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Full text of "Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie 35.1923"

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' MONOGRAPHIEN AUS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE UND 

PSYCHIATRIE 

HERAUSGEGEBEN VON 

0. F0EB8TER— BRESLAU UND K. WILMANNS— HEIDELBERG 

HEFT 36 


SEELE UND LEBEN 

GRUNDSÄTZLICHES ZUR PSYCHOLOGIE 
DER SCHIZOPHRENIE UND PARAPHRENIE ... 
ZUR PSYCHOANALYSE UNÖ&tR* . V:*’* 

PSYCHOLOGIE ÜBERäBfAUPTj 


VON 


DR. MED. ET PHIL. PAUL SCHILDER 

PRIVATDOZENT DER UNIVERSITÄT WIEN 
ASSISTENT DER P8YCHIATR. KLINIK 


MIT 1 ABBILDUNG 



BERLIN 

VERLAG VON JULIUS SPRINGER 
1923 


Die Abonnenten der „Zeitschrift für die gesamte Neurologie und 
Psychiatrie** und des „Zentralblatt für die gesamte Neurologie und 
Psychiatrie“ geniessen einen Vorzugspreis . 



ln die „Sammlung »von Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neuro¬ 
logie* 3uji& PsyfeJiüÄfidö", Sollen Arbeiten auf genommen werden, die Einzelgegen- 
stjmjlp de». Gpsamt^pbiete der Neurologie und Psychiatrie in mono- 
^etie Jttfcatwteln. Jede Arbeit bildet ein in sich abgeschlossenes 

Ganzes. 

Das Bedürfnis ergab sich einerseits aus der Tatsache, daß die Redaktion 
der „Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ wiederholt ge¬ 
nötigt war, Arbeiten zurückzuweisen nur aus dem Grunde, weil sie nach 
Umfang oder Art der Darstellung nicht mehr in den Rahmen einer Zeitschrift 
paßten. Wenn diese Arbeiten der Zeitschrift überhaupt angeboten wurden, 
so beweist der Umstand andererseits, daß für viele Autoren ein Bedürfnis 
vor liegt, solche Monographien nicht ganz isoliert erscheinen zu lassen. Es 
stimmt das mit der buchhändlerischen Erfahrung, daß die Verbreitung von 
Monographien durch die Aufnahme in eine Sammlung eine größere ward. 

Die Sammlung wird den Abonnenten der „Zeitschrift für die gesamte 
Neurologie und Psychiatrie“ und des „Zentralblatt für die gesamte 
Neurologie und Psychiatrie“ zu einem Vorzugspreis geliefert. 

Angebote und Manuskriptsendungen sind an einen der Herausgeber, Prof. 
O. Foerster, Breslau, und Prof. Dr. R. Wilmanns, Heidelberg, erbeten. 



MONOGRAPHIEN AUS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE UND 

PSYCHIATRIE 

HERAUSGEGEBEN VON 

0. FOERSTER-BRESLAU UND K. WILMANNS-HEIDELBERG 

HEFT 35 


SEELE UND LEBEN 


GRUNDSÄTZLICHES ZUR PSYCHOLOGIE 
DER SCHIZOPHRENIE UND PARAPHRENIE 
ZUR PSYCHOANALYSE UND ZUR 
PSYCHOLOGIE ÜBERHAUPT 

VON 


DR. MED. ET PHIL. PAUL SCHILDER 

PRIVATDOZENT DER UNIVERSITÄT WIEN 
ASSISTENT DER PSYCHIATR. KLINIK 


MIT 1 ABBILDUNG 



BERLIN 

VERLAG VON JULIUS SPRINGER 
1923 





ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG 
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. 


OHLENROTH’SCHE BUCHDRUCKEREI GEORG RICHTERS, ERFURT. 





Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Einleitung. 1 

A. Ziel und Methode. 1 

B. Phänomenologie und Psychoanalyse . 4 

I. Über Begriffe und Sätze. 12 

II. Körper und Welt. . 71 

III. Ethos und Neurose. 99 

IV. Zur Psychologie der Schizophrenie.118 

V. Zur Psychoanalyse, Ergänzungen und Zusätze.157 

Schlußwort.199 


96977C» 












Nachträglicher Zusatz des Verfassers. 


Bei der letzten Durchsicht dieser Arbeit: Die Verhandlungen der südwest¬ 
deutschen Psychiater in Heidelberg, niedergelegt in einem bedeutsamen Schizo¬ 
phrenieheft der Zeitschrift f. d. ges. Neurol. u. Psych. (Jg. 78, H. 4/5, 1922), die 
Monographie von Storch: Über das archaisch primitive Erleben und Denken 
der Schizophrenen (Heft 32 derMonographieen aus dem Gesamtgebiete der Neurol. 
u. Psych., Julius Springer 1922),L. Binswangers: Einführung in die Probleme der 
allgemeinen Psychologie (Julius Springer 1922), lassen erkennen, daß die in diesem 
Buche behandelten Probleme lebendige Probleme der gegenwärtigen Psychiatrie 
sind. Die Bestrebungen des Verfassers sind denen von Reiss, Storch, Bins- 
wanger, Homburger, Steiner, Gruhle verwandt. Vieles deckt sich im 
einzelnen. Auf die enge Übereinstimmung mit Reiss, Storch und Hom¬ 
burger verweise ich mit Genugtuung. Was dort und in früheren eigenen 
gleichgerichteten Arbeiten als Einzelton erklingt, versuche ich hier zur Melodie 
zu fassen. 



Einleitung. 

A. Ziel und Methode. 

Die Ziele dieses Buches sind weitgesteckte: auf Grund-einer Reihe von Kranken¬ 
geschichten Schizophrener und Paraphrener sollen söefec^e- Züsammeidlänge 
dargestellt werden und seelische Erlebnisreihen zur Erfassung konuper. Es wäre 
ungenügend, nur die ruhenden Gebilde der Seele zu hßfof-chJien/ nie^v fetglie- 
dem und zu beschreiben, sie in Reihen zu ordnen und zu klassifizieren. Freilich 
ist die sorgfältige Erfassung dessen, was im seelischen Erleben unmittelbar 
gegeben ist, ein unumgängliches Erfordernis und notwendige Voraussetzung. 
Eine derartige Arbeit ist aber unvollständig und unbefriedigend, denn es ge¬ 
hört zum Wesen des Psychischen, daß es in der Zeit verläuft, daß es eine Ver¬ 
gangenheit hat und in die Zukunft strebt. Ruhendes Seelenleben ist nur eine Ab¬ 
straktion, und das Ruhende erhält seinen Sinn erst aus dem Flusse des Werdens. 
Jede deskriptive Psychologie ist und bleibt eine vorläufige, ist nur Vorarbeit, 
Vorbereitung, ist nur Teil der Gesamtpsychologie, welche auf den Strom des 
Erlebens zielt und nicht nur auf Querschnitte dieses Stromes. Jedes durch Mo¬ 
mentaufnahme erfaßte Bruchstück des Seelischen erhält Sinn und Bedeutung 
durch das, was neben ihm, vor ihm und nach ihm ist. Die psychologische Analyse 
ist also auch Vergangenheitsanalyse. Vergangenheit und Gegenwart tragen den 
Zukunftskeim in sich, sie lassen in die zentralen Haltungen, in das Streben des 
Ich Einblick gewinnen. Die Entwicklungsgeschichte der Gegenwart ist auch die 
der Zukunft, so muß die Psychologie auch Folgen berücksichtigen, will sie sich 
nicht ihrem ureigensten Sinne entfremden. Sie darf nicht scheu an genetischen 
Gesichtspunkten Vorbeigehen, denn Seelisches ist Genesis. Hiermit ist bereits 
der Untersuchungsmethode der Weg vorgezeichnet. Deskriptive Psychologie 
muß durch psychogenetische Forschung vervollständigt werden. Nur die Erfas¬ 
sung des strömenden Erlebens kann uns die Verbindung der Psychologie mit der 
Naturwissenschaft bringen. Die Naturwissenschaft hat ja die Folge zum Gegen¬ 
stand. Sie bestimmt gesetzmäßige Folgen. Kann man nicht auch im Seelenleben 
gesetzmäßige Folgen antreffen ? 

Mit welchen Methoden kann man aber dem strömenden Erleben beikommen ? 

Die deskriptive Psychologie hat bereits mit sehr großen Schwierigkeiten zu 
kämpfen, wenn sie ruhende subtile Erscheinungen des Seelenlebens festhalten 
will. Die Untersuchungen der Külp eschen Schule haben diesen Tatbestand 
in ein klares Licht gestellt. Die Introspektion ist vor allem dann in Gefahr zu 
versagen, wenn sie länger dauernde Erlebnisse verfolgen will. Ach 1 ) hat zwar 
angenommen, daß die Erlebnisse eine Neigung hätten, sich im Bewußtsein un¬ 
verändert zu behaupten (Perseverationstendenz), so daß sie dann in Ruhe be- 

x ) Über die Willenstätigkeit und das Denken. Göttingen 1905. 

Sohilder, Seele und Leben. 


1 



2 


Einleitung. 


schrieben werden könnten. G. E. Müller 1 ) hat Ach gegenüber scharf betont, 
daß eine solche Perseverationstendenz nicht bestehe, daß das Bewußtsein der 
Versuchsperson derartige Leistungen nicht vollbringen könne, und daß man 
in Gefahr sei, auf diese Weise eigene Meinungen den Versuchspersonen zu unter¬ 
schieben. E. Westphal-) und Baade 8 ) haben offenbar wegen der von Müller 
hervorgehobenen Schwierigkeit länger dauernde Erlebnisse einer „fraktionierten“ 
Beobachtung unterzogen, d. h. es wird nicht das ganze Erlebnis durchforscht, 
sondern die Selbstbeobachtung der Versuchsperson wird in einem bestimmten 
Zeitpunkt unterbrochen. Nur über kurze Zeitstrecken hat demnach die Versuchs¬ 
person Auskunft zu geben. 

Aüoh-diese:fraktiorpej^e Untersuchungsmethode ist ihrer Natur nach nur auf 
die Beobachtung kiiiier’psychischer Zeitstrecken anwendbar. Es ist eine l^abo- 
ratonujoasm^thödö. Außerdem besteht doch die Gefahr, daß der Versuchsleiter 

‘ *. ■ v.'. . ' * • ; •• • • t ‘ 

der Versuchsperson eiüe befetimmte Nomenklatur in die Hand gebe, welche bereits 
ein Urteil, möglicherw eise ein Vorurteil über die psychische Struktur des Erlebten 
enthält. So könnte der Versuchsleiter aus dem Munde der Versuchsperson ein 
Echo seiner eigenen Anschauung hören, ohne daß der Versuch wirklich Gesicher¬ 
tes brächte. Es sind also die Schwierigkeiten der planmäßigen Selbstbeobachtung 
schon bei der geübten normalen Versuchsperson sehr groß. Hierzu kommt, daß 
möglicherweise dasBewußtsein, über das Erlebte später Auskunft geben zu müssen, 
die Art des Erlebens beeinflußt. Bei Psychotischen wird diese Gefahr besonders 
groß sein. 

Eine große Schwierigkeit aller introspektiven Psychologien liegt ja darin, 
daß das Individuum seine Einstellung bei der Selbstbeobachtung völlig ändern 
muß. Es stellt das, was es bisher erlebte, gegenständlich vor sich hin. Tritt nun 
diese Einstellung vorzeitig ein (noch während des Erlebens), so wird das Erleben 
selbst abgeändert, wie ja die Depersonalisationsfälle unwiderleglich zeigen. Dies 
wird insbesondere für jene Versuche gelten müssen, die eine längere Zeitdauer 
in Anspruch nehmen. Die Selbstbeobachtung ist in diesen Fällen wohl von einer 
hinreichenden dynamischen Bedeutung, um den Verlauf zu ändern. Es wird 
also die verfeinerte Methode der Introspektion zwar die Beschreibung kurz dauern¬ 
der, relativ ruhender seelischer Gebilde erleichtern, sie wird jedoch gegenüber 
länger dauernden Erlebnissen versagen, beim Psychotischen dürfte sie auf unüber¬ 
windliche Hindernisse stoßen. Hierzu kommt, daß die Laboratoriumsmethoden 
mit dem schwerwiegenden Nachteil behaftet sind, daß sie nur Erlebnisse und 
Erlebnissphären treffen, welche für das Individuum nicht wesentlich sind. 
Man kann also wohl mit diesen Methoden formal Wichtiges feststellen, aber man 
wird nie zum eigentlich Individuellen Vordringen. 

Man kann auch außerhalb des methodischen Experimentes von der gesunden 
Versuchsperson fordern, sie solle irgendein seelisches Erlebnis (ruhend oder von 
geringer Bewegung) vor sich hinstellen und klar beschreiben und kann diese 


Zur Analyse der Gedächtnistätigkeit und des Vorstellungs verlauf es. 3. Teil. 
Leipzig 1913. 

*) Uber Haupt-und Nebenaufgaben. Arch. f. d. ges. Psychol. Jg. 21, S. 219, 1911. 
*) Aufgabe und Begriff einer darstellenden Psychologie. Zeitschr. f. Psychol. u. 
Physiol. d. Sinnesorg. Jg. 71, S. 356, 1915. Über Unterbrechungsversuche etc. ebenda 
Jg. 64, S. 258, 1913. Selbstbeobachtung und Introvokation ebenda Jg. 79, S. 97, 1918. 



Einleitung. 


3 


Versuchsperson durch Fragen dazu nötigen, auf alles Wesentliche Rücksicht 
zu nehmen. Man kann bei der psychotischen Versuchsperson und ihren psycho¬ 
tischen Erlebnissen gegenüber den gleichen Weg einschlagen. Das setzt natürlich 
voraus, daß der Kranke Eignung zur psychologischen Beobachtung habe, vor 
allem aber auch, daß sein Bewußtseinszustand und seine Art zu denken der des 
Gesunden entspreche. Entzieht man etwa gewisse Kranke zu scharfen Be¬ 
griffsbildungen, so wird man in vielen Fällen ihre Einstellung gegenüber den 
psychotischen Erlebnissen abändem, und trotz formaler Schärfe ein durchaus 
unrichtiges Bild durch die Aussagen der Kranken erhalten. Es ist auch sehr 
wahrscheinlich, daß der Psychotische mit einer bestimmten Nomenklatur schon 
deswegen willkürlicher umgehen wird, da ja seine Begriffsbildung gegenüber der 
des Gesunden abgeändert ist. Dies gilt insbesondere von den Paraphrenen 
und Schizophrenen. Immer wird man mehr das Gesamtverhalten der Individuen 
im Auge halten müssen als den Wortlaut ihrer Äußerungen. Auch ist es viel 
zweckmäßiger, durch immer wiederholte Unterredungen festzustellen, in welchen 
Grenzen die Begriffe des Befragten schwanken, als ihn zur Anwendung defi¬ 
nierter Begriffe zu zwingen. Man muß sich immer vor Augen halten, daß man 
in die Sprachnuancen eines jeden Kranken eindringen muß; dann wird es auch 
bei holpriger Ausdrucksweise des Erkrankten möglich sein, zu erfassen, was er 
eigentlich erlebt hat. Die methodische Durchbesprechung, die F. E. O.Schultze 1 
empfiehlt und selbst bei der Analyse eines Falles angewendet hat, halte ich aus 
diesen Gründen für verfehlt, da sie die Eigenart der Gedankenbildung dieses 
Kranken vernachlässigt. So halte ich auch einen Teil seiner Resultate für Kunst¬ 
produkte des Examens. Es bleiben also die spontanen Äußerungen der Kranken 
das wichtigste Material auch für die Beschreibung ruhender Erlebnisse. Man 
darf ferner nicht vergessen, daß wir im Alltagsleben unsere Kenntnisse vom See¬ 
lenleben anderer nur zum geringsten Teil daher haben, daß sie uns in Worten 
ihr Seelenleben offenbaren. Vielmehr tritt uns dieses aus ihren Äußerungen, 
Handlungen, Bewegungen entgegen. Wir sehen es intuitiv, es tritt gegen¬ 
ständlich vor uns hin, und wir haben gar keine Berichte nötig über Inhalt und 
Form des seelischen Erlebens. Man muß sich immer gegenwärtig halten, daß 
sehr viele Zusammenhänge wohl von dem Zuschauer, nicht aber von dem Er¬ 
lebenden gesehen werden. Das, was für Verläufe gilt, gilt sicherlich auch für die 
ruhenden seelischen Gebilde. Im Wesentlichen wird es nicht oder nicht nur 
auf die Worte des Beobachteten, sondern immer auf den Blick des Beobachters 
ankommen, der hinter den Worten und durch die Worte hindurch das Erlebnis 
sehen muß. Der Beobachter wird das Gesamtverhalten der Kranken und die 
Kenntnis der Situation für das Verständnis heranziehen müssen. Er wird das 
am besten dadurch erreichen, daß er den Kranken ungestört erzählen läßt. 
Zwingt er diesen zu allzu großer Selbstbeobachtung, so kann das Erlebnis künst¬ 
lich in eine andere Atmosphäre gerückt werden. Das beste Beispiel für die Unzu¬ 
länglichkeit der Selbstbeobachtung ist der posthypnotische Befehl. Hier ist der 
ganze psychologische Zusammenhang dem Zuschauer ohne weiteres klar, während 
der Erlebende von diesem Zusammenhang nichts weiß*). Man muß also schon bei 

l ) Grundsätzliches und Kasuistisches über die Büdung von Begriffen und Kom¬ 
plexen und üder das Ich. Arch. f. Psychiatr. u. Nervenkrankh. Jg. 59, 1918. 

*) Vgl. hierzu irgendeines der Werke über Hypnotismus. Etwa Forel. 


1* 



4 


Einleitung. 


der Betrachtung ruhender und relativ ruhender seelischer Gebilde die Methode 
des Zuwartens und ruhigen Beobachtens wählen. Diese ^Methode ist aber die 
einzig mögliche, wenn es sich um gestrecktere seelische Verläufe handelt. Immer 
wird durch methodisches Fragen das Bild gefälscht werden. Man muß unter 
diesen Umständen die Patienten lange beobachten und sie ungehemmt reden 
lassen. Will man Belegmaterial geben, so müssen die Einfälle der Patienten ohne 
Auswahl wiedergegeben werden. Es muß auch kenntlich gemacht sein, wenn der 
Beobachter durch Fragen eingegriffen hat. Die Reihenfolge der Äußerungen 
muß insbesondere dort festgehalten werden, wo der Patient seine Erlebnisse 
nicht zu logischen Einheiten zusammenfaßt. Es ist ein großer Nachteil, daß die 
Krankengeschichten hierdurch lang und weitschweifig werden. Nur die Wich 
tigkeit der behandelten Probleme kann eine derartige Bearbeitung des Materials 
rechtfertigen. Man kann sagen, daß diese Methode im wesentlichen die Methode 
der Psychoanalyse ist. Auch die Psychoanalyse tiberläßt den Patienten möglichst 
sich selbst, aber sie zwingt den Neurotiker oder den Gesunden, das logische 
Denken beiseite zu lassen. Der Psychotische braucht hierzu nicht angehalten 
zu werden. Die Psychoanalyse des Neurotikers und Gesunden deutet die freien 
Einfälle dem Analysierten. In unseren Fällen wurde fs vermieden, den Patienten 
Deutungen zu geben. 

Soviel über die Methode, welche bei der Untersuchung der hier mitgeteilten 
Fälle angewendet wurde. 

Keine psychologische Untersuchung der Gegenwart hat Aussicht, Wesent¬ 
liches zu bringen, wenn sie sich nicht mit zwei Anschauungsweisen in der Psycho¬ 
logie auseinandersetzt : mit der Phänomenologie und mit der Psychoanalyse. 
Erst aus dieser Auseinandersetzung können die wesentlichen Gesichtspunkte 
für die Gewinnung und Verwertung des Materials gewonnen werden 1 ). 

B. Phänomenologie und Psyehoanalyse. 

Die Phänomenologie geht von Bestrebungen Brentanos aus, dessen Haupt¬ 
werk lautet,,Psychologie vom empirischen Standpunkt aus“. Es handelt sich um 
die subtile Zergliederung der Strukturen des psychischen Erlebens. Husserl hat 
in seinen,,Logischen Untersuchungen* 4 diese Methode vertieft. Noch in der ersten 
Auflage dieses Werkes ist die Phänomenologie von der deskriptiven Psychologie 
nicht völlig scharf geschieden. Freilich, die deskriptive Psychologie geht darauf 
aus, das Einzelergebnis zu fassen, und schon die, ,LogischenUnterauchungen‘ * gehen 
auf die wesentliche Struktur dieser Einzelerlebnisse. Erst in den „Ideen zu einer 
reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie* * wird die Trennung 
von der Psychologie radikal vollzogen, unter dem Hinweis darauf, daß es sich 
nicht um eine Tatsachen-, sondern um eine Wesenserkenntnis handle, die nicht in 
der natürlichen Einstellung erfaßt werde, sondern in der phänomenologischen. 
Die Phänomenologie kennt also wesensmäßige Strukturen, die im reinen Schauen 
erfaßt werden. Die Strukturen treffen nun nicht nur das Gebiet des Psychischen, 
sondern auch das Gebiet.des Körperlichen. Auch die Wissenschaften der Mathe- 

*) In den allgemeinen Fragen ist Kronfelds treffliches Werk: Das Wesen der 
psychiatrischen Erkenntnis. Berlin: Julius Springer 1920. I. heranzuziehen, mit 
dem ich mich in der grundsätzlichen Stellung zur Phänomenologie einig weiß. 



Einleitung. 


matik, Geometrie und Physik haben eine strukturelle Gliederung, die man 
phänomenologisch einsehen kann. Die Phänomenologie lehrt, daß man die 
wesensanschauende Betrachtung dieser Strukturen nicht vernachlässigen dürfe, 
etwa dem Wunsche einer naturwissenschaftlichen Ordnung des Tatsachenmate¬ 
rials zuliebe. 

Es wird meines Erachtens nicht mit Unrecht darauf verwiesen, daß auch 
die phänomenologische Schau enge Beziehung hat zur psychologischen Betrach¬ 
tungsweise. Wie dem auch sei, es darf nicht vergessen werden, daß die Phä¬ 
nomenologie anderes will und anderes anstrebt, sie sucht das Wesensmäßige, 
auf das die Einzeltatsachen der Psychologie bezogen werden können. Sieht man 
nun Schriften der Phänomenologen, etwa dieSchelers 1 ), durch, so weisen sie eine 
geradezu wundervolle Beschreibung seelischer Tatbestände auf, diese Be¬ 
schreibung wird aber nur dadurch von sonstiger Psychologie geschieden, daß 
sie mit der Forderung auftritt, unumstößlich wahr zu sein. 

Diese Beschreibungen zeichnen sich allerdings auch dadurch aus, daß sie der 
besonderen Eigenart der seelischen Erlebnisse Rechnung tragen, und daß sie 
nicht versuchen, die qualitative Mannigfaltigkeit des Seelischen zu reduzieren. 
So kennt Scheler körperliche Gefühle, sinnliche Gefühle, Sympathiegeftihle, er 
kennt nicht nur Strebungen, sondern auch Gesinnungen. Es wird das Wünschen 
vom Wollen scharf getrennt, es wird unterschieden, ob sich bei der Gesinnung 
das Individuum gegen den anderen einstelle als von oben herab- oder von unten 
hinaufblickend. So ergibt sich eine reiche Fülle seelischer Erlebnisse, das see¬ 
lische Erleben wird nicht schematisch vereinfacht. Dementsprechend kommt diese' 
Art der Betrachtung der Psychologie viel näher wie sie etwa in den Romanen 
dargestellt wird. Artung und Individualität der Persönlichkeit werden aner¬ 
kannt. Diese Betrachtungsweise ist etwa vergleichbar der künstlerischen Be¬ 
trachtungsweise der Sinnenwelt, welche ja auch die Erscheinungen nicht auf 
Masse und Kraft reduziert und doch eine Vertiefung der Auffassung über das 
naive Erleben hinaus erzielt. 

‘ Die phänomenologische Reduktion der Erscheinungen geht nicht dahin, 
diese Mannigfaltigkeit in Elemente aufzulösen, sondern diese Mannigfaltigkeit 
durch vertiefte Schau in ihren wesentlichen Beziehungen dem Blicke klar zu 
machen, so daß das schauende Ich den endgültigen Einblick in das Wesen dieser 
Mannigfaltigkeit gewinne. Auffallenderweise ist die phänomenologische Be¬ 
trachtungsweise bisher davor zurückgeschreckt, die zeitliche Dimension einer 
tieferen Analyse zu unterziehen. Es wird nicht oder nur ungenügend versucht, 
das Längsschnittbild eines Erlebens einer solchen reinen Schauung zuzu¬ 
führen, wiewohl auch das zu den wesensmäßigen Aufgaben der Phänome¬ 
nologie gehört. 

Obwohl es nicht meine Aufgabe ist, eine Kritik der Phänomenologie zu geben, 
so taucht doch sofort die Frage auf, wie denn die Phänomenologie ihre Einsichten 
sichere. Sie verweist auf die unmittelbare Evidenz des Schauens. Diese un¬ 
mittelbare Evidenz wird aber bekanntlich sehr häufig für kontradiktorisch 
entgegenstehende Dinge von Verschiedenen gefordert. Es ist nicht einzusehen, 


l ) Etwa: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Jahrb. f. 
Phänomenologie, Bd. I und II. 



6 Einleitung. 

wodurch das schauende Bewußtsein des Phänomenologen einem anderen über¬ 
legen ist. 

Zur Veranschaulichung ganz kurz zwei Beispiele: Ein geistig vollwertiger 
Epileptiker berichtet unter der freudigen Erregung der bevorstehenden Hochzeit, 
ein Druck sei von seinem Gehirn gewichen, er wisse nun ganz bestimmt, daß 
er völlig gesundet sei, daß er Anfälle nie wieder bekommen werde. Diese Über¬ 
zeugung wird ekstatisch vertreten. Nach kurzen Intervallen traten die Anfälle 
wieder auf. Eine Patientin wird von Attacken eines Eifersuchtswahns geplagt; 
in freien Zwischenzeiten hat sie nicht nur die Einsicht für den Wahn, sondern 
sie hat auch die feste Überzeugung, sie würde derartige Wahnideen nicht wieder 
bilden. WenigeStunden später konnte sie schon wieder ihren Mann auf Grund einer 
harmlosen Bemerkung der Untreue anklagen. Beide Patienten waren fest davon 
überzeugt, daß die Attacken nicht wieder kommen könnten. Diese Überzeugung 
der beiden Patienten war eine tiefe und echte. Nun könnte man die Annahme 
machen, daß in dem epileptischen Patienten gegenwärtig sein müßte, daß diese 
Überzeugung aus Wunschtendenzen geflossen war und daß die eifersüchtige 
Patientin wissen mußte, daß im Hintergründe der Wahn da sei. Ich glaube 
nun in der Tat, daß ein Bewußtsein dieser Art da sein muß und meine auch, 
daß der Akt der Überzeugung in diesen Fällen eigenartig gefärbt gewesen sein 
muß. Immerhin belehrt darüber doch nur das Gesamterleben unserer Patienten, 
und nicht die Wesensschau, die sie an ihren Erlebnissen getrieben haben. Ich 
habe auch den bestimmten Eindruck, daß die reine Evidenz des Schauens im 
Momente des Erlebens im Hintergründe Widersprüche aufzuweisen hat, auch 
dann, wenn sich diese ,,Evidenz“ als wahr erweist. Ich habe schon früher einmal 
betont, daß es fraglich ist, ob es eine reine Evidenz in Husserlschem Sinne 
überhaupt gebe. So scheint denn die reine Phänomenologie nur für ein ideales in 
Wirklichkeit nicht gegebenes Bewustsein zu Recht zu bestehen. Auch ich fordere 
ein derartiges Bewußtsein, auf das alle Erkenntnisse bezogen werden können. 
Wie ein derartiges Bewußtsein zu fassen wäre, wird erst nach einigen weiteren 
Ausführungen klar werden. 

Hierzu kommt noch, daß die seelischen Erlebnisse sich ebenso abschatten, 
wie die Dinge der Außenwelt sich in den Empfindungen abschatten. Das Ein¬ 
sehen in das Wesen „Zorn“ beruht auf einer Fülle von Abschattungen eines 
Grunderlebnisses, das selbst ebenso transzendent ist, wie der reale Gegenstand 1 ). 
Dieser Gesichtspunkt, daß unsere Einsicht in psychische Sachverhalte um 
nichts sicherer ist als in reale Sachverhalte, ist überhaupt festzuhalten. Aller¬ 
dings muß ich betonen, daß die Akte erlebt werden und dadurch eine Sonder¬ 
stellung einnehmen. Auch die phänomenologische Grundstellung des Ab- 
strahierens von der Tatsächlichkeit bietet keine Gewähr für die reine Evidenz. 

Sieht man sich die Schriften phänomenologisch gerichteter Autoren durch, 
so fragt man sich, wie sich diese Autoren denn die biologische Abänderung 
psychischer Erlebnisreihen dächten. Sc hei er betont, daß der Kern der Gesin¬ 
nungen auch in der Psychose erhalten bleibe, es wird jedoch hierbei nicht voll¬ 
ständig klar, wie er sich denn die biologische Abänderung durch körperliche 


*) H. G. Steinmann: Zur systematischen Stellung der Phänomenologie. Arch. 
f. d. ges. Psychol. Jg. 36, S. 391, 1916. 



Einleitung. 


7 


Erkrankung denke. Jaspers 1 ), Schneider*) und Mayer-Groß*) und die 
ihm in den Anschauungen Verwandten trennen die verständlichen Zusammen¬ 
hänge grundsätzlich von den kausalen, wobei es denn vollständig unklar bleibt, 
weshalb es bei bestimmten körperlichen Eingriffen zu gesetzmäßiger Abände¬ 
rung in der psychischen Reihe kommt. Betrachtet man unvoreingenommen 
das Tatsachenmaterial, so ergibt sich einesteils, daß aus der psychologischen 
Reihe Einwirkungen auf den Körper entstehen und anderenteils, daß das Innen¬ 
erlebnis kausal von apsychischen Momenten abhängig ist. Man muß also wohl 
das psychische Einzelerlebnis, das auf der einen Seite Gegenstand der Schauung 
ist, auf der anderen Seite im Rahmen kausaler Abläufe betrachten können. 
Die kausale Beobachtungsweise der Natur kommt schließlich zur Annahme von 
Massen und wirkenden Kräften. Die Dingqualitäten treten dagegen zurück. 
Bekanntlich ist ja die Welt der Physik eine qualitätslose Welt. 

Betrachten wir nun die seelischen Erlebnisse unter dynamischen Gesichts¬ 
punkten, so wird auch hier Gefahr bestehen, daß die Qualitäten vernachlässigt 
werden. Keinesfalls sind die Qualitäten aus den dynamischen Verhältnissen 
ableitbar, ebensowenig wie man die Tatsache der Farbe aus der Energie ableiten 
kann. Es wird also die dynamische Betrachtungsweise nur immer Teile des 
psychischen Gesamtgeschehens erfassen, ebenso wie ja die physikalische Betrach¬ 
tungsweise uns nur einen Teil der Außenwelt zugänglich macht. Immerhin wird 
man auf diese biologische Betrachtungsweise nicht verzichten dürfen, weil sonst 
die greifbaren Beziehungen Körper, Psyche völlig unfaßbar würden. 

Noch von einer anderen Seite aus erscheint diese biologische Betrachtungs¬ 
weise als unbedingtes Erfordernis 4 ). Wir haben keinen Maßstab für den Wert 
der Evidenzerlebnisse, der in dem Erlebenden selbst begründet wäre. Das Evi¬ 
denzerlebnis des paranoischen Entdeckers unterscheidet sich für den Erlebenden 
selbst in nichts von dem Erlebnis des schaffenden Genies. Ja wir können sogar 
sagen, ebenso wie für das Evidenzerlebnis des Paranoikers ist auch für das des 
Genies das gesamte Vorerleben mit maßgebend.*) Wesentlich verschieden ist im 
Grunde nur die praktische Brauchbarkeit und das Miteinstimmen der Mitmenschen 
eben in Bezug auf die Brauchbarkeit. Es ist ja allerdings bekannt, daß die Ein¬ 
sicht der Nebenmenschen unter Umständen nur sehr verspätet nachfolgt, schlie߬ 
lich bleibt aber das einzige Kriterium das, daß das Genie einen neuen Einblick 
in eine Sachstruktur ermöglicht hat. Sachstruktur ist hier in einem sehr weiten 
Sinne zu nehmen, und umfaßt geistige und sinnliche Strukturen. Und nun läßt 

*) Psychopathologie. 2. AuH. Berlin: Julius Springer 1920. Die phänomenologische 
Förschungsrichtung in der Psychiatrie. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. und Psych. Jg. 9,1912. 

*) Die Schichtung des emotionalen Lebens und der Aufbau der Depressionszustände. 
Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 69, 281. Zur psychologischen Phänomeno¬ 
logie von Liebe und Mitfühlen; ebenda Jg. 65, 109. 

8 ) Mayer - Groß: Die Stellungnahme zur abgelaufenen akuten Psychose. Zeitschr. f. 
d. ges. Neurol. u. Psychiatr., Jg. 60, S. 160,1920. Beiträge zur Ps y chopathologie schizo¬ 
phrener Endzustände Jg. 69, S. 332,1921. Einen vollständigen Überblick über die ein : 
schlägige Literatur gibt Kronf eld: Über neuere pathol.-psychiatr.-phänomenologische 
Arbeiten. Zentralbl. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 28, H. 9, 1922. 

4 ) Neuerdings ist Kretschmer mit besonderer Entschiedenheit für die biologische 
Grundanschauung eingetreten. (Medizinische Psychologie 1922.) 

5 ) Dies der Grundgedanke meiner Monographie: Wahn und Erkenntnis. Mono¬ 
graphien a. d. Gesamtgebiete der Neurologie u. Psychiatrie 1918. 



8 


Einleitung. 


eich ein weiteres Moment hervorheben: nur die dauernde Zuwendung zur Sach- 
struktur gibt dem Individuum die dauernde Befriedigung. Die sorgfältige Beob¬ 
achtung .zeigt, daß die Glucksmöglichkeit eines Individuums in einer sehr engen 
Beziehung steht zu seiner Fähigkeit der Bewältigung der Sachstruktur der Welt. 
Es ist zu vermuten, daß auch hieraus die reinen Evidenzerlebnisse fließen, damit 
sind aber diese Dinge auf einen bio-teleologischen Nenner gebracht und der Boden 
der reinen Phänomenologie ist verlassen. Gleichzeitig ergibt sich auch die Mög¬ 
lichkeit, Beziehungen zur Psychoanalyse zu gewinnen. Jedenfalls wäre im Sinne 
dieser Ausführungen das reine phänomenologische Bewußtsein das des 
biologisch Vollwertigen mit seiner Fähigkeit, Sachstrukturen im Denken und im 
Handeln zu bewältigen. Freilich ist Voraussetzung für diese Erörterungen, 
daß es eine objektive Welt von Sachstrukturen gebe. 

Vermittelst der Kausalität orientieren wir uns über zeitliche Abläufe in der 
Außenwelt; wenn etwa zu einer zuckerhaltigen Lösung das Nyland ersehe 
Reagens zugesetzt wird und es wird gekocht, so entsteht ein schwarzer Nieder¬ 
schlag. An und für sich liegt es weder im Wesen der zuckerhaltigen Lösung 
noch in der des Ny land ersehen Reagens, daß auf das Kochen gerade ein schwar¬ 
zer Niederschlag eintreten müsse. Nur die Erfahrung ergibt, daß unter diesen 
Umständen eine entsprechende schwarzgefärbte Verbindung auf tritt. Es ist 
also für die kausale Folge nur das eine charakteristisch, daß man auf Grund 
früherer Erfahrungen einen zeitlichen Verlauf Voraussagen kann. Die Qualitäten, 
welche im Verlaufe einer derartigen kausalen Folge in Erscheinung treten, 
werden durch die Feststellung der Kausalbeziehung nicht im Entferntesten 
berührt. Man kann das nun ohne weiteres auf psychische Verläufe übertragen. 
Wenn ich feststelle, daß auf ein Erlebnis A ein Erlebnis B gesetzmäßig folgt, so 
wird hierdurch nichts tangiert, was die phänomenologische Beschreibung dieser 
Erlebnisse betrifft. Nun setzt die Physik und schließlich auch das naive Bewußt¬ 
sein zwischen kausal verbundenen Ereignissen Kräfte an; der losgelassene Stein 
fällt zufolge der Schwerkraft zu Boden. Es liegt nahe, eine ähnliche Betrachtungs¬ 
weise auf psychische Erlebnisse anzuwenden; etwa ich bekomme einen Befehl 
und führe diesen mir aufgetragenen Befehl aus. Nun besteht insofern ein Unter¬ 
schied gegenüber der gewöhnlichen kausalen Folge, als ja ein Zusammenhang 
zwischen diesen beiden Erlebnissen nicht nur erschlossen, sondern unmittelbar 
erlebt wird. Die Befolgung wächst aus der Übernahme des Befehles hervor. Es 
liegt also schon nach diesen einfachen Erwägungen nahe, anzunehmen, daß die 
Dingkausalität im Grunde nur eine Ableitung aus psychischen Erlebnisreihen 
sei. Der Ansatz von Kräften zwischen den kausal verbundenen Ereignissen 
würde dann unter dem Eindruck des psychischen Erlebnisses erfolgen. 

Es gesellen sich eine Reihe von wichtigen Tatsachen hinzu, welche die Psycho¬ 
analyse entdeckt hat. Breuer und Freud 1 ) konnten zunächst zeigen, daß Er¬ 
lebnisse, wenn sie verdrängt werden, ihre Triebkraft nicht verlieren. Diese 
Triebkraft findet jedoch nicht ihre natürliche Auswirkung, sondern nun er¬ 
scheinen andersartige physische oder psychische Folgewirkungen, welche gleich¬ 
sam nur als abgeänderte Folgen des ursprünglichen Erlebnisses aufzufassen sind. 
Wenn etwa die Liebessehnsucht nach einem bestimmten Gegenstände vom Indi¬ 
viduum nicht geduldet wird, wenn es diese aus dem Bewußtsein verdrängt. 


1 ) Studien über Hysterie. Wien: Deuticke 1895. 



Einleitung. 


9 


so erscheint an Stelle des sehnsüchtig gewünschten Bildes eine Phantasie, welche 
eine symbolische Darstellung des geliebten Gegenstandes sein kann. Mit anderen 
Worten, die verdrängte psychische Energie eines Erlebnisses bricht an anderer 
Stelle durch und erzwingt eine physische oder psychische Folge, welche nur ver¬ 
standen weiden kann aus der Annahme des Fortbestandes der verdrängten Ener¬ 
gie. Wenn etwa eine Patientin den Coitus erstrebt und dieses Streben deswegen 
nicht zur Durchführung kommt, weil sich moralische Hemmungen einstellen, 
so erscheint die verdrängte Energie in einer verwandten Handlung, einem hyste¬ 
rischen Anfall. Dieser Anfall ist nun die Resultierende aus zwei Strebungen. 
Es gibt eine verdrängende Kraft, welche, wenn sie nur genügend ist, jeden Ge¬ 
danken an den Coitus unterdrückt. An die Stelle des anstößigen Gedankens 
tritt eine minder anstößige Innervationsbereitschaft, welche nun die Energie 
des ursprünglichen Strebens bekommt. Hiermit ist aber einesteils gegeben die 
Vorstellung, daß die Kraft eines Erlebnisses nicht in Verlust geraten könne, und 
daß sie unmittelbar in Körperliches umgesetzt werden könne. (Konversion 
Freud [1. c.]). Man kann dann aber diese psychische Kausalreihe ohne weiteres 
zu sonstigen Kausalreihen in Beziehung setzen, die psychische Kausalreihe fügt 
sich in die übrigen naturwissenschaftlichen Reihen ein 1 ). Damit ist aber sofort 
wesentliches gewonnen. Es hat keine Schwierigkeiten, zu erklären, weshalb etwa 
bei dem Gedanken an wohlschmeckende Speisen Speichelsekretion eintritt. 
Man kann jedem psychischen Erlebnis einen bestimmten Wirkungswert zuweisen 
und es hat nun nichts Verwunderliches, daß dieser Wirkungswert von rein körper¬ 
lichen Bedingungen abhängig ist, wie denn anderenteils der Zustand des „Erfolg¬ 
organes“ von Bedeutung sein muß. So wird z. B. der Betrunkene auf eine Be¬ 
schimpfung anders reagieren als der Nüchterne, wird sich vielleicht leichter zu 
einer Gewalttätigkeit hinreißen lassen. So wird etwa der durch Veronal schlaf¬ 
bereit Gemachte auf Zuspruch eines Hypnotiseurs leichter in Schlaf kommen. 
Umgekehrt wird man durch psychische Beeinflussungen den Wirkungswert von 
Medikamenten abändem können. Der Hypnotisierte verbraucht für eine Ope¬ 
ration weniger Narkotika 1 ). 

Dabei muß wiederum betont werden, daß durch alle diese Erwägungen die 
Phänomenologie der seelischen Zusammenhänge nicht erledigt wird. Das Erleb¬ 
nis des Zusammenhanges, des Hervorgehens, etwa der Willenshandlung aus dem 
Motiv, wird durch diese Erwägungen gar nicht berührt. 

Die Psychoanalyse hat ja (der Lehre von der Hypnose folgend) aufgedeckt, 
daß eine Reihe von erlebten psychischen kausalen Zusammenhängen dem Be¬ 
wußtsein des Menschen verborgen bleibt. So ist etwa der Sinn einer Fehlhandlung, 
die Einstellung, welche eine Fehlhandlung kausal bedingt, dem Individuum 
nicht ohne weiteres zugänglich, allerdings müssen wir annehmen, daß im Hinter¬ 
gründe des Bewußtseins doch die ursprüngliche Einstellung des Individuums 
nachweisbar bleibt und daß andemteils auch ein, wenn auch nicht klares, Bewußt¬ 
sein der verdrängenden Einstellungen vorhanden sein muß. Demnach gibt es 
Zusammenhänge von seelischen Erlebnissen, welche das Individuum zwar ahnt, 

2 ) Die weitere Entwicklung der Psychoanalyse beruht auf diesen Grundgedanken. 
Vgl. etwa Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, 5. Aufl. Wien: Deuticke 1922. 

*) Über den Wirkunsgwert des Erlebnisses vgl. meine Abhandlung: Die neue Richtung 
der Psychopathologie. Monatsschr. f. Psychiatr. u. Neurol. Jg. 50, S. 17, 1921. 



10 


Einleitung. 


welche es in irgendeiner Form doch erlebt, über die es aber hinweg sieht. Natürlich 
sind diese Zusammenhänge nicht nur kausale, sondern auch verständliche im 
Sinne von Jaspers. 

Es gibt einen Urtypus des verständlichen Zusammenhanges; das ist das 
Folgen von Gedanken, Vorstellungen oder Handlungen aus dem Willen oder 
aus Einstellungen heraus. 

Gibt es aber nicht auch geschaffene verständliche Zusammenhänge? An 
und für sich ist es imverständlich, daß auf Angst Durchfall erfolgt oder erfolgen 
kann. Es ist auch unverständlich, daß beim Anblick einer leckeren Speise Speichel¬ 
fluß erfolgt. Haben wir aber diese Erlebnisse an uns selber oder an anderen 
wiederholt erlebt, drängt es sich uns auf, daß aus der Angst der Durchfall 
hervoigeht; wir erleben dieses Hervorgehen, es scheint gleichsam als Folge 
aus einer Strebung zu fließen. Oder fließt es nicht auch wirklich aus einer 
Strebung? 

Ebenso unverständlich scheint es ja fürs erste zu sein, daß sich sexuelle Er¬ 
regung im hysterischen Anfall entlade (ebenso das Auftreten von Hitzgefühlen 
im Körper bei sexueller Erregung). Es ist zunächst auch unverständlich, daß 
jemand, der von sexuellen Gedanken nichts wissen will, einen Pollutionstraum 
träume, in dem ein Straßenbahnwagen in einen hoch geladenen Kohlenwagen 
hineinstößt. Die Darstellung des Coitus durch einen Zusammenstoß derartiger 
Wagen ist gewiß nur verständlich, wenn man sich vom tatsächlichen Vorkommen 
derartiger Darstellungen wiederholt überzeugt hat. In den letztgenannten Fällen 
läßt sich aber sehr leicht zeigen, daß das auftauchende Bild oder der Anfall 
in der Richtung der Strebung liege. Sie fügen sich also jenem Urtypus verständ¬ 
licher Zusammenhänge ein. Die körperlichen Wirkungen der Affekte aber (die 
erstgenannten Beispiele) scheinen sich den verständlichen Zusammenhängen 
insofern anzugliedem, als ja im Affekt stets eine Strebung enthalten ist, als 
deren Miterfolg die körperliche Wirkung erscheint, am Klarsten ist ja das etwa 
beim Auftreten des Speichelflusses beim Gedanken an die leckere Mahlzeit. 

Wo also ein verständlicher Zusammenhang mit Recht angenommen wird, 
liegt immer das psychische Erlebnis des Auseinanderhervorwachsens, des Willens¬ 
ähnlichen zu Grunde. Auch dann, wenn die verständlichen Zusammenhänge nur 
Niederschlag von Erfahrungen zu sein scheinen. 

Alle diese verständlichen Zusammenhänge können aber auch kausal betrach¬ 
tet werden. 

Man muß vorhandene seelische Zusammenhänge trennen von den möglichen 
Zusammenhängen. Jaspers führt an, es wäre wohl verständlich, daß die meisten 
Selbstmorde im Herbst stattfänden, die Statistik lehre aber etwas anderes. Es 
fielen also verständliche Zusammenhänge mit kausalen nicht zusammen. Nun 
kann es selbstverständlich Fälle geben, in denen die herbstliche Traurigkeit als 
letzter Anstoß zum Selbstmord wirkt. Dann hat man diesen Zusammenhang als 
kausalen zu werten. Freilich muß man aber etwas derartiges beobachten, bevor 
man es behauptet. Es gibt auch auf dem Gebiete der verständlichen Zusammen¬ 
hänge Möglichkeiten, die sich hinterher durch die Beobachtung als nicht wirklich 
erweisen. Etwas anderes lehrt das Jasperssche Beispiel nicht. Das gleiche 
gilt natürlich von anderen naturwissenschaftlichen Dingen auch. Aus den Mög¬ 
lichkeiten muß durch Beobachtung das Tatsächliche ermittelt werden. 



Einleitung* 


11 


Jedenfalls ergibt es sich, daß die Anwendung einer kausalen Betrachtungs¬ 
weise auf Psychisches möglich ist. Ordnet man aber Zusammenhänge kausal, 
so kann man ohne weiteres auch quantitative Hilfsbegriffe einführen. Ein 
derartiger Hilfsbegriff ist der Begriff der psychischen Energie. 

Es muß betont werden, daß von diesen methodischen Vorteilen abgesehen 
die Freudsche Psychoanalyse zum ersten Male gezeigt hat, daß die psychischen 
Erlebnisse einer Persönlichkeit durch das ganze Leben hindurch einen Zusammen¬ 
hang bewahren. Sie hat uns auch phänomenologisch einen Blick in diesen Zu¬ 
sammenhang eröffnet und hat uns außerdem Formeln und Hilfsbegriffe gegeben, 
mittels derer man sich diese Zusammenhänge leicht ordnen kann. 



I. Über Begriffe und Sätze. 

Eine Betrachtung über den Begriff 1 ) muß zunächst die logischen Wesenheiten 
desselben zu erfassen trachten. Dem Begriffe als solchem kommt Zeitlosigkeit zu. 
Er ist unveränderlich. Er steht dem Ich als Gegenstand gegenüber. Er wird vom 
Ich erfaßt, aufgefaßt, ist aber ichfremd wie das Wahrgenommene. Er weist eine 
Gliederung auf: In dieser ist zu unterscheiden die Begriffsgrundlage, der Inhalt 
oder Sinn des Begriffes und das Begriffszeichen. So sind sämtliche existierende 
Herde für den Allgemeinbegriff Herd Begriffsgrundlage. Inhalt des Begriffes 
sind die im Begriff des Herdes enthaltenen Bestimmungen, die gesprochenen 
Laute sind schließlich das Begriffszeichen. Der Begriffsinhalt kann zweierlei 
meinen, nämlich den allgemeinen Begriff Herd oder auch den Typus Herd. 
Dem Begriffe kommt der Objektscharakter zu, er gehört der Welt der Gegen¬ 
stände an und ist der objektiven Betrachtung zugänglich. Die logische Betrach¬ 
tungsweise muß ergänzt werden durch die psychologische. Diese hat mehrere 
Fragen zu erledigen; die erste ist: wie werden Begriffe vom Individuum erlebt, 
die zweite: wie gelangen Begriffe zur Erfassung, endlich die dritte: welche dyna¬ 
mische Bedeutung kommt ihnen im Strom des Erlebens zu ? 

Daß es nicht Vorstellungen sind, welche den Kern des Begriffserlebnisses aus¬ 
machen, ist sicher. Es gibt keine allgemeinen Vorstellungen im Sinne Lockes, 
es gibt nur individuelle. Man wird zwar nicht ausschließen können, daß Vorstel¬ 
lungen stete auf tauchen, wenn eines Begriffes gedacht wird. Doch läßt sich zeigen, 
daß diese Vorstellungen keineswegs die Stetigkeit haben, welche dem Begriffe 
zukommt; sie sind mehr oder minder flüchtig. Vor allem jedoch erschöpfen sie 
nicht den Sinn der Begriffe. Es läßt sich zeigen, daß die Vorstellungen im leb¬ 
haften Denken sehr zurücktreten und mit der Zunahme des begrifflichen Denkens 
an Bedeutung verlieren. Es bleiben schließlich nur Wortvorstellungen übrig, 
welche zufolge ihrer sinnlichen Merkmalsarmut eine besondere Stellung ein¬ 
nehmen. Es ist aber gar nicht einzusehen, wie man auch von diesen Vorstellun¬ 
gen aus zum Sinn gelangen könnte. Man könnte auch denken, daß der Begriff 
eine Regel enthält, nach der das Vorstellen vonstatten gehen müsse und daß eine 
Reihe von Vorstellungen den Sinn des Begriffes erfüllen müssen. Aber auch hier 
muß ein einheitliches Band vorhanden sein. Man kann also nicht umhin, einen 
unsinnlichen Heiler des Begriffserlebens anzunehmen, so daß jene Forscher, 
welche diesen unmittelbaren Faktor in Form eines Gedankenerlebnisses nach- 
gewiesen haben, vollen Glauben verdienen. Ein Gefühlserlebnis ist das Auf¬ 
fassen von Begriffen nicht. Wenigstens nach Untersuchungen dieser Autoren, 
auch nicht nach den Selbstbeobachtungen des Verfassers. Gomperz sucht in 

x ) Diese Darstellung in teilweiser Abhängigkeit von Gomperz’ Weltanschauungs- 
lehre. Jena: Diederichs 1905. 



Über Begriffe und Sätze. 


13 


einer gefühlsmäßigen Totalimpression den Kern des Begriffserlebnisses. Ich glaube 
nicht, daß eine konstante Gefühlsatmosphäre das Wesentliche bei der Erfassung 
von Begriffen ist. Es ist allerdings richtig, daß die Zuwendung, die Intention, 
den Vorstellungsinhalt eigenartig färbt. Die Gefühle sind überhaupt nur der 
Abglanz einer Zuwendung zu den Gegenständen. Diese Zuwendung wird unmittel¬ 
bar erlebt. Sie geht auf einen nicht anschaulichen, eindeutig charakterisierten 
Gegenstand. Der unanschauliche Gedanke ist der tragende Kern des Begriffes. 
Ja, es dürfte vielleicht möglich sein, dieses Erlebnis noch näher zu'kenhzeichnen. 
Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Intention einer Intention zum Handeln 
sehr nahe steht. Das Wesen begrifflichen Denkens, der Begriffe, wäre demnach die 
Intention auf einen nicht sinnlich gegebenen Sachverhalt. Der Begriff enthält 
aber auch eine Vorschrift, wie man zu bestimmten Erkenntnissen Vordringen 
könne. Er enthält die Aufforderung zu bestimmten Denkoperationen in sich. 
Insofern ist die Lehre Kants vom Schema sicherlich richtig. „Dieser Schema- 
tismuß des Verstandes in Ansehung der Erscheinungen und ihrer bloßen Form 
ist eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren Hand¬ 
griffe wir der Natur schwerlich jemals abraten und sie unverdeckt vor Augen 
legen werden.“ Dieser Kantsche Begriff hat nichts zu tun mit dem, was die 
neuere Psychologie als Schema bezeichnet, nämlich anschaulichen Hilfen des 
Denkens von bestimmter Art 1 ). 

Soviel über die Art, wie Begriffe im Bewußtsein gegeben sind. Hiermit ist 
die zweite Frage zum Teil erledigt. Begriffe entstehen, wenn sich Intentionen 
auf eine Begriffsgrundlage richten. Diese Intentionen sind biologisch gegründet, 
sie sind der Affektivität, dem Triebleben entsprossen. Jetzt wird auch das 
logische Wesen der Begriffe klarer. Sie sind starr und feststehend, weil sie einen 
idealen Zielpunkt des Handelns dem realen hinzufügen. Sie entsprechen der 
Organisation, dem Gerüst der Handlungen und des Trieblebens. Es ist eine 
Erweiterung der wirklichen Welt um eine mögliche, soweit diese Gegenstand 
der Handlungen werden kann. Es sind Kristallisations- und Ruhepunkte des 
ewig suchenden Trieblebens. Diese Andeutungen werden aus den folgenden 
Ausführungen verständlicher werden. 

Das über Begriffe Ausgesagte kann mit geringen Abänderungen auf Sätze 
und ihren Bedeutungsgehalt übertragen werden. Wir unterscheiden zwischen 
der Aussagegrundlage, dem Aussagelaut und dem Aussageinhalt. Aussagegrund¬ 
lagen sind jene Reihe von Tatsächlichkeiten, welche im Aussageinhalt auf gef aßt 
und mit dem Aussagelaut bezeichnet sind. Der Aussageinhalt ist der Sinn des 
Ausgesagten. Gomperz, dem ich in der Terminologie und dem Sachlichen 
folge, unterscheidet ferner den Sachverhalt und die Aussage. Ich setze einen 
Passus aus Gomperz hierher, um einen Einblick in diese Probleme zu geben. 
Für die nachfolgenden Untersuchungen sind allerdings nur die primären Ele¬ 
mente der Aussage von Wichtigkeit. 

„Wollen wir das Ergebnis unserer bisherigen Untersuchungen zusammen¬ 
fassen, so müssen wir sagen: an jeder vollständigen Aussage können wir drei 
primäre und zwei sekundäre Elemente unterscheiden. Die primären Elemente 
sind: die Aussagelaute, d. i. die Klangfolge, welche die sprachliche Form der 

*) Vergl. hierzu Lindworsky: Der Wille. Leipzig: Barth 1919, und G. E. Müller 
1. c« 



14 


Über Begriff© und Sätze. 


Aussage darstellt, der Aussageinhalt, d. i. der logische Gehalt, der ihren Sinn 
ausmacht, und die Aussagegrundlage, d. i. jene Tatsache, auf die sich die Aus¬ 
sage bezieht. Die sekundären Elemente sind; die Aussage selbst, d. i. das aus 
den Aussagelauten und dem Aussageinhalt bestehende Ganze und der ausgesagte 
Sachverhalt, d. i. der aus der Aussagegrundlage und dem Aussageinhalt bestehende 
Komplex. Diesen drei primären und zwei sekundären Aussageelementen ent* 
sprechen aber mm auch drei primäre und eine sekundäre Aussage — Relation. 
Die drei primären Relationen sind: der Ausdruck, d. i. das Verhältnis der Aus¬ 
sagelaute zum Aussageinhalt; die Auffassung, d. i. das Verhältnis des Aussage¬ 
inhaltes zur Aussagegrundlage und die Bezeichnung, d. i. das Verhältnis der 
Aussagelaute zur Aussagegrundlage. Die eine sekundäre Relation endlich ist 
die Bedeutung, d. i. das Verhältnis der Aussage zum ausgesagten Sachverhalt. 
Ein graphisches Schema mag diese Analyse hier noch einmal anschaulich ver¬ 
deutlichen : 



Wenn das, wie uns scheint, sachlich notwendige Ergebnis dieser Analyse den 
Eindruck des Komplizierten und Subtilen hervorbringen mag, so liegt der Grund 
vor allem darin, daß wir alle 5 Elemente der Aussage durch ein und dieselbe 
sprachliche Form wiedergeben können, — nämlich durch die Aussagelaute. 
Die eine Klangfolge, dieser Vogel fliegt, muß uns diese Klangfolge selbst, den 
von ihr ausgedrückten Sinn, die von ihr bezeichnet« Tatsache und weiter auch 
den Satz, dessen sprachliche Form sie darstellt, sowie die in diesem Satz ausgesag¬ 
ten Sachverhalt repräsentieren. Einen solchen Gebrauch eines Lautkomplexes 
für mehrere unterschiedene Sachen nannten die Scholastiker die mehrfache 
Supposition jenes Lautkomplexes. Wollen wir uns diese Redeweise aneignen, 
so können wir deshalb das vorläufige Ergebnis unserer Untersuchung auch in 
folgender Weise formulieren: Jede einer vollständigen Aussage entsprechende 
Klangfolge hat eine fünffache Supposition. Sie bezeichnet: A. die Aussage- 
•elemente, B. den Aussageinhalt, C. die Aussagegrundlage, D. die Aussage selbst, 
und C. den ausgesagten Sachverhalt. Die Klangfolge, dieser Vogel fliegt, z. B. 
bezeichnet: A. sich selbst, somit die bloße Klangfolge: ,»dieser Vogel fliegt“, 
ohne Rücksicht auf einen Sinn; B. den Tatbestand „dieser Vogel fliegt“, demnach 



15 


Über Begriffe und Sätze. 

den Sinn, zu dessen Ausdruck jene Klangfolge normalerweise bestimmt ist, 
den logischen Gehalt des Gedankens, der von allen gedacht w ird, die jene Klang¬ 
folge mit Verständnis aussprechen oder hören. C. die Tatsache: „dieser Vogel 
fliegt“, d. h. jedes Stück Wirklichkeit, das durch den Gedanken „dieser Vogel 
fliegt“ aufgefaßt und durch die Klangfolge: „dieser Vogel fliegt“ bezeichnet 
werden kann; D. den deutschen Satz „dieser Vogel fliegt“ als ein Stück sinnvoller 
Rede, in welcher die Klangfolge „dieser Vogel fliegt“ einen entsprechenden Ge¬ 
danken ausdrückt; E. den Sachverhalt „dieser Vogel fliegt“, d. h. jenes Stück 
Wirklichkeit, das durch den Gedanken „dieser Vogel fliegt“ bereits aufgefaßt 
wurde und das als der physische Vorgang „Fliegen dieses Vogels* 1 gedacht 
wird und daher dasjenige ist, was der Satz „dieser Vogel fliegt“ eigentlich be¬ 
deutet oder um es noch einmal ganz kurz zu sagen, die Klangfolge: dieser Vogel 
fliegt steht: A. für einen bloßen Schall, B. für den logischen Inhalt eines Gedan¬ 
kens, C. für ein Stück Wirklichkeit, das jedoch als physischer Vorgang ebensowohl 
auch als Gegenstand oder als Eigenschaft aufgefaßt werden kann, D. für einen 
Satz der deutschen Sprache und E. für einen physischen Vorgang.“ 

Fall I. 

Berta A., 20 Jahre alt, in der Klinik vom 12.—14. IV. 1920. 8 Tage vor der Auf¬ 
nahme völlige Schlaflosigkeit, Verweigerung der Nahrungsaufnahme; gleichzeitig 
sprach sie fortwährend vom Tode der Angehörigen. Stimmen erteilten ihr Befehle, 
die Mutter umzubringen, sie vernachlässigte sich „da dies die Heiligen so tun müssen.“ 

In der Klinik ist sie zeitlich nicht orientiert, die örtliche Orientierung ist annähernd 
richtig; sie spricht langsam, ist im Wesen etwas läppisch, von einer künstlich steifen 
Beweglichkeit, zeitweise unmotiviert ein gläsern helles, jähes Lachen. Man kann 
sich mit der Patientin in Kontakt setzen, die Antworten erfolgen etwas zögernd. Die 
Patientin glaubt den Untersucher zu kennen, er sei aber merkwürdig, habe immer 
so eine Änderung. Sie sei krank. Widerruft das dann wieder. Sie hat in der letzten 
Zeit Stimmen gehört, die sich alle mit ihrem Tode oder dem Tode ihrer Angehörigen 
beschäftigten. Die Stimmen kommen von fremden Leuten oder von ihrem Verlobten. 
„Der Tod kann nicht heraus; der Tod kommt jeden Augenblick.“ Sie stellt in Abrede, 
Erscheinungen gesehen zu haben. Von der Stimme, welche ihr den Tod verkündet, 
spricht sie lachend. Die Patientin berichtet, daß sie diese Stimmen erst seit kurze 
Zeit höre, daß sie aber schon seit 4 Monaten ihrem Beruf als Kontoristin nicht mehr 
nachgeht. Visuelle Halluzinationen werden negiert. So weit die klinische Kranken¬ 
geschichte. Die eingehendere Befragung ergibt: 

Im Kopfe hört sie noch immer Stimmen, die Mutter sei gestern gestorben. Der 
liebe Gott habe sie verflucht. Sie habe jetzt privatisiert, sei früher Kontoristin 
gewesen; das Geschäft sei geschlossen worden; die Stimmen höre sie seit Ostern 
(5. IV.). Zuerst hörte sie die Stimme eines Herrn, den sie auf der Straße einmal sah 
und der ihr gefiel. „Ich trug nämlich eine weiße Schnalle, die er haben wollte.“ Sie 
hörte es deutlich. Ihren Verlobten hat sie gerne, durch ihn ist sie vor Gott gesegnet r 
„Jetzt höre ich immer die Stimme: Was willst du vom Bräutigam, er ist doch tot. 
Es spricht die Schwester. Ich mag ja gar nicht die Stimme, die Stimme muß so wie ein 
Rausch sein. Wenn man die Türe aufmacht, so muß ich sprechen oder lachen.’* 
Die Patientin ist in der Tat nervös, hastig gesprächig und bricht zeitweise in ein un¬ 
motiviertes Lachen aus. Verlangt dann in einen anderen Saal. Sie hält sich die Decke 
vor den Mund. (Weshalb tut sie das ?) „Um nichts einzunehmen.“ (Was ?) „Der 
Tod.“ Auch der Referent habe diesen Tod eingeatmet. Sie habe sich immer mit dem 
Tod gequält, sie habe ihn gegessen und getrunken. (Sie hat die Nahrungsaufnahme 
nach ihrer Ankunft verweigert.) Sie lebe nur, wenn sie durch Sprechen daran arbeite; 
das sei aber das Schlechte: „Ich glaube, der Herr Doktor sitzt neben mir und hat den 
Tod in der Hand.“ Zuhause sah sie vor 14 Tagen immer Scheine wie ein Blitz; das gab 



16 


Über Begriffe und Sätze. 


ihr einen Stoß, es war ein Blitz, das war der Tod. Auch ein anderer Arzt, der hier im 
Krankenzimmer ist, hat den Tod. Beginnt plötzlich wild zu lachen; nach der Ursache 
befragt: „weil jemand den Tod hat, ich habe gelacht, damit er nicht zukommt. Es 
ist eine Krankheit der ganzen Stadt Wien, es hat ihn ein jeder; wenn man gescheit 
und tüchtig ist, geschieht einem nichts.“ Sie ist verloren. Acht Tage vor den Ostern 
sah sie einen Mann „— hat der Herr Doktor wirklich nichts angenommen auf der 
Straße.“ Unterbricht sich wiederum, verlangt, der Referent solle nicht andere an¬ 
schauen, sonst sei er verloren. „Ich hör immer etwas anderes, auch unbekannte Stim¬ 
men.“ Zuerst hört sie aber immer die Stimme des Mannes. Jammert: „Vielleicht 
war er der erste von der ganzen Stadt Wien. Er wollte eine weiße Schnalle, er wollte 
mich lieben. Wenn man einen Menschen nicht kennt, so macht man ein Zeichen.“ 
Er wollte sie zur Gemahlin haben, weil sie ihm gefiel, er versprach ihr auch die Heirat. 
Er sah schlank aus. (Auf Frage) „Mein Vater lebt, Mutter und 4 Geschwister sind 
gestorben; die Schwester in Holland ist gestern gestorben. Die Stimme sagte: Ich, 
Gretl, bin tot und du ziehst meine Kleidungsstücke an. Du sitzt am Fenster und 
schmückst dich. Der Vater wird auch leben, er wird schon eine Gemahlin haben.“ 
Vater und Mutter hat sie gerne. „Jetzt brauch ich sie nicht mehr gerne zu haben, 
jetzt hab ich nur meinen Bräutigam und meinen Vater gerne. Wenn ich die Hände 
am Kopf halte, dann sagt die Stimme: Was willst du von deinem Bräutigam, er ist 
tot. Er lebt aber, ich höre das nur durch die Stimme der Mutter, auf die ich nichts 
gebe.“ Dann hört sie jammern: „der Tod ist da“, das seien bekannte Stimmen. Das 
Lachen sei eine Abwehr gegen den Tod. „Ich achte nicht auf die Stimmen.“ „Man 
sieht es den Menschen an, daß sie den Tod mitbringen. Der eine weint, der andere 
lacht, andere machen ein nervöses Gesicht. Ich sehe es ihnen an, daß sie den Tod 
mitbringen. Die Frau Doktor (weist auf eine bei der Unterredung zuhörende Ärztin) 
hat geweint und hat sich eine Träne abgewischt. Das Gesicht war anders/ 1 (Was 
bedeutet das ?) „Ich hab geglaubt, der Doktor geht hin und her und weiß nicht, wie 
er den Tod hineingeben soll. 11 (Wie gibt man den Tod hinein ?) „Mit Essen und mit 
Schauen.“ Sie verbietet dem Referenten, andere Patienten anzuschauen, weil der 
Tod zu ihm kommen könnte „sie sollen sich nicht anschauen lassen, sonst haben sie 
es und dann sprechen sie mit mir. Ich weiß, der Herr Doktor hat den Tod. Ich 
kann nichts essen. 11 (Als jetzt Schwestern vorbei gehen, schüttelt sich die Patientin 
vor Lachen.) „Der Tod will nicht kommen, es schüttelt einem im Körper. 11 (Auf 
Frage.) „Nach Geschlechtsverkehr hab ich nicht geschaut. 11 Zuhause hat sie den 
Tod gesehen, es ist ein Blitz. (Wie kommt der Tod ?) „Durch Einatmen, durch 
Schauen, durch einen Blick, durch Essen, durch Bewegungen. Er kommt in die Haut 
hinein. Glauben Sie, ich studiere danach ? Nein, ich denke ja nicht daran. Mir scheint 
der Vater spricht, nein, nicht der Vater spricht; er spricht, der Tod ist da. Einem 
jeden spricht der Tod in die Ohren, auch Ihnen. Man hört: der Tod ist da, hilf mir, 
er quält mich. Jeder andere hört das auch. Der Tod ist eine Krankheit in Wien. 
Das hat man noch niemals gehört.“ „Dieser Tod ist nur eine Krankheit, kein wirk¬ 
licher Tod, an dem man stirbt; er quält und schüttelt mit der Hand... er besteht 
darin, daß man sich schüttelt, schreit, spricht aus dem Mund, quietscht, jammert, 
weint, schreit. Die Mutter ist tot und 4 Geschwister... ich hab verflucht alle die 
meinem Bräutigam Unrecht getan haben. Die Mutter hat ihm auch Unrecht getan. 
Mutter und Geschwister wollten den Bräutigam nicht und haben abgeredet. Der 
Vater wird vielleicht die Nachbarin heiraten/ 1 — Die Patientin hat nichts dagegen. 
Im rechten Ohr hört sie sausen. „Wenn man über einen andern Gutes spricht, so 
saust ihm ein Ohr. Das zu Ostern war aber eine Krankheit. Die Stimme sagte nur: 
Das Fräulein mit der weißen Schnalle und schließlich nur die weiße Schnalle, und 
dann kam der Tod. Dann kam die Stimme: der Tod kommt, der Tod kommt. Das sagte 
eine Stimme, eine weinende Stimme.“ Der Tod spricht aus den Leuten heraus. Es 
spricht z. B. der Tod der Mutter mit der Stimme der Mutter, nicht aus dem Munde. 
Der Referent spüre gewiß auch Stöße. Er wolle das Bett nicht auslassen, weil er einen 
Tod in der Hand hat. Der Tod äußere sich in fortwährenden Stößen. Die weiße Schnalle 
ist verflucht worden wegen der Liebe. (Von wem ?) „Von mir. Dadurch ist der Tod 
gekommen. Durch das Zerbrechen der weißen Schnalle ist der Tod gekommen/ 1 



Über Begriffe und Sätze. 


17 


(Auf welche Weise zerbrach die Schnalle ?) „Wenn ich mit einem anderen verlobt bin, 
kann ich doch nicht einen anderen heben, deshalb zerbrach die weiße Schnalle, und 
darum ist der Tod gekommen. Ich hab ihn verflucht, er hat dadurch keine Ruhe. 
Deswegen kommt er in jeden Menschen. Er hat geweint.“ Sie hört von der Stimme, 
daß er (die Stimme) nicht gegessen hat und auch nicht geschlafen hat und nur geweint 
hat, und dann starb er imd kam in jeden anderen Menschen hineiD. Sein Tod kam in 
andere Menschen. Er hat bestimmt eine Krankheit gehabt. Es wird nicht nur wegen 
der Schnalle gewesen sein. Und sicher ist der Tod bei jedem Menschen. Als jetzt 
eine andere Patientin zu dem Ref. kommt und mit ihm spricht, macht die Patientin 
dem Referenten Vorwürfe, er hätte nicht antworten dürfen, denn wenn er spreche, 
komme der Tod in den Mimd, und „wenn man mit einem Menschen spricht, der den 
Tod hat, ist das sehr schlecht . . . Wenn ich lache, weine oder singe, so kann der Tod 
nicht in meinen Körper.“ Im rechten Ohr sei der Bräutigam, links der Mann, der ihre 
Gürtelschnalle verlangt hatte. Die Stimmen waren gleichzeitig, sie hat .aber immer 
nur auf die Stimme des Bräutigams gehört. Auf die Fragen nach Träumen und Phan¬ 
tasien: sie träume und phantasiere nicht. 

Am nächsten Tage ist die Patientin bereits beträchtlich ruhiger. Einen Arzt be¬ 
zeichnet sie als ihren Bräutigam. Sie habe einen Rausch im Kopf gehabt, das sei 
jetzt weg. 

In der Nacht habe sie geträumt, daß das Bett tanze, es flog direkt. Den Stoß, 
der der Tod ist, den spürte sie am ganzen Körper. (Auf Frage.) „Vielleicht auch im 
Unterleib, man spürt etwas an der linken Seite im Unterleib eine Bewegung. Der 
Tod ist meistens in der Hand und in den Füßen. Er ist öfter links als rechts . . . .“ 
Zuhause hat sie den Tod links gesehen. 

Klinische Diagnose: Schizophrenie. Die Krankengeschichte ist unvollständig, 
läßt aber einige wesentliche Punkte klar erkennen. 

Die Patientin fürchtet den Tod, dieser Tod äußert sich in einem Schütteln 
im Körper. Der Tod kommt von allen Seiten auf sie zu. Dies der wesentliche 
Inhalt der akut einsetzenden Psychose. Dieser Inhalt gelangt meist durch 
Halluzinationen zur Patientin und zwar vorwiegend durch Gehörshalluzinatio¬ 
nen, doch findet auch eine selbständige Verarbeitung wahnhafter Motive statt. 
So heißt es, man sehe den Menschen an, daß sie den Tod mitbrächten. Oder 
„ich habe geglaubt der Herr Doktor geht hin und her, weil er nicht weiß, wie 
er den Tod hineingeben soll. 41 Wahnideen und Halluzinationen gehen in der 
gleichen Richtung. So eingreifend der deskriptive Unterschied zwischen beiden 
Formen krankhaften Erlebens ist, beide führen zu den gleichen Inhalten. Hier 
liegt ein wichtiges Problem vor, das im Laufe dieser Untersuchungen noch auf¬ 
tauchen wird. Es reicht nämlich — wie die mitgeteilte Fassung andeutet - 
Aveit über die Sphäre Halluzination-Wahnideen hinaus. 

Zur Methodik: Das mitgeteilte Material entstammt einer Reihe von Unter¬ 
redungen, welche an einem Tage stattfanden. Die Patientin blieb im wesent¬ 
lichen sich selbst überlassen. Die wenigen Fragen, die gestellt wurden, sind ver¬ 
merkt. Der Inhalt der Unterredungen ist möglichst vollständig mitgeteilt. Es 
kann nicht zweifelhaft sein, daß die Produktion des Materials nach innerer 
Gesetzmäßigkeit erfolgt. Gewaltsame Fragen, wie etwa die nach Geschlechts¬ 
verkehr, haben auf den Ablauf der Erlebnisse und die Gedankenproduktion gar 
keinen Einfluß. Leistungsprüfungen des Denkens — im Sinne von Intelligenz- 
Prüfungen, wird man in den mitgeteilten Beobachtungen fast stets vermissen. 
Es ist das weder eine Unterschätzung noch eine negative Wertung-dieser Methoden. 
Ich habe aber \ r orgezogen, das Denken dieser Kranken zu beobachten in seiner 
natürlichen Umwelt, wobei ich den Begriff der Umwelt hier in einem sehr weiten 

Schilder, Seele und Leben. 


2 



18 


Über Begriffe und Sätze. 


Sinne gebrauche. Umwelt ist die Problematik der Welt, welche der Kranke 
zu bewältigen hat. Es dürften wohl auch Untersuchungen dieser Art nötig sein, 
bevor man Intelligenzprüfungen u. dergl. werten kann. Bei Intelligenzprüfungen 
wird ein neues Element der Umwelt hinzugefügt und die Haltung zu diesem Ele¬ 
ment, die Einordnung dieses Elementes in die Umwelt ist ja nur im Rahmen 
der sonstigen Umweltsbeziehungen der Kranken zu verstehen. 

Im Mittelpunkte des krankhaften Erlebens der Patientin steht das Erlebnis 
des Todes. Dieses soll zunächst näher analysiert werden. Wir hören einmal von 
ihr, die Mutter sei gestorben und sie müsse jetzt nur mehr ihren Bräutigam 
und ihren Vater gerne haben. Hier ist das Wort gestorben etwa in dem gebräuch¬ 
lichen Sinne verwertet; sie gebraucht ebenso auch das Eigenschaftswort tot. 
Das Wort Tod hat jedoch für die Patientin eine ganz andere Bedeutung; sie sagt 
ausdrücklich:,,Dieser Tod ist nur eine Krankheit, kein wirklicher Tod, an dem man 
stirbt.“ Er quält und schüttelt mit der Hand, er äußert sich in fortwährenden 
Stößen. Dieser Tod ist nur dadurch entstanden, daß ein Mann die weiße Gürtel¬ 
schnalle der Patientin verlangte. Die Patientin zerbrach die weiße Schnalle. 
Sie hat diesen Mann verflucht. Er hat dadurch keine Ruhe, deswegen kommt er 
in jeden Menschen. Er hat nicht gegessen und nicht geschlafen. Starb, und kam 
in andere Menschen. Er hat bestimmt eine Krankheit gehabt, es wird nicht bloß 
wegen der Krankheit gewesen sein. Hier zeigt sich aber, daß das Wort Tod 
von der Patientin nicht willkürlich gewählt wurde für jenes Erlebnis des Ge¬ 
stoßenwerdens. Es liegt ihm offenbar der Gedanke an den Tod dieses Menschen, 
der ihre weiße Gürtelschnalle verlangte, mit zu Grunde. Es ist sicher, daß der 
Ausdruck: ,,er verlangte die weiße Gürtelschnalle 44 nur ein Symbol ist. Die Pa¬ 
tientin sagt hierüber: ,,Wenn man einen Menschen nicht kennt, so macht man ein 
Zeichen.“ Die weiße Schnalle war das Zeichen, daß er sie zur Frau wollte. Auel) 
diese Symbolwahl ist eine tief begründete: es handelt sich um das Gürtellosen. 
Die weiße Gürtelschnalle wird zum Bilde für den imberührten Geschlechtsteil. 
Das Verlangen nach der Gürtelschnalle wird also von der Patientin als Symbol, 
als Verlangen nach sexueller Vereinigung gedeutet. Hier ist noch weiter zu be¬ 
merken, es ist sehr wahrscheinlich, daß die Patientin tatsächlich zu jener Zeit 
eine Gürtelschnalle trug. Trotzdem ist diese Tatsache eingebettet in die symbo¬ 
lische Sphäre. Dies ist ja schon dadurch bezeugt, daß ja eine halluzinierte Stimme 
die Schnalle fordert. Man darf im Halluzinierten im allgemeinen den Ausdruck 
ambivalenter Strebungen sehen. Etwas was gewünscht und abgelehnt wird, 
kommt von außen wieder zurück. Darüber wird noch zu sprechen sein. Man 
kann aber zweifellos in der ganzen Ausgangssituation einen erotischen Konflikt 
sehen. Die Stimme, welche den Tod verkündet, löst unmittelbar die Stimme ab, 
welche die Schnalle verlangte. 

Bei derartigen Untersuchungen ist die zeitliche Folge der Erlebnisse zu beach¬ 
ten; nicht minder wichtig ist die Reihenfolge des Berichtes. Es ist zu folgern, 
daß wir eine der Wurzeln für den Begriff Tod bei unserer Patientin im Erotischen 
zu suchen haben. Daß der Tod zunächst als Blitz erscheint, hängt wohl mit einem 
allgemeinen Phänomen zusammen. Es ist wohl das Neuerfassen der Situation, 
das Klarwerden, das plötzliche Einsehen, jenes Erlebnis, das die Sprache bezeich¬ 
net mit: es blitzte mir die Erkenntnis auf, es ging mit ein Licht auf. Diese meta¬ 
phorischen Wendungensind fast durchgehends tief ich möchte fast sagen organisch 



Über Begriffe und Sätze. 


19 


physiologisch begründet 1 ). Silberer 2 ) hat eine Reihe derartiger Phänomene 
eingehend, beschrieben. Daß der Tod ein Schütteln und Stoßen ist, das man im 
ganzen Körper spürt, etwas Quälendes ist, dürfte einesteils mit der auf gezeigten 
erotischen Wurzel im Zusammenhänge stehen, anderseits mit den Teilkompo¬ 
nenten des üblichen Begriffes Tod. Gelegentlich gebraucht die Patientin Wen¬ 
dungen, welche die Auffassung nahelegen, der Tod schüttle sich selbst ebenso, 
wie er Schütteln bewirkt. Der Tod ist auch der gestorbene Verführer. Der Tod 
sitzt als Stimme im Ohr. Begreiflicherweise links, der Bräutigam rechts. Die 
Stimmen verkünden ihr den Tod der Mutter und der Geschwister. Auch vom 
Tod des Bräutigams ist die Rede. Das Sterben der Verwandten ist in diesem Fall 
unverhüllter Ausdruck von grausamen Wünschen: ,,ich hab verflucht alle die mei¬ 
nem Bräutigam Unrecht geben haben/' Auch der Verführer hat dieses Unrecht 
getan. Der Tod erscheint als der Ausdruck der Strafe für jene Partei und jene 
Wünsche, welche sie vom Bräutigam abwenden. (An der ,,Realität“ ihres Bräuti¬ 
gams zu zweifeln, liegt kein Anlaß vor). Hier ist der Zusammenhang des gebräuch¬ 
lichen Begriffes mit dem Begriff der Patientin offensichtlich. Schließlich wäre 
das Verständnis für den Todesbegriff der Patientin unvollständig, wenn nicht 
beachtet würde, daß der Tod wie ein materieller Körper verschluckt werden kann. 
Es ist eine Substanz und zwar eine ansteckende. Man kann sie in der Hand 
halten. Sie wird anderseits durch den Blick (schauen und angeschaut werden) 
übertragen. Dabei erfährt diese Todessubstanz — sie gehört in die Gruppe der 
psychischen Substanzen oder besser ist eine Erscheinungsform der psychischen 
Substanzen, die ich früher einmal charakterisiert habe — durch die Übertragung 
niemals eine Verminderung. Gegen diese Substanz gibt es Abwehrmaßregeln; 
Lachen, viel Sprechen. Die Patientin lebt nur, wenn sie durch derartiges Tun 
arbeitet. Hier ist aber das individuelle Erleben der Patientin erreicht, denn 
diesem Ausdruck liegt offenbar das Bewußtsein des eigenen Zusammenbruches 
zu Grunde. Man wird nicht fehlgehen, wenn man diesen Zusammenbruch zu 
den erotischen Konflikten der weißen Gürtelschnalle in Beziehung setzt. So 
weit die Materialien, die belegen, was die Patientin unter dem Begriff des Todes 
versteht. Tod ist hier nämlich nicht nur eine Worthülsc, sondern das Wort deckt 
,, begriff lieh“ Zusammengehöriges. 

Hieraus aber ergibt sich folgendes: Die Begriffsgrundlage umspannt einesteils 
gegenüber der des Normalen eine viel größere Reihe von Tatsachen, diese aber auch 
in anderer Auswahl. Anderenteils ist aber die Bedeutung, die Auffassung dieser 
Begriffsgrundlage eine sehr schwankende. Es wird bald dieser, bald jener Teil 
der Begriffsgrundlage aufgefaßt. Es ist so, als wenn die Bedeutung wie ein Blick 
zwischen den einzelnen Teilen der Begriffsgrundlage wandern würde, dabei findet 
eine stete Neubearbeitung statt. Gleichzeitig ist aber das, was Begriffsgrundlage 
ist, nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt. Diese Vereinigung ungleich¬ 
artiger Materialien ist nur möglich, w eil alle diese Materialien affektiv bedeutsam 
sind. Die Begriffe unterscheiden sich also in mehrfacher Hinsicht von den Begrif¬ 
fen des Normalen, einesteils in der Begriffsgrundlage, anderseits in der Auffassung 
dieser Begriffsgrundlage. 

Aber der Begriff der Patientin ist kein ewiger, er ist nichts Ruhendes. Er 

1 Vgl. hierzu auch Breuer und Freud 1. c. 

2 t ber autosymbolische Phänomene. Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. 1, 1909. 



20 


Über Begriffe und Sätze. 


trägt in sich den Keim des Zerfalles. Er reißt immer neue Materialien in einer 
neuen Auffassung an sich. Was bedeutet ein derartiges Verhalten ? Kann man ein 
derartiges Gebilde überhaupt noch als Begriff bezeichnen ? Der Begriff hat ja 
eine transsubjektive Geltung und Dauer. Ein derartiger Begriff, wie er eben 
dargestellt wurde, ist an und für sich kaum mitteilbar und zerfließt ständig, er 
ist niemals fest gewesen. Dieser Begriff ist fortgesetztes Denken. Er erhält keinen 
festen Platz in der objektiven Welt. Derartiges zeigt jedenfalls, daß der typische 
schizophrene und pharaphrene Begriff von dem Ideal des objektiven Abgeschlossen - 
seins weiter entfernt ist als der Begriff des Normalen. Er gibt einen wesent 
liehen Hinweis auf die Begriffspsychologie überhaupt. Hier ist der Begriff bewegt, 
also Teil des Denkprozesses. 

Es ist nun sehr beachtenswert, daß die Patientin den Alltagsbegriff Tod 
sicherlich neben ihrem schizophrenenTodesbegriff hat. Es ergibt sich aus dem Mit - 
geteilten, daß diese eigenartige amorphe Begriffsbildung gerade nur auf einen 
Punkt beschränkt ist, während im übrigen Begriffe von dem Wesen der Alltags- 
begriffe gebildet werden. 

Der Begriff ,,Tod t; der Patientin hat die komplizierte Geschichte eines Wahn¬ 
gebildes. Die Genese dieses Begriffes ist die Genese eines Wahnes. Die Begriffs¬ 
grundlage ist zustandegekommen nach den Gesichtspunkten der Symbolähn¬ 
lichkeit, Verschiebung und Verdichtung: also nach affektiven Gesichtspunkten, 
diese Mechanismen wurden wiederholt dargestellt. Am eingehendsten in der 
Freudschen Traumdeutung. Allerdings fragt es sich, ob derartige Kranke nicht 
auch den neugefaßten Begriff als objektiven Begriff werten. Ob nicht dieses 
fließend-schwankende Gebilde nicht doch in allen Momenten seines Daseins 
nach Ewigkeit und Allgemeingültigkeit ziele 1 ). Ich möchte mich sogar zu dieser 
Anschauung bekennen und hinzufügen, der Begriff des Normalen weist ja die¬ 
selben grundsätzlichen Schwankungen der Begriffsgrundlage und auch der Auf¬ 
fassungen auf, nur sind diese Schwankungen im Ausmaß geringer und über eine 
längere Zeit erstreckt (vgl. auch später). Es darf jedoch nicht übersehen w erden, 
daß auch das Verhältnis der Begriffsgrundlage zum Begriffsinhalte ein völlig ver¬ 
ändertes ist. Diese Veränderung ist bisher nicht genügend beachtet worden. Die 
Sprache hat für derartige Beziehungen leider keine Worte. Es ist die Region sprach¬ 
lich nicht zureichend geformtenDenkens. Die Patientin hat den alltäglichen Begriff 
des Todes neben ihrem schizophrenen. Ein Ausfall schlechthin liegt also nicht vor. 
Bleuler 2 ) spricht deshalb von Änderungen der Schaltspannung zwischen den 
Assoziationen. Die Lockerungsfähigkeit der Assoziationen und die Festigkeit 
ihres Zusammenhaltens sind aber im Grunde keine deskriptiven Merkmale des 
Erlebens. Diese Begriffe stammen aus einem anatomisch gerichteten Denken, 
das von der Voraussetzung ausgeht, ein organischer Prozeß könne doch wohl nur 
die Assoziationen abändem, welche man leichter mit bestimmten Gehirnterri¬ 
torien in Zusammenhang bringen kann. Ich habe früher einmal zu zeigen versucht, 
daß in jedem einzelnen Denkprozeß das Denken seine Richtung auf die Wirklich- 

1 ) Eine ähnlich gerichtete Diskussionsbemerkung hat jüngst Allers zu einem Vor¬ 
trage Bychowskis über das Denken der Schizophrenen im Wiener Verein f. Neurol. 
und Psychiatr. gemacht. 

2 ) Störung der Associationsspannung, als Elementarsymptom bei Schizophrenie. 
Allg. Zeitsehr. f. Psychiatr. u. psyeh.-gerichtl. Med. .Tg. 74. 1918. 



über Begriffe und Sätze. 


21 


keit erst in der letzten Phase erhielte. Es durchläuft zunächst das individuelle 
Erleben und ordnet dieses einheitlich zum Zwecke der Wirklichkeitsbewältigung. 
Die Begriffe dienen dieser Aufgabe. Bei den schizophrenen Denkprodukten 
fehlt der letzte entscheidende Impuls zur Wirklichkeitsbewältigung. Das kann 
man aber auch so ausdrücken : es bedarf einer einheitlichen Intention, um zum 
Abschluß zu kommen; es dürfen nicht Zwischenimpulse und Hemmungen von 
einer anderen Seite her kommen, welche die einheitliche Intention vorzeitig zum 
Stillstand bringen. Es entstehen also die Störungen des Abschlusses im Denk- 
prozeß dadurch, daß sich eine Vielheit biologischer Ziele darbietet, zwischen 
denen dielntention nicht zu einer endgültigen Wahl kommt 1 ). Die Untersuchung 
stellt einesteils fest die Abänderungen der Begriffsgrundlage, welche aas dieser 
durch Kreuzung von Impulsen zustandekommt und anderenteils die Abänderung 
des Bedeutungserlebnisses. 

Es bedarf also mühevoller Erwägungen, um den Aufbau und die Struktur 
eines derartigen Begriffen zu verfolgen. Es ist jedoch sofort hinzuzufügen 
der Begriff des Normalen ist sicherlich in seinem Bau nicht allzusehr verschieden 
von dem eines Kranken. Jeder Begriff hat ja außer seinem logischen Gehalt, 
seiner logischen Geltung, eine individuelle Genese, welche beginnt mit dem ersten 
Stemmein kindlicher Laute, ja sogar mit den ersten Eindrücken des Kindes. 
Man kann nicht gut annehmen, daß er unvermittelt da sei, er hat wohl seine Ge¬ 
schichte, über die wir sogar bereits Vermutungen hegen können. Aber nehmen 
wir sogar jenen Moment an, wo Begriffe im strengen logischen Sinne dem Kinde 
zu Gebot stehen, so findet von jenem Zeitpunkt an eine stetige Änderung der 
Begriffsgrundlage, des Inhalts der Begriffe statt, die Begriffsgrundlage befindet 
sich in einem steten Neubau. Dieser Umbau der Begriffsgrundlage geschieht 
einesteils aus Motiven des praktischen Bedürfnisses, anderseits nach affektiven 
Motiven, w r elche nach dem lustbringenden Gegenstand zielen 2 ). Sowohl Begriffe 
mit einer von sachgerichteter Bestrebung geschaffenen Begriffsgrundlage als 
die affektiven Begriffe können formal abgeschlossen oder unabgeschlossen sein. 
Der unabgeschlossene Begriff entspringt einem ungleichmäßigen Drang zum 
Gegenstand, der in immer neuen Stößen erstrebt wird. Anders ausgedrückt: 
es stehen immer wieder wechselnde Gegenantriebe gegen den formalen Abschluß 
des Begriffes auf; diese Gegenantriebe muß man sich w ohl als nach anderen Gegen¬ 
ständen strebende Intentionen denken. Wir hätten also ein System einander 
durchkreuzender Impulse; wir können also dies Ganze funktionell umfassen uncl 
werden nicht von wechselnder Spannung sondern von wechselnden Antrieben 
sprechen, und w erden dasNachlassender Spannung einesteils auf einen Zielwechsel 
und anderenteils auf das Auftauchen neuer Ziele neben dem ursprünglichen zu¬ 
rückführen müssen. Die Formel des Nachlassens der Schaltspannung erscheint 
also auch nach diesen Gesichtspunkten ungenügend. Die unabgeschlossenen Be- 

l ) Löw f y: Bemerkungen zur Hypnose und zur Pulsbeschleunigung in derselben, 
Monatsschrift für Neurologie und Psychiatrie, Bd. 44, H. 2, 1918, hat, was mir un¬ 
bekannt w r ar, gleichfalls den Gedanken geäußert, daß bei der Dementia praecox 
Halbfabrikate des Denkens entäußert werden, daß der Gedankensaum in Erscheinung 
trete, er hat sich aber mit der Natur dieses Gedankensaumes nicht näher beschäftigt. 

*) Vgl. hierzu Freud, der von Lust- und Realitätsprinzip spricht ohne Beziehung 
auf unser engeres Problem. (Formulierungen über die zw ei Prinzipien des psychischen 
Geschehens. Jalirb. f. Psychoanalyse, Bd. III.) 



22 


Über Begriffe und Sätze. 


griffe entsprechen demnach ewig wechselnden Intentionen der Individuen. Es muß 
hervorgehoben werden, daß ja auch die Erweiterung und Abänderung der Be¬ 
griff sgrundlage darauf verweist, daß sich bei der Schaffung der Begriffsgrundlage 
eine größere Menge persönlicher Strömungen durchgesetzt haben, bei jenen Be¬ 
griffen, welche ich als affektive bezeichnet habe. Die Funktionsbeziehung der 
Begriffsgrundlage zum Begriffsinhalt ist in dem vorliegenden Falle zweifellos 
abgeändert. Es fehlt die Erstarrung, es fehlt das Festwerden und diese Begriffs¬ 
gebilde tragen die Züge der Psj^chogenese an sich. Derartige Begriffe sind dem¬ 
nach weder ewig noch allgemein giltig, wenigstens nicht für den objektiven Be¬ 
trachter ; wohl aber ist es nicht abzuweisen, daß der erlebende Kranke jede einzelne 
Fassung als die ewige und allgemein gültige erlebt. Während also für den Außen¬ 
stehenden scheinbar nicht einmal der Satz des Widerspruches bei derartigen Kran¬ 
ken gilt, dürfte der Kranke in keiner Phase seines Erlebens das A als Nicht-A 
empfinden, wenigstens sprechen meine Selbstbeobachtungen in diesem Sinne. 
Im Denkakt werden während des Durchlaufens der einzelnen Denkphasen die 
einzelnen später aufgegebenen Teilgedanken als richtig erlebt. Erleben ist wohl 
gar nicht denkbar, wenn es nicht im Erleben Anspruch auf Geltung erhebt. Das 
liegt im Wesen der Intentionalität. 

Es ergibt sich als Problem, ob denn das Begriffszeichen, in unserem Falle die 
Worte „Tod“ und ,,tot c ‘, überhaupt eine Kontinuität des Erlebens anzeigen; 
anders ausgedrückt, haben wir überhaupt das Recht, alle Äußerungen der Patien¬ 
tin, die ja zu verschiedenen Zeiten gemacht sind, unter einem zusammenhängenden 
Gesichtspunkt aufzufassen. Die aufmerksame Betrachtung der Krankengeschichte 
und der gegebenen Zusammenfassung läßt allerdings sofort erkennen, daß diese 
Frage bejaht w erden muß. Die Patientin erlebt zw eifellos alle durch diese Begriffs¬ 
zeichen gedeckten Erlebnisse als zusammengehörig, hierin nicht unähnlich dem 
Gesunden, der auch alle unter dem Begriffszeichen „Pferd“ zusammengefaßten 
Erlebnisse als zusammengehörig anerkennt, auch wenn der Begriff sich indessen 
auf einer empirisch anderen Grundlage auf baut. Dieses Problem wird jedoch im 
Anschluß an den nächsten Fall noch ausführlich erörtert werden. 

Deskriptiv ist jedenfalls beachtenswert, daß sich eine geänderte Beziehung 
der Begriffsgrundlage vergesellschaftet findet mit einer affektiven Umgestaltung 
der Begriffsgrundlage. Gleichzeitig wird aus dem Begriffe „Tod“ ein zeitliches 
Gebilde. Diese Zusammenhänge sind typisch. Es entspricht ein derartiges Gebilde 
weitgehend den Vorstufen zum Begriffe, wie sie z. B. Gomperz beschrieben hat. 
Bevor diese Dinge noch w eiter erörtert w erden, sei das Tatsachenmaterial vergrö¬ 
ßert. 


Fall 11. 

Theresia Br., 27 Jahre alt, w urde am 20. II. 1920 mit einer Schnittwunde am Halse 
in das Rudolfspital eingeliefert. Sie hatte versucht, sich mit einem Rasiermesser den 
Hals zu durch schneid en. Sie war unruhig und gab an, den Selbstmordversuch gemacht 
zu haben, weil eine Stimme ihr zugerufen habe, sie sei am Weltkrieg schuld und solle 
sich umbringen. In den nächsten Tagen stieg die Unruhe an, so daß sie am 23. II. in 
die psychiatrische Klinik abgegeben werden mußte, w r o sie bis zum 26. III. verblieb. 
Es wurde fest gestellt, daß die Patientin erst 14 Tage vor dem Selbstmordversuch 
auffällig geworden w T ar. Sie w r ar schweigsam geworden, hatte sich von jeglichem Ver¬ 
kehr zurückgezogen und in der Nacht vor dem Selbstmordversuch hatte sie erzählt. 
sie werde vom Teufel verfolgt, ln der Familie keine psychischen Störungen, ln der 



über Begriffe und Sätze. 


23 


Klinik ist sie ängstlich, sie glaubt, sie sei in einer Aktion: „Verführt werden die Leute 
.. .ich habe so furchtbare Ahnungen und Gedanken.“ „Die Menschen werden zur Un¬ 
keuschheit verführt, sie verführen sich selbst. Als kleines Kind habe ich schon gehört, 
daß man es mit einem Finger tun kann. Ich habe probiert, habe gespürt und habe 
öfters getan. Ich war acht Jahre, der alte Seppeivetter hat mich damals verführen 
wollen. Ich bin liier ein Sünder.“ Das Datum gibt die Patientin richtig an. Sie 
macht einen ängstlichen, etwas ratlosen Eindruck, ist aber nicht verwirrt. Sie faßt 
die Situation verfälscht auf. Hält den Referenten für einen „Sündenbock“. „Es 
wird doch Verzeihung für die Schuldigen geben ?“ (Was haben sie angestellt ?) „Ein¬ 
mal hab ich ein Verhältnis mit einem Mann gehabt. . .“ Sie wußte nicht, daß er ver¬ 
heiratet war. Vor Angst und Bangen hat sie sich das Leben nehmen wollen. Er war 
hinter ihr her, wie ein Luchs. Es war so eine Ahnung. Seit 3 Wochen ängstigt sie sich 
in der Nacht und betet um Hilfe. Am 20. II. kamen Stimm«!, als ob die Angehörigen 
mit ihr sprechen wollten; dann Stimmen, daß sie erschlagen werden sollte. Im Rudolf - 
spital glaubte sie, daß sie die Welt mit ihren Gedanken Und ihrem Herzschlag aufrecht 
erhalten müsse. Sie hatte das Gefühl, alles gehe zu Grunde und ersterbe, wenn sie zu 
schlafen anfinge. Deswegen kann sie auch nicht schlafen. Sie ist mondsüchtig und 
hat Gewalt, mit den Augen zu sprechen. Stimmen hört sie jetzt nicht. (Was sind Sie ?) 
„Katholikin!“ (Welchen Beruf haben Sie ?) „Jüdin!“ 

24. II. Zuerst war sie im Rudolfsspital, dann in einer Aktion, dann in einem 
Strafhaus. (Weshalb in einem Strafhaus ?) „Ich hab* gewählt, ich wollte den Max 
Rothschild wählen oder den Windischgrätz.“ Es war so, als wenn ein Geist in ihr wäre, 
er schlüpfte in sie hinein. Sie machte alles selbst; wenn sie still hielt, war alles gut, 
wenn sie aber sinnierte (nachdachte), so ereigneten sich Halluzinationen und es ge¬ 
schah, was sie halluzinierte. Ihre Herrschaft war im Himmel und sprach herunter, 
es war so, als wenn sie (die Patientin) mit der heiligen Familie spricht; sie hörte Stim¬ 
men: „Zuerst willst du Christin sein und dann Jüdin, alles Gute willst du haben.“ 
Den Selbstmordversuch machte sie auf Befehl der Stimmen. (Haben sie etwas Schlech¬ 
tes getan ?) Ein Mann hat sie verführt, der verheiratet war; er hatte ihr das verschwie¬ 
gen. Sie hat auch gefehlt, weil sie in eine Kirche ging und sich einen Mann wünschte. 
Wiederholt fragend: „Wie kommt es dazu, daß ich Stimmen höre ?“ Wenn sie denkt, 
ist es so, als wenn Stimmen zurückkämen. „Wenn ich die Gedanken fallen lasse, 
so ist es so, als war ich in der Hölle. Die Himmelsschnalle fällt und die Menschen stei¬ 
gen hinunter ins Wasser und Blut.“ Die Patientin selbst wird zum Schlüsse eine 
Schlange. Oft kommt ihr der Gedanke, sie soll selbst alles in den Himmel bringen, 
sie selbst aber komme in die Hölle. 

25. II. Sehr deprimiert: „Ich möcht* sterben, die ganze Welt weiß meine Sünden.“ 
Sie hat ein Verhältnis mit einem Mann gehabt. Die Sünden sind „ausgetragen“, 
man weiß es überall. „Ich will nicht mehr in die Welt hinaus.“ 

26. II. Wendet sich weinend an den Referenten, sie sei schuld daran, daß die Welt 
untergehe, sie komme in die Hölle. Sie weiß nicht, was das ist, neben ihr steht immer 
der Teufel und die heilige Familie; der Teufel will das Gute von ihr (und die heilige 
Familie ?) „Weiß ich nicht.“ Die Erde ist eine Kugel, auf der die Menschen arbeiten 
müssen: „Die Sonne ist der Himmel, die Freude, dort sind die reichen Leute, die 
leben lustig. Der Mond ist die Schande, dort leben die schlechten Leute; der Mond 
ist der Teufel, Hure . . . mir geht vor, als wenn mich der Mond verführt hätte, ich 
hab ihn so gern angeschaut, er wollte etwas Unsittliches von mir . . . .” (Es war doch 
ein Mann, der sie verführt hat ?) „Ja, er war Mann, vielleicht kam er von der Sonne.” 
Es ginge in ihren Ahnungen vor, daß der Mond jenes Mädel sei, das ihr immer zu- 
gedeutet hätte „geh doch ein bischen hinaus, hock nicht so herum.“ Daß der Mond 
ein Herr ist, steht in der Legende von der heiligen Familie. Durch ihre (der Patientin) 
Schande muß die Welt untergehen. Sie saß zu Hause und spielte mit ihren magne¬ 
tischen Augen, sie mußte immer hin- und herdenken (macht dabei eine Bewegung 
mit der Hand), es schien ihr, als ob die Gedanken vom Himmel herunter kämen, es 
kam ihr vor, als ob das, was sie sich dachte, von den andern geahnt wäre; sie hörte 
Stimmen von ihrer Mutter, der Mutter Gottes. Sie sieht so merkwürdige Dinge, 
z. B. droben auf der Lampe (zeigt auf eine solche) sehe sie einen Nikolo, eine schwärzt» 



24 


Über Begriffe and Sätzö. 


Schlange umschlingt den Nikolo, es schaut wie ein Kreuz aus. Sie ist der Nikolo und die 
Schlänge, das Böse, das die Welt regiert. „Der Nikolo ist wie ein Soldat mit zwei 
Köpfen, der eine steht höher, der andere tiefere schmiegt sich an das Kind, mein Kind 
sehe ich'nicht. Mein Geliebter war nur einen Kopf größer als ich, det kleine Kopf 
bin ich, imd das Kind steckt in mir. Im Rudolfsspital saß auf dem Lampenschirm 
ein Spitzbub mit einem Heiligenschein und einer Sichel zwischen den Füßen durch. 
Die Sichel war vielleicht der Mond, der Spitzbub war ich. Ich möchte ja immer 
lustig sein, herumfliegen auf dem Radi, wie ein Jäger, nicht schlecht angezogen . . .“ 
Der Heiligenschein war nicht wie auf den Heiligenbildern, er war wie ein Rad von 
vorne nach hinten, mitten durch* den Kopf. Sie war selbst verwundert, wie kommt 
der Heiligenschein zu so einer Person wie sie . . . Die Sichel ist Unkeuschheit, der Spitz¬ 
bub stand still wie Eisen. Der Teufel, der Windisehgrätz, ist ein Mensch, vielleicht 
kann er sich zum Teufel machen, ihm gehören alle Wälder und ärarischen Gründe. 
Er kann kommen, sie hat keine Angst, sie geht mit ihm in den Himmel, er kann Wun¬ 
der wirken, er macht sie schön . . . Sie spricht dann von ihren Kindheitssünden, 
von ihren Wachträumen, so habe sie geträumt, der Geliebte liege neben ihr im Bett, 
dann wieder sah sie sich als reiche, schöne noble Frau, glücklich verheiratet. Plötzlich 
verlangt sie, ihre Schwester solle kommen und sie holen. Alles geht retour, ihr Bruder 
Florian stehe beim Tor und lasse den Teufel nicht herein, der führt sie vielleicht in 
die Sonne, das ist die Hölle . . . (Wieso das ?) ,,Es ist zu heiß.“ Über die magnetischen 
Augen befragt: wenn sie die Augen weit aufmacht und streng schaut, dann kommen 
ihr die Gedanken und sie sieht das auch. Das, was man denkt, kann man wie im Kine- 
matograph vorstellen. Sie verlangt immer wieder nach Hause. Hier will sie nicht 
mehr bleiben, hier ist sie in der Hölle eingefangen. Die Hölle stellt sie sich vor mit 
einer Kuppel, vielen Menschen, Räumen mit Teufeln, einer langen Maschine mit 
Sündenböcken und lauter kleinen Kindern, die böse Mädchen sich abtreiben ließen. 
Die Höllenliesl, das Mädchen, das sie verführt hat, fragte, ob sie nicht die Hölle an- 
nehmen will, sie sollte in den Mond. Als sie sich den Hals abschneiden wollte, da kam 
ihr vor . . . nein, erst im Rudolfspital. . . die Welt gehe unter, vom Himmel stürzten 
sich die Menschen ins Wasser und sie sitzt gerettet in der Hölle, der Sonne. 

Der Teufel sagt, der Mond sei eine schlechte Karikatur. Der Mond ist vielleicht 
der Teufel. Die Stimme hört sie von der Sonne, es ist, als wenn von der Sonne auf 
sie gesprochen würde. Der Teufel will, sie solle auf den Mond kommen. Gestern saß 
so ein kleiner Spitzbube auf der Lampe, er hatte eine Sichel zwischen den Füßen. 
(Sind Sie ein Spitzbub ?) „Ich möchte gerne einen haben, ich tue mich in Gedanken 
verwirren, als ob ich Theater spielen würde, kinematographieren.“ (Was heißt das ?) 
„Ich denke mir halt verschiedene Passionen, ganze Geschichten, die mich freuen, 
spiele mit Fürsten und Grafen, will immer schön sein, will haben, daß mein Geliebter 
kommt. Solche Gedanken hatte ich schon früher. Die Himmelmutter ist ja schon 
gewählt, sie kommt nicht zur Welt, sie ist oben auf der Sonne, sie will ihr Kind, und 
bis die Mutter Gottes ihr Kind nicht hat, kann ich nicht nach Hause gehen.“ Sie 
(die Patientin) ist jetzt häßlicher, als zurZeit, als sie herkam . . . (In welcher Beziehung 
stehen Sie zur Mutter Gottes ?) „Ich soll in der Legende eingeschrieben sein.“ (Als 
was ?) „Als Himmelschupferin.“ (Wie machen Sie das ?) „Ich bete und muß immer 
füh en, ich muß immer denken himmelblau oder grün oder Florian, den feuerspeien¬ 
den.” Am Tag, als sie sich umbringen wollte, war es, als ob die heilige Familie bei 
ihr sei. „Ich hab solche Ahnungen.“ Wenn sie (die Patientin) sich anstrengt, ist die 
Welt in der Höhe, da fliegen die Menschen in den Himmel, sonst kämen sie ins Wasser. 
Sie kommt auch ins Wasser und ward dann ein Engel. Wenn der Mensch ins Wasser 
stürzt, geht dann in Angst die Seele aus ihm heraus. Der Böse will, daß die Patientin 
eine Schlange wird. Geschieht das, so ist es das Werk des Teufels. Auch das Nikolobild 
war die Schlange, der Böse (fragend): „Existiert nicht der Max Rothschild, er soll im 
Mond sein ... er spricht wie ein Magnet mit mir.“ Der Max Rothschild hat ihr die Sün¬ 
den abgenommen und war wie ein Priester angezogen. Vielleicht wird er von Jerusalem 
auf den Mond gezogen. Sie spürt es, wie einen Strom, und dann denkt sie an alles Mög¬ 
liche, das ihr Freude macht, da kommt in Gedanken alles, w r as sie macht und liebt, der 
Max Rothschild spielt mit ihr wie der Sepplvetter und dieReslmahm. „Der Sepplvetter 



Über Begriffe und Sätze. 


25 


ist ein alter schlechter Mann. Mir hat er nichts getan, aber sonst hat er mich schon 
mit 6 Jahren verführen wollen.“ ,»Vielleicht ist es gescheiter, wenn der Mond herunter¬ 
kommt . . . Der Graf läuft mit dem grünen Hut herum, der Rothschild kommt mit 
seiner Maschine zu mir, es ist als wenn er mich beströmt, was ich denke, denkt er, er 
weiß alles, und es kommt dann ähnlich wieder retour, so als ob er mir meine Schwester 
geben wollte. Am besten wäre es, man sollte mich jetzt nicht quälen und warten, 
bis wieder Mondnacht ist, die Leute gehen auf den Mond hinauf, Männer und Frauen, 
undf lieben so wie unten. Der Rothschild stellt den Sepplvetter vor, er kommt herunter 
vom Mond und wird mein Mann sein. Der Seppl war recht verderbt, starb ohne Weihe.“ 
Der Vater der Patientin müßte fast erschlagen werden, weil er sich so aufregte, weil 
er in die Legende kdmmen solle. „Die Welt geht zugrunde, weil kein Gold mehr da 
ist. . . Ich hab mit einen Mann gewünscht durch die Kirche, er wird doch nicht das 
Gold verzehrt haben ? . . .“ (Wie ?) „Der Krieg, und durch den Krieg ist ja das Gold 
ins Wasser“. Der Vater mag die Patientin nicht, er ist ein böser Mann. 

27. U. Sie sei sehr gekränkt, sie spreche viel mit der Himmelmutter, fragt: „Ist 
der Windischgrätz auf der Welt, bin ich nicht in der Legende als Himmelsschupferin 
eingeschrieben ? Ich war immer ein braves Mädel, ein alter Herr hat mich verführt. . . 
Der Dorfinger Leo sagte mir: „Ihr Mädchen habt es gut, ihr könnt es mit dem Finger 
tun.“ Da hat sie es getan. Bei ihrer Gnädigen war sie gerne, sie hatte diese lieber 
als die Mutter. Mit dem Bruder hatte ein Mädel ein Verhältnis und die redete ihr zu, 
sie solle nicht so brav sein. Sie ließ sich verführen und wünschte sich einen Mann 
in der Kirche, und deshalb kam der Krieg. Zu Kriegsbeginn lernte sie einen Mann 
kennen, der gab an, Kutscher bei einem Grafen zu sein, es war aber nicht wahr, sie 
hatte mit ihm kein Verhältnis. Seit 1909 ist sie bei D. E. bedienstet, bekam zum Schlüs¬ 
se 40 Kr. Monatslohn. Im Herbst 1915 hatte sie ein Verhältnis mit einem verheirateten 
Mann. (Plötzlich) „Was ist eigentlich mit dem Windischgrätz# . . warum habe ich 
mich selbst umbringen wollen?“ „Der Windischgrätz ist vielleicht der Teufel, ich 
hab halt immer den Gedanken gehabt, schön zu sein, und wollte in der Gesellschaft 
eine Rolle spielen und daß mich alle creme haben, immer hab ich mich als Reiche ge¬ 
fühlt und war arm, ich weiß nicht, mir geht immer was vor vom Max Rothschild.“ 
(Was bedeutet das, der Teufel ist zu Max Rothschild gekommen ?) „Vielleicht haben 
ihn die Leute nicht gerne gehabt.“ (Was für Beziehungen haben Sie zum Monde?) 
..Ich habe den Mond gern und schau mir sein Gesicht an, imd die Himmelmutter 
spricht dann zu mir, am Mond ist die Himmelmutter und auch der Rothschild Max.“ 

28. II. „Der Mond ist mir als Hölle vorgestellt worden, von meinem Geliebten, 
dem Krieger. Der ist in der Gefangenschaft und muß auch büßen.“ Die Fatientin 
hat ihn durch die Kirche verbannt. Er sagt, die Patientin gehöre in die Hölle, das 
hat sie fest bei offenen Augen geträumt. Sie träumte auch, der Mond sei die Hölle, 
der Himmel sei in einem gläsernen Haus und nur zwei Heilige gehen durcheinander 
hindurch, weil sie nur so im Geist sind. Der Jesus ist oben, ringsherum sitzen Heilige, 
verschiedene Heilige, die von Jerusalem in den Himmel gekommen sind und auch 
eine Theresia Büßerin. Neben dem Himmel sind „Hausfreunde“ (kleine Sparherde) 
aufgestellt; da setzt man Sündenböcke hinein. Das war der Himmel der Mutter Gottes. 
Die heißen Sündenböcke kommen in die Hölle; auch die Hausfreunde kommen vom 
Himmel herunter. Die Welt ist zu Grunde gegangen, kein Gold ist. im Lande, der 
Teufel kann nicht mehr regieren. (Wer ist der Teufel ?) „Mir kommt immer vor, eis 
wenn es der Windischgrätz und Max Rothschild wären!“ 

1915 hatte sie die Bekanntschaft mit dem Manne, den sie nicht für verheiratet 
liielt. Er machte einmal einen mißlungenen Versuch. Ein zweites Mal kam es in einem 
Hotel zum Geschlechtsverkehr, von dem sie keinen Genuß hatte; nachher bereute 
sie es sehr. 

(Was heißt das, der Mann hat Sie verführt ?) „Ja, ich weiß nicht. Manche Leute 
gehen hin und her, es kommt ihnen eine Ahnung, als käme ein Fürst oder Graf und 
holte sie ab.“ 

Im Rudolfspital gab ihr das Mondliesel, die im Mond drin war, Bäckereien. Dort 
waren mehrere Mädchen, die sich in den Hals geschnitten haben. „Was haben denn 
die gehabt ?“ 



26 


Über Begriffe und Sätze. 


Sie sah Teufel am Himmel, die Sterne kamen mit Teufelsgesichtern zusammen. 
Es komme immer ein Gefühl, sie solle aufstehen und hinunter gehen. Auch die Mutter 
Gottes war neben ihr, und wollte ihr helfen: „Ich spreche immer mit dem Max und der 
Mutter Gottes. Der Max hat mich so gerne, daß er möchte in mich hineinschlüpfen“. 
(Wieso denn ?) „Das ist halt ein unsichtbares Gespensterl, es schlupft in den Unter¬ 
leib hinein. Der Mensch kanns nicht sehen.“ Es läßt ihr keine Ruh, cs ist so ein kleiner 
Luftzug, ein kleiner Wind zu ihr. 

,,Ist der Windischgrätz auf der Welt ? Er soll ein Teufel sein. Wo ist der Graf 
hingekommen ? Es war ja ein Graf da, ein Herr im grauen Lodenhut (meint damit 
offenbar Angehörige eines Patienten). Diese schöne Frau da (meint damit eine Mit¬ 
patientin) die Zigaretten raucht» die stellt meinen Sündenbock vor, die hat es so, 
wie ich es haben möchte.“ 

Vom Mond komme es wie Strom, so daß die Patientin denken muß. „Wenn ich 
das Wasser nicht hab, das Jerusalemwasser, kann ich nicht schlafen.“ Es kommt ihr 
vor, daß das Jerusalem wasser vom Grafen und der Mutter Gottes gebracht wird. 
Der Graf brachte das Wasser vom Mond und von der Sonne, „wo halt die meisten 
Freuden sind.“ 

Sie müsse tagsüber ständig träumen, vom Rothschild in Schottwien, der krätzige 
Kinder reinigt und pflegt. ,,Dort hilft ihm ein Turnlehrer, der keinen Hodensack 
mehr hat. Durch Einsingen will die Nonne den Teufel vertreiben. Max Rothschüd 
hat den Teufel in den Beinen und hüpft und springt recht hoch. Der Rothschild soll 
der große Gott sein, der Teufel auf der Welt. Ich hab das nicht gewußt, daß der große 
Gott der Teufel ist. Ich hab geglaubt, daß der große Gott die Welt erschaffen hat 
und das Heilige ist. Er hat die reiche Welt erschaffen. Ist Jerusalem auch auf 
dieser Erde ? Der hat auch einmal einen großen Fehler begangen. Es war ein großer 
Krieg, das Geld fiel*und die Noten werden ins Wasser geführt. Die Juden behalten 
das Gold, und uns regierten die Banken. Der Rothschüd ist der Jud.“ 

Der Teufel, der Max, will in ihren Körper hinein. (Was hat der Max mit dem Mond 
zu tun ?) „Weil er der Teufel ist, er kann hineinhupfen.“ „Vielleicht ist er aber bei 
Schottwien und hat seine Aktion und alles. Kann mich der Max nicht holen und schön 
machen ?“ (Wohin soll er sie holen ?) „In die Aktion.“ Versteht darunter Schott wien. 
, ,Der Max ist auch ein Theaterspieler, spielt Bauernstücke und Dirndlstücke. Ich 
weiß nicht, ist er ein schlechter Mann oder ein braver.“ „Wie er herumfährt mit den 
Theatermädeln. Er soll halt ein recht nichtsnutziger Kerl sein; er hat eine Kammerfrau, 
die auch nichtsnutzig ist und die er viel quält.“ 

„In der Nacht habe ich mit dem Teufel gespielt; er war immer vor mir, ganz ein 
schwarzes Ding.“ „Ich möchte immerfort spielen. Nicht auf das denken, was ge¬ 
schehen ist.“ (Stuhlgang ?) „So ganz in der Ordnung ist er nicht.“ (Wasser lassen ?) 
„In Ordnung.“ 

Sie denkt immer viel, daß sie hübsch ist und schöne Kinder bekommt. „Das hab 
ich mir alles beim Altar gewunschen; einen lieben Mann, der mich liebt, und ein 
hübsches Kind. Ich hab mir den Himmel auf Erden gewünscht.“ 

29. II. Sie sei ganz verrückt, fürchte sich vor dem Teufel, vor dem Windischgrätz. 
„Es kommt mir immer vor, als wollte das mein Mann sein.“ (Was ist mit dem Roth¬ 
schild ?) „Das ist ein Rudolf, dem das Rudolfspital gehört. Der Rudolf ist jetzt im 
Mond. Er hat sich im Rudolfspital wie ein Pater angezogen und hat mir die Sünden 
abgenommen. ‘ 4 

„Jetzt bin ich mit der Himmelsmutter in Besprechung und mit dem Rudolf . . . 
Der Rudolf, kommt mir vor, war einmal von ganz armen Leuten. Meine Brüder 
haben den Burschen immer geschlagen . . . Einmal fuhr in der Kindheit eine kleine 
Katze aus der Erde, fuhr in den Rudolf hinein. Seither muß er tanzen. Jener Rudolf 
ist mit dem Rudolf, welcher Max Rothschüd ist, identisch.“ (Was ist mit dem Mond ?) 
„Der Mond ist Jerusalem, da flüchten sich wahrscheinlich die reichen Herren hinauf.“ 
(Was ist mit dem Golde ?) „Es ist keines im Land, und deswegen sollte die Welt zu 
Grunde gehen. Die Himmelmutter will sie zu Grunde gehen lassen, Man will aus Ame¬ 
rika den Wilson herüberholen, damit er Gold bringt. Er soll regieren.“ 

In der Nacht hat sie immer an Rudolf und die Mutter Gottes gedacht. ..Ich will 



Über Begriffe und Sätze. 27 

doch nicht daheim bleiben; mir kommt vor, daß ich nicht essen soll, ich soll krepieren. 
Ich bin doch ein schlechtes Mädel. Ich hab ein ganz reines Hirn.” 

„Der Windischgrätz drückt auch an meinen Kopf, er reißt auch die Kehle heraus.“ 
(Geschieht auch etwas an den Geschlechts teilen ?) „Als wenn er den Bauch zusammen - 
schrauben möchte und den Magen. Es ist so, als wenn ein kleiner Wind ginge.“ 
(Woher ?) „Das ist vom Rudolf. Der Windischgrätz soll jetzt auf der Welt sein.” 

1. III. „Ich hab immer den Schädel voll, daß die ganze Welt zugrunde geht. 
Es ist so, wie, wenn ich von einem Strom vom Mond mit einem Magnet beströmt 
würde und mit meinem Bräutigam spräche. Der heißt Anton Gaugl, das ist der 
Krieger.“ (Ist der auch auf dem Mond ?) „Ja, und die Welt soll zu Grunde gehen, 
sagt die Himmelsmutter! Sie sagt auch, daß sie, die Himmelsmutter, oben Kinder 
bekommen hat. Der große Gott muß heruntergehen und sich den Teufel holen. 
Jetzt ist er in der Sonne und kommt in den Mond.“ (Wer ist das ?) „Es ist der Judas, 
der die Welt mit dem Teufel erschaffen hat. Der große Gott soll von der Sonne her¬ 
unterkommen auf den Mond und vom Mond aus den Teufel holen. Der Windischgrätz 
hat den Teufel bei sich. Mir ist so, als spräche die Himmelsmutter mit mir und der 
Bräutigam. Dann ist wieder als spräche der Rudolf vom Rudolf Spital.“ (Wer ist 
das ?) „Ich weiß nicht, wie er sonst heißt. Mir ist es so vorgekommen, als wäre es 
der Max Rothschild.“ (Wer ist der große Gott ?) „Judas.“ (Wie sieht er aus ?) „Wie 
ein großer starker Mann. Im Traum begegnete er mir, wie auf einer Brücke. Er stand 
auf der einen Seite des Flusses, auf der andern war ein Kreuz. Ich betete bei einem 
Kreuz. Der große Gott hatte den Teufel am Buckel und machte mir eine Geste, als 
wenn er etwa vom Himmel käme.“ (Dieser Traum war im Jahre 1915.) 

(In welchem Verhältnis steht denn Gott zu Christus ?) „Die christliche Familie 
bekommt keine Kinder, sondern Tauben, und der Christus und der große Gott sind 
immer allein. Das eine ist der christliche, das andere der jüdische Glauben, und ich 
hab den Judas gewählt“. (Wer ist der Judas?) „Eigentlich der Windischgrätz. 
Auch der Rothschild hat einen Teufel bei sich, und auch der Windischgrätz, das ist 
der Teufel selbst. Er soll der wütendste Mann sein.“ 

„Es ist immer so, als ob ich von einem Strom ganz leicht beströmt würde.“ Sie 
spürt es hauptsächlich im Bauch, aber auch im Geschlechtsteil. Das Hineinschlüpfen 
spürt sie jetzt nicht mehr so. Einmal ist es, wie wenn es der Gaugl wäre, dann der 
Rudolf, der den Max Rothschild vorstellt. „Es kommt mir vor, als hätte der Max 
Rothschild meine Mutter mitgebracht zu mir.“ (Wo ist der Windischgrätz jetzt?) 
„Er ist doch vielleicht ein Christ; der Max Rothschild ist ein Jud.“ (Was ist mit dem 
Gold?) „Ich hab mirs gewunschen, viel Gold soll kommen; er wird wahrscheinlich 
nicht kommen können. Der Teufel wird doch nicht Gold scheißen können. Ich hab 
geglaubt, der Windischgrätz wirds bringen können. Ich hab früher geglaubt, daß 
ers von England, Frankreich und Amerika bringt. Ich hab geglaubt, der Teufel kann 
alles auf die Welt bringen.” 

„Die Mutter Gottes macht verschiedene Vorstellungen. Es ist wie ein Strom, der 
von oben kommt. Was ich denke, ahnt die Mutter Gottes, es ist so wie gesprochen.” 
..Auch jetzt sehe ich in der Kammer den Nikolaus mit dem Teufel (vergl. oben). 
Die Mutter Gottes sagt, der Teufel -wird keine Schlange werden. Die Welt wird aus¬ 
einandergehen, die Bergspitzen werden eben sein. Eine häßliche Schlange wird sein, 
und die wird verbrannt. Diese Schlange ist der Teufel. Sie würde nur nachts kommen, 
wenn ein Aas irgendwo ist. Dann müßte man die Schlange umbringen.“ (Sie selbst 
wollen dann eine Schlange werden ?) „Ich soll der Teufel werden. Es kam mir vor. 
als sollte ich der Teufel werden. Jetzt ist es umgekehrt, ich treibe wieder Teufel 
aus.“ 

Nach Pflegerinnenberieht hat sie eine Mitpatientin für die Mutter Gottes ge¬ 
halten. 

2. III. Betrachtet ein Heiligenbild. „Ich soll das Bild verstecken, denn wenn 
ich die heilige Familie anschaue, tut mir das Herz mehr weh.“ (Wieso das?) „Ich 
glaube, die Mutter Gottes, die Schmerzensreiche, hat einmal gefehlt, sie hat Kinder 
vom Windischgrätz bekommen (er hat sich am Mond versteckt) und einmal weltlich 
gelebt. Die Mutter Gottes war immer versteckt durch den Judas, ist auf den Mond 



28 


über Begriffe und Sätze. 


■gesprungen, dort wurde sie verführt; er sollte ihr Mann werden, er soll doch der 
Christus sein.“ (Ist denn Windischgrätz Christus ?) „Er hat vöm Judas den Teufel 
bekommen, er ist aber Christus.“ (Sind Sie die Mutter Gottes ?) „Nein, aber ich kann 
es Werden. Ich bleibe hier bis zum 21.Mai, dann kommen die Himmlischen herunter.“ 
(Warum 21. Mai?) „Dann kommen die Gefangenen zurück; mein Geliebter ist seit 
21. Dezember 1921 in Kriegsgefangenschaft. Ich habe immer gewünscht, er soll im 
Frühjahr zurückkommen, wenn er kommt, ist alles geklärt. . . wenn er kommt . . . 
ich habe ihn verbannt, ich wollte andere kennen lernen, da bin ich gefallen ... er 
wird die Legeiide mitbringen, wird in den Himmel geschupft werden, er wird ein 
Heiliger sein, dann wird eine glückliche Welt sein. Er spricht mit mir als wäre er am 
Mond droben, er redet mit mir, er quält mich, es geht ein Strom von ihm, er beströmt 
mich so, als ob mich ein Sonnenstrahl beströmte, er gibt einen Schupfer und die 
Gedanken kommen. Der Strom geht mir in den Bauch, es zieht so zusammen, es tut 
weh.“ (Reden Sie mit ihm, hören Sie ihn ?) „Nein, aber ich tu denken, und das kommt 
mir vor, als käme es von ihm oben.“ (Woher?) „Vom Himmel. Ich weiß nicht, es 
kommt so hin und retour, und ich kann nicht schlafen, er sitzt vielleicht auf einem 
Wolkerl, dann mußte er hinunterfallen, deshalb ist der Himmel so rein, er kann auf 
dem Mond sein.“ (Wieso kommt er in den Mond ?) „Die heilige Familie kam zu mir 
und hat mit mir gesprochen, ich würde gekreuzigt werden. Es waren Ahnungen, 
es waren Gestalten, jetzt erscheint der Teufel, der mich holen will.“ (Wie erscheint 
der Teufel ?) „Wie ein ganz kleines Gespensterl, und die Mutter Gottes wie eine 
Fliege, etwas Fliegendes von blau und rot, hat gewiß alle Farben. Der Teufel soll 
den Wilson holen und auch das Gold, und soll regieren oder die regieren lassen, die 
früher regiert haben. Mir kommt vor, als wenn die Welt zu Grunde ginge und ich mil¬ 
den Christus vorstelle, und auch der Judas, der der Welt das Gute bringt. Ich werde 
nie glücklich sein.” 

„Ich muß zu Grunde gehen, weil ich so verwunschen bin, ich habe mir so viel ge¬ 
wünscht, ich bilde mir ein, durch mich sei der Krieg gekommen. Ich bin die Himmel- 
hälterin durch meine Gedanken, die alle auf den Mond reichen; ich bin ihr Gespiele, 
ich spreche mit meinen Gedanken; ich habe beim Fenster hinausgesprochen, habe 
mich von Sonne und Mond betrachten lassen. Die aber sehen alles, was auf der Welt 
vorgeht, besonders haben sie mich in der Arbeit.“ (Warum Sie ?) „Weil ich in der 
Legende als Schupferin eingetragen bin.“ 

2. III. Verstimmt, ängstlich. Sie ist eine Sünderin, sie hat bei einer bekannten 
Hausbesorgerin gebeichtet, die war ihre Mutter, nein, nicht ihre Mutter, aber so wie 
ihre Mutter. (Plötzlich) „Was ist mit dem Windischgrätz, ist er auf der Welt, lebt er 
noch ? Oder ist er auf dem Mond ? Er ist der Herr der Welt, er muß den Teufel 
machen.“ Es kommt ihr vor, wenn sie an etwas denkt, so ist das dann auf dem Mond zu 
sehen und zu lesen. (Sie hält ein Heiligenbildchen, die heilige Familie darstellend, 
in der Hand, betrachtet es und sagt): „Jetzt werde ich das Bild anschauen, damit 
alle die Mutter Gottes am Mond sehen können.“ 

3. III. „Mir klopft das Herz und der ganze Leib zittert, weil ich solche Sachen 
mache.“ Sie macht es nämlich, daß der Teufel in Amerika wütet, als wenn es auf der 
ganzen Welt häßlich wäre und nur bei uns schön. Es ist, als wenn Himmelsstimmen 
kommen, die sagen, daß das Herz klopfen solle. (Was ist mit der Schlange ?) „Das 
ist der Teufel.“ Wenn die Patientin zittert, dann kommt der Teufel im ganzen Lande 
weiter, nur bei uns ist es schön. Die Schlange wird von Christus immer als Teufel 
vorgestellt . . . „ich komme auf alles darauf, denke hin und her, der Amerikaner 
soll Gold bringen, der Segen soll von allen Seiten kommen, daß noch eine schöne Zeit 
wird. Der Teufel soll im anderen Land wüten und dort sagen, daß die Welt ausein¬ 
ander geht, das wird niemand wollen. Wenn der Teufel sagen wird, daß die ganze 
Welt zu Grunde geht, dann werden die Leute helfen. Im Rudolfspitale waren viele 
Leute, alte und junge, sie sprachen aber nichts aus. Die Namen waren alle falsch.“ 
Wenn sie schlief, fielen alle Menschen vom Himmel herunter, und nur sie kam in den 
Himmel. „Ich muß immer in die Hölle, dort hat man mich an ein Kipferl anlehnen 
lassen . . . Mir ist immer die Wahl frei gestanden, wen ich haben will, den Löwen oder 
den Dunkelblauen. Der Löwe ist der V T indischgrätz und der Blaue ist der Rothschild 



Über Begriffe und Sätze. 


29 


und ich mußte beide wählen. Es war immer w T ie eine Ahnung. Die Leute hatten schon 
gelebt in der Sonne oder im Mond, wo ein lustiges Leben ist. Am 21. Mai muß der 
Windischgrätz kommen.“ (Ich habe geglaubt, der Gangl!) „Der wird vielleichtauch 
kommen; es werden vielleicht noch mehr kommen müssen, Fürsten und Grafen, 
die in der Sonne gelebt haben. Die müssen mich am 21. Mai glücklich machen, sie 
haben mich unglücklich gemacht.“ Ändert dann ihre Anschauung, „plötzlich wird 
viel Freude auf der Erde sein, und ich werde unglücklich sein.“ Der Mond sah aus, 
als ob Teufel drinnen seien und wüten würden. (Was heißt das „wüten“?) „Wie 
wenn immer wilde Katzen „wüten“, wenn Hund und Katze raufen, das ist auch 
gewütet.“ „Der Teufel ist das Geld; das Glück ist alles andere.“ 

4. III. Ist im allgemeinen niedergeschlagen, die Mutter Gottes plagt sie, als 
wenn sie die ganze Weltkugel stemmen müßte. Als sie im Sitzungssaal war, kam es 
ihr vor, als ob ihr Bräutigam oben säße, imd die Mutter Gottes darauf. Dadurch tut 
es im Kopf so umschwirren, und es war, als ob das Bett abrücken möchte. Wenn im 
Sitzungssaal etwas gesprochen wird, weiß sie es, weil die Mutter Gottes und der 
Bräutigam da sind. Sie will nicht auf die Welt hinunter, weil sie gefehlt hat, sie will 
nicht herabkommen und Wunder wirken. Die Patientin verlangt plötzlich vom Re¬ 
ferenten, er möge zu der Türe des Hauses gehen, wo die Patientin bedienstet war, 
und nachsehen, ob dort nicht etw r as geschehen sei. Ihre Sünde ist, daß sie sich in der 
Kirche einen Mann gewünscht hat. Wer sie jetzt quäle, wisse sie nicht. „Ist es der 
Teufel oder die Mutter Gottes ? Jetzt muß ich bis zum 21. Mai warten.“ Sie meint, 
daß ihre Mutter zuerst über ihre Krankheit erschrocken sei, sich aber jetzt damit 
abgefunden habe, „man sagt, ich bin im allgemeinen Krankenhaus, warum bin ich 
hereingekommen. 4 4 

In der Nacht macht sie in Gedanken alles Mögliche mit. Sie sieht den Nikolo 
noch immer in der Lampe, als ob zwei Köpfe wären. Der eine ist wie ein Soldatenkopf , 
der andere kleiner. 

5. III. Klagt über schweren Kopf. „Ich hab so viel gebetet.“ Wenn sie Herz¬ 
klopfen hat, scheidet der Teufel von ihr. In welcher Verbmdung der Windischgrätz 
mit dem Teufel steht, weiß sie nicht. Sie hat so viel Ahnungen, daß die Menschen 
zugrunde gehen müssen, weil zu wenig Lebensmittel da sind. Jetzt war es so, als ob 
eine blöde Kuh von den Eltern auf sie zuging, und in diese Kuh kommt der Windisch¬ 
grätz und der Teufel hinein. Wenn sie Herzklopfen hat, geht der Teufel in diese Kuh 
hinein. Der Windischgrätz soll jetzt bei ihren Eltern sein, und will, daß sie herein- 
kommt. Nachts liefen alle Leute davon. Die Pat. schließt die Augen und sagt: 
„Jetzt sehe ich eine unbefleckte Marie, sie sieht weiß und blau aus, dann ein Mädel 
aus Bierbach, die Dorfinger Karoline, sie geht von oben herunter und ich muß auf den 
Mond. 4 * Sie sei mit ihr ausgetauscht, die Dorfinger Karoline sei ein nichtsnutziges 
Mädel, sie habe mit dem Seppl vetter ein Verhältnis gehabt. „Es schaut aus, als ob 
Herren miteinander streiten möchten, jetzt, als ob Stroh liegt, und Pferde darüber 
gehen, rückwärts ist ein blaues Engerl und lacht.“ Sie sieht das so deutlich, wie den 
Referenten, jetzt sieht sie wieder blaue Engerin, es ist als ob alles durchrutschen 
möchte . . . (erzählt noch weiter von rasch wechselnden Halluzinationen, welche 
den Typus hypnagoger Halluzinationen haben). „Ich weiß nicht, wenn ich das alles 
so sehe . . . das Ganze ist wie ein Viecherl und windet sich wie eine Schlange“. Er¬ 
zählt dies flüssig, mit geschlossenen Augen. Sie sieht nichts, wenn sie die Augen öffnet, 
sie kann es fortwickeln, wenn sie die Augen schließt. 

6. III. Spontan: „Ich hab den Christus in der Hand und will den Judas leben lassen, 
wenn Gold und Silber ins Land kommt, und sich alle durcheinander die Hände reichen. 
Fühlen Sie nicht, daß die Welt fliegt ? Als wenn sie gegen den Mond ginge, der Mond 
ist der Magnet.“ (Was heißt das, den Christus in der Hand haben ?) „Ich habe mich 
gefürchtet vor dem Teufel, als wenn er mich holen und umbringen würde.“ Sie sieht 
nachts, wie die Welt fliegt. Die Welt geht zu Grunde, sie hat Angst und betet. Die 
Amerikaner sollen von allen Seiten kommen und Gold bringen. Das Papier, das auf- 
gestapelt wurde, soll fliegen. Wenn der Judas kommt, so schimpft er sie zusammen, 
daß sie ein Heiligenbild in der Hand hat. (Was hat Judas mit dem Teufel zu tun ?) 
„Weil das Geld der Teufel ist. Alles, w r as leben will, ist der Teufel.“ 



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Über Begriffe und Sätze. 


8. III. Alles geht zu Grunde, alles fliegt in der Luft, weil der Mond zerbrochen ist. 
(Fragt dann) „Ist der Mond am Himmel... ist die andere Hälfte auch in den Himmel 
geflogen, mir kommt vor, der Mond ist draußen.“ Sie will deshalb eine Büßerin sein: 
„Ich bin vielleicht schuld, daß der Mond zerbrochen ist.“ „Die drei Teufel sind der 
Windischgrätz, Christus und der dritte bin vielleicht ich.“ Es kommt ihr vor, Christus 
sei vielleicht ein Fürstensohn, der das Kreuz für die Welt trug und den Teufel herab - 
stieß, um ihn dann zu retten. (In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm ?) „Ich weiß 
nicht, ich hab ihn nie gesehen, ich will mich begraben, damit die Welt nicht zu Grunde 
geht.“ (Wieso ist der Mond zerbrochen ?) „Ich weiß nicht, man hat mich zu diesen 
Büßerinnen hereingebracht, die Mutter Gottes war zornig, und wollte, daß die Welt 
zu Grunde geht.“ „Die Christusleute sind Christusleute und wir sind Menschen; die 
Christusleute wirken Wunder, und wollen, daß die Welt auseinander geht und das 
wunderwirkende Leben ist das Leben in Jerusalem.“ (Welches Wunder bewirken 
die Leute?) „Sie können Äpfel, Kaitoffeln, Datteln und Feigen wachsen lassen.“ 
Die Nacht habe sie geschlafen, sie sollte es aber nicht tun. Die Welt flog immer und 
die Menschen sind in tausend Ängsten. Sie spürt am Genitale ein Zupfen und Reißen, 
das kommt vom großen Gott, der wollte ihr die Haut abschneiden, weil sie die Sünde 
begangen, in der Kirche einen Mann zu wählen. 

(Warum heute früh so lustig ?) „Weil ich solche Ahnungen habe, daß alle Menschen 
im Himmel wären, singen und in der Sonne wären. Die Heiligen und der große Gott 
wollen die Welt auseinander reißen, spüren Sie es nicht ? Ich spüre und ahne alles, 
ich weiß nicht warum, was geht denn vor, bin ich zum Narren geworden ? Oder geht 
etwas in der Burg vor? Jetzt muß die eiserne Macht kommen“. (Was ist das?) 
„Das ist Amerika, wir müssen mit Amerika Krieg führen, damit man das Leben her* 
iiberbekommt, daß wir wieder bauen können auf den abgeschlagenen Wäldern.“ (Was 
ist mit den Ahnungen ?) „Es ist wie ein Herumsurren im Kopf, ein Durcheinander“ 
(lacht. Warum lachen sie ?) „Der Windischgrätz tanzt und hupft herum.“ (Sehen 
Sie das ?) „Nein, ich spüre es, es kommt so in mir, ich weiß nicht, als ob er in der 
Unterwelt wüte, w*o die Mutter ist.“ (Auf welche Weise kommt die Mutter Gottes 
in die Unterwelt ?) „Ja, sie ist dort als Gefangene, der Windischgrätz setzt sich zu 
ihr und will nicht zu mir kommen ... er sagt zu mir, er kommt und holt mich, nennt 
mich Teufelchen und setzt mich auf den Ofenbrater ... so einen Hausfreund, den 
man in der Küche auf den Herd stellt. Dort machen sie einen Himmel vor, machen 
Manderln, sie sündigen, es soll der Himmel sein. Jetzt will er wieder, die Sündenböcke 
sollen aufkommen und sich setzen. Sind es Seelen. Ich habe keine Ruhe, ich soll 
nach Hause gehen, wenn der Teufel kommt, bringt er mich um.“ (Warum ?) „Weil 
er eine Wut auf mich hat. Er hat geglaubt, die Welt geht zu Grunde; es ist aber nicht 
geschehen. Hier waren früher so viel Sünderinnen und jetzt sind es nur Kranke 
und ich habe so viel gedacht und viel Schaden gehabt, Fürsten und Grafen, war 
lustig, und er hat das alles droben auf dem Mond aufgenommen.“ 

„Spricht man nicht, daß die Welt fliegt, ist der Mond nicht zerbrochen, ist er 
nicht halbiert, dadurch fliegt die Erde. Es fliegt alles, die ganze Welt fliegt. Ist der 
Mond am Himmel, ist er halb oder sind es nur Wolken, ist gar kein Mond da ?“ „In 
der Nacht war der Mond vor dem Fenster, ich wollte die Weltkugel drehen, daß der 
Mond vom Himmel —“ Plötzlich verstimmt: Sie will krepieren, wäs weiß sie von 
der ganzen Welt. (Gräbt das Gesicht in die Kissen.) Sie hat die Erscheinung, daß die 
Welt mit ihr stürzt, das ängst igt sie so . . . die Welt geht zu Grunde ... sie will nicht 
essen und zu Grunde gehen. Ihre Mutter mag sie nicht mehr, sie wisse es, sie hat es 
gehört, die Mutter sitzt drüben am Mond, dort ist eine Maschine, das was man denkt . . . 
es ist ein furchtbares Grausen in ihr, die Mutter und der heilige Richard haben es 
gesehen. (Wer ist das ?) „Der Sohn der Herrschaft.“ (Wie kommt er auf den Mond ?) 
„Er ist mit einem Magnet gezogen.“ (Sieht verloren auf den Referenten.) (Was staunen 
Sie mich an ?) „Es kommt mir immer vor, als spräche jemand mit mir. Der Teufel 
sagt, ich sei ein Trottel!“ (Weshalb?) „Weil ich hereingekommen bin. Durch 
Teufelsmacht habe ich mich umgebracht, die Teufelsmacht spielt mit mir, wenn 
mir das Herz klopft, fliegt die Welt, wenn mir der Schädel klopft, geht sie zu 
Grunde.“ 



Über Begriffe und Sätze. 


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9. III. Mutter Gottes, Christus und der große Gott sind drei Teufel. (Wo sind 
sie ?) „Im Spital. Ich lasse mich umbringen, selber bringe ich mich nicht mehr um. 
Ich hab schreckliche Träume gehabt.“ Es hieß, ihre Mutter sei gestorben, dann käm 
die falsche Mutter Gottes. „Als wenn ich die Welt hätte abtragen müssen, die Welt 
in den Himmel reißen, ich hätte Wunder gewirkt.“ 

11. III. In der Nacht wird sie von der Mutter Gottes und zwei Teufeln gequält, 
dem Windischgrätz und dem Gaugl. Die Mutter Gottes ist böse auf sie, weil sie ein*' 
Sünderin ist und 13 Jahre nicht gebeichtet hat. Sie war überhaupt nicht recht gläubig. 
Der Mond macht ihr den verwirrten Schädel, es ist ein Magnet, der auf ihren magne¬ 
tischen Schädel ein wirkt durch ihre Gedanken und Ahnungen. (Als Mitpatientinnen 
schreien.) „Wer macht denn diesen Spektakel. Alle Menschen wollen doch in die 
Sonne und den Mond, und ich soll als letzte bleiben. Ist die Sonne im Weltall. Die 
Mutter Gottes will die Welt auseinander reißen, damit sie zu Grunde gehe. Die Ameri¬ 
kaner sollen in Ängsten sein, um sich mit uns zu vereinigen. Die Mutter Gottes will 
alle Fürsten und Grafen bei sich haben.“ — Schlafmittel will sie (die Patientin) 
nicht mehr nehmen. Wenn sie mit einem Ruck aus dem Schlafe emporschnellt, so wie 
eine Schlange, dann kommt ein Gedanke, als ob die Mutter Gottes zu ihr spreche, 
die muß den Teufel durch den Windischgrätz bekommen; „einmal bin ich es, einmal 
ist er es, und die Mutter Gottes will, daß er auf die Erde kommt.“ Es fliegt alles um 
sie herum, hin und zurück. Der Mann, der neben ihr war, war der Teufel, auch der 
Geliebte, der Graf oder der Vater . . . „Mein Vater war ein böser, grauslicher Mensch, 
ich habe Angst gehabt, daß er einmal böse wird; die Teufel sind bös und zuwider.“ 

13. III. Sie schluckt schlecht, wird von der Mutter Gottes gequält und auch vom 
Teufel. Sie sei die Büßerin der Welt. Sie spürt, wie sie der Windischgrätz mit dem 
Teufel überziehen will, füllen will, sie soll einen Teufel zur Welt bringen. (Was ist 
das für ein Gefühl ?) „Kein unangenehmes, wie ein Luftdruck, der von allen Seiten 
kommt.“ (Streicht den Rücken des Reierenten) „Als ob ein warmer Fleck über mich 
käme; es ist ein Teufelswerk, als ob ich von der Sonne gestochen wäre.“ Das hat sie 
schon öfter gehabt. In der Lampe ist noch immer der Nikolo, das Kreuz ist weg, 
die Schlange, die herunterhängt, kommt ihr wie eine russische Knute vor, als ob er 
es mit dem Munde hielte. Es wird doch eine gewöhnliche Lampe sein. Ihr Schädel 
ist jetzt klar und reiner. Die Ahnungen quälen sie nicht mehr, obwohl die Stimmen 
hinten von Sonne und Mond sie manchmal noch quälen. Sehr oft ist es ihr so, als 
ob der Teufel hinter ihr wäre, es ist so, wie beim Geschlechtsverkehr, es kommt der 
Luftdruck. 

(Etwas später.) „Ich werde verrückt, ich höre tausend Stimmen.“ (Von wem ?) 
„Von meinen Nachbarn in Bierbach. Es klingt in den Kopf hinein. Meine Sünde ist 
in der Welt herumgestreut. Geht was los in der Burg ?“ Die Frau Himmelsmutter 
sagt ihr (der Patientin) alle ihre Sünden ins Gesicht. „Ich hab einen heftigen Spek¬ 
takel im Kopf und kann nicht schlafen und gut geht es mir auch nicht. Ich glaube, 
ich werde immer mehr krank als gesund.“ Die Leute von Bierbach sagen, daß sic 
alles erraten hat, so daß sie erraten hat, die Dorfinger Karoline sei ein viel schlechteres 
Mädel als sie. Die Mutter macht so schlechte Leute, sie will, daß die Leute lieben 
sollen, und arg schiech herumfahren und huren sollen. Wahrscheinlich ist sie selbst 
so. Die Mutter bringt Essen und sagt, sie soll hier bleiben. Sie will sich gutes Essen 
anschaffen, Eier, Wein, Chaudeau . . . (Wer soll das bringen ?) „Es kommt doch alle 
Tage meine Schwester.“ „Wütet der Teufel im Land?“ Die Leute von Bierbach 
sagen, sie habe die ganze Welt unglücklich gemacht, habe es aufgebracht, daß die 
Berge abgeschnitten und Felder daraus gemacht werden . . . „Teufel und Mutter Got¬ 
tes regieren mich.“ „Ist der Mond abgekehrt ? Hat er etwas abgekehrt ?“ (Was denn ?) 
„Kalk, Häuserin, mir kommt vor, als wäre es eine wunderschöne Welt, prachtvoll 
wunderschöne Bauten.“ Sie (die Patientin) hat den Mond nicht erhalten, imd da sind 
die Häuserchen abgerutscht. Sie hat die Leute in Bierbach unglücklich gemacht, 
weil jeder seine Sünden aussagen muß. „Es kommt mir vor, als wenn sie von meinem 
Bruder in die Welt hinausgeschrieen werden . . . Ich weiß nicht, was ich sagen soll, 
es ist eine Teufelsmacht auf der Welt, welche die ganze Welt verführt und ruiniert, 
alle zu einem Narren macht . , . ich hab fortwährend Gedanken, als ob jemand vom 



32 


Über Begriffe und Sätze. 


Mond und von der Sonne herunterspräche . . . wenn ich das Taschentuch zusammen • 
halte, dann höre ich die Mutter Gottes nicht, den Lärm auch nicht; dann ist es so. 
wie wenn die Teuf eichen mit mir sprächen.“ 

14. III. Sie ist sehr unruhig, hat Ahnungen. Sie spricht mit Herrn Richard, der 
läßt ihre Sünden schon gehen. Sie hat sich kindlich gewünscht und hat sich in einen 
Teufel verwandelt. Sie schämt sich, weil der Herr Richard hereinschaut. 

15. III. Die Christusleute lassen ihr keine Ruhe. Die Himmlischen heißt man 
auch Christen, Rio wollen die Welt auseinander hauen. Sie (die Patientin) soll einmal 
wählen , . . einmal ist es so, als wären die Himmlischen in Bierbach, dann wieder so. 
als wenn es die Mutter Gottes wäre. „Von unten herauf ist ein warmes Gefühl, als 
ob der Teufel mit mir war, das ist ein Gefühl im Geschlechtsteil. Er läßt mir Teufels- 
gefühle zukommen.“ (Wer ist das?) „Es soll der Fürst Windischgrätz sein.“ In 
der Nacht pumperten am Gitterbett die Teufel, als ob sie die Welt abwickeln täten, 
als ob unterirdisch eine Maschine wäre, welche die Welt auf wickeln und auseinander 
bringen täte. Die Welt geht in die Höhe. Der Teufel ist darin. Ihr kommt vor, als 
wäre in der Welt eine Maschine; die Christusleute waren in der Nacht bei ihr, um 
sie zu quälen. Sie beteten und dachten dasselbe wie sie. Es war ein furchtbarer Spek¬ 
takel. An der Lampe ist noch der Nikolo, der hat einen Pelz um. Unten ist die Teufels¬ 
familie und quält sie . Es kommen sonderbare Sachen vor . . . „wo ist das steife 
Mädel (eine Mitpatientin) hin ? Dort lag ein blonder Bub, der wurde schwarz und ist 
jetzt weg.“ Er gehört ihr, es ist ihr Kind, das sie vom Teufel auf die Welt bringen sollte, 
es ist ihr Bruder, den sie als Kind annehmen soll, das sie vom Teufel nicht wollte. 
Es soll ein Grafenkind sein, weil es nicht von ihr ist. (Wer hat es gemacht ?) „Der 
Teufel und Maria.“ Er ist zu ihr gekommen und soll sie verführt haben, sie haben zwei 
Mädel, es war aber ein blonder Bursche, der schwarz wurde, den sollte sie annehmen. 
Sie wisse nichts. Es ist so sonderbar auf der Welt. Sie ist kirchlich verwunschen. 
„Ich habe das Gefühl, als ob ich mit dem Teufel denken und fühlen täte, es ist unter 
mir, es ist ein warmes Gefühl, das ich im Unterleib spüre, ich kann machen, was ich 
will (Bewegung mit den Schenkeln), es hilft nichts.“ Sie hört Glockenläuten aus der 
Feme, aus Rom. 

16. III. Fragt ängstlich, ob der Referent nicht höre, wie die Himmelsmutter 
die Welt auseinanderreißt. Etwas geht in der Burg vor, sie muß hin, man soll sie 
hier abschreiben. Die heilige Maria und der heilige Richard zerreißen die Welt. 
In der Welt geht es furchtbar zu, die heilige Maria macht fürchterliche Sachen, sie 
hat einen Riß gemacht, man kann nicht hinüber. In der Nacht nannte die heilige 
Maria sie (die Patientin) eine Himmelshure, die ganze Welt nannte sie so. Sie wird 
von einem Magneten vom Mond verführt. Der Fürst Windischgrätz und der gnädige 
Herr sind in der Unterwelt, er wird sich gerade unter ihr „heraufpumpen.“ 

17. III. Von der Sonne wird sie nicht mehr gequält, nur vom Teufel. Spricht 
plötzlich von einem wilden „Gschwostel“. Darunter versteht sie eine Seele, die in den 
Himmel steigt. 

18. III. Die Himmelsmutter quält sie . . . der Teufel ist immer unter ihr, er lebt 
wohl auf dem Mond. „Muß ich sterben ?“ Es gibt keinen Mond mehr, eiserne Wolken 
hats gegeben, der Mond ist heruntergefallen, eine Rauchwolke ist in die Luft gestiegen. 
In der Nacht liegt sie mit offenen Augen. Sie ist Weltbüßerin. Die ganze Welt ist 
von der Mutter Gottes auseinander gerissen. Der Fürst Windischgrätz ist mit seiner 
Frau auf dem Mond und quält sie. 

20. HI. Es kommt ihr vor, eine wilde Mutter Gottes fliegt herum in der Luft, 
bei der Türe wird sie erschlagen . . . die Mutter Gottes ist der Teufel, sie fürchtet 
Wilson sei der Engel im Himmel und sei gestorben. Er ist gestorben und will die Mutter 
Gottes fangen. Die Himmlischen sind in der Unterwelt, sie kommen ihr in den Magen. 
Es kommen Träume, als wenn die Welt zu Grunde ginge, sich kugeln möchte, und die 
Mutter Gottes erlöse die Welt. Es ist so, als ob sich das Weiße ablösen täte, als 
ob zwei Personen, sie und der Herrgott, auseinandergingen. Jetzt ist sie ein Christus 
mit einem Bart wie einen Heiligenschein, und einem Pelz. Wenn dieser fällt, bleibt 
nur ein geringer Schein. 



Über Begriffe und Sätze. 


33 


23. III. Ist nöch immer mit den Heiligen verbunden. „Wenn ich bete, müssen 
alle Heiligen beten. Es sind alle so wie Fliegen, wo ich hinsehe, sind sie die Heiligen. 
Was ich denke, wird mir retourgesagt. Es ärgert die Mutter Gottes, daß ich sie (die 
Mutter Gottes) nicht loswerden kann.“ Die Mutter Gottes hat ihr Sternchen zuge¬ 
worfen, damit sie die Himmlischen im Kopf habe . . . Die Mutter Gottes hat gesagt, 
die Mutter Gottes werde nie von ihr Weggehen, und wird nur von der Sonne aus auf 
feie scheinen, in der Nacht vom Mond aus. Klagt fortwährend über den warmen 
Wind, der Teufel geht offenbar in den Unterleib. Im Kopf und im Rücken brennt es. 

Eine Veränderung trat in den nächsten Tagen nicht ein. Es ist zu bemerken, 
daß die Patientin stets eine gewisse Ordnung des Gedankenganges bewahrte; meist 
war auch die örtliche und zeitliche Orientierung eine gute. Der Affekt entsprach 
meist dem Inhalt des Vorgebrachten. Besonders heftig waren ihre Affektsäußerungen 
über das: „Zerbrechen des Mondes durch die Mutter Gottes.“ Zeitweise bestand 
Angst. In ihren Erlebnissen fand sich die Patientin nicht zurecht. Es bestand zeitweise 
eine leichte Ratlosigkeit. 

Klinische Diagnose: Schizophrenie. Man könnte mit Rücksicht auf das Er¬ 
haltensein der Persönlichkeit und der relativen Ordnung des pathologischen 
Ideenmaterials an Paraphrenie denken, ich lege auf diese Unterscheidung 
jedoch keinen Wert. 

Der Inhalt der krankhaften Erlebnisse ist dargestellt durch Halluzinationen 
(optisch, taktil), Wahnideen und eigenartige Denkgebilde, welche wohl unter 
den weiten Begriff Pseudohalluzinationen fallen; vom Monde kommt ein Strom, 
der vorschreibt, was die Patientin denken muß. Durch diesen Strom spricht sie 
mit ihrem Bräutigam. Sie spürt ihn am Bauch und am Geschlechtsteil. Der Bräu¬ 
tigam gibt einen Schupfer, und die Gedanken kommen. Es ist kein Hören, denn: 
„Was ich tue, denke und ahne, das kommt mir vor, als käme es von ihm oben, 
es kommt so hin und retour.“ (2. III.) Übergänge zur Gehörstäuschung im engeren 
Sinne kommen vor. Sie hört tausend Stimmen von ihren Nachbarn in Bierbach, 
es klingt in den Kopf hinein. Beachtenswert, daß Denkerlebnisse sich verbinden 
mit geschlechtlichen Sensationen. Die Denkerlebnisse sind sicherlich zum Teil 
in Wortvorstellungen gekleidet. Es erscheint eigenes Denken als Resultat fremder 
Einwirkung. Es ist also das Phänomen der gemachten Gedanken, daß sich wieder¬ 
um darbietet, vergesellschaftet mit körperlicher Mißempfindung 1 ). 

Die Darstellung des Inhaltes dieser Erlebnisse ist wegen der Fülle der Ver¬ 
wicklungen und Motive eine schwierige. Das Motiv der Verführung steht im Vor¬ 
dergründe. Die Patientin berichtet zunächst, wie sie zur Onanie kam. Dann: 
Ein alter Mann habe sie verführen wollen. Die Patientin hat nur einmal geschlecht¬ 
lichen Verkehr gehabt, der ohne Genuß verlief. In einer Reihe mit der Tat stellt 
die Patientin den Wunsch, den sie in der Kirche ausgesprochen hat, nämlich den 
Wunsch nach einem Mann. Auch lebhafte Wachträumereien haben sie anschei¬ 
nend schon vor dem Beginn der Krankheit beschäftigt. In diesen hatte sie Kinder, 
sie war glücklich verheiratet, der Geliebte lag mit ihr im Bett, sie war eine reiche, 
noble Frau. In der Psychose setzt sie dieses Phantasieren einer sexuellen Hand¬ 
lung gleich. Am 26. II. erzählt sie, sie spüre es wie einen Strom und denke dann 
an alles Mögliche, was ihr Freude mache. Die Gleichstellung von Gedanken, 
Wünschen mit Tat verliert das Befremdende, wenn man erfährt, daß die Patientin 

M Vergleiche hierzu: Selbstbewußtsein und Persönlichkeitsbewußtsein. Berlin: 
Julius Springer 1914, und: über Halluzinationen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. 
Psychiatr. Jg. 53, 1919. 

Schilder, Seele und Leben. 


3 



34 


Über Begriffe und Sätze. 


Vorstellungen von besonderer Lebendigkeit hat. Sie verwirrt sich in Gedanken, 
als ob sie Theater spielen täte, kinematographierte, denkt sich Geschichten von 
Fürsten, Grafen und Geliebten aus (26. II.) Was sie sich denkt, das kann sie auch, 
sehen, wie im Kinematographen (26. II). Am 25. III. treten bei Augenschluß 
sehr lebhafte Halluzinationen auf, welche hvpnagogen ähneln. Daß die Patientin 
Wunsch und Tat einander gleichstellt, ist aus solcher Besonderheit des Vorstel¬ 
lungslebens heraus verständlich. 

Man könnte ja allerdings die Frage aufwerfen, ob die Verlebendigung der Vor- 
stellungs- und Gedankentätigkeit nicht selbst wiederum auf Wunschtendenzen, 
Triebeinstellungen beruhe. Dieses Problem ist uns bereits begegnet. Die Trieb¬ 
einstellung schafft den Inhalt psychischer Gebilde von verschiedener Form, 
aber auch diese Form ist von der Triebeinstellung mitbedingt. Es bleibt jedoch 
auf jedenFall bestehen, daß bei allen diesen Patienten zwischen Gedanken Vor¬ 
stellung und Wahrnehmung, zwischen Wunsch und AVirklichkeit keine scharfen 
Grenzen bestehen. 

Die Patientin hat zwei imaginäre Geliebte, den einen bezeichnet sie als Max 
Rothschild, den anderen als Windischgrätz. Rothschild hat folgende Attribute, 
er ist Jude, er ist im Mond, er spricht magnetisch zu der Patientin. Er nimmt ihr 
die Sünden ab, er spricht mit ihr wie der Seppl-Vetter. Stellt ihr nach, wird vom 
Mond herunterkommen und ihr Mann sein. Er will als unsichtbares Gespensterl 
in sie hineinschlupfen. Er ist so ein kleiner Wind in ihr. Er ist der große Gott, 
der Teufel auf der Welt. Im Grund ist er ein Rudolf und ein Gespiel ihrer Jugend. 
Er ist bald in der Sonne, bald im Mond. 

Die Eigenschaften des Windischgrätz sind sehr ähnliche, nur ist er ein Christ: 
auch er ist ein Teufel. Bald heißt es, die Patientin habe den Max Rothschild ge¬ 
wählt, bald, sie habe beide gewählt. Beide werden gelegentlich als Teufel bezeich¬ 
net. Auch er ist Judas. Windischgrätz spricht gleichfalls vom Mond, er hat 
die Mutter Gottes zu Fall gebracht. 

Es kann gamicht zweifelhaft sein, daß beide Personen für die Patientin das¬ 
selbe bedeuten, es sind Träger der Lust und repräsentieren Macht und Reichtum. 
Es sind Figuren der Wachträumereien, denen gegenüber die Patientin sich 
amibivalent stellt. Die Individualbegriffe, w elche vorzuliegen scheinen, sind also 
eigenartig gekennzeichnet. Sie zeigen einEinf ließen verschiedenartigster Elemente 
und verschwimmen ineinander. Die Stellung zum Max Rothschild ist die Stellung, 
welche die Patientin zur Liebe überhaupt einnimmt. Die ist offenbar schon in 
frühester Jugend angelegt gewesen. Deshalb fließt die Persönlichkeit des Seppl- 
Vetter gleichfalls ein. 

Die Personen sind auf dem Mond untergebracht, und der Mond erscheint 
als Verführer, als Hölle, als Ort, wo es lustig zugeht, als Sitz der Mutter Gottes. 
Er ist der Teufel. Jenes Mädchen, das sie verführt hat. Die glücklichen und reichen 
Leute sind oben. Sehr ähnliches berichtet sie von der Sonne; die ist der Himmel, 
die Freude, dort sind die reichen Leute. Sie ist aber auch die Hölle. Es wiederholt 
sich also bei Sonne-Mond das Begriffsverhältnis Rothschild-Windischgrätz. Sie 
scheinen ursprünglich gleich als Gegensatz gewählt zu sein und verschmelzen dann 
miteinander. 

Die Mutter Gottes hat ihren Sitz auf dem Monde. Sie w ird von Windischgrätz 
zu Fall gebracht, hat ein Kind von ihm. Mit dem Teufel quält sie die Patientin. 



Über Begriffe und Sätze. 


35 


Sic hat auch Kinder mit dem Teufel. Sie zerreißt den Mond, zerbricht die Welt, 
sie fliegt als wilde Mutter Gottes in der Luft. Die Mutter Gottes kann nicht weg 
von ihr. Die Äußerung der Patientin vom 2. II. zeigt Beziehungen der Mutter 
Gottes zur Patientin. Sie hofft Mutter Gottes zu werden. Sie hat gleiche Schick¬ 
sale wie diese 1 ). 

Die Patientin ist Trägerin magischer Eigenschaften. Durch ihre Gedanken 
stützt sie die Welt, macht, daß die Menschen in den Himmel fliegen, verhindert, 
daß sie ins Wasser fallen. Apokalyptische Weltuntergangs Visionen beschließen 
das Ganze. Die Mutter Gottes zerbricht den Mond, reißt die Welt auseinander. 
Die Patientin wird zur Schlange, zum Teufel. 

Hiermit sind die wichtigsten Motive der Psychose angeführt. Der Fall ist an 
dieser Stelle mitgeteilt, weil die zwei Individualbegriffe, welche in der Psychose» 
eine Rolle spielen, einer psychologischen Zergliederung gut zugänglich sind. 
Hier ist die Weite der Begriffsgrundlage besonders augenfällig. 

Es ergibt sich wiederum, daß die Begriffsgrundlage eine Fülle neuer Elemente 
in sich aufgenommen hat, und zwar wiederum nach den Gesetzen der affektiven 
Zusammengehörigkeit. Auch hier wird die Begriffsgrundlage nicht einheitlich 
aufgefaßt, sondern es werden immer einzelne Teile zur Anschauung gebracht. 
Es finden Verschmelzungen zwischen zwei Begriffen statt, Windischgrätz-Roth- 
schild; fast ist es so, als ob ein gemeinsamer Oberbegriff bestände, innerhalb 
dessen die Patientin willkürlich bald diesen, bald jenen untergeordneten Begriff 
wählt. Die Begriffsgrundlage ist nach affektiven Gesichtspunkten aufgebaut. 
Das heißt aber, daß in ihr vereinigt ist, was einem Bedürfnis, einer Triebhaltung 
der Patientin entspricht. Nur bewirkt die gemeinsame Haltung der Patientin 
gegenüber den Phantasiefiguren eine Verschmelzung dieser beiden Begriffe in 
einen neuen — den man so charakterisieren könnte: vornehmer Liebhaber — 
Teufel — entsprechend der amibivalenten Einstellung der Patientin. Die affektive 
Umschmelzung der Begriffsgrundlage scheint also auf etwas sehr ähnliches zu zielen, 
wie auf das Aufstellen eines neuen Oberbegriffes. Aber es scheint ein sinngebender 
Prozeß im Werden aufgehalten und fixiert zu sein. Formal könnte man dieses 
ganze Verhältnis auch dahin charakterisieren, daß zwei beigeordnete Begriffe 
miteinander vertauscht werden können, daß sie einander gleichwertig gebraucht 
werden und gleichzeitig auch jeder geeignet ist, an Stelle des übergeordneten 
Begriffes zu funktionieren. Eine biologische Haltung einer Triebstellung richtet 
sich also auf einen sachlichen Inhalt: den reichen aber verbotenen (und nicht 
erreichbaren) Liebhaber und diese Haltung zeigt sich gegenüber verschiedenen 
Objekten (der Phantasie oder Wirklichkeit). Da aber nur jene Haltung w esentlich 
ist, so werden die Objekte nivelliert. Beigeordnete Begriffe verschmelzen mit¬ 
einander oder können vertauscht werden, übergeordnete Begriffe werden durch 
untergeordnete ersetzt. Die Unzweckmäßigkeit einer derartigen Haltung ist 
in die Augen springend. Es ist eine bestimmt charakterisierte Vernachlässigung 
der Struktur der Wirklichkeit. Jene Haltung ist gewiß nicht unbeirrbar, es kommt 
zu Pendelschwankungen, welche Nebenmotive berücksichtigen. Derartige Schwan¬ 
kungen der Haltung — es können auch Wirklichkeitsmotive dabei berücksichtigt 
werden — verursachen ja offenbar auch, daß bald dieser, bald jener Teil der Be- 

l ) In meiner Arbeit über Identifizierung, Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psvchiatr. 
Jtr. 59, 20, habe ich diesen Fall kurz erwähnt. 


3* 



3G 


über Begriffe und Sätze. 


griff sgrundlage herausgehoben und aufgefaßt wird. Man könnte ja jeden derartigen 
Einzelakt als Begriffsbildung fassen; dann kommt man zu jener Formulierung, 
die gegeben wurde: Koordinierte Begriffe werden als gleichwertig gebraucht, 
und koordinierte und subordinierte Begriffe werden als gleichartig gebraucht. 
DieseganzenAusführungenzeigenaberdie engenBeziehungen zwischen der Begriffs¬ 
bildung und Triebleben an. Begriffe sind Haftpunkte für die Handlung, und zwar 
für die mögliche Handlung. Es sind Punkte eines Koordinatensystemes, Punkte 
ideellen Handelns. Daß dieses Koordinate System nur der Niederschlag wirk¬ 
lichen Tuns, d. h. also der Wechselbeziehung der Organisation einesteils und der 
Umwelt anderenteils sein kann, bedarf keiner weiteren Begründung. Die Be¬ 
griff sw eit ist also direktes Spiegelbild der Organisation,• und auch der Abände¬ 
rungen der Organisation. Der sprachliche Ausdruck ist aufgebaut auf der Tatsache 
des Bedeutungserlebnisses. Für die hier vorliegenden anderartigen Beziehungen 
hat die Sprache keine Ausdrücke. Der Ausdruck Windischgrätz ist der Seppl- 
Vetter usw., wäre also unzutreffend oder zumindest unvollständig 1 ). Auch 
die Beziehung der Symbole besteht nicht zwischen beiden Erlebnisstüeken. 

Natürlich taucht die Frage auf, ob es denn einen Sinn habe, überhaupt von 
Begriffen zu sprechen. C. und W. Stern bezeichnen ähnliche Gebilde, welche zu 
Beginn der kindlichen Sprachentwicklung stehen, als Scheinbegriffe (Die Kinder¬ 
sprache, 1907, S. 170 ff.) ,,Das Kind wendet seine Worte sowohl auf individuelle 
Gegenstände (z. B. auf die Mutter und nux auf diese [Hilde]), wie auch auf eine 
Reihe von Objekten ähnlicher Art (z. B. auch auf alle Männer, Pip, Pip, auf alles 
Geflügelte) an; es zeigt ferner und besonders stark in den allerersten Stadien- 
den Bedeutungswandel, d. i. den sukzessiven Wechsel in der Anwendung ein- 
und desselben Wortes. Zumeist wird hierbei die Bedeutung auf andere Fälle 
erw eitert, zuw eilen auch auf eine geringere Zahl verengt oder auf einen neuen Fall 
unter Aufgabe der früheren Bedeutung übertragen.“ Nach C. und W. Stern 
fehlt aber dem Kinde auf dieser Stufe das Bewußtsein, daß jedes Wort die Funk¬ 
tion habe, dauernd eine bestimmte Bedeutung zu repräsentieren. Die Benennung 
sei nur momentane Reaktion, die früheren Erlebnisse wirkten nur unterschwellig 
nach. Die ersten Wortbedeutungen seien nur Bekanntheitssymbole auf assozia¬ 
tiver Grundlage. Jedenfalls haben wir es aber mit Vorstufen der Begriffsbildung 
zu tun, wie immer man auch diese Vorstufen bezeichnen möge. Ich möchte 
übrigens doch vermuten, daß das vorangegangene Erlebnis, das mit einem 
bestimmten Wort verdunden war, beim Neuauftauchen des Wortes doch 
wieder mitgegeben ist. Wir haben ja im allgemeinen gelernt, daß frühere Er¬ 
lebnisse doch dem Bewußtsein nicht vollständig entschwinden, und es ist sehr 
wahrscheinlich, daß die Bezeichnung Nase für die Stiefelspitzen, die C. und 
W. Stern bei Hilde (1, 7) beobachteten, doch das frühere Erlebnis Nase wieder 
auftauchen ließ. Die Sterns gaben selbst hierfür die Erklärung: ,,sie liebt 
es in dieser Zeit, an unseren Nasen zu zupfen und entdeckte die „Zupfmöglichkeit“ 
an den Stiefelspitzen/' Sicherlich ist aber hier der eigentliche Begriff die „Zupf¬ 
möglichkeit“, und das ganze Gebilde ist doch den vollwertigen Begriffen sehr an¬ 
genähert Auch hier wird ja durch ein Wort eine bestimmte Handlungsmöglich¬ 
keit bezeichnet, nur daß es eben ein uns fremdes Begriffszeichen ist. Man müßte 

*) Auf die psychoanalytischen Beziehungen gehe ich liier nicht ein; so sind die 
Beziehungen zum Ödipuskomplex usw. vernachlässigt. 



Über Begriffe und Sätze. 


37 


nur die besondere Kraft der Abstraktion hervorheben, welche auch bewirkte, 
daß das beim Anblick von Vögeln gelernte Pip, Pip, bald auch auf Insekten ausge¬ 
dehnt wurde, ohne daß der Größen- und Formenunterschied es verhindern konnte, 
Richtiger wäre es zu sagen, das Kind abstrahiert gar nicht, sondern es richtet 
sich auf eine Dingkategorie und differenziert innerhalb dieser Dingkategorie 
nicht, für die es ein uns nicht geläufiges Begriffszeichen wählt. Auch die übrigen 
Beispiele dieser Autoren sind sehr bemerkenswert. Hilde bezeichnet die Wickel¬ 
kommode als Bichu; in einer Schublade der Kommode waren ihre Bilderbücher, 
die sie eine zeitlang mit jenem Worte forderte. Später ging dieBed eutung,,Bücher“ 
ganz verloren und nur Wickelkommode blieb bestehen. Hier ist es räumlich Nahes, 
das die gleiche Wortreaktion hervorruft. Auch durch dieses Beispiel sehen wir 
uns über die Genese des Begriffszeichens aufgeklärt. 

Die Erlebnisse unserer Kranken entsprechen den Erlebnissen der Kinder 
in sehr vieler Hinsicht. Aber die Begriffsbildungen unserer Kranken bemühen 
sich nicht um das Bezeichnen, sondern die Worte dienen der Erfassung der Dinge. 
Das Kind verwechselt wahrscheinlich doch nicht diejenigen Gegenstände, die 
es gleich bezeichnet. Unsere Kranken sind aber in Gefahr, ihren Bezeichnungen 
entsprechend zu handeln. Wahrend ferner dem Kinde ja gar nicht bewußt ist, 
daß das Wort eine bestimmte Bedeutung haben solle, wissen ja unsere Kranken 
von der Funktion des Wortes. Das sind nun freilich tiefgreifende Unterschiede, 
welche letzten Endes damit Zusammenhängen, daß das Kind die Sprache über¬ 
nimmt und die Zeichen zu lernen hat, während unsere Kranken ihre Begriffe 
außer der Tradition, ja gegen die Tradition schaffen. 

Ein Beispiel von Romanes sei eingehender besprochen: Ein Kind hatte 
beim Anblick einer Ente auf dem Wasser „quak“ gelernt, nannte bald alles Vogel - 
artige so, dann auch eine Münze, auf der ein Adler abgebildet war, endlich auch 
andere Münzen ohne Vogelprägung . . . Das Merkmal des Runden oder des Blanken 
oder des Klingenden hat sich anstelle der Vogelform mit dem Worte asso- 
ziert. Das geringe Nachklingen der ersten Wortbedeutung ist wohl nur möglich, 
wenn das Bewußtsein der Dauerfunktion der Bezeichnung nicht gegeben ist. 

Diese Beispiele aus der Kinderpsychologie zeigen auffällige Verwendungen 
der Begriffszeichen. Die mitgeteilten pathologischen Fälle weisen keine Ände¬ 
rungen in der Verwendung des Begriffszeichens auf. — Ich glaube, hier liegen wirk¬ 
lich neuartige Begriffsbildungen vor, und die Verschiedenheit gegenüber den 
Begriffen des Normalen liegt in der Besonderheit der Bildung der Begriffsgrund¬ 
lage und der Bedeutungsbeziehung. 

Bei der Untersuchung eines Begriffsgebildes wird man immer darauf achten 
müssen, ob nicht gleiche Worthülsen über verschiedene Erlebnisse gestülpt werden, 
ohne daß die Gleichheit der Bezeichnung eine innere Beziehung der Erlebnisse 
zueinander gewährleistet. 

Wer einen Begriff im Flusse des Erlebens verfolgt, ist allerdings dieser Ge¬ 
fahr gegenüber weitgehend gesichert. In unseren Fällen hat es sich gezeigt, 
daß die Wahl eines bestimmten Wortes auf sinnhafte Zusammenhänge hinweist. 
Immerhin mag es Fälle geben, in denen auch die Beziehung des Begriffszeichens 
zum Aussageinhalt gelockert ist. Klare hierhergehörige Beispiele kann man bei 
Aphasisehen finden. Es gibt wohl auch Grade der Verwirrtheit, in denen die 
Störungen der Bezeichnung so weitgehende sind, daß das früher zum Begriffs- 



38 


Über Begriffe und Sätze. 


Zeichen gehörige nicht mehr merklich mitklingt. Aber doch muß auch bei der 
Klangassoziation des verworrenen Rededranges und bei der tiefgreifendensten 
Sprachverwirrtheit die Frage auftauchen, weshalb gerade eine bestimmte Klang¬ 
assoziation zum Durchbruch kommt. 

Es war die Rede von ,,akuten Begriffsstörungen“ mit wechselnder Auffassung 
der Begriffsgrundlage. Bei der nachfolgenden ,,chronischen Begriffsstörung“ 
zeigt sich die Abänderung vorwiegend in der Begriffsgrundlage. 

Fall III. 

Aloisia Dob, geboren 1863, ledig, wurde am 3. September 1906 in die hiesige Klinik 
aufgenommen; sie war zum Polizeiamt gegangen mit der Anzeige, man habe ihrem 
Sohn die Augen ausgestochen. Gegen sie werde gehetzt. Ihre Schmuckstücke seien 
ihr entwendet worden. In der Klinik erzählte sie umständlich, weitschweifig und aus¬ 
führlich. Der Zusammenhang ist oft nicht erkennbar. Vor 2 1 / 2 Monaten hörte sie von 
oben rufen: ,,Das ist sie.“ Als sie hinaufging nachfragen, sah sie eine Karte: „Er 
ist blind.“ Das bezog sich auf ihren Sohn. Sie hat auch Äußerungen über ihren Sohn 
vom „Augenausstechen“ gehört: „Es fließt schon.“ In den Koffer habe man ihr 
eine Brosche gegeben, um sie zu verdächtigen. Ein Herr Sektionsschef habe dem 2000 fl. 
versprochen, der sie heirate. Falls sie arretiert werde, bekomme der Arretierende 
das Geld. Dieser Sektionschef habe ihr Kind zum Erben haben wollen, das sei der 
Ausgangspunkt des Ganzen. Sie hätte einen gewissen D. heiraten sollen, dieser sei 
Urheber der Verfolgungen. Sie entwickelt ein erotisches System, in dem von vielen 
Bewerbern die Rede ist. Sie berichtet von 5 Geburten. 

Am 2. XII. wurde sie neuerdings in die Klinik gebracht. Sie war wiederholt 
heim Versatzamt erschienen, um angeblich ihr gehörige Koffer abzuholen. Auf 
der Straße hatte sie die Leute sprechen gehört, ihre „Fini“ (damit meint sie ihr Geni¬ 
tale) sei abrasiert worden. In der Klinik beklagte sie sich, man beschuldige sie, sie 
ziehe den Leuten die Haut ab. Äußert sich sehr gesprächig über Verfolgungen, die 
sie zu erleiden hatte. In der Landesirrenanstalt erzählte sie, es sei davon gesprochen 
worden, man habe ihre „Fini“ rasiert und sie habe Hunde geboren. Beim Fleischer 
habe man ihre Fini anderen Personen in den Korb geworfen. Die Frau, bei der sie 
wohnte, habe eine „Hörschlange“ gehabt, mit der sie alles hörte, auch ein bekannter 
Herr habe ihr eine solche gezeigt. Bei der Stefanskirche sei sie einmal von einem alten 
Herrn betäubt worden, der sie auf decken wollte. Ein Soldat wollte sie gebrauchen, 
fiel aber um und starb. Ihre 5 Geburten seien auch auf Vergewaltigungen zurück¬ 
zuführen. Glaubt, daß ihr in der Anstalt Sendungen, die sie erhalten sollte, nicht 
ausgefolgt werden 

Ihre neuerliche Aufnahme erfolgte am 27. XI. 1918. Nach ihren Angaben auf 
dem Polizeikommissariat war sie aus der Irrenanstalt Jglau, wo sie sich 10 Jahre 
aufgehalten hatte, entwichen; hebe sie die Arme, so bekomme sie Anfälle, weil ihr 
eine Ader über das Herz gewachsen sei. Über ihr Verhalten an der Klinik ist folgendes 
zu sagen: 

Sie erwies sich stets im Wesen und Benehmen als geordnet, war freundlich, ent¬ 
gegenkommend, gab immer willig Auskunft, auch schriftlich; alle Dinge, die nicht 
in ihre Wahnideen fallen, beurteilt sie aus dem engen Gesichtskreis der Pfründnerin, 
aber sonst zutreffend. An die Gesamtsituation ist sie gut angepaßt. Ihre intellek¬ 
tuellen Leistungen bei der Intelligenzprüfung sind eher über den Durchschnitt. 
Unterschiedsfragen werden gut beantwortet. Auch Sachdefinitionen werden zu¬ 
treffend gegeben. Von den in den früheren Krankengeschichten berichteten Wahn¬ 
ideen will sie nichts wissen. Sie habe das nie gesagt. Vielleicht liege eine Personen - 
Verwechslung vor. An ihren Ideen hält sie unverbrüchlich fest, doch gewinnen sie 
keinen Einfluß auf ihr Handeln. Sie widerspricht sich bei ihren Berichten niemals, 
auch die geringfügigsten Einzelheiten werden festgehalten. Sie ist sehr produktiv 
und gliedert fast bei jeder Unterredung Neues an. Hierbei sagt sie selbst, sie müsse 
nnchdenken, ob ihr nicht etwas Neues aus ihren Erlebnissen einfnlle. Sie bringt 



über Begriffe und Sätze. 


39 


da» dann in der Weise vor, wie man Tatsachen aus dem früheren Leben wiedergibt. 
Ihr Ideengang ist durch Neologismen oft schwer verständlich, doch ergibt näheres 
Eindringen stets, daß sie Bestimmtes meint und nicht verwirrt ist. Sie hat sich vom 
19. IX. bis 27. II. mit Waschen erhalten. Aus dem körperlichen Befinden ist bemer¬ 
kenswert, daß die Pupillen etwas träge reagieren. Serum und Liquor sind jedoch 
ohne pathologischen Befund. 

1. Würmer, Magnetkind and Slavagold. Iin Jahre 1907 hatte die Patientin „Spre¬ 
cher.“ (Sie erzählt dies etwas verschämt.) Jetzt hat sie keine mehr. „Sprecher” sind 
verschiedenes. Sie müssen zu einer bestimmten Zeit gemacht werden. Es ist eine 
Kirnst. Man hört durch Gerstenkörner. Wenn einer diese Körnchen in der 
Tasche hat, so hört man denjenigen sprechen, der auch welche hat. Man kann 
sich durch diese Körner von der Ferne her verständigen. Sie versteht die Sache 
nicht recht. Die Gerstenkörner sind gewachsene Gerstenkörner; die Gerstenkörner 
müssen genommen werden, solange sie auf dem Felde stehen, dann müssen sie irgend¬ 
wie durch den Körper gehen, aber sie weiß nicht wie. Jeder, der’s versteht, kann’s 
machen. Aber es kann’s nicht jeder. Sie sah es von einem Gärtner, der hatte es aber 
von ihrem Onkel gelernt. Man muß der Seele schaffen, daß sie sich auf ein Körn¬ 
chen setzt, wenn es im zerlassenen Zustand ist. 

Es gibt außerdem kleine Kleekörnchen; in den Kleesamen muß auch etwas 
Seele festgemacht werden. Es kann dann ins Blut gehen, dort wächst es zu einem Wurm 
heran, der dem Körper nicht schadet. Man kann ihn aber aucji herausnehmen; das 
Körnchen spricht erst, wenn es größer geworden ist, es weiß nicht, daß es so klein 
ist. Es kommt sich vor wie ein Mensch. Der Kleesamen allein genügt nicht, es muß 
auch ein Mensch zerlassen w r erden. Aus diesen zerlassenen Menschen werden die 
Kleesamen dieser Art. Sie selbst ist schon wiederholt zerschmolzen worden. In diesem 
Zustand weiß sie nicht, wo sie ist und was mit ihr vorgeht, und hat alles vergessen. 
Das Zerlassenwerden ist ein Glück, wenn man dann wieder zusammengesetzt 
wird, sonst ist es der Tod. Man kann dabei auch verunstaltet werden. Zuerst muß 
ein Skorpion da sein, durch dessen Gift wird das Fleisch des Gestochenen zu Gift, 
mit dem man jeden Menschen zerlassen kann. Sie selbst ist schon wiederholt von 
Freund und Feind zerlassen worden. Einmal gab man ihr im Kaffeehaus Gift statt 
Rum, dann hingen ihr die Gedärme über den ganzen Hof. Im zerlassenen Zustand 
kann man als Knochengerüst herumlaufen. Das Fleisch liegt dann auf der Erde. 
Durch einen Tropfen Rum wird man dann wieder fest. 

Die Würmer sind aber nützlich. Man kann damit unterirdische eiserne Dampfer 
zuziehen. Es müssen immer zwei sein, Mann und Frau. Jeder muß einen Wurm haben. 
Mit den Würmern kann man schrecklich verliebt sein. Sie haben halb Daumengroße. 
Der Kleesamen kommt in einen fertigen Wurm und hält sich dort jahrelang. Er 
hält sich auch dort, wo des Herrgotts Fabriken sind, unterirdisch; dort sind auch die 
Dampfer, die man zuzieht. Damals sind auch in Floridsdorf himmlische Dampfer 
zusammengefähren. Auch die Kapitäne kann man damit aus den Dampfern heraus- 
ziehen. In den Dampfern waren seit dem Jahre 1904 Kleekömer vorrätig. Es hat sie 
neulich auch jemand anderes fabriziert, nicht nur der Mann allein. Einzelne Würmer 
wurden in Floridsdorf im Jahre 1904 gemacht und hielten sich bis zum Jahre 1918. 
Zum letzten Male hatte sie die Sprecher in Iglau. Sie hörte sie so deutlich sprechen, 
wie sie den Referenten sprechen hört. Die ganze Sache hat sie durch ihren Mann 
kennen gelernt. 

Die Würmer können auch beim Ohr oder beim Unterleib hineingegeben werden; 
auch kami der Bauch seitlich zerlassen werden. In einem derartigen Würmchen 
war sie und ihr Mann, außerdem der Floridsdorf er Selcher Spitzer und ein Hausknecht. 
Diesen schwangeren Wurm mit allen 4 Leuten bekam sie in den Kopf. Er drang wie 
eine Nadel ein. Dann haben diese Kleesamen, die im Kopfe waren, zu sprechen an- 
gefangen und kamen sich vor wie Menschen. Sie beruhigte die Seelen im Wurm, 
auch sich selbst . 

Man kann Frauen die Bauchdecke zerlassen und ein Magnetkind legen; gleich¬ 
zeitig wird Luft eingeblasen. Die Würmer sind nun teils Nährer, teils Träger. Die 
Nährer nähren das Kind, es wächst nicht, es muß Fleisch aufgesetzt werden. Die 



40 


Über Begriffe und Sätze. 


Träger tragen die schon zu Fleisch gewordene Nahrung aus der Speiseröhre und bauen 
das Kind. Die einen machen die Beine, die andern das Fleisch. Damit das Kind 
Knochen bekommt, müssen der Nahrung auch gemahlene Knochen zugesetzt werden. 
Etwa 50 Nährer bauen an dem Kind nach einem in Leibe vorgezeichneten Plane. 
Das Kind liegt dann im Körper und wird in der Gebärmutter weiter fabriziert. Im 
Iglauer Narrenhaus wollten ihr die Krieger in ihrer Aufregung solche Kinder, „Mag¬ 
netkinder“, machen. Während der Geburt dieser Magnetkinder kommt Feuer aus 
dem Geschlechtsteil. Dieses Feuer geht in die Luft, wenn man nicht aufpaßt und 
es bespritzt. Es verbrennt Gegenstände zu einer grauen Masse; aus dieser wird durch 
Bearbeitung Slavagold. Das so gemachte Kind ist ein Magnetkind. Jeder Krieger 
wollte sich ein Magnetkind machen und die Dampfer herausziehen. Magnetkinder 
hat man gewöhnlich bei Hofe. Auf diese Weise hat sie fünf gelegte Kinder gehabt. Diese 
Magnetkinder hat man ihr gegen andere vertauscht. Sie ist nicht böse darüber, 
denn Magnetkinder wachsen nicht. 

Wenn man die Seele in Mohnkömer gibt, dann wird aus diesen ein fingerlanges 
zwimdünnes Schlängelchen, das nicht so behend ist, wie die Würmer und daher zum 
Aufbau des Kindes nicht verwendet werden kann. Die Schlängelchen dringen meist 
durch die Ohren ein. Man kpnn Mohnhäuptel laufen und springen machen. Es sind 
gewachsene Mohnköpfe; der Onkel gab Seele in die Körner, ein anderer kann es aber 
aüch. 

2. Magnetklnder and Slavagold, Während ihres ersten Aufenthaltes in der Klinik 
im Jahre 1906 imd 1907 legte man ihr eine Eichkatze. Diese Katze schützt gegen das 
Slavafeuer. Man legte ihr das in den Körper; es brauchte 4 Monate. Dann kommt wieder 
die Periode. Vorher hatte sie anstelle der Periode eine Geschwulst der Backe und 
Zahnschmerzen. Das dauerte immer 3Tage. Sie hatte drei Mal solche Eichkätzchen. Sie 
werden von Feuerwerkern gesucht, weil sie gegen Feuer schützen. Einmal war sie in 
einer Tanzschule, da brach Feuer aus, sie konnte — das war itfi Jahre 1893 — ohne 
Schaden durch Feuer gehen. Die Katze, etw^a fingerlang, mit buschigem Schwanz, 
läuft hin und her und schützt so gegen das Feuer, das bei der Geburt des Magnet - 
kindes aus dem Genitale kommt. In der Tanzschule — es war auch Josefs Braut 
dort — rettete das Katzerl alle. Deshalb ist das Eichkatzerl bei der Gewinnung 
des Slavagoldes nötig. Man hat ihr die Katzerln entwendet. 

Wenn ein Kind gelegt wird, ist das eigene Blut weg. Die schwarzen Würmer scheuen 
sich vor dem fließenden Blut. Nachher bekommt man Blut von den Männern, die 
das Magnet kind legen. 

An der Arbeit am Magnetkind muß eine Schnecke und ein grüner Käfer beteiligt 
sein; es ist eine förmliche Fabrik, manchmal konnte sie hineinsehen. 

Bei allen ihren Kindern wurde ihr Slavagold in den Körper gepumpt. Sie hat 
nur mit einem Mann zu tun gehabt. Alle anderen Kinder sind gelegt. Beim Legen 
eines Kindes wird Luft eingeblasen. Früher muß schon eine Ader im Kopf gesprengt 
werden. Dann kommt die Seele auf das Magnet kind, läßt einen Teil zurück, und geht 
dann wieder in den Kopf. Manchmal gibt man auch ein bissei Seele von einem Mann. 
Die Frau, welche die Seele daraufläßt, wird als Weltregentin angerufen. Durch die 
Seele wird die Slava menschlich, sie hat menschliche Fühlung in sich. Das können 
auch Frauen machen. Die heiße Luft kommt dann früher aus dem Körper, als das 
Kind. Man kann die Luft auch in kleinen Teilen aus dem Körper lassen. Die Frau 
wird auf ein Bett geschnallt, den Kopf nach hinten, das Becken in die Höhe. Es 
kommen verschiedene Stücke Goldes heraus; die Frau muß dann wieder zugedeckt 
werden. Zweimal war ihr Körper entführt. Sie hatte zwei Kinder, ohne es zu wissen. 
Das hat der falsche Mann gemacht. 

Das erste Kind gebar sie auf dem Lande, das Feuer kam im Hofe mit dem Gebär- 
blut heraus. Wenn das Feuer nicht bespritzt wird, fliegt es fort. Sie mußte auf den 
Boden klettern, um es zu bespritzen. Einmal gebar sie im Gebär haus Feuer, ohne 
schwanger zu sein. Alles fing zu brennen an. Was das Feuer berührte, wrurde zu einer 
grauen Masse, die zu Gold verarbeitbar ist. In Floridsdorf war die Entbindung in 
einem Keller; ein kleiner Doktor war bei ihr. Das Feuer wurde vom Kellerfenster aus 
bespritzt. 



Über Begriffe und Sätze. 


41 


Slava ist in den Kammern unten, es ist das Feuergold, das Rumgold. Vor jeder 
Geburt ist ein Stück unten in der Kammer. Erst muß die Ader im Kopf bestreut 
werden (9. XII.), sie wird gesprengt, das Kind wird dann mit Seele begabt, ebenso 
das Slavagold. Das Gold hält sich für einen Menschen; das Gold ist im wesentlichen 
unten; nur weniges ist oben. Beim Hineinlassen muß dem Gold der Namen einer 
Stadt gegeben werden. Ein Mann muß mit einer Frau beisammen sein. (Bei ihr 
war’s ein Böhme.) Die erste Slava war Prag, dann war Wien, Paris, Frankfurt a. M. 
und Venedig, das letzte war Lissabon; das hat sie jedoch nicht ausgetragen. Nach 
der Geburt wurde von einer Stadt zur anderen ein Haus umgeschoben: sonst hat die 
Slava keine solche Stärke. Die Slava mußte bedient werden bei ihr von einem Böhmen. 
Das mußte jede Woche einmal geschehen. Der Böhme war bei der Frau, er bediente 
sie. Bei der Frau war der ganze Mann. Die Slava, welche die Seele der Frau ist, sieht 
die zwei Menschen durch die Erde. Sie sieht eigentlich nur auf das Glied des Mannes 
und bemerkt es als ganzen Menschen. Das dauerte nur immer einige Sekunden, aber 
die Slava war zufrieden. Wenn jemand anderes als der Böhme eindrang, so fühlte das 
die Slava wie Stacheln. Die Slava zieht das Eisen an sich; dann mußten alle Wagen 
herumfahi-en. Wenn die Wagen stehen, so fallen alle die in die Erde, weiche stark 
magnetisch sind. Sie müsser deshalb auf Holz gestellt werden. Das befiehlt die 
Polizei immer dann, wenn die Slava aus dem Körper kommt. Das Herumfahren 
dauert gewöhnlich zwei Tage. Einmal —im 93 er Jahre — war sie beleidigt, weil ihr 
alles nachfuhr: Wagerln und Wagen. Die Wagen regten sie auf und sie kam ins Landes¬ 
gericht. Die Slava ist als bespritztes Feuer eine graue Masse, wird aber wieder um¬ 
gearbeitet; es ist in unterirdischen Kammern am Plafond. Wenn jedoch Magneto 
an der Seite sind, geht die Slava dorthin. Die Slava zieht Eisen an sich. 

8« Lebenslauf und Famlllenbezlehnngen. Von ihrer Geburt wisse sie nichts 
Merkwürdiges. Ilir Vater war Müller. Die Mühle war weit von der Schule entfernt , 
dort hat sie nicht viel gelernt; andere Schulen hat sie nicht besucht, doch hat sie 
Romane und Weibergeschichten später gerne gelesen. Ein Onkel aus Jaroslau (sie 
schwankt ob dieser Onkel Bruder des Vaters oder Bruder der Mutter war) kam oft zu 
Besuche und brachte den Kindern oft etwas mit. Dieser Onkel und ihre Mutter haben 
Geisterarbeiten verrichtet. Sie waren alte Bekannte. Der Onkel hieß bald Do- 
brolwolny, bald Nalmann, er änderte dann auch immer sein Aussehen. Ein Bruder 
der Mutter hatte Weinkellereien. Der Vater leitete eine gewöhnliche Mühle. Er 
war in seiner Arbeit sehr tüchtig. Sein Kopf wurde nach dem Tode samt der Seele 
aufgehoben. Er starb im Jahre 1871. Er war im Krieg, ist verwundet worden. Die 
Seele und den Kopf des Vaters hat man ihr weggetragen; er war zuletzt in einem 
Teich. Trotzdem der Kopf noch lebte, galt die Mutter zuletzt als Witwe. Auch 
vom Onkel war schließlich nur mehr der Kopf da. Er wird vom Körper herunter- 
gehoben, und jemand anderes setzt sich darauf. Sie hat einen Bruder und eine 
Schwester; onaniert hat sie nicht, weil die Mutter es verbot mit dem Hinweis, daß 
sie Josef bekommen werde. 

Mit 14 Jahren wurde sie zum ersten Mal verzaubert. Aus den Augen nahm man 
Licht, und gab es einem kleinen zwei Spannen großen Pupperl. Es waren zwei lebende 
Pupperln, eine Dame und ein Herr, und die beiden machten Theater. Die Mutter stellte 
ihr diese Puppen als ihre Geschwister vor. Sie hat sie mit dem Onkel gemacht. Viel¬ 
leicht waren sie Mann und Frau. Da offenbar aus ihren Augen zu viel Licht für die 
Pupperln genommen wurde, so sieht sie jetzt mit einem Auge schlechter. Das Fleisch 
zu den Puppen nahm man vom Bruder und von ihr, sie weiß nicht auf welche Weise. 
Ks gibt Weltkugeln, auch Durchsichtskugeln genannt; wenn man durch diese 
durchsieht, sieht man Menschen, die schon mit Gift zu tun hatten, schwarz, andere 
sieht man gar nicht. Und sie selbst war immer weiß. Durchsichtskugeln stellt man 
in folgender Weise her: Außen ist Glas, imd man gibt eine schleimige Masse hinein, 
die aus der Nase kommt, und außerdem Frauenbutter. Die schleimige Masse wird 
auch als lebendiges Wasser bezeichnet. Jetzt gibt es schon viele „schwarze“, bereits 
zerlassene Menschen; zuerst konnten nur sie und die Propheten zerlassen, jetzt können 
es andere Leute auch schon. Daß sie weiß war, gab einen Anhaltspunkt für fliegende 
( Jeister, für die Schlangen und Krähen, welche die Macht haben, unterirdisch zu 



42 


Über Begriffe und Sätze. 


arbeiten. Die beiden Puppen nahm eine Frau Trojan weg und machte damit Theater. 
Diese kleinen Figuren waren auch bei Hofe, dort dienten sie auch als Ärzte; sie kamen 
in den Körper hinein und operierten dort. Sie gehen durch die Geschlechtsöffnung, 
so wie die großen Ärzte bei Schwangeren ja auch manchmal Eingriffe machen müssen. 
Meistens hat der kleine bei dem Slavafeuer operiert, wo ja so manches gelenkt werden 
muß. Die Geister, die auf sie zukamen, weil sie durch die Weltkugel weiß gesehen wurde 
waren Geister aller Art. Auch ihr Onkel und ihre Mutter haben solche Geisterarbeit 
verrichtet. Geisterarbeiten sind z. B. die Herstellung von Gold, Silber und Stoffen. 

5. XII. Geister sind wohl schon bei ihrer Geburt gewesen, aber sie weiß nichts 
davon. Sie ist wahrscheinlich schon von Kind auf besonders vorbereitet zu geistiger 
Arbeit. Ein derartiges Kind kommt während der Schwangerschaft als Geist plötzlich 
aus der Frau heraus und geht in den Mann hinein, dann geht es wieder in die Frau 
zurück. Hierdurch wird das Kind für Durchflugszwecke geeignet. Die Seele von 
Kindern kann man herausnehmen, die Geister legen dann ihre eigene Seele hinein. 
Mit manchen von ihren Kindern hat man es auch gemacht. 

Als sie ein Mädchen von 14 Jahren war, entdeckte der Onkel eine Petroleumquelle 
in Amerika und verdiente Millionen. Die Firma nannte er Vanderbilt. Er erzeugte 
auch Lampen, für die Millionen eüikamen. Der Onkel mußte das Petroleum machen. 
Ein großer See in Schanghai verwandelte sich in Petroleum und auch das diesem 
See zufließende Wasser wurde Petroleum. Sie flog damals mit dem Onkel durch 
Meer und Erde nach Amerika und von dort wieder zurück. Sie goß das erste Faß mit 
Petroleum voll. Dann nahm der Onkel Arbeiter. Der Onkel mit den anderen Arbeitern, 
genannt Propheten, machte alles nach ihren Angaben, vielleicht folgte er ihr deshalb, 
weil er sie zur Frau wollte. Vielleicht hat er sie sogar schon zur Frau gehabt. Das 
wird ja nur eingetragen. Es sind dann Betrügereien vor gekommen, so daß sie sitzen 
blieb. Der Onkel wollte einen Mann für sie haben, der mußte unter dem gleichen 
Himmelszeichen geboren w r erden wie sie. Sie ging in mehrere Kirchen suchen. Sie 
fand einen solchen Mann. Er fragte, ob sie ihn wollte, sie sagte ja, wußte aber nicht, 
um was es sich handelte. Sie wurden dann beide auf geschrieben. Beide glaubten nicht 
recht daran. Als man ihr dann den Josef geben wollte, ging jener andere Mann da¬ 
zwischen und zerstörte alles. Man unterschob ihr an Stelle des Josef einen anderen 
Mann, der nur das Slavagold haben wollte und dem Josef an ihrer Stelle eine andere 
Frau. Die Mutter wmrde getäuscht; zweimal gab ihr die Mutter Gift, damit sie schöner 
würde. Andere Leute erfuhren von ihrer Verschönerung, entzogen ihr alles. Der 
falsche Mann kam zu ihr. Er wollte nur die ganze Kunst auskundschaften. 
Zweimal flog sie mit dem Drachen nach Amerika. Auf den Namen Vanderbilt sind 
noch viele Millionen angelegt, davon sind in der Länderbank 10 Millionen. Sie mußte 
den letzten Frieden unterzeichnen. Das w'ar nach dem serbisch-französischen Krieg 
im Jahre 1893. Damals w r urde alles von dem Vanderbilt’schen Gelde bestritten. 
Damals brachte der Onkel den Mann, der unter den gleichen Himmelszeichen geboren 
war wie sie. Da er sich sträubte, ließ der Onkel einen anderen Mann unterzeichnen. 
Dann kam von dem Vanderbilt'sehen Gelde etw^as in die Länderbank. „Könnte man 
das Geld irgendwie beheben,damit ich es gut habe ? Das ist ein sehr wichtiger Pimkt !‘ k 

Sie ist durch das Entnehmen des Lichtes geschwächt. Wenn sie auf flog, wußte 
sie nichts Genaues mehr, wenn sie zurückkam. Das erste Kind, das sie im Hospiz 
gebar, w r ar ein Knabe; die Seele desselben gehörte ihr aber nicht. Der zweite Knabe 
hatte einen großen Knochenkopf; mit diesem wellte sich auch der Onkel ausheilen. 
Das Kind hatte einen Gummianzug an. So mußte es wachsen. Die Glieder des so 
gewachsenen Kindes kann man zu Heilzwecken verwenden; die sich so heilen, die 
sagen dann, sie hätten ein Bad gehabt. 

Ihr Stuhlgang war immer in Ordnung, ebenso das Wasserlassen. Ihre Träume» 
gingen oftmals in Erfüllung; jetzt träumt sie nicht mehr. Den Tod ihres Kindes sah 
sie im Traum voraus. Vorübergehend war sie als Mami angezogen. Es würde ihre 
Seele in einen Mann gelegt und dann wdeder in ihren Körper zurück; das dauerte jedoch 
nicht lange. Außerdem ist sie bei solchen Sachen schlecht bei Sinnen. In Iglau hat 
man ihr Gepäck, einen Koffer mit Kleidern, unterschlagen. Vor 10 Jahren hat sie 
die Gebärmutter verloren. Drei Frauen haben sie ihr zum Goldmachen herausgenom- 



Über Begriffe und Sätze. 


43 


men. Die Schwester hat jedem geholfen, sie lehrte jeden die Kunst, alles zu erzeugen, 
z. B. Stoffe. Sie wurde von den Leuten zu viel beschäftigt; vielleicht ist sie daran 
gestorben. 

4. Fabriken des Onkels. Ihr Onkel verstand es, Weizen- und Gerstenkörner 
und alles zu machen; er lieferte sie allen Anstalten. Ihr Vater mußte dabei mit - 
helfen, weil dabei mehrere sein müssen. Auch das Militärgewand wurde in einer 
großen Maschine fertiggemacht. Das Korn wurde auf einer künstlichen Mühle 
gemahlen; die Mühle ist 1904 versunken, und erst jetzt hat man das letzte Mehl 
verbraucht. Damals wurde die ganze Welt aus der Mühle versorgt. Der Onkel 
war ein mehrere hundert Jahre alter Mann, der sich an den Kindern, die er 
zeugte, fortwährend vergnügte; er legte seine Seele in das arbeitsfähige Kind. 
Das Mehl war ein normales Mehl, aus dem man die feinsten Kipfeln machen 
kann. Der Onkel lebt jetzt nicht mehr, es sind verschiedene Geister aufge¬ 
kommen. Der Onkel konnte jederlei Verarbeitung von Rohstoffen durchführen, 
konnte Papier, Malerei, Blech und anderes machen. Das ganze Material der alten 
Anstalten ist von ihm geliefert . Er hat auch Webereien erzeugt . Die Webereimaschine 
w'ird in folgender Weise gemacht. Es sind 4 Stöcke, die inwendig elektrische Drähte 
haben. Unten ist eine magnetische Spitze, in der Gift ist, das direkt von einem Skor¬ 
pion stammt. Auf 3 Füßen steht ein Kalligraph. Durch diesen sieht man auf die 
Erde. Eine Schüssel geschmolzenes Gold und Eisen und Knochen müssen dabei sein. 
Ebenso ein Käferl und ein Wurm. Der Wurm liegt an dem Stoff und der Stoff wird 
so breit als der Wurm lang ist. Der Wurm dehnt sich dabei aus. Durch Goldsand, der 
sich wie ein Mückenschwarm bewegt, geht das Menschenfleisch, aus diesem wird dann 
Stoff. Ein unreifes, 3 Monate altes Kind wird noch im Körper der Frau in ein drei¬ 
eckiges Blech eingesteckt und liegt auch dabei. Ein zwaiter Wurm läuft herum. 
Es sind auch Käfer da, die gemacht werden müssen und zwar in folgender Weise: 
Der Same des Mannes kommt in die Frau, wird wieder entnommen und wird dann 
zu Käfern; sie kommen dann in eine siebartig durchlochte Metallhand, und werden 
dort lebend. Aus manchen Käfern, die Hörner haben, macht man den Skorpion. 
Sie hat manches derartiges schon in der Brust gehabt. 

5* Unterirdisches. Unter der Erde sind geschlossene Schiffe, die w r erden durch den 
Magneten angezogen, wenn sie vorher mit dem Magneten angestrichen werden. In den 
Schiffen werden die verschiedensten Gebrauchsgegenstände erzeugt; manche sind sehr 
groß. Die ,,Titanic** ist ein solches versunkenes Schiff. Im Jahre 1893 — zur Zeit als 
das Vermögen in die Länderbank eingelegt wurde — wurde ein Schiff „Meteor“ einge¬ 
richtet. Dieses Schiff hat der Onkel Elias — ein anderer Onkel — gewidmet. (Dieser 
Onkel hatte das Hotel Sacher; sie hätte 1883 hinkommen sollen, ist aber dummer¬ 
weise nicht hingegangen.) In dem Schiffe wird alles erzeugt. Die Schiffe sind unter 
Wasser auf der Erde; das Wasser ist dort versalzen, auch ist dort Eisen. In den Schiffen 
sind Öffnungen. Dort kann man ohne weiteres gedörrtes Gemüse hersteilen. Das 
Magnetkind ist im Kasten, in dem sich die Würmer aufhalten. Wenn die Würmer ins 
Magnetkind gehen, gehen die Schiffe nach. Vor den Schiffen weicht alles zurück, 
so daß sie auch durch die Erde kommen. In den Schiffen sind Stoffe, Gold und Silber. 
Schiffe versinken, wenn man die dreifüßige magnetische Maschine auf die Erde stellt, 
so war es bei der Titanic. Sie hat das schon oft gesehen, zuletzt im Jahre 1907. Da¬ 
mals sah sie von Mähren aus, wie die Maschine die „Titanic“ zum Sinken brachte. 

6. Kosmogonie und Kosmologie. Im Jahre 1877, noch bevor die Geschichte 
mit Vanderbilt war, wurde sie von einem alten Herrn, der ein alter Prophet 
war, einst auf eine grüne Wiese mitgenommen, die voll von Dunst war, als ob 
ein kochender Kessel geöffnet wurde. Dort war ein Holzverschlag, in dem schwan¬ 
gere Frauen waren, ein Huhn und ein Schaf. Das Schaf war ein Ernährerschaf 
und enthielt Milch. Das Huhn gab Eier. Eigentlich sind das Schaf und die 
Hühner Menschen; auch Kunsthonig wurde gemacht. Das war eine noch kleine 
Welt, welche durch die Geburten festgehalten und vergrößert wurde. Die Kinder¬ 
körper werden der Erde einverleibt. Alle Welten sind so aus Menschenfleisch 
gebaut. Wenn ein Mensch verwelkt, kommt aus dem Kopf ein langer Wurm 



44 


über Begriffe und Sätze. 


heraus. Diesen hebt man auf. Die Köpfchen werden der Erde nicht ein verleibt; 
man zieht sie auf die Oberfläche, indem die Halssehne verlängert wird. Aus 
den Öffnungen des Kopfes, wie Mund, Nase und Ohren, wachsen Blumen, meist 
solche haltbarer Art, die sich überall finden. Wenn eine Frau entbindet, erweitert 
sich das Firmament unter donnerähnlichem Ge krach. Auch eine Sonne ist schon 
dort. Das ist eine Knochenplatte von der Dicke einer Handbreite und 2 Meter Breite. 
Dieses Kaolin wird von den alten Herren gemacht. Dann kommt es in eine große 
Schlange. Die Schlange liegt im Bach. Das Ganze dauert einige Momente. Glas 
kann man mit solchem Kaolin auch erzeugen. Wenn der Kaolinstein in der gut ge¬ 
fütterten Schlange fertig geworden ist, kann er allenfalls auch in Stücken heraus- 
genommen werden. Diese Stücke werden dann wieder zusammengefügt. Der Kaolin - 
stein wird dann nach Belieben geformt. Für eine Weltschöpfung bereitet man zwei 
bis drei solche Steine bevor. Wenn der Kaolinstein draußen ist, wirft er Schein und 
ist eine Sonne. Den Kaolinstein kann ein Onkel und ein Cousin aus Floridsdorf 
machen. Der alte Mann befahl in der neuen Welt, und alle mußten ihm folgen. An 
der Unterfläche des Kaolinsteines liegt die Riesenschlange, die sich bewegt. Hierdurch 
wird die Platte so heiß, daß man darauf kochen kann. Die Sonne liegt dann zwischen 
Meer und Erde als flache Scheibe, und am Firmament sind Goldwege, diese geben dann 
den Schein. Man glaubt, am Firmament sei ein gelbes Blut, aber es ist eigentlich 
gemachtes Gold, das zu dem andern Gold Zuzüglichkeit haben muß. Mit dem, was 
auf dem Kaolinstein gekocht wird, hat der alte Mann die Köpfchen begossen; dadurch 
werden die Kinder schon mit sechs Jahren erwachsen, und es ist mehr Stoff für die Erde 
da. Am Beginne einer Weltschöpfung müssen Walfischhäute 1 ) und ein Luftballon 
vorhanden sein. In einem Schiff ist ein viereckiger Raum mit magnetischen Füßen, 
das Schiff dreht sich. Außen sind die Häute. 

28. XII. Die kleine Welt dreht sich in der Luft um die Weltachse, die durch Hutsch - 
bewegungen magisch in Betrieb erhalten wird. 8. XII. Dann wird gewebt und aus 
Menschenfleisch gemachte Erde hinzugetan. Wenn sie größer wird, koimnen die 
schwangeren Frauen. 

Oben am Firmament ist Mist. Es sieht ja nur so blau aus, ist aber schmutzig, 
manchmal sind auch Hüte dort. Dahinter ist versalzener Dunst, eine versalzte Masse, 
welche von Wölfen, die man hinaufgetan hat, fest erhalten wird. 6. XII. Diesen 
Wölfen muß man Nahrung geben; sie wollen jeden zerreißen. Sobald sie jedoch 
mit Urin bespritzt werden oder von selbst mit Urin naß werden, so werden sie steif, 
denn ihr Inneres besteht aus zerlassenem Lindenholz; es sind Kunsttiere. Ihre Häute 
kommen von Hunden, ihre Sehnen meist vom Menschen, der Kopf vom Löwen oder 
Tiger. Das Fleisch ist weiches Holz. Dieses ist wertvoll und kann zu verschiedenen 
Gußformen verwendet werden. Aus einem ihrer Mädchen wurde auch ein Wolf ge¬ 
macht, der sich auch in einem Torpedo auf hält. Die Tiere nähren sich von aus Fleisch 
gemachten Ziegeln, sie hat das wiederholt gesehen. Wenn man so einen durch Urin 
steif gewordenen Wolf mit Hirschhorn berührt — Hirschhorn macht jedes Holz 
weich — so wird er wieder weich. Wölfe sind auch da beim Erzeugen des Honigs. 
Der alte Mann reicht Speise. Dann wird in Gegenwart eines hierzu aufgehobenen 
20 Zentimeter langen Wurmes Honig aus dessen Stuhle, der dann ebenso gut, ja 
besser als natürlicher schmeckt, genommen. Der Wolf zieht den schlechten Geruch 
an sich. 

Ein Meer war damals auch eingelegt, ein Biber ochse hat es festgetreten, damit 
der Boden sich nicht aufrichtet. Biber sind Ochsen mit einem Horn auf dem Rüssel, 
sie sind Menschenfresser. Ihr Hauptquartier ist auf dem Eismeer. Ein solcher war 
dort als Schutz gegen die heiße Sonne. Man konnte sich in diesen Schatten aufhalten, 
denn Bäume und andere schattenspendende Gegenstände waren dort noch nicht, 
und die Sonne brannte schon sehr heiß. 

Ein Boshafter kann die Welt ruinieren, indem er die Magnetfüße wegschmeißt. 


*) Zu diesem Festhalten sind die Walfischhäute nötig. Das Salz ist eigentlich 
\\ asser und könnte durch einen Tropfen Frauenmilch zum Schmelzen gebracht werden. 
Dann müßte die ganze Welt ertrinken (8. XTI.) 


Über Begriffe und Sätze. 45 

Dann stürzt die Welt hinunter; in Büchern, die sie in Iglau sah, war das alles be¬ 
schrieben. 

Sie hat gehört, daß ihr Geschlecht schon vor vielen tausenden Jahren gelebt hat, 
und daß es die Welt gemacht hat. Der Onkel war 1400 Jahre alt, ein anderer 500. 
Schon zwei neue Welten sollten gemacht werden, sie waren an gefangen und stürzten 
herab. Es soll kein Platz mehr für neue Welten sein. 

Sterne sind aus verschiedenem Gold. Durch die Fernrohre ziehen die Sterngucker 
die Sterne herauf und herunter. 

Kometen sind Damenkleider mit langer Schleppe, voll mit goldenen Sternen. 
Wenn man ein Himmelszeichen will, so steigen die Weltmacher auf das Firmament 
hinauf, ziehen dieses glänzende Kleid an, und ziehen so die Schleppe nach. 

Der Mond ist eine Silberplatte in der Erde. Er muß auch mit Schlangen gemacht 
werden. Schlangen müssen daran lecken, damit er Glanz hat. Der Mond am Himmel 
ist nur ein Widerschein des Glanzes unter der Erde. Die Mondphasen kommen von 
der Weltbewegung. 

Wenn bestimmte Menschenaugen bei Salzmilch liegen, nach oben gewendet, so 
ist Tag: wendet man sie nach unten, so ist Nacht. So kann man auch in einem Haus 
ohne Fenster Tageslicht machen. Salzmilch ist Menschenmilch. Man muß in der Brust 
einen kleinen gemachten Frosch haben, und ein Fischchen und eine ,,Zwirnschlange“. 
Mit dieser Milch müssen die Augen benetzt sein. 

7. Gold und Erde. Der grosse FestfUg. Die Erde ist eine Kugel mit sehr vielen 
unterirdischen Kammern. Iglau ist durch solche Kammern unterminiert. In 
den Kammern erzeugen die Geister alles mögliche, sie müssen Goldwände haben, 
dann hält sich alles. Durch die ganzen Jahre wurden Eßwären, Mehl, Schmalz, 
Powidl aus solchen Kammern genommen. Das Geld muß in solche Kammern 
hineingelegt werden. Es wird mit Gift zerlassen und kann dann gegossen werden. 
Onkel, Mutter und Cousine haben das Goldmachen bedient. Es wird Gift in 
Bretter gegossen, und in 25 Jahren wird daraus ein Sand, der Gold ist. Das Gift 
entsteht aus einem Menschen, der von einem Skorpion gestochen wurde und zer¬ 
fließt. Auch Vögel, Blumen und der Wald machen Gold. Die Würmer müssen in 
ein Gefäß mit Gift kommen; die Würmer saugen sich mit Gift an und tauchen in 
dem hohlen Stengel bestimmter Blumen auf und ab und benetzen die Innenfläche. 
Sie laufen in 4 bis 5 blättrigen Rosen, die unter einem Lindenbaum stehen, und deren 
Stengel einen Durchmesser von etwa 1 / t Zentimeter haben. Das Nasse trocknet dann 
ein, wird schwarz, ist aber Gold, das nur geputzt werden muß. Wenn der Wurm noch 
lebt, kann er noch andere Blumen bedienen. Dieses Blumengold ist verschieden 
vom Slavagold. Schlangen tragen Gift auf, lecken es wieder ab und erzeugen damit 
aus ziehen de s Gold. Brettergold wird durch Bespritzen von Brettern mit einer 
giftgefüllten Spielereispritze gemacht. Das Gift ist zerschmolzenes Menschenfleisch. 
Jedoch nur das Slavagold hält die Erde zusammen. 

Im Sommer 1917 kamen die fliegenden Geister, Krähe und Schlange, zu ihren 
Fenstern und sprachen davon, daß viel Gold aus den unterirdischen Kammern 
herausgetragen sei, deshalb sei es nötig, frisches zu erzeugen. Zu diesem Zwecke — 
um der Welt die Notwendigkeit der Slava zu demonstrieren — machten sie einen 
Festzug. Einige Herren taten, was jene befahlen, der Festzug fuhr durch Iglau und 
dann durch die Erde nach Paris. Der Festzug war nur ein Antrag, Slavagold zu 
machen. Es sollte das Bestehen einer solchen Macht gezeigt werden; zur Fabrikation 
des Slavagoldes muß die ganze Erde Zusammenhalten. Dort, wo das Slavagold sich 
nicht hält, muß man auf das Slavagold springen und auf- und abgehen, damit die Erde 
nicht schütter wird. Im Kriege fuhren die eisernen Säbel in die Erde. Die Erde war 
gebrochen durch die magnetischen Sachen, die hineingezogen wurden. Oft ist die 
Munition auch Gold. Dadurch ist die Erde in schlechtem Zustand. Bei dem Festzug 
war auf dem Wagen eine Verzierung von Slavagold. Die Wagen w r aren sehr wertvoll. 
Die Wagen wurden von dem unterirdischen Slavagold angezogen. Beim Festzug 
waren sämtliche Menschen, die zur Erzeugung des Slavagoldes nötig sind. Sie saß 
auf dem ersten Wagen, hatte eine kleine Maschine auf dem Schoß, eine Feinmühle, 
in der Knochen zermahlen wurden, damit w'ieder Material zum Aufbau des Magnet- 



46 


Über Begriffe und Sätze. 


kindes vorhanden sei. In den Walzen dieser Maschine sind Menschenseelen, die alles 
fühlen, was man mit der Maschine macht, als ob die Maschine im Kopfe wäre. Wenn 
diese Maschine in der Erde ist, sieht man alle Toten, die in der letzten Zeit gestorben 
sind. Das sieht aber nur derjenige, der mit der Maschine in Berührung kommt. 
Es waren im Ganzen 365 Ochsen, 52 Rosse und 4 Wagen mit 2 Paar Pferden bespannt. 
(Die Geister wählten 365 und 52 mit Rücksicht auf die Zahl der Tage und Wochen 
im Jahre.) In den Wagen waren zahme Katzen. Jeder Wagen war mit Kaolinzapfen 
von 15 Zentimeter Länge, in zwei Reihen angeordnet, verziert. Bei den Pferden und 
Ochsen gingen Soldaten, bei den Wagen eine geputzte Bäuerin. Der erste Wagen 
war nur mit zwei Paar Pferden bespannt, sie saß auf ihm. In lglau fuhren sie in zwei 
Häuser ein. Die Haustore öffneten sich von selbst. Dann ging es nach Paris. Von 
Paris aus ging der Festzug in die Berge nach lglau, wo die Wagen aufgehoben wurden. 
Sie hatte eine Brosche mit 2 Goldkugeln aus Slavagold. Wenn sie die Finger spreizte, 
dann gingen die Kugeln auseinander und die Gewehrläufe, die gegen sie angelegt wur¬ 
den, zersprangen. Das Slavagold hält magnetische Gegenstände fest. Das Gold ist : 
„zuziehend.“ Die Städte zahlen für das „Bedienen “der Erde. Man geht mit einem Stück¬ 
chen Gold herum. Das muß alle 3 Wochen geschehen. Die Rathäuser zahlen dafür. 
In Paris war damals die Erde sehr schütter, weil man zu viel Gold zwecks Verarbeitung 
zu Geld herausgenommen hatte. Ihre Schwester hatte zuziehende Seelen, und nahm 
damit das Gold aus den Juwelierläden und gab es der Erde wieder. 

Zwischen den Häusern in zwei verschiedenen Städten sind goldene Drähte ge¬ 
spannt, die Wege sind mit Knochenmehl bestreut. In der Mitte sind 2 Riesenschlangen, 
die sich ineinander einhecken und sich drehen, sie führen die Häuser mit. Die kleinen 
Geister, welche die Gebärerin der Slava als Weltregentin begrüßen (Eichkätzchen), 
gehen durch die Öffnungen, wo die Häuser gehoben werden, hin und her und machen 
auch die Festigkeit. Sie dienen der Welt, ohne es zu wissen; oft sagten sie, daß sie 
sich so plagten! Doch sie sagten, sie täten es gerne. Dort, wo die verschobenen Häuser 
waren, laufen die Tierchen, Eichkatzen und Füchse, vermischte Tiere, auch die Krähe, 
hin und her und halten die Erde fest. Sie müssen von dieser Slava den Geruch an sich 
haben. Sie dienen der Erde auch durch das Durchkommen durch die Erde und sind 
besser als ein großer Mensch. 

8. Die Spaltung der Erde« Einmal wurde in den .neunziger Jahren die Erde, das 
Wasser und ein Schiff gespalten. Sie hatte einen Säbel angegriffen, den sie nicht hätte 
angreifen sollen. Er ging durch den Körper und spaltete sie entzwei. Der Säbel ist rohes, 
fließendes, zerlassenes Gold. Meist war dieser Säbel unterirdisch in einer Kammer der 
Hofburg. Wenn man den Säbel umdreht, werden oben Häuser geschoben; er ging durch 
den Körper, teilte sie entzwei. Der Säbel gehörte den Onkeln, w elche die Schiffe bauten. 
Sie wurde in eine vordere und in eine hintere Öffnung geteilt. Die eine Hälfte war 
von der anderen bereits 5 Schritte weit entfernt. Dann faltete sie die Hände, man 
half ihr, und sie, das Schiff, die Erde und das Wasser vereinigten sich wieder. Damals 
hatte sie auch einen Geist, der ihr so verloren ging; man raubte ihr ihn. Er saß auf 
einem goldenen Schemel in der Brust. Dieser Geist ist der mächtigste auf der Welt. 
Ist nur ein „Blaserl“, das inwendig aus Schlangen und Würmern zusammengesezt 
ist. Wenn man den Mund aufmacht, fliegt er heraus. In dem Geist sind starke Würmer, 
die Gefühle wie ein Mensch haben, sie lassen sich Heilige nennen. Wenn man gedanken¬ 
los ist, beachtet man sie nicht, dann gehen sie zu Grunde. 

9. Seelen« Die Seele ist unter dem Vergrößerungsglas etwa nußgroß und besteht 
aus lauter Punkten. In Wirklichkeit ist sie kleiner und sitzt an der Seelenader, 
welche die Augen verbindet. Die Seele kam*», ohne daß man etw^as spürt, beliebig 
geteilt werden. Eine fremde Seele kann durch die Augen ins Gehirn kommen, oder 
auch durchs Ohr. 

Sie weiß nicht genau, w T ie die Menschen entstanden sind. Sie werden w r ohl gewebt. 
Die Seelen bleiben. Man kann aber auch die Seelen ankleben und dann verbrennen. 
So kleben am Firmament Seelen an und verderben. Wenn ein Mensch stirbt, wird die 
Seele mit ihm begraben und bleibt in dem Toten. Wenn man ein Auge zudrückt oder 
<»in Loch in den Kopf schlägt, dann tritt sie hinaus. Man kann beim Sterben die Seele 



über Begriffe und Sätze. 


47 


retten, wenn man sie anderswohin gibt. Ein Bruder von ihr arbeitete in Wien. Er 
hat einen Geist gehabt, der half ihm bei der Arbeit. Der eine Geist war eine große 
Schlange, der andere eine Krähe. Die Krähe ist die halbe Seele von ihr. Als sie irn 
Jahre 1893 ein Slavakind bekam — und das kleine Pupperl war als Doktor dabei — 
kam sie ins Landesgericht, dort wurde von einem Cousin ihre Seele geteilt und die 
Hälfte der Krähe gegeben, die jetzt alles arbeiten konnte. Vor zwei Jahren im Sommer 
hat jemand die Seele verletzt. Die andere Hälfte der Seele hat sie im Kopf. Im 
Kopfe bleibt der weniger mutige Teil. Sie hat manchmal so ein Vergessen. Die Denk- 
seele die wird weg sein. Eine Krähe sagte ihr, sie sei es selbst. Bei dem Weben geht 
jedesmal mit dem Weben etwas ab. Mäuschen und Würmer haben auch einen kleinen 
Teil der Seele. Auch an die Slava und die Magnetkinder hat sie Seele abgegeben. 
Ihre Seele ist jetzt nur mehr 7s so groß, als die anderer. 

10. Vögel and Bienen. Aus einem Vogel kann ein Mensch werden. Die Würmer fabri¬ 
zieren die Vogerln. Die Würmer machen das so, als öb sie eine Königskrone machten. 
Manmuß früher die unreifen Federn von Tauben verschlucken. Das geht dann ins Blut. 
Man bekommt dann einen Schmerz in den Körper. Im Sommer gab man ihr das. Zur 
Heilung legt man einem durch Gift zerlassenen Menschen ein goldenes Gestell in den 
Magen und dann werden die Vogerln von den Würmern gemacht. Es sind verschiedene 
wunderschöne Vogerln. Der ganze Vogel ist eine Menschenseele. Man muß sie mit 
Eidotter schlucken. Die Würmer nehmen dann die verschluckten Taubenfedem und 
machen daraus die Vogerln. Wenn die Vogerln fertig bind, kommen sie beim After 
aus dem Gedärm heraus. Mancher Vogel hat sehr schön geformte Federn. Solange 
die Mutter nicht von dem Vogel sagt, er sei schön, so lange bleibt er ein Vogel. Wenn 
sie sich vergißt und sagt, er sei ein schöner Vogel, in diesem Moment wird daraus 
eine Brennessel. Wenn man sagt, die Brennessel ist schön, so wird daraus ein Mensch, 
ähnlich dem, der die Brennessel zuletzt gesehen hat. Das sind erlöste Seelen. Wenn 
man das Ei nicht nimmt, so gehen die Seelen zu Grunde. Von jedem Menschen kann die 
Seele von einem Retter in einem Ei aufgehoben werden. Sie hat zwei Schwalberln, 
einen Spatzen und einen großen schwarzen, einen Separatvogel geboren. Sie wurden 
durch sie erlöst und wurden zum Teil katholische Geistliche, aus einem wurde eine 
Frau, die einen Geistlichen in Iglau bediente. 

Im Frühjahr 1918 bekam sie Kunstbienen in den Körper eingeführt, eine Königin 
und zwei Arbeiterinnen. Die Königin war die Seele der Mutter. Man gab ihnen ein 
goldenes, ungefähr 20 Zentimeter langes Hackerl in die Lunge. Das Einführen dieses 
Hackerls verursachte keine Schmerzen. Der Mann, der ihr die Bienen gab, wollte 
einen Knäuel machen, mit dem man Eisen schmelzen kann. Wenn die Frau, die Bienen 
hat, mit einem Mann in Verkehr tritt, so kommt vom Manneine klebrige Masse in den 
Körper, welche die Bienen zu einem Knäuel verklebt. Dieser Knäuel dient zur Be¬ 
arbeitung von Eisen mit Slavagold. Da die Bienen, die Verstand hatten — auch bei 
ihnen ist ein Stückchen Seele, wenn sie zerlassen werden, die Flügel werden von den 
klebrigen Knospen der Waldbäume gemacht — hiedurch zu Grunde gegangen wären, 
so warnten sie vor den Männern, die ihr nachstellten. Sie bauten sich in ihrem Innern 
Honigkelche; die Königin legte junge Puppen hinein und in kurzer Zeit kamen die Bienen 
paarweise aus Mund und Nase, ja auch aus den Geschlechtsteilen. Nachdem sie an 
Blumen gesammelt hatten, flogen sie, ohne daß sie Aus- und Einflug spürte, — wieder 
zurück. Die Bienenkönigin sah es gerne, wenn sie ein Stückchen Zucker aß. Die 
jungen Bienen wuchsen schon heran und brachten ihr manchmal etwas Honig auf die 
Zunge. Dann kamen noch einmal junge Bienen. Es waren schon sehr viele, und sie 
wollten einen Stock zum Bewohnen erhalten. Im Körper, bei dem Hockerl und bei 
den verschiedenen Häutchen im Körper (Lungenhäutchen, Leberhäutchen) befestigten 
sie Kelche, in die Honig kommt. Dieser Honig bleibt im Körper, bis jemand durch 
die Schläuche in den Körper eingeht und ihn herausholt. Viele gingen ihr deshalb 
in Iglau naeh. Plötzlich wurden wegen des Magnetkindes die Bienen aus dem Körper 
gejagt. Die zweiten jungen Bienen blieben ganz klein, sammelten keinen Honig, 
aber dafür wuchs das Gras dichter und länger. Der Gärtner, der schönes Gras haben 
wollte, hat die Bienen absichtlich aus ihr vertrieben. Wenn unterirdisch eiserne 
Schiffe sind, die eine Fleischmaschine enthalten, und auf der Erdoberfläche zwei 



48 


Über Begriffe und Sätze. 


Männer spielen, so zerspringt denen, die in der Nähe sind, die Seelenader im Kopfe, 
das ist die Ader, wo die zwei Augen hineingehen, die Seele wird frei und legt sich auf 
das Kind, wo sie einen Teil zurückläßt, dann geht sie wieder zurück. Den Krach beim 
Zerspringen der Seelenader vertrugen die Bienen nicht und verließen rasch den Körper. 
Die Bienenkönigin prophezeite dem Slavakinde Unglück, und der gesammelte Honig 
ging allmählich verloren . Die Seelenader wurde aber wieder allmählich zusammen - 
gezogen. Sie gab den Stimmen in den Würmern den Befehl, sich um die Seelenader 
zu winden und sie durch Aufträgen von Häutchen zu heilen. Das Magnetkind wurde 
aber durch diebische Leute ruiniert. Wenn Slava eingepumpt wird, müssen im Leib 
goldene Ketten gelegt werden, damit der Körper nicht zerspringt. Diese Ketten 
wurden ihr genommen und das gelegte Kind kam zu Schaden. Als sie das Magnet - 
kind im Leibe hatte, sah sie alle Toten, die in der Nähe waren — es war ein ganzer 
Haufe — auf sich zukommen, das war sehr imangenehm. 

11, Ein Weinkeller« Wandernde Bäume. Schon lange hatte ihr Onkel große 
Weinkeller besessen. Den Wein stellte er selbst mit Hilfe einiger abgerichteter 
Leute her. Er versorgte mit diesem Wein die Krankenhäuser. Eine elektrische 
Bahn führte in seinen Weinkellereien blitzschnell von Iglau nach Prag. Der Wein 
wird in folgender Weise hergestellt: Weinstein wird wie Kunsthonig aus Kot ge¬ 
macht unter Beihilfe eines Wurmes. Man darf aber nur „windlose“ Speisen essen, 
sonst versteinert es im Körper. Dann wird Weinstein innen in die Fässer getan: 
zwei solche Fässer sind durch ein spanisches Rohr verbunden, indem das Wasser 
von einem in das andere fließt. An dem Wasserleitungsrohr zwischen den Fässern 
ist ein Wurm in einem Säckchen oder körbchenartiger Leiter. Das Wasser läuft 
über ihn. Bald steht das eine, bald das andere Faß höher, so daß das Wasser fort¬ 
während fließt. Der Wurm und der Weinstein machen das oftmals hin- und her¬ 
fließende Wasser zu Wein. Das Wasser wird durch den Wurm vor dem Verfaulen 
bewahrt. 

Ein Wurm, den sie in ihrem Körper hatte, war ein „heilbarer Heiliger“, und 
heilte durch seine Bewegungen, die er auf ihr Geheiß ausführt, Malariakranke. „Hei¬ 
lige“ ist ein Ausdruck für Würmer, den sie lieber hören, als die Bezeichnung Wurm. 

In Iglau gingen Bäume spazieren. * Das machte die Geisterkrähe, die niemals 
aß, sie sah Sich nur satt, blähte sich auf und war gesättigt. Wenn man ihr ein Stück 
Fleisch gab — es war ein Garten des Direktors, wo Birn- und Rosenbäume waren - 
dann sprang sie hin und her, und es bewegten sich die Bäume von der Stelle. Die 
Rosenbäume gingen im Kreis, die andern Bäume wurden in Form eines Altars gestellt . 
Als die Promenade aus war, gingen die Bäume wieder an ihre Stelle. Riesengroße 
Bäume standen auf dem Dache. Auch über manchem Menschen schwebte ein Baum. 
Einem derartigen Menschen gingen alle von ihm getöteten Menschen nach. Hinter 
einer Wärterin, die viele erwürgt hatte, ging eine ganze Schar. Das Ganze war nur 
dadurch möglich, daß die Krähe die kleine Geisterhandmühle in die Erde eingegraben 
hatte. Diese Sache hat sie dreimal beobachtet. 

Fassen wir zusammen : eine Patientin, die in ihrem 43. Lebensjahr unter para¬ 
noischen Symptomen erkrankt. Sie entwickelt ein erotisches System. Schon zu 
Beginn der Erkrankung einige phantastische Züge: sie habe Tiere geboren u. dergl. 
Sie verbringt mehr als 10 Jahre in Irrenanstalten; aus einer dieser entwichen, 
kommt sie am 27. XI. 1918 neuerlich in die Klinik. Jetzt ist sie in ihrem äußeren 
Verhalten geordnet und führt ein Doppelleben, da sie sich einesteils als bescheidene 
Pfründnerin dem Anstaltsleben willig und gehorsam fügt, auch ihre kleinen 
Tagesinteressen sachlich und mit adäquatem Affekt vertritt, andernteils ein 
phantastisches Weltsystem entwirft, dessen Richtigkeit sie mit früheren Ein¬ 
drücken, Erlebnissen und Erfahrungen begründet. Die Hauptpunkte dieses 
Systems seien in Kürze angeführt 1 ): Kleekörnchen werden durch einen zerlassenen 

*) Dieser Fall ist Hauptfall der Mitteilung über Gedunkenentwieklung. Zeitsehr. 
i. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 59, 1920. 



Uber Begriffe und Sätze. 


49 


Menschen beseelt, dringen ins Blut, wachsen dort zu Würmern heran. Diese Wür¬ 
mer bauen nach einem im Leib vorgezeichneten Plane ein Magnetkind. Doch 
muß auch Luft in das Genitale eingeblasen werden. Bei der Geburt kommt 
dann mit dem Magnetkind „Slavafeuer“, das alles zu Gold verbrennt, aus dem 
Leibe. Mit dem Magnetkind kann man Schätze an sich ziehen. Das Slavagold 
hält die Erde zusammen. Sie selbst hat 5 Magnetkinder gehabt. Außer dieser 
Anthropogonie hat sie auch eine eigenartige Kosmogonie geschaffen (Abschnitt 
VT) und eine eigenartige Märchenwelt (z. B. Abschnitt X und XII). Doch sind 
enge Beziehungen zwischen allen ihren Schöpfungen vorhanden. Es ist be¬ 
merkenswert, daß die Wahnideen, welche den Beginn der Krankheit beherrschten, 
von ihr nicht anerkannt, nicht erinnert und nicht wiedererkannt werden. 

Bedient man sich der Kraepelinschen Nomenklatur, so gehört der Fall 
in das Gebiet der Paraphrenia phantastica, denn die Persönlichkeit bleibt relativ 
intakt. Ich möchte jedoch betonen, daß ich indem Kraepelinschen Paraphrenie¬ 
begriff einen wesentlichen Fortschritt nicht sehe. Auch im Fall Schreber, der 
dem ganzen Verlauf nach nur als Schizophrenie gedeutet w erden kann, ist das Ende 
ein ähnlicher Zustand, wie der unserer Patientin. Hält man den Grundgedanken 
der Kraepelinschen Systematik fest, daß der Gesamtverlauf der Psychose 
für deren nosologische Einreihung maßgebend sei, wofern die Aetiologie nicht 
bekannt ist, dann gibt es nur zwei große Gruppen dieser aetiologisch unklaren 
Psychosen, nämlich die der heilbaren und die der unheilbaren, d. h. zum geistigen 
Zerfalle führenden Erkrankungen und jede scharfe Trennung innerhalb dieser 
großen Gruppen führt zu Widersprüchen. Damit sei die relative Sonderartung 
dieser Fälle nicht angezweifeit. Nur ist es sehr fraglich, ob das Krankheitsein¬ 
heiten sind. Im Übrigen deckt sich der Kraepelinsche Paraphreniebegriff 
sehr weitgehend mit dem Begriffe der Magnanschen Paranoia 1 ). Diese Vor¬ 
bemerkungen erschienen mir unerläßlich, trotzdem meine Untersuchungen nicht 
auf die Systematik, sondern auf die Psychologie dieser Psychosen zielen. 

Es soll hauptsächlich die Art des Denkens unserer Kranken einer Untersuchung 
unterzogen werden. 

Aloisia lebt in zweierlei Gedankenwelten, in der realen und in der phantasti¬ 
schen. Sie zieht die Konsequenzen aus ihren Phantasien nicht für ein entspre¬ 
chendes Handeln in der Wirklichkeit. Trotzdem sie einen Millionenbesitz in der 
Länderbank zu haben glaubt, so macht sie kaum schwächliche Anstrengungen, 
diesen zu erringen. Auch die Dissonanz ihrer armseligen äußeren Lebens¬ 
haltung und der Geltung in ihrem Phantasiereich wird nicht empfunden, 
und es fehlt auch jeder Versuch, sie auszugleichen. Dieses Bestehen eines 
blassen Wahnes neben der Wirklichkeit ist seit langem bekannt und bedarf 
keiner weiteren Besprechung. Eines ist jedoch zu betonen: Die Patientin lebt 
in ihrer Alltagswelt mit normalen Affekten und Strebungen; auch richtet sich 
ihre Phantastik im wesentlichen nicht auf unmittelbar Erwünschtes. Der Ge¬ 
danke an Bereicherung und eigenes Liebesglück steht im Hintergrund, auch fühlt 
sie sich nicht verfolgt. Unterstreichen wir: Die Phantastik beginnt bei ihr dort, 
wo ihre idealen Interessen liegen. Es ist keineswegs schlechthin ein Gegensatz 
zwischen affektiver und intellektueller Leistung, sondern es ist wirklich nur das 

*) Vergl. hierzu: Mayer: Über paraphrene Psychosen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. 
u. Psychiatr. Jg. 71, 1921. 

Schilder, Seele and Leben. 


4 



50 


Über Begriffe und Sätze. 


Erleben in einer bestimmten Sphäre affektiv gestört. Es ist das eine affektive 
Sphäre bestimmter Ordnung. Der gleichen, der Mythus und Märchen angehört. 
Diese affektive Sphäre hat keine Mündung in das Handeln; sie ist in diesem Sinne 
ideal. Sie ist weitabgewandt und phantastisch. Sie führt nicht zu einem Ritus; 
sie ist selbstgenügsam. Es sei bemerkt, daß das Leben in dieser Phantasiewelt 
der Patientin eine ideale Überhöhung gibt. Sie hat einen großen innerlichen 
Gewinn davon. Welcher formalen Artung die Bausteine dieser psychischen Schaf - 
fung sind, ist nicht ganz sicher zu entscheiden. Ich vermute, daß es sich nicht 
nur aus Erinnerungsfälschungen auf baut, sondern auch aus der Erinnerung an 
früher erlebte Halluzinationen und Wahnideen. Dann wäre erst im Laufe der 
Entwicklung der Psychose das ganze System selbstgenügsam in dem oben¬ 
beschriebenen Sinne geworden. 

Eine charakteristische Probe ihres Denkens ist folgende: Auf den Namen 
Vanderbilt (so nennt sie die Firma des Onkels) sind viele Millionen angelegt. 
Davon sind in der Länderbank 10 Millionen; sie mußte den letzten Frieden unter¬ 
zeichnen, das war nach dem französisch-serbischen Krieg im Jahre 1893. Damals 
wurde alles von dem Vanderbiltschen Geld bestritten (Abschnitt III). Die Tat¬ 
sachen, die hier zu Grunde liegen, sind folgende: 

In Amerika wurden mit Petroleumquellen Milliarden verdient. 

Einer der amerikanischen Milliardäre heißt Vanderbilt. 

Im deutsch-französischen Krieg hat Frankreich bei Vanderbilt eine Anleihe 
gemacht. 

Es wurden also aus verschiedenen Sphären die einzelnen Bruchstücke (wahr 
scheinlich ließe sich dies bei genauerer Kenntnis des Tatsachenmaterials noch 
vollständiger zeigen) genommen, welche dieses kurze Stück ihrer Erinnerungen 
bilden. Es ist eine klare Kontamination. Ich verweise auf die Freud sehe Traum¬ 
deutung 1 ), auf Stranskv 2 ), auf Bleuler 3 ), Kraepelin 4 ) u. a. m. 

Bei der Patientin ist dieser Gedankengang ein feststehender. Die Sätze haben 
eine bestimmte Begriffsgrundlage. Es handelt sich also um eine Abänderung 
der Begriffsgrundlage und nicht um eine Abänderung der Bedeutungsbeziehungen. 
Damit ist der besprochene Fall grundlegend verschieden von dem früher analy¬ 
sierten. Er scheint infolgedessen auch geeignet, einiges über die Pathologie der 
Bildung der Begriffsgrundlage auszusagen. Das Wesen der Kontamination 
ist dadurch gekennzeichnet, daß der Gedanke sein Material aus Regionen der 
Wirklichkeit nimmt, die sachlich wenig oder gar nichts miteinander gemein haben. 
Es entspricht dieses Verhalten den Antworten jener Schüler, welche ihre Lektion 
schlecht gelernt haben, und den Stoff zu ihrer Antwort verschiedenen Gedächt¬ 
niseindrücken wahllos entnehmen. Wir werden auch an die kuriosen Antworten 
erinnert, die Rodenwaldt von seinen Breslauer Rekruten auf gewiß einfache 
Fragen erhielt 5 ). Diese Analogie weist schon darauf hin, daß wir die nähere Er¬ 
klärung nicht rein im affektiven Gebiete zu suchen haben. Meringer und 
Maier, die Ähnliches beim Versprechen, Stransky, der es bei raschestem Spre- 

*) sehr klar auch in: Der Witz und seine Beziehungen zum Unbewußten, 1905. 

2 ) Über Sprachverwirrtheit. Halle 1905. 

3 ) Die Schizophrenien. Wien 1911. 

4 ) Sprachstörungen im Traum. Kraepelins psychologische Arbeiten, Bd. V, 1910. 

6 ) Aufnahme des geistigen Inventars Gesunder uswr. Monatsschrift f. Psychiatr. u. 

Neurol. Jg. 17, 1905. 



Über Begriffe und Sätze. 


51 


chen in den Phonographen fand, ziehen eine Aufmerksanikeitsstörung zur Erklä¬ 
rung heran. In dem analysierten Beispiel dürfte der Sachverhalt folgendermaßen 
sein: Vanderbilt, Französischer Krieg interessieren die Patientin, sind Objekt 
ihrer Aufmerksamkeit als Träger und übermittler derjenigen Werte, die die 
Patientin für sich in Anspruch nimmt. Alles übrige ist nicht im Blickpunkt der 
Aufmerksamkeit, ist nebensächlich und kann aus nicht sachbedingten Zusam¬ 
menhängen aneinandergereiht werden. Das Beispiel des Schülers, der schlecht 
gelernt hat, soll uns lehren: hier ist der Wille aufzufassen und wiederzugeben 
vorhanden. Aber der Gegenstand konnte innerlich nicht festgehalten werden, 
er entschwebt und es schiebt sich fremdes Material dazwischen. In dem 
einen Fall ist demnach das Phänomen so zu beschreiben, daß ein Teil des 
Gegebenen nicht zur klaren Erfassung kommt, weil nicht die Absicht besteht, 
ihn zu erfassen und die Aufmerksamkeit daher nicht zugewendet wird. Im 
anderen Fall wird die mangelnde Denkleistung verschuldet durch unklares Ge- 
gebensein zufolge mangelhafter Einprägung. (Vielleicht ist aber auch diese 
mangelnde Einprägung innerlich verwandt dem Interessemangel!) Das Ge¬ 
meinsame an den beiden Erscheinungsweisen ist demnach die unscharfe Ge¬ 
gebenheit, die verschieden bedingt sein kann. Kontaminationen geschehen dem¬ 
nach aus Denkreihen, deren Glieder nicht gleichmäßig aufmerksamkeitsbesetzt 
sind. 

Ganz ähnliche Erwägungen gelten für die Ellipse, — unbegründete Unter¬ 
drückung von Zwischengliedern des Denkens. Auch hier dürfte eine Form durch 
mangelhafte Erweckbarkeit der Zwischenglieder, die andere durch mangelhafte 
Beachtung derselben begründet sein. 

Das bisher Betonte hebt nur eine Seite, den Defekt der Kontamination heraus. 
Sie ist jedoch auch schöpferisch-produktiv. Die Produktion in unserem Falle 
besteht in einer durchsichtigen Wunscherfüllung: sie hat Geld in der Länderbank 
liegen. Der stockende Schüler und der befragte Rekrut erledigen geforderte Auf¬ 
gaben. Für das analysierte Beispiel gilt: Das Interesse wird jenem Teile der 
Gedankenkreise entzogen, welche nichts mit dem Wunsche der Patientin zu tun 
haben, und jenen zugewendet, welche seine Erfüllung darstellen. Man kann sogar 
vermuten, daß dem Wunsche Entgegenstehendes „weggestoßen“, verdrängt 
wird. Wenn wir einen Fehler im Denken antreffen, so können wir sicher sein, 
daß er nur einen Denkmechanismus unter einem Vergrößerungsglas zeigt, der dem 
Denken überhaupt zugehört, das gilt natürlich auch für die Kontamination. 
Auch sonst w r erden unter dem Einfluß einer Aufgabe aus verschiedenen Denk¬ 
kreisen Teile gehoben und andere vernachlässigt. Nur eben, daß beim Normalen 
diese Kontamination sich schließlich sachlich und biologisch rechtfertigt, d. h. 
sich als zweckmäßig und richtig erweist. Von der Kontamination führen 
Brücken zu einer großen Reihe seelischer Vorgänge. Es ist wohl der Wunsch 
bei den Kranken, der biologisch abgeartet ist. Bei dem Rekruten und bei dem 
schlecht vorbereiteten Schüler ist der Versuch zu antworten vollberechtigt. 
Aber er vernachlässigt die notwendigen Vorbedingungen: das Haften des Ge¬ 
dächtnismaterials. 

Von diesem Denken führen Brücken zu einer großen Reihe seelischer Vor¬ 
gänge. Nur zwei Hinweise: Eine Patientin meiner Beobachtung verkannte in einem 
kurz dauernden epileptischenDämmerzustandePersonen, bezeichneteUmstehende 

4* 



52 


Über Begriffe und Sätze. 


als Frau M. und Ignaz, ohne auf das Geschlecht des Bezeichneten Rücksicht zu 
nehmen, gab auch einem Umstehenden zuerst den einen, dann den anderen 
Namen, und verlangte lautklagend ihre Medizin. Einen Schlüssel, der ihr jetzt 
vorgehalten wird, bezeichnet sie als den Löffel mit der Medizin. In der Wahr¬ 
nehmung des Löffels verschmilzt die von innen heraus geschaffene Situation mit 
der äußeren. Das Beispiel ist deswegen angeführt, weil man von hier aus eine 
neue Seite des Begriffes der Kontamination kennen lernen kann; man kann 
nämlich die Sache auch so darstellen: die Wahrnehmung des Schlüssels wird 
durch die innere Situation abgeändert. Von hier leitet die Reihe über zu den 
Verschiebungen und Verdichtungen des Traumes, die von Freud, Bleuler u. a. 
ja hinreichend gewürdigt sind. Wesentlicher ist das folgende Beispiel. Bei dem 
Patienten Obszut Pötzls 1 ) (Rückbildung einer Totallaesion des zentralen direkten 
Sehens) war ein ,,eigentümliches verspätetes, in nachgelieferte völlig vonein¬ 
ander raum-zeitlich gesonderte Teileindrücke zerstücktes Sehen auffallend.“ Es 
wird ihm ein Blumenstrauß gezeigt, aus dem neben den Blumen ein auffallend 
langer dünner Stamm von Asparagus herausragt. Er faßt nur die rote Rose 
heraus ... Der Strauß wird entfernt, er hat nun nachzusehen, wie die Farbe 
der Aufschläge bei einem anwesenden Offizier ist. Er bringt es dazu durch 
forcierte Einstellungsbewegungen den Hals der Versuchsperson in sein Gesichts¬ 
feld zu bringen und sagt : „Eine grüne Krawattennadel.“ Das ist eine Kontami¬ 
nation auf dem Gebiete der Wahrnehmung. Ihre Grundvoraussetzungen sind 
ähnlich wie bei den besprochenen Denkstörungen. Überhaupt muß ernsthaft 
auf die Aphasielehre verwiesen werden, fast jeder eingehend untersuchte Aphasie- 
fall bringt hierher gehöriges. Wie denn überhaupt die Aphasie bedeutsame 
Parallelen zu der Lehre von der Denkstörung bietet (vgl. hierzu meine Arbeit: 
Bemerkungen zu der Problemsphäre Cortex, Stammganglien, Psyche, Neurose 2 ). 

Die letztgenannten Beispiele zeigen, wie nahe der Aufbau der Begriffe und 
Gedanken dem Aufbau der Sinneswahrnehmung steht. 

Das wichtige Problem, welche Faktoren für die Änderung der Begriffsgrund¬ 
lage maßgebend sind und welche Bedeutung ihr zukommt, soll erst erörtert w erden, 
nachdem eine weitere Reihe Tatsachen dargestellt wurde. 

Eine Probe aus Abschnitt III. „Der zweite Knabe hatte einengroßen Knochen¬ 
kopf,“ mit diesem w r ollte sich ihr Onkel ausheilen. „Das Band hatte einen Gummi¬ 
anzug. So mußte es wachsen. Die Glieder des so gewachsenen Kindes kann man 
zu Heilzwecken verwenden. Die sich so heilen, die sagten, sie haben ein Bad 
gehabt.“ Die zu Grunde liegende Tatsache ist offenbar folgende: Man zieht ein 
Präservativ an, um sich gegen Krankheiten zu schützen. Daß diese Vorstellung 
tatsächlich mit eingeht, ist für den, dem das Kind im Gummianzug als Beweis 
hiefür nicht genügt, durch eine sonst unverständliche Assoziation gewährleistet, 
daß das Kind mit dem Knochenkopf gerade im Gummianzug wächst. Es tritt 
also für die Vorstellung des vom Präservativ gegen Krankheit geschützten Penis 
die Vorstellung eines Kindes mit Knochenkopf auf, das in einem Gummianzug 
wächst, und dessen Glieder als Heilmittel gegen Krankheiten verwendet werden. 
Es ist, wie ich das bereits wiederholt angeführt habe, falsch, bei einem derartigen 

A ) Experimentell erzeugte Traumbilder in ihrer Beziehung zum indirekten Sehen. 
Zeitschrift f. d. ges. Xeurol. u. Psyehiatr. Jg. 37, S. 280, 1917. 

2 ) Zeitsehr. f. d. ges. Xeurol. u. Psyehiatr. Jg. 14 } S. 454, 1922. 



Über Begriffe und Sätze. 


53 


Sachverhalt von Symbolen zu sprechen. Es ist ein symbolähnliches Gebilde. 
Der Patientin ist nicht gegenwärtig, daß ein anderer Sachverhalt hinter dem 
vorgebrachten liegt. Verdichtung und Symbolähnlichkeit sind einander nahe 
verwandt. 

In der Kontamination treten jedoch im Endprodukte beide Glieder gleichmäßig 
hervor. Das auf dem Wege der Verdichtung gewonnene Produkt läßt keine Glie¬ 
derung des Grund materiales erkennen. Das symbolähnliche Gebilde hat jedoch 
eine Fassade, welche über sich hinausweist. Sie hat eine Tendenz zum Zerfall, 
wobei hinter dem sichtbaren ein bisher ungeahntes Material hervortritt. Gewiß 
sind die Unterschiede nur graduelle, sie sind aber deskriptiv nachweisbar und 
es entsprechen ihnen zweifellos dynamische Ausbalancierungen von Triebregungen. 

Es ist bemerkenswert, daß die schützende Wirkung des Gummis in der 
symbolähnlichen Umbildung zur heilenden Wirkung des Kindes wird, das den 
zu schützenden Penis vertritt. Wirken und Erleiden sind für diese Arten des 
Denkens keine Gegensätze (vergleiche mein Wahn und Erkenntnis). Ähnliche 
Gedankengänge auch sonst in der psychoanalysischen Literatur, besonders bei 
Freud: 'Triebe und Triebschicksale. Kleine Schriften zur Neurosenlehre 
VI. Folge, S. 272. Auch Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse III, 1915, S. 87. 

Ein neues Beispiel: „Die Slava mußte bedient werden, bei ihr, Aloisia, von 
einem Böhmen, das mußte jede Woche einmal geschehen. Der Böhm war bei der 
Frau, er bediente sie, es war der ganze Mann bei der Frau. Die Slava, welche die 
Seele der Frau ist, sieht die zwei Menschen durch die Erde. Sie sieht eigentlich 
nur auf das Glied des Mannes und bemerkt es als ganzen Menschen. Das da uerte 
nur ein paar Sekunden, aber die Slava war zufrieden. Wenn jemand anderer als 
der Böhm eindrang, so fühlte das die Slava wie Stacheln.“ Aus diesem Passus 
ist folgendes bemerkenswert. Der Koitus ist einmal so beschrieben, wie es der 
Realität entspricht. Der ganze Akt wiederholt sich aber in der symbolischen 
Sphäre. Slava ist das aus dem Genitale kommende Feuergold. Es steht hier für 
das weibliche Genitale, es ist gleichzeitig vermenschlicht, es sieht das Membrum 
virile, das aber entsprechend der Vermenschlichung des weiblichen Genitales 
wiederum als ganzer Mensch von ihm gesehen wird. Für die Analyse hebe ich zu¬ 
nächst nur folgendes hervor: Der gleiche Vorgang wird zweimal gedacht; einmal 
real und einmal symbolähnlich. Vielleicht wäre es sogar richtiger, zu sagen drei¬ 
mal, denn der symbolische Akt wird wieder in einen neuen realen zurückverwan¬ 
delt, der aber von dem ursprünglichen räumlich getrennt ist. 

Befruchtung und Geburt erscheinen in einer geradezu unübersehbar großen 
Zahl von symbolähnlichen Bildern bei unserer Patientin, so daß der Befruchtungs¬ 
und GeburtsVorgang vervielfacht wird. Der Skorpion stammt aus dem Samen 
des Mannes, der in die Frau kommt (Abschnitt IV). Mit dem Gifte des Skorpions 
wird wieder ein Mensch zerlassen. Das Zerlassenwerden ist eine symbolähnliche 
Vorstellung für den Geschlechtsakt. Der zerlassene Mensch befruchtet Kleesamen; 
Der Kleesamen dringt ins Blut (Geschlechtsakt) und wird dort zu einem Wurm. 
Der Wurm dringt als solcher (Geschlechtsakt) in den Körper. Der Frau werden 
Kinder gelegt durch Zerlassen der Bauchdecken. Das Slavagold wird als Luft 
in den Körper gepumpt (Geschlechtsakt). Hier tritt also an die Stelle einer der 
Realität entsprechenden Vorstellung eine große Zahl symbolähnlicher Gebilde. 
Der Vorgang multipliziert sich. (Weitere Details und Belege im Abschnitt I.) 



54 Über Begriffe und Sätze. 

Symbolähnliche Denkgebilde sind, wie hervorgehoben, dadurch gekennzeich¬ 
net, daß sie eine Tendenz zum Zerfall in sich tragen. Zum Zerfall in diejenigen 
Elemente, aus denen sie aufgebaut werden. In den angeführten Beispielen baut 
sich die Vorstellung des Kindes in der Gummihülle auf aus der Vorstellung des 
durch das Präservativ geschützten Gliedes. Man kann sich vorstellen, daß die 
Patientin aus einer negativen Einstellung heraus das Grobsexuelle unterdrückt, 
daß also eine determinierende Tendenz — die Zensur im Freud sehen Sinne, 
die verpönte Vorstellung nicht aufsteigen läßt. Aus ähnlichen Gedankengängen 
habe ich früher die Theorie derartiger Gebilde entwickelt. Aus der fortwirkenden 
Kraft der sexuellen Denkrichtung erklärt sich die Schaffung harmloser Vorstel- 
lungs- und Begriffsgebilde, welche die Verwandtschaft mit obszönen doch nicht 
verkennen lassen. In unserem Beispiel sind „Symbol“ und „Symbolisiertes“ 
nicht nur sachlich ähnlich (entfernt vergleichbar zwei ähnlichen geometrischen 
Gebilden), sondern die symbolähnliche Fassade und das, was hinter ihr erscheint, 
entstammt der gleichen affektiven Schicht. 

Freilich taucht bei diesem Gebilde die Frage auf, wieso denn die Zensur an 
Stelle des ursprünglichen ein symbolähnliches Bild erfordere und doch nicht ver¬ 
hindere, daß die der Theorie nach abgelehnte Vorstellung wieder auftaucht. 
Auch scheint die behagliche Freude, mit der die Patientin auch das Sexuelle bringt, 
derartiger Meinung zu widersprechen. Die Fragestellung ist nur lösbar, w enn man 
annimmt, daß es eine tiefe archaische Schicht gibt, die in jedem Denken mit 
enthalten ist. Wird der Denkakt gehemmt (durch Zensur) oder gedehnt und 
zerstückelt, so tritt eben diese archaische Vorstufe zutage. Die psychische Funk¬ 
tion der Zensur kann offenbar organisch zersetzt werden. Aber auch diese orga¬ 
nische Zersetzung muß sich psychisch spiegeln. Diese organische Spiegelung 
ist allerdings derzeit noch nicht exakt psychologisch beschreibbar. Man muß 
jedenfalls ein Oszillieren der Einstellung annehmen. 

Auch bei diesen symbolähnlichen Gebilden, bei den hier beschriebenen Be¬ 
griffen, ist die Beziehung der Aussagegrundlage zum Aussageinhalt eine unge- 
änderte. Es w ird nur eine abgeänderte Tatsächlichkeit aufgefaßt. Wie ist aber das 
Verhältnis zu jenen Gestalten, zu jenen sonderbaren begriffsähnlichen Gebilden, die 
im Vorangehenden beschrieben w urden. In jenen ist die Bedeutungsbeziehung im 
Flusse, hier ist sie aber erstarrt und eigentlich Bedeutung geworden. Es ist gar keine 
Frage, daß wir in den beiden akuten Fällen Gelegenheit hatten, die Genese jener 
Gebilde zu verfolgen, die sich in diesemFalle zeigen, jenerauf symbolischer Begriffs¬ 
grundlage aufgebauten unzweckmäßigen Begriffe. Es ist aber der Entwicklungs¬ 
prozeß der Begriffe mit fester (oder wenigstens relativ fester) Bedeutung dadurch 
charakterisiert, daß die Bedeutung Teilansichten angeheftet, aber immer wieder 
von ihnen abgelöst wird. Auf diesem Wege wird eine immer größere Reihe von 
Gegenständen zu dem ursprünglichen Gegenstand in Beziehung gesetzt, die Be¬ 
ziehungen werden aber sehr rasch wieder gelöst. Hierin entspricht das gewonnene 
Resultat sehr genau dem, was wir von der Gedankenentwicklung beim Normalen 
wissen. Auch beim Normalen erscheint es so, daß jeder Gedanke sich durch eine 
breite Schicht von Beziehungen, der Sphäre, zu dem Gegenstände durchzuarbeiten 
hat, bevor er die durchwanderten Beziehungen in einer einheitlichen (gegliederten) 
Anschauung erledigt. Ich habe an anderer Stelle dargetan, daß die Begriffsgrund¬ 
lage hierbei charakteristische Veränderungen erfährt. Man kann fragen, ob es sich 



Über Begriffe und Sätze. 


55 


in unserem Falle nicht etwa schon um eine Änderung in der Auffassung handle. 
Es wäre vielleicht in der Tat richtiger, von Änderungen im dargestellten Sachver¬ 
halt zu sprechen. Aber es muß doch festgehalten werden, daß ganz andere Gegen¬ 
stände zur Auffassung kommen als beim Normalen. Allerdings ist ja jeder Gegen¬ 
stand Produkt einer Bearbeitung, das tritt gerade bei derartigen Untersuchungen 
sehr klar hervor. Die starren Schemen der logischen Betrachtung scheinen ja 
überhaupt bei derartigen Untersuchungen flüssiger zu werden. Man beginnt 
ihre psychologische Genese zu verstehen. Psychologisch sind Begriffe und Sätze 
Organismen, welche aus Vorstellungen bestehen und durch Bedeutungserlebnisse 
beseelt sind. Es läßt sich nun zeigen, daß die Vorstellungen und Bedeutungs¬ 
erlebnisse (die Gedanken), welche symbolähnlichen Charakter haben, den Ent¬ 
wicklungsstufen des normalen Denkens entsprechen. Konnte man also die Be¬ 
griffe der akuten Fälle dahin charakterisieren, daß die Begriffsbildung im Grunde 
nie zum Abschluß kommt, daß die flackernden Bedeutungserlebnisse immer 
weitere Kreise in sich fassen, so ist bei den chronischen Fällen das unentwickelte 
Begriffsmaterial mit dem Gefühl und Zeichen des Abschlusses versehen. Die 
letzteren Begriffe entsprechen daher formal den Begriffen überhaupt. Sie unter¬ 
scheiden sich von ihnen jedoch dadurch, daß eine ungenügende Bearbeitung der 
Begriffsmaterialien stattgefunden hat. In den akuten Fällen ist der bedeutung¬ 
gebende Akt als solcher noch nicht zum Abschluß gelangt. 

Psychologisch: Der Aufbau der Begriffsgrundlage und des Sachverhaltes 
erfolgt unter dem Einfluß von Willensrichtungen (determinierende Tendenzen), 
Triebhaltungen. Es entspricht also eine eigenartige Begriffswelt eigenartigen 
Triebrichtungen. 

Begreiflicherweise ist der Gegensatz der akuten und chronischen Fälle kein 
durchgreifender. Nur in dem ersteren Beispiel kann das Bedeutungserlebnis 
als völlig ruhend angesehen werden. Schon in jenem Beispiel, in dem der Vorgang 
in der symbolischen und in der realen Sphäre gleichzeitig gedacht wird, nähert 
sich diese ,,chronische Begriffsstörung“ in dem Schweben des Bedeutungser¬ 
lebnisses der der akuten Fälle; noch mehr nähern sich den Begriffsbildungen 
der akuten Fälle die immer wiederholten Vervielfältigungen des Themas. Aber 
selbst da bestehen Unterschiede, die leicht exakt gefaßt werden könnten, doch 
würde die Darstellung dieser zu sehr ins Einzelne führen. 

Nur auf einige sachlich wichtige Punkte sei noch verwiesen. Die Patientin 
unterscheidet nicht den Bruder ihrer Mutter von dem Bruder ihres Vaters, 
die Persönlichkeit des Onkels vertritt wiederum die des Vaters. Auch jener 
macht mit der Mutter zusammen „Püppchen“, die der Patientin als Ge¬ 
schwister vorgestellt werden. Vater und Onkel haben die gleichen Schicksale, 
von beiden ist schließlich nur mehr der Kopf übrig. (Abschnitt III.) Hier treten 
statt einer bestimmten Vorstellung mehrere gleichwertig nebeneinander auf, 
nämlich Vater, — Onkel, — Manna, von dem nur der Kopf übrig ist. Es werden 
also zw ei reale verschiedene Gegenstände gleich gewertet und beide einer neuen 
phantastischen gleichgesetzt. Diese 3 Begriffsgrundlagen stehen nebeneinander, 
w erden aber nicht zu einem gemeinsamen Begriff verschmolzen. Auch hier ist 
in der Besprechung eine geringere Zahl von Beziehungen hervorgehoben, als 
tatsächlich vorhanden ist. 

Auch hier wird also die Ordnung der Begriffe durchkreuzt. Es werden bei- 



56 


Über Begriffe und Sätze 


geordnete Begriffe an Stelle eines übergeordneten verwendet. Dieser überge¬ 
ordnete Begriff ist aber gar nicht ausdrücklich im Bewußtsein der Patientin. 
Es wird nur vom Untersucher erschlossen. Der Sachverhalt wäre also der, daß 
ein übergeordneter Begriff durch einen untergeordneten vertreten wird. Genau 
die gleiche Störung wurde aber auch bei den akuten Fällen vermerkt. 

Hiermit ist ein Abschluß der Betrachtungen über die Störungen der Begriffs¬ 
bildung erreicht, und es ist die Aufgabe zu erledigen, das von den Begriffen Er¬ 
mittelte auch auf Sätze anzuwenden. Es ist ja von vornherein wahrscheinlich, 
daß Begriffe und Sätze, die in ähnlicher Weise gebaut sind, auch ähnlichen Stö¬ 
rungen unterliegen. Es wäre möglich, alles das, was bisher über Begriffsentwick¬ 
lung ausgeführt wurde, auf Sätze auszudehnen, und die gleichen Beispiele in 
Satzform zu geben; ich ziehe es vor, einen weiteren akuten Fall Zur Analyse heran¬ 
zuziehen. 


Fall IV. 

Paula Skr., 16 Jahre. In der psychiatrischen Klinik vom 4. V. bis 23. VI. 1920. 
Nach den Angaben der Mutter war die Patientin vor zwei Monaten an der Grippe er¬ 
krankt. Einige Tage vor der Aufnahme war sie aufgeregt, glaubte, man wolle sie 
verkuppeln. Sie hörte die Stimme ihres 1914 an der Cholera verstorbenen Vaters, 
schrie in der Nacht) auf, redete von Dieben, Einbrechern, war verwirrt. Die Patientin 
hat schon einmal einen ähnlichen Zustand gehabt. Sie ist das einzige Kind. Ihr Vater 
war ein reizbarer Alkoholiker. Keine Nerven- oder Geisteskrankheiten in der Ver¬ 
wandtschaft. 

Die Patientin ist bei der Aufnahme am 5. V. geordnet und orientiert. Sie hat mit 
eigenen Ohren gehört, daß man sie verkuppeln wdll. (Mit wem ?) „Müller — Walter/' 
Sie hat es auch ihrer Mutter gesagt. Er wollte sie wegführen. Sie hat gehört, weil 
immer gestritten wurde. Die Frau des Herrn hat immer mit ihr gestritten. „Ich 
hab eine Injektion im Ohr gehabt, ich weiß nicht, was das war.“ Es ist schwer, mit der 
Patientin in Kontakt zu kommen. Sie gibt nur kurz und abgebrochen in der oben 
beschriebenen Weise Antwort, ist still und in sich gekehrt. (Haben Sie den Vater 
gehört?) „Er hat gesagt, daß . . , die Frau hat ihn unterdrückt.“ (Wieso denn?) 
„Meine Mutter hat gesagt, ich bin ein schlechtes Mädel. Ich bin statt meiner Mutter 
hier.“ (Weshalb?) „Meine Mutter hätt* sollen herein.“ Die Patientin macht einen 
etwas ratlosen Eindruck. (Etwas später.) „Ich hab nur einen Herrn gesehen — Walter 
Müller . . . ein Verbrecher, der Herr, bei dem ich in Dienst war.“ (Etwas gesehen ?) 
„Ich hab immer beim Fenster eine Gestalt gesehen.“ (Auf Frage.) Seit dem 15. Le¬ 
bensjahre hat sie die Periode, hat auch jetzt dia Periode. Seit dem Freitag (30. IV.) 
bemerkt sie etwas. (Was ist heute für ein Tag?) Verstimmt, ratlos. „Im Bauche 
spür ich einen Schmerz.“ (Woher ?) „Von der Gebärmutter.“ Auf Fragen nach der 
Familie erfolgt keine Antwort. Gegen Abend wird sie gänzlich imzugänglich, weint, 
schreit, wälzt sich hin und her. 

6. V. ist sie gänzlich unzugänglich. Ratlos, große Gesten; spricht nicht. Später 
sehr erregt, singt, schreit. Sie liebe jemanden. Will den Referenten unter verwirrt 
erotischer Gebärde an sich ziehen. (Was war in de? Nacht los ?) „Ich sag nichts, 
ich hab still gesagt.“ 

7. V. Verstummt wieder. Nachmittags in heftiger psychischer und psychomoto¬ 

rischer Erregung. Nimmt im Bette sonderbare Stellungen ein; bezeichnet ihr Haar 
als Schlangen, wehrt jede Berührung in einer Weise ab, die erkennen läßt, daß sie 
sie als versuchte Annäherung auf faßt; lacht und weint abwechselnd. Ihre Haare wären 
Schlangen, das sei die Strafe Gottes, weil sie „ihn lieb gehabt habe.“ (Wen ?) „Ihn, 
ihn, das sag ich nicht.“ (Was hat er mit ihnen gemacht ?) „Er hat mich gestochen/' 
(Weist lachend auf das Genitale.) Nachher bezeichnet sie eine Bettnachbarin mit 
kurzgeschnittenen Haaren als ihren Geliebten. Dann sagt sie, sie sei der Teufel. 
Sie rechnet sehr schlecht (7X8 49, 3X5 — 25, 3X3 -9). Die Patientin erhielt von 



Über Begriffe und Sätze. 57 

dem diensttuenden Arzt, welchem das Hin- und Herwälzen den Verdacht einer 
Hysterie erweckte, Apomorphin. 

10. V. Manisch. (Wie heißen Sie? Wer bin ich?) „Eine Injektion, die hat mir 
am besten gefallen.“ (Wer bin ich ?) „Ein Doktor.“ (Was ist mit der Liebe ?) „Ich 
hab ohnedies gar niemanden gern.“ (Hat Ihnen der Herr Müller etwas tun wollen ?) 
„Ja, der hat mich verführen wollen.“ ( ?) „Er will mich weit führen.“ ( ?) „Ich 
kann ja nicht alles wissen, ich bin ja kein Pascha!“ (Nachher.) „Ich hab jemanden 
anderen gern!“ (Zu einer Mitpatientin:) „Häng dich auf!“ (Die Haare sind Schlangen ?) 
„Meine Haare nicht, aber meine gebärte Mutter ist eine Schlange.“ (Was heißt 
„gebärte ?“) „Eigene.“ Sie sei in einem Ambulatorium; sei seit Freitag hier. Sei 
schon verbunden. (Weist auf ihre Jacke.) (Nach dem Tag gefragt:) „Was weiß ich, 
ich bin schon ganz blöd.“ (Stimm n?) „Ja, der Herr Doktor selber, sie haben es 
ja ohnedies getan, vielleicht nicht ? Sie haben mir doch einen Stich gegeben.“ (Kin¬ 
dische Grimassen zu einer Mitpatientin.) „Du Rabenvieh Du!“ (Unterscheidung zwi¬ 
schen Kind und Zwerg.) Lachend: „Bin ich vielleicht nicht größer als ein Zwerg, 
wenn ich ohnedies so groß bin, wie der Himmel!“ (Unterschied!) „Ein Zwerg ist 
ja doch so klein, so ganz winzig, ich bin kein Zwerg.“ (Schüttelt sich.) (Unter¬ 
scheidung zwischen Baum und Strauch.) „Na ja, auf den Bäumen wachsen B’üten, 
aus den Blüten werden Knospen, aus den Knospen wird eine Frucht; aus den Blumen 
wird auch eine Knospe, daraus wird eine Lilie, aus der Lilie eine Rose!“ Sie protestiert 
energisch, sie habe nachts nicht zum Fenster hinausgesehen. Als der Referent nach 
der Uhr sieht: „Das ist die Uhr nicht, so ist die Armbanduhr . . .“ Bringt also der 
Umgebung (flüchtige) Aufmerksamkeit entgegen, ist gesprächig, lacht viel. (Was muß 
man machen, wenn man den Zug versäumt hat ?) „Was für einen Zug, ich habe doch 
keinen Zug versäumt. Ich bin doch kein Zug.“ (Was muß man tun, wenn man etwas 
zerbrochen hat, was einem selbst nicht gehört ?) „Was hab ich zerbrochen ? Hab ich 
etwas hinunter gehaut ?“ Als der Referent gähnt, äfft sie das nach. „Ich hab was 
zerbrochen ? Das was Eisen ist, zerbricht man nicht.“ 

11. V. Zugänglich, lustig, erzählt willig, in etwas kindlich zerstreuter Manier. 
Die Mutter habe sie nie gerne gehabt, schon als Kind hing sie mit aller Liebe an ihrem 
Vater; sie ging mit ihm oft spazieren. Die Mutter mochte sie nicht, weil sie dem 
Vater gegenüber falsch war, sie ruinierte ihn, verschenkte Sachen an ihre Familie ,. 
dachte nie ans Haus, nur an das eigene Vergnügen, vernachlässigte sie. Man habe 
ihr erzählt, daß die Mutter sie einmal, als sie noch ein ganz kleines Kind war, am Fen¬ 
sterbrett ließ, und selbst auf den Ball ging. Mit 7 bis 8 Jahren schlief sie an Seite ihrer 
Mutter. Den Verkehr der Eltern hat sie jedoch nie belauscht. Sie wollte immer neben 
dem Vater schlafen und gönnte es der Mutter nicht. Sie wollte die beiden trennen. 
So oft der Vater die Mutter in der Nacht zu sich rief, schrie sie auf, ging zum Vater 
und blieb lange an seiner Seite, so daß sie den Verkehr verhinderte. Vom Geschlechts¬ 
leben hatte sie damals schon eine Ahnung, sie hat oft Zeichnungen ihres Vaters mit 
Abbildungen männlicher Geschlechtsteile gesehen. 1914 zogen die Eltern nach Wien, 
der Vater starb im Kriege. Sie war damals unglücklich, weinte viel und wollte auch 
sterben; die Mutter ging als Kassierin in ein Kaffeehaus. Sie selbst blieb zu Hause 
imd war viel allein; oft kam die Mutter mit ihren Freunden nach Hause, die über 
Nacht blieben und mit der Mutter verkehrten. Auch sie wurde von der Mutter zum 
Verkehr aufgefordert, sie tat es aber nicht. Die Mutter grollte ihr deswegen. Sie ging 
dann in den Dienst. Mit 14 Jahren wurde sie von einem Mitangestellten überfallen 
und vergewaltigt. Sie spürte noch lange Zeit nachher Krämpfe im Bauche, traute sich 
jedoch nicht zu einem Arzt zu gehen. Später kam sie zu Herrn Müller in den Dienst; 
sie merkte jedoch aus verschiedenen Anzeichen, daß man sie an vorübergehende 
Burschen verkuppeln wollte; dann wollte man sie mit Wissen ihrer Mutter in den 
Schwanenklub locken, dort bekommt man Geld dafür. Sie wehrte sich dagegen und 
ließ keinen Fremden in die Wohnung, aus Angst, daß man sie verkuppele. Dann 
wurde sie hierher geführt und in ein Gitterbett gesteckt, sie weiß nicht, warum. 
Eines Tages fühlte sie, daß man ihr die Gebärmutter (sie sagt: Gebärdemutter) — 
„die Mutter, das Luder, die Schlange, ich will nichts mehr von ihr wissen“ — heraus- 
genommen habe. Sie spürte starke Schmerzen. (Wer tut das ?) „Der Herrgott . . . 



58 


Über Begriffe und Sätze. 


ich sah ihn, er stand außen am Fenster, er kann alles . . .“ Die Gebärmutter wurde 
herausgenommen, die Mutter war schuld daran, sie wollte es nicht zugeben, daß 
der Herrgott, ihr Himmelsvater, mit ihr eine ganze Nacht schlafe. Dann kam der 
Teufel, hat die Mutter mitgenommen. 

Genauer über die Vorgänge befragt: „Am Fenster war ein altes Gesicht, das ist der 
Herrgottschnitzer von Armenau. (Weint, halb scherzend.) Schlafen hat er wollen, 
er hat mit mir schlafen wollen. Er hat mir die Gebärmutter weggenommen. Die 
ist nur dazwischen gekommen, bis sie der Teufel geholt hat, das ist meine Mutter, der 
TeufeL Der Vater war Goldschlägerformer oder ... er hat Goldblätter gemacht (diese 
Ereignisse hätten sich 1 bis 2 Tage nach ihrer Ankunft in der Klinik abgespielt.) 
Es war ein hoher Herr, der Bischof da . . . Die Mutter hat geschrien, es gibt keinen 
Herrgott und keinen Teufel.“ (War das der Herrgott ?) „Nein, ein anderer . . .“ (Was 
ist mit der Gebärmutter ?) „Der Herrgott kann doch alles unsichtbar machen, ich 
hab so einen Reine gespürt, auf einmal war Schluß . . . Die Mutter wurde als Teufel 
auf geschrieben . . ., eine Schwester schrieb alles auf . ., als der Herrgott hier war . . .“ 
Die Patientin ist sehr gehobener Stimmung. Die Mutter der Patientin hätte herein- 
kommen sollen, die Patientin hat die Schliche auch aufgedeckt. Die Mutter ist eine 
Verbrecherin, sie hat sie in den Klub einschreiben lassen. (Erzählt wiederum von 
der Verabredung ihrer Mutter mit ihrer Dienstgeberin Luise Müller.) Zwei Männer 
liefen ihr auf ihren Spaziergängen immer nach; „ich habe mich aber nicht einschreiben 
lassen.“ Zum Referenten: „Im Gitter da hat der eine einen Bart gehabt und einen 
weißen Mantel, Du hast eine Injektion gegeben.“ (Dies entspricht nicht den Tat¬ 
sachen, es war ein anderer Arzt.) „Und hast geschrieben.“ (Auf Frage ?) „Der Vater 
w T ar ganz schwarz wie Du, er hat einen kleinen Bart gehabt. Meine Mutter ist eine 
Schlange, ich bin keine, seitdem Du mir eine Injektion gegeben, hast Du mich gern.“ 
Sie hat den großen Fernigl, einen Burschen, gern gehabt. (Was ist mit der Gebär¬ 
mutter ?) „Ich habs übergangen, ich bin überfallen worden, und da ist die Gebär¬ 
mutter geworden im Bauch . . .“ Die Patientin wollte, die Mutter solle sie zu einem 
Arzt führen; damals wurde konstatiert, daß sie eine Gebärmutter habe. Durch das 
Herausnehmen der Gebärmutter hat sie der Herrgott erlöst. Die Mutter ist ein Luder. 
Erzählt: zunächst habe sie die Schmerzen nach der Vergewaltigung übergangen. 
Manisch erregt, abspringend, zugänglich, voll Selbstgefühl; hierbei sagt sie dem Refe¬ 
renten gelegentlich vertraulich: „Aff, bist ein Aff.“ Bewegungsdrang. Einige Stunden 
später. (Zum Referenten): „Schieb die Haar zurück.“ Schiebt auch dem Referenten 
selbst sein Haar zurück. (Unterschied zwischen Kind und Zwerg ?) „Einen Zwerg 
sieht man nicht, aber dich schon, ich mag nicht . . .“ (Baum und Strauch!) „Zwischen 
einem Dornenstrauch und einem Baum; geh nicht hinaus! Ich sag Dir’s.“ Als ihr 
eine andere Patientin zuredet: „Halts Maul!“ 

14. V. In der Vorlesung relativ komponiert; sie erzählt, beim Fenster sah ein altes 
Oesieht herein; es war der Himmelsvater, der Herrgottschnitzer von Armengau. 
(Wieso von Armengau ?) „Weil er für die armen Leute ist.“ Er hat ihr die Gebärmutter 
herausgeschnitzt; die Mutter verhinderte, daß er mit ihr schlafe, bis endlich die Ma¬ 
donna kam und die Mutter in dem Kessel zur Schlange machte. Die Mutter hat den 
Vater immer ganz ausgezogen. Sie kommt als Schlange imd Sonne an den Himmel. 
Der Weltuntergang war da, bevor die Patientin das alte Gesicht gesehen hatte. 
Die Patientin betont, sie sei vernünftig, einige Male betont sie, sie habe 39° Fieber 
gehabt, und zwar deshalb, weil sie Schuhnummer 39 habe. 

Nachmittag: Auch in den Kopf habe sie in jenen Tagen Injektionen bekommen . . ., 
der Referent habe übrigens in der Vorlesung unrichtig berichtet: Der Herrgottvater 
wollte ja nicht mit ihr schlafen. 

16. V. (Was ist mit der Sonne ?) „Das ist meine Mutter, sie ist ja eine Schlange, 
sie war ja ein . . .“ (Wie ist das möglich ?) „Die Madonna hats gemacht. Der Wirbel 
mit der Mutter w r ar am zweiten Tag nach der Aufnahme . . . dann kam mein Vater 
hinauf. Er sprach mit dem Herrgott und sagte ihm, daß ihn die Mutter ausgezogen 
hat. . . Die Madonna war da und schnitt Schleier, legte sie zusammen und der größte 
gehörte für die Patientin ... die Mutter war in einem Korb . . . Die Madonna ist 
heruntergekommen, weil sie der Herrgott hinuntergeschmissen hat.“ Die Patientin 



69 


Über Begriffe und Sätze. 

hat für sie gebetet, damit sie der Herrgott wieder hinaufnimmt. Die Madonna hat 
aus dem Kasten herausgeschaut und hat die Mutter verurteilt, daß sie die ewige 
Schlange im Narrenschloß sein soll. Wenn eine Mitpatientin auf der anderen Seite 
ging, wurde ihr, der Patientin, leichter im Kopf. (Die Mutter war also im Korb?) 
„Das war in derNacht.“ Die Madonna und die Patientin haben sich davon abgewaschen. 
Die Mutter aber hat lauter schwarze Flecke am Kopfe gehabt. Die Madonna hat aber 
die Mutter abgewaschen; die wurde dann wieder so wie zu der Zeit, da sie geheiratet 
hat. Die Mutter wollte die Patientin mit dem Walter Müller verkuppeln . . . auch 
die Luise Müller wollte sie verkuppeln. „39 habe ich Schuhnummer. Wenn ich nicht 
den Schwanenklub aufgelöst hätte, wären Himmel und Erde zusammengegangen 
und eingestürzt. Der Referent war auf dem Thermometer oben. Denn später habe ich 
die Zwangsjacke bekommen. Oben wollte jemand die Sonne machen, ähnlich soll 
alles werden, wie es war, wie Jesus der erste war.“ Der Herrgott verschrieb der Pa¬ 
tientin alles, weil sie ein großes Mädel ist. Die Madonna selbst muß bei Tag die Sonne 
machen, muß auf einen Baum steigen (auf den Baum, wo Adam und Eva, wo Eva 
gesündigt hat) und muß die Sonne für die Erde machen. Die Eva, die heilige Maria 
nämlich . . . „Meine Mutter ist im Schlangenkessel gewesen, sie soll als Sonne in den 
Himmel kommen.“ Auf Erden soll es so sein, wie Jesus der Erste regiert hat. Wenn 
die Welt zusammengegangen wäre, hätte der Herrgott mit dem Teufel die Welt wieder 
richten müssen. Der Herrgott nahm ihr die Gebärmutter heraus, ohne daß sie davon 
wußte. (Was ist die Gebärmutter ?) „Das hab ich im Bauch gehabt, da, nach dem 
Überfall. Walter Müller hat das Land an Italien für Lebensmittel verhandelt, er 
hat das der Patientin wegen gemacht, um sie zu entführen.“ (Wieso der Name der 
Gebärmutter für die Folgen des Überfalles ?) „Statt einem Kinde, ich habdas übergan¬ 
gen durch die Arbeit. Der Papst kam selbst, um den Schwanenklub aufzudecken.“ 
(Früher haben Sie erzählt, daß Sie mit dem Papst geschlafen haben!) „Der Teufel 
ist mit der Madonna . . . Himmel . . . denn der Teufel ist mit der Mutter in dem Him¬ 
mel.“ Erzählt jetzt so, ihre Mutter habe verhindert, daß sie, die Patientin, mit dem 
Walter Müller eine gute Partie mache. „Der Herrgott ließ das Szepter da, nach der 
Herausnahme der Gebärmutter. Er ließ 39er Schuhe für mich machen.“ Zum Pfarrer 
habe sie damals gesagt, sie wolle nicht heilig sein, sondern einen Mann haben . . . 
Der Referent saß auf dem Thermometer. Der zweite Herrgottschnitzer ist derjenige, 
der auf dem Thermometer gewesen ist. Er hat geschrieben, er hat mit mir gearbeitet. 
Die Patientin hat immer gebetet, die Madonna solle heruntenbleiben, die Mutter soll 
herauf, die Mutter soll die ewige Sonne machen. Früher hat die Madonna die ewige 
Sonne gemacht. Sic stieg auf den Baum und dann war Tag. Die Mutter war in einem 
Schlangenkessel, sie war als Schlange verschrieben, die Madonna war aber bei ihr. 
Der Vater hat alles können, hat alles gewußt, hat auch die Helene B. gezeichnet. 
Die Familie H. (die Familie der Mutter) hat ihn ausgezogen. 

Einige Tage später erzählt die Patientin von diesen Dingen folgendermaßen: 
die Mutter ist zur Schlange geworden durch die Madonna; weil sie so schlecht war, 
wurde der Teufel verschrieben, dann war sie im Schlangenkessel. Es war ein runder 
Korb, die Gebärmutter ist meine eigene Mutter, sie ist daran schuld, weil sie nicht 
mit mir zum Doktor gegangen ist. Der zweite Herrgottschnitzer riß die Gebärmutter 
heraus, da kam der Teufel und wollte die Mutter holen; inzwischen kam der Vater 
und sagte der Mutter, sie sei schuld, daß er kümmerlich gelebt habe uitd daß es ihr, 
der Patientin, schlecht gehe. Die Mutter gab es nicht zu, daß die Patientin den Schwa¬ 
nenklub auf gedeckt hatte. Der Herrgott sagte der Madonna, sie solle das mit der 
Mutter erledigen. Wäre der Schwanenklub nicht aufgelöst worden, so wäre die Welt 
zu Grunde gegangen. Der Herrgott selbst arbeitet schon lange an einem Paar Schuhe 
für sie mit Nr. 39, das Thermometer hat auch 39° gezeigt. Auf dem Thermometer saß 
der Referent in einem weißen Mantel. Wenn sie nicht dazwischengekommen wäre, 
so wäre Himmel und Erde zusammengegangen. Der Herrgott hat ihr alles befohlen 
und ihr seinen Mantel und seine Krone gegeben. Der Doktor, der auf dem Thermo¬ 
meter saß, hat einen weißen Mantel gehabt und einen kleinen weißen Bart und hat 
ihre Gedanken gemessen, dann hat er mit dem Herrgott gesprochen; sie hat die 
Stimme deutlich gehört. Dadurch wurde sie zum Höchsten auf der Welt und hat 



60 Über Begriffe und Sätze. 

den Weltuntergang verhindert. Kaiser und Könige kommen dadurch ins Land 
wieder zurück. 

18. V, Die Madonna wollte, daß ihr Mann, der Herrgott, sich vergnüge, dadurch, 
daß er mit der Patientin schläft. Weil sie so viel gelitten hat, sollte sie statt der 
Madonna sein; sie sollte dort sitzen, aber sie wollte nicht. Die Madonna ist vom Him¬ 
mel gestürzt, sie hörte die Schreie ... es war gegen 12 Uhr nachts. Der Herrgott 
wollte, sie sollte auf den Thron gesetzt werden, von dem die Madonna stürzte. Dann 
sollte die Madonna auferstehen und der Patientin alles übergeben, was sie gehabt 
hatte. Der Mutter sollte sie als der ewigen Schlange den Kopf zertreten, dann wäre 
Adam auferstanden, er würde dann ihr Mann werden, weil sie ein braves Mädel war. 
Dadurch wurden Herrgott und Maria vereinigt und der Weltuntergang verhindert. 

21. V. Bevor sie ins Spital kam, hat ihr der Herr Müller unmittelbar in der 
Nacht ein Gift ins Ohr gespritzt, es entstand ein Geschwür, dieses Geschwür hat der 
liebe Gott herausgenommen. Er hat sie am ganzen Körper gereinigt. Der Müller hat 
das getan, um sie zu entführen . . . Der Zustand wird sich ändern; entweder kommt 
sie in die unsichtbare Welt, dort wird sie neben der heiligen Madonna, ihrem Retter, 
dem heiligen Gott, gegenüberstehen; er wird sie auszeichnen, weil sie ihm durch Ver¬ 
hinderung des Weltuntergangs auch gerettet hat. Die heilige Maria hat sie vom 
Tode befreit; dafür sollte die eigene Mutter sterben. Die Patientin ist seit einiger 
Zeit viel ruhiger, sie ist freundlich, entgegenkommend, gesprächig, heiter, aber nicht 
manisch, sie hilft ruhig bei den Hausarbeiten. 

23. V. Es ginge ihr gut. Erzählt auf Wunsch von ihren Ideen. Walter und Luise 
Müller wissen von dem Klub . . . Walter Müller erfuhr es erst durch die Patientin. 
Die Patientin bezeichnet den Klub jetzt als „Schwangenklub“ (weil dort alle Mädel 
schwanger werden). Sie hat das früher mit Schwanenklub verwechselt. Im Schwängern- 
klub sind alle Mädeln eingeschrieben; sie erfuhr dies durch Horchen am Kammerl, 
wo die Familie beisammen saß. Der Oberkommissär war der Patientin dankbar, 
daß sie alles aufgedeckt hat. Durch den Klub war die ganze Stadt verhindert. Die 
Injektion war im Ohr. Walter gab sie ein. Die Türe war ja immer offen; vielleicht 
ist sie auch dadurch nervös. In den ersten Tagen sah sie auch hier ein Gesicht. Am 
ersten Tag kam die Mutter dazwischen. Dann holte der Herrgott den Teufel. Der 
Herrgott holte auch den Vater; der Vater sagte, daß die Mutter ihn ruiniert hat. 
In der Nacht fiel jemand herunter, sie hörte den Schrei, das war offenbar die heilige 
Madonna; am andern Tag kam die Mutter ins Narrenhaus. (?) „Von dort kam sie 
wieder heraus; dann kam der Referent mit einem weißen Bart und schrieb.“ (In¬ 
jektion ?) „Die war schon vorher . . .“ „Der Referent sagte, die nehme ich mir selbst 
an, als Vater oder so verdeckt.“ (Was war mit der Mutter ?) „Die war im Schlangen- 
kessel.“ Beklagt sich, die Mutter habe ihr die ganze Jugend verdorben (weint). 

Als die Patientin auf die unruhige Abteilung kam (8. V.), stand beim ersten 
Bett Jesus der Erste . . ., am zweiten Bett saß auf dem Thermometer der Referent.... 
im Netz bei den Gucklöchern, — vielleicht hab ich an die Injektion gedacht. 
Hält an der Realität des Erlebten fest, rechnet jetzt gut. 

Bis zur Entlassung ruhig, klar, geordnet, der Wahn verblaßt allmählich, ohne 
daß sie korrigiert. 

Die Diagnose der Schizophrenie bedarf in diesem Falle keiner näheren Be¬ 
gründung 1 ). Der Hauptinhalt der Gedankenbildung der Kranken kann dahin 
zusammengefaßt werden, daß sie Erlösung und Glück durch die geschlechtliche 
Vereinigung mit ihrem Vater findet. Deshalb muß die Mutter verdrängt und 
vertrieben werden. Die feindliche Einstellung gegen die Mutter, die Zuneigung 
zum Vater fließen ersichtlich aus sexuellen Quellen. Die unklare sexuelle Erregung, 
gesteigert durch ein Notzuchtsattentat, welchem sie vierzehnjährig erlag, führt 

*) Die Patientin war übrigens mit einem typisch schizophrenen Bilde März-April 
1921 neuerdings in der Anstalt. Sie zeigte ein katatones Bild, auch dieses remittierte; 
in der Remission w ar sie unzugänglich. 



Über Begriffe und Sätze. 


61 


zu den Gedanken, die Mutter wolle sie verkuppeln. Gleichzeitig eine zweite 
Projektion dieser Erregungen nach außen: der »Sohn des Hauses, in dem sie be¬ 
dienstet ist, will sie verführen. Der akute Katatonieanfall, welcher sich über 
fünf Tage erstreckt, bringt die auf den Vater gerichteten Wünsche der Patientin 
zu einer teilweisen Befriedigung; der Herrgott reißt ihr die Gebärmutter heraus 
und entsühnt sie so. Dieses Herausnehmen der Gebärmutter hat folgenden Sinn. 
Die Gebärmutter ist ihrer Ansicht nach durch Vergewaltigung entstanden. Daß 
die Entsühnung einen Geschlechtsverkehr bedeutet, geht daraus hervor, daß die 
Patientin es als Absicht des Herrgotts bezeichnet, mit ihr eine Nacht zu schlafen. 
Anstelle der Bezeichnung Herrgott wird auch der Ausdruck Herrgottschnitzer 
von Armengau verwendet, und diese Gestalt fließt zusammen mit der des Refe¬ 
renten, welcher als der zweite Herrgottschnitzer von Armengau bezeichnet wird. 
Die Brücke bildet eine Injektion, welche die Patientin erhalten hat, und welche 
sie offensichtlich als Liebesakt auffaßt 1 ). Die Injektion spielt in ihrer Phantasie 
überhaupt diese Rolle; auch der Sohn ihrer Dienstgeberin, zu dem sie Zuneigung 
empfunden aber verdrängt hatte, machte eine Injektion ins Ohr. So bedeutet 
der ganze Anfall nur die sexuelle Vereinigung mit dem Vater oder dessen Stell¬ 
vertreter. Hier tritt jedoch die Mutter hindernd in den Weg, so daß die Psychose 
doch nur eine unvollkommene Befriedigung gewährt. Die Figuren der Mutter 
und der Madonna verschwimmen in ein Gesamtbild, dem gegenüber die ambi¬ 
valente Einstellung deutlich ist. Mutter und Madonna werden der Sonne gleich¬ 
gesetzt. Beide sind so am Himmel festgehalten, dorthin verbannt. Durch den 
Schlaf mit ihr wollte sich der Herrgott verjüngen, aber auch die Madonna soll 
verjüngt werden. Daß die Patientin den Schwanenklub, in den sie die Mutter 
verkuppeln wollte, auflöste, hat den Weltuntergang, das Zusammengehen von 
Himmel und Erde verhindert. Die Patientin ist das Höchste in der Welt geworden. 
Man wird nicht fehl gehen, wenn man das gehobene Selbstgefühl und die manische 
heitere Erregung, welche in unmittelbaren Anschluß an den Katatonieanfall 
auf trat, als begreifliche Folge der Erlebnisse im Anfall ansieht. Die inhaltlichen 
Zusammenhänge werden ja im Späteren noch einmal gestreift werden*). Hier 
soll nur die Art der Satzbildung, — Urteilsbildung, bei der Patientin eingehender 
untersucht werden. 

Beginnen wir mit dem Thema der Gebärmutter. Die Patientin sagt, sie habe 
die Gebärmutter übergangen. Dahinter steht das Erlebnis, daß sie vergewaltigt 
worden ist, daß sie daraufhin im Unterleib eine Sensation spürte, diese hat sie 
unterdrückt. Hier spricht die Vorstellung mit, daß sie hierdurch verhindert hat, 
daß sie ein Kind bekommen hat. Die Mutter, welche sie nicht zum Arzt führte, 
daß er ihr die Gebärmutter entferne, wird einmal in der Erregung selbst als 
Gebärmutter bezeichnet. Auch sonst spricht sie von ihr als gebärte mutter. 
Gebärmutter ist sinnbildlich verkörperte Sinnlichkeit, w ie die Mutter überhaupt. 
Hier fließen die Vorstellungen ein, daß die Mutter sie verkuppeln wollte, und 
schließlich heißt es, die Mutter sei an allem schuld. Der Herrgott nimmt ihr 
dadurch, daß er bei ihr eine Nacht schläft, die Gebärmutter weg. Damit ist auch 

*) Hierzu sei bemerkt, daß alle diese Dinge nur Beobachtungen Bleulers (Schizo¬ 
phrenie) bestätigen. 

2 ) Der Fall ist erwähnt in: Vorstudien zur Psychologie der Manie. Zeitsehr. f. d. 
ges. Neurol. u. Psyohiatr. Jg. 68, 1921. 



62 


Über Begriffe und Sätze. 


die Mutter entfernt. Hätte die Patientin nachgegeben, hätte sie sich in den Schwa - 
nenklub eingeschrieben, so wäre Himmel und Erde zusammengegangen (Vater 
und Mutter ?). So hat sie die Welt gerettet (wie sie als Kind das Geschlechtsleben 
der Eltern verhindert hat). Man sieht, daß der Satz: Ich habe die Gebärmutter 
übergangen, fast den ganzen Inhalt der Psychose zum Verständnis voraussetzt. 
Auch hier ist also die Aussagegrundlage eine wesentlich bereicherte. Die Be¬ 
deutungsbeziehung, die Auffassung der Aussagegrundlage ist aber hier eine kon¬ 
stante. Die Sätze, welche sich auf die Gebärmutter beziehen, entsprechen also 
logischen Sätzen ihrer formalen Artung nach. Es ist vielleicht besonders be¬ 
merkenswert, daß die Worthülse Gebärmutter von der Patientin mit einem ganz 
neuen, sehr* individuellen Inhalt gefüllt wird. Oder ist dieser Inhalt nicht doch 
wieder ein uralt ,,sachlicher“. Ist es nicht eine Auflösung der Sprache, ein Wort¬ 
witz, der auf eine archaische Gleichsetzung der Frau mit ihrem Geschlechtsteil 
zurückgeht, die letzten Endes doch auf einer Anschauung beruht. Das ist ein 
Beitrag zur Frage des Begriffszeichens, die uns ja früher beschäftigt hat. Die 
Untersuchung der Sätze unserer Patientin ergibt also, daß die Veränderung der 
Sätze derjenigen der Begriffe analog ist. Es ist die Auffassungsgrundlage verän¬ 
dert, aber es finden sich bei dieser Patientin auch unvollkommene Bedeutungs¬ 
erlebnisse von Sätzen, ähnlich wie das für die Begriffe der akuten Fälle ausge¬ 
führt wurde. Die Madonna erscheint bald als eine Helferin der Patientin, welche 
die Mutter bestraft, sie zur Schlange macht. Dann wieder ist sie die Sonne am 
Himmel, an ihre Stelle wird die Mutter verbannt. Dann wieder wird sie vom 
Thron gestürzt, damit die Patientin sich auf diesen Thron setzen könne. Dann 
ist wieder die heilige Maria vom Tode durch sie befreit und dafür stirbt die Mutter. 
Dann wird wieder der Herrgott und die heilige Maria durch die Patientin verjüngt. 
Man sieht also, daß der Bericht über die Schicksale der Madonna gar nicht in 
Sätze gefaßt werden kann, da alle hierauf bezüglichen Sätze einander in sehr 
wesentlichen Punkten wiedersprechen; versuchte man, zusammenzufassen, so 
hätte das folgendermaßen zu geschehen. Die Madonna ist Freundin und Helferin, 
sie ist aber auch Nebenbuhlerin. Sie teilt Wesenszüge mit der Mutter, aber auch 
mit der Patientin selbst. Alle diese Satzrohmaterialien w erden einzeln aber nur 
vorläufig gestaltet, fließend aufgefaßt, ohne daß es zu grammatikalischer Gliede¬ 
rung käme. Die Patientin kann ihre Einzelregungen nicht zu einem Gesamtwillen 
zusammenschließen; es ist eine Nebeneinanderreihung anstatt der Gliederung. 
Es ist also eine gegenüber dem sonstigen Denken völlig veränderte Form. Ver¬ 
gessen wir nicht, daß immer die gleiche Grundhaltung durchschlägt, sich an die 
Stelle der Mutter zu setzen, die „Gebärmutter“ zu entfernen. Vergessen wir 
nicht, daß auch die Berichte von der Gebärmutter vervollständigt werden können 
Wir erfahren, daß Walter Müller der Patientin eine Injektion ins Ohr gemacht 
hat, daß sie ein Geschwür bekommen hat und daß der Herrgott sie gereinigt hat. 
Also der gleiche Vorgang wie bei der Gebärmutter. Gebärmutter und Geschwür 
werden also in ganz gleicher Weise verwertet. Was noch einleuchtender wird, 
wenn man sich vor Augen hält, daß das Verhalten der Patientin zeigt, daß sie 
in einer Injektion einen geschlechtlichen Akt sieht. So gehen die akute und chro¬ 
nische Störung des Satzes ineinander über. 

Die aufmerksame Betrachtung des über Begriffe und Sätze Ermittelten zeigt 
eine weitgehende Übereinstimmung. Es ist ja eine Sache des Beliebens, ob man 



Über Begriffe und Sätze. 65 

die Störungen unserer Fälle als Störung der Begriffsbildung oder der Satz- 
bildung kennzeichnen will. 

Sowohl bei der akuten als auch bei der chronischen Abänderung der Begriffs¬ 
und Satzbildung ist also die Auffassungsgrundlage abgeändert. Das ist Folge 
einer veränderten Triebeinstellung, welche Verdichtungen und Verschiebungen 
bedingt. Das Weltbild wird so umgestaltet, und es sind nun andere Grundlagen 
für das Handeln gegeben. In den akuten Fällen finden sich charakteristische 
Formen der Bedeutungserlebnisse; allerdings gibt es alle möglichen fließenden 
Übergänge zu den chronischen. Nicht daß die Sinngebung überhaupt fehlte! 
Aber die immer erneuten Ansätze werden abgebrochen, jedes Stück wird einzeln 
behandelt und bleibt so unerledigt und muß immer neu bearbeitet werden. Der 
Sinn ist zerfasert; die Zahl der Bedeutungserlebnisse scheint vergrößert zu sein; 
ader jedes einzelne Erlebnis ist nicht ausgereift und trägt formal den Stempel 
des Unfertigen an sich. Kommt es zur Ausreifung und einheitlichen Gestaltung 
der Bedeutungserlebnisse, so haben wir dann das Bild der chronischen Begriffs¬ 
störung vor uns. Der unvollständige Bedeutungsakt hat bisher nicht die 
Aufmerksamkeit der Psychopathologen auf sich gezogen. Er unterliegt nicht der 
Anforderung der Widerspruchslosigkeit und dem Satze des ausgeschlossenen 
Dritten. Er ist alogisch oder besser prälogisch und infolgedessen grammatikalisch 
sprachlich nicht faßbar. Allerdings muß auch hier darauf verwiesen werden, 
daß für den Erlebenden der Satz A gleich A gilt. Die Geltung dieses logischen 
Satzes ist auch hier nicht aufgehoben. Diese halben Bedeutungsakte, die sich 
ohne vereinheitlichende Gliederung aneinander schließen, können verglichen 
werden mit primitiven Teilfunktionen des Wahmehmungsaktes; so können w r ir 
etwa bei der Betrachtung der Fassade eines gotischen Domes eine Fülle von Einzel¬ 
heiten sehen, ohne die Struktur der Fassade als Ganzes zu erfassen. 

In den akuten und chronischen Fällen, die hier betrachtet wurden, zeigt sich. 
daß die Begriffsgrundlage gegenüber der Begriffsgrundlage der Begriffe des 
Normalen eine reichere zu sein scheint, und man hat in den ausgesprochenen 
Fällen dieser Art den Eindruck, als sei in die Begriffsgrundlage jedes einzelnen 
Begriffes die gesamte individuelle Erfahrung mit eingebettet. Mit anderen Worten: 
die Begriffsgrundlage enthält nicht nur ein Stück Tatsächlichkeit der Außenwelt, 
sondern auch die individuellen Erfahrungsbilder, das Eigenleben der Patienten. 
Diese Begriffsgrundlage enthält nicht nur ein Stück der tatsächlichen Welt, 
sondern es ist individuelle Vergangenheit und Triebhaltung des Individuums 
in sie hineingearbeitet. Wir erinnern uns daran, daß in der Halluzination ein 
Stück Eigenerfahrung zur Welt geworden ist. Ich halte diese Analogie für be¬ 
deutsam. Man kann das hier Gesagte auch so fassen, daß die Begriffsgrundlage 
der pathologischen Fälle an Stelle der phylogenetisch bewährten die individuell 
willkürlichen Einstellungen zum Ausdruck bringt. Ähnliches habe ich ja von 
der Halluzination ausgeführt. 

Im Wahrnehmungsakte hat sich ja die Haltung des Individuums endgültig 
kundgetan. Sollte nicht beim Bedeutungserlebnis etwas Ähnliches vorliegen ? 
Dann wäre also die Zerfaserung des Bedeutungserlebnisses Ausdruck von unvoll¬ 
endeten Triebhaltungen, der sinngebende Akt, der Abschluß, ein Jasagen. Auch 
die neuere Psychologie scheint ja diesen Akt der Bedeutungsgebung dem Jasagen 
anzunähem. Das heißt aber wieder nur, daß das Bedeutungserlebnis motorisch 



64 


Über Begriffe und Sätze. 


faßbar wird. Es rückt in die Nähe der Willenstendenz. Damit rückt der ganze 
Akt der Bedeutungsbildung in folgen des Licht: nach dem Triebleben wird die 
Begriffsgrundlage gestaltet. Die Begriffsgrundlage wird zu einer neuen Sphäre 
von möglichen Haftpunkten des Handelns, der bedeutungsgebende Akt ist ein 
weiteres Bereitmachen der Triebeinstellung dieser möglichen Welt gegenüber, 
es ist eine virtuelle Handlung. Dementsprechend ist ein Begriff eine Handlungs 
bereitschaft einem bestimmten Stück Möglichkeit gegenüder. Das zerfaserte 
Bedeutungserlebnis wäre demnach der Ausdruck einer stets schwankenden Trieb¬ 
einstellung, welche statt die einzelnen Teile der Wirklichkeit zu gestalten, jedem 
Teilstück der Wirklichkeit und Möglichkeit ein zerfasertes Interesse entgegen¬ 
bringt 1 ). 

Daß alle Teilphasen und einzelnen Erfassungsakte beim erfolgreichen Denkakt 
doch auf ein Ziel losgehen, ist gerade für die hier vorliegende Störung wichtig; 
es wird alles Material zur entscheidenden Synthesen durchlaufen und einzeln bear¬ 
beitet. In unseren Fällen fehlt die endgültige Gestaltung. Es ist bemerkenswert, 
daß ja auch die Begriffsgrundlage sämtlicher Fälle eine außerordentliche Fülle 
gewonnen hat; sie ist nicht abgeschlossen, umfaßt die gesamte Sphäre des Er¬ 
lebens. Sie ist durchsetzt von dem früheren Erleben. Die Begriffsgrundlage der 
entscheidenden Begriffe in jeder dieser Psychosen erschöpft die gesamte Welt 
des kranken Individuums. Man kann also sagen, die Begriffs- und Satzgrundlage 
unserer Fülle ist abschlußunfähig. Das ergibt den einen wichtigen Pareallelismus 
zu dem Verhalten der Bedeutungen. Dieser Parallelismus wird verständlich, wenn 
man sich klar macht, daß die Triebhaltung des Individuums zunächst den Stoff 
der Welt bearbeitet, eine Arbeit, welche in dem Organismus ihre Basis hat, so 
daß die Welt eine Abbildung der lebendigen und der schon zum Organismus 
gewordenen Triebrichtung ist : über dieser Sphiire Triebhaltung baut sich noch 
eine andere auf, eine zweite, welche innerhalb der in der Begriffsgrundlage, in 
Satzgrundlage gebotenen Materiales, die feinere Einstellung vomimmt, das sind 
die Bedeutungen. Sinngebende Akte sind handlungsnahe Akte. Es ist ein 
endgültiges Auffassen einer „Grundlage“ zum Zwecke des Handelns. Begriffe 
sind dann Einheiten möglicher Handlungen. 

So rückt denn die Triebeinstellung in die engste Nähe zur Handlung auf der 
einen Seite, zum Bedeutungsproblem auf der anderen Seite. Noch eine wichtige 
Analogie ist hervorzuheben: der Bau der Begriffsgrundlage ist wie erwähnt, 
analog dem Bau der Wahrnehmungsgrundlage. 

Es wurde immer wieder hervorgehoben, daß die Begriffsgrundlage sich als 
abhängig erweist von determinierenden Tendenzen, von Triebhaltungen. Es 
strömt so eine Fülle persönlichen Materiales in die Begriffsgrundlage ein. In der 
Wundtsehen Terminologie, es findet eine Assimilation verschiedenartigsten 
Materiales statt. Aber unter dem Einflüsse der Eigenart des Individuums wird 
es in eins verschmolzen. Wir können diesen Verschmelzungsakt psychologisch 
verfolgen. Er erfolgt infolge determinierender Tendenzen. 

Es liegt also nahe, den Wahrnehmungsakt zum Vergleich heranzuziehen. 
Die Teilansichten eines Buches, das gedreht wird, geben eine einheitliche Wahr- 

*) Ich muß hier daran erinnern, daß derartige Betrachtungen nicht die phäno¬ 
menologische Mannigfaltigkeit hinwegleugnen sollen, sondern einen biologisch-natur¬ 
wissenschaftlichen Ausschnitt aus der reicheren Gesamtwirklichkeit geben. 



Übet Begriffe und Sätze. 


65 


nehmungsgnmdlage ab. Die Schaffung der Wahrnehmung«- und Begriffsgrund¬ 
lage ist offenbar ähnlich zu denken. Beide Schöpfungen erfolgen aus den 
tiefsten Schichten des organischen, des psychischen Lebens heraus. Eben¬ 
sowenig wie in der optischen Agnosie durch die Zerstücklung des optischen Bildes 
in Teileindrücke die Form der Gegenständlichkeit als solche angetastet wird, so 
bleibt auch die allgemeine Form ,,Begriffsgrundlage“, Bedeutungserlebnis in 
unseren Fähen gewahrt. Im übrigen bieten gerade die optischen Agnosien und die 
verwandten Teilgebiete optischer Störungen wertvolles Vergleichsmaterial zu 
den hier beschriebenen Störungen. Bei jenen wird die Wahmehmungsgrundlage 
umgebaut, so wie bei unseren Fällen die Begriffsgrundlage umgebaut wird. Die 
Analogien sind weitgehende. Auch dort gibt es Verdichtungen und Verschie¬ 
bungen, wenn diese auch z. T. nach anderen Gesetzmäßigkeiten verlaufen 1 ). Auch 
hier haftet der Wahmehmungsakt nicht, auch hier ist er zerfasert. 

Die Gegenständlichkeit der Welt rückt so in die engste Beziehung zu der 
Gegenständlichkeit des Begriffes. Aktpsychologie läßt sich biologisch fundieren. 
Der Begriff Akt hätte dann ebenfalls in zwei Stufen auseinander zu fallen. Die 
erste Stufe würde der Schaffung der Begriffsgrundlage entsprechen, die zweite 
dem sinngebenden Erlebnis. Die Schaffung der Wahmehmungsgrundlage steht 
aber in unmittelbarer Beziehung zur somatischen Organisation. Hier kann vieles 
nicht mehr psychologisch erfaßt werden, es kann nur nach Art des Psycho¬ 
logischen gedacht werden. Vielleicht ergeben sich noch einige Gesichtspunkte, 
welche uns den Wahmehmungsakt verständlich machen. Die eine Quelle des 
durch Wahrnehmung gewonnenen Gegenstandes sind Bruttoeindrücke des Sinnes¬ 
organes, die andere Quelle sind die somatisch fixierten Hirnorganisationen an¬ 
derer Art; die dritte schließlich ist das individuelle Erlebnis. Während Wir 
aus der Analogie der Vorstellungserlebnisse, der Begriffe, das Wesen dieses 
letzten Faktors unmittelbar erfassen können, müssen uns diese beiden ersten 
Quellen zunächst fremd erscheinen, als ein unmittelbar Gegebenes. Dürch 
keinerlei genetische Konstruktion kann der Gegenstand als solcher abge¬ 
leitet werden, wohl aber erscheint er als Gegenpol des strebenden Ich diesem 
zugeordnet zu sein. Das Sinnesorgan selbst aber erscheint ebenso wie das 
Hirn einem Streben des Ich nach dem Gegenstände zu entsprechen und ge¬ 
worden zu sein aus einer stetig wachsenden Bewältigung der Gegenstands¬ 
welt. Gerade aber die agnostischen Hirnstörungen zeigen, daß der ,,Hirnmecha¬ 
nismus“ im wesentlichen gleichartig gebaut sein muß dem ,,Begriffsmechanis¬ 
mus“. So ergeben sich denn zwischen Begriffen und Wahrnehmungen sehr enge 
Beziehungen; Wahrnehmungen sind aber Ausdruck der körperlichen Organi¬ 
sation — und diese muß gedacht werden als entstanden aus einer immer 
stärker anwachsenden Bemächtigungs- und Aufnahmefähigkeit den realen Gegen 
ständen gegenüber. Begriffe sind aber nur Fortsetzungen von einer somatischen 
starren Organisation zu einem freien, zwar somatischen, aber noch nicht fixierten 
Triebleben. Es ist eine aus dem Triebleben herausgeschaffene mögliche Welt. 
Aber das Triebleben ist Teil der Welt, es hat sich angepaßt, es gehört zu unserer 
Organisation. Begriffe sind demnach organisationsbedingt und wichtige und 
zweckentsprechende Begriffe sind demnach solche, welche unserer Organisation 

*) Vergl. hierzu Pötzl: Experimentell erzeugte Traumbilder und ihre Beziehungen 
zum indirekten Sehen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 37, S. 278, 1917. 

Sohilder, Seele and Leben. 5 



66 


Über Begriffe und Sätze. 


gemäß zweckmäßige Handlungen für die Zukunft bereit stellen. Begriffe sind 
demnach ebenso starr oder ebenso lebendig wie unser Organismus. 

Noch eine höchst wichtige Problemstellung bedarf einer eingehenden Er¬ 
örterung. Wie die unvollständigen Bedeutungsakte zeigen, klingt während des 
Denkens eine ungemeine Fülle von Motiven an. Man kann annehmen, daß dieses 
Anklingen ein and eres ist bei jenenFällen, in denen durch die endgültige formulierte 
Bedeutung jene Einzelakte gehemmt werden. Man hat aber Grund zu vermuten, 
daß das Aufleuchten von immer neuen „Bedeutungen“ in den vollständigen Be¬ 
deutungserlebnissen weniger eindringlich erfolgt. Nun wurde immer wieder 
auf die wesensähnliche Haltung hingewiesen, welche einesteils der Erweiterung 
und Bearbeitung der Begriffsgrundlage und der Zerfaserung des Bedeutungs¬ 
aktes zu Grunde liegt. Die Begriffsgrundlage unserer Fälle erwies sich als maßlos 
erweitert und zwar unter dem Einflüsse der Triebeinstellung. Die Begriffsgrund¬ 
lage auch der chronischen Fälle hat einen sehr weiten Kreis durchlaufen. Gegen¬ 
über der Begriffsbildung des Normalen ergibt sich in schematischer Formulierung, 
daß diese Einzelgegenstände darstellt, während die Begriffe unserer Kranken 
die Welt als Ganzes zum Gegenstände haben. Das erklärt sich aber in folgender 
Weise: während die Welt eine komplizierte Struktur hat, die von jedem ein¬ 
zelnen Punkte das Einsetzen eines Wunsch- und Willensaktes, eine Handlung 
besonderer Art, zur Voraussetzung hat, Handlungen, welche untereinander weit¬ 
gehend verschieden sind, verschränken sich im Triebleben die einzelnen Strebun¬ 
gen ineinander, verfließen, und werden schließlich doch als Ausstrahlungen 
eines Ich zu werten sein. Nun spricht ja auch im normalen Seelenleben auf jedes 
Einzelerlcbnis der ganze Mensch an, aber die sachgerichtete Tendenz wird dieses 
Mitschwingen des ganzen Erlebens niederhalten. Das Ankling$n wird wesentlich 
bestimmt sein vom Gegenstände. Die sachgerichteten Zuflüsse werden überwiegen. 
Nun sind das zwei Typen, die ich versucht habe zu charakterisieren; sie gehen 
fließend durch Übergänge ineinander über. Ist aber, wie unsere Beobachtungen 
gezeigt haben, die Möglichkeit gegeben, daß alles anklingt, so w ird man vermuten 
dürfen, daß jenes allgemeine Anklingen in der Tat immer wieder stattfindet, 
auch bei der sachgerichteten Intention. Man wird so zu der fürs erste sonderbar 
anmutenden Anschauung kommen, daß alles Erfahrene jederzeit psychologisch 
mitschwingt. Die Ünterschiede wären nur in der Art des Mitschwingens, in dem 
Grade des Auswirkens dieser Resonanz gegeben, und die pathologischen Fälle 
w ürden nur eine Reindarstellung dieser Resonanzphänomene geben, welche jeder 
Akt erw eckt, Phänomene, die der endgültigen Gestaltung voraus- und in ihr unter¬ 
gehen. Man kommt also auch auf diesem Wege zu der Anschauung, daß alles, was 
unsere Fälle zeigen, auch im normalen Denkakt enthalten ist, aber nur als Keim, 
als unentwickelte Andeutung. Der Abschluß eines Gedankens hemmt die Auswir¬ 
kung des Teilerlebens, welches ihm zu Grunde liegt. Man kann bildlich sagen, die 
Teilerlebnisse gehen in den entwickelten Gedanken ein, doch ist die Ausdrucks- 
w eise unvollständig und könnte zu Mißverständnissen führen. Der Wegfall der 
endgültigen, auf den Einzelgegenstand gerichteten Aktes muß also zu einem Über¬ 
wuchern von Vorbereitungen und Teilerlebnissen des Aktes führen. Mit anderen 
Worten: wird das Triebleben übermächtig, dann w ird die persönliche Vergangen¬ 
heit stärker in Erscheinung treten. Es ergeben sich also Beziehungen zwischen der 
Wirksamkeit der individuellen Vergangenheit, unter der ich die Summe aller 



über Begriffe und Sätze. 


67 


seelischen Eindrücke verstehe, und dem Nachlassen der saehgerichteten Ten¬ 
denz. Die Möglichkeit, den Dingen zu folgen, der Struktur der Wirklichkeit 
gerecht zu werden, ist aber eine spät erworbene (sowohl phylogenetisch als 
auch ontogenetiscb) und auch im Denken ist die Tendenz zur Realität erst mög¬ 
lich, wenn die Vergangenheit erledigt und durchlaufen ist. So ergibt sich also 
wiederum die Berechtigung, ontogenetisch und phylogenetisch frühe Bildungen 
des Denkens mit Entwicklungsphasen des Denkens der Gesunden und den Denk¬ 
produkten unserer Kranken auf eine Stufe zu stellen 1 ). 

Man kann aber diesen Gedanken auch von einer anderen Seite her verstehen. 
Sachgerichtete Tendenzen sind jene, welche sich einem bestimmten Stück Wirk¬ 
lichkeit zuwenden, alles andere im Hintergrund belassend. Die nicht sachgerich- 
teten w enden sich der ganzen Welt zu, sie lassen alle Eindrücke wieder aufleben. 
Die saehgerichteten Akte erhellen nur einen kleinen Teil der Welt, alles übrige 
im Dunkeln lassend, die nicht saehgerichteten geben der ganzen Welt ein diffuses 
Licht. So wie jede Leibniz’sche Monade das ganze Universum darstellt, so 
wendet sich jeder Akt zur ganzen Welt, nur die Akzente der Zuwendungen sind 
verschieden. 

Wenn ich von den Begriffen sage, sie seien Haftpunkte möglicher Handlungen, 
so ist das durchaus in einem biologischen Sinne zu nehmen. Es sind Vorbereitungen 
zu bestimmten Innervationen und Tätigkeiten. Die Analogie zur Wahmehmug 
ist durchaus ernsthaft zu nehmen. Nun habe ich ausgeführt 2 ), daß jede Hallu¬ 
zination und jede Wahrnehmung nicht nur rezeptiv ist, sondern auch ein aktives 
Element, einen Tätigkeitskeim enthält und überhaupt nicht prinzipiell abgrenz- 
bar ist vom Tun; Tun und Leiden sind auf das Innigste miteinander verbunden. 
Die Begriffe sind mm in zweifacher Hinsicht mit Tätigkeits- und Triebhaltungen 
verbunden. Erstens erfolgt ihr Aufbau unter dem Einfluß affektiver Einstel¬ 
lungen, zweitens liegt in ihnen eine Vorbereitung zu bestimmter Innervation. 
Dieses Prinzip sei nun an einem Beispiel dargestellt. 

Fall V. 

Marie Dr., in die psychiatrische Klinik aufgenommen am 19. XI. 1920. Nach den 
Angaben ihres Mannes ist sie seit 14 Tagen krank, starrt vor sich hin und behauptet, 
von Herrn Stingl hypnotisiert zu werden. Herr Stingl ist der Brotherr des Depo¬ 
nenten. Die Frau St. soll mit der Patientin gestritten haben. Vor zirka 3 Wochen 
sah die Patientin einen Hypnotiseur, der in einem Gasthaus hypnotisierte. An dem 
Tage der Aufnahme sah sie Figuren im Vorhänge. Sie warf Gegenstände ins Feuer, 
nahm sie brennend wieder heraus. Wollte zum Fenster hinunterspringen, jammerte, 
sie müsse sterben. Frau Stingl habe ihr die Seele genommen, oder sie die Seele der 
Frau Stingl. Menses regelmäßig, keine Heredität. Zwei Kinder gesund. Ein Abortus. 

In der Klinik erwies sich die Patientin als geordnet und orientiert; nur läßt die 
Aufmerksamkeit zeitweise nach „ich bin hypnotisiert und kann nicht sprechen“. 
Ihr Mann hat Herrn Stingl Mehl genommen; dieser hat sie hypnotisiert, so daß sie 
die Gegenstände ins Feuer hinein werfen mußte. Herr Stingl wollte durch die Hypnose 
herausbringen, wieviel Mehl ihr Mann genommen habe. (Es sei aber gar nicht der 
Rede wert!) Herr Stingl spricht in ihrem Kopf und in ihrem Herzen. Er spricht auch 
mit dem Referenten und befiehlt ihm zu schreiben. Durch Hypnose hat man ihr die 


a ) Vergl. meine Arbeit über Gedankenentwicklung. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. 
Psychiatr. Jg. 59, 1920. 

a ) über Halluzinationen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 53, 1920. 

5* 



68 


Über Begriffe und Sätze, 


Seele genommen. Plötzlich: „Sie wollen mich doch ohnedies ins Landesgericht fort- 
f (ihren. “ (Beginnt mit Herrn Stingl zu sprechen, was an Lippenbewegungen und Mur¬ 
meln kenntlich wird; ist unzugänglich, wenn sie in einem derartigen Gespräch ist.) 
„Mein Mann hat überhaupt nichts genommen, das bißchen Mehl, das zahlt sich gar 
nicht aus.“ Von den Gestalten will sie nicht sprechen, „das war nur Luft“. 

Dreimal hat sie auch im Unterleib etwas gespürt, wie von der Hypnose, es war 
wie beim Geschlechtsverkehr. Noch in Kriegszeiten sah sie wiederholt einen Mann 
auf der Straße, sie wollte aber anständig bleiben. „Der kann mich doch nicht hypnoti¬ 
siert haben, mit dem hab ich keinen Geschlechtsverkehr gehabt.“ „Davon kann man 
doch kein Kind kriegen ?“ Sträubt sich gegen die Protokollierung dieser Dinge. 
Beginnt zu erzählen, daß es ihr und ihrem Mann schlecht gehe. 

21. IX. Sei von einem Mann hypnotisiert, wer es sei, wisse sie nicht. Er befindet 
sich in ihr, in ihrem Kopf, schaut durch ihre Augen, flüstert ihr Aufträge zu; so 
mußte sie am Naschmarkt stehlen, damit sie eine glückliche Frau werde. Sie spürt 
es, wie ihre linke Hand sich zusammenkrampft. Beim Stehlen, da kam so ein Gefühl 
der Leichtigkeit, und sie stahl Zwetschken; zu Hause hatte der Hypnotiseur einen 
Zorn auf sie, weil sie kein Fleisch gestohlen hatte. Auch im Unterleib spürt sie den 
Hypnotiseur, als ob sie dreimal mit ihm verkehrt hätte. In ihrem Kopf gehen viele 
Medien aus und ein, sie spürt, wie sich eine Hitze in ihr ausbreitet. Die Patientin 
windet sich jetzt, atmet tief aus und ein und sagt: „Jetzt bewegen sich die Medien 
aus und ein in mir.“ Der Hypnotiseur ist zeitweise auch außerhalb ihres Körpers. 
Die Medien kommen immer wieder in sie hinein. 

Etwas später: der Hypnotiseur zwingt sie, ihn anzuschauen, er gerät in Zorn, 
wenn sie fremde Leute ansieht. Er hat gesagt, daß sie ein Kind bekommen wird, 
und das Kind wird von ihm sein. (Tief atmend) „fremde Stimmen gehen bis zum 
Herzen.“ Sie hört auch Stimmen von den Eltern und Geschwistern, von fast sämt¬ 
lichen Verwandten, vom Herrn Stingl und vom Hypnotiseur. Sie hört es in der Brust 
und im Kopf und die Stimmen geben ihr Befehle; der Hypnotiseur soll die ganze 
Wahrheit erfahren. Er soll alle in Medien verwandeln. Sie hat gesehen, wie die 
Medien sich auf dem Fußboden vor ihr als graue Klumpen gewälzt haben. Der Hyp¬ 
notiseur zwang sie, sich das anzusehen. Er hielt die Kinder in der Hand. Er drehte 
sie herum, bis das Kind auf den Boden fiel und liegen blieb. Die Patientin mußte den 
Hypnotiseur ansehen. Er war mittelgroß. Er beherrscht den ganzen Tag ihre Gedan¬ 
ken. Zeigt auf ihre Brust: „Jetzt hab ich jemanden darin“ (atmet krampfhaft ein). 
„Ich glaube, das ist der Hypnotiseur selbst.“ „Die Stimmen sind in mir drin.“ Durch 
den Hauch ist er als Stimme in ihr drinnen, er beherrscht ihre ganzen Sinne und ganze 
Gestalt. „Was ich machen soll, was ich nicht machen soll.“ Das hat der Hypnotiseur 
mit ihrer Gestalt gemacht, oder der Herr Stingl. . . auch die Verwandten sind in ihr, 
die Stimmen des Vaters, der Mutter und alle . . . die Schwester. (Atmet krampfhaft 
aus.) „Er hat das gemacht, er hat mich nach der Familie ausgefragt, und ich sah 
Mutter imd Vater, wie sie ausschauen und hörte ihre Stimme drin.“ Der Hypnotiseur 
hat die ganze Verwandtschaft in der Arbeit... er sagt, die Patientin sei nicht mehr 
schön, er möcht die Schwester und ein Kind haben . . . „Die Schwester, die Mutter, 
mein Vater, meine Kinder sind in mir.“ Weil sie eine reine Frau sei und starke Sinne 
habe, so passe sie zu dem Hypnotiseur. „Mein Herz gehört zu ihm und er ist in mir.“ 
Sie hört laut die Mutter sprechen: „Marianka, was machst du da ?“ Ihre Augen seien 
zeitweise fremde Augen. Die Augen schmerzen sie, wenn sie auf jemanden schaut. . . 
Die fremden Augen beherrschen ihre Stimmung. Sie hat schwarze Pinkeln gesehen, 
die sich wälzten. „Das sind meine Leute von zu Hause, die sich so gewälzt haben.“ 
Die Mutter sagte ihr, sie solle sich auch wälzen, daß sie schmutzig sei. Durch das 
Wälzen wird sie von den Medien befreit werden. Sie tut es aber nicht. 

24. IX. Stimmen der Verwandten sprechen zu ihr, daß die Kühe vom Stall weg- 
rennen und sie spürt den Geruch vom Stall bis hierher. „Ich soll das machen . . . 
sie sagen, daß ich das machen soll ... ist das möglich ?“ „Jetzt hab ich gute Augen, 
jetzt haben das meine Eltern . . . die machen das wahrscheinlich so, wie ich das hier 
gemacht hab.“ „Ich spüre die Luft, wie alles rennt . . .“ Sie hört eine Reihe von 
Leuten sprechen. Sie hört im Körper Stimmen von zu Hause. „Ist das möglich. 



Über Begriffe und Sätze. 


69 


daß man Seelen in andere geben kann. Was ist das, das aus mir geht ?“ Das habe 
seit der Hypnose an gefangen. Die Hypnose war die Kraft, die in den Körper hinein- 
ging. Wie der Böse mit mir alles gemacht hat, hab ich alles verspürt. Er sagt, die 
Seele wird mit der anderer Leute verstampft. Es geht immer so eine Seele hinein. 
„Mach ich das, oder macht das der Böse ? In dem Hirn sind Griffe, so daß es heraus¬ 
kommt und ich bald sterbe. Wie soll ich mich davon befreien, ich sehe niemand, 
es sind lauter tote Sachen. Der Atem, den ich ausgeatmet habe, der weggeflogen ist, 
hat durch meinen Mund Hexe gesagt. Jetzt hab ich es in den Augen und kann nicht 
schauen . . . mit den fremden Augen mach ich’s so verschieden . . . Der verfolgt mich; 
mit dem schwarzen Blick verwandeln sich die Leute und rennen wie kleine schwarze 
Pinkeln durcheinander. Die rennen im Haus, wo meine Leute die Wirtschaft haben, 
so durcheinander.“ „Jetzt hab ich jemanden, der ausgesprochen hat: »Wirtschaft* . . . 
Jetzt sprech ich wieder anders. Wenn ich trinken will, läßt er mich nicht trinken. 
Gestern ging ich umeinander und eine schwarze Gestalt hat mich geführt, meine 
Gestalt war fort, er ging in meiner Gestalt mit mir, ich hab Tritte gespürt, ich war es 
aber nicht, meine Gestalt war bei meinen Eltern, er hat mich vertauscht. Jetzt tut’s mir 
wieder im Hirn weh.“ „Bin ich gesund jetzt. . . nein, meine Augen habe ich nicht, 
die Gedanken auch nicht. Die Gedanken sind fort und mein Gehirn ist weg. Ich werde 
gehen, ob das meine Gestalt ist. . . aber im Kopf ist alles leer . . . Spricht auch mit 
Ihnen jetzt niemand ?“ Während sie so spricht, geht sie mühsam, steif im Zimmer 
auf und ab, um zu probieren, ob sie mit ihrer Gestalt gehe. „Mit meinen Leuten 
geschieht dasselbe, wie mit mir. Mein Kopf ist in fremden Händen . . . ich kann mir 
nicht helfen! Wer hat das gesagt, nicht ich! (Atmet tief und laut.) Jetzt tut mir 
das Herz weh, es ist etwas Fremdes in mir . . . helfen Sie mir aus diesen Phantasien . . . 
ich weiß nicht, hab ich die Leute in der Gewalt, oder hat der Böse mich in der Gewalt . 
Jetzt hör ich, daß ich einen großen Schlund spüre wie die Kuh zu Hause (sie hallu¬ 
ziniert diese Kuh auch optisch!), das ist nicht mein Schlucken. Das ist alles ver¬ 
ändert. Sehen Sie, daß ich mache wie eine Kuh frißt (macht kauende, malmende Be¬ 
wegungen). Jetzt hab ich meine Gestalt, kann aber nicht atmen . . . sehen Sie, 
das geht wieder hinein, sehen Sie, ich kann nicht atmen, das ist wieder in der Kuh 
drin . . ., jetzt ist das wieder weg.“ 

In der Folgezeit ist sie zeitweise unzugänglich, man könne ihr nicht helfen. Meist 
klagt sie lebendig in der oben beschriebenen Weise. Am 1. X. gibt sie an, sie sei von 
lauter Toten umgeben und sei selbst eine Tote, läßt auch die Glieder schlaff sinken. 
Beschäftigt sich mit ihrem Atem, der von da unterhalb ihres Nabels zum Munde ziehe. 
Immer wieder sucht sie durch krampfhaftes Ausatmen die Geister zu entfernen, die 
in ihr sind. Diese identifiziert sie mit den Stimmen und es scheint, daß sie den Atem 
selbst für den Geist hält. Diese „Stimme“ kann auf andere übergehen. Zu einer 
Ärztin: „Ist Ihnen schlecht, Frau Doktor; als Sie weggingen, war mir schlecht, um 
Gotteswillen, warum geht das auf die Frau!“ Ihre Ausdrucksweise bezüglich dessen, 
was sie halluziniert, zeigt eine charakteristische Unbestimmtheit. Einmal sagt sie „ich 
sehe die Toten“, dann wieder „ich fühle sie“, dann „ich habe sie in mir“, und schlie߬ 
lich ist sie selbst eine Leiche. 

Die an einem akuten Schub einer Schizophrenie erkrankte Patientin zeigt 
eine eigentümliche Form der Besessenheit. Es sind Stimmen in ihr ; diese trennt 
sie nicht von ihrem Atem; diese Stimmen sind aber gleichzeitig der Mensch, der zu 
ihr spricht. Dadurch ist aber auch ihre ganze Gestalt im Grunde die des Hypno¬ 
tiseurs. Ihre Augen sind die eines anderen. Und das, was sie halluziniert, ist nicht 
nur ihr Tun, sondern auch ihre Gestalt: sie halluziniert kauende Kühe und macht 
selbst die Bewegung einer kauenden Kuh, und ihr Schlund wird breit. 

Daß bei dieser Patientin eigener Hauch, fremde Stimmen und fremde Per¬ 
son zu einen untrennbaren Ganzen verschmelzen, wird uns noch späterhin be¬ 
schäftigen. Hier ist nur zu erörtern, daß das Gesehene, Wahrgenommene ihr 
sofort zu einem Teil des eigenen Körpers wird und auch zu abgeänderter Inner- 



70 


Über Begriffe und Sätze. 


vation führt. Die Patientin appersoniert ihre Wahrnehmungen, nimmt sie zur 
eigenen Persönlichkeit hinzu, während der Normale zu den Wahrnehmungen 
eine Stellung nimmt, in der Art, daß er sich gegen sie richtet, sie als Objekt beläßt, 
so saugt die Patientin ihre Wahrnehmungen erneut in sich, und handelt so, daß 
sie das Wahrgenommene nun selbst tut. „Ich sehe eine Kuh... ich kaue wie eine 
Kuh.“ Etwas sehr Ähnliches liegt bei den sogenannten Halluzinationen des 
Muskelsinnes vor. Die Patienten sprechen nach, was sie hören. Es führt also die 
Wahrnehmung in diesen Fällen eine Handlung mit sich, welche dem Bilde der Wah- 
nehmung entspricht. Also Wahrnehmung ist gleichzeitig ein Tun. Hier sind nun 
zwei Typen festzustellen: der eine TypuslösteineReaktiongegendie Wahrnehmung 
aus. Ein instruktiver Fall dieser Art ist Fall V. meiner zitierten Publikation über 
die Halluzination. Das Individuum greift zwangsmäßig nach der Halluzination, 
der zweite Typus macht die Bewegungen des Tuns der Außenwelt zu einem eigenen 
Tun. Im ersten Fall ist die Anerkennung eines „Außen“ gegeben, im zweiten 
verschmilzt innen und außen. Beide Typen sind nur verständlich, wenn man jedem 
Bild eine Mündung in Handlung zuschreibt. Hat man sich aber bezüglich der 
Bilder geeinigt, so wird man das gleiche von Begriffen und Sätzen aussagen 
müssen, denn es ist nicht anzunehmen, daß die Formung zum Begriff und Satz 
eine Abschließung vom Motorium mit sich bringe 1 ). 

Es war im Vorangehenden vielfach die Rede davon, daß das Vergangene 
in der Gegenwart erscheine. Es erscheint nötig zu sein, über die Form etwas 
zu sagen, in der sich die Vergangenheit in die Gegenwart hinein fortsetzt. Im 
Falle der Pat. Therese B. (Fall II) ist ein Jugenderlebnis, der Verführungsversuch 
durch den Seppl-Vetter, in der Erinnerung im wesentlichen unentstellt erhalten. 
Ebenso weiß die Patientin von der Selbstbefriedigung. Aus der Krankengeschichte 
ist ersichtlich, daß ebendieses Erlebnis gestaltend mitwirkt an den psychotischen 
Erscheinungen und in sie eingeht. Nach diesem Muster werden die Figuren der 
Psychose gestaltet, ohne daß die Patientin hiervon Kenntnis hat. Hier liegt etwas 
Typisches vor. Freud hat hierauf in seinem Buche „Psychopathologie des All¬ 
tags“ verwiesen. Die psychoanalytische Methode beruht darauf, daß es möglich 
ist, von den Verdichtungen, symbolähnlichen Gebilden und Symbolen usw. zu 
den zu Grunde liegenden Erlebnissen zu kommen, die also dadurch nicht aus der 
Erinnerung geschafft werden, daß sie mit anderen verschmelzen. Alles Erfahren 
erscheint so als ein ungeheures Reservoir, aus dem eine lebendige Kraft gestaltend 
schöpft. Es ist offenbar anzunehmen, daß jedes aktuelle Denken nach einem be¬ 
stimmten Ziel strebend diese ruhende Vergangenheit passiert, Einzelnes aus ihr 
anklingen läßt und in jedem Einzelakt neuformend gestaltet. Das gilt sowohl 
für die Erinnerung, als für die Auffassung. Jeder seelische Akt durchläuft also 
die Sphäre. In jedem früheren Erlebnis ist aber ein Stück Triebleben zur Erschei¬ 
nung gekommen. An ihm haftet noch etwas vom lebendigen Willen, das mit¬ 
bestimmend in die Gesamthaltung einfließt. Der fertige Begriff hat nun auf Grund 

J ) Bei Bleuler: „Die Schizophrenien“ finden sich unter der Bezeichnung Apper- 
sonierung eine Reihe hierhergehöriger Phänomene treffend beschrieben (S. 119). Auch 
Nunberg: Über den katatonen Anfall, und Über den Verlauf des Libido-Konfliktes 
in der Schizophrenie, Intern. Zeitschr. f. ärzt. Psychoanalyse Jg. VI u. VII, 1920/21, 
erwähnt im Anschluß an Freud wiederholt die Wendung der Triebe gegen das 
eigene Ich, ebenso auch die Aneignung fremder Erlebnisstücke. In allen diesen Be¬ 
obachtungen wird jedoch die Beziehung des Bildes zur Handlung nicht gewürdigt. 



Körper und Welt. 


71 


der Auffassung und des Anklingens des früheren einen neuen Punkt für das 
Handeln geschaffen. Die Vergangenheit muß gedacht werden als orientiert 
nach zwei großen Systemen; einesteils nach den sachlichen Zusammenhängen, 
anderenteils nach dem persönlichen Erleben. Die beiden Systeme durchkreuzen 
einander offenbar auf die verschiedenste Weise. Man muß annehmen, daß das 
Triebleben in diesen Schatz der Vergangenheit fortwährend ordnend und gestal¬ 
tend eingreift. 

So sind wir tiefer in die Struktur des Erlebnishintergrundes eingedrungen, 
als es uns bisher möglich war. Es ist noch nicht Rücksicht genommen worden 
auf die Frage, wie dieser Erlebnishintergrund vom formalen Gesichtspunkt aus 
aufgebaut ist. Da er unter dem Einflüsse von Triebregungen und Affekten steht, 
so ist anzunehmen, daß er eine Fülle von „Gemeinempfindungen“ enthält, er ent¬ 
hält ja nicht nur die Erlebnisse, sondern auch die Stellungnahmen zu den Erleb¬ 
nissen, also eine mannigfaltig abgestufte Reihe von psychischen Haltungen, die 
sich in Gefühlen ausdrückt. Welche enge Beziehung die Gefühle zu der Klasse 
der Gemeinempfindungen haben, ist ja bereits hervorgehoben. Trotzdem wird 
man sich hüten müssen, die Erscheinungen des Erlebnishintergrundes mit dem 
vagen Begriff der Gemeinempfindungen, der Coenästhesie zu decken und darüber 
die Fülle der Erscheinungen zu vergessen, welche in dieser Urform der Seele auf¬ 
gewiesen werden können. 


II. Körper und Welt. 

Der Körper ist von den Dingen der Außenwelt durch seine besondere Be¬ 
ziehung zum erlebenden Ich geschieden; er ist dem Ich näher gerückt; an ihm 
setzt der Wille ein, hier ist eine Machtsphäre meines Willens, hier ist aber auch die 
Berührungsfläche mit der Außenwelt, an der mein Erleiden einsetzt. Außen¬ 
welt und Körper sind durch das Bindeglied Empfindung verbunden. Das Erleben 
des ,,Außen“ geht schließlich immer mit einem Erleben am eigenen Körper ein 
her. Es ist eine wesensmäßige Beziehung, daß stets am eigenen Körper etwas vor¬ 
geht, w enn ich mich im Akt zu einem Gegenstand der Außenwelt wende. Dieses 
Erleben am Körper ist sehr mannigfacher Art. Wenn ich einen Gegenstand 
sehend w'ahrnehme, so schwingt in diesem Akte eine dunkle Gesamtempfindung 
des ganzen Körpers mit. Einzelnes hebt sich aus dieser besonders ab; jene Empfin¬ 
dungen, welche mit den motorischen Einstellbewegungen verbunden sind. Es 
finden sich jedoch auch Abänderungen der Atmung, der Blutverteilung usw. 
statt, welche die Resultante der Gemeinempfindungen nicht unbeeinflußt lassen. 
Schließlich sind aber neben der optischen Wahrnehmung optische Empfindungen 
da. Es ist zwar dem Wahrnehmenden zunächst nur zufolge einfacher Versuche 
geläufig, daß er Empfindungen optischer Art beim Sehen hat, er ist ja auf den 
Gegenstand gerichtet und die Empfindungen sind nur der Inhalt, aus dem dieser 
Gegenstand aufgebaut wird. Es gehören aber schließlich zu jeder Wahrnehmung 
Nachbild- und Kontrasterscheinungen, die nicht als Teile des Wahrgenommenen, 
sondern als Empfindungen erlebt werden. Jede Wahrnehmung ist nicht nur 
schlichtes Wahrnehmen des Gegenstandes, sondern sie schließt auch das Erlebnis 
von Empfindungen, von Änderungen am eigenen Körper ein. Körper und Welt 



79 


Körper und Welt. 


sind demnach aneinander gekoppelt. Es fällt schwer diesen Tatbestand aus¬ 
zudrücken; wir fühlen uns veranlaßt zu sagen, am Körper wird eine Veränderung 
erlebt. Es muß aber betont werden, daß wir nicht vom Erleben dieser Empfin¬ 
dungen in dem gleichen Sinne sprechen können, wie wir vom Erleben des Aktes 
sprechen. Auch die Empfindungen erscheinen, sie stehen auf der Gegenstands¬ 
seite, aber die Änderung, des eigenen Empfindens ist ,,Akt - näher“, ,,ich - näher“, 
als die Außenwelt. Der Körper ist mit seinen Empfindungen in dieser Hinsicht 
den Gefühlen verwandt. Es gibt nun eine Reihe von Erlebnissen, welche, obwohl 
sie Gegenstände der Außenwelt erfassen, trotzdem mit einen wesentlichen Anteil 
am eigenen Körper verankert sind. So ist der Schmerz nicht nur Wahrnehmung 
eines schmerzerweckenden Gegenstandes, sondern auch Wahrnehmung einer 
Körperveränderung; er ist zu einem sehr großen Teil „Empfindung“. Geruch 
und Geschmack sind Sinne, bei denen der Empfindungsanteil gegenüber dem Wahr¬ 
nehmungsanteil stärker betont ist, als bei der optischen, akustischen oder tak¬ 
tilen Wahrnehmung. Es ist natürlich eine sehr grobe Vereinfachung, wenn die 
Wahrnehmungen nach den Sinnespforten geschieden werden. Es gibt aber ganze 
Erlebniskomplexe, in denen der Wahmehmungsanteil von Empfindungsbestand¬ 
teilen auf das Ausgiebigste durchsetzt ist. Man betrachte das Sexualerleben unter 
diesem Gesichtspunkt. Mit der Wahrnehmung des Liebesobjektes ; mit den auf 
dasselbe gerichteten Wünschen und Handlungen gehen schwerwiegende Ver¬ 
änderungen im Empfindlingsbestand des eigenen Körpers einher. Auf der Höhe 
des Sexualgenusses scheinen ja diese Empfindungen die Wahrnehmungen zu 
übertönen, aber es wäre sehr falsch, wenn man übersehen würde, daß diese da 
sind und das Erleben tragen. Von Geilheit ist dann zu sprechen, wenn das In¬ 
dividuum die Tendenz hat, in diesem Empfindungsbestandteil aufzugehen. Und 
das führt zu der wichtigen Erkenntnis, daß die Tendenz des Individuums dahin- 
gehen kann, in dem Wahrnehmungsbestandteil oder indem Empfindungsbestand¬ 
teil des Erlebens zu leben, und daß diese Haltung offenbar imstande sein muß, 
Wahrnehmung und Empfinden zu beeinflussen. Schließlich ergibt sich aus dem 
angezogenen Beispiel, daß das Wahrgenommene und das Empfundene in gewissen 
Momenten die Neigung haben, ineinander zu rinnen. Ebenso wie etwa bei einem 
großen körperlichen Schmerz der schmerzerweckende Gegenstand mit dem 
eigenen Schmerze in eins zu fließen scheint. 

Es ist anzunehmen, daß die Einheit Körper viel mehr Einheit ist, als die 
Welt. Es gehört zum Wesen der Empfindungen, daß sie untereinander in ein 
Ganzes zu zerfließen streben, während die Welt sich schärfer und distinkter 
abhebt. Zum Körper gehören alle psychischen Vorgänge, jedes Erleben, jeder Akt, 
jede Innervation, und insbesondere auch alle Vorstellungsbilder. Zu den wesent¬ 
lichen Teilstücken des Erlebens Körper gehört, daß der Körper unmittelbar vom 
Willen bewegt wird. Auch die Phantasie ist, als dem Willen untertan, hier ein¬ 
zureihen. Strebt aber alles Empfinden dahin, in Eins zu fließen, so muß sofort 
hinzugefügt werden: Je „ich - näher“ eine Wahrnehmung ist, je weniger sie sich 
vom Körper abhebt, je weniger sie ihm gegenübertritt, desto mehr ist sie mit 
Sexualität durchsetzt. Die Begriffe Körper und Sexualität erhalten aber ihren 
umschriebenen Sinn aus dem Gegensatz zu dem Begriff Welt. Körper und Welt 
sind Korrelatbegriffe. Es w r äre unsinnig, aus dem Körper die Welt ableiten zu 
wollen. 



73 


Köiper und Welt. 

Es gibt Zustände, in denen sich die Grenzen zwischen Körper und Welt ver¬ 
wischen. Körper wird zur Welt und Welt zum Körper. Hierfür zunächst Bei¬ 
spiele : 


Fall TI. 

Milada B. in die Psychiatr. Klinik aufgenommen am 19. IX. 20, entlassen am 
6. X. Nach der Angabe ihrer Schwester ist sie seit Jahren hochgradig erregbar, streit¬ 
süchtig, rechthaberisch. Seit Mai gibt es zwischen ihr und der Schwester fortwährend 
Streit, weil sie das Kind der Schwester vollkommen für sich in Anspruch nimmt, 
mit der Begründung, daß sie eigentlich die Mutter des Kindes sei. Jeder Versuch, ihr 
das Kind zu nehmen, löst heftige Erregungen aus, in denen sie die Schwester be¬ 
droht und mißhandelt. Vor 8 Jahren hat die Patientin abortiert. Lues und Potus 
werden negiert. Die Familienanamnese ist belanglos. 

Die Patientin erwies sich in der Klinik als ruhig und geordnet, sie war stets in 
gleichmäßiger, heiter getragener Stimmung, von einer inneren Seligkeit durchglüht. 

Die Schwester habe sie aus Eifersucht ins Spital gegeben, weil sie vom Kinde so 
sehr geliebt werde. Die Schwester sei selbst verrückt und sei auf sie losgegangen, sie 
vernachlässige das Kind, spreche mit anderen Frauen, laufe ungewaschen, vernach¬ 
lässigt herum. Sicherlich ist die Schwester nervenkrank. Macht man sie auf die 
Fehler aufmerksam, so geht sie auf die Patientin los. Auch ist die Schwester un¬ 
religiös, sie ist auch gegen die Mutter jähzornig. Wenn sie gegen die Mutter schlägt, 
so ist es der Patientin, als ob sie selbst gegen die Mutter schlecht gewesen sei und ihr 
etwas angetan habe. Der Vater war so wie die Schwester, er war auch nervös; er ist 
schon 12 Jahre tot. Die Schwester hat seine Natur. Wenn andere Menschen etwas 
anstellen, dann fühlt sie sich nicht mitschuldig. „Mir glückte alles, was ich.... alles 
geht mir aus, wenn ich etwas mache stimmt alles, beim Nähen kommt alles aus, was 
sich mein Herz wünscht.“ Sie kann Voraussagen. Der heilige Geist ist in ihr. Sie ist 
sehr glücklich, hat eine schöne Zukunft vor sich. Sie kann Voraussagen, was man 
sie fragen wird, sie weiß auch, ob es regnen wird oder nicht. Den Krieg und seine Not 
hat sie vorausgesehen. Seit dem Tode der Großmutter (vor 9 Jahren) ist die Patientin 
glücklich, alles freut sie, sie muß immer singen. 

Vor 6 Jahren hat sie abortiert. Sie hat kein Kind. Damals hätte sie gerne ein Kind 
gehabt. „Dann habe ich die Liebe in diesem Kinde (der Schwester) erfüllt.“ Dieses ist 
4 Jahre alt. Sie hat einen Verehrer, der in der Gefangenschaft ist. Sie hat ihn gern. 
In den Schwager ist sie nicht verliebt, das bilde sich die Schwester nur ein. Das Ehe¬ 
paar lebe schlecht. Es tat der Patientin weh, wenn der Schwager das Kind schlug. 
Trotzdem hat er es wohl gerne. 

Das Kind hat ihr Benehmen. 9 Monate, bevor das Kind kam, lag sie mit offenen 
Augen da und konnte nicht reden. Sie war in einem eigenartigen Zustand, der 9 Mo¬ 
nate dauerte, dann kam das Kind und dann war alles gut. Die Patientin kam zu dem 
Kind, als es 9 Jahre alt war. Ihre Liebe übertrug sie auf dieses Kind. Zur Zeit der 
Schwangerschaft hatte die Schwester ihre Natur — es war eine Art Seelenwandenmg — 
damals war gerade der Krieg; zum Krieg braucht man Courage und durch die Seelen- 
Wanderung wird der Geist stärker, der Mensch ist dann schöner, stärker und glück¬ 
licher; ihre Seele ging auf das Kind über. „Ich und das Kind sind in der Natur gleich¬ 
mäßig . .. zwei passende Naturen stimmen immer zusammen. .. das Kind folgt so¬ 
fort.“ Vielleicht hat die Patientin wegen des Krieges abortiert. „Wenn ich etwas 
sage, so kommt mir alles so richtig vor“ (das alles bringt sie in selbstgewiß seliger 
Stimmung). „Ich weiß nicht, was mit mir geschehen wird, ich werde noch glücklicher 
werden als früher; ich habe große Ahnungen.“ Ihre Großmutter hatte dieselbe Natur 
wie sie, sie weiß alles voraus. .. auch der Vater. . . 

Wenn der Schwager mit der Schwester verkehrt, so fühlt die Patientin auch mit. 
Die Schwester ist mit ihrem Mann nicht zufrieden, deshalb ist sie auch nervös. Sie, 
die Patientin, ist zufrieden, sie spürt es, wenn der Schwager mit der Schwester ver¬ 
kehrt. Sie war vor einem Jahr bei einem Professor in Stellung, da war auch ein Mäd¬ 
chen. Sie wurde gefragt, ob sie das Mädel lieb hat, und sie hatte zu dem Kinde eine 



74 


Körper und Welt. 


Liebe. Seit dieser Zeit hat sie das Gefühl, „als ob das Gefühl von der ganzen Mensch¬ 
heit zu ihr kommt.“ Sie spüre es jede Nacht, — es komme von der ganzen Mensch¬ 
heit zu ihr. Sie spüre es, wenn irgendein Mann mit einer Frau verkehrt. „Und wenn 
wer singt, muß ich auch gleich singen, ich kann mir nicht helfen,... das Mädchen 
bei den Herrschaften war auch zu mir gleich gut.“ 

Auch in der nächsten Zeit ändert sich das Bild bei der Patientin nicht wesentlich. Sie 
läßt keinen Zweifel darüber, daß edler sexueller Genuß nachts ihr zukommt, sie wisse 
genau, was besprochen worden sei... auch die Großmutter hatte Ahnungen... sie 
auch, sie weiß im voraus, wenn ein Besuch kommt. . . die Ahnungen gehen auf 
den heiligen Geist zurück... sie hatte das schon als kleines Kind... war schon zu 
allem talentiert, sie konnte alles, trotzdem sie nichts gelernt hatte. Das Kind muß ihr 
bleiben, sie hat es geboren, sie ging auch schwer, als die Schwester das Kind trug. 
Das verschwand, als das Kind auf die Welt kam. Körperlichen Verkehr hat sie nur mit 
einen Mann gehabt, ohne besonderen Genuß. Sie war sehr heikel. Gelegentlich er¬ 
zählt sie, wenn die anderen Patienten etwas tun, muß sie es auch tun. Auch die 
anderen Patienten müssen nachmachen, was sie tut. 

In diesem Falle lebt die Patientin in ihrer Sexualität. Hauptkrankheits¬ 
symptome sind: sie erklärt das Kind der Schwester als eigenes; sie hat die Natur 
der Schwester, folglich hat sie das Kind konzipiert. Das ist der Mechanismus 
der Identifizierung. Der Verkehr des Schwagers mit der Schwester macht ihr 
Genuß. Jeder in der Welt vollzogene Sexualakt führt bei ihr zum Orgasmus. 
Dabei Gemeinsamkeit mit der Welt: ,,Wenn wer singt, muß ich auch gleich 
singen.“ Selig genießend, bewegungsarm. „Mir kommt alles so richtig vor, was 
ich denke.“ 

Mit dem Leben in der Sexualität geht also einher ein Ansichreißen fremden 
sexuellen Genießens. Auch andere fremde Erlebnisse nimmt sie an sich; eine 
magische Gemeinschaft besteht zwischen der Außenwelt und ihr. Hier zeigt sich 
also, daß in der Tat das sexuelle Genießen mit einer Unbestimmtheit in der Zu¬ 
ordnung der Erlebnisse zum Körper oder zur Außenwelt vergesellschaftet ist. 
Gleichzeitig ist in ihr die Überzeugung w r ach, daß sie so richtig denke. Es dürfte 
mit dem sexuellen Genuß das Bewußtsein höheren Eigenwertes verbunden sein, 
dieses wird aber von der Patientin in das Bewußtsein der objektiven Richtigkeit 
des eigenen Denkens umgesetzt. 

Während bei dieser Patientin der Genuß in der unmittelbaren Sexualempfin¬ 
dung liegt, erlebt die Patientin Margarete V. (Fall VIII. meiner Mitteilung über 
die Manie 1 ) ihre Sexualbefriedigung in sublimierter Form. In der Erkrankung 
vereinigt sie sich mit dem Vater, der von einer imaginären Geliebten vertreten 
wird. Sie ist Reformatorin der Welt, Schöpferin, Allmutter, von ihr geht Frucht¬ 
barkeit aus, sie gibt neue 10 Gebote. Sexualempfindungen im engeren Sinn fehlen. 
Also eine mit Sexualität durchtränkte Wahnwelt. Die Patientin verfügt über 
geistige Allmacht, sie ist eins mit ihren Geliebten. Seine körperlichen Leiden 
werden auch von ihr empfunden, also: magisches Einssein mit ihm. Dabei eine 
Fülle von Bewegungsantrieben, keine innere Ruhe, Stimmung der Seligkeit. 
Also auch hier ist die erotische Erfüllung mit einer Steigerung des Selbstgefühles 
gepaart, die Patientin schreibt sich eine Vergrößerung ihrer geistigen Fähigkeiten 
zu, und auch hier werden fremde Erlebnisse der eigenen Persönlichkeit zugeteilt. 

Steigerung des Selbstgefühls, Steigerung des Machtbew ußtseins, ist also mit 

*) Vorstudien zu einer Psychiologie der Manie. Zeitsehr. f. d. ges. Xeurol. u. Psy- 
ehiatr. Jg. 68^ S. 90, 1921. 



Körper und Welt. 


75 


dem Sexualgenuß, erfolge nun dieser in roher oder sublimierter Form, verbunden, 
Näherrücken der Welt zum Körper bedeutet also Erweiterung der Einflußsphäre 
des Ich ; Beides ist im Sexualgenuß gegeben. 

In den beiden verwerteten Fällen kommt es nicht zu Halluzinationen, wohl 
aber spielen magische Beeinflussungen in beiden Psychosen eine wesentliche Rolle. 
Bemerken wir aber sogleich, daß bei sehr vielenHalluzinierenden, insbesondere bei 
halluzinierenden Schizophrenen die magische Denkweise wieder lebendig wird, 
und daß von diesen Kranken magische Wirkung ausgeübt und magische Beein¬ 
flussung erlitten wird. Nun ist ja die Halluzination die ausgeprägtere Umordnung 
im Besitzstände Körper und Welt. Sollte es nicht denkbar sein, daß der psycho¬ 
logische Vorgang beim Halluzinierenden sich in derWeise abspiele, daß er zunächst 
in seinen Empfindungsbestandteilen lebt, daß Körper und Welt einander nahe 
rücken, zu verschwimmen drohen, bis dann eine neue Differenzierung stattfindet. 
Demnach wäre der erste Akt der Halluzination Einschmelzung der Welt in den 
Körper, der zweite Akt Neudifferenzierung. Sicherlich ist das zu schematisch. 
Und der erste Akt kann vielleicht auch nur darin bestehen, daß die Möglichkeit 
der Umschmelzung sich psychologisch realisiert. Nach der Umordnung ist aber 
die Zone der Unbestimmtheit geschwunden, Außenwelt und Körper sind wdeder 
getrennt, klar Umrissen da. Diese Theorie der Halluzination kann zu einer um¬ 
fassenden leicht ausgebaut werden. In den Versuchen von Seashore 1 ), in denen die 
Versuchspersonen durch die entsprechende Erwartung dazu gebracht werden, 
eine mattleuchtende Perle zu sehen, die nicht da ist, ist die Coenästhesie sicher¬ 
lich abgeändert durch die besondere Aufmerksamkeitsspannung, mit der ja eine 
Reihe von Körperempfindungen verbunden ist. Auch richtet sich die Aufmerk¬ 
samkeit der Versuchspersonen weniger auf das Objekt als solches, sondern auf 
die Empfindung der Versuchsperson. Auf dieser Grundlage wird die Umschmel¬ 
zung möglich. Sehr ähnlicheEnvägungen gelten bezüglich derVersuche Perky s*), 
in denen die matte Wahrnehmung einer Orange von den Versuchspersonen für 
eine Vorstellung gehalten wird. 

Auch hier schafft die besondere Versuchsanordnung die Zone der Unbestimmt¬ 
heit. Auch die sonst schwer zugänglichen Halluzinationen der Alkoholdeliranten 
rücken von hier aus in eine neue Beleuchtung. Körpermißempfindungen, Pa- 
raesthesien, werden bei der der Außenwelt zugewendeten Beachtung mit Vorstel¬ 
lungen als Teile der Außenwelt ausgefällt. 

Eine flüchtige Erwägung ergibt, daß nicht alle Halluzinationen mit einer Er¬ 
weiterung des Machtgefühls und der Machtfülle der Individuen einhergehen. 
Mit anderen Worten: nicht alle Halluzinationen wachsen auf dem Boden der 
Magie. Dieses Verhalten wird sofort klarer, wenn man sich die beiden Fälle vor 
Augen hält, die zum Ausgangspunkt dieser Erörterungen gedient haben. Beide 
sind von Sexualität durchdrängt. Die Einstellung auf das Empfundene muß 
offenbar Grundtenor des Erlebens sein, damit Magie in Erscheinung trete. 

Das Um und Auf der magischen Weltanschauung ist das Bewußtsein einer 

J ) Bei Stumpf: Empfindung und Vorstellung. Abh. a.d. Kgl.Preuß. Akad.d. Wissen - 
.schäften 1918, Philos. histor. Klasse, S. 1. 

2 ) An experimental study of imagination. Americ. Journ. of psychol. Jg. 21, S.434. 
— Diese Versuche sind in meinem „Wahn und Erkenntnis“ ungenau berichtet. Die 
obige Darstellung ist die Verbesserung. 



76 


Körper und Welt. 


besonderen Wirksamkeit des Wünschens und Wollens. Dies gilt sowohl für den 
Analogiezauber, als auch für jene Zauberpraktiken, welche mit den Ausscheidungs- 
produkten: Speichel, Kot, Urin u. dergl. vorgenommen werden. Beim Analogie¬ 
zauber wird ja durch eine Handlung am erreichbaren Objekt eine Wirkung an 
sonst Unerreichbarem erzielt. Auch die Ausscheidungsprodukte erhöhen die Wir¬ 
kungskraft des Zauberwunsches. All das wird auch als Wirkling erlebt (passive 
Magie). Es ist wohl klar, daß diese passive Magie eine aktive voraussetzt. 

Ich muß daran erinnern, daß wir unter dem ,,Empfindungsmäßigen“ Inner¬ 
vationsimpulse und die kinaesthetischen Empfindungen antrafen. Innervation 
und Phantasie sind nun dem Wünschen und Wollen besonders stark untertan. 
Es gibt offenbar auch Körperempfindungen, welche in bezug auf die Unabhängig¬ 
keit von Wunsch und Wollen ,,ich - ferner“ sind. Auch hier liegt offenbar ein 
Motiv der Scheidung in aktive und passive Magie. 

Immer aber müssen wir betonen, die Magie setzt nur dort ein, wo im Erleben 
das Körperliche, also Empfindungsmäßige besonders stark hervortritt. Es 
knüpft an alles erogen Betonte an, aber nicht nur vom Genitalen und von den 
Körperöffnungen geht Magie aus und nicht nur auf diese wirkt Magie, sondern 
schließlich erhält die ganze Körperoberfläche und der Körper überhaupt magische 
Bedeutung 1 ). 

Nun gibt es offenbar eine Einverleibung fremder Körpererregungen, die 
Patientin Milada B (Fall VI.) erklärt ja alle Lust für ihre Lust. Etwas sehr 
Ähnliches in dem erst später mitzuteilenden Fall Sarai (Fall IX.). In diese 
Gruppe gehören wohl die Mitempfindungen überhaupt; wobei es deutlich wird, 
daß man dieses Mitempfinden sehr körperlich und sehr real denken muß. Es ist 
nur eine Fortbildung dieses Mechanismus, wenn meine Patientin Marie Dr. (Fall 
V) eine Kuh halluziniert, dann plötzlich zu kauen beginnt und klagt, ihr Schlund 
sei weiter geworden. Das ist wiederum der Identifizierungsmechanismus. Ein 
hier nicht mitgeteilter Fall schwerer akuter Katatonie halluziniert, vorhin sei im 
Spiegel das Bild der Frau erschienen, die habe gezittert, und habe die Haltung 
gehabt, die er jetzt einnehmen muß; er mußte auch zittern. Dann bekommt er 
plötzlich seinen Schmerzanfall, er stöhnt, greift mit der Hand nach dem Herzen 
und ruft aus: ,,au weh, meiner Frau muß es weh tun!“ Alle diese Dinge zeigen 
offenbar, daß unter bestimmten Umständen die ganze Welt dem Körper einverleibt 
und zu Empfundenem werden kann. Auch hier zeigt sich also wiederum, daß es 
Zonen der Unbestimmtheit gibt. Wenn auch das Empfundene dem Willen gegen¬ 
über eine gewisse Selbständigkeit haben kann*), so ist es doch wiederum dem Willen 
näher, als die Außenwelt. 

Es muß nun auch berücksichtigt werden, daß Wille, Wunsch, willkürlich 
gewählte Verstellung doch auch mächtig auf den Körper zurückwirken. So er¬ 
geben sich denn folgende Gesichtspunkte für das Verständnis der Magie: 1. Alles 
erogen Betonte, alles Empfindungsmäßige, hat eine Tendenz, mit der Welt zu¬ 
sammenzufließen. 2. Der Körper kann beim Überwiegen des Empfindungsmäßigen 
mit der Welt verschmelzen. 3. EinTeil des Empfindungsmäßigen steht in unmittel¬ 
barer Beziehung zu Wunsch und Willen, ein anderer in mittelbarer. Alles Empfin¬ 
dungsmäßige ist also dem Willen und der Innervation unmittelbarer zugänglich, 

*) Vergleiche hierzu Roheim, Das Selbst. Imago, Bd. 7, H. 1, 2, 3, 1921. 

2 ) Hierin ist auch eine Wurzel der ^passiven“ Magie zu sehen. 



Körper und Welt. 77 

als die Außenwelt, welche nur durch die Handlung erreicht wird. 4. Demnach 
beruht Magie auf dem Zusammenfließen von Körper und Welt. 

Auch bei der Hypochondrie kommt es zur Schaffung einer Zone der Unbe¬ 
stimmtheit. Hier wird eine besondere Beachtung gerichtet auf die Körperanteile 
der Wahrnehmung, und das Individuum lebt in den Akten, welche sich auf den 
eigenen Körper beziehen. Dabei darf nie vergessen werden, daß die Selbstbeob¬ 
achtung bei jeder Hypochondrie eine wesentliche Rolle spielt, die meines Er¬ 
achtens bisher zu wenig betont wurde. 

Die Selbstbeobachtung schädigt aber, wie ich dies an anderer Stelle ausge¬ 
führt habe, der Erleben, der auf die Wahrnehmung gerichtete Akt wird zwie¬ 
spältiger und unsicherer. Die Wahrnehmung selbst wird blasser, sie wird ent¬ 
fremdet, und das Handeln verliert an Zielsicherheit 1 ). In jedem ausgepräg¬ 
teren Fall von Hypochondrie finden sich Züge der Depersonalisation und in 
jedem Fall von Depersonalisation finden sich Züge von Hypochondrie. Nun 
erfolgt aber sicherlich eine Änderung im Körperbestande, wenn die Aufmerksam¬ 
keit auf einen bestimmten Körperteil gerichtet wird. Nachgewiesen sind ja die 
Änderungen der Blutfülle. Freud 2 ) hat sicherlich recht, wenn er die Organver¬ 
änderung der Hypochonder ernst nimmt und sie zu den Veränderungen des Geni¬ 
tales in Parallele setzt, welche bei der Sexualerregung auftreten, wobei er betont, 
daß dieses Organ stets ein gewisses Maß von Sensationen entsendet. Man kami 
an Fällen von Hypochondrie bei genauerem Studium leicht nachweisen, daß 
sexuelles Material in die hyprochondrischen Sensationen mit eingeht. So klagen 
einzelne Patienten über nicht zu verkennende Versteifungsgefühle in allen möglichen 
Körperteilen. Eine Patientin unserer Klinik klagte zunächst, ihr Blut sei ver¬ 
giftet, später entwickelte sich ein Wahn, daß sie hermaphroditisch sei, sich selbst 
mit dem Finger befruchtet habe, infiziertes Blut habe und alles verseuche (Schi¬ 
zophrenie ? oder depressive Phase einer Zirkulären ?). Jedenfalls liegt auch in diesen 
Fällen ein Verschwimmen von Körper und Welt vor, nur daß in diesen Fällen der 
Körper offenbar abgelehnt wird und dann als Stück Außenwelt herausdifferenziert 
wird. In dieser Hinsicht ist die Hypochondrie Vorstufe der Halluzination, der 
eigene Körper wird zur Außenwelt verwandelt, erleidet aber sonst keine hallu¬ 
zinatorische Veränderung. 

Auch hier ergeben sich wieder Beziehungen zur Depersonalisation, nur daß 
bei dieser die Unbestimmtheit besser gewahrt bleibt. 

Die Psychoanalyse hat vermutet, es gebe ein Stadium der Entwicklung, in 
dem die scharfe Trennung Körper und Welt noch nicht gegeben sei, und sie hat 
ein hypothetisches Bild dieses Zustandes entworfen. Aber schon beim Neugebore¬ 
nen sind Wahrnehmungen vorhanden, auch der Neugeborene erlebt nicht nur 
den eigenen Körper, sondern auch die Welt. Canestrini 8 ) konnte beim Neu¬ 
geborenen zwar die bestentwickelten Reaktionen am Geschmacksinn fest¬ 
stellen, ebensogut ausgebildete Leistungen kamen auch vom Gehörapparat aus 
zustande. Die übrigen Sinne zeigten gleichfalls eine gewisse Aufnahmefähigkeit. 
Beim Neugeborenen ist also der Zustand, in dem Welt und Körper in Eins flie- 

*) Selbstbewußtsein, Persönlichkeitsbewußtsein. Berlin: Julius Springer 1914. 

2 ) Zur Einführung des Narzißmus. Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. VI, S. 1, 1914. 

3 ) Über das Sinnesleben der Neugeborenen. Monographien a. d. Gesamtgebiete 
der Neurologie u. Psychiatrie, H. V, 1913. 



78 


Körper und Welt. 


ßen, nicht mehr gegeben. Allerdings dürfen wir vermuten, daß Körper und Welt 
gleichsam näher aneinander gerückt sind, daß die Möglichkeit des Ineinander- 
verfließens größer ist. Sind aber die Differenzierungen nicht ausgeprägt, so 
müssen Körperliches und damit Sexuelles in das, was wir sonst als Welt bezeich¬ 
nen, hinausfließen. Die Welt wird sexualisierter sein; umgekehrt wird aber der 
Körper und die Sexualität durch das Einströmen der Welt gleichsam desexuali- 
siert werden müssen. Wir haben ja schon angedeutet, daß Ichnähe und stärkere 
Sexualisierung zusammengehören. Man darf allerdings nicht vergessen, daß jene 
Verschmelzung nicht die Welt zum Körper macht, denn, wie schon erwähnt, der 
Begriff Körper setzt den Begriff Welt voraus. Jedenfalls haben wir hier das 
Urbild narzißtischer Einstellung. Um es noch einmal hervorzuheben: das Leben 
in der Coenästhesie macht eine solche Zone der Unbestimmtheit, in der nun 
beides erfolgen kann: entweder ein Stück Welt wird an den Körper gerissen, 
oder ein Stück Körper wird in die Welt hinausgestoßen. Depersonalisation, 
Hypochondrie, Halluzination gehören zu diesem Ausstoßungsprozeß. 

Auch in der normalen Psychologie sind diese Probleme immer wieder bedeut¬ 
sam. Ist Geilheit nicht schon Entfremdung, also Entwertung und Widersprochen¬ 
sein des Erlebens ? Aber noch einmal: beim Sexualgenuß lebt das Ich auch im 
eigenen Empfinden. 

Es isttklar, daß von diesen Gesichtspunkten aus jene Fälle eine besondere 
Beachtung verdienen, in denen der eigene Körper oder Teile desselben als Hallu¬ 
zinationen erscheinen. Ich teile zwei hier gehörige Fälle mit: 

Fall YII. 

Pius O., 39 Jahre alt, in der Klinik aufgenommen am 18. Juni 1919. Der Patient 
ist bei der Aufnahme ruhig, orientiert, er berichtet: Er war während des ganzen 
Krieges in Schanghai interniert. Dort habe er von einer Chinesin Lues acquiriert. 
Genau weiß er nicht, wann er die Syphilis bekommen hat. Er hatte auch keinen Aus¬ 
schlag. Als er auf der Heimreise war, kam die Sache durch einen eigentümlichen Ge¬ 
ruch auf, den er verbreitete. Es war ein „stechender“ Geruch. Er hatte Affektionen 
am After, das war im April 1919. Es wurde gesprochen, daß er zum Tode verurteilt 
werden sollte, man warf ihm vor, er hätte Paederastie getrieben und Landesverrat 
begangen. Er hörte dies indirekt. Behandelt hatte man ihn weder im Schiffe noch 
auch im Spital, in das er später gebracht wurde. Er hörte, daß er geknebelt und er¬ 
stochen werden sollte und aus Furcht wollte er sich zweimal ins Wasser werfen. Er 
wurde jeden Tag verurteilt, aber nach Mitternacht begnadigt. Einmal trank er 
eine Übermanganlösung, dann kam er in Wesel, einer Stadt in Deutschland, ins Spital 
(im Mai 1919). Dort wurde die Physiognomie durch Röntgenstrahlen von ihm ab- 
genommen. Die Physiognomie wiederholt die Form seines Körpers. Es ist eine Art 
Lichtbild, indem Fleisch, Adern und Herz gesondert hervortreten. Alle Teile kann 
man daran unterscheiden, die Geschlechtsteile auch. Die Physiognomie ist tot und 
empfindet nicht. Er ist mit der Physiognomie auf elektrischem Wege verbunden und 
es gehen Strahlen io ständiger Wechselwirkung zwischen ihm und der Physiognomie 
hin und her. Die Physiognomie ist in Wesel und blieb auch dort, als er hierher abge¬ 
schoben wurde. Wenn auf die Physiognomie eingewirkt wird, so spürt er, daß seine 
Füße verdreht werden; er muß dann einen Zickzackweg einschlagen, und verliert die 
Orientierung. Wenn man etwas Eßbares unter die Nase der Physiognomie hält, so 
spürt er den Geruch herauf. So roch er geschälte Erdäpfel und Sauerkraut. Er unter¬ 
schied auch die Reinlichkeit der Herren, die sich vor die Physionomie stellten am Ge¬ 
ruch. Wenn man am Herzen der Physiognomie drückte, so spürte er es auch. Er kann 
durch die Physiognomie mit jedem Menschen sprechen. Er hat das erst vor einigen 
Tagen wieder gehört. Sein Cousin wollte mit ihm sprechen, aber es wurde ihm nicht 



Körper und Welt. 


79 


erlaubt. Er hörte auch manchmal Geräusche, als ob mit Radiotelegraphie telegra¬ 
phiert würde. Wenn er mit zugemachtem Mund denkt, so werden seine Gedanken 
durch Röntgenstrahlen in der Luft zerstreut, gehen in die Physiognomie, und von dort 
zu den übrigen Herren. Wenn die Lichtstrahlen nicht wären, so könnte man nicht auf 
so weite Distanzen hören; wenn er sich mit den Händen die Augen verschließt, so sieht 
er deutlich Bilder vor sich; so sah er einen Totenkopf, aber nur die oberen Partien 
bis zur Nase, dann sah er eine Dame, die Hand und Fuß wie eine Ballettänzerin von 
sich streckte. Dann immer einen Herrn und eine Dame Rücken gegen Rücken. Dann 
sah er ein Grabmal. Er muß, um zu sehen, bei verschlossenen Augen auf die Augen 
drücken. Auch bei der Untersuchung sieht er, als er sich mit geschlossenen Augen 
mit der flachen Hand gegen Nase und Augen drückt, Auge und Nase vor sich. Er 
sah auch Farben, dunkelblau, nach rot und aschgrau. Er wurde gefragt, ob diese 
Farbe mit der Farbe seiner Unterhose zusammenstimme, das bezog sich auf seine 
Syphilis. 

Es ist ein Herr, der die Verantwortung über ihn hat. Dieser hat ihm die Physio¬ 
gnomie abgenommen. Er war ja dazu bestimmt. Er kann nicht genau sagen, wie der 
Physiognomist aussieht. 

Vielleicht hat er einen Spitzbart und sieht einem Krankenpfleger ähnlich. Der 
Physiognomist liest seine Gedanken ab, er weiß seine Gedanken noch vor ihm selbst 
und er hat den Auftrag, festzustellen, ob der Patient Verbindung mit Männern hatte, 
oder ob er ein anständiger Mann ist; er stellt aus den Gedanken des Patienten fest, von 
wem der Patient Syphilis bekommen hat. Wenn der Patient einen schlechten Gedanken 
hat, so wird der Gedanke durch ein Teleskop verschallt, so daß man den Gedanken 
in Wesel hört. Von dort wird dann geantwortet. Die Apparate kann er nicht genau, 
beschreiben. Vor die Physiognomie werden Bilder gestellt, und er sieht sie dann. 
Manchmal hat er auch an Schweinereien denken müssen; diese werden ihm vor Augen 
gestellt. Es sind auch, wie aus seinen Andeutungen hervorgeht, Männer darunter, 
so daß der Physiognomist weiß, ob der Pat. zu der oder jener Sache gehört. Er war 
aber indifferent, ob ihm Männer oder Frauen gezeigt wurden. Der Physiognomist 
durchforscht sein ganzes Leben, wenn er anständig und frei von Syphilis ist, dann 
stellen die Herren ein Zeugnis aus. Wenn er auch die Ohren zumacht, hört er trotz¬ 
dem die Worte des Physiognomisten. Er denkt dadurch an sämtliche Orte der Erde, 
in denen er war. Es ist das sehr imangenehm. Die ersten Bilder, die ihm gezeigt 
wurden, mußte er sich auf Befehl der Physiognomisten ins Gedächtnis einprägen. 

Er ist seit Dezember 1908 verheiratet, hatte schon vorher Verhältnisse gehabt, 
will aber nichts Genaueres angeben; er hat mit normaler Potenz und mit normalem 
Genuß verkehrt. Er hat zwei Buben; einer ist gestorben; von dem zweiten wurde 
ihm einmal auf dem Wege der Physiognomie erzählt, daß er nicht lebe, ebenso von 
seiner Frau. Hier in Wien war er zweimal bei Frauen. Eine weitere Frage des Arztes 
lehnt er ab, sie sei nicht anständig. Seine Eltern sind schon seit langen tot; der Vater, 
der sehr gut war, starb als der Patient 13 Jahre alt war. Weitere Fragen beant¬ 
wortet er nicht, das seien Privatsachen. 

Die vorstehenden Angaben wurden während des siebentägigen Aufenthaltes des 
Patienten in der Klinik gemacht. Der Patient war stets ruhig, und geordnet, wieder- 
sprach sich nie, war scheu und zurückhaltend. Drückte er sich an die verschlossenen 
Augen, dann traten die oben beschriebenen Sinnestäuschungen ein; der körperliche 
Befund war normal. 

Hier wird also gleichsam von dem Körper des Patienten ein Duplikat ange¬ 
fertigt. Durch dieses tritt er mit der übrigen Welt in Kontakt. Durch diesen 
Abklatsch des Körpers wird er magisch beeinflußt. Seine Gedanken strömen 
in die Welt, sie werden verschallt. Man führt ihm Bilder vor, welche seine Sexu¬ 
alität prüfen. Erinnern wir uns, daß Magie dort eintritt, wo das Körperliche, 
Empfindungsmäßige in den Vordergrund tritt. Dort, wo der eigene Körper 
zum Objekt, und das Objekt zum eigenen Körper zu werden droht, ohne daß 
diese Ablösungen endgültige werden. Die Magie ist also in diesem Sinne ein 



80 


Körper und Welt. 


Grenzphänomen. So ist ja im Grunde jede Magie nichts anderes, als die Beein¬ 
flussung durch den eigenen Körper, es ist die eigene Coenästhesie, welche objekti¬ 
viert wird. Daraus erhellt aber sofort, daß es ohne weiteres zu einer Ausfällung 
der Außenwelt in der Form des eigenen Körpers kommen kann, insbesondere 
dann, wenn dieser eigene Körper abgelehnt wird. In dem vorliegenden Fall 
aber ist die Psychogenese eine sehr klare. Der Patient wurde offenbar von einer 
Welle der Homosexualität überflutet, gegen die er sich sträubt. Er prüft sorg¬ 
sam sein eigenes Denken und Fühlen auf Züge der Homosexualität, die seinem 
Ichideal widerstreitet 1 ). Diese Funktion des Messens seiner eigenen Persönlich¬ 
keit am Ideal erscheint als Figur in der Außenwelt; es ist die Gestalt des Physio- 
gnomisten. Es liegtein funktionalesPhänomenim SinneSilberers vor. Eineigenes 
seelisches Erleben erscheint als Bild in der Außenwelt. Der Physiognomist ver¬ 
sinnbildlicht das Ichideal und seine Tätigkeit. Die reizvollen Einzelheiten des 
Falles mögen in der Krankengeschichte nachgelesen werden. Für den Kundigen 
ist es klar, daß der Patient homosexuelle Regungen zensurierend abhält und daß 
die Abwehr mächtig gewordener homosexuellen Einstellungen und der sinnlichen 
Erregung am Körper überhaupt zu einer Ausfällung des eigenen Körperbildes 
in der Außenwelt führen. Diese Ausfällung geschieht in der Form einer Wahn¬ 
bildung. Tausk 2 ) hat Ähnliches mitgeteilt; er beobachtete einen Fall, in dem die 
Beeinflussungsmaschine sich als der eigene Leib darstellte, und auf Grund der 
Erfahrung, daß sich hinter der Maschine des Traumes meist das eigene Genitale 
verberge, kommt er zu der Annahme, diese Maschine stelle das eigene Genitale 
dar. Diese Gleichsetzung von Genitale und Gesamtkörper verweise wiederum 
auf eine Entwicklungsstufe, auf der eine Sonderung zwischen diesen Empfindungs¬ 
sphären noch nicht stattgefunden hat. 

Die nun folgende Beobachtung bringt hierzu Material. 

Fall VIII. 

Franziska St., 36 Jahre alt, wird von ihrer Quartiergeberin in die Klinik gebracht. 
Diese kennt die Patientin seit 4 Jahren, sie steht unter Kuratel, ist verschwenderisch, 
und kann kein Geld verwalten. Zu ihren Eltern, die Bauern sind, bei denen sie wohnen 
könnte, will sie nicht übersiedeln. Sie hätte ein Verhältnis mit einem Stadtbaumeister 
gehabt, der sich später erschossen hat. Die Patientin bildet sich ein, von ihm eine 
Erbschaft zu haben, die man ihr vorenthalte. Sie hat auch deswegen prozessiert. Sie 
sei stets nicht rein im Kopfe gewesen. Seit 3 Wochen ist sie reizbarer als sonst, machte 
häufig Skandale, schrieb einem Herrn einen Brief erotischen Inhalts, was sich dieser 
nicht gefallen ließ. Am 11. Juni legte sie sich zu Bette, verweigerte die Nahrungs¬ 
aufnahme und behauptete, sie müßte sterben. Bei der Aufnahme in die Klinik am 
13. Juni 1919 war sie unruhig und schrie, der Tod komme zum Fenster herein. 

Am nächsten Morgen ist die Patientin erregt, spricht viel und laut; „der gestrige 
Tag w'ar die Entscheidung, indem er sagt-, du hast im Gehirnkasten so viel Knoten 
und schmeißt sich aufs Pflaster.“ Sie war in Agonie und auch Chloroform und hat den 
Leichengeruch gespürt, der von ihr ausging. Das habe der Phönix begonnen. Wer 
der Phönix ist, wül sie nicht sagen. Sie werde noch 8 Tage hier sein. Am 20. VII. 1918 
habe sie mit einer Rute in der Hand Christus gesehen, das war eine „Gestalt“. Seit 
Dezember habe sie Einsicht in eine Menge geistiger Dinge. Sie verstehe die Auto- 
miesprache. Darunter versteht sie auf sie einsprechende Stimmen, sowie die Stimme 

1 ) Vgl. hierzu Freud: Einführung des Narzißmus und Massen Psychologie und Ich- 
analyse. Wien 1921. 

# ) Über die Entstehung des Beeinflussungsapparates in der Schizophrenie. Intern. 
Zeit sehr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. V, S. 1, 1919. 



Körper und Welt. 


81 


des Phönix. Diese verstehe sie seit gestern. Sie höre fortwährend sprechen, müsse 
den Stimmen zuhören und ihnen antworten. „Die ganze Erde muß sich zusammen - 
drehen und ein Jahr muß Finsternis sein und ein Vierteljahr Finsternis.“ 

Wenn man die Patientin genauer befragen will, wird sie gereizt, ärgert sich, daß der 
Arzt die Automiesprache nicht verstehe, und daß man sie zum besten halte. Sie wird 
dann abweisend, vielfach erscheinen ihre Äußerungen, trotzdem keine Verwirrtheit 
besteht, zusammenhangslos und unverständlich. 

In den nächsten Tagen wird die Patientin ruhiger und zugänglicher. Es zeigt sich, 
daß ein ausgebreitetesWahnsystem besteht, das sich aus zwei im Charakter verschiedenen 
Teilen zusammensetzt . Der eine Teil entspricht einer chronisch systemisierenden Eroto¬ 
manie, und bleibt in seinen Grundzügen konstant, der andere Teil besteht aus einer 
phantastischen Philosophie. Die Angaben der Patientin sind hierüber sehr schwankend; 
sie gibt hier fortwährend neue Zusätze und Einfälle, welche ihr durch die Automie¬ 
sprache vermittelt werden; die Patientin widerspricht sich hierbei nicht selten. Wenn 
sie von ihren Alltagserlebnissen und von ihrer Erotomanie berichtet, so spricht sie 
detailreich, umständlich aber formal völlig korrekt. Sie spricht in dem gezierten Hoch¬ 
deutsch der Ungebildeten. Wenn sie von ihren phantastischen Einsichten berichtet, 
wird sie schwülstig, unverständlich und gebraucht eine Fülle von Wortbildungen. 
Sie verliert dabei häufig den Faden und lauscht dann auf die Automiesprache. 

Die Darstellung gibt zunächst wieder, was über die Vorgeschichte und die Eroto¬ 
manie festgestellt wurde, und zwar im wesentlichen mit den Worten der Patientin. 
Der zweite Teil des Systems mußte gekürzt und redigiert werden. Es wurde versucht, 
im Gespräch der Patientin möglichst genau festzustellen, was sie meint. 

Die Mutter, so gibt die Patientin an, wurde von ihrem Dienstgeber geschwängert 
und heiratete dann erst den Vater. Der Dienstgeber der Mutter hatte den Geist 
zweier Aristokraten in sich, so daß eigentlich diese Beiden, — der eine ist ein Deut¬ 
scher, der andere ein Franzose, — ihre Väter sind. So kam es zustande, daß die Patien¬ 
tin zwei Geister hat. Auch der Geist des Wirtschaftsbesitzers ist an ihrem Geiste 
beteiligt. Dies erzählt, der Patientin der Herr, mit dem sie in Verbindung steht. 
Dieser regiert im Element und auf der zweiten Erde, war ursprünglich ein Phönix, 
ist aber jetzt kein Phönix mehr, regiert schon seit 5 Milliarden Jahren.... Die 
Patientin hat 3 Brüder und Schwestern. Ein Bruder starb in Kierling in der Anstalt; 
die Patientin konnte sich nie mit ihren Geschwistern vertragen, ebensowenig mit der 
Mutter; von dieser fühlt sie sich verstoßen. Die Mutter sagte immer von der Patientin, 
es wäre das Beste gewesen, sie mit einem Mühlstein um den Hals zu ertränken. Der 
Vater hatte kein besonderes Interesse für die Schule, die sie nur bis zu ihrem 12. Le¬ 
bensjahr besuchte. Sie wurde dann Kindsmagd und wechselte mehrmals den Posten. 
Noch vor ihrem 14. Lebensjahr war sie feurig. Einmal mußte sie im gleichen Bett 
mit einer Magd liegen, während diese mit einem Mann verkehrte. Im Jahre 1905 hatte 
sie zum ersten Male Verkehr. Sie wurde bald schwanger. Ihr Vater erfuhr davon, 
wollte sie strafen. Die Patientin floh mit einem Knecht nach Wien, dort gebar sie einen 
Knaben, der ertrank 1907 in der Donau. Etwa 16 Monate nach der Geburt lernte sie 
einen anderen Mann kennen, knüpfte mit ihm ein Verhältnis an und lebte mit ihm im 
gemeinschaftlichen Haushalt. In 3 Jahren bekam sie 2 Knaben. Sie fühlte sich ge¬ 
schwächt und machte ihm Vorwürfe. Dann machte sie einen Hebammenkursus, 
hatte aber wenig Interesse daran, da sie es ja für die Existenz nicht brauchte. 1904 
bekam sie das Diplom, ihr Bräutigam hatte kein Interesse dafür. Die Patientin ver¬ 
mutete, daß er sie mit anderen Frauen betrüge. Sie wollte einen anderen heiraten; 
er ließ aber nicht von ihr und hielt sie weiter aus. 1905 erhielt sie K. 3000 Abfertigung 
von ihm; sie übte dann ihren Beruf als Hebamme aus, hatte aber nichts zu tun. Gab 
es auf, gründete ein Milchgeschäft. Begann eine andere Bekanntschaft, mit der sie 
bis 1917 lebte. 1917 begann auf geistigem Wege durch Automiesprache die Bekannt¬ 
schaft mit Aristokraten. Sie hatte das Gefühl, daß sie sich dem Manne nähern müßte, 
bei dem ihr Sohn untergebracht war, imd schrieb ihm einige Briefe, um die geistige 
Verbindung herzustellen. Sie bestellte ihn zu einem Rendezvous, doch kam der Herr 
nicht hin. Die Patientin wurde hierdurch geistig beeinflußt und ist der Ansicht, daß 
sich ein anderer Herr das „Ignoto“ desselben aneignete. Der Vater ihrer Kinder er- 
Sohilder, Seele and Leben. 0 



82 


Körper und Welt. 


schoß sich 1909, angeblich wurde ein zu ihren Gunsten gemachtes Testament unter¬ 
schlagen; sie prozessierte, machte ein Majestätsgesuch. So kam es, daß sie sich in 
der Kabinettskanzlei vorstellte. Die dort befindlichen Persönlichkeiten trugen viel¬ 
leicht den Geist des Kaisers und den Geist hoher Herren in sich. Sie kam erst später 
zu dieser Meinung, daß sie damals von Ignoto noch nicht die richtige Vorstellung hatte. 
Bei einem Rendezvous, zu dem sie der Dienstherr ihres Sohnes bestellt hatte, zeigte 
sich ein mittelgroßer schlanker Herr, der sie ununterbrochen fixierte und dadurch 
instinktiv so einwirkte, daß sie sich seinen geistwirkenden Gefühlen ergeben mußte. 
Er ging weg, hielt sie aber an der gleichen Stelle geistig fest, das war im Spätherbst 
1916. Nach einer halben Stunde kam der Herr wieder, vielleicht war es derselbe, 
aber in einer anderen Gestalt; seit dieser Zeit bestehen die geistigen Gefühle fort. 
1917 wurde die Patientin wegen Myoms operiert. Die Eierstöcke wurden entfernt. 
Die Blutung ist seither ausgeblieben. Am 12. Juli 1918 erschien die Christusgestalt. 

Ihre Anschauungen entwickelt sie am 15. IX. in folgender Weise: Was in der Luft 
ist, ist nur Gas und zwar werden die Gase vom Geist bewegt. Vom Feuergeist und vom 
Wassergeist. Die Herren besitzen Feuergeist, die Frauen Wassergeist, da sie gebären 
und die Geburt mit dem Wasser zusammenhängt. Der Feuergeist hält die Erde zu¬ 
sammen. Die Herren haben Feuer. Die Patientin besitzt ausnahmsweise beide Geister. 
Über den Bergen und unter den Bergen sind diese Gase und unsere Gase gehen mit 
hinauf. Aus diesem Grunde ist die Luft in der Stadt nicht so rein, wie über und unter 
den Bergen. Auch die Atmungs- und Darmgase gehen in die Atmosphäre über. Wenn 
jemand krank ist, soll er nach Meran fahren und dort auf die höchste Spitze eines 
Berges gehen, morgens ca. — Va 1 Wasser trinken, sich den ganzen Tag des Essens 
enthalten und die Kur dann fortsetzen, so wird er schließlich gesunden und mit dem 
Geiste in Verbindung kommen. Die Erde hat eine feste Schichte, unter dieser sind 
Gase und Wasser. Die Ausströmungen des Feuergeistes sind minimale, die Erde 
ist männlich und auch weiblich. 

Auch im Leben muß die Frau vom Manne geleitet und geführt werden. Wenn 
ein Mensch stirbt, so fliegen die Gase hinauf und werden von der festen Erde ausge¬ 
atmet. Alle Geister drängen aufwärts und bleiben zum Teil oben und zwar zwanzig 
bis dreißig Jahre, bis sie sich entwickelt haben. Der eigene Geist der Patientin dringt 
auch nach oben und zieht die anderen Geister an. Wie durch die ärztliche Wissen¬ 
schaft bekannt ist, gibt es zwei Kugeln. Die kleine Fontanelle nimmt nur den Geist 
auf, während die große Fontanelle den Kindergeist auf nimmt. Die kleine Fontanelle 
hat den Geist des Menschen, der Mensch hat eine Geisterkugel im Nacken und auch 
im Becken sitzen. Auch der Uterus ist eine Geisterkugel. Die Gefühle gehen vom 
Hinterhaupt aus. Konzeption erfolgt, wenn beide zusammen einen Geist in sich 
haben. Der Wassergeist geht im männlichen Geist auf und der Feuergeist geht auf 
das Weib über. Wir verarbeiten die Speisen im Magen und in den Gedärmen. Die 
sich bildenden Gase dürfen nicht verwertet werden, da sie zur Kräftigung des Blutes 
bestimmt sind. 

Auf die Frage nach der Automiesprache: durch ein Experiment werden die ver¬ 
schiedenen Geister angezogen. Auf der anderen Erde ist ein großes Experiment, 
welches auf dem Gegenende die Geister anzieht. Das Experiment hat große Löcher, 
die den Geist auffassen. Man kann dasselbe beliebig verkleinern und vergrößern, so 
daß es der Herr sogar in die Brusttasche stecken kann. Es ist auch ein eptischer 
Lappen da, den man auflegt, und in das Experiment einlegt. Das Experiment sieht 
wie ein photographischer Apparat aus. Die Strahlen gehen durch die Löcher, und 
wenn der Geist drüben ankommt, geht er durch das große Experiment und steht dann 
vor dem Element. Der Mensch hat 12 Geisterkugeln. Das Experiment zieht die Geister 
an, die wir abgeben und diese werden dann auf der Gegenseite vom Experiment auf- 
genommen. Das eptische Mittel ist ein Tuch, welches man auf die kleine Fontanelle 
legt und dadurch dem Menschen Geist gibt. Wenn man dem Menschen das eptische Mittel 
vor einen Spiegel hält, ergibt sich das Bild an der Abgabestelle, und das eptische 
Mittel zieht die menschliche Gestalt an und gibt dem Geist wieder die ursprüngliche 
Gestalt. Das Experiment wird dann als Gegenmittel angewendet und zieht dann 
wieder den Geist heran. Das große Experiment sieht wie ein photographischer Apparat 



Körper und Welt. 


83 


aus, zieht alle Grase an sich, hat kleine Löcher, in welche die eptischen Mittel hinein¬ 
kommen, dabei ist das Experiment derart veränderlich, daß es auch männliche Ge¬ 
stalt annehmen kann. Wenn das eptische Mittel in das Experiment eindringt, schließt 
sich das große Experiment und es wird in der Entfernung von 3 m ein Gegenexperi¬ 
ment aufgestellt, welches dann die menschliche Gestalt annimmt. Alles wird aber nicht 
auf genommen, und es entsteht dann infolgedessen die Automiesprache. Der Vogel 
Phönix war ein Mensch wie wir, und nahm im Element — da er beide Geister in sich 
trägt — die Gestalt von Mann, Weib und Kind an. Der Geschlechtsteil ist bei ihm 
wie bei einem Bastard. Ferner gibt es noch eine Elementnixe, die bisweilen auf die 
Erde geht, aber nur durch die Flüsse, da sonst für die Erde Gefahr besteht. Da der 
Vogel Phönix einen doppelten Geist hat, ist er ein Bastard. Diese Bastarde sind mit 
doppeltem Geiste ausgestattet. Der Phönix hat einen verschlossenen weiblichen 
Geschlechtsteil und einen kümmerlichen männlichen. Er hat über die Patientin, 
die 1917 an einem Myom operiert wurde, Macht gewonnen und zieht die Patientin 
durch diese Macht an sich. Der Vogel Phönix ist auch ein Experiment, und besteht 
aus Feuer- und Wassergeist, gibt aber den Greist wieder ab. Die Patientin hat 
seit der Geburt zwei Geister, die ihr angeboren sind. Ein großer Herr übertrug seinen 
Geist auf einen Bauern, der dann die Befruchtung zustande brachte. 

(Wie stehen Sie zur Religion ?) Jesus Christus hat gleichfalls zwei Geister, doch 
war seine Mutter, die Jungfrau Maria keine Jungfrau. Dieselbe war mit dem Geiste 
der Gegenerde verbunden, und wurde dann zur Jungfrau ernannt. Sie ist genau so 
Mutter geworden, wie die anderen Frauen, doch bekam sie zwei Geister. Nicht Gott 
erschuf die Welt, sie besteht vielmehr seit Milliarden Jahren und ist durch Automie 
entstanden. Auch die Entstehung der Menschen erfolgte durch Automie. Diese 
wurden durch einen Kanal, der die beiden Welten verbindet, von der Erde zur Gegen- 
erde befördert. Das Experiment wird stets durch ein Gegenexperiment angezogen. 
Vor Adam und Eva bestand die Welt schon einmal, doch waren Erde und Firmament 
bedeutend kleiner, doch konnte die Erde durch die Drehung des Elementes vergrößert 
werden und es bildeten sich Schichten und Gegenschichten. Die Erde ist fest, es drehen 
sich nur die Elemente. Die Sonne besteht gleichfalls aus Gas. und zwar aus reinem 
Feuergas; wie das Gas und die Kohle, die ebenfalls aus einem Feuergas sind. Die Sonne 
kann nur durch das Experiment in der Form einer Kugel gehalten werden, die durch 
die Elemente gehalten und befördert wird. Das Element besteht aus Wasser- und 
Feuergasen. Diese ergeben die Geister und werden auf der zweiten Hälfte der Erde 
ausgebeutet. Die Wassergase und Feuergase erheben sich, indem sie von der Erde 
aufsteigen und von den Elementen angezogen werden, denn die Elemente besitzen 
den Geist beider Stoffe. Die Ausarbeitung geschieht in der Weise, daß die Sonne 
am Abend hinabsinkt, d. h. hinuntersinkt in den anderen Weltteil und zwar so weit, 
daß sie sich der zweiten Erde nähert, ohne sie zu berühren. Sie ist ein Element. In 
den Gasen, die sich tagsüber heben, befindet sich der Feuer- und Wassergeist. Die 
Ausarbeitung muß mit menschlichem Verstand verbunden sein, obwohl die Elementar¬ 
kräfte dazu unumgänglich nötig sind. Auch die andere Erde ist von Menschen bewohnt. 
In der Nähe des Elementes befindet sich auf 5000 km Entfernung kein Mensch. Die 
Ausarbeitung kann nur drüben geschehen, da die andere Erde ganz anders gearbeitet 
ist als unsere. Die elementarischen Kräfte beginnen, sobald die Sonne angelangt ist 
und wenden die Experimente an das angelangte Gras. Der Feuergeist ist eine kollosale 
Gestalt; dies ist die Elementskraft. Die Experimente verbreiten sich nach allen Rich¬ 
tungen in das Element, und ziehen aus dem Gase den Greist. Der entzogene Geist 
befördert die Sortierung des Wasser- und Feuergases. Im Sommer geschieht das bis 
Sonnenaufgang. Durch die Anziehung des Geistes zieht sich soviel Feuergeist zu¬ 
sammen, daß die Sonne wieder aus diesen Feuergeist gebildet werden kann. Sie wird 
vom Feuergeist weiter befördert, und kommt am nächsten Morgen wieder am Hori¬ 
zont an. Wassergas ist im Verhältnis zum Feuergas nur x / 9 vorhanden. Der Regen 
kommt dadurch zustande, daß es sich bald vermehrt, bald vermindert. Durch die 
Ausarbeitung entsteht reines Wasser. Die andere Erde ist mit fünfmal mehr Wasser 
bedeckt, als unsere Erde. Auch hier befördert ein Wassergeist, was für die Erde not¬ 
wendig ist. Das Wasser geht auch horizontal zur Gegenerde. Die Verschiedenheiten 

6* 



84 


Körper und Welt. 


des Klimas erklären sich aus diesen Verhältnissen. Der Wassergeist kann aus der 
Gegenerde das reine Wasser ziehen und mittelst des Wassergeistes herüberziehen. 
Wenn es zur Erde fällt, muß es gasfrei sein. 

Auf Frage berichtet Patientin am nächsten Tag folgendes über Experimente: 
Auf der Gegenerde sind Experimente aufgestellt, die nicht aus Maschinen bestehen, 
sondern nur aus elementarischen Kräften, und diese Kräfte sind nichts anderes als die 
Sterne. Die Sterne sehen aus wie eine Kugel und sind durchlöchert wie ein Sieb. Vom 
Menschen bekommen sie nur die Lenkung, das Übrige besorgen die Kräfte des Ele¬ 
mentes. Das Experiment hat die Form einer Kugel und besteht aus durchsichtigem 
Schwefel, der den Geist wie ein Magnet an sich zieht. Die abendliche Beleuchtung 
rührt von der Ausarbeitung der Sonne her. Die Mondkugel ist auch ein Feuergas 
und ist eigentlich die Sonne. Wenn Sonne und Mond gleichzeitig am Himmel stehen, 
ist der Mond nur der Schatten. Die Experimente ziehen den Feuer- und Wassergeist an 
sich. Wenn wir den Geist aufgeben, der wieder in die Luft geht, so ward der Geist vom 
Experiment angezogen. Das Experiment hat die Größe von 8—10 Stock hohen 
Häusern, hat die Form eines photographischen Kastens. In diesem Kasten befinden 
sich 10 Millionen kleiner Kasten. Der Geist geht durch Löcher in das Experiment; 
am Ausgang des Experimentes ist ein optisches Mittel, und dann folgt ein neues Ex¬ 
periment, welches das optische Mittel anzieht, so daß wieder eine menschliche Gestalt 
entsteht. Dadurch, daß die zweite Erde naturell reinen Sauerstoff enthält, wird die 
menschliche Gestalt wieder zum Leben erweckt. Das Experiment der Gegenerde 
kann nach allen Richtungen gebogen werden, es ist wie ein Apparat und kann auf 
denjenigen gelenkt werden, von dem man Automie abnimmt und zurückgibt. Da 
wir schon kultivierter sind, so geben wir unsere Geister auf, die drüben ausgearbeitet 
werden. Die menschlichen Wesen, die sich auf der drüberen Erde befinden müssen, 
geben, indem sie sich vor das Experiment stellen, die Automiesprache ab. Das 
Experiment muß dann auf jemanden gerichtet werden, von dem man weiß, daß er 
Einfluß hat. Er muß einer Elementarkraft ähnlich sein. Die Elementarkraft war früher 
im Phönix, der hat sich selbst im Element Platz gemacht. Der Phönix war früher ein 
Mensch, ist aber ein Bastard. Die Scheide ist fast gänzlich zusammengeschlossen und 
das Glied ist wie ein kleiner vorragender Fleischknorpel. Ein solcher Phönix ist ge¬ 
fährlich, er will als Regent hervortreten. Er ist deshalb wie ein ursprünglicher Feuer¬ 
geist, zieht Geister an sich, und hat eine Hornhaut. Die Hornhaut darf nicht zu dick 
werden. Bevor das erfolgt, zieht er seinen Geist mittelst eines Experimentes aus und 
ward dreimal größer. Er stellt sich ein Experiment gegenüber, ein zweites stellt er zum 
Kopf; außerdem hat er ein Handexperiment. Nun hat der Apparat ihm gegenüber 
mittelst des optischen Mittels seine Gestalt auf genommen, er zieht nun das optische 
Mittel mittelst der Handapparate an sich. Der Apparat bei seinem Fuß zieht den 
Geist hinaus, dann ward schließlich die dreimal größere Gestalt gebildet. Das ganze 
System besteht seit Anbeginn. Nur waren früher weniger Menschen auf der Gegen - 
erde. Im Element befindet sich der Herr, eine große Gestalt, welche sich auszieht, 
wie es der Phönix tat. Der Herr gibt Automie. Wenn er zu groß geworden ist, 
kann er nichts mehr ausrichten. Nach 12000 Jahren wird diese Gestalt ein Ende 
nehmen. Das Element neigt sich dann gegen unsere Erde und die Luft wird so dünn, 
daß die Menschen nicht mehr leben können. Der Phönix ist ein derartiger Herr. Der 
Herr ist selbst wae ein Experiment und zieht von der zweiten Welt einen Geist 
an sich; es ist leichter aus der zweiten Welt einen Geist an sich zu ziehen, da dort die 
Menschen zufolge der großen Hitze wie Glashauspflanzen hinfällig sind. 

Am 10. VI. erzählt die Patientin: Der Herr gibt sich ihr in der Gestalt Jesu zu er¬ 
kennen. Sie hat Bekanntschaften mit Herren, die sich nur im Geist übertrugen. 
Einer, welcher sich ihr mittelst Automiesprache anschloß, fragte nach de»* Farbe des 
Kleides Jesu. Dieser Herr hielt sich die Hände vor die Augen, und glaubte, den 
Satan zu sehen; sie und der Herr sahen sich nicht, waren aber in geistiger Verbin¬ 
dung und sahen beide die gleiche Gestalt. Das Kleid derselben hatte die Farbe des 
Spätherbstlaubes. Die Gestalt hatte eine Rute in der Hand und machte mit der Rute 
eine schwingende Bewegung gegen diese Patientin. Die Herren, mit denen die Pa¬ 
tientin verbunden war, waren Aristokraten. 



Körper und Welt. 


85 


Der Herr, der jetzt regiert, war ursprünglich ein Phönix, ist aber jetzt kein Phönix 
mehr und regiert schon seit 5 Milliarden Jahren. Er ist kein Gott, aber doch unser 
Herr. Fünf Millionen Quadratflächen betrug die Erde und war ursprünglich fast Wasser. 
Die Fläche lieferte durch ungefähr 300 Jahre so viel salzige Substanzen, daß auch Gase 
entwichen. Die Gase treiben die Substanz zu einer festen Erde. Die Erde beträgt 
5000 Milliarden Quadratkilometer. Sie war zunächst kleiner, vergrößerte sich jedoch 
dadurch, daß die Substanz zusammengeschoben wurde. Das Element entstand da¬ 
durch, daß Wasser- und Feuergase immer aufstiegen, wenn die Gase zusammen¬ 
geschoben und rein ausgearbeitet wurden. Hier unterbricht die Patientin und sagt: 
„Aus diesem reinen Geist entstand meine Gewalt.“ Auf der Erde entstand die Ge¬ 
stalt viermal so groß, mächtig wie ein Herkules mit einem Geweih auf dem Kopf. 
Daher tat sich der Patientin die Automiesprache kund — sie heißt so, weil sie auto¬ 
matisch, von selbst geht, und sie darf sich mit niemand anderem verbinden. Der 
Herr stand auf der Erde im Finstern und seine Gestalt gab Licht ab. Es traten immer 
mehr Gase auf, dadurch kam ein neuer Geist und ein Element zustande. 

Am 17. VI. über die Entstehung der Kinder befragt, wiederholte sie im wesent¬ 
lichen ihren oben erwähnten Bericht über die Geister und Nervkugeln; sie fügt hinzu: 
jeder Geist, der aufgegeben wird, geht in die Luft, am Abend wird er ausgearbeitet. 
Die „Nervkugel” des linken Ellenbogengelenkes wird nun von außen entzogen, indem 
das eptische Mittel diese Kugel auf nimmt.. Man kann schon von außen durch ein 
Vergrößerungsglas die Frucht beobachten. Das Vergrößerungsglas soll in 1 m Ent¬ 
fernung vom Experiment stehen. Diesen Keim atmet der Mensch ein, und der Keim 
kommt in die große Fontanelle: Auf diese Weise kann sogar ein Mensch, der keine 
Kinder zeugt, Kinder bekommen. Die große Fontanelle hat 12 Äderchen. Die Äder¬ 
chen stehen mit dem Herzen in Verbindung. Tote Äderchen nehmen keine Keime auf. 

Die Luft geht Tag und Nacht auf und ab, sie kommt gereinigt von der Gegenerde 
an. Was wir ausatmen, geht wieder rein in die Höhe. Der ganze Heinigungsprozeß 
der Gase ist dem Blutkreislauf vergleichbar. Das Element ist wie das Herz. Das Ex¬ 
periment und die Gegenerde sind wie der Kopf. 

Das eptische Mittel besteht ursprünglich aus Leinen, das mit Chloroform und 
Aether begossen ist. Das eptische Mittel wird in das Experiment eingelegt und dient 
zur Übertragung des Geistes. Das eptische Mittel kann, wenn ee genügend groß ist, 
auch die ganze Gestalt übertragen. Wenn man den rechten Arm übertragen will, muß 
man das Experiment in die rechte Handfläche legen. Man kann dem Menschen das 
Leben verlängern, indem man ihm den schlechten Geist entzieht und dafür einen an¬ 
deren Geist einführt. Dieser kann auch von einem Reh genommen werden. Besonders 
sind die Geweihe eines Rehes, die dreimal abnehmbar sind, für diesen Zweck ver¬ 
wendbar. 

Bei der Empfängnis erhielt die Patientin gleichzeitig Feuer- und Wassergeist. 
Auf der zweiten Welt kommen Geburten nicht zustande. Der Feuergeist in uns ist 
das Harte, so wie ein Knochen, Fleisch und Blut sind der Wassergeist; deshalb müssen 
beim Geschlechtsakt auch Mann und Frau Zusammenwirken, weil der Körper sich aus 
Männlichem und Weiblichem aufbaut. Das sind die Bestandteile des Elementkörpers. 
Eigentlich entstehen die Stoffe aus Gasen. Der Geist ist im ganzen Körper durch zwölf 
Nervkugeln verbunden und treibt das Blut. Den festen Kern der Erde bilden Feuer¬ 
gase. Das Experiment ist ein Kasten mit einem homähnlichen, nach allen Seiten ab¬ 
biegbaren Fortsatz. Er kann nach allen Richtungen gedreht werden. Dieser Kasten 
zieht Chloroforman und treibt Gase und Geister auf die Gegenerde zum großen 
Experiment zurück. 

Am 20. VI. Die Automiesprache kommt durch den Herrn, indem dieser den 
Geist eines Menschen in einer Formkugel in einer Weiche trägt. Der Geist des Herrn 
wird durch einen Lappen: „Chlorater“ oder „Epilator“ auch „Epilaster“ übertragen. 
Der Herr legt sich an den Gaumen einen Stoff ein, dann kann er über seine eigene Ge¬ 
walt verfügen. Der Stoff hält nur 8 Stunden. Der Herr hat meist die Gestalt des Jesu 
und die Gewalt des Herkules. Der Geist wird durch ein Experiment mittelseptische 
Stoffe abgenommen. Jetzt sitzt d^r Geist auf dem Stoff. Das Experiment hat nach 
hinten zu Löcher und Saiten wie Violinsaiten, welche in da? Horn eindringen. Die 



86 


Körper und Welt. 


Löcher dienen zur Aufnahme der Geister, damit sie ihn wie ein Magnet an ziehen 
können. Jetzt nimmt der Herr ein Gegenexperiment ohne Lappen und einen Billroth- 
batist ähnlichen Stoff, legt ihn in das Gegenexperiment ein, (die Patientin ver¬ 
wickelt sich hier in immer neue Kombinationen und gibt schließlich folgende Er¬ 
klärung und Zeichnung): 



leeres Experiment 

Horn, dessen Ende in den Kasten geht. 


> Experiment mit eptischem Stoff 


I 


kleines Experiment mit Billrothbatist, das der Herr in den 
Gaumen einlegt. 


Magnetische Drähte ziehen die Kasten an, daß die Experimente zusammen¬ 
treten. Das letzte Experiment wird nun nach rechts gedreht, dann mischt sich der 
eptische Stoff auf dem Billrothbatist, den Billrothbatist legt man in den Gaumen 
und verfügt über einen Geist. 

Am 21. VI. Die Patientin steht durch die Automiesprache mit dem Herrn selbst 
in Verbindung, indem der Herr seine Gestalt durch ein Experiment überträgt. Der 
Herr entzieht sich durch ein Experiment. Dieses wird durch den eptischen Stoff 
abgenommen. Zur Massenübertragung tut der Herr in den Gaumen eine Einlage 
aus Billrothbatist-ähnlichem Stoff, welcher den Geist des Herrn trägt. Der Herr 
gibt die Automiesprache in das Experiment. Die Experimente, die zur Übertragung 
dienen, sind in der Nähe des Herrn weit weg vom Element. Der Herr verfügt mittelst 
seiner Experimente über die Patientin. Sie versteht die Automiesprache. Sie selbst 
hat kein Experiment, indem das Experiment des Herrn auf sie wirkt, nimmt es gleich¬ 
zeitig ihre Gedanken ab, was so rasch geht, daß man es gar nicht merkt. Der Herr 
kann so viele Experimente machen als er braucht: das Experiment der Gegenerde, 
das 5000 Quadratkilometer entfernt ist, muß aber sehr groß sein, um auf die Erde zu 
wirken. Mit einem und denselben Geist des Herrn werden verschiedene Gestalten 
aufgestellt. Die körperliche Gestalt eines Menschen trägt einen künstlichen Gaumen, 
der den Geist des Herrn anzieht. Die Gestalten, die so den Geist des Herrn tragen, 
können sich mit anderen Wesen verbinden. Der Herr hört nicht gern vom Phönix 
sprechen, weil die Gestalt zu gering ist. Eigentlich ist der Phönix eine Elementnixe 
und enthält Feuergeist, kann aber nicht aufkommen, da sie für das kolossale Element 
nicht die entsprechenden Kräfte besitzt. Die Gestalt ist sehr groß, der Körper ist 
aus Schwefel, der Geist aus Feuer. Der Herr regiert seit Beginn der Welt. Sie war 
gestern in Agonie, weil sie der Herr erwählt hatte und sie die Welt erzürnte. Der Herr 
konnte nicht mehr Zusehen, daß man mit der Patientin ungerecht verfuhr. Er hat 
deshalb Interesse für sie, weil sie die Fähigkeit hat, alles auf die Welt zu übertragen; 
sie kann den Herrn verstehen und muß lehren, was das Wesen des Menschen ist. 

Aus dem phantastischen System der Patientin heben sich folgende Grund¬ 
züge hervor. Männlich und weiblich finden sich auch in der Natur immer wieder. 
Feuergeist ist männlich, Wassergeist ist weiblich. Beide sind in der Luft und 
treiben Gase. Sie werden durch ein Experiment, einen sonderbaren Apparat, 
zur menschlichen Gestalt wieder vereinigt. Dieser Apparat ist sicherlich ein sym¬ 
bolähnliches Bild für das Genitale. Männliches und Weibliches gehen in dieses 
Experiment ein, das das Bild vom Menschen entwirft. Es hat einen hornähnlichen 



Körper und Welt. 


87 


Fortsatz ;auch der VogelPhönix, von dessen genitaler Bedeutung noch zu sprechen 
sein wird, geht in das Experiment ein. Es handelt sich demnach um ein bi¬ 
sexuelles Bild. Von diesem Apparat geht die Automiesprache aus, durch welche 
die Patientin über den Bau der Welt unterrichtet wird. Diese Automiesprache 
hängt aber wiederum mit dem Sexuellen zusammen, sie verbleibt als Über¬ 
schuß, wenn das menschliche Bild im Experiment entsteht. Sie steht auch in eng¬ 
ster Verbindung mit dem Phönix, der von der Patientin als bisexuelles Wesen 
bezeichnet wird (er hat Feuergeist und Wassergeist gemischt) und wird von der 
(kastrierten) Patientin als ihr eigenes Ebenbild angesehen. Er hat einen ver¬ 
kümmerten weiblichen und männlichen Geschlechtsteil. Es ist demnach ein Ge¬ 
bilde, das aus phallischen Vorstellungen auf gebaut ist. Es ist dasselbe, wie 
ursprünglicher Feuergeist. Er ist bald größer, bald kleiner, er wird auseinander¬ 
gezogen, hat eine Hornhaut. Er ist auch dasselbe wie ein Experiment. Die auf¬ 
merksame Lektüre der Krankengeschichte ergibt mit Gewißheit, daß das Bild 
der eigenen Person mit dem des eigenen Genitales zusammenfließt, und daß die 
Patientin spielerisch immer sich selbst und das eigene Genitale in der Außenwelt 
setzt. Ihr fallen dann die Eigenkräfte mit den Kräften der Natur zusammen. 
Es kann um so weniger Aufgabe dieser Abhandlung sein, diese Wege in dasEinzelne 
zu verfolgen, als ich mich ja an anderer Stelle (Wahn und Erkenntnis) dieser Auf¬ 
gabe unterzogen habe. Es ist aber ohne weiteres klar, daß hier wiederum der 
magische Vorstellungskreis mit Erscheinungen vergesellschaftet ist, welche nur 
unter dem Gesichtspunkt des Zusammenfließens von Körper und Welt und der 
stärkeren Sexualisierung dieser Mischung im Vergleich zur sauber losgetrennten 
Welt verstanden werden kann. 

Ich muß wieder betonen, daß die Sexuologie dieser Patientin gleichzeitig 
Kosmologie ist. Es ist besonders beachtenswert, daß die Ausfällung der neuen 
Außenwelt zu einer außerordentlichen Mannigfaltigkeit und Vielheit phallischer 
Einzelbilder führt. Es ist ein spielerisches Immerwiedervonneuemsetzen. Man 
könnte ja meinen, das Verdrängte mache sich in mannigfaltigen Formen Platz. 
Ich glaube aber nicht, daß die einfachen Formeln der Verdrängung den Sach¬ 
verhalt hinreichend erklären können. Es sei denn, man fasse das Spiel und die 
Wiederkehr des Verdrängten unter den umfassenderen Gesichtspunkt zusammen, 
daß ein Trieb sich zwar an seinem Tun befriedige, aber als Trieb doch erhalten 
bleibe, ewig ungesättigt. Dann freilich werden Triebbefriedigung und Ersatz¬ 
befriedigung im Prinzip zu ähnlichen Erlebnissen und die fortwährenden Spiele 
der Kinder erhalten Beziehungen zu den Variantenbildungen der neurotischen 
Symptome. Ich möchte nicht vernachlässigen, daß sich Spiel und neurotisches 
Symptom doch immer wieder einem Stück der Welt zuwenden. 

Die lustvoll spielerischen Vervielfältigungen der gleichen Grundmotive fügen 
sich demselben Schema ein. Will man teleologisch betrachten, dann kann man 
sagen, daß jede dieser Phasen doch einen neuen Teil der Umwelt, sei diese 
eine reale oder eine halluzinatorisch wahnhafte, gestaltet, so daß aus diesen vielen 
Einzelteilen sich doch das Gesamtbild integriert. So scheint diese motivische Be¬ 
arbeitungsweise einer tiefliegenden biologischen Eigentümlichkeit zu entsprechen. 
Ich kann mir nicht versagen den Gedanken auszusprechen, daß der Formen¬ 
reichtum der Tierreihe in ähnlicher Weise Einzelmotive in den verwandten 
Arten variiert. All das liegt wohl in der gleichen Ebene wie jene Phänomene, 



88 


Körper und Welt. 


die Freud 1 ) unter den Namen des Wiederholungszwanges zusammengesetzt 
hat. Freilich kann ich nicht sehen, was diese Erscheinungen mit einem Todes¬ 
trieb zu tun haben sollen. Der Abbau der Funktion legt offenbar nicht nur im 
Gebiete der Gedanken und Vorstellungsbilder primitive Mechanismen frei. Offen¬ 
bar gilt das gleiche in bezug auf Tätigkeiten. Das Material, das Prinzhorn*) 
über die bildende Kirnst der Geisteskranken gesammelt hat, scheint mir darauf 
hinzuweisen, daß durch den Abbau übergeordneter Funktionen primitive orga¬ 
nische Tätigkeitsweisen freigelegt werden. Es ist in letzter Zeit viel erörtert wor¬ 
den, daß eine Wesensgemeinschaft besteht zwischen derartiger Primitivität und 
künstlerischem Schaffen. Das gilt wiederum sowohl für Vorstellungs- und Gedan¬ 
kengebilde, als auch für Tätigkeitsweisen, welche zu musikalischer oder bild¬ 
nerischer Gestaltung führen. 

Die Ausführungen dieses Kapitels sind abhängig von den Darlegungen, die 
Freud 8 ) über den Narzißmus gegeben hat. Narzißmus ist Eigenliebe, ist Liebe, 
welche dem eigenen Körper zugewendet wird. Wird das eigene Denken mit nar- 
zistischer Libido besetzt, kommt es zu Größenideen. Auch die Exkremente erhal¬ 
ten, als auch noch zum Ich gehörig, ein Quantum Eigenliebe. Diese wird auch 
auf die Kinder übertragen. Die Frau zeigt ein größeres Quantum von Eigenliebe, 
sie ist weniger geneigt zugunsten des Liebesobjektes an Libido zu verarmen 4 ). 
Die Hypochondrie entspricht einer erhöhten Libidobesetzung eines einzelnen 
Organes, wodurch dieses lästig und störend wird. Ein Teil der dem Körper zuge¬ 
hörenden narzistischen Libido wird im späteren Verlaufe der Entwicklung auf 
ein Idealich übertragen, das unter dem Einfluß der Erziehung gebildet wird. 
(Über die Problematik dieser Dinge vergleiche die Ausführungen des folgenden 
Kapitels.) Freud betrachtet den Narzißmus als einen Urzustand, der in der frü¬ 
hesten Entwicklung gegeben ist. Ungeklärt bleibt bei Freud das Verhältnis 
des Narzißmus zur Halluzination. Eine Arbeit von Ferenczi 6 ) untersucht die 
Stufen des Wirklichkeitssinnes. Die tiefste ist jene, in der der Embryo wunsch¬ 
los allmächtig im Mutterleib ruht. In der nächsten verschafft sich der Säugling 
halluzinatorisch Befriedigung, in einer weiteren zwingt er durch Schreien die 
Außenwelt, seine Bedürfnisse zu befriedigen; schließlich gibt er durch artikulierte 
Laute seinen Willen kund und zwingt ihn auf, wodurch seine Gedanken gleichsam 
magische Kraft zu erhalten scheinen. Schließlich wird die magische Wunsch¬ 
äußerung durch zweckmäßige Handlungen ersetzt. Ferenczi knüpft hier an 
frühere Arbeiten Freuds an. Diese Stufen der Entwicklung werden den Erleb¬ 
nissen der Geisteskranken gleichgesetzt. Ferenczi spricht ausdrücklich von 
Stufen des Wirklichkeitssinnes, er berücksichtigt noch wenig den damals noch 
neuen Narzißmusbegriff Freuds 6 ). Doch bezeichnet Freud auch jetzt noch die 

*) Jenseits des Lustprinzips. Intern. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse 1921, 
Beihefte. 

2 ) Bildnerei der Geisteskranken. Berlin: Julius Springer 1922. 

8 ) Zur Einführung des Narzißmus. Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. 6, 1914. 

4 ) Gregor und Voigtländer kommen von anderen Gesichtspunkten zu ähnlichen 
Resultaten. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 64, S. 97, 1921. 

5 ) Stufen des Wirklichkeitssinnes. Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. I, 
S. 128, 1913. 

6 ) Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen 
Fall von Paranoia. Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. 3. 



Körper und Welt. 


89 


Realitätszensur als Ichinstitution 1 ). Wenn auch Ferenczis Darstellung stark 
rationalistisch gefärbt ist, so dürfte sie in den Hauptpunkten doch zutreffend sein. 
Sie beruht auf dem psychoanalytischen Begriff der Regression (es handelt sich 
um den Begriff der zeitlichen Regression; vergl. hierzu die Freudsche Traumdeu¬ 
tung), die verstanden wird als die Wiederkehr konkreter Erlebnisse, die früher 
einmal stattgefunden haben. Daß eine solche Wiederkehr konkreter Erlebnisse 
vorkommt, ist einwandfrei bewiesen; bei Ferenczi sind die entsprechenden 
Erlebnisse allerdings erschlossen, und nicht unmittelbar beobachtet. Der Begriff 
der zeitlichen Regression muß aber nicht so gefaßt werden, daß ursprüngliche 
Einzelerlebnisse wiederbelebt (libidinös besetzt) werden, sondern man könnte 
denken, daß die frühere Funktionsweise und Gesamthaltung sich wieder er¬ 
neuere und daß durch diese primitive Gesamteinstelhmg primitive Erlebnisse 
wieder erzeugt werden. Diese letztere Fassung scheint mir die tiefere zu sein, ja 
vielleicht ist auch die Wiedergewinnung des früheren Einzelerlebnisses die Folge 
der primitiven Gesamthaltung, welche auf die ganze primitive Gesamtsphäre 
geht. 

Mit der Psychologie der Dementia praecox beschäftigen sich Arbeiten von 
Tausk 8 ) und Nunberg 8 ). Tausk betrachtet den Beeinflussungsapparat bei der 
Paraphrenie als ein Abbild des mit narzistischer Libido besetzten Körpers. 
Für die Richtigkeit dieser Anschauung habe ich Belege gebracht. Tausk betrach¬ 
tet die Flexibilitas cerea als Regression zu Embryonalhaltungen. Für die Rich¬ 
tigkeit dieser Anschauung wird keinerlei Material beigebracht. Die deskriptiven 
Merkmale entsprechen einander nicht einmal in den gröbsten Zügen. Immerhin 
ist der Tausk sehe Grundgedanke insofern richtig, als die motorischen Erschei¬ 
nungen der Schizophrenie auf ein primitiveres Motilitätssystem verweisen, das 
sein Zentrum im striopallidären System und den zugehörigen Apparaten hat. 
(Vergl. hierzu das 4. Kapitel dieses Buches.) Die Säftestauungen, die flüchtigen 
Oedeme der Katatoniker werden als Analoga der Schwellung des Penis aufgefaßt. 
Ich weiß mm nicht, wie sich Tausk gegenüber den Blutverschiebungen der Auf¬ 
merksamkeitseinstellungen u. dergl. m. verhält; es muß aber doch betont werden, 
daß die erektilen Organe einen besonderen Bau aufweisen, daß vasomotorische 
Phänomene und Erektion nicht zusammenfallen, und daß schließlich das Oedem 
mit diesen Dingen nichts zu tun hat. Es ist auch wohl ein Irrtum, wenn Tausk 
das zweidimensionale Sehen als Vorstufe des dreidimensionalen auffaßt, und 
wenn nun schattenhafte Halluzinationen als Regression auf eine frühere Stufe 
aufgefaßt werden. 

Nach Nunberg, der vielfach Tausksche Gedankengänge weiter verarbeitet, 
bleibt von den Ichinstitutionen Kritik, Zensur und Realitätsprüfung im kata- 
tonen Anfall nur die Selbstbeobachtung übrig. Natürlich taucht sofort die Frage 
auf, wie denn diese Funktionen isoliert vernichtet werden könnten, und wie die 
Selbstbeobachtung als Regression aufgefaßt werden könne. Man kann ja anneh- 


*) Metapsychologische Ergänzungen zur Traumlehre. Internat. Zeitschr. f. ärztl. 
Psychoanalyse Jg. IV, S. 277, 1916/17. 

*) 1. c. 

8 ) Über den katatonischen Anfall. Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. VI, 
S. 25, 1920 und: Der Verlauf des Libidokonfliktes in einem Fall von Schizophrenie. 
Ebenda Jg. VII, S. 301, 1921. 



90 


Körper und Welt. 


men, daß mit der Verwischung der Grenzen zwischen Körper und Welt die Selbst¬ 
beobachtung die Rolle der Wahrnehmung übernimmt. Allerdings ist es auf¬ 
fallend, daß in einer Reihe von Schizophreniefällen die Selbstbeobachtung ein¬ 
setzt, noch bevor eine Verschmelzung von Körper und Welt stattgefunden hat. 
Hier kann nur die phänomenologische Analyse weiterführen, die ich in Obigem 
versucht habe. 

Es ist nun eine schwierige Frage, welche Ausdehnung man dem Prinzip des 
Narzißmus geben darf, ohne den Tatsachen Gewalt anzutun. Nach der psycho¬ 
analytischen Fassung gehört nicht nur die gesamte psychische Symptomatologie 
der Schizophrenie hierher, sondern auch ihre motorischen Symptome. Aber auch 
Unfallneurosen und Tic (Ferenczi) 1 ) werden als narzistische Störungen be¬ 
trachtet. Ebenso Manie und Melancholie 2 ). 

Einige Bemerkungen über die Verwertung des Begriffes Narzißmus für die Er¬ 
klärung des manisch-depressiven Irreseins seien eingefügt. Bei der Schizophrenie 
ist das Gesamtbild so aufgebaut, daß eine frühere Entwicklungsstufe wieder¬ 
zukehren scheint. Es ist nicht nur die Verschmelzung von Umwelt und Körper, 
welche zu dieser Annahme drängt. Auch die Denkvorgänge zeigen eine primitive 
Prägung. Trifft man homosexuelle Regungen bei der Schizophrenie und Para¬ 
phrenie häufig an, so fügt sich das dem allgemeinen Rahmen gut ein, da es sich 
ja offenbar um eine primitivere, undifferenziertere Sexualität handelt. Diese all¬ 
gemeine Regression der Schizophrenie kann ja auch so erklärt werden, daß der 
individuelle Denkakt, der mit einer Rekapitulation der Onto- und Phylogenese 
beginnt, nicht über eine bestimmte Stufe hinausgeführt wird 3 ). Es liegen also 
alle Erscheinungen auf dieser Ebene, wenngleich, wie ich das immer wieder 
betont habe, bestimmte Differenzierungen erhalten bleiben, allerdings nicht 
an jenen Stellen des Erlebens, welche für den Kranken von zentraler Wichtig¬ 
keit sind. 

Etwas ganz anderes liegt bei dem manisch-depressiven Irresein vor. Ich 
habe erwähnt, daß nach Freud 4 ) ein Teil derlchliebe sich sehr bald vom Körper 
loslöst und einem Ichideal zugewendet wird, das unter dem Einfluß der Umwelt 
entstanden, nun mit libidinöser Eigenliebe besetzt wird. Die ersten beiden Fälle 
des Kapitels sind auch im Hinblick auf dieses Problem sehr wichtig, das im fol¬ 
genden Kapitel noch ausführlich behandelt werden wird. Das Problem des Ich- 
ideals ist gleichzeitig auch das Problem der Adlersehen 6 ) Individualpsychologie. 
Adler hat von willkürlich gewählten Leitlinien gesprochen, nach denen jeder 
von uns sein Leben aufbaut. Freud nimmt nun an, daß es zu einen Widerstreit 
zwischen dem Ichideal und dem Triebleben kommen könne. Bei der Melancholie 
ist nach seiner Auffassung der Konflikt zwischen Ichideal und Trieben ver¬ 
schärft, in der Manie entziehe sich das Triebich den unerträglich gewordenen 
Forderungen des Ichideals dadurch, daß es dieses Ichideal einfach vernichtet. 


x ) Psychoanalytische Betrachtungen über den Tic. Internat. Zeitschr. f. ärztl. 
Psychoanalyse Jg. 7, S. 33, 1920. 

2 ) Freud: Trauer und Melancholie, ebenda Jg. 4, S. 288, 1916/17 und auch Massen¬ 
psychologie und Ichanalyse, 1921. 

3 ) Über Gedankenentwicklung, 1. c. 

4 ) Über Narzißmus. 

6 ) Der nervöse Charakter. Wiesbaden: J. F. Bergmann. 



Körper und Welt. 


91 


Nun erhebt sich aber die Frage, ob man die Bildung des Ichideals einer bestimm¬ 
ten Stufe der Entwicklung zuschreiben könne, und ob man die Errichtung des 
Ichideals zeitlich lokalisieren könne. 

Auf der anderen Seite wird von Abraham 1 ) und Tausk die Nahrungs¬ 
verweigerung der Melancholiker als Regression auf eine Triebstufe gewertet, 
in der die orale Libido beherrschend ist. Für Freud ist für die Zuteilung des 
Manisch-depressiven zu den narzistischen Erkrankungen offenbar maßgebend, 
daß die Identifizierung bei der Melancholie eine große Rolle spielt. Der Me¬ 
lancholiker identifiziert sich nach seiner Auffassung mit dem geliebten Objekt, 
das er in sich hineinnimmt, und diesem gelten nun die Selbstvorwürfe der Me¬ 
lancholiker. Oder sie beziehen wenigstens daher ihre Stärke. Diese Deutung als 
richtig angenommen — ich habe unter meinem eigenen Material nichts Bewei¬ 
sendes gefunden — so liegt auch nach der Freudschen Definition bei der Manie 
nichts ähnliches vor. Freud nimmt vielmehr bei dieser Erkrankung nur die 
Einziehung des Ichideales an. Nun zeigt aber das Denken der Manisch-Depres¬ 
siven ganz andersartige formelle Abändei ungen als die übrigen, dem Narzißmus 
zugerechneten Fälle. Diese Abänderungen stehen, wie immer man sich im ein¬ 
zelnen zu ihnen stellen möge, in ganz engen Beziehungen zu den Affekten der 
Trauer und der Heiterkeit. Will man den Regressionsbegriff nicht mutwillig 
erweitern, so kann man das starke Hervortreten eines bestimmten Affektes nicht 
als Regression werten. Nun w'ürde man auf der anderen Seite die Frage aufwerfen 
müssen, ob man denn die Errichtung des Ichideales in eine bestimmte Zeit ver¬ 
legen könne, und ob diese Zeit auch jene sei, in der die Objektwahl durch Iden¬ 
tifizierung erfolgt. Mir ist beides höchst unw r ahrscheinlich; dann wäre es aber 
gar nicht mehr berechtigt, beim manisch-depressiven Irresein von Narzißmus 
lind Regression zu sprechen. Ich habe diese Bedenken schon an anderer Stelle 
zum Ausdruck gebracht 2 ). Ich habe die Anschauung entwickelt, daß jeder ein¬ 
zelne Gedanke, oder besser jedes seelische Erlebnis, eine besondere individuelle 
Vorgeschichte habe, welche phylo- und ontogenetische Vorstufen rekapituliert. 
Bei der Schizophrenie scheint nun ein Hauptpunkt der zu sein, daß diese in¬ 
dividuelle Gedankenentwicklung vorzeitig unterbrochen wird. Es erscheinen 
dann onto- und phylogenetische Vorstufen. Es scheint aber, daß der Er¬ 
lebniszusammenhang auch in anderer Richtung abgeändert werden kann. Et¬ 
was derartiges liegt wohl beim manisch-depressiven Irresein vor. Alle Einzel¬ 
funktionen treten ja in einem bestimmten Lebensalter zum ersten Male her¬ 
vor, trotzdem ist es noch keine Regression zu dieser Stufe, wenn gerade diese 
Einzelfunktion das Gesamtbild einer Psychose beherrscht. Identifizierungs¬ 
mechanismen sind auch im Alltagsleben von einer einschneidenden Bedeutung; 
wie denn überhaupt festgehalten werden muß, daß alle psycho-pathologischen 
Erlebnisse, alle primitiven Bildungen, alle Mechanismen im Bewußtsein stets vor¬ 
handen sind. Bedeutsam ist immer nur, ob das Gesamtbild der früheren Stufe ent¬ 
spricht. Ein solches primitiveres Gesamtbild liegt meines Erachtens —ich folge hier¬ 
in Freud — bei der Schizophrenie und bei der Zwangs-Neurose vor, und wohl 

l ) Untersuchungen über die früheste praegenitale Entwicklungsstufe der Libido. 
Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. IV, H. 2, 1916. 

Ä ) Vorstudien zu einer Psychologie der Manie. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psy- 
chiatr. Jg. 16. S. 90, 1921. 



92 


Körper und Welt. 


auch bei der Hysterie. Anders bei dem manisch-depressiven Irresein, wobei noch 
besonders zu betonen ist, daß ja auch die Sexualität der Manischen keine ,,Re¬ 
gressionserscheinungen * 4 zeigt. Sie ist vielmehr durchaus genital zentriert und zeigt 
auch einen gut charakterisierten Typus der Objektwahl. Die Beeinträchtigung 
der Sexualität der Depressiven unterscheidet sich außerordentlich weitgehend 
von der der Schizophrenie. Es wäre also festzustellen, daß eine Störung der 
psychischen Erlebnisse in zweierlei Richtung erfolgen kann. Es kann die Entwick¬ 
lung der psychischen Funktion vorzeitig unterbrochen werden, oder es kann der 
Zusammenhang der Funktionen untereinander abgeändert sein. Auch die Er¬ 
scheinungen bei grober Hirnlaesion (Aphasien, Agnosien) könnten nur mit 
starker Vergewaltigung aus dem einheitlichen Prinzip des Rückschlages erklärt 
werden. 

Hier möchte ichandie Liepmannschen 1 ) Vorstellungen anknüpfen, der für die 
verschiedenen Apraxieformen verschiedene Dissoziationsformen annimmt. Wäh¬ 
rend „bei der ideokinetischen Apraxie der Konnex zwischen den kinetischen 
Engrammen und dem übrigen Engrammbesitz aber auch den frischen optischen, 
akustischen und taktilen Reizen wesentlich gestört ist“, ist „bei der ideatorischen 
Apraxie der extrakinetische Engrammbesitz derartig geschädigt, daß der idea- 
torische Entwurf verkehrt ist oder lückenhaft, oder überhaupt nicht auf taucht.“ 
Überhaupt enthält die Wernickesche 2 ) SejunktionslehreGedankengänge, welche 
neuerdings auf genommen werden müßten. W er nie k e hat ja im genialen Entwurf 
die Lehre von der Aphasie als Grundschema benutzt, von dem aus er in das Ver¬ 
ständnis der Geisteskrankheiten einzudringen suchte. Daß dieser Versuch so we¬ 
sentliche Resultate gezeitigt hat, ist offenbar nur so zu erklären, daß tiefe Gemein¬ 
samkeiten bestehen. Wir sind ja den umgekehrten Weg gegangen, wir haben 
versucht, von den besser zugänglichen psychischenErscheinungen her der Aphasie- 
lehre näherzukommen. So gibt es wohl Berührungspunkte zwischen der psycho¬ 
logischen und neurologischen Forschungsrichtung in der Psychiatrie. Wir dürfen 
auf keine derselben verzichten 8 ). 

Diese Untersuchungen handeln vom Narzißmus, aber sie gehen von dem Ge¬ 
sichtspunkt aus, daß es einen Körper ohne Welt nicht gibt. Die primitivste 
Haltung läßt Körper und Welt in eins verschmelzen, ohne daß die Berechtigung 
bestünde zu sagen, die Welt sei im Körper aufgegangen. Der Unterschied 
zwischen außen und innen gilt gar nicht mehr für diese Stufe. All das wird etwa 
dem entsprechen, was die Psychoanalyse als primären Narzißmus bezeichnet. 
Das ist eine Haltung, welche der autoerotischen vorausgeht, welche libidinöses 
Interesse auf einzelne Organe richtet. Nicht in d ie Untersuchung wurd e einbezogen 
der sekundäre Narzißmus, die Errichtung des Ichideals, das Problem der Ad ler- 
schen Leitlinien. Dieses weitversponnene Problem soll im folgenden behan¬ 
delt werden. 

Vorher sei noch eine Beobachtung mitgeteilt, an der Hand derer die Resul¬ 
tate dieses Kapitels zusammengefaßt werden sollen. 

*) über Störungen des Handelns bei Gehimkranken. Berlin: Karger 1905: und 
Ergebnisse der gesamten Medizin, herausgegeben von Brugsch. 

2 ) Grundriß der Psychiatrie, 1901. 

3 ) Vergl. hierzu Pick: Die neurologische Forschungsrichtung in der Psycho¬ 
pathologie; Beihefte zur Monatsschr. f. Psychiatr. u. Neurol. 1921, H. 13. 



Körper und Welt. 


93 


Fall IX. 

Die Patientin Sarah Schm., geb. 1891, wurde am 9. IX. 19 in die psychiatrische 
Klinik aufgenommen. Die Vorgeschichte lautete: Die Patientin ist seit der Geburt 
exzentrisch, fromm, gegen Männer ablehnend, begann im Herbste 1914 Zeichen der 
Geistesstörung zu zeigen. 1916 kam sie in die Landesirrenanstalt, wo sie mehr als 
l x /i Jahre verblieb. Zuhause zeigte sie sich mißtrauisch und eifersüchtig auf die 
jüngere Schwester, von der sie meinte, daß sie ihr den Bräutigam vorenthalte. Sonst 
war sie geistig sehr rege, erlernte in dieser Zeit sogar das Klavierspiel. Lief heimlich 
zur Polizei, beklagte sich, daß man ihr Millionen entziehe, ihr einen Waggon mit 
Handschuhen gestohlen habe. Sie bezeichnet sich als Kaiserin Sonja. Daraufhin 
wurde die Patientin der Klinik überstellt. Die Resultate der sechstägigen Beobachtung 
an der Klinik — sie wurde dann der Landesirrenanstalt überstellt — werden im fol¬ 
genden zusammenhängend dargestellt: 

Die Patientin war sehr gesprächig und zugänglich. Sie bringt ihre Ideen in unge - 
ordneter, hastiger, ständig abschweifender Weise vor, die manchmal kaum verständ¬ 
lich ist. Wenn man sich an ihre Sprechweise gewöhnt, so sind jedoch stets die gleichen 
Grundgedanken erkennbar, nur die Form, in der sie ausgedrückt werden, wechselt. 
Der Bericht gibt möglichst eigene Worte und Wendungen der Patientin wieder, das 
Zusammengehörige der verschiedenen Unterredungen wird zusammengestellt, wobei 
jedoch Widersprüche und Abweichungen vermerkt werden. 

1914 fuhr sie über Dörfer, die keinen Namen haben, vielleicht haben diese Dörfer 
überhaupt nicht existiert. Alle wollten sie sehen. Verschiedene Leute stellten sich 
vor. Über ihrem Kopf wurde damals gearbeitet, und sie konnte die Zeichen abfangen. 
Die anderen arbeiteten mit Apparaten, sie nicht. Sie selbst fuhr so lange, bis sie zu 
jenem Stern kam, sie war aber nicht vorbereitet, ihn zu entdecken. Doch es war so. Auch 
jetzt ist sie mit dem Mars drahtlos verbunden. Als sie in das Dorf einfuhr, interessierte 
sich der russische Kaiser für sie. Sie wurde gefangen, er konnte sie nicht befreien. 
Er hat sie als Braut erwählt, die Leute hielten sie aber zurück, und sie konnte nicht 
zur Trauung kommen. Seine Stimme war stärker als alles, und wenn sie ihn auch nicht 
sah, so konnte sie doch die Stimme vernehmen. Ein andermal erzählt sie jedoch: 

Rußland hat sie groß gemacht und ihr den Kaisertitel verliehen. Als sie weiterfuhr, 
lernte sie einen anderen Mann kennen, und sie war auch auf dem Mars. Die Leute 
führen ihr immer nach, weil sie wüßten, daß etwas entdeckt wird. Man hat ihr auch 
Dynamit gelegt, 1 (aber sie kam immer glücklich darüber hinweg. Vor dem Mars ent¬ 
deckte sie den Nordpol; man sah dort nichts als Schnee und Eis. Sie fuhr ohne Kom¬ 
paß, bekam aber immer ein Zeichen. Einmal lag sie in einem Eisenbett und gelangte 
in die Nähe in ein unterirdisches Gewölbe, das sie die Totenkammer nannte. Es lagen 
dort Tote.“ Ein andermal erzählt sie: „Ein Bewerber mit 100 Millionen war da, doch 
weiß sie nicht, ob er der erste war, als sie ihn kennen lernte, war sie schon Königin, 
die Österreicher luden sie nach Wien zum Kaiser Franz Joseph und Kaiser Wilhelm. 
Er war ein Fürstensohn Maximilian I., sie lernte ihn im Mai kennen. In der Nähe wurde 
eine Festung bombardiert, die Verwandten wollten sie von dort wegbringen, sie wurde 
von ihren Verwandten getrennt; ein Mann fesselte sie dann, wahrscheinlich der 
Prophet Zacharias, und es war, als ob die Wände glühten, so daß sich die Haut dehnte. 
Der Teufel suchte eine Sarah, und sie hatte furchtbare Schmerzen, es kam ihr vor, 
wie eine Hölle, und sie hörte Schreien und Stimmen. Andere Erzählung: Schon 
vor der Mobilisierung erschienen Geister, sie kratzten dreimal an der Türe, gerade so 
wie im Faust. Die Geister sprachen nichts. Die Patientin erschrak vor der Himmels¬ 
kraft. Sie las die ganze Nacht in der Bibel, aber die Verwandten ließen sie nicht fort. 
Die Geister kratzten an der Türe, und unmittelbar wurde über der Bibel ein Kreuz 
gemacht, sie las aber weiter und es erschienen die Geister. Sie wurde entseelt gefesselt, 
konnte nicht mehr atmen, ein Dienstmädchen heizte zu stark. Man hielt sie in Ru߬ 
land gefangen, fesselte sie, das war die Entscheidung. Sie spürte, wie die Seele entfloh 
und sie bekam dann viele Seelen, vielleicht die Seelen der ganzen Welt. Damals pro¬ 
phezeite sie einen blutigen Krieg und bekam die Seele eines Propheten. Andere Ver¬ 
sion: Sie lag in einer Art Hölle auf einem Bett, dieses verschwand, und sie geriet in 



94 


Körper und Welt. 


die Unterwelt. Damals kamen 3 Boten zu ihr, sie wollte von ihnen nichts wissen. Sie 
mußte fahren und Heiligensteine sammeln, sie ging in ein Dorf, die Häuser ver¬ 
schwanden. Seit 1914 war eine Weltumdrehung. Durch sie wiederholte sich die Ge¬ 
schichte. Sie war auch im Märchen immer die Hauptperson, und die Märchen wurden 
bei ihr wieder wahr. Die Welt entwickelt sich jetzt wieder, durch den Krieg war alles 
erschlafft und vernichtet. Doch dann wurde die Welt wieder errichtet. Es war Viel¬ 
weiberei, wie im Altertum. 

Um diese Zeit hörte sie die Stimme Gottes. Als sie freier wurde, machte man sie 
zur Königin, die Kinder wanden Kränze, dort bekam sie auch ihr erstes Kronzeichen. 
Das Dorf war der Ort, wo die Ahnen, Abraham und Moses, aufstanden. Die Stimme 
Gottes hörte sie aber vor der Entdeckung der Ahnen. Die Stimme Gottes war ein 
Baß. Die Gespräche, die sie mit Gott führte, wurden durch einen Apparat aufgefan- 
gen, der wie ein Grammophon war. Die Patientin sprach für Gott in die Welt hinein. 
Die Gespräche sind so, daß die Stimme Gottes ihre Gedanken entnimmt, Gott spricht 
das, was sie denkt. Sie sagt die Verbindung durch Gesang an. Die Gespräche haben 
Gelehrte abgenommen. Wenn sie etwas denkt, so geschieht es. Das Gehirn ist mit 
einem unsichtbaren Geist verbunden. ,, Jetzt vernehme ich zwei Himmelsstimmen.“ 
Sie ist in der Gewalt des Himmels, der Kopf ist mit dem Himmel verbunden. Sie 
hört eine ganze Melodie. Das Grammophon ist in ihrem Kopf, und so wird das Grammo¬ 
phon das Gefäß heiligen. „Ich war in Rußland, und dort hörte ich das erstemal die 
Stimme Gottes und es wiederholte sich die ganze Geschichte der Weltentwicklung.“ 
Sie wurde durch Gott heilig. Jeder Mensch kann Gott werden. Wemi jemand einen 
Platz verläßt und es kommt eine andere Person, so empfängt die andere Person 
dann die Verehrung. Die unmittelbaren Geister sind Engel, die Stimme Gottes sprach 
damals in ihr, und sie bekam die Stimme Gottes, so daß sie nicht reden durfte, um nicht 
mit Gott verwechselt zu werden. Sie ist verbunden mit Geistern des Himmels, so 
daß sie jedesmal Gespräche abfangen. Die Geister sind dasselbe, was die Patientin 
selbst ist. „Nach meinem Sinn geht es. Sie werden die Sprache nicht verstehen; die 
Sprache ist von Gott.“ Bewegungen der Leute auf der Straße gehen nach ihrem Sinn. 
Die Geister sagen dasselbe, was sie denkt. Es ist ein Reflex. 

Sie wartet auf ihren Mann, alles ist durch den Krieg zerstört. Er hat sie als Frau 
gemeldet, sie ist ihm plötzlich fortgefahren, jetzt findet er sie nicht. Die Bekannten 
haben ihm absichtlich verschwiegen, wo sie ist. Vielleicht haben sie ihm Geld entlockt, 
denn er ist hübsch und reich. Als sie ihn kennen kernte, war sie schon Königin; die 
Österreicher luden sie nach Wien zum Kaiser Franz Joseph und zum Kaiser Wilhelm. 
Sie komponiert aus dem Stegreif und dies wird drahtlos abgefangen, es ist ein Aeroplan. 
Auch mit dem Mann ist sie verbunden, er erscheint ihr unsichtbar, verkehrt auch 
unsichtbar geschlechtlich mit ihr. Es sei ein Apparat, der unsichtbar mache. Es er¬ 
schien einmal so, wie ein Aeroplan, so wie ein Zeppelin. Sie hört auch die Stimme. Ihre 
Seele kann anderswohin gezwungen werden. Er war im früheren Leben Maximilians I. 
Sie lernte ihn im Mai kennen. „Ich stelle mich wegen des unsichtbaren Verkehrs so wie 
ein Mann und eine Frau. Ich möchte wissen, ob das den Gelehrten bekannt ist.“ 
Beim unsichtbaren Verkehr stellt sie Mann und Frau zugleich vor. Für einen anderen 
Mann hat sie keine Bedeutimg. Sie fühlt den unsichtbaren Verkehr in den Geschlechts¬ 
teilen. Ihren Mann hält die Wienerstadt zurück. 1914 nannte man sie die Schönste 
der Welt. Deshalb sperrte sie die Mutter ein vor den Verehrern. Andere erhielten dann 
die Siegerkraft und sie ging leer aus. Sie wollte im November heiraten, aber die 
Briefe der Verehrung worden aufgekauft. Wenn sie zu einem Brautpaar oder Ehepaar 
kam, so stellten die Frauen der Patientin immer ihren Mann zur Verfügung. Sie 
wollte aber diese Männer nicht, nur ihren eigenen Mann. Deshalb ist sie so gestraft, 
weil sie nicht weiß, wo ihr Mann ist. Ihre Ehe war eine himmlische Ehe, viel heiliger 
als andere Ehen, denn der unsichtbare Verkehr ist viel feiner. Aber alles entstellt 
man. Die Frauen verachten sie, weil sie gut aussieht; sie entziehen ihr den eigenen 
Mann. Auch ihre verheiratete Schwester stellte ihr ihren Mann zur Verfügung. Die 
Stadt, wo sie geboren ist bereitete ihr Ovationen und öffentliche Ehren, aber sie hat 
nichts davon, weil sie nicht mit ihrem Mann zusammen ist; viele Männer melden sich, 
aber sie wollte die Leute persönlich sehen, um zu wessen, ob auch ihr Mann dabei ist . 



Körper und Welt. 


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Ihr Bräutigam wollte ihr einen Waggon rechtshändiger Handschuhe senden, das Aviso 
und Telegramm wurde aber unterschlagen. Die Linken sind schon angekommen, und 
ich bin noch nicht mit dem rechten Mann zusammen. Andere Frauen legten ihren 
Schmuck an. Im Jahre 1916 war sie in einer Irrenanstalt, man hat sie einfach ver¬ 
schwinden lassen. „Andere Leute wollten das Geld, es ist die Partei Kommunisten 
oder, ich weiß nicht,wer das macht, ich glaube, es sind die eigenen Leute... Schwester, 
eine hat schon die Sachen: Chokolade und Handschuhe bekommen; hat sie weiter¬ 
verkauft und will mir Schadenersatz geben. 3 Millionen, die hat sie mir gesichert. 
Die eigenen Leute haben anarchistische Ideen.“ Aus Neid vielleicht, daß sie Kaiserin 
geworden ist, und daß sie den Heiratsantrag auf hundert Millionen bekommen hat. 
Man hat ihr ein Palais versprochen, das war schon da, aber da sitzen Invaliden oder 
lauter Christen. Man schleppt sie von einer Irrenanstalt zur anderen. Andere Mädel 
haben sich für sie ausgegeben. Die eigenen Leute haben den Sturz unterstützt, sie 
ist die Entdeckerin des Mars. Sie ist schuldlos Räubern in die Hände gefallen. Ver¬ 
langt eine gerichtliche Kommission zur Entscheidung. Die Räuber werden freigespro¬ 
chen, während man sie gefangen hält. 

Ein Kind hat sie operativ aus dem Arm geboren. Es kommt ihr so vor wie die 
Geburt Evas. Sie schlief damals. Das Kind war göttlich. (Die nun folgenden Äußerun¬ 
gen werden wörtlich imd chronologisch genau wieder gegeben, weil sie für das Ver¬ 
ständnis der Psychose besonders wichtig sind.) 

12. IX. Alles, was in ihre Nähe kommt, wird geheiligt. Ihr Leib wird ganz anders, 
er bekommt eine Oberschichte von Glas, die das einfache Auge nicht sehen kann. 
Die Heiligung wird ihr w’eggenommen, jeder nimmt sich einen Teil von ihr. Leute 
die ohne Begabung sind, können gegen den Willen der Patientin Redner werden. 

1914 bekam sie die Seele eines Propheten. (Wie kam die Seele in Sie ?) „Unsichtbar, 
die Seele kommt durch das Gehirn.“ Wenn die Seele eindringt, dichtet die Patientin. 
Sie hat eine Oper von Beethoven wieder komponiert. 

Sie war in einem Haus, in dem sie nicht hätte sein sollen, weil dort Teufel waren, 
sie wurde statt geheiligt — „geteufelt“. (Was heißt heiligen und „teufein“ ?) „Teufeln 
heißt, man fühlt sich wirklich so mies, es gibt Speisen, die Ekel erregen und unsicht¬ 
bare Geister machen es heilig oder teuflisch“. Die Patientin kann es sofort unter¬ 
scheiden. So kann sie Verteufeltes heilig machen, wenn sie es in die Hand nimmt. 
Wenn sie vor einem Tisch steht und den Gegenstand berührt, und der Gegenstand 
kommt auf einen anderen Platz, so kann ein Erwachsener oder ein Kind vor Gottes 
Kraft nieder knieen. Wenn die Patientin auf dem Platze steht, ist sie die einzige 
heilige Person, geht sie aber weg und geht eine andere Person auf ihren früheren Platz, 
so ist dann diese geheiligt. 

Wenn sie in dem Dorf außer Haus ging, so gingen ihr alle Leute nach und wenn sie 
mit ihnen sprach, waren alle glücklich. 

Die anderen Patientinnen, mit denen sie zusammen liegt, geben sich auch als 
Königinnen aus. Eigentlich dürfte nur eine bei ihr liegen. „Denn die gehen dann alle 
fort, und ich bleibe beraubt zurück.“ 

Sie besteht nicht nur aus einer Seele, die Seelen geben ihr den Verstand und die 
Frauen laufen ihr auch alle nach, es ist ja sicher, daß sie ihnen einen Mann ersetzt. 
Die Frauen nahmen sie gefangen. 

13. IX. (Wie kommt es, daß Sie eine so große Anziehungskraft auf Frauen aus- 
üben ?) Es ist dies eine Gotteskraft, die man ihr entziehen will. Sie hat Angst, daß 
Personen, die mit ihr im gleichen Zimmer schlafen, sich auch als Kaiserin ausgeben 
und sie fürchtet, daß sie dann als Schwindlerin dasteht. 

Wenn sie etwas denkt und eine Entdeckung macht, so geschieht dies nicht mit den 
Händen, sondern durch den Geist und wird auch durchgeführt. Man sagte erst, Bol¬ 
schewiken hätten sich des unsichtbaren Apparates bemächtigt. 

(Was ist die Sonne ?) Die Sonne ist ein Himmelskörper. Die Strahlen der Sonne 
fallen nur auf die Patientin. Sie kann auch die Zeichen der Sonne abfangen. (Was 
spricht ?) Alles was spricht, spricht nur zu ihr. Wasser, Feuer, der Blitz. Wenn es 
blitzt, ist es eine Funkensprache, eine Gottessprache, jeder Stern, sogar der Mond, 
spricht mit ihr. Ein Pferd, an dem sie vorbeiging, verneigte sich auch vor ihr. 



96 


Körper und Welt. 


Es muß nicht immer ein Mann in sie hineinfallen, es kann auch eine Frau sein, 
die unsichtbarer Weise mit der Patientin zusammengeschmolzen wird, und sie spürt, 
daß jemand mit ihr zusammen ist. Zum Beispiel wird bei einer Geburt ein Mann zu¬ 
gleich mit einer Frau geboren, das eine in Wien, das andere in Petersburg, sie müssen 
dort Zusammenkommen und wissen gar nicht, wie es geschah. Der unsichtbare Verkehr 
ist aber genau wie der sichtbare, nur sieht man den Betreffenden nicht und kann keine 
Kinder bekommen. (Was machen denn die Frauen mit Ihnen ?) Auch die Mutter 
fiel zu ihr hinein. (Was heißt das ?) Sie legt sich z. B. allein in ein Bett bei fast ver¬ 
schlossener Türe und ist dort mit anderen Seelen zusammengeschmolzen. Eine 
Frau fällt nur mit der Seele allein herein, sie, die Patientin, verspürt es aber körper¬ 
lich und seelisch, die Frauen heiligen sich dabei und werden groß. In Rußland waren 
auch Mädchen und Kinder wahnsinnig in sie verliebt. Einst küßten sie zwei kleine 
Kinder so wahnsinnig wie Männer ab, so daß sie ohnmächtig zu Boden fiel. 

Ihr Leib hat einen großen Wert, doch wenn eine Frau neben ihr sitzt, so bekommt 
diese dann den Wert und die Männer laufen dieser Frau nach. Eigentlich wollen die 
Männer nur sie haben und deshalb schickt sie ihr ähnlich gebaute Frauen zu Männern. 
Die Patientin ist besorgt, daß auch ihr eigener Mann solchen Frauen nachläuft. Sie 
fühlt sich auch beleidigt, wenn ein anderer Mann ihr sagt, sie sei seine Frau. 

Auch ein Löwe kam ihr entgegen und tat ihr nichts. Die Tiere sind intelligent, 
alles spricht mit, sogar die kleinsten Tiere, sogar Wanzen haben Geist. Sie beobachtete, 
wie sich ein Mensch in ein Tier verwandelte. 

14. IX. (Wie kommt es, daß gerade Sie zu so großen Dingen auserwählt sind ?) 
,,Es muß ja so sein ?“ (Was ists mit den Eltern ?) „Die sind meine größten Gegner.“ 
Die Mutter hat zwar viel mitgemacht, jetzt hat man sie aber abgeriohtet und sie hält 
die Patientin gefangen. Die Mutter sagt, die Patientin sei nicht ihre Tochter, das ist 
aber die Folge einer optischen Täuschung und so hat man alles, was ihr von rechts- 
wegen gebührt nun anderen gegeben. Es war auch wegen der Schwester Streit. Auf 
Frage, es waren 8, jetzt sind es 0 Geschwister. 2 Brüder, eine Schwester leben in Wien, 
zwei in Rußland, eine Schwester in Amerika. Die Schwester in Rußland hat für sie 
alles geordnet. (Ist die ganze Familie auserwählt ?) Wenn die Patientin bei fremden 
Leuten ist, so haben die anderen die ganze Ehre und Göttlichkeit, da die eigene 
Familie ungeschickt war. Die Patientin wollte der Familie Gutes tun, damit der Reich¬ 
tum nicht an Fremde falle. Wenn aber für sie eine Fahrt oder Zeremonie vorbereitet 
war, wurde sie eingesperrt. „Da sie alle mit meinen Mitteln arbeiten, bin ich hier, sie 
wollen immer die Geehrten sein, der Vater z. B. ist der heilige Geist und ist der größte 
Gegner von mir, es ist ja dieselbe Geschichte, wie bei der Jungfrau von Orleans“ (sie 
erinnert hiebei an den Fluch des Vaters gegen die Jungfrau). Man hat ihr zweimal 
die Krönung gestört. Wenn man aus der Patientin einen Menschen machen will, plagt 
man sie. Der Vater glaubt, man muß schwer arbeiten, um zu Ehren zu kommen, 
das ist aber nicht richtig. Die Patientin arbeitet mit den Sinnen. Er glaubt 
aber, es wird nichts daraus. Die Patientin wiederholt, daß der Vater der heilige 
Geist ist. 

Die Patientin ist dazu da, um bedeutende Leute zu erkennen. Wenn sie vom 
Divan heruntergeht, so sagt der Vater, er sei jetzt die Sonje Sch. Die Eltern verhin¬ 
derten auch, daß die Patientin Nachricht von ihrem Mann bekam. Die Göttersprache 
ist eine stumme Sprache. Sie versteht z. B. das Zeichen, das der Referent mit dem 
Schlüssel gibt. Das ist eine Götterkraft, das Ganze ist konzentriert, man meint 
Gott und die Menschen ziehen von ihm einen Teil, ein Stück Gottheit, der Mensch 
ist dann gottähnlich, hat Gunst und wird verehrt. Jeder ist zu ihr gefahren, damit 
er gottähnlich wird. Jeder kann sich mit Gewalt ein Stück Glück nehmen. Mit der 
Götterkraft, die von der Patientin selbst ausgeht, kann man Leute satt machen. 

Es ist selbstverständlich, daß die Männer nur sie wollen, und alle Frauen, die in 
ihrer Nähe waren, bekamen Siegeskraft, ihr ist Militär, Kaiser und wer weiß alles, 
nachgelaufen. Wenn sie Schlüssel oder andere Gegenstände berührt, so haben diese 
Gegenstände Götterkraft, eine ganz andere Kraft als früher und die Patientin versteht 
alles. (Gibt es Dinge, die ohne Sie Götterkraft haben ?) „Ich bin mit so vielen Dingen 
in Berührung gekommen, daß alles nur von mir selbst gekommen ist.“ Ob die Frauen 



Körper und Welt. 97 

die mit ihr beisammen waren, sie verstehen können, weiß sie wirklich nicht, das ist 
ein Schicksal, auf das sie nicht vorbereitet war. 

Ihr Kopf ist mit dem Himmel verbunden, und wenn sie die Augen öffnet, ist 
ihr Sinn mit den Himmelsstimmen in Verbindung. Wo sie ist, ist die Göttersprache 
mit dem Himmel verbunden. (Wer ist im Himmel ?) Eine ältere und eine jüngere 
Stimme. (Beide Stimmen von Gott ? Zwei Götter ?) „Ich kenne nur einen Gott, 
die ältere Stimme ist Gott und die jüngere Stimme Gottes Sohn oder Gott selbst 
verjüngt.“ (Ich dachte, Sie wären Gott ?) „Ich bin es auch. Gott ist auch der heilige 
Geist, der durch mich Wunder wirkt.“ (Ist nicht Ihr Vater der heilige Geist ?) „Auf 
der Erde war mein Vater nicht, was er spricht, im Himmel aber hat die Stimme die 
gleichen Absichten, wie ich selbst.“ Auf der Erde aber vereitelt der Vater alles, was 
sein sollte. Sie sollte 1916 als Königin zurückkommen und mit Kaiser Franz Joseph 
eine Begegnung haben und da wäre Friede gewesen. „Aus meinem Sinn spricht so 
die Stimme und immer das, was ich denke.“ Man führte sogar ein Kleid für sie mit, 
vor dem das Volk niederkniete. Es war weiß und golden. Eilboten meldeten es ihr, 
sie sah es nicht. (Wer hat die Gewalt ?) Nur ein Gott hat Gewalt. (Wieviel Göttin¬ 
nen gibt es ?) „Durch mich sind viele Göttinnen auf der Welt, alle die mit mir Zusam¬ 
menkommen, sind geheiligt.“ (Wie lange sind Sie Göttin ?) „Bereits seit 1914. Die 
Leute kannten mein Geheimnis, sagten es mir aber nicht, wer ich wirklich bin.“ 
(Was hat früher bestanden, Gott im Himmel oder Sie ?) „Jedenfalls Gott im Himmel.“ 
Schon als kleines Kind hatte sie viel mit Atheisten zu tim, die sie wegen ihrer Fröm¬ 
migkeit verfolgten. „Ich arbeitete schon als kleines Kind unbewußt für Gott.“ Man 
verehrte sie schon mit 6 Jahren auf einem Ball. Sie hat keine richtige Erinnerung 
daran. Viele wurden durch sie verjüngt. 

Es bestehen auch Teufel; der Teufel hat eine Siegeskraft und lockte mit Gold 
eine unschuldige Seele heran. Es gibt Teufels- und Engelsspeisen. (Hat man an 
Ihren Geschlechtsteüen etwas gemacht ?) „Man hat mir mein Herz genommen, ich 
spürte keine Leidenschaft und keine Liebe. 1915 hatte ich mein Herz wieder, aber 
ein Jahr lebte ich ohne Herz. Der Teufel wollte mich besitzen, die Schätze waren 
nur da, wo ich war. Er kann sie ja vernichten.“ 

„Wenn Gott auf steht, wird viel anders sein, denn jetzt wollen viele Frauen ich 
sein!“ 

In dieser Krankengeschichte lassen sich folgende Punkte unterscheiden. Das 
Ausgangserlebnis ist ein Gespräch mit Gott. Die Stimme Gottes spricht ihre Ge¬ 
danken ; sie durfte nicht reden, weil sonst ihre Stimme mit der Gottes verwechselt 
worden wäre. Im Grunde ist sie selbst Gott, von ihr geht Götterkraft aus. Diese 
göttliche Kraft wird auf der einen Seite dem Sinn und der Bedeutung gleich¬ 
gesetzt, sie ist aber auch erotische Anziehungskraft; alles will sich in unsichtbarem 
Verkehr in sie stürzen, auch Frauen und Kinder, auch ihre eigene Mutter. Alle 
in der Welt vorhandene erotische Anziehungskraft stammt von ihr. Die anderen 
haben sie von ihr erhalten. Gott ist aber auch ihr Vater; ihr Vater hemmt sie 
auf Erden, hat aber im Himmel die gleichen Absichten wie sie. Alle erotische 
Befriedigung auf Erden gebührt eigentlich ihr. Andere, welche in ihre Nähe kom¬ 
men, werden durch sie geheiligt und entziehen ihr die Heiligung. Alle Götter¬ 
kraft stammt von ihr, weil alles direkt oder indirekt mit ihr in Berührung war 
Dies der Kern der Psychose, in die eine Fülle von Phantasien hineinverschlungen 
ist, welche die Struktur von Wunschträumereien haben: weite Reisen, Entdeckung 
des Mars, Kaisertum. Verfolgung, u. dergl. mehr. 

Studieren wir den Aufbau dieser Psychose, so ergeben sich zwei Teile. Der 
eine ist tief magisch. Das eigeneich dirigiert die Welt, Gott ist nur sein ausführen¬ 
des Organ. Sie ist in allen Dingen das Treibende, sie ist „Essenz, Wirkungswert 
aller Dinge“. Das eigene Ich würde alles sein, wenn ihr nicht auf unrechtmäßige 

Sehilder, Seele und Leben. 


7 



•98 


Körper und Welt. 


Weise immer wieder Heiligung entzogen würde. Sie ist ansteckend, alles was 
ihr naht, nimmt ihre ,,Heiligung“ an; diese wird durchaus als körperlich gedacht, 
es ist eine Art dünner Glasschicht, die allerdings unsichtbar ist. Der zweite Teil 
ist das banale Bild eines Verfolgungswahnes. Sie wäre reich, man enthält 
ihr das jedoch vor, entzieht ihr den Mann u. dergl. mehr. 

Es ist klar, daß beide Teile in verschiedener Weise den gleichen Kern darstellen. 
Ein übermäßig forderndes Ich, einGottich, sieht sich beengt ; sicherlich liegt hier¬ 
in eine Anerkennung der Wirklichkeit. Man muß sich wohl vorstellen, daß die 
Zuwendungsfähigkeit zur Außenwelt Schwankungen unterliegt oder besser, daß 
die Außenwelt, der sich das Individuum zuwendet, bald mehr, bald weniger vom 
Körper differenziert ist. Der magische Teil der Psychose setzt ein engeres Bei¬ 
sammensein von Welt und Körper voraus. So scheint denn ein Pendeln zwischen 
bestimmterer und unbestimmterer Ausfällung der Welt stattzufinden. 

Die eine Triebrichtung der Patientin geht nach dem dämmernden Genießen, 
einem Genießen, indemsieHerrinder Welt wäre. Abersiekommtindiesem Genießen 
nicht zum endgültigen Ziel, sie bleibt unbefriedigt, offenbar deshalb, weil sie sich 
von der differenzierten Außenwelt doch nicht gänzlich loslösen lann. Die Ge¬ 
schichte der Verhinderung ihrer narzißtischen Ansprüche durch die Außenwelt 
ist nur der Ausdruck der eigenen Hemmungen gegenüber diesen Wünschen. Die 
Patientin sieht daher in der Welt vorwiegend nur die Hemmung des Ich. 

Man könnte folgendes Schema auf stellen: auch der gesunde psychische Appa¬ 
rat strebt nach Gegenständen, welche Lust geben sollen. Der volle Genuß ist 
aber nur dann vorhanden, w r enn die Wirklichkeit erreicht wird. Nur darf man 
den Begriff der Wirklichkeit nicht zu eng fassen, Wirklichkeit ist die Gesamt¬ 
heit sachlicher Strukturen. Darüber im folgenden Kapitel Ausführlicheres. Wirk¬ 
licher Genuß folgt nur der Bewältigung der Wirklichkeit; in diesem Falle wird 
der Genuß mit Umgehung der Wirklichkeit erreicht, wird als ungenügend emp¬ 
funden, was dann als Eingriff der Außenwelt erscheint. Die ganze Umwelt ist bei 
dieser Patientin nur Ausdruck ihrer eigenen Erlebnisse. Gewiß liegt also wieder 
ein Verschmelzen von Subjekt und Objekt vor und hieran sei noch eine Ausfüh¬ 
rung angesch lossen. 

Ich habe in der Abhandlung über Begriffe und Sätze hervorgehoben, daß 
in die Begriffsgrundlage unserer Kranken unendlich Vieles einfließt. Es finden 
Verschmelzungen innerhalb der Sphäre, Verdichtungen größten Stiles statt. 
Sicherlich ist es die ungeheuerste Verdichtung, wenn Außen und Innen, Körper 
und Welt zu einem neuen Ganzen zusammenfließen, aber gerade an diesem Bei¬ 
spiel zeigt sich auch wieder, daß Begriffe biologische Funktionen sind. Der Au¬ 
tistisch-narzißtische ist in seinen Anpassungsfunktionen, in seiner Biologie auf 
das Deutlichste abgeändert. Dieser biologischen Abänderung entsprechen eines¬ 
teils die Umlagerungen in dem Gegensatz von Körper und Welt und andernteils 
weitgehende Umarbeitungen der Begriffe. 

Die Erörterung dieses Falles wäre unvollständig, wenn man nicht unter¬ 
striche, daß die sonderbaren und weitgesponnenen Begriffsgebilde unserer Kran¬ 
ken doch bestimmte Punkte besonders akzentuieren. So spielt im Denken der 
Patientin ein Begriffskomplex eine große Rolle: Allmacht — Liebesobjekt — 
Vater — Schöpfer — Kaiser — Gegenspieler und Feind. Die Psychoanalyse 
legt mit Recht Gewicht darauf, daß das konkrete Verhältnis Kind—Vater für 



Ethos und Neurose. 


99 


solche Begriffsbildungen von besonderer Wichtigkeit ist. Es ist ja der Begriff 
eine mögliche Haltung, welche aus einer früher erfolgten wirklichen fließt. Nur 
darf man nicht meinen, daß die mögliche Haltung, wie sie in dem affektiven Be¬ 
griffe angedeutet ist, eine einfache Wiederholung der früher erfolgten wirklichen 
sei. an die sie sich anschließt. W 7 irkliche und mögliche Haltung erfließen aber 
aus der Organisation, die sich ja im Körper ausdrückt. 


III. Ethos und Neurose. 

Ich bekenne mich zu der Anschauung, es gebe eine objektive W 7 elt der Werte, 
in die der Mensch hineingestellt ist, und an denen er Teil hat. Diese Werte sind 
nicht von der Willkür des Einzelnen abhängig ; sie existieren, gleichgültig ob sie 
anerkannt werden oder nicht. Sie sind nicht objektiv in dem Sinne, daß sie an 
die Welt der Sachen gebunden wären; sie sind unabhängig von der Wahrnehmungs¬ 
welt. Sie hängen zw r ar zum Teil an dieser, aber sie haften auch an den Beziehungen 
der Wahmehmungswelt, an ihrem unsinnlichen Gerüst. Sie sind aber auch an die 
Person gebunden, nicht nur soweit sie am Körper sichtbar wird, sondern auch 
an ihre Akterlebnisse. Sie sind hierarchisch gegliedert. Es gibt eine strenge 
Rangordnung der Werte. Am tiefsten in dieser Rangordnung stehen jene, welche 
am unmittelbarsten in den Dingen zu liegen scheinen: die Annehmlichkeit eines 
warmen Lagers, der Wohlgeschmack einer süßen Frucht. Das Ding ist aber auch 
hier nur Träger des Wertes, nicht er selbst. Je eingehender die strukturelle Glie¬ 
derung der Dinge der Welt, desto höher der Wert. Der Wert des schönen Akkordes 
ist größer als der des schönen Tones. Die tiefgegliederte Symphonie wertvoller 
als der einschmeichelnde Gassenhauer. Man könnte die Werte einteilen nach dem 
Anteil, den sie an der Gesamtwelt haben. Ein Wert steht um so höher, ein je ; 
größerer Teil der Gesamtwelt ihm zu Grunde liegt. Ein je wesentlicherer Teil 
der Weltgliederung, der strukturellen Gliederung der Außenwelt. Wir können 
uns der Außenwelt gegenüber in zweifacher Weise verhalten; wir können uns ihr 
unmittelbar, sei es nun denkend oder handelnd, zuwenden, oder aber auch mit der 
Absicht, einen Wert zu realisieren. Wenn aber die übersieht auf einen W 7 ert in die 
Motivbildung mit eingeht und die auszuführende Handlung mitbestimmt, so liegt 
sicherlich eine abgeleitete, wenig ursprüngliche Stellung vor. Der wesentliche 
Grundfall des Handelns und Denkens ist also der, daß das Individuum ein Stück 
W r eltstruktur wahrnimmt, vorstellt, denkt, wünscht oder handelnd bewältigt. 

Es besteht nun ein eigenartiges Verhältnis der Wertwelt außen und der 
Wertwelt des Erlebens und der Persönlichkeit 1 ). Je reicher der Außenwert, dem 
sich das Individuum in irgendeiner Weise zuwendet, desto reicher und befrie¬ 
digender das Erleben. Natürlich ist Voraussetzung, daß das Individuum den 
Außenwert in seiner vollen Gliederung erfaßt. Freilich ist das nicht die einzige 
Reihe, in die sich die Werte der Persönlichkeit ordnen lassen: es fragt sich auch, 
wie viele von den Gesamttendenzen der Persönlichkeit in dieser Zuwendung enthal¬ 
ten sind, und es ist von Wichtigkeit, ob die nicht enthaltenen Tendenzen im Er¬ 
lebnishintergrund nur ruhen oder widersprechen. Immerhin darf aber ver- 

1 ) Vergl. hierzu mein Buch: Selbstbewußtsein und Persönlichkeitsbewußtsein. 
Berlin: Julius Springer 1914. 



100 


Ethoe und Neurose. 


mutet werden, daß eine Erfassung eines großen Stückes der Weltetruktur gar 
nicht möglich ist, wenn sich nicht die Hauptmasse der Strebungen des Indivi¬ 
duums widerspruchslos auf den Gegenstand richtet. 

Es besteht die phänomenologische Tatsache zu Recht, daß jeder von uns den 
Wertmaßstab'in sich trägt, daß wir innerlich die Ordnung schauen, in die sich 
die Werte stellen; gleichzeitig richtet jeder Wert die Forderung an uns, ihn zu 
realisieren. Woher kommt aber diese Forderung ? Hat sie nicht, mag sie noch so 
eindringlich sein, eine Geschichte ? Diese Geschichte kennen wir zum Teil; die 
ethischenNormen werden uns ja offenbar zunächst durch jene Personen vermittelt, 
welche uns als Exponenten des Gesellschaftswillens umgeben, es sind das die 
Eltern und Erzieher. Diese übergeben uns die geschriebenen und ungeschriebenen 
Gebote der Gesellschaft. Nim liegt aber diesen Normen der Gesellschaft doch das 
Gebot zu Grunde, die Wirklichkeit zu bewältigen; jeder von uns trägt in sich diese 
ideale Forderung. Diese aber ist der Wille der Respektspersonen, der in uns 
hineingenommen wurde. Wir haben uns mit diesen identifiziert, er ist gleichsam 
zu unserem Seelenvermögen geworden. Es hat auch psychologisch einen sehr 
tiefen Sinn, wenn Kant als Maxime des Handelns auf stellt: Handle so, daß dein 
Handeln allgemeines Gesetz werden könnte. Die Gesellschaft steht vor uns, als 
Förderin einer tieferen Erfassung der Wirklichkeit. Allerdings ist diese ihre For¬ 
derung nur möglich und sinnvoll deshalb, weil in jedem einzelnen in uns etwas von 
der unmittelbaren Triebbefriedigung wegdrängt zu einer Erfassung einer tieferen 
Struktur. Es liegt eine Schwierigkeit darin, festzustellen, welches denn die For¬ 
derung des Guten, die ethische Forderung, sei. Man muß wohl annehmen, daß 
auch dieser ethischen Forderung die Forderung zu Grunde liege, ein beträchtliches 
Stück Welt im Handeln zu erfassen. Daß sich diesen Forderungen sehr häufige 
Widerstände des Trieblebens entgegenstellen, zeigt nur, daß es Teilstrebungen 
des Menschen gibt, welche nach Teilen der Außenwelt streben. Das wahre ethische 
Handeln ist jedoch jenes, welches sich der Gesamtwelt zuwendet, soweit sie der 
Gesamtpersönlichkeit zugänglich ist; ethische Gesinnung haben demnach jene 
Personen, welche den Teilstrebungen nicht unterliegen auf Kosten der Gesamt¬ 
persönlichkeit. Gewiß genügt dieser aus dem eigenen Leben herausgeholte Ma߬ 
stab nicht. Könnte es nicht auch verbrecherische, minderwertige Naturen geben, 
deren Gesamtstreben eben auf Nichtwerte geht ? Auch hier dürfte man vom Stand - 
punkt der Persönlichkeit aus jenen Verbrecher als den Höherstehenden betrach¬ 
ten müssen, der einen breiteren Teil der Wirklichkeit im Handeln bewältigt. 
Es muß jedoch auch der Maßstab der Verwirklichung objektiver Werte ange¬ 
wendet werden. Die Anwendung dieses Maßstabes ist freilich schwer. Das geht 
schon daraus hervor, daß es gerade bei den großen Erscheinungen in der Geschichte 
schwer fällt, zu unterscheiden, ob es Helden oder Verbrecher großen Stiles seien. 
Aber der Verbrecher bewältigt ja stets einen Teil der Wirklichkeit nicht, eben 
die soziale Struktur. Er ist nicht fähig, die Gesellschaft in sich hinein zu nehmen. 
Der Verbrecher wäre demnach nicht ein im Triebleben anders gearteter, son¬ 
dern einer, über dessen Strebungen ein Zügel fehlt, über dessen piimitives Streben 
nicht noch ein höheres gesetzt ist 1 ). 


*) Janets Ausführungen über die fonction du r6el, insbesondere in ,,obsessions 
et psychasthönie“ 1903, vertreten wohl die gleichen Grundgedanken. 



Ethos und Neurose. 


101 


Bestände die Annahme zu Recht, es gebe eine Evidenz im Husserlschen 
Sinne, so wäre die Entscheidung über diese Fragen sehr leicht, man brauchte 
sich nur der intuitiven Schau hinzugeben, um zu unumstößlichen Ergebnissen 
zu kommen. Auch ich halte diese Schau für wesentlich, aber das schauende Be¬ 
wußtsein steht doch in biologischen Abhängigkeitsbeziehungen. Man muß also 
wohl fragen, ob das schauende Bewußtsein biologisch vollwertig is%. und hierfür 
gibt es meines Erachtens zwei Maßstäbe. Der eine liegt in der objektiven Festste^*’ 
lung dessen, was von der Welt dem Organismus zugänglich ^uhd’.dämlt'fü^.ä^s**. 
Handeln erreichbar ist. Die Sinnesorgane erschließen uns Telld der Ätfßeifwfeft ,* 
soweit wir diesen Teilen handelnd gerecht werden können. Die biologische Orga¬ 
nisationshöhe ist somit ein Index für die Möglichkeit zu handeln. Der rückgebildete 
Parasit hat einen kleineren Ausschnitt der Welt vor sich; jedes Mehrsehen an den 
Dingen, jedes neue Erfassen von Sacheigenschaften und Beziehungen ist Fort¬ 
schritt der Organisation und Zeichen höherer Wertigkeit. Hiezu kommt, daß die 
Glücksmöglichkeit eines Menschen innerhalb weiter Grenzen abhängig ist von der 
Erfassung jener Strukturen, mag die Wollust der geschlechtlichen Vereinigung 
bei dem Halbidioten und dem Genius gleich erscheinen, der eine erlebt doch darin 
eine ärmliche Welt, für den anderen strömt die Fülle des Universums ein. Nach 
diesen Maßstäben messe ich die Werte. 

Nun zeigt es sich, daß die Art, wie jeder einzelne die Werte sieht, weitgehend 
▼on seinem Triebleben abhängig ist. Triebleben hier in jenem weiten Sinne, 
daß es nicht nur Instinktives umfasse, sondern auch das klar Gewünschte und 
Gewollte. Man darf sich ja überhaupt durch den Gegensatz bewußtes und trieb¬ 
mäßiges Wollen den Blick nicht trüben lassen, auch in dem bewußten Wollen 
drüoken sich Strebungen aus, auch wenn dieses Wollen seine Triebkraft und seine 
Ziele zum Teil von Erziehung und Beispiel empfängt. Am klarsten zeigen ja 
das die Resultate der Psychoanalyse. Es sei noch der Hinweis gestattet über die 
Verschiebung der Wertmaßstäbe etwa vor der Kriegserklärung 1914, nach dieser 
und nach dem Zusammenbruch 1918. Der Wert dieser anthropologischen Tat¬ 
sachen ist nicht gering einzuschätzen. Man könnte sagen, die ewige Wertwelt 
würde durch die Torheit der Menschen nicht berührt, aber diese Wertwelt ist ja 
doch nur Spiegelbild der organisch festgelegten Triebe und jene Schwankungen 
geben uns wohl den Hinweis darauf, daß es noch nicht festgelegte organische 
Triebe gibt, welche an der objektiven Außenwelt, sei nun diese die Welt der Dinge 
oder die der Begriffe oder die der Werte, gestaltend mitschaffen. Das soll nun 
nicht eine Hinleitung zum Skeptizismus oder Relativismus sein, denn die Triebe 
sind Ja nichts Isoliertes, nichts, was aus der Welt der Gegenstände und Werte 
herausfiele, sie sind vielmehr rechtmäßiger Bestandteil dieser Welt. 

So kann ich denn nicht trennen Triebleben und Gesinnungen, wie dies etwa 
Scheler tut. Das wollende, strebende Ich fügt sich vielmehr als Ganzes in den 
biologischen Zusammenhang ein. 

Obwohl nicht zum engeren Thema gehörig, füge ich doch ein, daß die bio¬ 
logische Betrachtungsweise, welche organische und anorganische Natur unter dem 
Gesichtswinkel der Physik betrachtet, keineswegs die Welt restlos erschöpft. 
Das wirkende und strebende Ich, der seelische Zusammenhang reicht über die 
physikalische Biologie hinaus, aber meines Erachtens reicht auch das Geschehen 
in der äußeren Natur über die Formen der Physik. Hier handelt es sich nicht 



102 


Ethoe und Neurose. 


darum, ein endgültiges, philosophisches System zu entwerfen, sondern nur darum, 
eine Reihe von Tatsachen und Beobachtungen einer vorläufigen Ordnung zu¬ 
zuführen. Das Problem, was zwischen den biologischen und physikalischen 
Geschehnissen liegt, wird hier nicht berührt. 

Wenn wir von Trieben sprechen, müssen wir uns vor Augen halten, daß auch 
;%ier TriQb;rinpfbfstimmte Richtung, ein Ziel hat 1 ). Dieses Ziel ist nun nicht klar 
■•bewußt* es ; 1#t*iri einer anderen Gegebenheitsweise da als etwa das Ziel des klar 
;fbewyifjt£W Wollens.; Betrachten wir Trieb- und Triebwirkung in kausalen Zu- 
# sadirfienhäfigdn,k(f folgt auf das dumpfe Triebziel die Triebhandlung. Dem Trieb¬ 
ziel haftet nun offenbar ein gewisser Wirkungswert an. Die psychologische Kon- 
* stitution des Triebzieles verdient besondere Aufmerksamkeit. Sie hat sicherlich 
neben ihrem objektiven Anteil einen recht starken Anteil, der in körperlichen Emp¬ 
findungen besteht. Sie hat ferner die Eigentümlichkeit, daß sie eben zufolge ihrer 
Unbestimmtheit offenbar eine besondere Tendenz zur Symbolähnlichkeit hat. 
Es scheint überhaupt, und dieser Gesichtspunkt ist schon durch die Untersuchun¬ 
gen des vorangegangenen Kapitels nahegelegt worden, zwischen Symbolähnlich¬ 
keit und ,,größerem Anteil von körperlichen Empfindungen am Erlebnisinhalt“ 
eine sehr wesentliche Beziehung zu bestehen. Der Gegenstand des zielbewußten 
Wollens unterscheidet sich also vom Gegenstand des Triebes, indem der Gegen¬ 
stand des Wollens immer klar in die Objektwelt hinaustritt, sich immer mehr vom 
Körper loslöst. Vom dynamischen Standpunkt aus ergibt sich folgendes: die 
Energie hängt in beidenFällen an verschiedenen Erlebnissen. Es muß dahingestellt 
bleiben, inwieweit sich das Dynamische des Vorganges in den Akten abspiegelt, 
und ob nicht das, was wir als psychischeEnergie dynamisch postulierten, psychisch 
in irgendeiner Weise zum Erlebnis komme. Ich bin der Überzeugung, daß 
sich in der Art des triebhaften Gerichtetseins, in der Art des Wollens diese Energie 
ausdrücke; allerdings darf man sich diese Beziehungen nicht einfach denken, 
denn die energischen Menschen, bei denen der Wirkungswert ihres Wollens ein 
mächtiger ist, haben nicht etwa das Bewußtsein einer größeren Anstrengung: 
von diesen Verwechslungen hat man sich freizuhalten (ähnliche Bemerkungen 
bei Scheler). 

Auch das Wünschen fügt sich dieser Betrachtungsweise ein. Auch hier ist 
zu beachten, daß ein Wunschgegenstand stets vorhanden ist. Während aber beim 
Trieb und beim Wollen die Entladung in eine Handlung nahe liegt, ist beim Wunsch 
diese Entladungsmöglichkeit in die Ferne gerückt. Natürlich sollen durch diese 
Ausführungen die phänomenologischen Differenzen zwischen diesen einzelnen 
Erlebnissen nicht verwischt werden, aber in dynamischer Richtung basteht eine 
tiefe Gemeinsamkeit, welche sich auch darin ausdrückt, daß alle in einer Inner¬ 
vation, in einer Handlung endigen können. Auch wenn ich Dinge wünsche, die 
außerhalb meiner Machtsphäre liegen, etwa, daß morgen schönes Wetter sein 


*) Hatt ingberg: Übertragung und Objektwahl, Internat. Zeitschr.f.ärztl.Psycho¬ 
analyse Jg. VII, S. 401, 1921, legt nur Gewicht auf den Trieb, das Objekt wertet er 
nicht. Ich kann dieser Auffassung nicht folgen. Der eigentliche Reichtum, die Meh¬ 
rung des Lebens liegt nur in den Objekten, der Analytiker und Neurosenforscher über¬ 
sieht das häufig. Da er eingestellt ist auf die regressiven Äußerungen, in denen der 
Objektanteil zurückzutreten scheint, so scheint ihm der Anteil der Welt nebensächlich, 
an der doch Organisation und Trieb geworden ist. 



Ethos und Neurose. 


108 


möge, so ist dieser Wunsch nicht allzu weit vom Handeln entfernt. In den Fringes 
lebt das Bewußtsein, daß dieser mein Wunsch das schöne Wetter herbeiführe. 

Die Wunsch Vorstellung enthält also den Keim einer Handlung in sich; sie 
ist selbst Erfolg determinierender, also willensmäßiger Einstellungen und ist 
hierin jeder anderen Vorstellung gleich. Jede Vorstellung ist in dieser Hinsicht 
Triebfolge und liegt in der Linie zur Tat. 

Von hier aus läßt sich vielleicht das Wesen der Assoziation besser darstellen. 
Für das Assoziieren wäre nicht nur Ähnlichkeit und Kontiguität maßgebend, 
sondern das assoziierende A. ist bereits Ausdruck der gleichen Einstellung, wie 
das assoziierte B. Es bestünde demnach das Grund Verhältnis, daß sowohl A. 
als auch B. durch fortwirkende Einstellung hervorgerufen sind, die in dem Fall 
der Ähnlichkeitsassoziation die sachlichen Verwandtschaften zu erschöpfen trach¬ 
tet, in dem Fall der Kontiguität zuerst den Teil und dann das Ganze der ge¬ 
wünschten Situation erweckt. Auch wenn die Assoziationen an äußere Erleb¬ 
nisse anschließen, muß man annehmen, daß diese zunächst die Einstellung 
wecken, welche dann erst das Assoziierte hervortreibt. 

Demnach ergibt sich die Berechtigung, trotz der deskriptiven Differenzen 
Trieb, Wünschen und bewußtes Wollen und „Assoziieren“ unter einheitlichen 
dynamischen Gesichtspunkten zu betrachten. Der Vollzug jeder dieser Funktio¬ 
nen setzt psychische Energie voraus. 

Die Psychoanalyse scheidet zwischen Ich- und Sexualtrieben, während andere, 
insbesondere Jung 1 ) eine einheitliche psychische Energie annehmen. Nimmt 
man eine einheitliche psychische Energie an, so scheint es, daß man Seelisches 
allzu sehr seiner Eigenart entkleidet. Phänomenologisch muß man andresteil s sagen: 
jeder Trieb ist einesteils charakterisiert durch das Objekt, auf das er sich richtet, 
durch die besonderen Mitschwingungen der Körpersphäre. Gibt es einen Trieb, 
der sich in der Reizung analer Schleimhäute befriedigt, so ist dessen Besonder¬ 
heit auf jeden Fall festzuhalten. Selbst wenn etwa durch Unterdrückung der nor¬ 
malen Sexualität dieser Trieb besondere Stärke erhielte, er bleibt qualitativ eigen¬ 
artig. Es muß so eine Fülle von Partialtrieben geben. Diese Partialtriebe können 
nun in bezug auf die Körperempfindungen teilweise zusammenfallen; so ist es 
nicht unwahrscheinlich, daß ein starker analer Reiz Sexuelles körperlich mit- 
schwingen läßt. Eis bestehen sicherlich auch eine Reihe qualitativer Zusammen- 
hänge, man könnte etwa sagen, daß sich auch auf dem Gebiete der Triebe eine 
Qualitätsreihe herstellen lasse. Schließlich sieht man, daß eine Reihe von Partial¬ 
trieben der Sexualität im psychoanalytischen Sinne in irgendwelchen räumlichen 
und zeitlichen Beziehungen zum Sexualakte stehen. DasNähere ist in den Freud - 
sehen Abhandlungen zur Sexualtheorie nachzulesen 2 ). Es zeigt sich nun, daß 
eine Reihe von körperlichen Trieben zwar qualitativ vom Sexualtrieb recht 
weit abstehen, und doch ergibt sich, daß auch ihre Organe zur Sexualtätigkeit 
in engste Beziehungen treten können. Immerhin muß daran festgehalten w erden, 
daß es auch Triebe gibt, welche mit den Sexualtrieben nichts zu tun haben. 
Hier ist zunächst der Trieb nach Nahrungsaufnahme zu nennen. Es muß aber 
sofort hinzugefügt w erden, daß ja das Sehen, das Greifen, das Hören sicherlich 

J ) „Wandlungen u. Symbole der Libido" u. „Versuch einer Darstellung der psycho¬ 
analytischen Theorie". Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. 2, 1910 u. Jg. 5, 1914. 

*) 5. Aufl. 1922. 



104 


Ethos und Neurose. 


gleichfalls Unabhängigkeit von der Sexualität haben. Es scheint also jene Trieb- 
gruppe, welche von der Psychoanalyse als Ichtriebe zusammengefaßt wird, be¬ 
sonders enge Beziehungen zu dem bewußten Wollen zu haben. Ganz allgemein 
ist jeder Trieb zweifach zu kennzeichnen, erstens durch das Objekt, auf das er 
sich richtet, zweitens durch seine besondere körperliche Resonanz. 

Es ist nun gar keine Frage, daß eine Möglichkeit besteht, Energie, welche 
den Sexualtrieben zugehört, auf die Ichtriebe zu verschieben. Es dürfte aber auch 
das Umgekehrte stattfinden können. Ich sehe wenigstens nicht ein, wie man sich 
jene Fälle anders erklären könnte, wo etwa durch heftige psycho-physiologische 
Sexualerregung jede andere Funktion geschwächt wird. Schließlich ist das Ver¬ 
sinken der Welt im Momente des Orgasmus ein hierher gehöriges Phänomen 
Wir hätten also zwei Triebgruppen anzunehmen, in jeder dieser Gruppen gibt 
es eine Fülle qualititiv abgestufter Einzeltriebe; innerhalb jeder Gruppe 
fluktuiert die zur Verfügung stehende Energie zwischen den einzelnen Partial¬ 
trieben hin und her. Andemteils kann ein Energieaustausch auch zwischen Ich 
und Sexualtrieben stattfinden. Eine besondere Beachtung verdienen nun jene 
Triebe und Triebregungen, welche offenbar dem Objekte nach sowohl der Sexual¬ 
ais auch der Ichsphäre angehören. Hierher gehört zunächst der Trieb des Fassens, 
des Besitzergreifens, der ja zweifellos im Rahmen des Sexuellen eine wesentliche 
Bedeutung hat, der aber doch auch der Erhaltung des Einzelnen dient. Diese 
Erhaltung des Einzelnen kann man sich ja nun sehr verschieden vorstellen. Man 
kann sie rein somatisch fassen; das wäre aber eine sehr enge Fassung, der Trieb 
geht sicherlich gar nicht auf Erhaltung, sondern auf Mehrung. Es wäre von vorn¬ 
herein richtiger, statt von Ichtrieben von Machttrieben zu sprechen. Offenkundig 
besteht ein triebhaftes Verlangen, sich Außenstehendes anzueignen. Dieses ist ma߬ 
los und unbefriedigt, nicht nur der Sexualtrieb hat diese Maßlosigkeit. Adler 
hat in dieser Richtung manches gut gesehen. Hier binden sich aber die Sexual¬ 
regungen in enger Weise an die Machtbestrebungen, ebenso wie man umgekehrt 
sagen muß, daß der sexuelle Trieb unlösbar in sich enthält den Wunsch der Macht¬ 
gewinnung. So scheint es einen gemeinsamen Mutterboden für alle Triebe zu 
geben. Man kann diesen Mutterboden weder als Sexualtrieb noch als Macht¬ 
trieb bezeichnen, man muß jedoch sagen, daß sich aus diesem Urgrund zwei 
getrennte Triebgruppen entbinden. Es scheint nun aber, daß dieser Trieburgrund 
zu dem Ethos des Menschen in der engsten Beziehung steht. 

Der Mensch will ja weder Machtwesen noch Sexual wesen sein, sondern er 
will beides vereinigen. Der Trieb geht darauf aus, den Menschen in seiner Tota¬ 
lität der Welt gegenüber durchzusetzen, die Welt als Ganzes dem Ich zu eigen 
machen. Man kann das unter dem Bilde sehen, daß er seinen Machttrieb befrie¬ 
digen wolle, und man kann das unter dem Bilde sehen, daß er seine Sexualität 
befriedigen wolle. Es sind das Projektionen einer Linie auf Abzisse oder Or¬ 
dinate, nicht aber die Einsicht in die Art der Linie selbst. Freud scheint mir zu 
sehr zu vernachlässigen, daß die Ichtriebe doch Eigenziele und Eigenvorwärts- 
streben haben. Freud hat mit Recht betont, daß für den Menschen das Ichideal 
eine sehr große Rolle spiele. Er hat gemeint, daß dieses z.T. aus der Erziehung, 
z.T. aus der Identifizierung mit dem Vater stammende Ichideal libidinös besetzt 
werde. Im Grunde heißt das aber nichts anderes, als daß ein System von Anpassun¬ 
gen, von ethischen Forderungen, von erprobter Handlungsmöglichkeit akzeptiert 



Ethos und Neurose. 


105 


werde. Das Streben nach dem Ichideal ist ja nichts anderes, als ein Streben nach 
der Bewältigung der ethischen Struktur, welche nach unseren Ausführungen 
nichts anderes als eine Struktur der Wirklichkeit ist. Beruht die Aufstellung des 
Ichideals auf Einflüssen der Erziehung ? Im Grunde liegen wohl die Verhält* 
nisse nicht viel anders als bei der Erwerbung der Sprache, welche ja vom Kinde 
zunächst vom Erwachsenen übernommen wird. Aber diese Übernahme erfolgt auf 
Grund der organischen Konstitution und ist in ihrem Wesen durch die erreichte 
Körperorganisationshöhe eigenartig bestimmt. Dieses Ichideal ist nun zweifellos 
wesentlichster Besitz des Menschen und es ergeben sich die Konflikte aus dem 
Mißverhältnis zwischen jenem die ethische Forderung vertretenden Gesamt¬ 
ideal und den vordringenden Einzeltrieben 1 ). May er- Groß 2 ) hat von Existenz- 
werten gesprochen. Man kann nun sagen, daß im Beginne einer jeden Psychose 
und jeder Neurose die Gefährdung des ethischen Ideals, der Existenzwerte steht. 
Das Individuum fühlt, wie es der Welt gegenüber versagt, es kann sich der Außen¬ 
welt nicht mehr zuwenden, den Trieb nicht mehr befriedigen. Wenn aber die Er¬ 
ledigung der Außenwelt nicht mehr möglich ist, dann erfolgt das Gefühl des Zu¬ 
sammenbruches, das Versagen, das dann zur Reaktionsbildung führt, das In¬ 
dividuum baut sich eine Welt auf, in welcher es seinem Ichideal Genüge leistet 3 ). 

Auch bei dieser Trieblehre läßt sich also die kausale Betrachtungsweise aufrecht 
erhalten. Jedes Erlebnis führt eine gewisse Energie mit sich, es hat einen gewis¬ 
sen Wirkungswert, dieser Wirkungswert ist von dem Zustande des Körpers mit 
abhängig. Eine finale Betrachtungsweise übersieht diese Möglichkeit einer Ord¬ 
nung nach kausalen Gesichtspunkten. Es kann anderenteils nicht geleugnet 
werden, daß das eigentlich psychische Erleben der kausalen Betrachtungsweise 
entgeht. Bergson hat in ,,Zeit und Freiheit“ mit Recht darauf verwiesen, daß 
das Seelische erst dann der kausalen Betrachtungsweise zugänglich wird, wenn 
es abgelaufen ist. Aber wie schon betont, es soll ja nicht geleugnet werden, daß 
das eigentlich Psychische über die Kausalität hinausreicht, es muß nur immer wie¬ 
der betont werden, daß offenbar auch das Naturgeschehen nicht durch die Kau¬ 
salität erschöpft wird. 

Wenn auch zweifellos zwei Triebgruppen abgegrenzt werden können, so be¬ 
stehen doch zwischen diesen Gruppen enge Beziehungen. Von der Sexualität 
und ihren Partialtrieben herstammende Energie (Libido) kann im Dienste der 
Ichforderung verwendet werden. Offenbar kann auch Energie, die an den Ich- 
trieben haftet, in den Dienst der Sexualität treten. Natürlich kann die Energie 
auch innerhalb der Triebgruppen, etwa an den Sexualzielen und an den diese 
vertretenden symbolähnlichen Gebilden verschoben werden, wobei auch die 
Form des Erlebens abgeändert wird. Diese Ausführungen stützen sich auf ein 
großes empirisches Material, das zu den Grundpfeilern der psychoanalytischen 
Lehre gehört. Freud hat den Begriff der Sublimierung geschaffen für die Ver¬ 
schiebung der Antriebsenergie sexualer Art auf Sozialnützliches und hat hierfür 
Belege gegeben. Beispiele für die Verschiebung der Energie innerhalb des 

*) Nach Freud. 

2 ) 1. c. Stellungnahme usw. Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 60. 

3 ) In enger Beziehung zu diesen Problemen stehen die Ausführungen Adlers über 
das Machtstreben und die Leitlinien und die Ausführungen Storchs: Über Psycho¬ 
logie und Psychopathologie des Selbstwerterlebens. Arch. f. d. ges. Psychol. Jg. 37. 



106 


Ethos und Neurose. 


Sexualtriebes stehen besonders reichlich zu Gebote. So erscheint die Energie 
eines Koitus Wunsches im hysterischen Anfall, die eines unterdrückten sadistischen 
Impulses in einer Z wangsbesetzung, die Energie einer unterdrückten naturgemäßen 
Sexualstrebung in einer infantileren, etwa analen Betätigung. Die Verwendung 
der Ichtriebsenergie im Dienste der Sexualität wird allerdings von der Psycho¬ 
analyse nicht anerkannt. Doch glaube ich, daß sich auch hierfür beweisende Be¬ 
obachtungen erbringen lassen. Der Energieaustausch geht nicht in der Form von 
statten, daß das ursprüngliche Ziel dem Bewußtsein vollständig entschwindet; 
das neue Ziel hat vielmehr das alte als Fringe in sich; mag also auch der Energie¬ 
austausch stattfinden, die Triebe behalten ihre qualitative Bestimmtheit, diese 
wird nur in einer anderen Weise erlebt. Es bleibt aber sowohl die Besonderheit 
des Zieles, als auch die Besonderheit der körperlichen Resonanz erhalten. Hier 
liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber den physikalischen Energieüber¬ 
setzungen, den Jung übersehen hat. 

Hier muß prinzipiell erörtert werden, ob denn die Begrenzung, die Freud 
den Ichtrieben und Sexualtrieben gegeben hat, richtig sei. Daß die Aufstellung 
der Partialtriebe der Sexualität logisch und sachlich gerechtfertigt ist, bedarf 
wohl keiner weiteren Begründung. Auch sprechen die von Freud gesammelten 
Tatsachen recht eindeutig für diese Anschauung. Eine Reihe sonst unverständ¬ 
licher Perversionen und neurotischer Symptome wird so verständlich. Schwierig 
ist die Frage der narzistischen Libido zu erledigen. Freud versteht darunter jene, 
w.elche dem eigenen Körper zugewendet wird. Vom Körper wird ein Teil der Ich- 
libido abgeleitet auf das Ichideal, das unter dem Einflüsse der Umgebung auf- 
gebaut wird mit ähnlich komplizierten Umsetzungen wie ein neurotisches Symp¬ 
tom. Nun ist es richtig, daß der Körper bei jedem Wahrnehmen, bei jedem Tun 
mitschwingt, nur ist damit nicht gesagt, daß dieses Mitschwingen ein sexuelles, 
ein libidinöses sein müsse, auch wenn zugegeben wird, daß in diesem Mitschwin¬ 
gen des Körpers eine sexuelleNote mit anklingt ; diese wird um so stärker betont 
sein, je mehr sich das Ziel den Sexualzielen zuwendet. Rechnet man aber die dem 
Ichideal zugehörige Energie der Libido zu, was bleibt dann für die Ichtriebe 
übrig? Diese sind allmählich durch Freud jeder Energie entleert worden. Ur¬ 
sprünglich galt die Energie der Verdrängung als nicht libidinös. Nach den jetzigen 
Anschauungen Freuds muß sie jedoch der narzistischen Libido entstammen. 
Für die Ichtriebe bleibt nur der Zwang zur Wiederholung über, den Freud den 
Todestrieben gleichsetzt: ihnen würde nur das Streben nach dem Spannungs¬ 
ausgleich zukommen. Nun scheint es mir an und für sich fraglich, ob es Todes¬ 
triebe überhaupt gebe. Auch scheinen mir Strebungen, die man als Todessehn¬ 
sucht bezeichnen könnte, den sexuellen Triebstrebungen verwandter zu sein, 
als den Ichtrieben. Auch ist die Tendenz zum Spannungsausgleich jedem Trieb 
zu eigen, auch den Sexualtrieben. Freud schreibt nun die Maßlosigkeit, das Nie¬ 
gesättigtsein anscheinend nur den Sexualtrieben zu; ich meine aber, daß hiermit 
das W r esen jeder Triebhaftigkeit gekennzeichnet ist, und daß nicht erst das Hinzu¬ 
treten libidinöser Energien den Trieb nach Nahrung über das unmittelbar Lebens¬ 
notwendige hinaus steigert, wie denn überhaupt die Ichtriebe nicht nach Be¬ 
hauptung, sondern nach Macht streben, so daß denn wohl das prachtvolle Über¬ 
maß nicht nur in den Sexualtrieben, sondern auch in den Ichtrieben liegt, wenn 
auch zugegeben werden muß, daß das Phänomen bei den Sexualtrieben klarer 



Ethos und Neurose. 


107 


in Erscheinung tritt. Die Ziele des Ichideals sind aber die der Behauptung in der 
sozialen Welt und in der Welt überhaupt. Darüber hinaus die Bewältigung und 
die Beherrschung. Das sind aber Ziele der Ichtriebe. Das Ich wendet sich hier 
hinaus und nicht gegen sich selber, das Ichideal enthält seine Fassung durch den 
Drang zur Welt und nicht durch den Drang zum Körper. Gewiß ist auch hier 
körperliche Resonanz. Nur hieraus könnte man die Berechtigung ableiten, die 
Besetzung des Ichideals als libidinös zu bezeichnen. Dann hat es aber gar kei¬ 
nen Sinn mehr, von Ichtrieben zu sprechen und es ist in der Tat alles Triebhafte 
libidinös, eine Annahme, gegen die sich Freud ja mit Recht sträubt. 

Alle Konflikte des menschlichen Lebens können aufgefaßt werden als Schwie¬ 
rigkeiten in der Erfassung objektiver, erotischer oder nicht erotischer Zieles. Sie 
spiegeln sich in der körperlichen Resonanz. Sie sind auch von der Körperseite 
her darstellbar. Immerhin bleiben sie Konflikte auch in Hinsicht auf die Stel¬ 
lung zu Werten. Die Psychoanalyse hat ausschließlich die körperliche Resonanz 
dargestellt, eine Einseitigkeit, die sich heuristisch als ungemein wertvoll er¬ 
wiesen hat. Theoretisch darf allerdings die objektive Seite der Probleme nicht 
übersehen werden. Es ist ja nun möglich, die organischen Störungen des Körpers 
bis zu einem gewissen Grade psychologisch in diese Begriffe einzubeziehen, 
wenn man nämlich den körperlichen Apparat als Widerspiegelung des seelischen 
Geschehens auffaßt. Immerhin wird man nicht vergessen dürfen, daß es sich hier 
um recht hypothetische Konstruktionen handelt, welche der Begründung durch 
die Erfahrung nicht zugänglich sind. Darüber noch mehr in dem folgenden Ka¬ 
pitel. Doch sei bereits hier betont, daß ich die Anschauungen Grodd ecks 1 ) nicht 
für bewiesen halte. Grodd eck glaubt ja z. B. organische Lungenerkrankungen 
auf Komplexe zurückführen zu können. Wenn man auch letzten Endes unter Zu¬ 
hilfenahme weitgreifender Spekulation jede organische Bildung als Ausdruck 
einer phylogenetisch erstarrten Triebhaftigkeit ansehen kann, wir sind weit davon 
entfernt, die Formen des Körpers und auch dessen organische Erkrankung psycho¬ 
logisch aufklären zu können. 


Fall X. 

Franz M., 28 Jahre, kommt in psychoanalytische 1 ) Behandlung, mit der Klage, daß 
er sich nur zu Männern hingezogen fühle, für Frauen kein Interesse auf bringen könne. 
Zu homosexuellen Handlungen ist es nie gekommen, doch liebt er es, seine Freunde zu 
küssen und zu streicheln und das Gleiche von ihnen zu erfahren. Er habe nur einmal 
in seinem Leben mit einem Dienstmädchen geschlechtlich verkehrt. Neuerliche 
Versuche, die er in Begleitung seines Freundes vor einigen Monaten in einem Bordell 
seiner Vaterstadt unternahm, seien mißglückt. Dies der Anlaß, daß er ärztliche Be¬ 
handlung in Anspruch nimmt. 

Er gab zunächst den üblichen Bericht über seine Jugenderlebnisse. Er habe mit 
Vorliebe immer mit Puppen gespielt, habe Mädchenkleider gerne angehabt. Später 
habe er gerne gestickt, habe Kleider für die Puppen selbst genäht, und hatte eine 
große Freude, wenn er seine Tante kämmen durfte. Schon mit 11 Jahren hatte er 
für seinen Hauslehrer leidenschaftliche Empfindungen und suchte dessen Berührung. 
Seither hat er sich oft in Männer verliebt. Er sei schüchtern, könne auf Frauen nicht 
als Mann wirken, fühle sich auch gegenüber Frauen sehr energielos. 


*) Die Psychoanalyse des Organischen im Menschen. Internat. Zeitsclir. f. ärztl, 
Psychoanalyse Jg. VII, S. 252, 1921. 

*) Die Psychoanalyse wurde selbstverständlich nach der von Freud aufgestellten 
Technik durchgeführt. 



108 


Ethos und Neurose. 


Die genaue Untersuchung deckte nun freilich ganz andersartige Dinge auf. Es sei 
vorausgeschickt, daß der asthenisch gebaute Patient in seinem Körperbau keine aus¬ 
gesprochen femininen Züge zeigt und ein vollkommen ausgebildetes männliches 
Genitale hat. Er ist im Wesen etwas manieriert, hat etwas weiblich Geziertes und 
spricht mit hoher Stimme. Er ist körperlich gesund. 

Im Laufe der Behandlung kommt zunächst zutage, daß er eine Fülle von psychi¬ 
schen Beziehungen zu Frauen gehabt hat. So hatte er schon als Achtjähriger Interesse 
an einem goldblonden Mädchen von blendend weißem Teint, dann wieder interessierte 
ihn ein brünettes Mädchen, dann wieder hat er als Zwölfjähriger mit Mädchen viel 
getanzt, war keck gegen sie, war mit 15 oder 10 Jahren in ein blondes Mädchen ver¬ 
liebt, schwärmte für eine Klavierlehrerin, für eine Cousine. Nach der Pubertätszeit 
beginnen unter dem Einfluß von bestimmten Erlebnissen die Zweifel an seiner Männ¬ 
lichkeit immer reger zu werden, es kommen Gedanken der Askese und er fühlt sich 
Frauen gegenüber nicht als Mann und völlig unsicher. Seine Erotik ist früh geweckt 
worden. Als Kind schlief er im Zimmer der Eltern, eine Zeitlang sogen* im Ehebett 
der Mutter, er verfolgte wie die Mutter zum Vater ging und beobachtete den Ge¬ 
schlechtsakt. Die Mutter atmete schwer dabei. Er verstand das Ganze nicht recht. 
Er fühlte sich jedoch hierdurch erregt. Einmal stand er Nachte auf, seine Mutter 
war gerade im Bette beim Vater; er wollte zu den Eltern, die Mutter schickte ihn 
zurück. Er fühlte Verachtung gegen die Mutter und Ekel. Eine sexuelle Erregung 
kam nicht auf. Bei Gesprächen mit der Mutter mußte er manchmal daran denken, 
weshalb sie so rund sei, keine Muskeln habe, daß ihre Beine ganz anders seien und 
daß ihr eine sinnliche Wärme entströme. Er hatte frühe die Empfindung, sie sei von 
einem anderen Geschlecht, später traten in der Vorpubertät Wünsche auf, die sich in 
sexueller Weise auf die Mutter richteten. Auch seine um 3 Jahre jüngere Schwester 
hat er sinnlich begehrt. Noch während der Behandlung tauchte anläßlich eines Ur¬ 
laubes, den er zuhause verbrachte, der Gedanke auf, weshalb ihm denn nicht Mutter 
und Schwester zu dem sexuellen Genuß verhülfen. Aus einer Reihe von Träumen ergab 
sich, daß ein lebhaftes Interesse für den Leib der Mutter vorhanden war. In einem 
Traum träumte er, man ziehe einen nackten Mann aus dem Wasser, er lebte, es war 
mehr ein Spiel, es waren Frauen am Ufer und Männer badeten. Er ergänzt, von der 
behaarten Brust troff Wasser. Der Mann war wie in einen Sack eingenäht, es war 
wie ein verschnürtes Paket. Von dort führen die Einfälle zu Frauen, welche Bauch¬ 
operationen durchgemacht haben, und schließlich zu Mutter und Schwester, welche 
gleichfalls solche Operationen durchgemacht haben. Seine sexuelle Neugierde fand 
übrigens recht früh ihre Befriedigung durch ein Dienstmädchen, welches dem Acht¬ 
jährigen die Genitalien zeigte und ihm auch den Vorgang beim Geschlechtsakt er¬ 
klärte. Frühzeitig bekam er auch Einblick in das Geschlechtliche, der Vater war 
geschlechtskrank, er stöhnte vor Schmerzen, als er urinierte. Der Patient, damals 
im jugendlichen Alter von etwa 12 Jahren, erlitt einen Nervenschock. Die Mutter 
hat zweimal abortiert, das erstemal, als der Patient 10 Jahre alt war, das zweitemal 
als er etwa 13 Jahre alt war. In diesem Alter verstand er schon, worum es sich handele, 
er schämte sich, daß die Eltern noch Kinder bekämen und war froh, daß sie nicht 
lebend zur Welt kamen. Die erotische Einstellung des Patienten gegenüber seiner 
Mutter ist eigentlich im ganzen Leben bestehen geblieben. Als der Vater gestorben war, 
der Patient war damals 17 Jahre, trug sich die Mutter mit Plänen der Wieder Ver¬ 
heiratung. Der Patient widersetzte sich sehr heftig und es gelang ihm auch, die Wieder- 
Verheiratung zu verhindern. 

Von seinem Vater spricht er mit tiefem Haß; dieser Haß ist ihm bewußt. Er 
bezeichnet den Vater als roh, brutal. Der Vater brutalisierte die Mutter. Diese Er¬ 
innerungen reichen bezeichnender Weise in die allerfrüheste Jugend zurück. Seine 
erste Erinnerung ist die, daß seine Mutter drohte, sich umzubringen, als der Vater 
betrunken nach Hause kam. Diese Erinnerung taucht im Anschluß an einen Traum auf, 
den er in der zweiten Sitzung bringt. Diesen gebe ich vollständig wieder: „Im Traume 
war ich in einem grauen Anzug, es war in einem Zimmer, in dem eine Chaiselongue 
und ein Tisch standen; neben dem Tisch auf einem Sessel war eine männliche Per¬ 
son (ich glaube es war mein Freund). Ich saß auf der Ecke der Chaiselongue und hatte 



Ethos und Neurose. 


109 


k 

ein Messer in der Hand und stieß mir das Messer ins Herz, habe aber keinen Sehmerz, 
ich denke, ich müsse auf die Erde fallen und konvulsivisch zucken. Da falle ich sofort 
rücklings auf den Teppich nieder und bleibe dort liegen.“ Nachträgliche Einfälle: 
Das Messer war wie aus Papiermachee, es blieb in den Kleidern stecken. Dazu kommt 
dann die oben erwähnte Erinnerung. Im Anschluß an diesen Traum hatte er auch 
über die sexuellen Gedanken berichtet, die sich auf seine Mutter bezogen hatten. 
Er verachtete den Vater auch deshalb, weü er ein ausschweifendes Leben führte, 
imeheliche Kinder hatte, geschlechtskrank war und trank. Er hat sich oft vorge¬ 
nommen, nicht so zu werden wie sein Vater, ihm dürfe es weder zustoßen, daß er außer¬ 
eheliche Kinder bekomme, noch daß er sich anstecke. Im übrigen erschien ihm der 
Vater als Urbüd der Männlichkeit, der Vater liebte ihn zunächst, war jedoch sehr ent¬ 
täuscht von seinem verzärtelt weibischen Wesen, der Vater machte sich über ihn 
auch häufig lustig, was ihn mit Wut erfüllte. Einmal wurde er sogar bei einem Wut- 
anfall vom Vater mit Wasser angegossen; er dachte oft, er wolle den Vater töten. 
Man hat aus den Berichten des Pat. immer wieder den Eindruck, daß er sich ohn¬ 
mächtig gegenüber einem ihm Überlegenen aufbäumt. 

Dem männlichen Genitale wendet er frühzeitig Aufmerksamkeit zu. Als 6—7-jähri¬ 
ger wird er von einer Badekassiererin auf das sich durchzeichnende männliche Genitale 
aufmerksam gemacht. Auch später denkt er viel daran, ob sein Genitale nicht minder¬ 
wertig sei. 

Er berichtet zwar, daß er sich beim Turnen anderen unterlegen gefühlt habe, doch 
machen seine ganzen Berichte wahrscheinlich, daß er ein später zustande gekommenes 
Minderwertigkeitsgefühl in die frühe Jugend zurückverlegt. 

Um das 11. Lebensjahr herum beginnt sich die Sexualität mächtig zu entwickeln, 
es treten erotische Phantasien auf, Männer mit erigiertem Gliede begatten Frauen 
auf Ruhelagem. Derartige Phantasien hatte er immer wieder vor dem Einschieden, 
er onaniert dabei. Er ist sich dabei nicht klar bewußt, ob er sich in die Rolle des 
Mannes oder in die Rolle der Frau hineindenkt. Es scheinen beide Einstellungen 
abgewechselt zu haben. Auch untertags onaniert er, am liebsten vor Spiegeln, 
wobei er darauf achtet, daß er sein Glied sieht. Da ihn der Mangel an Behaarung 
stört, ersetzt er die fehlenden Schamhaare durch Watte und Ähnliches. Er legt Wert 
darauf, entkleidet zu sein. Gleichzeitig laufen seine ersten Neigungen zu Männern. 
Er liebt seinen Instruktor, küßt ihn, läuft ihm nach, will immer mit ihm beisammen 
sein. Dieser wird abgelöst von dem folgenden, später verliebt sich der Patient in die¬ 
jenigen Männer, welche seiner Schwester den Hof machen. 

Mit 13 Jahren kommt ihm eine spiritistische Zeitschrift in die Hand, in der von 
Homosexualität die Rede ist, und in der Homosexualität aufgefaßt wird als Strafe 
für frühere Sünden. Er findet die Schüderung auf sich selber zutreffend und wird 
darin durch eine Bemerkung seiner Tante bestärkt. Seither das Bewußtsein, daß er 
abnorm veranlagt sei. Trotzdem macht er auch nach dieser Zeit Annäherungsversuche 
gegenüber Mädchen. 

Es kämpfen Strömungen in ihm, welche zu einer Betätigung der Sexualität drän¬ 
gen, mit Neigungen zur Askese. Oft denkt er daran, mit Frauen zu verkehren, hat aber 
Angst, zu versagen. Es kommen Zeiten, in denen er sich dem Tolstoiismus zuWendet. 
Nach dem Tode des Vaters sind die äußeren Verhältnisse widrig, er hilft der Mutter 
im Häuslichen, die Schwester ist energischer als er. Gegen seinen Willen verheiratet 
sich seine Schwester; mit dem Schwager, der bei ihnen wohnt, steht er sehr schlecht, 
der Schwager bedroht ihn einmal sogar mit der Hacke. Der Patient kommt später 
in die Provinzialhauptstadt, dort verkehrt er im Hause seines Onkels, eines sozial 
hochstehenden Mannes, der 3 Töchter hat. Diese behandeln ihn nicht recht als Mann, 
er darf ihnen Zusehen, wenn sie sich anziehen, sie nehmen ihn nicht voll. In dieser 
Zeit eignet er sich gesellschaftliche Gewandtheit an, vermeidet aber die Berührung 
sexueller Themen. Dann fühlt er sich sofort minderwertig. Frauen gegenüber hat er 
nicht die Empfindung, Mann zu sein und er hat auch den Eindruck, sie nähmen ihn 
nicht für voll. Er selbst fühlt sich bei Frauen nicht erregt, hat wohl ein Gefühl der 
Freundschaft für sie, fühlt sich aber nicht männlich ihnen gegenüber, und fühlt sich 
entsetzlich passiv. In diese Zeit fallen eine Reihe von Freundschaften. Männliche 



110 


Ethos und Neurcse. 


Homosexuelle erfüllen ihn mit Ekel und Abscheu, besonders die weibischen. Doch 
kommt er bei der Berührung mit Männern in sexuelle Erregung, er empfindet auch 
den Antrieb zum Verkehr, wiewohl er nicht weiß, was er eigentlich machen soll. 
Dabei wünscht er sich immer, ein Mann zu sein, der mit Körper und Geschlechtsteil 
auf Frauen wirkt. Zeitweise hat er das Gefühl, daß er Mäimern gegenüber Frau 
sein möchte ja, er wünscht sich gelegentlich Frau zu sein, um ein Kind bekommen 
zu können. Alle diese Dinge spiegeln sich in seinem Verhalten zu seinem jetzigen 
Freund, den er seit etwa l 1 /* Jahren kennt. Dieses Verhältnis muß etwas breiter 
dargestellt werden: Er wohnt mit ihm zusammen, war in der ersten Zeit der Behand¬ 
lung nicht dazuzubringen, in eine andere Wohnung auszuziehen. Er hat um diesen 
Freund geworben, der Freund, ein ausgesprochen männlicher Typus, verachtete ihn 
wegen seiner Unmännlichkeit und Untüchtigkeit. Er wußte jedoch den Freund zu 
fesseln und an sich zu ziehen. Hierbei berichtet er, daß er bei seinen Freunden sich 
bestrebe, sie sich untertan zu machen; er bringe es durch Liebenswürdigkeit dazu, 
daß sie von ihm abhängig werden. Ihn freue es, sich auf diese Weise durchaus männ¬ 
liche Typen untertan zu machen, er will über sie triumphieren; er sieht es nicht gerne,, 
wenn seine Freunde mit Frauen geschlechtlich verkehren, er will sie ganzerfüllen. Aus 
seinen Einfällen heraus krystallisiert sich folgendes Bild. Frauen gegenüber fühlt er 
sich unsicher, aus dem Bewußtsein heraus, er könne versagen und unterliegen; er 
will sich nicht blamieren, wie er denn überhaupt sehr empfindlich und leicht verletz¬ 
bar ist. Männern gegenüber fühlt er sich sicherer, und es ist ihm Triumph, sich gerade 
den männlichsten Mann dienstbar zu machen. Bei jedem Freundschaftsverhältnis 
fürchtet er, er könne zum Unterliegenden werden; er hat die meisten Freundschafts¬ 
verhältnisse abgebrochen, wenn er glaubte, er habe den anderen erschöpft. Diesmal 
kommt er jedoch von dem Freund, der ihm auch sonst überlegen ist, nicht los. Für sein 
ganzes Verhältnis zu diesem Freund ist folgender Traum charakteristisch: Er ging mit 
einem anderen Freund in einer Allee spazieren. Der erzählt ihm, daß ein Mensch 
einen großen Einfluß auf ihn ausübe, und daß er dies nicht ertrage. Der Träumer 
geht fort. Gegenüber ist ein Haus. In einem Stockwerk dieses Hauses ist eine gelb 
angestrichene Türe. Dort sieht er seinen Freund in Verzweiflung. Im Zimmer ist 
ein Baldachin, ein Bett mit weißen Vorhängen. Der Freund macht eine Geste, als 
ob er damit andeute, er habe den, der ihn beeinflußte, gezwungen, mit dem Rasier¬ 
messer einen Selbstmord zu machen. Der Träumer schildert dann eingehend das 
Leichenbegängnis. — Zur Erklärung des Traumes: auch in jenen anderen Mann war 
der Patient verliebt, aber dieser Freund war von ihm abhängig. Auch der Patient 
denkt jetzt an Selbstmord; mit diesem Selbstmord will er sich an seinem jetzigen 
Freunde rächen, — er malt dies zeitweise sehr breit aus, da sich der Freund an 
diesem Selbstmord Schuld beimessen würde. Der Traum bedeutet wohl, daß der 
Patient zwischen der Rolle der Ober- und Unterordnung dem Freunde gegenüber 
schwankt. Er spielt im Traum sowohl die Rolle des Mörders als auch die des Er¬ 
mordeten; die Selbstmord im pulse und Haßimpulse gegen den Freund verschmelzen 
miteinander. Die ausführliche Schilderung des Leichenbegängnisses im Traum er¬ 
innert den Patienten an das Leichenbegängnis des Vaters. Nach der Traumanalyse, 
von der nur kurze Bruchstücke mitgeteilt sind, berichtet der Patient, er habe in der 
Frühe den Wunsch gehabt, sich und den Freund zu erschießen, und er habe nach 
gedacht, wie man denn diesen gemeinsamen Tod auffassen werde. Überhaupt streiten 
in ihm Haß und Liebe in bezug auf den Freund. Er beneidet den Freund um seine 
Fähigkeit, mit Frauen zu verkehren, er leidet, wenn der Freund die Nacht über aus¬ 
bleibt und wünscht sich gelegentlich in die Rolle der von seinem Freimd geliebten 
Frau. Auch hier war ein Traum besonders belehrend. Er ißt mit seinem Freunde. 
Der Freund umarmt ihn mit einer Hand, mit der anderen Hand kommt er zu seinem 
Geschlechtsteil. Der Träumer fühlt, daß eine Erektion eintritt und stößt die Hand 
des Freundes zur Seite, damit der Freund es nicht bemerke. Auf einmal sind beide 
nackt, der Freund wirft ihn zur Erde und berührt mit dem Rücken seinen Ge¬ 
schlechtsteil. Ejakulation im Traum. Pollution. Aus den Einfällen zu diesem Traum: 
Er hat in der Pubertätszeit, mit 15 Jahren etwa, oft darüber nachgedaeht, wie Vater 
und Mutter miteinander verkehrten und er kam zu dem Resultat, daß der Vater 



Ethos und Neurose. 


111 


mit der Mutter während der Schwangerschaft von hinten verkehrt hätte. Er wünschte 
sich, das erigierte Glied des Vaters zu sehen. Während der Analyse fallen ihm Traum¬ 
stücke ein, welche sich unverhüllt mit ehelichen Beziehungen beschäftigen. Auch An¬ 
spielungen auf die Fehlgeburt der Mutter kommen in diesen Traumstücken vor. 

Aus alldem geht wohl hervor, daß der Patient sich seinem Freunde gegenüber 
in einer sehr ähnlichen Einstellung befindet, wie gegenüber seinem Vater. Beachtens¬ 
wert, daß er Zeiten hat, in denen er es seinem Freunde nicht verzeihen kann, daß 
er mühelos zum Sexualgenuß gekommen ist, während er, der Pat. sich so abmühen 
muß. Manchmal möchte er aus Wut jeden Gesunden erwürgen. Diese Stellung gegen¬ 
über dem Freund ist aber eine wechselnde. Der Wunsch, ihn zu überwältigen, über ihn 
Herr zu werden, bricht immer wieder durch, wie es denn überhaupt einer seiner Leit¬ 
motive ist, daß er über Männer triumphieren wall, da er Frauen gegenüber sich hierzu 
nicht fähig fühlt. Er hat als Kind immer wieder die Partei der Mutter gegen den 
Vater genommen und hat den Vater heruntergesetzt. Diese beiden Strömungen kom¬ 
men immer wieder bei ihm zum Durchbruch. Schematisch können die in Betracht 
kommenden Verhältnisse so dargestellt werden, daß er dem Mann gegenüber zwischen 
einer Einstellung schwankt, die psychische Über herrsche ft anstrebt und eine Unter¬ 
werfung, welche der Hingabe der Frau entspricht. Hierzu kommt als weitere Strömung 
die sexuelle Begierde gegenüber der Mutter und Schwester, er will gegenüber der Mutter 
den Vater vertreten, wozu ihm Mut und Selbstvertrauen mangelt. 

Sein Verhalten gegenüber dem Arzt schwankt zwischen einer liebenswürdigen 
Unterwürfigkeit und einer gemilderten Schroffheit, die offenbar feindselige Regungen 
verbirgt. In der Fortführung der Behandlung trat ein ruhigeres, gleichmäßigeres 
Verhalten an die Stelle. Eine Reihe von Träumen bringt den Wunsch nach einer Über¬ 
windung der Schranken zum Ausdruck, die ihn von der Frau trennen. Meist sind es 
Träume, in denen er über eine Brücke soll, über ein Wasser, am häufigsten über Kot. 
In einzelnen dieser Träume entfernt sich am anderen Ufer der Freund, von dem er 
erwartet, er solle ihn zur Frau führen, was seiner Ansicht nach auch Aufgabe des 
Vaters gewesen wäre. Gewiß verschwimmt in diesen Träumen zeitweise die Gestalt 
des Freundes mit der weiblichen Liebesfigur. 

Der Patient ist, wie schon her vor gehoben, sehr empfindlich, leicht verletzt, be¬ 
sonders empfindlich gegen den geringsten Zweifel an seiner Männlichkeit, der etwa 
in Gesellschaft in einer harmlosen Bemerkung zum Ausdruck kommt; er will über¬ 
haupt wirken, auch auf Männer Einfluß haben, das kann er nur so lange, als die Rede 
nicht auf sexuelle Themen kommt. Alles Sexuelle lehnt er überhaupt ab, er mußte 
als Landwirt sich mit Anatomie und Physiologie der Haustiere beschäftigen; das war 
ihm ekelhaft, wie überhaupt Blut und Wunden. Der Gedanke an Defloration ist ihm 
aus diesem Grunde gleichfalls ekelhaft. (Er hat dabei auch Gedanken, daß das Glied 
verletzt werden könnte.) Er beteuert, daß er für die Natur kein Verständnis auf bringen 
könne, da ihm das Sexuelle in der Natur ekelhaft sei. Seine sexuelle Unbefriedigung 
nimmt ihm den Antrieb zu jeder Tätigkeit. Schon als er für den Instruktor schwärmte, 
konnte er in der Schule nichts leisten. Er kann überhaupt kein rechtes Interesse auf- 
bringen, hat sich aber, um in der Gesellschaft zu wnrken, eine umfassende allgemeine 
Bildung angeeignet. Er hängt an religiösen Vorstellungen, verteidigt seinen Glauben 
gegenüber seinem Freund. In der Gesellschaft kämpft er ständig gegen das Gefühl 
seiner Minderwertigkeit; manchmal denkt er, er werde beobachtet, wenn er durch eine 
Menge gehe, man würde ihm seine Unmännlichkeit ansehen. Er glaubt, daß man 
den Bau seiner Schenkel beachtet und hatte das Gefühl, daß er entkleidet wird. Wie 
er selbst früher die Genitalien der Männer beobachtet hat, ob sie denn ausgesprochene 
Männer wären. 

Die etwa 7 Monate dauernde Behandlung führte zur Aufdeckung des mitgeteilten 
Materials. Nach mehreren mißglückten Versuchen mit Straßendirnen und flüchtigen 
Bekanntschaften faßte der Patient eine tiefere Zuneigung zu einer verheirateten 
Frau; der Gedanke an sie erregte ihn sinnlich, und schließlich kam es zu einem 
regulären Geschlechtsverkehr; eine gewisse Unsicherheit, ein Gefühl des Zauderns, 
eine Neigung dem Freunde gegenüber, von dem er in den letzten Monaten getrennt lebte, 
blieben zurück. Die Behandlung mußte nach diesem teilweisen Erfolge, über dessen 



112 


Ethos und Neurose. 


voraussichtliche Dauer natürlich nichts vorausgesagt werden kann, abgebrochen 
werden. 

Diese Beobachtung zeigt Folgendes: ein psychisch Homosexueller mit gegen 
Männer gerichteten Antrieben, die nicht zur Tat werden, begehrt vor allem die 
Männer zu unterjochen, denen er sich näherte; er will auf diese Weise über den 
männlichen Mann triumphieren. Er ist nicht in Gefahr, Frauen zu unterliegen. 
Er hat sich gesichert. Das scheint eine Bestätigung Adlerscher 1 ) Theorien zu 
sein. , »Perversionsneigungen der Männer erweisen sich als kompensatorische Be¬ 
strebungen, die zur Behebung eines Gefühls der Minderwertigkeit gegenüber der 
überschätzten Macht der Frau eingeleitet und erprobt wurden." Aber hinter dieser 
Einstellung sehen wir bei unserem Patienten noch eine zweite, er will dem Mann 
gegenüber Frau sein. Diese Einstellungen erscheinen als die ursprünglicheren, 
trotzdem in dem deskriptiven Bilde die von Adler beschriebenen Tendenzen 
stärker hervortreten. Mit dieser weiblichen Rolle kann und will er sich nicht ab- 
finden; dieses Verhalten ist entweder durch ein Jugenderlebnis bedingt, oder es 
kommt in einem Jugenderlebnis bereits zum Ausdruck. Der Patient hat ja als erste 
Erinnerung eine Szene berichtet, in der die Mutter, vom Vater gekränkt, sich zu 
erstechen droht, und ein Traum bezeugt, daß er sich in die Rolle der Mutter hinein¬ 
versetzt. Schließlich hat er als Zeuge elterlichen Geschlechtsverkehrs derartige 
Wünsche geradezu in Erinnerung. Alles spricht dafür, daß er sich mit der Mutter 
identifiziert. Diese Identifizierung setzt aber eine vorangehende erotische Be¬ 
ziehung zur Mutter voraus. Nun könnte ja die Frage aufgeworfen werden, ob diese 
Identifizierung und das Wirksamwerden dieser Jugenderlebnisse auch eine Folge 
einer bestimmten Anlage sei, und ob das Erlebnis nicht hierbei nur eine neben¬ 
sächliche Rolle spiele. Eine endgültige Entscheidung läßt sich im Einzelfall 
nicht treffen. Doch wäre es nicht recht verständlich, wenn eine zwangläufige 
Neigung zum männlichen Geschlecht vorausgesetzt wird, warum bei dem 
Patienten so heftige sinnliche Regungen gegen Mutter und Schwester so früh¬ 
zeitig auftreten. Man müßte die nicht gerade sehr wahrscheinliche Annahme 
machen, es läge eine besonders starke homosexuelle neben einer besonders star¬ 
ken heterosexuellen Einstellung vor. Es liegt näher anzunehmen, daß durch die 
Erlebnisse sexuelle Triebregungen erweckt wurden, welche der Undifferenziertheit 
des Sexuallebens dieser Stufe entsprechend nach verschiedenen Ausdrucksmög¬ 
lichkeiten greifen 1 ). Der Patient hat nun gegenüber seinen männlichen Liebes- 
objekten eine sonderbare doppelte Einstellung. Er will einesteils als Frau zu 
ihnen hinauf-, anderenteils als Mann auf sie hinabsehen; daneben läuft die sexuelle 
Begierde zur Frau, der er durchaus männlich gegenübertreten will, auf die er 
hinabsehen möchte. Man würde das Bild, das der Patient bietet, mißverstehen, 
achtete man nicht auf die Einschätzung, welche der Patient seinem Genitale 
zuteil werden läßt; er scheint als Kind dessen Kleinheit und Minderwertigkeit 
bedauert zu haben, denn neben der Tendenz sich mit der Mutter zu identifizieren, 

läuft eine andere, in der er den Vater zu vertreten wünscht, eine Aufgabe, der er 
- 

l ) Der nervöse Charakter. Wiesbaden: J. F. Bergmann 1912, und besonders: Das 
Problem der Homosexualität, Schriften für angewandte Individualpsychologie, 
München, Reinhardt, H. 7, 1917. 

•) Freud hat in den Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse diese Frage 
allgemein behandelt und hat gleichfalls die Bedeutung der Erlebnisse betont 



Ethos und Neurose. 


113 


sich nicht gewachsen fühlt. Seine Kälte gegenüber Frauen ist nichts anderes 
als die Furcht vor der Blamage, der er Männern gegenüber entgeht. So stellt sich 
die Sache so dar, daß ein frühzeitig geweckter Sexualtrieb, an der eigenen Fähig¬ 
keit verzweifelnd, nur mit Kunstgriffen die eigene männliche Rolle festhält 
und hierbei mächtige Triebregungen gegenüber Männern entwickelt, Trieb¬ 
regungen, welche nur dadurch ihre volle Kraft erhalten, doch durch die Er¬ 
lebnisse eine passiv weibliche Einstellung gegenüber dem Mann mit erweckt wird. 
Meiner Auffassung nach wirkt also eine bestimmte Erlebnisreihe kausalbestim- 
mend, welche den Trieb in einer bestimmten Richtung bindet. Die späteren 
Umsetzungen stehen mit den durch frühe Erlebnisse geschaffenen Bindungen im 
Zusammenhang. 

Man sieht, wie vielfach die ganzen Bedingungen geschichtet sind, wie denn 
überhaupt bei tieferem Eindringen dieFrage der Homosexualität immer verwickel¬ 
ter wird; dabei enthält dieser Fall keineswegs alle Bedingungen der Homosexua¬ 
lität; für einen anderen meiner Patienten war das männnliche Genitale der 
Hauptanziehungspunkt. Dieses vermißt er bei der Frau. Man sieht, wie un¬ 
genügend die phänomenologischen Aufstellungen von Schneider 1 ) sind, der 
von männlichen Intentionen spricht, und dabei nicht berücksichtigt, daß diese 
männliche Intention ja eine außerordentlich gedehnte Vorgeschichte hat, eine Vor¬ 
geschichte, welche in der Intention selbst noch mit vertreten ist. Auch ist es 
sehr fraglich, ob die Behauptung berechtigt ist, in der hinabsehenden Richtung 
der sexuellen Einstellung liege das Männliche der erotischen Liebe. Man könnte 
ja einen Teil des Verhaltens des Typus Mann gegenüber dem Typus Frau als be¬ 
sonders charakteristisch herausgreifen, etwa das Aktive, das Fassenwollen, das 
Aneignen und dem das Weibliche gegenüberstellen als das Passive, das Hingebende, 
da8, das Erobertsein will. Man darf darüber aber nicht vergessen, daß hiermit 
das Wesen,,männhch“ sicherlich nicht erschöpft ist. Es gibt zweifellos in jeder 
männlichen Haltung gleichzeitig noch eine Tendenz nach dem Geborgensein, 
eine Tendenz nach dem bei der Mutter sein wollen, und ein analoges Herabsehen 
der Frau aus den entsprechenden Einstellungen heraus. Auch kann man wohl 
von der Körperlichkeit abstrahieren, aber sicherlich färbt diese immer wieder 
die Intention, wie es denn auch nahe liegt, die anatomischen Verhältnisse der 
Geschlechtsteile mit diesen psychologischen Grundeigentümlichkeiten in Zusam¬ 
menhang zu bringen, so daß das Vordringen, das Einstoßen des männlichen Ge¬ 
schlechtsteiles dem einen Teil dieser Einstellung entspricht, das Eingedrungensein 
des männlichen Geschlechtsteiles in den weiblichen Körper könnte aber sehr wohl 
das Bewußtsein des Geborgenseins, aber auch das der Abhängigkeit vermitteln; 
schließlich ist sowohl für den männlichen als auch für den weiblichen Partner 
im Geschlechtsakt zweierlei Einstellung naheliegend, der Wunsch, den anderen 
zu umschließen, ihn in die Arme zu nehmen, besteht neben der Sehnsucht von 
ihm in die Arme genommen zu werden. Anmerkungsweise: von hier aus ergeben 
sich Beziehungen zu dem allgemeinen Trieb des Fassens und Haltens. Sicherlich 
sind die Beziehungen der unmittelbar erfaßbaren Sexualhandlungen zu den „In¬ 
tentionen“ nicht in eine einfache Formel zu pressen; jedenfalls müßte aber die 
phänomenologische Forschung auch den psychologischen Tatbestand berück- 

x ) Bemerkungen zu einer phänomenologischen Psychologie der invertierten Sexua¬ 
lität u. erotischen Liebe. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 71, S. 346, 1921. 

Schilder, Seele and Leben. 8 



114 


Ethos und Neurose. 


sichtigen. In empirischen Fragen kann die reine Wesensschau zwar vertiefend und 
klärend wirken, aber sie darf sich nicht über das Tatsachenmaterial hinwegsetzen. 
Auch ist es eine unzulässige Begrenzung, die Psychogenese aus der Wesensschau 
auszuschließen. So wird denn Schneider den vorhandenen Schichtungen nicht 
gerecht, auch bei phänomenologischer Betrachtungsweise darf das Organgefühl 
und das Organbewußtsein nicht vernachlässigt werden. 

In dem hier besprochenen Fall ist ein männliches lohideal erreicht. Die Ein¬ 
stellung gegenüber dem Mann ist einesteils durch dieses Ichideal, anderenteils durch 
die in entgegengesetzter Richtung treibende Identifizierungstendenz mit der 
Mutter bestimmt. Daneben besteht sicherlich die physiologische Tendenz zur 
Frau und die Flucht vor der Frau steht wiederum im Dienste des Ichideales. 
Diese Verwicklungen entziehen sich der Wesensschau im Schneid ersehen Sinne. 

Wenn der Patient auch eine etwas hohe Stimme hat, etwas zartgliedrig und lang 
gebaut ist (dieProportionen wurden nicht gemessen), so ist die Neigung, auf psychi¬ 
sche Erlebnisse mit Homosexualität zu reagieren, durch das Körperliche nicht 
ausreichend bestimmt. Wie denn überhaupt femininer Körperbau keinesfalls 
das Bestimmende ist für das Zustandekommen der Homosexualität ; auch hier 
sind die biologischen Relationen sehr kompliziert. Selbst auf diesem Gebiete ist 
es schwierig, die somatischen Faktoren herauszuschälen, welche den Wirkungs¬ 
wert der Erlebnisse mitbestimmen. Die primitiven Vorstellungen von Steinach 
und Lichtenstern 1 ) scheitern daran, daß es wohl kaum eine biologische Einheit 
gibt, die wir als Homosexualität bezeichnen können. Die Homosexualität splittert 
sich auf in eine Reihe von komplizierten Einstellungen, welche zum Teil grob 
erotischen Interessen entsprechen. Ein Teil dieser Einstellungen steht jedoch 
im Dienste des Ichideales. In dieser Hinsicht nähere ich mich der Auffassung 
Adlers 2 ), halte freilich daran fest, daß auch diesen Einstellungen biologische 
Faktoren zu Grunde liegen, welche erst genauer festgestellt werden müssen 8 ). 

Das, was bei dem Patienten vorliegt, ist im Grunde keine Krankheit, es ist 
bereits die Auseinandersetzung mit niederdrückenden Erlebnissen. Es ist bereits 
eine Reaktionsbildung. Solche Reaktionsbildungen setzen aber stets ein, wenn 
das Individuum an irgendeinem Punkte gegenüber der Forderung der Wirk¬ 
lichkeit versagt. Im vorliegenden Falle hat die früh erregte Begierde nicht die 
Möglichkeit, sich zu verankern. Der Patient, durch den Trieb gefesselt, plaziert 
ihn, um der inneren Unentschlossenheit zu entgehen. Die Minderung durch den 
Widerspruch der Triebe ist auch hier Ausgangspunkt der Reaktionsbildung. 
Faßt man im Sinne der vorangehenden Ausführungen die Ethik als eine Forderung 
der Dinge, so kann man auch so formulieren, daß in diesen Fällen die ethische Un¬ 
sicherheit den Ausgangspunkt bildet: die Unfähigkeit, sich in der Wirklichkeit 
zurechtzufinden. Die zu früh erwachte Sexualität, welche weder befriedigt w erden 

*) Der Wert dieser Untersuchungen soll hiermit nicht bezweifelt werden, nur kann 
von hieraus nicht das Gesamtgebiet der Homosexualität eine Klärung erfahren. Die 
gesamte neuere Literatur zu diesem Gegenstand stellt Romeis in der Klinischen 
Wochenschrift zusammen, 1921, H. 19—21. 

2 ) 1. c. 

3 ) Adler spricht ja auch vom organischen Untergrund der Neurose, aber er ver¬ 
steht hierunter nur die „Organminderwertigkeit“, über die Biologie der Leitlinien er¬ 
fährt man bei ihm nichts. Doch kann ich auf eine Kritik der Schriften Adlers im ein¬ 
zelnen nicht eingehen. 



Ethos und Neurose, 


115 


noch genügend klare Ziele gewinnen kann, zwingt dem Patienten eine neue Ord¬ 
nung der Ziele auf, ein neues Ichideal wird errichtet. Auf Grand dieses Ichideales 
wird nun der Patient mit seinen Trieben und der Welt fertig. Das Ichideal wird 
hier also neugeschaffen, weil die persönliche Triebgleichung des Patienten nur so 
ihre Erfüllung findet. Das Ichideal steht also einesteils in Funktionsbeziehungen 
zurUmgebung, zur sozialen Realität, anderenteils aber auch zu den Triebhaltungen 
des Menschen. Der vorliegende Fall zeigt diese Abhängigkeiten sehr deutlich. 
In diesem Sinne zeigt es sich, daß das wesentlichste Resultat einer Reaktions¬ 
bildung die Neuschaffung des Ichideales sein kann. Diese ist also ein- Heilungs¬ 
vorgang. Das entspricht der Anschauung Freuds über die neurotische Symptom¬ 
bildung; aber sachlich treffen sowohl die Freudschen, als auch die eigenen 
Ausführungen mit den Ad 1 ersehen Gedanken zusammen, welche ja die Bedeutung 
der Leitlinien des männlichen Protestes betonen, womit die gleichen Tatbestände 
gemeint sind, die Freud unter den Namen des Ichideales vereinigt. 

Über den Zustand der Unsicherheit, welche der Schöpfung eines neuen Ich¬ 
ideales vorausgeht, über den Zustand der Erschütterung der Existenzwerte habe 
ich schon berichtet: es ist die Depersonalisation. Es ist für sie charakteristisch, 
daß ein neuer Aufbau und ein Ausgleich nicht erfolgt. In diesem Sinne ist die De¬ 
personalisation ein Kardinalsymptom. Die klassischen Fälle konservieren einen 
Zustand, der bei jeder Neurose und Psychose den Ausgangspunkt bildet. Die 
Weltuntergangsphantasie, die Freud 1 ) an dem Falle Schrebers studiert hat, 
spiegelt die gleiche Grundstimmung auf narzistischem Boden. Die nihilistische 
Wahnidee ist der Ausdruck des Verharrens im Widerstreit. Ich wüßte den Kern 
dieser Erörterung nicht besser auszudrücken, als mit den Worten des Patienten, 
dessen Krankengeschichte ich nun folgen lasse: ,,wenn man auf sein Leben 
scheißt, ist das die Todesstrafsünde.“ 

Fall XL 

Der verkrüppelte 41jährige StaUbursche Michael Sitz war vom 30. 11.— 17. 12. 20 
in der Psychatrischen Klinik der Universität. Nach den Angaben der Tante ist er seit 
früher Jugend verkrüppelt. (Es sind nach den Angaben der Chirurgen Hüft- und Knie¬ 
gelenksankylosen auf dem Boden einer Rachitis.) Doch hat sich das Leiden nach einem 
Sturz im 17. Lebensjahre verschlechtert. Er war immer sonderbar, war zurück¬ 
geblieben in- seiner geistigen Entwicklung, neigte zu Affektausbrüchen, lief häufig 
unbegründet fort. Vor 7 Jahren war er längere Zeit auf dem Steinhof. Seit einem halben 
Jahre singe und schreie er, spreche viel vom Heiraten und erzählte, die Jungfrau Maria 
habe ihn zur Welt gebracht. Vor 6 Wochen habe er Lues akquiriert. Die Familien¬ 
geschichte ist belanglos. In der Klinik bringt der offenkundig Schwachsinnige immer 
wieder die gleichen Motive. Er ist „der eigene Sohn selber“ von seiner Verwandtschaft. 
„Weil ich nicht so lustig war, haben sie mich in die Wolken hineingesteckt und jetzt 
wollen sie die Wolken aus der Welt geschafft haben.“ ( ?) „Sie wollen mich aus der 
lieben Welt weggeschafft haben.“ „Man läßt mich nicht aufkommen, nicht zu einem 
eigenen Menschen werden.“ „Warum muß ich so leiden!“ „Ich leb nicht mehr lang!“ 
Die Leute wollen ihn aus der Welt schaffen, deshalb soll ihm der Kopf abgehackt 
werden. Nach den „Wolken“ gefragt, sagt er: „Wenn sie mich nicht wollen auf 
der lieben Welt, dann versetzen sie mich auf den Steinhof. Dort stirbt die Seele ab. 
Die Seele hat dann dort eine Ruhe.“ Sein Leben ist dann dort ausgestorben, und er 
wäre heute, weiß Gott was. „Die Menschen scheißen auf mich und ich auf sie, das ist 
ein ganzer Roman.“ Daß man aus der Welt fortfliegt. Unter den Wolken sein heißt, 

*) Psycho-analytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall 
von Paranoia. Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. 3, 1911. 


8 



116 


Ethos und Neurose. 


man ist aus dem menschlichen Leben, der eine tut sich dies an, der andere jenes. Er 
jammert, daß man ihn ins Spital gesteckt habe, er möchte lieber arbeiten und ver¬ 
heiratet sein, zu den Freimädeln geht er nicht mehr, weil er sich nicht für diese plagen 
will. In die Wolken hat man ihn hineingesteckt, weil er nicht so lustig war. „Da haben 
sie mir die Sünde angehängt.“ „Wenn man aufs Leben scheißt, so ist das die Todes - 
strafsünde.“ (Diese Äußerung macht er wiederholt!) „Ich muß immer der größte 
Trottel sein im Hause, wie komme ich denn dazu V* „Die Leute auf der Gasse sagen, 
der stinkende Kerl!“ Er klagt: „Ich bin ja ohnedies wie eine Leiche wegen der Ge¬ 
sichtsfarbe, wie ihr Leben ausschaut und wie mein Leben ausschaut!‘‘ „Sie scheißen 
nicht auf ihr Leben!“ Sein Leben ist wie ein Aschenbrödel. Er ist immer die gleiche 
Kraft, nicht stärker und nicht schwächer. Der Körper wird nicht stärker und nicht 
schwächer. Er hat auch seine Leute ganz zu Grunde gerichtet. Es ist ein Verbrechen, 
daß er von ihnen als kleiner Bub behandelt wird und erhalten werden muß. Bei der 
körperlichen Untersuchung äußert er: „Die Seele ist rein, ich hab keine Läuse mehr, 
die Läuse hab ich von den Freimädeln bekommen. Die Seele ist so leichenfarbig im 
Gesicht.“ Ihm wachse der Schnurrbart nicht so lang wie anderen Leuten. Aber da¬ 
zwischen doch eigenartige Ideen; er sei vielleicht als Heiliger besprochen. „Das ist 
so schön, ich glaube aber, ich bin abscheulich.“ Dann sagt er einmal plötzlich: „wollen 
sich die Leute an mir heilig machen oder abscheulich, d. h. wie unser Herrgott ge¬ 
kreuzigt worden ist für die Menschheit... “ Die Leute wollen an ihm heilig werden, 
weil er schon weg ist von der Welt. „Ich leb zwischen Himmel und Erde, das ist der 
Schluß.“ „Heilig ist, daß man weiter leben kann, vielleicht im Himmel.“ Ihn hat man 
immer für einen halben Menschen angeschaut. 

Es handelt sich zweifellos um einen Imbezillen, ich vermute, daß eine Schizo¬ 
phrenie hinzugetreten ist. Es könnte sich aber auch nur um eine psychogene 
Reaktion handeln. Sicher ist folgendes: er hat das lebhafte Gefühl, daß er mit sich 
selbst nicht einig sei, daß er, um einen früher von mir gebrauchten Ausdruck zu 
verwenden, den einheitlichen Vollzug der Akte verloren hat. Die oben angeführten 
Worte drücken dies drastisch aus. Da bei ihm jenes Zusammenschmelzen von 
Körper und Welt stattfindet, das in dem vorangehenden Kapitel dargestellt 
wurde, so drückt sich dieses Bewußtsein auch in Wahnideen aus. Man will ihn 
aus der lieben Welt wegschaffen, er soll unter Wolken kommen, man hat ihn in 
die Wolken hineingesteckt, weil er nicht so lustig war, er ist wegen der Gesichts¬ 
farbe wie eine Leiche. Dabei ist ihm Ich und Welt eine Einheit: „die Seele ist rein, 
ich hab ? keine Läuse mehr, die Läuse hab ich von den Freimädeln bekommen, 
die Seele ist so leichenfarbig im Gesicht.“ Aber auch dieser Patient strebt nach 
einer Lösung, welche ihm den inneren Konflikt erträglich macht, die Leute wollen 
sich an ihm heilig machen; er ist der Sohn der Jungfrau Maria. So erscheint 
denn der ganze psychische Konflikt umgewandelt in Außengeschehnisse, man 
will ihn der Heiligkeit berauben, will ihn aus der Welt schaffen, wobei aus seinen 
Äußerungen ganz klar hervorgeht, daß er das volle einheitliche Erleben als Hei¬ 
ligkeit, nicht tot sein, nicht in der Wolke sein, auffaßt. 

Es steht also der psychische Konflikt, das Gefühl des eigenen Ungenügens, 
das Minderwertigkeitsgefühl, das Bewußtsein der Unfähigkeit der ethischen Struk¬ 
tur der Welt gerecht zu werden am Eingänge der Neurose und Psychose. Beide 
schaffen aus ihrem Triebleben heraus eine neue Welt, in der sie nun bestehen, 
wobei ihnen freilich in einem Winkel des Bewußtseins die ethische Forderung 
weiter fortbesteht, oder doch die Glücksmöglichkeit in dieser neugebauten Welt 
eine beschränkte ist. Liegt ein organischer Prozeß vor, der seinen eigenen Gesetz¬ 
mäßigkeiten folgt, so kann das Individuum nicht zum Aufgeben seiner weniger 
strukturierten Welt gebracht werden. Der organische Prozeß stellt sich psycho- 



Ethos und Neurose. 


117 


analytisch als Fixierung der Libido auf primitiven Stufe dar. Es gibt aber sicher 
ein breites Gebiet, in dem eine Plastizität der Triebe erhalten bleibt. Eine Plasti¬ 
zität, welche dazu führen könnte, daß unter dem Einflüsse der Erziehung eine 
erhöhte Wirklichkeitsanpassung geleistet werde. Die Psychoanalyse versucht die 
neurotische Welt und das neurotische Ichideal dadurch aufzulösen, daß sie das 
Individuum zur Einsicht bringt, daß sie aus bestimmten Trieberlebnissen heraus 
aufgebaut wurde, welche dem wahren Ideal des Individuums nicht entsprechen. 
Erst durch die Aufdeckung der Beziehungen wird das Individuum befähigt, seiner 
wahren Natur zu folgen. Die Psychoanalyse ist insofern optimistisch, als sie diese 
wahre Natur als gut ansieht 1 ). Wäre es nicht denkbar, daß der Sadist seiner Na¬ 
tur nach sadistisch ist ? Es wäre aber immerhin denkbar, daß die Psychoanalyse 
einen Zustand der Plastizität schafft, welcher nun dem durch die Erziehung ge¬ 
schaffenen Ichideal ermöglicht, sich gegen den Trieb zur Wehr zu setzen, wobei 
immer wieder zu berücksichtigen ist, daß der Trieb durch entgegenstehende Ten¬ 
denzen nicht nur in seiner Auswirkung beeinträchtigt, sondern auch zu neuen 
Zielen geführt werden kann, in welchen gleichsam das alte unsoziale Ziel nun 
als Fringe mit enthalten ist. Es muß vermutet werden, daß der Heilige in 
einer bestimmten Phase seines Lebens den Sexualtrieb überhaupt nicht mehr 
im Vordergrund des Bewußtseins hat. Der Triebgegenstand ist eben ver¬ 
drängt, die Triebenergie ist freilich da und entfaltet sich in dem seligen Ge¬ 
fühle des Rühens in Gott. 

Ein allgemeiner Gedanke beschließe diese Ausführungen: Es wurde immer 
wieder darauf verwiesen, daß nur die Erfassung einer komplizierten Struktur der 
Welt es dem Individuum erst ermöglicht, sich voll zu entfalten. Erst an dem 
Widerstande der Außenwelt wird das Leben reich. 

Man könnte das aber noch vertiefen. Der Widerstand der Außenwelt stellt 
sich dar als eine Forderung der Dinge, etwa sie in Ruhe zu lassen, eine Forderung, 
die an uns geht, w elche also gleichzeitig ein Teilstreben in uns selber ist, das w f ir 
zu überwinden haben. Man kann allgemein sagen, jede Außenstruktur hat eine 
Fülle von Teilen, welcher jeder seine besondere Forderung stellt, Teilstrebungen 
in uns weckt. Würden wir einer solchen nachgehen, so entglitte uns die Gesamt¬ 
struktur. Eine Gesamtstruktur erfassen heißt also auch : in fortwährender Bän¬ 
digung von Einzelwünschen und Einzeltrieben sich zur großen Handlung 
zusammenfassen. Man kann also sagen, das Leben entzünde sich erst an den 
Widerständen des eigenen Inneren und die Außenwelt gebe erst die Möglichkeit, 
fortwährend neue Strebungen hervorzurufen, welche in der Gesamttendenz über¬ 
wunden das Individuum zu der ihm möglichen Vollendung treiben. 

Wertwelt und Struktur der Dinge sind also in engen Beziehungen zueinander. 
Das was uns von der Welt der Werte und der Dinge zugänglich wird, ist aber 
abhängig von der biologischen Organisation. Denn nur die reiche Organisation des 
Körpers bietet die Möglichkeit, im Erfassen einer tief gegliederten Umwelt Werte 
zu erfassen und im Erleben zu verwirklichen. 

*) Freud meint allerdings, daß das erstarkte Ich mit den perversen Infantileinstel¬ 
lungen leichter fertig werde, als das schwache Ich des Kindes. „Vorlesungen zur Ein¬ 
führung usw.“ 



118 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


IY. Zur Psychologie der Schizophrenie. 

Fall III. 

Hilda Le. Geb. 1890. Aufgenommen in die psychiatrische Klinik Wien am 26. 
Juni 1916. Ihre Mutter, die einen imbezill schlaffen Eindruck macht, gibt an, die 
Patientin sei in der Ehe sehr imglücklich gewesen (sie war 2 Jahre verheiratet), ohne 
sich das eingestehen zu wollen. Der Mann hat sie schlecht behandelt. Der Mann ist 
vor 14 Tagen gestorben. Seit dieser Zeit macht sich die Patientin große Vorwürfe 
und meint, sie sei an seinem Tode schuld (durch den Wunsch), sie ist sehr traurig, weint 
jedoch wenig und ist zeitweise sehr ängstlich. Sie fürchtet die Vorwürfe ihres Mannes 
aus dem Grabe. Sie schläft schlecht, ist trotz guten Appetits abgemagert; sie hat 
weder Geburten noch Fehlgeburten durchgemacht. Die Patientin war immer verträg¬ 
lich, liebte aber die Einsamkeit. Musikalisch begabt (sie spielt gut Klavier), mied sie 
doch Vergnügungen. Sie war stets charakterfest, sehr entschieden, sie war klug. 
Der Vater starb vor 8 Jahren, 4 Geschwister sind gesund, nur der älteste Bruder 
ist nervös. 

Die Patientin ist örtlich und zeitlich orientiert und geordnet. Sehr mitteilsam, 
spricht viel in fortwährendem Bedürfnis nach Aussprache. Sie erzählt in grüblerischer 
Weise von den Zuständen ihrer Seele; es sei in ihr ein Durcheinander, daß sie sich 
selbst nicht mehr auskenne. Schildert ihre Ehe, in der es zwar Konflikte, jedoch keine 
Streitigkeiten gegeben hat. Ihr Mann sei auch gut und brav gewesen, aber gegensei¬ 
tiges Verständnis habe gefehlt. Näheres über die Differenzen gibt Patientin nicht 
an, sie sucht jedoch die Schuld auf sich zu nehmen. Sie habe ihn „gequält“ und sei 
gegen ihn nicht so gewesen, wie sie hätte sein sollen. Auch sexuell habe sie nichts 
empfunden, während er sehr leidenschaftlich war. Sie mache sich jetzt Vorwürfe, 
daß sie zu kalt gewesen sei. Der Mann war schwer lungenleidend und kränkelte. Sie 
habe ihn gepflegt, doch komme ihr vor, daß sie es mit zu wenig Liebe tat. Allerhand 
belanglose Ereignisse tauchen in ihrer Erinnerung auf, und werden ihr zum Grunde 
bitterer Selbstvorwürfe. Sie habe z. B. einmal in dem Gefühle der Einsamkeit dem 
Diener ihre Ehegeschichte erzählt. Jetzt komme ihr das wie ein Verbrechen vor. 
Sie sei in ihren Gefühlsleben so abgestumpft, daß sie überhaupt nichts mehr empfinde. 
Ihre Ehe, der Tod ihres Mannes komme ihr „wie ein Traum“ vor. Sie macht sich 
fortwährend Vorwürfe, daß sie diesem braven Mann nicht nachtrauere. Alles sei 
ihr wie abgestorben. Sie leide häufig an Angstzuständen und Beklemmungsgefühlen. 
Freude habe sie an gar nichts, obzwar sie eigentlich nie weine. Oft schlafe sie schlecht, 
der Appetit sei gut. Sie sei etwa seit April krank, in der Klinik fühle sie sich nicht 
wohler. Am 19. Juli wurde die Patientin entlassen. 

Sie kam wieder am 13. Oktober 1917. In der Kanzlei erzählte sie in rascher Folge 
eine Menge von Dingen, so daß man ihren Auseinandersetzungen kaum folgen kann. 
Sie komme direkt von S. her, und habe ihre Mutter noch nicht gesprochen. Nach 
ihrer Entlassung war sie zunächst bei ihrer Mutter, dann ging sie in ein Bureau, doch 
war ihr Chef arteriosklerotisch und war sehr mißtrauisch, was sie so verletzte, daß sie 
kündigte. Sie reiste dann zu einem Onkel nach Innsbruck, dieser, ein Epileptiker, ver¬ 
folgte sie mit Liebesanträgen, und küßte sie ab. Sie aber empfand Ekel vor ihm, 
wies ihn ab und hatte nie etwas zu tun mit ihm. Nun ist seit 4 Monaten die Periode 
ausgeblieben. Sie konnte die Gedanken nicht los werden, daß sie durch seine Be¬ 
werbungen schwanger sein könnte, wiewohl sie weiß, daß dies unmöglich ist, und 
fürchtet, epileptisch zu werden, denn sie hat gehört, daß man vom Sehen epilep¬ 
tischer Anfälle selbst krank werden könne. Bei dieser Erzählung lacht sie, ist fröh¬ 
lich, muß immer durch Fragen zum Thema zurückgebracht werden. Sonst gerät sie 
in ihrem abspringenden Gedankengang auf Nebensächlichkeiten, in uferlose Ausein¬ 
andersetzungen oder auf fernliegende Gegenstände. Sie bittet um Aufnahme. 

6. X. Andauernd sehr euphorisch, beteuert, daß sie sich glänzend fühle, sie sei 
eigentlich vollkommen gesund. Sie habe an Zwangsvorstellungen gelitten, die voll¬ 
kommen verschwunden seien; wenn man sie verstehen wolle, müsse man alles vom 
Anfang an anhören. Es würde jedoch sehr lange dauern, denn es umfasse enorm 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


119 


viel; sie werde eben trachten, sich so kurz wie möglich auszudriicken. Dann kommt 
eine lange Erzählung, ein inhaltsloses Durcheinander, sie verliert dabei den Faden, 
springt von einem Thema zum andern über, wird immer ideenflüchtiger, behauptet 
immer erst am Anfang ihrer Erzählung zu sein, läuft noch bei der Visite mit ihren 
konfusen Reden nach. Dabei fürchtet sie selbst, den Faden zu verlieren, „also warten 
Sie, wie war es doch nur, jetzt weiß ich selbst nicht mehr, also wo sind wir, — ich 
muß voraussetzen, — erlauben Sie, daß ich wieder zum Anfänge zurückkehre.“ Ihre 
Reden drehen sich um ihren Aufenthalt im Hause ihres Onkels, dieser Onkel hatte 
„heißes Blut“ und epileptische Anfälle, die durch Beziehungen zu jungen Weibern 
gebessert werden könnten. Auch ihr versuchte er sich sexuell zu nähern und bekam 
in ihrer Gegenwart Anfälle, die auf ihre Nervosität auslösend wirkten. Die Patientin 
wechselt fortwährend ihre Zukunftspläne; sie bezeichnet sich als nervös und will 
bis zu ihrer Genesung im Spitale bleiben. 

4. X. Seit gestern nörgelnd, unzufrieden, drängt auf ihre Entlassung, behauptet 
tief traurig zu sein, sie fühle, daß sie ins normale Leben zurück müsse, sonst würde 
sie verrückt. Sie halte dieses Nichtstun nicht mehr aus, müsse sich betätigen und ihre 
Angelegenheiten ordnen. Sie ist andauernd ideenflüchtig. Die Pat. wurde entlassen. 
Am 15. Dezember 1918 kam sie neuerdings in die Klinik. 

Nach den Angaben der Mutter war die Patientin in der letzten Zeit zu Hause un¬ 
ruhig und aufgeregt, meist aber traurig, verstimmt, sie mied jede Gesellschaft, quälte 
sich mit Vorwürfen, sie hätte den Tod ihres Mannes verschuldet, äußerte Lebensüber¬ 
druß. Sie hörte Stimmen, auch die ihres Mannes. Sie glaubte, von dem Geist ihres 
Mannes hypnotisiert zu sein, der sie ins Grab ziehen wolle. In der Zeit vor ihrer Auf¬ 
nahme äußerte sie Größenideen und bezeichnet© sich als Gott. In der Klinik gibt 
die Pat. an, sie habe sich seit ihrem letzten Aufenthalt in der Klinik völlig wohl ge¬ 
fühlt. Vor 3 Wochen habe sie Kopfschmerzen bekommen, seit dieser Zeit sei sie 
erregt, spreche aus dem Schlafe und deklamiere Gedichte. Es komme vor, daß sie 
nachts halluziniere, doch sei »ie jetzt ganz klar, und wolle nicht über die Sache sprechen. 
Es sei schon wahr, daß sie sich als göttliche Person bezeichnet habe, aber das sei alles 
Quark, und sie wolle nicht darüber nachdenken. Vor einigen Tagen sei sie geschlecht¬ 
lich erregt gewesen, dann sei nachts eine Vision gekommen. Sie brauche nur einige 
Zeit, um sich völlig zu erholen. Sie sei wohl zeitweise verstimmt, aber nicht der¬ 
artig, wie im Jahre 1916; ihre Stimmung sei eher schwankend. Die Patientin ist ört¬ 
lich orientiert, geordnet, aber gesprächig, heiter, ist wenig geneigt, über ihre Krank¬ 
heit Auskunft zu geben. 

Abends spricht sie lebhaft, aber geordnet, im ganzen klar, aber etwas umständlich 
und mit geringer Ideenflucht. Da die Sache eine ernste Wendung nehme, müsse sie 
dem Referenten alles sagen. Bisher habe sie eine andere Person geschont und beschützt, 
indem sie nichts aussagte; sie sei durch 9 Monate in die Sprechstunde eines Geist¬ 
lichen gegangen. Vorgefallen sei nichts. Jetzt hat sie eine Stimme gehört (so laut 
und deutlich wie den Referenten), welche sagte: „Du mußt sterben/ 4 Sie sagte empört: 
„Warum muß ich denn sterben ?“ Sie beteuert die volle Wahrheit zu sagen: jener 
Geistliche hat sie geistig befruchtet. Die Bewegung des Aktes war deutlich zu er¬ 
kennen. „Ich hatte ein Retikule, in welches er zwei Schachteln Zigaretten gab. Seine 
Nähe scheint auf mich eine derartige Erregung ausgeübt zu haben, daß ich jetzt nicht 
weiter arbeiten konnte. Das war eine erotische Erregung, denn ich bin nach dem Akte 
unwohl geworden!“ Aus der Gegenfrage des Geistlichen war zu entnehmen, daß er 
von ihrer erotischen Erregung wußte: „Es war genau so, wie wenn ich ein Kind krie¬ 
gen sollte. Als die zwei Schachteln Zigaretten in das Retikule gegeben wurden, hatte 
ich das Gefühl, als würde das männliche Genitale ins weibliche eingeführt.“ Seither 
litt sie an Kopfschmerzen und fühlte sich von einer Stimme verfolgt. Es sei das die 
Stimme des Geistlichen, die sie fortwährend höre. Die Stimme klagt sie euch der 
Homosexualität an. Bisher wußte sie nicht, was Homosexualität ist. Dies bedeute 
wohl, sie sei auch männlich veranlagt. Sie schließe aus dem zeitlichen Zusammen¬ 
hänge, daß dies die Stimme des Geistlichen sei, direkt erkennen würde sie sie nicht. 
Die Stimme schimpfte: „Schwein, Dime.“ Dann hatte sie eine Erscheinung. Es 
erschien ihr Jesus, der unverkennbar die Züge des Geistlichen hatte. Die Vision hatte 



120 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


die Erscheinung einer Jesusstatue. Es war aber ein lebendiger Mensch. Sie lag im 
Bett, die Statue mit den Zügen des Geistlichen erschien in der Luft. Die Erscheinung 
befahl, sie solle sagen: „Mein Herr und mein Gott“ und den Rosenkranz küssen. 
Sie solle vor den Spiegel treten, sich nicht fürchten, und sie werde wieder eine Er¬ 
scheinung haben. Dann der Befehl: „Verrichte deine Notdurft“ (dabei bekam sie 
Starrkrampf). Wenn sie ihre Notdurft verrichtet habe, werde sie sterben. Sie er¬ 
litt Todesangst. Dann: „Du wirst jung sterben müssen.“ Dann schwand die Vision 
und es kam eine andere. Es kam die Jungfrau, die das Kind nicht auf dem rechten 
Arm, sondern auf dem linken Arm trug. In einer späteren Nacht führte die Patientin 
Handlungen aus, welche nicht ihrem Willen entsprangen. Sie brachte die Beglückungs¬ 
ideen der Welt zur Durchführung. Sie war Ideenauffänger in dieser Beglückungs- 
idee. Sie sprach fortwährend mit jemand, diese Stimme war Gott, sie selbst war die 
Göttin. Sie vermutet die Stimme wäre die des Geistlichen gewesen; es war ein Ge¬ 
flüster. Die Idee der Beglückung wurde folgerichtig zwischen Gott und Göttin durch- 
gesprochen. Sie hatten einen Weltbeglückungstraum: Schönheitssinn, moderner 
Klassizismus, natürlich alles veredelt. Veredelung der Liebe. Die ganze Entwicklung 
der Idee war etwas Folgerichtiges und Großartiges. Dieses Gespräch spielte sich vor 
etwa einer Woche ab. Das ganze wird jetzt blässer. Sie habe starke Kopfschmerzen. 

17. XII. Mittags deprimiert, aber gesprächig. Wenn man ihre Gebärmutter un¬ 
tersuchen würde, könne man feststellen, daß sie keine Frau sei 1 ). Sie habe schreck¬ 
liche Leibschmerzen. Sie fühle, wie es sich unten verschließe, es sei immenschliche 
Quälerei. Die Hände sind klein geworden: „Das wird mein Tod sein! Ich hab’ auch 
keinen Bauch mehr! Der Busen wird immer kleiner. Ich werde zu Grunde gehen, 
es gibt keine Rettung. Die Zusammenschließung des Genitales ist wie mit einem 
elektrischen Strom angewachsen — die Veränderung des Geschlechtsteiles, — der 
elektrische Strom geht von diesem Strom aus.“ (Aus welchem Grund geschieht das ?) 
„Um mich gesund zu machen. Früher habe ich mich für hysterisch gehalten, jetzt 
hätte ich Berechtigung zur Homosexualität, ich fühle nfth mehr oder weniger ge¬ 
schlechtslos.“ (Fühlen Sie sich als Mann ?) „Das Ganze,'‘Vas sich abspielt, fühle ich 
als Sendung, der Priester, der auf dem Wege hierher ist, wird auch Bericht erstatten.“ 
Lauscht zwischendurch auf Halluzinationen. „Die Stimme im Ohr* ich höre sie leise!“ 
„Der Priester sagt, daß mein Leiden nicht heilbar ist.“ (Sie reproduziert das Gespräch 
mit dem Priester — lauschender Gesichtsausdruck.) „Der Herrgott interessiert sich 
jetzt, was geschieht mit den Menschen, was geschieht in der neuen Zeit mit Himmel 
und Hölle ?“ (Kommt denn eine neue Zeit ?) „Es ist der Anfang einer neuen Zeit, 
die muß durchgearbeitet werden.“ „Die neue Bewegung soll ich in die Hand nehmen. 
Es wäre ganz mein Fall, die Ideen in die neue Zeit hineinzutragen.” (Wie können 
Sie dies, da Sie doch sterben wollen ?) „Das ist eben der Konflikt.“ Die Stimmen sind 
im linken Ohr. Sie hört die Stimme, wenn sie darauf lauscht. Jetzt hat sie einen Auf¬ 
tritt mit Hochwürden, der ihr Vorwürfe mache, daß sie die Begründerin der neuen 
Zeit sei und trotzdem ihn in die Sache bringe, trotzdem er nur nachfolge. 

18. XII. In der Nacht vom 17. zum 18. verlangt sie ängstlich nach dem Priester. 
Ihre Seele sei dem Teufel verschrieben, sie müsse sterben und werde den nächsten 
Tag nicht mehr erleben. Am Morgen ist sie stiller, spricht lebhaft, macht aber einen 
angegriffenen Eindruck, wie nach körperlicher Krankheit. „Ich habe sehr viel mit- 
gemacht; Bauchkrämpfe, wie wenn der Bauch ausgesogen und eingesogen werde. 
Es waren krampfartige Zuckungen.“ Sie hatte das Gefühl, sie sterbe, hörte gleichzeitig, 
auch ihre Mutter sei bereits gestorben. Sie war daran, zu sterben imd kam mit ihrem 
Kopf durch den Zenit. 

19. XII. Fühlt sich ganz gut, so wie sonst, glaubt, daß sie homosexuell wurde. 
Sie hat das Gefühl gehabt, daß unten alles durch eine Platte verschlossen werde. 
Sie habe Angst, sie könne ihre Verrichtungen nicht mehr ausführen. Sie erlebt ein 


2 ) Bemerkenswerterweise hat die Pat. einen recht starken Bartwuchs am Kinn. 
Die Kollegen, welche sie seit ihrer ersten Erkrankung kennen, sind der Ansicht, daß 
diese Behaarung erst in der letzten Zeit auf getreten sei. Doch ist nicht ausgeschlossen, 
daß sie übersehen wurde. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. " 


121 


großes Mysterium. Christus kam zur Rettung. Sie war es eigentlich, sie war Mär¬ 
tyrerin und Christus zugleich. Hatte lebhafte Halluzinationen. Gestern sprach sie 
mit ihrem Mann. Sie hat jetzt Herzbeklemmungen, als ob das Herz still stände, sie 
ist dann wie tot und atmet nicht. Die Stimme gibt Befehle, die sie befolgen muß. 
Sie steht mit ihr in Kontakt. Es ist, wie wenn sie tot wäre. Sie hat den Tod in ihren 
Träumen überwunden, sie hat ihre Sterbestunde übertaucht. „Ich weiß, daß der Kon¬ 
takt mit der Stimme unterbrochen werden kann.“ Der Kontakt war im Kopf. Vor dem 
Onkel hatte sie großen Ekel, er hatte Anfälle. Selbst im Wahnsinn hatte sie das 
Bewußtsein ihres Wahnes. Die Idee der Schwangerschaft war durch den großen 
Ekel bedingt. Selbst in dieser Zeit hat sie Großartiges geleistet. Sie besorgte sich 
Pässe und dergl. mehr; damals wollte sie schon mit einem Psychiater sämtliche Zu¬ 
stände durchsprechen. Ihre Natur ist sehr heiter. Erinnert sich an die Selbst vor- 
würfe, es war Einbüdung. Das Gefühl bäumte damals auf, sie sei von ihrem Mann 
behindert worden, deshalb kamen diese Vorwürfe. „Es durchfluteten mich Ideale. 
Der Mann braucht aber eine einfache Hausfrau. Er hat mich unbewußt immer ge¬ 
drückt, ich mußte mich in eine Bewunderung hineinreden.“ Das Ganze war ihr nicht 
recht, deshalb kamen später die Selbstvorwürfe. 

20. XII. Sie fühlt kein Herz, an der Stelle ist ein leerer Luftraum. Sie glaube 
immer, daß sie fliegen müsse und könne. Sie kommt sich leicht vor, sie weiß nicht* 
wohin sie fliegen soll; sie hat ihr ewiges Leben verkauft, weil sie die Nacht vorher nicht 
starb (so war es vom Schöpfer vorgesehen!) In den Momenten, da sie dachte, sie ver¬ 
liere das Bewußtsein und werde sterben, dachte sie nur daran, daß sie die Sterbe¬ 
sakramente noch nicht empfangen habe und raffte sich auf. Sie wollte an das Kreuz 
geheftet werden. Sie klagte der Stimme, die mit ihr sprach, ihre Leiden. Ihr Mann 
nahm den Kontakt mit der Stimme auf (bricht ab). Der Kontakt mit der 
Stimme wird sie noch wahnsinnig machen. .. Der Kontakt werde schwer zu unter¬ 
brechen sein, denn ein Gedanke jage den anderen. Sie kann nicht den Schwer¬ 
punkt sehen. 

30. XII. Ist ruhiger geworden. Die Stimmen lassen nach: „Ich habe die Über¬ 
zeugung, daß ich ein ganz selbständiger Mensch werde.“ Manchmal höre sie die Stimme 
im Kopf, manchmal sause sie am Ohre vorbei. Es ist ein kolossales Gewirr, vielleicht 
sind das Wahnsinnsgedanken. Sie bespricht mit dieser Stimme Probleme: „Ich 
fühle mich nicht wahnsinnig.“ Wenn sie von der Beglückungsidee spricht, meint sie 
etwas ganz Vernünftiges. „Die Stimme verliert sich, wenn ich arbeite und schreibe.“ 
„Es kommt manchmal plötzlich, daß ich die Stimme höre, es ist Willensschwäche* 
wenn ich die Stimme höre. Sie spricht eigentlich fortwährend.“ Sie denke so laut 
und so viel, daß in ihrem Kopfe eine Nervosität herrsche. Es ist noch immer die gleiche 
Stimme. Das Gefühl, als ob sich die Stimme verdopple, sie hört dann die Stimme 
auch über sich, statt im Ohr, oder neben dem Kopfe. „Ich glaube nicht zugleich.“ 
Sie hat stets die Gewohnheit gehabt, in Gedanken mit sich und den anderen zu 
sprechen. Sie unterhält sich mit der Stimme z. B. über die Frauenbewegung. Die 
Stimme spricht leise. Es würde ihr jetzt wesentlich sein zu erfahren, ob an ihrem 
Genitale merkbare Veränderungen vorgefallen seien. Seit dem Tode ihres Mannes 
habe sie völlig rein gelebt. Sie habe das Gefühl, als ob ihr etwas herausgezogen worden, 
sei, auch sei ihr Venusberg kleiner geworden. Sie sei eine derartige Idealistin, daß 
sie sich auch ohne die Stimme mit Idealen abgebe, wie die Welt besser werden könnte. 
Sie spricht sehr lebendig, bricht zeitweise ab, ist weitschweifig. Mimik lebendig, 
durchaus adäquat. Ebenso der Affekt. 

2. I. Die Stimme quäle sie durch Hypnose. Hat das Gefühl, weder Mann noch 
Frau zu sein. Sie spüre einen luftleeren Raum in sich. Sie kommt sich vor, wie vom 
Teufel besessen. Sie bekommt von dieser Stimme Namen, die sie nicht verdient. „Dime“ 
und Ärgeres. Ist sehr erregt. Die hypnotische Beeinflussung geht von dem Geist¬ 
lichen aus: „Das ist keine Einbildung!“ die Stimme sage Perversitäten: „Ich bin 
Frau durch und durch!“ Wahrscheinlich treibe man Spaß mit ihr. 

2.1. „Ich kenne mich selbst nicht mehr aus. Das ist ein Problem, weshalb ich jetzt 
krank geworden bin. Ich wurde von meinem Mann hypnotisiert, als er wegging, ge¬ 
storben ist.“ Duktus abschweifend. Vielleicht hat ihr Seelenführer sie verführt. In 



122 Zur Psychologie der Schizophrenie. 

ihr lebt die große Idee des Problems. Sie hatte die Empfindung, mit dem lieben 
Gott zu sprechen: 

4. I. Sehr erregt, weil ihre Temperaturtabelle zu dem Bette einer anderen Pa¬ 
tientin gehängt wurde. „Warum werden die Patienten anders gelegt V* Sie will sterben. 
Es wurde ihr ganz klar, sie spricht mit Geistern. Zwischen ihrem Mann und ihr spielt 
sich etwas ab. Es scheint eine Geisterbegegnung stattgefunden zu haben. Sie hatte 
nach dem Tode des Mannes die furchtbarste Angst, er sei nicht gestorben: „Wenn 
ich das Problem der Neuzeit sein sollte, so bin ich nicht mehr zu lösen.“ Sie hat 
das Gefühl, ein lebender Leichnam zu sein, es komme ihr auch der Geruch entgegen. 

Erzählt einem anderen Arzt, zu dem sie Vertrauen faßte: War immer ein flottes 
Mädel. Vor 2 Jahren starb der Mann, mit dem sie 1 Vi Jahre verheiratet war. Er hatte 
einen schönen Tenor. Eigentlich hat sie nur diesen Tenor geheiratet. Der Mann war 
Offizier und sehr intelligent, aber nur einseitig für die trockenen, schematischen 
Wissenschaften begabt. Sie fühlte sich ihm in Fragen allgemeiner Lebensführung 
und Lebensauffassung intellektuell überlegen. Das war der Kernpunkt ihrer Dishar¬ 
monie. Wenn sie Klavier spielte, suchte er ihr Spiel zu unterdrücken. Überall, wo sie 
sich intellektuell entfalten wollte, drückte er auf sie. Das alles geschah im* Stillen, ohne 
laute Auseinandersetzung. Sie schränkte in der Folge ihre Meinungsäußerungen 
ein, während sie die Anerkennung für ihren Mann künstlich kultivierte. Dabei hatte 
sie immer das Gefühl der Knechtung und sehnte sich nach Erlösung und Freiheit. 
„Frei sein wollte ich, frei sein, Freiheit war mein einziges Ideal!“ Nun erkrankte ihr 
Mann an Phtise. Sie wußte, ihm sei nicht mehr zu helfen, er sei einem langsamen 
Siechtum verfallen. Sie hat ihn mit Aufopferung gepflegt und trotzdem starb er. 
Und jetzt ereignete sich, was sianicht fassen konnte, und was die Ursache ihrer Krank¬ 
heit ist: Sie konnte keine Trauer empfinden. Es gelang ihr nicht, sich in die passende 
Stimmung zu versetzen. 

In ihrer Familie gibt es ein großes Unglück, das ihr ganzes Leben verdüstert. Ihr 
Großvater, ein Hotelbesitzer, brannte mit unrechtmäßig erworbenem Geldbesitz 
nach Amerika durch. Auf ihren Vater kam ein imgerechtfertigter Verdacht, so daß er 
eine Kerkerstrafe verbüßen mußte. Er starb, als sie 13 Jahre alt war. Sie hing mit 
außergewöhnlicher Verehrung und Liebe an ihm und war nach seinem Tod ganz 
gebrochen. Später erzählte ihr die Muttei* von dem Unglück ihres Vaters. Das war 
ein neuer Schlag für sie. 

Bei der Visite kam ihr Daumennagel unversehens mit den Fingerspitzen eines 
Arztes in Berührung; sofort hatte sie ein imangenehmes Gefühl der Abwehr, fast des 
Ekels vor diesem Menschen. Er erschien ihr in diesem Augenblick als Vogel; er ge¬ 
hörte zum schwarzen „Adler“. 

Sie hat nämlich des öfteren zwei Erscheinungen: der liebe Gott thront in den Lüften 
und sie kniet vor ihm als Engel. In dieser Rolle erscheint sie so, wie sie immer ist, nur 
mit zwei Flügeln. Mit der Frisur kommt sie nicht ins Reine. Meist hat sie altdeutsche 
Frisur, wie es ihrer Mutter so gut gefällt; hat Frou-Frou und Locken, die ihr über die 
Schulter hängen. Die zweite Vision ist der schwarze Adler, der hoch in den Lüften 
fliegt. 

Beide Erscheinungen sind gleichzeitig in den Lüften. Gott verkörpert das Gute 
im Menschen und zu ihm fühlt sie sich immer hingezogen. Der schwarze Adler ist 
eigentlich der Geistliche. Er ist die Verkörperung weder des Guten, noch des Schlech¬ 
ten, sondern des Schlechten in einer gewissen Erhabenheit. Darum dürfe der Adler 
als Prinzip des Schlechten nicht im Pfuhl der Erde wühlen, sondern müsse hoch 
in den Lüften schweben. Das entspreche so ihrer — einer Ästhetin — Anschauung. 
Der Adler verkörpere eigentlich das rein Menschliche, das Leidenschaftliche. Beim 
Eindruck mancher Menschen taucht diese Doppelvision auf, wobei immer der eine 
Teil zugunsten eines anderen in den Hintergrund rückt. So z. B. ist beim Erscheinen 
eines Arztes, von dem sie nichts wußte, als daß er für seine Mutter sorge, die Vision 
des lieben Gottes auf getreten, während der Adler dabei ganz undeutlich w r ar. Die 
Vision war von einem Gefühl der Rührung begleitet. 

Um sie selbst ist auch Schwarzes, so groß wie ein halber Daumennagel. Das muß 
sie immer, wenn sie vor Gott kniet, unterdrücken und dem Adler zuschieben. Sie 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


123 


selbst ist ein außerordentlich guter Mensch (zu Tr&nen gerührt), obwohl sie auch 
Schlechtes begangen hat, und ihre ganze Eirankheit besteht nur darin, daß ihr das 
Schuldgefühl fehlt. Sie hat z. B. öfter gestohlen, meist um anderen eine Freude zu 
bereiten, nur ein einziges Mal hat sie in selbstsüchtiger Weise einer Verwandten 40 K 
entwendet. Sie hat gebeichtet, erhielt eine schwere Buße, fühlte aber keine Befreiung. 

Da ihr Mann sie nicht genußreich befriedigte, verlangte sie von ihm den Cunni- 
lingus. Sie hat nun das Gefühl, daß dadurch auf dem verstorbenen Mann eine Schuld 
laste, von der sie ihn befreien müsse. Diese Verpflichtung hält noch jetzt den Kon¬ 
takt mit dem Toten aufrecht. Immer hat sie das Gefühl, daß sie ihre Schuld nicht 
abtragen kann. In solchen Momenten fühlt sie sich über Gott hinaus wachsen, unter 
unsäglichem Angstgefühl. Wie tot kommt sie sich da vor, ihr Herz ist abgedreht, 
ihre Gebärmutter abgezogen, sie hat das Bedürfnis, es solle sich etwas ereignen, was 
sie unterdrückt: „Gedrückt, gedrückt, gedrückt wollte ich sein.“ Diese Bedrückung 
könnte durch körperliche Mißhandlung oder (auf entsprechende Frage) durch sexuelle 
Befriedigung erfolgen. Sie fühlt sich von Gott weggestoßen und auch nicht zum Adler 
hingezogen, „sondern ich bin eben imgelöst, das ist eben das Problem.“ 

In geschlechtlicher Beziehung hat sie seit jeher das Gefühl, abnormal zu sein. 
Sie empfindet nichts. Ein geistreicher Mann befriedigt sie allein durch seine Nähe, 
durch seine Persönlichkeit, seine geistigen Ergüsse; andere Anforderungen stellt sie 
an den Mann nicht. 

Ihr erstes sexuelles Erlebnis war im Alter von 7 Jahren, damals hatte sie ein hef¬ 
tiges Bedürfnis, das Genitale ihres jüngeren Vetters in die Hand zu nehmen, hat es 
aber im letzten Augenblick unterlassen; weit heftiger wirkte ein zweites Erlebnis ein. 
Gelegentlich eines Landaufenthaltes traf sie allein am Bachesrand einen Greis, der 
ihr sein Genitale zeigte, und sie aufforderte, das ihre mit einem Stück Seife zu reiben. 
Dieses Erlebnis hat mit starker Erotik auf sie gewirkt. Beide Erlebnisse sind ziemlich 
die einzigen im Leben, bei denen sie wirklich erotisch erregt war. Ihr Mann hat sie 
nie befriedigt, sie mußte ihm immer Liebe Vorspielen, ohne jeden Genuß, bis sie ihn 
aufforderte, die Zunge zu gebrauchen. Das machte ihr mehr Vergnügen. Vor der Ehe 
hat sie viel onaniert, was ihr besser zusagte als der normale Verkehr. Seit dem Tode 
ihres Mannes lebt sie absolut abstinent, getraut sich nicht einmal ihr Genitale zu be¬ 
rühren, da dieses doch jetzt ganz verändert sein muß. Jetzt erwarte sie die Periode, 
dabei werde sich ja herausstellen, was mit ihr vorgegangen sei. 

Die Stimmen sind das Furchtbarste, sie peinigen sie, sie sind teils schimpfend, 
Hure, Dime, teils sagen sie: „Englein hin, Englein her, Teuflein hin, Teuflein her,“ 
in einem imgemein angenehmen Rhythmus. Diesen Rhythmus empfindet sie (auf 
Frage) ähnlich, wie wenn zwei Menschen den Geschlechtsakt vollziehen. Wenn die 
Stimmen kommen, ist sie immer in geschlechtlicher Erregung. 

5. I. Patientin steht an einem sonnigen Tag am Fenster, schaut mit verklärt¬ 
ekstatischem Gesichtsausdruck in die Sonne, murmelt leise vor sich hin, führt mit den 
Armen Bewegungen aus (wie entgegenstreckend), läßt sich durch Ansprache nicht 
stören, beachtet sie nicht, vollkommen von der Umgebung abgewendet. Nach zirka 
10 Minuten seufzt sie tief auf, geht vom Fenster weg. ( ?) „Ich hatte eine Vision, — 
haben Sie nicht gesehen ?“ „Ich habe ihn gesehen. . . Das war nicht er, das war 
Christus, — Christus hatte mir die Hände entgegengestreckt imd wollte mich zu sich“. . 
„Die haben ihn homosexualisiert, ich habe es selbst gesehen...“ „sie machten es mit 
mir wahrscheinlich auch so. . .“ „ich fühle es“ ( ?) „Die haben ihm seine Männlichkeit 
genommen. . .“ „das war nichts anderes.. .“ „er streckte die Hände zu mir aus und 
lächelte...“ „ich bin ja auch bald vollkommen homosexualisiert...“ „in meinen 
Gefühlen. ..“ „bin ich überhaupt noch ein Weib?“ „Homosexualisiert, ich meine 
darunter nicht, daß man zum anderen Geschlecht wird, das ist so ein Entgegen 
kommen, das ist nicht ganz. . . dann erst. . . zusammen würde es ganz.“ 

Patientin fängt spontan über ihre Beziehungen zum Geistlichen zu erzählen an 
(siehe d. frühere). 

Plötzlich springt sie auf, geht zum Fenster, starrt in die Sonne, leise: „Christus“ 
(Wird er wieder homosexualisiert ?) Patientin erfreut : „nein, das ist nicht mehr not¬ 
wendig. .. ich bin es ja schon vollkommen.“ 



124 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


Von dem Moment an ist von der Patientin nichts über ihre „Vision“ zu erfahren, 
sie geht absolut nicht auf den Inhalt obiger Angaben ein. 

7. I. Die Stimme ihres Mannes wurde die Stimme ihres Onkels. Der Onkel hat 
eine krankhafte Sinnlichkeit; hat sie öfter sexuell belästigt, was sie immer abwehrte. 
Er ist der Begriff alles Sinnlichen, der größten Schweinerei. Sie hat das Gefühl, daß 
der Onkel sie hinabziehen will; alles was tierische Sinnlichkeit ist, will sie hinabziehen; 
sie will in die Höhe. Deus ist ein Kampf, der Onkel war ihr von jeher imappetitlich. 
Es ist immer auf seinen Stuhl gesehen worden; nach dem Stuhlsetzen hat man den 
Abort inspiziert. 

Die Reinhaltung des Abortes war ihr immer sehr am Herzen. Im Gegensatz zum 
lieben Gott und dem Adler in den Lüften ist unten ein grauenhaftes Getier mit affen¬ 
artigen Gesichtem, die Kanalinhalt fressen, der ihnen beiderseits an den Mund¬ 
winkeln heruntertrieft. Der Teufel hat sich als Faun aus dieser Gesellschaft losgelöst 
und sich in die Höhe begeben. Dabei ist auch Sinnlichkeit. Dieses Fressen von Kot 
ist auch Sinnlichkeit. Da unten ist sie öfters durchgegangen, um Ordnung zu machen. 
Es war, als hätte sich ein Parkettboden vor ihr gebildet und das Getier hatte zu beiden 
Seiten Platz gemacht. Dabei das Gefühl: Na, die Hilda, die war immer ein guter 
Patsch, die nehmen wir dazu her, um Ordnung zu machen. Einmal hat sie in diese 
Schweinerei ihren sehr sauberen Abort gestellt, um zu demonstrieren, wie rein sie 
ist, als Symbol ihrer Persönlichkeit. 

Die Stimme sagte ihr, sie könne nicht auf normale Weise befriedigt werden, es 
müsse auf eine besondere Art geschehen, wie durch einen Stich mit einem Zahnstocher. 
Dazu assoziiert sie: Der Geistliche sticht mich mit dem Zahnstocher; es fließt etwas 
aus mir vor Erregung, das Abfließende fängt der Mund des Geistlichen auf. 

Die Stimme sagt auch: „Zuzi, Zuzi”, dabei fühlt sie, daß aus ihrem Geschlechts¬ 
teil etwas gesogen wird. 

Zeichnet eine Frau, dabei muß sie den Arm verkürzt zeichnen, und das fehlende 
Stück eigens daran setzen. Und das ist nicht richtig, das ist so wie bei D. Fr—s. 
Fuß; solche Menschen sind Vögel, die gehören imbedingt zum Adler. 

Die Stimme des Priesters sagt zu ihr: „Dime“. Der Priester ist der Teufel; als 
solcher hat er gewiß bestimmte Vorschriften für die Verführung. Diese hat er bei ihr 
wahrscheinlich übertreten, denn sie war ganz rein und ganz Reine durfte er nicht 
verführen. Der Teufel hat sich über seinen Fehler offenbar geärgert und beschimpft 
sie nun. Auch der Teufel hat eine Allmacht. Er hat sie krank gemacht, und so kann 
er sie auch gesund machen. Dazu muß er — denn die Welt kann nicht vom Bösen 
regiert werden — sich in den lieben Gott verwandeln. 

Sie ist nicht mehr dieselbe, der Körper hat nicht mehr die Rundung, die Füße 
sind zu lang. Wenn sie baden gehen will, wirft ihr die Stimme immer vor, sie tue dies 
nur um der geschlechtlichen Erregung willen. Ebenso Händereiben, Zähnebürsten. 
„Ich möchte dem Himmel und der Hölle verzeihen.“ Kann das Wort „entschlüpfen“ 
nicht hören. Sie hat sich die Hände gerieben; sofort hat ihr die lauernde Stimme den 
Vorwurf der Sinnlichkeit gemacht. Das hat sie empört und aus Opposition hat sie 
das größte Opfer gebracht, sich so zu zeigen, wie sie eigentlich nicht ist. „Ich habe 
eiles triefen lassen. Tränen, Speichel und von der Nase so herunter, wie es geflossen 
ist. Ein Schwein wollte ich sein und als Schwein sollten mich die Ärzte sehen.“ Sie 
konnte damals dem Visite machenden Arzt nicht ins Gesicht schauen. In ihrer Ver¬ 
zweiflung hatte sie den Wunsch, es möchten ihre Hände zusammen wachsen. Käse 
kann sie nicht essen, da schlägt der Abortgeruch auf. Flechsen im Fleisch kann sie 
nicht sehen, das erregt sie sexuell. Stimmen: „Du bist ein lebender Leichnam.“ Meine 
ganze Geschlechtlichkeit liegt nur im Entwürfe von Bildern. Ich habe mich öfter in 
einer Vision gesehen; ich schwebte in der Luft, in Schleiern gehüllt, und mich störte 
immer, daß man durch den Schleier die Körperformen erraten könnte. Ich studierte 
viel nach, wie man das ändern könnte. Da ergänzte ich meinen Oberkörper im Büde 
durch einen Fischleib, aber daran darf ich gar nicht denken, das empört mich. Ich 
habe mir vorgestellt, ich würde mich auflösen und würde das Meer sein. Ich will 
das Meer sein und die da unten sollen sich im Meer baden. Ich will, daß die da unten 
sich als Vögel in die Luft erheben. Dieser Wille aber beängstigt mich, denn was Gott 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


125 


geschaffen hat, darf ich nicht ändern. Ich fürchte mich vor der Stimme, denn sie lauert. 
Die Stimme weiß sofort, was mich erregt. Wenn ich auch die perversen Triebe in mir 
habe, ich verachte sie. Schon als Kind habe ich alles verkehrt gemacht, erzählte 
mir meine Mutter. Ich habe z. B. verkehrt gewunken, die Blumen habe ich immer 
beim Kopf angefaßt. Ich muß mm den Kernpunkt anfassen, immer das Richtige 
treffen, leite meine ganze Arbeit davon ab. Den Kernpunkt anfassen, das ist wie 
„die Gebärmutter anfassen und sie herausnehmen.“ Ich habe die Empfindung ge¬ 
habt, ich sei in der Mitte auseinandergegangen. Die Eingeweide dampften gegen den 
Himmel. Das schreit zum Himmel. Die Stimme hat mir die Fruchtbarkeit entzogen; 
als ich mich einmal vom Geistlichen trennte, sagte ich scherzweise an nichts denkend: 
Nehmen wir jeder unseren Pack und gehen wir. Jetzt wirft mir die Stimme vor: 
Aha, Du hast gemeint paktieren wir (also gemeint Geschlechtsverkehr). Vier Punkte 
sind in meinem Leben die Ursache meiner Krankheit. 1. Die schweinische Kindheit; 
2. die Ehe; 3. die Erstarrung beim Tod meines Gatten; 4. das Verhältnis zum Seelen¬ 
führer. ad 1. Heute Nacht träumte mir, ich wäre in Tirol, dort sind die Weinreben 
laubenartig gebunden, das ist aber nicht richtig, die Trauben sollen sich an einem Stock 
hinaufranken, so wie in der Wachau. Wenn ich an die Wachau denke, so muß ich an 
meine schweinische Kindheit denken. Die Wachau ist mir dadurch verleidet (s. oben). 
(Sie ergänzt: der Mann war zirka 66 Jahre alt. Die Szenerie erinnert sie an Hermann 
und Dorothea. Der Mann drückte ihr sein steifes Genitale in die Hand, und berührte 
das ihre.) In Gräfendorf als zirka 10jähriges Kind, hockte ich mit mehreren Mädchen 
gemeinsam unter einer Eisenbahnbrücke, während darüber die Bahn fuhr, und wir 
verrichteten unsere Notdurft. Ein 14 jähriges Judenmädchen hatte auf der Boden¬ 
stiege seine Notdurft verrichtet, und ich schaute von unten zu; wahrscheinlich ist mir 
Urin ins Gesicht gespritzt; dann vertauschten wir die Rollen; einmal habe ich als 10 jäh¬ 
riges Mädchen einem gleichalterigen Mädchen eine Papierdüte in den After gesteckt. 
Diese Schweinereien sind es, die mich niederdrücken. Deswegen macht mir die Stimme 
den Vorwurf, daß ich da hinunter gehöre, ad 2. Ehe. Ich habe mit der besten Absicht 
die Bekanntschaft mit ihm begonnen; er mußte damals wegen seiner Braut den Dienst 
als Offizier quittieren, und wollte sich als Sänger ausbilden. Ich habe sofort erfaßt, 
daß er trotz seiner schönen Stimme keine Karriere machen würde. Ich dachte, er 
würde in einen Alltagsberuf eintreten, wir würden zusammen musizieren, und es würde 
eine glückliche Ehe sein. Mein sehnlichster Wunsch war, Frau zu sein, und über 
diesen Wunsch vergaß ich meine Liebe zu prüfen. Mit dem ersten Kuß, den ich ihm 
gab, begann meine Krankheit. Da wußte ich, daß wir nicht zu einander paßten. Ich 
bin ein stilles Martyrium. Ich muß ausgleichend wirken; ich sehe so vieles, was nicht 
in Ordnung ist, und kann nichts ändern. Mein Mann hat mich rein geliebt, ich ihn 
nicht. Meine Verkehrtheit mache ich wieder gut. Ich wollte ihm das Glück nicht 
rauben, ich habe mich geopfert und bin dadurch krank geworden. Durch diese ge¬ 
schlechtliche Unbefriedigung bin ich dazugekommen, meinen Mann zur Seite zu 
schieben und es als Fügung anzusehen, daß er krank wurde und starb. Er wollte 
vor mir immer als gesund gelten und wich meiner Pflege aus. Er wollte nicht krank 
sein, denn das hätte seine Männerwürde beeinträchtigt. Er war zu stolz, sich von 
mir pflegen zu lassen, ein protestantischer Starrkopf. Es wurde ihm ein Tee zu¬ 
geschickt, auf dessen Emballage stand: Jede Lungenkrankheit wird geheilt Da ging 
es mir durch den Kopf: Aha, da könnte er gesund werden, den geben wir dir nicht. 
Ich zeigte ihm dann doch den Tee und war innerlich befriedigt, als er den Tee dann 
als wertlos verwarf. Dadurch habe ich eine Schuld auf mich geladen. Eine weitere 
Schuld lud ich auf mich dadurch, daß ich dem Offiziersdiener das Geheimnis meiner 
unglücklichen Ehe an vertraute, ad 3. Erstarrung beim Tod meines Mannes. Seither 
kann ich nicht mehr weinen; mein großes Glück war, wenn mich jemand zum Weinen 
brachte. Seit dem Tod meines Mannes habe ich mich nicht mehr berechtigt gefühlt, 
zu weinen. (Sie weinten doch unlängst, als Sie trieften.) Ach das war ja eine Schweine¬ 
rei, aber ich möchte schon weinen, ad 4. Verhältnis zum Seelenführer. Ich habe zum 
Seelenführer ziemliche Neigung empfunden, aber es war nicht meine Schuld. Die 
Schuld kam von ihm, es ist der Teufel. Der Teufel hat eine Idealfigur in mir zurückge¬ 
lassen, den Seelenführer. Im Traume kam der Mond vor, der Halbmond, Harem. Mit 



126 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


dem Harem will mich die Stimme einfangen. Ich kann mir vorstellen, die Pat. sind 
alle im Harem, darin liegt die Versuchung; ich unterdrücke es. Mein Mann gab mir 
die Zigarettenschachteln mit dem türkischen Halbmond. Wenn ich rauche, ■wirft mir 
die Stimme vor, ich tue das nur zur geschlechtlichen Erregung. So etwa« ist mir doch 
ganz fremd. Die Stimme quält mich mit Selbstbewunderung. Meine Willensschwäche 
ist meine Krankheit, sie will mich einem fremden Willen unterstellen! Ich habe 
doch früher alles gegessen, und habe nicht gerne, daß am Essen der Begriff des Guten 
und Bösen haftet. Ich wollte gestern Kraut essen, da sah ich plötzlich etwas Ekel¬ 
haftes, solches (demonstriert die Größe einer Spanne) von da unten. Ich kann mir 
vorstellen, daß es mich geschlechtlich erregt hätte. Ich mußte die kleine Figur mit 
dem Löffel zerhacken, und konnte nichts essen. (Zeichnet diese Figur.) Ich kann 
es nicht zeichnen, vielleicht werde ich dann nie mehr essen können. (Zeichnet schlie߬ 
lich doch!) Ich weiß es ja, es war nur ein Stück Kraut. (Ein Arzt geht rauchend 
durch das Zimmer.) Ah, endlich Zigarettenrauch, der einzig gute Geruch (schnüf¬ 
felnd), er schwenkt aber ins Geschlechtliche. Ich sehe mich in Spanien singend. 
Spanien ist mein Heimatland, dort sind die Mädchen sehr bewacht und enthalten 
sich vollständig, bevor sie Frauen sind. Sie bleiben bei der Mutter. Erst wenn sie 
Frauen sind, enthalten sie sichnicht. Ichstelle mir vor, ich bin feurig, wie eine Spanierin. 
Tanz gefällt mir, aber Kastagnetten passen nicht dazu. Tanzsymphonie ist griechisch. 
Zwei Seelen wohnen in mir und ich weiß nicht, wohin mich wenden. Es berührt 
mich so peinlich, daß mein Stuhlgang nicht von selbst erfolgt. Die Stimme sagt, 
das ist die Strafe für die schweinische Kindheit. Ich war ein sehr phantastisches 
Kind. Im Abort hing ein Behälter für Klosetpapier, darauf war ein Mädchen, mit dem 
sprach ich immer französisch. Mir hat der Volksgarten gehört. Ich brauchte nur zu 
telephonieren, und es standen Equipagen bereit. Einmal telephonierte ich, ich wußte, 
es sei Unsinn und es würde keine Equipage kommen. Aber ich habe meine Freundin 
im Irrtum gelassen und sie nicht aufmerksam gemacht. Dadurch habe ich eine große 
Schuld auf mich geladen. Die Stimme wirft mir vor, daß ich immer auf Mädchen - 
füße schaue, um mich geschlechtlich zu erregen. (Empört; Ich tue das doch nur als 
Ästhetin. Der Seelenführer hatte einen Kanarienvogel; als ich einst zu ihm kam, sagte 
er; Mein Vögelchen hat sich das Beinchen lädiert. Ich habe es buchstäblich aufgefaßt, 
die Stimme unterschob aber einen sexuellen Sinn (wie wenn bei einem Mädchen das 
Häutchen reißt.) Der Seelenführer gab mir 2 Zigaretten in das Retikule. Zuhause 
sagte ich mir, wieso kommt er dazu meine Sachen zu berühren, er hat doch nie meine 
Sachen berührt. Es war ein geschlechtlicher Akt. Wenn die Vögel ans Fenster kommen, 
will ich ihnen Futter streuen, nur aus Mitleid will ich das. Die Stimme sagt, ich tue 
das zur geschlechtlichen Erregung, und ich empfinde doch wirklich nur Mitleid. 
Heute kam eine neue Patientin, eine nette Frau, ich stand barfuß; ich faßte sie an 
der rechten Hand und führte sie dreimal den gleichen Weg. Ich hatte so Mitleid mit 
ihr.“ (Wirft die Stimme Geschlechtliches vor ?) „Nur wenn ich barmherzig bin, schweigt 
die Stimme.“ (Und wenn sie mit Vögeln barmherzig sind ?) „Ja, ich habe sie noch 
nicht gefüttert, ich traue mich nicht, muß auch immer wegschauen, wenn die Vögel 
kommen.“ 

8. I. Vision: „Ich sah zum Fenster hinaus, da sah ich eine grüne Sonne und in 
der Mitte eine reine Hostie. Das Wetter war dabei so warm. Mir ist das auf gef allen, 
da doch Winter ist. Ein anderes mal sah ich die Sonne in 7 reine Felder geteilt, in 
einem war folgende Figur: die auf und zuschnappte, die mir schon oft als Sinn¬ 

lichkeit erschienen ist. Wie kann ich nur in die Sonne schauen, und Sinnliches sehen ? 
Die Sonne ist die Reinheit selbst. Die Figur war wie ein Vogelschnabel, wie ich es da¬ 
mals in E. gesehen habe. Mit Vögeln will ich nichts zu tun haben. Vision: Etwas 
rundes, so wie eine Nuß, aus der ein Tropfen fließt. Wahrscheinlich war das die Ge¬ 
bärmutter. Wahrscheinlich gibt mir der Verführer alles, was meine Angst ist in die 
Vision. Der Onkel hatte die Zunge heraushängen, als er tot war. Es war ein Zeichen, 
daß er ein sinnlicher Mensch war. Ich muß immer alle Menschen trennen in Gute und 
Böse und die Gegenstände in links und rechts. Das ist ein Zwang. Rechts ist rechts, 
links ist links. Die Stimme verkörpert mir das linke — mein Kaffeelöffel fiel mir auf 
die Erde, er wurde schmutzig, darum legte ich ihn links hin und sage: das ist mein 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


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Kinderlöffel. Ich hätte ihn auch mit der rechten Hand aufheben können, aber mit 
diesem Löffel habe ich immer eine peinliche Tendenz gehabt, darum habe ich ihn links 
hingelegt. (Auf Frage.) Als Mädchen spielte ich mit einem Hund, ein Kinderspiel, 
der sich an mir sexuell erregte und mir wahrscheinlich Mund und Nasenrücken ab- 
geschleckt hat. Er hat mich auch sehr erregt, aber ohne daß ich davon wußte. Dieser 
war ein langhaariger Hund, der sich an meinem Fuß geschlechtlich befriedigte. In 
der Ehe war es ein kleiner Hund (Mops), der mich an den Geschlechtsteilen geleckt 
hat. Dieser hat mir besondere Selbstvorwürfe verursacht, da er ja Ehebruch an 
mir begangen hat.“ 

9. I. Eine Stimme sagt, ihr Mann sei ein Gott. „Kann ich die Stimme des Seelen¬ 
führers identisch machen mit der Dr. Fs ?“ Die Stimme sagte, sie, die Stimme, habe 
ihren Mann erschlagen. Sie, die Pat., ist jetzt ein gräßlich unklares Geschöpf. Die 
Vision ist nur Vorstellung. „Alles ist meist Nachts.“ Vielleicht hat das Ganze einen 
politischen Zweck. Sie hat das Gefühl, daß etwas auf das Bett hüpft, so daß das 
Bett erzittert. „Ich liebe den Geistlichen, doch hat das keinen Zweck.“ Der Seelen 
führer stellt sich als Böses vor. Die Stimme sagt, man wisse nicht, wo sie hin gehöre, 
aber ,,ich bin doch eine Frau und arbeite gerne“. 

15. I. Will arbeiten und sich ihr Ideal als Frau wieder aufrichten, ohne Frau zu 
sein. Ich bin so erstorben. Fragt den Referenten ernsthaft, ob denn D. F. wirklich 
der Erlöser sei. 

20. I. Sie hat ihr Brot der Patientin P. gegeben, die Anfälle hat, weil der Onkel, 
der auch Anfälle hatte, ihr Böses getan hat. Sie will hier nicht mehr essen; sie ist vom 
Bösen umgeben, weiß aber nicht, was sie Böses getan hat. 

23. I. Sehr deprimiert, sie steht mit der Unterwelt in Verbindung. Das Bett er¬ 
zittert wie unter allen Menschen, mit denen sie in Berührung kam. Die Speisen riechen 
nach Kot. Sie ist ausgehöhlt, wie ein Ballon. Hat kein Herz und keine Gebärmutter. 
Die Stimme hört sie noch immer. 

Sie wird am 28. Januar 1919nach Hause entlassen. Sie verweigerte zu Hause die N ah - 
rungsaufnahme, spricht von Offenbarungen* Christus sei bei ihr; lag stundenlang 
regungslos, antwortete auf Fragen nicht, hatte die Augen geschlossen. 

Bei der Aufnahme deprimiert, ziemlich gesprächig, spricht in ihrer alten Art, zer¬ 
streut, stockend und abspringend. Sie sei zu Hause ruhig gewesen und verstehe nicht, 
weshalb man sie hereingebracht habe. Die Stimme hat sie gehört, aber es war nicht 
qualvoll. Über den Inhalt dessen, was die Stimme zu ihr sprach, will sie keine Aus¬ 
kunft geben. Sie habe zu Hause ruhig gebetet. Sie spricht zeitweise stockend, starrt 
vor sich hin, verzieht schmerzlich das Gesicht, gleichzeitig lächelnd. Behält steife 
Haltungen bei. 

10. II. Auf der Abteilung teilnahmslos für ihre Umgebung, muß zu allen Verrich¬ 
tungen angehalten werden, sitzt oft lange Zeit mit ausgebreiteten Armen im Bett, 
verkriecht sich dann wieder und gibt erst nach wiederholten Fragen Antwort. 

Liegt mit geschlossenen Augen bei starrer Mimik, stillem Gesichtsausdruck, re¬ 
gungslos da; ihre Glieder lassen sich passiv in verschiedene Stellungen bringen und 
werden lange in ihnen festgehalten. In dem ganzen Bild dominiert die Bewegungs¬ 
armut. In ihrer Mimik zeigt sich zeitweise ein verklärt-seliges Lächeln. Sie ist sprach¬ 
lich zugänglich. Sie hatte den Traum: der liebe Gott kommt und weckt sie. Sie ver¬ 
kriecht sich unter der Decke, weil der liebe Gott wollte und sagte: „Bedeck Dich.“ 
Der liebe Gott fragte, was sie ist: sie sagte: „Staub und Asche.“ Sie hat eine große Gnade 
erfahren. Sie ist ein Mensch. Sie dachte ganz fest: Brot, Brot, Brot und betete dabei. 
Dcw Wort Brot ist ein Schutzwort. Sonst kommen ihr Gedanken beim Beten da¬ 
zwischen. Sonst kommen ihr die Worte: Vorstellung und Funktion (die natürliche 
Regelung der Funktionen). Diese Worte verjagt sie durch das Wort: Brot. Vom 
Brot kommen reine Begriffe. Es heißt auch: Unser tägliches Brot gib uns heute. 
(Was ist Vorstellung ?) Man betet, um keine Vorstellungen zu haben. Vorstellung 
schließt den Begriff des Ungesunden ein. Vorstellung rührt nicht von Gott her. Sie 
hat immer etwas gesucht, hat sich nie verstanden gefühlt und hat ihre Leiden nur 
dem lieben Gott gesagt. Der liebe Gott sagte: warte. Jetzt schlägt ihr Herz. Wenn 
der liebe Gott mit ihr spricht, hat sie ein Gefühl es ist das Höchste. Es ist so ruhig. 



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Zur Psychologie der Schizophrenie. 


das Gefühl der Erwartung. Gott befahl ihr, sich abzudecken, das bedeutet: den freien 
Blick darf man zu Gott erheben. Die Stimme des Seelenführers war nur eine Erschei - 
nung, eine Figur, eine Sache, der sie nicht mehr gedenkt. Wenn der liebe Gott kommt, 
so flieht das alles. Jetzt ist sie nicht mehr durch Mächte beängstigt, die ihr entgegen 
waren. Sie hat viel gefastet, damit sie Gott vor Gefahr beschütze, es war ein Opfer. 
Sie wollte die Kraft bekommen, den Nachstellungen des bösen Feindes zu entgehen. 
(Wer ist der böse Feind ?) Das Gegenteil der Nachfolge Christi. (Vielleicht die Stimme ?) 
Ja, das kann sein. (Was war mit dem Adler ?) Der Adler war Schicksal, das böse 
Schicksal. (Seit wann spricht Gott mit Ihnen ?) Seit gestern. Sie erkennt das durch 
die Gnade, die sie durch die göttliche Stimme erfahren hat; für den Menschen ist 
es eine Gnade Gottes, wenn die Regelung der körperlichen Fähigkeit in Ordnung 
vor sich geht. „Das ist aber durch den. das hab ich durch die Gnade Gottes. Ein 
schwerer Kummer ist durch die Gnade Gottes von mir genommen und der Kummer 
war das Versagen der körperlichen Fähigkeit.“ (Welche körperliche Fähigkeit hat 
gefehlt ?) „Die Verdauung und damit in weiterer Folge die Abgabe.“ (Der Exkremente ?) 
„Ja, des Kotes.“ (Verzückte, verklärte Miene.) „Es hat mir Schwierigkeiten gemacht, 
das zu finden. Ich habe an das Buch gedacht, wo das Wort vorkommt.“ (Was hat 
Gott noch geregelt ?) „Ich habe das Empfinden.“ (Was für eines ?) „Ich habe ein 
Kindergemüt und habe das Empfinden, der hebe Gott beschützt mich.“ (Ist denn 
der Kot so wichtig?) „Das ist für den Menschen eine Gnade Gottes.. . Die Kot¬ 
abfuhr.“ (Was geschieht, wenn das geregelt ist ?) „Das Leben erwacht.“ (Wenn es 
nicht geregelt ist ?) Ist das Leben erstorben. Wenn das Leben erwacht. Stelle ich mir 
das so vor, der Mensch nimmt die Speisen zurück. Ich denke an Brot, Brot schließt in 
sich, erweckt den Aufblick zu Gott, weü auch im Vaterunser steht: Gib uns unser täg¬ 
liches Brot. Ich esse das Brot. Die Kraft des Brotes gibt mir die Gesundheit des 
Körpers und die Reste, die geben dann eben, das ist eben die Abfuhr des Kotes. Das 
ist das Leben des Menschen, der Vorgang der körperlichen Kräftigung. Die Kraft wird 
uns durch den heben Gott zugeführt „(geschlechtliche Empfindungen ?)“ „Das weiß 
ich nicht, darüber habe ich keine Klarheit. („Sie wissen, daß Sie eine Gebärmutter 
haben ?“) Dann war die Entziehung der Gebärmutter eine Vorstellung.“ Ekstatisch 
visionär, aber stiller Tonfall, häufiges Stocken, verklärtes Lächeln bei ausgesprochener 
Bewegungsarmut und Katalepsie mittleren Grades. 

10. II. (Warum sie sich nicht wäscht ?) „Ich kann mit keinem Wasser in Berührung 
kommen, ich will nichts Feuchtes, alles muß trocken sein. Feucht ist Quatsch, ist 
Kanalwasser, da fallen einem die Geister ein, die Kot essen. Das Wasser ist weich und 
rinnt durch die Finger. Ich stelle mir vor, es ist Wischeiwasser (Urin). Mit Seife kann 
ich mich auch waschen, denn der reine Genuß in der Ehe war mir ja versagt und 
wenn ich die glitschige Seife in der Hand habe, denke ich immer, dieses Gefühl gehörte 
eigentlich an einen anderen Körperteil.“ 

„Alle Vorstellungen sind plastisch bis in die kleinsten Details, wie zum Greifen. 
Ich glaube, ich könnte eine gute Büdhauerin sein.“ Diese Art der Vorstellungen besteht 
seit dem Tode des Mannes. Die erste deutliche Vorstellung war der Mann, der als 
Offizier im Himmel erschienen ist. „Ich habe den Zwang, Büder zu entwerfen.“ 
Auf Aufforderung entwirft sie ein Bild: „Ich sehe die Gestalt des Jesus, wie er den 
Segen über die ganze Erde spendet. Ich sehe ihn in der Bewegung eines Sämannes, 
aber der Samen spritzt aus dem Geschlechtsteil Jesus über die Menschen.“ 

(Warum sie so oft fliegt ?) „Das sind Abwehrbewegungen gegen die Einflüsse des 
Bösen. Plötzlich umgibt mich eine kalte Luft, das bring ich in Zusammenhang mit 
dem Mond, als ob meine Seele schon auf dem Mond wäre. Die Stimme sagt mir, daß 
ich auf den Mond komme“. (Der Starrkrampf zu Hause ?) „Ich habe öfter Starr¬ 
krämpfe. Die Stimme sagt mir, das würde mein Tod sein. Ich werde erstarren.“ 
„Zu Hause ist mir alles fremd vorgekommen: der Priester in der Kirche hatte Augen¬ 
gläser und hatte gar nicht das Gesicht eines Priesters. Die Meßkleider waren so eigen¬ 
tümlich, rot. Die Hostie schmeckte nach frischer Bäckerei und war ein wenig entrundet. 

Die Stimme sagte immer Scheißen und Brunzen, wenn sie von Ausscheidungen 
spricht. Dagegen habe ich immer Krämpfe, denn ich habe diese Ausdrücke doch nie 
gebraucht.“ 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


129 


(Woran sie jetzt denkt ?) „Ich lasse mein Leben Revue passieren; ich weiß nicht 
warum ich sage: passieren, das hat doch eine Nebenbedeutung, das heißt doch Ge¬ 
schlechtsverkehr; ich sage lieber Überblick. Mir sind wieder zwei Punkte aus meiner 
Kindheit eingefallen, die ich noch nie gebeichtet habe; ich muß sie aussagen: als 
junges Mädel habe ich einmal eine Kerze genommen und sie mir unten hineingesteckt 
und der zweite Punkt ist: ich habe einen Spiegel genommen und mich auf die Erde 
gehockt und meinen Geschlechtsteil beobachtet.“ 

12. II. Sie ist dauernd bewegungsarm, in bestimmten Haltungen erstarrt. Die 
Mimik auffallend unbeweglich und arm. Sie ist dabei sprachlich zugänglich. Sie spricht 
aber sehr abgehackt, zerfahren, wiederholt sich oft, schiebt immer wieder Füllsel ein, 
„wie soll ich denn sagen, wie hab ich gesagt, wie denn nur usw.“ Sucht und ringt nach 
Worten, stockt und verliert den Faden und vergißt, was sie zuletzt gesagt hatte. Sie 
hört noch immer die Stimme Gottes. „Ich warte die Befehle ab, ob ich zu sprechen 
habe, — Gott hat mein Gemüt erleichtert und ich habe die Gnade gehabt, dem lieben 
Gott meine Gemütserkrankung vorzutragen. Die Stimme Gottes fragt, wer ich bin, 
ich empfinde die Stimme Gottes als aus der Höhe kommend. Ich kann nun für Gottes 
Gnade danken. Ich empfinde eine wunderbare Rettung aus Seelengefahr.“ Der 
böse Feind hat ihre reinen Empfindungen unverschuldet verzerrt. „Die in mir lebende 
— wie soll ich sagen — die in mir unverschuldete Verzerrung meiner Empfindungen ist 
durch den bösen Feind ausgenutzt worden und ich habe mich gegen die Umstellungen 
des bösen Feindes, — jetzt bin ich durch die Gnade Gottes frei.“ Sie hat gestern sehr 
viel mit dem lieben Gott gesprochen, weiß aber nicht, was. In der Nacht erschien eine 
Frau, die der Böse ist, sie wollte, die Patientin solle ihr folgen und dann verschwand 
sie. Es ist Gnade Gottes, daß die reinen geschlechtlichen Begriffe ihr klarer geworden 
sind. Es schwebt ihr eine reine Ehe mit natürlichem Geschlechtsverkehr vor. Es 
war ein Vorgang, in dem sie sich nach der Höhe gelöst fühlte. „Ich habe gefühlt, 
was soll ich sagen ?“ (Was gefühlt ?) „Eine Lockenmg.“ (Was hat sich gelockert ?) 
„Der Bauch.“ (Was hat das zu bedeuten ?) „Das weiß ich nicht.“ (Das war durch 
die Stimme ?) „Die Stimme hat es gesagt und ich habe es gefühlt. Die mir nur un¬ 
schuldig zukommende Verzerrung meiner reinen Empfindungen ist entschwunden 
und ich fühle mich befreit.“ (Seitwann ?) „Seit gestern.“ Sie stellt sich rechts den lieben 
Gott vor und links den bösen Feind. Der böse Feind ist die Sinnlichkeit „und darum 
habe ich aufblicken wollen und konnte es nicht. Der reine Aufblick war durch die 
Vorstellung beschmiert. Die Vorstellung enthielt den Begriff einer Prüfung und das, 
was zur Linken war, war dann zur Rechten.“ (Sehr stockend, fortwährend Füllsel 
und Flickworte.) Sie vernahm noch manche Einwürfe vom Bösen: „Ich spreche und 
rede fortwährend durch Einwürfe, wie soll ich das jetzt sagen, eine Stimme, mit der 
ich mich nicht befasse. Früher war die Stimme links, jetzt ist sie rechts. Was links 
war, ist durch Gottes Gnade geläutert. Das Linke ist rechts recht geworden.“ Gestern 
hörte sie die Stimme ihres Mannes. (Rechts ?) „Ja rechts.“ (Stockend, zögernd.) Der 
Einlauf, den sie am Vortage bekommen habe, war eine Buße für sie. Die Funktion 
hat versagt, das war eine Verführung, wie wenn die notwendige Regelung der Ab¬ 
gänge — durch Gottes Strafe entzogen ist. 

13. II. Starr in katatoner Stellung. Die halb geöffnete Hand ausstreckend, wie 
einer, der eine Gabe empfängt, mit süßem Lächeln, verklärt seelig, dabei starr. 

Abends noch immer starr, liegt rückgelehnt mit der gleichen Haltung der Hände 
wie eine empfangende Frau. Selig verklärter, unbeweglicher Gesichtsausdruck. 
Sprachlich zugänglich, ohne daß sich Gesichtsausdruck und Haltung ändern. Sie 
hört die Stimme Gottes; es dünkt sie, sie hätte die Gnade Gottes. Die große Gnade 
erfüllt sie ganz. Durch die große Gnade ist ihr Gemüt entlastet und befreit; daß sie 
mit Dankbarkeit erfüllt ist. Spricht leise stockend in der alten, zerhackten Manier. 

14. II. Hält die Hand steif in merkwürdiger Haltung: es ist eine erfrorene Abwehr¬ 
haltung. Die Hand ist überstreckt im Handgelenk. Handfläche nach unten, die Finger¬ 
haltung gespreizt. Ellenbogengelenk links gebeugt. Sie wehre so das Böse ab. „Ich 
kann das so ganz gut. Meine reinen Empfindungen sind einfach durch die falschen 
Auslegungen seitens des bösen Feindes verunstaltet worden. Meine so harmlose Froh¬ 
heit. Mit gewollten Ausdrücken wurde eine falsche Bedeutung — z. B. ich spreche 


Schilder, Seele und Leben. 


9 



130 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


ein Wort aus, denke nicht darüber nach, welche Bedeutung es haben soll. Ich kann 
mir dies gar nicht vorstellen, daß es eine andere Bedeutung haben soll/ 4 Das Böse, 
so erklärt sie ihre Haltung — ist die Tiefe. „Die Verfolgung ist so weit gediehen, 
daß es nicht mehr bemerkt wird. Es erfrecht sich jemand zuzurufen: „Du gib acht.“ 
Da mache ich die Handbewegung!“ (Auf Frage.) „Was soll ich mir denken, was da 
unten vorgeht. Ich denke darüber nicht nach. Ich bin von Gott beschützt“. Sie hört 
noch die Stimme Gottes! Lacht plötzlich während der Unterredung. Bekommt einen 
lächelnd verklärten Gesichtsausdruck. Die Haltung bleibt starr und steif. Die Stimme 
Gottes hat sie aus Gefahr gerettet, aus der Gefahr des bösen Geistes. Dieser ver¬ 
sucht sie. „In der Tiefe sind die gottlosen Mächte, da ist doch Feuer; ich hab es nur 
früher anders vorgestellt/ 4 (Reproduziert ihre früheren Angaben.) Die Stimme des 
Bösen belästigt sie mit Einwürfen, jetzt ist diese Stimme erledigt. (Wessen Stimme 
war das ?) „Das ist jetzt ganz verschoben.“ Sie antwortet auf alle Fragen, aber sehr 
zerhackt, zerfahren im Gedankengang. Bringt ein Wort heraus, stockt, verliert den 
Faden, knüpft wieder an, manchmal versagt auch das Reden inmitteD eines Satzes. 

16. II. Noch immer starr und bewegungsarm. „Meine Krankheit ist nur mein 
starkes Gedächtnis, es bleibt etwas in meinem Gedächtnis und das quält mich, aber 
dann gebe ich das ganze Gedächtnis in die Luft hinaus und die ganze Angst und Furcht 
gebe ich auch in die Luft, und dann fühle ich mich wieder leicht. Je mehr ich in die 
Luft hinausgebe, desto leichter fühle ich mich. Auch Aussprache hilft, fest aus¬ 
sprechen. Wenn Vorstellungen kommen, so muß ich sie laut aussprechen, dann ver¬ 
schwinden sie. Es muß gereinigt werden. Diese Reinigung liegt in der Aufgabe in 
die Luft, im Sprechen!“ Ein Jugenderlebnis macht ihr Beschwerden. Sie war als 
Kind in der Sommerfrische. Dort erwachte lebhafte Neugierde, einer Kuhdirne beim 
Defäzieren zuzusehen. Sie hat auch die Kühe gerne bei diesem Geschäft beobachtet. 
Es zieht ihr alles durch den Kopf, daß sie es nicht überwältigen kann. (Über Vorstel¬ 
lungen befragt.) „Wenn man etwas erdenkt, was in der Wirklichkeit nicht besteht, 
ich sehe es sofort, ich habe sofort die begleiten, denn das was ich denke, stellt sich mir 
— es wird sofort deutlich sichtbar. Der Gedanke nimmt sofort Gestalt an.“ Sie 
muß alles vorstellen, alles zieht ihr vor Augen, was sie erlebt hat. Es quäle sie ja nichts 
so lebhaft, der Gedanke bekomme eine solche Kraft, dann komme das Gefühl, ab¬ 
geben, abgeben. Jede Vorstellung ist imangenehm, auch eine gute. Wenn sie eine 
Vorstellung in die Luft abgibt, dann zieht der Gedanke ab. 

Der Böse mißte, daß sie die reinste Frau ist. Er hat sie durch Gedanken verführt 
Er verwirrte sie. Wollte sie gottlos machen. Gott hat die Gnade sie zu schützen, 
Haltung starr, Bewegungsarmut, keine Katatonie im engeren Sinne, Duktus zer¬ 
rissen, faselig. 

18. II. Liegt starr im Bett; hat nachts Stimmen gehört, ist aber jetzt müde, daß 
sie es nicht aussprechen kann. Die Krankheit ist gelöst. (Tragische Miene.) Heute ist 
alles aufgeklärt. Es waren Stimmen von oben, Glottes Stimme sprach von oben 
und vorne. Es kam die Aufklärung der Umstände zur Sprache. Die Tat der Verfüh¬ 
rung kam zur Sprache. Sie hat sich losgerissen von der Stimme des Verfülirers. Sie 
hat alles von ihm zurückgenommen. Die Stimme Gottes ist ihr eine Beruhigung, sie 
hört: „Kind, Kind!“ (Auf Frage.) So sagte ihr Mann immer zu ihr. Ihren Mann 
denkt sie im Himmel und mit Christus befreundet. 

Außer Bett — so gibt sie an — weiß sie nicht, was sie machen soll, ob sie rechts 
oder links gehen, ob sie den Speichel schlucken soll oder nicht. Es ist Angst vor der 
Stimme: „Beim Schlucken möchte ich immer beschützt sein.“ Im Bette traut sie sich 
nicht zu ruhen, weil sie ängstlich ist. Sie hat Platzfurcht, kommt schwer vom Fleck 
weiter. Sie fühlt sich beim Ankleiden von der Stimme beobachtet. Sie muß sich da 
sehr in acht nehmen, beim Essen ist sie ängstlich, es sei ihr imangenehm, weil die 
Stimme sexuelle Sachen hineinbringen wollte. „Speise ist nur immer eine Gabe 
Gottes gewesen.“ 

19. II. Mimik starr, sonst heute etwas bewegungsreicher. Hat Stimmen gehört: 
„Fürchte Dich.“ Zornig, erregt: „Ich weiß nicht, weshalb ich mich fürchten soll, ich 
bin ein Kind und bete zu Gott.“ Verlangt» erregt hinaus. 

Wenn sie Worte im Gespräch gebraucht oder hört, fällt ihr anderes dazu ein. Bei 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 131 

Revuepassieren denkt sie an Passieren von Paradiesäpfeln. Das Sieb zu Hause hat ein 
Loch. Das Passieren durch das Loch erweckt eine unflätige Vorstellung. 

Wenn sie von ihren Feinden spricht, so hat sie ein Gefühl im Bauch, als ob ihr 
jemand den Darm zuhalten würde, so daß kein Inhalt durchgeht. 

20. II. Die Vergangenheit rollt sich in Gemälden vor ihr ab. Sie hat die Vergangen¬ 
heit durch ein einwandfreies Leben gesühnt. „Der Anlaß zur Verfolgung seitens des 
Bösen — der Anlaß, daß sich das Böse berechtigt fühlt mich zu verfolgen, war die 
Kenntnis seinerseits, der in der Familie schlummernden Triebe.“ (Welche Triebe ?) 
„Nicht zur guten Entfaltung gelangten. Es ist eine Belastung vorhanden — von 
Großvaters Seite.“ 

22. II. „Das ganze Gemütsleben wird lichter, es ist nur das immer vor geschwebte. 
Mein Gefühlsleben kommt jetzt in der reinsten Weise zum Ausdruck.“ Ihre Empfin¬ 
dung hat sich im Laufe der Jahre zu einer hochstehenden Reinheit entwickelt. Jetzt 
wird sie gesund werden. Sie hört wohl noch Stimmen, aber es hat einen anderen 
Charakter. Sie fühlt sich berechtigt, zum heben Gott zu beten. Die Stimme Gottes 
beschützt sie. 

Zuckt plötzlich zusammen. Es kommt ihr ein Wort Präservativ in die Sinne. 
Es wurde ihr als Kind von 12 Jahren ein solches von einem Mädchen gezeigt, das 
älter war als sie. „Ich faßte als Kind schwer auf, daß das in geschlechtlicher Richtung 
eine Bedeutung hatte. Da denke ich meiner Ehe, die in dieser Beziehung eine größte 
Reinheit in sich getragen hat.“ Dieses Wort fiel ihr jetzt plötzlich ein. Sie denkt 
an ihr Umhängtuch, das sie beschützt und das führt sie zu Präservativ. „Grade dünkt 
mich, ich hab immer gesagt, wenn alles grau in grau ist, so geht man zum Kreuz... 
wenn ich mich vor Gott schütze, das graue Tuch... ich habe die Verletzung, die in 
dem Worte... ich habe Gott um Verzeihung gebeten, daß der Schutz, der er mir 
angedeihen läßt... das Wort auch Präservativ.’* 

Sie hat Momente, wo eine riesige Gemütserregung durch sie weht. Dann flaut es 
wieder ab. 

Hält auf einmal die Hände vor, wie wenn man etwas kostbares erhält und an die 
Brust drücken will. Die Miene drückte völlige Ergebenheit und Verzückung aus, 
sie starrt entzückt vor sich hin, in starrer Haltung: „Die Stimme Gottes.“ „Ich habe 
jetzt die Gnade gehabt mit Gott zu sprechen. Gott sagte: ich liebe dich... Nach der 
gestrigen Klärung des Gemütslebens ist eine... jetzt muß ich die Worte wieder... eine 
enorme Erleichterung eingetreten.“ (Spüren Sie etwas am Körper ?) „Ich fühle mich 
so erleichtert, die Klärung des Gemütslebens hat bei mir eine solche Erleichterung 
hervor gebracht. Es war als wenn alles von mir gewichen wäre. Nach diesem Moment 
war nur die Reinheit, ich habe mich gefühlt, wie wenn man heilig ist. Es ist meine 
Seele. Ich kam mir gelöst und reich vor.“ (Selige Gefühle?) „Es war eine ganz 
eigentümliche Empfindung. Ich fühlte mich wie ein Kind, so locker.“ (Was heißt das ?) 
„Ich weiß nicht, wie ich das zustande bringen soll. Ich habe die Empfindung, wenn 
ich mich so heilig fühle, daß die Liebe Gottes wohlgefällig (verzückte Mimik) auf mich 
blickt.“ (Worin kennzeichnet sich der Zustand der Kindheit noch?) „Ich, ich meine 
es soll ein Vorbild sein, wie ich meine Kindheit empfunden habe; es ist die Empfin¬ 
dung, wie ein Gebet. Das, wovon ich die Empfindung habe, es sei dem lieben- Gott 
nicht wohlgefällig, lasse ich an mir abprallen.“ (Verändert ?) „Ich fühle mich belebt.“ 
(Körperliche Funktionen ?) „Da ist eine furchtbare Veränderung meines Körpers 
eingetreten. Ich habe auch nach der gestrigen Wendung meiner Krankheit die Emp¬ 
findung gehabt, Gott hat die Gnade, mich zu ordnen, mein Körper, Gott hat die 
Gnade, meinen Körper zu beobachten. Gott beobachtet die Reinheit meines Kör¬ 
pers. Gott hat die Gnade, die Verunstaltungen meines Körpers gutzumachen.“ 
(Welche ?) „Ich bin belastet gewesen.“ (Wodurch ?) ,,Es ist eine Familie, es dürfte etwas 
auf mich über gegangen sein, was mein körperliches Leiden verursacht hat. Es sind 
irgendwelche Verkrümmungen.“ (Was ?) „Es dürfte eben mit meiner Gebärmutter — 
ich habe das Empfinden gehabt, meine Gebärmutter dürfte nicht mehr in Ordnung 
gewesen sein.“ (Haben Sie das jetzt nicht mehr ?) „Ich habe das sichere Gefühl.“ 
(Was für eines ?) „Daß Gott die Gnade hat, mich zu bauen.“ (Was heißt das ?) „Gott 
hat die Gnade, die Ordnung meines Körpers zu schaffen.“ (Sind Sie dadurch gelöst ?) 


9* 



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Zur Psychologie der Schizophrenie. 


,,Es ist für mich eine Befreiung.“ (Haben Sie etwas am Körper gefühlt ?) ,,Ich habe 
das Empfinden, wie die Gnade Gottes meinen Körper schafft.“ (Wie spürt man das ?) 
,,Die Lockerung.“ (Was wird gelockert ?) „Die Verengungen weiten sich.“ (Ge¬ 
spürt ?) „Ja, ich habe es gespürt.“ (Auf welche Weise macht das Gott ?) „Ich hab 
nur die reine Empfindung, ich bin dankbar für die Gnade Gottes, daß er die Gnade 
hat, meinen Körper zu ordnen.“ (Sie fühlen sich als Kind ?) „Ich hab mich bis jetzt... 
ich hab mich gestern.“ (Wiederholung der Frage.) „Die Ordnung meines Körpers 
hat es mit sich gebracht, die gestrige Aufklärung meines bisherigen Lebens, daß ich 
mich so erleichtert imd gehoben fühle. . . ich bin so mit Gnade erfüllt, daß ich mich 
wie ein Kind fühle.“ (Auf Zwischenfrage.) „Ich denke mir das so, ich habe mich durch 
die Vortragung meines Gemütslebens so erleichert gefühlt, daß es mir dünkt, ich bin 
ein Kind; dieses Kindergefühl hat dann in mir das Gefühl... es war mir so heilig. 
Und dann habe ich die Gnade gehabt, daß mein Körper in Ordnung kam. Jetzt habe 
ich. . . daß Gott die Gnade hatte, in meinem Körper Ordnung zu machen. Ich fühl 
mich beschützt, daß ich die Reinheit meiner Empfindung wahren konnte. . .“ (Wäh¬ 
rend ihrer Erzählung Grundton der Verzückung und erotische Mimik!) 

20. II. Haltung und Mimik etwas freier, aber noch immer gebunden katatonisch. 
Sie hört noch die Stimme Gottes. Durch den Schutz Gottes verklärt sich die Stimme 
des Bösen immer mehr. Sie fühlt sich geschützt. 

Hat Urin ins Bett gelassen. Es war ein Bedürfnis, sie konnte nicht aufstehen, 
weil sie etwas hielt. Die Überlegung war geschehen, voll, sie habe große Gedanken. 
Sie dachte über die Erfüllung des Willens Gottes nach. Es war völlig eine Prüfung; 
es war der Wille Gottes, daß sie es tat. Vielleicht ein Opfer. 

Manchmal kommen Empfindungen und sie hat das Bild vor Augen. 

1. III. Klagt darüber, daß sich ihre Gedanken entwickeln in einer derartig 
regen Weise, daß sie sich nicht beherrschen könne. Der Gedanke raucht heraus und 
fährt heraus, wie ein Wahnsinniger. „Sehen Sie sich meinen Kopf an, er ist verändert, 
ich hatte früher einen Hügel, jetzt ist er ganz verändert.“ Der Zustand ist uner¬ 
träglich, sie kann nicht mehr. „Immer entwickeln sich Qualen der Gedanken. Mit 
der Hölle habe ich zu tun. Es sind spröde Begriffe, die ich entwickeln soll. Ich bin 
wie im Rausch. Das sind Fäden, der eine geht zur Höhe, der andere zur Tiefe, nur 
ich liege da, wie ein Klumpen.“ Hat das Gefühl mit Geistern in Verbindung zu 
stehen. 

7. III. Wird vom Bösen verfolgt . „Ich bin ja nur ein Mensch.“ Sie hat beim Schlucken 
Beschwerden. Sie muß beim Schlucken aufmerksam sein. Sie hat die Empfindung 
gehabt, daß im Geschlechtsteil Störungen vorliegen. Kataton und sprachlich wenig 
zugänglich. 

8. III. Starr katatone Haltung und Mimik. Sie spricht erregt mit harter modu 
lationsloser Stimme. Das Brot sei geschändet. (Sie starrt auf ein Viertel eines Brotes, 
das sie kataton starr in der rechten Hand hält.) Der Vater wird schon Ordnung 
machen. „Vater, komm!“ Er wird sie retten und beschützen vor Ungehörigem. Er 
wird in ihr Bett kommen. Wiederholt in der verschiedensten Weise: Das Brot sei 
geschlechtlich geschändet. Etwas später sehr erregt: nein, sie wolle nichts mehr an 
ihrem armen Körper ändern lassen. Verlangt erregt nach dem Papa (damit meint sie 
ihren leiblichen Vater), der sie retten soll. 

8. III.—19. III. Sehr ablehnend, akinetisch und gelegentlich kurze Äußerungen 
hervorstoßend; keine Kalatepsie. Wolle nicht sprechen; dann sich umdrehend: „Da 
haben Sie meinen Arsch“; dann laut schreiend: „Ich kann dir nicht helfen. Er soll 
zu Grunde gehen.“ 

19. III. Gibt Auskunft in ihrer zerhackten, zerfahrenen Art. Sie ist hoch immer 
ausgesprochen kataton. Man wolle aus ihr einen Kanal machen. Die Nahrungsauf¬ 
nahme hätte als geschlechtlicher Reiz dienen sollen. „Ich hätte viel mehr essen wollen, 
aber ich habe ihm das Vergnügen nicht gemacht.“ Im Magen hatte sie das Gefühl 
der Heiligkeit. „Ich habe alle Körperfunktionen zurückerhalten.“ Die Winde wollte 
sie nicht hinauslassen, weil sie im Bauche in Schutz sind. Man wollte ihr zwei Schlünde 
machen, einen rechten und einen linken, aber sie wollte nicht, und da versuchte man 
ihr vorne und rückwärts einen zu machen. Sie habe das Gefühl, zw T ei Schlünde zu 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


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haben, rechts hätte die Nahrung kommen sollen, die wirkliche Nahrung ist, links 
das Geschlechtliche. Man hat versucht, sie in zwei Teile zu spalten, links wollte man 
ihr ein Stück Gehirn aus dem Gehirn reißen, das hatte eine Ähnlichkeit mit der Brot- 
schändung. Über diese gibt sie an: Der ganze Laib ist die Welt, das Viertel, das rechts 
hinauf gehörte, ist links hinuntergekommen, und damit geschieht die Schändung. 
Da wird die Geschlechtlichkeit verkehrt. Stark kataton, sehr zerfahren, plötzlich 
abrupt: „Jetzt schrumpft es.“ Spricht in der alten Art. Keine katatonen Haltungen. 

20. III. „Ich habe heute die Kraft in mir gefühlt, daß ich meinen Bruder atmen 
ließ. Aus Nächstenliebe kann ich einen anderen atmen lassen. Der Bruder war vor 
mir gesund und nackt. Ich habe gemerkt, daß er nicht atmet, habe ihn atmen lassen.“ 
(Wie gemacht ?) „Ich habe gemerkt, daß er atmet und er hat geatmet, das ist die 
Kraft der Empfindung; das Atmenlassen hat mich eine Anstrengung gekostet; ich 
will Kraft und Gesundheit. Man hat mit einem Lasso mein Gehirn fangen* wollen. 
Auf mein Gehirn wartet schon die ganze Welt. Ich habe ein so tadelloses Gehirn. 
Links haben sie mir einen Teü des Gehirnes herausgerissen. Ich habe es ihnen gelassen, 
damit sie rein werden, männlich. Sie haben sichs in den Geschlechtsteil eingeführt, 
um rein zu werden. Sie wollten mich damit zu Grunde richten. Der Teufel hat das Ge¬ 
hirn wieder aus dem Geschlechtsteü genommen, aber die Reinheit ist darin geblieben. 
Die Bösen sind dadurch etwas besser geworden. Ich spüre es, sie quälen mich nicht 
mehr so. Ich habe ein kleines Schweindl auf reine Holzscharten gelegt und ringsherum 
im Kreise waren Gehimreste. Das war eine wunderschöne Vorstellung. Alles so 
rein und straff. Mich sticht es rückwärts, ich sag halt Popo, wie eine Biene, aber es 
ist doch geschlossen, also muß das ich sein. Ich sage After, das ist etwas Festes. Als 
Kind war ich ein Schwein. Schwein ist wenig. Ich sag lieber sinnlich, das ist hart. 
Ich rede immer härter. Ich werde eine Mumie. Die anderen reden immer etwas un¬ 
sicher. Die Verhärtung ist mir lieber als die Schweinerei. Erinnert sich an die Düte, 
die sie als Kind in den After eines Mädchens gesteckt. „Man hat mich belegt; auf der 
linken Stirnseite war „Vater“ gepickt. Die Gedanken und Worte werden mir in 
den Kopf geschoben wie Büder in die Latema magica.“ (Brotschändung ?) „Der Onkel 
hat wahrscheinlich das Brot in den Geschlechtsteil der Leni gesteckt.“ (Leni ist die 
Wirtschafterin beim Onkel und soll von ihm ein Kind haben.) „Der Onkel hat viel¬ 
leicht keinen Geschlechtsteil, darum tut er es mit dem Brot. Ich hab es dem Brot 
angemerkt. Im Magen hatte ich das Gefühl wie etwas abgeschlossenes, wie wenn das 
Scherzei eine Haube wäre. Vielleicht hängt dies mit dem Präservativ zusammen. 
Ich ekle mich vor allem Weichen, Fett-runzeligen. Ich wül nur Hartes.“ 

21. III. Ablehnend. Spricht nicht. Kehrt dem Referenten den Rücken zu. 

22. III. Vorgeneigte Haltung, starre Mimik. Leichte Unruhe der Hände. Spricht 
leise vor sich hin: „es ist entsetzlich schwer...“, anderes unverständlich. 

29. III. Sehr erregt, schreit: „Wartet, der wird gestraft, ich werde, ich werde mich 
hüten, euch meine Vorstellungen zu geben; der Geier kommt, zittert.“ „Der bleibt 
der Geier!“ Kataton starre Haltung. „Ich werde euch geben... ich weiß, so muß 
es sein. Da ist noch viel, dann werden wir euch dem Geier empfehlen! Ihr werdet 
fühlen, wartet nur, bis ich wieder eine gute Empfindung habe. Jeder einzelne, der mir 
Leid zugefügt hat, der soll mich fürchten. Das ich weiß — sage — verteidige der 
Geier, das macht nichts. Ich werde das dem Geier überbringen.“ 

1. VI. Zugänglicher. Sie spricht etwas abgehackt, nach Worten ringend. Die 
Haltung etwas starr, wie gespannt, sonst ohne ausgesprochene katatone Motilitäts¬ 
störungen. Sie leidet an Zusendungen, das sind Kotgerüche. Früher litt sie an Vor¬ 
stellungen, jetzt an Gerüchen. Sie ist von einem Hund geschändet worden. Der Hund 
ist in der Unterwelt. Er besteht vielleicht seit Anfang der Welt. Vielleicht hat ein 
Verkehr mit Gott statt gefunden. Der Hund schändet sie. Die Stimmen, die sie früher 
hörte, sind alle von einem Hund. Es wurde ihr eine Hundeschnauze über das Gesicht 
gezogen. Vielleicht hat man ihren Körper abgetragen. Sie leidet furchtbar unter den 
Gerüchen. In der Unterwelt da ist es schrecklich, dort sind Tiere und fürchterliche 
Gerüche, als gute Christin hat sie sich das früher ganz anders vorgestellt. „Ich weiß 
nicht, wie man jetzt darauf kommt auf den Hund... das kann ja eigentlich nur in 
Urzeiten...“ Der Hund schändet ihren Körper in der Unterwelt. . . Der Geier ist 



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Zur Psychologie der Schizophrenie. 


ihr Freund und schwebt in den Lüften... er wollte sie beschützen. Sie bringt das 
weinend, abgebrochen, stoßweise hervor, aber sonst geordnet. 

2. IV. Weint fortwährend. Ablehnend. Der Referent stände mit diesem Haus 
in Verbindung und wisse alles. Dann pathetisch: Man sollte trotz ihrer Schändung 
eingedenk sein, wie sie sei. Sie lebe doch auch in den höchsten Sphären. Gott wird 
sie gegen die Trugbilder schützen. 

5. IV. Sie liegt mit geschlossenen Augen bewegungslos. Stereotype Abwehrhaltun¬ 
gen, wenn der Referent mit ihr spricht, hält sie den Arm wie parierend vor das Ge¬ 
sicht und zieht die Decke über sich. Spuckt dann wieder Arm und Polster an. Betet 
mit erhobenen Armen. 

8. IV. Zornig, schreiend. „Schämen Sie sich, wagen Sie es nicht, mich anzusprechen. 
Ich werde mich nicht durch ein Gespräch mit euch in eine Lage bringen, die meiner 
nicht würdig ist. Wagen Sie es nicht, meinen Namen auszusprechen, ich bitte Sie 
darum in Ihrem eigenen Interesse.“ Steife Haltung und starre Mimik. Abends äußert 
sie relativ flüssig zu einem anderen Arzt, er sei verführt worden. Es ist der böse Geist 
aus der Unterwelt, der jetzt hier sein Unwesen treibt und der auch ihr alles weg- 
genommen hat. Er hat alles weggenommen und der ändert alle Menschen. Der Sturm 
geht durch die ganze Welt. Der böse Geist in der Unterwelt ist der Onkel. Auch ein 
Geistlicher, der sie hier besucht hat, ist verunstaltet. Ihr hat man alles weggenom¬ 
men, was die Frau charakterisiert. Sie spürt ihren völligen Zerfall. Über ihre Haltun¬ 
gen gibt sie an: die Stellung mit erhobenen Händen und mit nach innen gekehrten 
Handflächen ist entlehnt aus einem eine Büßerin darstellenden Büde. Sie muß zugeben, 
daß das eigentlich eine Begattung ist. (Was ist eine Begattung ?) Das Gebet! Davon 
träumte sie meist, weil die Betenden die Feinde der Geister der Unterwelt sind. Sie 
ist dreimal hier gewesen. Als sie das zweite Mal entlassen wurde, hat sie gedaeht, 
daß ihre körperlichen Funktionen in Ordnung gebracht seien. In der Nacht ist sie 
einmal sehr unruhig gewesen. Es war ein starker Kampf mit dem bösen Geist. Es 
gelang ihr, den Tod zu überwinden. Sie spürt einen vollständigen Zerfall. Bringt 
das alles abgehackt aber ohne grobe formale Störungen. 

10. IV. Nach einem Tag, an dem sie wieder völlig ablehnend war, jammert und 
stöhnt sie in sich hinein, gibt aber, wenn auch nur stockend und zögernd, Auskunft. 
Sie sucht rege nach Worten, wiederholt einzelne, verliert manchmal den Faden ganz. 
Sie will erst sprechen, wenn ihr selbst alles klar ist. Das Sprechen bringt ihr Gefahr. 
Sie will zuerst mit dem Priester (nicht dem Seelenführer!) sprechen. Sie hat ja ohne¬ 
dies schon gesagt, daß sie sich ganz zusammengezogen hätte, — man hat sie auch 
gekreuzigt, sie hat schrecklich darunter gelitten. Sie hätte Hundehände, ihre eigenen 
Hände hat man ihr entzogen. Man hat auch den Körper verändert und ihr alles 
genommen, was eine Frau hat. Der Hund ist vielleicht der Onkel. Über ihren Vater 
will sie nicht sprechen. In der Klinik wurde mit ihr experimentiert. Das dürfe nicht 
sein, es ist ja für die ganze Menschheit von Wichtigkeit. 

11. IV. Sie begrüßt Professor Stransky. Sie spricht stockend, würgt an den 
Worten. Wiederholt Silben. Die Mimik: Stirnrunzeln, verklärter inniger Blick, 
zeitweise wie auf zuckendes Wetterleuchten in der Gesichtsmuskulatur. Auch ein¬ 
seitiges Stirnrunzeln. (Stockend.) „Der Umkreis meiner Gedanken ist zu weit und 
Angriffen ausgesetzt.“ (Meinen Sie die Angriffe aus der Unterwelt ?) „Ganz richtig, 
da hab ich das so dargelegt... das ist entzogene Gedanken. . . ist. . . ja, ja... ich 
dachte da. .. ich habe da. .. ich habe alles gut bestellt, es ist mir etwas ganz Fremdes. “ 
(Wer entzieht die Gedanken ?) „Das kann ich machen, das ist alles, alles überwunden 
— ich habe gesprochen—bitte vielleicht können Sie dies als meine Krankheit nehmen.“ 
(Was ist es mit der Unterwelt ?) „Ja, ich glaube es w r ar, — mit dem Ganzen habe ich 
nichts zu schaffen — ich bin dort ein, wie sollte ich sprechen“. (Was ist mit dem Hund ?) 
„Es könnte gewesen sein.“ (Der Onkel ?) „Ist gestorben.“ (Stockend) „ich kann das 
nicht begreifen.“ (Hat steife Haltung.) 

12. IV. Examen durch Professor Stransky: (Keimen Sie mich ?) „Ja, Professor 
Stransky. (Sie öffnet die geschlossenen Augen, richtet den Blick leuchtend und klar 
auf ihn, es geht ein Flimmern über ihr Gesicht). (Erinnern Sie sich, was wir gestern ge¬ 
sprochen haben ?) „Ja.“ (Worüber ?) „Sie haben mich gefragt, in welcher Weise die 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


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Vorstellungen... ich habe Ihnen von den Strahlen erzählt.. . ich habe ein so schönes 
ganz... habe ich das? ich habe das.“ (Sehr stockend, mühsam, fortwährend ab¬ 
brechend; die Sprache versiegt vollkommen, so daß die Frage wiederholt werden 
muß.) (Was für eine Bewandtnis hat es mit den Strahlen ?) „Die Strahlen werden mir 
entzogen.“ (Wie war das ?) „Wie soll ich Ihnen das erklären ?“ Wiederholung der 
Frage.) „Ja, sehen Sie, von rückwärts sind zwei weggenommen, von diesem, von 
diesem rund.. . das,. .. jetzt habe ich es schon, ich meine, ich meine das... das ist 
eine Vorstellung.“ (Wovon ?) Von.. . das ist ja doch gar nicht.“ (Welches Organ 
ihres Körpers ist denn rund ?) „Das ist mein Gehirn.“ (Warum haben Sie zu dieser 
Antwort so lange gebraucht ?) „Bitte wollen Sie das, was ich jetzt gesprochen in der 
Weise entgegennehmen, das ist, das ist.“ (Runzeln der Stirne, freudige Mimik). (Wie 
lautet die Frage ?) „Ich habe das vergessen.“ (Wiederholung der Frage.) „Ja, sehen 
sie, es ist mir keine. ..“ (Verändert ?) „Ja, ich habe keine Sorge.“ (Hängt das mit den 
Anfechtungen zusammen ?) „Ja, ja. . . das hat der mit der Beeinflussung gemacht.“ 
(Wer ?) „Das ist die Antwort.“ (Jn welcher Form?) „Ich habe doch reine Hände 
gehabt.“ (Waren sie je schmutzig?) „Ich fühle immer...“ (Waren sie in Hunde¬ 
pfoten verwandelt ?) „Nein, weil ich selbst . . . das sind meine Hände.“ (Was waren 
das also für Anfechtungen ?) „Ja, das sind die Schweine. Ich bezeichne das. . . ich 
meine das. . . sie sollen so bleiben, was sie sind.“ (Was wollen die Schweine ?) „Sie 
wollen an meiner Reinheit erstarken und ich soll. . . ein... das ist gelinde gesprochen.. 
ich werde... ich spreche Dreck.“ (War etwas an Ihren Geschlechtsteüen ?) „Wie soll 
ich Ihnen das zur Aussprache bringen, das sind, ja das ist Bekenntnis, welches dem ge¬ 
eigneten — Platz — das ist meinerseits Sünde — vollkommen gereinigt.“ (Ich werde 
noch einmal fragen!) „Ja, ich bitte darum, in meinem Schweigen liegt das Urteil.“ 
(Hat man Ihnen das genommen, was Sie zur Frau machte ?) „Ich bin doch Frau.“ 
(Stolz und bestimmt.) Beginnt plötzlich .fließend: „Sie haben mich gefragt, ob mir 
das genommen wurde, was mich zur Frau macht und ich sagte, ich bin noch Frau.“ 
(Wurde etwas anderes Unsittliches anlhnen begangen ?) „Es ist, erlauben Sie, das ist.“ 
(Hat Sie jemand von den Schweinen beleidigt ?) „Das sind, die besudeln.“ (Sind Sie 
entehrt worden ?) „Ich bewahre nur das Schweigen... Sie müssen das streng trennen, 
da spreche ich, das ist. . . Dreck.“ (Was ist Dreck ?) „In dem...“ (Was ist Dreck ?) 
„In dem. . .“ (Was ist Dreck ?) „Befleckung.. .“ (Was ist Dreck ?) „Befleckung.“ 
(Was ist das für eine Befleckung ?) „Das ist ja.. . das ist ein Irrtum... ich habe 
angenommen, daß das mein verstorbener (hier besonders oft Stimrunzeln) ich habe 
doch einen verstorbenen.. . “ (Wer war das ?) „Nehmen Sie das zusammen, da wird 
es etwa so werden, daß es die Befleckung.. . und dann haben sie das. .. das hab ich 
ihm gesprochen, dann wird das etwa so — der Abzug...“ (Was ist mit dem Verstor¬ 
benen ?) „Das war, da hab ich wollen retten und habe mich... zusammengehe. . .“ 
(Von welchem Verstorbenen sprechen Sie ?) „Das ist ein Gemahl.“ (Warum zögerten 
Sie so lange ?) „Weil ich gedacht habe... das ist ja doch meinerseits, das ist für mich.. 
wär es geworden. Ich bin jetzt daraufgekommen, da habe ich es jetzt gemacht.“ 
(Plötzlich wieder freudig.) „Jetzt wird es ganz hübsch werden auf der Welt. Ich bin 
dazu benutzt worden, das ist was, nehmend das“ (spricht noch einige derartige Füllsel 
gemütlich im Dialekt, hebt plötzlich beide Hände mit erhobenem Zeigefinger in Schulter¬ 
höhe, Supinationsstellung der halb geschlossenen Hände, Hochdeutsch). „Das wäre 
Geometrie. Die bleiben schon so. Die Geometrie angenehme Vorstellung, ich werde, 
werde und das wird dann als Mensch ist das dann Wirklichkeit.“ (Sie sagten, das 
Gehirn wird als rund empfunden ?) „Ja, ich weiß es schon, ja es wird Ihnen das (Mimik 
des angestrengten Nachdenkens) ich habe gezögert, da ich mich erinnere, daß meine... 

ja ist_daß ich wollte. .. nicht sprechen, das ist mir keine angenehme Vorstellung.“ 

(Was heißt das, Sie fühlen das Gehirn rund ?) „Das ist mir eine unangenehme Vorstel¬ 
lung“. (Wie stöhnend.) (Wenn Gott Sie aber beschützt ?) „Dann ist es ja gut. (Lächeln.) 
Was ist mein Reden,... das ist, wenn Sie das so gut... dann lassen Sie es so wie ich es 
gesprochen habe... dann habe ich es. . .“ (Wieso ?) „Ich will, daß Sie es so nehmen, 
.. .das runde.. „“ (Ist die Vorstellung des Runden angenehm ?) „Wie ist doch, was man 
doch... wenn man... wie will ich das sprechen, ich möchte das so empfinden, wie Sie 
gesprochen haben.“ (Hängt das Runde mit der Unterwelt zusammen ?) „Na ja, mm 



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Zur Psychologie der Schizophrenie. 


da komme ich auf das, was ich gesprochen habe, Sie haben mir doch gesprochen, ich 
kann Ihnen das erklären — das ist mein Leib und die Ausscheidung.“ (Wiederholung 
der Frage.) „Insoferne daß, das konnte ich ja gar nicht so wissen.“ (Was ist mit den 
Strahlen ?) „Da ich verzichte darauf, was entzogen wurde, brauche ich nicht, denn 
ich habe doch die Strahlen, ich bin doch... ich mache mir nichts aus den Strahlen 
die entzogen wurden... das sind Anfechtungen.“ (Was für Anfechtungen?) „Das 
ist da, das ist da, ja.“ (Was sind Anfechtungen ?) „Versuchen wir das, ja man hat 
mich zu einem, einem“ (bisher stockend, plötzlich rasch, fließend). „Sie könnten 
die Güte haben, nur die Materie, Sie werden die Gnade haben, mir helfen zu können, 
das ist (lächelnd) wer ist das... “ (Was für Bewandtnis hat das mit den Anfechtungen ?) 
„Schweinerei.“ (Wieder fließend, rasch.) „Ich bin durch meine Leiden so hergenom¬ 
men, daß es mir schwer fällt, das richtige Wort zu finden, ich spreche das unter Vor¬ 
behalt.“ (Was heißt Schweinerei ?) „Dreck.“ (Was heißt das ?) „Das ist da... es ist 
ganz eine, das ist schwer, diese neue Erforschung die der Nach Weisung erfordert, ich 
will das haben, daß das vollständig, das muß so sein!“ (Plötzlich zum Referenten.) 
,,Brechen Sie ab.“ (Wer, Doktor S. oder Professor Stransky ?) „Lassen Sie“ (freund¬ 
licher.) (Wer soll abbrechen ?) „KönnenSie mir die Aufklärung geben, die Hände. . . 
ist hineingekommen und das ist das Schwein, da wird jetzt die Gnade bestimmt, da 
hab ja ich das.“ (Was heißt das Geometrie ?) „Die Geometrie ist ein Zusammenhang 
mit dem Schwein... wie kommt das in die Nahrung.“ (Was ist in der Nahrung ?) 
„Ich muß nachdenken.“ (Was kommt in die Nahrung ?) „Das Schwein.“ (Was ist 
aber mit der Geometrie ?) „Das Wort ist mir nicht klar. Wie das der Fall sein soll." 
(Ist Geometrie etwas aus der Unterwelt ?) „Das steigt auf.“ (Was ist Geometrie ?) 
„Das mir gestorben war, ich vermute eine Benutzung des Verstorbenen zur Schwei¬ 
nerei.“ (Was hat das mit der Geometrie zu tun ?) „Ich werde ja das gleich aufklären. 
Ich spreche der Arme, der da, da ist ein Verehrer der Mutter Gottes!“ (Was bedeutet 
Ihre Geste ?) „Das war Benutzung, das war Dreck.“ (War es etwas Sexuelles ?) „Ich 
will das in der Weise gefaßt haben, daß das der Gestorbene war, war vermöge seiner 
Auffassung angehörend, ich spreche der Mutter Gottes.“ (Wem angehörig ?) „Er war 
Augsburger Konfession.“ (Sie ?) „Ich bin Katholikin, ja sein, das ist, da haben wirs 
ich werde Urnen etwas geben, da haben Sie.“ (Was ist Geometrie ?) „Zirkel. Er hat die 
Auffassung gehabt, die Auffassung gehabt. Er war der Reformation, weil angehörig 
war, wenn ich das so immer wieder, alles ist, er war doch ein Verehrer.“ (Was be¬ 
deutete die Geste ?) „Das war, nehmen Sie das sofort, und nehmen Sie die Geometrie 
und nehmen Sie die Schweinerei.“ (Was hat Geometrie mit Schweinerei zu tim ?) 
„Ich habe gesprochen Hände... vollkommen gereinigt.“ (Was ist Geometrie ?) „Das 
ist ja, wie spreche ich, das ist mein, das war mein, das konnte der Fall sein, daß das 
zur Ordnung kommt.“ (Was ?) „Man wird katholisch werden, das ist eben, dann ist 
eben das verschwunden.“ (Anlhrem Körper ?) „Das wird kommen.“ (Ist etwas anlhrem 
Körper durch Geometrie in Ordnung gekommen ?) „Das Erwachen.“ (Bedeutet 
Geometrie etwas Katholisches oder etwas mit Augsburger Konfession ?) „Ich meine 
die reine Geometrie, das kann ja, das ist dann... ja wenn man will." (Was bedeu¬ 
tete die Geste ?) „Das ist Erweiterung.“ (Was ?) „Das Ganze beruht darauf, da 
ich als unwissend dazu benutzt worden bin. . . ich weiß doch nicht, wie das zu ordnen 
ist, wenn ich von Ordnung spreche. .. immer dieser verderbliche Zug, das der, das 
da. . (Wozu wurden Sie benutzt ?) „Zur Ausarbeitung großer Dinge.. . vor allem. . . 
hat es sich gehandelt! Daß die.. . die Ahnung. . . beste Ordnung erfährt, daß das, 
was mir bestimmt ist und das mir durch die Gnade wird, daß das ein. . . daß es Schmut z 
wird. Ich nehme an, das ist mir von großer Wichtigkeit. . . der gestorben, in welcher 
Auffassung. Ich meinerseits habe die Annahme, wenn gewollt,. . . geben wir zurück, 
was ich eben gegeben habe. . . wenn vorliegende Geometrie. . .“ (War Ihr Mann 
Protestant?) „Er war Protestant, dann ist die Sache vollkommen. . . insoferne als 
Protestant und Schmutz vollkommen identisch sind...“ (Wer sagt das?) „Ach 
das hat hier ein Schwein gesprochen. . . ein Schwein hat mich im Leben verfolgt..." 
(Was ist nun mit der Geometrie ?) „Ich meine die katholische Religion wird siegen..." 
(Was ist mit der Geometrie ?) „Das ist wenn das reine O der Geometrie, da hat ein 
Schwein an sich. . .“ (Was bedeutet die Geometrie und die Geste ?) „Es ist schwer 



Zur Psychologie der Schizophrenie« 


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für mich... ich bin ja doch bekannt... ich glaube, es bedarf keiner weiteren Er¬ 
klärung ... das ist es schon.. .'* (Was ist das reine O der Geometrie ?) „Das... das 
ist... ich finde mich. . . ich bin schwer krank." (Wiederholung der Frage.) „Der 
Gemahl, und das Schwein hat die Protestanten benutzt.** (Wozu ?) „Ja, ich denke... “ 
(Was ist mit der Geste ?) „Daß ich dann, daß ich das Schwein... ich kann nicht... 
ich schwer krank... die Schweine sollen die Schweine sein.** (Geometrie ?) „Ich weiß 
nicht, wo mein Mann nach seinem Tode hingekommen ist.** (War er Protestant ?) 
„Er hatte ein Medaillon... ich, wenn Sie wollen, daß es Schmutz ist, dann muß es 
sein. Wenn es so ist, es ist unterschieden, da ist etwas zu Schmutz gemacht worden." 
(Was ist also mit dem reinen O der Geometrie ?) „Ich meine Dorotheergasse.** (Ist 
Ihr Körper in Ordnung ?) „Ich werde gerettet werden, ich weiß es.** 

14. IV. Ist im allgemeinen freier und zugänglicher, doch ist die Stellung starr 
und etwas steif. Zu Professor Stransky: „Vor allem wollte ich Sie bitten und haben 
Sie die Liebenswürdigkeit zu trachten, daß ich von diesem Platze wegkomme.*' (Flie¬ 
ßend !) (Was ist mit der Geometrie ?) „Da meine ich das so, daß ist doch so, ich habe 
damit nichts zu schaffen. Wie soll ich das zur Sprache bringen. Ich überlasse das 
Ihnen.** (Das ist keine Erklärung.) „Ich bin auf die Fläche der großen weiten, weiten 
Ebene und da ist alles wunderbar grün, ich setze mich auf den schönen. .. die Rasen¬ 
fläche, da ist ja doch Erde, daß man ist.** (Das ist nicht klar!) „Ich bin schwer lei¬ 
dend durchzumachen.** (Was ist also Geometrie ?) „Ich denke sehr einfach — ich 
habe eine Ehe gehabt, ich war darin nicht glücklich, der mir Angetraute war ein 
Gestorbener, der hat das Erfassen der Geometrie gehabt; jedenfalls hat er mit Vor¬ 
liebe diese, diese ich wie. . . das ist ja alles enthalten. Ziehungen, Winkel, Einzei- 
lungen... als Mensch ist mir das vollkommen. . . was habe ich da zu schaffen mit 
Gestorbenen.** (Was hat Geometrie mit Ehe zu tun ?) „Das O der Geometrie hat mit 
der Ehe nichts zu schaffen.** (Was bedeutet O ?) „Es ist stark verunstaltet.. . daß 
einfach die Wahl treffen und ausscheidet.** (Was heißt das O ?) „Es ist ja einfach 
es liege einfach ein, nehmen Sie an es ist eine Benutzung meiner ganzen die. . . wie 
soll ich dies zur Sprache bringen, die Bestimmung, die mir durch Fügung zukommt... 
ist einfach benutzt worden, ich bin ja Katholikin, als solche habe ich den ernsten 
Glaubeivund der ist benutzt worden; man wollte mein. . . einfach herauszuziehen,. .. 
man hat gesagt, die Heiligkeit dessen, der am Kreuze gelitten hat. . . zuerst hat man 
mich beraubt der klaren Weise, der Aufnahme das, das, ja wissen Sie. . . sehr schwer. . . 
die Sprache ist stark angegriffen, daß er überall ist, das ist leicht zu finden.** (Hat 
sich ihr Mann mit Geometrie beschäftigt ?) „Ich kann es annehmen.** (Welchen Beruf 
hatte Ihr Mann ?) „Er war, er war... ich habe da ganz große Vorstellungen zu machen 
. . . ich war ein junges Mädchen und. . . wie alle ist. .. die Äußerlichkeit meiner Be¬ 
stimmung sind solcherart, daß man vermuten könnte, ich habe die. . . ich habe die. . . 
die Prägung meiner besonderen Individualität verloren.“ (Welchen Beruf hatte Ihr 
Mann ?) „Es schmerzt mich, das zu sprechen ... als die Trauung war, daß die Lebens- 
beclingungen vorhanden, und ich habe mit Anstrengung meiner ganzen — ich habe 
viel Mut — dadurch — ich den Mann — den muß ich retten, er war ja sozusagen. . ? 
wie ich so jung war, da hat es mir ganz gut gefallen. . .** (Welchen Beruf hatte der 
Mann ?) „Wenn ich das sagen sollte, da bin ich in Verlegenheit, nehmen Sie an, er war 
Sänger.** (War er nicht Offizier ?) „Im Ruhestand.“ (Und was ist mit der Geometrie ?) 
„Ich glaube, es war ein, er hat die Eignung dazu gehabt, das habe ich schon empfun¬ 
den . . . die mit Geometrie. . . die haben etwas, das die Lösung der Bedrückung auf 
keinen Fall mit sich bringt. . . es ist ein großer Unterschied. . .** (Spontan fließend.) 
„Ich habe die volle Wahrheit zu sprechen, daß man sich erlaubt hat... Sie müssen 
Remedur schaffen. . . ich bin hereingekommen gerade nach dem Tode. . . Molestierung 
ist mir sehr unangenehm — wer ist der Dozent P. — dann erteilen Sie eine Rüge, 
nun da kann ich Aufklärung geben. . . ich bin für das Gute, aber wer das Recht verletzt 
und arme Kranke zu Experimenten zu verwenden. . . das Sein beschützen, das Sein 
ist der Mensch, da muß man Energie. . /* (Welche Experimente ?) „Wissen Sie nicht, 
daß wenn ich die Sprache so habe, man ist gestorben... da nehmen sie dann den 
Schädel, da haben sie etwas darin und dann wird seziert.“ (Sie werden gesund wer¬ 
den.) „Daß durch die Herstellung einer Abbreviation.** (Sie sollten dankbar sein. 



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Zur Psychologie der Schizophrenie. 


wenn man mit ihnen spricht!) „Da ist die Entbehrung vorhanden. Ich freue mich, 
daß Sie die Fähigkeit in der Wahrheit besitzen. Ich meine, Sie vertreten die Psyche.“ 
(Sie sagten, die Sprache sei schwer!) „Ich habe Mut, das nehmen Sie sich, ich habe 
gesprochen. Wer ist das... Nehmen sie an, sie haben die Verwendung vermieden, 
ich meine die Abbreviatur vermieden... nehmen Sie an... Sie sind, sind das Ge- 
wisch.“ (Anfechtungen?) „Ja, was das zu bedeuten... das hat gar nichts damit 
zu tun, es ist Perversion.“ (Was heißt das ?) „Wissen Sie. . . ich stelle das in der Weise 
vor, daß die Qual der Hölle zu erdulden, daß das — das wird gezerrt in die, in die... 
Grund.“ (Was heißt Perversion ?) „Ich hätte ja etwas werden wollen, ja wahrschein¬ 
lich eine verrenkerte.” (Lächelnd.) (Was heißt verrenkert ?) „Da komme ich auf die 
Geometrie, da habe ich einen Schwan und wenn Sie das verrenkem, da kommen Sie 
ganz darauf.“ (Was meinten Sie damit ?) „Ein verrenkerter Schwan.“ (Was für ein 
Schwan ?) „Stellen sie sich, daß dieser... die Vornahme einer derartigen Gestaltung.. 
das... der Grund der verliehenen Aufnahme, das müssen Sie denken die Abbreviatur 
was da unten, das entzieht sich meiner Beurteilung, dafür fehlt mir vollständig das 
Verständnis... das ist noch nie dagewesen, nehmen Sie an, ich bin da unten in einem 
Grunde und da dreht sich ein Mühlrad.'* (Dreht es sich um die Homosexualisierung ?) 
„Ja, wissen Sie, da will ich, da die Güte. .. die das Leben aufnehmen sollen, da werde 
ich doch in der Weise klarstellen, daß das den Namen Geschlecht ausschließt.** (Das 
verstehe ich nicht!) „Ich kann nur als Mensch, da gibt es einen Mann und eine Frau 
und da schützen Sie mir die Verbindung... das ist die wahre Überlieferung, die von der 
Schöpfung verliehen... es ist alles sehr angegriffen. . . Bestimmung, die da lautet, 
hebet und vermehret euch.** (Was heißt also verrenkem ?) „Da werden Sie eine 
Lache finden und da werden Sie das verrenkem, da werden Sie das dorten... ja stellen 
sie sich das in der Weise vor, in der Sprache ein Tümpel, das ist mehr in anderen... es 
ist viel zu gut gesprochen, es ist eine Pfütze.“ (Was heißt- verrenkem ?) „Ich habe das 
noch nie zur Sprache gebracht , es ist die Bedeutung,es ist doch, wenn man verrenkert, 
dann ist man auf einmal so etwas. . . ein Mensch kann sich die Hand verstauchen.** 
(Was bedeutet Verstauchung in diesem Zusammenhang ?) „Nachdem das ein Eintritt 
auf den Grund sein soll, da wird man sich auch gestatten können, ganz neuen Ausdruck 
dafür zu nehmen. . . ich habe gesprochen, auf der Erde gibt es Mann und Frau.** 
(Ist an Ihnen eine Geschlechts Veränderung vorgefallen?) „Man spricht das aus, da 
haben Sie die. . . Mischung: Es muß streng geschieden werden, mir ist sehr zum Nach¬ 
teil goworden, nehmen Sie das als reinen Begriff Ehe, während dessen Mischehe ein 
ähnliches ergab, daß... Mengung des Wahren, das meine ich — teilen Sie meine 
Auffassung, ich spreche Bedrückung, die Menschen die das empfinden, was drückend 
wird, das sind immer Gute ... da habe ich nun gesprochen Geometrie.** (Das ist aber 
dunkel!) „Ich hatte dazu Mangel an der zukommenden Beaufsichtigung, da ich mir 
die Aufgabe gestellt habe, für meine Lebensunterhaltung zu sorgen... die sollen 
gehen, die verrenkem, nehmen sie die Geometrie der Schweinischen. Die verrenkem, 
das sind Sie, die sich erbötig machen, etwas vorzustellen, was sie nicht sind, das sind die 
Affen. Ich denke mir eine Anfechtung, die Anfechtung ist Inbegriff, in dem wir doch 
alle, die Menschen sind, doch alle verpflichtet den nötigen Tribut an das zu geben, 
was uns das Sein verliehen, da wird es auch ebenso wie die Stille der Schöpfung, das 
ist ja, das gilt auch wieder in den, wo meinen Sie, wo kann das der Fall, wo ist der 
Teufel/* (Hängt dies vielleicht mit der Unterwelt zusammen ?) „Das ist die Lache.** 
(Was ist Lache ?) „Da haben Sie einmal die Verrenkerung, das ist die Unterwelt — 
geben Sie dort die langen, die verrenkem, lassen Sie an den sehr vielen gut gesprochen.“ 
(Beeinflußt Sie die Unterwelt ?) „Das ist das Rinnen, schauen Sie, nehmen Sie doch an, 
wie kann das sein.. . das könnten diejenigen sein, die das Zerronnene.** (Beeinflußt 
Sie die Unterwelt ?) „Ich spreche das, wenn ich die Schätzung eben, wenn ich die 
Schätzung nicht zeigen kann, dann wäre es der Fall, das ist, das ist. . . das reine O der 
Geometrie, das hat für mich so gar keine Beanlagung, ja wie der Zusammenhang ist, 
da habe ich nicht die Veranlagung dafür; ich nehme an, ich war angetraut, und da habe 
ich die Empfindung dafür gehabt, daß man gewissermaßen, die Bedrückung ist nicht 
aufgefaßt worden und ich für diese war es—aber wenn Sie wollen, so können Sie etwas 
schaffen, das die rein materielle.“ (Hat Verrenkerung etwas mit dem Körper zu tun ?) 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


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„Ja, wissen Sie, ich müßte Sie sehr darum ersuchen, in Ordnung zu stellen, was mit 
mir geschieht, scheiden sie die, die verrenkem. Man hat immer etwas, es ist nur die 
Art, wie ich das zur Sprache bringe, etwas konfus, das müssen Sie immer im Auge 
haben... ich sage die Religion.“ (Hat Verrenkerung mit dem Körper zu tun ?) „Ja, 
wollen Sie annehmen, daß ich es bin.“ (Ist es seelisch ?) „Das ist der arme Körper*“ 
(Hat es der Gatte getan ?) „Er hat geholfen.“ (Die Unterwelt ?) „Die Pfützierung.“ 
{Was heißt das ?) „Das ist Schmutz.“ (Ist die Pfützierung Schmutz ?) „Ich nehme 
an daß.“ (In welcher Weise hat die Unterwelt gewirkt ?) „Lassen Sie sich das Protokoll 
vorlegen, das auf genommen worden ist, als ich hereinkam, da geht hervor... die 
Verrenkerimg.“ (Was steht im Protokoll ?) „Ich habe gesprochen, ich bin homo¬ 
sexuell. Ja, wenn ich die Auffassung besitze, übermännlich oder weiblich ? Ich werde 
die Begründung dieser Trennung, was Sie selbst besitzen, werden Sie ganz, man hätte 
mir eben die Darlegung in den Sinn machen sollen, ich bin ja doch nicht, was ist dann 
homosexuell ? Ich weiß, ich bin eine sehr hochstehende Frau, ich bin auf dem Wege 
der Genesung.“ (Wer hat Sie homosexuell gemacht ?) „Da habe ich nicht die ganz 
richtige Beurteilung, wie das eigentlich der Fall ist. Ich habe die Eignung, die mir 
verliehen, die ist mir genommen, ich bin fromm, in dem letzten Jahr habe ich überhaupt 
nichts anderes.. .“(Waren es die Mächte der Unterwelt ?) „Teilen Sie meine Auffassung, 
es dürfte, es dürfte, der Aufblick dürfte die, ich meine. . . wie ist das jetzt zu be¬ 
nennen. . . es gibt es nicht, da geht inan immer auf reinlichen Stufen, wo sich das be¬ 
findet, wo die Schöpfung. (Was ist mit der Unterwelt ?) „Wenn Sie wollen, dann ist 
die Unterwelt.“ (Was ist mit dem reinen O der Geometrie ?) „Es ist eben lange her, 
daß es war, es ist Schmutz geworden — Sie müssen entschuldigen, meine Sprache ist 
direkt in Zerfahrenheit geraten. Wenn ich am Ohr, dann habe ich das reine O der 
Geometrie und deshalb hab’ ich gesprochen, dann ist aber Geometrie Schmutz; ich 
habe da keine Vorstellung, wie das in der Zusammenbringung ist, ich glaube, es gilt da 
die Vorgabe, was der Einzelne als Aufblick.“ (Was ist Aufblick ?) „Das ist für mich 
Gott.“ (Schützt Sie Gott vor Anfechtung ?) „Da haben Sie den Teufel, das ist der Geist 
der unterstellt ist.“ (Was ist Anfechtung, was wurde entzogen ?) „Das ist Schmutz.“ 
(Was bedeutet das, das Gehirn ist rund ?) „Daß ist für mich, das habe ich, wie der 
Griff, das ist es, das ist mir lieber als des Entzogene, das hat mich einer umgebracht.. ., 
der Schwan ist zum Anlaß genommen. .. daß es entzogen ist.“ (Was ist denn rund ?) 
„Durch meine Leiden bin ich selbst darauf gekommen, daß die Erleuchtung meines 
Gemütes — wir Menschen, wir gehen auf der Erde — da habe ich, wie der Griff war, 
das hat es mit sich gebracht, daß das rund geblieben ist, und das andere ist die Ver¬ 
renkerung, das andere ist die Entziehung. . . eine Frau hat doch... sie hat doch. . . 
einer hat mir das Herz abgedreht, das ist einer, der hat einen Griff.“ (Ein Mann ?) 
„Nehmen wir an, daß es der Gestalt nach ein Mann, ein Raubmörder.“ (Ihr Oheim ?) 
„Das ist ein Schmutz.“ (War eslhrOheim ?) „Das ist entziehen. Da gehe ich doch lieber 
zum Griff, da habe ich doch das Wirkliche.“ (Was heißt Herz abdrehen ?) „Es ist 
nicht gewesen; auf einmal war ein Griff, da war es, ich habe gefühlt, es war der Griff, 
es hat geschlagen.“ (Wer hat das Herz abgedreht ?) „Schmutz. Wie ich mich daran 
erinnere, daß es wieder Verrenkerung ist. Die Entziehung meiner Herztätigkeit.. . 
Daß man aber die Ausnehmung meiner Weiblichkeit.. . das ist die Entziehung der 
Herztätigkeit.“ (Was ist aber Schmutz ?) „Das sind, die nicht gewollt haben, daß 
nicht das, das was gewollt ist, durch einen Großen... eine gewisse Zusammenziehung 
erfahren hat, das muß streng geschieden werden. Der Schmutz ist es, der nicht erleiden 
kann, daß der... daß die Strenge der Erleuchtung, den Platz. .. die sprechen ich, den 
Platz gefunden haben soll, der gehört, das ist ja, nehmen wir an, das ist der Scharf¬ 
blick und ich habe den Aufblick. Der Schmutz ist Neid und Mißgunst und ich 
kann nicht dulden, daß Neid und Scharfblick zu dem gelangen soll. . . was das gebären 
soll.“ (Der Onkel ?) „Im Himmel.“ (Plötzlich Dialekt.) „Ich brauch den Professor 
Baß. Das is a Bärenhäuter.“ (Anfechtung?) „Gehn’s weg und gebens a Ruh.“ 

28. IV. Katatone Haltungen. Gemütlich: „Weißt, geh, hilf mir!“ 

29. IV. (Was ist mit Ihrem Vater ?) „Mein Vater ist gut.“ (Warum sprechen Sie 
Dialekt ?) „Da war ich gerade aufgelegt. Ich bin schwer krank, ich kann nicht sprechen. 
Ich bin a Leich, da ist der Hund (auf Professor P. weisend), der mich umgebracht 



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Zur Psychologie der Schizophrenie. 


hat. Der hat mich zu einem Geist gemacht, ich bin als Mensch hereingekommen. Man 
hat mir sämtliche Organe der Frau weggenommen. Ich muß unreine Kost essen.“ 
(Unreine Kost ?) „Ich bin ein Opfer des Herrn Dozenten P., ich kann Sie versichern, 
daß ich eine Sterbende bin. Ich hatte große Pläne.“ (Was ist also mit Ihrem Vater ?) 
„Es spielt keine Rolle, wer mein Vater ist.** Sie müsse sich mit Geistern beschäftigen, 
sie muß Geister der Unterwelt ertragen. „Ich war in die Hölle verlegt.“ (Was hat Sie 
zum Geist gemacht ?) „Man hat mir auf hypnotischem Wege das Herz und die Ge¬ 
bärmutterentzogen.“ (Dialekt gesprochen.) (Weshalb Dialekt ?) „Das weiß ich nicht.“ 
Sie ist ständig von Geistern umgeben, Geistern der Gestorbenen. (Was für Gestor¬ 
bene ?) „Die ganze Hölle!“ (Wer ist das ?) „Was man mich mit dem Brote quält, 
das ist die neueste Schändung des Brotes.** (Was heißt das ?) „Ich bin verdummt, 
ich weiß nicht, was das ist, ich kann das nicht aufdecken.** (Ist das vielleicht die un¬ 
reine Nahrung?) (Lebhaft zu Professor Stransky, freundlich.) „Das Band der Sym¬ 
pathie ist nicht mehr aufzuheben zwischen uns.“ Sie habe sich in den Träumen für 
ihn eingesetzt, er werde ja wohl ein großes Werk vollbringen wollen. „Es ist eine große 
Gnade, daß ich jetzt das aussprechen kann. Meine großen Darlegungen, die ich ge¬ 
habt habe, sind würdig.. . den ganzen Tag lag ich da und befand mich in der Unter¬ 
welt. Ich weiß nicht, was Schändung ist...“ „Auch die Mutter habe ich gehalten ?“ 
(Wie meinen Sie das ?) „Sie ist auch als Geist.. . die Mutter war gefallen... die hat 
mir unreines Essen zugebracht. Die katholische Religion soll zugrunde gerichtet 
werden. Ich bin eine große Frau geworden. Ich habe große Pläne gehabt. Ich bin 
das Opfer der Partei. „Auf nach Zion!“ (Was ist mit Ihrer Familie ?) „Die Familie 
besteht aus meiner Mutter und mir. Ich habe immer ganz einsam gelebt. Später ist 
mir der Schutz der Mutter entzogen worden. Meine Reinheit und große Intelligenz 
ist benutzt worden. In meinen Träumen (zu Professor Stransky) haben Sie immer 
eine große Rolle gespielt, ich habe Sie verteidigt. Es war etwas mit der Religion, es 
war mit dem Dorotheum. . . Sie haben etwas richtig gestellt. Das ist eine große. . . 
Sie sind in meinen Träumen aufgetaucht. Sie haben da etwas gerettet. Ich hab einen 
Mann gehabt, der ist gestorben. Der Mann war Protestant. Ich bin eine Verteidigerin 
dei* katholischen Kirche. Man täuschte mich, weil mein Mann nicht Katholik war.“ 
(Was heißt das Dorotheum v ) „Das war Ihr Gedanke. Sie wollten irgend etwas machen. 
Da haben’s irgend was mit der Religion.“ (Was hab ich gerettet ?) „Aus meiner Kraft 
hat man alles Mögliche produziert. Ich kriege eingegeben, bitte Sie, ich kann nicht 
aussprechen, mein Körper ist nicht mein Eigentum, den hat der Dozent P.“ Wieder¬ 
holt immer wieder, sie sei gesund hereingekommen: „Mein ganzer Körper ist zerstört 
und die Nase hat man mir weggenommen.** (Was heißt das, man hat aus meiner 
Kraft produziert ?) „Meine Darlegungen sind benutzt worden und meine Eingebungen. 
Es soll den Juden als Opfer. . .” (Dialekt ?) „Ich kann reden, wie ich will.** (Was 
ist denn mit Ihrem Vater ?) „Das wird sich schon in der Zeit herausstellen, ich weiß 
schon, wer mein Vater ist. . . Es soll eine neue Zeit kommen, jeder hat seinen Plan, 
die Reinheit, Sie sind der Verteidiger des Werkes.** (Was war mit Ihrem Vater ?) „Als 
Mensch ist er ein Gestorbener. Der Geist meines Vaters stellt einen Gott dar. Ich 
habe die Seele meines Vaters erlöst. Er war ein Heiliger. Er war in der Hölle, er wollte 
einen schwierigen Plan durchführen. Der Vater ist ein Gott.“ (Wie ist das möglich ?) 
„Wenn er ein Geist. Ich kenn mich zwar nicht aus, ich bin ein Kind, zu großen Dar¬ 
legungen benutzt worden . . . Der katholische Glaube, der soll durchkommen... Mein 
Vater ist ein Gott, vermöge seiner Eigenschaften... er vertritt das Reine... von 
ihm gilt abgestiegen zur Hölle, auf gestiegen zum Himmel. Das ist ein Prozeß, daß 
große Geister in ihrer Reinheit diese Welt durchgehen, um das aufzustellen, was sie 
sind. Das ist. . . ein Heiliger.“ (Was ist mit den Juden ?) „Die haben mich als Opfer 
erkoren.“ (Dem Professor P. nachrufend.) „Er soll vor mich treten, wenn er es wagt. 
Hier sind verschiedene Opfer. Der Onkel ist ein Verstorbener, den hab ich erlöst. 
Wenn ich jemand als Verstorbenen betrachte, den erlöse ich. . .” (Warum sprechen 
Sie Dialekt?) „Ich kann reden wie ich will, die Menschen worden klar werden. . .“ 
(Zu Professor Stransky!) „Sie sind größer geworden. Tch kenn ja ihre Devise. Immer 
daran vorbei, das was Sie zum erstenmal sagten.“ 

Der Dozent P. bat den Geschlechtsteil eines Hundes an ihren Mund gebracht; 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


141 


sie kann das deutlich fühlen, sie kann das Bild dieses Hundes entwerfen. (Zu Pro¬ 
fessor Stransky): „Sehen Sie diesen Hund nicht ? Da hat man ihn abgezogen." Es 
ist eine edle Dogge. 

30. IV. Starre Stellung. Legt mit gespreizten Fingern ein Stück Brot auf das an¬ 
dere. (Was machen Sie da?) „Das ist Brotschändung gewesen!" 

6. V. In wechselnden kataton starren Haltungen, starre Mimik. „Das ist es, ja was 
mit dem Entzug der Gedanken, was ich berichtet habe und vermisse und wenn ich 
etwas vergessen habe..." Stöhnend, starr, vor sich hinsprechend. In der Hand 
hält sie mit Speichel vermengte Brotkrümchen, und starrt sie an: „Verzeiht, ich habe 
mit dem linken Auge geschaut, ich habe das, daß ich nicht berichtet und vergessen 
habe... (Zum Referenten:) Was notieren Sie sich, meine arme Krankheit wird zum 
Anlaß genommen, daß ich fortwährend Experimente zu erdulden habe..." 

10. V. Man findet oft geknetetes Brot bei ihr, das sie starr ansieht. (Für Dr. G.etwas 
zugänglicher.) Ihr Vater sei im Himmel, sie will zu ihm. Sie hat immer unter Geistern 
verharrt, jetzt will sie aber Mensch werden, sie will zu ihrem Vater und zu allen Hei¬ 
ligen. .. Bittet Dr. G., er möchte sie mitnehmen, woher er gekommen sei. „Sind Sie 
nicht eine Seele ?" „Wenn Sie dem Erdenwallen entwichen sind, dann haben Sie eine 
Anfechtung!.. ." Liegt mit geschlossenen Augen starr da. (Wo ist der Vater ?) „Im 
Himmel." Sagt schmerzvoll: „Ich bin eine Kranke." — 

19. V. Zugänglicher, aber starre Mimik, steife, katatone Haltung, wie immer, 
spricht leise, stockend, mit Wiederholungen, Entgleisungen: „Ich habe doch alles 
verloren, was der Frau eigen, das wurde mir doch alles genommen. Wie das geschah, 
das weiß ich nicht. . . ich kann, was meine Kenntnisse anbelangt, zufrieden sein. 
Es ist da so viel vorgekommen, daß es besser ist, darüber zu schweigen. Ich glaube, 
ich wäre so weit, daß ich mich Frau fühlen kann, das hab ich meinem Aufblick und 
meiner Religion zu verdanken." (Hat Gott es zurückgegeben ?) „Ja, der Himmel.“ 
(Was ist mit dem Vater ?) „Der war der Fürsprecher, der Vater ist der Beschützer des 
Himmels." (Hat er Sie zur Frau gemacht ?) „Ich denke, ich fühle mich wohler.“ 
(Herz ?) „Ich weiß nicht, wie es damit bestellt ist." (Gedanken ?) „Ich begreife den 
Vorgang nicht, der mit mir gepflogen wurde. Ich bin als Frau hereingekommen, be¬ 
greife nicht, was der Vorgang mit mir war; ich habe doch so viel Leiden. Die ganze 
Dauer, die ich hier verbringe, sind doch nur Leiden und Qualen." (Was ist mit dem 
Gedankenentzug ?) „Sie würden sich eine Qual sondergleichen denken, Sie müßten 
sich da in die Lage denken, wie das Gefühl ist, wenn die innere Kopfkonstitution 
ihm das Objekt eines Studiums — ja, wie soll ich da sagen, —• ich bin nicht krank 
wie die Eigentlichen, ich bin in politischer Beziehimg nicht bewandert und weiß nicht, 
wie ich dazu gekommen bin, diesen großen Leiden ausgesetzt zu sein." (Büder ent¬ 
werfen ?) „Die Bilder, wann habe ich sie denn entworfen, wie wurde denn das genom¬ 
men, ... die Bilder, die ich mitgemacht habe, sind doch so gut bekannt, ich bin doch 
eine Katholikin und als solche habe ich doch die Gedanken der christlich-katholischen 
Kirche, das ist das Ganze an jeder Richtung, daß darum die Entscheidung gilt, welche 
durchzukommen hat, welches Bekenntnis das richtige ist, ich glaube doch der Ritus.“ 
(Gedanken entwerfen!) „Das ist gerade so wie wenn ich etwas vorgesetzt bekomme, 
sie werden es entweder freiwillig oder notgedrungen machen, ich bin genötigt worden, 
das zu tim. Die ganze Art meiner Begabung als Bedingung voran gegangen, müßte 
ich das machen." (Hund ?) „Ich kann es nicht begreifen, wenn Sie das begreifen kön¬ 
nen, wo ich doch eine so unermeßliche Reinheit besitze, wie komme ich denn dazu, 
was ist denn der Hund, was ist denn das ..." (Versuchung ?) „Das weiß ich nicht, 
können Sie sich vorstellen, wie schwer mir das als zeitliches Wesen, können Sie sich 
vorstellen, daß ich ein Hund bin.. ." (Sind sie ein Hund ?) „Ich habe daran so wenig 
Interesse, daß ich gar nicht gerne darüber spreche, daß ich genau weiß, wie der Vorgang 
war, doch begreife ich es nicht, wie es möglich, daß ich derartigen Bloßstellungen aus- 
gesetzt werde, ich bin doch schwer krank gewesen... es ist in den großen Wirrnissen, 
die die Welt bewegen, es sollte die Entscheidung getroffen werden, daß die soziale 
Bewegung oder so etwas, es ist traurig, das zu besprechen, ich meine, ich mein. . . 
(stockt) jetzt muß ich wieder warten, bis ich darauf komme... Das wollte ich so be¬ 
leuchten von dem Standpunkte der Menschlichkeit aus, ich meine die Gefühle gegen- 



142 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


einander hegen kann, von dieser Betrachtung ausgehend, begreife ich nicht, daß 
es. die Beflissenheit gewesen ist, eine reine Frau derartigen Leiden auszusetzen — 
ich bin froh, wenn ich... Das ist doch Beleidigung gröbster Art, mein Vertreuen 
und meinen Aufblick reden mir verhelfen, daß ich ganz gesund werde.“ (Nahrungs¬ 
aufnahme ?) „Ich werde mir das schon zurechtlegeD, als Genesende werde ich schon 
die Bereitimg der Nahrung...“ (Was ist mit dem Hunde?) „Können Sie es mir 
erklären. Sie sagten.. .“ (Der Onkel ?) „Es hat für mich... die für das Leben ent¬ 
rückt sind, für mich die Seelen... Ich kann denken, daß ich einer Begabung teil¬ 
haftig bin, der ich zu danken habe... “ (Ans Kreuz geschlagen ?) „Es war bedeutend 
mehr als zu ertragen, es ist nur jemand, der die Kraft von oben hat, es gehören ganz 
Starke und Standhafte dazu, das zu überwinden.“ (Weshalb Dialektgespräch ?) „Ich 
freue mich dessen, daß ich einer Famüie entstamme, die den Dialekt beherrscht, der 
die Gemütlichkeit ausdrückt, und keinerlei Roheit ist.“ (Gegensatz zur Partei „auf 
nach Zion“ ?) „Ich denke jetzt gar nicht daran, ich muß mich schonen.“ (Weshalb 
so starr ?) „Ich habe der Freude wenige, ich bin ängstlich.“ 

19. V.—30. V. Sitzt starr, kataton hockend im Bett. Manchmal faßt sie auf ihr 
Brot, das sie steif und ungeschickt hält, der Speichel rinnt ihr dabei aus dem offenen 
Mund; sie ist sehr ablehnend, habe kein Bedürfnis zu sprechen. 

1. VI. Meint, ein Apparat mache die Menschen krank, ein Hund falle die Menschen 
an, vergreife sich an den anderen Leuten. Gegen den Referenten andauernd ab¬ 
lehnend. Erinnert ihn daran, daß er sie nach Hause lassen wollte. Fragt ihn: „Sind 
Sie der Erzengel Michael”; wieso sie dazu komme, hier krank zu sein. Der Duktus 
weist die gleichen formalen Strömungen, die aus den wörtlichen Aufschreibungen 
ersichtlich sind. 

3. VI. Gespräch mit Herrn Hofrat Wagner- Jauregg. Sie spricht viel, ist zugäng¬ 
lich. Hat in Haltung und Mimik noch etwas Unfreies, jedoch bedeutend gelöster, 
als an den vorangehenden Tagen. Spricht, daß sie sexuell abnormal veranlagt ge¬ 
wesen sei. „Man erkannte, daß ich auf dem Gebiete des Sexuallebens nicht ganz 
gesund bin. Das Auslösen des Gefühlslebens seitens der Annäherung war nicht 
möglich, ja ich habe eine connaissance mit einem Priester gehabt. Dieser Priester hat 
erkannt, daß ich ein organisches Leiden habe, er hat die Folgerung gezogen.“ „Was 
meine Mariage war, — meine erste Erkrankung — die Ehe war. Ich habe das, was für 
die Ehe bestimmt ist, nicht völlig ganz mein Eigen gehabt.“ „Es ist doch betrübend, 
daß ich doch als Frau ausgestattet war, ich gewesen bin, besitze das nicht... es ist 
nicht... es ist das Organ, daß die Empfindung, ich weiß nicht...“ 

9. VT. Wieder in eigenartiger Stellung mit dem Brot. Sie schwebe in übersinn¬ 
licher Sphäre, morgens sei sie auf der Erde gewesen. Sei von einem Stimmengewirr 
umgeben, so daß sie in einer Dämmerung sei. Sie höre die Stimme ihres Mannes, ihres 
Vaters und man bringe sie in Beziehung zu ihrem Vater. (Onkel?) „Ich habe mit 
Toten nichts mehr zu tun/* es gehe eine große Verführung vor sich, es sei der Dozent 
P., er verfolge sie, sie sei eine Verfolgte des Katholizismus. (Was verstehen Sie unter 
Verführung?) „Es liegt ja eine Karte vor mir, die verschwindet plötzlich, natürlich 
ist das der Dozent P. und natürlich genau so entzieht er und verwirrt er mir die Ge¬ 
danken.“ Ihr sei die Gebärmutter entzogen worden, und sie habe seit damals keine 
Menses mehr. Sie spürt das, er hat sie ihr weggenommen. Die Stimme sagte: „ge¬ 
zogen“. Sie denkt vollkommen klar, aber der Gedanke wird ihr plötzlich geraubt, 
und das macht auch er. Dozent P. wül sie umbringen, wenn man sie sich selbst über¬ 
läßt, hört sie die Stimme, und das macht sie irre. Die Haltungen werden ihr auch 
von der Stimme diktiert. Zuerst in der gewöhnlichen Art, stockend, dann ohne wesent - 
liehe Sperrungen im Dialekt, der nun etwas gemacht klingt. 

Wird formal zusehends geordneter, so daß sie auf eine ruhigere Abteilung gebracht 
werden kann. Aber zeitweise unrein. Haltung stereotyp, insbesondere mit dem 
Brote stets eigenartig hantierend. Sie singt zweitw 7 eise mit einer gezwungenen steifen 
Lustigkeit. Zeitweise spricht sie ein geziertes Hochdeutsch, dann wieder einen ge¬ 
mütlichen Dialekt. Manchmal spricht sie laut mit dem Geiste ihres Mannes, dann 
gemütlich im Dialekt. Sie erzählt ihm z. B., w T as in ihrer Umgebung vorgeht, so, daß 
Essen ausgegeben wird u. dergl. mehr. Äußert dabei Bedenken über die Nahrung. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


143 


Beklagt sich, daß sie zurückgehalten wird, wo sie doch hier nicht genug reden könne. 
Gegen den Referenten ist ßie sehr ablehnend, antwortet kühl auf alle Fragen, geht aber 
nicht darauf ein, er wisse das ohnedies, sie habe kein Bedürfnis, zu sprechen. Aus 
gelegentlichen Äußerungen geht hervor, daß sie noch immer der Meinung ist, mit 
Geistern in Verbindung zu stehen und darüber erbittert ist, daß man ihr die weiblichen 
Geschlechtsorgane genommen habe. 

17. VI. Zeitweise spricht sie in ihrer stockenden, gequälten Art, sie bringt fast 
nur Füllsel heraus. Soweit erkennbar, handelt es sich um die gleichen Ideen. 

18. VI. Ausgesprochene, wenn auch forzierte Heiterkeit. Behandelt den Arzt 
gesellschaftlich, aber etwas von oben herab. Etwas affektiert. Bewegungsreich, 
tanzt, spricht laut und fließend. (Wörtlich.) „Ich hätte es gerne gehabt, daß ich jetzt 
sofort aufstehen kann, um in den Garten spazieren zu gehen, denn es ist heute drau¬ 
ßen so schön, der Wind säuselt und die Blätter rauschen. Ich möchte gerne noch ein 
Stück Brot, da ich heute großen Hunger habe, trachten sie nur, em Stück zu ver¬ 
schaffen, ich habe das Bedürfnis nach einem Stück Brot. Ja, ich bin heute sehr gut 
gelaunt, habe gesungen und getanzt, und eben weil ich in guter Laune bin, gewähre 
ich Ihnen die Audienz, sonst hätte ich ja mit Ihnen nicht gesprochen. Ich habe ein 
Gusto auf etwas, ja so auf ein Brot, und mein Körper muß sich ja kräftigen, um seinen 
Funktionen wieder nachzukommen. Und jetzt will ich aufstehen, ich habe gesprochen, 
ich wünsche sofort aufzustehen und in den Garten zu gehen, haben Sie mich verstan¬ 
den ? Was sind Sie denn eigentlich, was haben Sie studiert ? So, Medizin ? Mit wem 
leben Sie, leben Sie allein t Je, aber jetzt wül ich nicht mehr mit Ihnen sprechen,son¬ 
dern in den Garten gehen; bitte, rühren Sie mich nicht an, denn das liebe ich nicht.** 

27. VI. Sie spricht sehr viel laut vor sich hin, es läßt sich dabei erkennen, daß sie 
mit Jesus spricht. Sie spricht dabei formal korrekt mit großem Pathos. Die Haltung 
ist noch starr, kataton. (Wörtlich.) „Ich habe mit Ihnen ja nichts zu sprechen, denn 
ich kenne Sie nicht. Es gibt nur eine katholische Kirche und Jesus Christus wird die 
Gnade haben,mich wieder gesund werden zu lassen. Ich glaube an Gott und den allein¬ 
seligmachenden Herrn, denn ich bin eine Katholikin. Eigentlich möchte ich heute 
etwas lesen, aber nicht deutsch, sondern französisch. Man hat nicht umsonst ge¬ 
sprochen, daß es ein Gottesgericht gibt; die Menschen sind derart verworfen und 
schlecht, daß eine neue Sündflut kommen muß, um die Welt zu säubern. Ich bin 
der Gnade teilhaft geworde, Jesus sehen zu können, aber ich bin auch fromm und 
strenggläubig erzogen worden. Herr Jesus Christus, ich sage dir, daß an mir ein Ver¬ 
brechen begangen worden ist; Du bist doch der Sohn Gottes, und ist Dir alles bekannt, 
und darum mußt Du auch wissen, was mit mir geschehen ist. 

Julie, sie müssen mir noch ein Brot geben, denn es gibt nichts Besseres und Ge¬ 
sünderes als Brot. Ich werde ja wieder gesund, denn an mir ist ja nur ein Verbrechen 
verübt worden und Dozent P. ist der größte Verbrecher und wird wegen mir auch 
noch ins Landesgericht kommen, nur er trägt an meinem Leiden die Schuld. Herr 
Jesus, Du wirst mein Rächer sein und die strafen, welche so schmählich an mir gehan¬ 
delt haben. Ich sehe Dich, wie Du mir lächelnd zunickst und warte mit Ungeduld auf 
das Wunder, das Du durch Deine Hände als Sohn Gottes an mir vollbringen wirst. 
Räche mich, o Herr. Denn ich bin eine fromme Katholikin, und sehe Dich durch Deine 
Gnade und das ist schon ein Wunder, mein Glück, für das ich Dir nie genug danken 
kann.‘* 

28. VT. Dasselbe Bild. „Die ganze Welt muß jetzt Herrn Jesus zu Füßen gelegt 
werden. Die Verbrechen werden aufkommen, es muß heraus kommen, wie die Mei¬ 
nung ist. Es wird eine schwere Strafe herauskommen... das müssen Sie dem heben 
Gott in aller Demut bekennen, daß Sie das Problem ausgearbeitet haben... Dieses 
Schwere, Sie müssen nur bedenken, wie Sie auch verführt haben (pathetisch). Sehen 
Sie vollkommen klar, es liegt ein Verbrechen vor. Das ist doch so wie ein Mord... eine 
große Beterin. Die reinste Frau wurde in diese Bedrängung gebracht. Das wird 
der Gegenstand der Untersuchung sein. Gott ist schwer beleidigt worden. Das wrird 
eine Untersuchung ergeben, was mit mir vorgegangen ist. Meinen I-eiden, diese 
Infamie, wird ein Ende gesetzt werden. Die Untersuchung wird von oben kommen.. . 
Das ist klar, wenn ich gestorben wäre, ohne verführt zu werden, so hätte ich meinen 



144 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


seeligen Heimgang gehabt und hätte Aussicht gehabt, in den Himmel zu kommen. 
Zum Beispiel, wie kann ich denn mit dem Geist meines Vaters, — die Begründung 
liegt vor, daß die ganze Welt zum katholischen Glauben zurückkehre. In der Natur 
liegt der Beweis. Meinen Mann habe ich ja von seinen Leiden erlöst. Es ist geschehen, 
daß ein katholischer Priester veranlaßt wurde... es muß ja herauskommen, wie 
der katholische Priester veranlaßt wurde, mich zu verführen. Ich bin schuldlos. Ich 
habe in ihm einen Freund verehrt. Mein Beichtvater ist ja auch mein Seelenführer. 
Ich habe gelitten, der Priester sagte einen Nonsens als er sagte: Gott weiß., was wir 
wollen. Ein furchtbares Strafgericht wird herunterkommen. Wieso kann es mein Vater 
sein... es kann ja nur ein Heiliger sein, aber kein Gott! Dann kommt der Priester. 
Das muß alles herauskommen: es muß sich in der Natur eine gewisse Macht finden, 
daß ich eine gewisse Anziehungskraft habe. Ich werde die Bitte vortragen, daß Jesus 
•Christus die große Richtung vornimmt. Ein Wort des Herrn genügt und die ganze 
Welt ist in Bewegung. Das ist der Herr, der große Dreieinige.“ (Mit wem sprechen 
Sie ?) „Ich spreche jetzt zum Himmel. Der katholische Priester ist der reinste Es 
muß einer sehr großen Betrachtung unterzogen werden. Vielleicht ist wieder der Zeit¬ 
punkt, daß die Familie wieder aufblüht... Darum habe ich alles nicht sprechen dürfen.“ 

2. VII. Die Patientin beschuldigt ihre Mutter, daß sie Schuld trage, daß die Menses 
bei ihr ausblieben. „Es ist das eine direkte haarsträubende Ungerechtigkeit von dir, 
daß du mich hierher geschickt hast, damit mir das geschehen mußte. Auch sagst du 
mir immer, ich bin wahnsinnig, aber ich bin es nicht und das tut mir von dir weh. 
Hier sind überhaupt keine Kranken, und doch sperrt man sie ins Gitterbett ein, 
siehst du es Mutter ? Die Ärzte hier sind die größten Verbrecher, an deren Spitze P. 
steht, und und man sollte sie in eine Zelle einsperren, alle zusammen, da möchten 
sie vielleicht zur Einsicht kommen, wie man mit Menschen umgeht. Überhaupt 
sagst du mir, Mutter, daß ich auf der psychiatrischen Klinik bin, aber das ist nicht 
richtig, — o, mir erzählst du nichts mehr, ich weiß ganz genau, daß ich im Inquisiten- 
spital vom Landesgericht bin und daran trägst nur du und P. Schuld. Dieser elende 
Verbrecher denkt auch, daß ich wahnsinnig bin. Oh, ich bin ganz normal und kann 
dieser elenden Wirtschaft nicht mehr lang Zusehen und Gottvater wird mich selbst 
an einem Erlösungswerk arbeiten lassen — mich die Begnadete, die Schwester Jesus. 
Wagt es nicht, mir nahe zu kommen, ich bin heilig und werde ein großes Martyrium 
für die schlechte Menschheit mitmachen, aber Gott wird mich stärken, damit ich alles 
ertragen kann. Betet mit mir, betet!“ Die Patientin betet dann unausgesetzt das 
Vater unser und den Glauben. 

Diese Beobachtung habe ich deswegen so eingehend mitgeteilt, weil sie mir die 
Möglichkeit zu bieten scheint, in das Wesen der katatonen Psychosen tiefer ein¬ 
zudringen. Sie verläuft in einer Reihe von psychologisch abgrenzbaren Phasen. 

Die beiden ersten Attacken (I. Phase) w urden nicht von mir selbst beobachtet; 
es sind manisch-depressive Zustände, hinter denen jedoch die späteren schwereren 
Störungen, wenigstens der Krankengeschichte nach, durchzuleuchten scheinen. 
Die Diagnosen der Klinik lauteten allerdings auf Melancholie und Manie. Die Er¬ 
krankung nimmt ihren unmittelbaren Ausgang von dem Tode des Mannes der 
Patientin. Die Depression ist von berechtigten Selbstvorwürfen durchsetzt. 
Sie habe dem Mann den Tod gewünscht. Die Angaben, welche aus den letzten 
Aufnahmen der Patientin in der Klinik stammen, zeigen folgende Regungen an: 
Verachtung, Wunsch, den Mann zu unterdrücken, ihn tot zu sehen. Dazu schwer¬ 
wiegende sexuelle Schwierigkeiten. Sie ist sexuell anästhetisch und fordert den 
Cunnilingus. Sexuelle Unbefriedigung geht voraus dem Erleben des Nicht- 
fühlenkönnens, der Abstumpfung des Gefühlslebens. Es ist wichtig, sich den Aus¬ 
gangspunkt der Psychose vor Augen zu halten; es zeigt sich nämlich, daß das 
gleiche Motiv immer wiederkehrt. 

Der unmittelbare Anlaß zur zweiten Einlieferung ist gleichfalls ein erotischer 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


145 


Konflikt. Ihr epileptischer Onkel versucht sich ihr zu nähern und entfesselt in 
ihr eine Flut von Wünschen, Begehrungen und sexuellen Phantasien. (Auch 
darüber erfahren wir erst aus den Krankengeschichten des Jahres 1918/19 Nä¬ 
heres.) Die Periode bleibt aus, sie wird den Gedanken nicht los, vom Onkel ge¬ 
schwängert zu sein. Und diese „Zwangsvorstellung“ ist von einer manischen 
Ideenflucht überbaut. Auch während ihrer ersten Depression war die Patientin 
mitteilsam und gesprächig gewesen. 

Ich kann nicht auf die Frage eingehen, aus welchen psychischen Quellen die 
Depressionen und manischen Zustände ihren Ursprung nehmen; es muß nur die 
eine Frage ganz kurz gestreift werden, ob denn die schizophrenen Depressionen 
und Manien mit den zirkulären Formen identisch seien oder nicht. Auf der prin¬ 
zipiellen Gleichartigkeit der psyohischen Mechanismen in beiden Fällen muß man 
schon deshalb bestehen, weil in einer Reihe von Fällen eine klinische Differenzie¬ 
rung der einzelnen Psychosen nicht möglich ist. Gewiß ist aber bei einer Anzahl 
von Fällen die Stellung des Gebildes vom Charakter der Affektpsychose der 
Gesamtpsyche gegenüber eine verschiedene, je nachdem manisch-depressives 
Irresein oder Schizophrenie vorliegt. Es können jene Symptome der Schizo¬ 
phrenie durchschimmern, welche unter den verschiedensten Bezeichnungen als 
die Grundsymptome dieser Erkrankung angesehen werden (affektive Verblödung, 
Kraepelin, Intrapsychische Ataxie, Stransky, Intentionsleere, Loewy, 
schizophrene Assoziationsstörung Bleuler, Bewußtseinshypotonie, Berze 1 ), 
Narzißmus, Psychoanalyse). Kronfeld 2 ) hat jüngst das einschlägige Phänomen 
eingehend analysiert. Er verweist auf den Riß im Erleben, den er phänomeno¬ 
logisch charakterisiert. Allerdings glaubeich, daß auch beider Schizophrenie dieser 
Riß nicht immer im Bilde da sein muß, und daß er, selbst wenn er da ist, den an¬ 
deren Phänomenen beigeordnet sein kann. 

Die folgende (II.) Phase (Aufnahme 1918) wird äußerlich durch halluzinato¬ 
rische Erlebnisse beherrscht. Sie steht in Kontakt mit einem Priester, dem Seelen¬ 
führer. Manische Vielgeschäftigkeit und Umständlichkeit vervollständigen das 
äußere Bild. Eine bedeutsame Neigung, in den alltäglichsten Dingen Symbole für 
Geschlechtliches zu sehen, tritt hervor. Das Sexualproblem tritt in veränderter 
Form in Erscheinung. Während es in der ersten Phase als Unfähigkeit zum 
Sexualgenusse erscheint, tritt jetzt bei der Patientin der Gedanke hervor, daß 
ihr die Geschlechtsteile entzogen werden sollten. Sie bezeichnet das als Homo¬ 
sexualisierung. Der Bilderreichtum, unter dem die Patientin Sexuelles sieht, ist 
ein überraschender. Sie gibt ihre „Deutungen“ ohne irgendeine Aufmunterung. 
Nur über einige Bemerkungen der Patientin sind Erörterungen nötig. Gleichzeitig 
mit dem Gedanken der Homosexualisierung tritt die Meinung bei der Patientin 
auf, das Herz werde ihr entzogen und sie sei ausgehöhlt. In dieser Zeit eine Phan¬ 
tasie, sie schwebe unter Angst zum Himmel empor. Das Schweben erscheint 
hier als Verkörperung der Überwindung der Erdenschwere durch den Verlust 
der Sexualität. Es ist eine Ersatzbefriedigung für die Entfernung ihrer Sexual¬ 
organe. Deshalb die Angst. Das Bild des Seelenführers verschmilzt der Patientin 

1 ) Die primäre Insuffizienz der psychischen Affektivität. Wien u. Leipzig: 
Deuticke. Daselbst findet sich die Literatur besprochen und referiert. 

2 ) Über schizophrene Veränderungen im Bewußtsein der Aktivität. Zeitschr. 
f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 74, S. 16, 1922. 

Schilder, Seele und Leben. 


10 



146 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


einesteils mit dem Bilde des Onkels, aber auch mit dem des Mannes. Alle Liebes- 
figuren sind ihr eine. Noch ein weiteres wichtiges Motiv kündigt sich an. Die 
Patientin ist von einer perversen infantilen Sexalität erfüllt. Zu dieser tauchen 
früher erlebte Bruchstücke auf; sie wünscht, daß ihr Genitale mit der Zunge 
berührt wird (sicherlich hat dieses Moment in ihrer Ehe eine Bolle gespielt). 
Dann: sie hat Phantasien, ihr Genitale würde mit einem Zahnstocher gestochen 
und der Saft würde aufgesaugt. Ein besonderes Interesse für die Ausscheidung 
tritt hervor. Die Homosexualisierung erscheint unter zwei Bildern. Das eine ist 
der Verschluß des Genitales durch eine Art Platte, das andere ist das Bild der 
Kastration. Gegen das Ende dieser Phase zu sieht sie das Kastriertwerden auch 
in der Außenwelt: Jesus wird des Genitales beraubt. Er gehört zweifellos in die 
Reihe der von ihr geliebten Personen; einmal sieht sie in der Sonne ein Zu¬ 
sammenklappen und ein Zuschnappen, ein Zuklappen. Dies ist wohl ein Rest der 
früheren Vorstellungen. Während der eben besprochenen Phase treten katatone 
Symptome im engeren Sinne nicht hervor, aber die Sprache ist bereits um¬ 
ständlich, weitschweifig und erinnert an die Sprachverwirrtheit. Daß in dieser 
Phase bereits eine Umbildung des Verhältnisses zwischen Welt und Körper von¬ 
statten geht, beweisen die Halluzinationen. Auch die Vorstellungen werden leb¬ 
hafter und zu lebendigeren Phantasiebildem. Hiermit ist eine sexuelle Erregung 
verbunden, welche zunächst der normalen Artung entspricht, die aber bald zu 
anderen Formen absteigt Nach den Ausführungen des 2. Kapitels ist es nicht 
weiter verwunderlich, daß eine Steigerung des Selbstgefühles bei der Patientin 
auftritt, sie hält sich für eine Göttin u. dergl. mehr. 

Es sind bei unserer Patientin ,,chronische* 4 Störungen der Begriffsbildung 
nachweisbar. Diese chronische Begriffsstörung ist überhaupt wesentliches Be¬ 
standstück des größten Teiles der Schizophreniefälle. Keine Theorie der psychi¬ 
schen Erscheinungen der Schizophrenie wird an ihr Vorbeigehen können. Gleich¬ 
wohl versagen ihr gegenüber die bisherigen Theorien völlig. Über die Bleulersche 
Anschauung habe ich bereits gesprochen. Es dürfte schon sehr schwer sein, das 
hier zutage geförderte deskriptive Material mit der Nomenklatur der Assozia¬ 
tionspsychologie festzuhalten. Der Begriff der Veränderung der Schaltspannung 
der Assoziationen ist aber völlig ungeeignet zur Erklärung der Befunde. Ich sehe 
nur veränderte biologische Ziele und dementsprechend auch veränderte Be¬ 
griffe. Das beste Gegenbild zu den Begriffen der Schizophrenen sind die Auf¬ 
fassungsstörungen der Agnostiker. Von diesen wird etwa die optische Wahrneh¬ 
mung zerstückt gesehen. Es ist eine Funktion der Ordnung und Zusammen¬ 
fassung der Rohmaterialien nicht zur Entfaltung gekommen. Es gibt unrecht¬ 
mäßige Verschmelzungen von Teilen der Wahrnehmung. Die Wahrnehmung 
wird durch Zwischenschiebung und Ablenkung von Teilen in ihren Grundlagen 
verändert. Die Lehre von der Assoziationsstörung der Schizophrenie beruht 
offenbar nur auf dem Wunsche, irgend etwas Lokalisierbares zu haben. 

Auch Berzes Lehre von der primären Insuffizienz der psychischen Aktivität 
steht diesem Phänomen ratlos gegenüber. Berze 1 ) faßt ja die Hypotonie als 
deskriptives Merkmal auf und es muß zugegeben werden, daß in einer An¬ 
zahl der einschlägigen Fälle eine Unsicherheit des Akterlebens, Denkens, Wahr- 


x ) Die primäre Insuffizienz der psychischen Aktivität. Wien: Deuticke 1914. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


147 


nehmens usw. zu registrieren ist. Man hört von den Patienten alle jene beweglichen 
Klagen, die man von den Pepersonalisierten hört. Berze wertet sie als Selbst¬ 
bekundung der psychischen Hypotonie. Es bedarf aber nur einer oberflächlichen 
Analyse, um zu zeigen, daß diese Äußerungen Antwort, sind auf einen seelischen 
Konflikt, der sich unschwer deskriptiv nachweisen läßt. Ich verweise auf meine 
Arbeit über Depersonalisation. Die Entfremdung des Akterlebnisses entspricht 
dem Wirksamwerden eines Widerspruches aus der Tiefe. Das Phänomen der 
Entfremdung kann zwar auch anscheinend durch rein körperliche Einwirkung 
zustande kommen, wie ich das in einem epileptischen Dämmerzustand beobachtet 
habe. Aber selbst in diesem Falle tauchen psychische Gebilde auf, welche den 
Widerspruch gleichsam repräsentierten. Es ist auch auffallend, mit welcher Ener¬ 
gie und Konzentration die Depersonalisierten bei ihrer Selbstbeobachtung sind. 
Sicherlich ist aber ihre psychische Aktivität auch zum Teil auf den Konflikt 
eingestellt. Ich kann also nirgends eine Abnahme der psychischen Aktivität 
schlechthin sehen, sondern diese ist nur bestimmten Vordergrundserlebnissen 
entzogen. Auch Berze ist meiner Ansicht nach der Versuchung unterlegen, 
die psychologische Analyse durch vorschnelle Lokalisationsversuche zu unter¬ 
brechen. Die Beziehungen des Körpers und Hirnes sind nicht so einfach, daß sich 
der Entzug „psychischer Energie", welche durch körperliche Apparate geliefert 
wird, unmittelbar äußern würde in dem Maße der vorhandenen psychischen 
Aktivität u. dergl. m. Es soll nicht geleugnet werden, daß Berzes Konzeption 
heuristisch Wertvolles enthält. Der Gedanke, die Hauptbezugsquelle der psy¬ 
chischen Energie subkortikal zu lokalisieren, ist zweifellos bedeutsam. Auf die 
fruchtbaren Reichardtschen 1 ) Gedankengänge sei gleichfalls verwiesen. 

Die älteren Theorien von Stransky und Löwy sind in noch direkterer Weise 
auf grobe Ausfälle im anatomischen Sinne zugespitzt, so daß ich mir eine eingehen¬ 
dere Diskussion ersparen kann. 

Nur die Annahme, daß das Individuum sich biologisch auf andere Ziele um¬ 
stelle, wird den Tatsachen gerecht. Die psycho-analy tische Annahme des Narzißmus 
hat aber im Grunde nur den Sinn, daß das Individuum eine andere biologische 
Einstellung gewonnen habe. Sollen wir den Inhalt der ersten Phase der Erkran¬ 
kung mit dem Inhalt der zweiten Phase vergleichen, so scheint der gleiche seelische 
Konflikt in einer verschiedenen Art und Weise erledigt zu werden. In der zweiten 
Phase wird eine weit größere Reihe von Kindheitserlebnissen für die Erledigung 
des Konfliktes herangezogen, primitivere Formen des Sexualität spielen hinein 
und eine Umschmelzung von Subjekt und Objekt findet statt. Faßt man den Be¬ 
griff des Narzißmus so wie im 2. Kapitel des Buches, so muß man sagen, daß 
die psycho-analytische Konstruktion sicherlich einen wesentlichen Teil der tat¬ 
sächlichen Verhältnisse erfaßt. Die ausführliche und lange Krankengeschichte 
sei übrigens allen jenen zum Studium anempfohlen, welche von den Symboldeu¬ 
tungen der psychoanalytischen Schule nichts wissen wollen*). 

Hier gibt die Patientin selbst ihre Deutungen. Sie entsprechen überraschend 
genau den psychoanalytischen. 

*) Theoretisches über die Psyche. Joum. f. Psychiatr. u. Neurol. Jg. 18. 

*) Es ist für den p sychoanalytisch eingestellten Forscher fürwahr nicht leicht, sich 
literarisch zu äußern. Er muß Selbstverständlichkeiten immer wiederholen, weil 
diese von solchen, die sich künstlich blind machen, immer wieder geleugnet werden. 

10* 



148 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


Die nächste Phase (III.) ist durch das Auftreten katatoner Erscheinungen 
gekennzeichnet. Die Patientin zeigt eine starre Miene, erstarrte Haltungen und 
Störungen cier Rede, welche sich in der früheren Phase bereits andeuteten, treten 
jetzt in besonders ausgeprägter Form hervor. Auch der Gedankeninhalt ändert 
sich, ihr Interesse dreht sich um den Kot, die Öffnung des Leibes wird von ihr 
als Gnade Gottes empfunden, sie schildert diese Gefühle in einer Weise, daß 
man sie in die nächste Nähe des Orgasmus stellen muß. Die katatone Erstarrung 
erklärt sie mit einer Entschlußunfähigkeit: ,,Ich weiß nicht, was ich tun soll, 
ob ich rechts oder links gehen soll. Ob ich den Speichel schlucken soll oder 
nicht.“ ,,Beim Schlucken möchte ich immer beschützt sein/' Gleichzeitg wird 
auch die Nahrungsaufnahme für sie etwas Bedeutungsvolles. Sie hat zwei 
Schlünde, der eine ist sexuell gemacht, die Feinde halten ihr den anderen zu. 
Die optischen Bilder werden von Gerüchen abgelöst. Schließlich tritt der Ge¬ 
danke, zu Tieren Beziehungen zu haben, in den Vordergrund. Ihre Ideen 
wachsen in das Grandios-Phantastische. Der Hund besteht seit Urbeginn, 
vielleicht hat er Gott geschändet. Er wird zum Vertreter des Bösen überhaupt, 
er verschmilzt mit dem Onkel, sie selbst wird gekreuzigt, hat Hundehände. Die 
Idee geschändet zu sein taucht in einer neuen Form auf. Man hat ihr das eigene 
Genitale weggenommen und ein Genitale des Hundes an ihren Mund gebracht. 
Besonders beachtenswert ist die schwere Sprachverwirrtheit dieser Phase, die 
einer näheren Analyse unterzogen werden soll. Als Grundlage dienen jene Par¬ 
tien, welche stenographische Nachschrift sind von Unterredungen zwischen Herrn 
Professor Stransky und der Patientin. Die Patientin war damals für Herrn 
Professor Str. besonders zugänglich. (Examen vom 11. IV. ff.) Der Dialog be¬ 
ginnt mit einer Klage der Patientin, daß man ihr Gedanken entziehe. In der 
Unterredung des nächsten Tages spricht sie von einer Strahlenentziehung, dann, 
man habe von einem runden Organ, dem Gehirn, etwas weggenommen; dann: 
man wolle an ihrer Reinheit erstarken. Die Unterredungen vom 12. und 13. IV. 
bringen hierzu noch folgendes. Das Gehirn wird als rund empfunden und das Ent¬ 
ziehen der Strahlen wird als Anfechtung bezeichnet. Zu Geometrie: Dieser 
Ausdruck taucht auf in Verbindung mit: ,,Ich bin dazu benutzt worden. Einer, 
der mir gestorben war, die Benutzung des Gestorbenen zu Schweinereien.“ 
Sie spielt damit einesteils auf die technische Befähigung ihres Mannes an, 
anderenteils wird der Gegensatz Protestant-Katholikin hervorgehoben. Der 
Begriff katholisch deckt sich bei ihr mit: rein sein und gesunde Geschlechts¬ 
organe haben. Protestant und Schmutz sind ihr identisch. Das reine O der 
Geometrie bringt sie gleichfalls in Beziehung zu ihrem Mann. Dorotheergasse 
(in dieser befindet sich eine protestantische Kirche) schließt dem Klang und 
Sinn nach an Geometrie an. Von ihrem Mann sagt sie, er hat das Erfassen 
der Geometrie gehabt. ,, Jedenfalls hat er mit Vorliebe diese, wie da ist ja alles 
enthalten, Ziehungen, Winkel, Einzeilungen. Das reine O ist verunstaltet worden.“ 
Sie bringt „Verrenkem“ mit Geometrie in Zusammenhang. Zu diesem Begriffs¬ 
kreis gehört der Ausdruck ,,Pfütze“. Verrenkem ist wohl eine Entstellung 
von ,,verrenken“; denn sie erklärt, verrenkern sei so, wie wenn man sich die 
Hände verstaucht. Schließlich kommt sie spontan in diesem Zusammenhang 
zu dem Ausdruck Geometrie zurück, der wieder auf die Mischehe hindeutet. Der 
Begriff der Anfechtung wird durch folgenden Passus klar: ,,Indem wir doch alle. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


149 


die Menschen sind, doch alle verpflichtet den nötigen Tribut an das zu geben, was 
uns das Sein verliehen.“ Unterwelt und Lache werden von der Patientin gleich¬ 
gesetzt. Verrenkerung ist für die Patientin im wesentlichen gleichbedeutend mit 
Homosexualisierung und Entziehung der Geschlechtsteile, ln diesen Kreis gehört 
das Abdrehen des Herzens. Es ist gar keine Frage, daß auch das Herausreißen 
des Gehirnes für die Patientin das Gleiche bedeutet. Schließlich ist es wohl be¬ 
rechtigt, den Gedankenentzug auch hier einzureihen. Gelegentlich spricht die 
Patientin von Strahlen, die ihr weggenommen werden. Der Homosexualisierung 
stellt die Patientin den Aufblick gegenüber, den sie mit Gott gleichsetzt. Der 
Begriff „Schwan“ ist für sie der Inbegriff der Reinheit. 

So leuchten aus diesem sprachverwirrten Duktus die gleichen inhaltlichen 
Probleme hervor, welche die Patientin in früherer Zeit beschäftigt haben. Es ist 
nun zu fragen, warum sie jetzt in einer so verschiedenen Form gelöst werden. 
Es sind ja schwere formale Störungen bis zur Lösung der Grammatik, die hier 
hervortreten. Ganz allgemein muß zu der Problematik gesagt werden, daß sie 
durch die ganze Psychopathologie hindurchgeht. Schon anläßlich des ersten Falles 
habe ich hervorgehoben, daß der gleiche Inhalt sich entweder in Halluzinationen 
oder in Wahnideen äußern kann. Offenbar ist nicht nur die Energie der Verdrän¬ 
gung für die Wahl der Form maßgebend. Man kann sich zwar vorstellen, daß 
die Halluzination die gründlichere Abstoßung eines quälenden Gedankens ist. 
Man muß sich aber auch denken, daß die Verdrängung nur ein anderes System 
angreift, in dem Falle der Halluzination ein System, das eine gelockerte Schei¬ 
dung zwischen außen und innen auf weist. Diesen besonderen Zustand des Systems 
könnte man auch versuchen, biologisch zu definieren 1 ). Sicher würde er z. B. 
durch gewisse Intoxikationen (etwa Cocain) herbeigeführt. Man kann aber auch 
versuchen, wie ich das oben getan habe, diesen biologischen Zustand psycho¬ 
logisch zu definieren und bestimmen. Man darf darüber nicht vergessen, daß in 
allen hier angeführten Fällen die Ursache für diese psychologischen Einstellungen 
im Somatischen liegt. Es ist überhaupt fraglich, ob eine solche Veränderung 
auf psychologischem Wege erzielt werden kann, und selbst wenn etwas 
derartiges empirisch gegeben wäre, so müßte man doch annehmen, daß die 
Vorbedingung für diese besondere Wirksamkeit in der Körperlichkeit gelegen 
ist. Man könnte nun sofort wieder mit Fragen kommen, ob denn der sprach - 
verwirrte Duktus nicht am zweckmäßigsten rein somatisch erklärt werden könne. 
Ob denn die früheren Erlebnisse sich nicht in einer Form auswirken, welche aus¬ 
schließlich nur durch Intoxikation bestimmt ist. In diesem Sinne spricht die 
unter anderen von Kleist 2 ) hervorgehobene Ähnlichkeit der sprachlichen Ge¬ 
bilde mit den Krankheitserscheinungen der Aphasien. Auch Pf er sd or f 8 ) macht 
in allerdings etwas anders gelagerten Fällen in ausgezeichneten Detailanalysen 
auf die rein sprachlichen Assoziationen aufmerksam. Es scheint aber, daß selbst 

*) Freud: Zur Einführung des Narzißmus, scheidet ausdrücklich Regression und 
Verdrängung. 

*) Aphasie und Geistesstörung. Münch, med. Wochensehr. 1914, S. 91. 

8 ) Die Gruppierung der sprachlichen Assoziationen. Monatsschr. f. Psychiatr. u. 
Neurol. Jg. 31, 1912. (Daselbst Literatur) und: Zur Pathologie der Sprache. Zeitechr. 
f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 2, 1910. Galant: Die Neologismen der Geistes¬ 
kranken, Archiv f. Psychiatr. u. Nervenkrankh. Jg. 01, 1920, führt die Neologismen 
der Katatoniker auf sprachlich-motorische Störungen zurück. 



160 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


bei den Aphasien gewisse Hemmungsmechanismen am ehesten unter der Analogie 
psychischer Hemmungen verstanden werden könnten. Es muß ein für allemal 
betont werden, daß auch die Hemmungsfunktion bei schwerer organischer Er¬ 
krankung psychische Äquivalente haben kann. Man müßte also nach psychischen 
Determinanten der Sprachverwirrtheit suchen. Allgemein ausgedrückt: ein 
Phänomen ist psycho-pathologisch nicht dadurch bestimmt, daß die Inhalte auf¬ 
gedeckt werden, welche ihm zu Grunde liegen, sondern erst dann, wenn auch 
geklärt ist, weshalb die Inhalte gerade in dieser Form auf tauchen, wobei der Re¬ 
kurs auf eine organische Läsion nicht genügend ist. Diese muß sich vielmehr 
als psychologische Funktion ausdrücken lassen. Gewiß sind wir im Einzelfall 
von .Lösungen weit entfernt 1 ). 

Wenden wir uns nach diesen Vorbemerkungen den vorliegenden Symptomen 
zu. Das eine ist die katatone Haltung, das andere die Sprachverwirrtheit. Die 
katatone Haltung geht bei unserer Patientin psychisch einher mit dem Bewußt¬ 
sein der Unentschlossenheit, also einem bestimmten Geisteszustand. Damit ist 
eine psychologisch eigenartige starre Einstellung auf einen bestimmten Inhalte - 
kreis verbunden. Es ist gar keine Frage, daß diese Einstellung eine starrere ist, 
als die gedanklichen Gebilde der vorangehenden Phase; hier finden sich also 
Berührungspunkte zu der Kraepelinschen und Bleulerschen Anschauung, 
daß Willenssperrungen für das Zustandekommen katatoner Symptome ma߬ 
gebend seien. Es ist nur fraglich, ob damit die Sache erschöpft ist. Die Problem¬ 
stellung ist offenbar folgende :Wird der Zustand der Unsicherheit, des Schwankens, 
in unserem Falle besonder lange festgehalten oder mündet er leichter in die ka¬ 
tatone Starre, weil der motorische Apparat verändert ist? Ist vielleicht das 
Wesentliche die Veränderung des motorischen Apparates ? Eine dritte Möglich¬ 
keit ist darin gegeben, daß der motorische Apparat verändert ist, und daß diese 
physische Störung jene Momente ins Bewußtsein drängt, welche zu ihr gehören. 
Es hätte sich also dann gleichsam das Motorische psychisch maskiert. 

Daß der erste Modus möglich ist, zeigt die Katalepsie der Hypnose, ich meine 
jene, welche suggestiv durch entsprechenden Befehl hervorgerufen wird. Hier 
liegt offenbar eine Abschaltung von Willensimpulsen vor. Gleichwohl muß auch 
für die Hypnose-Katalepsie eine organische Grundlage angenommen werden, sie 
ist vermutlich auf gewisse Hirnstellen (striopallidäres System) zu beziehen. Die 
Ähnlichkeit mit zweifellos organisch bedingten Abschaltungen ist sicher eine sehr 
große (solche zeigen sich insbesondere bei der Encephalitis epidemica). Es muß 
aber betont werden, daß die bei dieser Erkrankung auftretenden kataleptischen 
Bilder keine geistigen Störungen nach sich ziehen. Man darf also wohl sagen, 
daß die psychische starre Haltung unseres Falles wohl Ursache der Katalepsie 
sein kann, nicht aber die Katalepsie Ursache der Seelenstörung. Allgemein 
wird wohl gelten, daß kataleptische, katatone Symptome aus den psychischen 
heraus erfließen können, und daß die Annahme derWillenssperrung für diese Fälle 
genügt. Auch dann noch kann die Willenssperrung aufgefaßt werden als Korrelat 
einer Himveränderung. Aber sie ist nicht Korrelat einer Störung der motorischen 
Apparate. Das Haften eines Erlebens und einer Einstellung ist nach Ausfüh- 

1 ) Ein vorläufiger Versuch, zum Teil im Anschluß an PötzTsche Gedankengänge, 
in meiner Arbeit: Bemerkungen zur der Problemsphäre Cortex u. Stammganglien, 
Psyche, Neurose. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 74, S. 454, 1922. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


1B1 


rangen, die ich an anderen Stellen gegeben habe, nur unter Zuhilfenahme des 
psychischen Energiebegriffes zu erklären, wofern man sich nicht mit der reinen 
Deskription begnügen will. Die psychische Energie ist also von körperlichen 
Faktoren abhängig, kann durch sie vermehrt und vermindert werden, ist ihnen 
daher wesensgleich. In dem hier besprochenen Falle wird also meiner Meinung 
nach das psychische Energiequantum vor Erreichung des Motoriums eingesetzt. 

Aber es gibt im Sinne der zweiten Annahme sicherlich Zustände, wo das 
Motorium (im weitesten Sinne) als solches betroffen ist. Hierher gehört die Kata¬ 
lepsie jener Hypnotisierten, welche ohne entsprechenden Befehl in schwere Starre¬ 
zustände verfallen; hier muß wohl ein psychisch ausgelöster, aber somatisch 
definierbarer Zustand der motorischen Apparate vorliegen 1 ). Es ist also neben 
dem psychischen Moment noch ein bestimmtes somatisches nötig. Es gibt 
eine Anzahl von Katatonien, bei welchen auch die subtilste Untersuchung nicht 
zu erheblichen Komplexen vordringt. Ich gebe nur ein Beispiel, verfüge aber noch 
über eine Anzahl von hierher gehörigen Beobachtungen. 

Fall XIII. 

Adelheid R., 18 Jahre alt, in der Klinik vom 16. Mai bis 4. November 1919. Nach 
den Angaben der Mutter ist die Patientin noch nicht menstruiert. Familienanamnese 
belanglos. Ein 7 jähriger Bruder starb vor einem Jahr, worüber sich die Patientin sehr 
kränkte. Die Patientin war Schuhstepperin. 5 Wochen vor der Aufnahme sprach sie 
nach einem Streit mit zwei Arbeiterinnen irre, sprach von zwei Nachbarn, die Zither und 
Geige spielten, sagte: ja Mutter, das sollte ein Millionär sein. War dann wieder unauf¬ 
fällig, am 15. Mai begann es, sie zu reißen, sie sprach nicht mehr, sie sagte nur: „Das 
Gehen strengt mich an, auch im Gesicht waren Zuckungen.“ In der Klinik zeigte die 
infantile, unterentwickelte Patientin folgendes Bild: Sie hält die Augen geschlossen, 
läßt den Kopf nach der Seite hängen und beantwortet Fragen und Eingriffe mit 
Stöhnen. Sie muß zu allen Verrichtungen angehalten werden. Beim Examen hängt 
sie halb vom Sessel herunter; auf entsprechende Fragen nickt sie schweigend mit dem 
Kopf. Befragt, ob sie Schmerzen habe, sagt sie in weinerlichem Ton „ich weiß nicht.“ 
Die Augen öffnet sie nicht auf Auftrag. Als man sie öffnen will, zwickt sie dieselben so 
stark als sie kann zu und jammert ab wehrend in trotzigem Ton. Ihr Gesicht rötet sich 
wie das Gesicht eines zornigen Kindes. Auf die Füße gestellt, scheint sie erst einschnap- 
pen zu wollen, dann bleibt sie aber ohne jede statische Störung stehen. Der Nacken 
ist vollkommen frei. Bewegungen des Kopfes im Nacken sind möglich. Auf die Frage, 
was sie habe, zuckt sie mehrmals mit den Achseln, verneint auch ebenso Orientierungs- 
fragen und die Frage, ob sie erschrocken sei. 

In der nächsten Zeit entwickelt sich ein typisch katatones Bild; starre Haltungen, 
Haltungsstereotypie, leerer Gesichtsausdruck, ausgesprochene Katalepsie, speichelt 
viel, ist aber zeitweise zugänglich, gibt aber dann an, sie wisse nicht, weshalb sie so 
sei, auch ihre sonstigen Antworten sind leer und inhaltsarm. Dann kommen Zeiten, 
in denen katatoner Schnauzkrampf, negativistische Sperre in Kiefer- und Nacken- 
muskulatur bestehen. Meistens ist sie mutistisch, dann kommen sogar spontan Äuße¬ 
rungen, wie: das Geschrei der anderen Patientien täte ihr weh. Am 27. VIII. antwortet 
sie auf eine entsprechende Frage des Referenten, es hätte sie in den Kiefern so ge¬ 
spannt, sie habe deshalb nicht sprechen können, auch mit ihrer Mutter nicht. Die 
Patientin hat weder Bilder gesehen, noch Stimmen gehört, sie wollte sich bewegen, 
konnte es aber nicht. Dabei ist noch Katalepsie vorhanden. Auf die Frage, weshalb 

l ) Vergleiche hierzu meine Broschüre: Über das Wesen der Hypnose. Berlin: Julius 
Springer 1922. Kronfeld hat in der Einleitung zu einer Abhandlung Friedrichs: 
Zur Psychologie der Hypnose und Suggestion (Kleine Schriften zur Seelenforschung 
H. 1, 1922. Stuttgart: Püttmann) allerdings betont, es gäbe keine unsuggeriertc 
Katalepsie; ich muß jedoch an meinem Standpunkt festhalten. 



152 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


sie den Arm nicht bewege, beginnt sie zu weinen; in den nächsten Monaten wird sie 
allmählich immer zugänglicher, die Katalepsie verschwindet, nur ist die Patientin 
noch steif, ungraziös und bewegungsarm. Die Mimik ist noch unbeweglich. Sie 
versichert immer wieder, sie habe in dieser ganzen Zeit nichts erlebt, sei nur durch die 
Spannungen behindert gewesen. Auch über Träume ist nichts zu erfahren. Die Pa¬ 
tientin hat sich einige Zeit später vollkommen genesen vorgestellt,sie hat katamnestisch 
nichts weiter über ihre Krankheit angegeben. 

Es handelt sich also um eine Katatonie (das gesamte psychische Verhalten 
dieser Kranken schließt die Encephalitis aus), bei der der Unbefangene doch 
den Eindruck gewinnt, die Störung der Motilität beruhe nicht auf Komplexen, 

Es besteht also einesteils die Möglichkeit, diese motorischen Symptome be¬ 
ruhten auf der „psychischen Haltung“, andererseits aber auch die, sie beruhten 
auf Zuständen der motorischen Apparate. In den meisten Fällen wird wohl 
beides vereinigt sein. 

Diese Grundsätze gelten offenbar nicht nur von der Katalepsie, und werden 
wohl auch auf die negativistischen Spannungen und die hyperkinetischen For¬ 
men übertragen werden müssen. 

Ist denn aber die primäre, psychische Störung gesichert ? Es könnte sich ja 
das Organische psychisch widerspiegeln; die psychische Einkleidung könnte 
vorgetäuscht sein. Gelegentlich sieht man, daß Patienten mit „neurologisch“ 
bedingter Akinese von plötzlichen Störungen träumen. Eine dieser Kranken 
wollte z. B. im Traum die Kinder schlagen und die Arme blieben ihr in der Luft 
stehen, oder sie träumte, sie gerate in einen Sumpf und könne sich nicht röhren. 
Nun hat die Patientin im Traume keine Motivierung erlebt für die Unterbrechung 
der Handlung. Sie hat auch im Traum die Unterbrechung als Zwang empfunden. 
Außerdem bleibt es ja zweifellos ein Problem, weshalb die Akinese im Traum 
gerade in einem bestimmten Moment wirksam wird. Immerhin lehren derartige 
Träume, daß organisch bedingte, akinetische Zustände psychisch sich in Form 
von Sperrungen darstellen können. Man darf wohl annehmen, daß von einem 
derartigen Bild zur entsprechenden Handlung kein allzu großer Schritt sein dürfte 
und darf vermuten, daß in einer Reihe von Fällen das motorische Sperrungs¬ 
symptom nur deswegen erscheint, weil eine organische Dauerstörung vorhanden 
ist, welche sich nur unter bestimmten psychischen Konstellationen geltend 
macht. Hierher gehören die Fälle von H. Deutsch 1 ). In einem ihrer Fälle 
von beginnender Pseudobulbärparalyse kamen als erstes Symptom Stimmen, 
welche das Essen verboten und die Patientin behielt die Speisen im Munde. 
Die organische Störung wirkt wie ein Tagesrest bei der Traumbildung und lockt 
gewisse psychische Haltungen hervor. Anderenteils muß berücksichtigt werden, 
daß die psychischen Störungen der Encephalitiker, deren motorische Erschei¬ 
nungen mit denen der Katatonie zumindest enge Verwandtschaft haben, nicht 
denen der Schizophrenie entsprechen, und daß selbst in den Träumen der Ence¬ 
phalitiker die schizophrenieähnlichen Sperrungen nicht allzu häufig sind. Wenn 
also auch gelegentlich ein psychischer Zusammenhang durch organische Dauer¬ 
störung vorgetäuscht sein mag, in dem Falle Hilda Le. spricht nichts für eine 
derartige Deutung. 


*) Ein Fall von symmetrischer Erweichung im Streifenhügel und Linsenkern usw* 
Jahrb. d. Psychiatr. u. Neurol. Jg. 37, 1917. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


163 


Ich glaube also, daß alle beschriebenen Möglichkeiten gelegentlich verwirk¬ 
licht sind. Ich habe übrigens in einer vor kurzem in der Medizinischen Klinik 
erschienenen Arbeit versucht, in einem anderen Fall das Wechselspiel psychischer 
und physischer Faktoren zu analysieren 1 ). 

Ich möchte betonen, daß die Anschauungsweise, die ich vertrete, erst durch 
die Arbeiten Kleists 2 ) möglich geworden ist, der in überzeugender Weise nach¬ 
gewiesen hat, daß alle diese Dinge auch organisch verstanden werden können. 
Ich gehe zwar von Kleist aus, setze aber konsequent das Psychologische als 
biologischen Faktor ein und bemühe mich, durch Analyse des Psychischen von an¬ 
derer Seite her diese Betrachtungen zu ergänzen. 

Wir können uns jetzt der eingehenden Betrachtung der Sprachverwirrtheit 
zuwenden. Stransky*) hat in einer grundlegenden Untersuchung gezeigt, daß 
bei entspannter Aufmerksamkeit (er ließ die Versuchspersonen mit der größt¬ 
möglichen Geschwindigkeit ins Grammophon sprechen) Sprachprodukte entstehen, 
die große Ähnlichkeit mit katatonen haben. Man kann also die Sprachverwirrt¬ 
heit zu Aufmerksamkeitseinstellungen in Beziehung setzen. Stransky 2 ) hat die 
Wirkung der Komplexe bei den Schizophrenen übersehen. Sie bewirken einesteils 
die veränderte Aufmerksamkeitseinstellung, anderenteils treten sie in der Sprach¬ 
verwirrtheit hervor. Jung hat Beweismaterial hierfür geliefert; ähnliches Material 
ist von Nelken u. Gallant 4 ) mitgeteilt. Man darf nun nicht übersehen, daß 
die psychische Gesamthaltung unseres Falles ohne schwere organische Störung 
gar nicht denkbar wäre. Wir haben uns vorzustellen, daß die schwere Intoxi¬ 
kation sich in einer Niveauverschiebung ausdrückt, einer Niveauverschiebung, 
die wir als psychische definieren können, es ist eine tiefe Versenkung in primi¬ 
tives Denkmaterial. Die Vertiefung des Verständnisses in derartigen Dingen ist 
nur über den Weg der Aphasien möglich. Die Forschungen der letzten Jahre, 
besonders dieBergsons 5 ) und Picks 6 ), haben ja immer wieder gezeigt, daß wir 
uns das Geschehen bei den Aphasien so vorzustellen haben, daß nicht etwa 
Psychisches vernichtet wird; es wird nur gehemmt und abgedrängt. Pötzl 
und ich konnten mehrfach darauf verweisen, daß diese durch organische Läsion 
bedingte Abdrängung viele Ähnlichkeit auf weist mit den Hemmungsvorgängen 
bei Neurosen und Psychosen. Man könnte meinen, daß die Abdrängung bei 
der organischen Erkrankung zwar qualitativ gleich ist der der funktionellen, 
daß aber die organische gleichsam anders dosiert und anders gerichtet erscheint. 
Es ist das Verdienst von Kleist und Pfersdorf, auf die organische Natur der 
Sprachstörungen, der Sprachverwirrtheit hingewiesen zu haben. Beide haben 
aber darüber übersehen, daß eine solche organische Erklärung eine psychologische 
Ergänzung nicht nur nicht ausschließt, sondern sogar fordert. Es muß insbeson¬ 
dere betont werden, daß die abnorme Aufmerksamkeitseinstellung eine sehr kom- 

*) Zur Psychophysiologie der Muskelspannungen. 1922. 

2 ) Untersuchungen zur Kenntnis der psychomotorischen Störungen der Geistes¬ 
kranken. Leipzig 1908. — Weitere Untersuchungen an Geisteskranken mit psycho¬ 
motorischen Störungen. Leipzig 1909. 

*) Über Sprachverwirrtheit. Halle 1905. 

4 ) 1. c. 

5 ) Materie und Gedächtnis. 

•) Insbesondere: Die agrammatischen Sprachstörungen. Berlin: Julius Springer 
1914, H. 7 der Monogr. a. d. Gebiet d. Neurologie u. Psychiatrie. 



1B4 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


plexe Größe ist, und daß man sich die Bindung der Aufmerksamkeit an bestimmte 
Gedankengänge motorischer Natur nicht so vorstellen darf wie die willkürliche 
Aufmerksamkeitsänderung der Gesunden. Von einem endgültigen Verständnis 
dieser Dinge sind wir noch weit entfernt; es muß sich erst eine Betrachtungs¬ 
weise mehr durchsetzen, die psychisch bedingt und organisch nicht als Gegen¬ 
sätze sieht. Trotz der weitgehenden Zerstörung der grammatikalischen Form in 
der vorliegenden Analyse sind die Sinnzusammenhänge sehr ähnlich denen der 
vorangehenden Phase. Sicher ist aber „Sinn“ auf dieser Stufe etwas anderes als 
„Sinn“ auf anderen „Niveaustufen“. All das sind sehr primitive Vorstufender 
Gedanken des Wachzustandes der Gesunden; Stufen der Gedankenentwicklung. 

Die Patientin hat in ausgesprochenem Maße das Gefühl, ihr Denken sei er¬ 
schwert und behindert. Allerdings führt sie diese Erschwerung auf den Einfluß 
der Unterwelt zurück, es ist aber durchsichtig, daß die Unterwelt nur die eigenen 
Gedanken der Patientin darstellt. Man darf auch nicht übersehen, daß in diesem 
Duktus nicht nur die Erschwerung vorliegt, sondern daß ein wesentlicher quali¬ 
tativer Unterschied auftaucht, der sich der Definition entzieht. Es muß noch ein¬ 
mal die Beschreibung kurz wiederholt werden: der Ausdruck Geometrie zielt 
einesteils auf die Ehe (ihr Mann hat sich viel mit Geometrie beschäftigt), er zielt 
anderenteils jedoch auch auf die Dorotheergasse, in der sich die protestantische 
Kirche befindet, und darauf, daß der Mann Protestant ist. Die Entstellung des 
reinen O’s der Geometrie bedeutet also, daß sie durch die Ehe des Protestanten 
befleckt wurde und in weiterer Entwicklung, daß sie nicht zur vollen Entwicklung 
ihrer Weiblichkeit gelangte. Die primitive Fassung des Duktus, geht also mit 
einer sehr weitgehenden Verdichtung weit auseinanderliegender Gedankenzüge 
einher. Eine solche Verdichtung ist aber auch eine primitive biologische Hal¬ 
tung, wie ich das oben ausgeführt habe. Es geht ja .die feinere »Differenzierung 
in der Haltung den Dingen gegenüber damit verloren. Ich möchte allerdings 
auf die Schwierigkeit verweisen, daß bei den ausführlich behandelten Verdichtun¬ 
gen der Fälle des ersten Kapitels die formale Störung gleichwohl nicht so ausge¬ 
prägt war. Es scheint, daß aber in dem Duktus unseres Falles die Verschiebungen 
innerhalb weiter voneinander entfernt liegender Sphären erfolgen können. Waren 
auch in den Fällen des ersten Kapitels (und den ihnen ähnlichen) die Verschie¬ 
bungen und Verdichtungen quantitativ imposant, so scheint diese Verdichtung 
doch mehr einer gleichförmigen Zusammenziehung zu entsprechen. In diesem 
Falle werden die Sphären durcheinander gewürfelt, was wiederum auf sehr erheb¬ 
liche Triebabweichungen verweist. Jedenfalls bedingt gerade eine derartige, man 
möchte sagen, sprunghafte Verdichtung eine wesentliche Abänderung im Ver¬ 
halten gegenüber der Außenwelt. Freud hat diese Besonderheit gewisser Kata¬ 
tonien auch gesehen und hat sie meines Erachtens nicht zureichend dadurch 
charakterisiert, daß es sich nicht um eine Bearbeitung der Sach Vorstellungen, 
sondern um eine Bearbeitung der Wortvorstellungen in diesen Fällen handle 1 ). 

Man sollte auch die Stuporformen nach ähnlichen Gesichtspunkten betrachten; 
so kennt der negativistische Stupor nur die Haltung der Ablehnung und der Be¬ 
fehlsautomatismus nur die Haltung des willenlosen Gehorsams, — gewiß eine un¬ 
geheure, biologisch imzweckmäßige Verdichtung. Wir kommen aber zu dem bio- 


*) DasUnbewußte. Internat. Zeitschr.f.ürztl. Psychoanalyse Jg. III, S. 189,157,1915. 



Zur Psychologie der Schizophrenie. 


156 


logischen Resultate, daß ja und nein motorisch ausdrückbar sind und sind so 
wieder zu dem Punkte gelangt, wo sich das Psychologische ins Organische wendet; 
Soweit wir davon entfernt sind, diesen Dingen ins einzelne folgen zu können, 
so erschließt sich doch eine Stufenleiter, welche mit dem primitiven Ja und Nein 
und der primitiven Indifferenz beginnt, über gewaltige Verdichtungen zur Sym¬ 
bolähnlichkeit und von da zum Symbol führt. Daran schließt sich das logisch 
straff gegliederte Denken. Die untersten Stufen dieser Leiter, Ja und Nein, haben 
die engsten Beziehungen zum Motorischen (zum Organischen), während auf den 
höheren Stufen die Beziehung zum Motorischen eine immer lockerere und mittel¬ 
barere wird 1 ). 

Wir sind also wiederum zu den Gedankengängen des 2. Kapitels auf 
Umwegen zurückgekehrt. Die Verschmelzung Körper-Welt taucht in neuer Be¬ 
leuchtung auf, schließlich wäre jedoch in bezug auf die Krankheitserscheinungen 
eine unterste Stufe hinzuzufügen: organisch bedingt. Man käme also zur Reihe: 
organisch bedingt —> instinktiv —>• extreme Verdichtung. 

Es muß ergänzend hinzugefügt werden: die Patientin identifiziert sich mit 
Jesus, mit Gott, mit ihrem Vater. Auch in der Figur des Hundes drückt sich wohl 
die Figur des Vaters aus. Möglicherweise ist es aber auch der Onkel als Ver¬ 
treter des Bösen. Es ist also ein sehr kompliziertes System der Identifizierun¬ 
gen. Freilich ist dieses System der Identifizierungen nicht völlig durchsichtig 
geworden; liegt das im Widerstreben der Patientin, die Zwischenglieder vorent¬ 
hielt, oder sind unsere Augen noch nicht genügend für diese primitivsten Denk¬ 
stufen geschärft? 

Hat man so eine große Reihe von Schizophrenien durchgearbeitet, so taucht 
die Frage auf, ob es denn überhaupt möglich sei, die Fülle der Erscheinungen 
unter einem Schlagwort zu vereinigen. Es ist ja schon fraglich, ob man einen 
Duktus, dessen grammatikalische Fügung gelockert ist, mit den gleichen psycho¬ 
logischen Annahmen verstehen kann wie den, bei dem eine derartige Lockerung 
nicht vorhanden ist. Schließlich sieht man immer wieder Fälle, welche in ihrer 
ganzen Struktur außerordentlich an Aphasien erinnern, auch bei den motorischen 
Erscheinungen zwang sich die Annahme auf, daß ein Teil derselben rein organi¬ 
scher Genese sei und psychologisch nur auf Umwegen erfaßt werden könne. 
Schließlich ist uns auch von dem Zustand Stuporöser nur wenig bekannt. Die 
Fälle mit Stauungspapille legen doch nahe, daß organische Himerkrankungen 
mit unterlaufen, also Fälle, deren psychischer Gesamtzustand von dem jener 
Stuporen doch wesentlich verschieden sein dürfte, bei denen man nachweisen 
kann, daß der Patient in bunten Bildern weitabgekehrt lebt. Auch die Gefühls¬ 
lage der Endzustände der Schizophrenie ist ebenso unaufgeklärt wie die intellek¬ 
tuellen Fähigkeiten der Endzustände. Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, 
daß es in den Endzuständen doch Defekte gebe, welche denen der Paralyse oder 
Idiotie zumindestens angenähert sind. Freilich sind ja unsere Kenntnisse über die 
psychologische Struktur der Dementen außerordentlich dürftig; hier müssen wohl 
noch weitere Untersuchungen einsetzen. Immerhin halte ich es schon heute für 
unangebracht, nach Primärsymptomen jagend zu vernachlässigen, daß die 

*) Ich möchte betonen, daß das Motorische hier nur als Beispiel gewählt ist; 
ähnliche Erwägungen gelten etwa bezüglich der Blutverschiebungen, der Speichel - 
Sekretion u. dergl. m. 



156 


Zur Psychologie der Schizophrenie. 


Schizophrenie ebenso wie die Paralyse eine organische Erkrankung ist, welche 
Abänderungen verschiedenster Ordnung setzen kann. Ich erinnere wiederum an 
den Himdruck, an die Stauungspapille u. dergl. m. Ich habe in diesem Buche 
die amenten Zustandsbilder nicht erwähnt. Sie sind bekanntlich im Kähmen der 
Schizophrenie nicht selten und haben wohl eine andersartige psychologische 
Struktur. Ich bestehe zwar darauf, daß der somatische Prozeß die psychische 
Einheit des Erlebens nicht zerreißt, aber er muß doch nicht immer Symptome der 
gleichen psychischen Ordnung hervorrufen. Es gibt keine Elementarstörungen, 
aus denen man sekundäre Symptome ableiten kann. Lockerungen der Assoziation 
und der Schaltspannung zwischen ihnen sind Begriffe von einer Weite, die sie un¬ 
brauchbar macht. Berze 1 ) betont mit Recht, daß das wesentliche Symptom 
unter Umständen nur dem akuten Schub zuzukommen brauche. Es ist an und für 
sich unwahrscheinlich, daß akute und chronische Wirkung gleichkonstruierte 
psychische Symptome mache. Bleuler sucht aber sein Primärsymptom in jeder 
Phase der Krankheit. Er findet es auch, dank der Weite des Begriffes. Eine 
körperliche Krankheit ist eben psychologisch nicht einheitlich faßbar, Symptome 
sind nur Auseinandersetzungen mit der Erkrankung; je nach Art und Grad der 
Krankheit erfolgt die Auseinandersetzung in verschiedener Weise: dabei können 
bei bestimmten somatischen Ausgängen der Krankheit bestimmte Einstellungen 
übrig bleiben. Es gibt aber kein Primärsymptom in dem Sinne, daß dieses spezi¬ 
fisch einem Prozeß zugeordnet wäre. Der leichte paralytische Prozeß macht eine 
Verstimmung oder eine Neurasthenie, der schwere kann an die Stelle der Demenz 
auch eine schwere Aphasie setzen. Schließlich gehen auch manche Kranke noch 
vor dem Einsetzen der Demenz an paralytischen Anfällen zu Grunde. Versteht man 
unter einem Primärsymptom ein Symptom, das uns für dieKrankheitsdiagnose 
gute Dienste leistet, so ist dagegen nichts einzuwenden. Es kann auch in der 
überwiegenden Mehrzahl der Fälle angetroffen werden, nur gehört es nicht zum 
psychischen Wesen der Krankheit. 

über die letzte Phase der Erkrankung unserer Patientin kann ich kurz hinweg¬ 
gehen. Das Chaos klärt sich, die logischen Beziehungen stellen sich wieder her, 
es findet ein Neuaufbau der Welt unter einer gewissen paranoiden Umschaltung 
statt, Verfolgungsideen, logisch formuliert, treten in den Vordergrund. Es ist nicht 
uninteressant zu sehen, wie nun alles Unangenehme immer mehr auf Einwirkungen 
der Außenwelt zurückgeführt wird. An die Stelle der früheren Liebesobjekte 
werden andere geschoben, das ganze System gleicht dem eines Verfolgungswahnes. 
Die Partei „Auf nach Zion“ will sie wegen ihrer christlichen Gesinnung zu Falle 
bringen u. dergl. m. Es ist nicht zu verkennen, daß diese neueste Phase der 
Patientin große Erleichterung bringt, sie leidet weniger. 

Im August 1921 habe ich die Patientin in der Landesirrenanstalt aufgesucht, 
sie zeigt ein typisches Bild der faseligen Verblödung, Gedankengänge früherer 
Zeit schienen darin aufzuleuchten. Doch war mir eine genauere Analyse nicht 
möglich. 

*) Schizophrenie und psychologische Auffassungen. Allgem. Zeitschr. f. Neurol. u. 
Psychiatr. Jg. 77, S. 58, 1921. 



Zur Psychoanalyse. 


157 


Y. Zur Psychoanalyse. 

Ergänzungen and Zusitze. 

Die nachfolgenden Zeilen bringen klinisches Belegmaterial für psychoanaly¬ 
tische Grundsätze. Einige Ergänzungen werden zu den Hauptgedanken dieses 
Buches hinzugefügt. Im einzelnen ist das meiste des hier Vorgebrachten be¬ 
kannt. Es schien mir aber doch nötig, klinische Kasuistik beizubringen. In den 
Arbeiten Bleulers, Jungs, Nelkens, Maeders, Spielreins 1 ) findetsich vieles 
hierher gehöriges, ebenso auch in der Arbeit Nunbergs 2 ). 

&• Oedipas-Komplex. 

Der Allgemeinbegriff ist nach allem eine biologische Gesamthaltung. Aber 
woher kommt diese ? Sie muß sich doch zunächst bestimmten Objekten gegen¬ 
über zeigen. Im Falle II. halluziniert die Patientin zu dem Arzt, der sie unter¬ 
sucht, einen weißen Bart hinzu. Aus dem mitgeteilten Material ist es wahrschein¬ 
lich, daß diese Zutat daher stammt, daß die Pat. in dem Arzt den Vater wieder¬ 
erkennt, der einen Bart hatte. Sie nimmt aber dem Arzt gegenüber die gleiche 
erotische Haltung ein wie gegenüber dem Vater. Das frühere Erlebnis bleibt 
also dem neuen unterlegt und ändert die Grundlage für die Begriffsbildung und 
damit eben die Begriffsgrundlage ab. Im Fall Sarah wird jedes Wesen, das mit 
der Pat. in Berührung gekommen ist, als göttlich aufgefaßt. Sie überträgt also 
ihre erotische Selbstüberschätzung auf alles, was räumlich benachbart ist und 
nimmt also zu den dem Körper räumlich benachbarten Dingen die gleiche Stellung 
ein wie gegenüber diesem selbst. Die Pat. Paula Skr. (Fall II.) nimmt aber auch 
dem Arzt gegenüber die gleiche Haltung ein, wie gegenüber dem Vater, offenbar 
weil ein Teil der Gesamtsituation wiedergekehrt ist, der Arzt macht ihr eine In¬ 
jektion, welche ihre erotischen Einstellungen weckt. Das heißt aber, wenn 
ein Teil einer früheren Gesamtsituation sich verwirklicht, dann tritt diejenige 
Haltung ein, welche durch die frühere Gesamtsituation gegeben war und Teile 
dieser können hinzuillusioniert werden. Es taucht also immer wieder diejenige 
Haltung auf, welche durch die frühere Gesamtsituation gegeben war, oder anders 
ausgedrückt, eine Haltung ist untrennbar mit dem Erlebnis verschmolzen, bei dem 
sie sich zum erstenmal offenbarte 8 ). Daraus folgt aber sofort, daß in jeder neuen 
Haltung die konkreten früheren Erlebnisse mitenthalten sind. Auch hieraus folgt, 
was durch psychologische Untersuchungen bestätigt ist, daß der Allgemeinbegriff 
durch eine Fülle von Einzelbildern illustriert sein muß. Eine sehr klare Beobach¬ 
tung dieser Art teile ich mit. Sie erinnert sehr an den Fall II. 

Fall XIY. 

Katharina R., 30 Jahre alt, Dienstmagd; in der psychiatrischen Klinik vom 
26. IV. bis 1. VI. 20. Wurde seit Februar dadurch auffällig, daß sie behauptete, sie 
habe dfrei Liebhaber in der benachbarten Polizeistube und sie habe den falschen ge- 

*) Zitiert in: Wahn und Erkenntnis. 

*) Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. 7, S. 301, 1921. 

•) Derartige Betrachtungen sind naturgemäß immer einseitig. So ist hier vernach¬ 
lässigt, daß ja jede neue Stellung, sei sie auch noch so regressiv, etwas schöpferisch 
Neues in sich birgt. Auch hier handelt es sich nur darum, wo der Akzent liegt, auf dem 
früheren oder auf dem neuen Erwerb. 



158 


Zur Psychoanalyse. 


wählt. Gleichzeitig wurde sie aufbrausend und dem Dienstgeber gegenüber aggressiv. 
In der Klinik behauptet sie (bei guter örtlicher und zeitlicher Orientierung) sie höre 
sprechen, bekäme Antwort auf ihre Gedanken. Sie hörte es deutlich, sie sagten, sie 
wollten sich duellieren. Es waren nämlich drei, die sie heiraten sollten. Der Herr 
K., der Herr B. und der Herr R. — K., der sie oft gesehen hat, hat ihr gesagt, daß 
er sie heiraten wolle. Die Patientin macht einen verlorenen, versonnenen Eindruck. 
Antwortet auf die Fragen nur zögernd und langsam. Zur Vorgeschichte: Mutter seit 
langem tot. Vater seit 2 Jahren. 3 Geschwister gesund. Die Mutter war vielleicht 
nervenkrank. Mit 20 Jahren hat sie einmal geschlechtlich verkehrt: mit Angst, kein 
Genuß. Sie lief davon. Periode in Ordnung. 

28. IV. „Ich hab die heilige Sehnsucht mitgemacht... die Menschen sollen gut 
und edel sein.. .jeder der mich anschaute, wurde glücklich.“ Die Patientin hat das 
Himmelslicht. „Ich bin Maria, mein Bräutigam ist ein Himmelsbräutigam, er heißt 
B.“ Pathetisch, selig, verzückt. Hat sich im Bett nackt ausgezogen. Hatte einen 
heiligen Traum. Sie hatte Sehnsucht nach der ewigen Liebe. Die Sehnsucht war 
körperlich. Erst war die Sehnsucht, dann kam die brennende Liebe. „Ich hab 
gespürt das Verlangen nach meinem Mann.* 4 Der Lebenstraum kam allnächtlich ein 
Jahr hindurch. Heute früh war die Krisis, sie wird gesund und glücklich. „Für diese 
drei Herren hat mein Herz geblutet, alle hab ich gern, ich will die Menschen lieben. 
Ich will Himmelsbraut sein. Ihr Herz blutete, weil sich die drei duellierten. Sie hat 
die Herren auf der Wache kennen gelernt; sie machen die gleiche Krankheit durch 
wie ich. „Ich spreche immer mit ihnen; ich telephoniere mit ihnen.“ (Führt ein hallu¬ 
ziniertes Telephongespräch.) Alle drei haben Wunden bekommen. Für jede Wunde 
machte ihr Herz einen Hauch. „Ich heirate nur den B. Ich muß ein Glückskind sein.“ 
Sie ist Himmelsbraut. 

Am 5. V. erzählt sie, sie sei die Himmelsmutter. Es ist ihr im Leiden alles vor¬ 
gekommen. Sie habe erkannt, was gut und schlecht sei. Sie hat Schmerzen in ihren 
Füßen und ihrem Rücken gespürt, im After und in der Brust, und in den Händen. 
(Geschlechtsteil ?) „Das schon auch, da hab ich die fürchterlichsten Schmerzen aus- 
gestanden, da hab ich gedacht, daß ich sterben muß. Es waren die Geburtswehen. 44 
Es kam ihr vor, als wenn sie operiert würde und ihr das Kind herausgenommen würde; 
„und ich hab so viel Schmerzen gehabt.“ (Von wem ist das Kind ?) „Ich weiß ja nicht, 
von wem das Kind ist. Ja, ich glaube, es ist vom heiligen Geiste.“ (Hat es keinen 
irdischen Vater ?) „Das kann ich nicht so sagen, da schäm ich mich, es sind drei Väter.. 
es ist Gott Vater, Gott Sohn und der heilige Geist. Das sind die drei Männer, die mich 
besitzen wollten.“ Die drei Männer kennt sie persönlich. Sie weiß alles durch den hei¬ 
ligen Geist. Sie ist Mutter Gottes. Die andere Himmelsmutter ist in ein anderes 
Reich gezogen. (Haben Sie denn Geschlechtsverkehr gehabt ?) „Ich schäm mich so, 
der Vater kam immer und wollte den Verkehr mit mir. Die Mutter war im Himmel 
droben und er mußte verkehren. 44 Der Vater hat das getan, während die Patientin 
schlief. Er lief davon, als sie erwachte, die Mutter sagte, daß sie das tun muß. „Mein 
Vater ist gestorben und war im Fegefeuer. Er wollte verkehren, aber ich wollte nicht; 
das darf man nicht tun.“ Die Patientin hat ihn erlöst. Ihr Vater ist der Vater des 
heiligen Geistes, die Mutter hat das gesagt. Die Mutter hat dem Vater ihre Heüigkeit 
gegeben. Das Kind hat sie nicht gesehen; es wird ihr von den anderen gesagt, daß 
sie den heiligen Geist geboren hat. Der liebe Herrgott spricht zu ihr. Die 3 Wach¬ 
männer sind Heilige, die zu ihr gehören; auch der Vater sagt oft, er sei Pfleger im 
Himmel droben. Die Mutter war nicht Himmelsmutter oben, aber sie wollte sie, die 
Pat., zur Himmelsmutter machen, weü die Himmelsmutter fort mußte. 

Am nächsten Tage spinnt sie die Gedanken weiter. Sie hat Schmerzen von der 
Operation. Es sind 6 Nähte darin. Bei der Operation sei sie auch gestorben. Sie 
habe den heiligen Geist in Gestalt einer Taube geboren; „wenn mirs der liebe Gott 
sagt, muß ichs glauben. Es hat drei Jahre gedauert, bis es sich entwickelt hat; der 
Himmel hats meinem Vater eingegegeben und mein Vater hats ausführen müssen. 
Der Vater hat den heiligen Geist gemacht. In jedem Kind muß eine Himmelsmutter 
sein, wie viele Kinder es gibt, das hab ich nicht studiert.“ B. ist ihr Himmelsbräu - 
tigam. 



Zur Psychoanalyse. 


159 


In den nächsten Teigen macht sie eine Reihe von Angaben über die Jugendge¬ 
schichte, aus denen bemerkenswert ist, daß sie öfters beim Vater schlief, als sie klein 
war. Der Vater haute sie, wenn sie nicht einschlafen wollte. Mit 6 Jahren kam sie 
von zu Hause fort. Als sie 14 jährig nach Hause kam, stellte ihr der Vater nach; die 
Mutter, die damals krank war, verwies das dem Vater. Die Mutter war stets sehr 
traurig. „Im Traume kam mir vor, als ob B. Jesus wäre, ich selbst Maria; K. war 
Gott Vater, der Allwissende.“ Der Vater spricht vom Himmel herunter, ist aber nicht 
Gott Vater; die Mutter schickt ihr das Glück auf die Welt, weil sie so brav war. 

In den nächsten Tagen werden die gleichen Grundmotive in immer undeutlicherer 
Form variiert. Am 16. V. weigert sie sich, sich niederzusetzen. Sie kann das nicht, 
was sie will. Sie konnte die Hand nicht heben. Das hängt mit dem dreifachen Leide 
zusammen. Sie hat sich vergessen. Sie hat das dreifache Seelenleid Marias mit- 
gemacht. Die Heiligen sprechen mit ihr. Sie hypnotisiert die Heiligen (schaut auf 
den Himmel). (Was sehen Sie dort ?) „Ich sehe nicht alle... man hat Himmels¬ 
erscheinungen. ..“(?) „Da seh’ ich halt... ich darf nicht alles sagen...“ Ist nicht 
zu weiteren Auskünften zu bringen. Dann erzählt sie, daß sie den Weltkaiser heiraten 
würde. Sie sei aber nicht Kaiserin, sondern Maria. Sie beschreibt auch Sensationen 
in ihrem Körper; dazwischen barocke Einfälle: es kam ihr vor, als ob ein Mann oder 
eine Frau mit einem Bajonett herumgestochen hätte, senkrecht zur Erde; es kommt 
ihr auch Verschiedenes von Helden vor, vom Sterben und sie sieht den toten Vater 
und einen Heldenfriedhof. Sie ist im ganzen weniger zugänglich geworden und bringt 
meist nur Bruchstücke. 

Katharina beginnt mit einem primitiven Liebesroman. Sie glaubt sich von 
drei Männern geliebt. Diese Liebe wird unvermutet ekstatisch. Es kommt zu 
einer Geburtsphantasie. Sie gebiert den heiligen Geist. Die Pat. kann nicht zur 
Entscheidung kommen, von wem das Kind sei. Es sind drei Väter da, eben ihre 
Liebhaber, Gott Vater, Gott Sohn und der heilige Geist. Sie selbst ist Mutter 
Gottes. Die andere Himmelsmutter ist in ein anderes Reich gezogen. In dem Ge¬ 
spräch, in welchem sie von diesen Dingen Mitteilung macht, beginnt sie plötzlich 
abzuschweifen und von den sexuellen Annäherungsversuchen des Vaters zu er¬ 
zählen. Sie bezeichnet schließlich ihren Vater als den Vater ihres Kindes. Aber 
der liebe Gott spricht zu ihr. Die Mutter will die Patientin zur Himmelsmutter 
machen. Der Vater wird durch ein Gebot des Himmels gerechtfertigt. (Die 
undurchsichtigen, nur in kurzem Auszug mitgeteilten Stücke der späteren Zeit 
sollen hier nicht besprochen werden.) 

Die Liebessehnsucht, welche durch die Psychose zieht, ist einheitlichen Cha¬ 
rakters. Für die Patientin sind einmal die drei imaginären Liebhaber, das andere 
mal der Vater der Vater ihres Kindes. Vater und Liebhaber vertreten einander, 
sind für die Pat. gleichwertig, lösen in ihr die gleichen Einstellungen aus. Die Dar¬ 
stellung der Patientin gestattet keinen Zweifel darüber, daß sie in der Pubertäts¬ 
zeit Annäherungen des Vaters ausgesetzt war. Es ist sogar aus dem Vergleiche 
der Äußerungen am Tage der Aufnahme mit der späteren zu vermuten, daß es 
zu einem Verkehr gekommen ist. Es ist zu vermuten, daß die Patientin neuerdings 
den Vater begehrt und daß jene Dreiheit vorgeschoben ist. Die Patientin verlegt 
ihre drei Iiebhaber in den Himmel, macht den einen zu Gottvater, sie selber wird 
zur Himmelsmutter. Wir sind gewöhnt, eine Gleichstellung Vater—Gott zu 
sehen. Außerdem: sie verdrängt eine andere Himmelemutter. Die eigene Mutter 
gibt den Segen. Auch der Vater spricht aus dem Himmel. 

Es ist also hypothetisch einzusetzen eine Grundtendenz: Wunsch nach dem 
Vater. Warum verschleiert sich diese Tendenz so ? Zweifellos eine Wirkung der 
Zensur von entgegenstehenden, Hemmungen. Warum aber die Dreiteilung ? 



160 


Zur Psychoanalyse. 


Spielt die Vorstellung der Dreifaltigkeit hinein ? Sicherlich sind noch andere 
unerforschte Erlebnisdeterminanten darin enthalten. Aber rein formal: die Zer¬ 
legung ist offenbar typisch. Der sehr ähnlich gelagerte Fall Skr. spaltet das Va¬ 
terbild in das alte Gesicht und in die zwei Hergottschnitzer vom Ammergau. Sind 
es polygame Instinkte, die zu solchen Zerlegungen führen ? Das ist unwahrschein¬ 
lich. Es steht wohl etwas viel allgemeineres dahinter, daß der Mensch nach etwas 
Abgerundetem und Vollkommenem strebt, im Streben hin und her pendelt, das 
Erwünschte in tausend Abschattungen sieht. Hierher gehört offenbar auch, daß 
der allgemeine Begriff häufig in einer Serie von Einzel Vorstellungen sich dar* 
stellt. Eine Grundhaltung ersättigt sich an vielen Bildern. So auch hier. Daß 
die Art der Bilder durch Erlebnisse beeinflußt, bestimmt ist, darf nicht über¬ 
sehen lassen, daß die Tatsache der Zerteilung offenbar tiefer in der Grund¬ 
organisation begründet ist. 

Fast noch wichtiger ist das folgende Problem. Ist es berechtigt von dem Erleb¬ 
nis : Begierde nach dem Vater das übrige abzuleiten. Jedenfalls läuft es zeitlich 
voraus; es könnte aber erledigt gewesen sein und jetzt nur als Gleichnis der neuen 
Schwierigkeit wieder auftauchen. Dann hätte es seine dynamische Bedeutung 
verloren und müßte diese neuerdings aus den gegenwärtigen Interessen beziehen. 
Jung hat die Bedeutung der Jugenderlebnisse ähnlich eingeschätzt 1 ). Es könnte 
aber auch sein, daß das Jugenderlebnis mit potentieller Energie geladen ist, daß 
diese nicht abgeflossen ist, und daß diese unerledigte Energie nun am neuen 
Erlebnis endlich durchbrechen kann. Nun ist das frühere Erlebnis wesensgemäß 
undifferenziert; man wird demgemäß von verschiedenen aktuellen Konflikten 
aus immer wieder zu den gleichen Kindheitserlebnissen kommen. Es ist Tat¬ 
sache. daß die Kindheiteerlebnisse immer wieder von den Patienten selbst als 
bedeutsam und wesentlich bezeichnet werden. Es hat sich ja bereits gezeigt, 
daß in jeder neuen Haltung eine frühere mit auf lebt. Man darf auch nicht vergessen, 
daß jede frühere Haltung für spätere mitbestimmend sein muß. Allerdings ist 
es möglich, daß diese frühere Haltung durch Rückstauung wieder belebt wird. 
Aber im Grunde besagt das der Regressionsbegriff Freuds und Jungs Fassung 
fügt nicht, wie Jaspers 1 ) anzunehmen scheint, der Lehre etwas neues hinzu. Es 
schimmern also in jedem Begriffe die früheren zugehörigen Haltungen mit durch. 
Damit ist das prinzipielle Verständnis des Oedipuskomplexes gegeben. Trotzdem 
darf man die erste Haltung nicht als die allein wesentliche betrachten und darf 
die Haltung nicht mit dem ersten Objekt identifizieren, an dem sie sich gezeigt 
hat. Die Überdeterminierung erhält jetzt einen guten Sinn. Auch sieht man, 
daß der Oedipuskomplex stets hinabreichen muß in die frühe Kindheit. So läßt 
sich eben sagen, die Regression findet innerhalb einer Sphäre von Haltungen 
statt. Wir haben Grund anzunehmen, daß Begriffsgrundlage und Haltung des 
Kindes von der der Erw r achsenen formal verschieden sind. Das Thema des Oedipus¬ 
komplexes ist so wichtig, daß ich es noch mit drei weiteren Krankengeschichten 

bele 8 e - Fall XV. 

Marie Pol. 30 Jahre. Vorgeschichte nach Angaben des Vaters. Die Patientin 
stammt aus einer unbelasteten Familie und ist das einzige Kind. Die Mutter starb 

*) Versuch einer Darstellung der psychoanalytischen Theorie. Jahrb. f. Psycho¬ 
analyse Jg. V, 1913. 

*) Allgemeine Psychopathologie, 2. Aufl., 1920. 



Zur Psychoanalyse. 


161 


im Wochenbette an Embolie. Die Patientin ist wahrscheinlich Frühgeburt und wog 
1200 gr. Mit Ende des 1. Jahres 6 kg. Sie entwickelte sich sehr langsam. Konnte 
erst vom 7. Lebensjahre an unterrichtet werden und erhielt nur zu Hause Unterricht. 
Sie bekam die Menses mit 16 Jahren und hatte sie sehr regelmäßig alle 24 Tage; sie 
hat eifrig, doch ohne besondere Begabung gelernt, konnte aber doch schließlich leid¬ 
lich französisch, englisch und italienisch sprechen. Das, was sie gelernt hatte, konnte 
sie in Gesellschaft nicht recht verwerten. Beim Sprechen stotterte sie etwas. Beim 
Gehen zog sie den rechten Fuß etwas nach. Sie las gerne Romane, hatte zeitweise 
Tanzstunde, zeigte kein auffallendes Interesse für Theater oder Bälle. Gegen Männer 
sehr zurückhaltend. Sie hatte wenig Freundinnen, war von Naturell still, wenig 
erregbar und verträglich; im Hause war sie sehr tätig. Ihre Freundinnen hatten 
sich in der letzten Zeit verheiratet, was Eindruck auf sie machte. Im Mai 1918 
fiel auf, daß sie vom Einkäufen nie etwas nach Hause brachte. Sie wurde mürrisch, 
mißmutig und launenhaft; sie nahm an Körpergewicht ab. Mitte Juni erzählte sie 
ihrem Vater, sie habe einen Herrn Letowsky kennen gelernt, und wolle ihn heiraten; 
diesen Namen änderte sie dann in Lekowantowsky ab. Es stellte sich heraus, daß die 
Sache fingiert war. Am 5. Juli bekam sie plötzlich krampfhafte Zuckungen der Ge¬ 
sichtsmuskulatur, die auf die Schultermuskulatur Übergriffen. Sie sprach fortwährend 
von ihrem Verlobten Oskar. Diesen bezeichnete sie bald als Detektiv vom Bureau 
Helios, bald als Grafen und als Stabsarzt. Am 8. und zwar in der Nacht vom 8. 
zum 9. traten erneut Schulterkrämpfe auf mit Opisthotonus verbunden. Dann wurde 
sie gegen ihren Vater und gegen ihre Stiefmutter aggressiv, bedrohte sie mit den 
Fäusten. In ihrem Zimmer glaubte sie ein Telephon zu haben und telephonierte ihrem 
Verlobten, er möge kommen. Dann war sie wieder apathisch. 

Am Tage der Aufnahme, am 10. VII. 1918, mürrisch, gibt keine Auskunft, und 
klagt über Kopfschmerzen. Dann, wie sie heiße: „Alosia Pol., nein Frau Gräfin, ich 
weiß nicht.“ Sieht dabei den Untersucher ratlos an. „Frau Gräfin Lekowantowski.“ 
Seit heute früh sei sie verheiratet; Kinder habe sie nicht, aber sie wäre selig, wenn 
sie in der Kirche auch schon getraut wäre. (Wo denn der Graf sei ?) „Der Herr Graf 
sitzt hier, der Herr Graf und Arzt zugleich!“ „Wir kennen uns schon seit Wild, d. i. 
Neumarkt-Blankengasse, wenn du dich erinnerst Geliebter, dort haben wir uns zweimal 
geküßt, Schatz!“ Das ganze sagt sie ohne jeden Affekt, bleibt ruhig auf dem Sessel 
sitzen. (Wie stellen Sie sich die Zukunft vor ?) „Wir beide besitzen ein Zimmer, ich 
bin bereit, Kinder zu bekommen, ein Palais vielleicht.“ (Was werden wir weiter 
machen ?) „Du bist ja millionenreich!“ (Warum mußten wir auf die Trauung warten ?) 
„Ja, weißt du, wegen der Detektive... Es haben mich dort viele malträtiert!“ 
(Wer ?) „Niemand. Auch die Eltern sind Schuld an unserer Trennung. Viele Menschen 
haben mich hypnotisiert, du hast mich am ganzen Körper elektrisiert.“ (Wo sind Sie 
jetzt ?) „Hier.“ (Wo ist das ?) „Palais Lekowankotowsky.“ (Wie lang sind Sie hier ?) 
„Seit heute.“ (Wo waren Sie heute Nacht?) „Im Zug.“ Sie sitzt ruhig, affektlos, 
spricht etwas monoton. 

11. VII. Antwortet auf alle an andere Patientinnen gerichteten Fragen, bezieht 
sie auf sich. Die Oberin lacht sie huldvoll an. Duzt den Arzt. 

14. VTI. Empfängt den Arzt bei der Visite mit offenen Armen, will ihn gewaltsam 
zu sich ins Bett ziehen mit den Worten: „Mein lieber Oskar.“ 

1. VIII. Sehr lärmend. Zieht sich aus und turnt im Bett hin und her, bringt 
das Bett in Unordnung, legt sich auf den Drahteinsatz, weil es Karl so wünscht. 
Schreit aufgeregt: „Abtreten.“ Ist unrein und muß ausgespeist werden. 

15. VIH. Sehr unzugänglich, gibt auf Fragen keine Antwort. 

24. VIII. Zerreißt ihre Wäsche, liegt nackt im Bett und ist sehr lärmend. 

Anfangs November beginnt die eigene Beobachtung des Referenten. Während 
der Zeit vom November bis 18. März 1919 bot die Patientin im äußeren Verhalten stets 
das gleiche Bild, sie lag ruhig und affektlos im Bett, meist sehr gesprächig und er¬ 
freut, wenn eine Unterredung begonnen wurde. Im Verlaufe einer längeren Unter¬ 
redung konnte sie sehr heiter werden und übermütig und ausgelassen lachen. Im 
allgemeinen wahrte sie der angenommenen Rolle entsprechend eine gewisse Grazie 
und Würde. Zum Aufstehen war sie nicht zu bringen. Die Untersuchungen spielten 


Schild er, Seele und Leben. 


11 



162 


Zur Psychoanalyse. 


sich in Form von längeren Unterredungen ab, die auszugsweise, nach dem Datum 
geordnet, wiedergegeben werden, da bei gleichbleibender Grundrichtung des Wahnes 
die Details von Tag zu Tag schwankten. Es schien dem Referenten nach den ersten 
Unterredungen, daß durch eine wiederholte, bestimmte Fragestellung die Wahngebilde 
künstlich fixiert wurden. Deshalb wurde bei den nächsten Unterredungen auf das 
Sorgfältigste vermieden, Hilfen oder Andeutungen durch die Art der Fragestellung 
zu geben. 

20. XI. Sie heiße Kohlenberger, den Namen Pol. kenne sie nicht, habe sie auch 
nie geführt. Sie sei die Großherzogin von Avama. Diesen Titel habe sie durch Heirat 
mit einem Herrn Lekowan Rotowsky Rekowan Rotowsky vor 3 Monaten erworben. 
Sie befinde sich jetzt in Monfalkone. Die Wärterinnen hätten es gesagt. Den Refe¬ 
renten bezeichnet sie als Graf Attems, spricht ihn jedoch auch mit einem anderen, 
polnisch klingenden Namen an und versichert, sie wünsche nicht mehr mit ihm zu 
leben, da er in Monte Carlo ihr ganzes Geld verspielt habe. Das alles sprudelt sie fast 
ohne Affekt hastig hervor und fügt als selbstverständlich hinzu, sie sei 24 Jahre alt, 
habe Kinder im Alter von 21 Jahren, die auch beim italienischen Ballett seien, be¬ 
zeichnet sich als Primaballerina des russischen Balletts, die auch den Namen Cerri 
führe. 

29. XI. Drei Monate war sie in Wien in der Beatrixgasse bei Hofrat Pol. Dieser 
wollte sie als Verhältnis haben und wollte, daß seine Tochter ihren, der Patientin 
Schwager, der jetzt mit ihr (der Patientin) verheiratet sei, zum Manne bekomme. 
Deshalb werde die Patientin, welche die Tochter der Königin Helene ist, jetzt auf 
den Namen Pol. geführt. Hofrat Pol. hat sie schlecht behandelt, jetzt schleicht er all¬ 
nächtlich durch die nicht völlig verschlossene Türe und nimmt sich wahrscheinlich 
etwas heraus. Sie schläft zwar, ist aber jetzt durch diesen Hofrat Pol. in anderen 
Umständen. Deswegen muß sie auch häufig erbrechen. Die Tochter Pols, kennt sie 
nicht. Die Frau des Hofrates lebt. Sie ist eine aufgeregte, nervöse Person, sie hat ihr, 
der Patientin, Kleider und Wäsche, ja auch Geld geraubt. Hofrat Pol. vertrug sich 
nicht mit seiner Frau; die Patientin bezeichnet sich als Großherzogin von Avama. 

2. XII. (Auf Frage.) Sie wird hier Carducci genannt, als Tänzerin. Dieser Name 
ist ein Pseudonym. Ihr wahrer Name ist Dostaletti. So heiße ein Musikdirektor. 
Ihr wahrer Name ist eigentlich Fürst-Fürstenberg-Colloredo-Mansfeld-Orsini. Als 
Mädchen war sie Herzogin von Avama. Sie hat 5 Kinder; die Kinder sind 14, 16, 
12, 3 und 4 Jahre alt. Die Kinder sind alle vom Lekow-Rek. —Sie kam in die Be¬ 
atrixgasse zu Hofrat Pol. als Detektivin (erstens hatte die Familie zu viel Lebens¬ 
mittel und war auch in Geldsachen nicht einwandfrei.) Sie war damals die Mä¬ 
tresse von Kaiser Franz Joseph. Diese Würde bekleidete sie durch 24 bis 25 Jahre, 
„um Geld hereinzubekommen“. Jetzt besucht sie täglich der alte Avarnafürst. Er 
will sie verkaufen oder wegbringen. (Auf Einwand.) Es ist nicht der Hof rat Pol., der 
sitzt vielleicht auf dem Steinhof, oder sonst wo. 

Als ihr die Fabel vom Esel mit der Löwenhaut vorgelesen wird, hört sie aufmerk¬ 
sam zu. Die Mimik behält eine gewisse Ausdruckslosigkeit, schließlich sagt sie: „Daß 
man sich entfernen soll, ohne zu fragen!“ (Hat die Geschichte Bezug auf Sie ?) „Nein, 
auf dich Philipp“ (zum Referenten). Die vor gelesene Geschichte habe kriminalistischen 
Wert. Daher dürfe sie sie auch nicht wiederholen. Den Referenten kenne sie aus dem 
Detektivbureau, wo er Sekretär war. Ihr, der Patientin Mann, sei der Kaiserliche 
Rat Otto Emst in diesem Detektivbureau. 

3. XII. Auf Frage: Sei Sironi, führe aber auch die Namen Opalinsky, Peterka, 
Cerri. Das sei immer nur sie. Heute war der französische Theaterdirektor Chartreux- 
Chartreux hier. Sie hätte nach Tulln kommen können, kam aber von Tulln nach 
Arcone, und dann wieder nach Tulln, wo sie jetzt ist. Sie ist jetzt in Tokio, in einer 
französischen Ballettschule. (Auf Ein wand.) Draußen lägen zwei, die japanisch 
sprechen. (Warum sie das gestern nicht erzählt hat ?) Das konnte sie nicht alles sagen. 
Der Referent sei mit ihr in einer Filmgruppe gewesen und heiße Philipponi. — (Gestern 
sagten Sie Philippini!) „Ja, Philipponi, Philippini.“ (Was las ich gestern vor ?) Aus 
dem Kriminalbuch, Seite 48 (Der Direktor bezeichnet« sich mir gegenüber als Hof- 
rat Pol.) Er will vielleicht betrügen; er hat alle eingefangen, die in der Ballettschule 



Zur Psychoanalyse. 


163 


sind. Herrn Hofrat Pol. kennt sie, sie war bei ihm in der Beatrixgasse und vertrug 
sich nicht mit ihm. Sie war als Detektivin dort und vertrug sich nicht mit ihm, hörte 
aber seine Vorlesungen an der tierärztlichen Hochschule. (Sie erzählten gestern, Sie 
seien seine Mätresse gewesen ?) „Ja, 20 bis 25 Jahre von Kaiser Karl Franz-Joseph!“ 
(Haben Sie nicht erzählt, daß Herr Pol. Sie zur Mätresse wollte ?) „Ja, deshalb sollte 
er auch von der Polizei verhaftet werden.“ Man hat während dieses und vieler an¬ 
derer Gespräche den Eindruck, daß die Einfälle, plötzlich enstanden, sofort als Rea¬ 
lität aufgefaßt und wiedergegeben werden. 

5. XII. Heute sei Hof rat Pol. zu Besuch gewesen. Bringt gegen ihn die gleichen 
Anschuldigungen vor wie am Vortage. Vor 3 Tagen war er es jedoch keinesfalls, 
sondern ein Herr Amalfi vom Ballett. Sie bezeichnet sich als Königin von Neapel und 
Sardinien. (Erzählen Sie ihre Jugenderinnerungen!) Sie sei im Hause Pol. erzogen 
worden. Bis zum 4. Lebensjahre. Kam dann nach Rußland und von dort in eine Ballett¬ 
schule, und blieb bis zum 14. Lebensjahre; dann ging sie nach Mailand und studierte 
an der Universität Medizin. Vor 8 Jahren kam sie als Ärztin zurück. (Auf Frage.) 
Der erste Mann, den sie kennen lernte, war König Okmibi di Avarna Vendramin Ne- 
apoli. Er ließ sich scheiden und heiratete sie dann. Sie hat 3 Kinder von ihm gehabt. 
Jetzt gibt sie ihn auf, weil er eine andere gerne hat. (Wie stehen Sie zur Frau Dr. D. ?) 
„Nicht gut. Sie ist mir in jeder Beziehung sehr unsympathisch gewesen. Sie ist eine 
Zauberin. Sie kann sich und andere verwandeln. Sie zieht sich an und trägt alle mög¬ 
lichen Namen z. B. Cerconi, Chevreux, Cellicubi. (Ist sie vielleicht Fräulein Pol. 1 ). 
Ja, sie ist es; schon an ihren eigentümlichen, schillernden, graublauen Augen erkenne 
ich sie. Sie kam in die Beatrixgasse 15 als Matrose, sie ist eine Chauffeurin.“ 

6. XII. Bezeichnet den Referenten als den Filmschauspieler Monsoni; hier sei 
er als Detektivsekretär. Sie selbst ist: Monaco di Avarna. Der Arzt, der sie bei ihrer 
Ankunft in der Klinik untersuchte, war Lek.... -Rek. Jetzt ist Krieg zwischen 
Italien und England, wegen der Länder und Meere; der Krieg dauert bereits 4—5 
Jahre. Österreich war beteiligt, ist aber schon an Italien abgetreten. Es hat min¬ 
destens 8—10 Jahre Krieg geführt. Frankreich führte gegen Deutschland Krieg. 
Dieser Krieg ist zu Ende. Italien besitzt jetzt Frankreich, Indien und Amerika. Ita¬ 
lien führt jetzt noch gegen Amerika Krieg. Es bekommt bald Amerika und die ganze 
Welt. (Hat das für Sie Vorteil ?) „Ich bekomme schon als Politikerin eine Prämie 
dafür, weil ich angestellt war.“ 

7. XII. Aufgefordert, ihre Lebensgeschichte zu schreiben, liefert sie ein sinnloses 
Gekritzel, das sie als japanisch bezeichnet. Es enthält auch ihre Austrittserklärung 
aus dem Ballettkorps. Habe Sehnsucht nach ihrem Mann Lek.-Rek. 

8. XII. Auf Frage, was sie geträumt habe, sagt sie zunächst nichts, dann sichtlich 
konfabulierend: sie habe geträumt L. R. sei hier und sei ihr mit der Tänzerin Car- 
ducci untreu. Schließlich meint sie, daß sei kein Traum, sondern Wirklichkeit gewesen. 
Sie habe das von einer Kammerdienerin ihres Hofrates erfahren. 

17. XII. Vom Besuche ihres Vaters spricht sie als von dem Besuche eines Her¬ 
zogs. 

20. XII. Spricht in einem selbsterfundenen Italienisch. 

1. I. Sei an der südtiroler Front gewesen, habe gegen Olivier in den ersten Reihen 
gekämpft. Ihr Gegner war Hofrat Pol. als Oberst. 

19. I. Sie kennt das Fräulein Pol., die Tochters des Hofrates P. seit 25. IX. 1917. 
Sie fuhr mit der Bahn nach Wien. Hof rat P. reichte ihr ein Gabelfrühstück, welches 
ihr Magenschmerzen verursachte. Da trat die P. plötzlich als Mann verkleidet in 
brauner Uniform ins Coupö und gab sich als Deserteur aus. Wahrscheinlich hatte diese 
Gift ins Essen gegeben. „Sie trachtet mir nach dem Leben. Sie will Turtelo, einen 
italienischen Marinekommandanten, heiraten. Aber als Österreicherin darf sie das doch 
nicht; sie soll lieber einen österreichischen Chauffeur oder Diener heiraten. Den Tur¬ 
telo werde ich heiraten. In Wien habe ich sie dann verhaften lassen.” 

„Die Pol. ist jetzt 33 Jahre alt, ist nicht hübsch und geistig zurückgeblieben. Ist 
erst mit 7 Jahren in die Schule gegangen, hat schwer gelernt. Hat auch englisch, 
französisch und italienisch gerlemt, hat es aber nicht weit gebracht. Sie war in jeder 

J ) Das hat die Pat. früher geäußert. 


11* 



164 


Zur Psychoanalyse. 


Beziehung unglücklich. Wollte immer viel und hat alles verpatzt. Ob sie eine Gift¬ 
mischerin war, weiß ich nicht. Ist sehr ungebildet, man kann mit ihr über nichts reden, 
sich mit ihr nicht unterhalten. Wollte singen und tanzen lernen, aber sie paßt gar nicht 
dazu; sie ist zu steif und hat keine Figur. Hat einmal, um schlank zu werden, eine 
Entfettungskur unternommen, aber sie wurde noch dicker. Hat auch versucht, 
sich einzuschnüren und zu hungern, aber ohne Erfolg. Sie lebt mehr für den sexuellen 
Genuß. Hat kein Verlangen nach Kindern, sondern nur nach Vergnügen. Seit früher 
Kindheit hat sie onaniert, mit den Jahren wurde diese Leidenschaft immer heftiger. 
13jährig hat sie sich mit einem gleichalterigen Vetter Felix St. geschlechtlich unter¬ 
halten. Ich habe sie dabei einmal ertappt. Sie ist sehr männersüchtig, geht nur auf 
Abenteuer aus. Dabei ist sie aber auch homosexuell veranlagt. Hat eine Freundin 
Hüda Ma., mit der sie wahrscheinlich geschlechtliche Beziehungen unterhält. Ihr 
Ideal sind Ungarn, weil auch dies solche Schweine sind, wie sie selbst; sie stottert. 
Sie ist meine größte Feindin. Als ich im Hause Pol. war, war ich stets bei ihr, habe 
mit ihr im selben Bett geschlafen. Herr Pol. ist Tierarzt, sehr untüchtig in seinem 
Fach. Wahrscheinlich sind seine Dokumente gefälscht. Hat seine Tochter sehr 
gerne. Seine Frau ist hochgradig nervös.“ 

Hört Stimmen, die von der Decke zu kommen scheinen; eine ist die des Fräulein 
Pol., die andere die des Turtelo. Sie besprechen miteinander ihre Pläne, über Reisen 
und Intimes aus ihrem Eheleben. 

(Nach den Angaben ihres Vaters stimmen die tatsächlichen Angaben, die Pat . 
über sich selber (Frl. Pol.) macht. Sie hat vor der Erkrankung gestottert.) 

28. I. Die Pol. ist ein ernstes Kind, hinkt, geistig nicht sehr rege. Freundin ist 
geistig etwas reger. Doch ist sie, wie auch ihr Gemahl weiß, männersüchtig. Die Pol. 
lebt unverheiratet, wie eine Prostituierte; läßt sich auch zahlen. Ihre Freundin 
wird sich vielleicht demnächst scheiden lassen. 

Ihre (der Patientin) Mutter war Tänzerin und Dompteuse. Auf Wunsch der 
Eltern mußte sie zum Ballett. Eine Schwester von ihr verschwand, eine andere wurde 
Dompteuse. Sie selbst wurde Tänzerin und Dompteuse. Kam in den Zwinger seit den 
10. Jahr. Herzogin wurde sie durch Heirat. Sie stammte zwar aus fürstlichem Hause, 
mußte aber den Titel ablegen. Ihr Vater nahm den Titel Dompteur an, um besser 
leben zu können. Sie kam mit 4 Jahren zum Ballett, mit 9 Jahren heiratete sie. Sie 
hat 4 Kinder. War mit einem Türken verheiratet, dann mit einem Italiener. Dieser 
hieß Turcza; sie verschaffte ihm Geld für die Universität Padua. Er sagte ihr, sie 
solle ihren Herzogstitel annehmen, den sie ja schon von zu Hause zu führen berech¬ 
tigt sei. 

Die Mutter von Fräulein Pol. kocht, keift und seckiert die Menschen. Die wirk¬ 
liche Mutter soll gestorben sein. Patientin hat sie nur einmal gesehen, jedenfalls eine 
streitsüchtige Frau, eingebüdet und hochmütig. 

2. II. Täglich besuche sie Hofrat Pol. Dieser Besuch sei ihr lästig, denn Hofrat 
P. wolle sie nur aus ihrem Schloß vertreiben, und seiner Tochter einen Mann geben, 
der ihr, der Patientin, schon länger angetraut ist. Die Pol. hat etwas gegen die Pa¬ 
tientin, weil der Patientin Mutter sie von der Ballettschule auswies. Sie war schon 
damals unbrauchbar. Statt der Patientin kam sie nach Indien. Jetzt gibt sie Gift 
in das Essen, und in die Würste, die der Hofrat Pol. bringt, wodurch die Patientin 
betäubt wird. Sie merkte das daran, daß ihr übel wurde. 

3. II. Es macht ihr viel Kopfzerbrechen, ob sie Fräulein Pol. zu ihrer Truppe neh¬ 
men soll, wenn sie, die Patientin, als Sängerin auf tritt. (Aber Fräulein Pol. bezeich- 
netenSie doch als Ihre Feindin ?) „Ja, man hat doch viel Feinde, mit denen man dann 
wieder gut wird.“ (Unter übermütigem Lachen.) 

4. II. Sie ist Königin von Italien, die zweite Frau des Königs und jetzt in Rom. 
(Sie sind doch in Wien ?) „Wir wollen aber dann nach Rom gehen.“ Sie ist zur Pflege 
eines italienischen Arztes namens Turcza hier. Sie mag den König von Italien nicht. 
Herr Hof rat Pol. war wieder zu Besuch. Sie gönnte dem Fräulein Pol. Eßsachen, 
aber nicht ihrem Mann. Sie muß irgendwo sich in diesem Hause aufhalten; sie ist 
vielleicht Pflegerin. Sie hat aber nichts gelernt . Sie ist Schauspielerin am Bürger- 
theater. 



Zur Psychoanalyse. 


165 

11. II. Fräulein Pol. will nicht für die Soldaten arbeiten. Sie ist einstweilen noch 
in der Beatrixgasse 14, oder sie ist zu Helios gegangen. (Sind nicht Sie das Fräulein 
Pol. ?) „Nein, auf keinen Fall! Einige Leute haben mich statt Pol. abgeholt.“ (Wie 
lange ist das her ?) „Einige Jahre, genau weiß ich’s nicht. Es war damals im Monat 
Juni.“ Sie erwartet hier ihren Gemahl. Er ist schon seit 3 Wochen nicht hier gewesen. 
Er heißt Dr. Courticelli. Es ist ihr zweiter Gemahl. Der erste ist als Avarnafürst in 
der Heilanstalt. Sie war eigentlich gar nicht verheiratet. Es war nur ein Hokus¬ 
pokus, den Frau Pol. mit Drähten vom Nebenzimmer aus arrangierte. Es war außer¬ 
dem ein Herr vom Helios in dicker Kleidung da. Frau Hofrat Pol. war zwischen 10 
und 11 Uhr an der Mauer und telephonierte an einen Erzherzog zwecks Rendez-vous. 
Nachts hörte man Türen schließen. Offenbar wollte sie jemanden für sich und* ihre 
Tochter kapern. Der Doktor, den sie heiraten will, bekommt nach der Abdankung 
Kaiser Franz Josephs den Kaiserthron von Österreich und Italien. Sie hat auch einen 
Bruder, der vom Großfürsten von Monaco angenommen ist und den Namen Lek.-Rek. 
führt. Ein Bruder ihres Bräutigams ist der Herzog der Abruzzen. 

Rechnet dann (9X 12) 118, dann 120, dann 93 und 96. (95—6) Nach langem Nach¬ 
denken: ist 86, endlich 89. 

(Unterschied zwischen Kind und Zwerg). „Ein Zwerg kann geschickt sein, wächst 
nicht und hat Runzeln; ein Kind kann unklug sein, dumm, Sprachfehler haben, nicht 
zungenfertig sein, stottern.“ Andere Unterschiedsfragen werden umständlich aber 
richtig beantwortet. 

16. II. Fräulein Pol. ist nachts, zwischen 9 und % 10 Uhr auf der Straße herum - 
gezogen. Tegetthoffstraße—Oper—Donnerpromenade, sie ist ein großes Mensch. 
Vielleicht hat sie einen „Beruf“, von dem der Hof rat nichts weiß. Früher mußte Fräu¬ 
lein Pol. immer mit ihrer Mutter gehen. Natürlich ist dann die Lust auf Abenteuer 
gekommen. Die Phantasie ist dadurch nur noch angeregt worden. Sie hat sich Herzogs-, 
Königskronen gewünscht. Sie hat auch einen bestimmten Liebhaber, Let. Ihr, der 
Patientin, ist Let. unsympathisch. Fräulein Pol. ist sehr nervös, treibt sich überall 
herum, bis sie geschlechtskrank werden wird. Als die Pat. befragt wird, wie sie sich 
denn den Geschlechtsverkehr vorstelle, ergibt sich folgendes: Vom weiblichen Genitale 
hat sie einigermaßen zutreffende Vorstellungen. Das männliche Genitale besteht 
nach ihrer Ansicht aus zwei am Unterbauche sich öffnenden Zellen, der Befruchtungs¬ 
zelle, Minim, Maxim, Thetim genannt, und der Urinzelle, Ureum. Die Befruchtungs¬ 
zelle ist eine Knochenröhre, die geht bis zur Scheidewand, und zwar bis zur vierten. 
Bei der Frau geht es bis zur achten. Die Befruchtungszelle besteht aus der Besäfti- 
gung, der „Scheidewand“, dem „Einschiffkanal“, dem beweglichen Teil und der 
Befruchtungszelle alter ecum. Diese muß in die Gebärmutter zelle, öffnet sich dann, 
und der Saft fließt heraus. — Ein Kind kommt aber nur zustande, wenn man auch 
nachher besäftigt wird, sonst wird es nicht reif. 

Es ist ihr zweimal im Schlaf passiert, unter der Decke, daß sie befruchtet wurde. 
Es war irgendein Herr. „Entweder war es mein zukünftiger Schwiegervater Renner 
Schönfeld Schönbom oder mein Schwiegervater Curticelli.“ Sie hat auch Bisse an 
ihrer Brust gespürt. Sie hat 20—22 Kinder. 

Die Patientin wurde fortdauernd bis August 21 beobachtet. Es wechselten Pe¬ 
rioden, in denen sie verworren und faselig ist, mit solchen, in denen sie ihre Wahnideen 
relativ geordnet vorbringt. Sie beginnt allmählich, ihren Vater als solchen anzu¬ 
erkennen. Die frühere Nichtanerkennung begründet sie damit, „daß ihr Mann dagegen 
sprach.“ Die Mutter habe ihr auch geraten, sich verrückt zu stellen, damit sie von 
diesem gräßlichen Mann wegkomme (12. V. 20). Der Mann machte ihr Vorwürfe, 
daß sie mit dem Vater ein Verhältnis und Kinder gehabt habe, das sei aber nicht 
wahr. Die Mutter redete dem Vater ein, sie sei nicht das Fräulein Pol., bis es der Vater 
glaubte. Spuren der früheren Einstellungen bleiben stets vorhanden, was am besten 
durch die stark gekürzte Wiedergabe eines Gesprächs, 6. VIIL, 21 zu belegen ist. Sie 
habe mehrere Taufscheine, der richtige ist aber, wie man aus Rom schrieb, verbrannt. 
Die Patientin habe in Italien wegen einer anderen Pol. nachforschen lassen, die als ihre 
Schwester galt. Sie selbst ist nur angenommen; man kann ihr Inkognito nicht lüften. 
Aber sie muß den Papa anerkennen. Schlüssel und Hauptzollamtsbücher sind ver- 



166 


Zur Psychoanalyse. 


loren gegangen. „Es ist mir gelegt worden, daß ich sie hab zweimal schreiben müssen, 
weil das Haus Habsburg erklärt hat, daß es unmöglich ist, die Sachen zu behalten, 
bis man nicht ganz vollreif ist.“ Sie sollte unter Kaiser Franz Joseph adoptiert werden, 
es wurde aber eine andere unterschoben. Sie sollte das Reich erben, Italien als Hoch¬ 
zeitsgeschenk bekommen (von den montenegrinischen Eltern). Sie wollte einen Zekow 
heiraten, der Detektiv und Arzt ist. Sie hat ihn beim Helios kennen gelernt. Das 
alles in der sonstigen Art der Stichproben vorgebracht. 

Diese Patientin lebt sich in bunten, spielerischen Phantasien aus, die 
zwar immer wieder wechseln, aber doch die gleichen Grundzüge erkennen lassen. 
Sie ist bald Fürstin, bald Königin, bald Ballettänzerin, hat einen vornehmen 
Gemahl, der König, Herzog, Graf, Fürst, aber auch Detektiv oder Arzt ist. Man 
enthält ihr diesen Gemahl vor. Sie hat eine Menge Kinder. Alle ihre Angaben 
wechseln sehr. Die Stellung der Patientin gegenüber ihren Einfällen ist etw r a die, 
daß sie jede auf tauchende Wunschphantasie als wirklich nimmt, ihr Wahn hat 
Struktur und Aufbau der Pubertätsträumerei. Ihre Haltung gegenüber den Wahn¬ 
gebilden ist nicht die der ruhigen Überzeugung, sondern ist ein spielerisches, ober¬ 
flächliches Fürwahrhalten. Beachtenswert ist die Art, in der sich die Patientin 
der Ansprüche ihrer Vergangenheit entledigt. Durch breite Zeitstrecken hält sie 
daran fest, sie kenne ein Fräulein Pol. (ihr wirklicher Name) sehr wohl. Sie gibt 
eine Schilderung derselben, welche als treffende Abkonterfeiung ihrer Normal¬ 
persönlichkeit angesehen werden kann, nur ist die Kritik der Patientin an dem 
Bilde ihrer Vergangenheit besonders bösartig. Fräulein Pol. ward nicht nur als 
männersüchtig bezeichnet, sondern es wird ihr auch vorgeworfen, daß sie auf den 
Strich gehe und daß sie homosexuell sei. Dabei ist der Patientin nicht die völlige 
Lostrennung des Fräulein Pol. von ihr selber geglückt. Auch Fräulein Pol. strebt 
nach Königsthron und hat einen Liebhaber, den die Patientin als ihren eigenen 
bezeichnet. Anderenteils ist diese Pol. eine Rivalin der Patientin, welche sie zu 
verdrängen sucht, oder die ihr Vater an die Stelle der Patientin schieben will. 
Offenbar verleugnet die Patientin ihre Vergangenheit, weil sie dem hochgespann¬ 
ten Pubertätsideal nicht entspricht. Es muß also wohl auch diese Kranke ihr 
Leben an einem Ichideal messen. Es ist bemerkenswert, daß sie mit dem Beginn 
der Erkrankung aufgehört hat, zu stottern und der Pol. vorwirft, daß sie stottere. 
(Dieses Faktum ist für die psychologische Theorie des Stotterns gewdß von Be¬ 
lang.) 

Ihren Vater erkennt die Patientin während dieser Zeit nicht als solchen an, 
er schleiche allnächtig zu ihr und habe sie in andere Umstände gebracht. In un¬ 
mittelbarem Zusammenhang damit berichtet sie, sie sei lange Maitresse des Kai¬ 
sers gewesen. Hier ist also der Inzestwunsch sehr durchsichtig, aber er ist ab¬ 
gelehnt und kehrt in mehrfacher Entstellung wieder. Übrigens übt sie auch an 
ihrem Vater sehr herbe Kritik. In diesem und dem vorangehenden Falle erscheint 
der Inzest wünsch der Tochter gegenüber dem Vater in recht unverhüllter Form. 
Gleichzeitig ist die Formulierung eine logisch klare, das scheint nun den Gesichts¬ 
punkten zu widersprechen, welche ich oben entwickelt habe. Sollten die Ge¬ 
dankengänge der Kindheit doch rationalistisch formulierbar sein ? Es ist kein 
Grund zu dieser Annahme, nur werden in der Psychose keimhafte Gedanken 
offenbar einseitig ausdifferenziert und weiter entwickelt; dabei können konkrete 
Erlebnisse für die Ausdifferenzierung in einer bestimmten Richtung maßgebend 
sein. 



Zur Psychoanalyse. 


167 


Aus dem weiteren Verlaufe ist hervorzuheben, daß die besprochenen Einstel¬ 
lungen gegen die Vergangenheit und den Vater verschwinden. Offenbar drängt 
sich die Vergangenheit nicht mehr gegen die Phantasiewelt vor, so daß eine be¬ 
sondere Verdrängung überflüssig wird. Der Widerspruch zwischen früher und 
jetzt kommt ihr nicht zu Bewußtsein oder sie beachtet ihn nicht. In dieser Phase 
nehmen die formalen Denkstörungen zu. Ein gewisser Grad formaler Störung 
scheint sich mit einer systematischen Verdrängung nicht mehr vereinigen zu lassen, 
was ja insofern gut verständlich ist, als die systematische Verdrängung ja eine 
gewisse Alltagsstruktur des Denkens voraussetzt. Sind einmal die Verschmel¬ 
zungen in der Sphäre vorherrschend, dann ist ja gleichsam der Verdrängungs¬ 
mechanismus von dem Gesamterleben in die Einzelauffassung verlegt. 

Die beiden nun folgenden Fälle bedürfen keiner weiteren Erörterung, sie sind 
nur mitgeteilt, weil sich der Oedipuskomplex in ihnen in recht klarer Weise auf¬ 
zeigen läßt. Bei dem Patienten Leo Ga. ist das ganze Bild in eine bürgerliche 
Atmosphäre gerückt, bei der Patientin Malvine F. ist besonders hübsch die 
Verschränkung der erotischen Bindung an Figuren, welche das Kind ersetzen und 
an Figuren, welche den Vater der Patientin ersetzen. 

Fall XVI. 

Leo Ga., 30 Jahre alt, in der Klinik vom 5. IV. bis 22. VI. 1920. * Nach den An¬ 
gaben seines Vaters zeigt er seit 2 Jahren ein verändertes Wesen. Er wurde zerstreut, 
nervöser, erregbarer, er war streitsüchtig, ehrgeizig, haltlos, nachlässig. Im Januar 
1920 wurde er nach einer Auseinandersetzung mit dem Generalagenten der Firma auf 
eigenes Verlangen nach Budapest versetzt. Dort arbeitete er zunächst fleißig und an¬ 
standslos. Am 1. April 1920 reiste er, ohne irgend jemanden zu verständigen, un¬ 
vermittelt nach Wien und meldete sich bei dem hiesigen Generalagenten. Er wurde 
auf 9 Monate beurlaubt, da er einen kranken Eindruck machte. In dieser Zeit .war er 
unstet, entschlußunfähig, äußerte sonderbare Pläne, arbeitete als Hilfsarbeiter und 
als Zeitungsausträger. Im Januar 1920 fand er in der Generalagentur in Prag An¬ 
stellung. Dort versah er seinen Posten anstandlos, reiste jedoch Mitte Mai plötz¬ 
lich in den Böhmerwald zu Verwandten. Nach planlosem Hin- und Herirren kam er 
in ziemlich verwahrlostem Zustand in Wien an und erklärte der Firma, er wolle Di¬ 
rektor der Zentrale werden. In der Klinik erwies sich der Patient als orientiert und 
geordnet. In seinem ganzen Wesen zeigt er etwas Fahriges und Unstetes. Er leide an 
nervösem Angst- und Schwächegefühl und Furcht vor dem Unbekannten, was er nicht 
näher ausdrücken könne. „Es überfällt mich eine Schwermut und es wird mir schwarz 
vor den Augen. Nach paar Tagen wird es wieder gut.“ Die Ursache der Erkrankung 
sucht der Patient in den vielen Schicksalsschlägen, die er seit 1914 erlitten hat. Die 
Angst habe er seit einem Zwist mit seinem Bureau Vorstand, den er an der Gurgel gepackt 
habe. Damals sah er ein, daß er einmal hilflos dastehen werde. Er leide an Wander¬ 
trieb, plötzlich befalle ihn tiefe Schwermut, er bekomme Angst, lasse alles stehen 
und gehe fort zu den Angehörigen. Das sei bisher zweimal geschehen; er hat das Ge¬ 
fühl, verdrängt zu werden, vielleicht will ihn die Gesellschaft selbst verdrängen. ( ?) 
Der Vater lebt seit 1915 nicht zu Hause, ist aber bei derselben Firma; der Patient 
weiß nicht, welche Stelle er einnimmt. Der Vater lebt mit einer anderen Frau. Im 
Bureau bekommt ihn der Patient manchmal zu Gesicht; er kommt ihm ganz fremd 
vor. Wahrscheinlich konnte er sich mit der Mutter nicht vertragen. Der Vater ist 
ordnungsliebend, auch in sexueller Hinsicht. Der Patient vermutet, daß die Mutter 
nach einer Operation, die vor 8 oder 10 Jahren stattfand, nicht mehr verkehren darf. 
Im Hause gegenüber wohnte ein Mädchen, mit diesem stand er seit 1914 in Beziehung. 
Es kam ihm vor, daß er durch dieses Weib neugeboren ist. Es w T ar eine intime Be¬ 
kanntschaft. Schon seit Kindheit hatte der Patient eine Furcht vor dem Vater; durch 
sie ist ihm bewußt geworden, daß er in Kindheit und Jugend zuviel entbehrt hatte 



168 


Zur Psychoanalyse. 


und unter fremdem Einfluß stand. Es kam ihm vor, als hätte der Vater eifersüchtig 
über ihn gewacht. „Es ist eigentümlich; in der Zeit, wo ich das Verhältnis hatte, wollte 
der Vater, trotzdem er auch ein Verhältnis hatte, mir das Verhältnis untersagen. 
Ich wurde eingeschüchtert.“ Trotzdem führte er das Verhältnis bis 1917 weiter. Vor¬ 
her hatte er nur gelegentlichen Verkehr mit Prostituierten gehabt. Es fällt ihm jetzt 
die „Alraune“ ein, das Weib hat ihn neugeboren. In der Alraune öffnet die Al¬ 
raune dem Studenten die Augen für die Wahrheit. Es war bei ihm auch eine totale 
innere Umwälzung. Er hatte das Vertrauen und den inneren Halt verloren. Danach 
kam ihm erst das Bewußtsein, daß er vor dem Vorgesetzten Furcht hatte. (Neu¬ 
geboren?) Vielleicht besser umgeboren. Der Vater ist von allem informiert. Des Vaters 
wegen ließ sich der Patient im Bureau mehr gefallen. Er hat auch das Gefühl, daß er 
durch die Schuld des Vaters zu wenig gelernt hat. Dadurch hatte er eine Abneigung 
gegen die Beschäftigung in dem Bureau, wo sein Vater tätig war. Als er noch kein 
Verhältnis hatte, lebte er nur seinem Beruf. Ging allerdings in die Tanzstunde, kleidete 
sich schön. Er denkt auch, weshalb der Vater nicht wollte, daß er verkehre. Die 
Eltern des Mädchens waren auch dagegen. Seither kam er mit allen in Streit. 1914 
war die Bekanntschaft. 1916 starb der Bruder des Patienten. Das kam ihm wie ein 
Memento vor. Der Bruder hatte gewarnt. Seit dieser Zeit ist der Patient auch aber¬ 
gläubisch. Es war, als übte das Weib eine dämonische Wirkung auf ihn aus. Er hatte 
das Gefühl, daß es durch die Strafe Gottes zum Niederbruch kommt. Als der Bruder 
krank war, war er sehr niedergeschlagen. Er hatte das Gefühl, der Bruder werde die 
Krankheit nicht überleben. An einem Tag sagte er zur Freundin: „Ich habe das Gefühl, 
mein Bruder ist gestorben.“ Einige Tage später kam wirklich die Nachricht. Er hat 
schon in der Kindheit und auch später sexuelle Dinge beobachtet. Durch dieses Weib 
hat er das profane Leben kennen gelernt. Der Patient kam allmählich darauf, weshalb 
ihm der Vater das Verhältnis verboten hatte. Der Vater kam ihm vor wie eine männ¬ 
liche Prostituierte, als dürfte er mit dem Patienten verheiratet sein. Er war immer 
gegen alles. Auch der Vater war mit 30 Jahren in schwieriger Situation, er hatte aber 
an der Frau einen Rückhalt. Er warf sich auf die Politik. Bei Konflikten mit den Vor¬ 
gesetzten konnte der Patient das Anschreien nicht vertragen. An den Tagen, an 
denen er so durch die Vorgesetzten betäubt war, kam das Mädchen wie von Gott 
gesendet. Diese abergläubischen Sachen machten ihn krank. In der letzten Zeit 
seiner Bekanntschaft sah er alles schwarz, bis auf einige lichte Momente. Schon als 
Kind hatte er vor den Monaten November und Dezember Angst. Kurz vorher hatte 
er das Verhältnis abgebrochen. An einem Sonntag kam sich der Patient sehr verlassen 
vor; er dachte philosophisch nach, daß er zu nichts komme, daß er über Abgründen 
stehe — vielleicht durch dieses Weib. Da wurde ihm bang, es fiel ihm ein, daß er nichts 
erreicht hatte — er dachte, daß er mit dem Leben ein Ende mache. In einem Lokal 
sah er seine frühere Geliebte mit einem anderen und seiner Schwester. Es tauchte 
in ihm der Entschluß auf, seinem Leben ein Ende zu machen. Das war 1917. Er 
ging in ein Kaffeehaus, alles drehte sich um ihn, vor den Augen flimmerte es. Er 
spürte starken Ekel. Er sprang in den Donaukanal. In dieser Zeit mußte er sich im 
Bureau viel gefallen lassen, um so mehr, weil der Vater auch im gleichen Bureau 
tätig war. Er ließ sich verschiedenes bieten. Als ihm schon alles egal war, und der 
Bureauleiter ihn schlecht behandelte, kam es zu jener Szene. Der Patient hatte 
das Gefühl, daß der Filialleiter erst so wurde, nachdem der Patient mit Frauen ver¬ 
kehrt hatte. Der Patient verbat sich jene Herrschsucht in der Notwehr. Der Patient 
hatte das Gefühl, daß der Filialleiter etwas tun wolle. Er packte den Filialleiter und 
griff ihm schließlich an die Gurgel. (Dezember 1918.) Manchmal als Kind, wenn der 
Vater ihn anschrie, hatte er auch ein eigentümliches Gefühl. „Auch jetzt... dem 
Bureauleiter war es offenbar ein sexuelles Bedürfnis, — dieses eigentümliche Gefühl 
hatte ich schon als Kind, ich war 5 oder 6 Jahre... es war eine Art, ich kann nicht 
einmal sagen Wollust, es war eine Art Schauer, ich hatte es als Kind und als Jüng¬ 
ling. Jetzt hat sich das verloren.“ Auf den Auftritt hin fühlte er sich in den Nerven 
zerrüttet, deshalb ging er auch von Budapest weg. Er war bei der Arbeit nicht au 
afit, hatte Flimmern vor den Augen; damals hatte er nur mit Prostituierten Ge¬ 
schlechtsverkehr. Er hat nach seiner Rückkehr aus Budapest als Bauarbeiter ge- 



Zur Psychoanalyse. 


169 


arbeitet, weil er glaubte, das täte seinen Nerven besser. Er konnte d ann nicht mehr 
bei der Gesellschaft Unterkommen und er hatte vor dem November, Dezember Angst. 
Er fuhr nach Steyr zu Verwandten; er wurde Arbeiter in einer Feilenfabrik, wo seine 
Kusine ein Verhältnis mit dem Fabrikanten hatte. Die Arbeiter betrachteten ihn schief. 
Deshalb ging er nach 3 Monaten weg. Wanderte Ende Dezember zu Fuß durch den 
Böhmerwald. Er wollte landwirtschaftlicher Arbeiter werden und sich erholen. 
Schließlich trat er in Prag seinen Dienst bei seiner Gesellschaft an. Am Anfang ging 
es gut; dann kamen die Stunden, in denen ihm alles düster erschien; er dachte, daß 
der Personalreferent ihn schlecht behandle und schrieb deshalb an die Gesellschaft, 
die ihren Sitz in Berlin hat; man gab ihm auch minderwertige Arbeiten. Nach Buda¬ 
pest, das man ihm antrug, wollte er nicht gehen; er ging von Prag weg, ging in den 
Böhmerwald und nachPassau. Er schrieb der Direktion, er sei jetzt auf reichsdeutschem 
Boden und wolle sich vor der Direktion rechtfertigen. Im Böhmerwald hatte er An¬ 
gehörige. .. er marschierte zu Fuß vom Böhmerwald nach Wien. ( ?) Bei der Ge¬ 
sellschaft hat man nichts gegen ihn, es ist aber eine eigentümliche Verwendung, die 
er hatte... Er hatte das Gefühl, daß er in einer Gesellschaft nichts werde. Ein der¬ 
artiger Posten sei geradezu Prostitution. Er habe aber das Bestreben, etwas aus sich 
zu machen. Das Zigeunerleben sei ihm verhaßt. Schon als Kind hatte er Mißtrauen 
gegen die Eltern; er hatte das Gefühl, im Wege zu sein. Der Vater hatte wegen seiner 
sozialdemokratischen Gesinnung zu leiden. Er kümmerte sich nur um die Politik und 
nicht um die Kinder. Die richtige Menschenliebe hat der Vater nicht gekannt. Er 
hat sich mehr an den Vater angeschlossen, hatte aber eine gewisse Scheu vor ihm. 
Mit 14 Jahren hat der Patient schon im Bureau vom Vater gearbeitet. Einmal deu¬ 
tete die Mutter auf die Augen des Patienten. Vielleicht spielte sie auf den Geschlechts¬ 
verkehr an. Der Vater zuckte die Achseln. Der Patient konnte nicht verstehen, was 
die Mutter andeutete. Die Eltern vertrugen sich seit jeher nicht. Die Mutter war zwar 
brav, aber die Ordnung war nicht sehr groß. Es waren 15 Kinder. 4 Schwestern und 
ein Bruder leben. Dieser 1 % Jahre ältere Bruder lebt auch zu Hause und 2 Schwestern 
(die älteste 31, die jüngste 17 Jahre alt). Die Geschwister waren ihm alle zugetan, 
doch kommt er mit der ältesten Schwester nicht aus. Vorgestern träumte er, daß er 
Billard gespielt habe, aber als die Sache günstig stand, wurde er geweckt. Als Kind 
kam ihm vor, als riefe ein Geist seinen Neimen. Das Femsignal der Automobile ruft 
ein eigenartiges Gefühl in ihm hervor. 

Am 8. VI. betont er in einer längeren Unterredung immer wieder, er fühle sich 
durch den Vater benachteiligt. „Ich finde es eigentümlich, daß ich mit der Mutter 
leben soll und er lebt mit dem Weibe. Ich gehöre doch viel früher hinaus...“ Weil 
er nicht zu Hause bleiben wollte, wurden seine Pläne durchkreuzt. Er will aus 
„moralischen Gründen“ nicht zu Hause bleiben. Aber die Mutter hielt zum Vater. 

Am 15. VI. Der Vater übt einen großen Einfluß auf die Familie aus. Sie standen 
unter seinem Banne. Er, der Pat., meint aber, wenn jemand das Ziel erreicht hat, 
wie der Vater, daß er dann abtreten kann. Seine Anschauung hat sich dann schon 
überlebt, le roi est mort, vive le roi. Eben deshalb wollte er von zu Hause weg. Er will 
jeden Verkehr mit dem Vater meiden. Schon als Kin d hatte er Scheu und Furcht 
vor ihm, weü er nur seine Zwecke verfolgte. Der Vater hat ihn zeitweise, auch Freun¬ 
den gegenüber, herabgesetzt. Die Mutter hat sich wenig um den Patienten geküm¬ 
mert. Der Vater hat ihn auch als Mittel zum Zweck benutzt, er hat ihn auch in Ver¬ 
sammlungen geführt. Er wollte ihn schon als Kind zum ernsten Mann heranbüden. 
„Vielleicht war er mein Rückhalt. Ich hatte indessen das Gefühl,.was wollt ihr denn von 
mir, ich bin ja nicht euer Vater, es hat mir niemand etwas gesagt, aber die Mutter 
fiat selbst gesagt, ich sei nicht mit ihr verheiratet.“ Der Vater erinnert ihn an Dr. 
Adler, der hat alles erreicht... einige Zeit später war der Sohn am Ruder. Er müßte 
in der gleichen Situation sein... Der Prozeß Adler brachte ihn in namenlose Auf¬ 
regung. Der Vater hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Dr. Adler. Diese Zeit war auch 
die, wo der Vater politisch tätig war; er stand mit Schuhmeier in sehr enger Be¬ 
ziehung. Solche Männer wie Adler, Masaryk, Hindenburg, Ludendorff imponieren 
dem Patienten sehr. Im Laufe der Zeit wird ihm noch so manches einfallen. „Ich wül 
aus dem Sumpf heraus, in den ich geraten bin; ich habe das Gefühl, daß ich in der 



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Zur Psychoanalyse. 


Entwicklung begriffen bin. . . ich sollte aus der Haut heraus. . . das sind die Ge¬ 
danken, an die ich denken muß. Das Gefühl, zu etwas anderem geboren worden zu 
sein.“ Zu dem Traum vom Bülardspielen fällt ihm ein Hindenburg, der mit einer 
mathematischen Gewißheit alles ausarbeitete. „Ich las auch Bücher vom ewigen Juden, 
der sich unterdrückt fühlt, der sich verfolgt fühlte... vielleicht vom Vater... mir 
kommt vor, daß jetzt der Zahltag kommt. Ich finde es eigentümlich vom Vater, daß 
er draußen gegen die Unterdrückung predigt, und zu Hause selbst ein Tyrann ist.“ 
Er hat das Gefühl, er müsse nach Berlin — wann, weiß er nicht. Vielleicht das un¬ 
bewußte Nationalgefühl... etwas zieht ihn nach Berlin hinaus. Er hat das Gefühl, 
das, was er spreche, sei auch von Grey und Wilson gehört worden. Er dachte während 
des Krieges, daß er durch einen geheimen Faden mit anderen verbunden sei. Auch 
seine Stimme wurde verwendet. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß das Fem- 
signal eines Automobils eine geheimnisvolle Wirkung ausübt. Während des Krieges 
hatte er das Gefühl, die Welt gehe unter. Er sah aber, daß die Welt nicht untergeht, 
sondern er selbst, er kämpft aber für die neue Weltanschauung. 

Am 18. VI. erklärt er in der Vorlesung: er wolle mit seiner Mutter nicht verheiratet 
leben, das sei unmoralisch; der Vater ließ ihn auch mit der ältesten Schwester so 
zurück, als ob er sie heiraten sollte. (Trotzdem hatte er den Wunsch, daß seine älteste 
Schwester ihm nach Steyr und Budapest nachführe, weil er voraussah, daß sie zu 
Hause nicht erreichen werde, wonach sie strebt. Er dachte auch, sie werde be¬ 
ruhigt sein, wenn sie beisammen wären; die Schwester ist hysterisch.) Der Vater kommt 
wegen der Schwester nicht nach Hause. Der Patient wollte das Opfer auf sich nehmen, 
die Schwester zu sich zu nehmen. Der Patient dachte nach, wie der Familienskandal 
ein Ende nehme. Jetzt will auch die Schwester von zu Hause weg. Der Vater düpiert 
alle, alle glauben, daß es ohne ihn nicht geht. Alle stehen unter seinem Einfluß. Wenn 
der Vater tot sein wird, wird man schon sehen, daß er (der Patient) wirklich Vater sein 
kann. Als der Vater 1914 von der Mutter wegging, ahnte er offenbar, daß der Zu¬ 
sammenbruch kommen würde. Er war immer ein Politiker. 

Aus späteren Unterredungen: Der Patient erinnert sich, schon als 5 oder 6 jähriges 
Kind sexuelle Regungen gehabt zu haben, — er war mit den Geschwistern, — ganz 
harmlos, es war kein Verkehr. Er hat sich die Geschlechtsteile angesehen, es inter¬ 
essierte ihn. Bis zur 3. Klasse lernte er schlecht; dann lernte er von selbst lesen. Die 
sexuellen Erregungen verloren sich fast völlig, nur für kurze Zeit war er rückfällig. 
Er war meist mit dem Bruder in einem Zimmer; als er in der 4. oder 5. Volksschul¬ 
klasse war, ekelte ihn der Verkehr der Eltern an; es ekelte ihn, daß die Eltern fort¬ 
während Kinder bekamen. Mit 11 Jahren ahnte er. Mit 6 Jahren fragte er den Vater 
(mit der Schwester), wie Kinder zur Welt kämen. Er dachte, daß es mit übernatür¬ 
lichen Dingen zugeht. Früher glaubte er an den Storch. Als er 9 Jahre alt war, 
wurde die jüngste Schwester geboren. Er hörte das Bett krachen. Es widerte ihn an; 
er hatte Ekel vor den Eltern. Er kümmerte sich wenig um Sexuelles. Während seines 
Verhältnisses kam der Patient darauf, daß man ihm Unrecht getan habe. Sie hat 
ihn umgeboren. Zu Hause wollte man ihm etwas auf oktroyieren, als ob er immer ein 
15jähriger bleiben sollte, das Kind, immer zu Hause, er mußte sich Entbehrungen 
auferlegen. Als Kind konnte er einmal nicht in Gegenwart des Vaters auf die große 
Seite gehen und machte sich die Hose voll. Seit September 1919 hat er nicht Ge¬ 
schlechtsverkehr gehabt. Nach Aufregungen hatte er sonderbarer Weise zweimal 
Samenerguß (im Bureau) dann auch bei Aufregungen durch die Korrespondenz mit 
dem Direktor. Er träumte von geschlechtlichem Verkehr mit Mädchen. 

Trotz seiner Enthaltsamkeit hatte er Schweißausbrüche. Die letzten Jahre koi- 
tierte er ohne Genuß, Bchwitzte, und es wurde ihm schwarz vor den Augen, deshalb 
stellte er den Verkehr ein. Er hat gar kein Interesse mehr, so in den Kinderjahren. 
Vielleicht sogar einen gewissen Abscheu. 

Fall XVII. 

Die 58 jährige Malvine F. wird am 10. X. in die Klinik eingeliefert, weil sie seit 
einer Woche ihr Geschäft vernachlässigt, keine Nahrung zu sich nimmt. Sie war 
schlaflos und aufgeregt und bildete sich ein, ihre in Gersthof wohnende Schwester 
verbreite Gerüchte, die Patientin habe mit ihrem verstorbenen Schwager gelebt. 



Zur Psychoanalyse. 


171 


Ganz Gersthof sei in Aufregung und die Gerüchte breiteten sich über die ganze Stadt 
aus. Diese Angaben einer Nachbarin werden ergänzt durch folgende Angaben einer 
Bekannten: Schon während des Krieges war die Patientin zeitweise unvermittelt 
heiter, sagte: Kinder jetzt ist der Krieg aus, usw. Nach einigen Tagen beruhigte sie 
sich. Der Tod des Kaisers versetzt sie in eine besondere Depression. Sie sprach drei 
Tage lang nicht. Während die Patientin früher sehr zurückhaltend war, spricht sie 
in den letzten 14 Tagen viel von erotischen Dingen, im Anschluß an einen Besuch 
einer Nichte, die von der Patientin auferzogen worden war. Es wurden während des 
Besuches Familienangelegenheiten besprochen; nach der Abfahrt der Nichte hörte 
die Patientin mit der Arbeit auf, aß wenig, erzählte merkwürdige Dinge, prophe¬ 
zeite, beklagte sich, sie würde um ihre Ehre und um ihren Beruf gebracht. 8 Tage 
vor der Aufnahme wurde sie lustig. Sie erzählte, es würde ein Sanatorium gegründet. 
Die ganze Gasse würde Kapitalien beisteuern. Die Nichte werde es leiten. Es würden 
alte Frauen auf genommen werden und dort Gelegenheit haben, mit jungen Män¬ 
nern zusammenzukommen. Das Mieterschutzamt duldet nicht, daß alte Frauen große 
Wohnungen haben, es werden alte Frauen gezwungen, mit jungen Männern zu¬ 
sammen zu wohnen; da werden die Männer sicher sein, daß sie keine Kinder machen 
und nicht krank werden. Die Pat. glaubte, daß man sie vor der Aufnahme auf eine 
Lues untersuchen werde. Sie sagte, man wollte sie mit einem alten Mann zusammen¬ 
bringen, den brauche sie aber nicht, wolle lieber einen jungen. Sie äußerte, es sei nicht 
gut, wenn eine Mutter mit dem Sohn zärtlich lebe, ihn küsse. Der Sohn bekomme dann 
Begierde. Ihr Neffe R. habe deswegen auch vielleicht schlecht ausgesehen, so lange 
seine Mutter gelebt habe. Der Sohn der Pat. kümmert sich seit 20 Jahren nicht um 
die Mutter, die ihn sehr lieb hat. Eine Schwester der Patientin starb an Paralyse, 
eine andere an Basedow. 

Bei der Aufnahme erwies sich die Patientin als klar und geordnet. Vor 8 Tagen 
hörte sie zum erstenmal „Pfui Tante“. Der Kaffeesieder sagte das. Auch andere Leute 
kamen zu dem Handarbeitengeschäft der Patientin und sagten immer wieder „Pfui 
Tante“. In Baden draußen sagte man „Schöne Tante“. Sie ging mit ihrer Nichte spa¬ 
zieren. Die hat sie von der 7. Woche an großgezogen. Jetzt ist sie 28 Jahre alt. Die 
Leute behaupten auch, die Patientin möge ihren Sohn nicht. Er kommt aber nicht, weil 
er mit der Nichte gestritten hat. In der Gasse spricht man davon, daß sie ihren Sohn 
nicht will. Das ist aber nicht richtig. Vor drei Jahren hat er noch im Guten mit 
ihr gesprochen. Mit der Nichte stritt er, weil ihm diese vorwarf, er kümmere sich zu 
wenig um die Mutter. Der Sohn ist vor 12 Jahren gegen ihren Willen Schauspieler 
geworden. Er hat auch gegen ihren Willen eine Schauspielerin geheiratet. Die Pa¬ 
tientin war 5 Jahre verheiratet. Der Mann starb an Nierenentzündung: „Er war der 
Freund meines Schwagers.“ Der Schwager hat sich krank gefühlt, er wollte sie aber 
nicht allein lassen, deshalb verheiratete er sie mit seinem Freund. Sie kennt ihn und 
seinen Freund seit ihrem 8. Lebensjahre, die Brüder des Schwagers könnten das be¬ 
zeugen. Ihren Mann hat sie nur dem Schwager (Ing.) zuliebe geheiratet; sie hat 
viele Sorgen mit ihm gehabt. Der Schwager hat einen Sohn, den sie auch sehr liebt. 
Sie lernte den Schwager schon als Kind kennen. Er hat sie angesprochen, als sie mit 
ihrer Schwester ging. Durch sie wurde der Schwager mit der Schwester bekannt. 
Es war eine „kindliche Liebe“, die sie zu ihm empfand: „Wir haben ihn alle ver¬ 
göttert.“ „Er kam ins Haus und war uns allen ein Vater; er hatte einen hochanstän¬ 
digen Ruf. Die Verlobung der Schwester fand im Trauerjahre statt. Alle Kinder 
und auch die Mama haben ihn sehr gerne gehabt. Der Schwager hat mich auch sehr 
gerne gehabt. Nicht einmal ein Mann kann so sein.“ Bei späteren Unterredungen sagt 
die Patientin: sie habe ihren Schwager geliebt; die Leute verwechseln aber geliebt 
mit gelebt. Durch diese Vertauschung sei der schlechte Ruf entstanden. Der Schwager 
starb nun bald. Gegen den Willen der Patientin heiratete die Schwester noch einmal 
einen Witwer. Von dieser Schwester geht ihr schlechter Ruf aus. Diese starb Mai 
1919. Sie hatte mit der Patientin 1 / 2 Jahr vor ihrem Tode einen Streit; die Schwester 
begann ihren Sohn zu hassen, weil er ihr zu wenig Geld gab. Sie hat in Gersthof 
Schlechtes von der Patientin erzählt, die Hausmeisterin hat dieses Gerücht verbreitet. 
Eine zweite Schwester heiratete einen Bruder des Schwagers W., wiederum gegen den 



172 


Zur Psychoanalyse. 


Willen der Patientin. (Juni 20.) Auch diese Schwester ist schon tot. Auch der Sohn 
dieser Schwester ist gegen die Patientin; er spricht die Worte der Mutter nach. Dieser 
Sohn ist es, von dem in der Anamnese die Rede ist. Die Patientin betont immer wieder, 
er habe schlecht ausgesehen, als er mit der Mutter zusammen lebte. Die Mutter habe 
ihn zu sehr gereizt durch ihre Zärtlichkeit. Seitdem der Sohn bei ihr, der Patientin, 
lebe, sehe er viel besser aus. Diesen Neffen zieht sie. immer heran, wenn von dem 
Sanatoriumplänen die Rede ist. Lili, die Tochter ihres Bruders, will ein Sanatorium 
mit ihrer Freundin gründen gegen die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten: 
„Sehen sie z. B. mein Neffe ist ein ganz anständiger Bursche, wo soll er das Geld her¬ 
nehmen, er ist aber doch ein gebrauchsfähiger Mensch. Die Mütter verwöhnen die 
jungen Leute sehr, lassen sie in einem Zimmer mit ihnen schlafen. Dann sehen die 
jungen Leute schlecht aus. Es müssen also Wohnungen gemietet werden, wo Herren 
und Frauen Zusammenkommen... “ Über die Verwendung des Sanatoriums ist sie 
sieh hierbei nicht ganz im Klaren, bald heißt es, es würde für gebrauchsfähige, bald 
es würde für kranke Leute sein. Auch sie, die Patientin, wird mit irgend jemand 
zusammenziehen müssen: „Ich sehe ein, daß die Menschen gereizt werden, mit der 
Mutter können sie nicht lieben; sie sollen deswegen zu älteren Frauen gehen.“ Ihren 
Neffen will sie aber nicht, — das geht nicht, — deshalb will sie nicht mit ihm zusammen 
leben — er hat vielleicht Lust gehabt, sie will aber nichts mit dem Sohn der Schwester 
zu tun haben... die Mutter war in ihn zu verliebt. Lili ist die Tochter ihres Bruders, 
sie hat sie sehr gerne. Diesen Bruder hat sie gerne. Lili wollte schon als Kind Mama zu 
ihr sagen. Die Leute haben schon immer davon geredet, daß sie das Kind aufzog. Die 
Verfolgungen gehen von der Familie des W. aus. Die sagen, die Patientin sei schuld 
an allem. Alle sind gegen sie, auch die Neffen. 

Der Vater der Patientin starb, als sie 8 Jahre alt war. Er war sehr streng gegen 
die ältere Schwester. Die war nicht fromm und folgte nicht. Sie erinnert sich aber 
wenig an ihren Vater. Von der Mutter träumte sie gelegentlich: sie hat sie gehalten, 
hat sie ein bißchen gedrückt, und sie war tot. Auf Frage: „Ja, es war so, als ob ich sie 
umgebracht hätte.“ (Lachend.) „Über den Tod des Kaisers war ich deshalb betrübt, 
weil die Mutter viel vom Kaiser erzählt hatte“; er war im gleichen Jahre geboren 
wie die Mutter der Patientin. 

Während der zirka zweimonatlichen Beobachtung entwickelte sich der Wahn 
in folgender Richtung: Am 17. IX. beklagte sie sich, sie höre jetzt auch Vorwürfe, 
Lili sei ihre Tochter, die sie von ihrem Bruder habe; auch das ist eine Verwechslung. 
Es sei richtig, sie habe Lüi von dem Bruder zur Pflege übernommen. (Den Bruder hat 
sie schon als Kind sehr gerne gehabt. Die Familienliebe zeigt sich nicht durch Küssen 
und Kosen.) 

Sie äußerte, durch das Sanatorium soll der Name B. (ihr Mädchenname) wieder 
groß werden. Oder er soll ganz klein sein. Den Neunen F. will sie ablegen. Auch den 
Namen ihres Sohnes möchte sie anders haben. Die Leute wollen auch eine Gesellschaft 
mit beschränkter Haftung gründen, um ihre Leute in die Höhe zu bringen. 

Schließlich erzählt sie, sie habe gehört, daß einige junge Mädchen davon sprechen, 
sie in der Nacht umzubringen. Sie sind eifersüchtig auf die Patientin. (Offenbar wegen 
des Arztes.) 

Zur Vorgeschichte: ein Bruder des Vaters nervenleidend, war in einer Anstalt. 
Auch Lilis Vater (Bruder) ist nervenleidend. Menopause seit einigen Jahren. Sie 
hat nur mit ihrem Mann verkehrt. War nicht frigid. Sonst ohne Befund (bis auf 
eine Struma). 

Das Auffallende an der Patientin ist die tiefe Seligkeit, in der sie zu schweben 
scheint. Sie sitzt meist bewegungslos mit seligem Lächeln, ohne jedes Interesse 
für die Umgebung herum. Ist in sich gekehrt, genießend. 

b. Homosexualität. 

Das Problem der Homosexualität wurde ja im Kapitel III. ausführlich be¬ 
handelt. Die meisten unserer Krankengeschichten bringen hierher gehöriges Ma¬ 
terial. Die Psychoanalyse zerfasert den Begriff des Geschlechts; es bleibt keine 



Zur Psychoanalyse. 


173 


volle Einheit Männlichkeit oder Weiblichkeit übrig. Wo immer man den Begriff 
des eigentlich Männlichen oder Weiblichen zu finden versucht, versagen die 
Kriterien, sei es nun, daß man das Männliche in der Aktivität, sei es, daß man es 
in der herabsehenden Haltung, sei es, daß man es in der Tendenz zum weiblichen 
Genitale oder zum weiblichen Körper überhaupt sucht. Mit diesem allgemeinen 
Problem beschäftigen wir uns hier nicht. Hier soll nur gezeigt werden, wie häufig 
derartige Störungen im Bilde paraphrener und schizophrener Störungen sind 1 ). 

Fall XVIII. 

Antonie G., 35 Jahre alt, in der Klinik vom 14.—21. X. 20. Die ruhige, orien¬ 
tierte, geordnete Patientin berichtet über eine belanglose Familienanamnese. Ihre 
Erziehung sei dürftig gewsen. Mit etwa 25 Jahren begann sie ein Verhältnis mit einem 
Manne, hatte jedoch keine Empfindungen beün Verkehr. Sie befriedigte sich nachher 
immer selbst. Sie wurde schwanger und abortierte zweimal. Eine Verheiratung 
war deswegen ausgeschlossen, weil ihr Freund einer höheren sozialen Schichte an- 
gehörte. Seit dem Beginn des Krieges kam der Freund nicht mehr mit ihr zusammen. 
Schon 1915 bemerkte die Patientin, daß die Leute ihr gegenüber sich anders ver¬ 
hielten, ihr die Hand nicht reichten, als ob sie sich vor ihr ekelten. Sie dachte, man 
sehe es ihr an den Augen an, daß sie nichts empfinde. Sie empfand ein großes sexuelles 
Bedürfnis, das sie dazu trieb, immer fremde Männer mitzunehmen, sie blieb aber 
frigid und kam nicht zum Orgasmus. Sie fühlte sich wegen ihres Lebenswandels 
verworfen, schließlich kam sie, als ihr das sexuelle Wollustgefühl auch bei der Onanie 
(die sie seit ihrem 15. Lebensjahr betrieb), ausblieb und sie unempfindlich wurde, 
auf den Gedanken, man habe ihr die Seele weggenommen, ihr Körper sei nur ein 
Lehmpatzen, sie sei der Golem ohne Seele; schließlich dachte sie, man mache mit 
ihr Versuche, da ihr empfindungsloser Körper ein geeignetes Objekt sei. Sie dachte 
auch, ein Mensch werde aus Fleisch hergestellt, indem dann ihre Seele hinüberhypno¬ 
tisiert würde. Sie fühle sich eben tot. Sie erklärt schließlich, schon seit 1911 fühle 
sie eich erregt, und zwar in einer unnatürlichen Erregung. In ihrer Umgebung sei 
auch immer viel von Homosexualität gesprochen worden, sie habe auch immer selbst 
derartige Beobachtungen gemacht, sie sah auch diese Leute um sich, es war eine 
Gesellschaft, es wurden auch fortwährend Anspielungen gemacht. Man verhöhnte auch 
sie, deshalb habe sie sich ihre Sexualität abgewöhnt. Erinnerung an einen früheren 
Traum: Sie lag auf einem Strohsack; durch den Strohsack erwachte ein Mann in ihr. 
„Er ist durch mich erstanden.“ „Es hob sich alles auf, ein Mann ist durch mich durch, 
und er war auch da.“ „Er kam als ganzer Mann heraus.“ Andere Träume: Sie sah 
schöne, recht hohe Anlagen wie in einer Pflanzung, es war alles in einem, es war wie 
ein Arrangement. 

In diesem Falle dominiert die Unsicherheit über das eigene Geschlecht. Die 
Geschlechtskälte eröffnet das Bild, der Gedanke gesellt sich hinzu, sie sei homo¬ 
sexuell. Sie erlebt das in der Form, daß zunächst Anspielungen gemacht werden, 
und daß sie Ereignisse aus der Umgebung falsch deutet und auf sich bezieht. Be¬ 
sonders bezeichnend ist der Traum, in dem der Mann sich aus ihr erhebt. Gewiß 
eine plastische Darstellung der Strebungen, welche in ihr lebendig sind. 

Fall XIX. 

Julius Kn., geb. 1893: Die Mutter des Patienten leidet an Pareuioia und war zeit¬ 
weise interniert. Der Patient hat in der 3. Gymnasialklasse zweimal repetiert. In 
seinem Beruf als Kanzleibeamter gut verwendbar. Eingerückt am 26. X. 14, am 
27. Januar nach durchgeführter Ausbildung wegen Lungenspitzenkatarrh super¬ 
arbitriert. War gegen früher verändert, gesprächiger, in der Darstellung seiner Erleb- 

*) Vgl. hierzu Freud: Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch 
beschriebenen Fall von Paranoia und Ferenczi: Über die Rolle der Homosexualität 
in der Pathologie der Paranoia. Jahrb. f. Psychoanalyse Jg. III, 1911. 


174 


Zur Psychoanalyse. 


nisse übertrieben. Ängstlich. Am 17. Juli erfuhr er, daß sein Bruder im Felde gefallen 
sei. Wurde wortkarg, ging noch bis 17. VIII. ins Bureau. Dann schlaflos, sprach vom 
Antichrist, der die Völker vernichtet, aber doch die Welt erlösen werde. Das sei er 
selber, oder der ewige Jude, der nicht sterben könne. Das habe ihm ein Bruder vor 
seinem Tod prophezeit. Sprach in konfuser Weise von Seelenwanderung und Hyp¬ 
notismus. Ein Beamter seines Bureaus habe seinen Kopf in die Hand genommen, 
dadurch sei eine Veränderung in demselben eingetreten. Im Laufe der folgenden zwei 
Monate besserte sich der Zustand, er ging sogar wieder ins Bureau, blieb jedoch nach 
3 Tagen wieder aus. Er wollte schließlich nicht mehr ausgehen, hörte auf zu sprechen 
und blieb zu Hause liegen. Er wollte am Tage vor der Aufnahme auch nicht essen. 
In der Klinik, wo er vom 14. XII. 15 bis 5. HI. 16 war, ist er sehr schweigsam, macht 
unsichere Gebärden; später gibt er karge Antworten, es gehe ihm hier besser. Er be¬ 
jaht die Frage, ob er sich krank fühle, und berichtet von Herzklopfen. Nach einigem 
Stocken und Besinnen gibt er an: „Ich hab geglaubt, ich bin der Antichrist.“ „Das 
habe ich geträumt!“ Wie, will er nicht wissen; hernach: „Ich hab die Sterne gesehen.“ 
(Was noch?) „Ich weiß nicht.“ Hat Angst zustande gehabt. „Da ist es oft plötzlich, 
als ob etwas wäre, was gar nicht ist, Gegenstände erscheinen und sind gar nicht da. 
Die Personen erscheinen oft im Aussehen verschieden, und dann die Stimmen.“ 
Man könne oft nicht genau unterscheiden, ob dieser oder jener spräche. Während der 
Untersuchung verzieht er oft wie schmerzhaft das Gesicht, verstummt für einige 
Minuten. Der Patient kam dann in die Landesirrenanstalt, von dort wurde er am 
30. VIII. 1916 entlassen. Am 20. IX. nahm er seinen Dienst als Beamter wieder auf. 
In den letzten Monaten vor der neuerlichen Aufnahme (10. XI. 19) machten sich 
Aufregungszustände bemerkbar. Er schlug nach seiner Umgebung, klagte über die 
Schwierigkeit seiner dienstlichen Aufgaben, bezeichnete sich als göttlich im Ver¬ 
gleich mit der übrigen Menschheit, führte unverständliche Beden. Am 8. XI. kam 
er mit einer starken Verletzung am Auge zu Hause an; er gab an, daß er Leute im 
Gasthause ohne Ursache geschlagen, auch Passanten auf der Straße ohne Grund 
geohrfeigt hatte, worauf er von den Leuten verprügelt und verletzt wurde. (Angaben 
des Vaters.) Bei der Ankunft in der Klinik am 9. XI. war der Patient ruhig; es waren 
starke Suffussionen der Augenlider und der Konjunktiven vorhanden. Er erweist 
sich als ruhig und geordnet, ist zeitlich und örtlich orientiert; er berichtet: Am 8. 
habe es einen Abschiedsabend gegeben; er sei mit einigen Kollegen zusammen gewesen, 
man habe mehr getrunken, er habe zirka 1 Liter Rotwein konsumiert. Bis zum Weg¬ 
gehen habe es keinen Anstand gegeben. Vor dem Verlassen des Gasthauses, ge¬ 
legentlich der Bezahlung, kam er, ohne daß er die näheren Umstände angeben kann, 
in einen Streit. Es kam sofort zu Tätlichkeiten, er konnte sich gar nicht zurückhalten 
und ging jeden an, der ihm gerade unter die Hand kam. Auch Fensterscheiben seien 
zerschlagen worden; schließlich wurde er entsprechend hergerichtet aus dem Gast- 
hause hinausgeworfen. Er sei nachher, ohne zu taumeln, zu Fuß nach Hause gegangen. 
Er war seiner Meinung nach nicht besoffen. Er war aber angeheitert. Am folgenden 
Tag fühlte er sich ganz wohl, bedauerte die Ereignisse des Abschiedsabends. Im 
Amte habe er bis zum Eintritt des Ereignisses seinen Dienst versehen. 

Nachträglich gibt der Patient an, er leide bereits seit 2 Jahren an Gehörshalluzi¬ 
nationen; er hört sowohl bei Tag als auch bei Nacht Stimmen. Er könne die Ton¬ 
art und die Zahl der Stimmen immer ausnehmen, es sind sowohl Männer- wie Frauen- 
und Kinderstimmen, sehr oft in verschiedenartigem Gemisch. Die Stimmen sind in 
keiner Beziehung zu seiner Person, nur zeitweise seien sie beschimpfend. Die Stimmen 
störten ihn nicht, obwohl er sie oft im Bureau hörte. Während das Stimmenhören 
sonst an keinem Tag ausblieb, blieb es an jenem Abend imd an dem folgenden Tag 
aus; gestern hörte er hier lästige, beschimpfende Stimmen. 

Nächsten Tag machte er über seine Stimmen nähere Angaben. Er berichtet formal 
geordnet, zeitweise ist sein Bericht ungeordnet imd schwer verständlich, doch hängt 
dies mit der Schwierigkeit des Themas zusammen. Man hat den Eindruck, daß ihm 
vieles auch während der Unterredung einfällt, und daß er selbst nach Klarheit ringt. 
Gelegentlich kommen Widersprüche. Auch diese sind vermerkt. 

17. XII. Die Stimmen sind menschliche Stimmen aus der Umgebung. Er hört 



Zur Psychoanalyse. 


175 


es genau, als ob sein Kopf eine hierzu bestimmte Station wäre, wie ein Funkenfänger 
bei der drahtlosen Telegraphie. „Kann das nicht sein, daß jemand, der bei der draht¬ 
losen Station betätigt war, dann mit mir gearbeitet hat ?“ Er hat im Schlaf den Na¬ 
men Wilson gehört. „Kann da nicht ein Zusammenhang bestehen ?“ „Der scheint 
schon längst auf der Psychiatrie zu sitzen, vielleicht braucht er unsere Schädel, um 
politisieren zu können.“ Die Stimmen waren früher Befehle: „Geben Sie dem eine 
Ohrfeige!“ ohne Unterschied des Geschlechtes. „Der Mann dürfte so aufgeklärt ge¬ 
wesen sein, daß er wußte, daß das männliche Geschlecht heute keine Rolle spielt. 
Der Mann scheint alles als Mann oder als Frau betrachtet zu haben. Er sagt Mensch. 
Im ganzen und großen ist es ja doch dasselbe. Man kann vielleicht nicht wissen, ob 
morgen dort eine Frau steht, wo heut ein Mann steht!“ 

Er hat seit 4 Jahren kein Weib gesehen. Er hat von ihnen geschwärmt, aber 
nicht vom Verkehr, „ich danke schön“. Er hat den Geschlechtsverkehr wegen der 
Stimmen eingestellt. Vielleicht ist es nämlich schlecht, zu verkehren und man könnte 
jemanden beeinflussen. Durch das Stimmenhören muß man beeinflußt werden. Es 
muß ein Seelenteilchen anhaften oder fehlen. Durch das Anhaften kann man hören, 
aber auch durch das Fehlen eines Seelenteilchens kann man hören. Wenn es fehlt, 
klingt es entfernt, beim Anhaften klingt es nahe. „Das hat wieder eine Frau er¬ 
funden.“ Wenn er jetzt mit einer Frau verkehrt, könnten zwei Frauen zusammen 
kommen oder vielleicht auch zwei Männer. Wie ja beim Menschen kein Unterschied 
besteht. Es sind ja die Seelenteilchen gleich. Die Maschine ist dieselbe, auch die Be¬ 
wegungen. Es ist möglich, daß aus jeder Frau ein Mann herausschaut, und aus jedem 
Mann eine Frau. Das ist nicht „gänzlich, sondern nur auf geringe Weise.“ „Mit ganz 
geringen kleinen Teilchen.“ „Man erkennt: das ist der und das ist die. Jeder Mensch 
hat andere Bewegungen und Manieren. Wenn man einen Liter Wein trinkt, dann kann 
man nicht unterscheiden, ob es ein Mann oder eine Frau ist. In diesem Zustand ist 
man normal, hört nichts und muß nicht achtgeben. Man kennt keinen Unterschied, 
ob das ein Mann oder eine Frau ist. Das ist der gefährliche Zeitpunkt für den Ge¬ 
schlechtsverkehr, weil man dann nicht unterscheiden kann, ob es sich um einen Mann 
oder eine Frau handelt und auf diese Weise Verfehlungen Vorkommen.“ Es ist nicht 
genug, daß der Patient von diesen Dingen weiß, auch die anderen Menschen müssen 
davon wissen. „Es ist z.B. so eines meiner Teilchen, Anhaftung einem Weibe das ver¬ 
kehrt, dann kann ich mit einem Mann Zusammenkommen, während ich hier sitze, 
so käme es zu einer Schlägerei, denn ich könnte mich doch nicht vögeln lassen... 
Sagen wir ein Teilchen von mir wäre anhaftend einem Weibe, so könnte ich dann mit 
einem Manne zusammen kommen, ja auch wenn ein Teilchen von mir einem Mann 
anhaften würde, der mit einer Frau verkehrt, der auch Teilchen anhaften,... so würde 
ich immer mit anderen Männern daran kommen!... Es sind das jedenfalls Seelen- 
teilchen vom Menschen. Dadurch hört man auch die Stimmen. Durch Empfang 
oder Abgabe eines Seelenteilchens. Wenn Seelenteilchen abgegeben werden, klingen 
die Stimmen entfernt. Wenn man sich als Weib fühlt, graut einem vor einer an¬ 
deren !“ Wenn er dieses Teilchen bekommt, so fühlt er sich als Weib. Man kennt dies 
dann auch am Gang und an den Schritten. Die Stimmen geben Befehle oder sie 
kündigen an, wenn er etwas tun sollte, z. B. „jetzt steht er auf... wenn ich jetzt etwas 
weiß und ein Analphabet hat ein Teilchen, ob ich dann noch das weiß ... und der 
Analphabet weiß das dann ? Wenn ich spreche, muß doch der das zusammenbringen.“ 
Das Stimmenhören strengt ihn an. Die Teilchen gehen hin und her, die Teilchen gehen 
von einem Menschen zum anderen. Er hört dann Witze, Lachen, Schreien. Er glaubt, 
daß alle Menschen Teilchen haben. Er bezeichnet sich als Gottheit, weil er alles 
ganz klar sieht. Er stellt sich die Fortentwicklung eines Gegenstandes genau vor. 
Er fürchtet sich, daß Teilchen von ihm auf andere übergehen und dann zu ihm zurück- 
kommen, so daß er sich dann nicht beherrschen kann. Daß er sich zu Beginn der 
Krankheit für den Antichrist hielt, rührt vielleicht daher, daß jemand anderer ein 
Teilchen von ihm hatte, sich für den Antichrist hielt, und das Teilchen kam dann 
zu ihm zurück. „Die Stimmen geben die Befehle, zu schlagen!“ Vielleicht soll er 
sich wegen der späteren Konflikte einüben, die kommen werden, wenn er einen Mann 
vögeln soll. Er hörte im Wirtshaus nichts. Pochen hörte er. Im Wirtshaus war es ihm 



176 


Zur Psychoanalyse. 


nicht recht, daß andere Leute zusahen. (Warum losgeschlagen ?) „Da braucht man 
ja keine besonderen Gründe. Wenn man so geladen ist; es tut mir leid, daß ich nicht 
mehr geschlagen habe.“ Es war vielleicht das Beste, daß er hierher kam, sonst hätte 
er die hiesigen Vorgänge vielleicht etwas verdreht, daß sie sich anderswo abgespielt 
hätten. 

Er hat mit 15 Jahren den ersten Verkehr gehabt. Später hat er regelmäßig mit 
Genuß verkehrt. Im 6.—7. Lebensjahre wußte er über die Geschlechtsdifferenzen schon 
Bescheid. Er war vielleicht auch erst vier bis fünf Jahre alt. Im Gymnasium hat er 
onaniert. Er mußte viel an Schweinereien denken. „Da war ich der Klassengott in 
der Beziehung. Damals sind mir vielleicht die ganzen Ideen zugekommen und die 
besseren sind auf die anderen übergegangen.“ Keine Inzestphantasien. Die Schwester 
ist um 10 Jahre jünger gewesen. Ein jüngerer Bruder ist gesund. Der Bruder, der 
gefallen ist, war dem Patienten, dem er ähnlich war, sehr lieb. 

19. XI. Daß der Patient den Namen Wilson hörte, rührt vielleicht daher, daß er 
selbst oder ein anderer es gegeben hat. Wenn er liest, sieht vielleicht jemand zu. 
Wenn es jemand ist, der ihn kennt, so dürfte der das Falsche entstellen und dann 
bewirken, daß man es wieder hört. Das Hören ist angenehm und gar nicht störend, 
wenn es nicht gar zu laut ist. „Das möchte ich gerne wissen über das Hören — wenn 
man jemanden nicht erkennt — ich kann das genau erklären, wenn ich ein Teilchen 
benutze, von einem ganz Fremden und an eine dritte Person denke, die ich kenne, 
vor mir sehe und den Namen nennen will, so kann man es nicht.“ Das Hin- und Her¬ 
kugeln der Teüchen hängt mit der Lebensweise zusammen. „Wenn man etwas macht, 
man schreibt gerade, nach 12 Stunden wiederholt sich der Gedanke; dann müßte 
man eigentlich schreiben, müßte die Handlung ausführen, tut man es nicht, so muß 
es ein anderer machen, dann muß ein Teilchen von einem selbst weg, damit er die Idee 
des Schreibens erhalten kann und dann schreibt er nach seiner eigenen Idee. Das 
Teüchen muß zurückkehren, so lange der mit den Teilchen arbeitet, kann der Aus- 
sender des Teüchens hören, was der andere gearbeitet hat. Derjenige, von dem man ein 
Teilchen besitzt, der könnte das dann wieder nachschreiben. Das würde nicht stören 
bei Fachleuten, die dasselbe wissen und zueinander Passendes hören; wenn das nicht 
der Fall ist, hat man Gedanken, die nicht hmeingehören. Ob das nicht mit dem Kom¬ 
munismus zusammenhängt.“ „Ich sehe heute eine Tierbändigerin, ich muß ein Teil¬ 
chen von ihr gehabt haben, das zu ihr zurückgekehrt ist. Jetzt scheint man zuzuhören!“ 
Früher waren die befehlenden Stimmen etwas alltägliches. Beim Militär hat man viel¬ 
leicht herumgeohrfeigt. Einer hat z. B. ein Teüchen zur Revolution nach Deutschland 
mitgenommen, hat dort herumgeohrfeigt und das Teilchen kommt wieder zurück, 
und dann macht man es nach. Genau so ist das Schreiben und Gehen. „Ich glaube, 
das ist gleich, ob aktiv oder passiv, ob ich schlage oder geschlagen werde, ist gar kein 
Unterschied!“ (Sind die Teüe körperlich oder geistig?) „Geistig, mit Spiritismus 
habe ich mich nicht befaßt“. Wenn die Teilchen Weggehen und nicht zurückkehren, so 
müßte er ein anderes bekommen, das er dann nur verändert und seinen eigenen Teil¬ 
chen anpaßt. Dieses Teilchen könnte verkehrte Schreibbewegungen machen. Wenn 
er das Teüchen nicht umändert, so würden schließlich seine Teilchen umgeändert, 
und er hätte dann andere Manieren und eine andere Denkart, die ihm nicht passen würde. 
Wenn er das imbeachtet ließe, würde er schließlich ein anderer Mensch sein. Im 
Wirtshaus waren es andere Teilchen, die gegrübelt haben, die sind jetzt bei ihren Be¬ 
sitzern. Vielleicht hört er jetzt keine Stimmen, weil er seine Teilchen wieder erhalten 
hat, die er bei seinen ersten Aufenthalt in der Klinik möglicherweise zurückgelassen 
hat. Vieüeicht lernt jetzt jemand etwas über diese Dinge und er hat deshalb diese 
Ideen. Wenn das mehrere machen, so könnte ein großer Wirrwarr herauskommen. 
(Auf Frage.) Ein seelischer Zusammenhang besteht zwischen Mann und Frau. Beim 
Geschlechtsverkehr gehen keine Teilchen über. Zum Schlüsse werden die Menschen 
vielleicht darauf kommen, daß sie es nach dem Teilchensystem beim Geschlechts¬ 
verkehr verkehrt gemacht haben, wenn das mit den Teüchen hin und her so wäre. 
Dann wäre ja der Mann in der Frau und umgekehrt, dann kämen ja zwei Männer 
zusammen und zwei Frauen und es müßte ständig gezankt werden. (Wird eine Frau 
durch ein männliches Teilchen ein Mann ?) „Ich bitte Sie, es sind doch manche Bewe- 



Zur Psychoanalyse. 177 

gungen der Frau männlich, dadurch, daß in einem Menschenkreis mehr Männer als 
Frauen sind.“ 

20. XI. Das Hören entsteht vielleicht dadurch, daß man zu viele Teilchen hat. 
Vielleicht geben überarbeitete Personen zu viel Teilchen ab, so daß dadurch das Hören 
entsteht. „Ich verbleibe auf dem Standpunkt des Aktivismus und Passivismus. 
Ob ich Teilchen abgebe von mir, oder ob sie abgegeben werden, so ist das dasselbe.“ 
Wenn er imstande ist, Teilchen abzugeben — überflüssige, Gehör- und Seelenteil¬ 
chen, so ist er aktiv. Passiv wäre es, wenn er diese Teilchen abgeben müßte, ohne es 
verhindern zu können, so daß es ganz von selbst geht. Das wäre passiv, er wäre dabei 
nicht beteiligt. (Wieso hörten Sie die Stimmen ?) „Kann es nicht möglich sein, daß die 
Menschen, die nicht sprechen, Stimmen erzeugen ?“ Jetzt könnte sich Kopfhören bei 
solchen entwickeln, die nicht viel zu arbeiten haben. „Momentan höre ich, Sie haben 
Recht! Dabei hab ich natürlich nichts gesprochen. Wenn man auf Hören direkt 
aufpaßt, so hört man wenig. Im Kopf ist eine Telegraphenstation, ein Funken¬ 
fänger. Da hört man einen ganz deutlich.“ Als er schlug, hörte er nicht,„wenn man 
schlägt, hört man nicht, dann gehts von selber.“ Sonst erhält er Befehl zum Schla¬ 
gen. (Wieso?) „Das möchte ich gerne wissen.“ (Durch Teilchen?) „Höchstwahr¬ 
scheinlich wird es so sein. Dann glauben Sie vielleicht, daß der Mann, der so gerne 
schlägt, diesen Beruf hat. Vielleicht bin ich nicht imstande, einen anderen auch nur 
zu „picken“, wenn der andere nicht schlägt. Wenn das nicht so ist, dann hat ja das alles 
keinen Sinn, weil ich alles selber mache!“ „Nach dem Teilchensystem könnte man 
alles doppelt machen. Man könnte z. B. eine Sache durch einen anderen noch ein¬ 
mal machen lassen. Sagen wir, es kommt ein anderer, sie arbeiten mit mir, ein an¬ 
derer erzählt etwas anderes, wo kommt da mein Teilchen hin ? Meine Idee muß dann 
schon ein Dritter haben!“ Spinnt den Gedanken weiter aus, daß gleich mehrere dann 
hören konnten. Er lehnt jetzt Fragen über die Frauen ab; die Frau sei ihm völlig 
gleichgültig. Ihn interessiert nur das, was seinen Kopf betrifft, eventuell auch andere 
Köpfe. „Der Mensch rennt mindestens in 10—20facher Avisfertigung herum; sie 
haben die gleiche Bewegving und Denkkraft, man kann nicht feststellen, welches die 
eigenen Teilchen sind. Man hat nichts davon, wenn man etwas macht und es nicht 
selbst ist. Einer besteht vielleicht aus dreißig Teilchen, der muß furchtbare Wut 
haben, muß zerplatzen wollen, trotzdem er alles kann.“ Er selbst ist durch das Stim¬ 
menhören auf die Idee gekommen, daß solche Teilchen existierten. „Was würden Sie 
tun, wenn Sie momentan ein Dresseur, ein Dompteur wären ?“ (Wie kann man das wer¬ 
den ?) „Wenn Sie die Teilchen hätten. Sie müßten es sofort sehen, daß das nicht Sie 
sind. Sie aber arbeiten momentan in Ihrem Fach. Was könnte jetzt der Dompteur, 
wenn das Teilchen zurückkommt. Er könnte dann schreiben und hätte das Domptieren 
verlernt. Was ist da zu machen ? Sie würden ruhig weiter schreiben. Was würde dann 
geschehen, wenn der Dompteur auf Grund dessen, was die Teilchen von Ihnen bringen, 
ein Buch ausarbeiten würde und Ihnen die Teilchen mit seinen Ideen zurücksendet, 
dann werden Ihnen Ihre Theorien gestört werden. Der Dompteur kann so lange 
arbeiten, bis Sie nichts mehr verstehen!“ (Auf Frage.) Beim Geschlechtsverkehr 
dürfte es nicht so störend sein wie beim Arbeiten. Da könnte man zum Schluß an 
Stelle eines Ministers ein Maurer sein. Wenn der Patient an Jagen denken würde, so 
würde er zum Schluß zum Jäger, wenn er weiter daran arbeitet; der Jäger aber würde 
zum Patienten und müßte den ganzen Tag verlieren. Schließlich müßte der Patient... 
er weiß es selbst nicht genau, wie es mit den Teilchen ist. Er hat in den letzten zwei 
Jahren nicht verkehrt, weil ihm das Weib seit jeher gleichgültig war. Seit 3—4 Jahren 
hört er Stimmen, so lange beschäftigt er sich mit den Teilchen. Es wird wahrschein¬ 
lich mehrere geben, die das hören; die Anfangsidee war, daß er ein Gott sei. Es waren 
diese theologischen Beeinflussungen. Gewiß haben andere mit seinen Teilchen stu¬ 
diert, der eine hielt sich für den Antichrist. Vielleicht war das ein höherer Geist¬ 
licher. (Diese Angabe wird auch an den folgenden Tagen wiederholt.) — (Auf Frage.) 
Im Wirtshause hörte er nicht. Er erinnert sich aber an die Stimmen und meinte, 
jetzt sei vielleicht Gelegenheit, die Sache gründlich zu machen. 

22. XI. Er hört jetzt nichts, die Teilchen sind vergangen, seine Teilchen hat er bei 
sich. Heute morgen hatte er einen unangenehmen Traum, merkwürdigerweise von 


Schilder, Seele und Leben. 


.12 



178 


Zur Psychoanalyse. 


einem Frauenzimmer; es waren mehrere Räume, Türen gingen auf und zu, ein Häuser¬ 
block, den ich bisher nicht kennen gelernt hatte und von einem Frauenzimmer. (Wie 
sah sie aus ?) „Ich hab meistens die Gewohnheit, mich sehr wenig umzusehen. Ein 
Mann, der hin und her rannte und sich selbst Vorwürfe machte.“ Einfälle: (Häuser¬ 
block ?) Die Straße auf gerissen, alles durcheinander gebaut. Alles ganz fremd. (Raum ?) 
Es waren Schreibtische... es war ein Hin und Her. 

Als der Referent gesprächsweise äußert, der Träumende träume meist von sich sel¬ 
ber, erwidert der Patient, er glaube das nicht, denn sonst müßte der Schlafende auch 
das durchführen, was er träume. Was Träumende denken und was man denke, müsse 
man durchführen. Deswegen denke er so gerne nichts. Wenn man nichts denkt, so 
denkt der andere auch nichts, hat nichts auszuführen und dann braucht der Patient 
nur das auszuführen, was ihm angenehm ist — „glaubt man nämlich, das ist aber ein 
Trugschluß, denn wenn ich nichts mache, so kann der andere etwas tun und ich muß 
es vielleicht nachmachen!“ 

Bei der weiteren Diskussion über den Traum äußert er: „Sie können doch nicht 
etwas denken, was nicht existiert. Die Zimmer, die ich im Traume sah, mußten 
existieren. Alles, was man denkt, ist richtig, auch wenn es noch so verkehrt aussieht... 
Glauben Sie, daß mir das geträumt hätte, wenn ich mich in Neuwaldegg befunden 
hätte ?“ Wenn man träumt, so muß wirklich etwas derartiges existieren. Deshalb 
will er auch nicht von Frauenzimmern träumen, er könnte ja von einer 9jährigen 
träumen, er ist aber sehr heiklig. Vielleicht war der Mann mit den Selbstvorwürfen 
(im Traume) ein Schauspieler, der übte. Man kann nur etwas Wirkliches träumen, 
vielleicht Stücke der Wirklichkeit. Durch Teilchen kann alles anders zusammen¬ 
gesetzt werden. Der Traum ist dann in der 10—20fachen Ausfertigung nicht mehr 
erkennbar. 

Vielleicht läuft jetzt jemand mit den Seelenteilchen, die ihm, dem Patienten, früher 
eigentümlich anhafteten, aufgeregt herum. Jetzt bringt es vielleicht der nicht fertig, 
ruhig zu sein und (auf Frage) teilt Watschen aus. „Sagen wir, wenn man ein Seelen- 
teilchen von einem anderen hat, könnte man da nicht verkehrt reden, was er denkt ? 
Jetzt hab ich aber keines!“ Es beginnt bei ihm mit Verstehen. Verstehen ist das 
Gegenteil von Können. Wenn man was versteht, kann man nichts, wenn man alles 
kann, braucht man nichts zu verstehen. Allerhand Sachen, die ihn nichts angehen, 
hat er verstanden, z. B. Astronomie. Das ist vielleicht vom Lesen. Mit Religion hat 
er sich nie beschäftigt. „Auf einmal versteh ich das. Ich hab die Idee des Christ und 
Antichrist. Eine Idee hat der anderen widersprochen und zum Schluß hat man sich 
nicht ausgekannt. In dem Moment, wo man einen Überblick über das ganze Ressort 
hat, sogleich widerspricht die Idee, daß Sie das nicht machen können, was Sie ver¬ 
stehen Man beschäftigt sich so intensiv mit Verständnis, daß man zum Schluß nicht 
weiß, was man kann oder nicht. Später treten dann Stimmen auf. Wenn man versteht, 
liegt man ruhig im Bett und macht nichts als verstehen. Es wird gesprochen, man 
fängt an, sich zu bewegen. Am Anfang sind es so viele Seelenteilchen, daß man gar 
nichts kann, bis man den Überblick hat, etwas zu tun. Zunächst geht das sehr langsam, 
denn alles, was man anfaßt, versteht man sofort in allen möglichen Ausführungen. 
Es möchte z. B. jemand einen Gegenstand nehmen; es kommen sofort alle möglichen 
Gedanken, die überhaupt mit bezug auf den Gegenstand möglich sind, z. B. der erste 
Gedanke: ich will nehmen, sofort das Gegenteil, ich will lieber nicht, dann wieder 
ah, doch! endlich greift er danach, jetzt gehts wieder an: „aber wie ist das, , wenn ich 
Teilchen von einem anderen habe, der hat jetzt den Gegenstand nicht, den ich gerade 
habe. Wenn ich das angreife, wird der natürlich die Idee wieder anzugreifen haben. 
Ob der dann aber zu der Zeit, wo er das angreifen soll, hat, w T as er angreifen soll, das 
überdenkt man natürlich in einem einzigen Augenblick. Jetzt denkt man weiter, hat 
er den Gegenstand, so wird er dasselbe können, das beruhigt wieder. Hat er es aber nicht 
so kann der es nicht angreifen, wird infolgedessen darnach suchen müssen. Bei mir 
ist der Gegenstand in greifbarer Nähe. Der andere muß vielleicht durch drei Zimmer 
gehen; dabei hat er Schritte zu machen, ich aber brauch nicht zu gehen. Was wird 
nun sein, wenn der geht und ich stehen bleibe und das einfach nehme. Odor, wenn ich 
es vorher mache, durch 3 Zimmer renne und den Gegenstand erst dann nehme. Sa 



Zur Psychoanalyse. 


179 


auf diese Art geht das weiter. Das denkt man alles am Anfang. Bei jeder Finger¬ 
bewegung, bis man es gewohnt ist. Das kostet wenige Anstrengung, was da alles 
sein kann, das denkt man auf einmal!“ (Wenn eines Ihrer Teilchen bei einem anderen 
ist, muß der auch denken, was Sie denken ?) „Ja, er tuts unwillkürlich, wenn er nicht 
intensiv beschäftigt ist. Er denkt es nur!“ (Hört er es nicht ?) „Man fühlt es nicht!“ 
(Muß der andere sprechen, was Sie sprechen ?) „Ja, er muß es sprechen, wenn das 
Teilchen ihm anhaftet. Ist das Teilchen aber nur 2 Minuten bei ihm, geht dann wieder 
weg, so spricht er nur Teile!“ 

(Wenn Sie etwas tun, muß er das tun ?) „Das wird er machen, vorausgesetzt, daß 
er nicht stärker ist.“ 

(Wenn ein Teilchen von Ihnen bei jenem ist, und er denkt, hört, tut etwas, müssen 
Sie das auch denken, hören, tun?) „Genau so natürlich, maschinell!“ 

(Auf welche Weise geht das Teilchen von Ihnen zu ihm ?) „Das geht durch das 
Denken. Durch Angstgefühle, durch jede Bewegung. Wenn z. B. jemand Angst hat, 
und die Angst losbekommen möchte, so haben Sie schon die Angst.“ 

(Auf Frage.) „Wenn einer mit einem Weib verkehrt hat und Sie sitzen da, schreiben, 
ohne Weib, dann können Sie es nicht machen. Dann wirds ein Dritter machen!“ 
(Wenn er aber kein Teilchen hat ?) „Dann bekommt ers eben von Ihnen, wenn 
Sies nicht können, gemacht muß es werden. Es wäre mir imangenehm, wenn man 
meine Teilchen dazu hätte!“ 

(Was geschieht, wenn eine Frau ein männliches Teilchen bekommt ?) „Dann macht 
sie das, was der Mann gemacht hat.“ 

(Beim Geschlechtsverkehr?) „Sie will dann auch verkehren mit einem Mann! 
Das ist ganz interessant !“ 

Auf Vorhalt, was er davon am ersten Tag erzählte, sagt er: „Das weiß man ja nicht 
gleich. Ja, wenn ich das gleich richtig wüßte. Das mit dem Teüchensystem. Dieses 
Wissen ist nicht unangenehm!“ (Wenn einer, der ein Teilchen hat, etwas sieht?) 
„Dann denk ich halt daran und im Schlaf träumt mir nichts davon!“ 

(Sie haben sich als Gottheit bezeichnet!) „Ich bezeichne eigentlich die Teilchen 
als Gottheit und nur wenn ich selbst mit Teilchen überladen bin, bezeichne ich mich 
als Gottheit. Die Seelenteilchen sind Gott. Wir sind nur Maschinen!“ Wenn der 
Referent eine Seele hat, so sieht sie genau so aus wie der Körper, sie wächst mit dem 
Körper. Die Teilchen verschieb m sich hin und her, bis schließlich immer mehr weg¬ 
geht. Dann kann man nicht mehr gerade gehen und wird eingegraben. „Es ist ko¬ 
misch, daß ein Einzelner so viele Teilchen hat. Wenn ich viele Teilchen hätte, müßte 
ich bis zum 1. Stock wachsen, das ist aber wieder nicht wahr. (Korrigiert sich lachend 
selbst.) Wenn einer mehr Teilchen hat, so ist er gescheiter.“ 

Bei der Zeugung geht das letzte Teilchen eines zerfallenden Körpers auf den Vater 
über. (Lachend.) Es geht vielleicht auf den Vater und die Mutter über, es geht hin 
und her, bis es auf das Kind übergeht. Tote Körper haben keine Teüchen. Tiere 
haben ebenfalls Teilchen. Alle Spatzen bewegen sich gleich. „Wie wär das jetzt, 
wenn man ein Teilchen von einem Spatzen auf eine Amsel übertragen würde. Würde 
da nicht aus dem Spatzen eine Amsel werden V* 

(Wenn ich alle meine Teilchen auf Sie übertrüge, wie würden Sie dann aussehen ?) 
„Genau so wie Sie werde ich werden und schauen wie Sie, die Feder halten, und 
umgekehrt.“ 

(Haben Sie sich über die Sonne Gedanken gemacht ?) (Lachend.) „Da muß viel¬ 
leicht zum Schlüsse jeder hinein, alles zerplatzt dann.“ Meint dann ernst: „Die 
Sonne hat nichts mit den Seelenteilchen zu tun.“ 

„Ich kann jetzt lachen, da muß jemand gelacht haben, es sind die Lachteilchen. 
Da hat jetzt einer gelacht. Der Mann mit vielen Teilchen kann sich in einer Sekunde 
alles vorstellen, was auf der Erde und dem Mond ist und überhaupt das ganze, wie 
viel Steine, wie viel Menschen.“ 

Für jeden Himmelskörper gibt es einen Menschen. Durch Volkszählung kann man 
feststellen, wie viele Planeten existieren. So wie die Planeten herumfliegen, so gehen 
die Menschen. Zu jedem Einzelnen gehört ein Planet. Die Planeten sind leer, der Mond 
ist die reinste Sandwüste. Die Sterne sind nicht so entfernt, es sind Kugeln, aber die 


12* 


180 


Zur Psychoanalyse. 


man backen muß. Sie dienen nur zur Erhaltung des Gleichgewichts. ,,So hat der ge¬ 
arbeitet, in diesem Sinne fiktiv ist ihm das!“ Man hat bei dem letzten Passus den 
Eindruck, daß es sich um ein eben entstandenes spielerisches Phantasieprodukt 
handelt. 

In den nächsten Tagen produziert er in eingehenden Unterredungen nur immer 
wieder das Gleiche. Stimmen hört er nicht. Alles Vorgebrachte ist, wie er betont, 
entwickelt aus der Tatsache der Halluzination. Es ist ein Produkt angestrengten 
Nachdenkens. Er ist von der Richtigkeit seiner Grundideen überzeugt, ändert aber 
viel an den Details. Er bringt diese Sachen ruhig, überzeugt, mit ein m kleinen 
Stich ins Ironische vor. Exemplifiziert sie an immer neuen Beispielen. 

In diesem Falle liegen die Verhältnisse recht kompliziert. Ich habe über diesen 
Fall an anderer Stelle kurz berichtet, hier ist das Hauptgewicht darauf zu legen, 
daß bei einer der ersten Unterredungen der Patient als besonders lästige Folge 
des Austausches der Teilchen zwischen den Menschen hervorhebt, daß man nie 
wissen könne, ob man einen Mann oder ein Weib vor sich habe. Im Übrigen muß 
ich zur Erklärung dieses Falles, der in seinem System ausführlich erörtert, wie 
schwankend die Grenzen zwischen den Menschen sind, auf die Ausführungen des 
zweiten Kapitels hinweisen, zu dem er einen wichtigen Beitrag liefert. Es muß 
übrigens hervorgehoben werden, daß die Fälle VII, VIII, IX, X, XII, XV, XX 
alle mehr oder minder deutlich homosexuelle Züge tragen. Man muß trotzdem 
sagen, daß nicht alle Fälle von Paraphrenie in ihrem psychologischen Aufbau 
homosexuelle Züge zeigen. Darauf hat bereits Tausk verwiesen. Im Falle XXIV, 
der allerdings als Dementia paranoides zu bezeichnen ist, überwiegen Vorstel¬ 
lungen, welche sich auf Anales beziehen. In keinem der Fälle wird man jedoch 
einen Abbau der Sexualität zu primitiven Formen vermissen. Anmerkungsweise: 
Es ist beachtenswert, wie sich unser Patient zu den Wahnideen stellt, welche er 
in der ersten Zeit der Psychose entwickelt hat, nämlich zu der Idee, er sei der 
Antichrist und dgl. m. Jetzt meint er, diese Ideen seien ihm damals als Teilchen 
zugeflogen, w eiche vielleicht von einem Theologen stammten. Er behandelt also 
seine früheren Wahnideen unter dem Gesichtspunkte seines neugeschaffenen 
Systems. Ich habe dieses Verhalten auch in einem anderen Falle gesehen. Es 
hebt sich ab von dem Verhalten unseres Falles III; hier leugnet die Patientin die 
Wahnideen aus ihren ersten Psychosen vollständig ab. Es bedürfte dieses Verhal¬ 
ten noch eines eingehenderen Studiums an einem ausgedehnteren Materiale 1 ). 

c. Kastrationskomplex. 

Mit der Geschlechtsunsicherheit hängen Gedanken auf das engste zusammen, 
welche sich auf den Verlust des männlichen Geschlechtsteiles beziehen. Ich 
teile einen besonders klaren Fall dieser Art im folgenden mit: Es kann nicht ver¬ 
kannt werden, daß auch dieser Faktor in dem Seelenleben unserer Kranken eine 
große Rolle spielt. So beherrscht im Falle XII die Patientin der Gedanke, es 
würden ihr die Geschlechtsteile entzogen. Im Fall VIII betont die Patientin, 
sie sei durch die Totalexstirpation des Genitales zum übermenschlichen Wesen 
geworden. 

Fall XX. 

Karl J., 19 Jahre alt, wurde in die Klinik am 19. V. ein ge liefert, w r eil er vor 
2 Tagen einen Selbstmordversuch gemacht hatte. Er wollte sich mit Arsen vergiften. 

*) In der Schizophrenie von Bleuler finden sich einige hierher gehörige Bemer¬ 
kungen. 



Zur Psychoanalyse. 


181 


Am 18. V. versuchte er im Spital plötzlich aus dem Fenster zu springen, deshalb in 
die Klinik verlegt. Der Patient hatte ein Verhältnis mit einer 28 jährigen Frau (Ameri¬ 
kanerin). Der Mann dieser Frau sei gekommen, um sie abzuholen. Die Frau wollte 
ihn mit sich nehmen. Der Patient habe sich offenbar darüber viel Gedanken gemacht. 
Früher sei er stets unauffällig gewesen. Keine Geisteskrankheiten in der Familie 
(Angaben der Mutter). Schwager des Patienten gab an, am Tage vor dem Selbst¬ 
mordversuche habe der Patient einen schwermütigen und verstimmten Eindruck 
gemacht. Er gab auf Fragen keine Antwort, war zerstreut und verloren. Als er mit 
dem Deponenten spazieren ging, sagte er, daß er Rache von Seiten des Mannes 
und auch gerichtliche Folgen befürchte. Er fühlte sich von den Passanten beob¬ 
achtet, und glaubte, der Mann sende Spitzel aus. 

Der Patient ist bei der Aufnahme ruhig, ist stumm, leblos, verloren, ist aber zu¬ 
gänglich und beginnt umständlich und weitschweifend zu erzählen. Er spricht von 
dem Mann seiner Geliebten mit „Der Herr Gemahl“; er spricht, er habe sich zum 
Rächer seiner Geliebten berufen gefühlt, die von ihrem Mann schlecht behandelt 
worden sei. Deshalb sei er dem rückgekehrten Mann entgegengekommen, sei aber auf 
dem halben Wege umgekehrt und habe sich den Vorwurf der Feigheit gemacht, da er 
doch als Couleurstudent besondere Ehrbegriffe habe, und habe gedacht, er sei nicht 
wert, weiter zu leben. Deshalb habe er Gift genommen. Er erzählt, daß er stets 
mit jüdischen Kollegen verkehrt habe und daß diese ihn zu einem Juden machen 
wollten, weil er so begabt und strebsam sei. Die Leute auf der Straße hätten ihn 
eigentümlich angeschaut, offenbar wegen seines Ehebruches. Er habe gehört, daß 
christliche Kinder zum israelitischen Glauben genommen würden, äußerlich gehe das 
ganz gut, man müsse sie nur beschneiden. Er sei in einem Spital gewesen, wo lauter 
Juden waren, da sei er beschnitten worden. Ob das wirklich so sei oder Phantasie, 
wisse er nicht, er habe noch nicht nachgesehen. Seine zeitliche Orientierung ist etwas 
mangelhaft. Er weiß nicht, wie lange er im Spital ist; er ist auch über die Tageszeit 
im Unklaren. 

Am 20. V. ist er noch immer leblos, stumpf, vervollständigt jedoch seine Angaben, 
wenn auch in fahrig faseliger Weise: Als er zum Entschluß kam mit den jüdischen 
Kollegen enger zu verkehren, wurd ' einmal eine Blocktarokpartie gespielt . Ein 
hoher Einsatz wurde zum Schlüsse des Spieles nicht verteilt, sondern das Spiel wurde 
vertagt. Offenbar wollten ihn die Kollegen nicht fortlassen. Er fühlte sich geradezu 
in seiner Freiheit beeinträchtigt. Später bekam er Fieberphantasien, es ging ihm 
Verschiedenes durch den Kopf, daß er zum Beispiel an der Technik zu wenig studiert 
habe. Er erzählt breit und abschweifend von seinem Studium (Fieberphantasie ?). 
Er war aufgeregt während des Spieles. „Phantasie habe ich eigentlich nicht gehabt.. . 
daß ich in Konflikt mit dem Taschengeld komme.“ In letzter Zeit fühlte er sich von 
Spitzeln beobachtet. Die Dame kommt seit Anfang Februar zu ihm. Er nahm die 
Sache nicht sehr ernst, er hatte dreimal mit ihr verkehrt. Erzählt umständlich die 
Ehegeschichte dieser Frau. An den Betten des Spitales, in dem er nach dem Selbst¬ 
mordversuche war, sind Bügel, die heruntergelassen werden können, um die Patien¬ 
ten zu kastrieren. Neben ihm lag ein älterer Herr, der hatte einen Ballon in der Hand. 
Man sah ihn an, er dachte, es soll ihm etwas zu Leid getan werden. Der Mechanismus 
der Betten ist so, daß der Bügel herunterschlägt, wenn man einen sexuellen Erguß 
hat. Es lagen dort männliche Personen, es waren solche Dreiecke aufgestellt, er dachte 
er werde erschlagen. (Mit dem Bügel ?) „Ja.“ Es wurde in fremder Sprache ge¬ 
sprochen, vielleicht deshalb, weil er zu Hause von einer Auswandererkolonie gesprochen 
hat; vielleicht war er in eine solche gekommen, vielleicht sollte er entführt werden: 
er glaubte, sie dächten, er könne auch einen solchen Genuß haben wie sie; er könne 
vielleicht auch zu solchen Sachen angeleitet werden, zu solchem Verkehr... zu einem 
„einseitigen Verkehr“ ( ?) „Zur Selbstbefriedigung.“ Er dachte, daß man durch die 
Hacke zu einer Prostituierten gemacht werden kann. Er dachte, daß wenn die Hacke 
herunterfällt, eine bleibende Einschartung hervorgerufen wird, daß dadurch die 
männlichen Geschlechtsteile bei Männern in die weiblichen verwandelt, bei Frauen 
die Geschlechtsteile vernichtet werden, so daß eine Befruchtung nicht erfolgen kann. 
(Prostituierte?) „Ein Mädchen, das für Geld den Körper anbietet, daß ich wenn 



182 


Zur Psychoanalyse. 


meine Geschlechtsteile vernichtet sind, unmöglich koitieren kann, und daß ich von 
einem Herrn, der sich für mich interessiert, ausgenutzt werde. Für einen Herrn... das 
habe ich mir vorgestellt, daß ich als Prostituierte gegen Geld ausgenutzt werde.“ Er 
glaubt, daß dieser Fall möglich sei. Wegen des Mannes seiner Freundin hatte er keinen 
Verdacht. (Samenerguß ?) ,,Es ist ja nicht mehr so möglich, wenn die Geschlechtsteile 
ruiniert sind.“ (Durch die Hacke ?) „Oder durch ausschweifendes Leben.“ Die 
Kastration erfolgt nur dann, wenn jemand zur Prostituierten werden soll. 

27. V. Wesen imverändert. Es stand Verschiedenes in der Zeitung, daß sich fremde 
Gesellschaften damit abgeben, Kinder und Burschen zur Fremdenlegion zu bringen. 
(Er las das, bevor er ins Sophienspital kam.) Es stand, daß die jungen Leute auf 
der Fahrt von Prostituierten begleitet werden, dann aber ausgeschifft werden zu 
Unterhaltungszwecken. Andererseits hatte er die Absicht, wegzufahren und aus- 
zuwandem. Er hat sich auch Gedanken über die einzelnen Berufszweige gemacht, 
daß die Intellektuellen schlechte Aussichten haben, er dachte, er würde Schwierig¬ 
keiten haben, einen ordentlichen Posten zu finden, da er manuell nicht arbeiten 
könne; er hat sich verschiedene Gedanken gemacht, dachte ans Ausland. Die Dame 
machte ihm die Möglichkeit klar, daß er auch im Auslande sein Fortkommen finden 
könne. (Onanie). „Heute habe ich schon andere Gedanken, vielleicht, daß man dadurch 
daß die Leute im Bett liegen, an die Vergänglichkeit alles Irdischen denken soll. 
Die Leute dachten vielleicht, daß ich das Faulenzen und Nichtstun nachahmen werde. . 
und auch den geschlechtlichen Verkehr.. .( ?) Zwischen Mann und Mann.“ Früher 
hatte er sehr üble Träume gehabt... es waren Träume von leichter Annäherung und 
Küssen.. . Gestalten, die nicht existiert haben. (Was wissen Sie vom homosexuellen 
Verkehr.) „Durch Bücher mit 16 Jahren.. .“ Er hat sich keine weitere Aufklärung 
verschafft, in der Meinung, daß er in dieses Übel nicht verfallen werde. (Vater ?) Er 
starb 1903; er kann sich nicht an ihn entsinnen. Ein um 2 Jahre älterer Bruder ist 
gesund. Die Mutter hat er gerne. Er hat zeitweise onaniert; mit 13 und 14 Jahren. 
Zum erstenmal spürte er etwas beim Klettern. Er ahmte es nach. Später las er Auf¬ 
klärungslektüre, konnte aber nicht aufhören. Onanierte 3—4mal wöchentlich, dann 
immer weniger. Er hat mit Prostituierten und mit dieser Frau Verkehr gehabt, im 
ganzen etwa sechsmal. Furcht vor Geschlechtskrankheiten. Über das Onanieren 
machte er sich Gedanken, es untergrabe seinen Körper. Seit 2—3 Wochen merke 
er erst, daß er beobachtet wird... Er erzählt ausführlicher vom Beginn.. . die Idee 
setzte ein, als der „Herr“ ankam. „Ich hatte das Gefühl, daß ich beobachtet wurde.. “ 
Manche Leute sahen ihn eigentümlich an... er dachte, es sei ein Toilettefehler.. . 
ein Loch in der Hose... den Kollegen gegenüber renommierte er, er verkehre viel mit 
Frauen... Vor dem Mamie hatte er Angst, er würde ihm Schaden zufügen; eventuell 
ein Duell. Auch der Gedanke, daß man ihn zum Juden machen wolle. Aus einem 
allzu entgegenkommendem Benehmen jüdischer Kollegen schloß er das. Er dachte, 
er würde beschnitten werden. „Die Sache kommt mir jetzt mehr lächerlich vor.“ 

Zwei Tage später klagt er über Hodenschmerzen. Er sei vor Ostern geschlechts- 
krank gewesen, habe Einspritzungen bekommen. Er habe damals gar nicht verkehrt. 
(Objektiver Befund ist negativ.) „Mir ist so eigemtünlich zu Mute; ich hab keine Ruhe. . 
es wird zu viel gelärmt.“ Er hat von der Dame Bäckereien bekommen: „Ich war 
immer so schlaftrunken, vielleicht war etwas darin.“ Möglicher Weise wollte sie ihn 
beseitigen, um den Mann zu versöhnen. Es war eine sündliche Leidenschaft, sie hat 
ihn verführt. „Es ist anzunehmen, daß ich diese Erkrankung von ihr habe.“ Dann, die 
Geschlechtskrankheit habe er nach dem Verkehr mit einer anderen Frau gehabt. 
Berichtet umständlich von einer Menge von Details seiner Erlebnisse mit dieser Dame. 
Einmal hat er in einer Nacht etwa 10 mal mit ihr koitiert. Er entwickelt eine Reihe 
von Beziehungsideen gegen diese Frau. Als die Rede auf die Vorgänge im Spital 
kommt, sagt er: Als er im Spital w T ar, wurde ihm ein Stück Brot gegeben und ein 
mit Stoppeln besetztes Stück Fleisch; er hatte davon gegessen. Das hatte jedenfalls 
zu bedeuten, „daß icli ein willige zur Prostitution.“ ( ?) „Es ist halt so, wie wenn 
man eine verbotene Frucht ißt; vielleicht hängt es mit dem Versuch zusammen, 
mich zum Judentum zu gewinnen.“ (Was hat das Fleisch zu bedeuten ?) „Es hat so 
ausgesehen wie eine Schamlippe, das hat jedenfalls die Sinnlichkeit zu bedeuten, 



Zur Psychoanalyse. 


183 


und auch daß ich einwillige.“ (Wozu?) „Zum Übertritt zum jüdischen Glauben.“ 
(Jüdischer Glaube und Dame?) „Das steht auch in einem Zusammenhang.“ ( ?) 
, ,Es scheint sehr lose, aber es ist doch ein Zusammenhang. Die Dame sagte immer, ich 
soll weg von meinen jüdischen Kollegen; ich hatte einen Freundeskreis, der eine 
war christlich, der andere jüdisch.“ Durch den Verkehr mit der Dame vernachlässigte 
er den christlichen Kollegenkreis. „So kam es, das ist.. . es ist natürlich, daß ich 
Gift nahm... ich war mit den jüdischen Kollegen beim Tarokieren, und hab dort 
Geld verloren. . . nachher hab ich mit der Dame Vereinbarung gehabt, daß wir uns 
treffen... ich hab sie in der Hauptallee getroffen. Die Kollegen sahen ihn und sahen, 
daß er beobachtet wurde... Die Dame bat um die Telephonnummer eines meiner 
Freunde, und es ist möglich, daß hinter meinem Rücken über mich gesprochen 
wurde. .(?) „Ob ich vielleicht von hier fort will.“ Der Patient klagt, er könne 
nicht urinieren. Auch in den nächsten Tagen klagt er über seine Geschlechtsteile. 
Er sei impotent, weil er lOmal mit der Dame verkehrt habe. 

Am 1. VI. klagt der Patient, wie auch schon einige Tage früher, man spreche immer 
von Kindern, er sei doch kein Kind. Man spreche über ihn. (Wer ?) Die Kinder, 
die da sind, eines läuft den anderen nach und rauft. Es werden Andeutungen ge¬ 
macht, offenbar Drohungen. So wird gesagt, daß in Amerika das Aburteilen sehr 
rasch ginge. Man droht offenbar, daß man ihm nachfahren würde, wenn er mit dieser 
Dame fortfahre. Der Patient ist sehr gesperrt, gibt nur wenig Auskunft. 

Am 4. IV. gibt er an, die Schärfe sei aus dem Körper gegangen, offenbar war das 
die Reinigung seiner Geschlechtsteile. Er wünsche sich ein richtiges idyllisches 
Leben. 

Am 9. VI. Es sind verbrecherartige Gestalten da; deswegen möge man ihn ent¬ 
lassen. Sie schauen ihn eigenartig an und sagen, er sei der Sohn eines Wucherers. 
Man behandelt ihn wie einen Verbrecher. Auch Zigaretten habe ihm ein Herr und eine 
Dame angeboten. Man spricht eigentümlich... es sind verschiedene Parteien hier. 
Man behandelt ihn als Landesverräter; er macht sich Gedanken darüber, daß er sich 
einmal als Mann seiner Dame ausgab. Bis zu seiner Verlegung beherrschen diese 
Beziehungsideen das Bild. Der Patient ist stumpf und teilnahmslos. 

Am 17. VI. in die Landesirrenanstalt. 

In diesem Falle dominiert der Komplex der Kastration. Der Patient vermutet, 
daß die Bügel der Betten, in denen er im Spitale liegt, hinuntergelassen würden, 
und daß er durch einen solchen Bügel kastriert werden sollte. Es werden durch den 
Bügel bei Männern die männlichen, bei Frauen die weiblichen Geschlechtsteile 
vernichtet; man wird dann zur Prostituierten. Es ist bemerkensw ert, daß diese 
Ideen auftreten im Anschlüsse an ein Liebesverhältnis. Er hat zunächst das Ge¬ 
fühl der Verfolgung durch den Mann. Gleichzeitig das Gefühl, daß er durch 
die Frau von dem Verkehr mit christlichen Kollegen abgeschnitten sei und er 
berichtet auch zunächst von den Spitalsszenen in der Art und Weise, daß er be¬ 
schnitten worden sei. Beschneiden und Kastrieren werden also gleichgesetzt. Es 
ist ganz sicher, daß hier der Kastrationskomplex in einem sehr engen Zusammen¬ 
hang mit der Homosexualität steht. Der Kastrationskomplex tritt aber hier auf 
in Zusammenhang mit einem Liebesverhältnis und der Furcht vor der Zurecht¬ 
weisung des Mannes. Es scheint also, daß die Kastration als eine Art Bestrafung 
für Sexualvergehen in der oberflächlichen Schichte angesehen werden muß. In 
den tieferen liegt wohl der Oedipuskomplex. Gleichzeitig mit dem Gedanken an 
die Kastration durch den Vater wird die homosexuelle Einstellung geweckt. Die 
Beziehung zu seinen jüdischen Kollegen wird ihm bedeutungsvoll und seine Ero¬ 
tik drängt ihn in die kindliche Einstellung, welche zwischen männlich und weiblich 
nicht unterscheidet. Dabei tauchen Elemente oraler libidinöser Einstellung auf, er 
hat von einer verbotenen Frucht gegessen. Das Fleisch, das er ißt, wird ihm zur 



184 


Zur Psychoanalyse. 


Abbildung des weiblichen Genitales. Ich halte es nicht für bedeutungslos, daß 
er schließlich Anspielungen hört, er sei ein Kind. 

Nach allem Ausgeführten hat man das Recht, den Gedanken, man wolle ihn 
kastrieren, aufzufassen als eine nach außen verlegte eigene Triebregung. 

d. Augenerotik. 

Fall XXI. 

Eva Sn., Hilfsarbeiter in, 23 Jahre alt, in der Klinik vom 2.—28. Mai 1921. 
Nach den Angaben der Mutter weu* die Patientin bis zum 19. Januar völlig gesund. 
Als sie von ihrem Posten ohne Entschädigung entlassen wurde und 1 Jahr arbeits¬ 
los blieb, kränkte sie sich sehr; in eine Stellung in einem Papierkonfektionshaus 
eingetreten, bildete sie sich ein, der Betriebsleiter sei in sie verliebt; sie hielt ihn für 
den Kronprinzen Rudolf. 

In der Klinik bot die Patientin stets im wesentlichen dasselbe Bild, aber in ver¬ 
schiedener Ausprägung: stark erotisch, suchte sie sich an den Arzt heranzudrängen, 
attackierte diesen wohl auch, sie entblößte sich gerne, zog sich oft auch nackt aus 
und drückte in Gesten und Mienen lebhafteste Sinnlichkeit aus; die formale 
Ordnung des Gedankenganges war stets vorhanden, im Wesen hatte sie stets etwas 
Geziertes. 

Alles dreht sich um den Kronprinzen Rudolf. „Wir sahen uns und wir liebten uns.“ 
Sie sah ihn in einer Fabrik, die er regierte. Er bekannte sich als Kronprinz. „Ich bin 
seine Gemahlin.“ Er ist in ihrem Sein, er gab ihr seinen Geist. „Weü ich eine pol¬ 
nische Königin bin.“ Sie beide werden der Menschheit helfen. Auch sein Blut ist in 
ihr. „Aus meinem Geschlechtsteil kommt Blut und das bedeutet doch Kreuzung, 
machtvolle Herrscher Vereinigung.“ Sie fühlte, daß sie einen reinen Junggesellen vor 
sich habe. „Ich fühlte, daß sich mein Bauch in die Höhe hob und das war alles Blut.“ 
„Ich spürte direkt seine Geschlechtsteile, ich fühlte, daß ich mich gereinigt hatte, 
daß er nur die zusammengesetzte Natur herausnahm. Kronprinz Rudolf gab mir einen 
durchdringenden Blick auf den Nabel, direkt in meine Geschlechtsteile hinein, ich 
fühlte mich so stark, so dick, das war aufgeblähte Natur, das hat sich innerlich aufge¬ 
löst, und das ist das Blut, das ist die Sinnlichkeit, daß ich das zu mir reißen mußte. 
Seinen Blick in meinen Körper hineingejagt, und mein Geist entfaltet sich. Er jagte 
das Blut in den Bauch und ich bin auch in der Hoffnung.“ Der Blick des Kron¬ 
prinzen macht, daß ihr Gerippe außerordentlich stark wird, daß sie einen starken 
Willen hat. Vom Bauch angefangen empfand sie seinen Blick als Wollust, die das 
Blut zusammensetzte, sie bekam eine sehr starke Periode. 

22. V. Der Kronprinz Rudolf blickt auf ihren Unterleib. Das Blut kam in Rüh¬ 
rung und die nächste Periode war stärker. „Das zusammengesetzte Blut kam heraus, 
die zusammengesetzte Kasteiung, welche ich durch viele Jahre machen mußte, 
weil ich die Sittenreinheit nicht sah.“ Ursprünglich dachte sie, die Geschlechtsteile 
von ihm seien in ihr, sie spürte direkt die Adern seiner Geschlechtsteile. 

Kronprinz Rudolf hat durch seine Augen die Welt erlöst, durch seine starken 
Arme. Er sah, daß ein Verbrechen an ihr begangen worden war. Es war doch 
Weltkrieg, die Menschheit war verstockt, alles will Lust schöpfen und leben. „Mein 
Körper ist jetzt rein, die Kasteiung ist draußen, die zusammengesetzte Natur. Er 
kann die Menschen zermalmen mit seinem Zorn. Er hat nur mich geliebt. Er kann die 
Welt mit seinem Zorn zermalmen. Er machte mich stark, damit das Kind glücklich 
und gesund ist, damit die Habsburgfamilie weiter besteht. Die Sonne muß doch 
immer scheinen. Ohne sie kann niemand leben. Er hat mir seinen Geist gegeben, 
er hat mich erzogen, indem er auf meinen Bauch sah.“ Der Kronprinz ist der Gott 
der Menschen, denn er ist auch ein Mensch.“ Er ist auf der Sternwarte und mit 
Sonnenstrahlen, mit Röntgenstrahlen, hat er die Patientin kuriert... durch starke 
Elektrizität, durch neuartige Scheinwerfer, weil die Sonne zu milde. Sie will nur 
seine Augen. Die Sonnenstrahlen sind sein Blick, er schaut nämlich zur Sonne hin¬ 
auf, er bestrahlt die Sonne durch die Elektrizitätskraft auf der Sternwarte. Die 



Zur Psychoanalyse. 


185 


Sonne wirft die Strahlen zurück. Er hat durch seinen Blick ihr Gehirn mit Blut aus- 
gefüllt. Er macht, daß es regnet und blitzt, damit die Erde dadurch befruchtet 
wird... er ist ein guter und starker Landmann.“ „Viele Kinder möchten wir be¬ 
kommen.“ Ihre Sinne sind jetzt vollständig rein. Der sinnliche Blick, das Aufreizende 
für die Männer, das nicht sein dürfte und für die Zukunft nicht sein darf, sind 
weit weg. Sie hat sich eingebildet, daß sie in der Hoffnung ist, sie will aber jetzt 
die natürliche Kreuzung. Sie will viel Kinder haben, damit sie der Zukunft der Welt 
diene. Kronprinz Rudolf kann alles. Er kann die Welt vor Kriegen schützen (wört¬ 
liche Wiedergabe nach einem Gespräch vom 22. V.). 

Die Patientin ist erregt, zeitweise verlangt sie dringend nach einem Mann, 
ohne den sie nicht leben könne. Sie möchte ihn haben, verlangt, man solle ihn zu 
ihr lassen, damit er seinen Geschlechtsteü in den ihren stecke (in gemeinen Aus¬ 
drücken), aber sie drängt sich auch an Ärzte, schmiegt sich an Pflegerinnen an 
u. dergl. mehr. 

Ebenso wie bezüglich des Kronprinzen immer wieder die gleichen Motive wieder - 
kehren, so kommt sie immer wieder in den gleichen Ausdrücken auf ihre Jugendge¬ 
schichte. Sie ist uneheliches Kind. Der Vater, ein Dachdeckermeister, lebt und ist 
gesund. „Ich sah nur Laster seit dem 5. Jahr, ich sah meine Mutter mit ihrem Ge¬ 
liebten den geschlechtlichen Verkehr üben, natürlich war das furchtbar. Ein Jahr später 
sah ich meinen Vormund mit seiner Geliebten. Drei Jahre später lockte er mich ins 
Bett und wollte mich vergewaltigen. Er berührte mich mit dem Geschlechtsteil. Was 
das für ein Kind bedeutet, wißt ihr nicht. Es bedeutet den Untergang der Inner¬ 
lichkeit der gesunden Leidenschaft, es bedeutet die Kasteiung, ich wußte es schon alles, 
das Schändliche für ein Kind. Es war auch schändlich für meine Geschwister, denn 
meine Augen mußten alles aufsagen, weil es suggerierende Augen sind und ich mußte 
das tun, nur Laster was ich sah. Ich mußte Mädchen- und Kinderkörper an mich 
pressen und mir zu Willen machen... und sie gereizt haben.“ Sie hat 2 Stiefbrüder, 
beide jünger als sie (mit 2 um 5 Jahre), 12jährig zeigt sie dem jüngeren ihre Ge¬ 
schlechtsteile und ließ sich von seinen berühren. Aber auch mit Mädchen: „Da riß 
ich das Mädchen zur Erde nieder und kasteite mit ihrem Körper meinen, indem 
ich meine reine Leidenschaft mit Schmutz befleckte mit dem Laster und den 
scheußlichsten Verbrechen für die Sittlichkeit.“ Mit den Stiefschwestern hat sie 
nichts gemacht. Vom 14. Lebensjahr an kasteite sie sich mit starken Polstern, auf 
die sie sich legte; sie dachte nichts dabei. „Ich mußte es tun, weü es meine reinen 
Augen sehen.“ Sie onaniert auch, um sich nicht dem Verbrechen der Unreinheit 
zu ergeben. Immer wieder betont sie, daß in der Jugend ihre Sinnlichkeit an¬ 
geregt wurde. 

In allen Äußerungen der Patientin kehrt der Gedanke wieder, es läge im 
Blick eine besondere erotische Kraft. Die als Kronprinz Rudolf verkannte Person 
gab einen durchdringenden Blick auf den Nabel, direkt in die Geschlechtsteile; 
das ist die Sinnlichkeit. Ihr Geist entfaltet sich dadurch. Sie ist dadurch in der 
Hoffnung, seine Geschlechtsteile sind in ihrem Bauch, sie ist direkt eine Heilige. 
Kronprinz Rudolf erlöst aber auch durch seine Augen die Welt, er ist der Gott 
der Menschen, er ist auf der Sternwarte, hat die Patientin mit Sonnenstrahlen, 
Röntgenstrahlen und Elektrizität kuriert. Die Sonnenstrahlen sind sein Blick, 
er bestrahlt die Sonne durch seine Augen und die Sonne wirft die Strahlen 
zurück. Er macht, daß es regnet und blitzt, hierdurch wird die Erde be¬ 
fruchtet. Dabei betont die Patientin immer wieder, sie habe dadurch sehr 
viel gelitten, daß ihre Sinnlichkeit zu früh durch Beispiel und Verführung ge¬ 
weckt worden sei. Diese Sinnlichkeit habe sich in ihren Augen ausgedrückt. 
Nach allem ist es wohl nicht zweifelhaft, daß die Pat. im Blicken eine 
sexuelle Betätigung sieht und daß Infantilerlebnisse hier von besonderer Be¬ 
deutung sind. 



186 


Zur Psychoanalyse. 


e. Anal- and Urethralerotik. 

Fall XXII. 

Agnes P., 29 Jahre alt, in der Klinik vom 13. I. bis 8. II. 1921. Nach den Angaben 
ihrer Schwägerin stets ruhig, in sich gekehrt, religiös, sie lebte wie eine Klosterschwester. 
Die Familienanamnese ist belanglos. Die Patientin selbst ist sehr deprimiert und 
klagt, sie leide seit Weihnachten an Zwangsgedanken. Damals kamen Missionäre 
in’s Dorf, die sehr scharf predigten von der Sünde und vom bösen Feind. Das machte 
auf sie einen starken Eindruck. Nach der Predigt, während der Messe, überkam sie 
der Gedanke, daß der Priester in den Kelch ,,hineingemacht“ hätte. Diesen Gedanken 
konnte sie nicht los werden. Ungefähr 2 Wochen später kam ihr der Gedanke, sie hätte 
selbst in den Kelch hineingemacht. Diese Gedanken kamen vorwiegend, wenn sie 
auf dem Klosett saß. Wenn sie im Bett lag, glaubte sie auf der Hostie zu liegen. Oft 
kam ihr untertags der Gedanke, als ob sie selbst die Hostie gemacht (defäziert) und 
die dann in die Scheide gesteckt hätte, so wie ein männliches Glied. Diese Gedanken, 
gegen die sie sich wehrt, und die sich trotzdem wieder auf drängen und ihr das Aller - 
heiligste beschmutzen, führt sie auf Versuchungen des bösen Feindes zurück, den 
sie auch im Traum als nackten schwarzen Mann gesehen hat. Patientin erwies sich 
in der Klinik als dauernd deprimiert, war häufig schlaflos, die körperliche Untersuchung 
war vollständig negativ. 

Die Kranke hat alles hier Berichtete ohne irgend welche Beeinflussung an¬ 
gegeben. Der Fall bietet den Psychoanalytikern nichts Neues. Die Vorstellungen 
von Kot sind so wie für viele andere Zwangsneurotiker auch für diese Patientin 
beherrschend. Nur muß man bei anderen Fällen Vermutungen einschieben, 
interpolieren, an welchen (wohl begründeten) Ergänzungen der mit der Methode 
nicht Vertraute Anstoß nimmt. In diesem Fall fällt jeder mögliche Einwand 
weg, es ist ohne weiteres ersichtlich, daß die Patientin den eigenen Kot dem Glied 
des Mannes gleichsetzt, und es ist nur bemerkenswert, wie sie gleichzeitig doch auch 
homosexuelle Einstellungen erkennen läßt, das Defäzieren in den Kelch hat ja 
wohl die Bedeutung eines Sexualaktes, der Kelch tritt zunächst als weibliches, 
später als männliches (symbolähnliches Bild) Symbol auf. Die Patientin ist sich 
des sexuellen Untergrundes dieser Gedanken und Bilder übrigens sehr wohl 
bewußt. Der Fall ist als Ganzes ein schlagender Beweis für die von Freud 1 ) in 
einem Aufsatz über Analerotik geäußerten Ansichten. Er verweist auf die Bezie¬ 
hungen der Vorstellungen Penis, Kot und Kind. Es ist demnach wohl berechtigt, 
eine enge Verbindung anzunehmen zwischen den Lustempfindungen, welche die 
genitale Sexualität und der Darmkanal liefern. Es gibt zweifellos eine Analerotik. 
Ich möchte jedoch noch ein Beispiel mitteilen, das dem Gebiete der Schizophrenie 
angehört. 

Fall XXIII. 

Neuh. Katharina, 20 Jahre alt; in die Klinik aufgenommen am 17. I. 1919. 
Nach Angabe der Mutter der Patientin w T ar der Vater geistesschwach. 3 Kinder starben 
an Lungenkrankheiten. Die Patientin war immer „tüchtig“ gesund, und hat in der 
Schule gut gelernt. Nach Angaben des Dienstgebers hat die Patientin am 16. I. bei 
ihm den Dienst angetreten und war nicht im geringsten auffällig. Am 17. um 6 Uhr 
früh setzte plötzlich geistige Störung ein. Sie führte Selbstgespräche, daß sie zur 
Mutter zurück wolle, weil man in Wien umgebracht werde. Auch ihren Dienstgeber 
samt Frau und Kind wollte sie mitnehmen. Das Gesicht hatte sie mit Kot beschmiert, 

*) Über Triebumsetzungen, besonders der Analerotik. Internat. Zeitschr. f. ärztl. 
Psychoanalyse Jg. IV, S. 125, 1916/17. 



Zur Psychoanalyse. 


187 


das Bett mit Urin verunreinigt. Im übrigen war sie reisefertig. Bei der Untersuchung 
durch den Polizeiarzt wiederholte sie, hier würde man umgebracht, deshalb wolle sie 
nach Hause. 

Nach der Angabe des Dechants litt der Vater der Patientin an Verfolgungswahn 
und war zeitweise aggressiv. Eine Schwester der Patientin ist in Gugging in Pflege. 
Zwei Schwestern (27 und 19 Jahre alt) sind gesund. Alle Geschwister seien sehr in¬ 
telligent gewesen. 

Nach dem Wärterinnenbericht war die Patientin bei der Aufnahme ruhig, ging in 
dem Krankenzimmer herum, glaubt andere Patientinnen von früher zu kennen. Sie 
lacht viel, um 1 Uhr nachts wälzt sie sich herum, spricht fortwährend gleichklingende 
Worte. Kommt auf die unruhigere Abteilung und ist dort sehr unruhig. 

Am nächsten Tag ist sie ruhig, blickt ausdruckslos vor sich hin, ist nicht zu sprach¬ 
lichen Äußerungen zu bringen. Schließlich gibt sie durch Zeichen zu erkennen, daß 
sie schriftlich antworten wolle. 

Was sind Sie? „Narr.“ 

Datum? 17., 18., 29., 20. Januar 1919. Auf alle weiteren Fragen schreibt sie: 
„Weiß nicht.“ Lächelt häufig unmotiviert. 

19. I. Liegt ruhig da, das Gesicht ausdruckslos, stuporÖ3, zu keiner sprachlichen 
Äußerung bewegbar. Keine Katalepsie. Kein Negativismus. Auf Schmerzreize keine 
Schmerzäußerung. In der Nacht schrie sie stundenlang: „Nazarett —eine mir eine mir!“ 

20. I. Aß sie in der Zelle von ihrem eigenen Kot. 

21. I. Völlig katatones Bild. Ist gedrückt, spricht nicht. Passiv gegebene Stel¬ 
lungen behält sie unter starker Muskelspannung bei. Dabei negativistisch und wehrt 
sich zunächst gegen Stellungsänderungen. Dazwischen gelöste Bewegungen. Eine 
betende Haltung mit starrem Blick nach oben wird spontan eingenommen und starr 
festgehalten. 

22.1. Von einer etwas läppischen Heiterkeit und Zugänglichkeit, in den Bewegungen 
ist sie frei. Sie ist örtlich und zeitlich orientiert. Zeitweise ist ihr Bericht stockend, 
sie versinkt dann förmlich in sich. So z. B. als sie nach der Zahl ihrer Geschwister ge¬ 
fragt wird. Gibt über ihre Arbeit und Beichte gut Auskunft. Es fiel ihr eben ein, 
sich zu beschmutzen; sie dachte so den Freimaurern zu entkommen. Freimaurer sind 
schlechte Leute. Sie dachte auch an die Bernadetti in Luders, die sich mit Kot be¬ 
schmierte, als sie die Jungfrau Maria als Erscheinung sah. Als sie in der Zelle ihren 
Kot abgesetzt hatte und drei Sprünge im Fußboden sah, dachte sie an die drei Flüsse 
im Paradies. Es war wie der Apfel der Eva, der verboten ist. Deswegen aß sie da¬ 
von; es waren „Einfälle“. 

23. I. Formt aus dem Brot Herzen und eine Taube. Das sei der Jungfrau Maria 
ihr Herz, und das Herz Jesu. Einen Arzt bezeichnet sie als Jesus, sich selbst als Maria. 
„Es ist möglich, daß Jesus mir die Gnade gegeben hat Maria zu sein.“ (Was war in der 
Zelle ?) „Buße.“ Wegen des Apfels der Eva... es war ein Gegenstück zu dem Apfel 
der Eva.. . Jesus gab es ihr ein, als Buße für den Sündenfall der Eva zu essen. 
Sie wußte nicht genau, daß dies Kot sei. Sie dachte auch, es sei von Lucifer: „Der 
Herr Jesus“ — sie wendet sich zu einem Arzt — „weiß alles.“ Wahrscheinlich wollte 
Lucifer erlöst werden. Sie hat Mitleid mit Lucifer. Daß sie sich zu Hause beschmutzte, 
war Buße und Gegensatz. Sie hat es gerochen, es war nicht so gräulich, — sie tat es 
im Hinblick auf die Erlösung. 

24. I. Ist viel zugänglicher. Bezeichnet Dr. F. nicht mehr als Heiland, sich selbst 
nicht mehr als Jungfrau Maria. Verlangt nach Hause und erzählt häufig, daß sie von 
zu Hause geträumt hat. Besondere „Einfälle“ hat sie jetzt nicht; doch habe sie ihre 
besonderen Gedanken. 

28. I. Sie erzählt auf Frage: In Luders ist eine Quelle entsprungen, als die Jung¬ 
frau Maria der Bernadetti erschien. Die Quelle war noch schlammig. Dann erhielt 
die B. den Befehl, sie solle sich in der Quelle waschen. Dadurch wurde sie „kotig“ 
im Gesicht. Da hielten sie die Leute für närrisch, weil sie sich im Schmutze gewaschen 
hatte. Aus der Quelle wnirde ein Strom. Die Bernadetti mußte sich demütigen. 
Sie ist schon seit jeher religiös und ist oft in die Beichte gegangen. Meint, sie sehe jetzt 
ein, daß es ein Fehler sei, seinen Gedanken zu folgen. 



188 


Zur Psychoanalyse. 


3. II. Während sie in der Zwischenzeit auffallend frei war, auf der Abteilung 
mithalf, wird sie wieder versonnener und bleibt manchmal in sich versunken stehen. 
Endlich gibt sie folgende „Einfälle“: Ein neues Paradies’soll erstehen, eine neue Eva 
und die Schlange. Eva, Schlange, Baum müssen „verkehrt“ werden. Ebenso auch 
Adam. Es muß dann heißen: Ave-Mada, und auch die Schlange muß verkehrt werden. 
Moses hat die eherne Schlange aufgestellt. Die Schlange hat den Tod in’s Paradies 
gebracht. Wer die eherne Schlange ansah, hat das Paradies gehabt. Italien hat Ähn¬ 
lichkeit mit dem Paradies. Der verbotene Baum soll sich verkehren, es wird der 
Christbaum daraus. Es soll kein fremder Apfel darauf sein. Es wird ein neues, heiliges 
Land — Tirol daraus. Und dann auch wegen der Bemadetti. Diese kniete vor der 
Unbefleckten. Wenn die Franzosen knieen werden, dann wird Österreich ihnen die 
Augen öffnen. Jesus muß das machen. „Das ist mein Gedanke.“ Der ungerechte 
Haß muß sich in gerechte Liebe verwandeln. Und Austria soll nicht sterben. Und 
es werden wahrscheinlich noch schwerere Zeiten kommen. (Auf Frage.) Sie hat schon 
immer daran gedacht, heute kam es ihr aber besonders in den Sinn. Sie bringt 
das alles recht fließend, nur zeitweise nachdenklich stockend vor, etwa in Form eines 
predigenden Dorfpfarrers. Aus der Art des Vortrages ist erkennbar, daß sie der Sache 
imgemeine Wichtigkeit zuschreibt. 

4. II. Sie geht sehr häufig mit der Visite aufmerksam lauschend. Gegen andere 
Patientinnen ist sie von einer übertrieben liebevollen, aber dabei unbehilflichen Hilfs¬ 
bereitschaft. Sie macht einen etwas gehemmten Eindruck. Sie beschäftigt sich mit 
religiösen Gedanken: „Es müßte jetzt vielleicht auch der heilige Geist vom Himmel 
herabkommen, wie damals beim Zungenreden. Denn die Menschen sind jetzt hinfällig.“ 
Sie denkt auch an die Erlösung Lucifers. (Auf Frage.) Sie hat nie mit Männern zu 
tun gehabt und hat den Himmel immer um die Gnade der ewigen Keuschheit gebeten. 

7. II. Morgens bei der Visite hat sie eine Patientin als Chorea bezeichnen hören. 
Beginnt: Sie denke an Ferdinand den Katholischen, so dieser zu Kolumbus ging. 
Kolumbus fuhr mit Schiffen nach Amerika, sein Schiff hieß Maria. Er fuhr am Meer 
in die neue Welt. . . . diese Patientin Chorea ist die keine Spanierin ? Das Meer. 
— da gibt es ein schwarzes und ein blaues — das adriatisches Meer. (Sie bringt das 
alles langsam, zögernd wie etwas sehr Bedeutsames vor.) Die Donau mündet in 
drei Armen in das schwarze Meer. Blickt sinnend in die Feme. „In Luders ist auch 
Wasser entsprungen; in meiner Heimat ist die Maria-Mooskirche, da haben wir auch 
ein Wasser. Nicht weit weg von ihm ist Maria-Bründl. Maria ist zu Luders erschienen 
als unbefleckte Jungfrau. In Mariazell ist das Gnadenbüd mit dem Kind. In Maria- 
Moos ist die Schmerzensreiche. In Maria-Bründl ist Maria und das Jesuskind.“ (Wes¬ 
halb erzählten Sie von Ferdinand dem Katholischen ?) In seinem Reiche ging die 
Sonne nicht unter. 

Sie war in der vorausgegangenen Nacht aus dem Bett gestiegen und hat neben dem 
Bett in’s Zimmer uriniert. Darüber zur Rede gestellt, sagte sie, sie dachte, es sei 
in der Welt nicht so in der Ordnung, wie es sein soll. Deshalb ging auch sie nicht hin¬ 
aus. Sie hat sich gedacht sie tut das, damit man sieht, daß es nicht in der Ordnung 
ist. (Wer sollte das sehen ?) „Sie und die anderen.“ „Maria ist das Meer der Gnade, 
weü sie die Braut des heiligen Geistes ist; die Kirche ist auch die Braut des heiligen 
Geistes und Kolumbus hat Amerika entdeckt mit den Schiffen. Dafür hat er nur 
Undank gehabt.“ (Was hat das mit dem Meer und der Gnade zu tun ?) „Das Meer 
der Gnade mußte vom heiligen Geist ausgehen.“ 

Andere „Einfälle“. Das Leben der Menschen ist wie ein Schiff am Meere und es 
steuert am sichersten unter dem Schutze Marias. Maria ist die Himmelspförtnerin. 
Kolumbus hatte drei Schiffe. Die Katholischen sind das eine Schiff, das andere die 
Juden, das dritte die Ungläubigen. Doch diese Letzteren kommen nur sclilecht ans 
Ziel. Diese Einfälle sind ihr erst nach dem Gespräch vom Vormittag gekommen. 

8. II. Es fiel ihr heute früh die Taube mit dem Ölzweig ein. Sie wird auch auf den 
ölberg gehen. „Ich werde mein Kreuz nehmen und dir nachfolgen.“ (Starrt geradeaus 
und weint.) ,,Ich habe das Kreuz in den Wolken kommen gesehen, zu Anfang, als 
ich herfuhr. Dann wird er kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten.“ (Was 
sehen Sie dort an der Wand ?) „Weiß und grau, Wahrheit und Hoffnung. Ich hab 



Zur Psychoanalyse. 189 

das graue Blatt am Weihnachtstag fallen gesehen.“ (Was hat das zu bedeuten ?) „Neue 
Hoffnung für die Welt.“ Sie spricht sehr zögernd und langsam. 

10. II. Es ist ihr eingefallen: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.“ Das, was 
jetzt vorgeht, sind Proben zum Weltgericht. 

Nachmittag: Kommt sehr angeregt mit einem Kreuzer, den sie gefunden hat; 
beginnt lebhaft zu erklären: „Der Schwanz ist die Kunst. Die zwei Flügeln sind der 
Handwerkerstand und der Bauernstand... und der Kopf. Die Gerechtigkeit und die 
Liebe muß die zwei Köpfe verbinden. Zwei kleine Kronen und eine große, das heißt 
zwei Sprachen, die vornehme Sprache und die lateinische.“ Das Schüd sei die Drei¬ 
faltigkeit, weiß und blau, der äußere Balken rot. Der eine Fuß hat eine Weltkugel 
mit dem Kreuz, das heißt die Sanftmütigen sollen das Erdreich besitzen; in der an¬ 
deren ist der Szepter, das heißt, wenn alles geordnet ist, soll wieder ein Landesfürst 
kommen. Die Kunst, die Arbeiter und die Bauern sollen miteinander ein neues Haus 
bauen. Das blau-weiße Schüd in der Mitte bedeutet die unbefleckte Empfängnis. 
Der ganze Kreuzer ist kreisrund wie die Sonne. Gottes Sonne strahlt in Frieden auf 
ein glückliches Österreich. (Woher kommen Ihnen diese Gedanken ?) „Von mir 
selbst nicht!“ (Eingegeben?) „Wahrscheinlich. Das Wappen ist gestrichelt, blau- 
weiß.“ (So stellt sie sich das vor.) „Und das ist das Wappen der Jungfrau Maria. 
Wahrscheinlich werden daher die Gedanken kommen. Rot ist das Herz Jesu. Wahr¬ 
scheinlich kommen auch daher die Gedanken. Die französischen Moden sind wie die 
Motten, sie machen gute Kleider imbrauchbar; auch der Kindermörder Herodes, 
auch die Unsittlichkeit sind von Frankreich gekommen. Jetzt soll aber das Gute 
kommen. Ich habe den Kreuzer gefunden und geb ihn wieder her, so sollen es auch 
die Kriegsgewinner mit den Millionen machen. „Das alles sehr ernsthaft im Tone 
einer Offenbarung und dozierend vorgebracht.“ Sie fährt etwas heiterer fort: sie 
komme sich vor, wie der deutsch-österreichische Staat: zuerst habe man ihr die Nase 
zugehalten und die Augen fast herausgedrückt (Erinnerungen an eine Untersuchung 
im Hause) dann sei sie, wie wohl das ganz verkehrt war, auf das Gitterbett geklettert. 
Deshalb komme sie sich wie der deutsch-österreichische Staat vor. 

11. II. Hat vormittag sehr lebhaft geweint, als eine Patientin hysterische An¬ 
fälle bekam. (Auf Frage:) Die Einfälle hat sie einesteils von anderen Patienten, zum 
Teil hat sie früher Ähnliches gehört, zum Teü kommen sie aus dem Herzen Jesu. „Ich 
denke es mir halt so: Der Mensch aus sich heraus kann nicht so viel zusammen 
denken.“ Sie hat früher nicht so viel gedacht. Sie denkt, alles müsse im richtigen 
Geist erneuert werden. Die ganze Menschheit, auch jede Patientin. Führt das noch 
breiter, salbungsvoll aus. 

15. II. Bringt immer wieder „Einfälle“. So vergleicht sie bei der Visite einzelne 
Ärzte mit den Evangelisten. Dann wieder Reformideen. Es sollen sich Brautpaare 
büden u. a. m. 

Zweifellos liegt eine Katatonie vor. Die Psychose beginnt damit, daß die Pa¬ 
tientin sich mit Kot und Urin verunreinigt. Angst, sie werde umgebracht. Dann 
ein ausgesprochen katatones Bild, hinter dem eine religiöse Verklärung hervor¬ 
scheint. In dieser Zeit verzehrt sie ihren eigenen Kot. Baldige Lösung des kata- 
tonen Büdes. Das Kotessen erweist sich als sinnvoll, eine Phase des gehobenen 
Selbstgefühles folgt, sie ist Maria, dann beginnt sie in dem Gefühl der Selbst¬ 
zufriedenheit zu predigen. 

Die sehr religiöse Patientin hat ihre Sexualität verdrängt, das Kotessen ist 
eine Ersatzbefriedigung, sie vergleicht den Kot mit dem Apfel der Eva. Der Kot 
stammt von Lucifer. Lucifer sollte erlöst werden. Das Kotessen ist also eine kul¬ 
tische Handlung. Sie rationalisiert sekundär, sie habe den Kot zur Buße gegessen, 
als Buße für den Sündenfall der Eva. Im Grunde ist es aber eine Wiederholung 
des Sündenfalles, das Essen des Apfels ist an und für sich Verlegung nach oben 
und durchsichtiges BUd für den Sexualgenuß. Apfel und Kot vertreten wohl 
beide das männliche Glied, vielleicht daher der Gedankenzug der Patientin, 



190 


Zur Psychoanalyse. 


Lucifer werde erlöst. Derartige Beobachtungen beweisen wohl eindeutig, daß der 
Kot auch sexuelle Bedeutung haben kann, und daß der Kot zu dieser Bedeutung 
wohl nur dann kommt, wenn der normale Trieb in seiner Auswirkung gehemmt 
wird. 

Es ist verständlich, daß der perversen Sexualbefriedigung eine Phase der 
Gehobenheit folgt. Die Patientin vergleicht sich mit einer Heiligen, welche sich 
in einer schlammigen Quelle wusch, kotig im Gesicht wurde und den Leuten 
als Närrin erschien. Aus der Quelle wurde ein Strom. Ich vermute hinter diesen 
Einfällen folgende Beziehungen: mit Kot beschmutzt sein weist offenbar auf den 
Geburtsvorgang hin, auf den auch das Wasser deutet. Die Patientin ist also selbst 
das Kind und selbst der Kot. Es handelt sich schließlich um eine Wiedergeburt. 
Es soll auch an Stelle des alten Paradieses ein neues entstehen. Die Patientin 
drückt das in einer Wortspielerei aus. Eva, Schlange und Baum müssen ver¬ 
kehrt werden, ebenso auch Adam; es muß dann heißen ,,Ave-Mada“. Dieses 
Verhalten ist mm recht wesentlich. Es entspricht ja primitiven Anschauungs¬ 
kreisen, daß das Wort und das durch es Bezeichnete eine Einheit bilden, und daß 
eine Änderung der Bezeichnung die Sache ändere. (Vergleiche hierzu Wahn und 
Erkenntnis. )Änderung des Wortes ändert auch die Dinge; also wiederum magische 
Prozeduren. Freud 1 ) hat darauf hingewiesen, daß bei der Schizophrenie eine Be¬ 
arbeitung der Wortvorstellungen stattfinde und er bringt folgendes vonTausk 
entlehntes Beispiel: eine Patientin nimmt eine eigenartige Stellung ein und erklärt 
diese damit, daß ihr Geliebter sich verstellt habe. Es wäre jedoch einseitig, wenn 
man annehmen würde, daß diese Art der Symptombildung für die Schizophrenie 
entscheidend sei; auch bei einem größeren Untersuchungsmaterial macht man 
derartige Beobachtungen ziemlich selten. In dem Freudschen Beispiel ist je¬ 
doch nicht nur die Bearbeitung des Wortes auffällig, sondern auch die Durchfüh¬ 
rung des Symptoms am eigenen Körper. Freud spricht von einer Organsprache. 
Unsere Krankengeschichte bietet auch ein hierher gehöriges Beispiel. Eines Nachts 
steht die Patientin auf und uriniert ins Zimmer; zur Rede gestellt, sagt sie, 
es sei in der Welt nicht so, wie es sein soll. Das bringt sie nun durch das eigene 
Tun zum Ausdruck. Die Äußerungen, die sie im Anschlüsse daran macht, sind 
übrigens sehr beachtenswert. Sie spricht vom Meer der Gnade, das vom heiligen 
Geist ausgeht. Es ist wahrscheinlich, daß die Patientin mit ihrer Handlung auch 
ausdrückt, das Meer der Gnade solle von ihr ausgehen. Ich erinnere an den Fall 
Marie Dr., in dem die Patientin zu dem wird, was sie halluziniert. Alle diese 
Phänomene sind nur verständlich aus dem Zusammenrücken von Körper und 
Welt, so daß Änderung am Körper und Änderung in der Welt für diese Kranken 
identisch ist. 

Ich habe erwähnt, daß die Patientin aus einer gehobenen Stimmung heraus 
predigt. Es ist beachtenswert, daß Teilbilder des manischen Komplexes sich 
so häufig an Konfliktlösungen anschließen. Nicht weniger beachtenswert ist je¬ 
doch, daß Ideenflucht und Bewegungsdrang fehlen; es scheint, daß die Teilkom¬ 
ponenten des manischen Bildes weitgehend voneinander unabhängig sind. Die 
Patientin hat eine lebhafte Freude an Allegorien und Symbolen. Hält man sich 
vor Augen, in wie enger Beziehung das Denken in Symbolen zu den Denkstörungen 


*) Das Unbewußte. Intern. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. III, S. 265, 1015. 



Zur Psychoanalyse. 


191 


der Schizophrenie steht (vergleiche hierzu hpbesondere Kapitel I. und IV.), so 
wird man auch hierin keinen Zufall sehen. Schließlich muß immer wieder betont 
weiden, daß alle diese Patienten trotz allem der Außenwelt ein differenziertes 
Interesse entgegenbringen; es ist reizvoll in jedem einzelnenFall zu sehen, in welch 
inniger Weise sich differenziertes und undifferenziertes Denken miteinander 
vermengen. So sind die Reformpläne unserer Patientin nur so zu verstehen, 
daß neben dem Denken der primitivsten und tiefsten Schichten doch noch ein 
Höherwertiges vorhanden ist, wobei allerdings betont werden muß, daß auch 
das sachgerechtere Denken dieser Kranken auf Begriffen mit affektiv er¬ 
weiterter Begriffsgrundlage beruht. 

Fall XX1Y. 

Maximilian Kr., 34 Jahre alt, bereits 1915 wegen Angstanfällen, Bildervorstel¬ 
lungen in der Klinik. Blieb dann längere Zeit in der Irrenanstalt. Die Diagnose lautete: 
Dementia praecox. Nachdem er in häusliche Pflege entlassen worden war, traten wieder 
halluzinatorische Erregungszustände auf, war deswegen im Juli bis November 1915 
auf dem Steinhof. Bei der neuerlichen Aufnahme an der Klinik vom 1. bis 31. X. 1919 
war der Patient ruhig, zugänglich, äußerte faselig Wahnideen. Der Grund zur Auf¬ 
nahme war, daß der sonst ruhig und gutmütig Verblödete in die Wohnung seiner 
geschiedenen Frau gegangen war und Skandal gemacht hatte. Aus seinen Ideen sind 
folgende die bemerkenswertesten: Er sei Kardinal, sei mehrwissend. „Gott weiß alles 
durch die Sonne, ich durch den Mond, ich kann es tierisch unterscheiden. Psychiatrie 
ist das Tierische, die Unreinheit zwischen Tier und Mensch. Der Mensch muß das 
Fleisch verspeisen, das Tier ringt sich zur Gesundheit und Wiederherstellung!“ „Die 
Sonne ist ein an und für sich glühender Körper, und entsteht aus menschlichem Kot. 
Was der Mensch zu sich nimmt, kommt in der Kultur zurück. Wie die Sonne Wasser 
und Wolken zieht, so zieht auch der Mond die Wolken und macht das Unreine zum 
Reinen, und Gott kontrolliert. Mond ist nur tierischer Kot, und durch den Mond 
entsteht die tierische Wiederbelebung.“ „Der Mond steht am Horizont, das Tier 
hat das Bestreben, sich auf Gottes Erdboden zu belustigen und hinterläßt Kot.“ 
„Der Mond beleuchtet mein Auge und ich unterscheide es. Der Mond ist Hypnose und 
die kommt bis zu mir.“ „Der Mensch sagt sich im Bewußtsein, er lebe auf der Welt, 
die Seele der Menschen und Tiere ist unsterblich, Gott haucht den Menschen die 
Seele ein und ich den Tieren.“ „Die Sonne zieht vom Menschen die 5 Sinne an und der 
Mond den Instinkt der Tiere. Die fünf Sinne sind die Tätigkeit, und was ein Mensch 
eigentlich ist.“ „Die Sonne vereinigt den Kot des Menschen und der Mond vereinigt 
den Kot der Tiere. Die Sonnenstrahlen sind ein Zeichen, daß die Sonne Wasser zieht. 
Gott ist ja genau so ein Mensch wie alle Menschen, wie Sie und ich. Ich lasse den Mond 
scheinen, die Naturwissenschaft belebt uns alle.“ In vielen Gesprächen betont er 
immer wieder, Mensch und Tier hätten eine unsterbliche Seele,die nicht zu Grunde gehe 
und ausgehaucht werde. Sonne und Mond seien die Wirkung der Seele. Er beschäftigt 
sich viel mit dem Gedanken des Fortbestandes des menschlichen Lebens und mit 
der Fortpflanzung. In verschwommener Weise spricht er von einem Profil, das der 
Inbegriff des Schönen sei; es sei ein Kosename. Dann beginnt er wieder pathetisch, 
faselig religiöse Gebote auszusprechen. Er führt etwa folgende an: Du sollst zu ver¬ 
botenen Zeiten keine Hochzeit halten, keine Politik treiben u. dergl. m. Über All¬ 
tagsdinge gibt er dabei zeitweise recht geordnete Auskunft, beginnt aber sofort zu 
faseln, wenn er in das besprochene Gebiet gerät. 

Es ist bemerkenswert, mit welcher Unbefangenheit der Patient Seele und Kot 
gleichsetzt. Sonne und Mond sind Menschen- und Tierkot und gleichzeitig findet 
dort die Wiederbelebung statt. Er scheint das Fortpflanzungsgeschäft in die engste 
Beziehung zur Nahrungsaufnahme zu setzen. Es ist gewiß beachtenswert, daß 
diese Bewertung des Kotes mit dem Bewußtsein eigener Gottähnlichkeit zusarn- 



192 


Zur Psychoanalyse. 


menfällt. So zeigt denn dieser Patient in einem paranoiden System Gedanken¬ 
gänge, welche unsere andere Patientin im Handeln zum Ausdruck gebracht hat. 

Ein Hinweis auf die Hamerotik sei gegeben. Es handelt sich um die im Ab¬ 
schnitt XI. des Falles III mitgeteilte Episode. Hier berichtet der Patient in 
durchsichtiger Verhüllung vom Wasser, das in Fässer eingelassen wird und da¬ 
durch zu Wein wird, daß eine sonderbare Vorrichtung spielt. Diese Vorrichtung 
ist durch das Säckchen, in dem der Wurm ist, hinreichend als Bild des Genitales 
charakterisiert. Der Weinstein im Fasse wird aus Kot gemacht. Es ist also mit 
anderen Worten das Bild der Kloake. Nun ist dieses Bild der Kloake auch sonst 
in den Phantasien der Neurotiker nicht selten. Die Phantasie entwickelt also 
ohne äußere Anhaltspunkte ein in früheren Entwicklungsstufen anatomisch ge¬ 
gebenes Ganzes. Ich bin nicht geneigt, hier einen Zufall zu sehen. Offenbar muß 
die psychische Organisation in der „Sphäre“ die frühere Organisation bewahren, 
ein Hinweis auf die von mir früher entwickelte Anschauung, daß in der Sphäre 
onto- und phylogenetisch frühere Stufen enthalten sind 1 ). 

Bezüglich der magischen Bedeutung des Urins, was ja gleichbedeutend ist 
mit seiner erotischen Betonung, bringt ja die gleiche Krankengeschichte Beweise. 
(Abschnitt VI.) Wölfe werden steif, wenn sie mit Urin bespritzt werden. Auch 
in dieser Vorstellung sind übrigens, wie die Lektüre ohne weiteres ergibt, Kloaken¬ 
vorstellungen enthalten. Auf die Details kann ich nicht eingehen, wie denn über¬ 
haupt in den mitgeteilten Krankengeschichten eine Fülle unverarbeitetenMaterials 
steckt, sowohl betreffs der Inhaltsbeziehungen als auch bezüglich ethnologischer 
Parallelen. Gerade der Fall III ist eine wahre Fundgrube in dieser Hinsicht. 

f. Sadismus und Masochismus. 

Das bisher vorgebrachte Material bietet keine Beispiele für besonders deut¬ 
lich hervortretende sadistische und masochistische Züge. Gewiß würde die tiefer 
greifende Analyse eine Reihe derartiger Züge auch bei unseren Patienten auf¬ 
decken. So spielt im Falle I die Schlagphantasie und der Todeswunsch gegen 
Nahestehende eine sehr große Rolle. Die Kastrationsphantasien unseres Falles 
XX tragen einen sehr starken masochistischen Zug. Ähnliches in sehr vielen ande¬ 
ren Fällen. Der Fall XII mit seiner Fülle von Perversionen von infantilem Typus 
zeigt Züge, welche wohl als masochistisch gedeutet werden müssen, so die Kastra¬ 
tionsphantasie u. dergl. m. Todeswünsche im Sinne des Oedipuskomplexes 
sind in mehr oder minder verkleideter Form im Falle IV und im Falle XIV nach¬ 
weisbar. Im Falle XVI würgt der Patient den Bureau Vorstand, welcher für 
ihn den Vater vertritt. Im Falle XIX spielt ein Exzeß mit Schlägen eine sehr 
wesentliche Rolle. Es handelt sich hier nicht darum, diese Dinge ins einzelne 
zu verfolgen, es soll in dieser kurzen Übersicht nur ausgeführt werden, daß das 
theoretisch zu Erwartende auch hier verwirklicht ist. Es kann ja bezweifelt 
werden, ob die hier nachgewiesenen Aggressionen und Angriffe schlechthin als sa¬ 
distisch bezeichnet werden können, doch muß hervorgehoben werden, daß ja, wie 
im III. Kapitel ausgeführt wurde, die Scheidung zwischen Aggression und 
sexueller Aggression keine scharfe ist. All das sei an einer neuen Beobachtung 
durchgesprochen. 

9 Vgl. hierzu auch Freud: Über Triebumsetzungen, besonders der Analerotik. 
Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. IV, S. 125, 1916/1917. 



Zur Psychoanalyse. 


193 


Fall XXV. 

Lucian Ja., geb. 1893, stammt aus belasteter Familie. Der Vater reizbar und 
brutal. Der Pat. wurde nach den Angaben der Mutter am normalen Ende der Schwan¬ 
gerschaft geboren, hatte eine Amme, mußte 3 Wochen hindurch wegen eines Darm¬ 
katarrhs künstlich ernährt werden. Der Pat. war sehr eigensinnig. Seit dem 6. 
Lebensjahre Ohnmachtsanfälle, bei denen er wiederholt auf die Nase fiel und sich 
verletzte. Später war er zurückhaltend, hatte wenig Freundschaften, glaubte schon 
in der 5. Gymnasialklasse, er werde von Professoren fixiert. Pat. besuchte zunächst 
die Militär-Akademie. War damals leicht ermüdbar, dem Dienste nicht gewachsen. 
Im Frühjahr 1913 begann er Jus zu studieren. War zunächst fleißig. Dieser Fleiß 
hörte jedoch bald auf. 1 Monat vor der ersten Aufnahme begann er Stimmen zu 
hören. Er dachte, die Mutter laufe mit dem Messer herum. Er bezog die Stimmen auf 
seine Mutter. Er begann seine Mutter zu beschimpfen, schlug sie auch ins Gesicht. 
Er kam am 22. XI. 1913 in die psychiatrische Uiniversitätsklinik Wien, weil er in einem 
Geschäfte einen Stadtplan nicht bezahlte, mit der Begründung, die englische Botschaft 
hätte für ihn den Plan angekauft. 

In der Klinik bezeichnete er sich als das uneheliche Kind eines englischen Schiffs¬ 
offiziers. Sein angeblicher Vater sei gestorben, sein wirklicher lebe noch. Er habe 
ihn in Triest gesehen, wo sich er in einer englischen Eskadre als Schiffsoffizier aufhielt. 
Wegen seines englischen Blutes, fühlt der Pat. sich zu Engländern hingezogen. Die 
Mutter sei ihm verhaßt, sie habe ihm nicht einmal das Gehen beigebracht. 

Pat. blieb bis zum 17. VI. 1915 in Anstalten, nach Hause gekommen, studierte er 
Jus weiter. Bei der ersten Staatsprüfung fiel er durch. Er war aber ruhig und liebens¬ 
würdig. 

Am 13. VHI. 1918 bedrohte er seine Eltern. 

In der Klinik gibt er an, sein Schwager habe ihn umbringen wollen. Im übrigen 
war er ruhig und geordnet. Er blieb bis zum Januar 1920 in der Landes-Irrenanstalt, 
kam aber im August 1920 wieder dorthin zurück und wurde erst am 26. IV. 1922 ent¬ 
lassen. 

Am 19. V. 1922 kam er neuerdings in die Klinik, da er lebhaft halluzinierte. In 
der Klinik blieb er 5 Tage und machte in dieser Zeit folgende Angaben: Er hört die 
Stimme einer Dame in der Wohnung der Pokomys, die unter ihm wohnen. Diese Dame 
sah er 1913 vor der Oper. Sie war dekolletiert, zeigte auf ihre Brüste. Als er sie dann 
fixierte und sich ihr näherte, wies sie ihn brüsk ab, machte einen Skandal und er wurde 
auch von ihrem Manne, einem Obersten, zur Rede gestellt. Diese Dame jammert; 
sie wird gequält, es wird ihr die Milch aus den Brüsten herausgedrückt und die Milch 
zu Schaum geschlagen! Er wird telephonisch davon verständigt! 

Diese Telephongespräche sagen,daß er,der Pat.,sein Schamgefühl bewahren müsse! 
Ein anderer telephoniert, daß die Dame für den Pat. bestraft und seinetwegen gequält 
würde, daß rücksichtslos vorgegangen werde, „ganz nach dem Geschmack des Pat.“ 

Der Pat. hat häufig onaniert. Es war ein japanischer Student in der Handels¬ 
akademie, der sehr kindlich war. Das haben die Leute auch von ihm gedacht. Die 
Leute nahmen vielleicht an, daß er auf dem Steinhof onaniert hätte! Sie glauben 
auch, daß die Prozeduren, die an der Dame vorgenommen werden, nach seinem Ge¬ 
schmack sein dürften. Es ward auch behauptet, daß er eine Dame entführen will. 
Die Sache mit der Dame hat einen Präzedenzfall. Sein Stiefvater hat an einer Eng¬ 
länderin das Gleiche vorgenommen! Der Pat. war damals in der 5. Gymnasialklasse. 
Er hat den Stiefvater dadurch geärgert, daß er mit einer Engländerin kokettierte. 

Sein Stiefvater ist österreichischer Oberst und hat damals, um den Pat. zu strafen, 
an der Engländerin diese Strafe vorgenommen. Er zog den Säbel und stieß ihn der 
Engländerin in den Geschlechtsteil, so daß sie starb. Er hat auch diese junge Englän¬ 
derin in der Wohnung gehört. Eine andere ist in der Wohnung verhungert! Er hört 
ihr Todesächzen! Der Schwager hat wahrscheinlich mit ihr geschweinigelt! Es wurde 
damals dem Schwager gesagt, er solle anständig sein. Die Mutter war dabei, sie 
hat vielleicht sogar gehetzt! Die Engländerin starb an der Marter. 

Die Engländerin hat ihm, dem Pat., vorgeworfen, daß er nichts von der Export- 


Schilder, Seele und Leben. 


13 



194 


Zur Psychoanalyse. 


Akademie verstehe! Er hat Angst, daß er durch sein Studieren etwas verpaßt! Daß 
eine Dame durch ihn Schaden leide! Schon auf dem Steinhof hätte man von dieser 
Dame gesprochen! In der Regiekanzlei auf dem ,,Steinhof“ telephonierte der Oberst, 
daß alles erledigt sei, das bezog sich offenbar auf ihn! 

Er mußte wieder an die Szene vor der Oper denken, — denn der Mann dieser 
Dame war ein Offizier! 

Er könne sich an seine Amme erinnern, er habe sie sehr gerne gehabt! Die Mutter 
sei auf sie eifersüchtig gewesen und sagte ihm, daß er bei der Amme getrunken habe 
und daß er die Amme lieber gehabt habe, als sie selber! Die Mutter war immer etwas 
eifersüchtig! Er wurde als Muttersöhnchen behandelt! Sie war auf jeden eifersüchtig! 

Der Pat. variiert sehr häufig in Details mit seinen Angaben, doch bleiben die 
Grundzüge stets die gleichen. Er erzählt sehr gleichmütig. Er hat mit Frauen noch nicht 
verkehrt. Er hat vielleicht zu viel in der Mittelschulzeit onaniert mit nackten Bildern! 

„Wenn ich will, kann ich sehr leicht Stimmen hören; ich bilde es mir solange ein, 
bis die Sache greifbar wird!“ 

„Bei mir schwanken so die Lust- und Unlustgefühle, als ob ich ein Unterbewußt¬ 
sein haben würde. .. so ein Scheindasein!“ „Die anderen Leute sind mir vielleicht 
behilflich. . . weil ich es selber nicht vornehme!“ 

In diesem Falle dominiert der Sadismus. Der Pat. hört in der Wohnung, die 
unter ihm liegt, Stöhnen. Eine Frau wird gemartert. Es wird ihr Milch aus den 
Brüsten herausgedrückt, und diese Milch wird zu Schaum geschlagen. Eine 
durchsichtige Kette von Halluzinationen führt zu der Erkenntnis, daß der Pat. 
mit dieser Deckfigur seine Mutter meint, und daß es eigene Triebe sind, die in 
dieser Halluzination zum Ausdruck kommen. Eine Rückverfolgung zur früheren 
Kindheit ist hier möglich. Der Pat. hat seine Amme sehr geliebt, die Mutter 
scheint Eifersucht gegen die Amme empfunden zu haben. In der Anamnese hören 
wir übrigens von einer Entwöhnung in frühem Alter. Neben dieser Form des 
primitiven Sadismus 1 ) finden sich jedoch auch Halluzinationnen, welche auf 
genitalen Sadismus hinw eisen. Der Stiefvater bohrt einem vom Pat. verehrten 
Mädchen den Säbel in die Vagina und tötet sie dadurch. 

Nun noch eine allgemeine Betrachtung über den Zusammenhang der Ich- 
triebe und der Sexualtriebe in der Aggression. Das Kind führt die erfaßten Gegen¬ 
stände zum Munde hin, es verleibt sie sich fassend ein. Die Nahrungsaufnahme ist 
wohl die gründlichste Form des Sichaneignens. Will man nicht das Fassen, die 
Nahrungsaufnahme überhaupt als libidinös bezeichnen, so bleibt wohl nichts 
übrig, als einen Bemächtigungsdrang nicht libidinöser Natur anzunehmen. 
Anderenteils spielt ja in der Erotik der Wunsch, den Partner sich einzuverleiben, 
ihn zu fassen, so daß er in dem Fassenden aufgeht, zweifellos seine wesentliche 
Rolle. Auch soll die Teilnahme libidinöser Faktoren an der Nahrungsaufnahme 
nicht bezweifelt werden. An dieser Stelle muß, worauf ich an anderer Stelle 2 ) 
bereits verwiesen habe, betont werden, daß die ursprünglichsten Sprachlaute 
wahrscheinlich auch einem solchen Bemächtigungsdrang oraler Natur entsprechen. 
Im Machtstreben sehen wir nun wiederum diesen Drang, den anderen nicht dem 
Körper einzuverleiben, aber ihn doch der eigenen Persönlichkeit zu berauben 
und zu einem willenlosen Stück im eigenen Willensbereich zu machen. Damit 
bin ich zu den Problemen des III. Kapitels zurückgekehrt. 

x ) Vgl. hierzu Stärcke: Der Kastrationskomplex. Internat. Zeitschr. f. ärztl. 
Psychoanalyse Jg. VII, S. 9, 1921; der in allzu großer Verallgemeinerung den Sadismus 
in Beziehung bringt zum Saugakt, der der Mutter durch Warzenrisse Schmerz bringt. 

*) Über Halluzinationen. 



195 


Zur Psychoanalyse. 

Die affektiven Mechanismen. 

Ich habe in den vorangehenden Ausführungen keinen Zweifel darüber gelassen, 
daß ich die von Freud 1 entdeckten Mechanismen in Übereinstimmung mit Freud 
für biologische Haltungen ansehe. Diejenigen, welche für die vorangehenden Aus¬ 
führungen besonders wesentlich sind, sollen nun in Kürze charakterisiert werden. 

Die Verdrängung 2 ). Auf denZusammenhangder Achschendeterminierenden 
Tendenzen mit der Verdrängung habe ich wiederholt hingewiesen. Im ganzen 
Gefüge unseres Seelenlebens sind diese Einstellungen maßgebend. Das Nicht- 
auftauchen einer Erinnerung, welche nicht zu einem eben behandelten Gegenstand 
gehört, ist in diesem Siime gleichfalls als Verdrängung aufzufassen. Wir haben 
uns zu denken, daß ein einer bestimmten Materie zugewendetes Interesse alles 
Übrige hemmt, und nur das Zugehörige fördert. Die Psychoanalyse versteht aber 
unter der Verdrängung im Allgemeinen nur das Beiseiteschieben unerträglicher 
und unlustbetonter Erlebnisse. Es wäre immerhin denkbar, daß dieser Verdrän¬ 
gung im engeren Sinn ein aktiverer Vorgang inneren Hinwegschauens zu Grunde 
liegt. Diese Art der Verdrängung könnte man auch dadurch charakterisieren, daß 
Sachzugehöriges nicht auftaucht oder auch dadurch, daß das Verdrängte mitgrcße- 
rer Energie zur Auswirkung strebt. Dabei gibt es zweifellos eine Fülle von Graden 
des Nichtauftauchens, das nicht zum klaren Bewußtsein Gebrachte kann in ver¬ 
schiedenen Bewußtseinsstufen gegeben sein. Man könnte die Begriffe Verdrängung 
im weiteren Sinne und Verdrängung im engerenSinne verwerten. Von der Verdrän¬ 
gung her führen Brücken zu den komplizierten Hemmungen der Einstellung, zu den 
Unterbrechungen der Gedankenentwicklung, die im I. Kapitel beschrieben sind. 

Die Verdichtung. Es ist charakteristisch, daß beider Verdrängung im engeren 
Sinne das Verdrängte doch irgendwie wieder auftaucht, und zwar in Bruch¬ 
stücken, in ähnlichen oder in räumlich und zeitlich zugehörigen Gebilden. Es 
kommt dann zu einer Vermengung der sachbestimmten Erinnerung mit Anteilen 
oder Vertretungsgebilden des Verdrängten. Wir können das als den primitivsten 
Fall der Verdichtung ansehen. Auch hier gibt es Übergänge zu den Mechanismen, 
welche wir auch sonst bei Interessenzuwendungen sehen. So können etwa, w enn 
sich dem Auf tauchen des sachentsprechenden Gedankens Hindernisse in den Weg 
stellen, Gebilde auftauchen, welche auf sonst beiseite liegenden Geleisen Ligen. 
Es kann dann der sachentsprechende Gedanke sich vermengen mit solchen Ein¬ 
schiebungen. Das Resultat ist also wiederum eine Verdichtung. Das Prot ukt 
einer Verdichtung kann mm entweder nur schwache Zusätze des Sachentsprecl en¬ 
den enthalten, oder nur schwache Zusätze des Beiseiteliegenden. Es kennen 
alle möglichen Zwischenstufen realisiert sein. Psychologisch kann sich das Pro¬ 
dukt der Verdichtung entw eder darstellen als ein mit einem breiteren Saum der 
Unbestimmtheit gegebener Gedanke (Vorstellung, Wahrnehmung), als symbol¬ 
ähnliches Bild, als Symbol oder als Allegorie. 

Identifizierung, Projektion 3 ). Eine besondere Rolle nehmen jene Verdich¬ 
tungsmechanismen ein, weiche auf einer Vermengung von Subjekt und Objekt be- 

l ) Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, 1922. 

a ) Vgl. hierzu Freud: Die Verdrängung. Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse 
Jg. III, S. 129, 1915. 

a ) Literatur hierüber in: Über Identifizierung. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psy- 
chiatr. Jg. 59, S. 250, 1920. Seither: Freud, Massenpsychologie u. Ichanalyse. 

18* 



196 


Zur Psychoanalyse. 


ruhen. Bei der Identifizierung wird auf Grund von solchen affektiven Mechanismen 
eine fremde Person gleichsam zu dem Besitz des Subjektes hinzugeschlagen. Da 
die Identifizierung auch in den Ausführungen dieses Buches eine große Rolle spielt, 
muß ich einige ergänzende Worte hinzufügen. Wir können nach weisen den Wunsch, 
,,wenn ich doch so wäre wieder Andere“, und wir sehen, wie sich das Individuum 
diesen Wunsch realisiert. Nicht indem es eine bestimmte Rolle spielt, sondern 
indem es sich so benimmt wie der Andere. Oder indem es sich Erlebnisse des 
Anderen zuschreibt. Dabei ist der häufigste Fall der, daß es sich um eine Liebes- 
figur handelt. Wir können sagen, daß in jeder Liebesbeziehung solche Identi¬ 
fizierungstendenzen mit einfließen. Ein jeder möchte das geliebte Objekt gleich¬ 
sam in sich hineinnehmen, und wenn man das Liebesobjekt aus dem Eigenen 
immer mehr und mehr erhöht, die eigene Persönlichkeit zugunsten der ge¬ 
liebten an Werten entkleidet, so nimmt man auf der anderen Seite mit der gelieb¬ 
ten Person alles in sich zurück. Würde man sich vollständig mit der geliebten 
Person identifizieren, hätte man sie völlig in sich aufgenommen, so wäre die 
Liebesbeziehung hiermit erledigt. Dann ist man ja im übertragenen Sinn selbst 
die Liebesfigur. Man braucht sie also nicht mehr, sie ist gleichsam erledigt. Das 
ist das Verfahren, das der Homosexuelle mit seinen heterosexuellen Objekten 
einschlägt. Es scheint, daß für die normale Liebe das Schweben zwischen der 
Identifizierungstendenz und denjenigen Kräften, welche der fremden Persönlich¬ 
keit ihren Wert belassen, charakteristisch ist. Es ist nun wichtig, daß bei der völlig 
durchgeführten Identifizierung mit einer anderen Person sogleich eine Reihe von 
persönlichen Eigenschaften überflüssig wird, nämlich alle jene, welche die Bezie¬ 
hung zum Liebesobjekt vermittelten. Man sieht nun, daß diese ausgestoßen 
werden und in das neue Liebesobjekt hineingeraten können. Dieses ist dann 
gleichsam das Abbild der Persönlichkeit, wie sie vor der Identifizierung war. 
Man kann von einer Ichprojektion sprechen. Es wird aber nicht nur unter dem 
Einflüsse des Wunsches eine fremde Gesamtpersönlichkeit in die eigene aufge¬ 
nommen, sondern es können auch einzelne Eigenschaften dem Individuum ein¬ 
gegliedert werden, ebenso können eigene einzelne Eigenschaften hinausgestoßen 
werden. Schließlich kann das Subjekt durch beliebige Teile der Objektwelt 
bereichert werden und beliebige Teile in die Objektwelt hinausstoßen. Diese 
Vorgänge kann man als Appersonierung und Projektion bezeichnen. Auch 
sie geschehen unter dem Einflüsse biologischer Einstellungen. Diese Dinge habe 
ich im zweiten Kapitel ausführlich behandelt, es sind doch wohl besondere Ab¬ 
arten biologischer Einstellungen. Wenn auch alle affektiven Mechanismen Ver¬ 
wandtschaft haben, so darf doch die besondere Eigenart dieser Fälle nicht über¬ 
sehen werden 1 ). 

Fixierungsstellen und Kindheitserlebnisse. Freud 2 ) vertritt die An¬ 
schauung, bestimmte Stufen der Sexualentwicklung seien entweder durch die mit¬ 
gegebene Sexualkonstitution oder durch Kindheitserlebnisse vorbereitet, so daß 
sie bei einer Rückstauung der Libido neuerlich belebt werden. Diese vorbereiteten 
Stellen der Libidoentwicklung werden als Fixierungsstellen bezeichnet. Es ist 
durchaus wahrscheinlich, daßdieseThese zutrifft. Die besondere Konstitution wirkt 

*) Über die Beziehungen der Identifizierung zur oralen Libido, vgl. Freud: Trauer 
und Melancholie. Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. IV, S. 288, 1917. 

2 ) Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. 



Zur Psychoanalyse. 


197 


ebenso wie bestimmte Erlebnisse verstärkend inbezug auf einen Partialtrieb, und 
selbst wenn die Entwicklung diesen Partialtrieb der gesamten Sexualkonstitution 
eingeordnet hat, wird bei Versagungen dieser Partialtrieb zunächst belebt werden 
müssen. Mit dem Trieb als solchem werden nun auch bestimmte ihm zugehörige 
Erlebnisse auftauchen müssen, anderenteils kann ausgesagt werden, Kindheits¬ 
erlebnisse haben einen gewissen Wirkungswert, dessen dynamische Bedeutung 
von den aktuellen Erlebnissen abhängt. Ist diese analytische Theorie richtig, 
so muß für den Narzißmus ein Hervorbrechen von Regungen gefordert werden, 
wie sie der allerfrühesten Periode des individuellen Daseins zu eigen sind. Auch 
hier könnte gefragt werden, ob es nicht Erlebnisse dieser Stufe gäbe, welche fixie¬ 
rend wirken. Anderenteils sind wir ja gewohnt, auch die Sexualkonstitution in 
bestimmten Kindheitserlebnissen ausgedrückt zu sehen. Wir kennen weder die 
spezifischen Kindheitserlebnisse der narzistischen Stufe, noch die der narzistisch- 
homosexuellen. Stärcke 1 ) hat einige Vermutungen geäußert bezüglich der Bedeu¬ 
tung, welche den Erlebnissen beim Saugakt des Säuglings zukommen. Doch sind 
diese Aufstellungen nicht durch Tatsachen begründet. W 7 ir sind auf die Annahme 
des Hervorbrechens einer bestimmten Konstitution angewiesen; auch diese 
Annahme ist jedoch ergänzungsbedürftig. Wir können nicht nachweisen, daß 
die Entstehung einer schizophrenen oder paraphrenen Psychose durch bestimmte 
psychische Erlebnisse gewährleistet ist. Es ist nicht so, daß bei einem zur Schizo¬ 
phrenie disponierten ein bestimmter seelischer Konflikt jederzeit die Schizophrenie 
auslösen könnte; es ist demnach nicht eine Eigentümlichkeit der seelischen Kon¬ 
stitution dieser Kranken, daß sie bei einem seelischen Konflikt zum Narzißmus 
regredieren. Es gibt wohl solche Reaktionen, wir bezeichnen sie als schizoid, 
aber Schizophrenie und schizoide Reaktion haben zwar verwandte Züge, sind aber 
nicht identisch 2 ). Bei der überwiegenden Mehrzahl der Schizophreniefälle gewinnt 
man den Eindruck, daß eine Intoxikation über den Organismus hereinbricht. 
Diese Intoxikation ist zwar konstitutionell vorbereitet, nur liegt diese Vorberei¬ 
tung nicht auf psychischem, sondern auf körperlichem Gebiete. Es scheint ganz 
allgemein so zu sein, daß auf Grund einer Intoxikation oder organischen Hirn¬ 
schädigung eine primitive Reaktionsweise der Psyche auf ihre Probleme eintritt 8 ). 
Ich erinnere an die toxischen Erscheinungen des Haschischrausches und an gewisse 
epileptische Dämmerzustände, welche in sehr vielen Punkten schizophrenen Psy¬ 
chosen ähneln. Mit anderen Worten, die Möglichkeit zur narzistischen Regression 
wird durch bestimmte körperliche Bedingungen bei jedem Menschen geschaffen. 
Vielleicht kann man dieee Gesichtspunkte ganz allgemein auf die Psychosen- und 
Neurosenlehre anwenden. Der W 7 irkungs wert gegenwärtiger und vergangener Erleb¬ 
nisse ist demnach von körperlichen, außerpsychischen Faktoren mit bestimmt. Ich 
komme so wiederum zu den im vorangehenden Kapitel vertretenen Anschauungen. 

Es soll nicht vergessen werden, daß wir schon heute in der Lage sind, einen 

*) Der Kastrationskomplex. Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. VII, 
S. 9, 1921. 

*) Vergleiche hierzu die Arbeiten von Kahn, Popper und Kretschmer. (Zur 
Frag'? des schizophrenen Reaktionstypus, Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. 
Jg. 66, S. 273, 1921. Der schizophrene Reaktionstypus, ebenda Jg. 62. S. 94, 1921. 
Körperbau und Charakter 1921. Berlin: Julius Springer. 

8 ) Vergleiche hierzu meinen Aufsatz: Über die kausale Bedeutung des durch Psycho¬ 
analyse gewonnenen Materials. Wien. klin. Wochenschr. Nr. 29, 1921. 



198 


Zur Psychoanalyse. 


Teil der körperlich wirksamen Faktoren psychisch zu definieren; ich erinnere 
daran, daß etwa die Konstitution der Zwangsneurose psychologisch als sadistisch¬ 
anale definiert werden konnte. Erlebnisse der frühen Kindheit sind überhaupt 
wichtige Indikatoren für die Konstitution, wofern sie nicht selbst „konstitutions¬ 
bildend“, „fixierend“ wirken. Ein großer Teil der Schizophrenen und Para- 
phrenen greift selbst immer wieder auf Kindheitserlebnisse zurück. Ich verweise 
auf die Krankengeschichten der Fälle II, IV, XII und XXI. In den Fällen IX, XV, 
XVI und XVII tritt der Oedipuskomplex in ausgesprochen infantiler Form 
hervor. Wahrscheinlich sind die erinnerten Erlebnisse durch vorangegangene 
determiniert, die nicht unmittelbar erinnert werden. Alle diese Kindheitserleb¬ 
nisse wirken kausal bestimmend mit auf die spätere Gestaltung des psychotischen 
Bildes, wenn sie auch nur mehr oder minder wichtige Einzelglieder der kompli¬ 
zierten kausalen Verkettungen sind. 

Der Begriff der Psychose muß demnach biologisch definiert werden. Es ist 
nicht richtig, wenn Stäre ke 1 ) behauptet, auf einer einsamen Insel könne der Ein¬ 
zelmensch gar nicht psychotisch sein. Der Mensch mit katatonem Stupor oder 
einer sonstigen schwerenForm derSchizophrenieundParaphreniemüßtezu Grunde 
gehen. Die Psychose ist nicht nur Gegensatz zu einer künstlich aufgezwungenen 
Kultur, wie Stäre ke will, sondern ist biologische Abänderung. Letzten Endes 
irrt Stärcke deshalb, weil er die Kultur als äußerlich und willkürlich auffaßt, 
während sie sich doch aus biologischen Strebungen entwickelt hat ; so ist der 
in den Kultureinrichtungen geforderte Sexualverzicht nur denkbar als Objekti¬ 
vierung der Ambivalenz der Sexualstrebung. 

Ausblicke. 

Ich bin mir bewußt, nur einen Ausschnitt aus der Psychologie der Schizo¬ 
phrenie gegeben zu haben. Die Psychologie der amenten Zustandsbilder ist 
ebensowenig berücksichtigt wie die der schwereren schizophrenen Verblödungen 
und des inkohärenten Rededranges 2 ). Allerdings scheinen sich von den hier 
erörterten Gesichtspunkten aus bereits Ausblicke auf diese Störungen und das 
Problem der Demenz überhaupt zu ergeben. Die schizophrene Denkstörung 
zeigt eine Abänderung der Begriffsgrundlage und des Bedeutungsaktes. Diese 
Abänderung der Begriffsgrundlage erinnert in sehr vieler Hinsicht an die Ab¬ 
änderung des Wahrnehmungsbildes bei den Agnosien, nur daß wir bei den ersteren 
den psychischen Weg verfolgen können, auf dem sie zustande kommen, während 
bei den Agnosien das Wahrnehmungsbild körperlich angegriffen wird; in beiden 
Fällen wird das sphärische Material durcheinander gewürfelt; es finden Verschie¬ 
bungen, Verdichtungen, Zerreißungen und Zerstückungen statt. Die paralytische 
Demenz sieht man gelegentlich im Gefolge einer psychogenen Erregung auf treten; 
man sieht dann, wie Teile der Wirklichkeit unter Affektwirkung in der charakte¬ 
ristischen paralytischen Art vernachlässigt werden. Einer meiner Patienten 
zeigte nur im Verlaufe einer solchen Erregung paralytische Rechenfehler 3 ). Man 

*) Psychoanalyse und Psychiatrie. Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse Jg. IV, 
1921, Beihefte. 

*) Auf die Arbeiten von Kleist und Pfersdorf habe ich bereits verwiesen. 

8 ) Vergleiche meine Arbeit : Bemerkungen aber die Psychologie des paralytischen 
Größenwahns. Zeitsehr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. Jg. 74, 8. 1, 1922. 



Schlußwort. 


199 


könnte denken, daß die organische Zerstörung der Paralyse die Fähigkeit hemme, 
gewisse Strukturen der Außenwelt aufzufassen, und man kann sich diese Hem¬ 
mung als Funktionsabänderung seelischen Ablaufs denken. Verteilung und Do¬ 
sierung dieser Hemmungen sind freilich eigenartig. Eine nähere Charakterisierung 
steht noch aus. Immerhin sind die Beziehungen zwischen der paralytischen und 
der Pseudodemenz vielleicht enger, als man im allgemeinen annimmt. Man wird 
auch nicht verkennen dürfen, daß diese Hemmungen der Wirklichkeitsauffassung 
mit einer Enthemmung primitiver Triebregungen einhergeht. Der paralytische 
Größenwahn kann aufgefaßt werden als die Entfesselung gewisser Phantasien, 
die auch im Gesunden angelegt sind. All das bedürfte noch einer eingehenderen 
Begründung 1 ). 

Schlusswort. 

Dieses Buch geht von der metaphysischen Anschauung aus, es sei uns ein Stück 
der wirklichen Außenwelt und Wertwelt zugänglich und erfaßbar. Es sieht in der 
Organisationsbedingtheit der Wahrnehmung keinen Gegenbeweis gegen diese An¬ 
schauung. Denn eben diese Organisation ist ja wieder ein Stück der Außenwelt. 
Im Triebleben sieht es eine Fortsetzung der Organisation. Man hat mm stets auf 
die Täuschungen über die Außenwelt hingewiesen, welchen der Gesunde ebenso 
wie der Geisteskranke unterworfen ist, und daraus wiederum einen Beweis gegen 
die Verläßlichkeit unserer Auffassung der Welt geschmiedet. Hier wird mm ge¬ 
zeigt, daß sich Trugwahmehmung und Truggedanke (Wahn) auf Abänderungen 
des Trieblebens zurückführen lassen. Ein biologisch abgeänderter Organismus 
führt eine andere Umwelt mit sich. Aber diese veränderte Welt geht einher mit 
einem oberflächlicheren Erleben, mit einer geringeren Betätigungsmöglichkeit 
für die Gesamtpersönlichkeit, mit einer geringeren Vereinheitlichung der Akte, 
mit einem verwischteren Persönlichkeitserlebnis; die Persönlichkeit entfaltet sich 
nur an einer reich gegliederten, strukturierten Außenwelt und die Tiefe der Glie¬ 
derung der zugänglichen Außenstruktur ist ein unmittelbarer Maßstab für den 
Reichtum des Erlebens. Dieser wird als Wertmaßstab und als Gradmesser des 
Erkennens genommen, gleichgültig, ob er sich im Erkennen, im Fühlen oder im 
Handeln zeigt. Es wird nun nachgewiesen, daß die Begriffsbildung beim Schizo¬ 
phrenen und Paraphrenen Strukturen vernichtet; es wird gezeigt, daß Differen¬ 
zierungen aufgehoben werden, daß die Begriffswelt eine einförmigere wird, daß 
die Begriffswelt dieser Kranken an Fülle, Farbigkeit, Buntheit, Mannigfaltigkeit, 
Gliederung Einbuße erfährt. Für das Wesen des Begriffes folgt daraus, daß er als 
Spiegelbild körperlicher Organisation in die biologische Welt hineingehört, dem 
Triebleben zugeordnet ist, in ähnlicher Weise wie der starre Bau der Wahmeh- 
mungsorgane. Körper und Welt, Subjekt und Objekt gewinnen ihre Abgrenzung 
aus den Einstellungen des Trieblebens. Die Abgrenzungen des Gesunden ge¬ 
währleisten wiederum eine größere Reihe von Handlungsmöglichkeiten, eine grö¬ 
ßere Differenzierung im Tun und eine größere Fülle im Erleben. Jener Zustand, 
in dem Körper und Außenwelt in eins zu verfließen scheinen, hebt Handlung 

*) Während der Korrektur erschien in d. Beiheft. Nr. 5 (1922) zur Internat. Zeit¬ 
schrift f. ärztl. Psychoanalyse eine Abhandlung von Forenczi und Hollos über die 
progressive Paralyse, welche freilich nur die Enthemmungen zu charakterisieren 
sucht und an dem Problem der Demenz vorbeigeht. 



200 (/ f sf y j Schlußwort. 

und Differenzierung auf. Aber jeder Akt der Neudifferenzierung geht zurück auf 
eine solche Phase der Einschmelzungen der Differenzierungen. Die Halluzi¬ 
nation, der Wahn, sind Beispiele für Neudifferenzierungen, welche nicht zu einer 
reicheren Fülle im Handeln führen, offenbar deshalb, weil diese Neudifferenzierung 
zu reibungslos vonstatten geht. Zur vollen Entfaltung des Erlebens gehört eine 
Fülle sich stets erneuernder Widerstände, die wirkliche Außenwelt ist offenbar 
jene, welche uns das reichste Ausmaß solcher Widerstände darbietet 1 ). Die fort¬ 
währende Überwindung jener zahlreichen Zwischenantriebe, welche nur der 
Kontakt mit der wirklichen Welt bietet, treibt erst die ganze Persönlichkeit 
hervor, wobei das tiefe Glück und der tiefe Genuß Ruhepunkte bieten, in denen 
Körper und Welt, Subjekt und Objekt alle Differenzierungen aufgebend in eins 
verfließen. Zwischen diesen beiden Polen liegt das Leben. Die schizophrene 
Psychose, welche uns immer wieder die Vorbedingung des reichen Lebens zeigt, 
ist dem Unbefangenen eine Versprechung reicheren Lebens, das sie freilich in 
der Mehrzahl der Fälle nicht erreicht. Als ethische Forderung kann sich immer 
wieder nur die nach der Zuwendung zu einer reichen Außenwelt ergeben, hieraus 
erfließen die wahren Persönlichkeitswerte. Diese Werte sind zugleich biologische, 
wobei freilich Bios in einem höheren Sinne genommen wird, welcher Seele und 
Körper in gleicher Weise umfaßt. Der Körper erscheint dann nur als eine Ausfäl¬ 
lung der triebhaften Seele. Das krank machende Gift der Schizophrenien und 
Paraphrönien verändert zunächst die Triebhaftigkeit, soweit sie psychologisch 
faßbar ist, aber es macht auch vor der bereits zum starrem Körper gewordenen 
lebendigen Natur nicht halt, es vernichtet schon zum Organ gewordene Struk¬ 
turen, so daß einzelne Symptome zu bestimmten zerebralen Systemen in Be¬ 
ziehung gebracht werden können. Krankheiten sind eben nicht psychologischer, 
sondern physischer Natur und die Schizophrenie wie die Paraphrenie sind körper¬ 
liche Krankheiten 2 ). So zeigt sich denn, daß ein psychologisches Verständnis 
auch dann möglich ist, wenn physische Erkrankung in das Seelenleben eingreift; 
freilich wird dieses Verständnis nur ermöglicht durch die Benutzung psychoanaly¬ 
tischer Forschungsmethoden und Forschungsresultate, anderenteils ergeben sich 
auf diesem Wege ungezwungen überwältigende Reihen von Tatsachen, welche 
die Richtigkeit psychoanalytischer Grundanschauungen beweisen. So treiben 
uns denn metaphysische Voraussetzungen in immer innigere Berührung mit 
den Tatsachen und den Erscheinungen der Welt, sie zwingen neue Tatsachen 
hervor und kehren geläutert als Verlockungen zu sanfter Ruhe wieder, so daß 
der Prozeß der Forschung selbst als ein armes Beispiel jenes großen Lebens¬ 
vorganges erscheint, welcher vom Werden zur Vernichtung und von der Ver¬ 
nichtung zum Werden geht. Ist es nur eine Hoffnung, daß im kleinen und im 
großen Kreis, im Wechselspiel des Ein-und Ausatmens der Reichtum sich vermehre ? 

*) Um mich vor Mißverständnis zu schützen: für mich gibt es eine ,»wirkliche** 
Sachwelt und eine „wirkliche“ Wertwelt. Was von diesen faßbar wird, ist Funktion 
der biologischen Organisation. In diesem Sinne wird Wertwelt, Begriffswelt, Ding¬ 
welt Spiegelbild der Organisation. 

2 ) Das gesamte psychiatrische Material, auf das sich diese Untersuchungen stützen, 
entstammt der Universitätsklinik in Wien. Herrn Hofrat Wagner, der mir durch 
die gütige Überlassung des Materiales diese Arbeit ermöglichte, fühle ich mich auf 
das tiefste verpflichtet. 



Verlag von Julius Springer in Berlin. W 9 


Über das Wesen der Hypnose 

Von 

Paul Schilder 

Dr. med. et phil., Privatdozent an der Universität Wien 
Zweite, durchgesehene Auflage 
1922. GZ. 1,2 

Inhaltsübersicht: 

I. Vorstellung und Wahrnehmung 

II. Die körperlichen Grundlagen der Hypnose 

III. Der Bewußtseinszustand der Hypnotisierten. Gedächtnis 
und Hypnose 

IV. Die psychische Haltung der Hypnotisierten 

V. Der Hypnotiseur 

Anmerkungen und Zusätze 


Selbstbewusstsein 
und Persönlichkeitsbewusstsein 

Eine psychopathologische Studie 

Von 

Dr. Paul Schilder 

Assistent an der Psychiatrischen und Nervenklinik 
der Universität Leipzig 

(Heft 9 der „Monographien aus dem Gesamtgebiete 
der Neurologie und Psychiatrie“) 

1914. GZ. 14 

Für die Bezieher der „Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ und 
des „Zenlralblalles für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ Vorzugspreis GZ. 11,2 


Wahn nnd Erkenntnis 

Eine psychopathologische Studie 

Von 

Dr. med. et phil. Paul Schilder 

Mit 2 Textabbildungen und 2 farbigen Tafeln 

(Heft 15 der „Monographien aus dem Gesamtgebiete 
der Neurologie und Psychiatrie“) 

1918. GZ. 7,6 

Für die Bezieher der „Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ und 
des „Zenlralblalles für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ Vorzugspreis GZ. 6,1 


Die Grundzahlen ( QZ.) entsprechen den ungefähren Vorkrie^spreisen und ergeben mit dem jeweiligen Ent¬ 
wertungsfaktor (Umtechnungsschlüssel) vervielfacht den Verkaufspreis. Über den zur Zeit geltenden Umrech - 
nungsschlässel geben alle Buchhandlungen sowie der Verlag bereitwilligst Auskunft 










Verlag von Julius Springer in Berlin W 9 


Monographien ans dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie 

Herausgegeben von 0. Foerster-Breslau und K. Wllmanns-Heidelberg. 

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4 


^ V --- --- -- ww XAVIUVIMVI^I 

Die Bezieher der „Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie“ sowie die des ..Zentralblattes für 
die gesamte Neurologie und Psychiatric“ erhalten sämtl. Hefte zu einem ermäßigten Vorzugspreis der geson¬ 
dert aufgeführt ist. * 

Heft 20: Über die Iuvenile Paralyse. Von Dr. Toni 
Sebmldt-Kraepolln. Mit 9 Textabbildungen. 1920 . 

GZ. 9; Vorzugspreis GZ. 7.2 


f Heft 1: Über nervöse Entartung. Von Prof. Dr. 
I med. Olwald Bnmke, Freiburg i. Br. 1912. Vergriffen. 
Heft 2: Die Migräne. Von Edward Flatau, War¬ 
schau. Mit 1 Textfigur und 1 farbigen Tafel. 1912. 

GZ. 12: Vorzugspreis GZ. 9.6 
HeftS: Hysterische Lähmungen. Studien über ihre 
Pathophysiologie und Klinik. Von Dr. H. di Gaspero, 
Graz. Mit 38 Figuren im Text und auf einer Tafel. 
1912. GZ. 8.5; Vorzugspreis GZ. 6.8 

Heft 4* Affektstörungen. Studien über ihre Ätio¬ 
logie und Therapie. Von Dr. med. Ludwig Frank, 
Müllsterlingen, Thurgau. 1913. 

GZ. 16; Vorzugspreis GZ. 12.8 
Heft 5: Über das Sinnesleben des Heugeborenen. 
(Nach physiologischen Experimenten.) Von Dr. Silvio 
Canestrlnl, Graz. Mit 60 Figuren im Text und auf 
1 Tafel. 1913. GZ. 6; Vorzugspreis GZ. 4.8 

Heft 6: Über Hallnzinosen der Syphilitiker Von 
Privatdozent Dr. Felix Plaut. München. 1918. 

GZ 5.6; Vorzugspreis GZ. 4 5 
Heft 7: Die agrammanschen Sprachstörungen. 
Studien zur psychologischen Gt undlegung der Aphasic- 
lehre. Von Prof. Dr. Arnold Pick, Prag. l.Teil. 1913. 

GZ. 14; Vorzugspreis GZ. 11.2 
Heft 8: Das Zittern. Seine Erscheinungsformen, 
seine Pathogenese und klinische Bedeutung. Von Prof. 
Dr. Josef Pelnär, Prag. Aus dem Tschechischen über¬ 
setzt von Dr. Gustav Mühlstein, Prag. Mit 125 Text¬ 
figuren 1913. GZ. 12; Vorzugspreis GZ. 9.6 

Heft 9: Selbstbewußtsein und Persönllehkelts- 
bewußtseln. Eine psychopathologische Studie. Von 
Dr. Paul Sehiider. Leipzig. 1914. 

GZ. 11; Vorzugspreis GZ. 11.2 
Heft 10: Die Gemelugeffthrllchkelt in psychia¬ 
trischer. juristischer und soziologischer Beziehung. Von 
Privatdozent Dr. jur. et med. M. H. Görlng, Gießen. 
1915- GZ. 7; Vorzugspreis GZ. 5.6 

Heft 11: Postoperative Psychosen. Von Prof. Dr. 
K.Kleist, Erlangen.1916. GZ. 1.8: Vorzugspreis GZ. 1.5 
Heft 12: Studien über Vererbung und Entstehung 
geistiger Störungen. I. Zur Vererbung und Neuent¬ 
stehung der Dementia praecox. Von Prof. Dr. Frnst 
Rüdln, München. Mit 66 Figuren und Tabellen. 1916. 

GZ. 9; Vorzugspreis GZ. 7.2 
Heft 13: Die Paranoia. Eine monographische 
Studie. Von Dr. Hermann Krueger. Mit 1 Textabbil¬ 
dung. 1917. GZ. 6.8; Vorzugspreis GZ. 5 4 

Heft 14: Studien über den Hirnprolaps. Mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung der lokalen posttraumati- 
schen Hirnschwellung nach Schädelverletzungen. Von 
Dr. Heinz Schrottenbach, Graz. Mit Abbildungen auf 
19 Tafeln. 1917. GZ. 6; Vorzugspreis GZ. 4.8 
Heft 15: Wahn und Erkenntnis. Eine psycho¬ 
pathologische Studie. Von Dr. med. et phil. Paul Schil¬ 
der. Mit 2 Textabbildungen und 2 farbigen Tafeln. 

GZ. 7.6; Vorzugspreis GZ. 6.1 
Heft 16: Der sensitive Beziehungswahn. Ein Bei¬ 
trag zur Paranoiafrage und zur psychiatrischen Charak- 
teriehre. Von Dr. Ernst Kretschmer in Tübingen. 1918. 

GZ. 11; Vorzugspreis GZ. 9.8 
Heft 17: Das mantsch-melancholische Irresein 
(Manisch-depressives Irresein Kraepelin). Eine mono¬ 
graphische Studie. Von Dr. Otto Rehm. Mit 14 Text- 
abb. und 18 Tafeln. 1919. 

„ _ GZ. Vorzugspreis GZ. 8.4 

Heft 18: Die paroxysmale Lähmung. Von Dr. 
Albert K. E Schmidt. Mit 4 Textabbildungen. 1919. 
„ # .. GZ. 5.8; Vorzugspreis GZ. 4.6 

Heft 19: über Wesen und Bedeutung der Affektivi¬ 
tät. Eine Parallele zwischen Affektivität und Licht- 
und Farbenempfindung. Von Privatdozent Dr. E. 
Fankhauser in Waldau bei Bern. Mit 6 Textabbil¬ 
dungen. 1919. GZ. 6.5; Vorzugspreis GZ. 5.6 


„ ^ * wzugspreji Mit. 7.2J 

Heft 21 : Die Inflnenzapsyehosen und die Anlage 
xu Infektlonspsyehosen. Von Prof. Dr. K. Kleist, 
Frankfurt a. M. 1920. 

GZ. 4.5; Vorzugspreis GZ. 3.8 
Heft 22: Die Beteiligung der humoralen Lebena- 
vorgftngo dos menschlichen Organismus am epilepti- 
sehtn Anfall. Von Dr. Max de CrlnU, Graz. Mit 28 
Kurven Im Text 1920. 

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Heft 23: Beiträge sur Ätiologie und Klinik der 
schweren Formen angeborener uod früh erworbener 
Sohwaehslnnszustftnde. Mit einem Anhang über 
Langen- und Massrnwachstum idiotischer Kinder. 
Von Dr. A. Dollinger, Charloltenburg. Mit 22 Kur¬ 
ven. 1921. GZ. S; Vorzugspreis GZ. 6.4 

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Im Strafrecht, im Strafvollzüge und ln der Irronpflogo. 

Ein Beitrag zur Reform der Strafgesetzgebung, de» 
Strafvollzuges und der Irrenfürsorge. Von Dr Peter 
Rixen, Nervenarzt in Brieg. 1921. 

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Heft 25: Die klinische Heuorientierung znm Hy¬ 
sterie pro blem unter dem Einflüsse der Kriegser¬ 
fahrungen. Von Privatdozent Dr. med. Karl Pöntts, 
Halle. 1921. GZ. 5.3; Vorzugspreis GZ. 4.5 

Heft 26: Studien über Vererbung und Entstehung 
geistiger Störungen. Von Ernst Rüdln in München. II 
Die Nachkommenschaft bei endogenen Psychosen. 
Genealogisch-charakterologische Untersuchungen von 
Dr. Hermann Hof (mann, Tübingen. Mit 43 Textabbil¬ 
dungen. 1921. GZ. 18; Vorzugspreis GZ. 15.3 
Heft 27: Studien über Vererbung und Entstehung 
geistiger Störungen. Von Ernst Rüdln in München. 
III. Zur Klinik und Vererbung der Huntingtonschen 
Chorea von Dr. Josef Lothar Entres, Eglfing. Mit 
2 Tafeln, 1 Textabbild. und 18 Stammbäumen. 1921. 
„ Ä „ GZ. 11; Vorzugspreis GZ. 9.4 

Heft 28: Der Balken. Eine anatomische, physio- 
pathologische und klinische Studie. Von Professor 
Dr. G. Nlngazzlni, Rom. Mit 84 Textabbildungen. 
1922 - GZ. 14; Vorzugspreis GZ. 11.9 

Heft 29: Untersuchungen über die körperlichen 
Störungen bei Geisteskrankheiten. Von Privatdozent 
Dr. 0. Wuth, München. Mit 63 Textabbildungen. 
1922 - GZ. 7.5; Vorzugspreis GZ. 7 

Heft 30: Die epidemische Encephalitis. Von Prof 
Dr. med. Fells Stern. Göttingen. Mit 12 Textabbil¬ 
dungen. 1922. GZ. 12; Vorzugspreis GZ. 10 

Heft 31: Katatonische Erscheinungen Im Rahmen 
manischer Erkrankungen. Vou Privatdozent Dr med. 
Job. Lange, München. Mit 5 Textabbildungen. 1922. 

GZ. 8.5; Vorzugspreis GZ. 7 
Heft 32: Das archaisch-primitive Erleben und 
Denken der Schizophrenen. Entwicklungspsvcholo- 
giseh-klinisehe Untersuchungen zum Scliizophrenie- 
problcm. Von Dr. Alfred Storch. 1922. 

GZ. 3.6; Vorzugspreis GZ. 8 
Heft 33: Der amyostatische Symptomenkomplex. 
Klinische Untersuchungen unter Berücksichtigung, 
allgemein pathologischer Fragen. Von Privatdozent 
Dr. A. Bostroem, Leipzig. Mit 12 Textabbildungen. 
1922 - GZ. 8; Vorzugspreis GZ. 6.8 

Heft 34: Die Lehre vom Tonus und der Bewegung. 
Zugleich systematische Untersuchungen zur Klinik, 
Physiologie, Pathologie und Pathogenese der Para- 
lysis agitans. Von Privatdozent Dr. F. H. Lewy, 
Berlin. Mit 569 zum Teil farbigen Abbildungen und 
8 Tabellen. Erscheint. Anfang 1923. 


Die Grundzahlen (GZ.) entsprechen den ungefähren Vorkriegspreisen und ergeben mit dem jeweiligen Ent - 
Wertungsfaktor (Cmrechnungsscii/Üssc/J vervielfacht den Verkaufspreis. Über den zur Zeit geltenden Umrech- 
uungssch/iissef geben alle Buchhandlungen sowie der Verlag bereitwilligst Auskunft. 





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