2 Wochen vor der 
Aufnahme hörte der Ausfluß auf. und es entwickelte sich allmählig der 
jetzige Krankheitszustand. Noch gegen Abend desselben Tages habe 
ich die Kranke im Krankenhause untersucht und folgenden Status auf¬ 
genommen : 

Die Patientin, ziemlich kräftig gebaut, von mittlerer Körper¬ 
länge, lag ohne Besinnung und atmete langsam und schnarchend. 
Temperatur 39,7 °, Puls 60. Schwacher Nystagmus horizontalis, da¬ 
neben, aber unabhängig von dem Nystagmus, horizontale, kurze, sto߬ 
weise Bewegungen des Kopfes. Die Gegend des linken Warzenfort¬ 
satzes etwas verdickt, der linke äußere Gehörgang zirkulär stark vor¬ 
schwollen; mit dem Wattestäbchen läßt sich aus der Tiefe etwas nicht 
fötiden Eiters hervorholen. 

17. IV. Morgentemperatur 38,6 °. 0 p e r a t i o n. Bei der Aus¬ 

führung der Operation fand ich in der Tiefe des Knochens, ausgehend 
vom Antrum, ein Cholesteatom von der Größe und Form einer läng¬ 
lichen Kirsche, welches sich in toto ausheben ließ. Nach Entfernung 
des Cholesteatoms bemerkte man oben in der Wandung der Chole- 
8eatomhöhle eine Lücke in dem kariösen Tegmen, durch welche die Dura 
mater sichtbar war, welch letztere ich durch Fortnahme des kariösen 
Tegmen mit der Zange in ungefähr 1 Markstückgröße entblößte. Die 
Dura war mißfarben und glanzlos, ohne Fistelöffnung. Mit der Kanüle 
einer Aspirationsspritze stach ich durch die kranke Dura ins Gehirn 
zweimal vergeblich, das dritte Mal aspirierte ich aus einer Tiefe von 
ca. 4 cm nach einwärts, vorne und oben ca. 2 ccm dünnflüssigen, 


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schmutzig-bräunlichen, äußerst fötiden Eiters. Ich durchschnitt jetzt 
kreuzweise die Dura und durchstach kreuzweise mit einem Skalpell das 
Gehirn bis zur Abszeßhöhle, durchspülte dieselbe mit schwacher, warmer 
Sublimatlösung, wobei noch etwas Jauche ausgespiilt wurde, und tam¬ 
ponierte die Abszeßhöhle mit einem fingerbreiten zusammengelegten 
Jodoformgazestreifen, dessen freies Ende durch die Stichwunde im 
Gehirn nach außen als Drain hervorragte. Nach Untersuchung mit 
der Sonde zu schätzen, hatte die Abszeßhöhle ungefähr die Größe einer 
großen Kirsche, ihre Wände waren erweicht. Ich entfernte allen 
kariösen Knochen aus der Nähe der Dura und legte das Antrum breit 
frei, entfernte den oberen Abschnitt der Ilinterw’and des knöchernen 
Gehörganges, deckte den Attikus auf und räumte ihn aus, die regel¬ 
rechte Beendigung der Radikaloperation verlegte ich aber auf später. 
Die entblößte Dura bestreute ich mit Jodoformpulver, tamponierte die 
Operationswunde mit Jodoformgaze und legte den großen trockenen 
Ohrverband an. 

Abendtemperatur 39,3. Puls verlangsamt. 

18. IV. Temperatur morgens 38,7, abends 38,5. Puls verlangsamt. 

19. IV. Morgens Temperatur 37,1, Puls 54; mittags Puls 46; 
abends Temperatur 37,9, Puls 56. Abends Verbandwechsel. Beim 
Wechseln des Jodoformgazestreifens im Gehirn kamen ungefähr 
Vh Teelöffel ehokoladebraunen Eiters, mit etwas Blut vermischt, aus 
der Abszeßhöhle. 

20. IV. Morgens Temperatur 36,5, Puls 50; mittags Puls 48; 
abends Temperatur 35,7, Puls 46. 

21. IV. Morgens Temperatur 37,1, Puls 48; mittags Puls 55; 
abends Temperatur 36,9, Puls 48. Vormittags Verbandwechsel. Es 
entleerten sieh 2 Teelöffel fötiden, tiefdunkelbraunen Eiters. Un¬ 
mittelbar vor dem Verbandwechsel Puls 48, und die Kranke erhielt eine 
subkutane lvampher-Acthereinspritzung wegen allgemeiner und Puls- 
schwüehe. Nach dem Verbandwechsel Puls 56. 

22. IV. Morgens Temperatur 36.7, Puls 46; mittags Puls 41; 
abends Temperatur 37,4, Puls 51. 

23. IV. Morgens Temperatur 36,4, Puls 39; mittags Puls 42; 
abends Temperatur 36,1, Puls 44. Im Laufe des Vormittags wegen 
großer Schwäche zwei Aethereinspritzungen subkutan, mittags eine, 
hierauf Verbandwechsel. Aus der Abszeßhöhle kam erst nach Er¬ 
weiterung der Uirnwunde mit der Kornzange ungefähr Va Teelöffel 
schwärzlichen Eiters, dabei kam auch ca. Va Teelöffel blutigen Serums 
vermischt mit gelben Flocken, welche den Anschein zerstörter Hirn¬ 
substanz machten. Nach dem Verbandswechsel erhöhte sieh die Puls- 


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13 


frequenz auf 52, sank aber abends wieder auf 44. Abends wiederum 
eine Aethereinspritzung. Die Kranke, welche schon die Besinnlichkeit 
wieder zu gewinnen begann, ist den ganzen Tag, namentlich vor¬ 
mittags, schwächer und unklarer. Puls irregulär und aussetzend. 

24. IV. Morgens Temperatur 37,2, Puls 52; mittags Puls 48; 
abends Temperatur 36,0, Puls 49. Die Kranke ist heute kräftiger, 
bedeutend klarer, namentlich gegen Mittag. Beim Verbandwechsel 
nach Entfernung des Ilirntainpons sehr wenig Ausfluß, nicht mehr 
fötid, die Verbandgaze mit leichtblütigem Serum durchtränkt. Es 
wurde ein stark federkieldicker Glasdrain durch die Ausflußöffnung im 
Gehirn bis zur Abszeßhöhle ein geschoben, in ihn bis zur Abszeßhöhle 
Jodoformgaze. Puls heute regelmäßig, genügend kräftig ohne Aether. 

25. IV. Morgens Temperatur 36,4, Puls 66; mittags Puls 52; 
abends Temperatur 37,2, Puls gegen 70. Die Kranke ist heute viel ge¬ 
weckter, verlangt nach Essen. Verbandwechsel. Es wurde das Drain¬ 
rohr herausgenommen, gereinigt und wieder hineingelegt, in dasselbe 
ein Jodoformgazestreifen. Kein Fötor, wenig Ausfluß. Mit der Sonde 
fühlt man, daß die Wandungen des Abszesses stark erweicht sind, die 
Sonde läßt sich auf 6—7 cm hineinführen. 

26. IV. Morgens Temperatur 36,4, Puls 68; mittags Puls 52; 
abends Temperatur 36,9, Puls 72. Puls regelmäßig, ziemlich kräftig. 
Patientin heute nicht so munter wie gestern. 

27. IV. Morgens Temperatur 36,6, Puls 73; mittags Teinp. 37,2, 
Puls 77; abends Temperatur 36,7, Puls 71. Verbandwechsel. Das 
Drainrohr läßt sich nur sehr schwer aus dem Gehirn herausnehmen, 
und da nach Entfernung des Tampons nichts mehr nachfloß, habe ich 
die Abszeßhöhle ohne Glasdrain nur mit Jodoformgaze tamponiert. 

28. IV. Morgens Temperatur 36,6, Puls 71; mittags 37,2 (71); 
abends 37 (68). 

29. IV. Morgens Temperatur 35,9, Puls 53; abends Temperatur 
37,2, Puls 70. 

Gestern etwas Kopfschmerzen, heute stark, namentlich in der 
Stirn. Die Kranke weniger munter, Puls schwächer. Mittags Ver¬ 
bandwechsel. Kach Entfernung des llirntampons quoll 1— VI* Tee¬ 
löffel nicht fötiden gelben Eiters heraus, Glasdrain wieder eingelegt. 

30. IV. Morgens Temperatur 36,6, Puls 67, mittags Temperatur 
37,7. Puls 82; abeuds Temperatur 37,8, Puls 72. 

1. V. Morgens Temperatur 36,7, Puls 64; mittags Puls 40, abends 
Temperatur 39,0, Puls 64. 

Am 30. IV. vormittags mußte ich verreisen und kehrte erst am 
folgenden Tage, d. li. am 1. V. gegen Abend zurück. Während meiner 


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Abwesenheit hat der damalige Assistent der chirurgischen Abteilung, 
Herr Pr. Marquardt, am 1. V. mittags gemäß unserer Verabredung 
den Verband gewechselt wegen Allgemeinschwüehe und Pulsverlang- 
samung. Aus der Abszeßhöhle kam nur spärlich Eiter und Serum, und 
die Verschlimmerung, welche schon vormittags einsetzte, nahm immer 
mehr zu. Als ich gegen Abend die Kranke besuchte und das Fieber be¬ 
stand. wechselten wir noch einmal den Verband, wobei aus der Absze߬ 
höhle wieder nur ein wenig Eiter kam, vermischt mit etwas Blut und 
gelben Flocken. 

2. V. Morgens Temperatur 37,9, Puls 74; mittags Temperatur 38,3; 
abends Temperatur 37,9, Puls 56. Mittags Verbandwechsel. Aus der 
Abszeßhöhle nach Entfernung des Tampons kein Ausfluß mehr, beim 
Sondieren kam etwas Blut. Nach dem Verbandwechsel war die in 
letzter Zeit wieder schwer besinnliche Kranke für kurze Zeit etwas 
klarer, sprach jedoch nur mit Mühe; es stellte sich jedoch Lähmung des 
rechten Armes ein. 

In den letzten Tagen ist das Gehirn, soweit es sicht- und fühlbar 
war. immer gespannter und voluminöser geworden ; es ragte auch durch 
die Oetfnung in der Dura nach außen, so daß man von einem Ilirn- 
prolaps sprechen konnte; nicht nur das Drainieren der Abszeßhöhle, 
auch das Sondieren war erschwert, weil man die Sonde durch den zum 
Abszeß führenden Kanal in dem ödematÖsen Gehirn, wie ‘wenn es aus 
Gummi wäre, nur stoßweise fortbewegen konnte. Die Beobachtung 
wurde auch in den letzten Tagen gemacht, namentlich seitdem das 
Hirnödem manifest wurde, daß die Besinnlichkeit, überhaupt' das Be¬ 
finden der Patientin sich sofort, wenn auch nur für kurze Zeit 
besserte, wenn bei dem Verbandwechsel nach Herausnahme des Tam¬ 
pons auch nur einige Tropfen Eiter oder blutigen Serums aus der 
Abszeßhöhle herausquollen oder durch Sondieren entfernt wurden. 

3. V. Morgens Temperatur 39,4, Puls 62; mittags Temperatur 39,3; 
abends 39,5. Mittags trat Lähmung des rechten Beines auf. Rechts¬ 
seitiger Kornealreflex aufgehoben, linker normal. Die Kranke macht 
auf Befragen den Eindruck, als ob sie antworten möchte, aber nicht 
könnte. In der Hoffnung, noch einen zweiten, sich jetzt vergrößernden 
Hirnabszeß aufzufinden, habe ich bei dem Verbandwechsel nach mehreren 
Richtungen mit der Aspirationsspritze ins Gehirn punktiert, aber ohne 
Erfolg. In der Durawunde wölbt sich und drückt das immer mehr ge¬ 
spannte Gehirn nach außen. Nach Entfernung des Hirntampons, der 
mit etwas Eiter und Blut durchtränkt war, quoll nichts mehr nach. Die 

* Verbandgaze war ziemlich stark mit blutigem Serum durchtränkt. 


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4. V. Morgens Temperatur 39,4, Puls 76; mittags Temperatur 40,5. 
Puls 86; abends Temperatur 39,6, Puls 112. Der Puls ist deutlieh, aber 
sehr leicht unterdrückbar. Herpes labii sup. Die Kranke scheint nichts 
mehr zu hören ,gestern Abend nickte sie noch mit dem Kopfe auf An¬ 
fragen; es ist unsicher, ob sie noch etwas Besinnung hat ; incontinentia 
alvi et urinae. 

5. V. Morgens Temperatur 38.9, Puls 107; abends Temperatur 40,8. 
Nach den Augen zu urteilen, etwas mehr Besinnung; es scheint auch, 
daß sie hört, man sieht, sie möchte sprechen, kann aber nicht. Herpes 
labii sup. größer wie gestern. Verbandwechsel im Bette; Ilirntampon 
belassen, Verbandsgaze, wie für zwei Tage, wohl etwas weniger durch¬ 
tränkt. ln der letzten Zeit Mund weit auf, Atmung heute schwer, 
Traehealrasseln. In der Nacht gegen 12 T T hr Exitus letalis. 

Auf Sprachstörungen habe ich nicht eingehend gefahndet ; ich habe 
hiermit immer gewartet bis zum eventuellen Eintritt einer entschie¬ 
denen Besserung. 

Zu bemerken ist noch, daß der hiesige Augenarzt. Herr Dr. S t a - 
sinski, die Liebenswürdigkeit hatte, im Laufe der Krankheit den 
Augenhintergrund zweimal zu untersuchen: am 23. IV. Status: rechts 
normal, links leichte Neuritis optica, Oedema papillae (Stauungs¬ 
papille) nicht vorhanden. Am 1. V.: links Oedema papillae (Stauungs¬ 
papille). 

6. V. Die Sektion wurde ausgeführt von dem damaligen Assi¬ 
stenten des hiesigen pathologischen Institutes, Herrn Dr. Meyer. 

Die Sektion stellte fest: In der linken Schädelgrube eine zirka 
•einmarktstüekgroße Oeffnung. an deren Zirkumferenz die Dura und Pia 
ziemlich fest mit dem Knochen verwachsen waren. Die Dura war an 
dieser Stelle stark gerötet, sonst ohne Besonderheiten. In den Sinus 
geronnenes Blut, ohne Besonderheiten. Dagegen im linken Sinus 
transversus ein grauroter, ihn vollkommen ausfüllender, festsitzender 
Pfropf; das untere Ende des Propfes setzte sich im Sinus sigmoides in 
ein schwärzliches Gerinnsel fort, das obere Ende lag in nächster Nähe 
der.Operationsöffnung im Schädel und war hier gelb-grünlich verfärbt. 

„Die Pia zeigt nach dem Herausnehmen des Gehirns an der Stelle, 
mit welcher sie mit der Schädelkapsel verklebt war, eine gelbliche 
Trübung. Außerdem ist sie in der I’mgebung davon gerötet und weist 
zahlreiche, außerhalb der Blutgefäße gelegene, bis stecknadelkopfgroße 
Punkte auf. Die übrige Pia ist im wesentlichen ohne Veränderungen: 
an der oben erwähnten Verwachsungsstelle findet sich ungefähr in der 
Mitte derselben eine unregelmäßig gestaltete Oeffnung der Pia, durch 
welche gerötete Gehirnsubstanz hervortritt, und durch die man mit 


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einer Sonde leicht in die Tiefe gelangen kann. Schon bei der äußeren 
Besichtigung des Gehirns zeigt sich, daß der linke Schläfenlappen 
deutlich verbreitert, eingesunken und von weicher Konsistenz ist; auch 
die übrigen Windungen der linken Hemisphäre sind leicht abgeplattet; 
auf dem Durchschnitt sind beide Ventrikel von normaler Weite, ohne 
Flüssigkeit, nur bemerkt man gleich, daß der linke Thal. opt. in der 
Gegend des Pulvinar eingesunken und von weicher Konsistenz ist. 
Beim. Weiterschneiden zeigt sich, daß die ganze weiße Subsanz der 
linken Hemisphäre vom Hinterhaupt bis zum Stirnlappen von zahl¬ 
reichen grauen und gelblich-weißen, bis über linsengroßen, meist von 
kleinen Blutungen umgebenen Herden durchsetzt ist, in deren Hin¬ 
gebung die weiße Substanz selbst gelblich, weich und matsch erscheint. 
Die Capsula int. und die großen grauen Kerne sind im allgemeinen 
intakt, nur hinten greift die Affektion auch auf die innere Kapsel und 
den Thal, über; nach außen reichen die Veränderungen bis an die 
Großhirnrinde. Eiterungen sind nirgends vorhanden, liechte Hemi¬ 
sphäre normal.“ Im ganzen wurde festgestellt: Eitrige Entzündung des 
Mittelohres, Aufmeißelung und teilweise Fortnahme des linken 
Processus mastoideus, Eröffnung der Dura und Pia, Verklebung der 
Dura und Pia mit den Wundrändern des Knochens, geringe lokale 
Lcptomeningitis, Thrombose des linken Sinus transversus, zahlreiche 
encephalitische Herde der ganzen weißen Substanz der linken Hemi¬ 
sphäre, ebenso der hintersten Teile der Capsula int. und des Thal. opt. 
links; schlaffes Herz, vereinzelte Schwielen der Herzmuskulatur; links, 
und rechts subpleurale Blutungen, der linke Unterlappen sehr blut¬ 
reich und von vermindertem Luftgehalt; broncho-pneumonische Herde 
des rechten Unterlappens; geringe Milzschwellung; kleines Fibrom der 
rechten Niere; Hämorrhagien der Magenschleimhaut. 

E p i k r i s e. Es handelte sich in diesem Falle um eine otogene 
Encephalitis diffusa, in deren Verlauf weitab von der Oberfläche des 
Gehirns um einen nekrotischen Herd als Kern es zur Bildung eines Abs¬ 
zesses gekommen ist. Die den Hirnabszeß von der am kariösen Tegmen 
liegenden, auch etwas erkrankten Dura trennende Hirnschicht erwies 
sich bei der Operation als nicht erweicht, vielleicht etwas ödematös, 
aber, wenn überhaupt, so jedenfalls nicht im Vergleich derart wie in 
der späteren Zeit der Nachbehandlung. Der Hirnabszeß war also von 
der mit dem erkrankten Mittelohr direkt kommunizierenden mißfarbe¬ 
nen und glanzlosen Dura durch eine relativ gesunde Gehirnschicht ge¬ 
trennt. 

Durch die Operation ist es zwar gelungen, dem gebildeten Eiter 
Abfluß zu verschaffen; der zunächst kleine Abszeß hat sich immer mehr 


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durch Nekrose in der Peripherie erweitert, und der sieh neu bildende 
Eiter und Zerfallsprodukte fanden durch die Drainierung nach außen 
Abfluß. Aber unbeschadet um den freien Abfluß aus dem sich ver¬ 
größernden Abszeß schritt der encephalitische Prozeß in der Peripherie 
immer weiter, bis schließlich der größte Teil der weißen llirnsubstanz 
und ein Teil der grauen Kerne davon ergriffen wurde. Wenn auch 
zahlreiche Erweichungsherdc in dem erkrankten Bezirk gefunden wur¬ 
den, so ist es zur Bildung weiterer Hirnabszesse nicht gekommen. Das 
Hirnödem und den Hirnprolaps hat also in diesem Falle nicht ein zwei¬ 
ter Ilirnabszeß, sondern die zunehmende und fortschreitende Encepha¬ 
litis (K örue r) bewirkt. 

Die Art resp. Schwere der Infection war derart, daß es bei dem 
peripheren Weitergreifen der Erkrankung an der jedesmaligen Grenze 
zwischen dem gesunden und krankem Gewebe an Neigung oder Zeit 
mangelte zur Bildung einer Demarkation resp. Abkapselung. 

Ob oder inwiefern sich die Thrombose des linken Sinus transversus 
bemerkbar gemacht hat, ist mit Sicherheit wohl schwer zu entscheiden. 
Der den Sinus vollkommen ausfüllende, grau rote, festsitzende Throm¬ 
bus war in seinem obersten Teile gelbgrünlich verfärbt. Der feste Ab¬ 
schluß bulbarwärts hat wohl als Schutzwall gedient, und die klinischen 
Symptome, wie auch die durch die Sektion festgestellten Veränderun¬ 
gen in der Pleura und den Lungen und die leichte Milzvergrößerung 
lassen sich durch die Enzephalitis und die terminale Sepsis erklären. 
Nachzutragen ist noch, daß Schüttelfröste nicht notiert worden sind. 

Die einige Tage vor dem Tode aufgetretene Lähmung des rechten 
Armes und darauf des rechten Beines sind durch die Schädigung in dem 
Hinterschenkel der inneren Kapsel erklärt; auch die allem Anschein 
nach in den letzten Tagen vor dem Tode aufgetretene Aphasie findet 
leicht ihre Erklärung. 

Das Auftreten eines Herpes labialis, welcher die otitische Lepto- 
meningitis purulenta nicht selten begleitet (Iv örue r), ist bei Ence¬ 
phalitis sehr selten, ebenfalls bei Sinusphlebitis. Nach Körners 
,.Die otitischen Erkrankungen des Hirns etc.“, 1902, ist .,Herpes“ bei 
Hirnabszeß und „Herpes labialis“ bei Sinusphlebitis nur je einmal beob¬ 
achtet worden. 

II. 

A. G., 44 Jahre alt, Arbeiter. Auf genommen am 31. XII. 1905. 

Die Frau des Kranken hat bei der Aufnahme mitgeteilt, daß der¬ 
selbe seit Jahren Ausfluß aus dem linken Ohr gehabt habe. Seit einer 
Woche bestanden starke, linksseitige Kopfschmerzen, ungefähr gleich¬ 
zeitig hat sich der Ohrenfluß verringert und der Zustand des Kranken 


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sieh immer mehr verschlimmert. 31. XII. Abendtemperatur 37,2®, 
Puls 52. 

1. “I. 1906. Temperatur morgens und abends 36,7°. Puls abends 48. 
Ich habe folgenden Status aufgenommen: Der mittelgroße, kräftig 
gebaute Mann liegt ruhig im Bette, hat die Augen offen, aber einen 
vollkommen apathischen Gesichtsausdruek. Auf Anfragen antwortet 
er nicht, wenn man aber laut zu ihm schreit und durch leichtes Auf- 
rüttteln seine Aufmerksamkeit auf sich lenkt, so sieht man, wie der 
Kranke sich zu besinnen versucht und er anwortet schließlich mit etwas 
lallender Sprache auf die an ihn gestellte Frage, die Antwort steht 
jedoch nicht im Zusammenhang mit der Frage, und nach kurzer Zeit 
verfällt der Kranke wiederum in den früheren Zustand. In dem Ver¬ 
bandzimmer, in welches ich den Kranken zwecks Untersuchung tragen 
ließ, war es ihm augenscheinlich nicht warm genug, denn er band sich 
sein Hemd am Kragen zu und er tat dies vollkommen richtig, wenn 
auch langsam, mit beiden Händen, sein Blick blieb dabei jedoch voll¬ 
kommen teilnahmslos. Der Kranke faßte sich auch mit der Hand an die 
linke Kopflnilfte, als wenn ihm diese Beschwerden verursachte. Der 
Patcllarreficx war beiderseits stark vergrößert, bei anderen Reflexen 
konnte ich eine Vergrößerung nicht feststellen. Tn dem Gesicht fällt 
eine augenscheinlich angeborene Schiefstellung der Nase nach rechts 
hinüber auf, das linke Auge schien etwas weiter geöffnet als das rechte, 
die Beweglichkeit der Gesichtsmuskeln beim Sprechen normal. Die 
Weite und Reflexerregbarkeit der Pupillen beiderseits normal. 

Die Untersuchung der Ohren ergab folgendes: in dem rechten 
Ohre alte Narben nach Paukenhöhlen- und Knocheneiterung, durch 
welche ein bedeutender Teil des Warzenfortsatzes zerstört worden war, 
das Ohrinnere sieht fast so wie nach einer aiisgeheilten lladikalopera- 
tion aus; außen am Ohr keine Narben oder krankhaften Veränderun¬ 
gen. An dem linken Ohre fällt zunächst auf eine mäßige Schwellung 
und Rötung hinter der Ohrmuschel auf dem Warzenfortsatz; Druck auf 
diese Stelle ist augenscheinlich schmerzhaft, denn der Kranke verzieht 
das Gesicht und wendet sich ab. Weiter am Kopfe keine krankhaften 
Veränderungen; Beklopfen des Kopfes, speziell der linken Kopfhälfte, 
scheint keine Schmerzen hervorzurufen. In dem linken äußeren Ge- 
liörgange etwas fötiden Eiters, die Gehörgangswände zirkulär ver- 
schwollen, namentlich hinten oben. Nach Beseitigung des Eiters mit 
dem Wattestäbchen sieht man einen großen nierenförmigen Defekt im 
Trommelfell in den beiden unteren Quadranten. Der Hammergriff er¬ 
halten, das Trommelfell und der sichtbare Teil der Paukenschleimhaut 
stark gerötet und geschwollen. 


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19 


2. I. Morgentemperatur 35,9 Pulsfrequenz 42. 

Vormittags: Operation. Herr Dr. Nowakowski, wel¬ 
cher die Narkose leitete, machte mich auf eine beim Eintritt der tiefen 
Narkose aufgetretene starke Erweiterung der linken Pupille aufmerk¬ 
sam, während die reellte stark verengt war. Nach dem Erwachen des 
Kranken aus der Narkose schwand diese Erscheinung, welche als eine 
typische Druckerscheinung aufzufassen ist.. Der Druck des erkrankten 
Schläfenlappens auf den Stamm des Okulomotorius, welcher bis vor der 
Narkose gerade noch keine Lähmungserscheinungen hervorgerufen 
hatte, wurde unter dem Einfluß der zunehmenden llirnhyperämie in der 
Narkose derart vergrößert, daß die Function der den M. sphineter pu¬ 
pillae versorgenden Aeste dieses Nerven aufgehoben wurde. Wie ge¬ 
sagt, schwand diese Erscheinung nach dem Erwachen aus der Narkose, 
denn der Druck des Schläfenlappens auf den Nerven wurde durch die 
Eröffnung des großen Abszesses stark vermindert, wozu noch die Ab¬ 
nahme der llirnhyperämie nach der Narkose hinzukam. Gleichzeitige 
Mydriasis gehört ja auch neben der Ptosis zu den häufigsten Druck- 
symptomen seitens des Oculomotorius. 

Bei dem Ausfuhren der Radikaloperation fand ich die Weichteile 
und den Knochen sehr stark hyperämisch, in dem Innern des Warzen¬ 
fortsatzes eine ziemlich ausgedehnte Karies, auch das Tegmen erwies 
sich als kariös, war jedoch nicht durchbrochen. Die nach Entfernung 
des Tegmen bloßliegende Dura war glanzlos und gespannt. Ich ent¬ 
blößte sie in ungefähr Zehnpfennigstückgröße, eine Fistelöffnung ließ 
sich nicht finden, ich stach daher mit der Kanüle einer Aspirations¬ 
spritze in der Richtung nach oben und einwärts durch die Dura in das 
Gehirn ein und aspirierte aus einer Tiefe von ungefähr 2 cm stark fö- 
tiden. graugrünen Eiter. Hierauf kreuzweises Durchschneiden der 
Dura und der anliegenden, ca. 1 cm dicken, erweichten Hirnschicht. Es 
entleert sich nun eine Menge stark stinkenden Eiters, zunächst dünn¬ 
flüssig, später mit dicken gelben Flocken vermengt,, welche den Ein¬ 
druck zerfallener Hirnmasse machten. Der Ausfluß geschieht stärker 
bei jeder Exspiration, schwächer bei jeder Inspiration. Im ganzen 
haben sich wohl wenigstens 80 ccm Abszeßinhalt entleert. Die Eiter¬ 
höhle erwies sich durch Sondieren von länglicher Form, ihr Durch¬ 
messer von vorne nach hinten konnte ungefähr 7—8 cm betragen, nach 
oben und innen ließ sich die Sonde 4—5 cm tief einführen. Die Wände 
der Höhle bildete allem Anschein nach stark erweichte Hirnmasse. Ich 
spülte hierauf die Höhle mit warmer schwacher Karbolsäurelösung aus, 
pulverte eine Mischung von Bor- und Jodoformpulver zu gleichen 
Teilen ein und schob einen bleistiftdicken, mit Jodoformgaze umwickel- 


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20 


ten Glasdrain ca. 2 cm tief ein. In das Glasrohr wurde ein Jodoform- 
gazestreifen eingeschoben, dessen inneres Ende in die Abszeßhöhle 
reichte. Um mich noch über den Zustand des Sinus zu orientieren, 
drang ich durch stark hyperämischen, aber in seiner Nähe nicht kariö¬ 
sen Knochen bis an ihn heran und entblößte ihn in einer Fläche von 
Vs qcm. Sinus allem Anschein nach gesund, die Umgebung blutet ziem¬ 
lich stark. Hierauf habe ich die Sinusdura mit Bor-Jodoformpulver 
bestreut, darüber etwas Jodoformgaze gelegt und. um möglichst gut 
vor dem Ilirneiter zu schützen, darüber noch als Deckung etwas 
Gummipapier gelegt, was ich bei jedem Verbandwechsel wiederholte, 
solange der Sinus nicht mit Granulationen bedeckt war. Die Radikal- 
operation habe ich soweit ausgeführt, daß mir nur noch übrig blieb, die 
genauere Ausmeißelung etwaiger versprengter kariöser Herde im un¬ 
teren Abschnitt des Warzenfortsatzes und die Plastik, beiden verlegte 
ich auf später, das erstere, weil es mir bei cjpr starken Knochenhyper- 
ämie viel Zeit in Anspruch genommen hätte, die letztere, weil ihre Aus¬ 
führung ja jetzt weder angezeigt noch gut möglich war. Teil hielt 
daher die Operation als für jetzt beendigt, ließ die retroauriculäre 
Wunde offen, tamponierte die Operationshöhle mit Jodoformgaze, be¬ 
deckte sie mit aseptischem Mull und legte den großen Ohrverband an. 

Unmittelbar nach Beendigung der Operation und Anlegen des 
Verbandes, noch vor dem Erwachen des Patienten betrug die Puls¬ 
frequenz 50 in der Minute. Abends Temperatur 37,5 °, Pulsfrequenz 54. 

3. T. Morgens Temperatur 37,1° (64); abends 37,1°, (72). 

4. I. Morgens 36,1 0 (66), mittags 37,1 0 (68), abends 37,2 0 (72). 

5. 1. Morgens 36,6° (70), mittags 36,9° (70), abends 37° (74). 

6. I. Morgens 36,8° (73), mittags 36,7° (74), abends 37,1° (74). 

Bis zum 9. I. inklusive Temperatur 36,8—37 ° (62—74). 

Am 10. I. 37,4° (78), 37,5 ° (74), 37,9 ° (74). 

Bis zum 25. I. Temperatur meist unter 37 °, nur ganz vereinzelt 
1—3 Teilstriche darüber. 

Pulsfrequenz bis zum 19. I 70—77, seit dem 20. I. bis gegen Ende 
des Monats meist 80. 

Vom 26. I. bis zum 29. I. Morgentemperaturen 36,7, 37,1 37, 37 °; 
Abendtemperaturen: 37,2, 37,3, 37,8. 37,5 °. Pulsfrequenz bis 90. 

30. I. 36,9, 39,7, 40,8, 40,7 °. Pulsfrequenz bis 120. 

31. 1. 39,2, 37,8 38,9, 39,3 °. 

1. II. 38,4. 38,0, 37,8, 39,4 °. 

2. II. 37,4, 37,7, 38,4, 38,3 ®. 

3. II. 37,5, 37,*5, 37 # 7, 37,9®. 

4. II. 37.0, 37,4. 37,1, 37,1 ®. 


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7807 

— 21 — 

Seitdem normale Temperatur: die Pulsfrequenz wurde nur bis 
xum 20. II. gemessen, sie betrug in der letzten Zeit meist etwas über 80. 

Ende Februar und im März vereinzelt etwas erhöhte Abendtempe- 
ratur, bis 37,5 °. 

Einige Tage nach der Operation hatte der hiesige Augenarzt Herr 
Dr. Stasi nski die Liebenswürdigkeit, den Augenhintergrund zu 
untersuchen; es wurden beiderseits normale Verhältnisse konstatiert. 

Verlauf und Nachbehandlung. Nach der Operation 
besserte sich der Zustand des Kranken zusehends von Tag zu Tag. Es 
verminderte sich rasch die Apathie und Unbesinnlichkeit. Bald kam es 
•dazu, daß der Kranke es nicht verstehen wollte, er sei noch schwer 
krank.. Kaum eine Woche nach der Operation ging der Kranke schon 
selbst den übrigens kurzen Weg vom Krankenzimmer über den Korri¬ 
dor zum Abort. 

Am 9. 1. bat mich der Patient, daß ich ihn entlasse, er wolle ar¬ 
beiten. 

Am 21. I. wurde mir gegenüber darüber geklagt, daß er sich viel 
auf dem Korridor herumtreibe. Jedenfalls konnte ich schon in den 
ersten Tagen nach der Operation Prüfungen bezüglich des psychischen 
-Zustandes des Patienten vornehmen, ohne zu befürchten, ihn dadurch 
•übermäßig anzustrengen. Es wurden folgende Hör- und Sprachstörun¬ 
gen konstatiert: Bei der Untersuchung vor der Operation konnte ich die 
Beobachtung machen, daß der Kranke das, was ich zu ihm sprach, 
zwar hörte, aber den Sinn der Worte nicht verstand, wie man dies aus 
seinen Antworten schließen konnte. Die ebenfalls fest gestellte am¬ 
nestische Aphasie und Paraphasie war sicher nicht Ursache dieser Er¬ 
scheinung, sie mag dieselbe wohl zum Teil begünstigt haben, wenn aber 
<ler Kranke mit den Fragen ganz incohärente Antworten gab (z. B. 
auf die Frage nach seinem Namen die Antwort, es tue ihm nichts weh), 
so ist es psychische Taubheit, welche hier auf Schädigung 
in dem linken psychoakustischen Zentrum zurückzu führen ist. Diese 
psychische Taubheit ist nach der Operation nicht mehr aufgefallen. 
Länger konnte man amnestische Aphasie und Parapha¬ 
sie, am längsten Amnesie konstatieren. 

Die amnestische Aphasie wurde in folgendem beobachtet: 
^Zeigte ich ihm einen Schlüssel mit der Frage, was es sei, so sagte er, 
dies diene zum Oeffnen der Spinde, aber wie man den gezeigten Gegen¬ 
stand nenne, konnte er sich nicht erinnern; sagte ich ihm, es sei ein 
Schlüssel, so gab er gleich zu, daß der Gegenstand so heiße, und er 
wiederholte den Namen. Es blieb sich gleich, cVesh dem Patenten 
«tönen Gegenstand genau in seiner Anweudung 3 we;se beschrieb, oder 


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22 


ihn zeigte, er konnte ihn nicht benennen. Von Schuh, Hut, Mütze z. B.. 
wußte er, worum es sich handelte, wenn ich ihm die Gegenstände und 
ihre Anwendungsweise beschrieb, er wußte auch, wozu sie dienen, wenn 
ich sie ihm zeigte, er vermochte sich jedoch deren Namen nicht in Er¬ 
innerung zu bringen, trotzdem er sich sichtlich die größte Mühe hierzu 
gab; nannte ich schließlich die Gegenstände, so sagte er sofort: ,,ja, so 
heißt es“ und er wiederholte richtig den Namen. Andere Gegenstände 
nannte er richtig. Die amnestische Aphasie wurde seit dem 27. I. 
nicht mehr konstatiert; möglich, daß sie noch länger bestand; der 
Kranke war jedoch bis dahin über die geläufigeren Gegenstände schon 
abgefragt und kannte schon ihre Namen, so daß vielleicht deswegen 
amnestische Aphasie nicht mehr gut festgestellt werden konnte. 

Die Paraphasie dokumentierte sich darin, daß er z. B. statt 
„Frau“: „Tochter“ sagte, und auch in folgendem: zeigte ich ihm einen 
Ring, so nannte er ihn richtig, als ich ihm jedoch nach einer Weile 
eine Taschenuhr zeigte, so nannte er sie Ring. 

Ausgesprochene, hochgradige Amnesie wurde noch am 17. 11. 
1906 nach dem mehrtägigen hohen Fieber konstatiert. An diesem Tage 
besuchte den Patienten dessen Frau und stellte fest, daß er vieles, was 
vor der Operation geschah, auch die Verhältnisse in seiner Familie 
und den Bekanntenkreisen vergessen hatte; die Namen seiner vier 
Kinder nannte er jedoch richtig. Aber noch im Juli 1907 klagte Pat.. 
daß sein Gedächtnis schlecht sei, während es nach seiner Aussage vor 


der Erkrankung gut war. 

Gleich in der ersten Zeit der Nachbehandlung sind bei dem Pa¬ 
tienten Aufwärtszuckungen der rechten Oberlippengegend bis in den 
Nasenflügel hinein aufgefallen, welche sich oft bemerkbar machten und 
namentlich bei psychischer Anstrengung oder Aufregung, wie z. B. bei 
den Untersuchungen auf Sprachstörungen, intensiver wurden. Dieser 
Tic convulsif tritt auch jetzt noch auf, wenn auch weniger intensiv 
und seltener; es ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob er schon 
vor der Erkrankung bestanden hat oder nicht; ein Arbeitskollege des 
Patienten, mit dem er vor der Erkrankung viel zusammengearbeitet 
hat, behauptet nach Aussage des Patienten, die Zuckungen wären vor 
der Erkrankung nicht dagewesen, während der Patient selbst und seine 
Frau darüber nichts Sicheres auszusagen vermögen. Der Umstand, daß 
sie jetzt noch, nachdem das Gehirn längst ausgeheilt ist, bestehen, 
spricht wohl gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den 
rechtsseitigen Zuckungen und der linksseitigen Encephalitis; es ist 


in den ersten Wocheu nach der 
5 ÖtRl 3ü*utigcr als jetzt, auf traten. 



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23 


Die Sprachstörungen, die Benommenheit des Kopfes und diese 
Zuckungen der rechten Oberlippengegend wurden nicht gleichmäßig 
geringer und seltener, sondern es wechselten Tage, wo die Besserung 
auffallend war. mit Tagen ab, wo wiederum Verschlimmerung kon¬ 
statiert wurde. 

Icli möchte auch an dieser Stelle schon bemerken, daß der Patient, 
nachdem schon bedeutende Besserung eingetreten w’ar, auch sagte, daß 
er nun auch klarer sähe als in der ersten Zeit nach der Operation; der 
Augenhintergrund ist, wie gesagt, normal befunden, die Beeinträchti¬ 
gung im Sehen kann hier wohl auf die bestandene und allmählich sich 
zurückbildende Labyrinthentzündung bezogen werden; es ist aber viel¬ 
leicht auch nicht ausgeschlossen eine durch den Hirnabszeß bedingte 
vorübergehende Schädigung der linksseitigen kortikalen Sehsphäre. 

In der ersten Zeit nach der Operation wurde der Verband täglich 
gewechselt. Nach einigen Tagen wurde der Olasdrain fortgelassen und 
die Abszeßhöhle im Oehirn nur noch mit Jodoformgaze drainiert. 

Seit dem 14. 1. bestand etwas Druckgefühl am Kopfe hinter und 
über der Operationswunde. Seit dem 17. I. w r urde die Hirnabszeßhöhle, 
welche noch mehrere Zentimeter tief w r ar, aber keinen Ausfluß bot, 
nicht mehr tamponiert. 

Am 19. I. Befinden weniger gut, auch das Druckgefühl am Kopfe 
ist stärker: Patient hat Druehsehmerzen in Einmarkstückausdehnung, 
2 Finger breit über und etwas hinter dem oberen Ansatz der Ohr¬ 
muschel. ca. 2 Finger breit vor dem Tuber parietale. Es bestellt leichte 
Schwellung nach oben und hinten vom oberen Ansatz der Ohrmuschel, 
welche bis in diese druckschmerzhafte Stelle hineinreicht. Das Aus¬ 
sehen der Wunde gut. die Temperatur weniger als 37 Pulsfequenz 
70-—75. Die in die IIirnabszeßhöhle führende Oeffnung in der Dura 
mater ganz zwischen den die Dura bedeckenden Granulationen verdeckt 
und verklebt. Ich habe die Verklebung der Dura mit steriler Sonde 
auseinandergerissen und die Abszeßhöhle sondiert; sie hat sich seit dem 
17. I. nicht verkleinert. Mit der geraden Sonde gelangt man nach 
innen oben noch ca. 3 cm tief, mit der gekrümmten nach oben und hin¬ 
ten noch ca. 4 cm tief. Beide Sonden w T aren nach dem Herausnehmen 
aus der Abszeßhöhle vollkommen geruchlos, auch kam weder während 
des Sondierens noch nach Herausnahme der Sonde Eiter oder Liquor 
zum Vorschein, daher wurde die Höhle auch diesmal nicht und seitdem 
überhaupt nicht mehr tamponiert. Gegen die leichte schmerzhafte 
-Schwellung am Kopfe wurde mit gutem Erfolge einige Tage hindurch 
der darauf gelegte Verbandmull mit schwacher Borsäurelösung ange¬ 
feuchtet. 


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Am 30. I. trat nach mehrtägigem subtchrilem ZuMaiule plötzlich 
Schiittelfrost und hohes Fieber bis 40.8° ein. dabei Pulsfrequenz bis 
420. Keine Kopfschmerzen. Aussehen der Wunde gut. 

Am 31. I. wurden in narcosi die in der Operationshöhle im 
Knochen gewucherten Granulationen mit dem scharfen Löffel ausge¬ 
kratzt, dabei kamen einige Tropfen Fiter zum Vorschein; speziell 
wurde auch die Labyrinth wand, welche rauh war, mit dem scharfen 
Löffel ausgekratzt. Punktion ins Gehirn negativ. Beendigung der 
Kndikaloperation. Im unteren Abschnitt des Warzenfortsatzes noch 
kariöse Stellen entfernt, der Knochen noch stark hypertonisch. Aus 
der Gegend des Sinus reichlich Blut, der Sinus nicht aufgedeckt. 
Plastik mit Bildung eines oberen und unteren Lappens, die retroauri¬ 
kuläre Wunde nicht zugenäht. In einigen Tagen sank die Temperatur 
zur [Norm zurück, Metastasen konnten nirgends nachgewiesen werden. 

Die Nachbehandlung war sehr langwierig. Der größte Teil der 
großen Operationshöhle vernarbte zwar in einigen Monaten mit per¬ 
sistierender retroaurikulärer Oeffnung. aber die Innenwand der Pauken¬ 
höhle und der Gegend des horizontalen Bogenganges widerstand allen 
Ileilversuchen außerordentlich lange, trotz häutiger Benutzung des 
scharfen Löffels, darunter einmal noch besonders ausgiebig und in¬ 
tensiv in narcosi. Einige Male vernarbte die Labyrinthwand oberfläch¬ 
lich. aber nur für kurze Zeit, jetzt erst, über 1 3 /4 Jahr nach der Opera¬ 
tion. ist sie seit nahezu drei Monaten vernarbt und allem Anscheine 
nach dauernd, denn die narbige Auskleidung ist jetzt fest und glänzend. 

Im Februar 1900 trat einige Male beim Verbandwechsel starkes 
Schwindelgefühl auf; einmal, am 12. II. 1900, äußerst heftig und cha¬ 
rakteristisch: bei etwas unvorsichtigem, zu festem Tamponieren in der 
Gegend der mutmaßliehen Lage des horizontalen Bogenganges trat 
plötzlich Pmsturzbewegung nach rechts, Aufspreizen beider Arme zur 
Horizontalen, starker, horizontaler Nystagmus und kalter Schweiß auf; 
nach einiger Zeit beruhigte sich der Kranke. Es ist also sicher, daß 
hier die knöcherne Hülle des Bogenganges schon erweicht war, eine 
Fistel konnte ich jedoch nicht finden. 

Sehr lange Zeit hindurch bestand unsicherer Gang und traten 
stärkere Schmerzen im llinterkopfe und Gefühl von Benommensein 
des Kopfes auf. Im Juni 1900 bekam der Kranke einmal ein derartiges 
Benommensein des Kopfes, daß er sieh setzen mußte, es dauerte unge¬ 
fähr 10 Miifliten und war von Schmerzgefühl linkerseits begleitet; 
nachdem es gewichen war, hatte der Patient das Gefühl, als ob er das 
Gedächtnis vollständig verloren hätte, und nur allmählich sei es wieder 
zurückgekehrt. Aehnlieh starke Anfälle von Benommensein des Kopfes 


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25 


sind nach Aussage des Patienten noch vor der Erkrankung auf getreten, 
als er noch zur xlrbeit ging, so daß seine Arbeitskollegen besorgt ge¬ 
wesen sein sollen, es könnte ihm ein Unfall zustoßen. 

Noch bis in den Juli 1907 hinein klagte Patient öfters über leichtes 
Benommensein im Kopfe; über Druckgefühl im Hinterkopfe, und zwar 
beiderseitiges, klagt er ab und zu auch jetzt noch. Das Bücken war 
zwar im Juli 1907 schon ganz gut möglich, Patient tat es jedoch noch 
vorsichtig und klagte, daß es ihm dabei gleich in dem rechten, nicht 
operierten, Ohre stärker klang, dabei stellte es sich heraus, daß ein 
schwächeres Klingen in dem rechten Ohre schon vor der Operation des 
linken bestanden hat. Nach mehrmaligem Bücken klagte er über Un¬ 
klarheit im Kopfe und Sausen in dem linken Ohre. Bei geschlossenen 
Augen und aneinandergestellten Füßen schwankte er ziemlich stark; 
versuchte er mit offenen Augen auf einem Fuße zu stehen, so 
schwankte er derart, daß er gleich den Versuch aufgeben mußte. Hier¬ 
bei mag vielleicht auch etwas angeborene Ungeschicklichkeit mit im 
Spiele gewesen sein, nicht ausgeschlossen ist vielleicht auch eine gewisse 
Neigung, die Symptome etwas zu eumulieren, a\ich muß bemerkt wer¬ 
den, daß der Patient, seitdem er das Krankenhaus verlassen hat, sich 
nicht immer des Alkohols genügend enthalten hat, und es ist ja na¬ 
türlich, daß nach jeder Verletzung der Diät in dieser Richtung die 
Labyrinthsymptome für einige Zeit um so stärker auftraten. Alle diese 
Beschwerden sind seit der endgültigen Vernarbung der Labyrinthwand, 
welche im August 1907 eintrat, bis heute, Mitte November noch ganz 
bedeutend geringer geworden, speziell auch die Gleichgewichtsstörun¬ 
gen: Patient kann jetzt bei offenen Augen schon eine Weile ganz gut 
auf einem Fuße stehen; man hat auch den Eindruck, daß sein Gang 
jetzt sicher ist. 

Es sei noch erwähnt,, daß der Patient vor ungefähr drei Viertel¬ 
jahr von der Rentenkommission als zur Arbeit nur in sehr verminder¬ 
tem Grade tauglich anerkannt worden ist und eine monatliche Rente 
erhält. 

Hörprüfungen habe ich am 12. V. 1906 und am 15. VII. 1907 aus¬ 
geführt. 

12. V. 1906: W. (esse) nach links +. R. bds. —. 

Uhr durch Luftleitung rechts von 3—2 cm, links ad concliam un¬ 
sicher +; durch Knochenleitung rechts +, links nicht gehört, sondern 
schallt nach rechts hinüber. 

15. VII. 1907: W. —R. bds. —. 

Uhr durch Luftleitung rechts ca. 3 cm, links ad concham 
schwach -h; durch Knochenleitung rechts +, links schwach +. 


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26 


Es Ui 13t sich also eine merkliche Besserung des Gehörs linkerseits 
konstatieren. 

(lalton 4 hört Patient rechts in ungefähr 1 in, links in ungefähr 
30 em Entfernung. 

Ich habe beide Male auch die Pereeptionsfähigkeit für verschieden 
hohe Töne mit der U r b a n t s c li i t s c h sehen Harmonika unter¬ 
sucht, ich nahm dazu die F-Pfeifen. Das erste Mal habe ich nur das 
rechte Ohr, bei der zweiten Untersuchung beide Ohren daraufhin unter¬ 
sucht. Beide Male habe ich eine leichte Schwächung der Perception 
für das tiefe F 1 , das zweite Mal auch links, festgestellt, hierbei schien 
mir die Schwächung rechterseits bei der ersten Untersuchung etwas 
größer zu sein als bei der zweiten. Abgesehen davon ließen sich auf¬ 
fallende Differenzen in der Pereeptionsfähigkeit für die verschieden 
hohen Töne bei beiden Untersuchungen nicht feststellen. 

Nachzutragen ist noch, daß der Puls in den ersten Wochen nach 
der Operation öfter arrhythmisch und intermittierend war. 

Vor der Operation schien, wie gesagt, das linke Auge etwas weiter 
geöffnet zu sein; diese leichte linksseitige periphere Fazialisparese ist 
später nicht mehr aufgefallen. 

Der Patcllarreflex ist jetzt beiderseits normal, bedeutend schwächer 
wie vor der Operation. 

Der Patient hat seit der Operation dicke Backen bekommen und 
hat überhaupt sichtlich an Gewicht zugenommen, namentlich ist dies 
in den ersten Monaten der Nachbehandlung aufgefallen, als er noch 
in dem Krankenhause wohnte. 


Eine eitergefüllte Knochencyste der unteren Nasen¬ 
muschel. 

Von 

Dr. Jac. Cohn. Bromberg. 

Während Cysten der mittleren Muschel, sogenannte Knochenblasen, 
öfter zur Beobachtung und Behandlung kommen, sind solche der unte¬ 
ren Muschel nur sehr selten beschrieben worden. Soweit die Literatur 
mir zugänglich, habe ich im ganzen nur drei Fälle ausfindig machen 
können, von denen der eine jedoch nicht mit Sicherheit als Knochen¬ 
blase der u n t e r e n Muschel an gesprochen werden kann. 

B o b o n e beobachtete laut Referat im „Centralblatt f. Laryng. u. 
Rhinol, etc.“ vom Jahre 1905, Seite 478. eine ,,völlige kongenitale 


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27 


linksseitige Nasenverstopfung durch eine Knoehen-Knorpelblase der 
unteren Muschel*).“ Die Geschwulst fand sich bei einer 19jährigen 
Frau. Der Zugang 7.11 der im hinteren Muschelende gelegenen Cyste 
mußte erst durch Entfernung einer Leiste am Septum und Resektion 
der vorderen Hälfte der unteren Muschel freigelegt werden. Die Cyste 
wurde in mehreren Sitzungen entfernt; sie enthielt hellgelben Schleim. 

Ein zweiter Fall wird von B a u r o w i c z (Krakau) im „Archiv 
f. Laryng. u. Rhinol. 4 *, Bd. XVIII, Heft 2, in extenso mitgeteilt. Eine 
27jährige Frau litt seit längerer Zeit an Nasenverstopfung; Eiteraus¬ 
fluß bestand nicht. Im mittleren Nasengange waren zahlreiche kleine 
Polypen vorhanden, die entfernt wurden. Die Vergrößerung der unte¬ 
ren Muschel in ihrem hinteren Ende wurde nicht weiter beachtet. Nach 
vier Monaten stellte sich Patientin wieder vor. da die Nasenatmung 
nicht genügend frei wäre und viel Schleim in den Rachen käme. Es 
wurde als Quelle der Sekretion die untere Muschel entdeckt, aus deren 
oberer Fläche sich Eiter entleerte. Bei Sondierung ließ sich eine Höhle 
in der Muschel selbst konstatieren. Die OefTnung, aus der der Eiter 
quoll, wurde durch Resektion des hinteren Drittels der unteren Muschel 
vergrößert und die Höhle tamponiert. Durch einen zweiten Eingriff 
wurde die Höhle weiter freigelegt und so eine ausgiebige Tamponade 
ermöglicht. Von einem Fistelgange aus, der submukös nach vorne 
führt, wurde in einer folgenden Sitzung zwei Drittel der unteren 
Muschel entfernt. Die Höhle verkleinerte sich bei Tamponade im 
Laufe der Zeit bis auf eine kleine Vertiefung, die aber auch fernerhin 
immer noch etwas schleimiges Sekret absonderte. Die Anfangs ge¬ 
schlossene, wahrscheinlich angeborene Cyste ist vielleicht gelegentlich 
der Polypenoperation eröffnet und so ihr Vorhandensein infolge der 
nunmehr eingetretenen Sekretion entdeckt worden. 

Ein dritter, aber nicht ganz einwandfreier Fall wird im „Inter¬ 
nationalen Centralblatt f. Laryng. u. Rhinol.“ vom Jahre 1901, S. 474. 
im Sitzungsbericht der Londoner laryngologischen Gesellschaft von 
Henry Davis erwähnt. Es handelte sich um eine 40 jährige Frau, 
die über Nasenverstopfung klagte. Als Ursache der Beschwerde wurde 
eine vergrößerte untere (0 Nasenmuschel von derber Konsistenz 
gefunden. Bei der vorgenommenen Inzision entleerten sich 7 ccm 
Eiter. Nach Resektion der cyslischen Muschel fand sich stets eine 
Eiterspur am Rande der mittleren Muschel. Von verschiedenen 
Mitgliedern der Gesellschaft wurde die Deutung der Erkrankung als 
•Cyste der unteren Muschel an gez weif eit und nur eine cvstische Erwei- 

! ) Derselbe Fall ist im Centralbl. f. Ohrenbeilk., Bd. III, S. 248 referiert 


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teruug der mittleren Muschel als vorliegend angesehen. Der Eiter¬ 
streifen am Rande der mittleren Muschel wurde als Symptom einer 
Erkrankung der vorderen Siebbeinzellen gedeutet. 

Eine Täuschung ist in dieser Beziehung möglich, da das vordere 
Ende der mittleren Muschel ja oft recht weit nach unten reichen und 
die untere Muschel verdrängen kann. In dem von mir beobachteten 
Falle ist ein solcher Irrtum ausgeschlossen, da erst nach Entfernung 
des vorderen Endes der mittleren Muschel die eigentliche Cyste in der 
unteren Muschel diagnostiziert und operativ behandelt wurde. Die 
Krankengeschichte ist folgende: 

Obertelegraphenassistent M., 50 Jahre alt, leidet seit 2—3 Jahren 
an Verstopfung und übelriechendem Ausflusse aus der linken Nase. 
Er gebrauchte täglich zwei Taschentücher. Das Geruchsvermögen ver¬ 
lor er links gleichzeitig mit dem Auftreten des Ausflusses, kurze Zeit 
darauf auch rechts. Patient glaubte an einem Stockschnupfen zu lei¬ 
den, der „ja nicht heilbar“ sei. Zur Linderung seiner Beschwerden 
machte er Einläufe von Salzwasser, ferner zog er Oel in die Nase auf. 
Beim Gurgeln mit einer Myrrhentinkturlösung ließ er das Wasser 
durch die Nase hinauslaufen, um so das angesammelte Sekret aus der 
Nase fortzuschaffen und den Luftweg frei zu machen. Vor einem 
Jahre begann das linke Auge zu tränen; der Patient konsultierte einen 
Augenarzt, der den Tränensack ausdrückte und. eine Flüssigkeit zum 
Auswaschen des Auges verordnete. Gelegentlich einer Konsultation 
fragte Patient den Kollegen, ob nicht vielleicht durch eine Nasen¬ 
erkrankung das Tränenträufeln verursacht sein könnte, da er an Po¬ 
lypen leide. Der Kollege riet darauf zu einer “Untersuchung und event. 
Behandlung der Nase. 

Am 4. I. 1907 trat der Patient in meine Behandlung. Die Nasen¬ 
untersuchung ergab rechts nichts Besonderes, links war die Nase fast 
völlig verlegt, die untere Muschel berührte das Septum. Die mittlere 
Muschel ragte weit nach unten und lag der unteren auf. An der 
Berührungsstelle beider sah man einen Eiterstreifen, nach dessen Ab¬ 
tupfen auf der unteren Muschel kleine Granulationen zum Vorschein 
kamen. Ein Eingriff wurde noch nicht vorgenommen, da Patient 
nicht Urlaub nehmen, sondern nur an den dienstfreien Tagen zur Be¬ 
handlung kommen will. 

Am 8. I. 1907 wurden nach Einlage von Kokain-Suprarenintam- 
pons von der nur wenig dünner gewordenen unteren Muschel mittels 
Konchotoms ein Teil der Granulationen entfernt; bei dem hierbei aus¬ 
geübten Drucke quoll eine größere Eitermenge hervor. 


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— 29 — 


14. 7. 1907. Zwei größere Stücke aus der granulierenden Fläche? 
mit Konchotom entfernt. 

22. I. Zur besseren 7'ebersicht und zur Raumgewinnung wurde 
das vordere Ende der mittleren Muschel mit Konchotom entfernt. Der 
mittlere Nasengang wurde dadurch sichtbar und zeigte sich frei von 
Eiter. Dagegen sah man aus der unteren Muschel Eiter hervorquellem 

7. 11. An der Stelle, wo die Granulationen saßen, ließ sich eine 
Sonde einführen, wobei man feststellen konnte, daß sie in einen größe¬ 
ren Hohl raum führte. Fm dem Eiter einen besseren Abfluß zu ver¬ 
schaffen, stach ich mit einem Troikart mitten in die untere Muschel ein. 
worauf sich viel Eiter von penetrantem Geruch entleerte. Die Menge 
des Eiters ließ auf einen ziemlich großem Ilohlraum schließen. Ich 
stellte daher die Diagnose ,,eitrige Cyste der unteren Muschel“. 

9. 11. Ausspülung der Höhle durch die Punktionshöhle mittels 
Kieferhöhlenröhrchens: es entleerte sich viel stinkender Eiter. 

Bei den am 13. II. und 23. II. vorgenommenen Ausspülungen 
wieder dasselbe Ergebnis. Das Tränen t räufeln hat jedoch seit den 
letzten Ausspülungen bedeutend nachgelassen. Patient will von einem 
größeren Eingriffe nichts wissen und zunächst den Versuch machen* 
die Erkrankung durch Spülungen zu heilen. Hieran wird er aber 
gehindert, da er an Gelenkrheumatismus erkrankt und wochenlang das 
Bett hüten muß. Nach seiner Genesung stellte er sich wieder vor. be¬ 
richtete, daß das Tränenträufeln nachgelassen habe: er will aber die 
operative Behandlung erst nach einer Erholungsreise vornehmen lassen. 

19. VII. Auf Rat eines Arztes, der nach der sogenannten Natur¬ 
heilmethode kuriert und die Eiterung durch innerliche Mixturen zum 
Verschwinden bringen will, hat er dessen Verordnungen befolgt und 
will zunächst die vorgeschriebene Zahl Flaschen der Arznei auf- 
brauchen, ehe er sich zu einem größeren Eingriffe entschließt. Da 
der Zustand aber natürlich keinerlei Besserung zeigte, wird die Nasen¬ 
behandlung wieder auf genommen. 

13. IX. Ausspülung der Knochenblase mittels Kieferhöhlenröhr¬ 
chens. Da nach dem Ergebnis der Sondierung und der Spülungen ein 
größerer Hohlraum in der unteren Muschel vorhanden sein mußte, und 
die Oeffnung an der Konvexität der Muschel saß, nahm ich an, daß die 
Cyste bis nahe an die Oberfläche reichen würde, und schlug daher vor„ 
durch Entfernung eines Teiles der unteren Muschel den Hohlraum frei 
zu legen. 

20. IX. Der vordere Teil der unteren Muschel wird mit Sehen* 
und Schlinge reseziert. Das entfernte Stück war 2*U cm lang und an 
seiner breitesten Stelle 1,2 cm breit. Eine Tamponade nahm ich, wie 


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30 


hoi fast allen operativen Eingriffen, nicht vor, sondern empfahl nur 
ruhiges Verhalten, Vermeiden heißer Speisen. Alkohol etc. Es blutete 
fast gar nicht. Der erste Wattetanipon, der zum Verschluß der Nasen- 
Öffnung eingelegt wurde, blieb bis zum Abend in der Nase liegen. Erst 
dann wurde er vom Patienten erneuert; der zweite blieb bis zum näch¬ 
sten Morgen liegen und war dann kaum blutig. Während des ganzen 
Nachmittags war das Tränenträufeln sehr stark aufgetreten. 

21. IX. Im Nasengang keine Blutgerinnsel und kein Eiter; Ein¬ 
blasen von Xeroform. 

27. IX. Die Entfernung des vorderen Teiles der unteren Muschel 
hat nur zu einer geringfügigen Erweiterung der Fistel geführt. Es 
mußte also die Knoehenblase nicht, bis an die Oberfläche gereicht haben, 
sondern nur eine schmale Fistel an die Konvexität der Muschel ent¬ 
sandt haben. Bei der Sondirung geht die Sonde nach oben ea. IV* cm, 
nach hinten ea. 3 /* ein. Der Eiter ist bei der vorgenonnnenen Spülung 
fast geruchlos. 

15. X. Zur Erweiterung der Fistel wurde weiter nach vorn, un¬ 
gefähr in der Mitte der nunmehr freiliegenden medialen Wand der 
Cyste, mit einem Troikart an zwei Stellen eingestochen, um mittels 
Konehotoms die jetzt vorhandenen drei Oeffnungen zu einer einzigen 
zu vereinigen und so den Abfluß leichter zu ermöglichen. Die Oeffnung 
hatte nach diesem Eingriffe einen Umfang von 1 qcm. Aus dem Innern 
der Cyste wurden große (Iranulationen mit Schlinge und Konehotom 
entfernt. 

19. X. Nach Beseitigung der Eiter- und Blutkruste, die den Wund¬ 
rändern auf lag, ließ sieh die Höhle mit einem dicken llolire ausspülen. 
Mit der Sonde konnte ich jetzt die. Hinterwand der Cyste abtasten; 
die Höhlung reichte aber nach vorn und vorn oben noch weiter als die 
Oeffnung, daher wurde am 29. X. der überhängende obere und vordere 
Band nach Ein reißen mittels eines Hakens mit Konehotom und Schlinge 
zum größten Teile abgetragen. Aus dem Innern der Höhle wurden 
große (Iranulationen entfernt. Nunmehr ist auch die glatte äußere, 
nach der Oberkieferhöhle zu gelegene Wand der Cyste teilweise zu 
übersehen. Es wurde nun Jodoform eingeblasen, nicht aber tampo¬ 
niert. Die Oeffnung ist jetzt recht groß und die Cyste zeigte unge¬ 
fähr folgende Dimensionen: sagittaler Durchmesser 3—4 cm, frontaler 
1,5 cm, Höllendurchmesser 1,5 em; das entspricht einem ungefähren 
Bauminhalt von 7—8 ccm. Nach vorn und vorn oben reicht, die Höhle 
immer noch etwas weiter, als die Oeffnung in der medialen Cysten¬ 
wand. Die Wände der Knoehenblase sind, soweit sie zu übersehen 
sind, glatt und frei von (iranulationen. Die untere Muschel ist in 


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ihrem hinteren Ende intakt, ebenso ist noch ein Streifen der oberen 
Fläche, der das Dach der Höhle bildet, vorhanden. Die laterale Cysten¬ 
wand und die Oberkieferhöhlenwand sind, ebenso wie die untere Wand 
der Cyste und der Nasenboden, miteinander verwachsen. 

XL Bei der Ausspülung enthält das Spülwasser nur einige 
Schleimflocken. Da am Boden noch eine kleine Erhöhung vorhanden 
ist. welche den eigentlichen Nasenböden von dem Boden der Cyste 
trennt, so ist anzunehmen, daß sich der Schleim in dem kleinen Re- 
servoir gesammelt hat. Um eine Abflußrinne herzustellen, wird der 
knochenharte Sporn mit dem* Konchotom abgetragen. 

3. XII. Die Wundränder siud glatt abgeheilt; die Cyste zeigt eine 
glatte Sehleimhautoberfläche, die nur wenig sezerniert. Das Tränen¬ 
träufeln hat nachgelassen, aber nicht ganz auf gehört. Der Taschen¬ 
tuchverbrauch ist jetzt ganz minimal. 

4. II. 08. Die Höhle hat sieh verkleinert, sezerniert wenig. 

Es handelte sich also um eine Knochenblase der unteren Muschel, 
die, wahrscheinlich angeboren, auf irgend eine Art infiziert wurde 
und dann fistulös an der Oberfläche der unteren Muschel zum Durch¬ 
bruch gelangte. Man könnte vielleicht daran denken, daß hier eine 
abnorme Ausbuchtung der nasalen Kieferhöhlenwand vorlag, die zu 
einer Verwachsung mit der unteren Muschel geführt hat. Patient gab 
jedoch stets an, daß er bei den Ausspülungen keine Schmerzempfindung 
in den Zähnen hätte. Außerdem fühlte man nach der Außenseite der 
Knochenblase hin einen harten Widerstand schon in einer Entfernung, 
wo unmöglich die äußere Kieferhöhlenwand sein konnte. Ferner war 
das hintere Muschelende durch eine querstehende Knochenschicht ab¬ 
geschlossen. Auch fand sich nie ein Eiterstreifen im mittleren Nasen¬ 
gange, was ja der Fall gewesen wäre, wenn die Knochenblase z. B. 
eine ausgebuchtete geteilte Kieferhöhle wäre. Es bleibt also nur übrig, 
anzunehmen, daß eine mit Eiter gefüllte Cyste der -unteren Muschel 
vorhanden war. Das Tränenträufeln aus der Verlegung der Tränen¬ 
kanalmündung allein zu erklären, geht nicht gut an, da es dann schon 
früher hätte eintreten müssen. Vielleicht hat erst die Vereiterung der 
Knochenblase zu einer Heizung des Tränenkanals geführt. 


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Ueber die sogenannten adenoiden Vegetationen im 
Nasen-Rachenraume auf Grund von mehr als 1000 
ausgefQhrten Operationen. 

Von 

Dr. J. Sendziak (Warschau) 

(Vortrag, gehalten in der oto-laryngologischeu Sektion des X. Kongresses 
der polnischen Aerzte und Naturalisten in Lemberg, 23. Juli 1907.) 

M. 11.! Wenn ich zum dritten Male das Wort in der Frage der 
sogenannten adenoiden Vegetationen im Nasen-Rachenraume, ei gen t 
lieh der Hypertrophie der Luschka sHicn Tonsille, nehme, des Lei¬ 
dens. welches so ausgezeichnet hei uns Polen von W r o h 1 e w ski und 
D m o e h o w ski, sowie in der letzten Zeit (1901 ) von (J radenigo 
(Turin 1 ) bearbeitet wurde, so tue ich das nur angesichts der außer¬ 
ordentlichen Wichtigkeit dieser Fragt*. Ich beabsichtige nämlich auf 
Grund des sehr großen eigenen Materials (ca. 2000 Fälle dieses Lei¬ 
dens), besonders aber der operierten Fälle (mehr als 1000) die Auf¬ 
merksamkeit der geehrten Herren auf gewisse Einzelheiten zu lenken, 
welche, obgleich nicht ganz neu, jedoch noch nicht genug berücksichtigt 
wurden, wie sie es wegen ihrer außerordentlich praktischen Wichtig¬ 
keit verdienen, um so mehr, da seir der epochemachenden Arbeit von 
Meyer (Kopenhagen 1873) -- Vater der Operation der adenoiden 
Vegetationen — 35 »Jahre verlaufen sind, also ein genügender Zeitraum 
für die Anstellung der klaren Idee von dem Wesen dieses pathologi¬ 
schen Prozesses sowie seiner Verhältnisse zu den allgemeinen Störun¬ 
gen des Organismus. Es ist allgemein bekannt, wie häufig dieses Lei¬ 
den ist: auf die allgemeine Zitier von mehr als 21 000 Kranken, welche 
meinen Kat in der poliklinischen sowie privaten Praxis während des 
Zeitraums von ca. 17 Jahren suchten, habe ich 1995 Fälle der mehr 
oder weniger bedeutenden adenoiden Vegetationen im Nasenrachen¬ 
räume notiert, was 9,5 Proz. beträgt. 

K a f e m a n n sowie C o h n geben mehr oder weniger analoge 
Ziffern (7.8 und 9 Proz.) an. W r <> b 1 e w s k i bei uns ein wenig kleiner 
(7 Proz.), S e h m i e g el o w 5 Proz. der bedeutenderen und 13 Proz. 
der kleineren Hypertrophien der pharyngealen Tonsille, schließlich 
G radenigo auf Grund der gesammelten Statistiken bei verschie¬ 
denen Autoren 10—20 Proz. 


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Bezüglich 

des Alters 

zeigen meine 

Ziffern 

folgendes Bild 


bis zum 5. 

Lebensjahre 

waren 

es 235 Fälle 

vom 

5. bis 10. 

tt 

ff 

626 „ 

99 

10. „ 20. 

„ 

f » 

„ 1001 

99 

20. „ 30. 

jt 

tf 

„ S4 „ 

99 

30. „ 40. 


ff 

„ 42 „ 


über 40 

ff 


„ 7 


zusammen 1995 Fälle. 

Hiernach kommt dieses Leiden am meisten zwisehen dem 10. und 
20. Lebensjahre vor, sowie zwisehen dem 5. und 10., weiter vor dem 
5. Jahre; umgekehrt ist es nach dem 40. Jahre außerordentlich selten. 

Meine Ziffern stimmen mehr oder weniger mit den in den letzten 
Zeiten von S p r a g u e aus Amerika angegebenen überein ; Käfe¬ 
rn an n beobachtete dieses Leiden am meisten zwischen dem 6. und 
10. Lebensjahre. Die jüngste von meinen Patientinnen mit adenoiden 
"Vegetationen war 3 Monate alt; das beweist angeblich den angebore¬ 
nen Charakter des Leidens. C a 9 a b i a n c a, welcher in der letzten 
Zeit (1905) die adenoiden Vegetationen bei Säuglingen als Thema 
für seine Dissertation gewählt hat, behauptet, daß sie oft Vorkommen, 
indem sie Atmung und Saugen erschweren sowie die häufigen Ohreite¬ 
rungen mit der Neigung zur Affektion des Processus mastoideus und 
Verbreitung auf die Meningen verursachen. 

Was das Geschlecht anbelangt, so konnte ich in dieser Richtung 
keine bedeutenderen Differenzen konstatieren, es war nur eine kleine 
Superioritüt seitens der Männer (1050 auf 980 Frauen). 

A e t i o 1 o g i e. Gradenigo lenkt die Aufmerksamkeit auf 
■die Frequenz des Vorkommens der adenoiden Vegetationen bei Kin- 
dern, deren Eltern an Allgemeinerkrankungen wie Tuberkulose oder 
Syphilis leiden; dieser Verfasser akzeptiert aber nicht den kausalen 
Zusammenhang zwischen adenoiden Vegetationen einerseits und Skro¬ 
fulöse andererseits, womit ich jedoch nicht übereinstimme; in der Mehr¬ 
zahl meiner Fälle zeigten die Eitern sowie die Individuen mit den 
adenoiden Vegetationen die typischen Symptome der Skrofulöse. 

Was die Heredität betrifft, so zeigten meine speziell in dieser Rich¬ 
tung unternommenen Untersuchungen die Existenz der adenoiden Ve¬ 
getationen bei den Eltern einer- oder beiderseits in 32 Fällen, bei 
2 Geschwistern in 126 Fällen, bei 3 in 28 Fällen und endlich bei 4 Ge¬ 
schwistern in 12 Fällen. 

Die akuten infektiösen Krankheiten scheinen auf die Entstehung 
dieses Leidens einen Einfluß zu haben, so könnte man wenigstens aus 
den diesbezüglichen Angaben von S p r a g u e urteilen, welcher das ; 


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Hervortreten der adenoiden Vegetationen 5 mal nach Diphtherie und! 
Skarlatina, 7 mal nach Morbilli, schließlich 1 mal nach Parotitis epi¬ 
demica beobachtete. 

Das Seeklima scheint nach Körner ebenfalls negativ auf die 
Entstehung der adenoiden Vegetationen zu wirken; der Zusammen¬ 
hang der letzteren mit Myxödem, wie esKertagne nämlich behaup¬ 
tet, ist nicht bewiesen, während der Zusammenhang mit Tuberkulose- 
durch diesbezügliche anatomisch-pathologische Untersuchungen von 
S u c h a n n e k, Lermoyez und bei uns D m o c h o w s k i absolut 
bewiesen wurde. 

Ich komme jetzt zur klinischen Zusammenstellung der Symptome,, 
lokalen wie allgemeinen, welche von der Anwesenheit der adenoiden 
Vegetationen im Nasen-Rachenraume bedingt sind. Zu diesen letzteren 
gehören vor allem nach Gradenigo die allgemeinen Störungen, 
welche von der ungenügenden Blutoxydation (Ilypoxyhaemia) während 
der Atmung mit geöffnetem Munde bedingt sind. Hierher gehören 
also: die ungenügende physische Entwicklung im allgemeinen, der mehr 
oder weniger schlechte Allgemeinzustand, welcher sich schnell nach 
der Entfernung der Ursache, i. e. der adenoiden Vegetationen, ver¬ 
bessert, w ie dies z. B. im Falle von 0 a s t e x und M a 1 li e r b e w ar 
und was ich ebenfalls nicht einmal bei meinen Patienten zu bestätigen 
die Möglichkeit hatte. Hierher gehört weiter die sogenannte Aprosexia 
nasalis, worauf als Erster Guy (Amsterdam) die Aufmerksamkeit 
lenkte; dieses letzte Symptom beobachtete ich außerordentlich oft 
bei meinen Patienten, besonders aber bei den Schulkindern und ope¬ 
rierte namentlich hier mit Erfolg — 1995 Fälle 864 mal — also mehr* 
als 43 Proz., von denen 21 Fälle typische Idioten betrafen. K a r u t z 
gibt einen viel größeren Prozentsatz an, nämlich 70 Proz. B r ü h 1 
(Berlin) beschäftigte sieh speziell mit dieser Frage; er fand in 75 Proz. 
Idioten die adenoiden Vegetationen. Auch hier soll man nach einigen 
Verfassern (Major, Ziem) die ganze Reihe der sogenannten Re¬ 
flexneurosen einschließen, wie z. B. Pavor noeturnus, Enuresis noc¬ 
turna, Asthma etc., welche nach G r a d e n i g o mit der ungenügenden 
Ilämatose (Ilypoxyhaemia) verbunden sind. 

Es ist sehr wuchtig, worauf soeben S r a g u e die Aufmerksam¬ 
keit lenkte, und was ich ebenfalls auf Grund meiner Experienz bestäti¬ 
gen kann, daß viele Fälle von sogenanntem latenten Fieber bei kleinen 
Kindern (unter 8 Jahren) wahrscheinlich von den entzündlichen akuten 
Prozessen der hypertrophierten Rachenmandel abhängig sind. In 
einem gew issen Grade .betinden sieh im Zusammenhänge mit den obi¬ 
gen Symptomen jene lokalen, von der ungenügenden Quantität der 


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35 


«durch den Mund aufgeatmeten Luft bedingten Symptome, wie z. 13. 
die ungenügende Entwicklung der Oberkiefer sowie der Thoraxhöhle 
und Cohimnae vertebralis, wie es nämlich K o e r n e r und W a 1 d o w 
sowie Arbuthnot Lane und schließlich Ziem bewiesen, facies 
adenoidea, leptoprosopia (Sieben mann) etc. 

Oie Obstruktion der Käse sowie das Atmen mit dem geöffneten 
Munde, was nach Sprague in 50 Proz. der adenoiden Vegetationen 
■der Fall ist, rufen ebenfalls die katarrhalischen Zustände der Luft¬ 
wege durch die reizenden Eigenschaften der eingeatmeten Luft sowie 
Vermehrung und Zurückhaltung der Sekretion im Nasen-llaehenraume 
hervor. 

Am meisten, nämlich 702 mal auf 1995 Fälle, beobachtete ich gleich¬ 
zeitig die Hypertrophie der Nasenmuschel, besonders aber der unteren, 
sowie der Gaumen- resp. Zungenmandel (570 Fälle), schließlich Gra¬ 
nulationen auf der hinteren Pharynxwand. 

Mit .einem Worte, wie wir sehen, haben wir es hier sehr oft mit der 
Affektion, d. h. Hypertrophie des ganzen sogenannten lymphatischen 
W a 1 d o y e r sehen Iiachenringes zu tun. 

Die außerordentlich wichtigen, durch die Anwesenheit der adenoi¬ 
den Vegetationen im Nasenrachenraume resp. durch den Mangel oder 
die ungenügende Tätigkeit dieser letzteren bedingten Störungen sind 
•die Ohrstörungen; es ist daher nicht sonderbar, daß der Erste, welcher 
die Aufmerksamkeit auf diese Krankheit lenkte, der Ohrenarzt M eyer 
in Kopenhagen war. S p r a gu e gibt das Verhältnis der Ohrstörungen 
zu den adenoiden Vegetationen auf 50 Proz. an, einen noch größeren 
Prozentsatz geben Cohn (52,4 Proz.), Ha Ibers (53 Proz.) und 
schließlich Meyer und ü a r t, in a n n mit mehr als 74 Proz. an. 

Was mich anbelangt, so beobachtete ich auf 1995 Fälle der adenoi¬ 
den Vegetationen die Ohraffektion 1095 mal, w as ungefähr 55 Proz. 
beträgt. 

Am meisten ist nach Gradenigo die katarrhalische Affektion 
des mittleren Ohres 60—70 Proz. schon viel weniger (19—20 Proz.) 
die eitrige und schließlich ist am seltensten die Affektion des inneren 
sow ie des äußeren Ohres. In meiner Observation w T ar dieses Verhältnis * 
mehr oder weniger ähnlich: 730 Fälle von katarrhalischer Entzündung 
stehen 325 Fällen von eitriger, 30 Fällen des inneren sowie 10 Fällen 
des äußeren Ohres gegenüber. Daß wir bei der Mutosurditas auch sehr 
oft den adenoiden Vegetationen im Nasenrachenräume begegnen, das 
beweisen am besten folgende Ziffern: so gibt z. B. Gradenigo dieses 
Verhältnis auf 50 Proz. an, W r o b 1 e w r s k i bei uns mit 57,5 Proz, 
ebenso Poisson, Franken b erg er mit 59 49 Proz. und sehließ- 


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36 


lieh A 1 d r i c h, welcher den größten Prozentsatz, nämlich 73 Proz., an¬ 
gibt. Ich fand auch in allen Fällen (42) der Taubstummheit, welche 
ich zu beobachten Gelegenheit hatte, beständig die mehr oder weniger 
distinkte Hypertrophie der Rachenmandel, was meiner Ansicht nach 
keineswegs als die einfache Koinzidenz betrachtet werden soll. 

Es ist nämlich sehr wahrscheinlich, daß das Kind mit den adenoi¬ 
den Vegetationen geboren wird, die Fälle solcher Art gehören nicht 
zu den Seltenheiten, was die diesbezüglichen Fälle von T h o s t, 
F raenkel, Ja worski sowie vom Verfasser dieser Arbeit beweisen, 
oder nach deren Erwerbung in den folgenden Jahren das Gehör ver¬ 
liert, was ebenfalls, wie ich schon oben erwähnt habe, bei den adenoi¬ 
den Vegetationen außerordentlich oft vorkommt; angesichts dessen ist 
das Kind nicht im Stande sprechen zu lernen oder vergißt das. was es 
schon gelernt hat. 

Daß das möglich ist, beweist am besten das Faktum, daß, obgleich 
selten, die Fälle jedoch existieren, in welchen nach der Entfernung der 
adenoiden Vegetationen beim Kinde das Gehör und darauf die Sprache 
wiederkamen. 

Das sind nämlich 2 Fälle von A r s I a n , 1 Fall von C o u e - 
toux, schließlich 3 Fälle von Cassiani Ingani, 

Ich habe ebenfalls vor 10 Jahren im „Journal of laryngology“ 
einen interessanten Fall veröffentlicht, welcher einen 5 jährigen Knaben 
— taubstumm von Geburt — betraf, bei welchem nach der Entfernung 
der adenoiden Vegetationen nach und nach das Gehör und die Sprache 
vorzukommen anfingen. 

Angesichts des obigen denke ich, daß man in jedem Falle der Taub¬ 
stummheit mit adenoiden Vegetationen majoris gradus die operative Be¬ 
handlung dieser letzteren applizieren soll; es kann sein, daß wir durch 
die frühzeitige Operation das Vorkommen der Taubstummheit vermeiden 
werden. Ebenfalls sind die verschiedenen Augenstörungen, wie Tränen, 
Entzündung der Augenlider, Konjunktivitis sowie die Sehstörungen ver¬ 
hältnismäßig ziemlich häufig (60 Fälle in meiner Praxis, i. e. ca. 
9 Proz.); dabei gingen diese Störungen in vielen meiner Fälle nach 
der Entfernung der adenoiden Vegetationen ebenfalls zurück, anter 
anderen ein sehr stark ausgesprochener Exophthalmus bei einem 
13 jährigen Schüler. 

Hierher gehören ebenfalls gewisse Magenstörungen (Dyspepsia 
etc.), welche von dem Verschlucken der Sekretion aus der Nasenrachen¬ 
höhle bedingt sind. 

Endlich kommen bei der Anwesenheit der adenoiden Vegetationen 
verhältnismäßig oft die verschiedenen Reflexneurosen (304 Fälle in 
meiner Praxis, i. e. mehr als 15 Proz.) vor. 


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37 


Ich habe schon erwähnt, daß einige Verfasser diese Störungen mit 
verwiegendem Reflexcharakter auf andere Weise erklären, indem sie 
sie von der ungenügenden Blutoxydation resp. ihrer Intoxikation durch 
die Kohlensäure bei der Obstruktion der Nase, welche den Patienten 
zwingt, mit dem offenen Munde, besonders während des Schlafens, zu 
atmen, herleiten. 

Die häufigste Störung dieser Art, weiche mit den adenoiden Vege¬ 
tationen des Nasenrachenraumes im Zusammenhänge steht, ist die so¬ 
genannte Enuresis nocturna (105 Fälle in meiner Praxis, i. e. mehr 
als 5 Proz.); daß zwischen diesen Störungen einerseits und der An¬ 
wesenheit der adenoiden Vegetationen andererseits ein unzweifelhaft 
kausaler Zusammenhang existiert, beweist dr.3 Faktum, daß nach der 
Entfernung dieser letzteren verhältnismäßig oft (ca. 13 Proz. nach 
G'rönbeck) die Heilung dieses hartnäckigen Leidens vorkommt, was 
ich ebenfalls ziemlich oft in meiner Praxis, in 12 Fällen (also zirka 
IIV 2 Proz.) zu bestätigen Gelegenheit hatte. Einige Verfasser jedoch, 
z. B. soeben Lange, verneinen diesen kausalen Zusammenhang und 
bei uns Sokolowski betrachtet ebenfalls ziemlich skeptisch die 
Erfolge nach der Operation der adenoiden Vegetationen in Füllen von 
Enuresis nocturna, indem er, mit Recht übrigens, behauptet, daß in 
der Mehrzahl dieser Fälle die Rezidive dieses Leidens Vorkommen. 

Das zweite Leiden dos Reflexcharakters nach der Frequenz, wel¬ 
ches in vielen Fällen von der Anwesenheit der adenoiden Vegetationen 
im Nasenrachenraume bedingt ist, ist Asthma (64 Fälle in meiner 
Praxis, i. e. 3 Proz.), von*welchem Leiden 6 meiner Fälle nach der Ent¬ 
fernung der Vegetationen ganz geheilt waren, während in 16 Fällen 
eine größere oder kleinere Verbesserung eintrat. Hier treten jedoch, 
wie bei Enuresis nocturna, in der Mehrzahl der Fälle nach einer ge¬ 
wissen Zeit leider die Rezidive des Leidens auf. Ich notierte eben¬ 
falls, verhältnismäßig nicht selten (45 Fälle, i. e. 2 Pro/.) in meiner 
Praxis Epilepsie, dabei in 7 Fällen sistierte dieses Leiden 
gänzlich nach der Operation der Vegetationen; in 18 Fällen wurden 
größere oder kleinere Verbesserungen notiert, dieses letztere betraf 
besonders kleinere Kinder; bei den älteren Individuen jedoch konnte 
ich keinen Effekt von dieser Operation sehen. 

Arslan beobachtete ebenfalls Heilung in vier Fällen dieses Lei¬ 
dens nach der Operation der Vegetationen. 

Von den anderen derselben Kategorie ungehörigen wichtigeren 
Leiden muß ich hier erwähnen: Angina pectoris, Laryngospasmus, 
Tussis nervosa, besonders aber Pavor nocturnus, sowie Kopfschmerzen, 
besonders Cephalalgiae occipitales, wovon ich ebenfalls eine bedeutende 
Zahl nach der Operation der adenoiden Vegetationen Geheilter zu bcob- 


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38 


achten Gelegenheit hatte. Auch die Nasenblutmgen. sowie jene aus 
dem Rachen (die sogenannten pseudopulmonären Blutungen) sind in 
vielen Fällen (75 Fälle in meiner Praxis) veranlaßt durch die adenoiden. 
Vegetationen im Nasenrachenraume; dabei beseitigte die Entfernung 
der letzteren dieses den Patienten in hohem Grade beunruhigende Sym¬ 
ptom, als scheinbar aus den Lungen kommendes, deren Untersuchung 
jedoch in diesen Fällen absolut keine Veränderungen nachweist. 

Endlich sind ebenfalls die Störungen der Sprache (die sogenannte 
Rhinolalia clausa# Meyers tote Sprache) oft Resultat der unge¬ 
nügenden Funktion der Stimmbildungsorgane resp. des Nasenrachen¬ 
raumes, welche von der Anwesenheit der adenoiden Vegetationen in 
diesem letzteren bedingt ist (612 Fälle in meiner Praxis, i. e. mehr als 
30 Proz.) 

Hierher gehört auch das Stottern, welches nach Karutz sowie 
P 1 u d e r außerordentlich oft, besonders aber bei den Schülern (63 
Proz.) von der Existenz der adenoiden Vegetationen bedingt ist und 
deren Entfernung in vielen Fällen die Heilung hervorbringt. A.rslan 
beobachtete auf 11 Fälle dieser Art 4 Heilungen und 3 Verbesserungen. 
Grade n igo hatte auch 3 Genesungen dieser Art. 

Ich habe ebenfalls von 66 Fällen des Stotterns bei 16 Heilung nach 
der Entfernung der Vegetationen erzielt. 

Ich bin deshalb der Meinung, daß man in jedem Falle des Stotterns, 
vor allem diese letzteren, d. h. die adenoiden Vegetationen, entfernen 
soll, natürlich wenn solche in größerem Grade existieren, ehe man mit 
der speziellen Methode des Unterrichts anfängt, welche bei uns z. B. 
mit solchem Erfolg von dem berühmten Spezialisten in dieser Richtung 
Dr. Oltuszewski an gewendet wird. 

»letzt werde ich ein paar Worte der Diagnose und Therapie der 
adenoiden Vegetationen widmen. 

Vor allem möchte ich erwähnen, daß die Untersuchung mit den 
Fingern, welche nicht hygienisch, unangenehm, mit mehr oder weniger 
abundanten Blutungen verbunden ist und die Kinder vor weiteren ope¬ 
rativen Eingriffen ahschreckt, vernachlässigt, wenigstens ad minimum 
begrenzt sein soll, um so mehr, da sich in der Mehrzahl der Fälle die 
Rhinoskopia josterior sogar bei den kleinsten Kindern ausführen läßt. 

Derselben Meinung ist ebenfalls S p r a g u c. 

Schon ein wenig ausführlicher w^erde ich mich mit der Frage der 
operativen Behandlung dieses Leidens beschäftigen. 

Vor allem muß ich bestätigen, daß ich schon seit längerer Zeit bei 
dieser Operation die allgemeine Narkose nicht anwende. Die Applizie- 
rung des Chloroforms, jedenfalls des besten Mittels in dieser Richtung, 


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betrachte ich in diesen Fällen als überflüssig und sogar bis zu einem ge¬ 
wissen Grade schädlich; wenigstens habe ich seit dem Unterlassen dieser 
Methode viel weniger Komplikationen erlebt, als früher. 

In diesen Fällen ist die lokale Anästhesie in der Form des Kokain 
gänzlich genügend, natürlich nicht bei kleinen Kindern. 

Was die operative Technik betrifft, so operiere ich jetzt in einer 
Sitzung, dabei betrachte ich für das beste geeignete Instrument Gott¬ 
steins Messer oder seine Modifikation von Beckmann. 

Die Zangen (z. B. J u r a s z) gebrauche ich jetzt nicht, da sie die 
allgemeine Narkose fordern: sie sollen mehrere Male zu applizieren 
sein, was sogar bei ruhigen Kindern unmöglich ist. 

Die Operation durch die Nase, die älteste Methode von Meyer, 
welche jetzt allgemein vernachlässigt und wieder in letzter Zeit von 
Freer (Chicago) empfohlen ist, appliziere ich nicht und betrachte 
sie für unpassend. 

Eine paar Worte werde ich über die Resultate der Operation der 
adenoiden Vegetationen sprechen, da ich schon vor 10 Jahren in der 
medizinischen Gesellschaft zu Warschau ausführlich erwähnt habe. 

Auf Grund von mehr als 1000 .ausgeführten Operationen dieser 
Art. muß ich a priori sagen, daß sie in der Mehrzahl der Fälle sehr 
günstig sind. 

Diese Erfolge lassen sich in den folgenden Punkten darstellen: 

1. die Wiederherstellung der Permeabilität der Nase; 

2. mehr oder weniger bedeutende Besserung im allgemeinen Zu¬ 
stande : 

3. der günstige Einfluß auf die Intelligenz, was außerordentlich 
wichtig ist; 

4. der günstige Einfluß auf die Ohren- und Augen-Störungen; 

5. die Sistierung der lokalen Veränderungen in den Nasenhöhlen 
sowie im Rachen (hypertrophische Katarrhe etc.); 

6. die günstige Beeinflussung in vielen Fällen der sogenannten 
Reflexneurosen (Aprosexia nasalis, Enuresis nocturna, Asthma, Epi¬ 
lepsie etc.); 

7. der günstige Einfluß auf die pseudopulmonären Blutungen; 

8. auf die Sprachstörungen (die nasale Sprache, Stottern). 

Obgleich die Operation der adenoiden Vegetationen eine absolut 

sichere Methode ist (wenigstens hatte ieh auf mehr als 1000 ausge¬ 
führte Operationen dieser Art keinen einzigen lodesfall), so gehören 
jedoch verschiedene Komplikationen nach dieser Operation nicht zu 
den Seltenheiten, zu welchen man vor allem rechnen muß: die se¬ 
kundären Blutungen, die z. B. ß a r r e 11 und Orr auf 1000 1 alle nur 


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40 


3 mal beobachteten. S p r a g u e auf dieselbe Zahl nur einmal und 
ich mehr bedeutenden 4, hauptsächlich am vierten und fünften Tage 
nach der Operation. 

Von den anderen Komplikationen beobachtete ich je einmal Scar- 
latina et Morbilli, sowie 2 mal Malaria, ziemlich oft (7 mal) Tonsillitis 
follicularis, Abseessus pertonsillaris 2 mal, die vorübergehende Läh¬ 
mung des weichen Gaumens 4 mal, mit der nasalen Sprache, sowie Re¬ 
gurgitationen verbunden, schließlich die Affizierung des mittleren 
Ohres, — manchmal mit Ausgang in Eiterung — 5 mal; diese letztere 
Komplikation beobachtete S p r a g u e ebenfalls auf 1000 derartigen 
Operationen 3 mal. 


Eine modifizierte Spiegelzange. 1 ) 

Von 

Emil Amberg, Detroit, Michigan. 

Die Abbildung zeigt eine Spiegelzange, welche dazu dient, die 
Stellung des Stirnspiegels während der Operation ohne Zuhilfenahme 
der bloßen Finger zu ändern. Dieses Modell unterscheidet sich von 
dem alten, von mir schon vor mehreren Jahren angegebenen vor allem 
durch seine Größe und dann auch durch die etwas stärkere Konstruk¬ 
tion. In meiner eigenen Erfahrung hat es sich als wünschenswert her¬ 
ausgestellt, daß die Spiegelzange nicht klein sein darf, da sonst durch 
das Aufsuchen des Spiegelrandes ein unnötiger Zeitverlust entsteht. 



Fernerhin sichert das längere Instrument weit mehr das Nichtberüh- 
ren der aseptischen Hand durch den Spiegel, und drittens scheint cs 
mir, daß die richtige Erstellung des Spiegels leichter bewerkstelligt 
werden kann. Jeder Operateur könnte sich das sehr einfache Instru¬ 
ment nach seiner eigenen Idee etwas ändern lassen. 

') Das Instrument wird von H. Pfau in Berlin geliefert. 


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UnterbrechuDgshandgriff für den Nebulorapparat 

Von 

Prof. Dr. A. Kuttner, Berlin. 

Ich habe bei der Elektrizitätsgescllsehaft „Sanitas“, Berlin N., 
Friedrichstr. 131 d, für den von dieser Firma gebauten Nebulor-Appa¬ 
rat einen Unterbrechungshandgriff konstruieren lassen, durch welchen 
die ursprüngliche therapeutische Verwendbarkeit dieses Apparates eine 
wesentliche Erweiterung erfahren hat. Wie bekannt sein dürfte, be¬ 
steht der Nebulor-Apparat aus eiiiein Windkessel, in welchem vermittelst 
einer durch Handbetrieb oder durch einen Motor in Bewegung gesetz¬ 
ten Pumpe die Luft bis zu einer Spannung von 4—5 Atmosphären ver¬ 
dichtet wird. Dieser Druck genügt, um jede beliebige medicamentöse 
Lösung in Nebelform zu verwandeln, deren Einatmung bei den ver¬ 
schiedensten Affektionen der oberen Luftwege gute Dienste leistet. 



Da es mir wünschenswert erschien, die starke Spannung des Ne- 
bulorapparates und seine medikamentösen Beimischungen auch noch zu 
anderen als Inhalationszwecken zu benutzen, veranlaßte ich den tech¬ 
nischen Leiter der Firma, Herrn Ingenieur Otto, ein Ansatzstück zu 
konstruieren, welches in handlicher Form eine Verbindung des Wind¬ 
kessels mit verschiedenen Instrumenten und eine augenblickliche Un¬ 
terbrechung des Luftstromes ermöglicht. Diese Aufgabe scheint mir 
durch nebenstehenden Handgriff, den ich seit ca. 1 Jahre mit gutem 
Erfolge verwende, in zweckentsprechender Weise gelöst: Er gibt uns 
die Möglichkeit, Lufteintreibungen in die Tuben mit jedem beliebigen 
Druck vorzunehmen, die medikamentöse Behandlung der Tuben in 
denkbar mildester Form auszuführen und die Nebenhöhlen der Nase 
nach ihrer operativen Eröffnung gründlicher als bisher auszutrocknen. 


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Das Mikro-Telephon als Hörapparat 

Von 

Dozenten Dr. Ferdinand Alt in Wien. 

Im November 1906 habe ieli in der österreichisehen otologischen 
Gesellschaft einen Hörapparat empfohlen, der aus einem empfindlichen 
Mikrophon (Lautsprechmikrophon), einem Telephon, einem Trocken¬ 
element und den erforderlichen Leitungsdrähten besteht. Der Vorzug 
des Apparates ist in folgendem Umstand gelegen: Wenn man das Mikro¬ 
phon mit gewöhnlicher Stimme anspricht, so hört der normal Hörende 
•die Stimme am Telephon so sehr verstärkt, als ob ihm in das Ohr ge¬ 
schrieen würde. Der hochgradig Schwerhörige hört die gewöhnliche 
Sprache außerordentlich deutlich. 

Ich verwende diesen Apparat nun seit mehr als einem Jahre und 
hatte Gelegenheit, die Vorzüge und Nachteile desselben kennen zu ler¬ 
nen, so daß ich mich zu einigen Modifikationen desselben entschloß. 
Einen Nachteil des Apparates bildet die rasche Aufzehrung des Trocken¬ 
elementes durch den Gebrauch und die Abschwächung seiner Wirksam¬ 
keit bei abnehmender Ladung, so daß nach einigen Wochen ein neues 
Trockenelement angeschafTt werden muß. Ferner leidet das Trocken¬ 
element Schaden, wenn es an einem zu warmen oder zu trockenen 
Orte aufbewahrt wird. 

Allen diesen Uebelständen wird abgeholfen, wenn man an Stelle 
des Trockenelementes einen Akkumulator verwendet. Ich ließ einen 
Akkumulator konstruieren, der ein noch kleineres Format als das 
Trockenelement auf weist, vorgezeichnete Pole besitzt, damit kein Pol¬ 
wechsel erfolgt, und in der Rocktasche untergebracht werden kann. Den 
Akkumulator kann man selbst laden oder laden lassen. 

Die Anwendung des Hörapparates in dieser Anordnung soll nur für 
den Gebrauch außer dem Hause dienen. Für die Anwendung zu Hause 
kann inan statt des Akkumulators zwei L e e 1 a n e h e - Elemente ein¬ 
schalten, die der Schwerhörige in einer kleinen Kiste im Rureau oder 
in einem Wohnzimmer anbringt. Ist ein Haustelegraph vorhanden, so 
können die Leitungsdrähte mittels einer einfachen Klammer mit zwei 
Elementen des Haustelegraphen verbunden und in jeden Wohnraum ge¬ 
leitet werden. 

Bei der Demonstration dieses Hörapparates habe ich darauf hin¬ 
gewiesen. daß das Ideal der Schwerhörigen nicht das Hören im Verkehr 
mit einer sprechenden Person bezw. das Hören aus einer bestimmten 
Richtung sei, sondern das Hören aus der Ferne, und zwar aus verschie¬ 
denen Richtungen wäre. 


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Zu diesem Zwecke habe ich mit Unterstützung des elektrischen In¬ 
stituts von Deckert und II o in o 1 k a eine große Anzahl von Ver¬ 
suchen angestellt. 

Die Anbringung von Schallfängern verschiedenster Art an das Mi¬ 
krophon erweist sich als nutzlos. Der Sehallfänger verstärkt den 
Schall, wenn in denselben direkt gesprochen wird. Für die Ferne ver¬ 
sagt er den Dienst, weil sich die Schallwellen nach allen Richtungen 
ausbreiten und eine zu geringe Menge mit zu geringer Intensität das 
Mikrophon trifft. Das Mikrophon reagiert auf diese Schallwellen eben¬ 
sowenig, wie etwa auf Flüstersprache. 

Wir haben mehrere Mikrophone auf einem Schaltbrett, in einer 
Halbkugel, auf paraboloiden Flächen angebracht. Der Erfolg war ge¬ 
ringer, als wenn ein Mikrophon verwendet wurde. 

Wir haben Hohlspiegel als Schallfänger aufgestellt und im Brenn¬ 
punkte des Spiegels ein empfindliches Mikrophon angebracht — ohne 
Effekt. 

Die bisherigen Versuche, den Apparat zum Gebrauch für die Ferne 
nutzbar zu machen, sind demnach gescheitert, dagegen erweist sich der 
Hörapparat mit Akkumulator oder Leclanche - Elementen für den 
Gebrauch mit einer sprechenden Person als sehr gut verwertbar. 


Berliner otologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 11. Juni 190 7. 

Vorsitzender: Herr S c h w a b a c h. 

Schriftführer: Herr Iv a t z. 

Tagesordnung. 

Diskussion zu dem Vortrag des Herrn Sonn tag: „G elieilte* 
P y ä m i e n“. 

Herr Peyser: Ein 8 jähriger Knabe erkrankte an Otitis media 
acuta, im Verlaufe der Krankheit wurde die Eröffnung des Warzenfort- 
satzes nötig. Nach der Operation kein Sinken des Fiebers, aber auch 
keine pyämische Kurve. Am 15. Tage nach der Operation unter leich¬ 
tem Frösteln Eiterentleerung im Urin mit höherer Temperatursteige¬ 
rung, am folgenden Tage Eröffnung des sich inzwischen mit gut aus¬ 
sehenden Granulationen überzogen habenden Sinus. Der Sinus war 
mit einem Thrombus erfüllt, der entfernt wurde. Die Jugularis wurde 
nicht unterbunden. Danach glatter Ileilungsverlauf. Der Fall ist 
dadurch bemerkenswert, daß außer der spät auf tretenden Nierenbecken¬ 
metastase nichts auf eine Sinuskoniplikation hinwies. 


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44 


Herr Herzfeld: Die Punktion ist ungefährlicher als die Inzi¬ 
sion. Während bei vollständiger Thrombose natürlich kein Unter¬ 
schied ist. kann die Eröffnung durch Inzision bei wandständiger Throm¬ 
bose nur vermittelst des Meyer -Whiting sehen Verfahrens ge¬ 
macht. werden. Abgesehen von der Gefährlichkeit desselben kommt es, 
wenn nicht bei der Operation selbst, dann bei dem-Verbandwechseln zu 
starken Blutungen oder spontanen Thrombosen. Die Punktion mit der 
Spritze möchte H. nicht aufgegel>en wissen, da man auf das Aussehen 
der Sinuswand keinen grollen Wert legen kann und die Thrombose 
möglichst früh erkannt und ausgeschaltet werden muß. Das Auftreten 
der Stauungspapille trifft wohl nicht mit der Thrombose zusammen, 
sondern mit beginnender Entzündung des Zerebrums oder der Hirn¬ 
häute,' wofür auch die mehrfach beobachtete Pulsverlangsmung bei 
Fällen von Thrombose spricht. 

Herr Sonntag: Die Punktion soll nicht völlig aufgegeben wer¬ 
den, nicht angebracht erscheinen nur die überflüssigen Punktionen. 
Schädigungen der Sinuswand durch Punktionen sind häufiger als man 
annimmt, ln einem kürzlich beobachteten Falle von llirnabszeß, bei 
dem wegen des pyämischen Fiebers der Sinus mit negativem Erfolge 
punktiert worden war, zeigte sich nachher bei der Sektion auf der 
inneren Sinuswand entsprechend der Punktionsstelle ein ringförmiger 
Thrombus. Eine Pulsverlangsamung konnte bei den vorgestellten Fällen 
von Sinusthrombose nicht beobachtet werden. 

Herr W 0 1 f f: U e b er rezidivierende Mastoiditi s. 

Unter dem Hinweise, daß die Knochenregenerationsverhältnisse im 
Warzen fort satze bisher in der Literatur wenig Berücksichtigung ge¬ 
funden haben, erörtert der Vortragende dieselben an der Hand seiner 
Beobachtungen bei Kranken, die wegen rezidivierender Mastoiditis wie¬ 
derholt operiert werden mußten. Die Knochenwunde nach der Antro- 
tomie wird an der Oberfläche und zum mindesten teilweise in der Tiefe 
von Knochen ausgefüllt. Ob ein vollständiger knöcherner Verschluß 
des Operationstrichters stattfindet, ist vorläufig noch nicht mit Sicher¬ 
heit festzustellen, da bisher experimentelle und histologische Unter¬ 
suchungen fehlen. Dagegen erscheint sicher, daß das nach Erkrankun¬ 
gen und Operationen im Warzenfortsatz neugebildete Gewebe dem Vor¬ 
dringen eines Entzündungsprozesses von der Paukenhöhle weniger 
Widerstand bietet, wie der normale knöcherne Warzenfortsatz. Nach 
mehrfachen Schädigungen des Warzenfortsatzes durch Erkrankungen 
und Operationen nimmt das Knochenregenerationsvermögen desselben 
ab. Aus der kritischen Besprechung von 8 einschlägigen Kranken¬ 
geschichten aus der B r ii li 1 sehen Klinik geht hervor, daß verschiedene 


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ätiologische. Momente für die Rezidive von Mastoiditiden in Betracht 
kommen: 

I. Das Zurückbleiben latenter Keime im Warzenfortsatz; 

II. eine Neuinfektion des Warzenfortsatzes von der Pauken¬ 
höhle mit stark virulenten Keimen;/ 

. III. eine Neuinfektion mit schwach virulenten Keimen, die bei der 
durch die erste Erkrankung und Operation entstandenen verringerten 
Resistenz des Warzenfortsatzes zur Abszedierung führen kann, wenn 
gleichzeitig eine schlechte Allgemeinkonstitution oder eine Disposition 
zu Otitiden besteht. 

Prognostisch ist zu beachten, daß durch die - Antrotomie die Chan¬ 
cen für die spätere nochmalige Entstehung einer Mastoiditis vergrößert 
werden, besonders bei Individuen mit schlechter Allgemeinkonstitution 
und Disposition zu Otitiden. 

Diskussion: 

Herr Lange: Unter den für den Meißelkurs bestimmten Schlä¬ 
fenbeinen fand sich ein Präparat, bei dem vor längerer Zeit eine An¬ 
trumoperation rite durchgeführt ist. Die Operationshöhle zeigte sich 
vollkommen erhalten, nur unter dem verdickten Periost des Planum 
war es zu geringfügigen Knochenneubildungen gekommen. In der 
übrigen Höhle ist makroskopisch kein Narbengewebc oder neugebilde¬ 
ter Knochen zu erkennen. 

Herr H erzfeld: In manchen Fällen rezidivierender Mastoiditis 
genügt eine einfache Inzision zur Heilung. Es handelte sich fast 
immer um Kinder. Die Erklärung dafür ist wohl darin zu suchen, daß 
ein breiter Zugang von der Pauke zum Antrum übrig geblieben war, 
und bei späterer Entzündung der Eiter diesen bequemeren Weg suchte, 
und nicht das Trommelfell durchbrach. 

Herr Grossmann hat etwa ein Dutzend einschlägiger Fälle 
operiert, darunter nur einen Erwachsenen. Spongiosaersatz konnte 
nie beobachtet werden, der Defekt war durch fibröses Bindegewebe ge¬ 
schlossen. Bei einigen Kindern konnte bei schon beginnender Yorw r öl- 
bung der Narbe durch die Parazentese ein Zurückgehen derselben be 
wirkt w erden. 

Herr B r ü hl: Es ist auffallend, daß über ein so wichtiges Krank¬ 
heitsbild bisher in der Literatur nichts zu finden ist. Durch einige zu¬ 
fällig im Verlaufe eines Jahres sich ereignende Fälle wurde ich auf 
diese Erscheinung aufmerksam gemacht. Bei Operationen von rezi¬ 
divierenden Mastoiditiden hatte ich den Eindruck, als ob die ganze 
Mulde mit derbem Gewebe, wahrscheinlich Knochen, ausgefüllt war. 
Bei einem vor kurzer Zeit operierten Fall konnte ein ausgedehnter 


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41 ) 


Knoehenersat.z an der Oberfläche und auch in der Tiefe festpesteilt wer¬ 
den. Normaler Weise findet nach meinen Beobachtungen, wenn auch 
kein vollkommener, so doch ein ausgedehnter Knochenersatz statt. 

Herr Kra m m hat den Eindruck, als ob bei den von ihm beobach¬ 
teten i allen das Auftreten einer Mastoiditis wieder begünstigt wurde, 
wenn der Zugang zum Antrum sehr weit freigelegt worden war. Er 
hält jetzt nur einen schmalen Zugang zum Antrum etwa so lange offen, 
bis die Eiterung aus dem Mittelohre sistiert und will dann einen mög¬ 
lichst schnellen Abschluß des Ant rums von der übrigen Operationshöhle 
durch Granulationsbildung herbeiführen. 

Herr \\ olff: Bei unseren Fällen hätte keine einfache Inzision 
genügt, es handelte sich immer um eine ausgedehnte neue Knochen¬ 
erkrankung. Bei dem Präparat dos Herrn Lange wird wohl jeden¬ 
falls bei der Operation ein größeres Loch angelegt worden sein, als es 
jetzt zu sehen ist. Durch eine enge Zugangsöffnung zum Antrum bei 
der Operation wird inan wohl kaum auf die Knochenneubildung in den 
äußeren Teilen ein wirken können. Die Gefahr des Ueberwachsens von 
Schleimhaut aus dem Antrum in die Operationshöhle ist nicht so groß, 
als daß man sich des Vorteils einer breiten Antrumöffnung begeben 
sollte. 

Herr Beyer berichtet über die Ergebnisse seiner Fntersuchun- 
gen, die er darüber angestellt hat, inwieweit die Gesetze der verschie¬ 
denen Schallleitungstheorien sich auf die Mittelohranlage der Wirbel¬ 
tiere an wenden lassen. Zunächst bespricht er den anatomischen Bau 
des Mittelohres verschiedener Vertreter der hauptsächlichsten Wirbel- 
tierklassen, sowie die Abweichungen desselben von der menschlichen 
Mittelohranlage und erläutert seine Erörterungen durch eine große 
Anzahl von Projektionsbildern geeigneter Präparate. Fast bei allen 
Tieren lassen sich Verhältnisse im Bau des sogenannten Schallleitungs¬ 
apparates nachweisen, die sich mit den Grundbedingungen der ein¬ 
zelnen Schallleitungstheorien nur schwer vereinen lassen. 

Da den niederen Amphibien und Reptilien und auch den Schlangen 
das Trommelfell sowie die Paukenhöhle fehlen und die Columella in 
Muskulatur eingebettet liegt, ist für die Frage der Schallleitung bei 
diesen Tieren die H e 1 m li o 1 t z sehe Theorie auszuschließen. Bei 
denjenigen Familien der Amphibien- und Reptilienklassen, welche ein 
Trommelfell besitzen, wie z. B. den Batrachieru, Cheloniern und 
Sauriern, ist ferner eine Schwinguugsmöglichkeit desselben im Sinne 
der II e 1 m h o 1 t z sehen Anschauung mangels der geeigneten Form 
und Spannung der Membran durch einen dazu nötigen Muskelapparat 
sowie infolge der Ueberlagerung durch die dicke äußere Haut nicht 


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47 


anzunehmen. Außerdem ist bei diesen Tieren die Columella fast regel¬ 
mäßig in ihrem lateralen Ende durch Fixationen, knorpelige Anheftung 
oder ligamentöse Verbindungen so befestigt, daß eine exakte Schwin¬ 
gungsfähigkeit ihr abgesprochen werden muß. Dasselbe gilt, wenn 
auch in beschränktem Maße, auch für die Mittelohranlage dev Vögel, 
bei denen dann noch die einzige Muskelanlage derartig ist, daß sie nur 
eine Erschlaffung der Membran, doch keine Spannung herbei führen 
kann. Aber auch für das Mittelohr der höheren Wirbeltiere, der Säuge¬ 
tiere, kann die Theorie der molekularen Schallfortpflanzung nur sein- 
bedingt Geltung haben; denn entweder ist die Gehörknöchelchenkette 
wiederum an ihrem lateralen Ende durch Fixation oder direkte Ver¬ 
wachsungen des Hammers mit dem Annulusring oder das Fehlen des 
Sperrgelenkes für die Uebertragung der Schallwellen wenig geeignet, 
oder es ist bei gut beweglichem Leitungsapparat das Trommelfell so ge¬ 
artet oder gelagert, daß die Mechanikgesetze sich darauf nicht anwen¬ 
den lassen. 

Die Theorie der molekularen Fortpflanzung des Schalles durch 
Trommelfell und Leitungsstab kann bei den niederen Wirbeltieren, den 
niederen Amphibien und Reptilien sowie Cheloniern nur sehr gezwun¬ 
gen angenommen werden, sie kommt aber in Betracht bei den Ba- 
trachiern, Sauriern und Vögeln, stößt aber hierbei durch die Befesti¬ 
gungsart der Columella am Trommelfell, die Fixation des lateralen En¬ 
des daselbst am Quadratbein, sowie durch ihre Form auf Schwierig¬ 
keiten. Dagegen ist sie bei den Säugetieren nicht direkt von der Hand 
zu weisen, wenngleich ein solider Stab geeigneter zur Uebertragung 
der Schallwellen in diesem Sinne wäre, wie die verschiedenartig 
federnde Kette. 

Die S e c c h i sehe Theorie kann für das Mittelohr aller niederen 
Wirbeltiere mangels einer abgeschlossenen Paukenhöhle und besonders 
mangels eines durch eine Membran verschlossenen Schneckenfensters 
nicht gelten. Doch läßt sich vielerlei zu ihren Gunsten bei dem ana¬ 
tomischen Bau des Mittelohres der höheren Wirbeltiere, der Vögel und 
Säuger, anführen, wie z. B. die Ausbildung und Lage der Mittelohr¬ 
hohlräume und der Stand und die Größe des Schneckenfensters. Die 
kolossalen Schneckenfenster der Vögel und vieler Säugetiere können 
unmöglich als Ausweichungsstellen für Störungen der Perilymphe 
dienen. In der ganzen Mittelohranlage müßte man aber dann nur 
einen Apparat zur Regulierung des intralabyrint.hären Druckes sehen, 
der entweder von außen oder innen in Bewegung gesetzt wird und in 
beiden Fällen auch als Schutzvorrichtung in Tätigkeit treten muß. 

A. Sonntag (Berlin). 


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Die oto-, rhino-, laryngologische (etc.) Universitäts- 
schriften-Literatur, die an den deutschen Universitäten 
vom 15. August 1905 bis 15. August 1906 erschienen ist.') 

Zusammengestellt von 
Pr. Fritz Loeb (München). 

Ohr. 

Ein Beitray zur Frage der Behandlung des Miitelohres mit lAifte'nddusun- 
geu. Von Ludwig Gottwalt Brocke. Leipzig PKW», 19 S. 

Ein Fall von Meningitis cerebrospinalis mit Durchbruch des Eiters durch 
das Ohr. Von Hans Fordan. Erlangen 1900. 37 S. 

Feber extragenital akquirierte Primäraffekte an Kinn , Wangen, Ohren, be¬ 
haartem Kopf und Stirn und anschliessend daran ein Fall von 
Initialsklerose an der rechten Wange. Von Richard Otto 
Lurz. Würzburg 1905. 35 S. 

Nase. 

Heber einen Fall von Orbitalphlegmone mit Abszessbildung in der Nasen-, 
Wangen- und Schläfengegend und mit Beteiligung der Nasenhöhle 
und des Bachens. Von Fritz Kaiser. Heidelberg 1905. 29 S. 
(Sep.-Abdr. aus Graefes Archiv, Bd. Gl, H. 3.) 

Feber das Vorkommen von Schweineseuchebakterien und diesen ähnlichen 
Bakterien in der Nasenhöhle des Schweins. Von Emil Klein. 
(Arbeiten aus dem Hygienischen Institut der kgl. tierärztlichen 
Hochschule zu Berlin.) Gießen 1905. 32 S. 

Das Phinophyma und seine chirurgische Behandlung. Von Harry Licb- 
mann. Leipzig 190G. 31 S. 

Die extragenitale Syphilis in fektion , speziell der Primära ffekt der Nase. Von 
Hermann Löb. Würzburg 1906. 90 S. 

Ein Fall von Haemangioendothelioma perivasculare nasi. Von Wilhelm 
Manuel. Würzburg 1906. 30 S. 

Beiträge zur Klinik der Nasentuberkulose. Von Ernst Adolf Pasch. 

Aus der Abteilung für Ohren-, Hals- und Nasenkranke im 
Allerheiligen-Hospital zu Breslau. (Sep.-Abdr. aus: Archiv für 
Laryngologie, Bd. 17, H. 3.) Breslau 1905. 30 S. 

Mundhöhle. 

Die systematische Untersuchung des Sprachorganes bei angeborenem Gaumen¬ 
defekt in ihrer Beziehung zur Prognose und Therapie. Von 
Wilhelm Brunck. Aus der Klinik und Poliklinik für 
Sprachstörungen in Berlin. Leipzig 1906. 41 S. 

1 > Siehe Nr. 10, 19<H3. — Nr. 1. 19o7. — Nr. 4 , 1907. — Nr. 7, 1907 


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Zur Kasuistik der Knochensarkome des Unterkiefers. Von Josef Dreck¬ 
mann. Kiel 1905. IG S. 

Zur Kenntnis dei' Natur der Stomatitis und Angina ulccro-membranacea 
(Plaut-Vincent). Von Paul Eisen. Heidelberg 1905. 102 S. 

Krankheitsfrequenz im Kindesalter. Nebst einer Statistik Uber Scharlach - 
und Diphtherieerkrankungen in Halle a. S. in den Jahren 1900 
bis 1904. Von Erich Goetze. Aus der medizinischen Uni¬ 
versitäts-Poliklinik in Halle a. S. Halle a. S. 1905. 37 S. 

Ueber Kiefemekrosen. Von Georg Gold Schmidt. Aus der kgl. Poli¬ 
klinik für Zahn- u. Mundkrankh. in Breslau. Breslau 1906, 34S. 

Anatomisch-physiologische Untersuchungen Uber den Schlundkopf des Vogels 
mit Berücksichtigung der Mundhöhlenschleimhaut und ihrer Drüsen 
bei Gallus domesticus. Von Kurt Heidrich. Aus dem ana¬ 
tomischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Dresden. 
Gießen 190G. 82 S. 

Ueber die Plaut-Vincentsche Angina. Von Carl Hess. Aus der medi¬ 
zinischen Klinik zu Marburg. Marburg 1906. 3G S. 

Die Zungenaktinomykose des Schweines; neue , krenothrixähnliche Frukti- 
fikationsformen des Aktinomyces in der Zunge und in den Ton¬ 
sillen. Von Richard Holland. (Aus: Archiv für wissen¬ 
schaftliche und praktische Tierheilkunde, Band 31, 1905.) 
Gießen 1906. 49 S. 

Der syphilitische Primäraffekt an den Tonsillen. Von Joseph Kaes- 
bohrer. Würzburg 1906. 58 S. 

lieber die Bedeutung der Tonsillen für das Zustandekommen der sogenannten 
,.kryptogenetischen * Erkrankungen. Von Franz Kleiminger* 
Rostock 1905. 25 S. 

Ueber einen Fall von totaler Verwachsung des weichen Gaumens mit der 
hinteren Rachenwand und gleichzeitiger Stenose an der Grenze des 
Meso-und Hypopharynx. Von Ludwig Mohr. München 1906. 
34 Seiten. 

Zur Kasuistik der Blutungen nach Tonsillotomie und ihre Behandlung. Von 
Hans Nettebrock. Aus der chirurgischen Klinik zu Kiel. 
Kiel 1906. 17 S. 

Das zentrale Kystadenom der Kiefer. Von Walther Pincus. Leipzig 
1905. 38 S. 

Ein Fall von Melanosarkom der Parotis. Von Hans Schiller. Erlan¬ 
gen 1906. 27 S. 

Beitrag zur Lehre von den Psychosen nach akuten Infektionskrankheiten: 

eine Psychose nach Angina. Von Paul Schwade. Aus der 
psychiatrischen und Nervenklinik zu Kiel. Kiel 1906. 18 S. 


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50 


TJcber Knorpel- und Knochenbildung in den Gaumenmandeln. Von Bern¬ 
hard Schweitzer. Freiburg i. Br. 1905. 34 S. 

Heber die Karzinome der Mundschleimhaut. Von Franz Thomas. Aus 
dem Konventspital der barmherzigen Brüder zu Breslau. 
Breslau 1906. 41 S. 

Ein Fall von syphilitischer Speicheldrüsenentzündung % Von Otto Vehse. 
Leipzig 1906. 37 S. 

Respiration. 

Heber akuten Verschluss eines Hauptbronchus durch einen Fremdkörper und 
die Aetiologie des Bronchialatmens bei Pneumonie . Von Nikolaus 
Anstett. München 1906. 20 S. 

Empyem und Pneumothorax . Statistische Studie über die in den Jahren 1890 
bis 1904 inkl. auf der ersten medizinischen Abteilung des Kranken¬ 
hauses l. d. Isar in München beobachteten Fälle. Von Otto 
Beuleke. München 1906. 17 S. 

Die operative Behandlung der Bronchiektasie. Von Georg Brückner. 

Aus der Universitäts-Kinderklinik zu Heidelberg. Heidel¬ 
berg 1905. 29 S. 

lieber Arrosionsblutung grosser Gefdsse nach 'Tracheotomie. Von Karl 
Eske. Aus dem Krankenhaus des Kreises Teltow zu Britz. 
Leipzig 1906. 72 S. 

Ueber den Einfluss der Dyspnoe auf den Blutdruck. Von Oskar Jäger. 
Leipzig 1906. 44 S. 

Kasuistischer Beitrag zur Würdigung der Bronchoskopie: Nagel in der 
rechten Lunge mittels Bronchoskopie diagnostiziert und extrahiert . 
Von Christian Johnsen. Aus der kgl. chirurgischen Klinik 
zu Kiel. Kiel 1905. 28 S. 

Dampfdusche als Expektorans . Von Arthur Lissauer. Aus der Heil¬ 
stätte Holsterhausen bei Werden a. d. R. Leipzig 1905. 21 S. 
Zur Kasuistik des interstitiellen Lungen- und Mediastinalemphysems. Von 
Emil Mar et. Aus der kgl. Kinderklinik und dem pathologi¬ 
schen Institut in München. München 1906. 24 S. 2 Tafeln. 

Untersuchungen über die im Anschluss an die Tracheotomie bei Pferden auf- 
tr etenden Komplikationen a n der Tr ach ea. Von 0 s k a r P e t s c h e 11. 
Aus der Poliklinik der tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 
(Sep.-Abdr. aus : Monatshefte für prakt. Tierheilkunde, Bd. 17.) 
Gießen 1905. 34 S. 

Die physikalischen Verhältnisse bei der Inhalation zerstäubter Flüssigkeiten 
Von Max Sei ge. Aus dem pharmakologischen Institut der 
Universität Jena. (Sep.-Abdr.: Internationales Archiv für 
Pharmakodynnmie und Therapie, Bd. 14.) Jena 1905. 26 S. 


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Lieber die Erfolge der Heberdrainage))behandlung des Pleuraempyems an der 
medizinischen Universitätsklinik zu Leipzig in den Jahren 1S95 
bis 1904. Von Ernst Curt Treibmann. Leipzig 1906 67 S. 

Ueber Atemregulation. Von Sigmund Weil. Straßburg 190(5. 31 S. 

Varia. 

Ueber die Operation des Empyema sinus frontalis nach Killian. Von 
Franz Bätke. Rostock 1905. 29 S. 

Doppelseitige Rekurrenslähmung infolge von Aortenaneurysma . Von 
Friedrich Heinrich Bernhard. Leipzig 1905. 46 S. 

Die Abtragung der Epiglottis wegen luberkulose. Von Richard Boldt 
Rostock 1906. 41 S. 

Ueber Epiglottidotomie. Von Walter Breid t har dt. Bonn UH36. 36 S. 

Ein Fall von postdiphtherischer Gehirnerkrankung mit besonderer Berück - 
sichtigung unserer heutigen Kenntnisse vom Zwangslachcn. Von 
Richard Cords. Leipzig 1906. (51 S. 

Beitrag zur Tränensackexstirpation. Von Wilhelm Dübbers. Aus der 
Universitäts-Augenklinik zu Freiburg i. Br. Freiburg i. Br. 1905. 
62 Seiten. 

Zur Kenntnis der infektiösen Diplegia facialis. Von Walter Enke. 
Leipzig 1905. 46 S. 

Tuberkulose des Oesophagus. Von Hermann Evert. Berlin 1906. 41 S. 

Ueber die Untersuchungsmethoden , welche die Diagnose der Oesophagusdiver- 
tikel ermöglichen. Von Albert Fiedler. Leipzig 1906. 50 S. 

Alypin, ein neues Anaesthetikum. Von Heinrich Gebb. Aus der Uni¬ 
versitäts-Augenklinik zu Gießen. Gießen 1905. 33 S. 

Kongenitales malignes Lymphangiom des Halses. Von Wilhelm Glaser- 
München 1906. 20 S. 

Ueber einen Fqll von Meningitis basilaris syphilitica mit kombinierter Augen - 
muskellähmung. Von Sophie Godelstein. Berlin 1906. 22 S. 

Ueber die Verbindung von Gummi- und Zwirnhandschuhen bei Operationen. 
Von Max Goecke. Jena 1905. 31 S. 

Ueber den diagnostischen Wert des Tuberkulins in der Kinderpraxis. Von 
Rein hold Hinz. Rostock 1905. 32 S. 

Der gegenwärtige Stand der Tuberkulosebehandlung unter besonderer Berück¬ 
sichtigung des Tuberkulins, Hetols und des Marmorekschen Serums . 

. Von B.'Hodesmann. Leipzig 1906. 33 S. 

Ueber die Beziehungen der Rinder - und Menschentuberkelbazillen sowie 
deren Infektionswege im menschlichen Körper. Von Ernst 
Hohenhaus. Leipzig jl906. 15 S. 


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Vergleichende Untersuchungen über den histologischen Bau der Iränendrüse 
unserer Haussäugetiere. Von Paul Horn icke 1. Aus dein 
physiologischen und anatomischen Institut der tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden. Gießen 190o. 47 S. 

Ucbcr einen Fall von Osteom nach Mukocele der Stirnhöhle, sowie Uber einen 
Fall von Sarkom des Siebbeins. Von Paul Hucklenbroch 
Freiburg i. Br. 1905. 55 S. 

Ein Fall von Ansciosarkom (Peritheliom) am Halse bei einem 7 Monate 
alten Kinde. Von Wilhelm Junge. Kiel 1906. 17 S. 

Uebcr einen neuen seltenen Fall kongenitaler Knorpelreste am Halse. Von 
Paul Krebs. Aus der anatomischen Anstalt der Universität 
Breslau. Breslau 1905. 31 S. 

Die Sauerstoff-Chloroformnarkose. Von Ernst Langenbach. Aus der 
chirurg. Klinik zu Gießen. Gießen 1905. 26 S. 

Ein Fall von Brown -Sequardscher Halbseitenläsion , kompliziert mit ein¬ 
seitiger Phrenikusverletzung und Pneumothorax. Von Eugen 
Löwen stein. Straßburg 190i>. 46 S. 

Ueber Agnathie. Von Felix Marx. Aus dem pathologischen Institut 
zu Gießen. Gießen 1905. 37 S. 

Ueber den Blutdruck bei Tuberkulose. Von Kurt Matthes. Leipzig 1906. 
35 Seiten. 

Ueber Bekurrenslähmung im Kindesalter. Von Robert Meyer. Leipzig 
1906. 32 S. 

Ein Beitrag zur Kenntnis der Pulsionsdivertikel der Speiseröhre. Von 
Berthold Müll 2 r. Aus dem pathologischen Institut zu 
Gießen. Gießen 1905. 36 S. 

Beitrag zu den Unfallverletzungen des Kehlkopfes. Von Harry Müller. 
Leipzig 1906. 44 S. 

Ueber dielOrbitalphlegmone. Von Nikolaus Müller. Würzburg 1906. 
27 Seiten. 

Die nichtbakteriellen Nebenursachen der Lungenschwindsucht im Eisenbahn¬ 
dienst. Von Waldemar Müller. Leipzig 1906. 21 S. 

Ueber die Auskultation der Flüsterstimme. Von Leo Moses. Aus dem 
Hospital der israelitischen Gemeinde zu Frankfurt a. M. (Sep.- 
Abd. aus: Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, Band 4, 
S. 152—171.) Marburg 1905. 

1000 Heilstätten fälle. Statistische Wertung der Jahrgänge 1900—1904 und 
kritische Würdigung der kombinierten Anstalts- und Tuberkulin 
behandlung in der Lungenheilstätte Kottbus. Von Julius Nagel. 
(Sep.-Abdr. aus: Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. 15.) 
Leipzig 1906. 55 S. 


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Ein Fall von traumatisch entstandenem Angioma mcningcalc venosum des 
linken Stirnhirns mit besonderer Berücksichtigung des Ausganges 
von Schädeltraumen in Geschwülste und in Porencephalie. Von 
Walter Nebel. Freiburg i. Br. 1905. 35 S. 

Ein Fall von subchordalem Gumma. Von Eugen Neumann. München. 
44 Seiten. 

Klinik der Halsrippen. Von Walther Nickol. Aus dem medizinisch¬ 
poliklinischen Institut, Berlin. Leipzig 1906. 39 S. 

Feber reizlose Ausschaltung des Lungenvagus durch Anelektrotonus. Von 
Ludwig Pflücker. Aus dem physiologischen Institut zu 
Marburg. (Sep.-Abdr. aus: Pflügers Archiv, Bd. 106, S. 372 
bis 385.) Marburg 1906. 

Feber Konkrementbildung im Oesophagus. Von Iiichard Pflugradt. 
Halle a. S. 1905. 40 S. 

Die moderne Narkose. Von Kurt Pietsch. Königsberg 1905. 86 S # 

Feber Metastasenbildung gutartiger Kröpfe. Von Oskar Poser. Aus der 
chirurgischen Klinik zu Jena. Jena 1906. 52 S. 

Feber das Verhalten der Sensibilität im Trigeminusgebiet nach vollständiger 
Exstirpation des Ganglion Gasseri. Von H. Pr usch in in 
Berlin 1906. 42 S. 

Feber die Grössenverhältnisse des Herzens bei Tuberkulose . Von Josef 
Besch. München 1905. 20 S. 

Feber den intrapleuralen Druck. Von Johannes Both. Aus der medi¬ 
zinischen Universitäts-Poliklinik zu Marburg. (Sep.-Abdr. aus: 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, Band 4, S. 438—466.) 
Marburg 1905. 

Feber das Lymphom resp. das Lymphadenom der Lider und der Orbita. 

Von Wilhelm Rückei. Aus der Universitäts-Augenklinik 
zu Gießen. Gießen 1905. 40 S. (Sep -Abdr. aus: Sammlung 
zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Augenheil¬ 
kunde, Bd. 6, H. 4.) 

Experimentelle Untersuchungen über die Veränderungen der Tränendrüse 
nach Durchschneidung der Ausführungsgänge. Von OttoSeyde- 
witz. (Sep.-Abdr. aus: v. Graefes Archiv, Bd. 62, H. 1.) 
Greifswald 1905. 16 S. 

Ein Fall von gleichmässiger Speiseröhrenerweiterung. Von Gustav 
Sprenger. Tübingen 1906. 18 S. 

lieber Ursprung und Bedeutung der in Pleuraergüssen vorkommenden Zellen. 

Von Vargas Suärez. (Sep.-Abdr. aus: Beiträge zur Klinik 
der Tuberkulose, Bd. 2, H. 3, S. 202—224.) Heidelberg 1905, 


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54 


Kasuistische Mitteilungen über Sinusthrombose. Von Hugo Schaaf, Aus 
der Universitäts-Ohrenklinik zu Gießen. Gießen 1906. 100 S. 

Beitrag zur Rekurrenslähmung mit 50 neuen Fällen . Von Emil 

Schickendantz. Leipzig 1906. 71 S. 

Heber die Wirkung der Chloroform - und Aethernarkose auf die verschiedenen 
Organe des Menschen. Von Viktor Leo Schmidt. Leipzig 
1905. 95 S. 

Kasuistische Beiträge zu den Verletzungen des Oesophagus. Von Otto 
Schmitt. München 1905. 36 S. 

Beiträge zur Raclmtovainisierung. Von Emil Schroeter. Aus der 
kgl. chirurgischen Universitätsklinik zu Königsberg. Königs¬ 
berg 11)06. 55 S. 

Ein Fall von hysterischer Aphasie im Kindesalter. Von Gurt Schubert. 

. Aus der psychiatrischen und Nervenklinik zu Kiel. Kiel 1906. 

24 Seiten. 

Beitrag zur Kenntnis der Sprachstörungen der Epileptiker. Von Walter 
Schulze. Göttingen 1906. 47 S. 

lieber Fistula colli lateralis congenita. Von Stefan Stein harter. 
München 1906. 52. S. 

Der Morbus Basedowii mit Thymuspersistenz. Ein Beitrag zur pathologi¬ 
schen Anatomie. Von Kurt Thorbecke. Heidelberg 1905. 63 S. 

Heber tuberkulöse Karies der Orbitalknochen. Von Hermann Traut- 
wein. Freiburg i. Br. 1906. 50 S. 

Heber Keilbeinhöhleneiterung. Von Ernst Ullrich. Aus der Universitäts¬ 
poliklinik für Ohren-, Hals- und Nasenkranke zu Bonn. 
Bonn 1906. 30 S. 

Heber Halsrippen. Von Franz Walther. Halle a. S. 1906. 49 S. 

Die Frühsymptome des Speiseröhrenkrebses , insbesondere der Spasmus. Von 
August Weber. Aus der medizinischen Klinik in Heidel¬ 
berg. Heidelberg 1905. 26 S. 

Ein Beitrag zur operativen Behandlung der LarynxStenosen und -Defekte 
(v. Mangoldische Plastik). Von Rudolf Wendeborn. Aus 
der chirurgischen Klinik zu Kiel. Kiel 1906. 18 S. 

Beitrag zur Kenntnis der tief gelegenen Lipome des Halses. Von August 
Westdickenberg. Aus der chirurgischen Klinik zu Kiel. 
Freiburg i. Br. 1906. 16 S. 


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Referate 


a) Otologische. 

Ueber die Steigerung des spezifischen Gewichtes des Ohreneiters bei 
Otitis media snppnratlva acuta als Indikation für die Eröffnung 
des Processus mastoideus und über die mit der Hammerschlagschen 
Dichtbestimmungsmethode verbundenen Fehler. (Aus der Hals- und 
Ohrenklinik des Kommunehospitals zu Kopenhagen.) Von Dr. P. Tete ns 
Haid. (Zeitschr. f. Ohrenheilk, LIII. 4.) 

Gegenüber der Behauptung von af Forsell es, daß in der 
Bestimmung des spezifischen Gewichtes des eitrigen Sekretes bei akuter 
Mittelohreiterung ein neues und zuverlässiges Hilfsmittel zur Indi¬ 
kationsstellung der Eröffnung des Warzenfortsatzes gegeben sei, be¬ 
müht sieh der Autor zunächst um den Nachweis, daß af F orselles 
bei der von ihm angewandten Dichtebestimmungsmethode eine Reihe 
von Fehlern begangen hat, wodurch die von ihm angegebenen Zahlen¬ 
werte des spezifischen Gewichtes des Eiters bei akuter Ohreiterung sich 
als unrichtig erweisen; sodann führt der Autor des weiteren aus, daß 
und warum es überhaupt sehr zweifelhaft erscheinen müsse, die Dia¬ 
gnose eines Empyems des Warzenfortsatzes auf dem bezeichneten Wege 
zu stellen. Keller. 

Ueber den anatomischen Sitz des Sinus transversns nnd seine Be¬ 
deutung in der Chirurgie des Warzenfortsatzes. Von Ruedn. 
(Archivos de rinologia, laringologia y otologia, Nr. 144, Januar-Febr. 1907, 
. S. 54 ff.) ' ' * ' ' 

Die theoretischen Grenzen des Blutleiters haben keinen Wert in 
der Praxis, da es sehr oft vorkommt, daß der Sinus gerade seinen Sitz 
in dem Operationsfelde hat; in acht Fällen traf der Verfasser diese 
Anomalie; der Sinus lag unmittelbar unter der zu durchmeißelnden 
Knochendecke. 

Darum verwirft Verfasser alle rotierenden Instrumente, die das 
Sehfeld verbergen, ferner empfiehlt er, um eventuellen zufälligen 
Läsionen des Sinus vorzubeugen, mit kleinen Instrumenten und 
mäßigen Schlägen so weit entfernt als möglich vom Blutleiter vor¬ 
zugehen. M e n i e r. 


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1. Kontinuierliche Tonreihe aus Resonatoren mit Resonanzböden. Von 
Prof. Dr. Edelmann in München. (Zeit.schr. f. Ohrenheilk., LIII, 4.) 

2 . Untersuchungen Aber den Schwingungsvorgang am Stiele tönender 
Stimmgabeln. (Idem.) 

An den bokan n teil II el in h o 1 t z scli(*n Kugel resonatorcn hat Ver¬ 
fasser noch Resonanzböden angebracht, durch welche die Resonatoren 
neben Klanganalyse und Verstärkung von Luftschwingungen auch die 
Klanganalyse schwingender fester Körper (Stimmgabel stiel), sowie die 
Erzeugung und Zuführung sehr starker Töne in den Oeliörgang er¬ 
möglichen. Durch diese, sowie einige andere instrumenteile Ililfs- 
apparate, deren Beschreibung und Anordnung jedoch nicht, sich zum 
Referate eignen, hat Verfasser die bereits früher von ihm nach¬ 
gewiesene Tatsache weiter 'erhärtet,' dal3 außer den longitudinalen 
Stimmgabelschwingimgon transversale nur in dem Maße auf treten, als 
die ideale Symmetrie bezüglich Massenverteilung und Elastizität, der 
Stimmgabel durch die Bearbeitung derselben mehr oder weniger er¬ 
reicht worden ist. K eile r. 

Sarkom des mittleren Ohres. Attikotomie. Heilung. Von E. Botella. 
(Boletin de laringologia, otologia v rinologia, März-Juni 1907.) 

Eine 49 jährige Dame hatte seit vier Jahren Ohrensausen mit 
Taubheit; acht Monate nach dem Erseheinen dieser Phänomene hatte 
sic akute Schmerzen in demselben Obre: die Parazentese des Trommel¬ 
fells (mit Austritt ein wenig Eiters) führte die Heilung herbei. Nach 
und nach bemerkte sie einen stinkenden Olirenüuß, der hell war; einige 
Ilämorrhagien wurden auch beobachtet. Die Untersuchung des (3chor- 
ganges, der mit einer hellen Jauche gefüllt, war, ließ eine rot-schwarze 
Masse konstatieren; die Oberlläche war uneben und glatt, die geringste 
Berührung veranlaßte Blutungen. Der Verfasser hatte sofort einen 
Tumor in Verdacht. Ein Versuch, die Geschwulst mittelst des scharfen 
Löffels und der kalten Schlinge zu entfernen, mißlang. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung bewies die angio-sarkomatöse Natur des 
Tumors. Die Attikotomie erlaubte die Totalentfernung desselben. Ein 
kleines Rezidiv wurde kürettiert. Die Operation wurde im Monate 
Februar 1906 ansgeführt; seit diesem Datum ist die Patientin voll¬ 
kommen gesund. 

In demselben Artikel gibt Verfasser eine sehr interessante Ueber¬ 
sicht der bis jetzt beobachteten Fälle. M e n i e r. 

Lasst den Thrombus in Ruh! Von Dr. J. Voß in Riga. (Zeitschrift* für 
Ohrenheilk., LIII, 4.) 

Verfasser unterzieht in vorstehender Arbeit das bis jetzt übliche 
Verfahren bei der Operation der otitisehen Sinusthrombose einer 
kritischen Besprechung, welche in dem Satze gipfelt, den Thrombus 
weit mehr, als es-bisher geschieht, in Ruhe zu lassen und so der Los¬ 
lösung von Thrombusteileil und Metastasenbildung vorzubeugen. Des¬ 
halb empfiehlt er zunächst für die Freilegung des Sinus, soweit sie den 
horizontalen Teil betrifft, statt der voluminösen L u e r sehen Ilohl- 
meißelzange die D a h 1 g r e e n sehe Knoehenzange, für den übrigen 
Teil Hammer und Meißel oder die Fraisen. 


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„In jedem Falle, wo ein Verdacht auf -Sinusthrombose vorliegt, 
muß der Sinus sofort ausgiebig freigelegt und die Probepunktion mit 
der Spritze sofort daran geschlossen werden“; auch hier warnt Verfasser 
vor der Palpation zur Konstatierung eines Thrombus, desgleichen vor 
der Punktion mit der Parazentesennadel, die Probepunktion mit der 
Spritze aber soll sich deshalb sofort an die Freilegung anschließen, 
weil mancher dem Auge gesund erscheinende Sinus sich doch bei der 
Probepunktion als thrombosiert erweist. „Tst die Thrombose sicher¬ 
gestellt, so muß die Operation hier abgebrochen und die Unterbindung 
und Durchtrennung der Jugularis ausgeführt werden. Erst nach dieser 
wird zur völligen Freilegung der Thrombose geschritten, und zwar soll 
dieselbe peripher bis reichlich 1—1V* cm ins Gesunde verfolgt werden, 
zentral fürs erste nur bis höchstens in die Nähe des Foramen jugulare, 
letzteres jedoch nicht eröffnet werden, um nicht den häufig gerade hier 
sitzenden festen Verschluß zu lösen.“ Was nun den Eingriff am Sinus 
anbelangt, dessen Eröffnung in derselben Sitzung, wo die Thrombose 
konstatiert worden ist, erfolgen soll, so spricht sich Verfasser ent¬ 
schieden gegen jenes Verfahren aus, welches die völlige Entfernung 
des ganzen Thrombus durch ausgiebige Tnzision und energische Aus¬ 
räumung des Sinus mit dem scharfen Löffel zum Endzweck hat; durch 
die Inzision würden oft starke Nachblutungen mit Kollaps veranlaßt, 
während die Auslöffelung die Gefahr einer Perforation der Sinuswand 
mit tötlichen ITämorrhagien in sich schlösse; zudem sei eine vollständige 
Ausräumung des septischen Materiales doch nicht zu erreichen. Statt 
dessen empfiehlt Verfasser, für breiten Abfluß der infektiösen Massen 
nach außen zu sorgen, ohne Berührung des Thrombus. Zu diesem 
Zwecke wird die Sinuswand in der Ausdehnung des Thrombus * auf - 
geschnitten, doch so, daß der Schnitt jederseits V*—■*/* cm vor dem 
Ende des Thrombus endigt; sodann wird prinzipiell in jedem Falle, 
auch wenn die Sinuswand keine Veränderungen zeigt, die Exzision der 
lateralen Sinuswand mit der Schere ausgeführt, so daß der Thrombus 
in seiner ganzen Breite freiliegt: außer einer vorsichtigen Inzision des¬ 
selben, um etwa verflüssigte Stellen freizulegen, bleibt der Thrombus 
völlig in Buhe. Ist in dieser Weise für freien Abfluß des Sekrets ge¬ 
sorgt, so bedarf es in der Nachbehandlung dann nicht mehr eines täg¬ 
lichen Verbandwechsels und Auslöffelung oder Ausdrückens und Aus- 
spülens durch die Vena jugularis vom Halse aus, welche Manipula¬ 
tionen lediglich ein Zeichen dafür seien, daß nicht, für genügend freien 
Abfluß gesorgt w’orden sei. — Die hiermit kurz skizzierte Arbeit emp¬ 
fiehlt sich durch sich selbst einer eingehenderen Beachtung. 

Keller. 

Ueber Ertaubung im Verlaufe von akuter Osteomyelitis und von 
septischen Prozessen im allgemeinen« Von Prof. Sieben mann in 
Basel. (Zeitschr. f. Ohreoheilk., LIV, 1.) 

Mitteilung von drei neuen Fällen zu den bisher bekannten (vier 
Fällen) von totaler Ertaubung im Verlaufe osteomyelitischer Erkran¬ 
kung. Verfasser glaubt, daß es sich hierbei nicht um eine Neuritis, 
sondern um Labyrinthitis handele und begründet diese Annahme des 
Näheren. Sektionsbefunde lagen nicht vor. Keller. 


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b) Rhinologische. 

Die Entzündungen der Nebenhöhlen der Nase. Von Dr. Mark Paunz. 
(Orvosi Hetilap 1906, Nr. 37—39.) 

Vortrag in der chirurgischen Sektion der Gesellschaft der Aerzte, 
Besprechung der Diagnose, Therapie. Von 51 Stirnhöhleneiterungen 
wurden bloß zwei nach K u h n t mit Erfolg operiert. Ein Ilighmors- 
höhlenempyem endete durch Weiterleitung auf die anderen Nebenhöhlen 
letal. B a u m gart c n. 

Das Alypln ln der Rhino-Pharyngo-Laryngologle. Von Doz Dr. Egmont 
Baum garten. (Budapesti Orvosi IJjsäg 1906, Nr. 16.) 

Es wird eine Reihe von Kehlkopfpolypenoperationen berichtet, 
bei denen eine lOproz. Alypinlösung verwendet wurde, auch hier 
kommen wie beim Kokain Fülle vor, bei welchen 2—3 Pinselungen voll¬ 
ständige Anästhesie erzeugten, und Ausnahmefiille, bei welchen kaum 
ein Erfolg vorhanden war. Das Mittel ist nicht so bitter wie das Kokain, 
angeblich weniger giftig, und die Steifheit des Halses ist nicht so un¬ 
angenehm. Vollständige Anästhesie wurde mit einer Mischung von 
Kokain zu gleichen Teilen erzielt. Bei blutenden Papillomen und bei 
diffuser Röte ist Kokain vorzuziehen, da daß Alypin keine Gefäßkontrak¬ 
tion zur Folge hat, sondern eher Hyperämie erzeugt. Das Alypin kann 
im Kehlkopfe das Kokain ersetzen. 

Bei der Operation der Tonsillen und bei Amputation der Nasen- 
muscheln ist das Alypin besonders zu empfehlen, da keine Nachblutung 
und keine Kontraktion der Gefäße auf tritt. A u t o r e f e r a t. 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Entfernung von Fremdkörpern aus den unteren Luftwegen mit Hilfe 
der Bronchoskopie. Von Doz. Dr. H. Alapi. (Budapesti Orvosi I-jsäg 
1906, Nr. 52.) 

Von einem 4 jährigen Kinde soll ein Melonenkern aspiriert worden 
sein, tiefe Tracheotomie mußte wegen Größe der Schilddrüse in eine 
hohe vertauscht werden, bei Bronchoskopie wurde nichts entdeckt. Ur- 
sache der Stenose: Kompression durch die Schilddrüse. Bei einem 
6 jährigen Kinde wurde nach Tracheotomie, die Verfasser hier zuerst zu 
machen empfiehlt, durch das Bronchoskop eine metallene Musterklammer 
gefunden und glücklich extrahiert. Baumgarton. 

Ueber die Anwendung der Hyper&mie als Heilmittel nach Bier bei 
Erkrankungen der oberen Luftwege. Von Dr. Poljak in Budapest. 
(Arch. f. Laryng., Bd. XVIII, Heft 2.) 

Verfasser hat in 56 Fällen der verschiedensten akuten und chroni¬ 
schen Affektionen der oberen Luftwege die Hyperämie sowohl in der 
Form der Stauung wie des Saugens angewandt. Details siehe im Ori¬ 
ginal. Verfasser ist noch nicht imstande, über den Wert des Verfah¬ 
rens ein definitives Urteil abzugeben. Tn acht Fällen von Larynxtuber- 


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kulose bewirkte die Stauungshyperämie keine Steigerung der Stenose¬ 
erscheinungen, während die Dysphagie dieser Patienten schnell gün¬ 
stig beeinflußt wurde. Im allgemeinen hat P. den Eindruck einer heil¬ 
samen Wirkung des Verfahrens auf die fraglichen Erkrankungen und 
fordert daher, da es leicht anwendbar und unschädlich sei, zu Ver¬ 
suchen in größerem Umfange auf. R. II o f f mann (l)resden^. 

Laryngologisehe Verhandlungen auf den Sitzungen des Warschauer 
Ärztlichen Vereines. (Medycyna 1906.) 

Herr S a w i n s k i stellt einen 41 jähr. Patienten vor, der wegen 
Larynxkarzinom operiert worden war. Zu der seit einigen Jahren 
bestehenden Heiserkeit gesellte sich in letzter Zeit Atemnot hinzu. 
Laryngoskopisch findet man einen kleinen, unter dem rechten wahren 
Stimmband lokalisierten Tumor. Halsdrüsen nicht durchzufühlen. Am 
2. X. Tracheotomie, am 10. X. Laryngofissur. Der blumenkohlförmige 
Tumor füllte das Lumen zwischen den Stimmbändern und dem unte¬ 
ren Rand des Ringknorpels aus. Exstirpation des Larynx und Pharyn- 
goplastik mit Katgutnähten. Nach fünf Tagen entsteht, infolge zu 
rascher Resorption der Katgutnähte. eine Fistel, aus der die Speisen 
durchtraten. Am 20. X. Vernähung der Fistel mit Seidennähten. An¬ 
fangs Ernährung mittels Magensonde, nach einer Woche begann Pat. 
flüssige und feste Nahrung zu schlucken und zu sprechen. Zur Zeit der 
Vorstellung am 21. XI. besteht beschw-erdefreies Schlingen und die 
Sprache wird immer deutlicher, so daß der Operierte den anderen Pa¬ 
tienten die Zeitung laut vorlesen kann. 

Herr Sokolowski teilt mit, daß von dem Wiener Komitee des 
internationalen laryngologischen Kongresses, der zur Feier des 50 jähri¬ 
gen Jubiläums von T i'i r c k und C zermak im Jahre 1908 stattfinden 
soll, eine Einladung angelangt ist. Es wird beschlossen, der Einla¬ 
dung Folge zu leisten, und S. ersucht, sich diesbezüglich mit dem ge¬ 
nannten Komitee in Verbindung zu setzen. S. schlägt vor, daß die 
laryngologisehe Sektion sich mit der Bearbeitung der Geschichte der 
Entwicklung der Rhino-Laryngologie in Polen befassen soll. Mit der 
Abfassung eines entsprechenden Schemas werden Sokolowski und 
S r e b r n y betraut. 

Herr Dobrow’olski teilt die Krankengeschichte eines 4 3 /* Jahre 
alten Kindes mit, welches seit einem Monat halsleidend ist. Pat. blaß, 
die Stimme rein. Auf Uvula, weichem Gaumen und Epiglottis Ulze- 
retionen mit unebenem Grunde und inselförmigem, w'eißem, leicht 
blutendem Belag. Feste Speisen werden schwer, flüssige leichter ge¬ 
schluckt. In der Lunge Rasseln. Antidiphtheritisches Serum w*ar zwei¬ 
mal ohne Erfolg eingespritzt worden. Temperatur 38 °. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung des Sputum wies eine große Menge Tuberkel- 
bazillen auf. Drei Wochen später starb das Kind unter hochgradiger 
Erschöpfung und Atemnot. 

Herr S r e b r n y führt einen ähnlichen Fall von Larynxtuber- 
culose bei einem Kinde an, bei dem wegen irrtümlicher Diagnose anti¬ 
diphtheritisches Serum injiziert worden war. 

Herr Heim an spricht über Mittelohrentzündung bei Diabetes. 

Herr Dobrowolski stellt ein 2Va jähriges Kind mit Lues here- 


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ditaria eondylomatosa pharyngis et laryngis vor. Es fanden sich auf 
weichem Gaumen, Uvula, Gaumenbögen, Tonsillen und Epiglott.is 
gleichmäßige, über die umgebende Schleimhaut etwas prominente, grau¬ 
weiße Beläge. Die Untersuchung auf L ö f f 1 e r sehe Bazilien fiel ne¬ 
gativ aus. Es wird Syphilis diagnostiziert und wirklich teilte die 
Mutter mit. daß sie vor der Geburt dieses Kindes zweimal abortiert 
hatte, und daß der kleine Patient im Alter von 1 Jahr an Entzündungen 
um die Fingernägel (Paronycliia syphilitica) litt, die nach 12 Subli- 
matbiidern verschwanden. 1). betont, daß sekundäre Formen heredi¬ 
tärer Lues gewöhnlich im ersten Jahre auftreten. Dies sei wahrschein¬ 
lich auch in diesem Falle geschehen, die spezifische Kur habe zwar die 
syphilitisch«. n Erscheinungen aufgehalten, war jedoch unzureichend ge¬ 
wesen, um Rezidive zu verhüten. Solche Fälle sind sehr selten. Gegen¬ 
wärtig wird das Kind mit lnunktionen von 0,5 g grauer Salbe täglich 
behandelt und schon nach 6 Einreibungen haben die Beläge sich etwas 
vermindert. 

Herr D o b r o w o 1 s k i stellt einen 7 jährigen Knaben mit Laryn¬ 
gitis subglottica chronica vor, bei dem er Laryngofissur und Exzision 
der subchordalen Wülste vorgenommen hat, worauf nach vier Tagen 
die Kanüle entfernt werden konnte. Gegenwärtig Atmung frei, Stimme 
leise. Die Untersuchung zeigt eine polypöse Granulation, welche vom 
inneren Wundrande unter den Stimmbändern hervorwächst, die mit 
der Schlinge dürfte abgetragen werden können. 

Herr 0 h o r a z y c k i stellt einen 32 jährigen Mann vor, der vor 
sechs Jahren syphilitisch infiziert wurde, eine antisyphilitische Kur 
durchmachte, und nun seit zwei Monaten über ein Hindernis im Halse 
klagt. Vor 10 Monaten hat Patient eine gonorrhoische Gonitis durch¬ 
gemacht, seit einigen Monaten fühlt er sich sehr geschwächt. An der 
hinteren Pharynxwand findet sich rechts eine nach oben in den Naso- 
pharynx reichende Ulzeration, nach links finden sich einige kleinere 
Plzerationen. C h. vermutet Tuberculosis miliaris pharyngis. 

Herr Dobrowolski und andere halten den Prozeß für ter¬ 
tiäre Lues. C h. sei von den kleinen Geschwüren links irregeführt 
worden, aber diese bilden nur den Beginn des Zerfalles der infiltrierten 
Schleimhaut; nach Beendigung des Zerfalles werde hier ein ähnliches 
charakteristisches Geschwür entstehen, wie an der rechten Seite. 

Herr Chorazycki stellt einen Patienten vor. dem Paraffin 
in den Nasenrücken wegen Einsinkens desselben injiziert worden ist. 
Das Resultat ist sehr gut, nur ist eine Rötung der Haut zurückgeblie¬ 
ben, obgleich bereits ein Monat seit der Injektion verflossen ist. ln 
anderen Fällen hat C h. eine so lange dauernde Reaktion nicht ge¬ 
sehen. Die Injektion wurde mit der O n o d i sehen Spritze ausgeführt. 
die er für die beste unter allen zu diesem Zwecke empfohlenen hält. 

Laryngologische Verhandlungen auf den Sitzungen des Lodzer ärzt¬ 
lichen Vereines. (Czasopismo Lekarskie 1900.) 

Herr Pieniazek stellt einen 26jährigen Patienten vor, der 
vor sechs Monaten an Zahnschmerzen erkrankte. Es hatte sich über 
dem linken Eckzahn ein Abszeß am Zahnfleisch gebildet, nach dessen 
Beratung die Schmerzen auf gehört haben. Seit zwei Monaten be- 


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merkte Patient eine Auftreibung an der linken Wange, die immer mein* 
zunahm. Die Untersuchung ergiebt: (jesicht, infolge Hervortreibung 
der linken Suborbitalgegend unsymmetrisch, an der vorderen \Ya*nd 
des Oberkiefers, über dem Processus alveolaris eine die Fossil canina 
ausfüllende, schmerzlose, deutlich fluktuierende Vorwölbung. Fine 
ähnliche Vorwölbung im linken unteren Nasengange, in der Nase kein 
pathologisches Sekret, am harten Gaumen eine längliche, von vorn 
nach hinten ziehende, eindrückbare Vorwölbung. Die Durchleuchtung 
der Kieferhöhle ergiebt keine Differenz. Die Probepunktion von der 
Seite der Fossa canina fördert einen halbdurehsichtigen, gelblichen 
Inhalt mit zahlreichen schwimmenden, glänzenden Plättchen zu Tage, 
deren chemische "Untersuchung C’holesteatomkristalle nachweist. Ks 
wird eine Überkieferkyste diagnostiziert, die vom subperiostalen Al¬ 
veolarabszeß ihren Ausgang genommen hat. Pie Behandlung beruht 
auf möglichst weite Oeffnung durch Ausschneiden der vorderen Wand 
an der Fossa canina und systematische Tainponierung neben Bepin- 
selung der lvystenwändc mit Jod. 

Herr Perlis stellt einige klinische Fälle vor: 

1. Nasenkarzinom. .Vor einem Jahre wurde der 75 jährigen Pa¬ 
tientin ein nußgroßer Tumor von der linken Ohrseite entfernt. Vor 
vier Monaten entstand rechts ein Tumor, der rasch wachsend, bald den 
ganzen rechten und mittleren Teil der Nase einnahm, auf das rechte 
Nasenloch, das Septum, den knorpeligen Teil der Nasenbeine und den 
harten (laumen Übergriff und gegen die rechte Orbita sich erstreckte. 

2. Schußverletzung mit Browningrevolver. Der 30 jährige Patient 
wurde vor JO Tagen angeschossen. Pie EingangsötTnuhg befindet sich 
in der Höhe des Schildknorpels an der linken Seite des Kehlkopfes, 
die Ausgangsöffnung rechts in der Hegend des Muse, sternocleido- 
mastoideus. Von hier drang die Kugel wieder unter die Haut in der 
Subklavikulargegend und blieb an der hinteren JGiiehe des rechten 
Armes unter der Haut stecken, wo sie nach einem Hautschnitt extra¬ 
hiert wurde. Patient in tiefem Koliaps. Zyanose. Larynx und 
Trachea bedeutend nach links verschoben, rechts ein subkutaner Blut¬ 
erguß und ein ausgedehntes Hautemphysem. Sofortige Traeheotomia 
inferior. Jtückkehr des Bewußtseins. Am dritten Tage Entfernung 
der Kanüle. Langsame Besserung der Schlingbeschwerden und der 
starken Heiserkeit. In diesem Italic war eine Verletzung des Sehild- 
knorpcls erfolgt mit nachfolgendem Clottisödem. Heilung ohne wei¬ 
tere Komplikationen. 

3. Schußwunde der Mund- und Nasenhöhle mit Browningrevolver. 
J)er 20 jährige Patient wurde, während er am Sofa mit dem Kopfe 
nach hinten gelehnt saß, angeschossen. J)ie Kugel streifte den unte¬ 
ren Teil des rechten Vorderarmes, mit dem sich Patient das (Besicht ver¬ 
deckte und drang in die Mundhöhle. Die Kingangsöffuung befindet 
sich iin hinteren Teil des harten Gaumens, die Ausgangsöffnung im 
linken Orbitalwinkel. Der Processus frontalis des linken Nasenbeines 
ist zerschmettert, starke Blutung. Bei der Untersuchung dringt die 
Sonde von der Ausgangsöffnung aus durch einen ziemlich langen 
Kanal bis zur Oeffnung am harten Gaumen. Die Untersuchung der 
Nase zeigt eine Verletzung der linken mittleren Nasenmnschel. Ilei- 


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62 


Jung ohne Komplikationen. Ein solcher Ausgang hei einer derartigen 
Verletzung gehört zu den Seltenheiten. 

4. Die 23 jährige Patientin besitzt eine vor zwei Monaten entstan¬ 
dene Ulzeration in der Mitte der oberen Zungenfläche. Das 20-Ko- 
pekenstückgroße. schmerzhafte Geschwür besitzt nach außen umge¬ 
schlagene Iliinder und in der Mitte eine kraterförmige, tief in das 
Zungenparenchym reichende Oeflfnung. Keine Zeichen von Lues. 
Virgo intacta. Der tuberkulöse Charakter des Leidens wird bestätigt 
1. durch den Zustand beider Lungenspitzen, die sich in einem vorge¬ 
rückten Stadium tuberkulöser Infiltration befinden; 2. durch ein Ulkus 
mit ausgezackten Rändern auf dem rechten Gaumenbogen; 3. durch 
die Gegenwart zahlreicher Tuberkel, die den Rand des ulzerierten Bo¬ 
gens bedecken. 

Herr Przedborski bespricht den Einfluß der Schwangerschaft 
auf die Larynxtuberkulose und meint, daß die Gravidität auf die Ent¬ 
stehung der Tuberkulose von Einfluß sein kann. Zum Beweis führt 
er einen Fall von primärer Tuberkulose dos Kehlkopfes bei einer 
Schwangeren an. 

Herr Pieniazek spricht über die Anwendung der Bier sehen 
Methode bei Erkrankungen der oberen Luftwege. Bei chronischer Rhi¬ 
nitis und Pharyngitis mit geringer Borkenbildung, wie auch bei Er¬ 
krankungen der Highmorshöhle, hat er mit dieser Methode gute Re¬ 
sultate erreicht. Bei Larynxtuberkulose hat er Verschwinden der Dys¬ 
phagie beobachtet, die gebesserten Patienten konnten bald schmerzlos 
essen. Die Beobachtungen des Vortragenden ermuntern zu weiteren 
Versuchen. Bei Nasenkatarrh hat P. diese Methode an sich selbst an¬ 
gewendet. 


Notizen. 

Prof. Dr. Kümmel in Heidelberg wurde zum ordentlichen Honorar¬ 
professor ernannt. 

Stabsarzt Dr. Isemer, erster Assistent der Ohrenklinik in Halle, 
habilitierte sich an der Universität Halle. 

Privatdozent Dr. Wittmaack in Greifswald wurde als ordentlicher 
Professor der Oto-Rhino- und Laryngologie nach Jena berufen. 

Dr. Rudolf Panse in Dresden erhielt den Titel Sanitätsrat. 

Dr. Heinrich Herzog habilitierte sich an der Universität München 
für Otologie und Laryngologie. 

Dr. Oskar Brieger in Breslau erhielt den Titel Professor. 


Alle för di# Monatsschrift bestimmten Beiträge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften, Archive and Tausch-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Hofmt 
Prof. Dr. L. V. BcfcrVtter in Wien IX, Mariannengaese 8, zn senden. Die Autoren, welche Kritikeu 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt and 80 Separat-Abzftge beigegehen. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 110. 


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Ueber die Veränderungen des Gehörorgans im vor¬ 
geschrittenen Alter. 

(Untersuchungen im hauptstädtischen Armenhause am rechten Ufer; 

Primarius Dr. Franz Tauszk, Privatdozent.) 

Von 

Dr. Hugo Ziffer. 

Ohienarzt auf der Universitäts-Ohrenklinik in Budapest. 

Es war mir Gelegenheit geboten, diejenigen Veränderungen des 
Ohres zu untersuchen, welche bei Individuen im vorgeschrittenen Alter 
vorzufinden sind. Die Bewohner des Ofner Armenhauses boten dies¬ 
bezüglich ein sehr brauchbares Material. 

Der Zweck mei icr Untersuchungen war, zu bestimmen, wie oft 
einzelne Ohrerkrankungen im vorgeschrittenen Alter Vorkommen, 
weiterhin, in welchem Malle die uns zur Verfügung stellenden Unter- 
suchungsmethoden zur Feststellung der Diagnose dieser Erkrankungen 
geeignet sind. Ich habe besondere Aufmerksamkeit auf diejenigen 
senilen, doch physiologischen Veränderungen gewendet, welche auf die 
Bestimmung der Verkürzung der Knoehenleitung störend wirken. Meine 
Resultate habe ich in mehrere Tabellen zusammengefaßt, und in An¬ 
betracht dessen, daß ich, vielleicht, durch eigene Schuld, in der Lite¬ 
ratur keine Untersuchungen nach dieser Richtung bin gefunden habe, 
hoffe ich, daß meine Arbeit keine überflüssige sein wird. 

Obengenanntes Armenhaus hat derzeit 315 Einwohner; 150 Männer 
und 105 Frauen. Es erging an diese eine Aufforderung, daß all- 
diejenigon sich mclcien mögen, welche irgendwelche Ohreiibesehwerden 
haben. Dieser Aufforderung entsprachen 31 Leute (9,8 Prozent). 
Diese sind hinsichtlich ihres Alters folgendermaßen verteilt: 


55—59 Jahre.4 

00—65 2 

60—70 ., 5 

71—75 ..8 

76—SO „ 5 

81—83 „ 7 


31 


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G4 


Also meistenteils Individuen über TU Jahre. Boi ilirer Unter¬ 
suchung fanden rdch folgende Erkrankungen vor: 

Kin- lieiilor- Zu- 
SHitiir s<*itig sfinnm*n 


Otitis media acuta simplex.1 — 1 

Surdomutitas.— — 1 

Surditas + marasmus senilis.— — 1 

Residua post otitidem mediam sanatam ~r affeotio auris 

internae secundaria.1 1 2 

Catarrhus chronicus cavi tympani.— 1 1 

Oatarrhus chronicus cavi tympani + affectio auris in¬ 
ternae secundaria. 2 3 5 

Otosclerosis.— 1 1 

Otosclerosis -f* affectio auris internae secundaria . . — 4 4 

Affectio auris internae primaria.— 15 15 

4 21 ivT 


In dieser Tabelle ist das Auffallendste, daß die chronische eiterige 
Mittelohrentzündung überhaupt nicht vorhanden war und deren Resi¬ 
duen im ganzen in zwei Fällen auffindbar waren. Die Erklärung dieser 
Erseheinung ist, daß die Mitlelohreiterung eine sehr schwere Erkran¬ 
kung bildet, welch«*, im Falle sie nicht heilt, gewöhnlich eine tötliche 
Komplikation verursacht, so. daß Leute, welche in ihrer Jugend an 
chronischer eitriger M il tehdirentzündung gelitten haben und nicht 
g< neseu sind, selten ein Alter von 05—83 Jahren erreichen. — Dies 
.scheint auch die Statistik Körners 1 ) zu bekräftigen, nach dessen 
Statistik die sich der Otitis media anschließenden intrakraniellen Kom¬ 
plikationen nach den? Alter Julgerdermaßen verteilen. Bei 246 Fällen: 

1- -10 Jahre. . . . *. 17.88% 

1 1 20 ,. ..... 29.60% 

21 30 28,45% 

31—10 ,..12.19% 

41 und darüber .... 11,81% 

Feber 40 Jahre fällt die Zahl der intrakraniellen Komplikationen 
um ein Beträchtliches und ist über 60 Jahre schon eine Seltenheit. 

Otitis media acuta simplex war in einem Falle vorhanden und 
heilte innerhalb 8—10 Tag«* auf einfache antiphlogistische Behandlung 
und das (Jehör kchrle auch zurück. 

Außerdem war* n zwei Mittelohrerkrankungon ohne Komplika¬ 
tionen seitens des inneren Ohres vorhanden: ein chronischer Mittel- 

i) Körner: Die otitiseben Erkiankuigen des Hirns etc. 


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65 


ohreukatarrh und eine Ütosklerose. Bei beiden war der otoskopiseho 
Befund mit der Tubenuntersuchung und dem Stinnngabelbefund über¬ 
einstimmend. In allen weiteren Fällen habe ich Erkrankungen seitens 
des inneren Ohres gefunden und zwar 28 an der Zahl (=87 Prozent). 
Darunter waren sekundäre Erkrankungen des inneren Ohres: 11 
(= 35 Proz.). primäre Erkrankungen des inneren Ohres: 15 
(= 48 Proz.). In zwei Fällen — bei einem ganz Tauben, der auch 
an Marasmus senilis litt, — und bei dem infolgedessen eine Diagnose 
nicht genau festzustelien war; in einem anderen Falle hatten wir es 
mit einer Taubstummen zu tun, die außerdem Analphabetin war und 
so auch schriftlich keinerlei Aufklärung bieten konnte, war die 
DiiTerentialdiagnose unmöglich aufzustellen. Daraus ist ersichtlich, 
daß im vorgeschrittenen Alter die Erkrankungen des inneren Ohres 
überwiegen. 

In sämtlichen 28 Fällen war hochgradige Schwerhörigkeit vor¬ 
handen, und zwar 

f ü r Kouvcrsatious s p r a c h e vollkommen taub: 

beiderseitig.4 

einseitig.5 

f ü r F lü'sters pra e h e taub, jedoch die Konversatiossprache 
ad eoncham — Va m gehört: 

beiderseitig.5 

einseitig.. . 4 

F 1 ii s t e r s p r a e h e a d e o n e h a m gehört, jedoch für Kon- 
versationsspraehe über 1 m schon taub: 

beiderseitig.2 

einseitig.3 

F 1 ii s t e r s p r a c h e - - : 7« in gehört: 

beiderseitig. 5 

31 

Bei einseitiger Taubheit habe ich. um das 11 inüberhören in jedem 
Falle zu vermeiden, überall das L u e a e - D e n n e r t sehe Verfahren 
an gewendet. 

Unter Erkrankungen des inneren Ohres verstehen wir im klinischen 
Sinne des Wortes (Laesio auris internae) diejenigen Veränderungen, 
bei welchen das Trommelfellbild und der Mittelohrbefund den (irund 
der Schwerhörigkeit oder Taubheit nicht erklärt und wir mit Hilfe 
der Stimmgabeluntersuchung einen Beweis dafür erbringen können, 
daß wir es mit einer Veränderung im schallemptindenden Apparate zu 
tun haben. Bei einem solchen Stimmgabelbefund bilden eonditiones sine 
<|iia non: 


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66 


1. die Verkürzung der Knochenleitung (S e h w a h a e li selu\r 
Versuch); 

2. die Verkürzung des Gehörs hei Luftleitung für hohe Töne, 
eventuell das Ausfallen derselben. — 

Der \\ e b e r sehe Versuch ist, wie ich es auch bei diesen meinen 
Untersuchungen mehrfach konstatieren konnte, ganz unverlü ßlich, 
nachdem derselbe sehr oft mit den übrigen Versuchen sehr entgegen¬ 
gesetzt gelang. 

Zur Differenzierung der primären und sekundären AiTektionen des 
inneren ('Ihres sind folgende Regeln maßgebend: 

Zur Diagnose der primären Affektion des inneren Ohres ist es 
notwendig, daß das Mittelohr normal sei u. /.. normales Trommelfell, 
oder mit unbedeutenden Veränderungen und normale E u s t a c h sch*' 
Trompete; 

bei der funktionellen Untersuchung soll kein Schallleitungs¬ 
hindernis zu finden, also das Resultat des R i n n e sehen Versuches ein 
positives sein, und die Perception der tiefen Töne durch die Luftleitung 
soll keine wesentliche \erkürzung erlitten haben, ausgenommen bei 
sehr hochgradiger Schwerhörigkeit. 

Bei der sekundären Affekt ion des inneren Ohres finden wir in der 
Regel die Spuren derjenigen Miltelohraffektion. von welcher aus der 
Vorgang auf das Labyrinth übergegangen ist. Also Trommelfeil¬ 
destruktionen, die Spuren oder Residuen katarrhalischer Vorgänge. 
Veränderungen in der Tube u. s. w. Bei functioncllen Untersuchungen 
aber erleidet außer der Verkürzung der Knochenleitung und dem 
Ausfallen der hohen Töne, die Perzeption der tiefen Töne durch Luft¬ 
leitung eine Verkürzung, und fallen selbe sogar meistens aus. Das 
Resultat des R i n n e scheu Versuches aber wird ein negatives sein. 
Die Knochenleitung wird nämlich verkürzt, da eine Affekt ion des 
inneren Ohres vorhanden ist, die Luftleitung aber wird noch kürzer 
sein, weil die beiden Komponenten, welche durch das Schallleitungs¬ 
hindernis verursacht sind und die Gehörverminderung, welche durch 
die Veränderungen im inneren Ohr vorausgesetzt ist., — zusammen 
eine resultierende ergeben, welche sich in stark verkürzter Luftleitung 
kundgibt. Bei sekundären Affekt ioneil wird also das Resultat der 
funktionellen Untersuchung sein: 

Rinne negativ; 

Knoelienleitung (Schwabach) verkürzt; 

Ausfallen oder \ erl.ürzung der tiefen Töne für Luftleitung 
((’*-—(\): 


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G7 


Ausfallen oder Verkürzung der hohen Töne für Luftleitung 
(<■■■ -'<••'): 

der Kranke kann die Mitteltöne gut hören (e—ea). 

'Von den 28 Fällen der Erkrankungen des inneren Ohres, den Fall 
•des Marasmus senilis und den des Taubstummen weglassend, bleiben 
2C Fälle, welehe ieh einer pünktlichen funktionellen Untersuchung 
unterworfen habe. 

Bei meinen Untersuchungen habe ich folgende Verfahren *an- 
gewendet: 

Bei der Untersuchung der hohen Töne habe ich die Stimmgabel e» 
von 2048 Schwingungen benützt. Diese Stimmgabel haben von den 
untersuchten Individuen 19 überhaupt nicht gehört, ln 3 Fällen war die 
Perzcptionsduiitr um ein Beträchtliches verkürzt, in 6 Fällen aber wurde 
gut gehört. Bei diesen letzteren mußte ich die (I al t on sehe Pfeife 
in Anspruch nehmen, um das Ausfallen der hohen Töne beweisen zu 
können. Zur Untersuchung der tiefen Töne habe ich eine belastete 
(Sross C-Stimmgabel von 04 Schwingungen benützt. 

Bei den \V e b e r sehen, Kinn e schon und S e h w a b a e h scheu 
Versuchen bediente ich mich einer ci-Stimmgabel von 256 Schwin¬ 
gungen mit Fußplatte, deren Perzeptionsdauer für Luftleitung für 
mein gesundes Ohr nach mittelstarkem Anschlag 35 Sekunden, für 
Knochenleitung 16 Sekunden beträgt. Defl W e b e r sehen Versuch 
habe ich nur vom Scheitel aus beobachtet und meine Resultate be¬ 
kräftigen die neuesten Versuche B 1 e g v a d s (Archiv für Ohrenheil¬ 
kunde. Bd. 70, S. 51), daß nämlich der \\ e b e r sehe Versuch nicht ver¬ 
läßlich und für diagnostische Zwecke nicht geeignet sei. 

Bei den Beobachtungen mit dem S c h w a b a c h sehen Versuche 
konnte ich mich, mit der absoluten Verkürzung der Knochenleitung 
nicht begnügen, nachdem ich es ausnahmslos mit alten Leuten zu tun 
hatte, bei denen bekannterweise bei relativ gutem (lehör die Knochen¬ 
leitung verkürzt ist. Die Ursache dieser Erscheinung liegt nach Auf¬ 
fassung der meisten Autoren im Alter selbst, wo die Knochen an Kal¬ 
ziumsalzen reicher werden, so an Elastizität einbüßen und so zur Fort¬ 
leitung der Schallwellen weniger geeignet sind. Damit ich diese phy¬ 
siologische oder senile Verkürzung in meinen Untersuchungen auf 
ihren eigentlichen Wert reduzieren könne, untersuchte ich vorerst 
50 gut hörende ältere Individuen, und bestimmte die Dauer der Ver¬ 
kürzung mit Hilfe eines Sekundenchronometers. Zu diesem Behufc 
erließ ich eine Aufforderung an die Bewohner des Armenhauses, daß 
sich zur Untersuchung jene gut Hörende melden mögen, die das 
50. Lebensjahr überschritten haben. Die ersten Fünfzig, die sich 


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<58 


meldeten, untersuchte ich mul diese können bezüglich ihres Alters. 


folgendermaßen eingefeilt werden: 

51—60 Jahre. .6 

01-65 .10 

66 -70 ,. 1*2 

71 — 75 .10 

76—S-l „ 12 

50 


Das (Jehör dieser Untersuchten mit Flüstersprache geprüft, ergal> 
folgende Resultate: 


Knttrrmmir in Met**i 

h Hi¬ 
rn 

Itfjtlcr- 


Ueber 18 m hörten 

SCltltf 

22 

1 ° { 

[ Bei diesen variierte das Gehör am 
[ anderen Ohr zwischen lo —14 m. 

Zwischen 10—15 m 

hörten (i 

1 

0— 10 m 

n (J 

2 



2-5 m 4 — 

Es hatten also 38 vollkoinmen gutes, 8 weniger gutes und 
4 schwaches Gehör. Wenn wir nun diese Verhältnisse mit den Yer- 
kürzungszalden vergleichen, so sehen wir, daß zwischen Alter, Gehör 
und Verkürzung gar kein regelmäßiger Zusammenhang zu finden ist. 
Das schlechteste Gehör Jand ich bei den 76—84 jährigen (12 an der 
Zahl) und bei ebendenselben fand ich in 2 Fällen die Verlängerung der 
Knochcnleitung. — Eine Uebersicht dieser Verkürzungsverhältnisse 
bietet folgende Tabelle: 


L. Z. I Alter 


1 

77 

.Jahre 

alt 

’ 8 

8 

verkürzt 

3 

4 

2 

70 

n 

r> 

j 10 

8 


3 

4 

3 

1 80 

r» 

V 

1 16 

10 


4 

4 

4 

80 



1 14 

10 

; 

2 

5 

5 

81 

r> 

•? 

11 

12 


3 

4 

6 

82 



4 

2 


3 

4 

7 

82 


r) 

5 

3 

•1 

3 

3 

8 

82 

'!') 


1 S 

10 j 

verlängert 

—4 

- <> 

9 

83 

n 


16 

18 

verkürzt 

2 

0 

10 

83 


r 

10 

16 

ri 

4 

3 

11 

84 


n 

8 

5 j 

r. verkürzt. 1. verlang. 

3 

4 

12 

84 

M 


7 

9 

verkürzt, 

<> 

2 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, daß bei verhältnismäßig gutem 
Gehör und bei sonst normalem Stimmgabelbefund, wir auch eine Yer- 


Hörweite 
für Flüster¬ 
sprache 


Ergebnis der Schwabachschen 
Untersuchung 


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längerung linden können, wie z. B. im S. Falle, wo ich bei einem 
82 jährigen Individuum, bei einem (iehör von 8—-10 m, eine Verlänge¬ 
rung von 4—6 Sekunden gefunden habe und im 11. Falle, wo bei einem 
84 jährigen Individuum reehts bei einem Gehör von 8 m 3 Sekunden 
Verlängerung, und links bei einem Gehör von ö m 4 Sekunden Verkür¬ 
zung zu beobachten war. In den übrigen 10 Fällen, bei einem durch¬ 
schnittlichen Gehör von 10 m ergibt sieh eine durchschnittliche Ver¬ 
kürzung von 3’3 Sekunden. Dies beweist wiederum, daß das Maß der 
Verkürzung nicht im Verhältnis mit dem Alter stellt, was auch nach¬ 
stehende, nach dem Alter gruppierende Tabelle beweist. 


Anzahl 
der ' 

■Fälle 1 

1 

Alter 

Durchschnittl. 

Gehör für ' 
Flüstersprache ! 

Maximum 

Minimum 

Mittelwert 

der Varkürzug der Knochenleitung 

6 

51-60 

* Ueber 20 m , 

8 

3 

i 4 

10 

61—65 

J Zwischen 

8 

2 

1 3,4 



, 10 und 20 m j 


1 

1 

12 

66-70 

' 10-20 m i 

7 

3 

1 3.3 

R) | 

71-75 

1 6 — 18 m i 


• 0 

4,1 

12 i 

; 76-84 

1 2—16 m 1 

6 

0 

3.3 


Maximale Verkürzung waren 9 Sekunden in einem Falle bei einem 
74 jährigen Individuum mit Gehör auf 18 m. 

8 Sekunden Verkürzung waren in 5 Fällen: bei Individuen im 
Alter von 54, 60, 62, 73 und 77 Jahren. Unter diesen war das Gehör 
über 18 m für Flüstersprache und in einem Falle 14 m. In sämtlichen 
Fällen aber war die Perzeption der hohen 'Föne, sogar bei der Ver¬ 
kürzung von 9 Sekunden, gut. 

Die daraus sich ergebenden Konsequenzen sind folgende: 

Bei Kranken über 50 Jahre läßt sieh die Diagnose der Erkrankung 
des inneren Ohres auf der Basis der Verkürzung der Knochenleitung 
selbst dann nicht fest stellen, wenn letztere 7—9 Sekunden beträgt. 
Dazu ist ein sehr schlechtes Gehör (1—2 m bei Flüstersprache) und die 
Verkürzung oder das Ausfallen der hohen Töne unbedingt notwendig. 
Wir dürfen aus Atfektion des inneren Ohres entspringende Verkürzung 
nur dann annehmen, wenn die Verkürzung mehr als 8—9 Sekunden be¬ 
trägt, oder wenn das Gehör wenigstens für die c«-Stimingabel verkürzt 
erscheint. Und diese Regel besteht ohne Bezug auf das Alter. 

Wir können aber bei der Erwägung der Verhältnisse den Grad der 
Scnilität in Betracht ziehen, denn der Grad der senilen Veränderungen 
steht nicht immer mit dem Alter selbst im Einklänge. Wenn wir bei 
einem jünger aussehenden Individuum ein hochgradige Verkürzung 


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konstatieren, so können wir das eher einer Aknstikus-Affektion an- 
reehnen, als wenn wir bei einem ÜO jährigen Individuum eine hoch¬ 
gradige Verkürzung erfahren, bei dem die Symptome einer senilen 
Atrophie stärker ausgeprägt sind, das heißt, daß wir den Eindruck eines 
älteren Individuums gewinnen. Die erwäcung dieser Umstände aber 
sind nicht in eine Kegel zu fassen, jedoch habe ich während meiner 
Untersuchungen die Erfahrung gemacht, daß die senile Verkürzung der 
Knochenleitung nur damit im Zusammenhang stehen kann. 

Von den 11 sekundären Erkrankungen des inneren Ohres, welche 
■sieh aus Mittelohrerkrankungen entwickelt haben, waren: 

1. Labyrinthaffektionen nach abgelaufener Mittelohreiterung 
9 -- (j,4 Proz.; 

2. Eabyrintliatfektionen nach chronischem Katarrh 5 = 16 Proz.: 

3. Labyrinthaffektionen, die sich zur Otosklerose gesellten 4 — 
12.8 Prozent. 

Von den zwei Fällen der abgelaufenen Mittelohreiterung war die 
eine halb-, die andere beiderseitig. Das Trommelfellbild und der 
.Stimmgabelbefund bezeugten diese Diagnose aufs pünktlichste. 

Bei der Diagnose der Affektionen des inneren Ohres, die sich aus 
einem chronischen Katarrh entwickelt haben, waren am Trommelfell 
entsprechende Retraktion und Verdickung, in der Tube Stenose zu 
konstatieren. Bei der-Anamnese konnte ich, so weit diese vertrauens¬ 
würdig erschien, eine Eiterung ausschließen; hingegen erhielt ich 
Kunde über vorausgegangene, für katarrhalische Vorgänge charak¬ 
teristische Erscheinungen. 

Bei den 4 Otosklerosen fand ich vollständig normales Trommelfell 
und normale Tube vor; bei der funktionellen Untersuchung aber hoch¬ 
gradige Schwerhörigkeit, negativen Rinne und das Ausfallen sowohl 
der hohen, als der tiefen Töne. Die Knochenleitung war um ein be¬ 
trächtliches verkürzt. 

Bei diesen Vieren war in einem Falle, bei einer 81 jährigen Frau, 
die Knochenleitung für cu gleich Null, deshalb erhielt ich bei Rinne 
positives Resultat; während sie jedoch für tiefe Töne durch Luftleitung 
taub war, hörte sie c» bei starkem Anschlägen noch. Deshalb mußte ich 
annehmen, daß die Erkrankung des inneren (Ihres eine sekundäre war 
und konnte so mit Betracht auf das normale Trommelfell und die nor¬ 
malen Tuben die Diagnose nur auf Otosklerose stellen. (Spongiosierung 
der Labyrinthkapsel P o l i t. z e r). 

ln sämtlichen 1t Fällen diagnostizierte ich die Erkranknug des 
inneren Ohres außer der Verminderung der Perzeption oder dem Aus¬ 
fallen der hohen Töne noch an der Verkürzung des Schwabacli- 


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71 


■sehen Versuches und betrachte hier nur diejenigen als aus Erkran¬ 
kungen des inneren Ohres entspringende Verkürzungen, bei denen außer 
<ler Verkürzung auch die hohen Töne gelitten haben. Die Verkürzungen 
waren folgende: 

Alter Verkürzung in Sekunden 


r. 1. 

77 12 ti 

78 10 7 

02 10 8 

74 5 10 

74 10 0 

81 10 10* 

50 0 0 

04 0 0 

77 8 7 

58 10 10* 

80 12 12 


* war in zwei Fällen die Knochenleitung für c, gleich Null; deshalb 
habe ich 16 Sekunden aufgenommen, nachdem ich diese Stimmgabel 16 Se¬ 
kunden lang höre. C jedoch hörten sie durch Knocheuleitung, und hier 
waren 20 Sekunden nuszuweisen. 

Die Zahl der primären Erkrankungen des inneren Ohres war 15. 

Bei der Diagnose dieser Fälle waren maßgebende Momente: 

1. Normaler Mittelohrbefund (Trommelfell, Tube, etc.); 

2. starke Verkürzung der Knochenleitung; 

3. positives Resultat des 11 i n n e scheu Versuches; 

4. gute Perzeption der tiefen Töne; 

5. Verkürzung oder Ausfallen der Perzeption der hohen Töne. 

Der Weber solle Versuch erwies sich auch hier als unverläßlich. 


<lenn: 

Weber wurde nicht lateralisiert.8 Mal 

.. in dem besser hörenden Ohre.2 ,. 

,, in dem schlechter hörenden Ohre.3 

war nicht bestimmbar.2 ,. 


15 Mal 

Unbestimmbar war Weber in zwei Fällen aus dem (»runde, da die 
Knochenleitung in einem Falle gleich Null war. im anderen Falle aber 
war die Aussage des wenig intelligenten Mannes unverläßlieh. — Ein 
mit den übrigen.Symptomen übereinstimmendes Resultat erhielt ich also 
nur in zwei Fällen. Die Perzeption der tiefen Töne war in 12 Fällen 


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72 


eint* gute. Für tiefe* Töne war die Perzeption auf heulen Ohren in 
einem Falle, hei einem 72 jährigen Individuum, das gänzlich taub war, 
gleich Null. 

In zwei Füllen aber wurde V nur auf einem Ohr nicht gehört. 

Das Resultat des U i n n e sehen Versuches war in 14 Füllen positiv, 
in einem Falle, bei demselben tauben Individuum blieb es unent¬ 
schieden. 

.Das Pesultat der übrigen Pntersuelmngsverhültnisse ist in foP 
gonder Tabelle zusammengefaUt: 


© 

> 

Hörweite für 
Conv.- 
Sprache 

Hörweite 
der Flüster¬ 
sprache 

Verkürzung 
der Knochen¬ 
leitung 

St inungabel 

Anmerkung 


r. 

1. 

r. 

1. 

r. 

1. 

r. 

i- 


5 9 

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V* 

1' v 

4 ’ 

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]n" 

verkürzt 


(it) 

2 

2 

V. 

J 

4 

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0 


70 

1 8 

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a. c. 

o 

12" 

5" 

verk. 

0 


72 

V 4 

1 /4 

0 

0 

10" 

12" 

0 

o 


72 

0 

0 

o 

0 

lß" 

l(i" 

0 

0 

o mich negativ, 
e, Knorhenleitungr —0. 
Weber nicht unter- 
suchhar. 

7:1 

5 

5 

a. c. 

11 

10 

8" 

8" 

verkürzt 



2'/t 

•> 

a. c 

a. c. 

<)" 

10" 

verkürzt 


74 

4 

1 

i/„ 

a. c. 

s" 

10" 

verk. 

0 


74 

3 

3 

a. c. 

a. c. 

10" 

11" 

0 

0 


81 

5 

r» 

4 

v. 

ltr 

8" 

verkürzt 


81 

a. c. 

a. c. 

0 

0 

i ; 

Iß" 

0 

0 

Fürc, Knorhenleitnng 
0. C Verkürzung r. 
*J0“, 1. — 15". Weber 
nicht untei-suchbar. 

81 

7 

7 

ö 

*7* 

8" 

8" 

verkürzt 


81 

3 U 

1 

V* 

V, 

irr 

11" 

verk. 

0 

Knocheuleitungr. — 0. 
Weber wird doch nicht 
lateralisiert. 

82 

3 

. 4 

1 ^ ^ 

l 'io 

o 

verkürzt 

0 

verk. 

Wegen niederer In¬ 
telligenz ist die Ver¬ 
kürzung unbestimmt». 

8ö| 

0 

7 

1 

a. c. 

V,0 

8" 

0 

O 

verk. 

Xaeh Luee-Donnert 
untersuebt rechts uh- 
solute Taubheit. 


In diesen 15 zusainmengefaUten Füllen ist also die Diagnose der 
reinen primären Erkrankung erwiesen. 

Wenn wir das ungewöhnlich hohe Verhältnis der Akustikusaffektion 
in Betracht ziehen, würden wir fast mit Bestimmtheit erwarten, daU 
wir den Orund der Veränderung in den atrophischen Verhältnissen des* 
hohen Alters linden werden. Wenn wir aber die anamnestischen Daten 
überblicken, sehen wir, da 11 die Sache nicht so ist. 


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Es gelang mir nämlich in 3 Fällen durch eindringliches Befragen 
solche Daten zu erlangen, weicht* auf einen luetischen Ursprung des 
Uebels schließen lassen. 

ln einem Falle hatte ich es mit einem ausgedienten Kanonier zu 
tun. der im Jahre 1860 angeblich durch das Kanonenfeuer taub wurde. 
In den übrigen 11 Fällen sind die anamnestisehen Daten für nichts 
charakteristisch; es spielen hauptsächlich Erkühlung. Luftzug eine 
Kölle. — Hingegen gewährt die Dauer der Erkrankungen Aufklärung: 
unter diesen 11 hören 7 schon seit längerer Zeit, beiläufig seit 20 bis 
30 »Jahren schlecht. Nur 4 äußern sich dahin, daß ihr Uebel nur seit 
einigen Jahren besteht, und zwar: 

81 Jahre alle Frau 2 »Jahre, 

81 Jahre alter Mann 2 »Jahre. 

82 »Jahre alter Mann 3 Jahre, 

81 Jahre alte Frau 4—5 Jahre. 

Bei allen diesen Leuten, die alle die 80 Jahre schon .überschritten 
haben, datiert sich die Klag«' aus den letzten Jahren. Charakteristisch 
ist, daß alle vier schon lange Einwohner des Armenhauses sind und ihr 
Uebel während ihres Wohnens daselbst entstand. Wir können daher 
mit der größten Wahrscheinlichkeit voraussetzen. daß bei diesen vier 
Fällen eine senile Atrophie des Labyrinthes vorhanden ist, welche sich 
auf arteriosklerotischer Basis entwickelte: Presbyacusis arterioselero- 
tica. Diese Veränderung entsteht entweder so, daß zufolge der Endo- 
arteritis der den Nervus acusticus begleitenden Arterien der Nerv 
etrophiert, bei welcher (lelegenheit das C o r t i sehe Organ zu (j runde 
trollt, oder die Uofäße der Stria vaseularis erkranken, wobei das C o r t i - 
sehe Organ intakt bleiben kann. Die Zellen des Oanglion spirale ver¬ 
mindern sich (numerische Atrophie) und das Neuroepithol des C o r t i - 
sehen Organes wird zum einfachen Epithel. 

U e s u m e. 

1. Die im vorgeschrittenen Alter prävalierende Erkrankung des 
Oehürapparates ist die Akustikusuffektion, welche größtenteils eine 
primäre ist. 

2. Unter den primären Affekt.innen ist die Presbyacusis verhältnis¬ 
mäßig selten (von 25 Fällen 4 = beiläufig 2o Proz.). 

3. Die Erkrankungen des Mittelohres greifen bei langem Fort¬ 
bestehen zumeist auf das Labyrinth über und im vorgeschrittenen Alter 
bleibt das Labyrinth kaum intakt. 

4. Die chronische eitrige Mittelohrentzündung ist sehr selten. 


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74 


5. Die Verkürzung der Knoehenleitung ist für die Diagnose einer 
Erkrankung des inneren Ohres (S e h w a b a e h selier Versuch) nur 
dann verwendbar, wenn das Verhalten der hohen Töne auch einer Affek¬ 
tion des inneren Ohres entspricht, oder wenn die Verkürzung der 
Knochenleitung eine bedeutende ist (mehr als 8—9 Sekunden). 

6. Die senile Verkürzung ist weder mit der Hörweite, noch mit 
dem Lebensalter in Zusammenhang zu bringen, sondern hängt mit den 
allgemeinen senilen Verhältnissen zusammen. 

Zum Schlüsse will ich noch Herrn königl. Hat, Dozent Dr. F ranz 
Taus/k meinen verbindlichsten Dank dafür aussprechen, daß er mir 
das Material des Armenhauses zu Fntersuchungsz wecken zu Verfügung: 
zu stellen die (1 üte hatte. 


Zum ferneren Ausbau meiner Theorie des oberen 
Schutzvorrichtungssystems. 

Von 

Dr. med. W. Lamann (St. Petersburg), 

Konsultant an der Maximiliananstalt des Roten Kreuzes. 

VI. 

Fernere Untersuchungen über das „Binnenmuskelsystem 

der Wege“.* 

Im vorliegenden Aufsätze habe ich die Absicht ein gerade nicht- 
laryngologisehes Thema zu besprochen; ich mußte mir daher die Frage 
vorlegen, ob ich damit, den Langmut der Redaktion und die Geduld des 
Lesers nicht zu sehr auf die Probe stelle. 

Auf laryngologischem Gebiete entstanden lind erstarkt erstrecken 
sieh gegenwärtig beide Fundamentalgesetze meiner Lehre vom Schutz¬ 
system auf das ganze Netz des ..Binnenmuskelsystems der Wege“. Meine 
Lohre, hinausgewachsen über das lokal p h y s i o 1 o g i s e h e (luryn- 
gologisehe) Gebiet, klopft jetzt an der Pforte der G e s a m t p h y s i o - 
1 o g i e und ersucht um Einlaß, um dort einen ihrer Bedeutung nach 
entsprechenden Platz einzunehrnon. Ueber diese neue Stellung 
meiner Theorie muß der Larvngologe vollständig im klaren sein, wenn 
er ihre Bedeutung auf sein eni Spezialgebiete richtig abschätzen will. 
Soviel in aller Kürze zu meiner Rechtfertigung. 

„Binnenmuskclsystein“ ist ein neues Wort, ein neuer Begriff, den 
ich an die Spitze meines letzten Aufsatzes (Monatsschrift 1907, Heft 7) 
gestellt habe, und wenn ich künftighin darunter jene Muskel- 


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b ü n del- u n d S e h i e h t, e n verstanden haben will, w eiche in 
d e n \Y a n d u n g e n der Iv a n ii 1 e n n d Höhlen der s o - 

g e n a n n t e n „W ege* 4 g e 1 a g e r t s i n d , und zugleich die Be¬ 

hauptung aufstelle, daß diese Muskulatur ein ganzes, großes, 
selbständiges p h v s i o 1 <> g i s e h e s System bildet, 
weiches überall dasselbe m e c h a n i s c h e , a n a t o - 
in i s c h e u n d p h y s i o 1 o g i s c h e P r i n zip a u f w eist, so 
wäre wohl die erste Frage die, o b d e n n h e u t z u tage ü b er¬ 
bau p t noch solche g r o ß e, p h v s i o 1 o g i s c h e S y s t e m o 

n a c h g e w i e s e n w e r d e n k ö n n e n. 

Diese Frage möchte ich zuerst beantwortet wissen. 

Unter einem „physiologischen System“ verstellen wir eine Reihe von 
Vorrichtungen, welche e i n e m bestimmten Zweck dienen, einen 
speziellen Bau aufweiseu und einigen ihnen eigenen physiologischen 
Gesetzen unterstellt sind: dazu gehört noch als fernere Bedingung ihre 
w eite Verbreitung im Organismus. 

Derartig sind alle unsere bekannten Systeme das Knochen¬ 
muskelsystem, das Nervensystem, das Gefäßsystem und andere. Wenn 
wir von einem ferneren Merkmale solcher Systeme, nämlich ihrem 
g r o b m a k r o s k o p i s e h e n A e u ß e r e n ausgehen, so könnte man 
leicht zum Schlüsse gelangen, daß mit. der Zahl der bis jetzt be¬ 
kannten physiologischen Systeme die Zahl der Systeme im Organismus 
eines höheren Säugetieres ü b e r h a u p t. als abgeschlossen erscheinen 
müßte; denn sollte man es wirklich für möglich halten, daß bei dem 
jetzigen Stande der Naturwissenschaften dem forschenden Blicke des 
Anatomen und Physiologen ein ganzes g r o b m a k r o s k o p i s e h e s 
System sich entziehen könnte. * 

Und doch ist es denkbar. 

Man setze doch nur die Möglichkeit voraus, daß die Anatomen und 
Physiologen mit den einzol neu Teilen eines bis jetzt unbekannten 
Systems N gauz vorzüglich vertraut sein können, ihnen indessen das 
G r u n d p r i n z i p . welches alle diese Vorrichtungen zu e i n e m 
harmonischen Ganzen, zum System N verschmilzt, vollständig fremd ist. 

Wenn wir diese Möglichkeit einmal zugegeben haben, so müssen 
wir auch die nächste folgerichtige Konsequenz gelten lassen, daß näm¬ 
lich die Zahl der bis jetzt bekannten physiologischen Systeme in 
spekulativer Auffassung keineswegs als k o n s t a n t gelten kann 
und daß daher die Aufdeckung neuer physiologischer Systeme möglicher¬ 
weise nur eine Frage der Zeit ist. 

Einen solchen Fall kann der Leser an meiner Theorie kennen lernen- 


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1 ii meinem obenerwähnten letzten Aufsätze lnitfe ich darauf hin¬ 
gewiesen. daß der Ausgangspunkt für meine letzte Konsequenz die 
These bildete, die Da r in p e r i s t a I t i k s e i n j e li t s a n d e i e s. 

als e i n e i m S i n n e m e i n e r b e i d e n des e t/. e s i e h a 1) - 

s ]> i e 1 e n d e K r s e li c i n u n g (vergleiche meinen Aufsatz 1905, 
lieft 10 dieser Monatsschrift). 

Damit w a r e i n n e u er, s e li r h o h e r S t a n d p u n k t 

g e w o n n e n : ich bliekte z u r ü e k und erkannte, daß alle reflekto¬ 

rische Bewegungen „in den oberen Wegen“ sieh mir dem Begriff der 
Peristaltik decken; aller ich sali auch voraus, — alle .Bewegungen 
„peristalt isclier Natur“ in den anderen sogenannten „Wegen“ m ü sse n 
ebenfalls diesen (iesetzen unterstellt sein. 

Dieser für mich hochwichtige Moment bedeutete logiseherweise 
einen Wendepunkt in meiner Taktik. Bisher führte ich meine Theorie 
persönlich und ohne jede Beihilfe weiter. Ich fühlte mich vollkommen 
in meinem Fahrwasser, solange es sich um den Kespi rat ions- und den 
oberen Digestionst raktus handelte; ich fühlte noch Boden unter den 
Füßen, als ich mich den Untersuchungen über den Darm hingab: der 
Boden entschwindet mir aber, wenn ich, als Laryngologe. über (»allen-, 
Harn-, (Jcschlechts- und andere „Wege“ reden soll. Ich weiß, daß 
diese (Jebiete folgerichtig, wie die vorgenannten, in meiner Theorie 
aufgehen müssen, aber dies endgültig zu beweisen!, fehlt mir jenes 
e m ]) i r i sc h e Beobachtungsmaterial. welches den Spezialisten frei 
zur Verfügung steht. Ich beherrsche weder die 1 (»ynükologie, noch die 
experimentelle Physiologie oder anderes - - die Sache wächst 
m i r ii b e r d e n K o p f. Was bleibt mir da zu tun übrig? Das, w’as ich 
im Begriff •bin schweren Herzens zu tun '**«* <1 i F o r t b i 1 d u n g 
m e i n e r T h e o r i e auf diesen (1 e b i (* t e n a n d e r n F o r - 
s c Ii e r ii z u ‘ü b e r ! a s s e n. 

Dieser Kntschluß zieht logisch andere Folgen nach sich. 

Bisher hütete ich mich peinlich davor einen neuen Hedanken aus- 
zuspreclien. ohne» ihn zugleich bew iesen oder mindestens einen ernsten 
Versuch dazu gemacht zu haben. Jetzt steht die Sacht* anders. Liegt 
mir der Fortschritt der Wissenschaft am Herzen, so kann und darf ich 
mit jenen Ideen, auf welche der Heist meiner Theorie meinen ge¬ 
schärften Blick immer und immer wieder hinlenkt, nicht hinter dem 
Berge halten; vielmehr bin ich verpflichtet, sie gegenwärtig ohne 
Zaudern zur allgemeinen Kenntnis zu bringen. Dies ist aber gleich¬ 
bedeutend nicht nur mit dem Bekennet! meines ganzen diesbezüglichen 
physiologischen H re d o s, sondern auch m i t d e l* A u f s t e 1 I u n g 
o i n e s g a n z e n P r o g r a m m s. Jn dieser Richtung habe ich in 


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77 


meinem letzten Aufsatze bereits den ersten Schritt getan, indem ich 
die Geburtshelfer auf das ihrer Lösung harrende Problem hinwies: 
..von einem gewissen Augenblick an — welcher bis jetzt 
weder von den Physiologen, noch von den Gynäkologen festgestellt ist 
— wird die reife Frucht zum Fremdkörper und als 
solcher nach den Gesetzen d es Schutzsystems 
ausgestoßen. Der ganze Geburtsakt beruht auf 
dem Schutzprinzi p.“ 

Ich will ferner auf die Bedeutung meiner Theorie für die phy¬ 
siologische Phonetik hinweisen und glaube, daß die daraus 
resultierenden Schlüsse Sprach- und Gesanglehrern sehr zugute kommen 
werden. 

Ich glaube, daß das Auf gehen der Gallen-, Harn-, Geschlechts- und 
Tränenwege in meiner Theorie nur eine Frage der Zeit ist. 

Allein ich will dem Leser auch noch intimere Ideen verraten. 

Es handelt sich um das Verhalten des Gefäßsystems zu 
meiner Schutztheorie, d. h. es handelt sich um die Frage, ob dieses 
System in Zukunft im „Binnenmuskelsystem der Wege“ aufgehen 
werde. Wenn ich auf diese Frage hier näher eingelien will, so ist es 
nicht, weil ich schon jetzt und an diesem Orte auf volle Zustimmung 
dos Lesers rechnen darf, sondern vielmehr, weil ich hier bei der 
Aufstellung eines Programms bin. Wer sich dafür inter¬ 
essiert, der wird die Sache dann in die Hand nehmen und an meinen 
heutigen Erörterungen einen Leitfaden finden. 

Jedes Mal, wenn ich vor der Aufgabe stand, ein neues Gebiet 
meiner Schutztheorie einzuverleiben, war ich gezwungen, die Sache 
von drei Gesichtspunkten aus zu untersuchen — vom mechanischen, 
anatomischen und physiologischen. Dies muß auch hier durchgeführt 
werden. 

Das mechanische Prinzip scheint mir im Gefäßsystem dasselbe zu 
sein, wie in den übrigen „Wegen“. Wenn die Luft sogar unter ge¬ 
wissen Bedingungen als „Fremdkörper“ auf tritt, so sehe ich — nach 
meiner Definition eines Fremdkörpers — kein Hindernis, auch das Blut 
im Gefäß als solchen anzusprechen. Es reizt — wohl durch erhöhten 
Druck — die „Vorpostenrayons“ und wird daraufhin weitergetrieben, 
nicht nur durch den Herzdruck allein, sondern auch durch die Spann¬ 
kraft der Wandmuskulatur der Gefäße, welch letztere ihrer Konstruk¬ 
tion nach analog der Darmmuskulatur ist, und wenn beide, das Blut¬ 
gefäß und der Darm bei anlogem Bau auch anloge Funktionen zu ver¬ 
richtenhaben — Fortbewegung ihres Inhalts, id est eines Fremdkörpers 
durch vis a tergo —, so ist es geradezu-zwingend an zuerkennen r daß 


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78 


die Gefäßmuskulatur denselben physiologischen 
Gesetzen unterstellt ist, wie die des Darms, mit 
anderen Worten — wenn ich von der Atbeit der Gefäßmuskulatur redcv 
so fühle ich mich logisch gezwungen, dieselbe auf regelrechte Peristaltik 
zurückzuführen. 

Jetzt stehen wir vor dem Herzmuskel selbst. Derselbe 
scheint mir durchaus nicht außerhalb der Sphäre meiner Lehre zu 
liegen, sondern vielmehr in ihr aufzugehen. Das, was mich dazu zwingt^ 
in den Herzkontraktionen meine Gesetze wiederzuerkennen, ist nichts 
anderes, als dieselben streng logischen Erwägungen, welchen ich mich 
bia jetzt bei meiner ganzen vorausgegangenen Arbeit nicht ohne Erfolg 
voll anvertraut habe. 

Wäre es denkbar, daß ein physiologisches System, welches mit 
allen seinen verschiedenen Teilen einem bestimmten Zwecke dient, in 
seiner Leistung auf verschiedenen Gesetzen basiert wäre? Ist man 
nicht vielmehr berechtigt zu erwarten, daß das Ganze unter einem 
Prinzip steht? Dieses Prinzip wäre auch hier das Schutzprinzip. V o m 
L a r y n x schloss ich auf den ganzen Respirations¬ 
trakt u s, vom Blutgefäß schließe ich aufs Herz. 

Wenn wir den Vorhof und den Ventrikel als zwei makroskopische- 
Schutzvorrichtungen betrachten — im Sinne meiner Theorie —, sehen 
wir nicht, daß sie meinem „Sequenzgesetze“ gemäß arbeiten ? Die beiden 
Kammern einer Herzhälfte arbeiten n i eh t ä tempo. sondern die Kon¬ 
traktion des Ventrikels folgt auf die des Vorhofes. Ich kann mir die- 
Kontraktion der einzelnen Herzkammer wiederum immer nur sn 
denken, wie es meine Theorie fordert, d. h. daßdieKontraktio n 
von dem dem Ausgangsostium am entferntesten 
liegenden Winkel der Höhle beginnt und sich 
peristaltisch über die ganze Muske.Imasse in der 
Richtung zu diesem O s t i u m fortpflanzt. Kurz — 
es wäre jetzt die Aufgabe der Fachphysiologen, weitere Beweise auf¬ 
zubringen, daß das Gefäßsystem ebenfalls in dem 
großen „Binnenmuskelsystem der Wege“ auf geh t. 

So tauchen am erweiterten Horizont vor dem Blicke des Forschers, 
unerwartete Perspektiven und eine nichtendenwollende Reihe von inter¬ 
essanten Problemen auf. 

Es wäre ein schwerer Irrtum, wollte ich mich Illusionen über 
einen baldigen Sieg meiner Theorie in ihrer heutigen Gestalt 
hingeben. Wenn meine Lehre bereits bei den Laryngologen eine nur 
kühle Aufnahme gefunden hat, und nur schwer an Boden gewinnt, d. lu 
wenn man es in der Laryngologie vorzieht, lieber einer Unzahl von Er- 


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— 79 — 


scheinungen ganz ohne Erklärung gegenüberzustehen. als 
m eine Theorie anzuerkennen, welches Entgegenkommen kann ich da 
von Fachphysiologen erwarten, welchen ich kein erdrückendes Beob¬ 
achtungsmaterial Vorbringen kann und welche nur zu sehr geneigt sind, 
bloß jenen wissenschaftlichen Arbeiten ein gewisses Interesse ent¬ 
gegenzubringen, die zunächst durch ein Kaninchen filtriert sind. Dem 
ist leider einmal so, und die Ursache dazu liegt wiederum in der Ge¬ 
wöhnung an eine stets geübte Methode. Wird die Spezialität zu weit 
getrieben, so läßt sie nicht nur keine lebendigere philosophische, Auf¬ 
fassung aufkommon, sordern sie widersetzt sich ihr prinzipiell. Und 
doch muß es jedem klar sein, daß erst die Idee da sein muß, dann 
erst kommt das Kaninchen. Und eineldee ist es ja, was ich 
hier vorbringe, zumal diese Idee im Zeichen jenes erhabenen 
Satzes steht, den Fichte bereits vor 100 Jahren ausgesprochen und 
den wir heute alle, in wieviel Lager wir auch sonst zersplittert sein 
mögen, voll unterschreiben: „In jedem Moment ihrer Dauer ist die 
Natur ein zusammenhängendes Ganze.“ 


Hyperplasie der Rachenmandel. 

Von 

C. Häuselmann (Biel, Schweiz). 

Gestützt auf die Beobachtung einiger hundert Fälle war ich bis 
gestern vollständig einverstanden mit der Angabe der verschiedenen 
Lehrbücher, daß eine Hyperplasie der Rachenmandel erst vom dritten 
Lebensjahre an auf trete. Ein Fall, den ich gestern zu sehen und zu 
operieren Gelegenheit hatte, veranlaßt mich, diese Ansicht et welcher 
Modifikation zu unterwerfen. Es kam nämlicli eine Mutter mit ihrem 
sechs Monate alten Kinde in die Sprechstunde mit der Klage, das Kind 
leide schon fast von Geburt an, an hartnäckigem Schnupfen, die Nase 
fliesse immer. Sie habe schon drei oder vier Aerzte konsultiert, die 
gegen die Rhinitis alles mögliche verschrieben hätten, darunter Ein¬ 
blasungen von Borsäure etc. 

Auf den ersten Blick war zu konstatieren, daß bei dem Kinde die 
Nasenatmung vollständig unmöglich war, beim Schreien während der 
Untersuchung hatte die Stimme einen dumpfen, schetternden Ton. 
Eine Untersuchung mittels des Spiegels war unmöglich, doch ergab eine 
solche mit dem Finger, daß die ganze Rachenhöhle mit Vegetationen 
angefüllt war. Dieselben führten sich genau wie ein .Klumpen Regen¬ 
würmer an. Mit dem Ringmesser entfernte ich die Wucherungen und 


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80 


die genauere Untersuchung nach Herausnahme derselben ergab neben 
kleineren Stücken ein größeres, nahezu 1,5 cm im Durchmesser und 
0.5 in Dicke haltend. An diesem Stücke waren deutlich vier Leisten 
zu unterscheiden, wovon die beiden mittleren ziemlich dicker als die 
äußeren waren. Auch war die Furche zwischen den mittleren viel¬ 
leicht um das Doppelte so breit als wie zwischen den mittleren und 
äußern. 

Kurz gefaßt, es war also bei einem sechs Monate alten Kinde schon 
eine stark hyperplastische Rachenmandel, die die Nasenatmung be¬ 
hinderte, vorhanden. 

Da solche Fälle selten sind und erwiesenermaßen Anlaß zu un¬ 
richtiger Behandlung geben, halte ich die Publikation eines einzelnen 
Falles für motiviert. 


Ueber die schulärztliche Untersuchung des Gehör¬ 
organes. 

Von 

G. Alexander, 

Vorstand der Ohrenabteilung der allgemeinen Poliklinik in Wien. 
(Referat, erstattet in der von der Gesellschaft für Kinderforschung in Wien 

veranstalteten Enquete über die Schularztfrage — Januar 1908.) 

Das Thema der Ohrenuntersuehungen an Schulkindern hat sowohl 
im llahmen der Schularztfrage als gelegentlich otologischer Kongresse 
und Veranstaltungen wiederholt den Gegenstand eingehender Dis¬ 
kussionen gebildet. Zuletzt hat die deutsche otologische Gesellschaft 
auf ihrer Versammlung in Hamburg (1905) im Anschluß an das Referat 
von A. Hartmann „Ueber die Schwerhörigen in der Schule“ be¬ 
schlossen, eine Kommission zu wählen, welche die Aufgabe hätte, die 
Prinzipien festzustellen, nach welchen Ohruntersuchungen in der 
Schule vorgenommen werden sollen. 

Die Kommission hatte auch eine kurze Anleitung darüber heraus- 
zugeben, wie man diese Untersuchungen macht, damit auch die Aerzte 
in kleinen Städten und an^dem Lande die Untersuchungen vornehmen 
können, sie sollte eine Zählkarte mit bestimmten in Betracht kom¬ 
menden Fragen entwerfen und eine Zentralstelle schaffen, an welcher 
die erhaltenen Daten verarbeitet werden können. 

Diese Kommission, der ich anzugehören die Ehjre hatte, hat ihren. 
Bericht „Ueber die Methode, nach der die Hörprüfungen in den 


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81 


Schulen vorgenommen werden sollen“, durch A. Hartman n auf 
der im Mai 1907 abgehaltenen Versammlung der deutschen otologi- 
sehen Gesellschaft in Bremen erstattet. Ich habe Gelegenheit gehabt, 
an der Abfassung dieses Berichtes mitzuarbeiten. Er entspricht durch¬ 
aus den Verhältnissen, die wir in der Schularztfrage für die öster¬ 
reichischen, speziell für die Wiener Schulen anstreben, und ich stehe 
in meinen folgenden Ausführungen auf dem Boden dieses Berichtes. 

Heber die dringende Notwendigkeit besonderer schulärztlicher 
Untersuchungen des Gehörorgans ist wohl kaum ein Wort nötig. Der 
größte Teil der Kenntnisse, die das Kind im Wege der Normalschule 
erwirbt, wird ihm durch das Ohr vermittelt. Ist das Ohr in seiner 
Funktion geschädigt, so vermag das Kind dem Unterrichte nur schwer 
oder überhaupt nicht zu folgen. Es spannt zunächst seine Aufmerksam¬ 
keit auf das äußerste an, ermüdet aber bald, wird anscheinend unauf¬ 
merksam ,,nervös“ und verliert die Freude am Unterricht und am 
Lernen. Bei vorgeschrittener Schwerhörigkeit kann natürlich das 
Kind seine Aufgabe als Schüler nur schlecht und unvollkommen er¬ 
füllen. Das schwerhörige Kind wird zum schlechten Schüler; soll der 
Lehrer dem Schwerhörigen gebührende Aufmerksamkeit widmen, so 
bringt dies eine gewisse Störung des Unterrichts, unter Umständen eine 
Beeinträchtigung des Unterrichtszieles der ganzen Klasse mit sich, und 
so gereicht sehr bald die Schwerhörigkeit des einzelnen nicht bloß ihm, 
sondern auch seiner Umgebung zum Schaden. 

Eitrige Ohrerkrankungen führen, sich selbst überlassen, zu dau¬ 
ernder Schwerhörigkeit, unter Umständen zu Taubheit, besonders tuber¬ 
kulöse Eiterungen schließen für die direkte Umgebung des Kindes eine 
Infektionsgefahr in sich, bedrohen ebenso aber auch die etwa noch ge¬ 
sunden übrigen Organe des Patienten selbst. Es ist derzeit erwiesen, 
daß häufiger, als mau früher annahm, tuberkulöse Ohreiterungen den 
Ausgangspunkt multipler Karies und akuter miliarer Tuberkulose dar¬ 
stellen. Endlich kann in jedem Stadium eine Mittelohreiterung zu 
schweren Allgemeinzuständen, vor allem zu lebensgefährlichen intra¬ 
kraniellen Komplikationen führen. 

Die gegenwärtig bestehenden Verhältnisse zeigen uns nun, daß 
allen diesen Erkrankungen seitens der Aufsichtsbehörden (Eltern, A or- 
mundsehafts-, Unterrichtsbehocde) des Kindes keineswegs die ge¬ 
bührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Indolenz und Bequemlich¬ 
keit verhindern in allen Ständen und Klassen nur zu häufig, daß das 
ohrkranke Kind rechtzeitig einer sachgemäßen Untersuchung und Be¬ 
handlung zugeführt wird. Ist aber der Schüler herangewachsen, so 
sind, wenn ihm endlich ärztliche Behandlung zuteil wird, leider nur zu 


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82 


oft die üblen Folgen seiner Ohrerkrankung, die ihn in seinem Berufe 
und Fortkommen hindern, nicht mehr beseitigen. Es kann aber 
nicht genug betont werden und ist gerade für die 
Stellung der O h r e n ä rzte in der schulärztlichen 
F rage von Bedeutung, daß die O h r e r k r a n k u n g e n 
der Kinder sich bei geeigneter und rechtzeitiger 
Behandlung fast ohne Ausnahme prognostisch 
günstig gestalten. 

Nicht weniger als durch ihren Verlauf erhalten die Ohrerkran¬ 
kungen der Kinder durch ihre Häufigkeit Bedeutung für den 
Schularzt. In dieser Beziehung stehen uns ausgedehnte Zahlenreihen 
zur Verfügung, die ich nach dein oben erwähnten Referat zitiere und 
die selbstverständlich in denjenigen Ländern und Städten gewonnen 
worden sind, in welchen ohrenärztliche Schuluntersuchungen praktisch 
durch die Behörde angeordnct worden sind oder zumindest durch die 
Aerzte angebahnt werden konnten. 

\V e i 1 fand bei seinen Ohruntersuchungen in Stuttgarter Schulen 
32.6 Broz. Schwerhörige, B e z o 1 d in München 25.8 Proz.,.M a g e r in 
Luzern 40,3 Proz. Ost in a n n untersuchte 7537 Volksschulkinder des 
Kreises Marburg und fand unter denselben 2142 = 28,4 Proz. auf einem 
oder beiden Ohren schwerhörig und zum Teile mit schwersten Ohren- 
leideu behaftet. Nach einer Untersuchung von Laubi ergaben 22 894 
Schüler in Zürich 2443 = 10, 8 Proz. Ohrkranke. Denker fand unter 
4716 Kindern in Ilagen 23,3 Proz., welche weniger als 8 m Flüster¬ 
sprache hörten. Die Zählungsergebnisse bewegen sich somit zwischen 
10,8 und 40,3 Prozent. Im allgemeinen darf wohl ge¬ 
sagt. werden, daß beim vierten Teil der die V olks- 
schule besuchenden Kinder das Gehörorgan nicht 
normal gefunden wird. 

Unter den einzelnen Erkrankungsformen des Gehörorgans stehen 
numerisch die katarrhalischen Erkrankungen obenan, die vor¬ 
nehmlich durch chronische Veränderungen des Nasen- und Hachen¬ 
traktes. vor allem durch Hypertrophie der Rachenmandel (adenoide 
Vegetationen) verursacht werden. 

Sodann kommen eitrige Mittelohrerkrankungen mit ihren Folge¬ 
erscheinungen (bleibende Trommelfelldurchlöcherung, Granulationen 
und Polypenbildung, Narben, Kalkablagerungen, Adhäsivprozesse) in 
Betracht. 

Bei den nahe der Pubertät stehenden Kindern gewinnen die 
chronisch progredienten Labyrintherkrankungen und die Otosklerose 
Bedeutung. In einem nicht unbeträchtlichem Prozentsatz wird endlich 


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die Schwerhörigkeit durch Zeruminalpfröpfe bedingt. Die akuten, mit 
starken Schmerzen (Otitis externa furunculosa, Otitis media acuta 
etc.) oder mit starker Entstellung (akute Perichondritis) einher¬ 
gehenden Ohrerkrankungen haben für die schulärztliche Unter¬ 
suchung geringere Bedeutung, da diese Patienten in Anbetracht der 
stürmischen Krankheitserscbeinungen in der Mehrzahl der Fälle von 
Seiten ihrer Eltern unverzüglich ärztlicher Behandlung zugeführt 
werden. 

Dagegen erscheint die systematische schulärztliche Untersuchung 
des Ohres nach akuten Infektionskrankheiten dringend notwendig. Die 
im Verlaufe von Scharlach, Masern, Blattern auf tretenden Mittelohr¬ 
eiterungen führen, sich selbst überlassen, ausnahmslos zu weitgehender 
anatomischer Zerstörung der erkrankten Regionen und zu bleibender, 
■zumeist sehr bedeutender Schwerhörigkeit. Zu oft wird in Anbetracht 
der schweren Allgemeinerkrankungen dem Gehörorgan nicht genügende 
oder überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt. Eine rechtzeitig ein¬ 
greifende Behandlung kann aber in allen diesen Fällen äußerst erfolg¬ 
reich wirken, sie vermag einer dauernden Schwerhörigkeit vorzubeugen 
und macht zumeist auch eine anatomische Restitutio ad integrum 
möglich. 

Nach dem oben angeführten ergeben sich nun für den Ohrenarzt 
bei schulärztlichen Untersuchungen folgende Aufgaben: 1. Die Anzahl 
der Ohrenkranken ist. einmal jährlich festzustellen; 2. in Fällen, welche 
eine spezialärztliehe Behandlung oder einen chirurgischen Eingriff 
nötig machen, obliegt die Behandlung bezw. die Vornahme des chirur¬ 
gischen Eingriffes nach Einholung des Einverständnisses der Auf¬ 
sichtsbehörde des Kindes (Eltern, Vormund) dem Schulohrarzt. Auf 
Wunsch der Aufsichtsbehörde ist jedoch die Behandlung durch einen 
anderen Arzt unter der Bedingung gestattet, daß jederzeit die erfolgte 
Behandlung schriftlich nachgewiesen wird. Zum Zweck einer exakten 
Diagnostik und Indikationsstellung ist die genaue Untersuchung und 
funktionelle Prüfung des Gehörorgans, der Nase und des Nasenrachen¬ 
raumes erforderlich. Die während des Schuljahres von Infektions¬ 
krankheiten befallenen Kinder (Punkt 3) sind bei Wiederbeginn des 
Schulbesuchs ausnahmslos einer genauen Ohruntersuchung zu unter¬ 
ziehen. Der Ohrenarzt hat für die schwerhörigen Kinder (Punkt 4) 
eine geeignete Sitzordnung anzusprechen. Schulkinder, deren hoch¬ 
gradige Schwerhörigkeit eine ersprießliche Teilnahme am Unterricht 
hindert, sind aus den Klassen auszuscheiden. 

Die Durchführung dieser einzelnen Aufgaben anlangend ist fol¬ 
gendes zu sagen: Das Material für die ohrenärztliche Untersuchung 
wird sich sehr leicht aus eitler Umfrage in der Schule ergeben. Die 


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schwerhörigen Kinder werden sich entweder selbst melden oder durch 
die Eltern oder den Lehrer ermittelt werden. Es- empfiehlt sich 
daher, die ohrenärztlichen Untersuchungen nicht zu Beginn de* 
Schuljahres, sondern erst einige Wochen später, wenn der Lehrer 
mit seinem Schülermaterial genügende psychologische Vertrautheit 
besitzt, vornehmen zu lassen. Die Untersuchung selbst soll allen 
wissenschaftlichen Forderungen einer ohrenärztlichen Untersuchung 
gerecht werden. Ich möchte mit allem Nachdruck darauf verweisen, 
daß von oberflächlichen Ohrenuntersuchungen oder bloßen Ilörweite- 
prohen, die von otologisch nicht genügend vorgebildeten Aerzten oder 
gar Laien vorgenommen werden, abgesehen werden soll, da dieselben 
gänzlich wertlos sind, und für den ganzen Stand der Schularztfrage nur 
nachteilig sein können. S p e c i e 1 1 für größere Städte ist 
unbedingt die Forderung a u f z u s t e 1 1 e n, daß schul¬ 
ärztliche () h r u n t e r s u c h u n g e n () h r e n ä r z t e n i'i b c r- 
tragen w e r d e n. 

Für die Untersuchung ist selbstverständlich ein geeigneter Ordi¬ 
nationsraum in den Schulen oder anderwärts zu schaffen. Der dritte 
der obenerwähnten Punkte macht ein Zusammenwirken des Schul¬ 
arztes mit dem die Schuluntersuchungen durchführenden Ohrenarzte 
nötig. Zumindest haben die nach der Ocnesung von akuten Infektions¬ 
krankheiten wieder ein tretenden Schüler dem Ohrenarzt vorgestellt 
zu werden. Um dem vierten Punkte Genüge zu leisten, empfiehlt es 
sich, die schwerhörigen Kinder in den vordersten Hankreihen unter¬ 
zubringen. Besonders bei einseitiger Schwerhörigkeit muß es den 
Kindern gestattet werden, durch Kopf- und Körperdrehung das gtit- 
hörende Ohr dem Sprechenden zuzuwenden. Daß sich das schwerhörige 
Kind einem guthörenden, intelligenten Kameraden attackiert, wird 
sich zumeist von selbst ergeben. Die Ausschulung der durch ihre 
Schwerhörigkeit für den gewöhnlichen Unterricht nicht mehr geeig¬ 
neten Kinder hat die Schaffung eigener Schwerhörigen-Klassen zur 
Voraussetzung. Als Grenze der Hörfähigkeit, kann 1—2 m Konversa¬ 
tionssprache beiderseits oder auf dem besser hörenden Ohre angenom¬ 
men werden. 

Die Klassen für Schwerhörige brauchen keineswegs einem an¬ 
deren Lehrplan zu unterliegen. Es wird nur notwendig sein, in den 
einzelnen Klassen keine zu große Schülerzahl zu vereinigen (höchstens 
10—15) und es wird sieh empfehlen, beim Unterrichte dieser Schwer¬ 
hörigen nur Lehrer zu verwenden, die eine Taubstummenlehrerprüfung 
abgelegt haben. Hart mann berechnet, daß auf eine Bevölkerung^- 


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zahl von 150 000—200 000 Einwohner berechtigterweise eine Schule 
für Schwerhörige kommt. 

Ich glaube dargetan zu haben, daß wir Ohrenärzte uns ein¬ 
gehend mit der Schularztfrage beschäftigt haben und daß wir in jeder 
Beziehung' bereit sind, die Schuluntersuchungen mit gutem Erfolge 
durchzuführen. Wir können im Interesse der Bevölkerung nur 
wünschen, daß uns die Behörde bald Gelegenheit hierzu gibt. 


Gesellschaft sächsisch-thüringischer Kehlkopf- und 
Ohrenärzte zu Leipzig. 

Sitzungam2. November 1907. 
l)r. It a ni s h o r n stellt einen 28 Jahre alten Photographen vor, 
der seit Jahren viel mit Sublimat arbeitet, Gingivitis und Entzündung 
der gesamten Mundschleimhaut, Zähne grau umrandet, wacklig. Bei 
ihm entwickelte sich im Anschluß an einen kleinen Furunkel der 
Nasenspitze eine ausgedehnte Zellgewebsentzündung, welche am 
stärksten am Nasenboden und rechts nach dem Proc. zygomat. hin ent¬ 
wickelt war, sich aber bis zur rechten Ohrmuschel, den Augenlidern und 
auf die ganze Oberlippe erstreckte. Entsprechendes Verhalten, Ent¬ 
leerung des Eiters und antiseptisehes Sauberhalten führten zur Heilung. 

Prof. Barth berichte im Anschluß hieran über einen 30 jährigen 
Photographen, welcher seit Jahren viel mit Zyankalilösungen arbeitete. 
Er klagte über Druck in der Stirn, Schwindel und Unbesinnlichkoit. 
Da er oft ein Trockenheitsgefühl in der Nase hatte, glaubte er, die 
Beschwerden gingen von hier aus. Außer um weniges zu weiten Nasen¬ 
gängen fand sich aber hier nichts besonderes. 

Prof. Barth stellt eine 19 jährige Frau vor, welche seit siebeu 
Wochen ein ausgedehntes Ulkus im Pharynx mit starken Beschwerden 
(Schmerzen und Fieber) hat; außerdem ein pustulöses Exanthem sicher 
nicht syphilitischen Charakters. Keine Drüsenschwellung. Am Geni¬ 
tale nichts. Obwohl luetische Infektion nicht mit Sicherheit aus¬ 
zuschließen ist, spricht doch die größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß 
eine solche nicht vorliegt. Sorgfältige antiseptische Behandlung hat 
schon wesentliche Besserung herbeigeführt. (Pat. entzog sich später 
unserer Behandlung und ist dem Vernehmen nach — unter Jod- 
behandlung — bald völlig geheilt). Vortragender bespricht im An¬ 
schluß hieran Fälle, bei welchen infolge lokaler Entzündung, Beizung 
oder Druckwirkung an Lippe, Zahnfleisch, hartem Gaumen örtliche Er- 


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krankungen auftreten, welche leicht Lues Vortäuschen, auf der anderen 
Seite aber auch solche, wo bei völlig latenter Lues charakteristische 
Erkrankungen an der Stelle oder in nächster Xähe eines kleinen 
therapeutischen Eingriffes sich einstellen, welche erst durch aus¬ 
gesprochene antisyphilitische Behandlung zur Heilung zu bringen 
sind. 


S i t z u n g a ni 14. Dezember 1907. 

l)r. Karrer berichtet über einen Fall von plötzlich eingetretener 
doppelseitiger labyrinthärer Schwerhörigkeit im Verlauf einer Parotitis 
epidemica bei einem 37 jährigen Manne. Da gleichzeitig Lues secun¬ 
daria bestand, war die Frage nach der Ursache der Ohrerkrankung 
schwer zu entscheiden. Die Behandlung bestand in der Darreichung 
von Jod — eine energische Quecksilberkur war kurz vor Beginn der 
Parotitis beendet worden — und in täglich wiederholtem Schwitzen, 
sowie Schutz vor Geräuschen. Es trat innerhalb 14 Tagen eine Ver¬ 
besserung der Hörweite für Flüstersprache von knapp lm auf 6 in ein. 
Wird als Ursache der Ohrerkrankung Lues angenommen, so ist die 
Besserung mit großer Wahrscheilichkeit ein Folge der Therapie, im 
anderen Falle hätte die Besserung wohl auch ohne Therapie eintreten 
können. 

Darauf stellt Karrer einige Fälle chronischer Kiefer- und Stirn¬ 
höhleneiterung vor, operiert nach Caldwell-Luc und nach 
K i 1 1 i a n. 

Dr. 11 über berichtet über einen Fall von nervöser Schwerhörig¬ 
keit. welche sich wahrscheinlich als Folge einer chronischen Zyankali- 
Vergiftung entwickelt hat. Patient, 52 Jahre alt, arbeitet seit Jahren 
in einer Cyankalifabrik. Bei allen Arbeitern traten fast täglich nach 
kurzer Beschäftigung Heizungen in den oberen Atemwegen (Kribbeln 
in der Xase, Kratzen und Stechen im Hals) ein, bei vielen auch machte 
sich Benommenheit, Schwindel und Kopfschmerz geltend; auch bei 
unserem Patienten. Seit drei Jahren tragen die Arbeiter Respirato¬ 
ren. so daß der Salzstaub nicht mehr eingeatmet werden kann. Seit¬ 
dem wird von der örtlichen und allgemeinen Folgen der Zyankali-Ein¬ 
atmung nichts mehr bemerkt. Beginn und Zunahme der Schwerhörig¬ 
keit schon über 8 Jahre, doch hat sie sich noch bis in die letzte Zeit ge¬ 
steigert. Trommelfelle «beiderseits fast normal; Konversationssprache 
ca. 0,7 in weit, verstanden. Stimmgabelprüfung ergab das Bild der 
reinen nervösen Schwerhörigkeit, ln beiden Xasenseiten Polypen, 
welche jedoch die Atmung nicht behinderten. Pharyngitis granulosa. 
Da Patient auch über Sehstörungen klagte, welche nach oberflächlicher 


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Untersuchung weder auf Akkommodations- noch Refraktionsverände- 
rungen zu beziehen waren, wurde er zu genauer Feststellung des Lei¬ 
dens nach der Augenklinik geschickt. Er sollte dann weiter beobachtet 
und behandelt werden, erschien aber nicht wieder. Es bestanden zur¬ 
zeit keine Gleichgewichtsstörungen,, Wenn es auch nicht ausgeschlossen 
ist, daß es sich um ein zufälliges Zusammentreffen handelt, so ist der 
Fall doch immerhin zu beachten als Hör- und Sehstörung bis zu einer 
gewissen Wahrscheinlichkeit als Folge einer chronischen Cyankali- 
Vergiftung entstanden. Barth. 


Berliner otologische Gesellschaft 

Sitzung vom 12. November 190 7. 

Vorsitzender: Herr P a s s o w, später Herr L u c a e. 

Schriftführer: Herr Schwabach. 

Vor der Tagesordnung stellt Herr Wagner ein 12 jähriges 
Mädchen vor, welches wegen einer linksseitigen Mastoiditis im An¬ 
schluß an eine akute Mittelohreiterung operiert worden war. Bei der 
Operation fand sich ein perisinuöser Abszeß. Der Wundverlauf war 
ohne Besonderheiten. Bemerkenswert bei diesem Falle war der Augen¬ 
hintergrundsbefund. Vor der Operation bestand beiderseits eine starke 
Füllung der Arterien und Venen, auf dem linken*Auge eine beginnende 
Papillitis. In den nächsten 10 Tagen nach der Operation nahmen die 
Augenhintergrundsveränderungen stark zu. Während die Gefä߬ 
füllung zurückging, nahm die Papillitis immer mehr zu und erreichte 
die Grade, die man jetzt noch, also nach acht Wochen, bei der Patien¬ 
tin sehen kann. Es besteht noch jetzt um die Papille herum ein sehr 
starkes Oedem, das sich nach außen hin gegen die normale Retina 
ziemlich scharf absetzt. Irgend welche sonstigen Zeichen einer oto¬ 
genen Komplikation bestanden nie. Während in der Literatur öfter 
beschrieben ist, daß bei schweren Erkrankungen, meist Hirnabszessen 
oder Sinusthrombosen Stauungspapille oder Papillitis auftritt und zu¬ 
nimmt. findet man Fälle, wie den oben beschriebenen kaum. Nur 
Körner schreibt darüber, er führt diese rätselhafte Beobachtung 
auf Meningitis serosa oder Hirnödem und Hirnhyperämie zurück. Aus 
dem Fall geht hervor, daß man nach Ausführung der Operation, auch 
wenn die Augenhintergrundersclieinungen sieh verstärken, nicht ohne 
weiteres zu einer zweiten Operation schreiten soll, sondern abwarten 
soll, bis andere Symptome hinzutreten. 


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Herr W olf f demonstriert einen Patienten mit deutlicher Pulsa¬ 
tion am nicht entzündeten und unperforierten Trommelfell. Der 
Typus der Pulsation ist arhyfinnisch. Auf Grund dieser Beobachtung 
wurde das Herz untersucht und eine Myocarditis entdeckt. Bei der 
ITitersuchung mit dem Siegle 'sehen Trichter bewegt sieh das Trom¬ 
melfell über dem pulsierenden Gebilde, das demnach au der Promon- 
torialwand liegt, und vielleicht auf frühere Mittelohrentzündungen 
zurückzuführen ist. 

Herr Oertel denionstrirt einen •} jährigen Knaben, welcher vor 
drei Wochen eine Quetschung des Kopfes erlitt, indem er mit dem 
Kopf zwischen einen Sehrank und die Platte einer Wäscherolle geriet. 
Er blutete sofort nach dem Unfall aus Mund. Nase und rechtem Ohr, 
außerdem war sogleich eine linksseitige Facialisparese bemerkbar. 
Nach 10 Tagen wurde das Kind zur Untersuchung in die Ohrenklinik 
gebracht. Am linken Ohr waren normale Verhältnisse, das rechte Ohr 
eiterte stark. Das Trommelfell war unversehrt, dagegen gelangte man 
nach hinten vom äußeren Gehörgang aus in einen Kim *henspalt. aus 
dem reichlich Eiter floß. Eieber und nieningitische Erscheinungen be¬ 
standen nicht. Die Fazialisparese links bestand noch. Bei der Ope¬ 
ration zeigte sich eine Mastoiditis, entstanden durch Impressious- 
fraktur der Corticalis des untersten Schuppen- und teilweise des War¬ 
zenteiles. Die Sprunglinie lief durch die Fissura tympano-mastoulea. 
von da in die Sutura maxtoidea squamosa. Vom oberen Ende der $u- 
tur lief ein zweiter S|>rung durch die Corticalis zur An trumhöhle bis 
dicht an die hintere obere Gehörgangswand. Der von beiden Linien 
umgrenzte Splitter erscheint etwas in die Tiefe gedrückt, nach Durch- 
meißelung der schmalen Brücke über dem Antrum ließ er sich leicht 
herausheben. Der Verlauf war ungestört. 

T agesordn u n g: 

Herr P a s s o w: Mitteilungen über plastische Ver¬ 
such e. 

Vortragender beschreibt eine Methode, um unschöne, tief ein¬ 
gesunkene Karben zu beseitigen, die nach der einfachen Aufmeißelung 
des Warzenfortsatzes zurückgeblieben sind. Der Verschluß geschieht 
durch Einlegung von Periostlappen aus der Umgebung der Karbe in 
den Wundtrichter. Vorstellung dreier in dieser Weise operierter 
Patienten. 

Diskussion: 

Herr Peyser bemerkt zu den Ausführungen des Vortragenden, 
daß bei Parafflninjektionen die Karbe nicht hielte, daß dies wohl ge- 


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länge, wenn man erst mit einem tenotomartigen Instruniente subkutan 
die anhaftende Narbe trennt, und das Parafßn erst nach einigen Tagen 
einspritzt. 

Herr \V o 1 f f stellt die Frage, wie der Knochen nach Abschiebung 
der Haut ohne Periostbedeckung aussah? Außerdem möchte er fragen, 
ob die Ausfüllung der Knochendelle nach Hineinlegen der Periost¬ 
lappen durch Knochenneubildung oder Weichteilwucherung zu ver¬ 
stehen ist. 

Herr II artmann geht beim Verschluß retoaurikulärer Oeff- 
nungen von dem Prinzip aus, die Ohrmuschel nach rückwärts zu lagern. 
Durch den operativen Eingriff ist diese in der Regel etwas nach vorn 
gerückt. Er war überrascht, bei der Rückwärtslagerung sofort die 
ganze retroaurikuläre Oeffnung sich schließen zu sehen. 

Herr Brühl hat einmal in ähnlicher Weise wie Herr Har t- 
m a n 11 eine retroaurikuläre Oeffnung geschlossen, nur mußte er noch 
einen Entspannungsschnitt anlegen. Bei Radikaloperationen legt er den 
Schnitt, um die Naht nicht in den Bereich der Höhle fallen zu lassen, 
1—lVsem hinter der Ohrmuschel an, so daß die Haut später nicht in 
die Knochenhöhle hineingezogen wird. 

Herr P a s s o w erwidert Herrn W o 1 f f , daß der freigelegte 
Knochen glatt aussah, er hatte nicht den Eindruck, als ob sich viel 
neuer Knochen gebildet hatte. Da aber knöcherner Verschluß gegen 
das Mittelohr vorhanden war, mußte dieser Verschluß durch Knochen, 
neubildung entstanden sein. Bezüglich der zweiten Frage nimmt er 
K ilochenneubildung an. Wenn der Periostverschluß sich bewährt, ist 
er ihm sympathischer als die Paraffiinjektion. 

Herr Schaefer: Demonstration eines drei¬ 
teiligen XJ ni versal -Resonators. 

Vortragender beschreibt zunächst die verschiedenen Formen und 
Herstellungsarten von Resonatoren. Der Kugelform stellt bei ihren 
akustischen Vorzügen der hohe Preis im Wege. Auch die Edel¬ 
mann sehe kontinuierliche Tonreihe von 5 Resonatoren kosten noch 
260 Mark. Vortragender hat darum Resonatoren von Zylinderform 
dadurch stimmbar gemacht, daß er eine Röhre verschieblich in einer 
anderen nach Art des Fernrohrs anbringt. Die Resonatoren sind aus 
Messing und werden angefertigt von dem Präzisions-Instrumenten¬ 
macher Zimmermann in Leipzig zu einem relativ geringen Preise. 

Diskussion: 

Herr Dennert macht darauf aufmerksam, daß man bei Hör¬ 
prüfungen mit Resonatoren wegen eventuell gehörter Obertöne Kau- 
telen an wenden muß, und daß man immer mit 2 oder 3 Resonatoren 


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prüfen müsse. Außerdem kann man Resonatoren nicht nur zur Analyse 
von Klängen benutzen, sondern auch zur Prüfung hoher und tiefer 
Geräusche, wie Vortragender schon bei Gelegenheit in einer früheren 
Sitzung der Gesellschaft ausführte. 

Her L u c a e bestätigt die Erfahrungen des Herrn Scliaef er. 
Er hat Versuche mit Röhren aus Pappe gemacht, deren einzelne 
Schichten zusammengeleimt waren. Auf den femrohrartig zu ver¬ 
schiebenden Apparaten empfiehlt es sich, an Querstrichen gleich die 
betreffenden Noten aufzuschreiben. Früher sang Vortr'. die betreffenden 
Töne in den Resonator hineiu. 

Herr Schaefer stimmt Herrn D e n n e r t bezüglich der Kau- 
telen bei der Untersuchung bei. Es ist ihm erfreulich, von Herrn 
Lucae zu hören, daß man durch 11ineinsingen starke Töne erzeugen 
kann. Er selbst könne das bestätigen im Gegensatz zu H e r r m a n n , 
der behaupte, daß die Vokale der menschlichen Stimme gar nicht den 
Grundton enthielten, auf welchen der betreffende Vokal gesungen 
wird, sondern daß dieser Grundton nur als Unterbrechungston in der 
ganzen Klangmasse enthalten sei. Der Grund ton ist jedoch wirklich 
vorhanden und ist der stärkste von allen. 

Sitzung vom 10. Dezember 1907. 

Vorsitzender: Herr P a s s o w. 

Schriftführer: Herr S c h w a b a c h. 

Herr O. Levy: Drei otogene Hirnabszesse. 

1. Präparat eines Kleinhirnabszesses aus der B r ü h 1 sehen Samm¬ 
lung. An der Kante der rechten Kleinhirnhemisphäre befindet sich ein 
fünfpfennigstück großer Abszeß, an den sich ein fast die ganze Hemi¬ 
sphäre einnehmender Erweichungsherd anschließt. Das in situ an¬ 
gelegte Schläfenbein zeigt Perforation der Shrapnell sehen Mem¬ 
bran. Karies des Felsenbeins bis an den Abszeß. Interessant ist. daß 
trotz der Ausdehnung des Prozesses die Erkrankung fast symptomlos 
verlief. 

2. 2 l /2 jähriges Mädchen, im Sommer 1907 von Herr Sonntag 
wegen otogenen linksseitigen Schläfenlappenabszesses operiert und 
geheilt. Es bestanden auf der kontralateralen Seite Fazialisparese, 
Spasmen der Extremitäten und Ausfall der konjugierten Augen¬ 
bewegungen (nach rechts). Auf der gleichnamigen Seite Parese des 
Armes, Paralyse des Beines. 

3. Krankengeschichte und Präparate eines rechtsseitigen otitischcn 
Hirnabszesses mit halbseitiger (rechts) Konvexitätsmeningitis. Es 


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bestand Parese der kontralateralen Extremitäten, des kontralateralen 
Fazialis, linksseitige homonyme Hemianopsie, später Parese der 
Fasern für den gleichseitigen Levator palpebrae sup. und des gleich¬ 
seitigen Sphineter pupillae. 

Herr Sonntag: Tampon lose Nachbehandlung 
bei der Totalaufmeißelung. 

Vortragender berichtet über 11 Totalaufmeißelungen, welche im 
Sommer 1907 in der von dem Privatdozenten Dr. Brühl und ihm 
geleiteten Poliklinik nach der von zur Mühlen, Stein und 
Gerber angegebenen Weise tamponlos naehbehandelt wurden. Die 
Resultate waren bis auf einen Fall, bei dem eine trockene, voll¬ 
kommen übersichtliche Höhle das Ergebnis war, nicht günstig. 
3 Fälle sind bis jetzt nicht geheilt, es bestehen bei diesen noch ver¬ 
engte, sezernierende Höhlen. 2 weitere Fälle mußten wegen Senkung 
der hinteren Wand und fistulösen Durchbruchs derselben nach anschei¬ 
nender Heilung wieder operiert werden. Die übrigen Fälle sind Zwar 
im Sinne Steins und zur M ü h 1 e n s geheilt, da die Höhle trocken 
und epidermisiert ist, die ursprüngliche, bei der Operation angelegte 
Form ist jedoch nicht mehr zu erkennen. Das Antrum ist in fast allen 
Fällen gänzlich obliteriert. Von 11 zu gleicher Zeit nach bisheriger 
Methode mit loser Tamponade und Aetzungen behandelten Fällen 
zeigt dagegen nur einer ein unerwünschtes Resultat, alle anderen 
heilten mit vollkommen übersichtlicher Höhle aus. Die Mehrzahl der 
Ohrenärzte führt auch die Tamponade nicht mehr so aus, daß alle 
Nischen und Buchten fest ausgestopft werden, sondern tamponiert; 
ganz lose, nicht zum Niederhalten der Granulationen, sondern zur 
besseren Entfernung der Sekrete. 

Diskussion: 

Herr Hirschfeld hat nur einige wenige Fälle tamponlos be¬ 
handelt, hat aber günstigere Resultate gehabt. Allerdings sind die 
Höhlen viel kleiner als bei der Tamponbehandlung. Bei einem Falle 
schossen bei der Tamponbehandlung immer wieder Granulationen auf, 
die häufig entfernt und geätzt werden mußten, erst als die Tamponade 
und das Aetzen weggelassen wurde, trat schnelle Epidermisierung ein. 
Allerdings ist auch diese Höhle sehr verkleinert. H. bemerkt noch, 
daß er sonst Isoformgaze verwendet, und mit derselben sehr zu¬ 
frieden ist. 

Herr Herzfeld hat ebenfalls einen günstigen Eindruck von der 
tamponlosen Nachbehandlung. Trotzdem möchte er kein endgültiges 
Urteil abgeben. Fälle, die tamponlo9 nachbehandelt wurden, heilten 
in BVs—10 Wochen aus, bei diesen war die Paukenhöhle zur Zeit der 


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Operation entweder gar nicht, oder nur zum Teil epidermisiert. In 
Fällen, wo die Pauke zur Zeit der Operation epidermisiert ist. dürfte 
die Heilung noch eine schnellere sein. Ein Vorteil der tamponlosen 
Nachbehandlung ist die kurze Zeitdauer des Verbandwechsels, in zwei 
Minuten ist der Verband gemacht. Die Räume sind allerdings nicht so 
übersichtlich, wie sie früher waren, weder die Pauke, noch das Antrum 
ist völlig zu übersehen. 

Herr Passow ist von der Arbeit, die z u r Mühlen im „Archiv 
für Ohrenheilkunde“ hat erscheinen lassen, enttäuscht, da in derselben 
nicht bewiesen ist, daß die tamponlose Nachbehandlung besser ist. Fest 
tamponiert heute wohl kein Ohrenarzt mehr, im allgemeinen wird der 
Tampon nur zur Drainage benutzt. Man muß von Fall zu Fall ent¬ 
scheiden, und auch bei jedem einzelnen Falle die Behandlung je nach 
dem Zustand der Wunde richten. Gerade bei der Nachbehandlung 
radikal Operierter erscheint das Vorgehen nach einem Schema un¬ 
angebracht. 

Herr Brühl sieht in den Ausführungen der Diskussionsredner 
nur eine Bestätigung seiner und des Vortragenden Ansichten. Der¬ 
artig verengte Höhlen kann man nicht als geheilt betrachten. Nach 
den gemachten Erfahrungen kann er nur raten, die Methode nicht 
weiter zu versuchen. Das, was man mit tamponloser Nachbehandlung 
oft erreicht, ist nichts als eine artifizielle Atresie des Ohres, deren 
Verhütung durch Nachbehandlung mit lockerer Tamponade erreicht 
wird. 

Herr Grossmann hält nach seinen Erfahrungen solche Fälle 
zur tamponlosen Nachbehandlung geeignet, welche große Warzenfort¬ 
sätze und nicht granulierende Paukenhöhle zeigen, also Fälle mit Per¬ 
foration am oberen Pol und Cholesteatom dahinter. Nicht geeignet 
sind Fälle, bei denen in der Tiefe des Gehörganges Granulationen oder 
größere kariöse Zerstörungen vorhanden sind, da in diesen Fällen die 
Höhle durch Kulissen und Stränge abgesperrt und unübersichtlich 
wird. 

Herr Sonntag (Schlußwort): Die Aufstellung eines Schemas 
bei der Nachbehandlung ist natürlich nicht angängig. Die Erfahrung 
des Herrn Grossmapn, daß Fälle mit nicht granulierender Pauke 
und Perforation am oberen Pol schneller ausheilen, ist zu bestätigen, 
(fegen die tamponlose Nachbehandlung sprechen vor allen Dingen die 
beiden Fälle, in denen wegen der Rezidive nochmal operiert werden 
•mußte. Die günstigen Erfahrungen des Herrn Hi rscHfeld über die 
Isoformgaze konnten in früheren Versuchen nicht bestätigt werden. 


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die Granulationsbildung schien bei Anwendung der Isoformgaze stärker 
zu werden. 


Sitzung vom 14. Januar 1908. 

Vorsitzender: Herr P a s s o w. 

Schriftführer: Herr S e h w a b a c li. 

Vor der Tagesordnung stellt Herr C 1 a u s s eine Frau vor, welche 
in der hinteren Hälfte des linken Trommelfelles einen durchschimmern¬ 
den. leuchtend roten Reflex zeigt. Man sieht im Siegle sehen 
Trichter deutliche Bewegung des Trommelfelles über der roten Stelle, 
welche also hinter dem -Trommelfell liegt, und ungefähr der Stelle 
entspricht, wo man bei Stapesankylosen öfter eine leichte dureh- 
8chimmernde Rötung sieht. Die Färbung ist jedoch viel intensiver, 
etwa karminrot und von der ungefähren Größe eines Trommelfell- 
quandranten. Beschwerden hat die Patientin auf diesem Ohr nicht, 
sie hört normal, während auf dem rechten Ohre bei etwas herab¬ 
gesetzter Ilörfähigkeit (5 m) Sausen besteht. Vielleicht deutet also 
hier die Rötung doch auf beginnende Sklerose hin. 

Tagesordnung: 

Herr Peyser: Zur Diagnose der Schädelbasis- 
f r a k t u r. 

Vortragender demonstriert Röntgenbilder, welche in okzipito¬ 
frontaler Richtung von einem Patienten aufgenommen sind, welcher 
bei dem Straußberger Eisenbahnunglück eine Schädelbasisfraktur 
erlitten hatte. 

Die Platten zeigen eine gegabelte Fissurlinie, welche von der 
hinteren Zirkumferenz des Scheitelbeins bis in die Warzenzellen sich 
erstreckt. Wenn auch in diesem Falle die Diagnose sich schon aus 
dem Befunde ergab (sichtbare Fissur in der Gehörgangswand, Blutung 
aus dem Ohre, völlige Taubheit), ist doch die Röntgenaufnahme eine 
wertvolle Unterstützung der Diagnose. 

Herr Jacobson (als Gast) zeigt Präparate eines Falles, bei 
dem von zwei hervorragenden Neurologen linksseitiger Schläfelappen- 
abszeß diagnostiziert worden war, während sieh bei der Sektion zeigte, 
daß erstens kein Abszeß vorhanden, und zweitens der Hauptsitz der 
Erkrankung auf der rechten Seite zu suchen war. 

Ein sonst gesunder, 25 jähriger Landwirt war nach kurzem ein¬ 
seitigem Ohrlaufen in der Kindheit nach einer militärischen Uebung 
erkrankt mit Benommenheit, leichter Stupidität und Sprachstörungen. 
Fieber bestand nicht. Aus dem linken Ohr bestand eitrige Sekretion, 


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es soll sich um Cholesteatom gehandelt haben. Bald darauf stellte sich 
Nachschleifen des rechten Beines und Schwäche der rechten Hand ein, 
später wurde das rechte Bein paretisch und es traten Spasmen in beiden 
unteren Extremitäten ein. Die Sprachstörung wurde stärker, vor¬ 
gehaltene Gegenstände wurden falsch benannt, dagegen geschah das 
Nachsprechen schwieriger Worte tadellos. Der temporale Rand der 
Papille war unscharf, dazu bestand leichte Nackensteifigkeit. Später 
trat dann Parese des rechten Armes dazu und Schwäche des linken 
Fazialis. Die Diagnose schwankte zwischen Abszeß oder Tumor im 
linken Schläfenlappen. Die in Abständen von 8 Tagen ausgeführteu 
Operationen brachten keine Klarheit, und tiefe Punktionen des 
Schläfelappens und des Kleingehirns waren negativ. Der Exitus 
letalis trat einige Tage nach der zweiten Operation ein. Die Sektion 
ergab neben einem Hydrocephalus internus und einer beginnenden Kon¬ 
vexitätsmeningitis eine Encephalitis purulenta des Lobulus frontalis et 
temporalis dext. Die Sprachstörungen erklärten sich durch leichte 
Veränderungen in der Rinde des Temporallappens, während der Grund 
für die rechtsseitige Lähmung in einem solitären Herd des Nucleus 
lentiformis zu suchen war. Es ist aus diesem Falle zu ersehen, wie 
gering die Ausfallserscheinungen bei Krankheiten der rechten Hemi¬ 
sphäre sind, während sie schon bei geringfügigen Affektionen der linken 
ganz erheblich in Erscheinung treten. A. Sonntag. 


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Kritiken 


Die Taubstummenanstalten und -Schulen in Preussen am 1. Januar 1907» 

Von W. Weise, Lehrer an der kgl. Taubstummenanstalt in Berlin. 

Es ist unstreitig ein nachahmenswerter Beschluß des Bundesrates 
für das Deutsche Reich, daß auf Grund eines von den Verwaltungen 
der Taubstummenanstalten und Taubstummenschulen einzufordernden 
Fragebogens eine ununterbrochene Evidenzhaltung der im schulpflich¬ 
tigen Alter stehenden Taubstummen gesichert wurde. Denn die Taub¬ 
stummenbildung will nicht allein vom Standpunkte der Humanität und 
der allgemeinen Schulbildung betrachtet werden. Sie ist vielmehr auch 
eine eminent soziale Frage und die intensiven sozialpolitischen Be¬ 
strebungen unserer Zeit können bei der großen Zahl Taubstummer an 
den auch in diesen Viersinnigen schlummernden, wirtschaftlichen 
Kräften nicht achtlos vorübergehen. Es ist eine wertvolle Arbeit, die 
uns vorliegt, wenn der Verfasser auch nur in Berücksichtigung des 
Fragebogens ausschließlich die Verhältnisse in Preußen in Betracht 
gezogen hat. 

Bemerkenswert erscheint, daß es auch in Preußen noch immer 
Anstalten gibt, die von Vereinen gehalten werden, also sozusagen den 
Charakter von Humanitätsanstaltcn tragen. Ob die 46 selbständigen 
Anstalten genügen, um sämtlichen in Preußen befindlichen, im schul¬ 
pflichtigen Alter stehenden, taubstummen Kindern den Schulunterricht 
angedeihen zu lassen, ist nach den Darlegungen des Verfassers nicht zu 
entscheiden. Wohl versucht er nachzuweisen, daß es möglich sei, noch 
eine gewisse Anzahl von taubstummen Kindern in die bestehenden An¬ 
stalten aufzunehmen; allein bezüglich der Zahl der im schulpflichtigen 
Alter stehenden Taubstummen, die keinen Unterricht genießen, wird 
nur bemerkt, „daß sie in den einzelnen Landesteilen noch hoch ist/ 6 
Beachtenswert ist ferner, daß die Zahl der in den Anstalten befind¬ 
lichen männlichen Zöglinge die der weiblichen Zöglinge überwiegt,, 
was mit der Tatsache in Widerspruch steht, daß das w'eibliche Ge¬ 
schlecht in der Bevölkerung überhaupt stärker vertreten ist, als das 
männliche. Einen stichhaltigen Grund für diese Erscheinung vermag 
der Verf. nicht anzugeben. Er scheint jedoch der Ansicht jener Schrift¬ 
steller zuzuneigen, welche annehmen, daß die Knaben wegen ihrer 
kräftigeren Konstitution den Krankheiten, die Taubheit zur Folge 


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halxMi köunen, leichter w iderstehen als die Mädchen, so zwar, daß im 
allgemeinen taubgewordene Individuen männlichen Geschlechtes in 
größerer Zahl vorhanden sind als solche weiblichen Geschlechtes. Das 
letztere wird auch durch die Volkszählung vom «Jahre 1900 erhärtet. 
Allerdings könnten statistische .Nachweise allein hierüber Aufschluß 
geben. Ks wäre aber von großer Bedeutung, wenn gleichzeitig statistisch 
festgestellt würde, ob überhaupt bei beiden Geschlechtern die Dispo¬ 
sition für jene Krankheiten, die nicht selten Taubheit zur Folge haben, 
in gleichem Grade, oder ob sie bei dem männlichen Geschlecht in stär¬ 
kerem Grade vorhanden ist als bei dem weiblichen. Selbstverständlich 
wäre in erster Linie der Aerztestand berufen, Aufzeichnungen dieser 
Art zu führen* 

Der Verfasser gibt in seiner Schrift, welche' zahlreiche tabellarische 
Uebersiehten enthält, ein ziemlich ausführliches Bild über die Organi¬ 
sation und Verwaltung der Anstalten, über Beschulung und Abgang der 
Zöglinge', über die Lehrkräfte» und über das Aufsicht»- und Admini- 
strationspersemal. Er liefert hierdurch ein lehrreiches Material für 
den Fachmann wie für jene' Kreise, die dem Taubstummenbildungs- 
wesen ein Interesse entgegenbringen. l)r. M. B. 


Referate. 

a) Otologische. 

Ueber musikalisches Falschhören (Diplakusis). Von A. Barth in Leipzig 
(Deutsche med. Wochenschr., 33. .Tahrg, Nr. 10.) 

Verfasser hatte zum ersten Mali* Gelegenheit, zwei Fälle von Di¬ 
plakusis mit Erkrankung des inneren Ohres zu beobachten, während er 
dieselbe bis dahin nur bei Sehalleitungserkrankungen nachprüfen 
konnte. Er führt am Schluß seiner Mitteilungen folgende Leitsätze an: 
Bei weitem in der Mehrzahl der Fälle besteht das Falschhören darin, 
daß das erkrankte Ohr nur mit veränderter Klangfarbe hört, was aber 
vom Kranken als Veränderung des Tones in der Tonleiter aufgefaßt zu 
werden pflegt. Dabei kann es sieb sogar ereignen, daß die gleiche 
Veränderung in der Klangfarbe das eine Mal als Höher-, das andere 
Mal als Tieferwerden des Tones beurteilt wird. Die erwähnte 
Täuschung findet sich vorwiegend bei Sehalleitungserkrankungen und 
selten bei Erkrankungen im schallempfindenden Apparat. Sie läßt sich 
leicht erklären durch Zurücktreten von tiefen und durch relatives 
Hervortreten hoher Klangbeimisehungen oder umgekehrt. Eine Dipla- 
cusis disharmoniea ist zum mindesten sehr selten. Ueber Doppelthören 
klagen gewöhnlich nur musikalische Menschen und diese gewöhnen 
sich sogar an musikalisches Falschhören* Da eine wirklich objektive 
Feststellung des Gehörten nie recht erfolgte, weil man sich über die so 
leicht eintretende subjektive Täuschung nicht klar war, sind die 


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bisher über Diplakusis veröffentliehteji Fälle in Bezug auf den Haupt¬ 
punkt der Erscheinung mangelhaft beobachtet und darum zur Er¬ 
klärung desselben wenig brauchbar. llcinhard. 

Otitis media suppurativa; Atticitis chronica beiderseits; grosse Polypen 
in der Paukenhöhle; Cholesteatom der rechten Seite; adenoide 
Wucherungen als ätiologisches Moment. Heilung. Von Compaircd. 
(Archivos de rinologia, laringologia y otologia, Nr. 144, Januar-Febr. 1907, 
S. 49.) 

Bei der 13 jährigen Patienten war der rechte Gehörgang mit 
Polypen angefüllt; es bestand eine Sekretion von schwärzlichem, 
stinkendem Eiter; linkerseits: Atticitis chronica suppurativa in einer 
stationären Periode; Hypertrophie der Bachen- und Gaumenmandeln, 
wie auch der Schleimhaut beider unteren Muscheln. 

Abtragung der Bachen- und Gaumenmandeln; Entfernung der 
Polypen der rechten Seite; die Paukenhöhle wurde kürettiert; Turbin- 
otomie. Da keine Besserung des Gehöres der rechten Seite eintrat, 
wurde eine Attiko-Antrektomie gemacht, das Antrum war von Chole¬ 
steatommassen erfüllt; Aetzungen mit 10 proz. Chlorzink. 

Während eines Jahres schwankte der Zustand zwischen Verschlim¬ 
merung und Besserung; diese trug endlich den Sieg davon und die 
Heilung erfolgte definitiv ohne Spur von Taubheit. M e n i e r. 

Zwei Fälle von Ohrschwindel, durch Operation gehellt. (Aus der kgl. 
Universitäts-Ohrenklinik zu Halle a. S., Direktor Prof. Dr. H. Sch wartze.) 
Von Dr. Isemer, Assistent der Klinik. (Müuchener med. Wochenschr., 
54. Jahrg., Nr. 1.) 

Mitteilung zweier Fälle von hochgradigem Ohrschwindel bei 
chronischer Mittelohreiterung, mit promptem Heilerfolg unmittelbar 
nach der Operation (Totalaufmeißelung). Der Schwindel allein hatte 
die Kranken der Klinik zugeführt und in beiden Fällen trat derselbe 
ganz plötzlich während der Arbeit apoplexieähnlich in Form hoch¬ 
gradigen Drehschwindels auf. Verfasser faßt denselben durch Druck 
entstanden auf, wofür auch der Heilerfolg spricht, indem unmittelbar 
nach Entfernen des derben, den Druck auf die Steigbügelplatte aus¬ 
übenden Granulationspolsters mit dem kariösen Amboß derselbe 
schwand. B e i n li a r d. 

Die Bedeutung der Ohrmuschel für die Feststellung der Identität. 

Von Dr. J Imhofer in Prag. (H. Groß’ Archiv f. Ohrenheilk., Bd. 26.) 

Für die Ohrmuschelbetrachtung zum Zwecke der Identitätsbestim- 
mung ergiebt sich der Vorteil, daß die Haut straff gespannt auf der 
knorpeligen Grundlage ruht — wenigstens an der in Betracht kommen¬ 
den Vorderseite — so daß seine Gestaltsveränderung durch Oedem, 
Durchtränkung mit Fäulnisprodukten oder Quellung im Wasser nicht 
zu befürchten ist; bei Leichen schwindet der Knorpel viel später als 
die Weichteile. Am Lebenden ist ferner von Bedeutung, daß die 
Muschel Gestaltsveränderungen durch willkürlichen Muskelzug nicht 
unterworfen ist; sie stellt gewissermaßen einen ruhenden Pol im steti¬ 
gen Wechsel der Gesichtszüge dar. 


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1)8 


Gestaltsveranderungen des Ohrläppchens im Laufe des Lebens 
können durch lange Zeit getragene Ohrgehänge hervorgerufen wer¬ 
den. Im Alter können charakteristische Furchenbildungen durch 
Schrumpfung der Haut infolge Atrophie verwischt werden. 

Charakteristische Abnormitäten, deren Vorhandensein an einem 
Ohre zur Identifizierung genügt, sind: 

1. Das angeborene Kolobom des Läppchens. 

2. Die Erbsenform des Darwin sehen Knotens. Der Darwin¬ 
sche Knoten sitzt als geschwulstartiges Gebilde dem Helix etwas höher 
als gewöhnlich auf. 

3. Das Macacusohr; winklige Abknickung der llelixlinie an Stelle 
der Darwin sehen Spitze und fehlende Einrollung von da ab. 

4. Dreifache Gabelung der Gegenleiste. 

Zur Identifizierung von Ohren ohne solche bedeutsame Charakte¬ 
ristika kann die \\ iederkehr von vier Besonderheiten herangezogen wer¬ 
den: unter 500 Untersuchten fand si.ch noch keines, das die vier Varie¬ 
täten eines Vergleichsohres hatte. 

Verfasser empfiehlt also, daß die Betrachtung jedes Ohres seitens 
der Kriminalbeamten systematisch in der Weise, vorgenomfnen werde, 
daß 

1. Helix (Leiste), 

2. Anthelix (Gegenleiste), 

3. Tragus (Ecke), 

4. Läppchen 

genau berücksichtigt werden. 

Angeborene Abweichungen der Ohrmuschel form sind vererbungs- . 
fähig, wofür Verfasser einige beobachtete Beläge gibt. Natürlich 
können auch ganz verschiedene Ohrmuscheln in einer Familie Vor¬ 
kommen. Immerhin ist die mehrere Teile einer Muschel betreffende 
weitgehende Aelmlichkeit ein wichtiges Kriterium für die Zu¬ 
gehörigkeit zu einer bestimmten Familie. 

Die Ohrmuschel bei Schwachsinnigen. Von Dr. .T. Imhofer in Prag. 

(Zeitschr. f. Heilk. 1906, Heft 12.) 

Vergleichende Messungen an den Ohrmuscheln von Normalen und 
200 Schwachsinnigen ergaben bei letzteren ein etwas kleineres Maß für 

die Länge. Der sogenannte morphologische Index — T Ba — 

\\ li 

Bassiv — Länge der Insertionslinie der Ohrmuschel, \VL — wahre 
Länge — Entfernung der Darwin sehen Spitze von der Incisura tra- 
gieohelicina), nach Sch w albe als Maß der phylogenetischen Fort¬ 
entwicklung angesehen, ist gegenüber dem Normalen bei Schwach¬ 
sinnigen etwas niedriger. Im allgemeinen ist also ein wenn auch nicht 
beträchtliches Zurückbleiben des Schwaehsinnigenohres in der Fort¬ 
entwicklung anzunehmen. Beim weiblichen Geschlecht ist die Fort¬ 
entwicklung, bei normalen wie bei schwachsinnigen Individuen, weiter 
vorgeschritten als beim männlichen. Bei Betrachtung der Darwin¬ 
schen Spitze ergiebt sich hinsichtlich ihrer Häufigkeit kein eigentlicher 
Unterschied zwischen beiden Kategorien. Häufiger scheint der sog. 
hintere untere Winkel bei Schwachsinnigen zu sein. Die Satyrspitze 


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ist ein um zwei Fünftel häufigerer Befund als bei Normalen. Das sog. 
W ildermuth sehe Ohr hat keine Bedeutung als Degenerations¬ 
zeichen. Eine durchgehende Kahnfurche ist bei Schwachsinnigen ein 
erheblich seltenerer Befund als bei Normalen (3:1); Henkelohrform 
ist doppelt so häutig. 

Wenn also auch eine Anzahl Abnormitäten bei Schwachsinnigen 
in größerer Anzahl vorkommt als bei Normalen, so gibt es doch keine 
für Idioten charakteristische Ohrform. 

Ueber Tumoren des Akustikus und über die Möglichkeit ihrer 
Diagnose auf Grund der bisherigen Kasuistik. Sammelreferat. Aus 

der kgl. Univ.-Ohrenklinik zu Halle a. S. (Direktor Prof. Dr. Schwartze.) 

Von Dr. W. Küstner, Assistenten der Klinik. (Arch. f. Ohrenheilk., 

Bd. 72, H. 1 u. 2.) 

Die Diagnose Akustikustumor oder besser Tumor int Recessus 
acu8tico-cerebellaris stützt sich auf folgende Symptome: 1. Auf Pro¬ 
dromalerscheinungen: langsam, aber stetig fortschreitende Abnahme 
der Hörschärfe bei Ausschluß irgend welcher sichtbaren Ohrerkran¬ 
kungen, Kopfdruck, leichter Schwindel, Mattigkeit in den Extremitä¬ 
ten. 2. Auf Allgemeinsymptome: Hirndruckersclieinungen, Stauungs¬ 
papille, quälendes Erbrechen, dazu kann sich schon Läsion des Nerv, 
opticus bis zur Atrophie gesellen, dumpfer, heftiger Hinterhauptskopf¬ 
schmerz. 3. Auf die Herdsymptome: Schwindel, Hörstörung. 4. Auf 
die Nachbarschaftssymptome: Innervationsstörungen der Extremitäten 
motorischer und sensibler Natur, Störungen der Hirnnerven, Paresen 
der Augenmuskeln, Nystagmus, Abduzens-, Okulomotorius-, Trigemi¬ 
nus- und Fazialisparesen, seltener Glossopharyngeus-, Vagus-, Hypo- 
glossusstörungen. Alt. 

Otogene Senkungsabszesse und subokzipitale Entzündungen. Aus der 

BreslauerUnivers.-Poliklinik für Ohren-,Nasen- und Kehlkopfkrankheiten. 

Von Dr. G. Engelhardt. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIV, 2.) 

Da Senkungsabszesse otitischen Ursprunges oftmals dieselbe Lo¬ 
kalisation zeigen wie solche, welche mit einer Knochenerkrankung an 
der Schädelbasis bezw. in den ersten Halswirbeln Zusammenhängen, 
kann es leicht zu diagnostischen Irrtümern kommen, zumal oft auch 
in klinischer Beziehung eine gewisse Aehnliehkeit zwischen beiden Pro¬ 
zessen bestehen kann. Nach eingehender Schilderung der verschie¬ 
denen Wege der otogenen Senkungsabscesse führt der Autor verschie¬ 
dene eigene Fälle an, welche die Aehnliehkeit der klinischen Erschei¬ 
nungen zwischen beiden Erkrankungsprozessen dartun und die dia¬ 
gnostische Schwierigkeit erweisen, wenn bei Symptomen, die als oto¬ 
gene zu betrachten sind, ein objektiver Ohrbefund fehlt, dabei aber 
doch die Möglichkeit besteht, daß ein akuter Mittelohrprozeß zur Aus¬ 
heilung gelangte, während noch im Warzenfortsatz sich Eiter befindet. 
Immerhin wird sich eine Entscheidung in fast allen Fällen treffen 
lassen. Abgesehen davon, daß die Anamnese neben einer genauen Un¬ 
tersuchung des Ohres sehr häufig eine rasche Entscheidung möglich 
machen wird, ist und bleibt bei der durch die A. occipitalis vermittel¬ 
ten Eiterung, die bei weitem den häufigsten Modus der nach hinten 


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— ioo — 


weitergeleiteten B e z o 1 d scheu Mastoiditis darstellt. in der Regel die 
Schwellung eine streng halbseitige, da ihr durch das Lig. nuchae ein 
weiteres Fortschreiten unmöglich gemacht wird. Nur bei den sehr 
seltenen, direkt unter dem Periost gelegenen tiefen Nackeneiterungen, 
wie sie bei Durchbruch intrakranieller Kiteransammlungen durch die 
Sutura occipitomastc idea etc. und durch Phlebitis, besonders der Yenae 
eondyloideae, indiziert werden, ist eine diffuse Nackenschwellung die 
Regel. Ist die Ohreiterung allerdings in den Retropharyngeal raum 
durchgcbrochen, so kann die Folge wieder eine subokzipitale Entzün¬ 
dung mit allen ihren Begleiterscheinungen sein und die Diagnose we¬ 
sentlich erschwert werden. Keil e r. 

Ein Fremdkörper in der rechten Tuba Eust&ehii. Abszess an der 
Schädelbasis. Eitrige Erkrankung der Atlanto-Okzipitalgelenke. 
Aneurysma der linken Arterla vertebralls. Tod durch Ruptur 
desselben. Aus der deutschen oto-rhinologischen Klinik Prof. Dr. 
Zaufals in Prag. Von Prof Dr. Otto Piffl in Prag. (Arch. f. Ohren¬ 
heilk., Bd. 72, H. 1 u. 2.) 

Der Fremdkörper war ein Grashalm, der mit seinem unteren Ende 
in die hintere Tuben wand eingebohrt war, die Schleimhaut war exulzc- 
riert, das umgebende (jewebe mißfärbig brüchig. Von hier ging die 
Erkrankung per continuitatem auf das Hinterhauptbein, die Dura und 
die Atlantookzipitalgelenke. Eine der ersten Folgen des eingekeilten 
Fremdkörpers war eine Mittelohrentzündung und eine Mastoiditis, die 
eine Aufmeißelung notwendig machte. Anfangs schien es, als ob die 
schweren Komplikationen von der Mittelohrentzündung ausgehen 
würden. Erst die Obduktion brachte Klarheit. A 1 t. 

Vier Todesfälle infolge von Hirnabszess nach otitischer Sinus¬ 
thrombose. Von Dr. Voß in Riga. (Zeitsclir. f. Ohrenheilk., LIII, 1.) 

V. gibt eine Febersicht über die von ihm behandelten otitischen 
Ilirnabszesse und Sinusthrombosen, und teilt vier interessante Fälle 
von Kleinhirn- und Schläfenlappenabszessen mit letalem Ausgang mit, 
bei welchen die Diagnose auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen war. 

Keller. 

Die Erkrankung des Gehörorgans bei allgemeiner propresslver 
Paralyse. Aus der k. k. Univ -Ohrenklinik zu Graz. (Vorstand Prof. 
Dr Habermann.) Von Dr, Otto Mayer, I. Assistenten der Klinik. 
Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 72, H 1 u. 2.) 

Die Zusammenfassung der ’ anatomischen Befunde ergiebt fol¬ 
gendes: 

1. Es gibt bei progressiver Paralyse degenerative Veränderungen im 
Akustikus (Stamm, Ganglion, Aufsplitterung), die sich intramedullär 
verfolgen lassen und die tabischer Natur sind. Dementsprechend kann 
umgekehrt für eine. Degeneration des Akustikus bei progressiver Para¬ 
lyse eine andere Ursache nur dann angenommen werden, wenn sieh 
die intramedullären Wurzeln als normal erweisen. 

2. Daß neben tabischer Atrophie auch marantische Degeneration, 
Neuritis des Jlürnerven vorkommt, ist wahrscheinlich. 


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— 101 — 


3. Es besteht in der Mehrzahl der Fälle höhergradige chronische 
Entzündung der Gehirnhäute von meist hämorrhagischem Charakter. 

4. Auch im Nerven selbst sind interstitielle entzündliche Prozesse 
zu konstatieren. 

5. Ferner finden sich bei ])regressiver Paralyse Degenerationen im 

Pereiche des Zirkulationsapparates des inneren Ohres, die auf sklero¬ 
tischen Veränderungen der Gefäße beruhen und die sekundär eine 
Atrophie des C o r t i sehen Organs hervorrufen können. A 1 t. 


b) Rhinologische. 

Erseheinungen von seiten des Bulbus und der Orbita bei Erkrankungen 
der Keilbeinhöhlen. (Unter Mitteilung eines neuen Falles mit Sektions¬ 
befund.) Aus der oto-laryng. Univers.-Klinik in Erlangen. Von Dr. H. 
Schröder. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIIJ, 1.) 

Der mitgeteilte Fall ist ein Parallel fall zu dem von F i n 1 a g mit- 
geteilten (cf. diese Monatsschrift, Ref., 1905, p. 327), insofern auch 
hier eine Aufmeißelung des Warzenfortsatzes und Eröffnung der hin¬ 
teren Schädelgrube in der Annahme ausgeführt wurde, daß es sich bei 
dem Patienten, welcher über Schwindel und linksseitigen Ohrschmerz 
klagte, Nystagmus und mäßigen Exophthalmus zeigte, vielleicht um 
einen otitischen Abszeß der hinteren Schädelgrube mit konsekutiver 
Meningitis handeln könne. Diese Annahme bestätigt sich jedoch nicht, 
die Sektion ergab vielmehr ein jauchiges Empyem der Keilbeinhöhlen 
mit eitriger Thrombophlebitis des Sinus cavernosus, petros. sup., des 
Bulbus ven. jugul. und der benachbarten Partien des Sinus sigmoideus 
und der Vena jugul. mit eitriger Basilarmenigitis. Tm Anschluß an 
diesen Fall gibt S e h. eine Uebersicht über die einschlägige Literatur 
und geht des Näheren auf die topographischen Beziehungen der Keil- 
beinhöhlen zur Augenhöhle und dem Schädelinneren ein. 

Jv t‘lle r. 

üeber die Operation von Botey-Killian. Von Ricardo Botey. (Arcliivos 
de rinologia, laringologia y otologia 1906/07, Nr. 142—144.) 

In diesem Artikel verteidigt der Verfasser seine Prioritätsrechte 
für die submuköse Resektion des Septums. Seine erste Operation 
wurde in der Tat im Jahre 1894 gemacht, die Mitteilung von K i 11 i a n 
erst in 1899. Der Unterschied zwischen beiden Methoden ist sehr 
gering. Was die postoperative Behandlung anbelangt, scheinen uns 
die endonasalen Kegel Boteys (aus biegsamem Zinn) den Vorzug 
vor dem K i 11 i a n sehen Tamponieren zu verdienen ; dieses letzte Ver¬ 
fahren fällt den Patienten sehr lästig und verhindert ein Vorspringen 
des Septums nicht. 

Es scheint gerechtfertigt, der submukösen Resektion der Nasyn- 
scheidewand den Namen Operation von Botey-Killian 
von nun an beizulegen. M e n i e r. 


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102 — 


Nasen-, Hals-, Kehlkopf- und Ohrensiöpungen im Verlaufe von Dia¬ 
betes mellitus* Von Sendziak in Warschau. (Czasopis Lekarskie 
1906, Nr. 10) 

1. Verfasser hat bei Diabetes viel häufiger atrophische Prozesse 
(Rhinit. ehron. atrophicans) als hypertrophische, und in einem Falle 
O/.äna neben Pharyngitis et Laryngitis sicca angetroffen. Aus der 
Literatur wird der Fall W rights angeführt, bei dem nach einer 
Operation in der Nase Melliturie auf getreten ist. 

2. Viel häufiger sind Komplikationen seitens der Mund- und 
Pharynxhöhle: am häutigsten ist Pharyngitis sicca: außerdem wurden 
beobachtet: Pharyngitis hypertrophica chron., TTleera pharyngis und 
Tonsillitis gangraenosa. 

3. Larynx. Verfasser beobachtete einen Fall von Ozaena laryngo- 
trachealis mit Ictus laryngis. Außerdem werden angeführt: Aphasia 
mit diabetischer Hemiplegie, Stimmbandlähmungen und Ulcera 
laryngis. 

4. Ohr. Am häufigsten ist das Mittelohr, seltener das äußere, aus¬ 

nahmsweise das innere Ohr mitaffiziert. Recht häufig findet sich 
Pruritus auriculae und meatus, ferner Furunculosis meatus. Häufiger 
ist dabei Otitis inedia, die sich bei Diabetes durch besonders heftige 
Schmerzen, die auch nach der Perforation fortdauern, häufige Blu¬ 
tungen, reichliche Sekretion eines dünnflüssigen eitrigen Sekretes, früh¬ 
zeitige Mitaffektion des Proc. mast., Neigung zu raschen, ausgedehnten 
Destruktionen, zu Karies und intrakraniellen Komplikationen aus¬ 
zeichnet. Mit Rücksicht auf die schwere Heilbarkeit von Wunden bei 
Diabetes und die Neigung zur Nekrose, soll man sich dabei nicht zu 
sehr mit der Trepanation des Warzenfortsatzes beeilen, die bei reich¬ 
lichem Zuckergehalt im Urin sogar kontraindiziert ist, da es dabei 
leicht zu Coma diabeticum kommen kann. — Selten sind Komplikatio¬ 
nen seitens des inneren Ohres, und zwar in Form von Schwindel, 
Ohren rau sehen und progressiver Schwerhörigkeit. S p i r a. 

Bindehautentzündungen nasalen Ursprunges. Von Ro d e r o. (Archivos 
de rinologia, laringologia y otologia, Nr. 144, Januar-Februar 1907, S. 58/59.) 

Der Verfasser drückt die Meinung aus, daß viele Bindehaut¬ 
entzündungen, die sowohl akut als chronisch auf treten (z. B. diejenigen 
skrofulösen Charakters), ihren Ursprung in einem chronisch-katar¬ 
rhalischen Zustande der Nasensclileimhaut haben. Daher sollten die 
Augenärzte in jedem hartnäckigen Falle von Bindehautentzündung die 
Rhinoskopie nicht unterlassen. 1 ) M e n i e r. 


*) Es sei uns erlaubt, die Aufmerksamkeit auf den Artikel der Herren 
DDr. Waterman und Baum (Allgem. med. Contralzeitung 1907, Nr. 4 ) zu 
lenken, die gleichfalls einen Zusammenhang zwischen Bindehaut, Hornhaut 
und den lymphoiden Hypertrophien des Nasopharynx für wahrscheinlich 
halten Die Autoren erwähnen, daß in der Augenklinik von Prof. Silex in 
Berlin die mit phlyktänuläreu Erkrankungen behafteten Kinder einer Nasen- 
und Nasenrachenraumuntersuchung grundsätzlich unterworfen werden. Die 
Adenotomie soll einen sehr günstigen Einfluß auf die Augenerscheinungen 
ausüben. Monier. 


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— 103 — 


Rhinochlrurgie und Ohrenkrankheiten. Von Dr. L. Polyak. (Budapest 
Orvosi Ujsag 1906, Nr. 62.) 

Ausführliche Besprechung der Ursachen derjenigen Ohrenerkran¬ 
kungen, die durch unzweckmäßige Behandlung der Nase hervorgerufen 
werden. Die Erkrankungen, die durch Operationen der Nase und der 
Blutstillung entstehen, werden ebenfalls erörtert und die Vorsichts¬ 
maßregeln, die dabei befolgt werden sollen, hervorgehoben, wodurch die 
Ohrenerkrankungen auf ein Minimum reduziert werden können. 

B a u m g a r t e n. 

Eine eigenartige Schussverletzung der Kieferhöhle. (Aus der Professor 
Stackeschen Klinik zu Erfurt. Von Dr. v. Behra. (Münchener med. 
Wochenschr., 53. Jahrg., 13.) 

Der Mündungsdeckel eines Infanteriegewehres drang der betreffen¬ 
den Patientin durch Losgehen des Gewehrs infolge von Unvorsichtig¬ 
keit auf ca. drei Schritt Entfernung durch die linke Wange, durch¬ 
schlug mit seiner stumpfen Seite in der Gegend der Fossa canina den 
Knochen, drang weiter in die Kieferhöhle ein und durchbrach dann 
noch mit einem Teil die laterale Nasenwand unterhalb der linken 
unteren Muschel, wo er bei der vorderen Rhinoskopie festgestellt 
wurde. Es stellten sich erst nach einiger Zeit Beschwerden ein, be¬ 
stehend in Kopfschmerzen, schlechtem Geschmack, üblem Geruch und 
reichlicher eitriger Absonderung aus der Nase. Die Diagnose, bei der 
die Durchleuchtung positiv ausfiel, lautete: Fremdkörper im linken 
unteren Nasengang und in der linken Kieferhöhle. Traumatisches 
Empyem der linken Kieferhöhle. Nach operativer Entfernung des 
Fremdkörpers war der Heilungsverlauf ein glatter und reaktionsloser; 
die Kopfschmerzen und der üble Geruch waren schon nach einigen 
Tagen völlig geschwunden. Reinhard (Oöln). 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

üeber Lippen- und Mundwasser-Ekzeme. Von Dr. Galewsky in 
Dresden. (Münchener med. Wochenschi-., 53. Jahrg., Nr. 28.) 

Verfasser beobachtete 16 Fälle von Mundwasserekzemen, die die 
Mundöffnung umgebend, die Haut der Ober- und Unterlippe, das Kinn 
und die angrenzenden Wangenpartien ergriffen hatten. Er stellte mit 
den in Frage kommenden Mundwässern, Zahnpulvern und Pasten Ver¬ 
suche an, welche ergaben, 1. daß bei einer Reihe von Patienten jedes 
Ekzem aufhört, sowie das Pfefferminzöl wegbleibt; 2. daß eine Reihe 
von Patienten kein Mundwasser, welches irgendwie reizende Stoffe 
enthält, vertragen; 3. daß cß ferner eine Reihe von Stoffen geben muß, 
welche außer dem Pfefferminzöl Ekzeme hervorrufen können, also Stoffe 
wie Seife, Formaldehyd. Terpineol, Arnikatinktur und vielleicht auch 
das Salol. Reinhard (Cöln). 


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Trachealstenose durch Abscessus retrooesophagealis. Von Pieniäzek 
in Krakau. (Przcglad Lekarski 1900, Nr. 7 u. 8.) 

Verfasser bespricht die verschiedenen Formen von retropharyn¬ 
gealen und retroösophagealen Abszessen, deren Ursachen, Vorkommen, 
Verlauf. Verengerungen der Trachea durch Neubildungen und Fremd¬ 
körper zwischen Oesophagus und Trachea resp. im Oesophagus oder 
durch Tumoren zwischen Oesophagus und Wirbelsäule. Die Trachea 
komprimirende Abszesse der Wirbelsäule oder retroösophageale 
Abszesse überhaupt kommen nur sehr selten vor. Solche Fälle konnte 
Verfasser in der Literatur seit 1880 nur vier auffinden. Im Anschlüsse 
teilt er einen einschlägigen, vor kurzem von ihm beobachteten Fall mit, 
wo die Trachea samt den Bronchien durch einen von dem letzten Hals-- 
bis zum vierten Brustwirbel sich erstreckenden retroösophagealen 
Abszeß komprimiert waren. Die Kompression wurde durch den Oeso¬ 
phagus hindurch auf die Trachea und die Bronchien ausgeübt. Ein 
starkes Stenosengeräusch über beiden Lungen und die überwiegend er¬ 
schwerte Exspiration machte die Diagnose dieser Stenose wahrschein¬ 
lich. Bei der Tracheoskopie wurde durch Druck auf den oberen Teil 
des Abszesses der tiefere Teil desselben stärker vorgewölbt, wodurch es 
zum Verschluß der Bronchien und Erstickung kam, die auch durch die 
nachträglich ausgeführte Tracheotomie nicht mehr rückgängig gemacht 
werden konnte. Von den sonstigen Ursachen der Traehealkompression 
bespricht Verfasser noch Tumoren, Lordose und Luxation der Hals¬ 
wirbel. S p i r a (Krakau). 

Ueber Asthma bronchiale. Von Prof. Dr. Ströbing. (Deutsche med. 
Wochenschr, 32. Jahrg, Nr 34.) 

Der Aufsatz bildet den Schluß des über «las gleiche Thema in 
Nr. 31 veröffentlichten Artikels und enthält kürzt* Angaben über die 
Therapie des Asthma bronchiale. Verfasser empfiehlt in erster Linie 
eine Regulierung der Atembewegungen während des Anfalles, was am 
besten und einfachsten geschieht, indem man den Kranken eine Zeitlang 
laut lesen und zählen läßt, und zwar langsam. Nur wenn der Kranke 
hierdurch den Krampf nicht zu unterdrücken vermag, sind Narkotika 
anzuwenden. Außerdem muß zuweilen der Katarrh in Angriff genom. 
men werden ; zur Verflüssigung des zähen Sekrets dienen die Jodprä¬ 
parate, ferner die Inhalationsmittel, das Salpeterpapier, die Strammo- 
niumpriiparate u. s. w., sekretionsbcschriirikend wirkt das Atropin, das 
innerlich, subkutan und in dem T ucker sehen (Jeheiminittel als In¬ 
halation gegeben werden kann. Daneben ist stets der ganze Organis¬ 
mus zu berücksichtigen. Reinhard (Uöln). 

Zur Behandlung der Schleimhauttuberkulose. (Heissluftkauterisation 
und Kalomel-Jodbehandlung.) Von Dr. Eugen Holländer. (Berliner 
klin. Wochenschr., 43. Jahrg., Nr. 23.) 

Verfasser resümiert den Inhalt seines Vortrages wie folgt: Die 
aszendierende Tuberkulose der Schleimhaut des Mundes und der Nase 
kommt viel häufiger vor, sowohl in Verbindung mit Lupus als auch ohne 
diesen, wie man bisher dachte. Im (Jegensatz zu der deszendierenden 
Form, hei welcher der Zustand der erkrankten Lunge das Krankheits- 


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Mid beherrscht, ist die Lebensprognose auch bei der vollent. wickelten 
f’orm nicht ungünstig. Die aszendirende Form zeigt nach Entfernung 
des primären Herdes entschiedene Neigung zur Ausheilung. Auch die 
entstandenen Lungenkomplikationen zeigen benignen Verlauf. Die 
kontaktlose thermische Therapie in Desalt der Ileißluftkauterisation 
ist imstande, Heilungen definitiver Art zu leisten. Die Jodkalomel- 
therapie verdient namentlich bei Behandlung von Blasenschleimhaut¬ 
tuberkulose und Kehlkopf- und Munderkrankung eine Beachtung und 
Nachprüfung. R e i n h a r d. 

Zur Operation der adenoiden Vegetationen. Von Dr. H. Zwillinger. 
(Gyogyascat 1906, Nr. 39.) 

Eine Modifikation des B ec k m a n n scheu Messers; ein Löffel mit 
Fangvorrichtung fixiert die exstirpierte Vegetation. 

B a u m garten. 

Die Angina Vlneentl. Von Doz. Dr. Z. Donogäny. (Budapesti Orvosi 
Ujsag 1906, Nr. 15.) 

Besprechung dieser Erkrankung; es werden zwei Formen unter¬ 
schieden, die “diphtheroide und die chankriforme. Verfasser verwendet 
lokale Pinselungen mit Jodtinktur mit Erfolg. B a u in garte n. 

Ueber Schleimhautlupus der oberen Luftwege. Von Dr. Max Senator 
in Berlin. (Berliner klin. "Wochenschr., 43. Jahrg., Nr. 22.) 

Verfasser macht uns mit den Ergebnissen seiner Beobachtungen an 
35 Lupusfällen bekannt, von denen nur 7 eine intakte Schleimhaut auf¬ 
wiesen, woraus hervorgeht, daß der Schleimhautlupus eine fast regel¬ 
mäßige Komplikation der Epidermiserkrankung ist, doch kann die 
Krankheit primär sowohl auf der Haut wie auf der Schleimhaut ent¬ 
stehen. Am meisten befallen ist die Schleimhaut der Nase; drei Wege 
nimmt er hier für das Uebergreifen von außen nach innen resp. 
umgekehrt an, die Ausbreitung 1. durch Kontinuität, 2. durch den Blut- 
und Lyinphstrom, 3. durch den eindringenden Finger. Im jugendlichen 
Alter ist vorwiegend der Beginn der Erkrankung, die das weibliche 
Geschlecht mehr zu befallen scheint. Bezüglich der Lokalisation 
stellte Verfasser folgendes fest: In der Nase war in der Mehrzahl der 
Fälle der Introitus und das Vestibulum nasi befallen; ebenso fast in 
allen Fällen das knorpelige Septum, während das häutige Septum der 
Erkrankung stärkeren Widerstand entgegensetzt. Nächst der Nasen¬ 
scheidewand sind die unteren Muscheln der häufigste Sitz der Erkran¬ 
kung und zwar meistens beiderseits. Recht selten ist die mittlere 
Muschel erkrankt, und am Nasenboden fand sich nur einmal ein tuber¬ 
kulöses Knötchen. Seltener sind die übrigen Schleimhäute der oberen 
Luftwege ergriffen; zwei Fälle zeigten lupöses Zahnfleisch des Ober¬ 
kiefers und gleichzeitig der Innenfläche der Oberlippe; die Mundhöhle 
war viermal beteiligt, der Kehlkopf dreimal. Bei allen Fällen trat mit 
Ausnahme eines die Lungenaffektion mehr in den Hintergrund, ob¬ 
wohl es sich um langjährige Erkrankungen handelte. Einige Worte 
über Symptomatik, Diagnostik, Prognose und Therapie bilden den 
Schluß der Arbeit. R e i n h a r d. 


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Ueber den Rachenreflex. Aus der kgl. Universitütspoükliuik für Nerven¬ 
kranke zu Breslau (Prof. Bonhöffer). Von Dr. med Walther 
Baumann. (Münchener med. Wochenschr, 53. Jahrg., Nr. 13) 

Verfasser unterscheidet zwischen Rachenreflex und Gaumenreflex. 
Unter Rachenreflex versteht er das Eintreten von Kontraktionserschei¬ 
nungen bei der Berührung der hinteren Rachen wand. Diesen hat er 
bei mehreren Hundert gesunden Personen geprüft und gefunden, daß 
ein wirkliches Fehlen des Rachenreflexes äußerst selten ist, und daß 
es sich auch in diesen seltenen Fällen meist nur um ein zeitweiliges 
Fehlen handelt; von den gefundenen Ergebnissen, die er am Schlüsse 
der Arbeit kurz rekapituliert, dürfte dieses das wichtigste sein; der 
Reflex fehlte bei seinen sämtlichen Beobachtungen nur dreimal, bei 
einer Arteriosklerose, bei einer Hysterie und einer Bulbärparalyse. 

Reinhard (Cöln). 

Beitrag zur Behandlung des Morbus Basedowli mit Antlthyreoldln 
Möbius (Merck). Von Dr. Heinze in Beelitz. (Deutsche med. 
Wochenschr., 32. Jalirg., Nr. 19.) 

Im Gegensatz zu den größtenteils günstigen Berichten über das 
M ö b i u s sehe Serum bei der Therapie des Morbus Basedowii war das 
Resultat des Versuches mit Antithyreoidin an dem Sanatorium Beelitz 
nicht zufriedenstellend. In drei Fällen wurde kein Erfolg erzielt, in 
zwei anderen trat nur Besserung im subjektiven Befinden ein, und nur 
in einem Fall konnte, trotz Gewichtszunahme, eine Abnahme des Hals¬ 
umfanges um 1 cm konstatiert werden. Die erzielte Besserung bezieht 
Verfasser aber nicht auf das Serum, sondern auf die Ruhe und die 
reichliche Ernährung, die mit einer Hydrotherapie einhergingen, sowie 
vor allem auf die Sanatoriumbehandlung. Reinhard (Cöln). 

Zur Entstehung und Verhütung chronischer Diphtherie. Vou L. Grün- 
wald in Bad Reichenhall und München. (Münchener med Wochen¬ 
schrift, 63 Jahrg., Nr. 28.) 

Mitteilung eines Falles von chronischer Entzündung der Hals¬ 
schleimhaut, die schwer zu diagnostizieren, anfangs fälschlich für Lues 
gehalten und diesbezüglich behandelt wurde, schließlich sich als Diph¬ 
therie erwies. Inzwischen war der günstige Zeitpunkt für die Serum¬ 
therapie verstrichen, so daß es monatelanger Behandlung bis zur Wie¬ 
derherstellung bedurfte. Die Gründe, die aus der bloßen Tendenz eine 
wirkliche Verschleppung werden ließen, sind nach G. die Unterlassung 
wirksamer Kausaltherapie im Anfang der Erkrankung und die Anwen¬ 
dung lokaler oder allgemeiner Mittel, welche einen Reizzustand zu 
unterhalten oder die geringe Heilungstendenz zu lähmen vermögen. 

Reinhard (Cöln). 

Geslchtssehutzmaske nach Angabe des Zahnarztes Otto Eiehentopf. 

Von Zahnarzt Breitung in Eisenach. (Münchener med. Wochen¬ 
schrift, 53. Jahrg, Nr. 40.) 

Die Maske, aus Zelluloid hergestellt, und deshalb vor Feuer zu 
schützen, soll Aerzten und Zahnärzten einen Schutz vor Infektion und 
Erkrankung des Mundes, der Nase, des Halses und der Atmungsorgane 


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gewähren und Arzt wie Patient vor gegenseitiger Belästigung durch 
den Atem schützen. In zweiter Linie ist die Maske in Anwendung zu 
bringen bei allen Operationen, bei denen strengste Asepsis des Opera¬ 
tionsfeldes erforderlich ist und eine Infektion desselben durch den 
Atem aus Mund und Nase des operierenden Arztes vermieden werden 
soll resp. muß. Die Maske würde schließlich auch bei Ausübung anderer 
Berufe, welche ein Arbeiten in Gesichtsnähe verlangen (Friseure) oder 
mit schädlichen, giftigen Stoffen zu tun haben (Chemiker, Schrift¬ 
setzer), ihren Nutzen bringen. Reinhard (Cöln). 

Totale Abtragung des Kehlkopfes in einem Falle von Karzinom. Von 

Juan Cisneros. (Archivos de rinologia, laringologia y otologia, Nr. 144, 
Januar-Februar 1907.) 

Die Operation wurde in zwei Sitzungen gemacht. Zuerst zirku¬ 
läre Naht der Trachea an die Haut des Halses (Methode von Perier); 
der mediane Schnitt aber wurde durch Naht geschlossen anstatt offen 
gelassen zu werden. In der zweiten Sitzung (einen Monat später) 
totale Abtragung des Kehlkopfes; dieses langsame Verfahren schützt 
vor der Schluckpneumonie und vor der septischen Zellulitis des Halses. 
Mit einer Glucks Prothese wird der Patient eine gute und ver¬ 
nehmbare Stimme haben; zurzeit ist nur die Flüsterstimme erhalten. 

M e n i e r. 

Zur Opiumbehandlung der Laryuxstenose im Kindes&lter. Von l)r. 
A. Hecht in Beuthen a. S. (Münchener med. Wochenschr., 53. Jahr¬ 
gang, Nr. 26.) 

Angeregt durch Rosenbachs Aufsatz „Warum und in welchen 
Grenzen sind anästhesierende Mittel bei entzündlichen Prozessen wirk¬ 
sam i“, lenkt H. die Aufmerksamkeit auf die im Jahre 1894 von Stern 
empfohlene Behandlung der diphtherischen Larynxstenose mit Opium, 
indem durch Abschwächung des Hustenreizes verhindert wird, daß in¬ 
folge plötzlicher Stauung in dem ergriffenen Gewebe die notwendig 
folgende ödematöse Durchtränkung eine weitere Verengerung der 
Passage bewirkt. Da dieses Oedem durch den Klebs-Löffle lo¬ 
schen Bazillus hervorgerufen ist, so muß, um einer Membranbildung 
vorzubeugen, der Opiumbehandlung die Anwendung des Behring- 
schen Heilserums vorhergehen, denn für Fälle mit Membranbildung 
hat obige Erklärung keine Geltung. Reinhard (Cöln). 

Zur Kehlkopftuberkulose bei Kindern. Von Zdz. Dobrowolski in 
Warschau. (Medycyna 1906, Nr. 23 u. 24.) 

Nach Mitteilung der Krankengeschichte von drei von ihm beob¬ 
achteten an Larynxtuberkulöse erkrankten Kindern im Alter zwischen 
4 und 8Vs Jahren bespricht Verf. die Unterschiede zwischen den Er¬ 
scheinungen dieser Krankheit bei Kindern und jenen bei Erwachsenen. 
Bei allen Patienten des Verfassers w’aren Schlingschmerzen vorhanden, 
aber bei keinem in so heftigem Grade, wie dies bei Erwachsenen zu 
sein pflegt. Auch das bei erwachsenen, an Larynxtuberkulose leidenden 
Patienten so häufig auftretende Gefühl von Kitzeln und Kratzen im 
Halse und das Siehverschlueken hat Verfasser bei seinen kindlichen 
Patienten nicht beobachtet. Der Verlauf der Larynxtuberkulose ist bei 


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Kindern ein viel rascherer und die Prognose viel schlimmer als bei 
Erwachsenen. Zur Laryngoskopie von Kindern ist es notwendig, in 
jedem Falle (? lief.) Pharynx und Uvula zuvor zu kokainisieren. Be¬ 
sprechung der Diflferentialdiagnose mit besonderer Berücksichtigung 
von Syphilis, Krup und Katarrh des Kehlkopfes. Bei Syphilis laryngis 
beobachtete Yerf. zumeist gleichzeitig luetische Veränderungen an den 
Augen, Caries vomeris und Narben nach (lummen im Pharynx. Tem¬ 
peraturerhöhung hat Yerf. in allen seinen Fällen beobachtet. Dieses 
Symptom spricht gegen Lues und für Tuberkulose. Zum Schlüsse 
folgen die wichtigsten einschlägigen Mitteilungen aus der Literatur. 

S p i r a (Krakau). 

Eine neue Zange für endolaryngeale Eingriffe. Von Kodriguez Vargas. 

(Boletin de laringologia, otologia y rinologia, März-Juni 1907.) 

In einem Falle, wo ein Polyp ganz in der Nähe der vorderen Kom¬ 
missur (linkes Stirnmband) sali, fiel, bei jedem Versuche, die Zange ein¬ 
zuführen, der Kehldeckel über den Kehlkopf und behinderte die Be¬ 
wegung des Instrumentes. Verfasser ließ an eine gewöhnliche Kehl¬ 
kopfzange eine Bohre anbringen, die einen Stahldraht in ihrem Innern 
verbarg, der Draht war an einem Ring befestigt; durch einen Zug 
anf den Ring wurde die Epiglottis durch den mit einer Oese ver¬ 
sehenen Draht in die Höhe gezogen. Die Entfernung des Polypen ge¬ 
schah dann ohne Schwierigkeiten. M e n i e r. 


Nekrolog 1 . 

Der spanische Spezialist, 1) o n E u s t a s i o U r u n u e 1 a 
e 11 i d a 1 g o starb am 25. September v. J. im Alter von 
54 Jahren. Der Verstorbene war 1900 Ehrenpräsident der laryn- 
gologischen Abteilung des internationalen Kongresses in Paris, 
Präsident derselben beim Kongreß in Madrid, Präsident des 
I. spanischen Laryngologen - Kongresses sowie der spanischen 
lar.vngologisehen Oesellschaft. Von seinen zahlreichen Abhand¬ 
lungen müssen wir eine spezielle Erwähnung der Arbeit „U eb e r 
die O cf ä ß e k t a s i e des Pharynx (La flebectasia 
f a r i n g e a“ Xlll. internationaler lvongr. 1903) machen. Er 
war auch der erste, der die Intubation bei gewissen Fällen von 
Kehlkopffrakturen anwandte. M e n i e r. 


Alle für die Monatsschrift bestimmten Beiträge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften, Archive and Tausch-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Uofrat 
Prof. hr. Lu v. HclirOtter in Wien IX. Mariannengasse 8, zu senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beitrüge 
* Ar .l« n mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 30 Separat-Abzüge beigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. I>r. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW.. Alexnndrinenstr. 110. 


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Aus der Üniversitäts-Ohrenklinik (Vorstand Prof. Urbantschitsch.) 


Die Untersuchung der optischen und vestibulären 
reflektorischen Augenbewegungen in einem Falle 
von einseitiger Blicklähmung. 

Von 

Dr. Robert Bäräny, klinischem Assistenten. 

In einer Arbeit über die Untersuchung der reflektorischen, vesti¬ 
bulären und optischen Augenbewegungen und ihre Bedeutung für die 
topische Diagnostik der Augenmuskellähmungen l ) habe ich theoretisch 
das Verhalten eines Falles von einseitiger Blicklähmung konstruiert. 
Ich hatte nun Gelegenheit, durch freundliche Vermittlung des Assistenten 
Dr. Poetzl auf der Klinik Hofrats von Wagner einen Fall von 
Ponsaffektion mit einseitiger Blicklähmung genau zu untersuchen, der 
meine theoretischen Voraussetzungen bestätigt. 

Anamnese: 59jähriger verheirateter Mann. Im September 1907 
pelziges Gefühl in der Zunge und Geschmacksstörung. November 1907 
Prickeln und Ataxie in der rechten Hand, dann Sensibilitätsstörungen 
daselbst, ferner Schwindel und Doppeltsehen. Allmählich entwickelte 
sich eine lähmungsartige Schwäche im rechten Arme. Für Lues keine 
Anhaltspunkte; Potus mäßig. 

Die Untersuchung ergibt: Parese des rechten Mundfazialis, des 
linken Augen- und Stirnfazialis. Ataxie der rechten und linken Extremi¬ 
täten, rechts bedeutend stärker. Hypalgesie der rechten Körperhälfte. 
Ausgesprochene Störung der Lage- und Bewegungsempfindung rechts, 
im geringeren Grade links. Temperatursinn rechts mehr als links ge¬ 
stört. Stereognose rechts stark gestört. 

9 Münchener med. Wochenschrift. 1907, Nr. 22 und 23. 


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— no — 


Die Untersuchung des Gehörorganes ergibt eine Läsion des 
inneren Ohres beiderseits, besonders rechts. Patient will aber schon 
lange" Zeit schlecht gehört haben. 

Augenbefund: Beide Augen können nach reciits bis in End¬ 
stellung bewegt werden, die Bewegung ist jedoch auffallend langsam. 
Bei äußerstem Blick nach rechts besteht grober horizontaler Nystagmus 
nach rechts mit auffallend langsamen Bewegungen. Bei der Auffor¬ 
derung, geradeaus zu blicken, bleibt das linke Auge etwas nach innen 
gewendet stehen, das rechte steht nahezu in Mittelstellung, aber tiefer 
als das linke. Bei Blick nach links geht das rechte Auge bis auf 
5 mm vom inneren Augenwinkel, das linke geht nicht über die Mittel¬ 
linie. Beim Blick nach oben erheben sich beide Augen wenig, das 
rechte noch weniger als das linke. Blick nach unten relativ ungestört. 
Während der Bewegung nach unten zeigt das linke Auge eine geringe 
Rotation nach rechts, das rechte keine rotatorische Bewegung. 

Optischer Nystagmus durch Betrachtung einer sich drehenden 
Rolle, die mit schwarzen Streifen beklebt ist, läßt sich überhaupt nicht 
auslüsen. Es treten nur unregelmäßige langsame Augenbewegungen 
auf oder beide Augen verharren in Ruhe. Während der Fahrt in einem 
Wagen tritt bei Betrachtung von Bäumen, die in regelmäßigen Ab¬ 
ständen gepflanzt sind, ganz langsamer optischer Nystagmus, sowohl 
nach links wie nach rechts und auch in vertikaler Richtung auf (je 
nach der Kopfstellung). 

Vestibuläre Augenbewegungen: Spritzt man das linke Ohr 
mit kaltem Wasser aus, so tritt eine Deviation beider Augen nach 
links auf. Dabei geht das linke Auge etwa 3 mm über die Mittellinie 
nach außen, kann aber über diese Exkursion durch keine willkürliche 
Anstrengung hinausgebracht werden. Das rechte Auge geht bis voll¬ 
ständig in den medialen Augenwinkel. Spontan tritt kein Nystagmus 
auf. Fordert man jedoch den Patienten auf, nach rechts zu sehen, so 
kann er beide Augen nach rechts bewegen und hierbei zeigt sich ein 
ganz langsamer, unregelmäßiger, rein horizontaler Nystagmus nach rechts. 

Spritzt man das rechte Ohr mit kaltem Wasser aus, so tritt eine 
Deviation beider Augen nach rechts auf. Aus dieser Deviation kaun 
Patient seine Augen willkürlich nicht befreien, nur minimale Einwärts¬ 
bewegungen sind möglich. Es ist keine Spur von Nystagmus vorhanden, 
auch nicht beim Versuch, nach links zu schauen, dabei treten nur 
minimale langsame Augenbewegungen auf. 

Ein ähnliches Resultat wie das Ausspritzen ergibt auch das Drehen 
auf dem Drehstuhl. Dreht man den Patienten zehnmal nach links und 
hält dann plötzlich an, so tritt statt des Nystagmus nach rechts, 


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Deviation beider Augen nach links ein und beide Augen treten über 
die Mittellinie in oben beschriebener Weise und Ausdehnung. Will¬ 
kürlich kann der Patient nach rechts blicken und zeigt dabei den oben 
erwähnten horizontalen langsamen Nystagmus nach rechts. 

Während der Drehung nach rechts beobachtet man einen groben 
unregelmäßigen langsamen horizontalen Nystagmus nach rechts, teils 
vestibulär, teils optisch bedingt. Beim Anhalten wandern beide Augen 
nach rechts und können aus der Deviation nicht befreit werden. 
Dauer des Phänomens ca. eine halbe Minute. Patient gibt an, in dieser 
halben Minute weniger stark doppelt zu sehen. 

Drehung bei 90° rückwärtsgeneigtem Kopfe ergibt keinen rota¬ 
torischen Nystagmus beim Anhalten, überhaupt keine sichtbare Augen¬ 
bewegung, statt des zu erwartenden rotatorischen Nystagmus. 

Drehung bei 90° rechtsgeneigtem Kopfe nach rechts ergibt gering¬ 
fügigen vertikalen Nystagmus nach abwärts. Drehung nach lihks in 
dieser Stellung einen vertikalen Nystagmus nach aufwärts; auch diese 
Bewegungen sind sehr langsam. Eine Vergrößerung der Exkursion 
nach aufwärts bei Nystagmus nach abwärts ist nicht zu bemerken. 

Gegenrollung: Messung der Gegenrollung mit dem von mir an¬ 
gegebenen Apparat 2 ) ergibt auffallende hohe Werte. Am rechten Auge 
beträgt die Rollung für 60° Rechtsneigung und Linksneigung je 11°, 
am linken Auge bei 60° Rechtsneigung 15°, 60° Linksneigung 18°. 

Spritzt man, während daö Fernrohr auf die Iris eingestellt ist, das 
linke Ohr mit kaltem Wasser aus, so tritt eine Rollung des rechten 
Auges um 25° nach rechts auf, keine Spur von rotatorischem Nystag¬ 
mus. Der Nystagmus ist, wie bereits erwähnt, ein rein horizontaler. 
Allmählich, im Laufe einer halben Minute, nimmt das Auge wieder 
seine frühere Stellung ein, der horizontale Nystagmus verschwindet. 

Die Aufhebung der willkürlichen Bewegung nach links, das Er¬ 
haltensein der reflektorischen vestibulären Innervation nach links be¬ 
weisen eine supranukleäre Läsion, welche das linke Blickzentrum be¬ 
trifft. Da das linke Auge aber nicht vollständig in den lateralen 
Augenwinkel gewendet werden kann, so besteht sicher auch eine nu¬ 
kleäre Abduzensparese. Der ganz grobe unregelmäßige Nystagmus 
nach rechts nach zehnmaliger Linksdrehung oder Ausspritzen links 
beweist, daß auch das rechte Blickzentrum eine Schädigung erfahren 
hat, doch ist dieselbe nicht soweit gediehen, daß eine Bewegungsein¬ 
schränkung für die willkürlichen Bewegungen Platz gegriffen hätte, es 

2 ) Physiologie und Pathologie des Bogongangapparatcs beim Menschen 
Wien und Leipzig, 1907. F. Deut icke. 


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ist nur zur Verlangsamung der Bewegung gekommen. Die Deviation 
der Augen nach rechts (nach zehnmal Rechtsdrehung oder Ausspritzen 
rechts kalt) beweist, daß das linke Blickzentrum für den Blick nach 
links vollständig gelähmt ist und daß das rechte Blickzentrum nichts 
gegen die vestibuläre Innervation auszurichten vermag. 

Es beweist dieses Verhalten ferner, daß die Bewegung beider 
Augen von Blick nach rechts bis zur Mitte nicht auf eine Innervation 
des linken Blickzentrums beruht, sondern auf dem Nachlassen der Inner¬ 
vation des linken Blickzentrums, auf der Hemmung des Tonus der 
vom rechten Blickzentrum ausgehenden Impulse für die Rechts wen düng- 
Sobald nämlich vestibulär die Deviation nach rechts hervorgerufen 
wird, kann diese Hemmung nur ganz minimalen Nachlaß der Seiten - 
Wendung erzielen, da aktive Innervation zur Linkswendung infolge^der 
Lähmung des linken Blickzentrums fehlt. Deshalb tritt auch keine 
Spur von Nystagmus nach links auf. 

Es ist dies der erste Fall von halbseitiger Blicklähmung, bei welchem 
dieses, wie ich vermute, gesetzmäßige Verhalten aufgedeckt wurde. 

Interessant ist das Verhalten der Rollbewegungen der Augen. 
Die reflektorisch vom Labyrinthe ausgelüsten langsamen Rollbewegungen 
und die rotatorische Dauerinnervation (die Gegenrollung der Augen bei 
seitlicher Kopfneigung und die Rollung nach Ausspritzen mit kaltem 
Wasser) sind vollkommen intakt, ja sogar gesteigert. Dagegen fehlt 
vollkommen die rasche Bewegung des rotatorischen Nystagmus; es 
besteht demnach eine supranukleäre Lähmung der Rollbewegung beider 
Augen, die hiermit zum ersten Male beobachtet wurde. 

Die Bewegung nach aufwärts nimmt nach Hervorrufung des verti¬ 
kalen Nystagmus nach abwärts nicht zu, es besteht demnach eine rein 
nukleäre Lähmung im. Bereiche der Aufwärtswender. 

Ein besonderes Interesse erwecken ferner die Reaktionsbewegungen 
des Patienten, die nach starken vestibulären Reizen auftreten. Diese 
Bewegungen sind beim Patienten auffallend stark und verlaufen gänz¬ 
lich unter der Schwelle des Bewußtseins, während die vestibulären 
Empfindungen außerordentlich stark ins Bewußtsein treten. 

Dreht man zum Beispiel den Patienten bei vorgeneigtem Kopf 
nach links, hält plötzlich an und richtet den Kopf gerade, so fällt 
Patient mit enormer Vehemenz nach links. Dabei empfindet er bei 
offenen Augen keineswegs das Fallen nach links, sondern, wenn man 
ihn auch aufmerksam macht, daß er nach links fällt, so bleibt er dabei 7 
mir die Empfindung des Falles nach rechts zu verspüren. Es ist dies 
die typische vestibuläre Empfindung, welche auch normale Menschen 
nach dieser Drehung zeigen. Normale Menschen empfinden sie aber 


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meist nur, wenn sie selbst keine andere Bewegung ausftihren und fast 
stets nur bei geschlossenen Augen. Bei offenen Augen merken sie 
entweder, daß sie tatsächlich nach links fallen, oder, wenn man sie 
festhält, empfinden sie hauptsächlich die Scheindrehung der Gegenstände. 

Ich habe unter vielen hunderten Patienten noch keinen Fall be¬ 
obachtet, der gleich diesem Patienten eine so außerordentlich ungehemmte 
Fallbewegung nach der einen Seite bei klarem Bewußtsein ausgeführt 
und dabei bei offenen Augen nur die Empfindung des Fallens nach 
der anderen Seite gehabt hätte. 

Die Erklärung liegt, wie ich glaube, darin, daß Patient hochgradige 
Störungen der Muskel- und Gelenksensibilität aufweist. Dadurch 
kommt ihm seine reelle Lage nicht oder nur sehr geschwächt zu Be¬ 
wußtsein und die vestibuläre Empfindung, deren Fortleitung zum Cor- 
tex vollkommen ungestört verlaufen muß, tritt rein zutage. Beim 
normalen Menschen überwiegen in der Regel die Empfindungen des 
Muskel- und Gelenksinnes und hemmen diese vestibuläre Empfindung. 


Aus der k. k. Universitäts-Ohrenklinik in Wien. 

Zur tamponlosen Nachbehandlung mit Bemerkungen 
über die Ausheilung nach der Radikaloperation. 

Von 

Dr. Erich Ruttin T Assistenten der Klinik. 

Die in neuerer Zeit vorgeschlagene tamponlose Behandlung nach 
Totalaufmeißelung des Warzenfortsatzes 3 ), die gegenwärtig im 
Vordergrund des otochirurgischen Interesses ist, erscheint für die Be¬ 
urteilung ihres Wertes, gegenüber der bisher üblichen Methode um so 
wichtiger, als ja die Nachbehandlung der Radikaloperation für das 
Schlußresultat des operativen Eingriffes von der größten Bedeutung ist. 

] ) Zarniko: Sitzung des ärztlichen Vereines zu Hamburg. Deutsche 
med. Wochen sehr. 1898. — Von zur Mühlen: Zeitschr. f. Ohrenhcilk. 89.— 
Schütter: Sitzung der Niederländischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und 
Ohrenheilkunde. Monatsschr. f. Ohrenhcilk., Bd. 37., S. 486. — Caboche: 
Arch. Internat, de laryng., d’otol. et de rhinolog. 1904, Nr. 4, Ref. Arch. f. 
Ohrenheilk., Bd. 73, und Zeitschr. f. Ohrenhcilk., Bd. 49., S. 378. — Eemann: 
La presse oto-lanyngologique Beige. Jan vier 1903, Ref. Arch. f. Ohrenheilk., 
Bd. 58, und Zeitschr. f. Ohrenheilk., Bd. 46, S. 171. — Gerber: Tampon¬ 
lose Nachbehandlung und Tubenabschluß. Arch. f. Ohrenheilk. 70. — Stein- 
Die Nachbehandlung der Totalaufmeißelung ohne Tamponade. Arch. f. 
Ohrenheilk. 70, zit. z. Teil nach Stein. 


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114 — 


Von diesem Gesichtspunkte geleitet habe ich in Fällen der 
Ohrenklinik meines früheren Chefs HofratPolitzer bei Berücksichtigung 
aller Kauteln die tamponlose Nachbehandlung angewendet. 

Wenn auch aus diesen Fällen ein endgültiges Urteil über die 
ältere Methode nicht mit voller Sicherheit geschöpft werden kann, 
so haben sich aus der Beobachtung dieser Fälle manche interessante 
Momente über den Heilungsvorgang nach der Badikaloperation er¬ 
geben, die im folgenden geschildert werden sollen. 

Bezüglich des technischen Vorganges bei der Radikaloperation, 
die in manchen Beziehungen an der Klinik Politzer von den an anderen 
Kliniken geübten abweicht, sei kurz erwähnt: Die Operations-Technik 
bestand in der typischen Totalaufmeißelung mit breiter Eröffuung des 
Warzenfortsatzes, möglichst ausgiebiger Abtragung des Fazialiswulstes, 
weitester Freilegung der Trommelhöhle durch vollständige Entfernung 
der lateralen Wand, des Attik und Cavum hypotymp. und Verdünnung 
der vorderen knöchernen Gehörgangswand. Die Plastik wurde stets 

nach der von Neu mann angegebenen Modifikation der Panse’schen 

a 

Plastik geübt, d. h. ein V Schnitt geführt und der kleine Lappen a 
mittels Katgutnaht fixiert. 

1. I. S. Operiert am 27. IV. 07. Erster Verbandwechsel am 
4. V. Die Wunde blutet. Keine Sekretion. 

27. V. Wundhöhle vollständig mit Granulationen überkleidet. 
Vorn oben beginnt Epidermisation. Wenig Sekret 

10. VI. Epidermisiert bis auf das Cavum hypotymp. 

2. VH. Der obere Teil vollständig epidermisiert. Die Konfiguration 
ist undeutlich, doch liegt die Epidermis überall fest an. Keine Brücken¬ 
bildung. Kein Sekret. Das Cav. hypotymp. mit einer etwas geröteten, 
glatten und glänzenden Schleimhaut ausgekleidet. Die Riffen der 
unteren Wand sehr deutlich sichtbar. (Partielle Schleimhautausheilung.) 

Konversationssprache 8 m. Flüstersprache 8 m (zuverlässig ge¬ 
prüft). Mit Hörschlauch Flüstersprache tadellos. Lucae-Dennert 
Konversationssprache l l j 2 m. Flüstersprache 1 / 4 m. Anderes Ohr 
normal. 

11. M. W., 32 Jahre alt. Chronische Mittelohreiterung seit 
mehrmals 10 Jahren. Operiert 3. IV. 07. 

Erster Verbandwechsel G. IV. (Fieber). 

15. IV. Vollständig mit Granulationen bekleidet. 

10. VI. Fast vollständig epidermisiert, bis auf eine kleine Stelle 
hinten oben. 

IG. VI. Vollständig epidermisiert, ohne Konfiguration der 
Labyrinthwand. Mit der Sonde derb anfühlbar, (bindegewebig!) nicht 
knochenhart, nicht hohlliegend. Konversationssprache 1 / A m, Flüster¬ 
sprache ac. Labyrinth intakt. 

III. P. K. Operiert am 22. V. 07. Großer Extraduraler Abszeß der 
hinteren Schädelgrube. 


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— 115 — 


Erster Verbandwechsel. Trommelhöhle wenig Sekret. Viel Sekret 
aus der Abszeßhöhle. 

10. VI. Vollständig mit Granulationen überkleidet. Sekundärnaht. 

26. VI. Vom Fazialis zur vorderen Gehörgangswand eine dünne 

Granulationsbrücke. 

28. VI. Die Brücke hat an Dicke zugenommen und droht sich 
zum Septum auszubilden. Trommelhöhle sezerniert noch. 

29. VI. Trennung der Brücke. Entfernung derselben mit dem 
scharfen Löffel. Keine Tamponade. In den nächsten Tagen schießen 
an diesen Stellen (Fazialis und vordere Gehörgangswand) wieder 
Granulationen auf. 

3. VII. Wieder eine Brücke. 

4. VII. Durchtrennung der Brücke. Tamponade. 

6. VII. Die Brücke ist verschwunden, nur am Fazialiswulst und 
vorderer Gehörgangswand etwas mehr Granulationen als an den übrigen 
Wänden der Höhle. Die Granulationen zeigen den Abdruck der Gaze. 
In der Folge unter Tamponade vollständige Epidermisierung am 
28. VIII. vollendet. 20. IX. Kontrolle. Vollständig mit trockener, 
glatter, spiegelnder Epidermis ausgekleidet, die überall fest anliegt. 
Stapesköpfchen sichtbar. Konversationssprache 1 m. Flüstersprache 

v* m - 

IV. Th. P., 9 Jahre alt. Seit Jahren chronische Mittelohr¬ 
eiterung. 

Operiert am 10. IV. Cholesteatom. Erster Verbandwechsel 16. V. 

24. V. Wundhöhle mit Granulationen vollständig ausgekleidet. 

25. VI. Vollständig epidermisiert mit Konfiguration der Labyrinth¬ 
wand. Konversationssprache 1 m. Flüstersprache 10 cm. 

V. M. W., 24 Jahre alt. 

Operiert am 1. VI. Erster Verbandwechsel 8. VI. 

25. VI. Wundhöhle mit Granulationen vollständig überkleidet. 
Sekretion in der Folge mäßig. 

1. VII. Breite Brücke vom Fazialis zur vorderen Wand, welche 
nur unten eine für etwa einen Federkiel durchgängige Passage in die 
Trommelhöhle freiläßt. 

2. VII. Entfernung der Brücke mit dem scharfen Löffel. 

8. VII. Die Brücke hat sich wieder hergestellt. Die Verengerung 
ist womöglich noch größer. 

11. VII. Abermalige Auskratzung. Tamponade. 

2 IX. Vollständig epidermisiert, überall enganliegend. Hörweite 
für Konversationssprache */ 4 m. Flüstersprache ac. 

(Labyrinthaffektionen schon vor der Operation bestanden.) 

VI. E. K. Operiert am 29. III. Erster Verbandwechsel 6. IV. 
Normaler Wundverlauf. 

18. V. Wundhöhle hinter dem Fazialis und oben vollständig 
epidermisiert. Die epidermisierte Partie grenzt sich scharf ab gegen¬ 
über der Labyrinth wand, die mit glatter glänzender Schleimhaut be¬ 
deckt ist, die Konfiguration (ovales Fenster, Promontor, rundes Fenster, 
Stapesköpfchen) schön zeigt und vollständig trocken ist. Konversations¬ 
sprache 4 m. Flüstersprache l 1 /^ m. Mit Hörscblauch Flüstersprache 
tadellos. 


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116 — 


VII. K. K. Operiert 5. VII. Erster Verbandwechsel 12. VII. 

29. VII. Wundhöhle vollständig mit Granulationen bekleidet. 

18. VIII. Wundhöhle vollständig epidermisiert, jedoch mit hohl¬ 
liegendem Septum vor der Trommelhöhle, in der Mitte dünn. 

Konversationssprache ac. Mit Hörschlauch Flüstersprache nur 
einzelne Worte. 

VIII. J. J., 11 Jahre alt. Vor 5 Jahren Masern, seither Fluß. 

Operiert am 1. III. Erster Verbandwechsel 10. III. 

21. III. Wundhöhle vollständig mit Granulationen bekleidet. 
Konversationssprache 1 m, Flüstersprache 1 / A m. 

23. V. Vollständig epidermisiert mit Konfiguration der Trommel¬ 
höhle. 

Konversationssprache 3 ! /o m, Flüstersprache 1 J 2 m, Flüstersprache 
mit Hörschlauch gut. 

Kontrolle I. IX. Befund gleich. 

IX. M. B. Operiert »m 5. IV. Erster Verbandwechsel 12. IV. 

Unter der Nachbehandlung bildete sich ein Septum aus, das mit 

Absicht nicht entfernt wurde, weil die Sekretion immer geringer wurde. 

3. V. Ziemlich derbes Septum vor der Trommelhöhle. 

14. V. Schmerzen im Ohre. Kopfschmerz. Durchbruch in der 
Mitte des Septums. Reichlich foetider Eiter. Auskratzung mit dem 
scharfen Löffel. Keine Tamponade. 

16. V. Abermals verengernder Ring. 

25. V. Abermals Septenbildung. Auskratzung. Tamponade, 
dabei Behandlung der Eiterung, die langsam versiegt. 

Am 21. VII. Vollständig epidermisiert. Die Epidermis der 
inneren Trommelhöhlenwand fest anliegend, die Konfiguration jedoch 
nicht sehr deutlich. Ein verengernder Ring in der Ebene des Fazialis- 
wulßtes verengert die Höhle. Auch der Ring ist mit Epidermis über¬ 
kleidet. 

Konversationssprache 2 m, Flüstersprache 1 / 2 m, Flüstersprache 
mit Hörschlauch sehr gut. 

X. P. K., 18 Jahre alt. Operiert am 22. III. 07. Erster Ver¬ 
bandwechsel 30. III. Wundhöhle blutet. Keine Details sichtbar. 

10 IV. Wundhöhle mit Granulationen vollständig überkleidet. 

2. VI. Vollständig epidermisiert mit hohlem, in der Mitte dünnem 
Septum in der Gegend vor dem Trommelfellring. 

20. VI. Kopfschmerzen, Schwindel, Nystagmus nach der kranken 
Seite. Brechreiz, Schmerzen im Ohre. 

21. VI. Am nächsten Tag geringer Fluß. Durchbruch in der 
Mitte des Septums, stecknadelkopfgroß. Der Eiter kann nicht abfließen. 
Kreuzschnitt durch das Septum. Exzision der Lappen. Tamponade. 

29. VI. Es besteht nur mehr eine geringe ringförmige Verdickung 
an Stelle des Septums. Geringe Sekretion aus der Trommelhöhle. 

13. VII. Vollständig trocken. Vollständig epidermisiert mit Kon¬ 
figuration. 

2. IX. Kontrolle. Befund gleich. 

XI. J. M. Operiert im Mai und November 1905. 

Kommt am 3. II. 07 mit folgendem Befund: Wundhöhle retro¬ 
aurikulär offen, sehr weit. Reichliche fötideitrige Sekretion am Fa- 


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— 117 — 

zialiswulst. Granulationen sehr reichlich, ebenso im Cavum hypotymp. 
Entfernung der Granulationen, tamponlose Behandlung. 

29. III. Vollständig epidermisiert mit Konfiguration der Labyrinth¬ 
wand. Konversationssprache 2 m, Flüstersprache V 2 m. Mit Hör¬ 
schlauch Flüstersprache gut. 

XII. H. D. Operiert am 27. III. Erster Verbandwechsel 3. IV. 

30. IV. Ganz epidermisiert, mit Septum, nur vorn unten eine 
ganz kleine, gegen die Tube führende Oeffnung, aus der etwas schlei¬ 
miges Sekret kommt. Trotz Auskratzung und Tamponade hat sich 
dieses Septum seither schon 2 mal wieder gebildet und die Eiterung 
aus der Tube besteht fort. 

XIII. J. P. Operiert am 22. HI. Erster Verbandwechsel 29. III. 
Wenig Sekret. Schmerzen am Tragus. 

10. IV. Wundhöhle schön granuliereud. Wenig Sekret. Kon¬ 
versationssprache 1 m, Fltistersprache ac, Flüstersprache mit Hör¬ 
schlauch gut. 

22. IV. Kein Sekret. Granulationsbrücke vor der Trommelhöhle 
vom Fazialiswulst zur vorderen Wand quer herüber gespannt. Die 
Brücke beginnt von beiden Seiten sich zu epidermisieren. 

28. IV. Die Brücke hat bedeutend an Breite zugenommen. Bis 
zum 15. V. wurde Patient von einem verläßlichen Kollegen an der 
Klinik tamponlos behandelt. 

15. V. fand ich ein hohlliegendes Septum. Kopfschmerz. Jedoch 
wird Patient entlassen, mit der Weisung, wenn weitere Beschwerden 
auftreten, sich wieder vorzustellen. 

20. VI. Patient stellt sich wieder vor mit reichlichem eitrigen 
Ausfluß aus dem Ohre und gibt an, seit einigen Tagen besonders hef¬ 
tigen Kopfschmerz gehabt zu haben, der jetzt nach dem Durchbruch 
besser sei. 

Kreuzinzision, Tamponade mit Einschlagen der durch die Inzision 
gebildeten Lappen. 

14. VII. Vollständig trocken. Verengernder Ring, jedoch auch 
epidermisiert. Epidermis an der inneren Trommelhöhlenwand glatt und 
glänzend fest anliegend. Konfiguration nicht erkennbar. 

Kontrolle 1. IX. Der gleiche Befund. 

XIV. L. N. Operiert am 13. III. 07. Erster Verbandwechsel 
20. III. Wunde blutet. Keine Details sichtbar. 

30. III. Wundhöhle vollständig mit Granulationen ausgekleidet. 
Wenig Sekret. Keine Verengerung. Konversationssprache 3 m, Flüster¬ 
sprache 1 L m. Mit Hörschlauch Flüstersprache tadellos. 

17. IV. Die innere Trommelhöhlenwand vollständig epidermisiert. 
Mit Konfiguration. Die anfangs am Fazialiswulst reichlichen Granu¬ 
lationen bildeten sich schön zurück. Kein Sekret. Die ganze Höhle 
weit und übersichtlich. 

10. V. Kontrolle. Gleichgeblieben. 

XV. S. Operiert am 30. I. 03. 

Kommt am 2. IV. 07 wieder mit eiternder Wundhöhle. An manchen 
Stellen, so am Fazialiswulst und im Cavum hypotymp. Granulationen. 
Auskratzung. Tamponlose Behandlung. 


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— 118 — 


15. IV. Vollständig epidermisiert. Ganz trocken. Konversations¬ 
sprache 1 1 j 2 m, Flüstersprache 1 / 4 m, mit Hörschlauch gut. 

XVI. H. Cz. Operiert am 6. VI. 07. Erster Verbandwechsel 

13. VI. Mäßige fötide Sekretion. 

5. VII. Wundhöhlc vollständig mit Granulationen bekleidet. 

28. VII. Epidermisiert mit Septum, das sich durch konzentrische 
Verengung vor dem Trommelfellring gebildet hat. 

10. VIII. Durchbruch des Septums unter vorhergehenden groCen 
Schmerzen im Ohr und Kopf. Spaltung des Septums und Exzision 
der gebildeten Lappen. Abtragung des verdickenden Ringes mit dem 
scharfen Löffel. Tamponlose Weiterbehandlung. 

12. VIII. Es bildet sich wieder ein verengernder Ring. 

14. VIII. Schließt sich immer mehr. 

16. VIII. Wieder Septum. 

20. VIII. Wieder Durchbruch unter Schmerzen. Kreuzinzision 
des Septums. Exzision der gebildeten Lappen. Abtragung des Ringes. 
Feste Tamponade, die mit gleichzeitiger Behandlung der Eiterung fort¬ 
gesetzt wird. 

Am 28. VIII. Vollständige Heilung. Verengernder Ring, der 
aber epidermisiert ist (und sich, einen Monat kontrolliert, nicht mehr 
verengt hat). Dahinter glatte spiegelnde Epidermis über die ganze 
Trommelhöhlenwand. 

XVII. M. P., 28 Jahre alt. Chronische Mittelohreiterung seit 
Kindheit. 

Operiert am 15. VI. Erster Verbandwechsel am 22. VI. Keine 
Sekretion. 

24. VI. Mäßige Sekretion. 

1. VII. Die ganze Wundhöhle mit Granulationen ausgekleidet. 
Fast keine Sekretion. 

Konversationssprache 2 m, Flüstersprache 1 / 4 m. 

Wird entlassen und von ihrem Arzte in der Heimat tamponlos 
nach Vorschrift nachbehandelt. 

1. VIII. Stellt sich wieder vor. Die ganze Trommelhöhle von 
Granulationen verlegt, die sehr üppig, vom Fazialiswulst gewuchert 
sind. Sekretstauung. Auskratzung. Wird mit der Weisung an den 
Arzt entlassen, weiter tamponlos zu behandeln. 

15. VIII. Stellt sich wieder vor. Dasselbe Bild wie das erstemal. 
Klage über Kopfschmerz und Schwindel. Nystagmus nach der kranken 
Seite. Auskratzung. Bisher nicht geheilt. 

XVIII. B. R., 15 Jahre alt. Seit Kindheit chronische Mittelohr¬ 
eiterung. 

Operiert am 4. VII. Cholesteatom. Erster Verbandwechsel am 
11. VII. Kein Sekret. 

16. VII. Kein Sekret. 

20. VII. Mit Granulationen vollständig ausgekleidet. Kein Sekret. 

26. VII. Brücke von der lateralen Attikwandgegend zum 
Fazialiswulst. Konversationssprache J / 2 m, Flüstersprache ac. Aus 
der Behandlung ausgeblieben. 

XIX. H. J., 15 Jahre alt. Seit 1 Jahr chronische Mittelohr¬ 
eiterung. 


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Operiert am 20. IV. Erster Verbandwechsel 3. V. Wunde blutet. 
Keine Details erkennbar. 

12. V. Mit Granulationen fast vollständig überkleidet. Im Laufe 
der weiteren Nachbehandlung bildet s’ich ein verengernder Ring vom 
Fazialiswulst zur vorderen Gehörgangswand. Trotz 2maliger Abtragung 
des verengernden Ringes gelingt es nicht, ohne Tamponade den Schluß 
der Verengerung zu verhindern. 

4. VII. Vollständig geschlossen; mit menbranösem, wenig beweg¬ 
lichem, ziemlich derbem Septum. Kopfschmerz. 

10. VII. Septum aufgebrochen. In der Mitte stecknadelkopf¬ 
großes Loch. 

17. VII. Reichliche Eiterung aus der zentralen Perforation. 

18. VII. Spaltung des Septums. Tamponade. 

27. VII. Vollständig epidermisiert mit Konfiguration der inneren 
Trommelhöhlenwand. Verengernder epidermisierter Ring in der Gegend 
vor dem Annulus. Konversationssprache 7 m, Flüstersprache 7 m. 

Kontrolle 16. IX. gleichgeblieben. 

XX. A. H., 27 Jahre alt. • Seit 8 Jahren chronische Mittelohr¬ 
eiterung. 

Operiert am 31. V. Erster Verbandwechsel 7. VI. Die Wunde 
beginnt zu granulieren, blutet stark. 

28. VI. Die Wundhöhle durch ein Septum vom Fazialiswulst 
zur vorderen Gehörgangswand abgeschlossen. Das Septum, nur vom 
Rande her epidermisiert, besteht aus derben Granulationen. An einer 
Stelle dringt durch eine etwa stecknadelkopfgroße Oeffnung beim 
Valsalvaschen Versuch Eiter hervor. Spaltung. Auskratzung. Weiter¬ 
behandlung tamponlos. 

20. VII. Das Septum hat sich wieder gebildet. .Die Trommel¬ 
höhle sezernierte zuletzt nur wenig. 

1. VIII. Nachdem die ganze Höhle durch das schon vollständig 
epidemisierte Septum abgeschlossen war, heute neuerliche Durchbrüche. 
Konservative Behandlung, Politzersches Verfahren etc. vermindert die 
Eiterung nicht. 

5. VIII. Septum mit Kreuzschnitt gespalten. Reichlich Eiter. 
Tamponade wird fortgesetzt. 

4. IX. Vollständig mit trockener, überall enganliegender Epidermis 
bekleidet mit Konfiguration der Labyrinth wand. 

20. IX. Kontrolle ebenso. 

Wenn wir die tamponlose Behandlung würdigen wollen, so müssen 
wir uns zunächst über die Dignität der verschiedenen Heilungsmodi 
klar werden. Wir können im allgemeinen 3 Arten von Ausheilung 
einer Radikaloperationshöhle unterscheiden. 

1. Vollständige Epidermisierung der Trommelhöhle mit an der 
inneren Tromm eihöhlen wand fest anliegender Epidermis. 

2. Vollständige Epidermisierung der Wundhöhle mit Septen- 
bildung. 

3. Schleimhautausheilung. 


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120 


Die erste Form ist die idealste Form der Ausheilung, die auch 
in der Mehrzahl der Fälle vor Rezidiven schützt. Bei dieser Art der 
Ausheilung hat die Labyrinth wand entweder ihre Konfiguration be¬ 
halten, oder die Details der Labyrinth wand sind durch Ausfüllung der 
Nischen mit Bindegewebe unsichtbar geworden. Von unseren Fällen 
gehörten 7 zur ersteren, 5 zur letzteren Form. Sämtliche Fälle waren 
bei der allerdings kurzen Beobachtungsdauer von Rezidiven frei. 

NachUflen ord erscheint übrigens auch dieseForm der Ausheilung 
bei tamponloser Behandlung infolge der reichlichen Granulations¬ 
bildung für das funktionelle Resultat ungünstiger zu sein, als bei Be¬ 
handlung mit Tamponade. 

Bei Ausheilung mit Septenbildung haben wir zwei Fälle zu unter¬ 
scheiden: 

1. Kann sich das Septum vor einer bereits trockenen Trommel¬ 
höhle, d. h. mit narbig veränderter, jedoch nicht epidermisierter innerer 
Trommelhöhlenwand bilden. 

2. Vor einer noch eitriges Sekret liefernden Trommelhöhle. 

Die Septenbildung vor einer bereits trockenen Trommelhöhle ist 
selbstverständlich auch ein ideales Resultat in Bezug auf Ausheilung 
der Eiterung. 

Das funktionelle Resultat leidet aber dadurch erfahrungsgemäß 
sehr, da wir ja wissen, daß das Trommelfell nur durch seine Ver¬ 
bindung mit der Geliörknöchelchenkette seine schalleitende Wirkung 
entfaltet, eine Membran aber, die diese Verbindung mit der Labyrinth¬ 
wand nicht besitzt, der Schallübertragung nur schädlich sein kann. 
Der beste Beweis für diese Behauptung ist ein von mir beobachteter 
Fall mit Septumausheilung, bei dem die Hörweite 1 m für Kon¬ 
versationssprache betrug und sich nach kreuzförmiger Spaltung des 
Septums und Exzision der so gebildeten Lappen auf 4 m für Kon¬ 
versationssprache besserte. 

Ein Dauerresultat bietet die Spaltung und Exzision des Septums 
in diesen Fällen jedoch nicht, da sich das Septum sehr bald wieder 
herstellt, offenbar weil die Epidermis an den narbig ausgeheilten 
Trommelhöhlenwänden keinen Halt findet. 

Die Septenbildung über einer noch Wund-Sekret liefernden 
Trommelhöhle ist in jeder Hinsicht unerwünscht. Die auf diese Weise 
ausgeheilte Trommelhöhle ist nie als ausgeheilt zu betrachten, ja man 
kann vielmehr mit Sicherheit das Auftreten eines Rezidivs erwarten. 
Dieses Rezidiv besteht in dem Durchbruch des Eiters, der meist an 

2 ) Beiträge zur Indikation derLabyrintheröifnung. Arch. f.Ohrenheilk.73. 


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— 121 — 


der dünnsten Stelle des Septums, die gewöhnlich in der Mitte Hegt, 
manchmal auch an einer anderen Stelle, besonders bei persistierenden 
Tubeneiterungen im vorderen Teile erfolgt. Der Durchbruch erfolgt 
manchmal ganz schmerzlos, oft aber gehen demselben heftige Retentions¬ 
erscheinungen voraus. 

Insbesondere beobachtete ich Schwindel, Erbrechen, Kopfschmerz 
und zur kranken Seite gerichteten Nystagmus, wobei die funktionelle 
Prüfung und die Probe auf das Fistelsymptom eine schwere Labyrinth¬ 
erkrankung ausschließen Heß. Diese Septumbildungen kommen nun 
bei tamponloser Behandlung relativ häufig vor, wie eine Reihe meiner 
Fälle und die von Alt in der Sitzung der österr. otologischen Gesell¬ 
schaft vom 24. Juni 1907 vorgestellten Fälle beweisen 3 ). Ob auch 
die andereu Autoren, die sich mit der Frage der tamponlosen Behand¬ 
lung befaßt haben, ebenso wie Alt diese Fälle als ausgeheilt auf¬ 
fassen, ist leider aus ihren Arbeiten meist nicht ersichtlich. 

Auch andere Momente spielen bei der Septumbildung mit. 
Natürlich wird eine unvollkommene Operation, insbesondere in der 
Hinsicht unvollkommen, daß der Fazialissporn und die laterale Attik- 
wand nicht in genügender Ausdehnung entfernt sind, die Operations¬ 
höhle zur Septumbildung praedisponieren und wir sehen in diesen 
Fällen ganz typisch das Septum sich vom Fazialis und Attik her halb¬ 
mondförmig bilden und allmälig wachsen, wobei der vorderste unterste 
Winkel des Gehörgangsquerschnittes zunächst noch freibleibt, bis auch 
diese Stelle sich schließt und das Septum vollendet ist. 

Aber auch eine in jeder Hinsicht vollkommene Operation kann 
ein zur Septumbildung geeignetes Moment schaffen, wenn der Operateur 
viel von der vorderen Gehörgangswand abmeißelt. Dann werden 
nämlich die von der vorderen Gehörgangswand kommenden Granulationen 
den am Fazialiswulst aufschießenden entgegen wachsen und im Momente, 
wo sie zur Berührung kommen, zur Septumbildung führen. Auch die 
bei der Radikaloperation durch den einzinkigen Haken gesetzten Ver¬ 
letzungen am medialen Ende der vorderen knorpelig-membranösen 
Gehörgangswand führen an dieser Stelle zur Granulationsbildung und 
auf dieselbe Weise zur Septumbildung wie die operative Verdünnung 
der knöchernen vorderen Gehörgangswand, nur Hegt das Septum in 

3 ) Bei der Korrektur des Bürstenabzugs ging mir der Bericht über 
die Sitzung der Berliner otologischen Gesellschaft vom 10. Dezember 1907 
zu. (Zentralbl. f. Ohrenh., Bd. VI, Nr. 5, pag. 241 f.) Aus demselben 
ersehe ich, daß die Berliner Kollegen ähnliche Erfahrungen machten. Ins¬ 
besondere bemerkt Brühl treffend, daß man oft eine artifizielle Atresie des 
Ohres erreiche. 


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— 122 — 


diesem Falle, entsprechend der Lage des medialen Endes der knorpelig- 
membranösen Gehörgangswand, etwas weiter vorne. 

Wenn die genannten praedisponierenden Momente vorliegen, dann 
ist die Septumbildung allerdings auch mit Tamponade nicht mit Sicher¬ 
heit zu vermeiden, doch geschieht dies nur in seltenen Fällen, während 
dieser Ausgang der Nachbehandlung bei der tamponlosen Behandlung 
die Regel zu sein scheint. 

Von unseren 22 Fällen war die Septenbildung achtmal erfolgt, 
davon in 7 Fällen später wieder Durchbruch des Septums meist unter 
Schmerzen in Ohr und Kopf, Schwindel und Nystagmus nach der 
kranken Seite. In vier dieser Fälle wurde nach Kreuzinzision des 
Septums und Exzision der gebildeten Lappen versucht, die tamponlose 
Behandlung weiter durchzuführen, allein es bildete sich, mit Ausnahme 
eines Falles, immer wieder ein Septum und es gelang erst durch aber¬ 
malige Entfernung des Septums und fortgesetzte Tamponade die 
Trommelhöhle dauernd offen zu halten. 

Fall VII blieb trotz des Septums dauernd trocken. Bei Fall X 
und XIII wurde sogleich nach Exzision des Septums die tamponlose 
Behandlung aufgegeben und mittels Tamponade behandelt und in 
beiden Fällen auch schließlich Heilung erreicht. Im Fall XII gelang 
es auf keine Weise, der Sekretion Herr zu werden, es mag dies auf 
eine hartnäckige Tubeneiterung zurückzuführen sein. 

Zu erwähnen wäre noch, daß die Septenbildung auch partiell 
sein kann, d. h. daß sich mitunter Kulissen bilden, die einzelne Aus¬ 
buchtungen der Operationshöhle, wie die nach Entfernung der lateralen 
Antrumwand zurückbleibende Rinne, oder den eröffneten Attik ab¬ 
schließen. Auf solche Absackungen haben bereits Politzer, Gomperz 
u. a. aufmerksam gemacht und Urbantschitsch erwähnt sie in einem 
tamponlos nachbehandelten Falle. (Oesterr. otologische Gesellschaft, 
27. Juni 1907: Diskussion.) 

Unter Schleimhautausheilung verstehen wir eine Ausheilung, bei 
der die übrige Wundhöhle mit Epidermis und nur die Labyrinthwand 
unter vollständiger Wahrung ihrer Konfiguration mit einer zarten 
blassen oder geröteten, gar nicht oder nur wenig schleimiges Sekret 
sezernierenden Schleimhaut ausgekleidet ist, die sich durch eine scharfe 
Grenze von der epidermisierten Wundhöhle abgrenzt. Diese Grenze 
verschiebt sich bei langer, monate- ja jahrelanger Beobachtung nach 
der Radikaloperation gar nicht oder nur wenig. Die Epidermisierung 
dieser Stellen wird nur durch Metaplasie der Schleimhaut vor sich 
gehen können, da die Epidermis nicht imstande ist, über eine mit 
Epithel bekleidete Schleimhaut hinüberzuwachsen. Nun scheint die 
Trommelhöhlenschleimhaut für Metaplasie überhaupt nicht besonders 


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— 123 — 

geeignet, und die Fälle, in denen man zweifellos Metaplasie annehmen 
muß, bei denen isolierte Epidermisinseln an der iuneren Trommel¬ 
höhlenwand aufgetreten sind (Hammerschlag), sind immerhin selten. 

Wir müssen betonen, daß wir keine prinzipiellen Gegner der 
tamponlosen Behandlung sind, die wir schon seit langem üben. 

Nach den an unserer Klinik gemachten Erfahrungen möchten wir, 
mit Rücksicht auf die bei ihr häufiger zur Beobachtung kommenden 
Septumbildungen, ihr nicht jenen ausschließlichen Platz in der Nach¬ 
behandlung der Radikaloperation einräumen, der ihr von anderen zu¬ 
gewiesen wird. In jedem Falle, wo sich Neigung zur Septumbildung 
zeigt, ist sie nicht am Platze und muß zur Tamponade gegriffen werden. 
Auch bei dieser ist die Septumbildung nicht immer hintanzuhalten. 

Wir stimmen mit Stacke vollständig darin überein, „daß ein 
schmaler Spalt, dessen Lumen nach Entfernung der Tampons nicht 
einmal sichtbar, sondern nur mit der Sonde nachweisbar ist, U4 ) sich 
durch die Tamponade nicht auf die Dauer offen halten läßt. Wir können 
aber diesen Spalt nicht mit jenen ringförmigen Verengerungen, die zur 
Septumbildung führen, vergleichen. Wir können auch Stein 5 ) nicht 
ganz beipflichten, wenn er glaubt, daß in diesen Fällen die Septum¬ 
bildung durch Tamponade nicht zu verhüten ist. 

Die durch die Granulationsbildung bedingte ringförmige Ver¬ 
engerung und schließlich der Verschluß von engen Körperkanälen 
können sehr wohl durch Tamponade und ähnliche Maßnahmen (Lami- 
naria etc.) verhindert werden, da es sich hier ja um rein mechanische 
Momente handelt — eine alte Erfahrung der Chirurgen, für die übrigens 
auf otologischem Gebiete ein von Schwidop 6 ) publizierter Fall von 
operativ geheilter Atresie ein schönes Beispiel ist. 

Die Septenbildung muß verhindert werden und zwar um so mehr, 
je früher sie eintritt, insbesondere dann, wenn dahinter noch eine 
eiternde Trommelhöhle liegt. 

Wenn wir nun diese Fälle von frühzeitiger Septenbildung, denen 
ein sicherer Durchbruch bevorsteht, auch unter die geheilten Fälle 
rechnen, dann werden wir die tamponlose Behandlung in zu günstigem 
Lichte sehen und die Tamponade auch für die wenigen Fälle verwerfen, 
wo sie uns wirklich gute Resultate liefert. Vor diesem in der Begeisterung 
für die neue Lehre allerdings begreiflichen Optimismus wollten wir warnen. 

4 j Stacke: Die operative Freilegung der Mittelohrräuine etc., S. 99. 
Tübingen 1897. 

6 ) Arch. f. Ohrenheilk. 70. 

6 ) Schwidop: Beitrag zur Behandlung der erworbenen Atresie des 
•Gehörgangs. A. f. O., pag. 81 ff. 


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Aus der Uuiversitätspoliklinik für Ohren-, Hals und Nasenkrankheiten in- 
_ Bonn. (Direktor: Geh. Med.-Hat Prof. Dr. Walb.) _ 

Ein Vorschlag zur Therapie der Nasenfl&gel- 
insuffizienz. 

Von 

Dr. Carl Leuwer. 

Die Fälle von Mikrorhinie mit Insuffizienz der Nasenflügel gehöre» 
therapeutisch wohl zu den wenig dankbaren. Die gewöhnliche Methode 
zur Beseitigung der Beschwerden besteht bekanntlich in der Entfernung 
der unteren Muschel. Man macht hierbei aber sicherlich einen Eingriff, 
der erstens als kausale Therapie nicht bezeichnet werden kann, dann 
aber auch ein wichtiges Organ entfernt. Die Fälle sind gar nicht sa 
selten, wo diese Methode nicht nur die Beschwerden nicht beseitigt, 
sondern noch andere wie Trockenheit der Nase und Krustenbildung 
verursacht hat. 

Eine kausale Therapie müßte am Eingang der Nase einsetzen,. 

und in der Tat sind ja auch verschiedene Vorschläge in dieser 

Richtung gemacht worden. Zu dem radikalsten Verfahren, der 
Entfernung der Nasenflügel, welches allen Ernstes angeraten 

worden ist, hat sich meines Wissens bisher noch kein Patient, 

entschlossen. Man behilft sich lieber mit einem der bekannten Nasen- 
öffner, die ja auch nicht zu sehr auffällig sind. Personen weiblichen 
Geschlechtes, bei denen die Eitelkeit über manche Leiden hinweghilft, 
schwärmen auch für diese Instrumente nicht oder tragen sie nur Nachts. 

Die meisten aber oder wohl alle würden sich lieber einem Eingriff 
unterziehen, der ihnen mit einem Schlage helfen würde. 

In neuerer Zeit ist nun der Vorschlag gemacht worden, dem in¬ 
suffizienten Nasenflügel durch eine Parffineinspritzung eine Stütze zu 
verleihen und ihn zugleich zu spreizen. Wir hätten damit eine Therapie, 
die den Anforderungen entspricht. 

Indes möchte ich das Verfahren ein wenig ändern. Bei der obigen 
Methode können besonders in der Hand des Ungeübten leicht Ent¬ 
stellungen entstehen. Und es ist fraglich, ob eine feingebaute, schmale 
Nase mit starken, verdickten Flügeln zusammenstimmt. 

Aus diesem Grunde bin ich folgendermaßen vorgegangen: Ich habe 
die mit Hartparaffin gefüllte Spritze dicht am Septum in den Nasenboden, 
eingestochen und die Spitze bis in die Ala vorgeschoben. Dann wurde, 
unter langsamem Zurückziehen Paraffin in das Gewebe eingespritzt. 


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Auf diese Weise bringt man erstens eine Art Keil zwischen Flügel 
und Scheidewand, der beide voneinanderdrängt, zweitens vergrößert 
man den Nasenboden um ein Stück der Ala, bekommt also durch 
beides eine — beliebig zu regulierende — Vergrößerung des Nasen¬ 
eingangs. 

In meinem Falle handelte es sich um ein Mädchen von 17 Jahren 
mit sehr schmaler Adlernase und feinen enganliegenden Nasenflügeln. 

Patientin schlief nachts stets mit offenem Munde, klagte über 
Luftmangel, Trockenheit der Nase und des Halses. Anderweit waren 
ihr die Rachenmandel und beide unteren Muschel radikal entfernt 
worden. Der Erfolg war wie gesagt negativ. An die von demselben 
Operateur vorgeschlagene Entfernung der Nasenflügel wollte das Mädchen 
begreiflicherweise nicht heran. 

Ich machte ihr nun beiderseits nach dem angegebenen Verfahren 
eine Paraffineinspritzung, schloß dann noch eine solche in die Gegend 
der unteren Muscheln an, um die Trockenheit der Nase zu heben. 

Der Erfolg war der, daß die Patientin eine entschieden freiere 
Nasenatmung bekam. Eine Entstellung durch die verbreiterte Nasen- 
öffnung ist durchaus nicht eingetreten. 

Da meine Methode irgend einen Schaden nicht anrichten kann, 
außerdem leicht auszuführen ist und nach meiner Ansicht als Kausal¬ 
therapie bezeichnet werden kann, kann ich sie mit ruhigem Gewissen 
empfehlen. 

Oesterreichische otologische Gesellschaft. 

Offizielles Protokoll der Sitzung vom 16. Dezember 1907. 

Erstattet vom Schriftführer. 

Vorsitzender: V. Urbantschitsch. 

Schriftführer: H. Frey. 

I. Neuwahl des Bureaus der österreichischen otologischen 
Gesellschaft: 

Es werden gewäht: 

Hofrat Politzer zum Vorsitzenden, 

Prof. Pollak zum Vorsitzenden-StellVertreter, 

Dozent Frey zum Sekretär, 

Dr. Kaufmann zum Kassier, 

Dr. Bondy zum Schriftführer. 

II. Dozent Alt demonstriert: 

1. Labyrinthpräparate von einer Meningitis cerebrospi¬ 
nalis, welche eine Ausfüllung aller Labyrinthräume mit 
Eiter zeigen. 


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2. Labyrinthpräparate eines angeboren Taubstummen 
mit Fehlen der Sinneszellen, Kollaps des häutigen Laby¬ 
rinthes, reichlicher Pigmentation: das genau durchsuchte Gehirn 
zeigt keine wesentlichen Veränderungen. (Erscheint ausführlich in 
dieser Monatsschrift.) 

III. Dr. Bäräny demonstriert eine 22jährige Patientin, bei welcher 
vor sieben Wochen die Radikal- und Labyrinthoperation nach der 
Methode Dr. Neumanns vom Vortragenden ausgeführt wurde. Patientin 
ist seit vierzehn Tagen vollkommen geheilt. Der Fall bietet deshalb 
Interesse, weil eine komplizierende Hysterie die Erscheinungen eines 
Kleinhirn-Abszesses vortäuschte. Es bestand Kopfschmerz. Pulsver¬ 
langsamung auf 4H Schläge, Hemiparese und Hemianästhesie der rechten 
Extremitäten, außerdem aber Hemianästhesie rechts und ein punkt¬ 
förmiges Gesichtsfeld im rechten Auge. Nach der Operation sistierten 
die Kopfschmerzen und die Pulsverlangsamung. Die Hemianästhesie 
und Hemiparese besserten sich, sind aber noch immer deutlich vor¬ 
handen. Von seiten des Vestibularapparates bestand vor der Operation 
starker Nystagmus zur gesunden Seite und Unerregbarkeit des erkrankten 
Vestibularapparates für kalorische Reize. Die Gleichgewichtsstörungen 
waren durch die Hysterie verstärkt. Nach der Labyrinthoperation 
verschwand der Nystagmus in typischer Weise, die Gleichgewichts¬ 
störungen bestehen auch jetzt noch in geringem Grade, zeigen suggestive 
Beeinflußbarkeit. 

Diskussion: 

Dr. Leidler: Ein ähnlicher Fall, wie der von Dr. Bäräny demon¬ 
strierte, kam im Oktober dieses Jahres auf der Abteilung des Dozenten 
Alexander in der allgem. Poliklinik zur Beobachtung. Es handelte 
sich um eine 32jährige Frau, welche seit ihrem 11. Lebensjahre an 
rechtsseitigem Ohrenfiuß litt. Seit 7 Jahren litt Patientin außerdem 
an Anfällen, welche nach der Beschreibung den Charakter der hysterischen 
Anfälle hatten und 2—3 mal im Jahre auftraten. Vor 6 Tagen trat 
wieder ein solcher, sehr heftiger Anfall mit Bewußtlosigkeit auf, der 
7 Stunden dauerte und erst nach einer Aetherinjektion sich besserte. 
Seit damals ist die linke obere und in geringem Maße auch 
die untere Extremität gelähmt. Außer diesen Anfällen hatte 
Patientin auch ungefähr 2 mal wöchentlich heftige Schwindelanfälle, 
welche oft 2 Stunden lang dauerten. Ferner bestanden diffuse Kopf¬ 
schmerzen. 

Die Untersuchung ergab rechts eine chronische Mittelohreiterung 
mit Totaldestruktion des Trommelfells und Granulutionen an der Pauken¬ 
höhle mit geringer fötider Eitersekretion aus dem Antrum. Der 


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sonstige Befund zeigte ein typisches hochgradiges Schalleitungshindernis. 
Der Nervenbefund (Dr.R. Kaufmann) ergab: Fehlen des Rachenreflexes; 
linke obere Extremität: passiv beweglich, aktiv im Schulterellbogen- und 
Handgelenk vollkommen beweglich. Motorische Kraft gegen,die rechte 
deutlich herabgesetzt, besonders der A Händedruck auffallend schwach. 
Dabei ist die Schwäche der Extensoren und Flexoren aller Gelenke 
annähernd gleichmäßig. Der Zeigefinger und Daumen der linken Hand 
werden halb flektiert gehalten und können weder stärker gebogen, noch 
stärker gestreckt^werden. Sensibilität der Hand: Daumen und Zeige¬ 
finger dorsal und volar gegen Stich unempfindlich. Palma empfindet 
manchmal und manchmal nicht. Die übrigen 3 Finger normal. Grob¬ 
schlägiger Intentionstremor, der sich bei geschlossenen Augen verstärkt. 
Bewegungsempfindungen des Daumens und Zeigefingers fehlen. Reflexe 
der oberen Extremitäten sind schwach. Thorax, Abdomen und untere 
Extremitäten, bis auf eine in der Mittellinie abschneidende linksseitige 
Hyperästhesie am Thorax und Abdomen, normaler Befund. 

Die Diagnose lautete: Hysterie und Otitis med. suppur. chron. dextra. 
Wegen der fötiden Eiterung, der Kopfschmerzen und der Schwindel- 
anfalle wurde der Patientin die Radikaloperation empfohlen, insbesondere 
auch, da man trotz der hohen Wahrscheinlichkeit einer hysterischen 
Lähmung der linken Extremitäten den Verdacht auf einen rechtsseitigen 
Schläfelappenabszeß nicht unbedingt von der Hand weisen konnte. 

Die Radikaloperation ergab Eiter und Granulationen in den Mittel¬ 
ohrräumen und erweichter Knochen im Antrum und Warzenfortsatze. 
Die Dura der mittleren Schädelgrube erwies sich als normal. 

Der weitere Verlauf war ein ausgezeichneter. Die Wunde nahm 
einen normalen Wund verlauf und die übrigen Symptome, insbesondere 
die hysterische Lähmung der linken oberen Extremität gingen in zirka 
3 Wochen ohne besondere Behandlung zurück. 

IV. Dr. Ruttin demonstriert: 

1. einen Rhinolithen (Pfirsichkern), den er aus der Nase 
eines zwölfjährigen Mädchens entfernt hat. 

Dr. Ernst Urbantschitsch demonstriert ebenfalls einen von 
J hm aus der Nase eines 12jährigen taubstummen Mädchens 
entfernten Rhinolithen. (Kern: Beinknopf). 

Dr. Ruttin demonstriert: 

2. einen 51jährigenMann mit geheiltem Schläfelappen-Abszeß. 
Patient erkrankte vor sieben Wochen im Anschluß an eine Pneumonie 
an akuter Otitis links. Vierzehn Tage vor seiner Spitalaufnahme traten 
heftige Kopfschmerzen, Delirien und Benommenheit auf. Bei der Unter¬ 
suchung machte Patient einen sehr stupiden Eindruck. Da er nicht 


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deutsch sprechen kann, so war es nicht sicher zu entscheiden, ob es 
sich um Benommenheit oder um geistige Beschränktheit handelte. Bei 
der Operation fand sich ein Schläfelappen-Abszeß nach vorne vom 
Tegmen tympani von der Größe eines kleinen Apfels. Der Absze߬ 
inhalt bestand aus dickem Eiter, die Wandung war glatt. Bakteriologisch 
fanden sich Streptokokken. 

Nach der Operation zeigte sich der Patient sofort weniger benommen, 
und es kam jetzt eine Aphasie zum Vorschein. Es handelte sich haupt¬ 
sächlich um eine Störung der Namenfindung. Die Verwendung der 
Gegenstände kennt er. Das Nachsprechen erfolgt tadellos und mit 
Verständnis. Das Verständnis des Vorgesprochenen ist intakt. Keine 
Paraphasie. Lesen und Schreiben der meisten Buchstaben richtig. 
Bei Bezeichnung von Gegenständen versteht er den Sinn des Gelesenen 
nicht und vermag auch die meisten Worte nicht zu schreiben, hierbei 
deutlich Perseveration. Zahlen werden tadellos gesprochen und erkannt. 
Die Neurologen (Dr. Stransky, Dr. Bonvicini) verlegen den Sitz des 
Abszesses konform dem Operationsbefund in den vorderen Teil der 
zweiten und dritten Schläfewindung. Der Schläfelappen-Abszeß zeigte 
bereits beim ersten Verbandwechsel (zwei Tage nach der Operation) 
keine Spur von Sekretion und war bis auf Haselnußgröße verkleinert. 
Auch späterhin trat keine Sekretion mehr auf, so daß wir es hier mit 
einem überraschend schnell geheilten Gehirnabszeß zu tun haben. 

Interessant ist noch ein Befund, der beim ersten Verbandwechsel 
erhoben wurde. Patient hatte vorher während der ganzen Zeit der 
Beobachtung keine Spur von spontanem Nystagmus gezeigt. Als beim 
Verbandwechsel der Hirntampon eingeftihrt wurde, trat Nystagmus 
rotatorius zur gesunden Seite, verbunden mit Schwindel auf. Auf 
Lockerung des Tampons verschwand der Nystagmus sofort, um sich 
nicht mehr einzustellen. 

Es geht aus dieser Beobachtung hervor, daß auch raumbeschränkende 
Prozesse in der mittleren Schädelgrube intrakraniellen Nystagmus vesti- 
bularis auszulösen vermögen, wie schon von verschiedenen Seiten betont 
wurde. Es muß zugegeben werden, daß durch diese Beobachtung die 
Verwertbarkeit des intrakraniell ausgelösten Nystagmus für die Diagnose 
eines Prozesses in der hinteren Schädelgrube leidet, jedoch muß betont 
werden, daß bei Prozessen in der mittleren Schädelgrube das Auftreten 
eines derartigen Nystagmus sehr selten ist. Bei genauer Berück¬ 
sichtigung der funktionellen Prüfung des Vestibularapparates wird sich 
wohl stets die Diagnose auf intrakranielle oder extrakranielle Aus¬ 
lösung des Nystagmus stellen lassen. 


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V. Dr. Ruttin demonstriert farbige Photographien, die aut 
seine Anregung von Dr. Aschner auf Lu miereplatten hergestellt wur¬ 
den. Diese Methode erscheint sehr geeignet, interessante und seltene 
Krankheitsbilder, insbesondere des äußeren Ohres, sowie pathologische 
Präparate festzuhalten. 

VI. Prof. Urbantschitsch demonstriert einen Patienten, bei 
welchem eine daumengroße retroaurikuläre Oeffnung durch 
einfache Vernähung geschlossen wurde. 

Diskussion: 

Dr. ErnstUrbantschitsch weist auf die Bedeutung von genügend 
großen Entspannungsschnitten bei einer derartigen Vernähung hin und 
erwähnt, daß der von ihm seinerzeit demonstrierte Fall auch nach 
.Jahresfrist keinen Rückgang des kosmetischen Erfolges aufwies. 

VH. Prof. Urbantschitsch demonstriert einen Fall von arte¬ 
riellem Rankenangiom. 

Es handelt sich um eine 41jährige Patientin, bei welcher nach 
einer Entzündung des äußeren Ohres mit Bläschenbildung im 14. Lebens¬ 
jahre eine Geschwulst an der Ohrmuschel auftrat, die langsam an Größe 
zunahm. Insbesondere hatte jede Gravidität eine weitere Vergrößerung 
des Tumores zur Folge. Jetzt hat der Tumor Kindsfaustgröße und 
sitzt insbesondere der Hinterfläche der Ohrmuschel auf. Er besteht 
aus einem Konvolut von bleistiftdicken Arterien, die mächtige Pulsation 
zeigen. Ebenso dicke Arterien setzen sich auf das Hinterhaupt fort. 
Bei Kompression der Karotis verschwindet die Pulsation, ebenso durch 
Druck auf die bleistiftdicke Arteria auricularis posterior. Es geht aus 
dieser Beobachtung hervor, daß keine wesentlichen Anastomosen mit 
Arterien des Schädelinnern bestehen. Der Fall wird der Operation 
zugeführt werden. 

VIII. Dozent Neumann stellt 1. eine Patientin vor, bei welcher im 
September 1907 wegen ausgedehnten Cholesteatomes die Radikal¬ 
operation vorgenommen wurde. Vor der Operation bestand bereits Fazialis¬ 
parese. Bei der Operation fand sich das Labyrinth total zerstört. Die Ab¬ 
tragung desselben geschah nach der von Neu mann angegebenen 
Methode. Die Dura der hinteren Schädelgrube zeigte an einer Stelle 
eine deutliche Verfärbung. Einige Tage nach der Operation fand sich 
beim Verbandwechsel an dieser Stelle ein Durchbruch eines kleinen 
Hirnabszesses. 

Nur die Labyrinthoperation nach Neumanns Methode hatte dem 
Kleinhirnabszesse die Möglichkeit des spontanen Durchbruches gegeben. 
Die Fazialisparese ist nach der Operation vollkommen zurückgegangen. 


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2. Dozent Neu man li demonstriert: einen 22 jährigen Mann, welcher 
im Anschlüsse an eine leichte Angina sehr starken S chwirde 
mit Nystagmus zur gesunden Seite, Unerregbarkeit des Vestibular- 
apparates, Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen, Fazialisparese, Hyp- 
ästhesie im Bereiche des Trigeminus, Herpes auriculae bekam. Das Trommel¬ 
fell zeigte diffuse Rötung. Die Hörweite war normal. Die Parazentese 
ergab ein normales Mittelohr. Es handelt sich um eine Polyneuritis 
cerebralis, wie sie zuerst von von Frau kl-Ho chwar t beschrieben 
wurde. Patient wurde ohne jede Therapie wieder gesund. Auch der 
früher unerregbare Vestibularapparat erhielt seine .Erregbarkeit wieder. 

IX. Dr. Reiß demonstriert mehrere Sequester (Annulus 
tympanicus und ein Teil der Schnecke), die er bei einem 22 Monate 
alten Kinde aus dem Gehörgange extrahiert hat. Danach baldige 
Heilung der früheren fötiden Eiterung. 

Diskussion: 

Dr. Ernst Urbantschitsch erwähnt einen ähnlichen Fall, bei 
welchem nach Scharlach und Masern (die unmittelbar nacheinander 
aufgetreten waren) eine fötide Otorrhoe auftrat, die nach Entfernung 
eines den Annulus umfassenden Sequesters bald aufhörte. 


Verhandlungen des dänischen oto - laryngologischen 

Vereins. 

48. (extraodinäre) Sitzung vom 5. September 1907. 

Es wurde beschlossen, Herrn Prof. Geheimrat Schwartze anläßlich 
seines 70. Geburtstages eine Adresse zu überreichen. 

49. Sitzung vom 23. Oktober 1907. 

Vorsitzender: Prof. Bremer. 

Schriftführer: Dr. P. Ten teils Haid. 

I Jörgen Möller demonstrierte einen geheilten Fall von 
otogener Osteomyelitis der flachen Schädelknochen, von 
Sinusthrombose, Epiduralabszeß, Hirrfabszeß und Pyämie kompliziert. 
Der Fall wird im Archiv für Ohrenheilkunde veröffentlicht (Jahres¬ 
bericht der Ohren- uud Halsklinik des Kommunehospitals). 

Schmiegelow gratulierte M. zum schönen Erfolg. Er hatte selbst 
vor kurzem einen ähnlichen Fall beobachtet: Nach einer akuten Mittel¬ 
ohreiterung bildete sich hinter dem Ohre eine pastöse Schwellung: 
bei der Operation fand man eine Osteomyelitis, die sich eine Strecke 


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weit in das Hinterhauptbein hineindehnte. Diese Osteomyelitisfälle 
nach Mittelohreiterungen scheinen weniger gefährlich zu sein als die¬ 
jenigen, die nach Eiterungen im Sinus frontalis entstehen. S. hatte 
einen Fall beobachtet, in dem — nachdem schon Patient sich seiner 
Behandlung entzogen schließlich die ganze Schädeldecke verloren 
ging und Exitus eintrat. 

Haid hatte seiner Zeit das Journal-Material des Kommunehospitals 
durchsucht und dabei einen Fall gefunden, der dem von Schmiegelow 
zuletzt erwähnten sehr ähnlich war; doch hegte man den Verdacht, 
es könne sich möglicher Weise um syphilitische Destruktionen des 
Schädels handeln; vielleicht könnte das auch bei anderen der nach 
Stirnhöhleneiterung beobachteten schweren Fällen zutreffen. 

Schmiegelow teilte mit, daß der von Haid aufgefundene Fall’ 
mit dem von ihm erwähnten identisch war. Uebrigens meinte er, 
es könnte in diesem Falle nicht von Syphilis die Rede sein. 

Kiär hatte auch einen Fall von Osteomyelitis der flachen Schädel¬ 
knochen beobachtet, einen 9jährigen Knaben, bei dem auch ein perisi¬ 
nuöser Abszeß vorhanden war. In diesem Falle fand eine Reproduktion 
des Knochens statt, obschon die Dura verdickt und entzündet war. 

II. Sophus Bentzen: Fall von. Sarcoma auris mediae. Ein 
50jähriger Gärtner kam am 2. VI. 06 zyr Behandlung; seit mehreren 
Jahren doppelseitige Eiterung, rechts große Perforation mit nur wenig 
Eiter, links dagegen Gehörgang mit blutenden Granulationen gefüllt; 
hört Flüsterstimrae rechts in 60 cm Entfernung, links nur Konversations- 
ßtimme in 1 m Entfernung. Da Patient die Operation verweigerte,. 
wurde mit Ausspülungen und Aetzungen behandelt. Am 6. X. erschien 
er, wieder; es bestand damals seit einiger Zeit leichte Kieferklemme; 
keine Schwellung in der Gegend des Kiefergelenks; die Paukenhöhle 
mit blutenden Granulationen gefüllt; gegen das Antrum zu eine kariöse 
Stelle. Er willigte jetzt in die Operation ein und am 9. X. wurde 
eine Radikaloperation vorgenommen. Der Knochen stark sklerosiert, 
keine Zellen, an der hinteren Gehörgangswand eine kariöse Stelle. 
Der Verlauf war während der ersten Zeit normal und am 8. XI. wurde 
er entlassen; die Höhle war trocken und die Epidermisierung machte 
gute Fortschritte. Er fuhr jetzt nach Hause, um vom Hausarzte weiter 
behandelt zu werden. Am 27. XI. war das Mittelohr fast vollständig 
epidermisiert. Am 22. XII. war der Zustand kaum so gut, es hatten 
sich in der Tiefe Granulationen gebildet; da dies trotz Aetzungen und 
Tamponieren fortdauerte, blieb er vom 28. I. bis 5. II. 07 bei B. in 
Behandlung. Jetzt wär scheinbar wieder alles gut. Am 1. III. waren 
zwar keine Granulationen vorhanden, die Epermidisierung aber machte 


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keinen Fortschritt. Später traten beim Tamponieren Blutungen auf 
und nach hinten fühlt man eine kariöse Fläche; der Patient lehnt jedoch 
den Vorschlag einer Revision ab. Am 28. V. hatte sich nach brieflicher 
Mitteilung hinter dem Ohre eine Fistel gebildet gleichzeitig Schmerzen. 
Eine sofortige Revision wurde vorgeschlagen, erst am 6. VI. aber fand 
er sich ein und der Zustand hatte sich dann sehr viel geändert. Das 
Mittelohr war mit blutenden Granulationen gefüllt; die Gegend hinter 
dem Ohre hochgradig infiltriert, fest, schwartig; keine Fluktuation. 
Hinter dem Lobulus eine walnußgroße Schwellung mit anfangender 
Geschwürsbildung. Die Fistel ist jetzt nicht mehr vorhanden. Ara 
10. VI. wurde er wiederum operiert; das infiltrierte Gewebe speckig 
und sehr stark blutend; es wird alles kranke Gewebe so gut wie 
möglich ausgelöffelt, die Schwellung hinter dem Lobulus läßt sich 
aber nicht vollständig entfernen, indem sie vor dem Sternocleido in die 
Tiefe geht, bis in die Gegend der Gefäße. Mikroskopie (Dr. Claudius): 
Das Gewebe zeigt auf der Schnittfläche schon makroskopisch deutlichen 
lobulären Bau, die Farbe graurot. Mikroskopisch besteht es aus 
großen epithelähnlichen Zellen, die um die Gefäßlumina herum sich 
anordnen. Keine Riesenzellen, Spindel- oder Rundzellen. Außer den 
Gefäßen nur ein sehr spärliches Bindegewebsstroma. Diagnose: 
Angiosarcoma (Endothelioma). 

Nach 14 Tagen war die Wunde frisch granulierend, er wurde als¬ 
dann entlassen und Röntgenbehandlung instituiert. Er ist jetzt seit 
4 Monaten in Behandlung und befindet sich völlig wohl, gar keine 
Kachexie. In der Ohrgegend sieht man eine handtellergroße Intumescenz; 
die Wunde hinter dem Ohre ist noch offen und es fließt eine blutige, 
leicht eitrige Flüssigkeit heraus. An der Stelle der exstirpierten 
Schwellung wiederum ein kleiner, ulzerierter Tumor. Keine Drüsen¬ 
schwellungen. 

Daß das Allgemeinbefinden des Patienten fortwährend ein so 
so gutes ist, läßt sich vielleicht dadurch erklären, daß eine ständige 
Sekretion nach außen besteht; es kommt dadurch vielleicht eine geringere 
Toxinmenge zur Resorption. Sobald eines Tages die Sekretion geringer 
als sonst ist, befindet er sich gleich weniger gut. — Die Prognose ist 
schlecht, indem die Röntgenbestrahlungen nicht zu helfen scheinen 
und operative Hülfe unmöglich ist. 

III. Holger Mygind: Demonstration eines Falles, in dem bei der 
Totalaufmeißelung des Mittelohres ein von der Paukenhöhle völlig 
abgeschlossenes Antrum bestand. — Ferner Demonstration eines Falles 
von akuter Mittelohreiterung, wo nach Aufmeißelung des Warzenfort¬ 
satzes die primäre Naht angelegt wurde. 


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50. Sitzung vom 20. November 1907. 

Vorsitzender: Prof. Bremer. 

Schriftführer: Dr. Sophus Bentzen. 

I. Buhl: Krankenvorstellung. Patientin, eine 49jährige Frau, 
wurde vor einem Jahre hier im Verein vorgestellt; die vorläufige Diagnose 
war primärer Lupus der Mundschleimhaut. Seitdem ist von drei ver¬ 
schiedenen Pathologen mikroskopische Untersuchung vorgenommen 
worden, die jedesmal die Diagnose Cancer ergab. Der klinische Verlauf je¬ 
doch deutet auf ein verhältnismäßig gutartiges Leiden; nach Ausschabung 
und Argentum-Pinselungen war die Wunde Anfang Februar geheilt, 
im August trat ein Recidiv auf, das jedoch jetzt schon wieder aus¬ 
geheilt ist; Patientin befindet sich völlig wohl. 

Mygind hatte einen Fall von Ulceration des weichen Gaumens 
beobachtet, in dem die Mikroskopie Epitheliom ergab; trotzdem heilte 
die Wunde und Patient blieb später gesund. 

II. Gottlieb Kiaer: Tumor malignus septi nasi. Ein 
24jähriger Mann klagte seit 9 Monaten über Nasenverstopfung links, 
ferner bisweilen Schmerzen. An der linken Seite der Nasenscheidewand 
eine breitbasige, pilzförmige Geschwulst mit höckeriger Oberfläche und 
von brüchiger Konsistenz. Mikroskopie ergab ein mit zahlreichen 
Granulationszellen gemischtes Bindegewebe, ferner Haufen großer, 
unregelmäßiger, ovoider Zellen, hier und da einige Neigung zu alveolarem 
oder papiilarem Bau. Diagnose: Tumor malignus, sarcomatosus? 

Nach energischer Auskratzung Heilung und jetzt nach 3 Monaten 
kein Rezidiv. 

III. Gottlieb Kiaer: Argyrie der Nasenschleimhaut. Bei 
einem 36jährigen Mann, der wegen Schwerhörigkeit zur Behandlung 
kam, fand man Atrophie der Nasenschleimhaut, ferner war aber dieselbe 
von einer eigentümlichen dunklen Färbung, auch ein von der rechten 
mittleren Muschel ausgehender Polyp zeigte dieselbe Färbung. Während 
20 Jahre hatte Patient sich täglich etwa 25 ctgrm Argentum-Pulver 
1:20 in die Nase geblasen, was im ganzen etwa 90 grm Argentum 
nitricum gibt. Die Mundschleimhaut sowie die Haut wiesen keinerlei 
Veränderungen auf. Bei Mikroskopie des Polypen fand man das Silber 
namentlich in der Tunica propria fein verteilt, teils in den Zellen, 
teils in den Zwischenräumen. 

IV. Gottlieb Kiaer demonstrierte einen von Dr. Wilh. Maar 
konstruierten Kehlkopfspiegel, der sich dauernd warm hält, indem 
sich hinter der Spiegelfläche ein kleiner Platin-Glühdraht befindet, der 


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mit einem Trockenelement in Verbindung steht; der Spiegel hat sich 
namentlich bei lang dauernden Untersuchungen sehr gut bewährt. 

V. Holger Mygind: Fall von Corpus alienum cavi oris. 
Ein 17 Monate alter Knabe hatte am Tage vor der Aufnahme vermeint¬ 
lich das Mundstück einer Kindertrompete verschluckt; ein Arzt meinte, 
mit der Sonde das Mnndstück gefühlt und nachher in den Ventrikel 
hinabgestoßen zu haben; das Kind war aber noch immer ziemlich 
mitgenommen, wollte nicht essen. Schwellung in der linken Seite des 
Schlundes und außen am Halse, vermeintlich nach den verschiedenen 
Manipulationen. Röntgenuntersuchung ergab kein Resultat, das Kind 
war aber während der Untersuchung sehr unruhig, weshalb am folgenden 
Tage in Narkose eine neue Aufnahme gemacht wurde, bei der es sich 
ergab, daß der Fremdkörper in dem linken Sulcus alveolo-lingualis 
saß; er war hier in die Tiefe gebohrt, sodaß kaum ein ganz kleiner 
Rand zu sehen war, wenn die Zunge nach rechts gepreßt wurde. Nach 
der Extraktion verlief alles glatt. 

VI. E. Schmiegelow: Polypus congenitus cavitatis pha- 
ryngis. 2 Monate altes gesundes Kind; die Mutter hatte, seitdem das 
Kind 14 Tage alt war, eine keulenförmige Bildung bemerkt, die sich 
bisweilen neben der Zunge aua dem Munde hervorschob und dann 
wieder verschwand. Bisweilen hochgradige Atembeschwerden. Man 
findet einen vom hinteren Gaumenbogen ausgehenden, gestielten, glatten 
Tumor, der tief in den Oesophagus hineinhängt und beim Hervorholen 
mehrere Zentimeter aus dem Munde hervorragt. Er wird leicht entfernt, 
ist 5 1 /- cm lang, mit dünner epidermisähnlicher Haut bekleidet und 
trägt feine Lanugo-Haare. 

Der vorliegende Fall ist ein Beispiel der von Arnold aufgestellten 
ektodermalen Polypen, die selten von anderen Mißbildungen begleitet 
sind, während die großen epignaten Geschwülste gewöhnlich von so 
erheblichen Mißbildungen begleitet sind, daß das Kind bald nach der 
Geburt zu Grunde geht. 

VII. E. Schmiegelow: Fall von multiplen Papillomen im 
Kehlkopfe. Bei einem 10jährigen Mädchen wurde eine seit etwa 
einem Jahre bestehende Heiserkeit als ein Anzeichen vorhandener 
Tuberkulose angesehen. S. konstatierte aber in der Commissura anterior 
recht zahlreiche Papillome, die alsdann in tiefer Chloroformnarkose 
mittels direkter Laryngoskopie entfernt wurden. Die Geschwülste 
rezidivierten schnell und wurden nach 1 ' 2 Jahre wiederum entfernt: 
nach wiederholten Eingriffen versuchte man Eingabe von Natrium 
arsenicum und nach 5 Monaten sind jetzt keine Papillome mehr vor- 


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handen. Vielleicht wären die Papillome auch spontan verschwunden, 
jedenfalls ist aber doch die Arsenmedikation versuchenswert. 

Mygind frägt, woher die Arsenbehandlung stammt und ob es die 
Abhandlung von Koellreutter sei, der in diesem Falle die Behandlung 
veranlasst hat. 

Buhl frägt, ob sich die Papillome bei Erwachsenen und bei Kin¬ 
dern verschieden verhalten. 

Schmiegelow bestätigt, daß die Abhandlung aus der Körn ersehen 
Klinik in diesem Falle den Anlaß zur Arsenbehandlung gegeben hat, 
übrigens sei aber diese Therapie viel älter. — Bei Erwachsenen rezi- 
divieren die Papillome kaum so schnell wie bei Kindern; S. meint, 
man -solle bei Erwachsenen doch zuerst die endolaryngeale Entfernung 
versuchen, ehe man zur Arsenbehandlung greift. 

51. Sitzung vom 18. Dezember 1907. 

Vorsitzender: Prof. Bremer. 

Schriftführer: Dr. P. Tetens Haid. 

I. A. Gramstrup: Olfaktometrische und odorimetrische 
Messungen. G. hat einen aus folgenden Apparaten bestehenden 
Olfakto- und Odorimeter zusammengestellt: Die Geruchsquelle in 
Magazinzylindern, ein Glasbehälter von 100 ccm zum Riechen, ein Aero- 
dromometer, ein Vacuummeter und eine Wasserluftpumpe. Mittels diesen 
Apparates vermeidet man die vielen verschiedenen Konzentrationen 
desselben Riechstoffes, indem man die in den Glasbehälter hinein 
gesaugte „Riechluft“ beliebig verdünnen kann, bis man das Minimum 
perceptibile erreicht. G. hat für die von Zwaardemaker aufgestellten 
9 Klassen die folgenden Werte bekommen: 



Lösung 

Min. perc. 

Entsprechend 
einer Lösung von 

1. Isoamyl-Acetat .... 

1:5000 

0,98 

cm 

1 :50848 

2. Nitrobenzol. 

1 :20 

0,009 

n 

1 :22584 

3. Vanillin . 

1 :1000 

0,86 

n 

1 : 11650 

4. Trinitroi'sobutyltoluol. 

1 :5000000 

0,91 

n 

1 :54745000 

5. Allylsulfid. 

.1:5000 

0,24 

ii 

1:207500 

0. Bromkamphernaphtalin 

1:1 

0,003 

ii 

1:2933 

7. Valeriansäure. 

1:10000 

0,31 

ii 

1 :320065 

8. Pyridin. 

1:2000 

0,17 

ii 

1:110338 

9. Skatol. 

1:10000 

0,22 

ii 

1:445820 

Gleichzeitig teilte G. 

einige mit 

einem 

von 

ihm konstruierten 


Apparat vorgenommene odorimetrische Messungen des Harns mit. 


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— 136 — 


Haid frägt, ob G. bei seinen Untersuchungen am Harn die ver¬ 
schiedenen Geruchsqualitäten zu untersuchen denkt, oder ob sich die 
Untersuchungen vorwiegend mit den Schwingungen der Intensität 
eines eventuellen spezifischen Harngeruchs beschäftigen werden. 

Mygind frägt, ob es allgemein angenommen sei, daü der frisch 
entleerte Harn eines gesunden Menschen einen spezifischen Geruch 
besitze. 

Gramstrup antwortet, daß er durch seine Untersuchungen die 
eventuellen lntensitätsschwingungen des spezifischen Harngeruchs fest- 
zustellen denkt. 

Nörregaard betont das wünschenswerte einer näheren Klassi¬ 
fizierung der verschiedenen Geruchsqualitäten, die man oftmals bei der 
nasalen Exspirationsluft seiner Patienten zu beobachten Gelegenheit 
hat; er hat z. B. häufig bei Otosklerotikern einen faden, heuähnlichen 
Geruch bemerkt. 

Mygind hat bei Otosklerotikern eher einen smegmaähnlichen Ge¬ 
ruch beobachtet, der wahrscheinlich durch Zerfallen der Epithelien der 
gewöhnlich mehr oder weniger atrophischen Nasenschleimhaut entsteht. 

II. Nörregaard demonstrierte einen wahrscheinlich gutartigen ge¬ 
stielten Tumor an der Zunge eines kleinen Mädchens. 

III. Zum Vorstand für das kommende Jahr wurden gewählt: 

Präsident: Prof. Holger Mygind. 

Vizepräsident und Schatzmeister: Dr. Sophus Bentzen. 

Schriftführer: Dr. L. Mahler. 

Jörgen Möller. 


Die oto-, rhino-, laryngologische (etc.) Universitäts- 
schriften-Literatur, die an den französischen und 
schweizer Universitäten im Universitätsjahr 1906/07 

erschienen ist. 

Zusammengestellt von 
Dr. Fritz Loeb (Müncheu). 

Ohr. 

Ätudes anatomo-cliniques sur la paroi labynnthique de Voreille moyenne. 

Von G. J. Th. Benoit-Gonin. Bordeaux 1907. Nr. 75. 107 S. 
Contribution ä Vetude de la meningite cerebro-spinale otitique. Von J. Des- 
hayes. Paris 1907. Nr. 192. 132 S. 

Les procedks autoplastiques dans la eure radicale de l'otorrhee. Von R. J. 
H. Herr mann. Bordeaux 1900. Nr. 31. 84 S. 


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— 137 — 


De la paralysie du moteur oculaire externe d'origine otitique. Von S. Hey¬ 
rand. Lyon 1906. Nr. 25. 108 S. 

Traitement de Votite adhisive par la thiosinamine. Von A. Horeau 
Paris 1907. Nr. 195. 68 S. 

De la paralysie assocUe du facial et de Vacoustique , $origine syphilitique. 

Von J. Jacquemart. Lyon 1906. Nr. 52. 64 S. 

De la Syphilis de Vappareil auditif. Von A. Jouvin. Paris 1907. 
Nr. 137. 145 S. 

Contribution ä Vetude des kystes dermoides de Vapopliyse mastoide et du 
pavillon de Vorsille . Von L Levesque. Paris 1907. Nr. 237. 
55 S. 

L'anesthesie locale pour les operations pratiques sur Vappareil auditif. 

Von A. Moli mar. Paris 1907. Nr. 348. 55 S. 

Otomycoses et otozooses. Von A. Morras. Lyon 1907. Nr. 80. 140 S. 
Otites varicelletises . Von M. Moy. Lyon 1906. Nr. 53. 60 S. 

fitude critique des differents procedes d'insufflation d'air dans les maladies 
de Voreiüe moyenne . Von V. J. H. Pouget. Bordeaux 1906. 
Nr. 21. o4 S. 

De Vetat mental dans le vertige auriculaire . Von J. J. Rouzaud. Lyon 

1906. Nr. 24. 84 S. 

Les mastoidites des nourrissons . Von A. R. Salarao. Paris 1900. 

Nr. 30. 119 S. 

Pneumatoceles spontanees d'origine mastoidienne . Von H. Teste. Lyon 

1907. Nr. 85. 115 S. 


Nase. 

Les abces du nez et des fosses nasales. Von Fr. Autie. Montpellier 
1907. Nr. 23. 48 S. 

Les diaphragmes membraneux du nez et du naso-pharynx. Von Jean 
D6han. Montpellier 1907. Nr. 20. 55 S. 

Vtgetations adenoides chez le nourrisson. Leur influence sur son developpement . 

Von L. Elmerich. Paris 1906. Nr. 36. 41 S. 

Contribution ä Vitude du coryza chez le nouveau-ne. Von P. Hybord. 
Paris 1907. Nr. 400. 95 S. 

Le sarcome melanique de la clioroide progage au sac lacrymal et au canat 
nasal . Von V. Kassapian. Lyon (Univ.) 1907. Nr. 32. 52 S. 
Contribution ä VUude de Vozene tracheal. Von G. Labayle. Paris 1907. 
Nr. 264. 62 S. 1 Tafel. 

Arrachement du nerf nasal externe. Operation de Baval. Von P. F. Les- 
couzäres. Bordeaux 1907. No. 104. 103 S. 


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138 — 


Larynx. 

'llapports de la tuberculose laryngee et de la grossc^se. Von E. Barth as. 
Paris 1906. Nr. 225. 72 S. 

Tubage et detubage du larynx au cours du croup. Von G. B£cus. Paris 
1907. Nr. 297. 79 S. 

Kontribution ä Vetude de la pachydermie des cordes vocales et d son traitement 
chirurgical par le „fraisage 1 (mithode de Garei). Von L. 
A. Bourron. Lyon 1907. No. 113. 60 S. 

Da traitement des papillomes diffus du larynx chez Venfant . Von 

Ch. Denille. Toulouse 1907. Nr. 737. 102 S. 

Kontribution ä l'etude des trouples phonetiques dans la dcmence precoce . 

Von L. Massonie. Paris 1907. Nr. 393. 49 S. 

Plujsiologie du langage et contribution ä Vhygiene scolaire. Von A. No gier. 
Paris 1906. Nr. 74. 122 S. 

Les aphasies transitoires. Von B. Pailles. Montpellier 1907. Nr. 47. 
70 S. 

Les maladies de la voix chantee. Von A. Perretiere. Lyon 1906. 
Nr. 59. 303 S. 

De la mort subite dans les affections stenosantes chroniques du larynx. 
Von F. Sinaud. Paris 1907. Nr. 256. 63 S. 

Mundhöhle. 

Iraitement de la pyorrhee alveolo-dentaire. Von V. Abbadie. Paris 1906. 
Nr. 76. 52 S. 

La diphterie ä Vkapital Trousseau en 1905. Von A. Baudoin. Paris 
1907. Nr. 344. 86 S. 

Les tuberculoses des levres. Von G. Boyreau. Toulouse 1907. Nr. 720. 
116 S. 

*Kontribution ä l'etude du traitement chirurgical du cancer de la langue. 

Von L. Capette. Paris 1907. Nr. 408. 136 S. 

De la glossite profonde aigue. Von H. M. Duperier. Paris 1907. 
Nr. 207. 72 S. 

Beobachtungen über larvierte Diphtherie. Von Eta Freidina. (Aus dem 
Kinderspital zu Zürich.) Zürich 1907. Nr. 53. 17 S. 

•Greife dentaire (Beimplantation). Von N. Ger son. Paris 1907. Nr. 290. 
68 S. 

Kontribution ä Vetude de la diphterie , primitive de Vamygdale phai'yngee. 

Von F. C. Giresse. Bordeaux 1907. Nr. 117. 66 S. 

Sur quelques complicationseloignees des amygdalitei aigi 'es. Von R. Guerin. 
Paris 1906. Nr. 10. 60 S. 


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Contribution ä Vetude des gommes herSdo-syph ilitiques de la voüte et du voile 
du palais. Von M. M. A. Lachappelle. Paris 1907. Nr. 142. 
88 S. 

Vangine ulcereuse prScoce de la scarlatine. Von A. Larrony. Paris 
1907. Nr. 243. 40 S. 

De la diformation ogivale de la voüte palatine. Von J. Lemaire. Paris 
1907. Nr. 269. 70 S. 

Etüde anatomo -Chirurg icale sur Vextirpation de la parotide. Von A. Mage. 
Montpellier 1907. Nr. 77. 50 S. 

Contribution ä Vitude de V histogenese et de la pathogenie des tumeurs 
mixtes des glandes salivaires. Von A. Margulies. Montpellier 
1907. Nr. 74. 91 S. 

Contribution ä Vetude du muguet idiopathique ckez les adultes en bonne 
sante. Von L. A. J. Maxime. Paris 1907. Nr. 250. 61 S. 

Contribution ä Vetude de la mortaliU de diphUr ie. Von Jean Papa* 
dopoulos. (Aus der medizinischen Klinik zu Genf.) Genf 
1906. Nr. 47. 34 u. 13 S. 

Parotidite et laparotonie . Von A. Pell6. Bordeaux 1907. Nr. 43. 95 S. 

üeber Involution der normalen und hyperplastischen Rachenmandel. Von 
C. Serebrjakoff. Bern 1906. Nr. 37. II u. 15 S. (Sep.-Abdr. 
aus: Archiv für Laryngologie Bd. 18, Heft 3). 

De quelques tumeurs epitheliales du maxillaire superieur , d'orig ine alveo- 
dentaire. Von J. A. Sordoillet. Nancy 1907. Nr. 32. 113 S. 
1 Tafel. 

Respiration. 

L'adenopathie tracheo-bronchique des nourrissons . Son diagnostic par le 
comage bronchitique expiratoire et la radioscopie. Von L. Bou- 
garel. Paris 1907. Nr. 149. 132 S. 

Signes physiques de Vadenopathie tracheo-bronchique chez Venfant. Von 
P. Breton. Paris 1906. Nr. 78. 49 S. 

Contribution ä Vetude clinique de la coqueluche des nourissons . Von 
A. Brevet. Lyon 1907. Nr. 103. 56 S. 

Ueber Untersuchungen über die Atmungsfrequenz mit besonderer Berück¬ 
sichtigung im Kindesalter . Von J. Chait. (Aus der medi¬ 

zinischen Universitätsklinik in Zürich.) Zürich 1907. Nr. 43. 
34 S. 

Contribution ä Vetude de la dilatation des bronches chez Venfant . Von 

F. L. DieudonnÄ. Nancy 1907. Nr. 31. 134 S. 2 Tafeln. 

Tracheotomie et thyrotomie. Von J. L. M. Giudice. Bordeaux 1906. 
Nr. 20. 79 S. 


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— 14Ö — 


Ein Fall von primärer idiopathischer Bronchitis fibrinosa acuta. Von 
J. Marco witsch. (Aus der medizinischen Abteilung des 
Bürgerspitals in Basel. Vorsteher: Prof. Dr. Gerhardt.) 
Basel 1907. Nr. 34. 24 S. 

Heber Erysipel der Schleimhaut des Pharynx und des Respirationsapparates 
bei kleinen Kindern. Von S. Mariupolsky. (Aus dem Kinder¬ 
spital zu Zürich.) Zürich 1900. Nr. 85. 35 S. 

RHrCcissements conyt’nitaux de la trachee. Von L. E. L. Cluenon des 
Mesnards. Bordeaux 1907. Nr. 103. GO S. 

Des crises de cyanose dans Vadtnopathie tracheo-bronchique. Von C. Medan. 
Lyon 190G. Nr. 19. 93 S. 

Etüde statistique et pronostique de la coqueluche ä Vhöpital Bretonneau. 

Von P. Rouchy. Paris 1907. Nr. 332. 61 S. 

lieber zwei Fälle von fötaler Bronchiekstasie u . (Mit 2 Tafeln). Von 
Ed. Sandoz. (Aus dem Berner pathologischen Institut.) 
Bern 1907. Nr. 35. 26 S. 

Varia. 

Les parestWsies pharyngees. Von A. Ahond. Paris 1907. Nr. 197. 52 S. 
Contribution ä VHude de Visthmedomie et de Visthmotomie dans le traitement 
• des goitres parcnchymateux. Von L. Allen. Paris 1906. Nr. 71. 
66 S. 

Etüde comparativedes mHhodes opiratoires des sinusites maocillaires chroniqnes. 

Von A. Antonoff. (Aus der oto-, rhino-, laryngologischen 
Klinik zu Lausanne.) Lausanne 1906. Nr. 15. 62 S. 

Befunde bei 1078 Carcinomen und 160 Sarcotnen, seciert in der pathol.- 
anat. Anstalt Basel (Vorsteher: Prof. Dr. E. Kaufmann). Von 
B. Blumensohn. Basel 1907. Nr. 13. 37 S. 

De Vhypertropliie fondionnelle des grejfes thyreoidiennes. Von Daria 
Borowsky. (Aus dem Labor, f. Hygiene und experimentelle 
Pathologie der Universität Genf: Prof. Christiani.) Genf 
1906. Nr. 31. 31 S. 

Contribution ä VHude des polypes dermoid.es du pharynx. Von P. Caraguel. 
Paris 1606. Nr. 46. 64 S. 

Contribution ä VHude de la eure radicale des sinusites frontales chroniques. 

Von H. Couffon. Paris 1907. Nr. 229. 51 S. 

Circulation artirielle et veineuse du massif maxillaire superieur. (Travail 
du laboratoire de mOJecine operatoire.) Von D. L. M. Coulomb. 
Bordeaux 1907. Nr. 74. 72 S. 

Contribution ä VHude des kysles dentaires des maxillaires d'orig ine inflam- 
matoire. Von A. Elias. Lyon (Univ.) 1906. Nr. 28. 43 S. 


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Conttpbution ä Vetude des hemotypsies matutinales . Von L. A. Griffault. 
Bordeaux 1906. Nr. 9. 48 S. 

Anatomie pathologique de V cpüheliome primitif du corps thyroide. Von 
A. Handelsmann. Paris 1906. Nr. 25. 52 S. 

De Vaspiration en Chirurgie et en particulier de Vhemato-aspiration en oto- 
rhino-laryngologie. Von R. Hardyan. Paris 1906. Nr. 6. 74 S. 
Devolution de Vos maxillaire inferieur. Von A. Herpin. Paris 1907. 
Nr. 215. 82 S. 

Contribution ä la pathologie de Voesophage. Von Henri Joliat. (Aus 
dem pathologischen Institut zu Lausanne.) Lausanne 1907. 
Nr. 19. 23 S. 

Klinische Studien über die Strumektomie an der Hand von 670 Kropf - 
Operationen. Von Eduard Monnier. (Sep.-Abdr. aus: Bruns 
Beiträge zur klinischen Chirurgie. Bd. 54, H. 1.) Zürich 
1907. Nr. 9. II u. 62 S. 

Contribution ä VHude des abces latero-pharyngiens chez Venfant. Von 
A. Moy. Paris 1907. Nr. 330. 62 S. 

Contribution d VHude du perimetrc thoracique et de sa figuration exade d 
Vaide du conformateur thoracique. Von A. Musy. Lyon 1906. 
Nr. 22. 53 S. 

Contribution d Vetude des kystes dermoides du mediastin anterieur. Von 
Ch. Nandrot. Paris 1907. Nr. 148. 139 S. 

Schilderung der Falle von Meningitis purulenta und Meningitis cerebro¬ 
spinalis des Jahres 1904—1905 im Kinderspital zu Basel. Von 
A. Olkin. Basel 1907. Nr. 39. 20 S. 

La tuberculose latente des ganglions bronchiques chez Venfant. Sa frequcnce 
et son diagnostic. Von D. Oscherovitsch. (Aus der medi¬ 
zinischen Klinik zu Genf.) Genf 1907. Nr. 46. 40 S. . 
Contribution ä VHude de la sinusite maxillaire caseeuse. Von P. J. Th. 

M. Parage. Bordeaux 1907. Nr. 86. 52 S. 
fitude comparative sur les mHhodes operatoires des sinusites frontales 
chroniques. Von Concordia Popoff. (Aus der oto-, rhino-, 
laryngologischen Klinik zu Lausanne.) Lausanne 1907. Nr. 24. 
80 S. 

Contribution ä VHude de la nevralgie faciale syphilitique. Von G. Ravaud. 
Paris 1907. Nr. 253. 117 S. 

Contribution d VHude des fistules du cou } d'origine dentaire. Von G. N. Rous- 
seaux. Lille 1907. Nr. 22. 113 S. 

Untersuchungen über die Bedeutung des Stemalwinkels bei Lungentuberkulose. 
Von Charles Sandoz. Basel 1907. Nr. 48. 32 S. 


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— 142 — 


Ueber Herabsetzung der Hautsensibilität bei Kindern mit TonstUa tertia. 
Von R. Schermann. Bern 1907. Nr. 36. 19 S. 

Heber nekrotisierende Entzündung des Oesophagus bei Scharlach . Von 

A. Schick. (Aus der pathologisch-anatomischen Anstalt der 
Universität Basel. Vorsteher: Prof. Dr. E. Kaufmann.) 
Basel 1907. Nr. 49. 21 S. 

Traitement chirurgical de la paralysie faciale. Von P. S6vaux Paris 

1907. Nr. 395. 76 S. 

Ueber einige Fälle von Oesophagusstrikturen bei Kindern nach Verätzungen 
und Diphtherie mit besonderer Berücksichtigung der Thiosinamin- 
behandlung. Von Johann Spiegelberg. (Aus dem Kinder¬ 
spital zu Basel.) Basel 1907. Nr. 58. 22 u. 2 S. 

Complications oculo-orbitaires des sinusites maxillaires. Von G. J. M. Ville- 
monte-Laclergerie. Bordeaux 1906. 72 S. 

Des phlegmons de Vorbite consecuii/s aux sinusites frontales . Von R. Weill. 
Montpellier 1907. Nr. 67. (52 S. 

Eine anatomisch-physiologische Studie des Brustkorbes vermittelst des Brust - 
Pantographen. Mit Figuren und einer Abbildung. Von Arthur 
W. Weysse. Basel 1907. Nr. 63. 25 S. 

Kasuistischer Beitrag zur Lehre der linksseitigen Recurrenslähmung als 
Folge von Anomalien des Herzens und des Ductus (resp. Liga¬ 
mentum) Botalli . Von A. Zimbler. Basel 1907. Nr. 66. 52 S. 


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Referate 


a) Otologische. 

Weitere Beiträge zur Kenntnis der degenerativen Neuritis und 
Atrophie des Hörnerven. Von Privatdoz. Dr. Wittmaack in Greifs¬ 
wald. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIII, 1.) 

W. teilt eine neue Reihe eingehender Untersuchungen mit, bei 
welchen er degenerative Neuritis am Schneckennerv und seinem Gan¬ 
glion spirale mit mehr oder weniger ausgesprochenen Riickbildungs- 
prozessen am C o r t i sehen Organ, dagegen nur geringgradige oder 
gar keine Veränderungen am N. vestibularis naehweisen konnte. Die 
Untersuchungen betreffen drei Fälle von akuter Scharlachotitis, 1 Fall 
von Typhus, 1 Fall von Alterstaubheit bei einem Hunde, 1 Fall von Dia¬ 
betes mellitus und 1 Fall seniler Kachexie. Diese Mitteilungen schlie¬ 
ßen sich an die früheren Arbeiten WVs auf diesem Gebiete an (cf. diese 
Monatsschrift. Ref., 1906, pag. 372) und beanspruchen ein eingehendes 
Studium, eignen sich dagegen nicht zu einem kurzen Re.ferate. 

Keller. 

Weitere sieben Fälle von Sinusthrombose bei ausgeheilter akuter 

Mittelohrentzündung. Von Dr. F. Voß in Riga. (Zeitschr. f. Ohren¬ 
heilk., Lin, i.) 

Durch obige Mitteilung steigt die Zahl der von V. operierten Fälle 
von Sinusthrombose bei ausgeheilter akuter Mittelohrentzündung auf 
12 unter im ganzen 46 operierten Sinusthrombosen, so daß das Vor¬ 
kommen derselben kein so seltenes sein dürfte, als allgemein angenom¬ 
men wird. Der Autor kommt zu dem Schlüsse, daß nur die Schwere 
der ersten Infektion die Ursache für das Auftreten der Thrombose sein 
kann. Sofort im Beginn wird ein größerer Bezirk auch des Knochens 
infiziert. Sei es durch Parazentese oder Spontanperforation tritt 
Heilung der Paukenhöhle und des nächst anliegenden Knochens ein, 
während an einer tieferen Stelle virulente Infektionserreger sitzen blei¬ 
ben und ihr Zerstörungswerk fortsetzen. So nur läßt es sich erklären, 
daß dazwischen gesunde Knochensubstanz stehen bleiben kann und ent¬ 
weder der Sinus scheinbar allein erkrankt oder außer ihm nur eine 
ihm anliegende Knochenpartie. Keller. 


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144 — 


Anatomischer Befund am Gehörorgan nach Basisfraktur. Von Dr. W. 

Lange. ; (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIII, 1.) 

Während sich das Mittelohr von der Fraktur stark betroffen zeigte 
und es durch starke Blutung zu einer Zerreißung des Akustikus in der 
Tiefe des Porus int., doch ohne Beteiligung des N. facialis gekommen 
war, fand sieh die knöcherne Labyrinthkapsel völlig intakt, ebenso war 
im Labyrinthinneren keinerlei Blutung nachzuweisen. Keller. 

Bin Fall von otogenem Hirnabszess. Von J. Portela. (Boletin de larin- 
gologia, otologia y rinologla, März-Juni 1907.) 

Ein Patient, der eine alte linksseitige Ohreiterung hatte, bekam 
eine rechtsseitige Hemiplegie mit Aphasie. Nach der Operation, die 
durch den mastoidealen Weg gemacht wurde, verschwanden alle Symp¬ 
tome; es blieb nur eine unbedeutende Paraphasie. Dieser Fall be¬ 
weist, daß die Herdsymptome der Hirnabzesse kein sicheres Zeichen 
für die Lokalisation, der Hauptläsion sind. In dem betreffenden 
Falle ließen die Symptome (Hemiplegie, motorische Aphasie) nicht 
den Abszess im temporo-sphenoidalen Lappen vermuten, wo er in Wirk¬ 
lichkeit gelegen war. Hätte man eine extra-aurikuläre Trepanation 
gemacht, so war der Mißerfolg von vornherein sicher. Der mastoideale 
Weg gibt auch die Möglichkeit, alles Krankhafte zu entfernen und 
den Eiterherd auf den ersten Schlag zu treffen, da er in der Nähe des 
aurikulären Entstehungspunktes sitzen muß. Dieser Weg bietet auch 
die besten und günstigsten Bedingungen für eine gute Dränage, die 
nach dem Verfasser mit Glasröhren gemacht sein muß. Menier. 

Bin Beitrag zur Therapie der otitisehen Grosshirnabszesse. Von 

Dr. F. Alt in Wien. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIV, 2.) 

Der apfelgroße Schläfenlappenabszeß war nach akuter Mittelohr¬ 
entzündung entstanden und vom Tegmen antri aus eröffnet worden; 
die entleerte Eitermenge betrug ca. 00 ccm; als Krankheitserreger 
wurde Bacterium coli nachgewiesen; eine kontralaterale Facialislähmung 
erleichterte die Diagnose; gekreuzte Taubheit lag nicht vor. 

Keller. 

Kasuistischer Beitrag zur Meningo-Encephalitis serosa. Von Dr. 0. Blau 

in Görlitz. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LII, 1 u. 2.) 

B. teilt eingehend einen Fall mit, bei welchem der bis jetzt noch 
ausstehende Nachweis durch die Sektion gegeben sein soll, dass die 
Meningitis serosa sich unzweifelhaft an die Ohreiterung ange- 
schlossen hat. Keller. 

Experimentelle Untersuchungen über die Resistenzfähigkeit des 
Trommelfelles. Von Dr. T. Zalewski am physiolog. Institut der Uni¬ 
versität in Lemberg. (Zeitschr. f. Ohrenhoilk., LIT, 1 u. 2.) 

Von den Resultaten der Untersuchungen, welche Z. an einer 
großen Zahl ] von Trommelfellen ausführte, seien hier einige hervor¬ 
gehoben. Bei normalen Trommelfellen erfolgt die Ruptur in 66 Proz. 
bei 1—2 Atmosphären Druck, unter i Atmosphäre reißt das normale 
Tommelfell in ca. 11 Proz., über 2 Atmosphären in ca. 23 Proz. der 


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— 145 — 


Fülle. Bei Verkalkungen kann das Trommelfell sehr resistenzfähig 
sein. Die normale Membran reißt im Mittel bei 120,9 cm Quecksilber¬ 
säule; die geringste Resistenz weisen die Narben auf (21,08 cm), die 
größte das bindegewebig verdickte Trommelfell (160,3 cm). Die größte 
Widerstandsfähigkeit findet sich beim Neugeborenen und im ersten 
Dezennium, hierauf im zweiten; mit dem Alter nimmt die Resistenz 
ab. Anscheinend normale Trommelfelle reißen oft leicht; es ist dabei 
nicht ausgeschlossen, daß mikroskopische Veränderungen die Ursache 
sind, ein Umstand, der bei der Begutachtung eines solchen Falles zu 
berücksichtigen ist. Die Trichteruntersuchung täuscht oft bezüglich 
Form und Größe der Oeffnung. Keller. 

Zur Kenntnis des Streptococcus mucosus als Erreger der akuten 
Otitis medla. Von Privatdozent Dr. Wittmaack. (Deutsche med. 
Wochenschr., 32. Jahrg , Nr. 31.) 

Auf Grund von 55 bakteriologischen und kulturellen Untersuchungen 
gelangte W. zu dem Schluß, daß bei der Entstehung der akuten Otitis 
media^der Streptococcus mucosus eine wichtige Rolle spielt. Er fand 
zur Unterscheidung der verschiedenen Kokkenarten eine einfache Kapsel- 
farbung, in der er ein wichtiges, und gerade für klinische Zwecke 
sehr brauchbares Unterscheidungsmerkmal erblickt, wichtig bezügl. der 
Prognose, weil nach W. die Mukosus-Otitiden meist, auch wenn sie 
nicht zu Komplikationen führten, durchschnittlich die längste Verlaufs¬ 
dauer aufwiesen und durch Mastoiditis häufiger als die durch andere 
Kokken bedingten Otitiden kompliziert waren. Er hält es für möglich, 
daß der Streptococcus mucosus sich primär in den pneumatischen 
Zellen lokalisiert. Reinhard. 

Beitrag zur Entstehung und Behandlung der otogenen Pyämie. (Ein 
Falljvon^Thrombose des Sinus!petrosus superlor.) Aus der Ohren¬ 
klinik der Charit^ zu Berlin. Von Stabsarzt Dr. Kramw. (Zeitschrift, 
f. Ohrenheilk., LIV, 2.) 

Auf Grund, eigener, des Näheren mitgeteilter Erfahrungen em¬ 
pfiehlt Kr. dringend in Fällen von otogener Pyämie, wenn der Knochen 
an der Hinterwand des Warzenfortsatzes nicht erkrankt, oder wenn 
die Oberfläche*des freigelegten Sinus normal erscheint, das Tegmen 
antri zwecks Untersuchung der darüber gelegenen Dura zu entfernen; 
es kann nämlich ein extraduraler Abszeß an dieser Stelle ohne irgend 
welche klinische Anzeichen bestehen und zu einer wandständigen 
Thrombose speziell am Sinusknie Veranlassung geben. Ueber die 
Vorschläge zur operativen Behandlung der Fälle ist die Arbeit selbst 
nachzusehen. Keller. 


b) Rhinologische. 

Nasentamponade bei Ozäna. Von Dr. R. Sondermann in Dieringhausen. 
(Münchener med. Wochenschr., 53. Jahrg., Nr. 49.) 

Verfasser empfiehlt zur Entfernung der Borken bei Ozäna folgende 
einfache Methode: Eine aus Kondomgummi gefertigte Hülle wird vom 
Pat. in zusammengepreßtem Zustand in die Nasenöffnung geschoben 


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— 146 — 


und durch einen mit der Hülle verbundenen Schlauch vom Pat. selbst 
kräftig aufgeblasen. Sie legt sich der Wand des Naseninnern bei 
Atrophie der untern Muschel in seiner ganzen Ausdehnung an und 
reicht bis in den Nasenrachenraum. Der Schlauch, der leicht von der 
Hülle getrennt werden kann, trägt einen Absperrhahn, wodurch erstere, 
einmal aufgeblasen, ihre Form behält. Nach 5—10 Minuten öffnet 
man den Hahn, worauf die Hülle zusammensinkt und leicht heraus¬ 
zuziehen ist. Sind Teile der Borken zurückgeblieben, so können diese 
leicht ausgeschneuzt werden. In den ersten 8 Tagen empfiehlt sich 
täglich zweimalige Anwendung, später genügt einmal täglich. Die 
Nasentampons liefert Kühne-Sievers-Neumann, Köln. 

Reinhard. 

Die Behandlung der Oz&na mittels Paraffin-Injektionen. Von Dr. 

A. Blau in Görlitz. (Arch. f. Laryngol., Bd. 18, H. 3.) 

In 10 Fällen, die 1—1 1 ' 2 Jahre hindurch kontrolliert wurden, wurde 
das Schwinden jeglicher Borken- und Geruchsbildung 5mal erreicht: 
in 3 Fällen verlor sich der Geruch völlig, während eine ganz geringe 
Bildung durch Schneuzen leicht entfernbarer kleinster Borken bestehen 
blieb. In 2 Fällen war die Wirkung auf Borkenbildung und Geruch 
völlig negativ. Diese beiden Fälle erschienen dem Verf. auf Lues 
verdächtig; in 4 anderen Fällen sicherer Nasenlues ließ sich ebenfalls 
keine Beeinflussung des Leidens durch Paraffininjektionen erzielen. 

Zur Verwendung gelangte Paraffin von einem Schmelzpunkt von 
45° C., das zu wiederholten Malen in Mengen von 1 / a —1 1 j 2 ccm unter 
die Schleimhaut des Septums und der atrophischen Muscheln gespritzt 
wurde. 

Zur Erklärung der Wirksamkeit der Injektionen nimmt B. an, 
daß das eingespritzte Paraffin die Schleimhaut im Sinne einer Sekretions¬ 
behinderung beeinflusse, und daß andererseits durch Beseitigung der 
abnormen Weite und durch Ausgleich der abnormen Buchten und 
Falten der atrophischen Schleimhaut die Entleerung des Sekrets durch 
Schneuzen erleichtert, seine Zersetzung dagegen innerhalb der Nasen¬ 
höhle erschwert werde. 

Unangenehme Nebenwirkungen des Verfahrens hat Verf. niemals 
gesehen. Dr. R. Hoffmann (Dresden). 

Das Helmholtzscbe Verfahren gegen Heufieber, modifiziert. Von 

Dr. Boesser in Chemnitz. (Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 

Nr. 43.) 

Nachdem der berühmte Helmholtz, welcher an echtem Heufieber 
litt, im Jahre 1867 an sich selbst die ersten erfolgreichen Versuche 
mit einer örtlichen Chinintherapie des Heufiebers gemacht hat, freilich 
von der irrigen Voraussetzung ausgehend, daß die von Binz fälschlich 
beschriebenen Vibrionen, wenn sie auch nicht Schuld an der ganzen 
Krankheit seien, dieselbe doch durch ihre Bewegungen und die von 
ihnen gebildeten Zersetzungsprodukte sehr viel unangenehmer machen 
könnten, und er mit dieser Therapie tatsächlich bei sich Erfolg erzielt 
hatte, unternahm es Verf., diese Versuche wieder aufzunehmen und 
zwar in modifizierter Form. Er schildert seine Behandlungsmethode 


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147 — 


kurz wie folgt: Zunächst bedient er sich einer einprozentigen Corticin- 
lösung, dts löslichsten und wirksamsten aller Chininpräparate. Sobald 
nun bei einem Heufieberdisponierten das erste Augensymptom, also 
das typische Jucken im inneren Augenwinkel auftritt, läßt er in den 
betreffenden Bindehautsack einige Tropfen der genannten Lösung ein¬ 
träufeln. Bei dem liegenden Patienten fließt nun die corticinhaltige 
Tränenflüssigkeit durch den Tränennasenkanal in den unteren Nasen¬ 
gang und von dort in den Schlund. Nach ein bis zwei Minuten hört 
ein brennender Schmerz im Auge auf, und Niesreiz und Niesparoxysmus 
unterbleiben. Die Wirkung einer derartigen Einträufelung hält meistens 
4 bis 6 Stunden, oft aber noch länger an; sie wirkt insbesondere wohl¬ 
tätig abends vor dem Schlafengehen, er wacht morgens nicht mit ge¬ 
schwollenen und geröteten, sondern mit hellen, klaren Augen auf. 
Verf. empfiehlt das Helmholtzsehe Verfahren daher sehr. 

Reinhard. 

Ueber den Wert des Sondermannschen Saugapparates zur Diagnose 
und Therapie der Nasenerkrankungen. Aus der Poliklinik des 
Privatdozeuten Dr. Eschweiler in Bonn. Von L)r. Arthur Honneth. 
(Münchener med Wochenschr., 52. Jahrg., Nr. 49.) 

Verf. hat den Sondermannschen Saugapparat außer an der Leiche 
an zwei Gruppen von Krankheitsfällen ausprobiert: 1. an manifesten 
Empyemen, d. h. an solchen, bei welchen Eiterausfluß aus einem 
Nebenhöhlenostium auch ohne Saugen zu konstatieren war, 2. an em¬ 
pyemverdächtigen Fällen. Bei diesen zeigte es sich, daß überall da, 
wo der Sauger keinen Eiter hervorlockte, sich auch kein Eiter in der 
Nebenhöhle befand. Aber auch bei der ersten Gruppe leistete der 
Sauger ausgezeichnete diagnostische Dienste, indem er die exakte Di¬ 
agnose, vor allem die topische, brachte. H. faßt daher seine Erfah¬ 
rungen über den diagnostischen Wert dahin zusammen, daß er den 
Apparat nicht mehr entbehren möchte. „Wir besitzen in ihm ein hand¬ 
liches Instrument, welches uns gestattet, ohne Schmerzerzeugung die 
allgemeine wie speziell topische Diagnose zu stellen.“ Dazu kommt 
die Zeitersparnis. In therapeutischer Beziehung bemerkt Verf., daß 
die akuten Sinuitiden durch diesen negativen Politzer ja günstig be¬ 
einflußt werden; Heilung von chronischen Eiterungen sah er ebenso¬ 
wenig wie Sondermann. Als eine Verbesserung empfiehlt er, den 
Apparat aus Glas herzustellen; freilich seien dann verschiedene Größen 
erforderlich, die indes bei fabrikmäßiger Herstellung nicht so teuer 
würden; er genüge dann den Ansprüchen der Antisepsis. 

Reinhard. 

m 

Fremdkörper in der Nasenhöhle als Ursache von Kleferhöhlen- 
empyemen. Von Dr. Krebs in Hildesheim. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., 

LI V, 2.) 

K. teilt 2 Fälle mit, bei welchen infolge von Fremdkörpern 
(Weizenkorn und Gummilutscher einer Milchflasche) Eiterung in der 
Nasenhöhle und Fortleitung auf die Kieferhöhle entstanden warj in dem 
einen der Fälle hatte zufällig die Integrität der Highmorshöhle vor 
dem Eindringen des Fremdkörpers konstatiert werden können. K. betont, 


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daß ein Uebergreifen einer Naseneiterung auf 'die Nebenhöhlen ohne 
Vermittlung einer Phlegmone oder Periostitis bis jetzt in Abrede 
gestellt worden ist. Keller. 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Chirurgische Behandlung der Gaumensegelinsuffizienz. Von R. Botey. 
(Revista de Ciencias medicas de Barcelona, Oktober 1907.) 

Die Kürze des Gaumensegels verursacht, wie man weiß, einige 
Störungen der Sprache und des Schluckaktes. Der Verfasser hat ein 
operatives Verfahren adoptiert, das ihm gute Resultate gab. Von der 
hinteien Wand des Pharynx exzidiert er ein senkrechtes und zentrales 
Stück von Schleimhaut (15 bis 16 mm Breite, 30 bis 40 mm Länge). 
Nach der Exzision macht er die Naht der Wundränder mit Hilfe einer 
rechtwinklig gebogenen Nadel. Durch die narbige Schrumpfung und 
den Zug, der auf diese Weise auf das Gaumensegel ausgeübt wird, 
verschwindet die unangenehme Kürze des Organs. Verfasser schlägt 
auch seine Operation zur Korrektur der näselnden Stimme nach der 
Staphylorrhaphie vor. Menier. 

Die Paralyse des Muse, cricothyreoldeus. Von Prof. Dr. Holger Mygind 
in Kopenhagen. (Arch. f. Laryngol., Bd. 18, H. 3.) 

Verfasser gibt auf Grund von 4 eigenen und 13 anderweitig ver¬ 
öffentlichten Fällen eine Symptomatologie des seltenen Leridens: 
Mangelhaftes Vermögen, hohe Töne hervorzubringen, schnell eintretende 
Ermüdung bei der Intonation; die Heiserkeit ist nicht stark hervor¬ 
tretend; die Möglichkeit, die mangelhafte Kontraktion # des betreffenden 
Muskels und bei der Intonation das Fehlen der Verminderung des 
Abstandes zwischen Cart. thyreoidea und cricoidea durch äußere 
Palpation nachzuweisen, bezweifelt M. Das wichtigste Kriterium bietet 
nach ihm der laryngoskopische Befund: 

1. Schrägstellung der Stimmritze, und zwar so, daß ihr vorderes 
Ende nach der allein oder vorwiegend gelähmten Seite verschoben ist. 

2. Unregelmäßige Begrenzung der Stimmritze während der Intonation 
und besonders bei Respiration. 

3. Zahlreiche unregelmäßige Vertiefungen und Falten der Ober¬ 
fläche der gelähmten Stimmritze, die dadurch das Aussehen eines 
im Winde flatternden und — bei kräftiger Intonation — eines auf¬ 
geblähten Segels erhält., 

4. Verschwinden der Stimmlippe bei der Inspiration in die laterale 
Kehlkopfwand, von der sie gleichsam aufgenommen wird. 

5. Herabsetzung oder Aufhebung der Reflexreizbarkeit der Kehl¬ 
kopfschleimhaut. 

Die Lähmung des M. crico-thyreoideus beruht in der weit über¬ 
wiegenden Mehrzahl der Fälle auf einem Leiden des Nervus laryngeus 
sup. und ist nur ausnahmsweise rein muskulären Ursprungs. 

Dr. R. Hoffmann (Dresden). 


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Zur Rekurrensfrage. Voq Privatdozent Dr. Grabower in Berlin. (Arch. 
f. Laryngol., Bd. 18, H. 3.) 

Als Ergänzung zuKuttner’s in einem der vorhergehenden Hefte des 
Archivs f. Laryngologie erschienenen kritischen Betrachtungen teilt G. 
zuuächst einen Fall mit, bei dem er die Wirkung der Rekurrensdurch- 
schneidung beim Menschen intra vitam beobachten konnte. Die 
Durchschneidung war bei einem 17jährigen Paientin während der 
Operation einer Struma rechterseits erfolgt. Bald nach der Operation 
trat Kurzatmigkeit des Patienten ein, die Stimme war klar, während 

4 Tage später die Kurzatmigkeit gewichen, die Stimme aber heiser 
geworden war. Diesen Wechsel der Erscheinungen erklärt H. in der 
Weise, daß anfangs der M. thyreo-cricoideus die gelähmte Stimmlippe 
gespannt und dadurch in die Medianlinie gezogen habe, während später 
bei Nachlaß der Kontraktion des genannten Muskels die Stimmlippe 
in ihre Gleichgewichtslage d. h. die Cadaverstellung zurückgewichen 
sei, in der sie bei der laryngoskopischen Untersuchung 7 Tage nach 
der Operation gefunden wurde. 

MitKuttner ist G. der Ansicht, daß die Broekaert’schen anatomi¬ 
schen Befunde nicht die Gültigkeit der Rose nbach-Semon ’schen Posti- 
kuslehre anzufechten im Stande sind. Was die Ursache dieses Gesetzes 
von der leichteren Hinfälligkeit desPostikus betrifft, so teilt Verfasser nicht 
die Ansicht Kuttners, daß sie in einer biologischen Differenz der 
Kehlkopfmuskeln zu suchen sei, vielmehr beruht sie nach G. auf der 
von ihm festgestellten Tatsache (Arch. f. Laryng., Bd. 10, Heft 2), daß 
der Muse, posticus unter allen Kehlkopfmuskeln sowohl absolut wie 
relativ am spärlichsten mit Nervenfasern versorgt sei, so daß eine den 
Nerveiistamm treffende Schädigung die Gesamtheit fidler zum Postikus 
führenden nervösen Elemente am ehesten betreffen und funktionsunfähig 
machen könne. 

Der von Kuttner als Ausnahme von der Regel zugegebene Fall 
von Saundby ist nach G. nicht ein wandsfrei, weil im Sektionsbefund 
der Rekurrens als „angefressen u bezeichnet wird, so daß die Möglichkeit 
gegeben ist, daß die partielle Schädigung gerade die Adduktorenfasern 
örtlich betroffen habe. Wenn der Fall einwandsfrei wäre, so könnte 
er von G.’s Standpunkt« aus nur so erklärt werden, daß es sich um 
eine anatomische Varietät in der Verteilung der Nervenfasern zu 
Gunsten des Postikus und zu Ungunsten der Adduktoren handelte. 

Dr. R. Hoffmann (Dresden). 

Beitrag zur Serumbehandlung der Basedowschen Krankheit. Von 

Dr. Mayer, Spital- und Bahnarzt in Löffingen. (Müuchener med.Wochen¬ 
schrift, 53. Jahrg., Nr. 49.) 

Es handelte sich um eine 23jähr. Pat., ein großes blasses stark 
abgemagertes Mädchen, subnormale Temperatur, Pulsfrequenz 140—160. 
Deutliche, stark hervortretende Basedowsymptome; sie machte einen 
moribunden Eindruck. Behandlung mit Thyreoidinserum Möbius: Be¬ 
ginn mit geringen Dosen; zunächst dreimal täglich 10 Tropfen, um 

5 Tropfen bis zu 30 Tropfen steigend. Schon am vierten Tage, nach 
Verbrauch von zirka 5 ccm Serum, deutliche Besserung, das Allgemein¬ 
befinden hob sich, Puls 100—120 in der Min. Nach 8 Tagen hatte 


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Pat. sich soweit erholt, daß sie leichte Hausarbeit verrichten konnte. 
Weitere Therapie: dreimal täglich 20—30 Tropfen Serum, bis zirka 
20 ccm verbraucht waren, der Exophthalmus ging zurück; Struma¬ 
umfang verringerte sich um 2 cm. Pulsfrequenz 100. Pat. verrichtet 
viel Feldarbeit. Reinhard. 

Blutegel ln der Trachea. Extraktion durch die direkte Brpncho, 
skopie. Von Tapia. (Archivos de rinologia, laringologia y otologfa- 
Juli- August 1907.) 

Das Tier war sieben Monate in der Trachea geblieben. Seine 
Extraktion war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da es zurzeit 
der Extraktion noch lebendig war und schnelle Bewegungen ausführte. 
Verfasser konnte es endlich am Kopfende mit der Zange ergreifen und 
glücklich herausziehen. Die Genesung war, um so zu sagen, augen¬ 
blicklich. Es blieben nur auf der Tracheaiwand zwei kleine dunkelrote 
Flecke an der Stelle, wo sich das Tier festgesetzt hatte. Menier. 

Zur Verhütung der nach Intubation und sekundärer Tracheotomie 
zuweilen sich einstellenden Kehlkopfsteitosen. Vortrag, gehalten in 
der Sektion für Kinderheilkunde der Naturforschervcrsammlung zu Meran 
am 27. September 1905. Von H. v. Ranke. (Münchener med. Wochen¬ 
schrift, 52. Jahrg., Nr. 42.) 

Verfasser machte die Erfahrung, daß in einigen Fällen, wo er nach 
der Intubation die Tracheotomie ausgeftihrt hatte, es nicht mehr 
gelang, die Kanüle zu entfernen und führt dies nicht «auf das ursprüng¬ 
liche Druckgeschwtir im Kehlkopf zurück, welches nach Ansicht anderer 
zur Narbenstenose des Kehlkofes führt, sondern «auf die dauernde 
Ausschaltung des Kehlkopfes aus der Atmung nach der Tracheotomie 
durch die Kanüle, welche zur stenosierenden Vernarbung führt. Er 
läßt dieselbe daher nur 2 oder 3 Tage liegen und greift erforderlichen 
F«alles vorübergehend nochmals zur Intubation. Reinhard. 

T&nnensamen Im rechten Bronchus; keine Einkeilung. Extraktion 
durch eine einfache Tracheotomie. Von Ricardo Botcy. (Archivos 
de rinologia, laringologia y otologia. Juli-August 1907 .) 

Der betreffende Patient, ein Knabe von 5 Jahren, hatte ein Tannen- 
sämchen aspiriert; auf der Stelle hatte er einen Erstickungsanfall, dem 
eine tiefe Ohnmacht folgte, Verminderung des vesikulären Geräusches 
rechferseits. Nach der Erholung war der Zustand ziemlich gut; der 
Knabe litt nur an Dyspnoe und Husten. Dieser hatte .den Charakter 
des Hustens bei einer Tracheo-Bronchitis. Die Radiographie zeigte 
den Fremdkörper im rechten Bronchus. Nach der Tracheotomie im 
Augenblick, wo m«an im Begriff war, die Bronchoskopie auszuführen, 
wurde der Fremdkörper durch einen Hustenstoß bis an die Wund¬ 
ränder herausbefördert. Er war 5 Monate und 11 Tage im Bronchus 
geblieben. Es ist wahrscheinlich, daß seine Dimensionen den Eintritt 
in den Bronchus nicht gestatteten, darum hatte er nur den Bronchus wie 
ein Pfropfen verstopft. Die Erfahrung hat Verf. gelehrt, daß ein in 
einem Bronchus eingekeilter Fremdkörper niemals Erstickungsanfalle 
verursacht; der Patient leidet nur an einer beständigen Dyspnoe, die 
mehr oder weniger ausgesprochen ist und manchmal ganz fehlen kann. 


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— 151 


Wenn die Auskultation, die Radioskopie uns zeigen, daß ein Fremd¬ 
körper in einem Bronchus sitzt und wenn der Patient Erstickungs¬ 
anfälle hat, können wir sicher sein, daß der Fremdkörper nicht ein¬ 
gekeilt ist und sich in der Richtung vom Bronchus nach der Trachea 
bewegt. Menier. 

Die Verbreitung des Skleroms in Steiermark. Von Dr. Otto Mayer 
in Graz. (Arch, f. Laryngol., Bd. 18, H. 3.) 

Mitteilung von 26 an der Grazer Klinik beobachteten Fällen der 
Krankheit. Verfasser gibt eine Schilderung der geographischen Lage 
des steierischen Skleromgebietes, der dortigen klimatischen Verhältnisse, 
der Beschäftigung der Kranken, die meistens der ärmlichsten Volks¬ 
klasse angehörten, der Nationalität u. s. w.; er streift die Frage der 
Infektiosität und Kontagiosität und bespricht schließlich die MaLregeln 
zur Bekämpfung der Krankheit: die Anzeigepflicht, an die sich eine 
sanitätspolizeiliche Ueberwachung schließen müsse, Visitation der durch¬ 
seuchten Gebiete durch einen Facharzt und Einrichtung von Sklerom- 
heimen, die nach Analogie der Leprahäuser besonders durch Schaffung 
günstiger hygienischer Verhältnisse wirken sollen, ohne erhebliche 
Einschränkung der persönlichen Freiheit der Kranken, um diese nicht 
vom Eintritt in die Anstalt abzuschrecken. 

Dr. R. Hoffmann (Dresden). 

Ueber den therapeutischen Wert vollständiger Stimmruhe bei der 
Anstaltsbehandlung der Kehlkopftuberkulose. Von Felix Semon 
in London. (Berliner klin. Wochenschr., 43. Jahrg., Nr. 47.) 

Verfasser versteht unter Stimmruhe das völlige Schweigen seitens 
des Kranken im Gegensatz zu der Ruhigstellung des Kehlkopfes, 
welche durch-die Tracheotomie herbeigeführt und von M. Schmidt als 
wirksamstes Mittel bei der Behandlung der Kehlkopftuberkulose hervor¬ 
gehoben wird. Semon spricht nun der ersteren Methode warm das 
Wort, besonders seitdem ihr ein mächtiger Bundesgenosse in der Ver¬ 
allgemeinerung der Anstaltsbehandlung der Lungentuberkulose ent¬ 
standen ist. Mit dem Eintritt in die Anstalt fällt nach ihm ni^ht nur 
die Notwendigkeit, sondern meistens auch die Versuchung fort, das 
schonungsbedürftige Organ unnötig zu gebrauchen; freilich bedürfe es 
aller Energie seitens des Kranken, das Gebot des Schweigens durch¬ 
zuführen. S. betrachtet die Methode als ein wertvolles Hilfsmittel 
neben der Lokalbehandlung in Fällen entzündlicher Reizung des Kehl¬ 
kopfes bei der Lungentuberkulose, besonders bei hartnäckigen Katarrhen 
des Kehlkopfes, Kongestion der Stimmbänder, Relaxation der Taschen¬ 
bänder und in weiter vorgeschrittenen Fällen bei umschriebener 
Ulzeration der Stimmbänder, Geschwüren in der Interarytänoidfalte, 
allgemeiner Infiltration und Bewegungsstörungen des Crico-Arytänoid- 
gelenks. Er erwartet jedoch nichts von ihr in jenen trostlosen Fällen 
des letzten Stadiums, in welchen der ganze Kehlkopf tiefgehender 
Ulzeration und teilweiser Perichondritis anheimgefalleu ist. Die Ge¬ 
samtzahl seiner Fälle ist nicht groß genug, um auf sie ein ab¬ 
schließendes Urteil zu bauen, berechtigt aber, die Methode zur Nach¬ 
prüfung zu empfehlen. Reinhard. 


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Zur Frühdiagnose und Behandlung des Kehlkopfkrebses. Fortbildungs* 
vortra^; von Prof. Dr. B. Baginsky in Berlin. (Deutsche med. Wochen¬ 
schrift, 32. Jalirg., Nr. 11.) 

W ie für die Karzinome im allgemeinen, so kommt es für die 
Larynxkarzinome in besonders erhöhtem Maße auf eine frühzeitige 
Diagnose und rechtzeitiges Handeln an, wenn man ein gutes Resultat 
erzielen und Rezidiven Vorbeugen will. Zu diesem Zweck, d. h. zur 
Erreichung einer frühzeitigen Erkenntnis führt Verfasser das gesamte 
Rüstzeug aller uns zu Gebote stehenden Mittel der Reihe nach auf; er 
weist auf die Rolle hin, welche Alter und Geschlecht spielen, macht 
aufmerksam auf den Habitus, Lungenbefund und Ergebnis der Sputum¬ 
untersuchung, wobei ein positiver Befund zur Klärung der Diagnose 
beitragen, der negative aber nicht unbedingt gegen die Annahme eines 
Karzinoms verwendet werden kann. Ferner erinnert er an die Mög¬ 
lichkeit des Vorkommens von Mischformen von Tuberkulose der Lungen 
und Karzinom des Larynx, was ebenfalls für syphilitische Prozesse 
gelte, die sieh im Larynx etablieren können, entweder isoliert oder mit 
Karzinom zusammen. Hierbei müssen für die Diagnosenstellung heran¬ 
gezogen werden die Anamnese, die Untersuchung des übrigen Körpers 
auf Narben und andere verdächtige Momente, und endlich die An¬ 
wendung antisyphilitischer Mittel, sei es großer Gaben Jodkalium oder 
einer lnunktionskur. Des weiteren liefert Verfasser eine genaue Be¬ 
schreibung der laryngoskopischen Bilder bei den einzelnen Formen des 
Kehlkopfkrebses und weist auf die Möglichkeit der Verwechselung des 
Karzinoms mit gutartigen Tumoren, Fibromen etc., mit der Pachy- 
dermie hin. Diese mannigfachen Schwierigkeiten in der frühzeitigen 
Erkennung des Kehlkopfkrebses lassen sich am besten beseitigen durch 
die mikroskopische Untersuchung exstirpierter Stücken der Geschwulst; 
aber auch diese Methode hat ihre Grenzen und im Falle eines negativen 
Befundes ist eine wiederholte Untersuchung exstirpierter Stückchen 
nötig, erforderlichenfalls nach vorheriger Spaltung des Kehlkopfes. 
Hat man auf diese Weise die Diagnose gestellt, so schreite man un¬ 
verzüglich zu der einzigen und sicheren Therapie, das ist die frühzeitige 
operative Entfernung der krankhaften Neubildung. Dieselbe ist zwei¬ 
facher Art, entweder endolaryngealer oder extralarvngealer durch 
Spaltung des Kehlkopfes. Verfasser gibt ein ausführliches Bild der 
Methoden, sowie eine genaue Indikationsstellung für den zu wählenden 
Eingriff. Er unterscheidet bei den extralaryngcalen Operations¬ 
methoden die folgenden: 1. die Laryngofissur a) nur mit Entfernung 
des Tumors; b) mit gleichzeitiger Entfernung des etwa erkrankten 
Knorpels (Resectio laryngis)); 2. die Pharyngotomia subhyoidea und 
3. die Exstirpatio laryngis und zwar a) halbseitig, b) total. Jede 
einzelne Methode wird eingehend geschildert, ihre Geschichte und ihre 
Resultate ausführlich beschrieben. Reinhard. 


Notiz. 

Mit dem in Wien vom 21. bis 25. April 1908 unter dem Protekto¬ 
rate des Erzherzogs Frau z F e r d i n a n d tagenden internationalen 
Laryugo-Rhinologenkongreß ist eine laryngo-rhinologische Ausstellung 
verbunden. Das Programm des Kongresses macht unter anderem auf 


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153 — 


folgende Punkte aufmerksam: ¥ o n t a g, 20. April, abends 8 Uhr: 
Zwanglose Zusammenkunft der Kongreßmitglieder in der Volkshalle 
des Rathauses, woselbst aueli Speisen serviert werden. D i e n s t a g, 

21. April, um 11 Ehr vormittags: Die feierliche Eröffnung des Kon¬ 
gresses und der Ausstellung in den Festräumen der Universität (I., 
Franzensring 3). — Vorläufiges Programm der Eröff¬ 
nungssitzung: 1. Begrüßung und Eröffnung des Kongresses durch 
den Präsidenten llofrat Prof. I)r. (). C h i a r i (Wien). 2. Bericht des 
(«eneralsekretärs Prof. Br. M. (! roßmann (Wien). 3. Ansprachen 
(die Reihenfolge wird später bekanntgegeben). 4. Festrede auf 
T ü rck und C z e r m a k, gehalten vom Ehrenpräsidenten Hofrat 
Prof. Er. L. Schrot ter Ritter v. Kristelli (Wien). 5. Er¬ 
öffnung der Ausstellung. Die Stadt Wien hat die Kongressisten und 
ihre Damen zu einem Empfange im Rathause eingeladen. Das detail¬ 
lierte Programm der gesellschaftlichen Veranstaltungen wird später 
ausgegeben. Das Bankett dürfte am 23. April, um 7 Uhr abends, im 
Hotel Continental (IT., Praterstr. 7) stattfinden. Die Mitglieder und 
ihre Damen.werden gebeten, an dem Bankett (Preis 20 K. pro Person, 
inklusive Getränke) teilzunehmen und sich zu diesem Zwecke beim 
Kassier, Herrn Dr. G. Sehe ff (Wien I., Hoher Markt 4), anzumel¬ 
den. Nach Einsendung von 20 K. pro Person an den Kassier werden 
die Bankettkarten übermittelt werden. — Wissenschaftliche 
V e r h a n d 1 u n g e n. Ort: K. k. Gesellschaft der Aerzte, IX., Frank¬ 
gasse 8. Von Mittwoch, 22. April, bis Samstag, 25. April, finden täglich 
von ‘/--'IO Uhr vormittags bis 1 Uhr nachmittags und von J /:?3 Uhr 
bis 5 Uhr nachmittags wissenschaftliche Sitzungen statt. Jede dieser 
Sitzungen soll durch ein Referat eingeleitet werden, an das sich dann 
die Vorträge in der Reihenfolge der Anmeldungen anschließen. In der 
Reihenfolge der Vorträge tritt insofern eine Aenderung ein, als sämt¬ 
liche Wiener Kollegen zugunsten der Gäste von ihrer infolge der An¬ 
meldung erworbenen Rangordnung zurücktreten. Auch müssen sich 
die Vorsitzenden Aenderungen in der Reihenfolge Vorbehalten. De¬ 
monstrationen von Kranken finden Mittwoch, den 22. April, nachmit¬ 
tags, nach dem Referate statt. — Referate. Mittwoch, den 

22. April, vormittags: B. F r ä n k e 1 (Berlin), Referent, L e r in o y e z 
(Paris), Korreferent: Die Laryngologie und Rhinologie vom allgemein- 
medizinischen Standpunkt. Unterricht und Prüfung in diesen Fächern 
in den verschiedenen Staaten. Nachmittags: () n o d i (Budapest), Re¬ 
ferent, Kuhnt (Königsberg), Korreferent: Zusammenhang der Er¬ 
krankungen der Nase und des Nasenrachenraumes mit denen des Auges. 
Donnerstag, 23. April, vormittags: Sir Felix Semon (Lon¬ 
don), Referent: Die Allgemeinbehandlung lokaler Leiden der oberen 
Luftwege. Nachmittags: Burger (Amsterdam), Referent, Gra- 
denigo (Turin), Korreferent: Die diagnostische und therapeutische 
Bedeutung der Röntgenstrahlen und des Radiums in der Laryngologie 
und Rhinologie. Freitag, 24. April, vormittags: Gleitsmann 
(New York), Referent, Heryng (Warschau), Korreferent: Behand¬ 
lung der Tuberkulose der oberen Luftwege. Nachmittags: Vorträge. 
Samstag, 25. April, vormittags: J u r a s z (Heidelberg), Referent: 
Internationale Laryngo-Rhinologenkongresse. — Das Bureau des 


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— 154 — 


Kongresses befindet sich vom 14. bis 27. April im Hause der Ge¬ 
sellschaft der Aerzte (IX., Frankgasse 8) und wollen von da ab alle 
Anfragen dahin gerichtet werden. Während der Tagung des Kongres¬ 
ses wird ein Tageblatt erscheinen und den Kongreßmitgliedern zur Ver¬ 
fügung stehen. In dem Hause der Gesellschaft der Aerzte ist ein Raum 
für Spiegeluntersuchungen vorgesehen. — Gleichzeitig mit dem in 
Wien vom 21. bis 25. April 1908 tagenden internationalen Laryngo- 
Rhinologenkongreß wird in den Räumen der k. k. Universität (I., Fran¬ 
zensring 3) eine Ausstellung von Objekten, welche auf die 
Laryngologie und Rhinologie, Oesophagoskopie und Bronchoskopie 
Bezug haben, stattfinden. Zur Ausstellung gelangen: Untersuchungs-, 
Operations- und Behandlungsinstrumente, Inhalations-, elektromedi- 
zinische, Beleuchtungsapparate und sonstige technische Hilfsmittel, 
Prothesen und so weiter; ferner Handschriften, Bücher, Präparate, Ab¬ 
bildungen. Bisher sind 68 Aussteller angemeldet; in beschränkter An¬ 
zahl können Anmeldungen noch bis zum 1. April angenommen werden. 
Hervorzuheben wäre, daß zahlreiche Manuskripte der durch den Kon¬ 
greß zu feiernden Gelehrten T ü r c k und G z e r m a k, sowie von ihnen 
benutzte Instrumente (u. a. die von T ü r c k und Czermak zuerst 
gebrauchten Kehlkopfspiegel) ausgestellt werden. — Jene Herren, die 
einen Gipsabguß der Büste T ii r c k s zu erwerben wünschen, können diese 
um den Betrag von 12 K. durch das Bureau des Kongresses vom Kunst- 
gießer Herrn Schrott (Wien XII.. Dunklergasse 14) beziehen. Gips¬ 
abgüsse der Büste Ozermaks sollen angefertigt werden, wenn eine 
größere Zahl von Kongreßmitgliedern dies wünscht. — Aus der Ge¬ 
schäftsordnung sei hervorgehoben: Die Vorträge können in 
deutscher, englischer und französischer Sprache abgehalten werden. 
Für jeden Vortrag sind höchstens 20 Minuten eingeräumt. Bei der 
Diskussion können die Redner nur 5 Minuten für sich in Anspruch 
nehmen und zu einem und demselben Vortrage nicht öfter als einmal 
das Wort ergreifen. Die Mitgliedstaxe beträgt 25 K. “ 20 M. und ist 
beim Tresofier des Kongresses, Herrn Dr. Gottfried Scheff 
(Wien I., Hoher Markt 4), oder bei den Delegierten der einzelnen 
laryngo-rhinologischen Gesellschaften zu entrichten. Erst auf Grund 
dieser Bezahlung kann die Mitgliedskarte bezogen werden. Zur Er¬ 
innerung an die Türck -Czermak -Feier wird an die Mitglie¬ 
der des Kongresses eine mit dem Bildnis der beiden Forscher ge¬ 
schmückte Medaille verteilt werden. Es ist dafür Sorge getragen, daß 
auch für Nichtmitglieder diese Medaille zum Preise von 20 K. erhält¬ 
lich ist. 


Alle für die Monatsschrift bestimmten Beltrlce und Referate sowie eile Druck¬ 
schriften, Archive und Tausch-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe men sn Herrn Hofrat 
Prot f>r. I«. v. Behrtftter in Wien IX, Mariannengaeee 8, sn senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate Uber ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare dsron su senden. Beitrüge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 80 Separat-Abzüge beigegeben. 


Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Heidelberg. 
Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 
Prack von Carl Mars ebner, Berlin SVT., Alexandrinenstr. 110. 


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Aus der Ohrenabteilung der allgemeinen Poliklinik in Wien 
_(Vorstand: Dozent Dr. Gr. Alexander)._ 


Zur klinischen Diagnostik des Mittelohr¬ 
cholesteatoms. 

Von 

Dr. 6. W. Mackenzie, Aspirant der Abteilung. 

(Mit 3 Textfiguren.) 

Bei aller Verschiedenheit der Anschauungen der Autoren über die 
Behandlungsmethoden der chronischen Mittelohreiterung ist man be¬ 
züglich der durch Cholesteatom komplizierten Eiterungen mehr oder 
weniger einer Meinung: daß nämlich das Cholesteatom eine nicht 
unbedeutende Komplikation der Mittelohreiterung darstellt, daß es 
ständig die Gefahr einer intrakraniellen Komplikation in sich birgt und 
auch das Hörvermögen des Patienten hochgradig schädigt. Mit Rücksicht 
darauf und die relative Häufigkeit des Mittelohrcholesteatoms kommt 
ihm die größte klinische Bedeutung zu. Bekanntlich hat man primäre 
und sekundäre Cholesteatome zu unterscheiden. Die primären Choleste¬ 
atome sind zumeist angeboren und finden sich in Form kleiner Tumoren 
mitunter im äußeren Gehörgang oder am Trommelfell, in größerem 
Umfang manchmal als Cholesteatome der Dura. Weit häufiger sind 
die sekundären Cholesteatome; sie bilden sich im Verlaufe chronischer 
Mittelohreiterungen, indem die Epidermis des Gehörganges in continuo 
oder in Form isolierter Herde in das Mittelohr übergeht. Ein näheres 
Eingehen auf die Anatomie des Cholesteatoms liegt nicht in dem 
Plane der vorliegenden Arbeit. 

Nach dem oben Gesagten erscheint es von großer Bedeutung, 
ein Mittelohrcholesteatom frühzeitig zu diagnostizieren, womöglich 
fcu einer Zeit, zu welcher Knochenusuren noch nicht eingetreten sind. 


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156 — 


Bisher ist in der Literatur der Standpunkt vertreten, daß ein 
Cholesteatom nur mit Sicherheit diagnostiziert werden kann, 
wenn längere Zeit hindurch der Abgang von gelbweißen, mitunter 
perlmutterähnlich glänzenden Epidermismassen aus dem Mittelohr 
beobachtet wird. Dagegen sei die Diagnose umschriebener, nicht ver¬ 
eiterter Cholesteatome des Warzenfortsatzes und des Antrums klinisch 
fast unmöglich und die Diagnose dieser Tumoren erfolgte erst bei der 
Operation oder vorher in Fällen akuter Verjauchung des Choleste¬ 
atoms, die allerdings fast in allen Fällen gleichzeitig schwere intrakranielle 
Komplikationen mit sich bringt. Ein anderes diagnostisches Merkmal 
ist durch den charakteristischen Geruch des Cholesteatoms gegeben, der 
an den Geruch des Atherominhaltes erinnert, auch an den Geruch von 
in Zersetzung befindlicher Epidermis (Fußschweiß). Endlich liefern 
noch Anhaltspunkte die randständige Perforation, durch welche 
ohne Zweifel das Ueberwandern von Epidermis in das Mittelohr 
begünstigt wird. 

Der Cholestearingehalt des Cholesteatoms wurde ursprünglich als 
charakteristisch für die Geschwulst angesehen und Johannes Müller 
hat ja diese Tumoren dem Cholestearingehalt entsprechend Cholesteatome 
genannt. 

Virchow hielt diesen Namen für nicht zutreffend. Er wies darauf 
hin, daß Cholestearin an sehr vielen Stellen des Organismus vorkomme 
und daß es daher keinen wesentlichen, außerdem aber auch nicht einen 
beständigen Befund der Cholesteatome darstellt. Er führte für diese 
Geschwulst den Namen Perlgeschwulst ein. 

Lucae gelangt zu folgendem Schluß: „Was die zwischen die, 
Lamellen der Geschwulst eingestreuten Cholestearinkrystalle betrifft, 
so ist das Vorkommen derselben ein sehr unregelmäßiges.“ 

Körner trifft nach der Menge des Cholestearingehaltes die 
Gruppierung in wahre (mit Cholestearin) und Pseudocholesteatome (nur 
Epidermis ohne Cholestearinkrystalle). 

In jüngster Zeit hat Haicke 1 ) Cholesteatome chemisch untersucht. 
Er ging von folgender Ansicht aus: Da es sich beim Cholesteatom um 
eine durch besondere Umstände, wahrscheinlich einen Entzündungs¬ 
prozeß bedingte UebeiProduktion von Plattenepithel handelt, ist an¬ 
zunehmen, daß es sich unter anderem in den produzierten Zellen auch 
um chemische Veränderungen handeln könne; das sei dadurch wahr¬ 
scheinlich gemacht, daß verschiedene mikroskopisch übereinstimmende 

J ) Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 67. Festschrift für Schwartze. 


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— 157 — 


Teile des Cholesteatoms gegenüber demselben Farbstoff eine verschiedene 
Färbbarkeit zeigen. Die chemische Untersuchung ergab nun in den 
Ohrcholesteatomen neben Cholestearin einen Cholestearinester. Dieser 
stellt eine wachsartige, zähe, klebrige Masse dar, welche nach Haicke 
das feste Aneinanderhaften der Zellen in der Geschwulst erklärt. In 
den Cholesteatomen tritt somit das Cholestearin in zwei Formen auf: 
in Krystallen und in amorpher Gestalt, entsprechend dem Cholestearin¬ 
ester. Mitunter liefert der Cholestearinester kleinste Krystallnadeln 
oder aus dieser zusammengesetzte Krystallbüschel. Salkowsky 
hat auf Veranlassung Haicke8 normale Epidermis und Cholesteatom- 
epidermis quantitativ auf den Cholestearin- resp. Cholestearinnester- 
gehalt untersucht. Es fand sich im Mittelohrcholesteatom in 
einem Falle 23,2 Proz., in einem anderen Falle 18,5 Proz., in einem 
Gehörgangcholesteatom 20,5 Proz., in normaler Epidermis 10,G Proz. 
Mit diesem Befund erscheint klar bewiesen, daß das Cholestearin einen 
konstanten uud wesentlichen Bestandteil des Cholesteatoms darstellt. 

Die chemische Prüfung kann diagnostisch leider bisher keine An¬ 
wendung finden, da für sie die spontan mit dem Ohreiter nach außen 
gelangte oder durch Spülung gewonnene Cholesteatom teile quantitativ 
nicht ausreichen. Sie kann nur an den operativ entfernten Choleste¬ 
atomen vorgenommen werden und stellt daher lediglich eine anatomische 
Probe dar. 

Nach diesen bisherigen diagnostischen Hilfsmitteln sind wir von einer 
exakten, klinischen Diagnose des Mittelohrcholesteatoms weit entfernt. 

Wiederholter Abgang von Cholesteatomteilen wird nur bei großen 
oder vereiterten Cholesteatomen erfolgen. Diese Methode wird somit 
eine Frühdiagnose vollkommen unmöglich machen. Erfolgt doch bei 
vereinzelten Fällen überhaupt keine Eitersekretion: Durch Wochen er¬ 
scheint das Mittelohr trocken, die chronische Eiterung geheilt. Bei 
der Häufigkeit von fötider Eiterung in Fällen von chronischer 
Mittelohrentzündung kommt auch fast niemals der charakteristische 
Cholesteatomgeruch, den wir von den Operationen her kennen, vorher, das 
heißt bei der klinischen Untersuchung des Falles, zur Geltung. Die rand¬ 
ständige Perforation gibt endlich nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose. 
Sie ist für uns umsoweniger von Wert, als wir wiederholt bei nicht 
randständiger, ja mitunter zentraler Perforation Cholesteatome fanden 
und es somit gefährlich ist, aus der Tatsache, daß die Perforation nicht 
randständig ist, ein Cholesteatom auszuschließen. 

In der Hoffnung, durch die mikroskopische Untersuchung des 
Mittelohrsekretes zu einer sicheren Cholesteatomdiagnose zu gelangen, 


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— 158 — 


hat Alexander schon seit mehreren Jahren die Prüfung aller in die 
Klinik aufgenommenen Fälle von chronischer Mittelohreiterung durch¬ 
geführt. Es ergab sich gar bald, daß Cholestearinkrystalle (Chole- 
stearintafeln) keineswegs so inkonstant sind, als man nach den in der 
Literatur vorhandenenen Angaben glauben könnte, und es erschien 
daher wünschenswert, dieser Frage an einem gleichmäßig und genau 
untersuchten Material näherzutreten. Um nun zu ganz bestimmten 
Resultaten zu gelangen, haben wir seit Mitte Oktober 1907 sämtliche 
in die Ohrenabteilung der Allgemeinen Poliklinik in Wien aufgenom¬ 
menen Fälle von Mittelohreiterung und zwar akute und chronische 
mikroskopisch untersucht, um den mikroskopischen Cholestearinbefund 
auf seine Verläßlichkeit zu prüfen. Bei dieser mikroskopischen Unter¬ 
suchung kommt es auf den Nachweis von Cholestearinkrystallen an. 
Wir haben aber auch auf Nebenbefunde Rücksicht genommen, so vor 
allem auf das Vorkommen von Fettkrystallen. Der Ausbau einer kom¬ 
plizierten Färbungsmethode lag uns ferne, da wir daran festhalten, daß 
eine derartige Methode, soll sie für den klinischen Gebrauch tauglich 
sein, einfach und schnell durchführbar bleiben müsse. Unter einer 
Totalzahl von 70 untersuchten Fällen von Mittelohreiterung waren 10 
akute Mittelohrentzündungen, 5 subakute und 55 chronische. Unter 
den chronischen Fällen fand sich in 23, das sind 42 Proz., Cholestea¬ 
tom. Die Verläßlichkeit der mikroskopischen Untersuchung geht dar¬ 
aus hervor, daß in keinem einzigen der Fälle von chronischer Mittel¬ 
ohreiterung ohne Cholesteatom Cholestearinkrystalle nachgewiesen 
werden konnten, dagegen in 23 Fällen, soweit sie die Cholestearin- 
untersuchung zuließen, Cholestearinkrystalle nachweisbar waren. Dazu 
kommt noch ein Fall von-akuter Mittelohreiterung mit mikroskopischem 
positiven Cholestearinbefund. (Von ihm ist noch weiter unten die 
Rede) Die beigegebene Tabelle umfaßt auszugsweise die Kranken¬ 
geschichten der untersuchten Cholesteatomfälle. 

Ergebnis: 

Das Alter der Patienten erstreckt sich von 3 l / 2 bis 70 Jahre, doch 
fanden sich nur 3 Fälle von über 40 Jahren. Am häufigsten gelangte zur 
Operation Cholesteatom im zweiten Dezennium. Unter dem Material 
von 24 Fällen mit positiver Cholestearinprobe waren 23 chronische 
Mittelohreiterungen, in welchen sich bei der Operation Cholesteatom, 
fand. In einem Falle von akuter Mittelohrentzündung fanden sich im' 
Spülungssekret Cholestearinkrystalle, jedoch kein Cholesteatom. In 
14 Fällen (59 Proz.) handelte es sich, abgesehen vom Cholesteatom, 


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— 159 — 

noch um andere Komplikationen der chronischen Mittelohreiterung. 
3 Fälle (Nr. 4, 15, 24) ergaben eine Fistel am lateralen Bogengang, 
3 Fälle (12, 15, 24) zeigten umschriebene Pachyleptomeningitis, 2 Fälle 
(14, 19) waren mit Subperiostalabszeß und Antrumfistel kompliziert. 
In 4 Fällen (7, 15, 18, 22) bestand Facialislähmung, in einem Falle 
(22) bestand außer dem Cholesteatom ein Epithelialkarzinom im Mittel¬ 
ohr, in 2 Fällen (11, 18) leichte Labyrintherkrankung (Labyrinthitis 
serosa Alexander), in einem Falle (9) Sinusphlebitis und Thrombose. 
In dieser Tatsache entspricht unser Material dem in der Literatur 
bekannten, wonach Fälle von chronischer Mittelohreiterung mit Chole¬ 
steatom häufiger zu intrakraniellen Komplikationen und zu Labyrinth¬ 
erkrankungen führen als Fälle von chronischer Mittelohreiterung 
ohne Cholesteatom. 

Behandlung. In allen Fällen ergab sich die Indikation zur 
Radikaloperation (ausgenommen in dem erwähnten akuten Fall) und zwar 
bestand in 14 wie oben erwähnt noch anderwärts komplizierten Fällen 
die Indikation zu. sofortiger Operation. Die übrigen 9 Fälle waren 
eine Zeitlang ohne Resultat konservativ behandelt worden. Es läßt 
sich darnach über die Indikationsaustellung Folgendes sagen: Nach 
unserer Erfahrung besteht in allen Fällen von Mittelohreiterung mit 
Cholesteatom die relative Indikation zur operativen Freilegung der 
Mittelöhrräume. Die Indikation wird zur absoluten bei Auftreten von 
Symptomen seitens des inneren Ohres oder drohender intrakranieller 
Miterkrankung. Fortgesetzte konservative Behandlung bleibt nur für 
die Fälle erlaubt, in welchen keinerlei Symptome einer otitischen 
Komplikation bestehen und das mit Cholesteatom erkrankte Ohr das 
besser‘hörende Ohr darstellt. Doch ist in diesen Fällen eine ständige 
Beobachtung des Patienten nötig. Hervorzuheben ist jedoch, dass, von 
seltenen Ausnahmefällen abgesehen, eine Dauerheilung bei chro¬ 
nischer Mittelohreiterung mit Cholesteatom nur auf opera¬ 
tivem Wege möglich ist. Bei der Freilegung der Mittelohrräume 
handelt, es sich darum, nicht bloß das Cholesteatom vollkommen zu 
entfernen, sondern auch den Knochen der Umgebung, der stets von 
der Matrix des Cholesteatoms ausgehende Cholesteatomknospen enthält, 
abzu tragen. Der Sieben mann sehe 2 ) Vorschlag, die Matrix zurück¬ 
zulassen, kann heute wohl als abgetan angesehen werden, -f 

In vielen Fällen waren die Dura, der Sinus und der Facialis 
durch das Cholesteatom schon bloßgelegt. Soweit nicht klinische 

2 ) Neuerdings im Jahresbericht für 1906. Zeitschr. f. Ohrenheilk. 1907. 


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— 160 — 


Symptome einer regionären Komplikation Vorlagen, wurde die Blo߬ 
legung der Region der Dura oder des Sinus durch Abtragung des 
Knochens der Umgebung vergrößert. So vermeidet man Cholesteatom¬ 
teile in situ zu belassen, die beim Größenwachstum des Cholesteatoms 
zwischen Dura und Knochenwand oder Sinus und Knochenwand ge¬ 
langt sind. Freiliegen der Dura oder Freiliegen des Sinus sind, sofern 
nicht klinische Zeichen einer Miterkrankung dieser Teile bestehen 
oder objektiv bei der Operation erkannt werden, nicht als Kompli¬ 
kationen aufzufassen. 

Anamnese: Alle untersuchten Fälle von Cholesteatom bis auf den 
oben erwähnten akuten Fall ergaben die typische Anamnese einer 
chronischen Mittelohreiterung. Als Ursache für diese letztere wurde 
angegeben: Masern in 6 Fällen (2, 3, 6, 11, 20, 23), Scharlach in 
2 Fällen (5, 9), Diphterie und Scharlach in 1 Falle (10), Diphterie in 
1 Falle (17), Fieber (ohne nähere Bezeichnung) in 1 Falle (12), Trauma 
(Ohrfeige) in 1 Falle (22), Ursache unbekannt in 11 Fällen (4, 7, 8, 
13, 15, 16, 18, 19, 21, 24). Es ergibt sich daraus, daß in den Fällen, 
in welchen die Ursache der Mittelohreiterung angegeben wurde, fast 
alle Cholesteatom fälle auf Mittelohreiterungen zurückzuführen sind, die 
im Verlauf akuter Infektionskrankheiten entstanden sind, an unserem 
Material am häufigsten im Verlaufe von Masern. 

In 10 Fällen (1, 4, 5, 8, 9, 11, 15, 18, 20 und 24) ergab die Anamnese 
typischen Labyrinthschwindel (Drehschwindel), darunter war in 3 Fällen 
(11, 15, 24) das statische Labyrinth vollständig funktionslos (unerreg¬ 
bar). In den übrigen Fällen, in welchen Schwindelanfälle angegeben 
wurden, zeigte die Untersuchung pathologisch gesteigerte Erregbarkeit 
des statischen Labyrinthes. Im Falle 4 ist die Anamnese bezüglich 
Schwindelanfälle vollkommen negativ, doch ergab die Operation eine 
Fistel am lateralen Bogengang. 8 Fälle, das heißt 337 3 Proz. aller unter¬ 
suchten Fälle (3, 4, 8,15,18,20, 21, 24) gaben anamnestisch meningitische 
Symptome (Kopfschmerzen, spontane und Klopfempfindlichkeit des 
Schädels, Nackensteifigkeit). In allen diesen Fällen zeigte die Operation, 
daß das Cholesteatom bis an die Dura vorgedrungen war. Außerdem 
ergab sich hier fallweise Verdickung der Dura, Auflockerung oder 
starke Injektion der Dura, Granulationen an der Außenfläche der Dura 
oder Pachyleptomeningitis. Darnach ergaben sich in mehr als 33 Proz. 
unseres Materials Veränderungen an den Meningen, somit in einem 
weit höheren Prozentsatz als in Fällen von chronischer Mittelohr¬ 
eiterung ohne Cholesteatom. In 3 Fällen (3, 19, 22), die bezüglich 
meningitischer Veränderungen anamnestisch negativ waren, ergab die 


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— 161 


Operation freiliegende normale Dura oder normalen Sinus, ohne daß 
das bis dahin reichende Cholesteatom zu anderweitigen Veränderungen 
an der Dura oder am Sinus geführt hätte. 

Ohrbefund: Totale Destruktion des Trommelfelles bis auf den 
Sulcus tympanicus zeigte sich in 13 Fällen (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9, 10, 

17, 18, 20 und 23), das Trommelfell war in Resten vorhanden in 
6 Fällen (8, 11, 14, 15, 16 und 21), Perforation an der Membrana flaccida 
mit Defekt der lateralen Attikwand und fehlendem Hammerkopf war 
in einem Falle (8, Membrana tensa vollkommen intakt), in 3 Fällen 
(12, 19, 24) war der Trommelfellbefund infolge Striktur des äusseren 
Gehörganges nicht erhebbar. In einem Falle (22) war der Gehörgang 
durch ein Plattenepithelkarzinom verlegt, in einem Falle (13) fanden sich 
multiple Perforationen (tuberkulöse Mittelohreiterung), in 4 Fällen 
(1, 6, 11, 20) bestand Synechie des Hammergriffes und der inneren 
Trommelhöhlenwand. Mittelohrpolypen und Granulationen fanden sich 
in 9 Fällen (1, 2, 6, 7, 10, 15, 17, 18 und 22), in 6 Fällen (12, 15, 17, 

18, 19 und 23) ergaben sich ausgesprochene Zeichen von Mastoiditis, 
2 Fälle davon (17, 19) zeigten außerdem einen subperiostalen Abszeß 
(bei der Operation ergab sich auch eine Antrumfistel). 

Mikroskopische Untersuchung: 

Methode: Der äußere Gehörgang des zu Untersuchenden wird 
zunächst durch Ausspritzen (250 gr-Spritze) mit Wasser von Körper¬ 
temperatur gereinigt, sodann wird noch mit kleinen, in 5proz. 
Perhydrol getauchten Wattetupfern und endlich mit Benzin getränkten 
Tupfern die Haut des Gehörganges von allen leicht ablösbaren 
Epidermisteilen befreit. • i 4 w 

Hat man dieserart den Gehörgang exakt gereinigt* so wird ein 
Attikröhrchen in das Mittelohr eingeführt und dieses durch Wasser 
von Körpertemperatur gespült. Das Spülwasser wird in einem ge¬ 
wöhnlich bei Attikspülungen verwendeten Kautschuksack 3 ) aufgefangen. 
Größere Teile setzen sich sofort zu Boden; sind durch die Spülung 
nur kleinere Teile nach außen befördert worden, so muß man zentri¬ 
fugieren. Das Sediment wird auf einen Objektträger gebracht, wenn 
nötig, in Wasser zerzupft, und das frische Präparat kann sofort mikro¬ 
skopisch untersucht werden. Am besten ist eine mittlere Vergrößerung 
von 150 bis 200 lin. 


*) oder in Papiertaschen (erzeugt und zu beziehen von H. Pathan, 
Wien XV, Zinkgasse 9). 


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162 — 


Man findet Eiterzellen, zum Teil degeneriert, zerfallen, in Mengen 
der verschiedensten Kokken, Bazillen und Saprophyten. Auf eine 
Diagnose der speziellen Art der Mikroorganismen kommt es bei 
dieser Untersuchung nicht an, zumal in Fällen chronischer Mittelohr- 



Figur 1. 


eiterung in der Paukenhöhle die verschiedensten Mikroorganismen 
angetroffen werden. Sodann finden sich sehr häufig Fettkrystalle und 
Detritus. Für die Auffindung von Cholestearinkrystallen ist die Auf- 



Figur 2. 


findung von Epidermis (besonders isolierter Epidermiszellen) im mikro¬ 
skopischen Präparat von Bedeutung. Inmitten dieser finden sich die 
typischen Cholestearinkrystalle (Fig. 1). Mitunter finden sich zerstreut 


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kustische Prüfung 

Spontai 

Nystagi 

ationsbefund 

Anmerkung 

csjstark herabgesetztes 
rvermögen. Rinne ne- 
iv. Schwabach ver¬ 
wert. C, nicht gehört, 
ind c 4 verkürzt. Uhr 
positiv 

. 

1 i 

Geringer 1 
nach beide 
beim Blic 
den Seiten 

oß. Cholesteatom 
rum. Keine La¬ 
is tel. 

Gleich nach der Operation 
heftiger rot. N. nach der 
gesunden Seite mit hef¬ 
tigem Drehschwindet u. 
Erbrechen, ders. dauerte 
3—4 Tage, um dann all¬ 
mählich zu schwinden. 
Die Prüfung nach 12 Tg. 
ergibt das Hörvermögen 
links noch mehr herab¬ 
gesetzt als vor der Ope- 


mtion. Das statische La¬ 
byrinth funkt, zwar ver¬ 
mindert noch. Leichte Fa- 
cialisparese durch 10 Tage 


lits stark herabgesetz- 
Hörvermögen, Weber 
;h der gesuuden Seite, 
)ne negativ. Schwa¬ 
ll stark verkürzt. C, 
ht gehört, a, und c 4 
rk verkürzt. Uhr K. 
j^ativ 

cs stark herabgesetztes 
rvermöpen. Weber n, 
ks, Rinne negativ, 
iwabach verkürzt C, 
ht gehört, a, und c 4 
rk verkürzt. UhrK. + 


Sehr gering 
N. nach T 
Seiten bei 
nach den 


oßes Cholesteat 
um 


Kein NyF oßes Cliotest 
beim BIi«f n *j ,, J M'ttelohr- 
den Seite.^d den \Varzen- 
erfüllend Das- 
Ichtbis zum Sinus 
zur Dura der mitt- 
ühädelgrube. La- 
fcstel wurde nicht 

in 


Wund verlauf reaktionslos 


W und verlauf reaktionslos 


Bes sehr stark lierab- 
etztes Hörvermögeu. 
iober nafcli liuks. Rinne 
ativ. Schwabach ver- 
|rzt. C, nicht gehört, 
ind c 4 stark verkürzt. 

r K+. 


Deutlicher r oßes Cholesteat. 
nach reclT um -.df s 0 bi S zu*- 
Blick nacP 1 : fnttl Schädel- 
geringer elcht Ca - 4 “ m 
Beim Bl^ 0 S en S a,, g sfistel 
links ! 


Aerseitsherabgesetztes I Deutlicher^ ^ 0 ^ estea ^ oni im 
|irker links als rechts) I nachbeidtf 
beim Blii 
den Seite 
starker n; 


rvermögen. Weber n. 


|c.s. Rinne beiders. ne- 
iv. Schwabach beider- | 
N relativ verk. C, ver- 
•zt, a, u. c 4 ein wenig | 
k.mehr links als rechts. ; 
r K. beiderseits ■+* 


Gleich nach Operation 
heftiger rot N. nach der 
gesunden Seite mit Er- 
brecli. Leichte Facialis- 
parese, die nur einige 
Tage dauerte 


Wundverlauf reaktionslos 
und normal. Keine Nach¬ 
beschwerden 


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163 — 


nur wenige Krystalle von typischer Rhombenform (Fig. 2) wechselnder 
Größe. Am leichtesten sind sie auffindbar, wenn man im mikrosko¬ 
pischen Präparat nach den Krystallwinkeln fahndet; diese sind häufig 
intakt, mitunter jedoch sind die Kanten verletzt, deren Winkel scheint 
durch eine kantige Linie ersetzt (Fig. 3), die aber nicht weniger charak¬ 
teristisch ist. Aber selbst, wenn einige Winkel gebrochen sind, läßt 
sich doch noch der eine oder andere intakte Winkel auffinden. 

Ein dritter Typus ist durch Krystalldrusen gegeben; die Krystalle 
können dann zu mehreren Hunderten im Gesichtsfelde liegen, in dicken 
Schichten liegen, und die typischen Rhombenlinien lassen sich nur am 
Rande der Drusen durch die scharfe Lichtbrechung erkennen; oft wird 
es nötig, eine größere Anzahl von Präparaten anzufertigen. Es zeigt 



mLL' v 

. 

w 

{U- 


Figur 3. 


sich, daß in Fällen von geringem Cholestearingehalt keineswegs alle 
Präparate Cholestearintafeln enthalten. Für kleinere Krystallhaufen 
ist charakteristisch, daß die Rhombenlinien der verschiedenenen an¬ 
einanderliegenden Krystalle parallel verlaufen. 

Diese Untersuchungsmethode erwies sich durchaus verläßlich, nur 
in 3 Fällen, in welchen sich bei der Operation allerdings sehr kleine 
Cholesteatome. fanden, fanden sich bei mikroskopischer Untersuchung 
keine Krystalle. 4 ) F<* kann dies darauf zurückzuführen sein, daß in 
diesen kleinen, jungen Cholesteatomen sich nur im Zentrum des Tumors, 
der bei der Auswaschung nicht erreicht wurde, Krystalle befanden oder 


4 ) wohl aber post operat. am Präparat. 


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164 — 


daß der Tumor derart in Granulationen eingebettet war, daß er von 
der Spülflüssigkeit überhaupt nicht erreicht wurde. 

Dagegen hat der positive Ausfall der Methode in keinem einzigen 
Falle versagt, von dem Ausnahmefalle Nr. 14 abgesehen, so daß der Befund 
vonCholestearinkrystalien nach der von uns oben mitgeteilten Methode ein 
verläßliches Zeichen für das Vorhandensein eines Cholesteatoms darstellt- 

Der erwähnte akute Fall ist von Beginn an in exakter Be¬ 
obachtung gewesen (Assistent Dr. Rauch). Der merkwürdige Befund 
von Cholestearinkrystallen könnte sich für diesen Fall folgendermaßen 
erklären lassen: Es lag ein stark gebogener, äusserer Gehörgang vor 
und der Winkel zwischen Gehörgang und Trommelfellbasis war sehr 
spitz und tief. Es ist sehr wohl denkbar, daß sich vor Allem im Ver¬ 
lauf der Behandlung mit essigsaurer Tonerde Epidermis hier an¬ 
sammelte und bei der Mazeration der Epidermis das Cholestearin, das 
sich ja schon in normaler Epidermis findet 5 ), in Krystallen ausgeschieden 
wurde. Diese Epidermishaufen füllten den Raum ganz aus und es 
war offenbar nicht möglich, bei der vorbereitenden Spülung des Gehör¬ 
ganges diese Epidermismassen vollkommen zu entfernen. 

Funktioneller Ohrbefund. Komplette Taubheit fand sich in 
vier Fällen (11, 15, 22, 24). Hochgradig vermindertes Hörver¬ 
mögen in 12 Fällen (1, 4, 5, 6, 7, 8, 12, 14, 16, 17, 18, 21). Mittel- 
gradig herabgesetzt war das Hörvermögen in 7 Fällen (2, 3, 9, 10,. 
13, 21, 23;. 

Der Schwabach war verkürzt in 16 Fällen (abgesehen von den 
total Tauben). Schwabach war verlängert in 5 Fällen (1, 10, 14 r 
21, 23). Die Perzeption * hoher Töne, von c 4 an, war in allen Fällen 
herabgesetzt. 

Die Uhr durch die Kopfknochen war negativ in 10 Fällen (2, 6, 
8, 9, 11, 13, 15, 16, 22, 24), positiv in 13 Fällen (1, 3, 4, 5, 7, 
10, 12, 14, 17, 18, 20, 21, 23). Der Weber wurde nach der anderen 
Seite lateralisiert in 6 Fällen (1, 11, 15, 18, 22, 24), 4 darunter waren 
total taub. In 2 Fällen (13, 23) wurde nicht lateralisiert. In allen 
übrigen Fällen ging der Weber nach der kranken Seite. 

In den 23 mitgeteilten Fällen wurde das Cholesteatom vor der 
Operation in allen bis auf 6 Fälle (5, 13, 16, 17, 22, 24) festgestellt. Im 
Falle 13 War die Perforation für die Passage des Attikröhrchens nicht 


5 ) s. Haike 1. c. 


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geräumig genug. Im Falle 17 konnte man das Cholesteatom im otoskopi- 
schen Bilde genau wahrnehmen, so daß eine mikroskopische Untersuchung 
ganz überflüssig war. Im Falle 22 verlegte das Karzinom den Gehör¬ 
gang vollständig. Im Falle 16 und 24 war der äußere Gehörgang 
hochgradig verengt, so daß das Attikröhrchen nicht bis in die Pauken¬ 
höhle eingeführt werden konnte. Unter den übrigen Fällen wurde in 
15 das Cholesteatom mikroskopisch festgestellt ( 1, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 
11, 12, 14, 18, 19, 20, 23); in 3 Fällen (2, 15, 21) war die mikro¬ 
skopische Untersuchung negativ. In 2 von diesen Fällen (2, 21) handelte 
es sich um ein sehr kleines, beginnendes Cholesteatom (s. o.). Von 
17 Fällen mit Cholesteatom ergaben vor der Operation 14 Fälle Chole- 
stearinkrystralle, d. h. auf Grund der mikroskopischen Untersuchung 
ließ sich iu 82,3 Proz. der operierten Cholesteatomfalle das Cholesteatom 
diagnostizieren. 

Statisches Labyrinth. Keinerlei spontaner Nystagmus bestand 
in 4 Fällen (3, 17, 20, 23). Geringer spontaner Nystagmus (sichtbar 
nur beim Blick nach derselben Seite) ergab sich in 5 Fällen (1, 2, 
13, 16, 18); hochgradiger Nystagmus nach beiden Seiten bestand in 
2 Fällen (12, 13). Der spontane Nystagmus war mehr nach der kranken 
Seite gelichtet in 5 Fällen (4, 5, 7, 14, 21). Diese letzten Fälle 
zeigten positive, kalorische Erregbarkeit, ln 6 Fällen (6, 8, 11, 15, 
22, 24) war der spontane Nystagmus stärker nach der gesunden Seite 
gerichtet. Diese Fälle zeigten negative oder hochgradig verminderte 
Erregbarkeit für Drehung und den galvanischen Strom. 

Gleichgewichtsst örungeii. Mehr oder weniger ausgesprochen 
waren Gleichgewichtsstörungen aber auch in Fällen von verminderter 
oder pathologisch gesteigerter Erregbarkeit nachweisbar. 

Bezüglich des Operationsbefuudes verweisen wir auf die Tabelle. 

Wundverlauf. In 15 Fällen (2, 3, 5, 8, 9, 10, 13, 14, 16, 17. 19, 
20, 21, 23, 24) war der Wundverlauf reaktionslos. Auffallend starke 
Wundsekretion ergab sich in 8 Fällen (1, 4, 7, 11, 12, 15, 18* ,22). 
Die Fälle Nr. 1, 4 und 11 zeigten postoperativ die Symptome ;i eii)er 
akuten, rasch ablaufenden Labyrinthitis, die mit erhaltener Funktion 
des inneren Ohres zur Heilung kam (Labyrinthitis serosa, 8. Alexander, 
Archiv für Ohrenheilkunde 1908). 3 Fälle von labyrinthogener 

Meningitis gelangten nach der Operation prompt zur Heilung. Eine 
geringe, aber auf lange Zeit sich erstreckende labyrinthäre Reizung 
ergab sich postoperativ im Falle 12. Im Falle 22 ist es seit der 
Operation zu einem lokalen Karzinomrezidiv gekommen. Postoperative 


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Facialparesen sind im Falle 4, 7 und 18 aufgetreten. Sie sind derzeit 
geheilt, ln den Fällen 15 und 22 blieb die vor der Operation bereits 
vorhandene Facialislähmung unverändert bestehen. 


Die Bedeutung der Röntgenstrahlen in der Rhino- 

Laryngologie. 

Von 

Prof. Dr. H. Burger, Amsterdam. 

Auszug. 1 ) 

Dem vom Kongreß-Komitee erhaltenen Auftrag, über „Die dia¬ 
gnostische und therapeutische Bedeutung der Röntgen strahlen und des 
Radiums in der Rhino-Laryngologie“ zu berichten, haben Herr Prof. 
Gradenigo-Turin und ich in der Weise Folge geleistet, daß Ersterer 
die therapeutische Wirkung der Röntgenstrahlen und des Radiums, ich 
dagegen die Bedeutung der Röntgenstrahlen für Anatomie, Physiologie 
und Diagnostik auf dem Gebiete der Rhino-Laryngologie behandeln 
werde. 

Für die Entwicklungsgeschichte ist die Röntgenologie eine 
Untersuchungsmethode ersten Ranges geworden, welche die Bildung 
von Knochenkernen und das Wachstum des Knochens zu verfolgen 
die Gelegenheit bietet, ohne die sonst immer notwendige Zerstörung 
der Präparate. Für die Embryologie des Kopfes und des Halses hat 
diese Untersuchung die Ergebnisse der histologischen Methode vollauf 
bestätigt. 

Auch für anatomische Studien bietet die neue Methode den¬ 
selben Vorteil; auch erleichtert eie in großem Maße die spätere 
Präparation. Ein weiterer Vorteil liegt in den vortrefflichen Uebersichts- 
bildera, die sie zu liefern im stände ist. Auch verschafft sie lehrreiche 
Präparate für den anatomischen und klinischen Unterricht. Endlich 
hat sie das seltene Verdienst, die rein anatomische Untersuchung 
verborgener Teile am lebenden Menschen zu ermöglichen und auch 
anatomische Abweichungen und Seltenheiten (z. B. ein verknöchertes 
Lig. stylo-hyoideum und die oft auch praktisch wichtigen Halsrfppen) 
bei Lebzeiten erkennen zu lassen. 

*) Als ich Ende Dezember 1907 diesen Auszug dem ‘Kongreßkomitee 
eililiefern mußte, waren meine Literaturstudien noch nicht abgelaufen. 
Dadurch haben jetzt die statistischen Zahlen eine Aenderung erfahren. 


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— 167 


Das Studium der Ossifikation der Kehlkopfknorpel ist durch die 
neue Methode wesentlich gefördert worden. Dieselbe hat endgültig 
dargethan, daß dieser Ossifizierungsprozeß im allgemeinen bedeutend 
früher beginnt als man bisher annahm und die früher nur von Chievits 
vertretene Ansicht über den verschiedenen Verknöcherungstypus bei 
den beiden Geschlechtern in einwandfreier Weise bestätigt. 

Besonders sind die von verschiedenen Forschern hergestellten 
Injektionspräparate hervorzuheben, deren Röntgenogramme über manchen 
fraglichen Punkt Aufschluß zu geben berufen sind, z. B. die durch 
den Schilddrüsenkörper hindurchgehenden reichlichen Anastomosen 
zwischen den Thyreoidarterien, ein Befund, der die frühere Hyrtlsche 
Auffassurig der Endäste dieser letzteren als Terminalarterien hinfällig 
macht. 

Für die Förderung der Physiologie haben die von der neuen 
Methode bereits geleisteten Dienste berechtigte hohe Zukunft¬ 
erwartungen wach gerufen. Gewiß werden die Röntgenstrahlen die' 
alten Untersuchungsmethoden niemals verdrängen; wohl aber dieselben 
unterstützen, die Lücken derselben ausfüllen, und in mancher alten 
Kontroverse definitiv entscheiden. 

Die Athmungsmechanik läßt sich auf dem fluoreszierenden Schirm 
in prachtvoller Weise studieren und auch zu Unterrichtszwecken 
demonstrieren. 

Für die Erforschung der Stimme, der Sprache und des Gesanges 
hat die Methode den großen Vorzug, daß die natürliche Lage und 
Bewegung aller in Betracht kommenden Teile in keiner Weise alteriert 
wird. 

Wenn auch die Momentaufnahme und die Kinematographie für 
das röntgenologische Studium der Sprache, des Gesanges und des 
Schluckens noch nicht anwendbar sind, so ist es dennoch bereits in 
dankenswerter Weise gelungen, einzelne Phasen dieser physiologischen 
Akten auf die photographische Platte zu fixieren, und zwar sowohl 
mit Bezug auf Zunge und Gaumen als auf die verschiedenen Kehlkopf¬ 
knorpel, auch in deren gegenseitigem Lageverhältnis. Unter den 
Errungenschaften hebe ich nur die bereits von Moritz Schmidt 
kräftig verteidigte, jetzt aber einwandsfrei festgestellte Tatsache hervor, 
dalJ beim Schlucken der freie Teil des Kehldeckels sich dem Zungen¬ 
grunde genau anschmiegt, sich also nicht dachartig über den Kehl¬ 
kopfeingang hinlegt, und dall somit der Bissen der hinteren, laryn- 
gealen Fläche des Kehldeckels entlang nach unten geführt wird. 


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— 168 — 


In klinischer Hinsicht waren es an allererster Stelle die Fremd¬ 
körper, zu deren Aufsuchung und Ortsbestimmung die neuerfundenen 
Strahlen herangezogen wurden. Ließen auch unsere technisch so sehr 
ausgebildeten Spiegelmethoden, zusammen mit der Fingeruntersuchung, 
eine neue Methode als überflüssig erscheinen, den Tatsachen gegenüber 
wird diese aprioristische Meinung hinfällig. Allererst mit Bezug auf 
Schußverletzungen finden sich in der Literatur eine Anzahl Mitteilungen 
von Projektilen, im Kopf und im Halse, deren genaue Diagnostik erst 
mit Hilfe der Röntgenstrahlen gelungen. Von sonstigen Fremdkörpern 
gibt es Mitteilungen, die sich auf die Kieferhöhle, auf die Nase selbst, 
auf den Nasenrachenraum, auf Pharynx und Larynx beziehen, 
kasuistische Fälle, in denen die alten Methoden im Stich gelassen, die 
Röntgenoskopie aber zum Ziel geführt hat. Dies mag der Fall sein, 
wenn der Fremdkörper durch sekundär entzündliche Schwellung ver¬ 
deckt wird, und namentlich bei kleinen Kindern, wo die Spiegelung 
nicht gelingt. 

Ueberaus nützlich erweist sich die neue Methode den Fremdkörpern 
der Speiseröhre, der Trachea und der Bronchien gegenüber. Voraus¬ 
setzung ist. daß der Fremdkörper für Röntgenstrahlen weniger durch¬ 
lässig ist als die umliegenden Körperteile. Dies gilt an erster Stelle 
für die sehr frequenten metallischen Fremdkörper, aber auch Gegen¬ 
stände, für die von vornherein die Methode als unwirksam gehalten 
werden mußte, sind in manchen Fällen mit derselben nachgewiesen 
worden. Von Fremdkörpern der Speiseröhre finde ich in der 
Literatur 118 Fälle von Münzen und 32 von sonstigen metallischen 
Körpern, die mittelst Röhtgenstrahlen gesehen wurden, während in 
keinem derartigen Falle die Methode versagte; von Gebi6|iiücken wurden 
26 richtig erkannt, 9 dagegen nicht, von Knochenfragmenten 8 wohl, 
6 aber nicht. Weiter gibt es mehrere Mitteilungen, in welchen die 
Röntgen strahlen einen Fremdkörper im Magen zeigten, während 
mitunter die Beschwerden auf die Speiseröhre hingedeutet hatten. 

Von einer ganzen Reihe von Autoren ist der Fluoreszenzschirm 
für die Operation von Fremdkörpern zur Hilfe genommen, und zwar 
wurde auf diese Weise der Fremdkörper bald extrahiert, bald in den 
Magen hinabgestoßen, während von einem Mißlingen solcher Versuche 
nur 3 Mal berichtet wird. 

Mit Bezug auf die Fremdkörper der Bronchien erwähnt die 
von mir benutzte Literatur 79 Fälle, in welchen der Fremdkörper 
mittelst Röntgenstrahlen im Thorax festgestellt wurde und 24 Fälle, in 
welchen diese Feststellung nicht gelang. Die Frage des relativen 


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— 169 — 


Werts der Röntgenologie für die Fremdkörper-Diagnostik, der Broncho¬ 
skopie und Oesophagoskopie gegenüber, diese Frage läßt sich mit einem 
allgemein gültigen Ausspruch nicht beantworten. Mag auch die Ueber- 
legenheit der letzteren Methoden von rein theoretischem Standpunkte 
aus unanfechtbar erscheinen, so gilt dies doch nur insofern ein geübter 
Broncho-Oesophagoskopiker zur Verfügung steht. Jedenfalls hat die 
Röntgenuntersuchung den Vorzug der bequemen Ausführung und der 
absoluten Harmlosigkeit, und führt dieselbe, wie aus obigen Zahlen 
hervorgeht, in der großen Mehrzahl der Fälle zum Ziel. Uebrigens 
bietet, abgesehen von der Feststellung des Fremdkörpers, die Schirm¬ 
untersuchung wertvolle Merkmale für die Diagnose der einseitigen 
Bronchostenose und der sekundären Lungenerkrankungen. 

Für die Diagnostik der Neubildungen hat die uns beschäftigende 
Methode nur einen beschränkten Wert. Kaum je wird sie eine nicht 
ohuedies erkannte Geschwulst in Hals oder Nase aufdecken. Für die 
Differentialdiagnostik der verschiedenen Geschwulstarten ist sie un¬ 
brauchbar. Nur hat sie in einzelnen Fällen über den genauen Sitz 
eines Tumors oder die Ausdehnung desselben in eine bestimmte Richtung 
Aufklärung gegeben. 

Auch für die Diagnostik der Frakturen ist die Methode auf 
unserem Gebiete — im Gegensatz zu den Extremitäten — wohl ziem¬ 
lich entbehrlich. Für die Diagnostik von Kieferfrakturen dürfte sie 
mitunter nützlich sein, besonders kurz nach dem Trauma, wenn die 
Tragweite der sonstigen Untersuchungsmethoden durch die Schwellung 
der Weichteile sehr beeinträchtigt wird. 

Jetzt komme ich zu den speziellen Organen und hebe an erster 
Stelle den hohen Nutzen d§r Methode für die Pathologie der Nasen¬ 
nebenhöhlen hervor. Aeußert wichtige Merkmale gibt sie uns mit 
Bezug auf Form und Größe dieser Höhlen. Namentlich gilt dies für 
die Stirnhöhlen. Bei der Durchstrahlüng in froütaler Richtung 
überzeugt man sich vön der Existenz dieser Höhle überhaupt, dann 
aber von deren Dimensionen, namentlich in vertikaler und sagittaler 
Richtung; auch von der Größe des orbitalen Rezessus. Auch die Dicke 
der vorderen Höhlenwand zeigt sich auf Schirm und Photogramm ganz 
scharf. Auch die Kieferhöhle und zum Teil auch die Siebbeinzellen 
lassen sich auf guten Bildern deutlich beurteilen. Die Keilbeinhöhle 
dagegen hebt sich nur in günstigen Fällen mit genügender Schärfe 
von den umgebenden Schatten ab. 

An zweiter Stelle mag die Durchstrahlung für die verschiedenen 
Nebenhöhlen als Kontrollmethode der Sondenuntersuchung dienen. 


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170 — 


Mehrere Fälle sind mitgeteilt worden, in welchen sie die falsche Lage 
einer in Nasennebenhöhlen eingeführten Sonde in unzweideutiger Weise 
demonstrierte. 

Indessen hat die frontale Durchstrahlung den Nachteil, daß die 
Bilder der Nebenhöhlen beider Kopfhälften sich decken. Dieser Nach¬ 
teil wird durch abwechselnde Durchstrahlung in den beiden entgegen¬ 
gesetzten Richtungen nicht genügend aufgehoben. Sämtliche Methoden, 
bei welchen entweder kleine Schirme oder kleine Röntgenröhren in den 
Mund eingeführt werden, haben für die Nasennebenhöhlen nur un¬ 
befriedigende Resultate ergeben. Dagegen hat sich seit einem Jahre 
die Radiographie mit Durchstrahlnng in sagittaler Richtung, nament¬ 
lich von hinten nach vom, schnell eingebürgert. Sie hat vor der 
Durchstrahlung in frontaler Richtung den wesentlichen Vorzug, daß sie 
die beiden Kopfhälften gesondert und nebeneinander veranschaulicht. 
Auf guten Bildern beobachtet man die Form der Stirnhöhlen in frontaler 
Projektion mit dem Septum intersinusale und eventuellen Septen in . 
den Höhlen. Man erkennt die Ausdehnung der frontalen und temporalen 
und die Projektion der orbitalen Buchten. Man beobachtet weiter die 
räumlichen Verhältnisse im vorderen Siebbein, namentlich den Abstand 
zwischen Augenhöhle und Nasenscheidewand, endlich die beiden Kiefer¬ 
höhlen. Es braucht kaum gesagt werden, daß die frontal und sagittal 
aufgenommenen Bilder einander unterstützen und ausfüllen. 

Die in letztgenannter Weise gewonnenen Bilder belehren uns aber 
auch über etwaige entzündliche Verhältnisse in den abgebildeten 
Nebenhöhlen, namentlich in Fällen einseitiger Erkrankung. Die erkrankte 
Höhle zeigt sich auf dem positiven Bilde dunkler als die gesunde und 
zeigt verwaschene Ränder. Die Verdunklung kommt zu Lasten der 
Flüssigkeit, es sei denn, daß dieselbe in der geschwollenen Schleimhaut 
oder als Secret in der Höhle enthalten ist. Obgleich die Resultate 
dieser Untersuchung weder in positivem noch in negativem Sinne als 
absolut ausschlaggebend betrachtet werden dürfen, so ist ihre Bedeutung, 
namentlich für die Stirnhöhlenentzündung und für die Feststellung 
etwaiger Mitbeteiligung des Siebbeines, eine so wesentliche, daß man 
meiner Ansicht nach sie vor jeder Stirnhöhlenoperation prinzipiell aus¬ 
führen soll. 

Ueber den relativen Wert dieser Metode und der Durchleuchtung 
mit elektrischer Lampe ist gestritten worden. Für die Stirnhöhlen¬ 
entzündung halte ich die Radiographie für das bei weitem wichtigere 
Verfahren; für die Kieferhöhlen dürften umgekehrte Verhältnisse 
walten.* Uebrigens erachte ich diesen ganzen Streit als ziemlich über- 


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flüssig, da beide Methoden nebeneinander zu recht bestehen und ein¬ 
ander eventuell unterstützen werden. 

Es ist die Radioskopie auch für die Führung des elektrischen 
Bohrers während der endonasalen Operation des Stirnhöhlenempyems 
empfohlen worden. So viel ich sehe, hat diese Empfehlung nach 
außen keinen Wiederhall gefunden. 

Im Anschluß an die Erkrankung der Nasennebenhöhlen sei hier 
der Tatsache blos Erwähnung getan, daß dieRöntgenographie des Schädels 
bei frontaler Durchstrahlung eine Erweiterung der Sella turcica nach¬ 
zuweisen im Staude ist. Dieselbe ist auch am lebenden Menschen in 
Fällen von Akromegalie und Riesen wuchs, neben Hypertrophie 
der Hypophysis cerebri festgestellt worden. Wegen der engen Nach¬ 
barschaft des Türkensattels und der Keilbeinhöhlen und mit Rücksicht 
auf den eventuellen Operationsweg nach dem Türkensattel durch das 
Keilbeinhöhlendach hindurch sei diese Tatsache hier einfach stipuliert. 

Ebenso im Vorübergehen gedenke ich der riesigen Dienste, welche 
die Röntgenetrahlen in der Zahnheilkunde leisten. Abnormitäten in 
der Zahnentwicklung, Anwesenheit oder Fehlen von Zahnkeimen und 
deren genaue Lage, nachgebliebene Milchzähne, Durchbruchverhältnisse 
der Weisheitszähne, Fremdkörper (Metallfüllungen) in den Zähnen, 
durch Dentinneubildungen verursachte Neuralgien, Kieferkysten und 
deren Beziehung zu gewissen Zähnen, alle diese und viele andere 
Fragen finden mit Hilfe der neuen Methode eine bessere, zuverlässigere, 
oftmals erschöpfende Beantwortung. Wir stehen hier auf einem Grenz¬ 
gebiete unserer Disziplin, auf welchem sich gar nicht selten die Rönt¬ 
genstrahlen auch für uns von direktem Nutzen erweisen mögen. Ich 
meine die Fälle von verirrten, in die Nase oder in die Kieferhöhle 
durchbrechenden Zähnen, die Beziehung gewisser, mittels der Strahlen 
zu bestimmenden Zähne zu einer Kieferhöhlenentzündung und der¬ 
gleichen mehr. 

Am Halse sind es außer den bereits erwähnten Fremdkörpern 
namentlich die Abweichungen der Wirbelsäule, welche mitunter durch 
keine andere Methode sicherer erkannt werden können. 

Für die Pathologie der Trachea ist gleichfalls die Röntgendurch- 
strahlung sehr wertvoll. Das Verhältnis von Strumen zum Tracheal- 
lumen wird auf keine andere Weise genau erkannt, auch nicht durch 
die direkte Tracheoskopie, mit der man kein Totalbild bekommt, wie 
es die Röntgenstrahlen ergeben und die überdies der schwierigen 
Technik wegen nur in den Händen von wenigen sehr Erfahrenen zu¬ 
verlässige Resultate erzeugt. Neben den Verengerungen sind es auch 
die Abweichungen der Trachea aus ihrer Lage bei Formveränderungen 


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der Brustorgane und Geschwülste in der Brusthöhle, die sichln dem 
Röntgenbild kundgeben. Liegt eine Geschwulst im Mittelschatten des 
Thoraxbildes verborgen, so kann die deutlich erkennbare Verdrängung des 
hellen Luftröhrenstreifens unter Umständen das einzige radiologischeSymp- 
tom sein. Im allgemeinen werden mäßig starke Abweichungen der Trachea 
mittels Röntgenstrahlen leichter erkannt als mittels der Laryngoskopie. 

Von ganz hoher Bedeutung für die laryngologische Diagnostik ist 
die Röntgenuntersuchung des Thorax geworden. Die enorme Förde¬ 
rung, welche die Diagnostik der Brusteingeweide von dieser neuen 
Methode erhalten hat, kommt in maucher Hinsicht auch der Laryngo- 
logie zu gute. Es ist kaum zu bestreiten, daß unter Umständen die von 
technisch vollständig geübten Händen ausgeführte Röntgenuntersuchung 
tuberkulöse Erkrankungen in den Lungen nachzuweisen vermag, die 
den klassischen physikalischen Methoden unzugänglich sind. Dies ist 
mit Bezug auf die Deutung mancher hartnäckigen Larynxaffektionen 
keineswegs ohne Gewicht. 

Der Kompression der Trachea durch Geschwülste im oberen 
Thoraxraum ist oben bereits gedacht worden. Unter denselben seien 
die e ndothoracischen Strumen mit ihrem oft so interessanten 
Symptomenbilde speziell erwähnt. Dieselben sind röntgenoskopisch 
durch einen sich beim Schlucken bewegenden Schatten im oberen 
Brustteil und Verlagerung der Luftröhre gekennzeichnet. 

An zweiter Stelle sollen hier die auf dem Röntgenschirme gar 
nicht selten nachweisbaren mediastinalen Drtisenschwellungen er¬ 
wähnt sein, namentlich mit Bezug auf die Deutung mancher ätiologisch 
bisher unklaren Recurrenslähmung. 

In dieser Hinsicht beansprucht noch höheres Interesse die durch 
die Röntgenologie enorm verbesserte Diagnostik des Aortenaneu¬ 
rysma. Sehr oft werden Rekurrenslähmungen durch kleine mit den 
alten Methoden nicht nachweisbare Aneurysmen verursacht. Auch 
das Oliversche Symptom ist viel weniger konstant und unzweideutig 
als man es anfangs geglaubt. 

Auch umgekehrt wurde unsere Einsicht in manchem Falle von 
Rekurrenslähmung aufgeklärt durch das negative Resultat der Röntgen¬ 
untersuchung mit Bezug auf Aneurysma und Mediastinaltumor, nament¬ 
lich in den Fällen, wo Rekurrensparalyse neben Vergrößerung des 
Herzens bestand und das Röntgenbild eine direkte oder indirekte 
Kompression des Rekurrens von Seiten des stark erweiterten linken 
Herzohres wahrscheinlich machte. 

Es braucht kaum gesagt zu werden, daß die verbesserte Diagnostik 
der Brustkrankheiten unter dem Einflüsse der Röntgenologie für uns 


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nicht nur von Bedeutung ist mit Bezug auf Schädigungen des Re- 
kurrens, sondern gleichfalls in Fällen ohne Nervenläsion, wo Störungen 
der Atmung oder der Deglutition, Hustenanfälle usw., durch intrathora¬ 
kale Prozesse ausgelöst, die Kranken zum Halsarzt hinfahren. 

Endlich hat die Diagnostik der Speiseröhrenerkrankungen 
unter dem Einfluß der Röntgenologie ganz wesentliche Fortschritte ge- * 
macht. Hat bereits die durch die Schirmuntersuchung enorm ver¬ 
besserte Diagnostik des Aortenaneurysma der Speiseröhrensondierung 
fast alle Gefahr geraubt, die Verengerungen dieser Röhre werden mit 
Hilfe der neuen Strahlen weit besser erkannt als durch die Sonden¬ 
untersuchung allein. Wie die ganze Speiseröhre, so ist auch eine et¬ 
waige Verengerung derselben an und für sich auf dem Schirme nicht 
sichtbar; allein es gibt eine Anzahl Methoden, um dieselbe sichtbar 
zu machen. Ich nenne die Untersuchung mit einer „schweren“ Sonde, 
mit der nicht nur die verengte Stelle mit Beziehung zur Wirbelsäule^ 
sondern auch Verlagerungen der Röhre genau erkannt werden, dann 
die fluoroskopische Beobachtung eines verschluckten Bismuthbissens 
oder einer getrunkenen Bismuthemulsion u. a. m. Für die Diagnostik 
des Oesophaguskarzinoms sind diese Untersuchungen sehr wertvoll, 
wenn auch die Geschwulst selbst nur ausnahmsweise im Röntgenbilde 
als Schatten erscheint, und zwar weder bei sagittaler noch bei der für 
die Speiseröhrenuntersuchung preferenten schrägen Durchstrahlung. 
Schließlich haben in einer Reihe von Fällen die Röntgen strahlen das 
Bestehen einer Speiseröhrenerweiterung resp. eines Divertikels in 
einwandfreier Weise dargetan. Dieser Zweck ist auf verschiedenen 
Wegen erreicht worden: die Benutzung zweier „schweren“ Sonden, 
von denen die eine in das Divertikel, die andere in den Magen geführt 
werden konnte; die Einführung einer Schrotsonde, die sich jedesmal 
an derselben Stelle im Divertikel nach oben umbog; die gleichzeitige 
Anwendung von Bismuthmilch und der „schweren“ Sonde usw. Diese 
zum Teil völlig gelungenen Bestrebungen sind deshalb so nützlich* 
weil blos mit den früheren Methoden eine sichere Diagnostik oft erst 
zu einer Zeit gelingt, wo die Ausdehnung des Divertikels nur noch 
wenig Aussicht auf Heilung durch Operation gestattet. 

Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Diagnostik der Fremd¬ 
körper der Speiseröhre ist oben bereits auseinandergesetzt worden. 

Ueberblickt man die ganze Reihe der hier erwähnten Tatsachen, 
so ist es wohl kaum möglich, der Röntgenologie eine sehr hohe dia¬ 
gnostische Bedeutung auch für dieRhinolaryngologie nicht zuzuerkennen. 
Dieselbe hat sich wertvoll erwiesen, auch dort, wo man sie von vom- 


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herein als wirkungslos betrachtet hatte, z. B. in der sagittalen Durch- 
strahlung des Kopfes. Die andern Untersuchungsmethoden zu verdrängen 
beansprucht sie keineswegs; manche Lücke aber wird von ihr in 
glücklichster Weise ausgefüllt. Ihren Wert verkennen kann nur der¬ 
jenige, der nicht persönlich ihre Bekanntschaft gemacht hat. 

In meinem Rapport hoffe ich der Verdienste der verschiedenen 
Autoren gerecht zu werden und die bereits in die Hunderte gehende 
einschlägige Literatur anzugeben. — 


Einiges über die Schwierigkeiten der laryngoskopi- 
schen Untersuchung bei Hyperästhesie der Rachen¬ 
gebilde. 

Von 

Privatdozent Dr. L. Röthi in Wien. 

Eine der häufigsten Schwierigkeiten, welcher man bei der laryngo- 
skopischen Untersuchung begegnet, ist die Ueberempfindlichkeit des 
Gaumens und Rachens 

Ist der Untersuchende geübt, so wird es ihm auch da noch in der 
Regel ohne weiteres gelingen, die Untersuchung mit Erfolg zu Ende 
zu führen; die Kranken fühlen sogleich, wenn die untersuchende Hand 
geübt und ruhig ist und der Spiegel sicher oder aber zaghaft gehand- 
habt wird; zumeist verträgt in solchen Fällen der Gaumen und Rachen 
ein festes Anlegen des Spiegels besser, als eine leichte, vielleicht 
zitternde, weil unsichere Berührung. 

Oft führt da ein suggestives Vorgehen zum Ziele. Wenn z. B. 
beim ersten Versuch der Kranke die Zunge gehalten hat, fixiert man 
sie nun selbst, führt den Spiegel nur bis hinter die Schneidezähue 
etwa ein und erklärt sich jetzt schon mit der Untersuchung zufrieden; 
und nur um die Untersuchung angeblich zu vervollständigen, führt 
man den Spiegel beim zweiten und dritten Mal tiefer ein, bis man 
dann schließlich an die richtige Stelle gelangt. Man kann — wie ich 
dies oft tue — einigemaie mit kaltem Wasser gurgeln lassen und auch 
dies wirkt nur mehr oder weniger suggestiv. 

In den meisten Fällen ist die Empfindlichkeit psychischen 
Ursprungs und oft dadurch bedingt, daß vorher Untersuchungen bezw. 
Versuche von einem w r enigGeübten vorgenommen wurden,der denMangel 
an Uebung durch Ueberw r älzen der Schuld auf die Kranken zu ver¬ 
decken suchte. 


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Es gibt aber, wenn auch nicht gar häufig Talle, in denen all dies 
nicht genügt und auch eine geübte, ruhige und sichere Hand und 
suggestives Vorgehen nicht zum Ziele führt. Man macht dann, obwohl 
dies im allgemeinen selten notwendig ist, von einer 20proz. Kokain¬ 
lösung Gebrauch. Dabei muß man oft besonders lange warten, bis Un¬ 
empfindlichkeit eingetreten ist und die Untersuchung möglich wird. 

Nun gibt es aber Fälle, in denen es trotz Kokain und energischer 
Einpinselung der Vorderfläche des Gaumens und der hinteren Rachen¬ 
wand auch b‘ei längerem Zuwarten nicht gelingt, den Brechreiz zu 
beheben; derselbe wird zuweilen im Gegenteil sogar stärker. Der 
Gaumen und die hintere Rachenwand erweisen sich zwar beim Nieder¬ 
drücken der Zunge und Abtasten mit der Sonde als unempfindlich, in 
dem Moment aber, in dem die Zunge vorgestreckt wird und der 
Spiegel eingeführt werden soll, stellen sich Würgbewegungen ein; 
man sieht da oft, daß auch schon das bloße Oeffnen des Mundes 
Brechreiz verursacht. 

In diesen Fällen ist die empfindliche Stelle eben nicht die hintere 
Rachen wand oder der Gaumen, sondern relativ oft, wie Fourni^ 1 ) gezeigt 
hat, die Regio glosso-epiglottica; es muß also die Kokainisierung auch 
an dieser Stelle vergenommen werden. Aber in einer, wenn auch nicht 
großen Anzahl von jenen Fällen, in denen schon geringe Bewegungen 
der Zunge Brechreiz verursachen, gelingt es auch durch Kokainisierung 
dieser Region nicht, die Würgbewegungen zu beheben, und da zeigt 
sich nun, daß sich die reflexauslösende Stelle anderswo befindet; es 
gelingt dann zumeist durch Applikation einer geringen Quantität einer 
lOproz. Kokainlösung am Fuß des vorderen, zuweilen des hinteren 
Gaumenbogens, an der Uebergangsstelle in den seitlichen Zungenrand, 
bezw. in die hintere Rachenwand und Ausschaltung der hier befindlichen 
sensiblen Nerven, welche durch Vorstrecken der Zunge gezerrt werden, 
den Würgreflex aufzuheben und das Vorstrecken der Zunge glatt zu 
ermöglichen. Auch da muß man mitunter, wie beim Kokainisieren 
überhaupt, längere Zeit hindurch zuwarten, bis sich die Anaesthesie 
einstellt. 

Schwieriger gestaltet sich die Sache natürlich, wenn hierbei 
endolaryngeal operiert werden soll. Einer der ersten Fälle, bei dem 
ich ein solches Verhalten konstatieren konnte, betraf einen 13jährigen 
Knaben, den ich vor einigen Jahren sah und bei dem es sich um 
multiple Kehlkopfpapillome handelte. Nur unter den größten Schwierig- 

! ) Fourni£: Proc6d6 d’examen du larynx et du rhinopharynx chez les 
hyperesth6siques. Presse m6d. 1905, 18. Nov. 


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— 176 — 


keiten, aber immerhin noch ohne Kokain, gelang es, dieselben mit dem 
Spiegel, geradezu im Flug, zu konstatieren. Behufs endolaryngealer 
Entfernung derselben machte ich vom Kokain in der üblichen Weise 
Gebrauch, aber der Würgreiz wollte trotz wiederholter Kokainapplikation 
auf der vorderen Fläche des Gaumens sowie auf der hinteren Bachen¬ 
wand und langen Zuwartens nicht aufhören; in den Kehlkopf konnte 
ich vorderhand unter Leitung des Spiegels mit dem Kokainpinsel noch 
nicht gelangen. Noch nach 25 Minuten trat beim Vorstrecken der 
Zunge Brechreiz ein. Ich kokainisierte dann den Fuß der vorderen 
Gaumenbögen, und nun erst stellte sich nach weiteren 4—5 Minuten 
kein Würgen mehr ein; es konnte dann der Kehlkopf glatt kokainisiert 
werden. 

In mehreren später untersuchten, derart überempfindlichen und 
einigen operierten Fällen konnte ich auf die Reflexempfindlichkeit 
der genannten Stelle ebenfalls mit Sicherheit schließen; ich kokainisierte 
zielbewußt lediglich den Fuß des vorderen bezw. hinteren Gaumen¬ 
bogens und konnte danu das Würgen unterdrücken. Es ist anzu¬ 
nehmen, daß eine hochgradige Empfindlichkeit an diesen Stellen 
nicht gar selten vorkommt und es ist möglich, daß sich dieselbe 
oft nur deshalb nicht bemerkbar macht, und daß man sie aus dem 
Grunde nicht besonders zu berücksichtigen braucht, weil beim Kokai- 
nisieren zumeist ein Teil der Lösung unabsichtlich und unbemerkt 
auch an die genannte Stelle gelangt. 

Das sensible Verhalten der Rachengebilde ist jedenfalls nicht in 
allen Fällen gleich; es wurden Untersuchungen vorgenommen, um die 
den Schluckreflex auslösenden Partien festzustellen; insbesondere wurde 
gezeigt (Wassilieff 2 ), daß beim Kaninchen mechanische Reizung der 
vorderen zentralen Fläche des weichen Gaumens und Berührung hinter 
dem Velum regelmäßig Schluckbewegung hervorruft, daß sich die 
spezifisch empfindliche Schleimhaut von der Mitte der Tonsille bis 
zum harten Gaumen in einer Länge von 2 cm und einer Breite von 
1 cm erstreckt und daß nur ein medianer Streifen von 1—2 mm Breite 
nicht reflexauslösend ist. Aber es scheint, daß diesbezüglich und 
bezüglich des Brechreizes keine allgemein gütigen Schlüsse zulässig 
sind und daß individuelle Verschiedenheiten Vorkommen. 


2 ) Wassilieff: Wo wird der Schluckreflex ausgelöst? Zeitschrift 
für Biologie. N. P. VT, 1, S. 29. 


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— 177 — 


Eine neue Nasenzange zur Erweiterung der Kiefer¬ 
höhlenöffnung im mittleren Nasengange. 

Von 

Dr. Seyffarth (Hannover). 

Von allen Hilfsmitteln zur Diagnose einer Kieferhöhlenentzündung 
ist die Probeausspülung das zuverlässigste. In der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle läßt sich am besten die Probeausspülung vom 
mittleren Nasengange aus bewerkstelligen und wird auch in den letzten 
Jahren in steigendem Maße geübt. Die natürliche Oeffnung der Kiefer¬ 
höhle zu finden, gelingt nur selten. In Betracht kommt für den ge¬ 
nannten Zweck in der Regel ein Ostium accessorium in der Pars 
membranacea des mittleren Nasenganges, meist in der sogenannten 
hinteren Nasenfontanelle. Es soll nach Zuck er kan dl in ca. Vm ^ er 
Leichenfälle Vorkommen; beim Lebenden, d. h. bei den für eine Aus¬ 
spülung in Betracht kommenden Fällen findet es sich — vielleicht durch 
pathologische Vorgänge — viel häufiger. Ist ein solches Ostium 
maxillare accessorium nicht sondierbar, so läßt es sich mit wenigen 
Ausnahmen mit einem der Hart mann sehen Kanüle nachgebildeten 
Troikar spielend hersteilen, bei genügender Kokainisierung ohne daß 
dem Patienten der kleine operative Eingriff als solcher zum Bewußtsein 
kommt. Und zwar muß man, um ein Anstechen der medialen Orbital¬ 
wand möglichst zu vermeiden, nicht horizontal durchstechen, sondern 
das Instrument im Bogen schräg nach unten außen durch die Wand 
schieben. 

Eine Lufteintreibung durch die nachgeftihrte stumpfe Kanüle läßt 
am Geräusch erkennen, ob man die Höhle erreicht hat, oft auch schon 
ob Inhalt vorhanden ist. 

In sehr vielen Fällen führen Ausspülungen in entsprechender Weise 
über kurz oder lang, oft schon nach einer Spülung, oft erst nach 
monatelanger Behandlung zu dem gewünschten Ziel der Heilung. Bei 
Verzögerung der Heilung gehört freilich eine gute Dosis Geduld nicht 
nur von Seiten des Patienten dazu, der ja wesentlich durch die Autorität 
des Arztes beeinflußt wird und bei geringen Beschwerden mehr als 
gern einen operativen Eingriff vermieden wissen will, sondern vor allem 
auch eine große Geduld des Arztes selbst, die bei der heute immer 
noch herrschenden Neigung, allzuviel operativ vorzugehen, nicht jeder¬ 
manns Sache ist. 

Im Verlauf der Behandlung zeigt sich häufig eine Erweiterung 
der Spülöffnung nötig. Das Ostium hat, besonders wenn bei geringer 


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— 178 — 


Sekretion in längeren Zwischenräumen gespült wird, die. Neigung sich 
wieder zu verengern. Das erschwert sein Wiederauflinden, zumal wenn 
es ziemlich weit nach hinten liegt oder vorn vom Operkulum der 
mittleren Muschel allzusehr gedeckt wird. 

Bei einer Erweiterung des Ostiums kommt es nach meiner Meinung 
darauf an, nicht nur nach hinten die laterale Nasenwand zu resezieren, 
sondern vor allem auch nach vorn, gerät man doch mit dem Troikar 
wegen der Enge der vorderen Partien unwillkürlich weiter nach hinten, 
als man beabsichtigt. 



Je näher die Oeffnung dem Naseneingang zu liegt, desto leichter 
auch wird es einem einigermaßen beherzten Patienten fallen, sich die 
Kieferhöhle selbst zu spülen und sich damit unabhängiger vom Arzte 
zu machen. 

Zur Resektion nach hinten stehen viele Instrumente, Konchotome 
mit schmalem Maul, zur Verfügung; schwieriger ist schon eine Exzision 
der vorderen Partien der medialen Kieferhöhlenwand. Ich bediene 
mich dazu eines Instrumentes, das sich von den gewöhnlichen Stanzen 
dadurch unterscheidet, daß der bewegliche Löffel ganz an der Spitze 
des Instrumentes angebracht ist und nach rückwärts, nach dem Griff 
(also nach dem Naseneingang) zu schneidet. Der Zangenschaft ist 
schlank genug, um bequem in den mittleren Nasengang gelegt werden 
zu können, vorn leicht nach abwärts gebogen, um sich der lateralen 


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179 — 


Nasenwand besser anschmiegen zu können, wodurch auch der Zug 
beim Schluß der Zange verringert wird. Das Maul öffnet sich bis 
zum rechten Winkel und kann so leicht in das Ostium eingeführt 
werden; nötigenfalls ließe sich das letztere bei allzu großer Enge 
durch einen Troikar mit blattförmiger, frontal gestellter Spitze (Jens) 
schlitzförmig erweitern. 

Abgeschnittene Gewebsteile fallen durch einen Ring im unteren 
Zangenarm, der wegen der Längsverschiebung beim Oeffnen und 
Schließen etwas größer angelegt ist als der obere Ring, der die 
Kürette aufnimmt. 

Die Stanze läßt sich auch sonst gut in der Nase verwenden beim 
Siebbeinausräumen, Durchtrennen von Synechien etc. und zeigt dabei 
den großen Vorteil, daß das zu excidierende Stück stets vor Augen 
und nicht von der Zange selbst verdeckt ist. Das Instrument ist zu 
haben bei W. Walb, Nachfolger, Heidelberg, und wird in zwei Stärken 
hergestellt mit Kürette von 3,5 und 2,5 mm Breite. 


Die Frage der Radikalbehandlung des Kehlkopfkrebses 
in den letzten 50 Jahren (1858—1908). 

Von 

Dr. J. Sendziak (Warschau). 

(Vortrag, gehalten auf dem I. internationalen Laryngo-Rhinologenkongreß 
in Wien vom 21. bis 25. April 1908.) 

M. H.! Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß die radi¬ 
kale, d. h. operative Behandlung des Kehlkopfkrebses, da bloß von 
einer solchen hier die Rede sein kann, erst seit der epochemachenden 
Entdeckung des Laryngoskops von Garcia in London (1854), besonders 
aber von Türck und Czermak in Wien (1858) möglich wurde, indem 
sie die genaue und, was außerordentlich wichtig ist, frühzeitige Dia¬ 
gnose dieses Leidens ermöglichte. 

Obgleich noch in der vorlaryngoskopischen Periode die Versuche 
schon gemacht wurden, um den Kehlkopfkrebs mittels der chirurgischen 
Eingriffe radikal zu heilen — ich werde hier bloß den Versuch mit 
der Laryngofissur erwähnen, welchen Brauers in Lüttich, scheinbar der 
erste, noch im Jahre 1833 beim Kehlkopfkrebse gemacht hatte — so 
stellte jedoch die Diagnose in diesem Falle einen gewissen Zweifel vor. 

Dagegen wurden schon bald nach der Entdeckung des Laryngo¬ 
skops, nämlich in den Jahren 1803 und 1864, die ersten wirklichen Ver- 


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— 180 —• 


suche der Radikalbehandlung des Kehlkopfkrebses von Eisberg und 
Sands, beide in Amerika, gemacht, nämlich von dem ersten auf dem 
endolaryngealen Wege, von dem zweiten aber mittels der Laryngofissur. 

Leider gaben diese Versuche vorläufig keine günstigen Resultate 
(Rezidive), in den späteren jedoch, welche bald darauf in den Jahren 1867 
und 1868 von Schnitzler in Wien und Solis Cohen in Philadelphia 
gemacht wurden, d. h. die Exstirpation des Kehlkopfkrebses auf dem 
endolaryngealen Wege sowie mittels Laryngofissur, wurden schon die 
erstaunlichen Resultate erhalten, ja mehr als 20 Jahre dauernde Heilungen! 

Der 31. Dezember 1873 wird für immer in der Geschichte der Ra¬ 
dikalbehandlung des Kehlkopfkrebses in Erinnerung bleiben. 

An diesem Tage nämlich feierte der berühmte Wiener Chirurg 
Prof. Billroth einen großen Triumph, indem er zum ersten Male die 
totale Exstirpation des krebsigen Kehlkopfes ausgeführt hat. 

Diese außerordentlich kühne Operation, welche sowohl dem Opera¬ 
teur als auch der ganzen Chirurgie zur Ehre gereichte, wurde durch 
ein relativ gutes Resultat gekrönt. 

Billroth also machte den Anfang der rationellen Therapie des Kehl¬ 
kopfkrebses, eines Leidens, welches bisher als unheilbar, als etwas im 
Sinne „noli me tangere“ betrachtet worden war! 

Ein ganz günstiges Resultat erzielte jedoch von dieser Methode 
Thiersch in Leipzig einige Jahre später (1880), nämlich A l / t Jahre 
dauernde Heilung. Bald darauf, nämlich im Jahre 1876, führte Maas 
n Breslau die partielle und zwei Jahre später (1878) derselbe Billroth 
die halbseitige Exstirpation des krebsigen Kehlkopfes aus, obgleich 
beide mit nicht zu günstigem Erfolge (Rezidive), später jedoch Hahn 
im Jahre 1880 und v. Bergmann im Jahre 1885, beide in Berlin, schon 
mit ausgezeichnetem Resultate (8 1 / 2 und 4 Jahre dauernde Heilungen). 
Im allgemeinen fängt seit dem Jahre 1881 der große Fortschritt in der 
Frage der Radikalbehandlung des Kehlkopfkrebses an, da diese Frage 
zum ersten Mal der allgemeinen Diskussion auf dem internationalen 
Kongresse in London in diesem Jahre unterzogen wurde. Dieser Fort¬ 
schritt erreichte den Kulminationspunkt in den Jahren 1887 bis 1888, 
welche in der Geschichte der Radikalbehandlung des Kehlkopfkrebses 
eine hervorragende Rolle spielen. 

Die sich in dieser Zeit abspielende Allwelttragödie, d. h. die 
Krankheit und bald darauf der Märtyrertod des deutschen Kaisers Fried- 
rich III., hatte in hohem Grade einen günstigen Einfluß auf die Be¬ 
schäftigung mit diesem pathologischen Prozesse, indem sich die ganze 
Flut der diesbezüglichen, besondees aber statistischen Arbeiten damals 
bildete, was wieder diesen positiven Erfolg hatte, daß die ganze Frage 


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— 181 — 


der Radikalbehandlung des Kehlkopfkrebses außerordentlich stark vor¬ 
wärts geschoben wurde. 

So gewinnt weiter die endolaryngeale Methode einen eifrigen Ver¬ 
treter in der Person Prof. B. Praenkels in Berlin, welcher von dieser 
Methode ausgezeichnete Resultate erhielt, nämlich 13 bis 10 und 
9 Jahre dauernde Heilungen des Kehlkopfkrebses. Ungeachtet dessen 
konnte diese Methode nicht zu viel Anhänger gewinnen, als die nicht 
von den Rezidiven versichernde, d. h. keine „sensu strictiori“ radikale 
Methode bei der Behandlung dieses Leidens. Ferner fängt, dank vor 
allen den englischen Aerzten (Semon und Butlinj, an, sich aus der 
Reihe der operativen beim Kehlkopfkrebse applizierten Methoden die 
Laryngofissur zu eliminieren, welche sich vor allem im letzten Dezen¬ 
nium die erste Stelle zu gewinnen imstande war, dank besonders deren 
unermüdlichem Propagator Prof. Sir Felix Semon in London, welcher 
von dieser Methode die ausgezeichnetsten Resultate erzielte, nämlich 
8V 2 , U/g, ^ usw. Jahre dauernde Heilungen, im allgemeinen sogar 80 Proz. 

Es ist daher nicht sonderbar, daß gegenwärtig diese Methode be¬ 
sonders aber bei den Laryngologen und teilweise Chirurgen mehr und 
mehr Anhänger gewinnt, zu welchen vor allen außer den obenerwähnten 
englischen Aerzten, d. h. Semon und Butlin, noch Chevallier Jackson 
in Pittsburg (78 Proz. Heilungen), ferner Prof. v. Bruns in Tübingen 
(48 Proz.), Prof. Pieniazek in Krakau (ca. 39 Proz.), Prof. 0. Chiari 
in Wien (38 Proz.), schließlich Prof. Moure in Bordeaux und Prof. 
Schm iegelow in Kopenhagen gehören. Ebenfalls gibt die partielle resp. 
halbseitige sowie totale Exstirpation des Kehlkopfes bessere und bes¬ 
sere Resultate bei der Behandlung des Krebses dieses Organs sowohl 
betreffs der Heilungen als auch Rezidive und tötlichen Ausgänge, 
welche von der Operation selbst abhängig sind, was ohne Zweifel mit 
der besseren Auswahl der Fälle (die frühzeitigen Formen des Kehl¬ 
kopfkrebses) sowie mehr und mehr verbesserter Operationstechnik im 
Zusammenhänge steht. 

Diese Methoden, d. h. partielle und totale Exstirpation des kreb- 
sigen Kehlkopfes, finden ihre Anhänger vor allem in Deutschland, na¬ 
mentlich in der Person des Prof. v. Bergmann sowie Prof. Gluck, 
beide in Berlin, von denen der erste — schon gestorben — nach der par¬ 
tiellen resp. halbseitigen Exstirpation des Kehlkopfes beim Krebse die 
11 1 / 4? 8V2, 57 2 usw * Jahre dauernden Heilungen erhielt, Prof. 

Gluck jedoch, ohne Zweifel gegenwärtig der beste Kenner der Laryngo- 
chirurgie, nach der totalen Larynxresektion 13, 11, 8, 6y 2 , 5 1 / 2 usw- 
Jahre dauernde Heilungen! 

Es ist daher nicht sonderbar, daß diese Methoden, betreffs deren 


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im Anfänge solche Ansichten herrschten wie z. B.: „Die Humanität 
verliert nichts dabei, wenn solche Operationen unterbleiben, und die 
Chirurgie trägt keine Ehre dabei“ (Stromeyer) oder „Es ist dies eine 
Operation, bei welcher sich die Geschicklichkeit des Chirurgen in 
manchen Fällen dadurch beweist, daß der Patient nicht unter seinem 
Messer stirbt“ (Paul Koch) oder schließlich „L’ablation du larynx at- 
teint du cancer peut seduire un Operateur qui reduit la Chirurgie ä des 
interventions manuelles; eile ne peut 6tre acceptäe par un Chirurgien 
qui envisage les indications, les perils et les suites des operations et 
l’utilite qu’elles peuvent avoir pour le malade“ (Le Fort) sich schon 
„raison d’etre“ gewonnen hatten und als solche den Anhänger gern 
finden, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern? 
z. B. in Amerika (Solis C ohen, Hartley), ferner in der Schweiz (Prof. 
Kocher in Bern), in Spanien (Prof. Cisneros in Madrid), in Rußland 
(Prof. Diakenow in Moskau und Prof. Wolkewitsch in Kiew) usw. 

M. H.! Wir werden sehen, wie sich gegenwärtig die Frage der 
Radikalbehandlung des Kehlkopfkrebses nach dem Verlaufe von 
50 Jahren, d. h. seit Einführung des Laryngoskops, vorstellt. 

Zu diesem Zwecke werde ich wieder zu den statistischen Angaben 
Zuflucht nehmen: es gelang mir nämlich in diesem Zeiträume, d. h. 
1858—1908 (exklusive), eine ganz kolossale Zahl der in verschiedenen 
Ländern und von verschiedenen Operateuren (Laryngologen und 
Chirurgen) mittels verschiedenen Methoden operierten Fälle des Kehl¬ 
kopfkrebses zu sammeln — nämlich 1002! 

Diese Fälle stellen sich folgendermaßen dar: 

1. Auf dem endolaryngealen Wege operierten ... 57 Fälle 

2. mittels Laryngofissur (Thyreotomie). 303 „ 

3. mittels partieller resp. halbseitiger Larynxresektion 224 „ 

4. mittels totaler Exstirpation des Kehlkopfes ... 416 „ 

Zusammen 1002 Fälle 

Auf Grund dieser statistischen Angaben nach deren kritischer Dar¬ 
stellung komme ich zu den folgenden Konklusionen, welche dem 
jetzigen Stande unseres Wissens über die operative, d. h. radikale 
Behandlung des* Kehlkopfkrebses entsprechen. 

1. Die operative Behandlung des Kehlkopfkrebses ist gegenwärtig 
die rationellste therapeutische Methode bei diesem Leiden; sie gibt 
im Allgemeinen gar nicht schlechte Resultate, nämlich zirka 26 Proz. 
(auf 1002 Fälle — 260), sowohl der absoluten, d. h. wenigstens 
drei Jahre dauernden (125 Fälle), als auch relativen Heilungen, d. h. 
solche, in welchen nach Verlauf eines Jahres der Zustand des Kranken 


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noch befriedigend war — ohne Spur der lokalen Rezidive im Kehl¬ 
kopfe (135 Fälle). 

2. Diese Resultate sind in den letzten Zeiten, besonders aber nach 
dem Jahre 1888, ungemein besser (mehr als 30 Proz., d. h. auf 
713—221 Fälle) als im Anfänge, d. h. vor 1888 (12 Proz., d. h. auf 
404—34 Fälle). 

Sie bestätigen in der Praxis das, was schon lange der sinnreiche 
Geist des unsterblichen V irchow theoretisch vermutete, indem er sich 
folgendermaßen ausgedrtickt hat: „Ist der Krebs in seinem Beginn 
und oft noch sehr lange ein örtliches Leiden, so muß es auch 
möglich sein, ihn in dieser Zeit örtlich zu heilen!“ 

3. Dasselbe betrifft im Allgemeinen die Rezidive nach den 
Operationen des Kehlkopfkrebses (22 Proz., d. h. auf 713 Fälle nach 
dem Jahre 1888 — 157), so wie die Todesfälle unmittelbar nach der 
Operation (zirka 13 Proz., d. h. auf 713 Fälle — 92) deren Zahl eben¬ 
falls in den letzten Zeiten, besonders aber nach dem Jahre 1888, sich ver¬ 
kleinerte (vor 1888 waren es 45 Proz. von Rezidiven und 28 Proz. 
Todesfälle!), was jedenfalls von der kritischen Auswahl der Fälle 
(die frühzeitigen Formen des Kehlkopfkrebses), so wie von der ver¬ 
besserten Operationstechnik bedingt ist. 

4. Die Laryngofissur (Thyreotomie) gibt die besten Resultate bei der 
Behandlung des Kehlkopfkrebses, besonders in den letzten Zeiten (nach 
dem Jahre 1888), nämlich ca. 50 Proz. von Heilungen (d. h. auf 214 106 
Fälle) auf 46 Proz. bei der endolaryngealen Methode (d. h. auf 39 Fälle 
18), ca. 22,8 Proz. bei partieller (d. h. auf 171 39 Fälle), endlich 
21,6 Proz. bei totaler Exstirpation des Kehlkopfes (auf 269 58 Fälle). 
Man muß deshalb angesichts dessen gegenwärtig die Laryngofissur für 
die beste therapeutische Methode beim Kehlkopfkrebs betrachten und 
als solche am meisten anwenden, natürlich in den entsprechenden 
Fällen, d. h. in den frühesten Perioden des Kehlkopfkrebses. 

5. Was die Rezidive betrifft, ist jedoch die totale Exstirpation des 
Kehlkopfes die sicherste Methode (ca. 17 Proz. nach dem Jahre 188H, 
d. h. auf 269 46 Fälle) im Verhältnis mit den anderen operativen 
Methoden, nämlich Laryngofissur (21,5 Proz., d. h. auf 214 46 Fälle), 
partieller resp. halbseitiger Larynxresektion (mehr als 30 Proz., d. h. 
auf 171 52 Fälle), besonders aber mit der endolaryngealen Methode 
(mehr als 33 Proz., d. h. auf 39 13 Fälle). In dieser Hinsicht, 
d. h. postoperativer Sicherheit nähert sich die Laryngofissur der 
totalen Laryngektomie, welche deshalb überall dort indiziert ist, wo 
entweder de r krebsige Prozeß zu ausgedehnt ist, also in den späteren 


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— 184 — 


Perioden des Kehlkopfkrebses, oder wenn nach der angeführten 
Laryngofissur nach einiger Zeit Rezidive eintraten. 

6. Die Laryngofissur steht jedoch, mit Ausnahme nur der endo- 
laryngealen Methode, welche man hier angesichts des größten Prozent¬ 
satzes der Rezidive trotz der verhältnismäßig günstigen Erfolge nicht 
besonders loben kann, ungemein viel höher über der totalen, ja sogar 
partiellen Laryngektomie, was die Ungefährlichkeit, d. h. tötlichen Aus¬ 
gänge unmittelbar, also infolge der Operation selbst betrifft (ca. 2,4 Proz., 
d. h. auf 210 Fälle nach dem Jahre 1888 bios 5) auf ca. 17 Proz., 
d. h. auf 171 Fälle 29 nach partieller, endlich ca. 21,6 Proz., d. h. auf 
269 58 Fälle nach totaler Exstirpation des Kehlkopfes. 

Ich kann diesen Vortrag nicht besser schließen, als mit den schon 
oben erwähnten goldenen Worten Virchows: „Ist der Krebs in 
seinem Beginn und oft sehr lange ein örtliches Leiden, so 
muß es auch möglich sein, ihn in dieser Zei.t örtlich zu 
heilen.“ Möge dies ein jeder Arzt, welcher zu der Behandlung der 
mit diesem schrecklichen Leiden behafteten Unglüchlicken schreitet, 
immer bedenken! 


Verhandlungen des dänischen oto-laryngologischen 

Vereins. 

52. Sitzung vom 22. Januar 1908. 

Vorsitzender: Prof. H. Mygind. 

Schriftführer: Dr. L. Mahler. 

I. E. Schmiegelow: Klinische Beiträge zur 
Patholgie der Nebenhöhlen de Nase sowie zu der 
Bedeutung der Nebenhöhlen leiden für die Actio- 
logic der sekundären Augenleiden. 

1. Fall von Myxosarkoin in der rechten Keilbeinhöhle. Totale Er¬ 
blindung des rechten Auges, Paralyse der Muskeln des rechten Auges. — 
Entfernung der Geschwulst. Beträchtliche Besserung. Dieser Fall ist 
ein lehrreiches Beispiel darauf, in wie schleichender Weise ein Neben- 
höhlcnleiden sich zu entwickeln vermag; hier wie oftmals früher suchte 
der Patient zuerst den Augenarzt (Prof. B j e r r u ni), der ihn dann 
S. zur Untersuchung überwies. Es handelte sich um eine 59 jährige, 
übrigens gesunde Frau, die vor 1 !s Jahr bemerkt hatte, daß sie am 
rechten Auge blind war; vor 3 Monaten Ptosis, fernef Schmerzen in der 
rechten Kopfhälfte. Während der letzten paar Monate ein bischen 


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schleimig-eitrige Sekretion aus Nase und Nasenrachen. Bei der Unter¬ 
suchung komplette Paralyse der rechten Palpebra superior; Bulbus 
leicht hervorgetrieben; das Auge fast gar nicht beweglich; totale Amau¬ 
rose am rechten Auge, Atrophie der Papilla n. opt.; Pupille starr, 
reaktionslos. In der rechten Nasenhälfte dicker, schleimiger Eiter, 
einige Schwellung der mittleren Muschel. Postrhinoskopisch nichts 
besonderes. Im Böntgenbild Stirnhöhlen klein, Keilbeinhöhle viel 
größer, die obere Grenze verwischt, so daß die Sella turcica nicht deut¬ 
lich zu erkennen ist. Am 14. Dezember in Aetheruarkose Resektion der 
rechten mittleren Muschel, dann Eröffnung der Keilbeinhöhle, die sehr 
groß ist, mit blaßroten, bröckeligen Geschwulstmassen und schleimigem 
Eiter gefüllt; die hintere Siebbeinzelle ebenfalls von Geschwulst¬ 
massen gefüllt; die Knochenwände überall gesund. Im ganzen wird 
eine wallnußgroße Geschwulstmasse entfernt und dann tamponiert. 
Am dritten Tage wurde die Tamponade entfernt. Mikroskopie 
(Dr. Melchior): Das Gewebe an vielen Stellen sehr zellenarm, von 
blassen, geschwollenen, fast homogenen Fibrillen gebildet; die spär¬ 
lichen Zellen größtenteils sternförmig verzweigt, liegen an einigen 
Stellen in vakuolären Räumen wie Knorpelzellen. An anderen Stellen 
wird das Bindegewebe stärker gefärbt und es treten feine, dünnwändige, 
erweiterte Gefäße auf, die von mehr zellreichem Gewebe umgeben sind; 
die Zellen sind hier, außer dem oben besprochenen Typus, mehr länglich 
oder rund. Diagnose: Myxosarkom. Nach der Operation 
wurde das Befinden der Patientin erheblich besser, die Augenbewe¬ 
gungen kehrten in fast voller Ausdehnung zurück, die Sehnerven¬ 
atrophie hingegen blieb unbeeinflußt. 

2. Akute Ethmoiditis, akuter Exophthalmus, Eröffnen der Sieb¬ 
beinzellen, Heilung. 

Bei einem 7 jährigen Knaben, der am 24. November 1907 aufge¬ 
nommen wurde, waren sieben Tage im voraus plötzlich starke Schmer¬ 
zen im linken Auge entstanden und danach allmählich zunehmender 
Exophthalmus. Ophthalmoskopie ergab nichts Krankhaftes, Rhino- 
skopie auch nicht. In Narkose wurde die linke Kieferhöhle punktiert, 
erwies sich gesund, dann wurden nach Resektion der mittleren Muschel 
die Siebbeinzellen geöffnet; sie enthielten schleimigen Eiter. Schon 
am 29. November war der Exophthalmus beträchtlich abgenommen, 
keine Schmerzen. Am 10. Dezember wurde Patient als geheilt ent¬ 
lassen. 

Auch in diesem Falle suchte Patient zuerst den Augenarzt auf. 
Bemerkenswert ist, daß rhinoskopisch sich nichts Krankhaftes auf- 


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finden ließ, ein Verhältnis, das gar nicht so selten ist und das einem 
nicht davon abhalten darf, die Siebbeinzellen explorativ zu öffnen. 

3. Primäres Karzinom der Keilbeinhöhle, Paralyse des Ocuio- 
motorius. Keseetio partialis maxillae sup., ossis ethmoidei et sphenoidei. 

Ein 47 jähriger Mann, der am 15. Januar aufgenommen wurde, 
hatte seit 7 Monaten reichliche Sehleimsekretion, namentlich aus der 
linken Xasenhälfte, später auch Kopfweh, namentlich in der linken 
Stirngegend; vor drei Woehen fing das Sehvermögen an geringer zu 
werden und es traten auf diesem Auge auch Flimmern, Exophthalmus, 
Doppelsehen und Ptosis auf. Die linke Xasenhälfte war durch eine 
von der I.ateralwand ausgehende rötliche Gesellwulst fast völlig ver¬ 
legt. Hechtes Auge normal, am linken geringer Exophthalmus, Augen¬ 
bewegungen in der Richtung nach innen und oben, teilweise auch nach 
außen und unten fehlen; bei der Abwärtsdrehung tritt eine Neigung 
des senkrechten Meridians nach innen auf (Trochleariswirkung); 
Ptosis inkomplett; Pupille etwas erweitert, reagiert auf Lieht. Seh¬ 
schärfe rechts normal, links °/e. Augengrund normal, Gesichtsfeld 
normal. Bei Durchleuchtung vielleicht linker Oberkiefer dunkler als 
rechter, ln Xarkose wurde llesektionssehnitt über den linken Ober¬ 
kiefer gemacht, dann wurde vordere, innere und obere Wand der linken 
Kieferhöhle fortgemeißelt; die Kieferhöhle gesund. Die linke Keil¬ 
beinhöhle enthält eine speckige graue Xeubildung, die die vordere und 
untere Wand durchbrochen hat und sich auf den hinteren Teil der 
Xasenscheidewand hinüber dehnt. Die vordere und untere Wand der 
Keilbeinhöhle werden entfernt, sowie der hintere Teil der Xasenscheide¬ 
wand; durch Entfernen des Septum sphenoidale überzeugt man sich, 
daß die rechte Keilbeinhöhle gesund ist. Die Geschwulst wird so 
energisch wie möglich entfernt. Mikroskopie (Dr. Melchior): Al¬ 
veoläres Karzinom. Die Wunde heilte glatt, die Schmerzen kehrten 
aber bald zurück und waren so heftig, daß sie sich nur durch Morphin 
stillen ließen; die Augensymptome waren bei der Entlassung unver¬ 
ändert. 

Die Fälle von primärem Cancer der Keilbeinhöhle sind außer¬ 
ordentlich selten; sie sind in klinischer Beziehung einander auffallend 
ähnlich; charakteristisch sind: der heftige Kopfschmerz, die schnell 
auftretenden sekundären Augenerscheinungen, ferner Verlegung der 
Nasenpassage. Zwei frühere Fälle sind in der Sitzung vom 29. März 
1905 von S. hier mitgeteilt. 

Diskussion. 

P. T e t e n s II a 1 d hatte Gelegenheit gehabt, einen ähnlichen Fall 
von primärem Cancer im Xasenrachenraum zu beobachten, jedoch ohne 


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187 


Au gone rscheimi n gen. Das Röntgenbild zeigte unzweifelhaft, daß es 
sich um eine Geschwulst im Sinus sphenoidalis handelte. 

M v g i n d erinnerte an einen Fall von weichen, von den hinteren 
Siebheinzellen ausgehenden Geschwulstmassen. M. hatte diesen Fall 
wie so viele ähnliche als inoperabel betrachtet. 

Schmiegelow meint auch, derartige maligne Fälle eignen sich 
nur wenig für Operation; in gewissen Füllen, wo die Siebbeinzellen 
der Sitz cles Leidens sind, kann man jedoch durch größere Resektionen 
wenigstens etwas erreichen. Karzinom bildet keine Kontraindikation 
gegen operative Eingriffe, indem Oaneer der Nasenhöhle erst spät Re¬ 
zidiv gibt sowie auch spätes Ergrilfensein der regionären Drüsen. 

II. TL M y g i n d: Versuche über primäre Heilung 
bei einfacher Aufmeißelung des Warzenfort- 
8 a t z e s. 

In einem Vortrag in der Sitzung der British Medical Association 
zu Toronto 1906 teilte-Blake mit, daß er durch 20 Jahre primäre 
Naht benutzt hatte bei einfacher Aufmeißelung in Fällen von akuter 
Mittelohreiterung, indem er die bei der Operation im Processus mast, 
hervorgebrachte Höhle sieh mit Blut füllen ließ, das alsdann gerann 
und sich später organisierte. B. legte darauf sehr viel Gewicht, daß 
gleichzeitig für ausgiebigen Ausfluß aus der Trommelhöhle gesorgt 
wird. Er hatte die Methode in 250 Fällen versucht und es gelang ihm, 
in etwa 50 Proz. bei ausgewählten Fällen Heilung zu erzielen. 

In demselben Jahr eröffnete Bryan t in der Sitzung der Ameri¬ 
can Medical Association zu Boston eine Diskussion über dasselbe Thema 
und gal) der Methode eine warme Empfehlung; es erhob sich jedoch bei 
dieser Gelegenheit gegen die Methode einige Opposition, während in 
Toronto niemand dagegen, einige dafür sprachen. 

In der Ohren- und Ilalsklinik des Kommunehospitals zu Kopen¬ 
hagen hatte M. in S Fällen diese Methode versucht; die Fälle waren 
alle erwählt, insofern in keinem derselben beträchtlichere Infiltration der 
"Weichteile bestanden hatte, sowie auch keine besonderen Komplika¬ 
tionen, perisinuöser Abszeß/epiduraler Abszeß und dergl. Ferner war 
die Methode nur in einem Falle versucht, wo der Warzenfortsatz be¬ 
sonders zellenreich war; in diesem Falle trat nachträglich Eiterung 
auf, vermeintlich, weil es nicht möglich gewesen war, alles Krank¬ 
hafte und Infektiöse zu entfernen; der Versuch wurde deshalb in ähn¬ 
lichen Fällen nicht wiederholt. 

Die behandelten Fälle fallen ganz in zwei Gruppen: Kinder und 
Erwachsene. In der ersten Gruppe, die drei Kinder umfaßte, waren 
die Resultate außerordentlich günstig, indem in allen Fällen koin- 


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ISS — 


plette primäre Heilung der Wunde und Aufhören der Eiterung erzielt 
wurde. Jn einem Fall trat jedoeh nach sieben Monaten im Anschluß 
an eine Erkältung aufs Neue im Warzenfortsatz Eiterung auf und als 
inzidiert wurde, fand man eine große, mit Eiter gefüllte Höhle. Da 
genau dasselbe auch nach gewöhnlicher Heilung durch Granulation 
nach einer Aufmeißelung sieh ereignen kann, ist die Methode doch 
wohl kaum hieran schuld. 

Bei den fünf Erwachsenen waren die Resultate etwas verschieden, 
wie näher entwickelt wurde; im großen Ganzen aber sah M. in den er¬ 
zielten Resultaten eine Aufforderung dazu, die Versuche fortzusetzen, 
es gilt nur, vorläufig scharf begrenzte Indikationen für die Verwen¬ 
dung der Methode zu erreichen. 

Diskussion. 

S c h m i e g c 1 o w hatte während der letzten drei Monate 6 Fälle 
in dieser Weise behandelt und meinte daraus schließen zu können, daß 
man nur in etwa der Hälfte der Fälle primäre Heilung erwarten darf. 
Bei einem 15 jährigen Mädchen und zwei 37 jährigen Männern trat 
nach 6—8 Tagen völlige Heilung ein. in dem einen Fall erschien doch 
14 T age später im unteren Teil der Narbe eine eiternde Fistel, die 
schnell heilte. In den anderen drei Fällen, ein 2 jähriger Knabe, ein 
39 jähriger Mann und eine 30 jährige Frau, mißlang die Behandlung 
vollständig, indem innerhalb der ersten Woehe Retentionserscheinun¬ 
gen auftraten, die dazu nötigten, die Wunde wiederum zu öffnen und 
die gewöhnliche Wundbehandlung zu verwenden; bei dem Manne ent¬ 
wickelte sich sogar den Hals entlang, unterhalb des Sternocleido ein 
Senkungsabszeß. Trotzdem meinte S., daß man bei besonders geeig¬ 
neten Fällen unkomplizierter akuter Mastoiditis die Methode verwen¬ 
den muß; wenn sie gelingt, ist sie vorzüglich, und wenn sie nicht ge¬ 
lingt, enthält sie wenigstens kaum eine größere Gefahr. 

III. P. T e t e n s Haid: Oesophagoskopie bei einem 
„S c h w e r t s e h l u c k e r“. 

Der Patient gehört einer „Schuertschlueker“-Familie an und hat 
sich seit frühester Kindheit in dieser Bezieluing ausgebihlet. Sein Vater 
ist seiner Zeit an einer professionellen Läsion gestorben, indem er 
sich durch eine scharf geschliffene Klinge die Ventrikelwand perfo¬ 
rierte. Patient selbst hatte auch früher mit scharf geschliffenen Degen 
gearbeitet, ohne dabei unangenehme Erscheinungen zu spüren; in der 
letzten Zeit hatte er jedoch nachher Schmerzen gehabt und es ging 
auch nicht so glatt wie früher, weshalb er jetzt nur einen alten Rei¬ 
tersäbel und einen stumpfen Degen verwendete; selbst dies aber meinte 
er jetzt nicht recht vertragen zu können. Er suchte die Ohren- und 


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189 — 


Ualsklinik des Kommunehdspitals wegen Schluckschmerzen und ver¬ 
mehrter Sehleimsekretion auf; er fürchtete, sieh eine Liision der Speise¬ 
röhre zugefügt zu haben. Zuerst ließ inan ihn seine „Kunst“ vor¬ 
führen. Er legte die beiden Klingen flach aufeinander, so daß die 
Spitze des Säbels ein bischen länger hervorragte, dann benetzte er sie 
mit Speichel, beugte den Kopf in korrekter Oesophagoskopiestellung 
zurück und ließ die Wallen in die Speiseröhre verschwinden. Der 
Degen war an der Spitze 2 cm breit, beim lieft 2,2 cm, der Säbel in der 
2sähe der Spitze 2,5 ein, dem Kingknorpel entsprechend 2,9 ein. Die 
Länge des Degens bis zum lieft betrug 43,5 cm und er wurde bis zum 
lieft eingeführt; die Länge des vom Säbel eingeführten Stückes be¬ 
trug 45,5 cm, Beide zusammen wogen 1600 g. Er konnte die Klingen 
mehrer Minuten halten, so daß es nicht nur gelang, eine ge¬ 
lungene gewöhnliche Photographie aufzunehmen, sondern auch eine 
gute Röntgenaufnahme. Der Schatten des Säbels reichte bis hinter 
den oberen Teil des Leberschattens, jedoch nicht länger hinab, als daß 
man annehmen muß, daß sein unteres Ende eben die Cardia erreicht 
hat. Seine Speiseröhre mußte deshalb vermeintlich von ganz außer¬ 
gewöhnlichen Dimensionen sein, was auch durch die Oesophagoskopie 
bestätigt wurde. Bei der llypopharyngoskopie erölfnete sich die Pars 
cricoidea pharyngis wie ein klaffender Schlund, der viel geräumiger 
war als gewöhnlich; an der Ilinterwand des Kingknorpels eine Ex- 
koriation, die seine Odynphagie erklären möchte. Die Oesophago¬ 
skopie vertrug der Patient merkwürdigerweise gar nicht besser als an¬ 
dere Patienten, es war, als habe sich seine Speiseröhre nur der An¬ 
wesenheit flacher, nicht aber zylindrischer Fremdkörper angewöhnt. 
Die Spei ser0hrenschleimh.au t war dunkelrot, samtähnlieh, also der Sitz 
einer chronischen Oesophagitis, die in Betracht seines Berufes wohl als 
eine professionelle gelten kann. Die ungewöhnliche Länge seiner 
Speiseröhre wurde durch die Oesophagoskopie bestätigt, indem der 
längste-Tubus (45 cm) in seiner ganzen Länge eingeführt wurde, ohne 
daß man die Cardia erreichte. Jörgen Müll e r. 


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Referate 


a) Otologische. 

Ueber die Beteiligung des inneren Ohres naeh Kopfersehütterungen 
mit vorzugsweiser Berüeksiehtigung derjenigen Fälle, bei denen 
die Hörfähigkeit für die Spraehe gar nicht oder nur in einem 

S raktlseh nicht ln Betracht kommenden Grade gelitten hat. Von 

berstabsarzt Dr. Rhes'e in Paderborn. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LII, 4.) 

Der Autor hat 100 Fälle von Kopfverletzungen auf eine etwaige 
Beteiligung der Ohren untersucht, teils sofort nach dem Unfall, teils 
Monate oder Jahre später; er kam dabei zu praktisch wichtigen Resul¬ 
taten; zunächst, daß sich das Ohr ziemlich regelmäßig auch an leich¬ 
teren Kopferschütterungen beteiligt, ohne daß die Hörweite für die 
Spraehe irgendwelche oder nur eine sehr geringe Einbuße zu erleiden 
braucht. Die sofort naeh der Kopfverletzung regelmäßig zu konsta¬ 
tierenden Symptome beziehen sich einmal auf das innere Ohr: Nystag¬ 
mus beim Blick naeh der nicht verletzten Seite, Schwindel und subjek¬ 
tive Geräusche, Verkürzung der Knochen- und Luftleitung mit be¬ 
sonders ausgesprochener Benachteiligung der Hörfähigkeit für mitt¬ 
lere Töne, starke Herabsetzung der Perzeption für die Uhr bei nur 
wenig oder gar nicht vermindertem Sprachverständnis; unter den übri¬ 
gen, nicht mit dem inneren Ohr in Zusammenhang stehenden Sym¬ 
ptomen verdient besondere Berücksichtigung die schon von R. Mül¬ 
ler betonte stärkt 4 Gefäßfüllung an der oberen Gehörgangsw r and auf 
der verletzten Seite, die sich, wenn auch in schwächerem Maße, noch 
Monate und Jahre naeh der Verletzung in vielen Fällen nachweisen 
ließ. Hierhin gehört ferner eine Reihe von vasomotorischen Störun¬ 
gen, wie solche auch von anderen Autoren naeh Kopfersehütterungen 
beobachtet worden sind. Alle diese ^Symptome finden sich nun auch, 
wenngleich in mehr oder weniger verändertem Maße, auch noch nach 
Monaten und Jahren vor, und geben die Berechtigung, an ein vorauf- 
gegangencs Kopftrauma als Ursache der Erscheinungen zu denken. 
Die Arbeit verdient ihrer praktischen Redeutung wegen eine besondere 
Empfehlung zum Nachlesen. Keller. 


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— 191 — 


Beitrag zur Kenntnis der gefährlichen Felsenbeine. Von Dr. 0. Muck 
in Essen. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIV, 3, 4.) 

M. berichtet über einen Fall von Ruptur des rechten, stark vor¬ 
gelagerten Sinus infolge heftigen Schlages auf den Kopf mit Blut¬ 
austritt aus dem Ohre; bei der Operation, die auf Grund der Diagnose 
eines Hämatoms in der hinteren Schädelgrube unternommen wurde, 
fand sich neben der Ruptur ein Bluterguß in der hinteren Schädel¬ 
grube, die bei einer spontanen Dehnung der rechten Fossa sigmoidea 
und einer alten Trommelfellperforation einen Ausweg nach außen ge¬ 
funden hatte. Verfasser führt diesen Fall als Beleg dafür an, daß die 
sogenannten gefährlichen Felsenbeine mit stark vorgelagertem Sinus 
und dünner oder dehiszenter Fossa jugularis auch durch direkte oder 
indirekte Traumen sehr leicht verletzt werden können. Auch das Vor¬ 
kommen eines blauen Trommelfelles durch Hineinragen des Bulbus 
durch eine Knochendehiszenz in den Boden der Paukenhöhle wird 
durch einen Fall des Verfassers illustriert. Keller. 

Zar chirurgischen Behandlung der kongenitalen Atresie. (Ueber 
akut-eitrige Mastoiditis bei angeborenem Defekt der Ohrmusehel 
und des äusseren Gehörganges. Von Dr. Alexander in Wien. 
(Zeitschr. f. Ohrenheilk., L, 1 u. 2.) 

Bei einem 11 jährigen Knaben mit angeborenem Defekt der rech¬ 
ten Ohrmuschel und des äußeren Gehörganges benutzte A. die Gelegen¬ 
heit einer Warzenfortsatzoperation, welche sich einer akuten eitrigen 
Entzündung wegen als notwendig erwies, um auf operativem Wege 
einen Gehörgang zu bilden, indem er „in dem Areale zwischen Tragus- 
ludiment und rudimentärer Muschel einen rechteckigen Hautlappen 
mit hinterer Basis bildete, dadurch ein Gehörgangloch formierte und 
durch Fixation dieses Hautlappens an die hintere Wundfläche wenig¬ 
stens zum Teil eine hintere membranöse Gehörgangswand gewann“ 
Die bisher übliche Operationsweise, durch die Haut der supponierten 
Gehörgangsöffnung und die Weichteile zum Trommelfell vorzudringen 
und durch eingelegten Bleinagel den Gang offen zu erhalten, hatte 
keinen Erfolg; nur die Radikaloperation am Warzenfortsatz mit brei¬ 
ter Freilegung des Antrums bis zum Sichtbarwerden des Ambo߬ 
körpers und Hammerkopfes mit nachfolgender Plastik (wie oben) 
führt zum Ziele. Nur in Fällen mit frei durchgängiger Tube und er¬ 
haltenem Mittelohr sollte operiert werden und auch dann nicht vor 
Eintritt der Pubertät. Keller. 

Klinische Beiträge zur Frage der akuten toxischen und infektiösen 
Neuritis des Nervus aeustieus. Von Privatdozent Dr. Hegener. Aus 
der Universitäts-Ohrenklinik in Heidelberg. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., 
L, 1 u. 2.) 

H. macht den dankenswerten Versuch, die spärliche Kasuistik der 
toxischen und infektiösen Akustikusneuritis, wie solche von Sieben - 
mann, besonders aber von Wittmaack auf gestellt worden ist, um 
0 Fälle eigener Beobachtung zu bereichern; es handelt sich dabei um 
Fälle von Rheumatismus, Influenza, Diabetes. Gelegenheit zum Nach¬ 
weise der Richtigkeit der Diagnose durch die Autopsie und mikro¬ 
skopische Untersuchung bot sich in keinem der Fälle dar. 

Keller. 


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19 2 — 


Ein weiterer Fall von otogener eitriger Sinnsphlebltis mit fieber¬ 
freiem Verlast Aus d<'r Univ^mtüts-Ohrenklinik zu Erlangen. Von 
Oberstabsarzt a. D. Dr. Sch rochier. tZeitschr. f. Ohrenheiik.. LH, 4.) 

Auch in die*<n, Falle war es, wie hei dein Falle Alexanders 
(.\n-\t. f, Ohrenheilk,, IPh'i, j>h tr. 84). zu einer festen Tliroinhenhildung 

oben und unten von der eiterhaltigen Stelle im Sinus gekommen, 
wodurch eine Wejti*rverM*hleppung von infektiösem Material verhütet 
wh ide, Die bakteriologische Untersuchung hatte Staphyloeoeeus pyo¬ 
gene«* aureus ergehen. Keller. 

Uobor die Horknnft dor ln der tieferen Sehleht der Stria yasenlarls 
Sieh findenden Zellen* Aus dem HuU-Laboratorium für Anatomie an 
der Universität Chicago. Von Dr. George E. Shambaugb. (Zeitschr. 
i‘. Ohronheilk., LIII, 4 .) 

Die Stria vaseularis besteht aus zwei Schichten, einer ober- 
llaehlieh gelegenen Kpithelschicht und einer tieferen, aus Zellen be¬ 
stehend, welche die Zwischenräume zwischen den Kapillaren ausfüllen. 
Kh int bis jetzt noch unentschieden, ob letztere Zellen auch echte Epi- 
fhclzelI ch darnteilen, welche von <ler Oberfläclienschicht des Epithels 
hetMtammen, oder aber üIh modifizierte Bindegewc'bszellen aufzufassen 
sind. Verfasser hat, die strittige Frage neuen Untersuchungen unter¬ 
zogen und ist dabei zu dem Resultate gekommen, daß sowohl das Ober- 
fluehenepithel, wie auch das unterliegende Bindegewebe an der Bildung 
jener tiefergelegenen Zellen beteiligt sein müssen. Keller. 

Dlo maiarischen Ohren-, Nasen-, Raehen- und Nasenraehenerkran- 

kungen. Von T. Gawrilow in Samara (liuss Monatsschr. f. Ohr-, 
Nasen- u. Halskrankh, 1906, 7. u 8. H.) 

Nach Verfasser, welcher am linken, malariareichen Wolgaufer 
lebt, kommen die maiarisehen Affektionen in unserem Spezialgebiet sehr 
hiiufig vor. Das () h r wird sowohl von einer Neuralgie (nach J ae ob- 
Mohni), die periodisch und meistens ohne Temperaturerhöhung ver¬ 
kommt, wie auch von Reiz- und Pareseerscheinungen seitens des Nerv, 
neust ieiiM, auf mala rischer Basis betroffen. Unter den maiarisehen 
Ktkrankungeii der Nase und des Pharynx nehmen die verschie¬ 
densten Neuralgien den ernten Platz ein. dann die hartnäckigen Nasen- 
hlutungen. die Pharyngitis gramilosa und endlich die Pharyngitis sicca, 
die nicht selten von einer massenhaften Borkenbildung begleitet wird. 
Die Diagnose ist oft schwierig, weil die typischen Malariasymptome 
die intermittierenden Temperatursteigerungen und die Milzsehwel¬ 
lung in den meisten Fällen abwesend sind; sie wird durch die gelbe 
V erfärbung der Augenskleren - - das nie fehlende Symptom — und die 
günstigen Resultate der Uhininkur gestützt. Therapie: Chinin, Ar¬ 
senik und. wenn das nicht ausreicht, Versendung nach einer malaria- 
freien (legend . L. M e kler (Ufa, Rußland). • 

Dl« Sohwlngungsart der Stimmgabel. Vou F. R Qu ix in Utrecht. 
(Zeitsehr. f. Ohronheilk, LU, 4 .) 

Der Autor teilt die Resultate seiner neueren Untersuchungen über 
die Sehw iugungsarten eines gebogenen Stabes ohne und mit Anbrin¬ 
gung eines Stieles mit; dieselben eignen sieh nicht zu einem kurzen 


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193 - — 


Referate. Hervorgehoben sei nur, daß Q. zu dem Schlüsse kommt, daß 
die Stimmgabel „nicht als eine Tonquelle betrachtet werden darf, deren 
Schall man konstant halten und theoretisch übersehen kann. Die In¬ 
tensitätsmessung des Schalles und mittels dieser die Bestimmung der 
Gehörschärfe ist denn auch im physikalischen Sinne als unerreichbar 
zu erachten. Zu diesem Zweck muß die Stimmgabelkonstruktion völlig 
geändert und der Stiel fortgelassen werden.“ Q. stellt weitere dies¬ 
bezügliche Mitteilungen in Aussicht. Keller. 


b) Rhinologische. 

Die operative Behandlung» der malignen Tumoren der Nase. Von 

Prof. Dr. Alfred Denker in Erlangen. (Autoreferat.) 

Verfasser weist in der Einleitung darauf hin, daß die Therapie 
der in den Körperhöhlen sich entwickelnden bösartigen Geschwülste 
trotz der Erfolge, welche bei den oberflächlichen Tumoren durch Rönt¬ 
gen- und Radiumstrahlen sowie durch Fulguration erzielt wurden, und 
trotz der energischen Bemühungen, die Pathogenese des Karzinoms zu 
erforschen, auch heutigen Tages noch eine rein chirurgische sein muß. 
Er bespricht dann die hauptsächlichsten Operationsmethoden, welche 
eine radikale Exstirpation der in der Nase und ihren Nebenhöhlen lo¬ 
kalisierten malignen Geschwülste gestatten. Als Präliminaropera tio- 
nen für die breite Freilegung dieser Tumoren kommen in Betracht die 
dauernde oder temporäreResektion des Oberkiefers. 
Diese beiden Eingriffe sind in der Regel außerordentlich blutig, so daß 
man sich gezwungen sieht, um die Gefahr der Aspirationspneumonie 
herabzusetzen, die Präventivtracheotoraie mit Tamponade der Luft¬ 
röhre, die Unterbindung der Carotis, oder auch die perorale Tubage in 
Anwendung zu bringen. Die zahlreichen Modifikationen der v. Lan¬ 
ge n b e c k sehen osteoplastischen, partiellen Resektion des Oberkie¬ 
fers kann man einteilen in f a z i a 1 e und orale und bei den letz¬ 
teren wiederum kann man einen palatalen und einen i n ter¬ 
maxillaren Weg unterscheiden. Der palatale Weg mit II e r u n - 
terklappung des Gaumens wurde beschritten von N e 1 a t o n, 
Gussenbauer, Chalot, Habs und P a r t. s c h, während 
Kocher nach Abtrennung des Gaumens und des Alveolarfortsatzes 
vom Septum und von der medialen und fazialen Kieferhöhlenwand und 
nach Durchsägung des harten Gaumens in der Medianlinie sich durch 
Auseinanderklappen dieses horizontalen 'Feiles beider Ober¬ 
kiefer, also auf int.ermaxillarem Wege den Zugang zu dem Ursprungs¬ 
und Ausbreitungsgebiet der Geschwulst freilegte. 

Von den nasalen Methoden kommen nur diejenigen Eingriffe 
in Betracht, welche sich nicht nur auf die knorpelige Nase, sondern 
auch auf das knöcherne Nasengerüst erstrecken. Derartige Verfah¬ 
ren sind angegeben von L inhart, v. Bruns - Chassaignac, 
Ol 1 i e r, v. Langenbeek,G.Killian, A. Barth, v. Moüre 
und Brockaert. 


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— .194 — 


Die sämtlichen angeführten Operationen haben mit Ausnahme der 
von C h a 1 o t und Par tsch angegebenen Methoden das Gemein¬ 
same, daß sie mit einer Kontinuitätstrennung der Haut des Gesichts 
einhergehen und Narben resp. eine mehr oder minder hervortretende 
Entstellung im Gefolge haben. Das Verfahren nach Chalot und 
P a r t s c h ist ebenso wie die dauernde oder temporäre Resektion 
des Oberkiefers bisweilen von einer enormen Blutung begleitet. 

Diese Nachteile und Gefahren lassen sich bei der vom Verfasser 
angegebenen Operation fast gänzlich vermeiden. Dieselbe hat sich auf¬ 
gebaut und entwickelt aus der Radikaloperation des chronischen Kie¬ 
ferhöhlenempyems, welche Verfasser im zweiten Heft des XVII. Bandes 
des F r änkel sehen „Archivs für Laryngologie 4 * beschrieben hat. Sie 
wird in folgender Weise ausgeführt: 

Vor dem Beginn der Operation, die in Morphiifm-Aethernarkose 
vorgenommen wird, empfiehlt es sich, zur Herabsetzung der Blutung 
einen Kokain-Adrenalintampon in Streifenform möglichst weit nach 
hinten und oben in die Nasenhöhle einzuführen. Einlegung eines 
mehrfach zusammengelegten und zum Munde herausgeführten Gaze¬ 
streifens zwischen die hinteren Zähne. Der Weichteilschnitt in der 
Umschlagsfalte der Oberlippe zum Alveolarfortsatz, über dem Weis¬ 
heitszahn beginnend, verläuft horizontal nach vorn, durchschneidet das 
Frenulum labii superioris und erstreckt sich noch 2—3 cm in gleicher 
Richtung auf die andere Seite hinüber. Die Weichteile werden mit 
dem Raspatorium sow T eit nach oben geschoben und durch zwei scharfe 
vierzinkige Haken gehalten, daß nicht nur die Superficies fa¬ 
cialis des Oberkiefers und die Umgebung der 
Apertura piriformis, sondern auch die untere 
Partie des Nasenbeines und des Proc. nasalis des 
Oberkiefers bis nahe an den U ebergang des unte¬ 
ren in den inneren Orbitalrand frei vorliegt. Nur 
wenn diese ausgiebige Freilegung nach oben zu vorgenommen wird, 
kann man nachher das Siebbein breit aufdecken. Bei diesem starken 
Hinaufziehen der Weichteile reißt bisweilen die Mukosa des unteren 
Nasenganges an der Apertura piriformis etwas ein. Der aus seinem 
Kanal heraustretende Nervus infraorbitalis wird mit nach 
oben hinauf gezogen. Wenn die mediale Kieferhöhlenwand noch er¬ 
halten ist, wird jetzt die Mukosa der lateralen Wand des unteren und 
des mittleren Nasenganges von der Apertura piriformis aus mit einem 
entsprechend abgebogenen Elevatorium bis an die hintere Kiefer- 
höhlenw T and abgehebelt. 

Abtrennung der unteren Muschel an der Crista turbinalis mit 
einer kräftigen Nasenschere. Nun folgt die breite Eröffnung der 
Kieferhöhle durch vollständige Resektion der fazialen Wand. 

Da in den meisten Fällen die Kieferhöhle entweder durch Ueber- 
greifen des Tumors von der Nase her, oder auch durch eine chronische 
eitrige Entzündung ihrer Mukosa mit an dem Prozeß beteiligt ist, 
w r ird die Schleimhaut der ganze Höhle radikal entfernt. 

Nun folgt die Resektion der medialen Kieferhöhlenwand ein¬ 
schließlich ihrer Fortsetzung bis zur Apertura piriformis mit L u e r - 


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— 195 — 


scher Zange und Meißel, so daß nun mehr in den Fällen, wo der Tumor 
noch nicht in die Kieferhöhle vorgedrungen ist, die letztere von der 
Nasenhöhle nur noch durch die Mukosa der lateralen Nasenwand ge¬ 
trennt ist. Zugleich wird jetzt die untere Partie des 
Nasenbeines und des Proe. nasalis des Oberkiefers mit 
der Knochenzange bis in die Nähe des Tränenbeins fortgenommen. 
Mit raschen Schnitten wird nun die vorliegende Mukosa der lateralen 
Nasenwand mit der Schere oder dem Messer Umschnitten und in toto 
herausbefördert. Wenn der Tumor vom mittleren Nasengang oder 
der unteren Muschel ausging, kommt er zum größten Teile mit der 
Mukosa heraus. Es liegt nun das ganze Naseninnere breit vor und es 
läßt sich das Siebbeinlabyrinth mit Konchotom und Löffel gründlich 
ausräumen und ebenfalls die vordere Wand der Keilbeinhöhle leicht 
resezieren. Für diesen Teil der Operation ist die Verwendung der 
künstlichen Beleuchtung des Terrains sehr erwünscht. 

Durch die Choane schaut man nun frei in den Nasenrachenraum 
hinein und es lassen sich, besonders wenn man den hinteren Teil des 
Septum reseziert oder beiseite drängt, auch die vom Rachendach ent¬ 
springenden Geschwülste in Angriff nehmen und gründlich exstir- 
pieren. 

Der Zugang zur Stirnhöhle ist nach Fortnahme der frontalen 
Siebbeinzellen leicht sondierbar; für den Fall des ITebergreifens des 
Tumors auf die Stirnhöhle dürfte es sich jedoch dringend empfehlen, 
die yordere Wand dieser Höhle zu resezieren und den Ductus naso- 
frontalis zu erweitern, um auch hier alles Krankhafte zu beseitigen. 

Nach sorgfältiger Entfernung aller suspekten Weichteil- und 
Knochenpartien wird die Wundhöhle mit Yioformgaze tamponiert und 
die orale Wunde primär vernäht. Umschläge mit essigsaurer Tonerde 
auf die operirte Gesichtsseite, Mundspülungen mit Borwasser. Nach 
vier Tagen Herausnahme des Tampons, am fünften Tage Entfernung 
der Nähte. Vom 10. Tage an Ausspülungen mit Borsäurelösung durch 
den Patienten mit weiter abgebogener Glasröhre bis zum Aufhören 
der Sekretion. 

Verfasser hat im ganzen sechs Patienten mit malignen Nasen¬ 
tumoren nach seinem Verfahren operiert und sich in allen Fällen von 
der breiten Uebersichtliehkeit des Operationsgebietes und der relativ 
geringen Blutung überzeugen können. Die gleichen sehr günstigen 
Erfahrungen mit dieser Methode machten Prof. Neumayer in 
München und Prof. Ma nasse in Straßburg. 

Die Ansicht U ffenordes, daß bei dem beschriebenen Eingriff 
die Zugänglichkeit der vorderen Siebbeinzellen erschwert sei, besteht 
nicht zu Recht, wenn die Weich teile genügend nach oben herauf¬ 
gezogen und die unteren Partien des Nasenbeines und des Proe. na¬ 
salis des Oberkiefers mit fortgenommen werden. 

Die Vorzüge der Methode lassen sich folgendermaßen zusammen¬ 
fassen : 

1. Das Verfahren gestattet, in gleicher Weise 
wie die nasalen, fazialen und die übrigen oralen 
Methoden, die breite, übersichtliche Freilegung 


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196 — 


des Ursprungs- und Ausbreitungsgebietes der 
Geschwulst in der Nase und ihren Nebenhöhlen. 
Sie erfüllt demnach die Hauptforderung, die bei 
der Exstirpation maligner Tumoren grundsätz¬ 
lich gestellt werden muß. 

2. Eine Kontinuitätstrennung der äußeren 
Haut wie bei allen nasalen und fazialen Metho¬ 
den findet nicht statt; da auch durch die Fort- 
nah me der Skeletteile durchaus keine Entstel¬ 
lung des Gesichts bewirkt wird, so ist das kos¬ 
metische Resultat geradezu ein ideales. 

3. Das Herunter fließen größerer Blut men gen 
läßt sich bei dem Verfahren des Verfassers fast 
sicher vermeiden; es ist dies besonders den sehr 
blutigen oralen Methoden von Chalot, Parts cli 
und Kocher gegenüber zu betonen, die im übrigen 
in kosmetischer Beziehung auch gute Resultate 
ergeben. Infolge der bei unserem Eingriff viel 
geringeren Gefahr der 'Aspirationspneumonie 
kann die prophylaktische Unterbindung der Ca¬ 
rotis und die Prüventivtrachootomie in Wegfall 
kommen: die durch die Operation an sich be¬ 
dingte Mortalität dürfte eine sehr gering'.' sein. 

4 Die Nachbehandlung ist außerordentlich 
einfach, der II eilungs verlauf in der Regel glatt; 
gewöhnlich können die Patienten 10 —14 Tage 
nach der Operation aus der klinischen Behand¬ 
lung entlassen werden. 

Die durch Nasenerkrankungen bedingten kontralateralen Seh¬ 
störungen und Erblindungen. Von Prof. Dr. A do 1 f 0 nodi. (Sitzungs¬ 
bericht der Ungar. Akademie, Oktober 1906.) 

Tm Anschluß an einen beobachteten Fall werden folgende Mög¬ 
lichkeiten der Fortpflanzung der Entzündung durch physiologische 
Knochendefekte, durch Zirkulationsstörunnen bei den durch ihn beob¬ 
achteten Präparaten beschrieben. 

1. Die linke hintere Siebbeinzelle bildet die mediale Wand des 
rechten Oanalis opticus. 

2. Die rechte hintere Siebbeinzelle bildet an beiden Seiten die un¬ 
tere uml mediale Wand dos Canalis opticus und des ganzen Sulcus 
opticus. 

3. Die rechte hintere Siebbeinzelle bildet die ganze Wand des Sul¬ 
cus opticus. 

4. Die rechte hintere Siebbeinzelle bildet ein Drittel der rechten 
und mittleren Wand des Sulcus opticus. 

5. Der linke Sinus sphenoidalis bildet die untere Wand des rech¬ 
ten Uanalis opticus. 

C. Der linke Sinus sphenoidalis bildet die untere Wand des rechten 
Oanalis opticus und die Wand des rechten und mittleren Drittels des 
Sulcus opticus. 


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— 197 — 


7. Der linke Sinus sphenoidalis bildet beiderseits die untere und 
mediale Wand des Canalis opticus und des ganzen Sulcus opticus. 

8. Dieselben Verhältnisse, nur daß die Wand des Canalis opticus 
auch von der rechten hinteren Siebbeinzelle gebildet wird. 

1). Der linke Sinus sphenoidalis bildet die untere und mediale 
Wand des linken Canalis opticus und die untere Wand des rechten 
Canalis opticus, ferner die Wand des ganzen Sulcus opticus. 

10. Der rechte Sinus sphenoidalis bildet die Wand des mittleren 
Drittels des Sulcus opticus. Daumgarten. 

Zur Behandlung des Heufiebers. Von Dr. Max Berliner in Breslau. 

(Deutsche med. Woehenschr., 32. Jahrg., Nr. 13) 

Verfasser wendet bei Heütieber den konstanten Strom an; seine 
Erfahrung erstreckt sich allerdings im ganzen erst auf vier Fälle, die 
er in der ersten Woche täglich galvanisierte, nachher nur zweimal 
wöchentlich. Zu diesem Zwecke bringt er zwei kleine Elektroden auf 
die Xasenschleimhaut und läßt den konstanten Strom in Stärke von 
5 Milliampere etwa 5 Minuten lang auf die empfindlichen Stellen der 
Nase einwirken. Da der Erfolg ein guter war, so empfiehlt er das 
Verfahren zur Nachprüfung; denn die Aufgabe der Therapie müsse in 
erster Reihe in dem Bestreben bestehen, die Empfänglichkeit der Ner¬ 
ven herabzusetzen oder vollkommen auszuschalten. 

Reinhard (Cöln). 

f 

UebeF den Wert der submukösen ParaffinlDjektionen bei Ozäna. 

Von Dr. Desiderius von Navratil. (Orvosi Hetilap, 1006, Nr. 10.) 

Verfasser sah bei einer kleinen Anzahl von Patienten nach den 
Paraflininjektionen Besserungen, besonders der Geruch verschwand, 
glaubt aber auch nicht, die Ozäna durch diese Methode heilen zu 
können. Baum garten. 

Die Entwickelung der Lehre von der Ozäna. Von B. Fränkel. 

(Berliner klin. Woehenschr. 43. Jahrg., Nr. 52.) 

F. war der erste, der schon 1874 zwischen atrophischem und liyper- 
pl?stisehem Katarrh der Nase unterschied, und die Ozäna dem ersteren 
zuzählte. Während man damals alle stinkenden Nasenkrankheiteu 
Ozäna nannte, bezeichnet man heute nur jene atrophierende Form mit 
Borkenbildung mit diesem Namen. Nach F. bezogen Nickel und 
Ha jek die Krankheit auf die Nasennebenhöhlen, doch weist Verf. 
nach, daß diese unmöglich Ursache der Ozäna sein können. Auch die 
Vorstellung von Grünwald und H a j e k, daß die Ozäna keine 
Flächen-, sondern eine Herderkrankung sei, und zwar ausgehend von 
den Nasengängen und dem adenoiden Gewebe, traf nicht das Richtige. 
Es kam dann eine weitere Auffassung für die Ozäna, die von Schu¬ 
chart und Volkmann vertretene der Metaplasie des Epithels; 
indes konnte Oppikofer diese Ansicht widerlegen; außerdem 
kommt die Metaplasie auch bei Zuständen vor, die mit Ozäna nichts 
zu tun haben. Cordes und C h o 1 e w a schuldigten die Muschel- 
knoehen an und legten der Ozäna eine ratifizierende Ostitis zugrunde; 


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auch diese Theorie vermochte nicht, die Aetiologie der Krankheit zu 
fördern. H o p ni a n n und Siebenma n n stellten durch Messun¬ 
gen fest, daß die Ozäna vorwiegend hei Chasinäsopropen vorkommt, 
und auch bei kurznasigen, so daß also von H o p m a n n eine präfor- 
mierte Kürze des Septums und von S. die Form des ganzen Gesichts¬ 
schädels als Ursache der Ozäna angesprochen wird. Verfasser ist der 
Ansicht, daß, wenn diese Veränderungen an den Knochen sich bestäti¬ 
gen sollten, sie die Folge und nicht die Ursache der Ozäna darstellen. 
Die L ö w e n b e r g sehe Theorie schließlich sucht die Ursache der 
Krankheit in einem Ferment, das den Gestank erregen sollte, und Abel 
in einem von ihm Bacillus mucosus oder Bacillus ozaenae genannten 
Mikroorganismus, der zwar nicht Ursache des Gestankes, sondern der 
besonderen Form des Katarrhs, welcher der Ozäna zugrunde liegt, sein 
solle. Es solle dieses Bakterium den klebrigen Schleim erzeugen, und, 
wenn dieser dann in der Nase stagniere, so kämen andere Bakterien 
hinzu, welche den Gestank verursachen. Man kann aber bis heute nach 
F. nur sagen, daß der Bazillus nur ein häufiger Trabant der Ozäna, 
nicht ihre Ursache ist, um so weniger, als er nach seinem Entdecker 
selbst ja nicht den Gestank, das Kardinalsymptom der Ozäna, erzeugt. 
Verfasser kommt daher zu dem Schluß, daß wir über seine damalige 
Theorie, die oben angeführt ist, noch nicht sehr viel weiter hinaus 
sind. Er sage dies nicht, um für sich Reklame zu machen, sondern um 
zu zeigen, wie intensiv noch bis zur Klärung dieser Frage gearbeitet 
werden muß. Reinhard (Cöln). 

La eont&gion de l’ozöne. Von Marcel Lermoyez in Paris. (Berliner 
klin. Wochenscbr., 43. Jahrg., Nr. 47.) 

Verfasser führt sechs Beispiele an. in denen syphilitische Per¬ 
sonen mit Ozäna behaftet durch innigen Verkehr mit Familienange¬ 
hörigen diese Krankheit auf ihre Umgebung übertrugen, wenigstens 
nimmt er an, daß diese von den ersteren angesteekt wurden. Er hält 
daher auf Grund dieser Beobachtungen die Ozäna für eine ansteckende 
Krankheit und gelangt zu der Schlußfolgerung, daß Ozänakranke ver¬ 
pflichtet werden müßten zu größeren prophylaktischen Vorsichtsma߬ 
regeln in ihrer Familie, besonders Kindern gegenüber. Er ist Anhän¬ 
ger der bazillären Theorie über die Entstehung der Ozäna. „Man wird 
ozänakrank, wie man tuberkulös wird.“ Auch hier sei eine gewisse 
Prädisposition notwendig,' wie sie z. B. nach schwächenden Krank¬ 
heiten vorhanden sei. Reinhard (Cöln). 

Uebep die häutigen Bestandteile der sog. Fontanelle des mittleren 
Nasenganges. Von Prof. Dr. A. Onodi in Budapest. (Fränkels Archiv 
f. Laryngologie.) 

Die mitgeteilten Untersuchungen an anatomischen Präparaten, die 
in 11 Abbildungen vor Augen geführt werden, zeigen die zahlreichen 
vorkommenden Variationen im Aufbau der lateralen Nasenwand im 
Bereiche des mittleren Nasenganges. An den häutigen Bestandteilen 
des fraglichen Gebietes unterscheidet O. eine obere und eine untere 
Fontanelle im Bereiche des Hiatus semilunaris — die untere wird auch 
untere vordere genannt —, ferner eine hintere, die hinter dem hinteren 


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Ende des Proc. uncinatus gelegen ist und nach diesem Orientierungs¬ 
punkt in eine obere und untere hintere zerfällt. 

Ii. H o f f m a n n (Dresden). 

Beiträge zur Beleuehtung der Beziehungen zwisehen Nasen- und 
Augenkrankheiten. Von Prof. Dr. E. Schmiegelow in Kopenhagen. 
(Frankels Archiv f. Laryngologie.) 

Beschreibung zweier Fälle von retrobulbärer Neuritis optica, deren 
Ursache eine latente Eiterung iin Sinus sphnoidalis und ethmoidalis 
posterior war. Der erste, akut verlaufende Fall betraf einen 11 jähri¬ 
gen Knaben, der zweite chronische ein 18 jähriges Mädchen. In beiden 
Fällen nach Eröffnung der erkrankten Höhlen Besserung der Kopf¬ 
schmerzen und des Sehvermögens. R. Hoffman n (Dresden). 

Ein Nasenzahn. Von Dr. Koellreutter. Aus der Universitäts-Ohren-etc. 
Klinik zu Rostock. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LII, 4.) 

35 jähriger Patient, an Hasenscharte und Gaumenspalte im Alter 
von 14 Tagen operiert. Im Vestibulum nasi beiderseits eine Wulstung 
aus dem Nasenboden, rechts mit spitzem, nach vorn und auf der hohen 
Kante nach oben gerichtetem Zahn; starke Deformation des Ober¬ 
kieferalveolarrandes, Keller. 

Rhino-laryngologisehe Daten 1905—1906. Von Hofrat Prof. Dr. E. von 

Navrntil. (Orvosi Hetilap, 1906, Nr. 40.) 

Es werden der Reihe nach alle wichtigen Erkrankungen und de.ren 
Therapie besprochen, besonders die Indikationen zur Tracheotomie und 
zur Laryngofission. Die erreichten Resultate bei Kehlkopfkrebs • wur¬ 
den bereits referiert. 10 Fälle von Sklerom werden mitgeteilt; bei 
diesen befolgt Verfasser meistens ein energisches Verfahren, da er das 
Sklerom mehr den malignen Neubildungen anreihen will. Bei 
oberflächlichen Rhinoskleromen sah er gute Erfolge von Röntgenstrah¬ 
len. Bei tiefer greifenden Rhinoskleromen spaltet er die Nase am 
Nasenrücken, entfernt alles Kranke, ersetzt eventuelle Defekte dureli 
Hautlappen von der Stirne und bei Knochendefekten durch Platten 
vom Stirnbein. Vom Rachen werden die kranken Stellen mittels 
Gottstein sehen Messers entfernt. Bei geringeren Kehlkopf- 
skleromeu wird intubiert., bei den anderen Formen Tracheotomie ge¬ 
macht und dann Laryngofission und alles Kranke bis zum Gesunden mit 
dem Messer entfernt. Der jüngste Kranke war 15 Jahre alt, die älte¬ 
ste Patientin 70 Jahre. An den beigefügten Photographien sieht 
man die reduzierten Nasen und die Defekte ersetzt. 

Baumgarten. 

Ein neuer Nasensauger. (Nachtrag zu dem Artikel in Nr. 10.) Aus der 
Universitätspoliklinik für Ohren-, Hals- und Nasenkranke in Bonn (Direktor 
Prof. Dr. Walb). Von Dr. Carl Leu wer, Assistenzarzt. (Deutsche 
med. Wochenschr, 32. Jahrg., Nr. 13.) 

Verfasser bringt, eine Abbildung des von ihm umgeänderten Na¬ 
sensaugers, der in einer Saugspritze besteht, an dem vorn an einem ge¬ 
gabelten Rohr und mit (iummiscliläuehen verbunden die beiden Oliven 
für die Nasenlöcher sieh befinden; letztere tragen eine Ausbuchtung 
zur Aufnahme des angesogenen Sekretes. Reinhard (Oöln). 


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— 200 — 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Zar Behandlung der Fremdkörper in den tieferen Luftwegen und in 
der Speiseröhre« Von G. Killian in Freiburg i Br. (Zeitsehr. f. 
Ohrenheilk, LV, 1 u. 2.) 

Zusamenfassende Schilderung (nach einem in New York gehalte¬ 
nen Vortrage) der Tracheo-Bronchoskopie und der Extraktionsmetho- 
den der Fremdkörper je nach ihrer Art. Lagerung und Beschaffenheit 
ihrer Umgehung. Keller. 

Beitrag znr Frage Uber die sehwarze Haarzunge. Von Prof. W. 
Oku new in St. Petersburg. (Kuss. Monatsschr. f. Ohr-, Nasen- u. Hals- 
krankh., 1907, 2. u. 8. H.) 

Es sind zwei Krankheitsformen der sclnvar/en Zunge zu unter¬ 
scheiden. In der erstem findet man nur die pathognomisehe Verfärbung 
der Zunge infolge der abnormen Pigmentansammlung — ein Produkt 
der Pilztätigkeit (Mueor niger u. a.) — ohne jegliche Hypertrophie 
de** Zungenpapillen. In der zweiten Krankheitsform, für welche allein 
eigentlich der Name Haarzunge paÜt. treten hingegen die Erscheinun¬ 
gen der Hypertrophie der Pap. filiformes in den Vordergrund. Die 
braunschwarze Pigmentierung der hypertrophischen Papillen hängt 
nach Verf.'s ausführlichen histoehemischen Untersuchungen von der An¬ 
häufung eines eisenhaltigen Pigments in den hyperplasierten Jlorn- 
zellen ab; dasselbe wird nach S t i e d. modifiziert von Verf., gefärbt. 
Die Therapie bestand in Abtragen der hypertrophierten Zungenpapil¬ 
len sehr tief bis zur Wurzel mit, der Hachen Schere — was ganz schmerz¬ 
los und fast blutlos geschieht — mit nachfolgender täglicher Bepinse¬ 
lurig mit 1 — 2 proz. Jodglyzcrino. Das Resultat des Verfassers war 
sehr günstig: kein Rezidiv seit 4 resp. 5 Jahren in beiden Fällen. 

L. Me kl er (Ufa, Rußland). 


Ueber den günstigen Einfluss des innerlichen Gebrauchs von Jodkali 
auf die Tuberkulose der oberen Luftwege. Aus der Universitäts- 
Ohren- und Kehlkopfklinik zu Rostock.- Von Dr. C. Grünberg. 
(Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIII, 4.) 

An der Körner sehen Klinik wird schon seit Jahren innerlich 
Jodkali (1—2 g pro die) mit gutem Erfolg bei tuberkulösen Sehleim- 
hauterkrankungen der oberen Luftwege, namentlich der Nase, des 
Gaumens und Schlundes neben der üblichen lokalen Therapie an¬ 
gewandt, ohne daß deshalb in dem Medikament etwas anderes als 
lediglich ein Adjuvans, keineswegs ein Spezifikum angenommen würde. 
Besonders betont wird, daß deshalb in differential-diagnostisch zweifel¬ 
haften Füllen aus der günstigen Wirkung des Jodkaliums nicht ohne 
weiteres, wie es meist zu geschehen pflege, auf Lues zu schließen sei. 
Sechs Fälle werden zur näheren Begründung des Ausgeführten be¬ 
schrieben und epikritisch beleuchtet. Keller. 


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— 201 — 


Ueber Asthma bronchiale. Von P. Strübing. (Deutsche med. Wochen¬ 
schrift, 32. Jahrg., Nr. 31.) 

Ein Beitrag zur Pathogenese des Asthma bronchiale, der zu kurzem 
Referat nicht geeignet ist. Verf. bestätigt die von Talma hervorge¬ 
hobenen Tatsachen, der das Wesen des Asthmas in einem Kampf der 
Muskeln der Luftwege sieht, nachdem er selbst Versuche in dieser 
Richtung hin angestellt hat, mit denen er uns näher bekannt macht. 

Reinhard. 

Die Verlagerung der Luftröhre und des Kehlkopfes als Folge gewisser 
Veränderungen der Brustorgane. Aus der med. Klinik in Leipzig. 
Von H. Curschmann in Leipzig. (Münchener med. Wochenschr., 

52. Jahrg., Nr. 48.) 

Verfasser hat beobachtet, daß Erweiterung der atheromatös 
entarteten Brustaorta, besonders ihres aufsteigenden Teiles und des 
Bogens, vereinzelt auch Dilatationen des truncus anonymus, ausge¬ 
breitete sowohl, wie besonders auch umschriebene, dislozierend 
auf den ihnen anliegenden, innerhalb der Brusthöhle gelegenen 
unteren Luftröhrenabschnitt wirken und damit auch zu einer sicht- 
und fühlbaren Verlagerung ihres Halsteiles und des Kehlkopfes führen 
können. Er teilt uns eine solche Beobachtung mit, wo er zu einer 
Zeit, als durch die üblichen physikalischen Untersuchungsmethoden 
nur allgemeine Arteriosklerose und Verhärtung der Wand des Anfangs¬ 
teiles der Brustoarte festzustellen war, aus dem Stande des Kehlkopfes 
und des Halsteils der Luftröhre auf eine umschriebene Erweiterung 
der Aorta, insbesondere ihres Bogens geschlossen werden konnte. Auf 
Curschmanns topographisch-anatomische Betrachtungen soll hier 
nicht näher eingegangen werden, bemerkt sei nur, daß bei der Enge 
der räumlichen Verhältnisse schon geringe Vergrößerungen, wenn sie 
nur einen besonderen Sitz haben, sich durch erhebliche Verschiebungen 
äußern müssen. Damit ist nicht gesagt, daß nun jeder Fall von Er¬ 
weiterung der Aorta Luftröhren- und KehlkopfVerschiebung zu machen 
braucht; es kommt eben auf den Sitz der Dilatationen an, worüber das 
Einzelne im Text selbst nachzulesen ist. Reinhard. 

Uober Verlagerung des Kehlkopfes und der Luftröhre bei verschie¬ 
denen Erkrankungen der Brustorgane. Aus der med. Klinik zu 
Leipzig (Direktor Prof. Dr.Curschmann). Von DDr. HeinrichW ichern 
unaFritz Löning, Assistenten der Klinik. (Deutsche med. Wochenschr., 

53. Jahrg., Nr. 42.) 

Für die Annahme Curschmanns, der darauf hinwies, daß so¬ 
wohl ausgebreitete, als auch ganz umschriebene Erweiterungen der 
Brustaorta schon ziemlich früh zu sicht- oder fühlbaren Verschiebungen 
der Luftröhre und des Kehlkopfes führen können, daß wohl auch die 
verschiedensten anderen Krankheitsprozesse innerhalb des Brustkorbes, 
besonders Pneumothorax, Pleuraergüsse, Lungenschruropfung und 
Kavernen zu deutlichen Verlagerungen des Kehlkopfes und der Luft¬ 
röhre führen müßten, bringen die Verfasser interessante Belege. In 
3 Fällen handelte es sich um ein Sarkom, das sich im Mediastinum 
entwickelt hatte; in 2 Fähen beobachteten sie, daß pleuritische Exsudate 


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zu einer deutlichen sicht- und fühlbaren Verlagerung der Luftröhre 
und auch des Kehlkopfes führten, o weitere Fälle von totalem Pneu¬ 
mothorax riefen ebenfalls recht bedeutende Verdrängungserscheinungen 
hervor. Während ein Pneumothorax wohl nur eine Dislokation nach 
der entgegengesetzten Richtung bewirken kann, sind die Verfasser der 
Ansicht, daß eine größere Kaverne die Luftröhre in ihrer normalen 
Lage lassen oder im Gegenteil durch die Sch rum pfungs Vorgänge in 
dem zwischen beiden liegenden Lungengewebe gerade nach der Seite, 
auf der sie sich befindet, hinüberziehen wird; auch hierfür führen sie 
einen lehrreichen Fall an. Aber nicht nur Kavernen, sondern auch 
andere Ursachen, die Schrumpfungsvorgänge, im Thorax zur Folge 
haben, können zu einer Verlagerung der Luftröhre in ihrem Halsteil 
führen, wie ein Fall beweist, bei dem die ungewöhnlich starke Ver¬ 
lagerung des Herzens nach derselben Seite im Verein mit dem Lungen¬ 
befund unzweifelhaft dafür sprach, daß in den erkrankten Teilen der 
Lunge eine derbe pleuritische Schwarte, eine interstitielle Pneumonie 
und größere Bronchiektasien sich gebildet hatten. Das Symptom kann 
also sowohl durch Druck- als auch durch Zugwirkung entstehen, und 
seine Bedeutung liegt nach W. und L. darin, daß es schon bei der 
ersten Betrachtung des Kranken die Aufmerksamkeit auf einen im 
Innern des Thorax vorhandenen Krankheitsvorgang richtet, der sonst 
vielleicht kaum beachtete Erscheinungen macht, wie es namentlich bei 
Aortenaneurysmen oft der Fall sein wird. Reinhard. 

Die Ventrikelform beim Sängerkehlkopf. Von Dr. Georg Avellis in 
Frankfurt a. M. (Fränkels Archiv f. Larvngologie.) 

Verfasser weist auf die von ihm durchweg gemachte Beobachtung 
hin, daß Sänger einen ,,auffällig wohlgebauter! und weiten Eingang 
in den Ventriculus Morgagni“ haben. Dabei vermutet er. daß es sich 
nicht um eine Folge des Singens, sondern um eine angeborene Anlage 
handele. R. II o f f m a n n (Dresden). 

Nene Fragestellung zur Symptomatologie der Sensibilitätsstörungen 
im Larynx. Von Dr. Georg Avellis in Frankfurt a. M. (Frankels 
Archiv f. Lnryngol.) 

Auf fl rund eigener und fremder klinischer Beobachtungen bezeich¬ 
net A. die Annahme, daß jede Kehlkopfseite nur von den ihr zugehöri¬ 
gen Nerven sensibilisiert würde, als irrtümlich und kennzeichnet die 
sich nunmehr ergebenden, noch ungelösten Fragen der Mehrfachsensi- 
bilisierung des menschlichen Kehlkopfes. Als feststehend stellt er die 
beiden Sätze auf: „Hemianästhesie im Larynx kommt nur bei Hysterie 
vor. Andere Nervenstörungen im Larvngeus sup. oder inf. können 
totale Sensibilitätsstörungen hervorrufen, aber keine unilaterale An¬ 
ästhesie.“ R. IT o f f m a n n (Dresden). 


Alle für die Monatsschrift bestimmten Beiträge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften Archive und Tausch-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Hofrat 
Prof. Dr. I«* v. Schrötter in Wien IX, Mariannengasse 3, zu senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 30 Separat-Abzüge beigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Mars ebner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 


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Leopold Sdirotter Ritter v. Kristelli 

* 5. Februar 1837 — *J* 22. April 1908. 

Voi etwa einem Jahre habe ich an dieser Stelle, zum 70. (le¬ 
im rtstag unseres unvergeßlichen Meisters, die Erklärung abge¬ 
geben: ..leb denke nicht daran, liier v. Schrotters Leben s- 
lauf in ersehö])fender Weise zu schildern, seine Bedeutung als 
Lehrer und Forscher eingehend zu würdigen. Z u e i n e r 
S e h 1 u 11 r e e h n u n g habe n w i r h o f f e n t 1 i e li n o e h 
lange Z e i t.“ Der Eindruck, den er auf alle, die ihn gekannt 
haben, gemacht Jiat. f sprach entschieden zugunsten dieser Vor¬ 
aussage. Zu unserem grollen Schmerze war es aber nur eine Illu¬ 
sion, der wir uns hingegeben haben. Es währte nur noch eine 
kurze Spanne Zeit, und zu einer Stunde, wo wir es am aller¬ 
wenigsten erwartet haben, hat er uns für immer verlassen. 

Nach einer eben absolvierten, groß angelegten Festrede, die 
er als Ehrenpräsident am I. Internationalen Laryngo-Rhinologen- 
kongresse mit geradezu imponierender geistiger und körperlicher 
Jugend frische gehalten hat. — traf uns die Trauerbotschaft, daß 
v. S e h r ö t t e r gegen Mitternacht noch desselben Tages, wenige 
Minuten nachdem er sieh von den als (Liste zu sieh geladenen 
Kongreßmitgliedern verabschiedet hatte, einem Herzschläge er¬ 
legen ist. 

Diese unerwartete Todesnachricht- hatte in allen Schichten 
der (lesellsehaft, insbesondere in der ärztlichen Welt, eine 
schmerzliche Sensation erregt. Man stand unter dem Eindrücke 
des großen Verlustes, den die Wiener Schule, die medizinische 
Wissenschaft erlitten hat. Mit I, e o p o 1 d v. S e h r ö t t e r ist 
zweifellos ein genialer Arzt, ein hervorragender Lehrer, ein ver¬ 
dienstvoller Forscher, ein Wohltäter der Menschheit von der 
Bildfläche des Lebens abgetreten, — ein harmonisch ausgegliche¬ 
nes, an hervorragenden Erfolgen reiches, im großen und ganzen 
glückliches Leben zum Abschlüsse gelangt. (» 1 ii c k 1 i c h 
nennen wir es, wenn diese Bezeichnung auf ein menschliches Da¬ 
sein überhaupt anwendbar ist, von seinem ersten bis zu seinem 
letzten Tage. 


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Einer vornehmen (jelehrtenfamilie entstammend — bekannt¬ 
lich war sein Vater Professor der Chemie an der Wiener Technik, 
der sich durch die Erfindung des amorphen Phosphors unsterb¬ 
liche Verdienste erworben — hat er sicherlich behaglich sorglose 
Kinderjahre verlebt. Eine hochgebildete und intelligente Mut¬ 
ter, zu welcher er mit schwärmerischer kindlicher Liebe empor¬ 
blickte, leitete seine Erziehung. Selbst noch in den späteren 
Jahren, als er bereits Privatdozent an der Wiener Universität 
gewesen ist, legte er noch großen Wert darauf, daß die Korrek¬ 
turen seiner wissenschaftlichen Publikationen der mütterlichen 
lÜberprüfung unterzogen werden. Von den einzelnen, von der 
Iland dieser Frau herrührenden Randbemerkungen, die bald gegen 
eine stilistische Wendung, oder selbst gegen den logischen Auf¬ 
bau eines Gedanken ganges Einspruch erheben, konnte mau schlie¬ 
ßen von welchen Händen und in welchem Geiste seine seiner¬ 
zeitige Erziehung geleitet war. 

Von seinen großen und vielseitigen Fähigkeiten ganz abge 
sehen, hatte v. Schrötter für seine zukünftige Lebensauf¬ 
gabe ein strenges Pflichtgefühl, eine nie erlahmende Arbeitskraft 
und Arbeitslust, eine Begeisterung für wissenschaftliche For¬ 
schung und vor allem für den ärztlichen Beruf mitgebracht. 
So ausgeslattet hat L. v. Schrötter seine medizinischen 
Studien an der Wiener Universität im Jahre 1801. zu einer 
Zeitepoche, als unsere Schule auf dem Gipfel -ihres Ruhmes, 
die gesamte medizinische Wissenschaft an einem epochalen 
Wendepunkte, an der Schwelle eines ungeahnten Fortschrittes 
stand, absolviert. Es war ihm somit geglückt, die Glanzzeit 
unserer medizinischen Fakultät, welche mit den Namen Roki¬ 
tansky, Skoda, Oppolzer, Brücke, S c h uh, II e b r a, 
A r 1 t verknüpft ist, schon als Mediziner mitzumachen. 

Gewiß spielt der Zufall in dem Leben eines jeden Menschen 
eine gewaltige Rolle, aber nur selten kommt er unseren Plänen 
und Wünschen hilfreich entgegen. Oft führt er namentlich in 
der ärztlichen Karriere zu Zielen, die gar nicht angestrebt wur¬ 
den, oder verhilft zu einem Wirkungskreise, der nicht gesucht 
wurde und der mit den persönlichen Neigungen und Fähigkeiten 
in keinem Einklang steht. Glücklich preisen wir daher diejeni¬ 
gen Menschen, deren Lebenswege nicht oder nur in günstigem 
Sinne von dem blinden und unberechenbaren Zufallsspiel be¬ 
stimmt werden, die mit klarem, sicherem Auge das vorgesteckte 
Ziel unentwegt im Auge behalten und dasselbe, ohne auf uner¬ 
wartete. oder unüberwindliche Hindernisse zu stoßen, fast zum 
vorausberechneten Termine auch erreichen. Zu diesen glück¬ 
lichen Menschen gehörte auch v. Schrötter. Bald nach Ab- 


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solvierung seiner medizinischen Studien wurde er zum Opera¬ 
tionszögling an der seinerzeit weltberühmten Schule von Franz 
Schuh ernannt. Er hatte sicherlich nie daran gedacht, sich 
der Chirurgie zu widmen, und konnte zu jener Zeit noch kaum 
eine Ahnung haben, daß er zur Laryngo-Rhinologie dereinst in 
engere Beziehungen treten werde, und so müssen wir es wieder 
als einen glücklichen Zufall auf fassen, daß seine praktische Aus¬ 
bildung gerade an der erwähnten Schule begonnen hatte. Hier 
war ihm reichlich die Gelegenheit geboten, zwei Jahre hindurch 
seine angeborene manuelle Geschicklichkeit bis zu jener Höhe zu 
entwickeln, die ihn befähigte, bei seinen späteren laryngo-rhino- 
logischen Operationen so glänzende und nach mancher Richtung 
bahnbrechende Erfolge zu erzielen. Die an der chirurgischen 
Klinik verbrachten zwei Jahre waren noch kaum vorüber, als ihn 
Josef Skoda zum Assistenten erwählte. Es war wohl das 
bedeutungsvollste und allerglücklichste Ereignis in seinem Leben. 
Es war dem kaum 26 jährigen jungen Manne das große, wohl von 
Tausenden viel beneidete Glück zuteil, an der Seite des seiner¬ 
zeit. größten Klinikers der Welt zu wirken und von den Lippen 
seines Meisters die Geheimnisse der klinischen Diagnostik, ins¬ 
besondere jene der Perkussion und Auskultation, abzulauschen. 

Zufall oder Glück, wie inan es auch nennen mag, kann aber 
bloß die günstige Gelegenheit- bieten, seltene und kostbare Schätze 
aus dem Volleu zu schöpfen. Die Art und Weise, in welcher eine 
solche SchieksaDgunst ausgenützt wird, hängt aber in allen diesen 
Fällen einzig und allein von den Qualitäten des Schützlings ab, 
und bilden sein ausschließliches Verdienst, v. S c h r ö t te r hat 
-die ihm gebotene Gelegenheit mit seinem großen Können und 
energischen Wollen erfaßt und schon in relativ kurzer Zeit das 
ihm von Skoda entgegengebrachte Vertrauen in glänzender 
Weise gerechtfertigt. Bald beherrschte er die physikalischen Un¬ 
tersuchungsmethoden mit einer solchen Meisterschaft, daß er 
schon dazumal in der Diagnostik der Herz- und Lungenkrank¬ 
heiten als Autorität ersten Ranges anerkannt und gesucht wurde. 

Die Achtung und das Vertrauen, welches ihm S k o d a selbst 
entgegengebracht hat, widerspiegelt sich wohl am deutlichsten 
in der Tatsacht», daß der dazumal schon kränkliche Meister sich 
ausschließlich von seinem Assistenten und Freunde v. Schrot¬ 
te r behandeln ließ. 

ln der Nachbarschaft der S k od a sehen Klinik wirkte dazu¬ 
mal Ludwig T ii r c k. Die Laryngo-Rhinologie hatte täglich 
über neue diagnostische und therapeutische Triumphe zu melden, 
ln Erkenntnis der hohen Bedeutung dieser ITntersuchungsmethode 
für die interne Medizin hatte sich v. Sclirötter mit der ihm 


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tigenen Lmugic iit m i (ies«dii«*kIi<*1 1 ki-it tli<* Laryngoskopie und 
Uliinoskopio sehr bahl autodidakl isrli ang«‘eignet. Non da ab 
wurde die Laryrigo-Rhinoskopio, die er nach kurzer /eit mit 
gleicher MeKlers«duift lielierrselite wie die Perkussion lind Aus¬ 
kultation. an der Klinik Skoda in- und extensiv kultiviert. 
Wenn wir uns an den fast aussichtslosen therapeutischen Nihi¬ 
lismus Skodas erinnern, die der (!roLhneistcr der klinischen 
Diagnostik so unwiderleglich zu begründen wußte, daß nicht 
allein die Wiener Schule, sondern die Mehrzahl der zeitgenössi¬ 
schen Aerzte unter dem Banne seiner Auffassung stand, und 
wenn wir in Frwügung ziehen, daß auf dem Boden der Laryn¬ 
goskopie und Khinoskopie nicht allein die Diagnostik, sondern 
auch die Therapie die gleichen Triumphe feiern konnte, wird es 
uns verständlich, daß v. S c h r ö t t e r, dm* Assistent Skodas, 
im Jahre 1807 sieh nicht für „Interne Medizin“, sondern für 
.»Laryngoskopie“ habilitierte. Freilich geschah dies nicht ohne 
eine Reservatio mentalis. — Fs lag immer in seinem übrigens 
olfen zugestandenen Plane, zur „Internen“ zurückzukehren. Aber 
auch diese Rückkehr «lachte er sich nie anders, als unter Beglei¬ 
tung des Lary ngo-Rhinologen, gleichwie er auf die durch seinen 
Finlluß im Jahre 1870 unter der Patronanz von Rokitansky 
ui:d Skoda neu kreierten und ihm anvertrauten „Laryngologi- 
schen Klinik“ auch den „Internisten“ mitgenommen hat. Das 
Prinzip der Arbeitsteilung war allerdings zu dieser Zeit noch 
nicht so weit fortgeschritten wie heutzutage. Fs muß aber auch 
jetzt, noch zugegeben werden, daß Laryngo-Rhinologie ohne .In¬ 
terne Medizin“ erfolgreich nicht betrieben werden kann, und daß 
andererseits auch der vollendetste Internist bei gewissen Kranic¬ 
he i tserschei nun gen ohne lary ngo-rhi noskopische Untersuchung 
sieh nicht zurecht finden wird. 

Die neu errichtete, von v. Schrott er geleitete „Larvn- 
gologisehc Klinik“, die erste der Art in der ganzen Welt, hat in 
wenigen Jahren einen Weltruf errungen. Die beschränkten und 
primitiv ausgestat toten Räume genügten nicht, um die große 
Schar d«M* Schüler aufzunehmen, die hier von aller Welt zu- 
slrömte. Wer sieh in dem in Rede stehenden Spezialfache unt«'r- 
riehten oder gar ausbilden wollte, kam nach Wien, um 
v. S c h r ö t t e r zu hören. Fs ist keine Uebertreibung, wenn 
wir behaupten, daß dieser Name und Laryngologie fast als syno¬ 
nyme Begriffe der medizinischen wie der Laienwelt gegolten 
haben. Seine vornehmste Sorgfalt war ununterbrochen darauf 
gerichtet, «hm Kontakt mit «1er, wie er wohl glaubte und hoffte, 
nur für kurze Zeit verlassenen internen Medizin nicht zu unter¬ 
brechen. Auf dieses Bestreben ist auch seine im Jahre 1877 er- 


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folgte Ernennung zum Primararzt einer internen Abteilung des 
Rudolfspit als zu rück zu führen. 

Nur die Sehnsucht, zur internen Medizin baldigst zurüek- 
kehren zu können, vermochte die Kräfte herbeizuschaffen, welche, 
ganz abgesehen von einer ausgebreiteten Praxis, die er zu bewälti¬ 
gen hatte, zur gleichzeitigen Leitung zweier in weitentlegenen 
Stadtteilen befindlichen Institute notwendig waren. Eine wesent¬ 
liche Erleichterung der an ihn gestellten Anforderung trat im 
Jahre 1881 ein, als er das Primariat im Rudolfspital mit einem 
solchen im k. k. allgemeinen Krankenhause in der unmittelbaren 
Nachbarschaft der „Laryngologischen Klinik“ vertauschen durfte. 
Und so hatte v. Schrötter von dem erste Tage ab, als er die 
Klinik Skodas verfassen hat, ununterbrochen neben seinen 
Vorlesungen über „Laryngologie und Rhinologie“ gleichzeitig 
stark besuchte Kurse über Perkussion und Auskultation, sowie 
über Herz- und Lungenkrankheiten abgehalten. Das fesselr.de 
Interesse und den wissenschaftlichen klinischen Wert dieser Vor¬ 
lesungen hat der Umstand in nicht geringem Grade erhöht, daß 
bei den Auseinandersetzungen des Laryngo-Rhinologen stets die 
Anwesenheit des ».Internisten“ zu merken war, gleichwie bei den 
Kursen über Herz- und Lungenkrankheiten auch der Laryngo- 
loge zum Worte gelangte. Durch die Vereinigung der beiden 
Sptzialwissenschaften nahm v. Schrotte r eine dominierende 
Stellung ein. Sie war die Quelle seiner Ueberlegenheit, die er 
aber, wie wir glauben, teuer bezahlen, vielleicht sogar schwer 
büßen mußte. Volle zwanzig Jahre hatte es gedauert, bis er den 
Weg von der Laryngologischen Klinik“ zur Lehrkanzel der drit¬ 
ten medizinischen Klinik, die ihm im Jahre 1890 verliehen wurde, 
gefunden hat. Das ist ein langer Abschnitt, in dem Leben eines 
Menschen überhaupt, und eine fast, allzu lange, wenn auch noch 
so zweckmäßig ausgefüllte Pause in dem Werdegange eines Kli¬ 
nikers. Mancher intime Winkel des alten Heims dürfte inzwi¬ 
schen entfremdet worden sein, und es ist sicherlich ein schwer 
zu verwindendes Gefühl, wenn man dort, wohin man seit fast 
ein Menschenalter hindurch seine Zuständigkeit mit vollem Recht 
verlegt hat, als Neuankömmling begrüßt, gewissermaßen erst sein 
Bürgerrecht erwerben muß. Indes, st' große Opfer auch der In¬ 
ternist. dem Laryngo-Rhinologen gebracht hat, dürften die 
Dienste, welche Letzterer dem Ersteren geleistet, dieselben reich¬ 
lich aufgewoge:: und das Gleichgewicht im Endergebnisse zwei 
fellos wieder hergestellt haben. 

Aus der reichen literarische:! Tätigkeit, welche v. S c h r ö t - 
t e r auf den beiden von ihm kultivierten Gebieten entwickelt hat, 
sollen hier bloß die wichtigsten Publikationen aufgezählt werden. 


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Mit Problemen der internen Medizin beschäftigen sich folgende 
Werke: „Leber die Temperaturverhältnisse bei der Pneumonie“, 
ISO*. „Beitrag zur Kenntnis der Lagevcränderung des Herzens“, 
1870, „Mitteilungen über ein von der Herzaktion unabhängiges, 
an der Lungenspitze einzelner Kranker wahrnehmbares Ge¬ 
räusch“, 1872, „Leber musikalische Geräusche am Herzen“, 1883, 
„Herzkrankheiten“ in Z i e in s s e n s Handbuch, „Gefäßkrank¬ 
heiten“ in Nothnagels Handbuch. 

Der lur> ngo-ihinologischen Literatur gehören folgende Ar¬ 
beiten an: „Jahresbericht der Klinik“, 1871. „Laryngologische 
Mitteilungen“, 1875, „Behandlung der Larynxstenosen“, 1877. 
Seine wisenschaftlichen Arbeiten geben Zeugnis von seiner uni¬ 
versellen medizinischen Bildung, von seiner reichen ärztlichen 
Erfahrung, von meiner hervorragenden Begabung, die Erschei¬ 
nungen am Krankenbette richtig zu erfassen und die gewonnene 
Erkenntnis auch anderen in überzeugender Weise klarzumaehen. 
Eine erkünstelte und erzwungene Deutung war seiner einfachen 
und geraden LYnkungsweise fremd, und von S k o d a hat er es ge¬ 
lernt, daß man unter solchen Umstünden nicht zu vagen Hypo¬ 
thesen seine Zutllicht zu nehmen, sondern ehrlich und offen das 
von dem Altmeister oft wiederholte stereotype Geständnis abzu¬ 
legen habe: „Wir sind nicht in der Lage . . dieses oder jenes 
aufzuklären. AIit einer wahren Scheu ging er allen polemischen 
Auseinandersetzungen aus dem Wege. Die in der medizinischen 
Welt so verbreitete Ilyperempfindliehkeit gegen Widersprüche 
hat er nicht gekannt. Mit Buhe und Unbefangenheit hörte er 
die entgegengesetzte Ansicht anderer, selbst von tief unter ihm 
stellenden Menschen an. ohne daß er jemals auf eine Meinungs¬ 
verschiedenheit unhöflich, geschweige denn aggressiv reagiert 
hätte. Seine mii.dliehe und schriftliche Vortragsweise war von 
schlichter Einfachheit. Bei seinen klinischen Auseinandersetzun¬ 
gen hat er es sorgfiiltg vermieden, sieh in wissenschaftlichen 
11 öhenregioneu zu bewegen, bis zu welchen der Schüler sieh, 
wenn überhaupt, nur mühsam emporzusehwingen vermag. Er er¬ 
achtete es im Gegenteil als seine vornehmste Aufgabe, seine Ge¬ 
dankenwelt. dem Niveau der Fassungsfälligkeit seines Auditoriums 
unzupassen. Wo immer er das Wort führte, war es stets von einer 
1* aßl iehkei t und Klarheit, die es auch dem Minderbefiihigten er¬ 
möglichte, ihm mühelos zu folgen. Niemals konnte man bei ihm 
Anwandlungen von Größenwahn oder gar von U n fehlbarkeits- 
diisel wahruelnnen. Am Katheder wie im Leben war er die unge¬ 
künstelte Natürlichkeit selbst, frei von Pose und olympischen 
A llii rcn. 


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Die Laryngologie und Rhinologie hat L. v. Schrötter 
unendlich viel zu verdanken. Eine ganze Reihe von genial kon¬ 
struierten, bis zur Stunde noch unübertroffenen Instrumenten 
tragen seinen Namen. Das klinische Bild der Perichondritis la¬ 
ryngis wurde von ihm zuerst scharf gezeichnet. Er war es auch, 
der zum ersten Mal eine Neubildung aus der Trachea per vias 
naturales entfernt, die Bifurkation der Trachea gesehen und be¬ 
schrieben, der eine Stenose des rechten Bronchus zuerst diagnosti¬ 
ziert und geheilt hat. Und noch in den letzten Jahren konstru¬ 
ierte er ein Tracheoskop, mit welchem jeder Anfänger das tra- 
cheoskopisehe oder bronchoskopisehe Bild, ohne der geringsten 
Beleuchtungsschwierigkeit zu begegnen, sofort übersehen kann. 
Geradezu sensationelles Aufsehen erregte seine mechanische Dila¬ 
tationsmethode bei Larynx- und Trachealstenosen. Es ist be¬ 
kannt, daß in den vorausgegangenen Jahrhunderten die bedeu¬ 
tendsten Chirurgen sich mit der # Heilung dieser Leiden vergeb¬ 
lich abgemüht, und daß auch in der laryngologischen Epoche die 
wiederholten diesbezüglichen Versuche die Lösung dieser Frage 
nicht um einen Schritt vorwärts gebracht haben. Da kam 
v. Schrötter und lehrte uns, wie dieses Problem durch eine 
von ihm ersonnene systematische Dilationsmethode eine fast ver¬ 
blüffend einfache und glänzende Lösung findet. Und ich kann 
nur wiederholen, was ich vor einem Jahre an dieser Stelle zum 
Ausdrucke gebracht habe: „Hätte v. Schrötter in seinem 
ganzen Leben nichts anderes geleistet als die von ihm inaugu¬ 
rierte Behandlungsmethode der bisher als unheilbar gegoltenen 
Stenosen der großen Luftwege: gewiß, seinem Namen würde 
schon diese Tat allein einen Ehrenplatz in der Geschichte der 
medizinischen Wissenschaft gesichert haben.“ 

. Sein Lehrbuch „Vorlesungen über die Krankheiten des Kehl¬ 
kopfes“, 1892, und „Vorlesungen über die Krankheiten der Luft¬ 
röhre“, 1890, ist und bleibt noch bis auf weiteres als eines der 
besten auf diesem Gebiete. 

Damit ist aber das Lebenswerk v. Schrötters noch lange 
nicht erschöpft. Was er überdies auf sozialem, allgemein sani¬ 
tärem und hygienischem Gebiete geleistet, ist seiner Arbeits¬ 
leistung als Kliniker, Lehrer und Forscher ebenbürtig. Sein 
Vortrag „Skizzen über die sanitären Verhältnisse in Wien“ hat 
wertvolle Anregungen zu mancher hygienisch bedeutungsvollen 
Neuerung gegeben. Wenn gegenwärtig Tausende alljährlich am 
sonnigen Strande unserer Adria Erholung suchen und finden, 
möge unseren leicht vergeßlichen Zeitgenossen in Erinnerung ge¬ 
rufen werden, daß an der Erschließung der österreichischen Ri¬ 
viera v. Schrötter ein Hauptverdienst hat. 


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Seine Aktion in der Tuberkulosenfrage hatte einen fast bei¬ 
spiellosen Erfolg. inmitten eines mutlosen Pessimismus ver¬ 
stand er es, das Vertrauen zur Heilbarkeit der Tuberkulose Wach¬ 
stum fen und zu befestigen, den breitesten Schichten der Gescll- 
sehaft. das Verständnis beizubringen, daß es sieh hier um eine 
ernste soziale Pflicht handelt, die zu erfüllen jeder einzelne ein 
vitales persönliches Interesse habe; Aerzte und Behörden aus der 
Lethargie aufzurütteln und zum energischen Eingreifen in den 
Kampf gegen einen großen und gefährlichen Feind zu animieren. 
Selbst die Bewegung gegen das Ausspucken, die auf seine Ini¬ 
tiative zurüekzufiihren ist, müssen wir auch dann noch als eine 
dankenswerte Tluit begrüßen, wenn die Prophylaxis davon keiner¬ 
lei Vorteil ziehen und bloß eine ekelerregende Unart der Men¬ 
schen, sei es auch nur teilweise, dadurch eingeschränkt werden 
sollte. 

Sein Huf „Heilstätten für die Tuberkulösen“ hat einen 
Widerhall in der gesamten zivilisierten Welt gefunden. Mit sei¬ 
ner eisernen Willenskraft, mit seiner Energie, die gewohnt wal¬ 
dein Ziele in der Luftlinie zuzusteuern, und was immer er unter¬ 
nahm, immer nur Vollkommenes und Vollwertiges zu schaffen, 
hat er in A Man d in verhältnismäßig wenigen Jahren ein bisher 
noch nirgends erreichtes Musterinstitut hingezaubert, welches 
noch in der fernen Zukunft als sein Ehrendenkmal seinen Hulun 
verkünden wird. 

v. S e h r ö t t e r hatte eine Lebenslust und Lebcnsfrische, 
die man in seiner Sphäre nicht gerade allzu oft begegnet. Er 
zeigte keine Spur von jener starren Einseitigkeit gelehrter Män¬ 
ner, welche nur für ihren Beruf oder ihre Fachwissenschaft leben 
und sterben, für alles andere aber keinen Sinn und kein Inter¬ 
esse haben. Im Gegenteil, v. S c h r ö t t e r nahm an allem, \yas 
in der Welt vorging — von der Politik angefangen bis zu den 
einzelnen sozialen Fragen — den lebhaftesten Anteil. Seit seiner 
frühesten Jugend betrieb er, wie später auf seine Veran¬ 
lassung auch seine Söhne, den Reitsport. Und so war er auch 
auf diesem Gebiete für uns beispielgebend, daß es mit der Würde 
des Arztes und akademischen Lehrers durchaus nicht inkompra- 
tible ist, hoch zu Roß seinem Vergnügen und seiner Gesundheit 
nachzugehen. Bei seiner umfangreichen und erschöpfenden 
Tätigkeit fand er aber überdies noch Zeit., sich mit den Erschei¬ 
nungen der Kunst und Dichtung zu befassen, und auf diesem 
Gebiete Erholung und Erquickung zu suchen und zu finden. Auf 
seine Vorliebe für die Musik ist es ja auch zurückzuführen, daß 
er seit Jahrzehnten Direktionsmitglied der Gesellschaft der Mu¬ 
sikfreunde in Wien gewesen ist. Außerdem war es die Malerei 


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und Skulptur, die er mit tieferem Kunstverständnisse und begei¬ 
stertem Interesse verfolgte. 

Das (iliiek, welches v. Schrott er auf seinem wissen¬ 
schaftlichen Leber.swege begleitete, ist ihm auch im Schoße seiner 
Familie treu geblieben, liier lebte er an der Seite einer hoch¬ 
gebildeten Gattin, welche erfüllt von seiner großen Bedeutung 
und seiner unvergänglichen Verdienste liebe- und verehrungsvoll 
zu ihm emporblickte, und inmitten seiner vier Kinder — zwei 
Söhne und zwei Töchter, — welche hochbegabt, fast alle sogar 
genial veranlagt, Musik und Malerei bis zur Höhe echter Künst¬ 
lerschaft ausübend, zur Verschönerung seines Lebens zweifellos 
viel beigetragen haben. Hier in seinem warmen, behaglichen 
Neste fand er neue Lebenskraft, wenn er ermüdet heimkehrte, 
neue Veranlassung und Anregung, sein großes Lebenswerk unver¬ 
drossen fortzusetzen. Hier fand er auch Trost und Entschädi¬ 
gung, wenn er, was ja auch ihm sicherlich nicht erspart geblie¬ 
ben sein dürfte, Enttäuschung mul Kränkung erlebte. 

Die Gebrechen des Alters, die senilen Verwüstungen an Kör¬ 
per und Geist hatte v. Schrott er nicht kennen gelernt. 
Krankheit, und Siechtum sind ihm erspart geblieben, ln gehobe¬ 
ner Stimmung, mit dem befriedigten Gefühle eines Mannes, der 
sein schweres Tagewerk erfolgreich vollendet hat, begab er sich 
zur Ruhe. Das war ein Ende, welches die Götter nur ihren aus¬ 
erwählten Günstlingen Vorbehalten haben. In dieser Schicksals¬ 
gunst, die ihm gegönnt, war, liegt für alle diejenigen, die durch 
seinen Heimgang schmerzlich erschüttert wurden, ein großer 
Trost. So wiederholen wir uns nochmals, daß dieses kostbare 
und segensreiche Leben von seiner ersten bis zu seiner letzten 
Stunde von der Sonne des Glückes beschienen wurde. Das 
Höchste, was ein Mensch in dieser Welt erreichen kann, ist ja 
wohl, wenn es ihm gegönnt ist, zu dein Gebäude der menschlichen 
Kultur, wenn auch nur einen einzigen brauchbaren Ziegelstein 
beizutragen. Das allein schützt ihn, daß sein Name in der großen 
Abschiedsstunde, wenn hinter ihm die Tür zum letzten Male ge¬ 
schlossen wird, am Rande des frisch geschaufelten Grabes — nicht 
spurlos verschwinde. Dieses höchste menschliche Ziel hat 
v. Schrotte r schon in seinen jungen Jahren fast im Fluge 
erreicht, für die Unsterblichkeit seines Namens hat er reichlich 
vorgesorgt. Er hat es aber auch verstanden, in den Herzen seiner 
Freunde und Schüler einen Altar zu errichten, auf welchem die 
Flamme der dankbaren Erinnerung und pietätvollen Verehrung 
für den Meister wohl erst dann erlöschen wird, wenn sie selbst 
zu schlagen auf gehört haben werden. 

M. G r o ß m a n n. 

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Aus der k.k.Univers.-Ohrenklinik inWien (Vorstand Prof. Urbantschitsch). 


Untersuchungen über das Verhalten des Vestibulär- . 
apparates bei nicht eitrigen Erkrankungen des Ohres. 

Von 

Dr. Norman H. Pike aus London. 

Die Untersuchungsmethoden des Vestibularapparates sind, dank 
den Arbeiten Dr. Bäränys 1 ) derart ausgebildet, daß es keine Schwierig¬ 
keiten macht, sich in einem jeden Falle [von Erkrankung des Ohres 
über den Zustand des Vestibularapparates ein klares Bild zu machen. 
Bis jetzt fehlen jedoch noch bei einer großen Zahl von Erkrankungen 
des Ohres klinische Daten, welche das Verhalten des Vestibular¬ 
apparates berücksichtigen. Auf Anregung Dr. Bäränys habe ich es 
unternommen, diese Lücke, soweit sie die nichteitrigen Erkrankungen 
des Ohres betrifft — fast ausschließlich bei hochgradiger ein- oder 
beiderseitiger Schwerhörigkeit und Taubheit — wenigstens zum Teil 
. auszufüllen, auch in der Hoffnung, dadurch die Anregung zu ähnlichen 
^klinischen Arbeiten zu geben. 

Herrn Prof. Urbantschitsch bin ich zu großem Dank ver- 
. pflichtet, da er mir gestattete, das überaus reiche Material seiner 
Klinik für meine Zwecke zu verwenden. 

Herrn Assistenten Dr. Bäräny sage ich hier meinen Dank 
für die Liebenswürdigkeit, mit welcher er mich bei meiner Arbeit 
unterstützte und meine Befunde kontrollierte; auch darf ich nicht un- 

J ) Baräny, B. Untersuchungen über den vom Vestibularapparat des 
Ohres reflektorisch ausgelösten, rythmisehen Nystagmus uud seine Begleit¬ 
erscheinungen. M. f. 0. Mai 190fi, O. Coblentz, Berlin 190b. — Baräny, R, 
Weitere Untersuchungen über den vom Vestibularapparat des Ohres reflek¬ 
torisch ausgelösten rhythmischen Nystagmus und seine Begleiterscheinungen. 
M. f. O. 1907, lieft 9. -- Baräny, R. Physiologie und Pathologie (Funktions¬ 
prüfung des Bogengangapparates beim Menschen. F. Deuticke, Wien und 
Leipzig 1907. 


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— 213 — 

erwähnt lassen, daß er mir eine größere Zahl von ihm erhobener Be¬ 
funde für diese meine Arbeit zur Verfügung stellte. Diese Fälle (36) 
sind in den Tabellen mit B bezeichnet. 

Die Untersuchungsmethoden, welche angewendet wurden, sind: 
1. Die Beobachtung des Nachnystagmus nach Drehung auf dem Dreh¬ 
stuhl. 2. Die Beobachtung des kalorischen Nystagmus (Baräny). In 
den meisten Fällen wurden beide Untereuchungsmethoden angewendet. 
Größerer Wert wurde auf die kalorische Reaktion gelegt. Bei der 
Untersuchung des Drehnystagmus nahm der Patient auf dem Dreh¬ 
stuhl Platz; es wurde nur der horizontale Nystagmus durch Drehung 
bei aufrechtem Kopfe geprüft, wobei die von Baräny eingeführte un¬ 
durchsichtige Brille benutzt wurde. Die Drehung fand stets 10 mal 
statt, die Dauer des Nystagmus wurde mit Hilfe einer Stoppuhr ge¬ 
messen. Die Drehungsgeschwindigkeit war in allen Fällen die gleiche, 
zirka 20 Sekunden für 10 Umdrehungen. In den Tabellen bedeutet 
10 X r. = 25", daß der Naehnystagmus nach links nach 10 maliger 
Rechtsdrehung 25" gedauert hat. In einzelnen Fällen, in welchen 
kalorische Reaktion nicht geprüft werden konnte, kam bloß der 
Drehnystagmus zur Berücksichtigung. Normale Erregbarkeit des 
Vestibularapparates wurde nach den Angaben Bäränys nur dann 
diagnostiziert, wenn die Dauer des Nystagmus nach rechts und links 
über 25" betrug. 

Für die Untersuchung des kalorischen Nystagmus wurde stets 
kühles Wasser verwendet, das bekanntlich bei aufrechter Kopfstellung 
Nystagmus nach der nicht ausgespritzten Seite hervorruft. Die Unter¬ 
suchung wurde so vorgenommen, daß eine Attikkanüle in den Gehör¬ 
gang eingeftihrt wurde, welche mittels eines Gummischlauches mit 
einem Pölitz ersehen Gummiballou in Verbindung stand: der Ballon 
enthielt zirka 3 / 8 1, die Temperatur des Wassers betrug zirka 15 bis 
20° C. In den meisten Fällen genügte */»— l U des Balloninhalts, um 
die Reaktion hervorzurufen. Die Stärke der Reaktion wurde notiert. 
Wenn mit einer geringen Quantität Wasser, z. B. x / 4 Ballon, starker 
Nystagmus in allen Blickrichtungen hervorgerufen werden konnte, so 
wurde dies als starke Reaktion bezeichnet; in anderen Fällen, wo 
V 4 Ballon starken Nystagmus bei Blick in die Richtung der raschen 
Bewegung und geringen bei Blick geradeaus hervorrief, wurde die 
Reaktion als normal bezeichnet. Schwache Reaktion wurde eine 
Reaktion genannt, bei der nur Blick in die Richtung der raschen Be¬ 
wegung Nystagmus hervorrief. Es hat sich gezeigt, daß es in der 
Regel nicht notwendig ist, mehr als einen ganzen Ballon Wasser zu 
verwenden; wenn dieser keine Reaktion hervorruft, so ist auch mit 


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— 214 


einer größeren Quantität Wasser keine zu produzieren. In den Tabellen 
bedeutet somit: J / 4 Ballon r. normal, daß Ausspritzen des rechten Ohres 
mit einem viertel Ballon kalten Wassers Nystagmus nach links in 
normaler Stärke hervorruft. 

Vor der Untersuchung des Drehnystagmus und der kalorischen 
Reaktion wurde natürlich stets genau auf spontanen Nystagmus bei 
seitlicher Blickrichtung geachtet, um nicht den spontanen Nystagmus 
mit dem experimentellen zu verwechseln. Die galvanische Unter¬ 
suchung wurde mit Rücksicht auf ihre Schmerzhaftigkeit und auf ihren 
geringen klinischen Wert nicht angewendet. Eine genaue Prüfung 
auf Gleichgewichtsstörungen wurde nur in einzelnen Fällen aus theo¬ 
retischem Interesse vorgenommen, zur Stellung der Diagnose war ihre 
Untersuchung niemals erforderlich. 

Was die Untersuchung des Hörvermögens betrifft, so wurde 
zunächst die Hörweite für Konversations- und Flüstersprache erhoben, 
sodann wurden der Web er sehe und Rinnesche Versuch angestellt, 
und die Knochenleitung vom Warzenfortsatz mit der normalen ver¬ 
glichen. Zur Prüfung auf tiefe Töne wurde die C 1 Stimmgabel, zur 
Prüfung der hohen Töne die c 4 verwendet. Zur Feststellung ein¬ 
seitiger Taubheit kam die von Bäräny 2 ) eingeführte neue Methode zur 
Verwendung; sie besteht darin, daß in dem nicht zu prüfenden Ohr 
ein Lärm von derartiger Stärke erzeugt wird, daß dieses Ohr vom 
Hörakt vollkommen ausgeschlossen wird. Dies geschah auf folgende 
Weise: Eine Olive wird in das nicht zu prüfende Ohr luftdicht ein¬ 
geführt, welche drei Durchbohrungen zeigt; durch eine Oeffnung fließt 
Wasser zu, durch eine zweite fließt es wieder ab, durch die dritte 
kann mittels eines Gebläses Luft eingeblasen werden; über die Olive 
wird ein Kautschukfingerling gestülpt, um das Ohr vor Nässe zu 
schützen. Das Brodeln der Luft im Wasser verursacht ein solches 
Geräusch, daß dieses Ohr für jeden Schallreiz vollkommen taub er¬ 
scheint. Wenn ein normal Hörender auf beiden Seiten einen derartigen 
Apparat wirken läßt, so ist er auch für stärkste Schallreize voll¬ 
kommen taub. — Hört das zu prüfende Ohr nicht und besteht bei 
einfachem Verschluß des anderen Ohres eine scheinbare Hörweite, so 
wird mittels dieser Prüfung die vollkommene Taubheit mit Sicherheit 
in wenigen Sekunden demonstriert. Hort das zu untersuchende Ohr 
aber auch nur ganz wenig, so wird das Hörvermögen durch den in 
dem andern erzeugten Lärm nicht wesentlich beeinflußt. In den 

2 ) Biiräny, R. Ueber eine neue Methode zum Nachweis einseitiger Taub¬ 
heit. Sitzungsbericht der österr. otol. Ges. v. 27. 1. 08. M. f. O. LV p. 413. 


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— 215 — 


Tabellen erscheint diese Prüfung in der Rubrik Bemerkung unter dem 
Namen „Mit Lärmapparat“ 3 ). 

Bevor ich auf die Beschreibung der einzelnen Krankheitsgruppen 
eingehe, möchte ich noch einige Worte bezüglich der Bezeichnung der 
vestibulären Erkrankungen vorausschicken. Ich habe den Ausdruck 
Menieresche Krankheit entsprechend dem Vorschlag ßaränys und 
Passows 4 ) vermieden, und mich bemüht, überall die Aetiologie der Er¬ 
krankung als Einteilungsprinzip zu verwenden; in einer größeren Zahl 
von Fällen ist es mir allerdings nicht gelungen, eine bestimmte 
Ursache aufzudecken. 

Wenn wir zunächst im allgemeinen die 74 Fälle der Tabellen be¬ 
trachten, so ergeben sich die folgenden Zahlen über das Verhalten der 
Erregbarkeit des Vestibularapparates: 


Normale 

Erregbarkeit 

Verminderte Erregbkt 
einseitig 1 beiderseitig 

Sehr stark ver¬ 
minderte Erregbarkeit 
einseitig beiderseitig 

Fehlende Erregbarkeit 
einseitig | beiderseitig 

3» Falle (62,7 %) 

2 Fälle 1 1 Fall 5 Fälle 1 2 Fälle 
(27%) i (1,3%) | (6,7%) 1 (2,7%) 
verminderte oder aufgehobene 1 
zusammen 35 Fälle = 4 

21 Fälle | 4 Fälle 
(23.3%) | (6,4%) 
Erregbarkeit 

7,3 % 


Der Prozentsatz der Fälle mit herabgesetzter oder aufgehobener 
Erregbarkeit des Vestibularapparates ist ohne Zweifel ein recht hoher. 
Zur Erklärung muß angeführt werden, daß eine nicht geringe Zahl 
Tumoren betrifft. Zieht man diese von der Gesamtheit ab, so bleiben 
25 Fälle = 33,7%. 

Auch nach diesem Abzug erscheint aber die Zahl der Fälle mit 
Störungen im Bereich des Vestibularapparates größer als man bisher 
vermutete. 

Was nun die einzelnen Krankheitsgruppen betrifft, so verfüge ich 
über folgende Fälle: 

I. (Fall 1 und 2.) Zwei Fälle von angeborener einseitiger Mi߬ 
bildung des äußeren Ohres. In beiden reagierte der Vestibularapparat 
normal. Im Fall 1, bei welchem ein hochgradig verengter äußerer 
Gehörgang vorhanden war, konnte bei Ausspritzung mit V/ 2 Ballon 
kalten Wassers eine schwache Reaktion erzielt werden. Im Fall 2 
fehlte der Gehörgang vollständig, es konnte daher die kalorische 

3 ) In der Sitzung der deutschen otologischen Gesellschaft vom 6. Juni 
1908 demonstrierte Baränv einen neuen, von F. Reiner in Wien nach seinen 
Angaben konstruierten Lärmapparat, welcher sehr einfach und handlich ist. 
Der Lärm wird hier in einer geschlossenen Kapsel auf mechanische Weise 
mittels eines Uhrwerks erzeugt 

4 ) Verhandlungen der deutschen otolog. Gesellschaft, Bremen 1907, p. 265. 


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— 216 — 


Reaktion nicht geprüft werden; der Drehnystagmus aber dauerte hier 
45 Sekunden. Bei der Operation dieses Falles fand sich ein Antrum, 
in welchem die Prominenz des horizontalen Bogenganges zu sehen war. 
Bei einer jetzt vorgenommenen calorischen Prüfung ergab sich normale 
Erregbarkeit. 

II. (Fall 3—5.) Drei Fälle von Berufsschwerhörigkeit. In einem 
Kombination mit Schädeltrauma. In diesem und einem zweiten Fall 
war auf der tauben Seite die Erregbarkeit des Vestibularapparates 
herabgesetzt. Die meisten Fälle von Berufsschwerhörigkeit, welche 
noch nicht weit vorgeschritten sind, zeigen keinen Schwindel und meist 
eine normale Erregbarkeit des Vestibularapparates. 

III. 1 Fall (6). Blattern. Vestibularapparat normal. 

IV. 1 Fall (7) Diphtheritis ? Erregbarkeit der rechten Seite 
größer als der linken. 

V. 1 Fall (8). Influenza und Otitis externa? Dieser Fall hatte 
schwere Schwiudelanfälle mit Nystagmus zur kranken Seite. Eine 
Woche nach Beginn der Erkrankung trat totale Taubheit des linken 
Ohres ein. Die Erregbarkeit des Vestibularapparates aber blieb normal. 

VI. 2 Fälle (9 und 60), in welchen rheumatische Erkrankungen 
des Nervus vestibularis wahrscheinlich waren. Einer dieser Fälle zeigte 
normales Hörvermögen, normale Erregbarkeit des Vestibularapparates, 
Fazialislähmung und heftige Schwindelanfälle. Hier trat Heilung in 
drei Wochen ein. Der zweite Fall wies bei der ersten Untersuchung 
schwere Schwindelanfälle, herabgesetztes Hörvermögen im Sinne einer 
Erkrankung der Hörnerven, normale Erregbarkeit des Vestibular¬ 
apparates der kranken Seite auf. Bei einer zweiten Untersuchung 
sechs Wochen später war die Hörweite normal, .die Schwindelanfälle 
hatten an Intensität nachgelassen und waren seltener geworden. 

VII. 15 Fälle von Otosklerose (10—24). Die Diagnose der 
Otosklerose wurde nach dem Vorgehen Politzers gestellt, wenn 
normale Trommelfelle, freie Ohrtrompete, negativer Rinne und ver¬ 
längerte Knochenleitung bestanden. Dort, wo bei sonst gleichem Be¬ 
funde die Knochenleitung normal oder verkürzt war, wurde die Diagnose 
einer mit Läsion des inneren Ohres kombinierten Otosklerose gestellt. 
Zu der ersten Gruppe gehören 6, zur zweiten 9 Fälle. In dreizehn Fällen 
wurde die Erregbarkeit des Vestibularapparates normal gefunden; es 
trat sogar nicht selten auffallend starke Reaktion auf. In Fall 20 war 
die Reaktion auf einer Seite herabgesetzt, im Fall 24 bestand ebenfalls 
verminderte Erregbarkeit einer Seite, doch war hier Lues nicht aus¬ 
zuschließen. Beide Fälle gehören der zweiten Gruppe an. Schwindel¬ 
anfälle bestanden in sieben Fällen (10, 14, 19, 20, 22, 21, 24). Kein 


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— 217 — 


Schwindel in vier Fällen (15, 17, 18, 23). In vier Fällen ist darüber 
nichts angegeben. 

VIII. 10 Fälle mit Schädeltrauma (25—33 und 70). In vier Fällen war 
die Erregbarkeit des Vestibularapparates normal, auf einer Seite stark 
herabgesetzt in zwei Fällen, negativ auf einer Seite, auf der anderen 
normal in einem Fall, negativ auf der einen und herabgesetzt auf der 
anderen in zwei Fällen, beiderseits herabgesetzt in einem Fall (70). 
In einem Fall (30) ist das Verhalten des Drehnystagmus interessant: 
es ergab sich dieselbe Dauer des Nystagmus zur kranken wie zur ge¬ 
sunden Seite. Seit dem Unfall waren in diesem Falle zwei Jahre ver¬ 
flossen; es bestand kein Nystagmus, keine Gleichgewichtsstörung: die 
Gleichheit des Nystagmus ist auf eine Akkomodation der Zentren zu 
beziehen, wie dies Bäräny bereits angegeben hat. 

IX. 10 Fälle von Hirntumoren (34—43). In allen diesen Fällen 
ohne Ausnahme bestand keine Erregbarkeit des Vestibularapparates 
der kranken Seite. Der spontane Nystagmus war in fünf Fällen 
stärker zur kranken Seite, in einem Fall stärker zur gesunden, in drei 
Fällen gleich stark nach beiden Seiten. In acht Fällen war somit bei 
der ersten Untersuchung die Diagnose mit Sicherheit zu stellen, in 
einem Falle konnte erst eine längere Beobachtung die Diagnose er¬ 
härten, sobald es sich nämlich herausgestellt hatte, daß der Nystagmus 
zur gesunden Seite an Intensität nicht abnahm. Alle diese Fälle hatten 
Schwindel. 

X. 3 Fälle von Arteriosklerose (44—46). In zwei Fällen war 
der Vestibularapparat normal, in einem Fall war die Erregbarkeit der 
einen Seite aufgehoben. Alle diese Fälle hatten gleichfalls Schwindel. 

XI. 5 Fälle von akquirierter Lues (47—51). In dreien dieser Fälle 
war die Erregbarkeit des Vestibularapparates normal, zwei davon waren 
auf der einen Seite taub, der dritte Fall wies eine beiderseitige 
geringe Läsion des inneren Ohres auf. In Fall 47 handelt es sich um 
eine Frau, die von Dr. Bäräny 5 ) in der Sitzung der neurologischen 
Gesellschaft vom 13. III. 03 vorgestellt worden war. Damals be¬ 
stand nahezu normales Hörvermögen, Unerregbarkeit des Vestibular¬ 
apparates, starker spontaner Nystagmus zur gesunden Seite und 
Schwindel. Allmählich (nach Pilokarpininjektionen) besserte sich der Zu¬ 
stand, Schwindel und Nystagmus verschwanden. Ich hatte Gelegenheit, 
die Patientin nach einem Jahr wieder zu untersuchen, sie kam, weil sich 
ein kleiner Schwindelanfall eingestellt hatte; die Untersuchung ergab, 
daß die Erregbarkeit des Vestibularapparates zurückgekehrt, die Hörweite 

B&räny, R. Jahrbücher für Psychiatrie, Bd. XXVIII, 1907, p. 373. 


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normal war. — Interessant ist Fall 48. Hier bestand andauernd 
starker Nystagmus nach links, die Hörweite war im Oktober 1907 auf 
dem linken Ohr Konversationssprache l / 2 m, Flüstersprache 0, auf dem 
rechten Ohr Konversationssprache 6 m, Flüstersprache 1 j 2 m. Im 
November 1907 war die Hörweite noch schlechter geworden; sie war 
links Konversationssprache am Ohr, rechts Konversationssprache 2 m, 
Flüstersprache 1 / 2 m. Nachdem Patientin eine energische antiiuetische 
Behandlung durchgemacht hatte, besserte sich die Hörweite und betrug 
im Dezember 1907 Konversationssprache rechts 6 m, links 4 m, Flüster¬ 
sprache beiderseits l / 2 m. Die Erregbarkeit des Vestibularapparates 
war die ganze Zeit über eine außerordentlich lebhafte gewesen, 
Patientin bekam beim Ausspritzen nach wenigen Sekunden 
enorm heftigen Nystagmus, Schwindel und Erbrechen von mehreren 
Minuten Dauer. Das Andauern des spontanen Nystagmus weist in 
diesem Falle auf eine intrakranielle Entstehung (Gumma) hin, wofür 
ja auch die Stauungspapille spricht. — Fall 49 weist multiple Hirn 
nervenlähmungen auf, darunter auch den linken Akustikus und Vesti- 
bularis, es dürfte sich wohl um eine basale Meningitis handeln. 

XII. 7 Fälle von kongenitaler Lues (52—58). In allen Fällen 
ohne Ausnahme bestand Herabsetzung oder Aufhebung der Erregbar¬ 
keit des Vestibularapparates. In drei Fällen war die Erregbarkeit 
beiderseits vollkommen negativ, in einem Falle (58) war sie auf der 
einen Seite negativ, auf der anderen stark herabgesetzt. In zwei 
Fällen war sie beiderseits stark herabgesetzt, in einem Falle auf der 
einen Seite negativ, auf der anderen Seite wahrscheinlich normal. In 
diesem Fall bestand jedoch starker optischer Nystagmus, und es war 
die Erhebung des Befundes recht schwierig. In allen Fällen trat beim 
Ausspritzen mit kaltem Wasser nicht der geringste Schwindel auf 
Keiner dieser Fälle zeigte Gleichgewichtsstörungen. Der Befund bei 
diesen Fällen von kongenitaler Lues ist gewiß wichtig und interessant; 
das so konstante Verhalten des Vestibularapparates in diesen Fällen 
war bisher nicht bekannt. 

XIII. 1 Fall (59) von chronischem Adhäsivprozeß des Mittelohres mit 
Beteiligung des inneren Ohres. In diesem Fall war die Erregbarkeit 
des Vestibularapparates normal, es bestand Schwindel. 

XIV. 14 Fälle (61—69, 71—75) von einseitiger bezw. doppelseitiger 
Schwerhörigkeit oder Taubheit mit dem Charakter der Läsion des 
inneren Ohres und ohne bekannte Ursache der Taubheit. Von diesen 
zeigten neun normale Erregbarkeit, drei aufgehobene Erregbarkeit auf 
einer Seite, einer aufgehobene auf beiden Seiten (bei beiderseitiger Er¬ 
krankung) und ein Fall verminderte Erregbarkeit auf einer Seite, 


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Bekanntlich hat Wittmaack 6 ) die Hypothese aufgestellt, daß bei 
isolierter Erkrankung des cochlearen Apparates an eine Neuritis des 
Hörnerven zu denken sei, während bei Beteiligung des Cochlear- und 
Vestibularapparates der Sitz der Erkrankung in das Endorgan zu ver¬ 
legen sei. Bereits Manasse 7 ) hat jedoch Befunde erhoben, welche die 
Wittmaack sehe Hypothese in dieser Allgemeinheit nicht richtig er¬ 
scheinen ließen. An der Wiener Klinik wurden von Neumann, 8 ) 
B&räny 5 ) und Ruttin 9 ) Fälle beobachtet, bei welchen es sich um eine 
isolierte Erkrankung des Vestibularapparates gehandelt hat; hier kann 
man zwischen einer Erkrankung des Endorganes und des Nerven 
schwanken. In den Fällen von Rheumatismus wird man wohl mit 
größter Wahrscheinlichkeit an eine Neuritis, sei es des Nervus 
cochlearis, sei es des Nervus vestibularis, zu denken haben. In den 
Fällen von akquirierter Lues kann man verschiedene Erkrankungs¬ 
formen unterscheiden. Dort, wo neben dem Cochlear- und Vestibular- 
nerven noch andere Hirnnerven betroffen sind, wird man an eine 
Affektion der Nerven selbst durch basale Meningitis zu denken haben, 
dort, wo Vestibulär- oder Cochlearapparat allein oder beide zusammen 
ohne Mitbeteiligung anderer Nerven betroffen sind, kann man wohl 
eine Erkrankung des Endorgans annehmeu. Bei der hereditären Lues 
wird man mit Rücksicht auf die stets vorhandene Erkrankung sowohl 
des Cochlear- als Vertibularapparates den Sitz der pathologischen Ver¬ 
änderungen in das Endorgan verlegen. Dafür spricht auch der Sek¬ 
tionsbefund Downies 10 ). — Bei der Influenza dürfte es sich um Neuri¬ 
tiden handeln. — Bei Schädeltrauma muß man, wenn die Erregbarkeit 
des Vestibularapparates aufgehoben ist, zunächst an einen Schädel¬ 
basisbruch denken. Vielleicht kommt auch eine Blutung in das innere 
Ohr ohne Fraktur in Betracht. Dort, wo die Erregbarkeit des Vesti¬ 
bularapparates normal ist, ist, auch wenn Taubheit besteht, die 
Schädelbasisfraktur, wenigstens soweit sie die Pyramide betrifft, wohl 
mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen. 

•) Wittmaack. Ueber Schwindel und Gleichgewichtsstörungen bei nicht 
durch eitrige Entzündungen bedingten Erkrankungen des inneren Ohres 
usw. Z. f. O. L, p- 127. 

7 ) Manasse. Ueber chronische, progressive labyrinthUre Taubheit. Z. 
f. O. LII, p. 1. 

Neumann, H. Sitzungsprot. der österr. otolog. Gesellsch. v. 16. De¬ 
zember 07. M. f. 0. LV, p. 284. 

9 ) Ruttin, E. Sitzungsprot. d. öst. otol. Ges. M. f. 0. LV, p. 415. 

10 ) Dornie Walker. Ein Fall von erworbener totaler Taubheit infolge 
von hereditärer Syphilis mit Sektionsbericht. Uebers. Z. f. 0.1897, Bd.30,p.236 


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Ö2Ö 


Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 

Anamnese 

Ursache der 
Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 

Konv.- 

Sprache 

F lüste r- 
Sp rache 

Weber 

Rinne 

Knochen¬ 

leitung 

1 

C; 

1. 

August G., 
53 J., m. 

Angeborene Mißbildung 
der rechten Ohrmuschel 
mit Atresie des äußeren 
Gehörgangs 

Kongenitale 

Mißbildung 

r. 0 

1. 1/2 m 

r. 0 

1. a. c. * y 

-yi. 


normal 


2. 

Johann K., 

15 J., m, 

Angeborene Mißbildung 
der Ohrmuschel mit 
Fehlen des äußeren Ge¬ 
hörgangs rechts 

Kongenitale 

Mißbildung 

r. 8 m 

1. normal 

r 5 m 

1. normal 

-vl. 

r. — 

1 . + 

normal 

r-" 
1.+ 

3. 

Ambros F. 

Seit 18 Jahren rechts 
taub, arbeitete von 1887 
bis 1897 in einer Eisen¬ 
fabrik 

Arbeit im 
Lärm 

r. 1 m 

1. 6 m 

r. l / 4 m 

1. 3 m 


r. — 

1 . + 

verkürzt 

r. vk 
1.+ 

4. 

F. B., 20 J , 
m. 

Seit 3 Jahren taub, arbeitet 
in einer Eisenfabrik 

Arbeit im 
Lärm 

r. 1 m 

I. 7 m 

r. 0 

1. l‘/j in 

-►L 

r. — 

1 .+ 

r. verkürzt 

r. — 

6. (B.) 

Z., 47 J., m. 

Arbeitete lange Zeit in 
einer Eisenfabrik, ist 
schon lange schwerhörig. 
Vor 16 Monaten einen 
Schlag auf den Kopf, war 
ohnmächtig, hat seither 
schwachen Schwindel,* 
Sausen, Kopfschmerzen. 
Vor 3 Wochen plötzlicher 
starker Schwindel mit 
Erbrechen, sehr nervös 

Berufs-Taub¬ 
heit und 

Trauma. 

r. 1 m 

1. 6 m 

r. 0 

1. 2 m 


+ 

1 

I 

vk. 

vk. 

6. 

Anna L., 

17. J., w. 

Hatte als Säugling Blat¬ 
tern. Hörte immer 

schlecht. Hat die Schule 
besucht. 

Blattern ? 

r. l / 2 ni 

1. 2 / a m 

r. a. c 

1. a. c. 


1 

vk. 


7. 

Paula W., 

19 J., \v. 

Vor 6 Jahren Diphtherie, 
manchmal Schwindel 

Diphtherie 

r. 7 m 

1. V 2 m 

r. 7 m 

1. a. c 



vk. 


8. 

22. 2. 08. Vor 3 Wochen 

Influenza? 

22. 2. 08. 

22. 2. 08. 

-> r. 

r.+ 

r. wenig 

r. -r 

Rudolf K. 

17 J., m. 

Otitis externa links, hatte 
zwei Wochen Schwindel, 
taub links,Kopfweh.Para- 
zentese wurde gemacht, 
doch das Mittelohr 

war scheinbar normal, 
kein Sekret, Trommelfell 
normal. 25. 2. 08. Hat täg¬ 
lich 3-4 Schwindelan¬ 
fälle, Neigung links zu 
fallen, Gegenstände be¬ 
wegen sich nach rechts. 
Kein Erbrechen. 29. 2. 03. 
Noch immer Schwindel. 

Otit. ext. ? 

i 

r. normal 
1. 1 m 

29. 2.08. 

1. 3 / 4 m 

l 

i 

r. noi mal 
1. 0 

29. 2. 08. 
1. 0 

j 


1. un¬ 
best. 

' i 

i 

verkürzt 
1. stark 

verkürzt 
29. 2. 08. 
hört nur 
rechts 

1 . - 
29. 2 

1 . - 


* vk. — verkürzt. 

** a. c. — ad concham. 


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221 — 


C 4 

1 Nachnvstagmus 

J nach t)rehung 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

Erregbar¬ 
keit des 
Vestibulär- 
apparats 

Bemerkungen . 

+ vk.* 

j 10 X r - 40" ( kein 

10 X 1 35" { Schwindel 

iy 2 Ballon, r schwach 

• 


+ 

Link. Trommelfell ehr. 
Adhaesivproc. Hat 

keinen Schwindel. 

r. vk. 

1. -f 

110X1. 3o"l kein 
'10 X r 35"/ Schwindel 

1 

— 

— 

+ 

Link. Trommelfell nor¬ 
mal. Mit Lärmap¬ 
parat hört Konv.- 
Sprache r. nur a. c. 

r stark 
vk. 
1.+ 

l'OX^sS, 

jlO X 30*J Schwindel 

1 Ballon, r. schwach 
mit Schwindel 
l / 2 Ballon, 1. stark mit 
Schwindel u. Erbrech. 

wenig 

i- + 

r.+aber nicht 
so erregbar 
als links 

Trommelfelle normal. 

r. — 

lio x 1. 32" 

jlOX r.34" 

V 2 Ballon, r. normal 

V 2 Ballon, 1. normal, 
kein Schwindel 


+ 

Trommelfelle normal. 

vk. 

! 

i 

i 

10 X 1. 12" 

'lOX r. 25" 

| Kopf nach vorn 

10 X 1- 12" 

10 X 15" 

, -d ii l minimale 

1 Ballon, r } Äeaklion 

1 2 Ballon 1. stark 

wenig 1. 

i 

r. stark ver¬ 
mindert 

i. + 

Ist neurasthenisch. 

stark 

vk. 

10 X r. 40" i kein [ 
10 X h 30"/ Schwindel 

3 / 4 Ballon, r. stark 

3 / 4 Ballon, 1 stark 

— 

i 

+ 

Trommelfelle etwas re- 
trahiert, nie Schwin¬ 
del. 

vk. 

r. + 

1. — 

29. 2. 08. 

J. — 

i 

i 

10 X )• 20" stark 

10 * r. 22" schwach • 

25. 2. 08. 

10 Xr. 16" 

10 X 1 10" 

29. 2 Os. 

10 X r. 20" 

10 X 1. 15* 

V 2 Ballon, r. stark 
l Ballon, 1. schwach 

Kalt, 1. stark mit 
Schwindel 

Kalt, r. nicht so stark 
29. 2. 08. Kalorischer 
Nystagmus links stark 

beiderseits 

1. y"“ bei Nei¬ 
gung des 
Kopfes nach 
rückwärts 
29. 2. 08. 

t 

i 

+ r. stärker 
als links 

+ 

29. 2. 08. 

+ 

Mit Lärmapparat links 
taub. Keine nervöse 
Erkrank. 

Mit Lärmapparat lii ks 
etwas gehört. 

29. 2. 08. 

Mit Lärmapparat links 
nichts gehört. 


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222 — 


Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 


Ursache der 







Anamnese 

Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 

Konv.- 

Sprache 

Flüster- 

Sprache 

Weber; Rinne 

; 

Knochen¬ 

leitung 

C 

! 

9. (B.) 

14. 1 06. Schwindelan¬ 

Rheumatis - 

r. normal 






Josef K., 

fälle, Sausen, seit acht 

mus * 

1. normal 






35 J., m. 

Tagen Facialparalyse 

14. 2. 06. Geheilt 







1 

10. 

Seit 3 Jahr. Beschwerden, 

Otosklerose 

r. D /2 m 

r. 1 ' 4 m 

->-r 

— 

r. normal 1. ver* 

Marie S., 

zeitweilig schwacher 


1. *2 m 

1. 0 



1. wenig küm 

27 J., w. 

Schwindel, kein Er¬ 
brechen, Sausen 






vk. 


11. 

Seit 3 Jahren schwerhörig, 

Laes. aur.int. 

r. a. c 

r. 0 

1. 

— 

wenig 

_ 

Anton D., 

rechts mehr. 

mit Otoskle¬ 

1. V e m 

1. a. c. 



vk. 


36 J., ni. 


rose 







12. 

Schwindelanfälle von 

Laes. aur. int. 

r a. c. 

r. 0 

-►1. 

— 

r. vk. 

_ 

Josef C., 

kurzer Dauer. 

mit Otoskle¬ 

1. 1 m 

1. >,' 3 m 



1 normal 


34 J., m. 


rose 







13.' 

Seit 5-6 Jahren taub 

Laes. aur. int. 

r. 0 

r. 0 

-v 1. 

— 

vk. 

_ 

M., 57 J., w. 

Hat Schwindelanfälle. 

mit Oto- 

skleiose 

I. l / 4 m 

1. a. c. 





14. 

Anfang vor 2 Jahren 

Otosklerose 

r. a. c. 

r. 0 

r. 

— 

r. wenig 

0 

L. M., 28 J., 

langsam, seit einem Jahr 


1. a. c. 

1 0 



verlang. 


in. 

sehr schwerhörig mit 
Sausen, seit 8 / 4 Jahr 









Sch windelanfälle,manch¬ 
mal stark, Dauer eine 
halbe Stunde 








15. 

Vor 4 Jahren 1 Jahr hin¬ 

Otosklerose? 

r. V 4 m 

r. 0 


— 

verlang. 

_ 

Albina St., 

durch viel Antipyrin 

Antipyrin? 

j 

1. V 4 m 

1. 0 




36 J., w. 

wegen Kopfschmerzen. 
3 Jahre schwerhörig, 







; 1 


kein Sausen,kein Schwin¬ 
del 

i 

! 







16. (BJ i 

Vor 2 Jahren SchwindeljOtosklerose 

r. 7 m 

r. 6 m 

- ->- r. 

r. + 

normal 

r. + 

Sigmund F., 

und Erbrechen, einmal Laes aur. int 

1. 6 m 

1. 10 cm 


1. - 


1. - 

32 J., m 

wöchentlich während der 
ersten 6 Monate, Pause 
durch 3 Mouate, dann 
dasselbe 








17. 

Vor 6 Jahren Influenza, 

Influenza 

r. a. c. 

r. 0 


_ 

r. wenig 

r. “ 

Anna v. T., 

seitdem hat sich das Ge¬ 

Otosklerose 

1. l j 4 m 

1. 0 



verkürzt! 

l.ver- 

34 J , w. 

hör stetig verschlechtert, 
verheiratet, kinderlos, 

kein Sausen, kein Sch win- 






1. normal i 

! 

t kürzt 


del,s. 2 Jahren r. fast taub 


| 




| 


18. 

Angeblich seit einem Otosklerose 

' r. normal 

r. 5 m 

-► 1. 

— 

verlang. 

0 

T., 30 J., m. 

halben Jahr Sausen,Kopf¬ 

Arbeit im 

1. \ 2 m 

1. a. c 




i 

weh und Uebelkeiten 

Lärm 

l 







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— 223 — 


c,! 

j j 

Nachnystagmus , 

| nach Drehung ! 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

Erregbar¬ 
keit dt*s 
Vestibular- 
apparats 

Bemerkungen 

1 


Normale Reaktion 

1 

r. y^bei Nei¬ 
gung d. Kop¬ 
fes n. rück¬ 
wärts stark 

! + 

N 14 Tag. Facialispara- 
lyse geh. Kein 

Schwindel. 

r ver¬ 
kürzt 

10 X r. 50" 

10 X 1- 45" 
kein Schwindel 

V* Ballon, r. stark mit 
Vertigo u. Uebelkeit 
l / 8 Ballon, 1. stark 

_ 1 

+ 

1 

Trommelfelle normal. 

stark 

vk. 

10 X r * 10 4< \ kein 

10 X 1- Schwindel 

r. 8 / 4 Ballon, stark 

1. ®/ 4 Ballon, stark 

wenig 

+ 

Trommelfelle beinahe 
normal. Manchmal 

Schwindel 

vk. 

10Xr. 10" 

10 X 1- 16" 

l l 2 Ballon, 1. normal 

1 2 Ballon, r. normal 

— 

+ 

Trommelfelle normal. 

r. 0 

1. vk. 

10 X r. 16" 

10 X 1- 20' 

a / 4 Ballon, r. normal 

: 

— 

+ *! 

Trommelfelle normal. 

sehr 

stark 

vk.* 

vk. 

r. + 

1. — 

10 X r. 25” 

10 x 1.1?" 

: 

; 

Kalt, r. stark 

Kalt, 1. stark 

V 4 Ballon, r stark 
l /j Ballon, 1. stark mit 
Uebelkeit 

Wechsel wäh¬ 
rend eines 
Schwindel¬ 
anfalls, zu- 
erst"yl,dann 
r. y - ', dann 
auchl y~ > r. 

h 

+ 

bei Neigung 
nach rück¬ 
wärts N. 

stärker 
+ 

Trommelfelle normal. 

Trommelfelle normal. 

Kalor. Reaktion nicht 
untersucht, da so¬ 
fort Erbrechen beim 
Schwindel eintritt. 

r. sehr 
stark 
ver¬ 
kürzt 
1. ver¬ 
kürzt 

10 X 1. 30" 

10 Xr. 28" 

V 2 Ballon, r. kalt, stark 

■ 

+ 


Trommelfelle normal. 
Ist nervös. 

ver¬ 

kürzt 

10 X r 42" 

10 X 1- 48" 

Kopf nach vorn 

10 X r. 80" 

10 X 1 - 27" 

stark 

I 

1 

1 

+ 

Trommelfelle u. Tuben 
normal. Neurasthenie. 


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— 224 — 


Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 

Anamnese 

Ursache der 
Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 

Konv.- 

Sprache 

Flüster- 

Sprache 

Weber 

Rinne 

Knochen- 
leitung 

C, 

19. Seit Jalireu schwerhörig 

Dora W., u. Schwindel, hat noch 

57 J., w. immer starke Schwindel¬ 
anfälle, andauerndes 

Sausen in beiden Ohren, 
stärker während eines 
Anfalls 

Otosklerose 

r. u. 1. nur 
laute 
Stimme 
gehört 

r. 0 

1. 0 

-<-> 

— 1 verkürzt 

i 

i 

0 

20. 

Christine L., 
58 J., w. 

Seit 3 Jahren 1. schwer¬ 
hörig, seit 2 J. starkes 
Sauken, seit 8 Jahren j 
Schwindelanfälle von 6 
Min .Dauer. Jetzt weniger 
häufig und schwächer. 
Kein Erbrechen 

Otosklerose 

r. '/* m 

1. 4 m 

r. a. c. 

1. 1 l /a m 

-y r. 

i 

! 

r.— 

1. un¬ 
best. 

normal 

r. () 

1. wt-itig 

vk. 

21. 

Chaina G., 

50 J., m. 

S. 4 J. schwerhörig ohne Otoskleroso 
Anlaß, sojt 1 1 / 2 Jahren 

Ohrensausen, b. schlecht. 

Wetter stärker. Dauer 
von Schwindelanfäll. seit 
l j f Jahr. l l t Std., im Bett 
schlechter 

r. >/ 2 m 

1. 1 m 

r. a. c. 

1. a. c. 

■<—> 


normal 


22. 

Antonia D., 
50 J., w 

S. 2 J. schwerhörig, starkes 
Sausen. Manchmal 

Schwindel, auch im Bett 

Otosklerose 

r. 1 m 

1. 1 m 

r. a. c. 

1. a. c 



verlang 

vk. 

23. 

Maria G., 

28 J., w. 

1J. lang ein w T enig schwer¬ 
hörig, seit 1 Jahr sehr 
schwerhörig, Kopfweh, 
kein Schwindel 

Otosklerose 

r. V, m 
]. a. c 

r. a. c. 

1. a. c. 



wenig 

verlang. 

0 

! 

24. 

Anna W., 

25 J.. w. 

Seit 1 Jahr schwerhörig 
ohne Ursache, Kopfweh, 
Sausen und Schwindel 

Otosklerose 
Laes. aur. int. 

r. 10 cm 
1. 10 cm 

1 r. 0 

1. 0 



verkürzt 

0 

1 

i 

25. 

J. W., 49 J., 
m. 

Vor 3 Wochen hatte W. 
einen Unfall, fiel auf den 
Kopf, seither taub links, 
hat geringen Schwindel, 
2—3mal täglich, Dauer 
v 4 Stunde 

Trauma 

r. normal 
1. 1 2 m 

r. normal 

1. 0 


r. + 

1. — 

i 

i 

r. vk. 

1. stark 
vk. 

il. stark 
i vk. 

26. (E») 

Fiel vor 14 Tagen auf den 

Trauma 

r. 5 m 

r a. c. 

— 

Ir. + 

r. 

r. 

B., 51 J., m. 

Kopf, blutete vom linken 
Ohr, war 18 Std. ohn¬ 
mächtig. Ist jetzt links 
taub, hört rechts schlecht. 
Traumatische Neurose 

Basis- 

Fraktur 

1. 1 m 

1. 0 


!• + 

verkürzt 
i l. stark 
! verkürzt 

L + 

i 

1 

i 

27. (B.) 
Anton P., 

41 J., m. 

Vor 4 Monaten Trauma 
am linken Ohr, ohnmäch¬ 
tig. Blutung aus Mund 
u. Nase. 14 Tage Schwin¬ 
del. Links taub. Hat 
Arteriosklerose 

Trauma 
Arterio¬ 
sklerose 
Basis fraktur 

r. normal 
1. 1 m 

r. normal 
1. a. c 

r. 

' r. + 

, 1. - 

j 

verkürzt 

r -f- 

1. 0 


Digitized by v^ooQle 






— 225 — 


C 4 


N achnvstagmus 
nach Drehung 


Kalorischer 

Nystagmus 


Spontaner 

Nystagmus 


Erregbar¬ 
keit des 
Vestibular- 
apparats 


Bemerkungen 


vor- 110 X r - 26* 
kürzt 110 X 1- 20" 


*r. normal 
il. normal 


vk. 


vk. 


\ wen. 
/k., 1. 
ft. vk. 

vk. 


10 X 1. 27" 

10 X r. 23" 


10 X r- 25" 
10 X r. 25" 

10 X r. 27" 
10X1- 24" 


. stark 
vk. | 


10 X r. 0" 

10 X l - 20" 

sehr schwacher Nyst. 
10 X r - 30" \ starker 
10 X 1* 30"/ Schwindel 


r. + 9. 2. 07. 

I. vk. ! 10 X r * 15 " 
10X 1 - 25" 
116. 2. 07. 

1 io x r - iß" 

( 10X 15" 

r - + 

1 . 0 


Schwindel- 
anlalle stark 

1. Y~ 


+ 


.starkilü X r - 3Ö"\ geringer 1 Ballon, r. sehr wenig 
vk. jlOX 1. 25"/ Schwindel; Reaktion 
wenig’! IV 4 Ballon, 1. normal 

vk. 


-|- 1 . stärker 
als r. 


jV 4 Ballon, 1. stark 
, l / 4 Ballon, r. stark 
‘mit Schwindel undEr- 
1 brechen 


V« Ballon, 1. stark mit: 
Schwindel j 

7g Ballon, r. stark mitj 
Schwindel 

7« Ballon, 1. stark mit 
Schwindel 

1 ’ 2 Ballon, r. schwach 
IV 2 Ballon, 1. sehr 
genüge Reaktion 
1 4 Ballon, r. stark, m. 
Schwindel | 

l /i Ballon, 1. stark m.l 
Schwindel | 


schwach 


> 


1 Ballon, links beinahe, wenig nach 
keine Reaktion beiden Seiten 

/ 2 Ballon, r. stark 


1 Ballon, 1. keine I wenig nach 

Reaktion. 'beiden Seiten 

1 Ballon, r. Reaktion ! 

kleiner als normal | 


+ 


+ 


+ 


r * 

l. — od. selir| 
st. vermind. 
+ 


Trommelfelle u. Tuben 
normal. 


Trommelfelle normal, 
Tuben frei, keine Hör- 
verbesserg. n.Bougie. 


Trommelfelle normal. 


Trommelfell normal, 
nachMassage,Flüster¬ 
sprache 23 cm. 
Trommelfelle normal. 


Trommelfelle 
Tuben frei. 


normal, 


Trommelfelle normal, 
mit Lärmapparat hört 
sehr laute Sprache. 


1 — | Traumatische Demenz. 

r. + 


1 — 

r. + aber 
vermindert 


Digitized by 


Google 





— 226 — 


Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 

Anamnese 

Ursache der 
Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 

Konv - 
Sprache 

Flüster- 

Spraohe 

Weber 

Rinne 

Knochen- p 
leitung | 1 

28. (B.) 

K., 40 J., m. 

Fiel vor 5 Wochen auf 
den Kopf, hört seither 
schlecht. Sausen beider¬ 
seits, schwache Schwin- 
delanfällo 

Trauma 

r. V 2 m 

1 >/ 2 rn 

r. a. c 

1. a. c. 


+ 

verkürzt wenig 
ver¬ 
kürzt 

:| 

29. (B.) 

L., 44 J., m. 

Fiel vor 6 Wochen auf 
den Hinterkopf, ist seit¬ 
dem rechts taub. War 
nicht ohnmächtig Sau¬ 
sen rechts, Kopfschmer¬ 
zen, Schwindelanfälle mit 
Uebelkeiten. Traumati¬ 
sche Neurose 

Trauma 

r. »/« m 

1. 7 m 

r 0 
l. 1 m 

i. 

+ 

verkürzt ver- 
besonders kürzt 
rechts 

t 

30. (B.) 

Bekam vor 14 Tagen 

Trauma 

r. 7 m 

r 2 m 

r. 

r. + 

r. ; ver- 

H., 42 J, m. 

elektrischen Schlag, 

hört seitdem schlecht. 
Sausen und Schwindel. 
Traumatische Neurose 

(elektrischer 

Schlag) 

1. */ 4 m 

1. 0 


i. + 

verkürzt, kürzt 
1. stärker 
vk. 

31. (B.) 

K. H., 26 J., 
w. 

' 

Fiel vor 2 Jahren auf den 
Hinterkopf, war l / 2 Std. 
ohnmächtig, dann Er¬ 
brechen. 8 Tage Kopf¬ 
schmerzen, dann 14 Tage 
Schwindelanfälle, lag 

nicht zu Bett. Ist seit-l 
her rechts taub. Jetzt 
kein Schwindel 

Trauma 

i 

l 

i 

i 

l 

1 r. 10 cm 
1. normal 

r. 0 

1. normal 

! <-> 

| 

r. — 

i. + 

r. stark , r. 0 
verkürzt j 

i 

1 

32. (B.) 

B. 

,6. 7. 07. Seit 3 Monaten 
starker Schwindel. Hat 
jetzt keinen. Rechts 

taub. Trauma 

Trauma 

r. 10 cm 

1 normal 

r. a c. 

1. normal 


i r. — 

i ! 

I 

r. ver- jr. ver¬ 
kürzt küret 

33. (B.) 

N., 21 J., m. 

2. 2. 07 Trauma. 6 Tage 
ohnmächtig, dann starker 
Schwindel. Seit 2 Mo- 
1 naten besser. Hörte an¬ 
fangs gar nichts, jetzt 
nur wenig (links) 

Basisfraktur 

8. 3. 08. 
r.nermal 

1. 3 /i m 

r. normal 
1 0 

j 

-> r. 

1 1. - 

i 

i • ; 

1. ver- L ver¬ 
kürzt > kürzt 

l 

i 

34.JohannD., 
21 J., m. 
(Politzer, 
Oest. otol 1 

Hört seit 5 Monaten 
schlecht auf d. link. Ohr, 
wurde vor 6 Wochen 
links taub, Schwindel 

Tumor, linke 
hintere 
Schädelgrube 
basal 

r. normal 
1. 7, m 

r. 6 m 

1. 0 

i l 

1 

r. + ; 

i 1. — 

! 

1. vk. | L 0 


Ges. ,Sitz. v. 
29.10. 06. M. 
f. O. XLI, B. 
H p. 153. 

35.C.,25 J.,m. 
(Barany — 
Fuchs, Wien. 
kl.Wochschr. 
1906, p. 489 


5 Wochen, Aphonia 
3 Wochen, Anaesthesie 
der linken Kopfseite, 
sieht doppelt, Kopf¬ 
schmerzen, Erbrechen 
Vor 2 Jahren Schwindel- 
I anfall u. Taubheit rechts. 
; Sah 8 Tage lang schlecht. 
10. 3. 06 


Tumor des r. 
Kleinhirn- 
brücken- 
winkels , 


r. 1'/, ni| 
1. normal 


r. 10 cmj 
1.6m 


r. — , vk. 

i. + i 


Digitized by 


Googk 









— 227 — 


C 4 

Nachnystagmus 
nach Drehung 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

Erregbar¬ 
keit des 
Vestibular- 
apparats 

Bemerkungen 

ver¬ 

kürzt 

ver¬ 

kürzt 

10Xr 50" 

10 X 1. 45" 

Kopf nach vom 

10Xr. 30" 

10X1- 25" 

10Xr. 48- 
10X1. 45* 
viel Schwindel und 
Uebelkeit 


wenig nach 
beid. Seiten 

+ 

+ 

Hemihypaesthesia r. 

ver¬ 

kürzt 

10 X T. 66" 

10 X 1. 63“ 


— 

+ 

Trommelfelle normal. 

r. sehr 
stark 
ver¬ 
kürzt 

10 X« 1 . 26" 

10 X1. 22' 

1 Ballon rechts, keine 
Reaktion, kein 

Schwindel 

l / 4 Ballon links, stark 
mit Schwindel 


r. — 

i. + 

Trommelfelle normal. 
Mit Lärmapparat 

hört lauten Scnall, 
aber versteht nicht. 
Prüfung d. Romberg 
• normal. 

r. ver¬ 
kürzt j 

1 

; 10 X r. 20" 

10X1 20" 

1 Ballon rechts, keine 
Reaktion 

1 Ballon links, schwach 

wenig "y 1. 
auch hinter 
Brille j 

r. — 

1. vermindert 

| Mit Lärmapparat r. 
taub. 

1. ver¬ 
kürzt 


1 Ballon links, sehr 
kleine Reaktion 
l j 2 Ballon r. f typisch 

r. klein 

r + 1 
1 sehr stark 
vermindert 

Mit Lärmapparat 

Schallgehör. 

1. 0 

1 


r. kalt u. heiß, normal 
1. kalt u. heiß, keine 
Reaktion 

stark r. 

r. + 

1. — 

i 

Paralyse des 5., 6., 7, 
8., 11. und 12. Hirn¬ 
nerven 1. Keine Stau¬ 
ungspapille. Ataxie 
der linken Extremi- 
J täten. 

r. 0 


r. kalt, keine Reaktion 
1. kalt, normal 

Y~ ~Y 

r. 1. 

stark 

i • 

!f: + 

i 

i 

i 

Stauungspapille, Para¬ 
lyse des Hirnnerven 
5, 7, 8, 12, rechts. 


Digitized by v^ooQle 






Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 


Anamnese 


Ursache der 

Ohr- Konv.- Flüster- w , jKnochen- r 

erkrankurig Sprache ' Sprache | WeDer Kmne leitung 1 
u. Diagnose I 


30. (B.) 

R., 25 J., w. 


JI7. (B.) 

G. f 50 J , m. 


38. (B.) F. H., 
42 J., w.(Ba- 
rany.) D. Un¬ 
ters. d. refl. vest. 
u.opt.Augbew.u. 
ihre Bed. f.d.top. 
Diagn.d.Augen- 
muskell. M. med. 
Wocli.22u.231907 
39. (B.) 

R., 38 J., w. 


40. (B.) 

M. B., 36 J., 
w. 


30.4 06. Seit l l A, Jahren Tumor des r. r. l l / 2 ni r. a. c. 
starke Kopfschmerzen! Kleinhirn- 1. normal 1. normal 
mit Schwindel, seit vier brücken- j 
Monaten blind. Schon winkeis oderl j 

lange rechts taub. Kein Kleinhirns 
Erbrechen rechts 

14. 10. 06 Acusticus- r. 0 r. n 

j — Tumor 1. 3 m 1. 1 # m 

(Obduktions- 

I befand) 

|26. 11. 08 Tumor hint. r. 1 m r. a. c. 


r. a. c. —> 


Schädelgrube 1. normal 1. normal 
basal rechts j 

(Obduktion) 1 


6. 1. 07 Tümor recht, r */ 4 m | 

Taub r., Schwindel Kleinhirn- 1. normal 

brücken¬ 

winkel 

Hört seit 1 Jahr schlecht, Tumor recht, r. 3 / 4 m 
seit V 2 Jahr Schwindel, Kleinhirn- 1 7 m 

auch blind seit l / 2 Jahr, brücken- 

Kopfweh r. Seite, Er- winkel 

brechen, Sausen (Obduktion) | 


r. a. o. 

I. normal! 


r. 0 
1 4 m 


41. (B.) 25. 10. 07 

M., 35 J., m Keine Lues 


Tumor des r. normal! r. normal ->- r 
Nervus 1. 1 m | 1. a. o. | 
acusticus 1. 1 


42. (B.) 
N. N., w. 

43. 

Z., 52 J., 1 

44. (B.) 
H., 47 J., 


20. 1. 08 


1. normal 

r. 3 m 
1. 2 m 


45. (B.) 
M., 36 J., 


46. (B.) 
K , 56 J., 


24. 10. 07 Tumor des r. 0 

— Nervus 1. normal 

acusticus r. 

20. 1. 08 Tumor des r. 0 

w. — Nervus 1. normal 

acusticus r. 

Seit längerer Zeit taub, Arterio- r. 3 m 

m. seit einigen Monaten sklerose 1. 2 m 

starke Schwindelanfälle, Arbeitet im 
erbricht nie während Lärm 
eines Anfalls 

Seit 2 Jahren 1. schlech- Arterio- r. normal 
m tes Gehör. Seit 8 Tagen sklerose 1. 3 / 4 m 
Schwindelanfälle. Dauer 
L'. Keine Uebelkeit, kein 
Sausen 

Hört seit 2 Jahren schlecht, Arterio- r. I m 

w. hat Sausen u. Schwindel sklerose 1. 7 m 


r. a. o. 

1 . 0 


- ! + 


verkürzt ver¬ 
kürzt 


r. normal r. normal —>1. 1. — 

1. 3 / 4 m 1. 3 / 4 m r. + 


r. a. c. 
1. 4 m 


r stark r.stark 
verkürzt ver- 
1 verkürzt kürzt 


Digitized by u,ooQle 







229 


- _ 


---- - — 

— 

Erregbar- 


C, 

Nachnystagmus 
nach Drehung 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

keit des 
Vestibulär- 

Bemerkungen 





apparats 


r. 0 


r. kalt, keine Reaktion 

_ 

r. — 

Spastische Parese der 



1. kalt, normal 


+ 

unteren Extremitäten, 
Stauungspapille, to¬ 
tale Blindheit. 



r. kalt, keine Reaktion 

stark > r. 

r — 

Stauungspapille. Glau- 



1. kalt, normal 

schwach '~y 1. 

i. + 

kom rechts, Blick¬ 
parese rechts, Parese 
d. Trig. r. 

r. 0 


r. kalt, keine Reaktion 

~y y~ 

r. — 

Wechselnde Blickpa- 



1. kalt, normal 

r. 1. 

i. + 

rese, Stauungspapille, 
Blindheit, Hemiparese 






u. Hemiataxie rechts, 
Parese d. 6, 7, 12 
Hirnuerven. 



r. kalt, keine Reaktion 

~Y r. stärker 

r. — 

Arefiexie v. Cornea, 



l. kalt, normal 

als 1. 

i. + 

Stauungspapille. 



r. kalt, keine Reaktion 

'"V r. u. Tr 1. 

r. — 

Blindheit, Stauungs- 

i 

! 

i 

i 

1. kalt, normal 

beide stark, 
Anfälle von 
Schwindelm. 
sehr starkem 
Nystag "y r. 

1. + 

papille, 5, H, 7, 12 

Hirnuerv r. paretisch. 





vk. 


r. kalt, normal 

pY 1. auch 

r. + 

Mit Lärmapparat hört 1. 


i 

1. kalt, keiuo Reaktion 

hinter Brille 

1. — 

i 

nichts. Paresis d. 6 
Hirnnerven links, 

Stauungspapille. 



1 

r. kalt, keine Reaktion 

^ r. 

r. + 

r. Areflexia corneae 


1 

1. kalt, normal 

1. — 



! 

r. kalt, keine Reaktion 

r stärker 

r. — 

r. Areflexia corneae. 


i 

l. kalt, normal 

• + ■ 

Fuü-u. Patellarklohus. 




als^V 1. 

Mit Lärmapparat taub. 

ver¬ 

10 X r. 27" 

— 

— 

+ 

Schwindelanfälle von 

kürzt 

10 X 1- 35" 

i 


stärkerer Intensität 
als experimentell er¬ 
zeugter Schwindel. 



vk. 

10 X r. 40" 

— 

manchmal 

+- 1 

— 


10X1- l 8 " 


keine, 

manchmal 

i 



^ 10 X' - 30" 


P / 

1. \ r ; 

l 


r.stark 


1 Ballon rechts, keine 

Y~ 

r. — 

— 

ver¬ 

j 10X1- 13" 

Reaktion ' 

1. 1 

1. + 


kürzt 

Vj, Ballon links, stark 

] 




Digitized by v^ooQle 





— 230 — 


Lfd. Nr., 
Name. Alter. 
Geschlecht 


Ursache der 







j Anamnese 

Ohr- 

erkraukuug 
u. Diagnose 

Konv.- 

Sprache 

Flüster- 

Sprache 

Weber 

Rinne 

Knochen¬ 

leitung 

C, 

47. (B.) 

i. 3. 07. Vor 2 Jahren 

Lues 


4. 3. 07. 

1-^ 1 . 

+ 

normal 

: t 

L. H , 27 J., 

Lues. Keine nervöse 



r 6 m 

1 




w. Barany 

Krankheit. Sausen liuks 


! 

1. 6 m 





Jahrbücher 

Hat in den letzten 3 



27. 2. 08. 





f. Psych., 

Monaten Schwindel und 



r 6 m 





Bi .XXVIII 

Erbrechen. In der letz- 



1. 6 m 





p. 373. 

! ten Woche ungemein 
starker Schwindel 









27. 2. 08. Seit 1 Jahr 









kein Sausen, kein Schwin¬ 









del. Seit gestern wieder 
Sausen und Schwindel, 









Dauer 3 bis 4 Minuten. 
Keine Uebelkeiten 








48. (B.) 

Seit 9 Jahren Schwäche, 

•Gumma 

3. 10. 07. 

3. 10. 07 

4-> 

r.+ 

r. wenig 1 

! r. 4 

M. K, 5! J, 

Kopfschmerzen, Schwin- 

cerebelii? 

r. 6 m 

r 1 m 


1. — 

verkürzt 

1 - 

w. 

i del. Lag 4 Monate zu 


]. '/ 2 ni 

1 0 



1. stark 



i Bett, während der letzten 


14 11.07. 

14 11.07 



verkürzt | 



4 Wochen Schwindel, 


r. 2 m 

r. V*» m 






Erbrechen, Sausen, sieht 


l. a. c. 

1. o“ 






schlecht 


20. 12 07. 

20. 12.07 








r. 6 m 

r. >/ 2 ni 








1. 4 m 

1. V2 111 





49. (B.) 

Erworbene Lues, rechts 

Lues | 

r. 1 m 

r a. c. 

_ >. 1. 

r. — 

r. ver¬ 

r. 0 

R. T., 36 J., 

Facialisparalyse, links 

Basale Me¬ 

1. normal 

1. normal 



kürzt 


m. 

Paralyse des Oculo mo- 

ningitis. | 








torius. 





1 



50. 

Vor 4 — 5 Jahren Lues, 

Lues 

r 7 m 

r. 3V 2 m 

1 .1 

+ 

verkürzt! 

— 

T. Sch., 38 J.,l 
w. 

hört seit 1 Jahr schlecht 


l 6 m 

Um 



1 


51. (B.) 

Lues. Hört seit 5 — 6 J. 

Lues 

r. >/ 2 ™ 

r. a. c. 


r. + 

verkürzt 

r. t 

S. f:, 43 J., | 

schlecht. Seit 1 J. ver¬ 


1. */ 4 m 

1. 0 


1. — 


L 0 

m. 

schlechtert. Seit 2 J. 
starkes Sauseu. Kein 
Schwindel 









52. 

Ererbte Lues, hörte bis 

Ererbte Lues 

r. laute 

r 0 


— 

stark 

ver¬ 

B. K, 14 J., 

zu 10 Jahren, wurde 


Worte 

1. 0 



verkürzt 

kürzt 

w. 

dann taub 


1. 0 






53. 

Ererbte Lues. War immer 

Ererbte Lues 

r. a. c 

r. 0 

<—>■ 

— 

verkürzt 1 

r. - 

M. P., 16 J.J 
w. 

taub 


1. V 4 m 

1 . 0 




1 4 


Digitized by v^ooQle 





c. 

Nachnvstagmus 
nach Drehung 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

Erregbar¬ 
keit des 1 
Vestibulär 
apparats 

| Bemerkungen 

+ 

4. 3. 07. 

10 X r - 20" kleiner 
Nystagmus 

10 X 1* 28" starker 
Nystagmus 
keine Uebelkeit 

10 X r - Kopf 90° nach 
vorn, beinahe kein 
Nystagmus 

10X1- Kopf 90° nach 
vorn, stark. Nystagmus 
27. 2. 08. 

iox**. so" 

10X1- 55" 

4. 3. 07. 

r. wenig Reaktion 

1. beinahe keine 
Reaktion 

27. 2. 08. 

1 Ball, links, schwache 
l / 4 Ballon, rechts, starke 
Reaktion 

i 

i 

4. 3. 07. 

stark "y r. 
27. 2. 08. 

Y^ ^ "Y 

1. > r. 

U. 3. 07. 

1 1. beinahe 

1 keine 

Reaktion 
27. 2. 08. 

1. deutliche, 
geringe 
Reaktion 

galvanische Reaktion 
links normal. 

r. + 

1. vk 


3. 10. 07. 

1. */ 4 Ballon) enorme 
r l / 4 Ballon) Reaktion 
14. 11. 07. 

Dasselbe 

20. 12. 07. 

Dasselbe 

3. 10. 07. 

stark 1 

20. 12. 07. 
stark "y 1. 

+ 

Besserung des Gehörs 
bei Jod kaligebrauch, 
auch der Neuritis 
optica und des Seh¬ 
vermögens. Tremor 
des ganzen Körpers. 
Gang sehr unsicher. 

r. ver¬ 
kürzt 


1 Ballon, r. keine Re¬ 
aktion. 

L Ballon, 1 normal 

.-►* 1. 

r. — 

1 . + 


+ 

10 Xr. 25*1 kein 

10 X !■ 30" /Schwindel 

l / 4 Ballon, r. normal 
mit Schwindel 

V 4 Ballon, 1. normal 
mit Schwindel 


+ 

Trommelfelle normal. 
Kein Erbrechen. — 
Manchmal schwacher 
Schwindel. Sausen in 
beiden Ohren, links 
stärker. 

r. vk. 

1. stark 
vk. 

10 X r - 40* 

10X1 40" 



+ 

Nach Bougie und Ka¬ 
theterhört links wenig 
besser. Tuba verengt. 

r stark 
vk. 

1. 0 

ver¬ 

kürzt 

10Xr. 0" 

10 X1. 0" 

L Ballon, r. 1 keine 
l Ballon, 1. / Reaktion 

— 

r. — 

1. — 

— 

19. 2 08. 

10Xr. 0" 

10X1- o* 

21. 2. 08. 

20 X r. 0" 

20 X1- ?" 

kein Schwindel 

l Ballon, beiderseits 
keine Reaktion 

19. 2. 08. 

1 Ballon, beiderseits 
keine Reaktion 

19. 2. 08. ! 

1 

1 

1. y"'schwach 
nur bei Blick 
nach links, 
nicht kon¬ 
stant. 

r. — 

1. — 

M.Lärmapp.hörtr.lautü 
Sprach. Kein Schwind. 
od.Erbrech. Trommel¬ 
fell normal. Prüfung 
des Rhomberg normal. 

Keine galvan.Reaktion, 
mit 15 Milliampere. 


Digitized by v^ooQle 






— 232 — 


Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 

Anamnese 

Ursache der 
Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 

Konv - 
Sprache 

Flüster- 

Sprache 

Weber 

Rinne 

Knochen- ^ 
leitung j 1 

54. 

F. H., 12 J, 
m. 

Ererbte Lues. Hatte vor 
2 Jahren einen Schwindel¬ 
anfall. Dauer 1 Tag 
Jetzt weder Schwindel 
noch Erbrechen. Hat 
starken optischen Nystag¬ 
mus 

Ererbte Lues 

r. 1 m 

1. 1 m 

r. 1 4 m 

1. V 4 m 

i. 

+ 

verkürzt — 

55. 

A. S., 23 J., 
m. 

Vor 3 Jahren Scharlach; 
ganz taub. Auch An-' 
1 Zeichen v. ererbter Lues. 

Scharlach 
ererbte Lues 

I 1 

r. 0 

1. 0 

r. 0 

1. 0 





(Dr. Alice 
Mackenzie 
„Zur Klinik 
der galvani¬ 
schen Acusti- 
cusreaktion“, 
Wiener klini¬ 
sche Wochen 
Schrift 1908, 
Nr. 11, p. 360) 

56. 

M. P., 18 J., 
w. 


57. (B.j 


Hat zuweilen Schwindel.! 
Keine Scheinbeweguu-! 
gen, nur unsicher beim 
Gehen 


Hört seit 2 Jahren rechts Ererbte Lues 
nicht, hörte ehedem ganz 
gut, seit 3 Monaten hört 
auch links nicht. Be¬ 
suchte die Schule von 
6—8 Jahien, erkrankte 
dann 


r. 0 
1. laute 
Worte 


r. 0 

I. 0 


r. stark r. 0 
verkürzt 1 vl 
1. verkürzt 


War immer schwerhörig,[Ererbte Lues 
H. S., 19 J., hört seit 2 Monaten sehr 
w. schlecht. Blind, Ozäna, 

geistig minderwertig 

58. | Hatte mit 5 Jahren Ma- ErerbteLuos. 

L. AL. 17 J., seru, gefolgt von ei nein Masern? 
w. Augengeschwür u. Iritis. 

Besuchte die Schule. Vom 

12.—16. Jahre schwer-] 

hörig, dann taub. Ihre 

Mutter hatte 6 Kinder, | 

3 leben 


Gl. (B.) Hat seit 2 Jahren Sch win- Laos. aur. , r. a. c. , r. 0 
P., 47 J., m. delanfülle, Dauer 2—3 int. beider- 1 1. 7 m I 1. J / 2 
Minuten mit Erbrochen. seits | 

Ist seit 3 Jahren rechts 1 

taub | 


r. 10 cm 

r. 

0 

r. -|- r. sehr 

sto rl 

1 0 . 

1 . 

0 

stark 

ver¬ 




verkürzt 

kürz 

l*. laute 

r 

0 , 

— verkürzt 


Worte , 

1 .’ 

0 i 



1. 0 


1 




-> 1. 1. -f- verkürzt 


Digitized by 


Google 






C 4 

i 

Nachnystagmus 
nach Drehung 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

Erregbar¬ 
keit des 
Vestibular- 
apparats 

Bemerkungen 

wenig | 
ver- 1 
kürzt 


1 Ball. r. schw. Reakt. 
1 Ballon, I. keine Reak¬ 
tion. 

starker 

optischer 

Nystagmus 

r - +. 
vermindert 

1. - 

Mit Lärmapparat hört 
mit beiden Ohren. 

i 

1 

i 

o o 

XX 

r r* 
q o 

keine Reaktion 

wenig nach 
beiden Seiten 


Tromm elfelleretrahiert 
Unsicherer Gang. 

r. 0 

1. 0 

i 

10 X r. 0" 

10 X •• 0" 

1 Ballon, beiderseits 
sehr wenig Reaktion 

— 

sehr stark 
vermindert 
beiderseits 

Parese der rechten Ex¬ 
tremitäten. Keratitis 
parenchymatosa ab¬ 
gelaufen. 

stark 

ver¬ 

kürzt 

1 

beinahe keine Reaktion 

; 

beinahe keine Reaktion 
beiderseits 

i 

starker opti¬ 
scher Nyst. 
->- 1. 

1 

sehr stark 

vermindert 

beiderseits 

Keratitis 

parenchvmatosa. 

! 

i 

stark 

ver¬ 

kürzt 

10 X r. 0“ 

10 X 1. 0* 

2 Ballons, links keine 

Reaktion 

2 Ballons, rechts sehr 
wenig Reaktion j 

f 

1. — 

r. sehr stark 
vermindert 

i Hat Sausen, aber keinen 
Schwindel. Rechtes 

I Trommelfell retra- 
1 hiert. Tuben frei. 

) " .' v ' 

1 

r. vk. 
1. + 


i 

1 Ballon, r. kein Ny¬ 
stagmus 

s /' 4 Ballon, 1. wenig Ny¬ 
stagmus 

1 

1 “ 

1 

1 

i 

i 

r — 
i. + 

i 

i 

i 

i 

j 

MitLärmapparatrecht9 
hört Konversations- 
sprache. 


Digitized by v^ooQle 






- ä34 — 


Lfd. Nr., | 
Name, Alter, 
Geschlecht | 


Anamnese 


Ursache der 
Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 


Konv.- 

Sprache 


Flüster- 

Sprache 


Weber Rinne 


Knochen - 
leitung 


i 


GO. 10 

A. W. r 47 J., 1 

w. 


59. (B.> 

E. S M 21 J., 


62. (B.) 

E. D., 50 J., 

w. 


63. (B.) 

B., 34 J., m. 


64. (B.) 

M. H., 50 J. 

m. 

65. 

F. B, 16 J., 
m. 


2. 08. Hatte vor 
Jahr akute Otitis, seit 
7 Wochen Schwindelau-' 
fälle mit Erbrechen, 
Dauer 8—10 Std., meist' 
einen Anfall in d. Woche 
Links starkes Sausen. 
28. 2. 08. Hat Schwindel¬ 
gefühle mit Uebelkeit 


Seit l l / 2 Jahren links 
Sausen, seit l / 2 Jahr 
plötzlich verschlechter¬ 
tes Gehör, vor 2 Monat, 
erster Schwindelanfall 
mit plötzlichem Geräusch 
links, erbricht während 
I desAnfalls. Gegenstände 
I bewegen sich nach liuks, 
Dauer eines Anfalls 1 */ 2 
Stunden, fast täglich. 
Hat zwischen den An¬ 
fällen Schwindel bei zu¬ 
rückgeneigtem Kopf 

Seit 3 Jahren Schwindel, 
seit 2 Jahren schlechtes 
I Gehör u. Sausen rechts, 
j Kopfschmerzen. Ist neur- 
asthenisch, kein anderes 
| Leiden 

,Hört seit 5 Jahren rechts 
schlecht, seit l*/ 2 Jahr 
auch liuks. Beiderseits 
Sausen, bes. stark rechts 
seit 2 Jahren. Hat auch 
seit 2 Jahren Schwindel. 
Kopfschmerzen 
Seit einer Wocho plötz 
lieh taub. Schwindel. 
Keine Ursache 
Vor 4 Jahren Diphtherie, 
war schon vorher r. taub. 
Kein Trauma. Keine erb- 
licheLues,nie Schwindel, 
keine nervöse Erkran¬ 
kung, kein Kopfschmerz 


Laes. aur. 
int. 

Rheumatis- 

tismus 


10. 2. 08. 10. 2. 08. 
r. normal r. normal 




+ 


1. 2 1 /* mi 
19.3.08. 
r. normal 
1. normal 


1. 1 m 
19. 3. 08. 
r. normal 
1. 7 m 


Chr. Adhae-j 
siv. Prozeß 
Laes. aur. 
int. 


r. normal 
I. 3 m 


r normal| 

1. m 


1. 


r + 

1 . — 


normalj 
. ver- t 
kürzt 


Laes. aur. 
int. 

r */« m 

1. normal 

r. 0 

l. normal 

Laes. aur. 
int. 

beiderseits 

r. 2 m 

1. */ 4 ra 

r. a. c. 

1. 0 

Laes. aur. 
int. r. 

r. 1 m 

1. normal 

r. a. c. 

1. normal 

Laes. aur. 
int. r. 

r. */« m 

1. normal 

r. 0 1 

1. normalj 

1 


-v 1. 


r. — 

; i- + 


+ 


1. 


r — 


1. wenigj stark 

I kürz; 


r. ver¬ 
kürzt 


verkürzt 


ver¬ 

kürz 


(stark ver-( 
kürzt 

vk. 


Digitized by 


Google 


— 235 — 


q | Nachuystagmus 

4 | nach Drehung 

Kalorischer 

Nystagmus 

j Erregbar- 
Spontaner i keit des 
Nystagmus j Vestibular- 
apparats 

+ 10.2.08. 

10. 2. 08. 

•28. 2. 08. r. + 

lGXr.20" 

1 Ballou, kalt, 1. sehr 

r. auch 1. vermind. 

UOXh — kein Ny 

schwach 

hinter Brille 19 3. 08. 

1 stagmus gesehen 

19. 3« 08. 

r. + 

j 13 2. 08. 

Vj Ballon, 1. schwach 

1. + 

! 10 X r - 24" 

v 4 Ballon, r normal 


,10X1. 15“ 



19. 2. 08. 


1 

JlO X r - 15" 


1 

loxi- io" 


l 

128. 2. 08. 


' 

j 10 X r -16" 


i 

I10X 1- 25“ 


1 

wenig 

l. kalt typisch 

1. bei Nei- -f- 

ver- I 


gung rück- 

kürzt | 

! 


wärts 

•. sehr 10 X r - 28" 

kalt, r. stark 

1 

1 . 

"y r. wenig,I + 

stark |10X 1. 25" 


bei Neigungi 

ver- Kopf nach vorn 


des Kopfes 

kürzt 10 X r * I 7 " 


rückwärts 

10 X i- 12" 


stärker 

ver- 10 X r * 45" 



kürzt 10 X 1* 43" 



l.starkllO X r * 20" 

V 2 Ballon, 1. normal 

1 

1. f"“ auchj r. -j~ 1 

vk. 10X1- 8" 

1 Ballon, r. keine Re¬ 

hinter Brille l. — 1 

| 

aktion 

1 . ! 

r. vk. | 

r. normal stark, kein 


■ 

Schwindel 

r. wenig + j 

1 I 


Bemerkungen 


Linkes Trommelfell 
etwas ret.rahiert, 
Neurasthenie 
Nach Lumbalpunktion 
angebl. Besserung. 


MitLärmapparatr. taub 


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— 236 


Lfd. Nr., 
Name, Alter, 
Geschlecht 

Anamnese 

Ursache der 
Ohr¬ 
erkrankung 
u. Diagnose 

Konv.- 

Sprache 

Flüster- 

Sprache 

Weber 

Rinne 

Knochen¬ 

leitung 

C, 

66. 

Vor 3 Jahren ein nervöses Laes. aur. 

r. 0 

r. 0 


nichts 

nichts 

_ 

F. K, 37 J., 

Leiden. (Geisteskrank¬ 

int beider¬ 

1. 0 

1. 0 


gehört 

gehört 


w. 

heit?) 2 Kinder, Gehör 

seits 








nach ihrer Geburt 









schlechter. Kein Wochen- 









fiebor 








67 

Hatte als Kind Abszesse Laes. aur. 

r 0 

r. 0 

1 

r. — 

r. stark 

r. 0 

T. B., 67 J., 

am Kopf, hat rechts nie 

int. beider¬ 

1. 3V 2 ni 

1. 1 m 


1. + 

vk. 

1. vk 

w. 

gut gehört, seit 5 bis 

seits 





1. wenig 



6 Jahren ganz taub 






vk. 


66 

Seit G Monaten links taub, Laes. aur. 

r normal 

r. 7 m 

1. 

r. + 

r. normal 

r. 

F. S., 28 J. } 

seit 2 Jahren Sausen, 

int. 1. 

1. 1 m 

1. a. c. 


1. - 

1. wenig 

\]l 

1.0 

w. 

ist sehr nervös 






vk. 

69. 

Schwindelanfälle von 3 — 

Laes. aur. 

r a. c. 

r. 0 

r. 

+ 



T. S., 48 J., 

5 Minuten Dauer 

int. beider¬ 

1. m 

1 0 







seits 







70. 

Hatte vor 5 Jahren einen 

Trauma 

laute Spr. 

r. 0 

r. 

— 

vk. 

sehr 

A. S., 54 J., 

Unfall, ist seitdem taub 


r a. c 

1. 0 




bUit 

verk 

w. 



1 a c. 






71. 

Hört seit 20 Jahren beider¬ 

Laes. aur. 

r. V, m 

r. a. c. 

_>. r. 

r. + 

vk. 

r. - 

J. H., 43 J., 

seits schlecht, seit 18 J. 

int. beider¬ 

1. 0 

1. 0 


1. - 


1. o 

m. 

links ganz taub. Hat 1. 

seits 

1 



, i 



im Kopf Geräusche. Vor 





i 

i 



3 Jahren Schwindel, jetzt 









keinen. Keine Anhalts¬ 


i 







punkte für Lues. • Bei 









schlechtem Wetter ärger 



i 




72. 

Seit 20 Jahren beiderseits 

Laes. aur. 

! r. 0 

r. 0 



i 

,0 

A. G., 56 J., 

schlecht gehört, seit vier 

int. 

| 1. nur 

1. 0 





m. 

Woch. fast ganz taub. Ar¬ 


sehr laute 




» j 



beit im Lärm. Manch¬ 


1 Worte 







mal schwach. Schwindel 


i 






73. (B.) 

Hatl anhaltendes Sausen, 

Laes. aur. 

! r normal 

r. 3 m 


+ 

verkürzt 

— 

P., 42 J., m. 

seit 14 Tagen taub. 

int. 1. 

1. l / 2 m 

1. a. c. 






(Plötzlich.) Schwindelan¬ 









fälle, keine Lues. Mäßi¬ 






! 



ger Alkoholiker, starker 









Raucher 






i 


74. (B.) 

Vor 14 Tagen plötzlich 

Laes. aur. 

12. 6. 07. 

r. 6 m 

i 

+ 

vk. 

normal 

S., 52 J., w. 

Sausen und Erbrechen. 

int. r 

r. 7 m 

1. 5 m 






Gehör war stets gut, 


17m 

; 


1 



seit 3 Tagen etwas 


13. 6. 07. 






schlechter. Sausen auf 


r. 3 m 

i 


i 



beiden Seiten 








75. 

Zeitweise schwerhörig. 

Laes. aur. 

r. 10 cm 

r. 0 

+ 

verkürzt 

0 

H. S., 64 J., 

Seit September 1907 fast 

int. 

1. 0 

1. 0 


| 


w. 

ganz taub. Keine Ursache 


i 

1 

I 

. 





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— 237 — 


C 4 

Nachny* 
nach D 

stagmus 

rehxiog 

Kalorischer 

Nystagmus 

Spontaner 

Nystagmus 

Erregbar¬ 
keit des 
Vestibular- 
apparats 

Bemerkungen 


normal 


s / 4 Ballon, r. schwach 
3 /4 Ballon, 1. normal 


+ 

Trommelfelle normal. 
Manchmal Schwindel. 

r. 0 

1 vk. 

10Xr 46" 1 

10 X 1 66" | 

kein 

Schwindel 

r. stark 

1. stark 

wenig 

+ 

Kein Schwindel oder 
Erbrechen. Trommel¬ 
felle normal. 

r. + 

1. vk. 

10 X r - 86" | 

10 X )• 26"J 

stark 

Schwindel 

Va Ballon, 1. staik mit 
Schwindel 

wenig 

+ 

Mit Lärmapparat hört 
links. 

vk. 

sehr 

stark 

verk. 

10Xr 30" 
10 X >• 35" 

10 X r. 15" 
10 X 1.15" 


V 2 Ballon, r. stark 

1 2 Ballon, 1. stark 

s / 4 Ballon, r. schwach 
3 / 4 Ballon, 1. schwach 
aber stärker als r. 

wenig 

+ 

vermindert 

beiderseits 

Mit Lärmapparat hört 
beiderseits. 

r * + 

10 Xr. 0"1 

kein 

1 Ballon, r. keine Ke- 

_ 

r. — 

Trommelfelle retra- 

1, 0 

1OX1.0"/ 

l 

Schwindel 

aktion 

1 Ballon, 1. keine Re¬ 
aktion 


1 . — 

hiert, kein Rhomberg. 

0 1 

! 

! 

10 Xr. 16" 
(10X1.15" 

i 

2 Ballons, r. keine 
Reaktion 

V 2 Ballon, 1. normal 

i 

1 

1 

r. — 

1. + 

Trommelfelle retra- 

hiert u. atrophiert. 

1 

ver- i 
kürzt 

l 

10X1.15" 
10 X r. 22" 


kalt, 1. typische Re¬ 
aktion 


+ 

Trommelfelle normal. 

normal 

12. 6. 07. 


r. 1 Ballon, keine Re¬ 

stark 1. 

r. — 

Keine Neurose. 

13. 6.07. 
vk. 

10Xr. 35" 

10X1. 15" 

Kopf vorn 

10 Xr. 17" 

10 X 1.10" 

aktion 

1. 1 / 2 Ballon, normal 

auch hinter 
Brille 

1 + 

• 

vk. 



V 4 Ballon, r. normal 
| V 4 Ballon, 1. normal 


+ 

Manchmal Schwindel¬ 
anfälle u. Erbrechen, 
Dauer */ 2 Stunde. 
Kein Sausen. 


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288 


Beiträge zu den intrakraniellen otogenen 
Erkrankungen. 

Von 

Hakase Dr. H. E. Kanasugi (Tokio). 

Die Kasuistik der interkraniellen Erkrankungen otogenen Ursprungs 
hat sich in den letzten Jahren erheblich gesteigert. Es ist nicht nur 
eine große Zahl von klinischen Beobachtungen publiziert worden, 
sondern auch die Aetiologie, die pathologische Anatomie, die Sympto¬ 
matologie und die Operationsmethode sind sehr eingehend erörtert 
worden. 

Die vorliegende Arbeit bildet eine Zusammenstellung der schweren 
Komplikationen der otogenen Erkrankungen des Gehirns, welche in 
den pathologischen Instituten der Herren Hofrat Prof. A. Genersich 
und Hofrat Prol. 0. Pertik zu Budapest in dem Zeitraum von 1896 
bis 1907 zur Sektion gekommen waren. Es sind im ganzen 42 Fälle. 

Ehe ich die aus diesem Material sich ergebenden Folgerungen 
zusammenfasse, sei es mir gestattet, eine kurze Analyse der bisherigen 
Angaben zu geben. 

A. Verschiedene otogene Erkrankungen des Hirns. 

Nach Politzer 1 ) lassen sich auf Grund anatomischer und klinischer 
Eigentümlichkeiten die intrakraniellen Komplikationen otogenen 
Ursprungs in folgende Gruppen ein teilen: 

I. Entzündungen der Hirnhäute. 

a) Die Pachymeningitis externa circumscripta (Extraduralabszeß). 

b) Die Pachymeningitis interna circumscripta (Intraduralabszeß). 

c) Die Leptomeningitis diffusa. 

d) Die Meningitis circumscripta. 

e) Die Meningitis serosa. 

H. Erkrankungen des Gehirns. 

a) Der Hirnabszeß. 

1. Abszeß des Schläfenlappens. 

2. Kleinhirnabszeß. 

3. Metastatische Abszesse. 

b) Das Hirngeschwür und die Encephalitis diffusa. 

III. Erkrankungen der Hirnblutleiter und der Carotis 
interna. 

a) Phlebitis des Sinus transversus. 

*) Lehrbuch d. Ohrenheilk., 1901, S. 474. 


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— 239 — 


b) Thrombophlebitis des Sinus petrosus super, und infer., des 
Sinus cavernosus und des Bulbus venae juguralis. 

c) Anätzung der Carotis interna. 

B. Häufigkeit der otogenen Hirnkrankheiten. 

Die Zahlenverhältnisse gestalteten sich nach den Autoren ganz 
verschieden. Pitt 2 ) fand unter 9000 Sektionen 55 mal intrakranielle 
Erkrankungen otitischen Ursprungs. Unter G000 Sektionen faud 
Treitel 3 ) 17 mal intrakranielle Erkrankungen otitischen Ursprungs, 
Gruber 4 ) unter 40 078 Sektionen 58 mal, Poulsen 5 ) unter 14580 
Sektionen 117mal intrakranielle Erkrankungen otogenen Ursprungs. 
Uchermann 6 ) fand bei 6085 Sektionen 35 mal Himabszesse otitischen 
Ursprungs. 

C. Häufigkeit der verschiedenen otogenen Hirnkrankheiten. 

Pitt 7 ) fand bei 55 otogenen Hirnkrankheiten 18 mal Hirnabszesse, 
22 mal Sinuserkrankungen, 15 mal Meningitiden, Gruber 8 ) auf 200 
Fälle 32 Großhirnabszesse, 13 -Kleinhirnabszesse, 84 Sinuserkrankungen, 
71 Meningitiden, Poulson 9 ) auf 53 Fälle 17 Hirnabszesse, 17 Sinus¬ 
erkrankungen, 19 Meningitiden. Körner 10 ) auf 115 Fälle 43 Hirn¬ 
abszesse, 31 unkomplizierte Meningitis, 41 Sinusphlebitis und Pyämie, 
Hessler 11 ) auf 176 Fälle von otogenen Hirnabszessen 106 Großhirn¬ 
abszesse, 59 Kleinhirnabszesse, 9 Groß-und Kleinhirnabszesse und 2 in 
der Brücke. Hei mann 12 ) sammelte 645 Fälle von otitischen Hirn¬ 
abszessen, darunter fanden sich: 

Schläfenlappenabszesse. 395 mal 

Schläfenlappen-u. Hinterhauptlappenabszesse 19 „ 

Schläfenlappen- u. Stirnlappenabszesse . . 4 „ 

Schläfenlappen- u. Kleinhirnabszesse ... 10 „ 

Stirnlappenabszesse . . 3 „ 

Transport 431 mal 

2 ) Britsch. med. journ. 1890, S. 474. 

•) Zeitschrift f. Ohrenb., Bd. 27, 32. 

4 ) Monatsschrift f. Ohrenh., 1896, S. 311. 

. 5 ) Arch. f. klin. Chirurg , Bd. 52. 

•) Zeitschrift f. Ohrenh., Bd. 46. 

I ) Britsch. med. Journal, 1890. 

8 ) Monatsschrift f. Ohrenh., 1896. 

•) Arch. f. klin. Chirurg., Bd. 52. 

,0 ) Die otitische Erkrank d. Hirns etc., 1908, S. 3. 

II ) Handb. d. Ohrenh. von Schwartze, 1893. Bd. II 

12 j Arch. f. Ohrenh., Bd. 66, S. 257. 


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— 216 — 

Transport 431 mal 


Großhirnabszesse (ohne nähere Angabe) . 13 

Hinterhauptlappenabszesse. 9 

Kleinhirnabszesse.186 

Kleinhirn- und Hinterhauptlappenabszeß . 1 

Kleinhirnabszeß und Brücke. 1 

Rolandsche Furche. 1 

Thalamus opticus. 2 

Brücke ... 1 


Summa 645 

D. Geschlechtsunterschiede. 

Das Verhältnis der otogenen Erkrankungen bei verschiedenem Ge- 
schlechte ist bei allen Autoren fast das gleiche, bei Männern war diese 
Erkrankung doppelt so häutig als bei Weibern. 

Körner 13 ) fand: 

Großhirnabszeß . . . Männer 43, Weiber 18 
Kleinhirnabszeß ... „ 18, „ 12 

Männer 61, Weiber 30 

Grube r 14 ) fand: 

Reine Gehirnabszesse . . 32 mal, davon waren 26 Männer, 6 Weiber 

Komplizierte „ . . 7 „ „ „ 6 „ 1 „ 

Reine Kleinhirnabszesse . 13 „ „ „ 8 „ 5 „ 

Komplizierte „ 6 „ „ „ 4 „ 2 „ 

Hessler 15 ) fand auf 151 Fälle von otogenen Hirnabszessen 
93 Männer und 58 Weiber. Von 102 Fällen von Kleinhirnabszessen, 
welche Koch 10 ) gesammelt hat, betrafen 66 Männer, 36 Weiber, sowie 
die von Okada 17 ) für den Kleinhirnabszeß = 107 Männer, 36 Weiber. 
Hei mann 8 18 ) Statistik stellt folgende Verhältnisse fest: 


Lokalisation des Abszesses 

Männer 

Weiber 

Kiuder 

Geschlecht n. ang. 

Schläfenlappen. 

258 

58 

11 

35 

Schläfen- u. Hinterhauptlappen 

14 

4 

— 

1 

Schläfen- u. Stirnlappeu . . 

3 

— 

— 

— 

Schläfenlappen u. Kleinhirn . 

1 

17 

— 

2 

Transport 

276 

79 

11 

38 


13 j Die otitische Erkrank, des Hirns etc., 19C8, S. 6. 
u ) 1. c. 

lö ) Handb. d. Ohrenh. von Schwartze, 1893, Bd. II. 

16 ) Der otitische Kleinhirnabszeß, 1897. 

17 ) Klinische Vorträge von Haug, Bd. III, S. 313. 

18 ) Arch. f. Ohrenh., Bd. 66, S. 26*2. 


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— 241 — 


Lokalisation des Abszesses 

M&nner 

Weiber 

Kinder Qescblecbt n. ang. 

# Transport 27(3 

Hirnabszesse (ohne nähere An- 

79 

11 

38 

gäbe). 

. . 7 

3 

— 

3 

Hinterhauptlappen . . 

. . 6 

1 

— 

2 

Stirnlappen. 

. . 1 

1 

— 

1 

Kleinhirn. 

. . 117 

33 

4 

32 

Kleinhirn u. Hinterhauptlappen — 

— 

— 

1 

Kleinhirn u. Brücke . . 

. . — 

1 

— 

— 

Brücke . 

. . 1 

— 

— 

— 

Rolandsche Furche . . 

. . 1 

— 

— 

— 

Thalamus opticus . . . 

. . 1 

— 

— 

1 


Summa 410 

118 

15 

78 

E. 

Altersunterschied e. 


In den 246 Fällen von Körner 19 ) 

verteilten sich die otitischen 

Hirnkrankheiten bezüglich der Altersstufen folgendermaßen: 


Alter 

Zahl der Fälle 

Iu Proz. 


0—10 

44 


1*7,88 


11—20 

73 


29,60 


21-30 

70 


28,45 


31—40 

30 


12,19 


über 40 

20 


11,81 



246 


100,00 


Hoi mann 21 ) gibt in 

seiner Statistik folgende Daten: 


Alter 

Männer Weiber 

Kinder 


0-5 

8 

7 

5 


6—10 

21 

26 

4 


11—15 

58 

23 

1 


16—20 

57 

26 

— 


21-30 

132 

35 

— 


31—40 

52 

15 

— 


41—50 

32 

6 

— 


51—CO 

21 

1 

— 


über 60 

4 

1 

— 



Summa 385 140 10 

Neu mann 21 ) macht -4* seiner Statistik der Kleinhirnabszesse 
folgende Angaben: 


19 ) Die otitische Erkrank, d. Hirnes etc., 1908, S. 7. 
2 ->) Arch. f. Ohrenh., Bd. 66, S. 262. 

2I ) Der otitische Kleinhirnabszeß, »907, S. 1. 


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2±2 


Alter 

0—10 12 

11—20 51 

21—30 41 

über 30 30 

Summa 134 

F. Häufigkeit des rechts- oder linksseitigen Sitzes 
der otogenen Hirnkrankheiten. 

Körner 22 ) fand 

unter 106 Großhirnabszessen rechts 59 und links 47 


„ 54 Kleinhirnabszessen 

J7 

37 „ 

„ 17 

Heim ann 23 ) fand folgendes: 

Sitz des Abszesses 

rechts 

links 

Seite unbekannt 

Schläfenlappen. 

160 

188 

47 

Schläfen- u. Hinterhauptlappen 

9 

8 

O 

Schläfen- u. Stirnlappen . . . 

2 

2 

— 

Schläfenlappen u. Kleinhirn 

3 

5 

2 

Hirnabszell. 

3 

4 

6 

Hinterhauptlappen. 

6 

3 

— 

Stirnlappen ....... 

1 

1 

1 

Kleinhirn. 

54 

80 

52 

Kleinhirn u. Hinterhauptlappen 

— 

1 

— 

Kleinhirn u. Brücke .... 

1 

— 

— 

Brücke . 

1 

— 

— 

Rolandsche Furche .... 

— 

1 

— 

Thalamus opticus. 

2 

— 

— 


Summa 242 292 110 

Neumann 24 ) stellt über Kleinhirnabszesse folgende Tabelle auf: 


Autor 

rechts 

liuks 

Körner . 

37 

17 

Koch. . 

53 

48 

Okada . 

73 

78 

Heimann 

57 

85 

Neumann 

64 

76 

Summa 284 

304 

Ich habe unter 13400 Sektionen 42 mal •intrakranielle Erkrankungen 
otogenen Ursprungs gefunden. Dabei ergiebt sich folgendes Verhältnis 

22 ) Arch. f. Ohrenh., 1890, Bd. 29. 



23 ) Arch. f. Ohrenh., Bd. t(5, S. 266. 

24 ) Der otitische Kleinhirnabszeß, 

1907, S. 2. 



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— 243 — 


1. 


Charakter des Ohrenleidens: 

Otitis media purulenta acuta . . 

Otitis media purulenta chronica . 
Otitis media cholesteatomatosa . 
Otitis media purulenta chronica 
und Labyrinthitis purulenta . 


in 6 Fällen 



» 

ii 




Summa 42 Fälle 


2. Verschiedene otogene Erkrankungen des Hirns: 


Großhirnabszesse. 

Kleinhirnabszesse. 

Groß- und Kleinhirnabszesse .... 
Großhirnabszeß und Meningitis . . . 

Großhirnabszesse und Sinuserkrankungen 

Sinuserkrankungen. 

Meningitiden. 

Kleinhirnabszeß und Meningitis . . . 

Sinusphlebitis und Meningitis .... 


in 14 Fällen 

,i 6 
ii 2 

,i 5 
„ 4 

ii » 

ii 4 

ii 1 
„ 1 


Fall 


Summa 42 Fälle 

3. Geschlechtsun terschiede: 

Ich fand in 42 Fällen 

31 Fälle des männlichen Geschlechts 
und 11 „ „ weiblichen „ 


4. Altersunterschiede: 

Meine Statistik stellt folgende Ziffern dar: 
‘ Alter 

0—10 4 

11—20 17 

21—30 14 

31—40 5 

41—50 1 

über 50 1 


Summa 42 

5. Was den Sitz der otogenen Erkrankungen betrifft, fand ich 
nnter 42 Fällen rechts 27 Fälle und links 15 Fälle. 

Ich lasse nun die Protokollauszüge der einzelnen Fälle folgen und 
schicke einen höchst lehrreichen Fall voraus, wo neben einem geheilten 
KleinhirnabszeÜ noch zwei große latente Abszesse im Okzipital und 
Parietallappen des Gehirnes vorhanden waren. Die Figur illustriert 
das Gehirn mit beiden Abcessen nach photographischer Aufnahme in 
natürlicher Größe. 


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o Operationsgebiet. 
c Haut. 

iOS Lobus occipitalis sinister. 
lod Lobus occipitalis dexter. 


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hs linke Hemisphäre. 
hd rechte Hemisphäre. 
a Gehirnabszesse. 


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— 246 — 


Fall 1. 14. V. 1007. Bella Fl ei sch mann, 0 J. Klinische 

Diagnose: Abscessus cerebelli, Meningitis Ungefähr 4—5 cm hinter 
dem rechten äußeren Gehörgang ist an der unveränderten Haut eine 
halbnußgroße Anschwellung, deren äußeren etwa 1 cm breiten Saum 
die dünne, membranartige, graulich erscheinende Haut bildet. Der 
pfenniggroße mittlere Teil der Anschwellung ist gelblich rot, erinnert 
an Granulationsgewebe. Neben der halbnußgroßen Anschwellung tastet 
man einen abgerundeten Knochenrand. Die Kopfhaut ist mittelmäßig 
dick, bleich, blutarm. Am unteren Rande des rechten Os parietale 
und an der rechten Hälfte der Squama ossis occipitalis ist ein 4—5 cm 
langer und beiläufig 3 cm breiter ovaler Knochendefekt. Die Dura 
ist fest dem Rande des Defektes angewachsen. Im übrigen ist die 
Dura mittelmäßig dick und blutreich, auch die weichen Hirnhäute 
sind blutreich, die Hirnwindungen, besonders die der rechten Seite, 
sind plattgedrückt. Der rechte Lobus occipitalis quillt stark hervor, 
seine Windungen sind ganz abgeplattet. Die haselnußgroßen Höcker 
sind ziemlich elastisch und gelblichgrün durchscheinend. Die rechte 
Hemisphäre des Kleinhirns ist mit der Dura fest verwachsen und 
bildet die von außen sichtbare halbnußgroße Anschwellung. In beiden 
Trommelhöhlen ist dicker, grünlichgelber Eiter. Die Gehörknöchelchen 
Bind normal. Diagnose: Abscessus permagnus lobi occipitalis dextri 
et abscessus cerebelli operatus fere sanatus cum prolapsu lobi jlextri 
cerebelli magnitudinis nucis inglandis. Otitis media purulenta lateris 
utriusque. 

Die in der Figur nach 10 proz. Formolhärtung des Gehirnes wieder¬ 
gegebenen Abszesse haben folgende Ausdehnung: Der große Gehirn¬ 
abszeß hat eine Länge von 58 mm, eine Breite von 79 mm und 
eine Tiefe von 26 mm. Der kleine Gehirnabszeß ist 44 mm lang, 
41 mm breit und 27 mm tief. 

Fall 2. 7. IX. 1896. Marie Botlik, 30 J. Otitis media suppu¬ 
rativa dextra cum carie tegmenti tympani. Eiteransammlung zwischen 
der Dura und Tegmen tympani. Pachymeningitis purulenta circum¬ 
scripta interna. Im über dem rechten Tegmen tympani liegenden Lobus 
temporalis: Abscessus lobi temporalis dextri magnitudine pugnum virile 
aequans. 

Fall 3. 20. I. 1898. Katharine Numerlup, 17 J. Otitis 

media suppurativa chronica. Die Dura ist mit ihrer äußeren Fläche 
fest am Schädeldach angeklebt, der rechten Hemisphäre entsprechend 
starrer. Neben dem Sinus longitudinalis zahlreiche die Dura durch¬ 
brechende Pacchionische Granulationen. Im Sinus falciformis viel 
dunkelrotes, dünnflüssiges Blut. Das Cavum subdurale des rechten 


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Schädelrandes füllt sehr viel grünlichgelber Eiter, welcher dicht 
und fibrinös ist und hier und da zwischen der Dura und Arachnoidea 
eine 1 / 2 cm .dichte Schichte bildet und so an der inneren Fläche der 
Dura wie Arachnoidea festklebt, welche beide abgekratzt, opak, von 
glanzlosem Aussehen. Das rechte Cavum subdurale ist mit diesem 
dichten, eiterig-fibrinösen Exudate so voll, daß der Falz eine Dislokation 
zur entgegengesetzten Seite, welche vollkommen exsudatfrei ist, erlitten 
hat. Die untere Fläche des rechten Lobus temporalis in der Gegend 
des Ursprunges der rechten Hälfte des Tentorium cerebelli am Os 
petrosum ist an dem letzteren an mehreren Stellen durch jüngere, noch 
vaskularisierte, aber schon genügend resistente Bindegewebsmembrane 
fixiert, zwischen denen mehrere stecknadelkopfgroße Abszesse Platz 
finden. Die obere von der Temp. arachnoidea gebildete Wfwd zeigt 
bei dem Aufheben einen Einriß, durch welchen sich die in der Tiefe 
des Lob. temporalis befindende Abszeßhöhle verrät. Diese letztere 
ist taubeneigroß und von dichtem gelbgrünen Eiter gefüllt, zu welchem 
linsen- bis haselnußgroße, graue, bröcklige, sehr weiche, verschmierbäre 
Massen gemischt sind, welche unter dem Mikroskop sich als sequestrierte 
Gehirnteile erwiesen haben. Die Abszeßwand ist vollkommen glatt 
gelbgrün und besteht aus einem inneren, von Eiter bedeckten, sehr 
dünnen Anteile und einer äußeren, graulichen, mehr transparenten 
Membran. 

Der Befund des Felsenbeines. In der Gegend der Basis des 
Proc. mast, hinter der äußeren Gehöröffnung ist eine 2,3 cm Durch¬ 
messer besitzende Trepauationsöffnung, deren Grund hinterwärts die 
vordere Wand des in sehr lateraler Lage liegenden Sin. sigm., vorn 
das ausgedehnte glattwandige Atrium und die mediale Wand des 
Aditus bilden. Dieser letztere ist sehr erweitert, sein längster Durch¬ 
messer beträgt beinahe 1 cm. Am höchsten Punkt des Sinus sigm, 
wo der Trans versus mit dem Petrosus superior zusammen trifft, ist eine 
Läsion, so daß man von der Wunde in diesen Teil des Sinus direkt 
hineindringen kann. Der Sinus selbst ist hier von einem graubraunen 
und modernden Thrombus ausgefüllt, welcher bohnengroß ist, aber der 
phlebitische Prozeß breitet sich weder abwärts in den Sigmoideus zum 
For. jugulare, noch zum Transversus oder Petrosus superior aus. Nach 
dem Aufhauen des Annulus tympanicus und Tegmen kann man 
konstatieren, daß die Gehörknöchel von Sproßgewebe bedeckt sind, 
sie sind an ihrem Platz. Der untere vordere Teil des Trommelfelles 
fehlt, hinten ist es durch einen dünnen, 1 mm schmalen Streif ersetzt. 
Oben und hinten, der Höhe des Hammergriffs entsprechend, ist es 
noch erhalten, und hier hängt mit ihm der Hammer fest zusammen, 


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2^8 — 


die Spitze seines Griffes ist stark einwärts gerichtet. .Durch die 
untere vordere Trommelfelläsion ragt ein kleiner, von der medialen 
Wand der Trommelhöhle ausgehender, bohnengroßer, traubenähnlicher 
Polyp hervor und hängt im äußeren knöchernen Gehörgang. An dem 
vor dem Isthmus liegenden Teil der Tuba ist die Schleimhaut glatt, 
hinter ihm ist sie uneben. Die Schleimhaut des Recessus epitym- 
panicus und der ausgedehnten Aditus und des Antrum ist verdickt, 
1 mm dick, injiziert, glatt, hier und da von grauweißem, geschichtetem, 
1—1,5 mm dicken Belag gedeckt. Die vordere Wand des Sinus sigm. 
und die vordere Wand des Sulc. sigm. ist von dem knöchernen Grund 
des Sulc. sigm. auf einem Gebiet von 0,5 cm abgehoben, wodurch 
hier eine kleine mit Eiter gefüllte Höhle entstanden ist. Diagnosis: 
Otitis med. chronica polyposa mit der Perforation des unteren vorderen 
Teils des Trommelfells, durch welchen ein Polyp heraushängt. 
Cholesteatomabildung im Aditus und Antrum mastoideum mit der 
Arrosion der vorderen Wand des Sulcus sigmoideus. Thrombophlebitis 
ichorosa sinus sigmoidei. Abscess. chron. lobi temp. dextri. Pachy- 
meningitis interna lat. dextri. 

Fall 4. 18. XI. 1899. Lazar Szabados, 18 J. Otitis media 

chron. purulenta lat. dextri cum empyemate antri mastoidei et cellularum 
mastoidearum, subsequente osteosclerosi processus mastoidei, osteo- 
phlebitis tegmenti antri cum thrombophlebitide sinus sigmoidei et venae 
jugularis dextrae usque ad marginem inferiorem cartilaginis thyreoideae. 

Fall 5. 18. XI. 1899. Joseph Gajdos, 28 J. Otitis media 

supp. lat. dextri. ostephlebitis mastoidea. Thrombophlebitis sigmoidea; 
abscessus extraduralis consecutivus; meningitis basilaris purulenta; 
oedema meningum convexitatis, hydrocephalus int. acutus. 

Fall 6. 8. III. 1901. Anton Romancsek, 32 J. Otitis med. 
supp, chron. lat. dextri cum destructione membranae tympani, empyema 
antri mastoidei. Cholesteatoma magnitudinis nucis minoris antri cum 
perforatione parietis suprioris meatus auditorii ext. Obturatio ejus, 
retentio purulenta consecutiva. Perforatio parietis inferioris meatus 
auditorii ext., abscessus ad nervum acusticum. Labyrinthitis purulenta 
cum propagatione ad nervum acusticum. Meningitis basilaris universalis 
subsequente applanatione gyrorum. 

Fall 7. 30. IV. 1901. Georg Biszera, 29 J., Fleischhauer. 

Abscessus hemisphaerae dextrae cerebelli cum hydrocephalo int. chrouico. 
maj. grad. Otitis media chronica cum perforatione parvulo tegmenti 
tympani. (Die Schleimhaut der Trommelhöhle ist stark geschwollen, 
das Trommelfell ist nicht perforiert, aber steht stark zur Trommelhöhle, 
der Umbo ist abgeplattet.) 


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— 249 — 


Fall 8. 12. VI. 1901. Frau Benö Folm, 26 J. Otitis media 

chroni. lat. destructio membranae tympani granulationes mucosae cavi 
tympani, sclerotisatio totalis nntri irtastoidei. Abscessus capsulatus 
aditus antri. Labyrinthitis purulenta cum propagatione inflammationis 
ad nervum acusticum, meningitis basilaris purulenta cum meningitide 
incipiente convexitatis; pyocephalus int. Applanatio gyrorum, anaemia 
cerebri universalis. 

Fall 9. Anna Szabador, 9 J. Otitis media chronica suppurativa 
lat. sin. Phlebothrombosis ichroso-purulenta sinus transversi et sigmoidei 
lat. ejusdem Abscessus numerosi ichroso-purulenti. 

Fall 10. 12.11. 1901. Joseph Gazda, 37 J. Otitis media supp, 
chronica lat. dextri. Otitis sclerotisans processus mastoidei. Destructio 
membranae tympani et mucosae cavi tympani; labyrinthitis purulenta 
cum sequestratione cochleae et labyrinthi ossei totius abscessus epiduralis 
consecutivus ad superficiem posteriorem ossis petrosi. Destructio puru¬ 
lenta laminae cribrosae meatus auditorii interni et nervi acustici 
meningitis basilaris et spinalis purulenta diffusa, pyocephalus int. 
cum emollitione partium adjitientium cerebri et medullae spinalis. 

Fall 11. 21. II. 1901. Abraham Warenhaupt, 19 J. Otitis 
media chron. cum dehiscentia parietum cavi tympani et proc. mastoidei 
lat. utriusque sine suppuratione. Abscess. cerebri in lobo parietali 
dextro magnitud. pugni infautilis. Applanatio gyrorum, anaemia 
meningum. 

Fall 12. 3. III. 1901. Katharine Koväcs, 19 J. Otitis med. 

chron. lat. dextri. Gangraena durae matris suprategmentum. Abscessus 
cerebri chron. lobi temp. magnit. pugni infautilis. Meningitis puru¬ 
lenta incipiens. Oedema cerebri. 

Fall 13. 21. Vm. 1902. Stephan Pordany, 18 J. Abscessus 
lobi temp. sin., magnitudine ovum gallinaceum aequans ex otitide 
purulenta. Der Abszeß nimmt die hintere Hälfte des Lob. temp. ein. 
Annähernd in der Mitte der unteren Fläche des Abszesses finden wir 
einen erbsengroßen Durchbruch. Andererseits ist in der Mitte des 
Cornu posterius ein pfenniggroßer grüner Fleck sichtbar, wo die 
Abszeßwand nur dünn membranös ist und in den Seiten Ventrikel 
leicht durchreißt. Die weiche Hirnhaut ist auf der unteren Fläche des 
Lob. temp. sowie an beiden Seiten des Processus falciformis etwas eitrig 
infiltriert. Die beiden Flächen des Processus falciformis und der Teil 
der Dura, welcher der Wand des Abszesses anliegt, sind von einer dicken 
Eiterschicht bedeckt. An der Wurzel des Felsenbeines an der Grenze 
der oberen und medialen Fläche resp. an der medialen Fläche ist an 
der Dura eine erbsengroße Oeffnung, deren Ränder eitrig infiltriert 


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— 250 


und sehr brüchig sind, ebendaselbst ist am Knochen ein linsengroßes Uri- 
regelmäßig zackiges Loch, welches in einen an der inneren Fläche des 
Proc. mast schief abwärts laufenden Kanal führt Aus diesem Kanal 
träufelt etwas Eiter. Dem Proc. mast entsprechend ist an der Wand 
eine ungefähr 1 cm lange lineare Narbe. In der Umgebung der 
Oeffnung sind die Weichteile noch nicht vereitert. Im linken äußeren 
Gehörgang ist etwas Eiter, das Trommelfell ist mit Eiter bedeckt, im 
unteren Teile desselben ist ein linsengroßes Loch. In den Seiten¬ 
ventrikeln ist wenig trübe, farblose Flüssigkeit An der oberen Fläche 
des Kleinhirns, hauptsächlich am Vermis, dünner eitriger Belag. Im 
Saccus duralis des Rückenmarks befindet sich kein Exsudat. Die 
weiche Hirnhaut ist hinten hyperämisch, aber nicht getrübt. Die 
laterale Hälfte des linken Sinus sigm. ist von organisiertem Thrombus 
versperrt, ebenso das äußere Drittel des linken Sinus transv. 

Thrombosis sin. sigm. et transv. sin. organisata. Catarrhus bron- 
chialis et ventriculi. Hyperaemia renum et hepatis. 

Fall 14. 29. III. 1903. Stephan Nagy, 14 J. Abscessus lobi 
temporalis dextri. Die Kopfschwarte anämisch, der Schädel vorn 
schmal, hinten breit symmetrisch, seine innere Fläche größtenteils 
erodiert, rauh. Die harte Hirnhaut ist leicht abhebbar und neben der 
Wurzel des rechten Schläfenbeines, der Squama temporalis entsprechend, 
an einer pfenniggroßen Stelle abgehoben, ihre äußere Fläche ist mit 
rotem Granulationsgewebe bedeckt, zwischen ihr und dem Knochen ist 
aber kein Eiter. Auch ist efcie tiefe Grube hier am Knochen, welcher 
dieser entsprechend rauh und teilweise derart dünn ist, daß er ganz 
durchsichtig erscheint. Die Schleimhaut der Trommelhöhle ist blaß, 
die Gehörsknüchelchen sind normal. Die Cellulae mastoideae ohne 
Veränderungen. Die weiche Hirnhaut ist blaß, an der Stelle, 
wo die Dura von (lern Knochen abgehoben ist, ist sie mit der letzteren 
verwachsen. Die Hirnwindungen sind abgeplattet. Der rechte Lobus 
temporalis ist stark vergrößert, nahezu zweimal so groß wie der linke. 
Bei der Herausnahme des Gehirns wurde im hinteren Drittel der 
mittleren Temporalwindung ein Abszeß eröffnet, aus welchem grünlich¬ 
gelber Eiter hervorquillt. Es ist nämlich im Bereiche der mittleren 
und dritten Temporalwindung, von der Spitze des Lob. temp. ungefähr 
2 cm, eine taubeneigroße Eiterhöhle, deren Wand von einer matt¬ 
gelben pyogenen Membran gebildet wird. Die letztere wird von einer 
zirka 1 mm breiten, dichten, graurötlichen Granulationsschicht um¬ 
geben. In der Nachbarschaft des Abszesses und sogar an der ganzen 
Schnittfläche des erweichten Lobus temporalis sind punktförmige 
Blutungen zerstreut. Die Seitenventrikel enthalten etwas klare 


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- 261 - 


Flüssigkeit. Die Ganglien des Gehirns sind normal. Das Gehirn ist 
blutarm, der Pons und das Kleinhirn normal. Der Sinus sigmoideus 
und Transversus enthalten flüssiges dunkelrotes Blut. 

Fall 15. 17. X. 1908. Michael Balazs, 25 J. Otitis media 

purulenta chron. lat. sin. cum perforatione tegmenti tympani. Abscessus 
ichorosa-purulentus cerebri in lobo occfpitali sinistro. Perforatio 
abscessus ad ventriculum lat. pyocephalus int. Applanatio gyrorum. 

Fall 16. 8. XII. 1903. Emerich Kiss, 19 J. Otitis media 

supp, ichorosa lat. dextri propagatio ad tegmenfum ossis petrosi, 
processum mastoideum et sinus sigmoideum. Necrosis durae matris 
supra tegmentum ossis petrosi. Thrombophlebitis purulenta sinus 
sigmoidei et transversi lat. dextri. Phlebitis ichoroso-purulenta venae 
jugularis int. 

Fall 17. 11. XII. 1903. Joseph Genbeho, 23 J., Gärtner. 

Otitis media cholestematosa dextra. Pachymeningitis externa purulenta 
circumscripta. Necrosis partialis tegmenti tympani. Abscessus lobi 
temporalis dextri cum perforatione ad ventriculum lateralem dextrum. 
Die Dura mater wird auf der oberen Fläche des rechten Felsenbeines 
in pfenniggroßer Ausdehnung durch Eiter emporgewölbt, wo die äußere 
Fläche der Dura von einer 1 mm dicken dunkelroten Granulations¬ 
gewebeschicht bedeckt ist. Am Tegmen tympani sind einige hirse¬ 
korngroße und ein hanfkorngroßer, matter, gelber Punkt. Ein gröberer 
Durchbruch ist nicht bemerkar. Der rechte Sinus sigmoideus wird 
von einem beinahe bleistiftdicken, kompakten, gelblich-grauen, an der 
Wand klebenden Thrombus versperrt. Im rechten Sinus transversus 
befindet sich ein dunkelrotes, teilweise bräunliches dichtes Gerinnsel, 
dessen mediale Partie eitrig erweicht erscheint. Das hintere Drittel des 
Sinus petrosus superioris wird ebenfalls von einem eitrig erweichten 
Gerinnsel ausgefüllt. In der rechten Trommelhöhle ist eine weiße, 
klebrige Masse, in welche auch kleinere und größerer Membranen ein¬ 
gestreut sind, von seidenähnlichem Glanze. Der rechte Lob. temp. 
ist mit der die obere Fläche des Felsenbeins bedeckenden Dura mater 
fibrinös verklebt. Bei dem üblichen Abheben der Dura eröffnet sich 
ein beinahe hühnereigroßer Abszeß am inneren Rande des Kleinhirns. 
Der Abszeß enthält, dichten, grünlichgelben Eiter, seine Wand wird 
von einer mattgelben, leicht abziehbaren Membran bedeckt, und ist 
im übrigen mit einer kaum 1 / 2 mm dicken, dichten, schmutzigen, roten 
Granulationsschicht üerzogen. Der Abszeß kommuniziert durch eine 
hant korngroße Oeffnung mit dem Seiten Ventrikel, und zwar bei dem 
Uebergang des Cornu posterius in das Cornu inferius, das Seiten¬ 
ventrikel ist aber nicht erweitert und enthält nur ein paar Tropfen 


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grünen Eiters. Die Ependyma ist ziemlich dicht. Der linke Seiten¬ 
ventrikel enthält etwas reine Flüssigkeit. Die weiche Hirnhaut ist 
im Bereiche des Abszesses schmutziggrün verfärbt und neben den 
Venen eitrig infiltriert, anderwärts dünn und blutarm. Die weiche 
Hirnhaut des Rückenmarks weist an ihrem unteren Teil, an der 
hinteren Fläche einige weiße Verdickungen auf, wo zwischen der 
Pia und Arachnoidea weißer Eiter infiltriert ist. Die cerebrospinale 
Flüssigkeit ist etwas getrübt. 

Fall 18. 15. I. 1904. Franz Mayer, 20 J., Tischler. Otitis 

media purulenta. Abscessus subduralis magnit. fabae coctae immediate 
post meatum audit. int. dext. et abscess. magnit. nucis in hemisphaera 
dext. cerebelli. Die Abszeßwand liegt an der hinteren Fläche des Klein¬ 
hirns, neben dem epiduralen Abszeß, und ist hier so dünn, daß sie 
bei der Ausnahme einreißt. Keine Sinusthrombose. Die Seiten Ventrikel 
enthalten etwas mehr reine Flüssigkeit, die Ependyma ist dünn, aber 
genügend dicht. Die weiche Hirnhaut ist nur über dem Abszeß auf der 
oberen Fläche des Kleinhirns injiziert (?) und neben den Venen etwas 
getrübt. Hyperaemia pulmonum praeeipue autem renum et hepatis. 
Sanguis fluidus. Hyperkeratosis follicularis tonsillarum (2—4 mm lange, 

1—2 mm breite und etwa 1 mm dicke, rauhe, gelbe Zapfen, an den 
vergrößerten Tonsillen links 3, rechts 4 große, außerdem auch 
mehrere kleine). 

Fall 19. 23. V. 1904. Marcus Reichert, 21 J. Otitis media 

purulenta chron. lat. dextri cum fist.ula retroauriculari. Abscessus 
subduralis super os petrosum cum perforatione. Abscessus lobi 
parietalis et cerebelli meningitis purulenta incipiens. Oedema cerebri 
et applanatio gyrorum. 

Fall 20. 23. VII. 1904. Frau Karl Gang, 29 J., Näherin. 
Otitis media supp, chronica lateris dextri. Abscessus gyri temporalis 
inferioris dextri post otitidera mediam dextram. Degeneratio parenchy- 
matosa myocardii. Hyperaemia et oedema renum. Enteritis follicularis 
intestini crassi et recti. Hypertrophia uteri. 

Fall 21. Marie .Jurcsak, 14 J. Otitis media purulenta lat 
dextri. Abscessus epiduralis. U. lobi temp. dextri. 

Fall 22. 15. IV. 1905. Stephan Loran, 29 J. Hinter dem 

rechten Ohr ist eine der totalradikalen Operation entsprechende Wunde. 
Das Tegmen an tri ist entfernt, die äußere Fläche der freiliegenden 
Dura ist von lichtrotem Granulationsgewebe bedeckt; die Schädelhöhle 
ist hier mit einem l j 2 cm langen Schnitt eröffnet. Im Sinus sigmoideus 
und Sinus transversus ist flüssiges Blut; ihre Innenfläche ist glatt. 
Das hintere Viertel des Sinus petrosus superior ist von einem bräun- 


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liehen Thrombus versperrt, und ist von außen, wie auch die äußere 
Hälfte des Sinus sigmoideus, freigelegt. Am hinteren Teil des Sinus 
petrosus super, ist die harte Hirnhaut grünlich verfärbt. Das Klein¬ 
hirn ist hier stark angeschwollen. Bei der üblichen Entfernung des 
Kleinhirns eröffnet sich in dem äußeren hinteren Teile der rechten 
Hemisphäre ein ungefähr taubeneigroßer Abszeß, welcher dicken 
apfelgrünen Eiter enthält. Die innere Wand der Abszeßhöhle wird 
von einer gelblichen, lockeren, eitrig infiltrierten Membran gebildet, 
neben dieser findet man nach außen eine dünne, dunkelrote Granulations¬ 
gewebeschicht. Die Gehirnwindungen sind plattgedrtickt, die weichen 
Gehirnhäute sind dünn und blutarm, die Seitenventrikel enthalten bei¬ 
läufig 30 ccm einer reinen Flüssigkeit und sind dementsprechend 
erweitert. Die t Ependyma ist dicht genug, die Großhirnganglien der 
Pons varoli und die Medulla oblongata sind ohne Veränderungen. 
Die rechte Kleinhirnhemisphäre ist größtenteils, besonders aber um 
den Abszeß herum, erweicht Diagnose: Abscessus hemisphaerae 
dextrae cerebelli post otitidem cholesteatomatosam, hydrocephalus 
internus. 

Fall 23. 20. X. 1905. Andreas Salb er, 32 J. Abscessus 
magnit fabae recens in hemisphaera sin. cerebelli. Meningitis basilaris 
purulenta cum pyocephalo interno acuto. Otitis media purulenta sin. 
(labyrinthitis). Thrombosis sin. sigmoidei sinistri organisata. Operatio 
radicalis, perforatio sulci sigmoidei in longitudine cm 2 et tegmenti 
tympani magnitudinis seminis papaveris. Cholesteatoma. 

Fall 24. 8. X. 1905. Jakob Buck, 45 J. Meningitis convexi- 
tatis purulenta post otitidem (labyrinthitidem) suppurativam lat. dextr. 

Die weiche Hirnhaut ist überall stark hyperämisch, injiziert, an 
der oberen Fläche der Hemisphären, besonders der medialen Kante 
entlang, an linsenkorngroßeu Stellen, weiterhin neben den Venen in 
schmalen Streifen mit grüngelbem Eiter infiltriert. Die weiche Hirn¬ 
haut ist an dem äußeren rechten Rande des Kleinhirns, besonders aber 
an der linken Seite beinahe in der ganzen Länge eitrig infiltriert. Der 
rechte N. facialis und acusticus sind mit eitrigem Belag bedeckt. I 11 
den Seitenventrikeln ist etwas trübes Serum; das Gehirn ist hyp er 
ämisch. 

Operatio radicalis. Otitis media cholesteamatosa lat. sin. 

Die linke Trommelhöhle ist mit dichter gelbgrauer schleimiger 
Flüssigkeit gefüllt, in welcher man sehr feine etwa 2 mm große 
glänzende Schuppen sieht. Das Antrum mastoideum ist mit ähnlicher 
Flüssigkeit gefüllt, in welcher man bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung viele Cholestearintafeln, Körnchenzellen und wenig Epithel- 


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schuppen findet. Das TrommefeJi ist verdickt, doch uicht per¬ 
foriert. 

Fall 25. 15. IX. 1905. Marie Tupi, 4J. Abscessus meningeaiis 
(inter arachnoideam et piam) chronicus in superficie inferiore lobi 
temporalis sinistri cum emollitione ejusdem et meningitide incipiente 
in propinquitate abscessus. (Die Abszesse — wahrscheinlich 3 — sind 
Haselnuß- bis taubeneigroß, mit grüngelbem Eiter gefüllt. Ihre Wand 
ist 2—3 mm dick, ziemlich dicht, etwas knotig; an ihrer inneren glatten 
Fläche sind hier und da zusammenfließende weißgelbe Streifen, welchen 
am Durchschnitt der Abszeßwand ähnlichgefärbte mohnkorn bis hirsekorn- 
große Punkte entsprechen. Die Abszeßwand ist mit der harteu Hirn¬ 
haut zäh verwachsen. Der Abszeß grenzt innen an die Gegend der 
Fossa Sylvii.) Otitis media supp, chron. Operatio radicalis. 

Fall 26. 8. IX. 1905. Ludwig Lisszy, 15 J. Abscessus 
magnitudinis nucis in hemisphaera dextra cerebelli ichorosus. Abscessus 
ichorosus extraduralis in superficie interna partis posterioris ossis 
petrosi dextri in sequetam otitidis mediae chronicae. Hydrocephalus 
internus chronicus. Abscessus cerebri (verosimiliter in regione tem- 
porosphaenoidali). 

Fall 27. 25. XI. 1906. Theodor Pehacsek, 25 J., Bank¬ 

diener. Meiling, purulenta cum hydrocephalo majoris gradus. Die 
weiche Hirnhaut ist, hauptsächlich an der Schädelbasis, aber nur neben 
den Venen eitrig infiltriert, in der Gegend der Fossa Sylvii etwas 
verdickt weißlich. Die Gyri sind flachgedrückt, die Hirnventrikel 
stark ausgedehnt und enthalten ungefähr 100 ccm trübe Flüssigkeit, 
deren tiefere Schichten eitrig sind. Den meisten Eiter findet mau im 
breiten vierten Ventrikel. Operatio radicalis bilateralis otitide iudicata. 
(Sinusthrombose ist nicht vorhanden.) Der an der oberen Wand des 
linken Antrum mastoideum liegende linsengroße und der im rechten 
Sulcus sigmoideus liegende bohnengroße Knochendefekt ist mit einer 
fibrösen Membran überzogen. 

Fall 28. 12. III. 1906. Johan Venecki, 20 J. Otitis media 

purulenta acuta. Operatio radicalis lat. dextri. Thrombophlebitis sinua 
sigmoidei. Abscessus lobi temp. dextri magnitudinis ovi cum iucisioue. 
Meningitis purulenta acuta. Oedema cerebri. 

Fall 29. 6. IV. 1906. Bela Blaho, 16 J. Otitis media puru-, 

lenta chronica lateris dextri. Meningitis basilaris tuberculosa cum 
hydrocephalo externo mitioris gradus. 

Fall 30. 4. V. 1906. Edmund Vad&sz, 21 J. Operatio radicalis 
propter otitidem et labyrinthitidem purulentam lat. dextri facta. Hinter 
dem rechten Ohr ist eine 4 cm lange, von einer radikalen Operation 


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herstammende Wunde. Das Operationsfeld kommuniziert durch eine 
Oeffnung mit dem äußeren Gehörgang; ihren Boden bildet die Trommel¬ 
höhle. In der mittleren Schädelgrube ist an der Dura ein kreuzer- 
großes Loch sichtbar, eine ’demeutsprechende Höhle ist auch auf der 
hinteren Fläche des Felsenbeines. 

Die weiche Hirnhaut ist teilweise auch an der Konvexität, haupt¬ 
sächlich aber an der Basis Cranii von einer großen Menge dichten, 
grünen, fibrinösen Exsudates bedeckt. An der unteren Fläche des 
Lobus temporalis ist an der Gehirnbasis eine mit der schon erwähnten 
duraleu und der am Felsenboin liegenden Oeffnung kommunizierende 
pfenniggroße Operationsöffnung sichtbar. Die Umgebung der Oeffnung 
ist reaktionslos und ist von der Exsudatmasse, welche an der Gehirn¬ 
basis liegt, durch einen zweifingerbreiten, normalen Weichhirnhautstreifen 
getrennt. Diese Operationsöffnung führt in eine Höhle mit rosenfarbenen 
Wänden. Aus dem oberen und unteren Pol der Höhle entspringen 
mehrere sinusähnliche Oeffnungen, deren eine mit dem hinteren Horn 
des rechten Seitenventrikels und mit dem Plexus chorioideus tertius 
kommuniziert. Die Seiten Ventrikel sind mit rötlichem, eitrigem 
Serum gefüllt. Die Gehirnsubstanz mit mittelmäßigen Blutgehalt. 
Abscessus subacutus magnitud ovi parietis inferioris lobi temporalis 
lateris dextri operatus cum perforatione ad ventriculum lateralem dextrium. 
Pyocephalus, acutus internus meningitis acuta fibrinoso purulenta 
convexitatis, praecipue autem baseos cerebri. Oedema cerebri. 

Fall 31. 23. VI. 1906. Cecilie Bandzi, 20 J. Hinter dem 
linken Ohr ist eine Radikal-Operationsöffnung sichtbar. Auf der oberen 
Fläche des Felsenbeines ist ein 1,5 cm langes uud 1 cm breites 
Knochenstück entfernt, durch diese Oeffnung ist der iuzidierte linke Lob. 
temporalis sichtbar. Das Tegmen tympani ist sehr dünn, seine äußere 
Fläche ist uneben, und so arrodiert, daß es auf Fingerdruck nachgibt. 

Die Dura ist stark gespannt mit mittlerem Blutgehalt. Die weichen 
Hirnhäute sind blutreich und teilweise auch an der Hirnbasis, haupt¬ 
sächlich au der Konvexität der linken Hemisphäre mit dichten, grün¬ 
lichgelben, fibrinösen, eitrigen Exsudatmassen bedeckt. An der unteren 
Fläche des linken Lob. temporalis ist eine beiläufig pfenniggroße 
Operationsöffnung sichtbar, in welche eine zirka nußgroße Höhle 
-mündet. Die Wände der Höhle sind eingesunken. Die Höhle 
kommuniziert mit dem linken Seitenventrikel. An der Stelle der 
Kommunikation ist der Seiten Ventrikel mit etwas eiterigem Exsudat 
bedeckt. Die Wände der Höhle werden durch erweichte Gehirnsubstanz 
gebildet. Operatio radicalis propter otitidem mediam et mastoititidem 
purulentem lateris sinistri facta. Abscessus magnitudinis nucis parietis 


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inferioris lobi temporaiis sinistri cum perforatione ejus ad ventriculum 
lateralem sinistrum et incisione ibidem. Meningitis acuta fibrinoso- 
purulenta diffusa praecipue convexitatis hemisphaerae sinistrae. 
Oedema cerebri. Caries parietis superioris ossis petrosi. 

Fall 32. 28. VI. 1906. Carl Balog, 53 J. Meningitis puruleuta 
ex otitide. An der linken Seite liegt zwischen der harten und weichen 
Hirnhaut viel Eiter, welcher an dem unteren Teile des Lob. front, und 
parietal, eine Grube von 1 cm Tiefe und 3—4 cm Durchmesser hervor¬ 
gerufen hat. An der inneren Fläche der harten Hirnhaut, der Kon¬ 
vexität entsprechend, klebt daselbst eine reichaderige Membran, welche 
* von eitrigem Belag bedeckt ist. Rechts ist die weiche Hirnhaut nur 
mit wenig Eiter infiltriert, besonders den Spatia subarachnoidealia 
entsprechend. Thrombosis organisata vetustior, sinus sigmoidei et 
transversi dextri. Phlebitis chronica puruleuta sinus sigmoidei et 
transversi atque venae jugularis internae lat. sin. cum obturatione 
cjusdem usque ad marginem inferiorem cartilaginis thyroideae. Tre- 
panatio processus mastoidei sinistri. 

Fall 33. 2. IX. 1906. Marie Bor, 6 J. Otitis media puruleuta 

acuta lateris sinistri. Abscessus lobi temporaiis sinistri. Im linken 
Lobus temporaiis liegt eine kleine, nußgroße Holde mit eitrig-fibrinösen 
Wänden, welche von außen geöffnet wurde. In der Umgebung des 
Operationsfeldes ist die harte Hirnhaut mit einer leicht herausnehm¬ 
baren fibrinösen Membran bedeckt. Meningitis fibrinoso-purulenta 
convexitatis cerebri lateris sinistri. Phlebitis puruleuta sinus sigmoidei 

Fall 34. 2. IX. 1906. Martin Ecsedi, 15 J. Operatio radicalis 

propter otitidem modiam sinistram facta. Thrombosis sinus sigmodei. 
Ligatura venae jugularis internae. Abscessus magnitud. nucis 
hemisphaerae dextrae cerebelli. Hydrocephalus internus acut. 

Fall 35. 20. I. 1907. Paul Tauber, 18 J. Otitis media 
suppurativa lateris dextri. Propagatio suppurationis per vasa cranii 
cum subsequente abscessu intramusculari et subepicraniali regionis 
temporaiis et abscessus subduralis scalae anticae baseos cranii. 
Meningitis basilaris puruleuta maximi gradus. Bronchitis et bronchiolitis 
puruleuta. 

Fall 36. 11. II. 1907. Leopold Bonta, 22 J., Tagelöhner. 

Otitis media suppurativa chronica sinistra. Meningitis Abscessus 
subduralis. Thrombosis sinus sigmoidei sinistri post otitidem mediam 
suppurativam sinistram. Operatio radicalis, ligatura duplex venae 
jugularis internae. Abscessus subduralis ichrosopurulentus vicinitatis 
sinus sigmoidei sinistri. Die subdurale Abszeßhöhle reicht an der 
Schädelbasis bis zum Clivus Blumenbachii, von da aus schreitet die 


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Eiterung weiter vorwärts und nimmt beiderseits den Sinus cavernosus 
und das der Sella turcica entsprechende Cavum subudrale resp. Dura 
dupplicatur ein, bis zur Einmündung des rechtsseitigen Sinus petrosus 
superior in den Sinus cavernosus. Thrombosis septica sinüs petrosi 
superioris sinistnV Der zentrale Teil der Vena jugularis enthält einen 
hlauden Thrombus. Abscessus numerosi disseminati ichorosi pulmonum. 
Haemorrhagiae multiplices submeningeales. Haemorrhagia ventriculorum 
cerebri 3 et 4, sanguine repletorum. 

Fall 37. b. VII. 1907. Ottilie Schlier, 15 J. Otitis media 
suppurativä lateris sinistri cum subsequente thrombo-pldebitide sinus 
sigmoidei et abscessus magnitudinis nucis lobi temporalis sinistri. 
Operatio radicalis oncotomia et ligatura venae jugularis internae 
Thrombophlebitis partis superioris venae jugiilaris. 

Fall 38. 29. VIII. 1907. Alexander Kresch, 22 J., Gärtner. 
Abscessus lobi sinistri cerebelli magnitudinis nucis juglandis cum 
emolitione rubra substantiae albae vicinitatis in extensitate pomi. 
Meningitis purulenta incipiens. Hydrocephalus internus. Otitis media 
suppurativa sinistra cum operatione totali radicali ante ununi aiuium 
peracta. Atrophia anaemia univ. Resectio venae jugularis sinistrae 
partialis. 

Fall 39. 5. XI. 1907. Joseph Bek&si, 11 J. Otit. med. purulenta 
lateris dextri propagatio suppurationis per tegmen tympani cum usura 
ossis. Abscessus chronicus lobi temporalis dextri magnitudinis nucis 
oncotom ia per os temporale effecta. Meningitis diffusa purulenta. 
Am äußeren Drittel der oberen Fläche des Os petrosum ist ein 1,5 cm 
langer, 6 mm breiter, viereckiger, durch die Operation entstandener 
Knochendefekt, der mit der Crista parallel verläuft und von ihr etwa 
1 cm entfernt ist. Zwischen dem Viereck und der Crista liegt eine 
linsengroße, unregelmäßige, grünlichgelb verfärbte Knochenlammelle, 
an welcher der Prozeß weiterschreitet. In der Umgebuug der nu߬ 
großen, unregelmäßigen, graugrünlichen Abszeßhöhle befinden sich 
punktförmige Blutungen. 

Fall 40. 5. XI. 1907. Aloisia Chrasztek, 34 J. Otitis media 
chronica purulenta bilateralis. Cholesteatoma ossis petrosi sinistri. 
An dem lateralen Drittel des linken Felsenbeins wird die Dura durch 
eine ungefähr kirschkerngroße Geschwulst emporgedrückt. Beim 
Durchschneiden der Dura wird die Geschwulstmasse gut sichtbar, sie 
besteht aus bröckligen Lamellen, die perlmutterähnlich schimmern. 
Der Tumor ist etwas beweglich und hat die umliegenden Knochen¬ 
partien leicht usuriert, wogegen die Dura über dem Tumor an der 
vorderen fläche des Felsenbeines intakt geblieben ist. An der 


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hinteren Fläche ist aber auch an der Dura eine kirschkerngroße 
Perforation. 

Abscessus ichorosus hemisphaerae duxtrae cerebelli magnitudinis 
nucis juglandis. Die Wand des Gehirnabszesses ist kaum 1 mm dick. 
Der entsprechende Durateil zeigt außer grünlichgelber Verfärbung 
keine pathologischen Veränderungen. Applanatio gyrorum. Oedema 
cerebri. 

Fall 41. 7. XII. 1907. Johann Takäcs, 32 J. Otitis media 
purulenta dextra Pachymeningitis subacuta productiva regionis tegmcnti 
tympani. Phlebitis purulenta Sinus petrosi superioris sinistri. 
Sinuotomia sinus transversi et antrotomia facta. Meningitis basilaris 
purulenta Pyocephalus internus cum haemorrhagiis superficialibus 
thalami optici utriusque. Das Tegmen an tri und Tegmen tympani sind 
an der linken Seite livid verfärbt, die Crista superior ossis petrosi ist 
elfenbeinähnlich. Der Sinus transversus und Sinus sigmoideus sind 
vollkommen durchgängig. Der Sinus petrosus superior ist aber er¬ 
weitert und mit eiterigem Sekret gefüllt. Die Infektion des Sinus petro¬ 
sus ist höchstwahrscheinlich durch die feinen Knochenvenen entstanden. 

Fall 42. 15. XII. 1907. Jolan Praznicska, 11 J. Otitis 
media suppurativa chronica lateris dextri cum necrosi circumscripta 
ossis petrosi dextri. Abscessus subduralis magnitudinis corpnae et 
abscessus lobi temporalis dextri. (Der Abszeß wurde nicht eröffnet.) 
Meningitis purulenta incipiens. 

Fpikritiseh sind die angeführten Fälle nur insoferne zu verwerten, 
als das mir nur der Sektionsbefund zur Verfügung stand,, nicht aber 
auch die klinische Krankengeschichte. 

Die von mir gefundenen allgemeinen statistischen Verhältnisse 
differieren nur wenig von jenen der anderen Autoren. Auffallend ist 
das Zahlenverhältnis der an otitischen Komplikationen letal geendeten 
Fälle gegenüber der infolge anderer Ursachen zur Sektion gelangten 
Fälle. 

Unerklärlich bleibt, wie es möglich ist, daß G ruber unter 40 000 
Sektionen bloß 58 mal eine otitische Komplikation als Todesursache 
verzeichnet, während Pitt bei nur 9000 Sektionen schon 55 otitische 
Todesursachen aufweist. Wenn wir auch diesen auffallend großen 
Unterschied vielleicht mit dem Aufblühen der operativen Aera zu er¬ 
klären versuchen, so bleibt immer noch ungeklärt, warum Poulsen 
unter 14 580 Sektionen 117 mal als Todesursache eine otitische Kom¬ 
plikation gefunden hat, da doch Po u Isens Fälle schon bereits aus 
jener Zeit stammen, wo otitische Komplikationen klinisch diagnosti¬ 
ziert und chirurgisch angegangen werden konnten. 


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Das Zahlenverhältnis meiner Fälle dürfte wohl dem wahrschein¬ 
lichen Mortalitätsprozent am nächsten stehen. 

Der allgemein geltenden Anschauung entsprechend, ist auch in 
meinen Fällen die chronische Mittelohreiterung unvergleichlich häu¬ 
figer (36) die Ursache der otitischen Komplikationen als die akute (6). 

Hei den Erstgenannten ist es die akute Exazerbation derselben, 
die viel häufiger Anlaß gab, in meinen Fällen zur kraniellen Komplika¬ 
tion, als die mit Cholesteatom komplizierten Fälle. 

Was die kranielle Komplikation selbst anbelangt, so ist es nicht 
uninteressant, daß nicht die Meningitis, sondern der Hirnabszeß die 
größte Mortalitätsziffer verursacht hat. 

Ich habe wohl erwartet auch Aufschluß zu bekommen über den 
Infektionsmodus, was ich jedoch auf geben mußte, da die Sektions¬ 
befunde nur makroskopisch und nicht mikroskopisch, wie dies zur Lö¬ 
sung dieser Frage notwendig wäre, gemacht worden sind. 


Aus der Klinik für Ohren-, Nasen- und Kohlkopfkranke in Graz 
(Vorstand Prof. Hab er mann). 

Ueber histologische Veränderungen der Nasenschleim- 
haut bei Leukämie und über die Entstehung des Nasen¬ 
blutens bei dieser Erkrankung. 

Mit 6 Abbildungen im Text. 

Von 

Dr. Otto Mayer, I. Assistenten der Klinik. 

Daß bei Kranken, die an Leukämie leiden, häufig Naseubluten 
auftritt, ist bekannt. Es ist dies ja nur die Teilersoheinuug einer 
hämorrhagischen Diathese, welche zu Blutungen in der Haut, in 
inneren Organen und auch im Gehirn führen kann. Suchen wir in 
den verschiedenen Werken etwas über die Ursache der Blutungen bei 
Leukämie zu erfahren, so erhalten wir nur unbefriedigenden‘Aufschluß. 
Meist heißt es, daß die Blutungen durch eine Erkrankung der Gefäß- 
wände hervorgerufen werden, die in der veränderten Blutbeschaffenheit 
ihre Ursache hat. Welcher Art diese Gefäßwandveränderungen sind, 
wird nicht angegeben. Mehr erfahren wir bei Pinkus (Die lym¬ 
phatische Leukämie, in Nothnagels spezielle Pathologie und Therapie, 
Bd. VIII, S. 27). — Er sagt hier felgendes: „Es ergiebt sich, daß da, 
wo Blutungen sind ? auch stets Anhäufungen von Leukozyten um die 


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Gefäßwände nachgewiesen werden können, so daß der Schluß nahe 
liegt, daß als Vorbedingung der Blutung wohl meist eine Schädigung 
der Gefäße durch Lymphombildung anzusehen ist (Benda). Andere 
Veränderungen, welche eine leichte Zerreißbarkeit herbeiführen könnten, 
sind nicht bekannt. Als direkte Ursache der Blutungen müssen wir 
traumatische Einwirkungen im allerweitesten Sinne des Wortes 
betrachten“ . . . 

Er macht also eine Schädigung der Gefäßwände durch Lymphon- 
bildung verantwortlich, kann aber über die Art dieser Veränderungen 
nichts Näheres mitteilen. 

In den einschlägigen Abhandlungen der rhinologischen Literatur 
findet man zwar überall die Tatsache des häufigen Auftretens der 
Epistaxis bei Leukämischen vermerkt, doch sucht man vergebens nach 
näheren Mitteilungen. Bisher wurde nur in einem Fall von Leukämie 
die Nasenschleimhaut histologisch untersucht und zwar von Suchanek 
(„Ueber einen Fall von Leukämie mit bemerkenswerter Veränderung 
der Nasenschleimhaut“, Zeitschr. f. Ohrenheilk., XX. Bd., S. 29). — 
Er fand das Epithel normal, die subepitheliale Zone der Schleimhaut 
stark verdickt und eingenommen von einem lymphoiden Gewebe, das 
entweder in diffuser Weise das Gewebe infiltrierte oder deutlich 
abgegrenzte ovoide oder kugelige Lymphombildungen zeigte. Außer¬ 
dem konnte er eine bedeutende Atrophie der Drüsen feststellen. Auf 
eine starke subepitheliale Anhäufung von Pigment führt er die gelb¬ 
liche Färbung der Schleimhaut zurück; über die Epistaxis und deren 
Ursache sagt er nichts. 

Ich will nun im folgenden über den histologischen Befund der 
Nasenschleimhaut einer leukämischen Patientin berichten, die wieder¬ 
holt an Nasenbluten gelitten hatte. 

Die Frau war eine 31jährige Näherin, gebürtig aus Semriach in 
Steiermark. Sie lag in der hiesigen medizinischen Klinik. Als Assistent 
der oto-rhino-laryngologischen Klinik des Herrn Prof. Habermann 
in Graz hatte ich wiederholt Gelegenheit, bei Nasenblutungen der 
Frau zu intervenieren. 

Aus der Krankengeschichte der Frau will ich nur erwähnen, 
daß sie seit ihrem 28. Lebensjahr mit deutlichen Symptomen einer 
Leukämie erkrankt war und daß bereits damals Nasenbluten auf¬ 
getreten {war, welches sich im späteren Verlauf der Erkrankuug 
wiederholte. 

Nach dem Blutbefunde, welchen ich der medizinischen Klinik 
verdanke, handelte es sich um eine myelogene Leukämie. Es fanden 
sich im Kubikmillimeter 

Erythrozyten. 3920000 

Leukozyten. 460000 


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davon entfielen im gefärbten Präparat auf Mastzellen 56 Proz., auf 
neutrophile polynukleare 31 Proz., große Leukozyten 5 Proz., poly¬ 
nukleare Mastzellcn 3 Proz., eosinophile Markzellen 3 Proz., kleine 
Lymphozyten 2 Proz., zahlreiche, kernhaltige rote 40000 im Kubik¬ 
millimeter. 

Die Untersuchung der Nase ergab folgendes: Am vorderen Teil 
des knorpeligen Septums war die Schleimhaut beiderseits mit gelben 
Krusten bedeckt, nach d* reit Lockerung und Entfernung mit einer 
Pinzette oder Sonde sofort eine abundante Blutung eintrat. Diese 
stand auf Einlagen von Wattelmuschchen, die mit verdünntem Perhydrol 
getränkt waren, bald, und nun konnte man sehen, daß die Schleimhaut 
des Septums daselbst von Epithel entblößt war und granuliert«. 

Die Schleimhaut der Nasen muscheln war von gelbrötlicher Farbe, 
stellenweise waren auf derselben trockene Borken von Blut zu sehen. 
Sonst war nichts Auffälliges zu konstatieren. 

Die Frau starb am 28. April 1907 an einer Gehirnblutung; die 
0bduklions - Diagnose lautet: Leucaemia gradus eximii et 
intumescentia organum leucaemica, compressio cerebri ex apoplexia 
leucaemica. 

Ich entnahm der Leiche Teile der Nasenmuscheln sowie des 
knorpeligen Septums; letzteres suchte ich möglichst vollständig in der 
Weise zu exzidieren, daß ich zuerst mit einem spitzen Skalpell entlang 
dem häutigen Septum einen Schnitt führte und hierauf zwei Scheren¬ 
schnitte, einen parallel dem Nasenrücken, den "anderen längs der 
Vomerkante nach rückwärts anlegte; durch einen senkrechten Ver- 
bindungsschnitt löste ich dieses so unterschnittene Stück vollständig 
aus seinem Zusammenhang. Es enthielt sowohl den vorderen Teil des 
knorpeligen Septums mit der sogenannten Schieferdecker sehen 
Uebergangszone, d. h. jenem Gebiete, in welchem die Schleimhaut von 
geschichtetem Pflasterepithel bedeckt ist, als auch ein Stück der 
hinteren Zone, wo das Epithel k zylindrisch ist. Die Gewebe wurden 
in Müller-Forraol fixiert und nach entsprechender Behandlung in 
Celloidin eingebettet. 

Schnitte durch die untere Nasenmuschel zeigten, daß das Epithel 
gut erhalten war; es fehlte zwar an einigen Stellen vollständig, aber 
eben dieser Umstand bewies, daß es sich hier um einen Artefakt, der 
wahrscheinlich bei der Herausnahme entstanden ist, handelte. Die 
subepitheliale Schicht der Schleimhaut war dicht mit weißen Blut¬ 
zellen infiltriert, u. zw. in diffuser Weise; Follikelbildung ist nicht zu 
konstatieren. Auffällig ist die Erweiterung der Blutgefäße; es sind 
nicht nur die großen Venenstämine des eigentlichen Schwellgewebes, 
sondern auch das bis unter das Epithel reichende Rindennetz maximal 


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dilatiert. (Fig. 1.) Die Gefäße sind strotzend gefüllt und enthalten 
massenhaft weiße Blutzellen. Neben diesen beiden auffälligen Ver¬ 
änderungen der Infiltration der Schleimhaut und der Hyperämie 
schien mir insbesonders noch die geringe Menge der vorhandenem 
Drüsen beachtenswert. Wahrend normalerweise an der unteren 
Muschel die Drüsen dicht gedrängt stehen und sich zwischen die 
Lakunen des Schwellgewebes in der Tiefe erstrecken (Zucker- 
kandl), finde ich nur ganz wenige Drüsenquerschnitte sowohl in der 
oberflächlichen subepithelialen Schicht als auch in den tieferen Partien. 



Fig. 1. 

Dieselben Veränderungen traf ich in der mittleren Muschel an. 
(Fig. 2.) Auch hier ist eine diffuse Infiltration der Schleimhaut und 
eine hochgradige Erweiterung der Blutgefäße. Die Anzahl der Drüsen 
und ihr Aussehen war annähernd normal. 

Besonderes Interesse bot das knorpelige Septum, weil sich eben 
liier die blutende Stelle befunden hatte. Wie erwähnt, befand sich 
diese, wie es gewöhnlich der Fall i3t, im vordersten Teil des Septum 
cartilogineum. Ich will zunächst diese Stelle ins Auge fassen; sie ist 
auf der Figur 3 zu sehen. (Figur 3.) Die auffälligste Veränderung 
dieser Stelle besteht in dem Fehlen des Septumknorpels, a ist das 
vorderste an das häutige Septum grenzende Knorpelstück, b das rück- 


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263 — 


wärtige. Zwischen diesen beiden Teilen befindet sich eine Strecke, in 
welcher der Knorpel fehlt. An seiner Stelle befindet sich ein derbes, 
doch gefäßreiches Bindegewebe, (legen diese knorpellose Zone schärfen 
sich die Knorpelenden zu; besonders am rückwärtigen Ende ist dies 
zu sehen, (kigur 4.) Diese Abbildung zeigt dieses Stück bei stärkerer 
Vergrößerung. Man sieht hier an der Oberfläche des Knorpels gefä߬ 
reiches Perichondrium. Von diesem ausgehend dringen Bindegewebs- 
stränge, die stellenweise Gefäße führen, in den Knorpel ein, ferner 
befinden sieh an der Oberfläche des Knorpels Buchten, die mit Binde- 


/ 



Fig. 2. 


gewebe ausgcfüllt sind. Aber auch mitten im Knorpel selbst sieht man 
kleine Herde von Fasergewebe. Diese entstehen, indem sich rings um 
Knorpelzellen das Knorpelgewebe auffasert, durch Konfluenz benach¬ 
barter entstehen größere Herde, die nach außen mit dem Perichon¬ 
drium in Verbindung treten. Ein Bundzelleninfiltrat fehlt in diesen 
Fasersträngen, im Gegenteil sind dieselben sehr zellarm. . Nach vorne 
zu wird der Knorpel immer dünner, er läuft spitz zu und geht endlich 
in die beschriebene bindegewebige Platte über. Nach außen von diesem 
bindegewebigen Septumteil folgt ein gefäßreicher, dicht mit Leuko¬ 
zyten infiltriertes Bindegewebe, in welchem größere und kleinere Ge¬ 
fäße verlaufen; es entspricht diese Zone der normalen Drüsenschicht. 


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I 


— 264 — 

Hier fehlen Drüsen vollständig, lieber dieser Schicht liegt ein außer¬ 
ordentlich gefäßreiches Gewebe, das mit weißen Blutzellen so dicht 
durchsetzt ist, daß von einem Bindegewebsstrom überhaupt nichts zu 
sehen ist. Anstatt eines Epithelüberzuges befindet sich an der Ober¬ 
fläche ein Blutschorf. 

Weiter nach hinten zu ist die Schleimhaut von geschichtetem, auf- 
gelockertem Plattenepithel überzogen. Das darunter liegende Binde¬ 
gewebe trägt Papillen. Es ist dicht infiltriert und weite Kapillaren 
reichen bis unmittelbar unter das Epithel. (Fig. 5.) Nach rückwärts 
sind Drüsen in die tiefen Schichten der Schleimhaut eingelagert; 



Fig. 3. 


auch hier ist das Gewebe dicht infiltriert, hyperäraisch und auch in 
der subepithelialen Schicht verlaufen relativ große, weite Blutgefäße. 

Wenn ich nun die gefundenen Veränderungen zusammenfasse, 
muß ich an erster Stelle als charakteristisch für die Nascuschlcimhaut 
bei Leukämie die Infiltration der Schleimhaut nennen. 
Sie findet sich bei Leukämie an allen Schleimhäuten des Respirations¬ 
und Digestionstraktes, so daß sie also auch hier nichts Besonderes 
bietet. 

Beachtenswert erscheint mir jedoch der außerordentliche Reich¬ 
tum an Blutgefäßen und die Dilatation derselben, 
insbesonders die der Venen. Besonders deutlich ist dies 


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2 f>:> — 


am Gefäßnetz der untere:i Muschel zu sehen. Sowohl die Gefäße des 
eigentlichen Sehwellkörpcrs, als auch die des Rindennetzes waren 
maximal dilatiert; daß es sieh dabei nicht um einen vorübergehenden 
Zustand, sondern um eine dauernde Veränderung gehandelt hat. beweist 
die Atrophie des Zwischengewebes, insbesondere der fast gänzliche 
Sehwund der Drüsen zwischen den Lakimcii des Sehwellkörpers, was 
wohl auf Druckwirkung zurückzu führen sein dürfte. 

Aber auch an der mittleren Muschel und am Septum konnte ich 
dieselbe Hyperämie konstatieren. Es fragt sich nun. ob diese Di- 



K 

Fig. 4. 


latation der Blutgefäße etwa für Leukämie charakteristisch ist. Ich 
glaube diese Frage bejahen zu können, indem ich mich auf den 
A iigcn Spiegel bef und Leukämischer stütze, wie er von Kl sehnig er¬ 
hoben wurde. Kr sagte folgendes (Augcnspiegelbefund bei akuter 
Leukämie. „Wienei med. Wochensehr.“. 1899. Nr. ßO. S. 14ßo): ..Bei 
der Leukämie sind die \ eilen um «las drei- bis füllt lache erweitert: 
das relative Verhältnis derselben zu den ebenfalls stark erweiterten 
Arterien ist geändert, indem die Venen weit mehr dilatiert sind als 
die Arterien, Die Blutzellen sind blaß . . In derselben Weise 


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— 266 — 


spricht sich 1 u c h s jius. Ich glaube mich daher berechtigt, auch für 
die Nasensehleimhaut die Dilatation der Blutgefäße charakteristisch 
zu lialten. 

Was die Atrophie der Drüsen anhingt, so scheint mir diese wohl 
teilweise charakteristisch für Leukämie* zu sein, insofern wir sie näm¬ 
lich im Bereich der Muscheln zurückführen können auf die adenoide 
Infiltration der Schleimhaut und die Dilatation der Blutgefäße. Im 
(Jebicto der exkoriierten Septumstelle jedoch dürfte die Atrophie der 
Drüsen mit der Leukämie direkt nichts zu tun haben, dei n es ist dies 
an dieser Stelle kein so seltenes Vorkommnis. (1) o n o g a n y . Archiv 
f. Larynyol. u. Khinologie, IX. Bd.. S. 35.) 

Line besondere Beschreibung erheischt die Atrophie des Knorpels, 
die hier zu finden war. Nach der Beschreibung der Lntwieklung des 
Prozesses handelt es sich nicht um eine Zerstörung des Knorpels, die 
durch einen akuten Kntzümlungsvorgang herbeigeführt wurde, etwa 
wie es von 11 a jek fifr das Kiens septi perforans geschildert wurde. 
(11 a j e k. das perforierende (le.-ehwür der Nasenseheidewand, V i r c li. 
Archiv. Bd. 120.) Bei dem perforierenden Geschwür kommt es zur 
Zerstörung des Knorpels durch Periehondrit is, die zur Nekrose des 
Knorpels führt, oder es kommt direkt ohne Nekrose zur Einsehnielzung 
des Knorpels, indem dieser in ein entzündliches Infiltrat aufgeht. Keine 
der beiden Modifikationen trifft in unserem Falle zu. denn weder ist 
der Knorpel nekrotisch, noch ist im Knorpel selbst ein entzündliches 
Infiltrat zu sehen. Im (Jegontcil sind die entstandenen Bindegewebs- 
stränge sehr zellarm; ähnliches wurde von Z u c k c r k a n d 1 be¬ 
schrieben (Normale un dpathologisehe Anatomie der Nasenhöhle. 
II. Bd.. S. 54) als zirkumskripte Atrophie des knorpeligen Septums. 

Lr fand in Fällen hochgradiger Xanthose und Atrophie der 
Scptumschleimhaiit auch Atrophie des Knorpels an umschriebener 
Stelle, ohne daß von einer Ghondritis etwas nachzuweisen gewesen 
wäre. Lr nennt den Vorgang (»ine faserige Metamorphose. Auch in 
meinem Falle kann ich von einer faserigen Metamorphose sprechen, 
doch ist die Schleimhaut der bet reifenden Septumpartie keinesweg- 
atrophisch, sondern im (legenteil verdickt, dicht infiltriert und sehr 
reich vaskularisiert. Fnd doch glaube ich. daß in beiden Fällen der 
Grund für diese Veränderung derselbe sein dürfte. Der hyaline Knorpel 
ist (»in (Je webe, welches infolge seiner Gefäßarmut. angewiesen ist. 
■sein Nährmaterial auf dem Lymphwege durch feinste Kanälchen zu 
besorgen; werden nun durch (»in dichtes Infiltrat, wie in unserem 
Falle, zahlreiche Lymphbahneti verstopft, so wird die Ernährung des 
Knorpels gestört und die hyaline Substanz geht in Fasergewebe über. 


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welches, da es durch Blutgcfäl.le ernährt wird, hier bessere Existenz¬ 
bedingungen findet. Man sieht auch auf den Präparaten, da 13 vom 
IVrichondriiim sofort (lefäßkapillaren in die neuentstandenen Binde¬ 
go w ebsst rä n ge e i n w ach se n. 

Zum Schlüsse will ich versuchen, den (irund z 11 finden, warum 
bei Leukämischen Xasenhluten häutiger auftritt. als hei Menschen mit 
normaler Konstitution. Da die hlutende Stelle sieh an jenem für die 
Blutungen so disponierten Orte, den man Locus Kieselbaehii benannt 



Fig. 5. 

hat, befand, so könnte man glauben, daß es sieh hier um eine ge¬ 
wöhnliche septale Blutung gehandelt hat, wie man sie alltäglich beob¬ 
achtet. (Jegen diese Annahme' spricht schon das histologische Bild 
der blutenden Stelle* und auch «las der nicht exkoriierten Sepfum- 
partie, die weiter nach rückwärts gelegen ist. 

liier fiel, wie an der übrigen Xa>enschleimhaut. die außerordent¬ 
liche Hyperämie auf, namentlich die Venen zeigten starke Dilatation, 
ein Verhalten, das ich bereits oben beschrieben habe. Für die Schleim¬ 
haut des Septums insbesonders war es auffallend, daß sieh in der 

subepithelialen Schicht weite (lefäße befanden, wie sie sonst nur in 

der tiefsten, dem Periehondrium angelagerten Schicht zu finden sind. 

Dies e (J e f ä ß e r e i e h e n bis u n m i t t e 1 b a r u n t e r 

das Epithel, so daß geringe \’ e riet /, u n g e ii d e s - 


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— 268 


selben au e h e i n A n r e i ß e n <1 e r (« e f ii ß w and und eine 
Blutung i m (J e f o 1 g e ha 1) e n in u ß t e n. 

Solche Verletzungen entstehen an jener Stelle bekanntermaßen 
sehr häutig durch Bohren mit dem Finger. Auch unsere Patientin 
konnte sich nicht enthalten, in der Nase zu bohren; sie entschuldigte 
dies damit, daß sie einen überaus lästigen und heftigen Juckreiz in 
der Nase spüre. 

Es fragt sich nun, ob das Jucken in der Nase die Folge der am 
Septum bestandenen Vizeration und Borkenbildung sei, oder ob es 
vielleicht als ein Symptom der Leukämie aufzufassen ist: es ist ja 
bekannt, daß bei Leukämie Hautjucken sowie Priapismus auftritt, 
Symptome, welche auf Infiltration und Thrombenbildung zurückgeführt 
werden. Es ist möglich, daß auch die Infiltration der Nasensehleimhaut, 
einen solchen Juckreiz hervormft. Aus diesen Verletzungen werden 
oberflächliche ITzerationen, welche, sowie» überhaupt Substanzverluste 
bei Leukämie keine Tendenz zur Heilung zeigen, liier an dieser Stelle 
jedoch noch weniger, weil stets neue Läsionen ausgeführt werden. 

Es entstehen die Flzerationen am vordersten Teil des knorpeligen 
Septums vielleicht unter denselben Verhältnissen, Wie die Geschwüre 
im Mund und Bachen von Leukämischen. Für diese findet A sk a n azy 
(Vir eh. Areh.. 1894, Bd. 137. S. 1). daß sie hervorgerufen werden 
durch kleine Verletzungen, welche normalerweise ohne weitere Folgen 
heilen, im leukämischen Gewebe .jedoch, welches eine geringe Wider¬ 
standskraft besitzt, verschiedenen Bakterien eine günstige Eintritts¬ 
pforte gewähren, so daß sich aus ihnen Geschwüre entwickeln. 

Der Reichtum des Geschwürsgrundes an Blutgefäßen, wie dies 
auf der Fig. (> zu sehen ist. erklärt auch das häutige Auftreten der 
Blutung, denn eine geringe Lockerung des Schorfes (s) konnte schon 
eine Zerreißung der Gefäße herbeiführen. 

Mit Rücksicht auf den beobachteten Fall kann man sich die 
Entstehung des Nasenblutens bei Leukämischen folgendermaßen 
denken : Du re h d i e I n f i 1 t r a t i o n d e r S e h 1 e i m h a u t 
w i r d e i n J u e k r ei z a u speiö s t , we1e h e r d e m P a- 

t i e r. t e n V e r a u 1 a s s u n g gibt, i n d e r N a s e z u 

b o h r e n , w o d u r e h e i n e V e riet z u n g der S e p t u m- 
schlci m li a u t c n t s t e h t . d i e i n f o 1 g e d e r o b e r fl ä e h - 

liehen Lag e d i 1 a t i e r t e r CI e f ii ß e z u ein e r a b u n - 

d a n t (» n B 1 n t u n g führt. Die entstand e n e V e r - 
letz u n g heilt i m 1 e u k ii m i s c h e n G e w e b e nicht, 

s o n d e r n e s e n t w i c k e 1 t s i e h a u s d e m S u b s t a n z- 

v c r I ii s t e ein G e s c h w ii r: d er Gef ii ß r c i c h t u m d e s 

(i (» s c h w ü r s g r u n d (* s i st d i e 1 r s a c h e , d a ß s c h o ii 


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k I e i n i* )11 e e h a ni s e h e L ii s i o n e n / u s 1 ii r k e r e n 15 I u - 
t u n g e n t ii h r e n. Ob dieser Vornan)?, der in dem beobachteten Falle 
zutraf, auch in anderen Fällen von Leukämie zu konstatieren sein wird. 



Fig. ü. 

namentlich ob es sieh immer um septale Blutungen handelt, ist natür¬ 
lich nicht erwiesen. Ich glaube übrigens, dati bei der anlierordent- 
liehen Dilatation der Blutgefäße der Musehelsehleiinhaut stärk(*re 
Steigerungen des Blutdruckes, wie sie beim Husten. Niesen. Schneuzen 
entstehen, bereits zur Ruptur von (JefäÜen und somit zur Epistaxis 
führen können. 

Verhandlungen des dänischen oto-laryngologischen 

Vereins. 

53. Sitzung vom 26. Februar 1308. 

Vorsitzender: Prof. H. Mygind. 

Schriftführer: Dr. L. Mahler. 

1. .1 ö r g e n M ö 1 1 e r: V e 1) e r d i e E p i g 1 o t t. i s a m p u - 
t a t i o n 1) e i K e h 1 k o p f t n 1) e r k u 1 o s c. 

M. hat während der letzten paar «Iahre 10 mal die Epiglottis- 
aniputation bei Kehlkopt'tuberkulose verwendet. Die Resultate waren 
folgende: 4 Fälle wurden völlig geheilt (Observationszeit bzw. 2 Jahre, 


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— 270 


l /? Jahr, '■) Monate und 1 Monat); zwei dieser Fülle wurden demon¬ 
striert. ln 4 Füllen hörten die Sehluekselmierzun auf, einer dieser 
I > ait i(‘i i tc *11 ist spiiter an 11 i rnt uherkulose gestorben; ein Patient ist an 
einer Luiigeiituherkulose. in Verbindung mit einer sehr ausgedehnten 
Sehleimluiuttuberkulöse gestorben; 1 Patient ist noch in Behandlung. 

Die Amputation wurde in allen Füllen mittels der A 1 e x a n d e r - 
sehen (iiiillotine vorgt nominell und betraf die ganze Pars libera epi- 
glottidis; nur einmal gelang es wegen Würgen nicht, so weit nach un¬ 
ten zu kommen, wie es wünschenswert wiire. Während der ersten paar 
Tage bestellt einiger Schlucksehmerz, der doch gewöhnlieh nicht stiir- 
ker ist als die Dysphagie* die in den meisten Füllen die Operation in¬ 
diziert hatte; die Blutung war auch keine beträchtliche. 

Der eine der operierten Fülle bot besonderes Interesse dar, indem 
es sieh um eine sehr ausgedehnte und ernste Kehlkopf tuberkulöse 
handelte bei nur geringer oder zweifelhafter Lungenaifektion. Das 
Leiden trotzte lange Zeit hindurch jeder Behandlung, und erst, nach 
der Epiglottisamputation trat ein deutlicher Umschwung ein, so daß es 
schließlich gelang, eine völlige Heilung herbeizuführen. 

S c h ui i e gl o w hat diese Behandlung in einer Reihe von Fällen 
verwendet, doch benutzt er die K r a u s e sehe Doppelkurette und macht 
kei:o komplette Amputation. Die Dysphagie ist die häutigste Indi¬ 
kation und S. hat Dutzende von Füllen erlebt, wo nach partieller Ent¬ 
fernung der Epiglottis die Dysphagie' verschwunden ist ; es ist dies 
die erste Bedingung dafür, daß eine Kehlkopf tuberkulöse ausheilen 
kann. 

K 1 e i n empfiehlt, ehe die Fpiglottisamputation vorgenoininen 
wird, eine kombinierte Quecksilber-4odkali-Behandlung zu versuchen, 
selbst, wenn kein Verdacht auf Syphilis besteht. 

M ,v g i n d ist mit der Fpiglottisamputation mittels der A 1 e x a n- 
d e r schell (iiiillotine sehr zufrieden. 

1 i. E. S c h m i e g e l o w: K 1 i n i s e h e M i t t e i 1 u n g e n. 

1. Demonstration von einem Präparat der T r a e h e a m i t d e r 
B i f u r k a t io n, die von einem riesigen r e t i k u J ü r e n Ru n d - 
z e 1 1 e n s a r k o m umgeben und teilweise durchwachsen war. Der 
Patient war ein 00 jähriger Mann, bei denn sich im Sommer 1007 
Husten und Heiserkeit eingefunden hatte, im Oktober wurde eine 
rechtsseitige Rekurrenslähmung konstatiert. Es entwickelten sieh 
Brüseiisehwelhmgel» in der Supraklavikulargegend, ferner beträcht- 
liehes Oedtun der beiden oberen Extremitäten. Bei dem Husten wurden 
reichliehe, blutgemischte, schleimig-eitrige Massen ausgeworfen. Die 
Respiration wurde mehr und mehr behindert, stridulös. Kurz vor dem 
Tode entwickelte sieh schließlich eine seröse Ansammlung in der 
rechten Pleura. 


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271 


Bei der Sektion fand man die Traehea und die Beiden Bronchi 
von großen (Jeschwulstmassen umgehen, der rechte Bronchus kompri¬ 
miert. ihre Wand teilweise von der (losohwulst. durchwachsen. Histo¬ 
logische Diagnose»: R e t i k u 1 ii r e s R u n d /. e 11 e n s a r k o m. 

Im Beginn der Krankheit wurde Traeheoseopia direeta versucht, 
scheiterte aber an der Pngeberdigkei t des Patienten. 

2. Demonstration von Photographien von einem (lehirn mit 
groß e m S a r k o m i m r e e h t e n in i t t 1 e r e n F r o n t a 1 - 
g v r u s. Die enteneigroße (»(»schwulst war durch eine Furche von 
dem umgehenden (iewehe recht scharf abgegrenzt, erreichte nach hinten 
* den (J.vrus centralis ant., ohm» jedoch diesen ergriffen zu haben. Der 
Patient war ein 29 jähriger Mann, der am 90. November in das St. 
Josephs-Spital aufgenommen wurde; seine Krankheit hatte Mitte 
Oktober angefangen, es waren Schwindel. Erbrechen und Kopfweh 
vorhanden, ferner rechtsseitige Abduzensparese, beiderseitige Stauung« 
papille und ataktischer (lang mit Neigung zum Fallen nach rechts. 

Es wurde eine (leschwulst. in der rechten Kleinhirnhemisphiire an¬ 
genommen ; es wurde deshalb das Kleinhirn durch Abtragen der 
Squama ossis occipitis entblößt. Der Patient vertrug den Eingriff 
sehr gut. Die Dura wurde nicht sofort, sondern erst nach 12 Tagen 
gespalten. Die rechte Kleinhirnhemisphäre stand unter beträchtlich 
erhöhtem Druck, übrigens wurde im Kleinhirn nichts Abnormes ge¬ 
funden. Man konnte die ganze Hemisphäre abtasten, sowie auch die 
Innenseite des Felsenbeins; es würde somit diese Operation als Vor¬ 
bereitung zu operativen Eingriffen in der Hegend des Poms aousticus 
internus dienen können. 

III. P. T e t g n s Ilald demonstrierte d a s* v o n B r ii n n i n g s 

k o n s t. r u i e r t e I n s t r u m e n t a r i u m f ii r B r o n c h o - 

skopie u n d Oes o p h a g o s k o p i e. 

IV. II. M y g i n d: De m o n s t r a t i o n von P a t i e n t e n. 

1. Ein 1 jähriges Kind, an dem ä Tage früher doppelseitige, ein- 
faclie Mastoidau fmei ßelung mit primärer Naht vorgenommen war. 
Am Tage vorher, als der Verband abgenommen wurde, war ein ziem¬ 
lich starkes Ekzem vorhanden, das jedoch schon jetzt, wo das Kind 
von dem Verband befreit war. sieh beträchtlich gebessert, hatte. 

2. Ein Fall von doppelseitiger Rekurrenslähmung ungewissen Ur¬ 
sprunges. 

9. Ein Fall von Fistelbildung, die, von einem tiefen syphilitischen 
(lesehwiir im Nasenrachen ausgehend, teils nach außen an die Haut, 
teils nach hinten über den oberen Rand des Atlas hineinführte. 
(Röntgerbild wurde vorgezeigt.) Jörgen Möller. 


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Kritiken. 


Labyrintheiterung und Gehör. Von Dr. Heinrich Herzog. Die aus 
der k. Umvcrs.-Ohrenklinik München (Vorstand Hofrat Prof. Dr. Besold) 
hervorgegangene Monographie Herzogs umfaßt 133 Seiten mit 8 Tafeln 
und 28 Abbildungen im Text. 

Nach einer ausführlichen Einleitung, in welcher Herzog ins¬ 
besondere die üblichen Methoden zur Untersuchung der statischen und 
akustischen Funktion und die Feststellung einseitiger Taubheit ein¬ 
gehend bespricht und dabei auch die vo:i der Wiener Klinik (B a r a n y) 
ansgebende Prüfung der kalorischen Erregbarkeit würdigt, bringt er 
eine Kasuistik von 7 Füllen von tuberkulöser Labyrintheiterung, von 
denen 3 doppelseitig sind. Diese Fülle hat er mit allen zu (leimte 
stillenden Mitteln auf ihre akustische und vestibuläre Funktion ge¬ 
prüft. insbesondere auch mit der kon I imiierlichen St imingabelreibe 
sehr genaue II ördiagrammc aufgenommen und durch öftere Wieder¬ 
holung der Prüfung bis zum Tode der Untersuchten die Abnahme der 
Funktion des (Jehörorgans kontrolliert. Post mortem wurden die Ge¬ 
hörorgane der Untersuchten nach der üblichen Technik sorgfältig 
histologisch in lückenlosen Serien verarbeitet und die zur Illustration 
der gewonnenen Resultate nötigen Schnitte in den 17 beigegebenen. 
*chr gelungenen Tafelbildern reproduziert. Auf die Kasuistik folgt 
mit eingehender Berücksichtigung der Literatur eine ausführliche 
Schilderung der Pathologie und Klinik der akut-entzündlichen Ver¬ 
änderungen iles Labyrinthes. Das Ergebnis seiner Arbeit faßt Verf. 
in folgenden Schlußsätzen zusammen: 

1. Die Zerstörung der Hörfunktion bei entzündlicher Erkrankung 
des Labyrinthes erfolgt in einer von der unteren nach der oberen Grenze 
fortschreitenden Einengung des Tongehörs; deswegen ist 

2. ausschlaggebend für die Diagnose einer drohenden Labyrin¬ 
thitis die Feststellung der unteren Tongrenze. 

3. Zur groben Orientierung genügt die Prüfung des mittleren 
Tones der Skala a* (mit einer unbelasteten Gabel von mäßiger Hör¬ 
dt ner — 00 Sekunden normal) in Luftleitung. 


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273 


4. Das Erlöschen der llörreaktion für diesen Ton läßt auf den 
Beginn der Labyrinthitis schließen. 

o. Jede L a b y r i n t hoi t c r u n g f ii h r t zur völligen 
Ertaub u n g. 

ß. Die Vernichtung der Schneckenfunktion tritt früher ein als 
die Aufhebung der Vestibularreaktion. 

7. Die Infektion dos Labyrinthes verursacht, primär dessen 
diffuse Erkrankung in Form der Labyrinthitis s o - 
rosa oder s e r o f i b r i n o s a. 

5. Graduelle Unterschiede der Entzündung in den einzelnen Ab¬ 
schnitten des Labyrinthes bilden sieh erst sekundär aus nach Ab¬ 
seheiden eines plastischen Exsudates und der dadurch entstandenen 
Abgrenzung einzelner Bezirke eregen andere. 

9. Ektasie und Kollapszustände des häutigen Labyrinthes sind 
Folgen einer langsam sich entwickelnden Labyrinthitis; sie sind be¬ 
dingt durch abnorme osmotische Vorgänge innerhalb der entzündlich 
veränderten Labyrinthflüssigkeit. 

1U. Auch ohne Eröffnung der Labyrinthhohl räume kann eine In¬ 
fektion des Labyrinthinncrn zustande kommen, durch Voberwandern 
von Bakterien oder deren Stoffwechselprodukten durch geschädigte 
Weiehteile (Fenster, freiliegendes Eiulost). 

11. Diese Form der Labyrinthitis spielt bei der Tuberkulose und 
bei den chronischen Mittelohreiterungen mit Cholesteatombildung eine 
hervorragende Rolle. 

12. Der Nachweis von Gehör schließt eine Laby¬ 
rinthitis aus; zirkumskripte L a b y r i n t h e i t e r u n - 
gen mit erhaltener llörfunktion gibt es nicht. 

Um diese zum Teil unerwiesenen und der Nachprüfung bedürf¬ 
tigen Thesen im Detail einer eingehenden Kritik zu unterziehen, 
müßte ich den mir zur Verfügung stehenden Raum weit überschreiten. 

Ich will mich daher nur mit wenigen die Hauptsachen berühren¬ 
den Bemerkungen begnügen, die insbesondere jene Fragen betreffen, 
mit denen ich mich selbst eingehender beschäftigt habe. 

Mit der Behauptung, daß für das Uebergreifen der Mittelohr¬ 
eiterung auf den Cochlearapparat die Einengung der unteren Ton¬ 
grenze charakteristisch sei. dürfte Verb allein dastehon, da ausgezeich¬ 
nete Forscher wie O s t m a n u, Hins 1) e r g u. a. gerade das Gegen¬ 
teil behaupten. 

Weitere Arbeiten auf diesem Gebiete werden hoffentlich bald 
Klarheit in diese praktisch wichtige Frage bringen. 

Daß die akute Entzündung des Labyrinthes (Labyrinthitis serosa, 
ein Name, der, wenn ich nicht irre, zuerst von der Wiener Schule 
f A 1 e x a n d o rl gebraucht wurde) ,.zur /erst (innig der Sch necken- 
funktion“ führt, sollte richtiger beißen „temporäre Aufhebung der 
Sehncckcnfunktion“, da sich ja dieselbe wieder herstellon kann, wie 
auch Herzog zugibt. 

Auch auf diese wichtige Tatsache wurde zuerst von der Wiener 
Klinik (Neu mann) aufmerksam gemacht. Diese Aufhebung der 
Schneckenfunktion scheint nach den* Beobachtung Herzogs, die ich 


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nach eigenen Erfahrungen bestät igeti kann, in «Irr Regel früher zu 
♦ •r t«»1 *n als < 1 i * * Aufhebung der Vc^t ihularfiuikt ion. 

Daß dir Ektasie «les Ductus eoehlearis durrli entzündliche Ver¬ 
änderungen im Labyrinthinncrn mul dadurch bedingte osmotische Vor¬ 
gänge verursacht. st*in kann, hält Ke Irren t, auch nach eigenen Prä¬ 
paraten für sehr wahrscheinlich, doch hält er H erzogs Befunde des¬ 
halb nicht für ganz einwandfrei, weil nach den Beschreibungen in 
keinem Falle der Ductus enchlcaris yolUtändig erhalten ist. Deshalb 
kann Referent auch dann mit. If erzog nicht, iibereinstimmon, daß der 
Kollaps ein sicheres Zeichen vorausgegangener Ektasie sei. Referent 
hält den Kollaps in vielen Fälle für ein Artefakt, insbesondere dann, 
wenn der Ductus cochh-aris an irgendeiner Stelle eröffnet, ist. 

Wenn wir auch den Erklärungen nicht in ■ allem beistimmen, so 
müssen wir doch rühmend hervorheben, daß Herzog überhaupt den 
Versuch macht, die histologischen Veränderungen im Labyrinthinnern 
aus physikalischen Vorgängen zu erklären. 

Es war ein glücklicher (ledanke, zur Lösung dieser Probleme mit 
der Pntersuclmng der tuberkulösen Labyrintheiterung zu beginnen, da 
diese die Möglichkeit einer längeren genauen Beobachtung und Kon¬ 
trolle post mortem häutiger bietet, als die genuine Labyrintheiterung. 

Selbst wenn es sieh wahrscheinlich herausstellen wird, daß die 
für die tuberkulöse Labyrintheiterung gewonnenen Erkenntnisse nicht 
in vollem Fmfang für die genuine Labyrintheiterung gilt, ist Her¬ 
zogs Buch doch eine breite Basis für weitere, Forschungen auf diesem 
(lebiete. 

Zum Schlüsse sei noch erwähnt, daß der bekannte Verlag von 
.1. F. Lehmann in München, was Druck und Ausstattung anlaugt, 
alles getan hat. «1er wertvollen Monographie eine gefälige Form zu 
gehen. Dr. R u t t i n (Wien). 


Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirnh&ute und der Blut¬ 
leiter. Nachträge zur dritten Auflage. Von Dr. Otto Körner in 
Rostock. Verlag von J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908. 

l T m den Besitzern der ß. Auflage den Ankauf eines neuen Buches 
zu ersparen, hat sich Verf. darauf beschränkt, nur Nachträge aus den 
Jahren 1902 1907 der ß. Auflage naehzusenden. ,.In diesen Nach¬ 

trägen sind völlig neu bearbeitet.: Die Abschnitte über den diag¬ 
nostischen Wert der Lumbalpunktion, über die Diagnose und Therapie 
der eitrigen Leptomeningitis und über die sogenannte Bulbusoperation. 
Neu hinzugekommen sind kleine Abschnitte über die postoperative 
Meningitis, sowie über die Eiterungen zwischen beiden Blättern der 
Dura.“ Di<‘se umfangreichen Neubearbeitungen, sowie die Berück¬ 
sichtigung aller neueren Erfahrungen auf den anderen (lebieten und 
die Ergänzung der Li terat urangaben sichern dem bekannten Werke 
seinen angestammten Platz in der otiatrischen Literatur. 

B o n d y. 


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Referate. 


a) Otologische. 

Beitrag zur Stau- und Saugtherapie in Ohr und oberen Luftwegen. 

Von Dr. Carl Vohseu in Frankfurt a. M. (Münchener med. Wochenschr., 

54. Jahrg., Nr. 9.) 

Verfasser versucht- die • Grundsätze klarzulegen, die bei Feber¬ 
tragung des Biersehen Verfahrens auf das (leinet des Mittelohres 
und der obersten Luftwege zu berücksichtigen sind, und teilt einige 
neue Beobachtungen und Versuche mit. Bei Febertragung der Bi er¬ 
sehen Methode auf die Behandlung der Nase und des Ohres mit ihren 
Nebenhöhlen muß in erster Linie berücksichtigt werden, daß die ern¬ 
steren Erkrankungen dieser Organe sieh in starrwandigen Höhlen mit 
sehr engen Ausführungsgängen abspielen. Verfasser wendet sieh des¬ 
halb gegen die Anwendung der B i ersehen Stauung hei nicht operier¬ 
ten Warzenfortsatzerkrankungen, indem er sagt: „Wenn wir durch die 
Stauung die Schwellung vermehren, so treten auch die Schmerzen er¬ 
höht auf, weil nun erst, recht die Räume, die untereinander kommuni¬ 
zieren sollen, daran behindert werden. Ganz anders verhält sich natür¬ 
lich die Frage, sobald bei einer bereits bestehenden Eiterung dem Eiter 
künstlich Abfluß verschafft ist, als wenn man in einem Falle, wo vor¬ 
auszusetzen ist, daß keine Stauung eintreten kann, da der Eiter bereits 
abfließt, der Heilung die Wege bahnt, welche B ier auch mit’ seinem 
Verfahren zu bahnen beabsichtigt.“ Ferner ist Verfasser der Ansicht, 
daß die B i e r sehe Stauung die Parazentesenschnitte mit vorzeitigem 
Verschluß bedroht, und rät daher auch hierbei von der Anwendung der¬ 
selben ab. Ebensowenig konnte er einen heilenden Einfluß der Stau¬ 
ung auf akute und chronische Katarrhe der Nase und des Rachens fest¬ 
stellen, und der reizlindernde ging nicht über den der Pinselung hin¬ 
aus, die aber neben der Hyperämie eine mehr oder weniger lang dau¬ 
ernde vermehrte Sekretion der Schleimhäute bewirkt. Febergehend 
zu den von Sonderma n n ausgehenden Bestrebungen, die Erkran¬ 
kungen der Nebenhöhlen der Nase mit Saugapparaten zu behandeln, 
gelangt, er auf Grund eingehender Versuche, mit denen er uns bekannt 
macht, zu dem Schluß, daß cl- dasselbe wie Sonder m & n n, nämlich 
durch Luftverdünnung in der Nasenhöhle den Abfluß von Sekreten aus 
den Nebenhöhlen bei geeigneter Kopfhaltung zu befördern, erreicht, 
und zwar in einfachster Weise, indem der Kranke durch Zusammen¬ 
pressen und Ansaugen der Nasenhöhlenluft bei zugehalteuer Nase Luft- 
verdichtung und Luftvcrdiinnung erzeugt. Das Experiment und die 1 
Erfahrungen lehrten dem Verfasser, daß durch die Luftverdichtung 
hierbei eher eine Abschwellung der Ostien erreicht wird. Er empfiehlt 
diese Methode daher wärmsten«, zu deren Auffindung die S o n d e r - 
in a n n sehen Versuche die Anregung gaben; dieselbe ist ihm in dia- 
gnostiseher und therapeutiseher Beziehung so wertvoll geworden, daß 
er sie nicht mehr entbehren will. Nicht ihr geringster Wert liegt in 


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— 2lG - 


ihrer Kinfucliheit ; si(! stellt eigentlich nur ein Xasenselmeiizen dar. 
hei dein wir von stärkeren Druckdifferenzen Gebrauch niaehen; der 
Kranke wendet sie ohne jede Vorrichtung beliebig oft an und ventiliert 
seine kranke Nebenhöhle nach Bedarf, ohne vom Arzt abhängig zu sein. 
Die einzige unerwünschte Nebenwirkung liegt in der Fortleitung des 
Druckes auf das Mittelohr, die aber bei einiger Uebung zu vermei¬ 
den ist. Reinhard (Cöln). 

Aphoristische Mitteilungen von Beobachtungen über den Einfluss 
der vom Oehörgange aus durch Saugwirkung hervorgerufenen 
Stauungshyper&mie auf Paukenhöhleneiterungen. Von Dr. Muck 
in Essen. (Münchener med. Wochenschr., 54. Jahrg., Nr. 9.) 

Verfasser berichtete in Band LIII, Heft 2, der „Zeitschrift für- 
Ohrenheilkunde“ über eine tuberkulöse Mittelohreiterung, welche unter 
Anwendung von Stauungshyperämie ohne jede andere Behandlung zur 
Ausheilung kam. Ermutigt durch diesen Heilerfolg wandte er in 20 
weiteren Fällen das Saugverfahren an und wühlte hierzu chronische 
Mittelohreiterungen mit totalem Defekt des Trommelfelles und aus¬ 
gestoßenen Gehörknöchelchen, jene durch Hyperämie und llypersekre- 
tion charakterisierten Pauken höhlenschleimhaut-Entzündungen, bei 
denen eine Knochenerkrankung mit einiger Sicherheit auszusehließen 
ist. Zum Saugen verwandte er ein Saugglas mit Gummiballon für 
kurzdauerndes Saugen und mit einer Saugkugel aus Glas für lang- 
dauerndes Saugen, die im Text abgebildet sind. Er vermochte dabei 
nachzuweisen, daß nach Austrocknen des Ohres aus der Schleimhaut 
selbst noch Flüssigkeit ausgesaugt werden konnte. Nach jeder Sitzung 
trat eine stärkere Absonderung ein, die am nächsten Tage wieder nach¬ 
ließ. ln einem Zeitraum von 4—8 Wochen hörte die Sekretion auf 
nach Stauungen jeden zweiten Tag in einer Sitzung von 1 — 2 Minuten, 
mit Pausen von 1 Minute eine Viertelstunde lang. In einem Falle 
sah M. eine linsengroße. Hach granulierende Stelle auf einer im übrigen 
epidermisierten Paukenhöhlenschleimhaut iu kurzer Zeit sich mit Epi¬ 
dermis überziehen unter der Saugwirkung. Ferner stellte Verfasser 
fest, daß dem Saugverfahren am Ohr in gewissen Fällen eine diagno¬ 
stische Bedeutung zukommt, und zwar bei den persistierenden Eiterun¬ 
gen nach der Kadikaloperation. wenn die Eiterquelle einen peritubaren 
Sitz hat. Es gelang ihm nämlich durch Aspirieren vom Gehörgang 
aus Eiterschleim in einem Falle aus der Tubengegend zum Vorschein 
zu bringen., nachdem durch geeignete Reinigung und Tamponade vorher 
die Herkunft desselben aus der Tube selbst oder dem Rezessus ausge¬ 
schlossen worden war. Zum Schluß empfiehlt er diese Behandlungs¬ 
methode bei zwei Kategorien von akut eitrigen Erkrankungen, welche 
einen protrahierten Verlauf haben, angelegentlichst, 1. bei ungünstiger 
Lage der Perforation und 2. bei hochgradiger Schleimhautsehwellung 
mit zupfen förmiger Perforation und zähscldcimig-eitriger Absonde¬ 
rung. Er glaubt, daß man die Eiterungen in den hochgelegenen Tei¬ 
len der Paukenhöhle und im Antrum mastoideum in akuten Fällen 
durch regelmäßige Aspiration des Eiters kupieren kann. 

Reinhard (Oöln). 


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— 277 — 


Zur Bedeutung des Schneckenfensters föp den Uebergang der Eiterung 
aus dem Mittelohre ins Labyrinth. Aus der Universitäts-Ohrenklinik 
in Graz. Von Dr. O. Ma 3 T er. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., L., 1 u. 2.) 

M. konnte bei zwei Hatten (Versuchstieren zu in Studium der Te¬ 
tanie) doppelseitige chronische Mittelohreiterung mit doppelseitiger 
akuter Labyrintheiterung infolge Durchbruchs durch das runde Fenster 
nachweisen und glaubt, daß auch beim Menschen dieser Infektionsweg 
der häutigere sein wird; er belegt diese Ansicht noch durch Literatur¬ 
nachweise. Keller. 


b) Pharyngo-Iaryngologische. 

Ueber Trachealdiphtherie mit mehrfacher Neubildung von Pseudo- 
membranen. Von Dr. Hans Herzog in Solothurn. (Deutsche med. 
Wochenschr., 33. Jabrg., Nr. 20.) 

Verfasser hatte Gelegenheit, in einem Falle von schwerer Diph¬ 
therie dreimal eine Eoouvillonage des Larynx bezw. der Trachea zu be¬ 
obachten ; dasselbe, ein Verfahren zur Behandlung der membranösen 
Kehlkopfdiphtherie. besteht darin, daß durch Einfuhren des Tubus, 
wie bei der gewöhn liehen Intubation, die an den Wänden des Larynx 
und der Trachea haftenden Pseudomembranen abgelöst und bei der 
wenige Minuten später ausgeführten Extuhation ausgehustet werden. 
Tm vorliegenden Falle vollzog der Patient, selbst diese Eeouvillonage. 
indem er dreimal den Tubus samt einem pseudomembranösen Ausguß 
der Traehea aushustete. Die leichte Abstoßung der Membranen faßt 
II. als Serumwirkung auf, wie seines Erachtens nach auch der weitere 
günstige Verlauf des schweren Falles sicher der antitoxischen Behand¬ 
lung zu danken ist. 11 e i n h a r d (Cöln). 

Ueber einige Fälle von Erkrankungen der Luftröhre und der Bronchien, 
diagnostiziert mit Hilfe der Killianschen Tracheo-Bronchoskopie. 

Von Dr. med. Max Mann in Dresden. (Münchener med. Wochenschr., 
54. Jahrg., Nr. 23.) 

Fall 1. Bei einer Ozänakranken zeigte sieh in der Traehea ein 
hanfkorngroßer Tumor, der sieh aus Knorpel oder Knochen bestehend 
erwies. Ein weiterer Fall 2, ebenfalls eine Ozänakranke betreffend, 
hei der Verfasser durch die direkte Tracheoskopic erkennen konnte, 
«laß die Schleimhaut rauh, wie mit feineren und gröberen Zicgclmehl 
körnern bestreut aussah. Er bringt beide Veränderungen mit dem 
Ozänaprozeß in Zusammenhang. Fall 3. Patientin mit Struma. M. 
wies mittels der Tracheoskopic eine Sähelscheidentraehea nach, in 
deren Tiefe ein Tumor von PHaumengröße vorsprang, welcher nach 
der Kropfoperation schwand, offenbar vorgeblich tete, knorpelfreie 
Hinterwand der Traehea. 

Fall 4 hot eine Stenose der Traehea kurz oberhalb der Bifurkation. 
Verfasser nimmt an. daß diese hervorgerufen sei durch tuberkulöse 
Infiltration der peritrgchealeu Lymphdrüsep, 


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278 - 


Fall 5 betraf einen 55 jährigen Patienten mit tuberkulöser Pleu¬ 
ritis links, Lymphdrüsenluberkulose um linken Lungenliilus, die einer¬ 
seits zur Kompression des Ilaupthronchus, andererseits zur Schädi¬ 
gung des linken Rekurrens führte: die Traeheoskopie ließ in der (legend 
der Bifurkation eine Vorwölbung von hinten erkennen mit deutlieher 
Pulsation: das Lumen des linken Bronehus erschien verengt- und in der 
Tiefe von 30.0 <*m fast völlig verschlossen. Auch der sechste und letzte 
Fall wies Veränderungen eines I iauptbronehus auf. während die 
Trachea intakt war. Bei einem 00 jährigen Patienten mit Bluthusten 
und (Iaumensegellähmung links, fand sieh der rechte 1 Iauptbronehus 
(on einem höckerigen Tumor erfüllt, der sieh mikroskopisch als Kar¬ 
zinom erwies; andere Symptome fehlten. Reinhard (Cöln). 

UebeF den Mund der Speiseröhre. Von G. Killian in Freiburg. (Zeit¬ 
schrift f. Ohrenheilk., LV, 1 u. 2.) 

Während an der Leiche eine erkennbare Grenze zwischen Ilypo- 
pharynx und Speiseröhre nicht besteht, findet sich eine solche nach den 
sorgfältigen Untersuchungen K i 1 1 i a n s beim Lebenden als ein 
sphinkterartiger Verschluß in der Jlöhe des unteren Drittels der Ring- 
knorpelplatte, den K. als Analogon der Cardia Oesophagusmund be¬ 
nennt. Derselbe ist im Zustande der Buhe durch tonische Kontraktion 
geschlossen und öffnet sieh nur beim Schlucken und Würgen; im öso- 
phagoskopisehen Bilde stellt er sieh als quere Spalte dar, welche halb¬ 
mondförmig den hinteren Umfang der Bingknorpelplatte umgreift; 
auch hei forciertem Vorziehen des Larynx bleibt der Mund geschlossen, 
und selbst bei dem physiologischen Oeünen, beim Schluckakte, bleibt 
ein Rest des Wulstes als hintere läppe bestehen. Die durch sehr in¬ 
struktive Bilder erläuterten Ergebnisse der anatomischen Studien Iv.’s 
sowie dessen physiologischen Untersuchungen sind im Original naehzu- 
lesen, desgleichen die' Ausführungen des Autors über die Beziehungen 
des Speiscröhrenmundes zu dem Oesophagospasmus und zu der Ent¬ 
stellung der Pulsionsdivertikel des Hypopharynx und der Oesophagus- 
wand. Keller. 

Die Schweigetherapie bei der Kehlkopftuberkulose Von Saniuttsrat 
Dr. Lublinski. (Berliner klin. Woehenschr., 43. Jahrg., Nr. 52.) 

Schon vor 20 Jahren, 1887. stellte L. den Satz auf, die Therapie 
der Kehlkopfseh windsuclit, betreffend: ..Sehr wichtig ist die Schonung 
des Stimmorganes: dieser alte Grundsatz von der Schonung des er¬ 
krankten Teiles findet beim Kehlkopf leider nicht immer die nötige Be¬ 
achtung. Absolutes Schweigen, womöglich Monate hindurch, even¬ 
tuell nur der Gebrauch der Flüstersprache, ist (‘in oft nicht zu um¬ 
gehendes Postulat.“ Verfasser teilt uns einige günstig verlaufene 
Fälle mit, die diesem Gebot den guten Erfolg verdanken. Dieser Me¬ 
thode* ist L. bis lichte treu geblieben : er legt neben ihr den Hauptwert 
auf die Anwendung der Anästhet ika. Godein. phosphor. 0,6—1,0 auf 
10.0 Sacelmr. all).. Orthoforin und Anüsthesin als Insu ftlationen. Er 
stimmt S p i e ß hei, der die Bedeutung der Aniistbetika für die ge¬ 
samte Entzündungstherapie ja kürzlich in ein neues Lieht gesetzt hat. 

B e i n h a r d (Göln). 


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279 — 


Die Krikotomie zur Entfernung subglottischer Kehlkopfpapillome bei 
kleinen Kindern und die Verhütung der Papillomrezidive durch 
innerliche Gaben von Arsenik. Von 0. Körner in Rostock. (Zeit¬ 
schrift f. Ohrenhoilk., LV, 1 u. 2.) 

K. empfiehlt zur gründlichen Ausrottung subglottischer Papillome 
bei bestehender Atemnot die Krikotomie, eventuell Krikotraeheotomie 
als das einfachste und schonendsto Verfahren, im Gegensätze zur Thy- 
reotomie: wird mit einem Häkchen der untere Schildknorpelrand ge¬ 
hoben, so ist Raum genug geschaffen für übersichtlichen Einblick und 
den operativen Eingriff. Zur Vermeidung der so häutigen Rezidive ver¬ 
ordnet K. Arsenik, und zwar beginnt er.bei Erwachsenen mit zweimal 
täglich 1 mg in Form der Granula. allmählich innerhalb 14 Tage bis 
zu dreimal 3 mg täglich steigend und hiermit. Wochen- und monatelang 
fortfahrend. Hei einem JP/s jährigen Kinde begann K. mit dreimal 
täglich 1 'Pro])len der mit der dreifachen Menge» Wasser verdünnten 
Sol. Fowl.. und stieg allmählich bis auf dreimal täglich 3 Tropfen. 

Keller. 


Beitrag zu der Lehre von der wechselseitigen funktionellen Beziehung 
der Kehlkopfmaskein untereinander. Von Professor Pr. Michael 
Großmann in Wien. (Frankels Archiv f. Larvngol.) 

G r. kommt, auf die von E x n e r anfangs der 80 er .1 all re gemach¬ 
ten Versuche zurück, welche die Frage der motorischen Innervation der 
Kehlkopfmuskeln zum Gegenstand hatten und zu der jetzt allgemein 
angenommenen Lehre führten, daß der M. erieo-thyreoideus vom Nerv, 
laryngeus sup. und alle anderen Muskeln des Kehlkopfes vom Nerv, 
laryngeus inferior innerviert werden. Fnaufgekliirt blieb indes bei 
diesen experimentellen Norvendu rohschneidimgen Exuers die Beob¬ 
achtung, daß einerseits Atrophie und Degeneration auch bei jenen 
Muskelgruppon gefunden wurden, deren motorischer Nerv intakt ge¬ 
blieben war, daß andererseits in einzelnen Muskeln selbst naeh Durch- 
schneiduug des dazu gehörigen Nerven keine Degeneration vorhanden 
war. Diese Erscheinungen erklärt G. dadurch, daß er functionello 
Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen innervierten Muskeln 
annimmt, so daß bei Lähmung dos einen Muskels der dem anderen In- 
nervationsgebiet angehörende Antagonist einer Jnactivitiitsatrophie 
anheim falle. Der functionclle Antagonismus zwischen M. crico-thy- 
rcoideus und M. vocalis wird eingehend erläutert. An Tierversuchen, 
deren Resultate an beigegebenen Serienschnitten durch die Kehlköpfe 
demonstriert werden, zeigt G. die eintretende Atrophie auch derjenigen 
Muskeln, deren Nerv nicht durchschnitten wurde. Das andererseits 
beobachtete Ausbleiben von Atrophie trotz Ausschaltung des motori¬ 
schen Nerven erklärt Verfasser durch passive Mitbcwegungen, wie sie 
«ler M. crioo-thyreoideus in dem gelähmten M. vocalis und der M. int.er- 
arythaeuoideus der gesunden in dem gleichnamigen Muskel der gelähm¬ 
ten Seite hervorrufe. R. II off m a n n (Dresden). 


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280 — 


Ein einfacher und praktischer Apparat für die Biersche Stauung. 

Von Dr. O. Muck, Ohrenarzt in Essen a. d. R. (Müuchener med. Wochen¬ 
schrift. 53. Jahrg., Nr. 32.) 

Die Vorteile dieses einfachen Saugoapparates faßt Verfasser, wie 
folgt, zusammen: 

1. Der teure und mit der Zeit versagende Gummiball wird durch 
eine Glaskugel ersetzt. 

2. Die Luftverdiinnung in der Glaskugel kann mit einer Saug¬ 
spritze oder durch Anschluß an die Wasserstrahlluftpumpe mit Mano¬ 
meter genau dosiert werden. 

3. Der Schröpfkopf bleibt allein haften. 

4. Die einzelnen Teile des Apparates lassen sieh leicht sterilisieren. 
Der Apparat ist zu beziehen durch die Glasbläserei von Robert 

Müller in Essen a. d. Ruhr. Reinhard (Cöln). 


Notizen. 

Prof. Juras/, in Heidelberg hat einen Ruf nach Lemberg als außer¬ 
ordentlicher mit dem Charakter eines ordentlichen Professors der La- 
rvngologie angenommen. Er tritt seine neue Stelle am 1. Oetober 
d. J. an. 

Herr Privatdoecnt Dr. Sehoonemann in Bern hat den Titel Pro¬ 
fessor erhalte*:!. 

Hie Priva tdocenten Dr. Hu uro wie/, in Krakau und Dr. Grabower 
in Berlin erhielten den Titel Professor. 

Prof. Chiari in Wien und Dr. L. Müder in München erhielten di« 
Ernennung zum Hofrat. 

Prof. Dr. Breitling erhielt den Charakter als Oberstabsarzt. 

Dr. Richard Rohden in llalberstadt und Prof. Dr. Stacke in Er¬ 
langen haben den Titel kgl. preuß. Sanitätsrat erhalten. 

Dr. Wilhelm Lauge in Berlin hat sieh für Ohrenheilkunde. Dr. 
Nürnberg in Gießen für Oto-. Rhino- und Laryngologie habilitirt. 

Die Hallesehe Zeitung, Landcszeitung für die Provinz Sachsen, 
für Anhalt und Thüringen, im Verlage der Firma Otto Thiele, Halle a.S., 
beging am 25. Juni er. die Feier ihres 200jährigen Bestehens. Zu dem 
Jubiläum ist eine wissenschaftlich bearbeitete, ca. 12 Bogen starke 
Festschrift herausgegeben, die für das Zeitungswesen Deutschlands 
wertvolle Beiträge enthält. Diese Schrift ist zum Preise von M. 2,— 
durch alle Buchhandlungen zu beziehen. 


Alle für di« Monatsschrift bestimmten Beitrüge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften. Archive und Taueoh-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man bis auf weiteres an 
Herrn Dr. H. v. Schrütter in Wien IX. Mariannengasse 8, zu senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder lteferate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und HO Separat-Abzüge beigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. ])r. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar (Joblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 


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Aus <ler Ohrenabteilung der allgemeinen Poliklinik in Wien. 


Funktionsprüfungen des Gehörorganes 
an Taubstummen. 

(Mitteilung der in Tabellen zusanimengefaßten Untersuchungsergebnisse.) 

Ein Beitrag zur klinischen Pathologie ries inneren Ohres. 

Von 

G. Alexander und G. W. Mackenzie. 

Seit den letzten ausführlichen Untersuchungen an Taubstummen 
(.Bez old, Brühl, Wanner, Alexander und Kreidl, Frey und 
Hamm erschlag, Po llak u. a.) ist eine ziemliche Zeit verstrichen, 
während welcher die klinische Otologie, besonders durch den Ausbau 
der Untersuchungsmethoden des statischen Labyrinthes, beträchtlich 
bereichert worden ist. 

Es erschien nun wünschenswert, alle von früher bekannten 
Methoden und die neueingeführten gemeinschaftlich bezüglich ihrer 
Verläßlichkeit an einem größeren Taubstummenmaterial zu prüfen und 
die Resultate dieser Untersuchungen teilen wir im folgenden mit: 

Selbstverständlich haben wir bei unseren Untersuchungen besonders 
auf strittige Fragen Rücksicht genommen und haben auch versucht, in 
die Frage der labyrinthären Gleichgewichtsstörungen, die neuerlich zur 
Diskussion gestellt worden ist, Klarheit zu bringen. In dieser Be¬ 
ziehung sowie bezüglich der galvanischen Prüfungsmethoden und der 
Prüfung auf dem Goniometer lehnt sich die folgende Arbeit an die 
klinischen Untersuchungen an, über welche’ kürzlich George 
W. Mackenzie Mitteilung gemacht hat. (Archiv und Monatsschrift 
für Ohrenheilkunde PX)8.) 

Bezüglich der Gleichgewichtstörungen mag an dieser Stelle aut 
die große Meinungsdifferenz hingewiesen werden, die zurzeit noch be¬ 
steht. Daß in einem bestimmten, nicht unbeträchtlichen Prozentsatz 
von Taubstummen Gleichgewichtsstörungen sich vorlinden, wird über- 


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_ 282 _ 


einstimmend von allen Untersuchern zugegeben. Die Frage aber, 
warum in einzelnen Fällen Gleichgewichtsstörungen vorhanden sind, 
in anderen Fällen nicht, scheint nach den bisherigen Untersuchungen 
gänzlich ungelöst und die verschiedenen in der Literatur vertretenen 
Auffassungen stützen sich lediglich auf theoretische Annahmen. 

Auf dem Boden der umfassenden Prüfungen jedes einzelnen Falles 
wurde es uns möglich, unser Material folgendermaßen zu gruppieren: 

I. Taubstumme mit vollkommener Unerregbarkeit der Schnecke 
(total taub) und des statischen Labyrinthes. 

II. Taubstumme mit partieller Zerstörung des inneren Gehör¬ 
organes (Hörreste) und erregbarem statischen Labyrinth. 

III. Taubstumme mit partieller Zerstörung des inneren Gehör¬ 
organes (Hürieste' und vollkon mener Destruktion des statischen Laby¬ 
rinthes 1 ). 

IV. Taubstumme mit totaler Zerstörung des inneren Gehörorganes 
(total taub) und erregbarem statischen Labyrinth. 

Diese Einteilung gestattet eine bessere Gruppierung der Fälle als 
es bisher möglich gewesen ist. Ursprünglich wurden ja die Taub¬ 
stummen lediglich nach der Quantität der Hörreste gruppiert (Itard): 
später kam die qualitative Sonderung dazu mit Hervorhebung der 
Hörreste in der Tonhöhe der Sprache (Bezold). Alexander und 
Kreidl gelangten dazu, auf dem Boden vergleichend-anatomischer 
Untersuchungen an Tieren mit kongenitalen Labyrinth-Anomalien 
(Katzen, Hunden. Tanzmäusen) die Scheidung in kongenitale und er¬ 
worbene Taubheit für eine besondere Untersuchungsreihe anzuwenden. 

Bei der Einteilung in kongenitale und erworbene Formen war man 
sich vollkommen über die ziemlich bedeutende Fehlergrenze klar. Bei 
dieser Einteilung ist man lediglich auf die Angaben der Angehörigen 
der Taubstummen angewiesen, deren Angaben bekanntlich, besonders 
in Fällen von frühzeitiger Ertaubung (Ertaubung im ersten oder 
zweiten Lebensjahr; sehr unverläßlich sind 2 ). Alexander und Kreidl 

') Siehe X eumaiin : Ueber einen Fall zirkuinskripterLabyrintherkrankung 
und einen Fall von Neuritis des Nervus vestibularis (B ud. Zack). Oesterr. 
Otol. Gesellschaft, Sitzung vom Oktober 1907. 

2 ) Hammerschlag (Z. f. O., Bd. 45) hat mit Erfolg versucht, diesen 
Einteilungsfehler durch genaue Beobachtung der Begleitumstände (Multi- 
plizität, kongenitale Augenkrankheiten, direkte und indirekte Aszendenz) 
möglichst auszuschließen. Er konnte auf diesem Wege tatsächlich eine 
weitgehende Uebereinstimmung im Verhalten dos Vestihularapparatos der 
kongenitaltauben Menschen und der Tanzmaus (vgl Alexander und 
Kreidl. Pflügers Arch., Bd. 8Mi feststellen. 


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— 283 — 


verweisen in ihren Arbeiten ausdrücklich auf diese Un Verläßlichkeit, die 
sie sogar veranlaßte, einzelne Fälle in der Diskussion ihres Materiales 
auszuscheiden. 

Das Material unserer Untersuchungen umfaßt die Zöglinge des 
k. k. Taubstummeninstitutes in Wien. An dem Material dieses Institutes 
sind schon früher Untersuchungen von Kreidl, Pollak und Alexander 
vorgenommen worden. 

Dem Direktor der Anstalt, Herrn Dr. Fink, und Herrn Haupt¬ 
lehrer Gabriel sprechen wir für ihr überaus freundliches Entgegen¬ 
kommen und für ihre mannigfache Unterstützung im Verkehr mit den 
Taubstummen unseren besten Dank aus. Herr Hauptlehrer Gabriel 
hatte die Freundlichkeit uns die Anamnesen und die Fortgangsnoten 
der Zöglinge in Artikulation, Ablesen und allgemeiner Fähigkeit tabel¬ 
larisch zusammenzustellen, wofür wir ihm ganz besonders Dank schuldig 
sind. Die Daten jedes einzelnen Falles umfassen: 

1. Name und Alter. 

*2. Anamnese: Hier sind einfach die Angaben verzeichnet, welche 
die Eltern bei Eintritt des Kindes in die Taubstummen-Anstalt gemacht 
haben — wie erwähnt, in vielen Fällen unverläßlich. 

3. Klassifikationsnote in Artikulation, Ablesen und Fähigkeiten 
(1 = sehr gut, 2 #=-- gut, 3 = genügend, 4 kaum genügend, 
5 = ungenügend). 

4. Otoskopischer Befund. 

5. Subjektive Gehörseindrücke (Sausen, Zischen, Geräusche u. s f.). 

6. Funktionelle Prüfung des Gehörorganes mit besonderer Be¬ 
rücksichtigung der Hörreste. 

7. Funktionelle Prüfung des statischen Labyrinthes: 

a) Spontaner Nystagmus mit Angabe seines Charakters (rotator. 
oder horizontal), der Richtung (rechts, links) und Intensität (sichtbar 
beim Blick nach derselben Seite, geradeaus und Blick nach der Gegen¬ 
seite). 

b) Erregbarkeit des statischen Labyrinthes durch Drehung (Unter¬ 
suchung auf dem Drehstuhl). 

c ) Galvanische Erregbarkeit in Milliamperes bei Kathoden am Ohr 
und Anoden am Ohr 3 ;. 

8. Gleichgewichtsstörungen (siehe Romberg), Gehen nach vor- 
und rückwärts, Laufen vor- und rückwärts, Hüpfen einbeinig nach vor- 
und rückwärts: all dies untersucht bei offenen und geschlossenen Augen. 

8 ) Siehe G. W. Mackenzie: Ueber die galvanische Erregbarkeit des 
statischen Labyrinthes. Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. 77. 


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ff. Goniometer 4 ). Hierbei erfolgte Neigung in den vier Haupt¬ 
richtungen: Vorn, hinten, rechts, links bei offenen und geschlossenen 
Augen. Die Untersuchung auf dem Goniometer wurden barfuß vor¬ 
genommen; um Gleiten zu vermeiden, wurde der Goniometer mit 
Kolophoniumpulver bestreut. In den Tabellen ist die Nomenklatur 
von Kümmel angewendet: vh — vorn hoch, hh hinten hoch, rh = 
rechts hoch, lh = links hoch. 

Ausführlicheres darüber siehe bei G. W. Mackenzie 5 ). 

10. Sehschärfe. 

11. Pupillen-Reaktion. 

12. Tiefe Reflexe. 

13. Koordination. 

Sämtliche Untersuchungen wurden, wenn es der einzelne Fall 
oder die Art der Untersuchung erforderte, mehrmale wiederholt. Es 
gilt dies besonders für die rücksichtlich des Goniometers mitgeteilten 
Untersuchungsresultate. Das Ergebnis der gesamten Untersuchungen 
ist in den folgenden Tabellen zusammengefaßt. 

Die kalorische Erregbarkeit des Labyrinthes ist an dem Material 
nicht untersucht worden. Bei intaktem Trommelfell ist bei der 
Prüfung mit kühlem Wasser, langdauerndes Berieseln notwendig, das 
häufig Uebelkeiten bei dem Untersuchten verursacht, dazu kommt noch 
bei unruhigen oder ängstlichen Patienten die Gefahr einer durch die 
Kanüle erzeugten traumatischen Ruptur des Trommelfelles. Bei 
trockener Perforation erscheint es aber zur Vermeidung eines möglichen 
Rezidivs der Mittelohreiterung nicht ratsam, die kalorische Prüfung 
vorzunehmen. Wir konnten auf diese Prüfung um so leichter verzichten, 
als für die Beurteilung der Erregbarkeit des statischen Labyrinthes 
die Untersuchung auf dem Drehstuhl und die galvanische Prüfung 
vollkommen ausreichen. 


4 ) Verwendet wurde das durch Alexander modifizierte von Steinscho 
Goniometer. 

6 ) Klinische Untersuchungen über die labyrinthären Gleichgewichts¬ 
störungen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Prüfungs¬ 
niethoden und des Goniometers. Monatsschrift f. OhrenheiLk. 11*08. 


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1 p p * r 4 ‘ |Gal 

Nystagmus pach Drehung | 

10 Umdrehungen nach beiden ^ 
i bei nach vorne geneigtem 
kein Nystagmus L 


10 Umdrehungen nach beiden i 
i bei nach vorne geneigtem, 
kein Nyst&gmus | L i 

10 Umdrehungen nach 1. bei 
vorne geneigtem Kopf rot. N. 
r. durch 4'*. Nach 10 Umdreh- ^ 
a nach rechts bei nach vorne 
gtem Kopf rot. N. nach links 
i 5" . J 

10 Umdrehungen nach links bei ^ 
vorne geneigtem Kopf rot. N. . 
r. durch 16". Nach 10 Um- _ 
angen nach r * bei nach vorne 
gtem Kopf rot. N. nach links 

i 10" 

10 Umdrehungen nach beiden W 
n bei nach vorne geneigtem 
kein Nystagmus ni 


| Tiefeu* Pupillen- 
| reflexe reaktion 


Koordination 


normal ' Auf Licht Keine Ataxie 
| prompt 


normal Auf Licht Keine Ataxie 

prompt 

normal Auf Licht Keine Ataxie 

prompt 


normal Auf Licht iKeine Ataxie 
prompt I 


»nd. 
W zu- 
vorn- 
nie n. 
^rat, 
psa 


10 Umdrehungen nach links bei 
vorne geneigtem Kopf rot. N. 
r. durch 25". Nach 10 Um- 
ungen nach r * b e * na °h vorne 
igtem Kopf rot. N. nach 1. durch 

10 Umdrehungen nach beiden 
tn bei n^ch vorne geneigtem 
* kein Nystagmus ^ 

10 Umdrehungen nach 1. bei jj 
vorne gezeigtem Kopf rot. N. 
r. durch 15". Nach 10 Um- _J 
xingen nach r. bei nach vorne ; 
>igtem Kopf rot. N. nach 1. durch 

10 Umdrehungen nach links bei p 
vorne gepeigtem Kopf rot. N. 

L r. durch 83". Nach 10 Um- p 
ungen nach r « bei nach vorne 
>igtem Kopf rot. N. nach links 
ti 27" F 


normal Auf Licht Keine Ataxie 
prompt! 


normal Auf Licht Keine Ataxie 
prompt 


normal Auf Licht Keine Ataxie 
prompt 

normal Auf Licht Keine Ataxie 
prompt 


normal Auf Licht Keine Ataxie 
prompt 


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— ‘285 — 


Die operative Behandlung der otogenen Fazialis¬ 
lähmung. 

Von 

Dozenten Dr. Ferdinand Alt in Wien. 

Der gelähmte Nervus facialis zeichnet sich durch eine außer¬ 
ordentliche Regenerationsfähigkeit aus. Nach Wochen, Monaten und 
selbst nach einem Zeiträume von mehr als einem Jahre sehen wir 
Lähmungen vollkommen ausheilen, welche infolge einer chronischen 
Mittelohreiterung oder im Anschlüsse an eine Totalaufmeißelung der 
Mittelohrräume aufgetreten sind. Die otogene Fazialislähmung ent¬ 
wickelt sich zumeist bei Cholesteatombildung durch Druckusur des 
Fallopischen Kanals und Kompression des Nerven oder bei Nekrosen 
durch Druck des Sequesters und Granulationswucherung. Nach Aus¬ 
räumung des kranken Gewebes schwindet die Kompression, und wir 
sehen mehr minder rasch einen Rückgang der Lähmungserscheinungen 
eintreten. Ebenso gehen die Paresen und Paralysen nach Verletzung 
des Nerven während der Radikaloperation meist zurück, und zwar um 
so eher, wenn nicht eine vollständige Durchtrennung des Nerven dabei 
erfolgte. Aber auch bei vollständiger Durchtrennung kommen prompte 
Heilungen zur Beobachtung, zumal die beiden Nervenenden in der 
Hohlrinne des Canalis Fallopiae einen Weg finden, wo sie wieder 
zusammenwachsen können. 

Immerhin verbleibt ein kleiner Rest von Fällen, welche trotz der 
sorgfältigsten konservativen Behandlung nicht ausheilen wollen, wie 
jedem Otologen bekanut ist, der über ein größeres operatives Material 
verfügt. Zur Behebung dieser Lähmungen haben Faure und Furet 
die Anlegung einer Anastomose mit dem Nervus accessorius bezw. 
hypoglossus empfohlen. Die Operation beabsichtigt, daß das kongenitale 
Akzessorius- bezw. Hypoglossuszentrum Willensimpulse für das Fazialis- 
gebiet übernehme. Ueber den Wert dieses Eingriffes will ich im 
späteren Verlaufe meiner Ausführungen sprechen. 

Zur Behebung der otogenen Fazialislähmung wurden noch andere 
Operationsmethoden empfohlen. Kümmel hat in der Diskussion zu 
einem Vortrage Schwartzes auf der 74. Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte in Karlsbad der Ansicht Ausdruck verliehen, 
daß die Lähmungen des Nervus facialis im Anschlüsse an Ohr¬ 
operationen, die trotz seiner bekannten Regenerationsfähigkeit Zurück¬ 
bleiben, vermutungsweise so entstehet!, daß die Wand des Fazialis- 


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kanales beim Meißeln in einer seinem Verlaufe annähernd senkrechten 
Richtung etwa keilförmig einbricht oder in den Kanal hineingedrängt 
wird und zwar gleichzeitig mit der Durchtrennung des Fazialis. 
Kümmel machte deshalb den Vorschlag, den Fazialis möglichst weit 
unten und oben aufzusuchen, die Nervenstümpfe in gewisser Aus¬ 
dehnung freizulegen, anzufrischen und die ganze dazwischenliegende 
Knochenmasse gründlich zu entfernen. So erleichtere mau r besonders 
wenn man noch eine Rinne für den Nerven herstellt, den durch¬ 
schnittenen Enden des Nerven die Möglichkeit der Wiedervereinigung. 
Kümmel hatte zur Zeit dieses Vorschlages noch keinen Fall nach 
dieser Methode operiert. 

Stacke berichtet im Jahre IffOH über einen Kranken, bei welchem 
von anderer Seite eine Ohroperatiou mit nachfolgender Fazialisparese 
ausgeführt worden war. Aus vitalen Rücksichten war eine zweite 
Operation notwendig. Der Nervus facialis zeigte sich am Fazialiswulst 
verletzt und war in alte, derbe Granulationen und Narbenstränge ein¬ 
gebettet. Der Nerv wurde mit dem scharfen Löffel vollkommen durch¬ 
trennt, aus dem Fallopischen Kanal herausgeklappt und nach Säuberung' 
von seinem Granulations- und Narbengewebe wdeder in den Kanal wie 
in eine natürliche Rinne hineingelegt. Erst nach fast zwei Jahreiv 
begann der Fazialis wieder funktionsfähig zu werden. 

Eine geniale Operationsmethode hat Gersuny im Jahre 1 ->0«> an¬ 
gegeben, welche, falls sie sich bewährt, Glänzendes leisten könnte, 
speziell in jenen Fällen, bei welchen der Stirnast wieder funktions¬ 
fähig geworden ist, während der Mundast noch schwere Lähmungs¬ 
erscheinungen darbietet, die jeder konservativen Behandlung trotzenr 
Gersuny will durch Vereinigung von zwei angefrischten Muskeln aus 
verschiedenen Innervationsgebieten die Entstehung eines einheitlichen 
Gebietes an bahnen, so daß die Funktion des einen der beiden zuge¬ 
hörigen Nerven von dem anderen Nerven übernommen werden könnte. 

G ersuny hat zur Behebung einer Fazialislähmung nach Ohroperatiou 
folgenden Eingriff ausgeführt: 

Der Museulus orbieularis oris wurde sowohl an der Oberlippe als 
an der Unterlippe nach Durc.hschneidung der SchLeimhaut parallel zum 
Lippenrot herauspräpariert und in der Mittellinie durchtrennt. Hierauf 
wurde die nichtgelähmte Hälfte in der Nähe des Mundwinkels de 
kranken Seite mit dem gelähmten Teile des Muskels vernäht. Die- 
Schleimhautwunde wurde durch Naht geschlossen. Es trat prompte 
Heilung ein. Allerdings bestand die Lähmung erst seit drei Monaten. 

Eine analoge Operation hat Gersuny bei Lähmung des Museulus- 
deltoides ansgeführt. Er wurde ziemlich weit unter den abgetrennten» 


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Musculus cucullaris geschoben und durch Naht mit demselben ver¬ 
einigt. Der Erfolg war ein sehr guter. 

Ich gelange nun zu den von mir geübten Operationen zur Be¬ 
hebung der otogenen Fazialislähmungen, welche durch die konservative 
Behandlung nicht beeinflußt werden konnten. 

Ich habe am Iß. Mai 190ß bei einem 7 1 2 jährigen Kinde die Radikal¬ 
operation der Mittelohrräume rechts ausgeführt, wobei das ganze 
knöcherne Labyrinth als Sequester herausgehoben werden konnte. Das 
Kind zeigte unmittelbar nach der Operation eine vollkommene Lähmung 
des rechten Fazialis, da ja ein mehr als 2 cm langes Stück des Nerven 
mit dem Labyrinthsequester entfernt worden war. Auffallend war es, 
daß vor der Operation nur eine leichte Parese des Nerven in allen 
Aesten bestand, daß also der Fazialis noch leitungsfähig war, trotzdem 
er durch das sequestrierte Labyrinth hindurchging, trotzdem der 
Meatus auditorius internus ausgeweitet und mit Granulationen erfüllt 
und der Nervenstamm am Austritt von Granulationen eingehüllt war. 

Die Nervenanastomose wurde von mir in folgender Weise aus¬ 
geführt: Knapp hinter der Ohrmuschel vor der Spitze des Processus 
mastoideus wurde ein etwa D /2 cm langer Schnitt in die Submaxillar- 
gegend geführt, der Nervus hypoglossus vor dem Biventer freigelegt 
und zentralwärts entlang dem vorderen Rande des Sternokleidomastoideus 
verfolgt und frei herauspräpariert. Sodann wurde der Nervus facialis 
am Foramen stylomastoideum freigelegt, nachdem die Parotis nach 
vorn und aufwärts geschlagen worden war. Knapp am Foramen stylo¬ 
mastoideum wurde der Nerv durchtrennt und durch zwei sehr feine 
Katgutnähte, welche senkrecht auf die Längsrichtung der Nervenfasern 
mit außerordentlich feinen Nadeln ausgeführt wurden, fixiert. Sodann 
wurde am Bypoglossus jene Stelle ausflndig gemacht, an welcher der 
Fazialisstumpf ohne jedwede Zerrung implantiert werden konnte, und 
daselbst durch einen Scherenschlag der Nerv bis etwa zur Mitte ein¬ 
geschnitten. In diesem Einschnitt wurde der Fazialis mit drei feinen 
Katgutnähten implantiert, wobei immer die Nadeln quer, i. e. senkrecht 
auf die Längsrichtung der Nervenfasern eingeführt wurden. Die Wunde 
wurde durch Naht geschlossen, nur im untersten Wundwinkel wurde 
ein Drainrohr eingeführt. 

Aus dem Dekursus möchte ich nur kurz hervorheben, daß 
zunächst eine Lähmung der rechten Zungenhälfte und geringe Schluck¬ 
beschwerden auftratenI letztere gingen rasch zurück. Bei der Ent¬ 
lassung aus dem Krankenhause nach zehn Wochen (1. September 190ß) 
wich die Zunge noch nach rechts ab, die rechte Zungenhälfte war in 
mäßigem Grade atrophisch. Die Lidspalte blieb bei Lidschluß nur 


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wenig offen. Im Mundast war keine aktive Beweglichkeit nachweisbar. 
Die Gesichtsmuskulatur zeigte keine Atrophie. Bei 2 M. A. schwache 
K. S. Z. im Mundast Nach weiteren drei Wochen am 24. September 
war die Asymmetrie des Gesichtes bei Ruhestellung nahezu vollkommen 
ausgeglichen, nur beim Sprechen und Lachen bemerkbar. Die rechte 
Lidspalte konnte bis auf einen kleinen Spalt geschlossen werden. 
Unmittelbar nach Streichbewegungen in der Orbikularisgegend wird 
sie vollkommen geschlossen. Die Zunge weicht noch nach rechts ab, 
geringe Atrophie der rechten Zungenhälfte. 

Da das Kind auf dem Lande lebt, sah ich es erst nach 1 1 \ Jahren 
wieder. Wenn ich den jetzigen Befund, den ich gemeinsam mit dem 
Neurologen Herrn Dozenten Dr. Marburg erhob, skizziere, so er¬ 
gibt sich: 

Die Asymmetrie des Gesichtes bei Ruhestellung ist vollkommen 
ausgeglichen, auch beim Sprechen und Lachen nur wenig ausgeprägt. 
Die aktive Beweglichkeit im rechten Faz : alisgebiet ist insofern wieder 
eingetreten, als die Lidspalte vollkommen geschlossen werden kann, 
und daß beim Zusammenpressen der Augen eine deutliche Bewegung 
im rechten Mundast mit Ausbildung einer markanten Nasolabialfalte 
zu sehen ist. Die Bewegung im Orbikularisgebiet ist zweifellos auf 
Innervation zurückzuführen, die Bewegung im Mundast ist sehr schwer 
zu deuten, da eine Mitbewegung oder eine leichte beginnende Kon¬ 
traktur nicht mit voller Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die 
galvanische Erregbarkeit ist einigermaßen wiedergekehrt, im Mundast 
tritt vom Muskel aus bei 4,1 M.-A. K. S. Z. auf. im Orbikularisgebiet bei 
3,8 M.-A. Die rechte Zungenhälfte ist im mäßigen Grade atrophisch, 
doch sind Bewegungen über die Mittellinie hinaus nach links aus¬ 
führbar. Die aktiven Bewegungen im Fazialis- und Hypoglossusgebiet 
erfolgen unabhängig voneinander. 

Ich muß hinzufügen, daß das Kind ziemlich unintelligent ist, einer 
unintelligenten Familie entstammt, so daß alle unerläßlichen Ma߬ 
nahmen nach der Nervenpfropfung, wie Massage, Elektrisieren, aktive 
Uebungen etc. nur in sehr mangelhafter Weise durchgeführt wurden. 

Die Nervenpfropfung war aus folgenden Gründen berechtigt: 
Es war auszuschließen, daß nach Entfernung des ganzen Labyrinths 
und Fehlen eines ziemlich beträchtlichen Stückes des Fazialis eine 
Wiedervereinigung des zentralen und peripheren Stumpfes und eine 
Wiederherstellung der Nervenfunktion spontan eintreten könne. Es 
handelte sich um ein Mädchen, für welches der zu erwarter.de kos¬ 
metische Effekt von nicht zu unterschätzendem Vorteile war. 


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Es wurden bisher im ganzen 89 Fälle von Nervenpfropfungen bei 
peripherer Fazialislähmung publiziert, davon 19 bei Paralyse nach 
Ohroperation. Wenn wir die Erfolge überblicken, so ist es zweifellos, 
daß durch diese Operation ein guter kosmetischer Erfolg erzielt 
werden kann, der durch die Wiederkehr des Tonus der gelähmten 
Muskulatur bedingt wird, die Asymmetrie des Gesichtes schwindet in 
der Ruhestellung vollkommen, sie ist nur beim Sprechen und Lachen 
ziemlich deutlich zu sehen. Es besteht keine Atrophie der Gesichts¬ 
muskulatur. Die aktiven Bewegungen kehren als Mitbewegungen bei 
Innervation der Schulter- bezw. Zungenmuskulatur wieder. In wenigen 
Fällen haben intelligente Patienten nach mehr als einjähriger Uebung 
und Behandlung der gelähmten Gesichtsmuskulatur mit Elektrizität 
und Massage es erlernt, die Bewegungen im Fazialisgebiet von den 
Bewegungen im Akzessorius- bezw. Hypoglossusgebiet zu dissoziieren. 

Bernhardt, der die bisher operierten Fälle einer kritischen Be¬ 
sprechung unterzog und die erwähnten Erfolge anerkennt, glaubt, 
daß eine Wiederherstellung der mimischen und willkürlichen Bewegungen, 
welche bei den verschiedenen Affekten und Gemütsbewegungen in 
beiden Gesichtshälften symmetrisch auftreten müssen, bisher kaum er¬ 
zielt worden sei. Bernhardt zieht die Anastomose mit dem Hypoglossus 
der Verbindung mit dem Akzessorius vor, da sich die postoperative 
Lähmung, Atrophie und die Mitbewegungen in dem herangezogenen 
Nerven nicht nach außen manifestieren. 

Die Erfolge werden überdies sehr schwer erkauft durch halb¬ 
seitige Zungenlähmung und halbseitige Zungenatrophie, die selbst 
nach Jahren nicht vollständig zurückgeht und dem Patienten be¬ 
trächtliche Beschwerden verursacht. Nicht minder bedenklich ist die 
postoperative Lähmung des Sternokleidomastoideus und Trapezius, 
welche als Parese fortbestehen und unter Umständen die Erwerbs¬ 
fähigkeit des betreffenden Patienten sehr beeinträchtigen kann. 

• Ich glaube, daß diese Nervenpfropfung für uns Otologen nur in 
Frage kommt, wenn bei der Radikaloperation ein großer Labyrinth¬ 
sequester mit dem größten Teile des Canalis Fallopiae entfernt würde, 
wenn also ein Zusammenwachsen des zentralen und peripheren Nerven- 
stumpfes geradezu ausgeschlossen erscheint. 

Es stehen uns viel einfachere und zumindest ebenso erfolgver¬ 
sprechende Methoden zur Verfügung, die ohne jede Schädigung eines 
anderen Hirnnerven ausgeführt werden können. 

Ich pflegte bei Operationskursen in cadavere zur Erläuterung der 
topographisch-anatomischen Verhältnisse den Canalis Fallopiae in seinem 
/horizontalen und vertikalen Anteile in einer Ausdehnung von je 5 mm 


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zu eröffnen und den Hörern den Nerven zu demonstrieren. Der Ein¬ 
grift' gestaltete sich jedesmal außerordentlich einfach. 

Auf Grund dieser Erfahrungen beobachte ich seit Jahren bei 
otogenen Fazialislähmungen, die Wochen oder Monate vor der Operation 
bestanden haben, mögen dieselben durch Cholesteatom oder durch 
Karies mit Granulationswucherung bedingt sein, folgenden Operations¬ 
vorgang: 

Ich wende während der Operation exakteste Blutstillung an, so 
daß das Gesichtsfeld durch Blutungen selbst aus feinsten Hautgefäßen 
gar nicht gestört wird. Wenn ich das Antrum und den Attik aus¬ 
geräumt habe, anämisiere icli durch reichlichen Gebrauch von Adrenalin 
die Gewebe so sehr, daß das Arbeiten in der Tiefe sich nicht schwerer 
gestaltet als eine Operation in cadavere. Es gelingt leicht, den Canalis 
Fallopiae zu besichtigen, eventuelle Fisteln, Usuren der Knochemvand 
ausfindig zu machen, den Kanal zu eröffnen, den Nerven zu inspizieren, 
durch sorgfältiges Abtupfen von anhaftenden Granulationen und ein¬ 
gedrungenen Cholesteatomschuppen zu befreien und auf diese Weise 
jede Kompression des Nerven zu beseitigen. Der 'Rückgang der 
Lähmungserscheinungen ist nachher in der weitaus überwiegenden 
Zahl der Fälle ein prompter. 

Man könnte mir den Einwand machen, daß auch ohne diese Frei¬ 
legung des Nerven sehr häufig ein Rückgang der Lähmungserscheinungen 
zu beobachten ist. Die Freilegung des Nerven und die beschriebene 
Reinigung des Canalis Fallopiae sichert aber «len Erfolg in hohem 
Grade. Selbst, wenn eine Verletzung des Fazialis bei diesem Eingriffe 
erfolgen sollte, ist das kein Unglück, da der verletzte oder selbst 
durchtrennte Nerv in die Rinne des Fazialkanals gebettet werden kann, 
woselbst die beiden Nervenenden wieder Zusammentreffen. 

An einem Beispiele möchte ich die Operationsmethode illustrieren. 

Frau Johanna S., 92 Jahre alt, Rechnungsassistentengattin, wurde 
von mir vor ungefähr 11 Jahren an der Klinik Politzer wegen einer 
Mittelohreiterung behandelt. Ich sah die Patientin durch 10 Jahre nicht, 
bis sie Mitte Juli 1907 in meinem Ambulatorium im Krankenhause 
Rudolfsstiftung mit einer kompletten Lähmung der rechten Gesichts¬ 
hälfte erschien, die seit fünf Wochen bestand. Der Gehörgang war 
mit übelriechenden Cholesteatom massen vollständig angefüllt. 

Ich nahm am 23. Juli die Radikaloperation vor und fand nach 
Ausräumung des Cholesteatoms aus Antrum und Attik, nach exaktester 
Blutstillung und Anämisierung der Gewebe mittels Adrenalin den 
Fallopischen Kanal in der Gegend des Fazialiswulstes in einer 
Ausdehnung von zirka 3 mm eröffnet, wobei sich zeigte, daß das 


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Cholesteatom in den Kanal eingedrungen war. Nach Reinigung der 
usurierten Stelle des Fazialkanales erwies sich der Nerv als ein dünner, 
vollkommen zerfranst aussehender Faden. Nach Abtragung der äußeren 
Knochenwand des Fallopisc-hen Kanals nach oben und unten zu 
luxierte ich mittels einer feinen Sonde den Nerven, reinigte durch 
sorgfältigstes Austupfen den Kanal und reponierte den Fazialis in die 
offene Halbrinne. 

Am 24. Februar 1908 konnte ich die Patientin in der Oester- 
reichischen otologischen Gesellschaft mit wiedergekehrter aktiver 
Beweglichkeit in allen Nervenästen und wiedergekehrter faradischer 
und galvanischer Erregbarkeit demonstrieren. 

In jüngster Zeit hatte ich Gelegenheit, als Ursache einer post¬ 
operativen Fazialislähmung, die nach Operation von anderer Seite auf¬ 
getreten war. einen anatomischen Befund zu erheben, wie er meines 
Wissens bisher noch nicht beschrieben wurde: Die 9 jährige Josefa H.. 
Tochter einer Bedienerin, wurde im Alter von 5 Jahren wegen eines 
Ohrenleidens von einem otiatrisch nicht geschulten Chirurgen in einem 
Kinderspitale operiert. Im unmittelbaren Anschlüsse an die Operation 
trat Lähmung der rechten Gesichtshälfte auf. Die Lähmung war eine 
komplette in allen Aesten, es bestand Lagophtalmus, der rechte Mund¬ 
winkel hing herab, die rechte Gesichtshälfte unterhalb des Jochbogens 
hatte ein pastöses Aussehen. Das rechte Mittelohr war bei fehlendem 
Trommelfelle, Hammer und Amboß vollständig epidermisiert. ebenst» 
der Attik. Ein Teil der hinteren oberen Gehörgangswand stand noch. 

Zur Behebung der seit vier Jahren bestehenden Fazialislähmung 
führte ich am 2<>. März 1908 folgenden Eingriff aus: Der Haut-Periost¬ 
schnitt und die Freilegung des Planum mastoideum wurden in 
typischer Weise ausgeführt. 

In der Gegend des Antrum fand icli eine linsengroße Lücke im 
Knochen, die zu einem trockenen Hohlraum führte. Das Antrum 
wurde breit eröffnet und erwies sich als epidermisiert. Die noch 
stehenden Anteile der hinteren oberen Gehörgangswand wurden ab¬ 
getragen. Es wurde exakteste Blutstillung durch Unterbindung auch 
der feinsten Gefäße durchgeführt, so daß das Gesichtsfeld vollkommen 
blutfrei erschien. Ein Tampon mit Adrenalinlösung wurde zum Blut¬ 
leerwerden der Gewebe aufgelegt, wodurch das weitere Operieren bei 
vollständig anämischem Gesichtsfelde erfolgen konnte. Durch immer 
neue Andrenalintampons wurde das Gewebe blutleer erhalten. Der 
Nervus facialis wurde in der Gegend des Fazialiswulstes freigelegt 
und zunächst durch Aufmeißelung des Canalis Faliopiae peripherwärts. 
sodann bis zur Eintrittsstelle des Nerven in das Cavum tympani frei- 


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präpariert. Der Fazialis war im horizontalen Teile des Falldopischen 
Kanals nicht von Knochen umgeben, sondern in straffes Narbengewebe 
eingebettet, aus welchem er herauspräpariert wurde. Der Nerv erwies 
sich in seinem ganzen Verlaufe in seiner Kontinuität nicht geschädigt. 
Um die Stelle einer eventuellen Läsion ausfindig zu machen, welche 
die Lähmung bedingt haben konnte, wurde nunmehr der Fazialis 
möglichst weit peripherwärts im Knochen freigelegt, ohne daß eine 
Kontinuitätstrennung desselben nachgewiesen werden konnte. 

Ich war durch den Umstand, daß ich eine solche nicht ausfindig 
machen konnte, einigermaßen unbefriedigt, da ich nicht annehmen 
wollte, daß die Einbettung des Nerven im Narbengewebe allein diese 
Paralyse hervorgerufen habe. Der weitere Verlauf belehrte mich aber, 
daß dem doch so war: Denn schon nach 3 Wochen war die Asymmetrie 
des Gesichtes in Ruhestellung ausgeglichen und es trat geringe aktive 
Beweglichkeit im Orbicularis oculi auf. Die pastöse Schwellung der 
rechten Gesichtshälfte war im Rückgang begriffen. 

Am 25. Mai wurde das Kind von dem Neurologen Professor 
Redlich einer Untersuchung unterzogen, welcher mir folgenden Be¬ 
fund zusandte: „Im oberen Ast, speziell im Orbicularis oculi, etwas 
aktive Beweglichkeit, auch im Frontalis Spuren von Beweglichkeit. 
Im Orbicularis faradische und galvanische Erregbarkeit spurweise er¬ 
halten, sonst anscheinend faradisch und galvanisch 0.“ 

Daß auch eine aktive Bewegung im Orbicularis oris eingetreten 
ist, beweist der Umstand, daß das Kind jetzt wieder pfeifen kann. 

Ich hoffe, in relativ kurzer Zeit, unter gleichzeitiger Anwendung 
von Elektrizität und Massage, die seit vier Jahren bestehende Fazialis¬ 
lähmung wesentlich zu bessern oder zu beheben. 

Die Chirurgen befolgen bei der Nervenplastik, falls sie keine 
Endzuend-Vereinigung des zentralen und peripheren Stumpfes aus¬ 
führen können, die Tubulär naht. Sie ermöglicht, daß die beiden 
Nervenenden auf dem kürzesten Wege wieder zusammenwachsen, und 
verhütet die Einbettung der Nahtstelle im Narbengewebe. 

Zu diesem Zwecke wurden dekalzinierte Knochenröhrchen von 
Vanlair, Magnesium von Payr, frische oder präparierte Arterien aus- 
dem Tierkörper von Foramitti und interponierte Katgutbündel 
zwischen den Enden der durchtrennten Nerven von Gluck und 
Bernhardt angegeben. 

Diese Tubulärnaht ist für den Nervus facialis während seines Ver¬ 
laufes im Mittelohr nicht notwendig, da wir in der offenen Halbrinne 
des Canalis Fallopiae einen Tubulus besitzen, der den Nervenenden 
als Wegweiser dient. Die Rinne ist tief genug, um den Nerven vor 


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Einbettung im Narbengewebe zu schützen; immerhin könnte man die 
Einlagerung des Nerven in den Fallopi sehen Kanal kombinieren mit 
dem von Gluck angegebenen Verfahren des interponierten Katgut- 
fadens („Suture des nerfs ä distauce“), wenn man einen winkelig ab- 
gebogenen Nadelhalter mit sehr dünnen Branchen und außerordentlich 
feinen Nadeln verwendet. 

In dem zuletzt beschriebenen Falle, bei welchem ich eine 
Neurolysis des Fazialis aus Narbengewebe ausgeführt habe, ein Ein- 
g«ff, der in der Chirurgie relativ häufig vorgenommen wird (Nerven¬ 
lähmungen nach Knochenbrüchen am Arme und Einbettungen des 
Nerven in das Kallusgewebe etc.), trat Heilung der Lähmung ein, 
ohne daß der Nerv durch neugebildetes Narbengewebe von neuem in 
seiner Funktion behindert worden wäre. 

. Um solchen Eventualitäten vorzubeugen, könnte die Tubulärnaht 
nach Foramitti herangezogen werden, ein Verfahren, das auch in dieser 
Region nicht auf technische Schwierigkeiten stößt. Es gestaltet sich 
folgendermaßen: Frische Arterien werden unter aseptischen Kautelen 
dem Tierkörper entnommen, in steriler physiologischer Kochsalzlösung 
abgespült und dann als schützendes Rohr über die Nahtstelle gezogen. 
Die präparierten Arterien werden in folgender Weise hergestellt: 
Frische steril entnommene Blutgefäße werden über Glasröhrchen 
gezogen, die dem Lumen des Gefäßes entsprechen, sodann durch 
48 Stunden in 5°/ 0 Formalinlösung gehärtet, durch 24 Stunden aus¬ 
gewässert und durch 20 Minuten gekocht. Die präparierten Arterien 
sind vorzuziehen, weil sie bei der Naht auf Distanz ihr Lumen auch 
bei ziemlichem Druck des umgebenden Gewebes oder des Tampons 
beibehalten, während die frischen Arterien kollabieren. 

Ich hatte bisher nicht Gelegenheit dieses Verfahren zu erproben, 
will es aber im gegebenen Falle versuchen. 

Ich möchte nicht den Vorwurf auf mich laden, zu optimistisch den 
Erfolgen dieser Operationsmethoden gegenüberzustehen, ich bin voll¬ 
kommen zufrieden, wenn meine Ausführungen die Anregung dazu 
bieten, Heilerfolge in Fällen zu versuchen, bei denen wir bisher ruhig 
die Hände in den Schoß gelegt haben. Das eine weiß ich sicher, daß 
viele otogene Fazialislähmungen, namentlich postoperative, durch 
außerordentlich geringfügige Ursachen bedingt sind, und daß die 
Lähmungen, wenn sie unter den angegebenen Kautelen angegangen 
werden, zur Heilung gelangen können. 

Im Anhänge will ich noch ganz kurz über einen Fall berichten, bei 
welchem eine otogene Fazialislähmung nach nahezu zweijährigem Bestände 
durch den von mir empfohlenen Eingriff vollkommen zurückgegangen ist. 


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Anton M., 7 Jahre alt, Eisengießerssohn, wurde im Dezember 1905 
in einem W iener Kinderspitale am linken Felsenbeine operiert und wies 
seither eine linksseitige Fazialislähmung in allen Aesten auf. Ich sah 
den Knaben zum erstenmale Ende April 1907. Es bestand eine putride 
Otorrhoe links bei verengtem Gehörgange und Granulationen in 
der Tiefe. Ueber dem Processus mastoideus war eine hellergroße 
retroaurikuläre Oeffnung. durch welche schwärzlich verfärbter, nekro¬ 
tischer Knochen zu sehen war: aus dieser Fistel entleerte sich übel¬ 
riechendes Sekret. 

Ich nahm am 3. Mai 1907 die Radikaloperation vor. Der ganze 
Processus mastoideus bestand aus Sequestern, nach deren Entfernung 
die Dura der mittleren und hinteren Schädelgrube in großer Aus¬ 
dehnung freilag. 

Die Fazialislähmung ging nach der Operation trotz Massage und 
Elektrizität durch .V/ 2 Monate nicht zurück, so daß ich am 17. Oktober 
1907 zur Behebung der Lähmung einen neuerlichen Eingriff vornahm. 
Es wurde die Wundhöhle nochmals eröffnet, exakteste Blutstillung 
und Anämisierung des Gewebes mit Adrenalin vorgenommen und die 
Gegend des Fazialiskanals genauest besichtigt. Es fand sich in der 
Gegend des Fazialissporns ein Knochensequester, der bis zur Prominenz 
des horizontalen Bogengangs reichte und die äußere und untere 
Wand des Fallopischen Kanals umfaßte. 

Die oben geschilderte, ausgedehnte Sequestrierung des ganzen 
Warzenfortsatzes hatte also auch die Wand des Fazialiskanals betroffen. 

Durch Entfernung des Sequesters und kleiner Knochenfragmente 
wurde der Nervus facialis in einer Ausdehnung von etwa ft mm frei¬ 
gelegt und erwies sich an der freigelegten Stelle als wesentlich verdünnt. 

Nach dem Eingriff wurden wieder alle Maßnahmen der konser¬ 
vativen Behandlung zur Anwendung gebracht, worauf die Lähmungs¬ 
erscheinungen in überraschend kurzer Zeit zurückzugehen begannen. 

In der Sitzung der Oesterr. otol. Gesellschaft vom 22. Juni 1908 
konnte ich den Knaben mit vollkommen wiedergekehrter aktiver 
Beweglichkeit in Stirn-, Augen- und Mundast demonstrieren. Es 
bestand demnach in diesem Falle eine Kompressionslähmung durch 
einen Knochensequester, welche nach Entfernung des Sequesters voll¬ 
kommen zurückging. 

Literatur. 

W. Kümmel: Diskussionsbemerkung in den Verhandlungen der 74. Ver¬ 
sammlung der Ges. deutscher Naturforscher und Aerzte 1902. 

L. Stacke: Diskussionsbemerkuug im Sitzungsbericht, der Berliner otol. 
Gesellschaft 1903. 


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— 295 — 


R. Uersuny: Eine Operation bei motorischen Lähmungen. (Wien. klin. 
Wochenschrift 1306, Nr. 10.) 

M. Bernhardt: Ueber Xervenpfropfung bei peripherer Fazialislähmung, 
vorwiegend vom lieurolog. Standpunkte. (Mitteil, aus d. Grenz¬ 
gebiete d. Med. u. Chirurgie 1906.) 

V Forainitti: Zur Technik der Nervennaht. (Arch. für klin. Chirurg., 
Bd. 73.) 

J. L Faure Furet: Traitem. chir. de ln paral. fac. Paris, Leve 1898. 


Zur Fensterresektion der verkrümmten 
Nasenscheidewand. 

Von 

Dr. K. M. Menzel. Nasen- und Halsarzt in Wien, 

Ende 1903 habe ich dem „Archiv für Larvngologie“ eine Arbeit mit 
dem Titel zur „Fensterresektion der verkrümmten Nasenscheidewand“ 
eingereicht, welche im ersten Hefte des Jahrganges erschienen ist. 

Die Arbeit fand große Beachtung und hatte eine ganze Reihe von 
Aufsätzen über den gleichen Gegenstand zur Folge. 

Es wurde unter anderem angeführt, daß Killian schon auf der 
71. Naturforscher-Versammlung zu München im wesentlichen die von 
mir zum erstenmale eingehend geschilderte und ent¬ 
sprechend gewürdigte submuköse Fensterresektion empfohlen 
habe. Zunächst aus äußeren Gründen, dann aus Mangel an richtiger 
Gelegenheit konnte ich mich bisher über den in Rede stehenden 
Gegenstand nicht äußern. Auf dem I. internationalen Laryngo- 
Rhinologen-Kongresse. der jüngst in Wien stattfand, hoffte ich nach 
dem Titel eines angemeldeten Vortrages (Doz. Fein), die folgenden 
Ausführungen passend in der Diskussion Vorbringen zu können. — Da 
aber dieser Vortrag aus Mangel an Zeit nicht gehalten wurde, und 
eine entsprechende Gelegenheit vielleicht noch lange auf sich warten 
lassen könnte, ziehe ich es vor, in Form eines selbständigen Referates 
meinen Standpunkt in dieser Frage zu präzisieren. 

Ich muß gestehen, daß mir das seinerzeitige Referat von Killian. 
"welches er im September 1899 in München erstattete, bei meinen 
Literaturstudien vollkommen entgangen ist, wie ich glaube, aus sehr 
plausiblen Gründen. Die kurze Mitteilung Killians — als etwas 
anderes kann man den 30 Zeilen langen offiziellen Kongreß-Bericht 
nicht auffassen — erscheint in der uns hier zugänglichen Literatur 
so gut wie nirgends referiert und wurde auch bis zum Erscheinen 


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— 296 — 

meiner Arbeit in der Praxis völlig unbeachtet gelassen^ 
Die jetzt so häufig geübte submuköse Resektion des 
knorpeligen und knöchernen Septums wurde in der Tat, 
soweit die Literatur darauf einen Schluß gestattet, nicht 
angewendet. 

Zum Beweise dessen führe ich an, daß ich die Sachregister sämt¬ 
licher mir zur Verfügung gestandenen laryngo-rhinologischen Zentral - 
und Referierblätter aus allen Jahrgängen bis zum Ende 1903, der Zeit, in 
welcher mein Aufsatz eingereicht wurde, sorgfältig und wiederholt 
durchgesehen habe, ohne auch nur mit einem Worte den Namen 
Killians in Verbindung mit einer Septum-Operationsmethode erwähnt 
gefunden zu haben. Weder das von Semon redigierte „Internationale 
Zentralblatt für Laryngo-Rhinologie“, welches ja sonst nicht nur über 
Kongreßberichte, sondern sogar über die periodischen Sitzungen der 
verschiedenen laryngologischen Gesellschaften ziemlich ausführliche 
Referate liefert und in seinen Sachregistern verzeichnet, noch die 
„Monatsschrift für Ohrenheilkunde“, noch die „Schmidtschen Jahr¬ 
bücher“, noch die Can stadtsehen „Fortschritte der medizinischen 
Wissenschaften“ oder die verschiedenen medizinischen Wochenschriften, 
enthalten etwas nach dieser Richtung. Ebenso lassen auch die sonst 
ausgezeichneten Lehrbücher in diesem Punkte vollständig im Stich. 

Kafemann empfiehlt in seiner nach dem Juni 1900 erschienenen 
„Rhino-pharyngologischen Operationslehre“ die blutige orthopädische 
Korrektur des Septums nach Asch. Bezüglich der rein blutigen 
Operationsmethoden sagt er folgendes: 

„Was letztere betrifft, so ist mir kein Verfahren be¬ 
kannt, welches sich allgemeiner Anerkennung erfreut. 
Soviel Operateure, soviel Methoden. Eine große Anzahl sind 
in der Fachliteratur genauer beschrieben. Ich nenne hier nur die 
Namen Krieg, P. Heymann, Rethi, Petersen, Hartmann,. 
Baumgarten.“ Für die auch den Knochen betreffenden Ver¬ 
krümmungen des Septums empfiehlt er ausschließlich die Bönning¬ 
haus sehe, welche denn auch bis in ihre Details geschildert wird. 
Der Name Killian ist nicht erwähnt, ebensowenig wie in dem 1902 
erschienenen „Lehrbuch der Krankheiten der Nase“ von Chiari. 
Es sei mir gestattet, in kurzem den auf unser Thema bezug¬ 
habenden Inhalt aus diesem Lehrbuche wiederzugeben. Chiari führt 
des näheren aus: 1. Die Methode von Blandin mit Durchlochung 
des Septums, 2. die Methode von Jurasz, 3. die von Asch, 4. eine 
vor Jahren von Hajek angegebene Methode und 5. „eine in neuerer 
Zeit besonders von Heymann, Bönninghaus, Petersen und 


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— 297 — 

Krieg bevorzugte Methode, welche aber schon 1847 von Heylen 
empfohlen wurde. Sie besteht darin, daß man die Weichteile über 
der Konvexität in einem oder mehreren Lappen, je nach der Größe 
der Abweichung, vollständig ablöst, dann Teile der Protuberanz, den 
ganzen deviierten Knorpel oder eventuell noch knöcherne Teile des 
Septums unter Schonung des Perichondriums und der Schleimhaut 
der Gegenseite mit Säge oder Meifel entfernt.“ 

„Wenn die Deviation wirklich hochgradige Beschwerden 
verursacht, ist es am zweckmäßigsten, in der Narkose den 
Nasenflügel vollständig von der Wange abzulösen (mit dem 
sogenannten Langenbeckschen Schnitt), wodurch man einen guten 
Einblick und Eingang in die Nasenhöhle gewinnt.“ 

Ferner enthält die damals neueste Auflage von Schechs „Lehr¬ 
buch der Nasenkrankheiten“ vom Jahre 1902 wohl ein sehr ausführ¬ 
liches Literaturverzeichnis über die Septumdeviation und ihre Be¬ 
handlung. Es enthält die diesbezüglichen Arbeiten von Anton r 
Bresgen, Cholewa, Hartmann, Jurasz, Krieg, Bönninghaus, 
Lange, Petersen, R6thi, Moritz Schmidt und Spieß u. a. m. 
Auch hier ist Killian mit keinem Worte erwähnt. 

Interessant sind auch die Erfahrungen, welche Moritz Schmidt 
über den in Bede stehenden Gegenstand gesammelt und in seinem be¬ 
kannten, 1903 in neuer Auflage erschienenen Lehrbuch, Seite 590 ff., 
niedergelegt hat. Er sagt unter anderem: „Ich kann hier nicht alle 
mehr oder weniger gelungenen Versuche anführen, womit man Abhilfe 
schaffen wollte. Sie bestanden entweder darin, daß man die Scheide¬ 
wand in ihre Lage zurückzudrängen suchte oder daß man die vor¬ 
ragenden Teile resezierte. Meiner Erfahrung nach haben sich nur drei 
Methoden als praktisch bewährt, die Behandlung mit Säge und Meißel, 
die Elektrolyse und die mit dem spitzen Galvanokauter.“ Von einer 
Erhaltung beider Schleimhautblätter ist bei Moritz Schmidt keine 
Rede. Er hat sogar ganz eigentümliche Anschauungen über die 
Schonung auch nur einer Schleimhautseite. Wir lesen hierüber: „Eine 
weitere Frage ist die, ob man bei einer Verbiegung der beiden Platten 
der Scheidewand über die Mittellinie hinaus durch vorsichtiges 
Abpräparieren die Schleimhaut der entgegengesetzten Seite 
schonen soll, um eine Perforation zu vermeiden. Abgesehen davon, 
daß der Lappen auch bei vorsichtiger Präparation doch leicht brandig 
wird und dann alle Mühe umsonst war, so fürchte ich die Perforation 
gar nicht.“ Hatte ich nach all dem nicht das Recht, die Erhaltung 
beider Schleimhautblätt'er als einen Fortschritt zn betrachten und zu 
veröffentlichen, hatte ich nicht Grund zur Annahme, daß die von mir 


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— 29S — 


geübte Methode neu sei? Auch in der Arbeit von Krieg, welche im 
„Archiv für Laryngologie“ Ende 1900 erschien, sucht man vergebens 
nach dem Namen Killian. ebenso wie in der hierauf von Bönning- 
baus gegebenen Erwiderung, die ebenfalls im „Archiv für Laryngologie“ 
und zwar anfangs 1901 abgedruckt wurde. 

Andererseits herrscht, wie aus dem Inhalte der nach 1899 zahlreich 
erscheinenden selbständigen Arbeiten über Korrektur der Septumdevi¬ 
ation hervorgeht, noch bis Ende 1903 eine gewisse Verwirrung in 
dieser Frage. Die Operationsmethoden und ihre Modifikationen schießen 
wie Pilze aus dem Boden hervor. Es wird eine ganze .Reihe von 
Methoden, namentlich aber blutige orthopädische Korrekturen, wie die 
von Asch, Kethi, Roe. Moure u. a. m.. empfohlen, meines Erachtens 
deshalb, weil die Methoden der Fensterresektion von Krieg und 
Bönninghaus denn doch nicht völlig befriedigten. 

All das ist ein Beweis dafür, daß die Mitteilung Killians in der 
Tat vollständig unbeachtet geblieben war, offenbar deshalb, 
weil sie nicht als ordentliche Publikation in einer der gangbaren Zeit¬ 
schriften erschien und weil über den dreißigzeiligen Kongreübericht 
keine Andeutung in den Sachregistern der verschiedenen Referierzeit- 
schriften zu finden ist. Ich glaube ruhig behaupten zu 
können, daß die Mitteilung Killians für die Praxis nicht 
existierte. Mir war sie naturgemäß ebenso unbekannt geblieben wie 
meinem damaligen Chef Doz. Hajek. was aus seinem meiner 
Arbeit beigefügten Geleitworte hervorgeht. Ich habe 
neuerdings wieder die bezügliche Literatur studiert, ohne zu einem 
wesentlich anderen Resultate gelangt zu sein. Nur an zwei Stellen 
fand ich eine Erwähnung der Killian sehen Mitteilung, nämlich 
in der „Zeitschrift für Ohrenheilkunde“, wo man eine so spezifisch 
rhinologische Arbeit referiert zu finden nicht erwarten konnte, ferner 
geriet mir eine kurze, gleichfalls nirgends referierte Arbeit von 
Bönninghaus in die Hand, welche im Jahre 1901 im „Archiv für 
Laryngologie“ erschienen war. Das ist die einzige Arbeit, welche 
Killians Mitteilung überhaupt erwähnt. Wäre Bönninghaus nicht 
Ohrenzeuge des Killian sehen Referates in München gewesen, nie 
hätte er hiervon Kenntnis gehabt. 

Aber gerade aus den Bemerkungen Bönninghaus* geht hervor, 
wie wenig er selbst die Mitteilungen Killians gewürdigt hat 
In dieser Arbeit von DK)1 heißt es wörtlich: „Seit dem Erscheinen 
meines Aufsatzes über die * Beseitigung schwerer Deviationen des 
Septums durch die Kriegsohe Resektionsmethode ist die Therapie 
der Septumdeviationen mehrfach Gegenstand von Meinungsäußerungen 


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— 299 -- 


gewesen. Auf der 71. Naturforscher-Versammlung in München 
September 1899 stand das Thema zur Diskussion. Killian als 
Einleitender stellte sich im allgemeinen auf den in 
meinem Aufsatze vertretenen Standpunkt. Ich selbst refe¬ 
rierte das Wesentlichste aus demselben. Im übrigen war die Dis¬ 
kussion zu kurz, um noch weiter klärend auf den Gegenstand der 
Tagesordnung wirken zu können. u Weiter findet sich auf der nächsten 
Seite folgendes: „Hartmann-Petersen erhält die Schleimhaut und 
Killian erklärte sich in München als Anhänger dieses Prinzipes.“ Nun 
setzt B. des Längeren auseinander, daß es im Interesse einer Ab¬ 
kürzung der Operationsdauer und des besseren Endeffektes doch das 
Zweckmäßigste ist, die Schleimhaut der konvexen Seite zu opfern. 

Weder darauf, noch auf die vielen anderen Arbeiten, welche, wie 
oben erwähnt, verschiedenartige, ganz unzweckmäßige und unver¬ 
läßliche Methoden der Korrektur des deviierten Septums empfehlen, 
hat Killian irgendwie reagiert. Seine erste ausführliche Arbeit über 
die Septumoperation hat Killian erst nach dem Erscheinen meiner 
Arbeit veröffentlicht,' weil er es selbst gefühlt haben mag, daß die 
kurze Mitteilung am Münchener Naturforschertage nicht genügt hat 
und nicht genügen konnte. 

Nach all dem oben Angeführten fühle ich mich veranlaßt, an 
dieser Stelle zu erklären, daß ich selbstverständlich keinerlei Absicht 
habe, die Priorität Killian8 in dieser Frage in Zweifel zu ziehen, 
ferner aber, daß ich ohne irgendwelche Kenntnis der von 
Killian auf der 71. Naturforscherversammlung gemachten 
Mitteilung meine seinerzeit veröffentlichte Modifikation 
der Kriegschen Fensterresektion bereits seit Mai 1902 übe 
und Ende 1903 publizierte. Meine Arbeit ist also unabhängig 
von Killian entstanden. Ich fühle mich zu dieser Erklärung 
um so mehr gedrängt, als ich meine Publikation nicht, wie sie von 
manchem aufgefaßt worden zu sein scheint, als gemeinsame 
Arbeit von Hajek und mir, sondern als ausschließlich eigene 
veröffentlicht habe und zu vertreten wünsche. 


Neuere Beobachtungen über die Phonasthenie. 

Von 

Sanitätsrat l>r. Theodor S. Flatau in Berlin. 

Der Zustrom einer großen Zahl von meist schweren und lange be¬ 
stehenden Erkrankungen an Phonasthenie hat mir Gelegenheit gegeben, 
das Bild dieser Erkrankungen seit meiner letzten Publikation über 


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— 300 — 


diesen Gegenstand wieder durch viele und nicht unwesentliche, bisher 
unbekannte Züge zu ergänzen. 

Ich will mich zunächst mit der Schilderung der Frühsymptome dieses 
Leidens beschäftigen; denn diese Epoche hat ihre besondere Wichtig¬ 
keit wegen des schleichenden Beginnes und wegen der ungemein 
häufigen Verkennung ihres Zusammenhanges. Auch ist diese Zeit der 
ersten Entwickelung vielfach sehr ausgedehnt. Es gibt Formen, die 
eine Reihe von Jahren der Vordauer umfassen, bis dann entweder der 
Zusammenbruch und eine größere Intensität der Erscheinungen den 
Weg der Erkennung erleuchten. Was die Erscheinungen selbst an¬ 
langt, so will ich mich auf diejenigen beschränken, die mir selbst 
aus dem in den letzten Jahren beobachteten Materiale neu und 
wichtig genug erscheinen. In erster Linie soll hier wieder der 
Schmerzen gedacht werden. Ein Zusammenhang mit dem phonastheni¬ 
schen Krankheitsbilde selbst geht schon daraus hervor, daß sie die 
phonische Aktion begleiten, daß sie mit ihrer Dauer sich steigern 
und im Ruhezustände allmählich abklingen. Neben den bekannteren 
phonasthenischen Hals- und Brustschmerzen habe ich den phonastheni¬ 
schen Nackenschmerz mehrfach ausführlich geschildert. 

Hier mag nun der phonasthenische Kieferschmerz angereiht werden. 

Er ist in einer Reihe von Fällen und zwar besonders bei der 
Rheseasthenie in einer wohl charakterisierten Form zu finden. Es war 
allen diesen Fällen gemeinsam, daß in den Kiefern selbst nicht der 
geringste Anhaltspunkt für die Schmerzen gefunden wurde. Auch die 
genaueste Untersuchung der Organe selbst mit allen unseren und den 
Untersuchungsmitteln von dentistischer Seite konnte zu keinem Anhalts¬ 
punkte führen. 

Die Intensität des Kieferschmerzes kann ganz enorm anw r achsen. 
Er beginnt im Unterkiefer, pflanzt sich über das Kinn fort und zwar 
beiderseits, nimmt dann beide Oberkiefer ein, um sich nach oben 
gegen den Kopf zu verlieren oder um sich mit dem schon bekannten 
Nackenschmerz zu verbinden. Auch geben die Kranken an, ein Gefühl 
großer Müdigkeit in den Lippen- und Wangenmuskeln zu haben. 
Druckschmerz und irgend ein objektiver Befund ist nicht vorhanden. 

Dann ist der Hyperästhesie und der Parästhesie innerhalb der 
Kehlkopfschleimhaut zu gedenken. Während der laryngeale Schmerz 
besonders in seiner Neuralgieform wohl bekannt ist, werden die 
hyperästhetischen Zustände und die anfangs infolge davon auftretenden 
Reaktionen meist nicht nach dieser Richtung gedeutet. Die Folge der 
hyperästhetischen Zustände sind Reizbewegungen, die dann auch objektiv 


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— 301 — 


wahrnehmbar sind. Hierher gehört der Hustenreiz, das phonasthenische 
Räuspern und der Schluckreiz, das phonasthenische Schlucken. 

Eigentümlich ist der Verlauf des phonasthenischen Hustens, der 
oft mit dem nervösen Husten zusammengeworfen wird. Unterschied 
ist, daß der phonasthenische Husten, ebenso wie das Räuspern, 
nur während der phonischen Aktion auftritt und zwar bedingt 
durch hyper- und parästhetische Zustände. Sehr häufig kann man 
die Erscheinung hervorrufen, so wenn von einem an Dysodie leidenden 
Sänger ein Ton ausgehalten werden soll. Dabei tritt bei dem Versuch, 
besonders beim Aushalten im piano, zuerst die beschriebene Sensation 
und dann regelmäßig der phonasthenische Husten auf. Er ist trocken 
und erst bei vielfacher Wiederholung kommt es zu einer geringen 
schleimigen Sekretion. Ebenso häufig ist das phonasthenische Räuspern, 
bei dem eine Sekretion überhaupt nicht vorkommt. 

Das phonasthenische Schlucken ist ebenfalls ein wenig bekanntes 
Symptom. In vielen Fällen dieser Art wird es, zumal solange 
•die Phonasthenie noch im Frühstadium ist, gar nicht in Zuzammenhang 
damit gebracht und besonderen, natürlich ergebnislosen Kurverfahren 
unterworfen. In typischen, schwereren und charakterisierten Fällen 
wird der Zusammenhang dieses Symptoms mit dem Leiden aber schon 
daraus ersichtlich, daß die Schluckbewegungen genau wie das eben 
beschriebene Reizsymptom während der phonischen Aktion auftreten. 

So beobachtete ich einen Prediger, der an dieser Erscheinung 
in der quälendsten Form litt. Nach einigen Sätzen seines Vortrages 
begann er bereits den Reiz in seinem Rachen zu spüren. Das Verlangen 
zum Schlucken mußte befriedigt werden, aber es trat bei Fortsetzung der 
Diktion wieder auf und steigerte sich allmählich durch den Zwang zur 
Wiederholung so sehr, daß der Träger des Leidens nur noch in Angst 
seine Funktion ausübte und schließlich verzweiflungsvoll sie unter- 
brechten mußte. 

In einem anderen Falle handelte es sich um einen Sänger, der 
möglicherweise durch übertriebene sogenannte Stauübungen den Keim 
zu diesem Leiden gelegt hatte. In allen Fällen dieser Art befestigte 
die genaue Beobachtung, sowie die funktionelle Prüfung die Diagnose 
auf Phonasthenie, durch die Feststellung der objektiven, im wesentlichen 
der akustischen Erscheinungen dieses Leidens. 

Damit wären wir bereits zu den objektiven Symptomen gekommen. 
Hierzu gehören ja die der Phonasthenie folgenden hör- und sichtbaren 
Schluck-, Räusper- und Hustenbewegungen. Es rechnen zu ihnen auch 
die in den Mienen solcher Phonastheniker sich aussprechenden Angst- 
.zustände. Die Angstgefühle vor der besonderen Störung können so 


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— 302 — 


stark seiu, daß es zu Herzklopfen, Blässe, Schweißausbruch kommt. I» 
schweren Fällen schließt sich dann daran das plötzliche Versagen 
der laryngealen Bewegung, eine Summe von Erscheinungen, die ich 
den phonischen Kollaps nennen möchte. In einigen schweren Fällen 
von Rheseasthenie habe ich die Patienten während ihrer Tätigkeit 
beobachten können. Dabei habe ich mich aus der Entfernung über¬ 
zeugt, wie die Reihenfolge der Erscheinungen war. Die Stimme wurde 
schwächer, matter; die geschilderten Reizerscheinungen häuften sich; 
Angstausdruck, Blässe traten im Gesicht auf, Schweißperlen wurden im 
Gesicht, an der Stirn, an den Schläfen sichtbar. 

Einigemale ging der Anfall noch vorüber, indem künstlich durch 
Wassertrinken markierte Ruhepausen gemacht wurden. In einem 
anderen schweren Falle half sich der Betroffene während des Vortrages 
durch Anschreiben von Tabellen und Namen an die Tafel. 

Kommen die Erscheinungen des phonischen Kollapses ganz zum 
Ausbruch, so hört die laryngeale Bewegung vollkommen auf. In 
einigen Fällen ist der Eindruck davon beängstigend. Die Atmung und 
selbst die Artikulation können dabei fortdauern, während der Patient 
nach der Stimme zu ringen scheint. Hier ist in der Tat eine ober¬ 
flächliche Aehnlichkeit mit dem Stottern vorhanden. Vor Verwechs¬ 
lungen schützte bei den meinerseits beobachteten Fällen das aufmerk¬ 
same Studium der Krankengeschichte, das ausschließlich vorkommende 
Auftreten dieses Symptoms auf der Höhe der gesamten phonischen 
Kollapserscheinungen, während andererseits die Abnahme der objektiven 
phonasthenischen Symptome und ihr völliges Verschwinden durch die 
Beseitigung der Phonasthenie gelang. 

Was die Entwicklung der Therapie anlangt, so sind im Ganzen in 
den letzten Jahren die von mir beschriebenen Behandlungsmethoden,, 
die sich vorzüglich bewährt haben, beibehalten worden. Was hinzu¬ 
gekommen ist. ist die kombinierte Verwendung der Elektrisation mit 
der Vibration. Ich habe zu ihrer Veranschaulichung einen Apparat 
dieser Art mitgebracht. Er ist gegen die früheren im ganzen erheb¬ 
lich verstärkt und mit abnehmbaren Elektrodenplatten versehen. Diese 
Verstärkung war deshalb geboten, weil bei der von mir neuerdings 
geübten Verwendung der Elektrisation besonders für die Bearbeitung 
der hohen Tonlage der faradische Strom öfters durch den intermittie¬ 
renden Gleichstrom ersetzt wurde, auf dem ich Intermittenzen bis zu. 
4400 in der Sekunde vermittels des Le du eschen Apparates verwende 
und diese sowie die faradische Applikation bald kombiniert mit meinem 
einstimmbaren Vibrator, bald jeden dieser Faktoren für sich, an dem¬ 
selben halsbandförmigen Apparat ein wirken lasse, der hier demoiv 


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— 303 — 


striert wird, lieber die Konstruktion des Leducschen Apparates sei 
kurz folgendes berichtet. Die Achse eines kleinen Motors bewegt ein 
Rad, deren Felge von vier Metallsegmenten gebildet wird. Sie sind 
von Zwischenstücken aus nichtleitendem Material unterbrochen. Auf 
der so gebildeteu Felge laufen nebeneinander zwei Bürsten, deren eine 
stellbar ist. Laufen diese Bürsten isochron, so ist der Strom nur eben 
unterbrochen, während sie die Isolierstücke berühren. Wird aber die 
bewegliche Bürste von der anderen entfernt, so wird die Reibungszeit 
auf den Metallstücken mit der Vergrößerung der Bürstendistanz ver¬ 
ändert: Wir haben also die Möglichkeit die Durchfließungszeit während 
der Intermittenzen zu regulieren. Die Zahl der Intermittenzen selbst 
gibt ein besonderer Rheostat mit einer Skala an, die bei meinem 
Instrument die Zahlen von 400 bis 4400 aufzeigt. 

Eine andere Reihe von Einwirkungen bezog sich darauf, bei den 
alten Formen von Phonasthenie mit hypokinetischen Funktionsstörungen 
und wie so häutig gleichzeitig mit Sekretionsanomalien eine schnellere 
und durchgreifend wirkende Verbesserung der Zirkulation und Ernäh¬ 
rung innerhalb der Kehlkopfbinnenmuskulatur zu erwirken. Wie schon 
früher bei manchen Erkrankungsformen der Atemwege, haben sich 
auch hier der allgemein chirurgischen Einwirkung analoge Maßnahmen 
als nützlich erwiesen. Während ich für die atrophische Form der 
Rhinitis vor längerer Zeit auf die günstige Wirkung eingeheilter 
Fremdkörper hinwies und so zu einer Radikalheilung mit dauerhafter 
Gewebszunahme und normaler Sekretion bei der atrophischen Rhinitis 
in ihrer fötiden Form hinweisen konnte, so ist mir hier die sinngemäße 
Anwendung der Bi ersehen Stauung so oft von hervorragendem Nutzen 
gewesen, daß ich auf dieser von mir gegen die Phonasthenie ange¬ 
wandten Wirkungsmethode mit kurzen Worten eingehen möchte. 

Es werden die nach der Größe des Schildknorpels gearbeiteten 
Saugnäpfe an beiden Seiten aufgesetzt und die Luftverdünnung in der 
gewöhnlichen Weise bei ziemlich starkem Druck und etwa bis 2 / ; , ihres 
Lumens angesogenen Staupfropfen allmählich hergestellt. Die Dauer 
der Applikation ist bei allmählicher Steigerung des Saugdruckes von 
mir bis zu :, / 4 Stunden ausgedehnt worden. Dabei tritt eine sehr 
energische Durchtränkung des Gewebes ein, wie in erster Linie aus 
der sich anschließenden gemeinhin über fünf Tage sich erstreckenden 
Funktionsverschlechterung folgt. Gewöhnlich habe ich nach dieser 
Applikation die stimmgymnastische Behandlung auch für fünf Tage 
unterbrochen. Wird diese dann wieder aufgenommen, so ist in wenigen 
Tagen ein weiterer Aufstieg deutlich sichtbar, so bei der Dysodie in 
den objektiven Erscheinungen in Gestalt der Höhenzunahme, subjektiv 


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— 304 — 


in einem weiteren Nachlaß der quälenden Symptome, der Druckgefühle, 
Schmerzen und dergleichen mehr. 

Das ist die Hauptform der Stauung bei der Phonasthenie. 

Sie wird noch in anderer Form von mir geübt, nämlich in einer 
leichteren, vorübergehenden, mit geringem Saugdrucke zu bewerk¬ 
stelligenden Art der Anwendung. Hierin gehe ich so vor, daß nur 
etwa eine Viertelstunde lang gestaut wird, und daß während dieser 
Zeit die stimmgymnastische Behandlung in einer etwas modifizierten Form- 
fortgesetzt wird, nämlich in Form der systematischen Widerstands¬ 
bewegung. Man kann sich bei laryngoskopischer Kontrolle überzeugen, 
daß während der Intonation durch einen leichten Zug an den Saugnäpfen 
eine Abduktion der Stimmlippen herbeigeführt werden kann. Es liegt 
auf der Hand, von welcher großen Bedeutung solche Einwirkungen 
während der Intonation werden können, wenn es sich darum handelt, 
zur Gewohnheit gewordene hypokinetische Phonationsbewegungen zu 
entfernen und andererseits bei insuffizienter Aktion die Kraft durch 
leichte Widerstandsbewegungen zu steigern. Nach den Erfahrungen 
der letzten Jahre halte ich diesen therapeutischen Faktor für ungemein 
schätzenswert. Ich möchte mich aber nicht dafür aussprechen, nun 
wahllos und isoliert mit diesem Rüstzeug etwa bei der Phonasthenie 
vorzugehen. Denn hier wird es sich stets darum handeln, die Gesamt¬ 
heit der Faktoren einer funktionellen Therapie in Rechnung zu 
ziehen, nicht aber eine Seite der Methode zur Schablone werden zu 
lassen. 


Extraduralabszess mit Sprachstörungen beim 
Erwachsenen. 

Ein kasuistischer Beitrag 

von 

Dr. Wilhelm Jansen, Buer i. Westf. 

Der Bergmann Johann L., 21 Jahre alt, erschien am 14. Sep¬ 
tember 1907 in meiner Sprechstunde mit Klagen über Kopfschmerzen 
und Schmerzen im linken Ohre. Die Untersuchung ergab eine rand¬ 
ständige Perforation hinten oben mit leicht fötider Sekretion aus dem 
Antrum. Der Warzenfortsatz war nicht druckempfindlich. Am folgenden 
Tage Aufnahme ins Krankenhaus. Temperatur 37,5. Die Behandlung 
bestand in Ansaugen des Sekretes und Ausspülung des Antrums mit 
Alkohol mittels des Paukenhöhlenröhrchens. Da bis zum 25. IX. eine 


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— 305 — 

Besserung der Beschwerden nicht eintrat und die Temperatur dauernd 
zwischen 37,5 und 38,2 schwankte, wurde die Aufmeißelung beschlossen. 

Am. 26. IX. verschlimmerte sich das Allgemeinbefinden wesentlich, 
und es stellten sich Sprachstörungen ein; der Patient verstand seine 
Umgebung und die Schwestern nicht und gab auf Fragen falsche oder 
unverständliche Antworten. Um 7 Uhr abends, als ich den Kranken 
untersuchte, war er stark benommen, unruhig und hatte deutliche sen¬ 
sorische Aphasie. Temperatur 40,1, Puls 84. Die Diagnose wurde 
hiernach auf Hirnabszeß im linken Schläfenlappen, ausgehend von 
einem kariösen Prozesse im linken Ohre, gestellt. 

Es wurde sofort zur Operation geschritten und Antrum und Pauken¬ 
höhle freigelegt. Die Zellen des Warzenfortsatzes waren nur in ge¬ 
ringem Grade in der Nähe des Antrums erkrankt; im Antrum selbst 
fanden sich einige Epithelschuppen und etwas nicht riechender Eiter. 
Ein Fistelgang in die mittlere Schädelgrube wurde nicht entdeckt. 
Es wurde deshalb die mittlere Schädelgrube nach v. Bergmann von 
außen eröffnet. Es entleerte sich bei der Eröffnung etwa ein Teelöffel 
nicht fötiden Eiters. Die Dura war ohne pathologischen Befund. 
Nach Spaltung der Dura wurde mit einem Messer etwa 5 cm tief nach 
verschiedenen Richtungen einige Mal in den Schläfenlappen eingestochen, 
aber kein Eiterherd gefunden. Darauf Tamponade und Verband. 

Am folgenden Tage war das Allgemeinbefinden etwas besser; die 
Somnolenz war geringer, Aphasie noch vorhanden, doch machte es 
den Eindruck, als ob Patient einzelne Fragen verstände und nur das 
richtige Wort zur Antwort nicht zu finden wüßte. Temperatur mor¬ 
gens 38,7, abends 39,5. Am nächsten Tage sank die Temperatur auf 
37 und 37,2 und blieb dann dauernd normal. Die Sprachstörungen 
verloren sich allmählich in etwa 8 Tagen. Patient gab hinterher an, 
daß er uns nach der Operation wohl verstanden hätte, er hätte aber 
nicht die richtige Antwort sprechen können. Patient wurde völlig geheilt. 

Zur Veröffentlichung dieses Auszuges der Krankengeschichte werde 
ich dadurch veranlaßt, daß bisher Sprachstörungen beim Extradural¬ 
abszeß beim Erwachsenen überhaupt selten gefunden wurden. Heine 
sagt in seinen „Operationen am Ohr“ über Extraduralabszeß, „die 
meisten, besonders wenn sie klein sind, machen überhaupt keine Symp¬ 
tome oder solche allgemeiner Natur“ und „Hirndrucksymptome sind 
verhältnismäßig selten; lokale flirnsymptome sind nach Körner fast 
nur bei Kindern beobachtet worden.“ In unserem Falle handelte es 
sich um einen extraduralen Abszeß von geringer Größe in der linken 
mittleren Schädelgrube, der sowohl Zeichen von Hirndruck sowie 
Sprachstörungen verursachte, bei einem Erwachsenen. Der Patient 


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stand allerdings in dem jugendlichen Alter von 21 Jahren. Die Som¬ 
nolenz, die auch noch nach der Operation einige Tage, zwar immer 
geringer werdend, anhielt, war doch wohl als Hirndrucksymptom an¬ 
zusprechen und nicht auf Konto der Temperatursteigerung und später 
der Narkose zu setzen. Gerade der Umstand, daß Sprachstörungen 
beim Extraduralabszesse des Erwachsenen höchst selten beobachtet 
wurden und die geringe Größe des Abszesses veranlaßten mich, die 
Dura zu eröffnen und Inzisionen in den Temporallappen zu machen. 
Ich hielt es für unwahrscheinlich, daß ein so geringer Druck, dem die 
Hirnmasse doch wohl leicht ausweichen konnte, Sprachstörungen ver¬ 
anlassen sollte, und anders war die Aphasie wohl nicht zu erklären. 
Ich würde jedoch nach dieser Erfahrung in einem ähnlichen Falle in 
Zukunft mich mit der Entleerung des extraduralen Abszesses begnügen 
und zur Inzision des Schläfenlappens erst dann schreiten, wenn in den 
nächsten Tagen eine Besserung nicht eintreten sollte; denn durch die 
Eröffnung des Duralraumes und die Inzisionen in das Gehirn werden 
die Heilungsaussichten sicherlich nicht vermehrt. 


Papillom der Uvula. 

Von 

Dr. Heinrich Haläsz. Spezialarzt in Miskolcz. 

Erfahrungsgemäß bildet im Mesopharvnx das Zäpfchen am häutig¬ 
sten den Sitz gutartiger Geschwülste. Es ist noch unentscliieden, ob 
die Mitbetätigung des Zäpfchens bei dem Schluckakte, oder die bei 
der Tonbildung vollbrachte größere Aktivität, Arbeit, Reizung den 
auf ihm wachsenden Neubildungen den Impuls zur Entstehung liefert. 
Obzwar die auf dem Zäpfchen sich bildende benigne Geschwulst 
meistens auf einem Stiele hängt uud infolge ihrer Ausdehnung auf die 
nachbarlichen Schleimhäute des Rachens und des Kehlkopfes durch 
ständige Berührung einen Reiz ausübt und bis zu einem gewissen 
Grade Hyperämie und Entzündung verursacht, — trotz alledem können 
Kranke in vielen Fällen das Papillom ohne auffallende subjektive 
Beschwerden, Jahre hindurch, ja sogar den Aufzeichnungen gemäß 
jahrzehntelang tragen. 

In jenen Fällen, wo infolge ihrer Heizung subjektive Beschwerden 
entstehen, verursachen sie Trockenheit im Halse, Zwang zum Hüsteln 
und, falls die Geschwulst bis zum Kehlkopfe hinabreicht, häutigen 
Hustenreiz eventuell Veränderungen der Stimme. 


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Doch selbst bei objektiver, oberflächlicher Untersuchung kann die 
kleine Geschwulst der Aufmerksamkeit entgehen, da sie infolge ihrer 
Schmiegsamkeit und der Biegsamkeit ihrer Stiele leicht hinter den 
weichen Gaumen oder die Seitenteile der Zunge gleiten kann, besonders 
wenn bei der Rachenuntersuchung nicht die Zungenwurzel hinab¬ 
gedruckt wird, sondern wie dies manche tun. die es nicht verstehen, 
daß sie mit dem Zungenspatel nur das vordere Drittel der Zunge 
hiuabdrücken, und ihre Hauptaufmerksamkeit auf die Tonsillen und die 
Gaumenbögen richten, währenddessen das hinter dem hinabgedrückten 
Teile der Zunge gelegene hintere Zungengebiet sich nach aufwärts 
wölbt und hinter dieser Vorwölbung die von der Spitze des Zäpfchens 
herabhängende kleine Geschwulst leicht nach rückwärts gleitet und 
eventuell mit Speichel reichlich bedeckt unbemerkt in den Hypopharynx 
hineinragt. 

In dem eben mitzuteilenden Falle will ich ebenfalls einen kleinen 
am Zäpfchen hängenden Tumor beschreiben, welcher bei dem Kränkeln¬ 
der wegen Heiserkeit an mich gewiesen wurde, bei der von einem 
anderen Arzte vorgenommenen Rachenuntersuchung unbemerkt blieb. 

Der 14 jährige Schüler F. L. wurde von einem Kollegen, zu dem 
sich derselbe zur Erlangung eines amtlichen Zeugnisses zur Aufnahme 
in die Lehrerpräparandie wendete, mit der Weisung an mich gewiesen, 
ich möge die Ursache seiner Heiserkeit eruieren, ob sie nicht ernster 
Natur sei? 

Die Mutter, die den Knaben begleitete, gab an, daß die Heiserkeit 
und die zeitweise auftretende Stimmlosigkeit bei ihrem Sohne seit 
ungefähr einem Jahre bemerkbar sind, den Rachen des Kindes hat 
man schon wiederholt untersucht, doch nie eine besondere Ursache 
für die Heiserkeit gefunden. 

Bei der Rachenuntersuchung fällt sofort nach Hinabdrückung des 
Zungengrundes ins Auge, daß von dem auch sonst vergrößerten 
Zäpfchen an einem 8—4 mm breiten Stiele eine etwas über 1 cm 
lange etwa haselnußgroße Geschwulst hinabhängt, welche die Gestalt 
eines Kleeblattes nachahmt, an ihrer Oberfläche papillomatös höckerig 
und von normaler Schleimheit bedeckt ist, und durch ihre Länge in 
den Hypopharynx herunterhängend den Kehldeckel nach unten über¬ 
ragt. An den hinteren und Seitenwänden des Rachens, auf der 
Epiglottis, sowie auf den echten und falschen Stimmbändern sind 
Symptome der chronischen Entzündung wahrnehmbar. Diese Zeichen 
der Entzündung sind sicherlich durch die tief in den Kehlkopf hinunter¬ 
hängende gestielte Geschwulst — zweifellos Papillom — durch fort¬ 
währende Berührung entstandene Reizung verursacht. 


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Das Papillom habe ich über seinem Stiele mit der Schere in ge- 
w ohnter Weise durchschnitten und ließ von dem Zäpfchen nur ein 
normal großes Stück zurück. Die Stimme des Kranken klärte sich 
bald ohne jede Behandlung. 

Aus dem mitgeteilten Falle kann man zwei Folgerungen ableiten: 
Erstens, daß wir bei der Hachenbesichtigung —- wenn wir dort sehen 
wollen — die Zunge immer mit dem auf die Zungenwurzel ge¬ 
legten Spatel hinabdrücken müssen; zweitens, daß die in den meisten 
Fällen symptomlos bestehende Geschwulst des Zäpfchens chronische 
Heiserkeit verursachen kann. 


Laryngo-otologische Gesellschaft München. 

41. Sitzung am 13. Mai 1907. 

Vorsitzender: Dr. Hader. 

Schriftführer: Dr. Böhm. 

Vortrag von Dr. W. Böhm: Ueber Sprachstörungen und 
deren Ursachen. 

Es wird ein kurzer Ueberblick über die verschiedenen Arten von 
Sprachstörungen gegeben, deren anatomische Grundlagen, so weit vor-, 
handen, und deren Entstehungsursachen besprochen. Auch der Sym- 
ptomenkomplex der einzelnen Sprachfehler wird geschildert und an Bei¬ 
spielen erläutert. Zum Schluß wird noch die Therapie angedeutet. 
(Vortrag erscheint in extenso in dieser Zeitschrift) 

Diskussion. 

Herr Dr. Mader: Bezüglich des Sitzes und der Funktion des 
Sprachzentrums dürfte folgender Fall, den ich als junger Landarzt zu 
sehen Gelegenheit hatte, nicht ohne Interesse sein: An einem Sonn¬ 
tag nachmittag vergnügten sich große und kleine Kinder mit Karussell¬ 
fahren und Ringelstechen. Bei letzterem Spiele bekommt man ein 
Instrument in die Hand, das einen Holzgrifi hat, aus welchem ein 
bleistiftdicker, etwa 10 cm langer, gerader Eisendraht hervorragt. 
Dieses Instrument nun stieß ein etwa lBjähriger Bursche, damit 
während der Fahrt herumfuchtelnd, seinem zusehenden, etwa 5jährigen 
Brüderchen bis ans Heft in den Schädel. Ich wurde sogleich gerufen, 
entfernte das Instrument und verband das Kind usw. Der Verlauf 
der Verletzung war ein sehr guter, indem die Wunde tadellos heilte, 
aber das Kind hatte die Sprache vollständig verloren. Es erkannte 
wohl Gegenstände und wußte damit umzugehen, allein benennen konnte 


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es nichts mehr. Es aß zum Beispiel einen ihm gereichten Apfel, aber 
sagen, was das sei, das konnte es nicht. Es mußte ihm die Benennung 
eines jeden Gegenstandes neu gelerut werden. Messungen ergaben, 
daß die Verletzung die dritte linke Stirnwindung getroffen hatte. 

Herr Dr. Hecht demonstriert eine Patientin mit chronischer 
Kieferhöhleneiterung, die nach Denker radikal operiert wurde. Der 
Kieferhöhlenprozeß ist vollständig ausgeheilt und Patientin dauernd 
beschwerdefrei. Patientin wurde vor Jahren anderweitig von der Alveole 
aus angebohrt und dabei ein sehr weiter Bohrkanal angelegt, der durch 
einen dicken Gummistöpsel abgeschlossen wurde. Trotz energischen, 
auch später nochmals wiederholten Kürettements ist der Kanal bis 
jetzt noch nicht vollkommen zugeheilt, doch ist eine Plastik nicht 
nötig, da das Lumen nur noch für eine feine Sonde durchgängig ist. 
Es ist beabsichtigt, die Schleimhautauskleidung des Kanales mit dem 
Spitzbrenner zu verschorfen, um dadurch eine Verwachsung zu erzielen. 
Der Vortragende weist erneut auf das Unzweckmäßige der weiten 
Alveolarbohröffntpigen hin, wie er es bereits in seinem November¬ 
vortrag (cf. diese Monatsschrift, 1907, Nr. 1) getan. 

42. Sitzung am 17. Juni 1907. 

Vorsitzender: Prof. Haug. 

Schriftführer: Dr. Böhm. 

Dr. Neumayer: Zur Kasuistik der intrakraniellen Kom¬ 
plikationen bei Stirnhöhlenerkrankungen. 

Der Vortragende berichtet über zwei Fälle von Stirnhöhleneiterung, 
bei denen durch die Hinterwand der Stirnhöhle ein Fortschreiten der 
Erkrankung auf das Schädelinnere erfolgte. 

In dem einen Falle handelte es sich um tertiäre Lues mit Zer¬ 
störung der vorderen und hinteren Stirnhöhlen wand; bei dem zweiten 
Falle lag ein Empyem der linken Stirnhöhle im Anschluß an eine In¬ 
fluenzaerkrankung vor. Trotz Eröffnung der intrakraniellen epiduralen. 
Eiterherde erfolgte in beiden Fällen der Exitus durch Meningitis. 

(Ausführliche Mitteilung erscheint in dieser Zeitschrift.) 

Dr. Rud. Hoffmann: 

1. Demonstration eines Falles von subakuter spinaler 
Muskelatrophie mit bulbären Symptomen. (Rekurrens- 
paralyse rechts, Postikusparese links.) 

2. Vorstellung eines Patienten mit einem malignen 
Tumor, ausgehend vom'rechten großen Keilbein fl Ügel, der zu 
rechtsseitiger Optikusatrophie und Ausfallserscheinungen 
im motorischen und sensiblen Trigeminus geführt. 


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Jodkali und Atoxyl ohne besonderen Erfolg. Später Ophthalmoplegia 
totalis und Optikusatrophie links. Autopsie: Karzinom des Keilbeines. 

Prof. Haug: 

Abreißung der Ohrmuschel* Zerreißung des Gehörganges 
— völlige Atresie des Meatus, eitrige Mittelohrentzündung 

Patient, ein landwirtschaftlicher Arbeiter, gibt an, im August 1906 
bei der Feldarbeit einen Unfall erlitten zu haben, indem die Pferde 
scheuten und mit dem Wagen durchgingen. Hierbei kam er zu Fall* 
wurde geschleift und überfahren. Bewußtlos wurde er in ein Landkrankeu- 
haus gebracht, woselbst seine Wunden nach Über 3 Wochen heilten. 
Dann wurde er ambulatorisch behandelt und ging vor 8 Wochen wieder 
in das Krankenhaus, wo er bis zum 2. II. 07. blieb. —Vor 10 Jahren 
habe sich Patient ebenfalls durch einen Unfall einen Leistenbruch zti- 
gezogen. Sonst sei er immer gesund gewesen. Gehört habe er immer 
ganz gut, auch seien seine Augen gut gewesen. 

Seine jetzigen Klagen sind Schwerhörigkeit, besonders links 
"(Taubheit), schmerzhafte Empfindungen im Kopfe, namentlich auf der 
linken Seite, sowie Sehstörungen. Auch Schmerzen in der Tiefe des 
linken Ohres und Schwindel ist vorhanden. — (Er ist von der Berufs¬ 
genossenschaft an die Klinik zur operativen Behandlung verwiesen.) 

Die objektive Untersuchung ergibt: Einen Finger breit über dem 
Tragus beginnend an der Insertionslinie des Helix zieht sich eine 
Narbe über die ganze Zirkumferenz der Ohrmuschel längs der ganzen 
Insertionslinie herüber: zum Teil ist diese adhürent. 

Rückwärts, in der Höhe des Ohrmuschelrandes, zirka fingerbreit nach 
hinten, findet sich eine Impression des Schädels, in welche man die 
Fingerkuppe hineinlegen kann. Der linke Gehörgang ist völlig 
durch Narbengewebe verschlossen; in der unteren Partie der Ver¬ 
narbungsstelle dringt die Sonde etwa 3—4 mm tief ein. aber es geht 
nicht die Spur einer Oeffnung durch. 

Der rechte Gehörgang ist völlig normal: Trommelfell mäßig ein¬ 
gezogen: speziell auf der Shrapnellschen Membran weist es einen 
pathologischen Reflex und Einziehungsnischen auf. Außerdem ist es 
noch ziemlich stark trüb und zeigt eine nicht unbeträchtliche Injektion 
längs der Hammergriffsgefäße und gegen die Shrapnellsche Membran 
zu, ohne daß irgend welche äußere Reizeinwirkung zurzeit statt¬ 
gefunden hätte. Promontorium schimmert andeutungsweise durch. 

Funktionelle Prüfung. 

Links: Konversationssprache = V 2 m, Flüstersprache = O. Weber 
latoralisiert nach links. Rinn^ negativ. T’iitereTongrenze G 2 . Galton = O- 


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Rechts: Konversationssprache = 2 m und Flüstersprache =- 0,5 
bis 0,7 m. Rinne negativ. Untere Tongrenze G 2 . Galton 1,5. 

Der Augenbefund (kgl. Universitäts-Augenklinik) ergibt eine 
Abducenslähmung des linken Auges mit typischen Doppelbildern. Seh¬ 
schärfe beider Augen ( 5 / 4 ) intakt für die Ferne und Nähe nach 
Korrektur seiner Alterssichtigkeit. Im Augenhintergrunde besteht 
eine ziemlich pralle Füllung der Venen. Mäßige Einengung des 
Gesichtsfeldes für Blau und Rot. 

Am 20. II. 07. Operation der Atresie. Bei der Operation 
wird der Hautschnitt neben der Insertionslinie der Ohrmuschel bis 
gegen den M. temporalis zu nach oben geführt, Haut und Periost 
durchtrennt. Dabei kommt im unteren Wundwinkel die Art. auricul. 
poster in die Schnittlinie, die eine äußerst störende Blutung verursacht, 
welch letztere aber auf Ligatur und Umstechung steht. Starke Narben 
zeigen sich in der Schnittlinie, die sich bis auf den periostalen Ueberzug 
des Warzenfortsatzes und Gehörganges fortsetzen, erschweren das Vor¬ 
gehen in ziemlich erheblicher Weise. Nach Stillung der Blutung 
wird der Gehörgang mit dem Gehörgangshebel vollständig losgelöst. 
Bei und nach Ablösung des knorpligen Gehörganges ergießt sich aus 
der Tiefe eine Portion dicken Eiters, der offenbar hinter der Stenose 
zurückgeblieben war. Man kann jetzt bei genauer Besichtigung kon¬ 
statieren, daß das Trommelfell perforiert ist und Zeichen einer eitrigen 
Mittelohrentzündung bestehen. Es erweist sich das Trommelfell als 
ziemlich stark nach einwärts gedrückt und an der unteren Hälfte 
erodiert resp. perforiert. 

Nun wird der Gehörgang von vorn her mit dem Messer zunächst 
in vertikaler Richtung gespalten und dann mit der anatomischen Pin¬ 
zette stumpf vorgegangen, bis das Instrument aus der hinteren Oeffnung 
des Gehörganges herausragt. Zugleich wird nun die Spaltung des 
Gehörganges in horizontaler Richtung ausgeführt bis in die knorpeligen 
Partien hinein, so daß also jetzt vier kleinere Lappen am Eingänge 
sitzen. Außerdem wird noch der Gehörgang wie bei der Radikal¬ 
operation gespalten zur weiteren Ausdehnung der Plastik. Nun wird 
von der hinteren knöchernen Gehörgangswand, um den Meatus möglichst 
breit zu gestalten, mittels des Meißels eine ziemliche Partie schalen¬ 
förmig abgetragen. Hierauf sorgfältige Adaptierung der Plastiklappen, 
exakte tiefe Tamponade des nunmehr sehr weit gewordenen Gehör¬ 
ganges samt Zurücklagerung desselben. Schluß der hinteren Wunden 
durch die Naht. Der Verlauf war folgender: Die Verbände wurden 
erst alle drei Tage, später täglich gewechselt, nachdem der erste post- 
operative Verband acht Tage lang gelegen war behufs gehöriger 


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Fixierung. Am 14. Tage wurde ein Teil der Nähte abgenommen. Die 
Tamponade des Meatus erhielt das neugebildete Lumen schön weit 
auf, so dall das Epithel sich gut bilden konnte. Selbstverständlich 
wurden von Zeit zu Zeit Granulationen, die sich üppig erwiesen, mit 
Chromsäure im Schache gehalten. 

Da sich trotz aller sorgfältigsten Tamponade doch immer wieder 
eine Art strikturierenden Ringes unmittelbar hinter dem Meatuseingang 
bildete, wurde versucht, diesen mit einem Glastrichter zu bekämpfen, 
allein es erwies sich das ebenso wenig praktisch als ein solcher aus 
Zelluloid, so daß wir schließlich wieder zur einfachen Gazeeinlage 
zurückkehrten, aber die Gaze mit Salbe umhüllten. Auf diese Weise 
gelang es endlich, nicht nur die Epidermisierung, sondern auch die 
Weite des Lumens in völlig genügender Ausdehnung zu halten, so 
daß der Prozeß Anfang Mai als abgeschlossen betrachtet werden 
konnte. Patient bleibt aber einstweilen zur Nachbeobachtung noch hier. 

Funktionell konnte am 7. V. 07. nachfolgender Befund erhoben werden: 

Links Flüstersprache: ad coneham, C 7 schlecht vernommen, rechte* 
Flüstersprache 0,50—0,75 m, Untere Tongrenze beiderseits G 2 . 

Rinne links H- 25 | , 
rechts + 17 l a 
Galton links 0,0 
rechts 1,0 

Trommelfell links ziemlich stark getrübt, grauweiß, verdickt; Narbe 
in der unteren Hälfte. Injektion längs des Hammergriffes und in der 
oberen Partie. Starke Einziehung. Die neugeschaffene Meatuslichtung 
ist gut frei. Der Augenhintergrund weist, wie auch gleich nach der 
Operation, keine Füllung der Venen mehr auf. 

43. Sitzung am 4. November 1007. 

Vorsitzender: Prof. Haug. 

Schriftführer: Dr. Böhm. 

Demonstrationen von Dr. Hoffmann: 

1. Diaphragma laryngis. 

11 jähriges Mädchen mit leichtem Stridor seit einer früheren Diph¬ 
therie. Dicht unter der Rima sitzt ein halbmondförmiger Narbenzug. 

2. Frau mit Erythema nodos um. 

Seit einiger Zeit Nase beiderseits verlegt durch Granulome an den 
vorderen Enden der unteren Muscheln und am Septum. Differential¬ 
diagnose zwischen Erythem und Lues der Nase durch Röntgenaufnahme 
sofort entschieden, da letztere den Defekt eines großen Teils der 
rechten unteren Muschel und diffuse Infiltration der Mukosa der 


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Kiefer-, Stirnhöhle und des Siebbeinlabyrinthes der rechten Seite er¬ 
gab. Auf spezifische Kur Rückgang der Erscheinungen. 

3. Demonstration von nach May gefärbten Präparaten 
von Streptococcus mucosus (cfr. Münch. Med. Wochenschr. 1907, 
No. 47, und Centralblatt f. Bakt. 1908). 

Es werden nach Lumi^re gefertigte farbige Photogramme 
dieser und anderer Präparate gezeigt. 

Demonstrationen von Dr. Hecht: 

1. Zahn aus der orbitalen Bucht der Kieferhöhle, stammend von 
einer wegen chronischer Kieferhöhleneiterung nach Denker radikal 
operierten Patientin. 

2. Mehrere Röntgenphotographien der Nase und ihrer Nebenhöhlen 
behufs differentialdiagnostischer Besprechung nebst Krankenvorstellung. 

3. Eine große, das Cavum nasi ausfüllende, aus der Kieferhöhle 
stammende Cyste. 

4. Patient mit eigenartigen Schluckstörungen. 

5. Bericht über einen Fall hereditärer Lues mit vollkommenem 
Defekte beider Nasenbeine. 

(Erscheint in extenso in der Monatsschrift für Ohrenheilkunde.) 

Dr. L. Lingg: Kasuistische Mitteilung über 2 Fälle von 
Blitzschlag. 

Neben einem kurzen Rückblick der in der Literatur verzeichneten 
Fälle von Blitzschlag, bei denen das Gehörorgan in Mitleidenschaft 
gezogen wurde, führt Referent 2 Fälle eigener Beobachtung an. 

Der erste Fall betrifft einen 36jährigen Mann, der auf seinen 
Einspännerwagen sitzend während eines Gewitters vom Blitz getroffen 
wurde. Der Blitz fuhr durch den Hut und setzte auf dem rechten 
Scheitelbeine eine stark blutende Wunde, in deren Umgebung die 
Haare verbrannt waren. Von da gingen zwei blutunterlaufene Streifen 
den Rücken entlang. In der Lendengegend, wo der Patient am 
Eisenteile des Wagens anlehnte, entstanden 2 Brandwunden, die sich 
bei der Untersuchung bereits vernarbt zeigten, aber noch Rötung und 
Pigmentation der Hautstelle aufwiesen. Von hier sprang der Blitz 
auf das feststehende Messer über, zerriß die Hose an dieser Stelle und 
fuhr entlang dem Wagen in die Erde. Patient, dem der Hut herunter¬ 
gerissen wurde, fiel rücklinks in den Wagen, war l 1 /* Stunden be¬ 
wußtlos, blutete stark (ob auch aus Nase und Ohr ist ihm unbekannt) 
und erbrach viel. In der Zeit nach dem Unfälle litt Patient an starkem 
Schwindel, der erst nach ca. 14 Tagen zurtickging. Gegen das be¬ 
ständige Ohrensausen wurde ihm dann vom Arzte, der rechts eine 
Trommelfellperforation konstatierte, etwas eingeträufelt, worauf sieb 


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neuerdings Schwindel mit Erbrechen und große Schmerzhaftigkeit ein¬ 
stellte, die nur langsam zurückging, so daß Patient 3 Wochen nach 
dem Unfälle wieder fahren konnte. 

Der Befund in dieser Zeit bestand in starker Rötung und leichter 
Vorwölbung des Trommelfelles. Eine Perforation konnte nicht nach¬ 
gewiesen werden. Die Hörfähigkeit war in einem dem akut entzünd¬ 
lichen Zustande entsprechenden Maße gestört. Eine nervöse Störung 
konnte nicht nachgewiesen werden. 

Der zweite Fall betrifft einen 15 jährigen Jungen, der auf dem 
Felde vom Blitz getroffen wurde. Patient fiel zu Boden und war zwei 
Tage bewußtlos. In der ersten Nacht trat Erbrechen auf; am linken 
Schläfen- und Scheitelbein waren die Haare über dem Ohre angeblich 
versengt, die Haut soll schwarz geworden sein, doch wurde keine Ver¬ 
letzung der Haut gefunden. Die ersten acht Tage war Patient sehr 
schläfrig und schwindelig, das linke Auge und Ohr waren schmerz¬ 
haft. Von ärztlicher Seite wurden dann Einspritzungen ins linke Ohr 
gemacht, nachdem sich (zirka 8—10 Tage nach dem Unfall) eitrige 
Sekretion eingestellt hatte. Die Sekretion sistierte zirka 14 Tage, um 
dann unter Schmerzen von neuem anzufangen und erst nach Ablauf 
von zwei Monaten wieder aufzuhören. . Zur Zeit der Untersuchung 
(zirka 3 72 Monate nach dem Unfälle) hört Patient auf dem linken Ohr 
noch schlecht. 

Objektiv ergab sich beiderseits Zerumen, nach dessen Entfernung 
sich links weder eine Perforation noch eine Narbe, lediglich die Er¬ 
scheinungen eines chronischen Tubenkatarrhes fanden. 

Diskussion. 

Herr Wann er fragt, ob Herr Lingg glaubt, daß die Ohr¬ 
erkrankung mit dem Blitzschlag in Zusammenhang steht. 

In der weiteren Diskussion wendet sich W. gegen die Diagnose 
.„chronischer Tubenkatarrh“ und möchte über den typischen Funktions¬ 
befund Aufklärung haben. 


„Eingesendet. (( 

Dr. Spira ersucht um folgende nachträgliche Mitteilung zu seinem 
Aufsatze: „Seltener Fall einer kombinierten angeborenen Mißbildung 
des äußeren Gehörganges“ (in dieser Monatsschrift, 1907, Nr. 11): 
Seite ßf»5- erwähnt Verfasser, daß nur wenige Fälle bekannt seien, 
„in denen neben angeborenem Verschluß des äußeren Gehörganges 


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eine wohlgebildete Ohrmuschel angetroffen wurde (Oberteuffel, 
Jacobson, Blau und Török)“. Verfasser wurde aber nachträglich 
darauf aufmerksam gemacht, daß in der zweiten Versammlung der 
Deutschen otologischen Gesellschaft zu Frankfurt a. M. (1893) Ludwig 
Wolff ebenfalls einen Fall kongenitaler Atresie beider Gehörgänge 
ohne Deformität der Ohrmuscheln demonstriert hat (Arch. f. O., 
XXXV., p. 132). Bei derselben Gelegenheit hat Hartmann die 
Photographie eines Falles von angeborener Atresie mit ziemlich nor¬ 
maler Ohrmuschel gezeigt. 


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Kritiken. 


Handbach der Physiologie des Menschen. In 4 Bänden herausgegeben 
von W. Nagel. IV. Bd., II. H., 2. Teil Physiologie des Nerven- und 
M uskelsy stems. 

Schon einmal haben wir Gelegenheit genommen, nachdrücklich auf 
dieses Werk aufmerksam zu machen, indem wir der Ueberzeugung 
sind, daß das Erscheinen eines Handbuches der Physiologie, an desseu 
Bearbeitung so hervorragende Kräfte beteiligt sind, auch von Seite 
unseres Spezialorganes nicht unbeachtet bleiben darf. Was das vor¬ 
liegende Heft anlangt, so finden wir darin zunächst eine lehrreiche 
Darstellung der Protoplasmabewegung durch O. Weiß, weiter eine 
interessante Zusammenstellung der Flimmerbewegung aus der gleichen 
Feder. Was aber für unser engeres Gebiet besondere Beachtung ver¬ 
dient, ist die Bearbeitung der Physiologie der Stimmwerkzeuge durch 
W. Nagel. Auf ein reiches Studium der Literatur über die Anatomie 
und Physiologie * dieses Gegenstandes gestützt, hat der Autor es ver¬ 
standen, dieses schwierige Gebiet mit größter Vollständigkeit in einer 
Form darzustellen, welche bei Wahrung voller Uebersicht die Lektüre 
zu einer höchst anregenden gestaltet. Gerade heute, wo die Physiologie 
und Pathologie der Sprache in den Vordergrund gerückt erscheint, 
wird man die besprochene Bearbeitung mit großem Nutzen zu Rate 
ziehen. H. v. Schrötter. 

Die entzündlichen Nebenhöhlenerkr&nkungen der Nase Im Röntgen¬ 
bilde. Von Prof. Dr. A. Kuttner. Mit 20 photographischen Tafeln. 
Berliu 1908, Urban & Schwarzenberg. 

Wenn ein so bekannter Vertreter unseres Faches sieh entschließt, 
ein solches Werk her auszugeben, so kann man schon im voraus an¬ 
nehmen, daß die von ihm gemachten Erfahrungen beweisend für die 
Wichtigkeit dieser neuen Untersuchungsmethode sind. Aus seinen Er¬ 
fahrungen ist zu entnehmen, daß, wenn im Röntgenbilde keine Ver¬ 
schleierungen zu sehen waren, in keinem Falle dennoch entzündliche 
Vorgänge gefunden wurden, was bei der einfachen Durchleuchtung vor- 


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kommen kann. Allerdings kamen Fälle vor, bei denen speziell in der 
Kieferhöhle Verschleierungen gefunden wurden, aber bei der Punktion 
negativen Befund ergaben. Deshalb hebt Verfasser in dem Vorworte 
besonders hervor, daß der Röntgenbefund allein noch kein Beweis einer 
floriden Erkrankung sei, aber das Röntgenbild kann und wird bei noch 
vollkommenerer Technik noch mehr die klinische Diagnose stützen und 
fördern, manchmal sogar leiten. 

Die einfache Durchleuchtung war bisher bei den Stirnhöhlen¬ 
erkrankungen ein sehr guter Behelf, die Siebbeinerkrankungen konnten 
aber nicht untersucht werden. Die grolle Wichtigkeit und den Erfolg 
der Röntgenbilder sehen wir besonders.in dem Umstande, daß wir bei 
der Durchleuchtung zu gleicher Zeit die vorderen sechs Nebenhöhlen 
überblicken können und daß wir über die Größe und Form der Stirn¬ 
höhle mehr erfahren als bei der früheren Durchleuchtung. 

Verfasser bespricht, die Technik, das Instrumentarium und die 
Röntgenbilder, und beleuchtet kritisch, was diese leisten können. Er 
bespricht dies in wenigen treffende:! Worten, klar und überzeugend. 
Die Auswahl der betreffenden Kranken, die auf den wirklich sehr 
schönen Tafeln figurieren, ist eine sehr glückliche und lernt der, der 
noch nicht mit dieser Untersuchungsart vertraut ist, leicht die Rönt¬ 
genbilder lesen und verwerten. 

Die photographischen Tafeln Nr. 7, 13, 19 sind besonders schön aus¬ 
gefallen und sind künstlerisch reproduziert. 

Was uns noch fehlt, wäre eine Tafel mit Aufnahmen von normalen 
Kinderschädeln in den verschiedenen Altersstufen. 

Die K u t t n e r sehen Tafeln werden daher den Fachleuten eine 
willkommene Bereicherung ihrer Bibliothek bilden, an den Kliniken 
hingegen für den Unterricht nicht zu entbehren sein. 

Baumgarten. 


Referate. 


a) Otologische. 

Weitere klinische Erfahrungen über die Behandlung von akuten 
Mittelohreiterungen mit Stauungsbyper&mie nach Bier. Aus der 

k. Universitäts-Ohrenklinik zu Halle a. S. (Direktor Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. H. Schw T artze). Von Stabsarzt Dr. F. Isomer, Privatdozent und 

l. Assistenzarzt der Klinik. (Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 75.) 

Isemer verwirft im allgemeinen die Stauungshyperämie zur Be¬ 
handlung von akuten Mittelohreiterungen, er hat nur bei Staphylo¬ 
kokkeneiterungen günstige Resultate gesehen. Die schmerzstillende 
Wirkung ist zweifellos, kann aber für den Patienten ein Danaer¬ 
geschenk darstellen, da notwendige chirurgische Eingriffe versäumt 
werden können. Alt. 


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Ein Fall von rechtsseitigem Schläfenlappenabszess kombiniert mit 
Labyrinthflstel mit Ausgang in Heilung. Vou Dr. Paul Konietsho, 
Ohrenarzt in Bremen. (Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 73. Festschrift, Herrn 
Geh. Med.-Hat Prof. Dr. H. Schwartze zu seinem 70. Geburtstage ge¬ 
widmet.) 

Chronische Mittelohreiterung, rechtsseitiger Schläfenlappenabszeli 
von 5 cm Höhendurchmesser und ca. 5 Eßlöffel Eiter Inhalt. Alt. 

Ueber die osteomyelitischen Erkrankungen des Schläfenbeines. Von 

Dr. Riester in Odessa. (Zeitschr. f. Ohrenheilk , LIV, 3 u. 4.) 

R. hält es für geboten, nur solche Fälle als Osteomyelitis zu be¬ 
zeichnen, bei welchen das klinische Bild der akuten infektiösen 
Osteomyelitis vorliegt, während für die rein lokal auftretenden osteo¬ 
myelitischen Knochenerkrankungen am Schläfenbein ohne die Anzeichen 
einer Allgemeininfektion sich die Benennung als Ostitis mehr eignet, 
da eben der anatomische Charakter jener Erkrankung der Ostitis ent¬ 
spricht. An der Hand von vier eigenen Beobachtungen auf der Heidel¬ 
berger Universitäts-Ohrenklinik und einer Kritik der bisher in der 
Literatur bekannt gewordenen Fälle bespricht R. eingehend die in 
Betracht kommenden Verhältnisse. Keller. 

Fünf Schläfenbeine mit Brüchen. Klinische und pathologische Mit¬ 
teilungen, IX. Von Rudolf Pan so in Dresden-Neustadt. Mit 12 Ab¬ 
bildungen nach Zeichnungen dos Verfassers (Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 75 ) 

Fünf Frakturen des Schläfenbeines, davon stammen vier von 
Autopsien. Die Zeichnungen der mikroskopischen Präparate sind sehr 
schön und übersichtlich. Alt. 

Beiträge zur Histologie der erworbenen Taubstummheit. Aus der oto- 
laryngologischen Universitätsklinik zu Basel. Von Dr. Nager. (Zeitschr. 
f. Ohrenheilk., LIV, 3 u. 4.) 

1. Fall von Taubstummheit nach Masernmeningitis; Sektion drei 
Jahre nach Entstehung (tötliches Trauma). Es fanden sich die Residuen 
einer abgelaufenen Otitis interna in Form von Bindegewebs- und 
Knochenneubildung im perilymphätischen Raume, sowie beträchtliche 
degenerative Erscheinungen an den epithelialen und nervösen Elementen 
des Vestibulär- und Cochlearapparates vor. 

2. Taubstummheit nach Trauma. Patient im 64. Jahre an Magen¬ 

krebs gestorben; durch Aufschlagen eines Balkens auf den Kopf seit 
dem vierten Lebensjahre taubstumm. Eine frühere Frakturstelle ließ 
sich innethalb der Felsenbeine nicht mehr nachweisen; als anatomisch¬ 
histologisches Substrat der Taubheit fand sich eine chronische oblite¬ 
rierende, teils fibröse, teils knöcherne Labyrinthitis. Keller. 

Ein atypischer Fall von Sinnsthrombose nnd Kleinhirnabszess. Von 

Privatdozent Dr Bo enninghaus in Breslau. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., 
LIV, 3 u. 4.) 

Der Fall ist dadurch bemerkenswert, daß sich infolge einer Mittel¬ 
ohreiterung ein Empyem in einer größeren pneumatischen Okzipitalzelle 
mit sekundärer Sinustlirombose dicht am Torkular entwickelt hatte, 


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— 319 — 


und daß es von hier aus zur Bildung eines großen Kleinhirnnbszesses 
in der hinteren Hälfte des Cerebellums gekommen war. Der Abszeß, 
welcher bei der Operation trotz eifrigen Süchens nicht gefunden wurde 
und erst bei der Sektion einriß, war seitlich mit der Dura fest ver¬ 
wachsen. Keller. 

Ueber die vom Ohre ausgehenden Durchbruchs- und Senkungsabszesse 
am Halse. Aus der k. k. Universitäts-Ohreuklinik in Wien (Vorstand 
Hofrat Prof. Politzer). Von Dr. Rudolf Leidler, Demonstrator der 
Klinik. (Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 75.) 

Nach 14 aus der Klinik mitgeteilten Fällen sowie nach den 
aus der Literatur bekannten Fällen wird folgende Einteilung der 
Senkungsabszesse nach anatomischen Prinzipien gegeben: 1. Durch¬ 
bruch der Warzenfortsatzspitze, 2. durch die Tube längs der Tube 
resp. im Canalis musculotubarius, 3. Perforation des äußeren Gehör¬ 
ganges, 4. längs dem oder durch das Emissarium mast., 5. vom Pauken¬ 
höhlenboden aus «Karies oder kongen. Defekt), 6. durch Perforation 
der thrombosierten V jugular. int., 7. längs dem Canal, caroticus, 
8. von der Felsenbeinspitze aus. Alt. 

Entfernung eines Fremdkörpers aus dem Ohre mit dem Elektromagnet. 

You Dr. G. Alexander in Wien. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIV, 3 u. 4.) 

Es handelte sich um eine im Gehörgange lest eingekeilte Stahl¬ 
kugel, deren Entfernung durch Ausspritzungen ui.d Pinzette (von anderer 
Seite) vergeblich versucht worden war, dann aber sofort bei Applikation 
des Hirsehbergschen Elektromagnete i gelang. Keller. 

Obertonfreie Stimmgabeln ohne Belastung. Von Prof Dr. Edelmann 
in München. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIV, 3 u. 4.) 

Um den ersten Oberton verschwinden zu lassen, muß man der 
Stimmgabel eine solche Form geben, daß jener Ton identisch mit 
ihrem Plattenton wird, d.h. demjenigen Tone, welcher entsteht, wenn man 
die Gabel nicht in der gewohnten Weise zum Schwingen bringt, sondern 
durch Anschlägen in ihrer Mitte oder am Stilende, nachdem man 
sie vorher auf zwei hölzerne Schneiden aufgelagert hat. Außer dem 
ersten Oberton wirkt bei vielen Gabeln auch noch die nächst höher¬ 
liegende Oktave des Grundtones in beträchtlichem Maße störend; zur 
Beseitigung dieses Uebelstandes ist die Verlegung des Schwerpunktes 
der Zinken nach außen erforderlich, was am einfachsten dadurch zu 
erreichen ist, daß man die Zinken nicht parallel stellt, sondern ihnen 
oben einen größeren Abstand voneinander gibt, als unten am Scheitel. 
— Die wissenschaftliche Begründung vorstehender Daten ist im Original 
nachzusehen. Keller. 

Ueber die Einrichtung eines geräuschlosen Untersuchungszimmers. 

Von H. Z waardemakor in Utrecht. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., LIV, 3 u. 4.) 

Z. gibt die ausführliche Beschreibung eines im dortigen physio¬ 
logischen Institute belegenen Zimmers, welches zur Ausführung akusti¬ 
scher Untersuchungen gegen das Eindringen äußerer Störungen sowie 


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— 320 


gegen Schallreflexion der Wände durch sehr weitgehende Vorkehrungen 
geschützt worden ist Er rühmt die größere Exaktheit der Unter¬ 
suchungsergebnisse und besonders auch den großen Zeitgewinn bei 
den Prüfungen, weshalb er auch für ohrenärztliche Kliniken sich große 
Vot teile von einem solchen geräuschlosen Untersuchungszimmer ver¬ 
spricht. Näheres ist in der Arbeit selbst nachzusehen. Keller. 


b) Rhinologische. 

Beitrag zur Kasuistik des Heufiebers. Von Wretowski in Warschau. 

(Gazeta Lekarska 1905, 23—25.) 

Verfasser beschreibt zunächst seine eigene Krankheit. Dieselbe 
begann vor neun Jahren mit im Frühjahre,“ zumeist in den Abend¬ 
stunden auftretenden Augenschmerzen, Lichtscheu, Tränenträufeln, 
starke Rötung der Konjunktiva. In den zwei folgenden Jahren ge¬ 
sellte sich um dieselbe Zeit ein sehr qualvoller Nasenkatarrh hinzu; 
Kauterisation der hypertrophischen Nasenmuscheln ohne Erfolg. Vor 
sechs Jahren der erste ausgesprochene Anfall: Nach einem zwei¬ 
stündigem Aufenthalte auf dem Felde heftiges Zwicken, Jucken und 
Rötung in den Augenwinkeln und in der Nase. Nach einer Stunde 
Erleichterung. Wiedei holung der Anfälle nach kurzen Unterbrechungen. 
Kopfschmerzen, allgemeine Abgeschlagenheit, Temperaturerhöhung bis 
HS°. Ruhige Nacht. Am anderen Morgen Wiederholung der Anfälle, 
erst nach einigen Tagen Nachlassen derselben, fortschreitende Besserung. 
Die Anfälle werden immer seltener und schwächer, steigern sich jedoch 
in trockenen, sonnigen Tagen, um bei kühlem, regnerischem Wetter 
abzunehmen. Ein Gefühl von Kratzen in den oberen Luftwegen blieb 
aber konstant. Dauer der Krankheit vom 0. Juni bis 20. Juli. — In 
den folgenden Jahren dasselbe Bild um dieselbe Zeit. Aufenthalte in 
dem 900—1000 m über dem Meeresspiegel gelegenen Zakopane, wo 
das Blühen der Gramineen später erfolgt, bewirkte im Juli frische 
Anfälle. Ausflüge in tiefer oder höher gelegene Gegenden erwiesen 
sich von günstigem Einflüsse auf die Krankheit. Ebenso wirkte das 
Rauchen von Zigaretten und das Durchblasen des Rauches durch die 
Nase günstig. Später konnte W. beobachten, daß Vermeiden der duft¬ 
geschwängerten Felder und Triften, Aufenthalt in dicht verschlossenen 
Räumen und kühles, feuchtes, regnerisches Wetter günstig, hingegen 
die Sonnenstrahlen exzitierend auf Intensität und Frequenz der Anfälle 
einwirken. 

Als Ursache der Anfälle beobachtete W. in erster Reihe den ein¬ 
geatmeten Blutenstaub der Gramineen und Getreidearten, in zweiter 
direkte Einwirkung der Sonnenstrahlen, Staub, Eisenbahnfahrt bei 
offenen Fenstern und schließlich Furcht vor einem Anfall. Diese 
Schädlichkeiten trachtete W. in den letzten Jahren mit Erfolg zu ver¬ 
meiden. Aus der Anamnese erfuhr Verfasser noch, daß eine Schwester 
seines Vaters und die Mutter seiner Mutter in ihrer Jugend an ähn¬ 
lichen Aulallen litten. W. selbst ist gesund, kräftig gebaut, doch mit 


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— 321 — 


einem empfindlichen Magen, mit empfindlichen Nerven und arthritisoher 
Diathese belastet. 

Weiterhin bespricht Verfasser an der Hand der Literatur die ver¬ 
schiedenen Ansichten über Aetiologie, Pathogenese, allgemeine und 
lokale Therapie dieser Affektion. Das Heufieber gehört zu den 
„aristokratischen“ Krankheiten, da kulturell höher gestellte Kreise 
häufiger von derselben befallen werden, Stadtbewohner sind mehr 
dazu inkliniert als Landleute. Wichtige ätiologische Faktoren sind: 
Heredität, arthritische und neuropathische Disposition. Spira. 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Diaphragma der Trachea im Anschluss an Diphtherie und erschwertes 
bezw. unmögliches Dekanülement. Aus dem Alexanderkrankenhaus 
zu C-öln a. Rh. Von Dr. Heinr. St rohe, dirig. Arzt der chirurg. Abt. 
Vortrag, gehalten am 20. November 1005 im Allgemeinen ärztl. Verein 
zu Cöln. (Münchener mcd. Wochen sehr., 53. Jahrg., Nr. 15.) 

Verfasser stellt eine 18 jährige Patientin vor, hei der er 15 »Jahre 
früher wegen Diphtherie die K rikotraeheotomie lutsgefiihrt hatte. 
Trotz aller Versuche konnte die Kanüle nicht weggelassen werden; sie 
blieb bis zum 18. Lebensjahre liegen. Das Spiegelbild des Kehlkopfes 
ergab jetzt unter den gut beweglichen Stimmbändern eine etwa steek- 
nadelkopfgroße Oeffnuug, die für eine narbige Verengerung der Tra¬ 
chea angesehen wurde. Da dieselbe weder mit Tuben, noch mit dem 
Galvanokauter, noch mit Sonden erweitert werden konnte, entschloß 
Verfasser sieh zu einem blutigen Eingriff. Hierbei fand sieh oberhalb 
der Trachealöffnung eine die ganze Rundung der Luftröhre einneh¬ 
mende Leiste, die knorpelhart mit breiter Basis aufsaß und mit schar¬ 
fer Kante in das Lumen ragte. Da dieselbe spiralförmig verlief, so 
erschien nur eine ganz kleine OetTnung im Spiegelbild, die sieh außer¬ 
dem bei Bewegungen der Trachea durch Uebcrcinandergreifen der 
Leistenenden völlig schloß, so daß ein Filtrieren derselben nicht mög¬ 
lich war. Es gelang durch Exzision dieser Leiste, durch fünf Wochen 
langes Tragen einer Sehornstciiikaniile und durch plastischen Ver¬ 
schluß der Trachealöffnung das Mädchen zu heilen, so daß Patientin, 
zwar : och etwas heiser, aber mit für jeden verständlichem Ton spricht 
(Demonstration). Verfasser ist weit davon entfernt, mit. der Her¬ 
stellung normaler Verhältnisse in Fällen von erschwertem bezw. un¬ 
möglichem Dekanülement so lange zu* warten, als empfehlenswertes 
Verfahren hinzustellen, rät aber, einen operativen Eingriff nicht vor 
dem 10. oder 12. Lebensjahre vorzunehmen. Reinhard (Cöln). 

Ueber neue Inhalationsmethoden und neue Inhalationsapparate. Vou 

Dr. A.Bullingin Bad Beichenhall. (Berliner klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 
Nr 20.; 

Verfasser widerlegt, die tadelndem Ausführungen II e r y n g s, 
welche dieser in Nr. 11 und 12 dieser Wochenschrift, über den von 
ihm angegebenen Dampfzerstäuber Thermo-Variator macht und be- 


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merkt, daß er seinerseits in der Lage wäre, an II eryngs Apparaten 
Fehler zu finden und Aussetzungen zu machen. Doch will er dies erst 
tun, wenn die Prioritätsfrage gerichtlich entschieden ist, denn es han¬ 
delt sich für ihn um die Frage, ob li e r y n g mit der Konstruktion 
seines Apparates das ihm für den Thermovariator erteilte Patent ver¬ 
letzt hat oder nicht. Das Nähere möge im Original nachgelesen 
werden. Reinhard (Cöln). 

Ueber die Behandlung des akuten Katarrhs der oberen Luftwege. 

Von Prof. Dr. Otto Seifert in Würzburg. (Deutsche med. Wochenschr., 
33. Jahrg., Nr. 20.) 

Nach ausführlichen einleitenden Bemerkungen über die Bedeutung 
der Kenntnisse von der Pathologie der oberen Luftwege, die nach S. 
leider noch längst nicht Allgemeingut des praktischen Arztes geworden 
sind, sowie über die Prophylaxe der Krankheiten derselben, wobei er 
das Gebiet der Gewerbekrankheiten der Nase und der Mundrachen- 
höhle streift, bespricht er die Behandlung derselben. Er unterscheidet 
zwischen allgemeiner und spezieller Therapie, und erörtert unter letz¬ 
terer Rubrik der Reihe nach die Therapie der Rhinitis catarrhalis 
acuta, der Pharyngitis catarrhalis acuta, der Laryngo-Jracheitis C a- 
tarrhalis acuta und kurz der unter dem Namen Pseudocroup bekann¬ 
ten Laryngitis catarrhalis acuta der kleinen Kinder. Für den Spe¬ 
zialarzt bringt der klinische Vortrag nichts Neues. 

Reinhard (Cöln). 

Kritisches und Neues zur Therapie des Tonsillenabszesses. Von 

Dr. G. Sommer in Niedermendig. (Münchener med. Wochenschr., 
53 Jahrg., Nr. 11.) 

Verfasser empfiehlt entgegen der bisherigen Therapie bei Ton- 
sillarabszeß folgendes Verfahren: Ist die Diagnose Tonsillarabszeß ge¬ 
stellt, so tonsillotomiert er fast ausnahmslos sofort entweder mit 
Knopfbistouri oder Tonsillotom. Er eröffnet hierdurch fast stets den 
oft schwer zu lokalisierenden Abszeß und beugt späteren Rezidiven vor. 
Zur Lokalanästhesie pinselt er mehrmals in Abständen von einigen 
Minuten mit 5 proz. Kokainlösung und injiziert dann eine Pravaz- 
spritzc 3 proz. Kokains mit einigen Tropfen Adrenalin an 2—3 Stellen 
(Dosis für Erwachsene). Bei entzündlicher starker Kieferklemnie 
öffnet er den Mund gewaltsam durch den Kiefersperrer in Narkose: 
hierbei ist jedoch Vorsicht am Platze wegen Aspiration des Eiters in 
die Lunge. • Reinhard (Cöln). 


Alle für di« Monatsschrift bestimmt«« Beiträge und Referate sowi« »11« Druck¬ 
schriften, Archive and T&usoh-Exempl&re anderer Zeitschriften beliebe man bis auf weiteres sn 
Herrn Dr. H. v. SchrOtter in Wien 12, fiariannengasae S, zu senden. Die Antoren, welche Kritiken 
oder Referate Aber ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Bsitrlge 
werdan mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt and 80 8eparat-Abzfigs bsigegsbsn. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 


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Noch einmal zur Frage der Pneumokokkeninvasion 

des Halses. 

Von 

Sir Felix Semon, London. 

In clor Xr. 6 dieser Monatsschrift vom vorigen Jahre habe ich unter 
dem Titel: „Tertiäre Syphilis oder Pneumokokkeninvasion des weichen 
Gaumens?“ einen sehr ungewöhnlichen Fall beschrieben, in welchem ich 
es zweifelhaft ließ, ob die Symptome auf Syphilis oder Pneumokokken¬ 
infektion zurückzuführen seien. Kollege Ruprecht (Bremen) hat 
die von mir aufgeworfene Frage dahin beantwortet (diese Monats¬ 
schrift, 1907, Xo. 11), daß mein Fall beinahe sicher syphilitischen Ur¬ 
sprungs gewesen sei. 

Die lichtvollen Ausführungen Ruprechts und die Mitteilung 
seines in einigen Beziehungen dem meinen ähnlichen Falles hatten es 
mir wahrscheinlich gemacht — obwohl ich gestehen muß, daß mein kli¬ 
nischer Instinkt noch immer gegen diese Diagnose rebellierte —, daß es 
sich auch in meinem Falle um Syphilis gehandelt habe, als mir der Zu¬ 
fall, der bekanntlich hinsichtlich der Duplizität seltener Fälle so wun¬ 
derbare Streiche spielt., einen neuen Fall zuführte, der mich völlig in 
die alten Zweifel zurückwarf. Folgendes ist die Geschichte desselben: 

Am 11. X T ovember vorigen Jahres ersuchte mich Dr. Berry (Wat¬ 
ford) sofort aufs Land zu kommen, um mit ihm einen sehr obskuren 
Fall zu sehen. Es handelte sich um eine 46 jährige, verheiratete Dame, 
Mutter mehrerer gesunder Kinder, welche im Laufe des vorhergehen¬ 
den Sommers über Halsbeschwerden geklagt hatte, denen sie anfangs 
nicht besondere Aufmerksamkeit schenkte. Als aber die Beschwerden 
fortdauerten, ohne daß etwas Abnormes im Halse zu sehen war, wurde 
sie im Glauben, daß es sieh um eine, wahrscheinlich klimakterische, Neu¬ 
rose handle, nach Eastbourne an die See geschickt. Dort entwickelte 
sich im Monat Oktober ein Geschwür in der rechten Mandel, welches 
allen therapeutischen Eingriffen trotzte. Ein konsultierter Londoner 


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Laryngologe diagnostizierte tertiäre Syphilis der Tonsille, obwohl in 
der genau und seit langen Jahren bekannten Yorgesehichte der Patien¬ 
tin nicht der geringste Anhaltspunkt für eine stattgehabte Infektion 
vorlag. l)r. Berry bezweifelte die Richtigkeit der Diagnose, führte 
aber die vorgeschlagene Jodkali- und Merkurbehandlung loyal und strikt 
durch, bis sich bei der Patientin starke Merkurialisation einstellte, ohne 
daß sich der lokale Befund in der Tonsille und die Beschwerden der 
Kranken im mindesten gebessert hätten. Letztere nahmen im Gegenteil 
so stark zu und das Allgemeinbefinden verschlechterte sich so sehr, daß 
Dr. Berry meine Zuziehung wünschte. 

Als ich die Patientin am 11. November sah, fand ich sie. obwohl 
fieberfrei, im Bette, sehr apathisch und in einem Zustand tiefer Pro¬ 
stration. Die lokalen Beschwerden bezogen sich auf heftige, vom Halse 
in das rechte Ohr ausstrahlende Schmerzen und extreme Dysphagie. 

Bei der Untersuchung zeigte sich die rechte Tonsille kaum ver¬ 
größert. aber mit einem dicken weißlichen Belage bedeckt, welcher sich 
nach oben in den Nasenrachenraum bis zum Niveau der Tuba Eustachii, 
nach innen auf den weichen Gaumen bis zur Basis der Uvula und nach 
unten bis zum Niveau der Basis der Epiglottis und zu deren rechtem 
Drittel ausdehnte. Der Atem war entsetzlich übelriechend. Auffallen¬ 
derweist' waren die Oervikaldriisen an der rechten Seite des llalses ganz 
und gar nicht vergrößert, dagegen war die ganze rechte seitliche Hals¬ 
gegend in der Region des M. sternocleidomastoideus äußerst empfindlich 
iiuf Berührung und Druck. Palpation der Tonsille war trotz vorher¬ 
gehender Kokainapplikation furchtbar schmerzhaft. Es stellte sich bei 
derselben heraus, daß der Belag ein großes trichterförmiges, nach unten 
spitz zulaufendes Geschwür bedeckte, das sieh offenbar fast durch die 
ganze Dicke der Tonsille erstreckte. Die Innenfläche des Geschwürs und 
seine Basis fühlte sich, soweit man dies durch den Belag erkennen 
konnte, überall matschig weich an, die Ränder waren weder erhaben 
noch verhärtet. Der Rest des llalses, die Brust- und Bauchorgane, die 
Haut, ließen nichts Abnormes entdecken. Der Puls war äußerst klein, 
kaum zu fühlen, die Zahl der Pulsschläge 72. 

Ich brauche nicht zu betonen, daß der Fall nach allen Richtungen 
hin ein ungewöhnlicher war. Nur einmal in meinem Leben hatte ich 
etwas Aehnliches gesehen. Es war dies ein vor langer Zeit (J882) 
beobachteter Fall, den ich unter dem Titel „Ein Fall von (') gan¬ 
gränöser Tonsillitis*' kurz im 12. Bande der „St. Thomas’ Hospital 
Reports“ beschrieben habe. Auch in diesem Falle handelte es sich um 
einen schauderhaft stinkenden Belag auf der ulzerierten linken Tonsille 
eines 30 jährigen, an schwerer Prostration leidenden Mannes, der eben- 


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— 325 — 


falls fieberlos war und bei dem ebenfalls die Cervikaldriisen absolut nicht 
vergrößert waren. In diesem Falle gingen nach Entfernung des Be¬ 
lages, Aetzung der Geschwtirsbasis, Verordnung von Eisen und Chinin 
und Gebrauch eines antiseptischen Gorgarisma die Erscheinungen so 
schnell zurück, daß vier Tage später der Patient sich in voller Rekon¬ 
valeszenz befand und 11 Tage nach seinem ersten Besuch der Poliklinik 
als geheilt entlassen werden konnte. Eine mikroskopische resp. bakte¬ 
riologische Untersuchung des Belages wurde nicht angestellt. 

In dem gegenwärtig berichteten Falle war der Verlauf, wie man 
sehen wird, viel protrahierter. Ich erörterte mit Dr. Berry alle sich 
darbietenden Möglichkeiten: Syphilis, Tuberkulose, bösartige Neubil¬ 
dung, Vincent sehe Angina, chronische Diphtherie, Aktinomykose, 
chronische Sepsis, ohne mich für eine derselben definitiv zu entscheiden, 
bezeichnete es aber als das Wahrscheinlichste, daß eine chronische Sep¬ 
sis vorläge. Ich entfernte den Belag, kratzte das Geschwür gründlich 
aus, exzidierte Fragmente von seinen Rändern und veranlaßte die Zu¬ 
sendung alles Entfernten an Dr. B u 11 o c h, den Bakteriologen des 
London Hospital, den ich gleichzeitig ersuchte, das übersandte Mate¬ 
rial mikroskopisch auf Tuberkulose, Aktinomykose und Bösartigkeit 
sowie bakteriologisch auf Tuberkelbacillen, Spirochaete pallida, Vin¬ 
cent sehe Spirillen und septische Mikroorganismen zu untersuchen, 
Kulturversuche anzustellen und mich von dem Ergebnis zu benachrich¬ 
tigen. Ein weiteres von Geschwür gewonnenes Abstrichpräparat wurde 
von Dr. Berry zwei Tage später Dr. B u 11 o c h zugesandt. Mittler¬ 
weile verordneten wir Chinin innerlich, Formaminttabletten und einen 
Wasserstoffsuperoxydspray lokal, Anästhesineinblasungen vor Nah¬ 
rungsaufnahme, weiche, nicht reizende Nahrung. 

Am 15. November erhielt ich folgenden Bericht von Dr. B u 11 o c h: 

„Dr. Berry hat mir Material von der Tonsille des Falles ge¬ 
sandt, über welchen Sie mir geschrieben haben. Das Einzige, was ich 
aus demselben ermitteln konnte, ist die Gegenwart einer sehr großen 
Anzahl von Kokken, die sich beim Kulturversuch zum größten Teile als 
Pneumokokken A ) herausstellten. Ich fand weder Tuberkelbazillen noch 
Spirochäten, noch epitheliales Gewebe oder andere Zellen als poly¬ 
nukleäre Leukozyten. Eine zweite Sendung, die mir heute zuging, 
zeigt wiederum eine große Anzahl von Kokken. Ich glaube, es handelt 
sich um eine Form von Sepsis.“ 


l ) In der Beschreibung dieses, ebenso wie meines früheren Falles, ist 
unter dem Namen „Pneumoccus“ der Diplococcus pneumoniae sive lanceolatus 
(Fränkel—Weichselbaum) verstanden. 


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— 326 

Am 8. Dezember schrieb mir Dr. Ber r y, daß das Allgemeinbetin¬ 
den der Patientin seit meinem Besuche stete Fortschritte gemacht habe, 
während das Geschwür zunächst 14 Tage lang in statu quo geblieben 
sei, und sich dann plötzilch zu reinigen begonnen habe. Gegenwärtig 
habe es sich beträchtlich verkleinert. 

Am 4. Januar dieses Jahres wurde ich aufs neue berufen, weil die 
Patientin sich nur sehr langsam erholte. Ich fand sie nicht mehr 
bettlägerig und ohne schwere lokale Klagen, obwohl sie- noch immer 
einige Schlingbeschwerden und unangenehme Empfindungen im Halse 
hatte, aber sehr schwach. Der Puls war klein (72), die Herztöne 
schwach. Das Geschwür in der rechten Tonsille rein aussehend und be¬ 
trächtlich kleiner und flacher als bei meinem ersten Besuche, aber noch 
immer nicht ganz verheilt. Ich riet zu einem Aufenthalt im Hoch¬ 
gebirge (St. Moritz), welcher in Fällen langsamer Rekonvaleszenz nach 
septischen Infectioncn meiner Erfahrung nach vortreffliche Dienste 
zu leisten pflegt, sobald der Kräftezustand der Patientin eine größere 
Reise gestatte, und verabredete mittlerweile mit Dr. Berry stärkende 
Diät- möglichst viel Aufenthalt im Freien, Fortsetzung des Spray¬ 
gebrauchs, Ratanhapastillen und Roborantien innerlich. 

Bis zum 21. Januar ging alles gut. An diesem Tage aber benach¬ 
richtigte mich Dr. Berry, daß die rechte Mandel plötzlich stark ge¬ 
schwollen sei, das Geschwür, welches sich stetig weiter verkleinert hatte, 
sich bedeutend vergrößert habe, und die Patientin von neuem über hef¬ 
tige Schmerzen im Halse und im rechten Ohr klage. Der Spray schiene 
nunmehr reizend zu wirken. 

Ich schlug brieflich vor, einen Perhvdrolspray für den Wasser¬ 
stoffsuperoxydspray zu substituieren ; es erfolgte aber keine Besserung 
und am 27. Januar wurde ich aufs neue berufen. In den inzwischen 
vergangenen Tagen hatten sich die Schmerzen weiterhin beträchtlich 
gesteigert, am 25. war eine diffuse Infiltration an der rechten Seite des 
Halses unterhalb des Processus mastoideus aufgetreten, und am 26. 
abends war — zum ersten Male seit dem Beginn der Krankheit — eine 
leichte Temperatursteigerung (38 °) registriert worden. Pat. fühlte 
sich sehr schwach. Am Morgen meines Besuches war spontan ein großer, 
übelriechender, weißlicher, lederartiger Belag von der rechten Tonsille 
abgestoßen worden, den ich behufs mikroskopischer und bakteriologi¬ 
scher Untersuchung mit mir nahm. Die Tonsille selbst war nicht ver¬ 
größert, aber mit frischem, schmutzig aussehendem, übelriechendem 
Belage bedeckt, der sich nach unten bis zur Basis der Epiglottis er¬ 
streckte und deren rechten Seitenrand überzog. Auch diesmal keine 
Schwellung der Oervikaldrüscn an der korrespondierenden (rechten) 


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— 327 — 


Seite des Halses zu entdecken, dagegen ist in derselben unterhalb des 
rechten Processus mastoideus eine etwa 1—6 cm lange, 3—1 cm breite, 
harte, unregelmäßige, in ihrem hinteren Abschnitt sehr druckempfind¬ 
liche Infiltration zu fühlen. Die Haut über derselben ist nicht gerötet 
und adhäriert nicht. Puls 72, regulär, aber sehr schwach, Temperatur 
37,2 °. Patientin hochgradig erschöpft. Starke Schlingbeschwerden. 
Ich drückte meine bestimmte Ueberzeugung aus. daß es sich um eine 
chronische septische Infection handle und bereitete auf die Möglichkeit 
vor, daß sich ein Abszeß entwickeln werde. Wir verordneten: Tinct. 
ferri sesquichlor. 30 Tropfen alle 4 Stunden, einen Spray von Hydrarg. 
bichlor. (1: 2000), Exalgin (0,1) zur Bettzeit, äußerlich Liniment. Bella- 
donnae und Chloroform, gefolgt von Spongiopilineapplikation auf die 
äußere Infiltration. Häufige Nahrungsdarreichung nach Anästhesin- 
applikation. 

Der Bericht des Bakteriologen (l)r. E a s t e s) über den Belag lau¬ 
tet, folgendermaßen: 

„Dieses Spezimen besteht aus einem zähen fibrinösen Exsudat und 
nekrotischen Bestandteilen der Schleimhautoberfläche. Es enthält eine 
enorme Zahl und Varietät von Bakterien, in denen kurze Bazillen über- 
wiegen. Von sonstigen Organismen wurden in einem Strichpräparat 
Spirillen, Pneumokokken und andere Mikrokokken gefunden, aber keine 
Spirochäten. Verschiedene Kulturmedia wurden in Anwendung ge¬ 
zogen, aber in allen besteht die erzielte Kultur hauptsächlich aus Pneu¬ 
mokokken. Der kurze Bazillus, der grampositiv war, tritt in den 
Kulturen nicht auf.“ 

Nach dem geschilderten Befund hegte ich ernste Befürchtungen 
über den weiteren Verlauf der Dinge, und war sehr erfreut, drei Tage 
später von Dr. Berry zu hören, daß wenigstens keine Verschlimme¬ 
rung eingetreten, die Infiltration des Halses sogar etwas zurückgegan¬ 
gen sei. Im Innern des Halses seien die Dinge ziemlich unverändert, 
das Schlucken vielleicht etwas leichter, der Allgemeinzustand um ein 
Geringes besser. 

Während der nächsten 11 Tage hörte ich nichts weiter von dem 
Falle. Am 10. Februar suchte mich der Gatte der Patientin auf, um 
mir in Dr. Berrys Namen mitzuteilen, daß seit meinem letzten Be¬ 
suche ein erstaunlicher Umschwung zum Besseren vor sich gegangen 
sei. Die Infiltration des Halses, die Schlingbeschwerden, der Fötor, die 
Expektoration von Belägen seien völlig verschwunden und der Kräfte 
zustand habe sich gehoben. 

Diese Mitteilung wurde am 17. März von Dr. Berry brieflich 
dahin ergänzt, daß anfangs Februar die äußere Schwellung weiter zu- 


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rückgegangen sei, dann am 4. Februar sich ein weiterer dicker Belag 
von der rechten Tonsille spontan abgelöst habe, daß sieh dann das Ge¬ 
schwür gereinigt habe und eine rapide allgemeine Verbesserung einge¬ 
treten sei. Am 10. Februar war die Infiltration des Halses ganz zurück¬ 
gegangen, an Stelle des Geschwürs in der Mandel nur eine Exkoriation 
vorhanden, der Fötor verschwunden, die Patientin konnte ohne Schmer¬ 
zen und mit geringer Schwierigkeit halbfeste Nahrung genießen und 
ihr Allgemeinbefinden hatte sieh bedeutend gehoben. Am 20. Februar 
ging sie zu weiterer Stärkung an die See nach Margate, da es mittler¬ 
weile zu einem Aufenthalt im Hochgebirge wiegen der Schneeschmelze 
zu spät geworden war. 

Ich sah die Patientin am 13. April nach ihrer Rückkehr von 
Margate. Mit Ausnahme geringer Schwierigkeit beim Schlucken 
fester Speisen, welche auf die rechte Seite des Halses in der 
Gegend der Zungenbasis bezogen w r urde, war kein subjectives Symptom 
v.on ihrer schweren Krankheit zurückgeblieben. Ich fand bei der Unter¬ 
suchung, korrespondierend dem unteren Teil der rechten Tonsille, wo 
das Geschwür gesessen hatte, im Winkel zwischen der Tonsille und der 
Zunge eine fibröse Verdickung des zurückgebliebenen Mandelgewebes, 
welche die in Rede stehenden leichten Schluckbeschwerden vollkommen 
erklärte, und proponierte galvanokaustische Reduktion dieser Ver¬ 
dickung, falls die Beschwerden andauern sollten. Das Geschwür selbst 
war vollständig ausgefüllt, und eine leichte grauliehe Verfärbung der 
betreffenden (»egend das einzige Anzeichen seines früheren Sitzes. Keine 
Spur einer sternförmigen Narbe, wie solche nach tertiären syphiliti¬ 
schen Geschworen Zurückbleiben. Die einzige auffällige Erscheinung 
im Halse der Kranken w'ar ein wie mit dem Locheisen ausgeschlagener, 
scharfrandiger Substanzverlust im rechten freien Rande der Epiglottis, 
der mich lebhaft an den in meinem ersten Falle beschriebenen Substanz¬ 
verlust im weichen Gaumen des Kranken erinnerte. 

Etwa sechs Wochen später steigerten sich nicht nur die Schluck¬ 
beschwerden aufs neue, sondern die Artikulation der Patientin wurde 
mangelhaft. Beide Symptome nahmen bis zu einem gewissen Grade 
allmählich zu und blieben dann stationär. Dr. Berry diagnosticirte 
Lähmung des rechten Hypoglossus und führte mir die Patientin am 
1. Juli aufs neue zu. 

An diesem Tage sah die Kranke besser aus, als ich sie je zuvor ge¬ 
sehen hatte, sprach aber langsam und mit Schwierigkeit, obw-ohl man 
sic gut verstehen konnte. Die Zunge konnte nicht über die Zähne vor¬ 
gestreckt werden und ihre rechte Hälfte w r ar deutlich, obw’ohl nicht 
hochgradig, atrophisch. Keine fibrillären Zuckungen. Der bei der 


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letzten Untersuchung konstatierte Substanzverlust an der Epiglottis 
völlig unverändert. Das Innere des Kehlkopfes vollständig normal. Die 
Patientin klagt über gelegentliche leichte Schmerzen in der rechten 
Seite des Halses, die frühere Infiltration in dieser Gegend aber ist voll¬ 
ständig verschwunden und keine Vergrößerung der Cervikaldrüsen zu 
konstatieren, auch ist der Ilals auf Druck nicht schmerzhaft. Ich 
wagte natürlich bei dem ungewöhnlichen Verlaufe des ganzen Leidens 
nicht, eine definitive Prognose zu stellen, sprach aber meine Hoffnung 
dahin aus, daß es sich um eine periphere toxische Neuritis des Hypo- 
glossus, ähnlich den der Diphtherie und der Influenza folgenden, vor¬ 
übergehenden Lähmungen handeln dürfte, und daß auch in diesem 
Ft Ile Besserung zu erwarten sei. Therapeutisch empfahl ich lokale 
Faradisation und subeutane Strychnininjectionen in zunehmender 
Stärke. 

Glücklicherweise scheint meine Hoffnung sich zu verwirklichen. 
Am 29. Juli berichtete Dr. Berry, daß die Sprache sich entschieden 
verbessert habe und die rechte Zungenhälfte fester in Substanz er¬ 
scheine. Mit der Behandlung werde fortgefahren. 

* * * 

Daß es sich in diesem Falle nicht um Syphilis gehandelt hat, scheint, 
mir sicher. Für dieselbe spricht nichts als die auf eine einmalige Un¬ 
tersuchung begründete Diagnose des vor mir konsultierten Kollegen, 
gegen sie 1. die genau bekannte negative Vorgeschichte, 2. der gänz¬ 
liche Mangel früherer oder gleichzeitiger Zeichen von Syphilis in aride 
ren Organen, 3. das völlige Fehlschlagen energischer antisyphilitischer 
Behandlung, 4. die Abwesenheit von Spirochaete pallida, 5. der von 
allem, was ich je von tertiärer Syphilis des Halses gesehen habe, völlig 
abweichende Verlauf, 6. die spontane Heilung, 7. das Ausbleiben einer 
charakteristischen Narbe an der Stelle des Hauptsitzes der Affektion. 

Ich weiß sehr w T ohl, daß manche dieser Gründe allein genommen 
nicht beweisend sind. Die proteusartige Natur der tertiären Syphilis, 
ihr Auftreten in vielen Fällen, in denen nicht der geringste Anhalts¬ 
punkt für stattgehabte Infektion ausfindig zu machen ist, die tatsächliche 
Verschlimmerung ihrer Erscheinungen unter der üblichen antispezifi¬ 
schen Behandlung in selteneren Fällen, ihr isoliertes spätes Auftreten in 
einem Organ bei gänzlichem Mangel von Begleiterscheinungen in ande¬ 
ren — das alles sind Dinge, die jedermann bekannt sind, auf die ich 
selbst in mehreren Publikationen 2 ) von neuem die Aufmerksamkeit ge- 

2 ) Semon: „On some rare Manifestation of Syphilis in Larynx and 
Trachea“. Lancet 1882. — „A Clinical Lecture on Syphilis of the Larynx.“ 
Clin. Journ. 1893. — „A Lecture on Some Unusual Manifestations of Syphilis 


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— 330 — 


lenkt habe. Während meiner ganzen Lehrtätigkeit habe ich immer und 
immer wieder meinen Schülern den Grundsatz eingeprägt, daß man in 
obskuren Fällen stets an Syphilis zu denken habe, wenn solche auch 
anscheinend ganz ausgeschlossen sei. 

Aber ich meine, daß man auch im Skeptizismus zu weit gehen kann 
und sich mit dem bequemen Trost, daß es sich um Syphilis gehandelt 
haben müsse, der Gelegenheit beraubt, seltenere und bisher noch unge¬ 
nügend bekannte Krankheitsbilder richtig zu verstehen! — 

Selbstverständlich richtet sieh diese Bemerkung nicht gegen die 
interessanten Ausführungen des Kollegen Ruprecht, dem ich im 
Gegenteil sehr dankbar für seinen Beitrag zu dieser Frage bin, sondern 
gegen die leicht vorauszusehenden Ein würfe gegen meine obigen Argu¬ 
mente: daß der Mangel einer syphilitischen Vorgeschichte, das Fehlen 
von Begleiterscheinungen, selbst das Fehlschlagen einer antisyphiliti¬ 
schen Behandlung nicht beweisend dafür seien, daß es sich nicht doch 
um Syphilis gehandelt habe. — 

Gewiß nicht! Und ebenso wenig ist es ausschlaggebend, daß die 
Spirochaete pallida nicht in den untersuchten Präparaten gefunden 
wurde, oder daß ich bei recht reicher Erfahrung nie etwas Aehnliches 
bei Syphilis gesehen habe, wie den geschilderten Verlauf. 

Aber wenn alle diese Momente Zusammentreffen mit den weiteren 
Tatsachen, daß die Patientin nach mehrmonatlichem Leiden schließlich 
ohne jede antisyphilitische Behandlung spontan 
vollständig genesen und daß das tiefe Geschwür ohneHin- 
terlassung der sonst für tertiäre Syphilis durch¬ 
aus charakteristischen Narbe glatt ausgeheilt ist, so be¬ 
rechtigt mich das Zusammentreffen aller dieser Momente, wie ich denke, 
zu der bestimmten Ueberzeugung, daß es sich in diesem Falle um Sy¬ 
philis nicht gehandelt haben kann! — 

Tst aber diese Eventualität ausgeschlossen, so bleibt, soweit ich 
urteilen kann, die einzige Erklärung des Falles die, daß eine chronische 
Sepsis Vorgelegen hat, und hier wiederum ist es das Wahrscheinlichste, 
soweit man aus den bakteriologischen Berichten schließen kann, daß der 
Diplococcus pneumoniae, kurzweg Pneumokokkus genannt, der Krank¬ 
heitserreger gewesen ist. Ausgeschlossen kann es natürlich auf Grund 
der spärlichen vorliegenden Daten nicht werden, daß einer der anderen 
pathogenen Bakterien, deren Gegenwart konstatiert wurde, den Anstoß 
zu dem ganzen Prozesse gegeben haben mag. Immerhin aber bleibt die 

in the Upper Air-Passages. w Brifc. Med. Journ. 190ß. — „Differential Diagnosis 
of Tuberculosis, Syphilis and Malignant Disease of the Larynx. w Brit. Med. 
Journ. 1907. 


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— 331 — 


Tatsache, daß bei den Kulturversuchen, die am 15. November 1907 von 
Dr. Bull och und am 27. Januar 1908 von Dr. East es angestellt 
wurden, die Kultur zum größten Teile aus Pneumokokken bestand. 

End weiter: ist Syphilis in diesem Falle ausgeschlossen, so gilt 
alles auf ihn bezügliche m. E. auch für meinen ersten Fall. Der Um¬ 
stand, daß in dem zweiten Falle spontane Genesung eintrat, be¬ 
kräftigt erheblich die Auffassung, der ich in der Epikrise des ersten 
Falles Ausdruck verliehen habe, indem ich sagte, daß gegen die syphi¬ 
litische Natur des Leidens wohl eingewendet werden könne, daß sich die 
Besserung auch ohne die Darreichung von Jodkalium vollzogen haben 
würde. 

Nun wendet Kollege Ruprecht gegen die Auffassung meines 
früheren Falles als eines septischen ein, daß der Diplokokkus pneu¬ 
moniae sive lanceolatus „auch bei Abwischkulturen vom gesunden Men¬ 
schen mehr als alle anderen Bakterien zu wuchern pflegt und ein fast in 
jedem Rachen vorhandener Stammgast ist“. 

Das ist unzweifelhaft richtig und war mir wohl bekannt, als ich 
meinen früheren Fall veröffentlichte. Aber Kollege Ruprecht sagt 
selbst weiterhin: „Daß beide Pneumokokken zu schweren Infektionen 
Veranlassung geben können, scheint durch die Befunde bei Mittelohr¬ 
eiterungen erwiesen.“ Aber nicht nur bei Mittelohreiterungen! Den¬ 
selben sind vielmehr Pneumonie, Meningitis, chronische Bronchitis, 
Pleuritis, Endokarditis, Peritonitis, Abszesse (subkutane, muskuläre, 
periostale, arthritische), katarrhalische und suppurative Affektionen 
der oberen Luftwege (Affektionen der Nebenhöhlen der Nase), Ophthal¬ 
mie etc. etc. hinzuzufügen, wie dies der hochinteressante Vortrag Prof. 

0 s 1 e r ’s vor der Medical Society of London am 9. Dezember 1907 und 
die ihm folgende Diskussion gezeigt hat 3 ). 

Wenn aber Affektionen so verschiedener Lokalisation darauf zu¬ 
rückzuführen sind, daß der Pneumokokkus potentiale Infektionsfällig¬ 
keit besitzt, so ist gewiß nicht abzusehen, warum er nicht gelegent¬ 
lich und unter uns vorderhand noch nicht bekannten Einflüssen diese 
Infektionsfähigkeit in einer Gegend entwickeln soll, in welcher er, um 
mit Ruprecht zu sprechen, „Stammgast“ ist. Ich sage: „gelegent¬ 
lich“, denn, wie der Mangel einschlägiger Mitteilungen und meine eige¬ 
nen Erfahrungen zeigen, sind solche Fälle wie die liier in Rede stehen¬ 
den, wahrscheinlich sehr selten. Ich habe in 32 jähriger Spezialpraxis 

' c 

nur die drei Fälle zu Gesicht bekommen, deren ich in dieser und in 
meiner vorjährigen Arbeit in dieser Monatsschrift gedacht habe, und 

8 ) „British Medical Journal 1907“, 14. Dezember, 1713, 14 pp. 


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— 332 — 


bin überzeugt, daß diese drei Fälle wirklich die ganze Summe meiner 
einschlägigen Beobachtungen repräsentieren, da das klinische Bild und 
der Verlauf so ungewöhnlich sind, daß sie sich mit Notwendigkeit dem 
Gedächtnis des Beobachters einprägen und es durchaus unwahrschein¬ 
lich machen, daß er andere, ähnliche, vergessen haben sollte. 

Warum diese Fälle so selten sind, ist schwer abzusehen. Der Pneu¬ 
mokokkus existiert im Munde und im Halse wahrscheinlich der Mehr¬ 
zahl gesunder Individuen. Unter welchen Verhältnissen er plötzlich 
Virulenz entwickelt, wissen wir noch nicht; ebensowenig, warum er 
diese Virulenz verhältnismäßig so selten entwickelt. Jedenfalls aber 
steht es O s 1 e r zufolge fest, daß die „Pneumokokkeninfektionen allein 
unter den Krankheiten des modernen Lebens an Häufigkeit und Schwere 
zugenommen haben.Parallel mit der Verringerung der Mortalität an 
Diphtherie, an Abdominaltyphus, an Tuberkulose geht eine „unzweifel¬ 
hafte enorme Zunahme in der Mortalität der wichtigsten der Pneumo¬ 
kokkeninfektionen, der Pneumonie, ln den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika ist diese Mortalität in einigen Städten auf das Vierfache 
gestiegen. In Großbritannien hat sie ebenfalls im Laufe der letzten 
Dekade konstant zugenommen. “ 

Die Diskussion, welche dem Osler sehen Vorträge in der Medical 
Society of London folgte, sowie die Veröffentlichung vereinzelter Fälle, 
wie der meinigen, zeigt meines Erachtens, daß Pneumokokkeninfektio¬ 
nen, wenn auch selten, so doch Ereignisse darstellen, welche tatsächlich 
Vorkommen und denen in Zukunft besondere Aufmerksamkeit gewidmet 
werden sollte. Die Seltenheit einer Affektion ist kein Gegenbeweis 
gegen die Realität ihres Vorkommens. Um nur das nächstliegende Bei¬ 
spiel zu erwähnen, denke man an die Seltenheit der akuten septischen 
Infektionen des Halses! — Viele beschäftigte Aerzte, ja selbst, eine 
ganze Anzahl von Laryngologen, bekommen im Laufe ihres ganzen 
Lebens nicht einen einzigen Fall dieser seltenen Affektionen zu Gesicht; 
ich selbst habe im Laufe einer über 30 jährigen Praxis und nachdem 
ich über diese Affektionen geschrieben habe, und infolgedessen wahr¬ 
scheinlich häufiger in solchen Fällen konsultiert worden bin als andere, 
in Summa etwa 20—25 einschlägige Fälle gesehen. Wird aber irgend 
jemand heutzutage die Existenz dieser Klasse von Infektionen nur 
wegen ihrer — glücklicherweise — ungemeinen Seltenheit bezweifeln? 
Ich glaube, diese Frage verneinend beantworten zu dürfen. 

So scheint es mir denn auch bei der gegenwärtig in Rede stehenden 
Kategorie angezeigt zu sein, solche Beobachtungen wie die in meiner 
vorjährigen und in dieser Arbeit mitgeteilten zum Ausgangspunkte 
neuer Studien zu machen, und in diesem Sinne bitte ich meine Mit- 


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— 333 — 


teilungen aufzufassen. Persönlich bin ich fest überzeugt davon, daß 
solche Fälle, wie meine drei mitgeteilten, Affektionen darstellen, die 
nicht in den Kähmen unserer gegenwärtig feststehenden Krankheits¬ 
bilder hineingehören. Ich gebe selbstverständlich zu, daß ich nicht den 
ein wandsfreien Beweis erbracht habe, daß diese drei Fälle auf Pneu¬ 
mokokkusinfektion zurückzuführen sind, ja daß sie auch nur in eine und 
dieselbe Gruppe septischer Infektionen gehören, und ebenso gut weiß 
ich, daß es unmöglich ist, aus diesen drei vereinzelt dastehenden Beob¬ 
achtungen ein klinisches Krankheitsbild zu konstruieren, das künftigen 
Beobachtern zur Führung dienen kann. Es scheint mir hier genau das¬ 
selbe zu gelten, was ich 1895 sagte, als ich meine Arbeit über die wahr¬ 
scheinliche pathologische Identität der verschiedenen Formen der 
akuten septischen Infektionen des Halses der Boyal Medical and 
Chirurgical Society vorlegte, nämlich, daß sich ein solches Krankheits¬ 
bild nur dadurch gewinnen lasse, daß man eine Reihe einschlägiger 
Fälle nach dem Prinzip zunehmender Schwere zusammenstelle 
und hiernach die Schilderung der neuen Krankheitsform entwerfe. 
Stelle man nämlich einfach einen der leichten und einen der schweren 
Fälle solcher septischen Infektionen nebeneinander, so wird es der mit 
Gegenstände nicht vertraute Leser bei der Verschiedenheit der klini¬ 
schen Bilder kaum begreifen, wie der Autor beide als Beispiele eines und 
desselben Prozesses auffassen könne. Ordne man aber eine größere Reihe 
von solchen Fällen nach dem Prinzip zunehmender Schwere 
an, so werde es dem Leser ohne weiteres verständlich, daß dieselben 
innerlich zusammengehören, und nur an Schwere verschiedene Phasen 
eines und desselben Prozesses darstellen. Zum Aufbau einer solchen 
Skala aber reichen bei der Seltenheit der gegenwärtig in Rede stehen¬ 
den chronischen Fälle die Erfahrungen des einzelnen Beobachters nicht 
aus. 

Alles, was ich selbst gegenwärtig zur Schilderung der neuen Form 
— wenn deren Existenz sich durch weitere Beobachtungen bestätigen 
sollte — beitragen kann, ist die Tatsache, daß ich zwei Fälle von Hals- 
leiden gesehen habe, die charakterisiert waren durch einen von anderen 
mir bekannten chronischen Halsaffektionen völlig verschiedenen Ver¬ 
lauf, indem sie Monate hindurch die merkwürdigsten Schwankungen 
zwischen furchtbar schmerzhaften entzündlichen resp. geschwürigen 
Zuständen des Halses und Verbesserungen auf wiesen, die vollständige 
baldige Heilung mit Sicherheit erwarten ließen, die aber wiederholt 
völlig unerwarteten Verschlimmerungen Platz machten, bis endlich — 
in dem einen Fall sicher völlig spontan, im anderen während einer Jod- 
kaliumbehandlung — völlige Genesung erfolgte; daß beide Fälle clia- 


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rakterisiert waren durch tiefe Asthenie, fast völlig fieberlosen Verlauf 
und völligen Mangel an Schwellung der Cervikaldrüsen; daß im ersten 
Falle der Pneumokokkus fast in Reinkultur vorhanden war, im zweiten 
Falle die Kultur zum größten Teile aus Pneumokokken bestand; daß in 
beiden Fallen zum Schluß sehr plötzlich ein seharfrandiger Substanz¬ 
verlust erfolgte, und daß die Geschwürsbildung im zweiten Falle von 
einem schauderhaften Fötor begleitet war, der mich an einen vor vielen 
Jahren beobachteten, in manchen Beziehungen ähnlichen Fall erinnerte, 
der aber, soweit bekannt, weit schneller als diese beiden in Genesung 
endete. 

Ich habe bereits gesagt, daß ich sehr wohl weiß, daß mein spär¬ 
liches Material mich nicht dazu berechtigt, weitgehende Schlüsse ätio¬ 
logischer oder klinischer Natur zu ziehen, lind möchte dies hier noch 
einmal wiederholen, um dem Vorwurf zu begegnen, ich hätte auf Grund 
unvollständiger und mehrdeutiger Beobachtungen eine in Wirklichkeit 
nicht existirende neue Krankheit zu begründen versucht. 

Ein solcher Versuch liegt mir ganz fern. Ich habe einfach einige 
Fälle gesehen, die nicht in den Rahmen eines mir bekannten Krank¬ 
heitsbildes hineinpassen und bei denen die bakteriologischen Unter¬ 
suchungen zum mindesten den Verdacht nahegelegt haben, daß es sich 
bei ihnen um chronische Sepsis, verursacht durch Pneurnokokkeninva- 
sion, gehandelt hat. 

Es erschien mir als eine Pflicht, diese Fälle, die ich als Konsiliarius 
leider nur gelegentlich und in größeren Zwischenräumen beobachten 
konnte, zu veröffentlichen, um auf Grund der sich aus ihrer Schilderung 
ergebenden Fragen dazu anzuregen, daß ähnlichen weiteren Fällen be¬ 
sondere Aufmerksamkeit geschenkt werden möge. Vorurteilsfreie sorg¬ 
fältige, klinische und bakteriologische Beobachtungen seitens verschie¬ 
dener Forscher, denen der Zufall solche Fälle in den Weg führen möge, 
werden ergeben, ob ich mich mit meinen Vermutungen auf falschem 
Wege befinde oder ob wirklich Krankheitsbilder, wie die geschilderten, 
durch Pneumokokkeninvasion erzeugt werden können. Mögen mög¬ 
lichst viele ihr Scherflein zur Entscheidung dieser wichtigen und inter¬ 
essanten Frage beitragen! 


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Ueber Sprachstörungen und deren Ursachen. 

Von 

Dr. Willy Böhm. 

(Vortrag, gehalten in der Münchener # laryngo-otologischen Gesellschaft 

am 13. Mai 1907.) 

Wenn ich Ihnen heute über dieses Thema Einiges vortrage, so bin 
ich mir zwar bewußt, daß ich Ihnen damit nicht sehr viel Neues bieten 
werde, wenigstens soweit sie sich selbst mit diesem, unserem Spezial¬ 
gebiet naheliegenden Gebiet beschäftigt haben, jedoch dürfte Ihnen 
eine kurze Rekapitulation angenehm und manche eigene Erfahrung und 
Anschauung neu sein. 

Die Sprache ist eine unserer kompliziertesten Koordinationsbewe¬ 
gungen, entstehend durch das Zusammenwirken dreier verschiedener 
Muskelgruppen, der Atmungs-, der Stimm- und der Artikulationsmus¬ 
keln. Da jedoch diese Muskeln den Nerven und zuletzt dem Zentral¬ 
nervensystem untergeordnet sind, so wird auch bei Störungen in diesen 
Organen eine Sprachstörung Zustandekommen. 

P r e y e r sagt in seinem bekannten Buche „Die Seele des Kindes“: 
Die Beherrschung der Sprache umfaßt einerseits das Verständnis des 
Gesprochenen, andrerseits die Aeußerung des Gedachten. Sie erreicht 
in der verständlichen, zusammenhängenden Rede ihre höchste Leistung. 
Alles, was das Verständnis gehörter Worte stört, muß ebenso als Sprach¬ 
störung bezeichnet werden, wie alles, was die Erzeugung der Worte und 
Sätze stört. 

Vergegenwärtigen wir uns diesen Gedankengang Preyers an 
einem Schema 



O bedeutet das Gehörorgan, welches durch Nervenfasern mit dem 
Schallabdruckmagazin im Gehirn (K) in Verbindung steht. Dieses stehl 


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durch die interzentralen Bahnen v mit dem Sprachzentrum M in Ver¬ 
bindung, von welch letzterem aus die Yerbindungsfasern li zu den 
äußeren Sprach Werkzeugen Z führen. 

Auf Grund dieser Definition gelangen wir zu folgender Eintei¬ 
lung der Sprachstörungen: 

1. Peripher impressive oder perceptive Sprachstörungen: das Ge¬ 
hörorgan an seinem peripheren Ende (0) oder der Hörnerv in seinem 
Verlaufe (a) ist verletzt, was Schwerhörigkeit oder Taubheit zur 
Folge hat. 

2. Zentrale Sprachstörungen: Hierher gehören die verschiedenen 
Arten zentrosensorischer und zentromotorischer Aphasie (K bis M im 
Schema). 

3. Peripher expressive oder artikulatorische Sprachstörungen, wo¬ 
bei es sich um Störungen der zentrifugalen Bahnen vom motorischen 
Sprachzentrum zu den motorischen Sprachnervenzentren handelt, oder 
um Verletzung der Spraclmerven selbst oder um Defekte in den Arti¬ 
kulationswerkzeugen. 

I. Bei der ersten dieser drei Gruppen haben wir uns mit der Taub¬ 
stummheit zu befassen, welche in das Gebiet der Otologie gehörend, 
den meisten von Ihnen geläufig ist. Ich kann mich daher kurz fassen. 

Die Taubstummheit kann entweder angeboren oder erworben sein. 

Daß bei erstercr Entstehungsart die Heredität eine sehr große 
Rolle spielt, haben wir Ohrenärzte Gelegenheit, uns täglich zu über¬ 
zeugen. Es ist auch bekannt, daß die Blutsverwandtschaft der Eltern 
einen sehr großen Einfluß auf die Entstehung der Taubstummheit hat. 
Besonders das häufige Vorkommen der Taubstummheit bei den Israe¬ 
liten, die ja sehr vielfach blutsverwandte Ehen schließen, ist hier lehr¬ 
reich. 

Einen ganz auffallenden Einfluß scheinen auch klimatische Ver¬ 
hältnisse zu haben. Wenn wir nach der II a r t m a n n sehen Zusam¬ 
menstellung auf 10 000 vollsinnige Menschen 7,8 Taubstumme rechnen, 
so wird diese Durchschnittsquote in der Schweiz mit 24,5 bedeutend 
überschritten, während Holland und Belgien mit 3,3 resp. 4,4 bedeu¬ 
tend unter dem Durchschnitt bleiben. In Deutschland treffen 9.7 Taub¬ 
stumme auf 10 000 Vollsinnige. Es erscheint also die Häufigkeit der 
Taubstummheit der Höhenlage der einzelnen Länder ungefähr pro¬ 
portional, so daß die am tiefsten gelegenen Länder am wenigsten Taub¬ 
stumme auf weisen. 

Weitere veranlassende Momente angeborener Taubstummheit sind: 
Syphilis, Tuberkulose, Alkoholismus der Eltern, ferner besondere Er- 


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— 337 — 


eignisse während der Schwangerschaft, wie Infektionskrankheiten, 
Sturz oder heftige Gemütserregungen. 

Im Gegensatz dazu stehen diejenigen Fälle, wo die Taubstumm¬ 
heit erst in den ersten Jahren des Lebens erworben wird. Es sind be¬ 
sonders Infektionskrankheiten im frühen kindlichen Alter, die ent¬ 
weder durch Toxinwirkung den Gehörnerv zur Atrophie bringen oder 
Veranlassung geben zu den bösartigen Masern- und Scharlach-Otitiden, 
die sich häufig auf das innere Ohr fortpflanzen. 

Eine besondere Rolle fällt dabei den adenoiden Vegetationen zu, 
die sich bei etwa GO Proz. aller Taubstummen finden. Diese scheint 
mehr in einer Vermittlerrolle zu bestehen, da die damit Behafteten 
überaus zu Mittelohrerkrankungen prädisponiert sind. 

Fällt die Erkrankung in die ersten drei Lebensjahre, also in die 
Zeit, wo die Entwicklung der Sprache noch nicht vollendet ist, so tritt 
sicher Taubstummheit ein. Tritt die Erkrankung während der Zeit 
vom 4. bis zum 7. Lebensjahre auf, so gelingt es bei aufmerksamer 
Pflege meist das Sprachvermögen der Kinder zu erhalten, besonders 
wenn dieselben schon lesen gelernt haben. 

Da jedoch die Kontrolle des Gesprochenen durch das Ohr fehlt, 
pflegt sehr bald eine Verschlechterung der Aussprache, die sich bis zur 
Unverständlichkeit steigern kann, einzutreten. 

Auch noch in späteren Jahren kann Taubstummheit eintreten, 
besonders wenn die Intelligenz mangelhaft entwickelt ist. So wurde 
mir erst jüngst ein IG jähriger, sehr wenig intelligenter Dienstknecht 
vom Lande vorgestellt, der vor einem Jahre an Basalmeningitis er¬ 
krankt war und das Gehör fast vollständig verloren hatte. Es gelang 
nur mit der größten Mühe, ihm hier und da ein Wort zu entlocken, 
wobei sich auch schon die oben erwähnte fehlerhafte Aussprache be¬ 
merkbar machte. Die Prognose ist natürlich in diesem Falle sehr 
schlecht. 

Der Verlust der Sprache tritt bei nur partiellem Gehörsverlust 
natürlich dann am leichtesten ein, wenn die Gehörslücken sich zwischen 
b 1 und g 2 der kontinuierlichen Tonreihe (nach Bezold-Edel- 
mann) befinden, der Höhenlage der Konversationssprache ent¬ 
sprechend. 

II. Wir kommen jetzt zu denjenigen Sprachstörungen, die ihren 
Ursprung im zentralen Nervensystem, im Gehirn haben. 

Halten wir uns an das P r e y e r sehe Schema, so müssen wir uns 
zunächst mit den Störungen des Perzeptionszentrums (K) beschäftigen, 
den verschiedenen Arten und Graden zentrosensorischer Sprachstörun¬ 
gen. 


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— 3:58 — 


K u ß m a u 1 beschreibt diesen Zustand folgendermaßen: 

Die Kranken können zwar ganz richtige Gedanken haben, können 
dieselben aber nicht ausdrücken, weil ihnen die Worte fehlen. Auch 
verstehen sie die Gedanken anderer nicht, weil die Worte derselben wie 
ein unverständliches Geräusch an ihr Ohr schlagen. Sie hören zwar 
alles, aber sie befinden sich in der Lage von Personen, die plötzlich 
mitten unter ein fremdes Volk versetzt sind, das zwar derselben Laute, 
aber anderer Worte sich bedient. 

Wir bezeichnen diesen Zustand als Aphasie oder Worttaubheit. 

Verwandt damit sind die Alexie und Apraxie, nur daß die 
Perzeptionsbahn und das Perzeptionszentrum ein anderes ist. 

Während bei der Worttaubheit das Verständnis für die Worte 
fehlt, besteht eine andere häufigere Störung darin, daß die Assoziation 
von Wort und Vorstellung gehemmt ist. Wir bezeichnen diesen Zu¬ 
stand als Erinnerungsaphasie, amnestische Aphasie, ln geringerem 
Grade ist dieser Zustand auch physiologisch, wenn wir z. B. momentan 
die bekanntesten Personen und die oft gebräuchlichsten Gegenstände 
nicht benennen können. 

Sitzt die Störung zwischen dem Perzeptionszentrum und dem 
motorischen Sprachzentrum, so liegt eine interzentrale Leitungs- 
aphasie vor. Es wird das Gesprochene richtig verstanden und das 
Sprachvermögen an sich ist nicht gestört und doch kann ein solcher 
Kranker keine Unterhaltung mit Frage und Antwort führen, da die 
gesprochenen Worte nicht diejenigen Reize im motorischen Zentrum 
auslösen können, die zur Aussprache des Gedankens nötig wären. 

Die dritte Art zentraler Sprachstörungen endlich spielt sich ganz 
auf motorischem Gebiete ab. In diesen Fällen haben die Kranken die 
richtigen Gedanken, doch sind sic zur Stummheit verurteilt, weil sie 
dieselben nicht aussprechen können. 

Ein geringer Grad davon ist das Silbenstolpern oder die litterale 
Ataxie, höhere Grade sind die ataktische Agraphie, wenn der Kranke 
seine Gedanken auch nicht mehr schriftlich von sich zu geben vermag 
und die ataktische Amniose ,wcnn sogar die Gebärdensprache ge¬ 
stört ist. 

Weitere Abarten motorischer Sprachstörungen sind die Mono- 
phasie (der Kranke hat nur ein Wort oder eine geringe Anzahl von 
Worten, deren er sich bei jedem Sprachversuch bedient) und die Para¬ 
phasie, wobei fortgesetzt ganz andere als die gewollten, sinn wider¬ 
sprechende, meist verstümmelte Worte produziert werden. 

Das Verdienst, die Sprachstörungen lokalisiert zu haben, gebührt 
vor allem B r o c a, der nachwies, daß das Sprachvermögen an die Un¬ 
versehrtheit der dritten linken Stirnwindung gebunden sei. 


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— 339 — 


Kußmaul hat später unsere Kenntnisse erweitert und präzi¬ 
siert. Letzterer stellte auch die Behauptung auf, daß der Grund des 
Vorranges der linken Hemisphäre in der Rechtshändigkeit der meisten 
Menschen zu suchen sei, da diese nur die linke Hemisphäre für die fei¬ 
neren Muskelbewegungen, also auch für die Artikulationsbewegungen, 
einzuüben pflegen. 

Während diese Art von Sprachstörungen mit anatomisch lokali¬ 
siertem Befund bei den verschiedensten Gehirnerkrankungen Vorkom¬ 
men, so bei Gehirnabszeß, Apoplexien, Embolien, Neubildungen etc., 
so gibt es nun eine andere Art von Sprachstörungen, und das sind die 
weit häufigeren, wo jeder anatomische Befund fehlt. Wir bezeichnen 
sie nach Analogie anderer Neurosen als Sprachneurosen. Es ist das 
Ihnen wohlbekannte Bild des Stotterns. 

Ich schließe mich im folgenden hauptsächlich meinem verehrten 
Lehrer Dr. Herrn. G u t z m a n n in Berlin an, der dieses Gebiet wohl 
am eingehendsten erforscht hat. 

Angeboren ist das Stottern wohl nie, meist entsteht es im kind¬ 
lichen Alter, selten erst später, in neuerer Zeit allerdings scheinen die 
Beobachtungen häufiger zu werden, daß schon Erwachsene noch zu 
stottern beginnen. 

Ebenso manigfaltig als die Schädlichkeiten, die auf das 
kindliche Gehirn einwirken, sind auch die Ursachen des Stotterns der 
Kinder. 

Die erbliche Belastung spielt eine verhältnismäßig geringe Rolle 
in der Aetiologie. Man muß dabei vorsichtig sein. Denn nur solche 
Fälle, und deren sind erst drei beschrieben worden, sind einwandsfrei, 
wo Kinder, die fern von ihren stotternden Eltern sich aufhielten, zu 
stottern begannen. In den meisten Fällen scheinbarer Erblichkeit wird 
es sich um Nachahmung oder psychische Ansteckung (contasion moral 
der Franzosen) handeln. Vermöge des dem Kinde innewohnenden hoch¬ 
gradigen Nachahmungstriebes erlernt es die Sprache von seinen Eltern, 
es lernt aber auch deren Fehler. Allein nicht nur bei Erlernung der 
Sprache macht sich diese psychische Infektion geltend, sondern sie be¬ 
deutet auch während der Schulzeit eine.große Gefahr, so daß nach ver¬ 
schiedenen Statistiken die Zahl der Stotterer im schulpflichtigen Alter 
um das Dreifache zunimmt. 

Außer diesen psychischen bilden auch die bakteriellen Infektionen 
eine häufige Entstehungsursache für das Stottern. Es sind vor allem 
die Toxine des Scharlachs, der Masern, der Diphtherie und des Typhus, 
die ihren verheerenden Einfluß außer auf die peripheren Nerven, wo sie 
uns als die verschiedenen Lähmungen geläufig sind, auch auf das emp¬ 
findlichste Organ, das Zentralnervensystem ausüben. 


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— 340 


Auch chronische Infektionskrankheiten, vor allem die Skrofulöse, 
sind, wenn auch nur indirekt durch Schädigung der Konstitution der 
Patienten, von Einfluß. 

Auffallend ist das häufige Vorkommen adenoider Vegetationen bei 
Stotterern. Kafemann fand 46 Proz., Gutzmann sogar 50 Pro¬ 
zent der stotternden Kinder damit behaftet. Es scheint dies der An¬ 
nahme des zentralen Ursprungs des Stotterns zu widersprechen, doch 
nur scheinbar. 

Wie sie wissen, sind ja die adenoiden Vegetationen ein pathologi¬ 
sches Produkt, verursacht durch wiederholte Entzündungen der Rachen¬ 
mandel, die allmählich zu einer bleibenden Hyperplasie geführt haben. 
Nun besteht ein Hauptsymptom dieser Erkrankung in psychischen 
Störungen: große Vergeßlichkeit, Zerstreutheit, verminderte intellec- 
tuelle Fähigkeit, ein Zustand, der nach dem Vorgänge von Guye als. 
Aprosexie bezeichnet wird. 

Nach verschiedenen Untersuchungen von Axel Key, R e t i u s, 
F 1 a t a u etc. besteht ein direkter Zusammenhang der nasalen Lymph- 
bahnen mit dem Subarachnoidalraum und es ist daher leicht zu er¬ 
klären, daß bei entzündlichen Affektionen letzterer auch eine Schädi¬ 
gung des Sprachzentrums entsteht, wenn es auch mikroskopisch nicht 
bewiesen ist. 

Wenn Sie nun eine Anzahl von Stotterern in Behandlung bekom¬ 
men, so erfahren Sie meist von seiten der Eltern, daß irgend ein 
Trauma, sei es ein Fall, ein Stoß, oder auch ein psychisches, ein Schreck, 
Schuld gewesen, daß das Kind zu stottern angefangen habe. Es ist ja 
sehr menschlich und geschieht auch bei anderen Krankheiten, irgend 
eine äußere Ursache zum Sündenbock zu machen, wird aber vielfach 
übertrieben. Häufig pflegen solche Kinder schon vor dem sogenannten 
Trauma gestottert zu haben. 

Es bleibt aber immer noch eine ganze Reihe von Fällen übrig, wo 
es erwiesen ist, daß das Stottern unmittelbar nach dem vorgefallenen 
Trauma auf trat. Nach der genauen, ca. 3U0 Fälle betragenden Statistik 
von Gutzmann sind es ca. 10 Proz. 

Eine Hauptursache des Stotterns, die von früheren Beobachtern 
vielfach unterschätzt wurde, und der Grund des häufigen Auftretens 
des Stotterns bei Erwachsenen in neuerer Zeit ist, ist nach meiner An¬ 
sicht in der für unsere Zeit spezifischen Krankheit, der Neurasthenie, 
zu suchen. Ebenso wie die verwandten Koordinationsneurosen, der 
Schreibkrampf, der Klavierspielerkrampf, nur auf dem Boden der 
Neurasthenie gedeihen, so ist es auch und noch viel mehr bei den Stö¬ 
rungen der koordinierten Bewegungen der Sprache der Fall. 


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— 341 — 


Schon in der Schule sehen wir dies. Wenn neuropathisch veran¬ 
lagte Kinder auf gerufen werden, erschrecken sie, kommen in Verlegen¬ 
heit und beginnen dann zu stottern. Dies wird bei öfterer Wieder¬ 
holung zur Gewohnheit und mit zunehmendem Alter und dem Größer¬ 
werden geistiger Anstrengung, Hand in Hand mit der zunehmenden 
Neurasthenie zu einem stets größer werdenden, immer schwerer aus- 
rottbaren Uebel. 

Auffallend ist, daß das männliche Geschlecht sehr viel häufiger 
vom Stottern befallen wird, als das weibliche, nach einer preußischen 
•Schulzählung mehr als nochmal so oft. Dieses Verhältnis verschiebt sich 
mit zunehmendem Alter noch mehr zuungunsten des männlichen Ge¬ 
schlechts, so daß Colombat und C o e n unter 100 stotternden er¬ 
wachsenen Personen 90 Männer und nur 10 Frauen zählen. Gutz- 
m a n n führt diese Tatsache darauf zurück, daß bei Knaben ebenso wie 
bei Mädchen der Atmungstypus kostoabdominal ist, nach Eintritt der 
Pubertät vereinfacht sich der Atemtypus beim weiblichen Geschlecht 
zur vorwiegend kostalen Atmung. Colombat suchte diese Tatsache 
•dadurch zu erklären, daß das weibliche Geschlecht im allgemeinen eine 
größere Zungenfertigkeit und leichtere Ausdrucksfähigkeit als das 
männliche besitze, auch die dem weiblichen Geschlecht schon früh¬ 
zeitig innewohnende Gefallsucht und das Streben, äußere Fehler zu 
vermeiden, zieht er zur Erklärung dieser Erscheinung mit heran. 

Da ich das Bild und das aus tonischen und klonischen Muskel¬ 
krämpfen sich zusammensetzende Wesen des Stotterns als Ihnen be¬ 
kannt voraussetze, so will ich darauf nicht näher eingehen. nur ein 
überaus charakteristisches Symptom möchte ich kurz erwähnen, daä 
sind die sogenannten Mitbewegungen. Sie sind natürlich streng zu 
trennen von den physiologischen Mitbewegungen, den Augenbewegun¬ 
gen etc. Viele Kranke machen die abenteuerlichsten Verzerrungen und 
Grimassen der Gesichtsmuskeln, somit einen traurigen, angsterfüllten 
Eindruck gewährend, während andere wieder die auffälligsten Be¬ 
wegungen mit den Extremitäten ausführen. So erinnere ich mich an 
einen Kranken, der fortwährend mit dem rechten Fuß scharrte, wenn 
er zu stottern begann. Gutzmann beschreibt Kranke, die mit der 
geballten Faust Brustkasten und Unterextremitäten bearbeiteten, um 
schließlich das gewollte Wort anscheinend ohne große Mühe zu sagen. 
Diese Mitbewegungen stellen eine zentrale Irradiation des Willens¬ 
impulses vom gehemmten Sprachzentrum nach den benachbarten Ge¬ 
hirnzentren dar, wohl am ehesten dem Abfließen des elektrischen Stro¬ 
mes nach den Punkten geringeren Widerstandes vergleichbar. 


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— 342 — 


III. Es erübrigt uns nun, die dritte Gruppe von Sprachstörungen* 
die peripher-artikulatorischen, zu besprechen. Es handelt sich dabei 
um das, was man gemeinhin als Stammeln bezeichnet. Bis zum Jahro 
1830 gebrauchte man die Ausdrücke Stammeln und Stottern als gleich¬ 
bedeutend, erst der Züricher Spracharzt Schulthess unterschied 
scharf zwischen beiden Sprachfehlern. 

Wir haben zwei Arten von Stammeln zu unterscheiden, das func¬ 
tioneile und das organischen Stammeln. Letzteres kommt durch solche 
Defekte der Sprachwerkzeuge zustande, welche die richtige Bildung 
der einzelnen Sprachlaute verhindern. Es gehören hierher die Fälle 
von Hasenscharte, geschlitztem Gaumen (Pallatum scissum), mangel¬ 
hafte und fehlerhafte Stellung der Zähne, fehlendes Zäpfchen und 
andere. 

Das uns mehr interessierende funktionelle Stammeln ist meist auf 
fehlerhafte, unachtsame Erziehung zurückzuführen. Die leider viel 
verbreitete Gewohnheit, den Kindern verdrehte .und verstümmelte 
Worte vorzusagen, die sogenannte Kindersprache, das Anhängen eine« i, 
z. B. Mammi, Handi, Fußi, ist der Entwicklung dieses Sprachfehlers 
nur förderlich, noch mehr die unsinnige Freude der Eltern, wenn ihr 
Liebling selbst verstümmelte Worte lallt, die sie dann ihrerseits dem 
Kinde oft wieder vorsagen, was eine Quelle lauterster Freude zu bilden 
pflegt. 

Ferner gehören hierher die häufigen nach Diphtherie zurückblei¬ 
benden Lähmungen der Sprachmuskeln. 

So erinnere ich mich an einen Knaben von 4 Jahren, der bereits 
früher fehlerlos gesprochen haben soll. Trotz vollständig intakt ge¬ 
bliebenem Gehör und gut entwickelter Intelligenz, brachte er nach der 
Erkrankung nur ganz unverständliche Laute heraus. Auch durch Vor¬ 
sprechen war die Aussprache nicht zu bessern. Erst allmählich verlor 
sich der Zustand. Ein anderer Knabe mit weniger weit vorgeschritte¬ 
ner halbseitiger Paraplegie des weichen Gaumens, konnte zwar ver¬ 
ständlich sprechen, nur die Gaumenlaute waren mangelhaft und wur¬ 
den teilweise durch verwandte ersetzt. Auffallend war aber ein die 
Worte begleitendes schnarrendes Geräusch, das wohl durch die Zuckun¬ 
gen des paraplegischen weichen Gaumens bei Hebungsversuchen des¬ 
selben verursacht sein mochte. 

LTebrigens wird schon bei fehlerhafter Aussprache oder Verwechs¬ 
lung nur weniger Konsonanten die Sprache bis zur Unverständlichkeit 
entstellt. 

L T m das Folgende richtig zu verstehen, müssen wir uns zuerst die? 


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— 343 — 


physiologische Bildung der Konsonanten an der Hand des G a d sehen 
Systems vergegenwärtigen. 


Artikulations- 1 

1 Stimm- 

| Reibungsgeräusche 

Ver¬ 
schluß- | 
Laute | 

Zitter- 1 

Rhino- 

gebiete . 

| bildungj 

mitten 

| seitl. 

| allseitig 

Laute 

phom 

.!• 1 
Unterlippe mit! 
Oberlippe od. ob. 1 

i ohne 

F 

— 

— i 

(j 

1 p 

» 1 

,i I 

— 

Schneidezähne 

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— 

l 

1 B 

lj Lippen-R| 

M 

H. j 




I 

i 

1 i 


Zungenspitzem. 
Schneidezähnen 1 

\ ohne 

Schluß-S 

— 

Sch j 

l' 

| T 

! ' 

t , 


— 

od. Alveolarrand 

1 mit 

Anfengs-S 

L 

lang s. 

D ! 

Zungen-R 

N 

m. 








Zungenrücken | 

1 ohne 

1 ch 

— 

— , 

K 

— 

— 

mit Gaumen 

1 mit | 

j 

— 

— I 

G 

CSaoaen-E 

NG 


Wie Sie sehen, unterscheiden wir drei Artikulationsgebiete nach 
den drei Stellen des Ansatzrohres, wo die Konsonanten gebildet wer¬ 
den. Ferner teilen wir dieselben ein nach der Art und Weise des aus¬ 
tretenden Luftstromes in Reibelaute oder Reibungsgeräusche (das cha¬ 
rakteristische Geräusch entsteht an einer verengten Stelle des Ansatz¬ 
rohres), Verschlußlaute (nach Ausstößen des Luftstromes entsteht ein 
momentaner Verschluß), Zitterlaute (der Verschluß wird durch einige 
kurzdauernde OefTnungen unterbrochen) und Nasenlaute oder Rhino- 
phone, wobei der Luftstrom durch die Nase abgeleitet wird. Ferner 
unterscheiden wir die Konsonanten, die ohne Stimme gebildet werden, 
die Tenues, und die, die mit Stimme gebildet werden — Mediae. 

Besonders oft werden die Laute des zweiten und dritten Artikula¬ 
tionsgebietes als die schwierigeren falsch gebildet. Oft werden sie 
auch ganz ausgelassen oder die des zweiten durch Konsonanten des 
ersten Artikulationsgebietes, die des dritten durch solche des zweiten 
Artikulationsgebietes umschrieben. 

Während, um ein Beispiel anzuführen, die K-Laute durch An¬ 
drücken des Zungengrundes an den entsprechenden Teil des Gaumens 
beim Exspirieren zustande kommen, drücken die Kranken die Zungen¬ 
spitze gegen die hintere Fläche der oberen Zähne. Das Resultat ist 
natürlich ein t-Laut. Sie sagen „drüten“ statt „drücken“. 

Je länger man solche Fehler hingehen läßt, desto mehr werden sie 
eingewurzelt und desto schwieriger sind sie dann auch zu beseitigen. 
Interessant ist, daß ganze Völker bestimmte Sprachlaute durch fort- 


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— 344 — 


gesetzte Nichtübung verlieren können. So haben z. B. die Chinesen 
kein K und sprechen dafür L, bei den Japanern *ist das Umgekehrte der 
Fall. 

Eine Abart des Stammelns bildet das Lispeln, welches in der fehler¬ 
haften Aussprache der S-Laute besteht. Im Volke ist dieser Sprach¬ 
fehler unter dem Namen „Anstoßen“ bekannt. Statt die Zunge hin¬ 
ter der unteren Zahn reihe in leichter Wölbung nach oben liegen zu 
lassen und den Luftstrom durch die enge mittlere Zahnspalte entweichen 
zu lassen, wodurch das charakteristische zischende Geräusch entsteht, 
wird die Zunge entweder zwischen den Zähnen vorgestreckt (Sigma¬ 
tismus interdentalis) oder die Zunge rückt noch weiter hinauf und 
kommt an die obere Zahnreihe zu liegen, während die Luft seitlich ent¬ 
weicht (Sigmatismus lateralis). Sehr verbreitet ist auch die fehler¬ 
hafte Aussprache des R (Rhotazismus oder auch Schnarren genannt). 

Wenn jedoch C o e n behauptet, daß die meisten Menschen kein 
reines R sprechen könnten, so dürfte dies doch mehr auf dialektischen 
Eigentümlichkeiten beruhen, da in manchen Gegenden das uvulare 
R bevorzugt wird. Besonders in den Großstädten pflegt wegen der 
Schnelligkeit der Aussprache deren Deutlichkeit zu leiden. Bekannt 
sind z. B. die Berliner wegen ihrer schlechten Aussprache des R. 

Es würde mich zu weit führen, wollte ich mich noch über die 
überaus vielgestaltige Therapie verbreiten. Nur so viel will ich er¬ 
wähnen, daß in den Taubstummenanstalten in den letzten Jahren die 
französische Methode, die Zeichensprache, immer mehr durch eine von 
Deutschland ausgehende Art des Taubstummenunterrichts verdrängt 
wird, welche darin besteht, daß den Taubstummen mit Hilfe des Ge¬ 
sichts- und Gefühlssinns die Laute der menschlichen Sprache wirklich 
beigebracht w T erden. Um die Therapie des Stotterns hat sich G u t z - 
mann die größten Verdienste erw r orben durch die von ihm ausge¬ 
bildete geistreiche rationelle Heilmethode, welche darin besteht, daß 
die zum Sprechen nötigen Bewegungen bewußt physiologisch einge¬ 
übt werden. Da jedoch die größte Ausdauer und lange Zeit fort¬ 
gesetzte Uebungen nötig sind, um das Uebel zu beseitigen und Rück¬ 
fälle zu vermeiden, dies aber in den seltensten Fällen zu erreichen ist, 
so ist die Prognose keine günstige, zumal das Publikum den Aerzten, die 
die Therapie der Sprachstörungen lange Zeit ganz vernachlässigt haben, 
immer noch ein gewisses Mißtrauen entgegenbringt und sich noch 
immer mehr den Pfuschern zuwendet. Relativ einfach und prognostisch 
günstiger ist die Therapie des Stammelns. Es genügt oft, die Kranken 
auf ihre Fehler in richtiger Weise aufmerksam zu machen, um das 
Uebel zu bessern, und einiger Uebung, um dasselbe ganz zu beheben. 


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345 


Der Einfluss der deutschen Meere (Ost- und Nordsee) 
auf die Tuberkulose der oberen Luftwege. 

Vortrag, gehalten auf dem I. internationalen Laryngo-Rhinologen-Kongreß 

zu Wien 
von 

San .-Rat Dr. A. Hennig, Königsberg i. Pr. 

Die wenig günstigen Erfolge der wegen Tuberkulose des Kehl¬ 
kopfes und der Lungen an die französische, italienische und österrei¬ 
chische Riviera, an den Gardasee oder i:i die Höhenkurorte der Schweiz 
Verschickten, wie auch schon allein der Umstand, daß es nur einer 
verschwindend kleinen Zahl derartiger Kranken wegen der bedeutenden 
Kosten vergönnt ist, jene Kurorte aufzusuchen, hat mich schon seit 
Jahren veranlaßt, derartige Leidende aus dem Norden Deutschlands, 
bei denen der Prozeß noch nicht zu weit vorgeschritten war, an die 
Gestade unserer nordischen Meere, an die Ost- und Nordsee zu schicken; 
ganz besonders wurde ich in diesem Entschluß durch die ausgezeich¬ 
neten Erfolge, die dänische Kollegen in verschiedenen Sanatorien und 
Lungenheilstätten an den dänischen Küsten erzielt hatten, bestärkt. 
Es gibt daselbst zurzeit nicht weniger als 9, teils fertige, teils im Bau 
begriffene Seeküstensanatorien und Heilstätten für Lungentuberkulose, 
Skrophulose und chirurgische Tuberkulose und zwar in R e f n ä s auf 
Seeland, in Juelsminde am Kattegatt, in H e 11 e b ä k am Sund, 
in Böserup am Roskildefjord, in Vejlefjord, in Krabbes- 
holm am Skiwefjord, und diese 6 Sanatorien mit insgesamt 661 
Betten arbeiten schon seit Jahren, Sommer und Winter hindurch mit 
glänzenden Resultaten. Es sind z. B. in dem unter Leitung Professor 
Saugmanns stehenden Vejlefjord-Sanatorium unter 1186 binnen 
7 Jahren auf genommenen Patienten aus allen drei Stadien der Tuber¬ 
kulose bei 86% Heilungen beobachtet worden, die Dauererfolge über- 
trefen sogar die von Turban in Davos erzielten. 

Prof. Schepelern, der Leiter des Kysthospitals auf Refnäs, 
hält die Resultate bei der Behandlung der Lungentuberkulose an der 
Seeküste im Winter für ebenso gute wie im Sommer, da die Kinder 
den ganzen Winter täglich an die Luft kommen. 

Infolge der ausgezeichneten Erfolge der oben genannten Sana¬ 
torien sind in Dänemark drei weitere für Tuberkulose im Bau be¬ 
griffen, die schon in allernächster Zeit eröffnet werden und zwar in 
Nakkebölle auf Süd-Fünen (122 Betten), in Faksinge am 
Prästof jord (120 Betten), beide für Männer und Frauen, und in 


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— 346 — 


Louisehöi am Koldingf jord mit 102 Betten für Kinder bis zu 
15 Jahren. 

Aber auch von der Nordsee mehren sich in den letzten Jahren 
die Berichte über günstige Beeinflussung von Lungen- und Kehlkopf¬ 
tuberkulose durch das Seeklima; von Helgoland, Norderney, 
Borkum und Sylt werden nicht nur Besserungen auch vor¬ 
geschrittener Tuberkulosefälle gemeldet, sondern direkt von Heilungen 
gesprochen. Schon B e n e k e hat gesagt: „ Die Meeresluft am nörd¬ 
lichen mittelländischen Gestade kann eine dauernde Kräftigung der 
schwächlichen Konstitutionen nur selten für sich in Anspruch nehmen. 
Was man dort atmet, ist sehr verschieden von der Luft vom Nordsee¬ 
gestade. Am Strande von Nizza, Mentone, San Remo usw. 
ist die Luft oft so trocken und so wenig bewegt, daß man nicht glaubt, 
dem großen W asserbecken nahe zu sein. Die Ostseeluft hat schon 
bedeutend wirksamere Eigenschaften, der tonisierende Einfluß tritt 
bei ihr bereits hervor, sobald das Meer und die Luftströmungen an den 
meist bewaldeten LHern eine genügende Bewegung zeigen.“ Und noch 
höher schätzt B. die Nordseeluft ein, der er den ersten Platz unter 
allen gegen konstitutionelle Schwächezustände empfohlenen Behand¬ 
lungsmethoden zuspricht. 

In gleichem Sinne äußert sich Dr. Nicolas, Westerland-Sylt, 
in einem am 12. November 1907 im ärztlichen Verein zu Hamburg 
gehaltenen Vortrage „Winterkuren an der Nordsee“. 

Eine geradezu vernichtende Kritik über die französische Riviera 
spricht aus den Worten unseres Altmeisters der Laryngologie, 
Moritz Sch m i d t. „Zu den ungeeignetsten Plätzen für Schwind¬ 
süchtige, besonders für die am Kehlkopf Leidenden, gehören die von 
Frankreich und England so bevorzugten südfranzösischen Orte Men¬ 
tone, Nizza, Cannes usw., denn die meisten dieser Orte bieten keinen 
genügenden Schutz gegen die von Februar bis Ende März ein tretenden 
Kälteperioden. Ganz besonders aber ist der unendliche Staub 
an diesen Orten für mich eine absolute Kontraindikation, Hals- und 
Lungenphthisiker hinzuschicken.“ 

Prof. T j a d e n , Geschäftsführer des Gesundheitsrates zu Bremen, 
sagt in dem Aufsatz „Nordsee-Klima und Tuberkulosebekämpfung“: 
„So günstig die Wirkung des Nordseeklimas auch bei der Drüsen-, 
Knochen- und Gelenktuberkulose ist, ihre größere Bedeutung scheint 
mir bei der Behandlung der Anfangsstadien der Lungentuberkulose zu 
liegen, und zwar sowohl bei Kindern wie bei Erwachsenen.“ 

Ferner hat der bekannte Rostocker Pharmakologe K o b e r t, der 


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347 — 


ehemalige Direktor der B r e h m e r sehen Heilanstalten, bei Gelegenheit 
der letzten Bäderreise der deutschen Aerzte am 5. September v. J. in 
Ahlbeck und am 12. Oktober v. J. in der Sitzung des Rostocker Aerzte- 
vereins unter voller Zustimmung der Anwesenden sich dahin aus¬ 
gesprochen, daß zum mindesten die westliche Hälfte der deutschen 
Ostseeküste, soweit sie eine schöne Gegend mit Windschutz und Wald 
bietet, sehr wohl geeignet ist zur Erbauung von Volkslungenheil¬ 
stätten, von Privatsanatorien für Lungenkranke und von Sanatorien 
für Skrophulose und chirurgische Tuberkulose, und zwar alle drei 
Arten von Anstalten mit Winter- und Sommerbetrieb gedacht. 

Endlich habe ich Belbst schon im Jahre 1906 in meinem Buche: 
„D ie wissenschaftliche und praktische Bedeu¬ 
tung der Ostseebäder“ auf die großen Vorzüge der Ostsee 
bei der Behandlung der auf chlorotischer oder anämischer Basis, auf 
Entwicklungsfehlern, nach langwierigen Infektionskrankheiten oder 
in der Rekonvaleszenz sich ausbildenden, wie jedoch auch bei der 
primären Tuberkulose der Lungen und der oberen Luftwege und zwar 
im Sommer wie im Winter hingewiesen, weil wir gerade an ihr in 
der glücklichen Lage sind, für jede Jahreszeit passende, windgeschützte 
Kurorte auszuwählen und den Einfluß des Seeklimas wesentlich zu 
modifizieren, den Vorzug herrlicher Laub- und Nadel Waldungen haben 
und gerade dadurch unsere Kranken den rauhen Winden (besonders 
Ost, Nordost und Südost) im Frühjahr wie im Winter vollständig 
entziehen können. 

Wir besitzen zwar auf den Nordseeinseln wie an der Ostseeküste 
einige Hospize und Heilstätten, aber ausschließlich für Tuberkulose¬ 
bekämpfung sind nur vorhanden die seit dem Herbst 1906 arbeitende 
Nordheimstiftung in Sahlenburg bei Cuxhaven, die 
Heilstätte der Hanseatischen Alters - und Invali¬ 
ditätsversicherungsanstalt für weibliche Kranke in 
Westerland auf Sylt und die kleinen Kurorte St. Peter und 
Warwerort an der Westküste der Halbinsel Eiderstedt in Holstein, 
im übrigen weiden nur noch in den Kinderheilstätten, in Norder¬ 
ney, in Wyk auf Föhr, wie in St. Müritz i. M. und in 
Zoppot Kindertuberkulose in Gemeinschaft mit Anämien, Chlorose, 
Skrophulose, Gelenk- und Knochentuberkulose behandelt. 

Und woran liegt es nun resp. hat es gelegen, daß sowohl die 
zahlreichen Kurorte der Ostsee wie die Küsten der Nordsee und die 
ihr vorgelagerten ost- und west friesischen Inseln w r enig oder gar 
nicht zur Bekämpfung der Tuberkulose herangezogen worden sind? 


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— 3-18 


Zunächst in der Unkenntnis der klimatologischen 
Verhältnisse der Ost - und Nordsee, und zwar nicht nur 
auf seiten der Laien, sondern besonders seitens der Aerzte, obgleich 
es schon eine ganze Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen über 
dieses Thema gibt (Röchling, Nicolas, Tjaden u. a.), aus 
denen zahlenmäßig ersichtlich, daß die Kurorte der nordischen Meere 
in klimatischer Beziehung sich sehr wohl mit bevorzugten Luftkur¬ 
orten im Herzen Deutschlands, in der Schweiz und an den Rivieren 
messen können; nächstdem in der falschen Auffassungvon 
Aerzten und Laien, die alles Heil im Meere, in den 
Strandbädern erblickten und den hervorragenden Wert des 
Seeklimas, der gesamten klimatologischen Verhältnisse nicht er¬ 
kannten. Aber jetzt dürfte es wohl Allgemeingut aller beteiligten 
Kreise geworden sein, daß dem Seeklima bei weitem die 
erste Stelle in der Behandlung und bei der Heilung 
aller an die See Geschickt en eingeräumt werden 
muß, und daß die kalten Seebäder selbst erst in 
zweiter Linie rangieren. 

Dazu kommt noch, daß die meisten Badeverwaltungen den ganzen 
Betrieb auf wenige Monate im Sommer zuspitzen, in ihren Führern 
von einer von Juni bis September wahrenden Saison schreiben, auf 
die schon immerhin zahlreicheren Hinweise der Aerzte über den Vor¬ 
zug der'Frühjahrs-, Herbst- und Winterkuren an der See bei einer 
großen Zahl von Krankheiten gar keine Rücksicht nehmen, sondern 
in allerdings entschuldbarer Kurzsichtigkeit und Unkenntnis, wohl 
häufig auch der alten Ueberlieferung folgend, alles Heil für die Kur¬ 
orte in einer kurzen, möglichst geräuschvollen und besuchten Sommer¬ 
saison suchen, keine Sorge dafür tragen, daß Wohnungen, Pensionate 
und Hotels von vornherein derartig gebaut und angelegt werden, 
daß sie sich auch für einen Winterbetrieb eignen. Man mag sich im 
Gegensätze zu dieser Gleichgültigkeit, Schwerfälligkeit und dem man¬ 
gelnden Akkommodationsvermögen an unseren nordischen Meeren die 
mustergültigen Einrichtungen der Riesenhotels und Pensionate an 
den Gestaden des Mittelmeers oder gar der Schweiz ansehen, um zu 
der Erkenntnis zu gelangen, daß wür hier oben noch recht weit von 
•dem notwendigsten Komfort für Kranke und Schwächliche entfernt 
sind. Aber auch ein nicht zu verkennender Egoismus spielt ganz be¬ 
sonders bei der Tuberkulose mit. Die meisten Badeverwaltungen 
veilen gar keine Tuberkulösen bei sich aufnehmen, wenigstens nicht 
offiziell, weil sich dann ihrer Meinung nach ein Rückgang von an- 


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— 349 — 


deren Kurgästen, die bis dahin das Hauptkontingent gebildet haben, 
also von Schwächlichen, Rekonvaleszenten und Erholungsbedürftigen, 
einstellen könnte. In diesem Funkte muß man den doch wohl im all¬ 
gemeinen von Laien geleiteten ßadeverwaltungen recht geben, aber 
umgekehrt ist es unseie — der Aerzte — Sache, das große Publikum 
und damit auch die Badevorstände immer wieder darauf aufmerksam 
zu machen, daß eine Ansteckungsgefahr bei ge¬ 
schlossener Tuberkulose, bei Tuberkulose im 
I. und II. Stadium mit geringem Bazillenauswurf 
untorRücksichtaufmoderneHygieneganzundgar 
ausgeschlossen ist. Man mag sich doch z. B. die bekanntesten 
und am meisten aufgesuchten Schwindsuchtsstationen der Schweiz an- 
sehen, in denen sich immer zahlreiche Tuberkulöse, starke Bazillen- 
spucker im terminalen (III.) Stadium befinden, wie diese Orte trotz¬ 
dem in den Wintermonaten von Sportfreunden des Ski, des Bobs¬ 
leigh usw. besucht sind. Und all diese Tausende, darunter Sport¬ 
lustige aus hohen und den höchsten Kreisen, scheuen sich nicht aus 
Furcht vor Ansteckung Wochen hindurch der Erholung und dem 
schönen und gesunden Wintersport in unmittelbarster Nähe von 
schwer Lungenkranken, von Bazillenspuckcrn zuzubringen. Gerade 
in diesem Punkte muß von seiten der Aerzte wie seitens der Bade¬ 
verwaltungen eingehende Aufklärungsarbeit im breiten Publikum ge¬ 
leistet werden. Und wenn dies geschehen sein wird, dann werden 
auch zum Heile der Tuberkulösen und zum Wöhle der Badeverwal¬ 
tungen sich in unseren Kurorten an der Ost- und Nordsee neben an¬ 
deren Kranken auch im Sommer und Winter Tuberkulöse im Anfangs¬ 
stadium, Tuberkuloseverdächtige einfinden und auch von den Bade¬ 
verwaltungen gerne gesehen werden. Dann haben wir ein schönes 
Stück sozialer Arbeit getan. Dahin geht mein Streben, das ist mein 
Ziel, von dessen sogar baldiger Erreichung ich fest überzeugt bin, 
wenngleich es auch noch manchen Kampf kosten, manches Hindernis 
zu beseitigen sein wird. Aber je schwerer der Kampf, um so schöner 
der Sieg. 

Welches ist nun aber der mächtigste Heilfaktor in der Bekämpfung 
der noch immer schlimmsten Volkskrankheit, der Tuberkulose; ich 
sage der noch immer schlimmsten? Denn trotzdem die Sterblichkeit 
an Tuberkulose in Preußen von 31,14 auf 10 000 Lebende im Jahre 
1886 auf 17,26 auf 10 000 Lebende im Jahre 1906 heruntergegangen 
ist, erliegen dieser Seuche in Preußen allein doch noch jährlich zirka 
65 000 Personen von 673 669, d. h. ca. 10% aller Sterbefälle. 


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— 360 — 


Der mächtigste Ileilfaktor in der Bekämpfung der Tuberkulose, 
-der oberen Luftwege und der Lungen ist und bleibt neben manchem 
anderem möglichst reine, staub-, ruß- und keimfreie 
Luft. Und wo finden wir eine solche Luft? Nur auf dem Meere 
nnd am Meere und in Deutschland an der Nord- und Ostsee und sonst 
nirgendwo. Ganz und gar irrelevant ist dagegen der Einfluß hoher 
Wärmegrade, besonders das südliche Klima der französischen, italie¬ 
nischen und österreichischen Riviera. Den besten Beweis dafür liefern 
die Höhenkurorte Arosa, St. Moritz und Davos, die zahlreichen Sa¬ 
natorien und Heilstätten im Herzen Europas, die schon außerordentlich 
günstige Resultate in der Heilung resp. Besserung Schwindsüchtiger 
in dem ersten Stadium, wie aber bisweilen auch noch im II.. und 
III. Stadium aufweisen. 

Die Seeluft, das Seeklima der Ost- und Nordsee ist aber von 
dem Kontinentalklima Euroaps wesentlich verschieden und zeichnet 
sich durch eine Reihe wichtiger Eigenschaften bezüglich des Ein¬ 
flusses auf Tuberkulose der oberen Luftwege und der Lungen aus. 
Dieselben sind: Die Temperatur, die Barometerschwankungen, die 
absolute Dichtigkeit, der Ozon- und Sauerstoffgehalt, die Luftelek¬ 
trizität, der Chlornatriumgehalt, die Reinheit, der Mangel an Mikro¬ 
organismen, die Staub- und Rußfreiheit, der Feuchtigkeitsgehalt, die 
größere Intensität der Luftströmungen, die abhärtende Wirkung und 
der psychische Eindruck. 

Fast alle diese Faktoren haben einen mehr oder weniger günstigen 
Einfluß auf die Tuberkulosen der oberen Luftwege resp. der Lungen, 
und nur in Kürze wollen wir dieselben Revue passieren lassen. 

Die Temperatur der Seeluft ist in den Sommermonaten 
viel niedriger, bis zu 8 0 C., im Winter dagegen weit höher, bis zu 
6° C., als im Binnenlande; das Seeklima der Nord- und Ostsee ist 
mithin milder, gleichmäßiger als das kontinentale Klima. Neben der 
Gleichmäßigkeit des Temperaturverlaufs während eines Tages — es 
kommen nur geringe Schwankungen zwischen Morgen, Mittag und 
Abend, zwischen Tag und Nacht vor — besteht auch nur ein ge¬ 
ringer Unterschied zwischen den einzelnen Tagen; auch der Tempe¬ 
raturwechsel von einem zum andern Monat, ja von einer zur anderen 
Jahreszeit liegt stets und immer in mäßigen Grenzen und ist weit 
weniger plötzlich und exzessiv als auf dem Festlande. Auch Schnee- 
und Frosttage sind an der See weit seltener als im Binnenlande und 
ganz besonders gegenüber weit südlicher und im Südosten gelegenen 
Orten. Diese größere Konstanz der Seelufttemperatur wird auch noch 
erhöht durch die stärkere Bewölkung an der See, und hieraus 


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— 351 — 


ergibt sich der große Vorteil für den Schwindsüchtigen, sich weit 
seltener am Meere zu erkälten als im Gebirge oder im Flachlande, 
sich viel länger im Freien und zwar auch abends aufhalten zu können 
als auf dem Festlande und den Tag weit mehr auszunutzen. Dabei 
kommt den Kranken ganz besonders die Staub- und Rußfrei¬ 
heit, der niedere Keim ge halt oder die Keimfreiheit 
der Seeluft zugute, denn da die meisten Kurorte der Ost¬ 
see wie die Nordseeinseln hauptsächlich unter dem Einflüsse nord¬ 
westlicher Winde stehen und sich ferner zum großen Teil in einer 
Entfernung von 120 Seemeilen und darüber vom nächstgelegenen Fest¬ 
lande in nordwestlicher Richtung befinden, so ist die Seeluft daselbst 
absolut keimfrei; die Süd- und gefürchteten Ostwinde, die 
reinen Landwinde sind^ allerdings für die Nordseeinseln wenig günstig, 
weil sie schlechte Luft vom Wattenmeer bringen, für die meisten Ost¬ 
seekurorte spielen sie eine nur untergeordnete Rolle, da fast alle Ost¬ 
seebäder mit einem breiten Waldesgürtel umsäumt, in großen, schönen, 
alten Parkanlagen gelegen sind, die wie ein Filter gegen jede vom 
Lande herkommende Staubverunreinigung der Luft wirken. Daß eine 
von korpuskularen Substanzen freie Luft nicht den geringsten Reiz 
auf die bei Lungen- und besonders Kehlkopfleidenden von vornherein 
erkrankte Schleimhaut der Atmungsorgane ausübt und schon ledig¬ 
lich aus diesem Grunde wohltuend, reizmildernd wirkt, ist selbst¬ 
verständlich; aber weiterhin wird auch noch durch die Fernhaltung 
von Staub und Schmutz von den äußeren Bedeckungen die Hautatmung 
günstig beeinflußt, ein ebenfalls nicht zu unterschätzendes Moment 
für die Gesundheit. 

Näclistdem wichtig für Tuberkulose ist der hohe Feuchtig- 
keitsgehalt der Seeluft der gemäßigten Zone, besonders an der 
Ost- und Nordsee, hervorgerufen durch die stete Verdunstung einer 
großen und bewegten Wasserfläche, und zwar deshalb, w r eil ebenso wie 
die größere Dichte der Luft auch die mit Wasserdunst ziemlich ge¬ 
sättigte, die Wärme besser leitet und dadurch den Wärmeverlust des 
Körpers wesentlich fördert. Da aber nun weiterhin die Hautperspi¬ 
ration bei trockener Luft viel stärker als bei feuchter ist, so ergibt 
sich infolge des hohen Wassergehalts der Luft am Meere eine geringere 
Verdunstung der Haut ober fläche und mit ihr eine geringere Ver¬ 
dunstungskälte; hierauf beruht einzig und allein die höchst wichtige 
Tatsache, daß ein Kurgast sich weit seltener an unseren nordischen 
Meeren, selbst an stürmischen Tagen und bei längerem Aufenthalt 
auf der See und am Strande auch abends und nachts, erkältet, als 
im Binnenlande oder an anderen Meeren, wo die Hautperspiration 


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infolge der trockenen Luft viel stärker und die Verdunstungskälte 
wesentlich größer ist. Die mit Wasserdampf gesättigte Seeluft bahnt 
zunächst in sehr schonender Weise die Erhöhung des Stoffwechsels an, 
ohne daß die gesteigerte Wärmeproduktion eine größere Arbeitsleistung 
vom Organismus voraussetzt oder verlangt, sie wirkt mild an¬ 
regend auf den Körper. 

Ein weiterer sehr wichtiger physiologischer ElTekt besteht nächst- 
dem in einer beruhigenden Wirkung und zwar besonders auf die At¬ 
mungsorgane durch die Erweichung, Lockerung und Lösung zäher 
Schleimmassen vom Naseneingang bis zu den feinsten Lungen¬ 
alveolen, wodurch die Ausscheidung derselben erleichtert, die Lungen 
freier werden, infolgedessen sich die Atmung vertieft, die Zirkulations¬ 
verhältnisse sich bessern, der Stoffwechsel sich steigert. Und dieser 
Vorteil wird noch durch den etwaigen Ozon - und Salzgehalt 
der Atmungsluft etwas vermehrt. Können wir auch dem Ozon- 
gehalt der Luft, besonders der Seeluft, keinen direkt günstigen Ein¬ 
fluß auf desinfizierende und oxydierende Vorgänge im Organismus zu¬ 
sprechen, so hat er dennoch eine indirekte Bedeutung für uns, weil er 
als Gradmesser der Reinheit der Luft gilt, denn je größer sein Gehalt 
in der Luft, um so sicherer -können wir behaupten, daß die Luft 
von organischen Beimengungen fast frei ist; denn wo immer faulende 
Substanzen vorhanden sind, zersetzt sich das Ozon vermöge seiner ihm 
innewohnenden Kraft und verschwindet aus der Luft. Aber nur als 
Gradmesser darf der Ozongehalt der Luft dienen, denn leider kommen 
auch, wie Flügge nachgewiesen hat, in der ozonreichen Luft Mikro¬ 
organismen vor. Aehnlich wie der Einfluß des Ozongehalts der See¬ 
luft weit überschätzt worden ist und leider noch immer wird, und 
zwar besonders von leidenschaftlichen Nordseeschwärmern, gerade so 
geht es mit dem Kochsalzgehalt derselben. Die Seeluft enthält im 
großen und allgemeinen weder an der Ost- noch Nordsee, noch einem 
anderen Meere, weder in den Küsten-, noch auf den Inselbädern Koch¬ 
salz, sondern lediglich bei starkem Winde und heftiger Brandung 
findet sich Kochsalz in der Luft, aber immer nur in sehr geringer 
Menge und auch stets nur in unmittelbarster N ähe des 
Strandes, dort wo die wilde Brandung sich in Gischt auflöst und 
feinste, kleinste Wasserteilchen in die Luft schleudert, von wo sie je 
nach dem Grade des Windes und der Windrichtung mehr oder minder 
weit vom Strande fortgetragen werden, aber doch nur auf relativ 
kurze Strecken. Also nur an stürmischen Tagen oder an Küsten, an 
denen infolge der Strandformation häufiger eine kräftige Brandung 
tobt, können wir uns den Genuß und den Vorteil der Einatmung, einer 


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fein verteilten Kochsalzlösung: verschaffen, der sich jedoch nur in 
einer wohltuenden, mildanregenden Wirkung auf die oberen Luftwege 
bemerkbar macht, keineswegs aber wesentlichen Einfluß auf den Stoff¬ 
wechsel im allgemeinen, auf Rück- und Anbildung von Gewebe, von 
Wärmeproduktion ausübt, wie andere annehmen, denn dazu sind die 
eingeatmeten Kochsalzmengen viel zu gering im Verhältnis zu den 
durch die Nahrung aufgenommenen. Unter den oben angeführten 
Umständen ist aber die See selbst das natürlichste, größte 
Inhalatorium der Welt, die Luft auf und an derselben von 
einer vollkommenen Reinheit, Staub-, Ruß- und Keimfreilieit und 
daher kann schon aus diesen physiologischen Gründen jedem an Tuber¬ 
kulose Leidenden, sofern er genügend Kräfte besitzt, um den Stoff- 
verbrauch, der mit jedem Aufenthalte an der See, in der Seeluft ver¬ 
bunden ist, vollständig zu decken und noch ein kleines Plus anzusetzen, 
warm empfohlen werden, besonders solche Orte aufzusuchen, an denen 
erfahrungsgemäß häufiger kräftige Seewinde wehen, an denen das 
wunderbare Naturschauspiel der wildtosenden Brandung oftmals den 
Gischt über den Seestrand und die Strandpromenaden treibt und dort 
Gelegenheit bietet, die Lungen tüchtig zu ventilieren und sich Gesund¬ 
heit und Kraft in dem herrlichsten und kräftigsten Inhalatorium der 
Welt zu holen. Das ist aber ganz besonders auf den Nordseeinseln und 
in manchen Kurorten an der Ostsee wie z. B. in dem an der samländi- 
sehen Bernsteinküste gelegenen Seebad und Seekurort Oranz der Fall. 

Der therapeutische Wert eines mäßig starken Seewindes ist aber 
für Lungenkranke, für Tuberkulosen der oberen Luftwege von großer 
Bedeutung, denn neben der Zufuhr einer staub-, ruß- und keimfreien, 
öfters auch mit Kochsalz geschwängerten Atmungsluft durchlüftet 
derselbe die Kleidungsstücke und führt die gasförmigen Ausschei¬ 
dungen des Körpers schneller fort, dann aber steigert er auch die 
Wärmeabgabe und den Wärmeverlust in weit höherem Grade als der 
oben erwähnte Feuchtigkeitsgehalt der Seeluft. Diese fast ununter¬ 
brochen Wärme entziehende Eigenschaft der Seeluft, die bei nicht ge¬ 
nügender Bekleidung recht erheblich, ja bei zu starkem und unein¬ 
geschränktem Genüsse derselben sogar höchst gefährlich werden kann, 
ist bei verständigem Gebrauche von unschätzbarem Nutzen für Ge¬ 
sunde wie Kranke, besonders aber für Tuberkulöse. Zunächst findet 
durch den häufigen Kältereiz eine Hebung und Kräftigung des Wärme- 
regulierapparates statt, die glatten Muskelfasern der Haut und der 
Hautgefäße ziehen sich kräftig zusammen, die Ernährung der Haut 
geht schneller, energischer vor sich; mit ihr hält aber auch eine Steige¬ 
rung der wärraebildenden Prozesse im Körper gleichen Schritt, um 


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den durch die Haut vermittelten Wärmeverlust zu decken, und zwar 
kommt der gesteigerte Stoffverbrauch durch den erhöhten Appetit zum 
Ausdruck. Infolgedessen sehen wir jeden Kurgast an der See sich sehr 
bald weniger stark bekleiden wie im Binnenlande, weil er sich 
unbewußt in der Seeluft abhärtet und nicht auf jeden Wechsel in 
der Temperatur, der, wie wir oben sahen, an unseren nordischen Meeren, 
an der Nord- und Ostsee, überhaupt sehr gering ist, mit einer Er¬ 
kältungserscheinung antwortet und ferner infolge des gesteigerten 
Nahrungsbedürfnisses gewöhnlich an Körpergewicht zunehmen. Aber 
auch nur solche Tuberkulösen dürfen an unseren Meeren bleiben, bei 
denen die Anbildung von Stoff die Rückbildung um etwas übersteigt; 
wenn dagegen der Verbrennungsprozeß im Organismus nicht voll¬ 
ständig durch die Nahrungsaufnahme gedeckt wird, der Appetit sich 
verringert, so ist eine Seeluftkur nicht am Platze und muß sofort auf¬ 
gegeben werden. 

Die übrigen der Seeluft der nordischen Meere zukommenden 
Eigenschaften, wie die Barometerschwankungen, die absolute Dichtig¬ 
keit, die Luftelektrizität, haben für die Tuberkulosen der oberen Luft¬ 
wege keine besondere Bedeutung und können wir sie infolgedessen 
übergehen; ihren Einfluß im allgemeinen habe ich in meinem oben 
genannten Buche näher beleuchtet. 

Weiterhin müssen wir auch noch eines anderen sehr wichtigen 
Faktors bei einem Seeaufenthalte gedenken, d. i. der L i c h t Wir¬ 
kung, des Sonnenlichts. Die exakte Beobachtung im Tier- und 
Pflanzenreich lehrt uns den gewaltigen Einfluß des Lichts, speziell 
der Sonne auf das Leben und Wirken sämtlicher organischer Wesen 
auf unserer Erde, die kräftigere Entfaltung aller Lebenserscheinungen, 
beim Menschen eine vermehrte Schaffensfreudigkeit, gehobene Ge- 
miitsstimmung, erhöhte Lebenslust; wir haben den hemmenden Ein¬ 
fluß auf die Entwicklung der Bakterien, speziell der Tuberkelbazillen, 
unsere ärgsten Feinde kennen gelernt; wir wissen, daß intensive Be¬ 
leuchtung. grelles Sonnenlicht besonders den Stoffwechsel des Menschen 
mächtig anregt, und zwar werden in erster Linie diejenigen Naturen 
betroffen, die durch ungeeignete Wohnung und Lebensweise sich dem 
Sonnenlichte längere Zeit entzogen haben; ja der Stoffwechsel kann 
unter Umständen so stark werden, daß lediglich infolge der zu kräf¬ 
tigen Einwirkung des Sonnenlichts Beschwerden aller Art, wie Kopf¬ 
schwindel, Herzklopfen. Appctitmangel und Schlaflosigkeit auftreten, 
und drher ist es auch nicht vorteilhaft, sich gleich in den ersten Tagen 
eines "Seeaufenthaltes viele Stunden den Strahlen der Sonne auszu¬ 
setzen, sondern es ist dringend zu empfehlen, sich langsam an diesen 


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mächtigen Heilfaktor zu gewöhnen. Das Licht wirkt ferner noch auf 
die Schweißabsonderung, es erhöht sie in warmen, sonnigen 
Tagen um Bedeutendes und belebt dadurch den Stoffwechsel, es ver¬ 
mehrt aber weiterhin auch die Kohlcnsäureausscheidung wie die Sauer¬ 
stoffaufnahme und trägt auf diese Weise ohne unser Zutun zur Ver¬ 
besserung der Blutbildung und Blutmischung bei. Und wo kann die 
Sonne ihre Gesundheit befördernden Eigenschaften wohl mächtiger 
entwickeln als an der See? Nirgends anderswo, niemals in den 
schattenspendenden Waldungen oder in den im Gebirge liegenden Kur¬ 
orten, in denen häufig nur wenige Stunden am Tage zum Genüsse 
der allbelebenden Sonnenstrahlen zur Verfügung stehen. Hat doch 
Kolberg z. B. viel mehr Sonnenscheinstunden im Jahre wie die ge¬ 
priesenen schweizerischen Höhenkurorte für Tuberkulöse, ein Faktum, 
das wohl noch kaum in weiteren Kreisen bekannt sein dürfte, und 
ähnlich oder , gleich ist es in den meisten Seekurorten der nordischen 
Meere. Es muß aber noch berücksichtigt werden, daß bei gleicher 
Intensität der Sonnenstrahlung wie bei gleich ausgedehnter Wolken¬ 
bildung die auf den Menschen zur Einwirkung kommenden Licht¬ 
mengen infolge der staub- und rußfreien Luft, der stärkeren "Reflexion 
der Lichtstrahlen von der Meeresoberfläche wie der geringen Absorp¬ 
tion von grellem Sandstrand am Meere weit größer sind als im Binnen¬ 
lande; das trift aber nicht nur, wie T j aden meint, für die Nordsee¬ 
inseln zu, sondern meiner Ueberzeugung nach ist dieselbe an der Ost¬ 
see noch viel größer, weil der trockene Sandstrand weit weniger 
Lichtstrahlen absorbiert als der durch die Flut feucht gewordene. 

Luft und Licht, das Seeklima unserer Meere und die alles 
belebende Sonne sind die wichtigsten Faktoren zur 
Heilung der Tuberkulose der oberen Luftwege und 
der Lungen in der gemäßigten Zone; eie überragen in 
ihrer Wirkung um vieles die bis dahin erzielten Erfolge der viel¬ 
gepriesenen Sehwindsuchsstationen des Mittelländischen Meeres und 
der Schweizer Höhenkurorte, von Madeira und Aegypten und der viel¬ 
umstrittenen mehrmonatliehen Seereisen nach Australien. Südamerika 
und Asien; sie verweichlichen nicht den ohnehin schwächlichen, wider¬ 
standslosen Organismus, sondern sie kräftigen, sie beleben den Tuber¬ 
kulösen, der Auswurf wird leichter, flüssiger und hört allmählich auf, 
der Appetit hebt sich, das Körpergewicht, steigt, Nachtschweiße und 
Diarrhöen schwinden, Heiserkeit und Husten lassen nach, katarrhali¬ 
sche Erscheinungen, Infiltrationen und Geschwüre der oberen Luft¬ 
wege heilen aus, die abnormen auskultatorischen Erscheinungen auf 
den Lungen machen normalen Atmungsgeräuschen Platz, kurzum der 


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Schwerkranke geht bei richtiger, umsichtiger ärztlicher Führung unter 
dem Gebrauche der unschätzbaren Naturkräfte gewöhnlich seiner Ge¬ 
nesung entgegen, aber nicht nur im ersten Stadium der Tuberkulose, 
sondern häufiger auch in vorgeschrittenen Fällen und zwar sicherer 
und billiger als sonst irgendwo in der Welt. 

T T nd diesen wissenschaftlichen Deduktionen über den Heil wert 
der Ost- und Nordsee auf die Tuberkulose der Lungen wie der oberen 
Luftwege im speziellen entsprechen nun auch die praktischen Resul¬ 
tate. die ich unter dem Einfluß des Seeklimas in Verbindung mit einer 
rationellen Behandlung gesehen habe. Was die spezielle Behandlung 
anbetrifft, so wurde jede derartige Kur im Frühjahr, Sommer oder 
Frühherbst begonnen ; die Wohnung resp. der Schlafraum niemals zu 
ebener Erde und nur nach Süden gelegen gewählt, auf vorzügliche 
Verpflegung ganz besonderer Wert gelegt, anfänglich nur kurzer Auf¬ 
enthalt an der See gestattet, dagegen Liegekuren im Walde in der 
Nähe der See bevorzugt; erst später, wenn es sich herausgestellt hatte, 
daß der Kranke den Aufenthalt an der See gut vertrug, wurde ein 
längeres Verweilen im Strandkorbe oder auf dem trockenen Sand- 
strande liegend gestattet, dazu kamen Inhalationen von zerstäubtem 
Meerwasser im Dunstraum (IT eryngs Viersitzer) und Einzelinhala¬ 
tionen mit Guajakol, Perubalsam, Ol. pini pumilionis, Ol. Oupressi 
usw.. lokale Behandlung, innerliche Medikationen, warme Seebäder, 
Abwaschungen oder Duschen mit lauem Seewasser und endlich in der 
warmen Jahreszeit bisweilen auch kalte Seebäder. 

Seit Jahren finden wir in einer Anzahl von Führern von Ostsee¬ 
kurorten und Nordseebädern als Indikation für die betreffenden Orte 
Lungentuberkulose im ersten Stadium, Lungenspitzenkatarrh, chro¬ 
nische Lungenaffektionen, chronische Kehlkopfkrankheiten u. dergl. 
aufgeführt, ohne daß mit Ausnahme der Veröffentlichungen aus den 
Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten nähere Angaben über 
den Erfolg einer Seeluft- oder Seebadekur bei derartigen Leiden, über 
die Zahl der Kranken usw. gemacht worden wären. Nur Herr Kollege 
M oh 1 borg gibt an, daß im Jahre 1905 im Seehospiz Kaiserin 
Friedrich in Norderney an Lungentuberkulose 13 und an Lun gen- 
spitzenkatarrh 78 behandelt, im Jahre 1906 von 111 Kindern mit 
Katarrh oder Verdichtung der Lungenspitzen 64 geheilt entlassen 
worden sind. 

Nach T j a d e n hat sich auch der leitende Arzt des Hamburgischen 
Seehospitals, der Nordheimstiftung. über den Erfolg bei Kindern aus 
tuberkulösen Familien mit chronischen Katarrhen der Atmungsorgane 
recht günstig geäußert, und dieses Resultat ist um so wichtiger, als 


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es sich gerade auf eine Winterkur (und zwar in einem recht strengen 
Winter) bezog. 

Ferner geben uns auch die Jahresberichte der Hanseatischen 
Alters- und Invaliditätsversicherung über ihre Heilstätte für weibliche 
Lungersehwindsiichtige in Westerland auf Sylt einen sicheren Beweis 
für den günstigen Einfluß des Seeklimas auch im Winter. Dr. Ni¬ 
colas berichtet aus dieser Anstalt vom Jahre 1905: Von den auf¬ 
genommenen Lungenkranken litten an Husten 116, derselbe blieb nur 
bei 14; Auswurf hatten 75, am Schlüsse der Kur nur noch 15; bei 
13 war blutiger Auswurf, der bei allen verschwand; an Nachschweißen 
litten 88, bei 6 blieb er. 

Die von der Versicherungsanstalt für Schleswig-Holstein in 
St. Peter und Warwerort an lungenkranken Männern und Frauen ge¬ 
machten Erfahrungen sind ebenfalls recht gute und werden baldigst 
veröffentlicht werden. 

T j a d e n berichtet über günstige Erfolge des Bremer Vereins zur 
Bekämpfung der Tuberkulose mit 15 an offener Tuberkulose Leidenden 
auf Norderney: Bei 11 Kranken hatte sich der Zustand während eines 
dreimonatlichen Aufenthaltes, und zwar vom 1. Dezember bis 1. März, 
derartig gebessert, daß sie ihre Arbeit wieder auf nehmen konnten. 

Ich selbst habe den ersten Lungenkranken im Jahre 1881 im Früh¬ 
jahr nach Cranz bei Königsberg geschickt; derselbe blieb mit einigen 
Unterbrechungen bis zum Herbst dort und gesundete vollkommen. 
Seitdem, also seit 27 Jahren, habe ich, wo es die Verhältnisse ge¬ 
statteten, alle Tuberkulösen und Schwindsuchtverdächtigen — und 
ihre Zahl ist nicht gering — speziell die Lungen- und Kehlkopf¬ 
kranken im ersten Stadium, Personen mit geschlossener Tuberkulose 
oder mit nur geringem Auswurf an die See und zwar an die Ostsee 
geschickt, anfänglich nur im Spätfrühling und im Sommer, seit einigen 
Jahren aber zu jeder Jahreszeit, und kann ich nur sagen, daß die 
Resultate quoad sanationem et laborem jenen von Davos, Meran, 
Mentone, San Remo, Palermo weit überlegen sind, und daß ich es 
im allgemeinen für einen großen Fehler halte, tuberkulöse Lungen¬ 
oder Kehlkopfkranke ans Mittelmeer zu schicken, ganz besonders aber 
aus Deutschland, falls die Patienten genötigt sind, wie es doch meist 
der Fall ist, ihr Brod im Vaterlande zu verdienen; aber auch die aus 
südlichen, wärmeren Ländern stammenden Tuberkulösen sollten zu 
ihrem Heile das reizmildernde, kräftigende und anregende Klima 
unserer nordischen Meere, der Ost- und Nordsee, aufsuchen; hier wird 
ihnen in der staubfreien, erfrischenden, gesunden Seeluft eher der 
Stern der Oenesung aufgehen, als unter den erschlaffenden, heißen 


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— 858 — 


Sonnenstrahlen des Südens, als in den schönen, aber staubigen Kur¬ 
orten Frankreichs und Italiens. 

Das ist nun wohl so ziemlich alles, was über den Einfluß der 
Nord- und Ostsee auf Tuberkulose veröffentlicht worden ist, und in¬ 
folge dieser äußerst spärlichen Angaben stellte ich im Laufe des 
verflossenen Winters eine Enquete bei 95 an der Ost- und Nordsee 
praktizierende:: Aerzten Deutschlands, Dänemarks und Schwedens über 
die Zahl der an der See behandelten Tuberkulosefälle (Tuberkulose der 
oberen Luftwege, der Lungen, der Knochen und Gelenke und der 
Haut), die Art und Weise der Behandlung und den Erfolg derselben 
an. Auf meine Umfrage habe ich von einer lleihe von Kollegen aus¬ 
führlichere Antworten erhalten, die ich mir Vorbehalte, säter in ex¬ 
tenso zu veröffentlichen; für heute erlaube ich mir das Fazit der¬ 
selben in folgenden Thesen niederzulegen: 

1. Der Einfluß der deutschen Meere (Ost- und Nordsee), be¬ 
sonders des Seeklimas auf Tuberkulose der oberen Luftwege wie der 
Lungen im Anfangsstadium ist sehr günstig, in der Mehrzahl der Fälle 
tritt Heilung ein; auch das zweite Stadium weist bei längerem Auf¬ 
enthalt an der See noch stets bedeutende Besserung auf. 

2. Ganz besondere Vorteile von einem längeren Aufenthalte auf 
einzelnen Nordseeinseln und in verschiedenen Kurorten der Ostsee 
haben diejenigen Tuberkulosen der oberen Luftwege, die sich auf 
anämischer oder chlorotischer Grundlage, infolge allgemeiner Körper¬ 
schwäche im Anschlüsse an Skrophulose. Rachitis oder Infektions¬ 
krankheiten entwickelt haben. 

3. Die Kurorte der Ostsee eignen sich besonders für schwächliche 
und zarte Konstitutionen, die Nordseeinseln mehr für kräftigere 
Naturen. Im allgemeinen sind die Ostseebäder wegen ihrer mehr wund¬ 
geschützten Lage zu bevorzugen. 

4. Die klimatische Kur kann sowohl an der Ost- wie Nordsee 
während des ganzen Jahres gebraucht werden und muß mit einer 
hygienisch-diätetischen, Inhalations-, medikamentösen und ev. lokalen 
Behandlung verbunden w r erden. 

5. Die Errichtung von Lungenheilstätten und Sanatorien für 
Lungen- und Kehlkopf tuberkulöse mit Jahresbetrieb und geeigneten, 
windgeschützten Plätzen an den deutschen Meeresküsten ist ein 
dringendes Bedürfnis. 

6. Weit ausgedehnte Tuberkulosen der oberen Luftwege im Verein 
mit vorgeschrittener Lungentuberkulose bilden eine Gegenanzeige für 
einen Aufenthalt an der See. 


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7. Bazillenspucker sind von dem Aufenthalt in offenen Kurorten 
an der See auszuschließen und dürfen nur in geschlossenen Anstalten 
untergebracht werden. 


Ueber die Anwendung der Bronchoskopie in 2 Fällen 
von Asthma bronchiale. 1 ) 

Von 

Dr. A. Galebsky. 

J)r. med. A. C a 1 e b s k y, der sich seit dem Jahre 1907 auf der 
Klinik des Herrn Professors Simanov^sky in St. Petersburg mit 
der Bronchoskopie beschäftigt, hat versuchsweise dasselbe Verfahren 
in zwei Fällen von Asthma bronchiale in Anwendung gebracht. 

Der erste Fall betraf eine ca. 40 jährige Frau mit einer 
schweren Form von Asthma bronchiale, bei der sich die Erscheinungen 
einer diffusen Bronchitis hauptsächlich in der linken Lunge lokalisier¬ 
ten. In dem Falle wurde mittels Bronchoskopie ein sehr deutlicher 
Unterschied zwischen der Schleimhaut des rechten und linken Bronchus 
erwiesen. Die Schleimhaut des linken Bronchus war stark gerötet und 
etwas ödematös. 

Nach der Prozedur, die unter Anwendung von 20proz. Kokain und 
Adrenalin durchgeführt wurde, wurde etwas Besserung verzeichnet. 
Nach Verlauf einer Woche, als die Anfälle wieder heftiger wurden, war 
die Patientin zu einer neuerlichen Bronchoskopie gerne bereit, 
welche ihr aber diesmal leider keine Erleichterung ihres Leidens 
brachte, vielleicht deshalb, weil die Bronchoskopie diesmal zur Zeit der 
Menses vorgenommen wurde, welcher Umstand von der Kranken ver¬ 
heimlicht wurde. 

Dagegen wurde in dem z w e i t e n F a 1 1 e von Asthma bronchiale, 
eine 30 jährige Patientin betreffend, durch bloß einmalige Anwendung 
der Bronchoskopie und Bcpinselung der Bronchien mit Kokain und 
Adrenalin eine vollkommene Heilung des Leidens erzielt. 

In diesem Falle bot die Bronchialschleimhaut keinerlei Abwei¬ 
chung von der Norm. Die Kranke war durch sieben Jahre von An¬ 
fällen des Asthma bronchiale heim gesucht, welche manchmal 
sehr intensiver Art waren und 48 Stunden lang anhielten. Zuletzt 
hatte die Patientin Erstickungsanfälle jedesmal, wenn sie sich im 

*) Nach einem Vortrage in der Petersburger oto-laryngologischen Gesell¬ 
schaft am 22. März 1908. 


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Freien befand und bei der geringsten Aufregung. Die Kranke hat zu 
verschiedenen Zeiten alle Arten der Therapie durchgemacht: es wurden 
ihr die vorderen Enden der mittleren Muschel entfernt, auch Aetzung 
wurde ausgeführt. Nach der vorgenommenen Bronchoskopie und aus¬ 
geführten Bcpinselung der Bronchien mit 20proz. Kokain und Ad¬ 
renalin hatte diese Patientin schon nach 1 Vi Monaten gar keine Atem¬ 
beschwerden, und es blieb kein Anzeichen mehr von früherem Asthma. 

Angesichts der bei der Behandlung des Asthma bronchiale mittels 
Bronchoskopie erzielten Erfolge, welche auch von Dr. Nowotny, 
Assistent bei Prof. P i e n i a z e k, verzeichnet werden, glaubt Dr. G a - 
1 e b s k y, daß diese Heilmethode eine Beachtung verdient, insbesondere 
in jenen Fällen, bei denen sich jede andere Therapie als erfolglos er¬ 
wies. 

Die Art der Einwirkung der Bronchoskopie in diesen Fällen z u 
erklären ist nicht leicht.; vielleicht darf man sich vorstellen, daß 
durch die Bepinselung mit der starken Kokainlösung die das Asthma 
auslösende Reflexkette unterbrochen wird. 


Ein Fall von Kleinhirnabszess. 

Von 

Privatdozent N. Sack (Moskau). 

Die Symptomatologie und der Verlauf der Kleinhirnabszesse sind 
so verschiedenartig, die Diagnose oft so schwierig, daß ein jeder kasu¬ 
istische Fall für die Oeffentlichkeit ein gewisses Interesse bietet. Mein 
Fall ist folgender: Am 31. August 1907 wurde mir iin Sophien-Kinder- 
spital die 5 jährige Patientin Marie Z. vorgeführt, die über schwere 
Allgemeinerscheinungen und eine linke Faziolisparalyse klagte. Aus 
der Anamnese konnte ich nur eruieren, daß Patientin an einer links¬ 
seitigen Ohreiterung seit zwei «Jahren litt, und vor ungefähr 2 Wochen 
ein schiefes Gesicht bekommen hatte, ln den letzten Tagen wurde sie 
sehr schwach und stets schläfrig. 

An den inneren Organen wurde nichts Anormales gefunden. Der 
Allgemeinzustand der Patientin ist schlecht, sie ist sehr blaß und ab- 
gemagert. Pat. kann aus ihrer Somnolenz geweckt werden und gibt auf 
Fragen vernünftige Antworten; sie klagt über Schmerzen im linken 
Ohr, Kopfschmerzen hatte sic nicht. Temperatur normal. Puls 115, 
regelmäßig, jedoch schwach. Atmung ruhig und langsam. Erbrechen 
wurde bisher nicht beobachtet, bloß am vierten Tage des Spitalaufent¬ 
haltes notiert. Patientin verlangt kein Essen, wenn man ihr aber etwas 


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reicht, schluckt sie ohne Widerwillen. Stuhlgang 1—2 mal täglich. 
Keine Nackensteifigkeit. Pupillen reagieren auf Licht prompt, Augen¬ 
bewegungen normal. Augenhintergrund konnte leider nicht unter¬ 
sucht werden. Zunge wird gerade herausgestreekt, etwas belegt. Be¬ 
wußtsein beim Anfragen klar. 

Nystagmus horizontales nach links (kranke Seite), beim Links- 
sehen sehr ausgesprochen, beim Rechtssehen sehr schwach. 

Kniereflex beiderseits normal. Beim Aufrechtstehen fällt Patien¬ 
tin nach links. Gaug wackelnd, ataktisch. 

Linker Processus mastoideus zeigte nichts Abnormes. Keine 
Schwellung, keine Druckempfindliehkeit. Aus dem linken Gehörgang 
ragt ein großer obturierender Polyp. Leichtes Ekzem der Ohrmuschel. 
Konversationssprache wird von der Patientin sowohl rechts, w i e 1 i n k s 
auf eine Entfernung von vier Schritt wahrgenommen, obwohl es un¬ 
möglich ist, zu entscheiden, ob sie mit dem kranken Ohre (bei zugestopf¬ 
tem rechten) oder per Knochenleitung, oder gar mit dem gesunden 
zugestopften Ohre hört. Außerdem war, wie oben gesagt, eine kom¬ 
plette Fazialislähmung links vorhanden. 

Rechtes Ohr zeigte fast normale Verhältnisse. 

Aus diesem Symptomenkomplex war es klar, daß wir es in diesem 
Falle mit einer tiefen Destruktion des linken Schläfenbeines, die bis 
zu einer zerebralen Komplikation vorgeschritten war, zu tun hatten. 
Bei der Analyse dieser vermuteten Zerebralerkrankung konnte man im 
voraus eine Meningitis purulenta, angesichts der normalen Temperatur 
und der Abwesenheit von Nackenstarre, Delirien, Kopfschmerzen etc. 
ganz ausschließen; desgleichen eine Meningitis tuberculosa basilaris. 
Für einen extraduralen Abszeß waren die Erscheinungen zu schwer. 
Es blieb also nur übrig, die DitTerentialdiagnose zwischen Gehirn- resp. 
Kleinhirnabszeß und Labyrinthitis, da der Nystagmus und der atak¬ 
tische Gang darauf hindeuteten, zu stellen. 

Gegen einen Schläfenlappenabszeß linkerseits sprachen in meinem 
Falle die Abwesenheit von amnestischer Aphasie, gekreuzten Paresen 
und die normale Funktion der Nn. oculoinotorius, abducentis links. 
Obwohl alle diese Symptome keineswegs konstante Begleiterscheinun¬ 
gen eines Schläfenalppenabszesses sind, da sie einzeln genommen 
ebenso gut fehlen können, — aber daß sie alle zusammen fehlten, das 
fiel schwer in die Schale für einen Kleinhirnabszeß, da eine Labyrinth¬ 
erkrankung allein doch nicht so schwere Allgemeinsymptome hervor- 
rufen dürfte. 

Daher entschloß ich mich, zuvörderst die Radikaloperation vorzu- 
nehmen und das Labyrinth zu inspizieren. 


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6./19. September: Operation in Cbloroformnarkose. Der Polyp 
wird mit kalter Schlinge aus dem Gehörgang entfernt. Antrum und 
Mittelohr typisch eröffnet, wobei der Warzenfortsatz sich stark ebur- 
nesiert zeigt. Granulationen und Schleimhaut ausgekratzt. Eiter 
wurde nirgends aufgefunden. 

Die obere und hintere Gehörgangswand wurden aufgemeißelt und 
die Dura freigelegt. Letztere in der mittleren Schädelgrube auf 1 qcm 
entblößt, zeigte sich vollkommen normal. Aus dem Mittelohr wurden 
die Reste der Gehörknöchelchen entfernt. In der Gegend des Promon¬ 
toriums stieß ich auf ein Sequester, welcher sich bei der Herausnahme 
als ein Teil der Kochlea (IV 2 Windungen) mit zwei Oetfnungen der 
Canales semicirculares erwies. Da die Sonde weiter nach oben führte, 
drang ich in die Gegend des Tegmen tympani, die zerstört war, bis wir 
eine sehr bedeutende Blutung aus den Duragefäßen bekamen. Tampo¬ 
nade. Weiteres Vordringen in die Sinusgegend und zum Zerebellum 
wurde vorläufig aufgeschoben und ich entschloß mich, ein paar Tage 
abzu warten. 

Der Zustand der Patientin änderte sich nach der Operation fol¬ 
gendermaßen: Der Puls, der früher 115 und regelmäßig war, zeigte 
jetzt nur 64—62 Schläge. Der Nystagmus, welcher früher nach 
der linken (kranken) Seite stark ausgeprägt war, änderte jetzt 
seine Richtung nach rechts, obwohl ein sehr schwacher Ny¬ 
stagmus auch noch links — aber viel schwächer als vor der Operation 
— zu bemerken war. Bewußtsein, Somnolenz, Temperatur, Augen — 
wie zuvor. Nur zeitweise Erbrechen und große Schwäche. 

Leider konnte die beabsichtigte Fortsetzung der Operation zur 
Eröffnung der hinteren Schädelgrube und Untersuchung des Kleinhirns 
nicht ausgeführt werden, da wir die Zustimmung der Eltern nicht er¬ 
hielten. Bei dem Verbandswechsel wurde kein Eiter vorgefundeu. 
Exitus am vierten Tage nach der Operation. 

Obduktion 1 )* I m Sinus falciformis major flüssiges Blut ohne 
Gerinsel. Dura mater an der Konvexität leicht abhebbar. Die untere 
Fläche der linken Kleinhirnhemisphäre ist an einer umschriebenen 
Stelle mit der Dura verklebt, aber leicht abtrennbar. Letztere nicht 
mißfarbig. Großhirn und seine Häute normal. Kleinhirn asym¬ 
metrisch. Seine linke Hälfte ist nach unten vorgebaucht, ohne irgend 
welche Usur oder Entzündungserscheinungen. Beim Durchschneiden 
des Vermis ist der vierte Ventrikel normal aufgefunden. Ein horizon- 

*) Makroskopische und mikroskopische Untersuchung wurde liebens¬ 
würdig von Herrn Prosektor des Sophienspitals Dr. W. Schamschin aus- 
geführt. 


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— 363 — 


taler Schnitt durch die linke Kleinhirnhemisphiire legte einen pflaumen¬ 
großen Abszeß frei, neben ihm befindet sich noch ein kleinerer kirschen¬ 
großer Abszeß, der mit dem großen kommuniziert. Der Inhalt der 
Abszesse ist flüssig, von grau-grüner Farbe und sehr üblem Geruch. 
Rechte Hemisphäre normal. Die Abszeßhöhlenwände sind etwas infil¬ 
triert und von der Gehirnsubstanz zu unterscheiden, aber es war keine 
eigentliche Kapsel. An der hinteren Pyramidenfläche in der Gegend 
der Oeffnung des Aquaeductus vestibuli, unter der normalen Dura war 
der Knochen an einer umschriebenen Stelle zerfallen, etwas nekrotisch, 
und mißfarbig. Die Sonde dringt von der Schädelhöhle in das Opera¬ 
tionsgebiet. Antrum, Mittelohr, Gehörgang — alles in eine Höhle ver¬ 
handelt, die von der Schädelhöhle durch eine papierdünne Knochen¬ 
lamelle abgetrennt ist. Letztere an einer Stelle (l qcm) abgetragen 
bis zur Dura. In der Gegend des Promontoriums kariöser Knochen. 
Aus der Abszeßhöhle entnommener Eiter ergab auf Agar ein zufälliges 
Wachstum von einzelnen Staphylokokkenkolonien. Bouillon gab kein 
Wachstum. An aufgestrichenen Präparaten ergab die mikroskopische 
Untersuchung Spirillen und Bazillen von Vincent. 

An den inneren Organen ist nichts Bemerkenswertes gefunden 
worden. 

Die mikroskopische Untersuchung der Abszeß wände ergab Fol¬ 
gendes: Letztere bestehen aus Granulationsgewebe, welches außer den 
typischen Zellen noch eine Menge von zerfallenen Leukozythen ent¬ 
hielt. Einen Uebergang des Granulationsgewebes in Narbengewebe 
konnten wir nicht naeliweisen. Ueberall ging dieses Gewebe unmittel¬ 
bar ins Nervengewebe der Kleinhirnsubstanz über. In dieser Ueber- 
gangsstelle fallen die ausgedehnten und mit Blutkörperchen über¬ 
füllten Gefäße in zahlreicher Menge ins Auge. Die Purkinje sehen 
Zellen stellen nichts Besonderes dar. Nur in einigen dem Abszesse 
näheren Stellen sind sie der regressiven Metamorphose anheimgefallen 
resp. verloren gegangen. 

Epikrise. Mein Fall von Kleinhirnabszeß bietet in vielen Be¬ 
ziehungen manches Interesse. Erstens war er ein Fall von fast reinem 
Kleinhirnabszeß ohne Komplikationen seitens der Meningen, des Sinus 
etc. Die Labyrinthnekrose war wahrscheinlich der Ausgangspunkt, 
welcher den Abszeß induziert hatte, weil w r ir die Nekrose bis auf die 
hintere Fläche der Pyramide in der Gegend des Aquaeductus vestibuli 
verfolgen konnten. Nur war die Infektion des Kleinhirns nicht per 
continuitatem — da wir die betreffende Stelle der Dura und des Zere- 
beliums ganz normal fanden —, sondern vermittelst der Blut- oder 
Lymphbahnen geschehen. 


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Nach den pathologisch-anatomischen Veränderungen gehört dieser 
Fall nach der Einteilung von R. Müller 3 ) zu den parenchymatösen 
Gehirnabszessen, womit auch der klinische Verlauf vollkommen über- 
einstimmte. Es fehlten nämlich die großen Gehirndrucksymptome, wie 
Kopfschmerz, Pulsverlangsamung, Gemütsaufregung, Kontrakturen, 
Augenmuskellähmungen etc. Dieser klinische Verlauf der Krankheit 
wird von ihm dadurch erklärt, daß der Abszeßinhalt bei den paren¬ 
chymatösen Abszessen größtenteils aus zerstörtem Nervengewebe mit 
einer geringen Eitermenge besteht, ur.d daher keinen großen Druck 
auf die benachbarten Teile, sowie auf den gesamten Schädelinhalt aus- 
iihen kann. Auch der bakteriologische Befund stimmt mit der Ein¬ 
teilung von R. Müller insofern überein, daß hier keine Kokken ge¬ 
funden wurden. Der Befund von Spirillen und Vincent sehen 
Bazillen muß besonders hervorgehoben werden, da solcher bisher meines 
Wissens noch nicht beschrieben worden ist. Wahrscheinlich sind die 
genannten Bazillen und Spirillen aus der Mundhöhle durch die Tuba 
Eustachii in das Mittelohr und durch den kariösen Knochen des Laby¬ 
rinths vermittelst Venen- resp. Lymphgefäße ins Kleinhirn einge¬ 
drungen. 

Und noch in einer Beziehung möchte ich das Interesse meines Fal¬ 
les betonen. 

Wie bekannt, haben H. N e u m a n n und B ä r d n y (Wien) auf 
die Bedeutung der Nystagmusrichtung und seines Verlaufes für die 
Differentialdiagnose zwischen Kleinhirnabszeß und Labyrintherkran¬ 
kung hingewiesen. Nach diesen Autoren ist für eine Kleinhirnerkran¬ 
kung Nystagmus mehr nach der kranken Seite charakteristisch. Dieser 
Nystagmus nimmt allmählich an Intensität zu. Im Gegenteil wird der 
labyrinthäre Nystagmus, der zwar im Anfangsstadium der Krankheit 
auch nach der kranken Seite sclilägt, später immer schwächer, um 
allmählich seine Richtung nach der gesunden Seite umzukehren (nach 
dem Erlöschen der Funktion des kranken Labyrinthes 3 ). # 

Wollte ich in meinem Falle den Nystagmus zur Differentialdiagnose 
zuziehen, so konnte ich durch seinen Verlauf irregeleitet werden, da 
er nach Eröffnung des Labyrinthes und der Kochlea sofort nach der 
gesunden Seite seine Richtung änderte. Somit war dadurch sein rein 
labyrinthärer Charakter gekennzeichnet. TL N e u m a n n äußert sich 
darüber folgendermaßen: ,,N a c h d e r 1, a b y r i n t h o p e r a t i o n 
schwindet in 2 — •) Tagen der N y s t a g m u s, w e n u e r 

2 ) Arch. f. Ohrenheilk, Bd. 50. 

• 3 ) Arch. f. Ohrenheilk., Bd. f>7. Siehe auch H. Neumann: Der otitisohe 
Kleinbimabszeß. Wien 1907, Fr. Den ticke. 


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labyrinthär bedingt war, ist er jedoch intrakra¬ 
niell bedingt, so hört er nach der Labyrinthope¬ 
ration nicht auf, sondern nimmt nach derselben 
noch an Intensität zu, und nicht selten kehrt er 
jetzt auch s e i n e 11 i c h t u n g u m und schlägt nach der 
kranken Seite. In diesen Fällen ist mit Sicherheit 
die intrakranielle Auslösung zu diagnostiziere n.“ 
Aus meinem Falle ist ersichtlich, daß bei Kombination von Labyrinth¬ 
erkrankung und Kleinhirnabszeß — was ja notorisch sehr oft vorkommt 
— der Nystagmus allein vom Labyrinth ausgelöst werden kann, ohne 
jegliche Mitbeteiligung des Zerebellums, und daher kann seine 
Richtung resp. seine Richtungsänderung nicht 
immer diagnostisch verwertet werden. 


Einiges über die Pendelzuckung.') 

Von 

Privatdozent Dr. L. R6thi in Wien. 

Zwei Fälle, die ich in der letzten Zeit beobachtet habe, dürften 
einiges Interesse beanspruchen: vielleicht sind sie mit Rücksicht auf 
den Zeitpunkt ihrer Beobachtung geeignet, auf eine Erscheinung Licht 
zu werfen, die ihrem Wesen nach nicht genügend aufgeklärt ist, näm¬ 
lich auf die sogenannte Pendelzuckung. 

Ich kann die Fälle nicht mehr vorstellen; aber seihst wenn dies 
möglich wäre, hätte die Vorstellung keinen Zweck, da die Schlußfolge¬ 
rungen nur bei einer längeren Beobachtung gezogen werden konnten. 

In dem einen Falle handelte es sich um einen 50 jährigen Mann 
aus der Provinz, den ich vor etwa einem Jahre zum ersten Male sah. 
Auf verschiedene, für uns hier belanglose Details, gehe ich nicht 
näher ein und führe nur folgendes an: Patient, von ziemlich gutem 
Aussehen, gab an, daß er bei Abwickelung des Schlingaktes Schwierig¬ 
keiten habe, und daß größere Bissen in der Halsgcgend stecken bleiben; 
in den letzten Tagen traten zeitweilig heftige schießende Schmerzen in 
der linken Halsseite auf. Die Stimme war rein. 

Außen am Halse war nichts Besonderes zu sehen und namentlich 
war auch keine Drüsenschwellung vorhanden. Die laryngoskopische 
Untersuchung ergab am rechten Stimmband normale Bewegungen und 

*) Vortrag, bestimmt zum I. Internationalen Laryngo-Rhinologonkongreß 
in Wien, April 1908. 


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366 — 


normale Spannungsverhältnisse. Das linke Stimmband dagegen stand 
bei der Phonation sowohl als auch bei der Respiration unbeweglich in 
Adduktionsstellung. 

Als Ursache der Bewegungsstörung des linken Stimnibandes kam 
mit Rücksicht auf die vorhandenen Schluckstörungen von vornherein 
namentlich Karzinom des Oesophagus in Betracht und es konnte im 
obersten Oesophagusabschnitt ein Hindernis festgestellt werden. 

Fünf Wochen später sah ich den Kranken zum zweiten Male; sein 
Aussehen war etwas weniger gut; seit einigen Tagen war er heiser und 
die Stimme ist schwach, geradezu tonlos geworden. Die Unter¬ 
suchung zeigte nun den linken Aryknorpel und das linke Stimmband 
in der sogenannten Kadaverstellung, letzteres leicht exkaviert und nach 
jeder Phonation, oft auch während derselben, stellte sich eine Zuckung 
nach innen ein. 

In den nächsten Tagen änderte sich das Bild insofern, als das rechte 
Stimmband bei der Phonation die Mittellinie ein wenig überschritt, 
sich dem in Ruhe befindlichen linken Stimmbande etwas mehr näherte 
und mit demselben eine nach hinten und links schräg gestellte Glottis¬ 
spalte bildete. Die Stimme war dementsprechend etwas besser, doch 
schlug sie oft ins Falsett über. Die Zuckungen des linken Aryknorpels 
traten nicht mehr jedesmal nach beendeter Phonation und noch seltener 
während derselben auf. Die Ausschläge hierbei wurden immer geringer 
und nach weiteren 8 Tagen etwa waren, und zwar während einer drei 
Wochen dauernden Beobachtung, überhaupt keine postphonatorischen 
Zuckungen mehr zu sehen. Der Kranke verreiste bald darauf in seine 
Heimat, wo er vor kurzem starb. 

In einem zweiten Falle gab Patient bei der ersten Untersuchung 
an, er habe einige Wochen hindurch Schluckstörungen und sei seit eini¬ 
gen Tagen heiser. Die Ursache war auch hier Karzinom des Oesophagus. 
Die laryngoskopische Untersuchung ergab sogenannte Kadaverstellung 
des linken Stimmbandes mit Pendelzuckung fast nach jeder Phonation, 
während das rechte Stimmband nur bis zur Mittelline herankam. Nach 
einigen Tagen, während welcher sich die Stimme besserte, überschritt 
dieses Stimmband die Mittellinie und die Zuckungen waren nach wie 
vor zu sehen; in den nächsten Wochen traten sie jedoch merklich sel¬ 
tener und schwächer auf und hörten nach 4—5 Wochen ganz auf. 

In beiden Fällen sehen wir nun postphonatorisclie Zuckungen, 
kurze Zeit, nachdem die vom Rekurrens versorgten Kehlkopf¬ 
muskeln ihre Tätigkeit eingestellt haben, d. h. von der Stimmbil¬ 
dung ausgeschaltet waren. Daß in dem ersten Falle nur kurze Zeit 
seither verstrichen ist, zeigte die wenige Wochen früher vorgenommene 


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— 367 — 


Untersuchung, bei der das linke Stimmband sich noch nicht in der so¬ 
genannten Kadaverstellung befand und auch im zweiten Falle war das 
Stimmband erst kurz vorher in diese Stellung gelangt, denn die Heiser¬ 
keit datierte, wie im ersten Falle, auch nur seit einigen Tagen und 
dann näherte sich das gesunde Stimmband bei der ersten Untersuchung 
nur bis zur Mittellinie und erst einige l äge später überschritt es die¬ 
selbe bei der Phonation. 

Der Umstand, daß die Zuckungen nur im Beginne der Kadaver¬ 
stellung zu sehen waren und nur kurze Zeit hindurch, in beiden Fällen 
allerdings ungleich lang, bestanden, könnte nun einen Fingerzeig zur 
Erklärung der Pendelzuckung geben. 

Ich habe seinerzeit *) des näheren ausgeführt, daß es sich bei den 
Zuckungen, die man bei einseitigen Rekurrenslähmungen gelegentlich 
beobachtet, um verschiedenes handeln könnte. Einmal könnte es eine 
durch Kontraktion des Postikus der gesunden Seite und Zerrung der 
sensiblen Teile reflektorisch ausgelöste Kontraktion des M. crico-thyreo- 
idcus der gelähmten Seite sein, d. h. daß der in den sensiblen Fasern 
der oberen Kehlkopfnerven statt findende Reiz im Gehirnzentrum auf 
die zum M. crico-thyreoideus führenden motorischen Fasern dieses Ner¬ 
ven übertragen wird. Denn wir wissen, daß Kontraktion dieses Muskels 
Adduktion des Stimmbandes zur Folge haben kann und Katzen* 
stein 3 ) zeigte auch, daß einseitige Reflexe Vorkommen. Nun ist 
allerdings die Frage berechtigt, warum diese auf den M. crico-thyreoi¬ 
deus überspringenden Reflexe so selten zur Beobachtung gelangen. 

Die andere Möglichkeit ist die, daß es sich um einen myogenen Vor¬ 
gang handelt, d. h. nicht um einen Reflex, sondern um eine von der 
Muskelsubstanz selbst, durch Zerrung seitens der gesunden Seite be¬ 
dingte Kontraktion des Transversus. Doch auch bei dieser Annahme 
müßte die Erscheinung häufiger zu sehen sein. Ich führte dann an 
jener Stelle aus, daß verschiedene Symptome eine andere Annahme 
wahrscheinlich machen. Manches spricht dafür, daß die Erscheinung 
der Pendelzuckung darauf beruht, daß der Rekurrens der affizierten 
Seite sich einigermaßen noch seine Leitungsfähigkeit bewahrt hat und 
daß die Reste derselben bei Summierung der jeweiligen Reize noch 
genügen, um direkt zum Transversus zu gelangen und schließlich eine 
Kontraktion zu bewirken, oder aber es handelt sich auch da wieder 
um einen Reflexvorgang vom N. laryngeus sup., derart jedoch, daß der 

*) Die laryngealen Erscheinungen bei der multiplen Sklerose des Ge¬ 
hirnes und Rückenmarkes. Wien 1907, Safar. 

*) Ueber ein neues Hirnrindenfeld und einen neuen Reflex des Kehl¬ 
kopfes. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1906, S. 396. 


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Reiz nicht durch diesen selbst, d. h. zum M. erieo-thyreoideus, sondern 
auf dem Wege des N. laryngeus inf. zum Transversus gelangt. 

In diesen beiden Fällen waren in der ersten Zeit der Kadaver¬ 
stellung, in der die Kehlkopfmuskeln ihre korrekte Tätigkeit auf den 
Willensimpuls hin eingestellt haben, nur noch postphonatorische 
Zuckungen vorhanden und man kann annehmen, daß der Nerv da seine 
Leitungsfähigkeit noch nicht ganz eingebüßt hat. In diesem Stadium 
kam, so kann man annehmen, durch die Summierung der Impulse noch 
ein genügend kräftiger Reiz zustande, um eine Zuckung auszulösen; 
allmählich ging aber der Rekurrens im Karzinom ganz auf, in dem 
einen Fall rascher, im anderen langsamer, und als die Leitungsfähig- 
keit ganz aufgehoben war, hörten die Zuckungen auf. 

In den Fällen, in denen diese Zuckungen lange Zeit hindurch be¬ 
obachtet werden konnten, dauerte es eben lange, oder kam es überhaupt 
nicht so weit, daß der Rekurrens seineLeitungsfähigkeit ganz eingebüßt 
hätte. L. v. S c h rötter war ursprünglich der Ansicht, daß noch vor¬ 
handene Erregbarkeit des Rekurrens Ursache dieser Zuckungen sei und 
gab seine Ansicht, daß es sich hierbei um ein Wiedererwachen der Be¬ 
weglichkeit handle, nur deshalb auf, weil er diese Zuckungen Jahre hin¬ 
durch in gleicher Weise beobachten konnte. Doch würde dieser Um¬ 
stand nicht dagegen sprechen, da der Nerv lange Zeit hindurch eine 
geringere Leitungsfähigkeit bewahrt haben konnte. 

Man könnte vielleicht nicht mit Unrecht annehmen, daß solche 
Zuckungen viel öfter Vorkommen, als beschrieben wurde; daß sie viel¬ 
leicht stets in einem bestimmten Stadium, nämlich im Beginne der so¬ 
genannten Kadaverstellung auf treten, solange der Rekurrens noch nicht 
ganz leitungsunfähig geworden ist, und daß sie aufhören, wenn der 
Nerv seine Erregbarkeit vollständig verloren hat. 


Verhandlungen des dänischen oto-laryngologischen 

Vereins. 

5 4. 8 i t z u n g v o m 8. A r i 1 1 9 0 8. 

Vorsitzender: Prof. II. M y g i n d. 

Schriftführer: Pr. L. Mahle r. 

I. Jörgen Möller: Röntge nograpliisclie Unter¬ 
suchungen über den Mechanismus der Brust- und 
F a 1 s e 11 s t i m m e. (In erweiterter Form als Vortrag auf dem 


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— 369 — 


1 . internationalen Laryngologenkongreß gehalten, erscheint in dieser 
Monatsschrift in extenso.) 

II. P. Tctens Haid: Demonstration von einem 
Fall von A t r e s i a a u r i s congenita mit s u h peri¬ 
ostalem Abszeß und Mastoiditis. 

Kin D /2 jähriges Miidehe.i wurde vor 14 Tagen in die Ohrenklinik 
des Kommunehospitals aufgenommen; es war ein sehr großer Abszeß 
am linken Warzenfortsatz vorhanden; das äußere Ohr beiderseits gut 
entwickelt, jedoch bestand links an dem vorderen Ende des Grus helicis 
ein zapfen förmiger Anhang und an der Stelle der Gehörgangsöffnung 
befand sich eine 5 mm tiefe, sehr enge Vertiefung, wo eine Sonde nicht 
weiter in die Tiefe zu dringen vermochte. Bei der Operation zeigte sich 
der Boden dieser Vertiefung von einer festen fibrösen Platte gebildet. 
Nach Entleerung des subeutanen und subperiostalen Abszesses zeigte 
sich, daß ein knöcherner Gehörgang vorhanden war, mit Granulationen 
gefüllt; der Knochen in der Fovea mastoidea war fistulös durchbrochen. 
Es wurde Totalaufmeißelung vorgenommen: Trommelfell nicht vor¬ 
handen, Gehörknöchelchen mit Granulationen besetzt, übrigens normal, 
nur ist vielleicht der Winkel zwischen dem Capitulum und Manubrium 
mallei etwas weniger stumpf als gewöhnlich. Die Raumverhältnisso im 
Mittelohr und im Gehörgang kleiner als normal. Plastik wird vor¬ 
läufig auf geschoben. 

Die Totalaufmeißelung wurde vorgenommen, weil das Trommel¬ 
fell bei den Atresien fehlt oder mißgebildet ist und 11. hält es dann 
für richtig, daß man nach der Operation die Höhle fortwährend zu kon¬ 
trollieren vermag; eine neue Infektion des Mittelohres liegt doch immer 
innerhalb der Grenzen des Möglichen und dabei gibt es auch eine neue 
Möglichkeit für endokranielle Komplikationen. 

My gi nd meint, II. habe sehr richtig darin gehandelt, die Total¬ 
aufmeißelung v o rzu n eh m en. 

III. P. T e t e n s Haid: Demonstration eines Prä¬ 
parate s zur B e 1 e u e h t u n g d e s Processus m a s t. o i - 
d e u s na e h der A u f in e i ß e 1 u 11 g na e h S c h wart z e. 

Bei Kooperationen gewinnt man nur ein sehr unzuverlässiges Ma¬ 
terial zur Beurteilung der Regenerationsvorgänge, vielleicht wäre* ja 
(‘ine der Ursachen zum Rezidiv eben die, daß der Ileilungsvorgang nicht 
in normaler Weise verlief. Zuverlässige Aufschlüsse gewinnt man nur. 
wenn man bei einer Sektion zufällig ein Schläfenbein findet, an dem 
vorher eint- Aufmeißelung vorgenommen war, das ist ja aber selten. 
Das vorliegende Schläfenbein gehört einem 1 V 2 jährigen Patienten, 
der an tuberkulöser Meningitis gestorben ist, 8 V 2 Monate, nachdem er 


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— 370 — 


in der Ohrenklinik des Kommunehospitals einer Aufmeißelung nach 
S chwartze unterzogen worden war. 

Drei Fragen sind vorwiegend von Interesse: 1. Wird das Antrum 
gegen die Trommelhöhle verschlossen? 2. Kommt eine Knochenneu¬ 
bildung an solchen Stellen zustande, wo während der Operation die 
Dura oder der Sinus entblößt werden? 3. Wird die ossöse Inzision 
selbst verschlossen und dann durch welches Gewebe? 

Bei der Operation fand man im vorliegenden Falle einen großen 
subperiostalen Abszeß, die Kortikalis dem Antrum entsprechend und 
auch etwas höher hinauf destruiert; Dura in geringer Ausdehnung ent¬ 
blößt; die Gegend über dem Gehörgang nur sehr wenig ergriffen; Adi- 
tus ad antrum geräumig, mit Granulationen gefüllt. Nach 6 Wochen 
war die Operationswunde sowie das Trommelfell geheilt, und bei einer 
Untersuchung kurz vor dem Tode war das Trommelfell noch immer 
normal und die Haut hinter dem Ohre völlig verschiebbar. 

Das Präparat wurde durch einen Jlorizontalschnitt durch Antrum 
und Recessus epitynipanicus zerlegt. Hinter dem kurzen Amboßfort¬ 
satz hat sich eine Wand von dünnen Membranen gebildet, die jedoch 
kaum eine völlige Trennung des Antrums von der Paukenhöhle bedingt. 

Die zweite Frage kann mit Ja beantwortet werden, indem der 
Knochendefekt, in dein bei der Operation die Dura entblößt lag, durch 
dünnes, neugebildetes Knochengewebe völlig verschlossen war. 

Was die dritte Frage betrifft, findet man am Präparat eine einzige, 
große, vom Aditus ad antrum nach hinten gehende Höhle, die nur teil¬ 
weise durch neugebildete, bindegewebige und knöcherne Septa zerteilt 
ist. Die Form der ganzen Höhle entspricht dem Defekt, der seinerzeit 
durch die Operation im Knochen hervorgebracht wurde; sie ist nur in 
sehr geringem Grade durch den Heilungsprozeß verkleinert worden. 
Nach außen ist die Höhle durch eine oben und unten von Knochen, in 
der Mitte von Bindegewebe gebildete Wandung verschlossen; es wäre 
wohl nicht unwahrscheinlich, daß sich mit der Zeit eine ganze 
knöcherne Außenwand gebildet hätte. 

Nach dem demonstrierten Präparat zu urteilen, bildet sich also 
1. eine teilweise, vielleicht vollständige Scheidewand zwischen Antrum 
und Paukenhöhle, 2. Knochenneubildung, wo die Dura entblößt wird, 
3. Knochenneubildung in der Außenwand der Operationshöhle, wäh¬ 
rend die Höhle selbst im wesentlichen die Dimensionen beibehält, die 
sie bei der Operation bekommen hat und nur teilweise durch hinein¬ 
gewachsene bindegewebige und knöcherne Septa geteilt wird. 

IV. P. Tetens Haid: Ein letaler Fall von Menin¬ 
gitis, ' d u r c h akute Laby ri n t h ei t-prun g hervorge- 


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— 371 — 


rufen, mit normaler Perzeption für hob e T ö ne und 
mit den Symptomen eines S e h 1 ä f e n 1 a p p e n a b s z es- 
ses verlauf end. 

Vor drei Wochen wurde in die Ohrenklinik des Kommunehospitals 
eine Näherin aufgenommen: sie hatte seit zwei Monaten Schmerzen 
und Ausfluß vom linken Ohre; in der Nacht vor der Aufnahme zum 
ersten Male Schwindel und Erbrechen; das Trommelfell war stark ge¬ 
schwollen und gerötet, Weber zum gesunden Ohre lateralisiert; auf 
dem kranken Ohre Luftleitung (a 1 ) 10", Knochenleitung ebenso, obere 
Tongrenze normal, so wie auf dem gesunden Ohre. Flüsterstimme in 
unmittelbarer Nähe gehört, Konversationsstimme in 2 m Entfernung. 
Am folgenden Morgen nur beim Aufrechtsitzen etwas Schwindel, hori¬ 
zontaler Nystagmus bei Blick nach rechts, Temp. 37,9—38 °, Sensorium 
frei. Bei der Abendvisite Temp. 39,7°, Puls 94, Patientin macht einen 
auffallenden Eindruck von Oeistesabwesenheit, reagiert nur mangel¬ 
haft auf Zusprache, auch scheinen aphatisehe Störungen vorhanden zu 
sein, vielleicht auch eine leichte rechtsseitige Parese; keine Nacken¬ 
steifigkeit oder Kernig. Es wurde das Vorhandensein eines Temporal¬ 
lappenabszesses vermutet und 30 Stur.den nach der Aufnahme wurde 
Patientin operiert; nachts war sie benommen und unruhig gewesen. 
Bei der Lumbalputiktur wurde trübe Flüssigkeit entleert, die Pneumo¬ 
kokken und Staphylokokken enthielt. Es wurde Totalaufmeißelung 
und Kraniotomie vorgenommen; keine Fistel im horizontalen Bogen¬ 
gang, kein Ilirnabszeß. Erst nach der Operation wurde Nackensteifig¬ 
keit und Kernig nachgewiesen und nach 12 Stunden trat Exitus ein. 
Die Sektion ergab diffuse eitrige Leptomeningitis, keinen Hirnabszeß. 

Bei der Sektion des Schläfenbeins wurden folgende Verhältnisse 
gefunden: Horizontaler Bogengang natürlich, ohne Fistel, Promonto¬ 
rium durch Exsudatmassen verdeckt, Steigbügel nicht sichtbar, sein 
Capitulum kann aber durch die Sonde in der Oberfläche des Exsudates 
gefühlt werden. Die zerebrale Fläche der Dura von normalem Aus¬ 
sehen; kein Eiter in der Gegend der N. facialis und acusticus. Beim 
Ablösen der Dura quillt in der Gegend des Aquaeductus vestibuli und 
der Decke des inneren Gehörganges dicker Eiter hervor und die Dura 
ist an der gegen den Knochen wendenden Fläche mit Granulationen 
besetzt. Nach Abspülen des Eiters findet man den größten Teil des 
Knochens in dieser Gegegend destruiert, so daß sich eine große Höhle 
mit kariösen Wänden gebildet hat. ln dem hinteren Teil der Höhle 
liegt der obere Bogengang geöffnet. Der Saccus endolymphaticus ent¬ 
hält Eiter, seine Wand scheint aber makroskopisch nicht abnorm. 


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— 372 — 


Es zeigt dieser Fall, wie schwierig bisweilen die Differential¬ 
diagnose zwischen Meningitis und Hirnabszeß sein kann, das Haupt¬ 
interesse liegt aber in dem Befund bei der Funktiorusprüfung im Ver¬ 
gleich zu den beträchtlichen Destruktionen im Labyrinth. Für ein 
Labyrinthleiden sprachen nur die Lateralisation des Weber sehen Ver¬ 
suches zum gesunden Ohre, sowie der ebenfalls gegen diese Seite ge¬ 
richtete Nystagmus; da aber das Hörvermögen ein ganz gutes war und 
die obere Tongrenze obendrein normal war, wurde der Verdacht einer 
Labyrinthaffektion wieder aufgegeben. Man darf also wohl kaum der 
Bestimmung der oberen Grenze eine wesentliche Bedeutung für das 
Ausschließen einer Labyrinthaffektion beimessen. 

Endlich gibt der Fall einen in therapeutischer Hinsicht wichtigen 
Fingerzeig. Bei Patienten mit otogener Meningitis und deutlichen 
Zeichen einer Labyrintheiterung, wird man natürlich, falls man sich 
zur Operation entschließt, sowohl das Labyrinth als den Subduralraum 
eröffnen. Aber auch bei Meningitispatienten, die ohne Zeichen eines 
Labyrinthleidens zur Operation kommen, wäre es wohl angezeigt, das 
Labyrinth zu eröffnen. Erstens wird wahrscheinlich in einer sehr 
großen Zahl der Fälle die Meningitis durch ein Labyrinthleiden her¬ 
vorgerufen, zweitens kann inan, wie in dem vorliegenden Falle, eine 
ziemlich ausgesprochene Labyrintheiterung finden, die sich durch keine 
hervortretenden Erscheinungen bemerkbar macht; in einem solchen 
Falle aber werden die schon vorher ziemlich geringen Aussichten des 
Patienten noch erheblich verringert, wenn man nicht gleichzeitig mit 
dem Subduralraum auch die Abszeßhöhle in dem Felsenbein eröffnet. 
Die Trepanation des Labyrinths als solche darf wohl auch kaum die 
Leber.smöglichkeit des Patienten verringern und die Rücksicht auf das 
Hörvermögen muß entschieden der größeren Rücksicht auf das Erhal¬ 
ten des Lebens weichen. 

Diskussion. 

8 c h in i e g e 1 o w will auch in allen operativen Meningitisfällen 
gleichzeitig die Labyrinthoperation vornehmen, indem die meisten Fälle 
otogener Meningitis das Labyrinth als Zwischenglied benutzen. Er 
erwähnt drei hierher gehörende, während der letzten Zeit beobachtete 
Fälle und empfiehlt für die Labyrinthoperation die Methode von Neu¬ 
mann. 

M v g i n d meint auch, der otogenen Meningitis gegenüber muß 
man dreist vergehen. Jörgen Möller. 


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Referate 


a) Otologische. 

Das Verhalten des normalen Nervus eoehlearis im Meatus auditorius 
internus. Von Privatdozent Dr. Alexander und Prof. Dr. H. Ober¬ 
stein er. (Zeitschr. f. Ohrenheilk.. L, 1 u. 2.) 

Schon seit längerer Zeit waren mikroskopische Befunde am Akusti- 
kus aufgefallen, welche von den Einen als pathologische, von Anderen 
als Artefacte gedeutet wurden, welche jedoch nach den Untersuchun¬ 
gen obiger Autoren als völlig normale Bildungen anzusprechen sind. 
Es handelt sich um helle Flecken mit Einlagerung eigentümlich rund¬ 
licher Körperchen im Verlaufe des N. coclilearis, und zwar in jener 
Grenzschicht, die dem zentralen Anteil des Nerven vom peripheren 
scharf scheidet; dort findet sich in wechselnder Entfernung von der 
Medulla oblongata, meist schon im Meatus auditorius int., ein gliöses 
Septum, in welchem im Laufe der Jahre, wie bei allen gliösen Gebil¬ 
den, Corpora amylaeea auftraten. Dem Gliaseptum entsprechen die 
oben angeführten hellen Stellen, den Corpora amylaeea die rundlichen 
Körperchen. Keller. 

Eine neue OhFelektrode. Von Dr. Kurl Herschel, Ohrenarzt in Halle a. S. 
(Deutsche med. Wochenschr., 33. Jahrg., Nr. 23.) 

Für die elektrische Behandlung gewisser Ohraffektionen, wie Neur¬ 
algie, Schwerhörigkeit und Ohrensausen infolge Mitbeteiligung der 
Hörnerven bedient sich Verf. Elektroden, die dem Pat. angelegt 
werden, worauf der Strom eingestellt wird. (S. Abbildung.) Der 
Apparat besteht entsprechend den beiden Polen aus 2 Elektroden, der 
eigentlichen Ohrelektrode und der Halselektrode; die erstere hat Huf¬ 
eisenform und erhält den Strom durch eine in 2 Enden auslaufende 
Leitungsschnur; die letztere ist in 3 Elektrodenplatten zerlegt, von 
denen die hinterie im Nacken, die beiden anderen in der Gegend des 
Kieferwinkels appliziert werden. Die Zuleitung erfolgt hier durch eine 
dreifach geteilte Leitungsschnur. Die Halselektrode allein ist auch 
zur elektrischen Kehlkopfbehandlung verwendbar, ferner zum Elektri- 


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— 374 — 


sieren des Nackens bei Okzipitalneuralgie, sowie bei Stirukopfschmerz 
infolge Neuralgie des M. supraorbitalis z. B. (S. Abbild.) Die Verteile, 
welche die Applikation seiner Ohrelektroden bietet, faßt Verf. wie 
folgt zusammen: 

1. Fällt'das für den Patienten wie für den Arzt gleich lästige und 
unsichere Halten mit der Hand, das die anderen bisher üblichen Ohr¬ 
elektroden erfordern, ganz weg; Stromschwankungen und das dadurch be¬ 
dingte, unangenehme Schwindelgefühl sind mithin hierbei ausgeschlossen. 

2. Bleibt diese Ohrelektrode in der Stellung, in der sie einmal 
appliziert wird, von selbst fixiert. 

3. Gestattet sie ein gleichzeitiges Elektrisieren beider Ohren. 

4. Wird durch die zweckmäßige Anordnung der Elektroden¬ 
platten erreicht, daß der elektrische Strom möglichst intensiv und 
in größter Ausdehnung das Ohr trifft. 

5. Bedeutet es für den Arzt eine Zeitersparnis, wenn er nicht 

gezwungen ist, während des Elektrisierens sich nur um einen Patienten 
kümmern zu müssen. Reinhard (Cöln). 


b) Rhinologische. 

Ein Fall von Lupus der Nase (ulzerös-vegetierende Form) durch 
X-Strahlen geheilt. Von Comas und Pr io. (Archivos de Rinologia, 
Laringologia y Otologia, März-April 1907, Nr. 149.) 

Der 16jährige Patient, nach vergeblicher Behandlung durch 
Kauterisationen, Abkratzungen usw., wurde der Röntgentherapie unter¬ 
worfen. Der Erfolg war ein glänzender und mehr als vier Jahre seit 
der letzten Sitzung (Februar 1903) ist kein Rediziv erschienen. Jede 
Sitzung hatte eine durchschnittliche Dauer von 15 Minuten; die Strom¬ 
stärke betrug 6 bis 7 Ampere, die Entfernung war 10 cm. Menier. 

Ueber nasalen KopfSsehmerz und nasale Neurasthenie. Von Prof. 
Dr. Arthur Hartmann iu Berlin. (Deutsche med. Wochenschrift, 
33. Jahrg., Nr. 18.) 

Nach einem kurzen Hinweis auf die durch Myositis der Nacken- 
und Halsmuskeln bedingten Kopfschmerzen bespricht Verfasser den 
Kopfschmerz nasalen Ursprungs. Er erwähnt die behinderte Nasen¬ 
atmung infolge von Erschlaffung der Nasenflügel, wie sie sich häufiger 
bei älteren Leuten findet; hier schwinden die Kopfschmerzen beim 
Tragen der Feldbau sch sehen Nasenerweiterer, indem die Luft 
plötzlich frei und ungehindert eintreten kann. Die behinderte Luft¬ 
zufuhr ist nach H. überhaupt der Grund für das Zustandekommen 
der Kopfschmerzen; denn, da eine geringere Sauerstoffzufuhr in die 
Lungen und damit auch eine geringere Abfuhr verbrauchter Luft statt¬ 
findet, so wird der Oxyhämoglobingehalt des Blutes herabgesetzt und eine 
Ansammlung von verschiedenen Verbrennungsprodukten im Blute tritt 
ein. Deshalb führen auch Verbiegungen des Septums im vorderen 
Teile der Nasenhöhle, ebenso wie die leisten- oder dornförmigen Ver- 


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— 375 — 


dickungen der Nasenscheidewand oft zu Kopfschmerzen und fordern 
operative Entfernung. Aehnlich verhält es sich mit den Muschel¬ 
schwellungen, besonders den unteren und den Wucherungen im Nasen¬ 
rachenraum bei Kindern. Außer durch die verminderte Sauerstoff¬ 
zufuhr können Kopfschiperzen von der Nase aus zustande kommen 
durch Irradiation oder auf reflektorischem Wege bei Druck auf die 
Nerven oder Heizung der Nerven auf mechanischem Wege oder durch 
Entzündung: hierher gehören jene Fälle, in denen nach Entleerung 
von Kiefer- oder Stirnhöhlenempyemen langjähriger Kopfschmerz sofort 
schwindet. Daß aber auch Luftabschluß in der Stirnhöhle Kopfschmerz 
hervorruft zeigt H. an mehreren Beispielen und beweist es durch das 
rasche Schwinden derselben durch Politzers Verfahren. 

Reinhard (Cöln). 

Ueber Heuschnupfenbehandlung naeh eigenen Erfahrungen. Von 

Dr. Georg Avellis in Frankfurt a. M. (Münchener med. Wochenschr., 

54. Jahrg., Nr. 11.) 

Verfasser empfiehlt seinen Patienten, Mitglied des Heufieberbundes 
zu werden, um durch ihn das zu lernen, wozu der Unterricht in der 
Sprechstunde nicht ausreicht. Ferner wird in der Vorperiode (März 
bis April) 2—3 Jahre lang galvanokaustisch behandelt; soweit es sich 
um Kranke handelt, die noch nicht mit Bronchitis und Asthma behaftet 
waren, kam A. hiermit aus, ohne dieselben noch in heufieberfreie 
Gegenden schicken zu müssen. Daneben verwendet er während der 
kritischen Zeit das Serum (Pollantin-Graminol); um die Nase hierfür 
empfänglicher zu machen, läßt er dieselbe mit dem sogenannten 
Rhmolincröme einfetten, einer Mischung, bestehend aus Ritserts 
Anästhesin, dem Subcutin (wasserlöslichen Anästhesin) und Paranephrin, 
das auch in Sprayform und als Pulver in Substanz angewandt werden 
kann. Reinhard (Cöln). 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Beitrag zur Histologie und Pathogenese der Raehenmandelhyperplasie. 

Von Prof. Dr. Lin dt in Bern. (Zeitschr. f. Ohrenheilk., L, 1 u. 2) 

Auf Grund seiner histologischen Untersuchungen an 50 Rachen¬ 
mandeln kommt Verfasser zu dem Schlüsse, daß konstitutionelle 
Schwächezustände das histologische Bild der Rachenmandel nicht be¬ 
einflussen. Bezüglich der Involution der Rachenmandel schließt L. sich 
den Ansichten-G ö r k e s an (Arch. fiir Laryngologie, Bd. 16). 

Keller. 

Ueber die klimatlsehe Behandlung der Tuberkulose der oberen Luft¬ 
wege« Von Dr. W. Freudenthal in New York. (Fränkels Arch. für 
Laryngol.) 

Die Heilfaktoren des Aufenthaltes in frischer, reiner Luft (Aero- 
therapie) und der Bestrahlung mit Sonnenlicht (Heliotherapie) werden 
gewürdigt. Das Höhenklima (Altotherapie) hat nach den Erfahrungen 


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— 376 — 


des Verf. einen günstigen Einfluß, auch auf Lungentuberkulose. Auch 
die Behandlung mit Seebädern und Einatmung von Seeluft empfiehlt F., 
falls das Salzwasser keinen Reiz verursacht und keinen Husten erzeugt. 
Im Einzelfalle ist das am besten bekömmliche Klima durch Versuch 
festzustellen. R. Hoffmann (Dresden). 

Fremdkörpep in einem Bronchas; Bronchoskopie; Heilung. Von Com - 

paired. (Archivos de Rinologia, Laringologia y Otologia, März-April 1907, 

Nr. 149, S. 112.) 

Ein 7jähriger Knabe hatte einen Fremdkörper pflanzlichen Ur¬ 
sprunges (ein Stück von der Samenrinde von Pinus sylvestris) im linken 
Bronchus sitzen. Es entwickelte sich ein Lungenabszeü mit eitrigem 
Auswurf, Fieberfrost usw. Die Radioskopie erlaubte eine richtige 
Diagnose. Durch die Bronchoskopie wurde der Eiter entleert und im 
Rohre konnte man den Fremdkörper finden. Die Heilung erfolgte 
glatt. Menier. 

Die Erfolge der Desaultschen Operation des Kieferhöhlenempyems. 

Aus der Universität*-Ohren- und Kehlkopfklinik in Rostock (Direktor 

Prof. Körner). Von Dr. W. Koell rent.tor, J. Assistent der Klinik. 

(Münchener mcd. Wochenschr., ö3 Jahrg., Nr. 9.) 

K. bricht eine Lanze für die durch Küster der Vergessenheit ent¬ 
rissene alte DesauItsehe Operationsmethode zur Heilung der Kiefer¬ 
höhlenempyeme (der Eröffnung der Kieferhöhle von der Fossa canina 
aus), welche mannigfachen Angriffen ausgesetzt sei. Entgegen den 
Versuchen, dieselbe durch allerhand Zutaten auszubauen, blieb man in 
Rostock der klassischen Methode treu und operierte nach ihr in den 
Jahren 1901 bis 1900 66 Kieferhöhlen. Verf konnte nun 1905 die¬ 
selben nachprüfen und feststellen, daß von diesen 66 Kieferhöhlen 
61 einwandsfrei geheilt waren. Nachdem er uns mit dem Operations¬ 
verfahren sowie der Art der Nachbehandlung bekanntgemaeht hat, 
stellt er auf Grund dieser günstigen Resultate die Desaultsche 
Operation als die einfachste und beste hin, denn sie ermöglicht: 

1. eine vollkommene Uebersicht über das Operationsfeld, 

2 . einen einfachen, bequemen und allein die Heilung garantierenden 
Modus der Nachbehandlung, 

3. die absolute Restitutio ad integrum in den Beziehungen der 

Kieferhöhle zu Nase und Mund. Bemerkt sei noch, daß die Operation, 
seit v. Eicken UKM auf dem süddeutschen Laryngologentag zu Heidel¬ 
berg sein Verfahren beschrieb, an der Körn ersehen Klinik fast schmerzlos 
in der Lokalanästhesie ausgeführt wurde. Reinhard (Cüln). 


Alle für di« Monatsschrift bestimmten Beftr&ffe und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften. Archive and Tsutoh-lCxemplare anderer Zeitschriften beliebe man bis auf weiteres an 
Herrn ür. H v. Schrtttter in Wien IX, Mariannengasse 8, zu senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 80 Separat-Abzüge bpigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W. 30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 110. 


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Jürgens: Sinus sigmoideus der Siebenjährigen. 

rechts links 



Monatsschrift für Ohrenheilkunde 1908, Heft 8 


Verlag von Oscar CohlfnJz, Berlin W. 30. 

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Jürgens: Sinus sigmoideus der Neunjährigen. 

rechts links 



Fig. I. 
(39) 


Fig. 2. 
(27) 


Fall 3. 
148) 


Fall 4. 
(50) 


Fall 5 

(29) 


FaU f>. 

( 8 ) 


Monatsschrift für Ohrenheilkunde l'CK He f t 


Verlag von O^car Coblentz, Berlin W..10. 

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Fall 1. 

(3) 




Sinus sigmoideus der Elfjährigen. 

rechts 


Fall 3. 
(28) 


links 


Fall 1. 
(32), 









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Sinus sigmoideus der 7—11jährigen. 

Von 

Dr. med. Erwin Jfirgens (Warschau) 

Sinus sigmoideus der 7 jährigen. 

Gemessen wurden zwei Paar Sinus von zwei Schädeln, die beide 
hyperbrachyzephal sind. 

Nr. 1 mit einem Index 105,6 
Nr. 2 „ „ „ 85,8. 

Nr. 1 (31). Sinus sigmoideus eines Jungen von 7 Jahren. Der 
rechte und linke Sinus zeigen eine große Verschiedenheit, sowohl an 
Größe als auch an Gestalt. Während der rechte Sinus schön S-förmig 
gekrümmt ist, zeigt der linke die Gestalt eines unregelmäßigen Kreis¬ 
abschnittes. Der rechte Sinus ist sehr flach und wenn auch deutlich be¬ 
grenzt, so zeigt er doch einen gewissen Rückschlag, als seine Seiten¬ 
wände außerordentlich stark geneigt zum Inneren der Schädelkapsel 
erscheinen. Der linke Sinus buchtet den Schädelknochen außerordent¬ 
lich stark aus, seine Seiten wände stehen zur Innenwand des Schädels 
fast senkrecht. Der rechte Sinus sigmoideus hat eine Achsenlänge von 
51 mm, die Entfernung zwischen Jugularis und Asterion beträgt 
42 mm. Seine größte Breite beträgt 8 mm, seine größte Tiefe 4 mm, 
die beiden letzteren Maße betreffen die Strecke zwischen vorderem und 
hinterem Sinusknie. Nach vorne und hinten zu jenseits der Sinuskniee 
verschmälert und verflacht sich der Sinus sigmoideus allmählich. Das 
rechte Foramen jugul. ist ein Längsoval von 5 mm im frontalen und 
9 mm im sagittalen Durchmesser. Die Fovea jugul. hat im frontalen 
Durchmesser 6 mm, im sagitalen 9 mm und eine Tiefe von 10 mm. Der 
linke Sinus sigmoideus hat eine Achsenlänge von 55 mm, die Entfer¬ 
nung zwischen Jugularis und Asterion beträgt 43 mm. Die größte 
Sinusbreite und -Tiefe fällt auch hier auf etwa die Mitte zwischen vor¬ 
derem und hinterem Sinusknie. Während aber die Sinustiefe 9 mm 


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— 378 — 


beträgt und mehr zum hinteren Sinusknie gelegen ist, beträgt die 
größte Breite 14 mm und liegt mehr nach vorne hin. Das Foramen 
jugul. hat einen Frontaldurchmesser von 5 mm und einen Sagittal- 
durehmesser von 9 mm. Die Fovea hat im frontalen Durchmesser 
13 mm, im sagittalen 9 mm und eine Tiefe von 9 mm. Die durch die 
Jugularisachse gelegte Ebene steht rechts und links auf der Sinusebene 
senkrecht. Die Jugularisachse ist rechts gerade nach unten gerichtet, 
links etwas nach vorne geneigt. Venae emissariae finden sich weder 
rechts noch links. 

Nr. 2 (17). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 7 Jahren 9 Mo¬ 
naten. Auch bei dem zweiten von uns untersuchten Sinuspaare finden 
sich recht bedeutende Unterschiede, doch ist hier der rechte Sinus 
sigmoideus der stärkere. Die Sinusform ist rechts und links die eine« 
S, links jedoch schöner und stärker geschwungen. Beide Sinus sig- 
moidei sind gut und scharf begrenzt. Der rechte und linke Sinus 
haben eine Achsenlänge von 49 mm, der rechte aber eine Jugularis- 
Asterionentfernung von 41 mm, bei 38 mm links. Der rechte Sinus 
hat eine größte Breite von 10 mm, bei einer größten Tiefe von 7 mm. 
Beide Maße fallen auf das hintere Sinusknie, von wo auch am okzi¬ 
pitalen Rande die Vena emissaria abgeht in einer Breite von 4 mm, 
Dicke von 3 mm und einer Länge von 8 mm. Sie durchsetzt den Schä¬ 
delknochen hakenförmig gekrümmt und unter spitzem Winkel nach 
rückwärts zurückgebogen. Nach vorne und rückwärts verflacht und 
verschmälert sich der Sinus sigmoideus allmählich. Das Foramen 
jugul. hat einen frontalen Durchmesser von 6 mm und einen sagittalen 
von 3 mm. Die sehr starke Fovea hat einen frontalen Durchmesser 
von 10 mm, einen sagittalen von 6 mm und eine Tiefe von 20 mm. Die 
Fovea ist zur Sinusachse sehr stark zurückgeneigt, die Vena jugul. geht 
von ihr im spitzen Winkel nach vorne ab, so daß sich eine Zickzack¬ 
stellung der Achsen von Sinus, Fovea und Vena jugul. ergiebt wie 
Figur zeigt. 


Vena jvgu! 

• Fovea jugul 


5in. 


Sign 


Der linke Sinus sigmoideus ist, wie schon oben gesagt, stärker 
gekrümmt* er hat eine größte Breite von 8 mm und eine Tiefe von 
6 mm, beide Maße bleiben sich vom hinteren Sinusknie nach vorne hin 
auf der ganzen Strecke fast gleich, nur nach rückwärts zu, zum Aste- 


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— 379 — 


rion hin, verflacht sich der Sinus allmählich. In der Mitte des linken 
Sinus sigmoideus, von dessen okzipitaler Seite, geht unter spitzem Win¬ 
kel nach rückwärts zurückgebogen eine Vena emissaria ab, die eine 
Breite von 4 mm, Dicke von 3 mm und eine Länge von 8 mm hat. Das 
Foramen jugul. hat einen frontalen Durchmesser von 7 mm, einen sa- 
gittalen von 6 mm. Die Bulla hat einen frontalen Durchmesser von 
8 mm, einen sagittalen von 8 mm und eine Tiefe von 10 mm, und ist 
zur Sinusebene leicht rückwärts geneigt. 

Weitere Maße der Schädel, die auf den Sinus Bezug haben: 

Warzenfortsatzspitze Anlagestelle d. Spina resp. 

bis Asterion Fovea bis Asterion 

Schädel Nr. 1: nicht gemessen Schädel Nr. 1: nicht gemessen 

„ „ 2: 3,8 cm „ „2: 3,5 cm 

Horizontalabstand der Asterien Abstand der Foramen 

voneinander jugularia 

Schädel Nr. 1: 10,5 cm Schädel Nr. 1: 4,8 cm 

„ »2: 9,7 cm „ « 2: 4,2 cm 

Die kürzesten Enfernungen des lateralen Sinusrandes von dem 
vertikalen Bogengänge*betragen in unseren Fällen: 

Schädel Nr. 1: 1,7 cm oben. 

„ „ 2 : 1,0 „ 

Sinusgrund bis zur Spitze der Warzenfortsatzanlage: 

Schädel Nr. 1: 0,5 cm. 

„ „2: 0,5 „ 

Spina und Fovea sind sehr klein angedeutet. 

Krümmungslinien des Sinus sigmoideus der 7 jährigen: 
rechts links 



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— 380 — 


Die von uns gemessenen 4 Sinus sigmoidei im Alter von 7 Jahren 
zeigen mancherlei Besonderheiten. Das Sinuspaar Nr. 1 zeigt sehr 
verschiedene Krümmungsachsen, rechts die S-Form, links die Gestalt 
eines unregelmäßigen Kreisabschnittes. Der rechte Sinus zeigt trotz¬ 
dem wieder einen gewissen Rückschlag zum früheren Lebensalter, der 
sich in flacherer Begrenzung des Sinus bekundet. Der linke Sinus 
furcht die Schädelkapsel außerordentlich stark, viel stärker als rechts, 
hat auch viel stärkere Breiten- und Tiefenmaße, obgleich die Krüm¬ 
mungen des Sinus beiderseits fast gleich sind, wie aus dem Verhältnis 
der Achsenlänge zur Jugularis-Asterionentfcrnung hervorgeht. Trotz 
stärkerer Furchung de9 Schädels durch den linken Sinus sigmoideus ist 
die ihn nach außen deckende Knochenplatte des Schädels jedoch nicht 
dicker als die des flachen rechten Sinus. Auf die Größe der Fovea 
jugul. hat im gegebenen Falle die Größe des Sinus durchaus Einfluß 
gehabt, insofern dem größeren linken Sinus auch eine größere linke 
Fovea entspricht. 

Im zweiten unserer Fälle ist der rechte Sinus sigmoideus der 
größere, ihm entspricht auch die größere Fovea jugul., während stär¬ 
kere Krümmung und größeres Foramen jugul. der linken Seite zukom¬ 
men. Auffallend stark ausgeprägt ist die Knickung des venösen Stro¬ 
mes vom Sinus bis zur Vena jugul. Sinus, Fovea und Vena stehen zu¬ 
einander in Zickzackstellung unter sehr spitzen Winkeln, während wir 
sonst eher Abknickungen unter fast rechtem, ja sogar stumpfem Winkel 
beobachteten. Bis zu einem gewissen Grade wird die Blutmenge rechts 
und links dadurch reguliert, daß die Verflachung und Verschmälerung 
des linken Sinus viel später vor sich geht, wie die des rechten. Die 
größten Sinusmaße fanden sich bei allen unseren vier Sinus sigmoidei 
auf der Strecke zwischen vorderem und hinterem Sinusknie, meist 
mehr nach letzterem hin. Hier verläßt auch die Vena emissaria immer 
die Schädelkapsel unter verschieden starkem spitzen Winkel nach rück¬ 
wärts gekrümmt. Der Sinus sigmoideus ist also auch nach unseren 
Untersuchungen im 7. Lebensjahre am leichtesten von außen her zwi¬ 
schen seinem vorderen und hinteren Knie zu erreichen. Größere Sinus¬ 
maße fallen in unseren zwei Fällen nicht mit stärkerer Sinusachsen¬ 
krümmung zusammen, ist aber einmal, im Falle Nr. 1, links an die 
atypische Bogenform des Sinus sigmoideus gebunden. Eine Sinuslinie 
ließe sich vom Asterion entlang dem hinteren Drittel des Warzenfort¬ 
satzes nach seiner Spitze hin führen, und würde den Sinus dann etwa 
auf der Hälfte ihrer Strecke zwischen vorderem und hinterem Knie 
schneiden. 


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— 381 — 


Sinus sigmoideus der 8 jährigen. 

Untersucht wurden zwei Paar Sinus sigmoidei von zwei Kindern. 
Beide Schädel waren Hyperbrachycepliale. 

Nr. 1 mit einem Index 97,5 
Nr. 2 „ „ „ 82,3. 

Nr. 1 (51). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 8 Jahren. Die 
Sinus sigmoidei beider Seiten zeigen große Verschiedenheit. Beide 
Sinus sind wohl S-förmig gekrümmt, der rechte jedoch um ein bedeu¬ 
tendes stärker als der linke, nicht nur in der horizontalen, sondern 
auch in der vertikalen Ebene; während zudem der linke Sinus einen 
recht gleichmäßigen Bau zeigt, weist der Sulcus sigmoideus rechts ver¬ 
schiedene unregelmäßige Ausbuchtungen auf, namentlich in der Ge¬ 
gend des vorderen und hinteren Sinusknies, so daß der Sinusausguß 
ein knolliges Aussehen gewinnt. Der rechte Sinus sigmoideus hat eine 
Achsenlänge von 58 mm bei einer J ugularis-Asterion-Entfernung von 
12 mm. Seine größte Breite beträgt 14 mm, die größte Tiefe 10 mm, 
beide Maße fallen auf die Mitte zwischen vorderem und hinterem Sinus¬ 
knie, woselbst auch vom okzipitalen Sinusrande eine Vena emissana 
entspringt. Nach vorne und hinten zu verschmälert und verflacht sich 
-der Sinus. Das Foramen jugul. hat einen frontalen Durchmesser von 
5 mm, einen sagittalen von 4 mm. Die Fovea konnte nicht gemessen 
werden. Der linke Sinus hat eine Länge von 44 mm und eine Jugu- 
laris-Asterion-Entfernung von 35 mm. Seine größte Breite beträgt 
11 mm, die größte Tiefe 4 mm, beide Maße fallen auf die Strecke zwi¬ 
schen erstem und zweitem Sinusknie. Nach vorne und hinten ver¬ 
flacht und verschmälert sich der Sinus sigmoideus allmählich, doch 
weicht diese Erscheinung insofern von dem Uebliehen ab, als die Ver¬ 
schmälerung nach vorne hin nicht, wie das doch gewöhnlich der Fall 
ist, die Verflachung übertrifft und umgekehrt nach rückwärts die Ver¬ 
schmälerung statt der Verflachung in den Vordergrund tritt. Ob eine 
Vena emissaria vorhanden war, läßt sich nicht mehr mit Gewißheit 
feststellen, weil gerade das entsprechende Stück des Ausgusses der 
okzipitalen Sinuswand ausgebrochen ist. 

Das linke Foramen jugul. hat einen frontalen Durchmesser von 
4 mm und einen sagittalen von 3 mm. Die Fovea konnte nicht ge¬ 
messen w-erden. Beide Sinus sigmoidei sind gut und scharf begrenzt. 

Nr. 2 (34). Sinus sigmoideus eines Jungen von 8 Jahren 9 Mona¬ 
ten. Auch diese beiden Sinus sigmoideus weisen einen großen Unter¬ 
schied auf, insofern der rechte Sinus hier der stärkere ist, doch sind 
die Gegensätze hier noch viel ausgeprägter als im vorigen Falle 


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382 — 


(8 Jahre). Beide Sinus sigmoidei haben die S-Form, der linke im 
Gegensatz zum rechten nur viel regelmäßiger. Der rechte Sinus sig- 
moideus hat eine Länge von 55 mm und eine Jugularis-Asterion-Ent- 
fernung von 42 mm. Seine größte Breite beträgt 14 mm, die größte 
Tiefe 9 mm. Diese Maße fallen auf die Strecke zwischen vorderem 
und hinteren Sinusknie, die hier enger aneinandergerückt erscheinen, 
zwischen beiden entspringt an der okzipitalen Sinusseite eine Vena 
emissaria, die das Sinusbett auf eine Entfernung von etwa 5 mm furcht, 
bevor sie sich anschickt, den Schädelknochen zu durchbohren. 

Nach vorne und rückwärts verschmälert und verflacht sich der 
Sinus sigmoideus in altgewohnter Weise, so zwar, daß nach vorne hin 
die Verschmälerung, nach rückwärts die Verflachung mehr in die 
Augen springt. Das Foramen jugul. hat einen frontalen Durchmesser 
von 5 mm und einen sagitalen von 4 mm, die dem Sinus entsprechende 
starke Fovea einen frontalen Durchmesser von 11 mm, einen sagittalen 
von 9 mm und eine Tiefe von 15 mm. Die Fovea ist stark zurück¬ 
gebogen. Der linke Sinus sigmoideus zeigt einen starken Rückschlag 
zu dem ersten Lebensalter, denn wenn er auch deutlich begrenzt er¬ 
scheint, so hat er doch ein so flaches Rinnsal, daß der Winkel zwischen 
Sinuswand und Schädelinnern kaum weniger als etwa 175 0 betragen 
dürfte. Der Sinus hat eine Länge von 57 mm und eine Jugularis- 
Asterion-Entfernung von 44,5 mm. Die größte Tiefe bleibt sich zwi¬ 
schen vorderem und hinterem Sinusknie gleich, die Breite sogar bis 
fast zum Asterion hin. Vom vorderen Sinusknie nach vorne jedoch 
nehmen Tiefe und Breite rasch und stark nach dem Foramen jugul. 
hin ab. Von dem okzipitalen Sinusrande, in der Mitte zwischen vorde¬ 
rem und hinterem Sinusknie, geht eine Vena emissaria ab, die sich nach 
einem Verlauf von etwa 2 mm in zwei dünne Aestchen von 4 mm Länge 
(der vordere) und 8 mm (der hintere) spaltet. Der vordere Ast geht 
fast senkrecht zur Sinusachse ab, der hintere unter spitzem Winkel 
zurückgebogen, läuft der Sinusachse fast parallel. 


Sin 



Vom vorderen Sinusknie ab zum Foramen jugul. hin verengt und 
verflacht sich der Sinus recht bedeutend. Das Foramen jugul. hat 
einen frontalen Durchmesser von 5 mm, einen sagittalen von 4 mm. Die 
Fovea jugul. konnte nicht gemessen werden, sie lag jedoch senkrecht 
zur Sinusachse, so daß man am Ende des Sinus sigmoideus senkrecht 
in die Tiefe meißelnd den Bulbus freilegen konnte. 


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— 383 — 


Weitere Maße der Schädel, die auf den Sinus Bezug haben: 


Warzenfortsatzspitze 
bis Asterion 

Schädel Nr. 1: nicht gemessen 
r „2: 3,1 cm 
Horizontalabstand der Asterien 
voneinander 
Schädel Nr. 1: 9,8 cm 
„ „ 2: 9j8 cm 


•Anlagestelle d. Spina resp* 
Fovea bis Asterion 
Schädel Nr. 1: r. 2,6 cm, 1. 2,8 cn» 
„ „2: 2,1 cm 

Abstand der Foramen 
jugularia 

Schädel Nr. 1: 4,8 cm 
„ „ 2: 4,3 cm 

Die kürzesten Entfernungen des lateralen Sinusrandes von dem 
vertikalen Bogengänge betragen: 

Schädel Nr. 1: Ingul. 2,3 cm; oben 2,15 cm 
„ „ 2: „ 2,0 cm; „ 1,5 cm 

Sinusgrund bis nächsten 
Mastoidpunkt 


Schädel Nr. 1: r. 0,2 cm, 1. 0,6 cm 


2: 0,5 cm 


Schädel Nr. 1 


Spina — Fovea 

l s .p 

: \ vie 
Isei 


Spina deutlich, r 
viel größer, Fovea 
sehr undeutlich 
i r. u. 1. Spina deut- 
Schädel Nr. 2: l lieh. Fovea in 
l Zellenform 


Krümmungslinien des Sinus sigmoideus der 8 jährigen: 


rechts 


links 



a ist das Jugularisende, b das Okzipitalende des Sinus sigmoideus. 


Beide Sinuspaare, die von uns im 8. Lebensjahr untersucht wur¬ 
den, zeigten rechts und links große Verschiedenheit. In beiden Fällpn 
fallen stärkere Krümmung und Größe auf den rechten Sinus sigmoi- 


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— 884 — 


deus. Bei beiden Sinuspaaren kommen bei einem der beiden Sinus 
sigmoidei trotz beiderseitiger. S-förmiger Krümmung große Verschie¬ 
denheiten vor. Im Falle 1 ist die knollige Ausweitung der Wände des 
rechten Sinus sigmoideus sehr auffallend; im Falle 2 die Spaltung der 
linken Vena emissaria in zwei Aeste, wobei nach Abgang der Vena 
emissaria eine auffallende Verschmälerung und Verflachung im Gegen¬ 
sätze zur auffallenden Konstanz von größter Breite und Tiefe bis zum 
Abgänge der Vena emissaria augenfällig ist. Auch beim linken Sinus 
des ersten Sinuspaares weicht die Baumverteilung nach vorn und hin¬ 
ten rückwärts nach den Sinusknieen von der sonst üblichen ab, insofern 
meist die größere Verschmälerung des Sinus vom vorderen Sinusknie 
nach dem Bulbus hin eine stärkere Verflachung desselben übertraf, hier 
aber das Umgekehrte eingetreten ist. Vom hinteren Sinusknie zum 
Asterion hin über trifft der Grad der Verflachung meist den der Ver¬ 
schmälerung; auch darin tritt hier eine Abweichung ein. Die größten 
Sinusmaße vereinigen sich bei allen vier Sinus sigmoidei auf die 
Strecke zwischen vorderem und hinterem Sinusknie, meist mehr zu 
letzterem gelegen. 

Wo eine Vena emissaria nachgewiesen werden konnte, nimmt auch 
sie von hier ihren Ursprung. Soweit Untersuchungen möglich waren, 
entsprachen in allen anderen Fällen größeren Sinusmassen größere Fo- 
veae resp. Foramina jugularia. Was die Bestimmung des Asterion und 
die Lage einer Sinuslinie anbetrifft, so gelten hier dieselben Regeln 
wie bei den 7 jährigen von uns untersuchten Schädeln. Auch hier 
würde die Sinuslinie auf das Sinusstück zwischen vorderem und hin¬ 
terem Knie fallen, woselbst auch der Sinus sigmoidei am leichtesten 
von außen her zu erreichen wäre. Ein auffallendes Aneinanderrücken 
des vorderen und hinteren Sinusknices beim rechten Sinus im Falle 2 
verdient noch besonders hervorgehoben zu werden. 


Sinus sigmoideus der 9 jährigen. 

Gemessen wurden sechs Paar Sinus von 6 Schädeln, die in allen 
Fällen bis auf Nr. 4, wo die Maße unbekannt geblieben sind, hyper- 
brachyzephal waren. 


Nr. 

Nr. 

Nr. 

Nr. 

Nr. 

Nr. 


1 mit einem Index 91,2 


2 

3 

4 

5 

6 


82,3 

87,5 

nicht meßbar 

85,2 

81,3. 


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— 385 — 


Nr. 1 (39). Sinus sigmoideus eines Jungen von 9 Jahren. Rech¬ 
ter und linker Sinus sigmoideus sind beide S-förmig gekrümmt, weisen 
aber große Verschiedenheiten auf. Der rechte Sinus ist unvergleich¬ 
lich stärker als der linke, zeigt auch eine stärkere Krümmung. Die 
Achsenlänge des rechten Sinus beträgt 54 mm, die Entfernung zwischen 
Jugularis und Asterion 41 mm. Die entsprechenden Maße des linken 
Sinus sind 60 und 55 mm. Beide Sinus sigmoidei sind gut abgegrenzt. 
Der rechte zeigt eine auffallend unregelmäßige Form, das vordere und 
hintere Sinusknie sind weit auseinandergerückt. Das vordere liegt 
nur wenige Millimeter vor der Jugularisöffnung, das hintere nahe am 
Asterion. Dicht vor dem hinteren Sinusknie verdickt sich der Sinus 
sigmoideus knollenförmig, um sich nach vorne hin allmählich zu ver¬ 
flachen und zu verschmälern. Zum Asterion hin ist dieser Uebergang 
ein viel auffallenderer; der Sulcus sigmoideus verwandelt sich hier 
in ein ganz flaches und schmales Rinnsal. Die größte Sinusbreite rechts 
beträgt 12 mm und betrilTt die Stelle des zweiten Sinusknies, die größte 
Tiefe, ebenfalls 12 mm, liegt an der ausgebuchteten Stelle, dicht vor 
demselben. Von hier aus, am okzipitalen Sinusrande, geht auch eine 
schmale dünne Vena emissaria ab, unter spitzem Winkel nach hinten 
zurückgebogen. Das Foramen jugul. hat im frontalen Durchmesser 
7 mm, im sagittalen 4 mm, die Fovea eine Tiefe von 15 nun, einen fron¬ 
talen Durchmesser von 11 mm und einen sagittalen von 6 mm. Die 
Fovea jugul. erweitert sich nach der Tiefe hin und geht unter einem 
rechten Winkel in die Vena jugul. über. Zur Sinusachse steht der 
Bulbus unter spitzem Winkel zurückgebogen. Der linke Sinus ist in 
allen seinen Maßen viel geringer als der rechte. Seine größte Breite 
beträgt 8 mm, die größte Tiefe 4 mm, beide Maße fallen auf das hin¬ 
tere Sinusknie. Von hier aus geht auch am okzipitalen wSinusrande 
unter spitzem Winkel nach rückwärts gebogen eine sehr schwache, 
fadenförmige Vena emissaria ab. Nach vorne und rückwärts verengt 
und verflacht sich der Sinus allmählich. Das Foramen jugul. hat im 
frontalen Durchmesser 5 mm, im sagittalen 3 mm. Der Bulbus ist 
entsprechend dem im ganzen schmächtigen Sinus gering; er hat einen 
frontalen Durchmesser von 6 mm, einen sagittalen und eine Höhe von 
7 mm. Der Bulbus steht zur Sinusebene fast senkrecht. 

Nr. 2 (27). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 9V2 Jahren. 
Beide Sinus sigmoidei sind S-förmig gekrümmt und namentlich der 
rechte sehr lang gestreckt und schön geschwungen. Auch hier besteht 
eine große Verschiedenheit zwischen beiden Sinus sigmoidei, die bei 
Beschreibung jedes einzelnen hervorgehoben werden soll. Der rechte 
Sinus sieht abgeflacht aus, die Sinusfurche hat drei senkrecht aufein- 


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— 386 — 


anderstehende Wände, nämlich den horizontalen Boden und die auf 
ihm senkrecht stehenden Seitenwände. Eine solche Gestalt des 
Sinus ist unter den bisher untersuchten Fällen noch nicht vorgekom¬ 
men. Der rechte Sinus hat eine Achsenlänge von 72 mm, die Entfer¬ 
nung zwischen Jugularis und Asterion beträgt 49 mm. Die Achsen¬ 
länge des linken Sinus beträgt 64 mm, die Entfernung zwischen Jugu¬ 
laris und Asterion 49 mm. Die größte Sinusbreite ist rechts 12 mm,, 
seine größte Höhe 5 mm, beide Maße liegen etwas vor dem zweiten 
Sinusknie. Von dieser Stelle geht am okzipitalen Sinusrande eine 
4 mm breite, 4 mm dicke und 5 mm lange Vena emissaria ab, die ent¬ 
gegen den bisher beobachteten nicht unter spitzem Winkel nach rück¬ 
wärts, sondern nach vorne abbiegt. Nach vorne zu, bis zum Foramen 
jugul. verflacht sich der Sinus nicht, verengert sich aber allmählich 
nach rückwärts. Vom zweiten Sinusknie verflacht und verengt er sich 
nach dem Asterion hin. Das Foramen jugul. hat im frontalen Durch¬ 
messer 6 mm, im sagittalen 4 mm, die Fovea im frontalen 6 mm, im sa- 
gittalen 7 mm und eine Tiefe von 9 mm. Der Bulbus ven. jugul. steht 
zum Sinus senkrecht. Der linke Sinus ist weniger gestreckt, der Sulcus 
sigmoidei hat die typische Sinusform, die Hohlrinne. Er hat eine 
größte Breite von 11 mm und eine größte Tiefe von 7 mm, beide Maße 
am hinteren Sinusknie gemessen. Von hier geht eine Vena emissaria 
ab, die etwas schwächer als die der rechten Seite ist. (Genaue Maße 
konnten nicht genommen werden.) Nach vorne und rückwärts ver¬ 
engt und verflacht sich der Sinus sigmoideus allmählich. Das Foramen 
jugul. hat einen frontalen Durchmesser von 8 mm, einen sagittalen von 
7 mm, der Bulbus ist recht stark, doch konnten auch hier genauere 
Maße nicht genommen werden. 

Nr. 3 (48). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 9 Jahren 9 Mo¬ 
naten. Wieder weisen der rechte und linke Sinus einen gewaltigen 
Unterschied voneinander auf. So kolossal der rechte ist, so gering ist 
der der linken Seite. Die Achsenlänge des rechten Sinus beträgt 
58 mm, die Entfernung zwischen Jugularis und Asterion 46 mm, die 
entsprechenden Maße des linken Sinus sind 46 mm und 37 mm. Der 
rechte Sinus ist S-förmig gekrümmt,er hat eine größte Breite von 
15 mm an der Stelle des zweiten Sinusknies und eine größte Tiefe von 
7 mm ebendaselbst. Nach vorne zu vollführt der Sinus scheinbar eine 
Vierteldrehung um seine Achse, wodurch er ein schraubenförmige Ge¬ 
stalt erhält. Nach vorne und rückwärts verschmälert und verflacht 
sich der Sinus, doch während er nach vorne das gewöhnliche Maß nicht 
überschreitet, ist die Verjüngung nach rückwärts eine sehr auffallende,, 
der Sinus spitzt sich geradezu nach hinten zu. Das Foramen juguL 


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— 387 — 


hat einen frontalen Durchmesser von 7 mm, einen sagittalen von 6 mm. 
Der knollenförmige Bulbus hat einen frontalen Durchmesser von 14 mm 
und einen sagittalen von 10 mm und eine Höhe von 13 mm. Der linke 
Sinus ist halbkreisförmig gebogen, sehr seicht, die Seitenwände des 
Sulcus, obwohl deutlich begrenzt, sind trotzdem sehr stark zur Innen¬ 
fläche des Schädels geneigt und bilden so wieder einen gewissen Rück¬ 
schlag zu jüngeren Lebensaltern. Die größte Sinusbreite beträgt 
9 mm, die größte Tiefe 3 mm, sie fallen auf die Gegend des zweiten 
Sinusknies, von wo aus auch eine 2 mm breite und dicke und 2 mm lange 
Vena emissaria unter spitzem Winkel zurückgebogen vom okzipitale:) 
Sinusrande abgeht. Während sich der Sinus zum Asterion hin nicht 
verschmälert und kaum verflacht, tritt gerade das Umgekehrte nach 
vorne zu ein; er wird viel schmäler, aber nicht flacher. Das Foramen 
jugul. ist 5 mm im frontalen und 3 mm im sagittalen Durchmesser. Die 
Fovea jugul. zeigt eine sehr unregelmäßige Begrenzung, hat etwa 6 mm 
im frontalen und sagittalen Durchmesser und 7 mm Tiefenausdehnung; 
eine Abknickung nach unten findet jedoch nicht statt. 

Nr. 4 (50). Sirius sigmoideus eines Jungen von 9 Jahren. Die 
Untersuchung der Sinus sigmoidei bleibt in diesem Falle eine nur sehr 
unvollkommene, weil ein Ausguß nur vom linken Sinus gelang, doch 
auch des letzteren nur bis zur Fovea jugul. Dieser Sinus hat eine aus¬ 
geprägte Sichelform, er ist sehr gut begrenzt, hat eine größte Breite 
von 11 mm und eine Tiefe von 9 mm, eine im ganzen sehr regelmäßige 
Gestalt und verengt und verflacht sich nach rückwärts und vorne zu 
ganz allmählich. 

Nr. 5 (29). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 9 Jahren. Wie 
so häufig in diesem Lebensjahre, zeigen auch hier der rechte und linke 
Sinus eine große Verschiedenheit voneinander, sowohl in den Größen¬ 
verhältnissen, als auch in der Gestalt. Während der linke Sinus eine 
schlanke Form und schön S-förmige Krümmung hat, ist der rechte 
plump, unregelmäßig gebaut und hat die Gestalt eines an seiner Spitze 
hakenförmig abgebogenen Spazierstockes. Die Achsenlänge des rechten 
ten Sinus beträgt 49 mm, die Entfernung zwischen Jugularis und 
Asterion 36 mm, beim linken Sinus sind die Maße 53 mm und 43 mm. 
Der rechte Sinus hat eine größte Breite von 11 mm, eine größte Tiefe 
von 8 mm. Diese Maße bleiben sich in einer Strecke, wie sie bei ge¬ 
krümmten Sinus sigmoidei dem ersten und zweiten Knie entsprechen 
würde, gleich, weiterhin nach oben, noch in dem senkrechten Teile 
der Sinusachse, tritt eine beträchtliche Einschnürung auf, worauf sich 
der Sinus noch einmal knollenförmig erweitert und dann zum zweiten 
Male am Foramen jugulare eingeschnürt erscheint. Die Einschnürung 


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— 388 — 


des Foramen jugul. hat im frontalen Durchmesser 6 mm, im sagittalen 
5 mm, nach ihr erweitert sich der Sinus zum sehr starken knollenförmi¬ 
gen Bulbus venae jugul., dessen Fovea im frontalen Durchmesser 
11 mm, im sagittalen und Tiefenausdehnung 10 mm hat. Das hinterste 
Ende des Sinus verschmälert und verengt sich allmählich, an der Grenze 
des Beginnes der Verschmälerung, also fast am Ende des Sinus, geht 
eine recht dicke Vena emissaria vom okzipitalen Sinusrande ab. Der linke 
Sinus ist schmal und schlank, gut S-förmig gebogen, hat eine größte 
Breite von 8 mm und eine Tiefe von 5 mm, welche Maße auf das hin¬ 
tere Sinusknie entfallen. Von hier aus geht auch am okzipitalen Si¬ 
nusrande eine dem Sinus entsprechende, sehr dünne Vena emissaria, 
dem Sinus fast parallellaufend, nach rückwärts ab. Nach vorne und 
hinten verschmälert und verflacht sich der auf seiner ganzen Strecke 
gut begrenzte Sinus allmählich, das Foramen jugul. hat einen frontalen 
Durchmesser von 5 mm und sagittalen von 3 mm. Der entspreched dem 
dünnen Sinus enge Bulbus venae jugul. hat eine Ausdeh¬ 
nung von 6 mm in allen seinen Maassen. Die größte Länge des Sin. 
sigmoideus an und für sich dient nicht einer größeren Erweiterung des. 
Bulbus venae jugul. 

Nr. 6 (8). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 9 Jahren 2 Mo¬ 
naten. Es ist dies das einzige Sinuspaar von wenn auch nicht gleicher, 
so doch annähernd gleicher Gestalt und Größe. Beide Sinus haben 
S-förmige Krümmung, beide sind recht regelmäßig in ihrem ganzen 
Verlauf und gut begrenzt. Der rechte Sulcus sigmoideus bildet 
eine verhältnimäßig tiefe und lange Furche von 9 mm Breite und 7 mm 
größter Tiefe in der Gegend d<?s hinteren Sinusknies; nach vorne zu 
verschmälert und verflacht sich der Sinus nur sehr wenig. Das Foramen 
jugul. hat einen frontale: 1 . Durchmesser von 5 mm und einen sagittalen 
von 3 mm. Der Bulbus venae jugul. konnte nicht gemessen werden. 
Der rechte Sinus hat 53 mm Achsenlänge und 42 mm Jugularis-Aste- 
rion-Entfernung. Beim linken Sinus sind die entsprechenden Maße 
49 mm und 43 mm; er hat eine größte Breite von 10 mm und eine Tiefe 
von 6 mm und bleibt sich Breite und Tiefe bis-zum Foramen jugul. hin 
gleich. Nach rückwärts zu verflacht er sich vom zweiten Sinusknie 
ab in ganz geringem Maße. Das Foramen jugul. hat im frontalen 
Durchmesser 8 mm, im sagittalen 9 mm und eine Tiefe von 10 mm. 
Venae emissariae ließen sich weder rechts, noch links mit Gewißheit 
nachweisen. 

Weitere Maße der Schädel, die auf den Sinus Bezug haben: 


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— 389 — 


W arzenfortsatzspi tze 
bis Asterion 
Schädel Nr. 1: — 

n « 2: — 


4,3 cm 
3,8 cm 
4,0 cm 


Horizontalabstand der Asterien 
voneinander 
Schädel Nr. 1: 10,7 cm 
„ «2: 10,3 cm 

n ii 3 : — 

„ „ 4: 10,4 cm . 

„ „5: 10,2 cm 

„ „ 6: 10,4 cm 


Anlagestelle d. Spina resp~ 
Fovea bis Asterion 
Schädel Nr. 1: 4,7 cm 

„ „ 2: 3,5 cm 

„ „ 3: 3,4 cm 

„ „ 4: 3,0 cm 

„ „ 5: 3,5 cm 

„ „ 6: 4,0 cm r., 4,2 cm L 

Abstand der Foramen 
jugularia 

Schädel Nr. 1: 4,8 cm 
n » 2: 4,2 cm 

n »3: — 

„ „ 4: 4,8 cm 

„ „5: 4,7 cm 

„ „ 6: 3,8 cm 


Die kürzesten Entfernungen des lateralen Sinusrandes von dem. 
vertikalen Bogenrande betragen: 

bis zum Jugularisrand nach d. hinteren Sinusknie hin 

Schädel Nr. 1: 20 mm r. u. 1. 19 mm r. u. 1. 


2 : 22 
3: 20 
4: 25 
5: 22 
6 : 


ii ii 
ii ii 


22 mm 1. 

1. 


IQ 

ii ii ii ii 

20 mm r. u. 1. 
IQ 

M 11 


Sinusgrund bis zum nächsten Mastoiditpunkt: 
Schädel Nr. 1: 0,4 cm 

0 i 0,9 cm r. 

” ” ^ : \ 1,0 cm 1. 

„ „3: 0,9 cm 


0,6 cm r. 
2 cm 1. 


Schädel Nr. 4:{^! 

„ „ 5: 1,0 cm 

„ „ 6: 0,4 cm 


Spina resp. Fovea supr. meat.: 

Schädel Nr. 1: r. sehr gering, 1. etwas deutlicher 
„ „ 2: vorhanden 

„ „3: Spina r. u. 1. kaum angedeutet. Fovea r. u. 1. Vorhand.. 

„ »4: r. u. 1. sehr gering 

„ „5: r* u. 1. nicht vorhanden, die Stelle ist kaum zu ahnen* 

„ „ 6: Spina fehlt, Fovea kaum angedeutet 


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— 890 — 


Größte 

Sinusbreite 


Größte 

Sinustiefe 


Sinuskrümmung. 
Sinuslänge J ugular-Asterion- 
Entfernung 


mm mm 

1: r. 12 1. 8 r. 12 1. 4 

2 : , 12 , 11 „ 5,7 

3: r 15 n 9 v 4 „ 3 

4: „ — n 11 „ — „ 9 

5: r U r 8 , 8,5 

6: , 9,10 ,7 , 6 


mm mm 


r. 

54 

1 . 

60 

r. 

41 

1 . 

55 

n 

72 

ii 

64 

ii 

49 

ii 

49 

n 

58 

ii 

46 

ii 

46 

ii 

37 

ii . 

— 

ii 

50 

ii 

— 

ii 

37 

ii 

44 

ii 

53 

ii 

36 

ii 

43 

ii 

53 

v 

49 

ii 

42 

ii 

53 


Foramen jugul. 

Nr. Frontaler Sagittaler 
Durchmesser 


Fovea jugul. 

Frontaler Sagittaler 

Durchmesser 


mm mm mm mm 


1 

r. 

7 

1 . 

5 

r. 

4 1. 

3 

r. 

11 

1, 

6 

r. 

6 

1 . 

7 

2 

ii 

6 

ii 

8 

r 

4 „ 

7 

71 

6 

71 

— 

71 

7 

71 

— 

3 

ii 

7 

ii 

5 

71 

6 71 

3 

11 

14 

71 

6 

11 

10 

71 

6 

4 

ii 

— 

ii 

— 

?' 

71 

— 

11 

— 

71 

— 

71 

— 

71 

— 

5 

ii 

6 

ii 

5 

71 

5 „ 

3 

11 

11 

11 

6 

71 

10 

7i 

6 

6 

• ii 

5 

ii 

8 

11 

3 

5 

11 

— 

r 

8 

TI 

— 

IT 

9 


Krümmungslinien des Sinus sigmoideus der 9 jährigen: 
rechts 



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— 391 — 




Eine auffallend große Verschiedenheit zeigen die von uns unter¬ 
suchten Sinus der 9 jährigen. In vier Fällen, Nr. 1, 2, 3, 5, ist der 
rechte Sinus der stärkere, in Nr. 6 sind die Sinus fast gleich. In 
Nr. 4 konnte nur ein Sinus untersucht werden. Auffallend groß ist 
auch die Zahl der unregelmäßigen, nicht S-förmigen Sinus. In Nr. 5 
ist der rechte Sinus hakenförmig gekrümmt, in Nr. 3 und 4 hat der 
linke Sinus die Gestalt eines Bogens. Eigentümlich knollenförmige 
Erweiterungen finden wir beim Sinus in zwei Fällen, in Nr. 1 rechts 
und in Nr. 5 links. Die größten Sinusmaße finden sich bei allen von 
uns untersuchten Sinus sigmoidei an der typischen Stelle zwischen 
vorderem und hinterem Sinusknie, zumeist in der Nähe des letzteren. 
Wo Venae emissariae von uns gefunden wurden, gingen sie von der 
oben genannten Gegend der größten Breite und Tiefe des Sinus aus. 
Beim Sinuspaare Nr. 3 finden wir links wieder einen Rückschlag, in¬ 
sofern die Seitenwände des Sinus stark abgeflacht erscheinen. Beim 
zweiten Sinuspaare ist die eckige Gestalt des Sulcus sigmoideus eine 
bis zu diesem Lebensalter von uns noch nicht beobachtete Erscheinung. 
Auch Unregelmäßigkeiten in der Abflachung und Verschmälerung des 
Sinus sigmoideus finden wir bei den 9 jährigen in einigen Fällen, so im 
Falle 2 rechts und 3 links. Auffallend ist im Falle 1, wie sehr das 
vordere und hintere Sinusknie auseinandergezogen sind; das vordere 
ist fast bis an das Foramen jugul. gerückt, das hintere bis fast an 
das Asterion. Foramen und Fovea jugul. entsprechen in allen unseren 
Fällen in ihren Größenverhätnissen den ihnen zugehörigen Sinus sig- 


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— 392 — 


moidei. Ein Zusammenhang zwischen stärkerer Sinusgröße und ent¬ 
sprechend stärkerer Sinuskrümmung ließ sich in unseren Fällen nicht, 
finden, was bei der großen Unregelmäßigkeit des Sinus auch nicht zu 
verwundern ist. Ueher der Sinuslinie läßt sich bei den 9 jährigen nach 
unseren Untersuchungen nichts anderes sagen als bei den 7- und 8 jäh¬ 
rigen. Auch sie würde auf ihrem Wege vom Asterion zur Warzen¬ 
fortsatzspitze die tiefste Sinusstelle, d. h. die Strecke zwischen den 
Sinusknieen treffen. Diese Stelle würde etwa ihrer Mitte entsprechen^ 

Sinus signioideus der IC jährigen. 

Es wurden drei Schädel untersucht mit sechs Sinus sigmoidei. 

Längenbreitenindices der untersuchten Schädel: 

Brachyzephale Nr. 1 mit einem Index 83,3 

Hyperbrachyzephale Nr. 3 „ „ 90,0 

Nr. 2 ., „ 93,0 

Nr. 1 (3). Die Sir.uskrümmung ist beiderseits fast gleich starke 
auch ist die Krümmungsachse der beiden Sinus fast gleich, nach oben 
hin S-förmig, nach unten von der dem hinteren Sinusknie ent¬ 
sprechenden Stelle aber ausgezogen in eine wellenförmige Linie. Die- 
Größe der Sinus sigmoidei ist rechts und link« fast gleich. 

Die Achsenlänge beträgt rechts 51 mm, links 53 mm, die Entfer¬ 
nung zwischen Jugularis und Asterion rechts 41 mm, links 43 mm. 
Der rechte Sinus hat eine größte Breite von 12 mm undi 
eine Tiefe von 13 mm. Links beträgt die größte Breite 13 mm, die 
Tiefe 6 mm. Beide Maße fallen etwa auf die Mitte des Sinus. Von 
dieser Stelle geht am okzipitalen Rande rechts und links eine Vena 
emissaria ab, den Knochen schräg durchsetzend. Der Emissarienkanal 
hat eine Breite und Dicke von 5 mm. Die größte Sinusbreite und 
-Tiefe bleibt sich rechts und links zwischen vorderem und hinterem 
Sinusknie ziemlich gleich; von hier ab tritt nach vorne und hinten 
eine allmähliche Verschmälerung und Verflachung ein, wobei nach 
vorne hin mehr die Verschmälerung, nach hinten zu mehr die Ver¬ 
flachung ins Auge springend ist. Das Foramen jugul. hat rechts und 
links einen frontalen Durchmesser von 8 mm, der sagittale Durchmesser 
beträgt rechts 4 mm, links 7 mm. Die Fovea jugul. hat rechts im fron¬ 
talen Durchmesser 13 mm, im sagittalen 12 mm. links im frontalen 
Durchmesser 15 mm, im sagittalen 10 mm. Die Tiefe der Fovea be¬ 
trägt rechts 14 mm, links 13 mm. Die gewaltigen knollenförmigen 
Bulbus venae jugul. sind rechts und links unter stumpfem Winkel zur- 
Sinusachse nach vorne und unten geneigt. Infolge der enormen Aus¬ 
dehnung des Bulbus venae jugul. macht die an und für sich nicht un- 


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— 393 — 


gewöhnliche Verengerung des Sinus sigmoideus zum Faramen jugul. 
hin den Eindruck einer Einschnürung an dieser Stelle, deren Folge die 
Erweiterung des Bulbus venae jugul. durch Blutstauung sein könnte. 

Nr. 2 (26). Sinus sigmoideus eines Jungen von 10 Jahren. Die 
Sinuskrümmung ist links S-förmig, auch rechts ist sie aller Wahr¬ 
scheinlichkeit nach ebenso, doch kann eine Untersuchung über Gestalt 
und Größenverhältnisse des rechten Sinus nur annähernd richtige Re¬ 
sultate ergeben, weil der hintere Teil des Sinus, etwa vom zweiten 
Sinusknie ab, sowie auch der Bulbusteil am Präparate verloren gegan¬ 
gen sind und nur annähernd rekonstruiert werden können. Nach dem 
beiderseits erhaltenen zwei Dritteln des vorderen Sinusteiles zu ur¬ 
teilen, ist die Gestalt und Größe des Sinus rechts und links gleich. 
Die größte Sinusbreite beträgt rechts 11 mm, links 12 mm, die größte 
Sinustiefe beiderseits 6 mm. Beide Maße fallen auf das zweite Drittel 
des Sinus etwa vor dessen hinterem Knie. Von hier aus geht auch am 
okzipitalen Sinusrande noch im Bereiche des Sinusbettes eine Vena 
emissaria ab, deren Kanal etwa 3 mm Breite und Dicke hat. Während 
jedoch die Vene beim linken Sinus wie gewöhnlich unter spitzem Win¬ 
kel zurückgebogen erscheint, biegt sie rechts gerade entgegengesetzt 
nach vorne ab. Eine Andeutung an die im früheren Jugendalter 
typische starke Ausbuchtung der Pyramide bietet hier die furchen¬ 
artige Vertiefung des Sinus nach der Pyramidenseite hin mit fast 
senkrechter Begrenzungswand auf dieser Seite. Die okzipitale Wand 
dagegen fällt ganz allmählich nach dem Hinterhaupte zu ab. Auch 
dieser Umstand erinnert an den Zustand des Sinus in den ersten Le¬ 
bensaltern, wo ja sogar eine eigentliche Begrenzung des Sinus sigmoi¬ 
deus nach dem Os occipitale hin nicht zu konstatieren ist, weil sich 
die okzipitale Wand desselben so stark nach dem Hinterhaupt zu neigt, 
daß sie ganz ohne Grenze in ihren Bezirk überzugehen scheint. Nach 
rückwärts und nach vorne zu verschmälert und verflacht sich der Sinus 
sigmoideus ganz allmählich, auch hier das typisch erscheinende Bild 
zeigend, daß nämlich nach vorne hin mehr die Verschmälerung, nach 
hinten zu mehr die Verflachung des Sinus hervortritt. Das Foramen 
jugul. hat im frontalen Durchmesser rechts und links 8 mm, im sagit- 
talen 4 mm. Die Fovea, welche nur links gemessen werden konnte, hat 
im frontalen Durchmesser 12 mm, im sagittalen 9 mm, und eine Tiefe 
von 13 mm. Auch an ihr ist die typisch erscheinende Vorwärtsneigung 
unter stumpfem Winkel zur Sinusachse zu konstatieren. Das Bild der 
Einschnürung des Sinus nach dem Bulbus hin ist ein scheinbares, be¬ 
dingt durch die stattliche Erweiterung des Bulbus v. jugul. Der Ueber- 
gang des Sinus nach dem Foramen jugul. hin bleibt jedoch ein ganz 


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— 394 — 


allmählicher^ so daß von einer Einschnürung im eigentlichen Sinne 
nicht die Rede sein kann. 

Nr. 3 (28). Sinus sigmoideus eines Jungen von 10 Jahren. Beide 
Sinus sigmoidei haben S-förmige Krümmung, sind aber doch in Größe 
und Gestalt sehr voneinander verschieden. Die Jugularis-Asterion-Ent- 
fernung beträgt rechts 43 mm, links 50 mm bei einer Achsenlänge von 
52 mm rechts und 63 mm links. Trotzdem nun der linke Sinus ein 
wenig schwächer gekrümmt ist als der rechte, was aus dem Verhältnis 
der Achsenlänge und Jugnlaris-Asterion-Entfernung zueinander her¬ 
vorgeht, so ist doch der linke Sinus sigmoideus in allen seinen Maßen 
mächtiger als der rechte. Die größte Sinusbreite beträgt rechts 11 mm. 
links 13 mm, die größte Tiefe rechts 5 mm, links 7 mm. Dieses brei¬ 
teste und tiefste Sinusmaß fällt rechts auf das zweite Drittel des Sinus, 
wenige Millimeter vor dem hinteren Sinusknie. Von hier aus verflacht 
sich der Sinus nach vorne hin recht beträchtlich, ohne sich jedoch bis 
zum vorderen Sinusknie wesentlich zu verschmälern; von hier jedoch 
geht die Verschmälerung zum Foramen jugul. hin in bedeutend 
schnellerem Maße vorwärts. Nach hinten zu bleibt der Sinus noch 
einige Millimeter über das hintere Sinusknie hinaus an seiner Pyra¬ 
midenseite gleich tief, während die Abflachung zur Okzipitalwand hin 
schon eine beträchtliche ist. Weiterhin zum Asterion geht die Ver¬ 
schmälerung und Abflachung dann Hand in Hand. Beim linken Sinus 
besteht in der Maßverteilung ein wesentlicher Unterschied zum rech¬ 
ten Sinus. Hier bleibt die größte Sinustiefe und -Breite zwischen vor¬ 
derem und hinterem Sinusknie stetig gleich. Nach vorne hin über¬ 
wiegt dann wie gewöhnlich die Breitenabnahme des Sinus, nach hinten 
zu die Tiefenabnahme. Das Vorhandensein einer Vena emissaria ist 
rechts an der tiefsten und breitesten Stelle des Sinus am Präparate 
angedeutet, links muß das Fehlen einer Vena emissaria am Präparate 
auf einen Fehler am Ausgusse zurückgeführt werden. Das Foramen 
jugul. hat rechts im frontalen Durchmesser 9 mm, im sagittalen4 mm, 
links im frontalen 7 mm im sagittalen 5 mm. Die Fovea jugul. hat 
rechts einen frontalen Durchmesser von 10 mm, links 17 mm, sagittalen 
von 5 mm rechs, links 12 mm und eine Höhe von 12 mm rechts und 
13 mm links. Die Fovea steht zur Achse des Sinus unter stumpfem 
Winkel nach vorne geneigt. 

Weitere Maße des Schädels, die auf den Sinus Bezug haben: 

Warzenfortsatzspitze Anlagestelle d. Spina resp. 

bis Asterion Fovea bis Asterion 

Schädel Nr. 1: — Schädel Nr. 1: — 

„ 2: 4,2 cm „ „2: 3,2 cm 

,, „3. 1,9 cm „ ,, 3. 1,7 cm 


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— 395 — 


Horizontalabstand der Asterien 
voneinander 
Schädel Nr. 1: — 

„ „ 2: 10,2 cm 

„ „3: 10,5 cm 


Abstand d. Foramen 
jugularia 

Schädel Nr. 1: — 
n «2: 4,6 cm 

„ „ 3: 4,5 cm 


Die kürzesten Entfernungen des lateralen Sinusrandes von dem 
vertikalen Bogengänge betragen: 

Schädel Nr. 1: r. 14 mm, 1. 15 mm nach dem hinteren Sinusknie hin 

n n 2* „ 20 „ „ 17 „ „ „ „ „ „ 

Q a L R J a 1 xt q.I« 20 n T? 20 „ „ „ „ „ „ 

*)„ 23 „ nach dem Jugularisrand 

Sinusgrund bis zum nächsten Mastoiditpunkt: 

Schädel Nr. 1: 1,0 cm 

„ „ 2: 0,8 cm r., 0,5 cm 1. 

„ „ 3: 0,6 cm 

Spina resp. Fovea supr. meat. 

Schädel Nr. 1: vorhanden 

„ „2: Fovea kleine Ritze, Spina nicht vorhanden 


»1 

„ 3: sehr 

gering 



Nr. 

GröCte 

Sinusbreite 

Größte 

Sinustiefe 

Sinuslänge 

Sinuskrümmung 
Jugularis-Asterion- 
Entfernung 


mm 

mm 

mm 

mm 

1: 

r. 12 1. 13 

r. 6 1. 6 

r. 51 1. 53 

r. 41 1. 43 

2: 

„ 12 „ 12 

7) 6 » 6 

n — n 63 

„ - „ 42 

3: 

„ 11 „ 13 

« 5 f 

n 52 „ 63 

„ 43 „ 50 


Foramen jugul. 

Fovea jugul. 

Nr. 

Frontaler 

Sagittaler 

Frontaler 

Sagittaler 


Durchmesser 

Durchmesser 


mm 

mm 

mm 

mm 

1: 

r. 8 1. 8 

r. 4 1. 7 

r. 13 1. 15 

r. 12 1. 10 

2: 

„ 8 „ 8 

4 „ 4 

,, - „ 12 

)! - )) 9 

3: 

n 9 n 1 

w 4 » 5 

„ 10 „ 17 

„ 5 „ 12 


Fovea jugularis. Tiefe 
Nr. 1: r. 17 mm, 1. 13 mm 

„ 2: „ — mm, „ 13 mm 

„ 3: „ 12 mm, „ 13 mm 


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— 396 — 


Krümmungslinien des Sinus sigmoideus der 10 jährigen: 

rechts 



links 

ä 



i 

Ö 


a ist das Jugularisende, b das Okzipitalende. 

Betrachten wir die drei Paar von uns untersuchten Sinus sigmoidei, 
so läßt sich folgendes feststellen: Die S-Form ist bei allen drei Sinus¬ 
paaren deutlich hervortretend, beim ersten Sinuspaar ist das S jedoch 
in seinem hinteren Teile ausgezogen. Das erste und zweite Sinuspaar 
sind ziemlich symmetrisch, auch an Größe ziemlich gleich mit nur ge¬ 
ringem Ueberwiegen der Größenverhältnisse des linken Sinus sigmoi¬ 
deus beim ersten Sinuspaare. Deutlicher sind die Größenunterschiede 
beim dritten Sinuspaare, wo der linke Sinus der bedeutend größere ist. 


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— 3197 — 


"Weder im Falle 1 noch 3 beeinflußt eine größere Sinuskrümmung die 
mehr hervortretende Größe des linken Sinus, da die Krümmungsver- 
Eältnisse rechts und links fast ganz gleich sind, ja im Falle die Krüm¬ 
mung rechts sogar noch ein wenig stärker ist, als auf der linken, an 
Umfang größeren Seite. Eine Andeutung auf die Seichtheit der Sinus¬ 
furche im ersten Lebensjahre findet sich hier bei unserem zweiten 
Sinuspaare, bei welchem die okzipitale Sinuswand sich sehr stark zur 
Knochenplatte des Hinterhauptes neigt. Im allgemeinen ist es, soweit 
iiier beobachtet werden konnte, überhaupt eine Eigentümlichkeit der 
Sinuswaudungen, daß die nach der Pyramidenseite gelegene fast immer 
viel steiler steht als die okzipitale Wand. Die Vena emissaria nimmt 
auch in diesen Fällen, wo immer sie untersucht werden konnte, immer 
ihren Ausgang an der okzipitalen Sinusseite, und zwar an dessen wei¬ 
tester Stelle, woselbst sie meist unter spitzem Winkel durchbricht. 
(Eine Ausnahme macht nur Fall 2 rechts.) Von der Größe des Sinus 
sigmoideus auf die des zugehörigen Bulbus venae jugul. lassen sich 
keine direkten Schlüsse ziehen, auffallende Differenzen zwischen Sinus- 
und Bulbusausdehnung wurden nicht gefunden. 

Der Warzenfortsatz bedeckt in diesem Lebensalter den Sinus sig¬ 
moideus ganz in seinem Mittelteile. Die Sinuslinie würde somit der 
im 7. und 8. Lebensjahre entsprechen. 

Sinus sigmoideus der 11 jährigen. 

Untersucht wurden zwei Paar Sinus sigmoidei von zwei Kinder¬ 
schädeln. Beide Schädel waren brachyzephal. 

Längenbreitenindices der untersuchten Schädel: 

Nr. 1 mit einem Index 82,3 
Nr. 2 ist nicht gemessen worden. 

Nr. 1 (32). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 11 Jahren 2 Mo¬ 
naten. Beide Sinus weisen eine große Verschiedenheit voneinander 
auf. Der rechte Sinus ist sehr stark ausgeprägt, der linke ungewöhn¬ 
lich klein und unscheinbar. Der rechte Sinus ist sehr stark S förmig 
gekrümmt, der linke gleicht eher einem Kreisabschnitt mit Handgriff, 
-der ihm die Gestalt einer Sichel verleiht. Der rechte Sinus hat eine 
Jugularis-Asterion-Entfernung von 40 mm bei einer Achsenlänge von 
55 mm; die größte Sinusbreite beträgt 11 mm, die größte Tiefe 9 mm. 
Diese Maße fallen auf die Gegend des ersten Sinusknies, welches hier 
nach der Mitte des Sinus sigmoideus gerückt ist, nicht wie sonst auf der 
Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel steht. Während der vor¬ 
dere Teil des Sinus sehr in die Länge gezogen ist, macht der hintere 


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— 398 — 


Teil eine starke hakenförmige Krümmung dadurch, daß das vordere 
und hintere Sinusknie so nahe aneinanderderückt sind. Zwischen vor¬ 
derem und hinterem Sinusknie bleiben sich größte Sinusbreite und 
-Tiefe gleich, nach vorne und rückwärts verschmälert und verflacht 
sich der Sinus sehr allmählich. Von der Gegend des vorderen Sinus¬ 
knies geht von der okzipitalen Sinuswand an dessen äußerem Rande 
eine 4 mm dicke und breite Vena emissaria ab, die leicht zurückgebo- 
gen die Schädelwand durchbohrt. Das Foramen jugul. hat einen fron¬ 
talen Durchmesser von 10 mm, einen sagittalen von 9 mm, der Bulbus- 
venae jugul. einen frontalen von 13 mm, einen sagittalen von 9 mm r 
und eine Höhe von 9 mm. Der Bulbus ist unter spitzem Winkel von 
der Sinusachse nach rückwärts abgebogen und setzt sich nach vorne 
hin geneigt in die Yena jugul. fort. Der linke Sinus ist klein und un¬ 
scheinbar, eine schmale, flache, wenn auch gutbegrenzte Rinne. Seine 
Achsenlänge beträgt 43 mm, die Jugularis-Asterion-Entfernung 35 mm. 
Auch hier sind das vordere und hintere Sinusknie eng aneinander auf 
das hintere Drittel des Sinus zusammengedrängt, während die vorderen 
zwei Drittel des Sinus eine bogenförmige Gestalt haben, sich nach 
vorne bis zum Foramen jugul. allmählich verschmälernd. Am vorde¬ 
ren Sinusknie ist die breiteste und tiefste Stelle desselben, der Sinus 
hat hier eine größte Breite von 8 mm und eine Tiefe von 4 mm. Von 
dieser Stelle geht auch am okzipitalen Rande, unter spitzem Winkel 
nach rückwärts gebogen, eine Yena emissaria von 3 mm Breite und 
2 mm Dicke ab, die seitlich noch 8 mm weit den Knochen zum Os occi- 
pitale hin furcht, bevor sie ihn, um nach außen zu gelangen, durch¬ 
blicht. Auch nach rückwärts zum Asterion hin verschmälert und ver¬ 
flacht sich der Sinus ein wenig, jedoch viel weniger als nach vorne zum 
Foramen jugul. zu. Das Foramen jugul. ist spaltförmig, hat im fron¬ 
talen Durchmesser 5 mm, im sagittalen 3 mm. Auch die Fovea jugul. 
ist sehr eng und verkümmert; sie hat einen frontalen Durchmesser von 
6 mm, einen sagittalen von 3 mm und eine Höhe von 8 mm. 

Nr. 2 (47). Sinus sigmoideus eines Mädchens von 11 Jahren. Der 
Metallausguß des linken Sinus ist in seinem vorderen Teile defekt, 
doch muß er ganz dem rechten Sinus entsprechend rekonstruiert wer¬ 
den (wie die Schädeluntersuchung ergiebt). Beide Sinus sigmoidei 
sind schön S-förmig gekrümmt. Der rechte Sinus hat eine Achsenlänge 
von 60 mm bei einer Jugularis-Asterion-Entfernung von 40 mm. Die 
größte Sinusbreite beträgt 13 mm, die Tiefe 8 mm. Beide Maße liegen 
im Bereiche des zweiten Sinusdrittels, kurz vor dem zweiten Sinusknie. 
An dieser Stelle geht auch vom okzipitalen Sinusrande die Yena emis¬ 
saria ab, deren unter spitzem Winkel zurückgebogener Kanal eine 


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— 399 — 


Breite von 5 mm und eine Dicke von 3 mm hat. Nach vorne zum Fo- 
ramen jugul. hin und nach rückwärts zum Asterion verschmälert und 
verflacht sich der Sinus in der gewöhnlichen Weise ganz allmähliche 
Das Foramen jugul. hat einen frontalen Durchmesser von 8 mm und 
einen sagittalen von 5 mm. Die Fovea jugul. konnte nicht gemessen 
werden. Der linke Sinus stimmt, soweit er untersuchbar ist, in her¬ 
vorragender Wiese mit dem rechten Sinus überein. 


Weitere Schädelmaße, die auf den Sinus Bezug haben: 
Warzenfortsatzspitze Anlagestelle d. Spina resp. 

bis Asterion Fovea bis Asterion 

Schädel Nr. 1: nicht gemessen Schädel Nr. 1: r. 3,1 cm, 1. 3,9 cm* 


2 : 


2 : 


Horizontalabstand der Asterien 
voneinander 
Schädel Nr. 1: 10,2 cm 


Abstand d. Foramen 
jugularia 

Schädel Nr. 1: 4,0 cm 


Die kürzeste Entfernung des lateralen Sinusrandes von dem verti¬ 
kalen Bogengänge ist nicht gemessen. 

Sinusgrung bis zum nächsten Mastoiditpunkt: 

Schädel Nr. 1: rechts 1,5cm, links 0,5 cm. 

Schädel Nr. 2: nicht gemessen.. 


Spina resp. Fovea supr. meat.: 




Schädel Nr. 

1: gering. 




Schädel Nr. 

2: — 


Nr. 

Grollte 

Sinusbreite 

Größte 

Sinustiefe 

Sinuslänge 

Sinuskrümmung. 

Jugular-Asterion- 

Entfernung 


mm 

mm 

mm 

mm 

1: 

r. 11 1. 8 

r. 9 1. 4 

r. 55 1. 43 

r. 40 1. 35 

2: 

77 „ - 

77 8 7, - 

77 77 — 

77 40 „ - 


Foramen jugul. 

Fovea jugul. 

Nr. 

Frontaler 

Sagittaler 

Frontaler 

Sagittaler 


Durchmesser 

Durchmesser 


mm 

mm 

mm 

mm 

1: 

r. 10 1. 5 

r. 9 1. 3 

r. 13 1. 6 

r. 9 1. 3 

2: 

,7 Ö ,7 - 

77 ^ „ - 

77 77 

77 77 


Fovea jugul. Tiefe 
Nr. 1: r. 9 mm, 1. 8 mm 
o • _ _ 

77 ^ * 77 77 


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— 400 — 


Krümmungslinien des Sinus sigmoideus der 11jährigen: 



rechts 

links 

7 

£ 

•7 

'\ 


v r 

j 

’ - 

) l Nicl^ 


/ 


\ 

( 

6 

) 

6 

Betrachten wir nun die vier 

untersuchten Sinus sigmoidei, so fällt 


beim ersten Paare der kolossale Unterschied in Gestalt und Größe auf, 
beim zweiten Paare die auffallende Uebereinstimmung der beiderseiti¬ 
gen Sinus. Während beim ersten Paare der rechte Sinus außer¬ 
ordentlich regelmäßig und kräftig entwickelt ist, ist der linke Sinus in 
allen seinen Teilen ungemein verkümmert. Beiden Sinus ent¬ 
sprechen vollständig ihre Fovea et Foramina jugularia. Das zweite 
Sinuspaar weist eine so auffallende Uebereinstimmung seiner beiden 
Hälften auf, wie wir sie auch nur sehr selten zu sehen gewohnt sind. 
Die Vena emissaria nimmt auch hier wie überall bisher ihren Aus¬ 
gangspunkt von der breitesten und tiefsten Stelle des Sinus, seitlich 
den Schädelknochen noch vor ihrem Durchbruch durch denselben fur¬ 
chend, wie bei Nr. 1 links und Nr. 2 rechts oder senkrecht zur Sinus¬ 
wand den Schädel durchbohrend wie im Falle 1 rechts. 


Zur Nachbehandlung der Radikaloperation des 
Mittelohres. 

Von 

Dr. Wilhelm Jansen (Buer i. Westf.). 

Eine Schattenseite der so segensreichen Radikaloperation des 
Mittelohres ist sicherlich noch die lange Dauer und die Umständlich¬ 
keit und Unbequemlichkeit der Nachbehandlung. Bei Kindern ist sie 
häufig gar nicht in der bisherigen Weise durch Tamponade lege artis 


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— 401 


«du rchzu führen; ich selbst verfüge über einen Fall, wo ich nach beider¬ 
seitiger Radikaloperation nach akuter Scharlachotitis den Verband¬ 
wechsel wegen Ungebärdigkeit des Kindes wochenlang in Narkose 
machen und schließlich gänzlich auf geben mußte. Auch von sensiblen 
Erwachsenen wird der Verbandwechesel häufig sehr unangenehm 
empfunden. 

Was die Dauer der Nachbehandlung betrifft, so gibt Körner 
an, daß die Epidermisierung der Wundhöhle in 6—7 Wochen, zuweilen 
aber erst in 3 Monaten, vollendet zu sein pflegte. Nach Heine be¬ 
trägt in der Universitätsohrenklinik in Berlin die Dauer der Nach¬ 
behandlung durchschnittlich 8—12 Wochen, wobei allerdings der Fall 
«erst dann als geheilt angesehen wird, wenn das Ohr wenigstens 8 Tage 
lang trocken geblieben ist. Diese Resultate scheinen mir bei der 
jetzigen Behandlungsmethode sehr günstige zu sein; ich selbst kann 
keine Durchschnittszahl für meine Patienten angeben, da ich in den 
meisten Fällen von der gewohnten Tamponadebehandlung abgewichen 
bin. In den übrigen Fällen glaube ich länger nachbehandelt haben zu 
müssen. Ich habe aus dem „Bericht über die in den beiden Etatsjahren 
1905 und 1906 in der Universitätspoliklinik für Ohren- und Nasen¬ 
krankheiten zu Göttingen beobachteten Krankheitsfälle“ von Professor 
Dr. Bürkner und Dr. W. U ffenorde im „Archiv für Ohrenheil¬ 
kunde“ unter Ausschluß aller derjenigen Fälle, die irgendwie mit Kom¬ 
plikationen verbunden waren, die Dauer der Nachbehandlung für 
41 Fälle auf durchschnittlich 15 Wochen berechnet. 

Nun ist von verschiedenen Seiten versucht worden, eine Beseiti¬ 
gung dieser Nachteile dadurch zu erzielen, daß inan die Tamponade 
möglichst früh wegließ. Dadurch glaubte man die Nachbehandlung an¬ 
genehmer für den Patienten gestalten und außerdem die Ausheilung 
beschleunigen zu können, in der Voraussetzung, daß durch die Tampo¬ 
nade ein ständiger Reiz auf die Operationshöhle ausgeübt und dadurch 
«der Heilungsprozeß verzögert würde. Zur Mühlen — ich referiere 
nach dem 6. Bericht über die neueren Leistungen in der Ohrenheilkunde 
von Blau — läßt die Tamponade nach dem zweiten Verbandswechsel 
(gewöhnlich am 8. oder 9. Tage) weg und spritzt dann nur noch mit 
warmem Wasser oder bei sehr übelriechender Abssondernug mit 10 pro¬ 
zentiger Naphtalinlösung aus. Allzu üppige Granulationen werden even¬ 
tuell mit dem scharfen Löffel entfernt. Bei Neigung zur Verengung 
des Gehörganges oder Bildungen von Membranen w T ird die Tamponade 
wieder aufgenommen. V o ß —- s. 6. Bericht von Blau — hört bei 
Kindern und nervösen Kranken vom 5. Tage ab mit der Tamponade 
auf, schützt das Ohr durch einen einfachen Okklusivverband und 


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— 402 — 


trocknet dann beim Wechseln dieses Verbandes das Sekret im Ohre aus 
oder geht auch bei fötider Sekretion zu Ausspülungen der Wundhöhle 
über. Soviel mir bekannt, ist außerdem noch von Z a r n i k o emp¬ 
fohlen worden, nach den ersten Verbandwechseln durch Borsäure- 
verband — Eingießen von Borpulver in die Wundhöhle — die Gaze¬ 
tamponade zu ersetzen. In neuester Zeit sind als Lobredner der soge¬ 
nannten tamponlosen Nachbehandlung, wie sie von zur Mühlen und 
V o ß angegeben ist, besonders noch Stein und Gerber auf getreten. 

Ich selbst habe, unabhängig von den genannten Ohrenärzten, 
schon seit 1902 versucht, durch möglichst frühes Weglassen der Tam¬ 
ponade eine Abkürzung der Dauer der Nachbehandlung zu erzielen. 
Veranlaßt wurde ich dazu durch einen Fall, in dem eine große Ope- 
rat.ionshöhle ohne starke Granulationsbildung und Sekretion für mich 
überraschend schnell sich beim Weglassen der Tamponade überhäutete. 
Ich habe damals die Tamponade weggelassen, da die Höhle weit und 
deutlich übersichtlich war, kein Verwachsung drohte, und die Abson¬ 
derung nur ganz gering war. ln anderen Fällen habe ich dann ähnlich, 
wie von zur Mühlen und V o ß angegeben, verfahren, war aber 
mit dem Erfolge nie recht zufrieden. Ich habe zwar, je nach Lage des 
Falles, die Tamponade gewöhnlich erst nach 14 Tagen bis 3 Wochen 
weggelassen. Durch Aetzungen gelang es nicht immer, der übermäßigen 
Wund Wucherung Einhalt zu tun, und häufig mußte ich dann zur 
Tamponade zurückkehren. Einige Male erlebte ich trotz reichlicher 
Aetzung mit dem Höllensteinstifte oder Chromsäure Verwachsungen 
der Granulationen am Eingänge ins Antrum, die allerdings einen we¬ 
sentlichen Nachteil für die Patienten nicht mit sich brachten, da sie 
höchstens die Trockenlegung der Mittelohrräume verzögerten. Seit 
1906 verwende ich zur Nachbehandlung Lösungen von Argentum ni- 
tricum und bin mit den durch die besondere Art der Anwendung in 
letzter Zeit erzielten Erfolgen so zufrieden, daß ich mich veranlaßt 
sehe, diese Methode zu veröffentlichen. Sie setzt die Dauer der Nach¬ 
behandlung herab und gestaltet diese für den Patienten wesentlich 
angenehmer. 

Bevor ich zur Beschreibung dieser Höllensteinbehandlung über¬ 
gehe, möchte ich vorher aber darauf eingehen, welche Gesichtspunkte 
mich bei dieser Behandlungsmethode leiteten. Bekanntlich geschieht 
der Heilungsprozeß in der Weise, daß auf der nicht vom Gehörgangs¬ 
lappen überlagerten Knochenwunde Granulationen aufschießen und 
diese von den Epidermisrändern des Gchörganges her mit Epithel über¬ 
deckt werden. Die Nachbehandlung muß nun darin bestehen, diesen 
Vorgang zu begünstigen, und zwar, daß Granulationen entstehen und 


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— 403 — 


daß der Ueberhäutungsprozeß möglichst ungestört und schnell von¬ 
statten geht. Daß Granulationen überhaupt in hinreichendem Maße 
entstehen, wird wohl immer, abgesehen vielleicht von Fällen allge¬ 
meiner Dyskrasie, worauf ich aber hier nicht eingehen kann, der Fall 
sein, und wird sicherlich durch die wohl meistens auch aus anderen 
Gründen angewandte Jodoformgazetamponade unterstützt, die nicht 
nur als Fremdkörper einen Reiz ausübt, sondern auch im besonderen 
noch die Granulationsbildung fördert. Damit sodann der Ueberhäu¬ 
tungsprozeß möglichst rasch erfolgt, muß dafür gesorgt werden, daß 
die Granulationen nicht zu üppig wachsen; denn wenn das Granula¬ 
tionspolster zu dick ist, so bildet es für die Epidermisierung gewisser¬ 
maßen einen unübersteiglichen Wall. Zu diesem Zwecke muß mög¬ 
lichst jeder Reiz von der Wunde ferngehalten werden : ein Reiz ist aber 
sowohl die Tamponade, als auch das eigene Wundsekret, welches eben¬ 
sogut wie die Tamponade ein Fremdkörper ist. Es können auch ein¬ 
ander gegenüber auf wachsende Granulationen, wie zum Beispiel am Ein¬ 
gänge zum Antrum, miteinander verwachsen, und dadurch würde auch 
die Ausheilung verzögert. Ferner muß die neugebildete zarte Epi¬ 
dermis geschützt werden vor Maeeration durch das Wundsekret und 
außerdem käme noch in Frage, direkt eine Beschleunigung des Ueber- 
häutungsprozesses herbeizuführen durch Medikamente, soweit dies 
möglich ist. 

Alles dies glaube ich nun dadurch erreichen zu können, daß ich 
anfänglich, so lange bis hinreichend Granulationen aufgeschossen sind, 
tamponiere, dann die Tamponade weglasse und die Wundfläche regel¬ 
mäßig mit einer n proz. Argentum nitricum-Lösung ätze. Ich bemerke 
hierbei noch besonders, daß ich nur die Fälle im Auge habe, in denen 
die Radikaloperation ausgeführt ist mit anschließender Gehörgangs¬ 
plastik und primärem Verschluß der retroaurikulären Wunde, ohne 
Operation etwaiger intrakranieller Komplikationen; in diesen letzte¬ 
ren Fällen wäre das Verfahren sinngemäß zu modifizieren. Wenn man 
die Operationshöhle nach abgeschlossener Operation etwa 10 Tage lang 
tamponiert, so ist nach dieser Zeit die retroaurikuläre Wunde ge¬ 
schlossen, der Gehörgangslappen angeheilt und die übrige Knochen¬ 
wunde hinreichend mit Granulationen bedeckt. Hiermit ist der erste 
Akt des Abheilungsprozesses abgeschlossen, und zu unserer weiteren 
Aufgabe, die nunmehr, wie oben ausgeführt, darin besteht, zu verhin¬ 
dern, daß die Wund Wucherungen zu üppig werden und dadurch der 
Ueberhäutung Widerstand entgegensetzen, und daß zweitens diese Epi¬ 
dermisierung möglichst schnell von statten geht, wende ich die 5 proz. 
Höllensteinlösung an, mit der die Wundfläche zu verschiedenen Malen 


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404 — 


geätzt wird. Der Höllenstein bildet, auf die Granulationen gebracht,, 
mit den Eiweißstoffen ihrer oberen Schicht eine Silberverbindung,, 
welche sich als grau-weißer Schorf dokumentiert. Diese Aetzwirkung 
ist offenbar ein Reiz für die Wunde, welche ihrerseits darauf durch so¬ 
fortige starke Absonderung von Sekret und leichte Anschwellung rea¬ 
giert. Die Anschwellung könnte, wenn sie zu stark würde, gerade 
schädlich wirken, indem sie Verwachsungen der Granulationen begün¬ 
stigt. Dies ist aber, wie meine Erfahrung lehrt, bei einer 5 proz. Lö¬ 
sung nicht zu befürchten; das Granulationsgewebe schwillt hierbei nur 
gering an und am anderen Tage ist gewöhnlich nicht nur die An¬ 
schwellung ganz zurückgegangen, sondern sogar ein Abschwellen zu 
konstatieren, das am zweiten Tage noch größer geworden ist. Eine 
wesentlich stärkere Höllensteinlösung würde allerdings ein stärkeres 
Anschwellen der Granulationen bewirken, und damit die Gefahr der 
Verwachsung in der Operationshöhle vergrößern; andererseits bewirkt 
diese Lösung aber auch stärkere Schrumpfung und ist im späteren Sta¬ 
dium der Nachbehandlung, wenn die Wunde nicht mehr so empfindlich 
ist, unter Umständen wohl zu gebrauchen. Ich gehe aber auch in die¬ 
sem Falle nie über eine 10 proz. Lösung hinaus. Bei einer schwäche¬ 
ren Lösung ist nach meiner Ansicht die Verschorfung der oberen Ge- 
websschichten zu gering, und sie würde nur als Reiz wirken, ohne die- 
Vorteile der Höllensteinbehandlung. Hier möchte ich auch gleich dem 
Ein wände entgegentreten, daß die Aetzung mit der 5 proz. Höllenstein- 
lösung ebenso wie die Tamponade dem Prinzip widerspricht, möglichst 
jeden Reiz von der Wunde fernzuhalten. Wie meine Erfahrung lehrt, 
wirkt sie als solcher nur anfänglich und bildet dann durch den dünnen 
Schorf einen Schutz für die von demselben bedeckten Granulationen. 
Die eben erwähnte starke Absonderung von Wundsekret findet auch nur 
anfänglich als Reaktion auf den momentanen stärkeren Reiz statt. 
Tupft man das Sekret dann einige Male auf, so ist am folgenden Tage 
die Absonderung schon bedeutend geringer geworden und läßt ferner¬ 
hin noch weiter nach, so daß am zweiten Tage die Wundhöhle ziemlich 
trocken ist. Wir haben also dann eine ziemlich trockene, abgeschwollene 
Wundhöhle vor uns, die mit. einem Schorf bedeckt ist. Da dieser 
Schorf sich aber nach etw'a 2 mal 24 Stunden abstößt, so empfiehlt es 
sich, nun von neuem mit der 5 proz. Lösung zu pinseln, worauf sich die 
eben beschriebenen Vorgänge wiederholen. Eir.e Verwachsung von 
einander gegenüber auf schießenden Granulationen wird dadurch ver¬ 
hindert, daß diese durch den Schorf, der ihnen beiderseitig auflagert, ge¬ 
trennt sind, jedenfalls so lange, wie nicht zu stark geätzt wird. Da 
nur wenig Wundsecret abgesondert wird, so wird eine Maceration der 


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— 405 — 


neugebildeten zarten Epidermis verhütet, und ich glaube außerdem 
auch die Erfahrung gemacht zu haben, daß durch den Höller.stein di¬ 
rekt die Ueberhäutung befördert wird; eine Erfahrung, die auch in der 
allgemeinen Chirurgie gemacht ist. Die Aetzung der Granulationen 
bewirkt also Abschwellung und Austrocknung. Ist nun an einzelnen 
Stellen der Wundhöhle, worauf ich noch zurückkommen werde, die 
Granulationsbildung besonders stark geworden, so kann man im späte¬ 
ren Verlaufe der Abheilung hier zu stärkerer Aetzung übergehen, und 
dann benutze ich eine 10 proz. Höllensteinlösung. Diese bewirkt, wie 
soeben schon ausgeführt, zwar zuerst stärkeres Anschwellen, darauf 
aber auch intensivere Schrumpfung der Granulationen. Daß ich auch 
im Verlaufe der Nachbehandlung vom scharfen Löffel Gebrauch mache, 
und in welchen Fällen, werde ich gleich bei der speziellen Beschreibung 
meines Verfahrens noch angeben müssen. 

Ich mache die Nachbehandlung nun folgendermaßen: Nach Be¬ 
endigung der Operation und der Plastik wird die Wundhöhle mit Jodo¬ 
form bepudert und mit Jodoformgaze tamponiert, und zwar benutze ich 
in der Tiefe, in der Paukenhöhle und im Ar.trum gesäumte Gaze¬ 
streifen. Bei gewöhnlicher Gaze lösen sich leichter einzelne Fäden los, 
werden von Granulationen umwachsen und verzögern die Ausheilung. 
Der erste Verband bleibt acht Tage lang sitzen, falls nicht irgend eine 
Gegenindikation vorliegt. Der Verbandwechsel geschieht am achten 
Tage im Liegen, um Ohnmachtsanfälle, die sonst sehr leicht auf treten 
können, zu vermeiden, und zwar wird dieses Mal mit Xeroformgaze 
oder auch wieder mit Jodoformgaze tamponiert. Ich nehme Jodoform¬ 
gaze, falls die entfernten Tampons stärker riechen oder die Granu¬ 
lationsbildung mir noch etwas gering erscheint. Sonst nehme ich zum 
zweiten Verbände gern Xeroformgaze, die etwas austrocknend wirkt. 
In der Tiefe werden wieder gesäumte Gazestreifen verwendet. Dieser- 
Verband bleibt zwei Tage sitzen. Nach Entfernung der Tampons am 
10. Tage wird nunmehr nicht weiter tamponiert, sondern die ganze 
Wundhöhle mit der 5 proz. Argentum nitricum-Lösung geätzt. Diese 
Aetzung ist schmerzlos; sollte sie aber doch einmal bei einem empfind¬ 
lichen Kinde oder Erwachsenen leichtere Schmerzen hervorrufen, so 
ließe sich ja in diesem Falle bei den späteren Aetzungen die Wunde 
vorher durch Auftupfen einer Kokainlösung völlig unempfindlich 
machen. Die als Reaktion auf die Höllensteinätzung abgesonderte 
seröse Flüssigkeit wird nach einer Viertelstunde mit sterilem Watte¬ 
pinsel aufgetupft. Dann wird nochmals die Wunde mit der Lösung 
geätzt. Nach einer weiteren halben Stunde wird das nachträglich voir 
neuem entstandene Sekret nochmals mit steriler Watte aufgetupft.. 


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— 406 — 


Sodann wird, nach Unterpolsterung der Ohrmuschel mit steriler Gaze, 
zum Aufsaugen des aus dem Ohre fließenden Sekretes etwas Gaze auf 
die Ohrmuschel gelegt, und darüber ein einfacher Schutzverband an¬ 
gelegt. Es wird kein Gazestreifen zur Aufsaugung des Sekretes in den 
Gehörgang hineingeführt ; denn das wirkt schon als Reiz, wie ich mich 
häufiger überzeugen konnte, und ein Vorteil ist davon auch nicht ein¬ 
zusehen. Nachmittags wird nach Abnahme dieses Verbandes das Wund¬ 
sekret nochmals aufgetupft, und darauf ein neuer Verband angelegt. 
Am folgenden, 11. Tage, wird nur das Wundsekret auf getupft. Der 
Verband wird nunmehr beim Erwachsenen weggelassen; dem Patien¬ 
ten wird aber streng verboten, das Ohr mit den Fingern zu berühren 
oder zu waschen? und er erhält die Anweisung, sobald etwas Sekret aus¬ 
läuft oder spätestens vor dem Schlafengehen sich an die Schwester 
seiner Abteilung zu wenden, die ihm dann den einfachen sterilen 
Schutzverband anlegt. Bei Kindern legt man wohl am besten noch 
einige Tage länger den Deckverband an, da man sich nicht darauf ver¬ 
lassen kann, daß sie nicht an der Narbe hinter dem Ohre 
oder im Ohre selbst kratzen. Am 12. Tage wird wiederum 
das Sekret, das jetzt schon meistens recht gering geworden 
ist, auf getupft und darauf wird die Wundhöhle mit der 5 proz. 
Lösung gepinselt. Es tritt sofort wieder stärkere Absonderung 
von Sekret auf, welches nach einer halben Stunde aufgetupft wird. Mit 
der Anlegung eines Verbandes wird verfahren wie am Tage vorher. Am 
13. Tage wird wie am 11. behandelt. Am 14. Tage wird wie am 12. mit 
der llöllensteinlösung gepinselt und fernerhin jeden zweiten Tag, im 
ganzen 4—5 mal. Am Tage nach einer Aetzung wird jedesmal nur das 
Sekret aufgetupft. Von der dritten Aetzung ab, also vom 14. Tage, 
werden aber nach Möglichkeit nur noch die einzelnen Granulationen 
geätzt, um die Epidermis des äußeren Gehörganges und vor allem die 
schon überhäuteten Partien möglichst zu schonen. Außerdem kann 
man von diesem Tage an dann auch schon dort, wo stärkere Granu¬ 
lationen aufgeschossen sind, besser die 10 proz. Argentum nitricum- 
Lösung benutzen, durch die, wie schon erwähnt, ein schnelleres 
Schrumpfen bewirkt wird. Vorausgesetzt ist aber, daß die Wundhöhle 
im übrigen schon gut abgeschwollen und trocken ist. Nachdem auf 
diese Weise die Wundfläche etwa 4—5 mal mit der Höllensteinlösung 
geätzt ist, kann man dann, wenn das Mittelohr fast ganz trocken ist, 
vorläufig mit dieser Behandlung aufhören und erst einige Tage den 
Erfolg abwarten. Sollte hiernach völlige Ueberhüutung noch nicht 
eingetreten sein, so muß von neuem mit der Höllensteinbehandlung, 
entsprechend den obigen Ausführungen, begonnen werden. Besonders 


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— 407 — 


ist bei der Nachbehandlung zu achten auf die (Jegend des Sporns, den 
hinteren oberen Teil der Wundhöhle und den Ohreingang. Es muß 
ständig die Wundhöhle genau die Form behalten, welche sie durch die 
Operation bekommen hat. ln der Gegend des Sporns verwachsen leicht die 
unten und oben aufschießenden Wundwucherungen. An dieser Stelle 
muß man mit der stärkeren Aetzung (10 proz.) sehr vorsichtig sein. 
Sie ist hier nur angebracht, falls die Entfernung der unteren und der 
oberen Wand voneinander eine verhältnismäßig große ist, oder die eine 
Seite schon überhäutet, aber auf der anderen noch ein dickes Granu¬ 
lationspolster vorhanden ist. In allen übrigen Fällen soll man an dieser 
Stelle die Schrumpfung lieber durch häufigere Aetzung mit der 5 proz. 
Lösung zu erreichen suchen. Im hinteren oberen Teile der Wundhöhle 
stoßen gewissermaßen eine wagerechte und eine senkrechte Wand 
in einem mehr oder weniger rechten Winkel aufeinander. Hier ge¬ 
schieht es nun leicht, daß sich in dem Winkel durch Aneinanderwachsen 
der Granulationen beider Wände ein dichteres Polster bildet, welches 
der Feberhäutung lange Widerstand leistet. In diesem Falle geht man 
am besten möglichst bald zu der stärkeren Aetzung mit 10 proz. Lösung 
über, oder, wenn auch das ein Abschwellen nicht bewirkt, zu einer 
Auskratzung der Stelle mit dem scharfen Löffel und nachträglicher 
Aetzung mit der 5 proz. Lösung. Dieses letztere Verfahren, welches 
unter Kokainanästhesie ausgeführt werden kann, ruft allerdings nach¬ 
träglich Schmerzen hervor, doch halten sich diese in erträglichen 
Grenzen. Ueberläßt man dieses oben beschriebene Granulationspolster 
sich selbst, so wird, wie schon erwähnt, die Ueberhäutung nur langsam 
von statten gehen, und außerdem wird die Operationshöhle nach hinten 
oben zu verkleinert und unübersichtlich. Ich glaube auch, daß die mit¬ 
einander verwachsenen Granulationen einen ständigen Reiz für die 
übrige Wundhöhle bilden, deren Ueberhäutung dadurch ebenfalls ver¬ 
zögert wird. Am Ohreingange bilden sich leicht an den lateralen Enden 
der Schnitte, die bei der Ausführung der Plastik durch den äußeren 
Gehörgang gelegt sind, größere Wundwucherungen. Diese pflegen aber 
auf mehrmalige Aetzung mit der 10 proz. llöllensteinlösung leicht 
zurückzugehen und können eventuell auch mit dem scharfen Löffel aus¬ 
gekratzt werden. 

Was nun den Erfolg bei dieser Höllensteinbehandlung betrifft, se¬ 
ist es mir in den letzten 6 Fällen von Radikaloperationen, die nicht 
irgendwie kompliziert waren, gelungen, im Durchschnitt eine Abhei¬ 
lung in vier Wochen zu erzielen. Wenn auch eine größere Erfahrung 
erst lehren muß, ob dieses Resultat nicht zum Teil durch Zufall, der 
mich gerade besonders glückliche Fälle operieren ließ, günstig beein- 


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— 408 — 


flußt ist, so ist doch sicherlich ein Teil des Erfolges gerade auf die Art 
der Behandlung zurückzuführen, die, davon bin ich fest überzeugt, un¬ 
bedingt eine Abkürzung der Behandlungsdauer gegen früher bewirkt. 
Außerdem ist diese Nachbehandlung gegen die mit Tamponade für den 
Patienten entschieden angenehmer, indem Schmerzen, vom ersten Ver¬ 
bandwechsel abgesehen, gänzlich vermieden werden, und der so schnelle 
Fortfall des großen Kopfverbandes nur als Wohltat empfunden wird. 
Natürlich läßt sich dieses Verfahren so, wie besschrieben, nur anwenden 
— ich habe das auch schon oben angegeben — bei reiner Radikalope¬ 
ration, bei der die retroaurikuläre Wunde primär geschlossen ist, und 
müßte in Fällen, wo die Wunde hinter dem Ohre aus irgend einem 
Grunde länger otfengehalten werden soll und in Fällen von intra¬ 
kraniellen Komplikationen entsprechend modifiziert werden. 


Fall eines objektiv hörbaren entotischen 
Ohrgeräusches. 

Von 

Dr. Heinrich Haläsz, Spezialisten in Miskolcz. 1 ) 

Die objektiv wahrnehmbaren Ohrgeräusche und -Töne können in 
zweifacher Art entstehen. Die Geräusche können entweder im Ohre 
selbst oder in dessen unmittelbarer Umgebung auftreten, in letzterem 
Falle bilden sie fortgeleitete Töne oder Geräusche. In der Literatur 
sind bisher zirka 40 Fälle von objektiv hörbaren Ohrgeräuschen be¬ 
schrieben, unter diesen wurden je zwei Fälle von ungarischen Autoren, 
nametlich von S / e n e s und V ä 1 i, publiziert. Objektiv hörbare Ohr¬ 
geräusche — als selbständige, ausgeprägte Töne — wurden bloß in 
zwei Fällen beobachtet, und zwar in den Fällen von C o w e n und 
V ä 1 i. Mein Fall, den ich eben bekanntzugeben beabsichtige, wäre der 
dritte. 

(1. B., eine 35 jährige Frau aus Putnok, w*urde wegen ihres seit 
einem Jahre bestehenden und seither immer mehr zunehmenden Ohren¬ 
sausens von ihrem Hausarzte Dr. U. an mich gewiesen. Die matt aus- 
schende Kranke gab an, daß sie seit einem Jahre, als sie einmal an star¬ 
ker Verstopfung litt, in ihrem linken Ohre ein blasendes Geräusch hört, 
welches seither fortwährend besteht und sie selbst im Schlafe stört; 
neben dem blasenden Geräusch meldet sich öfters am Tage auch ein 

1 ) Der Fall wurde in der im Februar 1908 abgehaltenen Monats¬ 
sitzung des Borsod-Miskolczer Aerzte- und Apothekervereins vorgestellt. 


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— 409 — 


feiner hoher Ton für einige Augenblicke. Die Töne kann jedermann 
neben ihrem linken Ohre hören. Die Töne hören auf, wenn sie auf die 
Gegend des Tragus einen Druck ausübt, doch erneuern sie sich sofort 
wieder, sobald der Tragus vom Drucke befreit wird. Die Geräusche 
steigern sich in ihrer Intensität fortwährend, so daß die Kranke ihren 
Zustand bereits für unerträglich hält. 

Bei der Untersuchung ist weder in dem Tonleiter, in der Tuba oder 
im Nasenrachenraum, noch im Mittelohre etw’as Pathologisches nach¬ 
weisbar. Auch die Umgebung des Ohres zeigt bei der Inspektion nichts 
Abnormes, doch der auf den Tragus gesetzte Finger spürt die stark 
pulsierende Arteria temporalis superficialis, und bei 
Druck auf dieselbe meldet die Kranke das Auf hören der Ohrgeräusche. 
Mit dem Otoskop ist sowohl in dem Tonleiter als mit dem Stethoskop 
über der Arterie ein der Herzsystole folgendes blasendes Geräusch gut 
hörbar, und neben diesem tieferen Geräusche auch alle 4—5 Minuten 
ein scharfer, hoher, musikalischer Ton, so daß diese 
beiden Töne einander in einem bestimmten Rhythmus folgen und die 
Melodie einem Terzakkord ähnlich klingt. Neben dem Ohre der Kran¬ 
ken sind sowohl das blasende Geräusch, als der mit demselben zeitweise 
gleichzeitig auf tretende hohe musikalische Ton durch jedweden An¬ 
wesenden hörbar. 

Es ist sicher, daß das in diesem Falle wahrnehmbare blasende Ge¬ 
räusch und der Begleitton durch das in der Arteria temporalis super¬ 
ficialis, als Endast der Carotis externa, bezw. in einer Ausbuchtung 
dieser dahinfließende Blut erzeugt wurde und auf solche Art entstehen 
konnte, wie in dein Falle von C o w e n , in w r elehern in dem entlang des 
Tragus erweiterten Teile der oberflächlichen Schläfenarterie sich ein 
bindegewebiger Strang an der Innenwand des Gefäßes in transversaler 
Richtung gebildet haben mochte, und beim Durchtritte des Blutstromes 
durch den engeren Teil der zweigeteilten Lichtung dürfte der hohe 
Ton, während der Durchströmens durch die weitere Oeffnung der tiefe 
Ton entstanden sein. 

Der Kranken riet ich die Unterbindung der oberflächlichen Schlä¬ 
fenader als einzigen rationellen Eingriff zum Beheben der Geräusche 
an, sie war jedoch nicht geneigt, sich damit vorläufig einverstanden 
zu geben. 

ln den bisher beobachteten Fällen hatte das Auftreten der Ohr¬ 
geräusche Aneurysma der verschiedenen Blutgefäße als Ursache. So 
hatte in dem Falle von Herzog (Ohrgeräusch durch Aneurysma, Er¬ 
weiterung etc. Monatsschrift für Ohrenheilkunde, 1881) das Ohr¬ 
geräusch Aneurysma der Arteria auricularis posterior zur Ursache; 


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— 410 — 


W agenhäuser (Poliklin. Berichte, 1882) beschreibt ein durch 
mangelhafte Entwicklung des Canalis caroticus entstandenes Aneu¬ 
rysma der Karotis als Ursache des Ohrgeräusches; v. Tröltsch 
(Lehrbuch der Ohrenheilkunde, 1885) und Moos (A. f. A. u. O., 1869) 
haben starke Erweiterung des Bulbus venae jugularis beobachtet. 
Brandeis, Haug beschrieben Ohrgeräusehe, welche durch Druck 
des Kropfes auf die großen Halsgefäße entstanden sind, und J acob- 
son fand die Ursache der Ohrgeräusche in Kalkablagerung auf die 
Blutgefäßwände. C h i m o n i beobachtete ein ständiges Ohrgeräusch, 
welches durch ein von der Ohrmuschel in den äußeren Gehörgang hin¬ 
ziehendes Aneurysma cirsoidcs gebildet wurde. In dem Falle von 
Kays er behob die Kompression des mastoidalen Astes der hinteren 
Arteria auricularis das bis dahin objektiv hörbare Ohrgeräusch; G o 1 d- 
flam und Meyerson konnten durch Unterbindung der Carotis 
communis — wenn auch nur für 4 Stunden — das Ohrgeräusch zum 
Stillstand bringen; Alt (Oest. otol. Ges.. 1900) beschrieb einen Fall von 
Ohrgeräusch, entstanden durch Aneurysma racemosum der Carotis ex¬ 
terna. Auf die durch andere Ursachen entstehenden objektiv hörbaren 
Ohrgeräusche, welche nicht auf dem Wege der Blutgefäße auf treten, 
wünsche ich mich nicht auszubreiten. 

Die bisher angeführten Unterbindungen der Blutgefäße zum Be¬ 
heben der durch den Blutstrom erzeugten Ohrgeräusche gaben bis 
jetzt kaum das gewünschte Resultat, es trat sogar infolge der Unter¬ 
bindung in dem Falle von L u i s m a y e r (cit. Politzer, Handbuch 
d. Ohrhk.) letaler Ausgang ein, in welchembei einem 65 jährigen 
Manne, der seit einem Jahre an unerträglichen Ohrgeräuschen litt und 
der vom Selbstmorde nur durch die sorgfältigste Aufsicht zurückgehal¬ 
ten werden konnte, die Ohrgeräusche nach Unterbindung der Carotis 
externa nur für kurze Zeit aufhörten, und kurz darauf stellte sich 
Hemiplegie mit Hemianopsie und halbseitiger Taubheit ein; Tod nach 
fünf Tagen. Bei der Operation fand man ausgebreitete Erweichung 
der großen Hemisphäre. In dem Falle von Mayerson (Vers. d. deut¬ 
schen Naturforscher und Aerzte, 1895) kehrten 4 Stunden nach der 
Unterbindung und im Falle von Grunert (Arch. f. Otol., Bd. 35) 
4 Monate nach der Unterbindung die Ohrgeräusche wieder. Dagegen 
hatte die Unterbindung der Arteria temporalis profunda in dem Falle 
von Brandt und die Gefäßunterbindung in dem Falle von Münch 
(Z. f. O., Bd. 32) ebenfalls endgültige Heilung zur Folge. 

Es kann mit großer Wahrscheinlichkeit behauptet werden, daß in 
meinem Falle die Unterbindung der leicht zugänglichen Arteria tem¬ 
poralis superficialis ebenfalls zur endgültigen Heilung geführt hätte. 


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411 — 


Inwiefern die von der Kranken angegebene hartnäckige Verstop¬ 
fung (Stuhlabgang unter starkem Drängen) zur Entstehung des Aneu¬ 
rysmas der Arterie beitragen konnte, inwiefern sie die Ursache der 
Entstehung bilden konnte, kann nicht entschieden, jedoch auch nicht 
, ausgeschlossen werden. 


Beiträge zur Kenntnis des Mechanismus der Brust- 
und Falsettstimme. 

Von 

Regimentsarzt Dr. J. F. Fischer und Privatdozent Dr. Jörgen Möller, Kopenhagen. 

Bezüglich dieser für den Kunstgesang so wichtigen Frage, wie 
eigentlich die Falsettstimme hervorgebracht wird, hat man lange Zeit 
hindurch im Dunkeln getastet; eine Theorie nach' der anderen tauchte 
auf, um schnell wieder zu verschwinden. Durch die stroboskopischen 
Untersuchungen von Muse hold und anderen dürfte doch wohl jetzt 
die Schwingungsart der Stimmlippen endgültig festgestellt sein, über 
die Muskelwirksamkeit aber, die diese Schwingungsart hervorbringt, 
weis man noch sehr wenig. Um über diese Muskelwirksamkeit beim 
Menschen Aufschluß zu gewinnen, gibt es wohl eigentlich nur ein 
Mittel, die Untersuchung mittels Röntgenstrahlen; es läßt sich die 
gegenseitige Stellung des Schild- und Ringknorpels hierdurch fest¬ 
stellen und aus dieser Stellung wiederum ließen sich vielleicht Schlüsse 
auf die Muskeltätigkeit ziehen. Schon in einer 1903 erschienenen Ar¬ 
beit (F ränkels Archiv, Bd. XV) haben wir diese Frage flüchtig be¬ 
rührt, haben aber erst jetzt Zeit gefunden, weitere Untersuchungen 
vorzunehmen. 

Den betreffenden Untersuchungen mittels Röntgenstrahlen stellen 
sich beträchtliche Schwierigkeiten entgegen. Erstens die Wahl der 
Versuchspersonen; der Betreffende muß natürlich wenigstens etwas 
singen können und dann müssen seine Kehlkopfknorpel soviel Kalk 
enthalten, daß sie einen deutlichen Schatten geben; bezüglich der letz¬ 
ten Forderung ergiebt sich sofort, daß bei jugendlichen Individuen — 
wo man über ein reiches Material von geübten Sängern hätte verfügen 
können — nur der Schildknorpel einen deutlichen Schatten wirft, wäh¬ 
rend der Ringknorpel unsichtbar bleibt; solche sind demnach aus¬ 
geschlossen. Aber auch wenn man ältere Personen in Anspruch nimmt, 
wird man viele Mißerfolge erleben; wir haben verschiedene Serien von 
Röntgenaufnahmen gemacht, von denen keine einzige Platte brauch¬ 
bar war; bei einem rüstigen alten Herrn von 79 Jahren hat z. B. der 


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Ringknorpel gar keinen Schatten geworfen, während wir bei in paar 
50 jährigen ganz hübsche Erfolge erzielten; die besten Resultate hat 
uns unsere Versuchsperson von 1903 gegeben. Selbst wenn aber die 
Knorpel genügend Kalk enthalten, ist es doch manchmal schwierig, ein 
deutliches Bild zu erhalten; falls der Kehlkopf bei der Tonbildung 
nicht völlig feststeht, wird natürlich das Bild verschleiert bezw. ganz 
unbrauchbar. Wegen dieser Schwierigkeiten ist es uns trotz all er 
aufgewandter Mühe nur gelungen, ein ziemlich beschränktes Material 
zu sammeln und es mag diese Mitteilung als eine vorläufige betrachtet 
werden ; doch scheint uns das Material hinlänglich groß, um auch jetzt 
schon seine Schlüsse daraus zu ziehen. 

In unserer oben erwähnten Arbeit haben wir nachgewiesen, daß es 
im wesentlichen der M. crico-thyreoideus sein muß, der die Tonhöhe 
reguliert, indem je höher der Ton wird, je kleiner auch das Spatium 
crico-thyreoideum; ä priori neigton wir dann auch zu der Annahme, 
daß bei den Falsettönen der M. crico-thyreoideus weniger in Anspruch 
genommen würde, indem doch bei der Falsettstimme, wo sich eine 
Knotenlinie bildet, die Spannung der Stimmlippen eine geringere sein 
muß als bei der Bruststimme, wenn die Tonhöhe dieselbe bleiben muß; 
ein paar Aufnahmen schienen auch diese Hypothese zu bestätigen, es 
haben uns aber unsere jetzigen Untersuchungen anders belehrt. 

Die Aufnahmen wurden mittels weichen Müller sehen Röntgen¬ 
röhren mit starker x\bblendung gemacht, die Entfernung der Anti¬ 
kathode betrug 75 cm und es wurden Lumiere-Platten verwendet (9 mal 
6 cm), Expositionszeit 5— 6 ". Auf den Platten wurden dann der untere 
Rand des Schildknorpels und der obere Rand des Ringknorpels markiert 
und die Größe des Spatiums direkt gemessen. Um feste Anhaltspunkte 
für eventuelle Messungen bezüglich der Hebung und Senkung bezw. 
Keigung des Kehlkopfes zu gewinnen, haben wir zwei kleine Bleistück¬ 
chen auf die Haut geleimt. 

Es folgt ein vollständiges Verzeichnis der Serien, die uns brauch¬ 
bare Resultate gebracht haben; die Zahlen der oberen Zeile beziehen 
sich auf die Bezeichnung der einzelnen Platten, diejenigen der mitt¬ 
leren Zeile geben die Größe des Spatiums crico-thyreoideum in Milli¬ 
metern, in der unteren Zeile ist die Tonhöhe angegeben mit Beifügung 
eines (f) oder (b) für Falsettstimme bezw. Bruststimme; 0 bezeichnet: 
ohne Intonation. 

t. C. M. (69 Jahre), 24. Januar 1908. 
123456789 10 11 

13 6,5 8,5 ? 9 8 8,5 7 4,5 ? ? 

0 a(?) a (b) a (f) cis^b) cis^f) e^b) e^fj cis(b) cis^b) cis 1 (f) 


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— 413 — 


2.. J. M. (63 Jahre), 28. Februar 1908. 
01234567 
14 ? 14,5 13,5 ? ? ? ? 

0 0 a (b) a (f) e (b) e (f) cis (b) cis (f) 

3. J. M. (63 Jahre), 18. März 1908. 

0123456789 10 

? 10 11 11 10,5 13,5 ? ? ? 14,5 ? 

0 a(b) a(f) e(b) e(f) cis(b) cis(f) a(b) a(f) cis(b) cis(f) 

4. J. H. (49 Jahre), 11 März 1908. 

1 2.3 4 5 6 

5 6 ? ? 9 11 

c 1 (f) c 1 (b) a (f) a (b) d‘(f) (1Mb) 

5. J. H. (49 Jahre), 13. März 1908. 

1 2 3 4 5 6 

5 7,5 6,5 7 8,5 ? 

cMf) c 1 (b) a (f) a(b) dMf» dMb) 

6. C. v. F. (73 Jahre), 21. März 1908. 
012345678 
14 8 8,5 8 8,5 ? ? 8 7,5 

0 e (f) e (b) fis(f) fis(b) a(f) a(b) a(f) a(b) 

7. J. F. 49 Jahre), 2. April 1908. 

01 234567 8 9 10 11 

11,5 10,5 9 9 8 9 7 ? 7 ? ? 11,5 

0 a (b) a (f) cMb) ci(f) d>(b) d»(f) eMb) e 1 (f) fisMb) fisMf) 0 
Wir haben somit von 5 verschiedenen Versuchspersonen 15 brauch¬ 
bare Plattenpaare, wo man bei derselben Tonhöhe die Größe des Spa¬ 
tium crico-thyreoideum sowohl für Brust- wie für Falsetts tim me direkt 
ausmessen kann ;bei 13 dieser Plattenpaare findet man ohne weiteres, daß 
das Spatium bei der Bruststimme größer ist, also entgegengesetzt dem 
Ergebnis, daß wir bei unseren früheren Untersuchungen gefunden zu 
haben glaubten. In zwei Fällen aber findet man anscheinend ein ab¬ 
weichendes Verhältnis. Es spielen jedoch hier verschiedene Fehler¬ 
quellen eine Rolle. Erstens ist es fast unmöglich, bei allen Aufnahmen 
die Platte in genau derselben Stellung zu halten; auch läßt sieh kaum 
durch besondere mechaniscshe Einrichtungen eine konstante Platten¬ 
stellung erreichen; je mehr aber die Platte von der Medianebene des 
Körpers entfernt ist, um so größer wird sich das Spatium präsentieren. 
Dann ist es auch manchmal schwierig, wenn das Bild nicht besonders 
scharf hervortritt, die Punkte, die man zur Messung verwendet, genau 
zu bestimmen, namentlich gilt dies für den oberen Rand des Ringknor- 


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— 414 


pc*ls, wo man das obere Ende des vom Durchschnitt des Annulus ge¬ 
zeichneten Oval bestimmen muß; der Gestaltung des Knorpels zufolge 
kann der Punkt sehr leicht ein bißchen zu viel nach oben hinten oder 
nach unten vorn verlegt werden. Drittens handelt es sich oftmals nicht 
ausschließlich um ein Annähern des Ringknorpels zum Schildknorpel, 
sondern er wird auch nach hinten gezogen; in diesem Falle kann das 
Spatium größer erscheinen, trotzdem der Ringknorpel tatsächlich mehr 
gehoben ist. 

Es lassen sich diese Fehlerquellen wohl kaum anders beseitigen, 
als durch Ausmessung des Winkels anstatt der linearen Größe 
des Spatiums. Wir haben jetzt auch diese Methode versucht, 
und zwar haben wir den Winkel zwischen den oberen Rande 
des Ringknorpels und dem vorderen Rande des Schildknorpels gemes¬ 
sen, indem sich der untere Rand dess Schildknorpels gewöhnlich weni¬ 
ger scharf zeichnet (nur das untere Ende des Angulus tyheroideus steht 
fast immer scharf). Es gelingt diese Winkelmessung tatsächlich in 
einer Reihe von Fällen, doch nicht in allen Fällen, wo man die lineare 
Größe des Spatium messen kann; gerade in den Fällen aber, die sich an¬ 
scheinend abweichend verhielten, ist es uns gelungen, den Winkel mit 
ziemlicher Genauigkeit zu bestimmen und es hat sich ergeben, daß in 
diesen sowie auch in den anderen Fällen, wo der Winkel gemessen 
wurde, dieser bei der Falsettstimme größer sei als bei der Bruststimme, 
der Winkel zwischen dem unteren Rand des Schildknorpels und dem 
oberen des Ringknorpels somit kleiner, d. h. der Ringknorpel dem 
Schildknorpel mehr angenähert. 

Aus den erwähnten Untersuchungen erhellt, daß bei der Falsett¬ 
stimme sich der Ringknorpel dem Schildknorpel mehr annähert als bei 
der Bruststimme, vorausgesetzt, daß die Tonhöhe dieselbe bleibt, daß 
somit bei der Falsettstimme der M. crico-thyreoideus in relativ höherem 
Grade tätig ist als bei der Bruststimme; es stimmt dies auch mit den 
Untersuchungen Katzen Steins (Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 62), 
der bei Hunden durch Reizung ausschließlich des N. laryngeus superior 
einen Falsetton erzeugte, überein. 

Man darf also wohl annehmen, daß der Mechanismus der folgende 
sei: Bei der Bruststimme treten sämtliche Kehlkopfmuskeln 
in Wirksamkeit ; der Crico-thyreoideus bewirkt durch seine verschiedene 
Kontraktion die verschiedenen Tonhöhen, dann aber treten die inneren 
Kehlkopfmuskeln hinzu und bewirken die Adduktion der Stimmlippen, 
den verschieden starken Glottisschluß; namentlich dürfte hier wohl der 
Thyreo-arytaenoideus internus tätig sei, indem dieser Muskel unseren 
oben erwähnten Untersuchungen zufolge die durch die Wirkung des 


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Crico-thyreoideus zwar gespannten, aber konkaven Stimmlippen ge¬ 
rade streckt, also eir.e für die Erzeugung der Bruststimme äußerst 
wichtige Funktion. 

Bei der Falsettstimme wird die Abstufung der Tonhöhe 
ebenfalls durch den verschiedenen Kontraktionsgrad des Crico-thyreo¬ 
ideus bewirkt, die inneren Muskeln aber sind in weit geringerem Grade 
tätig und namentlich dürfte die Wirkung des Thyreo-arytaenoideus 
ausbleiben, so daß der freie Rand der Stimmlippe konkav bleibt und 
das Zustandekommen der Randschwingungen in dieser Weise erleichtert 
wird. Ob die relativ größere Wirkung des Crico-thyreoideus bei der 
Falsettstimme durch eine größere Intensität der aktiven Kontraktion 
oder durch eine zufolge der geringeren Wirkung der antagonistischen 
Muskeln im Innern relativ größere Wirkung erklärt werden mag, muß 
vorläufig dahingestellt werden. 

Es sei uns schließlich erlaubt, nochmals auf unsere früheren Un¬ 
tersuchungen bezüglich der allmählichen Verkleinerung des Spatium 
crico-thyreoideum mit der ansteigenden Tonhöhe aufmerksam zu 
machen. Wir haben eine neue diesbezügliche Serie von Aufnahmen 
gemacht und die 5 besten dieser Platten zeigen sehr schön die Ver¬ 
kleinerung des Spatiums: 

0 1 4 8 10 

14 8 7,5 6,5 5,5 

0 A d a cis 1 

(Die originalen Platten und unretouchierten Kopien wurden auf 
dem internationalen Laryngologenkongreß in Wien demonstriert; für 
die hier beigefügten Reproduktionen wurden in üblicher Weise die Um¬ 
risse mittels eines Negrostiftes verstärkt.) 


Oesterreichische otologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 3 0. März 190 8. 

Vorsitzender Adam Politzer. 

Schriftführer: Gustav Bondy. 

I. Erich Ruttin: Demonstration eines Falles 
von eitriger Meningitis. Heilung. 

Der 22 jährige Patient war am 10. I. wegen akuter Mastoiditis 
operiert worden; während der ambulatorischen Nachbehandlung, als die 
Wunde fast geheilt war, wurde er am 19. II. mit meningitischen Er¬ 
scheinungen (Erbrechen, heftigsten Kopfschmerzen, Druckempfind¬ 
lichkeit des Warzenfortsatzes, der Schädelknochen und der Halswirbel- 


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säule, deutlicher Nackenstarre, Kahnbauch, Derinographie, 39,3°) in 
die Klinik eingeliefert. Die Funktionsprüfung ließ eine Labyrinth¬ 
erkrankung aussehrließen. Das Lumbalpunktat .war eitrig. Die spä¬ 
tere Untersuchung ergab, daß es steril war. Sofortige Radikaloperation, 
Freilegung der Dura beider Schädelgruppen und des Sinus. Außer 
einem vom Knochen gegen die Dura ziehenden bindegewebigen Strange 
war die Dura frei von Veränderungen. Der Strang wurde abgelöst und 
von einer Inzision abgesehen. Patient wurde am achten Tage post 
operationem zur ambulatorischen Behandlung entlassen. 

Der Fall ist deshalb von Interesse, weil er zeigt, daß bei der Be¬ 
wertung der in der Literatur niedergelegten Fälle, bei denen die Hei¬ 
lung einer Meningitiss der Inzision der Dura zugeschreiben wird, Vor¬ 
sicht am Platze ist. 

II. Erich Ruttin: Demonstration eines Falles 
von ausgeheilter Fraktur des Hammergriffes. 

Der 24 jährige Patient stürzte im Juni 1906 vom Motorrad. Er 
wurde bewußtlos ins Spital transportiert. 5—6 Tage blutigseröser Aus¬ 
fluß aus dem rechten Ohre, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen, 
beim Verlassen des Bettes am sechsten Tage. Seither Abnahme des 
Hörvermögens auf dem rechten Ohre. Heute läßt sich auf dem rechten 
Ohre nur mehr ein Schalleitungshindernis konstatieren. 

Interessant ist insbesondere der otoskopische Befund: Man sieht 
in der Gegend des Processus brevis und des Hammerhalses eine kallus¬ 
artige Knochenmasse, und an diese in einem spitzen Winkel schief nach 
vorne unten den Hammergriff angeheilt. 

III. Robert Baräny: Demonstration eines F alles 
von geheilter Sinusthrombose. 

Der Fall ist deshalb bemerkenswert, weil er ein 4jähriges Kind 
betrifft und derartige Erkrankungen in so jugendlichem Alter wohl sehr 
selten auftreten. 

IV. Robert Baräny: Demonstration eines one- 
rativ geheilten F alles, bei dem Sinus - und Bulbus¬ 
thrombose, Lungenabszesse und eine nicht trau¬ 
matische Labyrinthitis serosa (?) zur Beobachtung 
kamen. 

Chronische Eiterung links, pyämische Symptome, Schwindelanfälle, 
Nystagmus zur kranken Seite bei Neigung des Kopfes nach rückwärts. 
Flüstersprache % m, auch mit Lärmapparat hört Pat. Flüstersprache. 
Kein Fistelsvmptom, kalorische Reaktion normal. 

Jugularisunterbindung, Sinusoperation. Der weit vorliegende Bul¬ 
bus wird eröffnet. Nach Entfernung eines bleistiftdicken*Thrombus 


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trotz vorheriger Jugularisunterbindung volle Blutung; auch vom obe¬ 
ren Ende volle Blutung. Im Bogengang, knapp über dem ovalen Fen¬ 
ster eine schwarz durchscheinende Stelle, keine Fistel. 

Nach der Operation pyämische Symptome »andauernd, Husten, 
eitriger Auswurf. Nach drei Wochen Temperatur normal. Zwei Tage 
post operationem Schwindel stärker, Nystagmusanfall zur gesunden 
Seite bei jeder Kopfbewegung. Kalorische Reaktion normal. Tags 
darauf bedingter Nystagmus zur gesunden Seite, Steigerung desselben 
bei Bewegungen. Kalorische Reaktion 0, Hörvermögen mit Lärm¬ 
apparat geprüft, gleich 0. Allmähliche Abnahme des Nystagmus. Nach 
sechs Wochen Spuren von kalorischer Erregbarkeit. 

\ . R. L e i d 1 e r und A. Schüller: II eher die V’ erwert- 
barkeit der röntgenologischen Untersuchungs¬ 
methode für die Otologie. 

Schüller demonstriert Röntgenogramm© von Schläfenbein¬ 
präparaten (mit und ohne Injektion der Hohlräume des Felsenbeins 
mittels Quecksilber), von Schädelskeletten und von der Ohrgegend 
lebender Individuen. Unter den für die Darstellung der Schädelbasis 
geeigneten typischen Aufnahmsrichtungen kommt für otologische 
Zwecke hauptsächlich die in geneigter Position des Schädels angefer¬ 
tigte Aufnahme in Betracht. Man sieht auf derselben dem Felsen¬ 
bein entsprechenden Schatten von dreieckiger Gestalt, dorsal begrenzt 
von der Projektion der oberen Pyramidenkante, hinten begrenzt von 
dem Kontur der Furche des Sinus sigmoideus. Das Areal der dieser 
Furche entsprechenden Aufhellung läßt die den Zellen der Pars mastoi- 
dea zugehörige netzförmige Zeichnung erkennen, ventral davon den 
Umriß des Processus mastoideus und der Fossa jugularis. Innerhalb 
des dichten Felsenbeinschatten markieren sich kreisförmig begrenzte 
Aufhellungen ,welche dem Meatus auditorius externus und internus 
entsprechen; bei jugendlichen Individuen sieht man auch oft Teile der 
dem inneren Ohr zugehörigen Hohlräume als helle Flecken. 

Indikationen zur Röntgenuntersuchung geben folgende Gruppen 
pathologischer Prozesse: 1. Fremdkörper, 2. Verletzungen (Basisfrak¬ 
tur), 3. Mißbildungen, 4. Destruktionen und Sequester (durch Ent¬ 
zündungen oder Tumoren, insbesondere Cholesteatome, verursacht), 
B. Hyperostosen. 

Röntgenuntersuchungen des Gehörorgans liegen bereits vor von 
seiten folgender Autoren: II insberg, Voß, Winckler, Pey- 
s e r. 

Rudolf Leidler hebt die Bedeutung der Röntgenaufnahmen 
lür die Diagnostik hervor. Man wird mittels derselben erkennen 


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können, ob der Warzenfortsatz pneumatisch oder sklerotisch ist, man 
wird die Lage des Sinus, die Größe des Bulbus und des Antrum, die 
Dicke des Tegmen bestimmen können. Von besonderem Interesse ist 
die röntgenologische Verfolgung des Heilungsprozesses nach Opera¬ 
tionen. L e i d 1 e r hat bisher hauptsächlich Labyrinthoperierte beob¬ 
achtet, die unmittelbar nach der Operation untersucht und seither von 
6 zu 6 Monaten kontrolliert werden. An einem Bilde eines Falles, bei 
welchem das ganze Labyrinth im Oktober entfernt wurde, sieht man 
6 Monate post operationem die Höhle fast noch genau so groß, nur an 
der Pyramide bildet sich neuer Knochen. 

Diskussion. 

Erich Ruttin fragt, ob man nicht bei Mißbildungen Aufnah¬ 
men machen könnte, die die Trommelhöhle zeigen, da es ihm gelegent¬ 
lich anatomischer Arbeiten zusammen mit Dr. A sehn er von der 
Klinik Eiseisberg gelungen ist, sehr schöne Röntgenbilder der 
Trommelhöhle an isolierten Schläfenbeinen aufzunehmen, und demon¬ 
striert solche Platten. 

V. Din tenf aß: Demonstration eines Falles von 
Meningitis serosa ( 0 - Heilung. 

Der 27 jährige Patient, der vor 9 Jahren beiderseitig radikalope¬ 
riert worden war, leidet seit einigen Wochen wieder an starker Otor- 
rhoe, Kopfschmerzen, Schwindel und Ohrensausen. Vestibularapparat 
intakt. Bei der von Leidler vorgenommenen Operation fand sich 
die Dura der mittleren Schädelgrube von einer dicken Narbe bedeckt. 
Wegen der heftigen Kopfschmerzen Inzision der Narbe. Es entleert 
sich Liquor unter hohem Druck, kein Hirnprolaps. Nach der Opera¬ 
tion trat Fieber bis 40 0 auf. Deutliche Ilirndruckerscheinungen (leichte 
Stauungspapille beiderseits). Verbandwechsel. Neuerliche Inzision der 
Dura. Es kommt wenig Liquor, danach rasche Heilung. Dinten- 
f a ß hält den Fall für eine Meningitis serosa, bei der die Inzision der 
Dura die Heilung herbeigeführt hat. Wenn in R u t t i n 8 Falle ohne 
Inzision Heilung eintrat, so muß bemerkt werden, daß ein Fall nichts 
beweist. 

Diskussion. 

Robert B ä r a n y ist der Meinung, daß in diesem Falle vor der 
Inzision der Dura die Lumbalpunktion hätte ausgeführt werden müssen. 

Erich Ruttin: Ein Fall beweist nichts, sagt Herr Dinten- 
f a ß. Darauf muß ich erwidern, daß ein zweiter gleichartiger Fall 
sich derzeit auf der Klinik befindet. Doch glaube ich, daß ebensowenig 
wie die Ausheilung ohne Inzision auch ebensowenig die Ausheilung mit 


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Inzision beweisend ist. Es gibt eben Meningitiden, die wir noch nicht 
vollständig verstehen. 

Rudolf Leidler: Ich habe inzidiert, weil die Symptome wahr¬ 
scheinlich für einen Intraduralabszeß gesprochen hatten, nachdem ich 
bei der Operation eine sehr starke Narbe der Dura gefunden hatte. 
Herrn Ruttin möchte ich sagen, in diesem Falle hat nur die Inzi¬ 
sion der Dura die Heilung gebracht, denn 3—4 Tage bot Patient Sym¬ 
ptome, die für eine Meningitis serosa sprachen, und einige Stunden 
nach der Inzision trat Besserung ein. 

Erich Ruttin: Für diesen Fall bestreite ich das nicht. Es ist 
aber aufmerksam zu machen, daß auch in meinen Fällen ohne Inzision 
sofort Besserung nach der Operation eintrat; worauf das zurückzufüh- 
ren ist, weiß ich nicht. 

Gustav Alexander: Man muß in solchen Fällen den chirur¬ 
gischen Standpunkt einnehmen. Es gibt ja auch Fälle von Pyämie, 
welche ohne Operation heilen. Nichtsdestoweniger ist sich doch jeder¬ 
mann klar darüber, daß man solche Fälle operieren muß. In den Fällen 
von Meningitis serosa halte ich die Inzision für unbedingt indiziert. 

Robert Bärany: Bei einer ausgesprochenen Meningitis hat 
meiner Meinung nach die Inzision noch nie genützt. Wenn eine Me¬ 
ningitis zur Ausheilung gelangen will, kommt sie auch ohne das zur 
Heilung. 

Erich Ruttin: Ein Unterschied zwischen dem Falle, der von 
Dintenfaß vorgestellt wurde, und meinen Fällen besteht insofern, 
als in meinen Fällen die Dura normal war und ich daher keinen Grund 
hatte, zu inzidieren, während in seinem Falle die Dura schwartig ver¬ 
dickt war. 

Heinrich Neumann weist auf die so wichtige Arbeit von 
Merck hin, deren Lektüre erklärt, warum mit oder ohne Inzision Hei¬ 
lung eintritt. N euinann ist der Ansicht, daß die Inzision bei der 
Meningitis dann nützt, wenn die Entzündung nur die Umgebung des 
extraduralen Eiterherdes ergriffen hat. Dort, wo die Propagation der 
Keime schon eine weitergehende ist, hat die Inzision keinen Zweck. 

VII. Adam Politzer: Zur Frage der Otosklerose. 

Vor 14 Jahren habe ich die erste Mitteilung über diese Erkrankung 
gemacht und damls das Wesen der Otosklerose in einer primären Laby¬ 
rinthkapselerkrankung erklärt. H a b e r m a n n, K a t z u. a. wider¬ 
sprachen dem. Gegen H. möchte ich folgendes bemerken: Er behauptet, 
daß die Krankheit von der Periostlage der Schleimhaut des Mittel¬ 
ohres ausgeht, manchmal finde man Fälle mit Veränderungen im Ca- 
vum tympani und neben Bindegewebsneubildungen auch solche im 


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Knochen. Ich habe unter 18 Fällen zwei solche angeführt. Meine Mo¬ 
tive stützen sich auf die anatomischen Befunde. 

a) Wenn die Erkrankung von der Schleimhaut oder von der Peri¬ 
ostlage ausginge, müßte man Fälle finden, wo die Veränderung bei 
frischen Fällen in der Nähe der Schleimhaut wäre und nicht in der 
Tiefe des Promontoriums (Demonstration). 

b) In der Kapsel sieht man Inseln im Knochen in der Nähe des 
inneren Gehörganges, die auch von anderen beschrieben sind (M a - 
nasse, Jörgen, Lind), die unmöglich vom Periost ausgegangen 
sein konnten. 

c) Einschnürung am Promontorium bei einer tauben Frau: Die 
krankhaften Veränderungen im oberen Teile beim ovalen Fenster, im 
unteren Teile nicht. Der obere Teil ist viel dicker, also Knochenneu¬ 
bildung und Auftreibung desselben. 

d) Anstatt des Stapes eine Knochenneubildung, an einer Stelle, 
wo kein Knochen ist, also auch kein Periost, hat sich die Fenestra ovalis 
vollkommen verschlossen. 

Da II aber mann einige Fälle von Veränderungen im Cavum 
tympani fand, mag er zu seiner Ansicht gekommen sein. 

Von Sieben in an n wird der Prozeß als Spongiosierung der 
Labyrinthkapsel bezeichnet. Auch bei Eiterungsprozessen sind solche 
Veränderungen gefunden worden, aber ich glaube, daß das Fälle von 
Otosklerose sind, bei denen es zur Eiterung gekommen ist. 

Bei meinen Fällen von Eiterungen habe ich nie eine Otosklerose 
gesehen, was man sonst häufiger finden müßte. Möglich ist, daß bei den 
katarrhalischen Adhäsivprozessen solche Veränderungen häufiger Vor¬ 
kommen, als man bisher angenommen hat. Es muß daher der Ausdruck 
Spongiosierung der Labyrinthkapsel als anatomischer Ausdruck für die 
typische Otosklerose wegfallen, um so mehr, als man sie auch bei den 
zwei anderen Prozessen findet, und weil man bei der mikroskopischen 
Untersuchung der Spongia nicht die Befunde erhebt, die man bei der 
Erkrankung der Spongia der Gelenke findet. Nach meiner Ansicht ist 
daher der Ausdruck Otosklerose für diese typischen Fälle beizubehalten. 
Die typische Form haben meine Hörer auch bald diagnostizieren 
können. 

Wenn wir aber Fälle sehen, bei denen kein normales Trommelfell 
vorhanden, die Tube nicht normal wegsam ist etc., sonst aber der pro¬ 
gressive Verlauf, Ohrensausen, negativer Rinne etc. besteht, kann man 
nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose machen. Gewiß kommen auch 
hier Veränderungen in der Kapsel vor, die wir vorderhand noch nicht 


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diagnostizieren können und die den Prozeß klinisch sehr ähnlich ge¬ 
stalten. 

Gegen L u c a e mußte ich mich wenden, da man nach meiner Mei¬ 
nung die typische von der nichttypischen Form trennen kann. 

Ich möchte nun auf den roten Schimmer zurückkommen. Er 
wurde zuerst von Schwartze beobachtet, der ihn für eine Injektion 
der Schleimhaut erklärte. Ich steile mir vor, daß die starke Füllung 
der Knochengefäße durch die Schleimhaut durchschimmere. Manch¬ 
mal ist er auf eine Stelle des Promontoriums beschränkt, manchmal 
nimmt er das ganze Trommelfell ein. Daß man die Rötung nicht immer 
sieht, mag auf einen vorgeschritteneren Prozeß hinweisen. Ich habe 
gestern einen sehr interessanten Fall gesehen: Ich wurde wegen ein¬ 
seitiger, ziemlich hochgradiger Schwerhörigkeit konsultiert. Auf dem 
kranken Ohr zeigen sich die Symptome der typischen Otosklerose, auf 
dem anderen Ohr fast normales Gehör, aber eine diffuse Rötung des 
Trommelfelles, die den vielleicht beginnenden Prozeß andeuten mag. 

Was die Aetiologie anlangt, so ist sie verschieden. In manchen 
Familien ist die Otosklesrose erblich, und sehr interessant sind in dieser 
Beziehung die Stammbäume Hamme rschlags und Körners 
(in 5 Familien 43 Fülle von Otosklerose). Auch andere Momente sind 
angeführt worden, z. R* die Gicht (England). Dort sind sehr viele 
Otosklerosen. Auch die uratische Diathese ist angeschuldigt worden, 
aber mit Unrecht. Bei Lues sieht man oft Otosklerose. II aber- 
m a n n s Ansicht über diese Aetiologie wird mit Recht von Körner 
bestritten. Die Otosklerose findet sich in jedem Lebensalter. A 1 e x a n - 
d e r fand sie bei einem Kretin, so daß diese Veränderungen vielleicht 
kongenital sind. Körner geht aber doch wohl zu weit, wenn er diese 
Heredität auf die Weismann sehe Determinantenlehre und auf 
Jahrhunderte zurückführt. 

Auf ein Symptom lege ich besonderes Gewicht: die Parakusis 
W i 11 i s i i. Diese ist bei einem gewissen Grade von Hörstörung stets 
voihanden. Sie findet sich auch bei anderen Schalleitungshindernissen, 
aber in geringerem Grade. Bei den Adhäsivprozessen ist sie doch viel 
seltener, was ich erwähne, weil bei den sogenannten Mischformen, wenn 
sie neben anderen Symptomen der typischen Otosklerose auftritt, ein 
Hinweis auf Otosklerose gegeben ist. Wenn man Rötung am Promon¬ 
torium bei normalem Gehöre findet., kann man manchmal noch nicht 
die Diagnose stellen, ob LabyrinthafTektion oder Otosklerose. Da kann 
nur die Heredität den Ausschlag geben. 

In der Therapie haben wir keinen Fortschritt zu verzeichnen. Die 
von Siebenmann auf Grundlage theoretischer Erwägungen emp- 


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fohler.e Phosphortherapie hat mir in keinem Falle Nutzen gezeigt. Die 
Behandlung durch die Tube war manchmal sogar schädlich. Jod mag 
mitunter den Prozeß scheinbar ein wenig verzögern. Massage pflegt 
hier und da für kurze Zeit Besserung zu bewirken, der Prozeß geht aber 
doch unaufhaltsam weiter. 


Niederländische Gesellschaft für Hals-, Nasen- und 

Ohrenheilkunde. 

XVI. Versammlung in Utrecht am 16. und 17. November 1907. 

Vorsitzender: Herr Zwaardemaker. 

Anwesend sind die Herren: van Anrooy, Brat, B raat, 
Burger. Al o 1 1, Zwaardemaker, Cohen Tervaert, van 
der Hoeven Leonhard, Yzerman, Polak, Bonn, Wil- 
k e n s , II a r t o g , flantvoort, van L ecnt,tenCate, Al¬ 
be r t i , van Mens, M o e r m a n , V o g e 1 p o e 1, van 1 ter- 
s o n , Couvee, Kan, van Dusseldorp, F r e d e r i k s e , 
Slotemaker, Schilperoort, B a e z a , Campagne, 
S t r u y e k e n , G. II. M u 1 d e r , Waller Z e p e r , B r e d v e 1 t, 
v a n I I a s s e 1 t , K u i p e r s , Noyons, van R o s s e m , W r . 
M u 1 d e r. 

Die Gesellschaft hat im vergangenen Jahre 3 Mitglieder verloren; 
12 neue sind hinzugetreten. 

Der Vorsitzende widmet der Erinnerung des verstorbenen Mitglie¬ 
des Z a a 1 b e r g sympathische W T orte. 

ln den Vorstand werden gewählt: Vorsitzender: Herr ür. A. C. H. 
Moll, Schatzmeister und Stellvertreter des Vorsitzenden: Herr l)r. 
van Anrooy und wiedergewählt als Schriftführer-Bibliothekar: 
Herr Prof. H. Burger (Vondelstraat 1, Amsterdam). 

I. Diskussion über die Behandlung der Me- 
n iereschen Krankheit. 

Jn der XI. Niederländischen Naturforscherversammlung, Leiden 
1907, ist die M eniere sehe Krankheit Gegenstand ausführlicher Dis¬ 
kussionen gewesen, anläßlich dreier Referate, von welchen dasjenige 
von Winkler der Histologie der Oktavusbahnen, dasjenige von 
Zwaardemaker hauptsächlich der Labyrinthphysiologie gewidmet 
gewesen. Die Diskussion hat sich fast ausschließlich diesen beiden 
Referaten angeschlossen. Das dritte Referat von ten S i e t h o f f ist 
nahezu unbesprochen geblieben. In demselben wird auf Grundlage 


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— 423 — 


einer ganzen lleihe von Heilerfolgen die These verteidigt, daß mit 
Nasenbeliandlung, meistenfalls Galvanokauterisation der Muscheln, in 
den meisten Fällen eine Heilung des Menier e sehen Syniptomen- 
komplexes ein tritt. Zur Erklärung dieses Resultats rekurriert Ref. auf 
einen Reflex von der kranken Nasenschleimhaut auf das statische 
Organ. 

Herr Moll kann sich der Meinung nicht anschließen, daß die 
Heilung nach Nasenbehandlung beweisen würde, daß im Labyrinth 
keine anatomische Alfektion bestanden hat. Heilung des Schwindels 
bei Mittelohraffektion durch Nasenbehandlung beruht seiner Ansicht 
nach nicht auf Reflexwirkung, sondern auf Abnahme einer Tuben¬ 
schwellung. Er hält es dafür, daß in den von ten Siethof f mitge¬ 
teilten geheilten Fällen nicht eine Sklerose, sondern ein Mittelohr- 
katrrh bestanden hat. 

Herr tenCate teilt 3 Fälle mit, bei denen eine Nasenbehandlung 
einen sehr auffallenden Einfluß auf die bestehenden M e n i c r e sehen 
Symptome hatte. Im ersten Falle verschwand dürch Abtragung des 
hinteren Endes der unteren Muschel der Schwindel und der Brechreiz, 
während Taubheit und Ohrensausen blieben. Im zweiten Falle wurde 
ein deviiertes Septum operiert. In den drei Monaten, welche nach der 
Operation vergangen sind, ist kein Anfall mehr aufgetreten. Bei dem 
dritten Patienten kamen bei einer chronischen Mittelohreiterung mit 
Erscheinungen von Labyrinthtaubheit Anfälle von Meniere vor, welche 
nach Wegnahme einer Spina septi narium verschwunden sind. 

Herr van Dussel dorp erwähnt einen Fall, wobei der Meniere 
verschwand nach galvanokaustischer Behandlung der hypertrophierten 
Mukosa einer Spina septi auf beiden Seiten. Das Ohrensausen ver¬ 
schwand ebenfalls, während die Gehörschärfe sich verbesserte. 

Herr Burger kann dem Standpunkt ten Siethoffs nicht 
beipflichten. Nichtsdestoweniger hat er Fälle beobachtet, bei denen 
der Meniere sehe Symptomenkomplex durch Nasenbehandlung auf¬ 
fallend günstig beeinflußt wurde. Er teilt einen derartigen Fall von 
Heilung mit nach Operation einer latenten Oberkieferhöhleneiterung. 

Die 31 jährige Frau besuchte die Poliklinik wegen sehr frequenter 
Schwindelanfälle, welche seit einem Jahr bestanden und mit Uebelkeit, 
linksseitigem Ohrensausen und subjektiven Drehungsempfindungen ein¬ 
hergingen. Sie mußte sich jeden Augenblick festhalten, um nicht zu 
fallen. Sie hielt den Kopf peinlichst fixiert, weil jede Drehung nach 
links Schwindelanfälle auslöste. Vor sechs Jahren war sie nach einer 
Entbindung auf dem linken Ohre plötzlich ertaubt. Die Trommelfelle 
waren nicht eingezogen. Die Uhr wurde rechts auf 55 cm, links nur 


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beim Anpressen an den Kopf gehört; Flüsterstimme: rechts Zimmer¬ 
linge, 1. 30 em; Rinne: r. positiv, 1. negativ; Schwabach: auf beiden 
Seiten etwas verkürzt ; D. V. nach links lateralisiert. Obere Gehör- 
grenze (G alton-Edclmann): rechts 0,4, links 2,5 (normal 0,2) ; 
untere Grenze :rcehts 14, links 100 Schwingungen; Stimmgabel g 4 ; 
rechts 15 Sek. (= normal), links 9 Sek. Kein Kvstagmus; kein Rom¬ 
berg. Goniometrisch bedeutende Störung: Inclin. ant. 8°, post. 6°, 
lat. dext. 9°, lat. sin. 9°. Schwanken beim Gehen mit geschlossenen 
Augen. Es wurde eine latente linksseitige Kieferhöhleneiterung nach¬ 
gewiesen ; außer Kakosmie keine Nasenbeschwerden; Gebiß nur rudi¬ 
mentär vorhanden und kariös. Operation nach 0 a 1 d w e 1 1 - L u c. 
mit Wegnahme der ganzen medialen Antrumwand, unter örtlicher An¬ 
ästhesie, mit Entfernung aller kranken Zahnreste. Zwei Tage nach 
der Operation sind Schwindel und Ohrensausen dauernd verschwunden. 
Die Absonderung aus dem operierten Antrum hört nach einigen Wochen 
vollständig auf. Patientin kann den Kopf nach jeder Richtung ganz 
frei und mit großer Raschheit bewegen, die äußerst lästigen Beschwer¬ 
den sind vollkommen verschwunden, nur die Schwerhörigkeit links ist 
unbeeinflußt geblieben. Vier Wochen nach der Operation wird D. V. 
rechts etwas verkürzt, links unverkürzt gehört; Rinne und Weber wie 
früher; goniometi iseli, inclin. lat. dext. 20°, sin. 22°, post. 21°; Pat. 
geht gut mit geschlossenen Augen. 

Was die Deutung des Falles betrifft, so meint B.. ein Einfluß der 
Operation auf das Mittelohr längs der Tube sei ausgeschlossen, da einer¬ 
seits eine Labyrinthaffektion durch'die Funktionsprüfung festgestellt 
war, andrerseits die Heilung so schnell nach der Operation, und zw'ar 
zu einer Zeit auf trat, wo vermehrte Absonderung und reaktive Schwel¬ 
lung noch bestanden. Er wagt es nicht, den Kausalnexus zu erklären, 
weiß in dessen keine andere Möglichkeit zu e rsinnen, als einen von der 
kranken Nase aus erregten vasomotorischen Reflex im Labyrinth. 

Herr Zwaardemaker hält die Erklärung teil Siethoffs 
für unhaltbar. Dessen hypothetischer Reflexbogen ist nicht bekannt. 

Herr H ar tog bemerkt noch, daß er typische Erscheinungen von 
Moniere sah bei einer Eiterung im Sinus sphenoidalis; der Anfall 
entstand jedesmal, wenn Sekretverhaltung eintrat. 

II. II. Zwaardemaker (V trecht) : G e r u e h Verwandt¬ 
schaft. 

Neun Hauptgerüche werden durch Lösung in Paraffin zum olfakto- 
metrischen Gebrauch geeignet gemacht. Diese neun Gerüche, auf 
30 Weisen, zwei und zwei zusammengefügt, geben ebensoviele Gerueh- 
inischungen. Diese Gemische in bestimmten Proportionen geben ent- 


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— 425 — 


weder Wettkampf oder Geruchsunbestimmtheit, bisweilen Gruchlosig- 
keit. Eine Zahlentabelle wird der Versammlung vorgelegt. Dieselbe 
Tabelle gilt nur für einen umschriebenen, die „Zone der kardinalen 
Proportionen“ genannten Bezirk. 

Die Möglichkeit einer Kompensation von zwei Ilauptgerüchen be¬ 
weist, daß die beiden Erregungen derart wdrken können, daß die zu 
gleicher Zeit entstehenden Empfindungen einander zum Verschwinden 
abschwächen. Ein etwas tieferer Einblick läßt sich gewinnen nach 
zwei Methoden: 1. dadurch, daß man den Geruchreiz als einen Vektor 
darstellt, dessen Richtung durch die Proportionalzahlen bestimmt wird; 
2. dadurch, daß man die Proportionalzahlen rechnerisch als Tangenten - 
w r erte betrachtet und die Winkelwerte untereinander vergleicht. Die 
physikalische Bedeutung dieser Verwandtschaftsbeziehung ist die durch 
dieselbe erwiesene Möglichkeit, bestimmte Geruchsgemische mit ver¬ 
schiedenen Fixanten zu behandeln. Im allgemeinen kann die für die 
Parfümerieindustrie sehr wichtige Fixiermittellehre durch das vor¬ 
gelegte System eine methodische Grundlage bekommen. 

Zum Schluß Demonstration eines Mischolfaktometers. 

III. Spree h unterricht für Stotterer. 

Im vergangenen Jahre hat die Gesellschaft zu diesem Zweck eine 
Kommission ernannt, und zwar die Herren Moll,Mul der, Schüt¬ 
ter und den Direktor der Taubstummenanstalt zu Groningen R o o r d a. 
Diese Kommission hat eine Referat zusammengestellt, welches den 
Mitgliedern zugesandt worden ist. Das Referat behandelt die Frage, 
in welcher Weise in Holland der Sprechunterricht für stotternde Kin¬ 
der veranstaltet werden soll. 

Die Kommission zieht einstimmig Staatsschulen, in welchen die 
Schüler unterrichtet werden können, und an welchen feste Lehrkräfte 
vorhanden sind, den städtischen Stotterkursen mit niehtspezialisti- 
schen Volksschullehrern vor. Erstgenanntes System hat die folgenden 
Vorteile: 1. Die Schüler werden den schädlichen Einflüssen der Um¬ 
gebung entzogen; 2. die Uebungszeit ist eine längere, die Aufsicht eine 
bessere; 3. es besteht ständige Zusammenw r irkung zwischen Lehrer und 
Arzt; 4. es Averden auch die Stotterer vom Lande behandelt. Als Vor¬ 
bild einer derartigen Schule wird das „Stateninstitut für Talelidende“ 
in Kopenhagen empfohlen. 

Diskussion. 

Herr Burger Avarnt vor einer theoretischen Besprechung der 
Frage. In Deutschland haben die Kurse an Gemeindeschulen keine zu 
schlechten Resultate ergeben. Die finanzielle Seite der Frage soll mit 
in Betracht gezogen werden. 


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— 426 — 

Herr Kan hält gemeindliche Kurse für billiger und sehr nützlich. 
Er teilt mit, daß die waltende Staatskommission Sprachkurse an den 
Lehrer-Erziehungsanstalten und für die Provinz Wanderkurse beab¬ 
sichtigt. 

Herr van Anrooy erwähnt, daß solche Kurse in Rotterdam 
an der Erziehungsanstalt für Lehrer abgehalten werden. 

Die Versammlung faßt schließlich den Entschluß, keine Bitt¬ 
schrift an die Regierung zu senden, sondern seitens der Gesellschaft 
eine Broschüre in den Druck zu geben. 

Herr Mulder erklärt sich zur Abfassung derselben bereit. 

IV. H. Burger (Amsterdam): Demonstration von 
Patienten. 

a) Ein Fall von geheilter Sinusthrombose. Pat., 
ein 24 jähriger Buchbinder, litt seit 8 Wochen an Schmerzen im rech¬ 
ten Ohr, Kopfschmerz und Schwindel. Das rechte Ohr soll seit vier 
Jahren geeitert haben. Patient ist seit 14 Tagen mit Fieber im Bette 
geblieben. Vor einer Woche hatte er einen mehrstündigen Schüttel¬ 
frost, welcher sich am Aufnahmetage wiederholte. Hinter dem Ohr 
seit drei Tagen eine schmerzhafte, fluktuierende Schwellung. Es fin¬ 
det sich stinkender Eiter im Gehörgang. Am rechten Auge Papillitis. 
Puls klein und schnell. Temperatur 40,4 °. Keine Trübung des Senso- 
riums, keine Paralyse von Gehirnnerven. Reflexe normal. Die Ope¬ 
ration wurde unmittelbar ausgeführt. Der Sinus wurde schwarz ver¬ 
färbt gefunden und w f eit nach hinten aufgedeckt. Er enthält weit 
nach dem Bulbus hin schwarze Thrombenmassen, welche samt der ne¬ 
krotischen Wand entfernt wurden. Aus dem peripheren Ende mäßige 
Blutung. Unterbindung der normal aussehenden Vena jugularis in¬ 
terna. In den ersten Tagen nach der Operation ist der subjektive Zu¬ 
stand besser, indessen das pyämische Fieber noch bestehend. Am sech¬ 
sten Tage nach der Operation muß das vereiterte periphere Stück der 
Jugularis eröffnet werden. Während das Fieber seinen pyämischen 
Charakter beibehält, und trotzdem das subjektive Befinden auffallend 
gut bleibt, bildet sich links ein großer Lungenabszeß, der am 22. Tage 
nach der Operation in die Pleurahöhle durchbricht. 

Thoraktomie. Später kommen noch hinzu: eine ausgedehnte sub¬ 
kutane Phlegmone mit stinkendem Eiter über den ganzen Rücken, eine 
Schwellung am Sakrum, ein periartikulärer Abszeß an der linken 
Schulter, Incontinentia alvi, ein Empyem der rechten. Pleurahöhle, 
eine Schwellung am linken Ellbogen und Unterarm, schließlich ein 
Abszeß am Perineum. Diese Komplikationen werden sachverständig 


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— 427 — 


behandelt. Der Patient ist aufs äußerste abgemagert und debil. Das 
Blut enthält 50 Proz. Hämoglobin. 

Temperatur in der achten Woche post operationem bis 39,6 und 
40°; Puls 160—ISO. Respiration 44—52. Nach zwei Monaten aber 
fängt unglaublicherweise die Temperatur gleichmäßig zu sinken an, 
die Kräfte nehmen zu; Patient erholt sich und ist schließlich voll¬ 
kommen geheilt, auch am Ohre, nachdem das pyämische Fieber ununter¬ 
brochen während 11 Wochen, und mehrere Wochen lang ein rechts¬ 
seitiges stinkendes Pleuraempyem und ein linksseitiger Pyopneumo- 
thorax zu gleicher Zeit bestanden hatten. 

b) Zwei Fälle von Lupus laryngis, geheilt durch 
lokale galvanokaustische Behandlung. 

Vortragender hält die galvanokaustische Behandlung für eine aus¬ 
gezeichnete Waffe gegen die Tuberkulose und namentlich als das beste 
Mittel gegen den Lupus des Kehlkopfes. Seiner Meinung nach heilen 
bei weitem die meisten Fälle von Lupus laryngis durch diese Behand¬ 
lung. Er betont dies ganz nachdrücklich mit Rücksicht auf den Pessi¬ 
mismus und den Skeptizismus mancher Autoren (z. B. H o 1 g e r M y - 
g i n d) dem Lupus gegenüber. 

c) Ein Fall von Orbitalabszeß durch Eiterung 
im Siebbein und in der Oberkieferhöhle. Nachdem 
bei dem 18jährigen Mädchen von dem Augenarzt an der Innenseite des 
linken Bulbus inzidiert und vergebens nach einem Abszeß gefahndet 
war, wurde vom Vortragenden durch Probespülung stinkender Eiter aus 
der linken Oberkieferhöhle entleert. 

Eröffnung der Kieferhöhle durch die Fossa canina und weite Er¬ 
öffnung des Siebbeines von der Kieferhöhle aus. Es floß aus dem Sieb¬ 
bein eine große Menge Eiter ab. In der Nacht nach der Operation ent¬ 
leerte sich aus der Tiefe der Orbita Eiter durch die gemachte Wunde 
an der Innenseite des Bulbus. Heilung folgte, nachdem endonasal auch 
die mittlere Muschel und die seitliche Nasenwand im mittleren Nasen¬ 
gang gänzlich entfernt worden waren. 

V. J. F. A. van Mens (’s Hertogenbosch): Demonstra¬ 
tion eines Patienten, bei dem vor 4 Jahren plötz¬ 
lich heftiges Ohrensausen, Schwindel und F a - 
zialispar alyse eingetreten war. 

Nunmehr bestand komplette Fazialisparalyse, völliger Schwund 
der Gehörfunktion durch Luft- und Knochenleitung und ein kleiner, 
leicht blutender Tumor in der Tiefe des Gehörganges. (Für Diagnose.) 

In der Diskussion wurde eine Neubildung allgemein angenommen, 


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428 — 


über deren Natur die Meinungen differierten. Es wurde Probeexzision 
empfohlen. 

VI. W . Schilperoort (Rotterdam): Lokale Anästhesie 
bei Nasenoperationen. 

Vortragender wählt zur Lokalanästhesie die Infiltrationsmethode. 
Er verwendet dazu eine V 2 —1 proz. Kokainlösung, welcher pro Kubik¬ 
zentimeter 2 Tropfen Adrenalin 1:1000 hinzugefügt werden. 

Nach dieser Methode hat er Nasenscheidewanddeviationen nach 
Krieg und Killian operiert, Hypertrophien der Nasenmuscheln 
abgetragen, die Oberkieferhöhle angebohrt, und zweimal die Radikal¬ 
operation der Oberkieferhöhle nach Luc ausgeführt. 

Herr Struycken verwendet statt Kokain Alypin. Indessen 
warnt er vor Generalisation. Es hat sich ihm mehrere Male im Laufe 
der Operation doch die allgemeine Narkose notwendig gezeigt. Auch 
hat er es wiederholt erlebt, daß eine Nervosität Monate hindurch bei 
den Patienten zurückgeblieben ist. 

Herr Bürger teilt einen solchen Fall mit; er hat übrigens in 
mehreren Fällen die Luc-Caldwell sehe Operation ohne Schwie¬ 
rigkeit in Lokalanästhesie gemacht. 

Herr Wi 1 k e n s machte sie in Semarang 14 mal, sogar in ambulan¬ 
ter Behandlung. 

Herr M o 1 1 macht aufmerksam, daß man sich auch in der allge¬ 
meinen Narkose behufs blutlosen Operierens, der submukösen Adrena¬ 
lin injektion bedienen kann. 

VII. H. B r a a t (Arnheim): Sogenanntes Phleg- 
m o n 1 i g n i e u x mit Halskomplikationen. 

Vortragender bespricht ausführlich drei Fälle von ,,Phlegmon lig- 
nieux“, zuerst beschrieben von R e c 1 u s (Revue de Chirurgie, 1896). 
Die Krankheit besteht in einer chronischen Entzündung des Binde¬ 
gewebes, hervorgerufen durch w r enig virulente Bakterien, so daß nur 
eine Infiltration mit Leukozyten im Bindegewebe stattfindet, jedoch 
keine Eiterung und keine allgemeine Reaktion erfolgt. 

Das Krankheitsbild entwickelt sich meistenteils im Anschluß an 
eine Entzündung der Mandeln, bisweilen der Zahnwurzeln, ln den 
früher beschriebenen Fällen hat eine genaue laryngoskopische Unter¬ 
suchung nicht stattgefunden. Auf Grundlage seiner eigenen Fälle 
meint B., daß die Affektion sich nicht immer auf das subkutane und 
periglanduläre Gewebe beschränkt. Bei der ersten Patientin, einem 
Mädchen von 10 Jahren, bestand harte, schmerzlose Schwellung der 
ganzen linken Kehlkopfseite. Beim zweiten Patienten war nach einer 
Angina eine brettharte, unbewegliche, schmerzlose Schwellung des 


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weichen Gaumens, der rechten Pharynxwand und des Zungenrückens 
hinzugekommen. Bei dem dritten Patienten hatte sich gleichfalls nach 
einer Angina eine ausgedehnte Schwellung der rechten Zungenhälfte 
und Pharynxwand sowie der Epiglottes entwickelt. Außerdem waren 
bei den drei Patienten Schwellungen an verschiedenen Stellen am Halse 
und am Unterkiefer vorhanden. Yortr. ist der Meinung, daß die Hei¬ 
lung auch ohne Behandlung eintritt. 

VIII. P. Th. L. Kan (Leiden): a) Die Behandlung 
einiger Affektionen des Tränenkanales mit Drai¬ 
nage mittels eines Seidenfadens. 

Die von dem Leidener Augenarzt Prof. Koster ersonnene Me¬ 
thode ist ausführlich beschrieben in „Nederlandseh Tydschrift vor Ge- 
neeskunde“, 1907, II, S. 049. Nach dieser Publikation sind r.ocli vier 
Fälle behandelt und beschrieben worden in G r a e f e s Archiv. K. re¬ 
feriert diese Fälle und erwähnt vier neue Fälle, welche noch in Be¬ 
handlung sind, vorläufig auch mit gutem Resultat. Die Methode be¬ 
steht wesentlich darin, daß mittels eines durch den Tränennasenkanal 
hindurchgeführten Seidenfadens eine permanente Drainage dieses Ka¬ 
nales erzeugt wird. Hartnäckige Entzündungen der Tränenwege sowie 
Epiphora kommen mit dieser Methode oft in wenigen Wochen zur Hei¬ 
lung. K. bespricht ausführlich die Schwierigkeiten der Operation, 
unter denen besonder genannt werden müssen die wechselnde Größe 
und Form der unteren Muschel, das Hervorragen des Randes der Aper- 
tura pyriformis und die wechselnde Einmündungsstelle des Tränen¬ 
kanales in der Nase. 

Um das Ende des Fadens im Nasengang zu finden und zu fassen, 
wird die untere Muschel mittels eines K i 11 i a n sehen Spekulums für 
Rhinoscopia media infraktiert. Wenn der Faden auf diese Weise noch 
nicht auf gefunden ist, wird er mittels eines gebogenen Hakens dem 
Gefühl nach aufgesucht. Am schnellsten kommt man zum Ziel, wenn 
man eine kleine Schlinge von Kupferdraht durch die Hohlsonde durch 
den Tränenweg hindurch in die Nase führt, an der Schlinge den Sei¬ 
denfaden befestigt, den man mittels der Schlinge wieder hinaufzieht, 
bis in den Tränenpunkt. K. zeigt die einschlägigen Instrumente und 
stereoskopische Photographien von operierten Patienten. 

Diskussion. 

Herr W aller Z e p e r hat nach dieser Methode 5 Patienten mit 
gutem Erfolge operiert. Er hat keine Schwierigkeiten bei dem Auf¬ 
finden des Fadens gefunden. 

Herr M u 1 d e r hat im Zusammenwirken mit einem Augenarzt 
mehrere Fälle behandelt. Zweimal kam der Faden nicht unter-, doch 


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oberhalb der unteren Musehel in der Nase zum Vorsehein. Er empfiehlt 
den Faden nicht nach oben »sondern naeh unten durch die Hohlsonde 
zu ziehen. 

Herr S t r u y e k e n meint, daß oft keine Hohlsonde durchgeführt 
werden kann. 

Herr Kan hält das llinaufziehen des Fadens nicht für zweck¬ 
mäßig. Die Ausmündung oberhalb der unteren Muschel kommt dann 
und wann vor, kann jedoch auch der Mund eines falschen Weges sein. 
Durch die Drainage könnte aber in solchen Fällen diese OefTnung eine 
zweckmäßige werden. Das Sondieren ist in der Tat in einigen Fällen 
unmöglich, ein Umstand, der indessen sämtlichen Behandlungsmethoden 
Schwierigkeiten bereitet. 

b) Demonstration eines Kehlkopfes mit doppel¬ 
seitiger Divertikelbildung. 

Vortragender demonstriert den Kehlkopf eines 14 Tage alten Kin¬ 
des, welches in Sufflokationssyptomen gestorben ist, bevor es möglich 
war, eine Diagnose zu stellen. Bei der Obduktion wurde eine sehr starke 
Verengerung des Kehlkopfes gefunden, hervorgerufen durch Wölbungen 
in den Sinus pyriformes. Diese Wölbungen zeigten sich bei näherer Be¬ 
trachtung als Lufttaschen, deren Wände mit Schleimhaut bekleidet sind. 
Der Kehlkopf ist sehr in der Bildung zurückgeblieben, falsche und 
wahre Stimmbänder sind nicht vorhanden, die Umrisse der Aryknorpel 
sind undeutlich. Die Ventriculi Morgagni fehlen, und die Schleimhaut 
im Innern des Kehlkopfes zeigt Abweichungen, welche als Residuen 
einer Entzündung betrachtet werden können. Die Lufttaschen zeigen 
Ausbuchtungen, am größten nach vorne, derart, als ob die beiden 
Taschen sich vor der Epiglottis nähern. Die Taschen zeigen keine 
Kommunikation, weder untereinander, noch mit dem Kehlkopfinnern. 

Mikroskopische Durchschnitte der Wand werden gezeigt. Dieselbe 
besteht aus fibriläremBindegewebe, an der Innenseite der Tasche mit 
Zylinderepithel und an der Seite des Sinus mit geschichtetem Platten¬ 
epithel bekleidet. Die Wand zeigt Residuen einer Entzündung. 

Vortragender erwähnt die Arbeit von Edmund Meier (Archiv 
für Laryngologie, Bd. 12) und bespricht die verschiedenen Formen von 
Lufttaschen und ihre Genese. Er hält in diesem Falle eine intrauterine 
Entzündung für die Ursache der Taschenbildung. Die Arbeit ist aus¬ 
führlich publiziert in Blumenfelds Zeitsehr. f. Lar., Rhin, und 
ihre Grenzgebiete, lieft 1. 


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IX. A. van R o s s e m (Amsterdam): Demonstration 
eines Rotierungsapparates zur Bestimmung der 
Labyrinthreflexe. 

Dieser im Zwaardemaker sehen Laboratorium befindliche 
Apparat ist ausführlich beschrieben in Verfassers Dissertation: „Emp¬ 
findungen und Reflexe, erregt in den Bogengängen“, Utrecht 1907. 

X. \V. Mulder (Utrecht): Das Zusammenfließen 
von Drehungsreizen. 

Die Versuche wurden angestellt mittels des Apparates von van 
R o s s e m. 

1. Bei einer Periode von ca. 2 Sekunden werden die Rotations- und 
Nachempfindungen gesondert und mit Zu- und Abnahme wahrgenom¬ 
men. 

2. Bei kleinerer Periode spürt man ein Hin- und Herschwanken. 

3. Bei noch kürzerer Periode, z. B. 0,4 Sekunde und Rotations¬ 
geschwindigkeit 20 0 pro Sekunde hat man die Empfindung des Still¬ 
stehens. 

Erklärungen: 

1. Mechanisch: Die Flüssigkeit in den Bogengängen rührt sich 
nicht. Diese Annahme ist wegen der großen Empfindlichkeit des 
Sinnes unannehmbar. 

2. Durch Ermüdung: Auch diese Erklärung ist wenig befriedigend. 
Die Ermüdung kommt allerdings einigermaßen ins Spiel, weil nach 
kurzer Versuchszeit die Täuschung besser wahrgenommen wird. 

3. Als Analogon des Helmholtz sehen Versuches am Auge: 
Eine drehende, mit abwechselnd weißen und schwarzen Sektoren ver- 
verseliene Scheibe erweckt den Eindruck von Flackern oder von gleich¬ 
mäßigem Grau. 

Grau ist das Analogon der Empfindung des Stillstehens; Flackern 
der Empfindung des Hinundherschaukelns. 

Die Ermüdung fördert in beiden Fällen das Zusammfließen des 
Reizes. 

Die Bewegungen der Scheibe sowie die Empfindungen werden 
graphisch aufgezeichnet. Der Versuch wird demonstriert. 

Diskussion. 

Herr Struycken äußert einige Bedenken. Wenn der erste Reiz 
an Größe abnimmt, kommt ein zweiter hinzu. Ist die Kurve dieses Reizes 
derjenigen des abnehmenden Reizes gleich? Der Versuch verläuft unter 
Stößen. Der Kopf ist außerdem exzentrisch eingestellt. 


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Herr M u 1 d e r erwidert, daß in der Tat der hinzukommende Reiz 
in derselben Weise als der erste verläuft, wenn beide nämlich gleich 
lange andauern. Er gibt zu, daß die Stöße störend wirken. Aus den 
Versuchen von v. R o s s e m läßt sich ableiten, daß die Exzentrizität 
des Kopfes keine Störung erzeugt. 

XI. J. v. d. H o e v e n Leonhard (Amsterdam): Ein ab¬ 
weichender R i e c h s i n n. Während olfaktometrischer Versuche 
hatte Vortr. bemerkt, daß er den Riechstoff Eugenol nicht wahr¬ 
nehmen konnte bei einer Konzentration, wo andere Personen dazu 
wohl fähig waren. Dahingegen konnte er Scatol noch riechen, wenn 
der' Reiz für andere Personen schon weit unterhalb der Reiz¬ 
schwelle war. 

Hierdurch wurde Vortr. veranlaßt, seinen Riechsinn nach den neun 
Geruchsklassen zu untersuchen. Dabei schwebte ihm die Erscheinung 
der Farbenblindheit als Analogon vor Augen. 

Die Resultate wurden graphisch vorgeführt und mit denen nor¬ 
maler Menschen verglichen. 

Diskussion. 

Herr Z waardemaker bemerkt, daß die Erscheinung deswegen 
interessant ist, weil dieselbe Person nebst abnormer Osmasie auch ab¬ 
norme Trichomasie hat. 

XII. H. Burger (Amsterdam): Die Röntgenstrahlen 
im Dienste der Oto-Rhino-Laryngologie. Vortr. 
demonstriert eine Menge Photos und bespricht die verschiedenen 
Dienste, welche die Röntgenstrahlen in der Anatomie, Physiologie und 
Diagnostik unseres Spezialfaches leisten können. 

XIII. H. Z waardemaker (Utrecht) : Eine c h r o no- 
photographische Methode zur Untersuchung der 
Resonanten. Wenn man beim Aussprechen von m, n oder ng das 
obere Ende des Aerodromcters in eine der Nasen Öffnungen hält, gibt 
der Apparat einen Ausschlag, den man ehronophotographisch regi¬ 
strieren kann. Die Größe des Ausschlages infolge des größeren Luft¬ 
quantums, welches durch die Nase entfließt, ist beim Flüstern größer 
als beim lauten Sprechen. 

Das Quantum der entweichenden Luft kann man in dieser Weise 
messen; es beträgt beim Worte „Amman“ 7 resp. 12 ccm durch die 
rechte Nasenseite. Die Methode wird besonders für das Studium der¬ 
jenigen Fälle nasalen Sprechens, in welchen keinen deutliche Störung 
der Gaumenabschließung zu linden ist, gute Dienste leisten können. 


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XIV. Ausstellung. Im physiologischen Institut ist eine An¬ 
zahl, zum Teil neuer, akustischer olfaktologischer und phonetischer 
Apparate ausgestellt. Qu ix. 


Verein süddeutscher Laryngologen. 

XV. Tagung, Pfingsten, 8. Juni 1908. *) 

Bericht des Schriftführers Dr. Blumenfeld (Wiesbaden). 

Vorsitzender: Herr V ohsen (Frankfurt a. M.). 

Am Vorabend des 7. Juni hielt Herr K i 1 1 i a n (Freiburg i. Breis¬ 
gau) einen Vortrag: Eine wissenschaftliche Reise in Nord-Amerika. 

Am 8. Juni eröffnet der Vorsitzende die Sitzung mit einem Nach¬ 
ruf für die Herren To hold, von Schroetter und Moritz 
Schmidt. 

1. Herr Brünings (Freiburg i. Breisgau): Ueber die Be¬ 
leuchtungsprinzipien endoskopischer Rohre. 

Brünings unterscheidet drei Typen. 

1. Rohre mit Innenlampe, d. s. Endoskope, bei denen Licht von 
einem in der Nähe des eingeführten Endes befestigten Glühlämpchen 
ohne Kondensator geliefert wird. 

Brünings nennt Untersuchung blasen förmiger Organe „Kysto- 
skopie“, röhrenförmiger „Syringoskopie“. Bei ersterer liegt die Haupt¬ 
ebene der zu beleuchtenden Organfläche senkrecht zur Blickrich¬ 
tung, die einzelnen Punkte sind ziemlich gleich weit vom Rohrende ent¬ 
fernt, daher Glühlampe am Rohrende ohne Kondensation empfehlens¬ 
wert. Ganz anders bei Syringoskopie, hier ist die Normale der zu be¬ 
leuchtenden Fläche parallel zur Blickrichtung orientiert und die 
Entfernung ihrer einzelnen Punkte ist ganz verschieden, bei Gebrauch 
von endständiger Glühlampe werden daher (Abnahme der Licliinten- 
sität mit Quadrat der Entfernung) verschiedene Punkte ganz ver¬ 
schieden beleuchtet, in größerer Tiefe hört die Beleuchtung ganz auf, 
Uebersicht und Sicherheit der Orientierung fehlen. Bei Wahl eines 
Bronchoskops ist auf Tiefenhelligkeit gerade zu achten. Das Prinzip 
des Rohres mit Innenlampe ist für syringoskopische Zwecke ungeeignet. 

2. Rohre mit Außenlampe als Stirnlampe oder als festes Elektro- 
skop. So wenig dieses Prinzip — abgesehen von bestimmten Spezial- 

1 ) Die Verhandlungen erscheinen ausführlich bei Kurt K a - 
b i t z s c h (A. Stüber), Würzburg. 


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aufgaben — für kystoskopische Arbeiten zu empfehlen ist, so vortrefflich 
eignet es sich für die Syringoskopie und zwar ebensowohl durch aus¬ 
reichende Lichtleistung wie durch methodisch-konstruktive Vorteile. Die 
gute Lichtleistung im Gegensatz zur Innenlampe beruht darauf, daß 
ihrer Lichtstärke keine Grenzen gesetzt sind, denn sie läßt sich durch 
Anwendung von Reflektoren gänzlich außerhalb des Gesichtsfeldes ver¬ 
legen und es kann eine bis zur Parallelität gehende Kondensierung der 
Strahlen erreicht werden. Möglichst parallelstrahliges Licht ist bei 
Anwendung von Außenlampen unerläßlich, weil andernfalls der Verlust 
an Lichtintensität zu groß wird, die Blendung von der Rohrwand aus 
stört. Die Brünings sehe Beleuchtungsvorrichtung (s. auch Ver¬ 
handlungsbericht 1907) verwirklicht diese Vorzüge. 

3. Rohre mit Außenlampe und verdeckter Lichtleitung. 
Dieses Prinzip ist am einfachsten ausgeführt durch ein Rohr mit 
Scheidewand, welche einen Raum für Durchsicht und Instrumente von 
einem für Lichtleitung trennt. Brünings demonstriert ein in dieser 
Weise konstruiertes Rohr mit halbkreisförmigem Querschnitt des Licht- 
schcchtes als dem für die Projektion des Lichtes günstigsten. Brü¬ 
nings hält das Prinzip der Außenlampe mit verdeckter Lichtleitung 
für verfehlt und bezeichnet daher auch die von L. von Schroetter 
angegebene Elektroskop-Gattung als wenig glücklich. Hier ist ein 
ringförmiges Glasrohr als Lichtschacht eingefügt; am oberen trichter¬ 
förmig verdickten Ende des Glasrohres sind melirre kleine Glühlampen 
angebracht, deren Licht innerhalb der Glasrohrwand nach unten ge¬ 
spiegelt wird, um an der unteren Querschnittfläche auszutreten. 
Brünings setzt die Nachteile, welche diese Konstruktion nach 
seiner Ansicht hat, wie mangelhafte Ausnützung des lichtleitenden 
Querschnitts, Raumbeschränkung etc., auseinander. 

Es ist daher der Außenlampe ohne getrennten Lichtschacht der 
Vorzug für syringoskopischc Zwecke zu geben, nicht allein wegen der 
größeren Helligkeit, die sie gewährt, sondern mindestens ebenso sehr 
'wegen folgener Vorzüge: Leichte Einführbarkeit, Gesichtsfeldgröße, 
einfache Handhabung, Betriebssicherheit, Wohlfeilheit. Diese werden 
des näheren ausgeführt. 

Diskussion. 

Herr Denker, Herr Brünings, Schlußwort. 

2. Herr Körner (Rostock). Analogien im klinischen 
Verlaufe der Okulomotorius- und Rekurrensläh¬ 
mungen. 

Wenn ein otogener Hirnabszeß im Schläfenlappen einigermaßen 
groß wird, so schädigt er oft den Stamm des Okulomotorius an der 


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Schädelbasis und führt dadurch eine gleichseitige Lähmung dieses 
Nerven herbei. Stets erliegen zuerst diejenigen Nervenfasern, die den 
Heber des oberen Lides versorgen, oder diejenigen, die zum Sphincter 
iridis ziehen, oder diese beiden Faserzüge zusammen, so daß zuerst 
Ptosis oder Mydriasis, oder Ptosis und Mydriasis entstellt, während 
die vom Okulomotorius versorgten, den Bulbus bewegenden Muskeln, 
wenn überhaupt, £rst später gelähmt werden. Albert Knapp hat 
gezeigt, daß die gleiche Erscheinung auch bei Tumoren des Schläfen¬ 
lappens beobachtet wird. Redner hat hierin schon 1894 ein, Analogon 
für das frühzeitige Erliegen der zum Postikus führenden Fasern bei 
Stammschädigungen des Rekurrens erkannt. Er setzt auseinander, 
warum es sich hier um Stammlähmungen des Okulomotorius und nicht 
um Kernlähmungen handelt. Ferner hebt'er hervor, daß die Reihen¬ 
folge und Auswahl im Erliegen der einzelnen Fasern des Okulomotorius 
bei Kernlähmungen keine derartige Gesetzmäßigkeit zeigt. Dies legt 
den Gedanken nahe, daß auch bei Kernlähmungen des Vagus die von 
dem S e m o n sehen Gesetze geforderte Uebereinstimmuug im Ver¬ 
laufe der Stamm- und Kernlähmungen nicht zu erwarten ist. Nach¬ 
dem Arnold C ahn gezeigt hat, daß die vermeintlich bulbüre 
Postikuslähmung der Tabiker in Wirklichkeit durch eine periphero 
Neuritis verursacht wird, ist die Hauptstütze für den die bulbären 
Lähmungen betreffenden Teil des S e m o n sehen Gesetzes gefallen. 
Wie Redner weiterhin auseinandersetzt, ist das S e m o n sehe Gesetz 
bei Bulbäraffektionen überhaupt nicht gültig. 

Diskussion. 

Herr V ohsen: Das primäre Erliegen der Erw eiterer kann nicht 
als Stütze der Aufbrauchtheorie angesehen werden. 

Herr Ehrenfried weist auf die Analogie der bei Rekurrens¬ 
lähmung auftretenden Pendelzuckungen mit den bei Okulomotorius¬ 
lähmung auftretenden nystagmusartigen Zuckungen hin. 

3. Herr G o r i s (Brüssel): Radikale Operation eines 
beginnenden Sarkoms der Nasenscheidewand. 

Kleine, sehr leicht blutende Geschw r ulst am knorpeligen Teil des 
Septums bei 24jähriger Dame. Abtragung, Rezidiv. Mikroskopischer 
Befund: Rundzellensarkom. Operation. 

Nach Umklappen des linken Nasenflügels, die Knochenteile mit 
inbegriffen, lag das Operationsfeld ganz frei, und konnte die kleine 
Geschwulst mit ungefähr 1 cm gesundem Knorpel rund ausgeschnitten 
werden. 

Da diese Operation eine Durchlöcherung der Wand zurückließ, 
wurde von der Nasenschleimhaut ein ziemlich breiter Lappen von oben 


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nach unten gelöst, und an den Rändern der Durchlöcherung mit dünnem 
Catgut festgenäht und die Nase wieder geschlossen. 

4. Herr (1 u y o t (Genf) : T u m o r a r t i g e Tuberkulose 
der Nase und der Kieferhöhle. 

Frau von 25 Jahren, im fünften Monat schwanger. Keine erb¬ 
liche Belastung. Seit Beginn der Schwangerschaft litt sie an Unwohl¬ 
sein, daß sie ziemlich schwächte. 

Seit drei Monaten ungefähr konstatierte Patientin eine Behinde¬ 
rung der Nasenatmung auf der linken Seite. Keine Schmerzen, mit¬ 
unter Ausfluß gelblichen Schleimes. 

In der linken Nasenhöhle dunkelroter, hinmbeerähnlicher Tumor, 
stellenweise mit Schleim bedeckt, bei der leisesten Berührung blutend. 
Der Tumor von Mandelgröße war ziemlich beweglich und schien von 
der mittleren Muschel auszugehen: Nach Entfernung zweier großer 
Fragmente, ohne namhafte Blutung, zeigte es sich, daß der Stiel vom 
mittleren Nasengang ausging. Die Nasenhöhle war sonst ganz normal. 
Die Diaphanoskopie ergab normalen Status des Sinus maxillaris, der 
durchscheinend war. Eine Probepunktion durch den unteren Nasen¬ 
gang ergab weder Eiter noch sonstige Flüssigkeit. Dagegen ließ sich 
nur eine sehr kleine Quantität Wasser injizieren, wobei sich die nor¬ 
male Oeffnung des Sinus verlegt zeigte, offenbar durch den Stiel des 
Tumors, was sich nach .Resektion des vordem Teiles der mittleren 
Muschel bestätigte. 

Untersuchung mit Salpingoskop ergab, daß der größte Teil der 
Sinusschleimhaut normal war bis auf den hinteren inneren Winkel 
des Sinus, der vollkommen mit knolligen Wucherungen erfüllt erschien. 

Die mikroskopische Diagnose wurde auf ein entzündetes weiches 
Fibrom gestellt, mit dem Vorbehalt, daß an anderen Stellen die Neu¬ 
bildung sarkomatös sein könnte. 

Nach breiter Oeffnung in der Fossa canina konstatierte man im 
hinteren oberen Sinuswinkel eine Granulationsmasse, die sich als 
Tumor nach der nasalen Oeffnung des Sinus fortsetzte. Der Sinus 
wurde sorgfältig curettiert, die nasale Wand und die mittlere Muschel 
reseziert. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab nunmehr Tuberkulose. 
G u y o t weist des weiteren auf die Schwierigkeit der differentiellen 
Diagnose dieser Tumoren hin. 

Diskussion. 

Herr Killian hat mehrfach tuberkulöse Nasentumoren beob¬ 
achtet. In einem Falle ging die Wucherung vom Siebbein aus. Die 


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Tumoren lassen sich leicht auslöffeln und zeitweise oder ganz zur 
Heilung bringen. 

Offenbar handelte es sich bei diesen Wucherungen um eine hyper- 
tiophische Form des Lupus. 

5. Herr Manasse (Straßburg i. E.): Zur P a t li o 1 o g i e 
und Therapie der inaligneu Neben höhlen¬ 
ge schwülste. 

48 jährige Patientin, die seit längerer Zeit an rechtsseitigem Kopf¬ 
weh und Nasen Verstopfung leidet; auch hat sie eine Geschwulst am 
rechten inneren Augenwinkel bemerkt. 

Objektive Untersuchung: Am rechten oberen Augenlid und im 
rechten inneren Augenwinkel eine Schwellung, unter dem Lid und 
unter dem Arcus supraorbitalis eine prall elastische Geschwulst zu 
fühlen; hier ein deutlicher Knochendefekt mit scharfen Rändern. — 
Linke Nase normal; rechts hängt am Nasendach eine große Geschwulst 
fast bis auf den Nasenboden herab, offenbar die mittlere Muschel dar¬ 
stellend; der Tumor ist teigig, fast zystisch bei der Betastung. 

Diagnose: Mukozele des Siebbeins und des Stirnbeins. 

Probepunktion ergab abgestorbene Epidermislamellen mit wenigen 
Cholesterin-Kristallen. Die mikroskopische Untersuchung des nun¬ 
mehr abgetragenen Sackes zeigte einen aus derbem Bindegewebe be¬ 
stehenden Sack, der inwendig mit Plattenepithel ausgekleidet ist. Auf 
der Innenfläche dieser Wand erheben sich kleine Höcker, die sich im 
wesentlich aus dicht beieinanderliegenden Spindelzellen zusammen¬ 
setzen, demnach ein typisches Spindelzellensarkom darstellen. Aus¬ 
räumung des Tumors aus Stirnhöhle und Siebbein — Heilung. Die 
Untersuchung dieser außerordentlich interessanten Mischgeschwulst 
wird fortgesetzt. 

6. Herr Arth. Meyer: Präparate eines Falles von 
leukämischer Affektion des Kehlkopfes. 

49 jähriger Maler, seit drei Monaten Dyspnoe und Husten. Neben 
zwei flachen, linsengroßen Knoten an den aryepiglottischen Falten 
unterhalb der Stimmbänder eine seitliche, symmetrisch angeordnete 
ebene Schwellung von blaßgraurötlicher Farbe, von intakter Schleim¬ 
haut bekleidet. Dieselbe ließ ein Lumen von nur 2—3 mm frei. Der 
Verdacht auf Leukämie wurde durch Drüsenschwellungen am Halse 
und das Blutpräparat bestätigt, welches überwiegend Lymphozyten 
und -eosinophile ergab. — Zunahme der Schwellung, Tracheotomie. 
Anschließend an diese trat Fasziennekrose und Bronchopneumonie ein, 
die zum Exitus führte. 


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Die mikroskopische Untersuchung ergab: Die Knorpelkapsel ist 
zum großen Teil verknöchert, der Markraum von kleinzelliger Infil¬ 
tration ausgefüllt, dazwischen Spongiosabälkchen und Bluträume. Die 
ganze Mukosa und Submukosa ist gleichfalls mit Rundzellen ausgefüllt, 
die sich auch zwischen die elastischen Fasern des periglandulären und 
perichondralen Gewebes drängen und die Drüsenaeini in großen 
Mengen umgeben. Auch einzelne Gefäße zeigen innerhalb der elasti¬ 
schen Wand solche Infiltrate, welche das Lumen verengern und stellen¬ 
weise verschließen. 

7. Herr K a n d e r ( Karlsruhe) : Kleinhirnbrücken- 
winkeltumor mit Ausfluß von Liquor cerebrospi¬ 
nalis aus der Nase. Demonstration. 

60 jährige Patientin, die seit 10 Jahren an einer Gehstörung, seit 
3—4 Jahren an Schwindel und Kopfschmerzen leidet. Seit drei Jahren 
rechts zunehmende Schwerhörigkeit. 

Befund: Sensorium frei, Sprache gut. Gang spastisch-paretisch 
mit Vorherrschen der spastischen Erscheinungen. Beiderseits Babinsky 
und gesteigerte Patellarreflexe. Sensibilität normal. Stauungspapille 
beiderseiats. Rechts Parese des mittleren und unteren Fazialisastes, 
Taubheit, rechte Zungenhälfte atrophisch. Links Lähmung des Trige¬ 
minus (linke Gesichtshälfte gerötet, Sensibilität herabgesetzt), moto¬ 
rischer Ast normal. 

Im weiteren Verlauf Erbrechen, erhöhte Pulsfrequenz, Atrophie 
der rechten Papille, beider Zungenhälften, alle drei Fazialisiäste ge- 
gelähmt. Nach fünf Monaten aus rechter Nase Träufeln von Liquor 
cerebrospinalis, der Va 0 ! oo Albumen enthält, Lympho- und Leukozyten, 
spez. Gewicht 1011 bis 1012. Methylenblau in der Lumbalgegend in 
den Duralsack eingespritzt, verändert die aus der Nase ablaufende 
Flüssigkeit nicht. 

Diagnose: Pons-Oblongatatumor. 

Sektion: Kleinapfeigroßer Tumor im Kleinhirnbrückenwinkel 
rechts, der die deckende Dura und die Pyramide des Os petrosum und 
die benachbarten Teile des Os sphenoidale zerstört hat. W ird auf diese 
Stelle der Schädelbasis Wasser aufgeträufelt, so läuft es durch die 
rechte Nasenhälfte ab. Der Tumor hat die rechte Pons-Oblongata- 
gegend zur Hälfte vollkommen komprimiert, Fazialis und Akustikus 
sind in ihm aufgegangen, der Trigeminus ist zu einem schmalen Band 
zwischen Pons und Tumor komprimiert. Ein Teil der rechten Klein¬ 
hirnhälfte ist in den Tumor aufgegangen. Ein kleiner kirschkerngroßer 
Tumor, der den L r rsprung des linken Trigeminus umfaßt, beweist, daß 


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wir es bei dem rechtsseitige:: Tumor mit einem vom Nerven aus¬ 
gehenden Tumor, also einem Akustikustumor zu tun haben. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab (lliosarkom. 

S. Herr F. R. N a gor ( Basel): l T e b e r N a s e n r a e li e n - 
t u m o r e n. 

A. T u b e r k u 1 o m e. 7 Fälle von Tuberkulose der Uaolienmandel 
bei Patienten reiferen Alfers (15—70 4 ah re). Die histologische Unter¬ 
suchung ergab das Bild der Tumorform der Sehlcimhau t tuberkulöse, 
des Tuberkuloms: in drei Fällen waren noch andere tuberkulöse Er¬ 
krankungen in Nase und Hachen vorhanden. 

B. N a s e n r a e h e n f i b r o i d e. Drei typische, früh diagnosti¬ 
zierte Fälle ohne erhebliche Ausläufer, die daher mit Hilfe der Zange 
von E c s a t leicht per vias naturales zu entfernen waren. Kenn Reridiv, 
die Patienten standen alle dem Sehlull der Wachstumsperiode nahe, was 
die Prognose giinstiu beeiulluflt haben dürfte. 

(\ Nase n r a c h e n s a r k o m auf pseudoleukämischer (irund- 
lage. Bei 75 jähriger Frau, die früher an profusem, schwer stillbarem 
Nasenbluten, in den letzten Wochen an Austin 11 aus der Nase und be¬ 
hinderter Nasenatmung gelitten hatte, findet sieli außer Leber- und 
Milzvergrößerung ein walnußgroßer Tumor an der hinteren, oberen 
Kachel)wand. Er geht von der linkes U o s e n m ü 11er sehen Grube 
aus und reicht bis zur Höhe »ler Uvula. Probeexzision ergibt Rund¬ 
zellensarkom mit spärlichen Mitosen. Das Blut zeigt den typischen 
Befund einer Pseudoleukämie. Exitus an Pneumonie. Bemerkenswert 
ist der gutartige Verlauf. 

9. Herr Fr i e d r . S c h ä f e r ( München) : E i n U n ter- 

siichungs- u n d Op e r a t i o n s s t u hl für das S p r e c h - 

7 i m m er des () t-o - L a r y n g o 1 o g e n. 

Der Stuhl ist hoch und niedrig zu stellen, in verschiedenen Rich¬ 
tungen drehbar und eignet sich daher vorzüglich für die mannig¬ 
faltigen Bedürfnisse der larynge-oto-rhiunlogischen Praxis. Die näheren 
Einzelheiten finden sich in den Verhandlungen durch eine Reihe von 
Abbildungen illustriert. 

10. Herr J uras z (Heidelberg): 1) e m o n s t r a t i o n e i n e r 

m e r k w ü r d i g e n A n o m a 1 i e des N a s e n r a c li e n r a u in e s. 

Im Anschluß an frühere in der Heidelberger Klinik beobachtete 
Fälle von Faltenbildung im Nasenrachenraum stellt J u r a s z einen 
solchen vor. 

Es handelt sich dabei um eine gardinenartige Faltenbildung, welche 
spindelförmig von einem Tubenwulst über die Choanen zieht und 


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— 440 — 


sich mit dem anderen Tuben willst, verbindet. Die überziehende Schleim¬ 
haut sieht normal aus. Narben sind nicht zu sehen. Graduell kann 
diese Gardinenbildung verschieden sein; rudimentäre Fälle, in welchen 
die Falte seitlich am Raehengewölbe endet, scheinen nicht selten zu 
sein. Welche Bedeutung diese Anomalie besitzt, ist bis jetzt nicht 
bekannt. 

Nach Ansicht des Autors sind die Befunde als anatomische Va¬ 
riante oder Mißbildung anzusehen, nicht als Narbenstränge. 

Diskussion. 

Herr Mann (Dresden) hat ebenfalls derartige Bilder gesehen, 
deren Entstehung er auf frühere Auskratzung der Rachenmandel zu¬ 
rückführt. 

Herr K i 1 l i a n (Freiburg) ist mehr geneigt, die Gardinenbildung 
auf eigentümliche Rückbildungsvorgänge im Bereiche der Rachen - 
tonsiIle zu beziehen. 

(Fortsetzung folgt.) 


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Kritiken. 


Lehrbuch der Ohrenheilkunde für Studierende und Aerzto. Von Dr. G oorg 
Boenninghaus, Privatdozent für Ohrenheilkunde, Ohrenarzt am 
St. Georgs-Krankenhaus zu Breslau. Mit 139 Textabbildungen und 
1 Tafel farbiger Trommelfellbilder. Berlin 1908, Verlag von S. Karger. 

B o e n n i ii g li a u s hat mit seinem Lehrbuch der Ohrenheilkunde 
eine tüchtige Arbeit geleistet. Kr hat es selbst allgestrebt, zwischen 
den vorhandenen Lehrbüchern von geringerem und größerem Umfange 
die Mitte zu halten und hat dies nicht, durch Vernachlässigung der 
großen Literatur erreicht, sondern durch glückliche Auswahl und prä¬ 
zise, trelTeude Berücksichtigung aller modernen namhaften Arbeiten. 
Hierzu kommt die reiche Erfahrung des Autors, der wir i:i jedem 
Kapitel begegnen, die uns ß o e n n i n g h a u s als einem Mann er¬ 
scheinen läßt, der alle Gebiete der Ohrenheilkunde in ausgezeichneter 
Weise beherrscht. 

Originell ist die Anordnung des Stoffes. Nahezu ein Drittel des 
Werkes dient der Propädeutik, in welcher der Autor die otoskopische 
Untersuchung und deren Ergebnisse in ausführlichster Weise behandelt, 
woran er die Physiologie und die Prüfung des akustischen und der 
statischen Funktion des Gehörorgans anschließt. 

Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß diese Propädeutik nur für 
Lernende oder gar für Anfänger berechnet ist. auch der Erfahrenste 
wird im Kapitel Physiologie in einer Hotten Darstellung vieles An¬ 
regende und Wissenswerte nachlesen können. 

Der zweite Teil des Lehrbuches umfaßt die spezielle Pathologie 
und Therapie. Wir linden in den einzelnen Kapiteln treffliche Dar¬ 
stellungen der Krankheitsformen mit vollster Berücksichtigung der 
pathologischen Anatomie und Therapie. Besonders in der Therapie 
tinde ich die Arbeiten verschiedener Autoren, sowie die Ergebnisse 
wissenschaftlicher Diskussionen neben den Erfahrungen des Autors 
in glücklicher Weise verwertet. 

Die Begutachtung von Ohrenkrankheiten und eine kurze Opera- 
tionslehre beschließen das Werk. 

Die Textabbildungen und die Trommelfellbilder sind außerordent¬ 
lich instruktiv, die Ausstattung des Werkes eine sehr gute. 

F. A 1 t. 


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Referate. 

a) Otologische. 

Beiträge zur Kasuistik und pathol. Anatomie der Neubildungen des 
äusseren Ohres« Alls der köuigl. Univ.-Ohrenpoliklinik in München 
(Prof. I)r. Hang). Von Kud. Haug in München. Arch f. Ohrenheilk . 
Bd. 75) 

Beschreibung eines Angiornyxoms de« Meatus und eines Papilloma 
dcndriticimi nieatus. A 1 t. 

Bacterium coli und Baeterlum lactis aerogenes als Ursache von 
Mastoiditis und Epiduralabszess. Von G Grijns. (Geneesk. Tvdschr. 
v. Nederlandsch lndie, B. XLVI, L 5, 1900) 

Kin Fall von chronischer rosp. rc/idivierendcr Mittelohreiterung 
(genaue Daten fehlen) mit Mastoiditis, eitriger Thrombophlebitis des 
Sinus transversus und perisinuösem Abszeß, welcher durch Operation 
geheilt wurde. Mikroskopisch werden im Fiter Bakterien, aber keine 
Kokken gefunden. Die Stäbchen färbten sieh nicht, nach G r a in. Bei 
Aussäung auf Agar und Glyzerinagar worden zwei Kolonienarten, 
welche beide dem Koli ähnlich selten, erhalten. Die eine, schneller 
wachsende Kolonie bestand aus unbeweglichem Stäbchen; sie machte 
Milch in 24 Stunden gerinnen; bildete in Peptonwasser nur 
äu Herst wenig Indol; bildete in Traubenzucker, Milch und 
Gelatine Gas und auf Bouillon ein Häutchen. Die andre, weniger 
schnell wachsende, ans mäßig beweglichen Ställchen bestehende 
Kolonie machte Milch in 48 Stunden gerinnen, sie bildete aus Trau¬ 
benzucker. nicht aber aus Milch und Gelatine Gas; sie bildete in 
Peptonwasser mehr Indol wie die erstem Sorte und machte auf 
Bouillon kein Häutchen. Diagnose: Bacterium lactis aerogenes und 
Bacterium coli commune. 

(i. fand in der Literatur -3 Fälle von Bacterium coli hei Mastoiditis, 
zwar hei S t o r n , Z. f. (). XXVI, und B a u p und Stau e u 1 e a n u . 
Pro«res med., 1900. 3. Mars. II. Burger. 

Zur Differentlaldlagnose otltiseher und metastatischer Hirnabszesse. 

Von Dr. Ernst 0 her n dürfte r. (Deutscho medizin. Wochenschr., 
02. Jahrg., .Nr. 40.) 

Verfasser zeigt an der Hand einer Beobachtung die Schwierig¬ 
keiten der Diagnose und Lokalisation an H irnahszessen, und ins¬ 
besondere, ob es sieb im einzelnen Lalle um einen otitisehen oder 
metastatisehen Hirnabszeß handelt. Der hetr. Patient litt seit sieben 
.Jahren an Otorrhoe mit (I ranulationsbildungeii im Mittelohr, eine 
Komplikation, die häutig zu emlokranielhm Erkrankungen führt. Da- 
neben bestand eine eitrige Bronchitis. Im weiteren \ erlaufe ent¬ 
wickelte sieh das Krankheitsbild eines 11 irnabszesses. der für otogen ge¬ 
halten und dementsprechend im Schlüfenlappcn gesucht wurde. Bei 


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— 443 — 


der Autopsie fand sieh auch der diagnostizierte Ilirnabszeß; er saß 
aber im Scheitellappen, in nächster Nähe der Zentralfurche. Dieser 
Sitz entspricht aber nicht einer otogenen TIirneiterung und widerspricht 
dem von Körner aufgestellten und wohl allgemein als richtig an¬ 
erkannten Satz, daß die vom Ohr induzierten Ilirnabszesse so gut wie 
ausnahmslos in dessen nächster Nähe, im Schläfenlappen oder im Klein¬ 
hirn liegen. Da nun erfahrungsgemäß auch Erkrankungen der Bron¬ 
chien, insbesondere, wie im vorliegenden Falle, Bronchoblennorrhöen 
zu 11 irnabszessen führen können, so ist man berechtigt, hier einen 
pulmoniiren Ilirnabszeß auzunehmen. zumal die Bonchitis, die außer¬ 
dem zu einer Nephritis geführt hatte, offenbar eine toxische war. Ob 
bei Anwesenheit der das Urteil beeinflussenden Ohreiterung die Dia¬ 
gnose eines pulmonären Jlirnabszesses, seine Lokalisation und operative 
Beseitigung gelungen wäre, läßt (). unentschieden. 

Reinhard. 

Labyrintherscheinungen w&hrend der Ohroperation« Von Rudolf 

Panse in Dresden-Neustadt (Arch. f. .Ohrenheilk , Bd. 75) 

Der Autor beobachtete bei 5 Fällen von Freilegung der Mittel¬ 
ohrräume: bei Druck auf den Bogengang meist Abweichen der Aug¬ 
äpfel nach der gesunden Seite, aber in ganz verschiedener Weise, bald 
zuckend, bald langsam, bald hart in die Ecke eingestellt, bald beide 
Augapfel verschieden. Die Bewegungen treten so sicher ein, wie 
Zucken des (lesiehsnerven bei seiner Berührung, und werden uns vor 
gefährlichen Verletzungen bis zu einem gewissen (trade schützen. 

Al t. 

Ueber recidivierende Mastoiditis. Von Dr. H. J. Wolff. (Zeitschrift 

für Ohrenheilk , LIV, 3 u. 4) 

Verfasser bespricht die Aetiologie der Fälle, wo nach völliger Aus¬ 
heilung einer akuten 'Mittelohrentzündung, welehe zur Warzenfort¬ 
satzoperation geführt hatte, mich kürzerer oder längerer Zeit eine 
neue akute Otitis mit rascher Abszeßbildung im Warzenfortsatz auf- 
tritt. Als Ursache sieht er einmal das Zurückbleiben latenter Keime 
im Processus an. sodann eine Neuinfektion, welche durch die herab¬ 
gesetzte Widerstandsfähigkeit des Warzenfortsatzes bei gleichzeitig 
schlechter Allgemeinkonstitution oder Disposition zu Otitiden wieder 
zur Abszeßbildung führt. Die verminderte Widerstandskraft des 
Warzenfortsatzes hängt mit der Regeneration der Knochensubstanz 
nach der Operation zusammen, worüber bis jetzt nicht viel bekannt 
geworden ist. W. bespricht, diese Frage teils an der Hand der in der 
Literatur gemachten Angaben, teils auf (irund eigener Beobachtungen, 
und kommt zu der Annahme, daß die Knochen wunde nach der Antro- 
tornie an der Oberfläche und zum mindesten teilweise in der 'Liefe 
von Knochen angefüllt wird; oh ein vollständiger knöcherner Verschluß 
des Operationst riehters statt lindet. wissen wir nicht; bei mehrfacher 
Schädigung des Warzenfortsatzes durch Erkrankungen und Opera¬ 
tionen nimmt das Knochenrcgenerationsvermögon ab. Keller. 


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444 — 


b) Rhinologische. 

Fremdkörper in der Nase als Folge von Trauma. Von Dr. Emst Pasch, 
1. Assistenzarzt der Lungenheilstätte in Belzig. (Münchener niedizin. 
Wochenschr., 54. Jahrg., Nr. 32.) 

Einem Arbeiter flog beim heftigen Reißen an einer Eisenkette 
wobei dieselbe platzte, ein Glied derselben in die rechte Nasenhälfte 
ohne dort erhebliche Verletzungen hervorzurufen; die Extraktion gelang 
leicht. Das Eisenstück war zirka 20 gr schwer, 38 mm lang, 22 mm 
breit. Verfasser erklärt sich den Vorgang so, daß beim Reißen der 
Kette dieses eine Glied unter ungeheurem Luftdruck in die nicht ein¬ 
mal besonders große Nase geschleudert wurde, oder, was wahrschein¬ 
licher ist, daß es zu Boden fiel und von dort mit großer Kraft zurück¬ 
prallte, während der Arbeiter gebückt stand. Mitteilung einer ganz 
ähnlichen Beobachtung von Sinoteeki. Der rechte Gehörgang war voll 
von geronnenem Blut, die Gehörgangswände gerötet und geschwollen. 
Dieser Hämatotympanon ging ebenfalls prompt zurück. 

Reinhard. 

Zup Lehre vom Heufieber. Von P. Hey mann in Berlin. (Berliner kl in 
Wochenschr., 44. Jahrg., Nr. 13.) 

Nachdem in einer Diskussion im Verein für innere Medizin Herr 
Tobias über sich selbst referiert und dabei angegeben hatte, daß er 
nach einer aus anderen Gründen vorgenommenen Strumectomie seit 
mehreren Jahren vom Heufieber verschont geblieben sei, brachte Verfasser 
bei seinen Patienten Schilddrüsenpräparate in Anwendung. Er berichtet 
über 19 Fälle, die sämtlich positive Erfolge aufwiesen. Allerdings hat 
H. nebenbei auch alle bekannten Vorbeugungsmittel, Schlaf bei 
geschlossenen Fenstern, Vermeidung von Ausgehen ins Freie, namentlich 
bei scharfer Sonnenbeleuchtung, Unterlassung von Eisenbahnfahrten u.s. w. 
nicht vernachlässigen lassen. Ganz besonders zugunsten der Behandlung 
scheint ihm zu sprechen, daß die Abmilderung im geraden Verhältnis 
zur Dauer des Tyreoidingebrauches stand. Er ließ dasselbe in den 
üblichen Tabletten, 1— 3 Stück täglich, nehmen. Reinhard. 

Ueber mikroskopische Würmer (Rhabditiden) im Magen einer Ozäna- 
kranken. Von Privatdozont Dr. O. Frese. .Münchener med. Wochen¬ 
schrift, 54. Jahrg., Nr. 11.) 

Verfasser entdeckte in dem Mageninhalt einer an Ozäna leidenden 
und über Magenbeschwerden klagenden l(i jährigen Patientin mikro¬ 
skopische Würmer, die aus dem Magen selbst stammten. Sämtliche 
Tiere zeigten weiblichen Typus, und cs handelt sich um einen ge¬ 
legentlichen Parasylismus einer gewöhnlich im Freien lebenden 
Rhabditide. Der Befund war ein zufälliger und steht natürlich in 
keinem ursächlichem Zusammenhänge mit der Ozäna. Ob die Mageu- 
heschwerdcn der Patientin durch die Anwesenheit der Würmer bedingt 
waren, ist zweifelhaft, ebenso könnte man dieselben auf die Ozäna be¬ 
ziehen, d. h. auf das Verschlucken der fötiden Brocken. 

Reinhard. 


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— 445 


Beitrag* zur Lehre von der primären Tuberkulose (Lupus) der Nasen¬ 
schleimhaut. Von Dr. Johann Foin, Privatdozent an der Wiener 
Universität. (Berliner klinische Wochenschr, 44 Jahrg, \r. 48) 

Mitteilung eines Falles von Lupus der Nasensehleiinhaut. den 
Verfasser als einen Beitrag zur primären Tuberkulose der Nase be¬ 
zeichnet, insofern als bei der betr. Patientin nicht die geringste Spur 
einer anderwärts sitzenden Erkrankung zu finden war. Befallen war 
das vordere Ende der rechten unteren Muschel, und F. nimmt an, daß 
die Infektion auf dem Wege des Luftstroms stattgefunden habe; Pa¬ 
tientin war Krankenwürteriu. (legen (»ine direkte Uobertragung durch 
Kontakt sprach das Freisein von Septum und Nasenboden. Kommt 
Tuberkulose und Lupus an der Schleimhaut der Nase schon verhältnis¬ 
mäßig selten vor. so ist dies der erste Fall ausehließlieher Erkrankung 
der Nasenmuschel. da sich alle beobachteten Fälle auf das Septem und 
den Nasenboden bezogen. Reinhard. 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Ueber die Involution der normalen und hyperplastischen Rachen¬ 
mandel. Von E. Serebrjakoff in Bern. (Frankels Arch. f. Laryngol) 

Verfasser hat ein an einem breiten Stiel bei der Operation zurück¬ 
gelassenes und erst nach 4 Wochen entferntes Stück der hyper¬ 
plastischen Rachenmandel eines 8jährigen Knaben mikroskopisch unter¬ 
sucht, das Resultat mit dem an frisch exstirpierten Stücken desselben 
Falles erhobenen Befunde verglichen und nimmt die auf diese Weise 
gefundenen Veränderungen für die Involution in Anspruch. Sie 
ist nach S. gekennzeichnet durch Verlust des Zylinderepithels und 
Umwandlung desselben in Plattenepithel, durch Rarefikation des 
adenoiden Gewebes infolge des Auftretens zahlreicher Gefäßspalten, 
durch längeres Erhaltenbleiben der Follikel und deren Keimzentren, 
durch subepitheliale Cystenbildung. R. Ho ff mann (Dresden). 

Bisherige Erfahrungen mit einer Modifikation der Friedrichschen 
Operation des chronischen Kieferhöhlenempyems. Von Stabsarzt 
Dr. Börger in Berlin. (Frankels Arch. f. Laryngol.) 

Die Methode B’s unterscheidet sich von der Friedrichschen haupt¬ 
sächlich dadurch, daß sie sich den Zugang zur Apertura pyriformis 
und zur fazialen Kieferhöhlenwand durch einen ovalen, parallel zur 
Uebergangs falte verlaufenden Schleim hautschnitt verschafft und daß 
sie die vordere knöcherne Wand in größerer Ausdehnung abträgt. 
Sie wird unter lokaler Anästhesie ausgeführt, bei welcher jedoch der 
Verfasser einigemale das Bedürfnis nach „einem bißchen Narkose“ hatte! 
Sie unterscheidet sich übrigens — nach Ansicht des Referenten — 
nur unwesentlich von der Denk ersehen Operation. Von 6 chronischen 
Fällen, von denen 5 mit Siebbeineiterung kombiniert waren, wurden 
2 geheilt, einer wurde zwei Monate nach der Operation als „nahezu 
geheilt“ entlassen, zwei sind erheblich gebessert worden, einer hat sich 
vorzeitig der Nachbehandlung entzogen. R. Hoffmann (Dresden). 


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Zum Kapitel der Halsverletzungen. Von IV. Gustav Bradt in Berlin. 

(Deutsche med. Wochensehr., B2. Jahr#., Nr. 4J.) 

Verfasser beobaelitete eine isolierte Pharynxverletzung, bei der das 
verletzende äußere Agens weder durch die natürlichen noch durch 
künstlich gesetzte Oeffnungen an die verletzte Stelle des Pharynx 
gelangte. Es handelte sich utn einen Mann, welcher mit ziemlich 
großer Gewalt derart gegen eine Kiste geschleudert wurde, daß der 
Vorderhals, speziell die linke Kehlkopfseite, auf die Kante der Kiste 
aufochlug. Er hatte sofort Schmerzen, heftige Atem- und Schluck¬ 
beschwerden, hustete Blut aus und konnte nicht sprechen. Es bestand 
ein ausgedehntes Hautemphysem außen am Halse. Die rechte seitliche 
Pharynxwand war vorgewölbt; diesen Tumor konnte man auch im 
Spiegelbild nach abwärts bis zur Epigolottis verfolgen; er überragte 
den Aditus ad laryngem und verhinderte so den Einblick in diesen. 
Jedoch ließ sich das Kehlkopfinnere schließlich doch als gesund 
erkennen. In dieser tumorartig geschwollenen Pharynxwand, die keine 
Fluktuation und kein Knistern zeigte, fand sich ein Riß von zirka 
2—3 cm Länge und 1 / 2 cm Breite. Es handelte sich um eine Zerreißung 
des Pharynx mit Auftreten von Hautemphysem. Die erstere war eine 
isolierte und indirekte. Verfasser nimmt an, daß beim Unfall die rechte 
Schildknorpelplatte gegen die hintere Pharynxwand gepreßt und diese, 
vom hinteren freien Knorpelrand gewissermaßen durchgequetscht worden 
ist Dabei ist es allerdings verwunderlich, daß der Knorpel, der schon 
ziemlich weit verkalkt war, nicht gebrochen ist. Reinhard. 

Laryngitis membranoulcerosa fusibacillaris. Von Dr. F. Reiche 

Oberarzt, Hamburg-Eppendorf. (Münchener medizin. Woche nsciir. 

54. Jabrg., Nr. 17.J 

Während nach Vincent die fushspirillüreti Erkrankungen der 
oberen Luftwege den Larynx stets sekundär befallen, beobachtete Ver¬ 
fasser einen Fall, in dem eine liicmbranoulzorösc Entzündung nahezu 
ausschließlich auf die Kchlkopfschleiinhaut lokalisiert war, und als 
vorherrschender bakteriologischer Befund die Spindclstäbchen dabei 
naehgewiesen wurden; Mitteilung desselben. Die Kenntnis dieser 
Affektion .Laryngitis meinbranouleerosa fusibacillaris ist in ditferential- 
diagnostiseher Beziehung gegenüber der Kehlkopfdiphtherie von 
hoher Bedeutung; die Prognose und die Therapie sind völlig ver¬ 
schieden. Nur die bakteriologische Untersuchung, die Anlegung von 
Kulturen auf L ö f f 1 e r schein Xährsubstrat. und die Durchmusterung 
von Abstrichpräparaten liefert die richtige Diagnose. 

K e i n h a r d. 


Alle Tür die Monatsschrift bestimmten Beitritte nnd Referate sowie alle Druck¬ 
schriften. Archive und Tausoh-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man bis anf weiteres an 
Herrn Dr. H. V. He.hrötter in Wien IX, Mariannengasse 3, zu senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre "Werke wünschen, werden ersucht, 2 Kxempl&re davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 30 Separat-Abzüge beigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jnrasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Üoblentz, Berlin \V.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl XIarschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 110. 


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Ueber die Beziehungen zwischen Sprachgehör und 
Hördauer für Stimmgabeltöne und die Verwertung 
derselben bei der Beurteilung von Simulation und 

Aggravation. 

Von 

Oberstabsarzt Dr. Rhese in Padorborn. 

Die Gewohnheit, in der Mehrzahl der mich interessierenden Krank¬ 
heitsfälle Hörreliefs anzufertigen, hat mich im Laufe der Jahre in den 
Besitz einer größeren Sammlung von solchen gebracht. Bei der Durch¬ 
musterung derselben sind mir einige immer wiederkehrende Sonder¬ 
heiten auf gef allen, und zwar einmal gewisse Beziehungen, die zwischen 
den beiderseitigen Hörkurven bestehen, ferner einige Eigentümlich¬ 
keiten in der äußern Form der Kurven, ganz besonders aber einige 
Gesetzmäßigkeiten in dem Verhältnis, das zwischen Hördauer für 
Stimmgabeltöne und Hörweite für die Sprache obwaltet. Sowohl aus 
wissenschaftlichen, wie aus praktischen Gründen scheint es mir inter¬ 
essant, auf diese drei Fragen näher einzugehen. 

Eingehende Untersuchungen über die Beziehungen zwischen Hör¬ 
dauer für Stimmgabeltöne und Sprache liegen bei Taubstummen vor. 
Es ist bekannt, daß nach Bezolds Feststellungen diejenigen Taub¬ 
stummen, welche die Tonstrecke ln—gs über 10% der normalen Hör¬ 
dauer zu hören vermögen, für den Unterricht mittels der Sprache ge- 
geignet sind, und daß diese Untersuchsmethode in den Taubstummen¬ 
anstalten, in denen sie systematisch verwendet wird, Hervorragendes 
geleistet hat. Die Verwendung einer kontinuierlichen Tonreihe ist bei 
dem großen Zeitaufwand, den sie beansprucht, für die uns hier beschäf¬ 
tigenden Fragen natürlich, i^nnötig. cs dürfte vielmehr — von wissen¬ 
schaftlich besonders interessierenden Fällen abgesehen — die Yerwen- 


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— 448 — 


düng einer (iahel aus jeder Oktave ausreiehen. Ieh habe mich auf die 
Gabeln C, e, ci, es, e3, tu, er» beschränkt, vielfach habe ieh Ci hinzu¬ 
genommen, und in letzter Zeit — mit Rücksicht auf die behauptete be¬ 
sondere Empfindlichkeit des menschlichen Ohres für mittlere Töne — 
für diesen Tonbereich ein oder mehrere g-G abein. Die Hörfähigkeit 
für die höchsten Töne prüfte ich außerdem noch mit dem Edelmann- 
schen Galtonpfeifchen. Auch bei Beschränkung auf diese Tonquellen 
sind die diesbezüglichen Untersuchungen recht zeitraubend und müh¬ 
sam, zumal vielfache Nachuntersuchungen erforderlich sind. Die Zahl 
meiner Kurven beträgt 160, um nicht ermüdend zu werden, beschränke 
ich mich auf die Abbildung einer größeren Reihe von Beispielen, die 
für die uns hier interessierenden Fragen typisch sind. Es ist selbst¬ 
verständlich, daß diese Kurven nur der von mir benutzten Stimm¬ 
gabelreihe eigentümlich sein können, bei Benutzung anderer Gabeln 
müssen sich Abweichungen ergeben, je nach der Intensität der Gabeln 
und dem Verhalten etwa hervortretender Obertöne. Auch eine Aende- 
rung des Anschlages sowie die Benutzung von Resonatoren würde 
natürlich zu anderen Kurven führen, bei Benutzung von Resonatoren 
würde sich vielfach noch eine mehr oder weniger große Hördauer 
zeigen, wo ich Hörverluste verzeichnete. Die von mir benutzten Gabeln 
gi, cs, ga, ca, (*4 sind unbelastete Edelmann sehe, die mit dem von B e- 
z o 1 d angegebenen Schlägel angeschlagen wurden. Für c» zog ich eine 
unbelastete, für Cb, C, e, ci belastete, an der Hand angeschlagene Gabel 
anderen Modells vor. Die Gründe hierfür waren praktische. Die nur 
8 Sekunden tönende E d e 1 m a n n sehe cs-Gabel ist bei ihrer kurzen 
Schwingungszeit für Hördauerprüfungen nicht besonders geeignet, 
ich ersetze sie daher durch eine 15 Sekunden schwingende, ferner 
empfand ich das laute und starke Mitklingen der Obertöne bei meinen 
Edelmann sehen c- und ci-Gabeln sehr störend; eben dieser Ober¬ 
töne wegen wurden diese Gabeln, wie wiederholte vergleichende Prü¬ 
fungen -zeigten, oft noch in den Fällen gut gehört, in denen meine 
unbelasteten Gabeln gar nicht oder sehr kurz wahrgenommen wurden. 
Die geringe Intensität meiner Ci- bis ci-Gabeln ist bei Betrachtung 
meiner llörreliefs in besonderer Weise zu berücksichtigen. Da ferner 
die Aufnahme der llörreliefs vielfach Jahre zurückliegt, so sind die 
Aufzeichnungen hier und da etwas lückenhaft, so ist z. B. nicht überall 
berücksichtigt, ob es sich um leise, mittellaute oder verschärfte Flüster¬ 
sprache handelt, auch ist nicht durchweg die am schlechtesten gehörte 
Zahl notiert. Daß die nach Prozenten der normalen Hördauer auf- 
gestellten Hörreliefs trotz ihrer große» praktischen Nützlichkeit 
Fehlerquellen in sich bergen, bedarf in dieser Zeitschrift nicht erst der 


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— 449 — 


besonderen Erörterung, und ebenso wie die Kurven kein objektives Afaß 
für das wahre Tongehör vorstellen, so können natürlich auch alle 
sonstigen, aus den Hörreliefs abgeleiteten Werte und Schlußfolgerungen 
nur den Anspruch auf schätzungsweise und innerhalb gewisser Grenzen 
schwankende Zuverlässigkeit beanspruchen. In praktischer Hinsicht 
ist eine Hördauer unter 10% im allgemeinen Hörverlusten gleich¬ 
zusetzen. Selbstverständlich ist auch zu berücksichtigen, daß es recht 
schwer ist, in genau gleicher Stärke und Tonhöhe zu flüstern, wenn 
man nicht Lucaes Phonometer benutzt. Auch diese Fehlerquelle 
möchte ich indessen nicht zu hoch schätzen, da man sich — zumal bei 
Beachtung der B e z o 1 d sehen Vorschriften — durch die fortgesetzte 
Uebung an ein einigermaßen gleichmäßiges Flüstern gewöhnt. 



c 

C 

Ci 

C 2 §2 

C 3 

C* c 5 


c 

c 

Ci 

c 2 

Cs 

c* 

C 5 

100 









10 C 








90 









90 



. 





80 









80 









_ 















' 

70 









70 








60 









60 








50 









50 






__ 


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-JIM- 


'X 

-X- 


1 . 2 . 

- r. --- 1. - r. --- 1. 


r. Umgangssprache, laut in das Ohr geschrieen, 
verstanden, 1. H = O. 

Mehrfache Kopferschütterungen. 


Einzdoe laut in das Ohr geschrieene 
Worte verstanden. Sklerose. 


Abbildung 1 und 2 sind als Ausgangspunkt unserer Betrachtung 
geeignet. Sie zeigen bei Taubheit eines Ohres auf dem zweiten llör- 
reste und zwar in dem einen Fall bezüglich C 2 bis ca, im zweiten bezüg¬ 
lich c bis C3 und ca, die Hörreste betragen aber weniger wie 10%, nur 
im Fall 2 erhob sich cs bis 10%. Bei einem derartigen Tongehör war 
ein Sprachverständnis nicht möglich, es wurden nur noch einzelne laut 
in das rechte Ohr hineingeschrieene Worte verstanden, 


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— 450 — 


Die einander ungemein ähnlichen Abbildungen Nr. 3 und 4. zeigen 
(dne Zunahme des Teilbereiches und der Hördauer und zwar sehen 
wir bei einer Einengung der unteren Tongrenze bis ei zunächst einen 
Aufstieg bis auf 35 bcxw. 20 in der 3. Oktave, dann einen Abstieg, der 
in Abbildung 3 mit er, dein Nullpunkt nahekonunt, ihn in Abbildung 4 
erreicht. Mit dieser Zunahme des qualitativen und quantitativen Hör¬ 
vermögens scheint auch die 11örtähigkeit für die Sprache gewachsen, es 
wird in beiden Fällen laute Umgangssprache dicht am Ohr verstanden. 


C C Ci Ca C C 5 Ci C C Ci Ci <&. Cs C4 c 5 



3. 4. 


— i . - - - i. 

Umgangssprache imittellnut) dicht am Olir vor- r. Fl. mindestens lu m (Liingo des Unter 
standen. Adhiisivprozessi* in der Paukenhöhle snehiingsranmeshl.Umgangssprarhe ad concham 
und ohron. Tnhenkatarrh. r. Ohr gesund, 1. chronische Mittelohreiterung. 

Es fehlt allerdings eine Notiz über die Hörfähigkeit des zweiten 
Ohres im Fall 3, auch eine solche, oh der L u e a e - 1) e n n e r t sehe 
Versuch vorgenommen wurde. Es läßt sich daher nicht beurteilen, in-f 
wieweit die Hörfähigkeit des kranken Ohres in Fall 3 und 4 auf Rech¬ 
nung des zweiten Ohres zu setzen ist. 

Eine weitere Zunahme des Tongehörs sehen wir bezüglich des 
rechten Ohres in Abbildung 6. Bei Verlöschtsein der Kurven bis C im 
unteren und von er, im oberen Tongebiet sowie bei Hörverlusten im Bc- 
ieiche des (Jaltonpfeifehens bis ar, hat der erhaltene Teil der Kurve 
seinen Stand zwischen 10 und 25. Die vorhandene Hörfähigkeit für die 
Sprache — mittellaute rmganssprache auf 62 ein — kann hier nur 


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— 451 


auf das rechte Ohr bezogen werden, da das zweite Ohr schlechter 
hört. 

ln Abbildung Nr. 5 sehen wir die Einengung der unteren Ton- 
glenze zwar nur bis Ci reichen, doch betrügt die Ilürdauer für C bis 
C4 nur 10% und weniger, mit Ausnahme von ca mit einer llördauer von 
27%, c» steigt indessen bis zu 00% empor. 

Diesem bezüglich der Strecke ca bis ca im Vergleich zur Abbildung 
Nr. 0 verbesserten Tongehör entspricht wiederum eine Besserung des 
Sprachgehörs, es wird Flüstersprache dicht am Ohr verstanden. 



Ci C c ci g o gk c$ C4 c s 



5. 6. 

— r. — r. — 1. 

Flüstersprache beiderseits dicht am Ohr. mehr- Chronische progressive Schwerhörigkeit. Mittellaute 
fache Kopferschütterungen, adhftrente Narbe Umgangssprache r 62 cm, 1. 20 cm (letzteres auch bei 
rechts. Zuhalten beider Ohren), Oalton r. a n , 1. d c . 


Abbildung 7 mit einem Hörverlust an der unteren Tongrenze bis ca 
bi zw. C3 und etwa der gleichen llördauer für c.% bedeutet bezüglich der 
unteren Hälfte der Skala im Vergleich zu dem vorigen Fall eher eine 
Verschlechterung des Tongehörs, doch zeigen uns die Kurven Nr. 7 bei 
ci eine Zunahme der llördauer auf 20 bezw. 25%. Diesem Besserhören 
von C4 sehen w'ir eine abermalige Besserung des Sprachgehörs ent¬ 
sprechen. es wird Flüstersprache auf 25 cm Entfernung gehört. 

Nahezu die gleiche Hörweite besteht im Fall 8 (links), obwohl 
klein e bereits eine llördauer von 10% hat. Diese auf den ersten Blick 
im Vergleich zu dem vorhandenen Tougehör zu gering erscheinende 


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— 452 


Hörweite iür die Sprache findet ihre Erklärung in dem Sinken der 
Kurve bei ca und in dem Schlcelithören der Töne des Galtonpfeifchens 
(f'7 links auf 0,55 m, rechts auf 2,5 m Entfernung). 

Diese Erklärung erscheint um so zutreffender beim Vergleich mit 
der rechtsseitigen Kurve von Fall 8. 


Wir sehen beim Ueberblieken der Kurven 1—8 die Bedeutung von 
C4 und C5 für das Sprachverständnis besonders, daß sieh die llör- 
fähigkeit für Flüstersprache gleichzeitig mit dem Auftreten einer 



— i - - - - i. 

beiderseits FHlstersprache auf 25 cm. 
Schwerhörigkeit in der Rekonvaleszenz nach 
Typhus. 


- r. - - - 1. 

Flüstersprache r. 1 m (88, 66). 1 0,26 m (88, 77, 66) and 
0,6 m (33, 26). Beiderseits Adblisivprozesse mit Unbe¬ 
weglichkeit von Hammer und Trommelfell, f 7 Galton 
r. auf 0,66 m, 1. auf 2,6 m Entfernung gehört. 


gewissen Hördauer für cs einstellte trotz Einengung der unteren Ton¬ 
grenze bis c*, ja sogar bis C3, und daß eetcris paribus auch die Ilör- 
fähigkeit für Flüstersprache verschwand, sowie die Kurven bei c* den 
Kulipunkt erreichten. Zunächst erscheint es befremdlich, daß bei so 
umfangreicher Schädigung des Tongehörs ein solches Sprachgehör — 
Flüstersprache am Ohr bezw. auf 25 cm — überhaupt möglich ist. Es 
ist indessen, wie schon gesagt, zu erwägen, daß nicht mit Resonatoren 
geprüft wurde und die Intensität meiner Gabeln bis ci überhaupt eine 
relativ geringe ist, so daß also von einem einwandsfrei nachgewiesenen 
Hörverlust für den unteren Tonbereich, streng genommen, nicht ge¬ 
sprochen werden kann. 


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— 453 — 


Immerhin folgt aus den Kurven eine hochgradige Beeinträchtigung 
des Tongehörs, besonders für den unteren Teil der Skala, und wenn 
trotzdem die genannte Hörfähigkeit für die Sprache besteht, so kann 
das nur an der Fähigkeit der Psyche, das Nichtgehörte und Fehlende 
zu ergänzen und zu kombinieren, liegen, und nur da, wo die Sprache 
bereits erlernt war, dürfte dieses überhaupt möglich sein, w’ährend wir 
durch Bezolds Taubstummenuntersuchungen wissen, daß ein Er¬ 
lernen der Sprache z. B. mit den in Abbildung 5 und 7 verzcichneten 
Hörelementen unmöglich ist. 


00 
90 
80 
70 
60 
50 
40 
30 
20 
10 
0 

9. 

— r. — 1. 

Fl. 1. auf 30 cm, r. mindestens auf f> m (Unter¬ 
suchungsraum nicht größer). Sklerose. 

Endlich ist nicht zu vergessen, daß trotz des Erhaltenbleibens der 
Hörfähigkeit für Flüsterzahlen dicht am Ohr bezw. auf 25 cm der prak¬ 
tische Nutzen hiervor für das tägliche Leben ein recht geringer ist, 
denn sowie an die Stelle der Ruhe des Untersuchungszimmers die Ge¬ 
räusche der Außenwelt oder das Zusammensprechen mehrerer Personen 
tritt, wird die Verwertung einer solchen Hörfähigkeit äußerst gering, 
wenn nicht gleich Null, und zwar um so sicherer, je geringer ceteris pa- 
ribus die Hördauer für die obersten Töne ist. Wenn für das Erhalten¬ 
bleiben der Flüstersprache eine gute Hördauer für die obersten musika¬ 
lischen Töne so wichtig ist, so liegt das w r olil vorwiegend daran, daß 
in diesen Tonbereich viele der die Konsonanten, besonders die Zisch- 



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— 454 — 


laute, zusammen setzenden Elemente hinein fallen. Wir kommen hier¬ 
auf noch einmal zurück. 

Reichte der Hörverlust- an der unteren Grenze nicht über c oder ci 
und erhol) sich die Kurvt* im wesentlichen über 10%, so stieg die Hör¬ 
weite für Flüsterspraehe und zwar, wenn wir die Kurven 9 (links), JO, 
11 (links). 12 (links), 8 (rechts), 13 (rechts), 14 (links), 15 (links), 
10 (rechts), 17 (rechts), 18 und 19 zugrunde legen, anscheinend etwa 
in dem gleichen Verhältnis. Bemerkenswert ist der Kurve 20 betreffende 
Fall. Es handelt sich um einen hereditär belasteten, mit beiderseitigem 



— r. 

Flflsterspraohe r. auf 0,50 m (77, 65) bezw. 0,75 m (88, 68). 

1. auf mindestens 6 m (Grölie des Üntersuchungsraumes). 

Rechts obere Tongrenze bei Galton 10. 

Tubenkatarrh behafteten Offizier, der eine Detonationsneuritis beim 
Schießen sich zuzog. Trotz der sonst so guten Ilördauer bis cs beträgt 
die Hörweite des linken Ohres nur für 88, 99, 100 7 m, im übrigen nur 
1 m und beim Zusammensprechen vieler Personen wird sogar Um¬ 
gangssprache auf 1 m nur schlecht verstanden. 

Vergleichen wir ferner die Kurve 14 (rechts) und 15 (links) mit¬ 
einander. Man sieht sofort, daß Fall 15 ein durchaus besseres Ton¬ 
gehör besitzt wie Fall 14, trotzdem entspricht der Kurve 15 nur eine 
Hörweite auf 1 m, der Kurve 14 eine solche auf 1 1 •» ni für Flüster¬ 
sprache. Der Grund liegt meines Erachtens in der guten Hörfähigkeit 


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— 455 — 


des zweiten Ohres im Falle 14 im Gegensatz zu der wesentlich schlech¬ 
teren Hörfiihigkeit des zweiten Ohres im 1* all .15. Diesem verbessern¬ 
den Einfluß des gut hörenden zweiten Ohres werden wir noch häutig 
begegnen. 

Einer Erwähnung bedarf ferner Kurve 10. Da die Einschränkung 
der unteren Tongrenze nur Dis c reicht, es noch 30% llördaucr hat. 
m> hätte mau beim Vergleich mit anderen Kurven, z. B. mit Kurve 14 
(rechts), eine etwas bessere Hörfiihigkeit für Flüstersprache erwarten 
können. 



r. Fl. auf 20 m, 1. Fl. auf ‘/a m. r. stark einge- r. Fl. mindestens 10 m, 1. 66 cm. r. Ohr normal, 
zogenes Trommelfell, links chronische Mittel- 1. Mittelohreiterung, 

ohreiterung. 


Ich vermag die Erklärung nur in der gleichzeitigen Einengung 
der oberen Tongrenze im Gebiet der ultramusikalischen Töne zu finden, 
die auf eine Labyrinthbeteiligung hinweist, der Kranke hörte die Töne 
des Edelmann sehen Galtonpfeifchens erst vom Teilstrich 11 an. 

Ein besonderes Interesse bietet Abbildung Nr. 21. Es fehlt rechts 
eine Einengung der unteren Tongrenze, links besteht eine solche nur 
bis Cb, die sonstige Kurve steht fast durchweg im 2. und 3. Viertel. 
Trotzdem ist die Hörweite rechts nur 0,75 m, links nur 1 m. Auch 
hier kann nur eine Erkrankung der sehallempfindenden Teile als Ur¬ 
sache für das schlechte Sprachgehör angenommen werden, die tiefe 


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— 45b — 


Einsenkung der Kurve zwischen ca und cs, das Schlechthören von 
besonders 77, 22 im Gegensatz zu 88, die Einengung der oberen Ton¬ 
grenze links bis Teilstrich 8, Galton, das quälende Ohrensausen 
sprachen dafür. 

Beispiele für das \erhältnis zwischen Ton- und Sprachgehör bei 
einer Hörweite von 2, 3, 4 m geben die Abbildungen 13 (links), 
15 (rechts), 17 (links), 22, 23 (rechts), 24 (links), 25 und 26. 

Mit der Zunahme der Hördauer für den mittlern und besonders 
auch für den oberen Ponbereich sehen wird die Hörweite für Flüster- 

C C Ci C*2 C* C* Ce 

100 
90 
80 
70 
60 
50 
40 
30 
20 
10 
0 

13. 14. 

— r. — 1. — — r. — 1. 

r. Fl. auf 0,76 m, 1. auf 2 m. 1. chron. Mittel- 1. Fl. auf 27 m, r. auf 1V 2 m. r. chronische 
ohreiterung, r. Adhäsivprozesse. * Mittelohreiterung. 

spräche zunehmen. Hörverluste an der unteren Tongrenze bezw. Be¬ 
einträchtigungen der Hördauern hierselbst unter 10% reichen nicht 
über ci hinaus. Abbildung 23 betrifft den gleichen Patienten wie 10 
nach mehrwöchiger Behandlung. Auch hier ist die im Vergleich zu 
z. B. Kurve 34 etwas geringere Hörweite auf die Einengung der oberen 
Tongrenze im Bereich des Galtonpfeifchens bis Teilstrich 11 zu be¬ 
ziehen. 

Fassen wir das, was die bisher betrachteten Kurven besagen, 
zusammen, so ergiebt sich folgendes: 

a) Die Hörfähigkeit für die Sprache ist eeteris paribus bei gut 
hörendem zweiten Ohr etwas besser, wie da, wo das zweite Ohr in 




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— 45 ? — 


gleichem Grade in seiner Hörfähigkeit .für die Sprache gelitten hat, 
und umgekehrt kann der gleichen Hörweite für die Sprache eine 
geringere Hördauer für Töne entsprechen, wenn das zweite Ohr normal 
ist bezw. eine gute Ilörfähigkeit für die Sprache besitzt. 

b) Die Hörfähigkeit für Flüstersprache unmittelbar am Ohr war 
auch bei gleich schlechter Hörfähigkeit des zweiten Ohres noch vor¬ 
handen, wenn die Strecke ca bis Cß nicht fehlte und bezüglich cs eine 
Ilördauer von 30—50 bezüglich C3 bis C4 über 10% bestand. 

e) Es bestand eine Hörweite für Flüstersprache auf 0,25 bis 
höchstens 0.75 m, wenn die erhaltene Tonstrecke mindestens ga bis cs 



__ r _] — r. - - - 

r. Fl. auf 3*/a m/1. auf 1 in, r. Adhäsivprozesse, r. Fl. auf 66 cm, 1. H. nicht genau festgestellt. 

1. Mittelohreiterung. Sklerose. 


umfaßte und die Hördauer sich verhielt, wie unter b) angegeben. 
Hierbei war innerhalb der genannten Grenze die Hörweite um so 
größer, je länger die Hördauer und je besser das Sprachgehör des 
zweiten Ohres war, doch ist es, wie der mit beiden Ohren gleitii 
schlecht hörende Fall 19 zeigt, nicht angängig, das bestehende Sprach¬ 
gehör dem zweiten Ohr zuzuschreiben. Sank ceteris paribus die Ilör¬ 
dauer für cs soweit, daß sie nur etwa 10% betrug, so blieb die Hörweite 
.für Flüstersprache nur dann die gleiche, wenn die erhaltene Strecke 
mindestens c* bis c 5 umfaßte und gleichzeitig die Hörfähigkeit des 
zweiten Ohres eine gute war. 


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— 458 


d) Es bestand eine Hörweite für Flüstersprache von etwa 0,75 m 
bis zu 4 m, wenn die untere Tongrenze nicht über et hinaus eingeengt 
war und die Hörverluste durch eine entsprechende Ilördauer des erhal¬ 
tenen Tonbereiches, besonders bezüglich C 4 und es ausgeglichen waren. 
Je steiler und gleichmäßiger sich die Kurve von Anfang an erhob, einen 
je höheren Endpunkt sie im Bereich der oberen Oktave erreichte, um so 
mehr stieg im allgemeinen die Hörweite. Bei Ausfall der 4. und 5. Ok¬ 
tave betrug trotz sonstigen hohen Standes der Kurve und nicht ein¬ 
geengter unterer Tongrenze die Hörweite (außer für 88, 99, 100) 
nur 1 m. 



— r. — 1. 

r. Fl. auf SO cm, 1. auf 4 m. Beiderseits chronische 
Mittclohreiterung mit zentraler Perforation. 


e) Das unter b, e, d Gesagte gilt nur unter der Voraussetzung, 
daß die obere Tongrenze im Bereiche der ultramusikalischen Töne nicht 
eingeengt ist. Ein Hörverlust im Bereich des Galtonpfeifchens bedingt 
geringere Werte. Hierauf wird unter Zusammenstellung aller dies¬ 
bezüglichen Fälle nachher näher eingegangen werden. 

Die Verhältnisse bei einer Hörweite von 5 m für Flüstersprache 
zeigen die Abbildungen 24 (links), 27, 28 (rechts). 29 (rechts). 30. Man 
sieht in Abbilung 30 einen Hörverlust, an der unteren Tongrenze bis Cb, 
in 24 (links) bis c, im übrigen besteht nirgends eine Einengung der 
unteren Tongrenze bezw. eine Beeinträchtigung der Hördauer hierselbst 


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— 459 — 


unter 10%. Die Kurve bewegt sich, soweit keine Einengung der 
unteren Tongrenze vorliegt, im großen und ganzen zwischen 12 und 
40%, wobei der untere Teil der Kurve vielfach oder größtenteils im 
ersten Viertel verbleibt, sie ist also etwas höher gerückt wie in der 
vorigen Gruppe. 

Die Abbildungen 28 (links), 29 (links), 31, 32, 33 (links), 34 (links) 
illustrieren sämtlich das quantitative Tongehör bei einer liörw r eite von 
6 bis 7 m für Flüstersprache. Man bemerkt eine große Aelinlichkeit 
zwischen den Kurven 28, 29, 31, 32 einerseits sowie von^ 33 und 34 
andererseits. 


100 
90 
80 
70 
60 
50 
40 
10 
20 
10 
0 

18. 

— r. ---1. 

Fl. r. auf 1 m fttr 88. 89, auf 1,20 m ftlr 77, 56, auf 3'/. m 
frtr 22, 66, 1. auf mindestens 5 m abgewandt (Größe des 
Zimmers). Sklerose. 

Bei den Fällen 28, 29, 31, 32 sehen wir die Kurven nirgends 
unter 10, die untere Hälfte befindet sich größtenteils im 2. Viertel, das 
obere Ende im 3. Viertel; da, w’o cs in das 2. Viertel zurücksteigt, erfolgt 
Kompensation an anderer Stelle, stellenweise sogar durch Erhebung 
bis in das 4. Viertel. 

Auch die Kurven 33 (links) und 34 (links) ähneln den vorigen, sie 
zeigen aber einen Hörverlust an der unteren Grenze bis in die kleine 
bezw. 1. Oktave. Trotzdem beträgt die Hörfähigkeit für die Sprache 
gleichfalls 6 bezw. 7 in. Als Erklärung liegt es auch hier nahe, an das 
zweite Ohr zu denken, denn unter allen Fällen dieser Gruppe haben nur 


Cl C C Ci gi Cg g> C 3 C4 C 5 







— 





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— 460 — 


Kr. 33 und 34 eine besonders gute Hörfälligkeit des zweiten Ohres 
(24 m, mindestens 12 m). 

Fassen wir das die Hörweite von 5, 6 und 7 m Betreffende zu¬ 
sammen, so ergab sieh folgendes: 

f) Wenn keine Einengung der unteren oder oberen Tongrenzc vor¬ 
handen war, so stand bei einer Hörweite von 5 m die Kurve im großen 
und ganzen zwischen 12 und 40, bei einer Hörweite von 6 m zwischen 
15 und 60 und es befand sich dabei die untere Hälfte der Kurve teil¬ 
weise oder größtenteils im unteren Viertel. Hörverluste an der unteren 

Ci C c Ci Ci ?? cs c« c 5 C c Ci c* g» c * c« 




- r. -- - 1 - r. --- l. 

Beiderseits Fl. auf 0,40 m. Mehrfache Kopf- 1. Fl. auf 1 m (77,65.22). Tubenkatarrh beider- 
erschütteruni'en. seits mit Detonfttioiisnenritis links. 

Grenze reichten nicht über ci, sie waren ausgeglichen dadurch, daß sich 
die sonstige Kurve etwas erhob und ganz bezw. fast ganz aus dem 
untersten Viertel herausgetreten war. 

g) Bei einer Hörweite von 7 m befand sich die Kurve, wenn ein 
Hörverlust nicht, vorlag, vorzugsweise zwischen 20 und 60, sie hatte 
das unterste Viertel fast ganz verlassen oder befand sich hier höchstens 
noch mit einer Oktave. Hörverluste an der unteren Grenze reichten 
unten nicht über klein c hinaus, sie waren dadurch ausgeglichen, 
daß die sonstige Kurve sich etwas erhob und das unterste Viertel ganz 
verlassen hatte. 


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- 461 — 


h) Ein Rückblick auf die Fälle mit einer Hörweite von 4 bis 7 m 
zeigt das Vorhandensein fließender Uebergänge überall da, wo es sich 
nicht um Einengungen der Tongrenzen handelt. Wenn man es sich 
auch beim Nebeneinanderlegen der Kurven erklären kann, warum der 
einen Kurve eine größere, der anderen ein geringere Hörweite für 
die Sprache entspricht, so dürfte es doch andererseits kaum möglich 
sein, allein aus der Kurve einen Schluß auf die anzunehmende Hörweite 
zu machen, wenn man die Schätzungsgrenze nicht sehr weit steckt. 
Anders ist es beim Vorhandensein von Hörverlusten an den Ton grenzen, 



Fl. r. auf 0,75 m (77, 22), 1. 1 m (77, 22), Galton r. normal, 

1. eingeengt bis Strien 8. Chron. progressive Schwer¬ 
hörigkeit mit Beteiligung der schallemptindenden Teile. 

in diesen Fällen springen die Unterschiede zwischen 4 und 7 m ziemlich* 
scharf in die Augen durch den steilen, eine verhältnismäßig gute 
Hördauer für die Töne der 2. Oktave anzeigenden Anstieg gleich am 
Beginn der Kurve. 

Die Abbildung 35 (links), 36, 37, 38, 39 zeigen Kurven bei 10, 20, 
24, 27 m Hörweite für Flüstersprache. 

Je mehr die Kurve sich erhebt, je höher besonders die Strecke ci 
bis cs liegt, um so mehr steigt auch im allgemeinen die Hörweite für 
Fliistersprache. Abbildung 39 zeigt, daß trotz Ausfalles von Ci die' 
Hörweite 27 m betragen kann. 


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— 462 — 


Iu Abbildung 41 sehen wir trotz Verlöscht sein von Ci eine Hör- 
dauer von 32 m für das rechte Ohr. Interessant ist dieser Fall noch 
ganz besonders durch das vorzügliche Gehör des linken Ohres trotz 
schwerer Veränderungen. Es bestand eine durch Cholesteatom 
bedingte chronische Mittelohreiterung mit Einschmelzung der 
ganzen vorderen Kuppelraumswand sowie des Kopfes vom 
Hammer und des Körpers des Amboß. Das Trommelfell war 
bis zur Höhe des kurzen Fortsatzes erhalten, Shrapnell- 
sche Membran sowie der oberste Saum der Pars tensa fehlten. 
Trotzdem bestand die in Abbildung 37 a genannte Hörweite, nach 



— r. — 1. — r. — 1. 

Beiderseits Fl. auf 2 1 /om (außer 100, 95). r. Ad- Fl. r. 2 m für 77, 55, auf 3 m für 88. 66, 37, 1. auf 7 m 
hüsivprozesse, 1. chronische Mittelohreiterung. mindestens. Uhron progressive Schwerhörigkeit. 1. im 

Beginn. Galton rechts 10, links normal. 


welcher auf eine tadellose Beschaffenheit der Labyrinthfenster und 
Ersatz zerstörter Verbindungen durch Adhäsionen geschlossen werden 
muß. Die Kurven sind vor der Operation aufgenommen, die dann mit 
Erhaltung des Trommelfells und überhaupt ohne Berührung der 
Paukenhöhle in ihrer eben geschilderten Form von mir vorgenommen 
wurde. Nicht ohne Interesse ist ferner Kurve 42, bei welcher trotz 
hochgradiger, dem Hörverluste gleichkommender Beeinträchtigung der 
Hördauer für Ci und C eine Hörweite für 32 in mit Ausnahme der 
Zahl' im bestand; es handelte sich um eine chronische Schleimhaut¬ 
eiterung mit kleiner Lichtkegelperforation Und hochgradiger Besehrän- 


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— 463 — 


kung der Beweglichkeit von Trommelfell und Hammer. Es fällt der 
steile Anstieg der Kurve im Bereiche der ersten und zweiten Oktave 
auf, ferner die ausgezeichnete Ilördauer für die oberen Töne, speziell 
für es und ist fraglos der Vereinigung dieser beiden Faktoren sowie der 
normalen IIöiTähigkeit des zweiten Ohres dieses gute Spraehgehör 
zuzuschreiben. 

Zu erwähnen ist noch Abbildung 40. Es handelt sich um eine 
Läsion des inneren Ohres durch ein Trauma. Die vorzügliche Ilör¬ 
dauer von Ci bis c% würde eine Hörweite von mindestens 24 m für 



Fl. r. 3 m (55, 99) lu*zw. 3,75 (88, 22. 66, 72), 1. auf 4 1 '? m r. Fl. 27 ra, 1. 4 m. r. Einziehung mit adhftrentem 
4.22,72). beiderseitige chronische Mittelohreiterung, mit Hammer, 1. trockene zentrale Perforation, 
großer zentraler Perforation. 


Flüstersprache erwarten lassen, der Ausfall von cr> genügte, um die 
Hörweite auf 8 bezw. 9,5 m hinabzudrücken. 

Blicken wir auf die zuletzt betrachteten Kurven zurück, so zeigte 

sich 

i) in noch höherem Grade wie vorher, daß die Uebergünge ziemlich 
schwankend werden. Die Schätzung des Sprachgehörs nach den Kur¬ 
ven ist nur innerhalb weiter Grenzen möglich. 

Sucht man sieh nun auf Grund vorstehender Erörterungen ein 
Urteil darüber zu bilden, inwieweit zwischen Tongehör und Spruch¬ 
gehör gesetzmäßige Beziehungen obwalten, so ist zunächst ersichtlich. 


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— 464 — 


daß in dieser Hinsicht eine um so größere Konstanz zu bestehen scheint* 
je erheblicher der Grad der Schwerhörigkeit ist, daß indessen die Gren¬ 
zen, innerhalb deren Tongehör und Sprachgehör sich entsprechen, um 
so variabler und weiter werden, je besser die Hörfähigkeit des Ohres 
ist. Auf den Grund kommen wir nachher zurück. Zwischen denjeni¬ 
gen, die vor ihrer Erkrankung die Sprache noch nicht erlernt haben, 
und denjenigen, die die vollständige Beherrschung der Sprache lern¬ 
ten und dann erkrankten, bestehen offenbar Unterschiede. Während 
wir bezüglich der letzteren sahen, daß das Verständnis der Flüster¬ 
sprache noch vorhanden war, wenn C3 bis cs eine entsprechende Hör- 



26 . 

— r. — 1. 

r. Fl. auf 3*,'* m, 1. auf 2 m. Beiderseits 
Residuen von Mittelohreiterung. 



27. 

- r. --- 1. 

Fl. auf 6 ni beiderseits. Tubenprozesse 
beiderseits. 


dauer besaßen, wissen wir aus B e z o 1 d s Untersuchungen, daß zum- 
Erlernen der Sprache die Strecke bi bis g 2 unerläßliche Voraussetzung 
ist. Der Grund des Unterschiedes scheint mir darin zu liegen, daß für 
das Erlernen der Sprache die Vokale als Hauptelemente des Sprach¬ 
verständnisses das Wichtigste sind, während für denjenigen, der die 
Sprache erlernt hatte, an und für sieh das Verstehen der Vokale leich¬ 
ter ist wie das der Konsonanten und auch die Ergänzung der nicht 
ganz gut verstandenen Vokale durch Kombination viel leichter vor 
sich geht, wie die Ergänzung und das Erraten der farblosen Konsonan¬ 
ten. Die außerordentliche Wichtigkeit der Konsonanten für das. 


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— 465 


Sprachverständnis, die auch von L u c a e so sehr hervorgehoben wird, 
wird also auch durch die Kurven zur Darstellung gebracht. Wir sahen 
ferner mit der Zunahme der gehörten Tonstrecke die Hörweite für die 
Sprache wachsen, indem für eine Hörweite der Flüstersprache auf 
-0,25—1 m die Strecke gs bis cs, für eine Hörweite über 1 m bis 4 m die 
Strecke cs bis cs, für eine solche auf 5 m die Strecke c bis cs im allge¬ 
meinen die mindeste Voraussetzung zu sein schien. Der besondere 
Einfluß der vierten und fünften Oktave für die Flüstersprache trat 
vielfach ganz besonders hervor, indem beim Ausfallen von C4 bis c& die 
Hörweite sogleich auf 1 m sank. Bei Einengung der unteren Ton- 



— r. — 1. 

r. Fl. auf 5 m. 1. auf 7 m. Kopferschütterung, 
rechts adhärente Narbe. 


C c C| Ci gi Cj C« Cs 



— r. — 1. 

r. Fl. auf 5 m, 1. auf 7 m. Tubenkatarrh 
beiderseits. 


grenze bis c begegneten wir noch einer Hörweite von 7 m für Flüster¬ 
sprache, in einem Falle sogar von 17 m, was wahrscheinlich nur bei 
tadelloser Hörweite des zweiten Ohres und in Ausnahmefällen möglich 
ist. Bei einem Hörverlust bis C trafen wir noch eine Hörweite auf 
10 m, während eine Einengung der unteren Tongrenze bis Ci völlig 
bedeutungslos sein kann, wie uns Abbildung 39 mit einer Hörweite von 
27 m und andere Kurven lehrten. Die gleichzeitige Einengung der 
oberen und unteren Tongrenze für Stimmgabeltöne ist anscheinend 
von besonders nachteiligem Einfluß. Nächst dem Erhaltensein einer 
minimalen Tonstrecke sehen wir die Hördauer für den erhaltenen Ton- 


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- 466 — 


bereich als bedeutungsvoll für die Hörweite für die Sprache. In 
dieser Hinsicht zeigt sich als besonders wichtig das Verhältnis zwi¬ 
schen der Strecke e bis ga und den obersten Tönen. Je höher die Kurve 
gleichzeitig im mittleren und oberen Tonbereich stand, um so besser 
war die Hörweite für die Sprache; je besser die Hördauer für die 
mittlere Strecke war, um so geringer durfte ceteris paribus zur Er¬ 
zielung der gleichen Hörweite die Hördauer für C4 und cs sein und 
umgekehrt. Beide Tonstrecken können sich also bis zu einem gewissen 
Grade ergänzen. Wenn man bedenkt, daß von einer gewissen Ent¬ 
fernung an für jedes Ohr zu dem gesicherten Hören ein Kombinieren 



Ci 

C 

c 

Ci 

C2 

C 3 

C4 

Cs 

100 









90 









80 


















70 








“ " " 

60 









50 









40 








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30 




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~* r * - 

10 


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V 


öl 


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0 

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# 


L _ 







30. 

--- 1 . 

Fl. 1. auf 5 m, r. auf 3 m. Kopforschfttterung. 
1. Trommelfell regelrecht, rechts Mittelohr¬ 
eiterung. 


Ci C c Ci Ci Cj c 4 c 5 



- r. - - - 1. 

Fl. auf ß m beiderseits. Kopferschütterung. 


und Erraten hinzutritt, so können wir das verstehen, denn beim Er¬ 
gänzen und Erraten hält man sich an gewisse charakteristische Laut¬ 
elemente der Worte oder Zahlen, in vorliegendem Fall also an die Vo¬ 
kale. wenn die mittlere Tonstrecke besser gehört wird, an bestimmte, 
die gesprochene Zahl leicht erraten lassende Konsonanten, wenn c* 
und c* die bessere Ilördauer haben, ln verschiedenen Fällen trat es in 
auffälliger Weise hervor, wie vorzüglich das Spraehgehör trotz erheb¬ 
licher Verluste an der unteren Grenze sein konnte, wenn bei leidlich 
guter Ilördauer für den mittleren Tonbereich die Hördauer für c* und 
05 der normalen nahe kam. Alles dieses gilt nur unter der Yoraus- 


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— 467 — 


Setzung, daß eine Beteiligung des inneren Ohres verratende Hörverluste 
im Bereich des Galtonpfeifehens fehlen, daß es sich also vorzugsweise 
um eine Schalleitungsstörung handelt. Wenn nun bei diesen Fällen 
von Mittelohrschwerhörigkeit das Erhaltensein einer minimalen Ton¬ 
strecke und einer gewissen Herdauer für dieselbe die Hörweite für die 
Sprache bedingt-, so muß, soweit nicht die Hörfähigkeit des zweiten 
Ohres und eine Beteiligung der schallempfiudenden Teile ändernd ein- 
wirken, in allen denjenigen Füllen, in denen die erhaltene Tonstrecke 
die gleiche ist. die Hörweite für die Sprache um so größer sein, je besser 
das quantitative Hörvermögen dieser Tonstrecke wird. Ueberblieken wir, 


Cl C C C| C 2 Cs C4 C5 C C Ci C 2 ?2 C3 C* Cß 



Fl. auf 7 m beiderseits. Kopfersehütterung. Fl. r. auf mindestens 12 m (Größe des l'nter- 

stirhungsziromers), 1. auf 6 m. Linksseitige 
Mittelohreiterung, rechtes Ohr norin.il. 

um dieses festzustellen, noch einmal alle Fälle, bei denen 
eine gleiche Einengung der unteren Tongrenze verzeichnet ist, 
so ergibt sieh folgendes: Bei einer Einschränkung der un¬ 
teren Tongrenze bis c fanden wir eine Hörweite von 0,5 bis 
7 m, und zwar zeigte uns Abbildung Nr. 10 (rechts) eine Hör¬ 
weite von 0,5—075 m, Nr. 8 (rechts) eine solche von 1 m, Nr. 13 
(links) eine solche von 2 m, Nr. 22 eine solche von 2,5 m, Nr. 23 eine 
solche von 2—3 m, Nr. 15 (rechts) eine solche von 3,5 m, Nr. 17 (links) 
von 4 m, Nr. 34 (links) von 7 m. Wenn wir diese Kurven daraufhin 
betrachten, ob mit der Zunahme der Hörweite für die Sprache eine 


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— 468 — 


Besserung des quantitativen Tongehörs für ci bis cs Hand in Hand geht, 
so sehen wir das tatsächlich im wesentlichen zutrefTen: steiler Anstieg 
der Kurve sofort beim Beginn und möglichst hohe Lage ihres End¬ 
teiles zeigen sich als ausschlaggebende Faktoren, soweit nicht eine 
schlechte Hörfähigkeit der zweiten Ohres und Hörverluste im Gebiete 
der ultramusikalisehen Töne verschlechternd eingreifen. Entspricht 
der Kurve 17 (links) nur eine Hörweite von 4 m. der Kurve 34 (links) 
eine solche von 7 m für Flüstersprache, obwohl Kurve 17 (links) das 
bessere Tongehör repräsentiert ,so können wir dieses auf das zweite 
Ohr beziehen, das im Fall 17 (links) nur 0,6 m. im Fall 34 (links) da- 



Fl. r. auf 24 m, 1. auf 7 m. Kopferschtltterung. r. Fl. auf 27 m, L auf 10 m. 1. chronische 

Mittelohreiterung mit zentraler Perforation, 
r. Ohr normal. 

gegen auf 24 m hört. Wenn ferner im Fall 23 die Hörweite des rechten 
Ohres hinter 15 (rechts), 17 (links), 34 (links) trotz des steilen Auf¬ 
stieges am Anfang zurückbleibt, so ist der Grund in der schlechten Hör¬ 
dauer für er, und dem Hörverlust im Bereich des Galtonpfeifchens zu 
suchen. Auch die etwas bessere Hörweite des rechten Ohres im Falle 
15 im Vergleich zum rechten Ohr im Fall 22 ist zu erklären, obwohl 
auf den ersten Blick Nr. 22 (rechts) das bessere Tongehör zu repräsen¬ 
tieren scheint, wir sehen Kurve 15 (rechts) gleich zu Anfang im Be¬ 
reich von ci steiler ansteigen und mit c.-, einen höheren Endpunkt er¬ 
reichen. Betrachten wir in der gleichen Absicht noch einmal sämtliche 


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— 469 — 


Kurven, bei denen Hörverluste bezw. Beeinträchtigungen der Hör¬ 
dauer unter 10% bis ci vorhanden waren, so hatten wir bei Kurve 17 
(rechts) eine Hörweite von 0,6 m, bei 12 (links) und 16 (rechts) von 
0,66 m, bei 13 (rechts) von 0,75—1 m, bei 15 (links) und 18 (rechts) 
von 1 m, bei 22 (links) von 2 V 2 m, bei 21 (rechts) von 3 m, bei 25 
(links) von 4 m, bei 33 (rechts) von 6 in und wir würden entsprechend 
der Hörweite für die Sprache zu erwarten haben, daß das quantitative 
Tongehör sich in der Reihenfolge 17, 12, 16. 13, 15„ 18, 22, 21, 25, 2o 
steigert, soweit nicht sonstige Faktoren modifizierend initwirken. Tat¬ 
sächlich finden wir das auch bestätigt, allein Nr. 21 (rechts) — ein 



36. 

- r. - - - 1. 

F’. auf 20 m beiderseits. Geheilter beiderseitiger 
Aiittelohrkatarrh. 



Fl. auf 20 m beiderseits. Kopf¬ 
erschütterung. 


Fall von Mittelohreiterung entstanden durch Kopferschütterung — 
paßt nicht in die Reihenfolge hinein, wir werden auf dieses häufig 
vorkommende Mißverhältnis zwischen Tongehör und Sprachgehör nach 
Kopferschütterungen nachher noch eingehend zurückkommen. Wenn 
wir ferner bei Nr. 22 (links) trotz der wesentlichen Verschlechterung 
des Tongehörs gegen Kr. 17 (rechts) und 16 (rechts) eine etwa gleich 
gute Hörweite für die Sprache finden, so ist das wohl der guten Hör¬ 
fähigkeit des zweiten Ohres zuzuschreiben. Der Unterschied zwischen 
15 (links) und 22 (links) liegt zugunsten von 22 (links) in dem besse¬ 
ren Beginn der Kurve bis zu ca, der Unterschied zwischen 25 (links) 


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— 470 — 


und 33 (rechts) aus demselben Grunde zugunsten von 33. Betrachten 
wir endlich nochmals die einander außerordentlich ähnlichen Kurven 9 
(links), 19 (beiderseits) und 14 (links), die sämtlich eine Einengung 
der unteren Tongrenze bis ca bezw. eine Beeinträchtigung der Hör¬ 
dauer hierselbst unter 10 % zeigen und dabei eine Hörweite für Flüster¬ 
sprache auf 0,30 m, 0,40 in, 1,50 in. Wir können die Hörweite von 
1.50 m ihs Falles 14 (links) nur auf die gute Hörfähigkeit des zweiten 
Ohres beziehen. Das Verhältnis zwischen Nr. 9 (links) und 19 ist in¬ 
dessen nicht ein wandsfrei, wir würden bei der guten Hörfähigkeit des 
zweiten Ohres im Fall 9 eine bessere Hörweite wie im Fall 19 erwarten 


100 

90 

80 

70 

60 

50 

40 

30 

20 

10 

0 


Ci C c c, ct c 3 c 4 c 5 Ci C c Ci gi gi cj c* c 5 



Fl. 


auf £4 m 


38 . 

beiderseits. 


- 1. — r. - - - 1. 

Kopfersehtlttemng. Fl. auf 27 m beiderseits, leichter Tubenkatarrh beiderseits. 


müssen, da mir indessen eine Notiz über die Ilörfähigkeit. der Töne 
des Galtonpfeifchens fehlt, so ist eine einwandsfreie Aufklärung nicht 
möglich. Die Zusammenstellung bestätigt also im wesentlichen da& 
vorhin Gesagte. Wir fanden bei einem Hörverlust an der unteren 
Tongrenze bis c eine Hörweite von 0,5—7 m, bei einem solchen bis ci 
eine Hörweite von 0,(5—6 m, bei einem Hörverlust bis c» eine Hörweite 
von 0,3—1.50 in; ob bei an sich gleichartiger Einengung der unteren 
Tongrenze der Minimal- oder Maximalwert der Hörweite erreicht 
wurde, hing im großen und ganzen von den vorhin erwähnten Faktoren 
ab: allmählicher t der steiler Aufstieg der Kurve gleich zu Anfang,. 


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— 471 — 


tiefere oder höhere Lage ihres Endteiles, Hörverluste oder normales 
Verhalten bezüglich der ultramusikalischen Töne jenseits c*5, mehr oder 
weniger gute Hörfähigkeit des zweiten Ohres. Es läßt sich also aus 
derartigen Kurven ein Urteil über die mögliche bezw. zu erwartende 
Hörfähigkeit für die Sprache abgeben, wenn auch nur innerhalb ge¬ 
wisser variabler Grenzen, wie ich ausdrücklich immer wieder betonen 
möchte, um nicht mißverstanden zu werden. 

Da wo kein Hörverlust besteht bezw. keine Beeinträchtigung der 
Ilördauer unter 10%, scheint unter Geltung der erwähnten, sonstigen 
Faktoren bezüglich der Hörweite für die Sprache die höhere oder 




40. 

— r. — 1. 

Fl. r. auf 9,5 m. 1. auf 8 m. Kopferschüttorung 


41. 

— r — 1. 

Fl. r. 32 in. 1.17 für 88. 99.55 mul 27 m fflr alle übrigen 
Zahlen. Links Cholesteatom, r. Ohr normal. 


tiefere Lage der Kurve im Ilörrelief maßgebend zu sein, doch ist hier 
das Abhängigkeitsverhältnis durchaus nicht so scharf zu präzisieren, 
wie in denjenigen Fällen, in denen eine Einengung der Tongn nzen 
vorliegt; der Spielraum, innerhalb dessen die Beziehungen zwischen 
Ton- und Sprachgehör sich bewegen, ist vielmehr variabler, schwan¬ 
kender, und zwar um so mehr, je geringer der Grad der Hörstörung 
ist. Wir werden auf die Gründe sogleich einzugehen haben. 

Von erheblichem Einflüsse zeigte sich überall der Ausfall der ultra¬ 
musikalischen Töne. Wo Hörverluste im Bereiche des Galtonpfeif- 
ehens bestanden, sank, wie wir wiederholt sahen, die Hörweite für die 


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Sprache unter die sonst zu erwartende. Es liegt dieses wohl vorzugs¬ 
weise daran, daß mit dem Ausfallen dieser ultramusikalischen Töne 
eine größere Zahl von für das Konsonantenverständnis wichtiger Laute 
fortfällt, wie ja auch L u c a e in seinem Buche „Die progressive 
Schwerhörigkeit“ sagt „es sei in den verschiedenen Sprachlauten eine 
noch gar nicht übersehbare Anzahl von Tönen und Geräuschen, von den 
tiefsten bis zu den höchsten.“ Diese höchsten Töne und Geräusche 
spielen unter Umständen eine wesentliche Rolle. Ich sage absichtlich 
„unter Umständen“, denn da. wo die musikalischen Töne bis cs gut 

Cl C C Ci ^ C 3 ^ ^ Ci C 2 C 3 C 4 C 5 






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■ 






■ 

■ 






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in 






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an 






an 






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ni 

■ 


■ 


Fl. r. 0,50 m für 55, für alle übrigen Zahlen 
32 m. Rechts Mittelohreiterung mit Licht¬ 
kegelperforation. 


43. 

--- r. - 1. 

r. obere Tongrenze Galton 17000, untere a, Taub¬ 
heit für Flüster- und Umgangssprache. I. obere 
Tongrenze Galton 18500. untere H t , laute Um¬ 
gangssprache am Ohr verstanden. 


gehört werden, hat ihr Ausfallen anscheinend keine erhebliche Bedeu¬ 
tung, das zeigen die vielen Menschen, die die Uhr und die verschiedenen 
Hörmesser gar nicht hören, trotzdem aber — eben wegen ihres guten 
Hörvermögens für die musikalischen Töne bis c» — ein vorzügliches 
Sprachgehör besitzen. Ganz anders kann aber die Sachlage werden, 
wenn zu dem Schlechthören der ultramusikalischen Töne eine Schädi¬ 
gung des Hörvermögens für die musikalischen Töne, z. B. durch einen 
Tubenkatarrh, hinzutritt. Dann ist ceteris paribus das Sprachgehör 
derer, die auch die ultramusikalischen Töne nicht hören, oft ein ganz 
erheblich schlechteres wie das Sprachgehör derjenigen, die Hörverluste 


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— 473 — 


im Gebiet der ultramusikalischen Töne nicht besitzen. Derartige Fälle 
sind bei professioneller Schwerhörigkeit, bei beginnender Arterio- 
sklerose, bei beginnender Altersschwerhörigkeit, nach Kopferschütte¬ 
rungen zu sehen; Leute, die sich bisher einer Hörstörung gar nicht 
bewußt waren, können, wie ich mehrfach beobachtete, durch einen 
heftigen Tubenkatarrh vorübergehend in einen Zustand hochgradigster 
Schwerhörigkeit verfallen. Therapeutisch sind das natürlich außer¬ 
ordentlich dankbare Fälle. Aber auch, wenn man von dem Ausfall von 
für die Sprache wichtigen Lautelementen absieht, den jede Einengung 
der Hörgrenze im Gebiete der ultramusikalischen Töne bedingt, gewinnt 

Cj c c c . g, c , e. c, c, c s 

100 

80 
70 
öO 
50 
♦0 
30 
20 
10 
0 

man zweifellos den Eindruck, daß in jedem Falle eine Störung der 
schallempfindenden Teile ganz andere Wirkungen erzeugt wie eine 
Störung der Schalleitung, es ist, als wenn eine Verstimmung des ganzen 
inneren Ohres entsteht, wenn auch nur Teile desselben gelitten haben, 
und so sehen wir bei derartigen Fällen immer wieder, daß trotz einer 
verhältnismäßig guten Hördauer für einzeln erklingende Töne der 
Apparat versagt, sobald Gemische von Tönen und Geräuschen, wie sie 
die Sprache repräsentiert, gehört werden sollen, und beim Zusammen¬ 
sprechen mehrerer Menschen stellt sich eine weitere Steigerung dieser 
Störung ein. Es ist hiernach kein Zweifel, daß dasselbe Hörrelief 
einem wesentlich anderen Sprachgehör entsprechen kann, wenn ein 






















— 

.— 


— 

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* 









44. 

--- 1 . 

Fl. auf 0,5 m, obere Tongrenze Galton 4. 


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— 474 


Leiden des inneren Ohres vorliegt, als wenn es sieh um eine Sehall¬ 
leitungsstörung handelt. Wenn z. B. bei einer Erkrankung des inne¬ 
ren Ohres ausnahmsweise im Gegensätze zu dem sonst im allgemeinen 
beobachteten Verhalten der untere Teil des Hörbereiches vorzugs¬ 
weise ergriffen ist. so zeigt das Hörrelief eine Kurve, wie sie sonst 
nur einer Mittelohraffektion entspricht; Abbildung Nr. 43, die einer 
Arbeit von Hegener entnommen ist. und von ihm auf eine Akustikus- 
neuritis bezogen wird, stellt z. B. eine solche Kurve dar. Vergleicht 
man die Kurve des linken Ohres mit der außerordentlich ähnlichen 
Kurve Nr. 22 des rechten Ohres meiner Sammlung, bei der es sich um 



Fl. r. auf 25 m, 1. auf 90 cm. Oaltou r. normal, 1. 3. 

eine ausgesprochene Mittelohrschwerhörigkeit handelt, so fällt der 
große Unterschied bezüglich des Sprachgehörs auf. in einem Falle laute 
Umgangssprache am Ohr, im anderen Flüstersprache auf 2*2 m. 

Es dürfte interessant sein, sämtliche Fälle, die auf das innere 
Ohr zu beziehen sind — es mag sich um rein nervöse Schwerhörigkeit 
handeln oder um Vereinigung von Mittelohr- und nervöser Affektion 
— zusammenzustellen und zu untersuchen, wie sich bei diesen Fällen 
die Beziehungen zwischen Ton- und Sprachgehör verhalten. Um mein 
eigenes Material (Abbildungen Nr. 3. 4. 6, 10, 20, 21, 23, 40, 44, 45, 68) 
zu vergrößern, halte ich es für zweckmäßig, die Literatur zu Hilfe zu 


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— 475 — 


nehmen und die in den Abbildungen 43 ,6, 47, 48, 49, 50. 51, 52 enthalte¬ 
nen Kurven mit heranzuziehen, die von Hegcner aufgenommen und 
einer Arbeit desselben entnommen sind; gewisse Unstimmigkeiten sind 
hierbei natürlich nicht ausgeschlossen, denn der Vergleich von durch 
verschiedene Untersucher mit vielleicht verschiedenen Stimmgabeln und 
auch sonst vielleicht nicht ganz gleichen Untersuchungsmethoden aur- 
genommenen Kurven ist immerhin etwas Mißliches. 

In dreifacher Form repräsentieren sich die Kurven bei Erkran¬ 
kungen der schallcmpfindenden Teile. Die erste und häufigste ist die, 


Ci C c Ci cj c 3 c« c 5 



1000 (anderes Ohr hürt tiber 12 m Fl. uhgewandt). 



47. 

— 1. Prüfung. Fl. auf 0.1—0.:i ra, obere Grenze 
zwischen a 4 und c T . 

-2. Prüfung. Fl. 0.2—0.4 m. obere Grenze 

2M Galton (2 Ohr 5—H m). 


welche nach einem mehr oder weniger normalen Anfang eine nach dem 
obeien Ende zunehmende prozentuale Abnahme der Hördauer zeigt, 
entweder allmählich und langsam oder in Form plötzlichen steilen Ab¬ 
stiegs; in diesen Fällen finden wir fast stets Hörverluste im Gebiete 
des Grltonpi’eifchers, starke Beeinträchtigung der Knochenleitung, 
starke Beeinträchtigung bezw. Aufgehobensein der Hörfähigkeit für 
die Taschenuhr, positiven Rinne und hohe Grade von Schwerhörigkeit 
bei der 77, 22 wesentlich schlechter gehört, werden wie 88; diese Form 
der Kurve ist die häufigste und sie repräsentiert die reine Form der 
nervösen Schwerhörigkeit. Die zweite Art von Kurven hat eine gipfcl- 


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förmige Gestalt, d. h. höchste Stelle in der Mitte innerhalb des Be¬ 
reiches von c—ca und nach oben und unten langsamer oder schroffer 
Abfall, unter Umstanden bis zu Hörverlusten an der oberen und unteren 
Grenze oder an beiden zugleich. Die Funktionsprüfung ergiebt auch 
hier Hörverluste im Gebiete des Gal ton pfeifchens. Schlecht- oder 
Nichthören der Taschenuhr, Verkürzung der Knochenleitung, aber letz¬ 
tere ist oft weniger hochgradig wie in den Fällen ersterer Art, auch 
finden wir häufig einen negativen Finne. Diese Form der Kurve ver¬ 
rät uns im allgemeinen die mit Mittelohrleiden verbundene oder aus 
ihr hervorgegangenc Form der nervösen Schwerhörigkeit, der Grad der 



— i. - - - i. 

r. Fl. auf 1 m. obere Grenze 18000, 1. Fl. ver¬ 
schärft ad eoncham, obere Grenze 13. 


Ci C C Ci C* Cj c« c» 



4 ». 

Neuritis acust. 

Fl. auf ß m (77) bezw. 6 m (100) bezw. 10 fro 
(36, 88), obere Grenze 18000. 


Schwerhörigkeit ist hier häufig weniger hochgradig wie bei der vorigen 
Form, auch hier wird 77, 22 meistens schlechter gehört wie 88, obwohl 
der Unterschied sich nicht so schroff und scharf ausprägt. 

Die dritte, relativ seltene Art von Kurven ist die bald langsam, 
bald steiler aufsteigende, bei welcher also die Hördauer eine nach oben 
zu wachsende prozentuale Zunahme aufweist, an der unteren Grenze 
bestehen bald mehr, bald weniger umfangreiche Hörverluste. Es han¬ 
delt sich also uni eine äußere Gestalt, wie sie sonst typisch für Mittel¬ 
ohrschwerhörigkeit ist, nur die Hörverluste im Gebiete des Galton¬ 
pfeifchens, die Verkürzung der Knochenleitung, das Nichthören der 


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- 477 


Uhr, auch in Knochenleitung, weisen auf das innere Ohr hin. Hier 
ist der Rinne sehe Versuch bald negativ, bald positiv oder für einen 
tieferen Ton negativ, aber für einen höheren bereits positiv. Während 
ersteres für die Entstehung aus einer Mittelohraffektion bezw. für 
Komplikation mit einer solchen spricht, ist aus dem ausgesprochen 
positiven Rinne eine reine nervöse Schwerhörigkeit zu schließen, in 
diesen Fällen pflegt die Prognose ungünstiger, der Grad der Schwer¬ 
hörigkeit ein besonders großer zu sein, auch tritt hier der Unterschied 
zwischen 72 und 88 mehr hervor wie bei den Fällen mit negativem 


100 

90 

80 

70 

60 

50 

40 

30 

10 

0 



60. 

Rechtes Ohr. Neuritis acust. 

— I. Untersuchung. Fl. auf 1 m (77,88), obere 
Grenze 24000. 

--2. Untersuchung. Fl. auf 10 m (100 bezw. 
88), obere Grenze 22000. 


51. 

Neuritis acust. 

— 1. Untersuchung. Fl. auf 3 m, obere Grenze 

Galton 17000. 

- - 2. Untersuchung. Fl. auf 2 m (77), 3-4 m (88), 

obere Grenze Galton 9000. 


Rinne und verhältnismäßig besserer Hörfähigkeit. Beim weiteren 
Fortschreiten der Erkrankung geht meistens, aber nicht immer diese 
Form der Kurve in die gipfelförmige, zu zweit geschilderte, über. 

Wenden w r ir uns nun den Beziehungen zwischen Ton- und Sprach- 
gehör zu, so zeigen sich weitgehende Unterschiede. Schon wenn die 
Kurve bis Ci verlöscht ist, von da an steil aufsteigt und mit c* 35, mit 
ca 100 erreicht, kann wie uns Abbildung Kr. 43 lehrt, Taubheit für die 
Sprache bestehen. Bei Verringerung der Hörverluste an der unteren 
Grenze bis etw’a (J wuirde laute Umgangssprache am Ohr gehört, auch 


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— 478 — 


im Falle 6 (negativer Rinne) wird trotz des Ausfalles von cs und Ein¬ 
engung der oberen Tongrenze bis etwa as Umgangssprache verstanden, 
und zwar laute auf 62 cm. Die Fälle 3 und 4 beweisen nichts, da die 
vorhandene Hörfähigkeit eventuell auf das gut zu hörende zweite Ohr 
zu beziehen ist. Kurve 48 (links) bedeutet eine Verschlechterung des 
Tongehörs im Vergleich zu Nr. 43 (links) auch bezüglich der Ein¬ 
engung der oberen Tongrenze, wenn trotzdem im Fall 48 (links) ver¬ 
schärfte Flüstersprache am Ohr gehört wird, so ist das wohl dem besse¬ 
ren, Flüstersprache auf 1 m hörenden anderen Ohr zuzuschreiben. Die 




— 1. Untersuchung. Fl. auf 03 m (77) bezw. 0,5 Fl. auf 20 in beiderseits. KopferschOtterung. 

(88), obere Grenze Galton 21000. 

- - 2. Untersuchung. Fl. auf 10 m, nur 77 auf 

3—4 m, obere Grenze Galton 16000. 


Kurven 47 (1), 47 (2), 46, 52 (1), 10, 44, 21, 22, 50 (1), 48 (rechts) 
zeigen eine Hörweite von 0,1—1 m. Je größer die normale Strecke in 
dem unteren und mittleren Bereich ist und je weniger tief die Kurve 
gleichzeitig mit c* und cö herabsteigt, um so besser ist die Hörweite. 
Am verhängnisvollsten ist es, wenn zu einem Galtondefekt ein Defekt 
bezw. eine erhebliche Beeinträchtigung der Hördauer an der unteren 
Tongrenze hinzutritt, und zwar wird ein Hörverlust an der unteren 
Grenze um so weniger vertragen, je größer der Galtondefekt ist, schon 
eine Beeinträchtigung der Hördauer bezw. ein Hörverlust bezüglich 
Ci erweist sich bei Gal tondefekten von Wichtigkeit. 


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— 479 — 


Bei den Kurven 51 (2), 20 (rechts), 23 (rechts), 68, 51, 52 (2), 49, 
die einer Hörweite von 2—5 m entsprechen, zeigt sich das gleiche, 
wenn man von geringen Unstimmigkeiten absieht, letzteres gilt be¬ 
sonders von Fall 68, der wegen Unvollständigkeit der Notizen hier 
außer Betracht bleiben muß. Wenn die Hörweite im Fall 23 (rechts) 
besser ist wie in den gleichartigen sonstigen Fällen, so ist darauf hin¬ 
zuweisen, daß es sich hier nicht um eine reine Erkrankung des inneren 
Ohres handelt, wie der negative Rinne und die geringe Verkürzung der 
Knochenleitiing anzeigen. 



64. 

— r. — 1. 

Fl. anf 20 m beiderseits. Kopferschütterung. 



66 . 

- r. --- 1. 

Fl. auf 26 m beiderseits. Kopferschütterung. 


Einer Hörweite von 6—10 m für die am schlechtesten gehörten 
Zahlen entsprechen die Kurven 50 (2) und 40, wir sehen Kurven, die 
bis ca normal bezw. im obersten Viertel sind und in dem Fall der besten 
Hörweite (10 m) mit C 4 bei 90, mit cs bei 45 stehen, während im Fall 40 
mit der Hörweite auf 9,5 bezw. 8 m die Kurve mit C4 60, mit cs sogar 
0 erreicht. Vergleichen wir diese letztgenannten Kurven mit Kurve 
50 (2) und mit der nahezu gleichartigen, bezüglich er, sogar besseren 
Kurve 51 (1), so scheint zunächst eine erhebliche Unstimmigkeit be¬ 
züglich der Hörweite vorzuliegen, die bei der besseren Kurve 2 m, bei 
der etwas schlechteren 9,5 und 8 m beträgt. Wir finden indessen die 
Erklärung, wenn wir berücksichtigen, daß im Fall 40 sämtliche Töne 


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— 480 — 


des Galtonpfeifeliens gehört wurden, während im anderen Falle eine* 
erhebliche Einschränkung bestand, und zwar bis Galton 9000. 

Um nun zu einem anderen Punkte überzuleiten, so hat sich also ge¬ 
zeigt, daß zwischen Tongehör und Hörweite für die Sprache gesetz¬ 
mäßige Beziehungen bestehen, daß dieselben aber nur innerhalb ge¬ 
wisser Grenzen vorhanden sind, die bald weiter, bald enger sind. Wir 
sahen ferner, daß diese Grenzen enger und konstanter sind bei Ein¬ 
engungen der Tongrenzen und bei höheren Graden von Schwerhörig¬ 
keit, daß sie aber um so variabler und inkonstanter werden, je gerin¬ 
ger der Grad der Hörstörung ist und je mehr sich das Ohr einem nor- 


C c Ci Ca c 3 C, c ft Cl C C Cr c* Cj C 4 CR 

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56. 67. 

— r. — 1. — r. — 1. 

Fl. r. auf 24 m, 1. auf 16 m. KopferschUtterung. Fl. amf 18 m beiderseits. Kopfersehatteruu^ 




malen Zustande nähert. Es erscheint angezeigt, jetzt die Gründe zu¬ 
sammenzustellen, welche die Beziehungen zwischen Ton- und Sprach- 
gehör schwankend und inkonstant machen können. Auf die bekannten 
und schon erwähnten Fehlerquellen, die allen unseren Tonuntersuchun¬ 
gen anhaften, und die selbstverständlich hier ganz erheblich mit in. 
Betracht kommen, gehe ich nicht ein. 

Setze ich Gesundheit des Nervensystems voraus, so scheinen im 
übrigen folgende Faktoren in Betracht, zu kommen. 

Zunächst, wie schon mehrfach erwähnt, die Hörfähigkeit des. 
zweiten Ohres. Wir sahen wiederholt, daß der gleichen Hörkurve eine 


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— 481 


größere Hörweite für die Sprache entsprach, wenn das zweite Ohr gut 
hörte, und umgekehrt. Der Grund liegt natürlich zum großen Teil in 
•der Schwierigkeit, das zweite, gut hörende Ohr vom Hörakt vollständig 
auszuschließen. Wissen wir doch, daß gut hörende Menschen selbst 
nach festem Verschluß beider Ohren Umgangssprache noch auf 1 m, 
laute Flüstersprache auf etwa 20 cm verstehen, und daß es auch nicht 
unbedingt sicher möglich ist, ein gut hörendes Ohr durch Verschließen 
vom Hören für Töne von vielleicht ci an auszuschließen, zum mindesten 
für die Anfangszeit der Schwingungsdauer. Aber wir sahen vorhin 
den Einfluß des zweiten Ohres auch da, wo von einem Guthören dessel- 

Cl C C Ci C? Cs C 4 C*> 

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68 . 

- r . 1 . ---1 

Fl. auf 24 ra beiderseits. Kopferschnttenmg. Fl. 

ben nicht die Rede sein konnte, zum Teil scheinen also auch andere 
Gründe mitzusprechen, auf die wir später zurückkommen werden. 

Zweitens kommt in Frage, daß beim Hören nicht nur die Per¬ 
zeption der die Sprache zusammensetzenden Lautelemente eine Rolle 
spielt, sondern auch eine Reihe verwickelter Funktionen der Hirnrinde, 
dren Trennung und Auseinanderhaltung nicht immer möglich sein 
dürfte, und zwaT zunächst das akustische Gedächtnis, das die nieder¬ 
gelegten Wortbilder in das Bewußtsein treten lassen kann, wenn auch 
nur vereinzelte charakteristische Laute des Wortes gehört werden, 
sodann die geistige Verarbeitung, Verwertung und Verknüpfung der 



Ci C c Ci c? Cs c* c« 



— r. — 1. 

auf 10 m beiderseits. Kopfersehfltterung. 


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— 482 — 


aufgenommenen Lautelemente, endlich eine ergänzende und kombi¬ 
nierende Tätigkeit der Psyche, um gewissermaßen durch Erraten und 
Urteilen nicht bezw. schlecht Gehörtes zu ersetzen. Das geistige Ver¬ 
knüpfen und Verarbeiten der gehörten Lautelemente geht wohl ohne* 
Zweifel in den Schläfenlappen des Großhirns vor sich, das zeigt uns- 
z. B. ein nachher zu erwähnender Fall von Panse, sowie neuerdings 
von Kalischer angestellte Experimente. Diesem gelang es, Hunde* 
so zu diessieren, daß sie nur beim Erklingen eines bestimmten Tones^ 
des sogenannten Freßtones, nach ihrem Fressen schnappten.. Wäh¬ 
rend nun die Tiere nach der Exstirpation beider Schläfenlappen, ja 

Ci C c Ci C* C 3 C 4 c 6 CrC c ci C2 cs c 4 Cs 

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60 . 61 . 

— r. — 1. — r. — 1 

Fl auf 16 m beiderseits. Kopfersehiittening. Fl. auf 18 m beiderseits. Kopferschütterung. 

schon nach Entfernung eines auf Kommandoworte und Lockungen 
nicht mehr piompt reagierten, auch Orientierungsstörungen zeigten,, 
erfolgte nach wie vor das Reagieren auf den bestimmten Freßton in. 
prompter Weise, ja es gelang trotz Fehlens beider Schläfenlappen noch, 
die Umdressur auf einen anderen Freßton, d. h. die im Schläfenlappen 
gelegene Stätte dos Verarbeitens, Verwertens, Umsetzens des Gehörs¬ 
eindrücke war geschädigt, während die Aufnahme musikalischer Töne 
trotz Fehlens der Schläfenlappen ungestört weiter vor sich ging. Der 
Sitz dieses letzteren Teiles des Höraktes muß deshalb, wie Kali- 
scher weiter schließt, in infrakortikalen Zentren des Mittelhirns, 
vor sich gehen. Dieses würde dafür sprechen, daß die Fähigkeit, eiii- 




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483 — 


zelne Laute und Töne zu hören, von den übrigen beim Hören in Be¬ 
tracht kommenden Funktionen getrennt verläuft bezw. verlaufen kann. 
Hierfür spricht in gewisser Hinsicht auch die physiologische Psycho¬ 
logie, die annimmt, daß in der Hirnrinde eine Trennung des akusti¬ 
schen Empfindungsfeldes, also der Aufnahmefähigkeit von Hörein¬ 
drücken und des akustischen Erinnerungsfeldes, also des akustischen 
Gedächtnisses, insbesondere auch des Wortgedächtnisses, besteht. Es 
ist nun wohl ohne weiteres einzusehen, daß sowohl das akustische Ge¬ 
dächtnis, wie die Fähigkeit der Psyche zum Erraten und Kombinieren, 
zum geistigen Verarbeiten und Verwerten der Höreindrücke schon beim 

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ft 

normalen Menschen je nach Anlage, Intelligenz und psychischer Dis¬ 
position schwanken und wechseln kann, und zwar unter Umständen 
ganz unabhängig von der Hörfiihigkeit für Töne. Hieraus ergiebt sich 
also ohne weiteres die Quelle eines Mißverhältnisses zwischen Ton- 
und Sprachgchör und in der Worttaubheit sehen wir den extremsten 
Grad dieser -Störung, d. h. bei völlig normalem Tongehör Verlust des 
Wortverständnisses. 

Drittens ist zu berücksichtigen, daß, wie man hei zunehmender Er¬ 
fahrung immer mehr bemerkt, ganz abgesehen von der nachher zu er¬ 
wähnenden Ermüdbarkeit des Ohres die Hördauer oder, wie ich im 
Gegensatz zur Ermüdbarkeit sagen möchte, das definitive Verklingen 
der Stimmgabel töne innerhalb gewisser Grenzen schwankt, und zwar 



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— 484 — 


ändert sich die Hörschwelle für einen Ton mehr, für den anderen 
weniger — je nach der Beschaffenheit des Untersuchungszimmers, Auf¬ 
merksamkeit und Interesse, Ruhe der Umgebung, auch von der jeweili¬ 
gen psychischen Disposition hängt die Stärke der Tonempfindung ab, 
sie ist vielfach feiner am Morgen und nach längerer körperlicher und 
geistiger Ruhe, weniger fein am Abend und nach körperlicher oder 
geistiger Anstrengung. Diesem Schwanken des Moments, in dem die 
Stimmgabeltöne für das Ohr definitiv verklingen, entspricht nicht in 
dem gleichen Grade ein Schwanken für die Hörweite der Sprache, 
weil eben die Psyche ergänzend und kombinierend eingreift und diese 


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Fähigkeit der Psyche einem gleichen Grade von Wechsel und Schwan¬ 
kung nicht zu unterliegen braucht. Wir können uns auch vorstellen, 
daß die geistige Verwertung und Verarbeitung der Gehörseindrücke 
im Schläfenlappen eine so feine und exakte sein kann, daß trotz einer 
gewissen Beeinträchtigung des quantitativen Tongehörs eine 
Schädigung des Sprachgehörs ausbleibt. Hier tritt 'auch einer 
der Gründe zutage, warum die Breite, innerhalb welcher das 
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ton- und Sprachgehör schwankt, um 
so weiter wird, je weniger das Ohr in seiner Hörfähigkeit geschädigt 
ist. Es ist nämlich für ein gut hörendes Ohr oft recht schwierig, 
den Augenblick des Verklingens der Stimmgabel anzugeben, und jo 
länger die Schwingungsdauer der Gabel ist, um so mehr sind außer 


Cl C c C, g'i C 2 S* Ca C4 Cs 



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- 485 — 


einer gewissen geistigen Kraft auch Aufmerksamkeit, Interesse und 
Ruhe der Umgebung erforderlich, wenn es nicht zu einer Verkürzung 
der Hördauer kommen soll. Das schwerhörige Ohr hingegen kann viel 
präziser und sicherer den Moment des endgültigen Verklingens der 
Gabel angeben, da dieser Moment bei ihm in den steilen Anfangsteil 
der Abschwingungskurve fällt und naturgemäß psychische und son¬ 
stige Faktoren in wesentlich geringerem Umfange in Frage kommen, 
wenn es sich um eine kürzere Hördauer handelt. Deshalb fand ich 
auch bei Nachuntersuchungen die Werte, um so übereinstimmender und 
um so gleichmäßiger, je geringer die fragliche Hördauer war. 



- r. -- -1. — r. - - - 1. 

Fl. auf 24 m beiderseits. Kopferschfltterung. Fl. auf 27 m beiderseits. Hysterie. 

Viertens ist der Ermüdbarkeit des Ohres Stimmgabeltönen gegen¬ 
über zu gedenken, die, wie ich an anderer Stelle eingehend erörtert 
habe, eine Eigentümlichkeit sowohl des normalen wie des kranken. Ohres 
ist. Kann man auch die hieraus resultierenden Fehlerquellen wesentlich 
verringern, wenn man die Gabel nach dem erstmaligen intermittieren¬ 
den Verklingen immer wieder dem Ohre nähert, bis der Ton endgültig 
verklungen ist, so bleibt doch trotzdem diese Ermüdbarkeit Tönen 
gegenüber eine Fehlerquelle, und da ihr bei der Fähigkeit der Psyche 
zum Ergänzen und Kombinieren nicht in gleichem Grade eine Ermüd¬ 
barkeit der Sprache gegenüber entspricht, so ergiebt. sich hieraus ein 


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486 — 


abermaliger Faktor, der ein Mißverhältnis zwischen dem feststellbaren 
Tongehör und dem Sprachgchör begünstigt. 

Wir haben dieser Erörterung die Voraussetzung eines gesunden 
Nervensystems zugrunde gelegt. In ganz besonderer Weise scheint 
mir nun als fünfter Faktor eine ungünstige Beschaffenheit des Nerven¬ 
systems zu einem Mißverhältnis zwischen quantitativem Tongehör und 
Hörweite für die Sprache zu disponieren, und zwar erstrecken sich 
meine Erfahrungen besonders auf Neurasthenie, Hysterie und die durch 
Kopferschütterungen bedingten Störungen des Nervensystems. W erfen 


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— r. -- - 1. 

FI. r. auf 27 ra. 1 auf 32 m. Beiderseits adhft- 
renter, nur oben beweglicher Hammer. Neur¬ 
asthenie. 


wir einen Blick rückwärts auf unsere letzten Erörterungen, so hatten 
wir Ursache, uns mit den beim Hörakt in Betracht kommenden Fak 
toren zu beschäftigen, und zwar mit der sowohl kortikal wie infra- 
kortikal vor sich gehenden Perzeption der die Sprache zusammensetzen¬ 
den Elemente und ihrer Hördauer, ferner mit dem akustischen Ge¬ 
dächtnis und der geistigen Verarbeitung dieser Lautbestandteile im 
Schläfenlappen, endlich mit der kombinierenden Tätigkeit der Psyche, 
die Fehlendes ergänzt und errät und dadurch zu einem Ausgleich ander¬ 
weitiger Störungen beiträgt. Es ist nun zunächst zu konstatieren, daß 
die schon dem Nervengesunden eigentümliche Beeinflussung der Hör- 


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— 487 — 


dauer von Stimmgabeltönen durch die vorhin erwähnten Momente* 
beim Nervösen eine recht gesteigerte ist, daß also das definitive Ver¬ 
klingen der Stimmgabeln innerhalb erheblicherer Grenzen schwankt 
und wechselt wie beim Nervengesunden. Hierzu kommt, daß die dem 
Normalen eigentümliche Ermüdbarkeit des Ohres Stimmgabeltönen 
gegenüber bei Ner\ösen, ganz besonders aber nach Kopferschütterun- 
gen oft exzessive Grade erreicht. Wer oft derartige Laute mit Stimm¬ 
gabeln untersucht, wird erstaunt sein über die verschiedenartigen, ver¬ 
wirrenden, sich widersprechenden Ergebnisse, die man bei Wieder¬ 
holung der Untersuchungen erhält, wenn man nicht dieser gesteigerten 



Apoplexie. 

Ermüdbarkeit des Ohres auf das Sorgfältigste Rechnung trägt und 
nach dem erstmaligen Verklingen der Gabel dieselbe dem Ohre immer 
wieder nähert, bis nach einer oder mehreren Intermissionen — die 
Zahl derselben kann 10 und noch mehr betragen — die Gabel 
endgültig verklingt. Verfährt man so, dann werden die Fehler 
zwar wesentlich geringer und die Ergebnisse auch bei wieder¬ 
holten Untersuchungen bedeutend gleichartiger, es resultieren 
aber natürlich aus dieser Ermüdbarkeit gemeinsam mit der vorhin 
geschilderten Beeinflußbarkeit der endgültigen Hördauer recht be¬ 
merkbare Schwankungen in der Beschaffenheit der Ilörreliefs. und da 


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— 488 — 


bei der immer wieder zu erwähnenden Fähigkeit der Psyche, zu erraten 
und zu ergänzen, diesen Schwankungen der Hördauer nicht in gleichem 
Grade Schwankungen der Hörweite für die Sprache entsprechen, so 
resultiert daraus ein Mißverhältnis zwischen Hörkurve und Sprach- 
gehör — die Hörweite für die Sprache bleibt nahezu unverändert trotz 
Sinkens der Hörkurve. Beispiele hierfür sind z. B. Abbildungen 53, 
54, 55, 56, es handelt sich um eine Hörweite für die Sprache, die wesent¬ 
lich besser ist, als dem Hörrelief nach im allgemeinen zu erwarten wäre. 

Aber-auch das entgegengesetzte Verhalten, d. h. eine viel geringere 
Hörweite für die Sprache, wie dem Tongehör nach anzunehmen wäre, 


Ci C c ci c? c 8 c e Ci C c ci & a $ c* c* c 5 




70 . 

Galton normal. 


71 . 

— r. ---1. 

Galton r. normal, 1 widersprechende Angaben. 


finden wir bei Alterationen des Nervensystems, und zwar gleichfalls 
ganz besonders bei den Folgezuständen von Kopferschütterungen. 
Werfen wir z. B. einen Blick auf die Abbildung 57 mit einer Hörweite 
von 18 m für die Flüstersprache; es handelt sich um eine frische Kopf¬ 
verletzung mit allgemein nervösen Störungen. 

Der Lage im Hörrelief nach könnte der Kurve eine Hörweite über 
24 m entsprechen und tatsächlich sehen wir in Abbildung 58 (Fall von 
viele Jahre zurückliegender Kopfverletzung) einer nahezu gleichartigen 
Kurve eine Hörweite von 24 m entsprechen. Bemerkenswert sind auch 
Jic Abbildungen 59 und 60, bei denen es sich um Schwündelanfälle mit 


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— 489 — 


Gleichgewichtsstörungen handelt: trotz relativ hoher Lage der Kur¬ 
ven im Hörrelief beträgt die Hörweite für Flüstersprache im Fall 60 
nur 15, im Fall 59 nur 10 m. Um weitere Beispiele anzuführen, haben 
die Abbildungen 55 und 59 nahezu gleiche Kurven; trotzdem differieren 
die Fälle — beides allgemeine Störungen des Nervensystems mit- 
Schwindelailfällen und Gleichgewichtsstörungen — ganz erheblich hin¬ 
sichtlich ihrer Hörweite, die 10 und 25 m beträgt. 

Also in zweifacher Weise macht sich in diesen Fällen das Mi߬ 
verhältnis zwischen Tongehör und Sprachgehör geltend: entweder 
leidet die Fähigkeit, die einzelnen Lautelemente zu perzipieren, so daß- 



- r. - - - 1. 

Galton normal. 

es zu einer Verkürzung der Hördauer kommt, an welcher eine Ver¬ 
kürzung der Hörweite für die Sprache nicht in entsprechender Weise 
teilnimmt; oder aber es sind die erwähnten sonstigen, beim Hörakt eine- 
Rolle spielenden kortikalen Faktoren beeinträchtigt, dann rücken die 
Worterinnerungsbilder nur in das Bewußtsein, wenn die einzelnen 
Töne mit einer größeren Stärke zu den Zentren gelangen, als wie es- 
sonst erforderlich ist, der Folgezustand ist eine Verminderung der Hör¬ 
weite für die Sprache, welcher die Verkürzung der Hördauer für Töne 
nicht entspricht. Schon der alte, auch von anderen Autoren zitierte 
Satz „Traurigkeit macht schwerhörig“ deutet in gewissem Sinne auf 


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•diese Beziehungen, die mit der Traurigkeit verbundenen psychischen 
Hemmungsvorgänge wirken eben auch hemmend und verlangsamend 
.auf den Ablauf der beim Hörakt in Frage kommenden höheren psychi¬ 
schen Vorgänge. 

Der Versuch zu ermitteln, ob in dieser Hinsicht die einzelnen For¬ 
men nervöser Alteration charakteristische Unterschiede aufweisen, hat 
zu sicheren Ergebnissen bisher nicht geführt, es läßt sich aber etwa 
Folgendes aussagen: 



— Taubheit. Zweites Ohr gleichfalls hochgradig 

schwerhörig. Erhebliche Galtondefekte. 

— laute Umgangssprache in der Nahe des Ohres. 

Zweites Ohr gleichfalls hochgradig schwerhörig. 
Erhebliche Gal tondefekte. Bei jeder weiteren 
Einengung der oberen oder unteren Tongrenze 
ist Taubheit anzunehmen. 


Es scheint der erstere Modus — also gutes Sprachgehör bei nicht 
in dem gleichen Verhältnis gutem Tongehör — eine sowohl der Neur¬ 
asthenie, wie der Hysterie, wie den Erkrankungen des Nervensystems 
nach Kopferschütterungen eigentümliche Störung zu sein. Sie pflegt 
um so häufiger und deutlicher in die Erscheinung zu treten, je mehr 
die Hörfähigkeit in der Nähe der normalen Grenze sich bewegt, und 
scheint bei der reinen Neurasthenie die gewöhnliche Art zu sein, in der 
-das Mißverhältnis zwischen Ton- und Sprachgehör sich geltend macht, 
nur selten und bei schwerer Neurasthenie scheint der zweite Modus 
-der Störung vorzukommen. Erinnern wir uns der bekannten, oft hoch- 


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— 491 — 


gradigen Empfindlichkeit der Neurastheniker gegen akustische Reize, 
so passen diese Störungen gut in das Bild der Neurasthenie: abnorme 
Reizbarkeit einerseits und abnorme Erschöpfbarkeit andererseits; auf 
<ler einen Seite gegenüber Höreindrücken eine psychische Hyperalgesie 
und reizbare Verstimmung, so daß stärkere Geräusche und schrille Töne 
oft das ganze Befinden für längere Dauer alterieren können, auf der 
anderen Seite die geschilderten Erscheinungen von Erschöpfbarkeit und 



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74. 

1. — Flflstersp rache Ober 1 m, zweites Ohr hört nicht 

wesentlich besser. Galton normal, auch ßonst 
keine Labyrinthsymptome. 

2. — Flüstersprache über 1 m. zweites Ohr hört normal 

bezw. gut, Galton normal, auch sonst keine 
Labyrinthsymptome. 

3. — — Flüstersprache über 1 m, zweites Ohr hört normal 

bezw. gut. Galton normal, auch sonst keine 
Labyrinthsymptome. 


Ermüdbarkeit. Und wie an anderen Organen, so sehen wir auch hier 
•die Neurasthenie die Grenze zwischen normal und pathologisch ver¬ 
wischen, so daß der normale und pathologische Zustand ganz allmählich 
ineinander übergehen. 

Bei den Störungen des Nerven syst eines nach Kopfverletzungen 
scheint die zw’eite Art der Störung, d. h. Herabsetzung der Hörweite 
für die Sprache, der eine Beeinträchtigung des Tongehörs nicht ent¬ 
spricht, etwas häufiger wie bei der genuinen Neurasthenie vorzukom- 


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— 492 — 


men, und ich habe vorhin einige charakteristische Beispiele hierfür 
anführen können. 

Bei der reinen Hysterie scheint sich das Mißverhältnis zwischen 
Ton- und Sprachgehör in dieser Form noch häufiger geltend zu machen, 
und zwar, wenn ich die Mitteilung der Literatur zu Hilfe nehme, unter 
Umständen in gröbster Form als hochgradige Schwerhörigkeit für die 
Sprache, sogar als Spiachtaubheit bei guter, dem in keiner Weise ent¬ 
sprechender Hörfähigkeit für Töne. Gradenigo hat z. B. bei 

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0 

76. 

Flflstersprache über 1 m, zweites Obr gleichfalls 
sehr schwerhörig, Hörverluste bezüglich Gal ton. 

- Flttsterspracbe über 1 m, zweites Ohr gleichfalls 
sehr schwerhörig, Galtondefekt nicht über die 
6 Oktave 

— Flüstersprache über 1 m. zweites Ohr gleichfalls 
sehr schwerhörig, Galton normal, auch sonst 
keine Labyrinthsymptome. 

Hysterie sehr gute Hörweite für die Taschenuhr neben hochgradiger 
Schwerhörigkeit für die Sprache beobachtet. Der jähe Wechsel der 
Art und des Grades der Hörstörungen bei Hysterie ist allgemein be¬ 
kannt, so daß Schwerhörigkeit für die Sprache bei guter Hörfähigkeit 
für Töne dem gegenteiligen Verhalten Platz machen kann, also guter 
Hörweite für die Sprache bei beeinträchtigtem Tongehör. Auch darin 
scheint sich die Hysterie von der Neurasthenie und den Folgezuständen 
von Kopftraumen zu unterscheiden und eine gewisse Sonderstellung 
einzunehmen, daß das Mißverhältnis zwischen Ton- und Sprachgehör 


1 .— 

2 .-- 

3. — 



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ein ganz besonders krasses sein» kann, daß z. B. llörliieken bei gutem 
-Spracligehör Vorkommen. So beschreibt Y o ß einen Fall, wo cs gar 
nicht gehört wurde, während zur Feststellung der Hörweite für die 
Sprache und die Uhr die Länge des Untersuchungszimmers nicht aus¬ 
reichend war. Auch bei der Hysterie spielen neben der Anästhesie des 
l erzeptionsapparates die gleichzeitige Hyperästhesie gegen Töne und 
Geräusche eine Rolle, und zwar ist es mein Eindruck auf Cr und der 


Cl C C Ci Ö C* gl Cd C« Cs 



70. 

— 1. Flflstcrsprache über 4 m, zweites Ohr hört nicht 

besser. Galton normal, auch sonst keine Laby- 
riiithsyrnptoine. 

— ± FlQflterspracho (Iber 4 m. zweites Ohr hört 
lasser. Gal ton normal, auch sonst keine Lab.v- 
rinthsyinptome. 

— 3. Flflstersprache (Iber 4 m, zweites Ohr hört nicht 

besser. Oalton normal. 

-4. Flüsterspraehe Aber 4 m. zweites Ohr hört nicht 

besser. Galtomlefekt. 


Erfahrung bei etwa 200 Fällen, daß diese akustische Hyperästhesie- bei 
diu durch Köpft raumen bedingten Störungen des Nervensystems eine 
wesentliche geringere» Rolle spielt wie bei der reinen Neurasthenie und 
Hysterie. Bei der let/terin scheint sie nach den Berichten anderer 
Beobachter ganz c igcntömlicbo Formen annehmen zu können, so be¬ 
richtet S t e i n h r ii g g e über einen Fall, wo jede Instrumentalmusik 
- - aber nur diese» und nicht («erüusche - Krampfanfälle auslöste. 


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— 494 — 


II. 

Um uun zu dem zweiten Punkt unserer Betrachtungen überzu- 
gehen, den Beziehungen, die zwischen den beiderseitigen Hörkurven 
obwalten, so habe ich schon in meiner vorhin zitierten Arbeit über 
Kopfersehütterungen auf die große Aehnlichkeit hingewiesen, welche 
die Kurven beider Ohren nach Kopftraumen haben. Ein Blick auf 
die Abbildungen 40, 53, 55, 57, 59, 60, 61 überzeugt hiervon. Die Ur¬ 
sache dieser Aehnlichkeit habe ich darin gesehen, daß es sich nicht um 


Ci C c Ci £i c, gs o 3 C4 c 5 



Symptome. 

ein individuelles Leiden der einzelnen Ohren, sondern um eine beide- 
Ohren gemeinsam treffende Schädlichkeit handelt. Diese Aehnlichkeit 
der beiderseitigen Hörkurven trifft man, wie in gewissem Sinne zu 
erwarten war, auch in sonstigen Fällen gleichartiger Erkrankung beider 
Ohren. Handelt es sich z. B. um reine beiderseitige Mittelohrschwer¬ 
hörigkeit wie in den Fällen 22, 27, 29, 39, oder um eine rein nervöse 
Ohrenaffektion w T ie in Abbildung 40, so ist äußerlich die eine Kurve 
oft nahezu ein Spiegelbild der anderen. Es ist nun interessant, daß 
Mich daun, wenn das eine Ohr völlig gesund, das zweite allein erkrankt 


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— 495 — 


ist, das Hörrelief des gesunden Ohres sich oft in seiner äußeren Ge-r 
stalt durchaus dem kranken Ohre anpaßt. Das zeigen in vortrefflicher 
Weise z. B. die Abbildungen 4, 12, 33, die denselben Kranken in ver¬ 
schiedenen Stadien betreffen, auch die Abbildungen 35, 41. In den 
Abbildungen 4, 12, 33 handelt es sich um eine akute linksseitige Mittel- 
ohreiterung bei völlig gesundem und stets gesund gewesenem rechten 
Ohr. Zeigt schon in Abbildung 33 der Beginn der Erkrankung die An¬ 
passung der Kurve des gesunden Ohres an die des linken, so sehen wir 
auch in den Abbildungen 12 und 4. daß die Kurve des rechteu Ohres 



— Flflstersprache über 6 bis 7 m. Galton normal. 


an ihrem Anfangsteil um so tiefer steigt, je mehr am kranken linkeir 
Ohr die Einengung der unteren Tongrenze zu nimmt. Auch die Abbil¬ 
dung 35 zeigt in deutlichster Weise, wie die Kurve des völlig gesun¬ 
den rechten Ohres sich derjenigen des kranken linken ohne einen son¬ 
stigen ersichtlichen Grund anpaßt. In Fall 41 kommt es zum Ausfall 
v«m Ci auf dem zweiten rechten Ohr, obwohl dasselbe gesund war und 
nach den bestimmten Angaben des sehr intelligenten Kranken auch 
früher niemals krank war. Meines Erachtens prägt sich in diesem 
f« inen Reagieren der Kurve des gesunden Ohres auf diejenige des 
| ranken in deutlichster. Weise die durch die Kreuzuug beider Hörnerven 


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— 496 — 


bedingte Abhängigkeit beider Ohren voneinander aus, das Hören ist 
eben stets binaural; Hörimpulse, die dem rechten Ohre zu gehen, er¬ 
reichen auch das linke und eine Schädigung des einen trifft auch in 
gewissem Grade das andere Ohr. 

Es ist vielleicht von Interesse, im Anschluß hieran die äußeren 
Formen zusaminen/ustellen, welche die Hörkurven bei verschiedenen 
Erkrankungen aufzuweisen pflegen. Wir finden im allgemeinen bei den 
landläufigen Erkrankungen ganz typische, immer wiederkehrende For¬ 
men. So ist es ja allgemein bekannt, daß, je nachdem es sich um vor¬ 
zugsweise Mittelohr- oder nervöse Schwerhörigkeit handelt, die Kurve 
eine im allgemeinen auf- oder absteigende zu sein pflegt, wenn auch 
der Aufstieg oder Abstieg oft unregelmäßig und im Zickzack oder 
staffelförmig erfolgt. Bei nervöser Schwerhörigkeit findet man oft 
einen jähen Abstieg der bisher nahezu normalen Kurve, bei Kombina¬ 
tion von Mittelohrschwerhörigkeit mit Beteiligung der schallemptin- 
denden Teile eine anfangs aufsteigende, am Schluß steil abfallende. Ab¬ 
bildungen Kr. 6*2 und 63 enthalten in schematischer Weise diese am 
häufigsten vorkommenden Kurven typen. 

Der mittlere Tonbereich pflegt sich beim schwerhörigen Ohr int 
allgemeinen in gleiehmäfeiger und regelmäßiger Weise zwischen Anfang 
und Ende der Kurven einzufügen. Dem Verlöscht werden hält er in 
der überwiegenden Zahl der Fiillo am längsten stand, so daß. auch wenn 
ausgedehnte Hörverluste an der oberen und unteren-Grenze bestehen, 
eine Reihe der dazwischen liegenden Töne noch eine gewisse Zeit lang 
gehört werden. Das scheint in gewisser Hinsieht mit der pathologisch- 
anatomischen Forschung übcrcinzustimmen. denn nach den Unter¬ 
suchungen von S i e b e n mann und anderen sind in verschiedenen 
Fällen von Taubstummheit gerade Teile der mittleren Windung der 
Schnecke am längsten vor dein völligen Fiitergang bewahrt geblieben. 
Andererseits pflegt das gleichzeitige Verlöschtsein sowohl der oberen 
wie der unteren Tongrenze von einer Beeinträchtigung der Hördauer 
auch des dazwischenliegenden Tonbereiches begleitet zu sein. leb 
fcal>c zwar Kurven gesehen, bei denen normale Hördauer im mittleren 
Tonbereich mit einer mehr oder weniger starken Beeinträchtigung an 
beiden Grenzen verbunden war, aber bisher noch niemals eine Kurve, 
bei der Verlöschtsein beider Grenzgebiete mit normaler Hördauer für 
mitthre Töne vereinigt war. Aber auch Kurven, die im Gegensatz zu 
dem eben geschilderten Verhalten ihren tiefsten Stand nicht am An¬ 
fang oder Ende, sondern in dem dazwischenliegenden Tonbereich haben 
oder die ein isoliertes Ergriffensein dieses Tonbereiches zeigen, sind 
unx vorhin mehrfach begegnet. Fs ist zweckmäßig, liier in gesonderter 


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497 — 


Weise diejenigen Fälle zu betrachten, bei denen die Hörfähigkeit für 
die Sprache gar nicht, oder in einem praktisch nicht in Betracht kom¬ 
menden ( t rade gelitten hat, und die Fälle von Schwerhörigkeit. Beim 
nicht schwerhörigen Ohr kommt ein isoliertes Ergriffensein des mittleren 
Tonbereiches ungemein häufig vor und zwar als Zeichen der Ermüdung 
beim gesunden Menschen, sodann bei Hysterie und Neurasthenie sowie 
nach Kopferschütterungen. Die vorhin besprochenen Schwankungen 
und Aenderungen der Hördauer in der Nähe der Grenze der normalen 
Hörfähigkeit spielen sich vorzugsweise im mittleren Tonbereich ab, 
oft eben nur hier, auch die Ermüdbarkeit des Ohres Stimmgabel tönen 
gegenüber macht sich am häufigsten und stärksten bezüglich dieses 
Tonbereiches geltend, viel weniger und seltener bezüglich der tiefen und 
hohen Töne. Nachdem ich häufig derartige Kurven gefunden hatte, die 
bei nahezu normalem Anfang und Ende ein isoliertes erheblicheres 
Sinken in der Mitte zeigten — Beispiele sind Abbildungen 14 (lir.ks), 
64, 65 und andere — legte ich mir die Frage nach der Ursache hiervon 
vor und kam zu folgender Auffassung. 

Wir wissen durch Wi e n. daß das Maximum der Tonempfindlich¬ 
keit die Töne mit 1000—5000 Schwingungen besitzen und daß von 
diesem Optimum aus nach beiden Seiten hin die Empfindlichkeit sinkt, 
und zwar uni so mehr, je weiter man sich von dem Optimum entfernt. 
Wir wissen ferner, daß die Töne der 4. Oktave als Resonanztöne des 
äußeren Gehörganges wieder eine besondere Verstärkung erfahren. 
Hiernach wäre von vornherein zu erwarten, daß die Ermüdung Tönen 
gegenüber, auch daß Schwankungen und llerbsetzung der Hördauer 
durch neurotische und psychische Ursachen sich außerhalb des Opti¬ 
mum pereeptibile geltend machen, und zwar am meisten an den Grenz¬ 
gebieten, also im Bereich der tiefsten Stimmgabeltöne und in der Hör¬ 
fähigkeit für die Taschenuhr, die ja die höchsten Töne repräsentieren 
soll. Tatsächlich finden wir dieses insofern bestätigt, als in den dies¬ 
bezüglichen Fällen — man betrachte die Kurven Nr. 37, 38, 53, 56, 57, 
59, 65, 66 — die »Senkung sich durchweg außerhalb des Optimum per- 
ceptibile befindet; auch die Tatsache, daß die Taschenuhr schlechter, 
oft ganz wesentlich schlechter gehört wird wie normal, ist bei den hier 
in Frage kommenden Fällen ungemein häufig. Es bliebe nun noch auf¬ 
zuklären, warum nicht die untersten Grenztöne, sondern vorzugsweise 
einzelne der mittleren Töne innerhalb der kleinen, ersten und zweiten 
Oktave die fast ausschließlich befallenen sind. Die Gründe scheinen 
mir physikalische zu sein. Wir wissen, daß die hohen und tiefen Töne 
besondere physikalische Eigentümlichkeiten besitzen, eine besondere 
Tonfarbe, und zwar sind, um mich an das Handbuch der Physiologie 


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— 498 — 


der Sinne von Nagel anzulehnen, die hohen Töne als scharf und 
spitz zu bezeichnen, die tiefen als schwer und massig, außerdem haben 
die hohen Töne bei ihren großen Schwingungszahlen eine besondere 
physiologische, die tiefen bei ihrer großen Wellenlänge eine besondere 
physikalische Stärke. Im Gegensatz hierzu gibt es keinerlei Eigen¬ 
schaften der mittleren Töne, die diese besonders aus der Reihe der 
übrigen herausheben, im Gegenteil die mittleren Töne sind farblos und 
indifferent, weich und milde, die Strecke von c bis cs wird zudem durch 
die Geräusche der Umgebung am meisten beeinflußt. Es erscheint hier¬ 
nach recht natürlich, daß die mittleren Töne der kleinen bis zweiten 
Oktave unter Indispositionen und Alterationen der Psyche, des Ge- 
samtnervensystems zu allererst leiden und daß gerade an der Grenze 
der normalen Hördauer dieses sich bereits dann bemerkbar machen 
kann, wenn dank der erwähnten Vorzüge die anderen Töne noch nor¬ 
male Hördauern aufweisen. Man wrnrde also diesen Tiefstand der 
Kurve im mittleren Tonbereich beim normalen Menschen auf das Zen¬ 
tralorgan zu beziehen haben und die Beeinträchtigung der Hördauer 
der mittleren Töne bei Hysterie und Neurasthenie als Schwächezustand 
fies ganzen Organismus, insbesondere des Gesamtnervensystems auf¬ 
zufassen haben, womit, wie schon gesagt, gut übereinstimmt, daß auch 
die Ermüdbarkeit des Ohres Stimmgabeltönen gegenüber sich am stärk¬ 
sten für diesen Tonbereich geltend macht. Hiernach wäre es bei dieser 
Gruppe von Fällen also der Ausdruck einer zentralen, neurotischen 
Störung, wenn der mittlere Tonbereich isoliert alteriert ist, oder wenn 
der sonstige Kurvenverlauf in diesem Bereich eine besondere, sonst 
nicht erklärbare Einsenkung erfährt, und da an allen Schwüehezustän- 
den des ganzen Organismus das Nervensystem mehr oder weniger stark 
beteiligt ist, so können derartige Kurven auch der Ausdruck allgemei¬ 
ner Schwäche und Erschöpfung sein (Anämie, Intoxikation, Rekon¬ 
valeszenz usw.). So kann man also ein sehr feines Reagieren des Ohres 
auf Schädigungen des ganzen Organismus finden, wenn man danach 
sucht. Auch bei Kopferschütterungen, welche gern und häufig zu 
einem Tiefstand der Kurven im mittleren Tonbereich führen, wird 
dieses zentrale neurotische Moment oft genug tine Rolle spielen, wie 
ich unter Modifikation meiner früheren diesbezüglichen Auffassung 
bemerken möchte, es muß aber in diesen Fällen stets fraglich bleiben, 
ob nicht auch organische Ursachen in der Schnecke, z. B. leichteste Al¬ 
teration der Ganglien, vorliegen. 

Um mich nun dem schwerhörigen Ohre zuzuwenden, so scheint ein 
isoliertes Ergriffensein des mittleren Tonbereiches nicht vorzukonimen, 
cs handelt sich also nur um Kurven, die bei mehr oder weniger starker 


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499 — 


Herabsetzung der Hördauer für nahezu die ganze Skala ihren tiefsten 
Stand im mittleren Tonbereich haben, oder bei denen nur der mittlere 
Tonbereieh gänzlich verlöscht ist, während für die oberen und unteren 
’Grenztöne noch eine gewisse Hördauer erhalten blieb. Solche Kurven 
können entstehen auf Grund rein neurotischer Grundlage bei Hysterie, 
als Beispiel ist der vorhin erwähnte Fall von V o ß zu nennen, mit 
Hörverlust nur für cj, während zur Feststellung der Hörweite von 
Uhr und Sprache die Zimmerlänge nicht ausreichte. Unter den orga¬ 
nischen Ursachen bedingen nach meiner eigenen häufigen Beobachtung 
'zunächst Kopferschütterungen derartige Kurven, allerdings nur als 
Tiefstand im Bereich einzelner mittlerer Töne, Hörverluste im mittleren 
Tonbereich bei erhaltener Hörfähigkeit für den unteren und oberen 
Tonbereieh habe ich nie beobachtet. Als Beispiel ist hinzuweisen auf* 
Abbildung 31, 37, 38 (links), 59, und ist es nicht ausgeschlossen, daß 
sieh auch hier neurotische und organische Momente zuweilen kombi¬ 
nieren. Als weitere Affektionen, bei denen man nach den Mitteilungen 
•der Literatur gelegentlich einen besonderen Tiefstand der Kurven im 
mittleren Tonbreich erwarten könnte, wären zu nennen Akustikus- 
uiffektion und degenerative Neuritis durch Schalleinwirkungen und 
toxische Einflüsse. Eine besonders schlechte Hörfähigkeit für die 
mittleren Töne hat bekanntlich bei Akustikusaffektionen G r a d e n i g o 
beobachtet. Bei an Tieren experimentell erzeugter Neuritis im Be¬ 
reich des peripheren Neurons fand ferner W i t t m aack nur selten 
sämtliche Windungen annähernd gleich befallen, es war vielmehr bei 
■den mit mehrmaligem Ufiff aus derselben Bfeife behandelten Tieren der¬ 
jenige Bezirk der Skala am stärksten ergriffen, der dem Uebergang der 
hintersten in die zweitunterste Windung entsprach, während bei den 
mit kontinuierlicher Schalleinwirkung behandelten Tieren eher die 
mittlere, zuweilen die obere Windung am meisten befallen war, was 
-auch bei mit einmaligem Knall behandelten Tieren oft au {fiel. Auch 
Lei den durch toxische Einwirkungen erzeugten Fällen von Neuritis 
fand Wittmaack nicht alle Windungen gleich erkrankt, vielmehr 
waren die zweitunterste und mittlere Windung intensiver befallen wie 
die End- und Spitzenwindung. Nimmt man die Auffassungen von 
G r a d e n i g o und Wittmaack, sowie die in der Literatur nieder¬ 
gelegten Erfahrungen zusammen, so dürfte sich das Krankheitsbild der 
Akustikusneuriti8 zwar am häutigsten in einer nach der oberen Grenze 
zu wachsenden prozentualen Abnahme der Hördauer für Töne mit Ein¬ 
schränkung der oberen Tongrenze äußern, gelegentlich wird man in¬ 
dessen den tiefsten Stand der Kurve im mittleren Tonbereich zu er¬ 
warten haben, ebenso wie nach unseren vorherigen Ausführungen sogar 


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— 500 - 


auch eine nach der unteren Grenze zu wachsende prozentuale Abnahme 
der Hördauer in anscheinend allerdings recht seltenen Fällen Vor¬ 
kommen kann. Ein völliges Verlöschtsein in mehr oder weniger großen 
Strecken im mittleren Tonbereich durch organische Ursachen bei Er¬ 
haltensein der Grenztöne ist mir selbst bisher nicht begegnet, doch ist 
eine derartige Kurve von Wittmaack mitgeteilt. Die Abbildung 
Nr. 67 ist seiner Arbeit entnommen und wird von ihm auf ein Laby¬ 
rinthleiden bezogen. 

Wir nahmen vorhin an, daß der Tiefstand der Kurven im mittleren 
Tonbe:tich unter Umständen als zentrale neurotische Störung aufzu¬ 
fassen sei. Es liegt nahe zu fragen, ob es Kurven typen gibt, die einer 
zentralen, organisch bedingten Hörstörung eigentümlich sind. Die 
diesbezüglichen Erfahrungen sind bisher recht gering, scheinen aber 
zu zeigen, daß zurzeit eine zentrale Hörstörung aus dem Ergebnis der 
Tonprüfung allein nicht erschlossen werden kann. So hat Panse bet 
einem Fall von Fibrosarkom im Bereiche • des linken Hinterhaupt- 
lappens bei einer Hörweite auf links 1,5, rechts 0,20 m für Flüster¬ 
sprache festgestellt, daß die tiefen und mittleren Töne nicht gehört 
wurden, während cs-ch gehört wurden; Worte und Fragen, die eine 
gewisse geistige Aufnahmefähigkeit verlangten, wurden nicht beant¬ 
wortet. Panse nimmt hiernach an, daß die Zuleitung zu den höheren 
Hirnzentren geschädigt, aber noch nicht tot war, eine Annahme, die 
mit den vorhin erwähnten Versuchen Kalischcrs gut überein¬ 
stimmt. Zu einem anderen Befunde kam B e z o 1 d bei der eingehen¬ 
den Untersuchung eines Falles von Mittelhirntumor, es fand sich zu¬ 
nächst eine Abnahme der Hörfähigkeit für die tiefen Töne, später 
eine gleichmäßige Abnahme für alle Töne der Skala und schließlich 
eine konzentrische Einengung von oben und unten, so daß nur eine 
Insel übrig blieb. Teil selbst habe einen Fall von Apoplexie untersucht, 
wo nach Ablauf der Lähmung und der sonstigen Erscheinungen bei 
einem bisher stets ohrengesunden, mit normalen Trommelfellen ver¬ 
sehenen Manne sich die in Abbildung 6S verzeiehneten Kurven ergaben. 
Dieselben sind zwar leider nicht vollständig, lassen aber erkennen, daß 
bei Abnahme der Hörfähigkeit für den ganzen Tonbereich eine beson¬ 
dere Beteiligung beider Grenzen stattfand im Sinne einer konzentri¬ 
schen Einengung. Zur Diagnose einer zentralen organischen Hör¬ 
störung bedarf es demnach der Feststellung von Begleitsymptomen. Das 
Ergebnis der Tonrpüfung allein gestattet eine solche nicht. Im übri¬ 
gen läßt sich sagen, daß fast in allen Fällen von Anfang an eine Be¬ 
teiligung des ganzen Hörbereichs vorzuliegen scheint; welcher Teil 
der Skala vorzugsweise leidet, das hängt wohl ganz davon ab, welche 


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— 501 


Fasern der Koehlearisbahn zuerst und am stärksten von dem Erkran¬ 
kungsherd ergriffen werden; es kann dieses, wie in den Fällen B e z o I d- 
und Panse der untere Teil sein, in anderen Fällen, wie in dem mtini- 
gen, wird das Gebiet der oberen Töne besonders geschädigt, es ist 
theoretisch sehr wohl denkbar, daß gelegentlich auch der mittlere Ton¬ 
bereich vorzugsweise betroffen ivird. Am häutigsten scheint allerdings 
letzterer den längsten Widerstand zu leisten, so daß dann das Bild der 
konzentrischen Körfeldseinengung entsteht. Bezüglich d'er Lokali¬ 
sation wird sich, selbstverständlich nur aus charakteristischen Begleit¬ 
symptomen etwas entnehmen lassen. Hält man sich überhaupt zu der 
Annahme einer organischen zentralen Hörstörung für berechtigt, so 
wird man .wenn die eine Seite wesentlich stärker wie die andere be¬ 
troffen ist, aus dieser Einseitigkeit eeteris paribus mehr an den Schlä¬ 
fenlappen, die Großhirnschenkel oder an Kleinhirnbriickenwinkel- 
tumoren denken können, bei ausgesprochener Doppelseitigkeit mehr 
an das Mittelhirn. Störungen des Wortverständnisses bei gutem Ton¬ 
gehör sowie frühzeitige Störungen der geistigen Aufnahmefähigkeit 
im Sinne von Panse und K a 1 i s c h e r werden schon ziemlich früh 
auf Großhirn bezw. Großhirnschenkel deuten, desgleichen die anschei¬ 
nend recht seltenen Fälle von Melodienverständnis trotz sonstiger 
totaler Taubheit, wenn nicht, wie in von Barth beschriebenen Fällen, 
H vsterie vorliegt. Gleichfalls für eine im Großhirn bezw. in dem 
Großhiruschenkeln liegende Ursache sprechen die offenbar ebenso selte¬ 
nen Fälle von Melodientaubheit bei sonst normaler IIörfühi£keit, bei 
denen es sich nach A 1 t um eine Zerstörung der Assoziation oder Ko¬ 
ordination der zum Melodienverständnis nötigen zentralen Vorgänge 
handelt. 


III. 

Die geschilderten Beziehungen zwischen Tongehör und Sprach- 
gehör sowie, zwischen rechts- und linksseitiger Ilörkurve, die äußert» 
Gestalt der Hörkurven überhaupt, bieten in praktischer Hinsicht Nutzen 
bei der Beurteilung von Simulation und Aggravation. leb will auf 
den gegenwärtigen Standpunkt dieser Frage nicht näher eingehen, er 
läßt sieh wohl kurz dahin zusammen fassen, daß die Ilauptwaffe des 
Ohrenarztes Simulanten und Aggravanten gegenüber eine wiederholte 
und sachgemäße Funktionsprüfung ist. Als eine der wichtigsten Teile 
dieser Prüfung wird mit Beeilt die wiederholte Feststellung des quali¬ 
tativen und quantitativen Tongehörs mittels einer größeren Beihe von 
Stimmgabeln empfohlen. Erhält man bei wiederholten Untersuchungen 
immer wieder dasselbe oder nahezu dasselbe Ergebnis, so kann man mit 


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— 502 — 


gewisser Wahrscheinlichkeit die Angaben für richtig halten. Leider 
kann diese Methode, so großen Nutzen sie auch recht häutig gewährt, 
zu Irrtümern führen. Zunächst kann man dem Untersuchten Unrecht 
tun. Legt man zu großen Wert auf die Gleichmäßigkeit der Zahlen 
bei den wiederholten Hörprüfungen, vergißt man, welche Schwankun¬ 
gen der Hördauer durch die vorhin geschilderten Ursachen möglich sind, 
so kann man grundlos jemanden in Verdacht haben, falsche Angaben 
zu machen. Bei Hörweiten von 6—8 ni für Flüstersprache, wie sie für 
manche Berufsstellungen gefordert werden, spielt das Schwanken der 
Hördauer ja bereits eine erhebliche Bolle, wie wir vorhin sahen. Ebenso 
kann man auch nach der anderen Seite in Gefahr kommen, mit Erfolg 
getäuscht zu werden, denn gewiegte Leute, die schon viele Untersuchun¬ 
gen hinter sich haben und bereits gegen die ersten Entscheidungen Ein¬ 
spruch erhoben haben, wenden, wie ich verschiedentlich fcststellen 
konnte, zur Erzielung von gleichmäßigen Werten ein sehr einfaches 
Mittel an: sie zählen im Stillen vom Moment des Anschlägen» der 
Gabel an, z. B. bis 20 bei der ersten Gabel, bei den übrigen Gabeln bis 
zu einigen Zahlen höher oder tiefer, dann sind die festgestellten Hör- 
dimern immer nahezu gleich. Auch Einengungen der Tongrcnzen 
können, soweit es sich um die Töne unten bis zur großen Oktave, oben 
— vom Galtonpfeifchen abgesehen — bis zur fünften Oktave handelt* 
ziemlich leicht simuliert werden, da es auch dem nicht besonders Musi¬ 
kalischen leicht ist, diese Töne immer wieder zu erkennen und, wer ein 
musikalisch geschultes Ohr hat, bringt es noch weiter. Solchen Leu¬ 
ten gegenüber ist man in einer recht schwierigen Lage, y.umal sie durch 
ihre Erfahrungen im Verlaufe der Dinge meistens dazu kommen, einen 
so hohen Grad von Schwerhörigkeit zu behaupten, daß Umgangs- oder 
Fliisterspraohe beiderseits angeblich nur unmittelbar ante au rein ge¬ 
hört werde, denn nur dann, wenn der Untersucher in ihrer unmittel¬ 
baren Nähe zu stehen gezwungen ist, schützen sie sich bei den Spraeh- 
priifungen einigermaßen sicher vor widersprechenden Angaben. Und 
wenn nun, wie in einer großen Zahl von Fällen, der Nachweis gelingt, 
«daß der Untersuchte falsche Angaben machte, so wissen wir noch im¬ 
mer nicht, wie hoch seine tatsächliche Hörweite für die Sprache ist. 
Ist man nun, wie in einer großen Zahl von Fällen, zur Abgabe eines 
solchen Urteils durchaus genötigt, so befindet man sieh auf einem recht 
unsicheren Boden. Nachdem ich oft die ärztliche Ohnmacht in solchen 
Fällen empfunden hatte, suchte ich ein Verfahren herauszufinden, das 
•dem Untersucher wenigstens schätzungsweise einen Anhalt für das tat¬ 
sächliche Hörvermögen für die Sprache gibt, uud dieser Anhalt scheint 
mir in den erörterten Beziehungen zwischen Ton- und Sprachgehör zu 


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— 503 — 


liegen. Dieser Weg ist deshalb aueli ganz, besonders gangbar, weil die 
immer wieder zu machende Erfahrung lehrt, daß selbst verstockte und 
gew r andte Uebertreiber im allgemeinen nur bezüglich ihrer Hörfähig¬ 
keit für die Sprache simulieren oder übertreiben, während sie bezüg¬ 
lich ihies Tongehörs meistens annähernd richtige Angaben machen. 
Der Grund ist offenbar der, daß die Leute einerseits keine Ahnung 
davon haben, daß Beziehungen zwischen Tongehör und Hörweite für 
die Sprache bestehen, teils darin, daß sie — namentlich wenn sic vor¬ 
her in entsprechender Weise darauf aufmerksam gemacht werden — 
fürchten, sich bei Nachuntersuchungen in Widersprüche zu verwickeln. 
Aber auch die ganz Klugen, die vom Moment des Anschlagens der 
Gabeln an zählen und hiernach ihre sich auch bei Nachuntersuchungen 
gleichbleibenden Angaben machen, geben doch immerhin ein Minimum 
von Tongehör zu und damit eine Handhabe, etwas Greifbares, an das 
man sich bei Beurteilung ihres Spraehgehörs zunächst halten kann. 
Wir haben ja vorhin gesehen, daß gerade bei Schwerhörigkeit erheb¬ 
licheren Grades die Beziehungen zwischen Ton- und Sprachgeliör recht 
konstant sind und daß die Grenzen, innerhalb deren sich die Inkon¬ 
stanz bewegt, erst anfagen erheblich zu werden, wenn man sich etwa 
einer Hörweite von 5 m für die Sprache nähert. Wr werden also bei 
Zugrundelegung dieser Tatsachen nach dem zugegebenen Tongehör ein 
Minimum vom Sprachgeliör abschätzen und dieses für unser Urteil zu¬ 
grunde legen. Grobe Widersprüche in den Untersuchungsergebnissen 
sind auf keinen Fall gleich mit Hysterie und einem hierdurch bedingten 
Mißverhältnis zwischen Ton- und Sprachgehör zu erklären, nur wenn 
es sich.um schwere Hysterie mit typischen Sensibilitiitsstörungen und 
sonstigen Stigmatis handelt, dürfte dieses angängig sein, denn eine 
ausgesprochene Beteiligung des Gehörorgans bei der Hysterie ist doch 
nicht allzu häufig und pflegt sich im allgemeinen nur zu entwickeln, 
wenn besondere Ursachen, wie Kopf träumen, Mittelohrentzündungen 
nsw. das Vorstellungsleben in nachhaltiger Weise auf das Gehörorgan 
hinlenkten. Im übrigen fand ich bei der überwiegenden Zahl der von 
mir untersuchten Hysterischen durchaus normale Verhältnisse, auch 
bei schwerer Hysterie, wenn man von der liier gar nicht in Betracht 
kommenden, außerordentlich häufigen Einsenkung der Kurven im mitt¬ 
leren Tonbereich bei gewöhnlich vorzüglichem Sprachgehör absieht. 

Ich will nun unter Bezugnahme auf meine vorherigen Ausführun¬ 
gen im folgenden diejenigen Grenzen festzulegen versuchen, nach denen 
ein Begutachter auf Grund des Hörreliefs das Sprachgehör abzuschätzen 
vermag. Wenn ich hierbei die für Taubheit sowie für Flüstersprache 
von mehr wie 1 m, 4 m und G—7 m Entfernung in Betracht kommen- 


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— 504 - 


den Verhältnisse besonders berücksichtige, so geschieht das vorzugs¬ 
weise mit Rücksicht auf die militärärztlichen Begutachtungen. Für 
die Beurteilung von Taubheit dürften meine Erörterungen über die 
Beziehungen zwischen Ton- und SprachgehÖr natürlich nur in Frage 
kommen, wenn das zweite Ohr gleichfalls in hohem Grade schwerhörig 
ist, denn bei normaler bezw. guter llörfähigkeit des zweiten Ohres 
werden wir auch auf andere Weise sicher und schnell zum Ziel kommen, 
schon durch die Sprachprüfung. Die überwiegende Zahl der einseitige 
Taubheit Simulierenden gibt nämlich an, auch Flüstersprache und Um¬ 
gangssprache unmittelbar vor dem angeblich tauben Ohr nicht hören 
zu wollen, während wir doch wissen, daß bei gut hörendem zweiten 
Ohr verschärfte Hiistersprache in der Nähe des angeblich tauben Ohres 
auf jeden Fall, Umgangssprache auf mindestens V 2 m gehört wird. Bei 
der Tonprüfung werden wir ferner, wenn wirklich einseitige Taubheit 
besteht, nach den Feststellungen B e z o 1 d s unbedingt erwarten 
müssen, daß das Jlörrelief des tauben Ohres ein abgeschwächtes Spiegel¬ 
bild desjenigen des normal bezw. gut hörenden vorstellt, und aus gröbe¬ 
ren Abweichungen hiervon werden wir gleichfalls unsere Schlüsse 
ziehen können. Bei entsprechend weiter Umgrenzung der in Betracht 
kommenden Verhältnisse würde sich nach meinen bisherigen Erfahrun¬ 
gen folgendes sagen lassen: 

1. Taubheit für die Sprache bezw. ein dem gleich zu erachtender 
Zustaml kann bereits angenommen werden, wenn beim Be¬ 
stehen von Hörverlusten im Bereiche des Galtonpfeifchens die untere 
Tongrenze bis ci eingeengt, ist, und zwar auch dann, wenn der erhaltene 
Teil der Kurve steil ansteigend mit 05 100 erreicht. 

2. Das Erhaltensein mittellauter Umgangssprache auf einige Zenti¬ 
meter Entfernung, mindestens lauter am Ohr, darf auch beim Besteheu 
erheblicher Hörverluste im Bereich des Galtonpfeifchens und bei gleich 
schlechter Hörfähigkeit des zweiten Ohres erwartet werden, wenn 
Hörverluste für Stimmgabeltöne an der oberen Grenze bis es, an der 
unteren bis U reichen und der erhaltene Teil e bis c* zwischen 
10 und 20 stellt. Sind die genannten Vorbedingungen nicht vollständig 
erfüllt, so darf Sprachtaubheit angenommen werden, wir haben ja vor¬ 
hin bereits erörtert, daß die gleichzeitige Einengung der oberen und 
unteren Tongrtnze für Stimmgabeltöne das SprachgehÖr in äußerst 
nachteiliger Weise beeinflußt. 

3. Man wird die Hörweite für Flüstersprache ziemlich sicher auf 
über 1 m schätzen können: 

a) in Fällen mit Hörverlusten für Stimmgabel töne an der unteren 
Tongrenze und nahezu in gleichem Grade herabgesetzter Hörfähigkeit 


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- 505 — 


<ies zweiten Ohres, wenn die Hörverluste an der unteren Grenze nicht 
über c hinausgehen, Defekte im Bereich der Töne des Galtonpfeifchens 
fehlen, die Kurve in der kleinen Oktave über JO, in der zweiten Ok¬ 
tave um 20 herum steht, und wenn sie mit er» in den Beginn des vierten, 
mindestens in das Ende des dritten Viertels hineinreicht. 

b) Fälle mit Hörverlusten für Stinimgabeltöne an der unteren 
Orenze, aber gutem bezw. normalem Spraeligehör des zweiten Ohres, 
lassen eine Hörweite für Flüstersprache über 1 m auch dann noch sicher 
vermuten, wenn die unter 1 geschilderten Verhältnisse dahin abgeändert 
sind, daß a) entweder die Hörverluste bis ei reichen oder ß) am oberen 
Ende die Kurve mit c« bezw. cs nur in das zweite Viertel gelangt. Bei 
Vereinigung dieser beiden Modifikationen besteht Sicherheit für eine 
Hörweite über 1 m nicht mehr. 

c) Fälle mit Hörverlusten für Stimmgabel töne an der oberen Ton¬ 
grenze: wenn die Kurve sich von Ci bis ei normal verhält bezw. minde¬ 
stens im obersten Viertel verläuft und bei ihrem steilen Abstieg nach 
•der oberen Grenze mit C4 über 10 bleibt. Die Annahme einer Hörweite 
über 1 m bleibt zulässig, auch wenn Hörverluste im Bereiche des Gal¬ 
tonpfeifchens bestehen und die Kurve mit er, den Nullpunkt erreicht. 

d) Fälle ohne Hörverlüste für Stimmgabeltönc, aber mit Sym¬ 
ptomen seitens der schallempfindenden 'Feile: wenn die gipfelförmig 
gestaltete Kurve von c bis cs normal ist. mit (’i bis (’ und mit c* bis <•-. 
mindestens im zweiten Viertel bleibt und Hörverluste im Galtonpfeif- 
•chen nicht über die sechste Oktave reichen. Auch wenn eeteris paribus 
einzelne Töne der Strecke c bis o» nur im obersten Viertel liegen, ist 
■die gleiche Hörweite zu erwarten. 

e) Fälle ohne Hörverluste für St immgabel töne und ohne Galton- 
•defekte bezw. ohne sonstige Symptome seitens der schallempfindeuden 
Teile: wenn die gesamte Kurve von O an sich um 20% herum bewegt 
und mit c» in das dritte Viertel gelangt. 

4. Eine Hörweite für Flüstersprache auf über 4 m wird man an¬ 
nehmen können in folgenden Fällen: 

a) Fälle mit Hörverlusten an der unteren Tomrrenze und der glei¬ 
chen oder einer schlechteren Hörweite fies zweitem Ohres: ITn sicher 
•eine Hörweite über 4 in sehätzen zti können, darf der Hörverlust nicht 
über c hinausgehen, muß die Kurvt» so steil beginnen, daß die erste 
Oktave im zweiten Viertel, die zweite im dritten ^ iertel steht, c* und er. 
im dritten oder vierten Viertel, und zwar mindestens ci (»der t\-. im 
vierten. 

b) Fälle mit Hörverlusten an der unteren Tongrenze und besserer 
bezw. normaler Hörweite des zweiten Ohres: Han wird eine Hörweite 


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— 606 


über 4 m sicher annehmen können, wenn die Hörverluste an der unteren 
Tongrenze nicht über ci gehen, der Anfangsteil der Kurve sich so steil 
erhebt, daß gi mindestens 20. ga etwa 50 erreicht, C 4 und cs nicht wesent¬ 
lich unter 50 stehen. Reicht der Hörverlust nur bis c, so können die 
Hördauern für ca, g 2 , C4, cs um ein Geringes weniger betragen. 

Vorbedingung ist sowohl bezüglich a wie b das Fehlen von Hör¬ 
verlusten im (Jebiet des Galtonpfcifehens sowie sonstiger auf das innere 
Ohr zu beziehender Symptome. 

c) Fälle mit Hörverlusten an der oberen Tongrenze für Stimm¬ 
gabeltöne: Hörverluste bis cs bei sonst nahezu normaler, mit c« minde¬ 
stens im dritten Viertel befindlicher Kurven berechtigen zu der An¬ 
nahme einer Hörfähigkeit über 4 m, wenn Hörverluste im Bereiche des 
Galtonpfeifchens fehlen. 

d) Fälle mit Hörverlusten an der oberen Tongrenze im Bereiche 
des Galtonpfeifchens: Nur dann ist eine Hörweite für Flüstersprache 
über 4 m zu schätzen, wenn die Kurve sich von Ci bis ca normal bezw. 
nahezu normal verhält und mit ca nicht wesentlich unter* SO steht. Die 
gipfelförmigen Kurven, die nur in der Mitte normal sind, am Anfang 
und Ende aber bis in das dritte Viertel reichende Beeinträchtigungen 
aufweisen, lassen beim Vorhandensein von Hörverlusten kn Bereiche 
des Galtonpfcifehens die Annahme einer Hörweite über 4 m nicht zu. 

e) Fälle, bei denen Hörverluste für Stimmgabel töne an den Grenz¬ 
gebieten sowie im Bereiche des Galtonpfeifchens, auch sonstige auf das 
innere Ohr zu beziehende Symptome fehlen: Man wird auf eine Hör¬ 
weite über 4 m schließen können, wenn die gesamte Kurve von C an 
zwischen 15 und 60 steht, wenn sie so steil beginnt, daß wenigstens ein 
Teil der Strecke c bis ca das unterste Viertel verläßt und C4 oder cs um 
50 herum stellt. Ist die Hörweite des zweiten Ohres die gleiche oder 
eine schlechtere, so wird man etwas höhere Anforderungen stellen 
müssen, also ..'♦,wa Stand der Kurve zwischen 20 und 60, mit C4 oder cs 
zw ischen 50 und 60. Ci kann außer Betracht bleiben. 

5. Eine Hörweite über 6—7 m ist in folgenden Fällen anzunehmen: 

a) bei Hörverlusten an der unteren Tongrenze dann, wenn beim 
Fehlen von Hörverlusten im Bereiche des Galtonpfcifehens und von 
sonstigen auf die schallempfindenden Teile zu beziehenden Symptomen 
die Hörverluste nicht über C reichen, der mittlere Teil der ansteigen¬ 
den Kurve von c bis g 2 zwischen 20 und 50, der obere Teil mit c*4 und cs 
um 50 herum stellt. Besitzt das zweite Olir geringere Hörweite, so 
w r ird man an diesen Anforderungen dm so entschiedener festhalteu 
müssen. 


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— 507 — 


. b) Hörverluste an der oberen Tongrenze für Stimmgabeltöne: In. 
diesen Fällen ist nur dann eine Hörweite für Flüstersprache über 6 bis- 
7 m zu erwarten, wenn Hörverluste im Bereiche des Galtonpfeifehens 
fehlen, die Kurve von Ci bis c* sich normal verhält bezw. mindestens im. 
obersten Viertel steht, also der Hörverlust über c.> nicht hinausgeht^ 
»Sowie' Hörverluste im Bereiche des Galtonpfeifehens bestehen, kann 
eine Hörweite für Flüstersprache über 6—7 m mit Sicherheit über¬ 
haupt nicht mehr angenommen werden. 

Wenn ich in der eben geschilderten Weise in dem zugegebeneii- 
Tongehör einen Anhaltspunkt für die Schätzung des Sprachgehörs zu 
gewinnen suche, so bleibe ich mir durchaus bewußt, daß es sich zunächst 
um einen Versuch handelt, ich halte aber diesen Versuch für recht aus¬ 
sichtsreich und meine .daß sich um so sicherer und enger zu umgren¬ 
zende formen ergeben werden, je größer das zugrundeliegende Material 
wird. Jedenfalls ist es mir in letzter Zeft vielfach gelungen bei Pri¬ 
vatpatienten, deren Hörweite für die Sprache ich nicht kannte und. 
bei denen jeder Grund zum Simulieren und Aggravieren fortfiel, nach¬ 
dem Hörrelief die Hörweite für Flüstersprache ziemlich richtig zu 
schätzen. In den Abbildungen Nr. 73—78 habe ich eine schematische 
Zusammenstellung der Voraussetzungen versucht, die einerseits zur- 
Annahme von Sprachtaubheit, andererseits zur Annahme einer Hörweite 
für Flüstersprache über 1 m, 4 m. 6—7 m mit gewisser Sicherheit be¬ 
rechtigen. Dieses Schema gewährt natürlich nur Anhaltspunkte, die 
Grenzen sind ziemlich weit gesteckt. Einige Beispiele mögen den 
Nutzen der Hörreliefs bei der Beurteilung von Aggravation dartun. 

Musketier K. wollte mit. beiden Ohren Flüstersprache nur in der- 
Nähe der Ohren hören. Die aufgenommene Ilörkurvc (Abbildung 
Nr. 69) sprach in entschiedener Weise gegen diese Behauptung, ich 
glaubte aus dem zugegebenen Tongehör vielmehr aut eine recht gün¬ 
stige Hörfälligkeit für die Sprache schließen zu können. Tatsächlich¬ 
wurde weiterhin der Nachweis erbracht, daß rechts eine Hörweite 
von 7. links von 8 ni für abgewandte Flüstersprache bestand. 

Musketier Sch., bereits im zweiten Jahre dienend, behaukptete 
im Anschluß an eine Bestrafung so hochgradig schwerhörig zu sein, 
daß beiderseits nur laut, in «las Ohr geschriene Sprache verstanden 
werde. Nach dem Hörrelief (Abbildung Nr. 70) glaubte ich ohne wei¬ 
teres annehmen zu müssen, daß eine ausreichende Hörfähigkeit für die~ 
Sprache vorhanden sei. Trotz anfänglich hartnäckigsten Festhalten» 
an den ursprünglichen Behauptungen gelang in kurzer Zeit der ein- 
wandsfreie Nachweis, daß rechts eine Hörweite von 4 in. links von 8 m 


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— r>os — 


zur Flüstersprache bestand. Der Betreffende diente nunmehr weiter, 
-ohne nochmals mit H örbeseh werden hervorzutreten. 

Iteservist V litt an beiderseitigem Tubenkatarrh und wollte plötz¬ 
lich links taub sein, rechts nur auf höchstens 2 m hören. Das Ilörrelief 
(Abbildung 71) sprach dagegen, es war nach dein Ergebnis der Ton¬ 
prüfung vielmehr zu erwarten, daß rechts ein leidlich gutes Sprach- 
/gehör bestand und daß vor dem - linken Ohr mindestens durch Ver¬ 
mittlung des rechten verschärfte Flüstersprache gehört wurde. Die 
weitere Beobachtung ergab, daß Flüstersprache rechts auf 8 in (abge¬ 
wandt), links auf 2 m gehört wurde. 

Musketier (i.. mit geringgradigen Tubenproy.csson behaftet, erhob 
nach Beendigung seiner Dienstzeit Bentenansprüchc. weil er beider¬ 
seits hochgradig schwerhörig sei, und zwar wollte er anfangs rechts 
Flüstersprache nur in der Nähe dos Ohres, links gar Umgangssprache 
nur dicht am Ohre verstehen*. Die aufgenommene llörkurve (Abbildung 
Nr. 72) bewies sofort die Unhaltbarkeit der Angaben. (». gab nach 
einiger Zeit selbst eine Hörweite für abgewandte FHistersrpache auf 
rechts 8 m, auf links 7 m zu. 

Abgesehen von diesen Beziehungen zwischen llördauern für Töne 
und Spraehgehör ist die graphische Darstellung*der zugegebenen llör- 
•dauern auch sonst noch bei der Beurteilung von Simulation und Ag¬ 
gravation von Nutzen. So wird man z. B. in vielen Fällen die Tatsache 
verwerten können, daß die Kurven, wie vorhin erörtert, ganz spe¬ 
zifische, immer wiederkehrende Formen haben. JTändelt es sieh z. B. 
um die Beurteilung eines Falles, bei dem der Entstehungs- und Vor¬ 
geschichte nach auf jeden Fall eine reine oder vorzugsweise Erkrankung 
•des Mittelohres anzunehmen ist, so werden wir eine Kurve etwa von 
•der Form der Kurve 13 erwarten müssen, und es wird uns von Anfang 
an mit Mißtrauen erfüllen, wenn wir eine völlig abweichende Kurve er¬ 
zielen. Mit A r orteil ist ferner die Tatsache verwertbar, daß bei gleich¬ 
artiger Erkrankung beider Ohren oder bei einseitiger Erkrankung bei 
gesundem zweitem Ohre eine große Aehnliehkeit beider Kurven zu be¬ 
stehen pflegt. 

Endlich wird uns die Lage beider Kurven im Ilörrelief manches 
sagen. Ist die Hörweite beider Ohren für die Sprache eine gleiche oder 
wenig differierende, so werden beide Kurven auch nahezu die gleiche 
Höhe haben bezw. sich bei Cleiehartigkeit der Erkrankung nahezu 
-decken, wie z. B. in den Abbildungen 19. 22. 27. 31. 59. Bei erhebliche¬ 
ren Differenzen wird die Kurve des besser hörenden Obres im Ilörrelief 
höher stehen und umgekehrt. Findet man z. TL. wie cs mir vorgekom- 
unen ist. daß auf dem angeblich sehr schlecht hörenden Obre die Kurve 


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509 — 


höher steht wie auf dem wesentlich besser hörenden, so werden wir von 
vornherein vermuten, daß etwas nicht stimmt, und weitere Nach¬ 
forschungen werden das dann bestätigen. Wo aber alle die geschilder¬ 
ten Verhältnisse, also Beziehungen zwischen Ton- und Spracligehör, 
äußere Form der Kurve. Verhältnis der beiderseitigen Kurven bei 
wiederholten Untersuchungen übereinstimmende und richtige Tat¬ 
sachen ergeben, da werden wir ohne weiteres annehmeu können, daß 
weder simuliert noch aggraviert wird. 

Re su ine: Wenn ich meine Erörterungen kurz zusammen fasse, so 
haben dieselben folgendes ergeben: 

I. 

1. Zwischen quantitativem Gehör für Stimmgabeltöne und Hör¬ 
weite für die Sprache bestehen regelmäßige, aber innerhalb gewisser 
Grenzen schwankende Beziehungen. Diese Grenzen sind bald verhält¬ 
nismäßig eng und konstant, bald relativ weit, sie können durch mehr¬ 
fache Ursachen so weit und variabel werden, daß ein ausgesprochenes 
Mißverhältnis zwischen Ton- und Spracligehör entsteht. 

2. Die Beziehungen zwischen Ton- und Spracligehör äußern sich 
«larin, daß die Hörweite für die Sprache mit der Zunahme der erhal¬ 
tenen Tonstrecke und der Hördauer für die einzelnen Töne derselben 
gleichfalls zunimmt, so daß also das Hörrelief nötigenfalls ein schät¬ 
zungsweises Urteil über die vorhandene Hörweite für die Sprache zu- 
läßt. Bei stärkerer Herabsetzung der Hörfähigkeit sind die Beziehun¬ 
gen zwischen Ton- und Spracligehör enger und konstanter, sie werden 
um so schwankender und weiter, je mehr sich die Hörfähigkeit der 
normalen nähert, ferner sind die Beziehungen ziemlich scharf und um¬ 
schrieben beim Bestehen von Hörverlusten, während da, wo Hörverluste 
nicht vorhanden sind, die Hörweite für die Sprache also nur nach der 
Hördauer der einzelnen Töne zu schätzen ist, fließende Uebergänge und 
erheblich variablere Grenzen bestehen. Eine Hördauer unter 10% ist. 
in der Mehrzahl der Fälle einem Hörverlust nahezu gleichbedeutend. 
Das eben Gesagte unterliegt indessen gewissen Einschränkungen, ein¬ 
mal nämlich entfaltet die Hörfähigkeit des zweiten Ohres einen ma߬ 
gebenden Einfluß, so daß der gleichen Hörkurve eine bessere Hörweite 
für die Sprache entspricht, wenn das zweite Ohr gut hört und um¬ 
gekehrt, zweitens liegen gesonderte Verhältnisse vor, je nachdem es 
sich um eine Erkrankung des Schalleitungsapparates oder um ein Lei¬ 
den der schallempfindenden Teile handelt. 

a) Bei der sich in erster Linie in Einengung der unteren Tongrenze 
äußernden Störung des Schalleitungsapparates >vurde bei einer Ein- 


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- 510 — 


engung der unteren Tongrenze bis Ci noch eine Hörweite von 32 m für 
Flüstersprache beobachtet, ein Hörverlust bis C bedingte ceteris paribus 
bereits ein Sinken der Hörweite auf 10 in. Je mehr der Hörverlust an 
der unteren Ton grenze unter sonst gleichen Umständen zun ahm, um 
so mehr sank im allgemeinen die Hörweite für die Sprache, und zwar 
fand sieh bei einem Hörverlust an der unteren Grenze bis e eine Hör¬ 
weite von 0,5—7 m, bei einem solchen bis ci eine Hörweite von 0,6 bis 
6 in, bei einem Hörverlust bis C 2 eine Hörweite von 0,3 -1,50 m. Bei 
an sich gleichartiger Einengung der unteren Tongrenze näherte sich die 
Hörweite dem Maximalwerte um so mehr, je steiler der Aufstieg der 
Kurven gleich zu Anfang im Bereich der mittleren Töne war, je höher 
dabei gleichzeitig der Endpunkt war. den die Kurve im Bereich der 
oberen Töne erreichte, und je besser die Hörweite des zweiten Ohres 
war. Voraussetzung für das eben Gesagte war, daß Hörverluste im 
Bereiche der ultramusikalischen Töne bezw. sonstige auf die schall¬ 
empfindenden Teile zu beziehenden Symptome fehlten. Wiederholt 
zeigte sich der große Einfluß der hohen Töne für das Verständnis der 
Flüstersprache sowie der Umstand, daß die Strecke c bis ga, in welcher 
die Mehrzahl der Eigentöne der Vokale fällt, und die Strecke ca bis cs. 
in welche eine große Zahl der die Konsonanten, besonders die Zischlaute 
zusammensetzenden Elemente fällt sich gegenseitig nicht nur er¬ 
gänzen, sondern bis zu einem gewissen Grade vertreten, offenbar indem 
die Psyche bei ihrem Erraten und Kombinieren des nicht Gehörten sich 
bald an die Vokale, bald an bestimmte, die vorgesprochenen Worte leicht 
erraten lassende Konsonanten hält. 

b) Wo Hörverluste im Bereiche dos Galtonpfeifchens bezw. son¬ 
stige auf die schallempfindenden 'Feile des Ohres zu beziehende Sym¬ 
ptome bestanden, sank sofort die Hörweite für die Sprache unter die 
sonst zu erwartende. Den Grund hiervon sehe ich zunächst darin, daß 
die ultramusikalischen Töne von großer Bedeutung für das Konsonan¬ 
tenverständnis sind; es scheint aber auch so, als wenn aus noch nicht 
genügend zu erklärenden Gründen der ganze schallempfindende Apparat 
litte, wenn auch nur Teile desselben erkrankt sind. So zeigte es sich 
denn, daß dasselbe Hörrelief für Stimmgabeltöne einem wesentlich ge¬ 
ringeren Sprach gehör entsprechen kann, wenn eine Erkrankung oder 
Beteiligung des inneren Ohres vorliegt, als wenn es sich um eine reine 
Störung im Schalleitungsapparat handelt. Je vollzähliger und stärker 
die auf die schallempfindenden Teile zu beziehenden Symptome aus¬ 
gebildet waren — Hörverluste im Bereich des Galtonpfeifchens, Ver¬ 
kürzung bezw. Aufgehobensein der Knochenleitung, Schlecht- bezw. 
Nichthörcu der Taschenuhr, positiver Rinne, Schlechthören von 77, 22 


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- 511 — 


im Gegensatz zu 88 *— um so schlechter war ceteris paribus das Sprach¬ 
verständnis. Unter den drei Formen, die die RÖrkurve im allgemeinen 
bei der reinen nervösen Schwerhörigkeit aufzuweisen pflegt, fanden wir 
am häufigsten diejenigen vertreten, die eine Abnahme der prozentualen 
Hördauer nach der oberen Tongrenze hin darstellt und Hörverluste 
bezw. mehr oder weniger erhebliche Beeinträchtigung der Hördauer 
für die obersten Stimmgabeltöne anzeigt. Hierbei ergab sich, daß beim 
Erhaltensein sämtlicher Töne des Galtonpfeifchens und sonst normaler 
Hörkurve eine Einengung der oberen Tongrenze für Stimmgabeltöne 
bis cs ein Sinken der Hörweite für Flüstersprache auf 8 bezw 9,5 m 
bewirkte, daß beim Bestehen von Galtondefekten, aber sonst gleichen 
Umständen die Hörweite nur 2 m betrug und daß beim Verlöschtsein 
der oberen Grenze bis C4 auch bei sonst gutem Tongehör auf eine Hör¬ 
weite von 1 m mit einiger Sicherheit nicht mehr zu rechnen ist. liecht 
verhägnisvoll ist es ferner, wenn zu Galtondefekten an der unteren 
Tongrenze eine Beeinträchtigung der llördauer oder gar ein Hörverlust 
für Stimmgabeltöne hinzutritt, und zwar zeigte sich, daß bei Vereini¬ 
gung erheblicherer Gal tondefekte mit Hörverlusten an der unteren 
Tongrenze bis ci bereits Taubheit bestehen kann, auch wenn die steil 
ansteigende Kurve mit ca 1Ü0 erreicht. 

3. Sollen die Gründe zusainmengestellt werden, welche den Be¬ 
ziehungen zwischen Ton- und Sprachgeliör die innerhalb gewisser 
Grenzen vorhandene, unter L, 1, erwähnte Inkonstanz verleihen, so ist 
von dem normal hörenden Ohr eines auch sonst gesunden Menschen aus¬ 
zugehen. Bei diesem können folgende Ursachen die Beziehungen zwi¬ 
schen Ton- und Sprachgeliör innerhalb gewisser Grenzen schwankend 
und variabel gestalten: 

a) Der schon unter I, 2, erwähnte Einfluß des zweiten Ohres. 

b) Beim ITörakt handelt es sich nicht nur um die Perzeption der 
die Sprache zusammensetzenden Töne und Laute, also um eine reine 
Empfindung, sondern auch um das akustische Gedächtnis, um die gei- 
stige Verknüpfung und Verarbeitung der einzelnen Elemente sowie um 
die Fähigkeit der Psyche, nicht bezw. nicht gut Gehörtes zu ersetzen 
und zu ergänzen. Entsprechend der Trennung des akustischen Emp- 
lindungsfeldes und des akustischen Erinnerungsfeldes, w ie sie die phy¬ 
siologische Psychologie annimmt, kann bei normaler Hörfähigkeit für 
die einzelnen Töne und Elemente je nach psychischer Disposition, In¬ 
telligenz und Anlage eine weniger feine Leistungsfähigkeit des akusti¬ 
schen Gedächtnisses, der geistigen Verknüpfung und Verarbeitung der 
Ilörelemente vorliegen. Unter diesen Umständen kann trotz gleicher 
Hörreliefs eine verschiedene Hörweite für die Sprache bestehen. 


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— 512 — 


c) Auch die Starke der akustischen Empfindung, der Tonperzep¬ 
tion, unterliegt bei normalen Menschen psychischen Einflüssen und 
schwankt innerhalb gewisser Grenzen je nach Tageszeit, Aufmerksam¬ 
keit und Interesse, Beschaffenheit des Untersuchungszimmers und psy¬ 
chischer Disposition. Den hierdurch bedingten Schwankungen der HÖr- 
dauer für Stimmgabeltöne braucht nicht in gleicher Weise ein Schwan¬ 
ken der Hörweite für die Sprache zu entsprechen, weil die erratende 
und kombinierende Tätigkeit der Psyche innerhalb gewisser Grenzen 
ausgleichend einwirken kann. Infolgedessen kann wiederum bei glei¬ 
chen llörreliefs eine verschiedene Hörweite für die Sprache bestehen 
und umgekehrt. 

d) Die normale Ermüdbarkeit des Ohres Stimmgabel tönen gegen¬ 
über ist eine weitere Fehlerquelle, da aus dem gleichen Grunde, wie 
oben gesagt, derselben nicht eine gleiche Ermüdbarkeit der Sprache 
gegenüber zti entsprechen braucht. 

4. Je länger die Hördauer für einen Stimmgabelton ist, um so mehr 
«ind psychische und sonstige Umstände geeignet, Schwankungen der 
Hörzeit zu bewirken; das schwerhörige Ohr gibt im Gegensatz hierzu 
in viel präziserer Weise das Moment des Verklingen» an, die Ergebnisse 
der Tonprüfung bei Nachuntersuchungen sind beim schwerhörigen Ohr 
daher auch viel gleichmäßiger und konstanter wie beim guthörenden 
Ohr. Die unter 1, 3, genannten Faktoren machen sich daher uni so 
weniger geltend, je mehr durch wirkliche organische Erkrankungen der 
Gehörorgane die Ilörfähigkeit gelitten hat, sie spielen bei hochgradiger 
Schwerhörigkeit eine geringe Rolle. Der Einfluß dieser Faktoren tritt 
aber andererseits um so mehr hervor, je länger die Ilördaucr wird für 
Töne und je mehr man sich der oberen Grenze der Ilörfähigkeit für 
die Sprache nähert. 

o. In gesteigertem Grade treten die unter Nr. I, 3, erwähnten Fak¬ 
toren in die Erscheinung bei verschiedenen Alterationen des Nerven¬ 
systems funktioneller und organischer Natur (Neurasthenie. Hysterie, 
Alteration des Nervensystems nach Kopfersehütterung), und zwar um 
so mehr, je besser die Ilörfähigkeit des Ohres ist. Es kann unter diesen 
Umständen zu einem ausgesprochenen Mißverhältnis zwischen Ton- und 
Spraehgehör kommen. In der Art und Weise, in welcher bei den ein¬ 
zelnen Formen allgemeiner Nervosität — Neurasthenie, Hysterie, Kopf- 
erschütterungen — das Mißverhältnis zwischen Ton- und Spraehgehör 
sieh iießert, hallen sieh prinzielle Unterschiede nicht ergeben, immer¬ 
hin aber einige Unterschiede gradueller und sonstiger Natur. 


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— 513 — 


II. 

1. Handelt es sieh um gleichartige Erkrankungen beider Ohren 
oder um eine einseitige Erkrankung hei gesundem /.weiten Ohr, so be¬ 
steht eine oft außerordentliche Aehnlichkeit der beiderseitigen Kur¬ 
ven. Diese Anpassung der Kurve des gesunden Ohres an diejenige des 
kranken ist der Ausdruck eines gegenseitigen Abhängigkeitsverhält¬ 
nisses beider Ohren voneinander, vielleicht infolge der Kreuzung der 
beiden Hörnerven. 

2. Das Mißverhältnis zwischen Tongehör und Sprachgehör macht 
sich da, wo cs besteht, stets für btide Ohren in gleicher Weise geltend, 
weil eben zentrale Ursachen hierfür maßgebend sind. Wenn sich also 
bei gleichartigen Erkrankungen beider Ohren die beiderseitigen Hör¬ 
kurven decken, so sind auch die Hörweiten für die Sprache gleich bezw. 
wenig differierend. Je mehr sich die eine llörkurve über die andere 
erhebt, um so mehr übertrifft die Ilörfähigkeit dieses Ohre 9 für die 
Sprache diejenige des anderen Ohres und umgekehrt. 

3. Die äußere Oestalt der Kurven zeigte typische, immer wieder¬ 
kehrende Bilder. 

a) Am häufigsten fand sich entsprechend den sonstigen bekannten 
Erfahrungen eine im allgemeinen aufsteigende Form mit Zunahme der 
prozentualen Hördauer nach der oberen Grenze hin bei Erkrankungen 
des Schalleitungsapparates, eine im allgemeinen absteigende mit Ab¬ 
nahme der prozentualen Ilördaucr nach der oberen Grenze hin bei Er¬ 
krankungen der schallperzipiorenden Teile. Der mittlere Tonbereich 
fügte sich in diesen auf- oder absteigenden Verlauf der Kurven im all¬ 
gemeinen in gleichmäßiger Weise ein. 

b) Kur selten scheint bei der nervösen Schwerhörigkeit die auf- 
steigende, nach der oberen Grenze hin eine Zunahme der prozentualen 
Hördauer anzeigende Kurvenform zu sein. Recht häufig findet man 
indessen die gipfelförmige Kurve mit höchstem Stand in der Mitte und 
mehr oder weniger starker Beeinträchtigung der Hördauer für die 
oberen und unteren Grenztöne, und zwar vorzugsweise bei Kombination 
von Mittelohraffektionen mit Erkrankung des inneren Ohres, aber auch 
hei reinen Störungen der schallempfindenden Teile, ln der weitaus 
überwiegenden Zahl der Fälle war der mittlere Tonbereich noch erhal¬ 
ten, seihst wenn Anfang und Ende der Kurven bereits verlöscht waren, 
so daß also auch hiernach mit gewissem Recht von einer besonderen 
Empfindlichkeit des Ohres für den mittleren Tonbereich gesprochen 
werden kann; es kann sogar für eine mehr oder weniger große Strecke 
des mittleren Tonbereiches eine völlig normale Hördauer bestehen, auch 


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wenn au Her unteren und oberen Grenze die Hördaurr für Stimmgabel¬ 
töne in erheblichem Grade beeinträchtigt ist. 

d) Eine vorzugsweise Beeinträchtigung des mittleren Tonbereiches, 
d. h. tiefster Stand in der Mitte. Ansteigen der prozentualen Ilördauer 
nach beiden Grenzgebieten hin, kommt sowohl beim normalhörenden 
wie beim schwerhörigen Ohr vor, und zwar 

a ) beim norinalhörenden Ohr entweder als Zeichen der Ermüdung 
oder bei nervösen Erkrankungen allgemeiner Art (Neurasthenie, Hy¬ 
sterie, Kopferschütterungen). Der besondere Tiefstand der sonst ganz 
oder nahezu normalen Kurve betrifft in diesen Fällen bald einzelne, bald 
mehrere Töne der Strecke c—ej, selten cs. Grund: Diese Strecke liegt 
außerhalb des Optimum perceptibile, sie wird durch Geräusche der Um¬ 
gebung am stärksten beeinflußt, es sprechen endlich einige vorhin näher 
besprochene physikalische Ursachen mit; 

ß) auch beim schwerhörigen Ohr kommt ein besonderer Tiefstand 
der Kurven bezüglich einzelner oder mehrerer Töne des mittleren Ton¬ 
bereiches vor, und zwar sowohl bei Neurosen (Hysterie) wie auf Grund 
organischer, jenseits des Mittelohres liegender Ursachen: 

y) ein Verlöschtsein der Kurven im mittleren Tonbereich bei Er¬ 
haltensein der oberen und unteren Grenztöne ist anscheinend recht 
selten, es wurde von mir selbst niemals beobachtet, wohl aber von an¬ 
deren Autoren, und zwar sowohl als neurotische Störung (Hysterie), 
wie bei organischen, jenseit?© des Mittelohres liegenden Erkrankungen. 

e) An welcher Stelle des inneren Ohres — Schnecke, Akustikus- 
stamin, zentrale Bahnen — der Sitz der Hörstörung zu suchen ist, läßt 
»ich aus der Hörkurve allein nicht, folgern, es scheint vielmehr bei allen 
Formen nervöser Hörstörung jede Kurvenform Vorkommen zu können, 
wenn auch bei der einen Form nervöser Schwerhörigkeit die eine, bei 
der anderen eine andere Kurvenform im großen und ganzen häufiger zu 
sein pflegt. 


111 . 

1. Die Kenntnis der zwischen Hördauer für Stimmgabeltöne und 
Hörweite für die Sprache obwaltenden Beziehungen ist mit gutem 
Erfolge Simulanten und Aggravanten gegenüber zu verwerten, beson¬ 
ders indem man aus der gewonnenen Hörkurve ein schätzungsweises 
Urteil über die Hörweite für die Sprache abzuleiten vermag. In den 
Abbildungen Xr. 73—7K habe ich eine Zusammenstellung der Voraus¬ 
setzungen versucht, die einerseits zur Annahme on Sprachtaubheit, an¬ 
dererseits zur Annahme einer Hörweite für Flüstersprache über 1 in, 
4 m, 6—7 m mit gewisser Sicherheit berechtigen. Die Grenzen sind 


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hierbei zunächst recht weit gesteckt, indem alle Einzelbeobachtungen 
eine Berücksichtigung erfuhren. 

2. Da sich auch aus der äußeren Gestalt der Kurve und dem Ver¬ 
hältnis der beiderseitigen Hörkurven zueinander Schlüsse auf die 
Glaubwürdigkeit des Entersuchten und die Richtigkeit seiner Angaben 
ziehen lassen, so ist die graphische Darstellung der Hördauer für 
Stimmgabeltöne bei wiederholten Untersuchungen und der Vergleich 
der beiderseitigen Hörkurven miteinander sowie mit der angeblichen 
Hörweite für die Sprache eine wichtige und brauchbare Handhabe bei 
der Beurteilung von Simulation und Aggravation. 

• 

Literatur. 

1. Bezold: Das Hörvermögen der Taubstummen, 1906. 

2. Bezold: Lehrbuch der Ohrenheilkunde, 1906. 

3. Voll: Ohrenleiden bei Hysterie. Zeitsehr. f. Ohrenheilkunde, 
1901. 40. Band. 

4. Panse: Ein Fall von (Jroßhirntaubhcit. Archiv f. Ohrenheil¬ 
kunde, 1906, 70. Band. 

5. Kali scher: Zur Funktion des Schläfeniappens des Gro߬ 
hirns. Sitzungsbericht der Preuß. Akademie der Wissenschaften, 1907, 

10. Band. 

6. Ziehen: Das Gedächtnis. Festrede, gehalten am Stiftungs¬ 
fest der Kaiser-Wilhelm-Akademie, 1907. 

7. Wittmaaek: Veber experimentelle degcnerative Neuritis 

des Hörnerven. Zeitschrift f. Ohrenheilkunde. 1906, 50. Band, 

Heft 1. u. 2. 

8. W ittmaack: Schädigung des Gehörs durch Schallein¬ 
wirkung. Zeitschr. f. Ohrenheilkunde, 1907, 54. Band, Heft 1. 

9. W i t t m a a c k: Versuch einer Differentialdiagnosc der Laby¬ 
rinth- und Akustikuserkrankungen und seine Bedeutung für die innere 
Medizin. Med. Kiiuik, 1905, Xr. 52. 

10. Luc ae: Die chronische progressive Schwerhörigkeit, ihre 
Erkenntnis und Behandlung, 1907. 

11. Nagel: Physiologie der Sinne. Handbuch der Physiologie 
des Menschen, 1905. 

12. II egen er: Klinische Beiträge zur Frage der akuten 
toxischen und infektiösen Neuritis des Akustikus. Zeitsehr. f. Ohren¬ 
heilkunde, 1908, 55. Band. Heft 1 u. 2. 

13. Alt: Fall von Melodientaubheit. Monatsschr. f. Ohrenheil¬ 
kunde, 1905, Heft 6. 

14. lihese: Uelier die Beteiligung des inneren Ohres nach Kopf¬ 
erschütterungen mit vorzugsweiser Berücksichtigung derjenigen Fälle, 
bei denen die Hörfähigkeit für die Sprache gar nicht oder nur in einem 
praktisch nicht in Betracht kommenden Grade gelitten hat. Zeitschr. 
für Ohrenheilkunde, 1907, 52. Band, Heft 4. 


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— 516 — 


Zur Aufdeckung der Regio respiratoria. 

Voll 

Dr. Ludwig Löwe, 

Ohren , Nasen-, Halsarzt in Berlin. 

Die Methode der Freilegung der Regio respiratoria vom Munde her 
ist ganz unabhängig voneinander von Professor i) e n k e r in Er¬ 
langen und vom Verfasser dieser Zeilen gefunden worden. (Siehe 
Denker: ..Die operative Behandlung der malignen Tumoren der 
Nase.“ Arehiv für Laryngologie, Band 21, Seite 1, und Löwe: 
„Zur Chirurgie der Nase“, 1. lieft, Berlin 1905. Seilte 17, 2. Heft, 
Berlin 1907, Seite 01.) Beide Verfahren, das Denker sehe und das 
des Verfassers differieren zwar in den technischen Einzelheiten, kommen 
aber übereinstimmend darauf hinaus, daß sie. um die Regio respiratoria 
vom Munde aus freizulegen, die faeiale und nasale Kieferhöhlenwand 
samt der unteren Muschel wegnelunen und außerdem noch die Rand¬ 
leiste der Apertur vom Nasenboden bis zum Ansatz des vorderen Endes 
der mittleren Musehel absehlagen. 

Nun stellen aber beide Enoheirosen noch nicht das letzte Wort in 
dieser Angelegenheit dar. Sie laborieren nämlich beide noch an dem 
üebelstande, daß sie die faeiale Kieferhöhlenwand mit resezieren. Das 
ist. doch ganz überflüssig. Die kann doch, wenn die Kiefer¬ 
höhle nicht miterkrankt ist. ruhig stehen bleiben. Ihre Abtragung 
erweitert weder den Ueberblick über die regio respiratoria der Nasen¬ 
höhle, noch gewährt sie dein Operateur größere Ellbogenfreiheit. 

Etwas anderes ist es freilich, wenn das Antrum miterkrankt ist. 
dann muß allerdings die faeiale Kiefernhöhlenwand eventuell mit ab¬ 
getragen werden und dann sind sowohl das 1) e n k e r sehe als das 
Verfahren des Verfassers berechtigt. Aber in allen dem Fällen, wo 
die faeiale Kieferhöhlen wand gesund ist —- und das dürfte bei einer 
großen Zahl, vielleicht der Mehrzahl der Patienten, die sich einer Frei¬ 
legung der Regio respiratoria zu unterziehen haben, zu treffen — muß 
die Operation, wenn sie anders als typisch gelten soll, so umgemodelt 
werden, daß sie die faeiale Kieferhöhlen wand stehen läßt. Das wird 
auf folgende einfache Weise bewerkstelligt: 

Te e h n i k de r A u f de e k u n g der Regio respiratoria 
v o m M u n d e h e r m i t E r h a 1 t u n g der f a e i a 1 e n K i e f e r- 

h ö h 1 e n w a n d. 

Die Operation kann wahrscheinlich unter Lokalanästhesie ausge¬ 
führt werden. Sie soll aber hier mal erst so beschrieben werden, wie 
sie sieh bei Anwendung der allgemeinen Narkose stellt, 


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1. Tamponade des Nasenrachenraumes. Fm die Blutung bei dei 
Operation zu beschränken, wird die zu operierende Nasenhöhle mit 
einen; Tampon, der mit. Adrenalin 1 : 4000 physiologische Kochsalz¬ 
lösung durchtränkt ist, ausgestopft. Stößt die Einführung des Ad¬ 
renalin tampons wegen Anwesenheit von Tumoren etc. auf Schwierig¬ 
keiten, so wird anstatt des Tampons ein Preßschwammstübehen in die 
zu operierende Nasenhöhle eingeführt. Es sind dies in den Apotheken 
käufliche, in Stiftform komprimierte Schwämme, die bei einer Länge 
von 6—8 cm ungefähr die Diekendimension eines starken Bleistiftes 
haben. Sie lassen sieh von den Nasenlöchern aus bequem in das Oavum 
nasi, selbst wenn dasselbe mit Gesellwulstmassen angefüllt ist, ein- 
sehieben. Durch die feuchte Wärme quellen sie auf. So wird einerseits 
eine Kompression der Mukosatapete bewirkt, andererseits vergrößern 
die Schwammstäbe bei ihrer Volumensvermehrung den Zwischenraum 
zwischen der lateralen und septalen Nasenwand, schützen letztere mit¬ 
hin bei Operationen an ersterer und umgekehrt. 

2. Dann wird eine 1 g-Sprit.ze einer Mischung von Adrenalin 
1 ; 4000 physiologische Kochsalzlösung unter das Zahnfleisch der zu 
operierenden Seite so eingespritzt, daß die Flüssigkeit gleichmäßig über 
die ganze Gingiva verteilt ist. Nun muß 10 Minuten gewartet werden; 
erst dann ist die Adrenalinwirkung eingetreten. Diese Zwischenzeit 
wird zur Einleitung der allgemeinen Narkose benutzt. 

8. Nach Ablauf der Wartezeit wird das Zahnfleisch etwas unter¬ 
halb des Umschlagrandes vom Weisheitszahn bis über das Frenulum 
hinaus durchschnitten. Der Schnitt blutet fast gar nicht, ln den 
oberen Band desselben werden ein Paar sechszinkige scharfe Haken 
eingesetzt und damit der obere Wundrand kräftig nach oben gezogen. 
Nun Zurückschieben der Weichteile der Backe. Es nruß nicht bloß die 
Fossa canina, Sondern auch die Knochenumrandung der Apertur, sowie 
die Sehleimhautbekleidung des Nasenbodens an der Uebergangsstelle 
zum Vestibulum sichtbar sein. 

4. Nun wird die Nasensehleimhaut längs des äußeren Aperturrnndcs 
von der Mundwunde aus durchschnitten. Auch dieser Schnitt blutet 
fast nicht. 

5. Am Bande der Apertur wird dicht über dem Nasenboden ein 
Baspatorium zwischen Knoche.ii und Schleimhaut eingeschoben und 
damit die Mukosa der lateralen Wand des unteren und mittleren Nasen¬ 
ganges, soweit cs irgend geht, vom Knochen abgehebelt. 

6. Jetzt, wird die Bandleiste der Apertur mit Meißel und Knochen¬ 
zange in dem Bezirk zwischen Boden der Kieferhöhle und Vorderansatz 
der mittleren Muschel weggenommen. Dieses zu resezierende Stück 


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— 51S — 


hat in der Richtung von oben nach unten eine Längenausdehnung von 
ca. 2/2 cm, der Quere nach reicht es soweit nach hinten, als sich die 
kompakte Randleiste der Apertur, die ja durch ihre weiße Färbung 
deutlich von dem dünnen, grauschimmernden Knochen der Fossa canina 
absticht, nach hinten erstreckt. 

7. Nach Entfernung der Randleiste wird die ganze Innenwand der 
Kieferhöhle (Knochen mit beiderseitiger Mukosabekleidung) samt dem 
aufsitzenden Stück der unteren Muschel abgetragen. Damit ist die 
Regio respiratoria aufgedeckt. Zugleich ist ein Veberbliek über die 
Kieferhöhle erzielt, trotzdem die faeiale Wand der letzteren stehen 
geblieben ist. Wird das Antrum krank befunden, so wird jetzt eventuell 
auch diese weggemeißelt. 

8. Nun wird die Regio respiratoria resp. das Siebbeinlabyrinth aus¬ 
geräumt. Nach Beendigung der Ausräumung wird die Operationshöhle 
locker mit einem Jodoform- oder Vioformmullstreifcn ausgefüllt. Der 
Tampon im Nasenrachenraum wird sofort nach Beendigung der Ope¬ 
ration entfernt. Ein Vernähen der Mundwunde ist vollständig über- 
llüssig, alle Teile legen sich von selbst aufs beste aneinander. Schlie߬ 
lich wird der Oberlippendeckverband angelegt, d. h. eine Lage passend 
geschnittener Tupfer wird auf die Oberlippe gelegt, mit Watte zu¬ 
gedeckt und mit einer Binde fixiert. Der Oberlippendeckverband dient 
zur Aufsaugung des aus der Nase abträufelnden Sekrets. Er wird 
ebenso wie der. endonasale Jodoform- resp. Yioform-Mullstreifen täg¬ 
lich erneuert. Nach 8 Tagen ist in der Regel die Ausheilung so weit 
fortgeschritten, daß der Oberlippendeckverband weggelassen werden 
kann. Der endonasale Streifen muß noch 14 Tage bis 3 Wochen lang 
täglich erneuert werden. Dann ist. meist alles beendet. Die Dauer des 
operativen Eingriffes dürfte bei einiger Hebung kaum mehr als 15 bis 
20 Minuten betragen; auch dürfte der Blutverlust in der Regel kaum 
nennenswert sein. 


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Kritiken. 


Lehrbach der Ohrenheilkunde für praktische Aerzte und Studierende. 

Von Adam Politzer. Fünfte, gänzlich umgearbeitete und vermehrt« 

Auflage. Mit 337 Abbildungen. Stuttgart 1008, F. Enke. 

Den dahingeschiedenen Meistern der Wiener Schule, R o k i - 
t a n s k y, S k o d a, O p p o 1 z e r und A r 1 t ist dieses Huch „in dank¬ 
barer Erinnerung“ gewidmet, und es trägt in seinem Aufbau und in 
seinem Inhalt die unzerstörbaren Traditionen dieser Schule zur Schau. 
Ein einheitliches Werk von großzügiger Konzeption, keine Sammlung 
von Lehrmeinungen anderer, sondern eine Darstellung des gesamten 
(jtfbietes nach den eigenen Anschauungen des Autors, ein im besten 
Sinne subjektives Werk, wie es uns allerdings nur ein Lehrer von der 
unbestrittenen Kompetenz Politzers geben konnte. Lehrbücher 
werden ja gewöhnlich für den Anfänger, und nicht für den Kenner des 
Faches geschrieben ; hier wird aber gerade dieser mit Genuß der Lektüre 
obliegen, um zu sehen, wie der auf einer so außerordentlichen Erfah¬ 
rung beruhende kritische Geist des Verfassers sich zu neuem und altem 
stellt. 

Die äußere Anlage des Buches hat sich seit der letzten Auflage 
im wesentlichen nicht geändert; einen umfangreichen Raum nehmen 
mit Recht die Darstellungen der anatomischen und pathologisch-ana¬ 
tomischen Verhältnisse ein. die den einzelnen Abschnitten vorausgehen 
und die dem Studieren den erst das richtige Verständnis für Klinisches 
und Therapeutisches ermöglichen. 

Kurze historische Rückblicke, ausführliches Eingehen auf die spe¬ 
zielle Diagnostik und die Details der Therapie mit allen ihren Variatio¬ 
nen zeichnen die klinischen Kapitel aus, von denen einzelne vollständig 
neu umgearbeitet erscheinen. 

Besonderes Interesse muß heute in einem neuen Lehrbuche die 
Stellung des Verfassers zur Diagnostik der Labyrintherkrankungen und 
zur Indikationsstellung der Eingriffe am Labyrinth erwecken. Wir 
finden die grundlegenden Tatsachen bei der ..Physiologie des inneren 
Ohres“ prägnant und mit dankenswerter Kürze dargestellt; ihre dia¬ 
gnostische Verwertung wird in den Kapiteln „Funktionsprüfling“ und 
„Labyrintheiterung“ behandelt, wobei insbesondere die neuen Erfolge 
der Schüler Politzers in der Untersuchung des \ 7 estibularapparates 
einen gebührenden Raum einnehmen; der Verfasser ist bemüht, soweit 
es heute schon angängig ist. eine sichere Richtschnur für die Indika¬ 
tionen der Eröffnung und Entfernung des Labyrinthes anzugeben. 
Zweckmäßig ist. der Abschnitt „Labyrintheiterung“ von den übrigen 
Erkrankungen des perzipierendcii Apparates abgetrennt und mit den 
„Komplikationen der Mittelohreiterung“ verbunden, wodurch die Dar- 


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— 520 


Stellung wesentlich an Klarheit gewinnt; er wird durch eine ausführ¬ 
lichere Uebersicht über die pathologische Histologie der Entzündungs¬ 
prozesse im Labyrinth bereichert, und enthält eine Anzahl neuer Ab¬ 
bildungen nach Original Präparaten des Verfassers. 

Eine charakteristische Abweichung von dem allgemein üblichen 
Einteilungsprinzipe der Mittelohrprozesse findet sich in der ausgiebigen 
Erweiterung des Begriffes der „Adhäsivprozesse“, die in katarrhalische 
Adhäsivprozesse und in solche nach abgelaufenen Eiterungen unter¬ 
schieden werden; durch das Festhalten an der anatomisch so wolilbe- 
gritndet.cn Terminologie des chronisch-katarrhalischen Adhäsivprozesses 
ist es möglich, das Gebiet des sogenannten „chronischen Katarrhs“ be¬ 
deutend einzuschränken und die zahlreichen Unklarheiten zu beseitigen, 
die heute noch vielfach mit dieser Diagnose gedeckt werden. 

Es ist. nicht möglich, alles Neue im Detail zu erwähnen, w T as uns 
Politzer in diesem Buche bringt : es sei nur noch auf die Kapitel 
„Konstatierung einseitiger Taubheit“, ..Erkrankungen des Warzenfort- 
satzes“, Eigentümlichkeit der eitrigen Mittelohrentzündungen bei den 
Infektionskrankheiten“, „Otitis media acuta der Säuglinge und im 
Kindesalter“, „Operative Freilegung der Mittelohrräume“, „Intra¬ 
kranielle Komplikationen“, „Taubstummheit“ verwiesen, die alle in vor¬ 
züglicher Weise ein Bild der Fortschritte bis in die letzte Zeit geben. 
Auch sonst wird der Kenner der früheren Auflagen — und welcher 
Otiater ist das nicht — fast auf jeder Seite Neues eingefügt und Altes 
eliminiert finden. 

Alles in allem: So wie seine Vorgänger wird auch dieses Werk 
wieder ein unschätzbarer Wegweiser für den Anfänger, ein zuverlässi¬ 
ger Berater für den in der Praxis Stehenden sein, dem selbständigen 
Arbeiter jedoch eine Fülle von Material zu vergleichendem Studium 
bieten. Jeder Leser aber wird wünschen, daß es dem Autor, der mit so 
bewunderungswürdiger Frische und Arbeitsfreudigkeit am Werke ist, 
in absehbarer Zeit vergönnt sei. dieser fünften eine sechste Auflage 
folgen zu lassen. H. F r e y. 

Notizen. 

Der Privatdozent Dr. Lunge in Berlin erhielt den Professortitel 
und wurde zum Leiter der Poliklinik für Ohrenkranke in Greifswald 
ernannt. * ’* N 

Am 9. Mai fand in der Würzburger Ohrenklinik die feierliche Auf¬ 
stellung der von Mitgliedern der Deutschen otologischen Gesellschaft 
gestifteten Tröltsehbüsie statt. Prof Kirchner hielt einen tief¬ 
empfundenen Nachruf, Geheimrat S c h w a r t z e gedachte in bewegten 
Worten des großen A T erstorbenen. 

Alle für di« Moaatasr.hrlft bestimmten Beiträge und Referate sowie alle Druok" 
«ohriften, Archive und Tausch-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Prof- 
V. Frb»ntBchif»Cli ’n Wien I, Srhotlenring 24, *u senden. Die Antoren, welche Kritik*« 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon tu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 80 Separat-Abzüge beigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Heidelberg. 

Verlag von Oscar Coblentz. Berlin W.30. Maaßenstr. 18. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW./Alexandrinenstr. 110. 


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Zur Frage der sogen, rezidivierenden Mastoiditis. 

Von 

Privatdozent Dr. Hugo Frey (Wien). 

H I. \V o 1 f f 1 ) und C- a l a in i d a 2 ) haben im verflossenen Jahre 
eine Anzahl von Fällen veröffentlicht, in denen nach erfolgter Trepa¬ 
nation des Warzenfortsatzes wegen akuter Mastoiditis und nach voll¬ 
ständiger Heilung der Operationswunde — und der Mittelohrerkran¬ 
kung — neuerlich, im Anschluß an eine friscli aufgetretene akute 
Otitis, solche Veränderungen am Warzenfortsatz sich entwickelten, 
daß eine zweite, ja* in einzelnen Fällen sogar später noch eine dritte 
Trepanation notwendig wurde. 

Schon vorher hatte Israel 3 ) hierher gehörige Fälle publiziert 
und auch ich hatte einen derartigen einmal vorgestellt 4 ); da die Frage 
der Rezidive der akuten Mastoiditis immerhin interessant genug er¬ 
scheint, bringe ich im nachfolgenden zwei von mir beobachtete Fälle 
zur Kenntnis, und möchte daran noch einige Bemerkungen knüpfen. 

Fall I beobachtete ich während meiner Dienstzeit an der da¬ 
maligen Ohrenklinik Politzer. O. W., 5Vfc J. alt. kam im November 1901 
zur Aufnahme. Es wurde berichtet, daß er im Januar nach einer 
Influenza eine Mittelohrentzündung der rechten Seite akquiriert hatte, 
deren Heilung längere Zeit erforderte. Zu Ostern wurde auf dem 
rechten Ohr von einem Arzt ein periostaler Abszeß \ röffnet, worauf 
Heilung eintrat. Am linken Ohr e;krankte Patient 4 Wochen vor der 
Aufnahme an Ohrenstechen, es kam aber nicht zum Durchbruch, "nd 
die Schmerzen schwanden bald wiener. Erst vor 6 Tagen traten neuer- 

*) Ueber rezid. Mastoiditis, Ztsclir. f. Ohrheilk., 1907, Bd. 54, S. 322. 

2 ) R^infections mastoidiens etc. Archives internation. de Larvng. NXFil 
1907. S. 174, 

3 ) Git. nach Calami da. 

*) Sitzungsbericht der öster. otolog. Ges., Monatsschr. f. Ohrenheilk., 
1905, Bd. 39, S. 461. 


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— 522 — 


lieh Schmerzen und Fieber und seither noch eine Anschwellung hinter 
dem Ohre auf. 

Status praesens: Gut genährter, seinem Alter entsprechend 
entwickelter Knabe; innerer Befund normal bis auf ein systolisches 
Geräusch an der Herzspitze. 

Rechtes Ohi : Gehörgang weit, Trommelfell glanzlos, im hinteren 
unteren Quadranten eine stecknadelkopfgroße Perforation, keine Se¬ 
kretion. Auf dem Warzenfortsatz eine 2 cm lange, lineare, auf dem 
Knochen wenig bewegliche, nicht empfindliche Narbe, von der er¬ 
wähnten Inzision herrührend. 

Linkes Ohr: Gehörgang hochgradig verengt, durch Yorwölbung 
der hinteren oberen Wand, so daß der Ausblick auf das Trommelfell 
behindert ist. Mäßige eitrige Sekretion. Hie W Bichteile auf dem 
Warzenfortsatz halbkugelig vorgewölbt; die Ohrmu jchel ist durch die 
Geschwulst stark nach vorn und unten gedrängt, die Decken der Ge¬ 
schwulst selbst sind gespannt und gerötet; deutliche Fluktuation, ziem¬ 
liche Schmerzhaftigkeit. 

19. November. Operation in Chloroformnarkose. Weichteil¬ 
schnitt über die Konvexität der Geschwulst ; es entleert sich reichlicher, 
dicker, rahmiger Eiter. Der Warzenfortsatz ist hyperämisch, der 
Knochen ist weich und enthält Granulationen und Eiter bis ins An¬ 
trum, das eben falls vollständig ausgeräumt wird. Es folgte ein voll¬ 
kommen normaler Verlauf. Patient wurde bereits nach zwölf Tagen 
entlassen; die Sekretion aus dem Gehörgang sistierte wenige Tage 
nach dem Eingriff, die Wunde auf dem linken Warzenfortsatz war 
nach vier Wochen vollständig geschlossen. 

Am 22. Juni 1902 kam Patient neuerlich zur Aufnahme. Seine 
Mutter teilte mit, daß er vor einigen Tagen unter Fiebererscheinungen 
erkrankt sei und über Schmerzen im Hals geklagt habe. Seit zwei 
Tagen sei eine auffallende Veränderung an beiden alten Operations¬ 
stellen aufgetreten. 

Status praesens: Mäßige Rötung und Schwellung der Ton¬ 
sillen und der hinteren Rachen wand. 

Rechtes Ohr: Gehörgang weit, Trommelfell trüb, aber sehr wenig 
hyperämisch, Perforation im hinteren unteren Quadranten wie oben. 
In ihr kaum ein kleiner Tropfen glasig-schleimigen Sekretes. 

Linkes Ohr: Gehörgang weit, Trommelfell graurötlich durchschei¬ 
nend. mäßig retrahiert. 

Die Operationsnarben auf beiden Warzenfortsätzen aufgetrieben, 
gespannt, die Haut verdünnt, deutliche Fluktuation in der Umgebung, 
mäßige Rötung der Weichteile. Keine besondere Drueksehmerzhaftig- 


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— 523 


keit am Knochen. Patient hatte auch vorher kaum Schmerzen hinter 
dem Ohre. 

Am 22. Juni Operation in Chloroformnarkose beiderseits. In¬ 
zision in die fluktuierende Geschwulst erst rechts, dann links. Beider¬ 
seits gleichmäßig folgender Befund: Der Eiter ist nur zwischen Weich¬ 
teilen und Knochen an gesammelt, der Knochen selbst, der eröffnet 
wird, hyperämisch und so stark erweicht, daß man fast ohne 
jeden Widerstand mit dem scharfen Löffel Vordringen kann. Rechts 
wird das Antrum angegangen, enthält jedoch keinen Eiter. Abtragung 
der infiltrierten und zerfallenen Weichteile, Wundversorgung. Inner¬ 
halb dreier Wochen vollständige Heilung. 

Epikrise. 

Ein typischer Fall von akuter Mastoiditis der linken Seite. Bei 
dem von uns nicht beobachteten „periostalen Abszeß“ rechts dürfte 
es sich auch um echte Mastoiditis gehandelt haben. In einem Zeitraum 
von sechs Monaten nach der Heilung zeigten sich keinerlei Krank- 
heitserscheinungen. Der Zustand war gewiß vollständig normal. Im 
unmittelbaren Anschluß an eine Angina tritt nach einem halben Jahr 
innerhalb weniger Tage beiderseits ein fluktuierender Abszeß an der 
Stelle der alten Operationsnarben auf, ohne daß wesentliche Schmerzen 
im Ohre oder Knochen vorausgegangen wären. In der Trommelhöhle 
treten nur höchst unbedeutende Entzündungserscheinungen auf. Auch 
bei der folgenden Operation zeigt sich der Eiter nur periostal im Be¬ 
reich der bindegewebigen Narben angesammelt. Der Knochen selbst 
ist nur hochgradig erweicht und im eröffneten Antrum findet sich 
kein Eiter, so daß jedenfalls nicht von einem eitrigen Warzenfortsatz¬ 
abszeß gesprochen werden kann. 

Fall II beobachtete ich in der Privatpraxis. C. D., 4 J. alt, er¬ 
krankte an einer linksseitigen akuten Otitis. Ich sah ihn zum ersten 
Male am 2. Februar 1905. Das Trommelfell war stark gerötet, stark 
vorgewölbt, Druckschmerzhaftigkeit an der Spitze des Warzenfortsatzes. 
Temp. 39,2 °. Parazentese, Verband. Es stellte sich eine profuse eitrige 
Sekretion ein, die jedoch nur 3—4 Tage währte. Trotz Aufforderung 
wurde mir das Kind nun durch mehrere Tage nicht vorgeführt, .und 
ich sah es erst wieder nach mehr als einer Woche. Es bestand keine 
eitrige Sekretion mehr, jedoch war der Gehörgang stark verengt, deut¬ 
liche Schwellung und Rötung über dem Warzenfortsatz, starke Druck¬ 
empfindlichkeit an der Spitze, dunkle Fluktuation. Die am nächsten 
Tage vorgenommene Operation ergab eine geringe Quantität sub- 
periostal angesammelten Eiters; der Knochen war stark hyperämisch, 


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erweicht, von (Iranulationsen durchsetzt, diffus eitrig infiltriert, gegen 
das Antrum zu ein kleiner konfluierter Abszeß, die Wand des Antrum 
brüchig und erweicht, nach hinten bis zur hinteren Schädelgrube. 

Bei normalem Heilungsverlauf war am 15. III. die Wunde voll¬ 
ständig geschlossen, der Gehörgang wieder weit, Trommelfell normal. 
In den letzten Tagen des April erkrankte Patient an Morbillen. Als 
ich ihn am 2. Mai sah, erfuhr ich, daß seit 24 Stunden sich neuerlich 
eine Schwellung hinter dem Ohr gezeigt habe. Gehörgang und Trom¬ 
mel teil waren normal, dieses kaum injiziert, ln der unteren Hälfte der 
Operationsnarbe eine deutliche Infiltration, Schwellung und Spannung 
der Decken, geringe Druckschmerzhaftigkeit. Temp. 37,9 °. Am näch¬ 
sten Tage ist an der gestern vorgewölbten Stelle der Narbe ein Durch¬ 
bruch aufgetreten. Es entleert sich ein wenig Eiter, und man sieht 
eine durch Einschmelzung der Ränder kreisförmige OefFnung, die sich 
nach innen in der Richtung gegen die Spitze des Warzenfortsatzes zu 
verfolgen läßt, und in einen glattwandigen, mit flachem Granulations¬ 
gewebe ausgekleideten kleinen Ilohlraum führt., Bei der Sonden¬ 
untersuchung zeigt sich nirgends erkrankter Knochen. Lockere Tam¬ 
ponade der Höhle, die etwa 1 cm tief ist und V* cm im Durchmesser 
hat. Während der nächsten Tage mäßige eitrige Sekretion aus der 
Höhle, die sich nach 13 Tagen wieder vollständig geschlossen hat. 
Wälirend dieser ganzen Zeit waren keine weiteren Reaktionserschei¬ 
nungen mehr am Trommelfell sichtbar. 

E p i k r i s e. 

Im Anschluß an eine Bronchitis kommt es zu einer akuten Otitis 
von raschem Ablauf. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit bildet sich 
eine ziemlich ausgedehnte Mastoiditis mit periostalem Abszeß aus. 
Nach der Trepanation bei normalem Wundverlauf rasche Heilung. 
Nach ungefähr 6 Wochen vollständig normalen Betindens tritt in un¬ 
mittelbaren Anschluß an eine Maserninfektion und ohne merkliche ent¬ 
zündliche Veränderungen in der Trommelhöhle, ein Durchbruch der 
alten Narbe auf, der sich in eine Knochentistel fortsetzt, ohne daß 
der Kpochen in seiner Substanz selbst verändert zu sein scheint. Eben¬ 
falls glatte und rasche Heilung ohne besondere therapeutische Ma߬ 
nahmen. 

Währenddem es sich in der Mehrzahl der Fälle W o 1 f f s sicher 
um echte Rezidive gehandelt hat, was durch den Befund ausgedehnter 
Knochenerkrankung erwiesen wird, — Calamidas Fälle sind leider 
nicht ausführlich genug beschrieben, um einen diesbezüglichen Schluß 
zu erlauben — so können die beiden hier geschilderten Fälle keines¬ 
falls als echte Rezidive einer abszedierenden Mastoiditis aufgefaßt 


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— 525 — 


werden; denn in keinem der beiden Fälle war eine wirkliche Erkran¬ 
kung des vorhandenen Knochen ge webes bei dem neuerlichen Eingriff 
aufzufinden. Daß im allgemeinen Rezidive der Mastoiditis nur selten 
zur Beobachtung kommen, mag darin seinen Grund haben, daß das bei 
der Aufmeißelung entfernte Knochengewebe sich wahrscheinlich durch 
solches differenter Struktur ersetzt. Statt des früher zellulär ange¬ 
ordneten bildet sich wohl dichter, kompakter Knochen und das An¬ 
trum verödet. Allerdings fehlen hierüber exakte Untersuchungen. 
Aber sollte es sich tatsächlich so verhalten, dann würde eine Fortleitung 
der Eiterung von der Trommelhöhle aus nur schwer möglich sein. 
Nehmen wir ja doch auch an, daß es bei diploetischen Warzenfortsätzen 
nur schwer zur Ausbildung eines Knochenabszesses kommt. Es müßte 
dann zumindest eine Otitis von ganz besonderer Intensität kommen, 
um den dichten Knochen — vorläufig angenommen, es handle sich um 
solchen — zu ergreifen und zur Einschmelzung zu bringen. Davon 
konnte aber in unseren Fällen schon deshalb nicht die Rede sein, weil 
bei keinem von ihnen eine echte akute Otitis, geschweige denn eine 
solche von besonderer Heftigkeit, dem Rezidiv vorausgegangen war. 
Fall I kam 2—3 Tage, Fall II sogar einen Tag nach dem Auftreten der 
Ohrsymptome in unsere Beobachtung. In keinem der beiden Fälle 
waren objektive Veränderungen, die einer auch nur einigermaßen 
intensiven Mittelohrentzündung entsprochen hätten, otoskopiseh zu er¬ 
kennen. 

Fall 1 bot viel mehr das Bild eines Katarrhs als einer Entzündung, 
und im Fall II beschränkten sich die Veränderungen am Trommelfell 
nur auf eine leichte Hyperämie. Auch können wir nicht glauben, daß 
vielleicht eine akute Otitis schon vor längerer Zeit abgelaufen war, so 
daß wir nur deren letzte Reste sahen. Denn eine solche wäre den 
Angehörigen der Patienten bei ihrer Intelligenz und dem Umstand, 
daß sie durch die vorangegangene Erkrankung zu erhöhter Aufmerk¬ 
samkeit veranlaßt waren, sicher nicht entgangen. Zudem bezogen sich 
die Klagen gleich von vornherein auf den Warzenfortsatz. 

Als an eine zweite Möglichkeit wäre daran zu denken, daß bei 
dem ersten Eingriff nicht alles Erkrankte entfernt worden sei und 
zurückgelassene Reste veränderten Knochengewebes den Anstoß zu 
neuerlichem Auftreten von Eiterungsprozessen gegeben hätten. Auch 
mit dieser Erklärung können wir uns hier nicht bescheiden. Es wurde 
in beiden Fällen gelegentlich des ersten Eingriffes der Knochen bis 
an die Oorticalis hin vollständig entfernt, was ja bei Kindern sehr 
leicht ist. Auch fand sich bei der zweiten Eröffnung in Fall I und 
bei dem spontanen Durchbruch in Fall II nichts von erkranktem 
Knochen vor. 


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Noch eine dritte Eventualität wäre zu erwähnen: Es kommt vor, 
daß bei unzweckmäßiger Nachbehandlung die Wundränder sich anein¬ 
anderlegen und verheilen, bevor noch die Knochenhöhle vollständig 
ausgefüllt ist, so daß eine Retention des noch weiter sich bildenden 
Wundsekretes und naehheriger Aufbruch erfolgt. Aber in unseren 
Fällen wurde bis zum Schlüsse offen nachbehandelt, die Wundränder 
waren nicht einmal genäht worden. 

Nach all dem wird die Annahme, es habe in unseren Fällen ein 
echtes Rezidiv der Ostitis mastoidea bestanden, höchst unwahrschein¬ 
lich, fehlt doch alles, was auf eine Erkrankung, eine Vereiterung der 
Knochensubstanz selbst hindeutet. Wenn das aber nicht der Fall ist, 
entsteht die Frage, was für einen Prozeß wir eigentlich vor uns hatten, 
und welches Gewebe hier zur eitrigen Einschmelzung gekommen sei? 

Ich erinnere mich nun hier an einige Fälle, wo mehrere Wochen 
nach der Heilung einer einfachen Trepanationswunde aus irgendeinem 
Grunde eine neuerliche Eröffnung vorgenommen wurde, z. B. wegen 
neuerlich auf getretener Symptome intrakranieller Komplikation. In 
diesen Fällen zeigte sich nun anstatt des erwarteten neugebildeten 
Knochens ein maseliiges, von viszider Flüssigkeit durchsetztes, binde¬ 
gewebiges Gerüst in der alten Höhle. Würden wir voraussetzen können, 
daß die Bildung eines solchen bei der Heilung der Operationslücken 
im Warzenfortsatz ein häutiges Vorkommnis sei, so könnten wir uns 
die oben geschilderten Fälle mit Leichtigkeit erklären, ja, wie ich 
glaube, können wir es überhaupt nur auf diese Weise. Ein jugend¬ 
liches, noch sukkulentes Gewebe wird gewiß schon bei einem sehr 
geringen Anstoß, einer ganz leiehtgradigen Entzündung, die in der 
Trommelhöhle kaum mehr Erscheinungen macht, sehr rasch ein- 
schmelzen und auch sehr rasch wieder sich restituieren können. Die 
IJeberleitung der Entzündungserscheinungen hätten wir uns dann so 
vorzustellen, daß die wenig virulente Infektion, die in der Trommel¬ 
höhle nur geringgradige, unter Umständen ganz kurzdauernde Er¬ 
scheinungen zu machen braucht, auf das wenig resistente Bindegewebe, 
das einen Teil des Knochendefektes ersetzt hat, übertragen wird, viel¬ 
leicht auf dem Wege bindegewebiger Züge und Dissepimente, die sich 
von der Mittelohrsehleimhaut bis in die Narbe hinein fortsetzen kön¬ 
nen. Wir hätten es dann hier nicht mit einem wirklichen Rezidive 
der Mastoiditis, sondern nur mit einem Seheinrezidive, mit einer Ver¬ 
eiterung bindewebiger Partien zu tun. Im ersten Falle waren aller¬ 
dings Monate zwischen dem ersten und dem zweiten Eingriff verflossen. 
Wir müßten daher dann weiterhin unsere Vorstellungen über den Hei- 
lungsprozeß nach der einfachen Aufmeißelung insoweit korrigieren. 


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— 527 


als wir annehmen müßten, daß aus dem im Knochendefekt aufschießen- 
den Granulationsgewebe bindegewebige Substanz sich bildet, die vor¬ 
erst den Defekt ausfüllt und erst später verknöchert, und zwar in einem 
wesentlich späteren Zeitpunkt, als wir bisher glaubten, 
so daß wir wenigstens für jugendliche Individuen eine zeitlich 
lang ausgedehnte Persistenz dieser bindegewe¬ 
bigen Knochen narben vermuten müßten. 

Mit W o 1 f f bedauere ich es, daß wir anatomisch über die Rege¬ 
neration des Warzeufortsatzes nach der Trepanation noch so wenig 
wissen; es ist ja gewiß möglich, daß die Heilung in verschiedenen 
Fällen in verschiedener Weise und insbesondere, was die Bildung so¬ 
liden Knochens betrifft, in verschiedener Zeit abläuft. Aber die ver¬ 
gleichende Betrachtung meiner Fälle und ihr Vergleich mit denen 
W o 1 f f s zeigt zumindest, daß wir neben dem echten Rezidiv 
der Mastoiditis noch den Typus des Scheinrezidivs auf¬ 
zustellen haben, bei dem es sich nur um eitrige Einschmel¬ 
zung der bindegewebigen Knochennarben handelt. 


Aus der Ohrenabteilung der allgem. Poliklinik in Wien 
(Vorstand: Dozent Dr. Alexander.) 

Ueber die Methode der Venenausschaltung bei 
otitischer Sinusthrombose und Pyämie. 

Von 

Dr. Karl Theimer. 

Aspirant der Abteilung. 

In einer sehr lehrreichen Arbeit hat Prof. Kümmel 1 ) seine Er¬ 
fahrungen über die vom Ohr ausgehenden septischen Allgemeininfek¬ 
tionen nieder gelegt. An der Hand einer ausführlichen Kasuistik be¬ 
spricht er die einzelnen Fälle, um dann seine Schlüsse zu ziehen. Wohl 
hält er das Bild der otitischen Septikämien und Pyämien durch die 
Arbeiten der pathologischen Anatomen und der Kliniker für ziemlich 
geklärt und damit die Diagnosenstellung für bedeutend erleichtert. 
Dennoch sagt er zum Schluß: „Das vielgestaltige Krankheitsbild der 
septischen Allgemeinerkrankungen nach Mittelohrentzündungen wird 
häufig genug alle hier gegebenen Ueberlegungen für den betreffenden 
Fall gegenstandslos erscheinen lassen, und chirurgische Einsicht und 

0 Kümmel: Ueber die vom Ohr ausgehenden septischen Allge¬ 
meininfektionen. Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und 
Chirurgie, III. Supplementband. Gedenkblatt f. J o. M i k u 1 i c z, 1907. 


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— 52 8 


Erfahrung wird immer wieder neue Aufgaben für ihre Betätigung 
finden.“ Die Folge dieser Ansicht ist, daß das therapeutische Vor¬ 
gehen seiner Ansicht nach nicht einen bestimmten Modus procedendi 
einhaiten soll. 

Daher wurden bei seinen Fällen die Indikationen und die einzel¬ 
nen Operationsmethoden erst bei den quasi vorbereitenden Operationen 
gestellt und erst der weitere Krankheitsverlauf veranlaßte Kümmel 
zu neuen ausgiebigen Operationen. So erklärt es sich, daß an einzel¬ 
nen Fällen mehrmals operiert werden mußte, wie aus den Kranken¬ 
geschichten Fall IV, Fall V, Fall VI, Fall VII. Fall Y11I und Fall TX 
hervorgeht. 

Insbesondere sind die letal abgegangenen Fälle VII und IX 
lehrreich. Bei der Epikrise zu Fall VII bemerkt Kümmel selbst 

zum Schlüsse: ,.Ohne Zweifel hätte, wenn wir den Symptomen 

die richtige Bedeutung beigemessen hätten, noch in einem sehr späten 
Stadium die schließlich letale Nephritis und Meningitis vermieden 

werden können.“ Und bei Fall IX sagt er:.Wir waren mit der 

Ausschaltung der Vena jugularis und des Bulbus aus dem Kreislauf 
hier zu spät gekommen: irreführend war vor allem, daß wir bei der 
Eröffnung des Sinus an der verdächtigen Stelle durchaus nichts Ab¬ 
normes fanden.“ 

Nun aber hat Alexander in seinem Vortrage „Die otitische 
Sinusthrombose und Pyämie“ 2 ) nachgewiesen, daß durch eine früh¬ 
zeitige und ausreichende Operation die Heilresultate bedeutend ver¬ 
bessert würden. A 1 e x a n d e r erzielte günstige Operationsresultate, 
bis zu 78 pCt., während Kümmel nur auf insgesamt 69 pCt. hin- 
weisen kann, und erklärt seine Erfolge mit der frühzeitigen Venenaus¬ 
schaltung im ganzen Bereich des kranken Ohres, sowie mit der An¬ 
legung einer Jugularishautfistel. die eine bessere Drainage ermöglicht 
und die Gefahr der Meningitis verringert. 

Auch die sonstigen Ueberlegungen führen dahin, nicht wie K iim - 
mel erst, am Operationstisch den Umfang der Operation zu bestim¬ 
men und so zu mehrzeitigen Eingriffen zu gelangen. Die Arbeit 
Alexanders legt klar, daß die otitische Pyämie und Sinusthrom¬ 
bose in jedem Stadium der Erkrankung einer exakten klinischen Dia¬ 
gnose zugänglich ist, und daß nach festgestellter Diagnose mit der so¬ 
fortigen und ausgiebigen Operation nicht gezögert werden soll. Die 
komplette Venenausschaltung bringt den Vorteil, daß man in allen 
Fällen von Pyämie mit einem einzigen Eingriff sein Auslangen findet, 

2 ) Oesterreichische Aerztezeitung. 1907, Nr. 23 u. 24, 1908, Nr. 1. 


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daß man nicht genötigt ist, was ja aus den von anderen Autoren viel¬ 
fach mitgeteilten Operationsgeschichten hervorgeht, dem ersten Ein¬ 
griff, der sich nicht als ausgiebig erwiesen hat, einen zweiten und 
dritten, in einzelnen Fällen sogar 6—8 Eingriffe folgen zu lassen. 
Dabei ist nach der von Alexander aufgestellten Methode von 
Schematisieren beim Operieren keine Rede. In der Anlage der Ope¬ 
ration muß nur stets der Venenausschaltung Rechnung getragen wer¬ 
den, der Umfang der Operation ist jedoch lediglich von dem Umfange 
der entzündlichen Veränderungen an dem Blutleiter gegeben. 

Dabei fällt noch eine Erwägung sehr schwer ins (iewicht, eine 
Erwägung, die gleichfalls zur Vermeidung mehrzeitiger Operationen 
und wiederholter Eingriffe führen muß. Bei jeder Pyämie und bei 
jedem septischen Prozesse sind das Herz und die großen Drüsen mit- 
affiziert und etwas degeneriert. Schon durch die längere Dauer des 
Prozesses wird die Degeneration gesteigert und gegen jedes poch so 
kleine Trauma widerstandsunfähiger gemacht. Nun aber ist eine jede 
Operation an und für sich und insbesondere die damit verbundene Nar¬ 
kose ein schweres Trauma, das für die betreffenden Organe und damit 
für den Patienten nicht gleichgültig ist. Auch das spricht für 
Alexanders Prinzip, rechtzeitig, oinzeitig und aus¬ 
giebig zu operieren. 

Wie eine rechtzeitige Diagnose zu stellen ist, darüber hat eben¬ 
falls Alexander die (1 rundsätze in seiner oben zitierten Arbeit fest¬ 
gelegt. 

Tritt im Verlaufe einer Ohrerk’rankung anhaltendes Fieber auf, 
oder stören Schüttelfröste den normalen Ablauf eines otitisehen Pro¬ 
zesses, entstehen Spontanschmerzen in der Warzenfortsatzgegend, oder 
klagt der Patient über Schmerzen daselbst bei entsprechendem Druck, 
klagt weiter der Patient über Schmerzen in der vorderen Okzipital¬ 
gegend, so hat höchstwahrscheinlich der Prozeß bereits auf den 
Knochen und die Blutleiter übergegriffen. Plötzliche Aenderung in 
der Eitersekretion aus dem Mittelohr, Füllung der oberflächlichen 
Hautgefäße, Druckschmerzhaftigkeit am Vorderhals, eingeschränkte 
aktive und passive Beweglichkeit des Kopfes, der Eindruck eines 
Schwerkranken machen die Diagnose zu einer fast sicheren und er¬ 
fordern ein sofortiges operatives Eingreifen von seiten des Arztes. 

Differentialdiagnostisch kommen in Betracht gewisse Formen der 
schweren akuten Otitis media bei Kindern im Anfangsstadium und 
einzelne Fälle von Pneumonia crouposa. Bei der Otitis med. acuta 
suppurativa der Kinder sind folgende Momente zu beachten. 
1. die Zeitdauer, 2. ein Schüttelfrost erfolgt gewöhnlich 
kurz vor dem Eiterdurchbruch, 3. die Art der Intermissionen 


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bei der Temperaturkurve, indem die Tiefenstände nicht die Norm er¬ 
reichen. Gegen eine Verwechslung mit Pneumonie schützt eine sehr 
genaue interne Untersuchung sowie der Verlauf in den ersten drei 
Tagen. Schwierig allerdings und fast unentscheidbar kann die Dia¬ 
gnose werden, wenn eine Kombination beider Krankheiten vorliegt. 
Hier hilft dann nur genauestes Abwägen und eventuelle Probeauf¬ 
meißelung des Warzenfortsatzes. 

Daß die Grundsätze Alexanders die richtigen sind, dafür er¬ 
bringen die drei folgenden Fälle, die an unserer Abteilung zur Beob¬ 
achtung kamen, und über die ich nun berichten will, vollen Beweis. 

E 1 i s a b e t h B., 19 Jahre altes Dienstmädchen. Auf genommen 
sub Protokollnummer 72 am 23. IV. 1908. 

Diagnose: Otitis niedia suppur. chron. dextra. Thrombo¬ 
phlebitis sin. sigmoid. et bulbi ven. jugul. dextra. 

Therapie: Radikaloperation; Freilegung und Eröffnung des 
Sinus lateralis; Jugularisunterbindung. 

Geheilt abgegangen am 29. V. 1908. 

Krankengeschichte: 

A r. a m nese: Ohrenfluß seit zwei Jahren, der nach einer Angina 
begann. Der Ohrenfluß war nur zeitweise. Pat. sonst nie krank ge¬ 
wesen. Vor sechs Wochen heftige Schmerzen im rechten Ohr und 
Kopfschmerzen. Kein Erbrechen, kein Schwindel. Patientin kam 
wegen der Schmerzen in die Ambulanz, es wurde eine heftige Otitis 
externa diffusa konstatiert. Nachdem sich dieselbe gebessert hatte, 
traten heftige Schmerzen im Hinterkopfe der rechten Seite auf. 
Schüttelfrost. Seit drei Tagen unvollkommene Lähmung des rechten 
Fazialis in allen drei Aesten. Pat. kommt wegen Kopf- und Ohren¬ 
schmerzen und wegen Ohrenfluß. 

Status praesens: Pat. gut genährt, psychisch etwas zurück¬ 
geblieben. Druckempfindlichkeit hinter der rechten 
() h r m u 8 c h e 1. Im äußeren rechten Gehörgang ein Polyp, der den 
Meatus ausfüllt. Schleimhaut blaß. Fazialis reagiert faradisch und 
galvanisch schwach. 

Konversationssprache rechts 10 m, links 10 m; Flüstersprache 
rechts 2 m, links 10 m; Akumcter rechts 1 m, links 8 m. Weber geht 
nach links, Schwabach verkürzt, Rinne rechts negativ, links positiv. 
Cj rechts negativ, links normal, ai rechts verkürzt, links normal; 
ci rechts verkürzt, links normal. Stenger positiv. I T hr rechts negativ, 
links positiv. Akumeter beiderseits positiv. Romberg positiv. Spon¬ 
taner Nystagmus beiderseits negativ. Galvanischer Nystagmus: Rechts 


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3 M.-A. -Anode, 10 M.-A.-Kathode, links 4 M.-A.-Anode, 10 M.-A.-Iva- 
thode keine Reaktion. 

Nystagmus nach Drehung: Rechts nach 10 Drehungen "y links 
9 Sekunden, links nach 10 Drehungen y~ rechts 12 Sekunden. Fistel¬ 
symptom negativ. 

Operation am 23. IY.; fecit Dozent Alexander, in Bill- 
rothmischung. 

I. Ausschaltung der Vena jugularis interna mit doppelter Unterbin¬ 
dung unterhalb der Vena facialis com. und der letzteren Vene, Durch¬ 
schneidung zwischen den Ligaturen. 

II. Radikaloperationnach Küste r-B e r g m a n n : Cor- 
ticalis sehr hart und dick. Im Antrum, Attik und in der Trommel¬ 
höhle ein vollkcmmen vereitertes, kirschkerngroßes Cholesteatom und 
Polypen. Beim Erweitern des Antrums nach rückwärts kommt plötzlich 
unter hohem Druck stehender sehr fötider Eiter eines perisinu¬ 
ösen Abszesses hervor. Sinus wird breit freigelegt und zeigt 
gegen den Bulbus zu eine tellergroße grünliche Verfärbung der Außen¬ 
wand. Der übrige Sinus ist gespannt, pulsiert nicht und fühlt sich 
blutleer an. 

III. Freilegung des Sinus nach oben bis zum Knie (bereits normal 
aussehend), nach unten bis zum Bulbus (grün verfärbt), Schlitzung 
desselben, Entfernung von grauroten Thrombenmassen, die nach oben 
bis zum Knie reichen, nach unten den ganzen Bulbus füllen. Von 
oben Blut im Strahle, von unten geringe Blutung. Resektion der er¬ 
krankten lateralen Sinuswand. 

Plastik nach Panse, Wundversorgung. 

IV. Lumbalpunktion ergibt klaren Liquor. 

Dekursus: 23. IV. Pat. befindet sich wohl, keine Kopf¬ 
schmerzen, kein Fieber, keine Schüttelfröste. Höchste Temperatur 
am Abend 37 °. 

24. IV. Temperatur 37,8, Wohlbefinden. 

Vom 25. IV. an Wohlbefinden, normale Temperaturen. Die Hei¬ 
lung der Operationswunde geht glatt vor sich. 

11. V. Temperatur 39,4, aber kein Schüttelfrost. 

12. V. Sekundärnaht der retroaurikulären Wunde in leichter 
Naikose, Temperatur wieder normal. 

13. V. Temperatur 38,3, dann wieder normal bis 

18 V. In der Jugulariswunde Nahteiterung mit Senkungs¬ 
abszeß. Temperatur 38,5. Heilung auf Drainage und Burow. Tem¬ 
peratur bleibt normal bis zur Entlassung am 29. V. 

29. V. Geheilt entlassen. 


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Cecilia Sw., 21 Jahre altes Dienstmüdelien, 
am 27. Februar 1908. 


Auf genommen 


1) i a g n o s e: Otitis 
acuta. Thrombophlebitis 
metast. III. 


media suppur. acuta et Mastoiditis dextra 
sinus lateral. Pyaemia; Abscessus 


herapie: Antrotomie. Freilegung des Sinus und der mitt- 
lerer und hinteren Schädelgrube; Eröffnung des Sinus, Ligatur der 

\enae jugularis interna und facialis coinmun. Inzision der drei Abs- 
zcsse 


Geheilt abgegan 


en am 20. V. 1908. 


Krankengeschichte: 

A r, a m n e s e: Vom.1. I. 08 bis 15. I. Ohrensteehen, am 15. I an¬ 
geblich Influenza. Darauf traten starke Schmerzen, Schwerhörigkeit 
und Fieber auf, am 27. I. begann das rechte Ohr zu fließen. Pat. trat 
am 3. II. in ärztliche Behandlung. Pat. kommt wegen Schmerzen 
im Ohre und im Hinterhaupt, Ohrenfluß, Schwerhörigkeit, Mat- 
tigkeit und Ohrensausen. 

Status praesens. Rechts: Äußerer Oehörgang gefüllt 
mit dickem, gelbem, rahmigem Eiter. Nach Entfernung des Eiters 
sieht man die obere Gehörgangswand gesenkt und zwar so, daß man 
das Trommelfell nicht sieht. Warzenfortsatz druckempfindlich, Pc- 
riost verdickt. 

Goniometer 

Augen auf Augen zu 

2!-23 21—23 


-29 25- -24 


Konversationsspraehe rechts 2 m, links 12 m; Flüstersprache rechts 
2 cm, links 10 m; Akumeter rechts 20 cm, links 10 m. Weber geht nach 
links, Scliwabach wenig verkürzt. Rinne rechts negativ, links positiv. 
Ci rechts negativ, links normal: ai rechts verkürzt, links normal; C 4 
rechts verkürzt, links normal, ülir rechts negativ, links positiv. Aku¬ 
meter per Knochen rechts und links positiv. 

Spontaner Nystagmus: Rechts bei starkem Blick wenig rotatorisch 
y rechts, links y wenig rotatorisch bei starkem Blick. Romberg 
negativ, ganz gut. Galvanischer Nystagmus: Rechts 8 M.-A.-Kathode, 
5 M.-A.-Anode, links 5 M.-A.-Kathode, 5 M.-A.-Anode. 


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Nystagmus nach Drehung: Rechts nach 10 Drehungen links y~ 
rechts 27", links nach 10 Drehungen rechts V links 24". 

28. II. Leichte Schmerzen im Warzenfortsatz, starke Eiter- 
sckretion. Menses. daher unterbleibt, die Operation. 

• 29. II. Plötzlich heftige Schmerzen im Warzenfortsatz und im 
rechten Kopf. Die Haut über und unter dem Warzenfortsatz leicht 
gerötet, geschwollen und äußerst schmerzhaft. Temperatur 39,5, 
Schüttelfrost, kein Erbrechen, Puls 120. 

O p e r a t i o n am 1. JI1.; fecit Dozent Alexander, in Nar¬ 
kose (Billrothmisehung). 

I. Typische Freilegung und Unterbindung der Vena jugularis in¬ 
terna und facialis communis. Durchschneidung beider Venen zwischen 
den Ligaturen, die Venen gut gefüllt, normal. 

II. Typischer Hautschnitt. Dorticalis sehr blutreich und dünn. War¬ 
zenfortsatz diploctisch, ganz erfüllt von Eiter und Granulationen. 
Knochen erweicht. Dasselbe im Antruin und in der Warzenfortsatz¬ 
spitze. An der inneren Corticalis der Warzenfortsatzspitze (Incis. 
mastoid.) eine schwarzverfärbte Stelle (beginnender Durchbruch). 
Die Zerstörung reicht nach hinten bis zum Sinus, der an der Ober¬ 
fläche mit Fibrin belegt und grau verfärbt ist. Weite Freilegung (über 
2 cm) des Sinus nach oben und unten bis über die erkrankte Stelle. 
Nach oben reicht die Erkrankung bis an die Dura der mittleren 
Schädelgrube, die Dura hier stark injiziert. 

III. 2 cm lange Inzision des Sinus. Derselbe ist von einem ca. 3 cm 
langen obturierendem Thrombus verschlossen. Nach Entfernung des¬ 
selben kommt vor. oben und unten Blut im Strome, Tamponade, Wund¬ 
versorgung. 

D okursus: 2. III. Relatives Wohlbefinden. Temperatur 39,9, 
kein Schüttelfrost, Schmerzen in der Wunde. Nachmittag Erbrechen. 

3. III. Status idem. Temperatur früh 39,8, abends 38.3. Injektion 
von 50 g 2% Nukleinsäure in den Bauch. 

4. III. Subjektives Wohlbefinden. Temperatur 38,5. 

4. III. Laboratoriumsbefund: Im Eiter grampositive Kokken in 
kurzen Ketten. Kulturell (1 Agar- und 2 Serum-Agar-Platten) Strep¬ 
tococcus pyogenes. 

5. III. Temperatur 39,0. 

6. III. Temperatur 39,1. Heftige Schmerzen im linken Schulter¬ 
gelenk, äußerlich nichts sichtbar. Burow 50 g Nukleinsäure. Kein 
Schüttelfrost. 

7. III. Status idem. Temperatur 39,8. Starke Schmerzen im 
Schultergelenk ohne Schwellung. 


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8. III. Temperatur 39,2. 

9. III. Temperatur 40. Schultergelenk geschwollen, sonst sub¬ 
jektives Wohlbefinden. Verbandwechsel, Wunde gut. 

14. III. Inzision der Schwellung am Schultergelenk im Deltoideus. 
Weichteile geschwollen, ödematös, kein Eiter, Gelenk wird nicht 
eröffnet. 

15. III. Temperatur 38,5. 

16. III. Temperatur 38. Subjektives Wohlbefinden. 

Folgende Tage: Wohlbefinden bis auf geringe Schmerzen in der 

linken Schulter. Starke Eitersekretion aus der Inzision in der Schul¬ 
ter. Ohrwunde gut granulierend. 

Temperaturen: Schwanken abends um 39 °. 

20. III. Diffuse Bronchitis, sonst Status idem. Temperatur 40®. 
Temperaturen wechselnd bis 39° bis 30. III. 

30. III. Wechselndes Oedem der linken oberen Extremität. 
Wunde des Deltoid gut granulierend. Schmerzen gering. Röntgen¬ 
befund ergibt keine Erkrankung im Gelenk oder im Knochen. Tem¬ 
peratur 39 °. 

1. IV. Deutliche Fluktuation in der Umgebung des linken Schul¬ 
tergel (Ulkes, starkes Oedem der ganzen linken Extremität. Röntgen¬ 
befund ergibt keine Veränderung am Knochen. Inzision und Drai¬ 
nage eines grollen jauchigen Abszesses, der zwischen der Muskulatur 
des linken Oberarmes, hauptsächlich um das Schultergelenk herum 
sitzt. Entleerungen von über % 1 jauchigen Eiters. 

2. IV. Temperatur 38,1. 

2. IV. Mikroskopischer Befund im Schultergelenkeiter: Spärliche 
grampositive Kokken. Kulturell (2 Agarplatten) reichliche Rein¬ 
kultur eines grampositiven Kokkus in Ketten. Streptococcus 
p y o g e n e s. 

3. IV. Temperatur 39,1. Gegeninzision an der Streckseite des 
linken Oberarmes, oberhalb des Ellbogengelenkes. 

4. IV. Temperatur 38,0. Inzision eines großen Abszesses der 
rechten Glutäalgegend. 

Temperaturen vom 5. IV. bis 26. IV. lytisch absinkend von 39,2 
bis zur Norm. 

26. IV. Gehör- und Funktionsprüfung: Konversationssprache 
rechts 3 m, links 12 m; Flüstersprache rechts 1 m, links 12 m; Aku- 
meter rechts 1 m, links 10 m. Weber geht nach rechts, Schwabach 
etwas verkürzt. Rinne rechts negativ, links positiv. CT ai c* rechts 
negativ, links normal. Uhr per Knochen rechts negativ, links positiv. 


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Akumeter per Knochen rechts positiv, links positiv. Spontaner Ny¬ 
stagmus beiderseits negativ. 

18. V. Pat. bekommt unter leichten Schmerzen akute Otitis 
rechts. 

Retroaurikuläre Wunde mit Epidermis überzogen, ziemlich tief. 
Die Epidermis läßt an einer Stelle eine Lücke frei, durch die man in 
der Tiefe Granulationen sieht. Keine Sekretion mehr. 

20. V. Pat. wird zur ambulatorischen Nachbehandlung entlassen. 

Paula K., 13 Jahre altes Arbeiterkind. Aufgenommen sub 
Protokollnummer 101 am 24. IX. 1908. 

Diagnose: Otitis media suppur. ac.; Mastoiditis acuta; Abs- 
cessus perisinuosus und Pachymeningitis externa acuta. Throm¬ 
bophlebitis sinus sigmoid. und bulbi venae jugularis. 

Therapie: Antrotomie. Freilegung des Sinus der hinteren 
und mittleren Schädelgrube. Unterbindung der Vena jugularis comm. 
und Bildung einer Venenhautfistel (A 1 e x a n d e r), Lumbalpunktion. 

Krankengeschichte: 

Anamnese: Als Kind machte Pat. Masern, Diphtheritis und 
Krampfhusten durch. Vor drei Jahren hatte sie Schmerzen im rech¬ 
ten Ohre, es wurde etwas entfernt; über den weiteren Verlauf weiß 
Pat. nichts anzugeben. Pat. hustet seit letzterer Zeit. Vor drei 
Wochen traten Schmerzen im rechten Ohre auf, bald darauf eitriger 
Ausfluß. In den letzten Tagen bildete sich eine Rötung über dem 
Warzenfortsatz, außerdem stellten sich daselbst Schmerzen und starke 
Kopfschmerzen ein, auch klagt sie über starke Schwerhörigkeit. 

Status praesens: Pat. sehr mager und schlecht genährt. 
Das rechte Ohr steht im Vergleich zum linken etwas tiefer und mehr 
vom Kopf ab. Hinter der Ohrmuschel und über dem Warzenfortsatz 
starke Rötung und Druckempfindlichkeit. Die obere Gehörgangswand 
ist gesenkt, der Gehörgang erfüllt mit dickem Eiter. 

Funktionsprüfung: Konversationssprache rechts V 2 m 
links 12 m; Flüstersprache rechts 0, links 12 m; Akumeter rechts 
0, links 9 m. Weber geht nach rechts, Schwabach rechts verkürzt, 
links normal. Rinne rechts negativ, links positiv. Ci rechts verkürzt, 
links normal; ai rechts und links normal; ci rechts verkürzt, links 
normal. Uhr durch den Knochen rechts negativ, links positiv. Aku- 
meter beiderseits positiv. Kein spontaner Nystagmus. Gang gut. 
Galvanischer Nystagmus: Rechts 12 Kathode, 8 Anode, links 10 Ka¬ 
thode, 8 Anode. 


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Nystagmus nach Drehung: Hechts >T 12, links 18. Hör- 

schlauch reellts negativ, links positiv. Kein Fistelsymptom. 

Operation am 25. »September 1908; feeit Assistent Dr. L e i d - 
ler: Typischer Schnitt längs der Ohrmuschel. 

Starke Infiltration der Gewebe. Kein Eiter, Knochen sehr blut¬ 
reich. An einer Stelle des Warzenfortsat/.es nekrotischer Knochen, 
hier beginnender Durchbruch. Warzenfortsatz von bröckligem, voti 
Eiter und Granulationen durchsetzten Knochen erfüllt, und zwar nach 
hinten bis zum Sinus, der freigelegt wird und sich mit Granulationen 
besetzt findet. Der Sinus ist so dünn, daß er beim Tupfen etwas ein¬ 
reißt. Die Blutung steht auf Tamponade. Sinus wird in einer Länge 
von 3 cm freigelegt, die Warzenfortsatzspitze reseziert. Das Antrum 
wird weit eröffnet, ist voll mit Granulationen. Der Bogengang rauh. 
Tamponade, Verband. 

Dekursus: Wohlbefinden bis zum 30. IX. An diesem Tage 
Kopfschmerzen, Temperatur 39,0: Verbandwechsel, Wunde normal 
granulierend. Die Kopfschmerzen halten an, werden über dem rechten 
Auge lokalisiert. 

2. X. Status idem. Puls 100, Temperatur 38,5. Untersuchung 
durch Internisten ergibt Tuberkulose der Lungenspitze mit Kavernen. 
Leichte X ackensteifigkei t. 

3. X. Um 8 Uhr morgens 1 ± Stunde lang andauernder typischer 
heftiger Schüttelfrost. Kopfschmerzen. Operation fecit Dozent 
Alexander. 

I. T y p i sehe A u s s c h a 1 t u n g der Vena jugularis interna 
und der Vena facial. comniun. und doppelte Unterbindung. Vena 
jugularis leer, es kommt von oben kein Blut. 

II. Breite Freilegung des Sinus signioid. bis über das Knie und 
den Bulbus von der Wunde aus. Pachymeningitis externa bis 2 cm 
nach rückwärts vom Knie. Um den Bulbus Eiter. Breite Inzision 
des Sinus ergibt starke Blutung. (Wandständiger Thrombus kann da¬ 
her nicht entfernt werden.) 

III. Bildung einer Jugularis-ITauttistel nach Alexander. Durch 
die Vene kommt Eiter. 

IV. Lumbalpunktation; Punktat klar. 

4. X. Kein Schüttelfrost, Temperatur 38,8. 

5. X. Ergebnis der Prüfung des Lumbalpunktates. Mikroskopisch 
und kulturell keine Mikroorganismen nachweisbar. 

Vom 5. X. an normale Temperaturen, das Befinden und Aussehen 
der Pat. werden besser, die anfangs vorhandenen Kopfschmerzen lassen 
ganz nach. 

Am 15. X. Vollständig normales Befinden. 


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Die Betrachtung unserer Fälle ergibt folgendes: Beim ersten Falle 
war an und für sieh die strikte Indikation zur Radikaloperation ge¬ 
geben. Die heftigen Schmerzen aber im Ilinterkopfe, der Schüttel¬ 
frost und die Fazialisparese ließen uns die Diagnose einer otitischen 
Prämie und einer Mitbeteiligung des Sinus am Prozesse annehmen und 
verlaßten uns, den Operationsplan größer anzulegen und die Jugularis- 
aussehaltung und Sinusausräumung mit in den Plan einzubeziehen. 
Der Befund bei der Operation rechtfertigte unser Vorgehen, ebenso 
<ler Erfolg. 

Beim Falle Sw. deuteten die Schmerzen im Hinterhaupte, 
der Schüttelfrost und das ganze Verhalten der Pat. im vorhinein auf 
eine Mitbeteiligung des Sinus. Die Operation bestätigte unsere Dia¬ 
gnose. der sehr gute Erfolg spricht auch hier für die frühzeitige 
Operation am Sinus mit vorhergehender «Jugularisausschaltung und 
Unterbindung derselben. 

Sehl 1 wenig Worte sind über den dritten Fall zu verlieren, gerade 
dieser Kasus beweist evident die Richtigkeit der Operationsindikatio¬ 
nen, sowie sie an unserer Abteilung gestellt werden. Patient kam mit 
einer einfachen unkomplizierten Mastoiditis zur Abteilung und wird 
operiert, wobei sich nichts, auf eine Prämie hindeutendes findet. Der 
Fall verläuft normal, bis 8 Tage später ein Schüttelfrost auf tritt, der 
für eine inzwischen dazugetretene Pyämie spricht, die Operation 
bestätigt die Diagnose. 

Ziehen wir nun aus dem Verlaufe, den unsere Fälle genommen 
haben, die Schlußfolgerung, so sind die Erfolge, die wir hier erzielt 
haben, der klarste Beweis für die Vorteile einer frühzeitigen Jugularis- 
ausschaltung und der Anlegung einer J ugularishautHstel nach 
Alexander und der möglichst vollständigen Entfernung der 
Thromben aus den erkrankten Sinusabschnitten. 

Wohl bestand die ursprüngliche Absicht (Zaufal), durch Aus¬ 
schaltung der Vene die Eiteraussaat zu verhüten. Es hat sich aber 
gezeigt, daß diese Forderung häufig nicht erfüllt wird, daß aber die 
Ausschaltung andere, sehr wichtige Forderungen zu er/üllen hat und 
ihnen auch wirklich nachkommt. Die Ziele und Forderungen der 
Jugularisausschaitung und der Anlegung einer Jugularishautfistel, wie 
wir sie veilangen, sind folgende: 

1. Ermöglicht diese Operation die notwendige Drainage des Sinus 
und des Bulbus (Alexander-Fistel). 

2. Die Venenoperation vor der Ohroperation verhütet eine Aspi¬ 
ration von Luft während der Operation am Sinus. 

3. Verhütet sie, daß bei der Ohroperation Teile des Thrombus los¬ 
gelöst werden und in die Zirkulation gelangen. 


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Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei festgestellter Diagnose 
„otitische Pyämie“ dem Eingriff am Sinus die Jugularisausschaltung" 
mit nachfolgender Unterbindung und womöglich mit Bildung der 
Alexander sehen Jugularishautfistel vorhergehen zu lassen 1 ). 

Nun ist nicht zu bestreiten, daß einzelne Fälle von otitischer 
Pyämie und Sinusthrombose ohne Jugularisaussehaltung ausheilen. 
Aber dem Zufall dieser Seltenheit zu vertrauen, darf doch nicht ma߬ 
gebend sein, maßgebend muß der Weg sein, der nach unseren, durch 
eine kritische Statistik gestützten Erfahrungen zu einem möglichst 
sicheren und guten Erfolge führt. Und der ist, um es nochmals zu 
betonen, bei otitischer Pyämie und Sinusthrombose die möglichst früh¬ 
zeitige und den übrigen Operationen am Ohre vorhergehende Jugu- 
larisausschaltung, Unterbindung derselben und Bildung der Jugularis¬ 
hautfistel. 

Sucht man diese Operation zu umgehen, so wird man zumeist 
schlechte Erfolge zeitigen, man wird am Ende doch in der überwiegend 
größeren Zahl der Fälle zu ihr gezwungen, — dann aber infolge des 
Zuwartens zumeist zu spät kommen, die Aussichten auf eine Heilung 
sind infolge des andauernden Fiebers und durch die dadurch bedingten 
Alterationen am Herzmuskel, in der Leber, Milz und Nieren viel ge¬ 
ringere, die Schwere des Prozesses eine viel größere geworden, „wir 
laufen hinter der Krankheit her, ohne sie chirurgisch einholen zu 
können“. 

Zum Schlüsse erübrigt es mir, meinem Chef, Herrn Dozenten- 
Alexander, für die Ueberlassung der Fälle und für die Unter¬ 
stützung bei Abfassung dieser Arbeit besten Dank zu sagen. 


Zum ferneren Ausbau meiner Theorie des oberen! 
Schutzvorriohtungssystems. 

Von 

Dr. nied. W. Lamann (St. Petersburg), 

Konsultant an der Maximiliananstalt des Boten Kreuzes. 

VII. 

Peristnltik und A n t i p e r i s t a 1 t i k. Mein Pech bei’ 
den Physiologen. 

Es ist mir neulich von fachmännischer (physiologischer) Seite als 
ein Gegenbeweis für die Richtigkeit meiner Theorie die Tatsache ent- 

! ) Drei weitere, hierher gehörige im Dezember 1908 beobachtete 
und operativ geheilte Fälle werden demnächst veröffentlicht werden- 


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— 539 — 


jgegcngehalten worden, daß wir beim Schlingen den Mund 
schließen. 

Angesichts solcher Mißverständnisse ist es also sichtlich die höchste 
Zeit, daß ich der Antiperistaltik ein besonderes Kapitel widme. 

Alle Bewegungen in den „Wegen“, welche die Weiterschaffung 
ihres Inhalts — gleichgültig welchen — zum Zwecke haben, lassen sich 
ln zwei große Gruppen unterbringen, je nachdem, ob diese Bewegun¬ 
gen in zentripetaler oder zentrifugaler Richtung ver¬ 
laufen. Es fragt sich also zunächst, welche Richtung wir als „peri¬ 
staltisch“ zu taufen hätten. 

Unter „Peristaltik“ haben wir bis jetzt jene Darmbewegungen, 
welche in der Richtung vom Pylorus zum Anus beobachtet \verden, 
-also zentrifu gal verlaufen — Pylorus als Zentrum ge¬ 
macht — verstanden. Vom Gesichtspunkte meiner Theorie liegen 
keine Gründe vor, an dieser eingebürgerten Benennung rütteln zu 
w r ollen; auch wir wollen dabei bleiben, dann aber wäre jede 
zentripetale Bewegung als „anti peristaltisch“ zu 
betrachten. 

Mithin wären also folgende Erscheinungen als peristal tisch 
•(zentrifugal) zu bezeichnen: die Defäkation, das Erbrechen, das Ex- 
spirium, der Geburtsakt, die Entfernung der Gallen-, Nieren- und an¬ 
derer Steine per vias naturales, die Fortbewegung des Blutes in den 
Arterien, die Entfernung dos klinischen Fremdkörpers in den „oberen 
Wegen“ etc. 

Sowohl hier, wie auch bereits früher, habe ich den Brechakt in 
-eine Gruppe mit der Defäkation gestellt. Dieser Punkt erfordert 
eine Erläuterung, denn er widerspricht unserer landläufigen Anschau¬ 
ung, indem wir bisher gewohnt waren, das Erbrechen als anti¬ 
peristaltisch zu bezeichnen. 

Aus so und so viel Gründen wurde die Zweiteilung des Digestions- 
traktus in einen oberen und einen unteren für nötig und daher für 
•gut befunden. Ich glaube jedoch, daß w r ir uns hier eine kleine Inkon¬ 
sequenz haben zuschulden kommen lassen. Allerdings waren wir von 
altersher gewohnt, den Pylorus, so zu sagen, als „Wasserscheide“ — 
in meiner Auffassung als „Zentru m“ '— zu betrachten. 
Der Umstand jedoch, daß die Nahrung und ihre Reste unter normalen 
Verhältnissen unbehindert ihren Weg vom Munde bis zum Anus in 
einer Richtung zurücklegen, wirkte als Tatsache so überzeugend, 
■daß der Brechakt und sonstige Analogien nicht imstande waren, den 
Gedanken fruchtbringend auf kommen zu lassen, daß hier eigentlich 
Ändere Verhältnisse, als man bisher vorausgesetzt hatte, Platz haben 


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— 540 — 


könnten; kurz — die Zweiteilung des Digestionstraktus erstreckte* 
sich auf vieles ariden», n u r n i e li t, auf die Richtung der Be- 
w e g u n g. 

Es wird Physiologen geben, welche behaupten werden, daß ich 
hier einen Streit uni Benennungen vom Zaune brechen will. Dies ist 
nicht der Fall; der Grund liegt tiefer, und zwar in der Natur der 
Sache. Eine fernere mögliche Einwendung, daß ich hier eine ein¬ 
fachere Auffassung durch eine kompliziertere ersetzen will, ist ent¬ 
schieden unhaltbar. Das Entgegengesetzte ist der Fall, denn in mei-' 
nein Bilde gehen alle Bewegungen aller „Wege** auf: in allen 
,,\V ege n“ gibt es ein Z e n t r u m (die Lungenalveole, das rechte 
und das linke Herz, der Fundus uteri für den Geburtsakt etc.). Eins 
ist jedoch für diese Auffassung bedingungslos notwendig — volle An¬ 
erkennung meiner Lehre, denn wo das Ganze geleugnet wird, fallen 
die Konsequenzen von selbst fort. 

Wir haben hier einen jener unzähligen Fälle aus unserem Alltags¬ 
leben vor uns. wo man an einer gewissen uns anerzogenen Anschauung" 
— man könnte sagen — mit kindlichem Glauben festhält, bis ein Fin¬ 
stand eintritt, welcher dieselbe plötzlich in Frage stellt. So war es 
auch hier, und wir hatten um so weniger Grund, die frühere Auf¬ 
fassung einer Revision zu unterwerfen und Analogien zu 
suchen, als der voraussätzliehen (aber noch nicht nachgewiesenen) 
Gesetzmäßigkeit der Darmbewegungen nur eine lokale Bedeutung 
zugesprochen wurde. 

Nach meiner Auffassung müssen jene Bewegungen, welche sich 
zentrifugal nach beiden Seiten vom Pylorus hin abspielen, als 
p e r i s t a 1 tisch bezeichnet werden. Somit geht die Fortbewegung 
der Nahrung und ihrer Reste vom Munde bis zum Polyrus unter an t i- 
perist attische r, abwärts vom Pylorus — unter p c r i s t a l ti¬ 
sch e r Bewegung vor sich. Beim Ileus beginnt die a n t i p e r i s tal¬ 
tische Bewegung im Darm, um, vom Magen angefangen, in die 
peristaltische überzugehen. Bei dieser Erscheinung sind wir 
Zeugen eines interessanten Aktes, bei welchem die Natur die Funktion 
dos »Schutzes von einem lahmgelegten (unteren) System auf ein tätiges 
(oberes) überträgt. 

A n t. i p e r i s t a 1 t i s c h (zentripetal) wären: die Antiperistaltik 
im Darm, die Nahrungsaufnahme, das Inspirium, die Fortbewegung 
des Bl utes in den Venen etc. — was sich auf Grund des Besproche¬ 
nen von selbst ergibt. — 

Wie ist die Erscheinung der A n t i p e r i s t a 1 t i k 
a u fzufassen? 


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— 541 — 


Es können wojil kaum Zweifel in betreff dessen auf tauchen, daß 
das in e c h a n i s c h e P r i n /. i p bei der Antiperistaltik dasselbe ist, 
wie bei der Peristaltik; anatomisch wird die Fortbewegung des 
Fremdkörpers durch dieselbe Muskulatur bewerkstelligt, und was die 
Physiologie betrifft, so sind wir gezwungen, vorauszusetzen, 
daß die nachgewiesenen Fundamentalgesetze für beide Hi c h t u u- 
g e n Gültigkeit haben müssen. 

Die nächste Frage lautet : wie wäre die U i c h t u n g. in welcher 
im Einzel falle der Muskel apparat eingreift, zu erklären, d. h. mit an¬ 
deren Worten, wie kommt es, daß sich einmal eine peristaltische, im 
anderen Falle eine antiperistaltische Richtung ergibt £ 

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir auf die Elemente 
meiner Lehre zurückgeben, auf die „Vorpostenrayons“, jene Gebiete 
der Schleimhaut, welche jeder Schutzvorrichtung vorgelagert sind, und 
von wo durch direkten Uellex der Impuls zum Eingreifen an die be¬ 
treffende Schutzvorrichtung (Konstriktor) ausgeht. Der Leser wird 
sich entsinnen, daß, wenngleich ich den Fremdkörperbegriff bedeutend 
erweitert und dementsprechend eine besondere Definition gegeben 
hatte, mir bei der Aufstellung meiner Theorie immer doch 
der „klinische“ Fremdkörper in den oberen Wegen vorschwebte, und 
daß ich meine Lehre in erster Linie an einen solchen anpaßte. Meine 
Theorie hatte anfänglich nur die Aufgabe, die Frage zu beantworten, 
auf weicht Weise ein „klinischer" Fremdkörper ausgestoßen wird, lind 
zwar natürlich n ach au Ü e n. So kam es. daß ich lange Zeit immer 
nur diese e i n e Richtung, die Richtung nach außen zu berücksichtigen 
hatte. Was die Erscheinung der e n t g e g e n g e s e t z t e n Richtung 
betrifft, so hielt ich mich in meiner Broschüre bei dieser Frage nicht 
länger auf. sondern beantwortete sie kurz auf die Weise, daß ich 
angab, der Mechanismus arbeite in solchen Fällen nach denselben Ge¬ 
setzen, nur in der entgegengesetzten R eih e n f o1g e 
der Konstriktoren. 

Dieser kurze Rückblick hat den Zweck, darauf hinzu weisen, daß 
bis jetzt meine Aufmerksamkeit immer nur der einen Seite einer 
Schutzvorrichtung zugewendet war, d. h. immer nur von eine m 
„Yorposteniayon“ die Rede war. In dem Moment aber, wo wir von 
Peristaltik und Antiperistaltik zugleich reden, sind wir gezwungen, 
aucli die a n d e r e Seite einer Schutzvorrichtung ins Auge zu fassen 
und da fällt uns dabei vollständig ungezwungen die Schlußfolgerung 
in den Schoß, daß es auch von der anderen Seite einer 
jede n S c h u t, /.vor r i c h t u n g ein e n „V o r p o s t e n r a y o n" 
geben muß. 


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— 542 — 


l)a unter Umständen die Gefahr seitens eines Fremdkörpers — 
im weitesten Sinne des Wortes — sowohl von der einen als auch von 
der anderen Seite einer jeden Schutzvorrichtung auftreten kann, 
so ist ein Vorpostenrayon nach beiden Seiten hin notwendig. Wir 
brauchen z. B. nur an den Darm zu denken. Die Antiperistaltik ist 
hier wohl auch nicht des Zeitvertreibs wegen da, sondern hat die Auf¬ 
gabe, gewisse Darmpartien gegen den chemisch noch nicht genügend 
bearbeiteten Inhalt durch Fernhalten zu schützen. Hier im Darm¬ 
kanal müssen wir besonders voraussetzen, daß die Vorpostenrayons, 
welche zu beiden Seiten einer Schutzvorrichtung gelagert sind, nicht 
auf einen, sondern auf verschiedene lleize reagieren, 
daß, wenn ein „Vorpostenrayon“ z. B. auf Säure, der andere auf Alkali 
„gestimmt“ sein kann. 

Meiner Lehre ist also noch folgender Satz hinzuzufügen: jede 
Schutzvorrichtung ist nach beiden Seiten hin mit je einem Vorposten¬ 
rayon versehen, welehe jedoeh durchaus nicht auf denselben Fremd¬ 
körper „gestimmt“ zu sein brauehen. 

Ob ich diees Hypothese physiologisch nachweisen könnte? Ganz 
entschieden. 

Da haben wir, Laryngologen, ein schönes Beispiel am Palatum 
molle. Beim Sehlingen wird durch reflektorischen Schluß des weichen 
Gaumens das llineingelangen von Speisen in den Nasenrachenraum 
verhindert ; andererseits wissen wir, daß bei der W e b e r sehen Douche 
auch kein Tropfen Flüssigkeit in den Schlund gelangt; der reflekto¬ 
rische Schluß des Palatum molle kann also sowohl vom Rachen als 
auch vom Nasenrachenraum ausgehen, was nur im Vorhandensein 
je eines „Vorpostenrayons“ von jeder Seite eine Erklärung 
finden kann. 

Ein anderes interessantes Beispiel bietet uns der sogenannte 
M e r i n g sehe Reflex am Pylorus. 

Ursprünglich wurde angenommen, daß es ausschließlich der Magen 
sei, welcher den Uebergang des Mageninhalts in den Dünndarm be¬ 
einflusse. Bald sollte es die saure Reaktion sein, welche die Oeffnuug 
des Pylorus bewirke, bald die alkalische. Erst später stieg die Ver¬ 
mutung auf, daß auch das Duodenum auf Schluß des Pylorus einen 
Einfluß üben könnte. Auch hier gingen die Experimente durchaus 
nicht glatt von statten. Ihre Ergebnisse waren anfänglich ebenfalls 
widersprechend, bis cs denn endlich gelang, etwas Sicheres, wie den 
M e r i n g sehen Reflex, d. h. wie man sich ausdrückte, den Einfluß 
des Duodenums auf reflektorischen Schluß des 
Pylorus n a c h z u w eisen und damit den endgültigen Beweis Zu 


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— 543 — 


liefern, daß der Uebergang des Mageninhalts in den Darm, d. li. 
SchlußdesPylorus, nicht nur unter Kontrolle des Magens, son- 
•dern auch des Duodenums stehe. 

Der Leser kann daraus ersehen, daß ich durchaus nicht ohne Be¬ 
weise dastelie, und daß, abgesehen davon, daß meine Voraussetzungen 
■eine logische Notwendigkeit bilden, mein letzter Lehrsatz sich auch 
kräftig experimentell begründen läßt. 

Damit wäre ich für heute mit dem Thema über die Antiperistaltik 
so ziemlich am Ende und könnte schließen, allein das Verhalten meiner 
Theorie zur Frage der Darmperistaltik hat sich in den letzten Jahren 
so weit geklärt und solche interessante und instruktive, neue Gesichts¬ 
punkte eröffnet, daß es sich wohl der Mühe lohnt, eine Weile bei dieser 
Analyse zu verweilen. 

Wissenschaftliche Untersuchungen haben sich von jeher in der 
Richtung fortbewegt, daß zu jeder Zeit neben jenen Erscheinungen, 
welche in bereits bekannten Gesetzen eine Erklärung gefunden hatten, 
such noch ein immenser „wissenschaftlicher Ballast“ vorlag. Unter 
diesem Namen will ich jene Tatsachen verstanden haben, welche 
wissenschaftlich festgestellt, zurzeit jedoch ohne Erklärung dastehen. 
Daß der Ausdruck „Ballast“ nicht zu drastisch gewühlt, will ich an 
•einem Beispiele nachweisen. 

In den 60 er Jahren hatte F r a n q o i s F rank und eine Reihe 
anderer Forscher definitiv fest-gestellt, daß bei Reizung der Nasen¬ 
schleimhaut Spasmus der Glottis. Spasmus der Bron¬ 
chien und Atomstockung in Exspirationsstellung 
auftritt. Eine Erklärung fehlte, das Faktum an sich wurde jedoch für 
so wichtig und interessant erachtet, daß es i m L a u f e v o n 4 0 J a h - 
ren aus einem Lehrbuch ins andere wanderte und auf diese Weise das 
Gedächtnis der Laryngologen und Physiologen belastete. Erst im 
Jahre 1904 (M. f. Ohr., Nr. 6) wies ich nach, daß wir hier mit 
einer Erscheinung, welche in meinem „Sequenzgesetze“ eine Erklärung 
findet, vor uns haben. Dadurch, daß diese Tatsache im Gesetze aufging, 
wurde sie erst aus dem „Ballast“ gestrichen. 

Wenn ich physiologische Arbeiten über Darmbewegungen lese, 
könnte ich die Lektüre mit. wiederholten Ausrufen, wie „vollkommen 
einverstanden“! — oder „richtig“! — unterbrechen. Wie käme ich 
dazu, ich, der ich diesen Fragen bis zuletzt völlig fern gestanden? 
Die Sache verhält sich sehr einfach richbinimBesitze zweier 
Gesetze, zweier Formeln, welche die Physiologen nicht 
haben, und von welchen sie — und dies ist das Schlimmere — auch 
nichts wüssen wollen! 


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— 544 — 


Wenn wir uns die Arbeiten über den Mechanismus der Darmbewe¬ 
gungen näher arischen, so finden wir hier einen „Ballast“ vor, welcher 
weniger an das Fassungsvermögen, mehr aber an das Gedächtnis des 
Lesers eine nicht geringe Forderung stellt, weil eben die Tatsachen 
nur lose Zusammenhängen. Aber auch dieser Zusammenhang ist nur 
so weit nachzuweisen, als es sich um ganz bestimmte Fragen handelt 
als einzelne Physiologen selbst und ihre Schüler oft jahrelang am 
einer bestimmten Frage arbeiten; scheidet man diese Gruppen von¬ 
einander und faßt nur das gewonnene Resultat ins Auge, so sehen wir 
nur Finzelstehendes vor uns. Als ich vor 30 Jahren Phy- 
siologievorlesungcn besuchte, stand es um die Peristaltikfrage recht 
schwach; seit jener Zeit hat sich ,,der Ballast“ unendlich vergrößert, 
aber der innere „Kitt“ fehlt, denn die Physiologen haben uns indessen 
mit keinem Gesetze beschenkt. 

Ich muß mich hier des Baumes wegen auf das Notwendigste be¬ 
schränken und nur zwei Beispiele anführen, um zu zeigen, wie die 
Physiologen oft schon dicht dabei waren, „das Gesetz“ zu erfassen und 
doch das letzte, das „erlösende“ Wort nicht fanden! Woher nicht? 
W eil ihnen die leitende Idee a b g i n g. 

Da haben wir zunächst den oben besprochenen M e r i n g scheu 
Reflex. Ich habe seine Literatur, soweit, sie mir zugänglich war, eifrig 
studiert, und zwar in der Richtung, irgendwo einen Hinweis zu finden, 
wie die Physiologen ihn eigentlich auffassen, d. h. auf welche 
Gesetzmäßigkeit sie ihn zurückführen, w eichen Platz sie ihm in der 
Darmperistaltik einräumen. Nicht nur, daß ich keine Antwort auf 
diese Frage gefunden habe, sondern ich vermisse selbst die Frage¬ 
stellung. So viel ich ersehen habe, wird der M e r i n g sehe Reflex 
als ein einzeln dastehendes Phänomen, ebenso einzeln, wie der Pylorus, 
aufgefaßt; er ist eben der M e r i n g sehe Reflex und nichts weiter! 
Die Physiologen haben keine Ahnung, daß dieser Reflex einem 
jeden Querschnitte eines beliebigen Systems zu- 
kom m t und s i c h vollständig in meiner T li e o r i e 
a u f 1 ö s t. — 

Da las ich vor einigen Monaten zu meiner nicht geringen Genug¬ 
tuung (Ergebnisse der Physiologie 1902, 1L Abteilung, S. 457): 

„Der Mechanismus der wahren peristaltischen Welle wurde da¬ 
durch untersucht, daß ein Bolus von Wachs oder Baumwolle und Va¬ 
seline oder weicher Seife in den Darm eingeführt wurde. Infolge 
dieses lokalen Reizes verfällt das Darmsegment gerade über den Bolus 
in eine starke tonische Kontraktion, während beim Hunde der Darm 
in einer beträchtlichen Länge unterhalb des Bolus gehemmt und er- 


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— 545 — 


schiafft ist (B a y 1 i ß und S t a r 1 i n g). Der Bolus bewegt sich daher 
im Darm nach unten, wobei er durch den vorwärtssehreitenden Ver- 
engerungsring gefolgt und getrieben wird. Die Abwärtsbewegung des 
Bolus im Darm beruht daher auf zwei Vorgängen, nämlich der Ver¬ 
stärkung der Kontraktion oberhalb und Hemmung der Kontraktion 
unterhalb des Bolus. Dieser doppelte Effekt der lokalen Beizung ist 
für den Darm charakteristisch/ 4 

Verstärkung der Kontraktion oberhalb des Bolus und Hem¬ 
mung unterhalb desselben — dies ist ja mein „(besetz der Anta¬ 
gonisten“, rief ich aus — wie es am Darm, als Tierexperiment, nicht 
schöner nachgewiesen werden kann! 

Dies ist aber erst seit heute so, geneigter Leser, denn noch gestern 
war dieses Ergebnis ebenso wie der M e r i n g sehe Reflex, nur 
„wissenschaftlicher Ballast“! 

Der von mir davongetragene Gesamteindruek läuft darauf hinaus, 
daß die Untersuchungen über Darmbewegungen sich bis jetzt in der 
Richtung und stillen Hoffnung fortbewegten durch Lösung v o n 
Detailfragen der großen Frage über die Peristaltik näherzu¬ 
treten, und zwar u n t e r z i e m 1 i e li o b 1 i g a t e m A u s s c h 1 u s s e 
jeglicher Spekulation. Da sehen wir denn den einen Phy¬ 
siologen auf scharfsinnige Weise Fisteln anlegen, der andere versucht 
es mit einem Bolus von Wachs, der Dritte von Bismuth — um rönt- 
genisieren zu können —, dies alles in Ermangelung einer leitenden 
Idee, eines Gesamtplanes Man experimentiert zum Teil so „ins Blaue“, 
mit der richtigen Voraussetzung, ,.etwas müsse sich doch schließlich 
ergeben“. Die Resultate jahrzehntelanger Mühen liegen vor uns und 
bieten leider wenig Erfreuliches, d. h. d i e ersten entspreche n 
nicht den letzteren. Erst wenn man in dieses Chaos mit 
meiner Theorie, wie mit einer Laterne, hineinleuchtet, fällt es einem 
wie Schuppen von den Augen. Der Leser möge mich nicht mißver¬ 
stehen. Ich zolle dem Fleiße, der Energie und auch dem Scharfsinn, 
mit welchem eine stattliche Reihe von Forschern ihre Experimente 
ausgeführt haben, meine volle und aufrichtige Bewunderung. Man 
muß eben keinen Augenblick den Umstand aus dem Auge lassen, daß 
es leichtei ist, auf Grund einer bereits vorhandenen Formel zu prophe¬ 
zeien, als auf empirischem Wege einen richtigen Satz, dazu unter sehr 
komplizierten Verhältnissen, aufzustellen. Den Physiologen daraus, 
daß sie nicht m e h r erzielt., einen Vorwurf machen zu wollen, wäre 
widersinnig, allein die Achtung, welche ich ihren Arbeiten zolle, darf 
mich nicht daran hindern, mich diesen kritisch zu nähern. 


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- 546 — 


Ich kritisiere nicht der Kritik wegen. Ich habe mir hier zur Auf¬ 
gabe gestellt, ein möglichst wahrheitsgetreues Bild der Gegenwart 
zu entwerfen, um Hinweise für eine produktivere Zu¬ 
kunft zu gewinnen. 

Bereits in meiner ersten Arbeit „Noch ein Zungenspatel“ (M. f. 
Ohr., 1900, Nr. 10) kommt schon das Leitmotiv meiner Lehre deutlich 
zum Ausdruck; im Laufe von 8 Jahren erscheint eine Arbeit nach der 
anderen, die überraschendsten Resultate und Konsequenzen drängen 
sich an die Oberfläche — man sollte glauben, die Physiologen müßten 
doch schließlich darauf reagieren; aber weit gefehlt! Unsere Olympier 
haben sich in ihren Laboratorien unzugänglich verschanzt und denken 
dabei: was kann Großes aus Bethlehem kommen? Es hat meinerseits 
wahrlich nicht an Versuchen gefehlt, bei den Physiologen anzuknüpfen. 
Alles vergebens! Noch vor kurzem kam ein von mir in die Redaktion 
-einer deutschen physiologischen Zeitschrift eingesandter Aufsatz 
schneller zurück, als hin. So gestaltet sich die Gegenwart. Ich 
verhalte mich vollkommen ruhig und abwartend, denn ich weiß, 
was die Zukunft bringt. Ueber kurz oder lang werden sich 
-die Physiologen überzeugen, daß ihre Lage in Punkto Peri¬ 
staltik hoffnungslos ist, wenn sie bei ihrer jetzi¬ 
gen Richtung bleiben, denn das Experimentieren 
allein macht es nicht, sondern der Ge ist, der da¬ 
hinter steckt. Und die Herrn Physiologen werden sich schlie߬ 
lich herablassen, um diesen Geist in meiner Lehre zu suchen. 

Diese Prophezeiung wird hier und dort ein ironisches Lächeln 
zur Folge haben, allein — die Tatsachen führen eine sehr beredte 
.'Sprache. 

Im Hefte 10, 1905, dieser Monatsschrift, habe ich auf die Evolu¬ 
tion des Schutzsystems hingewiesen. Ich führte an, daß die Idee des 
Schutzes bereits in der Organisation der niedrigsten. Tiere nachge¬ 
wiesen werden kann, und daß ein beliebiges Schutzsystem kein von 
jeher starres Gebilde ist, sondern sich von einfachen bis zu den hohen 
und höchsten Typen progressiv entwickelt hat. Daher kommt es, daß 
•ein Schutzsystem in seiner anatomischen Struktur keine bestimmten 
Elemente auf weist. Während wir im Darm einen einfacheren Typus 
— infolge Mangels an Dilatatoren —■ vor uns haben, finden wir in 
•*len „oberen Wegen“ das Schutzsystem auf der Höhe seiner Evolution 
{infolge von Vielseitigkeit der Aufgaben, welche diese Gebilde bewäl¬ 
tigen müssen). 

Und jetzt die Folgerung: da ich meine Gesetze an dem Material, 
welches mir die „oberen Wege“ lieferten, naehgewiesen, so folgt dar- 


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aus, daß ich die allgemeinen Formeln für die Gesetze der P e r i s t. a 1— 
tik au f gestellt habe, d h. jene Formeln, welche für* 
alle Schutzsysteme, von den einfachsten bis zu den 
höchstentwickelten, Geltung haben müssen, für 
das ganze „Binnenmuskelsystem der Wege“. Wie wäre die allgemeine 
Formel des Antagonistengesetzes z. B. am Darm zu verwertend 

Nun, sehr einfach: wir haben in dieser Formel an Stelle der am 
Darm nicht vorhandenen Dilatatoren eine Null zu setzen. Mit an¬ 
deren Worten: die Darmperistaltik ist nur ein spezieller Fall der all¬ 
gemeinen Peristaltik. 

Gehen w T ir von dieser nicht mehr zu bestreitenden Tatsache aus, 
so sehen w r ir noch folgendes: wäre es den Physiologen geglückt, vor 
mir die Gesetze der Darmperistaltik aufzustellen, so wäre es immer 
nur ein spezielles Gesetz, welches in keinem Falle allgemeine 
Geltung haben, d. h. für alle anderen „Wege“ passen konnte. Die 
Frage über die allgemeine F ormel des Gesetzes bliebe a 1 s o> 
auch in diesem Falle nach wie vor unentschieden. 

Sehen w’ir uns aus dem angeführten Zitat den Satz an — „dieser 
doppelte Effekt der lokalen Reizung ist für den Darm charakteristisch“. 
B a y 1 i ß und Starling sind hier schon dicht an der speziellen. 
Formel meines Antagonistengesetzes, wie dieselbe für den Darm be¬ 
steht; sie sind jedoch selbstverständlich keine Hellseher, um von 
ihrem Standpunkte die Sachlage richtig zu erfassen, d. h. sie wissen, 
es nicht, daß diese F ormel in einerallgemeineren F assung 
für jedes Schutzsystem Geltung haben muß. 

So sieht man, wie die Physiologen „so nah und doch so fern“ von 
ihrem erstrebten Endziele stehen! — 

Es sind hauptsächlich zw T ei Momente, welche nach der Auffassung 
der Physiologen genügen, um die Bedeutung meiner Theorie auf Null 
zurückzu führen: 

1. die Anschauung, als sei die Heimat meiner Lehre das berüch¬ 
tigte „Wölkenkuckucksheim“, als hätte ich dieselbe einzig und allein, 
auf dem Wege philosophischer Erwägungen nachzuweisen ge¬ 
sucht. Dies ist falsch. Meinen ersten diesbezüglichen Publikationen 
lag zugleich eine 20 jährige laryngologische Tätigkeit, d. h. auch 
experimentelle Erfahrungen am Menschen zugrunde, indem jedes 
Laryngoskopieren etc. in erster Linie ein physio¬ 
logisches Experiment ist; zugleich stand mir ja der ganze- 
„wissenschaftliche Ballast“ zur Verfügung; 

2. der Umständ, daß meine Thesen nicht dem direkten 
Tierexperiment entsprungen sind. Allein dabei merken: 


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es die Physiologen nicht, daß sie.mit ihrem wohlgemeinten Drängen 
zum Experiment meine Untersuchungen in jene Bahnen lenken wollen, 
welche sie selbst bereits seit Jahrzehnten, nach 
den Oese t z e n d e r Peristaltik f a h n d e n d , u m sonst 
a b g e s u e h t hab e n. 

Ich sehe es ja selbst zur Genüge ein, daß meine Sätze mit allen 
uns zu Gebote stehenden Mitteln na.chgewiesen werden müssen; ich 
meine nur. daß das Tierexperiment nicht der einzige Weg zur Wahr¬ 
heit ist. Ich hege die Ueberzeuguug, daß die moderne Untersuchungs- 
mcthode — die Kombination von Empirie und Speku¬ 
lation— gerade in meinem Falle die schönsten Früchte getragen 
hat und habe ich gar keinen Grund, von meiner Untersuchungsmethode 
abzugehen, vielmehr sehe ich mich genötigt, die Physiologen in allem 
Ernste aufzufordern, ihre volle Aufmerksamkeit meiner Lehre zuzu- 
wenden : es ist sonnenklar, daß zurzeit meine Lehre allein sie auf den 
richtigen Weg führen kann. 

Wir sind oft Zeugen gewesen, wie in ein dunkles wissenschaft¬ 
liches Gebiet ein Lichtstrahl von einer Seite fällt, von der man es am 
allerwenigsten erwartet hat. In diesem Falle verlangt es der gesunde 
Menschenverstand, daß man diesen Umstand nach Möglichkeit würdige 
und ausnutze. In einer solchen Lage befinden sich die Physiologen in 
Frage der Peristaltik. Das Schlimme dabei ist es aber, daß sie die 
Tatsache nicht eingestehen wollen. Sie können sich jedoch sträuben, 
so viel sie mögen, sie werden sich doch schließlich an den Gedanken 
gewöhnen müssen, daß d i e S c h u t z t h e o r i e. welche den Funda¬ 
mentalgesetzen der Peristaltik zugrunde liegt, nicht dem kunstvoll auf¬ 
geschlitzten Bauche eines Kaninchens, sondern dem augenscheinlich 
normal eingekapselten Hirn eines L a r y n g o 1 o g e n entsprungen 
ist — denn also stand es in den Sternen geschrieben. -— 

Zum Schlüsse möchte ich mir erlauben, noch die Frage zu be¬ 
leuchten, wie es komme, daß die uns bekannten lleHexe in den ,,oberen 
Wegen* 1 erst nach 50 Jahren seit Gründung der Laryngologie syste¬ 
matisiert werden konnten. 

Es möge voraussetzlich dieser Erscheinung Verschiedenes zugrunde 
liegen. Das Haupthindernis ersehe ich jedoch in folgendem: 

Die Väter der Laryngologie hatten anfänglich von dem Schutz¬ 
prinzip in den ,,oberen Wegen 4 * eine recht verschwommene Vorstellung. 
Sie faßten die Zunge mit ihren bei der Spateluntersuchung voll¬ 
kommen z w e c k e n t s p r e c h e n d e n Bewegungen ganz einfach al9 
„unbotmäßige* 4 Muskelmasse auf und ersannen kräftig gebaute, stark 
nach unten gebogene Spatel um die Zunge zu bändigen, indem sie — 


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— 549 — 


wie ich mich diesbezüglich in meiner ersten Arbeit „Noch ein Zungen- 
spatel“ (M. f. Ohr., 1900, Nr. 10) ausdrückte — „den Hacker sofort 
am Kragen fassen“ wollten. Sehr bald jedoch kamen sie zur IÜber¬ 
zeugung, daß es dem Arzte mehr ansteht, sich den Naturgesetzen zu 
unterordnen, als sich als „Herrn der Schöpfung“ zu gebärden. Die 
Folge davon war, daß diese Marterinstrumente dem Museum übergeben 
wurden und leichtere und schlankere Mundspatel, mit welchen sich der 
Laryngologe leichter den lokalen Verhältnissen an passen konnte, 
traten an ihre Stellt*. Wenn aus jenen Zeiten auch keine Traktate vor¬ 
handen sind, welche die Frage genauer analysierten, so können wir 
in diesem Wechsel nur ein Symptom erblicken, daß damit die physio¬ 
logische Auffassung unserer Väter ganz entschieden in die richtige 
Hahn gelenkt worden war, und wäre nicht ein Ereignis eingetreten, 
welches die ganze Bewegung zum Stillstand brachte, so hätten wir 
vielleicht die Freude gehabt, die Schutztheorie mit ihren Gesetzen 
einige Jahrzehnte früher begrüßen zu dürfen. 

Dieser Hemmschuh war die Entdeckung des Ko¬ 
kains. Sie lenkte sofort in bedeutendem Grade die Aufmerksamkeit 
der Larvngologen vom Studium der Reflexe ab; nicht das S t u d i u m 
der Reflexe, sondern ihre Beseitigung fesselte fortan die Auf¬ 
merksamkeit der Larvngologen. 

Aber noch eine andere ungünstige Wirkung entfaltete das Kokain 
in dieser Richtung: bei seiner Applikation, tritt e i n e V e r z e r r u n g 
der normalen R e f 1 e x b i 1 d e r a u f. Es unterliegt keinem 
Zweifel, daß die freiwillige oder unfreiwillige Beobachtung der Reflexe 
durch die jüngere Generation der Larvngologen dadurch sehr ungünstig 
beeinflußt werden mußte, während wir Alten, die wir unsere ersten 
Larynxpolypeu noch ohne Kokain operierten, uns entschieden in einer 
vorteilhafteren Lage befanden. — 

Ich hoffe, daß der Leser das zu Anfang dieses Aufsatzes gestellte 
Problem über das Schließen des Mundes beim Schlin¬ 
gen bereits gelöst hat. Dieses Faktum widerspricht nicht nur nicht 
meiner Theorie, sondern bestätigt sie, indem wir es ja hier mit einer 
a n t ip eristaltische n (zentripetalen) Erscheinung zu tun 
haben. — 


Zuschrift. Leider sehe ich erst nach erfolgter Absendung 
des vorstehenden Artikels an die Redaktion, daß ich im Texte o h n e 
Erklärung an einem Punkte vorbei geschritten bin, der ni i r aller¬ 
dings vollständig klar, nicht so aber den meisten Lesern erscheinen 
dürfte. Ich meine die E i n r e i h u n g d e r In- und E x s p i r a - 


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— 550 — 


xtion in die Kategorie der Anti - und Peristaltik. 
Dieser Umstand kann meinen Gegnern die schönste Gelegenheit bieten,, 
auszurufen: „Seht, mit welchem Leichtsinn der Autor mit wissen¬ 
schaftlichen Tatsachen umspringt! Hat Jemand bei der Atmung peri¬ 
staltische Bewegungen je beobachtet?“ 

Ich ersuche um die Erlaubnis, die Angelegenheit gleich hier be¬ 
sprechen zu dürfen, um in möglichster Kürze zeigen zu können, wie 
ich die Sache eigentlich auffasse. 

Das von mir für das ..Binnenmuskelsystem der Wege“ aufgestellte 
Schutzprinzip und die daraus resultierenden Gesetze sind selbstver¬ 
ständlich nicht die höchsten und nicht die einzigen; mindestens da¬ 
neben, wenn nicht darüber steht unter anderem das Prinzip „der 
Oekonomie in den Mitteln“, welches auch hier waltet, und auf welches 
ich bereits mehrmals zu sprechen gekommen bin. Dieses Prinzip be¬ 
steht, wie bekannt, in der Erreichung eines gewissen Effekts mittels* 
möglichst geringen Aufwandes an Energie. 

Meine Anschauung über die Innervation der Atmung ist bis heute 
dieselbe geblieben, wie ich es in dieser Monatsschrift, 1905, Nr. 1(L 
S. 401—465, besprochen habe: „. . . Was das Verhältnis dieser Auf¬ 
fassung zu den verschiedenen Theorien über den Atmungsrhythmus 
betrifft, so spricht meine Lehre zugunsten jener Theorie, welche diese 
Erscheinung auf eine Erregung der Ner venendungen 
in der Lunge selbst zu rück führ t.“ 

Bei der Exspiration gehe ich von der Auffassung aus, daß der 
Kohlensäuregehalt der Luft gewisse „Vorpostenrayons“ in der 
Lunge reizt und damit die Ausstoßung der Luft, wie die eines 
Fremdkörpers, anregt. Nun ist aber die Erneuerung der Luftmasse 
nicht für die gesamte Strecke der Luftwege gleichwertig. Rein, d. h. 
frei von Kohlensäure hat nur die Luft zu sein, welche in die Lunge 
dringt: für die Bronchien und die Trachea ist ihr Prozentgehalt in 
physiologischen Grenzen von geringer Bedeutung. Sobald sich die- 
Lunge „vom Fremdkörper“ befreit hat, ist daher auch die E x - 
spiration zu Ende. Die in den übrigen Teilen des Respirations- 
traktus bleibende Luft wird, als für den Organismus unschädlich,, 
nicht weiter ausgetrieben. l)a die Exspiration somit nicht die Auf¬ 
gabe hat, die ganze Luftmasse vollständig aus den Luftwegen zu ent¬ 
fernen, so erfordert es das Prinzip „der Oekonomie in den Mitteln“^ 
daß der Aufwand an Energie sofort aufhört, sobald dieses Ziel er¬ 
reicht worden ist. 

Indem ich zur Mechanik der Atmung übergehe, vergegenwärtige 
ich mir, daß der Exspirationsakt zunächst durch ein rein passives Zu- 


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— 551 


rückkehren des Brustkorbes, des Zwerchfelles und der Bauchwände zu 
der Lage, welche sie vor der Inspiration innehatten, eiugeleitet wird, 
dem sich jedoch auch ein Eingreifen einer bestimmten Muskelgruppe 
(Exspirationsmuskeln) hinzugesellt, jedoch ohne eine darauf folgende 
gegenseitige Ablösung der etagenförmig übereinandergestapelten übri¬ 
gen Konstriktoren des Respirationstraktus. 

Die Exspiration ist also — sow'eit es sich um eine aktive Muskel¬ 
bewegung handelt — auf den Eingriff einer einzelnen Schutz¬ 
vorrichtung (Muskelgruppe) zurückzuführen; sie ist daher als eine 
einsetzende, damit aber auch zugleich abge¬ 
brochene Peristaltik, richtiger als „peristaltischer Akt“ zu 
bezeichnen. Mit dem Eingriff dieser einzelnen betreffenden 
Schutzvorrichtung ist die physiologische Aufgabe gelöst; jedes fernere 
Eingreifen der mehr nach außen gelagerten Schutzvorrichtungen wäre 
somit zwecklos, physiologisch widersinnig. 

Wenn ich diesen Akt als peristaltisch bezeichne, muß ich den In¬ 
spirationsakt natürlich antiperistaltisch nennen. 


Ueber die Entstehung der Nasendeformität 
durch Polypenbildung. 

, Von 

i Dr. med. Bleyl in Nordhausen. 

Veränderung der äußeren Nasenform durch exzessive Sclileim- 
polypenbildung ist kein allzu seltenes Ereignis, konnte doch bereits 
im Jahre 1903 Levy l ) über 20 derartige Fälle in seiner Dissertation 
berichten, welchen sich später noch die Publikationen von Z a r n i k o 2 ) 
ihrer Erklärung stellt Levy die Hypothese auf, daß hier die Polypen¬ 
bildung erst im höheren Alter begonnen habe, in dem keine lebhafte 
Knochenneubildung mehr stattfände, so daß durch den Druck der Po¬ 
lypen die atrophisch gewordenen Knochen auseinandergedrängt wür¬ 
den, während in den Fällen von Nasenauftreibung mit festem, knöcher¬ 
nem Gefüge der Beginn der Polypenbildung in die Jugend zu verlegen 
sei, indem hier der durch die Neubildungen verursachte abnorme 
Wachstumsreiz des Knochens zu osteoplastischer Ostitis und Ver- 

D Levy: Ueber Formveränderungon der Nase infolge Schleim¬ 
polypen. Inaug.-Diss., Königsberg 1903. 

2 ) Zarniko: Die Krankheiten der Nase. Berlin 1905. 


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größerung des Knochens geführt habe. (These II und III.) Gegen die 
letztere These spricht jedoch der Umstand, daß derartige Fälle von 
Dehiszenzbildung, wie bereits bemerkt, verhältnismäßig recht selten 
und Streit 3 ) anreihen. Immerhin ist die Zahl dieser Beobachtungen 
recht gering im Vergleich zu dem überaus häutigen Vorkommen von 
Nasenpolypen, welches uns die Angaben von II eymann 4 ), der unter 
11 Naser.kranken einen Polypenfall sah, und von Z u c k e r k a n d 1 6 ), 
der in jeder 9. bis 10. Leiche Nasenpolypen vorfand, deutlich zum 
Bewußtsein bringen. Mit Rücksicht hierauf und vor allem auch auf 
den Umstand, daß bei dieser Gestaltveränderung der Nase im Gefolge 



von multipler Polypenbildung verschiedene ursächliche Momente in 
Betracht kommen, dürfte auch folgender Fall von Interesse sein. 

Die 48 jährige Näherin M.a r i e P r. erschien bei mir am 28. März 
d. J. mit der Klage über Nasenverstopfung und Druckgefühl in der 
Nase, welche Beschwerden bereits seit Jahren beständen. Doch sei in 
der Jugend bis zu den 20 er Jahren die Nase stets gesund gewesen. 
Die Nase erscheint über dem Nasenrücken stark verbreitert und auf¬ 
getrieben, und zwar erstreckt sich diese Auftreibung noch über das 
knöcherne Gerüst hinaus, so daß die seitlichen Konturen der Nase 

s ) Streit: Deutsche med. Wochenschr., 1904. 
ö ) II e y m ann: Handbuch der Laryngol., III, 2. 

Zuckerkandl: Anatomie der Nasenhöhle, II. Aufl., pg. 225. 


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verstrichen, der Nasenrücken im Profil stärker gewölbt und die Nasen¬ 
spitze als kleiner Anhang der verdickten Partie erscheinen. Die Haut, 
über derselben erscheint etwas gespannt und gedunsen, wie auch der 
angrenzende Teil der Oberlippe, jedoch von normaler Farbe. Am 
freien Rand der Apertura pyriform. fühlt mau rechts eine wulstige 
Knochenverdickung, so daß rechts dieser Rand etwas weiter vorsteht 
als links. Die Nasenatmung ist beiderseits völlig aufgehoben. Rhino- 
skopisch sieht man beide Seiten völlig erfüllt mit grauroten Schleim¬ 
polypen, die auch postrhinoskopiseh sichtbar sind. Im übrigen be¬ 
stehen im Pharynx keine Veränderungen. Von Lues oder Tuber¬ 



kulose nichts nachzuweisen. Die Trommelfelle beiderseits etwas 
getrübt, jedoch ohne Einziehung. Gehör beiderseits normal. In sieben 
Sitzungen wurden eine Unmasse Schleimpolypen, ca. 70—80 von an¬ 
nähernd 70 g Gewicht, entfernt, und während der letzten Sitzungen 
auch noch kariöse Siebbeinpartien mit der Zange abgetragen, wobei 
rechts einige mit Eiter gefüllte Siebbeinzellen eröffnet wurden. Die 
Nasenatmung wurde wieder ganz normal und alle Beschwerden waren 
geschwunden. Auch die Auftreibung der Nase war erheblich zurück¬ 
gegangen, und nur die knöcherne Verdickung der Apert. pyriform. 
blieb bestehen, jedoch mehr fühlbar, als sichtbar. Während vor der 
Operation die größte Nasenbreite 5,3 cm betrug, bei einer Nasenlänge 
von 5,8 cm, demnach der Nasenindex ca. 91 war (normal nur 50—60), 


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betrug nachher die Nasenbreite 4,3 und der Nasenindex ca. 7,4. Ein 
klaffender Spalt im Nasengerüst war weder vor, noch nach der Po- 
lypenentfernung zu konstatieren. Die Kieferhöhlen waren frei von 
Exsudet. Es handelte sich demnach um multiple Schleimpolypen¬ 
bildung, kombiniert mit Ethmoiditis chronica. 

Was die Nasendeformierung in diesem Falle anbelangt, so ist die¬ 
selbe der ödematösen Schwellung des Naseninteguments hauptsächlich 
zuzuschreiben; doch auch die Knochenverdickung an der Apert. pyrif. 
trug dazu bei, so daß eine geringe, jedoch nicht auffällige Verbreite¬ 
rung zurückblieb. In einigen Fällen ist auch eine Sprengung der 
knöchernen Suturen des Nasenskeletts durch den Druck der Polypen¬ 
massen erwähnt. Es kann dann zu einem klaffenden Spalt zwischen den 
Nasenbeinen oder zwischen letzteren und Proe. nasal des Oberkiefers 
kommen, welcher Spalt sich nach der Entfernung der Polypen teilweise 
oder völlig wieder schloß. Bisher sind jedoch nur 5 derartige Fälle 
veröffentlicht [zwei von Burk °), je einer von V o 1 t a 1 i n i 7 ), H e y- 
m a ii n s ), C o 11 c s 9 )] und sind dieselben zweifellos sehr selten. Zu 
sind, während andererseits die Nasenpolypen viel häufiger im späteren 
Alter Vorkommen, als in der Kindheit. In ganz ähnlicher Weise als 
L e v y spricht sich auch Burk 10 ) aus, welcher die Ansicht vertritt, 
daß die Verbreiterung der knöchernen Nase durch den Druck der 
Polypen bewirkt werde, welcher im späteren Alter in einer Dehiszenz 
der Nasenknochen sieh zu erkennen gäbe, daß hingegen im jugend¬ 
lichen Alter die Nasenverbreiterung durch abnorme Wachstumsvor¬ 
gänge zustandekäme, ausgelöst durch chronische Periostitis (Schlußsatz 
1—3). Wenn auch in der »lugend die Wachstumsenergie der Gewebe 
eine lebhaftere ist und es daher zur Knochenneubildung bei entzünd¬ 
lichen Reizen kommen wird, welche eine Dehiszenzbildung verhindert, 
da mit der Knochenverdrängung die Knochenneubildung in gleichem 
oder höherem Maße fortschreitet, so ist dieser Vorgang doch auch im 
späteren Alter zweifellos sehr wohl möglich, da die Nasenpolypen- 
bildung meist auf Entzündungsprozessen beruht und häufig mit Peri¬ 
ostitis einhergeht, die zu osteoplastischer Ostitis führt, wie die Unter¬ 
suchungen von Cordes klargelegt haben. Die Möglichkeit dieses 
Vorganges wird auch durch unseren Fall bewiesen, da die Knochen¬ 
verdickung zweifellos entzündlichen Ursprungs war, hervorgerufen 

6 ) Burk: Beiträge zur klinischen Chirurgie, 39. Band, 1903. 

7 ) Voltalini: Die Krankheiten der Nase. Breslau 1888. 

8 ) 11 e y in a n n : 1. c 

B ) Coli es: Zitiert nach Levy 1. c. 

10 ) Burk: 1. e. 


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durch ossifizierende Periostitis infolge des Polypenreizes, während die 
Polypenbildung jedenfalls erst im späteren Alter begonnen hatte. Außer 
der Sprengung der knöchernen Suturen kann der Druck der Polypen¬ 
massen auch zur Atrophie des Knochens führen, welche in dem Fall 
von Witte 51 ) sogar den Durchbruch des Nasenbeins durch Druck- 
usur herbeiführte, und so auch auf diese Weise allmählich die Nase 
deformieren. Wir werden uns daher durch das Ueberwiegen der 
neoplastischen Tendenz der Polypenwucherung mit ihrer Druckwir¬ 
kung oder des entzündlichen Prozesses, mit w r elchem sie einhergeht, 
die Bildung von Dehiszenzen in dem einen, die Erhaltung des knöcher¬ 
nen Gerüstes in dem anderen Falle ungezwungen erklären können. 
Hierbei dürften für die Fortleitung des Entzündungsprozesses von der 
Ansatzstelle der Polypen auf die äußere Nasenwand chronische Er¬ 
krankungen bezw. Empyeme des Siebbeinlabyrinths, welches zwischen 
diese Stellen eingeschaltet ist und bei multipler Polypenbildung meist 
an der Entzündung beteiligt ist, von wesentlicher Bedeutung sein, 
wenn auch in den betr. Publikationen Siebbeinerkrankungen nur selten 
erwähnt werden. Schwellung der Weich teile der Nase oder in der 
Umgebung derselben, w T ie sie auch in unserem Falle vorlag, ist bereits 
wiederholt beobachtet und besonders von Schaffer 12 ) eingehend be¬ 
schrieben w r orden und w T ohl als entzündliches Oedem aufzufassen, viel¬ 
leicht auch zum Teil durch die Lymphstauung infolge des Druckes der 
Tumoren auf zahlreiche Lymphbahnen hervorgerufen. Durch diese 
Schwellung könnte es auch allmählich zu einer bleibenden fibrösen 
Verdickung des Naseninteguments mit Verbreiterung der Nase kom¬ 
men, wie dies auch T r e i t e 1 13 ) vermutet. Doch fehlen bisher der¬ 
artige Mitteilungen. 

Resümieren wir kurz die für die Entstehung der Nasendeformität 
bei multiplen Polypen in Betracht kommenden Momente, so sind es 
hauptsächlich: 

1. der Druck der Polypen auf die Nasenwände 

a) infolge Atrophie der Knochen, 

b) infolge Sprengung der knöchernen Suturen. 

2. Entzündliche Prozesse 

a) des Knochens: chronische Periostitis und Ostitis osteoplastica, 

b) der Weichteile: entzündliches Oedem, ev. auch fibröse Verdickung 
des Naseninteguments. 

M ) Witte: Zerstörung des linken Nasenbeins durch Polypen. Zeit¬ 
schrift f. Ohrenheilkunde, Bd. 40. 

u ) Schäffer: Handb. f. Laryngol. ni, 2. 

18 ) T r e i t e 1: Archiv, f. Laryngol. Xn, 1. 


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Einige Bemerkungen zum Aufsatz des Herrn F.Semon: 
„Noch einmal zur Frage der Pneumokokkeninvasion 

des Halses.“ 

Von 

Privatdozent N. Sack in Moskau. 

Im Hefte Nr. 7 der Monatssehrift d. J. veröffentlichte der be¬ 
kannte englische Spezialist Sir F. S e m o n einen zweiten von ihm 
beobachteten Fall von ungewöhnlichem Verlauf einer gangränösen 
Ilalsaffektiou. In diesen beiden Fällen wurden mikroskopisch Pneu¬ 
mokokken nachgewiesen. Angesichts des Umstandes, daß der Krank¬ 
heitsverlauf dieser Fälle an Lues 111 erinnerte, bespricht Herr S. ein¬ 
gehend die Aetiologie und den Charakter dieser Erkrankungen, und 
neigt zum Schlüsse, daß es sich in seinen Fällen nicht um Lues, son¬ 
dern um eine Krankheit sui generis handelte (eine Pneumokokken¬ 
invasion des Halses). 

Vorübergehend polemisiert Herr F. Semon mit Herrn Kollegen 
Dr. Ruprecht, der den ersten dieser Fälle entschieden für eine 
luetische Affektion hält. 

Zum Schlüsse seines Aufsatzes meint Prof. v. Semon fol¬ 
gendes: „Mögen möglichst viele ihr Scherflein zur Entscheidung dieser 
wichtigen Frage (der Pneumokokkeninvasion des Halses) beitragen/ 4 
Ich erlaube mir hiermit, die Leser der Monatsschrift an einen fast 
analogischen von mir beobachteten Fall zu erinnern 1 ). 

Auch ich hatte die Gelegenheit, eine Halsaffektion mit sehr pro¬ 
trahiertem Verlaufe bei einem 8 jährigen mit Lues aquisita belasteten 
Knaben zu beobachten. Der bakteriologische Befund zeigte eine große 
Menge von Spirillen und Bazillen Vincenti in dem nekrotischen Ge¬ 
webe der affizierten Mandel. 

Allein ich konnte längere Zeit mit der üblichen Behandlung der 
Angina Vincenti keinen Erfolg erzielen, die Krankheit schritt schnell 
vorwärts und nahm einen bedrohlichen Charakter an. Nur eine ener¬ 
gische spezifische (hauptsächlich mit Jod) Behandlung erwies sich von 
bestem Erfolge. 

Es war mir klar, daß es sich in meinem Falle um eine Misch- 
infektion von Lues mit Angina Vincenti (Fieber bis 
38,6 Bazillen und Spirillen V.) handelte. Ich schrieb damals: „Da 
diese beiden Prozesse, jeder für sich, sich durch ge^ebezerstörende 

l ) Monatsschr. f. Ohrenlieilk., 1904. Nr. 8. 


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Eigenschaften auszeichnen, so ist es verständlich, daß die Kombina¬ 
tion dieser beiden Krankheiten in meinem Falle uns ein derartiges 
Bild starker Zerstörung geboten hat, welches dem einzelnen Prozeß, 
als solchem, nicht eigentümlich ist.“ Nach dem Gesagten glaube ich, 
daß beide geehrten Fachkollegen (Herr F. S e m o n und Herr Rup¬ 
recht), jeder in seiner Meinung, Recht haben müssen, und ich 
möchte ihre Kontroversen ausgleichen. 

Zuerst muß unbedingt zugestanden werden, daß solch eine zer¬ 
störende Halsaffektion, die besonders an dem weichen Gaumen (Falll 
F. Semon) oder an der Epiglottis (Fall 11) einen so charakteristi¬ 
schen scharfen Defekt (wie mit einem Locheisen ausgeschlagen nach 
Herrn F. Semons Beschreibung) hinterlassen hat, nur auf Rech¬ 
nung der Lues III geschrieben werden kann. Wenn Herr F. Semon 
dagegen einwendet, daß das Auftreten von oberflächlichen spontan 
verheilenden Geschwüren auf der infiltrierten Oberfläche, und daß der 
ungewöhnliche Sitz der Perforation in seinen Fällen gegen Lues 
spricht, — so muß ich bemerken, daß ich auch den fast ähnlichen 
Befund in meinem entschieden luetischen Fall konstatierte 2 ). Alle 
anderen Einwände gegen Lues sind, meiner Meinung nach, noch we¬ 
niger maßgebend. 

Aber in einer Beziehung muß ich Herrn F. Semon 
beipflichten, daß die Lues allein nie einen solchen protra¬ 
hierten und zerstörenden Verlauf nehmen kann, wie in allen diesen 
beschriebenen Fällen, oder wie er sich ausdrückt: „Daß solche 
Fälle Affektionen darstellen, die nicht in den 
Rahmen unserer gegenwärtig feststehenden 
Krankheitsbilder hineingehöre n.“ 

Mit Recht verlangt Herr F. S e m o n , daß man einstweilen eine 
neue Krankheitsform entwerfe. Ich glaube, daß man dabei zuerst 
an Mischinfektionen von zwei, eventl. auch meh¬ 
reren verschiedenen Krankheitsformen denken 
muß. Es könnten z. B. Mischinfektionen zwischen zwei akuten 
Krankheiten entstehen, die das Bild von jeder einzelnen Krankheit 
bedeutend verschleiern, oder aber — zwischen einer akuten und einer 
chronischen Infektion [Malaria 3 ), Tuberkulose, Syphilis, Arthritis, Dia¬ 
betes etc.] Die Eigentümlichkeiten und der klinische Verlauf dieser 

2 ) Die Ulzerationen saßen außer an der Tonsille und der Pharynxwand 
an den beiden benachbarten Gaumenbögen und an der linken Seite der Uvula 
saßen zwei Pustelchen, aus welchen später sioh ein Geschwür bildete. 

8 ) Siehe meinen Aufsatz 1. eil., S. 347—351. 


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Mischinfektionen im Rachen harren noch ihrer genauen Beobachter. 
Und mit Recht meint Herr F. Semon, daß es sehr wünschenswert 
ist, daß ähnlichen Fällen weiter besondere Aufmerksamkeit geschenkt 
werden möge. 

Auch in den Fällen von Herrn F. S e m o n handelte es sich, nach 
meiner Ueberzeugung, um eine Symbiose von zwei Krankheitsformen, 
und zwar nämlich von Lues und Pneumokokkeninvasion. 

Ich schließe mit denselben Worten, welche ich vor 4 Jahren ge¬ 
sagt hatte: „G e wohnlich suchen wir Aerzte die Erklä¬ 
rung für die Erkrankung des Rachens nur in einem 
Prozesse, wobei man aber nicht vergessen darf, 
daß auf den Schleimhäuten, ebenso wie auf der 
Epidermis, sich gleichzeitig zwei ganz ver¬ 
schiedene Kranheitsprozesse abspielen können, 
die sich gegenseitig unterstützen und das Bild 
der Erkrankung unverständlich mache n.“ 


Zur Pneumokokkeninvasion des Halses. 1 ) 

Bemerkung zu Sir F elix Semons Aufsatz in Heft 7, Jahrg. 1908, 

dieser Zeitschrift. 

Von 

Dr. M. Ruprecht iu Bremen. 

Die hochinteressanten Ausführungen Semons über einen neuer¬ 
lichen Fall septischer Halserkrankung erscheinen mir höchst bedeu¬ 
tungsvoll und werfen zugleich Licht auf den von mir angezweifelten 
früheren Fall, den Semon in Heft 6 dieser Zeitschrift 1907 mit¬ 
geteilt hat. 

In einem Punkte könnte Semons letzte Darlegung zu einer irr¬ 
tümlichen Auffassung meiner Einwände Veranlassung geben: Wer die 
Ausführungen S. 331 liest, wird geneigt sein anzunehmen, daß ich 
der Möglichkeit einer potentialen Infektionsfähigkeit des Fränkel- 
schen Diplokokkus abweisend oder zweifelnd gegenüberstände, weil ich 
diesen Pilz als regelmäßigen und in der Regel harmlosen Rachen¬ 
bewohner angetroffen habe. 

*) Infolge eines Versehens gelangt diese der Redaktion sofort 
nach Erscheinen des Semon sehen Aufsatzes eingesandte Bemerkung 
erst jetzt zum Abdruck. 


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— 559 


Das ist nun keineswegs meine Meinung. Ist doch auch das 
Bacterium coli ein regelmäßiger und der Löffler sehe Bazillus ein 
nicht seltener Bewohner gesunder Schleimhäute, ohne daß ich deshalb 
im geringsten ihre und anderen anscheinend harmloser Bakterien 
Fähigkeit, unter günstigen Umständen höchst infektiös zu werden, 
bezweifeln möchte. 

Meine Argumentation war vielmehr diese: Weil der Diplokokkus 
(Frankel) der regelmäßigste Rachenbewohner ist, und weil gerade 
seine avirulente Varietät mit größerer Wachstumsenergie begabt ist, 
als die übrigen Rachenpilze, wird er in Rachenabwischkulturen leicht 
dominieren und eine irreführende Rolle spielen. Daher sind Befunde 
dieser Diplokokken beim Kulturverfahren mit besonderer Vorsicht 
aufzunehmen. 

Indessen möchte ich das nur als Richtigstellung, nicht 
als erneute Einwendung aufzufassen bitten. Ich nehme an, daß 
Semon mit dieser Tatsache gerechnet hat. 

Wünschenswert wäre aber eine Virulenzprüfung der Diplokokken 
durch Tierexperiment gewesen. Der im Rachenschleim des Gesunden 
vorhandene Diplokokkus 'ist morphologisch identisch mit dem infek¬ 
tiösen Diplokokkus; indessen erweist sich der erstere im Tierexperiment 
als relativ harmlos, während der letztere für Mäuse höchst pathogen 
ist. Beachtenswert ist auch, daß die infektiöse Spezies bezw. Varietät 
auf künstlichen Nährboden bei weitem nicht so üppig wächst, wie 
die nicht infektiöse. 

Bedarf es auch in dieser Hinsicht noch weiterer Beobachtungen, 
so muß ich es doch nach Semons alle Umstände scharfsinnig er¬ 
wägenden letzten Mitteilung für wahrscheinlich halten, daß hier eine 
bislang nicht beobachtete eigenartig charakterisierte Erkrankung vor¬ 
liegt, die hoffentlich die Beachtung findet, welche sie unbedingt 
verdient. 


Ueber Orthosymphonie. ’) 

Von 

Dr. P. Liebermann und Dr Q. R6v6sz. 

Die Beobachtungen beziehen sich auf einen typischen Fall von 
labyrinthärem Falschhören. Die Ausdehnung des parakustischen Ge¬ 
bietes war veränderlich. In einem Falle nahm es die Strecke von e 1 

*) Eine ausführliche Beschreibung dieser Beobachtungen befindet sich 
in der „Zeitschrift für Psychiologie“, Bd. 42, S. 259 u. f. 


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bis dis 4 ein, und zwar derart, daß sämtliche Töne als g i s 2 resp. 
gis 3 gehört wurden. In einem anderen Falle wurde c 2 —li 2 als f i s 3 , 
c 3 —f 2 als c 3 , fis 3 —h 3 als f i s 3 und c 4 —e 4 als c 4 gehört. Im allgemeinen 
zeigte sieh a 3 und die in seiner nächsten Nachbarschaft liegenden 
Töne der Krankheit gegenüber resistent. Was die Intensität der 
Pseudotöne bet rillt, so wurden sie schwächer als die normalen emp¬ 
funden; ihre Klangfarbe war unangenehm hölzern. 

Während der Untersuchung fiel eine in der Literatur nicht zu 
findende Erscheinung auf. die darin bestand, daß der Gesamtein¬ 
druck von simultanen Intervallen und mehrtönigen Akkorden durch 
die Verstimmung der einzelnen Töne keine Fälschung erlitten hatte. 
So wurden konstante Intervalle trotz der falschen Perzeption der 
Komponenten als konsonant, dissonante als dissonant empfunden, und 
auch der Name der Intervalle wurde stets richtig angegeben. Dies 
ist die Erscheinung, die als richtiger Zusammenklang oder Ortho- 
symphoni e bezeichnet wurde. 

Es ist oben die Bezeichnung Gesamteindruck des 
Akkordes betont worden. Die Versuche haben nämlich gezeigt, 
daß es nur dieser war, den der pathologische Prozeß unberührt gelassen 
hatte, nicht aber die Tonqualität (Tonhöhe), der an der Bildung des 
Akkordes teilnehmenden Töne. Es kann dies bekanntlich dadurch fest¬ 
gestellt werden, daß mar. auf die Komponenten des Akkordes die Auf¬ 
merksamkeit lenkt. Eine solche subjektive Zerlegung (Heraushören) 
hat also im vorliegenden Falle ergeben, daß der Gesamtein¬ 
druck d e s A k k o r d e s n o r m a 1 war, d. h. den objektiven 
Tönen entsprach, die Zerlegung aber die Pseudo- 
töne zutage förderte. 

Fassen wir die Ergebnisse zusammen: 

1. Der Gesamteindruck eines simultanen Intervalles war von der 
Tonhöhe seiner Komponenten, wie sie bei sukzessiver Darbietung emp¬ 
funden wurde, unabhängig. 

2. Das Auftreten von Schwebungen wurde von der objektiven 
Tonhöhe, sowie beim normalen Hören bestimmt. 

3. Bei der sukzessiven Zerlegung eines simultanen Intervalles er¬ 
schienen die Komponenten in der Höhe, wie sie einzeln vorgeführt 
empfunden wurden. 

4. Auf den Konsonanzgrad des Intervalles hatte es keinen Einfluß, 
ob der Versuchsperson das Vorhandensein von Pseudotönen in diesem 
Akkorde bekannt war oder nicht. 

Die Untersuchung wurde in Gemeinschaft mit Dr. P. v. Lieber- 
m a n i: ausgeführt, der selbst die Versuchsperson war, und vermöge 
musikalischer Veranlagung genaue Intervallurteile geben konnte. 


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Oesterreichische otologische Gesellschaft. 

Offizielles Protokoll der Sitzung vom 25. Mai 1908. 

Erstattet vom Schriftführer. 

Vorsitzender: Politzer. 

Schriftführer: Bondy. 

A. Administrative Sitzung. 

Zum Mitgliede wird vorgeschlagen und einstimmig gewählt 
Dr. Theimer, Wien XXII. 

Hof rat Adam Politzer: M. H.! Die Verdienste des verstor¬ 
benen Hofrates Leopold von Schrott er sind von den verschie¬ 
densten Seiten gewürdigt worden. Es erscheint mir aber angemessen, 
daß auch wir seiner an dieser Stätte, wo er als Primararzt gewirkt hat, 
gedenken. Er war einer der wenigen aus der Zeit der klassischen 
Periode unserer Schule. Als Assistent Skodas war er ausgerüstet 
mit gründlichem klinischen Wissen und befähigt, als Schüler T ürcks 
dessen Instrument zum klassischen zu gestalten. Ungeheures hat er 
auf humanitären Gebiete geleistet, und ich möchte da in erster Linie 
auf seine Leistungen in der Tuberkulosen frage, auf seine Meister¬ 
schöpfung A 11 a n d hinweisen. Solche Leistungen waren nur von 
einem Manne aufzubringen, der mit einer seltenen Energie und Ar¬ 
beitskraft ausgestattet war. Auch unserer Spezialität begegnete er 
stets mit warmem Interesse. Ihm verdanken wir es, daß durch Ueber- 
lassung dieser Räume, welche ursprünglich zu seiner Abteilung ge¬ 
hörten, den unleidlichen Zuständen an der # Ohrenklinik ein Ende ge¬ 
macht wurde. 

John Roosa ist in New York plötzlich im 70. Lebensjahre 
gestorben. Ausgebildet in Wien und Berlin, hat er die moderne Ohren¬ 
heilkunde nach Amerika verpflanzt. Seine wissenschaftlichen Arbeiten 
tragen das Gepräge eines gründlichen und tüchtigen Beobachters. Er 
hat eine größere Anzahl von wissenschaftlichen Aufsätzen und eine 
„Ohrenheilkunde“ verfallt, welche in mehrere Sprachen übersetzt 
worden ist. Anläßlich einer Feier wurde er von uns mittels einer 
Kabeldepesche beglückwünscht, welche Ehrung ihm eine um so größere 
Freude bereitet hat, weil diese die einzige war, welche ihm aus 
Europa zugekommen ist. 

B. Wissenschaftliche Sitzung. 

Viktor Urbantschitsch stellt eine 19jährige Patientin 
vor, welche nach wegen chronischer Otorrhoe vor 2 Jahren vorgenom¬ 
mener Radikaloperation links an heftigen Kopfschmerzen litt. Bei 


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der neuerlichen Operation fand sieh ein Strang zwischen der Epider- 
misauskleidung und der Dura der mittleren Schädelgrube. Derselbe 
wurde durchtrennt. Seither haben die Kopfschmerzen aufgehört. Die 
Wunde ist bereits geheilt. 

HugoFrey stellt eine Patientin vor, welche im November 1907 
wegen Schwerhörigkeit, Schmerzen, Schwindel seine Ordination auf¬ 
suchte. Er konstatierte Cholesteatom, fötide Sekretion, kein spontaner 
Nystagmus. Kalorische Reaktion sehr rasch auftretend. Kompression 
und Aspiration der Luft im äußeren Gehörgang ergab deutlichen Ny¬ 
stagmus. Weber nach der kranken Seite. Knochenleitung verlängert. 
Rinne negativ. Konversationssprache 2—3 m, Flüstersprache ad 
concham. Frey nahm die Radikaloperation vor, bei welcher ein 
Cholesteatom im Antrum gefunden wurde. Bei der Ausschabung der 
Trommelhöhle kam der Stapes mit heraus, dessen Fußplatte an der 
vestibulären Seite mit Granulationen besetzt war. Am Bogengang 
keine Veränderung. Nach der Operation kein Schwindel, kein Nystag¬ 
mus, normale Temperatur. Gehör wie vor der Operation. Seit 
28. März dauernd trocken, kalorische Reaktion normal, bei raschen 
Bewegungen etwas Schwindel. Konversationssprache 7 m, Flüster¬ 
sprache ad concham. Auch mit B & r & n y s Lärmapparat hört 
Patientin Konversationssprache. 

Robert Bäräny demonstriert 1. ein zerbrochenes Pro¬ 
jektil, das er aus dem rechten Ohre eines 62jährigen Mannes ent¬ 
fernt hat. Vor 6 Wochen Suicidversuch mit Einschuß vor dem rechten 
Ohre. Kein Bewußtseinyerlust, angeblich kein Liquorabfluß. Seit 
14 Tagen eitrige Sekretion, Kopfschmerzen, kein Schwindel. Patient 
kam auf eine chirurgische Abteilung und wurde röntgenisiert. Die 
Aufnahme ergab mit Wahrscheinlichkeit ein intrakraniell gelegenes 
Projektil. Bei der 14 Tage später vorgenommenen Untersuchung kon¬ 
statierte Bäräny die Kugel im Gehörgange, in der Gegend des 
ovalen Fensters. Vordere Gehörgangswand teilweise zerstört. Bei Be¬ 
wegungen des Unterkiefers bewegen sich die darunter befindlichen 
Granulationen. Starker Nystagmus zur gesunden Seite, Unerregbar¬ 
keit für Ausspritzen, 10 malige Drehung nach links ergab durch 
14 Sekunden eine Abschwächung des Nystagmus zur gesunden Seite, 
10 malige Drehung nach rechts durch 16 Sekunden eine Verstärkung 
des Nystagmus zur gesunden Seite. Totale Taubheit — Bäräny- 
scher Lärmapparat —, starke, eitrige, nicht fötide Sekretion, totale 
Facialislähmung. Radikaloperation, Labyrintheröffnung. Im Vesti- 
bulum schwarzrote Verfärbung, kein Eiter. Bruch des Tegmen tym- 
pani. Vereitertes extradurales Hämatom. Entfernung des Tegmens 


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563 — 


auch über der Trommelhöhle bis nahe an die Arteria meningea media. 
Freilegung des Labyrinths erfolgt hinter dem Bogengang. Sinuswand 
und kleines Stück der Dura der hinteren Schädelgrube erweisen sich 
als unverändert. Deshalb wird die hintere Pyramidenwand bei Er¬ 
öffnung des Vestibulums stehen gelassen. Nichtsdestoweniger werden 
alle 3 Bogengänge eröffnet. Nach der Operation rasches Verschwinden 
des Nystagmus. Wohlbefinden. 

Diskussion: G. Schwarz. 

2. Vierjähriger Knabe, 3 Monate abundante Eiterung nach Schar¬ 
lach links. Kein Nystagmus, totale Taubheit — Lärmapparat 
Bärany —. Keine kalorische Reaktion. Rechts normale Reaktion. 
Drehnystagmus beim Alter des Patienten nicht exakt meßbar, doch 
starker Nystagmus zur gesunden Seite, geringer zur kranken Seite. 
Radikaloperation. Sequester im Warzenfortsatz, der die Dura des Teg- 
mens freilegt. Im Labyrinth horizontaler Bogengang in offene Halb¬ 
rinne umgewandelt, Fistel in der Ampulle des Bogenganges. Sinus 
freiliegend, Dura der hinteren Schädelgrube intakt. Deshalb Eröffnung 
des Vestibulums unter Schonung der hinteren Pyramidenwand. Er¬ 
öffnung des oberen Bogenganges von der Fistel in der Ampulle aus. 
Schließlich steht zwischen Ampulle des oberen Bogenganges und Vesti- 
bulum nur eine einen Millimeter schmale Knochenbrücke, welche stehen 
gelassen wird, da der knöcherne Fazialiskanal federt. Nach der Ope¬ 
ration einen Tag Nystagmus nach beiden Seiten — Narkose, Nystag¬ 
mus, R u 11 i n —, dann kein Nystagmus mehr, Wohlbefinden, keine 
Fazialisparese. 

3. Bärän v hat einen von B r e u e r im Jahre 1890 angegebenen 
Versuch wiederholt. Breuer hat sich mit Hilfe von Prof. U rban- 
tschitsch eine Elektrode in die linke Tube einführen lassen, die 
andere an den linken Warzenfortsatz appliziert. Dabei fiel er, wenn 
die Kathode in der Tube war, nach links, wenn die Anode in der Tube 
war, nach rechts. Breuer deutet diese Erscheinung falsch und 
glaubt, daß der Versuch gegen die Abhängigkeit des galvanischen 
Schwindels vom Bogengangapparat und für die Auslösung im Ptrikulus 
und Sakulus spreche. Ein zweiter Versuch, bei dem wieder eine Elek¬ 
trode in die Tube, die andere an eine indifferente Stelle appliziert 
wurde, ist Breuer nicht geglückt, da der Versuch zu schmerzhaft 
war. Bärany hat bei der Wiederholung dieser Versuche den gal¬ 
vanischen Nystagmus beobachtet. Es zeigte sich, daß bei der Anord¬ 
nung: Elektrode A Tube, Elektrode B Warzenfortsatz, nur die am War¬ 
zenfortsatz befindliche Elektrode wirksam ist, so daß, wenn die 
Elektrode B Kathode ist, Nystagmus zur betreffenden Seite, wenn die 


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Elektrode B Anode ist, Nystagmus nach der Gegenseite auf tritt. Bei 
der zweiten Anordnung, wobei die Elektrode A wieder in der Tube, die 
Elektrode B zum Beispiel an der Stirne sich befindet, ist nur die Elek¬ 
trode in der Tube wirksam, so daß, wenn die Elektrode A Kathode ist, 
Nystagmus zur betreffenden Seite, wenn sie Anode ist, Nystagmus zur 
Gegenseite auftritt. Aus diesen Versuchen ergibt sich also nur, daß 
bei der ersten Anordnung die Elektrode am Warzenfortsatz wirksamer 
ist, als die in der Tube und die Resultate bei dieser Anordnung die¬ 
selben sind, als ob die Elektrode in der Tube sich an einem ganz 
indifferenten Orte befände. Sie kommt erst dann zur Wirksamkeit, 
wenn die andere Elektrode nicht mehr in der Nähe des Gehörganges, 
sondern weit davon appliziert wird. Diese Versuche sprechen also 
keineswegs gegen die Auslösung dos galvanischen Schwindels vom 
Bogengangapparat resp. vom Bogengangsnerven. 

Erich Ruttin: I. Zur Differentialdiagnose 
von Kleinhirnabszeß und Meningitis der hinteren 
Schädelgrube. 

Der 22 jährige Karl II. litt seit Kindheit an rechtsseitiger chroni¬ 
scher Mittelohreiterung. Im Anschluß an eine akute Exazerbation 
stellten sich Schwindel, Erbrechen, Frostgefühl und Fieber, begleitet 
von heftigen Kopfschmerzen, ein. 

In diesem Zustande suchte Patient am 8. IV. a. c. die Klinik auf, 
woselbst folgender Befund erhoben wurde: Hintere obere Gehörgangs¬ 
wand gesenkt, Gehörgang durch einen breitbasig auf sitzenden derben 
Polypen ganz ausgefüllt, fötide Sekretion. Druckempfindlichkeit des 
Warzenfortsatze3, Klopfempfindlichkeit der Schädeldecken, Halswirbel¬ 
säule druckempfindlich. Deutliche Hyperämie und Oedem der Papille 
rechts. Temp. 38,2 °. Puls 84. Neurologischer und interner Befund 
normal. Rechts totale Taubheit, Weber nach links, Kopfknochenleitung 
stark verkürzt. Rinne auf das andere Ohr. Spontaner rotatorischer 
Nystagmus nach der kranken Seite. Kein Fistelsymptom. Links: 
Trockene Perforation. 

Mit Rücksicht auf die Unerregbarkeit des rechten Labyrinthes, den 
spontanen Nystagmus zur kranken Seite mußte man differential- 
diagnostisch an IIirnab9zeß oder Meningitis der hinteren Schädeldecke 
denken. Wegen des Verdachtes auf Hirnabszeß wurde keine Lumbal¬ 
punktion vorgenommen. Bei der von R. vorgenommenen Radikal¬ 
operation fand sich ein sehr fötides Cholesteatom im Antrum, eine 
Fistel im horizontalen und eine Fistel im hinteren Bogengang. Der 
Knochen der hinteren Pyramidenwand ist bis an die Dura erweicht. 
Die Dura der hinteren Schädelgrube an mehreren Stellen mit grau- 


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roten Granulationen bedeckt. Typische Lab^rinthoperation nach Neu¬ 
mann. In den nächsten Tagen klingt der nach der kranken Seite 
gerichtete Nystagmus allmählich ab und die Kopfschmerzen hören auf. 
Dadurch erschien das Vorhandensein eines Hirnabszesses höchst un¬ 
wahrscheinlich, und tatsächlich konnte 3 Wochen später der Patient 
im besten Wohlbefinden mit granulierender Wundfläche entlassen wer¬ 
den. Heute, am 24. Mai, sehen Sic den Erfolg der Operation. 

Von besonderem Interesse ist in diesem Falle die Differential¬ 
diagnose zwischen Hirnabszeß und seröser Meningitis der hinteren 
Schädelgrube. Ich habe nun nach der Operation die Diagnose auf 
sei Öse Meningitis der hinteren Schädelgrubc deshalb stellen zu können 
geglaubt, weil der Nystagmus seine Richtung und Intensität niemals 
wechselte, sondern von der Operation angefangen, langsam abklang. 

II. Multiple wandständige Sinusthrombose 
(mit Demonstration des anatomischen Präparates). 

Am 22. März 1908 wurde der 37jährige Fleischhauergehilfe Hein¬ 
rich P. mit schweren meningitischen Erscheinungen in die Klinik 
eingeliefert. Anamnetisch wurde angegeben, daß ihm außerhalb des 
Spitales Monate früher wegen akuter Mittelohrentzündung einmal 
und 4 Tage vor seiner Aufnahme ein zweites Mal die Parazentese auf 
dem linken Ohr gemacht worden war. Bei der otoskopischen Unter¬ 
suchung zeigte das linke Trommelfell die Zeichen einer abgelaufenen 
Otitis. Keine Perforation, kein Sekret. Warzenfortsatz etwas druck¬ 
empfindlich. Linksseitige Fazialisparese, ausgesprochene Nackenstarre, 
große Unruhe, maximalverengte Pupillen, Kernig, Dermographie, kalin- 
förmig eingezogenes Abdomen, Temp. 38,5 °. Lumbalpunktat dickeitrig. 
Neuritis optica rechts. Hörweite für Flüstersprache 2% m, Stimm¬ 
gabelprüfung typisch für Schalleitungshindernis, Vestibularapparat 
prompt erregbar, kein spontaner Nystagmus. Die von R u t t i n sofort 
vorgenommene Operation eröffnete einen ausgesprochen pneumatischen 
Warzenfortsatz, dessen Zellen mit Eiter vollständig erfüllt waren. 
Freilegung des Sinus, der Dura der mittleren und hinteren Schädel¬ 
grube, welche Gebilde sich sämtlich normal erwiesen. Am nächsten 
Tage Exitus. 

Obduktionsbefund: Eitrige Meningitis der Konvexität 
und Basis, kleinste wandständige Trombosen im Verlaufe des linken 
Sinus transversus und des rechten transversus und sigmoideus, ein 
großer wandständiger, nicht obturierender Thrombus mit zentraler Er¬ 
weichung im Confluens sinuum. Im Exsudat der Meningitis reichlich 
grampositive und gramnegative Kokken und Bakterien. Aus dem Herz¬ 
blut wurde Streptococcus pyogenes gezüchtet. 


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Interessant ist in diesbm Falle das Bestehen kleinster wandstän¬ 
diger Thrombosen im ganzen Verlaufe des linken Sinus transversus und 
rechten Sinus transversus und siginoideus von der Operationsstelle nach 
aufwärts bei makroskopisch normaler Sinuswand im Bereiche des Ope¬ 
rationsgebietes. Der Fall zeigt, wie es durch die makroskopisch normal 
ausgehende Sinuswand zu schwerer Infektion des Blutes kommen kann, 
ein Vorkommnis, das namentlich bei akuten Otitiden nicht selten zu 
sein scheint. Bemerkenswert ist auch noch die nur rechts bestehende 
Neuritis optica, trotzdem die Infektion und die schwer meningitischen 
Veränderungen auf der linken Seite vorhanden waren. 

Dr. F. A. Schwarz demonstriert an einer Patientin ein prak¬ 
tisches Verfahren zur Abhaltung der Kopfhaare aus dem Operations¬ 
feld in Form der Anlegung eines Kollodiumverbandes. 

Dr. Rudolf Leidler stellt 2 Patientinnen vor, die an chro¬ 
nischem Ekzem beider Ohren litten. Die eine hat schon mehr als 
20 Jahre, die zweite noch länger an dieser lästigen Erkrankung labo¬ 
riert. Die Behandlung von seiten verschiedener Spezialitäten hatte bis 
jetzt keinen Erfolg. L. hat im Vereine mit G. Schwarz die Rönt¬ 
genbestrahlung versucht und ein glänzendes Resultat erzielt. Der 
Juckreiz schwand nach der ersten bis zweiten Sitzung, die objektiven 
Manifestationen des Ekzems gingen nach mehreren Bestrahlungen 
zurück. Bei der einen Patientin sind außer einigen Schüppchen im 
äußeren Gehörgange keine ekzematösen Partien mehr zu sehen. Bei 
der anderen ist die Besserung noch nicht so weit vorgeschritten. Es 
muß bemerkt werden, daß sonst kein Medikament verwendet wor¬ 
den ist. 

Leidler und S chwarz beabsichtigen auch Pruritus des 
äußeren Ohres, welcher durch daselbst lokalisiertes chronisches Ekzem 
hervorgerufen worden ist. dieser Therauie zuzuführen. 

Diskussion: 

G o t t w a 1 d S c h w a r z: Den Ausführungen Dr. Le i dler s 
möchte ich mir erlauben, einiges vom radiologischem Standpunkte hin¬ 
zuzufügen. Die Röntgentherapie des chronischem Ekzems im allge¬ 
meinen ist durchaus nicht neu. Hahn in Hamburg war wohl vor 
ca. 5 laliren der erste, der diese Indikation aufgestellt und an 35 
Fällen über die ausgezeichnete Wirkung der Röntgenbestrahlung beim 
chronischen Ekzem berichtet hat. Seither haben zahlreiche andere 
Autoren diese günstigen Erfahrungen bestätigt. 

Wenn trotzdem das Ekzem des Ohres noch nicht der Rönt¬ 
gentherapie zugeführt worden ist, so mag dies zunächst darin seinen 
Giund haben, daß die Radiologie zur Otologie bisher nur wenig Be- 


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Ziehungen angekniipft hat. Außerdem ist gewiß mit Schuld darau 
das Mißtrauen, das die Dermatologen den Röntgenstrahlen noch immei 
entgegenbririgen, trotzdem seit ca. 4 Jahren ein grundstürzender Um¬ 
schwung in der Radiotherapie stattgefundeu hat. 

Den geehrten Herrn wird es wohl selbst nicht enigangen sein, 
daß es in letzterer Zeit mit den sogenannten ,,Röntgenverbrennungen“ 
stille geworden ist. Grund hierfür ist die Tatsache, daß man gelernt 
hat. das therapeutische Agens exakt zu dosieren. 

Der ursprüngliche Usus, die Bestrahlungen einfach nach der Zeit 
zu bemessen, war durchaus unrichtig, und wie die Erfahrung gezeigt 
hat, folgenschwer. Die Röntgenröhre wechselt in äußerlich un¬ 
kontrollierbarer Weise ihr Strahlenemissionsvermögen innerhalb ein 
und derselben Bestrahlung. So kann es kommen, daß man einmal 
innerhalb 10 Minuten eine kaum nennenswerte Röntgenlichtmenge, 
gleich darauf in derselben Zeit eine Menge erhält, die zu schweren 
Schädigungen führt. Da die Röntgeneffekte erst nach langer In¬ 
kubationszeit eintreten, so fehlt jedes momentane Kriterium. 

Wandel in dieser Unsicherheit wurde erst geschaffen durch dak 
Chromoradiometer von II o 1 z k n e c h t , das durch Verfärbung ge¬ 
wisser Salzschmelzen die zur Wirkung gelangte Röntgenmenge direkt 
maß. Leider ist das Instrument aus technischen Gründen jetzt nicht 
mehr fabrizierbar. 

Dagegen besitzen wir in dem Radiometer von S a b o u r a n d und 
N o i r e ein recht verläßlichem Dosierungsinstrument. Es beruht auf 
der Eigenschaft des Barymzyanürs durch X-Strahlen aus einer grünen 
Modifikation in eine gelbe überzugeehn. Ist dieser Uebergang bewerk¬ 
stelligt, so zeigt uns dies an, daß eine bestimmte Röntgenlichtmenge 
zur Wirkung gekommen ist. Namentlich in der Kombination mit dem 
Kienböck sehen Anculimeterverfahren (Schwärzung von Brom¬ 
silberpapier durch X-Strahlen) ist diese Methode sehr verwendbar. 

Wir selbst haben bei unseren Bestrahlungen uns des von mir 
angegebenen Fällungsradiometers bedient, das auf der Eigenschaft 
einer Lösung von Ammoniumoxalat und Sublimat beruht, durch die 
X-Strahlen unter Abscheidung von Kalomel zersetzt zu werden. Dieses 
Instrument erlaubt es, eine noch sehr kleine Röntgenlichtmenge 
(1 Kalom) direkt und völlig exakt zu bestimmen, was gerade beim 
Ekzem, das gleich der Psoriasis zu den für X-Strahlen besonders emp¬ 
findlichen Krankheitsformen gehört, von großer W ichtigkeit ist. Würde 
man hier überdosieren, so könnte man leicht sehr unangenehme Schädi¬ 
gungen erzielen. 


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Die Applikation von wöchentlich je 1 Kalom Röntgenlicht hat siel^ 
uns so vorzüglich bewährt, die Rückbildung erfolgte so absolut 
reaktionslos, daß wir glauben, diesen Bestrahlungsmodus als Schema 
empfehlen zu dürfen, bei dem man gut wird bleiben können. 

* * 

* 

Offizielles Protokoll der Sitzung vom 22. Juni 190H. 

Erstattet vom Schriftführer. 

Vorsitzender: Adam Politzer. 

Schriftführer: Gustav B o n d y. 

V. U r 1) a n t s c h i t s c h demonstriert einen Fall von tuber¬ 
kulöser Erkrankung des Mitteiohres bei gleichzeitig bestehender Lun¬ 
gentuberkulose. Vor der Operation war ein Hörvermögen von Kon¬ 
versationssprache 2 m und Flüstersprache V 2 m vorhanden. 
Es bestand ein Fistelsymptom. Bereits bei Druck auf den Tragus, 
noch deutlicher bei Luftverdichtung im äußeren Gehörgange trat 
ein enormer Nystagmus rotatorius und horizontalis zur kranken 
Seite auf, bei Luftverdünnung ein schwächerer entgegengesetzter 
zur gesunden Seite. Beim Bücken und bei raschen Kopfbewegungen 
trat ebenfalls Schwindel und Nystagmus auf. Die kalorische Re¬ 
aktion war erhalten. Es wurde die Diagnose auf Bogengangs¬ 
fistel gestellt und mit Rücksicht auf das erhaltene Hörvermögen von 
der Labyrinthoperation abgesehen. Der Lungentuberkulose wegen 
wurde die Operation in N e u m a n n scher Lokalanästhesie ausgeführt. 
Nach Durchführung der Radikaloperation zeigte sich eine breite Fistel 
im Bogengänge. Oberhalb dieser Fistel, gegen die mittlere Schädel¬ 
grube zu, war ein Sequester zwischen Dura und Pyramide eingeklemmt. 
Als Urban tschitsch diesen Sequester faßte und mit ziemlicher 
Mühe entfernte, gab Patient an, im selben Momente heftigen Schwindel 
und ein Zucken in den Augen — Nystagmus? — verspürt zu haben. 
Sofort nach der Entfernung des Sequesters fühlte sich Patient frei 
im Kopfe und gab an, daß der Schwindel auf gehört habe. Druck auf 
die Fistel mit dem Tupfer war nicht imstande, Nystagmus zu erzeugenl 
Nach der Operation bestand eine Zeitlang Nystagmus rotatorius zur 
gesunden Seite, welcher allmählich an Intensität abnahm. Jetzt ist 
Patient vollständig taub, die kalorische Erregbarkeit ist stark ver¬ 
mindert. Spontaner Schwindel ist seit Entfernung des Sequesters 
nicht mehr aufgetreten Ur b a n t s c h i t s c li läßt die Frage offen, 
ob dieser Sequester auf eine zweite, im oberen Bogengänge gelegene 
Fistel gedrückt hat, oder ob der Schwindel im* Momente der Extraktion 
vom Druck auf die Dura herrührte. 


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I T . berichtet, dann über den Obduktionsbefund bei einer an Menin¬ 
gitis purulenta ex otitide verstorbenen Patientin. Pat. kam mit ganz 
geringfügigen Erscheinungen auf die Klinik. Es bestand eine chro¬ 
nische Mittelohreiterung. Bei der Operation fand U r b a n t s c h i t. s c h 
■die Dura der hinteren und mittleren Schädelgrube und den Sinus mit 
Eiter bedeckt und eitrig infiltriert. Der hohen Temperatur wegen 
machte Urbantschitsch eine Spaltung der Dura, worauf sieh 
eitriges Serum entleerte. Eine Inzision des Gehirns ergab keinen 
Eiter. Durchführung der ltadikaloperation. Nach der Operation 
einen Tag Wohlbefinden, kein Kopfschmerz. Am zweiten Tage wieder 
geringer Stirnkopfschmerz, bald Koma und Exitus. K u t t i n kon¬ 
statierte eine ganz beträchtliche postmortale Temperatursteigerung. 
Bei der Sektion — S t ö r ck — fand sich eine purulente Meningitis. 
Im Sinus petrosus superior war ein eitriger Trombus. Auffallend 
waren die geringen klinischen Erscheinungen gegenüber dem fulmi¬ 
nanten meningitischen Prozeß. 

Bäräny stellt eine Patientin vor, welche wegen chronischer 
Eiterung und Labyrinthfistel operiert wurde. Das Interessante dieses 
Falles liegt darin, daß Patientin vor der Bildung der Fistel genau 
klinisch untersucht worden ist. Diese Untersuchung rührt von l)r. 
K i p r o f f her, der gegenwärtig an der Klinik mit genauen Messungen 
des kalorischen Nystagmus beschäftigt ist. Dr. K i p ro f f hatte bei 
der ersten Untersuchung konstatiert, daß der kalorische Nystagmus 
15" nach dem Ausspritzen mit 30° C. warmem Wasser begann und 
2Vi" lang andauerte. Auf dem gesunden Ohre begann der Nystagmus 
nach 10" und dauerte 3'. Der Drehnystagmus zur kranken Seite 
dauerte 55" nach 10 Umdrehungen, der Drehnystagmus zur gesunden 
Seite 40" nach 10 Umdrehungen. Fistelsymptom negativ. Es bestand 
eine Hörweite von Konversationssprache — m und Flüstersprache —m. 
8 Tage nach dieser Untersuchung kam Pat. mit der Klage über Schwin¬ 
del. Der Schwindel hatte vor 3 Tagen plötzlich begonnen. Sowohl beim 
Gehen als auch bei raschen Kopfbewegungen und beim Bücken trat be¬ 
trächtlicher Schwindel auf. bei Neigung des Kopfes nach rückwärts ist 
deutlicher Nystagmusanfall zur kranken Seite zu konstatieren. Spontan 
besteht kein Nystagmus, wechselnd mit geringem Nystagmus zur ge¬ 
sunden oder kranken Seite. Boi der Prüfung des I istelsymptoms ergab 
sich auf Luftverdichtung ein enormer Nystagmus zur kranken Seite, 
bei Luftverdünnung ein schwächerer zur gesunden Seite. Die kalorische 
Prüfung ergab: Beginn des Nystagmus beim Ausspritzen mit \\ asser 
von 30° G. nach 15", Dauer 3'. am gesunden Ohre: Beginn nach 
15", Dauer 2 : \Y . Die Dauer des Drehnystagmus betrug 40" zur kran- 


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keil Seite, 45” zur gesunden Seite. Bei einer zweiten, 3 Tage später 
vorgenonnnenen Untersuchung ergab sieh: Am kranken Ohre Beginn 
des kalorischen Nystagmus nach 10”, Dauer 3'. am gesunden Ohre 
Beginn nach 15”, Dauer 2 1 /2 / . Drehnystagmus zur kranken'Seite 1', 
zur gesunden Seite 45”. Fistelsymptom, wie vorher. Hörvermögen, wie 
bei der ersten Untersuchung. Bei der Radikaloperation fand sich eine 
deutliche Fistel am Bogengang. Nach der Operation trat Nystagmus 
zur gesunden Seite auf, das Hörvermögen erlosch, die Erregbarkeit des* 
Yestibularapparates ist wesentlich vermindert. Der Fall ist deswegen 
von großem Interesse, weil er der erste Fall ist. bei welchem vor der 
spontanen Entstehung einer Fistel eine exakte Funktionsprüfung des* 
Koelüear- sowie des Yestibularapparates durchgeführt wurde. Dieser 
Fall scheint dafür zu sprechen, daß durch die Bildung der Fistel wohl 
eine abnorme Erregbarkeit des Yestibularapparates entsteht, die sich 
im Auftreten von Schwindelanfällen (spontan und bei Kopfbewe¬ 
gungen) äußert, daß aber eine Uebererregbarkeit des Yestibular¬ 
apparates, wie sie von A 1 e x a n d e r bereits als feststehend angenom¬ 
men wird, nicht existiert ; denn die von Dr. K i p r o f f erhobenen 
Zahlen stimmen vollkommen mit den Durchschnittszahlen bei anatomisch 
ähnlichen Mittelohreiterungen überein. Ob es wirklich eine physio¬ 
logische Uebererregbarkeit gibt, die darin besteht, daß der Yestibular- 
apparat auf physiologische Reize mit verstärkter Funktion antwortet,, 
scheint mir sehr zweifelhaft. 

im Anschlüsse an diesen Fall berichtet B ä r ä n y über die Erfah¬ 
rungen, welche in den letzten Monaten an der Universitätsohrenklinik 
von Prof. U r b a n t s c h i t s c h über das Fistelsymptom gewonnen 
wurden. Es wurden im ganzen .160 Patienten vor der Operation auf 
Fistelsymptom untersucht. Yon diesen wiesen 145 Fälle kein Fistel¬ 
symptom auf und bei keinem dieser Patienten wurde bei der Operation 
eine Fistel gefunden. Bär ä n y hebt hervor, daß ihm kein Fall bekannt 
ist. der, vor der Operation in wirklich einwandfreier Weise untersucht,, 
kein Fistelsymptom, und bei der Operation doch eine Fistel gezeigt 
hätte. Alle diese Fälle zeigten auch typische kalorische Erregbarkeit., 
In 4 Fällen, bei welchen kein Fistelsymptom bestand, war die kalorische 
Erregbarkeit negativ, ln allen diesen Fällen wurde die Diagnose auf 
Labyrintheiterung gestellt, bei der Operation die Fistel gefunden und 
die Labyrinthoperation durchgeführt. In 11 Fällen fand sich vor der 
Operation ein Fistelsymptom. Yon diesen sind bisher 9 Fälle operiert.. 
Bei sämtlichen Fällen hat sich eine Fistel am Bogengänge gefunden.. 
6 Fälle wiesen ein sehr ausgesprochenes Fistelsymptom auf, also- 
starken Nystagmus sowohl bei Luftverdichtung als auch bei Luft- 


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Verdünnung. Die kalorische Erregbarkeit war in diesen Fällen normal. 
Das Hörvermögen war in einzelnen Fällen sicher erhalten, in anderen 
bestand Taubheit. In 3 Fällen war das Fistelsymptom sehr gering; 
.an Stelle *des Nystagmus ließen sich nur ganz kleine, langsame Rota¬ 
tionen des Bulbus auslösen, stets aber auch bei Luftverdünnung die ent- 
.gegengesetzten, wie bei Luft Verdichtung. In allen diesen Fällen war 
-die kalorische Erregbarkeit entweder stark herabgesetzt, oder aufge¬ 
hoben und es bestand Taubheit. Uns hat sich demnach bis jetzt das 
Fistelsymptom als vollkommen zuverlässig erwiesen. Als Zufall muß 
es bezeichnet werden, daß wir bisher nur Bogengangstistein zur Be¬ 
obachtung bekamen. In den meisten Fällen war der Nystagmus bei 
Luftverdichtung zur kranken Seite gerichtet, doch hat B ä r ä n y auch 
hei Bogengangsfisteln bereits Ausnahmen gesehen. 

Im Jahre 1906 hat (i r a d e n i g o auf dem X. Kongreß der Societa 
Italiana di Larineologia. Otologia et Rinologia über Untersuchungen 
berichtet, die Dr. M i m i d i a n an seiner Klinik ausgeführt hat. Dr. M i- 
m i d i a n hat eine Anzahl von Fällen mit Luftverdichtung und Luftver¬ 
dünnung im äußeren Gehörgange geprüft. Er beobachtete dabei einen 
Nystagmus, der in gleicher Weise bei Luft Verdichtung und Luftver¬ 
dünnung auftrat und am deutlichsten bei abwechselnder Luftverdich¬ 
tung und Luftverdünnung zu beobachten war. Weitere Schlüsse zieht 
Gradenigo aus diesen Befunden nicht. Seine Angaben waren jedoch 
für Baräny der Anlaß, das Fistelsymptom systematisch zu prüfen. 
B a r ä n y konstatierte dabei, daß, wo Luftverdichtung überhaupt einen 
Nystagmus produziert, stets Luftverdünnung den entgegengesetzten 
Nystagmus hervorruft. Das von Dr. M i m i i) i a n gefundene Verhalten 
dürfte auf einer Verwechslung mit dem kalorischen Nystagmus be¬ 
ruhen, indem bei nicht, vollkommen luftdichtem Abschluß und wieder¬ 
holter Luftverdichtung und Luftverdünnung schließlich durch den 
Luftstrom ein kalorischer Nystagmus hervorgerufen wird. 

Im Januar 1908 ist in der Wiener klinischen Rundschau, 
XXII. Jahrgang, Nr. 1 u. 2, eine Arbeit von Alexander und 
L a s 8 a 11 e „Zur Klinik des labyrinthären Nystagmus“ erschienen. 
Im Aprilheft der Monatsschrift für Ohrenheilkunde ist eine Arbeit 
von Mackenzie enthalten, in welcher in den Tabellen eine Anzahl 
•der von Alexander publizierten Fälle neuerlich abgedruckt ist, 
denen zwei weitere Fälle hinzugefügt werden. Alexander hat -bei 
allen diesen Fällen angeblich ein positives Fistelsymptom, aber keine 
Fistel gesunden. Die Alex a n »1 e r sehen Fälle lassen sich in drei 
Gruppen einteilen: 


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1. Solche, bei welchen aus der Anamnese, 2. solche, bei welchen 
aus der Beschreibung des Fistelsymptoms, 3. solche, bei welchen aus 
dem postoperativen Verlaufe mit größter Wahrscheinlichkeit hervor¬ 
geht, daß es sieh um eine Stapeshstel oder um eine Fistel am runden 
Fenster gehandelt hat. 

Fall 1. Vor der Operation wiederholt Schwindel. Die Prüfung 
des Fistelsymptoms ergab bei Luftverdichtung deutlichen rotatorischen 
Nystagmus zur kranken Seite, bei Luftverdünnung deutlichen rota¬ 
torischen Nystagmus zur gesunden Seite. Gleich nach der Operation 
traten die Symptome einer akuten Labyrinthitis auf. 

Fall 10. 13 jähriger Knabe, beiderseitige chronische Eiterung, bei 
starker Luft Verdichtung im rechten Gehörgange, rotatorischer Nystag¬ 
mus nach rechts, bei geringer Luftverdichtung im linken Gehörgange 
starker rotatorischer Nystagmus nach links. Leber Nystagmus auf 
Aspiration wird nicht berichtet. Die LAigleichheit des Nystagmus nach 
der rechten und linken Seite erklärt sich wohl am besten, wenn man 
links eine Stapeshstel annimmt. 

Fall 11. Vor der Operation und nach derselben starke Schwindei¬ 
anfälle. Fazialislähmung. Bei Luftverdichtung im kranken Ohre 
rotatorischer Nystagmus zur kranken Seite. 

In allen diesen Fällen muß man, da Alexander keine Bogen- 
gangstistel gefunden hat, eine Stapeshstel annehmen. Jedenfalls läßt 
sich die gegenteilige Annahme nicht beweisen. 

Es bleiben noch 3 Fälle übrig, bei welchen Alexander bei Luft- 
verdichtung einen Nystagmus rotatorius nach der gesunden Seite er¬ 
halten hat. In einem operierten Falle bestand weder vor der Ope¬ 
ration noch nach derselben Schwindel. 

In 2 Fällen, bei welchen es im Laufe der Behandlung zum Ver¬ 
schlüsse der Trommelfellperforation kam, ließ sich nach Verschluß des- 
Trommelfelles auf Kompression kein Nystagmus mehr auslösen. B ä - 
räny glaubt, daß es ich um eine Verwechslung mit kalorischem Ny¬ 
stagmus gehandelt hat, da ja sowohl die wiederholte Lufteinblasung 
in den äußeren Gehörgang, als auch in seltenen Fällen das Einblasen 
der Luft in die Tube beim Katheterisieren einen kalorischen Nystagmus 
hervorruft. 

Schließlich hat Bär an y noch einen Fall zu erwähnen, bei 
welchem Leidler däs Fistelsymptom mit dem assoziierten Nystag¬ 
mus Stranskys verwechselt hat. Es handelt sich um den in der 
letzten Sitzung vorgestellten Fall, bei welchem Leidler eine In¬ 
zision der Dura vorgenommen hat. Bei der Vorstellung dieses Falles 
hat Leidler einen Kompressionsnystagmus nicht erwähnt; ich hätte 


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ihm sonst gleich hierauf geantwortet. In der mir zugesendeten 
Krankengeschichte war dann verzeichnet, daß bei Kompression ein 
Nystagmus auf beiden Ohren auszulösen war. Ich hatte zufällig Ge¬ 
legenheit, den Patienten 2 oder 3 Tage vor seiner Aufnahme auf der 
Poliklinik zu untersuchen und konstatierte, daß er den assoziierten 
Nystagmus S t r a n s k y s in ausgeprägtem Maße aufwies. Ich de¬ 
monstrierte meinen Hörern, wie leicht man in diesem Falle diesen 
Nystagmus mit dem Fistelsymptom verwechseln könne. Es trat bei 
diesem Falle nicht nur bei Luftverdichtung und Luftverdünnung, son¬ 
dern auch bei Druck auf den Warzenfortsatz, auf den Tragus und auch 
beim Zukneifen der Augen ohne jeden sonstigen Heiz ein ziemlich 
starker oszillatoriseher Nystagmus mit gleichzeitigen Lidbewegungen 
auf. Daß einem so geübten Beobachter, wie L e i d 1 e r , eine der¬ 
artige Verwechslung passieren konnte, beweist, wie schwierig es ist, 
auf diesem Gebiete wirklich exakte und sichere Beobachtungen an¬ 
zustellen. 

In den Fällen Alexanders ist meist nur von dem Nystagmus 
bei Kompression die Hede. Meiner Meinung nach darf aber nur dann 
eine Fistel diagnostiziert werden, wenn bei Kompression Nystagmus 
oder vestibuläre Augenbewegungen in der einen Richtung, bei Aspi¬ 
ration in der entgegengesetzten Richtung wahrnehmbar sind. Dabei 
möchte ich noch auf einen kleinen Umstand aufmerksam machen. 
Man soll die Aspiration unmittelbar an die Kompression anschließen 
und nicht nach der Kompression die Olive aus dem Ohre entfernen, 
daun den Ballon komprimieren und nun unabhängig von der Kom¬ 
pression mit Aspiration prüfen; denn die Kompression preßt, die be¬ 
weglichen Teile in der Labyrinthfistel in das Innere des Labyrinthes 
hinein und erzeugt dadurch eine Endolymphbewegung. Schließt man 
aber die Aspiration sofort an, so wird sofort die entgegengesetzte En- 
dolymphbtwegung eintreten, indem die weichen Gebilde in der La- 
byrinthfistel in ihre ursprüngliche Lage oder noch etwas mehr nach 
außen gesaugt werden. Wenn man jedoch nach der Kompression die 
Olive entfernt, so treten die weichen Gebilde in der Labyrinthtistel 
allmählich in ihre ursprüngliche Lage spontan zurück und bei der 
jetzt ausgeführten Aspiration muß man einen viel stärkeren Zug 
an wenden, um eine Endolymphbewegung zu erzeugen. 

Ich möchte schließlich noch auf einen Punkt eingehen, welchen 
Alexander in seiner Arbeit bespricht. Alexander hat bei 
20 Normalen niemals ein Fistelsymptom hervor rufen können, gibt aber 
an, daß ihm früher, gelegentlich der Prüfung des G e 1 1 c e sehen Ver¬ 
suches manchmal Angaben über Schwindel vorgekommen seien. Seine 


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diesbezüglichen \\ orte lauteten: „Schwindel beim G eil ec sehen Ver¬ 
suche bei Normalen scheint besonders dann aufzutreten, wenn beim 
G e 1 1 e e sehen A ersuche der äußere Gehörgang nicht luftdicht ver¬ 
schlossen wird. Die mit zischendem Geräusche abströmende Luft und 
nie Reakt ionsbe wegung, die in solchen Lallen der Patient sofort mit 
dem Kopfe ausführt, mag in solchen Fällen die Angabe, daß Schwindel 
aufgetreten sei. erklären.“ Aus dieser Bemerkung Alexanders geht 
hervor, daß er zunächst eine unrichtige Prüfung des G e 11 e e sehen 
Versuches vorgenommen hat; denn wenn beim G e 11 e e sehen Ver¬ 
suche der Gehörgang nicht luftdicht verschlossen ist, so ist dies eben 
kein (f e 1 1 e e scher A ersuch, sondern eine Lufteinblasung, und selbst¬ 
verständlich wird Patient dann nichts hören. Außerdem aber ist es 
ganz gut denkbar, daß bei einer derartigen wiederholten Untersuchung 
kalorischer Nystagmus aufgetreten ist. 

Ich möchte noch auf eine Arbeit von J ansen zu sprechen kom¬ 
men. Auf der XIV. Versammlung der American Laryngological, Rhino- 
lcgical and Otological Society, Pittsburg, 28., 29., 30 Mai 1908, hat 
J ansen einen Vortrag über die Behandlung der eitrigen Labyrinthitis 
nach 15 jähriger Erfahrung gehalten. Jansen verfügt über ein 
außerordentlich großes Material, das aber in der Mehrzahl der Fälle 
naturgemäß nicht einwandfrei untersucht ist. In der letzten Zeit hat 
Jansen zwar die kalorische Prüfung des Vestibularapparates ange¬ 
wendet, vom Fistelsymptom aber scheint er gar nichts zu wissen. We¬ 
nigstens fand ich kein Wort darüber in seiner Arbeit. Eine große 
Rolle'spielen in dieser Arbeit die Stapesluxationen. Wenn man die 
Beschreibung dieser Fälle mit den Fällen von sogenannter seröser La¬ 
byrinthitis bei A 1 e x a li d e r und V o ß vergleicht, so wird man eine 
gewisse Ucbercinstimmung finden, ln diesen Fällen tritt der Nystag¬ 
mus und Schwindel nicht sofort nach der Verletzung, sondern 12 bis 
24 Stunden nach derselben und noch später auf. Jansen hat 19 der¬ 
artige Fälle beobachtet, von welchen nur 2 ohne Labyrinthoperation 
zur Heilung kamen. Die Stapesluxation geschah nur 6 mal während 
der Radikaloperation, 12 mal bei der Nachbehandlung, insbesondere bei 
der Kürettage. 13 dieser Fälle wurden labyrinthoperiert, in 9 l r ällen 
trat Heilung ein. Der llauptunterschied der Fälle Jansens und 
Alexanders bestellt in der hohen Mortalität dieser Fälle, während 
die Fälle vyn A I e x a n d e r und V o ß alle zur Heilung kamen. Jan¬ 
sen sagt ganz richtig, daß man am ersten und zweiten Tage wahr¬ 
scheinlich noch eine kalorische Reaktion erhalten wird, daß also die 
Prüfung der kalorischen Reaktion die Eiterung des Labyrinthes nicht 
mit Sicherheit beweisen kann. Ich glaube, daß man zur Untersehei- 


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— 575 — 


düng der Falle von Stapesluxation von denen mit seröser Labyrinthitis 
die Prüfung des Fistelsvmptomes vorzunehmen hat, sei es mit Hilfe 
einer sterilisierbaren Kautschukglocke, die man über das ganze Wund¬ 
gebiet stülpen und luftdicht anpressen kann, sei es mit Hilfe eines 
Wattebausches, welchen man vorsichtig auf die Stapcsgegend andrückt. 
Bestand vor der Operation kein Fistclsymptom und läßt sich jetzt bei 
erhaltener oder nur herabgesetzter kalorischer Erregbarkeit ein Fistel¬ 
symptom nach weisen, so handelt es sich nicht um eine seröse Labyrin¬ 
thitis, sondern um eine Stapesluxation. Fehlt das Fistelsymptom bei 
erhaltener kalorischer Erregbarkeit, so kann man seröse Labyrinthitis 
diagnostizieren. In praktischer Beziehung hat diese Diagnose eine große 
Bedeutung. Können wir bei erhaltener kalorischer Erregbarkeit seröse 
Labyrinthitis diagnostizieren, so lassen wir das Labyrinth in Ruhe, dia¬ 
gnostizieren wir aber Stapesluxation, so haben wir sofort die Labyrinth¬ 
operation auszuführen. Eine seröse Labyrinthitis, welche zur Ver¬ 
nichtung des Gehörs und Unerregbarkeit des Vestibularapparat.es ge¬ 
führt hat, läßt sich von einer eitrigen Labyrinthitis mit gleichem funk¬ 
tionellen Befunde nicht unterscheiden. Es wird aber auch für den 
Patienten eher besser sein, wenn wir in derartigen Fällen die Labyrinth¬ 
operation ausführen. 

Diskussion. 

N e u m a n n glaubt, die seröse Labyrinthitis von der eitrigen durch 
Prüfung des Hörvermögens unterscheiden zu können. Dort, wo, wenn 
auch nicht mehr die Sprache, so doch wenigstens die Stimmgabel durch 
Luft- oder selbst nur durch Knochenleitung am kranken Ohre gehört 
wird, diagnostiziert er seröse Labyrinthitis. Jansen spreche in seiner 
Arbeit von einer 15 jährigen Erfahrung über Labyrintheiterungen. Er 
mache jedoch nur sehr unvollkommene Hörprüfungen und verwende die 
Prüfung des kalorischen Nystagmus erst seit einem Jahre. Seine An¬ 
gaben fußen daher auf einem klinisch nur mangelhaft beobachteten 
Materiale. 

Alexander bemerkt, daß er stets auf Kompression und Aspira¬ 
tion untersuche. Eine Verwechselung mit dem kalorischen Nystagmus 
glaube er ablehnen zu können. Was den Schwindel beim G e 11 e e sehen 
Versuche bei Normalen anbelangt, so glaube er, daß es sich hierbei über¬ 
haupt nicht um Schwindel, sondern bloß um ein unangenehmes Gefühl 
im Ohre gehandelt hat. wie es bei einer derartigen Einblasung stets der 
Fall sei. Bezüglich der Differentialdiagnose der serösen Labyrinthitis 
von der Stapesluxation sicht Alexander den Hauptunterschied in 
-dem Auftreten der ersteren nach 2—3 Tagen, während bei der Stapes¬ 
luxation die Erscheinungen sich rascher zeigen. * 


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R u t t i n hat zahlreiche 1 alle von Labyrintheiterungen histo¬ 
logisch untersucht. Die Stapesluxat ion ist sehr selten. Die Labyrin¬ 
thitis serosa ist sichergostellt. Seiner Ansicht nach enthalte die Jan- 
s e n sehe Statistik viele Fehler. 

Ihm merschlag spricht- sich gegen die X e u m a n n sehe An¬ 
sicht aus, daß die Hörprüfung zur Differentialdiagnose zwischen se¬ 
röser und eitriger Labyrinthitis herangezogen werde, insbesondere 
aber gegen die Behauptung Neu m a n n s , daß die Prüfung der 
Knoeheiileitung vom kranken Ohre aus irgendeinen Wert habe. Auch 
Patienten mit exfoliierter Schnecke geben an. die Stimmgabel im kran¬ 
ken Ohre zu hören, wenn sie auf den Warzenfortsatz der kranken Seite 
appliziert wird. Daß auch bei eitriger Labyrinthitis Hörreste Zurück¬ 
bleiben können, beweisen die zahlreichen Fälle von Taubstummheit nach 
Meningitis mit llörinseln. 

Bar ä n y bemerkt gegenüber X e u m a n n, daß das erhaltene Hör¬ 
vermögen nichts gegen Labyrinthitis in den Anfangsstadien beweise, 
wie ein von X e u m a n n und ihm beobachteter Fall lehrte, an welchen 
Neumann offenbar momentan nicht gedacht habe. Es handelte sich 
um eine Patientin, bei welcher nach Haminer-Amboßextraktion eine 
akute Labyrinthitis und Meningitis aufgetreten ist, welcher Patientin 
nach zwei Tagen erlag. Am ersten Tage war ein Hörvermögen von 
Konversationssprache bis 6 m vorhanden, das nach 12 Stunden erst voll¬ 
kommener Taubheit Platz machte. Die Fntersuehung mit dem Lärm¬ 
apparat hat B ä r ä n y ergeben, daß das Hören der Stimmgabel vom 
Warzen fortsatz der kranken Seite bei einseitiger Taubheit nur ein 
scheinbares ist, da bei Applizierung des Liirmapparates im gesunden 
Ohre auch stärkst angeschlagene auf den Warzenfortsatz der kranken 
Seite gesetzte Stimmgabeln nicht mehr gehört wurden. 

Ferdinand Alt demonstriert einen 7 jährigen Knaben, der im 
Dezember 1905 in einem Kinderspital linkerseits operiert worden war 
und eine vollkommene Fazialislähmung akquirierte. Alt sah den 
Knaben im April 1907. Feber den Processus mastoideus war eine retro¬ 
aurikuläre Oeffnung, durch welche nekrotischer Knochen zu sehen war. 
Am 3. Mai 1907 wurde die Radikaloperation ausgeführt, wobei der 
ganze, aus mehreren Sequestern bestehende Processus mastoideus ent¬ 
fernt wurde. Die Fazialislähmung ging post operationem nicht zu¬ 
rück. Durch 5 Monate wurde konseivative Behandlung derselben ver¬ 
sucht. Am 17. Oktober wurde die Wundhöhle nochmals eröffnet und die 
Fazialisgegend nach der vom Vortragenden angegebenen Methode be¬ 
sichtigt. ln der (legend des Fazialisspornes fand sich ein Sequester, 
der nach aufwärts an die Prominenz des Bogenganges reichte und die 


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— 577 — 


äußere und untere Wand des F a 1 1 o p i sehen Kanals umfaßte. Der 
Nerv wurde durch Entfernung des Sequesters, der einen Druck auf ihn 
ausgeübt hatte, in einer Ausdehnung von ungefähr 8 mm freigelegt. 
Nach dem Eingriff ging die Lähmung in überraschend kurzer Zeit zu¬ 
rück. Der Knabe zeigt heute vollkommene aktive Beweglichkeit in 
allen Aesten des Fazialis. 

Alt demonstriert ferner ein 9 jähriges Mädchen, bei welchem nach 
Radikaloperation von anderer Seite seit 4 Jahren eine rechtseitige Fa¬ 
zialislähmung bestand. Als l’rsaehe derselben wurde eine Einbettung 
des Nerven in narbiges Bindegewebe im Verlaufe des Canalis Fallopii 
festgestellt. Die Lähmung begann auch hier nach dem Eingriffe rasch 
zurückzugehen. (Erscheint ausführlich in dieser Monatsschrift.) 

Diskussion. 

Ru t ti n hält die Fälle nicht für ganz einwandsfrei, wenn die gal- 
yanische Reaktion vor der Freilegung des Fazialis nicht geprüft wurde. 

Gustav Bond y demonstriert einen 26 jährigen Patienten, bei 
dem 5 Tage nach der wegen Mastoiditis vorgenommenen Aufmeißelung, 
wobei auch der Sinus freigelegt wurde, Schüttelfrost und Fieber auf¬ 
getreten waren. Da sich bei Verbandwechsel die Sinuswand verfärbt 
zeigte, wurde sofort die Jugularis unterbunden und der Sinus in großer 
Ausdehnung freigelegt. Derselbe zeigt sich bluthaltig, hierauf Tam¬ 
ponade nach W h i t i n g und Spaltung der Sinuswand. Entsprechend 
der verfärbten Stelle fand sich an der Innenwand ein kleiner wandstän¬ 
diger Thrombus. Das Fieber dauerte noch einige Tage an, es zeigten 
sich auch Lungenerscheinungen (fötides Sputum, gedämpfter Schall, 
abgeschwächtes Atmen). Nach 8 Tagen dauernde Entfieberung. Der 
Fall zeigt, daß eine Probepunktion in solchen Fällen vollständig resul¬ 
tatlos bleiben muß, und daß nur die breite Spaltung und Inzision der 
Wand über das Vorhandensein eines Thrombus Aufschluß geben kann. 

E. R u 11 i n : Zur pathologischen Histologie der 
Tuba E u s t a c h i i. 

II. zeigt mikroskopische Präparate von Tubeneiterung bei Tuber¬ 
kulose. Die Präparate stammen von einem Phthisiker, der in den 
letzten Wochen seiner Phthise eine Mittelohreiterung bekam. 

Gewöhnlich wird angenommen, daß die im Endstadium der Tuber¬ 
kulose so häufige Mittelohrinfektion auf dem Wege der Tube durch 
Verschleppung von infektiösen Partikelchen beim Schluckakt etc. zu¬ 
standekomme und durch das weite Offenstehen der Tube bei kachekti- 
sehen Personen begünstigt werde. Das vorliegende Präparat legt die 
Vermutung nahe, daß auch eine direkte Fortleitung der Eiterung“ 
längs und in den Wandungen der Tube ins Mittelohr möglich! ist.. 


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— 578 


Man sieht nämlich in den Präparaten das Kpithel der Tube zum größten 
Teil vereitert und auch eitrige Infiltrate im subepithelialen Gewebe 
sowie auch zwischen den Muskelfasern, dem Fett- und Drüse n'ge webe. 

B ä r ä n y demonstriert eine Patientin mitSinusthro m- 
1) o s e. Patientin hatte nach einer Influenza Ohrenstechen im linken 
Ohre bekommen, jedoch keinen Ausfluß. 14 Tage nachher trat pyämi¬ 
sches Fieber und Schwellung und Schmerzen im rechten Schultergelenke 
auf. Der otoskopische Befund ergab das Bild einer im Ablaufe be¬ 
griffenen akuten Otitis. Der Warzenfortsatz war nicht empfindlich. 
Mit Rücksicht auf das pyämische Fieber nahm Bäräny die Auf : 
meißelung vor. Bei derselben fand sich eine außerordentliche dicke 
C orticalis, gegen das Antrum 2 oder 3 eitergefüllte Zellen. Gleich 
beim ersten Meißelschlage wurde der weit vorgelagerte Sinus freigelegt, 
der unverändert aussah. Nach Eröffnung des Antrums verfolgte 
Bäräny den Sinus nach abwärts. Dabei riß derselbe ein und es ent¬ 
leerte sich Eiter aus ihm. Jugularisunterbindung, Freilegung des 
Sinus bis nahe an den Bulbus und 3 cm über das Ivnie, Ausräumung der 
totalen Tromhose. Seither keine Metastase, allmähliche Entfieberung. 


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Referate 


a) Otologische. 

Ueber die Ausbreitung des Sehleimhautepithels auf die Wundflächeir. 
naeh Operationen am Mittelohr. Von Dr. Reinking. (Zeitschrift 
für Ohrenheilk , LIV, 3 u. 4.) 

Verfasser bespricht die schädlichen Folgen mangelhafter Granu- 
lationsbildung nach Operationen am Mittelohr, wodurch der Ausbrei¬ 
tung des Schleimhautepithels Vorschub geleistet, dadurch aber der 
Grund zu höchst langwieriger Eiterung gegeben wird, welche den 
Erfolg der Operation sehr in Frage stellen kann! Besonders leicht tritt 
diese unangenehme Komplikation auf, wenn Schleimhautreste sich auf 
den Wänden der Wundhöhle, der medialen Paukenhöhlen- und Antrum¬ 
wand vorhnden oder die Tubenmündung otYen geblieben ist. Verfasser 
bespricht die verschiedenen Maßnahmen zur Behandlung dieser Zu¬ 
stände Keller. 

r 

lieber akustische und optisch motorische Folgeerscheinungen von 
KrampfanfAllen. Aus der psychiatrischen Klinik der deutschen Uni¬ 
versität in Prag. Von A. Pick (Deutsche medizin. Wochenschr., 
Th Jahrg. Nr 1.) 

Verfasser weist auf die auffallende Tatsache hin, daß. während 
Reiz erscheinungen im akustischen Gebiete, analog den Krampf-- 
erseheinungeu des epileptiformen Anfalles der Dementia paralytica, 
also einseitige Gehörshalluzinationeii, im Gefolge solcher Anfälle 
schon mehrfach beschrieben worden sind, Ausfalls erscheinungen in 
jenem Gebiete analog der Hemianopsie als Folge paralytischer Anfälle 
bisher nur in Form gestörten Sprachverständnisses beobachtet wurden. 
Diese Lucke auszufüllen ist. er in der Lage durch Mitteilung dreier 
interessanter einschlägiger Beobachtungen auf dem Gebiete der Para¬ 
lyse, bei denen neben einer typischen rechtsseitigen Hemianopsie die- 
Kranken nach dem in Form von Zuckungen auftretenden paralytischen 
Anfall auf Anrufen von rechts her nicht reagierten, während sie bei 
Anruf von links dorthin blickten; nach wenigen Stunden oder Tagen 
verschwand die Erscheinung und machte der normalen Platz. Eine 
weitere hierher gehörige Beobachtung bietet eine zufällige Kombina- 


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— 580 — 


tion von peripherischen Taubheit mit transitorischer Funktions¬ 
störung des linken Sehläfenlappens dar, und auf Grund dieses Falles 
zieht Verfasser zur Erklärung dieser Erscheinung im akustischen Ge¬ 
biete als Analogon die stationäre einseitige Taubheit infolge kontra¬ 
lateraler Sehläfenlappenaffektion heran. Er nimmt an, daß bei der 
nach einem paralytischen Anfall zurückbleibenden Benommenheit eine 
Herabsetzung der Bewußtseinstätigkeit vorliegt, so daß die durch den 
gekreuzten Akustikusanteil zugeführten reichlicheren Gehörseindrücke 
schon eine Wirkung haben, während der geringfügige Anteil der un¬ 
gekreuzten eine solche noch nicht erzielt. 

11 e i n h a r d. 

Ueber den Verlauf der peripheren Fasern des Nervus coehleae im 
Tunnelraum. Vorläufiger Boricht. Von K. Kishi, Prof. a. d. med. 
Hochschule zu Tachohu auf Formosa (Japan). (Arch. f Obrenheilk., Bd.75.) 

Der Autor behauptet, daß im Tunnelraum die peripheren Nerven¬ 
fasern des Nervus coehleae nur am Tunnelboden entlang verlaufen, 
nie frei im Tunnelraum, und daß die sogenannten radialen Tunnel¬ 
fasern nur durch Ablösung der Nervenfasern vom Tunnelboden ent¬ 
stehen können. Alt. 


b) Rhinologische. 

Ueber Untersuchungen der Nasenraehenhöhle gesunder Menschen 
auf Meningokokken. Von Stabsarzt Dr. Kutscher. (Deutsche mediz. 
Wochenschrift, 32. Jahrgang. Nr. 23.) 

Verfasser untersuchte zu einer Zeit, wo Fälle von sporadischer 
oder epidemischer, durch Meningokokken hervorgerufener Genickstarre 
seit einem halben Jahre in Berlin nicht vorgekommen waren, das 
Nasenrachensekret von 56 an anderen Krankheiten erkrankten jungen 
Leuten auf das Vorhandensein von Meningokokken. Er betont die 
Wertlosigkeit der mikroskopischen Untersuchungen und bemerkt, daß 
auch der kulturelle Nachweis des Diploeoc-cus Weichselbaum im Nasen¬ 
rachensekret der sorgfältigsten bakteriologischen Untersuchung be¬ 
darf. Während die kulturelle Untersuchung in 52 Fällen ein nega¬ 
tives Ergebnis hatte, konnten viermal Diplokokken isoliert werden, 
welche sich morphologisch, kulturell und durch ihr immunisatorisches 
Verhalten nicht von echten Meningokokken unterscheiden ließen. Zwei 
Kulturen gingen zugrunde, so daß nur zwei zur vollständigen genauen 
Untersuchung übrigblieben. Das Ergebnis war, daß sich dieselben 
nicht von den sonst bei Genickstarrekranken oder Personen aus der Um¬ 
gebung solcher Kranken gefundenen Meningokokken mit unseren jetzi¬ 
gen Hilfsmitteln differenzieren ließen, so daß echte Meningokokken 
angenommen werden mußten. Danach gehört immer eine gewisse Dis¬ 
position dazu, deren Wesen uns unbekannt ist, um eine Infektion des 
betreffenden Kokkenträgers auszulösen. Zugleich fordern diese Beob- 
nehtungcn dazu auf. auch weiterhin der Untersuchung des Nasen- 
raehensekrets Gesunder in epidemiefreien Zeiten unsere Aufmerksam- 


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— 581 — 


keit zu schenken, um über die Verbreitung der Kokken träger, vor allem 
auch über die Zeit, bis zu welcher sie Meningokokken im Nasenrachen¬ 
raum beherbergen können, weitere Aufschlüsse zu gewinnen. 

R e i n h a r d. 

Ein Beitrag zur Korrektor der Sattelnasen dureh Paraffininjektion 
nach Hahn« Von Dr. Rudolf Heiß. Spozialarzt für Ohren-, Nasen- 
und Halsleiden in Wien. (Oesterreich. Aerzte-Zeitung, 5. Jahrgang, Nr. 1.) 

Verfasser befreite eine Frau von einer seit vielen Jahren bestehen¬ 
den Sattelnase durch Anwendung der (2 e r s u n y sehen Methode, 
welche darin besteht, subkutan Paraffin zu injizieren und dasselbe an 
Stelle fehlender (iewebsteile zu deponieren. Als 1 njektionsinstrument 
benutzte er die Spritze von II ah n. Es ist dies ein revolverartig kon¬ 
struiertes Instrument; beim Schließen des Hahnes bewegt sich ein mit 
diesem verbundenes Zahnrad, das in einen gezähnten Stahlstab greift 
und diesen bei jeder Bewegung um einen Zahn vorschiebt. Der Ein¬ 
stich erfolgt an der Nasenspitze. Im Moment der Injektion wird die 
Nasenbeingegend mit den Zeigefingern komprimiert, um das Eindrin¬ 
gen des Paraffins gegen das Auge zu verhindern. Der glänzende Er¬ 
folg rechtfertigt den hohen Preis der Spritze (80 Frcs.). 

Reinhard. 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Therapeutische Mitteilungen. Voll Dr. J. Welcminsky in Wien. 

(Fränkels Arch f. Larvngol.) 

I. Tamponade der Nase mittels Paraffingaze. 

Sic verhindert das Verkleben der (Jaze mit der WundHäche und 
Schleimhaut erosionen. 

II. Drainage von Peritonsillarabszessen. 

Durch Einfuhren eines Paraffingazestreifens in die Inzisions- 
öfTnung wird diese offen gehalten. 

III. Paraffininjektionen bei Ozüna. 

W. führt dieselbe in der Weise aus. daß er die Schleimhaut des 
Septums wie bei der Deviationsoperation ablöst und in die so ent¬ 
stehende Tasche ein Vaselin-Paraffingemisch einspritzt. 

IV. Drainage der Kieferhöhle. 

Ein Silberröhrchen wird mittels eines dem K r a u s e sehen Troi- 
kart nachgebildeten Instrumentes in die laterale Nasenwand ein¬ 
geführt. 

V. Submuköse Kaustik der unteren Muschel. 

Die Schleimhaut der unteren Muschel wird mit einem schmalen 
Skalpell unterminiert; darauf wird der Brenner in den submukösen 
<3ang eingeführt und unter zeitweiser Schließung des Kontaktes lang¬ 
sam zurückgezogen. Die auftretende Reaktion soll sehr gering sein. 


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\ I. Skaritikation der mittleren Muschel. 

Sie wird mit einem möglichst scharfen Messer in Fällen aus- 
geführt, wo ein zwischen Septumkonvexität und lateraler Nasenwand 
eingeklemmtes vorderes Ende der mittleren Muschel einem gesteigerten 
Blutzufluß nicht durch entsprechende Anschwellung folgen kann und 
dadurch Beschwerden — Kopfschmerzen, Druckgefühl in der Gegend 
der Nasenwurzel etc. — hervorruft. R. II o f f mann (Dresden). 

Kasuistische Mitteilungen aus der Privatklinik. Von Dr. A. Schöne¬ 
mann in Bern. (Frankels Arch. f. Larvngol.) 

1. Gestieltes, baumnußgroßes Angioma simplex des weichen Gau¬ 
mens, intermittierende Blutungen aus dem Munde; hochgradige An¬ 
ämie. 

2. Ficus der mittleren Muschel bei Ozaena simplex mit beginnender 
karziuomatöser Degeneration der Uleusränder. 

3. Schnell wachsendes Sarkom der rechten Tonsille, im Beginn eine 
Diphtheria faucium vortäuschend. 

4. Narbiges, auf lupöser Grundlage entstandenes Diaphragma zwi¬ 

schen Pharynx und Epipharynx. Stenose des Aditus laryngis durch, 
narbige Kontrakturen. 11. Hoff m a n n (Dresden.) 


Notizen. 

In München ist im Oktober 1908 der Vorstand der Ohrenklinik 
daselbst, llof rat Fniv.-Prof. Dr. Friedrich Dezold, gestorben. 
Seine großen Verdienste um die Ohrenheilkunde wurden in der wissen¬ 
schaftlichen Versammlung der österreichischen Otologischen Gesell¬ 
schaft vom 2ö. Oktober 1908 gewürdigt. (Siehe Protokoll dieser 
Sitzung.) 

Am 3. Dezember 1908 ist Herr Dr. Moritz Brunner, Direktor der 
israelitischen Taubstummenanstalt in Wien, verschieden. Brunner 
hat es verstanden, sich auf dem von ihm vertretenen Gebiete einen 
geachteten Namen unter den Fachkollegen zu erwerben. 

• In Prag wurde eine Lehrkanzel für Laryngologie errichtet, 
zu deren Leitung ein Schüler 0. Chiaris, Privatdozent Dr. L. Harm er 
berufen wurde. 

Prof. Jurasz in Heidelberg hat mit dem Charakter eines ordent¬ 
lichen Professors die Klinik für Kehlkopf-, Nasen- und Ohrenkranke 
in Lemberg übernommen. Prof. Kümmel in Heidelberg wurde mit dem 
Lehrauftrage für Laryngologie daselbst betraut. 


Alle für die Monatsschrift bestimmten Beitrftge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften, Archive nnd Tausoh-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Prof. 
V. Urbantschltsch in Wien I, Schottenring 24, za senden. Die Antoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt and 30 Separat-Abzüge beigegeben. 

• Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Lemberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 110. 


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Ueber die Notwendigkeit der Einführung einer 
präziseren Nomenklatur für die verschiedenen 
Formen der Taubstummheit. 

Von 

Dozenten Dr. Victor Hammerschlag (Wien). 

Im Jahre 1902 habe ich 1 ) ein neues Einteilungsprinzip für die 
verschiedenen Formen der Taubstummheit in Vorschlag gebracht. 
Die Gründe, die mich dazu bestimmten, habe ich damals ausführ¬ 
lich auseinandergesetzt. Da aber mein Vorschlag teils unbeachtet 
geblieben, teils sogar auf Widerspruch gestoßen ist, so sehe ich mich 
leider genötigt, nunmehr auf den Gegenstand zurückzukommen. Ich 
tue das nicht, um meine Einteilung den Otologen als einzig mögliche 
hinzustellen; ich bin mir wohl bewußt, daß eine Zeit kommen kann, 
wo eine andere, auf gründlicherer Kenntnis der Anatomie basierende 
Einteilung die meinige verdrängen wird; aber ich bin mir ebenso wohl 
bewußt, dass eine jede andere Einteilung auf demselben Prinzip 
wird basieren müssen, wie meine Einteilung, nämlich auf dem 
Prinzip der Aetiologie als Eintcilungsbasis: denn nur in eine 
ätiologisch basierte klinische Nomenklatur lassen sich die verschiedenen 
anatomischen Befunde zwanglos einreihen. Nur so wird eine anfänglich 
klinisch-ätiologische Nomenklatur zur Trägerin der pathologisch-anato¬ 
mischen Befunde. Das hat übrigens Görke 2 ) in jüngster Zeit sehr 
scharf erfaßt und auch in einer für mich höchst erfreulichen Weise, 

9 Ein neues Einteilungsprinzip für die verschiedenen Formen der 
Taubstummheit. Archiv für Ohrenheilkunde, 56. Bd. 

2 ) Pathologie der Taubstummheit; aus: Ergebnisse der allgemeinen 
Pathologie und pathologischen Anatomie des Menschen und d^r Tiere; 
Wiesbaden 1907, Bergmann. 


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gerade in Hinsicht auf meinen Einteilungsvorschlag, ausgeführt. Trotz¬ 
dem hat Görke nicht meine Nomenklatur akzeptiert, sondern eine 
neue selbständige eingeführt, auf die ich später noch zu sprechen 
kommen werde. — Jedenfalls ist cs eine für meine jahrelangen Be¬ 
strebungen höchst förderliche Erscheinung, daß der erste Autor, der 
es unternimmt, in vorurteilsloser Weise die verschiedenen Formen 
der Taubstummheit zu gruppieren, an dem alten, nicht genug zu ver¬ 
dammenden Einteilungsprinzip in die „angeborene“ und die „erworbene“ 
Taubstummheit Schiffbruch leidet, daß er zugeben muß, „daß über¬ 
haupt in der ganzen Frage noch eine arge Verwirrung herrscht“. 
Besonders förderlich für meine Bestrebungen ist aber die Erkenntnis 
Görkes, die er in dem Satze formuliert: „An dieser Verwirrung trägt 
nun meines Erachtens die Hauptschuld die alte, falsche und unbedingt 
zu verwerfende Einteilung in angeborene und erworbene Taubstumm¬ 
heit.“ 3 ) Und weiter sagt der Autor: „Wir müssen uns endlich darüber 
klar werden, daß das keine Gegensätze sind . . . .“ „Daß dieselben 
Veränderungen das eine Mal bei angeborener, das andere Mal bei 
erworbener Taubstummheit sich finden, ist gar nicht wunderbar, denn 
in Wirklichkeit handelt es sich beide Male um erworbene Taubheit, 
hier im postfötalen, dort im fötalen Leben akquiriert.“ 

Hier ist nun der Ort, zu wiederholen, was ich selbst vor nun¬ 
mehr b Jahren über diesen Gegenstand schrieb und auf welche 
Weise ich die Unbrauchbarkeit der alten Einteilung begründete. Ich 
schrieb damals: „Wenn ich heute daran gehe, für die bisher gebräuch¬ 
liche Einteilung der Taubstummheit in eine „angeborene“ und in 
eine „erworbene“ ein neues Einteilungsprinzip in Vorschlag zu 
bringen, so bestimmen mich dazu folgende Erwägungen: 

1. Die Bestrebungen der Otologen, das Wesen dieser beiden 
Formen der Taubstummheit nach ihrer pathologisch-anatomischen Seite 
zu erfassen, haben bisher einen durchaus unbefriedigenden Erfolg 
gehabt. 

2. Es ist bisher nicht gelungen, klinisch unterscheidende Merkmale 
Aufzufinden, welche es ermöglichen, die beiden Formen mit Sicherheit 
von einander zu unterscheiden. Man bleibt deshalb bei Durchführung 
der Einteilung immer wieder auf die Anamnese angewiesen.“ 

„Ich werde nun zu beweisen haben, daß alle Bestrebungen, die 
angeborene und die erworbene Taubstummheit — im herkömmlichen 
Sinne — sei es nach pathologisch-anatomischen, sei es nach klinischen 
Grundsätzen voneinander zu sondern, aussichtslos bleiben müssen, 

3 ) 1. c. S. 


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Google 



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und zwar deshalb, weil unsere alte Einteilung aus einer Zeit datiert, 
in der von einer pathologischen Anatomie der Taubstummheit noch 
keine Rede war. Es ist ersichtlich, daß die Zweiteilung der Taub¬ 
stummheit ursprünglich nichts anderes bezeichnen sollte, als die Zeit 
des Eintrittes der Taubheit, und deshalb kann diese Einteilung dem 
neuen Bedürfnisse der Aerzte, ihr eine pathologisch-anatomische Basis 
zu geben, nicht entsprechen.“ 

Ich habe an dieser Stelle dann weiter ausgeführt, daß unsere alte 
Einteilung wohl von den Eltern der taubstummen Kinder, auf dem 
Umwege über die Taubstummenlehrer, zum Gebrauche der Aerzte ge¬ 
langt sein mag und schloß mit dem Satz: „Dieselbe Einteilung aber 
mußte mit Notwendigkeit Verwirrung und Schaden anrichten, sobald 
auch die Aerzte, speziell die Otologen, sie allgemein zu akzeptieren 
begannen, denn jetzt wurde der .alten, laienhaften Einteilung ein neuer, 
wissenschaftlicher Inhalt gegeben: man nahm stillschweigend an, daß 
der „angeborenen Taubstummheit“ andere pathologische Veränderungen 
des Gehörorgans zugrunde liegen müßten, als der „erworbenen Taub¬ 
stummheit“, und daß diese beiderlei Veränderungen wesentlich ver¬ 
schieden seien.“ 

Zur Illustration des eben Angeführten verwies ich z. Z. auf die 
„intrauterin erw’orbene“ Taubstummheit, also auf jene Fälle, die man 
als „angeboren“ bezeichnen müßte, während die mikroskopische Unter¬ 
suchung doch nur solche Veränderungen zutage fördern könnte, die als 
„erworbene“ zu klassifizieren wären. Ich verwies damals — wie auch 
jetzt wieder Görke — auf den Fall Haikes 4 ), sowie auf die an den 
Fall Haikes geknüpften Auslassungen Katz’s 5 ). Wenn Görke jetzt 
annimmt, daß man alle Veranlassung hat „anzunehmen, daß es viele 
solcher Fälle gibt“, so kann ich diese Ansicht im Interesse meiner Be¬ 
strebungen nur begrüßen. 

Weiters verwies ich damals auf die „endemische Taubstummheit“ 
als auf eine Form der Taubeit, die in der alten Einteilung nicht unter¬ 
gebracht werden kann. Ich muß es mir versagen, hier das auf die 
„endemische Taubstummheit“ Bezügliche wdeder anzuführen und kann 
auf meine früheren Arbeiten 6 ) verweisen. 

4 ) Haike: Fötale Erkrankung des Labyrinths bei Encephalitis haemorr- 
hagica. Archiv für Ohrenheilkunde, Bd 55, S. 36. 

6 ) Zeitschrift für Ohrenheilkunde 1902, Bd. 41, S. 87. 

6 ) Archiv für Ohrenheilkunde, ob. Bd., S. 165 u. lV., sowie: Die endemische,, 
konstitutionelle Taubstummheit und ihre Beziehungen zum endemischen 
Kretinismus. Monatsschrift für Gesundheitspflege 1902. 


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Ich schlug daher eine Einteilung in 2 Hauptgruppen vor: 

1. die durch lokale Erkrankung des Gehörorgans bedingte Taub¬ 
stummheit; 

2. die konstitutionelle Taubstummheit. 

Die durch lokalisierte Erkrankung des Gehörorgans bedingte Taub¬ 
stummheit (bei einem sonst ganz gesunden Individuum) ist natürlich 
immer „erworben“, wobei allerdings festzuhalten ist, daß sie entweder 
„intrauterin“ oder — gewiß viel häufiger — „postfötal erworben“ 
sein kann. 

Die konstitutionelle Taubstummheit hingegen ist aufzufassen als 
der Ausdruck einer allgemeinen konstitutionellen Anomalie des be¬ 
troffenen Individuums; die der Taubstummheit zugrunde liegenden 
pathologischen Veränderungen sind nur ein Ausdruck dieser allgemeinen, 
konstitutionellen Erkrankung. 

Ich scheide weiter die konstitutionelle Taubstummheit 

a) in die endemische konstitutionelle Taubstummheit, für die ich 
schon damals auf Grund des vorliegenden Materials eine Sonderstellung 
postulierte, 

b) die sporadische, konstitutionelle Taubstummheit. 

Unter die Rubrik b) subsummierte ich s. Z. irrtümlicherweise die 
auf Syphilis beruhende Taubheit des Kindesalters. Ich habe diesen 
Irrtum schon früher, auf einen berechtigten Einwand Uchermanus 7 ) 
hin, korrigiert 8 ). Es ist klar, daß die durch Syphilis hervorgerufene 
Taubheit, auch wenn sie aus dem fötalen Leben datiert, immer nur 
eine erworbene Infektionskrankheit sein kann. 

Es verbleibt demnach nach dem heutigen Stande in der Rubrik b) 
nur diejenige Form der konstitutionellen Taubstummheit, die ich seit¬ 
her unter dem Namen der „hereditär-degenerativen“ Taubheit wieder¬ 
holt zum Gegenstände von Mitteilungen gemacht habe, deren Aetio- 
logie und deren klinische Symptomatologie festzustellen ich seither be¬ 
müht war. 

Diese Form der Taubheit kann natürliche nicht erworben sein, 
denn sie ist in der Keimesanlage begründet. Es ist aber ebenfalls 
zu verwerfen, wenn man sie als „angeboren“ bezeichnet. Der 
Terminus „angeboren“ ist eben nicht eindeutig; „angeboren“ ist auch 


7 ) Uchermann: Bemerkungen anläßlich einiger neuerea deutschen 
statistischen Abhandlung über Taubstummheit. Zeitschrift für Ohrenheil¬ 
kunde, 50. Bd. 

8 ) Erwiderung auf Herrn Uchermanus „Bemerkungen etc.“ Zeit¬ 
schrift für Ohrenheilkunde, 51. Band. 


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die durch fötale Meningitis hervorgerufene, sowie die auf fötaler 
Syphilis beruhende Taubheit, und doch sind diese beiden Taubheits¬ 
formen „erworbene“. Ich schlug daher damals vor und ich schlage 
heute wieder vor, den Termin „angeboren“ ganz und für allemal fallen 
zu lassen. Deshalb müssen die Otologen noch durchaus nicht meine 
Einteilung akzeptieren: sie mögen nur ruhig die von mir in der Haupt¬ 
gruppe 1. subsummierten Taubheitsformen als „erworben“ bezeichnen, 
dabei aber — wo es möglich ist, — zwischen „intrauterin erworben“ 
und „postfötal erworben“ unterscheiden. — Die „konstitutionelle, 
endemische“ Taubheit mögen sie einfach als „endemische* 4 oder 
„kretinische“ Taubheit bezeichnen und die „hereditär-degenerative“ 
mögen sie als „kongenitale“ (d. h. wörtlich übersetzt als „miterzeugte' ,t 
bezeichnen. 

Es ist nicht Pedanterie, sondern es ist meine vollste Ueberzeugutig, 
wenn ich in allererster Linie darauf bestehe, daß der Terminus 
„angeboren“ verschwinde und ersetzt werde durch den Ausdruck 
„kongenital“, wo es sich um eine Taubheit handelt, die in der Keimes¬ 
anlage begründet ist; oder durch den Terminus „intrauterin er¬ 
worben“, wo es sich um fötale Erkrankungen handelt. 9 ) 

Gegen meinen Einteilungsvorschlag wurde nun in der Folgezeit 
von zw’ei sehr gewichtigen Autoren Protest erhoben, von Uchermann 
in der oben zitierten Arbeit und von Sieben mann. 10 ) 

Der IJaupteinwand Uchermanns war gegen die endemische 
Taubstummheit gerichtet, deren Existenz er leugnet. Ich habe bald 
nachher meine Erwiderung auf die Uchermann sehen Einwände 
publiziert und da Uchermann auf diese meine Erwiderung seither 
nicht reagiert hat, erübrigt es sich wohl, nochmals aut denselben Ge¬ 
genstand einzugehen. Wohl aber darf ich darauf verweisen, daß Sieben- 
mann der endemischen Taubstummheit ein eigenes, dem dürftigen 
Stoffe entsprechend allerdings kurzes Kapitel widmet, aus dem hervor¬ 
geht, daß er geneigt ist, Veränderungen des inneren Ohres für die 
Taubheit der Kretinen verantwortlich zu machen, denn er schreibt 11 ): 
„Immerhin weist der Umstand, daß von den Sinnesorganen der Kretinen 
das Ohr weitaus am schlechtesten funktioniert und — wenigstens nach 


9 ) Meines Wissens ist Alexander unter allen Autoren, die seither 
über Taubstummheit geschrieben haben, der Einzige, der im gegebenen 
Falle den Tei minus „kongenitale Taubheit“ konsequent an wendet. 

10 ) Grundzüge der Anatomie und Pathogenese der Taubstummheit 
Bergmann-Wiesbaden 1904. 

n ) 1. c. S. 90. 


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unseren Erfahrungen — das Gehör durch die Schilddrüsentherapie 
nicht beeinflußt wird, darauf hin, daß auch besonders schwere ana¬ 
tomische Defekte hier die Regel bilden müssen und daß ähnliche Be¬ 
funde wie der von uns in einem Falle eruierte vielleicht doch nicht 
so selten sein dürften. So berichtet neuerdings Hab ermann über 
Verlagerung der Schnecken-Ganglienzellen und Entwicklungshemmung 
des Cor tischen Organs in einem Falle, während allerdings in einem 
zweiten Falle der Befund ein negativer war.“ 

Auch Hab ermann 12 j hat bekanntlich Material beigebracht 
welches für die Existenz der kretinischen Taubstummheit spricht und 
so stehe ich denn mit meiner Ansicht durchaus nicht allein.*) 

Ueberdies steht die Sache heute, wo ich meine Forderungen sozu¬ 
sagen „restringiert“ habe und nur noch für eine teilweise Aenderuug 
der Nomenklatur eintrete, wesentlich anders und es kommt gar nicht 
mehr darauf an, ob es eine endemische Taubheit gibt oder nicht. 

Ich werde mich daher hier nur noch mit den Einwänden Sieben¬ 
mal! ns zu befassen haben. Ich muß das tun, weil ich mir diese Er¬ 
widerung seit Jahren schuldig bin, weil diese Angelegenheit durch 
die Arbeit Görkes wieder aktueller geworden ist und endlich weil 
Siebenmann direkt für die Beibehaltung der beiden Termini „an¬ 
geboren“ und „erworben“ eintritt. 

Der bezügliche Passus bei Siebenmann 13 ) lautet: „Bei der Ein¬ 
teilung der Taubstummheit können und müssen wir vom pathologisch¬ 
anatomischen Standpunkt aus an der — aus praktischen Gründen — 
bisher allgemein von den Ohrenärzten akzeptierten Scheidung in an¬ 
geborene und erworbene Taubstummheit festhalteu.“ 

Fertig. Das ist alles, was Siebenmann für die Beibehaltung der 
alten Einteilung vorzubringen weiß; der nächste Satz enthält bereits 
eine Einschränkung der im ersten Satze vorgetragenen Not¬ 
wendigkeit, denn dieser Satz lautet: „Allerdings stößt man in der 
Theorie auf gewisse Schwierigkeiten, da die Heredität auch in das 
Gebiet der sogenannten erworbenen Anomalien hinein eine wichtige 


12 ) Verhandlungen der Deutschen otol. Gesellsch. 1904. S. 25. 

*) Während der Drucklegung dieses Artikels erschien die Arbeit 
Alexanders: Das Gehörorgan der Kretinen (Archiv f. Ohrenheilk., 1908, 
Bd. 78). Auch diese Arbeit zeigt wiederum, trotz der noch herrschenden 
Incongruenz der einzelnen Befunde, daß die Ursache der Hörstörungen der 
Kretinen in Veränderungen des peripheren Sinnesorgans und nicht in cere¬ 
bralen Veränderungen gelegen ist. 

13 j 1 e. S. 50. 


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Rolle spielt; als Beispiel hierfür brauche ich bloß die hereditäre Lues 
und die kretinische Degeneration zu erwähnen, zwei angeborene Kon¬ 
stitutionsanomalien, die sehr oft erst längere Zeit nach der Geburt 
ihren verderbliche^ Einfluß sowohl auf den Gesamtorganismus als auf 
■das Gehörorgan geltend machen.“ 

Dieser Einwand nun wird im dritten Satze ebenso bündig wieder 
abgetan. Dieser Satz lautet: „Da es sich aber mit einer Reihe 
-anderer, noch später auftretender Erkrankungen des Ohres, z. B. der 
progressiven Spongiosierung der Labrinthkapsel, gewissen Formen 
von progressiver, nervöser Schwerhörigkeit etc. ebenso verhält, so 
brauchen und dürfen wir das oben aufgestellte Einteilungsprinzip 
nicht preisgeben und dies um so weniger, als auch bei den Erkrankungen 
anderer Organe des menschlichen und tierischen Körpers das nämliche 
•Gesetz der Vererbung in gutem und üblem Sinne herrscht, ohne daß 
•deswegen dort mit dieser Einteilung gebrocheu wird.“ 

Die Art dieser Beweisführung ist wirklich empfehlenswert: Man 
•dekretiert eine Notwendigkeit. Hierauf gibt man zu, daß allerdings 
-die Durchführung dieser Notwendigkeit auf gewisse Schwierigkeiten 
«toßen dürfte. Man verweist aber darauf, daß auch auf anderen 
•Gebieten dieselbe vermeintliche Notwendigkeit denselben Schwierig¬ 
keiten begegnet, ohne daß deswegen dort mit dem alten Unfug ge¬ 
brochen worden wäre und plötzlich sieht es aus, als hätte man 
•die im Obersatze dekretierte Notwendigkeit bewiesen. 

Daß wirklich die Beweisführung Siebenmanns von der eben 
bezeichneten Art ist, wird zur Evidenz klar, wenn man sich nur ein 
wenig bemüht, s : e zu zergliedern. Er sagt: die alte Einteilung muß 
beibehalten werden. Allerdings stehen dieser Einleitung Schwierig¬ 
keiten im Wege, denn gewisse Formen der angeborenen, sowohl als 
-der erworbenen Taubheit haben manches Gemeinsame, so z B. die 
Heredität. Als Beweis dient die „hereditäre“ luetische Taubheit 14 ) 
und die kretinische Taubheit. Eine weitere Schwierigkeit ist es, daß 
diese beiden nach Sieben mann „angeborenen Konstitutionsano¬ 
malien“ sehr oft „erst längere Zeit nach der Geburt“ manifest werden, 
was wohl so viel heißen will, als daß die luetische,Taubheit sehr oft 


u ) Hier sieht man so recht klar, wie einfach sich die Sache durch 
die Einführung des Terminus „intrauterin erworben“ gestalten würde. — 
Die hereditär-luetische Taubheit, für die der Name „hereditär“ sogar nicht 
paßt, wäre eben die „intrauterin erworbene“ zum Unterschied von der im 
Hindesalter erworbenen luetischen Taubheit. 


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590 — 


als .eine „erworbene“ registriert werden wird, während es sich de 
facto um eine „angeborene“ handelt 15 ;. 

Diesen selbst erhobenen Einwand macht nun der Autor zunichte, 
indem er auf die „Otosklerose“ verweist, die in einem noch späteren 
Zeitpunkt eintritt uud dabei doch exquisit hereditär ist, sowie auf „ge¬ 
wisse Formen der progressiven, nervösen Schwerhörigkeit“, von denen 
er dasselbe behauptet. Das soll wohl heißen: die „Otosklerose“ ist 
eine „erworbene“ Erkrankung und doch hereditär? Ich sage aber, die 
„Otosklerose“ ist wirklich eine hereditäre Erkrankung und kann 
daher keine „erworbene“ genannt werden; sie darf aber auch keine 
„angeborene“ genannt werden, denn sie ist bei der Geburt noch nicht 
manifest, sie darf und muß aber als eine kongenitale, d. h. mit¬ 
gezeugte, in der Keimesanlage begründete genannt werden. — Wenn 
aber irgend ein Autor die „Otosklerose“ oder sonst irgend eine wirk¬ 
lich hereditäre Erkrankung irgend eines Organes „des menschlichen 
und tierischen Körper“ erworben nennt, nur weil sie in einem 
späteren Zeitpunkte des Lebens eintritt, so muß man diese falsche 
Bezeichnung rügen, aber man darf sie nicht noch überdies selbst 
akzeptieren. 

Wir haben somit festgestellt, daß von der Beweisführung Sieben- 
manns — nach Erledigung von Einwand und Gegeneinwand — wirk¬ 
lich nichts weiter übrig bleibt als der erste Satz, der einfach de¬ 
kretiert, daß wir „vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus an 

der.bisher allgemein von den Ohrenärzten akzeptierten 

Scheidung in angeborene und erworbene Taubstummheit festhalten 
müssen.“ Da muß ich der Vollständigkeit halber noch ein wenig hei 
dem Passus „vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus“ ver¬ 
weilen, denn dieser Passus könnte auf den Unbefangenen 
den Eindruck machen, als hätte wirklich die pathologische 
Anatomie Anhaltspunkte ergeben, die es ermöglichen, die 
„erworbenen“ Veränderungen des Gehörorgans von den „an- 

15 ) Nebenbei bemerkt hält dieses Beispiel an sich einer wissenschaft¬ 
lichen Kritik nicht stand, denn die sogenannte „hereditäre“ Lues läßt sieh 
doch nicht in Parallele bringen mit wirklich hereditären Bildungsanomalien. 
Die plazentare Uebertragung der Syphilis ist ein ausgezeichnetes Beispiel 
für das intrauterine Zustandekommen einer erworbenen Erkrankung 'und 
auch die germinative, besser gesagt spermatische Uebertragung der Syphilis 
(wenn eine solche besteht) wäre doch nur eine besondere Art der In¬ 
fektion. — Das Wenige genügt wohl, um darzutun, daß es sich bei 
Siebenmaun um die Analogisierung zweier Dinge handelt, die außer dem 
Namen auch nicht das Geringste miteinander gemein haben. 


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— 591 — 


geborenen“ Veränderungen einwandsfrei zu trennen. Nun ist 
aber fast das Gegenteil richtig. — Die fortschreitende Vertiefung 
unserer anatomischen Kenntnisse hat die Schwierigkeiten der Unter¬ 
scheidung direkt vermehrt. Die Ermittelungen von Manasse 16 ) haben 
Schwierigkeiten zutage gefördert, die derzeit kaum zu überwinden sind 
und der bekannte Fall von Stein 17 ) — auf den Görke mit Recht 
verweist — hat diese Schwierigkeiten noch gesteigert. — Und so 
hören wir denn von Görke klagen: „So erscheint also mit 
wachsender Bereicherung des Tatsachenmaterials, mit Er¬ 
weiterung unserer Kenntnisse die Abgrenzung der beiden 
Hauptformen der Taubstummheit immer schwieriger zu 
werden statt leichter.“ Und woher kommt das? Das kommt 
daher, weil man nicht zu fragen verstand. Wenn man an die patho¬ 
logische Anatomie die Frage richtet: Angeboren oder erworben? 
dann muß die Antwort falsch sein, weil die Frage falsch war, 
weil — wie ich vor Jahren schrieb und wie heute auch Görke 
schreibt 18 ), „wir uns endlich darüber klar werden müssen, daß das 
keine Gegensätze sind“. 

So sieht es mit der These Sieben man ns aus! Es ist also nicht 
richtig, daß wir „vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus“ an 
der alten Einteilung festhaiten müssen: wir müssen im Gegenteil 
„vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus“ diese 
Einteilung aufgeben. 

* * 

* 

Nachdem nun das Prinzipielle erledigt ist, obliegt es mir nur mehr, 
mich in aller Kürze mit der Kritik zu befassen, die Sieben mann an 
meiner eigenen Einteilung übt. Sie ist nach ihm „undurchführbar 
und zudem auch unrichtig“ 19 ). Wenn Siebenmann etwa wie Görke 
(vgl. die Fußnote) eingewendet hätte, daß meine Einteilung derzeit 

10 ) Ueber chronische progressive labvrinthäre Taubheit Zeitsclir. für 
Ohrenheilk., Bd. 52. 

17 ) Labyrintkbefund in einem Falle von erworbener Taubstummheit. 
Anatomie der Taubstummheit. Bergmann, Wiesbaden 1906. 3. Lief. 

,8 ) 1. c S. 596. 

,D ) Es gereicht mir zu großer Genugtuung, daß Görke diese beiden 
Einwände .Siebenmanns bereits zurückgewieseu hat. Görke schreibt: 
„In ähnlicher Weise äußert sich Siebenmann, der die Hammerschlag- 
sche Einteilung b für „undurchführbar“ und zudem auch für „unrichtig“ 
hält. Der letztere Vorwurf geht zweifellos zu weit; unrichtig ist die Ein¬ 
teilung Hammerschlags keineswegs, wenn man von seinem Irrtume be“ 
züglich der Rubrizierung der angeborenen syphilitischen Taubheit \mter 


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-noch nicht durchführbar ist, weil wir in der Differentialdiagnose der 
•verschiedenen Taubheitsformen des Kindesalter noch nicht weit genug 
gediehen sind, es wäre dagegen nicht viel einzuwenden gewesen. Ich 
'hätte dann eben nur darauf verwiesen, daß wir lernen müssen» 
diese verschiedenen Taubheitsformen klinisch zu sondern, daß wir — 
wie ich das für die hereditär-degenerative Taubheit seit Jahren tue — 
'bestrebt sein müssen, differential-diagnostisch verwertbare Begleit¬ 
erscheinungen der verschiedenen Taubheitsformen aufzufinden. Ich 
hätte mich schließlich begnügt, darauf hinzuweisen, daß auf diese 
Weise später eine Zeit kommen wird, wo meine Einteilung — wie auch 
•Görke zugibt — brauchbar oder durchführbar sein wird. — So aber 
•erklärt Siebenmann meine Einteilung einfach als undurchführbar und 
gibt dieser seiner Erklärung eine Begründung, die den schärfsten 
Widerspruch herausfordert und die so unglücklich gewählt ist als nur 
• möglich. Er sagt nämlich: „Undurchführbar ist er (i. e. Hammer¬ 
schlags Vorschlag), weil wir bei der sogen, hereditären Syphilis 
selten wissen, ob dieselbe im gegebenen Falle auf germinative, pla¬ 
zentare oder postfötale Weise entstanden ist. 44 

Es ist eigentlich gar nicht einzusehen, was die syphilitische 
Taubheit mit der Durchführbarkeit meiner Einteilung zu tun hat? — 
Sie gehört — worauf Uchermann mich zuerst verwiesen hat und 
was ich daraufhin ohne weiteres zugegeben habe, in die I. Haupt¬ 
gruppe meiner Einteilung. Daher ist weiter zugegeben, daß sie immer 
erworben ist. Ob sie nun postfötal erworben oder ob sie intrauterin 
erworben, und im letzteren Falle, ob sie durch plazentare oder sperma¬ 
tische (bezw. ovuläre) Infektion zustande gekommen ist, tut nichts 
mehr zur Sache. — Auch klinisch und pathologisch-anatomisch kann 
ein Unterschied zwischen postfölal erworbener und intrauterin er- 

die sporadischen, konstitutionellen Formen, anstatt in die erste Hauptgruppe 
absieht, einem Irrtume, den er übrigens später selbst korrigiert hat. Im 
Gegenteil, man muß bei dem Hammerschlagschen Versuche das Be¬ 
streben anerkennen, als einheitliches Einteilungsprinzip ein solches zu 
wählen, daß uns in der Pathologie immer als das brauchbarste erscheinen 
wird, nämlich ein ätiologisches. Daß ihm das hier nicht gelungen ist, daß 
seine Einteilung tatsächlich undurchführbar ist, liegt am Objekte der Ein¬ 
teilung, liegt daran, daß wir in der Aetiologie der Taubstummheit vielfach 
noch auf bloße Vermutungen angewiesen sind. Wir werden in vielen Fällen 
nicht wissen, gar nicht wissen können, in welcher Rubrik wir sie unter¬ 
zubringen haben. Doch ist nicht zn bestreiten, daß sich in der Zukiinft 
einmal die Hammersclilagsche Einteilung als brauchbar oder wenigstens 
durchführbar erweisen wird.“ 


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— 593 


worben er (i. e. Siebenmanns angeborener) Syphilis nicht statuiert 
werden. 

Bleibt der zweite Einwand Siebenmanns, der da lautet: „un¬ 
richtig aber ist er (i. e. mein Vorschlag), weil wir anderseits wissen, 
daß die Regenerative sporadische kongenitale 4 Form der zweiten Haupt¬ 
klasse der konstitutionellen Taubstummheit von Ham merschlag — 
so viel wenigstens bis dahin die pathologische Anatomie uns lehrt — 
von Rechts wegen in die erste seiner Hauptklassen gehört, nämlich zu 
den lokal bedingten fötalen Erkrankungen des Gehörorgans (welche 
Hammerschlag ,immer erworben 4 nennt). 44 

Von diesem Einwand kann ich nur sagen, daß die in ihm aus¬ 
gesprochene Behauptung einfach falsch ist. — Wenn ich aus der 
anatomischen Literatur der Taubstummheit jene Fälle heraussuchen 
soll, die sich als Belege für meine „hereditär-degenerative 44 Taubheit 
brauchbar erweisen, so bleiben zunächst nur sehr wenige, da die 
meisten anatomischen Fälle eine ganz ungenügende Anamnese auf¬ 
weisen. Aber es bleiben docli einige brauchbare Fälle, und zwar sind, 
es gerade die Fälle der Sieben mann sehen Klinik selbst: 

1. Der Fall Anna Hill 20 ), deren Anamnese lautet: taubgeboren, 
ein Bruder und Nichte sind taubstumm. 

2. Der Fall Michael Hill 21 ), Bruder der Vorigen. 

3. Der Fall Spörik Karl 22 ;, dessen Anamnese lautet: Eitern nicht 
konsanguin, 8 Kinder, davon 4 taubstumm, davon 2 mit Retinitis 
pigmentosa behaftet. 

Es trifft sich sehr günstig, daß es gerade die Siebenmann- 
schen Fälle sind, die am ehesten als Belege für meine „degenerative 
sporadische kongenitale 44 Form der konstitutionellen Taubstummheit 
anzusprechen sind, denn dadurch erscheint Herr Sieben mann als der 
Berufenste, zu erweisen, daß in diesen Fällen „lokal bedingte fötale 
Erkrankungen des Gehörorgans 44 — vorliegen. Dieser Beweis bleibt 
hm bis auf weiteres aufgetragen. 


20 ) Siobenniann: Demonstration der Labyrinthe einer Taubstummen 
mit Hörresten der Gruppe IV Bezolds. Verhandl. d. deutschon Rtol. Gesell¬ 
schaft 1904. Fischer, Jena 1904. S. 27. 

21 ) Oppikofer: Drei Taubstummen-Labyrinthe. Zeitschr. f. Ohren¬ 
heilkunde, 1903, 43. Bd., S. 192. 

22 ) Sieben mann und Bing: Ueber den Labyrinth- und Hirnbofund 
bei einem an Retinitis pigm. erblindeten Taubstummen. Zeitschr. f. Ohren¬ 
heilkunde, 1907, 54. Bd., S. 2(35. 


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Wie oben auseinandergesetzt wurde, kam Görke bei seinem Ver¬ 
suche, die verschiedenen Taubheitsformen richtig zu gruppieren, mit 
der alten Einteilung in einen unlösbaren Konflikt. Er wählte daher, 
kurz entschlossen, einen neuen Einteilungsmodus. So sehr nun das 
Bestreben Görkes, Klarheit zu schaffen, begrüßt werden darf, so 
kann ich anderseits nicht umhin, seinen Einteilungsvorschlag einer 
Kritik zu unterziehen. 

Der bezügliche Passus bei Görke (1. c. S. 583) lautet: „Wollen 
wir die Teilung nach pathologisch-anatomischen Gesichtspunkten vor¬ 
nehmen, so können wir das meines Erachtens am besten tun, wenn 
wir die beiden Uauptgruppen nach entwicklungsgeschichtlichen 
Momenten voneinander sondern. Es stehen sich einander gegenüber: 
einmal Veränderungen, die das Ohr während seiner Entwicklung 
treffen, also seinen Aufbau, seine Form, die Ausbildung seiner einzelnen 
Teile stören, und zweitens Veränderungen, die erst nach vollendeter 
Entwicklung des Ohres Platz greifen. Die erste Gruppe („embryo¬ 
nale Taubstummheit“) begreift also nur die Fälle von Mißbildun¬ 
gen (meist Hemmungsbildungen, höchst selten Exzeßbildungen) des 
häutigen und knöchernen Lab} r rinths, Mifbildungen des äußeren und 
inneren Ohres (meist Atresien), soweit sie Taubheit bedingen, während 
die zweite Gruppe („postembryonale Taubstummheit“) alle anderen 
Fälle umfaßt, ganz gleichgültig, ob die Veränderungen erst nach der 
Geburt oder schon im intrauterinen Leben eingesetzt haben. Denn 
ob z. B. die Labyrinthveränderungen infolge eines meningitischen Pro¬ 
zesses einen Monat vor oder einen Monat nach der Geburt zustande 
gekommen sind, wird zwar den Biologen interessieren, kann aber den 
Anatomen nicht veranlassen, den einen vom anderen Fall zu scheiden, 
da beide Male die Veränderungen prinziell die gleichen sein werden.“ 

Gegen den Sinn dieser Ausführungen ist wohl nichts einzuwenden. 
Ganz besonders der letzte Passus verdient volle Zustimmung, denn 
eine intrauterin erworbene Erkrankung wird gewiß keine „prinzipiell“ 
anderen Bilder ergeben, als die später erworbene. Der Moment der 
Geburt spielt da gewiß nicht die Rolle einer scharfen Grenze 
zwischen zwei Epochen. Warum aber dann einen Namen wählen, der 
geeignet erscheint, dem Embryonalleben eine Wichtigkeit zu verleihen, 
die wir ihm eben nicht zuerkennen wollen? Warum sollen wir dann 
nicht lieber gleich statt „postembryonal“ erworben sagen? Wir 
würden dann immerhin den Uebelstand vermeiden, eine Taubheit 
postembryonal nennen zu müssen, trotzdem sie ins Embryonal¬ 
leben zurückdatiert. 


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Und wie verhält es sich mit der embryonalen Taubstummheit 
Görkes? Die Erklärung Görkes läßt wohl keinen Zweifel darüber, 
daß Görke darunter jene Veränderungen begriffen haben will, die als 
Entwicklungsstörungen im weitesten Sinne des Wortes zu bezeichnen 
sind, d. h. also Veränderungen, die als kongenital, i. e. als in einer 
fehlerhaften Keimesanlage begründet anzusehen sind. Warum sollen 
wir dann nicht gleich kongenital sagen, d. h. einen Ausdruck, der 
doch jedenfalls bezeichnender ist als der Ausdruck embryonal. Zwar 
könnte man mir hier einwenden, daß kongenitale Veränderungen doch 
auch immer embryonale sind. Dem ist aber nicht so. Es gibt be¬ 
kanntlich eine ganze Reihe hereditärer, i. e. kongenitaler Veränderun¬ 
gen, die erst in einem sehr viel späteren Zeitpunkte des Lebens, also 
postembryonal in die Erscheinung treten, Veränderungen also, die 
Sieben mann als erworben, Görke vielleicht als postembryonal be¬ 
zeichnen würde. Ein sehr brauchbares Beispiel ist die mit der here¬ 
ditären Taubheit vergesellschaftete Retinitis pigmentosa. — Es spricht 
gar nichts dagegen, daß auch die kongenitale Taubheit zu¬ 
weilen in einem viel späteren Zeitpunkte des Lebens mani¬ 
fest werden könnte. Für diese Annahme kann ich übrigens je 
■einen Beleg aus meiner eigenen Erfahrung, sowie aus der Literatur 
beibringen. 

Vor mehreren Jahren sah ich im Ambulatorium der Klinik Pol¬ 
litzer einen Fall, den ich damals nicht zu deuten verstand und für den 
mir das Verständnis erst viel später aufging. 

Es handelte sich um einen etwa 12jährigen Knaben, namens 
Gzaczkes. Es war der Sohn russisch-jüdischer Eltern, die nach 
Amerika ausgewandert und mehrere Jahre später nach Europa zurück¬ 
gekehrt waren. Ueber die familiären Verhältnisse ist mir nichts mehr 
erinnerlich. 

Der Vater erzählte mir, daß der Knabe ein gut begabtes, auf 
gewecktes Kind gewesen sei, das mit gutem Erfolge die Volksschule 
besucht hatte. Seit einiger Zeit aber zeige er ein ganz verändertes 
Benehmen. Er benehme sich ungeschickt und tölpelhaft, habe die ihm 
früher lieb gewesene Lektüre gänzlich aufgegeben und vertrödle seine 
Zeit. Er scheine auch schlechter zu sehen und zu hören. 

Die Untersuchung der Ohren ergab nur mäßige Schwerhörigkeit 
bei normalem Mittelohr und den Stimmgabelbefund einer primären Er¬ 
krankung des schallperzipierenden Apparates. 

Die Untersuchung der Augen ergab Retinitis pigmentosa 
Auffallend war ferner der breitbeinige, kuieweiche ungeschickte Gang 


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— 596 


des Kindes, das nach der Schilderung des Vaters früher ein rasches, 
anstelliges Kind gewesen war. 

Wenn ich an die Vergesellschaftung der hereditären Taubheit, der 
Retinitis pigmentosa und des endogenen Schwachsinns denke und (im 
Hinblick auf den ataktischen Gang des Kindes) mir gegenwärtig halte, 
daß wir— nach meinen eigenen Erfahrungen 23 ) — Grund haben, auch 
die hereditäre Ataxie zu dieser Familie zu rechnen, so möchte ich 
glauben, daß die Schwerhörigkeit dieses Kindes nur eine „Spätform“ 
der hereditär-degenerativen Taubheit ist. In der Literatur finde ich 
nur einen einzigen weiteren hierhergehörigen Fall; er ist von Lu ca e 24 ) 
beschrieben und betraf einen 45jährigen Mann, der seit seinem 
sechsten Lebensjahre taub und infolge Retinitis pigmentosa blind 
gewesen war. Uebrigens ergab die klinische Untersuchung, daß nicht 
Taubheit, sondern nur sehr hochgradige Schwerhörigkeit bestand. 

Die Nekropsie ergab „graue Degeneration des Rücken¬ 
markes“. 

Aus dem Labyrinthbefunde — der, wie natürlich, nach unseren 
heutigen pathologisch-anatomischen Begriffen wohl kaum verwertbar 
ist, erscheint mir doch ein Detail der Betonung wert: in der linken 
Schnecke waren „viele Pigmentzellen, namentlich in dem membranösen 
Teile der Lamina spiralis“. — So wenig auch der Befund zu ver¬ 
werten ist, so gibt doch die Betonung der Pigmentveränderungen zu 
denken. 

Wie dem auch immer sei: ich habe den Fall nur Wegen seiner 
klinischen Besonderheit hier angeführt, weil ich ihn für einen ein¬ 
schlägigen Fall halte. 

Um zum Ausgangspunkt meiner Erörterungen zurückzukehren, sei 
also kurz konstatiert, daß die Tatsachen jedenfalls in keiner Weise der An¬ 
nahme widersprechen, daß die kongenitale Taubheit gleich anderen 
kongenitalen Zuständen auch in einem späteren Zeitpunkt des 
Lebens auftreten kann 25 ). — Wenn nun meine Annahme richtig ist, 

"0 Hammerschlag: Ueber einen mutmaßlichen Zusammenhang 
zwischen „hereditärer Taubheit“ und „hereditärer Ataxie“. Zeitschi'. für 
Ohrenheilk , 5ö. Bd., 1905. 

- 4 ) Lucae: Die hei Schwerhörigen zu beobachtende gute Perzeption der 
tieferen musikalischen Töne etc. Archiv f*. Ohrenheilk , Bd. 15, 1880, S 272. 

25 ) Nur andeutungsweise — eine weitere Ausführung dieses Gedankens 
muß ich mir für einen späteren Zeitpunkt Vorbehalten — sei hier darauf 
verwiesen, daß diese Auffassung eine Perspektive eröffnet zur Erklärung 
mancher Fälle von sogenannter progressiver, labyrinthärer Taubheit. Es 
ist ganz wohl möglich, daß hier eine Erklärungsmöglichkeit steckt für die 


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und es spricht, wie ich gezeigt habe, so manches dafür, dann darf 
man nicht mit Görke die kongenitale Taubheit kurzweg die embryo.. 
nale nennen. 


Aus der Klinik für Ohren-, Hals- und Nasenkranklieiten des Professors 
N. P. Simanowski an der Militärmedizinischen Akademie zu St. Petersburg. 

Ueber die Behandlung der Otosklerose mit dem 
faradischen Strom. 1 ) 

Von 

Dr. M. Th. Zitowitsch, 

Privatdozent an der Kaiserlichen Militärmedizinischen Akademie. 

Indem ich zur Beschreibung meiner Beobachtungen und der von; 
mir erzielten Behandlungsresultate schreite, bin ich mir natürlich, 
dessen bewußt, daß ich in Anbetracht der kurzen Dauer meiner Be¬ 
obachtungen nur hypothetisch sprechen darf. Es ist nicht aus¬ 
geschlossen, daß meine Schlüsse vielleicht irrtümlich, vielleicht voreilig 
sind. Jedoch fühle ich mich durch die zweifellos günstigen Resultate 
der Behandlung einerseits und durch den Wunsch, möglichst weit, 
an einer möglichst großen Anzahl von Personen meine Behandlungs¬ 
methode behufs Feststellung ihrer Bedeutung angewendet zu sehen,, 
veranlaßt, schon jetzt sowohl die Methode selbst wie auch in kurzen 
Worten die Geschichte derselben bekannt zu geben. 

Wie aus der Ueberschrift ersichtlich, habe ich den faradischen 
Strom nur in Fällen von Otosklerose angewendet. Daraus darf man 
aber keineswegs schließen, daß diese Methode bei anderen Erkran¬ 
kungen des Mittelohrs nicht anwendbar ist, im Gegenteil, ich denke, 
daß der faradische Strom bei der letzten Kategorie von Krankheiten« 

merkwürdigen Analogien der Befunde am Ductus cochlenris bei kongeni¬ 
taler und bei chronischer, progressiver labyrinthärer Taubheit auf die be¬ 
kanntlich Manasse verwiesen hat. — Ich muß hier darauf verweison, daß 
Seligmann (Die progressive nervöse Schwerhörigkeit und Edingers Theorie 
von den Aufbrauchkrankheiton des Nervensystems. Monatsschr. f. Ohren- 
heilkunbe, 40. Bd., 1906, S. 109), diesen Gedanken — wenn auch in einer 
anderen Form — bereits vor mir ausgesprochen und zu begründen versucht 
hat. — Selig mann kam auf einem anderen Wege zu einem Schlüsse, der* 
von dem meinigen nur noch um ein Geringes differiert. 

*) Nach einem Vortrag in der Gesellschaft der Hals-, Nasen- und 
Ohrenärzte in St. Petersburg. 


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sowohl indiziert wie auch am wirksamsten ist. Wenn ich meine 
Methode gerade in Fällen von Otosklerose anzuwenden begonnen habe, 
so ist dies dadurch bedingt, daß unsere bisherigen Behandlungsmethoden 

- der Otosklerose gegenüber machtlos waren. 

In letzter Zeit machte sich hinsichtlich des Begriffes der „Oto¬ 
sklerose“ eine gewisse Meinungsverschiedenheit bemerkbar. Manche 
Autoren bezeichnen mit diesem Namen einen gewissen klinischen und 
pathologisch-anatomischen Prozeß bei gesunden Trommeifellhöhlen, 
' Trommelfellen und Tuben, während sie sämtliche übrigen Formen zu 

- der Gruppe der entzündlichen Prozesse hinzurechnen. Andere Autoren 
unterscheiden „primäre“ und „sekundäre“ Sklerose, indem sie zur 
letzteren sämtliche Prozesse mit Affektion der Schleimhaut der Trom¬ 
meifellhöhle zählen. Politzer (1) glaubt, daß der Prozeß vom Labyrinth 
seinen Ausgang nimmt, daß die Otosklerose die Folge einer Knochen¬ 
neubildung sei. Siebenmann (2) ist gleichfalls der Meinung, daß 
der Prozeß nicht vom Periost, sondern von der Labyrinthkapsel aus¬ 
geht, wobei er die Neigung des kompakten Knochens, in spongiösen 
Knochen überzugehen, darauf zurückführt, daß der Labyrinthknochen 
primären Knorpel in reichlicher Menge enthält. Scheibe (3) glaubt 
daß sich der Prozeß als Folge einer chronischen eitrigen Entzündung, 

- entwickeln kann, welche im kompakten Knochen Porosität, im porösen 
Knochen Sklerose erzeugt. Katz(4) glaubt auf Grund seines ersten 
Falles von Otosklerose, daß der Prozeß vom Ligamentum annulare 

. ausgeht, während er auf Grund späterer Untersuchungen anerkennt, 
daß die Quelle der Erkrankung das Periost der Trommelfellhöhle ist. 
Habermann (5) nimmt auf Grund von 7 Untersuchungen mit post¬ 
mortaler histologischer Untersuchung an, daß der Prozeß an der¬ 
jenigen Stelle, wo die Gefäße das Periost verlassen und in den Knochen 
dringen, beginnt und von hier aus sich den Gefäßen entlang ausbreitet, 
wobei die ältesten Stellen im Foramen ovale und an der äußeren 
Wand der Schnecke gefunden wurden. Er ist der Meinung, daß das 
erste Stadium der Krankheit die Schmelzung des Knochens ist, 
welches durch die neuen Gefäße bewirkt wird, die in die neugebildeten 

- Gefäßkanälchen eingedrungen sind. Diese Hypothese stützt Haber_ 
mann durch einen Hinweis auf die Untersuchung von J. Schaffer ? 
der gefunden hart, daß sich Osteoklasten direkt aus den Zellen der 
Kapillarwandungen entwickeln können. Auf die Absorption folgt 
Ablagerung — die Osteoblasten bilden Knochenkanäle und Knochen¬ 
gewebe. Dieses Stadium kann verschiedene Grade von Vollendung 

-erreichen: die Vakuolen im rarifizierten Knochen können bald mit 


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Fettgewebe, bald mit spärlichem Bindegewebe gefüllt oder vollkommen 
sklerotisch sein. 

Aus dieser kurzen Uebersicht der verschiedenen Deutungen der 
Otosklerose geht hervor, daß es in bezug auf diesen Prozeß zwei 
Meinungen gibt. Die erste Meinung wird von Politzer vertreten, 
der die Otosklerose als entzündliche Erkrankung der Labyrinthwand 
selbst, und zwar der tiefen Schichten des Labyrinths, betrachtet. * 
Hab er mann und Katz siud anderer Ansicht. Sie glauben, daß der 
Prozeß sich vom Periost den Gefäßen entlang der Tiefe nach aus¬ 
breitet. Die Anhänger der ersten Ansicht meinen, daß die Otosklerose 
eine Krankheit sui generis, unverständlich und der Analyse nicht 
zugängig sei. In der Tat kennen wir von dieser Krankheit ihre 
Symptome und ihr Ende, während ihr Beginn unbekannt ist. 

Welche Aetiologie hat die Otosklerose? 

Vielleicht Rheumatismus, vielleicht Syphilis und dann die gemein¬ 
same Ursache sämtlicher unverständlichen Erkrankungen, nämlich Er¬ 
schütterungen des Nervensystems und Heredität. Die Vertreter der 
zweiten Ansicht haben für dieselbe mehr Boden. Sie sagen, daß die 
Otosklerose die Fortsetzung eines entzündlichen Prozesses des Periosts 
st. Natürlich läßt sich das nicht immer ad ocülos beweisen. Jedoch 
ist der Gedanke an und für sich in höchstem Grade einnehmend. Es 
ist klar, daß zwei Prozesse, welche^ gemeinsame Symptcme und ein 
gemeinsames pathologisch-anatomisches Bild haben und sich nur 
dadurch unterscheiden, daß das Trommelfell in dem einen Falle unver¬ 
ändert, in dem anderen Falle verändert ist, als ein und derselbe 
Prozeß und nicht als etwas ganz Besonderes betrachtet werden müssen. 

In einer der Sitzungen der Gesellschaft habe ich bereits berichtet, 
daß ich bei Gelegenheit meines Studiums der Frage der pulsatorischen 
und respiratorischen Bewegungen des Trommelfells auf eine außer¬ 
ordentlich interessante Erscheinung gestoßen bin, die bei mit Otoklerose 
behäftfeten Personen wahrgenommen wird: der Tropfen des Indikators 
£ällt, nachdem er unter dem Einflüsse der Drucksteigerung im Ohr in¬ 
folge vpn Lufteintreibung in dasselbe mittels eines Ballons durch einen 
Katheter hochgestiegen ist, nicht auf seinen früheren Platz zurück, was 
aber der Fall ist, wenn normale oder mit anderen Krankheiten be¬ 
haftete Ohren katheterisiert werden. Diese Erscheinung wurde als 
Verlust des Tonus des Trommelfells gedeutet, der hauptsächlich durch 
die Wirkung zweier Ursachen bedingt wird: durch die Kontraktion 
des M. tensor tympani und durch die Elastizität der inneren zirkulären 
Fasern des Trommelfells; die elastischen Fasern sind, indem sie sich 
kontrahieren, bestrebt, das Trommelfell aus seiner trichterförmigen 


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Form herauszubringen und zu einer Ebene zu machen, d. h. sie ziehen 
es nach außen; dem widerstrebt aber der M. tensor tympani, der das 
Trommelfell nach innen zieht. Wenn wir also, nachdem wir durch 
Lufteintreibung in die Mittelohrhöhle das Trommelfell von seiner 
normalen Lage nach außen verdrängt haben, sehen, daß dasselbe an 
seine ursprüngliche Stelle nicht zurückkehrt, d. h. nicht nach innen 
* zurückweicht, so sind wir anzunehmen berechtigt, daß die Kraft, welche 
das Trommelfell nach innen zieht, also der M. tensor tympani, ent¬ 
weder vollständig unwirksam oder in bedeutendem Grade geschwächt 
ist. Die Vermutung, daß das Trommelfell an seine ursprüngliche Stelle 
infolge von Ankylose der Gelenke nicht zurückkehren könnte, ist aus 
dem Grunde nicht annehmbar, daß bei Otosklerose nur der Steigbügel 
im Foramen ovale ankylosiert ist, während die Artikulation des Hammers 
mit dem Ambosse und des Ambosses mit dem Steigbügel, wo bei 
Verschiebung des Trommelfells die Bewegungen fast ausschließlich 
vor sich gehen, frei sind. Außerdem hätten wir, wenn wir die Eventuali¬ 
tät einer Ankylose der bezeichneten Gelenke angenommen hätten, eine 
Beschränkung der Beweglichkeit des Trommelfells in gleichem Grade 
sowohl nach außen wie nach innen. Diese Gleichmäßigkeit ist aber 
niemals der Fall. Gewöhnlich ist die Bewegung nach außen ihrer 
Amplitude nach entweder normal oder sogar etwas größer, während die 
zur Rückkehr entweder überhaupt nicht stattfindet, oder keine ganz 
vollständige ist. Es käme noch eine andere Ursache in Betracht, welche 
das Trommelfell behindert, seine ursprüngliche Lage wieder ein¬ 
zunehmen, nämlich obturativer Zustand der Tubae Eustachii infolge von 
Schwellung derselben. Jedoch ist auch diese Hypothese bei Sklerosen 
nicht anwendbar: Es ist nämlich bereits vor der Erfindung des Salpingo- 
skops durch Valentin auf Grund der Rhinoscopia posterior und 
Katheterisation festgestellt worden, daß die Tubae Eustachii bei Sklerose 
vollkommen durchgängig sind. Mit Hilfe der unschätzbaren Ergebnisse 
der Salpingoskopie ist es gelungen, als Regel festzustellen, daß die 
Mündungen der Tubae Eustachii bei Sklerosen weit offen stehen, 
klaffen: Sonden dringen in dieselbe vollkommen leicht ein. Ver¬ 
änderungen des Trommelfells selbst können als Ursache seiner Un¬ 
beweglichkeit bei der Katheterisation nicht in Betracht kommen, mit 
Ausnahme derjenigen außerordentlich seltenen Fälle, in denen bei 
durchgängiger Tube eine Verschiebung des Trommelfells bei Luftein¬ 
treibung in das Mittelohr nicht stattfindet. 

Aber vielleicht muß der M. tensor tympani seine Kontraktions¬ 
fähigkeit bei Otosklerose einbüßen? 


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Diese Annahme muß man aus dem Grunde ablehnen, weil sie nur 
dann zulässig wäre, wenn in den Artikulationen des Hammers und 
des Ambosses und des letzteren mit dem Steigbügel Veränderungen 
vorhanden gewesen wären. Dann wäre die Kette der Gehörknöchelchen 
unbeweglich, und man hätte Atrophie des M. tensor tympani infolge 
von Inaktivität desselben annehmen können. Ich habe aber bereits 
erwähnt, daß die genannten Artikulationen auch bei den höchst fort¬ 
geschrittenen Formen von Sklerose stets frei waren; jedenfalls ist ihre 
Beweglichkeit, wie es Bezold in einem Falle von Otosklerose im 
Jahre 1885 gefunden hat, höchstens um 1 / 3 verringert, während der 
Steigbügel vollständig ankylosiert war. Wir sind also meines Erachtens 
anzunehmen berechtigt, daß die Inaktivität des M. tensor tympani be 
Sklerose die Hauptursache dieser Affektion ist. Dieser Schluß scheint 
mir ebenso augenscheinlich wie unvermeidlich. Etwas anderes ist es 
natürlich, zu erklären, in welcher Weise die Inaktivität des M. tensor 
tympani so tiefe Veränderungen in der Labyrinth wand erzeugen kann 
Ich für meinen Teil stelle mir den Zusammenhang hier folgendermaßen 
vor: Die Inaktivität des M. tensor tympani muß unbedingt Inaktivität 
und infolgedessen Atrophie des M. stapedius hervorrufen, welcher der 
Antagonist des M. tensor tympani ist. Wir wissen, daß die Muskeln 
außer ihrer Funktion der Bewegung noch eine andere, vielleicht nicht 
minder wichtige Funktion zu verrichten haben, nämlich die Blut- und 
Lymphzirkulation zu fördern. Wenn die Funktion der Muskeln durch 
irgend eine Ursache paralysiert wird, so stellen sich trophische Störungen 
sowohl der Muskeln selbst wie auch der benachbarten Teile ein. 
Daraus kann man auch die trophischen Veränderungen in den Gelenken 
erklären, die längere Zeit inaktiv waren. Wenn wir diese Erwägungen 
anstellen, so finden wir, daß, wenn der M. tensor tympani und der 
M. stapedius nicht imstande sind, in genügendem Grade das Blut und 
die Lymphe vorwärts zu treiben, eine Stauung der letzteren eintritt, 
un §ich auf dem Boden dieser Stauung eine Entzündung entwickelt 
und nun wird es klar, weshalb die Sklerose sich mit Vorliebe im 
Ligamentum rotundum des Foramen ovale und im Steigbügelplättchen 
festsetzt, da gerade hier vor allem eine Blut- und Lymphstauung statt¬ 
findet. Von diesem Standpunkte kann man auch das Symptom von 
Schwartze, nämlich die durchschimmernde Röte des Promontorium, 
erklären. Wenn man diese Theorie akzeptiert, so kann man beide 
Gesichtspunkte in bezug auf die Sklerose in Einklang bringen und die 
Sklerose als eine Krankheit sui generis aus der Oto-Pathologie streichen 
weil es dann klar ist, daß die Sklerose durch alle möglichen Ursachen 
bedingt sein kann, welche eine Inaktivität der inneren Ohrmuskeln 


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hervorgerufen haben. Die primäre Sklerose würde man von diesem Stand¬ 
punkte aus auf angeborene mangelhafte Entwicklung der Atmungs¬ 
muskeln überhaupt und der inneren Ohrmuskeln insbesondere zurück- 
ftihren und annehmen müssen, daß diese Erkrankung eine hereditäre 
ist. Tatsächlich kann man unter den mit Sklerose behafteten Personen, 
wenn man anämnestisch in sie dringt, zahlreiche Stammler, Stotterer 
sowie Personen mit angelaufener, hölzerner Stimme etc. finden. 
Andererseits sind in der Literatur Fälle von Schwerhörigkeit bei ge¬ 
spaltenem Gaumen und Besserung des Gehörs nach chirurgischer 
Reparatur dieser Mißbildung beschrieben. Es wird auch folgende bis 
jetzt unerklärliche Erscheinung verständlich werden: das eine Mal 
haben wir relativ geringe Veränderungen im Trommelfell — Eingezogen¬ 
heit, Trübung und daneben sämtliche Symptome von Sklerose; das 
andere Mal haben wir ungeheure Deformationen des Trommelfells, wie 
Narben und Verwachsungen, die gutartig, d. h. ohne Geräusche und 
ohne starkes Nachlassen des Gehörs verlaufen und der Behandlung zu¬ 
gängig sind. Es liegt klar auf der Hand, daß im ersten Falle der an 
und für sich nicht besonders stark ausgedehnte Prozeß die Muskeln 
ergriffen und Sklerose herbeigeführt hat, während in dem zweiten 
Falle die Muskeln intakt geblieben sind. Tatsächlich habe ich mich 
mehrmals Überzeugen können, daß selbst gewaltige Veränderungen im 
Trommelfell, die durch einen in der Mittelröhre sich abspielenden 
Prozeß hervorgerufen sind, mit sehr guter Beweglichkeit des Trommel¬ 
fells bei der Katheterisation einhergehen können. 

Diese Ansicht in bezug auf die Bedeutung des M. tensor tympani 
ist nicht neu. Weber-Liel (7) glaubt, daß ein großer Teil der 
Mittelohrerkrankungen, die mit Nachlassen des Gehörs und Geräuschen 
einhergehen, auf einen pathologischen Zustand der Tubenmuskeln, 
nämlich auf Paresen, Lähmungen, fettige Degeneration etc. zurück¬ 
geführt werden müssen, weil dabei eine konsekutive Affektion des 
M. tensor tympani stattfindet. IJrbantschitsch (8) fand, daß der 
M. tensor tympani bei den Kontraktionen der Kehlkopf- und Hals¬ 
muskeln sich kontrahiert. Lucae (9) weist gleichfalls auf einen Zu¬ 
sammenhang zwischen diesen Muskeln und dem M. tensor tympani hin. 
Bei Paralyse des N. facialis kommt es zu einer Störung der Gehör¬ 
funktion infolge von Affektion des M. stapedius. Homma beschreibt 
einen Fall von Schwerhörigkeit bei Neuralgie des N. trigeminus 
(M. tensor tympani). Bo mutz berichtet über einen Fall, in dem die 
bestehende Taubheit nach der Extraktion des Weisheitszahnes ver¬ 
schwunden ist. Lucae beschreibt gleichfalls einen Fall von Schwer¬ 
hörigkeit, die sich im Anschluß an Zahnschmerzen entwickelt hatte. 


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Unter den mitgeteilten Sektionsprotokollen und histologischen 
Untersuchungen von Sklerotikern finden wir fettige Degeneration 
der Mittelohrmuskeln bei Lucae angegeben (Denker, Seite 25). 
Tröltsch(lO) beschreibt eine Affektion der Ohrmuskeln, und zwar 
fettige und körnige Degeneration derselben. Im ersten Falle von 
Bezold-Scheibe aus dem Jahre 1893 ist Atrophie des M. tensor 
tympani beschrieben (Denker, S. 33). Im ersten Falle von Sieben¬ 
mann war der M. stapedius bindegewebig degeneriert; der M. tensor 
tympani war vollständig gesund (Denker S. 41). Im ersten Falle 
von Katz haben sich die Muskeln als intakt erwiesen (Denker, S. 30 
In den übrigen Beobachtungen wird des Zustandes der Muskeln keine' 
Erwähnung getan. 

Es haben mich somit meine eigenen Beobachtungen, sowohl wie 
die Angaben der Literatur veranlaßt, die Erkrankung der inneren 
Ohrmuskeln als die Ursache der Sklerose zu deuten. Von dieser An¬ 
nahme war es nicht mehr weit zu der Behandlungsmethode, die den 
Gegenstand dieses Aufsatzes bildet. Es war ganz natürlich, die 
therapeutischen Maßnahmen gerade gegen die Schwäche und Atrophie 
der Muskeln zu richten. Diesen Zweck kann man nur durch Massage 
erreichen. Wie soll man aber den M. tensor tympani und den M. 
stapedius massieren? Die zu diesem Zwecke vorgeschlagenen Durch¬ 
blasungen nach Politzer und die Katheterisation einerseits und die 
Vibrationsmassage andererseits sind bei Sklerose nicht anwendbar, 
und zwar weil sämtliche drei Methoden eine gemeinsame und leider 
nicht zu beseitigende Eigenschaft besitzen, nämlich Hyperämie des 
Mittelohres hervorzurufen, und es liegt klar auf der Hand, daß bei 
einer Krankheit, welche gerade in Hyperämie besteht, diese Methoden 
den Prozeß nur verschlimmern können, was bei Sklerosen auch 
tatsächlich beobachtet wird. Es bleibt somit nur die eine Methode 
übrig, nämlich die Elektromassage der inneren Ohrmuskeln, weil die¬ 
selbe in der Blutfüllung des Mittelohrs keine Aenderung herbeiführt, 
während ihre nützliche Wirkung, nämlich die Kontraktion der Muskeln, 
weit energischer ist als bei den oben aufgezählten Methoden. 

Der Beginn der Elektrotherapie in der Ohrenheilkunde rührt aus. 
den ersten Jahren des vorigen Jahrhunderts her. Grapengiesser (11) 
hebt die günstige Wirkung des galvanischen Stromes bei der Be¬ 
handlung der Schwerhörigkeit hervor. Jakobi (12) tritt begeistert 
für die Behandlungsmethode ein, welche unter der speziellen Bezeich¬ 
nung „Die Kunst, das Gehör zu reparieren“ bekannt geworden ist. 
Der im Jahre 1831 von Faradey entdeckte Induktionsstrom und 
namentlich der im Jahre 184b konstruierte selbsttätige Apparat hat 


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die Aufmerksamkeit der Aerzte auf diese Elektrizitätsart gelenkt, und 
da die Physiker und die Physiologen jener Zeit den Nutzen der Elek¬ 
trizitätswirkung mit der Intensität der Reizung maßen, so begann man 
dem faradischen Strom in der Elektrotherapie dominierende Bedeutung 
beizumessen. Der erste Pfadfinder war Duchenne (13), während 
Meyer (14), Erdmann (15) und Ziemssen (16) den faradischen 
Strom endgültig in die medizinische Praxis eingeführt haben. 

Nach der Periode der Begeisterung für den Induktionsstrom ist, 
wie es immer zu sein pflegt, eine Reaktion eingetreten. R. Remak (17 
trat im Jahre 1856 zugunsten des galvanischen Stromes ein und 
suchte die Indikationen für die eine und für die andere Art der elek¬ 
trischen Energie festzustellen. Leider haben weder die Arbeiten dieses 
Gelehrten noch die späteren Untersuchungen seiner Schüler Bene¬ 
dikt, Brenner, Erb und Eulen bürg (18) zweifellose Indikationen 
für die eine und die andere Elektrizitätsart ausgearbeitet, so daß bis 
auf den heutigen Tag darüber Meinungsverschiedenheit herrscht. Noch 
mehr, es beginnt sich ein gewisser Skeptizismus gegen die Elektro¬ 
therapie überhaupt geltend zu machen. Moebius (10) sagt auf Grund 
seiner Beobachtungen, daß in 4 / 5 der Fälle die günstige Wirkung der 
Elektrizität auf Suggestion beruht. Eine Bestätigung seiner Annahme 
erblickt er darin, daß alle möglichen elektrotherapeutischen Methoden 
einerseits gute Resultate ergeben, andererseits auch alle versagen. 
Auf dem im Jahre 1891 stattgehabten Kongreß (20) der Spezialärzte 
für Elektrotherapie hat sich herausgestellt, daß in bezug auf diese 
letztere zwei Ansichten bestehen: eine optimistische und eine pessi¬ 
mistische. Eulenburg (21) nimmt eine Mittelstellung ein, indem er 
die Elektrotherapie als unersetzliches Mittel bei Lähmungen be¬ 
trachtet, andererseits aber die Ansicht von Moebius in bezug auf die 
Bedeutung der Elektrotherapie bei anderen Krankheiten teilt. 

Duchenne hat, wie ich bereits bemerkt habe, als erster die 
„therapeutische, auf eine bestimmte Stelle sich beschränkende Faradi- 
sation der willkürlichen Muskeln“ begründet. Bei dieser Methode 
kommen beide Elektroden auf den zu elektrisierenden Muskel zu liegen. 
R. Remak fand, daß es sich dabei stets um intramuskuläre Reizungen 
der Nervenendungen handelt, und ersetzte die Anlegung der beiden 
Elektroden an den Muskeln dadurch, daß er die eine Elektrode auf 
einen motorischen Punkt des Nerven, die andere Elektrode auf einen 
indifferenten Punkt setzte. Dort, wo starke Muskelgymnastik und da¬ 
durch eine Beeinflussung der Sehnen und Gelenke, beispielsweise bei 
Muskelparesen und Gelenksteifigkeit, erwünscht ist, erzielt man durch 
den faradischen Strom die günstigste Wirkung, so daß derselbe als 


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mächtiger Heilfaktor erscheint. Außer dieser rein mechanischen 
Wirkung übt der Induktionsstrom zweifellos auch eine katalytische 
Wirkung aus, wenn auch letztere infolge des Wechsels der^Richtung 
der gleichen Wirkung des konstanten Stromes zweifellos bedeutend 
nachsteht. Die vasomotorische Wirkung des faradischen Stromes ist 
in den Beobachtungen von Boulu (32) und M. Meyer (14) zweifellos. 
Diese Autoren suchten durch systematische und beharrliche Anwendung 
des faradischen Stromes die Resorption von Drüsenschwellungen zu 
erzielen. W. I. Drosdow (23), Beetz (24) und Danion (25) erzielten 
durch Faradisation der Gelenke Besserung der bestehenden Gelenk¬ 
steifigkeit. Tröltsch hat mit Erfolg Faradisation bei Schwerhörigkeit 
und Taubheit angewendet. Er führte die eine Elektrode durch einen 
Katheter in die Tuba Eustachii, die andere in den mit warmem Wasser 
gefüllten äußeren Gehörgang ein. Die Behandlung hatte stets Besserung 
des Gehörvermögens zur Folge, und zwar wurden Schwankungen der 
Verschlimmerung des Gehörs seltener und Ermüdung des Gehörs trat 
nicht so rasch ein. Tröltsch sagt, daß die Indikationen zur Elektri- 
sation bestimmter sein würden, wenn es möglich sein würde, patho¬ 
logische Zustände der inneren Ohrmuskeln mit Sicherheit festzustellen. 
Indem er auf die Rolle der Ohrmuskeln bei physiologischen und 
pathologischen Zuständen des Gehörs zu sprechen kommt, sagt er, 
daß dieselbe bis jetzt nicht feststeht, jedenfalls aber nicht unbedeutend 
ist (op. c., Seite 484). 

Schließlich kann man den galvanischen Strom mit dem faradischen 
vereinigen. Diese Methode der Galvano-Faradisation empfiehlt man 
dort anzuwenden, wo beide Arten der Elektrotherapie angezeigt sind. 
Nach de Waterville (26) steigert die Galvanisation durch ihre er¬ 
frischende Wirkung die nachlassende Energie von der Faradisation. 
Nach E. Remak ist die Faradisation namentlich bei Steifigkeit, Pa¬ 
resen, Atrophie und mit Schlaffheit einhergehenden Gelenksaffektionen 
indiziert. 

Nach dieser kurzen Abweichung von meinem direkten Thema 
möchte ich meine Methode der Sklerosebehandlung beschreiben. Ich 
hebe hervor, daß jeder Patient sowohl von seiten des Nasenrachen¬ 
raumes wie auch des Gehörs auf das sorgfältigste untersucht wurde. 
Durch Katheterisation wurde stets festgestellt, wie das Trommelfell 
auf Lufteinblasung reagiert, und dann erst wurde zur Behandlung mit 
dem faradischen Strome geschritten, wenn aus der Anamnese die Nutz¬ 
losigkeit der früher angewendeten üblichen Behandlung, wie Durch¬ 
blasung und Massage, hervorging. In den Fällen, in denen sich dies 
aus der Anamnese nicht ergab, wurde mit Durchblasung und Massage 


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begonnen und, wenn diese keine Besserung brachte, zur Faradisation 
geschritten. Ich beginne stets mit der Behandlung des mehr er¬ 
krankten Ohres und gehe, wenn sich nach 4—5 Sitzungen von seiten 
dieses Ohres Besserung zeigt, zur Faradisation der anderen Seite über 
Zui; Faradisation verwende ich Elektroden in Form eines Ohr¬ 
katheters aus Kupferdraht mit kugelförmigem Kopf an dem einen Ende 
und Klemmschraube am anderen. Die ganze Elektrode ist außer dem 
Köpfchen und der Klemmschraube mit Gummi überzogen. Prof. 
N. P. Simanowski verwandte eine Elektrode aus dünnem Kupfer¬ 
draht mit kugelförmigem Köpfchen; der dünne Draht wird in einen 
gewöhnlichen Katheter geschoben und auf diese Weise in die Nase 
eingeführt. Diese Elektrode ist weit bequemer, weil man sie leichter 
aseptisch halten kann. Bei der ersten Sitzung führe ich die Elektrode 
stets unter Kontrolle des Salpingoskops ein, weil die Mündungen der 
Tuba Eustachii bei Sklerotikern in ihrer Struktur und Lokalisation 
gewisse Besonderheiten darbieten. Das Köpfchen der Elektrode muß 
so tief wie möglich in die Tube eingeführt werden und sich gegen 
die obere Wand derselben stemmen, wo der M. tensor tympani ver 
läuft. Ich muß bemerken, daß letzter Umstand von großer Wichtigkeit 
st: Bei der Faradisation muß eine Vibration im Ohre selbst, in der 
Tiefe desselben stattfinden, und wahrscheinlich hängt diese Vibration 
von der Kontraktion des M. tensor tympani ab. Um diese Vibration 
zu erzielen, muß man sich mit der Elektrode gegen die obere Wand 
stemmen; man muß unbedingt dieses Gefühl haben, da die Faradisation 
eben zur Heilung der Funktion der inneren Ohrmuskeln angewendet 
wird. Die zweite Elektrode, eine gewöhnliche mit weichem Leder 
überzogene und mit warmem Wasser angefeuchtete Knopfelektrode, 
legt man am besten im Winkel zwischen dem Warzenfortsatz und dem 
Winkel des Unterkiefers der zu faradisierenden Seite an; an dieser 
Stelle befindet sich der motorische Punkt des Stammes des N. facialis, 
und hier in der Nähe verläuft mit seinen Aesten der N. trigeminus. 
Als Elektrizitätsquelle benutzte ich ursprünglich eine gewöhnliche 
Induktionsstrommaschine mit flüssigen Elementen. Später begann ich 
den Straßenstrom zu benutzen, den ich durch einen Transformator 
leitete. In bezug auf die Stromstärke kann ich auf Grund meiner 
Beobachtungen sagen, daß der stärkste Strom auch der wirksamste ist. 
Irgendwelche üblen Folgen habe ich bei der Verwendung des faradischen 
Stromes niemals beobachtet: weder Kopfschwindel, noch irgendwelche 
anderen Erscheinungen, bis auf Zahnschmerzen bei besonders starken 
Strömen. Es muß hervorgehoben werden, daß sehr häufig auch eine 
Kontraktion der Muskeln der anderen Seite stattfindet, welche nicht 


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faradisiert wird, was die Patienten fühlen. Eine Besserung tritt auch 
hier stets ein, selbstverständlich wenn sie auch auf der elektrisierten 
Seite eintritt. In der ersten Zeit machte ich die Faradisation täglich, 
in der letzten Zeit jedoch nur drei Sitzungen wöchentlich von 3 bis 
5 Minuten Dauer. Einen Unterschied in der Wirkung der täglichen 
Sitzungen und derjenigen, die einen Tag um den andern stattfanden, 
habe ich nicht bemerkt. Es will sogar scheinen, daß die tägliche 
Faradisation schlechter wirkt. 

Nun möchte ich in kurzen Worten die Krankengeschichten der 
mittels Faradisation behandelten Personen mitteilen. > 

1. N. P. T., 33 Jahre alt, Otosklerose (primäre). Seit 2 Jahren 
Ohrensausen, zu dem in der letzten Zeit auch Ohrengeräusch hinzu¬ 
gekommen ist. Das Gehör hat stark nachgelassen. Der Patient wurde 
ohne Erfolg mit Massage und Durchblasungen behandelt. Syphilis und 
hereditäre Belastung werden negiert. 13. X. 1906. Nasenschleimhaut 
geschwollen,Rachenschleimhaut normal. Trommelfell normal. Mündungen 
der Tubae Eustachii (Salpingoskopie) weit, klaffend. Bei der Katheteri- 
sation des rechten Ohres wird Inaktivität des M. tensor tympani fest¬ 
gestellt: der Tropfen im Ohrmanometer steht unbeweglich. Links 
zeigt dieser Muskel geringe Funktion. Untersuchung des Gehörs. 
Der Patient hört Flüsterstimme rechts unmittelbar am Ohr, links in 
einer Entfernung von 1 j 3 m. Das Ticken der Taschenuhr hört er rechts 
bei unmittelbarem Anlegen der Uhr an die Ohrmuschel, links in einer 
Entfernung von 0,5 cm. Untere Grenze des Gehörs rechts e, links A* 
Die Galtonsche Pfeife hört der Patient normal. Das Schwabachsche 
Experiment ergibt Veränderung des Knochenleitvermögens. Weber in 
der Mitte, Rinne negativ. 

Tägliche Faradisation des rechten, schlechteren Ohres. 18. X. 
Flüstern rechts in einer Entfernung von 1 / 6 m, links in einer Entfernung 
vou 1 m. Uhr rechts in einer Entfernung von 3 cm, links in einer 
Entfernung von 0,5 cm. Vom 25. X. wurden beide Ohren faradisiert^ 
trotzdem während der Faradisation eine Reaktion der anderen nicht 
elektrisierten Seite wahrnehmbar war. 27. X. Flüsterstimme rechts 
in einer Enfernung von */ A m, links in einer solchen von 1 / 3 m hörbar. 
Uhr rechts 7 cm, links V 6 m. Es besteht rasche Ermüdbarkeit des 
linken Ohres im Vergleich mit dem rechten: ursprünglich hört der Patient 
das Ticken dtr Uhr am rechten Ohre in einer Entfernung von V,. m. 
Bei wiederholter Bestimmung des Gehörs sinkt jedoch diese Entfernung 
rasch, und man muß die Uhr immer näher und näher ans Ohr bringen; 
die Entfernung, auf welche der Patient auf dem rechten Ohre die Uhr 
hört, beträgt 7 cm und bleibt bei Wiederholung der Untersuchungen 


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-dieselbe. 15. XI. Flüsterstimme rechts V 0 , links 2 / 3 m. Uhr rechts 2, 
links 1 cm. Das Schwabachsche Experiment ergab Verlängerung 
der Knochenleitbarkeit. Weber in der Mitte, Rinne negativ. Bei 
der Katheterisation konstatiert man beiderseits sehr gute Funktion des 
M. tensor tympani. Das Sausen und die Geräusche in den Ohren 
haben ganz aufgehört. Das Gehör hat sich in bezug auf die Unter¬ 
haltungssprache dermaßen gebessert, daß die Umgebung dem Patienten 
seinen Fehler nicht anmerkt: der Patient unterhält sich frei, während 
er vor der Behandlung mit dem Handteller hinter das Ohr greifen 
mußte. Da der Urlaub des Patienten abgelaufen war, reißte er nach 
seiner Heimat ab. 

2. L., 50 Jahre alt. Otosklerose (sekundäre). Hört seit einem 
halben Jahre schwer. Geräusche nicht vorhanden. 1. X. 1906. Nasen¬ 
scheidewand gekrümmt. Nasenschleimhaut geschwollen. Beide Trommel¬ 
felle trübe, eingezogen. Das Manometer ergab bei der Katheterisation 
vollständige Inaktivität des M. tensor tympani. Die Untersuchung des 
Gehörs ergab: Flüsterstimme rechts 1 / 3 , links 1 / 3 m. Die Uhr hört 
der Patient selbst bei fester Anlegung an die Ohrmuschel weder am 
rechten noch am linken Ohr. Untere Gehörsgrenze rechts 36 Schwin¬ 
gungen, links 26. Die höchsten Töne der Gal ton sehen Pfeife hört 
der Patient nicht. Das Schwabachsche Experiment ergab Verkürzung 
der Knochenleitbarkeit. Weber in der Mitte, Rinne positiv. 

Vom 1. X. bis zum 10. X. tägliche Faradisation des linken Ohres. 
Vom 10. X. Faradisation beider Ohren. 18. X. Flüsterstimme rechts 
V 3 , links 1 m. Uhr rechts 0, links beim Anlegen an die Ohrmuschel. 
26. X. Flüsterstimme rechts */ 2 , links : ‘/ 4 m. Uhr rechts und links 
1 cm. Der Patient erklärt, daß das Gehör in bezug auf die gewöhn¬ 
liche Unterhaltungssprache sich derartig gebessert hätte, daß er voll¬ 
kommen zufrieden sei. In Anbetracht dieses Umstandes wurde die 
Behandlung abgebrochen und dem Patienten vorgeschlagen, im Falle 
einer Verschlimmerung wiederzukommen. Bis jetzt ist aber der Patient 
nicht mehr erschienen. 

3. S., 60 Jahre alt. Otosklerose (sekundäre). Seit 1901 Nach¬ 
assen des Gehörs: Vor l 1 ^ Jahren hatte sich Ohrensausen eingestellt. 

Der Großvater des Patienten litt an Taubheit. 15. X. Nasenscheide¬ 
wand leicht gekrümmt., Schleimhaut der Muscheln leicht geschwollen. 
Trommelfelle leicht eingezogen, trübe und hyperämiert. Mündungen 
der Eustachischen Röhren klaffen. M. tensor tympani inaktiv. Flüstern 
r echts Vc, lbiks 1 / 7 m. Uhr rechts 0, links 0. Das Schwabachsche 
Experiment ergab Verlängerung der Knochenleitbarkeit. Weber in 


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der Mitte, Rinne positiv. Untere Grenze auf beiden Ohren 
26 Schwingungen. Die Galton sehe Pfeife hört der Patient normal. 

Tägliche Faradisation des linken Ohres. 17. X. Geräusche 
am linken Ohre geringer. Der Patient hört mit diesem Ohre 
die Uhr. 28. X. Flüsterstimmme rechts 7 g j links 1 / 4 m, Uhr 
rechts und links beim Anlegen an die Ohrmuschel. 27. X. Der 
Patient hat zum ersten Male seit 2 Jahren das Ticken der Wanduhr 
vernommen. 7. XI. Flüstern rechts, 1 / 4 links V 3 m - Die Uhr hört er 
auf beiden Ohren nur beim Anlegen an die Ohrmuschel. Geräusch 
weit geringer. 16. XI. Flüstern rechts 7o> links 7a m - Geräusch 
weit geringer. Faradisation des linken Ohres einen Tag um den 
anderen. 9. XII. Flüstern hört der Patient auf beiden Ohren in einer 
Entfernung von 73 m * Die Uhr hört er rechts beim Anlegen an die 
Ohrmuschel, links bei einer Entfernung von 1,5 cm. Die Geräusche 
sind fast ganz verschwunden. Der Patient hört die Unterhaltungs¬ 
sprache sehr gut. M. tensor tympani zeigt ziemlich gute Funktion. 

4. A., 32 Jahre alt, Otosklerose (sekundäre). Taubheit hatte sich 
vor 5—6 Jahren eingestellt. Geräusche nicht vorhanden. Syphilis 
und Heredität werden negiert. 18. X. 1906. Nasenscheidewand leicht 
gekrümmt. Muscheln, namentlich die hinteren Enden sind hyper- 
trophiert. Im Nasen-Rachenraum Wucherungen. Trommelfelle ein¬ 
gezogen, trübe. Mündungen der Eustachischen Röhren weit, klaffend. 
Das Manometer ergibt mangelhafte Funktion des M. tensor tympani. 
Flüstern rechts 0, links 1 /. i m. Uhr auf beiden Seiten 0. Das 
Schwab ach sehe Experiment ergibt Verlängerung der Knochen- 
leitbarkeit. Weber rechts. Rinne rechts negativ, links positiv. 
Untere Grenze rechts 100, links 30 Schwingungen. Gal ton sehe 
Pfeife rechts 7 Teilungen, links normal. Lautes Sprechen hört der 
Patient mit dem linken Ohre, wenn er das Ohr dem Sprechenden 
nähert und mit dem Handteller hinter das Ohr greift. 

Tägliche Faradisation des rechten Ohres. 23. X. Besserung des 
linken nicht elektrisierten Ohres. 27. X. Flüsterstimme rechts 0, 
links in einer Entfernung von 2 /i m * Uhr rechts 0, links bei dichtem 
Anlegen derselben an die Ohrmuschel. Von diesem Tage ab Fara¬ 
disation beider Ohren. 1. XI. Mit dem rechten Ohre hört der Patient 
unmittelbar am Ohre nur Flüstern. Links Flüstern in einer Ent¬ 
fernung von 2 / 3 m. Uhr rechts 0, links bei dichtem Anlegen an die 
Ohrmuschel. Unterhaltungssprache hört der Patient in einer Ent¬ 
fernung von 4 m. 21. XI. Flüsterstimme rechts 0, links in einer 
Entfernung von 72 m - Uhr rechts 0, links bei Anlegen an die Ohr¬ 
muschel. Lautes Sprechen hört der Patient mit dem rechten Ohre 


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in einer Entfernung von 4, mit dem linken Ohre in einer solchen von 
6 cm. Galton rechts 5,3 Teilungen. Das Schwabachsche Ex¬ 
periment ergibt Verlängerung der Knochenleitbarkeit. Weber in 
der Mitte; Rinne rechts negativ, links positiv. Bei der Kathete- 
risation ergab das Manometer fast normale Funktion des M. tensor 
tympani. Ablaufs des Urlaubs uud Abreise des Patienten. 

5. I., 18 Jahre alt; Otosklerose (primäre). Die Patientin hört 
schon seit längerer Zeit schlecht, in den letzten 3 Monaten sehr 
schlecht. Seit längerer Zeit besteht auch Ohrengeräusch, welches 
zunächst im linken, dann auch im rechten Ohre entstand. 20. X. 1906. 
Nasenscheidewand symmetrisch. Muscheln geschwollen. Trommelfelle 
fast normal. Flüstern rechts 1 / 12 m., links unmittelbar am Ohre. 
Uhr rechts und links unmittelbar am Ohre. Untere Gehörsgrenze 
rechts 55, links 05 Schwingungen. Galtonsche Pfeife normal. Das 
Schwabachsche Experiment ergab Verlängerung der Knochen¬ 
leitbarkeit. Rinne negativ. Weber links. Die Mündungen der 
Eustachischen Röhren klaffen. Das Manometer ergab bei der 
Katheterisation Inaktivität des M. tensor tympani. 

Tägliche Faradisation des linken Ohres. 23. X. Geräusche im 
linken Ohre weit geringer. Vom 23. X. bis zum 2. XL kam die 
Patientin nicht zur Faradisation. 2. XI. Flüsterstimme rechts 4 cm. 
Uhr unmittelbar am Ohre. 7. XI. Flüstern rechts 1 / 121 links J / 4 m. 
Uhr rechts bei Berührung, links in einer Entfernung von 0,5 cm. 
Die Untersuchung mit dem Manometer ergab Besserung der Funktion 
des M. tensor tympani. Vom 10. XI. Faradisation beider Ohren. 
14. XI. Geräusch im linken Ohre fast vollständig verschwunden, im 
rechten Ohre noch vorhanden. Flüsterstimme rechts 1 / a , links 1 / (V m. 
Die Uhr hört die Patientin auf beiden Ohren bei Berührung. 2. XII. 
Ohrengeräusch vollständig gerüngfügig. Flüstern auf beiden Ohren 
hört die Patientin in einer Entfernung von */ e m, die Uhr auf beiden 
Ohren bei Berührung mit der Ohrmuschel. Lautes Sprechen in einer 
Entfernung von 2 m. Das Schwabachsche Experiment ergab Ver¬ 
längerung der Knochenleilbarkeit. Weber in der Mitte, Rinne 
positiv. Untere Gehörsgrenze auf beiden Ohren 40 Schwingungen. 
Das Manometer ergab gute Funktion des M. tensor tympani. 

6 . K., 19 Jahre alt; Otosklerose (primäre). Der Patient hört 
schon seit längerer Zeit schlecht und fühlt Geräusche in den Ohren 
2 . IX. 1906. Nasenscheidewand nach links gekrümmt. Muscheln 
hypertrophiert. Trommelfelle leicht eingezogen, etwas trübe. Mün¬ 
dungen der Eustachischen Röhren verlegt. Das Manometer ergibt 
bei der Katheterisation mangelhafte Funktion des M. tensor tympani. 


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Flüstern rechts und links 0, Uhr rechts und links 0. Lautes Sprechen 
hört der Patient mit dem rechten Ohr unmittelbar, mit dem linken 
etwas besser. Untere Gehörsgrenze für das rechte Ohr GO, für 
das linke 55 Schwingungen. Galtonsche Pfeife normal. Das 
Schwabach sehe Experiment ergab Verlängerung der Knochen- 
leitbarkeit. Weber in der Mitte, Rinne negativ. 

Tägliche Faradisation des linken Ohres. 10. IX. Flüsterstimme 
rechts und links 0. Uhr rechts und links 0. 17. IX. Die Geräusche 

haben aufgehört. Flüstern rechts unmittelbar, links in einer Ent¬ 
fernung von 4 cm. Uhr rechts unmittelbar, links in der Entfernung 
von 1 cm. Bei der Faradisatioti des linken Ohres hat der Patient 
auch eine charakteristische Empfindung im rechten. 1. XII. Flüster¬ 
stimme beiderseits in einer Entfernung von 4 cm. Uhr beiderseits 
in einer Entfernung von 3 cm. Lautes Sprechen in einer solchen von 
1 / 2 m. Das Schwab ach sehe Experiment ergibt Verlängerung der 
Knochenleitbarkeit. AVeber in der Mitte, Rinne negativ. Geräusche 
nicht vorhanden. Das Manometer ergab bei der Katheterisation nor¬ 
male Funktion des M. tensor tympani. Die Behandlung wird ab¬ 
gebrochen. 

7. F., 28 Jahre alt; Otosklerose (primäre). Vor 7 Jahren begann 
der Patient mit dem linken Ohre schlecht zu hören. Im Frühling 
1906 litt der Patient 3 Tage an Erbrechen und Kopfschwindel. Im 
Sommer 1906 heftiger Kopfschmerz, Erbrechen, hohe Temperatur. 
Hierauf verlor der Patient das Gehör auf dem rechten Ohre, während 
es sich auf dem linken besserte. Zu dieser Zeit wurde Verlust des 
Gleichgewichtgefühls beobachtet. Vor iy 2 Jahren hatte der Patient 
harten Schanker. 23. IX. 1906. Nasenscheidewand leicht gekrümmt, 
Muscheln geschwollen. Rachenschleimhaut hyperämiert. Trommelfell 
rechts normal, links eingezogen, etwas trübe. Mündungen der Tubae 
Eustachii klaffend. Das Manometer ergibt bei der Katheterisation 
mangelhafte Funktion des M. tensor tympani links, und vollständige 
Inaktivität rechts. Flüstern und Uhr beiderseits 0. Lautes Sprechen 
links unmittelbar, rechts überhaupt nicht. Untere Gehörsgrenze 
rechts 0, links 36 Schwingungen. Galtonsche Pfeife rechts über¬ 
haupt nicht, links von der 4. Teilung ab. Schwabachsches Ex¬ 
periment ergibt Verkürzung der Knochenleitbarkeit. Weber in der 
Mitte, Rinne rechts 0, links positiv. 

Tägliche Faradisation beider Ohren. 30. IX. Flüsterstimme rechts 0, 
links unmittelbar am Ohre. Uhr rechts 0, links unmittelbar am Ohre. 
Lautes Sprechen rechts 0, links in einer Entfernung von 1 m. Sehr 
schwache Geräusche. 23. XI. Flüstern rechts 0, links 3 cm. Uhr 


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rechts 0, links 2 cm. Lautes Sprechen rechts unmittelbar, links 1 m. 
9. XII. Flüstern rechts 0, links 2 cm. Uhr rechts 0, links 1 cm. 
Lautes Sprechen 1 m. Das Manometer ergibt mangelhafte Funktion 
des M. tensor tympani. 

8. L., 24 Jahre alt, Otosklerose (primäre). Der Patient hört 
schlecht und leidet seit drei Jahren an Geräuschen. Im vorigen Jahre 
war der Patient in meiner Behandlung; zunächst war es besser, dann 
stellte sich der frühere Zustand sehr rasch wieder ein. 8. XI. 1906. 
Nasenscheidewand stets symmetrisch. Muscheln leicht geschwollen. 
Trommelfelle fast normal. Mündungen der Eustachischen Röhren 
klaffen. Das Manometer ergab bei der Katheterisation Inaktivität des 
M. tensor tympani. Flüstern rechts 1 / 0 , links ! / 4 m. Uhr beiderseits 
nur bei Berührung. Das Schwab ach sehe Experiment ergab Ver¬ 
längerung der Knoehenleitbarkeit. Weber linke undeutlich, Rinne 
negativ. Galton sehe Pfeit'e hört der Patient normal. 

Tägliche Faradisation des rechten Ohres. 9. XI. Das Geräusch 
ist weit geringer, das Geräusch im linken Ohre wurde stärker (früher 
war es umgekehrt). Vom 10. XI. Faradisation beider Ohren. 11. XI. 
Die Geräusche haben aufgehört. 23. 11. Flüstern rechts in einer Ent¬ 
fernung von 1 m, links in einer solchen von : */ 4 m. Die Uhr hört der 
Patient rechts in einer Entfernung von 4, links in einer solchen von 
3 cm. Lautes Sprechen hört der Patient in einer Entfernung von 2 m. 
Geräusch geringfügig. Der Patient erinnert sich, daß das Geräusch 
nach den Durchblasungen nur für 1—2 Stunden nachließ. 2. XII. 
Der Patient leidet den dritten Tag an Schnupfen und Husten. Ohren 
verlegt; es stellte sich geringes Geräusch ein. Flüstern auf beiden 
Ohren in einer Entfernung von :l / 4 m hörbar, Uhr rechts bei Berührung, 
links in einer Entfernung von 2 cm, lautes Sprechen in einer Ent¬ 
fernung von 3 m. 

9. S., 35 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Die Patientin hört 
seit 4 Jahren schlecht auf dem linken und fast gar nicht auf dem 
rechten Ohre. Während dieser Zeit litt sie an permanenten starken 
Geräuschen in den Ohren und im Kopfe. Vor 2 Jahren habe ich die 
Patientin mit Durchblasungen behandelt, dann wurde sie mit Massage, 
mit Durchblasungen und Jodkalium behandelt, aber ohne Erfolg. 
21. IX. Nasenscheidewand leicht gekrümmt. Muscheln geschwollen. 
Trommelfelle fast normal. Die Untersuchung mit dem Manometer 
ergab mangelhafte Tätigkeit des M. tensor tympani. Flüstern hört 
die Patientin mit dem rechten Ohre gar nicht, mit dem linken in einer 
Entfernung von 0,5 cm vom Ohre. Das Ticken der Uhr hört die 
Patientin weder mit dem rechten noch mit dem linken Ohre. Untere 


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Gehörsgrenze rechts 130, links 150 Schwingungen. Galtonsche Pfeife¬ 
hört die Patientin normal. 

Faradisation des rechten Ohres, elektrische Vibrationsmassage des¬ 
linken. 24. IX. Geräusch im rechten Ohre geringer, linkes Ohr nach 
wie vor. 2. X. Das Geräusch hat im rechten Ohre vollständig auf¬ 
gehört, im linken hält es aber an. Faradisation beider Ohren. 3. X. 
Das Geräusch hat auch im linken Ohre aufgehört. Vom 11. bis zum 
18. X. blieb die Patientin, die auf das Land verreist war, ohne Be¬ 
handlung. Eine Verschlimmerung ist jedoch nicht eingetreten. 14. XI_ 
Flüsterstimme hört die Patientin mit dem rechten und linken Ohre- 
unmittelbar am Ohre, das Ticken der Uhr mit dem rechten Ohre bei 
unmittelbarer Anlegung, mit dem linken in einer Entfernung von 1 cm. 
Geräusche überhaupt nicht vorhanden. 5. XII. Geräusch nicht vor¬ 
handen. Flüstern rechts 0, links in einer Entfernung von 3 cm. Das 
Ticken der Uhr hört die Patientin mit beiden Ohren bei der leisesten 
Berührung der Uhr mit der Ohrmuschel. Untere Gehörsgrenze beider¬ 
seits 130 Schwingungen. Die Galtonsche Pfeife hört die Patientin¬ 
normal. Das Schwab ach sehe Experiment ergab Verlängerung der 
Knochenleitbarkeit. Weber in der Mitte, Rinne negativ. 

10. D., 7 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Auf dem rechten 
Ohre hört das Kind seit 2 l j 2 Jahren nicht. 29. X. 190G. Nasenscheide¬ 
wand leicht nach links gekrümmt. Muscheln normal. Trommelfell 
normal. Mündungen der Eustachischen Röhre klaffen. Flüstern und 
Uhr rechts 0, links normal. Untere Gehörgrenze rechts 0, links normal. 
Lautes Sprechen hört das Kind mit dem rechten Ohre, wenn unmittel¬ 
bar am Ohre gesprochen wird, mit dem linken normal. Das Schwa¬ 
bach sehe Experiment ergab Verkürzung der Knochenleitbarkeit- 
Weber rechts. Rinne rechts negativ, links positiv. Die Galtonsche 
Pfeife hört das Kind normal. 

Tägliche Faradisation des rechten Ohres. 21. XI. Flüstern rechts 0*. 
Uhr bei Anlegung an das Ohr, lautes Sprechen in einer Entfernung 
von Ye m - 30. XI. Flüstern rechts 0, Uhr in einer Entfernung von 
1,5 cm, lautes Sprechen in einer solchen von 1 / & ] m hörbar. Das 
Schwabach sehe Experiment ergab Verkürzung der Knochenleitbar¬ 
kei t. Weber rechts, Rinne zunächst negativ, dann positiv. Die 
Galtonsche Pfeife hört das Kind normal. Mündungen der Eustachi¬ 
schen Röhre klaffen. 

11. M., 37 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Leidet seit sieben 
Jahren an Geräuschen im Kopfe und hört schlecht. Eine Schwester 
des Vaters hört glt ich falls schlecht. 28. X. 1906. Nasen Scheidewand, 
symmetrisch. Muscheln leicht geschwollen. Trommelfelle leicht trübe- 


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Reflex regelmäßig. Mündungen der Eustachischen Röhre klaffen. 
Die Untersuchung mit dem Manometer ergab die Inaktivität des 
M. tensor tympani. Flüstern rechts und links 0. Ticken der Uhr 
beiderseits gleichfalls 0. Lautes Sprechen rechts unmittelbar am Ohre, 
links in einer Entfernung von J /c m hörbar. Untere Gehörsgrenze 
rechts und links 55 Schwingungen. Die Galtonsche Pfeife hört Pat. 
normal. Das Schwabachsche Experiment ergab Verlängerung der 
Knockenleitbarkeit. Weber rechts. Rinne negativ. :i 

Faradisation des linken Ohres. 1. XI. Flüstern rechts, unmittel¬ 
bar, links in einer Entfernung von 2 cm, Ticken der Uhr rechts 0, 
links bei Anlagen an das Ohr hörbar. Geräusch geringer. 6. XI. 
Faradisation beider Ohren einen Tag um den anderen. 25. XI. 
Flüstern rechts 1 / 6 m, links 1 j A m. Ticken der Uhr rechts 0, links bei 
Anlegung. Geräusch weit geringer. 28. XI. Geräusch ganz, gering¬ 
fügig. 12. XII. Flüsterstimme rechts 1 / 12 m, links J / ß m. Ticken der 
Uhr rechts 0, links bei Berührung. Lautes Sprechen hört Pat. rechts 
in einer Entfernung von 1 / G , links bei l / 3 m. Geräusche geringfügig. 
Die Untersuchung mit dem Manometer ergab Inaktivität des M. tensor 
tympani. 

12. M., 18 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Seit der Kindheit 
Ohrengeräusche. Mangelhaftes Hören. Pat. hat in der Kindheit Schar¬ 
lach überstanden; er spricht falsch, indem er manche Buchstaben falsch 
prononciert. XI; 6. 1906. Nasenscheidewand symmetrisch. Müschein 
leicht geschwollen. Trommelfelle fast normal. Flüsterstimme rechts 0, 
links in einer Entfernung von 1 / 6 m, Ticken der Uhr rechts und links 0. 
Untere Gehörsgrenze rechts 0, links 36 Schwingungen. Die Galtonsche 
Pfeife hört der Patient normal. Das Schwabachsche Experiment 
ergab Verlängerung der Knochenleitbarkeit. Weber rechts. Rinne 
beiderseits negativ. Mündungen der Eustachischen Röhre klaffen. 
M. tensor tympani funktioniert sehr mangelhaft. Das Experiment von . 
<4 eile beeinflußt die Perzeption des Tones det* an die Warzenfortsätze 
angelegten Stimmgabel nicht. 

Faradisation des rechten Ohres einen Tag um den anderen. 
9. XI. Das Geräusch hat im rechten Ohre vollständig nachgelassen. 
Faradisation beider Ohren. 18. XI. Geräusch nicht vorhanden. 5. XII. 
Flüsterstimme rechts und links 0. Lautes Sprechen hört der Patient 
mit dem rechten Ohre in einer Entfernung von 1 / 121 mit dem linken 
in einer solchen von 1 m. Geräusche überhaupt nicht vorhanden. 

13. L.. 22 Jahre alt. Otosklerose (sekundäre). Patient leidet seit 
mehr als einem Jahre an Ohrgeräuschen und hört mangelhaft. 
Heredität und Syphilis werden negiert. 14. X. 1906. Nasenscheidewand 


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leicht gekrümmt. Muscheln geschwollen. Trommelfelle eingezogen, 
etwas trübe. Mündungen der eustachischen Röhre klaffen. Die Unter¬ 
suchung mit dem Manometer ergab rasche Ermüdbarkeit des M. tensor 
tympani; rechts senkte sich der Tropfen gut, nach 3—4 Kompressionen 
des Ballons senkte er sich aber nicht mehr. Flüsterstimme hört der 
Patient mit dem rechten Ohre in einer Entfernung von 8, mit dem 
linken in einer solchen von 3 m, das Ticken der Uhr mit dem rechten 
und linken Ohre in einer Entfernung von 3 / 4 m. Die untere Gehör¬ 
grenze des rechten Ohres beträgt 40, des linken 30 Schwingungen. 
Die Galtonsche Pfeife hört der Patient normal. Das Schwa- 
b ach sehe Experiment ergab Verlängerung der Knochenleitbarkeit. 
"Weber in der Mitte, Rinne rechts positiv, links negativ. 

Faradisation des linken Ohres einen Tag um den anderen, lb. X. 
Geräusch geringer. 2. XII. Geräusch geringfügig, und das nur im 
Bette. 0. XII. Flüsterstimme hört der Patient mit dem rechten 
und linken Ohre in einer Entfernung von 13 m, das Ticken der Uhr 
beiderseits in einer solchen von ;l / 4 m. Geräusch nur nachts, sehr 
schwach, während es früher so intensiv war, daß es den Schlaf störte. 

14. L., 20 Jahre. Otosklerose (sekuneäre). Leidet seit ca. 2 Jahren 
an Ohrgeräuschen und mangelhaftem Gehör. 28. X. Nasenscheidewand 
nach links gekrümmt. Untere Muschel hypertrophiert. Trommelfell 
rechts hyperämiert, ohne Reflex, links eingezogen, atrophiert. Mün¬ 
dungen der Eustachischen Röhre klaffen. Der M. tensor tympani 
funktioniert nicht. Flüsterstimme hört der Patient mit dem rechten 
Ohre in einer Entfernung von 4, mit dem linken in einer solchen von 
2 m, das Ticken der Uhr rechts und links in einer Entfernung von 
a / e m. Untere Gehörgrenze 30 Schwingungen für beide Ohren. Die 
Galtonsche Pfeife hört der Patient normal. Das Experiment von 
Schwabach ergab Verlängerung der Knochenleitbarkeit. Weber 
links, Rinne positiv. 

Submuköse Exzision der Nasenscheidewand nach Killian. 15. XI. 
Flüsterstimme beiderseits in einer Entfernung von 5 m. Ticken der 
Uhr rechts in einer Entfernung von 1 / 2 , links in einer solchen von 
l j. A m. Schwabachsches Experiment. + Weber in der Mitte, 
Rinne positiv. 

Faradisation des rechten Ohres einen Tag um den anderen. 
22. XI. Geräusch weit geringer. 28. XI. Faradisation beider Ohren. 
Geräusch nur nachts im Bette. 7. XII. Geräusch nur nachts. Der 
M. tensor tympani funktioniert noch mangelhaft. 

15. J., 1!) Jahre alt. Otosklerose (sekundäre). Hört seit 1 */ 2 Jahren 
schlecht. Seit 1 2 Jahre Ohrengeräusch. Heredität nicht vorhanden. 


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17. XI. Nasenscheidewand leicht gekrümmt. Muscheln geschwollen. 
Trommelfelle eingezogen, trübe. Mündungen der Eustachischen Röhre 
klaffen. Der M. tensor tympani ist rechts geschwächt, der Tropfen 
senkt sich sehr langsam; links gleichfalls nicht ganz normal; die 
Exkursion der Tropfen ist eine sehr große. Flüsterstimme rechts 1 / 6 m, 
links 1 m. Ticken der Uhr rechts 0, links in einer Entfernung von 
2 cm. Die Galton sehe Pfeife hört der Patient normal. Das 
Schwabachsche Experiment ergab Verlängerung der Knochen- 
leitbarkeit. Weber rechts, Rinne negativ. 

Faradisation des rechten Ohres einen Tilg um den anderen. 23. XI. 
Flüsterstimme rechts in einer Entfernung von l / :i m. Ticken der Uhr 
bei Berührung mit der Ohrmuschel. Geräusch unverändert. 30. XI. 
Geräusch geringer. 2. XII. Flüsterstimme rechts in einer Entfernung 
von l / 3 m, Ticken der Uhr in einer solchen von 2 cm. Geräusch im 
linken Ohre stärker. 7. XII. Flüsterstimme rechts in einer Entfernung 
von 1, links in einer solchen von 1,5 m. Das Geräusch hat fast voll¬ 
ständig nachgelassen. 

16. S., 26 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Ohrengeräusche seit 
7 Jahren. Nach den in der Kindheit überstandenen Scharlach und 
Diphtherie hört Patient mit dem rechten Ohre sehr schlecht, mit dem 
linken fast gar nicht. Vor 3 Jahren wurde Patient in der Klinik mit 
Durchblasungen und Massage, dann noch einigemale mit Vibrations¬ 
massage und Jodkalium behandelt, aber ohne Erfolg. 23. X. 1906. 
Nasenscheidewand symmetrisch. Muscheln geschwollen, hypertrophiert. 
Trommelfell des rechten Ohres normal, des linken häutig. Mündungen der 
Eustachischen Röhren klaffen. Der M. tensor tympani funktioniert 
nicht. Flüsterstimme hört der Patient mit dem rechten Ohre in einer 
Entfernung von V 6 m, links 0. Ticken der Uhr rechts und links 0. 
Lautes Sprechen rechts lm, links unmittelbar am Ohre. Schwabach- 
sches Experiment +. Weber rechts, Rinne negativ. Galton sehe 
Pfeife rechts normal, links von 2,5 Teilungen. 

Tägliche Faradisation des rechten Ohres. 11. XII Flüsterstimme 
rechts in einer Entfernung von 1 / 6 m, links in einer solchen von 2 m. 
Ticken der Uhr rechts in einer Entfernung von 3 cm, links bei Be¬ 
rührung mit der Ohrmuschel. Lautsprechen rechts in einer Entfernung 
von 1,5, links in einer solchen von 1/ 6 m. Die Geräusche haben 
merklich nachgelassen. Der M. tensor tympani beginnt zu funktio¬ 
nieren, wenn auch noch schwach; der Tropfen sinkt im Manometer 
langsam. 

17. R., 27 Jahre alt. Otosklerose (sekundäre). Seit 10 Jahren 
hört Patient schlecht und leidet an Geräuschen, die niemals aufhören. 


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Heredität und Syphilis werden negiert. Aus dem linken Ohre seit 
der Kindheit Eiterfluß. 2. XII. 1906. Nasenscheidewand nach links 
deviiert. Muscheln geschwollen. Trommelfell des rechten Ohres ein¬ 
gezogen, trübe, mit Kreideablagerungen, des linken Ohres zerstört. 
Mündungen der Eustachischen Röhre klaffen. Der Tropfen im Mano¬ 
meter sinkt bei der Katheterisation nach der ersten Kompression des 
Ballons, nachdem er infolge der Einblasung hochgestiegen ist, nicht, 
dann sinkt er aber so rasch, daß das Fallen desselben noch während 
der Lufteintreibung in das Mittelohr beobachtet wird. Flüsterstimme 
rechts in einer Entfernung von 2 cm. Ticken der Uhr rechts 0 
Lautes Sprechen rechts in einer Entfernung von V 4 m. Das Schwabach b 
sehe Experiment ergab Verlängerung der Knochenleitbarkeit. Weber 
in der Mitte, Rinne negativ. Untere Gehörsgrenze 0. Die Galton- 
sche Pfeife hört der Patient von der 5. Teilung (normaliter 1,2 
Teilungen). 

Die einen Tag um den andern ausgeführte Faradisation des 
rechten Ohres bewirkte kein charakteristisches vibratorisches Gefühl 
im Ohre, und erst bei der 3. Sitzung stellte sich dieses Gefühl ein 
9. XII. Das Gehör scheint besser zu sein, jedenfalls vermag der 
Patient gewöhnliche Unterhaltungssprache besser zu vernehmen. Ge¬ 
räusch fast unverändert. 

18. L., 28 Jahre alt. Otosklerose (sekundäre). Hört seit längerer 
Zeit schlecht. Es bestehen sehr starke Geräusche. 6. X. 1906. Nasen¬ 
scheidewand leicht deviiert. Nasenmuscheln hypertrophiert. Trommel¬ 
fell des rechten Ohres eingezogen, des linken atrophiert. Die Unter¬ 
suchung mit dem Manometer ergibt Inaktivität des M. tensor tympani. 
Flüsterstimme rechts und links 0. Ticken der Uhr rechts bei Be¬ 
rührung mit der Ohrmuschel, links 0. Das Schwabach sehe Ex¬ 
periment ergab Verlängerung der Knochenleitbarkeit. Weber in der 
Mitte, Rinne negativ. Untere Gehörsgrenze rechts 100 Schwingungen 
links 0. Die Gal ton sehe Pfeife hört der Patient mit dem rechten 
Ohre von 2,6 Teilungen, mit dem linken von 17,6 Teilungen (nor¬ 
maliter 1,2). 

Die bis zum 15. X. täglich vorgenommene Faradisation des linken 
Ohres blieb vollständig erfolglos. Infolgedessen wurde zur Faradi¬ 
sation des rechten Ohres geschritten, welche zunächst täglich, von 
Dezember einen Tag um den anderen ausgeführt wurde. 5. XI. Ge¬ 
räusche etwas geringer. Gewöhnliche Unterhaltungssprac2he hört der 
Patient wieder. Flüsterstimme rechts in unmittelbarer Nähe, links 0. 
Die untere Gehörsgrenze des rechten Ohres ist von 100 auf 30 zurück- 


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— 618 — 


gegangen. 14. XII. Die Untersuchung des Gehörs ergab dieselben 
Resultate wie am 25. XI. 

19., I., 42 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Patient leidet seit 
6 Jahren an Ohrengeräuschen und mangelhaftem Gehör. In der letzten 
Zeit muß Patient zum Sprachrohr greifen. 30. XI. Nasenscheidewand 
symmetrisch. Muscheln hypertrophiert. Trommelfelle normal. Mün¬ 
dungen der Eustachischen Röhre klaffen, namentlich rechts. Bei der 
Katheterisation steigt der Tropfen 5—8 mm in die Höhe und sinkt 
sofort noch während der Lufteintreibung in das Mittelohr. Flüster¬ 
stimme rechts und links 0. Ticken der Uhr rechts und links 0. Lautes 
Sprechen rechts 0, links in einer Entfernung von 3 cm. Die 
Galtonsche Pfeife hört Patient mit dem rechten Ohre von 11,5 Teilungen, 
links von 4 Teilungen (normaliter 1,2). Untere Gehörsgrenze des 
rechten Ohres 0, des linken f". Das Sch wab ach sehe Experiment 
ergab Verkürzung der Knochenleitbarkeit. Weber in der Mitte, 
Rinne negativ. 

Die Faradisation des linken Ohres bewirkte in der 1. und 2. Sitzung 
kein charakteristisches Vibrationsgefühl, und erst von der 3. Sitzung 
ab stellte sich dieses Gefühl ein. Geräusch gleichsam etwas geringer, 
Beeinflussung des Gehörs nicht wahrnehmbar. 

20. M., 33 Jahre alt. Otosklerose (primäre). Seit 6—7 Jahren 
Ohrengeräusche und schlechtes Gehör. Syphilis und Heredität werden 
negiert. I. XII 1906. Nasenscheidewand regelmäßig. Muscheln ge¬ 
schwollen. Trommelfell rechts eingezogen, trübe, links fast normal. 
Der M. tensor tympani funktioniert fast normal. Flüsterstimme links 
und rechts 0. Ticken der Uhr in einer Entfernung von 1 cm rechts, 
links 0. Lautes Sprechen rechts in einer Entfernung von 1,5, links 
in einer solchen von 1 m. Das Schwab ach sehe Experiment ergab 
Verkürzung der Knochenleitbarkeit. Weber rechts, Rinne negativ. 
Galtonsche Pfeife hört Patient rechts von 1,9 Teilungen, links von 
3,6 (normaliter 0,H Teilungen). 

Die tägliche Faradisation beider Ohren besserte weder das Gehör 
noch beeinflußte sie die Geräusche. 

Jetzt möchte ich auf Grund der oben mitgeteilten Kranken¬ 
geschichten dartun, welche Resultate die Behandlung der Otosklerose 
mit dem faradischen Strom ergeben hat. Um eine leichtere und über¬ 
sichtliche Darstellung der Resultate zu ermöglichen, habe ich eine 
Tabelle sämtlicher Krankengeschichten in Auszügen zusammengestellt. 

Die Nummern auf der Tabelle entsprechen der Nummer der 
Krankengeschichte. Links ist die Diagnose angegeben. Sei. 1 bedeutet 
primäre. Sei. 11 sekundäre Sklerose. Unter Diagnose'sind die Daten der 


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— 619 — 


ersten und letzten Untersuchung angegeben. Schließlich sind die 
Resultate der Untersuchung auf Flüsterstimme, Ticken der Uhn 
lautes Sprechen, Funktion des M. tensor tympani und subjektiv. 
Geräusche vor- und nach der Behandlung angegeben (cf. umstehende 
Tabelle). 

Die Zahl der Kranken, die unter meiner Beobachtung lange genug 
gewesen sind, um mir die Berechtigung zu Schlußfolgerungen zu geben, 
betrug 20, und zwar darunter ungefähr zur Hälfte Kranke mit primärer 
und solche mit sekundärer Sklerose. Bei allen Patienten mit Aus¬ 
nahme von dreien bestanden sehr starke Ohrengeräusche verschiedener 
Natur. Unter dem Einflüsse der Elektrisation sind die Geräusche ent¬ 
weder vollständig verschwunden oder haben dermaßen nachgelassen, 
daß sie die Kranken nicht mehr belästigen. Im Falle 9 heilten die 
starken Geräusche mehrere Jahre ununterbrochen nicht, ohne daß 
sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden irgend einen 
Erfolg gehabt hätten. Die betreffende Patientin wurde am 21. X. mit 
Faradisation des rechten Ohres behandelt, und am 2. XI. waren die 
Geräusche in diesem Ohre, sowie in der ganzen rechten Hälfte des 
Kopfes verschwunden. Ich begann hierauf auch das linke Ohr zu 
faradisieren, und schon nach der ersten Sitzung verschwand das Ge¬ 
räusch auch in diesem Ohre. Wegen einer Familienangelegenheit 
mußte die Patientin Petersburg verlassen und die Behandlung für acht 
Tage unterbrechen. Eine Beeinträchtigung der erzielten Resultate 
fand trotzdem nicht statt. Im Falle 6 hatten die Geräusche sehr lange 
bestanden. Es war dies ein Fall von absolut reiner primärer Sklerose. 
Nach einer Behandlungsdauer von 2 Monaten sind die Geräusche ver¬ 
schwunden. Im Falle 12 verschwand das Geräusch, welches seit der 
Kindheit bestanden hatte, schon nach der ersten Sitzung. Im Falle 13 
war das Geräusch ursprünglich so stark, daß Pat. nicht schlafen 
konnte. Nach einer Behandlungsdauer von 3 Wochen wurde das Ge¬ 
räusch so geringfügig, daß der Patient es nur im Bette wahrnehmen 
konnte. Dasselbe gilt auch für den Fall 4. 

Auf das Gehör wirkt die Faradisation nicht minder günstig. Aus 
der Betrachtung der Krankengeschichten, noch deutlicher aus der Ta¬ 
belle geht hervor, daß sich das Gehör in sämtlichen Fällen um das 
Zwei-, Drei- und sogar Vierfache im Vergleich zu dem gebessert hatte, 
was die ursprüngliche Untersuchung ergab. Im Falle 1 war der be¬ 
treffende Patient nicht imstande, sich in einer Entfernung von 0,5 m 
mit jemandem zu unterhalten. Er mußte stets mit der Hand hinter 
das Ohr fassen und an den Sprechenden näher herankommen. Nach 
einer Behandlungsdauer von 1 Monat wollten die Bekannten des 


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— 620 — 


\r der Kranken ^ Vor ^ er ß e ^ ianc ^ un S Nach der Behandlung 

i| rechtes Qhr linkes Ohr ■ rechtes Ohr ] linkes Ohr 


1. Geräusch . . . 

1 ! 

stark 

geringfügig 

18. X. Fliisterstimme . 

unmittelbar 

V« m 

V« m 

2 /i IH 

15. XI. Uhr. 

dicht ! 

0,5 cm 1 

2 cm 1 

1 cm 

Sei. 11 Lautes Sprechen 

— 

— , 

— 1 

— 

Galton .... 

normal 

normal 

M teils, t. . . 

o I 

0 

gute Funktion 

2. Geräusch . . . 

0 i 

0 

0 

0 

Sei.U Flüsterstimme . 

'■> m 1 

V» in 

V 2 m 

3 U m 

1. X. Uhr. 

dicht 

(licht 

1 cm 

I cm 

26. X. Lautes Sprechen 

_ l 

— 

sehr gut 

Galton .... 

0 

0 

0 

0 

M. teils, t. . . j 

0 

0 

— | 

— 

8. Geräusch . . . , 

sta rk 

unbedeutend 

Sei. 11 Flüsterstimme . 

V« m ' 

V: in 

V 3 ni 

l l, n> 

15. X. Uhr. 

0 

0 

abnorm i 

1,5 cm 

9. XII. Lautes Sprechen 

schlecht 

bedeutend besser 

Galton .... 

normal 

normal 

M. tens. t. . . 

o : 

0 

Funktion normal 

*4. Geräusch . . . 

o 

0 

0 1 

0 

Sei. 11 Flüsterstimme . 

• 0 

Vs m 

o I 

V* »» 

18. X. Uhr. 

0 

0 

0 . 

Berührung 

21. XI. Lautes Sprechen 

unmittelbar 

4 cm , 

6 m 

Galton .... 

7 Teiler. 

normal 1 

5,8 Teilg. t 

normal 

M. tens. t. . . 

mangelhafte Funktion 

gute Funktion 

5. Geräusch . . . 

stark 

fast nicht vorhanden 

Scl.l Fliisterstimme . 

l \ 2 m 
unmittelbar 

unmittelbar 

Vn m I 

'/« m 

28. X. Uhr. 

unmittelbar 

bei Berührung 

2. XII. Lautes Sprechen 

— 

— 

2 m 1 

2 Dl 

Galton .... 

normal 

normal 

M. tens. t. . . 

0 

0 

gute Funktion 

(i. Geräusch . . . 

stark 

— 

— 

Scl.l Flüsterstinime . 

! o . 

0 

4 cm 1 

4 cm 

2. XL Uhr . 

1 0 

0 

8 cm ! 

3 cm 

1. XII. Lautes Sprechen 

unmittelbar 


V* m 

Galton .... 

j normal 

normal 

M. tens. t. . . 

mangelhafte Funktion 

gute Funktion 

7. Geräusch . . . 

t stark 

geringfügig 

Sd. 1 Fliisterstimme . 

0 

0 

0 

3 cm 

28. X. Uhr . 

1 0 

0 

0 

1,5 cm 

28. XII. Lautes Sprechen 

1 0 

unmittelbar 

unmittelbar 

1 m 

Galton .... 

1 0 

4 Teilg. 

0 

4 Teilg. 

M. tens. t. . . 

10 

1 


1 “ 

mangelhafte 

Funktion 

8. Geräusch . . . 

i stark 

geringfügig 

Scl.l Fliisterstimme . 

V« Dl 

'/. m 

*/« ni 

3 ,4 111 

8. XI. Uhr. 

, bei Berührung 

1 Berührung 

2 cm 

2. XII. Lautes Sprechen 

- 

1 - 

| 3 m 

— 

Galton .... 

normal 

li normal 

M. tens. t. . . 

— 

| 




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— 621 — 


Nr. 

[1er Kranken 

Vor der Behandlung 

Nach der Behandlung 



rechtes Ohr 

linkes Ohr 

rechtes Ohr linkes Oh 


i. 

sehr 

stark 

1 

n. 

Geräusch ... . 



kein Geräusch 

Sei. 1 

Flüsterstimme . ; 

0 

0,5 cm 

0 , 3 cm 

21. IX. 

Uhr . 1 

0 

0 

bei Berührung 


Lautes Sprechen 

0 

unmittelbar I 

3 cm | l /e 111 


Galton . . . . 

normal 1 

normal 


M. tens. t. . . 

— 

i 

— i — 

10. 

Geräusch . . . ( 

0 

0 

0 0 

Sei 1 

Flüsterstimmo . 

0 

normal 

0 normal 

29 X. 

Uhr . 

0 


1,5 cm r 

30. XI. 

Lautes Sprechen 

unmittelbar 


V« m » 


Galton .... 

normal 

normal 


M. teils, t. . 

— 

— 

— i — 

11. 

Geräusch . . . 

stark 

sehr geringfügig 

Scl.l 

Flüsterstimme . 

0 

0 

\e i» | 1 4 ™ 

23. X. 

Uhr .j 

0 

0 

0 1 Berührun, 

7. XII. 

Lautes Sprechen 1 

unmittelbar 

V« m 

Vs m | *, 3 in 


Gal ton .... 

normal 

normal 


M. tens. t. . 

0 

0 

mangelhafte Funktion 

12. 

Geräusch . . . ' 

stark 

v Kindheitan 

verschwund. nach der 


1 



Sitzung 

Sei. n 

Flüsterstimnie . 

0 

Ve m 

0 . 0 v 

«. XI. 

Uhr. 

0 

0 


9. XII. Lautes Sprechen 

— 

— 

V 12 m 1 m 


Galton .... 

normal 

normal 


M. tens. t. . . 

mangelhafte Funktion 

— | — 

13. 

Geräusch . . . ; 

stark 

nur des Nachts 

Sei. 11 

Flüsterstimme . i 

8 m 

3 m 

13 m 13 m 

14 X. 

Uhr . 

3 4 m 

3 t m 

3 /4 111 s / 4 111 

9. XII. 

Lautes Sprechen 


— , 

— — 


Gal ton .... 

normal 

normal 


M. tens. t. . . 

mangelhafte Funktion 

weit besser 

14. 

Geräusch . . . 

starkes Geräusch 

nur beim Liegen 

Sei. 11 

Flüsterstimme . 

4 m 

2 m 

5 m 5 m -) 

28. X. 

Uhr. t 

7. jn 

Ve m 

V 2 m * Yi m 

7. XII. 

Lautes Sprechen 



i 


Galtou .... 

normal 

normal 


M. tens t. . . 

inaktiv 

mangelhafte Funktion 

15. 

Geräusch . . . 

stark 

geringfügig 

Sei 11 

Flüsterstimme . 

\e in 

1 m 

1 m 1 ’/.> m 

17. XI. 

Uhr. 

0 

2 cm 

2 cm 2 cm 

7. XII. 

Lautes Sprechen 

— 

— 

— — 


Galton .... 

normal 

normal 


M. tens. t. . . 

mangelhafte Funktion 1 

— — 


1 ) 9. XII. Der Patient bat sich erkältet und Schnupfen zugezogeu, worauf 
sich das Gehör verschlimmerte Septum-Resektion. 

2 ) Der Patientin wurde am 28 X eine Exzision gemacht, worauf sich das 
Gehör erweiterte: bis zum 15. XI. war das Geräusch ebenso stark wie vor der 
Operation, verschwand aber nach der Faradisation fast vollständig. 


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— 622 — 



Nr. d 

er Kranken 

Vor der Behandlung 

Nach der Behandlung 




rechtes Ohr 

linkes Ohr 

rechtes Ohr 1 

linkes Ohr 

16. 


Geräusch . . . 

sto 

rk 

; '' V' J 

• weit schwächer 


Sei 1 

Flüsterstimme . 

Ve m 

0 

V« m 

2 cm 

2 

3. X. 

Uhr. 

0 

0 

3 cm 

Berührung 

11 

XII. 

Lautes Sprechen 

1 m 

unmittelbar 

J ,5 in 1 

’/« ni 



Galton .... 

, normal 

2,5 Teilg 

normal | 

2.5 Teilg. 



M tens. t. . . 

inaktiv 

mangelhafte 

Funktion 

17. 


Geräusch . . . 

sehr 

stark 

nach wie vor 

Sei. II 

Flüsterstimme . 

2 cm 

— 

2 cm 

— 

2. 

XII. 

Uhr. 

0 

— 

0 

— 

9. 

XII 

Lautes Sprechen 

1 4 m 

— 

’/a ni 

— 



Galton .... 

5 Teils- 

— 

ö Teilg. 

— 



M. tens. t. . . 

mangelhafte 

— 

mangelhafte 

— 




Funktion 


Funktion 


IS. 


Geräusch . . . 

sh 

irk 

fast imve 

'ändert 

Sei. II 

Flüsterstimme . 

0 

0 

unmittelbar 1 

o 


6. X. 

Uhr. 

bei Berülirg. 

0 

0 

0 

14 

XII. 

Lautes Sprechen 

— 

— 

7» m 

0 



Gal ton .... 

2,6 Tel lg. 

17.6 Teilg. 

2.6 Teilg. 

17.6 Teilg. 



M tens. t. . . 

inal 

vtiv 

desgleichen 

19. 


Geräusch . . 

sehr 

stark 

unveräi 

idert 


Sei. I 

Flüsterstimme . 

0 

0 

0 

0 

30 

. XL 

Uhr . ... 

0 

0 

0 

0 

9. 

XII. 

Lautes Sprechen 

0 

3 cm 

0 

3 cm 



Gal ton .... 

11.5 'fei lg. 

4.0 Teilg. 

11,5 Teilg 

4,o Teilg. 



M. tens. t. . . 

gesteigerte 

- Funktion 

gesteigerte 

Funktion 

20. 


Geräusch . . . 

stark 

unverändert 


Sei. I 

Flüsterstimino . 

0 

0 

— 

— 

1. 

XII. 

Uhr. 

1 cm 

0 

— 

— 

8. 

XII. 

Lautes Sprechen 

i.r> m 

1 m 

— 

— 



Galton-. . . . 

1.9 Teilg. 

6,6 Teilg. 

— 

— 



M tens. t. . . 

i fast i 

ormal 

— 

— 


Patienten nicht mehr glauben, daß er früher schlecht gehört hatte. 
Die Patientin im Falle 9 hatte schon vier Jahre mit dem rechten Ohre 
fast gar nichts zu hören vermocht und sich mit ihrem Uebel bereits 
abgefunden. Nach einigen Sitzungen wurde das Gehör auf diesem 
Ohre besser als auf dem linken, mit dem sie bis jetzt gehört hatte. 
Im Falle 4 mußte der Patient sein einigermaßen perzipierendes linkes 
Ohr dem Sprechenden nähern und dabei mit der Hand hinter das Ohr 
fassen. Nach einer Behandlungsdauer von 1 Monat war er bereits im 
Stande, lautes Sprechen mit diesem Ohre in einer Entfernung von 
B m zu vernehmen. Im Falle 6 hörte die Patientin vor der Be¬ 
handlung weder das Ticken der Uhr, noch die Flüsterstimme. Lautes 
sprechen hörte sie nur in unmittelbarer Nähe. Nach einer Behandlungs¬ 
dauer von 2 Monaten konnte sie bereits Flüsterstimme in einer Ent- 


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— 623 — 


fernung von 4, das Ticken der Uhr in einer solchen von 2 cm, lautes^ 
Sprechen in einer Entfernung von 2 m hören. Im Falle 7 hatte der 
Patient lautes Sprechen am 23. X. unmittelbar am Ohre gehört, am 
23. XI. konnte der Patient lautes Sprechen bereits in einer Entfernung 
von 1 m hören. Ungefähr dasselbe weisen auch die übrigen Beob¬ 
achtungen auf, und ich möchte die Aufmerksamkeit des Lesers mit 
der Aufzählung von gleichartigen Tatsachen nicht ermüden. Ich möchte 
nur auf eine Beobachtung besonders hinweisen, welche dafür spricht, 
daß der M. stapedius in bedeutendem Grade geschwächt ist. Ost¬ 
mann hat an Hunden nachgewiesen, daß das Aufhorchen mit einer 
Kontraktion des M. stapedius einhergeht. Bei Sklerotikern wird die¬ 
selbe Erscheinung beobachtet. Zu Anfang der Untersuchung zeigen 
sie intensiveres Gehör als später, eben weil ihr M. stapedius ermüdet 
und zu funktionieren aufhört. Im Falle 1 hatte die Faradisation den 
M. stapedius gekräftigt. In diesem Falle wurde Flüsterstimme un¬ 
mittelbar am rechten Ohre und am linken Ohre in einer Entfernung 
von l / 3 m gehört. Vom 13.—25. X. wurde nur das rechte Ohr faradi- 
s : ert, und am 25. ergab die Untersuchung des Gehörs: mit dem rechten 
Ohre hörte der Patient das Ticken der Uhr in eiuer Entfernung von 
7 cm, mit dem linken in einer solchen von 1 l f . m. Bei den wieder¬ 
holten Untersuchungen begann das Gehör des linken Ohres rasch 
nachzulassen, während dasjenige des rechten dasselbe blieb. In dieser 
Beziehung ist auch der 2. Fall sehr lehrreich. Hier war die Besserung 
des Gehörs nach einer Behandlungsdauer von 1 Monat unbedeutend, 
indem das Gehörvermögen für die Flüsterstimme von 1 m bis auf 
V 2 m Entfernung, für das Ticken der Uhr von 0 auf 1 cm Entfernung 
gestiegen ist; bei dieser geringen Besserung des Gehörs als solchem 
hat sich beim Patienten die Akkommodation des Gehörs durch Kräfti¬ 
gung der inneren Ohrmuskeln dermaßen gebessert, daß er durch die 
Resultate der Behandlung vollauf befriedigt war und um Erlaubnis 
bat, nicht mehr kommen zu brauchen und versprach, sofort zurück¬ 
zukehren, sobald er eine Verschlimmerung verspüren würde. Seit 
seinem Fortgang ist aber mehr als ein Monat verstrichen und der 
Patient ist bis jetzt nicht wiedergekommen. Eine besondere Bedeutung 
diesem Umstande beizumessen ist natürlich nicht statthaft ; immerhin 
ist es in Anbetracht dessen, daß wir es hier mit einem intelligenten 
Manne zu tun haben, mehr als wahrscheinlich, daß er sich bis jetzt 
wohlbefindet. 

Wir wollen nun sehen, wie diese Behandlungsmethode auf die 
Ursache der Sklerose selbst, nämlich auf die inneren Ohrmuskeln, wirkt. 
Vom M. stapedius habe ich bereits gesprochen. Die Zunahme der 


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— 624 — 

Akkomodationsfähigkeit bei den mit Faradisation behandelten Patienten 
spricht für eine Hebung der Funktion des M. stapedius. Ueber die 
Funktion des M. tensor tympani kann mau unmittelbar durch mano¬ 
metrische Messungen bei der Katheterisation, nämlich nach der Größe 
und dem Charakter der Exkursionen des Tropfens im Manometer, 
urteilen. Aus meinen Beobachtungen geht mit absoluter Sicherheit 
hervor, daß die Funktion des M. tensor tympani unter dem Einflüsse 
der Faradisation zunimmt. Im Falle 1 trat nach einer Behandlungs¬ 
dauer von einem Monat an Stelle der vollständigen Inaktivität des 
M. tensor t} r mpani gute Funktion desselben ein. Im Falle 4 wurde 
die mangelhafte Funktion des M. tensor tympani nach einer Behand¬ 
lungsdauer von einem Monat eine gute. Im Falle 5 war vor der 
Behandlung von einer Kontraktion des M. tensor tympani nichts zu 
s^hen. Nach einer Behandlungsdauer von einem Monat begann aber 
der Muskel sich, wenn auch nicht vollkommen gut, zu kontrahieren. 

Meine Arbeit wäre einseitig und nicht auf der Höhe des Wahr¬ 
heitsprinzips, wenn ich mich auf die Erörterung der Fälle beschränkt 
hätte, welche unter dem Einflüsse der Behandlung mit dem faradischen 
Strome gebessert worden sind. Es waren auch einige Fälle, in denen 
die Behandlung keine fühlbaren Resultate ergeben hat. Im Falle 19 
hatten wir es mit typischer primärer Sklerose zu tun. Das normale 
Aussehen der Trommelfelle schloß jede Eventualität aus, daß das 
Mittelohr am Prozeß beteiligt sei. Es war ein veralteter Prozeß, der 
sich auf das Labyrinth ausgebreitet hatte: die Knochenleitbarkeit war 
verkürzt: die Galtonsche Pfeife hörte die Patientin von 11,5 mit dem 
rechten Ohre und von 4 Teilungen mit dem linken Ohre. Dieser Fall 
ist in der Beziehung lehrreich, daß hier die Funktion des M. tensor 
tympani nicht nur erhalten, sondern augenscheinlich sogar etwas 
gesteigert war: der Muskel kontrahierte sich noch bei der Luftein¬ 
treibung in die Mittelohrhöhle. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint 
dieser Fall meine Theorie zu widerlegen; es handelt sich aber darum, 
daß die dominierende Bedeutung nach dieser Theorie nicht dem 
M. tensor tympani, sondern dem M. stapedius zukommt, weil gerade 
dieser letztere den Steigbügel in Bewegung setzt. Man muß annehmen, 
daß der M. stapedius dem allgemeinen Gesetz des tierischen Organismus, 
wonach die wichtigsten Organe zugleich auch die lebensfähigsten und 
widerstandsfähigsten sind, unterworfen ist und infolgedessen selbst 
selten erkrankt und sekundär in Mitleidenschaft gezogen wird und 
zwar infolge von Affektion des M. tensor tympani, der allen inter¬ 
kurrenten schädlichen Einwirkungen von seiten des Nasenrachenraumes 
mehr ausgesetzt ist. Es ist aber auch eine primäre Affektion des 


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— 625 — 


M. stapedius möglich. Ein Beispiel einer solchen primären isolierten 
Erkrankung des M. stapedius liefert auch der Fall 19. Einen realen 
Boden für diese Deutung liefert die in der Klinik von Sieben mann 
in einem Falle von Otosklerose ausgeführte pathologisch-anatomische 
Untersuchung. In diesem Falle war der M. tensor tympani gesund 
während der M. stapedius bindegewebig degeneriert war; die ganze 
Kapsel der Schnecke war affiziert. Der Patient war 45 Jahre alt und 
hatte zu Lebzeiten 22 Jahre an Taubheit und 8 Jahre an Schwerhörig¬ 
keit gelitten. Aus diesem Falle geht hervor, daß durch primäre 
Affektion des M. stapedius bedingte Sklerose am schwersten verläuft 
und nur wenige Chancen für den Erfolg der Behandlung gewährt. 
Ein ganz ähnlicher Fall ist der Fall 20. Um dieselbe Affektion handelte 
es sich auch in den Fällen 17 und 18. Bei solchen Fällen ergibt die 
Faradisation eine gemeinsame Erscheinung: es gelingt bei denselben 
nicht, gleich bei der ersten Sitzung eine charakteristische Vibration 
in der Tiefe des Ohres zu erzeugen, und die Patienten beginnen erst 
von der 3. bis 4. Sitzung an dieses Gefühl zu empfinden. 

Es ist selbstverständlich noch nicht an der Zeit, davon zu sprechen, 
inwiefern die Resultate der Behandlung mit Faradisation stabil seien, 
und was sich durch diese Behandlungsmethode überhaupt erreichen 
läßt. Immerhin glaube ich in bezug auf die erste Frage annehmen zu 
dürfen, daß die Dauer der erzielten Resultate eine mehr oder minder 
bedeutende sein muß. Man kann darüber schon daraus einen Schluß 
ziehen, daß manche meiner Patienten seit längerer Zeit verreist sind 
und allem Anscheine nach eine Verschlimmerung ihres Zustandes nicht 
bemerkt haben; wenigstens hat niemand davon etwas geschrieben, 
trotzdem ich einem jeden den Rat mit auf den Weg gegeben habe, 
über den Zustand zu berichten, damit ihnen Ratschläge bezw. weitere 
Verhaltungsmaßregeln zuteil werden können. Andererseits spricht die 
Tatsache, daß der Muskel seine normale oder fast normale Tätigkeit 
wiedererlangt, dafür, daß der Erfolg der Behandlung eine mehr oder 
minder längere Zeit anhalten wird. Was die zweite Frage betrifft, 
nämlich die Frage, was man von der Behandlungsmethode zu erwarten 
habe, so muß ich vor allem auf die vollständige Unschädlichkeit der¬ 
selben hinweisen.' Dann ist unverkennbarer Nutzen vorhanden, der 
sich dadurch äußert, daß vor allem die Geräusche aufhören bezw. be¬ 
deutend nachlassen, und daß das Gehör sich bessert. In Bezug auf 
das letztere ist es wichtig, in welchem Stadium man gegen die Krank¬ 
heit vorgeht, d. h. es kommt viel darauf an, ob die Labyrinthkapsel 
bereits affiziert ist oder nicht. Ich bin der Meinung, daß, wenn wir 
in der Lage wären, das Gehör der Kinder aufmerksamer zu betrachten 


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und diejenigen Kinder, bei denen Anfänge von Sklerose vorhanden 
sind, auszusondern und entsprechend zu behandeln, wir imstande wären, 
die Zahl der Sklerosekranken bedeutend zu verringern. Daß diese 
Krankheit sch schon frühzeitig entwickeln kann, geht aus dem Falle 7 
hervor, wo bei einem achtjährigen Knaben schon vollständig entwickelte 
Skleross des linken Ohres bestand, die zu einer Zeit begonnen hatte, 
als der Knabe 2 l / 2 Jahre alt war. 

Häufig stellen die Kranken die Frage, wie lange die Behandlung 
dauern würde. Selbstverständlich ist es bei einer neuen Methode nicht 
möglich, eine bezügliche kategorische Antwort zu geben; von meiner 
Theorie über das Wesen der Otosklerose ausgehend, setze ich aber 
die Behandlung so lange fort, bis der M. tensor tympani seine Kon¬ 
traktionsfähigkeit vollständig wiedererlangt hat; hierauf muß man eine 
Pause eintreten lassen, und sobald sich der Zustand verschlimmert 
hat, die Behandlung wieder aufnehmen. 

Alles in allem glaube ich folgende Schlüsse aufstellen zu können: 

1. Bei allen mit Sklerose behafteten Personen funktioniert der 
M. tensor tympani entweder gar nicht oder in sehr schwachem Maße; 
sehr selten ist die Funktion dieses Muskels erhalten, und in diesem 
Falle muß man an eine isolierte primäre Affektion des M. stapedius 
denken. 

2. Ohrengeräusche verschwinden unter dem Einflüsse der Faradi- 
sation entweder ganz oder lassen dermaßen nach, daß sie den Patienten 
nicht mehr belästigen. 

3. Die Gehörweite wird bei dieser Behandlungsmethode größer 
hauptsächlich auf Kosten der cintretenden Besserung der Akkom¬ 
modationsfähigkeit. 

I. Bei der Faradisation muß man die Elektrode in die Mündung 
der Tuba Eustachii einführen und das Köpfchen der Elektrode gegen 
die obere Wand derselben drücken. Die zweite Elektrode setzt man 
am besten im Winkel zwischen dem Unterkiefer und dem Processus 
mastoideus an. 

5. Die Intensität des Stromes muß bei den verschiedenen Per¬ 
sonen eine verschiedene sein. In der Regel muß man den stärksten 
Strom nehmen, den der Patient zu ertragen imstande ist. 

6. Die Dauer der Sitzung beträgt 3—o Minuten, die Frequenz 
der Sitzung nicht seltener als dreimal wöchentlich. 

Zum Schluß ist es mir eine angenehme Pflicht, dem hochverehrten 
Herrn Prof. N. P. Simanowski sowohl für die freundlichen Rat¬ 
schläge, wie auch- für die Ueberlassung der interessantesten Fälle aus 
seinem Privatambulatorium, ferner den Kollegen Dr. Spengler, 


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Schewelew und Wojatschek, die mir gleichfalls interessante Falle 
zugewiesen haben, an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank zu 
sagen. 


Literatur. 

1 — 5. Politzer, Siebenmann, Scheibe, Katz und Habermann: 
Zitiert nach Denker: Die Otosklcrose, 1904, S. 39, 49, 54, 57 und 98. 

6. Zyto witsch: Kusski Wratsch, 1906, No. 23. 

7—9. Weber-Liel, Urban tschitsch, Lucae: Zitiert nach Urb au¬ 
tsch i sch, S. 486. 511. 512. 

10 Tröltsch: Lehrbuch der Ohrenkrankheiten. Hessische Ueber 
Setzung. 1879, S. 4s4. 

11. Grapcngiesser: Versuche, den Galvanismus zur Heilung einiger 
Krankheiten anzmveiulen. Berlin 1801. 

12. Jacobi: Erfahrungen über die Heilkräfte'des Galvanismus. Ham¬ 
burg 1802. 

13. Duchenne: Comptes rendus, 1847. 

14. Meyer: Die Elektrizität in ihrer Anwendung in der praktischen 
Medizin. 1854. 

15. Erdmann: Die örtliche Anwendung der Elektrizität in der Phy¬ 
siologie, Pathologie und Therapie. 1856. 

16. Ziemssen: Die Elektrizität in der Medizin. 1857. 

17. Remak: Ueber methodische Elektrisierung gelähmter Muskeln. 1855. 

18. Benedikt, Brenner, Erb. Eulenburg: Deutsches Archiv für 
klinische Medizin. 1867. III, und Lehrbuch der funktionellen Nervenkrank¬ 
heiten, 1871. 

19. Moebius: Schmidts Jahrbuch, lsS7. S. 87. 

20. ' Verhandlungen der elektrotherapeutischen Versammlung zu Frank¬ 
furt a. M. am 27. September 1891. Herausgegeben von L Ed in gor. L. La- 
queur, E. Asch und F. Knoblauch. Wiesbaden 1892. 

21. Eulenburg: Berliner klinische Wochenschrift, 1892. 

22. Boulu: Union medicale, 1S56, Nr. 03. 

23. W. I. Drosdow: Zentralblatt für die medizinischen Wissen¬ 
schaften, 1875, Nr. 17. 

24. Boetz: Deutsches Archiv für klin. Medizin, 1870, XVIII. 

25. Danion: Traitement des alVections enticulaires par l’electricite. 
Paris 1882, S. 385. 

20. de Waterville: Neurologisches Zentralblatt, 1882, S. 255 


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— 628 — 


Ein Fall von Diaphragma laryngis.‘) 

Von 

Dr. Ottersbach (Cöln a. Rh.) 

M. H.! Diesen Fall von akquiriertem Diaphragma laryngis hier 
glaubte ich Ihnen vorstellen zu sollen, einmal weil man das Dia¬ 
phragma laryngis in dieser schönen typischen Form nicht gerade 
häufig zu sehen bekommt, dann aber auch, weil unser Fall ein gewisses 
ätiologisches Interesse beanspruchen darf. 

Ich mache Sie zunächst kurz mit der Krankengeschichte bekannt. 
Mutter und Geschwister leben und sind gesund; der Vater starb im 
Alter von etwas über BO Jahren, woran ist nicht mehr zu ermitteln. 
Patient will bis zu seinem 14. Lebensjahre stets gesund gewesen sein: 
erkrankte dann schwer an Scharlach-Diphtherie, die ihn über 1 Jahr 
hinaus ans Krankenlager fesselte. Seit dieser Krankheit datiert seine 
Heiserkeit und seine Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule. In der 
Folgezeit ist er dann abgesehen von seiner Heiserkeit leidlich gesund 
gewesen, bis sich seit etwa 4 Jahren Husten und Heiserkeit und mit 
diesen sich langsam stärker machende Atemnot hinzugesellten, Be¬ 
schwerden, die ihn schließlich den Arzt aufsuchen ließen. 

Lues wird negiert. 

Status: Unser Patient ist von mittlerer Größe, schlechtem Er¬ 
nährungszustände und blassem Aussehen mit einem gewissen dys- 
pnoischen Gesichtsausdruck. 

Es besteht eine ausgesprochene Kyphoskoliose fast der ganzen 
Brustwirbelsäule nach links. Als Patient in meine Behandlung trat r 
bestand ein diffuser Katarrh über der ganzen Lunge, der jetztziemlich 
gewichen ist. 

Beim Atmen bleibt die rechte Lungenseite noch etwas zurück, 
hier ist vorn von der 3. Rippe an abwärts eine deutliche Dämpfung, die 
sich bis über die Mitte der Achsellinie erstreckt und hört man hier 
mittel- und großblasiges Rasseln. Tuberkelbazillen konnten im Aus¬ 
wurf nicht nachgewiesen werden. 

Cor und Abdomen ergeben nichts Pathologisches. Was nun die 
Stimme anlangt, so vermag Patient wie Sie sich überzeugen, sich in 
diesem Saale noch leidlich verständlich zu machen, sie ist zwar tonlos, 
aber noch gut vernehmlich. Bei der laryngoskopischen Untersuchung 
fällt zunächst ein großer Defekt des linken Teils der Epiglottis auf: 
sieht man nun in den Larynx hinein, so erkennt man auf den ersten 
Blick in der Ebene der Stimmbänder eine derbe, weißliche, narbige 


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Membran; sie beginnt au der vorderen Kommissur und erstreckt sich 
nach hinten bis annähernd den Processus vocales entsprechend, hier 
einen Spalt der Glottis frei lassend, der am meisten einem gleich¬ 
schenkligen Dreieck entspricht, dessen Basis die hintere Larynxwand 
ist, und dessen Seiten das Diaphragma selbst bildet. 

Beim Phonieren bleibt im vorderen Drittel über dem Diaphragma 
eine Lücke, durch die dasselbe sichtbar bleibt, während es sonst vo n 
den falschen Stimmbändern verdeckt wird. 

Aetiologisch denkt man beim Anblick des Defektes der Epiglottis 
wohl zunächst an Lues; eine Infektion wird geleugnet und lassen 
sich beim Patienten sonst auch nirgends Spuren einer Überstandeiven 
Lues nachweisen; auch ist seine Frau gesund, hat 3 gesunde Kinder 
und nie abortiert. Tuberkulose ist bei unserem Bilde, obwohl man 
die Lungenerkrankung trotz des negativen, mikroskopischen Befundes 
für Tuberkulose ansprechen muß, gleichfalls auszuschließen; überdies 
sind die Angaben des Patienten über die Entstehung seines Leidens 
während des in der Jugend überstandenen Scharlach-Diphtherie so ein¬ 
deutig und zwingend und stimmen auch mit unseren sonstigen Er¬ 
fahrungen über narbige Veränderungen im Larynx nach Scharlach- 
Diphtherie überein, daß wir auch hier die Entstehung des Diaphragmas 
auf die überstandene Scharlach-Diphtherie zurückführen müssen. 

Meine Therapie war znnächst eine abwartende, roborierende 
und es zeigte sich, daß an der Atemnot hauptsächlich der diffuse 
Katarrh auf der Lunge schuld war; denn mit diesem schwanden auch 
zum größten Teile die Atembeschwerden. Patient hat jetzt leidlich 
Luft, geht seinem Berufe, er ist Schriftsetzer, wieder nach und kommt 
sogar seit einigen Tagen per Rad aus einem nahegelegenen Vororte 
zu mir in die Sprechstunde gefahren. Für eine eingreifende Therapie,. 
Wegnahme des Diaphragma, spräche höchstens die Erwägung, daß 
bei Verschlimmerung des Lungenbefundes die Respiration noch be¬ 
deutend verschlechtert und das Expektorieren sehr behindert würde. 
Eine erhebliche Verbesserung der Sprache ist wohl durch die Operation 
nicht zu erzielen, wenn sie nicht gar noch verschlechtert wird. 


4 ) Nach einem Vortrage, gehalten in der Friihjahrsversammlung der 
westdeutschen Hals-, Nasen- und Ohrenärzte. Cöln 1908. 


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Die klinische Verwertung pathologisch-histologischer 

Diagnosen. 1 ) 

Von 

Dr. Hecht (München). 

M. H.! Die interessante Arbeit Rovsings 2 ), die sie ja wohl alle 
gelesen haben werden, regte mich an, auch in unserem Kreise das 
gleiche Thema einmal zur Sprache zu bringen. 

Die direkte Veranlassung hierzu gaben mir zwei Kranke, deren 
Krankengeschichten ich Ihnen zunächst bekanntgeben möchte: 

Fall I: 31 jähriger Beamter, tritt 1904 in meine Behandlung, mit 
der Angabe, seit 4 Jahren an Heiserkeit mit zeitweiligen Remissionen 
zu leiden. Vor einem Jahre wurde Patient bei einem hiesigen Laryngo- 
logen längere Zeit mit vorübergehender Besserung mittels Jodkali 
behandelt. Wenig Husten, kein Auswurf, keine Schluckbeschwerden, 
keine Abmagerung, keine Nachtschweiße. 1895 „Bläschen“ am Glied, 
das mit Jodoformsalbe abheilte, kein Ausschlag, keine weitere Behand¬ 
lung. Vater gestorben an „Lungenschwindsucht“; Mutter und Ge¬ 
schwister gesund; verheiratet seit 7 Jahren, keine Kinder, keine Aborte. 

Objektiver Befund: Kräftig gebauter, wohl genährter Mann von 
gesundem Aussehen; Stimme heiser. Pulmones: Schalldifterenz über 
beiden Spitzen, rechts vorn und hinten oben Atemgeräusch etwas ver¬ 
schärft, sonst nichts nachweisbar. Grenzen gut verschieblich. Mäßige 
Infiltration der Hals- und Nackendrüsen, sonst keine Drüsenschwellungen 
fühlbar. Am Membrum nichts nachweisbar. Larynx: Epiglottis an 
der linken Seite zur Hälfte fehlend, Rest oberflächlich ulzeriert, grau 
verfärbt, leicht ödematös, überlagert Larynx derartig, daß nur die hintere 
Hälfte desselben sichtbar ist. Rechte Stimmlippe in Ordnung, linke 
kommt nicht zu Gesicht: dieselbe ist durch einen rosaroten, wie gekörnt* 
granulierend aussehenden Tumor der Taschenlippengegend anscheinend 
vollkommen überlagert, der sich auf das Ligamentum arv-epiglotticum 
hinüberzieht. Die ganze, linke Larynxhälfte ist geschwollen, gerötet 
und leicht ödematös. Der linke Ary- und besonders Santorinische 
Knorpel hängt nach vorne und seitlich über in den Larynx hinein. 

9 Vortrag, gehaltcu in der laryngo-otologischen Gesellschaft Müuchen 
am 9 November 1908. 

2 ) Urber die Sicherheit der histologischen Geschwulstdiagnose als Basis 
radikaler chirurgischer Eingriffe. (Münchener medizinische Wochenschrift 
1908, Nr. 38.) 


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Die rechte Taschenlippe ist gleichfalls mäßig infiltriert, die rechte Ary- 
gegend leicht ödematös. 

Behufs differentialdiagnostischer Klärung — ob Lues oder Tuber¬ 
kulose — gab ich Patienten für einige Wochen Jodkali ohne jeglichen 
Erfolg. Sputum zur Untersuchung war nicht zu erhalten. 

Ich exzidierte deshalb im November je ein Stückchen vom ulze- 
rierten Teil der Epiglottis und dem Tumor der Taschenlippe und 
sandte beide ins pathologische Institut zur Untersuchung. Ich erhielt 
folgenden Befund: 

„Beide Stückchen zeigen denselben Bau, sind beide von Platten¬ 
epithel überzogen; rundzellige Infiltration perivaskulär. Subepithelial 
finden sich beiderseits kleine Knötchen vom typischen Bau der Tuberkel 
ohne Nekrose* 4 . Diagnose: „Tuberkulose der Epiglottis und des 
linken Taschenbandes.* 4 (Dr. Oberndorfer). Damit war für mich 
die Diagnose Larynxtuberkulose, wahrscheinlich mit Perichon- 
dritis des linken Aryknorpels, und damit auch die Therapie gegeben. 

Neben entsprechender Allgemeinbehandlung behandelte ich das 
erkrankte Gebiet in den nächsten Monaten wiederholt mit galvano¬ 
kaustischem Tiefenstich und erzielte damit subjektiv und objektiv eine 
deutliche Besserung, die sich im Zurückgehen der Oedeme und nar¬ 
biger Schrumpfung des Granulationstumors, sowie Aufhellung der 
Stimme äußerte. 

Ende Januar 1905 zeigte sich eine allmähliche zunehmende, derbe 
Vorwölbung an der Articulatio sternoclavicular. dextr., über der sich 
die Haut gut verschieben ließ. 

Der Tumor wurde weich, zeigte Fluktuationsgefühl und wurde 
von dem Bahnarzt Herrn Dr. Feßler, teilweise auf Grund meiner 
anamnestischen Mitteilungen als Knochentuberkulose angesprochen 
und mittels Jodoform-Glyzerin-Injektionen behandelt. Im April brach 
der Tumor spontan auf, wurde ausgelöffelt und zeigte in der Folge 
eine deutliche Heilungstendenz. 

Anfangs Juli ging Patient für einige Monate nach Bad Reichen¬ 
hall, woselbst Hals- und Brustaffektion als Lues angesprochen und 
mit großen Dosen Jodkali und Jodipin, neben täglichen Sole-Inhala¬ 
tionen behandelt wurden. 

Im September 1905 sah ich Patienten wieder und konnte eine be¬ 
deutende Besserung aller Symptome bei ziemlich klarer Stimme fest¬ 
stellen. Der große Defekt an der Brust war nahezu abgeheilt. Das 
Gewicht von 76 kg im Januar und 81 kg bei Abreise im Juli auf 84,5 kg 
gestiegen. 


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— 632 - 


Ich wurde nun in meiner Diagnose wieder etwas unsicher uiuH 
nahm eine Mischinfektion (Lues und Tuberkulose) an. 

Im November zeigte ich Patient einem Dermatologen, da die- 
Biust noch immer eine kleine, spärlich sezernierende Fistel zeigte. 
Auch dieser Kollege konnte keinen weiteren Hinweis für Lues finden,, 
riet aber doch auf Grund des ganzen bisherigen Verlaufes zu einer 
Inunktionskur, die Patient bisher noch nie durchgemacht hatte. 

Nach sechswöchentlicher Schmierkur bot außer einem Wechsel 
in dem Oedembefunde beider Arygegenden der Larynx stets das- 
gleiche Bild. 

Im März 1906 trat wieder eine stärkere Schwellung der linken. 
Taschenlippe mit vollständiger Ueberlagerung der linken Stimmlippe,, 
sowie eine ulzerierende Schwellung des hinteren Drittels der rechten 
Taschenlippe auf, die auf die Regio interarytaenoidea Übergriff. Ich. 
griff nun wieder zur Galvanokaustik und erreichte damit vorübergehend, 
wieder eine Besserung. Der Lungenbefund bot bei wiederholten. 
Untersuchungen stets das gleiche Bild, nur daß die zeitweise Laiy-nx- 
Stenose den Charakter des Atemgeräusches trübte. 

Auf Grund der vorjährigen Erfolge schickte ich Patienten im Juni 
wieder nach Bad Reichenhall. 

Im September 1906 stellte sich Patient mit 83,5 kg Gewicht,, 
gutem Allgemeinbefinden und wenig verändertem Kehlkopfbefund 
wieder vor. Die Fistel an der Brust war narbig geschlossen. 

Bei dem vorzüglichen Allgemeinbefinden erwog ich die Frage. — 
gestützt auf die neuerdings berichteten guten Operationsresultate — ob sich 
nicht auf dem Wege der Laryngofissur vielleicht doch noch ein Erfolg 
erzielen lasse. Ich wollte jedoch diese Frage nicht allein entscheiden, 
und bat Herrn Prof. Neumayer, sich den Patienten einmal anzusehen. 
Auf Grund unserer Besprechung beschlossen wir, ehe wir uns wegen, 
eines größeren Eingriffes schlüssig machten, nochmals eine Probe¬ 
exzision und mikroskopische Untersuchung vorzunehmen, da der lokale 
Befund und der ganze bisherige Verlauf, das dauernd gute Allgemein¬ 
befinden, es zum mindesten zweifelhaft erscheinen ließen, ob der Kehl¬ 
kopfprozeß als ein rein tuberkulöser anzusprechen sei. 

Mitte Oktober 1906 exzidierte ich aus dem Testierenden Tumor 
der linken Taschenlippe ein Stück und sandte es wieder zur Unter¬ 
suchung ins pathologische Institut ohne weitere anamnestische An¬ 
gaben. 

Ich erhielt folgenden Befund: 

„Der übersandte Tumor von der linken Taschenlippe besteht aus 
einem sehr straffen, dichtfaserigen, fibrillären Bindegewebe mit kleinen,. 


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633 — 


dunklen, spindelförmigen Kernen. In diesem Bindegewebe verlaufen 
ziemlich zahlreiche, dünnwandige Blutgefäße mit hohem Endothel und 
großen Endothelkernen. Diese Gefäße enthalten teilweise ziemlich 
reichliche, weiße Blutkörperchen, auch liegen an einzelnen Stellen 
kleine Lenkozytenhäufchen in unmittelbarer Nachbarschaft der GefäL’e 
frei im Gewebe. 

Das Tumorbindegewebe läuft nach oben in einen ganz “Bachen, 
etwas zellreicheren Papillarkörper aus, welcher an den meisten Stellen 
mit einem vielschichtigen Plattenepithel bedeckt ist. Dieses trägt 
reguläre zylindrische Basalschicht. An einzelnen kleinen Stellen ist 
niedriges Uebergangsepithel vorhanden und kleine Partien der Ober¬ 
fläche lassen überhaupt jeden Epithelbelag vermissen. 

Diagnose: Einfaches Fibrom der Taschenlippe. u (Prof. Dürck.) 

Von der Annahme ausgehend, daß das exzidierte und zur Unter¬ 
suchung eingesandte Stück durch die in dieser Gegend wiederholt 
vorgenommene Kaustik wohl zur Klärung nicht geeignet sei, nahm 
ich eine abermalige Probeexzision vor und zwar 1. aus der Mitte der 
geschwellten rechten Taschenlippe in deren ganzen Dicke (hier hatte 
der Kauter noch nie gebrannt) und 2. aus der verdickten Epiglottis, 
an deren abgeheiltem freien Rand sowohl, wie von der Oberfläche der 
unberührten, intakten linken Seite. Dieselben gingen gleichfalls, wieder 
ohne irgend einen Hinweis auf den bisherigen Zusammenhang, ins 
pathologische Institut. 

Der neue Befund lautete: „Beide Stücke zeigen unter dem recht 
dicken Epithelüberzug eine eigentümliche, durch große lymphozytenartige 
Zellen ausgezeichnete Entzündung mit kapillären Blutungen (Kunst¬ 
produkt durch Operation); die großen Lymphozyten, untermischt mit 
Mastzellen, sind z. T. in Haufen vereinigt, zum Teil in Gewebsspalten 
hintereinander aufgereiht. An anderen Stellen, besonders dicht unter 
dem Epithel trägt die Entzündung durch ihre Beziehung zu den Ka¬ 
pillären mehr den Charakter des Syphilitischen. 

Diagnose: Eigentümliche Entzündung; Lymphomatosis? Syphilis.* 1 
(I. V. Dr. Rößle.) 

Diese Mitteilung veranlaßte mich mit Herrn Prof. Dürck die 
ganze Krankheitsgeschichte durchzusprechen und um Aufklärung über 
die anscheinenden Widersprüche der histologischen Untersuchungs¬ 
befunde zu ersuchen. 

Herr Prof. Dürck behielt sich sein Urteil bis nach Durchsicht 
des gesamten letzteingesandten Materiales vor. Ein Präparat des 
s. Zt. von Herrn Dr. Oberndorfer untersuchten Stückes war leider 


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nicht mehr aufzufindeu. Nach wenigen Tagen erhielt ich von Herrn 
Prof. Dürck folgende Mitteilung: 

„Es liegen jetzt auch die Paraffinschnittpräparate des Falles vor. 
Die Präparate aus dem Taschenband ergeben wieder die gleiche fibröse 
Massenzunahme, welche mich schon einmal bei meiner ersten Unter¬ 
suchung zu derDiagaose „Fibrom“ veranlaßte. Das Stratum proprium 
der Mucosa ist sehr stark durch zellarmes, fast f^alines Bindegewebe 
verstärkt. In dem plumpen Papillarkörper finden sich einige Rund- 
zelleninfiltrate. Das Bindegewebe ist von vielen sehr dünnwandigen 
Gefäßen durchzogen. 

Etwas anders sieht das Bild in der Probeexzision von der Epi- 
glottis aus. Auch hier herrscht eine ähnliche fibröse Verdichtung, 
doch ist das bedeckende Plattenepithel an einer Stelle von einem Sub¬ 
stanzverlust durchbrochen, in dessen Grunde massenhafte außerordent¬ 
lich dichte, fragmentiert-kernige Lenkocyten liegen; viele von diesen 
sind auf der Durchwanderung durch das Epithel begriffen. Auch an 
den übrigen Stellen ist die subepitheliale Schicht hier stärker in¬ 
filtriert; namentlich finden sich perivaskulär starke Anhäufungen von 
Leukozyten. 

Ich glaube nach diesem Befund Tuberkulose ausschließen, Lues 
als mindestens wahrscheinlich annehmen zu dürfen.“ 

Auf Grund dieses Befundes beschlossen wir natürlich von einem 
größeren, extralaryngealen Eingriff abzusehen. 

Patient bekam wieder Jodkali, der lokale Befund hielt sich für 
den Rest des Jahres in den bisherigen Grenzen, das Allgemeinbefinden 
blieb dauernd gut. 

Nach längerem Jodkaligebrauch traten anfangs 1907 wiederholt 
kleine schmerzhafte periostale oder ostale Auftreibungen auf, die bei 
Aussetzen des Jodes wieder verschwanden. März—April 1907 machte 
Patient seine zweite 6 wöchentliche Inunktionskur (3, 4 und 5 g Hg.- 
Mitine) durch. Der Larynx wurde allmählich wieder freier, die Oedeme 
gingen zurück, die Stimme wurde heller und klarer. Dieses Jahr 
schickte ich Patienten nach Bad-Tölz, woselbst er einer drei¬ 
wöchigen Kur (Jod intern, Jodbäder und gleichzeitig Inunktionskur) 
sich unterzog. 

Der Befund bei seiner Rückehr im Juni 1907 ergab einen be 
deutenden Rückgang beider Aryödeme mit guter Wiederkehr der 
Beweglichkeit; Sinus pyriformes treten freier hervor, auch links; 
Larynxinneres: in der Gegend der linken Taschenlippe ein geröteter Narben- 
sträng, der die linke Stimmlippe verdeckt; rechte Stimmlippe frei, 


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— 635 - 


■wenig gerötet, hintere Wand wenig gerötet. Epiglottisstumpf reaktions¬ 
los. Brust abgeheilt, gerötete, keloidartige Narbe. 

In der zweiten Hälfte 1907 hielt sich der lokale Befund — bei 
dauernd ausgezeichnetem Allgemeinbefinden — in den gleichen Grenzen; 
zeitweise traten wieder ein wenig stärkere Oedeme der Arygegend auf; 
ein Ulcus der pharyngealen Fläche des Epiglottisstumpfes heilte auf 
Argentumbetupfung rasch ab. Die Narbe auf der Brust brach wieder 
auf und heilte nach einigen Wochen wieder zu; Patient nahm zeit¬ 
weise Jodkali oder Sajodin. Im ersten Viertel des Jahres 1908 wieder¬ 
holte sich das gleiche Spiel, dann trat Ende März ein stärkeres Ary- 
ödem auf, die Motilität des Kehlkopfes war bedeutend herabgesetzt, 
die gesamte Schleimhaut sah aufgelockert, geschwellt und gerötet aus 
und verengerte bei vollkommener Aphonie die Rima respiratoria. Auf 
Jodipin und elektrische Lichtbäder trat vorübergehend Besserung ein, 
doch gesellten sich mit zunehmender Verschlechterung auch Schluck- 
beschwerden, besonders beim Leerschlucken, hinzu. Das Allgemein¬ 
befinden blieb dabei auffallenderweise immer ein gutes, wer den Patienten 
sah, ohne ihn und sein Leiden zu kennen, hätte nie einen so schweren 
Krankheitsprozeß vermutet. 

Im April sah Herr Professor Neumayer den Kranken wieder 
und konnte nur den Befund und die Machtlosigkeit unseres thera¬ 
peutischen Rüstzeuges bestätigen. 

Es trat nun für den Fall zunehmender Atemerschwerung die 
Frage der Tracheotomie oder besser einer partiellen intralaryngealen 
Exzision der geschwellten Gewebe im Gebiet einer Taschen- und event. 
auch Stimmlippe au uns heran, doch konnte ich mich, da Patient nie 
über Luftmangel klagte, vorerst nicht dazu entschliefen. 

So zog sich die Erkrankung weiter dahin. 

Ende Juni beabsichtigte Patient wieder nach Bad-Reichenhall 
zu gehen. 

Kurz vor seiner Abreise zeigten sich abendliche Temperatur¬ 
steigerungen, trotzdem ließ ich ihn abreisen. 

Seitdem habe ich den Kranken nicht wieder gesehen und wollte 
gerade dieser Tage an ihn schreiben und ihn ersuchen, mich einmal 
aufzusuchen, um seinen Kehlkopf zu besichtigen und seine Genehmi¬ 
gung zur Vorstellung in unserer Gesellschaft einzuholen, als ich in 
der Zeitung seine Todesanzeige las. 

Herr Kollege Hösch, der den Patienten in den letzten Monaten 
behandelte, teilte mir auf Befragen mit, daß seit einigen Monaten nach 
Rückkehr des Patienten Husten und Auswurf aufgetreten sei, wobei 
gleich anfangs im Sputum zahlreiche Tuberkelbazillen gefunden wurden. 


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Die Erkrankung zeigte das Bild der fortschreitenden Tuberkulose, der 
Exitus erfolgte an tuberkulöser Pneumonie. Irgendwelche besonderen 
Erscheinungen von seiten des Kehlkopfes oder diesbezügliche Klagen 
seitens des Kranken waren nicht zu verzeichnen. Eine Autopsie wurde 
leider nicht vorgenommen. 

Und nun zum Fall II: 

Ende Januar dieses Jahres kam die 49 jährige Wäscherin R R. in meine 
Sprechstunde mit der Klage über „wehe Nase“. 0 bj ekti v zeigt sich die 
Nasenspitze geschwollen, gerötet, stellenweise ulzeriert und verkrustet; 
vorne an der Spitze lag ein kraterförmiges Ulcus frei. An den Wangen 
zeigten sich beiderseits vereinzelte, gerötete, erhabene Hautpartien 
von unregelmäßiger Konfiguration. Das Kavum narium zeigte rechts 
etwas geschwollene Muschelschleimhaut, sonst nichts von der Norm 
Abweichendes, links war die Septumsschleimhaut vorn oben verdickt, 
leicht granulierend, desgleichen die Schleimhaut auf der mit der links¬ 
seitigen Krista Kontakt zeigenden unteren Muschel, sowie an der mitt¬ 
leren Muschel. Des ferneren zeigte sich eine geschwellte und ulzerierte 
Partie an der inneren Seite des linken Nasenflügels. Nasenrachenraum 
ohne Besonderheit. 

Ich machte nun eine Probeexzision außen am Ulcusrand und 
sandte diese nebst einem Stückchen Granulationsgewebe aus dem linken 
Kavum an Herrn Prof. Dürck zur Untersuchung. Gleichzeitig ver- 
ordnete ich der Patientin intern Jodkali. 

Herr Dürck erhob folgenden Befund: „Die Probeexzisionen aus der 
Nase der 49 jährigen Frau sind doch ein Plattenepithelkarcinom. Man 
sieht auf einigen Schnitten tief eindringende Epithelzapfen von ganz 
unregelmäßiger Schichtung.“ 

Diese Diagnose konnte ich mit dem klinischen Befund nicht ganz 
in Einklang bringen. Ich bat dann Herrn Gilmer, die Patientin an¬ 
zusehen, ob ihm das Krankheitsbild als Karzinom imponiere, und wenn 
ja, ob er eine Röntgentherapie für geeignet halte, oder ob man zu 
einer — noch möglichen — radikalen Exstirpation, die allerdings einen 
großen Defekt gesetzt hätte, schreiten solle. Auch Herr Gilmer 
äußerte Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose und vermutete eine 
ulzerierte Akne rosacea. 

Ich machte daher nochmals eine Probeexzision außen und im 
Kavum und kürettierte gleichzeitig gründlich das erkrankte Gebiet im 
linken Kavum. Das gesamte exzidierte Gewebe, sandte ich — nach 
vorheriger Besprechung — an Herrn Prof. Dürck, dessen erneute 
Untersuchung folgenden Befund zeitigte: 


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„Die heutige Zusendung sieht ganz anders aus als neulich. Es 
bilden an den geschnittenen Stücken — und ich habe alles geschnitten 
— die typischen Epithelwucherungen, welche mich zur Diagnose Karzi¬ 
nom veranlagt hatten. Die meisten Stücke erwiesen sich auf der 
•Oberfläche von Zylinder- oder von Uebergangsepithel überzogen, von 
hier reichen zahlreiche einschichtige Diüsenschläuche in die Tiefe. Das 
-eigentliche Gewebe besteht aus einem ungemein zellreichen Granu¬ 
lationsgewebe mit dichten Rundzellenanhäufungen, in welches ganz 
«unzweifelhafte Tuberkel mit zentralen Riesenzellen und eben be¬ 
ginnender geringer Verkäsung eingestreut sind. Einige Stückchen 
.zeigen wieder den papillären Bau wie neulich. Es war von der neu- 
lichen Einsendung von tuberkulösem Granulationsgewebe gar nichts 
.gefaßt. Uebrigens halte ich es auch jetzt noch nicht für ganz aus¬ 
geschlossen, daß sich auf dem Boden der Schleimhauttuberkulose, 
•welche hier vorliegt, ein Kankroid etabliert, was man ja öfter sieht 14 . 

Auf Grund dieser geänderten Diagnose entschlossen wir uns nun 
.zum Versuche einer Röntgenbehandlung. Gleichzeitig exzidierte ich 
<lie raumbeengende Spina der linken Seite und kratzte nochmals das 
.ganze erkrankte Gebiet im Kavum gründlich aus. 

lieber die Applikation der Röntgenstrahlen und ihre Wirkung bei 
-der Patientin wird Ihnen Herr Kollege Gilmer bei der Diskussion 
berichten. Bei der Kontrolle des Naseninnern, das schön abheilte, 
zeigte sich im Mai ein Ulcus-Rezidiv vorn oben auf der Innenseite des 
linken Nasenflügels, auf das Dach übergreifend. Der galvanokaustische 
'Tiefenstich brachte auch diese Stelle bald wieder zur Abheilung. 

Mit August entzog sich Patientin einer weiteren Kontrolle und 
suchte erst vor wenigen Tagen auf ausdrücklichen Wunsch meinerseits 
mich wieder auf* sie hatte inzwischen auch die Röntgenbehandlung 
unterbrochen und bot ein wenig erfreuliches Bild des Nasenäußeren, 
•wovon Sie sich heute selbst überzeugen können; auch auf der Innen¬ 
seite des linken Nasenflügels zeigt sich ein neues Ulcus, das in deu 
letzten Tagen eine ausgesprochene Tendenz zur Flächenausbreitung 
•erkennen läßt. 

Betrachten wir nun beide Fälle epikritisch, so müssen wir den 
ersten als eine in Form und Verlauf wohl seltene Mischinfektion 
•von Lues und Tuberkulose ansprechen, bei dem der sowohl klinisch 
wie im therapeutichen Effekt schwankende lokale Befund durch die 
wechselnde pathologisch-histologische Diagnose in seiner Deutung noch 
•erschwert werde. Daß der Larynxprozeß wohl mindestens vorwiegend 
luetischer Natur gewesen, erscheint mir um so wahrscheinlicher, als der¬ 
artig destruktive Prozesse auf tuberkulöser Basis sicher nicht vier 


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Jahre lang bei andauernd vorzüglichem Allgemeinbefinden gewisser¬ 
maßen stationär andauern. Was nun kürzlich die bisher latente Lungen¬ 
tuberkulose plötzlich zu einer derartig malignen Entwicklung veranlaßte, 
entzieht sich meiner Beurteilung. Doch glaube ich annehmen zu dürfen, 
daß die im Laufe von vier Jahren vorgenommenen drei Inunktions- 
kuren sowie die großen Mengen Jod in verschiedener Form nicht für 
das weitere Fortschreiten und für das plötzliche Aufflackern der Lungen¬ 
tuberkulose irgendwie als Noxe verantwortlich gemacht werden 
dürfen, sondern im Gegenteil das bisherige Befinden des Kranken und 
den Verlauf der Erkrankung in den letzten Jahren günstig beeinflußt 
haben. 

Der zweite Fall dürfte wohl auf Grund der neueren pathologisch¬ 
histologischen Diagnose, des therapeutischen Effektes in Cavum nasi 
und des lokalen, derzeitigen Befundes der äußeren Nase und des 
Gesichtes unzweifelhaft als Tuberkulose anzusprechen sein. Zur 
Therapie käme wohl bei dem ungenügenden Effekt der Röntgen¬ 
bestrahlung entweder die Holländer sehe Heißluftbehandlung oder 
noch besser der galvanokaustische Tiefenstich als bestes Therapeutikum 
in Frage. 

Dankbar wäre ich den Herren Pathologen, wenn sie ihre Ansicht 
über folgenden Punkt uns mitteilen wollten: 

Wie ist es zu erklären, daß bei dem ersten Falle die erste, 
doch immerhin oberflächlich entnommene Probe unzweifelhafte Tuber¬ 
kulose ergab, während die wiederholten späteren aus der ganzen Dicke 
des Gewebes — das nach dem klinischen Befund sicher erkrankt war, 
und zwar an verschiedenen Stellen (ganze Taschenlippe, Kehldeckel, 
Granulationstumor) — entnommenen Probestücke trotz eingehendster 
Durchsicht sämtlichen geschnittenen Gewebes nur syphilitische 
und keine tuberkulösen Produkte mehr erkennen ließen? 

Und nun komme ich zum Ausgangspunkt meines Themas zurück: 
Wie sollen wir uns in der klinischen Beurteilung histologischer Dia¬ 
gnosen verhalten, und in wie weit dürfen wir unser therapeutisches 
Handeln auf sie auf bauen? 

In Uebereinstimmung mit Herrn Prof. Dürck schließe ich mich 
nicht der Schlußfolgerung Rovsings an, daß man dem Pathologen bei 
Uebersendung des zu untersuchenden Präparates die „notwendigen 
Erläuterungen des klinischen Bildes“, „die Details der Kranken¬ 
geschichte zur Information“ mit übermitteln solle, im Gegenteil, ich 
bin der Meinung, der Pathologe soll ganz „unbefangen“ dein Urteil 
abgeben, um jede suggestive Beeinflussung zu vermeiden; dann aber, 
nach Abgabe dieses Urteils, insbesondere beim Entscheid über folgen- 


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schwere therapeutische Eingrifte sollen Therapeut und Pathologe ihre- 
Befunde vergleichen und kritisch gegeneinander abwiegen, um bei erst 
vollständiger Uebereinstimmung die therapeutischen Folgerungen zu 
ziehen. Unbedingt nötig ist dies aber, wenn sich zwischen dem klini¬ 
schen und mikroskopischen Befund Widersprüche ergeben; hier kann- 
und wird eine eingehende Besprechung im Verein mit wiederholt vor¬ 
genommenen Untersuchungen den klinischen und pathologisch-anato¬ 
mischen Befund auf eine gemeinsame, richtige diagnostische Basis 
stellen. 


Nachträgliche Bemerkung zu meinem im September¬ 
heft enthaltenen Aufsatz über die submuköse Fenster¬ 
resektion der Nasenscheidewand. 

Von 

Dr. K» M. Menzel (Wien). 

Ueber Ersuchen des Herrn Professors Sir Felix Semon teile 
ich der Monatsschrift für Ohrenheikunde mit, daß der Band 1900 des 
Internationalen Zentralblattes für Laryngologie allerdings ein Refera 
der in meiner Arbeit mehrfach erwähnten Mitteilung Killians auf dem 
Deutschen Naturforschertag zu Müncheu 1899 enthält. Ich muß jedoch 
hierzu bemerken, daß ausschließlich im Namenregister unter „Killian“, 
ein Hinweis auf dieses Referat zu finden ist. Im Sachregister jedoch 
— und dieses allein ist für den Bearbeiter irgend eines Gegenstandes 
maßgebend — ist infolge eines Druckfehlers eine falsche Angabe der 
betreffenden Seitenzahl verzeichnet. Es ist demnach unmöglich, in dem 
zitierten Bande des Internationalen Zentralblattes das Referat über 
diese Mitteilung zu finden. Natürlich werden durch vorstehende Be¬ 
merkungen weder die Beweisführung, noch die Schlußfolgerungen, 
meiner im Septemberhefte abgedruckten Arbeit tangiert. 


Berliner otologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 7. Februar 1908. 

Vorsitzender: Herr Schwabach. 

Schriftführer: Herr Katz. 

Vor der Tagesordnung stellt Herr Lange ein junges Mädchen* 
vor, * welches eine Verbrennung der rechten Ohrmuschel, des Halses 
und der Haut der Brust durch Begießen mit Vitriol erhalten hat. Die 


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ganze betroffene Gegend ist jetzt mit hypertrophischen Narbenwulsten 
bedeckt, von der Ohrmuschel sind nur noch Reste des Knorpels er¬ 
halten. Nach der Verletzung war eine Mittelohrentzündung aufgetreten, 
welche der Behandlung wegen der nur für eine dünne Sonde durch¬ 
gängige Fistel trotzte, die sich in dem sonst vollkommen zusammen¬ 
gewachsenen Gehörgang befand. Da bereits zweimal in Rußland erfolg¬ 
lose Versuche gemacht waren, die Atresie zu beseitigen, entschloß sich 
Herr Geh. Rat Passow zur Radikaloperation, zumal auch auf dem 
Ohre kein Gehörvermögen mehr vorhanden war. Die Oeffnung im 
Gehörgange wurde sehr weit gemacht, auch wurde die retroaurikuläre 
Wunde nicht geschlossen. Trotzdem haben sich jetzt beide Oeffnungen 
-wieder stark verengt, vorn besteht nur noch ein schmaler Spalt. 

Herr Bruck tragt an, ob in diesem Falle die Radikaloperation 
unumgänglich notwendig gewesen w’äre. 

Herr Lau tenSchläger hat in einem ähnlichen Falle eine Atresie 
beseitigt, dabei aber vollkommen das Trommelfell erhalten. 

Herr Lange erwidert, daß in diesem Falle die Zerstörung des 
Mittelohres weit vorgeschritten war und wegen der bestehenden Taub¬ 
heit auf die Erhaltung des Trommelfelles keine Rücksicht genommen 
werden brauchte. 

Herr Klauß stellt einen jungen Mann vor mit breiten Kondylomen 
im äußeren Gehörgange. In der Literatur konnte er über die sekun¬ 
dären Ohraffektionen nur allgemeine Betrachtungen finden, nur Politzer 
gibt, allerdings anscheinend nicht auf Grund zahlreicher eigener Be¬ 
obachtungen eine genauere Beschreibung. Bemerkenswert ist in diesem 
Falle das langsame Zurückgehen der Krankheitserscheinungen während 
der spezifischen Kur. 

Herr Bruck hält diese Fälle für nicht ganz so selten, die Heilungs¬ 
tendenz war nach seinen Beobachtungen eine gute. 

Herr Sonntag hat solche Fälle ebenfalls häufiger gesehen. In 
einem Falle traten die Kondylome nach Spaltung eines Furunkels an 
der vorderen Gehörgangswand auf. Die Inzisionsränder fingen an zu 
granulieren, die Granulationen zerfielen schmierig, schließlich kam es 
a 1 der gegenüberliegenden Gehörgangswand zur Bildung breiter 
Kondylome. S. kann die Erfahrung von Herrn Klauß bestätigen, 
daß die Heilungstendenz bei diesen Affektionen eine langsame ist. 
Nach einer Mitteilung von Herrn Brühl sollen derartige Fälle auf der 
Politzer sehen Klinik sehr zahlreich beobachtet worden sein. 

Herr Katz hat den Eindruck gehabt, als ob die breiten Kondylome 
im Gehörgange besser nach Jodkali als nach Quecksilber zurückgingen, 
aufgefallen ist ihm die geringe Schmerzlosigkeit. 


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Herr Großmann berichtet, daß die Schmerzen zuweilen so stark 
■sind, daß Patienten mit dieser Affektion öfter in die kgl. Klinik von 
ihren Aerzten zur Vornahme der Radikaloperation geschickt wurden. 
Auf eine eingeleitete Schmierkur erfolgte prompte Heilung. 

Herr Klauß möchte richtigstellen, daß er nicht die Seltenheit 
der Affektion, sondern die verhältnismäßige Seltenheit der Erwähnung 
derselben in der Literatur habe betonen wollen. 

Herr H. J. Wolff: Defekt des Sinus sigmoideus. 

Demonstration zweier Präparate. Das erste weist folgende Ano¬ 
malien auf: einen ausgebildeten Sintis petroso-squamosus, der sich teils 
durch ein Foramen jugulare spurium, teils durch das Foramen spino- 
sum entleert. Der Sinus sigmoideus ist nur bis zu einem weiten 
emissarium mastoideum, mit dem er endet, ausgebildet. Das zweite 
Präparat zeigt ein vollständiges Fehlen des Sinus sigmoideus und der 
Vena jugularis. An Stelle des Sinus finden sich zwei kleine Venen, 
die durch einen Knochenkanal nach außen münden. Durch das im 
lateralen Teile spaltförmige Foramen jugulare fließt der Sinus petrosus 
inferior ab. Der Vortragende knüpft an diese anatomischen Präparate 
klinische Betrachtungen, die darin gipfeln, daß durch die Jugularis- 
•unterbindung bei Hypoplasie der Jugularis . der anderen Seite eine 
tötliche Stauung hervorgerufen “werden kann. Ein Vorkommnis, das 
•durch mehrere in der Literatur veröffentlichte Fälle (Linser, Rohr¬ 
te ach, Schultze) erwiesen ist. 

Sitzung vom (i. März 1908. 

Vorsitzender: Herr Lucae. 

Schriftführer: Herr Schwabach. 

Vor der Tagesordnung stellt Herr Fiedler eine Patientin vor, 
welche an beiden Trommelfellen eine synchron mit dem Pulse be¬ 
stehende Pulsation zeigt. Durch Kompression der Karotis gelingt es, 
die Pulsation zum Schwinden zu bringen. Die Patientin klagt neben 
Ohrensausen über Klopfen und „Gurren“ im Ohr, die Hörfähigkeit ist 
normal. 

Herr Oertel stellt zwei Fälle von epiduralem Abszeß des Schläfen¬ 
ilappens nach chronischer Mittelohreiterung mit akuter Exazerbation 
vor. In einem Falle erstreckten sich die kranken Zellen bis in den 
Jochbogen. 

Herr Brunck demonstriert eine durchsichtige Zelluloidplatte zum 
Aufstecken auf den Reflektor als Gesichtsschützer. Sodann zeigt er 
•einen von ihm konstruierten Stuhl für Nasen- und Ohroperationen, 


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der verschiedene Aenderungen gegen die bisher üblichen Modelle auf¬ 
weist. An Stelle der zu weit zurückliegenden Rückenlehne hat der 
Stuhl eine verstellbare Rückenstütze. Die Kopfpolster sind länglich 
und im "Winkel zueinander gestellt. Sie sind ebenso wie die Rücken¬ 
stütze an einer Gleitschiene beliebig zu verstellen. Die vorderen Füße 
des Stuhles sind durch einen Bügel verbunden, auf den der Patient 
die Füße setzt. Durch ihn wird ein Umkippen und Fortrticken des 
Stuhles durch den Patienten bei schmerzhaften Eingriffen vermieden. 
Der Stuhl ist für 85 M. zu haben bei Kunze, Berlin, Lindower Straße. 

Tagesordnung: 

Herr Schäfer: Demonstration von Prof. Schulzes Mono¬ 
chord zur Bestimmung der oberen Hörgrenze. 

Das bisher allgemein zur Bestimmung der oberen Hörgrenze ge¬ 
brauchte Instrument ist die Edelmann sehe Galtonpfeife. Ein Fehler 
derselben ist die Anblasung durch einen Gummiball durch den stetig 
wechselnden Druck. Es wird so nicht ein Ton, sondern eine Skala 
von Tönen erzeugt. Zwar ließe sicli dieses durch Benutzung eines 
konstanten Gebläses beseitigen, doch erscheint dies zu umständlich. 

Beim S chulzeschen.Monochord sind diese Nachteile vermieden, 
Herd t der Ton weniger kräftig. Das Monochord beste au 

einer auf einer Holzleiste montierten zwischen zwei Klemmbacken aus¬ 
gespannten Metallsaite. Durch Verschieben einer Klemmbacke werden, 
die verschiedenen Töne erzeugt. Angestrichen wird die Saite mit 
einem Kolophoniumläppohcn in der Längsrichtung. Der Apparat kostet 
bei Görs in Marburg 20—25 M. 

Herr Brühl will die Galtonpfeife nicht missen wegen der größeren 
Handlichkeit und der großen Intensität der Töne. Das Blasegeräusch 
wird vom Pfeifen nach einigen Versuchen immer gut unterschieden. 
Die genaue physikalische Festlegung der höchsten Töne kommt meist 
nicht in Betracht, es genügt zu wissen, daß bei einer bestimmten 
Pfeifenstellung das Blasegeräusch in Pfeifen übergeht. 

Herr Lucae hat die Mängel der Galtonpfeife auch unangenehm 
empfunden. Aehnlich ist es bei den Königsehen Stäben, bei denen 
der Schlag des Hammers mit dem Klang veiwechselt wird. Zur 
praktischen Verwendung des Monchords müßten die Töne desselben 
erheblich verstärkt werden. 

Herr Denn er t bemerkt, daß man nicht immer bei Herabsetzung 
des Gehörs für hohe Töne eine Eikrankung des Ohres annehmen muß. 
In gewissen Grenzen können solche Defekte angeboren sein. Das 
Monochord ist insofern zweckmäßig konstruiert, als die Töne durch 


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Heiben der Saiten in longitudinaler Richtung erzeugt werden, da so 
das Nebengeräusch viel weniger störend ist, als wenn die Saiten durch 
Anreißen in transversale Schwingungen versetzt werden. 

Herr Schäfer hofft, daß das Monochord sich noch insofern ver¬ 
vollkommnen läßt, daß die Töne lauter werden. Ein Vorzug des 
Monochords vor der Galtonpfeife ist, daß sie gestattet, den Ton längere 
Zeit ertönen zu lassen, was, wie namentlich König nachgewiesen hat, 
eine höhere Hörgrenze ergibt. Es ist nun Sache des Ohrenarztes, sich 
zu entscheiden, ob er das weniger handliche, aber exakte Monochord, 
oder die bequeme, aber weniger genaue Galtonpfeife gebrauchen will. 

Herr Klauß stellt noch einmal die Patientin vor, welche vor zwei 
'Sitzungen demonstriert wurde. Der zinnoberrote Reflex bei sonst un¬ 
verändertem Trommelfell ist ebenso geblieben. Sodann stellt er noch 
zwei Patienten vor, welche ebenfalls rötliche Reflexe am Trommelfell 
*bei guter Hörfähigkeit zeigen. A. Sonntag. 


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Kritiken 


Die chronische progressive Schwerhörigkeit. Ihre Erkenntnis und 
Behandlung. Von Dr. August Lucae, Berlin 1907, Julius Springer. 

Unter dieser Bezeichnung faßt Lucae in der vorliegenden Mono¬ 
graphie alle jene Affektionen des Gehürganges zusammen, deren hervor¬ 
stechendstes gemeinsames Symptom die progressive Schwerhörigkeit 
bildet, die durch die fortschreitende Fixierung des Schalleitungsapparates 
bedingt ist. Er unterscheidet drei Haupttypen derselben, die post¬ 
katarrhalische Form, d. i. die selten primäre, am häufigsten aus 
hypersekretorischen Katarrhen sich entwickelnde sklerotische Um¬ 
wandlung der Paukenschleimhaut, die p os t o ti ti sehe Form, die Residuen 
eitriger Mittelohrentzündungen, und endlich die sklerotische Form, 
Fälle mit normalem oder annähernd normalem Trommelfellbefund. Bei 
der letzten Gruppe handelt es sich nach Verfasser nicht blos um die 
Feststellung des normal aussehenden, sondern auch des normal funktio¬ 
nierenden Trommelfells, um seine akustische Dignität, die durch Beob¬ 
achtung bei der pneumatischen Vibrationsmassage festgestellt werden 
kann. Hierbei will Verfasser noch eine vierte, die akkommodative 
Form der chronisch-progressiven Schwerhörigkeit gefunden haben, bei 
der es sich „um minutiöse, wahrscheinlich durch Insuffizienz der Binnen¬ 
muskeln bedingte Spannungsanomalien des Trommelfells u handeln soll. 

Nach einem historischen Rückblick bringt Verfasser eine große 
Reihe der bisher gewonnenen pathologisch-anatomischen Befunde und 
der aus ihnen gezogenen Schlüsse. Eingehend wird dann Aetiologie, 
Symptome und Verlauf erörtert. Als das hauptsächlichste Symptom 
führt er den Verlust des Sprachgehörs an, als sehr charakteristisch 
die Paracusis Willisii, die er niemals bei nervöser Schwerhörigkeit 
beobachtete. 

Hinsichtlich der Scheidung der subjektiven Gehörsempfindungtn 
in solche, die durch äußeren Schall an Intensität zunehmen, und solche, 
die durch äußeren Schall an Intensität verlieren, wäre darauf hinzu¬ 
weisen, daß dieselbe breits 1883 von Urbantschitsch (Pflügers 
Arch. f. Phys., Bd. 31, S. 290) durchgeführt wurde. Was den S. 75 
beschriebenen, „bisher gar nicht beachteten Zusammenhang zwischen 
Ohr und N ase n rachen rau m u anlangt, so möchte Referent darauf hin- 
weisen, daß Maissiot bereits 1808 bei Verschluß der einen Naseuseite 
und Applikation eines Manometers in die andere Nasenseite eine 
Luftverdünnung im Momente des Schlingaktes beobachtete (zitiert bei 
Urbantschi tsch, Lehrbuch, 3. Auflage, 1890, Seite 208). Die Angabe, 


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645 


daß ein hohes Klingen prognostisch günstiger aufzufassen sei als tiefe 
Geräusche, dürfte wohl kaum ohne Widerspruch bleiben. Im nächsten 
Kapitel findet sich eine eingehende Darstellung der physikalischen 
Untersuchung, der Prüfung des Sprachgehörs, des Tongehörs mittels 
Stimmgabeln, Resonatoren, Königschen Stahlzylindern, der ver¬ 
schiedenen Stimmgabelversuche und endlich des Wertes der sogenannten 
Bezoldschen Trias. Zu dem Abschnitte über die verlängerte Apper¬ 
zeptionszeit (Seite 130) wäre wieder zu bemerken, daß das Phänomen 
bereits 1881 von Urbantschitsch (Ueber das An- und Abklingen 
akustischer Empfindungen, Pflügers Archiv, Band 25) ausführlich 
beschrieben wurde. Was endlich den Satz anlangt, daß man nur dann 
ein Recht hat, Inseln und Lücken in der Tonskala anzunehmen, wenn 
die betreffenden Töne auch mit dem Resonator nicht gehört werden, „ 
so kann Referent demselben mir vollinhaltlich beistimmen. Auf den 
Umstand, daß man keineswegs berechtigt ist, aus dem Nichthören des 
einzelnen Stimmgabeltones auf einen Funktionsausfall für den betreffen¬ 
den Ton zu schließen, machte Urban tschitsch bereits vor 10 Jahren 
aufmerksam. Wie U. hervorhebt, kann „bei Unteisuchung mit wenig 
intensiven Schallquellen eine mehr oder minder ausgedehnte Tontaub¬ 
heit oder eine Anzahl von Tonlücken vorgefunden werden, wo dagegen 
eine Untersuchung mit stärker tönenden Schallquellen möglicherweise 
eine Hörfähigkeit, sogar für die ganze Tonreihe nachweist. u (Ueber 
Hördefekte bei Taubstummen, Zeitschr. f.Ohrenhlk. 1898, Bd. 33, S. 229.) 

Sehr eingehend ist das Kapitel über Therapie behandelt. Verfasser 
gibt den verschiedenen Methoden der Massagebehandlung, unter denen-* 
die Behandlung mit der Drucksonde besonders ausführlich dargestellt 
ist, den Vorzug vor der Luftdusche. Eine große Reihe der operativen 
Methoden findet gleichfalls eine ausführliche Darstellung und Kritik. 
Ein eigener Abschnitt ist schließlich noch der akkomodativen Form 
der chronisch-progressiven Form der Schwerhörigkeit gewidmet. 

Bei der vielfach ausgesprochen subjektiven Färbung seiner Dar¬ 
legungen ist kaum anzunehmen, daß dieselben, zumal sie häufig in 
Widerspruch mit allgemein geltenden stehen, ohne weiteres akzeptiert 
werden. Gleichwohl verdient das Werk im Hinblick auf das reiche, 
hier verarbeitete Material und die Fülle der Anregungen eingehende 
Würdigung seitens der Fachkollegen. Bondy. 


Referate. 

Otologische. 

Ueber subjektive echoartige Gehörserseheinungen (Doppelthören, 
Diplakusis, Diplacusis echotica.) Von VictorUrban tschitsch in Wien. 
(Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 75.) 

Der Autor hat in einer früheren Abhandlung angenommen, daß* 
ein verspätetes Anklingen akustischer Empfindungen am schwerhöri¬ 
gen Ohre eine verspätete Schalleinpfindung und dadurch eine echo-. 


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— 646 — 


-artige Erscheinung bedingen könne. Neuere Untersuchungen haben 
ergeben, daß subjektive echoartige Gehörersclieinungen sowohl am 
schwerhörigen als auch am gesunden Ohre nicht selten angetroflfen 
werden, denen ein psyeho-physiologiseher Vorgang zugrunde liegt, der 
den akustischen Gedächtnisbildern beizuzählen ist und der optischen 
Erscheinung entspricht, daß ein unmittelbar vorausgegangener Ge¬ 
sichtseindruck nach Verschluß der Augen subjektiv wieder auf treten 
kann. Die echoartigen Erscheinungen zeigen mannigfache Verschie¬ 
denheiten. Sie treten mitunter erst nach wiederholten Versuchen auf, 
oder sind anfänglich nur auf einzelne Buchstaben beschränkt, treten 
aber später auch bei Wörtern auf. Alt. 

Ueber ärztliche Fürsorge für Taubstumme nebst Vorschlägen zur 
Reorganisation des Taubstummenbildungswesens. Von Professor 
Ostmann in Marburg (Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 75.) 

Die Reorganisation der Taubstummenfürsorge muß folgenden 
Forderungen gerecht werden: 

1. Für jedes taubstumme Kind muß die Möglichkeit der Schulbil¬ 
dung gegeben sein. 

2. Sämtliche taubstumme Kinder sind, sofern nicht Idiotie und 
damit völlige Bildungsunfähigkeit klar zutage liegt, nach vollende¬ 
tem 6. Lebensjahre in Taubstummenschulcu aufzunehmen, welche in 
zwei Vorklassen gegliedert, engsten Anschluß an die Taubstummen¬ 
schulen haben und nach dem Vorbild der Berliner Taubstummenvor- 
.'seliule nach Art der Kindergärten ausgebildet werden. 

3. In den Taubstummen Vorschulen verbleiben die Kinder zwei Jahre 
bezw. nur so lange ,bis sich ein sicheres Urteil über ihre Bildungsfähig¬ 
keit in den Taubstummenschulen nach Maßgabe des Lehrplanes der¬ 
selben abgeben läßt. Bei dieser Beurteilung haben Lehrer, Pflegerin 
und Arzt zusammen zu wirken. Diejenigen Kinder, welche sich als 
völlig bildungsunfähig erweisen, werden einer Anstalt für idiotische 
«und schwachsinnige Kinder überwiesen oder in die häusliche Privat¬ 
pflege zurückgegeben. Letzteres geschieht auch bei Kindern, deren 
ständiges Zusammenleben mit anderen taubstummen Kindern infolge 
körperlicher oder geistiger Gebrechen unzweckmäßig erscheint. 

4. Die durch zweijährige Beobachtung als bildungsfähig erkannten 
Taubstummen werden nach ihrer geistigen Begabung in drei Gruppen 
geteilt, die Ostmann als schwach (I. Gruppe), mittel (II. Gruppe) 
und gut (III. Gruppe) bildungsfähig bezeichnet. 

5. Dieser Gruppierung der Kinder in drei Gruppen entspricht eine 

Dreiteilung der Taubstummenschulen je nach dem Lehrplan und der 
vorzugsweise angewandten Unterrichtsmethode. Alt. 


Alle für die Monatsschrift bestimmten Beiträge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften. Archive ond Tausch-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Prof. 

Urbantsehfttfich in Wien I, Schotionring 24, zu senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon zu senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt und 30 Separat-Abzüge beigegeben. 

Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Lemberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 

Druck von Carl Marschner, Berlin SW., Alexandrinenstr. 110. 


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Zur funktionellen Prüfung des Vestibular-Apparats. 

Von 

Dr. J. Herzfeld-Berlin. 

Die lleiz- und vor allem die Ausfallserscheinungen des Yesti- 
bularapparats sind oft nicht, so in die Augen springend, daß sie 
sofort bemerkt werden. In diesem Winter wohnte ich einer Schwimm¬ 
et u mit* eines hiesigen Taubstummenvereins bei; an den Schwimm¬ 
bewegungen hätte niemand etwas Abnormes bemerken können, und 
doch befanden sich unter iline solche, bei denen auf keinerlei Weise 
Nystagmus hervorzurufen war und die völlig taub w r aren. Unter 
Wasser konnten sie aber nach ihrer Angabe vielfach nicht schwimmen, 
wie dieses auch J am es 1 ) beschreibt, weil sie sich dann nicht orien¬ 
tieren konnten und schwindlig wurden. Die Reiz- und Ausfalls¬ 
erscheinungen müssen eben, wie P a s s o w 2 ) sagt, erst „gesucht u 
werden. Sie werden um so eher wahrgenommen, je größere Ansprüche 
.an das Balanziervermögen gestellt werden. Labyrinthkranke oder Taub¬ 
stumme ohne Labyrinth, denen bei der gewöhnlichen Bewegung keine 
Störung anzumerken ist, lassen bekanntlich ihren Defekt oft sofort er¬ 
kennen, wenn sie auf einem Fuß oder gar auf den Zehenspitzen stehen 
seilen. Von der Unterstützung des Gesichtssinnes bei Aufrechterhal¬ 
tung des Gleichgewichts sehe ich hier ab. Um nun noch größere An¬ 
sprüche an das Balanziervermögen zu stellen, habe ich 
die zu Prüfenden auf den Sprungfederboden eines 
B c ttes gestellt. Bei systematischen Untersuchungen von 44 Taub¬ 
stun,men einer hiesigen Anstalt, über deren Ergebnisse in einer be- 

1 ) Bei v. Stein, übersetzt v. K r z y w i c k i , pag. 405. 

2 ) Ein Beitrag zur Lehre von den Funktionen des Ohrlabyrinths, 
von Prof. P a s s o w. Berl. klin. Wochenschr., 1905, No. 1 und 2. 


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somlcren Arbeit beliebtet werden soll, bat sieb mir dieses Reagens, 
gut bewährt. Nicht etwa, als ob ieh hiermit Ausfallserscheinungen 
gefunden hätte, die nicht auch mit den von v. Stein angegebenen 
Methoden hätten nachgewiesen werden können. Aber ieh bekam doch 
den Eindruck, daß die Endresultate in zweifelhaften Fällen schneller 
und einwandsfreier zu gewinnen waren. Bei den mit der alten 
Methode Entersuehten ergab sich öfters die Notwendigkeit, wiederholt 
zu prüfen, um festzustellen, ob die Unfähigkeit, auf einem Bein oder 
auf dem Sehwebebaum zu stehen, nicht vielleicht auf Ungeschicklich¬ 
keit zurückzuführen war. Das Schwanken der Labyrinthlosen auf der 
Matratze ist aber so charakteristisch, daß es sofort in die Augen fällt, 
besonders wenn man den Patienten über die Matratze gehen oder mit 
geschlossenen Beinen und Füßen auf derselben stehen läßt. Beim 
Versuch, nun auch noch die Augen zu schließen, verlieren sie jeden 
Halt. Für denselben Zweck könnten auch große Luft- und Wasser- 
kissen oder Gummischuhe mit einem mit Luft aufzublasenden 
Gummiboden gebraucht werden. Die Sprungfedermatratze ist aber 
das Einfachste; in jeder Klinik ist ein Bett mit einem Sprungfeder¬ 
boden zur Verfügung. Im Sprechzimmer kann die Chaiselongue be¬ 
nutzt werden, sobald die Sprungfedern nicht zu fest gespannt sind. 


Zur Verbesserung der Technik bei Nasen- und 
Ohrenoperationen. 

Von 

ür. J. K. Fleischer suis Chicago. 

Bezüglich des technischen Verfahrens, welches bei der K i 1 1 i a n - 
sehen Stirnhöhlen-Uadikaloperation und der Antrumoperation nach 
I. u e - Daldwell heutzutage üblich ist. können einige Einwände er¬ 
hoben werden. 

Bekanntlich geht die Entfernung der vorderen und insbesondere 
der unteren Stirnhöhlenwand mittels Meißel nicht ohne große Schwie¬ 
rigkeiten vor sieh; es besteht die Gefahr einer Brückeninfraktion, 
auch ist es keineswegs leicht, die eventuelle Beseitigung der Septa 
mit den bis jetzt zu Gebote stellenden Instrumenten vorzunehmen. 

Bei der C a 1 d w e 1 1 sehen Operation sind gleichfalls unangenehme 
Zufälle, wie Verletzungen der Zahnwurzeln. Frakturierung des 
Alv» olarfort^atzes. beobachtet worden, und außerdem werden die an 


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den Wänden der Kiefer- und Nasenhöhlen angelegten Oeffnungen zu¬ 
meist nur langsam und ungenau erweitert. 

.Um diesem Nachteile abzuhelfen, habe ich, nach dem Prinzip des 
Locheisens, ein Instrument konstruiert, welches die Bequemlichkeit 



bietet, den Knochen ohne besondere Anstrengung und nach allen Rich¬ 
tungen hin glatt entfernen zu können. Die bei den bisherigen 
Knochenzangen so übel empfundene Verlegung der Ilohlbranchen mit 
Knochensplittern erscheint infolge der automatischen Reinigung an 
meinem Instrument nunmehr vollkommen eliminiert.. 



Fig. 2. 


Das Wesentlichste an dieser Zange (Fig. 1, 2) besteht darin, daß 
gegen das knopfförmige und an der unteren Zirkumferenz mit Schneide 
veisehene Endstück einer fixen Stanze sich eine zweite, parallel ver¬ 
laufende, nach Art eines Locheisens konstruierte, bewegliche Stanze 


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verschieben läßt. Eine Hebelvorrichtung besorgt das Ineinanderglei¬ 
ten beider Stanzen und demzufolge können mit verhältnismäßig ge¬ 
ringerer Kraftanwendung viel größere Effekte erreicht werden. Ein 
nicht geringer Vorteil ist auch, daß sich das Instrument zwecks Reini¬ 
gung und Reparatur leicht auseinandernehmen läßt. 

Nachdem man die zu operierende Nebenhöhle (Kiefer-, Stirn- 
oder Keilbeinhöhle) mittelst Meißel, Trepan oder Bohrer eröffnet hat, 
wird die so geschaffene Oeffnung mit meiner Zange erweitert. Zur 
Erweiterung dieser zuerst angelegten Oeffnungen stehen wohl verschie¬ 
dene Instrumente zu Verfügung, sind jedoch, meiner Ansicht nach, 
schon deshalb nicht ganz zweckentsprechend, weil sie, statt glatt 
zu schneiden, durc h z w icke 11 oder d u r c li b r e e h e n. 



Die mit meinem Instrumente vorgenommene Erweiterung vollzieht 
sich verhältnismäßig sehr rasch, hinterläßt gleichmäßige, nicht zackige 
Ränder (wie das an den jnmktierten Linien der Figur ersichtlich ist). 
Doch nicht nur bei Nasenoperationen allein, sondern auch bei F Tei¬ 
le g u n g d ö r 1) u r a , i m Bereiched.es S i n u s s i g m o i d e u s 
oder in der (legend der mittleren S c h ä d e 1 g r u b e , 
sowie zur Erweiterung der \V a r z e n f o r t. s a t z h ö h 1 e 
hat sich das Instrument ausgezeichnet bewährt, was hauptsächlich 
darauf zuriiekzuführen ist, daß es nach all e n R i c h t u n g e n 
hin, o h n e A c n d e r u n g d e r Ii ands t. e,l lung mit r e 1 a - 
t i v geringfügiger lv r a f t a n w e n d ung und in kur¬ 
zer Zeit große Oetfnungen schafft. 


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Ich habe auch versucht, die Zange hei der Krause sehen 
'Kieferhöhlenoperalion, sowie bei der Entfernung der vorderen Keil¬ 
beinhöhlenwand nutzbar zu machen. Hierzu war es notwendig, das 
Instrument in etwas schlankerer und längerer Form zu erzeugen. 
Diese Zange (Fig. 3) ist so konstruiert, daß die schneidenden 
Branchen sowohl nach beiden Seiten, wie auch nach oben und unten 
verstellbar sind. Die Anwendungsweise der Zange geht derart vor 
sich, daß nach zuerst vorgenommener Anlegung einer Oeffnuug an 
der seitlichen Nasenwand mittelst Troikart, die Erweiterung derselben 
mit meinem Instrument vollzogen wird. Desgleichen bei der Weg¬ 
nahme der Keilbeinhöhlenwand, woselbst sich die Erweiterung der 
mittelst II a j e k sehen Hakens angelegten Oeffnung durch dieses In¬ 
strument leicht und bequem vervollständigen läßt, bis zur kompletten 
Entfernung der vorderen Wand. 

Die Zange ermöglicht auch, die untere Keilbeinwand zu entfernen, 
wie dies von N e u m a n n mit der Begründung vorgeschlagen wurde, 
daß in einer nicht geringen Anzahl von Fällen sich der operativ ge¬ 
schaffene Defekt der vorderen Keilbeinhöhlenwand durch die Narbe, 
die den freien Abfluß des Sekretes neuerlich behindert, ersetzt. Ist 
jedoch auch die Möglichkeit gegeben, die untere Wand zu entfernen, 
so hört die Keilbeinhöhle als Raum zu existieren auf. 

Die Zange ist so kräftig und handlich gebaut, daß sie ihren 
Zweck* auch in der Hand eines minder Geübten erfüllen kann. 

Am Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Instrumen¬ 
tenfabrikanten II. Reiner, Wien, für die nach meinen Angaben 
exakte Ausführung meines Instrumentes bestens zu danken. 


Oesterreichische otologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 27. Januar 1 9 0 8. 

Vorsitzender: U r b a n t s e h i t s c h. 

Schriftführer: Bond y. 

1. Ha m m e r s e h 1 a g: Ich möchte mir erlauben, eine vor¬ 
läufige M i t t e i 1 u n g zu erstatten, die allerdings für heute nicht 
beabsichtigt war. Nun aber habe ich erfahren, daß in der letzten 
Sitzung der Gesellschaft der Aerzte die Frage der Gleichgewichts¬ 
störungen bei Taubstummheit in der Diskussion über den Vortrag des 
Dozenten A 1 t zur Sprache kam. Da ich nun in der letzten Zeit eine 


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Publikation fertiggestellt habe, in welcher dieses Thema ebenfalls 
behandelt wird, und zwar in einer Weise, die geeignet ist, einige neue 
Streiflichter auf das ganze Kapitel der Gleichgewichtsstörungen bei 
Taubstummheit zu werfen, so möchte ich die heutige Gelegenheit er¬ 
greifen, um einiges zu diesem Thema vorzubringen. 

Sie werden sich erinnern, daß ich im Vorjahre hier ein hereditär 
taubstummes Kind demonstriert habe, an welchem fast alle Begleit¬ 
symptome der hereditären Taubheit vereinigt waren. Das Kind war 
von Geburt taub, und zwar, wie wiederholte Untersuchungen ergaben, 
bestimmt absolut taub. Es hatte ferner einen albinotischen Fundus 
und partiellen Albinismus der Kopfbehaarung, endlich zeigte es eine 
ziemlich hochgradige Imbezillität. Der Xervenbefund, der seinerzeit 
von Dr. Bonvicini erhoben worden war, ergab eine GangstöruBg 
von ausgesprochenem ataktischen Charakter. Das Kind schritt 
breitbeinig und wackelnd einher, und auch beim Stehen pendelte der 
Oberkörper nach allen Richtungen. Es zeigte sich ferner, daß das 
Kind beim Laufen leichter sein Gleichgewicht erhalten konnte, als 
beim Gehen, weshalb es auch oft „in Schuß kam“. Die Gangstörung, 
der spontane rotatorische Nystagmus, sowie der fehlende Patellar- 
rellex ließen die Diagnose F riedreich sehe Ataxie gerechtfertigt 
erscheinen. 

Ich will hier gleich bemerken, daß diese nicht mehr als eine 
nosologische Einheit betrachtet werden kann, sondern daß die Neur¬ 
ologen jetzt geneigt sind, die verschiedenen Formen der hereditären 
Ataxie, vor allem die Mary sehe „Ileredoataxie cerebelleuse“, sowie 
die durch Kleinhirnatrophie und Kleinhirnaplasie (No n ne) beding¬ 
ten Krankheitsbilder zu einem Gesamtbilde der hereditären Ataxie im 
weitesten Sinne zu vereinigen. 

Ich habe mir nun die Frage vorgelegt, ob die in unserem Falle vor¬ 
handene Koinzidenz von hereditärer Ataxie und hereditärer Taubheit 
als ein Zufall zu betrachten ist oder nicht,, und fand nun in der Litera¬ 
tur eine Anzahl von Tatsachen, die es als wahrscheinlich erscheinen 
lassen, daß es sich nicht um einen Zufall, sondern um einen sozu¬ 
sagen genetischen Zusammenhang dieser beiden hereditären Gebrechen 
handelt. 

Dafür spricht vor allem die exquisite Heredität der beiden Ge¬ 
brechen, zweitens der Umstand, daß hereditär ataktische Kinder ver¬ 
schiedene Mißbildungen zeigen, die man auch im Krankheitsbilde der 
hereditären Taubheit wieder findet, wie z. B. Kryptorchismus, und end¬ 
lich spricht dafür die Verwandtschaft der beiden Gebrechen zu dem 


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dritten in unserem Falle zu konstatierenden hereditären Gebrechen, 
d. i. die kongenitale Imbezillität. Die verwandtschaftlichen Beziehun¬ 
gen der hereditären Imbezillität und der hereditären Taubheit brauche 
ich wohl nicht weiter ausuführen, dagegen fand ich in der Literatur 
zahlreiche Belege dafür, daß die hereditäre Ataxie im weitesten Sinne 
des Wortes mit kongenitalen Störungen der Psyche und des Intellekts 
«ich vergesellschaftet findet. Derartige Fälle wurden von einer gan¬ 
zen Reihe von Autoren beschrieben, ich erwähne nur Nolan, 
Pick, Bäumling, Nonne* Degenkolb u. a. 

Ich glaube daher, daß zukünftige Untersuchungen darauf gerich¬ 
tet sein müssen, bei hereditär Taubstummen nach Symptomen der 
hereditären Ataxie eventuell anderer hereditärer Erkrankungen des 
Cerebrospinalsystems zu fahnden. Es wird sich dabei möglicherweise 
heraussteilen, daß gewisse Gleichgewichtsstörungen bei Taubstummen 
nicht, wie man bisher annahm, auf den peripheren statischen Apparat 
allein zu beziehen sind, sondern daß möglicherweise der zentrale sta¬ 
tische Apparat (das Kleinhirn und die Kleinhirnbahnen) eine wich¬ 
tige Rolle spielen. 

Die bisher an gestellten methodischen Untersuchungen über 
Gleichgewichtsstörungen bei Taubstummen ( K r e i d 1 ) basierten auf 
der Voraussetzung, daß der periphere Apparat schuld an den vorhan¬ 
denen Störungen sein müsse. Eine Sonderung in hereditäre Taube 
und anderweitig Ertaubte lag diesen Untersuchungen nicht zu¬ 
grunde. Durch den Gedankengang, den ich hier entwickelt habe, 
wurde ich auch wieder auf die Arbeit des Dozenten Frey über den 
Patellarreflex bei Taubstummen aufmerksam. Bei dieser Arbeit 
zeigte sicli das für den Autor überraschende Ergebnis, daß nicht der 
Zustand des Yestibularapparates die Größe des Patellarreflexes be¬ 
einflusse, sondern vielmehr die Art der Taubheit — ob hereditär oder 
erworben. Fünf hereditär taube Kinder, die sich gegen den Dreh¬ 
versuch als refraktär erwiesen, zeigten insgesamt einen hochgradig 
"herabgesetzten Patellarreflex, während fünf später ertaubte „Dreh¬ 
versager“ einen normalen, kräftigen Patellarreflex aufwiesen. 

Diskussion. 

BärÄny: Ich begrüße die Ausführungen H a m m e r s c h 1 a g s. 
Die Resultate, die er bei hereditär Tauben gefunden hat, stimmen mit 
dem überein, was ich bei Fällen mit überstandener Cerebrospinal¬ 
meningitis konstatiert habe. Auch hier sind die Gleichgewichts¬ 
störungen wahrscheinlich nicht auf den Ausfall des ^ estibulara pparu- 


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tes, sondern auf die Schädigung anderer Hahnen zu beziehen, wie ieh 
schon wiederholt hervorgehoben habe. 

Alexander macht auf die Unterschiede aufmerksam, die 
daraus folgen, daß bei reiner Erkrankung des peripheren statischen 
Labyrinthes Schwindel lind Gleichgewichtsstörungen, dagegen keine 
Koordinationsstörungen vorhanden sind. Die letzteren treten nur bei 
Erkrankung des Kleinhirns auf und zeigen somit in einem Falle von 
Erkrankung des statischen Labyrinthes die Mitbeteiligung des Klein¬ 
hirns an der Erkrankung an. 

Alt: Ich halte es nicht für ganz richtig und konsequent von 

Herrn B ü r ä n y , wenn er als genauer Kenner der Vestibularfunktion 
den .Schwindel resp. die (ileichgewichtsstörungen nach Cerebrospinal- 
menigitis mit beiderseitiger Zerstörung des Labyrinthes nicht auf den 
Vestibüle rapparat beziehen will. Wir haben ein Kraukheitsbild, bei 
dem das Koordinationsorgan zerstört wird. Wir sehen die typischen 
Erscheinungen danach bei Kindern, wo diese Koordinationsstörungen 
schwerer abgestreift werden, viel länger andauern. Wenn wir etwas 
so Greifbares haben, so haben wir keine Veranlassung, etwas weiter 
zu suchen, also im Kinderhirn. Ieh betone, daß ich die Gleich¬ 
gewichtsstörungen, weil che nach Cerebrospinalmeningitis auf treten, 
auf die Zerstörung des Yestibularapparates beziehe und keine Ver¬ 
anlassung habe, nach anderen Ursachen hierfür zu suchen. 

Bäräny: Heim Menschen sind einwandsfreie Fälle mit reiner 
doppelseitiger Zerstörung des Yestibularapparates nicht vorhanden; 
die beschriebenen Fälle sind erstens solche nach Cerebrospinalmenin¬ 
gitis, zweitens solche nach beiderseitigen schweren Mittelohreiterum 
gen. bei welchen aber stets Symptome bestanden, welche auf die He. 
teiligung der hinteren Schädelgrube hindeuteten. Wir warten schon 
seit Jahren auf einen Fall mit reiner doppelseitiger Zerstörung des 
Vostibularapparates, wo man wirklich vestibuläre Ausfallserscheinun¬ 
gen beobachten könnte. Tonusstörungen waren bei unseren I allen 
mit einseitiger Störung nicht vorhanden. Weil beim Menschen diese 
Et seheinungen fehlen und wir gar kein Charakteristikum für Gleich¬ 
gewichtsstörungen durch Ausfall der Vestibularfunktion besitzen, 
halte ich diese Frage für noch nicht geklärt. 

Frey: Herr Bär ä n y meint, daß bisher keine Erfahrungen 
darüber vorliegen, daß vom Labyrinth aus Tonusstörungen der oberen 
Extremitäten ausgelöst werden können. Ich möchte nun darauf auf¬ 
merksam machen, daß in der Diskussion eines Vortrages, den ieh auf 
der Deutschem Otologisehen Versammlung in Berlin gehalten habe, 


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die Herren \Y a n n e r und Haber m a n n Fälle erwähnten, in wel¬ 
chen Störungen der motorischen Funktionen auch der oberen Extremi¬ 
täten bei oder nach Labyrintherkrankungen vorgekommen sind. 

X e u m a n n : Hammerschlag versucht, die Gleichgewichts¬ 
störungen bei hereditären Tauben cerebral zu erklären, als Ursache der 
Taubheit nimmt er aber Erkrankungen des perildieren Organes an. Ich 
bezweifle auch nicht, daß dies in einer großen Anzahl von Fällen auch 
gerechtfertigt sein wird. Gewiß hat Bär ä n y mit seiner Behaup¬ 
tung recht, daß Gleichgewichtsstörungen bei der cerebrospinalen 
Meningitis nicht immer von Erkrankungen des Yestibularapparates 
herrühren. Ich glaube auch hier nicht die Ansicht verbergen zu 
müssen, wenn ich sage, daß diese wohl bei einer großen Zahl von 
Fällen zutreffen, ob wir aber berechtigt sind, die Ursache der Gleich¬ 
gewichtsstörungen im Kleinhirn oder in Kleinhirnbahnen zu suchen,, 
wenn der Patient durch Labyrinthitis ertaubt, ist und sonstiger cere¬ 
bralen Symptome vollständig entbehrt, ist fraglich. 

Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß in dem einen oder anderen 
Falle für die Gleichgewichtsstörungen sowohl periphere, als auch zen¬ 
trale Ursachen verantwortlich gemacht werden müssen, dieses aber 
nur dort, wo für die cerebrale Natur der Gleichgewichtsstörungen auch 
andere cerebrale Symptome sprechen. Ich habe Patienten gesehen, die 
nach cerebrospinaler Menhigitis erkrankt sind, hochgradige Gleich¬ 
gewichtsstörungen hatten und trotz genauester neurologischer Unter¬ 
suchung wäre es nicht möglich, manifeste cebrale Symptome festzu¬ 
stellen. Nun frage ich, wäre es gerechtfertigt, in diesen Fälleu die 
Gleichgewichtsstörungen durch eine cerebrale Erkrankung zu er¬ 
klären? Die Dauer der Gleiehgewichsstörungen bietet nach dieser 
Kiehtung hin kein Kriterium, denn es gibt Gleichgewichtsstörungen¬ 
peripheren Ursprungs, die sehr lange dauern können und umgekehrt. 

Mit der experimentellen Lösung dieser Frage bin ich soeben be¬ 
schäftigt und glaube durch die von mir bisher geübte Yersuehs- 
anordnung derselben näher gebracht zu werden. Hierzu verwende ich 
Affen, bei denen der Yestibularapparat vor und nach der Operation 
genau untersucht wird. Die Operation wird in lokaler Anästhesie 
ausgeführt und besteht in der gleichzeitigen beiderseitigen Extirpa- 
tion des Labyrinths. 

Es erübrigt nur noch, den einen von 13 ä r ä n y erwähnten Fall 
kurz zu besprechen. Ein alter Bauer, der bis dahin vollständig ge¬ 
sund war, wurde anläßlich einer Erkältung beiderseitig taub, beide 
Yeslibularapparate waren unerregbar, links eine leichte Fazialis- 


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parese. Der Patient hatte hochgradige Gleichgewichtsstörungen ohne 
Schwindel gef ühl. Ich nahm als Ursache eine periphere Erkrankung an 
•(rheumatische Neuritis), und dieser meiner Ansicht schloß sich auch 
Prof. F r a n k 1 - II och wart li an, der auch gar keine Anhalts¬ 
punkte für ein cerebrales Leiden finden konnte. Bäräny hingegen 
neigte ebensosehr der Ansicht hin, daß die Ursache der Gleich¬ 
gewichtsstörung auch cerebral sein könnte. 

II u t t i n erwähnt einen Fall, der die Schwierigkeiten zeigt, 
weiche die Analyse der Störungen gerade bei der Cerebrospinalmenin¬ 
gitis macht. Der Fall wurde mit der Diagnose „Kleinhirntumor“ auf 
eine interne Klinik geführt und zur Operation bestimmt. Die ge- 
naue otologische Untersuchung ergab eine Hörstörung für Sprache 
und Stimmgabel, jedoch vollständig normale Erregbarkeit des Vesti- 
hulii rapparates. Bei der Sektion ergab sich eine zumindest drei 
Monate alte, ausgeheilte Cerebrospinalmeningitis mit narbigem Ver¬ 
schluß des Foramen Magendie und mächtiger Hydrocephalus. Ich 
diesem Falle bestanden Schwindel, Erbrechen, Gleichgewichtsstörun¬ 
gen und cerebrale Ataxie, die offenbar nicht auf den Vestibular- 
-appnrat bezogen werden konnte. Die Intaktheit des Yestibularappa- 
rates dürfte durch die histologische Untersuchung der Gehörorgane, 
die R u t t i n verspricht, erhärtet werden. 

Bäräny: Neumann hat angeführt, daß er verschiedene 

Dauer der Gleichgewichtsstörungen nach vestibulären Verletzungen 
und Zerstörungen gefunden hat. Ich habe schon vor langem darauf 
hingewiesen,, daß Neurastheniker und Hysteriker Gleichgewichts¬ 
störungen nach einseitiger Ausschaltung des Vestibularapparates sehr 
lange behalten, während Leute mit normalem Nervensystem sie sehr 
rasch verlieren. 

2. Ernst Urbantscliitsch- demonstriert einen 
Fall mit äußerst seltenem anatomischen Befund. 

Es handelt sich um eine Exostose, welche von der hinteren unte¬ 
ren Peripherie des Annulus ausgeht, 2 % mm breit und 5 mm lang 
ist und in der Richtung nach vorne zieht. Zwischen der Exostose und 
dem unteren Teil des Annulus spannt sich ein Rest des Trommelfelle» 
aus. Uebcr der Exostose befindet sich eine große, trockene Perfora¬ 
tion. welche von einer in der Kindheit überstandenen Eiterung her¬ 
rührt. Durch diese Perforation sieht man die Labyrinthwand, welche 
mit hyperostotisclien Exkreszenzen vollständig bedeckt ist. An am¬ 
nestisch ließ sich feststellen, daß der Patient eine 1—2jährige Eiterung 
am rechten Ohre in frühester Kindheit durchgemacht hat. Am linken 


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*Ohro besteht seit Kindheit eine chronische Eiterung, jedoch keinerlei 
Hyperostosen- oder Exostosenbildung. Die Ursache dieser Knochen - 
hildung dürfte in den Entzündungen liegen, die sich in diesem Ohre 
.auf die oberflächlichen Knochenpartien erstreckt haben mögen. 

3. Bäräny demonstriert eine neue Methode zum 
Nachweis der einseitigen Taubheit. 

Das Prinzip beruht darin, daß in dem gesunden Ohr ein intra- 
aurnler Lärm von solcher Stärke erzeugt wird, daß dieses Ohr für den 
Hörakt vollkommen ausgeschaltet wird. Was Patient hört, kann er 
demnach nur mit dem zu untersuchenden Ohre hören. Bei totaler 
Taubheit des zu untersuchenden Ohres ist Patient für jeden Schall 
vollkommen taub, bestehen dagegen auch nur ganz geringfügige Hör¬ 
reste, so werden diese durch die Ausschaltung des anderen Ohres nicht 
wesentlich beeinträchtigt. Normalhörende hören, wenn das eine Ohr 
mittels dieser Methode ausgeschaltet wird, noch 6 m Flüstersprache. 

Vorläufig führt Bäräny die Prüfung derartig aus, daß er in 
das gesunde Ohr eine Olive luftdicht ein führt, die eine dreifache 
Durchbohrung zeigt. Durch eine Oeifnung fließt Wasser zu, durch 
eine zweite fließt es wieder ab, durch die dritte kann mittels eines Ge¬ 
bläses Luft eingeblasen werden. Das Brodeln’ der Luft im Wasser 
macht ein solches Geräusch, daß dieses Ohr für jeden weiteren Schall- 
reiz vollkommen taub erscheint. Durch Ueberziehen eines Kondom 
fingcrlings über die Olive wird der Versuch nicht beeinträchtigt. Bei 
dieser Methode wird das Ohr selbst nicht naß. 

Bäräny demonstriert nun eine Patientin, bei welcher das linke 
Labyrinth extirpiert worden war, das andere Ohr ist normal. Patien¬ 
tin hört bei verschlossenem gesunden Ohr Konversationssprache auf 
1 m, Flüstersprache ad concham, mit einem 2*4 m langen Ilörschlauch 
wird Kv. tadellos. Fl. mit Fehlern nachgesprochen. Die a 1 -Stimm- 
•gabel von B e z o 1 d wird bei starkem Anschlag auch bei verschlosse¬ 
nem gesunden Ohr gehört. Bei Ausführung des beschriebenen Ver¬ 
suches ergibt sich die totale Taubheit des linken Ohres auch für 
lauteste Konversationssprache und für jeden noch so lauten Schall 
{Trompete). 

Bäräny demonstriert ferner einen Patienten, welcher auf dem 
rechten Ohre normal hört, auf dem linken Ohre Kv. auf 1 m, Fl. a. c.; 
durch den Hörschlauch wird Fl. tadellos nachgesprochen. Bei Vor¬ 
nahme dieses Versuches hört Patient auf dem linken Ohre Fl. nach 
wie vor. 


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Diskussion. 

Frey: Fs freut mich, in diesem sehr schönen Versuch eine Be¬ 
stätigung früherer Versuchungsergebnisse von mir zu linden, indem ja 
liier zweifellos nachgewiesen erscheint, daß beim binauralen Hörakt 
auch die Schalleitung von einem Schläfenbein zum anderen quer durch 
den Schädel eine llolle spielt. Es ist für mich kein Zweifel, daß in 
diesen Fällen das scheinbare (.Ichor der Patienten, das sich nachträglich 
als nicht vorhanden erweist, nicht einem subjektiven Irrtum des Unter¬ 
suchten entspricht, sondern dadurch zustande kommt, daß Schall¬ 
wellen von dem tauben Ohr physikalisch aufgenommen und dem ge¬ 
sunder. Ohr zugeleitet werden, ohne in dem nur zum Durchtritt be¬ 
nützten tauben Ohr perzeptorisch verwertet worden zu sein. Inter¬ 
essant. ist die dabei auf tretende Dissoziierung der Empfindungen, in¬ 
dem die eigentliche Sinnesemptindung zweifellos in dem gesunden 
Ohre statttindet, das Lokalzeichen der Empfindung aber scheinbar im 
tauben Ohre auftritt. 

3. I) ä r ä n y b e spricht, eine O p e r a t i o n s in e t h o d e 
z u r E n t f e r n u n g von Akustik u s t u m o r e n. 

Diese Tumoren sind in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand 
chirurgischer Eingriffe geworden, teils infolge Verbesserung der 
Diagnostik, teils wegen größerer Kühnheit der Hirnchirurgen. Ins¬ 
besondere von Krause und B o r c h a r d t ist eine große Reihe von 
Fällen operiert worden, ln letzter Zeit hat v. Eiseisberg nach 
einet von T a n d 1 e r angegebenen Methode einen Fall operiert. Die 
Operatiensresultate sind noch immer recht unbefriedigend, die Opera- 
tionsmortalität noch immer eine sehr große. Sie beruht nicht auf 
Meningitis, sondern auf dem Operationsshok. Bei den bisherigen 
Methoden ist man so vorgegangen, daß man das Kleinhirn disloziert 
hat. um sich den Kleinhirnbrückenwinkel zugänglich zu machen. In 
st iner ersten Publikation hat Krause den Grund angegeben, warum 
er deiart vorgegangen ist. Er hält es dort für unmöglich, die Pyra¬ 
mide zu entfernen, ohne den Sinus transversus und petrosus superior 
zu verletzen. B o r c liartl t. und v. Eiseisberg sind vor dieser Ge¬ 
fahr nicht zurückgeschreckt, und wir wissen ja aus der alltäglichen 
Erfahrung, daß es gar nicht schwer hält, diese Verletzung zu ver¬ 
meiden. 

Ich habe nun gedacht ,daß man den Operationsshok dadurch ver¬ 
ringern könnte, daß man den Kleinhirnbrückenwinkel durch totale 
Entfernung der Pyramide freilegt. Ich habe die Operation an der 
Leiche wiederholt ausgeführt und den Eindruck gewonnen, daß sie 1 


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auch am Lebenden möglich ist. Man wird zunächst die technische 
Radikaloperation ausführen, sodann den Fazialis aus seinem Bette 
"hcruuspräparieren* um eventuell nach gelungener Operation ei;ne 
Fa/ialisplastik anzuschließen. Hierauf wird die Pyramide bis an die 
Parotis und den Bulbus vollkommen abgetragen. Eine Verletzung der 
Pfiotis muß man nicht befürchten, da sie in einen Kanal verläuft, 
nler bei geringer Sprengung bereits einbricht, so daß man die Pyramide 
dort leicht ablösen kann. Eventuelle Blutungen aus dem Sinus wer¬ 
den sich durch Tamponade beherrschen lassen. Nach Abtragung der 
Pyramide kann man die Dura unterhalb des Sinus petrosus superior 
spaltet« und erhält so den Kleinhirnbrückenwinkel vollkommen über¬ 
sichtlich. Wenn es sich um kleine Tumoren handelt, dürften sie von 
hier aus extirpierbar sein. Ich möchte dabei noch hervorheben, daß 
dmcli die Prüfung der Erregbarkeit des Vestibularapparates und die 
genaue Berücksichtigung des vestibulären Nystagmus es heute mög¬ 
lich ist, die Diagnose derartiger Tumoren sehr frühzeitig zu stellen, 
so daß man sicher erwarten kann, kleine Tumoren zur Operation zu 
bekommen. 

Diskussion. 

N e u m a n n: Die von Bärany vorgeschlagene Operations- 
methode (Entfernung der ganzen Pyramide) ist praktisch kaum durch¬ 
führbar, ja auch theoretisch kaum denkbar, wenn, wie dies Bärany 
wünscht, sich keine Blutung einstellen soll. Ich glaube kaum, daß man 
imstande ist, die Pyramide zu entfernen, ohne gleichzeitig den Sinus 
petrosus inferior und Bulbus venae jugularis anzureißen, letzterer liegt 
in einer Nische der Pyramide, der Sinus hingegen mit dem Periost 
•der unteren Pyramidenkante so innig verwachsen, daß eine Isolierung 
kaum möglich sein wird. Es ist richtig, daß die bisher geübte 
Operationsmethode sehr ungünstige Resultate geliefert hat. glaube 
jedoch nicht, daß dies auf die Operationsmethode, als vielmehr auf 
die Operationsart (einzeitig) zurückzuführen ist. 

Die von Hof rat v. Eiseisberg bei den letzten Fällen angewen- 
dete Operationsmethode (von Tandler angegeben) ist meiner An¬ 
sicht nach anatomisch sehr gut durchdacht und vereinigt die alte 
Krause sehe Methode mit meiner Labyrinthoperation. Warum auch 
diese Operationsmethode nicht viel günstigere Resultate geliefert hat, 
ist meiner Ansicht nach auf den obenerwähnten Umstand zurückzu¬ 
führen. 

Bärany: Ich habe an der Leiche die Totalextirpation der 
Pyramide ausgeführt, wovon sich auch Prof. Tandler überzeugt 


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hat. ►Selbstverständlich sind mir dabei auch Sinusverletzungen vor- 
gekcmmen, auf die man aber an der Leiche kein Gewicht zu legen 
braucht., da dort die Gewebe viel brüchiger sind. Wenn mir bei der 
Operation in vivo eine Verletzung des Bulbus passieren würde, würde 
ich zunächst durch Tamponade, eventuell durch Unterbindung der 
Jugularis und des Sinus transversus der Blutung Herr werden. Auch 
die Blutung aus dem Sinus petrosus inferior dürfte leicht durch 
Tamponade zu stillen sein. 

5. II. Frey demonstriert einen Patienten mit 
nach Operation ausgeheilter Paralabyrinthitis. 

Es bestand Antrumeiterung links, komplette Destruktion des 
Trommelfelles und der Gehörknöchelchen, übelriechende Sekretion 
mit Cholesteatomschüppchen. Längere konservative Behandlung war 
erfolglos. Im Mai 1906 typische Badikaloperation. Auffallend war 
nur, dal! die Details der lateralen Labyrinthwand zwar erkennbar 
waren, aber doch nicht sehr deutlich von dem umgebenden Knochen¬ 
gewebe sich abhoben. Eine Fistel oder kariöse Veränderung war 
nicht zu konstatieren. Gehör vor der Operation: Kv. 3—4 m, Fl. nur 
in unmittelbarer Nähe des erkrankten Ohres. Eine sehr exakte Prü¬ 
fung des Vestibularapparates wurde damals nicht vorgenommen, aber 
jedenfalls sind bei den gröberen Untersuchungsmethoden keine Stö¬ 
rungen aufgefallen. Es bestand bestimmt kein spontaner Nystagmus. 
Unmittelbar nach der Operation trat Nystagmus nach der gesunden 
Seite auf und mäßiges Schwindelgefühl, welche bald vorübergingen. 
Der Stimmgabelbefund ergab immer noch deutlich ein Schalleitungs¬ 
hindernis links. Während der Nachbehandlung war das Gehör immer 
sehr schlecht. Kv. 1*2 m, Fl. 0. Es war zwar nach drei Monaten 
die Wunde nahezu epidermisiert, aber an der inneren Antrumwand und 
im hinteren unteren Teil der Promontorialwand genau am runden 
Fenster traten fortwährend blasse Granulationen auf, die sich trotz 
mehrfacher Actzungen und Curettements nicht überhäuteten. Dort 
konnte ich auch Rauhigkeiten mit der Sonde fühlen, weshalb ich einen 
nachträglichen Eingriff erwog. Inzwischen leitete ich die lokale 
Behandlung mit regelmäßiger Applikation von Jodoformalkohol ein, 
worauf zu meiner Ueberraschung Ende November Heilung eintrat. 
Seither ist das Ohr trocken geblieben. Man sieht jetzt eine glänzende 
Narbe in der Gegend des runden Fensters, dessen vordere Wand deut¬ 
lich defekt ist. 

Interessant ist, daß sich in der letzten Zeit parallel mit der Ver¬ 
besserung der Verhältnisse an der lateralen Labyrinth wand auch das. 


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Gehör wesentlich gebessert hat: Kv. 5—6 m, Fl. IV 2 m, die Stimm¬ 
gabelprüfung ergibt ein deutliches Schalleitungshindernis. Es muß 
eine zircumskripte Labyrintheiterung bestanden haben, womit aber 
noch nicht gemeint ist, daß sie in den Höhlräumen des Labyrinthes 
statt fand, vielleicht waren es entzündliche und eiterige Veränderungen, 
der knöchernen Labyrinthkapsel, was wir als Peri- oder Paralabyrinthi¬ 
tis bezeichnen können. Durch eine solche hervorgerufene Störungen 
sind sicher reparabel. Denn da kann es sich tim eine Hyperämie oder 
kolleterales Oedem im Sinusapparat gehandelt haben, die Schwer¬ 
hörigkeit erzeugt haben und später zurückgehen. 

Diskussion. 

Ru t tin erinnert daran, daß er hier bereits einen Fall von. 
operativ geheilter Paralabyrinthitis vorgestellt hat. 

N e u m a n n: Daß paralabyrinthäre Prozesse Gleichgewichts¬ 
störungen hervorrufen können, hat Frey recht. Dort, wo bei Er- 
öÜnung des Warzenfortsatzes die Exkochleation bis an das Labyrinth 
heranreicht, treten nicht selten vestibuläre Störungen auf. 

6. R u t t i n a) zeigt das Gehirn des Falles von 
Schläfelappenabszeß, den er in der letzten Sitzung vorge- 
stellt hat. Der Fall ist schließlich einer Meningitis erlegen. Die 
Genese derselben ist vermutlich (wie auch der Obduzent Prof. G hon 
Annimmt) eine Infektion des Fnterhorns durch eine fortschreitende- 
Encephalitis in der Umgebung der Abszeßhöhle. 

b) Demonstriert ei n'e n Fall von isolierter Er¬ 
krankung (Neuritis?) des Ramus vestibularis 
nervi VIII. 

Den Fall verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn 
Fleckseder (Klinik v. N e u ß e r ). Der Patient bekam am 
3. Januar Schwindel, konnte nur schwer gehen und erbrach zweimal. 
Kein Ohrensausen, keine Schwerhörigkeit, normale Trommelfelle, voll¬ 
ständig normale Hörfunktion beiderseits. Starker rotatorischer Nystag¬ 
mus nach links. Bei Ausspritzen des rechten Ohres mit kaltem und 
warmem Wasser absolut keine Reaktion und kein Schwindel, links 
typische Reaktion. Neurologisch ließ sich absolut nichts nach weisen. 
Es war mir sofort klar, daß der anfangs auf Tumor eerebrelli ausge¬ 
sprochene Verdacht unbegründet sei und es sich nur um eine isolierte 
Erkrankung des Vestibularis handeln könne. Die in Zwischen räumen- 
von 3—5 Tagen wiederholten Untersuchungen ergaben am 15. Tage 
wiederum normale, vielleicht, etwas gesteigerte kalorische Erregbarkeit 
des Vestibularapparates und Schwindelgefühl. 


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— 662 — 


Im Jahre 1906 hat B ä r d n y einen Fall von Labyrinthlues demon¬ 
striert, bei dem bei normalem Gehör der Yestibularapparat vollkommen 
zerstört war. Eine Wiederkehr der Erregbarkeit war jedoch in diesem 
Falle nicht vorhanden. Einen annähernd ähnlichen Fall hat Neu- 
m a n n liier vorgestellt, der sich jedoch von meinem durch die Mit- 
alfiktion des Trigeminus unterscheidet. 

c) R u t t i n tl e m o n s t r i e r t e i n e P a t i e n t i n mit iso¬ 
lierter Erkrankung des Ra m u s c li o c h 1 o a r i s . w ahr- 
s c h e i n 1 i c h r h. e u m a t i s c li crNatu r. 

R u t t i n zeigt diesen Fall, als Pendant zu dem eben vorgestellten. 
Es handelt sich um eine plötzlich auf getretene Taubheit, ohne vesti¬ 
buläre Erscheinungen mit vollständig normaler Erregbarkeit des 
Yestibularapparat.es auf kalorische Reize und Drehung. Es ist wahr¬ 
scheinlich eine rheumatische Erkrankung, da gleichzeitig auch Schmer¬ 
zen in allen Gelenkem aufgetreten sind. Die Taubheit ist bisher nicht 
zu rückgegangen. 

Diskussion: 

Neumann: Frankl -Hoch wart hat die rheumatische 

Polyneuritis beschrieben. Er gibt an, daß mitunter der Yestibular¬ 
apparat ohne gleichzeitige Erkrankung des Kochlearapparates erkrankt. 
Er veisteht darunter hauptsächlich die Fälle, welche eine Aetiologie 
haben: Tabes, Lues. Der erste Fall von Ruttin hat das Interesse 
in der isolierten Erkrankung des Ramus vestibularis. In meinem 
Falle war eine Miterkrankung des Trigeminus. Vielleicht ist in 
Ruttins Falle eine toxische Neuritis. Yiel interessanter ist, daß 
die Funktion des Yestibularapparates zurückgekehrt ist. Die von 
Kaufmann im Sommer v. J. gestellte Frage können wir jetzt 
mit ja beantworten; denn die vestibuläre Erregbarkeit ist, wenn sie 
erh sehen war, noch rückbildungsfähig. Früher haben wir unsere 
Indikationsstellung darauf basiert, und daher lege ich jetzt dem Falle 
von Ruttin sehr große Bedeutung bei. 

d) Ruttin demonstriert einen Fall mit eigen¬ 
tümlicher Reaktion des Yestibularapparates. 

Der Patient, bei dem es sich um ein Sarcoma cerebri handelt, 
wurde mir in liebenswürdiger Weise durch Herrn Dr. R a nz i (Klinik 
v. Eiseisberg) zur Verfügung gestellt. Otologisch interessant ist, 
daß es sich um eine offenbar zentral bedingte Herabsetzung der Funk¬ 
tion des rechten Yestibularapparates mit abnormem Nystagmus auf 
kalorische Reize handelt. 


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— 663 — 


Die Hörfunktion ist rechts sehr gut; Flüstersprache 6 ni, Stimm¬ 
gabel nur minimal verkürzt. Spontan vertikaler Nystagmus. Bei 
Ausspritzen mit kaltem Wasser rechts wird der vertikale Nystagmus 
stärker, dagegen tritt der sonst typische Nystagmus nach links nicht 
auf, bei Ausspritzen mit heißem Wasser typischer Nystagmus nach 
rechts mäßigen Grades. Bei Ausspritzen des anderen Ohres typischer 
Nystagmus, jedoch am deutlichsten sichtbar bei Blick geradeaus, nicht, 
wie gewöhnlich, bei Blick in die Richtung der raschen Komponente. 

Bei Rechtsdrehung, 20 Sek. Dauer, 40 Schläge, in 55 Sek. 

Bei Linksdrehung, 20 Sek. Dauer, 8 Schläge in 12 Sek. 

Der Fall ist insofern sehr interessant, als es sich um eine offenbar 
zentral bedingte Herabsetzung der Erregbarkeit des rechten Labyrinths 
mit abnormem Nystagmus handelt, und wir aus diesem Befunde sagen 
können, daß der Tumor zumindest Druckerscheinungen des vestibu¬ 
lären Zentrums hervorruft, andererseits aber die Pyramide verschont 
hat, da ja die kochleare Funktion vollständig erhalten ist. Weder ich 
noch Bär üny haben je einen solchen Fall gesehen. 

e) R u t t i n demonstriert einen Fall vonausgedehnter 
Sequestration der ganzen Pyramide. 

Der 6 jährige Knabe litt seit mehreren Jahren an Ohrenlluß links. 
Seit drei Wochen Fazialparalyse. Der linke Gehörgang mit Granulär 
tionen erfüllt, fötide eitrige Sekretion. Totale Taubheit links für 
Sprache und Stimmgabel, auch mit dem Hörschlaucli. Weber im ge¬ 
sunden Ohr. Geringfügige r rotr.t. Nystagmus nach der gesunden Seite. 
Keine kalorische Reaktion. Drehnystagmus für das linke Labyrinth 
nicht auslösbar. Daraufhin stellte ich die Diagnose: Sequestration des 
Labyrinthes. Bei der Operation zeigte sich tatsächlich fast die ganze 
Pyramide einschließlich des Labyrinthes sequestriert. Die Dura lag 
in Ix* i den Schädel gruben ausgedehnt frei und war sehr verdickt. 

7. L e i (1 1 e r demonstriert eine Patientin, die ein 
bisher noch nicht beobachtetes Phänomen auf 
weis t. 

Die wegen chronischer Mittelohreiterung links radikal operierte 
Patientin zeigt bei Drehung auf dem Drehstuhl nicht die geringste 
Spur von Nystagmus, weder beim seitlichen Blick, noch beim Blick 
nach vorwärts, mit und ohne undurchsichtige Brille, obwohl beide 
Labyrinthe, sowohl die typische kalorische, als die typische galvanische 
Reaktion zeigen. Dieser Befund bestand vor und nach der Operation. 

* * 

* 


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Sitzung vom 24. Februar 1 9 0 8. 

Vorsitzender: Urbantschitsch. 

Schriftführer: Bondy. 

1. Ems t F r b a n t. s e h i t s c h stellt einen Fall vor, bei dem er 
wegen chronischer Mittelohreiterung die Kadikaloperat ion mit Erhal¬ 
tung der Gehörknöchelchen, des Trommelfelles und eines Teiles der 
lateralen Attikwand ausgeführt hat. 

Patient hörte vor der Operation die I hr auf 2 ein. nach der Aus¬ 
heilung hörte er sie 20 cm weit. U r b a n t s e h i t s c h konnte diese 
Operation ausfühien, da die Erkrankung auf das Antrum beschränkt 
war. 

Diskussion: 

Politzer möchte nur gegen den Ausdruck Radikaloperation 
Einspruch erheben. 

Neu ma n n meint, daß die Erhaltung der Gehörknöchelchen für 
das Hörvermögen nur dann Bedeutung habe, wenn das Stapesamboß- 
geienk intakt sei, sonst sei die Erhaltung der Trommelhöhle nur des¬ 
halb von Wert, weil die Epidermisation der Labyrintliwand eine Hör¬ 
verschlechterung stets zur Folge haben müsse. 

B a r n n y erwähnt eine Publikation M a t. t o s , der bei Badikal- 
operation das Trommelfell an das Köpfchen des Stapes anheilt.e und 
ein vorzügliches Hörvermögen erzielte. Es wäre in geeigneten Fällen 
die Erhaltung des Trommelfelles eventuell nach Exzision der Gehör¬ 
knöchelchen anzustreben. 

Frey erwähnt, daß dieses Operationsverfahren schon wiederholt 
(regenstand der Diskussion auch in der österreichischen otologischen 
Gesellschaft gewesen sei. ln letzter Zeit hat insbesondere J1 e a t h 
dieses Verfahren in einer größeren lteihe von Fällen angewendet. Aus 
seiner Publikation geht jedoch hervor, daß er oft verschleppte akute 
und subakute Warzenfortsatzeiterungen nach seiner Methode radikal 
operiert hat, wo wir mit der einfachen Aufmeißelung vollkommen 
Auskommen. 

X e u in a n n bemerkt, daß er in einer größeren Zahl von Fällen 
bei subkutanen Eiterungen, bei welchen ausgedehnte Zerstörungen 
insbesondere der hinteren Gehörgangswand Vorlagen, durch Abtragung 
der hinteren Gehörgangswand bis nahe an den Trommelfellrahmen mit 
Gehörgangsplastik gute Resultate erzielt habe. 

2. Alt stellt eine Patientin vor, bei. der er wegen Cholesteatom* 
vor s’m’Ih ii Monatin die Radikaloperation ausgeführt hat. Vier Wochen 


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- 665 


vor der Operation war eine totale Fazialislähmung bei Patientin aus¬ 
getreten. Bei der Operation fand sieh der Fazialkanal über dem ovalen 
Fenster vom Cholesteatom arrodiert. A 1 t erweiterte diese OefFnung 
mit einem feinen Meißel, laxierte mit Hilfe einer Sonde den Nervus 
faeialis. der vollkommen zerfranst aussah. reinigte den Kanal vom Eiter 
und reponierte hierauf den Nerven. Die Fazialislähmung ist jetzt im 
Rückgang, es bestellt nur mehr eine geringe Parese. A 1 t hebt hervor, 
daß es bei dieser Operation auf exakteste Blutstillung. Unterbindung 
auch der kleinsten Hautgefäße und durch ausgiebigste Anäiuisierung 
durch Adrenalin ankomme. Er möchte diese Methode der Freilegung 
der Fazialnerven in seinem Kanal und die eventuelle Säuberung des 
Kanals für Fälle von Fazialislähmungen, welche längere Zeit vor der 
lladikaloperation bestanden hallen, sowie bei postoperativen Fazialis¬ 
lähmungen, wenn die Lähmung über ein Jahr nicht zurückgegangen 
ist. sehr empfehlen. Er erwähnt, daß bereits im Jahre 1904 K ü m m e 1 
in Karlsbad für postoperative Fazialislähmung das Verfahren der Frei¬ 
legung des Fazialis in seinem Bette empfohlen hat, von der Vor¬ 
stellung ausgehend, daß eventuell bei derartigen Lähmungen ein ein¬ 
gebrochenes Knochenstück, das den Fazialisnerven durchtrennt, an der 
Lähmung schuld sei. A 1 t erwähnt ferner einen Fall von Stake, bei 
welchem wegen Fazialislähmung der Canal is facialis frei gelegt, ein 
Stück des obliterierten Kanals ausgemeißelt worden war, und nach zwei 
Jahren restitutio ad integrum eintrat. A 1 t wird in Zukunft auch 
bei postoperativen Fazialislähmungen, wenn die Lähmung über ein Jahr 
bestanden hat, dieses Verfahren an wenden trotz der Erfolge, die er mit 
Fazialis-Hypoglossus-Anastomose erzielt hat. 

Diskussion: 

Bäräny hält den Eingriff Alts im vorgestellten Falle 
nicht für gerechtfertigt. Wir haben an der Klinik wiederholt (Jelegen- 
heit gehabt, Fälle von Fazialislähmung zu schon, die nach Beseitigung 
der Eiterung durch Radikaloperation auch ohne Eröffnung des Fazial- 
kanals und Säuberung desselben geheilt sind. In einem Falle, wo die 
Fazialislähmung erst vier Wochen bestanden hat. ist das Vorgehen 
Alts gewiß nicht gerechtfertigt, insbesondere muß die Stelle, an 
welcher A l t die Operation vornimmt, zu schweren Bedenken Anlaß 
geben. Die OetTnung des Kanals oberhalb des ovalen Fensters und 
unteihalb des Bogenganges kann sehr leicht zur Luxation des Stapes 
oder zur Verletzung des Bogenganges führen. Wir sind gewöhnt, 
ditsc («egend bei der Radikaloperation selbst dann, wenn (1 ranulationen 
deutlich auf eine Erkrankung dieser Stelle liiuwusen, zu schonen, mit 


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— 666 — 


llücksicht auf die Gefahren der Labyrintheröffnung. Ganz etwas ande¬ 
res ist es bei postoperativen Fazialislähmungen, die ja diese Stelle kaum 
je betreffen werden. Hier verdient der Vorschlag K üminels gewiß 
Beachtung. 

I. e i d 1 e r hatte Gelegenheit., die Patientin vor der Operation 
zu sehen und ist von dem Rückgänge der Fazialislähmung überrascht; 
er hält die Methode Alts für sehr empfehlenswert. 

N e u m a n n hat zahlreiche Fälle von Fazialis-Paralysen ge¬ 
sehen und auch in der otologisehen Gesellschaft vorgestellt, die sich 
im Anschluß an die Operation zurüekgebildet haben. Er hält die 
Heraushebung des Fazialis aus seinem Kanal wegen der festen An¬ 
wachsung des Nerven daselbst für sehr schwer. Au der von Alt an¬ 
gegebenen Stelle sind die Verletzung des Stapes Und Bogenganges ge¬ 
wiß zu fürchten. Was Kümmels Vorschlag anbelangt, so kann er 
sieh nicht vorstellen, daß der Fazialis durch Splitter in seinem Kanal 
gedrückt werde. Es sei dies nur eine Hypothese, aber keine Be¬ 
obachtung. 

R u t t i n schließt sich B ä r ä n y an, daß die Operation an dieser 
Stelle sehr gefährlich sei. An dieser Stelle ist nicht selten der Fazialis- 
kanal von dem Bogengänge gar nicht zu unterscheiden. 

F rey meint, der Einwand, daß in diesem Falle die Fazialis¬ 
lähmung auch, ohne dem A 1 t sehen Eingriff nach der Radikaloperation 
geheilt wäre, sei nicht zu widerlegen; eine besondere Gefahr erblicke 
er al>er in der Freilegung des Nerven nicht, da sie ohne besondere tech¬ 
nische Schwierigkeit ausführbar sei. 

Politzer meint, daß dort, wo eine Eiterung im Fazialiskanal 
besteht, der Kanal eröffnet werden solle. Das Herausheben des Fazialis 
hält er für gefährlich. Die Splitterwirkung sei nur eine Hypothese. 

Alt hält die angegebene Methode für leicht und einfach und 
möchte sie für jeden Fall von alter Fazialislähmung empfohlen. Der 
Kanal des Nerven wirke ähnlich wie die von F o r a m i t t i angegebe¬ 
nen Arterienröhren für die Nervenplastik. Er erziele, daß, selbst wenn 
der Fazialis bei dieser Operation durchreißen, ja sogar wenn ein Stück 
entfernt werden sollte, die Enden bei ihrem Wachstum sich wieder 
treffen müssen und die Fazialislähmung auf diese Weise wieder zur 
Ausheilung gelangt. 

3. Bon dy stellt 2 geheilte Fidle von obturierender Sinusthrom¬ 
bose vor. Es handelte sich um akute Mastoiditiden. bei welchen die 
einfache Aufmeißelung vorgenommen worden und während ihres Auf- 


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— 667 — 


enthalt es auf der Klinik der erste Schüttelfrost aufgetret.cn war. Die 
Sinusopcraticn wurde sofort ausgeführt und in einer Sitzung auch die 
Jugularis unterbunden. Der Verlauf beider Fälle zeigt, daß der Ope¬ 
rationserfolg hauptsächlich von dem Zeitpunkte der Operation ab¬ 
hängig ist. 

4. Bär ä n y stellte eine Patientin vor, bei welcher er in Gemein¬ 
schaft mit Dr. Schwarz einen eigentümlichen Nystagmus beobachtet 
hat. Beim Aufsetzen einer sehr stark erschütternden Stimmgabel auf 
den Warzenfortsatz der Patientin tritt ein kräftiger undulierender 
Nystagmus mit Schwindelgefühl auf. Die Form dieses Nystagmus 
ließ sofort annehmen, daß es sich nicht um einen vestibulären Nystag¬ 
mus handle. Bei genauer Untersuchung war dies auch festzustellen. 
Patientin zeigt den von Stransky (Neurologisches Zentralblatt, 
1903, S. 786, und ibidem, 1906, No. 1) beschriebenen assoziierten 
Nystagmus. Läßt man die Patientin geradeaus sehen und befiehlt ihr 
sodann, dio Augen fest zuzukneifen, während man selbst das Oberlid 
eines Auges festhält, so entsteht ein kräftiger undulierender Nystag¬ 
mus. Derselbe Nystagmus läßt sich auch auf andere Weise erzielen. 
Drückt man die Patientin auf den etwas schmerzhaften linken Warzen¬ 
fortsatz, so schließt sic unwillkürlich die Augen. Hält man nun ge¬ 
waltsam ein Auge offen, so tritt der beschriebene Nystagmus auf. Das¬ 
selbe geschieht, wenn man sic zum Beispiel in der Nase kitzelt. Etwas 
anders verhält sich jedoch der Nystagmus bei Aufsetzen der tönenden 
Stimmgabel. Bei genauer Beobachtung sieht man, daß hier bereits 
bei leichtem Auf setzen der Stimmgabel ein ganz geringfügiger vesti¬ 
bulärer rotatorischer Nystagmus nach rechts auftritt, an den sich bei 
starker Erschütterung des Schädels der undulierende Nystagmus an- 
scbließt, ohne das es jedoch hier zu stärkeren Lidzuckungen kommt. 
Es scheint also, daß der durch die Erschütterung ausgelöste vestibuläre 
Nystagmus eine Bahnung des Zentrums vornimmt, so daß ganz gering¬ 
fügige Intention zu Lidschluß bereits den assoziierten undulierenden 
Nystagmus auslöst. 

Erwähnt sei noch, daß Patientin eine ausgesprochene ITysterika 
ist, es besteht halbseitige Dypästhesic. Auch die Patienten-8 t r a n s - 
kys waren durchweg neuropathiseh. 

Ueber den Fp. 11 wird noch ausführlich berichtet werden. 


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Berliner otologische Gesellschaft. 

Sitzung vom 29. Mai 1 9 0 8. 

Vorsitzender: Herr L uc a c. 

S e h r i f t f ii li r e r: Herr Sch w abac h. 

Tagesordnung: 

Herr (i. Brühl: U n t e r s u c h u n g s e r g e b n i s s e an 
T a u b b 1 i n d e n. 

Während die Fürsorge für Blinde und für Taube schon vor 100 
Jahien durch Errichtung von Taubstumniensehiilen und Blindenanstal¬ 
ten einsetzte, ist bis vor wenigen Jahren für die Unglücklichen, die zü¬ 
gle ich taub und blind waren, nicht viel geschehen. Erst seit einigen 
Jahren existieren Taubblindenheime in Xowawes und Ketschendorf, 
in denen sich zurzeit 16 Kranke befinden. Angeregt durch die Lektüre 
von „Helen Keller 44 unternahm es Yortr., diese 16 Taubblinden einer 
genauen Untersuchung zu unterziehen. Unter Taubblinden sind nicht 
nur solche Kranke zu verstehen, die gänzlich taub sind und absolut 
keine Lichtempfindung haben, sondern alle solche Kinder, die bei 
guter geistiger Begabung zu schwerhörig sind, um in der Blinden¬ 
anstalt unterrichtet zu werden, und zu schwachsichtig, um in der Taub- 
stummenschule mitzukommen. Von den .16 untersuchten Taubblinden, 
welche sich im Alter von 6—32 Jahren befinden, sind 8 männlichen. 
8 weiblichen (Jeschleehts. In 13 Fällen ist dieselbe Erkrankung für 
Ertaubung und Erblindung verantwortlich zu machen, nämlich 6mal 
Lues. 4mal Meningitis, je einmal Skrofulöse, Masern, Scharlach-Diph¬ 
therie. In den übrigen drei Fällen war die 'Taubheit zweimal angeboren, 
einmal durch ein Ohrleiden bedingt, während die Erblindung zweimal 
auf Lues und einmal auf Blennorrhoe neonatorum zurückzuführen war. 

In 50 Pro/, der Fälle war also die Ursache der Erblindung Lues. 
Von den 6 Fällen, wo die Lues' beide Erkrankungen verursachte, ist 
4mal Ertaubung und Erblindung gleichzeitig aufgetreten, einmal die 
Taubheit 10 Jahre vor der Blindheit, einmal die Blindheit 10 Jahre 
vor der Taubheit. Wichtig ist die Fürsorge für syphilitische Säuglinge, 
denn bei rechtzeitiger Diagnose kann eventuell ein großer Teil vor 
Taubblindheit bewahrt, bleiben. In keinem einzigen Falle war Taub¬ 
heit und Blindheit zugleich angeboren; dies dürfte, wenn es überhaupt 
vorkommt, äußerst selten sein. Untersuchungen von 150 Taub¬ 
stummen der städtischen Taubstummenschule, die Dr. Kan n auf Ver¬ 
anlassung B r ii h 1 s ausführte, ergaben eine verhältnismäßige Selten- 


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heit angeborener Augenanomalien. die eventl. später zur Blindheit 
führen könnten. 

Von den 16 Taubblinden hatten 15 selivvere Veränderungen in den 
licht brechenden Medien, so daß eine Untersuchung des Hintergrundes 
nicht möglich war. Nur in einem Falle findet sich Atrophie der Seh¬ 
nerven nach Meningitis. 

Von den 32 Sehorganen waren völlig blind 17, einen Lichtschein 
hatten 3, Fingerzählen in 3 m Entfernung konnten 8. Druck dicht am 
Auge lesen 4. 

Völlig taub waren 22 Ohren. Vokalgehör hatten 3, Wortgehör 3. 

Das Ohr hatte also im allgemeinen mehr durch die ursächliche Er¬ 
krankung gelitten, als das Auge. 

Die geistige Entwicklung war bei 12 Kranken gut, bei dreien 
schwach, ein Kind ist idiotisch. Oute Sprache haben von den 16 Taub- 
blinden 11, einer spricht wenige Worte, 4 gar nicht. Von den 11 gut 
Sprechenden trat die Taubheit vor dem 7. Lebensjahre bei 7 Kin¬ 
dern ein. 

Die in Tatibblindenheimen unterzubringenden Taubblinden kann 
man in folgende Oruppen einteilen: 

1. Total Taube und total Blinde (7 Fälle). 

2. total Taube mit Sehresten (3 Fälle). 

3. total Blinde mit llörrcsten (1 Fall). 

4. Taube mit llörrcsten und Blinde mit Sehresten (5 Fälle). 

Vortr. schließt mit dem Wunsche, daß seine Ausführungen an¬ 
regend wirken möchten und daß das begonnene Werk der Gründung 
der Taubblindenheime sich gedeihlich entwickeln möge. 

Herr II i e m a n n (a. (*.) : U n t e r r i c li t a n T a u b b 1 i n d e n 

m i t V o r f ü h r u n g e i n i g e r S c h ü 1 e r. 

IL (der Leiter des Taubstummenheims in Xowawes) be¬ 

merkt. daß man an die Resultate des Taubblindenunterriehts nicht 
allzu hohe Anforderungen stellen dürfe, wie dies nach der Lektüre 
Von Helen Keller wohl leicht der Fall sein könne. Wenn auch bei 
Helen Keller es nicht an Uebertreibungen fehle, so seien doch die wahr¬ 
haft erstaunlichen Erfolge nur auf das Zusammenwirken einer hoch¬ 
begabten Schülerin mit einer genialen Lehrerin zurückzuführen. Die 
Unteirichtsmethoden sind gegeben durch das Handalphabet. die Blin¬ 
denschrift und die Oeberdensprache. Wichtig ist ein frühen* Beginn 
des Unterrichts, da die Kinder sich sonst von dem früher ihnen 
bekannt Oewordenen zu schwer losreißen können. Selbstverständlich 
ist auch die Zeit des Eintritts des Leidens und die Begabung der ein- 


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— 670 


/.einen Kinder von großer Bedeutung. Das Gedächtnis ist hei manchen 
Kindern außerordentlich gut entwickelt. Das erste Wort lernen die 
Kinder durch das Handalphabet, wie vollsinnige Kinder durch die Laut¬ 
sprache. Es wird z. B. dem Kinde ein Ball in die eine Hand gegeben 
und dabei in die andere Hand durch das Fingeralphabet die Zeichen 
B-a-1-1 buchstabiert. Jedesmal, wenn das Kind den Ball bekommt, 
wird dies wiederholt, bis — manchmal dauert dies monatelang — das 
Kind begriffen hat, daß die Zeichen den Gegenstand bezeichnen, und 
selbst die Zeichen macht, wenn es den Ball haben will. Der weitere 
Aufbau geschieht durch einen praktisch aufbauenden Lehrgang. Heh¬ 
rere demonstrierte Zöglinge der Anstalt in Nowawes zeigen wahrhaft 
glänzende Erfolge dieser Unterrichtsmethode. 

Herr Lueae berichtet von einem Taubblinden, der einen Begriff 
der Mundstellungen dadurch bekommen hatte, daß er — er war 
Dicehsler — von seinem Lehrer angehalten wurde, Holzkörper zu 
di echsein, die er in den Mund nahm. Eine Kugel stellte die Mund¬ 
bildung bei a, ein eiförmiger Körper beim o dar. 

Sitz u n g vom 3. Juli 1 9 0 8. 

Vorsitzender: Herr Luca e. — Schriftführer: Herr S c h w a b a c h. 

Vor der Tagesordnung demonstriert Herr Sturm an n eine 
Patientin, bei der er auf eine neue Art intranasal die Kieferhöhle 
operiert hat. Unter Lokalanästhesie wird am Naseneingang durch die 
Haut des Nasenflügels auf die Apertura pyriformis eingeschnitten und 
die Weichteile fazial- und nasalwärts zurückgeschoben. Dann schlägt 
man mit dem Meißel oben und unten auf die Apertur ein und entfernt 
das Stück mit der Knochenzange. Es können nun nach beiden Seiten 
hin größere Stücke vom Knochen entfernt werden, so daß die ganze 
Kieferhöhle der Inspektion und Behandlung offen liegt. Die Lokal¬ 
anästhesie wird sehr gut, wenn man eine Kokain-Suprarenin-Lösung 
vom Munde her über dem Eckzahn zwischen Periost und Knochen ein- 
spiitzt, und eine zweite Injektion zwischen Schleimhaut und Knochen 
der li teralen Nasenwand macht. Die Resultate waren in 4 Fällen gute. 

Herr Schäfer zeigt mit Hinweis auf seine Demonstration in 
der März-Sitzung einen verkleinerten Schulze sehen Apparat zur 
leichten, bequemen und exakten Bestimmung der oberen Tongrenze, 
der für den praktischen Gebrauch handlich genug ist. 

T a g e s o r d n u n g: 

Herr Wagner zeigt das Präparat eines Tumors hinter dem 
Ohre von einem Manne, den er in dieser Gesellschaft vor 2 Jahren 


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— 67 L — 


demonstriert hatte. Der Patient, der seit langen Jahren Ohrensausen 
und Schwindel hatte, ist seit über 10 Jahren völlig taub gewesen. Da 
der Tumor inoperabel war, konnte die Behandlung nur symptomatisch 
sein. Er erwies sich als ein Epitheliom mit sehr langsamer Entwick¬ 
lung, in welches das ganze Schläfenbein auf gegangen war. 

Herr Claus: 1. Karzinom der Schädelbasis. 

Der Patient hatte eine chronische Mittelohreiterung und war der 
Klinik unter dem Verdacht eines otogenen Ilirnabszesses mit unerträg¬ 
lichen Kopfschmerzen zugeführt worden. Die linke Nasenseite war 
durch die vorgedrängte laterale Nasenwand spaltförmig verengt. Post- 
rhinoskopisch war am Rachendaeh ein bohnengroßer, gelbroter, leicht 
höckriger Tumor festzustellen. Es trat bald eine Lähmung des wei¬ 
chen Gaumens ein und der Patient ging an Atemlähmung zugrunde. 
Das Präparat zeigt ein großes Caneroid, welches, wahrscheinlich vom 
Pliaiynx ausgehend, beide Keilbeinhöhlen, das linke Siebbein und die 
linke Oberkieferhöhle durchsetzt hatte. Der Epistropheus war gegen 
die Medulla oblongata stark vorgedrängt. 

2. Maligner Tumor der linken Nase. 

Zyrmderzellenkarzinom, welches dje untere Muschel in einen 
dunkelblauroten, höckrigen, leicht blutenden Tumor verwandelt hatte. 

Herr K atz: Zu r Topocr aphie des r u n den F e n s t e r s 
beim Menschen. 

Demonstration stereoskopischer Aufnahmen, welche die kompli¬ 
zierten anatomischen Verhältnisse außerordentlich klar zur Anschauung 
bringen. Die Bezeichnung ,,rundes Fenster“ ist nicht ganz richtig, da 
die Form meist oval oder dreieckig ist. 

Herr Beyer: Das Schneckenfenster der Wirbel¬ 
tiere. 

Nur die höher organisierten Wirbeltiere haben ein wirkliches 
Schneckenfenster, bei dem anderen dient die dem Vorhoffenster ent¬ 
gegengesetzte Oeffnung in der Labyrinthw’and nur für den Abfluß 
der perilymphatischen Flüssigkeit nach dem Sclüidelinnern. An Pro- 
jektionsbildern zeigt der \ ortr. die Lage des Schneckenfensters zum 
\ orhoflenster, zum Hohlkanal der Cochlea, und die meist exzessive 
Größe derselben bei den \ögeln. Andere Bilder von Säugern zeigen, 
wie die Ausbildung der Ilohlräume mit der Lage des Schneckenfensters 
insofern in Zusammenhang steht, als sich dieses fast immer nach dem 
größten Luftraum öffnet, eine Tatsache, die mit unseren Schall- 
Theorien nicht gut in Einklang zu bringen ist. 


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672 — 


Herr L u c a e glaubt, daß der von dem Yortr. erwähnte rinstand, 
daß beim Mensehen die Nische des runden Fensters von der Achse des 
Gehörganges abgewendet ist. nicht dagegen spricht. daß die Schwin¬ 
gungen der Paukenhöhlenluft auf die Membran des runden Fensters 
übeigehen, da der Luftdruck in einer geschlossenen Höhle überall 
gleich ist. Allerdings hören die Tiere, deren rundes Fenster direkt 
dem Gehörgang gegenüberliegt, wohl besser, was aber auch auf Rech¬ 
nung der großen Bulla zu setzen ist.. 

Herr Beyer meint, daß sich heim Fötus noch mehr als beim 
Alfen das Schnecken feilster direkt nach dem Gehörgang zu öffnet. 

A. Sonntag (Berlin). 


Verhandlungen des dänischen oto-laryngologischen 

Vereins. 

5 5. Sitz u n g v o m 14. Oktober 1 9 0 8. 
Vorsitzender: Prof. H. M y g i n d. — Schriftführer: Dr. L. Mahle r. 

1. V a 1 d. Klein: Fall von u n g e w ö h n 1 i c h 1 a n g ge¬ 
stielt e r Kohl k o p f e y s t e. 

74 jähriger Mann; durch 9 Monate zunehmende Heiserkeit, die 
Stimme durch viele Jahre hindurch etwas rauh; während des letzten 
Monats Erstiekungsanfällc. wenn er nachts zufällig auf dem Rücken lag. 
Kehlkopfsehleimhaut gerötet, nach vorn so geschwollen, daß die Stimm- 
bändei teilweise verdeckt sind. Während des Phoniercns gelangen die 
Stimmbänder nicht zur Berührung, indem ein glatter, etwa bohnen¬ 
großer Tumor zwischen ihnen hinauf gepreßt wird. Die Geschwulst 
geht olfenbar von der rechten Kehlkopfhälfte aus, die genaue Insertions- 
stclle läßt sich jedoch wegen der Sehleimhautschwellung nicht be¬ 
stimmen. Sie wird mittels der kalten Schlinge entfernt, ist glatt, 
wurstförmig. 2 V 2 cm lang und von 1 cm Durchmesser. Die Insertions¬ 
stelle zeigt sich jetzt in dem vorderen Drittel des rechten Taschenbandes 
liegend. Mikroskopie ( Dr. G r e g e r s, e n): Der distale kuppel- 
ftrmige Teil enthält eine mit serösen- Flüssigkeit gefüllte Cyste, deren 
W find eine direkte Fortsetzung des Schleimhaut-Bindegewebes bildet; 
die freie Oberfläche ist von gewöhnlichem Sehleimhautepithel gedeckt. 
Nirgends Zeichen von Malignität. Die Cysto scheint durch Retention 
aus einer der Drüsen der katarrhalisch veränderten Schleimhaut ent¬ 
standen zu sein. 


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II. E. S c h m i e g e 1 o w : Demonstratio n v o n eine m 
E a 1 1 e tuberkulöser Neubildung i m K e h 1 k o p f e , 
d u r e h T h v r e o t o m i e g e h e i 1 t. 

Eine 49 jährige Witwe wurde im Januar 1907 heiser; etwas Husten 
und Auswurf, keine Abmagerung; niemals Hämoptyse. Am 10. Juni 
1907 wurde in der oto-laryngologisclien Klinik des Frederiks-Ilospitals 
eine höckerige Infiltration des linken Taschenbandes gefunden; das 
linke Stimmband immobil. M i k r o s k o p i e eines exzidierten Stück¬ 
chens ergab ein typisches Platte n /eil e n k a r z i n o m. Patientin 
wurde ins St. Josephs-Spital auf genommen, wo über beiden Lungen¬ 
spitzen Dämpfung und bronchiale Respiration gefunden wurde. Am 
20. Juni wurde nach Einlegen einer 11 ahn sehen Kanüle Thyreo- 
tomie vorgenommen; beide Taschenbänder wurden entfernt und die 
Innenseite des Schildknorpels mit dem scharfen Löffel behandelt. M i - 
kroskopie des entfernten (Jewehes ergab jetzt typische Tuber¬ 
kulose mit Tuberkeln und Kiesenzellen. Am 2. Juli war die Wunde 
gehtilt. Patientin hat jetzt eine Sanatorienbehandlung durehgemacht 
und befindet sich sehr wohl. Die Stimme ist etwas heiser, aber klang¬ 
voll. Das Kehlkopfinnere etwas narbig, leicht stenosiert, man findet 
aber keine Spur von tuberkulösen Prozessen. 

Eigentümlich in diesem Falle war erstens, daß die erste mikro¬ 
skopische Untersuchung, von einem geübten und tüchtigen Pathologen 
ausgeführt. Karzinom ergab: dann aber auch, daß ein so ausgedehntes 
tuberkulöses Leiden völlig ausheilte. Hätte S. gewußt, daß es sich 
um eine Tuberkulose handle, hätte er kaum die Thyreotomie gewagt, 
indem seiner Erfahrung nach größere externe Eingriffe bei der Kehl¬ 
kopftuberkulose oftmals ein akutes Auflodern der Lungentuberkulose 
verursachen; mehrere Patienten hatte er auch durch akute Miliar¬ 
tuberkulose verloren. Der günstige Erfolg in diesem Falle mag durch 
die energische Entfernung alles krankhaften Gewebes erklärt werden 
in Verbindung mit dem primären Verschluß der Wunde und Fortlassen 
der Trachealkanüle, wodurch die postoperative Heizung der Luftwege 
verhütet wird. 

III. N. 11 h. B 1 e g v^a d : O t o -1 a r y n g o 1 o g i s e he Ein¬ 
drücke aus Amerika. (Aus einer Studienreise in U. S. A. im 
Winter 1907-08.) 

Die Spezialisierung ist in Amerika sowohl auf dem Gebiete des 
praktischen Lebens wie auf dem des wissenschaftlichen sehr weit ge¬ 
trieben; unter den 3—4000 Aerzten in Chicago findet man etwa 
300 Oto-Larrngologen, d. h. 10% gegen 2% in anderen Ländern. Die 


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— 674 — 


Ursachen sind die großen Verhältnisse, die guten Verkehrsmittel und 
die mangelhafte medizinische Ausbildung; letztere hat sich jedoch in 
den späteren Jahren beträchtlich gebessert, nachdem „Association of 
American Medical Colleges“ die Studienzeit auf mindestens vier Jahre 
ä 1000 Stunden fixiert hat. Die Oto-Laryngologie ist ein obligatori¬ 
sches Fach und der Unterricht hierin an den meisten Universitäten 
ein guter. Die Lehrer sind „Professors“ oder „Clinical Professors“. 
Außeidem findet man überall große „Postgraduate Schools“, in denen 
approbierte Aerzte weitere Ausbildung suchen; in vielen Städten 
(z. B. Chicago und New Orleans) findet man solche Schulen, die sich 
ausschließlich mit Ophthalmologie und Oto-Laryngologie beschäftigen. 
An solchen Stellen werden die vielen Spezialisten ausgebildet, die sich 
dann später oftmals in ganz kleinen Städten niederlassen und sehr viel 
schreiben. Unter den 43 430 rhinolaryngologischen Abhandlungen, die 
seit 1884 erschienen sind, kommen 11 022 oder mehr als ein Viertel aus 
U. S. A. her; in 1899 findet man sogar bei einer Totalsumme von 
2305 Abhandlungen 1000 amerikanische. 

Der amerikanische Spezialist zeichnet sich durch eine große 
Selbständigkeit in Gedankenzug und Urteilsvermögen aus, ferner durch 
großes Arbeitsvermögen und — namentlich im Westen und im Süden 
- — durch eine große Liebenswürdigkeit und Gastlichkeit dem besuchen¬ 
den Arzt gegenüber. Viele amerikanische Oto-Laryngologen sind durch 
einen längeren Aufenthalt in Europa, namentlich in Wien, ausgebildet, 
viele aber auch nur durch Postgraduate Schools u. dergl.; oftmals ist 
ihre Laufbahn eigentümlich „amerikanisch“. Man hat in Amerika die 
Aussicht, schnell zu anvancieren, indem man sich hier nicht fürchtet, 
vernnwortungsvolle Stellen jüngeren Acrzten anzuvertrauen, und die 
alteren sich ferner gewöhnlich ziemlich früh in den Buhestand begeben. 

Die Spezialisten haben vielfach in den Geschäftsvierteln der 
Großstädte ihre Sprechstunde, oftmals in einem der großen Häuser, 
das in seinen 20 Etagen bis 100 Aerzte beherbergen kann. Viele ameri¬ 
kanische Oto-Laryngologen arbeiten stehend, während der Patient in 
eil ein Zahnärzte-Stuhl sitzt. Die Instrumente sind in einem prakti- 
cshen Tischchen mit vielen Schubläden untergebracht; die Journal¬ 
fühl ur.g ist nach dem Kartothek-System eingerichtet. 

Die meisten Hospitäler erlauben einem jeden Arzt, seine Patien¬ 
ten einzuliefern und zu behandeln; außerdem findet man in den 
großen Städten Hospitäler, die ausschließlich ophthalmologische oder 
oto-laiyngologische Patienten aufnehmen; das schönste unter diesen ist 
das neue ..Manhattan Eye. Ear and Throat Hospital“ zu New York. 


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— 675 — 


Eg ist dieses Hospital geradezu musterhaft eingerichtet; in den zwei 
unteren Etagen befinden sich die Administration- und Poliklinik¬ 
räume, im 6. Stock der Operationssaal und in den zwischenliegenden 
Etagen die Krankensäle, die insgesamt 125 Betten fassen. Im letzten 
Jahr wurden hier 3591 Patienten mit etwa 34 000 Krankheitstagen be¬ 
handelt. In der Poliklinik wurden 26 645 Patienten behandelt, davon 
4742 mit Ohrenkrankheiten und 5415 mit Nasen- oder Halskrankheiten: 
die Zahl der Konsultationen war etwa 100 000, die der Operationen 
6072, davon 855 Ohren- und 2352 Nasen- und Ilalsoperationen. „New 
York Eye and Ear lnfirmery“ ist etwas älter, hat 131 Betten; 1907 
wurden 3641 Patienten stationär behandelt. 30422 poliklinisch wegen 
Augen- und 11 520 wegen Ohrenkrankheiten. 

Die Adenotomie wird fast überall in tiefer Narkose ausgeführt, 
meistens mittels des Bingmessers, oder* auch wird die Zange zu Hilfe 
genommen. Die Tonsillen werden meistens sehr gründlich entfernt, 
es wird eine radikale Tonsillektomie vorgenommen, indem die Ton¬ 
sille von den Oaumenbögen abgelüst und dann mit Messer oder 
Schere perikapsulär ausgeschält wird. Die Operation scheint ratio¬ 
nell in Fällen rezidivierender Tonsillitis oder peritonsillären Abszesses 
bei Erwachsenen, während sie bei Kindern unnötig ,.radikal“ ist. Die 
submuköse Septumreaktion wird außerordentlich viel ausgeführt; die 
Methode ist sehr wechselnd, am schönsten ist die von F reer- 
Chicugo angegebene, sowohl was den Vorgang selbst, als was die In¬ 
strumente betrifft. Auf dem Gebiete der Broncho- und Oesophagoskopie 
sind die Amerikaner weit vorgeschritten, vor allem zeichnet sich 
Jackson (Pittsburgh) aus; er hat vorzügliche Instrumente ange¬ 
geben und sich namentlich um die Gastroskopie verdient gemacht. Die 
ameiikanischen Laryngologen beschränken sich nicht auf die endo- 
laryngealcn Operationen, sondern nehmen auch größere Operationen 
vor, Laryngektomie, Oesophagusresektion, Strumektomie, Anasto- 
mosenbildung zwischen N. hypoglossus und N. facialis bei der Fazialis¬ 
lähmung. 

IV. P. T e t e n s H a 1 d: F r a e t u r a o s s i s t e m p o r i s. B u p- 
tura sinus transversi. H ä in a t o m a e p i d u r a 1 e. — 
Demonstration des Präparats. 

Patient ist am 22. September abgestürzt und hat den Kopf ge¬ 
schlagen. Bei der Aufnahme in die chirurgische Abteilung war er 
ganz irr und ungebärdig; am Hinterkopf eine sternförmige kontun- 
dierte Wunde; aus dem rechten Ohr starke Blutung, ferner Nasen¬ 
bluten und Blutorbrechen. Er wurde in die neurologische Abteilung 


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übe i siedelt. Am 23. war er bewußtlos, reagierte jedoch auf taktile 
und schmerzhafte Eingriffe. Keine deutlichen Lähmungen. 36 Stun¬ 
den nach dem Absturz ist er gestorben. 

Bei der Sektion fand man die SchUifenschuppe durch eine wage- 
rechtt Frakturlinie von dem Felsenteil getrennt; die Frakturlinie 
setzt sieh den Meatus transversus entlang über dem Hinterhauptbein 
fort; im Felsenbein findet man teils eine der Längenachse parallel¬ 
laufende Fraktur, teils eine Querfraktur. Antrum und Paukenhöhle 
mit Blutgerinnseln gefüllt. In der Außenwand des Sinus transversus 
eine 2 ein lange Buptur. durch die man ein im Inneren liegendes 
Blutgerinnsel sieht; endlich fand man oberhalb des Sinus ein epi- 
durales Hämatom. Das Hirngewebe etwas kontundiert. 

Es ist dies ein ziemlich seltener Fall, ferner hat er aber auch thera¬ 
peutisches Interesse: Selbst wenn der Patient in diesem Fall vielleicht 
an« ehesten an den Kontusionen des Zentralnervensystems gestorben ist, 
ist es doch nicht ausgeschlossen, daß die epidurale Blutung und die da¬ 
mit folgende Kompression des Jlirngewebes einige Bedeutung haben 
konnte und daß Patient vielleicht zu retten gewesen wäre, falls mau 
auf operativem Wege die Sinusblutung hätte bewältigen können. Wäre 
cs nicht vielleicht angezeigt, in Fällen, wie hier, wo ein Trauma die 
Ohr- oder Xaekengegend getroffen hat und schwere 11 irnerscheiuungen 
voiliegen, immer den Sinus zu entblößen; die Chancen des Patienten 
werden durch den Eingriff kaum verringert, und ein einziger gerette¬ 
ttu Fall würde eine ganze Reihe resultatlostu Eingriffe rechtfertigen. 

Ein weiterer Grund, diesen Fall mitzuteilen, ist der, daß II. 
wünscht,, die Meinungen der Mitglieder über den Mechanismus der 
Hämostase hoi Sinusblutungen zu hören. Tn einem Falle wie dem vor¬ 
liegt ndon wird ja die Blutung einfach fort«etzen, bis der Druck im. 
Epiduralraum dem im Sinus gloiehkommt. Auch ist es wohl zweifel¬ 
los. daß in den meisten Fällen von Tamponade nach operativer Sinus- 
eröffne«ng die Wandungen gegeneinander gedrückt werden, wonach das 
Blut in der Nähe der Kompressionsstelle gerinnt und das Gerinnsel 
später organisiert wird. Es gibt, vielleicht alter auch einen anderen, 
selteneren Mechanismus, wo der Sinus nicht völlig komprimiert wird, 
sondern die Wundlippen einander genähert werden und das im Tampon 
geronnene Blut einen kleinen Fortsatz zwischen ihnen hineinsendet, 
wodurch die Wunde verschlossen wird, während gleichzeitig der 
Sinus für den Blutstrom durchgängig bleiht. Eine klinische Beob¬ 
achtung hat 1L auf diesen Gedanken gebracht: Es passierte ihm ein- 
nud hei einer doppelseitigen Aufmeißelung, auf beiden Seiten Sinus- 


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— 677 — 


blutung zu bekommen, so daß beiderseits tamponiert werden mußte; 
es traten aber gar keine llirnerscheinungen auf; es mag demnach wohl 
wahrscheinlich sein, daß der eine Sinus wenigstens durchgängig ge¬ 
blieben sei. 

I) i s k u s s i o n : M y g i n d , S c h m i e g e 1 o w. 

V. P. T e t e n s il a 1 d: Fall v o u Oes o p h a g u s p o 1 y p 

( F i b r o m a 1 v m ]) h a n g i 'e e t a t i c u m ) d urc h Oes o - 

p li a g o s k o p i e entfern t. J) e m o n s t r a t. i o n des Prä¬ 

parats. 

Ein 58jähriger Mann hatte seit zwei Jahren zunehmende Schling¬ 
beschwerden; er hatte das Gefühl, als blieben feste Speisen irgendwo 
stecken, nachher bekam er Schmerzen und Erbrechen. Während der 
letzten anderthalb Jahre hat er sich ausschließlich von Weißbrot, 
Fisch und flüssigen Speisen ernährt. Die dickste Olivenbougie 
passierte anstandslos die Speiseröhre: Yentrikelrctention lag auch 
nicht vor. Hei der Ocsophagoskopie zeigte sich die Schleimhaut etwas 
unterhalb des Ringknorpels unregelmäßig geschwollen, tief rot, Lumen 
verkleinert. lh*i einer späteren Oesophagoskopie konnten in dem 
größten Teil des Oesophagus normale Verhältnisse konstatiert werden; 
als jedoch der Tubus wieder zurückgezogen wurde, erschien- plötzlich 
eine polypenartige Exkresdenz vor der Mündung; sie war 20 cm von der 
Zahnreihe entfernt. Der Polyp wurde sofort entfernt, war 4 cm lang, 
von V'i cm Diameter. Mikroskopie: Fibroma lymphangieetaticum. 
Bei einer späteren Oesophagoskopie wurden überall normale Verhält¬ 
nisse konstatiert, nur nicht direkt oberhalb der Cardia, wo die 
Schleimhaut etwas geschwollen und gerötet war; ein exstirpiertes Ge¬ 
websstückchen ist noch nicht mikroskopiert. 

Nach der Entfernung des Polypen schwanden die Schling¬ 
beschwerden allmählich. Eine vor drei Wochen konstatierte links¬ 
seitige Rekurrensparalyse ist jetzt, zurückgegangen. Bei der Röntgen¬ 
untersuchung findet man kein typisches Aortenaneurysma, jedoch ist 
der Schatten der Aorta etwas breiter als normal. 

Die. gutartigen Neubildungen des Oesophagus sind ziemlich selten 
und werden gewöhnlich zufällig bei der Sektion gefunden, oder auch 
dadurch, daß sie gelegentlich gleich einer zweiten Zunge aus den 
Oesophagus herausgeschleudert werden. Was aber in dem vorliegen¬ 
den Falle von besonderem Interesse ist, ist die Frage, ob der verhält¬ 
nismäßig kleine Folyp wirklich ausschließlich die Schlingbeschwerden 
verursacht hat. Zwar ist es möglich, daß er wegen seines ly mph- 
angiektatisehen Baues dazu imstande wäre, durch Stauung beträcht- 


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— G78 — 


lieh größere Dimensionen anzunehmen, ferner sind ja tatsächlich aueh 
nach seiner Entfernung die Sehlingbesehwerden größtenteils ver¬ 
seil wunden. Das Aussehen der Sehleimliaut im unteren Teil des Oeso¬ 
phagus bleibt jedenfalls — selbst wenn die mikroskopische Unter¬ 
suchung nichts Krankhaftes zeigen sollte — sehr verdächtig, so daß 
es wahrscheinlich erst nach einer längeren Observationszeit möglich sein 
wird, sich mit Sicherheit über die wirkliche Ursache der Schling¬ 
beschwerden auszusprechen. 

Diskussion: M y g i n d. Jörgen Möller. 


Verein deutscher Laryngologen. 

XV. Tagung, Pfingsten, 8. J u n i 1 908. 

(Bericht des Schriftführers Dr. B 1 u m e n f e 1 d - Wiesbaden.) 

Vorsitzender: Herr V ohsen- Frankfurt a. M. 

In der diesjährigen Geschäftssitzung wurde einstimmig be¬ 
schlossen, daß der Verein süddeutscher Laryngologen fortan den 
Kamen ,,Verein deutscher Laryngologen“ führen soll. 

Herr K ö r n e r - Rostock demonstriert ein Karzinom des 
II y popliarynx, das in den Kehlkopf hineinge- 
wachse n war, bespricht die Schwierigkeiten der klinischen Er¬ 
kennung der Ursprungsstelle und der Ausdehnung solcher Geschwülste 
mul betont den Wert der llypopharyngoskopic. 

Herr v. Eichhorn- Heidelberg: U e b c r A n w e n d u n g 
der F u 1 g u r a t i o n in der Laryngologre. 

Beschreibung des Fulgurationsapparates. Im Heidelberger Sama¬ 
riterhause werden Funkenbündel von 2—5 em Länge angewandt und 
zwar wegen der Schmerzhaftigkeit in gemischter Karkose; Skopolamin¬ 
morphium und Chloroform. 

Die Wirkung der Fulguration ist eine mehrfache. Zunächst ent¬ 
steht an der einige Sekunden lang fulgurierten Ilautstelle eine kleine 
Blase, wie bei einer Verbrennung 2°. Im nächsten Augenblicke wird 
die Blase durch die Funken durchschlagen, entleert sich und fällt in 
sich zusammen. Fulguriert man noch weiter dieselbe Stelle, so ent¬ 
steht ein Verbrennungsschorf. Größere Hautpartien, die man mit 
wandernder Elektrode fulguriert, werden zunächst für kurze Zeit 
anämisch, worauf eine länger dauernde Hyperämie und Rötung ein- 
tritt.. 


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Vm Blasenbildung und Verschorfung zu verhindern. wird mit 
l'Ot* oder, wo diese, wie in Mund und Nase nicht anzuwenden ist, mit 
komprimierter Luft gekühlt. Daneben kommt die mechanische und 
•die Lichtwirkung der Funkenbiiseliel zur Geltung. 

Leider ist die Tiefenwirkung der Fulguration nicht groß: 1 ein 
ist wohl das höchste, was man erwarten darf. Sie macht deshalb auch 
die Chirurgie nicht entbehrlich. Sie soll nur die makroskopisch nicht 
mehr sichtbaren Beste des Krebsgewebes zerstören und den Patienten 
vor Rezidiven schützen. 

Die Erfahrungen v. Eichhorns sind noch zu kurz, um ein ab¬ 
schließendes Urteil zu gestatten; über die Möglichkeit der Vermeidung 
von Rezidiven wird man sich erst nach Jahren äußern können. 

Man kann vorläufig nur sagen, daß die Fulguration in denjenigen 
Fällen, in denen man bisher durch langwierige Radium- oder Röntgen- 
Behandlung Erfolge erzielte, dieselben Erfolge in einer einzigen oder 
zwei Sitzungen erreicht. Diese Zerstörung auf einmal hat auch inso¬ 
ft rn einigen Wert, als bekanntlich während der Dauer der Röntgen¬ 
behandlung die Krebsgeschwulst zwar an den bestrahlten Stellen 
zurückgeht, aber an den Nachbarstellen inzwischen oft wieder weiter¬ 
wächst. 

Die Fulguration ist uns ferner von großem Nutzen bei der Be¬ 
handlung von Rezidiven und bei nicht mehr radikal operablen Fällen, 
wo es sich darum handelt, leicht blutende, jauchende und übelriechende 
Wuiidtlächen zu reinigen, dem Patienten keine Selunerzen und ihn 
selbst für seine Umgebung wieder erträglich zu machen. 

Vorstellung eines Falles von Larynxkarzinom (Plattenepithelkarzi¬ 
nom) und eines Kindes von 11 Jahren mit Fribroehondromyxosarkom 
des Rachens. Beide sind in Anschluß an die operative Behandlung mit 
Fulguration behandelt. Das Resultat ist bis jetzt günstig. 

Diskussion. 

Herr B. F r ä n k e 1 - Berlin hat Versuche mit Pilzkulturen ge¬ 
macht, die ergaben, daß eine Abtötung durch die Fulguration statt- 
fiiidet: diese ist keine Folge der Wärmewirkung. Therapeutisch hat 
Frankel besonders bei Tuberkulose Versuche gemacht; die Erfolge 
waien zum Teil günstig, doch nicht gleichmäßig. 

Herr von Eichhorn (Schluß wort). 

Herr Killian - Freiburg i. Breisgau: Die Erkrankun¬ 
gen der Nasennebenhöhlen bei Scharlach. 

Zwei Fälle von Erkrankung der Nebenhöhlen im Anschluß an 
-Scharlach im letzten Winter, von denen einer durch frühzeitiges Ein- 


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— 6S0 — 


greifen gerettet wurde, gaben Anlaß, das vorhandene Material zu 
bearbeiten. 

Es sind zwei Formen von Sinusitis searlatinosa zu beobachten, die 
einfache und die komplizierte. 

Die einfache Sinusitis tritt aller W ahrscheinlichkeit nach sehr 
häutig ein. Dafür spricht schon die Analogie mit anderen Infektions¬ 
krankheiten, ferner die Tatsache, daß bei den Scharlachsektionen von 
W o 1 f und \V e r t h e i m schon unter wenigen Füllen eine Reihe von 
Kobenhöhlenerkrankungen gefunden wurde, doch haben sie von seiten 
der inneren Mediziner wenig Beobachtung gefunden: es ist wün¬ 
schenswert. daß diese Dinge mehr beachtet werden. l)ie meisten akuten 
Keb( nhöhlenaffektionen kommen wie auch sonst, so auch beim Schar¬ 
lach zu spontaner Heilung. Kur einige werden chronisch, gelangen 
noch spät zur Beobachtung und können auch nach langer Zeit noch 
kompliziert verlaufen. 

Solche Fülle machen auffällige Erscheinungen, daher hat man 
auch gelegentlich über sie berichtet. Ihre Häufigkeit muß viel größer 
sein, als es bis jetzt den Anschein hat. Die Rhinologcn wurden offen¬ 
bar selten zu gezogen. 

Bei kompliziertem Verlauf einer Xebcnhöhleuaffektion bei Schar¬ 
lach tritt frühzeitig äußeres Oedem auf, in zwei Fällen schon am 
fünften Tage beobachtet, die geschwollene Partie ist oft spontan und 
auf Druck schmerzhaft, sie betrifft Stirngegend, Nasenwurzel, meistens* 
inneres Drittel des oberen Augenlides. Bei Kindern bis zu sieben 
Jahren kommen wesentlich die Siebbein zellen in Betracht, von 8—9 
Jahren die Stirnhöhle, erst viel später die des Keilbeins. Aus anato¬ 
mischen Gründen hat man es seltener mit einer komplizierten Erkran¬ 
kung der Kieferhöhle zu tun. 

Oedem und Eiterbildung entstehen dadurch, daß der Entzündungs¬ 
prozeß von der Kebeuhöhlen-Sehleimhaut zum äußeren Periost fort- 
scliieitet. Dabei erkrankt heim Scharlach sehr rasch der Knochen mit. 
Tatsächlich sind 13mal Knochen Veränderungen nachgewiesen worden, 
von den leichtesten bis zu den schwersten kariösen Prozessen, Per¬ 
forationen und Sequesterbildungeu. Die Löcher befanden sieh meistens 
in der Lamina papyraeea des Siebbeins, aber auch das Dach ßes Antrum 
und die vordere und die untere Wand der Stirnhöhle wurden perforiert 
gefunden. 

Die eigentlich gefährlichen sind die Komplikationen von seiten 
der Stirnhöhle; hier ist die Gefahr der intrakraniellen Erkrankung sehr 
gr«»l.i. ausnahmsweise ( E d in. Meyer) auch schon in früherem 


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— 681 — 


Alter. Drei Kinder starben an eitriger Meningitis, auch Thrombose 
des Längsblut lei ters mit folgender pyämischer Eiterung wurde beob¬ 
achtet. Die Diagnose der komplizierten Seharlachsinusitis ist wegen 
des äußeren Oedems leicht, daneben kommen die sonstigen diagnosti¬ 
schen Mittel (Röntgen usw.) in Betracht. Die Auffassung dieser Er¬ 
krankungen muß stets sehr ernst sein; sie fordern zu energischem 
Handeln auf nach dem Vorgänge von P r e y s i n g. 

Es handelt sich im wesentlichen darum, das ganze Siebbein und, 
wo eine Stirnhöhle vorhanden ist, auch diese zu eröffnen; zu diesem 
Zweck Bogenschnitt wie bei Killians Radikaloperation. Da die 
Wunde eine Zeitlang offen gehalten werden muß, so empfiehlt es sich, 
den Schnitt nicht innerhalb der Augenbraue, sondern darüber verlaufen 
zu lassen. An der Nasenseite muß er so weit nach außen gehen, 
daß der Processus frontalis bequem reseziert werden kaun. Es folgt 
die Ausräumung der Siebbeinzellen. Stets sollte man auch die Kiefer¬ 
höhle probeweise eröffnen. 

Diskussion. 

Die Herren N ager, E d m. Meyer, V o li s e n , Hi n s b e r g , 
P r e y s i n g und W alter Haenel berichten zum Teil über weitere 
Fälle. 

Herr von Eicken - Freiburg i. Br.: Speichelfluß 

d u r c h die Nase. Vorstellung eines Falles. 

Beim Kauen und bei Vorstellung von Nahrungsmitteln Ausfluß 
von Speichel durch die Nase. Es war früher eine breite Eröffnung des 
Antrums gemacht, die orale Wunde eine Zeitlang offen gehalten, dar¬ 
auf zunächst Eindringen von Speisen durch die Kieferhöhle in die 
Nase, Operation, Verschluß der oralen Fistel, Aufhören des Durch- 
tretens von Speisen, doch blieb eine ganz kleine Oeffnung; durch sie 
dringt der Speichel in Kieferhöhle und Nase. 

Herr von Eicken-F reiburg i. Br.: Unsere Erfahrun¬ 
gen über Komplikationen bei Erkrankungen der 
Nase n n e b e n li ö h 1 e n. 

Eine große Anzahl dahin gehöriger Fälle, deren Einzelheiten sich 
zu kurzem Referat nicht eignen. Das Material teilt sich in folgende 
Gruppen. 4 Fälle mit ödematösen Erscheinungen der Lider (retro¬ 
bulbäres Oedein, Exophthalmus usw.), die nach Eröffnung der erkrank¬ 
ten Nebenhöhlen sämtlich geheilt wurden. Ferner drei Fälle mit 
regionären Abszessen, davon einer in der Gegend oberhalb der Tränen¬ 
wege, zwei Fälle mit Abszeßbildung in der Stirngegend. Zu den Kom¬ 
plikationen in der Schädelhöhle übergehend, hält v. Eicken es für 


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wahrscheinlich, daß in zwei Fällen eine Meningitis serosa .bestanden 
hat. Drei extradurale Abszesse, sämtlich als zufällige Befunde bei 
Stirnhöhlenoperationeu, durch Operation geheilt; den Füllen war ge¬ 
meinsam das plötzliche Auftreten einer starken Schwellung des oberen 
Lides, ein Symptom, das bei chronischer Stirnhöhleneiterung großen 
diagnostischen Wert hat. Zwei Patienten sind an Meningitis nach 
einer Nebenhöhlenoperation gestorben. Ein Fall von Frontallappen¬ 
abszeß. Heilung; sechs Jahre später Exitus an Karzinom; Sektions¬ 
befund wird mitgeteilt. 

Zwei Fälle von Osteomyelitis cranii. Fall 1, nach früherer Er¬ 
öffnung der rechten Kieferhöhle und submuköser Septumresektion wird 
Radikaloperation der rechten Stirnhöhle, des Siebbeins, der Keilbein- 
hohle gemacht; nach primärer Naht zuerst guter Wundverlauf, dann 
Wiedereröffnung der Wunde notwendig, trotzdem sich weiter aus¬ 
dehnende Periostitis und Osteomyelitis, Abszeß im Stirnhirn, breite 
Drainage, Kräfteverfall, Zeichen, die für Abszeß im linken Schläfen¬ 
lappen sprachen, Exitus durch Meningitis, Sektionsbefund. 

Fall 2, Stirnhöhlen-, Siebbeineiterung, nach Trauma akute Ver¬ 
schlechterung. Operation ergibt nekrotische Knochenmassen im Be¬ 
reich des linken Trünen-Sieb-Stirnheines. Fortschreiten trotz wieder¬ 
holter Operation, Meningitis, Exitus, Sektionsbefund. 

Fälle, in denen Thrombose des Sinus cavernosus mit Wahrschein¬ 
lichkeit den Exitus veranlaßten. sah Killian zweimal, Sektion ver¬ 
weigert. 

Zwei Fälle von Thrombosen des Sinus longitudinalis als zufällige 
Sektionsergebnisse zur Kenntnis gelangt. 

Zwei Fälle von metastatischen Eiterungen, einmal in der Pro¬ 
stata. einmal eitrige Peritonitis, Pneumonie nsw. 

Diskussion: Herr K and e r. 

Herr B r ü n i n g s - Freiburg i. Br.: Bei t r ä g e z u r s u b - 
m u k ö s e n Septumresektion. 

Instrumentarium: Abgesehen von Injektionsspritze, Tupfer usw. 
a) Haken zum Auf halten des Nasenlochs, b) Septummesser, c) doppel¬ 
seitiges Raspatorium, d) Messer nach Bai langer-, e, f) Septum- 
zangen nach Brünings, g, h) Meißel. Hammer, i) Tamponade¬ 
zange nach B r ii n i n g s — ferner (Jummitampons, Septumklammern, 
davon eingehend besprochen: Septumzange; stanzende Zangen sind 
nicht- zweckmäßig zum Ausbrechen der freigelegten knorpeligen oder 
knöchernen Sept um teile, die B r ü n i n g sein» Zange mit ineinander 
gelegten Branchen eignet sich selbst zum Abbrechen des verdickten 


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— (583 — 


Vomers. so daß Meißel selten zur Anwendung kommt. Neu ist Tampo¬ 
nadezange, deren Backen innen glatt sind, sie vermeidet den Uebel- 
st&nd der gerieften Zangen. Gaze usw. wieder mit herauszuziehen. 

Die Nachteile der Nasentamponade werden aufgezählt, sie führ¬ 
ten B r ü n i n g zunächst zur Einführung eines gefensterten Gummi¬ 
schlauches, der aber den Nachteil hat, daß er durch Sekret verstopft 
wird. Nach verschiedenen Verbesserungsversuchen der Wattetampo¬ 
nade, die besonders darauf gerichtet waren, die Entfernung der Tam¬ 
pons schmerzloser zu gestalten, griff B r ü n i n g zu strangförmigen 
Tampons aus den bekannten Gummi-Badeschwämmen, deren Vorzüge, 
Elastizität, auch in feuchten Zustande, Porosität, Schlüpfrigkeit, die 
auch bti der Entfernung derselben sich geltend machen, werden weiter 
ausgeführt. 

Tamponade mit Gummischwamm, wenn auch eine gute Nach¬ 
behandlungsmethode der Septumresektion, stellt nicht das Ideal einer 
solchen dar. B r ii n i n g s hat daher den Versuch gemacht, die Septum¬ 
blätter durch Kompressorien miteinander zu vereinigen, so daß die 
Nasenatmung freibleibt. Mit solchen Klammern sind 31 Fälle von 
Septumresektion behandelt, so daß B r ü n ing kein Bedenken trägt, 
die Methode als wesentlichen Fortschritt zu bezeichnen. Die Vorteile 
der Behandlung mit Klammern, deren Form und Gebrauchsteehnfk aus¬ 
führlich beschrieben wird, sind: 

1. Die Einführung der Klammern ist auch ohne Kokainisierung 
der lateralen Nasenwand schmerzlos. 

2. Die Durchsichtigkeit der Klammern ermöglicht es, nach ihrer 
Anlegung die Adaption von Schleimhautrissen zu kontrollieren und 
eventuell unter der Klammer zu korrigieren. 

3. Die Nasenatmung bleibt bei der Klammerbehandlung in der 
Mehrzahl der Fälle dauernd erhalten. Absaugung des Sekrets nach 
hinten ist in jedem Falle möglich. Schluckbeschwerden treten nie¬ 
mals ein. 

4. Die durch Sekretstauung und Sekretverhaltung bedingten 
Tamponadebeschwerden fallen vollständig fort; Temperatursteigerun¬ 
gen, wie sie sonst die Regel bilden, fehlen fast ausnahmslos. 

5. Die Klammern haben außer gelegentlichem Nießreiz keinerlei 
Beschwerden gemacht; ihre Entfernung ist leicht ohne jeden Schmerz 
zu bewerkstelligen. 

6. Die Klammeranwendung kürzt die Dauer der Behandlung bis 
auf die Hälfte der sonst üblichen Zeit ab. 


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— 684 — 


Diskussion. 

Herren Hatz, Z a r n i k o , Auerbach, Brünings 
(Schlußwort). 

Herr (Joris - Brüssel: Demonstration primärer 

Mandoltuherkulose. 

Bei ganz gesunder Patientin von 23 Jahren ohne Lungenbefund 
und ohne Auswurf, anseheinend einfach hypertrophische Mandeln, 
Kauterisation, schlechte Heilung. Untersuchung ergab typische 
Tuberkulose mit Biesenzellen. Demonstration der Präparate. Eine 
Injektion von Ko c h schein Alttuberkulin ergab bei der Patientin 
typische Reaktion. 

Diskussion. 

Herr Schöne in a n n - Bern : Die Tonsillen erkranken zumeist 
sekundär, und zwar nicht etwa vornehmlich durch Fortleitung des tuber¬ 
kulösen Prozesses, sondern metastasiseh bei Tuberkulose der K T asen- 
sehlcin.haut. Dieser Umstand spricht für Sch.’s Ansicht über die Be¬ 
deutung der Tonsillen, daß nämlich letztere nichts anderes vorstellen, 
als suhmuskös gelegene, zwischen Käsen- und Xasenrachen-Schleimhaut 
und tieferen llalslymphdrüsen eingeschaltete Lymphdrüsen. 

Herr (1 o r i s (Schlußwort). 

Herr X e u g a ß - Mannheim : Ein Fall von syphi lit i. - 
s c h e m P r i m ii r a f f e k t d e r X a s e n schcidewan d. 

Syphilitische Primäraffekte der Xase sind selten. Es wurde da¬ 
her in dem folgenden Falle die Diagnose auch erst bei Auftreten einer 
Roseola gestellt. Es handelt sich um einen 22 jährigen Patienten, der 
angab, daß seit einiger Zeit die Xase beim Waschen und Schneuzen 
geblutet habe. 

Bei der Untersuchung fand sich auf der rechten Seite des Septum 
cartilag. ein etwa zehnpfennigstiiekgroßes Ulcus, und zwar an der be¬ 
kannten Stelle, die durch den in der Xase bohrenden und herumarbei¬ 
tenden Zeigefinger sehr häufig der Sitz von Exkoriationcn ist. Die 
Submuxillar- und Submentaldriisen waren nicht auffallend ge¬ 
schwollen. 

Da das Ulcus trotz eingeleiteter Therapie nicht heilte, wurde der 
Verdacht auf Lues rege, der denn auch, als Sekundärerscheinungen auf¬ 
traten, durch anamnestisehe Angaben erklärt und durch den Erfolg 
der spezifischen Therapie zur Sicherheit wurde. 


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Kritiken. 


Die Komplikationen der Stirnhöhlen-Entzündungen. Von P. H. Gerber. 

Mit 36 Abbildungen im Text, 2 Tafeln und zahlreichen Tabellen. 

Berlin 1909, S. Karger. 

Bei uns Rhinologen sind die Komplikationen der nasalen Neben¬ 
höhlenentzündungen im allgemeinen weniger bekannt. Denn die Art 
derselben bringt es mit sieh, daß die Patienten nicht den Nasenarzt, 
sondern den Chirurgen oder den Ophthalmologen aufsuchen. Es ist 
daher mit Freuden zu begrüßen, daß Gerber die in alle Winde zer¬ 
streute Literatur hierüber, so weit sie die Stirnhöhle betrifft, gesam¬ 
melt und kritisch durchgearbeitet hat. So ist ein Werk entstanden, 
das zum erstenmal ein klares Bild von der Bedeutung der Komplika¬ 
tionen der Stirnhöhlenentzündungen und damit auch der einfachen 
unkomplizierten Antritis frontalis — denn jeder Schnupfen kann ja 
eine Komplikation einer solchen zustande bringen — gibt. 

G. behandelt zuvörderst den Begriff der „Komplikation“. Eine 
Nebenhöhlenentzündung verliert, in dem Momente den Charakter einer 
Lokalerkrankung resp. wird in dem Augenblicke „kompliziert“, in dem 
die Infektion von der Sehleimhaut auf das Periost und den Knochen 
der Höhlenwand übergreift. Das Verhalten der Höhlenwand ist also 
das für den Begriff der Komplikation ausschlaggebende Moment. Da¬ 
gegen rechnet G, die Fern Wirkungen der Antritiden (Rachenkatarrhe, 
gastrische Störungen infolge Eiterverschluckens usw.) nicht zu den 
Komplikationen. 

Dann bespricht G. die Unger.auigkeitcn der Nomenklatur. „Sinus“ 
nennen wir die Nebenhöhlen, „Sinus“ nennen wir auch die venösen 
Blutleiter. Wir sagen „Bulbus“ und meinen einmal damit das Auge, 
ein andermal einen Teil jenes Blutleiters. Wie aber klingt es, wenn 
wir von einem Empyem des Sinus frontalis mit Thrombose des Sinus 
longitudinalis sprechen müssen?“ Deshalb verwirft G. die Bezeich¬ 
nungen „Sinus und Sinusitis“ für die Nebenhöhlen und gebraucht da- 


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für stets das Wort ..Antrum’* resp. ..Antritis”. Die Stirnhöhlen- 
<nt/ündungen teilt er mit Kill i an ein in 

1. Antritis front alis simplex, 

a) Bh nnorrhoea resp. Pyorrlroea antri, 

b) Empycma antri: 

2. Aipritis frontalis absredens; 

3. Antritis frontalis dilatans: 

a) Kinpvenia euni dilatatione, 

h) Muooeele, Cyste, 

wobei Empycma im Gegensatz zur Pyorrhoea eine eingeschlossene, nicht 
abHießcndc Eiteransammlung bedeutet. 

G. behandelt daraufhin in sechs Kapiteln die Veränderungen, die 
di° Knochenwände der Stirnhöhle itn Verlauf der Entzündung erleiden, 
deren Folgezustände. Diagnose, Prognose und Therapie. An der Hand 
der Kasuistik stellt G. fest, daß Frontalantritiden mit Veränderungen 
der Knochenwan3 viel häufiger im reiferen Alter, hei Männern und 
auf der linken Seite getroffen werden. Die diese Tatsache erhärtenden 
Zahlt nunU rschiede sind so erheblich, daß von Zufälligkeiten dabei 
keine Rede sein kann. Ihre Begründung findet G. darin, daß die 
Stirnhöhlen, wenn sie einmal erkranken, im allgemeinen um so 
schwerer ausheilen, je größer sie sind. Nun erreiche die Stirnhöhle 
ihre definitive Große erst bei abgeschlossene ui Wachstum: ferner sei 
das Antrum frontale des Mannes größer, als das der Frau: endlich sei 
die linke Stirnhöhle häufig geräumiger als die rechte. 

Außer dieser ..Größenausbildung der Höhle“ kämen aber noch 
einige weitere anatomische Momente (Vielkammerigkejt der Höhle,, 
stark tcmporalwärts ausladende Bcschullenheit derselben. iiL rmäßige 
Pneumatisation des Supra-Orbitaldaches in der Richtung nach dem 
F< reinen opticum zu. präformierte oder erworbene Dchiszenzen der 
Km ehenwände) für die Genesis der Stirnhöhlenkomplikationen in 
Peträcht. Endlich spiele auch das anatomische Verhalten des Stirn¬ 
nasenganges hierbei eine große Rolle. Der Kernpunkt der ganzen An¬ 
gelegenheit liege aber nicht in diesen anatomischen Dingen. Das 
seien nur Hilfsmomente. FA’ liege vielmehr darin, daß die eitrige- 
Sehleimhautentzündung, auch \vcnn sie nicht durch besondere grob 
anatomische Verhältnisse begünstigt werde, allein schon als solche 
imstande sei, hei gesteigerter Virulenz der Infektionsträger (wohl 
besonders des Staphyloeoceus pyogenes aureus) die Knochenwände 
in Mitleidenschaft zu ziehen. Diese erkrankten — und zwar alle drei 
Wände — ungleich häufiger, wie man bisher angenommen habe, primär, 
ohne durch eine tuberkulöse oder syphilitische Ostitis dazu vorbereitet 
zu sein. Per lediglich von den liefert Schichten der Schleimhaut resp. 
deren Gefäßen aus infizierte Knochen übertrage dann seine Erkran¬ 
kung auch meist durch direkte Kontaktinfektion — seltener auf dem 
Wem der Safthahnen — auf die Naehbargehiete. Die rhinogenen 
Krankheiten des Hirns, der Hirnhäute und der Blutleitor sowie des 
Grhitalinhaltc s säßen mithin in der Regel an der Stelle, an der die- 


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ursächliche Stirnhöhlenentzündung bis zum Schädel resp. bis zur 
Orbita vorgedrungen sei. 

Der nun folgende Teil des G erber sehen Werkes ist den Organ- 
komplikationen gewidmet. Zuerst werden diejenigen des Orbital¬ 
inhaltes besprochen. Hier unterscheidet G. drei Gruppen von Erkran¬ 
kungen: 1. die der Orbita und ihres Zellengewebes, 2. die der Adnexe, 
3. die des Bulbus selbst. Und dreierlei sind auch die Wege, auf denen 
die Orbita und ihr Inhalt nach G.s Ansicht aftiziert werden kann: 
1. durch mechanischen Insult, Verdrängung und Kompression, 2. durch 
Fortleitung der Infektion. 3. durch bloße Funktionsstörung. 

Die intrakraniellen Komplikationen werden weiter in acht 
Kapiteln behandelt. Die Otologie kennt seit langer Zeit Fälle mit 
ausgesprochenen cerebralen Symptomen, bei denen wohl eine Mittelohr¬ 
eiterung vorhanden ist, bei denen aber die Operation resp. die Autopsie 
keine den endokraniellen Symptomen entsprechenden Veränderungen 
in der Schädelhöhle erkennen läßt. liomologa dieses merkwürdigen 
Krankheitstypus linden sich auch bei den Stirnhöhlenaffektionen. 
F.s ist G. gelungen, neun derartige Fälle aus der Literatur lierauszu- 
linden. Ihnen fügt er einen zehnten, selbst beobachteten an. Die 
übrigen sieben Kapitel betreffen die Pachymeniugitis externa circum¬ 
scripta, den Extraduralabszeß, die Pachymeningitis interna, die Menin¬ 
gitis serosa, die - Leptomeningitis purulenta, die Thrombophlebitis und 
den lliruabszeß. 

Den Schluß des kasuistischen Teiles macht eine Zusammen¬ 
stellung von Fällen von komplizierten Stirnhöhlenentzündungen bei 
Tumoren und von Poly- und Panantritisfällen mit Komplikationen, 
bei denen die Bolle der Stirnhöhle unklar ist. Daran schließen sich 
dann Betrachtungen über die allgemeine Aetiologie der Stirnhöhlen¬ 
entzündungen. Die Behauptung, daß die Syphilis bei den Zerstörungen 
der Stirnhöhlenwände, die bei frontalen Antritiden so oft gefunden 
werden, eine besondere Bolle spiele, läßt sich nach G.’s Zusammen¬ 
stellung nicht aufrechterhalten. xVuch die Tuberkulose der Stirn¬ 
höhlenwände scheint tatsächlich eine große Barität zu sein. Dagegen 
kann nach G.*s Ansicht der einfache Schnupfen trotz seiner schein¬ 
baren Unschuld schwere Stirnhöhlenkomplikationen auslösen. Oft 
aber dürfte hinter dem scheinbar einfachen Schnupfen wohl eine In- 
fiuenza-Bhinitis stecken. Wie denn überhaupt die Influenza die häu¬ 
figste Veranlassung der Nebenhöhlenentzündungen sei. Aber auch die 
anderen akuten Infektionskrankheiten (Scharlach, Masern, Diphterie) 
stellen ein größeres Kontingent als bisher angenommen wurde, zu den 
Komplikationsfällen der Frontalantritiden. 

In der Therapie nimmt G. den eigentlich selbstverständlichen 
Standpunkt ein, daß die komplizierten Stirnhöhlenentzündungen, ope¬ 
riert werden müssen und daß die Operation eine äußere radikale sein 
muß. Endonasale Auskratzungen verwirft G. auf das entschiedenste. 
Von der Bevorzugung einer bestimmten äußeren Operationsmethode 
könne bei Stirnhöhlenkomplikationen deshalb nicht die Bede sein, 
weil sie ja so häufig mit Veränderungen der Knochenwand einher- 


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•gehen. Man könne na türlieh keine ,,Spange“ erhalten, wenn der 
Knoehen gerade an dieser Stelle erkrankt sei. Trotzdem werde man 
gut tun. sieh im allgemeinen an die von K i 11 i a n gezeichneten llich- 
•tungslinien für die Stirphöhlenausräumung zu halten. 

Die heikle Frage nach der Prophylaxe der Stirnhöhlenkomplika¬ 
tionen —r oder was dasselbe sagen will, nach der Therapie der ein¬ 
fachen unkomplizierten Stirnhöhlenentzündungen — behandelt. G. von 
folgenden Gesichtspunkten aus: 1. Wenn die Komplikationsfälle nicht 
zu den Rhinologen, sondern zum Augenarzt und zum Chirurgen gehen, 
so sind sie deshalb doch nicht weniger vorhanden. 2. Die bisherige 
Ansicht, daß die Komplikationen nach Stirnhöhlenentzündungen ver¬ 
einzelt, vorkämen, ist unhaltbar. Gestützt hierauf formuliert G. fol¬ 
gende Leitsätze: Unkomplizierte Stirnhöhlenentzündungen, die bei 
freiem Sekretabfluß keinerlei Beschwerde machen, kann man sich 
selbst überlassen, muß ihnen aber gelegentliche ärztliche Kontrolle 
empfehlen. Diejenigen Patienten aber, die trotz freien Abflusses über 
Stirnkopfsohmerz, Schwindel usw. klagen, die nur auf die Stirnhöhle 
zu beziehen sind und entsprechender intranasaler und allgemeiner 
Therapie nicht weichen, soll man — natürlich großoperativ — operie¬ 
ren. Desgleichen die Patienten, die. bei sonstigem Wohlbefinden durch 
Schnupfen und Katarrhe veranlaßt» häufige Rezidive ihrer Beschwer¬ 
den zeigen. G. bespricht dann schließlich noch die gegen die radikale 
Stil nhöhleneröffnung erhobenen beiden Einwände: daß die Operation 
durchaus nicht immer zur Heilung führe, zweitens daß der Eingriff 
an sich gefährlicher wie die Krankheit, die er beseitigen soll, sei. 
Demgegenüber konstatiert G.. daß in geübter Iland die Operations¬ 
resultate ausgezeichnete sind (80-—100% Heilungen). Ebenso resul¬ 
tieren die meisten operativen ITnglücksfälle nicht aus der Operation 
als solcher, sondern aus der unbeabsiehtigterweise vorgekommenen 
Verletzung der Lamina eribrosa. Diese aber ließe sich durchaus ver¬ 
meiden. Man könne die Todesfälle nach Stirnhöhlenoperationen nur 
als vereinzelte Unglücksfälle bezeichnen, wie sie keinem Gebiete 
operativer Tätigkeit erspart bleiben. 

GYs Buch ist eine hoch zu schätzende Leistung. Die schwierige 
Möteiie ist auf das lichtvollste geordnet. Die durch zahlreiche geist¬ 
volle Bemerkungen gewürzte Darstellung ist mustergültig. Wie die 
Otologie erst dadurch den Kontakt mit der allgemeinen Medizin er¬ 
halten hat, daß ihr durch die Werke von M a c E w e n , 11 e ß 1 e r und 
K ö r n e r die Kenntnis von den Komplikationen der Mittelohreiterun¬ 
gen vermittelt wurde, so wird auch die Rhinologie erst dann die ihr 
gebührende Würdigung finden, wenn die nasalen Nebenhöhleneiterun¬ 
gen in ihren Komplikationen, d. h. in ihrer Gefährlichkeit erkamnt 
sein werden. Diesem dringenden Postulat in bezug auf die Stirn- 
höhlenaffcktionen Abhilfe geschafft zu haben, ist das Verdienst des 
Gerber sehen Buches, das somit in der Geschichte der Nasenheil¬ 
kunde einen ebensolchen Markstein bedeutet, wie ihn die obengenannten 
.drei ohrenärztlichen Arbeiten seinerzeit für die Otologie gebildet haben. 

L ö w e. 


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Referate. 


a) Otologische. 

Ein Beitrag zur Frage der akuten Osteomyelitis der flachen Schädel¬ 
knochen- Von Geh. San.-Rat Dr. Keimer in Düsseldorf. (Doutsch- 
modizin Wochenschrift, 33. Jahrgang, Nr. 28.) 

Bei einem gesunden 13 jährigen Mädchen entwickelte sicli inner¬ 
halb 12 Stunden unter Fieber bis zu 40° eine diffuse blaurote Auftrei¬ 
bung beider Lider sowie der Haut der Stirn und des Scheitels rechts, 
daneben zeigte sich hier ein subkutanes Emphysem. Die Operation 
ergab einen ausgedehnten osteomyelitischen Abszeß. Das rechte Stirn¬ 
bein zeigte mehrere Erweichungsherde, deren mittlerer gegen das linke 
Stirnbein, die äußere Compact a unterminierend, sich tunnelartig fort¬ 
setzte: letztere wurde abgetragen, die Lamina vitrea war unverändert. 
Die Stirnhöhle wurde eröffnet, die Dura, welche intakt war, freigelegt 
und schließlich auch das Nasenbein zum Teil abgemeißelt, um einen 
Periostknochenlappen zu bilden, welcher nach seiner Abhebelung eine 
breite Vereinigung des Bodens der Stirnhöhle mit der linken Nase er¬ 
möglichte. Während der osteomyelitische Prozeß sich links absolut 
auf die untere Stirnbeinpartie beschränkte, fanden sich rechts außer¬ 
dem noch zwei Herde auf dem Scheitelbein und ein solcher auf dem 
Hinterhauptsbein; an der inneren Compacta fand sich nirgends eine 
Veränderung. Nach zirka 10 Wochen erfolgte Heilung mit geringer 
Verunstaltung. Aetiologisch beschuldigt K. öftere Erkrankungen des 
Kindes an kleinen Gerstenkörnern, indem diese ja schwere Infektionen 
regionär oder allgemein hervorrufen können, wie Furunkel überhaupt, 
durch Hineingelangen virulenter Keime in die Blut- oder Lymphbahn. 
welche das periorbitale Binde- und Fettgewebe infizierten. Den glück¬ 
lichen Ausgang führt Verfasser in erster Linie auf die frühzeitige 
und ausgedehnte Operation zurück. Reinhar d. 

Ein Beitrag zur Kasuistik der Konkrementbildungen im äusseren 
Gehörgang. Von Dr. med. Schwidop in Karlsruhe (Baden). (Arch. 
f. Ohrenheilk., Bd 7n.) 

Sch. entfernte in der Narkose einen Stein aus dem Gehörgange, 
der zum größten Teil aus Zinkoxyd und Zinkkarbonat bestand, kleinere 
Mengen von Kalziumhydroxyd und Kalziumchlorid waren nachweisbar, 
desgleichen eine äußerst geringe Menge von Kalziumhypochlorid oder 
Clilorat. Der Stein war ohne Fremdkörper, ohne begleitende Eiterung, 
ohne Beimischung von Zcrumen oder Epidermis entstanden: für dessen 
Entstehung fehlt jede Erklärung. A 1 t. 


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Was berechtigt ans, auf Grund der funktioneilen Hörprüfung Simv - 
lation bezw. Uebertreibung als vorliegend anzunehmen? Wie 
verfahren wir am besten, um bei dem der Simulation bezw. 
Uebertreibung Ueberführten einen Einblick in das wirklich vor¬ 
handene Gehör ZU erlangen? Von Dr. Robert Dölger, Stabsarzt 
und Spezialarzt für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten in Frankfurt 
am Main. (Münchener medizin. Wochenschrift, 54. Jahrgang, Nr. 31.) 

Verfasser erblickt in der funktionellen Hörprüfung ein sicheres 
Hilfsmittel nicht fair zur Begründung vorhandener, sondern auch zur 
Entlarvung vorgetauschter Schwerhörigkeit. Er führt die verschie¬ 
denen Methoden an. durch welche dies teils mit Hilfe der Flüster¬ 
sprache. teils mittels Stimmgabeluntersuehungen gelingt. Um nun 
weiter einen Einblick in das wirklich vorhandene (Johör eines Simu¬ 
lanten zu erlangen, empfiehlt 1)., demselben den Weg zur Wahrheit zu 
erleichtern zu suchen, indem er sagt : ..Mit der Begründung der angeb¬ 
lich inum r hürverbessernden Wirkung einer Lufteintreibung in sol¬ 
chen Fällen gelingt es manchmal leicht, manchmal erst nach Wochen 
unter allmählichen Zugeständnissen ein richtiges Hörrelief zu be¬ 
kommen.** Verfasser beschreibt sodann eine Art Untersuchung, bei 
welcher dem Untersuchten bei verschlossenen Augen und einem ver¬ 
schlossenen Ohr vom Untersueher Worte zugcHüstert werden, und wo¬ 
bei der Arzt abwechselnd mit zugewandtem und abgewandtem Mund 
flüstert; hierdurch wird cs dem Simulanten unmöglich gemacht, die 
ungefähre Entfernung des Untersuchenden abzusehiitzen. Wichtig ist 
die Beobachtung der Uppen; wenn der Simulant das Gehörte richtig 
prenrnziert. so ist dies nach 1). gleichbedeutend mit der Feststellung 
der Hörweite. Bei angeblich doppelseitiger 'Taubheit führt zuweilen 
plötzliche Ueberraschimg zum Ziel; auch empfiehlt es sieh, hier Er¬ 
hebungen in der Heimat aiizustellen. Reinhard. 


Erfahrungen übar die Verwendbarkeit des Alyplns ln der Ohrenheil¬ 
kunde. Von Professor Dr. K. Bür kn er in Göttiugen. (Berliner klin. 
Wochenschrift, 44. Jahrgang, Nr. 14.) 

Verfasser wandte das Al.vpin mit Erfolg an bei Furunkeln im 
Gc hörgang, beginnenden Mittelohrentzündungen und Neuralgien, fer¬ 
ner zur Anästhesierung des Trommelfelles zum Zwecke der Parazentese, 
wobei es sieh unbeschadet seiner Wirkung unmittelbar vor dein Ge¬ 
brauche durch Aufkochen sterilisieren ließ; eine 5 proz. Lösung ge¬ 
nügte, wenn sie 10—20 Minuten lang einwirkt. Sehr gut bewährte 
sieh das Alypin auch hei intratympanalen Eingriffen zur Entfernung 
von Granulationen und Polypen; ein Zusatz von Suprarenin steigert 
hier die schmerzstillende Wirkung; ebenso bei der Aetzung von Granu¬ 
lationen wie auch nach subkutaner Injektion bei der Extraktion des 
Hammers und Amboß. (Lösung P o h 1 scher Alypin-Suprarenin-Ta- 
bietten.) Reinhard. 


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— 691 — 


b) Rhinologische. 

üeber Siebbeinzelleneiterung Ton Dr. E. Köhler, Spezialarzt für 
Ohron-, Nasen- und Halskrankheiten in Magdeburg. (Münchener medi¬ 
zinische Wochenschrift, 54. Jahrgang, Nr. 35 ) * 

l uter kurzem Hinweis darauf, daß Nasennebenhöhlenerkrankun¬ 
gen häufig die 1 rsaelie für ..nervöse“ Kopfschmerzen sind, publiziert 
\ erfasset' drei Fälle von Siebbeinzelleneiterung. die er operiert hat. 
Im ersten Falle handelte es sieh um ein chronisches Empyem des gan¬ 
zen linken Siebbeinlabyrinths mit Knochenkaries und Polypenbildung, 
das in zahlreichen Sitzungen allmählich ausgeräumt wurde. Die Keil¬ 
beinhöhle war sekundär inliziert; denn nach Beseitigung der Siebhein- 
zclleneiterung, Erweiterung des Ostium sphenoidale und S])ülungen kam 
die Keilbeinhöhleneiterung zu Stillstand. Der zweite Fall betraf ein 
isoliertes latentes Empyem der Bulba ethm. sin., das durch Verdrän¬ 
gung der mittleren Musehel an das Septum und Verschluß der Fissura 
olfaetoria zu einem völligen Schwund der Geruchs- und Gesehmaeks- 
empfindung geführt hatte. Verfasser hält diese Erscheinung für Hy¬ 
sterie. da doch die rechte Nasenhöhle völlig intakt war. Nach Abtra¬ 
gung des vorderen Endes der mittleren Muschel zeigte sicli eine boh¬ 
nengroße Knochenhöhle eröffnet, aus der sieli riechender Eiter ent¬ 
leert. Nach Auskratzung der sulzigen Sehleimhaut heilte aucli dieser 
Fall glatt aus. Die dritte Patientin litt ebenfalls an einem Empyem 
der vorderen Siebbeinzellen, die nach Abtragung des vorderen Endes 
der mittleren Muschel ausgeräumt wurden. Den Befund von Staphylo¬ 
kokken hält K. für bemerkenswert, weil von diesem Herd aus Gesichts- 
•erysipele* von denen Patientin so häufig befallen wurde, ihren Ausgang 
genommen haben dürften. Die Ausheilung dieses Falles wurde durch 
den geschwächten Körperzustand der Kranken verzögert. 

R e i n li a r d. 


Hochgradige Stenose in der Nase beim Uebergang zwischen Vesti- 
bulum und der eigentlichen Nasenkavlt&t. Von Dr. F. Törne in 
Lund (Fränkels Arch. f. Laryngol.) 

Beschreibung eines Diaphragmas mit spaltförmiger Oeffnung. wel¬ 
ches Verfasser als einen kongenitalen Bildungsfehler auffaßt. 

R. II o f f m a n n (Dresden). 


Schichtweise Nasentamponade. Von Dr. Ruprecht in Bremen. 

(Fränkels Arch. f. Laryngol.) 

R. empfiehlt wie F r e e r das Prinzip der Uebereinanderschiehtung 
•der Tampons. Als Material gebraucht er sterile langfaserige Pcnghar- 
warwatte. Das Verfahren soll die Bellocque sehe Tamponade bei 
allen zwischen Ohoane und Naseneingang liegenden Blutungen er¬ 
setzen. R. Hoffman« (Dresden). 


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— 692 — 


Zur Nachbehandlung der aufgemeisselten Kieferhöhle bei chronischer 
Sinusitis. Von Prof. F. Kretschmann. (Münchener medizin. Wochen¬ 
schrift, 54. Jahrgang, Nr. 20.) 

Für diejenigen Fälle von chronischer Kieferhöhlenentzündung, bei 
welchen eine „friedliche“ Behandlung keine greifbaren Resultate er¬ 
zielt, empfiehlt K. eine ausreichende Eröffnung, um eine vollständige 
Entleerung der Höhle herbeizuführen, um die Auskleidung derselben 
besichtigen und befühlen zu können, sowie, um eine- entsprechende Be¬ 
handlung der erkrankten Mukosa längere Zeit vornehmen zu können. 
Es muß dabei auf eine dauernde Kommunikation zwischen Kiefer- 
und Nasenhöhle Bedacht genommen werden. Diese Forderungen wer¬ 
den erfüllt durch ein vom Verfasser seit zwei Jahren geübtes Opera¬ 
tionsverfahren, das in der „Münch, med. Wochenschrift“, 1905, Nr. 1, 
beschrieben ist, und auf das hier nicht wieder eingegangen werden 
soll. (Siehe Referat in dieser Monatsschrift.) K. empfiehlt nun für 
die Nachbehandlung die konservative Methode nicht nur für jene Fälle, 
in denen es sich bloß um eine diffuse, sukkulente Schwellung mit mäßi¬ 
ger Verdickung der Schleimhaut handelt, sondern auch bei der hoch¬ 
gradigen sulzigcn Veränderung, indem er davon ausgeht, daß an Stelle 
auch der fibrösen Schleimhaut nach deren Totalentfernung ebenfalls 
wieder nur Narbengewebe und keine normale Schleimhaut geschaffen 
wird; allerdings dauert die Rückkehr zur Norm lange. Polypöse Ex¬ 
kreszenzen lassen sich mit der Schlinge abtragen; Leisten werden mit 
der scharfen Zange abgeknilfen; solange noch eine stärkere Schwellung 
da ist, wird die Tamponade fortgesetzt, deren Druck entschieden ödem- 
vermindernd wirkt; es folgen danach Pinselungen mit 2—3 proz. Lapis¬ 
lösung; tägliche Ausspülungen nimmt der Patient selbst vor, und nach 
4—5 Wochen durchschnittlich ist die Schleimhaut abgeblaßt und sezer- 
niert nicht mehr. Die bukkale Oeifnung schließt sich allmählich immer 
mein. Reinhard. 

Eine Veränderung der Kiilianschen Kanüle für Spülung der Kiefer^ 
höhle vom mittleren Nasengange aus. Von Dr. Wilh. Großkopf 
in Osnabrück. (Münchener medizin. Wochenschrift, 54. Jahrgang, Nr. 29.) 

„Von K i 1 li a n ist seinerzeit eine sehr zweckmäßige Ivaniile an¬ 
gegeben worden zur Spülung der Kieferhöhle vom mittleren Nasen¬ 
gange aus. Als eine Unannehmlichkeit beim Gebrauch derselben emp¬ 
fand Verfasser, daß dieselbe keinen derben festen Handgriff hatte. Auf 
seine Veranlassung hat deshalb die Firma W i n d 1 e r (Berlin) dieselbe 
in der Weise verändert, daß dieselbe au ihrer Abbiegungsstelle vom 
Naseneingang mit einem soliden festen Handgriff versehen ist. Man 
kann so die Kanüle sowohl fester und ruhiger halten, als auch bei 
etwaigem Durchstoßen der dünnen Knochenlamelle größere Kraft an- 
wonden.“ Die neue Form der Kanüle gibt eine Abbildung in % natür¬ 
licher Größe wieder, welche obigem Text beigefügt ist. 

Reinhard. 


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— 693 — 


c) Pharyngo-Iaryngologische. 

Ueber traumatisch-chirurgrische Fazialislähmungen. Von L. Jacob, 
sohn in Berlin. (Deutsche medizin. Wochenschrift, 32. Jahrgang, Nr.29 

Verfasser stimmt der Ansicht anderer Autoren zu, daß die über¬ 
wiegende Mehrzahl der traumatischen Gesichtslähmungen chirurgi¬ 
schen Ursprungs zu sein scheint, und liefert hierzu zwei Beiträge. In 
dem einen Falle handelte es sieh um eine Patientin, bei welcher wegen 
linker Gesichtsneuralgie eine Exstirpation von Fasern des Trigeminus 
(hauptsächlich des mittleren Astes) vorgeuommen wurde, wobei auch 
Zweige des N. lY.cialis, und zwar des oberen und mittleren Gebietes 
verletzt wurden. Trotz der Entstellung des Gesichts war die Patientin 
insofern getröstet, als sie durch die Operation von den qualvollen 
Schmerzattacken erlöst war. Der andere Fall betraf eine Patientin, 
die infolge eines Selbstmordversuches mittels Revolvers (Einschuß in 
den linken Unterkiefer, Ausschuß am rechten Unterkiefer) eine Kie¬ 
ferankylose davontrug. Zur Beseitigung dieser Kieferklemme unter¬ 
zog sie sich einer Operation, durch welche diese zwar beseitigt, zu¬ 
gleich aber eine doppelseitige Faeialislähmung gesetzt wurde. Hier 
wäre nach Verfassers Ansicht wohl erst das einfache Dehnungsverfah¬ 
ren eines Versuches wert gewesen, keinesfalls aber durfte die Schnitt¬ 
lähmung so geschehen, daß dadurch direkt auf die Durchtrennung der 
Faeialisäste losgesteuert wurde. Reinhard. 


Ueber die Kuhnsche Tub&ge. (Von Dr. Albert Dick, Assistenzarzt 
Berlin. (Deutsche medizin. Wochonschr., 32. Jahrg, Nr. 40) 

Im letzten Jahre wurden auf der chirurgischen Abteilung des 
St. Hedwigskrankenhauses in Berlin die schweren Kopfoperationen 
mit der peroralen Intubationsnarkose nach Kuhn ausgeführt 
und mit dieser Methode sehr gute Erfahrungen gemacht. Es handelte 
sich um 7 Fälle, die uns Verfasser mitteilt, wie er auch das Einfuhren 
des Tubeagerolnes nochmals kurz beschreibt. Die Intubation macht 
den Narkotiseur völlig unabhängig von dem Operateur und umgekehrt. 
Alle die scheußlichen Zustände der llalbnarkose, des Hustens, Würgens 
und Brechens fallen somit weg. und andererseits sind Asphyxien nicht 
zu befürchten, da die oberen Luftwege frei sind. Da kein Blut in den 
Larynx oder Oesophagus hießen kann, so ist die Frage der Blutstillung 
eine viel einfachere geworden. Für den Larynx des Patienten ist die 
Methode völlig unschädlich. R e i nha r d. 


Luetische Erkrankung dör Parotis. Von Dr. CM aus, Assistenzarzt der 
Ohrenklinik der Kgl. Charite. (Berliner klin. Wochenschrift, 44. Jahr 
gang. Nr. 31.) 

Bei der betreffenden Patientin fand sich links eine chronische 
M ittelohreiterung mit Verdacht auf Tuberkulose; Otitis externa fu- 


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runculosa; Periostitis des linken Jochbeines, Schwellung beider Paro- 
tiden, Tumor auf der hinteren Pharynxwand, Fistel am rechten Sterno- 
klavikulargelenk. Schon nach Verbrauch von drei Flaschen Jodkali 
(8:200) schloß sich die Fistel am Sternum, nach der vierten Flasche 
gingen die Infiltrationen der Parotis beiderseits zurück, so daß Ver¬ 
fasser auf eine luetische Affektion schließt, wenngleich auch Infektion 
negiert wurde. Als diagnostisch wichtig hebt Verfasser hervor, daß die 
luetische Erkrankung der Speicheldrüse meist bei Anwesenheit anderer 
Symptome der Syphilis, recht schwer aber beim Fehlen solcher vor¬ 
kommt. It e i n h a r d. 

Endolaryngoskople mittels zweier Kehlkopfspiegel. Von Dr. Th. 

E. ter Kuilo in Enschede, Holland, (Frankels Arch. f. Laryngol.) 

Verfasser gibt die Beschreibung eines von ihm konstruierten Spie¬ 
gels, der von dem gewöhnlichen Kehlkopfspiegel beleuchtet wird und 
die Inspektion der hinteren Kehlkopf wand gestattet. Er zeigt dieselbe 
in natürlicher Lage. IL Hoff m a n n (Dresden). 

Von einem neuen Apparat zur äusseren vibrierenden Massierung der 
Kehle. Von Dr. Elemer von Tövölgyi in Budapest. (Fränkels Arch. 
f. Laryngol.j 

Pas gabelförmige Instrument trägt an den Enden der Gabel knopf¬ 
förmige Verdickungen, die äußerlich am Kehlkopf appliziert werden. 
Der Apparat, kann an den Elektromotor angeschlossen werden. 

R. Hoff mann (Dresden). 

Ein echtes Papillom des Nasenrachenraums. Von Dr. Chr. Schmi 
in Chur. (Frankels Arch. f. Laryngol.) 

Entfernung des Tumors mit dem Beckmann sehen Bingmesser. 
Beschreibung des histologischen Baues. 

B. Hoff m a n n (Dresden). 


Notiz. 


Privatdozent für Ohrenheilkunde in Berlin, Dr. Gustav Brühl, 
wurde zum Professor ernannt. 


Alte für dit Monatsschrift bestimmten Beiträge und Referate sowie alle Druck¬ 
schriften, Archive and Tftusoh-Exemplare anderer Zeitschriften beliebe man an Herrn Prof. 
'V. Urbantschitsch in Wien 1. Schotfenring 24, za senden. Die Autoren, welche Kritiken 
oder Referate über ihre Werke wünschen, werden ersucht, 2 Exemplare davon za senden. Beiträge 
werden mit 40 Mark pro Druckbogen honorirt and SO Separat-Abzüge beigegeben. 


Verantwortlicher Redakteur: Prof. Dr. A. Jurasz in Lemberg. 

Verlag von Oscar Coblentz, Berlin W.30, Maaßenstr. 13. 
Druck von Carl Mars ebner, Berlin SW., Aleiandrinenstr. 110. 


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