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Full text of "Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie 33.1922"

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MONOGRAPHIEN AUS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE UND 

PSYCHIATRIE 

HERAUSGEGEBEN VON 

0. F0ER8TER- BRESLAU UND K. WILMANNS - HEIDELBERG 

HEFT 33 


DER AMYOSTATISCHE 
SYMPTOMENKOMPLEX 

KLINISCHE UNTERSUCHUNGEN 
UNTER BERÜCKSICHTIGUNG ALLGEMEIN 
PATHOLOGISCHER FRAGEN 

VON 

DR. A. BOSTROEM 

PRIVATDOZENT FÜR PSYCHIATRIE UND NEUROLOGIE 
OBERASSISTENZARZT AN DER PSYCHIATRISCHEN UND 
NERVENKLINIK DER UNIVERSITÄT LEIPZIG 


MIT 12 TEXTABBILDUNGEN 



BERLIN 

VERLAG VON JULIUS SPRINGER 
1922 


ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG 
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. 



Vorwort. 


Die folgenden Untersuchungen stützen sich auf ein Kranken material, das 
ich seit 1914 beobachtet und gesammelt habe. Es stammt aus meiner je¬ 
weiligen Tätigkeit im Eppendorf er Krankenhaus Hamburg (Prof. Nonne), der 
Psychiatrischen und Nervenklinik Rostock (Prof. Kleist und Prof. Rosen - 
feld) sowie aus den Psychiatrischen und Nervenkliniken Breslau und Leipzig 
(Geh. Rat Bumke). Für die Überlassung des Materials bin ich den Leitern 
der genannten Institute zu großem Dank verpflichtet. Ganz besonders danke 
ich Herrn Prof. Nonne noch dafür, daß er mir auch Krankenmaterial, das 
nach meinem Ausscheiden in Eppendorf zur Aufnahme gekommen ist, zur Ver¬ 
fügung stellte, soweit ich es bei vorübergehender Anwesenheit in Hamburg 
beobachten und untersuchen konnte. 

Weiter konnte ich das einschlägige Material des Kinderheims Lewenberg 
(Schwerin) (Med.-Rat Rust und Anstaltsarzt Dr. Kersten), des Städt. Siechen- 
hauses Breslau (Geh. San.-Rat Freund) und des Städt. Pfleghauses Leipzig 
(San.-Rat Lohse) für meine Untersuchungen benutzen, und ich möchte auch 
an dieser Stelle den genannten Herren meinen verbindlichsten Dank aus¬ 
sprechen. 

Die Krankengeschichten habe ich nur von einem kleinen Teil der Unter¬ 
suchungen wiedergegeben und diese auch lediglich bei wichtigen Bewegungs¬ 
störungen ausführlich dargestellt. Namentlich sind Beobachtungen, die von 
typischen Fällen stammen, und die daher von jedem nachzuprüfen sind, nicht 
durch Untersuchungsprotokolle bejegt.^ J^bcnsa, glaubte ich auf die Wieder¬ 
gabe von EnzephalitiskrankeiUresohit;T;toti' verafchte^V zu dürfen bei der Fülle 
des jetzt in der Literatur.veröffentlichten Materials. 

Die Arbeit ist im wesentlichen im Juli. 1,9?Lp-bgesohlpssen. Von der seitdem 
erschienenen Literatur sind ^je. '^dditigstiüx'Arhaireo n^ch zitiert; sie konnten 
aber im Text nur zum Teil , verwertet werden. . ; 

Von den wiedergegeberieir # A\) # bildungen.sjt4aimen/ Äbb. 2, 3, 4 von Ham¬ 
burg-Eppendorf, 1, 10, 11, lZ’ aüs-'d^r feieslaicr Klinik, die Abb. 5 — 9 sind 
nach Präparaten angefertigt, die meinen 1914 publizierten Untersuchungen 
(Pathologisches Institut Gießen) zugrunde lagen. Für die Herstellung der letz¬ 
teren bin ich der Firma Leitz-Wetzlar, insbesondere Herrn Photograph Befort., 
zu Dank verpflichtet. 

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen habe ich zum Teil meinem auf der 
11. Jahresversammlung der Gesellschaft Deutscher Nervenärzte in Braunschweig 
1921 erstatteten Referat über den amyostati sehen Symptomenkomplex zu¬ 
grunde gelegt. 

Leipzig, im Oktober 1922. 

A. Bostroem. 





Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Einleitung. 1 

I. Athetose. 5 

1. Definition und klinische Umgrenzung. 5 

2. Idiopathische Athetose (Athätose double). 8 

3. Symptomatische Athetosen, 

Hemiathetose, athetotische Dauerhaltung, Pseudoathetose .... 21 

4. Zusammenfassendes über die athetosische Bewegungsstörung überhaupt ein¬ 
schließlich der Differentialdiagnose . 30 

II, Chorea, 

1. Definition und Überblick über die verschiedenen Formen der Chorea . 43 

2. Sydenhamsche Chorea und Chorea chronica. 46 

3. Symptomatische Choreaformen. 55 

4. Pathophysiologische Bemerkungen. 61 

III. Die Parkinson-Westphal-Strümpell-Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

1. Klinischer Überblick und Differentialdiagnose der Wilsonschen Krankheit 

und der Pseudosklerose, fremde und eigene Fälle. 66 

2. Allgemeine biologische Gesichtspunkte unter besonderer Berücksichtigung 

der Frage der klinischen Zusammengehörigkeit von Wilsonscher Krank¬ 
heit und Pseudosklerose.105 

I. Pathologische Anatomie.106 

n. Rolle der Lues.J.08 

HL Bedeutung der Heredität.110 

IV. Auffassung der Leber- und Himveränderung als Mißbildung . . 111 

V. Verhältnis der Lebererkrankung zur Gehimschädigung und die 

toxische Genese der Erkrankung.118 

3. Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 

I. Muskeltonus. 126 

II. Das Verhallt* *4^ .135 

LH. KombiYiqtiqn von I. u. II, in ihrer Wirkung auf Haltung, statische 

unf.kinetische Innervationen . . . \\.* •**'.145 

IV. Tremor^und^Waokeibewegungen; l l .148 

V. Betrachtungen: iiQei;i#)kl4iä*tidn: xm«l Pathophysiologie der neuro¬ 
logischen Symptome..158 

4. Psychische Ve^äfidöfungen . . . . # 166 

6. Bedeutung de6 . . . ..170 

6. Erkrankungen anderer Alt:mit; den«Symptomen der Parkinson-Westphal- 
Stümpell-Wilsonschen Krankheitsgruppe. 

1. Arteriosklerotische Muskelstarre.174 

H. Hemihypertonie.179 

HL Tumoren.180 

IV. Enzephalitis.180 

V. Pseudobulbärparalyse.183 

VL Vergiftungen.186 

7. Parkinson-Symptome als Nebenerscheinungen.186 

8. Zusammenfassung.188 

Schluß.191 

Literaturverzeichnis.195 






























Einleitung. 

Zum Zustandekommen der willkürlichen Bewegungen gehört nicht nur eine 
normale Funktion des Pyramidensystems, sondern es bedarf hierzu noch der 
Mitwirkung einer Reihe anderer motorischer Apparate. Charakteristisch für 
diese Apparate ist u. a., daß wir uns ihrer Funktion meist nicht klar bewußt 
sind, daß sie arbeiten, ohne daß wir unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten 
brauchen. So kam es, daß man auf die große Bedeutung dieser extrapyrami¬ 
dalen motorischen Systeme erst durch ihre Erkrankung aufmerksam geworden 
ist. Im Groben können wir zwei extrapyramidale Bewegungsstörungen unter¬ 
scheiden, die zerebellaren und die sogenannten striären. Zwischen beiden bestehen 
vielfache Beziehungen wegen der mannigfachen Bahnen, die sie verbinden, so 
daß Schädigungen des einen Gebiets auch Störungen in der Funktion des an¬ 
dern bedingen können. Man wird daher bei einer Besprechung extrapyrami¬ 
daler Bewegungsstörungen damit rechnen müssen, ein breites Übergangsgebiet 
vorzufinden. Es ist für die vorliegende Betrachtung zweckmäßig, sich vorläufig 
nicht nur an die Lokalisation des Krankheitsprozesses zu halten, sondern klinische 
Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen. Die große Mehrzahl der hier 
in Betracht kommenden Erscheinungen läßt sich unterbringen in dem von 
Strümpell geprägten Begriff des amyostatischen Symptomenkomplexes. Wie 
das Wort amyostatisch ausdrückt, handelt es sich dabei um eine Vereinigung 
von Störungen der Myostatik: Muskelgruppen, welche der Fixation von Körper¬ 
abschnitten dienen, versagen, d. h. sie werden entweder zur unrichtigen Zeit 
resp. quantitativ unrichtig innerviert, oder es treten Unregelmäßigkeiten in ihrem 
Zusammenwirken auf. Nicht hierher gehören die rein zerebellaren Funktionen, 
soweit sie der Erhaltung des allgemeinen statischen Körpergleichgewichts dienen. 

Der amyostatische Symptomenkomplex ist nicht eine jedesmal wiederkehrende, 
sich gleichbleibende Vereinigung derselben Symptome, also kein »Syndrom« im 
eigentlichen Sinne des Wortes, es kann sich vielmehr um ganz verschieden¬ 
artige symptomatologische Bilder dabei handeln, die jedoch begrifflich zu¬ 
einander gehören, insofern als stets eine Störung des Myostatik im Krankheits¬ 
bilde enthalten ist, ohne daß dabei die krankhaften motorischen Erscheinungen 
auf die Statik im engeren Sinne beschränkt zu bleiben brauchen. 

Im einzelnen handelt es sich dabei um Veränderungen im Muskeltonus, um 
Störungen der Koordination, um eigentümliche Beeinträchtigungen der Inner¬ 
vation überhaupt, auf die im Zusammenhang des näheren eingegangen werden 
muß, sowie um das Auftreten unwillkürlicher Bewegungen. Alle diese Störungen 
beschränken sich nicht auf die Willkürbewegungen, sondern sie erstrecken sich 
auch auf automatisch ablaufende Bewegungen (Mimik usw.). Sie erschweren 
zum Teil den Bewegungsbeginn, beeinträchtigen die Erreichung eines Ziels und 
schieben sich hindernd in den Bewegungsablauf ein. 

Bostroem, Symptomenkomplex. 


1 



2 


Einleitung. 


Nach der negativen Seite ist charakteristisch, daß Pyramidensymptome, wie 
Spasmen, Reflexsteigerungen, Babinski usw. in reinen Fällen fehlen. 

Im Interesse einer klaren und einheitlichen Benennung sei zunächst folgen¬ 
des hervorgehoben: 

In der älteren, aber auch in der neueren Literatur werden die Bezeichnungen 
Spasmus, Hypertonie, Muskelspannung, Rigidität, Starre usw. teilweise wahllos 
für jede Erhöhung des Muskeltonus gebraucht, ohne Rücksicht darauf, welcher 
Art diese Veränderung ist. Ich schlage vor, jede Erhöhung des Muskeltonus 
überhaupt als Hypertonie zu bezeichnen. Diese Hypertonie kann hervor¬ 
gerufen sein durch eine Störung im Pyramidensystem, gekennzeichnet durch 
Steigerung der Sehnenreflexe bzw. Klonus und Babinski, dann handelt es sich 
um Spasmen; oder wir haben es zu tun mit einer Hypertonie extrapyramidalen 
Ursprungs, hierfür wäre die Bezeichnung Rigidität zu wählen. Der Ausdruck 
Muskelspannung bleibt für willkürlich veranlaßte und für psychogene Tonus¬ 
erhöhungen (Pseudospasmen) Vorbehalten. Unter Starre verstehe ich eine Be¬ 
wegungslosigkeit von Muskelgruppen, namentlich eine gewisse Stabilität des 
gegenseitigen Lageverhältnisses verschiedener Gliedabschnitte zueinander, ein ge¬ 
steigertes räumliches Beharrungsvermögen (Stertz), das nicht durch Rigidität 
bedingt ist, aber mit Rigidität vergesellschaftet sein kann. In bezug auf die ana¬ 
tomischen Benennungen bemerke ich, daß ich der Nomenklatur C. u. 0. Vogts 
folgend unter Striatum das Caudatum + Putamen verstehe und den Globus 
pallidus als Pallidum bezeichne. Demgegenüber sei die alte Namengebung er¬ 
wähnt, die als Streifenhügel (= Corpus striatum) Linsenkern (Globus pallidus + 
Putamen) und Nucleus caudatus auffaßte. 

Gleichzeitig sei zur Orientierung hervorgehoben, daß ich unter Steigerung 
von Sehnenreflexen nur die pathologische Verstärkung auf Grund einer Pyra¬ 
midenschädigung verstehe, die fast immer mit Klonus einhergeht. Sehnenreflexe, 
die aus anderen Gründen stärker als normal sind, bezeichne ich als erhöht, 
bzw. auch lebhaft, wenn man den Eindruck eines besonders schnellen Aus¬ 
schlags hat. 

Haben wir außer dem Vorhandensein oder Fehlen der Pyramidenzeichen 
noch objektive Kennzeichen dafür, ob es sich in einem Falle um einen Pyra¬ 
midenspasmus oder um eine extrapyramidale Rigidität handelt? Bis jetzt wissen 
wir darüber folgendes: 

Die Rigidität befällt Agonisten und Antagonisten gleichmäßig, so daß die 
passiv bewegte Extremität Neigung zeigt, in der ihr erteilten Haltung zu ver¬ 
harren. Bei langsam und brüsk ausgeführten passiven Bewegungen hat man 
das Gefühl eines gleichmäßigen zähen, wächsernen Widerstands (plastischer Tonus 
[Sher ring ton]). Im Gegensatz dazu betrifft der Spasmus bestimmte Muskeln 
(Prädilektionsmuskeln) in erhöhtem Grade, so daß die passiv bewegte Extremität 
nicht bleibt, wie sie gestellt ist, sondern langsam dem Zug des stärker spastischen 
Muskels folgend in die Prädilektionshaltung zurückgleitet. Bei der Vornahme 
langsamer passiver Bewegungen leistet die spastische Extremität zunächst Wider¬ 
stand, dieser läßt sich, solange noch keine Kontrakturen vorhanden sind, durch 
Wiederholung der Bewegung meist ausgleichen. Bei stoßweisen Bewegungs¬ 
versuchen ist der spastische Widerstand meist größer und steigert sich bei 
brüsker Weiterführung der Bewegung, es kommt u. U. zum Klonus. Umschnüren 



Einleitung. 


3 


des Glieds mit einer Gummibinde (Esmarchsche Blutleere) soll bei spastischen 
Lähmungen ein Nachlassen der Hypertonie erzielen, eine Angabe, die ich bis 
jetzt nicht bestätigen konnte. 

Schmerzen können unter Umständen sowohl bei Zuständen von Spasmus 
als auch bei solchen von Rigidität auftreten. 

Das paradoxe Phänomen Westphals, das darin besteht, daß der durch 
den Untersucher dorsalwärts gebeugte Fuß nach Nachlassen des Druckes nicht 
zurücksinkt, sondern in dieser Haltung verharrt, ist, wenn vorhanden, ein charak¬ 
teristisches Zeichen für Rigor, wird aber lange nicht in allen Fällen angetroffen. 

Ähnliches gilt von dem Vorhandensein der Adiadochokinese, die bei Rigi¬ 
dität häufig nachweisbar ist und darauf beruht, daß die Muskeln nicht rasch 
genug erschlaffen können, um schnelles Aufeinanderfolgen antagonistischer Be¬ 
wegungen zu ermöglichen. Auf ihre Bedeutung wird im speziellen Teil noch 
besonders einzugehen sein. 

Da die Spasmen auf einer Schädigung der Pyramidenbahnen beruhen, so 
findet sich stets auch eine mehr oder weniger deutliche Muskelschwäche, die 
spastische Parese. Aber auch bei den Myastasien finden wir neben den 
Symptomen seitens der statischen Funktionen häufig eine Schwäche der Musku¬ 
latur, die namentlich bei aktiven Bewegungen in die Erscheinung tritt, bei 
Leistung eines Widerstandes gegen passive Bewegungen jedoch vermißt wird 
(Dy 1 eff). Diese Schwäche der Muskulatur, auf die später noch näher ein¬ 
gegangen werden soll, möchte ich ab extrapyramidale Parese bezeichnen. 
Es ist dies ein Symptom, dem bis jetzt keine allzu große Bedeutung beigelegt 
worden ist, besonders da diese Störung in der Bezeichnung des • Symptomen- 
komplexes als »amyostatischer« nicht mit ausgedrückt ist. 

Als Prinzip für die Einteilung der verschiedenen Krankheitseinheiten mit 
amyostatischem Symptomenkomplex wird man möglichst versuchen, sich auf die 
pathologische Anatomie zu stützen. Leider sind wir mangels einheitlicher Be¬ 
funde dazu noch nicht überall imstande. Abgesehen von diesem praktischen 
Gesichtspunkt stehen der Durchführung einer Klassifikation auf rein anatomischer 
Grundlage noch andere Bedenken entgegen. Es fragt sich nämlich, sollen wir 
Erkrankungen, die auf dem gleichen pathologisch-anatomischen Prozeß beruhen, 
als Einheit zusammenfassen, oder sollen wir klinisch identische Krankheitsbildfer 
gleicher Lokalisation in eine Gruppe bringen. Dem biologischen Denken 
wird der erste Weg am nächsten liegen, es ist aber sehr wohl möglich, daß 
der gleiche pathologische Prozeß, je nachdem wo er sich lokalisiert und welchen 
Intensitätsgrad er erreicht, grundverschiedene Krankheitsbilder hervorbringen 
kann, wie später an dem Beispiel der Wilson sehen Krankheit und der Pseudo¬ 
sklerose gezeigt werden wird. Andererseits widerstrebt es uns, von der gleichen 
Krankheit zu sprechen, wenn zwei differente pathologische Prozesse da sind, 
die nur, weü sie zufällig die gleiche Lokalisation einnehmen, das gleiche Sym- 
ptomenbild veranlassen. Der Fall, daß bestimmte pathologisch und vielleicht 
auch ätiologisch gleiche Prozesse stets oder doch vorzugsweise an derselben 
Stelle im Gehirn lokalisiert sind, wird jedenfalls nicht die Regel sein. 

Damit sind die Schwierigkeiten aber nicht erschöpft, es besteht noch eine 
weitere Komplikation: Es kommt vor, daß gleichartige Prozesse an der gleichen 
Stelle des Gehirns mit klinisch verschiedenen Symptomenbildern einhergehen, 

1* 



4 


Einleitung. 


oder einmal bestimmte Erscheinungen machen, das andere Mal völlig sym¬ 
ptomlos verlaufen. Wir müssen daraus schließen, daß die Art des Krankheits¬ 
prozesses und dessen Lokalisation zuweilen nicht allein das Symptomenbild 
bestimmen, sondern, daß wir noch mit anderen Faktoren zu rechnen haben. 
Solche sind vielleicht zu suchen in der Intensität des Krankheitsprozesses, 
vielleicht spielt die Anlage und besondere Beschaffenheit des Gehirns oder des 
Individuums überhaupt eine Rolle, vielleicht haben wir es noch mit anderen 
Einflüssen und Veränderungen dabei zu tun, die wir zur Zeit noch nicht kennen. 
Trotz dieser Schwierigkeiten dürfen wir die pathologisch-anatomische resp. hirn- 
pathologische Grundlage nicht aus den Augen verlieren, es erscheint mir aber 
zur Zeit nicht opportun, lediglich pathologisch-anatomische oder lokalisatorische 
Ergebnisse zum Prinzip der Einteilung zu machen, hierzu sollen vielmehr vor¬ 
läufig nur klinische Gesichtspunkte verwandt werden; dabei zerfällt das Gebiet 
des amyostatischen Symptomenkomplexes in drei Gruppen: 

1. Gruppe der Athetose, 

2. Gruppe der Chorea, 

3. Parkinson, Westphal-Strümpell, Wilsonsche Gruppe. 

Zu derselben Einteilung ist auch Stertz gekommen, nur kann ich mich der 
von ihm für die 3. Gruppe vorgeschlagenen Bezeichnung »akinetisch-hyperto¬ 
nisches Syndrom« nicht anschließen, da dieser Ausdruck den Symptomen nicht 
ganz gerecht wird. Da es mir unmöglich erscheint, für diese so variierenden 
und doch verwandten Symptome eine alles ausdrückende Benennung zu finden, 
ziehe ich es vor, die Gruppe mit den Namen der Autoren zu bezeichnen, die 
die hierher gehörenden Haupterkrankungen zuerst beschrieben haben. Ich möchte 
auch den Ausdruck »Syndrom« vermeiden, weil es sich gerade in dieser Gruppe 
nicht um mehr oder weniger konstante Symptomvereinigungen handelt, sondern 
um Bilder, die trotz innerlicher, begrifflicher Verwandtschaft äußerlich recht 
verschieden sein können. 

Innerhalb jeder dieser drei Gruppen ist eine weitere Einteilung möglich, bei 
der die pathologische Anatomie und auch die Himpathologie etwas mehr zur 
Geltung kommt; so gibt es in jeder Gruppe 

1. Fälle bei denen das jeweilige Symptomenbild spezifisch für eine Krank, 
heit sui generis ist (z. B. Chorea minor, — AtMtose double, — Paralysis agitans)- 

2. Erkrankungen, die infolge ihrer zufälligen Lokalisation das entsprechende 
Symptomenbild zeigen, ohne daß es für diesen Krankheitsprozeß spezifisch ist 
(Tumoren, Enzephalitis usw.), 

3. Fälle, bei denen als Nebenbefund oder als vorübergehende Phase amyo- 
statische Symptome Vorkommen können (Epilepsie, Idiotie usw.). 



I. Athetose. 

1. Definition nnd klinische Umgrenzung. 

Eine gewisse Sonderstellung im Rahmen des amyostatischen Symptomen kom¬ 
plexes nimmt die Athetose ein, und zwar deshalb, weil sie sehr häufig mit echt 
spastischen Erscheinungen vereint vorkommt. Diese Verbindung mit Pyramiden¬ 
störungen ist jedoch, wie gezeigt werden soll, keine Conditio sine qua non. 
Ihrer Art nach paßt die Bewegungsstörung der Athetose gut in das Gebiet der 
mvostatischen Innervationsstörungen, so daß es ohne weiteres berechtigt er¬ 
scheint, die Athetose unter die Myastasien zu rechnen. 

Schon die Definition des Amerikaners Hammond 1886 gibt nichts anderes 
als die Beschreibung einer typisch amyostatischen Bewegungsstörung, wenn er 
als charakteristische Merkmale die Eigenschaften hervorhebt, daß es den Kranken 
unmöglich ist, Finger und Zehen in einer beliebigen Stellung zu fixieren, daß 
der Kranke ferner nicht imstande ist, seine Glieder in Ruhe zu halten, weil 
immer wieder unwillkürliche Bewegungen dazwischen kommen. 

Eine genaue Beschreibung der athetotischen Bewegungsstörung verdanken 
wir Lewandowsky. Er hat vor allen Dingen auf die Notwendigkeit hin¬ 
gewiesen, athetotische Bewegungen streng von choreatischen zu unterscheiden, 
was rein klinisch m. E. durchaus möglich ist. Ferner hat er darauf aufmerk¬ 
sam gemacht, daß die als athetotisch bezeichneten Bewegungen bei verschieden¬ 
artigen Erkrankungen Vorkommen können. Zunächst als eine eigenartige, ver¬ 
hältnismäßig seltene Krankheit die Athetose double, sodann als eine besondere 
Art infantiler Hemiplegien; als dritte Form führt er noch die Pseudoathetose an. 

Seit diesen Untersuchungen Lewandowskys hat sich auf klinischem Gebiet 
wenig Neues über Athetose ergeben. In neuerer Zeit hat die Differentialdiagnose 
der Athetose double gegenüber der Torsionsdystonie (Torsionsspasmus) Interesse 
erregt; ferner sind die bei Wilson scher Krankheit und anderen Myastasien ab 
und zu erwähnten vertrakten Bewegungen als athetotische bezeichnet und da¬ 
durch in den Kreis der Betrachtungen gezogen worden. 

0ulmont hat als Symptome der Athetose angegeben die Langsamkeit der 
Bewegungen, die Übermäßigkeit, die Beschränkung auf die distalen Extremi¬ 
tätenenden sowie das Vorhandensein eines wechselnden Spannungszustandes, 
des »Spasmus mobilis«. Lewandowsky hält die Übermäßigkeit der Bewegungen 
und die Beschränkung nur auf die Extremitätenenden nicht für wesentliche 
Symptome, betont dagegen den rhythmischen Charakter der Bewegungen als 
ein der Athetose eigentümliches Merkmal. 

Am häufigsten kommen Athetoseerscheinungen vor bei den im kindlichen 
Alter erlittenen Hemiplegien. Es ist von Lewandowsky hervorgehoben 
worden, daß die infantile Hemiplegie so gut wie nie eine echte Kontraktur 
hinterläßt, und er schließt weiter, daß es eine spezifische Eigenschaft des kind* 



6 


Athetose. 


liehen Gehirns sei, bei Herden in der inneren Kapsel oder in der Großhirnrinde 
nicht mit spastischen Lähmungen, sondern mit Athetose zu reagieren. Es ist 
in der Tat richtig, daß Athetose kaum bei Erwachsenen neu entsteht. Streng 
genommen müßte man nun, wenn man der Lewandowskyschen Ansicht bei¬ 
pflichtet, auf eine besondere Lokalisation der Athetose verzichten, sie vielmehr 
nur als eine für das kindliche Gehirn spezifische Reaktionsform ansehen, sie 
als eine funktionelle Abart zerebraler Hemiplegien betrachten. Wieweit sich 
dies mit neueren anatomischen Befunden deckt, werden wir später noch zu 
erörtern haben. 

Verbunden ist nach Lewandowsky mit dieser Athetose bei kindlichen 
Hemiplegien stets auch eine spastische Hemiparese mit Zeichen einer Pyra¬ 
midenbahnschädigung. Die Athetose tritt in diesem Fall auf als unwillkürliche 
Bewegung von langsamem Charakter, die einhergeht mit einem erhöhten Span¬ 
nungszustand der beteiligten Muskeln sowie ihrer Antagonisten, oft unter Hinter¬ 
lassung einer vorübergehenden Kontraktur. Durch die fortgesetzten Bewegungen, 
die trotz ihrer Langsamkeit mit einer gewissen Kraft ausgeübt werden, kommt 
es zu Überdehnungen der Gelenkbänder, die Bewegungen übersteigen das nor¬ 
male Ausmaß, und wir finden häufig Überdehnungen und Überstreckungen der 
Gelenke, namentlich an Hand und Fingern. Außerdem beobachten wir oft, 
aber keineswegs immer, Mitbewegungen, und zwar identische Mitbewegungen, 
die in den befallenen Gliedern bei jeder Innervation der gesunden Seite in 
gleichem Ausmaß und Stärke wie dort auftreten. Ferner finden wir auch die 
sogenannten angedeuteten korrespondierenden Bewegungen (König), bei denen 
auf der paretischen Seite nur bei besonderer Kraftanstrengung der gesunden 
Extremität sich eine geringe Mitbewegung bemerkbar macht. 

Von diesen Fällen, für die das spontane Auftreten der athetotischen Be¬ 
wegungen bezeichnend ist, trennt Lewandowsky eine besondere Gruppe ab, 
bei der es sich ebenfalls um Hemiplegien handelt, die aber weder unwill¬ 
kürliche Bewegungen noch Spasmus mobilis zeigen. Zuweilen kommt es hier 
zu angedeuteten korrespondierenden Bewegungen. Wenn der betreffende Kranke 
aber aufsteht, geht oder sonst eine komplizierte Bewegung ausführt, so macht 
die befallene Extremität langsame wurmförmige Mitbewegungen und pflegt dann 
in einer bizarren Haltung stehen zu bleiben. Diese Störung, die nur als Be¬ 
gleiterscheinung, als Mitbewegung beobachtet wird, bezeichnete Lewandowsky 
alsPseudoathetose. Es handelt sich dabei mehr um eine passagere Stellungs¬ 
und Haltungsanomalie auf Grund eines äußeren Reizes als um eine Bewegung. 
Nicht zu verwechseln sind diese Zustände mit den pseudoathetotischen Spon¬ 
tanbewegungen Herrn ans, die bei Rückenmarkserkrankungen Vorkommen und 
von ihm auf Störungen der Tiefensensibilität bezogen werden, sie zeigen keine 
Beziehung zum Spasmus mobilis und haben mit den hier besprochenen atheto¬ 
tischen Bewegungen nichts zu tun. Eine ähnliche Bewegungsstörung bei peripherer 
Nervenverletzung beschreibt Krambach, jedoch mit Spasmen in einem Teil 
der die Bewegung erzeugenden Muskeln. 

Als dritte Gruppe sondert Lewandowsky die Athetose double, die idio¬ 
pathische Athetose, von den beiden bis jetzt besprochenen Bewegungsstörungen 
ab. Während für die erste Gruppe die spontanen unwillkürlichen Bewegungen, 
für die zweite die als Mitbewegungen auftretende einseitige vorübergehende 



Definition und klinische Umgrenzung. 


7 


Haitungsanomalie charakteristisch ist, zeichnet sich die dritte Gruppe da¬ 
durch aus, daß unwillkürliche Bewegungen in der Ruhe fehlen, aber in der Ge¬ 
stalt von Mitbewegungen in reichem Maße auftreten. Wenn man sich das 
Verhältnis der Athetose double zu den ersten Gruppen klarmachen will, so 
wird man sie nicht etwa als eine doppelseitige Hemiathetose, sondern eher als 
eine doppelseitige Pseudoathetose bezeichnen müssen. 

Statt des auch in Deutschland üblichen Ausdrucks »Athetose double« ziehe 
ich es vor, die Bezeichnung »idiopathische Athetose« zu verwenden, da es sich 
hier um ein wohlumschriebenes Krankheitsbild handelt, wie später noch zu 
zeigen sein wird. 

Es können nach Lewandowsky außer den Mitbewegungen bei der idio¬ 
pathischen Athetose auch noch echte athetotische Spontanbewegungen sowie 
auch Überdehnungen und Überstreckungen der Gelenke das Krankheitsbild be¬ 
reichern, ohne daß es sich dabei um wesentliche Bestandteile der Athetose 
double handelt. Diese ist vielmehr lediglich durch die Mitbewegungen charak¬ 
terisiert; aber nicht nur jede Körperbewegung löst solche Mitbewegungen aus, 
sondern auch jeder psychische Reiz ist in der Lage, sie zu veranlassen, so daß 
es oft in der Tat sehr schwer zu entscheiden ist, ob es sich um Spontanbewe¬ 
gungen oder um Mitbewegungen, deren auslösende Ursache verborgen bleibt, 
handelt. 

Am meisten beteiligt ist das Gesicht, die Muskulatur des Halses und die 
der oberen Extremitäten, etwas weniger gewöhnlich die der Beine, und zwar 
waren bei den Le wando wsky sehen Fällen stets echt spastische Erscheinungen 
an den Beinen gleichzeitig vorhanden. 

Es erscheint mir notwendig, auf Grund dieser Schilderung von Le wan¬ 
do wsky und anderer Beschreibungen in der neueren Literatur kurz das wieder¬ 
zugeben, was für die verschiedenen Formen der Athetose, der idiopathischen 
und der symptomatischen, als charakteristisch anzusehen ist. Wesentlich ist 
dabei folgendes: es handelt sich immer um unwillkürliche Bewegungen, die ent¬ 
weder spontan oder in der Form von Mitbewegungen auftreten. Psychische 
Momente wirken auf letztere auslösend. Der Bewegungablauf ist langsam, wurm¬ 
artig, peristaltisch, eine Bewegung geht in die andere über. Ferner muß man 
eine gewisse Verzerrung, etwas Bizarres der Bewegung als charakteristisch an- 
sehen. Die Bewegungen unterscheiden sich in ihrer Art deutlich von willkür¬ 
lichen und auch von choreatischen Bewegungen dadurch, daß sie nicht nach- 
ahmbar sind, daß eine gewisse wunderliche Bewegungskombination und sonder¬ 
bare Bewegungsfolgen auftreten, die dem Büde etwas ungemein Charakteristisches 
geben. Foerster macht darauf aufmerksam, daß die bei Athetose auftreten- 
den Bewegungssynergien an die Kletterbewegungen der Affen erinnern. Der 
langsame Ablauf der Bewegungen geht einher mit einer tonischen Anspannung 
in den befallenen Muskeln; es handelt sich dabei jedoch nicht um einen echten 
Spasmus, sondern um eine zähe, langsam zunehmende und langsam oder rasch 
wieder abnehmende Tonusvermehrung der jeweils an der Bewegung beteiligten 
Muskeln. Diese kann auch noch nach Aufhören der Bewegung eine Zeitlang 
andauern und so die Glieder in einer vertrackten Stellung vorübergehend fixiert 
halten. Sie läßt dann aber regelmäßig wieder nach. Dieser Spasmus mobilis 
ist eines der regelmäßigsten Symptome der Athetose, nur Schilder beschreibt 



8 


Athetose. 


einen Fall athetotischer Bewegungsstörung in einem hypotonischen Arm, einen 
ähnlichen Fall veröffentlicht Pineies (Kleinhirnherd). Ob es sich dabei um echt 
athetotische Bewegungen gehandelt hat, erscheint mir zweifelhaft. 

Fs ergibt sich die Frage: handelt es sich bei dem Spasmus mobilis über¬ 
haupt um einen echten Spasmus im oben definierten Sinne oder nicht vielmehr 
um eine vorübergehende Rigidität? Diese Frage wird sich bei der oft vor¬ 
kommenden Kombination von Athetose mit Pyramidenschädigungen nicht leicht 
entscheiden lassen. 

Der rhythmische Charakter der athetotischen Bewegungen, auf den Lewan- 
dowsky großen Wert legt, kann nicht überall nachgewiesen werden und ist 
somit nicht als unbedingt notwendiges Kennzeichen der Athetose aufzufassen. 
Schilder konnte an Bewegungskurven veranschaulichen, daß typisch atheto¬ 
tischen Bewegungen das Rhythmische fehlt, und auch die einfache Beobachtung 
läßt fast immer einen bestimmten Rhythmus in der Bewegungsfolge bei der 
idiopathischen Athetose wenigstens vermissen. 

2. Die idiopatische Athetose (Athetose double). 

Zur Nachprüfung der oben angedeuteten klinischen Fragen habe ich eine 
Anzahl verschiedener Formen von Athetose untersucht, deren Krankengeschichten 
im folgenden kurz wiedergegeben werden, und zwar bringe ich zunächst Fälle 
von Athetose double, die ich in Übereinstimmung mit Lewandowsky und 
andern für eine wohl abgrenzbare Gruppe innerhalb der mit Athetose einher¬ 
gehenden Erkrankungen halte. Es wird sich zeigen, daß wir es dabei mit einer 
Krankheit sui generis zu tun haben. 

Die Notizen enthalten nur das Wesentliche und für die schwebenden Fragen 
unumgänglich Notwendige. Die Kranken sind selbstverständlich auch nach 
allen anderen Richtungen neurologisch und allgemein intern untersucht. Dieser 
Untersuchung wird jedoch nur bei wesentlichen Abweichungen Erwähnung ge¬ 
tan. Von vornherein sei bemerkt, daß die Untersuchung der Athetose nament¬ 
lich auf Beschaffenheit des Muskeltonus, auf Reflexstörungen, Babinski und Läh¬ 
mungen oft große Schwierigkeiten macht und große Geduld erfordert. Durch 
den Spasmus mobilis wird sehr häufig eine spastische Parese vorgetäuscht. Im 
Augenblick der Anspannung während einer athetotischen Bewegung und auch 
noch nachher können z. B. die Sehnenreflexe erhöht erscheinen, die nach dem 
Aufhören des Spasmus normal oder sogar nur schwach auslösbar sind. Sehr 
erschwert ist oft die Beurteilung des Zehenphänomens, weil die Dorsalflexion 
der großen Zehe oft als Mitbewegung auftritt und dann nur bei wiederholter 
Prüfung sich sicher von einem positiven Babinski unterscheiden läßt. Zu welch 
unsicheren Resultaten die Untersuchung unter diesen Umständen führen kann, 
geht aus folgendem Satz der Arbeit von 0. Fischer über Athetose double 
hervor: »Die Sehnenreflexe, welche aus naheliegenden Gründen schwer zu prüfen 
sind, erscheinen etwas lebhaft; auch der Tonus der Muskulatur ließ sich nicht 
genau untersuchen, doch schien alles eher für eine Hypertonie als für eine 
Hypotonie zu sprechen.« 

Besonders aus der ersten der mitgeteilten Krankengeschichten kann man sehen, 
wie leicht man sich gerade über das Vorhandensein von Spasmen täuschen kann. 



Die idiopathische Athetose. 


9 


Falll. Erich G. (Lewenberg.) 17 Jahre. 

Mutter schwachsinnig, Patient selbst in den ersten Lebenstagen Krämpfe, kann nicht 
gehen, nicht sprechen. Körperlich zurückgeblieben. Keine Lues. Hydrozephalus. Sich 
selbst überlassen, keine Bewegungsunruhe, bei Annäherung fremder Menschen oder bei 
Bewegungsversuchen starke unwillkürliche Bewegungen am ganzen Körper, am stärksten 
an den Händen, wurmförmig, langsam ohne bestimmten Rhythmus mit starken Uberdeh¬ 
nungen und grotesken, durch Zusammentreffen nicht zueinander passender Innervationen 
hervorgerufenen Stellungen. Gesichtsbewegungen bestehen in einem einförmigen immer 
wiederkehrenden Zusammenpressen des Mundes. Einzelbewegungen: Schließen eines Auges 
allein nicht möglich, auch einseitige Innervationen des Mundfazialis isoliert nicht ausführ¬ 
bar. Augenbewegungen stets mit entsprechenden Kopfbewegungen kombiniert. 

Bauchdecken sehr gespannt. Beine in Streckhaltung. Oberschenkel adduziert und nach 
innen rotiert, Unterschenkel daher in X-Beinhaltung. Füße extrem plantarflektiert, dabei 
äußerer Fußrand gehoben. Alle Beinmuskeln hochgradig hypertonisch. Man hat den Ein¬ 
druck von starken Spasmen, zumal da auch die Sehnenreflexe gesteigert scheinen. Babinski 
negativ. Kein paradoxes Phänomen. Zuweilen verharrt ein Bein von der Unterlage ab¬ 
gehoben eine Zeitlang in dieser Stellung, dabei wurmförmige Bewegungen in den Zehen. 
Nach einiger Zeit läßt der scheinbar so schwere Spasmus plötzlich nach, und bei der jetzt 
vorgenommenen Prüfung des Muskeltonus findet sich eine ausgesprochene Hypotonie der 
Beinmuskeln derart, daß sich die Füße schlotternd schütteln lassen, die Beine sind im 
Hüftgelenk stark überextendierbar. Bei Prüfung der Reflexe ist jetzt keine Verstärkung 
mehr nachweisbar. Bewirkt man durch psychische Reize oder Bewegungsaufforderung 
ein Wiederauftreten von Mitbewegungen in den Beinen, so tritt dieselbe Hypertonie wieder 
in Erscheinung, die außer den Agonisten der gerade stattfindenden Bewegung auch deren 
Antagonisten mit ergreift. 

Psychisch heiter, zufrieden, meist freundlich lächelnd, zeitweise affektlabil. Mäßig 
tiefstehender Idiot. Bisweilen epileptische Anfälle. 

Diagnose: Idiopathische Athetose, keine Pyrarnidensyinptome. Epileptische 
Anfälle. 

Fall 2. Herrmann F. (Lewenberg.) *23 Jahre. 

Keine Belastung. Im Alter von 14 Tagen Gelbsucht, konnte nicht saugen. Gegen 
Ende des ersten Lebensjahres »Krämpfe«. Von jeher taubstumm. Lernte erst im 7. Jahr 
gehen. Seit 1909 in Anstalt. Keine Progression. Körperlich normal. In Liquor und 
Blut kein Anhaltspunkt für Lues. 

Spontan ruhig und ohne unwillkürliche Bewegungen, liegt in ungezwungener Haltung 
Hände unter dem Kopf im Bett. Beim Versuch, eine Bewegung zu machen, oder wenn 
man ihn anredet, beginnen beiderseits unwillkürliche Bewegungen ohne ausgesprochenen 
Rhythmus von langsamem wurmförmigem Charakter, an den Fingern mit starker Über¬ 
streckung und extremer Durchbiegung einhergehend. Am stärksten ist das Gesicht be¬ 
teiligt (wildes Grimassieren) namentlich der Mund, dann der Hals und die oberen Extre¬ 
mitäten. Wesentlich weniger die Beine. An den Gliedern sind die Bewegungen distal 
am stärksten, nehmen bei Erregung zu, ebenso bei intendierten Bewegungen. Der Kranke 
kann sich allein Anziehen, alleine essen. Dabei hochgradige groteske Mitbewegungen. 
Prüfung von Einzelbewegungen wegen des fehlenden Sprachverständnisses nicht möglich. 
Grobe Kraft nicht gestört. Beim Versuch zu sprechen kommen nur grunzende Laute. 
Die dicke breite Zunge wird ziellos im Munde herumgewälzt. Beim Gehen knickt der 
Kranke in den Knien ein, X-Beinstellung. Gang nicht spastich. Starke übermäßige Mit¬ 
bewegungen in den Armen. Er schurrt mit den Füßen am Boden. Andeutung von Pro¬ 
pulsion. Reflexe nicht gesteigert, kein Babinski. Kein paradoxes Phänomen. Muskel¬ 
tonus überall herabgesetzt, nur während der Dauer der athetotischen Bewegungen deutliche 
Hypertonie, die dann nicht überwindbar ist. Diese Hypertonie ist auszulösen durch psychische 
Einflüsse und durch Bewegungsaufforderungen. Sie beschränkt sich auf die von den athe¬ 
totischen Bewegungen ergriffenen Muskeln und deren Antagonisten. 

Intelligenz nicht sehr hochgradig herabgesetzt, trotz Taubheit etw r as erziehbar. Stim¬ 
mung durchweg heiter, sehr freundlich, zuvorkommend, zufrieden, bei gegebener Veran¬ 
lassung jedoch gereizt und dann hilflos wütend, sich rasch beruhigend. 



10 


Athetose. 


Diagnose: Idiopathische Athetose ohne Erscheinungen spastischer Diplegie, 
ohne Pyramidenzeichen. Ausgesprochene Hypotonie der Muskeln. 

Fall 3. Franz S. (Gehlsheim.) 9 Jahre. 

Keine Belastung. Bei Geburt sehr schwach, nie Krampfe. Das jetzige Leiden begann 
in den ersten Tagen nach der Geburt Lernte erst mit 2 Jahren sitzen, mit 4 Jahren laufen. 
Jetzt zart gebaut, blaß, etwa normal groß. Innere Organe normal. Zunge dick. Sich 
selbst überlassen, iBt er frei von unwillkürlichen Bewegungen jeder Art. Der geringste 
Anlaß — wenn er sich z. B. nur beobachtet glaubt — ruft jedoch zahlreiche Bewegungen 
des ganzen Körpers hervor. Am stärksten befallen ist das Gesicht, dann die Arme, Hals, 
Nacken, Beine, Rumpf. Die Bewegungen sind wurmförmig, langsam ohne bestimmten 
Rhythmus, ganz unregelmäßig, grotesk anzusehen. Es kommt zu ungewöhnlichen Bewegungs¬ 
kombinationen, die sich aus einander widersprechenden Einzelbewegungen zusammen¬ 
setzen. Jede Bewegung löst unnötige Mitbewegungen aus, starkes Verzerren des Gesichts, 
Beugen und Drehen des Kopfes nach hinten, Cberbiegen der Wirbelsäule, gelegentlich 
auch langsam stampfende Bewegungen mit den Beinen. Einzelbewegungen: z. B. Auge 
isoliert schließen, eine Fazialishälfte innervieren, unmöglich. Sprache sehr mühsam, be¬ 
hindert durch die Mitbewegungen der Gesichts- und der Atemmuskulatur. Die einzelnen 
Worte werden explosionsartig hervorgestoßen, klingen kloßig, das Kinn wird dabei vor¬ 
gestreckt, die Zunge hin und her gewälzt, die Lippen bald aufeinandergepreßt, bald vor¬ 
gestülpt, gleichzeitig lebhafte Bewegungen in den Armen und Händen, als ob er die Worte 
herauspressen wolle. Die Bewegungen an den Händen sind von Überstreckungen und 
Uberdehnungen begleitet. Die grobe Kraft ist überall gut, jedoch nicht ausdauernd, nir¬ 
gends Kontraktionsnachdauer. Der Muskeltonus ist überall herabgesetzt, ausgesprochene 
Schlaffheit der Gelenke, nur während der Mitbewegungen findet sich eine hypertonische 
Muskelspannung der an der Bewegung beteiligten Muskeln und gleichzeitig der betreffen¬ 
den Synergisten und Antagonisten. Die Hypertonie macht sofort nach Nachlassen der 
Bewegung der vorher vorhandenen Hypotonie Platz. Reflexe normal. Kein Babinski, 
kein paradoxes Phänomen. 

Auch relativ komplizierte aktive Bewegungen sind möglich. Patient ißt alleine und 
kann schreiben. Alle Bewegungen sind aber von enorm zahlreichen Mitbewegungen des 
ganzen Körpers begleitet und dadurch sehr behindert und erschwert. Gang breitbeinig, 
mit ausfahrenden Mitbewegungen des Schwungbeines, die fast an Ataxie erinnern, ferner 
begleitet von rudernden, krampfhaften Bewegungen der Arme, die im Schultergelenk ge¬ 
hoben, im Ellenbogengelenk gebeugt gehalten werden und dabei Bewegungen machen, als 
wolle der Kranke die Arme wie Flügel benutzen. Trotz dieser Unbehilflichkeit geht der 
Kranke ohne Unterstützung überraschend gut und flott, wendet sich auch geschickt, ohne 
zu taumeln, ohne hinzufallen. Greifbewegungen nicht ataktisch, läßt nichts fallen, verletzt 
sich nicht. 

Psychisch: Keine Intelligenzstörung. Löst die Aufgaben für die 10. Jahrstufe von 
Binet-Simon. Bisher kein Schulbesuch, trotzdem Lesen und Schreiben -K ;Kopfrechnen 
innerhalb der Zahlenreihe bis 100. Affektiv vorherrschend heiter, euphorisch, immer ver¬ 
gnügt, unterhält sich gern, zufrieden, bescheiden, folgsam, geduldig. Untersuchung macht 
ihm Spaß. Aufmerksamkeit und Auffassung gut. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne spastische Erscheinungen, bei nor¬ 
maler Intelligenz. 

Fall 4. Marianne H. (Eppendorf.) 14 Jahre. 

Keine Belastung, kam asphyktisch zur Welt Körperlich anfangs normale Entwick¬ 
lung, lernte jedoch erst im 7. Lebensjahre laufen. Vom 2. Lebensjahre an fielen der Mutter 
die auch jetzt bestehenden Bewegungsstörungen auf. Wurde privat unterrichtet, lernte 
gut. Menses i. 0. 

Sich selbst überlassen, liegt Patientin vollkommen ruhig da. Spricht man sie an, oder 
versucht sie eine Bewegung zu machen, so beginnen langsame, wurmförmige, unwillkürliche, 
bizarre Bewegungen ohne ausgesprochenen Rhythmus, die sich über den ganzen Körper 
ausbreiten, rechts etwas ausgesprochener sind als links. Besonders starke Mitbewegungen 
treten bei jeder Bewegung oder beim Sprechen im Gesicht auf. Zunge breit, macht eben- 



Die idiopathische Athetose, 


11 


falls wälzende Bewegungen. Sprache kloßig, kaum verständlich, durch unwillkürliche 
Bewegungen der beteiligten Muskeln gestört. An den Händen ausgesprochene Überdeh¬ 
nungen der Gelenke. Muskeltonus überall herabgesetzt, nur für. die Dauer der unwill¬ 
kürlichen Bewegungen besteht Spasmus mobilis. Gehen nur mit Unterstützung möglich, 
Mitbewegungen werden dabei erheblich gesteigert. Keine Pyramidensymptome, kein Ba- 
binski, keine Ataxie. Innere Organe i. O., 4 Reaktionen negativ. 

Psychisch: Keine Intelligenzdefekte. Ausgesprochene Euphorie, immer heiter, be¬ 
schäftigt sich gern mit Lesen, freundlich, teilweise auch selbstbewußt, interessiert für Vor¬ 
gänge ihrer Umgebung. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne Pyramidenerkrankung. Kein In¬ 
telligenzdefekt. 

Fall 5. Hans R. (Lewenberg.) 11 Jahre. 

Vater an Paralyse gestorben. Bei der Geburt zyanotisch (Nabelschnurumschlingung, 
Asphyxie?). Mit 3 Tagen Gelbsucht, die sieben Wochen dauerte. Gleichzeitig Krämpfe, 
lernte schwer laufen. Jetzt körperlich etwa normal groß. Geringe Adipositas. Spontan 
ruhig, auf Anrede und bei gewollten Bewegungen stellen sich sofort hochgradige typisch 
athetotische Bewegungen ein, ohne ausgesprochenen Rhythmus. Am stärksten im Gesicht, 
Armen und Händen. Während ein Teil der Finger sich streckt, werden andere gleichzeitig 
gebeugt oder abgespreizt. Starke Überdehnung in Hand- und Fingergelenken. Füße 
werden zeitweise extrem dorsalflektiert, so daß Kalkaneus etwa senkrecht steht und mit 
dem Unterschenkel eine gerade Linie bildet. Gehen breitbeinig, trippelnd, mit zahlreichen 
Mitbewegungen, namentlich in den Armen. 

Einzelinnervationen im Fazialisgebiet nicht möglich (versteht schwer, was er soll). 
Muskeltonus überall stark herabgesezt, nur vorübergehend während der Dauer der athe- 
totischen Bewegungen erhöht. 

Reflexe normal, kein Babinski, kein paradoxes Phänomen. 

Psychisch: Idiot mäßigen Grades, heiteren Temperaments, sehr lebhaft, zutraulich, 
drängt sich gerne vor, etwas eitel. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne spastische Erscheinungen, ohne Pyra- 
midenbahnen-Reflexe. 

Fall 6. Aug. L. (Gehlsheim.) 53 Jahre. 

Vorgeschichte: Von jeher schwere Sprache, schlechte Hörfähigkeit. Mit 8 Jahren 
nach Lewenberg, dort in die Schule, habe gut gelernt, »sei Primus gewesen«. Später nach 
Sachsenberg, von dort hierher. Aus den früheren Krankenblättern geht hervor, daß er 
recht häufig Durchfälle und Darmkatarrhe gehabt hat. Seit Jahren arbeitet er hier im 
Garten. Immer sehr selbstbewußt, wenig respektvoll, gute Stimmung, Neigung zu Witzen, 
Auffassung gut. Spielt mit Leidenschaft und Geschick Skat Oft schlagfertige Bemerkungen. 
Gehör sehr schlecht. Liest gewandt vom Munde ab. Befund: Augenbew r egungen frei. 
Augen einzeln schließen: macht erst beide Augen zu und öffnet dann das eine wieder, 
beim rechten fällt es ihm wesentlich schwerer als links. Fazialis in der Ruhe links etwas 
stärker innerviert als rechts, auch mimisch bleibt der rechte Fazialis etwas zurück. Bei 
willkürlicher Innervation keine Lähmung weder im Mund- noch im Stirnast. Willkürliche 
Innervation eines Fazialisastes allein unmöglich. Der Kopf ist meist so gestellt, daß das 
Kinn nach links oben sieht, er ist also nach links gedreht und nach rechts geneigt. Die 
Musculi sternokleidomastoidei springen deutlich hervor und sind hypertonisch. Passive 
Bewegungen des Kopfes stoßen jedoch nur im ersten Augenblick auf einen gewissen Wider¬ 
stand. Sonst keine Hypertonie. Kauen o. B. Kaumuskeln gute Kraft. Desgleichen 
Schlucken. Die grobe Kraft der Extremitäten und Körpermuskeln ist gut An den Beinen 
leichte Hypotonie. Hacke kann mit Leichtigkeit ans Gesäß gebracht werden. Auch in 
den Armen kein erhöhter Muskeltonus. Gang: o. B. Arme werden pendelnd mitbewegt. 
Sehnenreflexe: P. S. R. links lebhafter als rechts. Sonst Reflexe o. B. Paradoxes Phä¬ 
nomen: 0. Kein Babinski. Stewart Holmes: 0. Keine Ataxie. In der Ruhe bemerkt man 
keine pathologischen Bewegungen. Beim Ankleiden sind in den großen Zehen beiderseits 
unwillkürliche Streckbewegungen zu beobachten, auch tritt ab und zu eine Dorsalflexion 
des Fußes auf. Alles langsam ohne Uberstreckung. Beim Sprechen ab und zu schraubende 



12 


Athetose. 


Bewegungen in den Schultern und Hilfsbewegungen in den Armen und Händen, die zum 
Teil an Ausdrucksbewegungen erinnern. Namentlich beim Sprechen treten im Gesicht 
außerordentlich zahlreiche Mitbewegungen auf. Die Lippen werden vorgestülpt, das Ge¬ 
sicht nach links, seltener nach rechts verzogen, das Kinn vorgestreckt, die Stirn hoch¬ 
gezogen. Auch am Nacken und Halse treten Bewegungen auf, alle langsam, wurmförmig 
und größer werdend. Dazwischen wälzende Bewegungen mit der Zunge. Die Sprache 
ist stockend, die Worte werden mühsam herausgepreßt, kommen oft stoßweise zum Vor¬ 
schein. Mit der Schwierigkeit der Worte und mit Aufregungen nimmt die Störung zu. 
Die Art der geforderten Buchstaben und Silben übt wenig Einfluß aus. Explosivlaute: 
o. B. Nur Folgen von gleichläufigen Silben, z. B. papapapapa, erschwert Versagt nach 
3—4 Wiederholungen. Aushalten längerer Vokale unmöglich. Offenbar sind hierbei Mit¬ 
bewegungen der Atemmuskulatur beteiligt. Die Vokale selbst werden nicht klangvoll 
phoniert, sondern die Stimme klingt immer etwas leise, belegt, heiser. 

Diagnose: Idiopathische Athetose mit vorzugsweiser Beteiligung des Ge¬ 
sichts, ohne spastische Erscheinungen. Keine Intelligenzstörungen. 

Fall 7. OlgaD. (Lewenberg.) 25 Jahre. 

Keine Belastung. Beginn des Leidens in den ersten Lebenstagen. Im 2. Lebensjahr 
Krämpfe, die sich später vereinzelt ein bis zweimal im Monat wiederholten. Körperlich 
etwa normal entwickelt, regelmäßig menstruiert. Sich selbst überlassen ruhig. Bei jedem 
äußeren Anlaß starke athetotische Mitbewegungen ohne rhythmischen Charakter, langsam, 
wurmförmig mit Uberextensionen und ungew öhnlichen Durchbiegungen in den Fingergelenken. 
Vorzugsweise befallen sind Gesicht und die distalen Extremitätenenden. Dazwischen auch 
bisweilen schraubenförmige gewundene Bewegungen im Schultergelenk. 

Reflexe: Bauchdeckenreflexe fehlen, Sehnenreflexe normal. Kein Babinski, kein 
paradoxes Phänomen. 

Strabismus convergens, Muskeltonus überall herabgesetzt und nur für die Dauer der 
unwillkürlichen Bewegungen in den befallenen Muskeln und deren Antagonisten erhöht 
Gang mit zahlreichen Mitbewegungen der Arme, sehr ungeschickt, trippelnd. Einzelbe¬ 
wegungen im Gesicht usw. nicht zu prüfen. 

Psychisch: Tiefstehende Idiotin, Stimmung weinerlich, mürrisch. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne spastische Lähmungen, ohne Pyra¬ 
midenzeichen, mit epileptischen Krämpfen. 

Fall 8. Bruno J. (Eppendorf.) 15 Jahre. 

Keine Belastung. Schwere Zangengeburt. Asphyktisch. Von jeher im Gebrauch der 
Gliedmaßen beschränkt, schrie und tobte viel. Erst vom 7. Jahre an begann er Arme 
und Beine zweckmäßig zu bewegen und zu sprechen. Damals erste Gehversuche, seitdem 
entwickelte sich langsam die jetzt noch bestehende Bewegungsstörung. Intellektuell nach 
Aussage der Mutter und des Pfarrers nicht hinter andern zurückgeblieben. Viel mastur¬ 
biert. Befund: Entsprechend entwickelt. Kleiner Hinterkopf. An allen Extremitäten 
und am Gesicht bizarre krampfartige Bewegungen, namentlich an Fingern und Zehen, die 
jedoch nur bei Bewegungen und bei psychischen Alterationen auftreten. In der Ruhe 
und im Schlaf keine Bewegungsunruhe. Keine Lähmungen. Mund steht offen. Speichel 
fließt. Sprache schwer verständlich wegen zahlreicher Mitbewegungen. Knie beim Gehen 
leicht geknickt. Dauernd lebhafte Bewegungen in den Armen, Sehnen- und Hautreflexe 
normal. Kein Babinski, Sensibilität intakt. Blut o. B. Alle 4 Reaktionen negativ. 

Psychisch: Etwas erregbar. Nach Eingewöhnung gut verträglich und lenkbar. In¬ 
telligenz entsprechend. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne Pyramidensymptome. 

Fall 9. Meta M. (Lewenberg.) 17 Jahre. 

Vorgeschichte unbekannt. Körperlich etwas klein. Keine Menses. Sich selbst über¬ 
lassen ruhig. Beide Arme im Ellenbogen spitzwinklig gebeugt, passive Streckung nicht 
ganz möglich wegen Muskelverkürzung in den Beugern am Oberarm. Die beiden Hände 
sind in athetotisch grotesker Stellung, die jedoch durch passive Bewegungen mühelos 



Die idiopathisehe Athetose. 


13 


ausgleichbar ist. Beim Anreden oder Bewegungsversuchen beginnen starke Mitbewegungen 
sowohl in den Extremitäten wie auch im ganzen Rumpf, alle langsam, bizarr wurmförmig, 
ohne ausgesprochenen Rhythmus, drehend und schraubend, sich hin- und herwindend, 
polypenartig, dabei lebhaftes Zähneknirschen, Stöhnen, keuchende Atmung. Reflexe nicht 
gesteigert, kein Babinski, kein paradoxes Phänomen. Muskeltonus außer an den Armen 
überall herabgesetzt und nur während der Dauer der athetotischen Bewegungen erhöht. 
Die athetotischen Bewegungen gehen einher mit starken Überdehnungen. Füße wrerden 
spitzwinklig dorsalflektiert, so daß der Kalkaneus senkrecht steht. Sprache in gewissem 
Umfang möglich, durch Mitbewegungen in der Gesichts- und Atemmuskulatur jedoch hoch¬ 
gradig gestört. Bisweilen Zwangslachen, die dicke Zunge wälzt sich ziellos im Munde oder 
wird bisweilen vorgestreckt. Worte kaum moduliert. Gang nur mit Unterstützung möglich. 

Psychisch: Kein sehr hochgradiger Schwachsinn, nur sind die psychischen Äuße¬ 
rungen durch den körperlichen Zustand stark behindert. Trotz der offenbar sehr quälen¬ 
den Bewegungen meist heiter, willig und zufrieden. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne Pyramidensymptome mit athetotischer 
Dauerhaltung beider Hände und sekundären Muskelkontrakturen an den Ober¬ 
armen. 

Fall 10. Paul K. (Lewenberg.) 16 Jahre. 

Vorgeschichte unbekannt. Seit frühester Jugend krank. Körperlich o. B. Zunge 
nicht besonders dick, starker Speichelfluß. Sich selbst überlassen vollkommen ruhig. 
Hände beiderseits eingeschlagen mit überdehnten Fingergelenken und gebeugten Hand¬ 
gelenken. Bei Bewegungsversuchen oder geringen psychischen Anlässen lebhafteste Mit¬ 
bewegungen, am stärksten im Gesicht (Grimassieren), in der Halsmuskulatur. (Kopf ward 
extrem nach hinten gebeugt und schraubenförmig hin und her gedreht.) An den Armen 
vertrackte Bewegungen mit starken Cberdehnungen. Beine etw as weniger befallen, nur in den 
Zehen und Füßen vereinzelte Mitbewegungen. Kein ausgesprochener Rhythmus. Alle Be¬ 
wegungen langsam, wurmförmig. Sprache wegen der Mitbewegungen im Gesicht fast unmög¬ 
lich, ganz unmoduliert, explosionsartig werden einzelne Worte hervorgestoßen. Beim Gehen 
Verstärkung der Bewegungen in den Armen. Gang nicht spastisch, X-beinig, ungemein 
zahlreiche bizarre Mitbewegungen im Oberkörper, Armen und Kopf. Schließen eines Auges 
allein möglich, aber von zahlreichen Mitbewegungen im Fazialisgebiet derselben Seite be¬ 
gleitet. Isolierte Innervation eines Mundfazialisastes nicht möglich. Augenbewegungen nach 
der Seite ohne Kopfdrehungen ausführbar. 

Reflexe normal. Kein Babinski. Kein paradoxes Phänomen. In der Ruhe ausge¬ 
sprochene Hypotonie der Arme und Beine. Auch die athetotische Haltung der Hand ist 
nicht durch Muskelspannung bedingt, sondern läßt sich ebenfalls mühelos ausgleichen. Nur 
w ährend der Dauer der Bewegungen tritt eine deutliche, schwer überwuncjbare Hypertonie 
der beteiligten Muskeln und deren Antagonisten auf, die Spasmen vortäuscht. 

Psychisch; Hochgradiger Schwachsinn, immer heitere Stimmung, freundlich entgegen» 
kommendes Wesen, sehr willig, lacht viel. Untersuchungen machen ihm Spaß. Bisweilen 
zornmütige Erregung. 

Diagnose: Idiopathische Athetose ohne spastische Lähmung, mit Hypo¬ 
tonie der Muskeln. Athetotische Dauerhaltung der Hände. 

Fall 11. Rudolf G. (Lewenberg.) 19 Jahre. 

Großvater geisteskrank. Selbst; Langdauemde Geburt. Angeborenes Leiden. Im 
4. Jahre Krämpfe im Anschluß an einen Darmkatarrh. Körperlich normal entwickelt. 
Sich selbst überlassen keine Bewegungen. Beide Beine spastisch paretisch. Prädilektions- 
typ mit Reflexsteigerung und beiderseitigem Babinski. Kein paradoxes Phänomen. Arme 
von guter Kraft. Hier Reflexe normal. Bei Innervation im einen Arm treten identische 
Mitbewegungen auf der anderen Seite auf, und zwar von links nach rechts ebenso wie von 
rechts nach links. Ein Auge kann nicht einzeln geschlossen, eine Gesichtshälfte nicht allein 
innerviert werden; Blickwendung jedoch ohne Kopfdrehung möglich. Psychische Anlässe 
lösen noch keine Gesichtsbewegungen aus, beim Versuch zu sprechen tritt jedoch starkes 
athetotisches Grimassieren im Gesicht auf. Sprache plump, kloßig, kaum verständlich. 
An den Mitbewegungen beteiligen sich auch die Hände. Die Bewegungen sind langsam, 



14 


Athetose. 


wurmförmig, ohne bestimmten Rhythmus, zeitweise Überstreekungen und Überdehnungen 
an den Fingergelenken, die groteske, polypenartige Haltungen und Bewegungsformen zur 
Folge haben. In den Armen ist der Muskeltonus erhöht für die Dauer der Bewegung, 
und zwar gleichmäßig in Agonisten, Synergisten und Antagonisten der gerade stattfinden¬ 
den Bewegung. Kann allein essen. 

Psychisch: Hochgradiger Schwachsinn, heiter, gutmütig, zufrieden. Zeigt deutlich 
Zu- und Abneigung. Unterhält sich gern, hat gerne Gesellschaft. 

Diagnose: Idiopathische Athetose mit spastischer Paraplegie beider Beine 
gesteigerten Reflexen und Babinski. Idiotie. 

Fall 12. Karl K. (Lewenberg.) 36 Jahre. 

Vorgeschichte unbekannt. Jedenfalls seit frühester Kindheit erkrankt Jetzt spastische 
Paraplegie beider Beine vom Prädilektionstyp. Sehnenreflexe gesteigert. Babinski nicht 
zu prüfen wegen Verkrüppelung der Füße und der Zehen. An den Armen keine Läh¬ 
mung. Bei aktiven Bewegungen dagegen zahlreiche Mitbewegungen der Arme, Hände und 
im Gesicht. Sprache wegen der Mitbewegungen im Gesicht und in der Atemmuskulatur 
stark behindert, schwer verständlich, kloßig. Augenschluß: einzeln rechts links 0. 
Isolierte Innervation eines Fazialisastes nicht möglich. Augenbewegungen ohne Kopf¬ 
bewegungen ausführbar. Kein paradoxes Phänomen. 

Gesichtsbewegungen langsam, wurmförmig, manchmal ausgesprochen rhythmisch. Die 
Handbewegungen führen oft zu Überstreckungen und Überdehnungen. Kein paradoxes 
Phänomen. 

Psychisch: Kann lesen und schreiben, wenn auch mangelhaft Arbeitet etwas. 
Stets zu Scherzen bereit Heitere Stimmung. Dagegen manchmal gereizt und empfindlich. 

Diagnose: Idiopathische Athetose mit spastischer Paraplegie. 

Fall 13. Erich M. (Lewenberg.) 31 Jahre. 

Ende des ersten Lebensjahres Entwicklung eines Hydrozephalus. Seitdem geistig zu¬ 
rückgeblieben, lernte nicht laufen, erst sehr spät sprechen. 

Spastische Paraplegie beider Beine von Prädilektionstyp mit gesteigerten Sehnenreflexen. 
Babinski nicht zu prüfen wegen Verkrüppelung des Fußes. Rechter Arm ebenfalls ge¬ 
lähmt und zwar sind am Oberarm die Strecker sehr schwach, die Beuger etwas kräftiger 
und spastisch kontrahiert. Der Arm ist abduziert Spasmen im Pektoralis. Die rechte 
Hand steht spitzwinklig gebeugt. Finger in den Grundgelenk stark spitzwinklig gebeugt. 
Die Endgelenke überdehnt. Der Daumen in die Faust geschlagen. Diese Haltung ist 
nicht durch dauernde Spannung bedingt sondern die Hand läßt sich mühelos aufbiegen. 
Linker Arm und Hand gut und kräftig. Fingergelenke leicht überstreckbar. Identische 
Mitbewegungen von rechts nach links, und von links nach rechts. Bei Erregung und Be¬ 
wegungsversuchen treten ausgesprochene Mitbewegungen im Gesicht aut zuweilen auch 
angedeutet in der rechten Hand. Die Sprache ist durch diese Mitbewegungen, namentlich 
auch solche der Atemmuskulatur stark behindert, explosionsartig, stockend, kloßig. Zunge 
wälzt sich langsam im Munde herum. Einzelinnervationen im Fazialisgebiet nicht möglich. 
Die Mitbewegungen ohne besonderen Rhythmus wurmförmig, langsam, häufig groteske 
Verzerrungen. Häufiges Zwangslachen und Zwangsweinen, das dem Kranken selbst zum 
Bewußtsein kommt 

Psychisch: Nur mäßiger Schwachsinn, kann lesen und schreiben. Liest die Zeitung. 
Kann einige Worte lateinisch, hat allerhand Interessen. Stimmung meist heiter, zufrieden. 

Diagnose: Idiopathische Athetose mit spastischer Paraplegie. Spastische 
Armlähmung rechts und athetotische Handlung. 

An der Diagnose idiopatischer Athetose kann bei diesen Fällen kaum 
ein Zweifel herrschen. Überall handelt es sich um das Auftreten typischer 
athetotischer Bewegungen in der Form von Mitbewegungen, während die 
Kranken sich selbst überlassen keine unwillkürlichen Bewegungen ausführen. 
Auch der Qualität nach sind die Bewegungen einwandfrei als athetotische zu 



Die idiopathische Athetose. 


15 


betrachten, charakterisiert durch ihre Langsamkeit. Soweit Hand und Finger 
betroffen sind, finden sich stets Überstreckungen und Durchbiegungen 
der Gelenke sowie bizarre Haltungen. Begleitet sind die Bewegungen von einer 
vorübergehenden Hypertonie der beteiligten Muskeln. Verwechslungen mit Chorea 
waren in keinem Fall möglich. Auch die Torsionsdystonie kam nirgends ernst¬ 
lich differential-diagnostisch in Betracht. Die athetotischen Bewegungen trugen 
immer den Charakter der Mitbewegungen, d. h. ihr Auftreten wurde stets 
von anderen Bewegungen bzw. Bewegungsversuchen oder von irgendwelchen 
gemütlichen Reizen ausgelöst, ln völliger Ruhe 
und ganz sich selbst überlassen fanden keine 
Bewegungen statt. 

In Übereinstimmung mit Lewandowsky 
kann festgestellt werden, daß überall der lang¬ 
same Charakter der Bewegungen vorhanden war, 
daß die Bewegungen mit einer »passageren Kon¬ 
traktur« einhergingen. Die Übermäßigkeit 
der Bewegungen will Lewandowsky nicht als 
unbedingt notwendig für die Diagnose Athetose 
ansehen; es ist ihm insofern zuzustimmen, als 
Überdehnungen der Gelenke nicht beobachtet 
werden können, w r enn es sich wie bei Fall 6 um 
eine rudimentäre Athetose handelt, wo die Mit¬ 
bewegungen nur im Gesichtsbereich stattfinden. 

Ein gewisses Übermaß der Bewegungen kann 
jedoch auch bei Fall August L. in den extremen 
Verzerrungen der Gesichtsmuskulatur erblickt 
werden; vielleicht besteht hierin ein Analogon 
zu den Überdehnungen der Gelenke an den Ex¬ 
tremitäten. In allen Fällen, wo auch die Hände 
beteiligt sind, fehlt jedoch das Symptom der 
Übermäßigkeit in Gestalt von Überdehnungen 
der Gelenke nie. Sehr charakteristisch sind unge- 
wöhnliohe fiizarre Bewegungskombinationen und 
ein eigentümliches Fortkriechen der unwillkür¬ 
lichen Bewegungen. Ein ausgesprochen rhyth¬ 
mischer Charakter der Atliefosebewegungen 
läßt sich im Gegensatz zu Lewandowsky 
nur in einem Fall feststellen (Fall 12). Sonst 

erfolgen die unwillkürlichen Bewegungen ausgesprochen unregelmäßig aufein¬ 
ander, eine Beobachtung, die auch von anderer Seite bestätigt wird (Schilder, 
A. Westphal). Die Lokalisation in den distalen Extremitäten erscheint nach 
unseren Fällen in Übereinstimmung mit Lewandowsky nicht unbedingt charak¬ 
teristisch. Es können, wie die Beobachtungen lehren, auch die proximalen 
Gliedabschnitte sowie der Rumpf, Hals und Nacken befallen sein. Fast immer 
am stärksten ausgeprägt finden wir die Mitbewegungen im Gesicht und an der 
Zunge. Diese Mitbew egungen werden besonders durch jeden Versuch zu sprechen 
ausgelöst (Abb. 1). Ihr Auftreten behindert wiederum die Artikulation ganz außer- 



Abb. 1. Idiopathische Athetose. 
Athetotische Mitbewegungen im 
Gesicht und an den Händen beim 
Versuch zu sprechen. 

(Aus der psychiatrischen Klinik, Breslau.) 



16 


Athetose. 


ordentlich, so daß eine hochgradige Beeinträchtigung des Sprachvermögens zu 
den regelmäßigen Symptomen der Athetose gehört. Bei allen unseren Fällen zeigt 
sich auch eine starke Mitbeteiligung der Atemmuskeln. Meiner Ansicht nach 
kommt auch dieser Umstand zur Erklärung für einen Teil der beobachteten 
Sprachstörungen in Betracht, vor allem ist hierdurch das stockende, abgehackte 
Sprechen und die häufige Unterbrechung der Worte begründet. 

Lewandowsky und andere Autoren empfehlen, bei Untersuchung leichter 
Fälle von Athetose double ein Auge isoliert schließen oder die eine Gesichts¬ 
hälfte allein innervieren zu lassen. In den meisten Fällen ist eine derartige 
Einzelbewegung nicht möglich, aber zuweilen gelingt es doch auch bei vor¬ 
geschrittener Athetose diese Aufgabe auszuführen, z. B. Fall 6 und 10. Ersterer 
bringt allerdings nur mit einem Hilfsmittel die geforderte Bewegung zustande. 
In vielen Fällen wird es wegen des bestehenden Schwachsinns schwer möglich 
sein, das Symptom zu prüfen. Bemerkenswert ist übrigens, daß bei der Athe¬ 
tose gerade die isolierten Willkürbewegungen auch an den Extremitäten, an 
den Fingern z. B., sehr schwer ausführbar oder unmöglich sind. 

Daß, wie Foerster angibt, neben den athetotischen Bewegungen noch eine 
Koordinationsstörung bestehe, konnte ich bei meinen Fällen nicht beobachten. 
Nach Foerster soll diese Störung vor allem in einem völligen Versagen der 
Muskeln bei statischen Aufgaben bestehen: »Der Kopf fällt total herunter, beim 
Sitzen fällt der Rumpf um, beim Stehen versagen die Knie usw.« Derartige 
Erscheinungen fanden sich bei meinen Fällen nicht, insbesondere konnte ich 
ein derartiges Versagen der Rumpf- und Kopfhaltung bei Athetose nie fest- 
stellen. Bei den Athetotikem ließen sich scheinbare Koordinationsstörungen 
immer auf dazwischenkommende unwillkürliche Spontan- resp. Mitbewegungen 
zurückführen. 

Bei allen Kranken wurde auf das Vorhandensein des paradoxen Phäno¬ 
mens, das für den amyostatischen Symptomenkomplex vielleicht eine gewisse 
Bedeutung besitzen könnte, untersucht. In keinem der Fälle war es vorhanden. 

Was die mechanische Muskelerregbarkeit anlangt, so konnte nirgends 
eine Erhöhung derselben fest gestellt werden. 

Bevor auf die Tonusverhältnisse der Athetose eingegangen wird, muß 
noch eines grundlegenden, bis jetzt nicht beachteten Unterschiedes in den ein¬ 
zelnen Fällen der idiopathischen Athetose gedacht werden. Es handelt sich 
dabei um die Beteiligung des Pyramidensystems an der Erkrankung. Lewan¬ 
dowsky und nach ihm die meisten anderen Autoren heben hervor, daß immer 
Lähmungen und spastische Diplegien bei ihren Fällen vorhanden waren. Die 
Entscheidung, ob eine Beteiligung des Pyramidensystems vorliegt, ist nicht ein¬ 
fach, besonders die Beurteilung des Babinskisehen Zeichens kann bei Athetose 
double sehr schwierig sein, weil auf den Reiz zwar eine Dorsalbewegung der 
großen Zehe auftritt, diese aber unter Umständen als athetotische Mitbe- 
wegung aufgefaßt werden muß. Es bedarf daher wiederholter Nachprüfungen, 
um zu sicheren Resultaten zu kommen. Zweckmäßig ist es, wenn man das 
Bein, an dem man die Untersuchung vornehmen will, in Hüft-und Kniegelenkbeuge 
beugen und den Fuß leicht dorsalflektieren läßt; in dieser Haltung tritt nach 
meinen Beobachtungen die unwillkürliche Dorsalflexion der Großzehe sehr viel 
weniger leicht auf. 



Die idiopathische Athetose. 


17 


Aus dem mir zur Verfügung stehenden Material geht nun hervor, daß es 
bei typischer Athetose double reine Fälle gibt, d. h. solche, die sicher klinisch 
keine Pyramidenbahnstörungen aufweisen. Eis sind dies die Kranken 1 — 10; 
man findet hier keine Lähmung, keine Reflexsteigerung, keinen Klonus, keinen 
Babinski. In der Ruhe sind hier alle Muskeln ausgesprochen hypotonisch, und 
nur während der athetotischen Bewegungen tritt eine erhöhte Muskelspannung 
auf, die bei längerer Dauer einen Spasmus Vortäuschen kann. Die übrigen 
Fälle von Athetose double zeigen dagegen auch einwandfreie Schädigungen der 
Pyramidenbahn, und zwar sind bei Fall 11 und 12 beide Beine spastisch par- 
etisch, wobei die Verteilung der Paresen deutlich dem Prädilektionstyp folgt. 
Bei Fall 13 besteht außerdem noch eine spastische Parese des rechten Armes; 
die hier vorhandenen Lähmungen können als sicher pyramidenspastisch nach¬ 
gewiesen werden, wegen der vorhandenen Steigerung der Sehnenreflexe. Bei 
Fall 11 ist außerdem der Babinski einwandfrei positiv. Bei den beiden anderen 
läßt sich dieses Phänomen nicht nachweisen, weil die großen Zehen beiderseits 
medianwärts flektiert und ganz unter die anderen Zehen'disloziert sind, so daß 
eine sichere Dorsalflektion nicht möglich erscheint; aber hier wie auch im 
Falle 11 weist die Verteilung der Lähmung nach dem Typus Wernicke-Mann 
eindeutig auf eine Pyramidenschädigung hin. Die bei den zuletzt erwähnten 
Fällen vorhandene Hypertonie ist also als echter Paramidenspasmus aufzufassen, 
der hier eine Komplikation der Athetose darstellt; er ist genetisch und symptoma- 
tologisch streng zu trennen von dem für die Athetose charakteristischen Spas¬ 
mus mobilis; dieser tritt nur ein während der unwillkürlichen athetotischen 
Bewegungen, diese höchstens noch etwas überdauernd. Wie Fall 1 zeigt, kann 
diese Hypertonie sehr hochgradig sein, so daß sie kaum oder doch nur mit 
Mühe zu überwinden ist; der geleistete Widerstand gegen passive Bewegungen 
ist gleichstark, einerlei ob man brüske oder vorsichtige Bewegungsversuche macht. 
Was die Verteilung der Hypertonie anlangt, so ist natürlich vorzugsweise der 
die Bewegung resp. Stellung verursachende Muskel daran beteiligt; mitergriffen 
sind aber auch, wie ein Betasten lehrt, die Antagonisten und Synergisten; aller¬ 
dings ist die Grenze nur sehr schwer zu ziehen, da durch jede Muskelkontrak¬ 
tion immer weitere Mitbewegungen ausgelöst werden. Sicher ist aber jeden¬ 
falls, daß der Prädilektionstyp von Wernicke-Mann nicht besteht und dies 
ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber den paraplegischen Spasmen. 

Wir können also sagen, daß sich der für die unkomplizerte idiopathische 
Athetose charakteristische Spasmus mobilis durch seine Verteilung, durch 
seine nur kurze Dauer und durch das Fehlen von Pyramidensym¬ 
ptomen streng von echten Pyramidenspasmen unterscheidet; er ähnelt eher der 
Rigidität bei amyostatischen Bewegungsstörungen. Ich scheue mich jedoch, trotz 
der ausgesprochenen extrapyramidalen Genese dieser Hypertonie etwa von einem 
»Rigor mobilis« zu sprechen, weil wir unter Rigor einen dauernden Muskel¬ 
hypertonus verstehen, der sich außerdem durch den zähen wachsartigen Wider¬ 
stand gegen Bewegungsversuche qualitativ von dem Spasmus mobilis unter¬ 
scheidet. Ich halte es daher für besser, den Ausdruck Spasmus mobilis bei¬ 
zubehalten; man muß sich aber bewußt bleiben, daß es sich dabei nicht um 
einen echten Pyramidenspasmus, sondern um eine für die Athesose charakteri¬ 
stische passagere Muskelhypertonie extrapyramidaler Genese handelt. 

Bostroem. Symptomenkomplex. 2 



18 


Athetose. 


Es erhebt sich die Frage: kann der Spasmus mobilis gleichzeitig mit Pyra¬ 
midenspasmen an demselben Gliede Vorkommen? Die hier beschriebenen Fälle 11 
und 12 geben darüber keine Auskunft, weil athetotische Bewegungen hier an 
den spastisch gelähmten Beinen nicht beobachtet werden. Dagegen zeigt sich 
bei Fall 13 am rechten Arm eine ausgesprochene spastische Lähmung vom 
Prädilektionstyp am Oberarm, während die Hand eine athetotische Haltung und 
auch deutlich athetotische Mitbewegungen aufweist. Jedoch scheint mir dieser 
eine Fall noch nicht beweisend für die Möglichkeit, daß echte Spasmen und 
Spasmus mobilis am gleichen Gliede Vorkommen können; denn auch hier sind 
ja nicht dieselben Muskeln gleichzeitig betroffen. Auf die Möglichkeit solcher 
Kombinationen müßte noch weiter geachtet werden. Manche Erfahrungen sprechen 
dafür, daß der Pyramidenspasmus dem Spasmus mobilis überlegen ist und ihn 
bei einem Zusammentreffen unterdrückt. Athetotische Bewegungen sind bei 
solchen Fällen meist nur in den Muskeln zu beobachten, die nicht zu den Prä* 
dilektionsmuskeln des Pyramidenspasmus gehören. Aus diesem Grunde sieht 
man bei den einschlägigen Fällen die athetotischen Bewegungen z. B. oft in 
den Streckern der Finger und der Zehen auftreten. 

Die bei allen Kranken außerhalb der athetotischen Bewegungen feststellbare 
Hypotonie ist nicht nur zurückzuführen auf einen geringeren Spannungszustand 
der Muskeln, sondern es spielt überall auch die Schlaffheit der Gelenke eine 
nicht zu unterschätzende Rolle. Dies ist zum Teil dadurch nachzuweisen, daß 
man beim Schütteln einer Extremität die distalen Gelenke schlotternde Be¬ 
wegungen ausführen lassen kann; sie ergibt sich auch aus der Uberdehnungs¬ 
möglichkeit, die bei fast allen Gelenken, namentlich aber Fuß- und Fingergelenken, 
vorliegt. Hierdurch werden erst die bizarren Überstreckungen ermöglicht, z. B. 
der bizarre Faustschluß und die unnatürliche Dorsalflexion des Fußes, die so 
hochgradig sein kann, daß der Kalkaneus senkrecht steht. (Fall 5 und 9.) 

Wie hat man sich das Zustandekommen der Gelenkschlaffheit und Ge- 
lenküberdehnung zu erklären? Man kann zum Teil sicher die sich immer 
wiederholenden gleichmäßigen Bewegungen, die stets einen kräftigen Zug aus¬ 
üben, dafür verantwortlich machen. Durch sie wird die Gelenkkapsel allmählich 
überdehnt und erschlafft schließlich. Dafür spricht auch entschieden, daß die 
Überdehnung gerade an den Gelenken beobachtet wird, die den athetotischen 
Bewegungen am meisten ausgesetzt sind, nämlich diejenigen an den distalen 
Gliedabschnitten. Hinzu kommt noch, daß die Athetose fast ausnahmslos in 
frühester Kindheit einsetzt, in einer Zeit, wo eine starke Hypotonie und Schlaff¬ 
heit der Gelenke — namentlich der distalen — normalerweise vorhanden ist. 

Daß die Schlaffheit der Muskeln allein nicht der Grund für die Uber¬ 
dehnungsmöglichkeit der Finger usw. ist, geht auch daraus hervor, daß bei der 
Chorea, wo ja eine ganz ausgesprochene Muskelhypotonie herrscht, derartige Stö¬ 
rungen nicht beobachtet werden. Hier fehlt meist die Weichheit der Gelenke und 
vor allem der zähe, immer wederkehrende Zug an den Gliedern. Hinzu kommt, 
daß die choreatischen Bewegungen flüchtig sind und bald hier, bald dort an¬ 
setzen, so daß solche Dauerwirkungen, wie wir sie bei den athetotischen Ge¬ 
lenkveränderungen sehen, nicht zustande kommen können. 

Einige gemeinsame Züge der Fälle von idiopathischer Athetose müssen noch 
hervorgehoben werden: zunächst das ausnahmslose Entstehen in der frühesten 



Die idiopathische Athetose. 


19 


Kindheit, eine Erfahrung, die auch von anderer Seite fast durchweg bestätigt 
wird, eine Ausnahme bildet der Fall von A. Westphal, der aber auch aus 
anderen Gründen nicht in das Bild der Athetose double paßt. Ferner beschreibt 
Lukacs einen Fall von doppelseitiger Athetose, die erst mit 22 Jahren ent¬ 
standen sein soll. Ähnliches beobachtete Hi gier, ob es sich bei allen diesen Fällen 
um echte idiopathische Athetose gehandelt hat, läßt sich schwer entscheiden. 

Was die Erblichkeitsverhältnisse anlangt, so spricht man von einer »fami¬ 
liären« bilaterale Athetose (Higier), die man der hereditären Huntingtonschen 
Chorea an die Seite gesetzt (Lukacz), sie aber wohl auch manchmal mit ihr 
verwechselt hat (Renault, Boinet, Buissaud). Hi gier erwähnt zwei Brüder, 
die beide im Alter von 13 Jahren an Athetose erkrankten. Renault berichtet 
von zwei Geschwistern, die beide seit der Geburt bilaterale Athetose hatten. 
Bei unseren Fällen fand sich eine gleichartige Belastung niemals, auch bei 
Geschwistern war von ähnlichen Erkrankungen nichts vorgekommen. Von all* 
gemeiner Belastung ist zu nennen: lmal Geisteskrankheit, lmal Schwachsinn 
der Mutter, 1 mal Geisteskrankheit des Großvaters und 1 mal Paralyse des Vaters. 
Meines Erachtens spielt die Heredität bei dieser Erkrankung nur eine geringe 
Rolle, sehen wir doch fast überall einen akuten Beginn in den ersten Lebens¬ 
tagen, meist unter dem Bild von Asphyxie, Krämpfen, usw., die ein exogenes- 
Moment bei der Entstehung annehmen lassen. Dies schließt selbstverständlich 
nicht aus, daß es sich um Individuen handelt, die von vornherein auf Grund 
allgemeiner Keimschädigung minder veranlagt sind. Bemerkenswert ist in dieser 
Hinsicht, daß C. und 0. Vogt den Status marmoratus, der zuweilen als ana¬ 
tomische Grundlage für die Entstehung der Athetose double in Betracht kommen 
soll, als Mißbildung auffassen. 

Die noch recht unklare Ätiologie ergibt keine Gesichtspunkte für eine kausale 
Therapie, der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß Maß und Katzenstein 
nach Durchschneidung der peripheren motorischen Nerven in der befallenen 
Extremität und des Fazialis einen symptomatischen Erfolg ins 9 fern erzielen 
konnten, als die unwillkürlichen Bewegungen ausblieben. Gute Erfolge erzielte 
Foerster bei schweren Fällen mit partieller Resektion der vorderen lumbo- 
sakralen Wurzeln. Von einer Unterschneidung der motorischen Rinde, um durch 
eine komplette Hemiplegie die quälenden athetotischen Bewegungen zu unter¬ 
drücken, habe ich in einem Falle keinen Erfolg gesehen. 

Auf psychischem Gebiet verhalten sich die Athetotiker recht verschieden. 
Es handelt sich nur zu einem Teil um mehr oder weniger tiefstehende 
Idioten. Man täuscht sich leicht über den Grad des vorhandenen Schwach¬ 
sinnes, weil die Kranken vielfach nicht sprechen können, oder doch durch ihre 
Bewegungsstörung sehr an der Ausdrucksfähigkeit behindert sind. Fast aus¬ 
nahmslos haben die Kranken sehr schwer, oft spät sprechen gelernt. Fin regel¬ 
mäßiger Schulbesuch ist wegen des Sprachfehlers und auch wegen der Bewe¬ 
gungsstörung meist ausgeschlossen, dagegen kommen sie auf Hilfsschulen zuweilen 
gut vorwärts und pflegen hier ihre meist schwachsinnigen Schulkameraden weit¬ 
aus zu überflügeln. So versicherte Fall 6 voll Stolz, daß er in der Schule 
»Primus« gewesen sei. 

Wo die Sprache so gestört ist, daß die Ausdrucksfähigkeit vollkommen ver¬ 
sagt, werden die Kranken natürlich bei oberflächlicher Betrachtung für Idioten 



20 


Athetose. 


gehalten. Bei näherer Beobachtung unterscheiden sie sich aber schon dadurch, 
wie sie sich mit ihrer Bewegungsstörung abfinden, vorteilhaft von den anderen 
Idioten der Anstalt. Sie können sich allein an- und ausziehen, essen allein, 
bringen es zu mancherlei Verrichtungen: alles Aufgaben, deren Erledigung bei 
den vorhandenen Bewegungsstörungen nicht zu unterschätzen ist. 

Von einwandfrei hochgradiger Idiotie bei Athetose double habe ich unter 
meinen Fällen nur drei beobachtet, bei denen epileptische Krämpfe mit 
zum Krankheitsbild gehörten, wo also offenbar keine ganz reine Form von 
Athetose vorlag (Fall 1, 7, 11). Typische Zeichen spezifisch epileptischer Demenz 
waren jedoch hier nicht nachweisbar. Intelligenzdefekte können aber bei den 
Athetotikern so gut wie vollkommen fehlen. Bei Fall 3, 4, 6 und 8 z. B. waren 
wesentliche Intelligenzdefekte nicht nachweisbar. Fall 3 steht hinsichtlich seiner 
geistigen Fähigkeiten bei der systematischen Prüfung nach Binet und Simon 
noch über seiner Altersstufe, dabei leidet gerade er an einer schweren Form der 
Athetose, während bei Fall 6 nur eine inkomplette Form des Leidens vorliegt. 

Außerdem zeigt das affektive Leben bei fast allen Fällen von idio¬ 
pathischer Athetose unserer Beobachtung eine gewisse Eigentümlichkeit, die 
ich bis jetzt nirgends erwähnt gefunden habe: Auch die tiefstehenden Idioten 
unter ihnen sind fast nie stumpf oder apathisch. Sie unterscheiden sich 
aber auf der anderen Seite auch von den erregten Idioten wesentlich, und 
zwar schon äußerlich durch das Fehlen der für die erethischen Kranken cha¬ 
rakteristischen zwecklosen motorischen und sprachlichen Unruhe. Was diese 
Kranken aber fast alle auszeichnet, ist ihr ausgesprochen heiteres Tem¬ 
perament und ihre verhältnismäßig leichte Ansprechbarkeit auf psychische 
Reize. Jede Untersuchung scheint ihnen Spaß zu machen, sie äußern lebhafte 
Freude, wenn sie Arzt oder Pfleger erblicken, haben meist gern Gesellschaft 
anderer Kranker und sind häufig imstande Zu- und Abneigung zu zeigen. 
Meist fügen sie sich willig und ohne wesentliche Schwierigkeiten in das An¬ 
staltsleben ein, sind zufrieden, leicht lenkbar, anspruchslos. Fast immer besteht 
eine euphorische Stimmung, die unter Umständen mit einem gehobenen Selbst¬ 
gefühl (Fall 5 und 6) verknüpft ist. Einher geht damit eine gewisse Eitelkeit, 
sie wollen gern beachtet sein. 

Auch der normal-intelligente Sp, (Fall 3) läßt sich durch sein Leiden, dessen 
Schwere ihm wohl bewußt ist, nicht tiefer in seiner euphorischen Stimmung 
beeinflussen. Nur bei zärtlicher Bemitleidung kann er auch weinerlich und 
gerührt werden. Besonders auffallend ist aber das heitere, gleichmäßig freund¬ 
liche Wesen bei der Patientin M. (Fall 9), die trotz der starken, ungemein qual¬ 
voll anmutenden, zahlreichen unwillkürlichen Bewegungen mit keuchender At¬ 
mung, Zähneknirschen usw. stets geduldig, heiter entgegenkommend ist, auch 
die ärztliche Untersuchung bereitwillig über sich ergehen läßt, trotzdem dadurch 
die Störungen immer heftiger werden. Natürlich darf man sich nicht durch 
das als Lachen anmutende Grimassieren eine heitere Stimmung vortäuschen 
lassen. Auch das so häufig auftretende Zwangslachen ist selbstverständlich 
nicht als Ausdruck einer heiteren Stimmung anzusehen. Aber die Beobachtung 
auf der Station bestätigt die Auffassung der durchweg euphorischen Stimmungs¬ 
lage der Kranken immer wieder. Sie sind daher meist recht beliebte Patienten 
auf den Abteilungen. 



Symptomatische Athetosen. 


21 


Das Fehlen der affektiven Stumpfheit hat auf der anderen Seite in sozialer 
Beziehung auch gewisse Nachteile, insofern als bei gegebener Veranlassung 
viele dieser Kranken leicht gereizt und ärgerlich werden können. Ihre Un¬ 
behilflichkeit und ihr mangelndes Ausdrucksvermögen läßt sie dabei noch hilf¬ 
loser erscheinen und steigert sie oft in eine schwere Erregung hinein. 

Diese erhöhte affektive Ansprechbarkeit auf gemütliche Reize steht in Par¬ 
allele zu einem neurologischen Symptom der idiopathischen- Athetose der ab¬ 
norm gesteigerten Ansprechbarkeit des Motoriums; genügt doch schon das bloße 
Gefühl des Beobachtetwerdens sowie eine harmlose Anrede, um starke Mitbewe¬ 
gungen auszulösen. 

Zusammenfassend läßt sich über den psychischen Zustand der an idiopathischer 
Athetose Leidenden sagen, daß ein hochgradiger Schwachsinn keineswegs zu 
den wesentlichen Symptomen gehört, daß vielmehr die Athetotiker unter Um¬ 
ständen auch intelligente Persönlichkeiten sein können. Dagegen scheint eine 
heiter euphorische Grundstimmung dem Bilde der Athetose double eigen zu 
sein, sowie eine besonders leichte affektive Ansprechbarkeit auf dem Gebiet 
der Psyche und der Motilität. 


3. Symptomatische Athetosen. 

(Hemiathetose, athetotische Dauerhaltung, Pseudoathetose.) 

Neben der idiopathischen Athetose, die wir als Krankheit sui generis auf¬ 
zufassen haben, finden wir athetotische Erscheinungen noch als Symptom von 
Herderkrankungen oder Enzephalitiden. Das durch solche Schädigungen aus¬ 
gelöste Symptomenbild der Athetose unterscheidet sich nach Lewandowsky 
symptomatologisch insofern von den Bewegungsstörungen der Athetose double, 
als hier die athetotischen Bewegungen spontan und nicht nur als Mitbewe¬ 
gung auftreten; ob dieser Unterschied in ganzer Schärfe aufrecht erhalten werden 
kann, soll nach Besprechung der Krankengeschichten erörtert werden. Nahe 
Beziehungen zu beiden Formen von Athetose scheinen mir die gleich zu be¬ 
sprechenden athetotischen Dauerhaltungen aufzuweisen. 

Zunächst seien auch hier einige Krankengeschichten mitgeteilt: 

Fall 14. PaulB. (Leipzig.) 44 Jahre alt. 

Keine Belastung^ in der Schule schlecht gelernt, mit 25 Jahren angeblich Nerven¬ 
schlag, seitdem soll die jetzige Lähmung bestehen. Befund: Kräftig gebaut, innere Organe 
gesund, zeitweise zwangsartiges Lachen. Im Fazialisgebiet leichte Differenz zuungunsten 
der linken Seite. Bisweilen tickartige Zuckungen von etwas langsamem Charakter im linken 
Fazialisgebiet Lidspalte links etwas enger als rechts. Pupillenreaktion auf Licht links 0, 
rechts Spur. Reaktion auf Konvergenz +. Zunge weicht eine Spur nach links ab. Sprache 
undeutlich, aber ohne charakteristisches Silbenstolpem. Reflexe an den Armen beiderseits 
gleich stark. Patellar- und Achillessehnenreflexe links lebhafter als rechts. Bauchdecken¬ 
reflexe 0. 

Der linke Arm ist von der Schulter bis zum Processus styloideus ulnae gemessen 6 om 
kürzer als der rechte. Arm und Bein sind links magerer als rechts. Hand und Finger 
sind willkürlich nicht zu bewegen. Sonst die Kraft des Armes gut. Handgelenk ist recht¬ 
winklig gebeugt, die Finger eingeschlagen und in bizarrer Weise überstreckt. Spontan 
keine Bewegungen, auch nicht wenn der Kranke irgendwie psychisch beteiligt ist. Bei 
Bewegungen der rechten Hand, beginnen links ausgesprochene athetotische Bewegungen 
von langsamem Charakter mit Überdehnung und Überstrekung der Finger. Der Fuß steht 



22 


Athetose. 


in Spitzfußstellung fixiert, hier keine athetotischen Bewegungen, auch nicht in der Form 
von Mitbewegungen. 

Aktive Bewegungen von Fuß und Zehen 0, sonst keine Lähmung an den Beinen. 
Wassermannsche Reaktion im Blut und Liquor-|—|—|—Keine Zell- 
und Eiweißvermehrung. 

Diagnose: Typische Hemiathetose. Die athetotischen Bewegungen kommen 
nur an der Hand vor und nur in der Form von athetotischen Mitbewegungen. 
Hand und Fuß in athetotischer Dauerhaltung. Pyramidenzeichen unsicher. Die 
Lues hat mit der Entstehung der Erkankung offenbar nichts zu tun, da die 
Infektion wesentlich jüngeren Datums ist. 

Auffallend ist, daß die Athetose erst auf Grund eines im 25. Lebensjahre 
aufgetretenen Schlaganfalles begonnen haben soll; da Patient jedoch von jeher 
etwas schwachsinnig gewesen ist, sind seine Angaben nicht ganz zuverlässig; 
da auch der linke Arm im Wachstum wesentlich zurückgeblieben ist, besteht 
die Lähmung doch wohl schon seit frühester Kindheit. 

Fall 15. Art hur St. (Leipzig.) 30 Jahre alt. 

Keine erbliche Belastung; mit % Jahren »Zahnkrämpfe«, seitdem besteht das jetzige 
Leiden. In der Schule schlecht gelernt, kam nicht mit. Hat Stuhlflechten gelernt, Be¬ 
fund: Normal groß. Innere Organe undürin in Ordnung. Pupillen, Augenbewegungen. 
Augenhintergrund o. B., das linke Auge kann er nicht isoliert schließen, isolierter Lid¬ 
schluß rechts ohne Schwierigkeit. 

Fazialis willkürlich gleichmäßig innerviert; beim Lachen, bei Erregung, manchmal 
auch anscheinend ohne äußere Ursache verstärkte Innervation des linken Fazialis ein¬ 
schließlich Stirn und Platysma, die dann einen Augenblick verharrt und in seltenen Fällen 
das physiologische Ausmaß überschreitet. Die Innervation geht langsam vor sich. Mo¬ 
tilität: Der linke Oberarm ist in allen Muskelgruppen geschwächt. Willkürbewegungen 
der Hand links unmöglich (Handgelenk in rechtwinkliger Beugehaltung fixiert). Am Bein 
sind die Beuger am Oberschenkel etwas, die Dorsalflexoren des Fußes in erheblichem 
Grade geschwächt. Der Fuß steht in Spitz- und Hohlfußstellung, mit gesenktem äußeren 
Fußrand. Reflexe: Patellarreflexe links Spur lebhafter als rechts. Achillessehnenreflexe 
ebenso wie die Armreflexe beiderseits gleich. Bauchdeckenreflexe links 0, rechts -H Kre¬ 
masterreflexe links schwächer als rechts. Babinski: Dorsalflexion der großen Zehe links 
beim Bestreichen der Fußsohle auch bei entspannter Muskulatur, jedoch ist dieses Phä¬ 
nomen nicht mit Sicherheit von den unwillkürlichen Spontanbewegungen zu trennen. Ros¬ 
soli rao usw. 0. 

Unwillkürliche Bewegungen von ziehendem, wurmartigem, langsamem Charakter finden 
statt an den Fingern und etwas weniger häufig an den Zehen links, zuweilen, namentlich 
wenn der Kranke aufgeregt ist, auch am Oberarm und in der Schultermuskulatur. Be¬ 
sonderes an den Fingern übersteigen diese Bewegungen das physiologische Ausmaß; die 
Finger werden überstreckt und dann wieder extrem durchgebogen. Zuweilen betrifft diese 
Bewegung nur einen Finger, während die anderen eine entgegengesetzte Bewegung an¬ 
nehmen ; bevorzugt sind die Bewegungen des Streckens bzw. Uberstreckens und Spreizens 
bei opponiertem Daumen und leicht gebeugten Grundphalangen. Das Handgelenk bleibt 
dauernd in Beugefixation stehen. Die entsprechenden Bewegungen an den Zehen be¬ 
schränken sich auf Dorsalflexion der großen Zehe und Spreizbewegungen. Am Oberarm 
treten die Bewegungen selten auf; sie vollziehen sich in gleichem langsamen Tempo und 
nicht immer synchron mit den Fingerbewegungen. Muskeltonus: Dauernd erhöht ist 
der Tonus in den Beugern des Handgelenks, meist auch in den Wadenmuskeln, wodurch 
die oben beschriebene Dauerhaltung hervorgerufen wird. An den übrigen Muskeln der 
befallenen Seite ist der Tonus, wenn man ihn in den Intervallen prüft, herabgesetzt; 
namentlich an den Fingern besteht eine ausgesprochene Hypotonie. Während der athe¬ 
totischen Bewegungen ist der Muskeltonus verstärkt, hat eine eigentümlich teigige un¬ 
elastische Beschaffenheit. 



Symptomatische Athetosen. 


23 


Ausgelöst werden die Bewegungen vor allen Dingen durch jede psychische Erregung, 
wenn man den Kranken anredet, überhaupt durch jede gemütliche Beteiligung. Durch 
plötzliche Umstände wird auch die Intensität der Bewegungen verstärkt, und die Be¬ 
wegungen verbreiten sich auf die linke Schulter und das Gesicht. Läßt man den Kranken 
ganz in Ruhe, so bestehen nach seinen Angaben die Bewegungen dauernd weiter, und 
er kann sie bloß durch bestimmte Handgriffe, z. B. dadurch, daß er das Handgelenk 
mit Gewalt streckt und die Faust auf die Unterlage anpreßt, unterdrücken. Jedoch 
scheinen die Angaben, daß auch in der Ruhe Bewegungen stattfinden, nicht ganz zuver¬ 
lässig zu sein, denn selbst in Gegenwart des Arztes beobachtet man durch Minuten hin¬ 
durch ein völliges Stillstehen der Finger. Der Kranke gibt an, daß früher diese Bewe¬ 
gungen noch zahlreicher und unaufhörlicher stattgefunden hätten. Der Einfluß von 
Körperbewegungen ist ein recht geringer. Athetotische Mitbewegungen treten nur in ge¬ 
ringem Maße und bei heftiger Anstrengung aut 

Diagnose: Es handelt sich umHemiathetose auf Grund einer in frühester 
Kindheit erworbenen Hirnschädigung. Die Bewegungen sind zum Teil auch 
spontan, vorzugsweise jedoch werden sie durch Erregungen psychischer Art aus¬ 
gelöst. 

Fall 16. Johanna H. (Leipzig.) 22 Jahre. 

Bald nach der Geburt Krämpfe mit »Gehimschlag«, seitdem rechtseitig gelähmt. 
Häufig epileptische Anfälle. Patientin gibt an, daß sie außer den Anfällen bis zu ihrem 
10. Lebensjahre im rechten Arm und im rechten Fuß Krämpfe gehabt. (Als Krämpfe 
bezeichnet die Patientin im Gegensatz zu den »Anfällen« die athetotischen unwillkürlichen 
Bewegungen.) Allmählich habe sich der Arm krumm gezogen, so daß der Ellenbogen spitz- 
winklich gebeugt war, während die Hand etwa rechtwinklig nach unten gebogen wurde, 
die Füße seien nicht so steif gewesen. Nachdem der Arm so fixiert war, hatten diese 
»Krämpfe« aufgehört. Auch die Bewegungen im Fuß bestehen seit dem 10. Jahre nicht 
mehr. Vor einigen Jahren Sehnendurchschneidung zum Ausgleich der Beugekontraktur 
im Ellenbogen. Befund: Normal groß und gut entwickelt. Der rechte Arm und das rechte 
Bein sind im Wachstum zurückgeblieben, auch die rechte Schulter ist schmäler als die 
linke. Geringe Fazialisschwäche rechts. Spastische Hemiplegie rechts mit Steigerung der 
Sehnenreflexe und positivem Babinski. Bauchdeckenreflexe beiderseits gleich. Am Bein 
entspricht die Lähmung dem Prädilektionstyp. Der rechte Arm ist im Ellbogen stumpf¬ 
winklig gebeugt (ursprünglich spitzwinklig, Verbesserung durch Sehnendurchschneidung), 
der Oberarm adduziert, die Hand ist rechtwinklig gebeugt. Diese Stellungen sind 
durch spastische Kontrakturen fixiert. Eine passive Bewegung der Hand ist fast nicht 
möglich (sekundäre Schrumpfung!) Die Finger stehen in halber Beugestellung mit Uber¬ 
streckung des Mittelgelenks, sie sind trotz dieser bizarren Stellung nicht fixiert» sondern 
vollkommen schlaff und passiv nach allen Richtungen hin abnorm leicht beweglich. Starke 
Hypotonie der Fingergelenke. Aktive Bewegungen der Finger unmöglich. Beim Gehen. 
Sichaufrichten oder bei anstrengenden Bewegungen finden Mitbewegungen in Gestalt von 
leichtem Heben des rechten Oberarmes statt. Sonst keine abnormen Mitbewegungen. 
Sprache intakt. 

Ohne Luminal treten häufig schwere epileptische Anfälle auf, die nicht halbseitig 
lokalisiert sind. Psychisch leicht gereizt, affektlabil, ohne schwere Demenz, macht ge¬ 
schickt Handarbeiten. 

Diagnose: Zerebrale Kinderlähmung mit Pyramidenzeichen. Athetotische 
Dauerhaltung der Hand, die sich aus einer Hemiathetose entwickelt hat. Epi¬ 
leptische Anfälle. 

Fall 17. Ella E. (Gehlsheim.) 34 Jahre. 

Mit einem viertel Jahr Krämpfe, seitdem Lähmung beider Beine und des linken 
Armes. Befund: Spastische Paraplegie beider Beine mit gesteigerten Reflexen und posi¬ 
tivem Babinski. Füße in Spitzfußstellung. Lähmung des Mundfazialis links. Linker Arm 
im Ellenbogen gebeugt und durch spastische Kontrakturen in dieser Haltung fixiert Arm¬ 
reflexe links gesteigert Hand rechtwinklig gebeugt. Finger in die Faust geschlagen und 



24 


Athetose. 


in den Endgelenken überstreckt. Daumen ebenfalls überdehnt in Streckhaltung. Die 
Beugehaltung der Hand ist durch leicht überwindbare Beugespasmen fixiert. Fingerbeugung 
jedoch mühelos ausgleichbar. Muskeln sehr schlaff. Finger leicht zu überstrecken bis 
zu einem rechten Winkel mit dem Handrücken. Keine spontanen Bewegungen der Hand. 
Beim Versuch die Hand aktiv zu strecken werden die Finger gespreizt und in den Grund- 
gelenken überstreckt. Bei kräftiger Innervation der gesunden Hand treten in der ge¬ 
lähmten Extremität angedeutete korrespondierende Bewegungen auf. Sonst keine Mit¬ 
bewegungen. 

Diagnose: Athetotische Dauerhaltung bei zerebraler Kinderlähmung, athe¬ 
totische Mitbewegungen. 

Fall 18. HansZ. (Leipzig.) 22 Jahre. 

Vater an Paralyse gestorben, die jetzt bestehende Lähmung soll mit 1 1/2 Jahren ent¬ 
standen sein. In der Schule nie mitgekommen, auch nicht in der Hilfsschule. Im 12. Lebens¬ 
jahre will er ein Jahr lang Krämpfe gehabt haben, die mehrmals am Tage auftraten, 
nähere Angaben darüber fehlen. Die Lähmung besteht, so lange er sich erinnern kann, 
nur soll anfangs die Hand zur Faust geballt gewesen sein, derart, daß der Daumen zwischen 
Zeige- und Mittelfinger steckte. Vor 6 Jahren habe der Vater den Daumen herausgebunden, 
seitdem bestehen die Bewegungen, die unwillkürlich auftreten, aber sich vor allem bei 
jeder beabsichtigten Bewegung der gleichen und der anderen Hand einstellen. 

Befund: Pupillen lichtstaar. Augenhintergrund zeigt Reste einer spezifischen Re¬ 
tinitis. 

Haltung in der Ruhe: Rechte Schulter hochgezogen, rechter Arm im Ellenbogen und 
Handgelenk rechtwinklig gebeugt. Die Grundphalangen der Finger stehen mit der Mittel¬ 
hand in einer Ebene, Mittelgelenk überstreckt, Endgelenk stumpfwinklig gebeugt. Daumen 
im Grundgelenk eingebogen, Endglied rechtwinklig überstreckt. Rechtes Bein im Knie 
gestreckt, ausgesprochener Spitz- und Hohlfuß. Zehen überstreckt, äußerer Fußrand ge¬ 
senkt. Rechtes Bein etwas verkürzt und ebenso wie der rechte Arm deutlich abgemagert. 

Wenn man den Kranken in Ruhe läßt, treten keine Spontanbew T egungen auf, auch 
wenn man ihn anspricht, werden nicht regelmäßig athetotische Bewegungen ausgelöst. 
Dagegen bei jeder Bewegung auf der gleichen oder auf der anderen Seite kommt es rechts 
zu Mitbewegungen von ausgesprochen athetotischem Charakter. Sie bestehen im Fuß in 
Streckbewegungen der kleinen Zehen; in der Hand beobachtet man vorzugsweise Uber¬ 
streckungen der Finger, verbunden mit Spreizungen unter starker Uberdehnung der 
Gelenke. Die Bewegungen halten, einmal ausgelöst, längere Zeit an. Eigentümlich ist, 
daß die Strecksehnen der Finger, die das Mittelgelenk überetreckt halten, von der Unter¬ 
lage abgehoben sind und so den stumpfen Winkel, den das Gelenk bildet, gewissermaßen 
überbrücken, wodurch eine besondere Deformierung der Finger zustande kommt. Auch 
bei statischen Innervationen der rechten Hand kommt es zu athetotischen Mitbewegungen; 
ein bestimmter Rhythmus der Bewegungen ist nie zu beobachten. Aktive Bewegungen 
rechts: Heben des Oberarmes Beuger am Oberarm -j-, Strecker am Oberarm: leicht 
geschwächt. Hand und Finger aktiv nicht beweglich. Ileopsoas schwach, Strecker am 
Oberschenkel +, Beuger geschwächt. Fuß und Zehen aktiv nicht beweglich. 

Reflexe: Periostreflexe an den Armen rechts lebhafter als links. Trizepsreflexe 
beiderseits gleich, Patellarreflexe rechts schwach, links -f-. Bauchdeckenreflexe beider¬ 
seits gleich. Babinski: Am rechten Fuß ist bei jeder Berührung der Sohle oder des 
Fußes überhaupt eine Dorsalflexion der großen Zehe auszulösen. Es läßt sich trotz ver¬ 
schiedener Versuche in diesem Falle nicht mit Sicherheit entscheiden, ob es sich um das 
Babinski sehe Phänomen handelt oder nicht. 

Handgelenk rechts in Beugekontrakturstellung, die aber ohne besonderen Kraft¬ 
aufwand überwunden werden kann, gleichzeitig gehen die Finger dabei in Beugehaltung; 
es handelt sich dahei aber nicht um eine mechanische Folge von Sehnenverkürzungen, 
sondern offenbar um eine Art Mitbewegung; denn, wenn man die Finger passiv gestreckt 
hält, läßt sich das Handgelenk ebenfalls ohne Schwierigkeiten strecken. Die Finger sind 
in den Handgelenken passiv abnorm leicht beweglich nach allen Richtungen. Der Fuß 
ist aus seiner Spitzfußstellung nicht zu entfernen, ohne daß man durch Beugung der 



Symptomatische Athetosen. 


25 


Knie eine Verlängerung der Sehne herbeiführt; hier liegt offenbar eine sekundäre Ver¬ 
kürzung der Wadenmuskeln bzw. der Sehnen vor. 

Das rechte Auge kann nicht isoliert geschlossen werden, auch der rechte Mundwinkel 
ist nicht isoliert zu bewegen. Links macht beides keine großen Schwierigkeiten. 

Gang mit typischer Zirkumduktation unter Mitbewegung von Fuß und Zehen. Arm 
wird abgespreizt gehalten. 

Psychisch: hochgradiger Schwachsinn. 

Diagnose: Hemiathetotische Bewegungen, die meist in der Form der Mit¬ 
bewegungen auftreten. Keine sicheren Pyramidenbahnsymptome. 

Fall 19. Elise K. (Gehlsheim.) 18 Jahre. 

Mit V/ t Jahren »Gehimschlag«, seitdem besteht das jetzige Leiden. Keine Krämpfe, 
in der Schule gut. 

Befund: Normal groß. Rechter Arm und rechtes Bein im Wachstum zurückgeblieben, 
ln völliger Ruhe sind keine Spontanbewegungen zu beobachten. Bei Anrede und bei 
gewollten Bewegungen beginnen ganz langsame bizarre Uberstreckungen und Spreiz¬ 
bewegungen in den Fingern der rechten Hand, die langsam auch auf den ganzen Arm 
übergehen und zu ausgedehnten Bewegungen führen. Kein Rhythmus wahrnehmbar. 
Während der Bewegung hochgradige Muskelspannungen, die nach Aufhören derselben 
einer ausgesprochenen Hypotonie Platz machen. Fuß in Spitzfußstellung fixiert. Hier 
läßt der Spasmus mobilis nur sehr selten so weit nach, daß man den Fuß dorsalflektieren 
könnte. Gang auf der Fußspitze rechts sehr mühsam. Sprache intakt. Isoliertes Schließen 
eines Auges unmöglich. Gelähmt sind Hand und Fuß. Keine Lähmnng vom Typus 
Wernicke-Mann. Armreflexe rechts Spur lebhafter als links. Patellarsehnenreflexe und 
Achillessehnenreflexe beiderseits gleich lebhaft. Bauchdeckenreflexe beiderseits gleich -j-. 
Babinski links = 0. Rechts beim Bestreichen der Fußsohle Dorsalflexion der großen 
Zehe (Pseudobabinski). Oppenheim 0 . Rosolimo 0 . 0 Sensibilitätsstörung, Psyche intakt 

Diagnose: Hemiathetotische Bewegungen, meist als Mitbewegungen auf¬ 
tretend. Pyramidensymptome fehlen. 

Fall 20. Hermann M. (Lewenberg.) 21 Jahre. 

Beginn im ersten Lebensjahre mit Unruhe. Im zweiten Jahre Krämpfe, seitdem 
halbseitige Lähmung. 

Befund: Mikrozephal. Rechts spastische Parese, vom Prädilektionstyp mit Reflex¬ 
steigerung und Babinski. Fazialis intakt. Rechter Arm im Ellenbogen in Beugekontraktur. 
Athetotische Haltung der rechten Hand: Handgelenk gebeugt, Zeigefinger gestreckt, die 
übrigen Finger in die Faust geschlagen und überdehnt. Hand ohne Mühe aufzubiegen. 
Keine Hypertonie der die athetotische Haltung bewirkenden Muskeln. 

Psychisch: tiefstehender Idiot 

Diagnose: Infantile Hemiplegie mit athetotischer Dauerhaltung der ge¬ 
lähmten Hand. 

• Fall 21. Ernst W. (Lewenberg.) 30 Jahre. 

Mutter geisteskrank. Pat von Geburt an rechtsseitig gelähmt. Mikrozephal. Als 
kleines Kind schon Krämpfe. Strabismus divergens. Rechts spastische Lähmung von 
Arm und Bein vom Prädilektionstyp mit gesteigerten Sehnenreflexen und positivem 
Babinski. Kein paradoxes Phänomen. Rechte Hand in athetotischer Dauerhaltung: 
Handgelenk spitzwinklig gebeugt, Finger eingeschlagen, die Gelenke überdehnt, Haltung 
nicht bedingt durch Muskel- oder Sehnenverkürzung. Beim Versuch die Hand zu öffnen 
kein Widerstand, nirgends Mitbewegungen. 

Psychisch: schwachsinnig, aber arbeitsfähig. 

Diagnose: Spastische Hemiplegie mit athetotischer Dauerhaltung der ge¬ 
lähmten Hand. 

Ein typisches Beispiel einer Hemiathetose im Lewandowskyschen Sinne, 
d. h. mit athetotischen Bewegungen in der Form von Spo ntanbewegungen* 



26 


Athetose. 


fehlt unter meinen Krankengeschichten. In Betracht kämen vielleicht Fall 15, 
18 und 19. ? 

Aber auch hier sieht man, wenn jeder äußere Reiz von den Kranken fern- 
gehalten wird, die Bewegungen zur Ruhe kommen. Sind die Kranken sich 
selbst überlassen und können sie eine ihnen bequeme Lage einnehmen, so 
sind sie frei von jeder Bewegung. Die kleinste Störung allerdings, ein An¬ 
sprechen allein genügt schon, um die heftigsten athetotischen Bewegungen 
auszulösen. Die gleiche Wirkung hat jeder Versuch eine Bewegung auszu¬ 
führen; schon der Reiz einer unbequemen Lage setzt das Bewegungsspiel 
wieder in Gang. Da schon die Gegenwart eines Beobachters als Reiz auf die 
Athetotiker ein wirkt, ist es schwer, im Einzelfall zu sagen, ob eine Bewegung 
rein spontan oder ausgelöst aufgetreten ist. Ich halte es daher für richtiger, 
von dieser strengen Trennung zwischen athetotischen Bewegungen spontaner 
Art und solchen, die in der Form von Mitbewegungen auftreten, abzusehen; 
denn offenbar läßt sich hier die Existenz einer rein spontanen unwillkürlichen 
Bewegung nicht sicher erweisen, vielmehr hat man fast immer den Eindruck, 
daß es sich um pathologische Bewegungen handelt, die ausgelöst werden 
durch psychische Reize oder durch Bewegungsversuche bzw. durch Bewegungen 
selbst. Wir würden also hierin einen grundsätzlichen Unterschied in den Be¬ 
wegungen bei idiopathischer und symptomatischer Athetose nicht zu erblicken 
haben. Eine andere, wenn auch unbedeutendere Ähnlichkeit mit der Athetose 
double liegt ferner darin, daß bei einigen dieser Kranken ebenfalls der isolierte 
Augenschluß (Fall 19 nur auf der kranken Seite), nicht möglich ist. 

Bemerkenswert ist ferner, daß bei Fall 18 und 19 eine Beteiligung des 
Pyramidensystems zweifelhaft ist. Der Wer nicke- Mann sehe Prädilektions- 
typ ist bei 18 am Bein zwar angedeutet, es überwiegt aber doch der distale 
Lähmungstyp. Babinski ist nicht sicher, auch Reflexdifferenzen können keine 
bestimmteren Anhaltspunkte geben. Fall 19 zeigt noch weniger Symptome 
einer Pyramidenschädigung, insofern als hier der Lähmungstyp ganz distal ist 
und Reflexdifferenzen gar nicht bestehen. 

Interessant ist die Vorgeschichte von Fall 18. Zuerst bestanden hier zahl¬ 
reiche Athetosebewegungen, später nahm die Hand eine athetotische Dauer¬ 
haltung an; nachdem der Vater des Patienten die Hand gewaltsam geöffnet 
hatte, begannen wieder athetotische Bewegungen, die zur Zeit der Untersuchung 
nur in der Form von Mitbewegungen auftreten. 

Ein sehr ausgesprochener Spasmus mobilis ist bei Patient 19 namentlich am 
Arm wahrzunehmen. Sehr deutlich ist in beiden Fällen auch das Übermäßige 
der Bewegungen. Ein bestimmter Rhythmus fehlt den Bewegungen durchaus. 

Die Spitzfuß-Hohlfußstellung ist bei beiden Kranken sehr schwer auszu¬ 
gleichen, der Spamus mobilis ist hier schon fast dauernd geworden, und offen¬ 
bar bereitet sich hier im Fußgelenk eine athetotische Dauerhaltung oder eine 
myogene Kontraktur vor, während die Zehen noch an dem athetotischen Be¬ 
wegungsspiel teilnehmen. 

Als relativ sicherer Fall einer »abgelaufenen« Hemiathetose ist Fall 16 
aufzufassen. Sehr typisch werden hier die athetotischen Bewegungen in der 
spastisch paretischen Extremität als »Krämpfe« beschrieben, die nach Jahren 
zur Ruhe kommen und den Arm nur in einer eigentümlichen Haltung fixiert 



Symptomatische Athetose. 


27 


lassen, die von der Kontraktur bei Pyramidenlähmungen recht verschieden ist. 
Ähnliche Haltungen finden wir auch bei Fall 17, 20 und 21 und, wie eben hervor¬ 
gehoben, vielleicht in der Entstehung begriffen bei Fall 18 und 19 an den Füßen. 

Offenbar führen die oben erwähnten Gelenkiiberdehnungen und der fort¬ 
während wiederholte Muskelzug schließlich zu diesen athetotischen Gelenkstel¬ 
lungen, die ich als athetotische Dauerhaltung (Abb. 2) bezeichnen möchte. 
Diese athetotische Dauerhaltung ist keine für die Hemiathetose allein charak¬ 
teristische Erscheinung, sie wird auch bei der idiopathischen Athetose (Fall 9, 
10 und 13) gefunden. Sie ist vorzugsweise lokalisiert an Hand und Fingern 
und besteht meist in einer extremen recht- oder spitzwinkligen Beugung im 
Handgelenk, die Finger sind dabei oft in die Handfläche eingeschlagen, im 
Grundgelenk unter Umständen spitzwinklig gebeugt, die übrigen Gelenke sind 
beide, oder wenigstens das vorderste, gestreckt, bzw. überstreckt, so daß das 



Abb. 2. Idiopathische Athetose mit sekundären Muskelkontrakturen und athetotischen 

Dauerhaltungen. 

(Aus der II. med. Abteilung d. Univers.-Krankenhauses Hamburg-Eppendorf, überlassen von Prof. I)r. Nonne.) 


Mittelgelenk bzw. das Vordergelenk den tiefsten Punkt eines nach oben ge¬ 
öffneten flachen Bogens bildet. Der Daumen ist häufig eingeschlagen, mit¬ 
unter zwischen den 2. und 3. Finger gesteckt. Die Finger stehen zuweilen 
nicht parallel nebeneinander, sondern sind gekreuzt. Man glaubt diese ge¬ 
zwungene Handhaltung durch starke Muskelspannungen bedingt, und ist des¬ 
halb überrascht, wenn man bei dem Versuch, die Hand aufzubiegen, so gut 
wie nie auch nur den geringsten Widerstand findet, es sei denn, daß eine 
sekundäre Muskelkontraktur sich im Laufe der Zeit entwickelt hat (Fall 16). 
Wenn diese Haltung sich auch fast immer mühelos passiv ausgleichen läßt, 
so nehmen doch die Finger, wenn sie dann wieder sich selbst überlassen sind, 
spontan die gewohnte groteske Stellung ein. Wie hat man sich bei dem Fehlen 
von Muskelspannungen das Zustandekommen dieser bizarren Haltungen zu er¬ 
klären? Offenbar waren diese Glieder früher sehr lebhaften athetotischen Be¬ 
wegungen bzw. Mitbewegungen ausgesetzt, durch welche diese gezwungene 
Haltung immer wieder hervorgerufen wurde, bis schließlich die Schlaffheit der 
Gelenkbänder, vielleicht auch eine durch Überdehnung entstandene Schwäche 




28 


Athetose. 


der Antagonisten, das Zustandekommen der athetotischen Dauerhaltung zu¬ 
wege gebracht hatte. Eine aktive Innervation zum Ausgleich dieser Haltungs¬ 
anomalie ist in seltenen Fällen möglich, sie ist aber fast nie von einem loko- 
motorischen Effekt begleitet. Meist sind die Finger für Willkürbewegungen 
vollkommen gelähmt. Wohl aber treten athetotische Mitbewegungen häufig 
noch in ihnen auf. 

Von echt spastischen Kontrakturen unterscheidet man diese athetotischen 
Haltungen mühelos dadurch, daß sie nicht durch eine erhöhte Muskelspannung 
fixiert sind, daß sie immer von Gelenkveränderungen im Sinne einer Uber¬ 
streckung oder übermäßiger Beugung begleitet sind. Auch bei den athetotischen 
Haltungen Spastisch-Hemiplegischer, wie Fall 17, 20 und 21, pflegt, soweit 
meine Erfahrung reicht, die Haltung keineswegs immer durch Muskelspannung 
bedingt zu sein; selbst dann nicht, wenn gleichzeitig an einem anderen Teile 
der Extremitäten, z. B. am Ellenbogen, eine Kontraktur mit echtem Spasmus 
vorhanden ist. 

Wie sich aus den mitgeteilten Krankengeschichten ergibt, läßt die Neigung 
zu athetotischen Bewegungen allmählich nach. Sie bilden sich im Laufe der 
Jahre soweit zurück, daß sie bei leichten Reizen (z. B. rein psychischen), nicht 
oder weniger leicht ausgelöst werden, daß sie dagegen bei Bewegungsversuchen, 
also als Mitbewegung im engeren Sinne, noch auftreten. 

In anderen Fällen sistieren die Bewegungen total, und es entsteht das Bild 
der athetotischen Dauerhaltung (Fall 20 und 21). Übergangsfälle zwi¬ 
schen beiden Formen kommen vor insofern, als eine große Anzahl von 
Patienten mit athetotischer Dauerhaltung in ihrer gelähmten Hand noch athe¬ 
totische Mitbewegungen bei gegebener Veranlassung auf weisen (Fall 16, 17, 18). 
Die Entwicklung einer solchen athetotischen Dauerhaltung demonstriert Fall 16 
sehr schön. Ähnlich zeigt auch Fall 18, wie nach und nach die athetotischen 
Bewegungen seltener werden, und wie sich dann, entsprechend dem Muskelzug 
der ehemaligen athetotischen Bewegungen, die Dauerhaltung ausbildet. 

Aus den gleichen Gründen können diese Haltungen auch in den späteren 
Stadien der idiopathischen Athetose Vorkommen. 

Nicht zu verwechseln mit der athetotischen Dauerhaltung sind muskuläre 
Kontrakturen, die bei der symptomatischen und der idiopathischen Athetose 
Vorkommen können; auch bei einer athetotischen Dauerhaltung können sie 
sich entwickeln. Besonders deutlich zeigt dies Symptom Fall 9; hier handelt 
es sich weder um einen echten Spasmus (keine Reflexsteigerungen), noch 
um einen Spasmus mobilia (dauerndes Bestehenbleiben), sondern die spitz¬ 
winklige Beugung im Ellenbogen ist nicht auszugleichen, weil die Muskeln 
verkürzt sind, so daß man bei einem Gegenzug die Muskeln und Sehnen wie 
Stricke anspannt, sie aber wegen mangelnder Dehnbarkeit nicht zum Nach¬ 
geben bringen kann. Die Annahme, daß solche Kontrakturen rein muskulärer 
Art sind, erhält eine Stütze durch eine (hier nicht wiedergegebene) Beob¬ 
achtung, wo diese Kontrakturen nach dem Tode in gleicher Weise bestehen 
blieben. Daß es sich dabei nicht um einen Übergang in Leichenstarre handelt, 
geht daraus hervor, daß zur gleichen Zeit andere Gelenke nicht nur normal, 
sondern sogar abnorm leicht beweglich waren. 

Auch Foerster hat solche Schrumpfungskontrakturen beobachtet; er führt 



Die symptomatische Athetosen. 


29 


sie darauf zurück, daß der tonische Krampf unter Umständen so anhaltend 
sein könne, daß es zur Dauerkontraktur kommt. Meines Erachtens genügt 
das nicht allein zur Erklärung des Zustandekommens, sondern infolge be¬ 
sonderer äußerer Verhältnisse, z. B. Lagerung, müssen die Insertionspunkte der 
entsprechenden Muskeln einander dauernd, also auch unabhängig von dem 
Auftreten des Spasmus mobilis, genähert sein. 

Überblicken wir die Fälle 14 — 21, so ist der grundlegende Unterschied, 
den Lewandowsky gegenüber der Athetose double hervorhebt, nämlich der, 
daß die charakteristischen Bewegungen spontan auftreten und nicht in der 
Form von Mitbewegungen, nicht aufrecht zu erhalten, zum mindesten ist er 
nicht so konstant und dementsprechend auch nicht so bedeutungsvoll, als 
daß hierauf eine strenge symptomatologische Unterscheidung gegründet werden 
könnte. 

Ein weiterer Unterschied gegenüber der LewandowskysehenHemiathetose 
liegt darin, daß bei Fall 19 sicher, bei Fall 18 sehr wahrscheinlich, keine 
Pyramidenbahnschädigung vor liegt, wie Lewandowsky sie fordert. Wir müssen 
also auch mit symptomatischen Athetosen bzw. Hemiathetosen ohne spastisch 
hemiplegische Erscheinungen vom Pyramidentypus rechnen, wenngleich es sich 
dabei wohl um sehr seltene Fälle handelt. 

Sensibilitätsstörungen konnte ich bei der Hemiathetose nie beobachten. 
Es muß zugegeben werden, daß diese Kranken auf kompliziertere Sensibilitäts¬ 
funktionen aus naheliegenden Gründen schwer zu untersuchen sind. Aus der 
Literatur ist mir kein sicherer Fall von Athetose mit Sensibilitätsstörungen 
bekannt geworden. 

Näher als die Hemiathetose und die athetotischen Dauerhaltungen steht 
nach Lewandowsky die sogenannte Pseudoathetose der Athetose double. Sie 
kommt vor bei Hemiplegien des frühkindlichen Alters, die dafür charakteristischen 
Bewegungen bestehen darin, daß bei Intentionen sich die gelähmte Extremität 
langsam mitbewegt und dann in einer meist extremen bizarren Haltung ver¬ 
harrt. Ich habe nur einen Fall gesehen, den man als Pseudoathetose in 
diesem Sinne bezeichnen könnte, es handelte sich um folgenden: 

Fall 22. Elisabeth L. 24 Jahre. 

Beginn des Leidens im 3. Lebensjahre mit Krämpfen. Seitdem Schwäche der rechten 
Seite. 

Befund: Leichte Hemiparese rechts. Sehnenreflexe rechts lebhafter als links. Kein 
Babinski. Bauchdeckenreflexe rechts schwächer als links. Beim Gehen wird das rechte 
Bein zirkumduziert. Der rechte Arm liegt im Ellenbogen gebeugt. Die Hand hängt im 
Handgelenk. Die Finger sind gestreckt. Geringe Hypertonie in den Muskeln am Oberarm. 
Strecker mehr betroffen als Beuger. Pat gebraucht die rechte Hand sehr wenig. Aktive 
Bewegungen auf Aufforderung ungeschickt. Reim Versuch die Hand zu öffnen Spreiz¬ 
bewegungen der Finger. Streckung der Hand im Handgelenk spontan nicht möglich, 
aber als Mitbewegung ausführbar. Alle Hantierungen ungeschickt, kann aber den Löffel 
notdürftig rechts halten und damit essen. Beim Gehen und allen anderen Körper¬ 
bewegungen wird der rechte Arm steif nach rechts hinten gestreckt, die Finger spreizen 
sich und nehmen eine überstreckte Haltung an, die während der ganzen Bewegungsdauer 
beibehalten wird; die beim Gehen sonst üblichen pendelnden Mitbewegungen der Arme 
fehlen rechts. 

Fast täglich epileptische Anfälle. Epileptische Demenz. 

Diagnose: Spastische Hemiparese rechts, mit Pseudoathetose. 



30 


Athetose. 


Das Krankheitsbild der Pseudoathetose hat sich, soweit ich sehen kann, 
in der Literatur nicht eingebürgert, und es erscheint mir auch fraglich, ofc> 
ihm eine Existenzberechtigung zukommt. Wenn man, wie es mir nötig er¬ 
scheint, auch bei der Hemiathetose das Vorhandensein von spontan auftreten¬ 
den athetotischen Bewegungen nicht zur Bedingung macht, so wird die Pseudo¬ 
athetose kaum von einer im Abklingen begriffenen — forme fruste — der 
Hemiatheatose zu unterscheiden sein. 

Weiter wäre noch des Vorkommens athetotischer Bewegungen und Hal¬ 
tungen bei anderen Erkrankungen zu gedenken. Beschrieben sind derartige 
Erscheinungen z. B. bei der Paralyse. Strümpell erwähnt es von zwei Fällen 
eines mit der Wilson sehen Krankheit verwandten Leidens, bei denen teils 
am Fuß, teils an der Hand athetotische Bewegungen auftreten, teilweise gleich¬ 
zeitig mit Zittererscheinungen. Ob es sich in diesen und anderen Fällen um 
athetotische Bewegungen im eigentlichen Sinne des Wortes handelt, ist mir 
nicht sicher. Wilson z. B. hebt selbst hervor, daß bei seinen Kranken nie 
athetotische oder choreatische Bewegungen vorgekommen seien. 

Die bizarren und grotesken athetotischen Haltungen haben eine gewisse 
Ähnlichkeit mit Haltungsanomalien, wie sie bei der Paralysis agitans an den 
Fingern gefunden werden. Bei beiden Erkrankungen handelt es sich um Über¬ 
dehnungen und Uberstreckungen der Fingergelenke. An dieser Stelle möchte 
ich gleich auf einen Unterschied der athetotischen Dauerhaltung von der gleich¬ 
falls mit Uberstreckungen einhergehenden Fingerhaltung bei Paralysis agitans 
hin weisen. Die Anomalien bei der letzten Erkrankung zeichnen sich gegen¬ 
über der oben beschriebenen Dauerhaltung dadurch aus, daß die im Grund- 
gelenk leicht gebeugten Finger nur im Mittelgelenk leicht überstreckt zu sein 
pflegen, daß dagegen das Vordergelenk eine leichte Beugung aufweist. Meist 
ist nur der Zeigefinger, zuweilen auch noch der Mittelfinger, von dieser De¬ 
formität, die übrigens auch keineswegs von einer Starre begleitet ist, betroffen. 
Erwähnen möchte ich noch, daß ich derselben Deformität auch einmal bei 
einer tuberösen Sklerose begegnet bin. 

Diese Ähnlichkeiten sind jedoch nur äußerlich, pathogenetisch haben beide 
Haltungsanomalien wohl nichts miteinander zu tun. 


4. Zusammenfassendes über die athetotische Bewegungsstörung 
überhaupt, einschließlich der Differentialdiagnose. 

Die Besprechung der Differentialdiagnose sowie die Erörterung der Patho¬ 
genese der Athetose und ihres ursächlichen Zusammenhangs mit Hirnherden 
setzt voraus eine genaue klinische Umgrenzung des Krankheitsbildes bzw. der 
einzelnen Symptome. Ein großer Teil der bis jetzt erhobenen anatomischen 
Befunde ist z. B. deshalb meines Erachtens wertlos, weil dabei Chorea und 
Athetose nicht oder nicht genügend auseinandergehalten sind. In manchen 
Fällen wird direkt von choreatisch-athetotischen Bewegungen gesprochen. Be¬ 
vor auf die bis jetzt in der Literatur veröffentlichten Fälle mit Sektionsbefund 
eingegangen wird, soll kurz das für die Athetose und ihre Unterformen Wesent¬ 
liche hervorgehoben werden. Dabei wird auch die Differentialdiagnose gegen¬ 
über ähnlichen Erkrankungen berücksichtigt werden. 



Zusammenfassendes über die athetotische Bewegungsstörung überhaupt 


31 


Als Krankheitsbild sui generis kommt nur die Athetose double oder idio¬ 
pathische Athetose (»Athetosis duplex« Stertz) in Betracht. Wie wir gesehen 
haben, äußert sich dieses Leiden in 2 Formen: 

1. als reine idiopathische Athetose ohne Pyramidensymptome; 

2. als idiopathische Athetose, verbunden mit spastisch paretischen Erschei¬ 
nungen. 

Charakteristisch für beide Formen ist, daß die unwillkürlichen Bewegungen 
in der Ruhe meist fehlen, daß sie vielmehr fast nur als Mitbewegungen auf- 
treten, ausgelöst durch Innervationen oder durch psychische Eindrücke; sie 
gehen langsam, träge, wurmförmig vor sich, und während der Dauer des Be¬ 
wegungsvorganges besteht eine Hypertonie des betreffenden Gliedes, die so¬ 
wohl die bei der Bewegung beteiligten Muskeln als auch deren Synergisten 
und Antagonisten betrifft. Bald nach Aufhören der Bewegung macht diese 
Hypertonie einer Muskelschlaffheit Platz (Spasmus mobilis). Die Bewegungen 
erfolgen in nahe beieinander liegenden Gliedabschnitten, oft in ganz entgegen¬ 
gesetztem Sinne, und gehen meist mit bizarren Bewegungsformen einher. 

Eine weitere Komplikation, die aber das neurologische Bild nicht wesent¬ 
lich zu beeinflussen pflegt, ist das nicht seltene Vorkommen epileptischer 
Krämpfe. 

Als Form symptomatischer Athetose haben eine gewisse Bedeutung erlangt 
die Hemiathetose, die sehr oft mit spastischen Erscheinungen der befallenen 
Extremitäten einhergeht, und die athetotische Dauerhaltung, letztere ist als 
Endzustand einer Hemiathetose aufzufassen, kommt aber auch in ähnlicher 
Weise bei der Athetosis duplex vor. Die von Lewandowsky angegebene 
Unterscheidung zwischen Athötose double und Hemiathetose nach dem Auf¬ 
treten der Mitbewegungen ist nicht aufrecht zu erhalten, da die Unterscheidung 
ob es sich im Einzelfalle um spontane oder als Mitbewegung auftretende Inner¬ 
vationen handelt, praktisch unmöglich ist, und da bei beiden Krankheitsformen 
zuweilen athetotische Bewegungen nur in der Form von Mitbewegungen Vor¬ 
kommen. 

Unter Umständen können auch Hemiathetosen ohne Pyramidenerscheinungen 
Vorkommen, wenn auch selten. Von der Lewandowskyschen Definition ab¬ 
weichend, muß ferner festgestellt werden, daß das Rhythmische keineswegs zu 
den notwendigen Eigenschaften einer athetotischen Bewegung gehört. 

Die Stellung der Pseudoathetose ist unklar, eine Existenzberechtigung hat 
dieser Sonderbegriff wohl kaum. 

Als eine abortive Form der Athetose ist vielleicht die Hemitonie anzu¬ 
sehen, bei der es zu wechselnden Muskelanspannungen vom Typus 'des Spasmus 
mobilis kommt, ohne daß athetotische Bewegungen auftreten (Bechterew). 

Mit diesem Leiden steht in Beziehung die Hemihypertonia apoplectica 
(Boettiger), die jedoch andererseits wieder symptomatologisch verwandte Züge 
mit der Wilsonschen Krankheit aufweist. 

Differentialdiagnostisch zu trennen sind alle Formen streng von der chorea¬ 
tischen Bewegungsstörung, was im allgemeinen keine besonderen Schwierig¬ 
keiten machen wird; denn die Chorea ist charakterisiert durch schnelle 
zuckende Bewegungen gegenüber den langsamen, wurmförmigen athetotischen 
Bewegungen. Ferner zeichnet sich die Chorea aus durch eine eigentümliche 



32 


Athetose. 


Koordinationsstörung, das Fehlen von auch nur passageren Muskelhypertonien, 
sowie durch die sehr bezeichnende flüchtige Innervation bei gewollten Be¬ 
wegungen, die im Gegensatz zu der langsamen und nur schwer nachlassenden 
Innervation bei der Athetose steht. Es fehlt hier ferner der bunte Wechsel 
der choreatischen Zuckungen. Die Bewegungen gruppieren sich vielmehr um 
einen ruhenden Punkt für eine gewisse, wenn auch nur kurze Zeit, und wan¬ 
dern allmählich dann zu Nachbargelenken über. Bei der Chorea kommen 
ferner Gelenküberdehnungen und bizarre Haltungen nicht vor. Beiden Er¬ 
krankungen gemeinsam ist die Neigung zu Mitbewegungen, die allerdings bei 
der Chorea lange nicht so ausgesprochen ist wie bei der Athetose. 

Das was immer wieder zu Verwechslungen der beiden Bewegungsstörungen 
führt, ist wohl der Umstand, daß beide Erkrankungen mit unwillkürlichen 
Bewegungen einhergehen, die aber immer durch ihre klinischen Eigentümlich¬ 
keiten zu unterscheiden sind. Ich halte es daher nicht für richtig, einfach 
von »choreatisch -athetotischen« Bewegungen zu sprechen. Es besteht rein 
theoretisch vielleicht die Möglichkeit, daß beide Bewegungsstörungen bei einer 
Person Vorkommen, dann müßte man aber beide nebeneinander oder nach¬ 
einander herlaufen sehen und in der Lage sein, wenigsten die einzelnen Be¬ 
wegungsformen als solche zu diagnostizieren. Ist dies auch bei eingehender 
Beschäftigung mit dem Gegenstände nicht möglich, so handelt es sich meines 
Erachtens weder um choreatische noch um athetotische Bewegungen, sondern 
es liegt eine ganz andere Bewegungsstörung vor, auf die später noch einzu¬ 
gehen sein wird. 

Große Schwierigkeiten kann die Abgrenzung der Athetose double von dem 
Torsionsspasmus oder der Torsionsdystonie machen. Die differentialdigno- 
stischen Merkmale, die Mendel zusammengestellt hat, lassen sich meines Er¬ 
achtens nicht alle aufrecht erhalten. Namentlich gehören, wie die hier aufge¬ 
führten Krankengeschichten beweisen, spastische Diplegie, Paresen, Pyramiden¬ 
symptome usw. keineswegs unbedingt zum Bilde der Athetose double. Auch 
die Hypotonie ist wenigstens in der Ruhe ein für die Athetose double sehr 
bezeichnendes Symptom. Ich muß sogar sagen, daß der von Mendel als charak¬ 
teristisch für die Torsionsdystonie hervorgehobene Wechsel von Hypertonie und 
Hypotonie ebenso bei der Athetose double, nämlich in der Form des Spasmus 
mobilis, vorkommt. Dagegen konnte ich nicht feststellen, daß bei der Athetose 
durch Ausführung passiver Bewegungen eine Hypertonie auftrat, es sei denn, 
daß durch diese passiven Bewegungen Mitbewegungen ausgelöst werden. Im 
Schlafe hören auch die athetotischen Bewegungen auf, ebenso wie die Bewe¬ 
gungen der Dystonie. Dagegen gestattet die Lordose der Wirbelsäule, das 
Fehlen einer Beteiligung der Gesichtsmuskeln, die intakte Sprache und oft die 
Lokalisation der Bewegungsstörung (kreuzweises Befallensein) die Diagnose auf 
Dystonie zu stellen. Ferner sollen die charakteristischen Bewegungen bei der 
Dystonie stoßweise und ruckartig vor sich gehen. Auffallend ist, daß auch 
bei der Dystonie meist gute, heitere, euphorische Stimmung und eine gewisse 
Affektlabilität beobachtet werden. 

Sicher gibt es Fälle, bei denen eine Differentialdiagnose sehr schwer, 
unter Umständen unmöglich ist. Ich erwähne hier besonders eine Beobach¬ 
tung von Thomalla. Ausschlaggebend kann unter Umständen die Vor- 



Zusammenfassendes über die athetotische Bewegungsstörung überhaupt. 


33 


geschichte sein, insofern als die Athetose so gut wie immer in der aller- 
frühesten Kindheit auftritt, während die Torsionsdystonie nie vor dem 
5. Lebensjahr beobachtet ist, meist erst zwischen dem 10. und 12. Jahre 
beginnt. 

Bei den differentialdiagnostischen Betrachtungen taucht auch noch die Frage 
auf nach der Einheitlichkeit der athetotischen Störungen. Vor allem ist zu 
erwägen, ob es bei den in frühester Kindheit aufgetretenen Fällen von Athe¬ 
tose sich nicht um eine besondere Reaktionsform des kindlichen Gehirns handelt, 
die von den Gehirnschädigungen des höheren Alters streng zu trennen ist. 
Athetose in höherem Alter ist nur sehr selten beobachtet worden. Einen Fall 
von doppelseitiger Athetose beschreibt A. Westphal. In diesem Fall erkrankte 
Patient im 43. Lebensjahr; daß es sich hier um eine typische Athetose double 
handelt, nimmt auch der Verfasser nicht an. Für Athetose spricht das Grimas- 
sieren, die als typisch beschriebene Bewegungsstörung, die aber vorzugsweise 
in den proximalen Partien der Extremitäten stattfindet, sowie der Spasmus 
mobilis. Störungen des Pyramidensystems sind nur in geringem Maße vor¬ 
handen. Athetotische Bewegungen ließen sich auch beobachten, ohne daß 
psychische Ursachen oder auslösende Bewegungen vorhanden waren. Nicht 
in das Bild der Athetose paßt die Retropulsion, sowie die ausgesprochene Be¬ 
wegungsarmut und mimische Starre, ebensowenig das mehrfach beobachtete 
Verharren in Haltungen, eine Erscheinung, die offenbar der S trümpe 11 sehen 
Fixationsrigidität entspricht. Nach allem scheint es sich dabei nicht nur um 
einen Spasmus mobilis, sondern um langdauernden Rigor zu handeln, der es 
mir geboten erscheinen läßt, das Krankheitsbild mehr dem Wilson sehen Typ 
anzugliedern, zumal noch eine Schluckstörung beobachtet wurde, die der Athe¬ 
tose sonst fremd zu sein pflegt. Auch das Sektionsergebnis, bei dem sich 
eine bilateral-symmetrische Erkrankung des Linsenkerns fand, zeigt, daß es 
sieh hier nicht um eine akute Athetose gehandelt hat. 

Einen Fall von Hemiathetose, die erst in höherem Lebenalter entstanden 
ist, schildert Monakow. Hier handelt es sich um eine typische Hemiathetose 
nach Apoplexie. Die Athetose stellte sich nach Rückkehr der willkürlichen 
Beweglichkeit allmählich ein. Der Sektionsbefund wurde kürzlich von Steck 
veröffentlicht, es fanden sich Cysten und Degenerationen im Bereich des einen 
Striatums und anliegender Gebiete. Der Herd im Striatum wird von dem 
Verfasser für die Entstehung der Athetose in Anspruch genommen. Weitere 
Fälle beschreiben Lukasc und andere. Wie vorsichtig man übrigens die 
anamnestischen Angaben dieser Kranken verwerten muß, zeigt Fall 14. Patient 
B. war der Meinung, daß er erst als Erwachsener seine Motilitätsstörung er¬ 
worben habe. Da aber der gelähmte Arm wesentlich im Wachstum zurück¬ 
geblieben war, konnte man ohne weiteres auf eine Schädigung des Cerebrums 
im Kindesalter schließen. Jedenfalls sind die einwandfreien Spätfälle recht 
selten, immerhin lassen auch diese wenigen beobachteten die Theorie, daß es 
sich bei der symptomatischen Athetose lediglich um eine spezifische Reak¬ 
tion des kindlichen Gehirns handle, als nicht in vollem Umfange zutreffend 
erscheinen. Eine einwandfreie Erklärung dafür, warum es bei kindlichen Hirn¬ 
schädigungen relativ häufig zu Athetose kommt, bei Erwachsenen so selten, 
läßt sich heute noch nicht geben. Die idiopathische Athetose ist in klinisch 

Bostroem. Symptoincnkomplrx. 3 



34 


Athetose. 


einwandfreier Form, soviel ich sehen kann, bis jetzt ausschließlich als eine 
Erkrankung des frühesten Kindesalters beobachtet worden. 

Dadurch, daß athetotische Bewegungsstörungen vorzugsweise in frühester 
Kindheit entstehen, wird naturgemäß das Vorkommen symptomatischer Athe¬ 
tose bei Gehirnerkrankungen sehr eingeschränkt. Daher kommt es auch, daß 
athetotische Bewegungen als Symptom der Enzephalitis epidemica bisher nicht 
beobachtet sind, obwohl diese Erkrankung alle möglichen anderen Bewegungs¬ 
störungen in außerordentlicher Mannigfaltigkeit hervorgerufen hat. Ich weiß, 
daß diese Behauptung, Athetose komme nicht als Encephalitisfolge vor, von 
vielen Seiten Widerspruch erfahren wird. Bis jetzt sind einwandfreie 
Athetosen aber in der Tat nicht nach Enzephalitis beschrieben worden, wohl 
aber zahlreiche ähnliche Bewegungsstörungen, deren Klassifizierung außer¬ 
ordentliche Schwierigkeiten macht. 

Economo erwähnt in seiner ersten großen Arbeit über Enzephalitis le- 
thargica zwei Fälle, die mit athetotischen Bewegungen einhergehen. Offenbar ist 
die Beschaffenheit der hier geschilderten athetotischen Bewegungen nicht ganz 
charakteristisch. Economo spricht von bald »langsamen, bald raschen Be¬ 
wegungen, die den Charakter Athetose tragen«. Gleichzeitig bestand Rigor 
(Fall 12). Bei Fall 13 werden die Bewegungen bald als choreatisch, bald als athe- 
totisch bezeichnet, hervorgehoben werden langsame, wurmförmige Kontraktionen 
im Gesicht. Auch hier war gleichzeitig Starre der Mimik festzustellen. 

Ich glaube, daß wir es hier nicht mit echt athetotischen Bewegungen zu 
tun haben, sondern daß, ähnlich wie es später bei der Chorea chronica noch 
zu besprechen sein wird, choreatische Bewegungen durch gleichzeitig vorhandenen 
Rigor oder Starre in ihrem Ablauf verlangsamt worden sind. Hierdurch wird 
eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit athetotischen Bewegungen hervorgerufen. 

Von Gerstmann und Schilder ist vor kurzem eine Bewegungsstörung ver¬ 
öffentlicht worden, die ebenfalls anscheinend eine gewisse Übereinstimmung mit 
Athetose zeigt, ohne daß man meines Erachtens berechtigt wäre, sie dazu zu 
rechnen. Wir müssen uns mit dem Gedanken abfinden, daß durch die Rubriken 
Chorea — evtl, auch Myoklonie — und Athetose keineswegs die Typen der¬ 
artiger Bewegungsstörungen erschöpft sind. Ich werde auf diese Frage in 
einer demnächst erscheinenden Arbeit 1 ) etwas näher eingehen und dabei Fälle 
beschreiben, die trotz gewisser Ähnlichkeiten weder unter die Chorea noch 
unter die Athetose zu rechnen sind. Ob es sich freilich bei diesen Bildern 
um eine einheitüche Form der Bewegungsstörung handelt, wie es z. B. die 
Chorea ist, läßt sich nicht entscheiden. Ob die Unterschiede anatomisch be¬ 
gründet sind, ist ebenfalls keineswegs sicher. Worauf ich dabei Wert lege, 
ist zu betonen, daß hier klinische Unterschiede vorliegen, die eine Einreihung 
in die bis jetzt gegebenen Formen meines Erachtens nicht gestatten. Es 
handelt sich zum Teil um Enzephalitisfolgen; motorisch sind die Störungen 
zu charakterisieren als rhythmisch iterierende komplexe Hyperkinesen. Sie 
unterscheiden sich von der Athetose dadurch, daß sie das physiologische Aus¬ 
maß nicht überschreiten, daß ungewöhnliche Bewegungskombinationen fehlen, 
daß sie ungeheuer einförmig sind. Dabei handelt es sich nicht um die Inner- 

*) Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie. 



Zusammenfassendes über die athetotische Bewegungsstörung überhaupt. 


35 


vation eines Muskels, sondern es bewegen sich stets gleichzeitig eine ganze Reihe, 
so daß eine Bewegungskombination, eine komplexe Bewegung entsteht, die 
zwar kein Ziel verfolgt, in ihrer Zusammensetzung aber für den Gesunden 
möglich und nachahmbar erscheint. Äußere Einwirkungen, insbesondere auch 
gewollte Bewegungen, verursachen keine oder nur eine ganz geringfügige Ab¬ 
änderung des Bewegungsablaufs. 

Der Bewegungscharakter war teilweise langsam, mithin athetoseähnlich, 
teilweise handelte es sich um schnellende, zuckende Bewegungen, die mehr 
an Chorea erinnern. Aber auch bei diesem letzten Fall waren die Bewe¬ 
gungen keineswegs mit den Choreatischen zu identifizieren, da auch die 
einförmige Wiederkehr stets derselben Bewegungen dagegen sprach. Ferner 
schloß der Umstand eine Chorea aus, daß nie ein Muskel isoliert zuckte, 
sondern daß stets eine ganze Anzahl von Muskeln zusammen innerviert 
werden; aber nicht so wie bei schwerer Chorea, daß es bald hier bald dort 
gleichzeitig zuckte, sondern stets handelte es sich um dieselben Muskeln, deren 
immer wiederholte Kontraktion einen stets wiederkehrenden Bewegungseffekt 
zur Folge hatte. Auch fehlte die Hypotonie der gewöhnlichen Chorea. 

Es mag übertrieben erscheinen, auf Grund dieser klinischen Besonderheiten, 
eine dritte, vielleicht gar nicht einmal einheitliche Bewegungsform aufzustellen. 
Ich glaube aber, daß Klarheit in das Chaos extrapyramidaler Bewegungs¬ 
störungen nur dann kommen kann, wenn durch eine genaue klinische Analyse 
der für den einzelnen Fall konstanten Bewegungsstörung dem Anatomen 
eine exakte klinische Grundlage gegeben wird, denn alle Erfolge und Re¬ 
sultate einer pathologischen Anatomie, bzw. Hirnpathologie, die nicht eine 
reine Scheidung der klinischen Bilder zur Voraussetzung hat, sind für das 
pathophysiologische Verständnis klinischer Symptome sowie für lokalisatorische 
Fragen ohne Bedeutung. 

Die klinische Verwertung besonders der älteren anatomischen Unter¬ 
suchungen leidet unter dem erwähnten Mangel; zuweilen ist schon klinisch 
nicht sicher zwischen Athetose und Chorea unterschieden. 

Man hat nun bei der Athetose bzw. bei einer als solche gedeuteten Be¬ 
wegungsstörung, Degenerationen, Blutungen, Atrophien, Narben in den ver¬ 
schiedensten Teilen des Großhirns und Kleinhirns gefunden; teils handelte es 
sich um isolierte, teils um doppelseitige, teils um multiple Herde (Zusammen¬ 
stellung der älteren Befunde bei Berger). Recht häufig sind als Sitz von 
Erkrankungen von jeher schon die zentralen Ganglien erwähnt: z. B. Linsen¬ 
kern, und zwar Putamen (Anton und Berger), Globus pallidus (Fischer 
und Roth mann). Herde im Thalamus beschreiben Herz, Muratow. Auch 
bei Herden im roten Kern und Kleinhirn sind athetotische Bewegungen beob¬ 
achtet. Marburg beschrieb athetotische Bewegungen bei Läsion der End¬ 
stätten rubrofrontaler Bahnen im Großhirn. Ob man die experimentellen 
Untersuchungen von Economo und Kar plus, die bei Läsionen der lateral 
vom Nucleus ruber gelegenen Fasern der Haube »choreatisch-athetotische« 
Bewegungen hervorrufen konnten, für die Lokalisation verwerten kann, er¬ 
scheint mir sehr zweifelhaft; da die klinische Feststellung der Art der Be¬ 
wegungsstörung schon beim Menschen Schwierigkeiten macht, kann ich mir 
nicht vorstellen, wie man beim Tier eine Bewegungsstörung analysieren und 

3* 



36 


Athetose. 


unter eine der uns beim Menschen bekannten Bewegungsstörungen unter¬ 
ordnen will. Es wird meist unmöglich sein, diese Bewegungen von gewöhnlichen 
krampfartigen Zuckungen zu trennen. Haenel fand als anatomische Grund¬ 
lage einer Hemiathetose einen Herd im Beginn des gekreuzten Hirnschenkelfußes 
unterhalb der Linsenkernschlinge bei intaktem Linsenkern und Thalamus. 
Aus einem Überblick, den Schilder gibt, geht hervor, daß wenigstens nach 
der damaligen Kenntnis kein lokalisatorischer Unterschied zwischen Chorea 
und Athetose besteht. Besonders bei Athetose double gibt es auch Fälle, in 
denen man trotz genauer Untersuchung mit modernen Methoden keinen be¬ 
sonderen Befund erheben kann. 

Soweit es sich dabei um Hemiathetose, also um die symptomatische 
Form, handelt, wäre es vielleicht doch möglich, die Fälle verschiedener Lokali¬ 
sation miteinander in Übereinstimmung zu bringen mit Rücksicht auf einen 
Berührungspunkt, der für alle vielleicht zutrifft: 

Bielschowsky hat nämlich nachgewiesen, daß bei Fällen infantiler zere¬ 
braler Herderkrankung verschiedener Lokalisation wenig auffallende Verände¬ 
rungen (Status fibrosus) offenbar sekundärer Art auch im Striatum Vorkommen 
können. C. und 0. Vogt, die diese Auffassung aufgegriffen und erweitert 
haben, sehen dies als Ausdruck einer besonderen Vulnerabilität dieses Hirn¬ 
teils an. 

Nehmen wir an, daß bestimmte Herderkrankungen des Großhirns sekundär 
eine Erkrankung des Striatums zur Folge hätten, die ihrerseits wieder mit der 
Hemiathetose zusammenhängt, so würden durch die gemeinsame sekundäre 
Striatumveränderung die verschieden lokalisierten Herde ein gemeinsames 
Symptom, die Hemiathetose hervorrufen können, das je nach dem Sitz der 
primären Erkrankung, auch durch Krämpfe, spastische Lähmungen usw. kom¬ 
pliziert sein könnte. 

Es erscheint mir durchaus begreiflich (Vogt und Oppenheim teilen diese 
Ansicht), daß solche feineren Veränderungen im Striatum bis jetzt über¬ 
sehen wurden, um so eher, als die gröberen Herderkrankungen zunächst 
dem Bedürfnis nach einer Klärung der himpathologischen Grundlagen zu 
genügen schienen. Der Befund von Bielschowsky müßte sich jedoch an 
weiteren Untersuchungen bestätigt finden. Betont werden muß allerdings da¬ 
bei, daß schon die jetzigen Befunde nicht ganz gleichmäßig sind, insofern als 
bald mehr das Putamen, bald mehr das Caudatum von dem Prozeß betroffen 
zu sein scheint. 

Das Bestreben nach anatomischer Klärung von Krankheitsbildern und der 
Versuch, die Erkrankung nach der Lokalisation und Art der krankhaften 
Prozesse einzuteilen, ist auch für die klinische Betrachtung das höchste Ziel. 
Die genauesten anatomischen Untersuchungen sind jedoch nur von be¬ 
schränktem Nutzen, wenn nicht exakte klinische Beobachtungen den Ver¬ 
gleich zwischen klinischen Symptomen und anatomischen Befunden ermög¬ 
lichen. Es sind dies Forderungen, die bei Beginn der Forschungen natürlich 
noch nicht in weitgehendem Maße Berücksichtigung finden können, weil erst 
die pathologischen Untersuchungen viele klinische Gesichtspunkte und Frage¬ 
stellungen bringen. Leider gilt diese Beschränkung auch von den klinischen 
Untersuchungen, die den von 0. und C. Vogt anatomisch verarbeiteten Fällen 



Zusammenfassendes über die athetotische Bewegungsstörung überhaupt. 


37 


zugrunde liegen. (Zur Lehre von den Erkrankungen des striären Systems.) Für 
unsere Fälle von idiopathischer Athetose kommt in erster Linie Gruppe I der 
Vogtschen Einteilung in Frage, die klinisch jedoch verschieden zu beurteilen 
is. Ich kann wenigstens in den wiedergegebenen Krankengeschichten, so¬ 
weit überhaupt eine genauere Beschreibung vorliegt, keineswegs einheitliche 
Krankheitsbilder erblicken. 

Anatomisch findet sich in allen diesen Fällen der Status marmoratus, 
der darin besteht, daß in Teilen des verkleinerten Striatums an Stelle der üb¬ 
lichen Ganglienzellen ein Markfaserfilz getreten ist. Durch den Zellenschwund 
kommt es zu sekundären Degenerationen der striopallidären Fasern. Die Ver¬ 
fasser nehmen an, daß es sich bei diesem Prozeß seiner pathologisch-ana¬ 
tomischen Natur nach um eine Mißbildung handelt. Dementsprechend be¬ 
stehen auch alle klinischen Erscheinungen seit der Geburt ein Umstand, der 
an sich gut zum Krankheitsbild der idiopathischen Athetose passen würde. 

Der erste Fall Jacquell (von Barre klinisch beobachtet), soll nach den 
kurzen Angaben der Krankengeschichte eine typische Athetose double ge¬ 
wesen sein. Der Umstand aber, daß der Patient relativ gut sprechen konnte, 
und eine fast normale Beweglichkeit der Zunge hatte, spricht gegen die Dia¬ 
gnose, findet aber nach Vogt dadurch seine Erklärung, daß die oralen Partien 
des Striatums, in denen u. a. die Sprachfunktionen ihre striäre Lokalisation 
haben, relativ weniger von dem Prozeß ergriffen waren als die kaudalen Teile. 
Wenn auf diese Weise auch die somatotopische Gliederung C. Vogts eine 
Bestätigung erfährt, so wird man doch dadurch in der Diagnose Athetose 
double irre, denn für sie ist es gerade charakteristisch, daß bei jeder Bewe¬ 
gung, besonders aber bei Sprechversuchen, starke Mitbewegungen im Gesicht 
auftreten, die ihrerseits die Zungenbewegungen und damit die Sprache sehr 
erschweren. 

In dem zweiten Falle fehlen sämtliche Einzelheiten der Krankengeschichte. 
Es soll sich auch hier um eine Athetose double gehandelt haben, und die 
besondere Lokalisation des Status marmoratus veranlaßt die Verfasser, rück¬ 
läufig auf schwere Störungen in der Artikulation sowie im Schluck- und Kau¬ 
akt zu schließen. 

Eine ausführlichere Krankengeschichte existiert von dem dritten Fall: 
Massat: (Gallus). Hier handelt es sich um ein seit frühester Kindheit be¬ 
stehendes Leiden, das sich anfangs in epileptischen Krämpfen äußerte, außer¬ 
dem fanden sich spastische Paresen beider Beine mit gesteigerten Reflexen, 
Klonus und Babinski. Auch im Triceps bestand spastische Starre mäßigen 
Grades, in den Armen Intentionszittern. Erwähnt wird ferner die Langsam¬ 
keit der Bewegungen, ounnütze Bewegungen« (choreatische), namentlich an 
den Fingern, choreatische Unruhe auch beim Kniehacken versuch, Athetose der 
Zehen und des Vorderfußes, Sprache intakt. Die rechte Körperhälfte war mehr 
ergriffen als die linke. Im Laufe der Zeit leichte Besserung der motorischen 
Erscheinungen. Um was für eine Erkrankung es sich klinisch hier handelt, 
ist nicht ohne weiteres ersichtlich, jedenfalls aber sicher nicht um eine Athe¬ 
tose double, wahrscheinlich liegt eine Form der Littleschen Krankheit vor 
mit spastischen Erscheinungen. Die Athetose hat offenbar eine sehr geringe 
Rolle gespielt und scheint mir überhaupt nicht sicher zu sein. 



38 


Athetose. 


Auch hier findet sich ein Statuts marmoratus in ähnlicher Verteilung wie 
bei Fall 1, außerdem noch eine gewisse Unentwickeltheit der dritten Schicht 
der vorderen Zentralwindung. 

Bei dem Pat. Scholz (Fall 4) hat die Erkrankung nach Angabe der Mutter 
erst mit 2Va Jahren nach einem Unfall begonnen. Verfasser glauben jedoch, 
diese Angaben in Zweifel ziehen zu müssen, weil ein Status marmoratus gefunden 
wurde, der ja als eine angeborene Anomalie aufgefaßt wird. Im übrigen handelt 
es sich hier um einen epileptischen Idioten mit Strabismus convergens, spastischer 
Parese beider Beine, Strümpell schein Zeichen und positivem Babinski. Athe- 
totische Bewegungen wurden von Herrn Geheimrat Freund, der den Kranken 
auf seiner Abteilung hatte, nie beobachtet. Vogt nimmt jedoch an, daß es 
sich bei dem nachgewiesenen Babinski sehen Phänomen um unwillkürliche 
Dorsalflexionen der großen Zehen d. h. um Bewegungen gehandelt habe, die 
in das Gebiet der Athetose zu rechnen seien. Auf sprachlichem Gebiet scheint 
der Kranke nur wenig produziert zu haben, meist Schimpfworte. Eine Sprach- 
behinderung athetotischer Art wird nicht beschrieben, auch ist von Mitbe¬ 
wegungen nie die Rede. Klinisch wird man diesen Fall wohl mit Verf. als 
eine Littlesche Erkrankung auffassen, jedoch halte ich es für unwahrscheinlich, 
daß athetotische Symptome bestanden haben. Auf Grund des von Vogt so 
bezeichneten »Pseudobabinski« allein ist die Diagnose Athetose nicht zu stellen. 
Anatomisch fand sich Status marmoratus, und zwar waren auch hier die oralen 
Partien stärker befallen (striäre Lokalisation sprachlicher Funktionen). Be¬ 
merkt werden muß jedoch, daß hier eine ganz andere Sprachstörung Vorgelegen 
hat als in dem zweiten Falle, auch hier vorausgesetzt, daß es sich in dem 
zweiten Falle wirklich um eine Athetose double gehandelt hat. 

Von wesentlicher Bedeutung erscheint mir der Befund, daß trotz gleich¬ 
mäßigen Betroffenseins der Arm- und Beinregionen im Striatum klinisch nur 
die Beine eigentliche Lähmungen zeigten. Es wird dies durch die Annahme 
erklärt, daß die Großhirnkompensation für die oberen Extremitäten eine inten¬ 
sivere sei. 

Bezüglich der hier besonders stark ausgesprochenen klinischen Störungen 
kommt die Tatsache als Begründung in Betracht, daß ebenso wie zerebellare 
auch striäre Erkrankungen um so stärker klinisch hervortreten, je unausge¬ 
bildeter das übrige Gehirn ist. 

Fall 5 (Steinberg) ist von C. Vogt und Freund besonders beschrieben. 
Freund hat das Krankheitsbild als eine Littlesche Diplegie aufgefaßt; athe¬ 
totische Bewegungen seien vorhanden gewesen, sie waren aber so geringfügig, 
daß die Bezeichnung Athetose double nicht zu rechtfertigen war. Neben den 
Spasmen waren auch sicher noch Muskelparesen vorhanden, rechts bestand 
Babinski, den Frau Vogt jedoch als Pseudobabinski bezw. als athetotische Be¬ 
wegungen aufzufassen geneigt ist, ebenso wie sie das Vorhandensein einer echten 
Lähmung im Gegensatz zu dem klinischen Untersucher ablehnt. 

Fall 6 ging nach der Beschreibung Oppenheims mit athetotischen Be¬ 
wegungen einher, kann aber nach dem ganzen klinischen Büde keineswegs als 
Athetose double aufgefaßt werden. 

Fall 8 (Gallus) Marie S. offenbar angeborenes Leiden, epileptische Anfälle, 
links Strabismus, spastische Parese beider Beine mit Steigerung der Patellar- 



Zusammenfassendes über die athetotische Bewegungsstörung überhaupt. 


39 


reflexe, zeitweise Fußklonus, beiderseits Babinski, fast vollständige motorische 
Aphasie bei leidlichem Wortverständnis. Als striär bedingt faßt Vogt den 
Strabismus, die Spannung der Extremitätenmuskeln und die fast vollständige 
Stummheit auf. Da aber neben dem Status marmoratus im Putamen noch 
ein hochgradiger Hydrozephalus bestand, der offenbar noch durch Druck die 
Pyramidensymptome veranlaßt hatte, halte ich diesen Fall für wenig geeignet 
zu lokalisatorischen Betrachtungen. 

Wie aus der Zusammenstellung hervorgeht, handelt es sich in den Fällen 
von C. und O. Vogt keineswegs um einheitliche Erkrankungen, sondern mindestens 
um zwei recht verschiedene Symptomenbilder, nämlich vielleicht um eine Athe- 
tose double, deren Diagnose sich allerdings aus den mitgeteilten klinischen Notizen 
nicht mit Sicherheit nachprüfen läßt, und dann um bestimmte Formen Little- 
scher Erkrankung. Ich kann diese letzteren Zustände von Hypertonie keineswegs 
für rein striäre halten, da fast überall einwandfreie Pyramidensymptome vor¬ 
liegen. Auch der Umstand, daß die Spasmen nicht den Prädilektionstyp ein- 
halten, spricht an sich noch nicht für die rein striäre Natur des Leidens, da 
es sich um Schädigungen im frühesten Kindesalter handelt, bei denen, wie 
Lewandowsky klargestellt hat, auch eine andersartige Anordnung der Läh¬ 
mungen und Spasmen Vorkommen kann. Meines Erachtens kann die Verteilung 
einer Lähmung nach dem Prädilektionstyp nur im positiven Sinne als ein 
Charakteristikum für eine Pyramidenbahnerkrankung angesehen werden; d. h. 
entspricht sie ihm, so liegt sicher eine Pyramidenschädigung vor. Richtet sich 
eine Lähmung jedoch nicht nach dem Typus, Wernicke-Mann, so schließt 
dies eine Affektion des Pyramidensystems keineswegs aus. 

Als striär bedingte Hyperkinesen faßt Vogt bei seinen Fällen die unwill¬ 
kürlichen Bewegungen choreatischer und vornehmlich athetotischer Art auf; 
sie sollen aber in leichten Fällen von Status marmoratus gegenüber den 
spastischen Erscheinungen zurücktreten. Es ist in der Tat bekannt und an¬ 
erkannt, daß die unwillkürlichen Bewewegungen, sowohl der Chorea wie der 
Athetose durch Störungen im Pyramidensystem zurückgehalten bezw. unter¬ 
drückt werden können. Diese Erklärung erscheint durchaus annehmbar für 
die vorliegenden Fälle; es wird aber damit von Vogt das Vorhandensein von 
Pyramidensymptomen vorausgesetzt und unter diesen Umständen erscheint es 
uns gesucht, die erwähnte Hypertonie nicht als Pyramidenspasmen, sondern 
als striäre Rigidität aufzufassen. 

Für die vorliegende Betrachtung interessiert uns vor allem der Zusammen¬ 
hang der athetotischen Bewegung mit dem Status marmoratus. Als reine Athe¬ 
tose double kommen offenbar die beiden ersten Fälle in Betracht. Die klinische 
Beschreibung ist dritten Falle keineswegs charakteristisch für Athetose. Gleich¬ 
zeitig werden Intentionstremor und choreatische Bewegungen erwähnt, so daß 
auch hier offenbar nicht präzise zwischen Chorea und Athetose unterschieden 
ist. Bei Fall 4 schließt C. Vogt aus dem Vorhandensein des »Pseudobabinski« 
auf athetotische Bewegungen, die nach dem klinischen Befund in Abrede ge¬ 
stellt werden. Auch bei Fall 5 besteht ein Widerspruch in der Auffassung 
zwischen Kliniker und Anatom. Bei Fall 8 wurde Athetose nicht beobachtet. 

Nach allem kann man sagen, daß die Athetose double jedenfalls nicht zu 
den unbedingt vorauszusetzenden klinischen Symptomen des Status marmoratus 



40 


Athetose. 


im Striatum gehört. Nur die Möglichkeit, daß athetotische Bewegungen bei 
Status marmoratus Vorkommen, ist vorhanden. Die Fälle 1 und 2 lassen es 
eventuell als möglich erscheinen, die idiopathische Athetose auf diese anatomischen 
Veränderungen zurückzuführen. Zu einer Entscheidung müßte jedoch erst die 
auch von Vogt selbstgestellte Forderung erfüllt werden, daß sicher klinisch 
diagnostizierte Fälle anatomisch untersucht werden. 

Ein weiterer Fall von Gallus, Fritz G., der seit dem zweiten Lebensjahr 
an epileptischen Anfällen leidet, zeigt in der linken Hand athetotische Be¬ 
wegungen, die eventuell als zum Krankheitsbild der Hemiathetose im Sinne 
Lewandowskys gehörend aufgefaßt werden können. Anatomisch findet sich 
ein enzephalitischer Herd in der ersten Temporalwindung, eine starke Atrophie 
des Thalamus, sowie eine Zellnekrose des äußeren Teils des Nucleus caudatus, 
wo dann infolge des Zusammenrückens der erhalten gebliebenen Markfasern 
ein Status fibrosus entstanden ist. Auf letzteren Befund wollen die Autoren 
die athetotischen Bewegungen zurückführen, ohne dabei der Funktionsvermin¬ 
derung des atrophischen rechten Thalamus jede Bedeutung abzusprechen. In 
zwei anderen Fällen gleicher Lokalisation des Status fibrosus, aber ohne athe¬ 
totische Bewegungen (Bielschowsky), führen die Verfasser das Ausbleiben 
der Athetose und überhaupt striärer Symptome darauf zurück, daß diese 
durch zu stark hervortretende Pyramidensymptome verdeckt waren. 

Einen gewissen Zusammenhang mit Athetose zeigen von den Vogt’schen 
Fällen vielleicht noch die beiden Erkrankungen mit Status dysmyelinisatus; 
dieser ist durch einen pathologischen Prozeß bedingt, der unter gleichzeitiger 
Volumen Verminderung zu einer Verarmung der striären Markfaserung führt, 
und zwar besonders im Gebiet des Globus pallidus. In beiden Fällen 
handelt es sich um Kinder, die eine schwere Geburt durchgemacht haben und 
an Krämpfen leiden; anfangs traten dauernde athetotische Bewegungen auf, 
die allmählich zu stärker werdenden Muskelhypertonien und schließlich zur Ver¬ 
steifung des ganzen Körpers führen. 

In beiden Fällen bestanden auch echt spastische Erscheinungen. Der stärkste 
Ausfall fand sich beide Male im Globus pallidus. Dadurch, sowie auch durch 
den klinischen Verlauf gewinnen die Fälle Ähnlichkeit mit den Beobachtungen 
von O. Fischer und Rothmann. 

Vogt ist daher geneigt, in dieser Erkrankung ein Pallidum-Syndrom 
zu erblicken, und zwar soll es sich um den Ausfall der Pallidumfunktion 
dabei handeln. Die Anfälle von spastischen Zuständen und athetotischen Be¬ 
wegungen, die der Dauerkontraktur vorangehen, wären entweder als Reizhyper- 
kinesen aufzufassen, d. h. als eine Hyperkinese, die durch mechanische Reize 
des Prozesses im Pallidum ausgelöst werden; oder es könnte sich um eine 
»Stauung neurodynamischer Reizenergie« infolge herabgesetzter Ableitungs¬ 
möglichkeit handeln. Jedenfalls kommen diese Fälle klinisch schon wegen 
ihres ganz andersartigen Verlaufs nicht als Athetosis douplex in Betracht. 

Unter Gruppe 6 beschreiben C. und 0. Vogt noch den oben schon er¬ 
wähnten Fall von A. Westphal. Anatomisch findet sich hier neben gewissen, 
teilweise auch in anderen Hirnpartien vorhandenen, aber auch vornehmlich auf das 
Striatum und Pallidum konzentrierten präsenilen Erscheinungen ein ausge¬ 
sprochener Parenchymausfall nur im Striatum und Pallidum, und auch hier vor- 


Zusammenf Assendes über die athetotische Bewegungsstörung überhaupt. 


41 


nehmlich im ersteren. Bei dem Kranken waren nicht nur Athetose, sondern 
auch die Symptome der Paralysis agitans sine agitatione (Bewegungsarmut, 
mimische Starre, Retro- und Latero-Pulsion) vorhanden. Da die Athetose sich 
durch einen Bewegungsreichtum und zahlreiche Mitbewegungen auszeichnet, 
während bei der Paralysis agitans Bewegungsarmut und Mangel an Mitbe¬ 
wegungen vorherrscht, ist es schwer, sich die so sehr entgegenstehenden Sym¬ 
ptome klinisch vereinigt zu denken und ihr Auftreten lokalisatorisch zu erklären. 
Man müßte für die verschiedenen Teile der betroffenen Zentral¬ 
ganglien nicht nur somatotopische, sondern auch funktionelle 
Differenzen voraussetzen. 

Überblickt man die hier besprochenen und in der Literatur erwähnten 
pathologisch-anatomischen Befunde, so kommt man zu dem Resultat, daß striäre 
Erkrankungen grundverschiedene Symptomenbilder bzw. Erkrankungen her- 
vorrufen können, z. B. Athetose, Paralysis agitans, Wilsonsche Krankheit. In 
wieweit eine gleichzeitige Affektion benachbarte Hirnteile (z. B. Linsenkern¬ 
schlinge usw.) das Symptomenbild klinisch umgestalten kann, ist noch nicht mit 
überzeugender Sicherheit klargestellt. Um zunächst bei der hier behandelten 
Athetose zu bleiben, so sehen wir, daß diese Krankheitsform bei mannigfacher 
Herdlokalisation auftreten kann; sie ist z. B. bei Schädigungen im Putamen, 
ebenso wie bei solchen im Globus pallidus beobachtet worden, Auch Herde 
anderer Lokalisation (Thalamus usw.) werden erwähnt. Kleist ist geneigt, 
gerade die tonische Komponente bei der athetotischen Bewegung auf eine Be¬ 
teiligung des Globus pallidus zurückzuführen und so auch lokalisatorisch den 
Unterschied von der choreatischen Bewegungsstörung zu erklären. Es ähnelt 
dieser Versuch dem Bestreben Schilders, der daran dachte, nicht für jede 
Bewegungsstörung als ganze einen Herd, sondern für jede besondere Eigenschaft 
jeder Bewegung eine bestimmte, feiner lokalisierte Erkrankung verantwortlich 
zu machen. Hier kämen dann nicht nur umschriebene Herde in Betracht, 
sondern es wäre daneben auch auf eine mehr oder weniger systematische Er¬ 
krankung besonderer Zellen und Fasern zu achten. Sollten sich die oben erwähnten 
Bielschowskysehen Untersuchungen an weiterem Material bestätigen, so 
wäre wenigstens für die Hemiathetose die Möglichkeit gegeben, unter den 
bis jetzt festgestellten verschiedenartig lokalisierten Herden einen gemein¬ 
samen Prozeß, nämlich die sekundäre Striatumveränderung vielleicht in Ver¬ 
bindung mit einem anderen primären Hirnherd als Ursache für die Bewegungs¬ 
störung anzusehen. 

Weitere Forschungen müssen uns ferner noch darüber aufklären, wann wir 
es mit Reiz-, wann mit Ausfallserscheinungen bei pathologischen Prozessen zu 
tun haben, ferner ob eine bestimmte krankhafte Funktion auf einer Enthemmung 
beruht, oder ob wir es mit Fehlen von Anregungsimpulsen zu tun haben, 
bezw. ob sich ein Symptom aus beiden Grundelementen zusammensetzt. Für 
die Chorea und Athetose wird jetzt meist eine Enthemmung als kausales 
Moment angenommen. Für die Athetose kommt im besonderen noch der Um¬ 
stand in Betracht, daß diese Erkrankung eine vorzugsweise dem kindlichen 
Gehirn angehörende Funktionsanomalie ist. Darauf hat schon Lewandowsky 
hingewiesen, und O. und C. Vogt haben auf Grund ihrer anatomischen Unter¬ 
suchungen ähnliche Resultate gewonnen, die sie in folgendem Schlußsatz zu- 



42 


Athetose. 


sammenfassen: »Eine rein striäre Erkrankung muß im embryonalen oder im 
ersten Kindesalter auftreten, um sicher als Ausfallserscheinung zur Athetose zu 
rechnende Spontanbewegungen hervorzurufen. Später einsetzende, das Striatum 
allein betreffende pathologische Veränderungen, bedingen als Ausfallserscheinungen 
meist nur andere unwillkürliche Bewegungen. Das Fehlen athetotischer Be¬ 
wegungen im größten Teile dieser Fälle möchten wir darauf zurückführen, 
daß das übrige Nervensystem nach Vollendung des ersten Lebensjahres 
auf eine Striatumerkrankung anders reagiert als in der Fötalzeit und frühesten 
Kindheit.« 

Die Frage, gibt es Herde bestimmter Lokalisation, die immer und in jedem 
Falle eine Athetose hervorrufen, kann wohl in dieser Form verneint werden. 
Selbst wenn man nur das kindliche Gehirn für diese Frage in Betracht zieht, 
wird man den Wert der Athetose als Herdsymptom vorläufig nur gering 
einschätzen dürfen. Möglich wäre es, daß die idiopathische Athetose sich auch 
anatomisch wesentlich von der symptomatischen Athetose unterscheidet, und 
zwar hinsichtlich ihrer Lokalisation als auch bezüglich der histologischen Ver¬ 
änderungen. 

Ein weiteres Problem liegt darin, ob es sich bei der idiopathischen Athetose, 
die mit spastischen Paraplegien einhergeht, um eine andersartige anatomische 
Grundlage handelt, oder ob lediglich eine Komplikation vorliegt. Die gleiche 
Frage wäre für die mit Epilepsie einhergehenden Fälle zu lösen. 

Nach allem erscheint es mir zweifelhaft, ob eine rein hirnpathologisch fundierte 
Theorie über die Pathogenese dem Wesen der Athetose gerecht wird. Der 
Umstand, daß nur Kinder eine Athetose neu erwerben können, ließe sich übri¬ 
gens nicht nur auf besondere funktionelle Eigenschaften des kindlichen Gehirns 
zurückführen, sondern es besteht auch die Möglichkeit, daß eine besondere 
Schädigung dafür verantwortlich gemacht werden könnte, die nur in den ersten 
Lebensmonaten möglich ist (Asphyxie der Neugeborenen!). 

Sehr wohl möglich ist es ferner, daß mehr als ein Faktor bei der Ent¬ 
stehung der Athetose mitspielt. 

Es mag überflüssig erscheinen, sich bei den meist unsicheren anatomischen 
Grundlagen für die Athetose, auf patho-physiologische Theorien über das Zu¬ 
standekommen der Bewegungsstörung einzulassen. Ich will daher kurz nur 
einen Punkt erwähnen, der meines Erachtens eine gewisse Bedeutung hat. 
Es handelt sich darum, die Bewegungsanomalie vom Gesichtspunkt des 
Sherringtonschen Gesetzes der reziproken Innervation aus zu betrachten, 
eine Notwendigkeit, auf die Stertz in diesem Zusammenhang schon hinge¬ 
wiesen hat. 

Nach diesem Gesetz soll bei der Innervation eines Muskels sein Antagonist 
reflektorisch erschlaffen, er wird »denerviert«. Zu dieser Denervation kommt 
es bei der Athetose offenbar nicht. Eine Entspannung erfolgt vielmehr erst 
ganz allmählich und zwar offenbar nicht von selbst, sondern unter dem Zuge 
der Agonisten wird der Antagonist allmählich passiv gedehnt und so sein 
Kontraktionszustand nur langsam aufgehoben. Es ist klar, daß unter diesen 
Umständen die Kontraktion des Agonisten nicht flott, blitzartig vor sich gehen 
kann, sondern langsam und mühsam erfolgt, weil gegen den Widerstand der 
Antagonisten anzukämpfen ist. 


Chorea. Definition und überblick über die verschiedenen Formen. 


43 


Um der Lösung all dieser Fragen näher zu kommen, ist es jedenfalls 
notwendig, sich in der Diagnose Athetose genau an die Definition der Be¬ 
wegungsstörungen zu halten und alle anderen ähnlichen Motilitätsstörungen 
streng davon abzutrennen. 


II. Chorea. 

1. Definition und Überblick über die verschiedenen 
Formen der Chorea. 

Bei der Besprechung der Athetose mußte schon mehrfach die choreatische 
Bewegungsstörung erwähnt werden, namentlich galt es die beiden oft mitein¬ 
ander zusammengeworfenen krankhaften Bewegungen symptomatologisch scharf 
voneinander zu trennen. 

Aus der oben geschilderten Differentialdiagnose ergibt sich schon das 
Charakteristische der choreatischen Bewegungsstörungen wenigstens in groben 
Zügen. Was das klinische Bild der Chorea in seinen Einzelheiten anlangt, so 
hat die klassische Schilderung und Analyse Foersters von 1904 noch heute 
ihre Gültigkeit und ist bis jetzt nur in Kleinigkeiten ergänzt worden. Auf 
dieser Beschreibung fußend, wurde schon oben eine Unterscheidung von der 
Athetose ermöglicht, und ich halte es für notwendig, daß man sich, solange 
uns nicht sichere Ergebnisse der pathologischen Anatomie ein großzügigeres 
Verfahren gestatten, pedantisch und streng an die für die Chorea charakte¬ 
ristischen Symptome hält, und alle anderen ähnlichen Bewegungsstörungen, 
deren uns namentlich die Enzephalitisepidemie eine ganze Reihe beschert hat, 
von der echten Chorea abtrennt. 

Die wesentlichen Punkte der Foersterschen Definition seien zunächst kurz 
wiedergegeben: 

Die choreatische Bewegungsstörung setzt sich zusammen aus den unwill¬ 
kürlich choreatischen Spontanbewegungen und aus der choreatischen Koor¬ 
dinationsstörung. Für die choreatische Spontanbewegung ist folgendes 
kennzeichnend: 

Rascher Ablauf, relativ großes Ausmaß, ein ausfahrender Charakter der Be¬ 
wegung, Verbreitung über proximale und distale Gliedabschnitte (bei leichteren 
Fällen nur über letztere). Befallen ist im gleichen Augenblick nur ein Muskel 
oder eine gleichsinnig wirkende Muskelgruppe. Die Antagonisten sind bei der 
Spontanbewegung nie beteiligt, ebenso rasch wie die Bewegung gekommen ist, 
klingt sie wieder ab. Die Bewegungen finden in buntem Wechsel statt, d. h. 
weit voneinander entfernte Muskeln können unmittelbar hintereinander in 
Zuckungen geraten. Die Bewegungen sind nachahmbar, sie haben aber trotz¬ 
dem keine Ähnlichkeit mit willkürlichen Bewegungen, weil die Beteiligung 
synergisch wirkender Muskeln fehlt, und dadurch erhält die Bewegung etwas 
unnatürliches. Für diese choreatische Spontanbewegung kommt die Frage, 
ob sie koordiniert ist, gar nicht in Betracht, weil eine derartige unwillkürliche 
Bewegung an sich keinen Zweck zu erfüllen hat (Fo erst er). Eine Störung 
im Zusammenarbeiten mehrerer synergisch wirkender Muskeln bei dem Versuch 
ein Ziel zu erreichen, was ja den Begriff der Koordination ausmacht, ist auch 



44 


Chorea. 


schon aus dem Grunde unmöglich, weil die choreatische Spontanbewegung im 
allgemeinen nur von einem Muskel ausgeführt wird. 

Die choreatische Koordinationsstörung kommt dagegen zur Geltung bei 
Zielbewegungen oder bei Versuchen bestimmte Haltungen einzunehmen. Man 
findet bei beiden Vorgängen eine ausgesprochene Ataxie fast in allen Fällen 
mit Ausnahme der ganz leichten. Zu bemerken ist dabei, daß es oft schwer 
zu unterscheiden ist, ob eine beabsichtigte Bewegung infolge einer Ataxie, 
oder infolge einer dazwischen kommenden choreatischen Spontanbewegung mi߬ 
glückt. 

Charakteristisch für die Chorea ist weiter eine Hypotonie der Muskeln, die 
nach Foerster auf einem Versagen der antagonistischen Funktion beruhen 
soll. In Ausnahmefällen kann diese Hypotonie mit Erlöschen der Sehnen¬ 
reflexe einhergehen. Störungen seitens der Pyramidenbahnen fehlen, Läh¬ 
mungen im eigentlichen Sinne sind nicht vorhanden, dagegen entsteht oft, in 
schweren Fällen wohl regelmäßig, eine gewisse Erschwerung der Kraft leist ungen 
dadurch, daß eine beabsichtigte Innervation zwar in normaler Stärke aus¬ 
geführt werden kann, daß sie aber rasch nachläßt ; zu einem länger dauernden 
Kraftaufwand sind daher immer wiederholte Willensimpulse erforderlich. Die 
früher beschriebenen »Pseudoparesen« bei Chorea lassen sich meines Erachtens 
fast immer auf akinetische Zustände zurückführen, wie man sie im Verlauf bzw. 
nach Ablauf der Chorea nicht selten sieht. Die Kranken benutzen oft lange Zeit 
nach Abklingen der choreatischen Erscheinungen einzelne Extremitäten spontan 
gar nicht, und dadurch wird unter Umständen eine Parese vorgetäuscht. 
Bruns ist jedoch geneigt, den Mutismus und die Dysphagie der Choreatiker 
als echte Paresen zu deuten. Er spricht direkt von einem bulbärparalytischen 
Symptomenkomplex bei Chorea. Gerade hier wird in der Tat schwer die Grenze 
zu ziehen sein zwischen einer echten Bewegungsschwäche und einem akine¬ 
tischen Verhalten. In den entsprechenden Fällen meiner Beobachtung schien 
mir die Auffassung als Akinese näher zu liegen. 

Eine oft zu beobachtende Verzögerung der Innervation beruht auf einer 
gewissen Schwierigkeit die Bewegungsimpulse an die richtige Stelle zu senden, 
sie richtig zu steuern. Offenbar handelt es sich hierbei um dieselbe Erschei¬ 
nung, die Schilder neuerdings bei Chorea chronica und Paralysis agitans als 
subkortikal bedingte Erschwerung des Bewegungsbeginns hervorgehoben hat. 
Er weist dabei auf eine enge Verwandtschaft dieses Symptoms mit subkorti¬ 
kaler Akinese hin. 

Die Hypotonie und der Mangel an Stetigkeit auch bei länger dauernder 
statischer Innervation bringt es mit sich, daß, namentlich in fortgeschritteneren 
Fällen, die Körperhaltung leidet, die Wirbelsäule nimmt eine kyphotische Hal¬ 
tung ein, der Kopf fällt schlaff hin und her, sogar im Liegen folgen die Glieder 
vollkommen dem Gesetze der Schwere, die Füße sinken nach außen, so daß 
der äußere Fußrand die Unterlage berührt. 

Die Neigung zu unzweckmäßigen Mitbewegungen ist gesteigert, charakte¬ 
ristisch für die Mitbewegung gegenüber der choreatischen Spontanbewegung 
ist der etwas langsamere Ablauf, es ist aber oft schwer, diese Mitbewegungen 
von choreatischen Spontanbewegungen zu unterscheiden. Physiologische Mit¬ 
bewegungen, z. B. das Pendeln der Hände beim Gehen, fehlen oft, bzw. sie 


Definition und Überblick über die verschiedenen Formen. 


45 


werden entweder dadurch unterdrückt, daß die Patienten krampfhafte An¬ 
strengungen machen, ihre Spontanzuckungen zu beherrschen, oder sie nehmen 
infolge choreatischer Spontanbewegungen einen verzerrten Charakter an. 

Die Verbreitung der Bewegungen am Körper hängt ab von der Schwere 
des Krankheitsbildes, das Gesicht ist fast immer mitbetroffen. Außer den Ex¬ 
tremitäten können auch die Stammmuskeln von den Zuckungen befallen sein. 
Im Schlaf verschwinden die Bewegungen, durch geistige bzw. affektive Inanspruch¬ 
nahme lassen sie sich steigern. Bei leichten Fällen, die bei Bettruhe wenig 
oder gar keine Zuckungen aufweisen, können sie durch gemütliche Erregungen 
hervorgerufen werden. Insofern besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit der Auslösbar¬ 
keit der athetotischen Bewegungen, namentlich bei der idiopathischen Athetose. 
Kleist ergänzt die Foerstersche Beschreibung durch einige Beobachtungen: 

So sah er die rasch beginnende Spontanbewegung auf der Höhe des Be¬ 
wegungsaffektes tonisch verharren, um dann schnell wieder abzusinken; damit 
zusammen hängt offenbar auch die von Gordon beobachtete und von Kleist 
wieder hervorgehobene tonische Reflexverlängerung. Man findet dabei, daß 
nach Beklopfen der Patellarsehne die Streckung des Unterschenkels eine Zeit- 
lang andauert. Ob das Symptom so zu erklären ist, daß zufällig der Reflex 
mit einer Spontanzuckung zusammenfällt, oder ob es sich um eine Verände¬ 
rung des Reflexes handelt, ist nicht bekannt. Bei schweren Fällen ist das 
Symptom sehr oft vorhanden, aber keineswegs bei jeder Reflexauslösung, auch 
bei symptomatischer Chorea (Enzephalitis) habe ich es beobachtet. Hinsichtlich 
der Reflexe fand Kleist, daß die Lebhaftigkeit der Sehnenreflexe vielfach un¬ 
abhängig ist von dem Grade der Hypotonie. 

Auf eine strenge Trennung choreatischer und athetotischer Bewegungen ist 
meines Erachtens großer Wert zu legen, deswegen seien die Unterschiede 
zwischen beiden besonders hervorgehoben: 

Die choreatische Spontanbewegung ist eine kurze Zuckung, die athetotische 
eine langsame Kontraktion. Erstere erfolgen in buntem Wechsel, bald hier, 
bald dort, die athetotische Bewegung kriecht an den Extremitäten weiter. Es 
zuckt bei der Chorea meist nur ein Muskel gleichzeitig oder eine gleichsinnig 
wirkende Muskelgruppe, bei der Athetose werden gleichzeitig mehrere, nur 
räumlich zusammengehörende Muskelgruppen oft in entgegengesetztem Sinne 
innerviert; zudem kommt es dabei zu ganz sonderbaren Bewegungskombina¬ 
tionen und das Ausmaß der Bewegungen ist ein ungewöhnliches, oft verzerrtes. 
Die Chorea geht einher mit starker Hypotonie, an der auch die Zuckungen 
nichts ändern, während für die Athetose ein wechselnder Spannungszustand, 
der Spasmus mobilis. charakteristisch ist. Mitbewegungen kommen bei beiden 
Erkrankungen vor, sie sind bei der Chorea nicht von solcher Bedeutung wie 
bei der Athetose. 

Daß die Chorea zu den extrapyramidalen Bewegungsstörungen gehört, ist 
heute allgemein anerkannt; ist sie jedoch auch unter den Begriff des ainyo- 
statisehen Symptomenkomplexes zu subsumieren? Hinsichtlich der chorea¬ 
tischen Koordinationsstörungen kann man diese Frage ohne weiteres bejahen, 
aber auch die choreatische Spontanbewegung gehört zu den Myastasien, da sie 
störend in die Ruhelage des Körpers eingreift, bestimmte Haltungen unmög¬ 
lich macht und dadurch auch aktive Bewegungen behindert. 



46 


Chorea. 


Wir finden die choreatische Bewegungsstörung als Ausdruck einer Krank¬ 
heit sui generis und als Symptomenkomplex bei Erkrankungen verschiedener 
Art. In letzterem Falle ist auch ein halbseitiges Auftreten möglich. Als 
Krankheitseinheiten sind zu betrachten die Sydenhamsche Chorea (Charcots 
»Chorea minor« *) und die chronische progressive Chorea. 

Eine Anzahl von Choreaformen hat man z. T. nach ganz äußeren Gesichts¬ 
punkten abgegrenzt und benannt. So läßt sich meines Erachtens die Chorea 
senilis ohne jeden Zwang in die chronisch progressive Chorea einreihen. Einige 
andere der so abgegrenzten Choreafalle umfassen nicht einmal einheitliche Be¬ 
griffe. So versteht man z. B. unter Chorea electrica einmal eine von Dubini 
zuerst beschriebene, meist tödlich endende und mit Schmerzen einhergehende 
Choreaerkrankung, die offenbar in das Gebiet der Enzephalitis gehört; die 
gleiche Bezeichnung Chorea electrica dient aber auch zur Bezeichnung von 
hysterischen Zuständen mit choreaähnlichen Erscheinungen. 

Ein zum wenigsten ätiologisch einheitliches Krankheitsbild ist dagegen die 
Chorea gravidarum, sie ist sehr wahrscheinlich toxischen Ursprungs; da sie so 
gut wie immer nach Unterbrechung oder nach Beendigung der Schwangerschaft 
abheilt, kann man als sicher annehmen, daß toxische Produkte, die bei der 
Gravidität auftreten, die Störung veranlassen. Sie gehört somit zu den sympto¬ 
matischen Choreaformen, ebenso wie die auf infektiöser Basis entstandene 
Chorea bei Enzephalitis. Charakteristisch für beide ist, daß die choreatische 
Bewegungsstörung hier nur ein mehr oder weniger zufälliger Ausdruck der 
Vergiftung bzw. Infektion ist, die sich auch in anderen Symptomen äußern 
kann, wie wir es namentlich bei der ^Enzephalitis häufig sehen. 

Außer diesen symptomatischen Choreaformen, bei mehr diffusen Hirn¬ 
erkrankungen gibt es choreatische Symptome, die auf Grund einer groben 
Herderkrankung im Gehirn entstehen; hier kann es sich handeln um Tumoren, 
Blutungen usw. Je nach dem Sitz finden wir auch unter Umständen einsei¬ 
tiges Auftreten der Störung. Diese Formen sind für die Lokalisation der 
•choreatischen Bewegungsstörung von größter Bedeutung gewesen, auf Einzel¬ 
heiten ist dabei später noch einzugehen. 

2. Sydenhamsche Chorea und Chorea chronica. 

Foersters Untersuchungen über die choreatische Bewegungsstörung be¬ 
ziehen sich auf die Sydenhamsche Chorea; daß diese Erkrankung als Infek¬ 
tionskrankheit aufzufassen ist, ist allgemein anerkannt, ebenso ihre nahen Be¬ 
ziehungen zur Endokarditis und zum Gelenkrheumatismus. Hervorgehoben sei 
hier aber, daß die Fälle, in denen diese drei Erkrankungsformen alle im Ver¬ 
laufe des Leidens beobachtet werden, außerordentlich selten sind; häufiger 
kommt es vor, daß im Laufe einer Sydenh am sehen Chorea ebenso wie beim 
Gelenkrheumatismus Endokarditis auftreten kann; ob es sich hier um den 
gleichen Erreger handelt wie beim Gelenkrheumatismus ist fraglich und kli¬ 
nisch keineswegs sichergestellt. Auch die Annahme, die Chorea beruhe auf 

x ) Die Krankheitsbezeichnung »Chorea minor« erscheint mir wenig glücklich; sie setzt 
eine »Chorea major« voraus. Als solche wurden von Charcot seinerzeit die hysterischen 
Konvulsionen bezeichnet, die mit Chorea natürlich nichts zu tun haben. 



Sydenhainsche Chorea und Chorea chronica. 


47 


einer Embolie endokarditischer Auflagerungen, ist nicht bewiesen, da die Endo¬ 
karditis sich oft erst im Laufe der choreatischen Erkrankung entwickelt, also 
nicht schon den primären Herd für eine embolisch entstandene Chorea bilden 
kann. 

Im allgemeinen ist die Prognose der Chorea minor günstig, nur in seltenen 
Fällen kann das Leiden einmal chronisch werden. Andererseits hat sie die 
Eigenschaft zu rezidivieren und gerade das Rezidiv neigt besonders leicht zu 
Herzaffektionen. 

Es ist allgemein anerkannt, daß die Sy den ha m sehe und chronische Chorea 
verschiedene Erkrankungen sind, daß nicht etwa die chronische Chorea nur 
eine Abart der Sydenhamschen Chorea bildet, wie esCharcot, F. Jo ly und 
Zinn noch annehmen. 

Nosologisch wenig streng begrenzt ist die Spätform der Chorea, sie gilt mit 
Recht als ein unheilbares Leiden. Gewöhnlich wird diese Form als Chorea 
Huntington bezeichnet. Versteht man aber unter dieser letzteren entsprechend 
der Definition von Huntington 1872 ein exquisit familiäres, bzw. hereditäres 
Leiden, so ist man genötigt, die übrigen Spätformen der Chorea von diesen 
als Chorea chronica abzutrennen. Diese rein familiäre Form ist selten. Ob 
es notwendig ist, nur mit Rücksicht auf die Heredität eine besondere Chorea¬ 
form zu unterscheiden, möchte ich bezweifeln, zumal da sich diese Fälle weder 
klinisch noch, soweit bis jetzt Untersuchungen darüber vorliegen, pathologisch- 
anatomisch voneinander wesentlich unterscheiden. Auch die Verbindung der 
Huntingtonschen Chorea mit geistigen Störungen gibt kein entscheidendes 
Kriterium für eine strenge Trennung der beiden Formen, da auch bei der 
chronischen Chorea ohne Familiarität dieselben Demenzerscheinungen und 
affektiven Veränderungen Vorkommen können. Ich würde also vorschlagen, 
sämtliche Spätformen als „Chorea chronica progressiva“ zu bezeichnen 
und darunter die wenigen Fälle, in denen dieses Leiden familiär auftritt, als 
Untergruppe Huntington einzubegreifen. 

Abgesehen von den Unterschieden, die durch die zweifellos infektiöse Ätio¬ 
logie der Chorea Sydenham und durch das Lebensalter der befallenen Indi¬ 
viduen gegeben sind, lassen sich auch klinisch symptomatologisch einige Unter¬ 
scheidungsmerkmale zwischen der Sydenhamsche und chronischen Chorea fest¬ 
stellen, und zwar kommen dabei vor allem zwei Punkte in Betracht, einerseits das 
Verhalten der Psyche bei den Erkrankungen und zweitens die Art der Be¬ 
wegungsstörung selbst. Da die vergleichende Analyse der Bewegungsstörung 
uns Veranlassung geben wird, auch auf die symptomatische Chorea einzugehen, 
so seien zuerst die psychischen Eigentümlichkeiten der beiden Erkrankungen 
besprochen. 

Bei der chronischen Chorea, speziell der Chorea Huntington, gehören 
psychische Symptome mit zu den Hauptsymptomen der Erkrankung; aber 
auch bei der Chorea Sydenham trifft man in den meisten Fällen, wenn 
man darauf achtet, mehr oder weniger deutliche psychische Störungen, aller¬ 
dings ganz anderer Art (Kleist), sie bauen sich im wesentlichen auf gemüt¬ 
liche Verstimmungen auf. Hinzu kommt noch nach Kleist oft ein Ausfall 
von Spontaneität und gewisse Denkstörungen, wie Unaufmerksamkeit, Lang¬ 
samkeit, Versagen bei komplizierten Leistungen; die Störungen sind keineswegs 



48 


Chorea. 


einheitliche, wie Moebius annahm, der Halluzinationen, Verwirrtheit, als cha¬ 
rakteristisch ansah; sie gleichen auch nicht irgendeiner umschriebenen Psychose, 
sondern bieten oft recht verschiedene Zustandsbilder, die Kleist in Beziehung 
zu den Erscheinungen seiner Motilitätspsychosen setzt. Die psychischen Er¬ 
scheinungen sind jedoch nicht nur der Art, sondern auch dem Grade nach 
recht verschieden. 

Von anderer Seite werden psychische Störungen beschrieben, die an das 
Bild einer Infektionspsychose erinnern, mit Delirium, Verwirrtheit einhergehen 
(Kraepelin), also ganz dem exogenen Reaktionstypus entsprechen. 

Bei Fällen mit wenig hervortretenden psychischen Störungen läßt sich fast 
immer wenigstens eine sehr gesteigerte Empfindlichkeit für gemütliche Ein¬ 
drücke feststellen; dazu kommt dann noch eine sehr erhebliche Affektlabilität 
und zuweilen auch eine affektive Inkontinenz. Es handelt sich aber so gut 
wie immer um vorübergehende psychische Störungen. Eigentümlich ist auch 
die Erschwerung jeder sprachlichen Äußerung noch in Zeiten, in denen die 
Zuckungen das Sprechen nicht mehr behindern. 

Dazu im Gegensatz stehen die psychischen Erscheinungen bei der chroni¬ 
schen Chorea. Hier findet man ausgesprochen fortschreitende Demenzformen 
und Charakterveränderungen. Die Demenz ist sicher nicht nur eine scheinbare, 
durch die Herabminderung der Aufmerksamkeit vorgetäuschte, wie Kattwinkel 
meint, sondern es sind durchaus echte organische Defekte, und zwar auf in¬ 
tellektuellem, wie auf gemütlichem Gebiet, einhergehend mit Abnahme der 
Merkfähigkeit, Verminderung von Auffassung und Aufmerksamkeit. Die Nei¬ 
gung zu Selbstmord, die Huntington hervorhebt, mag für einige Fälle zu¬ 
treffen, bei denen namentlich im Anfang noch Einsicht für die Schwere der 
Erkrankung und infolgedessen eine Depression besteht, sie gehört aber nicht 
zu den wesentlichen Symptomen. Bei der Seelenstörung der chronischen Chorea 
in den weiter vorgeschrittenen Stadien ist die Stimmung zuweilen mehr eupho¬ 
risch, heiter, oft beobachtet man aber bei unbedeutenden Anlässen heftige 
Zornausbrüche, wobei sich die Kranken wohl infolge ihrer Hilflosigkeit rasch 
in eine große Wut hineinsteigern können. Auffallend ist, daß schon früh die 
Orientierung leidet. Von Levin und Naef wird auch noch ein paranoisches 
Zustandsbild mit langsamem geistigen Verfall beschrieben. Ich halte auch dies 
nicht irgendwie für eine wesentliche Abart der für die Chorea charakteristischen 
psychischen Veränderungen, sondern offenbar handelt es sich hier nur um die 
infolge oder während der choreatischen Erkrankung sich vollziehende Fortent¬ 
wicklung einer an sich paranoisch veranlagten Persönlichkeit. 

Die fortschreitenden Demenzerscheinungen bei der chronischen Chorea 
hängen offenbar zusammen mit der Verbreitung des Krankheitsprozesses über 
die ganze Hirnrinde, woran namentlich das Stirnhirn in besonderem Maße be¬ 
teiligt zu sein pflegt. 

Neben den Demenzerscheinungen machen sich bei der chronischen Chorea 
häufig Charakterveränderungen bemerkbar, die naturgemäß in den ersten Stadien 
der Erkrankung am meisten auffallen. Es handelt sich dabei um eine ge¬ 
steigerte Reizbarkeit, die Kranken werden vor allem unverträglich, zornig, zank¬ 
süchtig, unzufrieden, zuweilen verlieren sie auch das Schamgefühl, benehmen 
sich ungeniert. Ob diese Besonderheit der psychischen Veränderung lediglich 


Sydenhamsche Chorea und Chorea chronica. 


49 


der hereditären also der eigentlichen Huntington sehen Chorea oder auch 
anderen chronischen Formen zukommt, wäre an größerem Material noch 
nachzuprüfen. 

Handelt eä sich bei der Chorea Sydenham und bei der chronischen Chorea 
um die gleiche Bewegungsstörung oder lassen sich Differenzen dabei nach weisen? 

Schilder hat vor Kurzem gewisse Unterschiede in den bei beiden Er¬ 
krankungen auftretenden unwillkürlichen Bewegungen herauszuheben versucht. 
Nach seinen Beobachtungen sind die Zuckungen bei der Chorea chronica etwas 
langsamer als bei der Chorea minor; ferner soll die Koordinationsstörung, die 
Unstetigkeit und die Flüchtigkeit der Innervation bei der chronischen Form 
mehr in den Vordergrund treten. In einem Falle sah Schilder außerdem 
noch eine Bradyteleokinese ohne diesem Symptom eine besondere Bedeutung 
im Krankheitsbilde zunächst einzuräumen. 

Stert z macht ebenfalls einen klinischen Unterschied zwischen der Be¬ 
wegungsstörung der Chorea minor mit ihren schleudernden Spontanbewegungen 
und der Chorea chronica, deren Bewegungen einen mehr tonischen, langsamen 
Charakter tragen. Stertz führt diese Unterschiede darauf zurück, daß die 
chronische Chorea sehr oft ohne Hypotonie einhergeht. Daß derartige Unter¬ 
schiede vorhanden sind, zeigt die vergleichende Beobachtung der beiden ver¬ 
schiedenen Choreaformen. Die von Schilder jetzt betonte Beobachtung, daß 
die Bewegungen der Chorea chronica langsamer sind, als bei der juvenilen 
Form, ist nicht neu. Wir finden diese Angaben in der älteren Literatur schon 
verzeichnet u. a. von Facklam 1896. Meiner Ansicht nach liegen diese Unter¬ 
schiede aber nicht so einfach, denn wir können auch bei manchen Fällen von 
Chorea chronica rasch zuckende Bewegungen der Extremitäten finden, die sich 
oft in nichts von den Zuckungen der Chorea minor unterscheiden. Nach meiner 
Beobachtung sind aber immer die unwillkürlichen Bewegungen in der Gesichts¬ 
muskulatur verlangsamt und zwar derart, daß sie fast völlig den choreatischen 
Charakter entbehren; sehr charakteristisch sind wälzende Bewegungen der Mund¬ 
muskulatur, begleitet von einem Hin- und Hermahlen mit den Unterkiefern, 
ferner ein schraubenartiges langsames Hin- und Herbewegen der Lippen beim 
Sprechen. Ähnlich langsame Bewegungen finden wir auch oft in der Musku¬ 
latur des Stammes und des Halses. 

An Hand einer Krankengeschichte will ich versuchen die Symptome der 
chronischen Chorea zu schildern: 

Fall 23. Frau Pauline Sch. (Gehlsheim.) 

Vater geisteskrank — keine choreatischen Erkrankungen in der Familie. Patientin 
war früher gesund, erst im 56. Lebensjahre begann das Leiden mit Zuckungen und all¬ 
mählich zunehmender Demenz. 

Befund: Mittelgroß, zart gebaut, mäßig ernährt, innere Organe gesund, Blutdruck 
normal. 

Pupillen, Augenhintergrund in Ordnung, Reflexe von normaler Starke, beiderseits 
gleich, Sensibilität ungestört; jedoch ist es unmöglich, feinere Untersuchungen auf Druck¬ 
empfindung, Lagegefühl usw. auszuführen, da die Kranke zu dement ist. 

Wassermann: In Blut und Liquor negativ. 

In der Ruhe treten zahlreiche unwillkürliche spontane Bewegungen auf, meist an 
den Extremitäten, besonders an Händen und Fingern lokalisiert. Die Bewegungen er¬ 
folgen rasch, die Glieder verharren in der Endstellung zuweilen für kurze Zeit, um dann 
wieder rasch abzusinken. Zuweilen treten mehrere Bewegungen gleichzeitig an verschie- 

Ilostroem, Symptomenkömplex. 4 



50 


Chorea. 


denen und recht entfernten Teilen des Körpers auf. Die Bewegungen im Fazialisgebiete 
erfolgen wesentlich langsamer. Die Mundmuskulatur macht ausgesprochen wurmartige 
Bewegungen, die Lippen werden vorgestülpt, dann wieder eingezogen und zusammen* 
gepreßt. Gleichzeitig windet sich der Kopf in langsam drehenden Bewegungen nach der 
Seite, das Kinn wird, namentlich beim Versuch zu sprechen, in die Höhe gestreckt und 
zuweilen macht auch der Oberkörper schraubenartige Drehungen. Die Sprache ist sehr 
langsam, klingt hohl, etwas nasal, oft kreischend, beim Sprechen beobachtet man schnal¬ 
zende, ab und zu glucksende Laute. Das Sprechen ist von zahlreichen Mitbewegungen 
des Kopfes und der Extremitäten begleitet, es klingt kloüig, die Lautbildung ist durch 
dazwischen auftretende unwillkürliche Bewegungen gestört. Bei jeder Erregung nehmen 
die Bewegungen an Zahl und Intensität zu. Es kommt zu zahlreichen Mitbewegungen 
sowohl auf der gleichen wie auf der gegenüberliegenden Seite. Prüfung auf Adiadoeho- 
kinese ist unmöglich, weil immer unwillkürliche Bewegungen dazwischen kommen. Aktive 
Bewegungen flüchtig und unstet. Bei der Aufforderung fest die Hand zu drücken, preßt 
die Patientin die Hand drei- bis viermal unmittelbar hintereinander, dann läßt die Inner¬ 
vation rasch nach und schließlich versagt sie ganz. 

Hochgradige Hypotonie der Rumpf-, Arm- und Rückenmuskeln, sowie der Extremi¬ 
täten. Bei Zielbewegungen deutliches Ausfahren, Gang unsicher, schwankend, breitbeinig, 
beim Versuch sich aus dem Liegen aufzurichten, fliegen die Beine in die Höhe (»Flexion 
combine«). Vestibularapparate in Ordnung. 

Im Laufe des Krankenhausaufenthaltes nimmt die Hypotonie in hohem Maße zu. 
Der Kopf fällt kraftlos hin und her, der Oberkörper sinkt nach vorn zusammen, die 
Oberschenkel liegen nach außen rotiert, so daß der äußere Fußrand die Unterlage berührt. 
Auch die Ataxie steigert sich, so daß das Gehen ganz unmöglich wird; merklich zuneh¬ 
mende Demenz, zeitlich ist Patientin völlig unorientiert, Aufmerksamkeit ist sehr herab¬ 
gesetzt, die Kranke ermüdet leicht, meist euphorische Stimmung, heiter, jedoch sehr 
affektlabil, zuweilen zornig erregt, zänkisch, gerät bei geringer Veranlassung in eine hilf¬ 
lose Wut. Die charakteristischen Bewegungen an den Extremitäten behalten im allge¬ 
meinen einen rasch zuckenden Charakter bei, nur vereinzelt werden langsam drehende 
Bewegungen neben den raschen an der rechten Hand wahrgenommen; die Gesichts¬ 
muskulatur zeigt nach wie vor in den unwillkürlichen Bewegungen eine ausgesprochen 
langsame Beschaffenheit. 

Tod an interkurrenter Pneumonie. Bei der Sektion findet sich makroskopisch eine 
allgemeine Atrophie des Gehirns einschließlich der zentralen Ganglien, die mikroskopi¬ 
sche Untersuchung steht noch aus. 

Zusammenfassung. 

Chronische Chorea ohne Heredität mit rasch zunehmender Demenz. Die 
Bewegungen der Extremitäten zeigen deutlich choreatischen Charakter, sowohl 
was Verteilung, Schnelligkeit und Zuckungen von schleudernder Beschaffenheit 
anlangt, als auch hinsichtlich der Begleitsymptome Ataxie, Hypotonie und 
Mitbewegungen. Im Gesicht und später an der Muskulatur des Stammes, sowie 
vereinzelt an den oberen Extremitäten sind jedoch die Bewegungen von lang¬ 
samerem Charakter. 


Fall 24. Frau Ne. (Leipzig.) 65 Jahre. 

Schwester hat das gleiche Leiden in einem ähnlichen Stadium. Erkrankung begann 
vor etwa zwei Jahren mit Zuckungen, Taumeln und Wackeln, nähere Angaben unmöglich. 
Befund: Herabgesetzter Ernährungszustand, blasse Gesichtsfarbe. Innere Organe o. B. 
Mund zahnlos. Neurol: Pupillen i. O. Augenbewegungen frei, Hirnnerven in Ordnung. 
Reflexe: Hautreflexe Patellarsehnenreflexe lebhaft. Achillessehnenreflexe -J-. Kein 
Babinski. Armreflexe -j-. Keine Sensibilitätsstörung. Lagegefühl intakt. Motilität: 
Starke Bewegungsunruhe des ganzen Körpers, die sich beim Anreden noch steigert: Pat. 
ist sehr schwer dazu zu veranlassen, sich ruhig ins Bett zu legen; abgesehen von den 
unwillkürlich auftretenden Bewegungen äußert Pat. lebhaften Bewegungsdrang, spricht 


Sydenhamsche Chorea und Chorea chronica. 


51 


viel, gestikuliert dabei reichlich. In Bettruhe werden vor allem die Streck- und Beuge¬ 
muskeln der Finger einzeln und zusammen von unwillkürlichen Innervationen befallen, 
dazwischen auch vereinzelte Kontraktionen der Interossei. Ebenso häufig beobachtet 
man Beuge- und Streckbewegungen der Zehen. Dorsalflexionen der Füße, seltener werden 
die Streckbewegungen der Zehen von Spreizen derselben begleitet. Die Zuckungen Bind 
nicht gerade blitzartig aber auch keineswegs langsam, in ihrem Tempo jedenfalls rascher 
als es Willkürbewegungen zu sein pflegen. Die sehr viel seltener auftretenden unwill¬ 
kürlichen Bewegungen in mehr proximal gelegenen Gliedabschnitten sind etwas langsamer, 
wohl entsprechend der größeren Arbeitsleistung, sie erscheinen aber zum Teil dadurch 
noch langsamer, weil die Bewegung auf ihrem Höhepunkt einen Augenblick verharrt, ehe 
sie wieder absinkt. 

Die Bewegungen finden nicht vereinzelt statt, sondern im gleichen Augenblick zuckt 
cs an mehreren räumlich recht weit auseinander gelegenen Teilen des Körpers. 

In fast unaufhörlicher Bewegung ist die Gesichtsmuskulatur, namentlich die Lippen. 
Diese werden meist stark eingezogen und aufeinander gepreßt, dann werden die Lippen 
vorgestülpt und zurückgewälzt, zuweilen der Mund langsam zur Seite verzogen. Der 
Unterkiefer macht ebenfalls langsam mahlende Bewegung, das Kinn wird vorgestreckt. 
Die Zunge kann nur für einen kurzen Augenblick vorgestülpt werden, sie wird nie ruhig 
gehalten, sondern auch im Munde herumgewälzt. Die Sprache ist nicht artikulatorisch 
gestört, sie klingt hohl, schrill. Die Worte werden langsam ausgesprochen, schwere Worte 
sind wegen der immer wieder dazwischen kommenden Mundbewegungen nur mühsam 
auszusprechen und kaum zu verstehen. 

Zum Sitzen aufgefordert, richtet sich die Pat. ohne Schwierigkeit auf, neigt dabei 
Oberkörper und Kopf vornüber. Neben den nun etwas häufiger werdenden oben be¬ 
schriebenen Bewegungen beobachtet man jetzt eine ziemlich lebhafte Beteiligung des 
Rumpfes und der Schultern an den unwillkürlichen Bewegungen. Der Oberkörper pen¬ 
delt in sagittaler Richtung etwas hin und her, die Schultern zucken zuweilen. Der Kopf 
wird bald nach rechts, bald nach links gedreht. 

Gang: kleinschrittig, breitbeinig. Beim Umdrehen leichtes Schwanken. Beide Arme 
werden nach vorn etwas abgespreizt, sie werden nicht mitbewegt, sondern gespannt 
gehalten. Bei Willkürbewegungen jeder Art werden die unwillkürlichen Bewegungen nur 
wenig vermehrt, durch Aufregung werden sie sowohl an Zahl wie auch in ihrem Ausmaß 
gesteigert. Einfache Zielbewegungen wie Finger, Nasen und Kniehackenversuch lassen 
keine besondere Ataxie erkennen, dagegen besteht eine Koordinationserschwerung bei der 
Ausführung feinerer Bewegungen, wie Knöpfen, Sicherheitsnadelöffnen usw. Diese Be¬ 
wegungen erscheinen zum Teil vertrakt, massiv, plump. Die grobe Kraft bei aktiven 
Innervationen ist gut, jedoch von geringer Ausdauer, nur der Händedruck kann, nach¬ 
dem Pat. mehrmals dazu angesetzt hat, längere Zeit ununterbrochen ausgeübt werden. 
Der Gang ist taumelnd, breitbeinig, deutlich ataktiisch. 

Bewegungsfolgen wie Beugen und Strecken der Finger o. B. dagegen bei fortgesetzter 
Pro- und Supination rasches Erlahmen — Andeutung von Adiadochokinese. 

An den Beinen und Armen deutliche Hypotonie, auch die Nacken- und Halsmuskeln 
sind schlaff. Sie unterstützt mit der linken Hand häufig den Hinterkopf, als ob sie ihn 
vor einem Übersinken nach hinten bewahren wolle. 

Stewart Holmessches Symptom negativ. 

Mitbewegungen sowohl homo- wie kontralaterale selten, auch durch starken Kraft¬ 
aufwand kaum auslösbar. Die physiologischen Mitbewegungen beim Gehen z. B. fehlen. 
Nur beim Sprechen kommt es zu Mitbew’egungen der Mundmuskulatur. 

Psychisch: Orientierung leidlich erhalten, Merkfähigkeit ohne wesentliche Störung. 
Schulkenntnisse dem Bildungsgrad entsprechend. Die Urteilsfähigkeit geprüft mittels 
Bildbeschreibung, Sprichworterklärung, Kombinationsfragen usw. erweist sich als recht 
herabgesetzt. In ihrem Affektleben ist sie sehr labil, weint leicht. Erregungszustände 
oder gesteigerte Reizbarkeit sind bis jetzt noch nicht beobachtet. 

Zusammenfassung. 

Bei einer 54jährigen Frau entwickelt sich ziemlich rasch das Bild einer 
Chorea, gekennzeichnet durch zahlreiche unwillkürliche Bewegungen nament- 

4* 



52 


Chorea. 


lieh an den distalen Extremitätenenden. Zahlreiche grimassierende Bewegungen 
im Gesicht, meist von langsameren Ablauf als an den Extremitäten. Deut¬ 
liche Hypotonie der Extremitäten, geringe Ataxie, keine Lähmungen, Gang 
etwas unsicher, Sprache hohl klingend ohne stärkere artikulatorische Ver- 
waschenheit. 

Psychisch affektlabil, urteilsschwach. 

Da die Schwester das gleiche Leiden hat, so handelt es sich hier wohl um 
die familiäre Form. 

Wir finden bei diesen Fällen die Beobachtungen, die Schilder und Stertz 
hinsichtlich des langsamen Charakters der Bewegungen bei der Chorea chronica 
gemacht haben, für das Gebiet der Gesichtsmuskulatur bestätigt, während die 
unwillkürlichen Bewegungen der Extremitäten sich meist rasch und zuckungsartig 
abspielen. Frühere Beobachtungen, die mir nur in kurzen Notizen zur Ver¬ 
fügung stehen, zeigen zum Teil das gleiche Bild, namentlich fielen mir immer 
die langsamen, drehenden Bewegungen der Mundmuskulatur, das Wälzen der 
Lippen gegeneinander und die dadurch bedingte Sprachstörung auf, deren Lang¬ 
samkeit zum Bilde der rasch ablaufenden choreatischen Bewegungen nicht paßt. 
In einem Falle von Kleist und Kieselbach ist auch ein relativ langsamer 
Ablauf sämtlicher choreatischer Spontanbewegungen verzeichnet. (Nicht blitz¬ 
artig!) Hier ist auch keine Schlaffheit der Muskeln nachweisbar. Offenbar sind 
ähnliche langsam ablaufende Bewegungen gemeint, wenn in einem Falle von 
chronischer Chorea geschrieben wird: »die Zuckungen sind choreatisch mit Über¬ 
gang in Athetose« (Hammerstein) oder »sie sind unregelmäßig erfolgende 
Stöße in raschem Wechsel von schleuderndem Charakter, die rechts eine spastische 
Komponente haben.« 

Die übrigen von Schilder angegebenen Unterschiede zwischen dem Sym- 
ptomenbild der chronischen Chorea und der Sydenham sehen kann ich nicht 
bestätigen; namentlich das Unstete, Flüchtige der Innervation, sowie das stärkere 
Hervortreten der Koordinationsstörung ist nach meiner Erfahrung ebenso bei 
der Chorea Sydenham zu beobachten und lediglich abhängig von der Schwere 
der Choreaerkrankung. 

Ich halte aber den langsamen Ablauf der unwillkürlichen Bewegungen bei 
der chronischen Chorea, den ich bei meinen Fällen namentlich an der Gesichts¬ 
muskulatur beobachten konnte, der aber offenbar auch nicht selten die un¬ 
willkürlichen Bewegungen der Extremitäten charakterisiert, für so wesentlich, 
daß mir die Frage berechtigt erscheint, ob die Bewegungsstörung unter diesen 
Umständen überhaupt noch die Bezeichnung einer echten Chorea verdient, bei 
der ja gerade das blitzartige der Zuckungen ein wichtiges Moment bildet. 

Vom klinischen Standpunkt aus ist im übrigen zweifellos eine große 
Ähnlichkeit mit den von Foerster analysierten Symptomen der Chorea 
minor vorhanden; es fragt sich daher, können diese Unterschiede nicht etwa 
sekundär bedingt sein durch besondere Nebeneigenschaften der chronischen 
Chorea. Stertz weist darauf hin, daß die Wirkung der choreatischen Impulse 
verschieden ausfallen muß, je nach dem Widerstand, den sie finden; d. h. an¬ 
gewendet auf die in Rede stehenden Symptome : je nach dem Grade der Hypotonie. 
In dieser Beziehung ist vielleicht der vorher beschriebene Fall chronischer 
Chorea lehrreich; hier zeigten die Zuckungen an den Extremitäten nicht den 


Sydenhamsche Chorea und Chorea chronica. 


53 


langsamen Charakter, sondern sie erfolgten blitzartig und rasch, es bestand 
aber auch eine beträchtliche Hypotonie, die bei anderen Fällen chronischer 
Chorea offenbar vermißt wird. (Stertz usw.) Ist nun das Fehlen der Hypotonie 
an den Extremitäten schuld an der Veränderung der choreatischen Bewegung, 
so wäre zu erwägen, ob man sich die Verlangsamung der unwillkürlichen Ge¬ 
sichtsbewegungen bei der chronischen Chorea nicht etwa durch eine gleichzeitig 
vorhandene Erschwerung der mimischen Bewegungen erklären kann, die ihrer¬ 
seits eine anatomische Ursache haben müßte. Zu denken gibt in dieser Hin¬ 
sicht der Befund von C. und 0. Vogt, der bei progressiver Chorea bilateralis 
eines Status fibrosus, d. h. eine elektive Nekrose der Ganglienzellen des Striatum 
bei weitgehendem Erhaltensein der Markfasern gefunden hat. Wir wissen nun von 
anderen Erkrankungen, daß Schädigungen des Striatum unter Umständen eine 
Hypertonie hervorrufen können, und daß dadurch oft eine Erschwerung, Ver¬ 
armung und Verlangsamung der Bewegungen, darunter auch der mimischen, er¬ 
zeugt wird; sollte die so entstandene Hypertonie nicht geeignet sein, den Ablauf 
der choreatischen Spontanbewegungen zu beeinflussen? Es ist ohne weiteres einzu¬ 
sehen, daß eine choreatische Zuckung, die sich in einem rigiden, schwer ansprech¬ 
baren Muskel abspielt, langsamer ausfallen muß, als wenn sie in einem Muskel von 
normalem oder subnormalem Tonus vor sich geht. Sie muß ihren Zuckungs¬ 
charakter verlieren, denn nicht nur die Innervation sondern auch die Ent¬ 
spannung des befallenen Muskels erfolgt langsamer, träger. Hierzu passen auch 
sehr gut die anatomischen Befunde eines Falles von Huntington’scher Chorea 
durch Kleist und Kieselbach, in dem u. a. Putamen und Schwanzkern von 
den krankhaften Veränderungen befallen waren und zwar waren hier diese 
Veränderungen stärker als im Globus pallidus. Ähnliche Ergebnisse hatten 
die anatomischen Untersuchungen einschlägiger Fälle von Alzheimer, Jel- 
gersma, Marie und L’Hermitte, Pfeiffer, Kalthoff und Ranke. In all 
diesen Arbeiten sind die verschiedenen Teile des Linsenkernes jedoch nicht 
immer auseinander gehalten. 

Meiner Ansicht nach sind die im Linsenkern lokalisierten krankhaften Ver¬ 
änderungen nicht unbedingt für die Entstehung der charakteristischen 
Spontanbewegungen verantwortlich zu machen, sondern dafür, daß die chorea¬ 
tische Bewegung in ihrer Art und Weise modifiziert, d. h. in ihrem 
Zuckungscharakter verlangsamt wird. 

Für die Entstehung der choreatischen Bewegung selbst würden dagegen 
anders lokalisierte, in den daraufhin untersuchten Fällen oft gefundene ana¬ 
tomische Veränderungen in Betracht zu ziehen sein, und zwar kommen dabei 
in erster Linie Herde in Frage, die der Bahn: Kleinhirn—Bindearm—roter 
Kern angehören. Bei den Vogtschen Fällen fehlen Veränderungen in den 
Bindearmen, dafür fand sich regelmäßig eine Affektion (Verkleinerung) des 
Corpus Luys, ein Befund der angesichts eines Falles von choreatischer Be¬ 
wegungsstörung bei einer Blutung im Corpus Luys (Fischer) vielleicht von 
Bedeutung für die Chorea sein könnte. Wie wir aus anderen Fällen sympto¬ 
matischer Chorea wissen 1 ), sind Herde im Bindearm System bei Chorea ge- 


*) Um diese Frage hier besprechen zu können, müssen einige Resultate aus dem 
Abschnitt über symptomatische Chorea hier vorweggenommen werden. 



54 


Chorea. 


fanden worden, und daher besteht die Möglichkeit, auch bei der chronischen 
Chorea die eigentlichen choreatischen Bewegungen auf Veränderungen in diesen 
Gebieten zu beziehen; dagegen wären die Veränderungen im Bereiche des 
Corpus striatum (Putamen + Nucleus caudatus) nur für die Modifikation der 
choreatischen Bewegungen verantwortlich zu machen. 

Pierre Marie und L’Hermitte erkennen die Bindearmtheorie ebenso 
wie C. und O. Vogt nicht an, auf Grund ihrer anatomischen Untersuchungen 
von 4 Fällen chronischer Chorea; sie suchen die charakteristischen Verände¬ 
rungen dieser Erkrankung in einer Kombination von Degenerationen in der 
Rinde und im Corpus striatum. Im besonderen führen sie die choreatische 
Bewegungsstörung auf die Striatumläsion zurück, sich hier Kölpin, Als¬ 
heim er und Kleist anschließend. (In zwei Fällen waren übrigens auch 
Kleinhirn Veränderungen vorhanden, wenn auch geringen Grades; ob bei den 
für den 3. Fall beschriebenen Thalamusveränderungen Stellen betroffen sind, 
die ähnlich wie bei Lewandowsky und Stadelmann als Endigungen der 
Bindearmbahn angesehen werden könnten, geht aus der Arbeit nicht hervor.) 

Die Verfasser suchen ihre Ansicht zu stützen durch Vergleiche mit der 
Wilsonschen Krankheit und dem Vogt sehen Status marmoratus. Dagegen 
ist zu bemerken, daß Wilson ausdrücklich betont, daß bei seinen Fällen von 
Linsenkernerkrankungen nie choreatische und athetotische Bewegungen vor¬ 
gekommen seien. Bei dem Vogt sehen Status marmoratus sind allerdings 
athetotische Bewegungen beobachtet worden; dies erscheint mir jedoch keines¬ 
wegs für alle Fälle gesichert (s. oben). Pierre Marie und L’Hermitte 
machen sich selbst den Ein wand, daß bei dem Vogt sehen Falle nur atheto¬ 
tische Bewegungen beobachtet sind, erledigen ihn aber damit, daß sie keinen 
Gegensatz zwischen der Bewegungsstörung der Chorea und der Athetose an¬ 
nehmen. Sie betonen dabei, daß viele Kliniker nicht imstande seien, die 
Bewegungen der Chorea Huntington von den athetotischen zu unter¬ 
scheiden, weil die Bewegungen in bezug auf ihre Langsamkeit und ihre 
Amplitude den athetotischen ähnlich seien. Man sieht auch hier, daß die 
Langsamkeit choreatischer Bewegungen der chronischen Chorea zu Verwechs¬ 
lungen mit der Athetose geführt hat. Ich halte es aber nicht für richtig, 
aus dem Umstand, daß bei der chronischen Chorea die Bewegungsstörung in 
der Tat durch die Langsamkeit eine gewisse Ähnlichkeit mit der Athetose 
bekommt, schließen zu wollen, choreatische und athetotische Bewegungen 
seien nicht zu unterscheiden. Namentlich darf man nicht, zum Beweis für 
eine derartige Annahme, Formen von Chorea heranziehen, bei denen die 
choreatische Bewegungsstörung nicht rein und nicht ganz charakteristisch ist. 
Die von Pierre Marie und L’Hermitte hervorgehobenen Befunde stehen 
jedenfalls nicht im Gegensatz zu meiner Erklärung, daß es sich bei der 
chronischen Chorea um modifizierte choreatische Bewegungen handelt, die 
ihren ursprünglichen Charakter unter dem Einfluß Hypertonie verursachender 
Schädigungen des Striatums eingebüßt haben. 

Es wird bei künftigen, klinischen und anatomischen Untersuchungen dar¬ 
auf zu achten sein, ob einer solchen Modifikation der choreatischen Bewe¬ 
gung bei der chronischen Chorea auch Unterschiede anatomischer Befunde 
zugrunde* liegen. Insbesondere müßte man dann erwarten, daß in Fällen 



Symptomatische Choreaformen. 


55 


chronischer Chorea mit raschen Zuckungen an den Extremitäten und lang¬ 
samem Ablauf der unwillkürlichen Bewegungen im mimischen Gebiet, die 
Teile des Striatums in erster Linie befallen sind, welche mit den motorischen 
Funktionen dieses letzteren Gebietes zu tun haben, also die oralen Partien 
<C. und 0. Vogt). 

Man wird bei genauer klinischer Untersuchung die Bewegungen der 
chronischen Chorea nicht immer einheitlich finden. So gibt es Fälle mit 
ganz langsamen Spontanbewegungen, bei denen die Hypotonie nicht in die 
Erscheinung tritt, Fälle, bei denen nur die unwillkürlichen Bewegungen der 
Gesichtsmuskulatur langsameren Charakter tragen, während die Körpermus¬ 
kulatur rasche Zuckungen aufweist und ausgesprochen hypotonisch ist, auch 
gibt es Fälle, die neben den raschen Gliederzuckungen langsam schraubende 
Bewegungen im Gebiet der Stammmuskeln zeigen. Nach meiner Ansicht 
sind in diesen Fällen Erkrankungen im Gebiet des Striatum eventuell auch im 
Pallidum zu erwarten, die für sich allein Rigor hervorrufen würden. Bei der 
gleichzeitig vorhandenen Chorea kommt der Rigor bzw. die Bewegungs¬ 
erschwerung aber nicht voll zur Geltung, sondern ist nur imstande, den Ab¬ 
lauf der choreatischen Bewegungen zu beeinflussen, d. h. sie langsamer zu 
gestalten und gleichzeitig die eigentlich zu erwartende choreatische Hypotonie 
zu kompensieren. 

Auf Grund dieser Betrachtung komme ich zu dem Schluß, daß sich die 
Bewegung der chronischen Chorea von der echten choreatischen Bewegung 
nicht in ihrem Wesen unterscheidet, sondern nur durch die Beimengung eines 
offenbar — striären — Symptoms ein verändertes Aussehen erhält; diese Ver¬ 
änderungen sind aber rein sekundärer Natur und treffen nicht das Wesen 
der choreatischen Störung 1 ). 

Ähnliche »unreine« choreatische Bewegungen konnte ich bei Enzephalitis¬ 
fällen beschreiben; auch hier handelt es sich pathologisch-anatomisch wahr¬ 
scheinlich um Herde in verschiedenen Himteilen, deren jeweilige Ausfalls¬ 
erscheinungen sich gegenseitig beeinflußten. Inwieweit man derartige Misch¬ 
formen noch als choreatische bezeichnen darf, muß von Fall zu Fall ent¬ 
schieden werden. 

3. Symptomatische Choreaformen. 

Wenn die choreatische Bewegungsstörung nicht das Wesen einer Erkran¬ 
kung ausmacht, wie z. B. bei der Chorea Sydenham, sondern als Symptom 
andersartiger Erkrankungen auftritt, so spricht man- v©a »symptomatischer 
Chorea. Wir haben hier zu unterscheiden, die.:bei * groben HirnhVidbn auf¬ 
tretenden choreatischen Bewegungsstörungen; die Chorea als »Herdsymntom« 
und die bei mehr diffusen Hirnerkrankungen (Enzephalitis usw.) beobachteten* 
Fälle choreatischer Bewegungsstörung. » * v V 

Bedauerlicherweise sind ein großer Teil dt>r als symptomatische Chorea 
beschriebenen Erkrankungen nicht oder nur mit J^inküiränkungen verwendbar, 
weil sie nicht immer genügend oder mehrmals überhaupt iweht vcm def.Athe- 

x ) Ob derartige sekundäre Veränderungen, wie sie die Verlangsamung der ursprünglich 
rasch ablaufeneen choreatischen Spontanbewegung bedeutet, auch auf andere Weise zu¬ 
stande kommen könne, bleibe dahingestellt. 




50 


Chorea. 


tose unterschieden sind, ein Mangel, auf den Bonhoeffer schon 1897 hin¬ 
wies und der leider alle Theorien, die sich auf Fälle der Literatur stützen, 
in ihren Resultaten beeinflussen muß. 

Die bei groben Hirnherden beobachteten choreatischen Erkrankungen 
lassen hinsichtlich ihrer Lokalisation zwei Untergruppen unterscheiden: Bei 
der ersten handelt es sich um Herde im Linsenkern und im Thalamus opticus, 
und bei der zweiten um Läsionen im engeren Bereich der Bahn Kleinhirn — 
Bindearm—roter Kern. 


I. Untergruppe: 

Ein Fall von Anton zeigte eine symmetrische Erkrankung des Putamens 
beiderseits, die Linsenkernschlinge links war stark reduziert. Klinisch hatte 
eine allgemeine Chorea bestanden, die besonders bei Bewegungsversuchen in 
die Erscheinung trat. 

Ich glaube, daß die Diagnose »Chorea« nach dem heutigen Stand nicht 
mit Sicherheit aufrecht erhalten werden kann: Nicht choreatisch ist es, wenn 
Anton von »spasmodischen« Bewegungen spricht; er gibt selbst zu, daß 
neben choreatischen auch athetotische Bewegungen vorhanden gewesen sind. 
Es ist meines Erachtens leicht möglich, daß dieser Fall überhaupt als eine 
Athetose aufzufassen ist, zumal da die Erkrankung schon im 9. Lebens¬ 
monat begonnen hat. Ganz besonders spricht dafür das Grimassieren, die 
Überstreckbarkeit der Gelenke und die zahlreichen Mitbewegu ngen. 
Der Fall besitzt dabei Ähnlichkeit mit den von Vogt beschriebenen Erkran¬ 
kungen. Über das Verhalten der Reflexe ist in der Krankengeschichte nichts 
Näheres mitgeteilt. 

Bei zwei Fällen posthemiplegischer Chorea von Greif fand man ver¬ 
schiedene Herde im Gehirn. Im ersten Falle im Kleinhirn an der Basis 
des Occipitallappens am Thalamus opticus (einhergehend mit Schmerzen). Im 
zweiten Falle wurden Herde in der Hirnrinde und in der Brücke festgestellt. 
Es läßt sich in diesem Falle schwer sagen, was die Ursache für die chorea¬ 
tische Bewegung gewesen ist. 

Bei Fällen von Gowers und Raymond zeigte Bonhoeffer, daß hier 
der Sehhügel nicht allein ergriffen war, sondern das immer die Rotekern¬ 
strahlung mit betroffen zu sein schien. 

Ein Fall von Chorea paralytica Kastans läßt sich für die Lokalisation 
der Chorea nicht verwenden, da außer einem Erweichungsherde, der die 
innere Kapsel* -den* Linsenkern und die graue Substanz des Hypothalamus 
einnabcn** k noch' diffuse renzephahtische Veränderungen vorhanden waren, 
/^ßpflerte Herde im Thalamus^hei Chorea oder Hemichorea sind nur wenige 
\bekannt; jedoch .erwähnt; Oppenheim in seinem Lehrbuch einen Fall von 
Solitartulbprier-tles Thalamus mit gekreuzter Hemichorea, einen Fall bilateraler 
Chorea bei einem großen Thajamustumor rechts, sowie einen linksseitigen 
Thälaipustumor jgijt g rechtsseitigen Pyramidensymptomen und rechtsseitiger 
Hetaidyutear, '‘pg/U.ppejiheiin aber in diesem Zusammenhang Hemichorea 
und Hemiafbetöse gemeinsam bespricht, geht nicht einw r andfrei aus den 
Fällen hervor, ob es sich um Chorea oder Athetose gehandelt hat (Vgl. auch 
später die Bemerkung über das Thalamussyndrom). 



Symptomatische Choreaformen. 


57 


In einem Falle von Le wando wsky und Stadel man n wurde bei klinisch 
einwandfreier Chorea ein Herd in der lateralen Kernmasse des Thalamus ge¬ 
funden, einer Stelle, die von den Verfassern als Endigung der Bindearm-Bahn 
angenommen wird. Außerdem ist aber an dem Herde noch beteiligt die 
vom roten Kern ausgehende Haubenstrahlung und ein nicht unerheblicher 
Teil des hinteren Schenkels der inneren Kapsel. Lewandowsky ventiliert 
die Frage, ob nicht eine hier zur Rinde ziehende Fortsetzung der Bindearm- 
Thalamusbahn etwas mit der Chorea zu tun haben könne. Er berichtet 
weiter über einige Fälle aus der französischen Literatur, die mir im Original 
nicht zur Verfügung stehen, in welchen bei einer apoplektisehen Chorea Herde 
im Thalamus gefunden worden waren. In einem Falle war auch ein Teil der inneren 
Kapsel mit betroffen, und Lewandowsky nimmt an, daß reine Thalamus¬ 
herde nur insofern Chorea hervorrufen können, als sich dabei um Schädi¬ 
gungen in der Endigung der Bindearmbahn handelt. 

Ein Fall von Fischer geht einher mit linksseitigem heftigem Hemiballismus, 
ein Erkrankung, die der Verfasser als eine Choreaform auffaßt. Nach 4 Tagen 
kam der Erkrankte zu Tode, und es fand sich neben alten oberflächlichen 
Rindendefekten an Stirn- und Kleinhirn, eine kleine Blutung, die das Corpus 
subthalamicum rechts umfaßte. Eine ganz ähnliche Erkrankung beschreibt 
Economo. Hier handelt es sich um eine apoplektiform aufgetretene links¬ 
seitige Hemiparese mit Hemichorea. Autoptisch fand sich eine Blutung, welche 
die Substantia nigra und das Corpus subthalamicum zerstört hatte. Ebenfalls 
affiziert war dabei noch der ventrale Thalamuskern. Fischer betrachtet diese 
beiden Fälle als Bestätigung der Bonhoeffersehen Bindearmtheorie, obwohl 
das Corpus subthalamicum nicht eigentlich zum Bindearmsystem gehört. Immer¬ 
hin sind nahe örtliche Beziehungen zwischen beiden Gebilden gegeben, über 
Beziehungen des Corpus Luys zum Bindearmsystem ist meines Wissens bis 
jetzt nichts sicheres bekannt. 


II. Untergruppe. 

Die letzten Fällen weisen bereits Beziehungen auf den zu dem Bindearmsystem 
und fallen somit in die II. Untergruppe symptomatischer Chorea mit Herden 
im Bindearmsystem. Hierher gehören vor allem die Fälle von Bonhoeffer und 
Kleist-Bremme. Bei beiden handelt es sich um klinisch einwandfreie Fälle 
von choreatischer Bewegungsstörung. Es fanden sich bei der Sektion Karzinom¬ 
metastasen an der Bindearmkreuzung bzw. im Bereich des einen Bindearmes. 
Erwähnt sei gleich, daß in dem Fall von Bremme auch das linksseitige Corpus 
subthalamicum zerstört war, ohne daß Bremme ihr für die Erklärung der 
Chorea eine Bedeutung zukommen läßt. 

Der Einwand, daß Tumoren wegen der Verdrängungserscheinung sich zur 
exakten Feststellung von Lokalisationen wenig eignen, trifft für den Bon¬ 
hoeff er sehen Fall in verhältnismäßig geringem Maße zu, da der Tumor sehr 
klein war und nicht selbst die Todesursache darstellte. Auch war es günstig, 
daß der Hauptherd ganz im Gebiet der Bindearme lag und nur an einer Stelle 
die Substantia nigra mit einbezog. Dagegen handelt es sich nicht nur um einen 
Herd, sondern um mehrere. Von den im Bereich der Bindearmbahn liegenden 
Herden berührte einer außerdem noch die Schleife, ferner fand sich einer im Stirnhirn. 



58 


Chorea. 


In dem B rem ineschen Fall liegen die Verhältnisse weniger günstig. 
Erstens handelte es sich um einen weit größeren Tumor bzw. Tumormetastase, 
der ebenfalls nicht isoliert geblieben war, sondern es fand sich noch im Corpus 
subthalamicum und im Forelschen Haubenfelde H 2 eine erbsengroße Metastase, 
die auch Fasern der inneren Kapsel und einen Teil Linsenkernschlinge mit 
zerstörte; außerdem war auch ein Teil der Substantia nigra und eine nicht 
unerhebliche Partie der Substantia reticularis rechts mit beteiligt. Ferner war 
der rechte Fasciculus longitudinalis posterior in der Vierhiigelgegend nach links 
und oben verdrängt. Endlich fand sich noch eine Metastase im Kleinhirnmark 
selbst. Ein großer Teil dieser Metastasen weist allerdings Beziehungen zum 
Bindearmsystem auf, nur läßt sich keine exakte Lokaldiagnose anstellen, immerhin 
fallen gerade diese beiden Fälle für eine eventuelle Lokalisation der choreatischen 
Bewegungsstörung mit am meisten ins Gewicht. 

Ein Fall von Muratow (Zysten im Kleinhirn mit sekundärer Degeneration 
des Bindearms und des roten Kerns) scheint mir klinisch keine einwandfreie 
Chorea dargeboten zu haben. 

Weniger beweisend für die Bon hoe ff er sehe Bindearmtheorie ist der Fall 
von Halban und Infeld, weil auch hier Athetose und Chorea nicht einwand¬ 
frei unterschieden sind. Bei der Sektion fand sich eine Zerstörung des roten 
Kerns mit der ihn umgebenden Faserung. 

Marie und Guillon fanden ebenfalls einen Herd in der Gegend des rechten 
roten Kernes, der linke Bindearm und das rechte hintere Längsbündel waren 
atrophisch; ebenso die rechte zentrale Haubenbahn und der linke Nucleus 
dentatus. Die Substantia reticularis fehlte fast völlig. Wegen der multiplen 
Herde bildet dieser Fall keinen Beweis für die Bindearmtheorie; jedenfalls 
spricht er aber nicht gegen sie, da eine starke Schädigung gerade auch in 
diesem Gebiet vorhanden war. 

Überblicken wir die hier kurz erwähnten Fälle von Chorea bei groben Hirn¬ 
herden, so scheinen mir die Fälle von Bonhoeffer, Bremme, sowie der von 
Lew f andowsky und Stadelmann, klinisch einwandfreie Choreaformen zu sein. 
Dementsprechend haben auch die hier erhobenen anatomischen Befunde am 
meisten Anspruch darauf eventuell als anatomische Grundlage choreatischer 
Bewegungen angesehen zu werden. Leider sind sie nicht so einheitlich, wie 
man es wohl wünschte. Immerhin lassen sich Beziehungen zum Bindearm¬ 
system auch bei dem Le wand owsky sehen Falle nach weisen, so daß auch dieser 
Fall zum mindesten nicht gegen die Bindearmthorie spricht. 

Ferner gibt es Fälle, wo nicht ein Herd im Bindearmsystem selbst, sondern 
einer in seiner Umgebung bei choreatischen Bewegungsstörungen gefunden worden 
ist. Hierher gehören vielleicht die bei Untergruppe I erwähnten Beobachtungen 
von Fischer und Economo. 

Einwandfreie Fälle symptomatischer Chorea, bei denen choreatische Be¬ 
wegungen auf Herde im Striatum allein zurückzuführen sind, habe ich nicht 
finden können. Die bei der chronisch-progressiven Chorea vorkommenden 
Striatumherde sind fast nie die einzigen nachgewdesenen anatomischen 
Veränderungen und brauchen daher auch nicht allein, oder unter Umständen 
überhaupt nicht für die Entstehung der choreatischen Bewegungsstörungen 
in Anspruch genommen zu werden, wohl aber mögen sie, wie oben ausgeführt 


Symptomatische Choreaformen. 


59 


wird, von Bedeutung sein für die Modifizierung der choreatischen Bewegungen, 
nämlich für das Langsamer- und Trägerwerden der choreatischen Zuckungen. 

Daß immer wieder Verwechslungen zwischen Athetose und Chorea Vor¬ 
kommen, liegt sicher zum Teil an dem veränderten Charakter der choreatischen 
Bewegungsstörungen bei der chronischen Chorea, und die bei diesen und anderen 
unreinen Formen oft nachgewiesenen Veränderungen im Corpus striatum wurden 
daher als pathologisch-anatomische Grundlage für die choreatischen Bewegungen 
angesehen. Sie kommen jedoch, wie ich zu zeigen versucht habe nur für die 
Umgestaltung der choreatischen Spontanbewegung in Betracht, für ihre Aus¬ 
lösung muß man andere Herde, vielleicht solche in der Bindearmgegend, viel¬ 
leicht in dem Gebiet des Corpus Luys annehmen, soweit überhaupt eine Herd¬ 
lokalisation der Chorea möglich erscheint. 

Zu besprechen ist in diesem Zusammenhang noch das von De j er ine auf¬ 
gestellte und von Roussie erweiterte Thalamussyndrom, das vorwiegend 
auf Erkrankungen des äußeren Thalamuskernes beruhen soll. Das Syndrom 
setzt sich zusammen aus einer meist geringradigen schlaffen, ohne Pyramiden¬ 
zeichen einhergehenden Parese, einer Hemi-Anaesthesie mit heftigen Schmerzen 
derselben Seite, leichter Hemiataxie, sowie Hemichorea oder Hemiathetose, zu¬ 
weilen werden auch Blasenstörungen beobachtet. 

Uns interessiert in diesem Zusammenhang vor allem die Hemichorea und 
die Hemiathetose. 

Schon der Umstand, daß die beiden Symptome hier als gleichbedeutend 
gebraucht w r erden, scheint mir dafür zu sprechen, daß die motorischen Er¬ 
scheinungen in solchen Fällen nicht genau festgestellt wurden, eventuell daß 
es sich um keine von beiden Bewegungen gehandelt hat. Ich möchte auf 
Grund eigener Beobachtungen das Letztere als das Wahrscheinlichste annehmen; 
so sah ich bei zwei Fällen mit ausgesprochenem Thalamussyndrom (1 Tumor, 
1 Paralyse), Bewegungen an den Händen, die weder als choreatische, noch als 
athetotische Bewegungen zu deuten waren, vielmehr eine gewisse Ähnlichkeit 
mit Zitterbewegungen, vielleicht etwas unregelmäßiger als solche aufwiesen. 

Als II. Hauptgruppe symptomatischer Choreaformen kommen die bei der 
Encephalitis epidemica beobachteten choreatischen Bilder in Betracht. Was die 
klinische Erscheinung anlangt, so finden wir zweifellos große Ähnlichkeit mit 
der Chorea Sydenham; aber auch abgesehen von den bei der Enzephalitis¬ 
epidemie so häufigen Augenmuskelstörungen und ähnlichen Begleiterscheinungen 
lassen eine Reihe kleiner Abweichungen dieser Choreaform klinisch eine gewisse 
Sonderstellung einräumen. 

Wie ich in einer klinischen Mitteilung darzustellen versucht habe, mischen 
sich bei den Bildern der hyperkinetischen Enzephalitis mancherlei Symptome 
und Syndrome miteinander. Recht oft findet man neben echten choreatischen 
Zuckungen myoklonische, d. h. Zuckungen, die sich von den choreatischen in 
den meisten Fällen dadurch unterscheiden lassen, daß sie ohne Bewegungs¬ 
effekt einhergehen, mit Vorliebe Muskeln befallen, die willkürlich nicht allein 
bewegt werden können, manchmal sich auf Teile von Muskeln beschränken. 
In einem anderen Falle sind die blitzartigen choreatischen Zuckungen kombi¬ 
niert mit langsam drehenden Kontraktionen, die an Torsionsspasmus oder auch 



60 


Chorea. 


Tetanus erinnern. Stertz beschreibt ähnliche Beobachtungen und vergleicht 
hier die Zuckungen wegen ihrer langsamen Art und wegen ihres wechselnden 
Charakters mit der Huntingtonschen Chorea. In einem Falle meiner Beob¬ 
achtung entwickelten sich ziemlich typische Choreabewegungen, die zuerst mit 
psychomotorischen Parakinesen eine unverkennbare Ähnlichkeit hatten. Aber 
auch die schließlich zustande gekommene choreatische Bewegung änderte ihren 
zunächst typischen Charakter ziemlich rasch und kombinierte sich mit Erschei¬ 
nungen anderer Motilitätsstörungen. 

Bei genauer Beobachtung wird man leicht bei vielen dieser Enzephalitiden 
Abweichungen vom Bilde der echten Chorea finden können. Hinsichtlich ihrer 
Lokalisation bevorzugten die enzephalitischen Erscheinungen im wesentlichen den 
Hirnstamm. Es fanden sich jedoch auch Veränderungen in anderen Gebieten. 

Für die Lokalisationen der choreatischen Bewegungsstörung läßt sich daher 
meines Erachtens aus dem Befunde der Enzephalitis nichts Wesentliches ge¬ 
winnen. Die Lokalisation der von mir erhobenen histologischen Veränderungen 
spricht nicht gegen die Möglichkeit einer Bindearmchorea, bringt aber auch 
keinen sicheren Beweis dafür, d. h. wir finden wohl Schädigungen in der Binde¬ 
armgegend bei Enzephalitiden mit choreatischen Bildern, aber ebensolche auch 
bei Symptomenbildern, die mehr Ähnlichkeit mit Myoklonie aufweisen; es sind 
andererseits ähnliche lokalisierte Befunde erhoben worden bei Encephalitiden, 
die ohne derartige Bewegungsstörungen einhergegangen waren. 

Klarfeld hat bei vier Fällen von enzephalitischer Chorea, über deren kli¬ 
nische Beschaffenheit keine nähere Beschreibung vorhegt, recht verschieden 
lokalisierte Veränderungen nachgewiesen, die zum Teil nur in entferntere ört¬ 
liche Beziehungen mit dem Bindearmsystem zu setzen waren. Klarfeld hebt 
hervor, daß bei der gleichen Verteilung histologischer Veränderungen chorea¬ 
tische Erscheinungen auch vermißt werden können. In einem vierten Falle 
konnte Klarfeld überhaupt keine entzündlichen Veränderungen nachweisen, 
und gerade hier hatten besonders schwere klinische Erscheinungen chorea¬ 
tischer Art bestanden, so daß auch die Qualität des pathologischen Prozesses 
sicher nicht für die Entstehung des Symptombildes der Chorea verantwortlich 
gemacht werden kann. 

Die in allen vier Fällen Klarfelds vorhandenen Degenerationsprozesse im 
Ammonshorn sind ebenfalls nicht für die Lokalisationsfrage zu verwerten, da 
dieses Gebilde auch sonst nicht selten bei infektiösen oder anderen Gehirn- 
erkrankungen in gleicher oder ähnlicher Weise beteiligt ist. 

Zu erwägen wäre noch die Frage, ob vielleicht gerade dem Nebeneinander¬ 
hergehen entzündlicher und degenerativer Prozesse im Gehirn eine Rolle für 
die Entstehung choreatischer Bewegungen zuzuschreiben ist. Erwähnenswert 
sind in dieser Hinsicht auch die Fälle von Kreutzfeld und Stern, die beide 
ebenfalls das Nebeneinanderhergehen dieser histologischen Veränderungen be¬ 
tonen; dieselbe Kombination kommt jedoch auch bei Fällen epidemischer En¬ 
zephalitis vor, die mit anderen klinischen Erscheinungen verknüpft sind. 

Für die Chorea gravidarum fehlen mir ausgedehntere eigene Beobachtungen. 
Die Bewegungsstörung unterscheidet sich offenbar nicht von der der gewöhn¬ 
lichen Choreaformen. Der Umstand, daß die Erkrankung in den meisten Fällen 
mit Beendigung der Schwangerschaft aufhört, läßt sie wohl als echt toxische 



Pathophysiologische Bemerkungen. 


61 


erscheinen, die nach Beseitigung des schädlichen Agens abheilt. In einzelnen 
Fällen hat man bei jeder neuen Gravidität einen erneuten Schub des Leidens 
beobachtet (in einem mir bekannten Falle neunmal!). Ob hier eine besondere 
Disposition anzunehmen ist, bleibe dahingestellt. 


4. Pathophysiologische Bemerkungen. 

Besteht nun die Möglichkeit, die verschiedenen Formen der Chorea, so¬ 
wohl die beiden Krankheitsbilder sui generis, als auch die drei verschiedenen 
Formen symptomatischer Chorea, und endlich die mehr rein toxisch bedingte 
Form der Chorea gravidarum, unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu be¬ 
trachten, dadurch, daß man das Wesen der vorhandenen Bewegungsstörung 
einer theoretischen Anschauung unterordnet. Daß die Bewegungsstörungen der 
Chorea Sydenham und der Chorea chronica trotz äußerer Verschiedenheit in 
ihren Grundzügen übereinstimmen, wurde oben schon zu zeigen versucht. Ge¬ 
wisse Ähnlichkeiten kehren bei allen übrigen symptomatologischen Formen 
wieder, wenngleich auch hier fremde Beimischungen und Kombinationen mit 
anderen Symptomen vorhanden sein können. 

Von vornherein kann betont werden, daß offenbar die Art des Krankheits¬ 
prozesses nicht von ausschlaggebender Bedeutung für das Zustandekommen 
der Erkrankung sein kann, denn wir sehen den Symptomenkomplex auf treten 
bei Infektionen, bei Intoxikationen, ferner bei groben Herderkrankungen. Wir 
müssen also wohl der Lokalisation der Schädigungen für mindestens einen Teil 
der Fälle eine recht wesentliche Rolle beimessen. Ferner ist noch mit der Inten¬ 
sität des betreffenden Krankheitsprozesses zu rechnen, sowie mit der Möglichkeit, 
daß mehrere Komponenten zugleich zur Entstehung der Erkrankung notwendig 
sind. Weiter wäre mit in Betracht zu ziehen, ob nicht eine besondere Anlage 
der befallenen Persönlichkeiten eine gewisse Rolle spielt. Die meisten Theorien 
über das Zustandekommen der choreatischen Bewegungsstörungen sind mit der 
Lokalisationsfrage verknüpft. Die erste Theorie ist die von Kahler und Pick 
1878 aufgestellte Lehre, die choreatische Bewegung sei als eine Reizerschei¬ 
nung der Pyramidenbahn aufzufassen. Diese konnte sich aber vor allem des¬ 
halb nicht halten, weil eine Störung der Pyramidenbahn an anderer Stelle als 
in der Gegend des Mittelhirns nie zu Chorea führt. Von C har cot und an¬ 
deren französischen Autoren wurde die Läsion eines bestimmten Faserzuges 
im Stabkranz und in der inneren Kapsel, der »faisceau hemichoreique« für die 
Entstehung der Chorea verantwortlich gemacht. Gowers nahm, wie schon er¬ 
wähnt, eine Erkrankung des Sehhügels als Ursache für die Chorea an. 

Als erster führt Anton die Chorea auf eine Enthemmung zurück und faßt 
sie als eine extrapyramidale, motorische Störung auf. Er gibt auf Grund seiner 
oben schon zitierten Beobachtung an, daß durch die Erkrankung der in seinem 
Falle schwer degenerierten Putamina, eine von diesen Organen normalerweise 
ausgeübte Hemmung auf die motorischen Haubenbahnen wegfalle, und so einer 
unwillkürlichen Bewegung freie Bahn geschaffen werde. Bonhoeffer nahm 
dagegen an, daß die choreatische Bewegung auf einer Regulationsstörung be¬ 
ruhe; diese Regulationsstörung sollte so zustande kommen, daß bewegungs¬ 
regelnde, unbewußt ablaufende Impulse vom Kleinhirn zum Großhirn wegen 



62 Chorea. 

einer im Bindearmsystein erfolgten Schädigung nicht ihr Ziel in der Großhirn¬ 
rinde erreichen, sondern entweder ganz verloren gehen oder kurzschlüssig in 
die motorischen Haubenregionen überfließen. 

Namentlich auch die auffallende Hypotonie bei der Chorea führt Bon- 
hoeffer auf einen Ausfall des Kleinhirneinflusses zurück. 

An diese Theorie Bonhoeffers knüpften die meisten Autoren an, und es 
existiert eine ganze Reihe von Untersuchungen, die diese Annahme auch ana¬ 
tomisch zu stützen scheinen. 

Etwas abweichend ist die Theorie Niessl v. Mayendorfs, der sich auf 
Grund von Untersuchungen eines Falles chronischer Chorea zu der Annahme 
bekennt, daß die Erkrankung einer von den Zentralwindungen ausgehenden 
zentrifugalen Bahn, die Linsenkern und roten Kern berührt, choreatische Be¬ 
wegungen veranlassen kann. In einer späteren Arbeit faßt er die choreatischen 
Zuckungen ihrem Wesen nach als unzweckmäßige Mitbewegungen des Muskel¬ 
tonus auf. 

Foerster schließt sich im wesentlichen der Bindearmtheorie an und be¬ 
zieht die choreatische Koordinationsstörung auf den Fortfall zerebellarer Funk¬ 
tionen und bewertet sie als Ausfallsymptom; dieselbe Störung wirke auch als 
Reiz auf das Kleinhirn und löse dadurch die choreatische Spontanbewegung 
aus. Foersters Auffassung der choreatischen Zuckung als „Krampf“, und zwar 
als klonischen Krampf im Gegensatz zu den tonischen, bzw. klonischtonischen 
Krämpfen im epileptischen Anfall kann ich nicht beitreten. Zum mindesten 
glaube ich, daß der Ausdruck nicht dem allgemeinen Sprachgebrauche ent¬ 
spricht, da wir unter Krampf immer etwas Zustandartiges verstehen, also ent¬ 
weder einen tonischen Krampfzustand oder eine Folge von klonischen Zuckungen, 
während wir bei der Chorea immer nur eine Zuckung vor uns haben, die bald 
hier bald dort auftritt. 

Kleist modifiziert die Bindearmtheorie Bonhoeffers insofern, als er 
außer der Bahn Nucleus dentatus-Bindearm- roter Kern-Thalamus auch noch 
Globus pallidus und Striatum in das System einbezieht. Kleist nahm an, 
daß Herde im Verlauf dieser Leitungsbahn und innerhalb des Striatums selbst 
dadurch choreatische und ähnliche Bewegungen hervorrufen, daß sie zentripetale 
Regulierungen der Automatismen auf dem Wege zum Linsen- und Schwanzkern, 
oder in diesen selbst unterbinden und so eine Ataxie derselben bewirken. Um 
das Zustandekommen der choreatischen Zuckungen selbst zu erklären, zieht 
Kleist noch einen Wegfall von Hemmungen mit heran, und zwar nimmt er 
an, daß eine solche Hemmung normalerweise vom Kleinhirn ausgehen muß; 
er vertritt dabei die Anschauung, daß zwischen Regulierung und Hemmung 
kein grundsätzlicher Unterschied besteht; die Kleinhirneinflüsse wirken je nach 
den Einrichtungen und Funktionen der Hirnteile, zu denen sie gelangen, re¬ 
gulierend oder hemmend oder beides zugleich. Wie Kleist selbst hervorhebt, 
ist der Einwand bemerkenswert, daß bei reinen Kleinhirnerkrankungen chorea¬ 
tische Bewegungen selten oder nie auftreten. Ein ähnlicher Mangel haftet aber 
auch den anderen Theorien an, denn es gibt auch Bindearmerkrankungen ohne 
Chorea, ebenso wie Erkrankungen des Striatums ganz verschiedene Symptome 
haben können. 

Kleist, der, wie erwähnt, das Striatum mit zum Bindearmsystem rechnet, 




Pathophysiologische Bemerkungen. 


G3 


führt das Zustandekommen choreatischer Bewegungen namentlich auf Grund 
eines Falles von chronischer Chorea (Kieselbach) auch auf Striatumherde 
zurück, und zwar nimmt er an, daß diese Striatumchorea im Gegensatz zu der 
Bindearmchorea nicht mit Hypotonie verbunden sei. Gegen diese Möglichkeit 
einer Striatumchorea spricht meiner Ansicht nach der Umstand, daß reine Fälle 
von Striatumerkrankungen nicht mit Chorea einherzugehen brauchen, vielmehr 
unter Umständen ganz entgegengesetzte Störungen hervorrufen (Rigidität u. a.). Ich 
glaube daher nicht, daß die in dem Falle Kleist-Kieselbach gefundenen Stria¬ 
tumveränderungen die Entstehung der choreatischen Bewegungen erklären, daß 
vielmehr deren Ursache anderswo, vielleicht in den ebenfalls, wenn auch in ge¬ 
ringerem Maße vorhandenen Schädigungen im engeren Bindearmsystem zu suchen 
ist (Roter Kern-Kleinhirn). Daß aber diese choreatischen Bewegungen nicht mit 
Hypotonie verknüpft waren, und daß sie langsamer abliefen als echte Chorea¬ 
bewegungen, wird bewirkt durch die gleichzeitige Erkrankung des Striatums, 
die für sich allein eine allgemeine Bewegungsarmut und Rigidität hervorgerufen 
hätte. Die beiden entgegengesetzten Symptome, die Bindearmhypotonie und 
die Striatumrigidität beeinflussen sich gegenseitig, kompensieren sich und bringen 
so ein Mischbild, nämlich die »langsamen Zuckungen« der chronischen Chorea 
zustande. Was speziell die chronische Chorea anlangt, so führen C. und 
O. Vogt hier die Bewegungsstörungen auf eine Erkrankung des Striatums (Stat. 
fibrosus) zurück, erwähnen aber bei den veröffentlichten Fällen immer noch 
Veränderungen am Pallidum und im Corpus Luys. Sie neigen dabei zu der 
Ansicht, daß derselbe Status fibrosus im Striatum des Neugeborenen nicht zur 
Chorea, sondern zur Athetose führe. Für die Chorea Huntington halten sie 
die Kombination von diesen Veränderungen mit Himrindenerkrankungen für 
charakteristisch. Auf die Bedeutung der Striatumveränderungen für die chorea¬ 
tischen Bewegungen habe ich oben und auf S. 5 3 ff. schon hingewiesen. 

Ob die bei der Chorea chronica fast immer gefundenen Veränderungen in 
der Hirnrinde mit den motorischen Symptomen etwas zu tun haben, wie Stern 
annimmt, bleibe dahingestellt; wahrscheinlich sind sie nur für die psychischen 
Symptome verantwortlich zu machen. 

Endlich noch ein Wort über die Bindearmtheorie; ist sie imstande allen 
Anforderungen, die man an sie stellen kann, gerecht zu werden? Direkt gegen 
sie spricht meiner Ansicht nach keiner der bis jetzt erhobenen Herdbefunde, 
insofern als man fast überall mehr oder weniger enge Beziehungen zur Binde¬ 
armbahn auffinden kann. Bei den Fällen von Vogt allerdings nur die Ver¬ 
änderungen im Corpus Luys, das Fischer auch in Beziehung zur Bindearm¬ 
bahn bringt. Ein direkter Beweis für die Theorie ist aber auch nicht er¬ 
bracht, und sehr zu denken gibt der Umstand, daß auch Veränderungen in 
der Bindearmgegend beobachtet wurden, ohne daß dabei choreatische Bewe¬ 
gungen aufgetreten sind. Es fragt sich daher, ob nicht etwa noch andere 
Komponenten angenommen werden müssen, um das Bild der Chorea zu er¬ 
zeugen. 

Bei der Encephalitis epidemica, ebenso wie bei der Chorea Sydenham, liegt 
es nahe, an toxische Einwirkungen zu denken, wie ich es in meiner Arbeit 
über Enzephalitis als wahrscheinlich angenommen habe. Der Umstand, daß 
bei der Enzephalitis neben entzündlichen Erscheinungen auch rein degenera- 



64 


Chorea. 


tive Veränderungen Vorkommen, die vielleicht als toxisch bedingt anzusehen 
sind, würde gut zu dieser Vermutung passen. Schwieriger ist die Annahme 
einer solchen toxischen Komponente da, wo ein durch Tumor hervorgerufener 
symptomatischer Choreafall vorliegt, wenn man nicht ein „Karzinomgift“ dafür 
verantwortlich machen will. Bei der chronischen Chorea kämen die im ganzen 
Gehirn festgestellten degenerativen Veränderungen vielleicht als Mitursache für 
die Entstehung der Chorea in Betracht. Es muß zugegeben werden, daß 
toxische und rein anatomische Schädigungen nicht immer auseinander gehalten 
werden können. Bei den toxischen Schädigungen braucht es sich keineswegs 
nur um diffuse toxische Einwirkungen zu handeln, sondern die Toxine können 
auch anatomische Veränderungen (Degenerationen) hervorrufen, die dann wieder 
auch als Lokalschädigungen wirken. Andererseits sind bei anatomischen Stö¬ 
rungen nicht immer grobe Herde zu erwarten, wie Geschwulstmetastasen, 
sondern wir müssen auch mikroskopische Veränderungen, wie z. B. die ent¬ 
zündlichen Erscheinungen bei der Enzephalitis hierhin rechnen. 

Außer der Annahme, daß neben den Herderscheinungen auch toxische Pro¬ 
zesse eine Rolle spielen, fragt es sich noch, ob die Intensität des jeweiligen 
Krankheitsvorganges nicht von Bedeutung sein kann, in dem Sinne, daß ein 
gewisser Grad der Erkrankung oder eine gewisse Summe von Schädigungen 
zum Zustandekommen einer Chorea gehört. Hierfür könnte der Umstand 
sprechen, daß bei posthemiplegischer Chorea die Bewegungsstörung nur zu ge¬ 
wissen Zeiten vorhanden ist, sie kann gleich nach dem Anfall auftreten und 
dann einer Lähmung Platz machen oder es kann zu einer anfangs bestehenden 
Lähmung eine Chorea hinzukommen. 

Ferner kommt eventuell noch der Einfluß einer individuellen Veranlagung 
für Chorea in Frage. Bei der Athetose wurden wir zu der Annahme gedrängt, 
daß die Bewegungsform der Athetose eine Reaktionsform speziell des kind¬ 
lichen Gehirnes sei. Könnten ähnliche Vorgänge nicht auch beim Zustande¬ 
kommen der choreatischen Bewegung eine Rolle spielen, insofern als Personen 
mit bestimmter Anlage bei Gehirnschädigungen mit einer Chorea reagieren, 
während bei anders konstituierten Individuen durch die gleichen Schädigungen 
andersartige oder gar keine Bewegungsstörungen veranlaßt werden? Endlich 
muß auch noch die Möglichkeit bedacht werden, daß sich alle in Betracht 
kommenden Ursachen durchflechten, daß vielleicht verschiedene Komponenten 
Zusammenkommen müssen, um eine choreatische Bewegungsstörung auszulösen. 

Wie aus der gegebenen Übersicht hervorgeht, sind fast alle Theorien über 
das Zustandekommen der choreatischen Bewegungsstörung mit Lokalisations¬ 
problemen verknüpft. Sie bewegen sich meist auf recht hypothetischem Gebiet, 
besonders deshalb, weil die anatomischen Befunde zu verschiedenartig sind und 
auch weil wir über die physiologische Bedeutung der in Betracht kommenden 
Hirnteile noch zu wenig wissen. Die meisten Anschauungen laufen darauf 
hinaus, den Wegfall zentripetaler Regulierungen und Hemmungen bei intakter 
Pyramidenbahn für die Entstehung der choreatischen Bewegungen verantwort¬ 
lich zu machen. Durch diese Hypothese läßt sich das Zustandekommen der 
choreatischen Koordinationsstörung ohne Schwierigkeit erklären, das x4uftreten 
spontaner, unwillkürlicher choreatischer Bewegungen ließe sich aber nur dann 


Pathophysiologische Bemerkungen. 


65 


auf eine Enthemmung zurückführen, wenn man annehmen wollte, daß vom 
Zentralnervensystem dauernd Bewegungsimpulse ausgehen, die normalerweise 
unterdrückt oder gehemmt werden müssen. Darüber ist noch nichts Näheres 
bekannt, und es hat keinen Zweck, das Für und Wider solcher Anschauungen 
zu erörtern; ich möchte jedoch auch hier auf das Verhalten der reziproken 
Innervation aufmerksam machen: diese scheint bei der Chorea, im Gegensatz 
zur Athetose, erleichtert zu sein, d. h. die Innervationen finden beim Einsetzen 
gar keinen oder einen zu geringen Widerstand der Antagonisten vor, so daß 
die Zuckung blitzartig in die Höhe schnellen kann. Gerade auch dieser Um¬ 
stand spricht für die klinische Verschiedenheit der Chorea und Athetose. Die 
klinische Einheitlichkeit der choreatischen Bewegungsstörung, die trotz 
kleiner Unterschiede im einzelnen als ein in sich abgeschlossenes Symptomen- 
bild gelten kann, muß immer wieder betont werden. Damit ist noch nicht 
gesagt, daß auch ihre Genese derart einheitlich ist, daß man choreatische 
Bewegungen immer als Herdsymptom verwerten könnte. Daß dies in einigen 
Fällen möglich gewesen ist, beweist noch nicht die Allgemeingültigkeit dieser 
Beobachtungen; es bestehen vielmehr eine Reihe von Bedenken, die dagegen 
vorzubringen wären; so in erster Linie die Tatsache, daß choreatische Be¬ 
wegungen bei Herden verschiedener Lokalisation Vorkommen können. Die in 
der Literatur niedergelegten Beobachtungen von Chorea bei anatomisch faßbaren 
Hirnveränderungen haben weiter ergeben, daß nicht immer nur ein isolierter 
Herd im Gehirn Choreatischer zu finden ist. Es besteht also die Möglichkeit, 
unter Umständen mehrere Herde bzw. Veränderungen in mehreren Hirn teilen, 
die vielleicht in bestimmten räumlichen oder funktionellen Beziehungen zu¬ 
einander oder zu gewissen Bahnen stehen müssen, für das Zustandekommen 
der choreatischen Bewegungsstörung verantwortlich zu machen. Es muß auch 
damit gerechnet werden, daß das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Herde 
eine Modifikation der choreatischen Bewegungsstörung zur Folge hat, dadurch, 
daß ein Herd den anderen in seinen Wirkungen beeinflußt. 

Mit Rücksicht darauf, daß choreatische Bewegungen außer bei Himherden 
noch bei diffusen Hirnprozessen (Enzephalitis) und bei toxischen Einwirkungen 
(Gravidität) auftreten, wäre zu erwägen, ob neben den lokalisierbaren Ver¬ 
änderungen nicht noch eine andere Komponente zum Zustandekommen der 
Chorea nötig sein könnte; in erster Linie wäre hier an toxische Prozesse zu 
denken. 

Daß eine besondere Art von Hirnprozessen für die Chorea verantwortlich 
zu machen ist, halte ich für nicht wahrscheinlich, da wir das gleiche Symptom 
bei infektiösen, toxischen und grobanatomischen Schädigungen des Gehirns 
finden können. 

Eher könnte vielleicht mit der Intensität des Krankheitsprozesses in seiner 
Wirkung auf das klinische Bild gerechnet werden. 

Nicht ganz von der Hand zu weisen ist es, daß auch eine besondere Ver¬ 
anlagung des Individuums eine gewisse Rolle spielen kann. 


lJo*t roein, Symptomenkomplex 



66 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


III. Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche 
Krankheitsgruppe. 

1. Klinischer Überblick über fremde und eigene Fälle von Wilson¬ 
scher Krankheit und Pseudosklerose. — Differential-Diagnose. 

Den Ausgangspunkt für die von Strümpell unter dem Begriff des amyo- 
statischen Symptomkomplex zusammengefaßten Erkrankungen bilden Fälle 
progressiver Linsenkerndegeneration von Wilson, die jetzt meist mit dem 
Namen Wilson scher Krankheit bezeichnet werden, sowie die von C. Westphal 
und von Strümpell selbst schon vorher beschriebenen Fälle von Pseudosklerose. 
Wilson8 Beobachtungen stützen sich auf vier eigene Fälle, davon drei mit 
Sektionen, sowie auf acht weitere, zum Teil in der Literatur veröffenlichte Er¬ 
krankungen (Gowers, Ormerod, Homen). Gemeinsam waren all diesen Fällen 
zunächst nur gewisse nervöse Erscheinungen und eine besondere Form der 
Leberzirrhose, die klinisch keine Erscheinungen gemacht hatte; Veränderungen 
im Gehirn waren bei den Gowerschen Fällen und einem Fall von Ormerod 
nicht festgestellt worden, bei den übrigen hatte man, soweit Sektionsbefunde 
vorliegen, Erweichungen in den Linsenkernen gefunden und zwar offenbar 
immer in dessen äußeren Partien (Putamen). 

Nach Wilson ist folgendes für die progressive bilaterale Linsen kemdegene- 
ration charakteristisch: Die Erkrankung tritt zuweilen familiär auf, insofern, 
als sie unter Umständen mehr als ein Mitglied der Familie befällt ohne an¬ 
geboren oder direkt vererbt zu sein. 

Sie ergreift jugendliche Individuen und führt in akuten Fällen in vier 
bis sechs Monaten, in chronischen nach drei bis fünf oder mehr Jahren zum 
Tode. Klinisch steht im Vordergrund eine ausgesprochene Hypertonie der 
Muskulatur, während Reflexsteigerung und Babinski fehlen. Die Bewegungen 
erscheinen infolge der Steifheit der Extremitäten und des Körpers erschwert 
und verlangsamt, ohne daß eigentliche Lähmungen vorhanden sind. In vor¬ 
geschrittenen Stadien kann es zu Muskelkontrakturen kommen. Als Folge der 
Muskelhypertonie wird angesehen eine maskenhafte Starre des Gesichts, eine 
Dysphagie und Dysarthrie, zuweilen auch Anarthrie. Der Mund ist weit ge¬ 
öffnet, es besteht starker Speichelfluß. Ferner ist das Gehen und Stehen durch 
die Muskelsteifheit hochgradig behindert, so daß die Kranken recht hilflos er¬ 
scheinen. Die Muskelsteifheit ist proximal am stärksten. 

Neben dieser Hypertonie treten unwillkürliche Bewegungen der oberen 
und unteren Extremitäten auf, bisweilen ist auch der Kopf und der Rumpf 
daran beteiligt. Die Bewegungen bestehen in einem meist regelmäßigen rhyth¬ 
mischen Tremor, der bei willkürlichen Bewegungen zunimmt und in den distalen 
Teilen der Glieder am deutlichsten entwickelt ist. Athetotische Bewegungen 
fehlen. Wie sich der Tremor zu dem der Paralysis agitans verhält, geht aus 
der Wilson sehen Originalarbeit leider nicht hervor. Er sagt davon nur, daß 
die Erkrankung der Paralysis agitans „in mehr als einer Weise gleicht“. 

Die Beschreibung des Tremors spricht dafür, daß es sich in der Tat um 
eine ähnliche Erscheinung dabei handelt, abweichend ist nur der Umstand, 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


67 


daß der Tremor im Gegensatz zur Paralysis agitans bei Intentionen zunimmt. 
Bei vorgeschrittenen Fällen scheint das Zittern auch sehr viel gröber zu sein, 
es geht dann in krampfhafte Bewegungen über, sich unter Umständen paroxys¬ 
mal verstärkend. 

Auf psychischem Gebiet findet sich bei den Kranken eine gewisse gesteigerte 
Affekterregbarkeit, sowie Neigung zu Zwangslachen; eigentliche Demenz ist da¬ 
gegen im allgemeinen nicht nachweisbar. 

Meist tritt verhältnismäßig rasch eine deutliche Abmagerung und Kachexie 
ein. Es fehlen immer Pupillenstörungen, Nystagmus, Anomalien der Sensibilität, 
klinisch treten Erkrankungen der Leber nicht hervor. 

Pathologisch-anatomisch wurde in sieben von zehn sezierten Fällen eine 
bilateral symmetrische Degeneration des Putamen und in geringerem Maße 
des Globus pallidus festgestellt. Daneben fand sich das Caudatum oft ge¬ 
schrumpft. Der Thalamus war normal bis auf einen Ausfall strio-thalamischer 
Fasern. Ebenso war die innere Kapsel intakt. Manchmal kam es zu leichter 
Degeneration der äußeren Kapsel, sonst fanden sich keine Veränderungen am 
Gehirn trotz mikroskopischer Untersuchungen aller Teile. 

Als Folge der Linsenkernerkrankung aufzufassen sind Degenerationen, wie sie 
in neueren Fällen gefunden sind: Degeneration der Linsenkernschlinge, relative 
Atrophie des Corpus Luys, partielle Degeneration der lenticulären Forel sehen 
Bündel der strio-Luysschen Faserung sowie strio-thalamischer Fasern. 

Mikrokospisch ist in Frühstadien eine Wucherung der Neuroglia zu be¬ 
obachten (Zunahme an Gliakernen), später tritt dazu ein Zerfall der Glia und 
der Nervenfasern sowie der Nervenzellen. Es treten Körnchenzellen und 
Makrophagen auf. Aber selbst bei ausgedehnter Höhlenbildung waren keine 
wesentlichen Veränderungen an den Gefäßen nachzuweisen. Nur bei Homen 
scheinen solche Vorgelegen zu haben. Und zwar handelt es sich dabei um 
sklerotische bzw. hyaline Veränderungen an den Gefäßwänden. 

Große Übereinstimmung zeigen die Befunde an der Leber, die in allen 
zehn Fällen verkleinert und sehr hart ist. Sie ist deutlich in Knoten und 
Knötchen eingeteilt, die durch Bindegewebe voneinander getrennt sind, 

Die Beschaffenheit der Milz ist in den Fällen von Gowers und Ormerod 
nicht erwähnt. Bei den drei Fällen Wilsons ist sie vergrößert, ebenso bei 
zwei anderen (Ormerod-Wilson, Homdn-Fall 2). Normal befunden wurde sie bei 
den zwei anderen Fällen von Homen. Vor allem die Erkrankung der Leber 
setzt die Wilsonsche Krankheit in engste Beziehungen zur Pseudosklerose 
(W estphal-Strümpell), die auch klinisch neurologisch oft weitgehende Ähn¬ 
lichkeit mit der Wilson sehen Krankheit zeigen kann. 

Ob es sich bei diesen beiden Erkrankungen um dasselbe Leiden handelt 
oder nicht, ist eine der wichtigsten Fragen, die zu besprechen sein werden. 
Um Anhaltspunkte für ihre Beantwortung zu gewinnen, will ich zuerst die 
verschiedenen, in der Literatur veröffentlichten Fälle zusammenstellen, um nach¬ 
zuprüfen, welche Symptome überall wiederkehren und welche fehlen können. 
Zu diesem Zweck können nur Fälle verwandt werden, bei denen die Sektion 
den typisch pathologischen Befund der Linsenkernerkrankung und def Leber¬ 
zirrhose ergeben hat. Trotz der großen Anzahl von Veröffentlichungen über dieses 
Thema entspricht diesen Bedingungen nur eine sehr geringe Anzahlvon Fällen. 

5* 



0g Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Lhermitte beobachtete ein zehnjähriges Kind, das zunächst durch Sprach- 
und Schluckstörung auffiel und an Gesichtszucken litt, später Zittern und 
Rigor aufwies; auch choreaartige Bewegungen sollen bestanden haben. Gegen 
Ende kam es noch zu Krämpfen. Keine Pyramidensymptome, psychisch un¬ 
auffällig. Tod nach zwei Jahren. Bei der Sektion Atrophie und Kriblüren 
im Putamen und Caudatum. Großknotige Hyperplasie des Leber, die klinisch 
keine Erscheinungen gemacht hatte. 

Ein Fall von Economo ergab symmetrische Erweichungen beider Linsen¬ 
kerne (Putamen und Kopf des Nucl. caudat.) und eine grobknotige Cirrhose der 
Leber, sowie einen subakuten Milztumor. Klinisch zeigte der nicht belastete 
15jährige ziemlich demente Patient ausgesprochene Rigidität der gesamten 
Körpermuskulatur ohne. Pyramidensymptome. Es bestand eine allgemeine Be¬ 
wegungsarmut, mimische Starre, Dysarthrie, Aphonie und Dysphagie; es fehlten 
aber alle unwillkürlichen Bewegungen im Sinne von Wackeln oder Tremor, 
und dadurch unterscheidet sich der Fall klinisch von den Wilsonschen Be¬ 
obachtungen. Dem Verlauf nach gehört diese Erkrankung zu den akuten 
Fällen. Nach siebenmonatlicher Dauer der Erkrankung trat der Tod ein. 
Klinisch von Bedeutung ist noch, daß drei Jahre vor Beginn der Erkrankung 
Darmkatarrhe beobachtet worden waren. Trophische Störungen zeigten sich 
in Gestalt abnormer Knochenbrüchigkeit. Die Untersuchung des Liquor hatte 
143 Zellen, 2,5 Strich Eiweiß nach Nißl und Opaleszenz bei der Phase I- 
Reaktion ergeben bei negativem Wassermann. 

Klinisch andersartig, aber pathologisch-anatomisch ähnlich ist ein Fall von 
Anton: 16jähriges nicht belastetes Mädchen, das an Stottern, choreatischen 
Bewegungen und zahlreichen Mitbewegungen leidet. Später kam dazu 
Intentionsataxie und Inkoordination; der Muskeltonus war wechselnd, Pyramiden¬ 
symptome fehlten, auf psychischem Gebiet bestand eine starke Willenlosigkeit 
und erhebliche Ermüdbarkeit. Körperlich war Glykosurie nachzuweisen. Bei 
der Sektion fand sich eine grobknotige Leberzirrhose, eine Milzschwellung und 
eine beiderseitige Erweichung der Linsenkerne und zwar im Mittelteil beider 
Putamina. Außerdem wurde aber noch eine recht umfangreiche Erweichung 
im Gebiet der linken oberen Stirnwindung festgestellt. Durch letzeren Befund 
gewinnt dieser Fall eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ersten Kranken von 
Homen, den Wilson schon zu seiner ersten Aufstellung mit herangezogen hat. 
Die bei dem An ton sehen Falle nachgewiesenen choreatischen Bewegungen 
bringen Beziehungen zu der Veröffentlichung von Gowers. 

Die im Anton sehen Fall vorhandene Lebererkrankung faßt Meyer als eine 
Hemmungsmißbildung auf. Anton bringt diese Dysplasie mit der Retardierung 
der Gesamtentwickelung in einen gewissen Zusammenhang. 

Ein Patient von Pollok erkrankte im 20. Lebensjahr mit allgemeiner 
Tonussteigerung, halbseitiger mimischer Starre, Zittern vom Charakter der 
Paralysis agitans, nasale dysarthrische Sprache, psychisch fiel grundloses Lachen 
und Witzelsucht auf. Tod nach zwei Jahren. Die Sektion ergab bilaterale 
Lin8enkemdegeneration (vor allem Putamen) und atrophische Leberzirrhose. 
Leider‘stand mir diese Arbeit nicht im Original zur Verfügung. Aber allem 
Anschein nach stimmt das Symptomenbild gut mit dem von Wilson gezeichneten 
überein. Von der Milz wird im Referat nichts erwähnt. 


Klinischer überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


69 


Gerstmann und Schilder geben die Krankengeschichte eines nicht be¬ 
lasteten 22jährigen jungen Mannes, der seit fünf Jahren krank war und an 
einer interrkurenten Pneumonie starb. Es fand sich ein Einschmelzungsprozeß 
im Striatum, so daß man berechtigt ist, auch diesen Fall zu den mehr oder 
weniger sicheren Wilsonfällen zu rechnen, obwohl die Verfasser ihn als Pseu¬ 
dosklerose bezeichnen, wohl unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß 
beide Krankheiten identisch sind. Ein pathologischer Befund an der Leber 
und Milz ist nicht erwähnt, klinisch war jedoch eine Leberfunktionsstörung 
nachweisbar gewesen. Neurologisch war folgendes charakteristisch: Ein Rigor, 
der den ganzen Körper betrifft, keine Pyramidensymptome, keine Lähmungen; 
durch den Rigor bedingt sind schwere Schluck- und Sprachstörungen. Außer¬ 
dem besteht ein grober Tremor bzw. Wackeln bei gewollten Bewegungen. 
Psychisch läppisches, kindisches Wesen, Demenz, Zwangslachen. Gegenüber 
den Wilson sehen Originalfällen zeichnet sich diese Erkrankung aus durch das 
Vorkommen psychischer Erscheinungen, auch ist offenbar der Tremor seiner 
Natur nach etwas gröber als bei Wilson. 

Ein Fall von Cadwalader läßt sich klinisch wenig verwerten, weil hier 
die Diagnose erst post mortem aus dem Sektionsbefund gestellt worden war. 
Es hatte sich um eine grobknotige Leberzirrhose gehandelt, im Gehirn waren 
Erweichungen im Linsenkern gefunden worden ; welche Teile desselben betroffen 
waren, läßt sich aus dem mir nur zur Verfügung stehenden Referat nicht er¬ 
sehen. Intra vitam war eine Neigung zu Spasmen in allen Extremitäten und 
im Gesicht, sowie ein starker Tremor festgestellt worden. Die Krankheit 
dauerte 13 Monate. Im Vordergrund standen psychische Symptome, so daß 
eine Dementia praecox vermutet worden war. 

Ein sehr interessanter Fall sicherer Erweichung im Linsenkern mit cha¬ 
rakteristischer Leberveränderung ist der von Stöcker: Der Bruder soll ein 
ähnliches Leiden gehabt haben. Der Patient selbst erkrankte im 17. Lebensjahre 
und starb nach vier Jahren. Es bestand eine allgemeine Rigidität aller Extre¬ 
mitäten, des Halses und des Nackens, starrer Gesichtsausdruck, auch die Augen 
waren fast unbeweglich. Verharren in Haltungen, bulbäre schmierende Sprache, 
Störungen des Schluckaktes. Es fand sich ferner ein Ruhetremor, der anfalls¬ 
artig auf trat, bei Bewegungen zunahm und in seinem Charakter ganz dem der 
Paralysis agitans glich. Auch der Gang erinnerte infolge der Propulsion sehr 
an diese Erkrankung, so daß der Knabe ursprünglich als ein Fall juveniler 
Paralysis agitans angesehen worden war. Psychisch war der Kranke stumpf, 
interesselos, ungeniert und ziemlich dement. Wie schon erwähnt, ergab die 
Sektion eine grobknotige Leberzirrhose, eine Erweichung in beiden Linsenkemen 
und zwar vor allen Dingen im Putamen, außerdem ließen sich aber an den 
meisten Teilen des Zentralnervensystems mit Ausnahme vom Kleinhin und 
Rückenmark Veränderungen der Gliazellen nachweisen, die zum Teil sehr an 
die Befunde bei der Pseudosklerose erinnern. 

Stöcker hält die Leberveränderung eher für einen angeborenen Defekt, 
als für eine erworbene Erkrankung. Er nimmt auch für die Gehirn Veränderung 
einen auf fehlerhafte Anlage begründeten Krankheitsprozeß an. Von einem 
krankhaften Befund an der Milz schreibt er nichts. 

Die Bedeutung des Stöckerschen Falls liegt darin, daß die anatomische 



70 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


Untersuchung des Gehirns einen Befund ergibt, der eine Kombination der für 
Wilsonsche Krankheit und der für Pseudoklerose charakteristischen ana¬ 
tomischen Veränderungen darstellt. Es fragt sich, ob wir hierin pathologisch- 
anatomisch einen Ubergangsfall erblicken dürfen, oder ob vielleicht auch bei 
den anderen Fällen Wilson scher Erkrankung bei genauer Untersuchung mit 
modernen Methoden sich ähnliche Befunde wie bei Stöcker ergeben könnten. 
Stöcker selbst vermutet dies für die mit psychischen Veränderungen 
einhergehenden Fälle. Klinisch neurologisch stimmt der Stöcker sehe Fall, 
wie man sieht, im wesentlichen mit den Wilson sehen Fällen überein, nur 
tritt der Tremor wenig hervor. 

Stertz (Fall 2 der Monographie) veröffentlicht folgenden Fall, der nament¬ 
lich in bezug auf seinen pathologischen Befund dem vorhergehenden ähnelt: 

Keine Familiarität. Junges Mädchen erkrankt nach Erkältung und rheu¬ 
matischen Beschwerden mit etwa 15 Jahren: 

Sprachstörung, Verlangsamung und Verarmung der Bewegungen, starrer 
Gesichtsausdruck, Schluck- und Sprachstörung, starker Rigor, Neigung zum Ver¬ 
harren in Haltungen, Adiadochokinese, Tremor ähnlich dem der Paralysis agitans, 
in der Ruhe und bei Bewegungen stärker werdend. Bei Kraftleistungen in 
grobes Wackeln übergehend. Fehlen von Mitbewegungen, Propulsion. Kein 
Kornealring. Psychisch keine gröberen Defekte. Tod nach zweieinhalbjähriger 
Dauer der Erkrankung. Die Sektion ergibt eine eigentümliche Form der Leber¬ 
zirrhose (Schmincke). Der pathologische Befund im Gehirn ist von Spiel- 
meyer ausführlich beschrieben. Makroskopisch keine Besonderheiten, mikro¬ 
skopisch zeigt sich die Alzheimer sehe Gliaveränderung im Putamen und Nu- 
cleus caudatus, etwas weniger im Globus pallidus und Thalamus. Im Striatum, 
und auch hier besonders im Putamen, Ausfall von Ganglienzellen und Ver¬ 
mehrung kleiner Gliazellen. Keine Gliafaserwucherung, Körnchenzellen. Im 
Nucleus dentatus degenerative Veränderungen, an den Nervenzellen. Wuche- 
rungs- und Zerfallserweiterungen an der Glia. Progressive Gefäßveränderungen 
sind im Linsenkern angedeutet, regressive Gefäßveränderungen nirgends vor¬ 
handen. Auch entzündliche Erscheinungen fehlen. Anatomisch finden wir also 
beide Veränderungen sowohl die der Wilsonschen Krankheit und die der Pseudo¬ 
sklerose hier vereinigt. Es überwiegt die pseudosklerotische Komponente. 

Aus dem nach Abschluß dieser Arbeit erschienenen Werk von Hall ent¬ 
nehme ich noch die Daten von drei hierher gehörenden Fällen der ausländi¬ 
schen Literatur: 

Hamilton-Jones. Beginn im 19. Jahre mit Zittern, Sprach- und Schluck¬ 
störungen. Rigor. Leichter Nystagmus, Babinski links. Reizbar. Urin ent¬ 
hält Zucker. Ein Bruder hat sicher, ein anderer vielleicht das gleiche Leiden. 
Tod nach zehn Jahren. Bei der Sektion: Symmetrische Erweichung beider 
Linsenkerne. Grobknotige Leberzirrhose. Milzschwellung. 

Howard und Royce: Plötzlicher Beginn im 22. Lebensjahr mit Spannungen 
und Zittern, keine Sprachstörung, Tod nach einem Monat. Im Gehirn: 
symmetrische Erweichungen im Linsenkern, im Thalamus, roten Kern und in 
der inneren Kapsel. — Großknotige Leberzirrhose und Milzschwellung. 

Pfeiffer J. B.: Beginn mit unbestimmter Schwäche und Unsicherheit im 
25. Lebensjahr. Dann Sprachstörung, Zittern, Rigidität. Leichte Demenz. 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


71 


Tod nach dreieinhalb Jahren. Sektion: Erweichung in beiden Linsen¬ 
kernen. Untergang von Ganglienzellen in der Rinde, im Putamen und im 
roten Kern. Degeneration der Linsenkernschlinge, Grobknotige Leberzirrhose. 
Milzschwellung. 

Durch diese sicheren, pathologisch-anatomisch geklärten Fälle wird das 
Symptomenbild der Wilsonschen Krankheit im wesentlichen bestätigt: Im 
Vordergrund steht ein allgemeiner Rigor der Körpermuskulatur, eine Starre 
des Gesichts, eine Erschwerung der Sprache, des Schluckens, Speichelfluß, meist 
außerdem unwillkürliche Bewegungen, wie Zittern oder grobes Wackeln, das bei 
Intention zunimmt, und das in einigen Fällen symptomatologisch an das der 
Paralysis agitans erinnert. Fast immer betrifft das Leiden jugendliche Individuen. 

Fälle ohne Sektionsbefund sind in den letzten Jahren ziemlich zahlreich 
beschrieben worden. Zum Teil handelt es sich dabei um Erkrankungen, die 
mit den oben geschilderten Symptomen übereinstimmen, zum Teil aber um 
recht abweichende Beobachtungen; fast überall wird die Frage, ob es sich um 
Wilsonsche Krankheit oder Pseudosklerose handelt, offen gelassen, ja die meisten 
Autoren scheinen geneigt zu sein, beide Diagnosen gleichbedeutend zu ge¬ 
brauchen. Hierzu verführt in erster Linie die den beiden Erkrankungen ge¬ 
meinsame Leberzirrhose, sowie der Umstand, daß stets das extrapyramidale 
Gebiet betroffen ist. Ganz besonders erschwert wird die Unterscheidung beider 
Erkrankungen deshalb, weil man reine, durch Sektion bestätigte Fälle so selten 
zu sehen bekommt und auch die beste Krankengeschichte nicht die Anschauung 
der klinischen Symptome ersetzen kann. Bei der Pseudosklerose ist die Auf¬ 
gabe noch besonders dadurch erschwert, daß die charakteristischen anatomischen 
Veränderungen nur mikroskopisch nachweisbar sind, so daß Fälle der älteren 
Literatur nur mit Vorsicht verwertet werden können. Als sichere Fälle von 
Pseudosklerose sind nur die anzunehmen, bei denen die mikroskopische Unter¬ 
suchung die Alzheimersche Gliaveränderung ergeben hat, und die, welche 
wenigstens mit der charakteristischen Leberveränderung einhergehen. 

Außerdem können wir noch als einwandfrei diejenigen betrachten, die den 
von Kaiser und Salus entdeckten braungrünlichen Hornhautring aufweisen, 
weil dieses Symptom bis jetzt nur bei der Pseudosklerose gefunden worden 
ist. Es sei gleich hier bemerkt, daß bei den oben erwähnten Wilsonschen 
Fällen dieses Zeichen stets vermißt wurde, auch bei denen, die nach dem 
Bekanntwerden der Hornhautfärbung untersucht sind. 

Am besten charakterisiert man die Symptomatologie der Pseudosklerose, 
wenn man sich die historische Entstehung dieses Begriffes vergegenwärtigt, 
C. Westphal beschrieb ein Leiden, das sidi von der gewöhnlichen multiplen 
Sklerose weder durch Symptome noch durch Verlauf unterschied, ohne daß 
die Sektion die erwarteten multiplen Herde ergab. Es fand sich vielmehr nur 
eine ganz geringe Lichtung in den Markfasern des Pyramidenseitenstranges. 
Westphal erwähnt bei seinen Fällen das damals von ihm entdeckte para¬ 
doxe Phänomen. Auch Anfälle beobachtete er. Auffällig war die Verlang¬ 
samung der Bewegungen sowie eine starke Beteiligung der psychischen Funk¬ 
tionen (Wutanfälle). Beim ersten Fall hatte der Vater und dessen vier Brüder 
an Veitstanz gelitten, die Mutter des zweiten war Epileptica. 



72 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 

1898 beschrieb Strümpell zwei ähnliche Fälle. Auch er hob die Ähnlich¬ 
keit mit der multiplen Sklerose hervor, betonte dabei aber das Auftreten im 
jugendlichen Alter und das Vorkommen apoplektiformer Anfälle. Ferner macht© 
er darauf aufmerksam, daß es sich bei der multiplen Sklerose nicht um daa 
oszillatorische, grobschlägige Zittern wie bei der Pseudosklerose, sondern mehr 
um ein Hin- und Herfahren der Arme, das sich von Ataxie klinisch nicht 
unterscheiden läßt, handelte. In dem ersten der Fälle beobachtete Strümpell 
einen unbewegten Gesichtsausdruck, eine skandierende Sprache und die Neigung 
zu Zwangslachen und Weinen, erbliche Belastung lag in keinem der Fälle vor. 

Einen weiteren Fall veröffentlicht Strümpell 1899, der sicher als Pseudo¬ 
sklerose aufzufassen ist, um so mehr als bei der Sektion eine beginnend© 
Leberzirrhose festgestellt wurde bei negativem makroskopischen Befund am 
Gehirn- und Rückenmark. Klinisch war dieser Fall ausgezeichnet durch ein 
Zittern von oszillatorischem Charakter, das in den proximalen Gelenken am 
deutlichsten war und schon in der Ruhe auftrat. Ferner bestand eine Starr© 
des Gesichts und eine artikulatorische Sprachstörung. Sehr im Vordergrund© 
standen psychische Störungen, die eine Verbringung des Kranken in eine 
Irrenanstalt nötig machten. Ob die gleichzeitig vorhandene tertiäre Lues etwas 
mit der Erkrankung zu tun hat, muß dahingestellt bleiben. 

Als einwandfreier Fall von Pseudosklerose kann meines Erachtens auch der 
von Völsch veröffentlichte angesehen werden, obwohl hier bei der Sektion 
die damals noch nicht beschriebenen anatomischen Veränderungen des Gehirns 
nicht nachgewiesen wurden. Dagegen war die charakteristische Lebererkrankung 
und außerdem eine starke Milzschwellung festzustellen. Klinisch: 14jähriges 
Mädchen. Beginn mit Anfällen. Es bestand ein langsames rhythmisches oscil - 
latorisches Wackeln, das durch Intention gesteigert wurde. Dazwischen traten 
ausfahrende Bewegungen auf, die vereinzelt an Chorea erinnerten. Gesichts¬ 
ausdruck starr, Sprache langsam, leise, dysarthrisch, genauere Angaben über 
die Tonusverhältnisse fehlen. Erwähnt wurden nur wechselnde Kontrakturen. 
Abnahme der geistigen Fähigkeit. 

Fleischer beschreibt drei ziemlich gleichartige Fälle mit Hornhautringen; 
zwei von ihnen kamen zur Sektion, wobei sich eine charakteristische Leber¬ 
veränderung und geringe Milzschwellung fand, während im Gehirn makrosko¬ 
pisch nichts Krankhaftes nachweisbar war. Auch hier handelte es sich um 
ein starkes schüttelndes Wackeln, das sich bei Intention und gemütlicher 
Erregung verstärkte; der Muskeltonus wird in einem Falle als spastisch be¬ 
zeichnet, in einem anderen wird von Rigidität gesprochen. Von Anfällen wurde 
nicht berichtet. Magen-Darmstörungen wurden bei den beiden ersten Fällen 
beobachtet. Psychisch fand sich bei zweien erhöhte Reizbarkeit und allmäh¬ 
licher Ausgang in Demenz. Der erste Fall begann etwa im 15. Lebensjahre 
und endigte mit 29 Jahren tödlich, der zweite Kranke zeigte die ersten Er¬ 
scheinungen mit 24 Jahren, er starb nach 5 Jahren, bei dem dritten ent¬ 
wickelten sich die Erscheinungen erst etwa im 30. Lebensjahre. Der eine der 
ad exitum gekommenen Fälle ist inzwischen histologisch untersucht worden 
(Spielmeyer); es fand sich die typische Lebererkrankung und im Gehirn die 
Alzheimersche Gliaveränderung. 

Rausch und Schilder berichten über zwei Schwestern mit der gleichen 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


73 


Erkrankung. Beide hatten die charakteristische Hornhautpigmentierung. Die 
erste Patientin erkrankte im 26. Lebensjahr; zur Zeit der Beobachtung war sie 
bereits 43 Jahre alt. Eine Leberinsuffizienz machte sich durch alimentäre 
Lävulosurie bemerkbar. Neurologisch: rhythmisches Zittern, das sich von dem 
der Paralysis agitans dadurch unterscheidet, daß es mehr bei statischer Inner¬ 
vation und bei Intentionen beobachtet wird. Außerdem besteht Adiadocho- 
kinese, Ataxie, starkes Skandieren der Sprache; der Muskeltonus war normal 
oder leicht vermindert. Es bestand ferner Affektlabilität und Einschrän¬ 
kung der Intelligenz. Auf Milztumor war wegen Spannung nicht zu unter¬ 
suchen. 

Bei der anderen, etwas später an den gleichen Symptomen erkrankten 
Schwester überwiegen .im Krankeitsbild die Schüttelbewegungen, Hypertonie 
besteht auch hier nicht, von Anfällen wird bei beiden nichts erwähnt. Eine 
Leberinsuffizienz und Milztumor waren klinisch nachweisbar. 

Schütte teilt folgende Erkrankung mit: Ein 16jähriges nicht belastetes 
Mädchen bekommt einen Krampfanfall, an den sich eine Veränderung der 
Sprache anknüpft. Im weiteren Verlauf gesellt sich dazu Abnahme der In¬ 
telligenz, es kommt zu Sprach- und Schluckstörungen; deutlicher Intentions¬ 
tremor. Pyramiden8ymptome und klinische Zeichen einer Leberstörung fehlen. 
Tod nach 9 Jahren. Über die Sektion berichten Jokoyama und Fischer: 
Es fand sich im Gehirn ein ausgedehnter Untergang von Markfasern und 
Ganglienzellen und eine sehr erhebliche Wucherung gliöser Elemente. Am 
meisten befallen war das Stirnhim, weniger Linsenkern und Kleinhirn. 

In den Seitensträngen des Rückenmarks geringe Faserlichtung. Außerdem 
bestand auch in diesem Falle die eigentümliche Form der Leberzirrhose und 
eine Milzvergrößerung. Von einer sicheren Darmstörung intra vitam wird 
nichts berichtet, erwähnt ist nur, daß Patient unter sich ließ (Diarrhoe?). 

Den ersten anatomischen Befund im Gehirn bei Pseudosklerose erhob 
Alzheimer. Es handelte sich dabei klinisch um einen nicht ganz typischen 
Fall insofern, als auch Störungen im Pyramidensystem nachgewiesen waren, 
ohne daß jedoch die Diagnose multiple Sklerose berechtigt schien. Auf 
die klinische Bedeutung des Falles wird später noch zurückzukommen sein. 
Es handelt sich um einen angeboren Schwachsinnigen, dessen Vater Potator 
gewesen war. Beginn der Erkrankung mit 15 Jahren. Darnach häufig epi¬ 
leptische Anfälle, Charakterveränderungen, reizbares Wesen, Wutanfälle, Zwangs¬ 
lachen, Demenz. Neurologisch bestand leichte spastische Hemiparese mit Ba- 
binski und Erhöhung der Sehnenreflexe auf der paretischen Seite, allgemeine 
Verlangsamung der Bewegungen, artikulatorische Sprachstörung; Augenhinter¬ 
grund und Sensibilität intakt. Im Vordergrund stand ein eigenartiger alle 
Gliedmaßen gleichmäßig betreffender Intentionstremor, der auch in der Ruhe 
nicht ganz aufhörte. Tod nach 7 jähriger Krankheitsdauer. Die Sektion er¬ 
gab eine schwere Veränderung des Gehirns, die nur mikroskopisch nachweis¬ 
bar war: am stärksten erkrankt waren Linsenkern, Thalamus, Regio hypotha- 
lamica, Brücke und Nucleus dentatus. Keine entzündlichen Erscheinungen. 
Dagegen Untergang des nervösen Gewebes und progressive Veränderungen der 
Gliazellen. An der Leber fand sich die charakteristische grobknotige Zirrhose. 
Von der Milz wird nichts erwähnt. 



74 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Einen ähnlichen Befund konnte ich bei einem 1914 veröffentlichten Fall 
feststellen; in bezug auf die klinischen Daten war ich dabei auf etwas lücken¬ 
hafte Angaben angewiesen. Keine Belastung. Beginn der Erkrankung im 
17. Lebensjahr, in seinem 23. Lebensjahr war er wegen »Paralysis agitans« in 
einem kleinen Krankenhaus vorübergehend untergebracht gewesen, im Siechen¬ 
haus werden Muskelspannungen nur in den Adduktoren beider Oberschenkel 
festgestellt, im übrigen wird das Bild von langsamen, ruckartigen Tremor¬ 
bewegungen beherrscht, die durch Intention meist vermehrt werden. Gesichts¬ 
ausdruck maskenartig starr, starker Speichelfluß. Sprache monoton, unartikuliert, 
langsam; von Anfällen wird nicht berichtet. Intellektuell soll er intakt ge¬ 
wesen sein, im übrigen wird er als reizbar, unverträglich geschildert. Häufig 
sind Darmkatarrhe beobachtet. Tod mit 28 Jahren. .Bei der Sektion fand 
sich die eigenartige Leberveränderung und eine Milzschwellung, daneben im 
Linsenkern, Nucleus dentatus des Kleinhirns, sowie auch im Stirnhirn und in 
leichterem Grade in den Zentralwindungen Gliazellveränderungen ganz ähnlich 
den von Alzheimer beschriebenen; abweichend von dem Alzheimer sehen 
Befunde war, daß sich in meinem Falle auch Veränderungen an den Ge¬ 
fäßen vorfanden. 

Hierher zu rechnen sind auch drei von Dziembowsky beschriebene Brüder, 
die an einer ähnlichen Erkrankung litten. Bei allen dreien waren Hornhaut¬ 
ringe nachzuweisen. Bei einem zur Sektion gekommenen Fall fanden sich 
Leberzirrhose und Milztumor, das Gehirn soll normal gewesen sein. Klinisch 
war für den ersten Fall charakteristisch eine maskenartige Starre des Gesichts, 
Speichelfluß, Schluckstörung, Bewegungsverlangsamung, skandierende Sprache, 
allgemeine Muskelrigidität. Das Westphalsche paradoxe Phänomen war vor¬ 
handen. Dazu bestand Pro- und Retropulsion beim Gehen. Klinisch war eine 
Leberfunktionsstörung und Milzvergrößerung nachweisbar. Bei Fall 2 waren 
mit 20 Jahren Krämpfe beobachtet worden; er zeigte außerdem ausgesprochenes 
Wackeln des Kopfes und Rumpfes bei Intentionen. Ähnliche Erscheinungen, 
jedoch in geringerem Grade, wies der dritte Bruder auf. Klinisch bestand 
Müztumor und Leberfunktionsstörung in allen drei Fällen. 

Einen typischen Fall beschreibt A. Westphal 1913: 

24jähriges Mädchen, Vater Potator, skandierende nasale Sprache, starrer 
Gesichtsausdruck, Anfälle, schüttelnder Tremor, spastisch-paretischer Gang, keine 
Pyramidensymptome. Hornhautring. Psychisch apathisch, stuporös, zuweilen 
ängstlich erregt, kein deutlicher Intelligenzdefekt. Tod an interkurrenter Er¬ 
krankung. Sektion: grobknotige Leberzirrhose. Milz vergrößert. Das Gehirn 
zeigte denselben Befund wie bei dem Kranken Alzheimers. Besonders aus¬ 
gesprochen waren die Veränderungen in den großen Ganglien des Großhirns 
und im Nucleus dentatus des Kleinhirns. Am Darm fanden sich Geschwüre 
(Tbc.? Ty.?). 

Unter den von Strümpell später veröffentlichten Fällen ist der 1914 von 
ihm und Hand mann beschriebene wegen der Hornhautpigmentierung als 
diagnostisch sicher anzusprechen. Er hatte drei Jahre vor der Erkrankung 
einen Unfall durch Sturz aufs Kreuz erlitten. Klinisch weicht er insofern von 
den anderen Fällen etwas ab, als weder Anfälle noch psychische Störungen 
beobachtet wurden. Beginn im 31. Lebensjahre. Im Vordergrund steht auch 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


75 


liier ein grobes, sehr rasches Wackeln, das bei Intention auftritt und stärker 
wird. Eine eigentliche Hypertonie wird vermißt, leichte Starre im Gesicht und 
deutlich skandierende Sprache. Keine psychische Veränderung. Milz palpabel 
und etwas vergrößert. 

1915 beschreibt Strümpell zwei weitere Fälle. Ein 18jähriges Mädchen, 
das vor fünf Jahren erkrankt ist. Nie menstruiert. Grobes rhythmisches 
Wackeln. Ständig offener Mund. Keine Hypertonie der Muskeln, skandierende 
Sprache, Speichelfluß, Schluckstörung, geistige Schwäche, Kornealring. 

Der zweite Fall wird von Strümpell als eine beginnende Pseudosklerose 
aufgefaßt. Es handelt sich hier um einen 22 jährigen Mann, der vor sieben 
Jahren eine leichte Gehirnerschütterung erlitten hatte. Außerdem hatte er vor 
sechs Jahren eine fieberhafte akute hämorrhagische Nephritis durchgemacht. — 
Klinisch war bei ihm einstweilen nur Verlangsamung der Sprache, Tremor der 
Hände, maskenartiger Gesichtsausdruck und Adiadochokinese zu beobachten. 
Auch hier bestand ein Hornhautring. Ferner war eine Milz Vergrößerung fest¬ 
zustellen. Intra vitam bestand Darmkatarrh. Belastung war in keinem der 
beiden Fälle nachzuweisen. 

Von drei Fällen Oppenheims sind zwei wegen der vorhandenen Horn¬ 
hautpigmentierung als sichere Pseudosklerosen anzusprechen: 27jähriger nicht 
belasteter Mann mit langsamschlägigem Zittern, das zuerst Ähnlichkeit mit 
Paralysis agitans zeigt, aber bei Intentionen stärker und im Ausmaß weiter 
wird, rechts stärker als links auftritt. Auch der Kopf wackelt, weniger die 
Beine. Verlangsamung der Sprache, die nasal und dysarthrisch klingt, anschei¬ 
nend kein Rigor. Schwerere psychische Erscheinungen fehlten. Keine Anfälle. 

Der zweite Fall von Oppenheim betraf ein 18jähriges Mädchen, das von 
einem luisch infizierten Vater stammte. Ihr Leiden begann mit leichtem 
Zittern und ging mit zahlreichen Remissionen einher; schließlich kam es zu 
einem außerordentlich starken Wackeln und Schütteln des Kopfes und Rumpfes, 
sowie der Arme, links mehr als rechts, bei Intentionen nahmen die Bewegungen 
zu. Keine Parese. Keine Hypertonie. Skandierende langsame Sprache, Ver¬ 
schlucken, etwas starrer Gesichtsausdruck, »hysteriforme« Anfälle, keine Pyra¬ 
midensymptome, Wassermann negativ. 

Soederberg berichtet über folgenden Fall: 

Klinisch: nicht belasteter, 13jähriger Knabe erkrankt mit Speichelfluß, 
Kopfschmerz, Tremor anfangs bei Intentionen, später auch in der Ruhe, Dys¬ 
arthrie und Gesichtsstarre; im weiteren Verlauf kommt es zu Muskelspannungen 
in den Beinen und Armen, Schwierigkeiten beim Gehen und einer Fixations¬ 
rigidität des linken Armes. Klinisch keine Darmstörungen. Die Untersuchung 
ergibt folgendes: Kornealring vorhanden, Leber hart, Milz vergrößert. Leber- 
funktionsstÖrung durch Lävuloseprobe nachgewiesen. Urobilinogenreaktion 
negativ. Ascites bestand anfänglich nicht, entwickelt sich aber im Anschluß 
an eine Diarrhöe. Neurologisch keine Pyramidensymptome, allgemeine Muskel¬ 
steifheit, vor allem im Gesicht und in den Armen. Mund steht zuweilen offen, 
Speichelfluß; Zunge kaum beweglich, zittert, starke Dysarthrie, Sprache lang¬ 
sam, eintönig, weinerlich, hoch im Tonfall, zitternd, aber nicht skandierend. 
Husten unmöglich, Schluck- und Kaustörung. Feinwelliger Tremor und leichtes 
Schütteln beider Arme, vorübergehende Blasenschwäche. Keine Intelligenz- 



76 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Störung. Tod an Pneumonie. Sektion: Gehirn ohne makroskopisch sichtbare 
Veränderungen. Die nähere Untersuchung soll von anderer Seite veröffentlicht 
werden. An der Leber eine grobknotige Hyperplasie. Starke Milzschwellung. 

Kastan berichtet über einen 21jährigen Mann, der vor vier Jahren im 
Anschluß an einen Schreck erkrankte, er litt an starkem, stoßenden Zittern; 
befallen waren Extremitäten und Kopf, das Zittern erfolgte in großen Exkur¬ 
sionen, Gesichtsausdruck starr, Sprache langsam, dysarthrisch, skandierend. 
Reflexe in Ordnung, kein Babinski, von Anomalien des Muskeltonus ist nichts 
erwähnt. Kein Kornealring. Vier Reaktionen negativ, Urobilinogenreaktion 
im Harn fehlt. Bei der Sektion fand sich eine typische Leberveränderung, 
Milz vergrößert, weich. Im Gehirn »Gliawucherungen«. 

Den vorstehenden Fällen füge ich eine eigene klinische Beobachtung von 
Pseudosklerose [an; die Diagnose wurde ebenfalls durch einen Hornhautring 
sichergestellt: 

Fall 25. Fräulein E. R. (Eppendorf) 21 Jahre alt. 

Keine Belastung. Normale Geburt und erste Entwicklung, mit 10 Jahren zweimal 
kurz hintereinander Gelbsucht. Menses zum ersten Male mit 14 Jahren, unregelmäßig, 
Beginn der Erkrankung im 15. Lebensjahre, anfangs Unsicherheit der rechten Hand, die 

bald stark wackelte; dies Wackeln ging allmählich 
auf den anderen Arm und schließlich auf die Beine 
über, so daß seit drei Jahren das Gehen sehr erschwert 
ist; seit zw*ei Jahren wackelt auch der Kopf. Sie war 
früher mehrfach in Krankenhausbehandlung, wo teils 
essentieller Tremor, teils Kleinhirnerkrankung, teils 
Chorea hysterica diagnostiziert wurde. Befund : Nor¬ 
male Entwicklung, guter Ernährungszustand. Herz 
und Lunge o. B. Augen: beim Blick nach oben grobes 
Wackeln von langsamem Charakter, das zuweilen 
auch spontan anftritt. Keine Augenmuskellähmungen. 
Pupillen in Ordnung. Hintergrund o. B. Gesichtsfeld 
w egen des Wackelns nicht sicher aufzunehmen, jedoch 
keine zentralen Skotome. Hornhaut: bei seitlicher 
Beleuchtung bemerkt man am oberen und unteren 
Rand der Hornhaut eine dichte, sichelförmige, etwa 
olivfarbene bzw\ gelbbraun-grünliche Verfärbung, die 
in der Hornhaut liegt und die darunterliegende 
hellblaue Iris verdeckt. In der Peripherie ist die Ver¬ 
färbung am dichtesten, sie hellt sich zentralwärts 
etwas auf. Sonst finden sich an der Hornhaut keine 
Veränderungen. Die Verfärbung gehört, wie eine Betrachtung mit der Lupe ergibt, der 
Hornhaut an und besteht aus feinsten Pigmentkörnchen. 

Fazialis, Hypoglossus gleichmäßig innerviert. Im Gebiet des Mundfazialis besteht 
beiderseits gleichmäßiges Zucken, besonders an den Oberlippen, das namentlich bei Er¬ 
regung deutlich wird. Sie kneift beim Sprechen die Augen oft zu, der Mund meist leicht 
geöffnet, die Sprache ist ausgesprochen skandierend, dabei zieht sie nicht nur die ein¬ 
zelnen Silben auseinander, sondern setzt auch auf Vokalen ab. Die Sprache ist langsam, 
klingt hohl, manchmal wie heulend, oft schwer zu verstehen. 

Bauchdeckenreflexe Patellar- und Achillessehnenreflexe +, kein Klonus, Babinski 
beiderseits. — Fußsohlenreflex -}-. Paradoxes Phänomen negativ — Adiadochokinese, 
wegen des starken Wackelns nicht exakt zu prüfen. Sensibilität ungestört für alle 
Qualitäten. 

Motilität: Sich selbst überlassen, liegt Pat. meist ruhig im Bett oder sie sitzt auch 
mit aufgerichtetem Oberkörper und nach vorn geneigtem Kopf da. In dieser Haltung 
wird sie von ihrem Wackeln kaum gestört. 



Abb. 3. Hornhautpigmentierung 
bei Pseudosklerose (Pat. E. R.). 
(Aus der II. med. Abteilung d. Univers.- 
Krankenhauses Hamburg - Eppendorf. 
Prof. Ur. Nonne.) 


Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 77 

Wenn man sie anspricht, beginnt sofort ein Schütteln und Nicken des Kopfes, sowie 
lebhaftes Zucken im Gesicht; bei Körperbewegungen wird dieses Schütteln noch stärker. 
Bei gewollten Bewegungen der Arme und Beine ausgesprochen ataktisches Wackeln, das 
sowohl in der Bewegungsrichtung wie senkrecht dazu auftritt. Das gesuchte Ziel wird 
nicht oder nur mit Hilfe erreicht. Die Beine machen dabei weit ausfahrende Bewegungen 
im Sinne von Abduktion und Adduktion. Am stärksten werden die ausfahrenden Wackel¬ 
bewegungen der Arme dann, wenn die Kranke zu irgendeinem Zweck den Arm im 
Ellenbogen beugen muß, wenn sie sich zum Beispiel mit dem Finger an die Nase fahren 
soll. Je näher die Kranke dann dem Ziele kommt, um so weiter ausfahrend werden die 
Bewegungen, auch das Tempo nimmt kreszendoartig zu, und am Ziel angelangt entsteht 
ein derartiges Schütteln und Schlagen, daß die Kranke sich dabei schonungslos ins Ge¬ 
sicht trifft und nach einem kurzen Versuch, die Hand dort zu lassen, den Arm rasch 
wieder wegzieht. 

Eine nähere Beobachtung ergibt, daß außer den groben ausfahrenden Wackel¬ 
bewegungen sich zuweilen in den Fingern noch ganz feine langsamere Zitterbewegungen 
abspielen, die nur bei verhältnismäßiger Ruhe zutage treten und etwas dem Zittern der 
Paralysis agitans ähneln. 

Das grobe Wackeln ist immer ganz ausgesprochen an die Bewegungsintention geknüpft. 

Zunächst kann sie bei einer Innervation das bew T egte Glied noch so beherrschen, daß 
nur ein leichtes Wackeln auftritt, dies nimmt dann aber rasch zu, so daß die oben er¬ 
wähnte Bewegungsstörung entsteht. Für gewöhnlich bestehen etwa 120 Oszillationen in 
der Minute. 

Am stärksten wird das Wackeln, w r enn der Arm im Ellenbogen gebeugt w'ird, beson¬ 
ders dann, wenn er sich in einer Mittelstellung zwischen Beugen und Strecken befindet, 
ln Streckhaltung und bei extremer Beugung kann der Arm wenigstens vorübergehend 
ruhig gehalten werden. Ähnliches gilt auch von den Beinen, wo Bewegungen mit ge¬ 
strecktem Knie verhältnismäßig geordnet ausgeführt werden können, während z. B. das 
Gelingen des Kniehackenversuchs an dem starken Wackeln scheitert. 

Beim Aufrichten im Bett wird der Oberkörper mit einem Schwung unter lebhaftem 
Wackeln in die Höhe geworfen. Patientin geht dann zunächst in die oben erwähnte Gleich¬ 
gewichtslage mit nach vorn gebeugtem Kopf. Wird diese Gleichgewichtslage irgendwie 
verändert, so droht sie nach hinten zu fallen. Legt sie sich nach hinten, so fliegen die 
Beine hoch, und sie ist nicht imstande, den Schwung im Oberkörper durch entsprechende 
Bewegung mit den Beinen auszugleichen. 

Auch beim Stehen hat sie, um das Gleichgewicht zu halten, Oberkörper und Kopf 
nach vorn geneigt, die Beine stehen breitbeinig. Beim Versuch zu gehen treten rudernde 
Bewegungen mit den Armen auf, sie macht große Schritte und hebt die Beine dabei 
storchartig hoch und setzt sie vorsichtig auf. Leicht unterstützt, namentlich w’enn sie 
die Hände dabei auf dem Rücken verschränkt, kann sie ohne besondere Schwierigkeit 
gehen. Bei einer Kehrtwendung fällt sie jedesmal hin, wenn sie nicht festgehalteu wird. 
Beim Umdrehen biegt sie das eine Bein im Knie und macht damit eigentümlich schleu¬ 
dernde Bewegungen. 

Propulsion und Retropulsion sind nicht zu beobachten, 

Muskeltonus: In der Ruhe fühlen sich alle Muskeln weich an, bei Bewegungen 
bemerkt man eine etwa normale Muskelanspannung für die Dauer des Impulses. Bei pas¬ 
siven Bewegungen nirgends Widerstand, eher eine Verminderung des Muskeltonus als 
eine Vermehrung. Die Spannungen in den Muskeln bei aktiven Bewegungen sind hervor¬ 
gerufen, um die vorhandene Unsicherheit der Bewegungen auszugleichen bzw. zu bessern. 
Keine Spasmen. Kein Rigor. Der Gesichtsausdruck ist nicht besonders starr, erscheint 
nur durch den weit offenstehenden Mund etwas unbewegt. Mimische Bewegungen nicht 
besonders herabgesetzt, öfters Zwangslachen. 

Elektrische Untersuchung von Muskeln und Nerven o. B. Die Untersuchung des 
Blutes ergibt keine besonderen Anomalien. Die Gerinnungszeit beträgt 15 Minuten; 
Blutzuckergehalt, Reststickstoff normal. Hämatin negativ. Vier Reaktionen negativ. Die 
Leberfunktion wurde zweimal geprüft. Am 13. Mai fiel die Prüfung negativ aus, keine 
Lävulosurie, kein Urobilin, kein Urobilinogen im Ham. Leber und Milz nicht palpabel. 
Am 8. Juni trat nach einer Gabe von 100 g Lävulose eine deutliche Lävuloseausscheidung 



78 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

auf. Auch bei Prüfung mit Galaktose wurde ein positiver Befund erzielt. Urobilin und 
Urobilinogen waren nicht vorhanden. Bemerkenswert ist, daß die Pat. an den beiden 
vorhergehenden Tagen je einen epileptiformen Anfall gehabt hatte. Diese Anfälle sind 
während der Krankenhausbehandlung etwa fünfmal beobachtet worden, dreimal entstanden 
sie während des Schlafes bzw. während des Aufwachens. Sie stößt dabei einen brüllenden 
Schrei aus, wird zyanotisch, der ganze Körper krampft sich tonisch, Zungenbiß, Pupillen 
lichtstarr, kein Babinski. Urin geht im Strahl ab, Dauer 1—2 Minuten. Die übrigen 
Anfälle verlaufen in der gleichen Weise. Die Patientin ist dabei vollkommen bewußtlos. 
Psychisch: Sohulkenntnisse leidlich, Patientin äußert wenig Interesse, es fehlt an Spon¬ 
taneität. Wesen kindlich-euphorisch, manchmal etwas eigensinnig, Stimmung im wesent¬ 
lichen abhängig von dem körperlichen Befinden. Häufig etwas erregt, bricht dann in 
Weinen aus. Sie wird nach mehreren Monaten ungeheilt entlassen. Die Katamnese 
2 1 / 2 Jahre später, ergibt, wie aus einem Brief der Mutter hervorgeht, daß sich im körper¬ 
lichen und geistigen Befinden nichts geändert hat, höchstens ist sie etwas heiterer ge¬ 
worden und hat Bedürfnis nach Unterhaltung, Theater usw. 

Zusammenfassung. 

Im Vordergrund des sich schleichend entwickelnden und lange konstant 
bleibenden Krankheitsbildes steht ein grober wackelnder Tremor, der meist an 
Intentionen geknüpft ist, sich auf Kopf und Extremitäten erstreckt und etwa 
zwei bis drei Oszillationen in der Sekunde aufweist. In der Ruhe fehlt dieses 
grobe Wackeln, dagegen beobachtet man manchmal Andeutungen von feineren 
Zitterbewegungen, die etwas an Paralysis agitans erinnern. 

Das grobe Wackeln nimmt zu bei Intentionen, und zwar nicht nur an 
Stärke, sondern auch an Amplitude und Schnelligkeit, so daß ein kreszendo- 
artiges Anschwellen zustandekommt. Besonders stark ist das Wackeln in den 
Armen und Beinen bei mittlerer Beugestellung. Sprache skandierend, grobes 
nystagmusartiges Wackeln der Augen. Keine Pyramidensymptome. Keine 
Skotome. Muskeltonus herabgesetzt, kein Rigor. Gesichtsausdruck wenig 
belebt. Keine Adiadochokinese. Kein paradoxes Phänomen, mehrfach epilepti- 
forme Anfälle. Psychisch nur ganz geringe Form von Demenz, Zwangslachen. 
Leichte Affektlabilität. Hornhautpigmentierung, leichte vorübergehende Leber¬ 
funktionsstörung *). 

Auf Grund dieser Beobachtungen von sicheren Fällen von Pseudosklerose, 
die zum geringeren Teil durch Sektionen, zum größeren Teil durch das Vor¬ 
handensein der Hornhautpigmentierung als einwandfreie anzusprechen sind, 
können wir folgende Symptomatologie zusammenstellen: Beginn meist früh, 
jedoch kommt auch vereinzelt späteres Einsetzen der ersten Erscheinungen vor. 
Zuweilen familiäres Auftreten. Pyramidensymptome fehlen immer (Ausnahme: 
Fall Alzheimer-Höslin, der linksseitigen Babinski auf wies). Bauchdecken¬ 
reflexe sind immer vorhanden, keine Skotome, kein Babinski; Reflexe zuweilen 
lebhaft, aber nicht gesteigert. Nie Sensibilitätsstörungen. Das augenfälligste 

x ) Ein weiterer durch Sektion belegter Fall wird von Hall in seiner nach Abschluß 
dieser Arbeit erschienenen Monographie veröffentlicht. Es handelt sich um einen Mann 
ohne familiäre Belastung, der mit 25 Jahren zunächst an Schwindelanfällen und Sprach¬ 
störungen erkrankt. Später Zittern, Rigor, Schluckbeschwerden, Kontrakturen. Keine 
klinischen Lebererscheinungen. Hornhautpigmentierung war vorhanden. Tod nach sieben 
Jahren. Makroskopisch findet sich nur eine Verkleinerung des Linsenkems. Mikroskopisch: 
Degenerationen in Putamen. Gliaveränderungen im ganzen Gehirn. — Großknotige Leber¬ 
zirrhose, Milzschwellung. 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


79 


Symptom ist ein grobschlägiges Wackeln, das oft an Ataxie erinnert, meist zu 
langsam und im Ausmaß zu groß ist, um noch als Tremor bezeichnet zu werden. 
Bei Zielbewegungen ausgesprochene Ataxie, über deren Natur noch später zu 
sprechen sein wird. Daneben finden sich in zwei bis drei Fällen noch leichte 
Zitterbewegungen im Sinne der Paralysis agitans, die in der Ruhe auftreten 
und bei Bewegungen durch grobes Zittern verdeckt sind. Rigidität der Mus¬ 
kulatur ist nur vereinzelt beobachtet, mehrfach ist dagegen von Hypotonie die 
Rede. Der Gesichtsausdruck ist manchmal unbelebt, hat aber nicht die masken¬ 
artige Starre wie bei Wilsonscher Krankheit und bei der Paralysis agitans. 
Adiadochokinese tritt zuweilen auf. Das paradoxe Phänomen wird nur selten 
und inkonstant beobachtet. Sprache fast immer gestört, meist bradylalisch, 
stark skandierend, häufig unartikuliert. Schluckstörung zuweilen, Kaustörungen 
werden nicht erwähnt. Von einer Bewegungsarmut ist nur selten die Rede 
in den beschriebenen Fällen. Fast immer bestehen psychische Defekte im 
Sinne der Demenz, außerdem eine Reizbarkeit, Affektlabilität, vielfach Neigung 
zu unmoralischen Handlungen, Zwangslachen und Zwangsweinen häufig; mehr¬ 
fach epileptiforme oder apoplektiforme Anfalle. Soweit Sektion gemacht war, 
fand sich eine Leberzirrhose und am Gehirn makroskopisch nichts. Dagegen 
gelang es in vereinzelten Fällen, die mit modernen Methoden untersucht werden 
konnten, charakteristische progressive Gliaveränderungen, namentlich in den 
zentralen Ganglien am Nucleus dentatus des Kleinhirns, sowie vereinzelt an 
der Hirnrinde festzustellen. 

Wir würden also folgende Unterschiede gegenüber der Wilsonschen Krank¬ 
heit finden: 



Wilson 

Pseudosklerose 

Rigor. 

stark 

kann fehlen 

Gesichtsausdruck .... 

maskenartig, starr 

zuweilen starr 

Sprache . 

dysarthrisch bulbär 

skandierend bulbär, bisweilen 
auch dysarthrisch 

Schlucken. 

oft gestört 

ebenso 

Unwillkürliche Bewegungen 

tremorartig, bei Intentionen 

grobes Wackeln, bei Inten- 


zunehmend 

tionen zunehmend, daneben 
zuweilen auch Zitterbewe¬ 
gungen 

Anfälle .I 

nicht beobachtet i 

i häufig 

Psyche . 

manchmal dement, reizbar 

fast immer Demenz, reizbar 

Hornhautring. 

nicht beobachtet 

häufig 

Leber . 

bei Sektion grobknotige Hyperplasie der Leber 

Gehirn. 

Erweichung im Linsenkern 

progress. Gliaveränderungen 

Dauer. 

a) akut, 2—3 Monate, 



b) chronisch, 3—5 Jahre 

oft lang hingezogen 


Bevor ich zur Darstellung der autoptisoh nicht geklärten und klinisch nicht 
ganz sicheren Fälle übergehe, möchte ich über zwei bis jetzt nur bei der 
Pseudosklerose beobachtete Symptome sprechen, da sie zum Teil von großer 
diagnostischer Bedeutung sein können. Es handelt sich um die schon er¬ 
wähnten Hornhautpigmentierungen und die epileptiformen Anfälle. 















80 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


Anfälle kommen bei der Pseudosklerose immerhin so oft vor, daß man ihr 
Auftreten nicht als ein zufälliges bezeichnen kann. Unter 26 Fällen sicherer 
Pseudosklerose wurden Anfälle bei zehn beobachtet. Da die Anfälle auch da, 
wo sie beschrieben werden, im ganzen recht selten sind und zum Teil auch nur 
zu gewissen Zeiten auftreten, so besteht die Möglichkeit, daß sie zuweilen der 
Beobachtung entgangen sind. Diese Anfälle werden teils als apoplektiforme, 
teils als epileptiforme beschrieben. Auch bei den ersten Fällen von Westphal 
und Strümpell sind Anfälle verzeichnet. Strümpell bringt eine etwas ge¬ 
nauere Beschreibung: Der Kranke war völlig bewußtlos, zeigte stertoröses Atmen, 
die Pupillen waren weit, sämtliche Reflexe waren erloschen. Ein Schrei leitete 
zuweilen den Anfall ein, einmal wurde der Mund nach rechts verzogen und 
einmal blieb nach dem Anfalle eine rechtseitige Hemiparese zurück, die jedoch 
nur kurz anhielt. Konvulsionen traten nicht dabei auf. Bei dem soeben 
erwähnten Falle ergab die Beobachtung, daß zwischen den einzelnen Perioden 
mit gehäuften Anfällen langdauernde anfallsfreie Zeiten waren. Zuweilen wird 
der Anfall als erstes Symptom der Pseudosklerose festgestellt. 

Bei den von mir beobachteten Patienten Ri. traten Anfälle ebenfalls bis¬ 
weilen auf. Bemerkenswert ist, daß sich diese Anfälle unmittelbar an das 
Erwachen aus dem Schlaf anschlossen oder während des Schlafens entstanden. 
Patient stößt bei Beginn des Anfalls einen brüllenden Schrei aus, wird stark 
zyanotisch, der Körper streckt sich tonisch, ohne daß es dabei zu Konvulsionen 
kommt. Während des Anfalls ist die Pupillenreaktion auf Licht erloschen. 
Babinski ist nicht auszulösen. Patient beißt sich auf die Zungenspitze und 
näßt gegen Ende des Anfalls ein. Dauer zwei bis drei Minuten: postparoxysmale 
Lähmungen werden nicht beobachtet. Die Anfälle unterscheiden sich von epilep¬ 
tischen nur durch das Fehlen des konvulsischen oder klonischen Stadiums, alle 
übrigen Kriterien, die wir vom epileptischen Anfall verlangen, sind vorhanden. 

Etwas anderer Natur waren die Anfälle bei Patient Gö., dessen Kranken¬ 
geschichte später wiedergegeben wird. Anfangs gingen sie mit vollkommener 
Bewußtlosigkeit einher, sie traten zunächst etwa alle vier Wochen auf. Nach 
dem Erwachen war der Kranke zwar klar, aber außerstande sich zu bewegen. 
Später wurden diese Anfälle leichter und traten in größeren Abständen, dann 
aber meist gehäuft auf. Ärztlich beobachtet wurde kein Anfall. 

Bei den meisten in der Literatur erwähnten Beobachtungen spielen die 
Anfälle eine recht geringfügige Rolle, daß sie offenbar aber auch ganz im 
Vordergründe des klinischen Bildes stehen können, zeigen Beobachtungen von 
Jakob, der in seiner Arbeit über die Pathologie der Epilepsie Fälle mitteilt, 
die sehr wahrscheinlich zu der Gruppe der Pseudosklerose gehören. Jakob 
wurde dadurch darauf aufmerksam, daß er in einem Falle Veränderungen im 
Gehirn fand, die an die der Pseudosklerose erinnerten. Bei einem anderen 
Kind, das seit dem siebenten Lebensjahr an epileptischen Anfällen und Demenz 
litt, waren außerdem noch Schwanken des Körpers, ungeschickte Zweckbewe¬ 
gungen und eine näselnde, monotone Sprache zu bemerken. Sonderbare Dreh- 
und Schleuderbewegungen führte auch ein 64 jähriger Epileptiker, der seine 
Anfälle seit dem 23. Jahre hatte, aus. Er hatte nebenbei noch heftiges Zittern, 
pseudobulbäre Sprache, sowie verschiedene an Paralvsis agitans erinnernde 
Symptome. Sektionsergebnis: für die beiden zuletzt erwähnten Fälle steht 


i 



Klinischer Überblick über Wilsonsohe Krankheit und Pseudosklerose. 


81 


noch aus; Jakob faßt den der Störung zugrunde liegenden Prozeß auf als 
zusammengesetzt aus den bei genuiner Epilepsie manchmal erhobenen Befunden 
und aus einem Anlagefehler in der Rindenbildung. Wichtig ist, daß es sich 
um eine Veränderung an der Rinde handelt; das erklärt einerseits das Vor¬ 
kommen der Krämpfe überhaupt, andererseits das Fehlen der Anfälle bei 
der Wilsonschen Krankheit, bei der die Rinde offenbar gar nicht oder doch 
nur in Ausnahmefällen am pathologischen Prozeß beteiligt ist. 

Ob der rein tonische Charakter ein besonderes Merkmal dieser Anfälle 
ist, kann ohne weiteres Material nicht entschieden werden. Es besteht die 
Möglichkeit, daß es sich bei diesen tonischen Anfällen nicht um eigentliche 
Großhirnrindenkrämpfe handelt, denen ja meist eine klonische Komponente 
zukommt, sondern daß zerebellare Veränderungen die Ursache oder Mitursache 
bilden. Daß Kleinhirnschädigungen bei Pseudosklerose anatomisch nachgewiesen 
sind, spricht für diese Annahme; auch haben Untersuchungen von Horsley 
und Clarke ergeben, daß eine elektrische Reizung der tiefen Kleinhirnkerne 
heftige gleichseitige tonische Krämpfe hervorruft. Dahingestellt bleiben muß 
es, ob zwei von Schilder beschriebene Fälle mit Rigor als postparoxysmale 
Erscheinung der Epilepsie ebenfalls in die Klasse der Pseudosklerose gehören; 
außer der postparoxysmalen Starre zeigten sich keine pseudosklerotischen 
Symptome. Pyramidenzeichen wurden auch vermißt. 

Neben den neurologischen Symptomen kommt für die Diagnose Pseudo¬ 
sklerose der Hornhautpigmentierung eine große Bedeutung zu, sie ist 
einerseits diagnostisch wichtig, andererseits glaubte man in ihr einen Ausdruck 
besonderer Störungen zu finden, durch deren Aufklärung man bestimmtere 
Hinweise auf die Ätiologie der Pseudosklerose erhoffte. Diese Erwartungen 
haben sich bis jetzt nicht erfüllt, dagegen steht die diagnostische Bedeutung 
dieses Pigments an der Hornhaut unbestritten da. Wie schon oben ausdrück¬ 
lich hervorgehoben wurde, kommt es nur bei Pseudosklerose vor, so daß sein 
Vorhandensein die Diagnose sichert. Bemerkenswert ist, daß bis jetzt bei 
keinem Falle reiner Wilson scher Krankheit dieser Pigmentsaum gefunden 
worden ist. Aber auch nicht alle Fälle von einwandfreier Pseudosklerose zeigten 
dies Symptom, und zwar fehlt es auch bei einzelnen Fällen, die erst nach der 
Entdeckung der Erscheinung durch Kayser (1902) beschrieben sind. Daß das 
Symptom leicht zu übersehen ist, wenn man nicht besonders darauf achtet, 
ist zweifellos. Sogar wenn man darnach sucht, kann es unter Umständen 
schwer zu erkennen sein, zumal wenn man nie einen derartigen Fall gesehen 
hat. Fleischer warnt vor der Möglichkeit einer Verwechslung mit dem 
Hämosiderinring im Hornhautepithei bei Keratokonus, der weder ätiologisch 
noch klinisch mit dem Pigmentsaum der Pseudosklerose etwas zu tun hat. 
Am leichtesten ist die Pigmentierung bei seitlicher Beleuchtung wahrzunehmen. 
Sehr hüten muß man sich vor Verwechslungen mit Irisverfärbungen, die zu¬ 
weilen ganz ähnlich aussehen können, und bei manchen peripheren Irisfarb¬ 
streifen ist es schwer zu sagen, ob das Pigment der Iris oder der Hornhaut 
angehört. In zweifelhaften Fällen muß eine Untersuchung mit der Homhaut- 
lupe vorgenommen werden. 

Meist ist die Pigjraentierung ringförmig an der ganzen Peripherie der Horn¬ 
haut angeordnet, und zwar ist sie oben und unten am breitesten, an beiden 

Bostroem, Symptomenkomplex. 6 



82 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Seiten etwas schmäler. In einem von mir beobachteten Fall (E. R.) fand sich nur 
am oberen und unteren Hornhautrande je eine pigmentierte Sichel, die in der 
Mitte am breitesten war. — Eine ähnliche Anordnung der Pigmentierung be¬ 
schreibt Söderberg. Bei A. Westphal und Oppenheim nahm sie auch nicht 
die ganze Peripherie der Hornhaut ein, sondern hatte sichelförmige Gestalt. 
Die Anordnung und Lage entspricht etwa der eines Greisenbogens an der 
Hornhaut. Die Breite beträgt zwischen 1 und 3 mm. 

Die Pigmentierung ist an der Peripherie am dichtesten, nach der Mitte 
zu wird sie zarter, und die Fleckchen werden kleiner. Mit der Homhautlupe 
sieht man ungemein zahlreiche, kleine, gelblichgrünliche Körnchen in der 
Hornhaut liegen und zwar nicht an der Oberfläche, sondern tief in der Horn¬ 
hautsubstanz, besonders in der Descemetschen Membran. Die Farbe wird 
meist als gelbbräunlich beschrieben, zuweilen schimmert sie etwas grünlich 
oder olivfarben. Der Farbeneindruck ist in gewissen Grenzen abhängig von der 
Art der gewählten Beleuchtung. 

Im allgemeinen wird diese Pigmentierung als eine angeborene Anomalie 
betrachtet. Einen Beweis für diese Anschauung finde ich nirgends. An sich 
spricht nichts dagegen, daß sich der Pigmentsaum erst im Laufe des Lebens 
bilden kann im Zusammenhang mit den gleichen Vorgängen, die zu dem 
Nervenleiden führen. Offenbar handelt es sich aber um ein Frühsymptom 
bei Pseudosklerose; dafür spricht, daß es bei ganz inzipienten Fällen wie 
0. Goldammer (Strümpell) und Kasimir R. (Dziembowsky) schon zu einer 
Zeit vorhanden ist, in der neurologische Symptome erst angedeutet bestehen. 
Fälle, bei denen eine Entwicklung des Pigmentsaumes oder ein Fortschreiten 
desselben beobachtet sind, existieren nicht. Allenfalls könnte der eben zitierte 
Fall Kasimir R. für die Möglichkeit eines Fortschreitens sprechen, weü bei 
ihm der Ring nur angedeutet war, während sich bei seinen auch neurologisch 
stärker erkrankten Brüdern der Ring sehr viel mehr ausgeprägt fand. 

Nach den Untersuchungen von Fleischer entspricht dieser Hornhautver¬ 
färbung pathologisch - anatomisch eine Pigmentierung der Descemetschea 
Membran. Man findet mikroskopisch eine Einlagerung von sehr feinen, nicht 
ganz regelmäßigen, rundlichen und eckigen, grünlichbraunschwarzen Körnchen 
(von 0,8 jtt. Durchmesser). Die klinische Beobachtung, daß die Körnchen an 
der Peripherie dichter gelagert sind als zentralwärts, findet auch histologisch 
ihre Bestätigung. Eine ähnliche Pigmentierung fand Fleischer auch an 
anderen Teilen des Augapfels (Chorioidea, Retina, Glaskörpermembran) sowie 
an den Augenmuskeln; diese Pigmentierung wird in Beziehungen gesetzt zu 
Farbanhäufungen, die in einzelnen Fällen an der Niere, der Leber und der Milz 
gefunden wurden. Fleischer stellte Pigment bei seinem ersten Fall auch am Darm,, 
am Herzen, an der Haut sowie an der Pia des Rückenmarks fest; die Nebenniere 
war frei. Rumpel, der denselben Fall pathologisch-anatomisch und chemisch 
untersuchte, fand in der Milz nur Formalinniederschläge, kein Pigment; das 
an den übrigen Stellen (außer an der Hornhaut) vorhandene Pigment sieht er 
als Silberpigment an, eine Annahme, die von Fleischer ebenfalls ventiliert, 
aber als unwahrscheinlich aufgegeben wird 1 ). Ob es sich bei den Pigment- 

*) Diese Annahme von Fleischer wird durch die Untersuchungen von Hall neuer¬ 
dings bestätigt. 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


83 


anhäufungen an den inneren Organen um dieselben Stoffe handelt, wie an 
der Hornhaut, scheint nach diesen Untersuchungen zweifelhaft. Kubitz und 
Staemmler, die ebenfalls das Organpigment chemisch untersuchten, fanden 
nirgends Silber, dagegen Spuren von Kupfer und Arsen sowie Eisen in Leber, 
Milz und Nieren. 

Was die Natur dieses Pigments anlangt, so glaubt Fleischer, daß wir 
es hier mit Abkömmlingen des Hämoglobins zu tun haben. 

Über die Bedeutung dieser Pigmentierungen kann man sich bis jetzt nur 
in vagen Vermutungen ergehen. Es scheint auch nicht einmal bewiesen oder 
auch nur wahrscheinlich gemacht, daß überhaupt Beziehungen zwischen Horn¬ 
haut- und Organpigment bestehen. Ob die letzteren Pigmentanhäufungen zu 
dem Krankheitsprozeß in irgendwelchem Verhältnis stehen, ist gleichfalls noch 
völlig dunkeL 

Neben den sicheren Fällen von Wilsonscher Krankheit und Pseudosklerose 
sind noch eine ganze Reihe anderer veröffentlicht, bei denen die Diagnose 
weder durch die Sektion, noch durch den Hornhautring sicher gestellt werden 
konnte. Soweit sie sich in, der Symptomatologie sehr eng an die sicheren 
Fälle anschließen, können einzelne Fälle noch kasuistischen Wert haben. Andere 
werden diagnostisch zweifelhaft bleiben und können uns daher nicht weiter 
führen. Insbesondere können letztere kaum irgendwelche Anhaltspunkte geben 
zu der Frage, ob es sich bei Wilsonscher Krankheit und Pseudosklerose um 
das gleiche Leiden handelt oder nicht. 

In einem Fall von Boenheim handelt es sich um einen nicht belasteten 
14jährigen Jungen, dessen Erkrankung vor drei Jahren mit epileptischen An¬ 
fällen begonnen hatte. Allmählich zunehmende Demenz; neurologisch: Be¬ 
wegungsarmut, maskenartiges Gesicht, ausgesprochene Hypotonie, Adiadocho- 
kinese, seltene athetoide Bewegungen der Hände, tickartige Zuckungen im 
Gesicht, Sprache verlangsamt, skandierend. Unsicherer Gang, keine einwand¬ 
freien Pyramidensymptome. Leberfunktionsprüfung nicht ausgeführt. Kein 
Homhautring. 

Boenheim ist geneigt, hier die Diagnose Pseudosklerose zu stellen. Er 
braucht sie im gleichen Sinne wie Wilsonsche Krankheit. 

In diesem Falle ist es in der Tat auch schwer zu sagen, zu welcher Dia¬ 
gnose man sich entschließen soll: Der starre Gesichtsausdruck und die Be¬ 
wegungsarmut stehen im Vordergrund, Wackelbewegungen sind wenig ausge¬ 
prägt ; alles Symptome, die nach den oben geschilderten für Wilson zu ver¬ 
werten sind. Dagegen lassen sich die Anfälle und die Hypotonie eher für 
die Diagnose Pseudosklerose verwerten. Entscheidung könnte hier erst die 
Sektion bringen. Ob dieser Fall nicht vielleicht durch eine Kombination mit 
Spasmophilie ein besonderes Gepräge erhalten hat, muß dahingestellt bleiben. 

Einen ebenfalls nicht ganz typischen Fall ohne Sektion bei einem 17 jäh¬ 
rigen Patienten veröffentlicht Cassirer. Keine Belastung, keine Anfälle, keine 
psychischen Störungen. Beginn der Erkrankung im dritten Lebensjahr. Im 
Vordergrund steht eine sehr hochgradige Starre des Gesichts und der Haltung, 
sowie eine Verlangsamung der Bewegungen, die auch zuweilen unabhängig von 
der Starre auftritt und daher nach Ansicht des Verfassers als Primärsymptom 

6» 



84 Di© Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 

zu werten ist. In der Ruhe tritt bisweilen anfallsartig ein Zittern auf, außer¬ 
dem besteht Intentionswackeln. Ferner werden synergistische Störungen be¬ 
obachtet. Keine Athetose, dagegen Neigung zu Mitbewegungen. Keine Pyra¬ 
midensymptome. Sprache dysarthrisch, außerdem Dysphagie. 

In bezug auf die Symptomatologie wird man Cassirer beipflichten, wenn 
er seinen Fall in die Wilsonsche Gruppe einreiht, obwohl der Tremor in dem 
vorliegenden Falle etwas gröber zu sein scheint als beim typischen Wilson. 

Ebenfalls der Wilsonschen Krankheit sehr nahe steht ein Fall von Sawyer, 
den Wilson selbst klinisch untersucht hat und zu seinen Fällen rechnet, ob¬ 
wohl er in einigen Punkten von dem gewöhnlichen Bilde ab weicht: So ist 
die lange Dauer der Erkrankung (Beginn mit 19 Jahren, Alter zur Zeit der 
Untersuchung 36) ungewöhnlich, der Tremor ist nicht konstant, ebenso ist der 
Muskeltonus nicht gleichmäßig, erinnert vielmehr an den Spasmus mobilis 
(vgl. einen später zu erwähnenden Fall von Thomalla). Muskelkontrakturen 
und Schluokstörungen bestehen nicht. Klinische Symptome seitens der Leber 
fehlen. Bemerkenswert ist, daß die Handhaltung sehr der der Paralysis agitans 
gleicht, woran auch der Gesichtsausdruck und die Retropulsion erinnern. 

Als Wilsonsche Krankheit zu rechnen ist Fall 1 von Stertz. In der 
Familie keinerlei ähnliche Krankheiten. Schwere Geburt, als Kind Krämpfe. 
Beginn der jetzigen Erkrankung etwa mit 12 — 13 Jahren mit Sprach- und 
Schluckstörungen, Steifheit. Kein Homhautring. Bewegungsarmut, masken¬ 
artige Starre des Gesichts, allgemeine Muskelschwäche ohne eigentliche Läh¬ 
mungen. Bewegungen langsam, Adiadochokinese, Rigor, Retro- und Latero- 
pulsion. Kein Tremor, keine Pyramidenerscheinungen, kein paradoxes Phänomen, 
keine wesentlichen psychischen Störungen. 

Dieser Fall hat insofern etwas Ähnlichkeit mit dem von Economo, weil 
auch hier der Tremor und andere hyperkinetische Erscheinungen vollkommen 
fehlten; im übrigen zeichnete sich die Economosche Beobachtung durch 
rascheren Verlauf aus. 

Als Wilsonsche Krankheit spricht Souques folgenden Fall an: Beginn der 
Erkrankung mit 21 Jahren. Dauer bis jetzt sechs Jahre. Rigidität der Mus¬ 
kulatur, Schluck-Sprachstörung, Zittern ähnlich dem der Parkinsonschen Krank¬ 
heit, an die auch Haltung und starrer Gesichtsausdruck erinnern. Ungewöhn¬ 
lich ist das Vorhandensein des Babinskischen Zeichens (vgl. Alzheimer- 
Hößlin). 

Schwer unterzubringen ist ein von Maas beschriebener Fall, Bruno H. Die 
Erkrankung begann erst zwischen dem 35. und 40. Lebensjahr mit Ungeschick¬ 
lichkeit und Zittern. Kurze Zeit darauf Schlaganfall mit rechtseitiger Läh¬ 
mung und Sprachstörung. Seitdem geistige Schwäche, Reizbarkeit, Anfälle, 
zeitweise Stuhl- und Urinkontinenz. Starkes Zittern des Rumpfes und der 
oberen Extremitäten, das sich bei Zielbewegungen zum Wackeln steigerte. 
Gang breitbeinig, watschelnd, von rudernden Mitbewegungen der Arme be¬ 
gleitet. Sprache nasal, skandierend, schwer verständlich. Keine Lähmungen, 
keine Pyramidenzeichen, Muskeltonus anfangs normal, später deutliche Rigi¬ 
dität, die aber in ihrer Stärke wechselte; jedenfalls weist aber eine ständige, 
eigentümliche, pronierte Haltung der Arme auf abnorme Spannungszustände 
hin. Auf Adiadochokinese war nicht geprüft worden. Eine feinere anatomische 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


85 


Untersuchung war bei dem durch fünf Jahre hindurch in Formol konservierten 
Gehirn nicht möglich. Makroskopisch keine Veränderungen. Histologisch fanden 
sich im Globus pallidus und Putamen Untergang der Ganglienzellen und 
sekundäre Gliaveränderungen in Gestalt stärkster Wucherung von Astrozyten. 
Keine wesentlichen Veränderungen an den Markscheiden, keine Gefäßerkran¬ 
kungen. Keine Riesengliazellen. Auf das Vorhandensein einer Leberverände¬ 
rung war bei der Sektion nicht geachtet worden. 

Interessant und zugleich für die Frage der Heredität von Bedeutung sind 
zwei Fälle von Hi gier. Es handelt sich um zwei Brüder, die Eltern waren 
blutsverwandt. Der Vater soll seit seinem 35. Lebensjahr an Paralysis agitans 
gelitten haben. Der eine Bruder erkrankte mit 13 Jahren, zur Zeit der Unter¬ 
suchung war er 22. Es besteht ein Wackeln und stoßendes Zittern, Steigerung 
desselben bei willkürlichen Bewegungen, Muskelrigidität, Starre des Gesichts, 
Dysphagie und Dysarthrie, skandierende Sprache, Retro- und Lateropulsion. 
Bewegungsverlangsamung und eine Behinderung der koordinatorischen Synergie 
einzelner Muskelgruppen. Keine Pyramidensymptome. Keine Anfälle. Leber 
klinisch verhärtet und knotig, Milz vergrößert. Psychisch: Erregbarkeit ge¬ 
steigert, Zwangslachen, keine deutliche Demenz. Keine Zeichen von Lues. 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Wilsonsche Krankheit. Pseudosklerose glaubt der 
Verfasser als unwahrscheinlich ausschließen zu dürfen, weil Anfälle und schwe¬ 
rere psychische Veränderungen fehlen. 

Bei dem anderen Bruder entwickelte sich erst im 30. Lebensjahr ein ähn¬ 
liches Leiden, das jetzt vier Jahre besteht: Wackeln des Kopfes, oszillatori- 
sches Zittern des Rumpfes und der Extremitäten. Teilweise von schlagendem 
und schüttelndem Charakter, ausgesprochen skandierende nasale Sprache, die 
mitunter explosionsartig zu sein scheint, keine eigentliche Muskelrigidität 
außer an der Gesichtsmuskulatur; keine auffällige Bewegungsverlangsamung. 
Haut dunkel pigmentiert. Leber perkutorisch verkleinert. Psychisch: labile 
Stimmung. Fehlen des Schicklichkeitsgefühls, oft läppisch, aber anscheinend 
keine eigentliche Demenz, Zwangslachen. Ab und zu treten epileptiforme An¬ 
fälle auf. Diagnose: Pseudosklerose. Hornhautring war in beiden Fällen nicht 
vorhanden. 

Erkrankungen, die sicher in dieses Gebiet gehören, die aber keineswegs 
als charakteristische Formen anzusehen sind, veröffentlichen Gerstmann und 
Schilder: Bei einer 31jährigen Patientin entwickelt sich innerhalb weniger 
Monate ein eigenartiger Rigor, eine Bewegungsverarmung, Retropulsion, Adia- 
dochokinese und ein der Paralyse agitans ähnlicher Tremor. Charakteristisch 
für die Hypertonie, die sich in mäßigem Grade stets nachweisen läßt, ist, daß sie 
durch wiederholte passive Bewegungen bis zur Unüberwindlichkeit gesteigert 
werden kann, während eine aktive Bewegung sofort ein Entspannen bewirkt. 
Neigung zum Verharren in Haltungen fehlt. Von dem Rigor der Paralysis 
agitans soll sich die Hypertonie des vorliegenden Falles unterscheiden durch 
die Möglichkeit der Verstärkung infolge von passiven Bewegungen. Ähnlich¬ 
keiten mit dieser Erkrankung sind zu erblicken in der Langsamkeit der Be¬ 
wegungen, in der Bewegungsverarmung und der Adiadochokinese, sowie in 
der Möglichkeit der Entspannung durch aktive Bewegungen. 

Es ist m. E. nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob das eigentümliche Ver- 



86 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpeil-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


halten des Rigor eine Besonderheit darstellt oder ob man ähnliche Symptome 
bei darauf gerichteter Untersuchung auch bei einwandfreien Fällen finden kann. 

Ein anderer Fall von Gerstmann und Schilder (Zeitschr. für die gesamte 
Neurologie und Psychiatrie 24) ist zu unsicher, um hier verwertet werden zu 
können. 

Zu diesen atypischen, klinisch noch rätselhaften Erkrankungen gehören 
auch zwei Fälle von Strümpell, die Geschwister Emil und Hilma H. Bei 
beiden begann die Erkrankung im 9. bis 10. Lebensjahr. Der Bruder, der 
jetzt etwa 40 Jahre sein mag, bietet folgende Erscheinungen: mimische Starre, 
Bewegungsarmut, ausgesprochene Hypertonie der Muskulatur sämtlicher Ex¬ 
tremitäten ohne Pyramidenzeichen, bei passiven Bewegungen nimmt der an¬ 
fänglich starke Muskel widerstand erheblich ab, Verharren in Haltungen, ge¬ 
ringes an Paralysis agitans erinnerndes Zittern der Finger. Eigentümlich und 
bis jetzt noch nie beschrieben ist die Erscheinung, daß bei ruhiger Rücken¬ 
lage das rechte Bein frei in die Luft gehalten wird, ohne zu ermüden, die 
Füße dauernd plantar flektiert ; Gang dadurch sowie durch die starke Vor¬ 
beugung des Rumpfes und durch die Beugehaltungen in Knie und Hüfte stark 
behindert. Keine Lähmungen, aber Muskelkraft bei Widerstandsbewegungen 
gering. Reflexe normal. Paradoxes Phänomen. 

Auch bei der jetzt 28jährigen Schwester des vorigen hat sich das Leiden 
seit dem zehnten Lebensjahre langsam entwickelt. Sie bietet im wesentlichen 
dasselbe Bild, auch hier das eigentümlich freischwebende Bein. 

Einige eigene Beobachtungen von Pseudosklerose, deren Diagnose nicht 
autoptisch erhärtet ist, und bei denen auch nicht durch das Vorhandensein 
der Hornhautpigmentierung ein unbedingt sicheres klinisches Zeichen gegeben 
ist, seien im folgenden mitgeteilt: 

Fall 26. Johannes Gö. (Eppendorf, später Breslau). 

40 Jahre alt. Keine Belastung — normale Entwicklung — früher gesund — keine 
Geschlechtskrankheiten — kein Alkoholmißbrauch. Hat ohne Beschwerden aktiv gedient 
1902 erkrankte er während einer militärischen Übung, begann zu zittern, offenbar im 
Anschluß an eine Erkältung. Das Zittern verstärkte sich allmählich, so daß er die Arme 
nicht mehr gebrauchen konnte; besonders beim Krümmen der Arme trat das Zittern in 
verstärktem Maße auf. Seinen Rentenansprüchen beim Militär wurde entsprochen, er 
bekam eine Rente von 100%, da er vollkommen erwerbsunfähig war. Ein ärztliches 
Attest im Jahre 1908 beschreibt die Sprache als langsam, fast skandierend, Nicken des 
Kopfes, schleudernde Bewegungen der Arme. In einem späteren Attest wurden die Be¬ 
wegungen der Hände als choreatisch und schleudernd bezeichnet. Seit 1908 leidet er an 
Druckgefühlen in der Magengegend mit hartnäckiger Verstopfung. 1909 hatte er zum 
ersten Male einen Anfall auf der Straße, der mit vollkommener Bewußtlosigkeit und 
rechtseitigen Zuckungen einhergegangen sein soll. Nach dem Anfall war er klar, aber 
zuerst vollkommen bewegungsunfähig. Diese Anfälle traten später etwa alle vier Wochen 
auf mit wechselndem Grad der Bewußtseinsstörung. 

In den letzten Jahren sind die Anfälle seltener geworden, kommen aber unter Um¬ 
ständen zwei- bis dreimal am Tage vor. Während des Anfalles kein Zungenbiß, kein 
Urinabgang. 

1918 wurde er eingezogen, für einen Hysteriker gehalten und zu Suggestionsbehand¬ 
lung auf die neurologische Abteilung von Prof. Nonne verlegt Hier wurde folgender 
Befund erhoben: Mittelgroß, mäßig kräftig, blasse Gesichtsfarbe, Haut trocken. Innere 
Organe ohne krankhaften Befund, Bauchdecken gespannt, Leber und Milz nicht palpabel, 
Urin frei. Nervensystem: Pupillen in Ordnung, kein Hornhautring, Augenhintergrund 
o. B., keine Skotome usw. Der Gesichtsausdruck ist wenig bewegt, er blickt ziemlich starr 



Klinischer Überblick über Wilsonsohe Krankheit und Pseudosklerose. 


87 


mit aufgerissenen Augen gerade aus, die Stirn ist quergefaltet, Mund steht etwas offen. 
Der mimische Ausdruck gleicht dem eines fixierten Erstaunens. Zuweilen Tränenfluß und 
reichliche Speichelabsonderung. Die Sprache ist eintönig, weinerlich, sehr langsam und 
leicht skandierend. Im Bereich der Gesichtsmuskulatur keine erhöhte Muskelspannung, 
alle Muskeln vollkommen weich. 

Die Reflexe der oberen Extremitäten sind lebhaft, Bauchdeckenreflexe deutlich vor¬ 
handen. Patellar- und Achillessehnenreflexe beiderseits von gleicher Stärke. Paradoxes 
Phänomen negativ. Grobe Kraft überall gut erhalten, jedoch durch die Wackelbewe¬ 
gungen beeinträchtigt. Bei vollkommener Bettruhe besteht kein Wackeln, nur ab und 
zu werden an den distalen Extremitäten, namentlich an den gestreckt gehaltenen Fingern 
leichte drehende Zitterbewegungen beobachtet. Die Bewegungen, die etwa 100—120 Os¬ 
zillationen in der Minute aufweisen, finden ausschließlich an den Händen bzw. an den 
Fingern — namentlich am Zeige- und Mittelfinger — statt, und erinnern entfernt an 
Paralysis agitans. 

Beim Sitzen, beim Versuch zu sprechen oder bei leichten Erregungen tritt ein all¬ 
gemeines, grobschlägiges, stoßendes Wackeln des ganzen Körpers auf. Der Kopf macht 
lebhafte drehende Bewegungen, die teilweise mit Nickbewegungen vermischt sind. Der 
Blick bleibt dabei starr geradeaus gerichtet; am stärksten sind die Bewegungen, wenn 
der Kranke im Sitzen seine Haltung ändern solL Die Bewegungen der Beine nehmen 
dabei einen stoßenden Charakter an und der ganze Körper gerät in lebhaft wackelnde 
Unruhe. Bei intendierten Bewegungen starke Ataxie der Arme und Hände. Vor Er¬ 
reichung des Zieles gerät die betreffende Extremität in ein grobes Hin- und Herfahren 
und Wackeln. Die Schwingungsbreite und Schwingungszahl der Bewegungen nehmen 
kreszendoartig zu, und die Extremitäten geraten in weit ausfahrende und schlagende 
Bewegungen, die nur durch Unterstützung oder durch Abbrechen der Bewegungen beruhigt 
werden können. Er schlägt sich dabei schonungslos ins Gesicht. Jede Arbeit mit den 
Händen ist unmöglich. Auffallend ist, daß diese starken ataktischen Bewegungen der 
Arme in diesem hohen Grade dann auftreten, wenn der Patient den Arm im Ellenbogen 
biegen muß, und namentlich dann, wenn der Unterarm sich in einer Mittelstellung zwi¬ 
schen extremer Beugung und Streckung befindet Bei gestreoktem Arm ist die Ataxie 
nicht entfernt so hochgradig. In gleicher Weise macht sich auch eine Ataxie an den 
Beinen bemerkbar, wenn Pat. eine Bewegung unter Krümmung des Knies auszuführen 
hat (Kniehackenversuch); auch ist es ihm unmöglich, auf einem Stuhl zu knien, da die 
Unterschenkel dann in eine starke schleudernde Bewegung geraten. Dagegen ist Gehen 
und Stehen viel weniger behindert, nur fällt dabei auf, daß er die Beine ziemlich steif 
macht und jede stärkere Beugung im Knie vermeidet. Der Gang ist unsicher, stampfend, 
er ermüdet leicht, benutzt einen Stock. Der Kopf befindet sich während des Gehens 
meist in grober Nickbewegung und ist beim Gehen etwas nach vom geneigt. Beim Stehen 
mit geschlossenen Augen starkes Schwanken, droht zu fallen, der Muskeltonus ist nirgends 
erhöht, an Armen und Beinen eher etwas herabgesetzt Beim Wasserlassen öfters Be¬ 
schwerden insofern, als der Urinstrahl plötzlich abbricht und Pat dann nur mit Mühe 
die Urinentleerung vollenden kann. Stuhlgang sehr angehalten. Schlaf unruhig, häufiges 
Frieren. Psychisch: ruhig, keine Demenzerscheinungen, Sprache langsam und eintönig, 
keine erhöhte Reizbarkeit, krankheitseinsichtig. 

Die Untersuchung des Blutes ergibt eine negative Wassermann sehe Reaktion. Auch 
der Lumbalbefund ist negativ. Eine Leberfunktionsprüfung läßt keine Störung erkennen. 
Im Urin kein Urobilinogen. 

Während der Krankenhausbehandlung wurde zweimal ein Anfall beobachtet. Der 
Patient wird nicht ganz bewußtlos, sinkt zusammen, kann sich nicht bewegen, keine 
Zuckungen; fühlt sich nach dem Anfall sehr schwach und muß zwei Tage liegen. Die 
Zitter- und Wackelbewegungen sind in ihrer Intensität wechselnd, aber im allgemeinen 
von gleichem Charakter wie oben beschrieben. 

Im Jahr 1921 hatte ich Gelegenheit, den Kranken in Breslau nachzuuntersuchen und 
konnte dabei folgendes feststellen: körperlich sehr viel magerer geworden, namentlich 
die Beine sind außerordentlich dünn und muskelschlaff. Der Gesichtsausdruck ist jetzt 
ausgesprochen starr. Gewöhnlich bestehen kaum Ausdrucksbewegungen. Beim Sprechen 
werden die Augen weit 'aufgerissen, die Stirn hochgezogen, das Auge blickt unbeweglich 



88 Die Parkinson*, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

geradeaus. Beim Betasten kann man keine Muskelspannung im Gesicht feststellen. Die 
spärlichen Ausdrucksbewegungen bleiben, wenn sie einmal vorhanden sind, langer als 
normal bestehen. Sprache ist noch langsamer geworden und jetzt ausgesprochen skan¬ 
dierend. Keine Dysarthrie. Eintöniger Tonfall, keine Modulation, keine Sprachmelodie. 
Die Phonation ist unregelmäßig, die Sprache klingt kraftlos. Schluck- und Kaustörungen 
bestehen nicht. Muskeltonus nirgends erhöht. An den Beinen Hypotonie. 

Reflexe normal, kein Babinski, Bauchdeckenreflexe vorhanden. Auch jetzt keine Ver¬ 
änderungen am Sehnerv. Keine zentralen Skotome für feinste Farben. Die Bewegungs¬ 
störung hat den gleichen Charakter wie früher behalten, in ihrer Intensität wechselnd, 
bei Bettruhe geringer. Neben den spärlichen, ganz leichten Zitterbewegungen entstehen 
bei jeder Bewegung ausfahrende, schlagende Wackelbewegungen, die am meisten aus¬ 
geprägt sind in der Mittelstellung zwischen Beugung und Streckung der Extremitäten. 
Das Wackeln, das fast ausschließlich an Bewegungsabsichten geknüpft ist, kann zuweilen 
durch kräftige Innervationen vorübergehend unterdrückt werden, aber nur wenn es sich 
um Bewegungen bei ausgestreckten Armen oder Beinen handelt. Die stark ausfahrenden 
Wackelbewegungen bei gebeugtem Arm kann man nur dadurch beeinflussen, daß man 
dem wackelnden Arm eine Unterlage gibt, wenn man z. B. den Oberarm durch ein Kissen 
unterstützt und dann den Unterarm beugen läßt, so ist dies ohne Wackeln möglich. 

Die Richtung des Wackelns entspricht zunächst der Bewegungsrichtung, geht aber 
mit Zunahme des Wackelns auch in andere Ebenen über. Beim Gehen klagt Pat. über 
steifes Gefühl in den Beinen. Er geht auch jetzt möglichst unter Vermeidung der Beu¬ 
gung im Knie. Die Verdauungsbeschwerden bestehen in unverändertem Maße fort. Der 
Stuhl zeigt das Bild spastischer Opstipation. Leber und Milz sind nicht palpabel. Die 
Leberfunktionsprüfung mit Lävulose ergibt ein positives Resultat. — Urobilinogen im 
Urin: negativ. 

Zusammenfassung. 

Nach einer Erkältung entwickelt sich eine schwere Erkrankung, charakterisiert 
durch grobschlagende Wackel- und Zitterbewegungen. Starre des Gesichts, 
skandierende Sprache ohne Rigidität, auch ohne Rigor der Gesichtsmuskulatur. 
Beinmuskeln eher hypotonisch, kein Hornhautring, keine Pyramidensymptome. 
Gleichzeitig bestehen Darmstörungen in Gestalt einer hartnäckigen, spastischen 
Obstipation; anfangs epileptiforme Anfälle. Psychisch nichts besonders Auf¬ 
fallendes. Verlauf außerordentlich chronisch. 

Epikrise. 

Was die Differentialdiagnose anlangt, so kommen vor allem zwei Erkran¬ 
kungen in Betracht: Hysterie und multiple Sklerose. Mit einer hysterischen 
Zitterbewegung hat die Form der Motilitätsstörung zweifellos eine außerordent¬ 
liche Ähnlichkeit, und zur Zeit der Hochflut der Neurotiker ist diese nahe¬ 
liegende Diagnose in der Tat auch gestellt worden. Daß es sich aber um 
eine organische Störung handelt, ergibt sich meines Erachtens einwandfrei aus 
dem Befunde einer mimischen Starre und der skandierenden Sprache. Ferner 
ist der Tremor des Kopfes von einer Form, wie sie bei Hysterikern kaum 
vorkommt, dagegen läßt gerade diese Art an multiple Sklerose denken, mit 
der die Bewegungsstörungen auch sonst Ähnlichkeit haben. 

Das Erhaltensein der Bauchdeckenreflexe, das Fehlen aller spastischen Er¬ 
scheinungen, der negative Babinski, ferner der Umstand, daß durch Jahre 
hindurch keinerlei Veränderungen im Sehnerv aufgetreten sind, läßt meines 
Erachtens eine multiple Sklerose vollkommen ausgeschlossen erscheinen. 

Da kein Rigor vorhanden ist, kommt eine Wilsonsche Erkrankung im 
engeren Sinne des Wortes nicht in Betracht, dagegen spricht die Art der 



Klinischer überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


89 


Wackelbewegungen, die genau die gleiche war wie bei Pat. E. R. und die ferner 
offenbar große Ähnlichkeit mit den Fällen von Rausch und Schilder, sowie 
mit einem Fall von Strümpell auf weisen, sehr für eine Pseudosklerose. Auch 
die Art der Sprachstörung paßt dazu, desgleichen der starre Gesichtsausdruck 
und die Anfälle. Daß Rigidität nicht unbedingt zum Bilde der Pseudosklerose 
gehört, geht aus anderen einwandfreien Fällen dieser Erkrankung hervor. Die 
alimentäre Lävulosurie spricht außerdem für eine Leberschädigung; ferner weise 
ich auf das Vorhandensein der Darmschädigungen hin. 

Fall 27. Martha Tr. (Leipzig) 13 Jahre alt. 

Vater Trinker, ebenso dessen Vater. Sechs Geschwister klein gestorben. Sonst keine 
Besonderheiten in der Familienanamnese. 

Hat rechtzeitig laufen und sprechen gelernt, war in der Schule gut, hatte als Kind 
Masern und Diphtherie, 1918 Grippe? (sie hatte einmal nachts Fieber, versäumte die 
Schule nicht), 1919 begannen die Hände zu zittern. Zuweilen Schwächeanwandlungen, 
ist in letzter Zeit mehrfach hingefallen und hat sich dabei Verletzungen an Kopf und 
Knie zugezogen. Keine Bewußtlosigkeit, kein Zungenbiß, aber Abgang von Urin während 
des Anfalls. Auftreten der Anfälle drei- bis viermal am Tage. Einmal nach dem Anfall 
Erbrechen, sonst keine Magen-Darmstörungen, keine Gelbsucht. Sei jetzt leichter lenkbar 
als früher. 

Untersuchungsbefund: Dem Alter entsprechend groß, dick, pastös. Herz, Lunge 
o. B. Leber: nicht palpabeL Milz o. B. Urin normal. Leberfunktionsprüfung mit Lävulose 
ergibt keine Funktionsstörung. 

Nervensystem: Pupillen in Ordnung, kein Hornhautring, Augenhintergrund normal. 
Keine Skotome — leichte Abduzensschwäche links. Bei Blick nach rechts und links 
Nystagmus, rotatorisch und horizontal. Fazialis in Ordnung. Sprache hochgradig skan¬ 
dierend und zwar so, daß nicht nur die Silben abgehackt, sondern auch die einzelnen 
Vokale ausainandergezogen werden. Sprache ausgesprochen langsam. Das Gesicht ist 
gedunsen, pastös, wenig belebt im Ausdruck. Die Mimik zeigt fast dauernd eine etwas 
erstaunte, verlegen lächelnde Geste. Die Gesichtsmuskeln fühlen sich weich an. 

Reflexe: Bauchdeckenreflexe +, Patellar- und Achillessehnenreflexe normal, kein 
Babinski. Kein paradoxes Phänomen. 

Der Muskeltonus ist bei Vornahme passiver Bewegungen erhöht; sowohl bei lang¬ 
samen, ab auch bei brüsk ausgeführten Bewegungen ist anfangs ein Widerstand da, der 
aber nach zweimaligem Hin- und Herbewegen nachläßt. Die Muskeln fühlen sich weich 
an und haben einen normalen Turgor. Bei der Motilitätsprüfung keine Ausfälle. Beim 
Gehen werden die Beine etwas adduziert gehalten. Die Patientin macht kleine Schritte, 
Andeutung von spastischem Gang, leicht ataktische Unsicherheit, namentlich beim Um¬ 
drehen. Die Arme werden beim Gehen steif am Körper gehalten, Mitbewegungen fehlen. 
Keine Asynergie, keine Adiadochokinese. 

Beim Finger-Nasenversuch und beim Kniehackenversuch leichte Ataxie (Intentions¬ 
tremor). Die Unsicherheit in den Händen steigert sich zu einem leichten Wackeln, 
namentlich dann, wenn sich' der Arm in der Mittelstellung zwischen Beugung und 
Streckung befindet. 

Beim Aufrichten ausgesprochenes Kopfzittem bzw. Wackeln in sagittaler Richtung, 
das im wesentlichen an aktive Bewegungen geknüpft ist. 

In der Ruhe kein Zittern oder Wackeln. Bei statischer Innervation tritt nach 
wenigen Augenblicken leichtes Zittern der Hände und des Kopfes ein. Beim Stehen 
mit geschlossenen Augen deutliches Schwanken des Körpers ohne bestimmte Fallrichtung. 
Auch durch Drehung deB Kopfes wird keine Änderung hervorgerufen. 

Eine besonders starke Unsicherheit macht sich bemerkbar, wenn das Kind beim 
Gehen sich umdrehen soll. Entweder macht die Patientin einen kleinen Bogen oder sie 
hält sich während des Drehens irgendwo fest, um nicht hinzufallen. Schrift sehr zitterig 
und unregelmäßig, teils durch ausfahrende Bewegungen gestört. Leichte Demenzerschei- 
nungen, ruhig, still, leicht lenkbar. 



90 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpeil-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


Zusammenfassung. 

Ohne sichere Ursache entwickelt sich bei einem zwölfjährigen Kinde ein 
Krankheitsbild, das im wesentlichen durch Intentionszittern, Nystagmus, ver¬ 
langsamte, skandierende Sprache und Ataxie beim Gehen und Umdrehen sich 
auszeichnet. Ein leichter Rigor läßt sich bei passiven Bewegungen nachweisen, 
durch wiederholte Bewegungen aber wieder ausgleichen. Der Gesichtsausdruck 
ist starr. Symptome seitens der Pyramidenbahn und seitens des N. opticus 
fehlen. Verlauf durchaus chronisch. Leberfunktionsstörung läßt sich nicht 
nachweisen. 

Epikrise. 

Wie bei Fall E. R. steht hier die Charcotsche Trias im Vordergrund der 
Erscheinungen, ohne daß man deswegen berechtigt ist die Diagnose Multiple 
Sklerose zu stellen. Abgesehen von dem sehr jugendlichen Alter der Patientin, 
sprechen auch die neurologischen Symptome nicht dafür, so fehlen alle Pyra¬ 
midensymptome, die Bauchdeckenreflexe sind vorhanden. Am Optikus kein 
krankhafter Befund. Eine zerebellare Komponente ist sehr wahrscheinlich vor¬ 
handen (Nystagmus, skandierende Sprache, Ataxie), daß es sich aber nicht um 
eine ausschließliche Erkrankung des Kleinhirns handelt, dafür spricht der Rigor 
und die Starre des Gesichtsausdrucks. Die Bewegungsstörung gleicht ganz der 
Pseudosklerose, für die auch das Auftreten der epileptiformen Anfälle spricht. 
Auch die Entstehung in jugendlichem Alter läßt sich gut mit dem Bilde der 
Pseudosklerose vereinen. Psychisch ist die Patientin nicht auffallend, jedoch 
scheint sie nach den Aussagen der Mutter sich in ihrem Charakter doch etwas 
verändert zu haben. 

Eine endgültige Sicherung der Diagnose wird erst der weitere Verl&uf bringen, 
jedoch glaube ich aus dem Symptomenbild eine Pseudosklerose als sehr wahr¬ 
scheinlich annehmen zu können, wenn auch der Homhautring, der ja auch 
bei anderen Fällen vermißt wird, nicht vorhanden ist. 

Fall 28. Hans W. (Eppendorf.) 

Geburt und Entwicklung normal. In der Schule immer gut, auch nach Beginn des Leidens. 

Etwa im 9. Lebensjahr bekam er Zustände von Steifheit bald im rechten, bald im 
linken Bein, Beine waren wie eingeschlafen, krampfartiges Gefühl, konnte dann nicht 
gut gehen; namentlich nach Anstrengungen wurde es schlimmer; nach V 4 Stunde Ruhe 
trat Besserung ein. Sei nie behandelt worden, sondern man habe gesagt, er stelle sich 
an. Infolgedessen habe er sich sehr anstrengen müssen. Etwa im 17. Lebensjahr fing 
ein Zittern in den Armen an, das allmählich zunahm. 

Nach der Konfirmation ins Werk- und Armenhaus, dann für acht Jahre in Familien¬ 
pflege auf das Land, wo er sich zunächst mitbeschäftigen konnte. Seit August 1919 
wieder im Armenhaus. 

Seit zwei Jahren ist der Oberkörper nach rechts geneigt; er habe deshalb eine kurze 
Zeit ein Korsett getragen. Hat keine Schmerzen. Schlucken und Kauen o. B. Sprache sei 
etwas langsamer geworden. Urin, Stuhl o. B. Erektionen und Pollutionen vorhanden. 

Nach Angabe der Mutter gegen früher intellektuell nicht verändert, nie Anfälle, nie 
Darm- oder Lebererkrankungen. 

Befund: Knapp mittelgroß, mager. Haut o. B. Schmaler, steiler Gaumen. An 
der Oberlippe Andeutung einer Hasenscharte. Wirbelsäule im Liegen gerade, beim Gehen 
wird die linke Hüfte hochgezogen. Die Lendenwirbelsäule ist nach rechts und etwas 
nach vorn geneigt, die Halswirbelsäule zeigt eine ausgleichende Biegung nach links. Der 
Kopf wird meist etwas in den Nacken gelegt. 

Innere Organe: Herz, Lungen o. B. Bauch gespannt, Leber, Milz nicht tastbar. 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


91 


Nervensystem: Augen leichte Protrusio, Oberlider etwas hängend, aber nicht ge¬ 
lähmt. Augenbewegungen frei. Kein Nystagmus. Pupillen in Ordnung. Augenhinter¬ 
grund o. B. Facialis o. B. Zunge gerade. Mund offen, zuweilen Speichelfluß. Arm¬ 
reflexe o. B. Patellarsehnenrefl. lebhaft, ab und zu sind einige klonische Zuckungen 
auszulösen. Ach.-Sehnenrefl. Babinski 0. Bauchdecken-Cremasterrefl. -J-. Bauch¬ 
decken gespannt. Kein paradoxes Phänomen. 

Motilität: Keine Störung der groben Kraft. Haltung: Im Bett Kopf unter An¬ 
spannung beider Sterno-kleido-mastoidei abgehoben. Anne im Ellenbogen gebeugt und pro- 
niert, Finger in den Grundgelenken gebeugt, aber nicht typische Pfötchenstellung. 

Im Bizeps besteht eine deutliche Muskelspannung 
beiderseits. Strecker am Oberschenkel leicht gespannt. 

Linker Oberschenkel ist etwa 1 cm dünner als der rechte, 
sonst keine Maßdifferenzen. 

Muskeltonus überall erhöht. Beim Versuch, Arme 
und Beine passiv zu bewegen, deutlicher Widerstand, 
am stärksten bei Überwindung der Beugestellung der 
Hände. Nach mehrmaligem Hin- und Herbewegen läßt 
der Widerstand und die Spannung nach. Bei aktiven 
Bewegungen, ganz besonders bei komplizierteren Bewe¬ 
gungen, kommt es zu Muskelanspannungen des ganzen 
Körpers, wodurch alle Bewegungen erschwert w r erden 
und ein vertracktes Aussehen bekommen. Ganz einfache 
aktive Bewegungen können alle ausgeführt w r erden. 

Schnell hintereinander ausgeführte Bewegungen sind an 
den distalen Teilen nur sehr langsam, namentlich ist der 
Wechsel zw ischen Pronation und Supination am Arm und 
Klavierspielbewegungen der Finger sehr langsam. Ent¬ 
sprechende Bewegungen im Ellenbogen- und Kniegelenk 
recht flott. 

In der Ruhe zittern die Finger beiderseits in gro¬ 
bem, schüttelndem Tremor, den Patient zum Teil unter¬ 
drücken kann, wenn er sich festhält, wenn er z. B. die 
Hände unter den Kopf legt. Aufregung erhöht das Zit¬ 
tern sehr, es geht dann auch auf ganze Gliedabschnitte 
über, und es kommt zu einem schlagenden Wackeln der 
Arme. Intendierte Bewegungen, Finger zur Nase unsicher 
und zitternd, oft schlagendes Wackeln, jedoch keine 
wesentliche Vermehrung des Ruhezitterns. Beim Gehen 
nimmt das Zittern zu; um es zu vermeiden oder zu mil¬ 
dern, verschränkt er deshalb die Arme auf der Brust. 

Wenn er das nicht tut, machen die Arme teils schla¬ 
gende, teils rudernde Bewegungen. Die Hände sind 
dabei meist im Handgelenk gebeugt. 

Beim Gehen zieht er das linke Bein nach, beide 
Beine werden steif vorgesetzt, so daß der Gang etwas 
Ähnlichkeit mit einem spastischen Gang hat. 

Keine Propulsion, kein Schleifen am Fußboden. Dagegen deutliche Retropulsion. 
Beim Sitzen gerät das rechte Bein beim Herunterhängenlassen in starkes Zittern. 

Gesichtsausdruck w’egen des herabhängenden Unterkiefers etwas dement, w r enig mo¬ 
dulationsfähig, Ausdrucksbewegungen verharren manchmal ziemlich lange. Kein Rigor 
der Gesichtsmuskulatur, keine ausgesprochene Bewegungsarmut, wohl aber Verlangsamung 
der meisten Bewegungen. Kein Verharren in Haltungen. 

• Bei statischer Innervation der Arme ein schüttelndes grobes Zittern, namentlich 
distal. Durch kinetische Innervation kann zuweilen das Zittern für kurze Zeit unter¬ 
drückt werden, tritt aber dann gewöhnlich verstärkt wieder auf. 

Nach längerer Ruhe, z. B. morgens nach dem Aufwachen, ist das Zittern zeitweise 
ganz weg. Bei Aufregung kommt es in verstärktem Maße. 

Psychisch: Kein Intelligenzdefekt, zur Zeit leicht euphorische Stimmung. 



Abb. 4. Wilsonsche Krankheit. 
Beachtenswert ist das plasti¬ 
sche Hervortreten der rigiden 
Muskeln, die Haltung und das 
starre Gesicht mit dem geöff¬ 
neten Mund. 

(Aus der II. medizin. Abteilung des 
l'nivers. - Krankenhauses Hamburg 
Eppendorf. Prof. Dr. Nonne.) 



92 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


Zusammenfassung. 

Mit 9 Jahren beginnt ein langsam progredientes Leiden, bestehend in 
Muskelspannungen mit Zittern bzw. Wackeln und Haltungsstörungen. Pyra¬ 
midenbahnzeichen fehlen. Die Hypertonie der Muskeln wird verstärkt durch 
Bewegungsintentionen, gemildert durch passive Bewegungen. Das Zittern be¬ 
steht schon in der Ruhe, wird durch Aufregungen deutlich gesteigert; durch 
aktive Bewegungen, Festklammern usw. kann es vorübergehend unterdrückt 
werden. Lähmungen bestehen nicht, jedoch eine durch die Rigidität bedingte 
Innervationserschwerung und Bewegungsverlangsamung. Adiadochokinese an¬ 
gedeutet. Mund wird offengehalten. Gesichtsausdruck unbewegt. Keine Schluck- 
und Kaustörung, Speichelfluß. Sprache langsam, wenig moduliert. 

Psychisch: Keine Ausfälle. 

Epikrise. 

Wie im vorigen Fall entwickelt sich das Leiden im Kindesalter. Die 
Rigidität des Muskulatur ist hier viel stärker ausgeprägt, die Wackelbewegungen 
sind gröber. Eigentümlich ist die Haltung des Kranken, die einer Kypho¬ 
skoliose gleicht, aber im wesentlichen durch Muskelspannungen bedingt zu 
sein scheint, da sie im Liegen und durch passive Bewegungen auszugleichen ist. 

Es läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob es sich hier um eine 
Zwangshaltung handelt oder ob wir es mit einer Haltungsanomalie zu tun 
haben, ähnlich wie sie bei der Paralysis agitans Vorkommen. Auch hier sinken 
die Kranken allmählich mit dem Oberkörper nach vorne. Als zerebellare Sym¬ 
ptome könnten die Verlangsamung der Sprache und die allgemeinen atakti¬ 
schen Störungen aufgefaßt werden. 

Das Zittern besteht schon in der Ruhe; daß sich dieses Ruhezittem nicht 
prinzipiell von der Ataxie unterscheidet, wird später noch genauer ausgeführt 
werden. 

Die Kombination von ataktischen Wackelbewegungen mit Rigor und mimi¬ 
scher Starre bei Fehlen von Pyramidenzeichen weist uns auch hier wieder auf 
eine Pseudosklerose hin, jedoch wird in diesem Falle eine klinische Unter¬ 
scheidung von Wilsonscher Krankheit kaum möglich sein. Die Hornhautpig¬ 
mentierung fehlt, Anfälle sind nicht beobachtet, auch Intelligenzstörungen sind 
nicht beobachtet. 

Nosologisch unklarer ist folgender Fall: 

Fall 29. Ernst B. (Gehlsheim.) 63 Jahre. 

Vorgeschichte: Ein jüngerer Bruder leidet seit sechs bis sieben Jahren an Zit¬ 
tern. Sonst Familienanamnese o. B. Er selbst war als Kind gesund. Beruf: Landwirt. 
1901—02 zum erstenmal wegen einer paranoischen Erkrankung in Anstaltsbehandlung; 
damals ist in der Krankengeschichte von motorischen Störungen nichts bemerkt worden. 
1919 erneute Anstaltseinweisung, weil er sich vollständig hatte verwahrlosen lassen und 
phantastische Ideen geäußert hatte. Auf die sehr eigenartige Psychose kann in diesem 
Zusammenhang nicht eingegangen werden, uns interessieren hier vielmehr nur seine Zitter¬ 
bewegungen, die nach Aussagen der Verwandten in geringem Maße schon seit 20—25 Jahren 
bestehen sollen, seit 15 Jahren aber deutlich in die Erscheinung getreten sind. 

Befund: Gut ernährter kräftiger Mann. Haut schmutziggrau. Keine Hornhaut¬ 
pigmentierung. 

Mund fast zahnlos, an den Körperorganen keine Störungen. Blutdruck normal. 
Urin frei. Keine Leberfunktionsstörung bei der Prüfung mit Lävulose. Keine Uro- 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


93 


bilinogenurie. Wassermann in Blut und Liquor negativ. Phase I 6. Lymphozyten 
1 3 im cbmm. 

Grobe Kraft überall gut in Extremitäten und Rumpfmuskeln. Innervation ausgiebig 
und andauernd. Kein Erschlaffen bei längerer Innervation. Keine ruckweise Inner¬ 
vation, keine Innervationsnachdauer. 

Reflexe: Pat.-Sehnenrefl. -K Ach.-SehnenrefL schwach. Bauchdeckenreflexe 
Kremastesrefl. +. 

Armreflexe: Trizepsrefl. -\- 9 Bizeps schwach, Radiusperiostrefl. sehr schwach, nur 
unter Tonuserhöhung bei Zusammenpressen der Beine auslösbar. Babinski 0. Paradoxes 
Phänomen 0. Kein Verharren in Haltungen. 

Mechanische Muskelerregbarkeit in den Beinen schwach, an den übrigen Muskeln 
des Rumpfes etwas deutlicher, aber keineswegs erhöht. 

Muskeltonus: Die Beinmuskulatur fühlt sich schleif an, Beingelenke sind seh* 
leicht beweglich, hypotonisch. An Fußgelenken sind Schlenkerbewegungen auslösbar. Die 
Hacken sind bei Beugung der Knie ohne Schwierigkeit aktiv bis an das Gesäß zu bringen. 
Bei Prüfung des Muskeltonus, der im allgemeinen herabgesetzt ist, findet man zuweilen 
einen durch unwillkürlich auftretende, ruckartige Bewegungen erzeugten kurzdauernden 
Widerstand. 

Muskeltonus an den Armen etwas stärker herabgesetzt, Muskeln fühlen sich schlaff 
an, sind aber keineswegs atrophisch. Im Handgelenk und Ellenbogengelenk können 
Schlenkerbewegungen ausgeführt werden; auch beim Gehen macht er oft schlenkernde 
Bewegungen mit den Armen. 

Ebenso wie in den Beinen sind auch in den Armen bei passiven Bewegungen ab 
und zu ruckartige, nur kurz dauernde Tonuserhöhungen zu beobachten. Rücken- und 
Halsmuskulatur nicht im Tonus verändert. Mitbewegungen: Bei einfachen und kom¬ 
plizierten Bewegungen einer Extremität treten in der anderen Extremität keine Mitbe¬ 
wegungen auf; dagegen findet man meist bei allen ausgeführten Bewegungen deutliche 
Mitbewegungen im Fazialisgebiet, im Sinne eines Zusammenpressens des Mundes und der 
Lippen, wobei die Lippen etwas eingestülpt werden. Die Stärke dieser Mitbewegungen 
ist abhängig von der Kraftanstrengung des Patienten. Die normalen Mitbewegungen, 
wie Armpendeln beim Gehen, sind in gewöhnlicher Weise vorhanden. Keine Asynergie. 
Keine Adiadochokinese. Kein Stewart Holms' Symptom, keine Bradytheleokinese. Bei 
Prüfung der groben Kraft tritt beim Loslassen eine ausfahrende Bewegung in der Rich¬ 
tung der stattgehabten Innervation ein. 

Beim Gehen plötzliches Anhalten und Kehren möglich. Keine Retro-, Latero- und 
Propulsion. 

Wenn Patient in Ruhe sitzt, die Hände auf dem Schoß gelagert, so finden ganz 
leichte, stoßende Zitterbewegungen statt, hervorgerufen durch leichte, klonische Zuckungen, 
namentlich im Trizeps und Bizeps. Patient sucht diese spontan auftretenden Zitter¬ 
bewegungen dadurch zu vermeiden, daß er den Arm in Streckhaltung anspannt und 
dabei die Handflächen auf die Knie stützt. Sonst finden sich in der Ruhe keine Zitter¬ 
bewegungen. 

Beim Gehen und Stehen trägt Patient den Kopf etwas in den Nacken gebeugt, und 
zwar sucht er durch diese Haltung die sonst spontan auftretenden rhythmischen Be¬ 
wegungen zu vermeiden. Läßt man den Patienten den Kopf etwas nach vorn beugen, 
so treten beim Liegen, Sitzen, Stehen und Gehen rhythmische Kontraktionen auf, sym¬ 
metrisch in beiden M. stemo-cleido-mast., und zwar in sehr lebhaftem Tempo etwa 160 
bis 180 in der Minute. Die Bewegungen sind von geringer Amplitude. Bei Palpation 
des M. stemo-cleido-mast. fühlt man die Kontrakturen deutlich. An den Muskeln des 
Nackens sind keine ruckartigen Bewegungen nachweisbar. 

Dreh- und Neigungsbewegungen des Kopfes haben keinen Einfluß auf diese Be¬ 
wegungen, die gleicherweise ebenfalls symmetrisch fortgehen. Fast ganz zum Stillstand 
gebracht werden können diese Bewegungen dadurch, daß Patient den Kopf in den Nacken 
legt, wobei durch Verlängerung des M. stemo-cleido-mast. eine Beruhigung desselben 
eintritt. 

Eine leichte Zitterbewegung kann man manchmal im Fazialisgebiet konstatieren, 
jedoch ist diese Beobachtung nicht sicher, da sie auch durch Erschütterung der schlaffen 



94 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 

Wangenmuskulatur infolge der Kopfbewegung ausgelöst sein kann. Eine langdauernde 
tonische Innervation im Fazialisgebiet (andauerndes Zähnezeigen und andauerndes Augen¬ 
schließen) ist dem Patienten nicht möglich. Eb treten dann Zuckungen auf. Zittern 
des Kiefers wird manchmal beobachtet. Langdauernde tonische Innervation des Kau¬ 
muskels nicht möglich. 

Im Gebiet der Zunge findet man, solange sie in Ruhe ist, keine Zitterbewegungen; 
wird sie dagegen frei, d. h. bei weitgeöffnetem Munde herausgestreckt, so zuckt sie regellos 
hin und her, kann nur für Augenblicke ruhig gehalten werden. Das Tempo der Zungen¬ 
bewegungen ist wesentlich langsamer als das der Nickbewegungen, etwa 100 in der Mi¬ 
nute. Auch ist es nicht rhythmisch, sondern unregelmäßig. Patient bemüht sich, es zu 
unterdrücken dadurch, daß er beim Zungenherausstrecken die Lippen fest um sie 
herumkneift. 

Sprechen und Schlucken ist nicht gestört. Willkürliche Bewegungen der Zunge, 
aktives schnelles Hin- und Herbewegen +. 

Wenn Patient im Bett liegt, besteht an den oberen Extremitäten kaum Zittern, nur 
selten wird leichtes, vorübergehendes Zucken an den Unterarmen, namentlich im Sinne 
der Pro- und Supinationsbewegungen bei psychischer Erregung bemerkt 

Bei statischer Innervation, wenn Patient die wagrecht erhobenen Arme einen Augen¬ 
blick gehalten hat, beginnt ein leichtes Zittern der Fingerspitzen, das sich dann rasch 
auf das Handgelenk verbreitet Vorübergehend unterdrückt wird diese Bewegung da¬ 
durch, daß der Patient die Handgelenke und Finger extrem streckt, wobei eine leichte, 
Uberstreckung der Finger stattfindet. Die Zitterbewegungen bei gestrecktem Arm-, 
Ellenbogen-, Handgelenk und gestreckten Fingern besteht in leichten rhythmischen Pro- 
und Supinationsbewegungen von geringer Amplitude; ferner in einem ganz leichten, nur 
angedeuteten Beugen und Strecken der Finger, ebenfalls leichten Abduktionen der Finger 
und in angedeuteten Drehbewegungen der Finger im Grundgelenk. 

Wird bei gestrecktem Arm die Faust geschlossen, so hören die Fingerbewegungen 
auf; man erkennt jedoch deutliche Zuckungen der M. interossii, außerdem wird dann 
das Zittern des Handgelenks etwas stärker, hat einen schüttelnden Charakter. Läßt 
man, immer noch bei ausgestrecktem Arm, das Handgelenk beugen, so daß die Hand in 
»Fallhandstellung« herabhängt, so verstärkt sich der Tremor außerordentlich und zwar 
so, daß die herabhängende Hand pendelartig nach links und rechts schwingt und Beuge- 
und Drehbewegungen der Finger etwas zunehmen. Dann breitet sich das Zittern rasch 
und in verstärktem Maße auch auf den Oberarm aus. 

Läßt man auch den Arm im Ellenbogengelenk beugen, so tritt auch bei statischer 
Innervation in dem gestrecktem Arm ein starker, schüttelnder, rhythmischer Tremor auf, 
der im wesentlichen in den Beugebewegungen des Unterarms besteht und ohne große 
Amplitude ist; gleichzeitig wird auch der Unterarm in wesentlich größerer Schwingungs- 
Weise pendelartig hin und her geschlagen. In der Hand sind dieselben Bewegungen, 
wie vorher beschrieben, bei gebeugtem Ellenbogen in erhöhtem Maße zu beachten. Dies 
Zittern wird dann, langsam wachsend, immer rascher, so daß Patient diese Haltung nur 
für 1 / 1 Minute aushält, dann den Arm sinken läßt. Unterstützt man den Ellenbogen, so 
ändert dies an den Zitterbewegungen des Armes nichts, nur wird die Übertragung der 
Bewegung auf den Oberarm dadurch gedämpft. 

Bei kinetischer Innervation der Arme ist im allgemeinen dasselbe zu beobachten, 
nämlich daß alle Bewegungen, die bei gestrecktem Ellenbogen und gestrecktem Hand¬ 
gelenk ausgeführt werden, relativ wenig behindert sind, daß dagegen, sowie eine Beugung 
in diesen Gelenken zur Ausführung der intendierten Bewegungen benötigt wird, ein 
starker, schlagender Tremor auftritt, dessen Amplitude distal, entsprechend dem ver¬ 
längerten Hebelarm wächst Hantieren mit schwereren Gegenständen ist ganz gut mög¬ 
lich, solange die Arme dabei nicht oder nur wenig gebeugt zu werden brauchen. Patient kann 
ohne weiteres das Bett in die Höhe heben, zittert dabei nur etwas mit dem Kopfe. Wenn 
er einen Stuhl in die Höhe hebt, so tut er das mit im Ellenbogen gestreckten Arm; 
die Waschschüssel faßt er so, daß er beide Handflächen mit gestreckten Fingern unter 
den Rand der Schüssel legt und die Schüssel dann mit geradeaus von sich gestreckten 
Armen weiter trägt. Muß er dagegen zum Fassen eines Gegenstandes, z. B. einer Kaffee¬ 
tasse, die Finger brauchen, so gelingt es ihm im Stehen überhaupt nicht, im Sitzen mit 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


95 


unterstütztem Arm macht es ebenfalls noch große Schwierigkeiten. Er stößt dabei leicht 
die Tasse um. Zum Trinken setzt er sich vor den Tisch, faßt die Tasse mit den Hohl¬ 
händen und führt sie bei aufgestütztem Ellenbogen zum Munde. Beim Krümmen der 
Arme tritt auch hierbei ein heftiges Schütteln ein, das aber durch Aufstützen der Arme 
und Annähem des auch hier in den Nacken geschlagenen Kopfes etwas gedämpft wird, 
so daß Patient immerhin ohne fremde Hilfe essen und trinken kann. 

Beim Zuknöpfen des Hemdes beobachtet man ähnlich, daß er nur dann die Hemd¬ 
knöpfe auf der Brust schließen kann, wenn er beide Ellenbogen fest an den Körper 
preßt. Will er den Knopf am Ärmel zumachen, so streckt er beide Arme vor sich, daß 
die Ellenbogen möglichst gestreckt sind und bemüht sich auch beim Knöpfen, soweit 
es möglich ist, Hand und Finger gestreckt zu halten. Sehr deutlich tritt das Stärker¬ 
werden der Zitterbewegung dann auf, wenn man den Patienten auffordert, mit dem 
Arm, der gerade gestreckt und dabei relativ ruhig ist, sich an die Nase zu greifen. Es 
tritt dann ein krescendoartig ansteigender, schlagender Tremor der Finger auf, so daß 
Patient sich ins Gesicht schlägt; das Ziel wird erreicht, aber wegen des wachsenden 
Tremors sofort wieder verlassen. Wenn man den Versuch mit geschlossener Faust machen 
läßt und auffordert, z. B. das erste Glied des Daumens an die Nase zu bringen, tritt 
keine Änderung dabei auf. Das Waokeln erfolgt dabei nicht nur in der Richtung der 
beabsichtigten Bewegungen, sondern auch senkrecht dazu und in allen möglichen anderen 
Bewegungsebenen. Während der Ausführung passiver Bewegungen kommt es nicht zu 
Zitterbewegungen. 

Es selbst gibt an, daß er beim Anfassen von relativ schweren Gegenständen wenig 
Beschwerden habe, daß er sich jedoch hüte, feinere Sachen anzufassen, da er dabei 
Gefahr laufe, dieselben hinzuwerfen. 

Patient ist ungemein bewegungsreich, macht sehr lebhafte Ausdrucksbewegungen, 
Gestikulationen. Seine aktiven Bewegungen sind sehr rasch, hastig. Er geht und läuft 
in sehr raschem Tempo. 

Der Zustand ist seit zwei Jahren unverändert geblieben. 

Zusammenfassung. 

Im vorgerückten Alter (wohl zwischen 30 und 40 Jahren) entwickelt sich 
ein schlagender Tremor bei einem Manne, der nebenher auch an einer para¬ 
noischen Psychose leidet. Der Tremor besteht in der Ruhe und nimmt bei 
Intentionen zu, bei gebeugtem Arm kommt es zu einem starken Hin- und 
Herschlagen, das sich nicht nur auf Beugung und Streckung beschränkt, son¬ 
dern auch in anderen Richtungen auftritt. Das Zittern befällt nicht nur die 
Arme, sondern auch Kopf und Beine. Reflexanomalien, Muskelspannungen 
fehlen, dagegen läßt sich eine ausgesprochene Hypotonie der Bein- und Arm¬ 
muskeln nachweisen. Mimik ungestört, keine Bewegungsarmut oder Inner¬ 
vationserschwerung, keine Adiadochokinese. Anfälle sind nicht beobachtet. 

Bei einem Bruder ist ein ähnliches Zittern in geringerem Grade vor¬ 
handen. 

Epikrise. 

Die Bewegungsstörung zeigt mit Fällen sicherer Pseudosklerose manche 
Übereinstimmung, besonders hinsichtlich der Verteilung und der Art der Aus¬ 
lösung. Eine frappante Ähnlichkeit besteht mit Fall E. R., Gö., sowie mit 
Fällen von Strümpell, Rausch und Schilder, hinsichtlich der Zunahme 
des Wackelns, wenn die Extremität oder der Körper gebeugt werden. Es 
kommt dabei auch hier zu dem wilden, schüttelnden Schlagen. Ferner be¬ 
steht in gleicher Weise wie bei den eben erwähnten Fällen eine ausgespro¬ 
chene Muskelhypotonie. Dagegen fehlen die Störungen der Mimik und der 
Sprache, auch Nystagmus ist nicht vorhanden. Bewegungsarmut, Innervations- 



96 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

erschwerung oder Verlangsamung der Bewegungen ist ebenfalls nicht zu be¬ 
obachten. 

Die Diagnose Pseudosklerose, die sich hier nur auf die Art der Bewegungs¬ 
störung stützen könnte, erscheint daher nicht ohne weiteres berechtigt. Was 
käme sonst noch in Betracht? Hysterie kann bei der Art der Bewegungs¬ 
störung, besonders angesichts der deutlich vorhandenen Hypotonie, ausgeschlossen 
werden. Am ehesten wäre an den sogenannten essentiellen, hereditären Tremor 
zu denken, zumal da ein Bruder eine ähnliche Zitterstörung hat. Unter dieser 
Diagnose werden offenbar recht verschiedene Erkrankungen zusammengefaßt. 
Oppenheim erwähnt Fälle vom Charakter des Intentionszittems mit gleich¬ 
zeitig skandierender Sprache (Pseudosklerose?). Bei Fällen von Kreiß ist eben¬ 
falls das Zittern im wesentlichen an die Bewegung geknüpft, bzw. es wird 
durch solche verstärkt. Das gleiche gilt von zwei Fällen Braschs, während 
bei einem weiteren Fall dieses Autors das Zittern nur bei statischer Inner¬ 
vation zur Geltung kommt, bei kinetischer dagegen vermißt wird. Interessant 
ist, daß schon Nagi auf Ähnlichkeiten mit dem Krankheitsbild der von West- 
phal zum ersten Male beschriebenen Pseudosklerose hin weist. 

Die Feststellung, daß es sich bei Be. um einen essentiellen Tremor handle, 
befriedigt nicht, denn der essentielle Tremor ist m. E. keine Krankheit, sondern 
eine Verlegenheitsdiagnose; abgesehen vom Zittern der Neurastheniker und 
Alkoholiker findet man bei den als »essentieller Tremor« etikettierten Krank- 
heitsbildem eine Gruppe von Fällen, die ähnlich wie der vorliegende bezüg¬ 
lich des Charakters ihrer Bewegungsstörungen als forme fruste einer Pseudo¬ 
sklerose aufzufassen sind. Das Einhergehen mit psychischen Degenerationen 
(Raymond Dama), das von Oppenheim beobachtete Begleitsymptom der 
skandierenden Sprache spricht nicht dagegen. Eine Nachuntersuchung ein¬ 
schlägiger Fälle unter Berücksichtigung der durch die nähere Erforschung der 
subkortikalen Bewegungsstörungen erworbenen Erkenntnisse, würde die Gruppe 
des essentiellen Tremors wahrscheinlich auflösen oder doch sehr verkleinern. 
Da es sich bei diesen Formen um sehr chronisch verlaufende Krankheitsfälle 
handelt, die zudem meist nicht dauernder Krankenhausbehandlung bedürfen, 
werden beweisende Sektionsbefunde schwer zu beschaffen sein. 

Überblicken wir alle bis jetzt veröffentlichten sicheren oder einigermaßen 
sicheren Fälle, so finden wir eine ganze Reihe von Beobachtungen, bei denen 
rein klinisch kaum zu sagen ist, ob hier eine Pseudosklerose oder eine Wilson¬ 
sche Krankheit vorliegt. 

An diese »Mittelfälle« schließen sich nach beiden Seiten hin Erkrankungen 
an, die sich ganz allmählich von dem Mischtypus entfernen, so daß wir auf 
der einen Seite einwandfreie Pseudosklerosen, auf der anderen Seite sichere 
Wilsonsche Krankheit antreffen. Besonders klar wird der Unterschied zwischen 
beiden, wenn wir folgende differential-diagnostische Erwägungen anstellen: 

Wir haben auf der Seite der Pseudosklerosen oft Schwierigkeiten, die Er¬ 
krankung von der multiplen Sklerose zu trennen. Auf dem anderen Flügel 
sehen wir Verwechslungen der Wilsonschen Krankheit mit Paralysis agitans 
Vorkommen. Die Paralysis agitans und die multiple Sklerose bedingen aber 
derartig verschiedene Erscheinungen, daß ein Auseinanderhalten der ihnen 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


97 


jeweils ähnlichen Krankheitsbilder auch nicht schwer sein dürfte, wenn es 
neben den reinen Formen nicht noch symptomatisch etwas verschwommene 
Mischtypen gäbe. Auch der Umstand, daß die Wilsonsche Krankheit mit dem 
Torsionsspasmus offenbar eine gewisse Ähnlichkeit besitzt, daß diese Erkran¬ 
kung andererseits kaum zu Verwechslungen mit der Pseudosklerose oder, der 
multiplen Sklerose führen kann, zeigt deutlich, daß reine Formen der Wilson- 
schen Krankheit symptomatologisch sich ganz anders verhalten als die Pseudo¬ 
sklerose. 

Was zunächst die Differentialdiagnose der Pseudosklerose gegenüber 
der multiplen Sklerose anlangt, so hat Oppenheim darüber eine übersicht¬ 
liche Zusammenstellung gegeben, die aber insofern den Tatsachen nicht ganz 
gerecht wird, als er gleichzeitig auch die Wilsonschen Krankheitskomplexe, 
die er mit der Pseudosklerose fast indentifizierte mit hineinbezog. Zunächst 
muß betont werden, daß die Charkotsche Trias, wenn sie allein vorhanden 
ist, keineswegs die Diagnose multiple Sklerose sichert. Eine solche konnte 
ich z. B. bei der obenerwähnten Pat. E. R. feststellen. Hier handelte es sich 
aber um eine einwandfreie Pseudoklerose ohne Pyramidenerscheinungen mit 
typischer Hornhautpigmentierung: außer dem nystagmusartigen Augen wackeln, 
der skandierenden Sprache, und der Intensionsataxie, waren keine der üblichen 
Merkmale für multiple Sklerose vorhanden gewesen; die Bauchdeckenreflexe 
waren deutlich; die übrigen Reflexe regelrecht, kein Babinski, keine tempo¬ 
rale Abblassung der Sehnerven, keine zentralen Skotome. Auch bei Fall Tr. 
beherrschte die Charkotsche Trias das Bild, und auch hier war eine multiple 
Sklerose auszuschließen. 

Der Muskeltonus kann sowohl bei der multiplen Sklerose, als auch bei 
der Pseudoklerose erhöht sein. (Bei der Pseudosklerose braucht er es nicht zu 
sein!) Besteht eine Hypertonie, so ist sie bei der multiplen Sklerose spasti¬ 
scher Natur. Sie geht einher mit Reflexsteigerung und Babinski und ent¬ 
spricht in ihrer Verteilung dem Typus Wernicke-Mann. Bei der Pseudo¬ 
sklerose handelt es sich um einen Rigor von gleichmäßig zäher Beschaffen¬ 
heit; auch er kann nach einem Prädilektionstyp verteilt sein, der sich aber dadurch 
auszeichnet, daß die proximalen Muskelgruppen mehr betroffen sind, als die 
distalen. Bei der multiplen Sklerose ist der Spasmus im allgemeinen mit einer 
Parese verknüpft. Eine solche kann bei der Pseudosklerose fehlen, jedoch 
kann eine gewisse Muskelschwäche, die nicht dem Prädilektionstypus entspricht, 
und auf deren Eigenart später noch einzugehen sein wird, vorhanden sein. 

Während das Zittern bzw. die Ataxie bei der multiplen Sklerose an 
statische oder noch häufiger an kinetische Innervationen geknüpft ist, besteht 
bei der Pseudosklerose häufig schon in der Ruhe ein leichtes Zittern, es tritt 
allerdings auch hier bei Intentionen stärker auf und wird zu einem heftigen 
Wackeln, das in seinem Ausmaß und in seiner Intensität grob und ausfahrend 
ist, so daß es unter Umständen an wildes Umherschlagen erinnert. Im All¬ 
gemeinen wird aber der Charakter dieser Bewegungsstörung kein differential¬ 
diagnostisches Kriterium sein können, da es in vorgeschrittenen Fällen von 
multipler Sklerose auch zu solch hochgradiger Ataxie kommen kann. Hat 
doch gerade die Ähnlichkeit der Wackelbewegungen mit denen der multiplen 
Sklerose zur Bezeichnung »Pseudosklerose« geführt. 

Iiost r o«‘m. Syniptomenkomplex. 7 



98 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 

Die Bauchdeckenreflexe, die bei der multiplen. Sklerose schon frühzeitig zu 
erlöschen pflegen, sind bei der Pseudosklerose immer erhalten. Dagegen fehlt 
bei der multiplen Sklerose die Starre des Gesichtsausdrucks, die bei der 
Pseudosklerose meist wenigstens angedeutet ist, wenngleich dies Symptom in 
noch höherem Maße der Wilsonschen Krankheit zukommt. Das gleiche gilt 
von der Bewegungsverarmung, die bei der multiplen Sklerose in reiner Form 
nie beobachtet wird. Sensibilitätsstörungen gehören nicht zum Bilde der 
Pseudosklerose, auch temporale Abblassung der Sehnerven und zentrale 
Skotome sind nur für multiple Sklerose charakteristisch. Augenmuskel¬ 
störungen, besonders die anamnestische Angabe des Doppelsehens sprechen 
ebenfalls gegen Pseudosklerose. Auch pflegt bei der Pseudosklerose der Ver¬ 
lauf nicht, oder doch nur höchst selten, von Remissionen unterbrochen zu 
werden. Unbedingt pathognomonisch für die Pseudosklerose ist das Vor¬ 
handensein der Hornhautpigmentierung; jedoch schließt sein Fehlen die Dia¬ 
gnose nicht mit Sicherheit aus. Sehr charakteristisch, aber ebenfalls nicht un¬ 
bedingt erforderlich ist das Vorkommen von Anfällen epileptiformer Art, 
bei der Pseudosklerose. Psychische Störungen, meist Demenz, kommen bei 
der Pseudosklerose oft recht frühzeitig vor; sie brauchen jedoch namentlich 
bei späteren Stadien der multiplen Sklerose nicht zu fehlen. 

Ein Symptom, das bei beiden Erkrankungen in sehr ähnlicher Weise Vor¬ 
kommen kann, ist die Sprachstörung. Die Kranken sprechen meist skan¬ 
dierend und langsam. Auch Dysarthrie wird zuweilen beobachtet. Ferner 
ist die Phonation dabei^häufig gestört; die Stimme klingt belegt oder schwach, 
ist dabei eintönig, oft weinerlich. 

Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale, die Erkrankung der Leber, 
läßt sich in weitaus den meisten Fällen klinisch nicht feststellen; man wird 
daher eine Leberfunktionsprüfung nur im positiven Fall zur Differentialdia¬ 
gnose heranziehen können. 

Nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet zuweilen die Differentialdiagnose 
der Pseudosklerose gegenüber der Hysterie. Gerade der Umstand, daß bei 
der Pseudosklerose die üblichen organischen Zeichen, Babinski, Reflexanomalien, 
zu fehlen pflegen, macht es begreiflich, daß die Erscheinungen mit hysterischem 
Schüttelzittern verwechselt werden können. Als differentialdiagnostische Kri¬ 
terien kommen in erster Linie die Sprachstörungen, die Art des Tremors, be¬ 
sonders seine Zunahme bei Intentionen, in Betracht. In den Fällen von Pseudo¬ 
sklerose, die mit Hypotonie oder normalen Muskeltonus einhergehen, läßt 
sich schon daraus die Diagnose Hysterie ablehnen, weil die Hysteriker fast 
ausnahmslos während ihrer Zitterbewegungen die Muskeln heftig anspannen. 
(Pseudospasmus.) 

Die oben erwähnten Unterschiede gegenüber der multiplen Sklerose sind 
nicht immer und nicht alle in jedem Fall anwendbar, zumal da es eine 
Reihe von Fällen gibt, die symptomatologisch zwischen beiden Krankheiten 
stehen. Auffälligerweise gehört der Fall, bei dem es Alzheimer als erstem 
gelungen ist anatomische Veränderungen nachzuweisen, auch in diese Gruppe 
hinein. Klinisch fand sich nämlich Fußklonus beiderseits und linksseitiger 
Babinski; das Vorkommen von Fußklonus, der übrigens auch bei anderen 
Fällen von Pseudosklerose beobachtet wird, halte ich namentlich wenn er 



Klinischer Überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. 


99 


erschöpfbar ist, nicht unbedingt für ein Zeichen von Pyramidenschädigung. 
Sogar ein scheinbar unerschöpflicher Fußklonus kann bei funktionellen Er¬ 
krankungen ausnahmsweise Vorkommen, allerdings in besonderer Form. Es 
ist daher auch die Möglichkeit eines Fußklonus bei Hypertonie extrapyrami¬ 
daler Genese als möglich zuzugeben. Dies gilt jedoch nicht vom Babinski, 
der immer als sicheres Zeichen einer Pyramidenschädigung aufzufassen ist. 
In dem Falle von Alzheimer ist außerdem noch von einer spastischen Hemi¬ 
parese die Rede. Ob dabei der Wern icke-Mann sehe Prädilektionstyp vor¬ 
lag, ist leider nicht angegeben. Auch fehlt eine Notiz über das Verhalten 
der Bauchdeckenreflexe. Ob diese durch spastische Hemiparese und positiven 
Babinski wahrscheinlich gemachte Pyramidenbahnschädigung zu dem eigent¬ 
lichen anatomischen Prozeß der Pseudosklerose gehört, oder ob eine zufällige 
Kombination besteht, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Als anatomische 
Grundlage für diese Pyramidenbahnschädigung konnte Alzheimer eine De¬ 
generation des linken Pyramidenseitenstrangs und rechten Pyramidenvorder¬ 
strangs nachweisen. Es erinnert dies an die einzigen anatomischen Befunde 
bei den ersten Fällen von Pseudosklerose, die von Westphal und Strümpell 
beschrieben wurden, bei denen sich ebenfalls Lichtungen im Gebiet der Pyra¬ 
midenbahn fanden, nb. ohne Pyramidenbahnsymptome zu veranlassen. In dem 
von mir beschriebenen Fall war übrigens ebenfalls eine geringe Faserlichtung 
im Gebiet des linken Seitenstrangs zu finden. Einen ähnlichen Befund teilt 
Schütte mit. Durch die Beteiligung der Pyramidenbahn wird bei dem Alz- 
heimerschen Fall klinisch die strenge und ausschließliche Zugehörigkeit zu 
den extrapyramidalen Motilitätsstörungen in Frage gestellt. Handelt es sich 
um einen wesentlichen Unterschied, oder nur um ein zufälliges Überdie- 
ufertreten des krankhaften Prozesses, wie Strümpell sich ausdrückt? Jeden¬ 
falls kommt diesem Befund eine differentialdiagnostische Bedeutung zu, die 
einer kurzen Besprechung an dieser Stelle bedarf: 

Offenbar gehört hierher auch ein von Creutzfeld beschriebener Fall, der 
zunächst das Bild einer multiplen Sklerose bot (Nystagmus, spastische Parese, 
Babinski, skandierende Sprache, Zwangslachen, schubartiger Verlauf). Später 
trat dazu eine eigenartige psychische Veränderung. Anfälle und sonderbare 
motorische Erscheinungen. Anatomisch fand sich nichts von multipler Skle¬ 
rose, sondern ein nicht entzündlicher herdförmiger Untergang des Nervenge¬ 
webes in der Großhirnrinde mit Neuronophagie und reparatorischer Glia¬ 
wucherung, zum Teil auch mit Gefäßproliferation, eine nicht entzündliche 
diffuse Zellerkrankung mit Zellausfall im Bereich der gesamten grauen Sub¬ 
stanz. Der Verfasser rechnet die Erkrankung in das große Gebiet der 
Pseudosklerosen, obwohl die typischen Zellbefunde Alzheimers nicht vor¬ 
handen waren. 

Drei ähnliche Fälle, die klinisch zunächst am meisten an multiple Sklerose 
erinnern (Babinski, fehlende Bauchdeckenreflexe), während bulbäre Symptome, 
psychische Veränderungen und eigentümliche Motilitätsstörungen die Diagnose 
zweifelhaft erscheinen ließen, teilt Jakob mit. Auch hier fanden sich De¬ 
generationen der Ganglienzellen, diffuser Markfaserausfall bei allgemeiner proto- 
plasmatischer Gliawucherung, Neuronophagien, Gliarosetten, besonders in den 
vorderen Zentralwindungen, vorderen Teilen des Striatums, in den medialen 



100 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Thalamuskernen, in der Medulla oblongata und im Stirnhirn. Jakob nimmt 
Beziehungen an zu dem eben erwähnten Fall von Creutzfeld, sowie zu einem 
früher von Alzheimer beschriebenen Fall, der allerdings klinisch weniger 
gut dazu paßt. Ähnlichkeiten bestehen auch mit einer von Economo und 
Schilder beschriebenen Erkrankung im Präsenium. Jakob stellt ein neues 
Krankheitsbild auf, das er wegen der Vereinigung von Symptomen, pyrami¬ 
daler und extrapyramidaler Art als »spastische Pseudosklerose« bezeichnet. Viel¬ 
leicht gehört hierher auch noch ein Fall von Gerstmann und Schilder, 
bei dem sich ebenfalls ähnliche Motilitätsstörungen fanden. Zur Sektion ist 
dieser Fall noch nicht gekommen. 

Ich glaube, daß dieses Krankheitsbild nicht zur Pseudosklerose gehört, 
weil einerseits die für diese Erkrankung charakteristischen Gliaveränderungen 
Alzheimers nicht beobachtet sind, und vor allem weil die Leber Veränderung 
fehlt. Differentialdiagnostisch sind die Fälle jedenfalls von großer Bedeutung, 
sie bilden offenbar eine Gruppe für sich, zu der jedoch der Fall von Alz- 
heimer-Hößlin, m. E. nicht zu rechnen ist. Er gehört trotz des vorhan¬ 
denen Babinski, der als zufälliger Nebenbefund zu buchen ist, nach den Be¬ 
funden im Gehirn und an der Leber sicher zur Pseudosklerose. 

Die reinen Fälle von Wilsonscher Krankheit sind auf der anderen Seite 
schwer vom Torsionsspasmus oder auch von der Paralysis agitans, 
namentlich von der sogenannten juvenilen Form abzugrenzen. Hinsichtlich 
der Unterscheidung vom Torsionsspasmus kann zurzeit noch nichts Ab¬ 
schließendes gesagt werden, weil diese Erkrankung bis jetzt noch keine ge¬ 
sicherte anatomische Grundlage besitzt. Der einzige Fall mit Sektionsbefund 
(Thomalla) zeigte nicht nur eine Erweichung der beiden Putamina, sondern 
auch die noch für Wilsonsche Krankheit charakteristische LeberVeränderung. 
Ob es sich bei dieser Beobachtung nicht um einen echten Fall von Tor¬ 
sionsspasmus handelt, wie Mendel meint, oder ob die beiden Erkrankungen 
näher miteinander verwandt sind, als man jetzt annehmen kann, muß dahin¬ 
gestellt bleiben. Rein symptomatologisch zeichnet sich der Torsionsspasmus 
gegenüber der Wilsonsehen Krankheit durch die ziehenden, grotesken Bewe¬ 
gungen, von denen das Gesicht verschont bleibt, und die Lordose aus, während 
für Wilson mehr die bleibende Starre, vor allem auch der maskenartige Ge¬ 
sichtsausdruck und die Sprachstörung charakteristisch bleiben. Pyramiden¬ 
symptome fehlen bei beiden Erkrankungen. 

Die typische Paralysis agitans, wie sie sich im vorgerückten Alter ent¬ 
wickelt, wird im allgemeinen kaum Veranlassung zur Verwechslung mit Wil¬ 
sonscher Krankheit geben, wohl aber liegt diese Möglichkeit bei den Fällen 
juveniler Paralysis agitans vor, sowie bei atypischen Formen der Schüttel¬ 
lähmung, namentlich solchen, die mit bulbären Symptomen einhergehen. Die 
typischen Formen der Paralysis agitans sind zu bekannt, als daß ich sie durch 
Beispiele zu belegen brauchte. Ich will nur kurz die einzelnen Symptome in ihrer 
Beziehung zur Wilsonschen Krankheit hervorheben: bei beiden spielt die Haupt¬ 
rolle der Rigor der Muskulatur. Er ist in seiner Beschaffenheit zäh, wachsartig, 
in bezug auf seine Verteilung bevorzugt er die Halsmuskeln, sowie die proxi¬ 
malen Gliedabschnitte, ohne die distalen ganz zu verschonen. Auch die Kör¬ 
perhaltung ist bei beiden Erkrankungen oft recht ähnlich. Eine deutliche 



Klinischer überblick über Wilsonsche Krankheit und Pseudosklerose. J01 

Übereinstimmung findet sich auch in bezug auf die mimische Starre, den 
seltenen Lidschlag und die Verarmung der Ausdrucksbewegungen. 

Aktive Bewegungen können die Spannungen vorübergehend unterbrechen, 
passive Bewegungen wirken bei der Parkinsonschen Erkrankung vorübergehend 
tonusvermindemd, wenn sie wenigstens langsam und ohne brüske Dehnung 
ausgeführt werden. Bei der Wilsonschen Krankheit ist mitunter eine tonus¬ 
steigernde Wirkung passiver Bewegungen beobachtet worden. (Stertz, Gerst- 
mann-Schilder, letztere allerdings in einem nicht ganz gesicherten Fall.) 
Eine eigenartige Muskelschwäche, die nicht eigentlich als Lähmung anzusprechen 
ist, kommt ebenfalls bei beiden Erkrankungen zur Beobachtung. 

Das Zittern, das der Paralysis agitans den Namen verliehen hat, ist kei¬ 
neswegs das Hauptsymptom, es kann sogar unter Umständen fehlen, wodurch 
das Krankheitsbild der Paralysis agitans sine agitatione zustande kommt. In¬ 
teressanterweise finden wir bei der Wilsonschen Krankheit ebenfalls einige 
Fälle beschrieben ohne Zittern, und davon einer mit charakteristischem Sektions¬ 
befund. (Economo, ferner Stertz und Chotzen.) 

Die Art des Zitterns kann sich bei beiden Erkrankungen auffallend gleichen. 
Bei der Paralysis agitans handelt es sich um das bekannte Pillendrehen der 
Finger, das bei fortgeschrittenen Fällen einen etwas gröber schüttelnden Cha¬ 
rakter annehmen und sich mitunter auf die weiter proximal gelegenen Ge¬ 
lenke mit erstrecken kann. Ähnliches Zittern wird auch bei Wilson beobachtet. 
Leider lassen die Beschreibungen der Wilsonschen Originalfälle hier im Stich, 
da sie keine genaue Schilderung des Zitterns enthalten. In dem Stöckerschen Fall 
war die Ähnlichkeit jedenfalls so groß, daß Bonhöffer denselben Fall anfangs 
als Paralysis agitans juvenilis ansprach. Wenn man die Vorgeschichte einzelner der¬ 
artiger Erkrankungen betrachtet, so findet man zuweilen in den Anfangsstadien 
die Diagnose Paralysis agitans verzeichnet. Die Ähnlichkeit mit dem Krankheits¬ 
bild verwischt sich aber anscheinend zuweilen in späteren Stadien, offenbar des¬ 
halb, weil das Zittern einen anderen Charakter annimmt. Es ist meist gröber ge¬ 
worden, oder es tritt neben dem feinen Zittern noch ein grobschlägiges Wackeln 
auf, das die Zitterbewegung überlagert und nicht zur Geltung kommen läßt. 

Ein nicht unwesentlicher Unterschied wird immer wieder hervorgehoben: 
bei der Paralysis agitans ist das Zittern ein ausgesprochenes Ruhezittern, 
während ausnahmslos alle Beschreibungen der Wilsonschen Krankheit betonen, 
daß der Tremor sich bei Intentionen verstärkt oder dabei erst auftritt. Wir 
wissen, daß bei Paralysis agitans der Tremor im allgemeinen durch aktive 
Bewegungen sogar unterdrückt werden kann, wenigstens für kurzdauernde 
Bewegungen. Vorgeschrittene Paralysis agitans-Fälle machen aber auch hier¬ 
von eine Ausnahme. Bei beiden Erkrankungen ist es aber die Regel, daß 
Gemütsbewegungen das Zittern auslösen und verstärken können. Da nun 
bei jeder Zielbewegung gerade bei diesen motorisch so behinderten Menschen 
auch eine gewisse psychische Erregung mitspielt, ist es schwer zu entscheiden, 
was bei der Wilsonschen Krankheit das Zittern verstärkt, die Intentionen oder 
die psychische Erregung. Man wird daher schon aus diesem Grunde in dem 
Auftreten des Zitterns bei Intentionen oder bei Ruhe keinen maßgebenden 
Unterschied sehen können. Andere Gründe, die mich zu der gleichen Auf¬ 
fassung führen, werden später noch hervorzuheben sein. 



102 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Beiden Erkrankungen gemeinsam ist auch die Verlangsamung und 
der Ausfall von Bewegungen. Über das Verhalten dieser Symptome zum 
Rigor soll später noch ausführlich gesprochen werden. 

Die Sprache der an Paralysis agitans Leidenden ist sehr charakteristisch, 
sie ist meist eintönig, leiernd, unmoduliert, klingt höher, als der normalen 
Stimmlage entspricht, hat auch einen ausgesprochen klagenden Beiklang. Bei 
der Wilsonschen Krankheit ist die Sprachstörung meist sehr viel hochgradiger, 
oft können die Kranken überhaupt nicht mehr sprechen, in leichteren Fällen 
besteht eine ausgesprochene Dysarthrie, auch ist die Bewegung der Zunge 
und der Lippen oft behindert, so daß es zuweilen zu pseudobulbären Erschei¬ 
nungen kommt. Namentlich die Zunge kann fast nie weiter als bis zur 
Zahnreihe nach vorn gebracht werden. Der Mund steht dabei weit offen, der 
Speichel fließt aus dem Munde. Derartig schwere Störungen kommen bei der 
Paralysis agitans in seltenen Fällen allerdings auch vor (Bruns). Ich sah 
eine ähnliche Erkrankung, bei der die Differentialdiagnose mit Wilsonscher 
Krankheit auch deswegen nicht leicht war, weil die Erkrankung in relativ 
jugendlichem Alter begonnen hatte. 

Fall 80. Es handelte sich um eine jetzt 40jährige Frau Adeline B. (Eppendorf), 
die im 37. Lebensjahr mit Zittern im linken Arm erkrankt war. Das Zittern ging bald 
auf den rechten Arm über, später wurde der Gang schlechter. 

Befund: Groß, mager, keine Pigmentierungen, kein Hornhautring, leichte Kyphose 
der Bru^wirbelsäule. Den Kopf nach vorn geneigt, sitzt die Kranke regungslos im Bett, 
die Musculi stemocleidomastoidei sind angespannt, die Stirne leicht hochgezogen, Ge¬ 
sichtszüge unbeweglich. Sie verfolgt die Vorgänge in ihrer Umgebung mit den Augen, 
der Mund ist spaltförmig geöffnet, kann nur mit Mühe weiter aufgemacht werden. Starker 
Speichelfluß. Die Arme stehen adduziert, im Ellenbogen gebeugt. Hände meist, aber 
keineswegs immer in Pfötchenstellung, Spatia interossea eingesunken. Haut glänzend 
und atrophisch. Die Beine in der Hüfte und im Knie leicht gebeugt, die Füße gestreckt, 
so daß Tibiakante und Fußrücken fast eine gerade Linie bilden. Passive Bewegungen 
begegnen überall einem zähen Widerstand, am stärksten gespannt sind Hals- und Nacken¬ 
muskeln, die Beuger am Oberarm und am Oberschenkel, sowie die Plantarflexoren der 
Füße. Eine mehr oder weniger deutliche Rigidität besteht auch in allen übrigen Muskeln 
der Extremitäten. Die Spannungen sind weder durch langsame noch durch brüske Be¬ 
wegungsversuche veränderlich; auch durch mehrfache passive Bewegungen wird keine 
Erschlaffung erzielt. Paradoxes Phänomen zuweilen positiv. Aktive Bewegungen: Heben 
oder Drehen des Kopfes aktiv so gut wie unmöglich. Bewegungen der Gesichtsmuskeln 
weder willkürlich, noch mimisch ausführbar. Der Mund kann nur spaltförmig geöffnet 
werden. Backenaufblasen, Pfeifen unmöglich. Die Zunge wird nur wenig vorgestreckt, 
erreicht kaum die Zahnreihe, zuckt dabei sehr lebhaft. Die Lippen fühlen sich weich 
und schlaff an. Nur einmal gelingt es, die Patientin zum Lächeln zu bringen, wobei der 
lachende Gesichtsausdruck lange bestehen bleibt und erst allmählich wieder abklingt 
Kaubewegungen vollkommen kraftlos, Schlucken sehr langsam, namentlich bei festen 
Speisen Schwierigkeiten. Keine Atrophie der Gesichts- und Mundmuskeln. Sprache 
leise, kraftlos, ziemlich hastig, eintönig, hauchartig, nur ganz wenig phonierend. Sehr 
schwer zu verstehen. Mund und Zunge werden fast gar nicht dabei bewegt, bei Er¬ 
regungen zittert der Unterkiefer deutlich. 

Bei statischer und kinetischer Innervation der Arme und Hände beginnt ein lang¬ 
sames W f ackeln der Unterarme im Ellenbogengelenk und drehende Bewegungen der 
Finger, die dem Pillendrehen ähneln. Auch im Schultergelenk ganz vereinzelte wackelnde 
Bewegungen. In der Ruhe verschwunden diese Bewegungen allmählich wieder. In den 
Beinen bei aktiver Bewegung ebenfalls schwerfällige Zitterbewegungen. Im Vordergründe 
steht auch hier die Langsamkeit und Schwerfälligkeit. Stehen nur mit gebeugten Knien 
sehr unsicher und kraftlos, Gehen nur mit Unterstützung möglich, nach vorn fallend, die 



Klinischer Überblick über Wilsonsohe Krankheit und Pseudosklerose. 103 

Fußspitzen am Boden schleifend. Sich selbst überlassen ist die Kranke vollkommen 
bewegungslos. Psychisch trotz der anscheinenden Stumpfheit für die Umgebung interes¬ 
siert, über ihren eigenen Zustand unterrichtet. Soweit eine Prüfung möglich ist, keine 
Demenzerscheinungen. Die Leberfunktionsprüfung mit Lävulose ergibt keine siohere 
Störung, die Galaktoseprüfung fällt negativ aus, der Urin enthält kein Urobilinogen. Im 
Blut zahlreiche Plättohen, sonst o. B. Die Wassermannsche Reaktion negativ, Liquor 
normal. 

Bauchdeckenreflexe rechts nur unten auslösbar, sonst Reflexe o. B., kein Babinski. 

Die Kranke wurde ungeheilt entlassen. Eine Anfrage beim Ehemann nach drei 
Jahren ergab, daß das Allgemeinbefinden sioh nicht geändert hat, daß der Speichelfluß 
sehr viel schlimmer geworden sei, und daß die Sprache sich so verschlechtert habe, daß 
eine Verständigung kaum mehr möglich ist. Dabei sei die Frau geistig rege, hat auch 
Initiative, möchte immer im Hause anordnen, dem Mädchen befehlen und ist unglüoklioh 
darüber, daß sie sioh nicht verständlich machen kann. 

Epikrise: 

Das relativ jugendliche Alter der Patientin bei Beginn der Erkrankung 
<37 Jahre) läßt uns zuerst die Diagnose Paralysis agitans unsicher erscheinen. 
Dazu kommt noch als ungewöhnlich die ausgesprochen pseudobulbären Sym¬ 
ptome, die Sprachstörung und die Unfähigkeit, Zunge und Lippen zu bewegen, 
die Schwierigkeiten beim Schlucken und der reichliche Speichelfluß, alles Er¬ 
scheinungen, die wir besonders bei Wilsonscher Krankheit finden. Die Sprache 
ist andererseits auch von derselben Eintönigkeit, wie sie bei Paralysis agitans- 
Kranken zu sein pflegt, so daß die bulbäre Erschwerung der Sprache diese 
an sich charakteristische Sprachstörung noch überlagert. Das Zittern unter¬ 
scheidet sich von den gewöhnlichen Fällen der Paralysis agitans dadurch, daß 
es in der Ruhe fehlt und erst bei Bewegungen auftritt. Wie ich oben gezeigt 
habe, kommt dieser Umstand jedoch nicht als differential diagnostisches Moment 
zwischen beiden Erkrankungen in Betracht. Ohne Sektionsbefund wird man 
hier die Differentialdiagnose nicht mit Sicherheit stellen können; im großen 
und ganzen neige ich dazu, hier eine etwas ungewöhnliche Form der Paralysis 
agitans anzunehmen. 

In vieler Hinsicht ähnlich ist folgender Fall, nur spricht hier der frühe 
Beginn, sowie eine starke Beteiligung der Psyche vielleicht mehr für Wilson- 
sche Krankheit: 


Fall 81. Rosine G. (Gehlsheim.) 34 Jahre alt 
Beginn der Erkrankung mit 31 Jahren, das linke Bein und der linke Arm begannen 
zu zittern. Allmählich Übergang des Zitterns auf die rechte Seite und auf den Kopf. 
Ist in letzter Zeit sehr hilflos geworden. Befund: klein, kräftig, reichlicher Ernährungs¬ 
zustand. Innere Organe o. B. Vier Reaktionen negativ. Schlechte Zähne. Keine Pig¬ 
mentierung. Kein Hornhautring. Im Urin keine pathologischen Bestandteile, kein 
Urobilinogen, Leberfunktionsstörung durch Prüfung mit Galatose und Lävulose nicht 
nachweisbar. Kyphose der oberen Brustwirbelsäule. Arme sind im Ellenbogen gebeugt, 
die Oberarme adduziert. Knie- und Hüftgelenk leicht gebeugt. Gesichtsausdruck masken¬ 
artig starr. Mund kann nur wenig geöffnet werden. Mimische Ausdrucksbewegungen 
fast Null, Lachen nur schwer auslösbar, entwickelt sich langsam und bleibt lange bestehen. 
Kopfdrehen außerordentlich langsam, Augenbewegungen wesentlich rascher; verschluckt 
sich oft beim Sprechen und Essen, seltener Lidschlag, die Zunge kann kaum heraus¬ 
gestreckt werden. Die Sprache klingt etwas nasal eintönig, unmoduliert und infolge der 
Schwierigkeiten, den Mund zu öffnen, etwas kloßig. Der Kopf ist leicht nach vorn ge¬ 
neigt, mit den Augen fixiert sie ihre Umgebung. Muskeltonus: Allgemeine Rigidität 
der Extremitäten und des Rumpfes. Muskeln nicht plastisch hervortretend, Widerstand 



104 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

zäh, nicht federnd, keine eigentlichen Muskelkontrakturen. Mechanische Muskelerregbar¬ 
keit nicht erhöht, bei Es marchscher Blutleere keine Verminderung des Muskeltonus. 
Finger meist zur Faust geballt, bisweilen auch »Pfötchenstellung«. Verteilung des Tonus: 
Muskeln der Arme und des Halses zeigen eine gleichstarke Beteiligung von Agonisten 
und Antagonisten. Am Oberschenkel ist die Rigidität der Streckmuskeln stärker als die 
der Beuger. Die Musketti an Unterarmen und Unterschenkeln sind sehr viel weniger 
rigide. Unterschied zwischen Beugern und Streckern findet sich nicht. Halsmuskeln 
und Kaumuskeln deutlich gespannt und hart anzufühlen. Der Tonus ist beständig und 
wird durch aktive Bewegungen nicht verstärkt. Durch passive Bewegungen keine Ände¬ 
rungen des Tonus. Bei Kälteeinwirkung Zunahme der Steifheit, willkürliche Entspan¬ 
nungen sind nicht möglich. Aktive Bewegungen üben keinen Einfluß auf den Muskel¬ 
tonus aus. Bei passiv vorgenommenen Bewegungen äußert die Kranke Schmerzen in 
den gedehnten Muskeln, und zwar hat sie das Gefühl, als ob der Arm abbreche. Neigung 
zum Verharren in Haltungen, dabei tritt jedoch Zittern auf. Aktive Bewegungen: Inner¬ 
vation der Extremitätenmuskeln zu irgendwelchen Kraftleistungen sehr herabgesetzt. 
Läßt man sie dagegen in einer eingenommenen Haltung einen Widerstand ausüben, so 
leisten dieselben Muskeln, die vorher kraftlos erschienen, einen recht erheblichen Wider¬ 
stand. Rasch hintereinander erfolgende Innervationen schon wegen der Rigidität der 
Muskeln unmöglich. Setzt man einer geforderten Bewegung einen Widerstand entgegen 
und läßt man dann plötzlich los, so erfolgt fast kein Ausfahren, sondern der Arm bleibt 
nach Nachlassen des Widerstands fast unbeweglich. 

Hochgradige Bewegungsverarmung und hochgradiger Bewegungsausfall, namentlich 
der unwillkürlichen Bewegungen. Schreiben nicht möglich. Geforderte Handlungen, wie 
Schlüsseldrehen, Hammerklopfen, Schneiden mit der Schere usw. werden nur sehr müh¬ 
sam, außerordentlich steif ausgeführt. 

In beiden Armen Zittern, nach den Händen zunehmend, am stärksten in Daumen 
und Zeigefinger. Das Zittern ist schüttelnd von meist gleichmäßigem Rhythmus, etwa 
240 Oszillationen in der Minute. Bei passiver Ruhelagerung der Arme läßt das Zittern 
nach. Bei aktiver freischwebender Haltung der Hände beim Fingerspreizen wird es stärker. 
Allerdings bewirkt jede aktive und passive Bewegung zunächst ein Aufhören, jedoch nur 
für sehr kurze Zeit; fixiert man eine Extremität, so wird das Zittern in der anderen 
stärker. In den Fingern handelt es sich vorzugsweise um Adduktionen und Abduktionen 
im Grundgelenk mit leichten Drehbewegungen im gleichen Gelenk, weniger um Beugungen 
und Streckungen, im Daumen um Abduktion und Opposition, abwechselnd mit Adduktion. 
Dadurch, daß der Daumen und Zeigefinger aneinanderliegen und aneinander reiben, 
kommt es zum Eindruck des Pillendrehens oder Brotzerkrümelns. Die Bewegungen im 
Handgelenk sind im Ausmaß gröber. Es handelt sich dabei um leichte Beugung und 
Streckung, untermischt mit Pro- und Supination. Zielbewegungen ohne wesentliche 
Ataxie, Aufregungen verstärken das Zittern wesentlich. Im Schlaf kein Zittern. Wird 
das Zittern durch irgendeine Ursache (Aufregung usw.) verstärkt, so wird auch der 
Charakter des Tremors insofern etwas verändert, als sich nun auch Beuger und Strecker 
daran beteiligen, die Exkursionen der Bewegungen im Hand- und Ellenbogengelenk 
werden dann auch weiter und das Tempo etwas rascher. An den Beinen kommt es nur 
selten, meist nur bei Aufregungen zu Zittern; es findet vorzugsweise in Fuß- und Zehen¬ 
gelenken statt im Sinne der Beugung und Streckung. 

Gang trippelnd, auf den Zehenspitzen, deutliche Propulsion. 

Keine Pyramidensymptome. Die Fußsohlenreflexe lebhaft; der Abwehrreflex ist die 
einzige flinke Bewegung, die die Patientin zustande bringt. Paradoxes Phänomen an 
den Füßen beiderseits angedeutet. 

Keine besondere Dermographie. Immer Hitzegefühl, schwitzt viel, keine besondere 
Tränen- und Speichelsekretion. 

Psychisch: Hochgradige Demenz, Kopfrechnen sehr schlecht. Schulkenntnisse fast 0* 
Unterschiedsfragen, Sprichworterklärungen, Definitionen sehr schlecht, Bildbeschreibungen: 
bringt nur Einzelheiten, nie Zusammenhänge. Gedächtnis und Merkfähigkeit herabgesetzt. 
Bew'egungsaufforderungen werden ziemlich rasch befolgt, soweit sie überhaupt möglich 
sind. Stimmung meist heiter-euphorisch, gleichgültig und stumpf. Keine Anfälle. 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


105 


Epikrise: 

Das klinische Bild entspricht in bezug auf die Bewegungsstörungen ganz 
dem der Paralysis agitans mit bulbären Symptomen. Auffallend ist nur, daß 
sich die Krankheit so früh, im 31. Lebensjahr, entwickelt hat und so rasch 
zu dem jetzigen, äußerst hilflosen Zustande geführt hat. Bemerkenswert ist 
auch die hochgradige Demenz. Differentialdiagnostisch käme hier die Wilson- 
sche Krankheit in Betracht, namentlich mit Rücksicht auf das jugendliche 
Alter der Patientin. Im übrigen gelten die klinischen Symptome für beide 
Erkrankungen. Eine Leberfunktionsstörung, die zugunsten der Wilson sehen 
Krankheit verwertet werden könnte, war nicht nachzuweisen. 

2. Allgemein biologische Gesichtspunkte unter besonderer Berück¬ 
sichtigung der klinischen Zusammengehörigkeit von Wilsonscher 
Krankheit und Pseudosklerose. 

Nach Besprechung der Differentialdiagnose und nach Zusammenstellung 
aller einschlägigen Fälle sollen nun allgemeinere biologische Probleme, die bei 
der Betrachtung der beiden Krankheitsbilder auftauchen, besprochen werden 
und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Frage, ob es sich bei der 
Wilsonschen Krankheit und der Pseudosklerose um die gleiche Krankheitseinheit 
handelt. Die oben angeführten klinischen Unterschiede, welche die einwand¬ 
freien Fälle zeigen, scheinen uns zur Trennung beider Krankheitsbilder zu 
zwingen. Wir haben aber aus der Menge der unsicheren und gemischten Typen 
gesehen, daß es zum mindesten zahlreiche Übergangsfälle geben muß, mit 
denen wir uns abzufinden haben. 

Lediglich der Umstand, daß beide Erkrankungen extrapyramidale motorische 
Symptome aufweisen und mit einer gleichen eigenartigen Lebererkrankung 
einhergehen, gibt uns an sich noch nicht die Berechtigung, sie als das gleiche 
Leiden zu betrachten. Bei der Frage ist weiter noch das zu berücksichtigen, 
was wir über die pathologische Anatomie und die Ätiologie der Erkrankungen 
wissen. Die klinischen Gesichtspunkte sind schon besprochen und haben zu 
dem Ergebnis geführt, daß zwischen den reinen Formen der Pseudosklerose 
und reiner Wilson scher Krankheit recht erhebliche Unterschiede bestehen, so 
daß man, wenn es nicht die vielen Übergangsfälle gäbe, zunächst sicher nicht 
an eine nosologische Zusammengehörigkeit denken würde. So finden wir auf 
der einen Seite als Kardinalsymptome Hypotonie, ataktisches Wackeln, Horn¬ 
hautring, Anfälle, Demenz, auf der anderen Seite Rigor und feines Zittern, 
das eventuell auch fehlen kann. Es wäre möglich, daß diese klinischen Unter¬ 
schiede lediglich durch die jeweilige Lokalisation des gleichen Krankheits¬ 
prozesses bedingt sind, so daß wir es mit verschiedenen Symptomenkomplexen 
der gleichen Erkrankung zu tun hätten. Dieser Ansicht scheinen auch die 
meisten Autoren zu sein. Wie mir scheint, liegen die Dinge jedoch nicht so 
einfach, denn die beiden pathologischen Prozesse sind doch recht verschieden. 
Es besteht aber noch eine weitere Möglichkeit, die beiden Erkrankungen als 
dasselbe Leiden anzusehen, nämlich dann, wenn es möglich wäre, nachzuweisen, 
daß die beiden anatomisch verschiedenen Krankheitsprozesse durch die gleiche 
Noxe veranlaßt sein könnten. 



106 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


I. 

Bei der Wilsonschen Krankheit handelt es sich, kurz gesagt, um Degene¬ 
rationsprozesse mit zystischer Erweichung in beiden Linsenkemen und reaktiven 
Veränderungen an der Neuroglia, während der von Alzheimer für die Pseudo¬ 
sklerose gefundene pathologische Prozeß in einer progressiven Gliaerkrankung 
ohne Einschmelzungsvorgänge besteht. Diese Gliaveränderung ist nach Unter¬ 
suchungen von Alzheimer keineswegs als eine reaktive anzusehen, sondern 
sie trägt eher einen blastomatösen Charakter und ist deswegen von Alzheimer 
zu der tuberösen Sklerose in Beziehung gesetzt worden. Auch Bielschowsky 
hält die beiden Gliaveränderungen für grundsätzlich verschieden. 

Besteht nun die Möglichkeit, daß sich neben einer derartigen Gliaerkran¬ 
kung ein Degenerationsprozeß im Sinne der Wilsonschen Krankheit entwickelt? 
Könnte man etwa annehmen, daß diese Gliaveränderung nur ein früheres 
Stadium der Linsenkerndegeneration ist? Die Lokalisation dieser Veränderung 
würde an sich nicht dagegen sprechen, da auch bei der Pseudosklerose die 
zentralen Ganglien befallen sind. Daß andererseits auch bei der Wilson sehen 
Krankheit außerhalb der zentralen Ganglien Veränderungen Vorkommen können, 
lehrt der Stöcker sehe Fall, bei dem außer einer Linsenkerndegeneration noch 
die Alzheimerschen Gliaveränderungen in anderen Himteilen nachweisbar 
waren, und der daher als Zwischenstufe zwischen beiden Erkrankungen auf¬ 
gefaßt worden ist. 

Die Alzheimerschen Gliaveränderungen zeigen wenig Neigung zum Zerfall 
und zu zystischer Entartung. Nach dem ganzen Bild kann man auch nicht 
annehmen, daß es zu sekundären Erweichungen infolge Ernährungsschwierig¬ 
keiten kommen könnte, denn so dicht wie bei Gliomen, die ja oft zur Er¬ 
weichung neigen, liegen die pathologisch veränderten Gliazellen nicht. Auch 
fehlen Gefäßalterationen in den meisten darauf untersuchten Fällen (Alz¬ 
heimer, Spielmeyer usw.). Insofern bildet der von mir beschriebene Fall 
eine Besonderheit, als sich hier Gefäß Veränderungen, zum Teil degenerativer 
Art, nachweisen ließen, bei deren Vorhandensein man die Möglichkeit einer 
sekundären Erweichung durchaus in Betracht ziehen kann. 

Neuerdings hat Spielmeyer an mehreren Fällen die gleiche Frage auch 
vom pathologisch-anatomischen Standpunkt aus ventiliert. Er ist der Ansicht, 
daß der blastomatöse Charakter der erkrankten Gliazellen nicht so sicher er¬ 
scheint, als daß darum ein Übergang in Erweichung ausgeschlossen werden 
könnte. Insbesondere sind auch ihm in einem Falle GefäßVeränderungen in 
den erkrankten Hirnpartien aufgefallen. Er kommt zu dieser Ansicht durch 
die Untersuchung des Stertzsehen Falles E. (Wilsonsche Krankheit ohne 
Tremor). Hier fehlte zwar eine Erweichung im Linsenkem, jedoch ließ sich 
eine erhebliche Auflockerung des Gewebes im Pu tarnen finden, welche eine 
mehr äußerliche Erscheinung der erwähnten Degenerationsvorgänge ist, nämlich 
des Ganglienzellverfalls, bei Ausbleiben einer Gliafaserwucherung und Abbau 
vom Körnchenzelltypus. Die Alzheimerschen Gliakerne finden sich in reicher 
Zahl gerade da, wo der Prozeß seine Prädilektionsstelle hat. Spielmeyer 
schließt daraus, daß hier die bei der Wilsonschen Krankheit beschriebenen 
Abbauvorgänge und die gliösen Erscheinungen bei der Pseudosklerose zu einem 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 107 

anatomischen Bild vereinigt sind, unter Uberwiegen der pseudosklerotischen 
Komponente. 

Ferner hat Spielmeyer drei andere Fälle von Pseudosklerose, darunter 
einen Fall von Fleischer (Fall 2) untersucht. Auch hier ließen sich degene- 
rative Prozesse im Linsenkern nachweisen, und zwar handelte es sich einmal 
um eine schwere Zerstörung mit Höhlenbildung im äußeren Abschnitt des 
Putamen und Teilen des Globus pallidus, im zweiten Fall war ein allerdings 
nur schmaler Spalt im äußeren Abschnitt des Putamen vorhanden, beim dritten 
Fall fehlte eine ausgesprochene Höhlenbildung, aber der ganze Linsenkem war 
zerklüftet mit Ausnahme des innersten Gebietes des Globus pallidus. Dabei 
sah man noch frische Abbauvorgänge in allen drei Fällen (gliogene Körnchen¬ 
zellen). Die Stützglia verhielt sich verschieden; dabei zeigen alle drei Fälle 
progressive Vorgänge am Gefäßapparat, Gefaßvermehrung. Außerdem ließen 
sich im Linsenkern und Schwanzkern die Alzheimer sehen Gliazellen nach¬ 
weisen. Spielmeyer schließt sich der Stöckerschen Vermutung an, daß 
Wilson wahrscheinlich auch bei seinen Fällen bei näherer Untersuchung die 
Alzheimerschen Gliakeme gefunden haben würde, und er kommt zu dem 
Schluß, daß es sich hier um denselben pathologischen Prozeß handle, dessen 
einzelne Komponenten verschieden stark ausgebildet sein können. 

Spielmeyer weist noch besonders darauf hin, daß offenbar auch bei der 
Wilsonschen Erkrankung der Prozeß nicht so eng lokalisiert ist, wie es meist 
angenommen wird, daß vielmehr auch hier neben dem Hauptsitz in den- zen¬ 
tralen Ganglien andere Stellen erkrankt seien, namentlich der Nucleus dentatus. 
Daß es gerade zur Zerklüftung und Erweichung im Putamen kommt, erklärt 
Spielmeyer einmal aus dem raschen und massenhaften degenerativen Zerfall 
des nervösen Gewebes und dann aus der örtlichen Eigenart des Gliagewebes 
gerade im Linsenkern. 

Hinsichtlich der Bedeutung der Alzheimerschen Gliazellen, die ein patho- 
gnostisches Merkmal für die Pseudosklerose sind, neigt Spielmeyer dazu, sie 
nicht als unbedingt blastomatös in Gegensatz zu den degenerativen Verände¬ 
rungen zu bringen. Er läßt es vielmehr jetzt als möglich erscheinen, daß das 
Auftreten dieser gliösen Elemente vielleicht doch Teilerscheinungen des degene¬ 
rativen Prozesses sein könnten, zumal da diese Zellen die ausgesprochene 
Neigung haben, sich rasch zurückzubilden und wieder zu zerfallen. 

Meiner Ansicht nach ist diese Frage, ob es sich hier um blastomatöse oder 
degenerative Veränderungen handelt, von ganz grundlegender Bedeutung für 
die Entscheidung der Frage, ob der Wilsonschen Krankheit und der Pseudo¬ 
sklerose dieselben Krankheitsursachen zugrunde liegen oder nicht. Sind diese 
Prozesse gleichartig bzw. handelt es sich wenigstens um analoge und nur durch 
die besonderen Eigenschaften der betroffenen Hirnteile verschieden ausgefallene 
Veränderungen, so ist die Möglichkeit gegeben, daß es sich bei beiden Sym- 
ptomenbildern um die gleiche Krankheit handelt. Müssen wir aber in den 
Wilsonschen Fällen einen degenerativen Prozeß annehmen, auf der anderen Seite 
aber die Veränderungen der Pseudosklerose als blastomatöse ansehen, wie Biel- 
schowsky noch vor kurzem feststellte, so scheint es mir unmöglich, von der 
gleichen Erkrankung zu sprechen. Daß wir doch an diese Möglichkeit jetzt denken 
können, ist das wesentlichste Resultat der Spielmeyerschen Untersuchungen 



108 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Eine andere Schwierigkeit, die Spielmeyer auch hervorhebt, liegt in der 
Deutung der in manchen Fällen vorhandenen Gefäßveränderungen, die in den 
von Spielmeyer untersuchten Gehirnen im wesentlichen in einer progressiven 
Wucherung bestanden. Auch Schütte fand Gefäßveränderungen, ebenso konnte 
ich in dem' von mir untersuchten Fall solche nach weisen und zwar nicht 
nur Gefäßneubildungen, sondern auch Gefäßwanddegenerationen. Spielmeyer 
sieht die tiefere Ursache für diese Gefäßalterationen in dem noch unbekannten 
Wesen des krankmachenden Prozesses, auf dessen Natur die Veränderungen 
des Gehirns keinen Schluß zulassen. 

Diese Frage bringt uns s^uf einen anderen Punkt der oben angedeuteten 
Fragestellungen, nämlich, ob es sich um die gleiche Ursache bei den beiden 
Krankheitsbüdem handeln kann. Hierbei wäre zu erwägen, ob die gleiche 
Noxe verschiedene anatomische Prozesse im Gehirn hervorzubringen vermag, 
nämlich für den Fall, daß die anatomischen Vorgänge der Pseudosklerose und 
der Wilson sehen Krankheit nicht die gleichen sind. Wir müssen also zuerst 
nach Anhaltspunkten suchen, welche Schädigungen überhaupt als Ursache in 
Betracht kommen und dann, welche Wirkungen auf das Gehirn möglich sind. 

Es existieren bereits verschiedene Theorien; ein Teil der Autoren nimmt 
an, daß es sich bei beiden Erkrankungen um ein familiäres Leiden handelt, 
andere nehmen eine Mißbildung an, auch Lues wird als Ursache der Erkran¬ 
kung angeschuldigt; die meisten denken jetzt an eine toxische Entstehung der 
Erkrankung und setzen sie in enge Beziehung zur Leberschädigung. 

II. 

Was die Frage der Lues anlangt, so ist von vornherein unwahrscheinlich, 
daß bei der Entstehung einer so seltenen Erkrankung, wie sie hier vorliegt, 
die weit verbreitete Lues eine wesentliche Rolle spielen sollte. Eine zufällige 
Kombination kann natürlich Vorkommen. Möglich ist auch, daß eine Lues 
cerebri durch ihre Lokalisation einmal das uns hier interessierende Krankheits¬ 
bild Vorbringen kann. 

Ein ursächlicher Zusammenhang mit Lues wird angenommen von Homen, 
Anton-Meyer, Rumpel (Fleischers Fall 1), Dziembowsky, Kubitz und 
Staemmler. Die Gründe, die für das Vorliegen einer Lues bei den Fällen 
von Dziembowsky sprechen, sind sehr wenig stichhaltig. Die vier Reaktionen 
waren jedesmal negativ; allein daraus, daß die Mutter mehrere Fehlgeburten 
gehabt hat, dürfte kaum ein ausreichender Anhaltspunkt für das Vorhanden¬ 
sein einer kongenitalen Lues bei den Kindern zu gewinnen sein, zumal, wenn 
auch noch der Wassermann bei der Mutter negativ war. Ebensowenig kann 
ich einen Beweis für Lues darin sehen, daß der eine der Kranken einen 
Hydrocephalus internus und eine plankonvexe Verdickung der Schädelknochen 
aufweist. Der andere Bruder hatte Veränderungen an den Fingernägeln sowie 
eine Psoriasis palmaris; wenn es sich hier wirklich um syphilitische Ver¬ 
änderungen gehandelt hätte, so müßte man einen positiven Wassermann er¬ 
warten. Die Hemiplegie des dritten Bruders dürfte sich zwanglos durch das 
bestehende Gehirnleiden erklären lassen und bedarf nicht als Ursache die An¬ 
nahme einer Paralyse, für die sich sonst gar kein Anhaltspunkt finden läßt. 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


109 


Das gleiche gilt von den epileptischen Anfällen, die an sich ja gut zum Bilde 
der Pseudosklerose passen. 

Der Fall von Anton und Meyer wird wegen der eigentümlichen Leber¬ 
veränderung, die Meyer als eine Hemmungsbildung auf Grund von kongeni¬ 
taler Lues auffaßt, mit Syphilis in Verbindung gebracht, m. E. ebenfalls ohne 
zwingende Notwendigkeit. Die Wassermannsche Reaktion war damals noch 
nicht bekannt. 

Ebenfalls vor der Wassermannzeit liegen die Beobachtungen Homens, 
der in sehr eingehender Weise die Möglichkeit der Lues bei seinen drei Fällen 
erörtert. Bei den Eltern der drei Geschwister ließen sich ebensowenig An¬ 
haltspunkte für Lues finden, wie bei der Sektion der Körperorgane. Wenn 
er trotzdem Lues als Ursache der Erkrankung ansieht, so tut er es im wesent¬ 
lichen deshalb, weil er bei den drei Geschwistern eine in typischer Weise 
auftretende Erkrankung auf Grund hereditärer Anlage annimmt, als deren 
Ursache er sich nur eine Syphilis denken kann. 

In ähnlicher Weise kommt auch Rumpel zu der Ansicht, daß kongenitale 
Lues wahrscheinlich die Grundlage des von ihm untersuchten Falles von Pseudo¬ 
sklerose bildet, und zwar faßt auch er die Lebererkrankung als eine Entwicklungs¬ 
störung auf. Bemerkt sei hierbei, daß der mikroskopische Befund an der Leber 
anscheinend etwas von dem gewöhnlichen abweicht, insofern als Regeneration 
der Leberzellen nicht beschrieben wird. Sichere Beweise für das Vorhanden¬ 
sein einer Lues fehlen auch hier. Fleischer erwähnt für denselben Fall, den 
er ebenfalls untersucht hatte, das Vorhandensein einer Lues nicht. 

A. Westphal hält es für möglich, daß die Lues bei der Erkrankung eine 
Rolle spielt, ohne selbst strikte Beweise in seinem Fall erbringen zu können. 
Er fordert jedenfalls unbedingt Anstellung der Wassermannschen Reaktion bei 
derartigen Erkrankungen. 

Die Wassermannsche Reaktion im Blut war in einem Falle von Kubitz 
und Staemmler positiv, im anderen negativ. Die Autoren kommen zu dem 
Schluß, daß die Syphilis allein zwar nicht das Krankheitsbild verursache, daß 
es sich aber bisher in allen Fällen, wo überhaupt eine bestimmte Ätiologie 
nachgewiesen werden konnte, um Lues gehandelt habe. Eine Ansicht, die bei 
genauerer Durchsicht der Literatur nicht haltbar erscheint. 

Bei den an Pseudosklerose leidenden Kranken Oppenheims lag in einem 
Falle Lues des Vaters vor. Oppenheim ist jedoch wegen des negativen 
Ausfalls der Blutuntersuchung der Ansicht, daß es sich hier nicht um ein 
syphiütisches Leiden handle, er gibt nur den keimschädigenden Einfluß der 
Lues zu; in ähnlicher Weise, wie diese vom Alkoholismus bei anderen Fällen 
anzunehmen ist (A. Westphal, Alzheimer, Hößlin). 

Bei Fall 2 der von Strümpell 1898 veröffentlichten Pseudosklerose ist 
hereditäre Lues nicht auszuschließen. Die Sektion ergab jedoch keine näheren 
Anhaltspunkte dafür. Strümpell rechnete auch nur mit der Möglichkeit 
eines Zusammenhanges, der er in seinen später publizierten Fällen nicht mehr 
Erwähnung tut. 

Wilson lehnt die Lues als Ursache für seine Fälle ab. Stertz hält den 
positiven Wassermann bei einer seiner Beobachtungen für einen Untersuchungs¬ 
fehler. Bei meinen eigenen Fällen waren die vier Reaktionen stets negativ, 



110 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


und auch sonst sind gewichtige Gründe für die syphilogene Entstehung der 
Wilsonschen Erkrankung und der Pseudosklerose nirgends gegeben, so daß 
man zusammenfassend sagen kann: Lues kommt als Ursache für die 
Entstehung dieser Erkrankungen nicht in Betracht. 

III. 

Zum Teil in enger Beziehung zu den soeben behandelten Problemen, ob 
Lues bzw. hereditäre Lues etwas mit der Entstehung der Krankheiten zu 
tun hat, steht die Frage nach dem familiären Vorkommen dieser Er¬ 
krankungen. Es ist noch zu prüfen, ob das zuweilen beobachtete familiäre 
Auftreten der Erkrankungen ein Zufall ist, ferner, ob gleichartige Belastung 
beobachtet werden kann, oder ob wenigstens allgemein nervöse oder körper¬ 
liche Belastung, Degenerationserscheinungen eine Rolle spielen. Vielleicht 
wären auch für die Frage des engeren Zusammenhanges der Pseudosklerose 
und Wilsonschen Krankheit aus dem familiären Auftreten der beiden Er¬ 
krankungen Anhaltspunkte zu gewinnen. Uber ein solches wird mehrfach be¬ 
richtet, so daß sogar schon Wilson von einem »familiären Nervenleiden« 
spricht. Sieht man die nach den oben angegebenen Gesichtspunkten als sicher 
diagnostizierten Fälle von Wilsonscher Krankheit und Pseudosklerose durch, 
so ergibt sich, daß 30 mal die Kranken weder erblich belastet sind, noch sind 
bei ihnen Geschwister von gleicher oder ähnlicher Erkrankung befallen. Bei vier 
läßt sich eine allgemeine Belastung feststellen (einmal Epilepsie der Mutter, 
einmal Potus, Lues des Vaters). Bei dem ersten Fall von C. Westphal litten 
der Vater des Kranken und vier seiner Brüder an Veitstanz. Erwähnt werden 
soll in diesem Zusammenhang die von Hi gier beobachtete Familie (Diagnosen 
nicht durch Sektion gestützt). Hier litt der Vater an Paralysis agitans ju¬ 
venilis, ein Sohn an Pseudosklerose, ein anderer an Wilsonscher Krankheit. 

Etwas häufiger dagegen wird das Vorkommen des gleichen Leidens bei 
Geschwistern beobachtet. So beschreibt Gowers zwei Schwestern, Homen 
drei Geschwister, Wilson zwei Geschwister, Rausch und Schilder zwei 
Schwestern, Dziembowsky drei Brüder, Hamilton und Jones zwei Brüder 
mit dem gleichen Leiden. Möghcherweise litt auch der nervenkranke Bruder 
des Patienten von Stöcker an einer hierhergehörenden Erkrankung. Die Aus¬ 
beute an einwandfrei familiären Erkrankungen ist, wie man sieht, nicht sehr 
groß, selbst wenn man damit rechnet, daß vielleicht bei einer Reihe von 
Fällen die diesbezüglichen Erhebungen unzureichend gewesen sind. Jedenfalls 
erscheint es mir demnach fraglich, ob man die beiden Erkrankungen 
in das Gebiet der Heredodegenerationen einrechnen kann. Biel- 
schowsky unterscheidet unter den Heredodegenerationen reine Dysplasien 
(z. B. Status marmoratus), Dysplasien mit blastomatösem Einschlag (z. B. tube¬ 
röse Sklerose), und für eine dritte Gruppe nimmt er die von Gowers ge¬ 
prägte Bezeichnung der Abiotrophie in Anspruch; er versteht darunter Krank¬ 
heit sformen, bei denen eine inhärente, aber erst im Laufe des postfötalen 
Lebens hervortretende Schwäche ganzer Organgebiete oder Teile derselben 
zutage tritt. In diese Gruppe rechnet Bielschowsky auch die Wilsonsche 
Krankheit und die Pseudosklerose, und zwar gehört die Pseudosklerose in 
eine Untergruppe von Abiotrophien mit blastomatösem Einschlag, die Wilson- 





Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


111 


sehe Krankheit in eine Gruppe mit lokaler Zellnekrose des Parenchyms. Aus 
der relativ geringen Anzahl von familiär auftretenden Fällen den Schluß zu 
ziehen, daß es sich um ein ausgesprochen familiäres Leiden handelt, halte ich 
für verfrüht; in den positiven Fällen mag vielleicht eine angeborene Schwäche 
mitspielen, aber man kann meiner Ansicht nach mit genau derselben Be¬ 
rechtigung sagen, daß die Geschwister vielleicht der gleichen äußeren 
Schädlich heit ausgesetzt waren und aus diesem Grunde an dem gleichen 
Leiden erkrankt sind. Beweise wird man zurzeit noch für keine der beiden 
Annahmen erbringen können, und es wird gut sein, sich mit der Unter¬ 
bringung dieser Erkrankungen unter die hereditären Leiden noch abw r artend 
zu verhalten. 

IV. 

Die Erörterung der Frage, ob es sich bei der Pseudosklerose und bei der 
Wilsonschen Krankheit um eine »Heredodegeneration« bzw. um ein familiäres 
Leiden handelt, bedarf noch einer Ergänzung durch die Berücksichtigung der 



Abb. 5. Wilsonleber: Oberfläche, vordere Hälfte. 

anatomischen Grundlage von dem Gesichtspunkt aus, ob die oben beschriebenen 
Veränderungen im Gehirn und Leber etwa als Mißbildungen, Entwicklungs¬ 
hemmungen aufgefaßt werden können. 

Die Leberveränderung wird von Meyer und Rumpel als eine Ent¬ 
wicklungsstörung angesehen. Die meisten anderen Autoren haben dieser 
Ansicht widersprochen. Bei genauer Durchsicht der Literatur finden sich 
in der Tat einzelne Unterschiede in der Beschreibung der Lebererkran- 


112 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

kungen, die eventuell differente Auffassungen bedingen könnten. Daher 
muß kurz darauf eingegangen werden. Das makroskopische Bild ist immer 
ziemlich das gleiche. Jedesmal handelt es sich um das Auftreten grober 
Knoten und Inseln, die durch schmale Bindegewebszüge getrennt sind. 
Während aber die meisten Untersucher das Vorhandensein von Degene¬ 
rationserscheinungen mit Regenerationen der Leberzellen festgestellt haben, 
fand Meyer Degenerationen und Nekrosen gar nicht. Die Anordnung der 
Leberzellen zu Läppchen war hier einigermaßen erhalten. Zellige Infiltrationen 
fehlten, das Bindegewebe war zart, regelmäßig, zellarm und zeigte nicht die 
Tendenz, in die Leberacini hineinzu wuchern; keine Vermehrung der Gallen- 



Abb. 6. Wilsonleber: Durchschnitt. 

gänge. Die Leber war im ganzen verkleinert, aber in ihrer Form erhalten. 
Die Inseln neugebildeten Lebergewebes faßt Meyer als Analoga der Acini 
auf, und die nicht immer ganz zentral gelegenen Venen als Analoga der Zen¬ 
tralvenen. Er glaubt, daß das Bild ganz dem einer embryonalen Leber vor 
der Aufteilung in die Acini gleiche und deutet diesen Zustand als eine 
Hemmungsbildung; bemerkt sei noch, daß auch eine Milzvergrößerung vorlag, 
die Meyer als Stauung aufzufassen geneigt ist. Ferner fand sich eine Hyper¬ 
trophie des Pankreas, die vielleicht für die Glvkosurie verantwortlich zu machen 
ist. Klinisch handelte es sich um einen exquisit chronisch verlaufenden Fall. 

Zu einer ähnlichen Auffassung kommt Rumpel in dem von ihm anatomisch 
untersuchten Fall 1 von Fleischer auf Grund folgenden Leberbefundes: Leber 
verkleinert, aber in ihrer Form und in den Proportionen der einzelnen Lappen 


Allgemein biologische Gesichtspunkte usvv. 


113 



erhalten. Mikroskopisch keine entzündlichen Erscheinungen, keine Degenerationen 
oder Nekrosen der Leberzellen, keine Kernteilungsfiguren oder mehrkernige 
Zellen. Die radiäre Anordnung der Zellbalken um die Zentralvenen fand sich 
nur vereinzelt, jedoch bestand eine Annäherung an den Bau der Acini insofern, 
als an manchen Stellen innerhalb der Parenchyminseln die einzelnen Pfort- 


Abb. 7. Wilsonleber: Durchschnitt bei Lupenvergrößerung (7mal). Leberzellinseln mit 
wechselnd breiten Bindegewebszügen. 

adersystemzüge in der gleichen Art um die Zentralvenen bzw. um einen ent¬ 
sprechenden Parenchymbezirk angeordnet waren wie in den Acini der nor¬ 
malen Leber. Dieser Leberveränderung liegt nach Ansicht Rumpels eine 
fötale Entwicklungsstörung zugrunde, die darin bestehen soll, daß das normale 
Wachstum und der normale Ausbau der Leber eine einfache, nicht entzünd¬ 
liche Hemmung, event. sogar einen Stillstand erfährt (kongenitale Lues?). Die 
Milz war auch hier vergrößert. 

Bostroem, Symptomenkomplex. 


8 


1X4 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Rumpel neigt auch dazu, den Fall Voelsch, von dem allerdings nur 
eine kurze Beschreibung des mikroskopischen Leberbefundes mitgeteilt ist, in 
gleicher Weise aufzufassen. Dieser unterscheidet sich jedoch insofern von 
dem Rumpelschen Fall, als hier Leberzellen von verschiedener Größe vor¬ 
handen waren, sowie solche mit Riesen- und mehreren Kernen, ein Befund, der 
m. E. darauf deutet, daß ProliferationsVorgänge noch im Gange sind. Hinzu 
kommt, daß die Milz sehr stark vergrößert war. Ricker, der die Leber eben- 



Abb. 8. Wilsonleber: Durchschnitt bei Lupenvergrößerung (7mal). Verschieden große 

Leberzellinseln. 

falls untersucht hat, ist der Ansicht, daß der Befund einen Entwicklungs¬ 
stadium der primären Leberzirrhose entsprechen könne, er könne aber auch 
als Regenerationsresultat nach einer primären degenerativen Erkrankung des 
Leberparenchyms gedeutet werden, sei es nach einer akuten gelben Leber¬ 
atrophie, sei es nach einem chronisch verlaufenden (toxischen) Degenerations¬ 
prozeß. Meiner Ansicht nach spricht die sehr starke Milzvergrößerung für die 
letzte Auffassung. 


Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


115 


In dem Falle von A. Westphal läßt sich in der Leber keine deutliche 
azinöse Zeichnung erkennen, radiäre Anordnung der Leberzellbalken zu den 
Gefäßen war nirgends festzustellen. Leberzellen deutlich vergrößert, oft mit 
mehreren Kernen, die einen oder mehrere Kernkörperchen enthielten. Fettige 
Infiltration. Pryrn nimmt an: alte zirrhoseähnliche Veränderungen der Leber 
mit ausgedehnten Hypertrophien der Leberzellen und völligem Umbau des 
Lebergewebes. Die Milzvergrößerung ist in diesem Falle nicht zu verwerten, 
weil die Patientin an Typhus gelitten hatte. Ich führe den Westphalschen 
Fall im Anschluß an Meyer und Rumpel an, weil Prym zwar nicht eine 
Entwicklungsstörung, aber eine in früher Jugend, wahrscheinlich sogar schon 



Abb. 9. Wilsonleber, 90mal vergrößert. Oberhalb des querverlaufenden bindegewebigen 
Septums große, helle, junge Leberzellen. Unterhalb desselben gut ausgebildete Leber¬ 
substanz ohne jede Leberzellanordnung und Azinusbildung. 

im Embryonalleben erfolgte Schädigung des Lebergewebes annimmt, die zu 
dem eigentümlichen Umbau geführt hat. 

In den meisten übrigen Fällen wird, soweit eine genauere mikroskopische 
Untersuchung der Leber vorliegt (Wilson, Fischer, Jelin, Bostroem, 
Kleiber, Kubitz - Staemmler, Economo, Dziembowsky, Stöcker), das 
Bild von degenerativen und regenerativen Veränderungen der Leberzellen be¬ 
herrscht. Meist finden sich auch zellige Infiltrationen, die teils als entzünd¬ 
liche, teils als reaktive aufgefaßt werden. Fast immer waren Gallengangs¬ 
wucherungen vorhanden, von denen sehr wahrscheinlich die Neubildung der 
Leberzellen ausgeht. Weniger ausgesprochen scheinen diese Degenerations¬ 
und Regenerationsvorgänge in den Fällen von Schminke, und Schneider 
gewesen zu sein, obwohl sie sonst in bezug auf Zellinfiltrationen, Gallengangs¬ 
wucherungen und den ganzen Umbau der Leber offenbar gut zu den übrigen 
Befunden passen. Auch bei Homen spielten Nekrosen keine Rolle. 

8* 



116 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


ln einer vor kurzem erschienenen Veröffentlichung von Sjöval und Söder¬ 
be rgh bei einem Falle Wilsonscher Krankheit bzw. Pseudosklerose (Gehirn- 
befund steht noch aus) wird eine Leberveränderung beschrieben, die sich in¬ 
sofern mit der von Meyer und Rumpel deckt, als auch hier die äußere Form 
der Leber und die Größenverhältnisse der einzelnen Lappen zueinander erhalten 
geblieben sind. Ferner besteht eine Ähnlichkeit mit den letzterwähnten Fällen 
von Schminke und Schneider in dem Punkte, daß Nekrosen der Leberzellen 
nicht vorhanden sind; wie bei Schminke und Schneider finden sich dagegen 
Zellinfiltrationen im Bindegewebe, Gallengangswucherungen, und die Leberzell¬ 
balken zeigen keine Anordnung in Azinusform. Die Verf. neigen auf Grund ver¬ 
gleichender Betrachtungen zu der Annahme, daß sowohl für ihren Fall, wie auch für 
die von Meyer und Rumpel, eine Entwicklungshemmung n i c h t in Frage kommt. 
Sie halten diese Lebererkrankung nicht iür prinzipiell verschieden von denen 
der übrigen Autoren, sondern nehmen nur eine mildere Form derselben an. 
Daß in den Fällen von Meyer und Rumpel im Gegensatz zu den anderen 
die Azinusform der Leber erhalten ist bei Fehlen proliferativer Vorgänge, 
schließt nicht aus, das gefundene Bild als hervorgerufen durch Regeneration 
des Lebergewebes nach einer Parenchymschädigung zu deuten. Sjöval er¬ 
klärt sich das Erhaltenbleiben der Leberstruktur so, daß die Schädigung nur 
die Leberzellen, aber nicht das Gerüst der Gefäße usw. betroffen hat; dies 
blieb vielmehr erhalten, und die Leberzellen hatten so Gelegenheit, nach Be¬ 
endigung der parenchymzerstörenden Phase sich in der ursprünglichen Struktur 
zu regenerieren. Vielleicht spielen neben den Kapillaren auch die intakten 
Gitterfasem eine Struktur erhaltende Rolle, worauf ich früher schon hingewiesen 
habe. Auch hat Fischer durch entsprechende Färbungen gezeigt, daß das 
bindegewebige Gerüst im Bereich der Nekrosen noch fast ganz intakt ist. 

Zu der Annahme eines milden Verlaufs der erwähnten Fälle paßt gut der 
Umstand, daß entzündliche Veränderungen, die nach Söderbergh zu dem 
Wesen der ganzen Erkrankung gehören, hier ganz in den Hintergrund treten 
und auch sonst proliferative Erscheinungen an den Gallengängen und im Binde¬ 
gewebe fehlen. Meiner Ansicht nach ist es aber ebensogut möglich, daß hier 
zufällig nur ein anderes Stadium der Leberveränderung vorliegt, daß z. B. die 
Fälle von Meyer und Rumpel zum Exitus kamen an einem Zeitpunkt, in 
dem akute Schädigungen der Leber seit längerer Zeit abgeklungen waren, so 
daß das Gewebe Zeit zur Regeneration und Erholung gehabt hat. Bei anderen 
Fällen, ich weise dabei besonders auf den von mir untersuchten hin, findet 
man gleichzeitig verschiedene Stadien von Veränderungen der Leber vor; diese 
sind teils als stationär gewordene aufzufassen, teils handelt es sich um noch 
im Gange befindliche Degenerations- und Regenerationsvorgänge verschiedenen 
Alters in der Lebersubstanz in Verbindung mit reparatorischer produktiver 
Bindegewebswucherung. Dadurch, daß auch neugebildete Leberzellen infolge 
etwa frisch auftretender Krankheitsprozesse wieder einer Degeneration anheim¬ 
fallen können, wird das Bild noch komplizierter, und es kann uns nicht 
wundern, daß wir bei der Untersuchung der Leber recht verschiedene Bilder 
bekommen, je nachdem, in welchem Stadium der Tod eingetreten ist. 

Jedenfalls halte ich es nicht für berechtigt, in den Fällen von 
Meyer und Rumpel Entwicklungsstörungen der Leber zu erblicken, 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


117 


ganz abgesehen davon, daß eine solche auch nicht die in beiden 
Fällen vorhandene Milzvergrößerung erklären könnte. 

Eine andere Frage ist die: wann haben die Leberschädigungen eingesetzt 
und ist es in der Tat möglich, daß es sich, wie Prym für den Westphal- 
schen Fall annimmt, um eine exogene, aber embryonal erworbene Schädigung 
handelt? Prinzipiell wäre eine solche Möglichkeit nicht von der Hand zu 
weisen. In den meisten Fällen tritt die Krankheit wohl später auf, ohne daß 
im einzelnen anatomisch der Zeitpunkt bestimmt werden könnte. Auch klinisch 
tritt der Beginn der Lebererkrankungen wohl kaum je in die Erscheinung. 

Das schubweise Auftreten der Leberschädigung gibt uns gleichzeitig eine 
Erklärung dafür, warum die in neuester Zeit mehrfach ausgeführten Leber¬ 
funktionsprüfungen zuweilen keine Störung aufdecken konnten, zuweilen aber 
auch positiv ausfielen. Es ist zu verstehen, daß Funktionsstörungen auftreten, 
während sich die Leber gerade in einem Stadium der Degeneration befindet. 
Auch während die Regeneration im Gange ist, werden wir nicht mit einer 
intakten Leberfunktion rechnen können. Ist der Prozeß aber zur Ruhe ge¬ 
kommen, so steht der Annahme nichts im Wege, daß die neugebildeten Leber¬ 
zellen ihre Funktionen wieder ausüben und den gewöhnlichen Anforderungen 
einigermaßen gewachsen sein werden. 

Daß Aszites und Stauungen nicht beobachtet werden, ist darauf zurück¬ 
zuführen, daß im Gegensatz zu der Laennecschen Leberzirrhose die Binde¬ 
gewebswucherung nicht sehr ausgedehnt ist, weniger zur Narbenbildung neigt 
und infolgedessen die Blutzirkulation nicht stört. Es ist daher richtiger, diese 
Lebererkrankung nicht als Zirrhose zu bezeichnen, sondern sie als eine gro߬ 
knotige Hyperplasie aufzufassen. Pathogenetisch hat sie größere Ähnlichkeit 
mit der akuten gelben Leberatrophie, von der übrigens auch ein geheilter 
Fall mit großknotiger Hypertrophie von Marchand beschrieben ist. 

Meiner Ansicht nach ist also die Frage, ob es sich bei der Leberver¬ 
änderung um eine Entwicklungshemmung oder um eine im Laufe des Lebens 
erworbene Krankheit handelt, dahin zu beantworten, daß eine Dysplasie nicht 
vorliegt, daß vielmehr alles für eine Schädigung dieses Organs nach 
der Geburt resp. im Laufe des späteren Lebens spricht. 

Bei der Lebererkrankung ist die Entscheidung der Frage, wann der Prozeß 
begonnen hat, deshalb schwer, weil klinische Erscheinungen seitens der Leber nicht 
bestehen. Bei der Erkrankung des Gehirns können wir wegen der vorhandenen 
neurologischen Symptome den ungefähren Beginn des Leidens der Krankenge¬ 
schichte entnehmen. Da die ersten Erscheinungen so gut wie nie vor der Pubertäts¬ 
zeit, meist sogar noch später aufzutreten pflegen, so können wir schon aus klinischen 
Beobachtungen einen rein kongenitalen Prozeß hier auschließen. Höchstens könnte 
die Anlage zu solcher Erkrankung in dem betreffenden Individuum latent vor¬ 
handen sein, wofür das zuweilen beobachtete familiäre Auftreten sprechen würde. 

Die pathologisch-anatomische Natur der Linsenkerndegenerationen mit ihren 
frischen Zerfallserscheinungen spricht ebenfalls ohne weiteres dafür, daß es sich 
um ein im Laufe des Lebens erworbenes und nicht um ein angeborenes Leiden 
handelt. Größere Schwierigkeiten macht die Beantwortung für die Gliazell- 
erkrankung bei der Pseudosklerose, da die riesigen blassen Gliakerne eine un¬ 
bestreitbare Ähnlichkeit mit Befunden bei Gliomen und Entwicklungsstöningen 



Hg Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

(tuberöse Sklerose usw.) haben. Alzheimer, Stöcker und besonders Biel- 
schowsky halten diese Zellen ebenfalls für blastomatös bzw. sie rechnen mit 
der Möglichkeit, daß es sich um einen in einer fehlerhaften Anlage des Zentral¬ 
nervensystems begründeten Krankheitsprozeß handelt. Demgegenüber hat Spiel- 
meyer neuerdings betont, daß die blastomatöse Natur der fraglichen Gliazellen 
noch keineswegs gesichert sei, und er zieht in Erwägung, ob die gliösen Elemente 
nicht doch Teilerscheinungen eines Degenerationsvorganges sind, zumal da diese 
Zellen die ausgesprochene Neigung haben, sich rasch zurückzubilden und wieder 
zu zerfallen, so daß der Vorgang an eine regressive Metamorphose ursprünglich 
progressiv umgewandelter Gliaelemente erinnere. Dadurch könnten sich auch 
die merkwürdigen Formelemente bei den Gliazellen erklären. 

Gefäßalterationen, auf die Spielmeyer hinweist, sind auch in anderen 
Fällen (Schütte, Bostroem) nachgewiesen worden. Über ihre Entstehung 
läßt sich nichts Sicheres sagen, zumal da es sich teils um degenerative Ver¬ 
änderungen, teils um Gefäßneubildungen handelt. 

Zu einem ganz bestimmten Resultat wird man wegen der noch ungeklärten 
Natur der Alzheimerschen Gliakerne nicht kommen können. Aber selbst wenn 
man an deren blastomatösem Charakter festhält, muß man in den Degenerations¬ 
vorgängen akute Erscheinungen einer intra vitam erworbenen Krankheit sehen, 
und hierin besteht, wie ich schon 1914 zu zeigen versucht habe, eine Über¬ 
einstimmung zwischen der Erkrankung der Leber und des Gehirns, daß es 
sich nämlich um Parenchymschädigungen degenerativer Art handelt, auf die 
beide Organe, jedes in einer seiner Gewebsbeschaffenheit spezifischen Art, 
reagieren. Es w T äre daran zu denken, daß bei der Pseudosklerose die degenera- 
tiven Schädigungen ein Gehirn treffen, das durch das Vorhandensein der Alz¬ 
heimerschen Gliaelemente eine Abnormität aufweist. Für wahrscheinlich halte 
ich die Annahme nicht, müßte man doch voraussetzen, daß diese Gliaerkran- 
kung für sich allein symptomlos verlaufen wäre. 

Wir kommen somit zu dem Ergebnis, daß wir in Leber- und Gchirn- 
veränderungen nicht abiotrophische Vorgänge im Sinne Gowers’ und 
Bielschowskvs, sondern neu aufgetretene Krankheitsprozesse zu 
erblicken haben. 

V. 

Die oben schon erwähnten Untersuchungen von Spielmever lassen es 
als möglich erscheinen, daß die beiden pathologischen Vorgänge im Gehirn 
bei Pseudosklerose und Wilsonscher Krankheit nicht wesensverschieden 
sind. Wir wären daher auch berechtigt, mit der gleichen Ursache für 
beide Leiden zu rechnen. 

Das regelmäßige Zusammentreffen dieser Gehirnaffektionen mit Leber¬ 
erkrankung für einen Zufall zu halten, wde es Stöcker und vielleicht auch 
Cassirer tun, dazu kann ich mich nicht entschließen. Ich glaube vielmehr, 
daß ein enger Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen besteht, sei es, 
daß dieselbe Noxe beide Organe krank macht, sei es, daß die Erkrankung 
des einen Organs die des anderen zur Folge hat. Lues ist, wie oben aus¬ 
geführt wurde, mit Sicherheit auszuschließen, Anhaltspunkte für eine bakterielle 
Erkrankung haben sicli ebenfalls nicht finden lassen. Daher bleibt wohl nur 
übrig, eine chemisch-toxische Schädigung anzunehmen. 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


119 


Handelt es sich hier um ein von außen eingeführtes Gift oder um eine 
Erkrankung nach Art einer Autointoxikation? Betrachten wir zuerst die 
Möglichkeit einer von außen kommenden Gift Wirkung, so können wir dem 
klinischen Verlauf nach eine akute Vergiftung von vornherein ausschließen. 
Selbst der anscheinend so rasch verlaufene Fall von Economo läßt sich nicht 
als eine solche auffassen, da auch hier die Prodrome mehrere Jahre zurück¬ 
liegen. Unter den chronischen exogenen Vergiftungen käme vielleicht die 
Manganvergiftung in Betracht. Bei ihr werden Erscheinungen beschrieben 
(E mb den, Jacksch, Seelert), die sehr an das Krankheitsbild der Pseudo¬ 
sklerose erinnern. Heilungen bzw. weitgehende Besserungen sind dabei ver¬ 
einzelt beobachtet, Sektionsbefunde liegen m. W. nicht vor, über Leber¬ 
erkrankungen wird ebenfalls nichts berichtet. Es läßt sich meiner Ansicht 
nach nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es sich in den beschriebenen Fällen 
um einwandfreie Manganvergiftungen handelt, oder ob nicht vielmehr eine 
Pseudosklerose vorliegt, die zufällig einen Braunstein-Müller ergriffen hat; 
denn es muß immerhin auffallen, daß unter den zahlreichen mit Mangan 
arbeitenden Personen nur relativ wenig an dieser sogenannten spezifischen 
Vergiftung erkranken sollten. Bei den sichergestellten Erkrankungen unseres 
Interessengebietes lassen sich jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine Mangan- 
einwirkung finden. 

Von anderen Vergiftungen wäre noch die Kohlenoxydvergiftung zu erwähnen, 
die zuweilen mit Blutungen und Erweichungen im Linsenkern einhergeht (Sibe- 
lius, Kolisko, Harzer, Herzog). Es kommen jedoch auch Blutungen in 
anderen Hirnteilen dabei vor (Sibelius, Hedren, Sölder, der eine Beteiligung 
der Vorderhorn zellen fand). Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß Zustände, 
die mit Sauerstoffverarmung bzw. Sauerstoffentziehung des Blutes einhergehen, 
besonders leicht zu Schädigungen im Linsenkerngebiet führen. Darauf weist 
nicht nur die Kohlenoxydvergiftung hin, sondern auch die Vogtsche Be¬ 
obachtung, daß Kinder mit Status marmoratus häufig asphyktisch zur Welt 
gekommen sind, ferner der Fall symmetrischer Linsenkernerweichung von 
Deutsch, die durch einen Erwürgungsversuch veranlaßt worden war. Nach 
dem Krankheitsbefund muß hier allerdings eine traumatische Ursache eben¬ 
falls in Betracht gezogen werden. 

Derartige Zustände von Sauerstoffmangel im Blut kommen ebenfalls für 
die Entstehung der sicheren Fälle von Pseudosklerose und Wilson nicht in 
Betracht. Nur könnte der Umstand, daß Blutgifte, wie Kohlenoxyd zu Krank¬ 
heitserscheinungen im Linsenkern führen, uns veranlassen, ein besonderes 
Augenmerk auf ähnlich wirkende Schädigungen im Körperhaushalt zu richten. 

Die Annahme, daß das mutmaßliche toxische Produkt auf dem Blutwege 
zum Gehirn gebracht wird, wird wohl keinem Widerspruch begegnen. Die 
fast immer vorhandene Milzschwellung spricht auch in diesem Sinne. Schwierig 
ist die Frage nach Ursprung und der Art des Gifte», und hier ist m. E. die 
Beteiligung der Leber an dem Krankheitsprozeß, besonders in Verbindung 
mit dem Milztumor, geeignet, uns wichtige Hinweise zu geben. Daß ein Zu¬ 
sammenhang zwischen Lebererkrankung und Gehirnleiden besteht, wird, wie 
erwähnt, von den meisten Autoren zugegeben. Stöcker lehnt einen solchen 
ab, weil er glaubt, daß bei der großen Häufigkeit von Lebererkrankungen 



120 Die Parkinson-, Wcstphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

auch toxische Schädigungen im Gehirn zahlreicher sein müßten. Er faßt viel¬ 
mehr Leber- und Gehirnerkrankung als unabhängig voneinander entstanden 
auf, beide als Ausfluß von Anlagefehlern. Eine ähnliche Auffassung scheinen 
Kubitz und Staemmler, deren Fälle klinisch leider nicht beschrieben sind, 
zu haben, wenn sie schreiben: »Aller Wahrscheinlichkeit nach verlaufen die 
Vorgänge an Leber und Gehirn unabhängig voneinander, eine Vorstellung, die 
um so näher liegt, wenn man bedenkt, daß Syphilis in einem Teil der Fälle 
im Spiele ist.« Jedoch geht aus dem Schlußabschnitt ihre wirkliche Auf¬ 
fassung nicht klar hervor, da sie hier der von mir 1914 ausgesprochenen 
Ansicht beizustimmen scheinen. Cassirer läßt die Möglichkeit offen, daß 
beide Erkrankungen ätiologisch koordiniert seien. 

Uber die Art des Zusammenhanges von Leber- und Gehirnerkrankung be¬ 
stehen verschiedene Auffassungen. Es handelt sich dabei zunächst um die 
Frage, welches Organ primär erkrankt sei. Weitaus die meisten halten die 
Leber für den zuerst betroffenen Teil, nur Boenheim äußerte vor kurzem die 
Ansicht, die Gehirnaffektion müsse das primäre sein. Er stützt sich vor 
allem auf die Untersuchungen von Karplus und Kreidel über die Bezie¬ 
hungen der subthalamischen Gebilde zu dem viszeralen Nervensystem. Er ver¬ 
sucht, seine Ansicht weiter zu belegen durch Beobachtungen von Rothmann 
und Nathanson (kataleptiforme Lethargie mit vorübergehender Leberstörung 
ohne Sektion); ferner führt er den von A. Westphal beschriebenen Fall in 
diesem Zusammenhang an, der innerhalb sechs bis sieben Wochen zugrunde 
ging. Bei der Sektion fand sich außer Veränderungen im Linsenkern nur 
eine beginnende Zirrhose der Leber. Boenheim schließt, daß der rasche 
Verlauf der primären Gehirnerkrankung es nicht zu typischen Veränderungen 
an der Leber habe kommen lassen. Die Beweiskraft dieser Fälle ist meiner 
Ansicht nach sehr gering einzuschätzen, da bei dem ersten keine Sektion vor¬ 
liegt, und da es sich bei dem Westphalschen Patienten möglicherweise um 
eine andere Art der Erkrankung handelte. Auch ist es hier gar nicht gesagt, 
daß die Leberveränderung wirklich als beginnende Zirrhose aufzufassen ist. 

Das Auftreten von Urobilinogen bei Grippe als zerebral bedingt anzusehen, 
wie Boenheim es tut, halte ich nicht für richtig. Denn es ist bekannt, daß 
Infektionskrankheiten auch ihrerseits Leberfunktionsstörungen hervorrufen können. 
Wenn Boenheim dagegen anführt, daß die Urobilinogenausscheidung auch bei 
länger dauerndem Fieber nur vorübergehend bestand und nur bei gewöhnlichen 
Erkrankungen mit Beteiligung des Nervensystems auftrat, so läßt sich dies 
ebensogut auch im gegenteiligen Sinne verwerten, nämlich so, daß die Schä¬ 
digung der Leber zuerst bzw. als Folge der Infektion entstanden ist, und daß 
dann durch die Leberschädigung infolge des Ausfalls des Leberschutzwalles 
Körper und Gehirn mit Toxinen überschwemmt wurden, wodurch das Gehirn¬ 
leiden erst hervorgerufen sein könnte. 

Offenbar denkt Boenheim sich, daß im Zwischenhim ein Zentrum für 
die Leberfunktion, vielleicht auch für die Ernährung des Organes besteht; 
nach Erkrankungen dieses Hirnteiles müßte es dann zu einer Schädigung 
auch der Leber kommen. Vorausgesetzt, wir hätten ein Zentrum für die 
Leber im Zwischenhim, das diesem Organ gegenüber eine ähnliche Bedeutung 
hätte wie etwa die Vorderhornzellen für Funktionen und Ernährung der 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


121 


Muskeln, so könnte man bei einer primären Schädigung dieses Hirnteiles etwa 
noch eine Verkümmerung des von hier aus versorgten vegetativen Organes, 
vielleicht auch eine Zelldegeneration verstehen. Ich kann mir aber nicht er¬ 
klären, wie unter diesen Umständen die so oft und reichlich beobachtete 
Regeneration der Leberzellen zustande kommen sollte, zumal da das über¬ 
geordnete Zentralorgan erkrankt bleibt, so daß von hier aus nicht etwa wieder 
belebende Reize auf die Leberzellen ausgeübt werden können. Auch kann 
ich mir die anderen proliferativen Vorgänge der Lebererkrankung nicht als 
abhängig vom Gehirn denken, ferner fehlt bei dieser Annahme jede Erklärungs¬ 
möglichkeit für das Zustandekommen der Milzschwellung. Gegen die Boenheim- 
sche Annahme läßt sich klinisch Fall 3 von Dziembowsky verwerten, bei 
dem schon eine Leber- und Milzvergrößerung nachweisbar war, bevor Nerven- 
symptome auftraten. Auch in dem von Rumpel untersuchten Falle soll die 
Leberstörung den Gehirnerscheinungen vorausgegangen sein. 

Daher läßt sich die Boenheimsche Auffassung nicht halten, vor allem auch 
deswegen, weil Böen heim, wie oben ausgeführt wurde, der pathologisch - 
anatomischen Natur der Lebererkrankung gar nicht Rechnung trägt. 

Wilson hält, ebenso wie die meisten anderen Autoren, die Leber für das 
primär erkrankte Organ, und zwar glaubt er, daß das Toxin in der erkrankten 
Leber entsteht und eine spezifische Wirkung auf den Linsenkern ausübt. Er 
weist dabei auf die Beobachtung hin, daß bei Ikterus gravis neonatorum sich 
gerade im Linsenkerngebiet und im Corpus Luys eine gallige Färbung findet, 
woraus er auf eine gewisse Affinität dieser Hirnteile zu einem pathogenen 
Toxin schließt. Oppenheim steht auf dem gleichen Standpunkt wie Wilson. 
Diese Theorie läßt jedoch ganz die Fragestellung vermissen, wodurch die Leber¬ 
erkrankung ihrerseits entstanden sein kann. Wie ich früher schon näher aus¬ 
geführt habe, steht nichts im Wege, auch die Leberveränderungen als toxisch 
bedingt aufzufassen. Betrachtet man die Erkrankung der Leber und des Ge¬ 
hirns gemeinsam und trägt dabei auch noch der fast regelmäßig gefundenen 
Milzschwellung Rechnung, so kommt man auf folgende Entstehungsmöglich¬ 
keiten : 

1. Dasselbe Toxin schädigt gleichzeitig Leber und Gehirn. 

2. Eine Giftwirkung trifft zunächst die Leber, veranlaßt dort das Zugrunde¬ 
gehen von Leberparenchym und die daran anschließenden sekundären Ver¬ 
änderungen in diesem Organ. Die Schädigung des Gehirns ist dann auf folgende 
Weise denkbar: 

a) Durch das Zugrundegehen von Leberzellen entstehen giftig wirkende 
Abbauprodukte, die in den Körperkreislauf übergehen und im Gehirn 
an dazu prädisponierten Stellungen Degenerationserscheinungen ver¬ 
anlassen. 

b) Dasselbe Toxin, das die Leberstörungen hervorgerufen hat, anfangs aber 
von dem gesunden Lebergewebe zurückgehalten werden konnte, dringt 
nach Störung der Leberfunktion weiter vor, gerät in die Blutbahn und 
so ins Gehirn. 

c) Die Erkrankung der Leberzellen bewirkt eine mehr weniger langdauernde 
Störung der Leberfunktion, so daß u. a. vor allem die Aufgabe Stoff- 

* Wechselprodukte zu verarbeiten oder zu entgiften, gehindert wird. So 



122 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

wird die Leber für Giftstoffe aller Art durchlässig und auf diese Weise 
gelangen Endprodukte des Stoffwechsels, die auch im normalen Körper¬ 
haushalt gebildet, aber in der Leber unschädlich gemacht werden, in¬ 
folge Versagens der Leber ins Gehirn. So sagt Biedl, daß die Leber 
den Organismus vor dem Übertritt giftiger Ammoniakverbindungen und 
ihrer Derivate schützt. 

Prinzipiell weisen diese aufgezählten Möglichkeiten keine allzu großen Unter¬ 
schiede auf. Die größte Wahrscheinlichkeit hat meiner Ansicht nach der 
unter 1 aufgeführte Vorgang. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, 
daß es sich nicht immer um dieselbe Entstehung zu handeln braucht. Es 
können sich vielleicht auch mehrere Möglichkeiten miteinander kombinieren, 
etwa so, daß zuerst der unter 1 geschilderte Vorgang in Erscheinung tritt, 
Leber und Gehirn erkranken. Später kann sich der Vorgang in der gleichen 
Weise wiederholen. Möglicherweise genügt aber schon die durch den ersten 
Schub gesetzte Leberschädigung, um infolge Versagens des Leberschutz¬ 
walles dem Gehirn neue Schädigungen anderer Art zuzuführen, unter der das 
schon erkrankte Gehirn besonders zu leiden hat. Es wäre auch daran zu 
denken, daß jetzt die Reaktion der Gehirnsubstanz eine andere sein könnte, 
sei es, weil das geschädigte Organ weniger widerstandsfähig ist, sei es, weil 
das Toxin jetzt anderer Art ist. Diese Möglichkeit vorausgesetzt, drängt sich 
die Vermutung auf, ob die anatomische Verschiedenheit der Gehirn Veränderungen, 
namentlich auch das Vorkommen der beiden differenten Erkrankungsprozesse 
nebeneinander nicht seinen Grund in der geschilderten Variationsmöglichkeit der 
Gift Wirkungen hat. So verführerisch derartige Spekulationen auch sein mögen, 
so ist nicht zu verkennen, daß wir uns hier ganz auf dem Boden der Hypothese 
bewegen, der aber ein gewisser heuristischer Wert nicht abzusprechen ist. 

Weiter hat uns die Frage nach der Art und dem Ursprung des hypo¬ 
thetischen Giftstoffes zu beschäftigen. Eine Lues kann man nach den früheren 
Ausführungen mit Sicherheit ausschließen. Marburg nimmt an ein Hormon¬ 
toxin, eine Anschauung, für die weiter keine Stütze beigebracht worden ist. 

Um was für ein Gift es sich handelt, wird man auch nur vermutungs¬ 
weise kaum sagen können, wohl aber scheint mir, kann uns die Art der Leber¬ 
veränderung einen Anhaltspunkt dafür geben, woher das schädigende Agens 
stammt. Nach Analogie mit der atrophischen Leberzirrhose, die mit der vor¬ 
liegenden Lebererkrankung wenigstens hinsichtlich des Vorkommens von De- 
generations- und Regenerationserscheinungen übereinstimmt, und mit der akuten 
gelben Leberatrophie werden wir darauf hingewiesen, daß der Giftstoff aus 
dem Quellgebiet der Pfortader, also im wesentlichen aus dem Magen- und 
Darmkanal stammt. Es ist dies ein Punkt, auf den ich zuerst in meiner 
früheren Arbeit hingewiesen habe. In späteren Untersuchungen haben sich 
mancherlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Auffassung ergeben 
(Economo, Söderbergh) insofern, als sich bei ihnen ebenso wie bei meinem 
Fall bei der Autopsie Darmerkrankungen gefunden haben. Auch Strümpell 
hebt das Vorkommen von gastrointestinalen Störungen und deren Bedeutung 
hervor. Auf derartige Störungen ist naturgemäß kein besonderes Augenmerk 
gerichtet worden; um so bemerkenswerter erscheint es, wenn unter den etwa 
30 sicheren Fällen 14 mal von Darmerkrankungen berichtet wird. 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


123 


Rechnen wir mit einem aus dem Darmkanal herrührenden Gift, so muß 
zunächst wieder an einen von außen eingeführten Stoff gedacht werden, wofür 
sich aber nirgends Anhaltspunkte finden. Es bleibt dann noch die Entstehung 
durch ein Gift, das sich im Magen-Darmkanal bildet, sei es infolge abnormer 
Stoffwechsel Vorgänge, sei es als Endprodukt normaler Verdauung. Derartige 
Produkte werden in den meisten Fällen vom Darm entleert und nur dann 
resorbiert, wenn die Darmschleimhaut erkrankt ist; man kann sich die Vor¬ 
gänge etwa ähnlich vorstellen wie bei der Leber, daß nämlich erst irgend¬ 
welche schädigende Ursachen einen Darmkatarrh hervorgerufen haben, daß 
die in ihrer Tätigkeit gestörte Darmschleimhaut dann entweder diese Gift¬ 
stoffe aufnimmt, oder daß sie durch diese Erkrankung nicht mehr imstande 
ist, die gewöhnlichen ebenfalls toxisch wirkenden Produkte der Verdauung 
zurückzuhalten. Auf diese Weise geraten diese Toxine in den Pfortaderkreis¬ 
lauf und von dort zur Leber und Milz; als Ausdruck dieser Darmschädigung 
finden wir häufig die erwähnten Darmkatarrhe oder intensive intestinale Be¬ 
schwerden. 

Dieser Ausführung gemäß wäre der Weg der toxischen Einwirkung etwa 
folgender: Schädigungen der Darmschleimhaut, die dadurch für Toxine aus 
dem Darm durchlässig wird; diese Giftstoffe dringen zur Leber vor, setzen 
hier eine weitere Schädigung des Leberparenchyms, gelangen entweder im 
gleichen Schub in den Körperkreislauf und damit zum Gehirn oder das Un¬ 
dichtwerden des Leberschutzwalles durch Degeneration der Leberzellen gibt 
Giftstoffen gleicher oder anderer Art die Möglichkeit, in den allgemeinen Kreis¬ 
lauf zu gelangen und somit auch das Gehirn zu treffen, das anscheinend in 
bestimmten Teilen eine besondere Empfindlichkeit für derartige Stoffe besitzt. 
Ob vor dem Zustandekommen der Gehirnerkrankung erst noch der Plexus 
ehorioideus, der von vielen als Schutzmechanismus des Gehirns angesehen 
wird, in seiner Funktion geschädigt wird, muß dahingestellt bleiben; möglich 
ist diese Vermutung immerhin, bis jetzt liegen anatomische Untersuchungen 
darüber noch nicht vor 1 ). 

Es fragt sich, warum kommen solche Gehimveränderungen bei Darm- 
bzw. Lebererkrankungen nicht häufiger vor? Namentlich könnte man annehmen, 
daß bei der atrophischen Leberzirrhose, die biologisch auf gleiche oder ähnliche 
Vorgänge zurückzuführen ist wie die hier vorliegende Erkrankung ähnliche 
Folgen entstehen können. Bezüglich dieses Punktes verweise ich wieder auf 
meine frühere Arbeit, wo ich ausgeführt habe, daß bei der atrophischen Leber¬ 
zirrhose der Krankheitsprozeß mehr schleichend verläuft und nie die ganze 
Leber auf einmal zu schädigen pflegt. Es bleibt vielmehr ein Teil des Leber¬ 
gewebes auch während der akuten Phase funktionstüchtig. Ferner ist mit der 
Möglichkeit zu rechnen, daß das jugendliche Gehirn, und um ein solches handelt 

J ) Nach Abschluß dieses Abschnittes erschien die Arbeit von A. Fuchs über Ex¬ 
perimentelle Encephalitis, die eine experimentelle Bestätigung der hier vertretenen An¬ 
schauung von dem Zustandekommen von Hirnveränderungen infolge einer Leberinsuf¬ 
fizienz bringt. Er zeigt, daß durch die Ausschaltung der Leber auch die Schutzkraft 
dieses Organs gegenüber giftigen Hamstoffvorstufen wegfällt. Kommen letztere in den 
Organismus, so reagiert das Gehirn auf diese Giftwirkungen mit Erkrankung, in diesem 
Falle Encephalitis. Verf. weist selbst auf die Bedeutung dieser Erfahrungen für das Zu¬ 
standekommen der Wilsonschen Krankheit hin. 



124 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

es sich hier fast immer, leichter auf derartige Einwirkungen reagiert als es 
bei älteren Individuen der Fall sein würde. Mir scheint außerdem noch ein 
weiterer Grund einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden Erkrankungen 
zu bedingen. Dieser liegt in der anatomischen Differenz beider Lebererkran¬ 
kungen: bei der gewöhnlichen atrophischen Leberzirrhose überwiegt die Binde¬ 
gewebswucherung, es kommt zu förmlicher Narbenbildung, und durch den Druck 
dieser bindegewebigen Prozesse entsteht eine Behinderung der Blutzirkulation 
und im Anschluß daran Aszites. Gerade diese Kreislaufverhältnisse bei der 
atrophischen Leberzirrhose erschweren mechanisch die Passage und verhindern 
es, daß das bis zur Leber vorgedrungene Gift weiter in den allgemeinen 
Körperkreislauf eingeschleppt wird. Im Gegenteil dazu ist die reparatorische 
Bindegewebswucherung bei der Wilsonleber relativ geringfügig, es kommt 
nicht zu einer mechanischen Kreislaufschädigung, und deshalb wird auch nie 
Aszites beobachtet. Da die Leber wegen ihrer Funktionsstörung ihre entgiftende 
Eigenschaft eingebüßt hat, da andererseits kein mechanisches Hindernis die 
Leberpassage erschwert, ist die Möglichkeit, daß Giftstoffe unbehindert die 
Leber passieren, gerade bei der Wilsonleber besonders groß. 

Über die Art der präsumptiven Giftstoffe können wir nur Vermutungen 
äußern. Zü der Hypothese einer enterogenen Entstehung des Leidens paßt 
es gut, daß fast in allen Fällen, soweit darauf geachtet worden ist, eine Milz¬ 
vergrößerung vorhanden war (25 mal unter den sicheren Fällen). 

Das Vorhandensein eines Milztumors könnte aber noch auf eine andere 
Entstehungsmöglichkeit der Erkrankung hinweisen, die mit der Aufgabe der 
Milz im Zusammenhänge steht. Ich denke dabei an eine Erkrankung des 
Blutes. Wesentliche Veränderungen in der morphologischen Beschaffenheit des 
Blutes sind bei den allerdings spärlichen Untersuchungen nicht gefunden worden 
(Dziembowski, Strümpell, eigene Untersuchungen). Teilweise war die Zahl 
der roten Blutkörperchen herabgesetzt, in einigen Fällen bestand auch Poly¬ 
globulie. Auf das Verhalten der Thrombozyten ist ebenfalls nur wenig ge¬ 
achtet worden. Vielleicht lassen sich zwei weitere Punkte für einen Zusammen¬ 
hang des Leidens mit einer Bluterkrankung verwerten, nämlich das Auftreten 
des eigentümlichen Pigments in der Hornhaut, sowie die zuweilen beobachtete 
Pigmentierung an inneren Organen, namentlich an den Leberzellen (W. Fischer, 
Bostroem, A. Westphal, Fleischer-Rumpel, Schminke). Strümpell 
und Söderbergh erwähnen eine abnorme Hauptpigmentierung. Es muß 
freilich dahingestellt bleiben, ob diese Pigmentierung hämatogener Abkunft 
sind. (In vereinzelten Fällen ist die Eisenreaktion negativ gewesen.) Rumpel 
ist auf Grund chemischer Untersuchungen zu der Ansicht gekommen, daß es 
sich um eine Argyrose handeln müsse. Fleischer, der denselben Fall unter¬ 
suchte, hält Silber für ausgeschlossen, ohne seinerseits zu einem bestimmten 
Resultat zu kommen. Auch Kubitz und Staemmler haben die Leber und 
andere innere Organe chemisch untersucht, ohne daß mikroskopisch eine Pig¬ 
mentierung der Leberzellen aufgefallen wäre. Es konnten nur Spuren von 
Kupfer und etwas Eisen, das ja einen normalen Bestandteil des Blutes bildet, 
nachgewiesen werden, Silber war nicht zu finden. 

Ob es sich bei dem Pigment in den inneren Organen um wesentliche oder zu¬ 
fällige Befunde handelt, ist ebenfalls noch fraglich. Jedenfalls ist die Pigmen- 



Allgemein biologische Gesichtspunkte usw. 


125 


tierung in verschiedenen Fällen, bei denen darauf geachtet worden ist, auch 
vermißt worden (Kubitz-Staemmler, Söderbergh, Kleiber). 

Ob die etwas häufiger, aber bis jetzt nur bei Pseudosklerosefällen be¬ 
obachtete Hornhautpigmentierung mit der vereinzelt vorkommenden Pigmen¬ 
tierung am Körper und an den inneren Organen irgendwie im Zusammenhänge 
steht, muß unentschieden bleiben, da wir über die Natur beider Pigmentie¬ 
rungen nur Vermutungen äußern können. Fleischer hat das Hornhautpigment 
in einem Falle untersucht, ohne auch hier zu einem bestimmten Resultat zu 
kommen; es soll sich um Stoffe handeln, welche durch die befallenen Gewebe 
reduziert werden. Sichere Schlüsse, ob ein Zusammenhang mit Blutverände¬ 
rungen vorliegt oder ob das Pigment als Blutpigment aufzufassen ist, lassen sich 
daher nicht ziehen. Um auf die Frage einer hämatogenen Entstehung der Leiden 
zurückzukommen, so sei darauf hingewiesen, daß vielleicht gewisse entfernte 
Ähnlichkeiten mit der ebenfalls rätselhaften Bantischen Krankheit bestehen, 
die mit Milztumor beginnt, zu dem sich später eine zirrhoseartige Erkrankung 
der Leber allerdings mit Aszites hinzugesellt. 

Die Frage, ob es außer der toxischen Entstehung nach primärer Erkrankung 
der Leber bzw. des Darms noch eine andere Ätiologie gibt, ist deswegen in 
diesem Zusammenhang von wesentlicher Bedeutung, weil die Hornhautpigmen¬ 
tierung bis jetzt nur bei der Pseudosklerose gefunden worden ist. Sollte 
diese Hornhautpigmentierung Ausdruck einer besonderen Erkrankung vielleicht 
des hämatopoetischen Apparates oder des Adrenalsystems sein, so würde diese 
Ätiologie nur für die Pseudosklerose in Betracht kommen und damit einen 
Unterschied gegenüber der Wilsonschen Krankheit bedingen. Vorläufig be¬ 
wegen wir uns in dieser Frage jedoch nur auf dem unsicheren Gebiet der Ver¬ 
mutungen; gestreift werden mußte diese Möglichkeit jedoch immerhin. 

Nachdem die einzelnen Gebiete besprochen sind, haben wir folgendes zu 
registrieren: 

Die klinischen Symptome der Wilsonschen Krankheit und der Pseudosklero.se 
können recht verschieden sein, jedoch gibt es zahlreiche Misch- und Uber¬ 
gangsfälle. Das einzige Symptom, das bis jetzt nur bei einer der beiden Er¬ 
krankungen, nämlich bei der Pseudosklerose beobachtet wurde, ist die Hornhaut¬ 
pigmentierung. Die pathologisch-anatomischen Unterschiede beider Erkrankungen 
scheinen hinsichtlich des Gehirnbefundes auf den ersten Blick recht groß zu 
sein, bei näherer Betrachtung hat sich aber herausgestellt, daß 1. auch hier 
Übergänge Vorkommen und daß 2. die Gehirnveränderungen nicht so prin¬ 
zipiell verschieden sind, daß sie nicht als Folgen derselben Krankheitsprozesse 
aufgefaßt werden könnten. Große Übereinstimmung zeigt der Leberbefund 
der großknotigen Hyperplasie bei beiden Erkrankungen, scheinbare Verschieden¬ 
heiten lassen sich als verschiedene Stadien des gleichen Krankeitsprozesses 
auffassen. Die wichtige Rolle, die die Leber im Krankheitsbild namentlich 
für die Äthiologie der Krankheiten spielt, macht es wahrschenlich, daß für 
beide Formen der Gehirnerkrankung jedenfalls im wesentlichen die gleiche 
Krankheitsursache in Betracht kommt. Nach allem diesem haben wir es bei 
der Pseudosklerose und Wilsonschen Krankheit zu tun mit einer primären, 
offenbar gleicher Ursache entspringenden Lebererkrankung, durch welche eine 



126 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

im Prinzip gleichartige, in der Ausdrucksform und Lokalisation wechselnde Er¬ 
krankung des Gehirns hervorrufen wird. Die klinischen Symptome auf neu¬ 
rologischem Gebiet können entsprechend der verschiedenen Lokalisation im 
Gehirn in weitem Spielraum wechseln, sie beschränken sich aber auf das extra- 
pyramidale motorische Gebiet. Wir haben also die Pseudosklerose und Wilson- 
sche Krankheit als verschiedene, durch Kombinations- und Ubergangsformen 
miteinander verbundene Symptomenbilder einer im Grunde gleichartigen Er¬ 
krankung anzusehen. 


3. Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 

I. 

Nachdem die biologische Frage und die klinische Zusammengehörigkeit der 
Pseudosklerose und Wilsonschen Krankheit erörtert sind, wende ich mich 
zu den neurologischen Symptomen, ihrer klinischen Bedeutung und patho- 
physiologischen Stellung. Die Symptome der Paralysis agitans müssen in diesem 
Zusammenhang mitbesprochen werden, da sie prinzipiell zu denen der Wil¬ 
sonschen Krankheit gehören, wenn es sich auch um eine andere Krankheits¬ 
einheit handelt. Die Symptomengruppe, die für diese Krankheiten bezeichnend 
ist, hat Stertz als akinetisch-hypertonisches Syndrom zusammengefaßt und sie 
einerseits dem spastisch-athetotischen und andererseits dem choreatischen Syn¬ 
drom gegenüber gestellt. Die Bezeichnung ist wie schon in der Einleitung er¬ 
wähnt für die Parkinson-Westphal-Strümpell-Wilsonsche Gruppe nicht sehr 
günstig gewählt, weil wie wir gesehen haben, Fälle von Pseudosklerose ganz ohne 
Hypertonie einhergehen können. 

Die Beschreibung der Grundsymptome muß daher zunächst die Fälle von 
Pseudosklerese mit Hypotonie außer acht lassen und innerhalb der klinisch¬ 
nosologischen Gruppe, der Parkinson-Westphal-Strümpell-Wilsonschen 
Krankheit den Parkinson-Wilsonschen Symptomenkomplex herausar¬ 
beiten. Die Beschreibung dieser Symptome stützt sich dabei nicht nur auf 
Fälle von Paralysis agitans und Wilson, sondern auch auf symptomatische 
Fälle, namentlich Encephalitisfolgen. 

Versuche ich dies Symptomenbild zu zerlegen, so komme ich, wenn zunächst 
die Nebensymptome vernachlässigt bleiben, zu folgenden Komponenten, die 
jedoch nicht in jedem Falle vertreten sind: Störungen im Muskeltonus, Störungen 
beim Zustandekommen der Bewegungen und Störungen im Verlauf kinetischer 
und statischer Innervation durch Zittern, Wackeln usw. 

Es wird praktisch nicht immer möglich sein, diese verschiedenen Störungen 
auseinanderzuhalten, weil sie einander beinflussen, sodaß z. B. eine Erhöhung 
des Muskeltonus den Bewegungsablauf sekundär beeinträchtigen kann. Man 
wird daher auch mit sekundären Störungen zu rechnen haben. 

Die Veränderung des Muskeltonus, die Hypertonie, wird von vielen 
für das wesentlichste Symptom gehalten, das geeignet erscheint, die meisten 
anderen Symptome als sekundäre auzufassen, eine Ansicht, der jedoch ver¬ 
schiedene Beobachtungen widersprechen. Von vornherein sei noch einmal her¬ 
vorgehoben, daß es eine Anzahl sicherer Fälle von Pseudosklerose gibt, bei denen 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


127 


die Hypertonie fehlt; gerade diese scheinen geeignet zur Nachprüfung verschiedener 
motorischer Symptome unbeeinflußt von Tonusveränderungen. 

Die charakteristische Hypertonie, die wir im Gegensatz zu der echten 
spastischen Hypertonie bei Pyramidenschädigungen als Rigor bezeichnen, be¬ 
steht in einer Agonisten und Antagonisten gleichmäßig befallenden Steifheit 
und Spannungserhöhung der Muskeln. Diese fühlen sich oft schon in der Ruhe 
hart an, ihre Konturen treten bisweilen deutlicher hervor; bei dem Versuch, 
die betreffende Extremität zu bewegen, begegnet man einem zähen wachs¬ 
artigen Widerstand, und zwar sowohl beim Beugen wie beim Strecken, ein 
Widerstreben, das sich von dem federnden Widerstand des Pyramidenspasmus 
meist unschwer unterscheiden läßt, u. a. auch dadurch, daß beim Pyramiden¬ 
spasmus brüske Bewegungen zu einer Erhöhung des Widerstandes und zu 
Klonus führen. Auch die Reflexe zeigen nicht die bei Pyramidenschädigungen 
charakteristische Steigerung; daß sie auch lebhaft gefunden werden, beruht nicht 
auf einer Beteiligung der Pyramidenbahn, sondern ist gewissermaßen äußerlich 
bedingt durch die vorhandene Anspannung der Muskeln, sie ist, wie sich Söder- 
bergh ausdrückt, „simuliert“, jedenfalls handelt es sich nicht um eine spa¬ 
stische Steigerung, was schon aus dem Fehlen des Klonus und des Babinski- 
«chen Zeichens hervorgeht. 

Auch hinsichtlich der Verteilung ergeben sich Unterschiede: Während die Pyra¬ 
midenspasmen sich in ihrer Verteilung oder dort bezüglich ihres Stärkegrades in der 
Regel nach dem von Wer nicke und Mann angegebenen Prädilektionstyp 
richten, finden wir beim Rigor eine ziemlich gleichmäßige Beteiligung der Ago¬ 
nisten und Antagonisten, eine Bevorzugung gewisser Teile besteht jedoch auch 
insofern, als die proximal gelegenen Muskeln der Extremitäten in der Regel 
stärker betroffen zu sein pflegen, so daß die Ausführung passiver Bewegungen 
am Oberschenkel und Oberam schwer, oft unmöglich ist, w'ährend an den 
Händen passive Bewegungen relativ leicht vorgenommen werden können. Es 
erscheint dies zunächst deshalb etwas erstaunlich, weil die oft beobachtete 
gleichmäßige Handhaltung (Pfötchenstellung) die Annahme nahelegt, sie sei durch 
eine bedeutende Muskelspannung bedingt. Daß in der Tat eine gewisse 
Muskelspannung auch hier vorliegt, ist allerdings wahrscheinlich; denn Hand 
und Finger kehren immer wieder in die gleiche Stellung zurück, die 
man eben noch ohne Mühe und ohne jeden Kraftaufwand hatte aus- 
gleichen können. Insofern, aber auch nur hierin, besteht eine gewisse Ähn¬ 
lichkeit mit den oben als athetotische Dauerhaltung bezeichneten Zuständen; auch 
dort findet man, daß typische Stellungen immer wieder eingenommen werden, obwohl 
eine eigentliche Fixation durch stärkeren Muskelzug nicht nachweisbar ist. 

Als weitere Prädilektionsstellen für den Rigor kommen noch in Betracht 
die vorderen Halsmuskeln, deren Anspannung eine dauernde Neigung des 
Kopfes zur Folge hat, sowie eine Beteiligung bestimmter Rumpfmuskeln, deren 
dauernde Innervation eine Kyphose bzw. eine Neigung des Oberkörpers nach 
vorn bewirkt. Hieran scheinen u. a. zuweilen auch die Bauchmuskeln beteiligt 
zu sein. Bemerkenswert ist, daß gerade die vorderen Halsmuskeln auch die 
Prädilektionsstellen für die katatonischen Muskelspannungen sind. 

Mitbetroffen von der Hypertonie ist ferner auch zuweilen die Gesichts¬ 
muskulatur. Ein solcher Rigor wird jedoch leicht vorgetäuscht durch das 



128 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Fehlen mimischer Bewegungen, die auch ohne Hypertonie Vorkommen und 
einen maskenartigen Gesichtsausdruck bewirken kann. Vielfach sind beide 
Symptome nicht sicher auseinanderzuhalten, zumal da eine Prüfung auf Rigi¬ 
dität an den Gesichtsmuskeln nicht leicht ist. 

Besonders hingewiesen auf eine solche ist von Söderbergh; deutlich war 
sie auch vorhanden in dem oben wiedergegebenen Falle Rosine G. Eine der¬ 
artige Steifheit der Gesichtsmuskeln hat zur Folge, daß mimische Ausdrucks¬ 
bewegungen, wie Lachen usw. nicht rasch abklingen, sondern wie versteinert 
eine Zeitlang bestehen bleiben. Sehr stark von der Hypertonie befallen sind 
auch oft die Kau- und Schluckmuskeln sowie die beim Sprechakt beteiligten 
Muskeln. Es kommt hierdurch zu Kaubeschwerden, Dysphagie, Dysarthrie, oft 
zu vollständiger Stummheit. Ein Beweis dafür, daß wirklich die Muskelspan¬ 
nungen diese letztgenannten Störungen veranlassen, kann man vielleicht in 
einem von Rothmann angestellten Versuch erblicken; ihm war es durch leichte 
Chloroformierung gelungen, die Sprachstörung in einem entsprechenden Falle für 
die Dauer der Muskelentspannung während der Narkose zu überwinden. Ob diese 
Muskelspannungen alleine für die genannten Störungen verantwortlich zu 
machen sind, erscheint mir jedoch zweifelhaft, wahrscheinlich sind gewöhnlich 
auch noch die später zu besprechenden paretischen Komponenten mit daran 
beteiligt. 

Eine mechanische Muskelerregbarkeit geht mit der Muskelrigidität meist 
nicht einher. Erwähnt wird eine solche nur einmal von Söderbergh, bei 
dessen Fall der Biceps braehii nach mechanischen Reizen pathologisch lange 
in einem Kontraktionszustand verharrte. Ähnliche Beobachtungen machte 
Stertz in seinem zweiten Falle. Eine Veränderung des elektrischen Verhaltens 
ist ebenfalls von Söderbergh beschrieben worden. Sie bestand darin, daß 
alle mit faradischem Strom gereizten Muskeln eine gewisse Nachdauer der 
Kontraktion zeigten. Bei einigen Muskeln trat nach Entfernung der Elektrode 
erst langsame Erschlaffung ein. Einen Augenblick später kam es dann wieder zu 
einer erneuten Kontraktion, die dann noch langsamer verschwand, Eine etwas 
verlängerte Nachdauer der Kontraktion habe ich auch bei einigen Paralysis 
agitans-Fällen beobachten können; auch Stertz berichtet davon in seinem Fall 2. 
Die von Söderbergh als dysmyotonische Reaktion bezeichnete Erscheinung 
habe ich nicht gefunden. 

Während beim Pyramidenspasmus nach Ausführung einer passiven Be¬ 
wegung das betreffende Glied dem Zug der Prädilektionsmuskeln folgend, wieder 
in die ursprünglich innegehabte Stellung zurückkehrt, besteht bei dem echten 
Rigor die Neigung, passiv gegebene Stellungen beizubehalten. Hierauf 
beruht auch die Erscheinung des Westphalschen paradoxen Phänomens, das 
jedoch in seiner ursprünglichen Form (Dorsalflexion des Fußes) nicht allzu häufig 
beobachtet wird, vielleicht gerade deswegen nicht, weü der Rigor an den distalen 
Enden der Extremitäten nicht so ausgesprochen ist wie weiter proximalwärts. Das 
Verharren in Haltungen läßt sich bei diesen Kranken besonders leicht dann 
erreichen, wenn die betreffende Extremität durch einen gewissen Druck in diese 
Lage gebracht wird. Die Neigung dazu wird offenbar dadurch verstärkt, 
daß die Muskeln, deren Insertionspunkte einander genähert werden, die Tendenz 
haben, diese Kontraktionszustände beizubehalten, während die Antagonisten 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


129 


durch die erfolgte Dehnung nicht zu einer Gegeninnervation gereizt werden. 
Diese Annahme würde sich decken mit Befunden von F. H. Lewy, der bei 
Aufnahme von Muskelstromkurven bei Rigiden gefunden hat, daß hier der nach 
Ablauf einer Bewegung normalerweise auftretende Muskelstrom im Antagonisten 
(Rückstoß) ausbleibt, v. Strümpell hat dieses Symptom als Fixationsrigidität 
bezeichnet, in ihr erblickt er einen wesentlichen Bestandteil des amyostatischen 
Symktomenkomplexes. Am charakteristischsten ausgeprägt ist diese Fixations¬ 
rigidität bei seinem Kranken Emil H., dessen rechtes Bein mit kurzen Unter¬ 
brechungen und ganz geringen Ermüdungserscheinungen freischwebend gehalten 
wird. Ein derartig extremer Grad von Fixationsrigidität ist sonst meines 
Wissens noch nicht beobachtet, aber zur Fixierung in gegebenen Haltungen 
oder zur Einnahme bestimmter Stellungen kommt es bei ausgeprägtem Rigor 
häufig, wie uns die Betrachtung vieler Fälle von Paralysis agitans zeigen kann, 
noch häufiger ist diese Flexibilitus cerea bei Encephalitisfällen mit Parkinson- 
schem Symptomenkomplex. Die spontan innegehabte Haltung wird im 
wesentlichen durch die Verteilung der Muskelrigidität bedingt. Am meisten 
finden wir eine leicht gebückte Rumpfhaltung, wobei die Arme im Ellenbogen 
gebeugt, die Finger in Interosseusstellung fixiert zu sein pflegen. Auch die 
Beine sind während der Bettruhe in Hüfte und Knie meist leicht gebeugt. 
Die Stellung der Füße ist nicht immer die gleiche; oft besteht Plantarflexions¬ 
stellung. Diese uns von der Paralysis agitans her bekannte Haltung läßt sich 
bei der Wilsonschen Krankheit zuweilen auch beobachten; oder man findet sie 
wenigstens angedeutet bzw. zum Teil verwirklicht. 

Die Augenmuskeln sind bei der Paralysis agitans von der Rigidität meist 
ausgenommen, und gerade ihre lebhaften Bewegungen stehen in seltsamem Gegen¬ 
satz zu dem sonst unbewegten Körper. 

Als eine besondere Eigenschaft der rigiden Glieder sei noch folgendes her¬ 
vorgehoben: Setzt man einer möglichst kraftvollen Bewegung eines Rigiden 
einen lebhaften Widerstand entgegen und gibt dann plötzlich nach, so tritt nur 
ein ganz minimales, oft gar kein Ausfahren der losgelassenen Extremität ein. 
Es ist dies ein Zeichen dafür, daß bei den Rigiden trotz gewollter Kraftan¬ 
strengung gleichzeitig auch der Antagonist eine nicht unwesentliche Innervation 
behält, d. h. nicht erschlafft; dadurch wird ein Ausfahren nach Nachlassen eines 
zu überwindenden Widerstandes verhindert. Diese Erscheinung bildet gewisser¬ 
maßen die Umkehrung des Stewart Holmschen Phänomens (Kleinhimerkran¬ 
kungen), bei dem das Ausfahren nach beseitigtem Widerstand übertrieben heftig 
ist, weil hier ein Bremsen durch den normalerweise eintretenden Rückstoß fehlt. 

In vorgeschrittenen Fällen kann die Rigidität der Muskeln übergehen in 
Kontrakturen myogener Art. Sie sind als sekundäre Erscheinungen aufzu¬ 
fassen und haben meiner Ansicht nach mit dem Wesen des Prozesses nichts 
zu tun. 

Um den Rigor sicher von Pyramidenspasmen unterscheiden zu lernen, hat 
man versucht, das Verhalten der rigiden Muskeln bei aktiven und passiven Bewe¬ 
gungen, die Prädilektionstypen der Verteilung und die Eigenart der dadurch 
bedingten Haltungen näher zu studieren. Gleichzeitig war man dabei bemüht, 
Kriterien für eine Einteilung verschiedener Rigorarten zu gewinnen. Über diese 
Arbeiten sei kurz berichtet: 


Bostroem, Symptomenkomplex. 


9 



130 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Ein Fall von Economo zeichnet sich durch eine sehr hochgradige Hyper¬ 
tonie aus, der ganze Körper war bretthart. Die unteren Extremitäten waren 
in Strecksteilung fixiert, ebenso nahmen Rumpf und Nacken eine Streck¬ 
haltung ein. Nur die oberen Extremitäten zeigten eine leichte Beugung. Durch 
diese Streckhaltung unterscheidet sich der Fall von den meisten anderen. 
Nur Gower8 hat einen Fall ebenfalls mit „Streckspasmen“ beschrieben. Passive 
Bewegungen lösen die vorhandene Hypertonie nur in ganz geringem Maße. 

Ebenfalls mitJStreckspannung einher geht der Fall von Economo und 
Schilder, der zwar nicht eigentlich zur Wilsongruppe gehört, sich aber 
symtomatologisch hier ein reihen läßt. Auch bei ihm finden sich deutliche Ver¬ 
änderungen an den basalen Partien des Kopfes des Nucleus caudatus, ferner 
im Globus pallidus und im Putamen. Er betraf jedoch auch noch Teile der 
Großhirnrinde und des Kleinhirns. Charakteristisch für die beschriebene Hyper¬ 
tonie war außer der Bevorzugung der Streckmuskeln der Umstand, daß sie 
bei brüsken passiven Bewegungen zunahm, während langsame passive 
Bewegungen mildernd wirkten. Willkürliche Bewegungen gelangen nach 
verzögerter Entspannung, wurden dann relativ frei fortgesetzt und durch jäh 
einsetzende Hypertonie wieder gebremst. Der auch normalerweise vorhandene 
Rückstoß nach Bewegungsbremsung war erhöht, und zwar so stark, daß es zu 
hampelmannartigen Bewegungen kam. 

Der Fall von Söderbergh zeigt dagegen eine Abnahme des Rigor bei 
passiven Bewegungen und keine Verstärkung bei brüsker Ausfüh¬ 
rung derselben. Die in der Ruhe schon vorhandene aber nicht sehr deutliche 
Starre der Muskulatur wird sehr viel hochgradiger bei aktiven Bewegungen 
(Bewegungsstarre). Außerdem beobachtete Söderbergh eine andere Art von 
Muskelstarre, die assoziierte, die dann auftritt, wenn der Kranke kompli¬ 
zierte Bewegungen macht, aufsteht, geht usw.; dann nimmt der Arm oder 
eine andere nicht unmittelbar an der aktiven Bewegung beteiligte Extremität 
eine stereotype Haltung ein, offenbar in der Form einer Mitbewegung. Auch 
hier braucht der Muskel zum Entspannen eine lange Zeit, mehr als die Kon¬ 
traktionen in Anspruch genommen hatten. Wegen der starken Beeinflußbar¬ 
keit des Muskeltonus durch passive Bewegungen will Söderbergh die Be¬ 
zeichnung Hypertonie durch Dystonie ersetzen. Wie wir sehen werden, ist 
aber diese Eigenschaft des Tonus nicht so konstant, daß sich deswegen eine 
andere Bezeichnung rechtfertigen ließe. 

Eine Beteiligung der Gesichts-, sowie der Schluck- und Kaumuskulatur war 
ebenfalls vorhanden. Was die Auslösbarkeit der Tonusanomalie anlangt, so 
lehnt Söderbergh das reflektorische Moment nicht ab. Die Art der reflek¬ 
torischen Auslösung müsse aber eine andere sein als bei den Pyramidenläsionen, 
wo Beziehungen zu den Sehnenreflexen bestehen. Er vermutet, daß Hautre¬ 
flexe, besonders die Hautweichteilreflexe zu einem besonders starken Hervor¬ 
treten der Hypertonie Veranlassung geben können. 

Strümpell hat in seinem Fall überwiegend Beugerigidität gefunden; er 
konnte nirgends „die bei spastischen Lähmungen sonst vorhandenen reflek¬ 
torischen Erscheinungen der plötzlich gedehnten Muskelsehne feststellen“, bei 
passiven Bewegungen wurden die Muskeln immer nachgiebiger. Erhebt 
als Haupteigentümlichkeit hervor, daß die hypertonischen Muskeln die Glieder 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


131 


stet« in der angenommenen Stellung fixieren (Fixationsrigidität), die namentlich 
bei Emil H. sehr deutlich vorhanden ist. Dieser Zustand veranlaßt auch die 
Extremität in passiv erteilten Stellungen zu verharren. 

Die mimische Starre betrachtet Strümpell als eine Teilerscheinung der 
allgemein veränderten Muskelinnervation. 

Während Strümpell, wie schon erwähnt, von einer reflektorischen Aus¬ 
lösung der Hypertonie abgesehen wissen will, zieht Stertz in Erwägung, die 
Fixationsrigidität mit einer Steigerung eines subkortikalen Reflexvorganges in 
Verbindung zu bringen, dessen normaler Ausdruck in einem bestimmten gegen¬ 
seitigen Spannungszustand antagonistisch wirkender Muskelgruppen bestehen 
soll. Diese Annahme hätte den Vorteil, daß der Ausdruck Fixationsrigidität 
auch angewandt werden könnte für Fälle, bei denen die Hypertonie keine 
Rolle spielt. Diese müßte man sich dann so erklären, daß antagonistisch 
wirkende Muskelgruppen im jeweiligen Ruhezustand in das Verhältnis gegen¬ 
seitiger Spannung treten, wodurch der Eindruck der Starre hervorgerufen würde. 
Stertz hält demnach die Steigerung des Fixationsreflexes und die dauernde 
Hypertonie nicht für identisch, da sie auch einzeln Vorkommen können; ihre 
recht häufig beobachtete Kombination ist kennzeichnend für ihre nahe Ver¬ 
wandtschaft, und durch diese Kombination erhält sowohl die Starre wie die 
Fixationsrigidität einen enormen Zuwachs. 

Klinisch bemerkenswert ist in dem Stertzschen Falle, daß hier passive 
Bewegungen zu einer Steigerung der Hypertonie führen, was im 
Gegensatz zu den oben erwähnten Beobachtungen steht. 

Bei zwei Fällen Wilsonscher Krankheit, die ich untersuchen konnte, fand 
ich, daß der Hypertonus durch brüske Bewegungen gesteigert, durch 
langsame passive Bewegungen nur wenig beeinflußt, dagegen durch 
aktive Bewegungen rasch überwunden wurde. Fixationsrigidität in dem 
oben bezeichneten Sinne war hier nicht vorhanden. 

Gerstmann und Schilder (Ztschr. f. d. ges. Neur. u. Psych. 58, 266) 
haben bei einem, allerdings klinisch nicht sicher unterzubringenden Fall von 
Rigor gefunden, daß der Rigor durch wiederholte passive Bewegungen 
bis zur Unüberwindlichkeit gesteigert wurde, während aktive Bewe¬ 
gungen sofort entspannend wirkten. Auch hier fehlte Neigung zum Ver¬ 
harren in Haltungen, die bei dem Stertzschen Fall wieder sehr ausgesprochen 
war. Die Verstärkung 4prch passiv ausgeführte Bewegungen, sowie da« Fehlen 
der Fixationstendenz unterscheidet den Gerstmann-Schilderschen Fall auch 
wesentlich von den meisten Formen der Paralysis agitans. Dieselben 
Autoren beobachteten bei einem anatomisch der Wilsongruppe angehörigen 
Fall ebenfalls eine Steigerungsmöglichkeit des Tonus durch Ausfüh¬ 
rung passiver Bewegungen. Hier läßt der Tonus in der Ruhe nach und 
kann durch brüske und langsame passive Bewegungen gesteigert werden, ebenso 
findet eine Verstärkung des Tonus durch aktive Bewegungen, durch Hautreize, 
sowie durch psychische Erregung statt. Bezüglich dieses Falles widersprechen 
sich die Verfasser, wenn sie von dem Muskeltonus sagen auf Seite 37: „An 
den oberen Extremitäten rufen passive Bewegungen immer einen Hypertonus 
hervor“ oder „der Hypertonus kann durch brüske, manchmal auch durch lang¬ 
same passive Bewegungen geweckt werden“; dagegen auf Beite 39: „Eine eigen- 

9* 



132 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

artige Charakteristik erhält der Hypertonus unseres Falles dadurch, daß er 
durch passive Bewegungen rasch zum Verschwinden gebracht werden kann“. 

Neuerdings unterscheiden Gerstmann und Schilder folgende Typen extra- 
pyramidaler Spannung: 

1. Typusplasticus. Ausgesprochener Ruheformtonus. Aktive Bewegungen 
wirken eher entspannend. Passiv gegebene Haltungen werden durch Rigor 
fixiert. Bei Bewegungen gegen Widerstand wird der Muskel in der aktiv ein¬ 
genommenen Haltung fixiert. Durch Dehnung wird der Muskelrigor nicht 
wesentlich geändert, niemals schießt er plötzlich ein, der Muskel erscheint als 
zähe, plastische Masse, welche sich jeder Stellung anpaßt (Fixationsrigor). Der 
Typus plasticus findet sich am häufigsten bei der Paralysis agitans, aber man 
trifft ihn auch bei der arteriosklerotischen Starre und bei einer Reihe von 
Enzephalitisfällen an. 

2. Typus proprio-reactivus. Hier wird der ursprünglich nur wenig 
erhöhte Ruheformtonus nur durch eine Manipulation Verstärkt, durch wieder¬ 
holte passive Bewegungen. Passiv gegebene Haltungen werden nicht fixiert. 
Rückstoß normal. 

3. Typus reactivus. Fälle, bei welchen der Hypertonus durch eine 
Reihe von Einflüssen weckbar ist, durch Hautreize, durch aktive Bewegung, 
durch passive Bewegungen. Der Hypertonus schießt in einzelnen Fällen 
plötzlich ein, in einzelnen Fällen ist eine Dauerspannung daneben vorhanden, 
gelegentlich wird aber sogar Hypotonie beobachtet. Rückstoß häufig ver¬ 
stärkt. Neigung zu assozüerten Spannungen. Passiv gegebene Stellungen 
werden nicht fixiert. 

4. Typus reflectoricus. Dieser Typus ist durch das besondere jähe 
Einschießen des Hypertonus bei Dehnungen des Muskels charakterisiert. — 
Die Verfasser heben selbst hervor, daß diese Typen nicht scharf geschieden 
sind und daß Übergänge Vorkommen. 

Bei verscliiedenen Fällen von Paralysis agitans habe ich die Tonusverhält¬ 
nisse in ihrer Verteilung und in ihrem Verhalten zu aktiven und passiven Be¬ 
wegungen geprüft, ohne zu einheitlichen Ergebnissen zu kommen. Die Ver¬ 
teilung des Rigor auf Hals, Rumpf und die proximalen Gliedabschnitte findet 
sich fast überall in der gleichen Weise. Die mimische Starre ist auch meist 
recht ausgeprägt. In einzelnen Fällen traten die Gesichtsmuskeln plastisch 
hervor. Auch die gleichmäßige Beteiligung von Agopisten und Antagonisten 
am Rigor war übereinstimmend zu beobachten. Die Beugehaltung war die 
häufigere. Nur in einem Falle bestand Streckhaltung der Arme. Das paradoxe 
Phänomen war einmal vorhanden. Brüske Bewegungen pflegen den Rigor 
zu verstärken, dagegen konnte der Rigor meist durch langsame, passiv 
ausgeführte Bewegungen etwas vermindert werden. Nur in einem Falle, 
der übrigens wegen seines jugendlichen Alters vielleicht in die Wilsongruppe 
gehört, wurde der Rigor durch passiv ausgeführte Bewegungen verstärkt. Das 
gleiche beobachtete Stertz in einem ebenfalls ungewöhnlichen Falle von Para¬ 
lysis agitans. Aktive Bewegungen waren meist ohne wesentlichen Einfluß auf 
die Stärke des Rigors. 

Eine reflektorische Beeinflußbarkeit des Rigors besteht sicher. Diese Be¬ 
einflußbarkeit ist aber verschieden von der bei echt spastischen Zuständen, 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


133 


sie steht, wie Söderbergh (siehe oben) sehr richtig bemerkt, nicht in Ab¬ 
hängigkeit von den Sehnenreflexen, sondern weist offenbar eher Beziehungen 
zu Hautreizen auf. Dafür spricht u. a. die Erfahrungstatsache, daß bei 
Paralysis agitans die Muskelrigidität durch ein warmes Bad wesentlich ge¬ 
mildert werden kann, während sie in der Kälte stärker wird. Ihre Unab¬ 
hängigkeit vom pyramidalen Reflexbogen ergibt sich aus Beobachtungen der 
arteriosklerotischen Muskelstarre, die sehr häufig mit Verlust der Achillessehnen¬ 
reflexe einhergeht, ohne daß dadurch der Rigor herabgesetzt, bzw. sein Auf¬ 
treten überhaupt verhindert würde. Ich sah auch einen Fall von Paralysis 
agitans, kombiniert mit Tabes, bei dem ebenfalls Rigor, allerdings kein sehr 
starker, neben Areflexie bestand. Andere Beobachtungen scheinen diesem Be¬ 
fund zu widersprechen. Ich halte es für möglich, daß bei solchen Krankheits¬ 
kombinationen viel davon abhängt, welche Erkrankung zuerst da war, und wie 
lange sie schon allein das Bild beherrscht hat. 

Bei dieser kurzen Zusammenstellung ergibt sich, daß die jeweiligen Eigen¬ 
schaften des Rigors sehr verschieden sein können. Die einzelnen Angaben 
wirken zum Teil geradezu verwirrend: Meist bedingt die Hypertonie eine Beuge¬ 
haltung, zuweilen aber auch eine Streckstellung; langsam ausgeführte, passiv 
ausgeführte Bewegungen lösen die Hypertonie in zwei Fällen (Economo und 
Schilder, Economo), sie können sie aber auch verstärken (Stertz, Gerst- 
mann-Schilder). Brüske passive Bewegungen rufen eine erhöhte Hypertonie 
hervor (Economo, Schilder, eigene Beobachtungen), aktive Bewegungen er¬ 
höhen den Tonus im Falle von Söderbergh oder bringen ihn zum Schwinden 
in Fällen von Gerstmann-Schilder und bei eigenen Beobachtungen. 

Ich halte es für verfehlt, aus diesen relativ geringfügigen und unregelmäßigen 
Differenzen irgendwelche Schlüsse ziehen zu wollen. Ich glaube, daß sich diese 
Unterschiede nicht allein auf die Eigenart der verschiedenen Tonuszustände 
beziehen, sondern möglicherweise von dem Stadium abhängen, in welchem 
sich die einzelnen Fälle gerade befinden. Auch habe ich Beobachtungen ge¬ 
macht, die dafür sprechen, daß innerhalb des einzelnen Falles das Verhalten 
der Muskulatur an verschiedenen Tagen nicht das gleiche ist. Es wird sich 
bei vorgeschrittenen Fällen auch nicht immer entscheiden lassen, ob nicht 
schon sekundäre Veränderungen der Muskulatur eine Rolle spielen und die 
Stärke des Tonus sowie seine Abhängigkeit von aktiven oder passiven Bewe¬ 
gungen beeinflussen. Jedenfalls dürfen uns nach den bis jetzt gewonnenen 
Ergebnissen diese Unterschiede nicht verführen, innerhalb der Rigorzustände 
Untergruppen zu bilden, für die wir weder sichere klinische noch irgendwelche 
anatomischen Anhaltspunkte haben. Dagegen sind wir bei der nötigen Übung 
in den meisten Fällen imstande, auch unabhängig von dem Verhalten der 
Reflexe einen Spasmus von einer Rigidität zu differenzieren und zwar besonders 
wegen der zähen, wachsartigen Beschaffenheit der rigiden Muskeln und wegen 
der gleichzeitigen Beteiligung von Agonisten und Antagonisten. 

Lokalisatorisch wird die Hypertonie in allen Fällen mit einer Erkrankung 
der Linsenkerne in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhänge gehe 
ich nur auf die wenigen Fälle reiner Hypertonie ein, um später auch die Ver¬ 
bindung von Rigor mit Zittererscheinungen näher zu besprechen. 

Bei Economo waren ergriffen Putamen und Kopf des Schwanzkerns. 



134 Di 0 Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Er faßt den Rigor ohne Reflexsteigerung als pathognomonisches Symptom des 
Striatum auf und nimmt an, daß dieses eine inhibierende Wirkung auf den 
Tonus ausübt. Der Anknüpfungspunkt für diese Wirkung könne aber nicht im 
Vorderhorn zu suchen sein; er könne auch nicht auf dem Wege der Pyra¬ 
midenbahn verlaufen. Als tonusspendendes Organ nimmt er das Kleinhirn 
und den Deitersschen Kern an, der ebenfalls über das Kleinhirn seine Wirkung 
ausübt. Der tonisierende Effekt soll auf dem Wege der Bindearme zum roten 
Kern und von dort zu dem ventromedialen Thalamuskern verlaufen. Er empfängt 
vom Striatum zügelnde, bzw. regulierende Einflüsse. 

Bei dem Falle von Deutsch war die ebenfalls isolierte Hypertonie Folge 
einer doppelseitigen Erkrankung des Striatum und Pallidum. 

Leider sind die beiden Fälle von Economo und Deutsch nicht für eine 
exakte Bestimmung eines Striatumsymptoms in Anspruch zu nehmen, weil 
namentlich im letzten Falle auch das Pallidum beteiligt war. Auch dürften 
Unterschiede dadurch hervorgerufen werden, je nachdem, ob nur das Putamen 
oder auch Teile des Nucleus caudatus von dem Krankheitsprozeß mitergriffen 
werden. Der letztere war in beiden Fällen in verschiedenen Graden beteiligt. 

Eine Reihe muskulärer Versteifungen ohne motorische Reizerscheinungen 
halten C. und 0. Vogt für die Folge einer doppelseitigen Pallidumerkrankung 
und auch Kleist neigt zu der Annahme, daß je mehr innerhalb der basalen 
Ganglien der Ursprungsort der striofugalen Teile der Linsenkernschlinge, das 
heißt der Globus pallidus und die Linsenkemschlinge selbst an der Erkrankung 
beteiligt sind, sich um so häufiger ein Ausfall an Automatismen sowie tonische 
Erscheinungen bemerkbar machen. 

Kurz einzugehen ist in diesem Zusammenhänge auf einen experimentell 
hervorgerufenen Starrezustand, der vielleicht gewisse Beziehungen zu dem hier 
vorliegenden Krankheitsbild aufweist. Es ist die von Sherrington beschriebene 
Enthimungsstarre. Sie wird erzeugt durch einen Schnitt etwa in der Gegend 
der hinteren Vierhügel. Zunächst scheint sie für die von Kleist, Economo 
und anderen vertretene Theorie zu sprechen, daß die zügelnden und regu¬ 
lierenden Impulse auf einen vom Kleinhirn ausgehenden Tonus ausgeübt 
werden; wenn man aber dann erfährt, daß eine Ausschaltung des Kleinhirns 
nichts an der Enthirnungsstarre ändert, so erheben sich wesentliche Bedenken 
gegen die oben erwähnte Auffassung, vorausgesetzt, daß es möglich ist, diese 
Versuche Sherringtons auf den Menschen zu übertragen. Man müßte nach 
diesen Versuchen als tonusspendendes Zentrum Kerne oder Kerngruppen an¬ 
nehmen, die kaudalwärts und unterhalb der hinteren Vierhügel hegen. Es 
käme also auch der Nucleus ruber weder als Zentrale noch als Vermittlungs¬ 
organ für den Tonus in Betracht. Nach den Versuchen ist anzunehmen, daß 
das gesuchte tonusspendende Organ vielleicht in der Nähe des Deitersschen 
Kern gelegen ist, denn erst, wenn bei den Versuchen von Sherrington der 
Schnitt in die Gegend dieses Kerns gelangte, verschwand die Enthirnungs¬ 
starre. Möglich wäre es auch, daß Kerngruppen der Substantia reticularis 
vielleicht auch die kaudalen Partien der Substantia nigra einen tonusspendenden 
Einfluß ausüben. 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


135 


IL 

Ähnlich wie es bei der Pyramidenlähmung neben dem Spasmus noch zu 
einer spastischen Parese kommt, so geht auch der Rigor mit einer Beeinträch¬ 
tigung der aktiven Bewegungen, der extrapyramidalen Parese einher. Ich 
meine dabei nicht die durch den Rigor sekundär bedingte Bewegungserschwerung, 
sondern eine primäre Störung des Zustandekommens aktiver Bewegungen. 
Gerade diesem Symptom hat man bisher wenig Beachtung geschenkt, vielleicht 
deshalb,* weil es in der Bezeichnung „amoystatischer Symptomenkomplex“ keinen 
deutlichen Ausdruck gefundeu hat. Ich möchte dabei drei Faktoren unter¬ 
scheiden, 1. eine eigenartige Muskelschwäche, 2. eine Verlangsamung und 
Schweransprechbarkeit der Bewegungen mit Adiadochokinese, 3. eine Bewegungs¬ 
verarmung und ein Bewegungsausfall. 

1. Große Schwierigkeiten macht es, die schwer faßbare Muskelschwäche 
zu definieren, die aber offenbar Parkinson bei der Aufstellung des Krank¬ 
heitsbegriffes schon vorgeschwebt und ihn zu der Namengebung veranlaßt hat. 
Meist handelt es sich dabei nicht um eine eigentliche Lähmung mit voll¬ 
kommener Bewegungsunmöglichkeit. Solche kommen vielmehr wohl nur in 
sehr vorgeschrittenen Stadien des Parkinson-Wilsonschen Symptomenbildes vor. 
Wilson spricht von einer ,;Muskelschwäche ohne Paralyse“, er glaubt, daß 
der Patient seine Glieder bewegen kann, außer wenn Kontrakturen, Steifheit 
es verbieten. Er sei also nicht gelähmt. Damit lehnt Wilson das Vorhan¬ 
densein einer Lähmung im engeren Sinne ab und betrachtet die Muskelschwäche 
als sekundär, durch die Hypertonie bedingt. 

Strümpell (Neurol. Zentralbl. 1920) faßt die motorische Störung alseine 
Erschwerung, bzw. Hemmung der myomotorischen (Pyramiden-) Innervation 
auf und führt sie auf die Steigerung der myostatischen Innervation zurück. 

Foerster nimmt für die Paralysis agitans außer der durch den passiven 
Widerstand der kontrahierten Muskeln bedingten Erschwerung der willkürlichen 
Bewegung in fortgeschrittenen Fällen eine Erschwerung der willkürlichen 
Beweglichkeit selbst an und bezeichnet diese Erscheinungen direkt als pare- 
tische Komponente. Er läßt es dahingestellt bleiben, ob sich diese zur völligen 
Lähmung steigern kann. Die Bewegungsarmut und Bewegungsverminderung 
mag zum Teil dadurch bedingt sein. 

Auch C. und O. Vogt sprechen von einer gewissen Herabsetzung der mo¬ 
torischen Kraft bei Striatumerkrankungen ohne näher auf dies Symptom ein¬ 
zugehen. 

Auf die Paresen bzw. Lähmungen im engeren Sinne ist bei der Wilson- 
schen Krankheit noch wenig geachtet worden. Bei den Fällen von Pseudo¬ 
sklerose, die ich gesehen habe, waren derartige Lähmungen nicht vorhanden. 
Sie verliefen auch ohne Rigidität, so daß man daran denken könnte, ob nicht 
doch die Tonusveränderungen bei dem Zustandekommen dsr Lähmungen eine 
gewisse Rolle spielen. Die übrigen Fälle von Pseudosklerose aus der Literatur, 
die ohne Muskelrigidität einhergingen, zeigten ebenfalls keine Lähmungen 
(Strümpell und Handmann, Strümpell, Rausch und Schilder). 

Vor kurzem konnte ich dagegen zwei Fälle Wilsonscher Krankheit, die 
Herr Dr. Chotzen in der Breslauer Neurolog. Psychiatrischen Vereinigung 



136 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

vorstellte, daraufhin untersuchen. Bei diesen beiden fanden sich eigentliche 
Lähmungserscheinungen nicht, nur traten nach längerem Gehen bei dem einen 
Pat. eine Schwäche der Fußheber rechts auf, die zu einem Nachschleifen der 
Fußspitze führte. Dies konnte aber, wenn man den Kranken darauf aufmerk¬ 
sam machte, immer wieder für einige Zeit überwunden werden. Von einer 
eigentlichen Lähmung kann man in diesem Falle nicht sprechen, es dürfte 
sich um eine gesteigerte Ermüdbarkeit handeln, aus der sich vielleicht im 
weiteren Verlauf eine Lähmung entwickeln kann. 

Stertz hat sich in seiner Monographie etwas ausführlicher mit der Frage 
der Lähmungen bei der Wilsonschen Krankheit beschäftigt. Er beobachtete bei 
allen seinen Patienten dauernde Paresen, sie betrafen vor allem die Gesichts¬ 
muskeln und die Zunge; an den Extremitäten waren die distalen Enden mehr 
betroffen als die proximalen. Von den Pyramidenlähmungen unterschieden sie sich 
dadurch, daß sie entsprechend dem vorgeschrittenen Krankheitsstadium gering¬ 
gradig waren, sowie dadurch, daß sie nicht dem bekannten Prädilektionstyp 
folgten. Im Gegensatz zu Wilson ist Stertz der Ansicht, daß es sich hier¬ 
bei nicht um eine Folge der Hypertonie handele, weil weder alle rigiden 
Muskeln paretisch sind, noch die paretischen alle Hypertonie zeigen. Bezüg¬ 
lich der Herkunft der Paresen verweist Stertz auf eine Analogie zu manchen 
Kleinhirnaffektionen, die ebenfalls Paresen bedingen können, ohne daß man 
in der Lage ist, bestimmte Schädigungen dafür verantwortlich zu machen. 

Vielfache Übereinstimmung zeigen MotüitätsVerhältnisse der Wilsonschen 
Krankheit mit denen der Paralysis agitans. Dies bezieht sich auch auf die 
Fragen der Paresen. Söderbergh setzt die diffuse Muskelschwäche, die er 
bei seinem Falle Wilsonscher Krankheit bzw. Pseudosklerose gefunden hat, 
in nahe Beziehungen zu der bei der Paralysis agitans beobachteten, insofern, 
als bei beiden eine Dissoziation zwischen der statischen und der dynamischen 
Kraft vorhanden ist, wobei die statische die besser erhaltene Komponente 
darstellt. 

Diese Erscheinung, die von Dylef zuerst für die Paralysis agitans beschrieben 
ist, daß nämlich die Kranken kräftiger gegen einen Zug oder Druck Wider¬ 
stand leisten, als selbst eine Kraftleistung ausüben können, konnte ich bei den 
vorhin erwähnten Fällen Wilsonscher Krankheit nicht nachweisen, wohl aber 
fand ich sie bei verschiedenen Fällen von Paralysis agitans gut ausgeprägt. Zum 
Nachweis dieses Symptoms eignen sich am besten Anfangsstadien oder mittelweit 
vorgeschrittene Fälle; besonders deutlich erkennt man das Symptom bei der 
Prüfung des Händedrucks: während bei einer aktiven dynamischen Innervation 
der Muskeldruck kraftlos erscheint, gelingt es den Kranken, dieselbe Beugehal¬ 
tung der Finger gegen Widerstand recht kräftig eine Zeitlang beizubehalten. 
Sehr ausgeprägt sah ich diese Erscheinung bei einem Kranken mit einer 
einseitigen Paralysis agitans im ersten Beginn. Der Kranke war nicht im¬ 
stande, trotz guter Muskulatur einen auch nur einigermaßen kräftigen Hände¬ 
druck auszuüben, es machte ihm aber keine Schwierigkeiten, einen gefüllten 
Wassereimer lange Zeit in derselben Hand zu tragen. Er hängt dann den 
Eimer in die in Beugehaltung befindlichen Finger ein, und da diese statische 
Innervation bestehen bleibt, gelingt die Aufgabe des Eimertragens auffallend gut. 

Es muß noch erwähnt werden, daß sich die Prüfung auf Paresen bei den 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


137 


genannten Erkrankungen im wesentlichen auf die Untersuchung der groben 
Kraft beschränken muß. Der Verlauf der feineren Bewegungen wird durch 
etwa gleichzeitig vorhandene Tonusanomalien und unwillkürliche Bewegungen 
häufig schon so sehr gestört, daß man hier nicht mit Sicherheit paretische 
Erscheinungen isolieren kann. Ganz allgemein kann gesagt werden, daß sich 
die feinen abgestuften Bewegungen der Finger z. B. sehr vergröbern, und daß 
die Tendenz besteht, isolierte Bewegungen durch Bewegungen von etwa kom¬ 
plexerem Charakter zu ersetzen, ohne daß es dabei zu sogenannten Massen¬ 
bewegungen kommt wie bei der Athetose z. B. 

Dagegen gehören zu den Paresen zum Teil die sog. bulbären oder pseudo¬ 
bulbären Störungen bei Wilson und Paralysis agitans, die sicher nicht durch 
den Rigor allein bedingt sind. Diesen letzteren Faktor wird man allerdings 
nicht immer mit Sicherheit ausschließen können, weil eine Prüfung der Schluck¬ 
muskeln auf Rigidität sehr schwer, wenn nicht überhaupt unmöglich ist. Am 
deutlichsten kann man eine paretische Komponente nachweisen an der Zunge: 
sowohl bei Paralysis agitans mit bulbären Symptomen als auch bei Wilson¬ 
fällen gelingt es den Kranken schwer, die Zunge herauszustrecken; das gleiche 
gilt von Enzephalitisfällen mit entsprechendem Symptomenbild. Gewöhnlich 
können die Kranken die Zunge nur gerade bis zur vorderen Zahnreihe bringen. 
Auch das häufig beobachtete Offenstehen des Mundes dürfte wohl auf eine 
Schwäche der Kaumuskeln zurückzuführen sein. Ferner gehören noch hier¬ 
her die Dysphagie, Dysarthrie, Phonationsstörungen, sowie vielleicht auch Atem¬ 
störungen. 

Daß an diesen paretischen Erscheinungen nicht der Rigor schuld ist, er¬ 
gibt sich daraus, daß auch nicht rigide Extremitäten die gleichen Erschei¬ 
nungen aufweisen, und vor allem aus der Tatsche, daß die Leistungsfähigkeit 
einer Muskelgruppe auch nach der Tenotomie der rigiden Antagonisten nicht 
besser wird. (F o e r s t e r.) 

Eine anatomische Ursache für diese Schwächeerscheinung ist nicht bekannt. 
Über ihre Herkunft kann man nur Vermutungen äußern. Freund hat 
z. B. angenommen, der Linsenkem besitze neben anderen Eigenschaften auch 
eine „kraftspendende Funktion“. Bei dem häufigen Zusammentreffen dieser 
Schwächezustände mit extrapyramidalen Bewegungsstörungen wird man jeden¬ 
falls Schädigungen der zentralen Ganglien dafür verantwortlich machen können. 
Interessant wäre es auch zu ergründen, woher die zweifellos oft zu beobach¬ 
tende Differenz zwischen statischer und dynamischer Muskelleistung kommt. 
Man hat dabei an getrennte Funktionen der beiden verschiedenen Muskel¬ 
bestandteile des Sarkoplasmas und des Fibrillenapparats gedacht, und Störungen 
der fibrillären Innervation bei erhaltener tonischer Leistung des Sarkoplasmas 
angenommen. Dieses Verhältnis bedarf noch einer näheren Besprechung in 
anderem Zusammenhang. 

2. Die Langsamkeit der aktiven Bewegungen ist eines der auffallendsten 
Symptome bei dem hier vorliegenden motorischen Symptomenkomplex. Sich 
selbst überlassen, braucht ein solcher Kranker ein bis zwei Stunden zur Mittags¬ 
mahlzeit, das Öffnen eines Knopfes, das Kämmen, die Morgentoilette nimmt 
erhebliche Zeit in Anspruch. Eine genauere Beobachtung dieser Kranken 
bei ihren Verrichtungen ergibt, daß zuerst das in Gang setzen der gewollten 



138 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Bewegungen langsam vonstatten geht. Man hat gesagt, daß die Übertragung 
der Willensimpulse auf das Motorium eine geraume Zeit beanspruche. Ich. 
habe mich bei vielfachen Untersuchungen auch vorgeschrittener Fälle von Para¬ 
lysis agitans nicht davon überzeugen können, daß, guter Wille vorausgesetzt, 
eine wesentliche Verlängerung der Reaktionszeit zwischen Auffassung eines Befehls 
und dem Beginn der verlangten Bewegung bestand. Aber gleich bei Beginn 
der Innervation stößt der Kranke auf Schwierigkeiten, die im wesentlichen 
darin zu bestehen scheinen, daß der Muskel nicht gleich in richtiger Weise 
und in der beabsichtigten Stärke anspricht. Stertz hat dieses Symptom als 
mangelnde Innervationsbereitschaft bezeichnet, die an den distalen Ex¬ 
tremitätenden deutlicher und stärker auftritt, als an den proximal gelegenen 
Gebieten. Als Ursache dieser mangelnden Innervationsbereitschaft kommt in 
Betracht eine Störung der reciproken Innervation (Sher ring ton). Diese ist 
ein Erfordernis jeder willkürlichen Innervation; sie besteht darin, daß der 
beabsichtigten Innervation eines Muskels eine Erschlaffung seines Antago¬ 
nisten vorausgeht. Die Verlangsamung des Bewegungsbeginns ist nicht etwa 
Folge einer Hypertonie, sondern sie wird auch ohne solche beobachtet 
(Oppenheim, Kleist, Zingerle bei Paralysis agitans, Stertz bei Wilson, 
eigene Fälle). Es läßt sich aber leicht einsehen, daß das Hinzutreten eines 
Rigors die Erschwerung der Innervation noch ganz wesentlich verstärken wird. 

Ebenso wie die Bewegung langsam beginnt und langsam ansteigt, so 
klingt sie auch verzögert wieder ab, und es kann in extremen Fällen zu einer 
Kontraktionsnachdauer kommen, die verhindert, daß z. B. ein ergriffener 
Gegenstand im gewünschten Augenblick wieder losgelassen werden kann. Auch 
dies Symptom kann ohne Hypertonie Vorkommen, wird aber durch das Vor¬ 
handensein eines Rigors erheblich verstärkt. 

Besonders deutlich macht sich die Verlangsamung des Bewegungsablaufs 
bemerkbar auf dem Gebiet des Sprechens, Kauens und Schluckens. Gerade 
hier treten relativ geringfügige Störungen deswegen besonders leicht hervor, 
weil die Eigenart dieser Bewegungen es verlangt, daß der Ablauf genau regu¬ 
liert und alle Teile der Bewegungen gut aufeinander eingespielt sind. 

An den Extremitäten macht sich die Verlangsamung des Bewegungsablaufs 
vor allem dann bemerkbar, wenn man die Kranken auffordert, rasch aufeinander¬ 
folgende antagonistische Bewegungen auszuführen; in schweren Fällen gelingt 
dies den Kranken überhaupt nicht, in anderen Fällen werden die verlangten 
Bewegungen zwar ausgeführt, aber von vornherein ist die Umschaltung der 
Innervation in Gegeninnervation so schwerfällig, und sie verlangsamt sich noch 
mehr, bis die Bewegungen nach kurzer Zeit ganz aufhören. So entsteht das 
Symptom der Adiadochokinese, das für die uns hier interessierenden Be¬ 
wegungsstörungen eine größere Bedeutung gewonnen hat, als für die Klein- 
himaffektionen, für die das Symptom ursprünglich von Babinski beschrieben 
worden war. Neben der schlechten Innervationsbereitschaft wirkt bei ihrem 
Zustandekommen die Denervationserschwerung und die Kontraktionsnachdauer 
einer einmal in Gang gesetzten Innervation mit. 

3. Als 3. Faktor der extrapyramidalen Parese kommt ein Ausfall von an 
sich möglichen Bewegungen und die dadurch bedingte Bewegungsarmut 
in Betracht. Dieses Symptom ist meiner Ansicht nach nicht immer einheit- 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


139 


licher Genese. Am reinsten ist es vorhanden, wenn die Bewegungsarmut 
Folge eines Mangels an motorischer Initiative ist. Dann liegen die Kranken 
regungslos und ohne jede Bewegung im Bett, obwohl sie weder durch echte 
Paresen noch durch Muskelspannungen so stark an der Bewegungsfähigkeit 
behindert sind. Wir haben hier ein ähnliches Bild wie es unter anderem 
auch bei Stimhirnerkrankungen beobachtet wird, und wie sie von Kleist, 
Foerster und anderen als charakteristisches Symptom einer Läsion der Stim- 
hirnbrücken-Kleinhirnbahn betrachtet wird. 

Außerdem wird es in schweren Fällen zu einer Bewegungsarmut dann 
kommen, wenn die Kranken allmählich die Erfahrung gemacht haben, daß 
sie infolge ihrer fehlenden Innervationsbereitschaft und ihrer Schwerfälligkeit 
nicht imstande sind, motorische Leistungen von Wert zu vollbringen. Daß 
dabei nicht immer ein Mangel an Antrieb zu bestehen braucht, ergeben Be¬ 
obachtungen, daß z. B. der Kranke sich andere Hilfsmittel zur Erreichung 
seiner Absicht zu verschaffen sucht (vgl. Stert z). Jedoch auch bei der Ent¬ 
stehung des Bewegungsausfalls wirken häufig beide Ursachen mit, und der 
Mangel an Antrieb kombiniert sich mit der durch äußere Verhältnisse beding¬ 
ten Bewegungsarmut zu einem Bild erheblicher motorischer Hilflosigkeit, das 
durch starken Rigor unter Umständen noch verstärkt werden kann. 

Die Verarmung der Bewegungen und der Bewegungsausfall ist ganz be¬ 
sonders auffallend im Bereich der unwillkürlichen Bewegungen. In erster 
Linie handelt es sich dabei um die Ausdrucksbewegungen und dann um die 
physiologischen zweckmäßigen Mitbewegungen bei aktiven Innervationen. 

Am deutlichsten springt der Ausfall mimischer Bewegungen in die Augen. 
Der maskenartige starre Gesichtsausdruck verleiht den Kranken allen eine ge¬ 
wisse Familienähnlichkeit, und gerade diese gemeinsame Ausdruckslosigkeit hat 
neben der Rigidität der Muskulatur zuerst die Aufmerksamkeit auf die Ähn¬ 
lichkeit der Wilsonschen Krankheit mit der Paralysis agitans gelenkt. Es 
liegt nahe, für die mimische Ausdruckslosigkeit in erster Linie eine erschwerte 
Ansprechbarkeit infolge der Rigidität der Gesichtsmuskulatur verantwortlich 
zu machen. Zweifellos spielt diese auch unter Umständen eine nicht zu unter¬ 
schätzende Rolle. Man sieht bei Paralysis agitans zuweilen einzelne Muskeln 
im Gesicht förmlich plastisch hervorspringen. Durch diese Rigidität wird auch 
sicher das Haften eines einmal eingenommenen mimischen Ausdrucks bewirkt, 
z. B. das langdauernde Verharren eines Lächelns auf dem Gesicht, das noch 
bestehen bleibt, auch wenn dem Kranken infolge einer inzwischen vorgenom¬ 
menen Gesprächswendung nicht mehr zum Lachen zumute ist. (Eigene Be¬ 
obachtung). Daß auch allein die Hypertonie der Gesichtsmuskulatur einen 
starren Gesichtsausdruck bewirken kann, kann man z. B. bei Fällen von amyo- 
tropischer Lateralsklerose sehen. 

Die Beobachtung lehrt aber, daß diese periphere Komponente der Muskel¬ 
rigidität doch nicht die alleinige Ursache für den Mangel an Ausdrucksbe¬ 
wegungen ist. Es besteht sicher auch ein mehr zentral bedingter Ausfall an 
Mimik. Zu demonstrieren war dies sehr deutlich bei einem Fall von Pseudo¬ 
sklerose mit ausgesprochen starrer Mimik, erstauntem hilflosen Gesichtsaus¬ 
druck (Pat.-Gö.), bei dem sich weder an den Extremitäten, noch am Körper, 
noch am Gesicht eine Spur von Rigor fand. Speziell die Gesichtsmuskulatur 



140 


Die Parkinion-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


erwies sich bei wiederholtem Betasten als durchaus weich. Aktive Innervation 
der mimischen Muskeln zeigte nicht die geringste Behinderung durch Lähmung 
oder Steifheit. Auch rasch aufeinanderfolgende Bewegungen im Fazialisgebiet 
waren durchaus möglich, wenn man den Kranken dazu aufforderte. Auch 
der Lidschlag war keineswegs selten; trotzdem zeigte der Kranke stets den 
gleichen starren Gesichtsausdruck. (Vgl. Abb. 10.) Im Gegensatz dazu läßt 
sich bei Parkinson- und Wilsonkranken eine deutliche Rigidität der Ge¬ 
sichtsmuskeln feststellen, die unter Umständen plastisch hervortreten. (Vgl. 
nebenstehende Abb. 11, die den von Stertz beschriebenen Wilsonkranken 
darstellt. Für die Überlassung dieses Bildes bin ich Herrn Prof. Stertz zu 
großem Dank verpflichtet.) Ich glaube in diesem Falle einen Beweis für die 
Anschauung erblicken zu können, daß die mimische Starre nicht Folge der 



Abb. 11. Maskenartiger Gesichtsausdruck 
Abb. 10. Starrer Gesichtsausdruck ohne mit Rigor der Gesichtsmuskulatur (Wilson- 

Rigidität der Muskeln (Pseudosklerose). sehe Krankheit). 

Hypertonie der Gesichtsmuskeln ist, sondern als primäres Symptom aufge¬ 
faßt werden muß. 

Wie bei den Störungen der willkürlichen Bewegungen ist natürlich auch 
hier das Hinzutreten eines Rigors geeignet, die Symptome noch deutlicher 
zutage treten zu lassen. Und offenbar finden wir ja auch in den vielen 
Fällen die primäre Ausdruckslosigkeit mit einem Rigor ,der Gesichtsmuskeln 
vereinigt. Eine Ausnahme davon scheinen nur die wenigen Fälle von Pseudo¬ 
sklerose zu bilden, die ebenso wie Fall Gö. und der früher erwähnte Fall R. 
ohne Muskelrigidität einhergehen. Es ist bemerkenswert, daß gerade hier der 
Gesichtsausdruck von den Autoren wohl als bewegungsarm, aber nicht so mas¬ 
kenartig starr bezeichnet wird, wie bei der Wilsonschen Krankheit (Rausch- 
Schilder, Fall 2, Strümpell 1916, Fall 1). 

An der allgemeinen Bewegungsarmut der Gesichtsmuskeln beteiligen sich 
die äußeren Augenmuskeln bei der Wilsonschen Krankheit nur sehr selten 





Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


141 


(Fall Stöcker). Bei der Paralysis agitans ist jedoch auch ein Festhalten der 
Blickrichtung, ein dauerndes Vorsichhinstarren zuweilen zu beobachten. Eine 
Blickparese ist auszuschließen, es handelt sich vielmehr im wesentlichen auch 
hier um einen Mangel an Initiativbewegungen. Daß es sich nicht um eine 
Hypertonie der Augenmuskeln handelt, geht aus den Beobachtungen von Cordt 
hervor (Fehlen der Muskelgeräusche und Fehlen eines Enophthalmus). 

Recht häufig sind von der Bewegungsarmut die Lidbewegungen betroffen, 
die Seltenheit des Lidschlags bei wohlerhaltenem Blinzelreflex gibt dem Ge¬ 
sichtsausdruck ein noch starreres Gepräge. Eigentümlich ist es, daß auch 
die Lider selbst wie verdickt erscheinen und zwar im wesentlichen deshalb, 
weil die feinen Runzeln und Fältchen der Augenlider auch in der Umgebung 
der Augen fehlen. Die Haut ist fast glatt. Wenn man bedenkt, wie gerade 
die Mimik von dem Spiel dieser feinen Fältchen abhängig ist, so erscheint es 
verständlich, daß das Fehlen dieses mimischen Ausdrucksmittels auch dazu bei¬ 
trägt, dem Gesicht den Ausdruck des Maskenhaften zu verleihen. 

Das paretische Offenstehen des Mundes kann den Eindruck der mimischen 
Starre noch mehr verstärken. Dies Symptom kann jedoch nur als äußere 
zufällige Beimengung angesehen werden und hat mit dem primären Mangel 
an Ausdrucksbewegung nichts zu tun. Daß im übrigen eine Parese der Ge¬ 
sichtsmuskulatur nicht an der mimischen Starre mit schuld sein kann, geht 
aus den oben angeführten Untersuchungen des Kranken Gö. hervor, die sich 
durch andere leicht bestätigen lassen. Wir finden jedenfalls eine ausgesprochene 
Differenz zwischen aktiver und mimischer Innervation im Fazialisgebiet, ein 
Symptom, dessen einseitiges Auftreten Notnagel schon vor langer Zeit als 
Zeichen einer Thahtmuserkrankung beschrieben hat. Ich glaube, wir können 
dieses Symptom der mimischen Ausdruckslosigkeit nicht nur als unabhängig 
von Paresen und Rigor hinstellen, sondern wir müssen es auch trennen von 
der durch Mangel an Antrieb allgemein bedingten Bewegungsarmut, und wir 
dürfen dafür in Anspruch nehmen die Schädigung eines speziell für die Auto¬ 
matismen der Mimik vorhandenen Gebietes im Gehirn, das wir, wie schon die 
No tnagelsche Beobachtung zeigt, in die basalen Ganglien zu lokalisieren haben. 

In engeren Beziehungen zu diesen mimischen Bewegungen stehen noch 
eine Reihe anderer unwillkürlicher Bewegungen, die man als Ausdrucksbewe¬ 
gungen des Körpers bezeichnen könnte, hierher gehören die Gestikulations¬ 
bewegungen, zum Teil wohl auch die Haltung des Körpers, die ebenfalls wohl 
oft unserer Stimmungslage Ausdruck verleihen kann. Charakteristisch ist für 
sie jedenfalls der Umstand, daß alle diese Bewegungen normalerweise fast auto¬ 
matisch ablaufen. Gerade sie gehen bei dem Parkinson-Wilsonschen Symptomen- 
komplex frühzeitig und meist vollständig verloren. 

Neben diesen als Ausdrucksbewegungen im weiteren Sinne zu bezeichnen¬ 
den gibt es unter den automatisch vor sich gehenden Bewegungen noch eine 
ganze Reihe wichtiger Bewegungen, die für den geordneten Ablauf unserer 
aktiven Innervationen zum Teil unentbehrlich sind. Es handelt sich um die 
von Foerster so bezeichneten zweckmäßigen Mitbewegungen, u. a. das rhyth¬ 
mische Pendeln der Arme beim Gehen. Bei einem Fall eigenartiger Para¬ 
lysis agitans war der Ausfall dieser rhythmischen Mitbewegungen der Arme, 
beim Gehen das erste Symptom, durch das der Kranke beim Militär unliebsam 



142 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


auffiel. Darauf aufmerksam gemacht, konnte er das Pendeln der Arme im Takt 
beim Marschieren ausführen, sowie er aber nicht daran dachte, unterblieb es 
wieder. Störender als dieser Schönheitsfehler machte sich aber der Ausfall 
an automatisch ablaufenden Mitbewegungen bemerkbar, die zum Zustande¬ 
kommen motorischer Leistungen wichtiger sind als das Mitschwingen der Arme 
beim Gehen. Er kommt besonders dann zur Geltung, wenn es sich um etwas 
kompliziertere Mitbewegungen handelt. In vorgeschrittenen Fällen können sich je¬ 
doch auch bei einfachen Bewegungen, wie bei Faustschluß solche Ausfälle bemerk¬ 
bar machen; so bildet Förster die Hand eines Paralysis agitans-Kranken 
ab, bei der beim Faustschluß die normalerweise auftretende Streckbewegung 
ausgeblieben ist. Bei komplizierteren Bewegungen wird man auf diese Störungen 
aufmerksam, weil die Eleganz der Ausführung nachläßt. Erst allmählich ver¬ 
schlechtert sich auch die Qualität der Ausführung, dadurch, daß die kleinen 
Hilfsbewegungen ausfallen, die sonst die Äußerungen der groben Kraft ab¬ 
stufen, und die Ausführung glätten. Man muß sich vorstellen, daß beim Er¬ 
lernen und Einüben irgendwelcher, nicht ganz einfacher Bewegungen der Ab¬ 
lauf derselben zunächst in ähnlicher Weise plump und unelegant gewesen ist, 
weil einerseits die nötigen Hilfsbewegungen sich noch nicht in der richtigen Weise 
in den Zusammenhang eingefügt hatten, dann aber auch, weil der Körper bei 
der ungewohnten und deshalb anstrengenden Tätigkeit eine Reihe unnötiger 
Mitbewegungen ausführte, die die motorische Leistung unnötig komplizierten, 
zu viel Kraft kosteten und sie dadurch unelegant und plump aussehen ließen. 
Durch die Übung wird 1. ein genaueres Einspielen der Hilfsbewegungen er¬ 
reicht und 2. werden die unnötigen Mitbewegungen unterdrückt, so daß schlie߬ 
lich alle Bewegungen glatt vonstatten gehen und trotz der dabei beteiligten 
zahlreichen Hilfsbewegungen einen einheitlichen Eindruck machten. Diese Hilfs¬ 
bewegungen bleiben nicht nur dem oberflächlichen Beobachter verborgen, sondern 
auch die handelnde Person selbst ist sich ihrer nicht bewußt. Wenigstens 
denkt sie nur an die Lösung der vorschwebenden motorischen Aufgabe. Die 
dazu gehörenden Nebenbewegungen laufen von selbst ab, ohne daß eine will¬ 
kürliche Innervation der kleineren Hilfsbewegungen notwendig ist. 

Da diese Hilfsbewegungen normalerweise nicht besonders gewollt werden, 
sondern vielmehr reflektorisch ausgelöst zu sein scheinen, so kann auch ihr 
Fehlen nicht auf Mangel an Antrieb zurückgeführt werden, der ja nur bei 
rein willkürlichen Bewegungen eine Rolle spielen kann. In dieser Beziehung 
hat dieser Bewegungsausfall eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Ausfall mimi¬ 
scher Bewegungen. 

Vorübergehend gebessert werden können die durch Ausfall der Hilfsbewe¬ 
gungen gestörten motorischen Leistungen dadurch, daß der Kranke seine Auf¬ 
merksamkeit auf diese sonst automatisch ablaufenden Bewegungen richtet und 
sie gewissermaßen dadurch aus unwillkürlichen zu willkürlichen macht 1 ). Die 
Erkrankung eines Teils oder des ganzen Linsenkerns, dem wir offenbar neben 
anderen Funktionen auch die Regelung derartiger motorischer Mechanismen 
zuzuschreiben haben, stört den Ablauf erlernter Fertigkeiten dadurch, daß die 

2 ) Die hier in Betracht kommenden Vorgänge habe ich in einer Arbeit: Zum Ver¬ 
ständnis gewisser psychischer Veränderungen bei Kranken mit Parkinsonschem Symptomen- 
komplcx (Zeitschr. für die ges. Neurol. u. Psych. 76, 444, 1922) dargestellt. 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


143 


nötigen Mitbewegungen ausfallen, bzw. sich nicht mehr automatisch abspielen. 
Gerade auf diesen letzten Punkt ist besonders für die Anfangsstadien großer 
Wert zu legen; denn diese Bewegungen sind nicht ganz erloschen, sie 
können vielmehr auftreten, aber nur dann, wenn der Kranke ihre Notwen¬ 
digkeit einsieht und sie auszuführen beabsichtigt. So gelang es dem 
obenerwähnten Pat. auf Befehl seine Arme beim Marschieren rhythmisch 
pendeln zu lassen, aber nur, solange er daran dachte. Daß der Ersatz auto¬ 
matisch ablaufender Bewegungen durch gewollte der ganzen motorischen 
Leistung nicht zum Vorteil gereicht, ist verständlich, zumal da die Hilfs¬ 
bewegungen oft zeitlich nicht ganz richtig innerviert werden; ferner können 
unter Umständen nicht alle notwendigen Hilfsbewegungen durch Intention 
ersetzt werden, weil sie nicht alle bekannt sind und dann auch, weil man 
bei dem beschränkten Umfang der Aufmerksamkeit nicht in der Lage ist, 
mehrere Bewegungen beabsichtigt gleichzeitig auszuführen, die normalerweise, 
d. h. wenn die Überlegung nicht störend eingreift, ungehindert vonstatten 
gehen. Dadurch werden die Bewegungen auch langsamer, ihre einzelnen Kom¬ 
ponenten erscheinen auseinandergezogen, das Aufeinanderfolgen einzelner Hand¬ 
lungen und Teilakten von solchen verzögert, weil zu jeder Innervation ein 
neuer Entschluß gehört, dessen Verwirklichung Schwierigkeiten macht. 

Auffallend wird der Ausfall automatischer Hilfsbewegungen auch dann, 
wenn es sich um solche handelt, die den Körper im Gleichgewicht halten 
sollen. Der Körper kann z. B., wenn sein Schwerpunkt sich irgendwie ver¬ 
ändert hat, nicht von sich aus den richtigen Muskel oder die richtige Extremität 
innervieren, um den Ausgleich zu schaffen. Es ist dies unmöglich, obwohl 
das Gleichgewichtsorgan und die ihm zugehenden zentripetalen Bahnen nicht ge¬ 
schädigt sind. Es handelt sich daher nicht um eine eigentüche Gleichgewichts¬ 
störung, so wie sie Foerster für die Paralysis agitans in Anspruch nimmt, sondern 
um einen Mangel von Ausgleichsbewegungen, die für Aufrechterhaltung des 
Gleichgewichts notwendig sind. Man könnte vielleicht von einer peripher 
bedingten Gleichgewichtsstörung reden. Auch hier wird zuerst durch Ein¬ 
springen willkürlicher Bewegungen die Störung nicht allzu hochgradigerscheinen, 
ebenso wie anfangs bei Störungen des Gleichgewichts infolge Schädigung der 
zentripetalen Bahn andere Sinnesreize (Gesicht) den sensorischen Schenkel er¬ 
setzen können. Im weiteren Verlauf namentlich dann, wenn der Mangel an 
Innervationsbereitschaft auch die Innervation willkürlicher Bewegungen ver¬ 
langsamt bzw. unmöglich macht, oder wenn ein Rigor sich noch dazu gesellt, 
nimmt die Schwerfälligkeit so zu, daß die Kranken das Bild schwerer Asynergie 
bieten können, bei jeder zufälligen Verlagerung des Schwerpunktes wie steife 
Klötze hinfallen und motorisch völlig hilflos sind. 

Besonders deutlich tritt der Ausfall derartiger Hilfsbewegungen in Anfan gs - 
Stadien in Erscheinung bei der so oft beobachtoten Pro-, Retro- und Latero- 
pulsion, bei denen der Kranke seinem Schwerpunkt gewissermaßen nachläuft 
und nicht imstande ist, durch richtige Innervation der Bewegung Einhalt zu tun. 

Abgesehen von dem Ausfall an Hilfsbewegungen treten übrigens ebenso 
wie wir es bei dem Vorgang des Einübens erwähnt haben, auch unzweck¬ 
mäßige Mitbewegungen zuweilen auf, die ihren Ursprung wohl dem Umstande 
verdanken, daß die handelnden Personen beim Mißlingen der gewollten Be- 



144 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


wegungen ihre Ungeschicklichkeit durch vermehrten Kraftaufwand auszugleichen 
suchen. Wir sehen also, daß diese motorischen Störungen unter anderem ge¬ 
wissermaßen das Gegenteil von Übung und Lernen bewirkt, die Einheit von 
Hauptbewegungen und Hilfsbewegungen stört, ihre Verschmelzung löst und 
die einzelnen Komponenten trennt. 

Mit dem Bewegungsausfall und der Bewegungsverarmung hängt sehr eng zu¬ 
sammen das Symptom der reinen, d. h. nicht mit Rigor verknüpften Starre, di© 
sowohl auf dem Gebiet der Willkürbewegungen wie auch bei den mimischen 
und anderen unwillkürlichen Innervationen angetroffen wird. Entsprechend 
der in der Einleitung erwähnten Definition ist diese Starre keineswegs mit 
der Rigidität gleichzusetzen, es ist darunter vielmehr zu verstehen die Neigung 
der betroffenen Glieder und Körperabschnitte in dem gewohnten gegenseitigen 
Lageverhältnis zu bleiben. (Vgl. hierzu auch Stertz.) In der Ruhe imponiert dies 
Symptom nur als Bewegungsarmut, es fällt als etwas Besonderes erst dann auf, wenn 
der Kranke in Bewegung kommt: erhebt sich z. B. ein Gesunder von seinem 
Sitz, um wegzugehen, so verändert sich bei ihm die Körper- und Kopfhaltung 
sofort, auch die Arme nehmen eine ganz andere Lage ein. Ganz anders bei 
dem Parkinsonkranken. Bei ihm erinnert die Rumpfhaltung im Gehen ganz 
an die im Sitzen, die Arme sind in ihrem Lageverhältnis zum Rumpf kaum 
verändert, das gleiche gilt von der Kopfhaltung. Seinem Gang fehlt das Ela¬ 
stische, Federnde, das leichte Wiegen in den Hüften; das Lageverhältnis zwischen 
Becken; Wirbelsäule und Kopf usw. bleibt unverändert, nur die unumgänglich 
notwendigen Gelenke werden bewegt, alles übrige ist erstarrt. 

Auch wenn nur eine Extremität bewegt werden soll, finden wir ähnliche 
Erscheinungen der Starre: will ein derartiger Kranker z. B. jemand die Hand 
geben, so bewegt er den Arm fast nur im Schultergelenk. In den übrigen 
Gelenken bleibt das Lageverhältnis der einzelnen Gliedabschnitte untereinander 
ungefähr das gleiche. 

Sehr deutlich ist dies stets sich gleich bleibende Verhalten zuweilen im 
Gebiet der Gesichtsmuskeln zu beobachten, am charakteristischsten bei den 
Augenbewegungen: dreht ein Gesunder den Kopf zur Seite, so wendet sich 
der Blick nicht in gleicher Weise mit der Kopfbewegung, sondern die Augen 
setzen unabhängig davon ihre Bewegungen fort, ändern also das Lageverhältnis 
der Blickachse zur Achse des Gesichts. Liegt es in der Absicht des Betref¬ 
fenden, der Kopfdrehung auch eine Blickbewegung anzuschließen, um einen 
Punkt seitlich zu betrachten, so geschieht dies in ganz selbständiger Weise, 
die nicht von den Kopfbewegungen abhängt, sondern sich nach der Lage des 
fixierten Objekts richtet. Im Gegensatz dazu' behält bei vielen Parkinson¬ 
kranken die Blickrichtung auch bei Kopfdrehung stets dasselbe Verhältnis zur 
Achse des Gesichts und macht alle Kopfbewegungen mit, als ob die Augen 
fest eingesetzt seien. Zuweilen könnte man auch annehmen, daß die 
Kranken, wenn sie auf einen optischen Eindruck aufmerksam werden, diesem 
nicht durch eine Blickhinwendung allein entsprechen, sondern daß die beab¬ 
sichtigte Spähbewegung nunmehr von einer Kopfdrehung begleitet ist. Es 
fehlt offenbar die Fähigkeit, die Spähbewegungen mit den Augen, den Kopf¬ 
bewegungen organisch anzugliedern, so daß die beiden als Komponenten 
einer Hauptbewegung einander ergänzen, wie es der Gesunde ohne sein 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


145 


Augenmerk besonders darauf zu richten, jederzeit kann. Wir finden also 
auch hier dieselbe Erscheinung, die wir schon bei der Besprechung der auto¬ 
matisch ablaufenden Bewegungen beobachten konnten, daß nämlich das Zu¬ 
sammenspiel einzelner Bewegungskomponenten durch den Ausfall einer Anzahl 
unwillkürlicher, bzw. automatisierter Bewegungen, sehr leidet, und daß dadurch 
die Gesamtheit des motorischen Verhaltens plump, ungeschickt und langsam 
erscheint. 

HL 

Schon mehrfach wurde betont, daß das Zusammentreffen von Hypertonie 
und* primärer Störung der aktiven Bewegungen eine besonders hochgradige 
Verschlechterung aller Bewegungen zur Folge hat. Ein Einfluß dieser Kombi¬ 
nation ist auch für die vorkommenden Haltungsanomalien unverkennbar. 

Wir finden z. B. meist eine ausgsprochen kyphotische Haltung der Brust¬ 
wirbelsäule bei der Paralysis agitans, zuweilen auch bei Wilson. Diese kann 
das Resultat eines Spannungszustandes der Rumpfbeuger sein; zu dieser An¬ 
sicht kommt man besonders leicht, wenn man die Spannung der Halsmuskeln 
und der Bauchmuskeln in Betracht zieht. Man wird aber auch an eine Schwäche 
der Erectores trunci denken müssen. Namentlich führt dazu die Beobachtung 
die ich an mehreren Fällen von Enzephalitis mit dem Bilde der Paralysis 
agitans machen konnte: diese Kranken konnten sich wohl zu normaler Haltung 
aufrichten, aber nur für kurze Zeit. Ganz allmählich sanken sie dann mit 
dem Oberkörper und Kopf wieder nach vorne, ohne daß man eine besondere 
Spannung der der Untersuchung zugänglichen Rumpfbeuger konstatieren konnte: 
das allmähliche Zusammensinken der Pat. machte direkt den Eindruck einer 
Schwäche der Rückenmuskulatur und einer raschen Ermüdung, die durch ge¬ 
forderte Impulse immer wieder vorübergehend ausgeglichen werden konnte, 
wonach aber in um so kürzerer Zeit eine Erlahmung wieder ein trat. Die Pat. 
selbst können das Gefühl, das sie dabei haben, nicht recht beschreiben: „es 
sinkt zusammen“, „ich muß mich immer wieder neu anstrengen, aber ich kann 
es nicht lange aushalten,“ sind die Äußerungen. Ich glaube, aus den Beobach¬ 
tungen mit einer gewissen Sicherheit schließen zu können, daß auch eine 
Muskelschwäche gerade bei der Rumpfhaltung eine Rolle spielt, nicht im 
Sinne einer Lähmung von willkürlichen Muskelgruppen, nein, es macht viel¬ 
mehr den Eindruck, als ob Muskeln, die die Haltung normalerweise bewirken, 
diese Funktionen nicht mehr von selbst ausführen, sondern erst durch 
besondere willkürliche Impulse dazu immer wieder neu angestachelt 
werden müssen! (Vgl. auch die auf S. 142 zitierte Arbeit.) 

Einen ganz sicheren Einfluß besitzt der ftigor in Verbindung mit der extra¬ 
pyramidalen Parese auf die Fixierung der Haltung. Einerseits erschwert 
es der Rigor auch bei normal funktionierenden Bewegungen, der betreffenden 
Extremität oder dem Rumpf eine andere Lage zu geben, unmöglich aber 
wird eine solche Veränderung, wenn auch noch der Bewegungsantrieb herab¬ 
gesetzt, wenn die Bewegungen an sich verlangsamt sind und bei Widerstand 
rasch erlahmen oder wenn paretische Zustände noch hinzukommen. Zu er¬ 
wähnen ist dann noch der Mangel an unwillkürlichen Bewegungen, die eben¬ 
falls in der Lage wären, die Fixierung und Dauerhaltung zu stabilisieren. 

Schwer verständlich erscheint mir die Beobachtung, daß bei der Paralysis 

Bostroem, Symptomenkomplex. 10 



146 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

agitans die typische Handhaltung (Interosseusstellung der Finger zuweilen mit 
Ulnarwärt8wendung und Oppositionshaltung des Daumens) so häufig ohne 
eigentliche Muskelspannung zustande kommt. Man hat zunächst den Eindruck, 
die Handhaltung müsse durch lebhafte Muskelanspannung fixiert sein; biegt 
man die Hand auf, so erfolgt häufig gar kein oder nur ein ganz geringer 
Muskelwiderstand. Die Hand läßt sich leicht öffnen, und trotzdem nehmen 
die Finger, wenn man sie losläßt, sehr rasch die ursprüngliche Lage ein, ja 
oft schnellen sie geradezu in die alte Haltung zurück, trotzdem auch hier 
keine eigentlichen Spannungen Vorgelegen haben. 

Es erinnert dies etwas an die bei der athethotischen Dauerhaltung be¬ 
schriebenen Zustände. Ich kann mir beide Erscheinungen nur so erklären, 
daß anfangs ein Muskelzug bzw. ein dauernder Rigor bestanden hat, der der 
Hand bzw. den Fingern die Stellung gegeben hat. Diese Stellung ist zur 
Gewohnheit geworden, und es haben sich dadurch sekundäre Veränderungen 
in den Muskeln und vielleicht auch in den Gelenken gebildet, die dann Veran¬ 
lassung gaben, die Haltung immer wieder einzunehmen. Das spätere Auftreten 
sekundärer Gelenkveränderungen sowohl bei Paralysis agitans wie bei Athetose 
spricht für diese Annahme. Auch an den Füßen finden wir fixierte Haltungen, 
meist handelt es sich um Spitzfußstellungen, vereinzelt auch Spitz-Hohlfu߬ 
stellung mit krallenartiger Biegung der Zehen. 

Dieselbe Kombination von Rigor, Bewegungsarmut, Mangel an selbständigem 
Antrieb ist die Ursache für das oft beachtete Verharren in Haltungen. Die 
Kranken bleiben nicht nur in passiv gegebenen Stellungen, sondern sie erstarren 
zuweilen auch während aktiv vorgenommener Bewegungen, sei es spontan oder 
infolge einer zufälligen Ablenkung. 

Die Rigidität prädisponiert deswegen zu solchen Erscheinungen, weil der 
rigide Muskel ganz besonders die Neigung hat, bei Annäherung der Insertions¬ 
punkte in Kontraktionen zu geraten und andererseits durch Dehnung nicht 
zum Widerstandleisten gebracht zu werden. Die Kontraktion tritt sofort ein, 
und nicht etwa erst nach längerer Zeit, wie es auch bei Erkrankungen der 
Pyramidenbahn Vorkommen kann. 

Foerster hat daraufhingewiesen, daß immer nur ein Glied zurzeit diese 
kataleptische Haltung annehmen kann. Ich glaube, daß dies zum mindestens, 
nicht allgemeine Giltigkeit hat; denn in weiter vorgeschrittenen Fällen von 
Paralysis agitans, arteriosklerotischer Muskelstarre usw. gelingt es ohne Schwie¬ 
rigkeiten, auch mehrere Extremitäten in eine kataleptische Haltung zu bringen. 
Charakteristisch für die ausgesprochenen Formen dieses Verharrens in Haltungen 
ist, daß es sich tatsächlich um eine geradezu wächserne Biegsamkeit handelt, 
der nicht nur die proximalen Extremitätenenden unterworfen sind, sondern 
auch die Finger bleiben zuweilen in jeder beliebigen Haltung, in die man sie 
bringt. Die Dauer dieses Verharrens ist oft eine recht lange, Ermüdungs¬ 
erscheinungen treten spät auf; von der Katalepsie bei Katatonie unterscheiden 
sie sich häufig durch das Gefühl des wächsernen Widerstandes, den passive 
Bewegungen erfahren. 

Die krankhaften Erscheinungen der Sprache, des Schluck- und Kauaktes 
sind zum Teil ebenfalls durch eine Kombination der Rigidität mit der extra- 
pyramidalen Parese bedingt: 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


147 


Das Eintönige, Leiernde in der Sprache bei Paralysis agitans ist wohl als 
Analogon zu der Ausdruckslosigkeit der Gesichtsmimik aufzufassen. Ich glaube, 
daß die Unmöglichkeit Affekte im mimischen Ausdruck wiederzuspiegeln oder 
sie durch Körpergesten auszudrücken dem gleichen krankhaften Vorgang ent¬ 
springt, wie die Unfähigkeit der Sprache Melodie und Ausdruck zu verleihen. 
Es handelt sich m. E. bei dieser Eigenheit der Sprache um ein Symptom, das 
dem Ausfall an Mimik unterzuordnen ist. 

Das bei der Pseudosklerose oft beobachtete Skandieren läßt sich am besten 
auf die Innervationserschwerung und die verzögerte Aussprechbarkeit der Sprach- 
muskulatur zurückführen. Daß es auch ohne Hypertonie der Gesichtsmuskeln 
Vorkommen kann, zeigen die Fälle von Rausch und Schilder sowie meine 
eigenen Beobachtungen R. und Gö. 

Bruns, der bei der Paralysis agitans auf das Vorkommen bulbärer 
Störungen aufmerksam gemacht hat, führt diese auf eine gleichmäßige, mit 
Versteifung und Verlangsamung verbundene Parese zurück. Zingerle hat 
die Erfahrung gemacht, daß sich bei Patienten mit hochgradigsten Schluck¬ 
störungen im Verlauf von Paralysis agitans durch energische Anspannung der 
Initiative schließlich noch willkürliche Schluckbewegungen erzielen lassen. 
Schon aus diesem Grunde sind die Störungen vollkommen verschieden von 
den bei Pseudobulbärparalyse. Eine ähnliche Beobachtung berichtet übrigens 
Economo; hier gelang es, einen an Wilsonscher Krankheit leidenden, muti- 
stischen Patienten durch elektrische Behandlung vorübergehend zum Reden 
zu bringen. Jedenfalls sprechen diese Beobachtungen dafür, daß nach Über¬ 
windung eines Widerstandes, der offenbar in der Rigidität der Muskeln liegt, 
eine gewisse Leistung noch erzielt werden kann. Wilson führt die bei seinen 
Fällen beobachteten bulbären Erscheinungen im wesentlichen auf die Hyper¬ 
tonie zurück und erwähnt paretische Erscheinungen nicht in diesem Zusammen¬ 
hang. Aber schon das Offenstehen des Mundes, das gerade bei den Wüson- 
schen Fällen auffiel, läßt auch hier eine paretische Komponente erkennen. Man 
wird also nicht fehlgehen, wenn man die Dysarthrie und Dysphagie zurück¬ 
führt sowohl auf Schwächezustände gewisser Muskelgruppen und auf Rigidi¬ 
tät anderer. 

Dazu kommt noch, worauf Stertz auch aufmerksam macht, der Umstand, 
daß die Erschwerung der Bewegungsfolgen gerade beim Kauen sich sehr störend 
bemerkbar macht, und daß besonders hier das „Vermögen der Umschaltung 
der agonistischen in die antagonistische Innervation“ sich rasch erschöpft. Ob 
diese Adiadochokinese der Kau bewegungen durch einen vorhandenen Rigor 
hervorgerufen oder nur verstärkt wird, ist schwer zu sagen. 

Das gleiche gilt auch von der Adiadochokinese der Extremitäten. Es ist 
fraglich, ob man bei Vorhandensein einer Muskelrigidität überhaupt von Adia¬ 
dochokinese in eigentlichem Sinne sprechen kann, da die Muskelspannungen 
schon allein die Aufeinanderfolge rascher Bewegungen verhindern. Vogt spricht 
daher von Pseudo adiadochokinese. Offenbar kommt aber auch, die echte Adia¬ 
dochokinese vor, wie ein Fall von Rausch und Schilder zeigt, bei dem die 
Ausführung aufeinanderfolgender antagonistischer Bewegungen beeinträchtigt 
war, ohne daß gleichzeitig Hypertonie bestand. Ich selbst habe auch einige 
Fälle beobachten können, bei denen die Adiadochokinese nicht allein durch 

10* 



148 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

den nur angedeuteten Rigor vorgetäuscht sein konnte, sondern offenbar 
echt war. 

Am stärksten leiden die feineren willkürlichen Bewegungen unter der Kom¬ 
bination von Hypertonie mit den primären Bewegungsstörungen. Die Finger¬ 
bewegungen werden sonderbar vertrackt, man hat den Eindruck, als seien die 
Finger von Kälte erstarrt, verklammt; die Kranken fassen kleine Objekte 
nicht mit den Fingerspitzen an, sondern die Gegenstände werden zwischen die 
Volarfläche des ganzen Daumenvorderglieds und die zweite Zeigefingerphalanx ge¬ 
preßt. Der ausgeübte Druck ist oft ein übermäßiger, die Kranken umklammern 
gefaßte Gegenstände krampfhaft und können nicht gleich wieder loslassen. 

Im einzelnen wird es sehr schwer sein scharf zu trennen, welche Störung 
der Bewegungsfähigkeit durch die Rigidität der Muskeln bedingt ist, welche 
durch Ausfall von Bewegungen, durch Verlangsamung derselben, und welche 
durch den Mangel an Antrieb überhaupt nicht begonnen werden. Alle 
diese Symptome können sich durchflechten und dann zu scheinbar ein¬ 
heitlichen Bewegungsanomalien führen, deren Zusammensetzung aus verschie¬ 
denen Komponenten besonders solche Fälle vor Augen führen, bei denen eine 
Teilerscheinung, z. B. der Rigor, fehlt. 

Ganz besonders gewinnt man den Eindruck, als ob es durch das Zusammen¬ 
treffen der verschiedenen Komponenten der Bewegungsstörung unmöglich 
gemacht wird, feinere Bewegungen, namentlich die Finger isoliert auszuführen, 
als ob das abgestufte Spiel der Einzelbewegungen besonders stark gelitten hat, 
während plumpes Zugreifen noch relativ gut erhalten ist und mit guter Kraft 
ausgeführt wird. 

IV. 

Das dritte Hauptsymptom des Parkinson-Wilson sehen Symptomenkomplexes 
besteht in dem Auftreten von Zitter- und Wackelbewegungen. In weitaus den 
meisten Fällen ist dies Symptom in irgendeiner Form vorhanden. Und zwar 
gehört es auqli zu den Westphal-Strümpel sehen Pseudosklerosen. Es fehlt nur 
vereinzelt bei Wilson scher Krankheit und bei der sogenannten Paralysis agitans 
sine agitatione. Wilsonfälle ohne Tremor sind beschrieben von Economo 
(mit Sektion) und von Stertz; zwei Fälle wurden von Chotzen in der Bres¬ 
lauer Psychiatrisch-Neurologischen Gesellschaft demonstriert. In allen übrigen 
Fällen Wilsonscher Krankheit tritt ein Zittern stets mehr oder weniger stark 
hervor. Besonders stark und in die Augen fallend sind die unwillkürlichen 
Bewegungen bei der Pseudosklerose. 

Bei den Zittererscheinungen dieser Gruppe haben wir rein symptomatologisch 
zu unterscheiden das Ruhezittern der Paralysis agitans, das Intentionszittern 
der Wilson sehen Krankheit und das grobschlägige Wackeln der Pseudosklerose. 
Eine Verwandtschaft des Wackelns der Pseudosklerose mit dem Zittern des 
Wilson ist dadurch gegeben, daß beide Erscheinungen an den Bewegungsablauf 
geknüpft sind. Da außerdem zahlreiche übergangsfälle Vorkommen, da ferner 
im einzelnen Fall sich das Zittern zum Wackeln weiter entwickeln kann, ist 
an der Einheitlichkeit dieser beiden Störungen meines Erachtens nicht zu 
zweifeln. 

Ein gewisser Gegensatz besteht jedoch gegenüber der Paralysis agitans, bei 
der zwar Erregungen den Tremor verstärken können, während willkürliche 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


149 


Bewegungen meist, wenigstens vorübergehend, das Zittern zum Schwinden 
bringen. Daß dieser Unterschied keine grundsätzliche Verschiedenheit zu be¬ 
deuten braucht, wurde oben schon angeführt. Die symptomatologischen Dif¬ 
ferenzen der unwillkürlichen Bewegungen bei Wilson, die ihrer Form nach 
den Zitterbewegungen der Paralysis agitans ähneln, und den bei Pseudosklerose 
sind bei der Besprechung des Zusammenhanges beider Erkrankungen ausführlich 
erwähnt worden. Hier soll zunächst untersucht werden, ob den Tremorformen 
besondere klinische Eigenschaften zukommen, namentlich mit Rücksicht auf 
eine feinere Einteilung, sowie auf nähere Lokalisation der Erscheinungen. Auch 
auf den Zusammenhang von Rigor- und Zitterbewegungen wird einzugehen sein. 
Zunächst folgt eine kurze Übersicht über die Befunde der verschiedenen Autoren 
hinsichtlich der unwillkürlichen Bewegungen. 

In den meisten Fällen, die Wilson selbst beschreibt, trat der Tremor früh¬ 
zeitig auf. Es handelte sich um regelmäßige rhythmische alternierende Kon¬ 
traktionen einer Muskelgruppe und ihrer Antagonisten; die Schwingungszahl 
betrug vier bis acht in der Sekunde (etwa entsprechend der Paralysis agitans), 
bei Erregung und intendierten Bewegungen nahm der Tremor zu, zuweilen 
konnte er jedoch durch den Willen vorübergehend unterdrückt oder vermindert 
werden. Bei stärkerer Kraftanstrengung verschwindet er unter Umständen in 
dem innervierten Gliede, um nach einer anderen Extremität auszustrahlen. 
Die distalen Enden der Extremitäten sind stärker betroffen als die proximalen, 
die Zunge ist am Zittern meist beteiligt. Mit Fortschreiten der Krankheit 
wird auch der Tremor stärker. Seine Exkursionen nehmen zu, und er dehnt 
sich unter Umständen auf den ganzen Körper aus. Bei den chronischen Fällen 
Wilsons war der Tremor konstant, in anderen, mehr akut verlaufenden, kam 
es dazwischen zu Attacken von Zittern; ich halte es für möglich, daß es sich 
dabei um ähnliche Anfälle gehandelt hat, wie wir sie bei der Pseudosklerose 
beobachten können. Athetotische und choreatische Bewegungen fehlten stets, 
wie Wilson ausdrücklich hervorhebt. Choreatische Bewegungen aber lagen in 
dem Fall von Anton vor, und auch Gowers spricht in seinem ersten Falle von 
Ähnlichkeit mit athetotischen und choreatischen Bewegungen, beim zweiten 
erwähnt er direkt »choreic movements«. Eine genaue Beschreibung der Be¬ 
wegungen fehlt. In Ormerods Fall spielen unwillkürliche Bewegungen in der 
Krankengeschichte noch kaum eine Rolle. 

Bei den Fällen Home ns wird nur ein leichtes Zittern der Hände ohne 
genaue Beschreibung erwähnt, das teils immer bestand, teils anfallsweise auftrat. 

In bezug auf den Tremor gleicht den Wilson sehen Originalfällen Fall 2 von 
Stertz. Der Tremor entspricht auch hier dem der Paralysis agitans, er besteht 
schon in der Ruhe, wird aber bei Intentionen stärker und geht bei Kraft¬ 
leistungen in grobes Wackeln über, wie es bei weiter fortgeschrittenen Fällen 
von Wilson ebenfalls beobachtet wird. 

Ähnliches gilt von dem Stöckersehen Fall, nur war hier der Tremor nicht 
konstant, sondern trat in „Schauem“ auf. 

Eine genauere Beschreibung der Bewegungsstörungen geben Gerstmann 
und Schilder in einem Fall von Linsenkernerweichung. Der Tremor ist hier 
als grobes Wackeln geschildert, das in der Richtung der beabsichtigten Intention 
vor sich geht. Die oberen Extremitäten sind stärker betroffen, der Tremor 



150 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

setzt vorzugsweise an den Handgelenken ein, im Bereich der Unterextremitäten 
ist die Oberschenkelmuskulatur befallen. Bei Intentionen wird das Zittern 
stärker, das Wackeln überdauert häufig die Intentionen, wodurch unter Um¬ 
ständen der Eindruck eines Spontantremors zustande kommt. 

Für die bei Wilsonscher Krankheit beobachteten unwillkürlichen Bewegungen 
kann demnach als charakteristisch angenommen werden ein feines rhythmisches 
Zittern, ähnlich dem der Paralysis agitans unter vorzugsweiser Beteiligung der 
distalen Extremitäten. In der Ruhe ist der Tremor geringer oder er fehlt; 
bei Bewegungsimpulsen wird er stärker, bei Kraftanstrengung kann er in grobes 
Wackeln übergehen, wozu namentlich die vorgeschrittenen Fälle zu neigen 
scheinen. Immer ist der Tremor verknüpft mit Rigidität der Muskulatur. Daß 
der Tremor bei Paralysis agitans prinzipiell von dem bei Wilsonscher Krank¬ 
heit verschieden ist, glaube ich nicht. Der einzige Unterschied, daß es sich 
bei der Parkinsonschen Krankheit um einen Ruhetremor handelt, ist nicht so 
konstant, um eine Trennung der beiden Tremorarten zu ermöglichen. 

Strümpell führt das Zittern zurück auf eine Störung in der normalen 
Gleichzeitigkeit und Gleichmäßigkeit der myostatischen Innervation. Er be¬ 
zeichnet das typische Zittern als Antagonistentremor, weil die zur Erhaltung der 
statischen Fixation eines Gelenks erforderliche Innervation der antagonistischen 
Muskeln nicht mehr gleichzeitig, sondern abwechselnd erfolge. Strümpell 
will dadurch auch das häufige Zusammentreffen von Zittern mit Rigor, der 
ebenfalls eine myostatische Störung darstellt, erklären. Dieser Zusammenhang 
scheint mir nicht durchaus festzustehen, weil der Rigor ja gerade eine gleich¬ 
mäßige Steigerung der myostatischen Innervation ist. Außerdem treten die 
Zitterbewegungen bei Wilson scher Krankheit und bei Paralysis agitans gerade 
an den distalen Extremitätenenden auf, während der Rigor sich mehr an den 
proximalen Teilen lokalisiert. 

Strümpell unterscheidet das eigentliche oszillatorische, in der Ruhe auf¬ 
tretende statische Zittern, von der ataktischen Unsicherheit der Bewegungen, 
die auf der mangelhaften sensorischen Regulation der myomotorischen Inner¬ 
vation beruhen soll. Wie schon erwähnt, ist das Zittern der Wilson sehen 
Krankheit keineswegs ein Ruhezittem, sondern es tritt bei Bewegungen stärker 
auf. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Formen der Zitter- und Wackel¬ 
bewegungen hält Strümpell für rein quantitativer Natur. Seiner Ansicht 
nach tritt das Zittern je nach der Stärke der dabei gewissermaßen auseinander¬ 
gerissenen myostatischen Innervation bald als feinschlägiger oder grobschlägiger 
Tremor, bald als förmliches Wackeln auf, das am stärksten bei der Pseudo¬ 
sklerose beobachtet wird. Ich glaube auch, daß diese verschiedenen Formen 
des Zitterns durch fließende Übergänge verbunden sind, dafür spricht auch die 
Beobachtung, die man bei der Wilson sehen Krankheit gemacht hat, daß das 
ursprüngliche feine Zittern bei Erregungen gröber und schüttelnd wird und 
auch gelegentlich weiter um sich greift, ebenso auch bei der Paralysis agitans, 
wo das in späteren Stadien so oft vorhandene Schütteln der Hände geradezu 
an Trommelschlagbewegungen erinnert. 

Eine andere Frage ist die, ob das grobe Wackeln der Pseudosklerose sich 
ebenfalls aus den feinen Zitterbewegungen herleiten läßt, oder ob es sich dabei 
um eine andere Art von Bewegungen handelt. Der Umstand, daß bei man- 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


151 


chen Fällen von Pseudosklerose anfangs die Diagnose Paralysis agitans gestellt 
worden ist, würde für die erste Annahme sprechen. Die meisten Beschrei¬ 
bungen der Zitterbewegungen bei vorgeschrittener Pseudosklerose zeigen aber 
ein anderes Bild als das feine Zittern der Parkinson sehen Krankheit. Da bis 
jetzt Zusammenfassungen darüber nicht existieren, und ich selbst in der Lage 
bin, über mehrere Fälle von Pseudosklerose zu berichten, will ich diese Dar¬ 
stellung etwas ausführlicher gestalten und dabei besonders der Frage nachgehen, 
ob es sich bei dieser Bewegungsstörung um eine Ataxie handelt. Nicht alle ver¬ 
öffentlichten Fälle sind in gleicher Weise für die Untersuchung zu verwerten, 
da sie zum Teil von anderen Gesichtspunkten ausgehend beschrieben sind, da 
ferner zum Teil speziell auf die Einzelheiten der Bewegungsstörungen nicht 
so genau geachtet worden ist. 

Der von Völsch beschriebene Fall scheint ebenso wie die Alzheimers 
hinsichtlich des Tremors anfangs eine gewisse Ähnlichkeit mit den Wilsonschen 
Fällen gehabt zu haben, insofern, als auch hier zunächst ein rhythmisches 
Zittern bestand, das erst allmählich in grobes Wackeln und ausfahrende Be¬ 
wegungen überging. Hierher gehört auch der Fall, dessen Sektionsbefund ich 
veröffentlicht habe, bei dem anfangs paralysis agitans-ähnliche Erscheinungen 
Vorgelegen hatten, während in der Zeit kurz vor dem Tode mehr grobe Wackel¬ 
bewegungen beobachtet wurden. 

Der Fl ei sc her sehe Fall 1 zeigt ebenfalls zunächst feine Zitterbewegungen, 
die Fleischer als Bewegungstremor einem Intentionstremor gegenüberstellt. 
Im Laufe der Erkrankung kam es auch hier zu grobem Wackeln des ganzen 
Körpers. Weniger hochgradig scheint dies im Falle 3 vorhanden gewesen zu 
sein, allerdings war die Erkrankung hier nicht so weit vorgeschritten. Fall 2 
begann ebenfalls mit Zittern, zur Zeit der Untersuchung bestand hochgradiges 
Wackeln des ganzen Körpers, das bei Intentionen zunahm, starke Ataxie, die 
Hände waren mehr befallen als die Beine. 

Die beiden Patienten, an denen C. Westphal das Krankheitsbild der 
Pseudosklerose zuerst erkannte, zeigten ein Zittern, das durch Auftreten bei 
Bewegungen und Nachlassen in der Ruhe charakterisiert war. Es muß schlie߬ 
lich ziemlich erheblich geworden sein, denn die Patienten konnten nicht mehr 
alleine essen: also auch hier eine Entwicklung vom feinen Zittern zum groben 
Wackeln. 

Die erste genauere Beschreibung des für die Pseudosklerose charakteristischen 
Wackelns finden wir in der Veröffentlichung von Strümpell 1898. Die Er¬ 
krankung begann mit einer Ungeschicklichkeit der Hände; zur Zeit der Unter¬ 
suchung findet sich ein rhythmisches Zittern in den Armen, das nur bei Inten¬ 
tionen, allerdings schon bei den geringsten Innervationsantrieben auftritt; sowie 
die Arme unterstützt werden, hört das Zittern auf. Die Zitterbewegungen 
sind nicht sehr schnell, etwa 120 in der Minute, sie zeigen große Exkursionen 
und nehmen bei jedem Bewegungsversuch an Heftigkeit sehr rasch zu. Pro¬ 
portional mit der Schwierigkeit der gewollten Bewegung verstärken sich auch 
die Zuckungen. Sehr charakteristisch ist folgende Beschreibung: Will der 
Patient die Spitzen beider Zeigefinger aneinanderlegen, so schlägt er fort¬ 
während mit der rechten Hand an die linke und umgekehrt. Soll der Patient 
ein Taschentuch aus der Hosentasche nehmen, so geraten beide Arme in ein 



152 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wileonsche Krankheitsgruppe. 

starkes Schlagen und Stoßen. — Strümpell bezeichnet diese Bewegungen als 
klonische; beteiligt sind fast alle Gelenke der oberen Extremität, bisweilen 
kann man durch sanftes Festhalten der zitternden Arme die Bewegung vor¬ 
übergehend zur Ruhe bringen. An den Beinen sind derartige Erscheinungen 
nicht ausgesprochen. 

Auch der zweite Fall der damaligen Veröffentlichung Strümpells zeigt 
bei allen Bewegungen Zittern und unsicheres Wackeln, keinen rhythmischen 
Tremor. Eine gewisse Ataxie findet sich hier auch an den Beinen. 

Trotz vieler Ähnlichkeiten (z. B. Auftreten bei Intentionen) unterscheidet 
Strümpell dies Zittern von dem der multiplen Sklerose. Er betont jedoch, 
daß eine dem Intentionszittem der multiplen Sklerose ähnliche Bewegungs¬ 
störung namentlich bei dem zweiten Fall nebenher zuweilen vorkommt. Von 
dem gleichfalls oszillatorischen Zittern der Paralysis agitans unterscheidet sich 
nach Strümpell das Zittern der Pseudosklerose deshalb, weil das letztere 
mehr die proximalen Gelenke betrifft, langsamer verläuft und größere Exkur¬ 
sionen macht. 

Der von Strümpell und Handmann 1914, sowie der von Strümpell 
1916 publizierte Fall 1 gleichen in bezug auf die unwillkürlichen Bewegungen 
sehr den zuerst beschriebenen Fällen von Strümpell. Es handelt sich auch 
hier um ein rhythmisches oszillatorisches Zittern von großer Stärke der Einzel¬ 
bewegung (schlagen) mit beträchtlichen Exkursionen der bewegten Teile. Bei 
völliger Entspannung der Muskeln hört das Zittern auf. Bei jeder willkürlichen 
Bewegung und seelischen Erregung kommt es zum Vorschein und nimmt ent¬ 
sprechend der Schwierigkeit der beabsichtigten Bewegung an Stärke zu. Die 
Zahl der Schwingungen in der Minute beträgt 120 — 180, die Stammuskeln 
verhalten sich verschieden; bei Strümpell und Handmann waren sehr starke 
Zuckungen im Pectoralis vorhanden, und auch die Schultermuskeln waren er¬ 
heblich beteiligt, während bei dem zweiten Falle mehr die distalen Enden 
befallen sind. Der Kopf ist beide Male mit ergriffen, er bewegt sich im ersten 
Fall in allen möglichen Ebenen, während er im zweiten die sagittale Richtung 
bevorzugt. Diese Kopfbewegungen werden von Zuckungen der tiefen Nacken¬ 
muskeln bewirkt, die äußerlich sichtbaren Halsmuskeln sind frei. Auch bei 
den Armen ist die Schwingungsebene nicht immer die gleiche; am stärksten 
tritt das Zittern auf in den Muskeln, die zur Fixation der gerade beabsichtigten 
Haltungen am nötigsten sind, z. B. bei halber Beugehaltung des Armes im 
Biceps. Die Beine waren nicht ganz verschont, aber bedeutend weniger am 
Zittern beteiligt. Bemerkenswert ist, daß beide Erkrankungen ohne Muskel¬ 
rigidität einhergehen. 

Weitgehende Ähnlichkeit zeigt der Fall von Rausch und Schilder. Auch 
hier fehlt die Muskelrigidität, anfangs besteht nur ein feines Zittern, das im 
Verlauf der Erkrankung stärker wird und schließlich mehr einem Wackeln oder 
Schlagen gleicht. Die Verfasser heben hervor, daß jede aktive Spannung, auch 
wenn sie nur statischen Zwecken dient, in den angestrengten Muskeln und 
ihren Antagonisten ein Schütteln wachruft. Das grobe Wackeln bleibt meist 
in der Ebene der Intention; neben dem Wackeln ist eine Ataxie, besonders 
eine Rumpfataxie nachzuweisen. Auch A. Westphal erwähnt atakische Stö¬ 
rungen neben den, den eben erwähnten Fällen fast völlig gleichen Zitter- 


Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


153 


erscheinungen. Im Verlauf der Erkrankung tritt das grobe Wackeln auch am 
Kopf und am Rumpf auf. 

Die Steigerung von ursprünglich leichtem feinschlägigen Zittern zu grobem 
Wackeln im Verlauf der Erkrankung finden wir auch in den Oppenheim- 
schen Fällen. Bei beiden ist der Tremor in der Ruhe schon wenigstens an¬ 
gedeutet vorhanden. Er steigert sich aber auch erheblich durch Intentionen. 
Im übrigen handelt es sich auch hier um ein langsames Schlagen, Wackeln 
und Zittern, an dem außer den Armen auch Rumpf und Kopf beteiligt sind, 
weniger die Beine. Besonders deutlich wird die Störung, wenn der Arm sich 
in der Mitte zwischen extremer Beugung und Streckhaltung befindet. 

Die Fähe von Dziembowski weisen bezüglich des Zitterns keine beson¬ 
dere Abweichung von den zuletzt erwähnten auf. Im Falle Söderberghs 
handelt es sich um ein sehr feinschlägiges Zittern, das anfallsweise auftritt 
bzw. durch Intentionen ausgelöst werden kann. 

Diese Literaturzusammenstellung kann ich ergänzen durch einige eigene 
Beobachtungen von Pseudosklerosefällen: Zunächst sei über drei Fälle be¬ 
richtet, die eine recht erhebliche Übereinstimmung hinsichtlich der Zitter¬ 
bewegungen zeigen, während der vierte Fall, der klinisch mehr der Wilson¬ 
gruppe ähnelt, in einigen Punkten von den übrigen abweicht. Die zuerst 
zu besprechenden Fälle E. R., Gö. und Be. sind frei von jeder Muskelrigidität. 
Ruhetremor fehlt fast ganz. Am Zittern beteiligt sind am stärksten die 
Arme und der Kopf. Die Beine sind nur bei E. R. stärker mitbefallen. Bei 
jeder Bewegungsintention, bei jeder, auch der kleinsten Erregung, wie sie 
schon das bloße Anreden mit sich bringt, beginnt ein schweres Wackeln aller 
nicht unterstützter Glieder und des Kopfes, in der Minute treten etwa 80 bis 
120 Oszillationen auf, die sehr grobschlägig sind und am meisten an Schlagen 
und Wackeln erinnern. Die Arme gestreckt zu halten gelingt für einige Se¬ 
kunden ohne Wackeln, dann beginnt aber ein leichtes Wackeln in den Ober¬ 
armmuskeln, so daß die Patienten nach kurzer vergeblicher Anstrengung die 
Arme sinken lassen. Am stärksten wird das Wackeln übereinstimmend in 
allen Fällen beim Krümmen der Arme im Ellenbogen. Kaum ist die Beuge¬ 
bewegung erfolgt, so beginnt der Unterarm in groben Schlägen hin und her 
zu wackeln, und zwar nicht nur in der Ebene der Intention, sondern auch in 
allen anderen Richtungen, das Wackeln nimmt sehr rasch sowohl an Schwin¬ 
gungsweite wie auch an Tempo zu, die Hand wird dabei locker im Hand¬ 
gelenk hin und her geschleudert, so daß die Fingerspitzen schonungslos gegen 
jeden in der Nähe befindlichen Gegenstand geschlagen werden, alle Bewegungen 
nehmen kreszendoartig sehr rasch zu, so daß die Kranken nach wenigen Augen¬ 
blicken den Arm fallen lassen müssen. Dies verstärkte Auftreten bei Beuge¬ 
bewegung des Armes entspricht anscheinend auch der Beobachtung von Oppen¬ 
heim, daß die Mittelstellung zwischen Beuge- und Streckbewegung am meisten 
zu dem Schütteln prädisponiert. Offenbar hat Strümpell eine ähnliche Er¬ 
scheinung im Auge, wenn er hervorhebt, daß die Zitterbewegungen am stärksten 
in den Muskeln auftreten, die zur Innehaltung der beabsichtigten Stellung am 
meisten benötigt werden. Es treten aber bei der hier beobachteten Erschei¬ 
nung nicht nur der Bizeps, sondern auch sehr rasch alle anderen Oberarm¬ 
muskeln mit in Tätigkeit. 



154 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Das Zustandekommen der Zitterverstärkuug beim Beugen der Arme kann 
man folgendermaßen erklären: Die Fixierung des Armes in Streckhaltung ge¬ 
lingt den Kranken offenbar durch eine gleichmäßige Innervation aller Ober¬ 
muskeln, wodurch der Unterarm gewissermaßen an den Oberarm herangezogen, 
an die Gelenkfläche gepreßt wird. Das Olekranon unterstützt diese Fixierung 
noch besonders gut. Dieser Fixierung gelingt es, die Unsicherheit für eine 
Zeitlang zu überwinden, das Wackeln zu unterdrücken. Wird der Unterarm 
aber gebeugt, so muß diese Fixierung gelöst werden, und es ist für die Dauer 
der Bewegung ein elastisches Spannungsverhältnis zwischen der Innervation 
der Agonisten und Antagonisten nötig. Die Patienten sind aber nur zu groben, 
unabgestuften Innervationen fähig, und so kommt bei den Bewegungsversuchen 
das heftige Wackeln zustande. 

Sowie man den Arm ausgiebig unterstützt, gelingt es in jeder beliebigen 
Lage das Zittern zu beseitigen. Die Patienten selbst haben, wie es übrigens 
auch bei manchen Beschreibungen erwähnt ist, fast alle eine gewisse Haltung 
oder einen Kunstgriff, vermittels derer es ihnen gelingt, das Zittern zu be¬ 
seitigen, so daß sie zu den notwendigsten Handlungen noch fähig sind. Pat. 
E. R. verschränkte z. B. die Arme hinter dem Rücken, wenn sie gehen wollte, 
andere legen sich den Arm hinter den Kopf, usw. 

Der Kopf wackelt meist in sagittaler Richtung, am stärksten beim Gehen. 
Das Kopfwackeln tritt besonders auch dann in die Erscheinung, wenn der 
Oberkörper eine Beugung erfährt, wie beim Bücken oder Aufrichten aus dem 
Liegen. Offenbar verstärken auch hier die unsichereren mechanischen Verhält¬ 
nisse der Beugehaltung die Zitter- und Wackelbewegungen. 

Neben diesen charakteristischen groben Wackelbewegungen sieht man bei 
Gö. und E. R. zuweilen auch in der Ruhe ganz feine leichte Zitterbewegungen 
an den Fingern, die etwas an das Drehen der Paralysis agitans erinnern, aber 
ganz im Krankheitsbild zurücktreten. 

Das grobe Wackeln der Kranken mit Pseudosklerose bei Bewegungen ist 
symptomatologisch nicht zu unterscheiden von einer Ataxie. Bei dem Vor¬ 
herrschen grober Wackelbewegungen ist zum mindesten der Nachweis nebenher 
bestehender Ataxie nicht möglich. Höchstens läßt «sich eine solche in der 
Form der Rumpfataxie nach weisen, die namentlich bei E. R. vorhanden war. 
Diese Patientin zeigte beim Aufrichten, Hinsetzen, Gehen, Umdrehen starke 
Unsicherheit, die ganz an die Erscheinungen der Asynergie erinnerte. In 
leichterem Grade waren diese Erscheinungen auch bei den anderen Patienten 
angedeutet. 

Der vierte Fall, 28, W. unterscheidet sich insofern von den eben beschrie¬ 
benen, als er auch eine ausgesprochene Hypertonie der ganzen Körpermuskulatur 
aufweist, außerdem zeigt sich bei ihm eine Haltungsanomalie im Sinne einer 
Kyphoskoliose, in die er beim Stehen und Gehen verfällt. Das ziemlich grob¬ 
schlägige Zittern besteht hier schon in der Ruhe, wird durch Intentionen 
deutlich, aber nicht allzu erheblich vermehrt, steigert sich bei Erregung zu 
grobem Wackeln. 

Bei dieser Zusammenstellung ergibt sich, daß die Wackelbewegungen der 
Pseudosklerose im allgemeinen recht große Übereinstimmung zeigen; eine Ver¬ 
bindung mit dem Zittern der Wilson sehen Krankheit ist dadurch gegeben, daß 




Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


155 


in den Anfangsstadien der Pseudosklerose nur ein Zittern bestand, das sich 
erst im Verlaufe der Erkrankung zu dem groben Wackeln und Schlagen aus¬ 
gestaltete, wie es in geringerem Maße auch bei einzelnen Wilsonfällen Vor¬ 
kommen kann, ferner dadurch, daß beide Erscheinungen an den Bewegungs¬ 
ablauf geknüpft sind. Es ist also möglich, daß es sich bei beiden Bewegungs¬ 
störungen um prinzipiell gleiche, nur quantitativ verschiedene Erscheinungen 
handelt. Beruht nun diese Bewegungsstörung auf einer Ataxie? Zuerst eine 
Vorfrage: Was könnte vorliegen, w r enn die Bewegungsstörung nicht als Ataxie 
aufzufassen wäre? In diesem Falle müßte man an das Auftreten unwillkür¬ 
licher, zuckender Bewegungen denken, ähnlich wie bei der Myoklonie oder bei 
der Chorea. Dagegen spricht zunächt der Umstand, daß das Zittern und 
Schlagen fast immer bei Zielbewegungen stattfindet, während die unwillkür¬ 
lichen Spontanbewegungen, wie sie z. B. bei Chorea und ähnlichen Erkrankungen 
Vorkommen, auch die ruhenden Glieder nicht verschonen. 

Die kennzeichnende Eigenschaft der Ataxie, das Ungeordnete, Unkoordinierte 
in den Bewegungen und der übermäßige Kraftaufwand bei dem Versuch, ein 
Ziel zu erreichen, finden wir namentlich bei der Pseudosklerose sehr deutlich 
ausgesprochen. Gerade bei den für die Prüfung der Ataxie üblichen Unter¬ 
suchungsmethoden (Fingernasenversuch — Kniehacken versuch) tritt die Störung 
klar zutage. Wir unterscheiden meist die vor allem bei Tabes vorhandene 
spinale Ataxie, eine zerebellare und eine zerebrale Form. Mit dieser Unter¬ 
scheidung hat inan auf den Sitz der jeweils die Ataxie bedingenden Erkran¬ 
kungen hingewiesen. Allen Ataxien gemeinsam ist jedenfalls eine Störung an 
irgendeinem Punkte der verschiedenen übereinander geschalteten Reflexbögen, 
die den geordneten Ablauf der Bewegung überwachen. Der zerebellaren Ataxie 
kommt noch als besonderes Kennzeichen die Störung des Gleichgewichts beim 
Gehen und Stehen zu, die durch die nahen Beziehungen des Vestibularissystems 
zum Kleinhirn begründet ist. 

Rausch und Schilder wollen bei der Pseudosklerose das Zittern von der 
Ataxie trennen, obwohl sie das Zittern auf einen Ausfall motorischer Hilfs¬ 
apparate, welche den ungestörten Vollzug der Bewegungsleistungen garantieren, 
zurückführen und somit unter die ataktischen Bewegungsstörungen einreihen. 
Zugegeben werden muß, daß Symptome besonderer zerebellarer Ataxie unter 
Umständen auch neben dem Wackeln nachgewiesen werden können, weil gerade 
die Störung des Rumpfgleichgewichts sie von einer allgemeinen Koordinations¬ 
störung unterscheidbar macht. 

Solche Störungen waren bei der ersten Patientin von Rausch-Schilder 
vorhanden, sie waren auch bei meiner Patientin E. R. nachweisbar. Rausch und 
Schilder sehen offenbar die rhythmischen Wackelbewegungen, die bei Erheben 
eines Armes auftreten, nicht als Ataxie an, sondern als grobes Zittern und 
bezeichnen nur Störungen bei der Zielbewegung als Ataxie. Offenbar legen 
die Verfasser auch Wert auf die Erscheinung, daß das Wackeln des Armes bei 
Fassen nach einem Gegenstand in der Bewegungsrichtung bleibt und daß es 
sich dadurch von Ataxie unterscheide. Daß dies Beibehalten der Intentions¬ 
richtung beim Wackeln nicht ein charakteristisches Symptom der Pseudosklerose 
ist, zeigten mir meine Fälle, bei denen das Wackeln sich nicht auf die Be¬ 
wegungsrichtung beschränkte, sondern in allen möglichen Ebenen auftrat. 



156 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Aber auch das gleichmäßige Rhythmische des Zitterns darf uns nicht daran 
hindern, eine Ataxie anzunehmen, denn ein gleichmäßiges Wackeln tritt auch 
bei Pseudosklerose auf und zwar dann, wenn einfache Bewegungen, wie z. B. 
Erheben eines Armes, gefordert werden; dabei fällt das Suchen nach einem 
Ziel fort und den Muskeln kommt nach der kurzen dynamischen Innervation 
des Armerhebens eine mehr statische Aufgabe zu; die Koordinationsstörung 
bei statischer Innervation macht sich bemerkbar als ein mehr rhythmischer 
Tremor und nicht als Schlagen und Wackeln, wie es Rausch und Schilder 
allein als Ataxie anerkennen. 

Bei dieser Gelegenheit sei gleich auf die Frage eingegangen, ob man den 
Ruhetremor auch als Ataxie bezeichnen darf. Die Verwendung des Begriffes 
Ataxie setzt voraus, daß bestimmte, auf irgendein Ziel gerichtete Innervationen 
vorhanden sind, deren Ablauf und Zusammenarbeit gestört wird. Wir wissen, 
daß jede Ruhelage nicht eine völlige Erschlaffung darstellt, sondern daß aller¬ 
hand Muskelinnervationen auch zur Aufrechterhaltung des in der Ruhelage 
vorhandenen Muskeltonus notwendig sind; allerdings sind wir uns dieser Muskel¬ 
tätigkeit nicht bewußt, gleichwohl handelt es sich bei der Ruhelage auch um 
Innervationen mit einem bestimmten Ziel. Es besteht also sehr wohl die 
Möglichkeit, daß auch die Koordination der Ruhe gestört wird und Economo 
hat in ähnlichem Sinne direkt von einer Ataxie der Ruhe gesprochen. Auch 
Strümpell bezeichnet mit Myastasie, die auch den Tremor und die Wackel¬ 
bewegungen umfaßt, ähnliche Erscheinungen, die er darauf zurückführt, daß 
die zur Fixierung eines Gelenks in der Ruhe nötigen Muskelinnervationen 
nicht geordnet und nicht zur rechten Zeit eintreten. Die so entstandene 
Störung entspricht ganz dem Begriff der Ataxie. Ich glaube, daß man 
daher auch den Ruhetremor der Paralysis agitans als eine Störung der Ko¬ 
ordination im weiteren Sinne bezeichnen kann. Der Umstand, daß bei der 
Paralysis agitans durch Bewegungen das Zittern unterdrückt werden kann, 
braucht nicht gegen seine Auffassung als Koordinationsstörung zu sprechen. 
Diese Unterdrückung des Tremors pflegt meist nur in den Anfangsstadien zu 
gelingen, und außerdem ist es dem Kranken nur für kurze Augenblicke möglich, 
durch eine willkürliche Innervation das Zittern zu unterdrücken. Besonderen 
Wert möchte ich darauf legen, daß das Zittern bei der aktiven Bewegung 
nicht auf hört, sondern offenbar durch eine erhöhte Kraftanstrengung unter¬ 
drückt wird. Dies ist nur möglich in einem Stadium, in dem die Koordi¬ 
nation für Zielbewegungen noch besser erhalten ist, als die bei Paralvsis agi¬ 
tans offenbar zuerst verlorengehende Koordination der Ruhelage. Die weitere 
Entwicklung der Erkrankung scheint mir diese Auffassung zu bestätigen. 
Während im Anfänge das Zittern nur in der Ruhe vorhanden ist und bei Be¬ 
wegungen jeglicher Art, auch bei statischer Innervation, nicht beobachtet werden 
kann, bemerkt man in weiter vorgeschrittenen Stadien, daß das Ruhezittern 
während der Dauer einer Bewegung wohl ausbleibt, daß es aber bei statische!* 
Innervation, wenn z. B. der Arm geradeaus gehalten werden soll, nach wenigen 
Augenblicken oder auch sofort wieder anfängt. Im weiteren Verlauf wird der 
Tremor auch durch Bewegungen nicht mehr zum Schwinden gebracht, sondern 
der Kranke schüttelt auch während der Bewegungen immer wefter, und schlie߬ 
lich werden die Zitterbewegungen immer gröber und heftiger, so daß sie unter 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


157 


Umständen fast an das Schlagen der Pseudosklerose erinnern können, ln 
solchen Fällen wird man sich nicht scheuen, von Ataxie zu sprechen, auch 
wenn es sich nicht unbedingt um Zielbewegungen im engeren Sinne handelt. 
Ich glaube, man ist nicht berechtigt, für das anfängliche und der ganzen Ent¬ 
wicklung nach offenbar nur graduell verschiedene Zittern eine andere Auffassung 
als für die Höchstgrade der Bewegungsstörung zu wählen, nämlich die einer 
Ataxie. Dieselbe Erscheinung beobachten wir im Verlauf der meisten Fälle 
von Linsenkerndegeneration: Anfangs Tremor, später ausfahrende Bewegungen. 
Noch auffallender macht sich diese Umwandlung bei manchen Fällen der 
Pseudosklerose bemerkbar, hier hat anfangs auch meist nur ein Tremor be¬ 
standen. Dieser entwickelt sich im Laufe der Erkrankung zu dem groben 
Schlagen und Wackeln, das am stärksten bei den Fällen von Pseudosklerose 
ohne Hypertonie zu sein scheint, vielleicht weil die Dämpfuüg, die die Schwer¬ 
beweglichkeit der Muskeln ausübt, fortfällt. Es erscheint mir gezwungen, an¬ 
zunehmen, daß bei den Anfangsstadien der Erkrankung eine nichtataktische 
Bewegungsstörung bestehen soll, die sich später in eine Ataxie umwandelt. 
Ich glaube daher, daß wir es von vornherein mit einer dem weiten Rahmen 
der Ataxie zugehörenden Bewegungsstörung zu tun haben. 

Ähnliches gilt meiner Ansicht nach für die multiple Sklerose. Als eines 
der Kardinalsymptome hat Charcot den »Intentionstremor« bezeichnet. 
Beim Beginn der multiplen Sklerose gleicht die Bewegungsstörung auch ganz 
einem Tremor. Rhythmisch zitternd nähert sich die Hand bei dem bekannten 
Versuch der Nase; in weiter vorgeschrittenen Stadien würde es niemandem 
mehr einfallen von einem Tremor zu sprechen bei dem Anblick des wilden 
Wackelns, das der Kranke ausführt, wenn man nicht von dem zum geflügelten 
Wort gewordenen Ausdruck »Intentionstremor« beeinflußt wäre. Es handelt 
sich auch hier fraglos um eine Ataxie, und ich sehe nicht ein, warum man 
den Anfangsstadien derselben eine andere Bezeichnung geben soll, es sei denn, 
daß man unter dem Wort Tremor überhaupt eine Koordinationsstörung, eine 
Ataxie verstehen will. 

Daß psychische Einflüsse den Tremor verstärken, ist kein Gegengrund gegen 
seine Auffassung als Ataxie, sehen wir doch, daß auch bei Gesunden, wenn sie 
aufgeregt sind, Bewegungen ungeschickt, fast inkoordiniert werden können. 
Noch einem weiteren Einwand ist zu begegnen: Im Begriffe der Ataxie liegt 
es nicht, daß diese Störung immer vorhanden ist und bei jeder Bewegung 
derselben Extremität auftritt. Es spricht daher nicht gegen Ataxie, wenn wir 
sehen, daß ein Pseudosklerotiker einmal eine koordinierte Bewegung mit seinem 
sonst ataktischen Arm ausführen kann. Dies Zustandekommen einer wohl¬ 
gelungenen Bewegung ist aber meines Erachtens nicht so aufzufassen, daß der 
Kranke einen von Zittern oder Wackeln freien Augenblick zur Ausführung 
seiner Bewegung abwartet, wie es z. B. die Choreatiker tun, sondern ebenso 
wie dem Aphasiker unter dem- Einfluß heftiger Affekte Worte zur Verfügung 
stehen, die er sonst nicht findet, so gelingen auch dem Ataktischen doch durch 
die Einwirkung besonderer Innervationen zuweilen koordinierte Bewegungen. 
Offenbar ist hierauf auch das Sistieren der Zitterbewegungen bei Paralysis 
agitans während aktiver Bewegungen zurückzuführen. 



158 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


V. 

Wa s die pathophysiologische Deutung der Grundsymptome anlangt, so wird 
der Rigor jetzt wohl allgemein durch den Wegfall einer normaliter den Muskel¬ 
tonus beherrschenden Hemmung erklärt. Das Zittern und Wackeln, das meines 
Erachtens als Koordinationsstörung kinetischer oder statischer Innervation auf¬ 
zufassen ist, ließe sich auf den Ausfall zentripetaler Regulationen zurückführen. 
Unsicher sind die Deutungen für das Zustandekommen der einzelnen Faktoren 
der extrapyramidalen Parese. Man hat von einem kraftspendenden Einfluß 
des Linsenkerns gesprochen, für den Mangel an Antrieb hat man Läsionen in 
der fronto-ponto-zerebellaren Bahn verantwortlich gemacht. 

Die ungefähre Lokalisation ist uns durch die Wilson sehen Befunde gegeben. 
Die späteren Erfahrungen haben aber gezeigt, daß die Veränderungen nicht 
auf den Linsenkem beschränkt bleiben, daß sie nicht immer die gleichen Teile 
des Organs befallen. Von Bedeutung ist es ferner, daß die Erkrankung sich 
bei der Pseudosklerose über weite Teile des Gehirns, wenn auch mit beson¬ 
derer Bevorzugung der zentralen Ganglien und des Zerebellums ausbreiten. 
Es ist daher vorläufig noch nicht möglich, die einzelnen klinischen Symptome 
auf bestimmte umschriebene Schädigungen zu beziehen. Dem entsprechend 
sind von einzelnen Autoren recht verschiedene Theorien aufgestellt worden, 
die sich aber alle darin einig sind, den Rigor als Wegfall einer Hemmung 
aufzufassen infolge einer Erkrankung im Gebiet der basalen Ganglien. Die 
Theorien über das Zustandekommen des Tremors und der Wackelbewegungen 
differieren recht erheblich. 

Wilson denkt sich das Zustandekommen der Erscheinungen folgendermaßen : 
Eine Erkrankung des Corpus striatum und hauptsächlich des Linsenkerns (also 
Pu tarnen), besonders wenn sie bilateral und von genügender Ausdehnung ist, 
hebt einen beruhigenden oder inhibierenden Einfluß auf, den jener Kern nor¬ 
malerweise auf die kortikospinale Bahn ausübt. Dieser Einfluß soll entweder 
über den Thalamus auf die Rinde oder auf dem Wege des lentikulo-rubro- 
spinalen Systems auf die Vorderhomzellen ausgeübt werden. Der Ausfall dieser 
Hemmung veranlaßt die kortikospinalen Zellen so zu reagieren, daß eins der 
Resultate in Zunahme des Tonus aller Muskeln besteht, die von der Pyramiden¬ 
bahn erreicht werden. Die Frage, welches das tonusspendende Organ ist, das 
vom Corpus striatum gehemmt werden soll, wird von Wilson nicht berührt. 
Daß er den Pyramidentonus nicht meint, wie aus den oben zitierten Worten 
vielleicht hervorgehen könnte, ergibt sich aus dem Zusammenhang. 

Den Tremor faßt Wilson ebenso wie Athetose und Chorea als unwill¬ 
kürliche Bewegungen auf, nicht als Koordinationsstörung; während aber Athe¬ 
tose und Chorea auf der Läsion zentripetaler Bahnen, nämlich der zerebello- 
rubro-thalamo-kortikalen Bahnen beruhen soll, hält Wilson den Tremor für 
bedingt durch eine Schädigung einer efferenten Bahn, nämlich der lentikulo- 
rubro-spinalen; durch ihre Zerstörung wird der inhibierende Einfluß, den das 
Corpus striatum auf die Vorderhornzellen ausübt, unterbrochen, die beständige 
Innervation der Vorderhomzellen wird geschwächt, und je mehr die Pyramiden¬ 
bahn innerviert wird, desto ausgesprochener wird der Tremor, d. h. er nimmt 
bei willkürlichen Anstrengungen zu. Einen Bewegungsausfall hebt Wilson 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


159 


nicht besonders hervor, und geht deshalb auch auf seine pathophysiologische 
Bedeutung nicht ein. 

Economo schreibt ebenfalls dem Linsenkern, und zwar, wie aus seinem 
Falle hervorgeht, dem Putamen eine inhibierende Wirkung auf den Tonus zu. 
Die hemmende Wirkung richtet sich auf einen vom Kleinhirn oder vom 
Deitersschen Kern (wohl auch über das Kleinhirn) ausgeübten Tonus; der 
tonisierende Effekt des Kleinhirns, der wohl auf dem Wege der Bindearme 
zum roten Kern verläuft, wird durch die Impulse, die dieses Organ durch 
die Linsenkernschlinge vom Pallidum und dadurch auch vom Striatum er¬ 
fährt, inhibiert bzw. reguliert. 

Zu einer ähnlichen Auffassung kommt auch Deutsch, nur läßt sich hier 
kein isolierter Bestandteil der zentralen Ganglien für die Störung verant¬ 
wortlich machen, weil Linsenkern (Putamen + Globus pallidus) und Nucleus 
caudatus erweicht waren. 

Da bei dem Economoschen Fall, ebenso wie bei dem von Deutsch Zitter¬ 
bewegungen fehlten, ist Economo der Ansicht, daß dies Zittern nicht auf 
eine Linsenkernläsion zurückgeführt werden könne. Er bringt sie vielmehr 
in Zusammenhang mit Erkrankungen des roten Kerns und seiner Strahlungen. 
Hierfür spricht auch die Tatsache, daß bei der Pseudosklerose, die sich durch 
besonders starkes Auftreten derartiger Bewegungen auszeichnet, die Erkrankung 
sich nicht auf die zentralen Ganglien beschränkt, sondern wesentlich umfang¬ 
reicher ist — Economo neigt übrigens dazu, keine scharfe Grenze zwischen 
Spontanbewegungen und Ataxie zu ziehen —; für eine rein ataktische Störung 
scheint er die Zitterbewegungen allerdings nicht zu halten. 

Foerster führt die Rigidität wie Economo auf eine Enthemmung einer 
vom Kleinhirn ausgehenden tonisierenden Wirkung zurück. Als Organ, das 
diese Hemmungen normalerweise ausübt, sieht er das Pallidum an, sein Aus¬ 
fall führt also zur Hypertonie. Außerdem sind im Pallidum Zentren für pri¬ 
märe Automatismen, vor allem für Ausdrucksbewegungen anzunehmen. Eine 
Erkrankung dieser Teile des Pallidums würde also zu Ausfall an Ausdrucks¬ 
bewegungen führen. Andererseits werden diese dort lokalisierten Ausdrucks¬ 
bewegungen vom Putamen gehemmt und eine Erkrankung des letzteren bei 
intaktem Pallidum könnte so zu einem Übermaß an Ausdrucksbewegungen 
führen, wie wir es bei der Athetose sehen. Über das Zustandekommen des 
Tremors äußert sich Foerster nicht näher. Er läßt es unentschieden, ob es 
sich dabei um eine dauernde pathologische Irritation motorischer Abschnitte 
des Nervensystems handelt (zerebellare Kerne, roter Kern), oder ob das Zittern 
die Folgen des ungehemmten Zustroms zum Zerebellum ist. Dagegen führt 
er die paretische Komponente bei der Parclysis agitans, sowie den Bewegungs¬ 
ausfall, die Bewegungsverlangsamung zurück auf Störungen an irgendeiner 
Stelle der Stirnhirn-Brücken-Kleinhirnbahn, die er auch bei der willkürlichen 
Innervation eine gewisse allerdings geringe Rolle spielen läßt. 

In bezug auf die Bedeutung des Pallidum für das Zustandekommen der 
Rigidität vertreten C. und 0. Vogt eine ähnliche Auffassung wie Foerster; 
für die Erkrankung beider Pallida nehmen sie eine vollständige Versteifung 
der Muskulatur als charakteristisch an. 

C. und 0. Vogt weisen dabei auf die Schwierigkeit hin, die Symptome 



160 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpeli-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 


eines isolierten Pallidumausfalls festzustellen, weil bei der Durchsetzung des 
Pallidums mit Fasern, die zwischen Thalamus und Striatum verlaufen, immer 
eine Schädigung des Striatums mit im Spiele sein müsse. Man könne daher 
das Pallidumsyndrom nur erschließen durch die Veränderung, die das gleich¬ 
zeitig vorhandene Striatumsyndrom aufweist gegenüber reinen Striatumer¬ 
krankungen. Hierbei ergibt sich, daß eine einseitige Pallidumerkrankung keine 
weitere Veränderung hervorruft, während der doppelseitige Ausfall der Pallida 
eine allgemeine Versteifung herbeiführt. Das Striatumsyndrom ist nach C. Vogt 
ausgezeichnet »durch eine durch periphere und psychische Reize, aber nicht 
durch Dehnungsreflexe steigerungsfähige, meist Agonisten und Antagonisten 
gleichmäßig befallende, eine gewisse Abnahme der Muskelkraft, Bewegungs¬ 
verlangsamung und eine Pseudoadiadochokinese bedingende Spastizität, oder 
(in seltenen Fällen) durch eine Hypotonie, Spasmus mobilis, choreatische und 
athetotische Bewegungen, Zittern, Mitbewegungen, Zwangsweinen und Zwangs¬ 
lachen, durch das Fehlen gewisser primärer Automatismen, welche zu der Be¬ 
wegungsarmut (speziell im Mienenspiel, Mitbewegungen, Positionsveränderungen, 
Orientierungsbewegungen, Schutz- und Abwehrreflexen) Störung gewisser Will- 
kürbewegungen (besonders der Sprache, des Schluckens und des Gehens) und 
einer mäßigen allgemeinen motorischen Schwäche führen; durch das Fehlen 
von Störungen in den Sehnenphänomenen, den Bauchdeckenreflexen, der Trophik, 
der Sensibilität und der Intelligenz«. 

Daraus geht hervor, daß C. und 0. Vogt für die Rigidität offenbar nicht 
nur das Pallidum verantwortlich machen, sondern daß auch eine Erkrankung 
des Striatum eine solche, wenn auch offenbar nicht so hochgradige, hervor¬ 
zurufen vermag. Andererseits kann es nach Vogt auch zu einer Hypotonie 
oder zu Spasmus mobilis kommen bei der Erkrankung des Striatums. Über¬ 
haupt umfaßt dies Striatumsyndrom derartig verschiedene, einander zum Teil 
ausschließende Symptome, das man von einem Syndrom im eigentlichen Sinne 
nicht sprechen kann. Großen Wert scheinen C. und 0. Vogt auf das Vor¬ 
kommen hyperkinetischer Erscheinungen, wie choreatische, athetotische Be¬ 
wegungen bei Striatumerkrankungen, zu legen. Demgegenüber betont Wilson 
ausdrücklich, daß in seinen Fällen choreatische und athetotische Bewegungen 
nie aufgetreten sind, daß vielmehr die Linsenkemdegeneration streng von der 
Ath^tose double zu trennen sei. Auch der Fall von Economo weist darauf 
hin, daß hyperkinetische Störungen nicht unbedingt zum Bilde der Striatum¬ 
erkrankungen gehören. Ähnliches gilt von dem Fall Deutsch. Bezüglich 
der athetotischen Bewegungen wird übrigens auch von Vogt angenommen, 
daß sie so gut wie immer nur bei Linsenkernerkrankungen in frühester 
Kindheit auftreten. 

Was die pathophysiologische Bedeutung der Hyperkinesen anlangt, so 
kommen C. und 0. Vogt zu der Ansicht, daß es sich sowohl bei der Hyper¬ 
tonie wie auch bei Tremor, Chorea und Athetose um substriäre Hyperkinesen 
handele, die auf einen Wegfall der Hemmung seitens des Striatums beruhen. 
Eine Reizung des Organs könne nicht in Betracht kommen, da ein Reiz bei 
der chronischen Erkrankung nicht von derartig langer Dauer sein könne. 

C. und 0. Vogt setzen Striatum und Pallidum in ein ähnliches Verhältnis 
zueinander, wie es zwischen der motorischen Hirnrinde und den von ihr ab- 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


161 


hängigen Grisea besteht; ebenso wie eine Läsion des höherstehenden Teils, 
nämlich der motorischen Rinde, eine Aufhebung der kinetischen Funktionen, 
aber auch eine Enthemmung subkortikaler Gebiete bewirkt, so findet man 
bei Zerstörung des Striatums striäre Akinese vereinigt mit substriärer Ent¬ 
hemmung. 

Auch Kleist faßt die hyperkinetischen Erscheinungen bei Striatumer¬ 
krankungen auf als Folge einer Enthemmung, in letzter Linie des Globus 
pallidus als dem motorischen Organ des Striatums. Als hemmendes Organ, 
dessen Wegfall namentlich choreatische Bewegungen auslöst, zieht er auch 
das Kleinhirn in Betracht, wenigstens gegenüber dem roten Kern, der haupt¬ 
sächlich Statik und Muskeltonus beherrscht. Er weist aber darauf hin, daß 
man nicht einseitig die Zitterstarre, doppelseitige Athetose und choreatische 
Bewegungsstörungen als Symptom des Corpus striatum konstatieren dürfe, 
obwohl sie bei im groben gleicher Lokalisation Vorkommen können, daß 
man vielmehr unbedingt feinere Unterschiede in der Lokalisation annehmen 
müsse. Offenbar handele es sich dabei um Vermischung von Systemen ver¬ 
schiedener Bedeutung. 

Für das Zustandekommen der subkortikalen Akinese —• hierzu rechnet 
Kleist auch die Rigidität — macht Kleist das Zusammentreffen von Striatum¬ 
zerstörungen und Degeneration der Linsenkernschlinge verantwortlich, eine An¬ 
nahme, die an den Beobachtungen von Stöcker und an einigen Wilsonschen 
Fällen eine Stütze findet. Die Unterbrechung der Linsenkernschlinge müßte 
besonders im Verein mit Schädigung des Linsenkems selbst die Entäußerung 
von Automatismen unmöglich machen und gleichzeitig den roten Kern von 
einem durch den Linsenkern ausgeübten, hemmenden Einfluß befreien. Bei 
Verletzung an Linsen- und Schwanzkern ohne Degeneration der Ansa lenti¬ 
cularis tritt der Ausfall an Automatismen und die Starre zurück gegenüber 
der Regulationsstörung und Enthemmung im Ablauf der automatischen Be¬ 
wegungen selbst. 

Als tonusspendendes Organ sieht Kleist das Zerebellum an;'auf den von 
ihm beherrschten Reflexbogen übt der Linsenkern eine hemmende bzw. regu¬ 
lierende Wirkung aus. Aber auch das Großhirn kann auf dem Wege der 
Stirnhirn-Brücken-Kleinhirnbahn diesen Reflexbogen beeinflussen. 

Auch Stertz sieht in dem Kleinhirn das Zentrum, das den extrapyrami¬ 
dalen Muskeltonus hervorbringt, der von Seiten der Linsenkerne regulierende 
und hemmende Einflüsse empfängt. 

Hinsichtlich der funktionellen Bedeutung der extrapyramidalen motorischen 
Systeme kommt Stertz zu folgendem Resultat: 

Dem spino-zerebello-frontalen System liegt die Sorge für die räumliche 
Komponente, das Ausmaß der Bewegungen ob, während dem extrapyramidalen, 
motorischen Hilfsapparat die Regulierung des zeitlichen Ablaufs, des prompten 
An- und Ausklingens der Bewegungen, der Innervationsbereitschaft zukommt. 
Es Entspricht diese Störung offenbar einer Unordnung der reziproken Anta¬ 
gonistenhemmung (Slierington), ein Mechanismus, der wohl in dem Gebiet 
der Stammganglien lokalisiert zu denken ist. Dieselbe Bedeutung, die dieser 
Mechanismus für die Bewegungen hat, besitzt nach Stertz die Stellungs¬ 
oder Haltungsreflextätigkeit für die Ruhe bzw. für die Statik. Die Steigerung 

Bostroem, Symptovneukomplrx. H 



162 Di© Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wiisonsche Krankheitsgruppe. 

dieses Reflexes führt zur Starre, zur Fixationsrigidität. Beide Mechanismen 
sind eng zu einer funktionellen Einheit verknüpft, so daß eine isolierte Läsion 
praktisch kaum in Betracht kommt. 

Mann nimmt an, daß bei der striären Bewegungsstörung ein Mechanismus 
gestört sei, welcher in den willkürlichen Bewegungsapparat eingeschaltet ist, 
ein Apparat, welcher durch Abgabe von regulierenden und hemmenden Im¬ 
pulsen die regelrechte Funktion des Pyramidensystems ermöglicht. In diesem 
Sinne faßt er die striäre Bewegungsstörung als eine Abart der Ataxie auf, 
und zwar ist bei dieser Koordinationsschädigung die richtige Abstufung der 
gegenseitigen Spannungsverhältnisse von Agonist und Antagonist gestört. Es 
liegt dem ein Mißverhältnis zwischen Innervation und Denervation der Anta¬ 
gonisten zugrunde (reziproke Innervation). Die Ursache für dieses unrichtige 
Zusammenarbeiten ist zu suchen in der Schädigung einer zentripetalen Bahn; 
diese Bahn denkt sich Mann eingeschaltet in die regulierende, d. h. Inner¬ 
vationsmerkmale übermittelnde Bahn; sie dient dazu, die der Rinde zu¬ 
strebenden, der Koordination dienenden Nachrichten noch zu verfeinern. — 
Nach diesem Prinzip wäre der Rigor zu erklären durch das Ausbleiben der 
zweckmäßigen Denervation der Antagonisten; die Verlangsamung der Be¬ 
wegungen aber zurückzuführen auf eine mangelhafte Entspannung der Anta¬ 
gonisten, desgleichen die Adiadoehokinese. Auch die Bewegungsarmut und 
der Mangel an Antrieb läßt sich verständlich machen, wenn man mit Hering 
annimmt, daß die Auslösung von willkürlichen Bewegungen der zentral zu¬ 
strömenden Erkrankungen bedürfe. Mann glaubt, daß gerade diejenigen Nach¬ 
richten, welche die eingetretene Denervation signalisieren, den Antrieb zu 
neuen Bewegungen geben. Auf diese Weise wäre durch das Ausbleiben bzw. 
durch die Störung der Übermittlung dieser Nachrichten der Mangel an selb¬ 
ständigem Bewegungsantrieb und an Mitbewegungen zu erklären. 

Sehr verschieden von den bisher beschriebenen lentikulären Symptomen 
und den darauf gegründeten pathophysiologischen Theorien ist das von 
Mingazzini aufgestellte Linsenkernsyndrom. Es besteht in einer leichten, 
auf Fazialis und Glieder derselben Seite beschränkten Parese, in einer gleich¬ 
falls homolateralen Sehnenreflexsteigerung, in einer leichten Anisokorie, wozu 
sich bisweilen noch eine Atrophie der Extremitäten und leichte Hypästhesie 
gesellen können. Bei einer Beteiligung der hinteren Vierfünftel des linken 
Ganglions tritt eine Dysarthrie bzw. Anarthrie ein (nach Vogt sind die sprach¬ 
lichen Funktionen des Linsenkerns in die oralen Partien lokalisiert). Nach 
den neueren Arbeiten über Linsenkernsymptome und besonders auch nach 
den klinischen Erfahrungen kann man wohl annehmen, daß diese von Min¬ 
gazzini beschriebenen Symptome nicht reine Linsenkernerscheinungen sind, 
zumal da in einigen seiner Fälle auch Teile der Hirnrinde mit verändert 
waren. 

Weiter muß noch auf die Lokalisationsmöglichkeit und Pathophysiologie 
der Zitter- und Wackelbewegungen eingegangen werden. 

An sich erscheint es möglich, daß zwischen Muskelhypertonie und Zitter¬ 
erscheinungen ein direkter Zusammenhang besteht, d. h. daß der Tremor die 
Folge der Hypertonie ist. So geraten auch bei aktiver Muskelanspannung 
nach einiger Zeit die Muskeln in ein Zittern, das als Ermiidungszittern zu 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


163 


bezeichnen wäre. Auch bei Hypertonie in Form von Pyramidenerkrankungen 
sehen wir in der Form von klonischen Muskelzuckungen Zittererscheinungen 
auftreten. Der Umstand aber, daß Linsenkerndegenerationen ohne Zitter- 
und ohne Wackelbewegungen einhergehen können, sowie die Existenz des 
Krankheitsbildes der Paralysis agitans sine agitatione weisen uns darauf hin, 
daß diese Zitterbewegungen nicht unbedingt oder zum mindesten nicht zu jeder 
Erkrankung des Striatums gehören. Umgekehrt zeigen Fälle von Pseudosklerose, 
daß Wackelbewegungen nicht mit Rigidität zusammenzuhängen brauchen. Auch 
das Zittern der Paralysis agitans findet man gerade an den vom Rigor ver¬ 
hältnismäßig oft verschonten distalen Gliedabschnitten am häufigsten; auch 
sieht man zuweilen Fälle von typischem Paralysis agitans-Zittem ohne Rigor. 

Kleist faßt den Tremor nicht als ein direktes Striatumsymptom auf, 
sondern denkt dabei an eine Funktionsstörung der motorischen Haubenzentren, 
besonders des roten Kerns. Wie ich oben zu zeigen versucht habe, sind die 
Wackelbewegungen der vorgerückten Stadien bei Wilsonscher Krankheit sowie 
auch die ausfahrenden Wackelbewegungen bei Pseudosklerose prinzipiell nicht 
von einem Intentionstremor zu unterscheiden, und auch die Übergänge zwischen 
Ruhetremor und Intentionstremor sind fließende. Ich glaube daher, daß man 
die Pathophysiologie dieser Bewegungsstörungen zusammen besprechen kann. 
Wir sind dabei leider fast ganz auf Hypothesen angewiesen, denn die ana¬ 
tomischen Untersuchungen einschlägiger Fälle haben keine Veränderungen 
aufgedeckt, die mit Sicherheit für die Lokalisation des Tremors oder ent¬ 
sprechende Erscheinungen verwertet werden könnten, weil sie teils zu diffus 
sind (Pseudosklerose), teils wie bei der Wilsonschen Krankheit keine sicheren 
anatomischen Unterschiede zwischen tremorfreier und mit Zittern einher¬ 
gehender Wilson scher Krankheit erkennen lassen. 

Wo haben wir also die Schädigung zu suchen, die das Auftreten von Zitter- 
und Wackelbewegungen zur Folge hat? Die Auffassung dieser Erscheinungen 
als eine Art Ataxie weist darauf hin, die Schädigung in einer zentripetalen 
Bahn oder an einer motorischen Umschaltstelle zu suchen, man wird dabei 
an das Gebiet des roten Kerns in seinen Ausstrahlungen denken. Ich möchte 
dabei auf eine auffallende klinische Ähnlichkeit aufmerksam machen, welche 
das Wackeln der Pseudosklerose auf weist mit dem ataktischen Hin- und Her¬ 
fahren, wie wir es bei einem Herd in der vorderen Vierhügelgegend sehen; 
offenbar bewirkt hier der Druck auf den Nucleus ruber oder seine Aus¬ 
strahlungen die genannten motorischen Erscheinungen, und gerade diese auf¬ 
fallende klinische Ähnlichkeit legt den Gedanken nahe, Erkrankungen des 
roten Kerns oder seiner Bahnen mit dem Auftreten der Zittererscheinungen 
und Wackelbewegungen in Zusammenhang zu bringen. Diese Möglichkeit ist 
auch von anderer Seite schon gestreift worden (Kleist, Wilson u. a.). Sichere 
Anhaltspunkte für eine so vollständige Zerstörung des roten Kerns, daß daraus 
ein Ausfall seiner Leistungen resultierte, finden wir nirgends. Eine Reizung 
des roten Kerns müßte dieselbe Wirkung haben, wie der Wegfall der auf ihn 
hemmend wirkenden Organe. 

Hemmende Impulse empfängt der rote Kern seitens des Kleinhirns, des 
Linsenkerns und seitens des Stimhirns. Nach den Erfahrungen von Bon- 
lioeffer, Kleist-Bremme kann Wegfall der Bahnen vom Kleinhirn zu cho- 

11* 



X04 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

reatischen Bewegungen (Bindearmchorea) Veranlassung geben, die mit Hypo¬ 
tonie einhergehen. Eine derartige Schädigung käme also für die Entstehung 
der Wackelbewegungen nur dann in Betracht, wenn gleichzeitig eine Hypotonie 
vorhanden ist, wie wir sie ja in der Tat bei einigen Fällen von Pseudosklerose 
finden. Weiter hätte man mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Befreiung 
des roten Kerns vom Linsenkerneinfluß das Symptom auslöst. 

Die Bahnen vom Linsenkern zum Nucleus ruber verlaufen zumeist in der 
Linsenkemschlinge, und wir treffen dadurch auf die oben erwähnte Kl ei st sehe 
Theorie, daß nämlich eine Schädigung der Linsenkemschlinge und des Pallidum 
besonders oft zur Rigidität Veranlassung gibt. Es käme also diese Lokalisation 
wohl nur für eine Kombination von Rigor mit Zitter- oder Wackelbewegungen 
in Frage. Möglich wäre auch noch, daß das Fehlen einer Hemmung seitens 
des Stirnhirns zu dem Symptom des Zitterns führt. Anatomisch gestützte 
Krankheitsfälle, die dafür sprechen könnten, existieren m. W. nicht. Immer¬ 
hin muß an die Möglichkeit gedacht werden. 

Für sehr wohl möglich halte ich es aber, daß die beiden erst erwähnten 
Schädigungen zusammen, nämlich der Ausfall der zerebellaren und der lenti¬ 
kulären Hemmung auf den roten Kern die hyperkinetischen Erscheinungen 
hervorrufen. Je nach dem Uberwiegen der einen oder anderen Komponente 
kann der Rigor oder die Hypotonie im Vordergründe stehen, kann es sich 
bald mehr um einen Tremor, bald mehr um ein ataktisches Wackeln handeln. 

Man muß sich darüber klar sein, daß diese Erwägungen alle nur hypo¬ 
thetischen Wert haben. Ich halte es aber für angebracht, daß man bei dem 
Suchen nach anatomischen Grundlagen für die einzelnen klinischen Erscheinungen 
von bestimmten Theorien, die im Bereich der Möglichkeit liegen, ausgeht. Daß 
der rote Kern mindestens als Schaltstation eine große Bedeutung für das Zu¬ 
standekommen der extrapyramidalen motorischen Störungen hat, glaube ich 
bestimmt annehmen zu müssen, und zwar aus folgendem Grunde: 

Wenn auch die Pyramidenbahn mit den hier geschilderten Dyskinesien 
nichts zu tun hat, so ist doch das »ausführende« Organ bei pyramidalen und 
extrapyramidalen Bewegungen und Bewegungsstörungen jedesmal der Skelett¬ 
muskel, der seine motorischen Impulse von den Vorderhornzellen empfängt. 
Irgendwo müssen also die normalen oder anormalen extrapyramidalen Impulse 
sich den motorischen Organen mitteilen, und zwar sind offenbar die Vorder- 
hömer schon im Besitz der regulierenden und hemmenden Einflüsse; anderer¬ 
seits verlaufen diese sicher nicht in den Pyramidenbahnen des Rückenmarks, 
da sonst das Fehlen extrapyramidaler Hemmungen häufiger mit Pyramiden¬ 
bahnsymptomen einhergehen würde. Die einzige Bahn, die Impulse von den 
subkortikalen Ganglien aufnehmend das Rückenmark hinunterzieht und sich 
hier offenbar mit den Vorderhornzellen in Verbindung setzt, ist die Monakow- 
sehe rubrospinale Bahn. Inwieweit die tektospinale Bahn und andere Bündel 
für eine ähnliche Funktion in Betracht kommen, bleibe dahingestellt. Die 
Erwägung, daß für diese wichtige Funktion dieses verhältnismäßig sehr dünne 
Bündel kaum genügen kann, läßt erwarten, daß vielleicht noch andere Ver¬ 
bindungen existieren. Vorläufig scheint aber nur diese Bahn in Betracht zu 
kommen, und dieser Umstand verleiht dem roten Kern und seinen Ver¬ 
bindungen eine wichtige Rolle. 



Neurologische Symptome und Symptomkombinationen. 


165 


Ich habe die mir bekannten Theorien über das Wesen der Parkinson- 
Wilsonschen Bewegungsstörung lediglich referendo und möglichst objektiv 
wiederzugeben versucht. Es ist nicht meine Absicht, das Für und Wider der 
einzelnen Hypothesen hier zu erörtern, da m. E. heute für eine kritische 
Würdigung uns noch die notwendigen Unterlagen fehlen. Einwände wird man 
wohl oft berechtigt finden, in manche Punkte wird man Zweifel setzen können, 
ohne ihren heuristischen Wert verkennen zu wollen. Das Resultat einer solchen 
Kritik würde aber insofern negativ sein, als es noch nicht möglich ist, etwas 
Positives, d. h. besser Bewiesenes, an die Stelle des Angezweifelten zu setzen. 

Ich will mich daher beschränken, aus den verschiedenen Theorien und 
Möglichkeiten kurz das herauszuheben, das nach unserer heutigen Anschauung 
dem Wesen der Parkinson-Wilsonschen Bewegungsstörung am meisten gerecht 
wird, und das auch der Grundanschauung der meisten Autoren in den Haupt¬ 
punkten zu entsprechen scheint: 

Die Regelung des geordneten Bewegungsablaufs wird besorgt von einem 
Reflexbogen, bestehend aus den spino-zerebellaren Bahnen als afferenten 
Schenkel, dem Kleinhirn (Nucleus dentatus) als Zentrum und tonusspendendem 
Organ; die ableitenden Bahnen verlaufen in den Bindearmen zum roten Kern 
und von dort auf dem Monakowschen Bündel nieder zum Rückenmark. Das 
Zentrum dieses Reflexbogens empfängt noch eine andere afferente Bahn vom 
Nukleus Deiters, welche Nachrichten über die Körperhaltung vermittelt. 
Dieser Reflexmechanismus unterliegt Einflüssen von seiten des Linsenkerns, 
die man wohl mit ziemlicher Sicherheit als hemmende und zügelnde Ein¬ 
wirkungen auffassen kann; ihr Wegfall läßt den Muskeltonus anschwellen und 
veranlaßt den Rigor. Welcher Teil des Linsenkerns diese Wirkung ausübt, 
ist noch nicht ganz sicher, am meisten vertreten wird heute die Ansicht, 
daß der Globus pallidus diese Rolle spielt. Möglicherweise empfängt dieser 
seinerseits wieder hemmende Impulse seitens des Putamens. Verschiedene Fälle 
(Wilson-Economo u. a.) sprechen allerdings dafür, daß auch eine Erkrankung 
des Putamen einen Rigor zur Folge haben kann. Auch Vogt hat diese Mög¬ 
lichkeit bei der Aufstellung seines »Striatumsyndroms« in Betracht gezogen. 
Daß wir im Pallidum außerdem noch ein Organ für automatische Bewe¬ 
gungen, insbesondere Ausdrucksbewegungen, vor uns haben, ist möglich, so 
daß eine Erkrankung dieses Teiles des Pallidum zu einer Verarmung an Aus¬ 
drucks-usw. Bewegungen führen müßte. Ob sich die Hemmung seitens des 
Putamen gerade auf die Auslösung der Ausdrucksbewegungen bezieht, oder 
auch auf tonische Vorgänge, ist m. E. nicht mit Sicherheit zu entscheiden. 
Ebenso unsicher ist es, ob dem Putamen für das Auftreten unwillkürlicher 
Bewegungen die Bedeutung zukommt, die ihm von C. und 0. Vogt bei¬ 
gelegt wird. 

Ich persönlich glaube, daß Tremor und Wackelbewegungen bei den uns 
hier interessierenden Krankheitsbildern als eine Art ataktischer Bewegungs¬ 
störung aufzufassen sind, die man zum Teil vielleicht auf anatomische Läsionen 
im Gebiet des roten Kerns zurückzuführen hat. 

Möglicherweise steht aber der Reflexmechanismus noch unter dem Einfluß 
der in ihrem Verlauf allerdings noch nicht ganz sicheren fronto-ponto-zere¬ 
bellaren Bahn, die ihr vielleicht anregende Impulse zufließen läßt. Unter 



166 


Die Parkinson-, Westphal-Stxümpell-, Wilsonsehe Krankheitsgruppe. 


diesen Umständen könnten Störungen im Bereich dieser Bahn eventuell 
für die Erscheinungen der extrapyramidalen Parese verantwortlich gemacht 
werden. 


4. Psychische Veränderungen. 

Die bei dieser Krankheitsgruppe vorkommenden psychischen Symptome 
lassen sich in drei verschiedene Formen ein teilen: 

1. Akzessorische psychische Veränderungen; es handelt sich dabei im wesent¬ 
lichen um das Auftreten seniler Erscheinungen, wie sie besonders bei den vor¬ 
geschrittenen Fällen von Paralysis agitans beobachtet werden. 

2. Psychische Veränderungen besonderer Art, die namentlich bei Pseudo¬ 
sklerose nicht selten Vorkommen, aber auch die Wilsonsche Krankheit und 
bisweilen auch die Paralysis agitans nicht verschonen. 

3. Eine psychische Umstellung, die bei Paralysis agitans und Wilsonscher 
Krankheit auftritt, die durch das Wesen der Krankheit bedingt zu sein scheint 
und offenbar mit den motorischen Erscheinungen der Erkrankung aufs engste 
verknüpft ist. 

1. Das unter 1 erwähnte Vorkommen seniler Veränderungen bei vorge¬ 
schrittenen Fällen von Paralysis agitans oder anderen senil gewordenen Amyo- 
statikern bedarf keiner besonderen Besprechung; ebenso kann ich mich mit 
der bloßen Erwähnung des Vorkommens psychogener Störungen begnügen, 
wie sie bei langdauernden Leiden oft beobachtet werden, und deren Entstehung 
vollkommen verständlich ist. Daß viele Paralysis agitans-Kranke ungeheuer 
klagsam und empfindlich, oft ängstlich sind, ist dem Wesen des qualvollen 
Leidens ebenfalls durchaus angepaßt. Besonders frühes Auftreten seniler 
Störungen kommt vor, ist aber keineswegs die Regel. Auf der anderen Seite 
können auch Kranke mit vorgeschrittener Paralysis agitans trotz hohen Alters 
unter Umständen von den eigentlichen senilen Geistesstörungen völlig frei 
bleiben. 

2. Daß bei den oft recht ausgebreiteten Veränderungen, die die Pseudo¬ 
sklerose auch an der Hirnrinde setzt, psychische Defekte auftreten, ist nicht 
verwunderlich. Was die klinische Beurteilung anlangt, so darf man sich nicht 
allein durch den unbelebten Gesichtsausdruck und den Mangel an Bewegungen 
oder ähnliche motorische Symptome dazu verleiten lassen, eine Demenz zu 
konstatieren. Gerade bei diesen Kranken ist die beliebte Bemerkung: »der 
Kranke macht einen stumpfen oder dementen Eindruck« nicht zutreffend, 
denn der äußere Eindruck täuscht hier außerordentlich häufig. 

Im allgemeinen werden psychische Defekte mehr als eine Besonderheit 
der Pseudosklerose angesehen, jedoch ist die Wilsonsche Krankheit keineswegs 
immer frei davon. Wilson selbst fand bei acht von seinen zwölf Fällen 
hierher gehörende psychische Veränderungen, die er registriert, ohne sie als 
einen wesentlichen Teil der Erkrankung hinzustellen, da einige Fälle ganz 
frei davon waren. Den Ausdruck »Demenz« hält er für ungeeignet; er spricht 
lieber von einer Verengung des geistigen Horizontes und einer gewissen Kind¬ 
lichkeit. Merkfähigkeit und Wahrnehmung waren unverändert, jede Ähnlich¬ 
keit mit senilen Demenzformen und Dementia praecox werden abgelehnt. Be¬ 
obachtet sind außerdem eine gewisse Reizbarkeit und Zwangslachen. 



Psychische Veränderungen. 


167 


Bei einem Fall von Cadwalader, der sich bei der Sektion als Wilsonsche 
Krankheit herausstellte, war auf Grund der psychischen Symptome die Dia¬ 
gnose Dementia praecox gestellt worden. 

Bei den übrigen Fällen reiner Wilsonscher Krankheit, die oben aufgeführt 
sind, bestehen nur unwesentliche psychische Veränderungen (Economo- 
Stertz). Nur den Fall von Stöcker, der auch anatomisch Übergänge zur 
Krankheitsform der Pseudosklerose aufweist, zeigt eine geringe Demenz, Stumpf¬ 
heit und ein auffallend ungeniertes Verhalten. 

Die Pseudosklerose geht auch nicht in allen Fällen mit psychischen Stö¬ 
rungen einher. In den im Anfangsstadium beschriebenen Fällen von Dziem- 
bowsky (Fall 3), Fleischer (Fall 4), sowie im Fall Strümpell-Handmann, 
traten psychotische Erscheinungen nicht in den Vordergrund. Bei den übrigen 
Fällen kann man folgende Arten von psychischen Störungen unterscheiden: 

Eine geistige Schwäche, die sich zum Teil in einer Herabminderung 
des Kenntnisbesitzes unter Abnahme des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit 
äußert, zum Teil mehr als allgemeine Stumpfheit und Interesselosigkeit mit 
Mangel an Spontaneität in die Erscheinung tritt; zum Teil besteht auch eine 
ausgesprochene Urteilsschwäche und ein läppisch kindisches Verhalten. Über¬ 
einstimmend wird festgestellt, daß es sich nicht um angeborene Zustände da¬ 
bei handelt, sondern immer entwickelt sich die Demenz erst im Laufe der 
Erkrankung. Ausführliche Untersuchungen über die Art der Demenz existieren 
bis jetzt noch nicht, nur Focher hat vor kurzem eine psychische Unter¬ 
suchung eines derartigen Kranken veröffentlicht. Er fand gute Merkfähigkeit, 
ein schlechtes Gedächtnis, Kritikschwäche, erschwerte optische Auffassung, 
Perseverationsneigung, fehlende Krankheitseinsicht. Im Laufe der Erkrankung 
machte sich eine deutliche Verschlechterung der psychischen Leistungen be¬ 
merkbar. Zur Feststellung der Allgemeingültigkeit dieser Befunde bedarf es 
noch weiterer Beobachtungen. 

Vielleicht noch auffallender als die Herabsetzung der Intelligenz ist die 
Veränderung der Persönlichkeit, des Charakters der Kranken, die verschiedent¬ 
lich hervorgehoben wird; mehrfach wird betont, daß die Kranken trotzig, bos¬ 
haft, mißtrauisch geworden sind, sich unanständig, ungeniert benehmen. 

Am regelmäßigsten beobachtet wird eine Veränderung des affektiven Ver¬ 
haltens. Reizbarkeit, Jähzorn, Neigung zu Wutausbrüchen, Erregungszustände. 
Die Kranken sind unverträglich, aufbrausend, meist beruhigen sie sich jedoch 
bald wieder. Graduell kann die Affektlabilität und emotionelle Inkontinenz 
sehr verschieden sein. In einigen wenigen Fällen war Unterbringung in eine 
Irrenanstalt notwendig, meist kommt es aber nur zu kurzdauernden Erregungs¬ 
zuständen, oder es handelt sich bloß um eine relativ geringe, reizbare Schwäche. 
Viermal wird von paranoischer Einstellung berichtet (C. Westphal, Fall 2, 
A. Westphal, Alzheimer-Hößlin und Fleischer, Fall 1). Offenbar handelt 
es sich bei letzteren nicht um ein durch den Krankheitsprozeß bedingtes psy¬ 
chisches Symptom, sondern um eine bestehende Veranlagung, die vielleicht 
unter dem Einfluß der erhöhten Reizbarkeit zum Vorschein gekommen ist. 

In letzter Zeit ist man auf gewisse symptomatologische Ähnlichkeiten der 
hier in Rede stehenden Krankheitsgruppen zu den Schizophrenien aufmerksam 
geworden. Namentlich die motorischen Symptome zeigen nicht selten eine 



168 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Reihe übereinstimmender Merkmale bei beiden Erkrankungen. In erster Linie 
wäre hier die Flexibilitas cerea zu nennen, die übrigens bei den Erkrankungen 
der subkortikalen Ganglien sehr viel »typischer« und ausgesprochener sein 
kann, als wir sie bei den katatonen Zustandsbildern zu sehen gewohnt sind. 
Auch die von Spannungszuständen bevorzugten Muskelpartien sind bei beiden 
Leiden meist die gleichen. Es kommt hinzu, daß auch gewisse Symptome 
seitens des vegetativen Nervensystems bei beiden Erkrankungen auftreten. 
Es ist lohnend und interessant, diese Beziehungen noch näher zu verfolgen. 
F. Fränkel hat kürzlich im Zusammenhang darauf hingewiesen, daß einerseits 
die körperlichen Symptome der Katatonie auf den Hirnstamm hinweisen, daß 
aber ganz besonders die psychischen Vorgänge bei den Erkrankungen der 
subkortikalen Ganglien am meisten Ähnlichkeit mit katatonen Zustandsbildem 
haben. Er kommt dabei zu dem Schluß, daß auch für die Dementia praecox 
in den subkortikalen Ganglien der Angriffspunkt der schädigenden Noxe sich 
werde finden lassen. 

Ähnliches vermuten C. und 0. Vogt für die hysterischen Störungen. Sie 
ventilieren die Möglichkeit, daß die Symptome der Striatum- + Pallidumerkran- 
kungen bei ihrer Ähnlichkeit mit gewissen hysterischen Phänomenen einen 
Fingerzeig für den Sitz der den letzteren zugrunde liegenden pathologischen 
Veränderungen geben könnten. Als Begründung dafür führen sie an, daß ein 
guter Teil der hysterischen Symptome nichts anderes sei, als krankhaft inten¬ 
sive oder ihrer Qualität nach pathologisch modifizierte Ausdrucksbewegungen; 
dies weise auf Beziehungen zum Striatum hin, wo ja ein Zentrum für auto¬ 
matische Ausdrucksbewegungen sei. Ich glaube nicht, daß diese äußere Ähn¬ 
lichkeit zu solch weitgehenden Schlüssen berechtigt. Als weitere Stütze dieser 
Hypothese wird der Umstand aufgeführt, daß ein großer Teil dieser motorischen 
Störungen zu Verwechselungen mit Hysterie geführt hat oder noch führt. 
Demgegenüber möchte ich folgendes geltend machen: wenn bei einem als 
hysterisch angesprochenen Symptomenbild sich später eine organische Grund¬ 
lage finden läßt, so beweist das nicht, daß die hysterischen Erscheinungen in 
dem betreffenden Gebiet lokalisiert sind, sondern nur, daß die fragliche Er¬ 
krankung keine hysterische war. 

Die als Punkt 3 schon kurz erwähnte psychische Umstellung, die wir bei 
Paralysis agitans, Wilsonscher Krankheit und den hierher gehörigen Symptom¬ 
gruppen beobachten können, hängt auf das engste zusammen mit den hier 
vorkommenden motorischen Störungen. Die Feststellung und Analyse dieser 
Erscheinungen ist deswegen schwer, weil die Kranken so gut wie nie Aus¬ 
kunft über ihr Erleben geben können, nur sehr selten sind Fälle zu solchen 
Untersuchungen brauchbar. Wenn man aber einmal auf das Wesen dieser 
motorischen Störung und ihrer Rückwirkung auf das psychische Verhalten der 
Kranken aufmerksam geworden ist, so wird man auch bei anderen Fällen 
analoge Verhältnisse in ihren Grundzügen erkennen können. 

Ich habe in einer vor kurzem erschienenen Arbeit an der Hand zweier 
Krankengeschichten die psychomotorische Umstellung dieser Kranken genauer 
charakterisiert, so daß ich mich hier auf das Notwendigste beschränken kann. 
Das Wesentliche bei dieser Umstellung ist, daß der Ausfall der normalerweise 
automatisch ablaufenden Hilfs- und Nebenbewegungen sowie der eines Teiles 



Psychisohe Veränderungen. 


169 


der Mitbewegungen bei diesen Kranken durch willkürliche Bewegungen ersetzt 
werden muß. D. h. die Kranken sind nur dadurch imstande, die vielen, bei 
allen motorischen Akten notwendigen Hilfebewegungen auszuführen, daß sie 
jeder einzelnen ihr besonderes Augenmerk schenken, sie einzeln innervieren. 
Dadurch leidet natürlich die Promptheit und die Qualität der Bewegungen; 
denn die Eleganz einer gut eingeübten oder geläuügen Bewegung besteht 
gerade darin, daß alle dazu notwendigen Komponenten genau ineinander ein¬ 
gespielt sind, daß keine unnötige Kraftanstrengung und keine nicht dazu¬ 
gehörige Mitbewegung gemacht wird. Wenn nun ein Kranker mit dem hier 
besprochenen Symptomenkomplex des Ausfalls unwillkürlicher Bewegungen bei 
jeder Bewegung zu überlegen hat, welche Innervation im gegebenen Augen¬ 
blick erfolgen muß, so ist es klar, daß daraus von vornherein eine Verlang¬ 
samung des Bewegungsablaufs resultiert. Eine weitere Folge ist aber auch 
eine Steifheit und Unbeholfenheit; es sieht aus, als mache der Kranke diese 
Bewegung zum ersten Male, als habe er keine Übung darin, als sei er nicht 
imstande, die gewünschte Bewegung als eine Einheit zu betrachten. Diese 
Störung hat also gewissermaßen zu einer Auflösung des im Laufe des Lebens 
erworbenen Übungsgewinnes geführt. 

Es ist weiter verständlich, daß dieser Ersatz der für gewöhnlich unwill¬ 
kürlich ablaufenden Bewegungen durch willkürliche wegen der immer wieder¬ 
kehrenden Notwendigkeit, besonders darauf zu achten, sehr viel mehr An¬ 
strengung kostet als der normale Vorgang. Dementsprechend tritt eine stärkere 
Ermüdbarkeit ein. Die Kranken erlahmen und verzichten schließlich auf die 
Ausführung vieler Bewegungen. 

All die geschilderten verschiedenen Umstände kommen zusammen, um den 
Kranken motorisch besonders hilflos zu machen und als eine gegenüber ge¬ 
sunden Zeiten durchaus veränderte, motorisch eingeengte Persönlichkeit er¬ 
scheinen zu lassen. Mit weiterem Fortschreiten der Erkrankung wird man 
die geschilderten Vorgänge nicht mehr im einzelnen beobachten können, aber 
auch die Restsymptome lassen die Veränderung der motorischen Persönlich¬ 
keit erkennen und sie aus der psychomotorischen Einengung verstehen. 
Diese läßt sich durch folgendes kurz charakterisieren: 

Die Kranken sind darauf angewiesen, ausgefallene normaliter automatisch 
ablaufende Bewegungen durch Willkürbewegungen zu ersetzen. Sie sind so 
genötigt, jeder an sich belanglosen Hilfebewegung ihr besonderes Augenmerk 
zuzuwenden. Dadurch, daß der Ausführung von Haupt- und Nebenbewegungen 
dieselbe Beachtung geschenkt werden muß, verliert die Hauptbewegung an 
Bedeutung, es tritt eine gewisse Nivellierung der Bewegungen ein. 

Um den veränderten motorischen Verhältnissen Rechnung zu tragen, wird 
die Aufmerksamkeit der Kranken in erhöhtem Maße von den Körperbewegungen 
bzw. der Körperhaltung in Anspruch genommen. Bei dem beschränkten Um¬ 
fange der Aufmerksamkeit und bei der Unmöglichkeit, eine auch nur kleine 
Anzahl von Innervationen gleichzeitig willkürlich zu leisten, wird die 
Ausführung namentlich der zusammengesetzten Handlungen sehr erschwert. 
Die Handlungen werden in ihre einzelnen Akte auseinandergezogen, denn jede 
Einzelheit muß ja für sich als selbständige Handlung innerviert werden, be¬ 
darf eines besonderen Anstoßes. Die Folge ist eine hochgradige Verlangsamung, 



170 


Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 


Umständlichkeit und schließlich eine durch die motorische Einengung be¬ 
dingte Hilflosigkeit. 

Eine weitere Folge ist aber auch eine Rückwirkung auf das psychische 
Leben. Es erscheint verständlich, daß die so gefesselte Aufmerksamkeit äußeren 
Eindrücken nur in beschränktem Maße zugewandt werden kann; es muß daher 
die Verwertung der Einwirkungen von außen leiden, zentripetale Anregungen 
kommen nur in geringem Umfange zur Geltung. 

Dadurch wird eine gewisse Abtrennung der Kranken von ihrer Umgebung 
hervorgerufen; sie sind gezwungen, ein abgeschlossenes Dasein zu führen, ihr 
Konnex mit der Umwelt leidet. Die meist äußeren Eindrücke gleiten ge¬ 
wissermaßen an der Oberfläche ab, weil nur die verarbeitet werden können, 
denen der Kranke ausdrücklich seine unabgelenkte Aufmerksamkeit zuwendet. 
Der Eindruck des Abgekapseltseins wird noch verstärkt dadurch, daß auch 
das seelische Erleben der Kranken motorisch nicht zum Ausdruck kommt, 
weder in Körpergesten noch in der Mimik. 

Schließlich erscheint es verständlich, daß auch Denkvorgänge durch die 
geschilderten Störungen beeinflußt werden können, zunächst natürlich nur für 
die Zeit, in der die Kranken motorisch irgendwie beansprucht und so an allen 
anderen Betätigungen gehindert sind. Hierdurch muß es zu einer Verringerung 
der Konzentration kommen, ferner könnten die Denkleistungen durch Einstell¬ 
störungen im Sinne Kleists ungünstig beeinflußt sein. 

Es erscheint diskutabel, ob nicht das, was wir als Akinese bei unseren 
Kranken bezeichnen, mit der hervorgehobenen Fesselung der Aufmerksamkeit 
zum Teil wenigstens in einem psychologischen Zusammenhang steht. 

Die hier geschilderte psychische Umstellung ist ja offenbar die Folge einer 
ursprünglich motorischen Störung, sie kann ihrerseits aber auch wieder auf 
das Motorium eine Rückwirkung ausüben, die dann eine Vertiefung und 
Verstärkung des akinetischen Zustandes herbeiführt. 

Ob das Wesen der Akinese durch motorische Symptome restlos erklärt 
werden kann, ist noch nicht sichergestellt. Diese motorischen und psychischen 
Komponenten lassen sich hier nur schwer voneinander trennen. Auch bei den 
akineseähnlichen Zuständen der Parkinsonschen Syndrome spielt offenbar eine 
Wechselwirkung zwischen Psyche und Motorium, besonders die hier dargestellte 
motorische Einengung und die durch sie bewirkte psychische Umstellung eine 
wesentliche Rolle. 

5. Bedeutung des vegetativen Nervensystems. 

Erscheinungen, die auf Störungen im Gebiet des vegetativen Nervensystems 
zurückzuführen sind, finden wir bei der Paralysis agitans recht oft. Als solche 
sind aufzufassen der Speichelfluß, eine starke Schweißsekretion, die Hitzeemp¬ 
findung und trophische Störungen, wie wir sie in Gestalt der Glanzhaut be¬ 
obachten. Der Speichelfluß wird auch bei Fällen Wilsonscher Krankheit und 
Pseudosklerose beschrieben. Ferner sind namentlich sekretorische Störungen 
der Haut (das sogenannte Salbengesicht) auch bei den Parkinsonschen Sym- 
ptomenkomplexen nach Enzephalitis beobachtet worden. 

Eine Ursache für die in der Tat recht häufig vorkommende Glanzhaut bei 



Bedeutung des vegetativen Nervensystems. 


171 


der Paralysis agitans ist noch nicht sicher bekannt. Offenbar handelt es sich 
11m eine trophische Störung, deren Zusammenhang mit dem vegetativen System 
möglich, aber keineswegs erwiesen erscheint. 

Eine gewisse entfernte Ähnlichkeit mit der Hautveränderung bei der Sklero¬ 
dermie liegt insofern vor, als die Haut trocken und gespannt aussieht. Die 
am meisten befallenen Körperteile sind Finger und Hände. Gelegentlich macht 
sich die Erscheinung am Nasenrücken bemerkbar. 

Eine Hypersekretion bestimmter Hautdrüsen im Gesicht ist sehr oft zu 
beobachten. Es handelt sich dabei um ein feuchtglänzendes Sekret, das den 
Eindruck hervorruft, als sei das Gesicht mit Salbe eingerieben (T. Cohn). 
Was für eine Art von Sekret hier abgesondert wird, und über die näheren 
Bedingungen der Absonderungen wissen wir nichts Bestimmtes. Offenbar 
handelt es sich um ein Sekret der Haut-Talgdrüsen. Im Abstrich kann man 
Fettropfen sehen. Es liegt nahe, das Symptom mit der Parasympathikus¬ 
funktion in Zusammenhang zu bringen, und zwar wohl mit einer Hyperfunktion 
desselben. F. Stern legt Wert darauf, zu betonen, daß diese Hyperfunktion 
nicht ein Reizsympton bilde, sondern durch den Ausfall hemmender Einflüsse 
auf das parasympathische System entstanden sei. 

Sehr auffallend ist es, daß bei katatonen Zuständen das gleiche Symptom 
(Talgschwitzen) beobachtet wird. 

Daß der starke Speichelfluß bei Paralysis agitans, Wilsonscher Krankheit usw. 
auf einem Reizzustand im Gebiet der parasympathischen Nerven oder Zentren 
beruht, ist meiner Ansicht nach nicht ganz sicher. Die Möglichkeit, daß 
Hemmungen des parasympathischen Systems fortgefallen sind, liegt natürlich 
auch hier vor. Abgesehen davon wäre aber auch daran zu denken, ob nicht 
äußere Reize eine wichtige Rolle bei dem Hervorbringen des Speichels spielen, 
namentlich könnte das dauernde Offenstehen des Mundes eine erhöhte Speichel¬ 
sekretion notwendig machen, oder das Zittern der Zunge im Munde wäre im¬ 
stande, mechanisch die Speichelsekretion zu beeinflussen. 

Andererseits braucht der Speichelfluß aber nicht durch eine erhöhte Se¬ 
kretion bedingt zu sein, sondern kann seine Ursache in einem mangelhaften 
Abtransport des produzierten Speichels haben. Wir haben gesehen, daß bei 
den hier besprochenen Erkrankungen die automatisch sich vollziehenden Be¬ 
wegungen zum Teil ausfallen, und daß beim Schlucken Störungen im Sinne 
einer Verlangsamung und eines Seltenerwerdens des Schlingaktes Vorkommen. 
Der in normaler Menge abgesonderte Speichel kann deshalb nicht genügend ab¬ 
befördert werden und muß daher aus dem offenstehenden Munde ausfließen. Man 
wird diese beiden Bedingungen des Speichelflusses nicht immer unterscheiden 
können, weil eine Norm weder für die Sekretion noch für das normalerweise durch 
Verschlucken wieder abbeförderte Qantum bekannt ist. Wahrscheinlich wird 
man mit beiden Faktoren zu rechnen haben. Bei manchen Fällen von post¬ 
enzephalitischem Parkinsonschem Syndrom mit sehr reichlichem Speichelfluß 
wird man unbedingt eine Hypersekretion annehmen müssen, die dann wohl 
am einfachsten als ein Reizzustand im parasympathischen System anzusehen ist. 

Eine ähnliche Genese haben wir wohl für die diffusen Schweißausbrüchen 
dieser Kranken anzunehmen, wenn nicht eine Störung der Wärmeregulation 
dabei auch eine gewisse Rolle spielt. Letztere macht sich klinisch bemerkbar 



172 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wiisonsche Krankheitsgruppe. 

in einer gesteigerten Hitzeempfindung. Einzelnen dieser Kranken ist auch 
unter dünner Decke im Winter nie kalt, warme Stuben und starkes Zudecken 
halten sie nicht aus. Das Hitzegefühl kann bei ihnen oft quälend werden; 
daß es mit Erweiterungen der Hautgefäße einhergeht, wie Curschmann an¬ 
gibt, konnte ich nicht finden. Eine solche Erweiterung der Hautgefäße würde 
ja auch nur zu vorübergehenden Hitze Wallungen führen und schließlich eben 
infolge der Erweiterung der Hautgefäße und der dadurch erleichterten Ab¬ 
kühlung des Blutes einem Frostgefühl Platz machen, während die Kranken 
über langdauernde Hitzezustände klagen. Offenbar handelt es sich dabei 
um zentrale Störungen der Wärmeregulation, und die beobachteten Ver¬ 
änderungen an der Blutfüllung der Hautgefäße sind nur sekundärer Natur. 
Ob und inwiefern die Schweißausbrüche der Paralysis agitans mit den sub¬ 
jektiven Hitzeempfindungen Zusammenhängen, ist schwer zu sagen, allzu häufig 
sind die Schweißausbrüche nach meiner Erfahrung bei der Paralysis agitans 
übrigens nicht. 

Alle diese in ihrem Zusammenhang mit dem vegetativen Nervensystem 
noch keineswegs sicher fundierten Erscheinungen nehmen in der Symptomato¬ 
logie dieser Erkrankungen nur einen recht geringen Raum ein, sie können 
meiner Ansicht nach deshalb keine besondere Bedeutung für die Lokalisation 
der Krankheitsprozesse gewinnen, wie man in letzter Zeit vielfach anzunehmen 
geneigt ist. Ein gewisser Zusammenhang scheint ja allerdings insofern gegeben 
zu sein, als in der Nähe der erkrankten Gebiete Kerngruppen liegen, die als 
Zentren für vegetative Funktionen in Frage kommen. E. Frank schreibt dem 
Linsenkern neben seiner motorischen Funktion auch hemmende Einflüsse auf 
einzelne vegetative Zentren im Hypothalamus zu. Seine Zerstörung oder eine 
Degeneration der zum Hypothalamus führenden Linsenkernschlinge lassen nach 
dieser Auffassung die Hemmungen ausfallen, und es entsteht ein Erregungs¬ 
zustand im parasympathischen Gebiet, welche die Hypersekretion des Speichels 
und Schweißes veranlaßt. 

Mit dieser Annahme läßt sich jedoch das Fehlen aller sonstigen parasym¬ 
pathischen Reizsymptome nicht gut vereinigen, man müßte doch namentlich 
auf dem Gebiet der Pupülenfunktion bzw. der Herzarbeit usw. ebenfalls Stö¬ 
rungen nachweisen können, wenn man eine Erkrankung der parasympathischen 
Zentren als vorliegend annehmen will. Daß Beziehungen überhaupt bestehen, 
soll nicht geleugnet werden. 

F. H. Lewi bringt die von ihm bei Paralysis agitans gefundenen Degene¬ 
rationen im dorsalen Vaguskern, einem Kern im Hypothalamus, im Corpus 
Luys und in der Substantia nigra mit solchen Störungen in Verbindung. 

Frank faßt auch das Zustandekommen des Muskeltonus als eine Funktion 
des Parasympathikus auf und seine Steigerung als Folge eines Ausfalles von 
Hemmungen, die der Linsenkern normalerweise auf das im Hypothalamus 
gelegene parasympathische Zentrum ausüben müßte. ' 

Im einzelnen stellen sich Franks Ansichten über den Muskeltonus und 
seine Störungen etwa folgendermaßen dar: 

Jeder Muskel enthält neben den zu raschen Zuckungen (Tetanus) befähigten 
Fibrillen noch eine vom Sympathikus innervierte Sarkoplasmasubstanz, deren 
Funktion eine langsame aber anhaltende Verkürzung hervorruft. Der Zu- 



Bedeutung des vegetativen Nervensystems. 


173 


sammenhang dieser beiden Muskelteile ist so zu denken, daß sich im quer¬ 
gestreiften Skeletmuskel ein glatter verbirgt. Ihr physiologischer Unterschied 
besteht darin, daß der quergestreifte Muskel Glykogen verbraucht, Sauerstoff 
aufnimmt und Kohlensäure abgibt, und daß in ihm ein diskontinuierlicher 
Aktionsstrom verläuft. Alle diese Besonderheiten fehlen der plasmatischen 
Substanz. Bei der Funktion des Sarkoplasma vermehrt sich dagegen das 
Muskelkreatin, auf dessen Produktion eine rein fibrilläre Muskelaktion keinen 
Einfluß ausübt. 

Die tonische Funktion der Muskeln denkt Frank sich an das Sarkoplasma 
geknüpft. Dieses erfährt unter dem Einfluß der parasympathischen Nerven 
{nicht des Sympathikus, der offenbar mehr als trophisches Organ für das Sarko¬ 
plasma aufgefaßt wird) eine physikalische Zustandsänderung, welche ihm die 
Eigenschaft einer plastischen Masse verleiht. Ein Übermaß dieser Reize, her¬ 
vorgerufen durch den Wegfall einer Hemmung seitens des Linsenkerns, läßt 
es zur eigentlichen Starre kommen. 

Die parasympathischen Innervationen werden nach Frank auf dem Wege 
der hinteren Wurzeln zum Muskel geleitet, eine Anschauung, die er durch 
einen bis jetzt noch nicht nachgeprüften Versuch an einem Par^lysis agitans- 
Kranken mit Lumbalanästhesie zu stützen versucht. 

Unklar erscheint mir bei diesen Hypothesen das Verhältnis zwischen sym¬ 
pathischer und parasympathischer Innervation, die beide dem Sarkoplasma 
zugeführt werden. Eine rein antagonistische Wirkung der beiden Innervationen 
lehnt Frank für diese Fälle ab. 

Was die pharmakologischen Versuche, die die Theorie stützen sollen, an¬ 
langt, so weist Frank selbst darauf hin, daß die beruhigende Wirkung des 
den Parasympathikus lähmenden Hyoszins auch auf zentrale Wirkungen des 
Präparats zurückgeführt werden könnte, auch ohne daß das Bewußtsein in 
dem Einzelfalle getrübt ist. Das Physostigmin-Injektionen bei Paralysis agitans 
den Tremor oder die Rigidität steigern, konnte ich bei mehreren darauf unter¬ 
suchten Fällen nicht finden. 

So verlockend manche Punkte der Frankschen Theorie im ersten Augen¬ 
blick zu sein scheinen, so ist ihre Anwendbarkeit für die hier untersuchten 
Krankheitsgruppen noch keineswegs erwiesen, zumal, da sichere parasym¬ 
pathische Störungen doch nur eine relativ untergeordnete Rolle im Symptomen- 
bilde spielen. 

Sehr bedauerlich ist es, daß die mit diesen Forschungen im Zusammenhang 
stehenden Untersuchungen über den Kreatinverbrauch, sowie über das Ver¬ 
halten des Aktionsstromes bei der tonischen Innervation noch nicht zu klaren 
Resultaten geführt haben. Selbst wenn die Kreatininausscheidungen im Urin 
uns ein sicheres Bild liefern von dem Kreatinstoffwechsel des Muskels, wird 
man deshalb keine exakten Resultate erwarten können, weil eine Kontraktion 
des Sarkoplasmas offenbar nie isoliert auftritt, sondern auch den Fibrillen¬ 
apparat mit in Bewegung setzt. Aus dem gleichen Grunde können die Unter¬ 
suchungen über das Verhalten des Aktionstromes uns offenbar ebenfalls nicht 
sicher darüber orientieren, ob in dem einen Fall eine reine Fibrillenkontraktion 
mit Aktionstrom oder eine aktionstromfreie tonische Kontraktion vorliegt. 



174 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

6. Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen der Parkinson-, 
Westphal-Strümpell-, Wilsonschen Gruppe. 

I. 

Bis jetzt wurde nur von den als Krankheiten sui generis aufzufassenden 
Leiden gesprochen, nämlich der progressiven Linsenkerndegeneration, der Pseudo¬ 
sklerose und der Paralysis agitans. Als solche wurde auch der Torsionsspasmus 
erwähnt, wenn auch dessen nosologische Umgrenzung noch keineswegs sicher 
steht. Dabei mußte allerdings zuweilen, um einzelne Symptome im Zusammen¬ 
hang zu besprechen, auf andere Beobachtungen zurückgegriffen werden. Die 
hier zusammengefaßten Symptomenkomplexe kommen auch mehr oder weniger 
vollständig oder durch weitere Symptome ergänzt, als Erscheinungsformen 
anderer Erkrankungen vor. Am häufigsten wurde dieser Symptomenkomplex 
in letzter Zeit beobachtet als Symptomenbild einer Enzephalitis und gerade 
durch deren Auftreten sind alle diese Erscheinungen sehr bekannt geworden, 
derartig, daß für viele der amyostatische Symptomenkomplex fast identisch mit 
Enzephalitisfällen geworden ist. 

Außer der Enzephalitis sind Gefäßerkrankungen des Gehirns unter Um¬ 
ständen in der Lage, derartige Symptomenkomplexe auszulösen, z. B. Apoplexie, 
Lues cerebri usw. Vor allem verdient hier das Krankheitsbild der Arteriosklerose 
eine Erwähnung. Auch auf die Pseudobulbärparalyse wird kurz einzugehen sein, 
weil auch bei ihr Erscheinungen beobachtet werden, die gewisse Beziehungen zu 
dem hier beschriebenen Symptomenbild haben. Ebenso wie eine Blutung im Ge¬ 
hirn, kann auch ein Tumor von entsprechendem Sitz amyostatische Symptome 
hervorrufen. Bei Idioten, Epileptikern treten bisweilen Erscheinungen auf, die 
ebenfalls hierher gehören, hier sind sie jedoch mehr zufällige Symptome, die 
das Bild sehr wenig beeinflussen oder es doch nur zeitweise beherrschen. 

Schon bei der Paralysis agitans spielt die Leber, deren Bedeutung beim 
Zustandekommen der Wilsonschen Krankheit und der Pseudosklerose oben 
hervorgehoben wurde, keine Rolle. Durch die Wilsonschen Befunde aufmerk¬ 
sam geworden, hat man natürlich bei allen, unter ähnlichen Symptomen ein¬ 
hergehenden Fällen besonders auf die Leber geachtet, und es sind auch bei 
den nur symptomatisch und nicht nosologisch zu dieser Gruppe gehörenden 
Fälle, einige mit Leber Veränderungen beschrieben worden. Hierher gehören 
einige Erkrankungen des höheren Lebensalters, die von Woerkom, Henrici, 
Economo und Schilder beschrieben sind. Bei den von Woerkom publi¬ 
zierten Fällen handelt es sich zunächst um einen 50jährigen Mann, bei dem 
sich außer wechselnden senilen Erscheinungen, Steifheit und Langsamkeit der 
Bewegungen, Muskelspannungen finden, ohne daß Pyramidenzeichen nach¬ 
gewiesen werden konnten. 

Ferner beschreibt er einen 49jährigen Trinker mit »Verfolgungsdelirien« 
und Beziehungswahn. Bei beiden finden sich post mortem Leberveränderungen 
kombiniert mit Atrophien von Hoden und Schilddrüsen. Verfasser führt die 
Entstehung der Gehirn Veränderungen, die aber histologisch weder mit der 
Pseudosklerose, noch mit der Wilsonschen Krankheit Zusammenhängen, auf die 
Erkrankung der inneren Organe zurück. Die Lebererkrankung gehört nach dem 



Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen dieser Gruppe. 


175 


^;urz im Referat wiedergegebenen Befunde nicht in die Gruppe der Wilson- 
schen Leberveränderungen, sondern es liegt offenbar eine gewöhnliche Zirrhose 
vor. Dasselbe gilt von dem Fall von Henrici, der eine 53 jährige Alkoholistin 
mit Delirien- und Tremorerscheinungen zu den Wilsonschen Fällen, meiner 
Ansicht nach sehr zu Unrecht, in Beziehungen setzt. Im Gehirn finden sich 
hier Blutungen in beiden Putamina. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen 
Leber- und Gehimerkrankungen, wie ihn Henrici annimmt, liegt meines Er¬ 
achtens nicht vor, da es sich ja nicht um toxische Erweichungen, sondern um 
zirkumskripte Blutungen handelt, wie sie auch ebensogut ohne Lebererkran¬ 
kungen Vorkommen. Daß speziell der Sitz dieser Blutungen nichts ganz außer¬ 
gewöhnliches ist, zeigt ein Fall von Hanser, der bei einem aus dem Fenster 
gestürzten Knaben eine isolierte Blutung in beiden Linsenkemen autoptisch 
feststellen konnte. 

Die Leberveränderungen in dem Falle von Economo und Schilder sind 
ebenfalls anderer Art, als sie bei Wilson und bei der Pseudosklerose gefunden 
werden. Degenerationen der Leberzellen scheinen vollkommen zu fehlen und 
dementsprechend finden sich auch keine Regenerationserscheinungen. Die Ver¬ 
fasser bezeichnen die Leberveränderungen als interstitielle Hepatitis. Das 
interlobäre Bindegewebe ist leicht vermehrt und mit Rundzellen durchsetzt. 
Die Verfasser lehnen selbst eine nähere Beziehung zur Pseudosklerose ab, be¬ 
tonen aber die Ähnlichkeit mit den Fällen von Woerkom, Stauffenberg 
und Adler; sie weisen auf eine allgemeine Ähnlichkeit mit dem Krankheits¬ 
bild der Paralysis agitans hin. Ein engerer Zusammenhang könnte allenfalls 
mit dem ersten Kranken von Woerkom bestehen; ich halte aber die be¬ 
schriebenen Fälle nicht für Glieder einer besonderen Krankheitsgruppe aus 
dem hier beschriebenen Gebiet, insbesondere glaube ich auch, daß sich kein 
pathogenetischer Zusammenhang mit der hier gefundenen Leberveränderung 
ergibt 1 ). Dagegen möchte ich annehmen, daß die beiden zuletzt erwähnten 
Fälle von Economo und Schilder, sowie der erste Fall von Woerkom, 
klinisch zu der Gruppe der arteriosklerotischen Muskelstarre gehören. Nament¬ 
lich läßt die klinische Beschreibung des Economo und Schilderschen Falles 
mit der Erwähnung der starken Spannungen an den Beinen, sehr an diese 
Diagnose denken. Eine mäßige Arteriosklerose der Gehirngefäße ist hier auch 
gefunden worden. 

Diese arteriosklerotische Muskelstarre scheint von den hier zu erwähnenden 
Erkrankungen noch am meisten die Bezeichnung einer Krankheitseinheit zu 
verdienen. 

Foerster, von dem die Aufstellung dieses Krankheitsbegriffes stammt, hat 
in seinen Fällen eine diffuse Arteriosklerose des Zentralnervensystems festgestellt. 
Er glaubt, daß der Symptomenkomplex an die Lokalisation der Krankheits¬ 
erscheinungen in einer bestimmten Stelle gebunden ist. Zwei Fälle von Er¬ 
weichungen weisen darauf hin, daß vielleicht eine Erkrankung des Brücken¬ 
armes das Symptomenbild hervorruft 2 ). Economo und Schilder finden in 

x ) Auch ist meiner Ansicht nach der Stauffenbergsche Fall keineswegs in dieser 
Gruppe unterzubringen. 

2 ) In seiner nach Abschluß dieser Arbeit erschienenen Veröffentlichung betont 
Foerster, daß Zirkulationsstörungen auf dem Boden der Himarteriosklerose zur Ent- 



176 Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

ihrem offenbar hierher gehörenden Falle Veränderungen im Kleinhirn, im 
basalen Teil des Striatum, in der Substantia innomminata. 

Sehr ausgebreitete Erkrankungen im Gebiet des extrapyramidalen moto¬ 
rischen Systems, werden von Stert z in einem entsprechenden Falle fest- 
gestellt. 

Ich hatte Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, der etwa vier bis fünf 
Monate nach den ersten Erscheinungen tödlich endete und dessen Entwicklung 
in vieler Hinsicht für das Krankheitsbüd charakteristisch erscheint: 

Fall 34. Oswald Böt. (Gehlsheim.) 68 Jahre alt. 

Vorgeschichte: Mutter Alkoholistin. Selbst normale Entwicklung, gut gelernt, von 
Beruf Bäcker. Immer unruhiger Geist, viele Stellungen — lange auf Wanderschaft — 
heiteres Temperament — keine sexuelle Infektion — früher leichter Potus. Im April 
1920 fand er Aufnahme in einem kleinen Landkrankenhause wegen Gliederschmerzen. 
Damals klagte er auch über Steifheit der Muskeln. Kein Fieber — nach einigen Tagen 
entwickelte sich nachts motorische Unruhe — er wurde subdelirös -— anscheinend aller¬ 
hand Verkennungen — war im Krankenhaus nicht zu halten und wurde deshalb nach 
der Psychiatrischen Klinik verlegt; 

Befund bei der Aufnahme: Mager — vernachlässigtes Äußere — Herz und Lunge 
o. B. Blutdruck: 105 mm Quecksilber — leichte Ödeme an den Unterschenkeln — Urin 
frei von krankhaften Bestandteilen. 

Nervensystem: Gesichtsausdruck wenig belebt — verdrossene Miene — keine aus¬ 
gesprochene maskenartige Starre — PupUlen eng — ein wenig verzogen — Reaktion auf 
Licht und Konvergenz wenig ausgiebig — Patellarsehnenreflexe und Achillessehnenreflexe 
schwach — Bauchdeckenreflexe 0 — Gang mit kleinen Schritten nach vom geneigt — 
bei der Motilitätsprüfung kein Ausfall, dagegen ausgesprochene Neigung zu Muskelspan¬ 
nungen bei aktiven und passiven Bewegungen — rechts deutlicher als links. An beiden 
Händen leichtes schüttelndes Zittern. Keine Lähmungen. 

Psychisch: Zeitlich und örtlich unorientiert—verkennt seine Umgebung — Merk¬ 
fähigkeit auf optischem und akustischem Gebiet hochgradig herabgesetzt — zuweilen auf 
Anregungen Konfabulationen — Auffassungsvermögen stark vermindert — Aufmerksamkeit 
sehr gering — keine aphasischen oder apraktischen Störungen — zuweilen Perseverationen 

— oft gereizt — läßt sich nur unter Widerstreben untersuchen, zuweilen ängstlich, glaubt, 
man wolle ihn töten. Abends delirante Unruhe — glaubt in seinem Beruf zu arbeiten 

— am Tage schläft er viel. 

Im weiteren Verlauf wird er rasch stumpfer, kümmert sich gar nicht um seine Um¬ 
gebung — ißt schlecht — allmählich entwickeln sich starke Spannungen an der Bein¬ 
muskulatur, namentlich die Adduktoren sind hochgradig kontrahiert — an den Armen 
sind am meisten befallen die Beuger am Oberarm, sowie der Pectoralis, auch der Stemo- 
kleido-mastoideus ist stark gespannt, so daß der Kopf lange Zeit vom Kissen abgehoben 
gehalten wird. Die Hände sind zu Fäusten geballt und lassen Bich nur schwer öffnen. 
Lumbalpunktion ergibt nichts besonderes. 

Die Muskelspannungen haben Anfang Juli fast die gesamte Körpermuskulatur er¬ 
griffen, so daß der Kranke kaum noch zu bewegen ist — man kann den Körper an dem 
Kopf, wie einen steifen Klotz in die Höhe heben, am stärksten sind die Muskelspannungen 
• an der Nacken- und Halsmuskulatur, an den langen Rückenmuskeln, am Pectoralis — 
am Biceps brachii, sowie an den Oberschenkelmuskeln. Die Füße sind plantar flektiert 

— die gebeugten Arme eng an den Rumpf gepreßt — die abgemagerten Muskeln treten 
plastisch in ihrem Spannungszustand hervor. 


stehung von Kriblürcn und Lakunen, ja auch zu Erweichungsherden im Globus pallidus 
führen und so die arteriosklerotische Muskelstarre veranlassen können. Die Grenzen 
gegenüber den extrapyramidalen Folgeerscheinungen mehr zirkumskripter Gehimgefäß- 
schädigungen, wie sie in II. erwähnt werden, müßten unter diesen Umständen als sehr 
unscharfe angenommen werden. 




Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen dieser Gruppe. 


177 


Die Achillessehnenreflexe fehlen jetzt, kein Babinski — die Pupillen reagieren nur 
noch sehr träge auf Lichteinfall — unter zunehmendem körperlichen Verfall erfolgt der 
Tod ungefähr vier Monate nach Beginn der Erkrankung. 

Sektion: Piaverdickung vom Stirnhim bis zu den Zentralwindungen reichend, er¬ 
hebliche Atrophie des Stirn- und Scheitellappen, die Gefäße an der Basis zeigen geriiige 
Arteriosklerose, die mikroskopische Untersuchung steht noch aus. 

Zusammenfassung: 

Beginn mit Gliederschmerzen und Muskelsteife — auf psychischem Gebiet 
von Anfang an Zeichen einer senilen Verblödung mit delirösen Zuständen — 
allmählich zunehmenden Muskelspannungen, die zur Versteifung des ganzen 
Körpers führen. Nur geringes Zittern — keine Pyramidensymptome. Im 
Laufe der Erkrankung schwinden die Achillessehnenreflexe — Pupillenreaktion 
wenig ausgiebig und träge — unter zunehmender Entkräftung und Verblödung 
erfolgt der Tod. 

Trotz der nicht sehr hochgradigen Arteriosklerose glaube ich den Fall, der 
symptomatologisch ganz mit den Fo erster sehen Originalfällen übereinstimmt, 
zur arteriosklerotischen Muskelstarre rechnen zu sollen. Bemerkenswert er¬ 
scheint mir, daß in diesem Falle als einziger makroskopischer Befund eine 
Atrophie des Stirnhirns und Scheitelhirns gefunden worden ist. Dies würde 
übereinstimmen mit der Foersterschen Anschauung, daß die motorischen 
Störungen der arteriosklerotischen Muskelstarre zurückzuführen sind auf Er¬ 
krankungen an irgendeiner Stelle der Stirnhirnbrücken-Kleinhirnbahn. Mög¬ 
licherweise decken die mikroskopischen Untersuchungen noch feinere Verände¬ 
rungen in den zentralen Ganglien, namentlich im Pallidum, auf. In seiner 
neuesten Arbeit hat Foerster auch auf die Bedeutung der zentralen Ganglien, 
besonders die Erkrankung des Pallidums für die arteriosklerotische Muskel- 
starre hingewiesen und die Ähnlichkeit betont, die zwischen Pallidumsyndrom 
und den Folgen einer Schädigung der fronto - ponto - zerebellaren Bahn be¬ 
stehen kann. 

Wenn ich die in der Literatur vorhandenen Fälle von arteriosklerotischer 
Muskelstarre zusammen mit eigenen Beobachtungen überblicke, so ergibt sich 
etwa folgendes Krankheitsbild: Charakteristisch ist vor allem eine sehr hoch¬ 
gradige Muskelrigidität, die allmählich zunimmt und unter Umständen recht 
bald sekundäre Schrumpfungsvorgänge zur Folge haben kann. Der ganze 
Rumpf, der Nacken und die Glieder werden steif, die Muskeln fühlen sich oft 
bretthart an, der Bauch ist gespannt. Die Nackenstarre und der oft einge- 
zogene Leib können unter Umständen das Bild einer Meningitis Vortäuschen. 
Die allgemeine Versteifung der Muskeln führt zuweüen zu den Erscheinungen 
einer Katalepsie, Gehen und Stehen ist meist unmöglich, der Kranke fällt 
in seiner Steifheit wie ein Klotz um, auch das Umdrehen im Bette macht schon 
große Schwierigkeiten. Unter Umständen kann man den Kranken zur Unter¬ 
suchung gar nicht aufrichten, weil er den Körper im Hüftgelenk nicht biegen 
kann. Die Wirbelsäule ist oft kyphotisch verkrümmt. 

Die Art der Muskelsteifheit entspricht der oben beschriebenen Rigidität, 
nur pflegt sie hier noch höhere Grade, nämlich eine vollkommene Versteifung, 
zu erreichen, so daß die Kranken schließlich vollkommen hilflos und unbe¬ 
weglich sind. 

Bost roe m , Symptomenkomplex. 


12 



178 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 

Bevorzugte Handhaltungen, wie die Pfötchenstellung der Paralysis agitans, 
kommen hier weniger oft vor, vielmehr scheinen die rasch eintretenden Kontrak¬ 
turen mehr dem Zufall ihre endgültige Stellung zu verdanken. Dementspre¬ 
chend beobachtet man meist an den Händen Beugekontraktur — an den 
Füßen Plantarflexion. Fast immer sind die Oberarme an den Brustkasten 
gepreßt, und auch an den Oberschenkeln bestehen Adduktionsspannungen. Die 
mechanische Muskelerregbarkeit ist zuweilen erhöht. 

Bei der so im Vordergrund stehenden Muskelstarre ist es unmöglich, nach¬ 
zuweisen, ob daneben oder unabhängig davon noch eine ausgesprochene Be¬ 
wegungsverarmung und primäre Bewegungsausfälle bestehen. Eine Bewegungs¬ 
verlangsamung ist durch den Zustand der Muskeln ohne weiteres erklärlich, 
ebenso das Symptom der Adiadoehokinese oder besser einer Pseudoadiadocho- 
kinese. 

Der Gesichtsausdruck ist meist unbelebt. Foerster beschreibt ihn direkt 
als maskenartig. Zittern wird nur in einigen Fällen beobachtet. Die Willkür¬ 
bewegungen sind durch den Zustand sehr behindert, außerordentlich langsam 
und schwerfällig. Feinere Bewegungen, z. B. eine Sicherheitsnadel zu öffnen, 
einen Rock zuzuknöpfen, gelingen in späteren Stadien überhaupt nicht mehr. 
Foerster hebt auch das für die Paralysis agitans charakteristische Mißverhältnis 
zwischen der kraftlosen Ausführung aktiver Bewegungen und der guten Inner¬ 
vation beim Beibehalten einer einmal angenommenen Stellung hervor. 

Da auch ein der Paralysis agitans ähnliches Zittern bei einigen Fällen be¬ 
obachtet wird, so besteht in der Tat eine nicht unbeträchtliche Ähnlichkeit 
zwischen beiden Krankheitsbildem; und doch sind auch klinisch immer einige 
Unterschiede vorhanden, so daß selten Verwechslungen möglich sein werden. 
Zu unterscheiden sind die beiden Krankheitsprozesse an der Art des Rigors, 
der bei der Paralysis agitans selten oder nie zu solch hochgradigen Verstei¬ 
fungen des ganzen Körpers führt. Auch fühlen sich hier die Muskeln nicht 
so hart an. Der Gesichtsausdruck ist bei der arteriosklerotischen Muskelstarre 
nicht immer so maskenartig starr wie bei der Paralysis agitans. Auch die 
Handhaltung, die für die letztere Erkrankung charakteristisch ist, pflegt bei der 
arteriosklerotischen Muskelstarre nicht so ausgesprochen zu sein. Sodann scheint 
die Gliederstarre bei den Arteriosklerotikem viel früher und in weit höherem 
Maße zu Motilitätestörungon zu führen, so daß das Gehen sehr bald unmög¬ 
lich wird. 

Während bei der Paralysis agitans neben der Hypertonie auch der Ausfall 
von Bewegungen und Störungen der Innervationsbereitschaft die Rolle eines 
primären Symptoms spielt, überwiegt bei der arteriosklerotischen Muskelstarre 
die Hypertonie vollkommen und überlagert alle anderen Symptome. 

Der klinische Hauptunterschied gegenüber der Paralysis agitans wird ge¬ 
geben durch eine Reihe von akzessorischen, neurologischen Symptomen, sowie 
durch das psychische Verhalten der Kranken. Unter den neurologischen Sym¬ 
ptomen sind, wie gleich betont werden soll, keine eigentlich spastischen 
Zeichen wie Babinski vorhanden. Fast regelmäßig fehlen jedoch die Achilles¬ 
sehnenreflexe, zuweilen auch die Patellarreflexe, die Pupillen sind meist eng, 
die Reaktion auf Licht oft träge und wenig ausgiebig. Diese spinalen Sym¬ 
ptome sprechen dafür, daß sich der krankmachende Prozeß nicht auf das 



Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen dieser Gruppe. 


179 


Gehirn beschränkt, sondern daß offenbar auch das Rückenmark unter den 
allgemeinen arteriosklerotischen Veränderungen gelitten hat oder sekundär ver¬ 
ändert ist. 

Die psychischen Veränderungen entsprechen im allgemeinen denen bei der 
senilen Demenz, sie treten oft schon vor den neurologischen Erscheinungen auf. 
Im Vordergrund stehen Merkfähigkeitsstörungen, unter Umständen verbunden 
mit Konfabulationen, ferner Desorientierung, allgemeine psychische Schwäche, 
oft nächtliche Unruhe und delirantes Verhalten. Auf affektivem Gebiet finden 
sich Reizbarkeit, Ängstlichkeit und unter Umständen paranoide Züge. 

Gegen Ende kommt es zu allgemeiner psychischer Einengung und hoch¬ 
gradiger Stumpfheit. 

Der Verlauf der Erkrankung ist nach Foerster meist sehr chronisch, der 
Fall von Economo und Schilder zog sich über mehrere Jahre hin, der von 
mir hier wiedergegebene Fall mit der Dauer von vier bis fünf Monaten dürfte 
wohl eine Ausnahme bilden. 

II. 

Neben dieser mehr allgemeinen Gefäßerkrankung der arteriosklerotischen 
Muskelstarre, bei der sehr wahrscheinlich auch Schädigungen im Rückenmark 
vorhanden sind, können auch umschriebene Gefäßerkrankungen, wenn sie ihren 
Sitz in den zentralen Ganglien haben, extrapyramidale motorische Störungen 
hervorrufen. 

So gibt es z. B. Apoplexien, die eine extrapyramidale Hemiplegie zur Folge 
haben. Auf ihre Bedeutung hat Bötticher vor kurzem in einer zusammen¬ 
fassenden Arbeit über eigene und fremde Beobachtungen hingewiesen. Er 
bezeichnet das resultierende Krankheitsbüd als Hemihypertonia apoplectica, die 
anscheinend in den meisten Fällen in recht frühem Alter (etwa 30 Jahre) auf¬ 
zutreten pflegt. Die Symptome sind dadurch ausgezeichnet, daß eigentliche 
Lähmungen nach Abklingen des ersten Schocks nicht bestehen bleiben, die 
betroffene Seite weist vielmehr nur eine ausgesprochene Hypertonie auf. Es 
handelt sich dabei nicht um spastische Erscheinungen, Pyramidensymptome 
fehlen, die mechanische Muskelerregbarkeit ist deutlich erhöht; erhöht scheinen 
auch manche Hautreflexe zu sein (Palmarreflexe). Durch aktive Bewegungen 
kann der Hypertonus herabgesetzt werden, während passive Bewegungen ihn 
verstärken. Offenbar liegt also eine echte Rigidität vor. 

Da nur in einem Falle bisher ein Sektionsbefund erhoben werden konnte 
(Herde im Thalamus und Linsenkem), läßt sich eine sichere Lokalisation dieser 
Symptome noch nicht geben. Bötticher nimmt auf Grund des Krankheits¬ 
bildes an, daß es sich nur um eine Blutung im Linsenkerngebiet handeln könne. 
Er setzt demgemäß das Krankheitsbild in nahe Beziehungen zur Wilson sehen 
Krankheit, bezeichnet es geradezu als halbseitiges Analogon dieser Erkrankung. 
Gewisse Ähnlichkeiten rein symptomatologischer Art scheinen in der Tat vor¬ 
handen zu sein, pathogenetisch und pathologisch anatomisch sind jedoch beide 
Formen durchaus verschieden und streng voneinander zu trennen, handelt es 
sich doch bei dem von Bötticher aufgestellten Krankheitsbild offenbar um 
eine Gehirnblutung, die nur zufällig ihren Sitz in den zentralen Ganglien 
einnimmt, während bei der Wilson sehen Krankheit Degenerationsprozesse die 
Ursache bilden, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit den Linsenkern befallen 

12* 



180 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsohe Krankheitsgruppe. 

und offenbar auf die gleiche toxische Ursache zurückzuführen sind, wie die dazu 
gehörende Lebererkrankung. Ich brauche in diesem Zusammenhang nur auf 
das Fehlen der Leberveränderungen in den Bötticherschen Fällen hinzu¬ 
weisen. Ähnliche Beobachtungen wie die eben besprochenen haben übrigens 
schon Bechterew und R. Pfeiffer veröffentlicht. Die Bechterewsche Hemi- 
tonie ist schon im Zusammenhang mit der Athetose besprochen worden. 

UI. 

In gleicher Weise wird man bei allen raumbeengenden Prozessen, die ihren 
Sitz im Linsenkerngebiet haben, oder einen Druck auf diesen oder seine Bahnen 
ausüben, amyostatische Symptome finden können. Leider ist aber, soweit 
unsere jetzige Erfahrung reicht, gerade bei Tumoren die Möglichkeit einer 
Lokaldiagnose äußerst gering, da Fernwirkungen leicht ähnliche Erscheinungen 
hervorrufen können, und da offenbar auch ein Sitz an irgendeiner Stelle der 
Stimhirn-Brücken-Kleinhirnbahn übereinstimmende Bilder erzeugen kann, ohne 
daß man immer in der Lage ist schon klinisch zu diagnostizieren, wo der 
Tumor sitzt. So konnte ich ein der Paralysis agitans sehr ähnliches Sym- 
ptomenbild mit hochgradiger Bewegungsarmut, Rigidität und leichtem Zittern 
bei einem Kranken finden, der an einem doppelseitigen Stimhirntumor litt. 
Uber ähnliche Beobachtungen berichtet Schuster. Es muß für diese Fälle 
wohl angenommen werden, daß eine Schädigung der fronto-ponto-zerebellaren 
Bahn an ihrem Anfangspunkt diesen Symptomenkomplex erzeugt hat. 

Stert z berichtet über einen Fall, bei dem ein an der Basis extradural 
gelegener Tumor das Bild einer typischen Paralysis agitans hervorgerufen hat. 
Nach diesen und ähnlichen Erfahrungen wird es sehr schwer sein, den Par¬ 
kinson sehen Symptomenkomplex als Lokalsymptom für die Tumordiagnose 
zu verwenden; besonders weil die zentralen Ganglien auch durch Femsymptome 
leicht in ihrer Funktion geschädigt werden können. Dazu kommt noch, daß 
es immer wieder Fälle gibt, die klinisch anscheinend typische Büder einer 
symptomatischen Paralysis agitans darstellen bei völlig negativem Sektions¬ 
befunde. So sah ich erst vor kurzem eine apoplektiform entstandene Hemi- 
paralysis agitans. Der Kranke kam nach etwa sechs Wochen zum Tode. Bei 
der Sektion fand sich makroskopisch und mikroskopisch nichts Pathologisches 
am Gehirn. 

IV. 

Die epidemische Enzephalitis hat in ihrer Vielgestaltigkeit u. a. auch Bilder 
hervorgebracht, die sich eng an den Symptomenkomplex der Paralysis agitans 
und der verwandten Krankheitsgruppe anschließen. In Betracht kommen in 
erster Linie das von Nonne zuerst als Enzephalitisfolge beschriebene Bild der 
allgemeinen Muskelstarre mit und ohne Zittern, sowie manche Folgeerschei¬ 
nungen der lethargischen Form der Enzephalitis. Vereinzelte striäre Symptome 
finden sich aber auch vorübergehend bei anderen von Enzephalitis hervor¬ 
gebrachten Symptomenkomplexen. Wesentlich neue Züge in der klinischen 
Symptomatologie haben wir dadurch nicht gewonnen. Nur ist durch das in¬ 
folge der weiten Verbreitung der Enzephalitis jetzt so oft gesehene Material 
der sonst relativ seltenen Krankheitsformen die Aufmerksamkeit der Ärzte 
mehr auf dieses Symptomenbild gerichtet worden. Leider haben sich jetzt 



Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen dieser Gruppe. 


181 


keine Möglichkeiten ergeben, unser Suchen nach der Lokalisation dieser kli¬ 
nischen Erscheinungen weiter zu fördern. Wir konnten durch die Sektions¬ 
fälle von Enzephalitis nicht wesentlich mehr erfahren, als wir schon wußten, 
nämlich, daß die zentralen Ganglien für diese Krankheitssymptome verant¬ 
wortlich zu machen sind. Bei den außerordentlich zahlreichen Mitteilungen 
von Enzephalitisfällen in der jetzigen Literatur kann ich wohl darauf ver¬ 
zichten, Krankengeschichten mitzuteilen und mich auf die notwendigsten 
Erörterungen beschränken. 

Ich will dabei nur auf die im Rahmen dieser klinischen Untersuchungen 
wichtige Frage eingehen: Besteht ein differentialdiagnostischer Unterschied in 
der Symptomatologie zwischen Enzephalitisfolge und der eigentlichen Paralysis 
agitans bzw. der Wilsonschen Krankheit. 

Von vornherein ist auffallend, daß namentlich die etwas länger anhaltenden 
Fälle von Enzephalitis mit Starre so typisch das Bild der Paralysis agitans 
nachahmen, daß eine Unterscheidung lediglich innerhalb des striären Sym- 
ptomes nicht möglich erscheint. Bemerkenswert ist, daß es sich meistens um 
das Bild der Paralysis agitans sine agitatione handelt. Zu den wenigen Fällen 
mit Tremor fiel es mir auf, daß der Tremor meist etwas grobschlägiger und 
unregelmäßiger war als bei der echten Paralysis agitans und sich weniger in 
der Gestalt des Ruhetremors bemerkbar machte, als vielmehr an den Bewe¬ 
gungsablauf geknüpft war. 

In vielen, vielleicht sogar in den meisten Fällen finden wir jedoch bei den 
Bildern von Parkinsonismus nach Enzephalitis noch andere Symptome, die wir 
bei der Paralysis agitans usw. vermissen. Namentlich gilt dies von den ersten 
Stadien der Erkrankung. Schon die Vorgeschichte wird uns Anhaltspunkte geben 
insofern, als der akute Beginn häufig mit Fieber, Delirien, psychotischen Er¬ 
scheinungen den Verdacht auf eine akute Erkrankung besonders Enzephalitis 
richten muß. Weiter finden wir fast regelmäßig nicht nur in den Anfangs¬ 
stadien sondern auch später Symptome seitens der Augenmuskeln, namentlich 
Ptosis, aber auch Doppelsehen und bisweilen Pupillenanomalien. 

Nach Abklingen der akuten Erscheinungen sehen wir aber häufig genau 
das Bild einer Paralysis agitans, und nur die etwas länger bestehenden Augen¬ 
muskelparesen und Schlafstörungen können uns, abgesehen von der Anamnese, 
Anhaltspunkte dafür geben, daß wir es mit einer Enzephalitisfolge und nicht mit 
einer echten Parkinsonschen Erkrankung zu tun haben. Die außerordentlich frap¬ 
pante Ähnlichkeit bezieht sich dabei nicht nur auf die motorischen Symptome, die 
Bewegungsarmut, Mangel an Antrieb, Rigor, typische Beugehaltung mit Pfötchen¬ 
stellung der Finger, sondern wir finden auch hier dieselben vasomotorischen 
Störungen, das Hitzegefühl, die Hypersekretion der Talgdrüsen, die glänzende 
Haut und den Speichelfluß. Ein sehr eigentümliches Bild gewährt diese Enze¬ 
phalitisfolge bei Kindern, die durch die typische Haltung und den ganzen 
Symptomenkomplex ein greisenhaftes Aussehen gewinnen. Dieselbe Überein¬ 
stimmung ist übrigens zu beobachten in bezug auf die gute therapeutische 
Wirkung des Scopolamins. 

Abgesehen von diesen Fällen, die nach einem kurzen Initialstadium den 
Parkinsonschen Symptomenkomplex bieten und lange Zeit beibehalten, finden 
wir auch, daß dieser Symptomenkomplex sich entwickeln kann aus ganz ver- 



182 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

schiedenen Formen der Enzephalitis. So kann die lethargische Form, wie auch 
die hyperkinetische Form in derartige Endzustände übergehen; unter Umständen 
wechseln derartige Symptomenkomplexe miteinander ab. Sehr eigentümlich 
ist es, daß man in der Rekonvaleszenz irgendwelcher Formen von Grippe, 
ohne daß der eigentliche Parkinsonsche Symptomenkomplex mit Rigor und 
Zittern vorhanden gewesen wäre, so häufig lange Zeit hindurch einen Mangel 
an Antrieb, eine herabgesetzte Regsamkeit, Fehlen des Interesses, Entschlu߬ 
unfähigkeit findet, alles Symptome, die wir in stärkerer Ausprägung auch bei 
der Paralysis agitans vorfinden. 

Diese Enzephalitisfolgen gewinnen eine große Bedeutung hinsichtlich der Frage, 
ob es eine juvenile Paralysis agitans gibt. Ich habe in einer früheren Arbeit 

bereits darauf hingewiesen, daß unter 
diesen Fällen der juvenilen Paralysis 
agitans sich sehr wohl Enzephalitisfol¬ 
gen verstecken können. Wie groß die 
symptomatologische Ähnlichkeit sein 
kann, zeigt die beifolgende Abb. 12. Da 
andererseits auch die echte Wilsonsche 
Krankheit meist im jugendlichen Alter 
auftritt und zuweilen große Ähnlichkeit 
mit der Paralysis agitans auf weisen kann, 
so haben wir hier zwei Krankheitsformen, 
die zu Verwechslungen mit der juvenilen 
Paralysis agitans führen könnten, und 
die beide zur Zeit der kritischen Zu¬ 
sammenstellung über die Frage von 
Willige in ihren Einzelheiten noch nicht 
bekannt waren. Auf diese Weise ist für 
die Frage der juvenilen Paralysis agitans 
ein neuer Gesichtspunkt gewonnen, und 
ich glaube, man wird für die meisten 
Fälle der juvenilen Form entweder eine 
Enzephalitis oder eine Wilsonsche Krank¬ 
heit verantwortlich machen dürfen. Da¬ 
für spricht auch, daß seit der Aufstellung 
der Wilsonschen Krankheit neue Fälle 
der juvenilen Paralysis agitans nicht mehr 
beschrieben sind. 

Was die Differentialdiagnose zwischen »Parkinsonismus« nach Enzephalitis 
und einer Erkrankung sui generis aus der Parkinsonschen Gruppe anlangt, so ist in 
erster Linie die Anamnese zu berücksichtigen. Auf der einen Seite der akute 
Beginn mit Fieberdelirien, event. Schlafsucht oder überhaupt Schlafstörungen, 
auf der anderen Seite ganz allmähliches Einsetzen der Symptome, häufig 
einseitig. Unter Umständen kann es Jahre dauern, bis die stärkere Be¬ 
hinderung der Bewegungen eintritt, und erst eine genauere Erhebung der 
Anamnese macht dem Kranken klar, daß schon vor längerer Zeit leichte 
Bewegungsstörungen, Unbehilflichkeit, auf die er gar nicht geachtet hat, als 



Abb. 12. Parkinsonscher Symptomenkom¬ 
plex nach Encephalitis epidemica bei einem 
Kinde, eine »Paralysis agitans juvenilis 
vortäuschend«. 

(Aus der psychiatr. Klinik Breslau.) 



Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen dieser Gruppe. 


183 


Symptome der jetzigen Erkrankung existiert haben. Bemerkenswert ist jedoch, 
daß der Beginn der nervösen Störungen nach Enzephalitis nicht immer 
unmittelbar nach der akuten Erkrankung eintritt, sondern daß die fieber¬ 
hafte Erkrankung mehrere Wochen zurückliegen kann. Es ist sogar damit zu 
rechnen, daß Monate vergehen, bis es zum Entstehen der ersten motorischen 
Symptome kommt. Wie schon oben erwähnt, ist die Beteiligung der Augen¬ 
muskeln, sowie oft eine im Beginn bestehende Lähmung der Bulbämerven 
charakteristisch für das Vorliegen einer Enzephalitis. Das gleiche gilt von event. 
vorhandenen Pupillenanomalien, die insofern noch einen größeren Wert für die 
Differentialdiagnose haben, als sie längere Zeit anzuhalten pflegen. Die Läh¬ 
mungen der Bulbärnerven sind unter Umständen zu verwechseln mit der auch bei 
der Paralysis agitans und Wilsonschen Krankheit vorkommenden eigentümlichen 
Schwäche. Als Zeichen einer Infektion aufzufassen sind ferner die bei der 
Enzephalitis häufig vorkommenden polyneuritischen Erscheinungen in Gestalt 
von Druckempfindlichkeit und Dehnungsschmerz der Nervenstämme. 

Die Lumbalpunktion kann in frischen Fällen von Enzephalitis eine Lym¬ 
phozytose ergeben, ohne daß dies nach meiner Erfahrung immer der Fall 
wäre, jedoch wird, wenn man einen Enzephalitiskranken im frischen Stadium 
sieht, die Differentialdiagnose überhaupt keine Schwierigkeiten machen. 

Die motorischen Störungen bieten keinerlei differentialdiagnostische An¬ 
haltspunkte; die Art des Rigors, die Starre der Mimik, des Zittern, wenn es 
vorhanden ist, gibt mit photographischer Treue das äußere Bild der Paralysis 
agitans wieder. Reflexstörungen pflegen vollkommen zu fehlen, auch Babinski 
ist so gut wie nie nachweisbar. 

Und doch handelt es sich um eine von der Paralysis agitans total ver¬ 
schiedene Erkrankung, die nur zufällig das äußere Bild nachahmt. Hinsichtlich 
der Ätiologie des Enzephalitis können wir mit großer Bestimmtheit sagen, 
daß es sich um eine Infektionskrankheit handelt, die wahrscheinlich zu der 
Grippe irgendwelche Beziehungen hat. Ganz anders verhält es sich mit der 
Wilsonschen Krankheit, die meiner Ansicht nach als eine toxische Krankheit 
aufzufassen ist, und wieder anders mit der Paralysis agitans, über deren Ätiologie 
wir nichts Näheres wissen. 

V. 

Eine Erkrankung, bei der die Stammganglien häufig mitbetroffen sind, ist 
die Pseudobulbärparalyse. Auf Grund solcher Beobachtungen haben franzö¬ 
sische Autoren im Putamen ein Zentrum für die Lippen-, Schlund- und Kau¬ 
muskulatur angenommen, ähnliche Ansichten, wie sie jetzt C. und 0. Vogt 
vertreten und auf Grund anatomischer Untersuchungen ausgearbeitet haben. 
Jakob, der das ganze Material der Pseudobulbärparalyse kritisch durchge¬ 
arbeitet hat und auch selbst über einen genau klinisch und anatomisch unter¬ 
suchten Fall verfügt, hat festgestellt, daß in 73 Prozent der Fälle eine Be¬ 
teiligung der Stammganglien bei der Pseudobulbärparalyse zu finden ist. Die 
Bedeutung dieser Herde für die Entstehung der Pseudobulbärsymptome liegt 
nach Jakob vor allem darin, daß durch diese Herde eine Unterbrechung der 
Rindenstrahlung zu den Bulbärkernen bedingt wird. Da aber die als striäre 
Symptome bekannten Erscheinungen, z. B. eine Muskelrigidität, nicht bei der 
Pseudobulbärparalyse beobachtet werden, so ist klinisch ein sicherer Ausfall 



184 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wiisonsche Krankheitsgruppe. 

des Striatum nicht zu konstatieren; es muß dahingestellt bleiben, ob die eigent¬ 
lichen Striatumsymptome etwa nur wegen des Überwiegens von Lähmungen 
nicht zustande kommen können. Dagegen kann es nach dem heutigen Stand 
unserer Kenntnis von den striären Symptomen als sehr wohl möglich ange¬ 
nommen werden, daß die auch bei der Pseudobulbärparalyse vorhandene Be¬ 
wegungsverlangsamung, die Bewegungsverarmung und der oft vorhandene 
Mangel an Antrieb mit der Erkrankung der basalen Ganglien in Zusammen¬ 
hang steht. 

Für die mimische Starre der Pseudobulbärparalyse, besonders auch für die 
Schluck- und Kaustörungen können wir dagegen die Herde in den zentralen 
Ganglien nicht verantwortlich machen, weil wir es bei der Pseudobulbärparalyse 
mit einer echten Parese zu tun haben, insofern als auch auf willkürliche 
Impulse eine Bewegung der betreffenden Teile nicht erfolgt. Allerdings ist die 
Lähmung meist keine absolute. Denn wenn auch die wirkliche Bewegung der 
Gesichtsmuskeln unmöglich ist, so lassen sich doch die mimischen Muskeln 
unter der Einwirkung starker Affekte innervieren. 

Wir müßten also drei verschiedene Formen von Bewegungsstörungen in 
der mimischen Muskulatur unterscheiden. Die erste ist die z. B. bei der Para¬ 
lysis agitans zu beobachtende: Hier fehlt das die geistigen und affektiven Vor¬ 
gänge normalerweise begleitende automatische Mienenspiel, während eine will¬ 
kürliche gewollte Bewegung derselben Muskeln möglich ist. Ein Lebhafter¬ 
werden des Mienenspiels bei Affektausbrüchen läßt sich bei Paralysis agitans 
im allgemeinen nicht beobachten, ln gewissem Gegensatz dazu steht das 
Verhalten der mimischen Muskeln bei der Pseudobulbärparalyse. Hier ist die 
Möglichkeit einer wülkürlichen Innervation meist erloschen, jedoch gelingt es 
starken Affekten die mimische Muskulatur in Bewegung zu setzen. Bei den 
eigentlich bulbären oder peripheren Lähmungen der betreffenden Muskeln sind 
dagegen automatische (mimische) und willkürliche Innervationen zusammen 
ausgefallen. 

Ein ähnliches Verhältnis finden wir auch bei den Augenmuskeln, die bei 
der Patalysis agitans und bei Wilsonscher Krankheit willkürlich frei beweg¬ 
lich sind, dagegen besteht eine ausgesprochene Verarmung mehr unwillkür¬ 
lich oder automatisch ablaufender Blickbewegungen, so daß ein starrer 
Blick zustande kommt. Für die Pseudobulbärparalyse ist dagegen oft die 
Pseudophthalmoplegie (Wernicke) charakteristisch, bei der die Augenmuskeln 
auf willkürliche Innervationen nicht ansprechen, während sie bei passiv 
gedrehtem Kopf auf einem fixierten Gegenstand haften bleiben können und 
unter Umständen auch fähig sind einem bewegten Gegenstand mit dem Blick 
zu folgen. Auch sind häufig Reaktionsbewegungen der Augen nach irgend¬ 
welchen im Gesichtsfeld auftauchenden Gegenständen möglich. 

Von größerer Bedeutung scheinen die Herde in den zentralen Ganglien bei 
der von Oppenheim aufgestellten infantilen Pseudobulbärparalyse zu sein, 
insofern als es hier neben dem paralytischen noch einen spastisch athetotischen 
Typ gibt. Dies ist eine Erkrankungsform, die sich infolge der dabei auftre¬ 
tenden hyperkinetischen Erscheinungen und wegen des Vorherrschens hyper¬ 
tonischer Symptome (zuweilen Spasmen, zuweilen Rigor) mehr der Wilsonschen 
Krankheit nähert, andererseits aber offenbar auch Beziehung zur echten 



Erkrankungen anderer Art mit den Symptomen dieser Gruppe. 


185 


Athetose hat. Dies Krankheitsbild wurde bereits im Kapitel über Athetose 
behandelt. 

Ein Symptom, das sowohl bei der Pseudobulbärparalyse wie auch bei der 
Wilsonschen Krankheit und der Pseudosklerose häufig vorkommt, ist das Zwangs¬ 
lachen und das Zwangsweinen. Bei der Paralysis agitans w T erden ähnliche Er¬ 
scheinungen vereinzelt ebenfalls beobachtet. Es liegt daher nahe, diese Sym¬ 
ptome auf eine Störung im Gebiet der zentralen Ganglien zurückzuführen, da 
diese ja bei allen diesen versclüedenen Formen fast regelmäßig mitbetroffen 
sind. Daß auch die multiple Sklerose diese Symptome recht häufig hervorbringt, 
würde nicht gegen diese Annahme sprechen, da sich ja auch liier oft Herde 
in dieser Gegend finden. Fraglich erscheint es mir, ob ein enger Zusammen¬ 
hang zwischen diesen eigentlichen Zwangsaffekten und dem oben beschriebenen 
eigentümlichen Verhalten der mimischen Muskulatur, auf starke Affekte trotz 
vorhandener Parese zu reagieren, besteht. Meiner Ansicht nach haben beide 
nur eine gemeinsame Grundlage, nämlich eine überleichte Ansprechbarkeit mi¬ 
mischer Zentren bzw. Bahnen. Im übrigen besteht aber der Unterschied, daß 
das echte Zwangslachen beispielsweise auch dann auftritt, wenn die Stimmung 
des Kranken gar nicht diesem mimischen Vorgang entspricht, und daß es auch 
durch zufällige Bewegungen z. B. ausgelöst werden kann. Dieses Zwangslachen 
kann ferner eine Zeitlang verharren, eine Eigenschaft, die es auch mit Aus¬ 
drucksbewegungen der Wilsongruppe teilt. Äußerlich hat das Zwangslachen 
bzw. Zwangsweinen insofern eine Besonderheit, als eine übertriebene Muskel¬ 
aktion dabei vor sich geht, wodurch der Gesichtsausdruck leicht etwas verzerrt 
und bizarr erscheint. 

Oppenheim und Siemerling glaubten, daß es sich dabei um eine Läsion 
von Kernen oder Bahnen handle, die hemmend auf die bulbären Zentren ein¬ 
wirken. Auch Strümpell nimmt an, daß diese Störung auf den Fortfall ge¬ 
wisser, die affektiven Bewegungen normalerweise hemmenden Bahnen be¬ 
ruhe. Brissaud verlegt diese Bahn zum Teil in den vorderen Schenkel der 
inneren Kapsel, Bechterew nimmt als Zentrum für die Ausdrucksbewegung 
den Thalamus an und glaubt, daß Reiz- oder Lähmungserscheinungen das 
Zwangslachen hervorzurufen imstande seien. Anton und Jakob machen den 
Ausfall zentripetaler Impulse für die Entstehung des Zwangslachens verant¬ 
wortlich. Auch vasomotorische Veränderungen sind mit für die Entstehung 
der Zwangsaffekte verantwortlich gemacht worden und zwar ist von Par hon 
und Goldstein ein vasomotorisches Zentrum im Corpus striatum angenommen 
worden. Jakob, der die Existenz der von verschiedenen Seiten angenommenen 
Bahn bezweifelt, hat die von ihm zusammengestellten Fälle von Pseudobul¬ 
bärparalyse daraufhin durchgesehen und findet bei den Fällen mit Zwangs¬ 
lachen nur zweimal den Thalamus mitbetroffen; in zahlreichen Fällen sind 
zwar die Stammganglien überhaupt beteiligt, in einem Drittel der Fälle jedoch 
waren bei Vorhandensein von Zwangslachen keine Veränderungen in den Stamm¬ 
ganglien nachzuweisen. Wenn sich darunter wahrscheinlich auch eine große 
Menge von Fällen finden, bei denen eine genaue mikroskopische Untersuchung 
der Stammganglien fehlt, so schließe ich mich doch Jakob an, wenn er das 
Zwangslachen und -weinen nicht als sicheres Herdsymptom der Stammganglien 
ansieht. Auch ich glaube, daß es sich dabei um zu komplizierte Erscheinungen 




130 Die Parkinson-, Westphal-Strümpeil-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

handelt, um eine einfache Lokalisation anzunehmen. Ich bin weiter der An¬ 
sicht, daß unter dem was wir unter Zwangslachen und -weinen verstehen, 
offenbar verschiedene Vorgänge zusammengefaßt werden. Das zeigt unter 
anderen auch das Vorkommen von Zwangslachen und -weinen bei der amyotro- 
phischen Lateralsklerose, die weder anatomisch noch klinisch mit der Wilson¬ 
gruppe etwas zu tun hat. Ich glaube, daß dies letztere Zwangslachen mehr 
spastischer Natur, vielleicht eher dem bei Tetanus zu vergleichen ist, während 
man bei den uns hier interessierenden Krankheiten, aber auch bei der Pseu¬ 
dosklerose und der Wilsonschen Krankheit offenbar eine Art „Kurzschluß“ als 
Ursache für die Entstehung des Symptomes anzusehen hat. 

Als psychisches Symptom ist die Erscheinung jedenfalls nicht zu be¬ 
werten, ganz besonders deshalb nicht, weil in typischen Fällen keineswegs 
eine leichte Ansprechbarkeit des Affektes die Grundlage bildet, sondern der 
Kranke lacht, ohne etwas dazu beizutragen, und er steht diesem Lachen 
ganz wie ein fremder Zuschauer gegenüber. Wir haben es daher bei dem 
Zwangslachen zweifellos mit einem rein motorischen Symptom zu tim, das 
vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Grimassieren der Katatoniker auf¬ 
weist. Die Auffassung als rein motorisches Symptom wird nicht durch den 
Umstand gehindert, daß das Zwangsweinen bzw. -lachen oft durch eine leichte 
psychische Alteration z. B. eine Untersuchung des Kranken ausgelöst werden 
kann. Pathophysiologisch dürfte auch hier der Wegfall hemmender Einflüsse 
eine Rolle spielen, daneben besteht aber offenbar noch eine gewisse gesteigerte 
Empfänglichkeit mimischer Zentren. Lokalisatorisch kommen zwar die zen¬ 
tralen Ganglien in erster Linie in Betracht, zweifelhaft erscheint es mir je¬ 
doch, ob ein solcher Herd allein genügt und ferner, ob er die einzige mög¬ 
liche Ursache für die Entstehung des Symptomes büdet. 

VL 

Von anderen Erkrankungen, die symptomatologisch unter den Erscheinungen 
der Parkinson-, Westphal-, Strümpell-, Wilsonscher Gruppe verlaufen, sind an dieser 
Stelle noch zwei Vergiftungen zu erwähnen, die Kohlenoxyd- und die Mangan¬ 
vergiftung. Von ersterer ist bekannt, daß sie pathologisch-anatomisch recht 
oft durch Erweichungen oder andere Veränderungen im Gebiet der Linsenkerne 
ausgezeichnet ist, und daß sie symptomatologisch der Wilsonschen Krankheit 
recht nahe stehen kann. Die Manganvergiftung gleicht dagegen mehr den 
Symptomen der Pseudosklerose. Autoptische Befunde fehlen hier. Da beide 
Erkrankungen schon S. 119 ausführlicher besprochen sind, kann ich mich mit 
ihrer Erwähnung an dieser Stelle begnügen. 


7. Parkinsonsymptome als Nebenerscheinungen. 

Zum Schluß ist noch kurz auf solche Krankheitsfälle einzugehen, bei denen 
man Symptome aus der Parkinsongruppe als Nebenerscheinungen antrifft, die 
das Bild nicht oder doch nur vorübergehend beherrschen, und die oft nur bei einer 
genaueren Beobachtung bemerkbar werden. So kommen z. B. bei der Epüepsie 
Zustände vor, die eine Beteiligung des Striatums vermuten lassen. Knapp 
beschreibt ausführlicher einen Fall von Epilepsie, der eine symptomatische 



Parkinsonsymptome als Nebenerscheinungen. 


187 


Ähnlichkeit mit der Paralysis agitans hatte, aber auch Pyramidenbahnerschei¬ 
nungen aufwies. Leider wird hier nicht überall zwischen spastischen und ri¬ 
giden Erscheinungen scharf unterschieden. In all diesen Fällen kann es sich 
jedoch möglicherweise um Pseudoklerosen handeln, bei denen zufällig die 
Anfälle im Vordergrund stehen. (Vgl. auch Jakobs Arbeit über Epilepsie.) 

Ferner beschreibt Schilder in zwei Beobachtungen Rigorerscheinungen bei 
Epilepsie nach dem Anfall. Bei einem seiner Fälle handelt es sich allerdings 
offenbar nicht um eine genuine, sondern um eine symptomatische Epilepsie. 

Einer eingehenden Nachprüfung bedarf übrigens noch die Frage, ob nicht 
bei den meisten Anfällen der genuinen Epilepsie eine striäre Komponente zu 
finden ist. 

Ungeklärt ist ferner noch eine Form von Anfällen, die weniger mit klo¬ 
nischen Krämpfen, als vielmehr mit passageren tonischen Zuständen einhergeht. 
Es besteht auch hier die Möglichkeit, daß man es mit extrapyramidalen (zere¬ 
bellaren?) Anfällen zu tun hat (vgl. Roth mann N. Z. 1912). Ebenso wie 
bei Epileptikern wäre eine systematische Untersuchung von Idioten mit Be¬ 
wegungsstörungen auf striäre Symptome von Wichtigkeit. Uber das Vorkommen 
von solchen bei tuberöser Sklerose berichten Bielschowsky und Freund. 

Weiter möchte ich die Aufmerksamkeit noch lenken auf drei Erkrankungen, 
die hinsichtlich striärer Erscheinungen noch genauerer Erforschung bedürfen. 
Es sind dies die multiple Sklerose, die gewöhnliche Apoplexie und vor allem 
die sogenannte Littlesche Krankheit. Bei der multiplen Sklerose und bei der 
Apoplexie erschweren die regelmäßig vorhandenen Pyramidensymptome außer¬ 
ordentlich das Auffinden extrapyramidaler Störungen; aber nachdem wir ge¬ 
lernt haben, auf das Vorkommen solcher Erscheinungen mehr zu achten, wird 
es auch nicht allzu schwer sein, aus der Qualität der Muskelhypertonie und 
anderen Symptomen neben Pyramidenerscheinungen auch striäre Komponenten 
zu entdecken. Bei der multiplen Sklerose wäre es ja eigentlich erstaunlich, 
wenn die so häufig in den Zentralganglien beobachteten Herde sich nicht auch 
klinisch wenigstens zuweilen bemerkbar machen sollten. Stertz weist meines 
Erachtens sehr mit Recht darauf hin, daß die von Oppenheim als Kombi¬ 
nation von multipler Sklerose und Paralysis agitans beschriebenen Fälle sicher 
multiple Sklerosen mit besonderer Beteiligung der zentralen Ganglien gewesen 
sind. Stertz selbst teilt einen Fall mit, bei dem es ihm gelungen ist, aus 
der Beschaffenheit der Rigidität auf striäre Erscheinungen neben den Pyra¬ 
midenspasmen zu schließen, eine Beobachtung, die bei der Obduktion durch 
den Nachweis von Herden im Striatum bestätigt wurde. 

Ebenso müßte man bei den gewöhnlichen Kapselblutungen, die die häufigste 
Ursache der Apoplexien bilden, öfter striäre Nebensymptome erwarten, allein 
schon als Fernwirkung umfangreicher Blutungen auf den benachbarten Linsen¬ 
kern. In der Tat kann es wenigstens zu Andeutungen extrapyramidaler Sym¬ 
ptome kommen; so sah ich einmal bei einer Apoplexie ein ausgesprochenes 
Verharren in Haltungen auf der paretischen Seite; die Sektion ergab liier ein 
Übergreifen der Blutung auf den Kopf des Nucleus caudatus. Zu beachten 
sind weiter Haltungsanomalien bei Hemiplegischen, sowie, worauf Strümpell 
aufmerksam macht, der Umstand, daß manche Apoplektiker nicht imstande 


188 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

sind, auf dem gesunden Beine allein zu stehen, wenn auch sonst ihre Gehfähig¬ 
keit wieder einigermaßen hergestellt ist. 

Ganz besonders spielt aber offenbar das extrapyramidale System eine Rolle 
bei der Rückbildung von Lähmungen (Stertz, Rothmann). 

Eine Krankheitsgruppe, die namentlich hinsichtlich der dabei vorhandenen 
Beteiligung des striären Systems einer gründlichen Bearbeitung an einem großen 
Material bedarf, ist die Littlesche Krankheit. Ursprünglich sind die hierher 
gehörenden Erkrankungen zusammengefaßt nach dem gemeinsamen Gesichts¬ 
punkt ihrer Entstehung durch ein Geburtstrauma. Dann hat man sich daran 
gewöhnt, ein Krankheitsbild einer während oder nach der Geburt irgendwie 
entstandenen spastischen Paraplegie darunter zusammenzufassen. In der be¬ 
kannten Monographie von Freud über die infantile Zerebrallähmung ist sie 
enthalten unter den Formen der allgemeinen Starre, der paraplegischen Läh¬ 
mung und der bilateralen spastischen Hemiplegie, der allgemeinen infantilen 
Chorea, der bilateralen Athetose. Auch Fälle des Vogt sehen Status marmo- 
ratus sind klinisch zur Gruppe der Littleschen Krankheit gerechnet worden. 
Zweifellos gibt es aber, wenn man die meines Erachtens nicht hierher ge¬ 
hörenden Formen der infantilen Chorea und Athetose nicht mit rechnet, 
zwei Formen, eine spastische Littlesche Krankheit mit Reflexsteigerung und 
Babinski, sowie eine Littlesche Starre ohne Reflexsteigerung und ohne sonstige 
Pyramidensymptome, die vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit mit den Vogtschen 
Fällen des Status marmoratus hat. 

Auf Ähnlichkeit extrapyramidaler Symptome mit motorischen Erscheinungen 
bei Schizophrenen ist schon mehrfach kurz hingewiesen worden. 

Nicht unerwähnt möchte ich ferner lassen, daß wir Symptome, die als 
8triäre aufzufassen sind, andeutungsweise auch bei nicht ausgesprochen Kranken, 
z. B. bei gesunden alten Leuten, finden können. Namentlich gewisse Ähn¬ 
lichkeiten mit Symptomen der Paralysis agitans haben schon zu dem Gedanken 
geführt, die Paralysis agitans sei nur gradweise von dem gewöhnlichen Senium 
verschieden. Als Symptome des normalen Seniums, die an striäre erinnern, 
kommen vor allen Dingen in Betracht der trippelnde Greisengang, besonders 
dann, wenn die Beine kaum vom Boden gehoben werden. Auch der senile 
Tremor entspricht in seinem Charakter oft dem typischen Schüttelzittem, ohne 
daß jedoch ein Rigor zu diesem Greisentremor gehört. Ähnliches gilt auch 
von der gebückten Haltung mancher Greise. Daß auch die zunehmende Steif¬ 
heit und oft beobachtete motorische Ungeschicklichkeit alter Leute mit dem 
Versagen striärer Funktionen zu tun hat, ist nicht sehr wahrscheinlich, immer¬ 
hin wären Beobachtungen in dieser Richtung vielleicht am Platze. 


8. Zusammenfassung;. 

Die Besprechung der Wilsongruppe hat uns auf sehr verschiedene Gebiete 
geführt, deren Berücksichtigung nötig war, teils um biologische Zusammen¬ 
hänge zwischen den Krankheitsgruppen zu erörtern, teils um Symptome in 
ihrer Bedeutung zu würdigen. 

Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in vieler Hinsicht wenig be¬ 
friedigend insofern, als es sich gezeigt hat, daß wir uns auf recht hypothetischen 




190 Die Parkinson-, Westphal-Strümpell-, Wilsonsche Krankheitsgruppe. 

Die neurologischen Symptome der hier besprochenen Gruppe bestehen aus 
drei Grundsymptomen: 

1. Störung des Muskeltonus. 

2. Störung der kinetischen und statischen Innervation (extrapyrami¬ 
dale Parese). 

3. Die Tremor- und Wackelbewegung. 

Diese primären Symptome sind oft schwer voneinander zu trennen, zuweilen 
mag sogar ein scharfes Auseinanderhalten derselben gekünstelt erscheinen. So¬ 
wohl einzeln, meist aber in ihrer Gesamtheit wirken sie störend auf die 
Myostatik, erschweren aber auch oft das Zustandekommen kinetischer Inner¬ 
vationen. Was die besonderen Eigenschaften des Rigors anlangt, so unter¬ 
scheidet er sich von den Pyramidensymptomen durch seine Verteilung* 
seine eigenartige zähe Beschaffenheit und durch das Fehlen der Pyra¬ 
midenzeichen. Andere Unterschiede, die man zur Entscheidung heran¬ 
gezogen hat, lassen sich nicht bei jedem Fall und nicht zu jeder Zeit fest¬ 
stellen. Solche Unterscheidungsmerkmale werden im allgemeinen auch kaum 
nötig sein. 

Die Störungen der kinetischen Innervation, die ich als extrapyrami¬ 
dale Parese bezeichnet habe, bestehen in einer eigentümlichen Muskelschwäche* 
einer Bewegungsverlangsamung, einer Bewegungsverarmung und einem Ausfall 
von Bewegungen, an dem vor allem auch die unwillkürlichen, die automatisch 
ablaufenden und die mimischen Bewegungen beteiligt sind. Eine Reihe von 
Bewegungsstörungen erklären sich als eine Kombination dieser Innervations¬ 
störung mit dem Rigor. 

Der Tremor, bzw- die Wackelbewegungen, sind in all ihren verschie¬ 
denen Arten aufzufassen als eine Form der Ataxie und zwar als eine Koordi¬ 
nationsstörung sowohl der für die Bewegungen notwendig werdenden Impulse* 
wie auch der für die Ruhelage erforderlichen Innervationen. 

Neben den Erkrankungen sui generis finden wir das Parkinson-Wilsonsche 
Syndrom als Zustandsbild bei anderen Erkrankungen, und hier ist es für 
das Wesen und die Lokalisationsmöglichkeit des Komplexes von größter Be¬ 
deutung, daß gerade solche Erkrankungen am deutlichsten das Symptomenbild 
erzeugen, die eine mehr diffuse Schädigung des Gehirns bewirken, namentlich 
die Enzephalitis und die Arteriosklerose (Muskelstarre). 

Viel seltener wird das Krankheitsbild durch Tumoren oder Blutungen 
hervorgerufen. Deren Vorhandensein gestattet dabei nicht ohne weiteres eine 
Lokaldiagnose, da nicht bestimmte umschriebene Stellen des Gehirns für daa 
Zustandekommen des Symptomenkomplexes verantwortlich gemacht werden 
können, sondern die Schädigung der Bahnen und Zentren dieses extrapysami- 
dalen motorischen Systems an irgendeiner Stelle genügt unter Umständen* 
um das Syndrom hervorzurufen. 

Ein weiterer Umstand erschwert noch die Verwertung des Symptomen¬ 
komplexes als Herderscheinung im engeren Sinne, nämlich der, daß zuweilen 
das Syndrom in seiner charakteristischen Weise auftritt, ohne daß sich bei der 
Sektion mit unseren heutigen Mitteln irgendwelche Veränderungen im Gehirn 
nachweisen lassen. 



Schluß. 


191 


Schiaß. 

Ähnliche Schwierigkeiten, wie sie eben für die Wilsongruppe zusammen¬ 
gefaßt wurde, finden wir auch bei den beiden anderen Gruppen. Die Athetose 
kommt für Lokalisationsfragen weniger in Betracht, da sie vorwiegend als 
Reaktionsform des kindlichen Gehirns anzusprechen ist; aber auch die Be¬ 
deutung des choreatischen Syndroms als Herdsymptom ist nicht eindeutig, 
denn auch hier sehen wir symptomatische Choreaformen vorwiegend bei mehr dif¬ 
fusen Erkrankungen des Gehirns (Enzephalitis, Intoxikationen usw.) auftreten, bei 
der sehr viel selteneren Herdchorea sind die Herde nicht immer an derselben Stelle, 
sie lassen allerdings zuweilen Beziehungen zu einem bestimmten System er¬ 
kennen. Auch hier machen wir die Erfahrung, daß typische Choreafälle ohne 
bis jetzt feststellbare Veränderungen im Gehirn Vorkommen können. Anderer¬ 
seits gibt es Fälle mit Veränderungen der sonst für die Lokalisation in Frage 
kommenden Partien im Gehirn, die in vivo keine choreatischen Symptome ge¬ 
boten hatten. 

Die gleichen Schwierigkeiten waren aber auch auf dem Gebiet der Pyra¬ 
midenbahnerkrankungen zu überwinden. Versetzen wir uns in die Zeit zurück, 
da die Pyramidenbahn und ihr Verlauf noch unbekannt war. Man konnte 
damals für das Zustandekommen z. B. einer rechtsseitigen spastischen Hemi¬ 
plegie verantwortlich machen: Einen oder unter Umständen auch mehrere, 
Herde in der motorischen Rinde, ferner solche in der inneren Kapsel in den 
Himschenkeln, in der Brücke usw. Erst die Entdeckung des Verlaufs der 
Pyramidenbahn gab dann Gelegenheit, all diese verschieden lokalisierten Herde 
nach einem neuen gemeinsamen Gesichtspunkt zu beurteilen. Bei der Forschung 
nach der anatomischen Grundlage der spastischen Spinalparalyse wurden noso¬ 
logisch wie lokalisatorisch verschiedene Möglichkeiten aufgedeckt: Bald handelte 
es sich um einen Rückenmarkstumor oder eine sonstige Kompression, bald 
wies man zahlreiche Herde nach, wie sie für die multiple Sklerose charakte¬ 
ristisch sind, bald hat man mehr diffuse Veränderungen, z. B. eine Lues spi- 
nalis, dabei gefunden. Endlich hat man auch die uns jetzt als Pyramidenbahn¬ 
symptome bekannten Erscheinungen: Spastische Parese mit Reflexsteigerung 
mit Babinski ohne nachweisbare anatomische Ursache auftreten sehen, z. B. bei 
toxischen Erkrankungen wie Urämie (Biach). 

Es ist deshalb nichts unerhört neues, wenn wir den Symptomenkomplex 
der Chorea, — das gleiche gilt auch vom Parkinsonschen Syndrom und zum 
Teil auch von der Athetose — auftreten sehen, einerseits bei groben Herder¬ 
krankungen (evtl, auch bei mutiplen Herden), scheinbar ganz verschiedener 
Lokalisation, andererseits bei mehr diffusen Schädigungen des Zentralnerven¬ 
systems und endlich auch ohne nachweisbare anatomische Schädigung. 

Wir dürfen dementsprechend jetzt, wo wir über den komplizierten Verlauf 
der in Betracht kommenden Bahnen und ihre funktionelle Bedeutung nur 
relativ wenig wissen, nicht damit rechnen, all diese motorischen Erscheinungen 
lokalisieren zu können. Wir wissen nur, wo ungefähr der Sitz der Verände¬ 
rungen zu suchen ist, wir müssen uns aber darüber klar sein, daß die Auf¬ 
stellung von Striatum- und Pallidumsyndromen noch keine endgültige sein 



192 


Schluß. 


kann; finden wir doch z. B. in dem Striatumsyndrom von Vogt die verschieden¬ 
artigsten Symptome (Spastizitität, choreatische Bewegungen, Zittern usw., um 
nur einige zu nennen), die wenig miteinander zu tun haben, vereinigt. 
Andererseits sehen wir für das Zustandekommen der Rigidität bald das Pallidum 
(Vogt 1 ), Foerster usw.) bald das Striatum, insbesondere Putamen (F. H. Lewy, 
Economo, Wilson und zum Teil auch Hunt) verantwortlich gemacht. Es 
muß der Zukunft überlassen bleiben, Erklärungen für die oft sich widersprechenden 
Befunde zu bringen. Vielleicht wird es gelingen, die Befunde auf Grund 
weiterer Erfahrungen über Anatomie und Physiologie (evtl, feinere Gliederung 
der zentralen Ganglien, wie sie von Vogt angestrebt wird) in einem bestimmten 
Sinne zu deuten. Vielleicht wird man auch genötigt sein, gewissen Verände¬ 
rungen, die man bisher als unwesentlich angesprochen hat, eine größere 
Wichtigkeit beizulegen, sei es, daß sie verursachend oder doch modifizierend auf 
bestimmte Bewegungsstörungen einwirken. (Chorea chronica.) 

Wir werden daher mit der Verwertung aller dieser Symptomenkomplexe 
als Herdsymptome im engeren Sinne vorläufig zurückhaltend sein müssen, wir 
haben sogar unter Umständen damit zu rechnen, daß besonders bei der Chorea 
außer der lokalisierbaren Störung noch eine andere Komponente zum Zustande¬ 
kommen des Syndroms gehört, die sich unserer Beobachtung vorläufig entzieht. 
Diese Schwierigkeiten werden noch größer, wenn man bedenkt, daß mit den 
Bildern der Athetose, der Chorea, Myoklonie, die klinischen Formen hyper¬ 
kinetischer Störungen meines Erachtens noch nicht erschöpft sind, sondern daß 
auch andere Arten existieren, die sich heute noch nicht mit Sicherheit ein¬ 
heitlich umgrenzen lassen. 

Zum Schluß erscheint es mir lohnend, die motorischen Hauptsymptome 
der hier genauer besprochenen drei Gruppen übersichtlich gegenüberzustellen, 
weil sich hierdurch einige interessante Beziehungen ergeben: (Siehe Tabelle 
S. 193.) 

Wir sehen aus dieser Tabelle, daß einzelne motorische Funktionen sich 
bei allen drei Symptomengruppen verschieden verhalten, daß andererseits auch 
wieder gruppenweise Übereinstimmungen existieren. Besonders prägnant lassen 
sich diese symptomatischen Differenzen herausarbeiten bei der Betrachtung 
des Muskeltonus, dessen jeweiliges Verhalten die Gruppe gut charakterisiert. 
Ähnliches gilt auch von den Willkürbewegungen, deren Beschaffenheit bei 
allen drei Erkrankungen in gewissem Sinne eine eigentümliche ist. Was die 
unwillkürlichen Spontanbewegungen anlangt, so stehen Chorea und Athetose 
hier der Parkinsongruppe gegenüber, bei der solche fehlen. Die bei Chorea 
und Athetose auftretenden unwillkürlichen Spontanbewegungen unterscheiden 
sich wieder voneinander durch ihre Qualität insofern als die Chorea rasche 
Zuckungen, die Athetose langsame Kontraktionen zeigt, die ihrerseits 
nahe Beziehungen zu Mitbewegungen aufweisen. 

Auch inbezug auf das Vorkommen von Mitbewegungen und mimischen 
Bewegungen besteht eine Kluft zwischen den Kranken des Parkinsonschen 
Formkreises mit Verarmung und Ausfall an Mimik und Mitbewegungen gegen- 


1 ) Vogt scheint allerdings für seine Rigorformen unter Umständen auch eine Er¬ 
krankung des Striatums in Betracht zu ziehen. 



Schluß. 


193 



Chorea 

Athetose 

Park i nson-Wilson 

Willkürbewegungen: 

nicht ausdauernd 

nur sekundär gestört 

»extrapyramidale 

Parese« 

Unwillkürliche 
Spontanbewegungen: 

vorhanden 
(rasche Zuckungen) 

vorhanden (langsame 
Kontraktionen, die 
nahe Beziehungen zu 

1 Mitbewegungen auf¬ 
weisen) 

fehlen 

1 

Mimik: 

(Gesichtszucken) 

verzerrt 

arm 

Mitbewegungen: 

erleichtert 

gesteigert 

fehlen 

Koordination: 

gestört 

i i 

nicht gestört 

1 gestört (oft auch in 
Ruhe) 

Muskeltonus: 

_1 

herabgesetzt 

wechselnd 
(Spasmus mobilis) 

erhöht (Rigor) 

Reziproke 

erleichtert 

gestört 

gestört. 


Innervation: 

über den beiden anderen Erkrankungen, bei denen die Auslösung von Mit¬ 
bewegungen erleichtert bzw. sogar gesteigert erscheint. 

Während bei den zuletzt erwähnten motorischen Funktionen nähere Be¬ 
ziehungen zwischen Athetose und Chorea zu verzeichnen waren, nimmt hin¬ 
sichtlich des Koordinationsvermögens die Athetose, bei der ataktische Erschei¬ 
nungen fehlen, eine Sonderstellung gegenüber der Chorea ein, die mit aus¬ 
gesprochener Ataxie einherzugehen pflegt, aber auch gegenüber der dritten 
Hauptgruppe, die bei ihrem pseudosklerotischen Symptomenbild ebenfalls eine 
Ataxie bei Zielbewegungen, bei dem Parkinsonschen Zustandsbild eine solche 
teils bei kinetischen teils bei Ruheinnervationen zeigt. 

Hinsichtlich des Verhaltens der reziproken Innervation fügen sich dagegen 
Parkinsongruppe und Athetose zu einer Gruppe zusammen, die sich durch Er¬ 
schwerung der reziproken Innervation auszeichnet, während bei der Chorea 
diese Störung fehlt; sehr wahrscheinlich ist diese Innervation bei der Chorea 
sogar erleichtert ansprechbar. Ich halte es für möglich, daß gerade das Ver¬ 
halten der reziproken Innervation für die Pathophysiologie der Bewegungs¬ 
störungen von grundsätzlicher Bedeutung ist. 

Vielleicht können wir auf dem Wege der Auflösung der Symptomenbilder 
in ihren einzelnen motorischen Komponenten im Zusammenhang mit den je¬ 
weils entsprechenden pathologisch-anatomischen Veränderungen einen Einblick 
gewinnen in das Wesen hier vorliegender Bewegungsstörungen. Aus der Mög¬ 
lichkeit einer derartigen Auflösung geht sicher hervor, daß diese Bewegungs¬ 
störungen Kombinationen von Einzelsymptomen darstellen; jede der Gruppen 
hat einige gemeinsame Untersyraptome; es bestehen deshalb gewisse Bezie¬ 
hungen zwischen den einzelnen Gruppen, die sogar zu Verwechslungen Ver¬ 
anlassung geben können. Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten sind 

Bootroem, Symptoinenkomplex. 13 







194 


Schluß. 


dadurch noch nicht erschöpft. Es gibt vielmehr noch andere extrapyramidale 
Bewegungsstörungen, die sich in den bekannten klinischen Formen nicht ohne 
weiteres unterbringen lassen. 

Abgesehen von diesen Problemen harren noch viele Fragen der Lösung. 
Ich erwähne hier nur die Bedeutung des vegetativen Nervensystems, dann die 
Beziehungen vieler motorischer Störungen, namentlich der dritten Gruppe zu 
den psychomotorischen Erscheinungen der Schizophrenien. 

Daß verschiedene Krankheitsgruppen unter Berücksichtigung extrapyrami¬ 
daler Erscheinungen erneut durchgearbeitet werden müssen, habe ich schon 
erwähnt. Wir werden auch auf amyostatische Symptome achten lernen bei 
Bewegungsstörungen, die ganz von Pyramidenbahnerkrankungen beherrscht 
zu sein scheinen. 

Schließlich bin ich der Überzeugung, daß auch bei gesunden Menschen 
kleine Verschiedenheiten der myostatischen Veranlagung zu finden sind. So 
können z. B. persönliche motorische Besonderheiten zurückgeführt werden auf 
individuelle Artung bzw. mehr oder weniger gute Ausbildung des extrapyra¬ 
midalen motorischen Systems. Ich glaube, daß die Frage einer angeborenen 
motorischen Geschicklichkeit oder Ungeschicklichkeit vieler Menschen, besonders 
auch die Gabe mehrere verschiedene Bewegungen gleichzeitig ausführen zu 
können, ferner die Frage der Übungsfähigkeit auf motorischem Gebiet ab¬ 
hängig ist von der jeweiligen Anlage und Ansprechbarkeit des extrapyramidalen 
motorischen Systems. 



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Zinn, Beziehungen der Chorea zur Geistesstörung. Archiv für Psych. 28, 411, 1896. 


BiHt I ih* in . Sympti>nn i !ikoin)>l(‘\. 



Sachverzeichnis. 


Adiadochokinese 3,138, 147. 

Akinese 170. 

Aktionsstrom 173. 

Amyostatischer Symptomen- 
komplex, Definition 1. 

Anarthrie 66. 

Anfälle bei Pseudosklerose 

80 . 

Apoplexie 187. 

Arteriosklerotische Muskel- 
starre 175. 

Asphyxie der Neugeborenen 
42, 119. 

Ataxie 97, 155ff. 

Athetose 5ff. 

— als Herdsymptom 42. 

— als Reaktionsform des 
kindlichen Gehirns 6, 40. 

— anatomische Befunde 
35ff., 41. 

— Differentialdiagnose ge¬ 
gen Chorea 31. 

— — gegen Torsiondystonie 
32. 

— Entstehung bei Erwach¬ 
senen 33. 

— Symptome 7. 

— double (idiopathische) 8 ff. 

-Affektleben 20. 

— Einteilung 31. 

— Epileptiforme Anfälle 
9, 20. 

-Gelenkschlaffheit 18. 

— — Heredität 19. 

— — Paradoxes Phänomen 
16. 

-Psyche 19 ff. 

— — Pyramidenbahnstö¬ 
rungen 17. 

-Therapie 19. 

— — Tonus Verhältnisse 16 f. 

— symptomatische 21 ff. 


Athetotische Bewegungen bei 
Wilsonscher Krankh. 30. j 

— Dauerhaltung 26, 27, 28. 

Aufmerksamkeit 169. 

Augenmuskeln 129, 140. | 

Bauchdeckenreflex 98. 

Bewegungsarmut 138. 

Bewegungsausfall 139. 

Bewegungsverlangsamung j 

137 f. 

Bulbäre Störungen bei Par¬ 
kinsonismus 147. 

Charcots Trias 97. 

Chorea 43 ff. 

— Binderarm 57. 

— chronisch-progressive 46. 

— Differentialdiagnose ge¬ 
genüber Athetose 45. 

— — zwischen Svdenhams 
und chronisch-progressi¬ 
ver 52 f. 

— Einteilung 46. 

— electrica 46. 

— Enzephalitis mit 59 f. 

— gravidarum 46, 60. 

— Huntington 47. i 

— Hypotonie 44, 53. 

— Koordinationsstörung 44, 
49. 

— minor 46. 

— posthemiplegische 56. 

— Psychische Störungen 47 f. 

— Spontanbewegung 43. 

— Symptomatische 55 ff. 

— Theorie der Entstehung 
61 f., 64. 

— Toxische Ursachen 60. . 

Darmerkrankungen bei Wil- I 
son 123. 


Dauerhaltung, athetotische 
26, 27, 28. 

Dysarthrie 61, 68, 102. 

Dysphagie 61, 68. 

Encephalitis epidemica 180. 

-mit choreat Bewe¬ 
gungen 59. 

Enthimungsstarre (Sher¬ 
rington) 134. 

Epilepsie 80 f., 186 f. 

Extrapyramidale Parese 3. 
135 ff. 

Fixationsrigidität 129. 

Flexibilitas cerea 168. 

Gehirnveränderungen b. Wil¬ 
son und Pseudosklerose 
103. 

Glanzhaut 170. 

Gordons Reflexverlängerung 
45. 

Haltung bei Wilsonscher 
Krankneit 145. 

Hemihypertonia apoplectiea 
179. 

Hemitonie 31, 180. 

Hilfsbewegungen 142 ff. 

Hornhautpigmentierung 71, 
81 f. 

Hyperkinesen, rhythmisch 
iterierende, komplexe 34 f. 

Hypertonie (muskuläre) 2. 

Hysterie 98, 168. 

Intensität des Krankheits¬ 
prozesses (Chorea) 65, 

Katatonie 168. 

Kohlenoxydgasvergiftung 
119, 186. 



Sachverzeichnis. 


205 


Koordination 193. 1 

Kreatin 173. j 

| 

Leberschädigung bei Wilson- 
scher Krankheit 111 ff. 

— Entstehung derselben 120. 
Linsenkernsyndrom (Mingaz- 

zini) 162. 

Littlesche Krankheit 187,188. 
Lues als Ursache der Wil- 
sonschen Krankheit 108. 

Manganvergiftung 119, 186. 
Mangel an Antrieb 148, 181. 
Mechanische Muskelerregbar¬ 
keit 128. ! 

Milztumor bei Wilsonscher 
Krankheit 124 f. 

Mimik 193. 

Mimische Starre 140. 
Mitbewegungen 193, 

Multiple Sklerose 187. 
Muskeltonus 193. 

Nivellierung der Bewegungen 
169. 

Nothnagels Symptom 141. 
Nucleus Deiters 165. 

— ruber 163f. 

Nystagmus 76, 78, 89, 90. 

Pallidumsyndrom 40, 160. 
Paradoxes Phänomen 3, 16, 
128. 

Paralysis agitans 41, 100 ff., 
183. 

— — »juvenilis« 182. 
Parasympathikus 172. 
Propulsion 143. 
Pseudoathetose 29, 31. 
Pseudobabinski 39. 
Pseudobulbärparalyse 183. 
Pseudosklerose 71. 

— Anatomischer Befund 
(Alzheimer) 73. 106. 


Pseudosklerose, Anfälle 79 ff. 

— Differentialdiagnose ge¬ 
genüber Hysterie 98. 

— -multipl. Sklerose 97. 

— — — spastischer Pseudo¬ 
sklerose 99. 

— — —Wilsonscher Krank¬ 
heit 79. 

— Familiäres Vorkommen 
110. 

— Hornhautpigmentierung 
71, 81 f. 

— Symptome 78. 

Psychische Umstellung 168. 
Psychomotorische Einengung 

169. 

Pyramidenbahn, Verbindung 
mit d. extrapyramidalen 
System 164. 

Reziproke Innervation 193. 

— — bei Athetose 42. 

-bei Chorea 65. 

-bei Wilson 161. 

Rigidität 2. 

— Abhängigkeit von Haut- j 

reizen 133. 1 

— Anatomische Ursache 134. 

— Beeinflußbarkeit 130. 

— Prädilektionsstellen 127. ' 

— bei Wilson 127 ff. 
Ruhetremor 101. 

Salbengesicht 171. 
Sarkoplasma 172 ff. 
Schizophrenie 167 f. 
Schweißausbrüche 171. 
Skopolamin 181. 

Spasmen 2. 

Spasmus mobilis 7, 17. 
Spastische Pseudosklerose 
100, 189. 

Speichelfluß 171. 

Starre 2, 144. 

Status dysmyclinisatus 40. 

- fihrosus 40. 


Status marmoratus 37. 

Stewart Holmessches Phäno¬ 
men 129. 

Stimhimtumor 180. 

Striatumsyndrom 160. 

Striatum Veränderungen bei 
Athetose 36. 

— — Chorea 53 f. 

Thalamussyndrom 59. 

Torsionßspasmus 100. 

1 Tumor cerebri u. Parkinson- 
j syndrom 59. 

I Übermäßigkeit von Bewegun¬ 
gen 5, 15. 

Unwillkürliche Spontanbe- 
wegungen 193. 

Vegetatives Nervensystem 
170 ff. 

Verharren in Haltungen 128, 
146. 

Wi 11k ürbe wegungen 193. 

Wilsonsche Krankheit 66 ff. 

— Enstehungshypothesen 
158. 

— — Economo 159. 

— — Deutsch 159. 

-Foerster 159. 

-Kleist 161. 

— - Mann 162. 

— — Stertz 161. 

— - Wilson 158. 

— Differentialdiagnose ge¬ 
genüber Paralysis agitans 
100 . 

-Pseudosklerose 79. 

— Psychische Veränderun¬ 
gen 166. 

— Symptome 66, 71. 

Zitt erbewegungen bei Wilson¬ 
scher Krankh. 148 ff., 155. 

Zwangslachen 185. 



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Oie Grundzahlen (GZ.) entsprachen den ungefähren Vorkriegspreisen und ergtben mit dem jeweiligen Ent- 
ivertangsfaktor (Umrechnungsschiässet) vervielfacht den Verkaufspreis. Über den zur Zeit geltenden Um- 
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Verlag von Julius Springer in Berlin W 9 

Monographien ans dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie 

Herausgegeben von 0. Foerster-Breslau und K. WIlmanns-Heidelberg 

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sielehre. Von Professor Dr. Arnold Pick, Prag. 

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Neuentstehung der Dementia praecox. Von Professor , 
Dr. Ernst RUdin, München. Mit 66 Fig. u. Tab. 1916. i 
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Von Dr. Hermann Krueger. Mit 1 Textabb. 1917. j 
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Heft 14. Studien Uber den Hirnprolaps. Mit bc- I 
sonderer Berücksichtigung der lokalen posttraumati- , 
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Dr. Heinz Schrottenbach. Graz. Mit Abbild, auf I 
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Heft 15. Wahn und Erkenntnis. Eine psycho- | 
pathologische Studie. Von Dr. med. et phil. Paul i 
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(Manisch-depressives Irresein Kraepelin). Eine mono¬ 
graphische Studie. Von Dr. Otto Rehm, Bremen. Mit 
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Alber K. E. Schmidt. Mit 4 Textabb. 1919. 

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1919. GZ. 6,5; Vorzugspreis GZ. 5.6 

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Graz. Mit 28 Kurv, im Text. 1920. 

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der schweren Formen angeborener und früh j 
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kranken im Strafrecht, im Strafvollzüge und in 
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Mit 43 Textabb. 1921. GZ. 18; Vorzugspreis G Z. 15,3 

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Eglling. Mit 2 Taf., 1 Textabb. u. 18 Stammbäum. 1981. 

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Heft 81. Katatonische Erscheinungen im Rah¬ 
men manischer Erkrankungen. Von Dr. med. 
Johannes Lange, München. Mit 5 Textabb. Ift2. 

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Heft 32. Das archaisch-primitive Erleben und 
Denken der Schizophrenen. Entwicklungspsycho¬ 
logisch-klinische Untersuchungen zum Schizophrenic- 
problem. Von Dr. Alfred Storch, Tübingen. 

Erscheint im November 1922 


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Heft 53,1922 


37266 


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Monographien 


der reurologie und psychiatrie 


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